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IVERSITY LIBRARY
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Zentralblatt
für
CHIRURGIE
herausgegeben Be
von
K. GARRE F. KÖNIG E. RICHTER
in Bonn in Jena in Breslau
— nn
Fünfunddreißigster Jahrgang
Nr. 27—52
LEIPZIG
Verlag von Johann Ambrosius Barth
1908
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Zentralblatt für Chirurgie
herausgegeben von
K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER,
in Bonn,- in Berlin, in Breslau.
35. Jahrgang.
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG.
Inhalt.
I. C. Helbing, Zur Technik der Gaumenspaltenoperation. — II. Lotheissen, Ein Vorschlag
zur Operation tiefsitzender Ösophagusdivertikel. (Originalmitteilungen.)
1) Kolle und Wassermann, Pathologische Mikroorganismen. — 2) Eichhorst, Handbuch der
speziellen Pathologie und Therapie innerer Krankheiten. — 8) Mueller, Die Empfindungen in den
inneren Organen. — 4) Journal de chirurgie. — 5) Aichel, 6) Wieting und Hamadi, 7) Babler,
8) Lexer, Zur'Geschwulstlehre. — 9) Dreyer, Eiterprüfung mit Millon’s Reagens. — 10) Looser,
Rachitis u. Osteomalakie. — 11) Championniöre, Knochenbrüche. — 12) Karewski, Zur Röntgen-
untersuchung. — 13) Caminiti, Verpflanzung von Muskellappen. — 14) Wolf, Zur osmotischen
Spannung. des Venenblutes. — 15) Fichera, Zur Stauungsbehandlung. — 16) Forster, 17) Siemer-
ling, Hirngeschwüiste. — 18) Bönninghaus, Ohrenheilkunde. — 19) Dieulaf6 und Herpin, Stö-
rungen durch den Weisheitszahn. — 20) Blumenfeldt, Zeitschrift für Laryngologie, Rhinologie und
ihre Grenzgebiete. — 21) Eckstein, Halsrippen und Skoliose. — 22) Berry, Das Saugverfahren bei
tuberkulösen Halsdräsen. — 23) Garrd, Basedow’sche Krankheit. — 24) Geis, Die Epithelkörper-
chen. — 25) Hildebrand, Zur Speiseröhrenchirurgie. — 26) Beck, Chirurgische Krankheiten der
Brust. — 27) Le. Conte, Lungenzerreißung. — 28) Dawbarn, Brustkrebs.
29) Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins. — 80) Cheatle, 31) Groyer, Zur Krebslehre. —
33) Rosenkranz, Fulgurationsbehandlung. — 38) Jogiches, Angiombehandlung. — 84) Gardiner,
Behandlung mit Röntgenstrahlen und hochfrequenten Strömen. — 35) Proskurjakow, Photo-
therapie. — 86) Morso und Mandelbaum, Zur Behandlung eitriger Prozesse. — 37) Anzilotti, Zur
Pseudarthrosenbehandlung. — 38) Ottenberg, Bluttransfusion. — 39) Forgue und Roger, Gum-
möse Nekrose des Schädelknochens. — 40) Dobrowolsky, Fibroma molle der Schädelweichteile.
— 41) Apelt, Hirnpunktion. — 42) Allen, Status epilepticus, Hirnpunktion. — 48) Küttner, Zur
Chirurgie des Gehirns und Rückenmarks.
I.
Zur Technik der Gaumenspaltenoperation.
Vorläufige Mitteilung.
Von
Dr. med. Carl Helbing,
Assistenten und derzeitigem Leiter der Kgl. Universitäts-Poliklinik
für orthopädische Chirurgie zu Berlin.
ei 38 Gaumenspaltenoperationen, die ich im Laufe der letzten
6 Jahre ausgeführt habe, hat sich mir die v. Langenbeck’sche
Methode so ausgezeichnet bewährt, daß ich nicht verstehe, warum
noch immer andere, viel kompliziertere und schwierigere Operations-
verfahren angegeben werden (z. B. die Methoden nach Lane). Ich
glaube, daß vielfach die Mißerfolge daran schuld sind, die aber nicht
der Methode, sondern wohl der mangelhaften Technik zuzuschreiben sind.
27
810 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27.
Als einen großen Fortschritt in der Technik der Gaumenspalten-
operation betrachte ich die von Julius Wolff eingeführte Zweizeitig-
keit der Operation. Die Vorteile dieses Operationsverfahrens liegen
in folgenden Punkten:
Erstens erfolgt der eingreifendere Teil der Operation, d. i. die
Ablösung der Lappen, der immer mit einem gewissen Blutverlust ver-
bunden ist, 4—5 Tage vor der eigentlichen Naht, so daß kleinen
Kindern während dieser Zeit wieder Gelegenheit zur Erholung ge-
geben ist.
Zweitens haben die abgelösten Lappen, welche unmittelbar nach
der Ablösung in ihrer Ernährung oft geschädigt und anämisch sind,
Zeit, sich zu erholen, so daß selbst bei einer ganz schmalen vorderen
Brücke die Gefahr einer partiellen Lappennekrose, die bei gleich-
zeitiger Naht von mir beobachtet wurde, fast ausgeschlossen ist.
Drittens werden die Lappen für die Naht besser präpariert da-
durch, daß sie in ihrem Dickenvolumen zunehmen und die Wund-
flächen nach der Anfrischung dadurch breiter sind.
. Viertens endlich ist bei dem zweiten Teile der Operation, bei der
Anfrischung und der Naht, die Blutung eine so minimale, daß die
absolut notwendige Exaktheit der Naht viel leichter durchzuführen ist.
. Die Leistungsfähigkeit der zweizeitigen Öperationsmethode wird
am besten durch meine ÖOperationsresultate illustriert.
. In 38 Fällen gelang es mir 26mal, d. i. in 68,4%, durch eine
einmalige Operation einen vollkommenen Verschluß der Spalte zu er-
zielen (v. Eiselsberg und v. Mikulicz haben 30%, Kappeler und
Bunge 50%, Julius Wolff 60% primäre Nahtheilung). Dabei sind
auch die Fälle, bei welchen der Processus alveolaris in die Spalte mit
einbezogen war, und bei welchen nach Bunge >»das Öperieren in
einer Sitzung wegen Gefährdung der Lappen von vornherein aus-
geschlossen ist«, in einer einmaligen Sitzung geschlossen worden.
Auch in diesen Fällen bleibt, wenn man nur die Ablösung der
Lappen der Naht um einige Tage vorausschickt, der Lappen, dessen
vordere Brücke oft auf einer Seite nur einige Millimeter breit ist und
auf dem Alveolarfortsatz selbst zu liegen kommt, so gut ernährt, daß
die Naht in der ganzen Ausdehnung der Spalte ohne Gefahr einer par-
tiellen Lappennekrose unternommen werden kann.
Immerhin gibt es jedoch Fälle, die der gewöhnlichen chirurgischen
Therapie nach der v. Langenbeck’schen Methode deshalb so schwer
zugänglich sind, weil ein Mißverhältnis besteht zwischen der kolossalen
Breite der Spalte und den schmalen Gaumenüberzügen, so daß diese
beiden letzteren zusammengenommen kaum breiter sind als die Spalte
selbst. Die vorhandenen Gaumenplattenreste sind in solchen Fällen
nahezu vertikal gestellt. Nach der Ablösung flottieren die Gaumen-
überzüge als schmale Lappen und können sich nur schlecht nach ihrer
Vereinigung durch Naht an die Gaumenplatten anlegen. Aus den
seitlichen Inzisionen sind dann große Löcher geworden. In solchen
Fällen ist die Gefahr eine sehr große, daB die seitlichen Löcher per-
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812 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27.
röhre. Diese selbst ist gleichsam nur seitlich eingepflanzt. Bei der
durch Osophagogastrostomie geschaffenen neuen Verbindung wird nun
der Magen auch nur an die Seitenwand des Osophagus angelegt; es
wird trotzdem das Divertikel die direkte Fortsetzung des Osophagus
bilden. Man müßte also, um den gewünschten Erfolg zu haben, daß
die Speisen nun anstandslos in den Magen gelangen, den Ösophagus
unterhalb der neuen Anastomose durch Nähte verengen oder noch die
Girard’sche Einstülpung anschließen, was die Operation aber gewiß
wesentlich kompliziert.
Da die Exstirpation eines tiefsitzenden Divertikels aber wegen
der Möglichkeit einer Fistelbildung höchst gefährlich ist, erscheint es
mir als ein geeigneter Ausweg aus diesen Schwierigkeiten, die neue
Verbindung nicht mit der Speiseröhre, sondern mit dem
Divertikel selbst herzustellen und so die von der Natur herbei-
geführten Verhältnisse auszunützen.
In der pneumatischen Kammer kann es gewiß nicht schwieriger
sein, diese Anastomose herzustellen als die Sauerbruch’sche. Nun
besitzt aber nicht jeder eine solche Kammer oder auch nur Überdruck-
apparate, welche die Ausführung einer derartigen transpleuralen Opera-
tion gestatten. Und selbst dann bedarf es noch der Vorübung am
Tier. In solchen Fällen könnte die Anastomose auf abdomi-
nalem Weg ausgeführt werden (Marsipogastrostomia transpleuralis
und abdominalis)t. 5
Die Zahl der echten Osophagusdivertikel ist nicht groß. Starck?
hat seinerzeit 28 Fälle zusammengestellt, von denen freilich ein
Teil aus längst vergangenen Tagen stammt und nur nach den (oft
ungenauen) Angaben der Beschreiber eingereiht werden konnte. Die
meisten bilden zufällige Befunde bei alten Leuten oder machten, auch
wenn sie diagnostiziert waren, so erträgliche Beschwerden, daß eine
operative Therapie hier nicht indiziert gewesen wäre.
Für die Operation kämen wohl nur jene Fälle in Betracht, bei
denen die Beschwerden bedeutend sind, und die Nahrungsaufnahme
nicht genügend ist, um den Körper im Gleichgewicht zu erhalten, wo
also Abmagerung eintritt. Das sind auch die leichter zu erkennenden
Fälle, bei denen das Divertikel schon größeren Umfang besitzt. Wir
finden schon eine Reihe solcher Divertikel beschrieben, die ganz auf
dem Zwerchfell aufruhten.
»Schon de Guise (1833) sagt von einem solchen Divertikel, daß
es »par s& forme, sa position, sa direction et sa distension com-
Boa l’orifice supérieur de l'estomac et empêchait l’entree
ibre des alimens«. Es muß also wohl dicht auf dem Zwerchfell auf-
gelegen haben. Der Pat. hatte seit 15 Jahren Schlingbeschwerden.
Mintz (Deutsche med. Wochenschrift 1893), 49jähriger Mann, Diver-
tikel 200 ccm groß, Grund bei 40 cm von der Zahnreihe Reich-
1 ö uapoınos, der Beutel.
2 Die Divertikel der Speiseröhre, Leipzig, F. C. W. Vogel, 1900.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 813
mann (Wiener klin. Wochenschrift 1893), 44jähriger Mann, Divertikel
100 ccm groß, nach links gelegen, Grund bei 42 cm. Kelling (Mün-
chener med. Wochenschrift 1894), 41jähriger Mann, Sack 300 ccm groß,
Eingang 6 cm über der Cardia, Grund bei 44cm. Reitzenstein
(Münchener med. Wochenschrift 1898), 50jährige Frau, Sack 300 ccm
groß, nach rechts gelegen, Grund bei 46—48 cm. Landauer (Zen-
tralblatt für innere Medizin 1899), 5ljähriger Mann, Grund des
Sackes bei 42 cm. Mintz (Wiener med. Wochenschrift 1903), 57jährige
Frau. Diagnose mit Röntgenstrahlen bestätigt. Grund bei 46 cm.
Sonde kam niemals in den Magen. Tod an Inanition. Operation
(d. h. Gastrostomie) wurde verweigert, ebenso die Obduktion. «
Aus dieser kleinen Zusammenstellung geht hervor, daß solche
Divertikel gerade in einem Alter beobachtet werden, wo man ganz
gut auch einen größeren Eingriff wagen darf, wenn man davon Dauer-
heilung erhoffen kann. Andererseits sieht man aber auch, wie selten
diese tiefsitzenden großen Divertikel sind. Ich konnte daher die
Marsipogastrostomie nicht ausprobieren, ehe ich sie zur Prüfung mit-
teile, da ich vielleicht niemals einen derartigen Fall zu Gesicht be-
komme. Vor 1!/, Jahren glaubte ich schon bei einem älteren Manne
mit sehr tief in den Thorax reichendem Grenzdivertikel die passende
Gelegenheit gekommen; die genaue Untersuchung zeigte aber, daß
eine abdominale Anastomose nicht möglich war. Der Pat. lehnte über-
dies jeden Eingriff ab.
Für geeignete Fälle, wie die oben angeführten, würde sich der
Gang der Operation (die ich nach Leichenversuchen als verhältnis-
mäßig leicht ausführbar ansehen muß) folgendermaßen gestalten: Der
Hautschnitt geht vom Proc. xyphoid. entlang dem linken Rippenbogen
zur Spitze der 10. Rippe. Die Muskeln werden durchtrennt und die
Aufklappung des Rippenbogens nach den Angaben Marwedel’s?
ausgeführt. Cardia und Zwerchfell sind so leicht zu erreichen. Da
man bei den Sondierungen fast immer nur in das Divertikel gelangt,
läßt sich leicht eine Bougie in den Sack einführen, der Finger kann
sie tasten, und vielleicht läßt sich das Zwerchfell sogar ein wenig vor-
bauchen. Das Diaphragma wird nun inzidiert, der Sack, wenn er
frei ist, sofort vorgezogen, ist er verwachsen, etwas losgelöst und sein
Fundus vorgezogen und sogleich mit ein paar Nähten am Zwerchfell
fixiert. Dann wird eine entsprechende Inzision am Magen gemacht
und sodann die Anastomose durch Naht hergestellt. Die Nahtlinie
kann man event. noch (wie Sauerbruch für den Thorax angibt) mit
Lugol’scher Lösung betupfen. Danach wird aber eine Magen-
falte ringsherum aufgehoben und direkt am Peritonealüber-
zug des Zwerchfells angenäht, so daß die Anastomose völlig
überdeckt wird.
Besser wird es vielleicht sein, den Murphyknopf an-
zuwenden, da wir, insbesondere nach Sauerbruch’s Angaben, wissen,
3 Zentralblatt für Chirurgie 1903. Nr. 36.
814 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27.
daß der Ösophagus für Nähte nicht geeignet ist, um so weniger also
der Divertikelsack. Mit einer Sonde läßt sich die eine Hälfte des
Knopfes leicht in den Sack bringen, der nur gerade so viel geschlitzt
Rippenbogen aufgeklappt, Divertikelsack im Zwerchfell fixiert vor Beendigung
der Anastomose.
wird, daß der verbindende Knopfteil durchtreten kann. In den Magen-
zipfel muß er direkt eingefügt werden oder von einer zweiten Inzisions-
Fig. 2.
—— Divertikel
Oesophagus
Zwerchfeil
—— Magen
Schematischer Frontalschnitt, zeigt die fertige Ana-
stomose mit Knopf und deckender Magenfalte.
stelle aus, die dann
durch Naht geschlossen
wird. Daß der Knopf
in den Magen fällt, tut
wohl nicht viel; wir
wissen ja, daß dies bei
Gastroenterostomien
öfters der Fall ist, und
daß der Knopf bei Kar-
zinom bis zum Exitus
ohne Störung getragen
wird. Ob der resorbier-
bare Galalithknopf hier
geeignet ist, läßt sich
nach den bisher damit
gemachten Erfahrun-
gen noch nicht sicher
sagen.
Der Gebrauch des Knopfes scheint mir besonders für jene
Fälle wichtig zu sein, wo man den Divertikelsack nicht gut
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. s15
frei bringt, wo also die Anastomose quasi im Zwerchfell liegt; hier
wäre Naht ganz ausgeschlossen.
Genaue Untersuchung vor der Operation halte ich für unerläß-
lich. Die Osophagoskopie wird feststellen, ob der Sack oder die
Speiseröhre karzinomatös degeneriert ist, wie das ja vorkommt. Hier
wäre die Anastomose wohl kaum erfolgreich. Auch Ulzerationen am
Boden des Divertikels wären ungünstig, da sie die Möglichkeit der
Anastomose in Frage stellen können. Durch Untersuchung mit Röntgen-
strahlen (Wismutbrei) kann man feststellen, ob das Divertikel rechts
oder links vom ÖOsophagus liegt, und insbesondere, ob der Fundus
tatsächlich auf dem Zwerchfell aufruht; event. ist diese Untersuchung
mehrmals zu wiederholen, da der Stand des Fundus wechseln kann.
Bychowski fand z. B. den Eingang des Divertikels bei 22 cm, der
Grund des Sackes stand 14—1”7 cm tiefer. Dieser Fall wäre also viel-
leicht auf abdominalem Wege nicht mehr zu operieren gewesen.
Wien, im Mai 1908.
1) W. Kolle und A. Wassermann. Handbuch der patho-
genen Mikroorganismen. Zweiter Ergänzungsband. 1. Heft.
Jens, Gustav Fischer, 1907.)
Das erste Heft des zweiten Ergänzungsbandes enthält zunächst
Nachträge zu dem früheren Aufsatz von Gotschlich über die Mor-
phologie und Biologie der Bakterien. Am Ende dieses Kapitels findet
sich ein sehr ausführliches, über 460 Nummern verfügendes Literatur-
verzeichnis.
Daran schließt sich ein Kapitel über Pest von Dieudonné, dem
ein Aufsatz von Scheller über Diphtherie folgt. In diesem Kapitel
werden im Anschluß an die von Beck, Wernicke und Gotschlich
bereits im Handbuch niedergelegten Erfahrungen hauptsächlich die
neuesten Tatsachen der jüngsten Diphtherieforschung zusammengestellt.
Den Schluß des Heftes bildet eine Darstellung des Gelbfiebers
von Otto. Dieser Darstellung sind neben einer Reihe interessanter
Textbilder zwei sehr schöne farbige Tafeln beigegeben, auf denen uns
die betreffende Mücke in ihren verschiedenen Lebensstadien, sowie
Organe von Gelbfieberkranken vor Augen geführt werden.
Silberberg (Breslau).
2) H. Eichhorst. Handbuch der speziellen Pathologie und
Therapie innerer Krankheiten. Bd. III.
Wien, Urban & Schwarzenberg, 1%7.
Der vorliegende III. Band der 6. Auflage des bekannten Werkes
ist ebenso wie die vorhergehenden Bände stark erweitert; er umfaßt
auf 1132 Seiten die Krankheiten der Nerven, der Muskeln und der
Haut. Auch die Abbildungen sind zahlreicher, 324 Holzschnitte gegen
297 der vorigen Auflage. Dabei ist ein Teil der alten Bilder fallen
gelassen bzw. durch neue, anschaulichere, ersetzt.
816 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27.
Unverändert ist kaum ein größerer Abschnitt geblieben. Einige
Abschnitte haben naturgemäß bedeutendere Erweiterungen erfahren, so
z. B. die über Lähmungen der peripherischen Nerven, Neuritis, Dia-
gnostik der Rückenmarks- und Gebirnkrankheiten, Syringomyelie, Tabes,
Hirnabszeß, Hirngeschwülste, Epilepsie, Tetanie u. a. m.
Das Werk kann auch dem Chirurgen empfohlen werden, besonders
dem, der in manchen Fragen der Grenzgebiete sich allein seine Dia-
gnose stellen muß. E. Moser (Zittau).
3) L. R. Mueller. Über die Empfindungen in unseren
inneren Organen.
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie. Bd. XVIII. Hft. 4.)
Nach den bekannten Untersuchungen von Lennander, welche
vielfach Bestätigung von anderen Forschern erfuhren, sind die meisten
inneren Organe: Magen, Darm, Leber, Milz, Lungen, Gehirn gegen
äußere Einwirkungen wie gegen die Schärfe des Messers, die Spitze
der Nadel, die Hitze des Thermokauters und das Quetschen der
Pinzette unempfindlich. M. kann diese Erfahrungen nur bestätigen,
macht aber energisch Front gegen die Versuche, diese Beobachtungen
auch für die Erklärung der spontanen in den genannten Organen auf-
tretenden Schmerzen zu verwerten. Seine Beweisführung gipfelt in
dem Satz, daß es durchaus nicht angängig sei, einem Organ, das gegen
chemische und mechanische Reize nicht sensibel ist, deshalb über-
haupt jede Schmerzempfindlichkeit abzusprechen; er kommt zu dem
Resultat, daß diese Organe in den sympathischen Nervenfasern schmerz-
leitende Bahnen besitzen. Aus klinischen Erfahrungen und physio-
logischen Deduktionen,, bei denen die bekannten Head’schen Unter-
suchungen ausgiebig mit herangezogen wurden, schließt M., daß andere
Reize als die grobmechanischen und thermischen sehr wohl Schmerzen
in den inneren Organen erregen können; solche Reize sind vor allem
Störungen der Blutzufuhr in Form von Ischämie, übermäßig starke
Kontraktionen der Muskulatur im Magen und Darm, abnormer Inhalt
und abnorme Füllungszustände.
M. geht die einzelnen Organe durch und weist in überzeugender
Weise die Richtigkeit seiner Ansichten nach. Beim Gehirn suchte
man, nachdem die Unempfindlichkeit der Gehirnsubstanz selbst gegen
mechanische Eingriffe festgestellt war, alle Kopfschmerzen als » Dura-
schmerzen« zu erklären. Diese Hypothese erlitt einen schweren Schlag,
als sich herausstellte, daß auch die Dura in weiten Bezirken un-
empfindlich für mechanische Reize ist. M. legt dar, daß das Gehirn
selbst auf chemische Noxen (Alkohol, Kohlenoxyd, Nikotin, Bakterien-
gifte), auf Störungen der Blutzirkulation (Angiospasmus, Embolie), auf
geistige Überanstrengung und unangenehme seelische Erregungen hin
mit heftigen Schmerzen reagieren kann. Für das Herz stellt er
fest, daß zwar dem Herzmuskel sowohl als auch seinem serösen Über-
zug jede Empfindlichkeit für mechanische und Entzündungsreize ab-
geht, daß dagegen das Myokard gegen ischämische Störungen ungemein
&
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 817
sensibel ist. Für den Magen und Darm zeigt M. unter anderem die
Unzulänglichkeit der Hypothesen von Lennander und Wilms für
die Erklärung der Colica saturnina und der tabischen Krisen, ebenso
für Gallen- und Nierensteinkoliken, für die Schmerzen bei Erkrankungen
der Nieren, einerlei, ob sie entzündlicher, degenerativer oder ischämischer
Natur sind. In ähnlicher Weise wird die Empfindlichkeit der Leber,
der weiblichen Beckenorgane, der Blase konstatiert.
Danach ist das sympathische Nervensystem mit seinen Verbindungs-
ästen nach dem Rückenmark nicht nur dazu da, seelische Erregungen,
welche im Zentralnervensystem vor sich gehen, auf die Vasomotoren,
auf die Schweißdrüsen, auf den Magen, Darm und auf die Geschlechts-
organe überzuleiten, der Sympathicus vermittelt auch, getreu seinem
Namen, Empfindungen aus den inneren Organen nach dem Gehirn.
Haeckel (Stettin).
4) Journal de Chirurgie, monatliche, kritische Revue, heraus-
gegeben von mehreren Professoren in Paris. Preis jährl. 34 Fr.
Paris, Masson & Co., 1908.
Seit April dieses Jahres erscheint diese chirurgische Zeitschrift,
die, analog dem Zentralblatt für Chirurgie, über die den Chirurgen
interessierenden Erscheinungen der neuesten Literatur berichtet. Von
Zeit zu Zeit soll ein Übersichtsreferat Platz finden. Regelmäßig wird
eine Übersicht gebracht über die chirurgischen und allgemein medizi-
nischen Zeitschriften, über chirurgische Kongresse; eingehende Referate
über die wichtigsten Artikel der gesamten Literatur, zum Teil auch
illustriert, werden monatlich gebracht.
Die erste vorliegende Nummer zeichnet sich aus durch klare, ein-
gehende Referate. Die Ausstattung ist gut. Stocker (Bonn).
5) O. Aichel. Eine neue Hypothese über Ursachen und
Wesen bösartiger Geschwülste.
(Santiago de Chile 1908. 36 8.)
Eine ausführliche, klar geschriebene Analyse aller bisherigen
Hypothesen über Krebsätiologie führt den Verf. zu dem Ergebnis,
daß die Hypothesen, mögen sie sich auf allgemeine oder lokale, äußere
oder innere irritative Einflüsse, auf die somatische Zelle beziehen,
mögen angeborene Ursachen oder ontogenetischer wie phylogenetischer
Atavismus ins Feld geführt werden, mögen lebende Mikroorganismen
irgendwelcher Art oder gar Körperzellen artfremder Tiere der Ver-
anlassung des Übels beschuldigt werden, daß diese Hypothesen den
wissenschaftlichen Forderungen nicht haben entsprechen können, nicht
weil wir nicht genügend vorgeschritten wären, um den Beweis liefern
zu können, sondern weil wir so weit vorgeschritten sind, daß sie in
sich falsch sind.
Die Kräfte, welche die somatische Zelle eine bösartige Geschwulst
liefern lassen, sucht Verf. in der Vereinigung eines Leukocyten mit
27**
s
818 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27.
irgend einer der anderen Arten somatischer Zellen, die er im Gegen-
satz zu den Leukocyten als fixe somatische Zellen bezeichnet.
»Denken wir uns, daß ein Leukocyt mit irgend einer somatischen Zelle
sich durch Amphimixis vereinige, so haben wir in der Verbindung
ihrer Vererbungseinheiten das der Karzinom- oder Sarkomzelle bis
ins kleinste entsprechende Bild. Daß die Konjugation dieser stamm-
verwandten Zellen den allgemeinen Gesetzen der Amphimixis ent-
sprechend vor sich gehen muß, ist selbstverständlich, also nach Re-
duktion der beiderseitigen Chromosomen. So läßt die Sarkomzelle
den Charakter des Bindegewebes, die Myosarkomzelle den der Muskel-
zelle, das Gliosarkom den der Gliazelle usw. erkennen. Dagegen er-
wirbt durch die Amphimixis mit einem Leukocyten irgend eine der
fixen somatischen Zellen die Vererbungseinheiten der Leukocyten,
die Vielgestaltigkeit des Kernes (Fragmentierung), die pluripolaren
Mitosen finden ihre Erklärung, die Fähigkeit, andere Gewebe auf-
zulösen, die Kraft nach Verschleppung durch die Blutbahn weiter zu
Ieben, und eben diese Lebensäußerungen irgendwo im Körper fort-
setzen zu können, ergeben sich von selbst, kurz, die maligne Zelle ist
eben da mit allen ihren Eigentümlichkeiten.«
Ref. möchte dieser kurzen Inhaltsangabe des sicher lesenswerten
Aufsatzes doch sein Bedenken über eine solche, jeder tatsächlichen
Unterlage entbehrende Hypothese anfügen. Beweise fehlen ganz. Wie
soll eine Zelle des Mesenchyms mit einer Epidermiszelle in Kopu-
lation treten? Das widerspricht ganz der Lehre von der Spezifizität
der Zellen, die gerade in neuester Zeit immer neue Belege erfährt.
Und das schrankenlose Wuchern, die Haupteigenschaft der malignen
Geschwulstzelle, ist doch wohl keine den Leukocyten innewohnende
Fähigkeit! Eher das Gegenteil! Auch scheint dem Ref. der Aus-
druck Amphimixis nicht glücklich gewählt; Weismann, der ihn wohl
geprägt hat, versteht darunter jedenfalls ganz etwas anderes als Verf.
Goebel (Breslau.)
6) Wieting und Hamadi. Über die physiologische und
pathologische Melaninpigmentierung und den epithelialen
Ursprung der Melanoblastome. Ein primäres Melanoblastom
der Gallenblase.
(Beiträge zur path. Anatomie u. allgem. Pathologie 1907. Bd. XLII.)
Verff. haben einen Fall von primärem Melanom der Gallenblase
mit zahlreichen Metastasen beobachtet. Sie beschreiben ihn ausführlich.
Dieser gegen die Regeln der herrschenden Ansicht verstoßende Befund
veranlaßte sie, ausgedehnte Untersuchungen an menschlichem und
tierischem Material über melanotische Geschwülste und über Pigment-
bilder überhaupt anzustellen. Alle basalen Epithelzellen können Pigment
bilden, es ist nicht nötig besondere Melanoblasten anzunehmen. Ebenso
wie die ektodermalen können auch die entodermalen Epithel- bzw.
Endothelzellen Pigment bilden. Das Mesoderm ist bei der Pigment-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 819
bildung nicht beteiligt. Die dunkelfarbigen Rassen neigen nicht mehr
zu melanotischen Geschwülsten — gut- und bösartigen — wie die
hellfarbigen. Müller (Dresden).
7) Babler. Malignant degeneration of warts and moles.
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. April 18.)
Es wird allgemein zuwenig beachtet, daß Warzen-Muttermäler
sehr bösartig degenerieren können. Namentlich chronischer Reiz trägt
zur Entartung bei. Deshalb sollen derartige Gebilde frühzeitig durch
Ausschneiden entfernt werden. Atzen und Ausbrennen ist zu ver-
werfen. Sobald diese Gebilde anfangen schnell zu wachsen, sind sie
schon bösartige Geschwülste und als solche zu behandeln. 18 Kranken-
geschichten, zum Teil mit Abbildungen. Trapp (Bückeburg).
8) Lexer. Über die Behandlung der flachen Hautkrebse.
(Therapie der Gegenwart 1908. Nr. 1.)
An der Hand in der Literatur niedergelegter und eigener Er-
fahrungen kommt L. zu dem Resultat, daß sich für die Röntgenbehand-
lung nur der Basalzellenkrebs eignet, und auch dieser nur dann, wenn
keinerlei Drüsenschwellungen vorhanden sind.
Bei der Zweifelhaftigkeit der Resultate, welche die Röntgenbe-
handlung der flachen Hautkrebse gibt, ist L. dafür, alle noch ope-
rablen Fälle zu operieren. Alle inoperablen Formen rät er zu bestrahlen,
besonders da, wo hohes Alter und körperliche Hinfälligkeit gegen einen
Eingriff sprechen.
Die Operation nennt L. nur dann eine erhebliche, wenn man
plastische Deckungen mit gestielten Hautlappen nötig hat. Wo es
irgend geht, sucht L. mit ungestielten Cutislappen auszukommen, die
am besten dem Arm entnommen werden, damit der Pat. nicht zu
liegen braucht. Diese Art der Operation, mit örtlicher Anästhesie aus-
geführt, ist gefahrlos und gibt gute kosmetische Resultate. L. zieht
dieselbe der noch unsicheren Röntgenbehandlung vor.
Silberberg (Breslau).
9) L. Dreyer. Zur Prüfung des Eiters mit Millon’s Rea-
gens. Aus der Breslauer chir. Klinik (Prof. Dr. Küttner).
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 14.)
D. hat 41 Eiterproben von durch die gewöhnlichen Eitererreger
hervorgerufenen Erkrankungen und 32 Eiterproben von rein tuber-
kulösen Krankheitsfällen untersucht, in letzteren stets das von Müller
als charakteristisch angegebene Verhalten des Eitertropfens in Millon’s
Lösung von Quecksilber in Salpetersäure, die etwas salpetrige Säure
enthält, gefunden: Der Tropfen nicht zu zähen Eiters bildete ein
festes, zusammenhängendes Häutchen von zäher Konsistenz, nahm beim
Versuch, ihn mittels einer Platinöse unterzutauchen oder anzuheben,
eine erbsen- bzw. bohnenförmige Gestalt an und ließ sich fast mühelos
%
820 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27.
im ganzen aus der Flüssigkeit herausheben. Dagegen bildete der
Tropfen von dem durch die gewöhnlichen Eitererreger erzeugten Eiter
eine zerfließliche, flache Scheibe, die beim Versuche, sie anzuheben oder
unterzutauchen, sofort in einzelne Trümmer zerfiel. Die Rotfärbung
des Reagens selbst trat beim gewöhnlichen Eiter nicht regelmäßig auf.
Mischinfizierter tuberkulöser Eiter zeigte das Verhalten des gewöhn-
lichen Eiters. Kramer (Glogau).
10) Looser. Über Spätrachitis und die Beziehungen zwischen
Rachitis und Osteomalakie.
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie. Bd. XVIII. Hft. 4.)
L. hat am amputierten, sehr stark verkrümmten Unterschenkel
eines idiotischen jungen Mannes, der zahlreiche Spontanfrakturen er-
litten hatte und klinisch eine sehr große Ahnlichkeit mit Osteoma-
lakie darbot, dessen Skelett sich aber später vollkommen konsolidiert
hat, eingehende histologische Untersuchungen vorgenommen. Er fand
Kalklosbleiben des neugebildeten Knochens (osteoide Säume) und
Schwund der vorläufigen Verkalkungszone an den Epiphysenknorpeln
sowie die sonstigen rachitischen Knorpelveränderungen, einen Unter-
schied von dem Bilde der gewöhnlichen Rachitis aber insofern, als,
abgesehen von den sehr hochgradigen Knorpelveränderungen, die wohl
durch das sehr lange Bestehen der Erkrankung zu erklären sind, die
Atrophie des alten Knochens ungewöhnlich stark in den Vordergrund
trat und die Osteophytenbildung im verbreiterten Periost und im
Markraume nur eine sehr mäßige war.
Unter ausführlicher Berücksichtigung der Literatur und früherer
eigener Studien über Osteomalakie kommt L. zu dem Resultat, daß
Spätrachitis und juvenile Osteomalakie eine einheitliche, untrennbare
Krankheitsgruppe bilden, in der rachitische Knorpelveränderungen
niemals fehlen, und bei der die Atrophie der Knochen eines der her-
vorragendsten Symptome bildet; bei beiden Affektionen ist die Mit-
wirkung eines Entkalkungsprozesses auszuschließen, bei beiden sind
zwei große Prinzipien, ein regressives und progressives oder repara-
torisches, zu erkennen. Die regressiven Erscheinungen kennzeichnen
sich durch die Hemmung aller aktiven Vorgänge der Knochenbildung
und des Knochenwachstums: durch die Hemmung der Kalkablagerung
in den Knochen und in den Knorpeln der Wachstumszone (osteoiden
Säumen, Schwund der präparatorischen Verkalkungszone), die Hemmung
der Apposition von lamellösen Knochen (Knochenatrophie), weiter
durch die Hemmung des Wachstums der Epiphysenscheiben (ver-
ringertes Längenwachstum der Knochen) und die Hemmung der Mark-
raumbildung, infolge welcher der sich bildende Knorpel ungenügend
und unregelmäßig eingeschmolzen wird (sog. rachitische Knorpel-
wucherung). Demgegenüber wirkt ein progressiver, als reparatorischer
anzusehender Prozeß in der Bildung von geflechtartigem Knochen im
Periost und im fibrösen Mark, der durch mechanische Reizwirkungen
lokal gesteigert sein kann. Dieser reparatorische Vorgang ist bei der
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 821
kindlichen Rachitis ein sehr lebhafter, bei der Spätrachitis mäßig, bei
der Osteomalakie tritt er noch stärker zurück, und bei der senilen
Osteomalakie fehlt er fast ganz.
Rachitis und Osteomalakie ist für L. eine identische Affektion,
die das menschliche Skelett in jedem Lebensalter betreffen kann, die
aber die erste und im gewissen Grade auch noch die zweite Periode
des lebhaftesten Knochenwachstums am häufigsten betrifft, und deren
klinische und anatomische Erscheinungen durch die verschiedenen
physiologischen Verhältnisse der einzelnen Lebensalter modifiziert sind.
Die grundsätzliche Trennung von Rachitis und Osteomalakie Virchow'’s,
nach welchem bei der Osteomalakie Festes weich, bei der Rachitis
das Weiche nicht fest wird, sei also fallen zu lassen.
Haeckel (Stettin).
11) L. Championniöre. New ideas on fractures, of the
utmost importance to the medical profession and to the lay
public in connexion with their responsibilities and possible
legal liabilities.
(Brit. med. journ. 1908. März 28.)
Der Pariser Chirurg entwickelt hier seine bekannten Lehren über
Knochenbrüche und ihre Heilung. Unser Ziel ist funktionelle Heilung.
Dazu ist die Wiederherstellung der anatomischen Form nicht immer
notwendig. Böntgenaufnahmen sind ein gutes Hilfsmittel bei Er-
kennung und Heilung von Knochenbrüchen, aber sie wollen sehr vor-
sichtig und fachkundig ausgelegt werden. Theorie und mathematische
Überlegungen spielen eine sehr untergeordnete Rolle gegenüber der
allein entscheidenden klinischen Erfahrung. Eine Umwälzung ist nötig
auf dem Gebiete der Knochenbruchheilung, besonders in der Frage
der Fixation. Selbst bei Heilung in guter anatomischer Stellung kann
später durch zu frühe Belastung eines weichen Callus eine Stellungs-
änderung eintreten, ohne daß die Behandlung daran schuld zu sein
braucht, eine Tatsache, die forensische Bedeutung gewinnen kann.
Richter und andere Laien nehmen fälschlich an, ein Knochenbruch
müßte nach festen, unveränderlichen Gesetzen behandelt werden. Über
diesen Irrtum muß das Laienpublikum aufgeklärt werden, wie einige
Rechtsfälle uns lehren. Zu diesen vermeidlichen festen Normen ge-
hören z. B. die Einrichtung eines Knochenbruches, die Fixation, die
Notwendigkeit der Röntgenaufnahme. Es wäre wichtiger, das Publi-
kum über die Irrlehre von den festen unverletzlichen Vorschriften auf-
zuklären als sie in sog. »ersten Hilfeleistungen« zu unterrichten.
Weber (Dresden).
12) F. Karewski. Kann der Arzt für Unterlassung einer
Röntgenuntersuchung verantwortlich gemacht werden?
(Therapie der Gegenwart 1908. Nr. 3.)
Verf. weist darauf hin, wie häufig die Röntgenuntersuchung nach
einer Verletzung eine zwingende Notwendigkeit zur Stellung der Diagnose
822 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27.
und für eine sachgemäße Therapie sowie für eine Kritik des End-
resultates sein kann. Er erinnert dabei besonders an jene Verletzungen,
denen man bei der starken Schwellung des betreffenden Gliedes nicht
ansehen kann, ob eine Fraktur oder Luxation oder beides vorliegt.
In solchen Fällen ist sofort zu durchleuchten (ein vorhandenes Hämatom
hindert dabei nicht!), da sonst die beste Zeit zur Korrektion des ver-
letzten Gliedes versäumt werden und später ein unnötig großer Ein-
griff oder Funktionsbeeinträchtigung resultieren kann. Für solche
Dinge ist der Arzt verantwortlich, weil er die kraft seines Amtes von
ihm zu verlangende Sorgfalt außer acht gelassen hat. Das gilt auch,
wo bei Unfallverletzten durch Unterlassung einer Röntgenuntersuchung
eine falsche Auffassung von angeblichen Funktionsstörungen eintritt.
: Selbst die mehr oder minder große Fertigkeit in der Ausübung
der Röntgenuntersuchung mahnt zur Vorsicht. Bei Frakturen ist es
ratsam, stets in mehreren Achsen zu durchleuchten.
In weiterer Hinsicht kann der Arzt sich Unannehmlichkeiten aus-
setzen bei der Behandlung der Fremdkörper. Hier tritt auch das
Röntgenverfahren in seine Rechte, einmal, um festzustellen, ob der
Fremdkörper überhaupt da ist, und dann event. Falles zur Bestimmung
des Ortes. Vor jeder Fremdkörperoperation ist zu durchleuchten und
im Anschluß an die Durchleuchtung sofort zu operieren, da sonst ein
Ortswechsel stattfinden kann.
Eine Reihe markanter Beispiele sind der sehr zu beherzigenden
Abhandlung beigegeben. Silberberg (Breslau),
13) R. Caminiti. Ricerche ed experimenti sui trapianti mus-
colari.
(Policlinico 1908. Vol. XV. 4.)
Verf. betont die noch schwankenden Ansichten über Möglichkeit
und Erfolge der Muskellappenverpflanzungen, wie sie bisher von Gluck,
Helferich, Salvia, Lapurro, Rydigyier ausgeführt wurden. Er
versuchte daher selbst die Transplantation von Muskellappen, indem
er einen Muskelbauch entfernte und den entsprechenden Muskel eines
anderen Tieres in den entstandenen Defekt einpflanzte. In 20 Experi-
menten an Hunden wurde 11mal ein positives Resultat erzielt, indem
der transplantierte Muskel in wenigen Tagen ausheilte. Dieses außer-
ordentlich günstige Ergebnis führt C. darauf zurück, daß er neben pein-
lichster Asepsis vor allem auf die Gefäß- und Nervenversorgung der zu
transplantierenden Muskelbäuche Rücksicht nahm. Autonome Muskeln
mit selbständigen Gefäßen und Nerven wie der Biceps brachii eignen sich
nicht zur Transplantation, da die Blutzufuhr nach der Verpflanzung
gestört ist und daher leicht ischämische Nekrose eintritt. Von
weiterer Bedeutung für das Gelingen der Operation erscheint auch
exakte Blutstillung und schräge oder noch besser treppenförmige
Schnittführung durch den Muskelbauch, wodurch eine bessere An-
passung der Stücke möglich werden soll. Die transplantierten Mukeln
erholen sich rasch und zeigen elektrische und spontane Erregbarkeit;
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 823
histologisch läßt sich jedoch lediglich Regeneration durch Binde-
gewebe nachweisen, das die Muskelwunden und traumatischen Muskel-
substanzverluste ersetzt. Strauss (Nürnberg).
14) Wolf. The increase of the osmotic pressure of venous
blood after the closure of the afferent artery.
. (Univ. of Pennsylvania med. bull. 1908. April.)
. W. schließt aus Experimenten an Hunden, daß die osmotische
Spannung des Venenblutes regelmäßig durch Unterbrechung der
arteriellen Blutzufuhr vermehrt wird, daß diese Zunahme unmittelbar
nach der Unterbrechung beginnt und in wenigen Minuten ihren Höhe-
punkt erreicht. Der Verlauf dieser Drucksteigerung geht also dem
Auftreten und dem Maximum der Hyperämie, welche auf eine künst-
liche vorübergehende Blutleere folgt, vollkommen parallel. Das Re-
sultat dieser Experimente steht in Übereinstimmung mit der Rolle des
arteriellen Blutstromes, die Gewebe auszuwaschen; wird letzteres ver-
hindert, so daß die Abfallstoffe, durch die Anämie vermehrt, nicht be-
seitigt, vielmehr aufgespeichert werden, so muß der osmotische Druck
des Venenblutes nach Wiederherstellung der Zirkulation vermehrt sein.
Mohr (Bielefeld).
15) G. Fichera. Ancora sul meccanismo d'azione dell’ ipere-
mia de stasi nelle infezioni.
(Policlinico 1908 sez. chirurgica. Vol. XV, 1 und 2.)
F. kommt zu folgenden Ergebnissen: Tieren, denen er tödliche
Dosen virulenter Bakterien in Körpergegenden einspritzte, die gestaut
waren, verendeten nicht. Das Transsudat von Organen, die infolge
Stauungshyperämie ödematös wurden, [besitzt kein erhöhtes bakteri-
zides Vermögen. Pathogene Keime, welche in Bezirke eingespritzt
wurden, die sich im Zustande der Stauung und einer, wenn auch leich-
ten serösen Durchtränkung befanden, blieben örtlich lokalisiert. Der
Eintritt der Septhämie wird verhindert, da der Ubertritt der Bakterien
in den Kreislauf mechanisch gehemmt ist. In dem infizierten und
gestauten Gewebe treten zahlreiche Wanderzellen, intensive Phago-
cytose und rasche Neubildung des Bindegewebes auf. Der Zeitraum,
innerhalb dessen die Bier’sche Methode zur Behandlung von akuten
Infektionen wirksam angewandt werden kann, ist beschränkt. Die
Stauungshyperämie ist ohne Einfluß auf Bakteriengifte. Sie wandelt
Bakterienprodukte weder um noch neutralisiert sie sie. Sie gewährt
somit keinen Schutz gegen toxische Infektionen.
Bevenstorf (Hamburg).
16) Forster. Schwierigkeiten in der Diagnostik der Hirn-
tumoren.
(Berliner klin. Wochenschrift 1908. Nr. 19.)
Bericht über drei Fälle, wo Herdsymptome vorhanden waren, aber
trotzdem besondere Schwierigkeiten für die Beurteilung vorlagen.
824 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27.
1) Die Benommenheit des Pat. machte die Untersuchung des
Lagegefühls und des Tastvermögens unmöglich, doch konnte bei den
Allgemeinerscheinungen und der doppelseitigen Stauungspapille kein
Zweifel an der Diagnose Hirngeschwulst und an seiner Lage in der
linken Hemisphäre bestehen. Bei der Operation (Prof. Köhler) fand
man, wie zuvor angenommen, die Geschwulst in der Gegend der
hinteren Zentralwindung und des unteren Scheitelläppchens; sie war
fünfmarkstückgroß, scharf gegen die Umgebung abgesetzt. Stumpfe
Auslösung. Später Rezidiv und Tod.
2) Bei der Diagnose Acusticusgeschwulst war es schwer zu be-
stimmen, ob der Sitz rechts oder links, wo die Operation also vorzu-
nehmen war. Da mehr für den rechtsseitigen Sitz sprach, wurde
hier die Operation (Prof. Bier) vorgenommen und die Geschwulst
gefunden. Tod. Bei der Sektion stellte sich heraus, daß noch eine
zweite Greschwulst neben der exstirpierten vorhanden war.
3) Der Fall ist ein Beispiel für die bekannte Schwierigkeit, die
Differentialdiagnose zwischen Hydrocephalus und Geschwulst zu stellen.
Konstante Herdsymptome sprechen gegen Hydrocephalus, jedoch mit
der Ausnahme, daß solche Herdsymptome, die durch Druck auf basal
verlaufende Hirnnerven vorgetäuscht werden, ebensogut von Hydro-
cephalus abhängig sein können, wie von der Geschwulst.
Bei der von Prof. Hildebrand vorgenommenen Operation fand
man keine Geschwulst, auf die man gerechnet hatte, doch hatte der
Eingriff den Erfolg, daß die subjektiven Beschwerden schwanden und
eine weitere Abnahme der Sehschärfe nicht eintrat.
Langemak (Erfurt).
17) E. Siemerling. Zur Symptomatologie und Therapie der
Kleinhirntumoren.
(Berliner klin. Wochenschrift 1908. Nr. 13 u. 14.)
Die durch ausführliche Wiedergabe der Krankengeschichten mit-
geteilten sieben Beobachtungen bilden einen sehr lesenswerten Beitrag
für die Diagnose der Kleinhirngeschwülste. Die von Oppenheim zu-
erst hervorgehobene Areflexie der Cornea hält Verf. für ein wichtiges
Symptom für die Diagnose der Seite, auf welcher die Geschwulst in
der hinteren Schädelgrube ihren Sitz hat. Ob das von Babinski be-
schriebene Symptom der Adiadokokinesis konstant oder pathognomo-
nisch sein wird, müssen weitere Erfahrungen lehren. Die übrigen
Symptome gaben im allgemeinen eine Bestätigung der von anderen
Forschern gemachten Beobachtungen, doch hebt S. mit Recht hervor,
daß das Fehlen einzelner Symptome durchaus nicht für die Diagnose
ausschlaggebend ist, daß man auf ein wechselndes Vorkommen und
schwankendes Verhalten gefaßt sein muß und der ganze Verlauf des
Leidens, die Aufeinanderfolge der Symptome und ihre Gruppierung
maßgebend ist.
Lumbalpunktionen wurden in allen Fällen, bei einzelnen mehrfach
gemacht, ohne daß bedenkliche Erscheinungen gesehen wurden, und
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 825
empfiehlt Verf. die Operation sowie die Seitenventrikelpunktion bei
nötiger Vorsicht zur Entlastung des Druckes bei Kleinhirngeschwülsten.
Die Ventrikelpunktion ist namentlich da am Platze, wo die Lumbal-
punktion in ihrer Wirkung versagt; sie wird unter Umständen dazu
dienen können, den Pat. in einen operationsfähigen Zustand zu ver-
setzen. Bei sicherer Diagnose der Seite sollte, um der drohenden
Erblindung vorzubeugen, eine Palliativtrepanation vorgenommen werden.
Langemak (Erfurt).
18) Bönninghaus. Lehrbuch der Ohrenheilkunde Mit
139 Textabbildungen und 1 Taf. farbiger Trommelfellbilder.
Berlin, S. Karger, 1908.
Ein neues Lehrbuch der Ohrenheilkunde darf bei der nun ein-
mal nicht zu leugnenden Uberproduktion wohl nur dann auf Erfolg
rechnen, wenn es dem Verf. gelingt, seinem Werk ein durchaus indi-
viduelles Gepräge zu geben. Das ist aber nur möglich, wenn der
betr. Autor auf bestimmtem Gebiete mit bahnbrechend gearbeitet hat.
Es ist keine Frage, daß es dem Verf. des vorliegenden Lehrbuches
gelungen ist, ein eigenartiges Werk zu schaffen. Dazu trägt die kurze,
prägnante, überaus klare Darstellungsweise ungemein viel bei. Be-
sonderem Interesse dürften die Kapitel über Schalleitung und überhaupt
über die Physiologie des Ohres begegnen, Gebiete, auf denen Verf. be-
kanntlich durch seine Untersuchungen über das Ohr des Zahnwales
seine besonderen Verdienste hat. Nicht minder anschaulich und durch
klare, halbschematische Federzeichnungen erläutert, präsentieren sich
die Kapitel über Folgezustände der Mittelohreiterung,. die verschie-
denen Formen der Meningitis und ihre Heilbarkeit, Extraduralabszeß,
Sinusthrombose und besonders über den Hirnabszeß. Auch die Be-
deutung der Laabyrintheiterung und der Wert der funktionellen Prü-
fung für die Diagnose derselben ist gebührend gewürdigt. Während
sehr richtiger Weise die Technik der operativen Eingriffe im wesent-
lichen den Spezialwerken überlassen bleibt, haben die zerebralen Hör-
störungen, die Taubstummheit und die Begutachtung von Ohrenkrank-
heiten eine etwas eingehendere Besprechung gefunden, als sie ihnen
sonst im Rahmen kurzer Lehrbücher zuteil zu werden pflegt. Es ist
wohl kein Zweifel, daß sich das Werk, zumal es auch bezüglich seines
Umfanges die Mitte zwischen Kompendium und großem Lehrbuch hält,
viele Freunde erwerben wird. Engelhardt (Kassel).
19) Dieulaf6 et Herpin. Les accidents de la dent de sagesse.
(Revue de chir. XXVII. année. Nr. 10.)
Zum Verständnis der vielfachen Störungen, welche mit der Ent-
wicklung und dem Durchbruch der Weisheitszähne verknüpft sind,
bringen die Verff. zunächst eine ausführliche Darstellung der in Be-
tracht kommenden normalen Vorgänge. Während die Ersatzzähne
des Milchgebisses einfach die Stelle der Milchzähne einnehmen, ist die
Entwicklung der drei groBen Backenzähne an das Längen- und Breiten-
826 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27.
wachstum des Zahnbogens gebunden, das ausschließlich in dem hinter
dem zweiten Prämolar gelegenen Abschnitt vor sich geht. Nach viel-
fachen Messungen, welche die Verff. vorgenommen haben, hat diese
Strecke bei einem einjährigen Kinde am Unterkiefer 0,5 cm, am Ober-
kiefer.0,6 cm Länge, beim Erwachsenen an beiden Kiefern aber 3,5 cm.
Am Unterkiefer setzt sich die Alveolarrinne noch auf die Innenseite
des aufsteigenden Astes fort, wobei sie sich etwas nach hinten und
oben erhebt. In diesem Teil entwickelt sich der Weisheitszahn und
erweitert die hier schmale Rinne, indem er ihre innere Lamelle vor-
wölbt. Da er sich senkrecht zum Verlauf der Rinne erhebt, so stößt
seine Krone mit ihrem vorderen Rande gegen den zweiten Molar.
Das beim Durchbruch stark anschwellende Zahnfleisch wird an dieser
Stelle eingeklemmt; nach dem Durchbruch bildet es eine Tasche, in
der Mikroben und Speisereste stagnieren und, unterstützt durch den
Reiz der Kaubewegungen, zu Entzündungen Anlaß geben, die die be-
nachbarten Weichteile, Knochen und Lymphdrüsen ergreifen können.
So entstehen Phlegmonen, die nach der Wange oder dem Halse durch-
brechen und das Leben gefährden. Am Unterkiefer sind die Schmerzen
wegen der Nachbarschaft des Canalis alveolaris stets viel heftiger als
am Öberkiefer, wo der Weisheitszahn sich in der Tuberositas anlegt,
mit der Längenzunahme des Zahnbogens nach unten rückt und nur
selten Störungen bei seinem Durchbruch verursacht. Im Unterkiefer
kommt es dagegen sehr oft zu Verlagerungen des Weisheitszahnes;
bald bleibt er im Knochen eingeschlossen, oder er liegt verdreht oder
verkehrt, zuweilen zwischen den Wurzeln oder in der Pulpahöhle des
zweiten Molars oder in einer Cyste eingeschlossen. Mitunter bricht
er nach der Haut oder der Incisura mandibulae durch.
Als Beläge für alle diese Störungen führen Verff. eine Reihe
eigener und fremder Beobachtungen an; je nach dem Grade unter-
scheiden sie eine leichte, mittlere oder schwere Form. Die höheren
Rassen haben darunter viel mehr zu leiden, weil der Skeletteil des
Unterkiefers kleiner ist als bei den niederen Rassen, der Alveolarteil
sich also nicht so weit ausdehnen kann. Wegen dieser Raumbeengung
wird der dritte Molar bei den höheren Rassen oft gar nicht mehr
angelegt. |
In der Mehrzahl der Fälle überwiegen die mechanischen Ursachen
bei den vom Weisheitszahn ausgehenden Krankheitserscheinungen.
Die Infektion tritt erst sekundär hinzu, kann aber auch schon das
Zahnsäckchen von dem entzündeten Zahnfleisch aus oder auf dem
Blutwege befallen. Die Theorie Moty’s (s. dieses Blatt 1901, p. 1165),
welcher epitheliale Einschlüsse zwischen den Wurzeln der Weisheits-
zähne, die auf verschiedene Reize hin wuchern, für alle Störungen
verantwortlich macht, kann nach Ansicht der Verff. nur für besondere
Fälle gelten.
Die Behandlung richtet sich nach den allgemeinen chirurgischen
Grundsätzen; oft wird man den Weisheitszahn opfern müssen. Die
prophylaktische Extraktion des ersten Molars ist zu verwerfen, da sich
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 827
Störungen von seiten des Weisheitszahnes dann noch gar nicht voraus-
sehen lassen. Gutzeit (Neidenburg).
20) Zeitschrift für Laryngologie, Rhinologie und ihre Grenz-
gebiete. Herausgegeben von Dr. !Felix Blumenfeldt
(Wiesbaden).
Würzburg, Curt Kabitzsch, 1908.
Die neue Zeitschrift tritt mit alten und neugegründeten in Wett-
bewerb, und manchem möchten Bedenken auftauchen, ob gerade der
jetzige Zeitpunkt für die Herausgabe günstig gewählt sei, da eben
jetzt auch die Zeitschrift für Ohrenheilkunde ihr Absatzgebiet durch
Aufnahme der Krankheiten der oberen Luftwege erweiterte und sich
der wertvollen Mitarbeiterschaft Killian’s zu erfreuen hat. Indessen
ist es dem Herausgeber gelungen, sich einen Stab von zum Teil hervor-
ragenden Mitarbeitern zu sichern und so eine Garantie dafür zu bieten,
daß das Ziel, das er sich gesteckt, auch wirklich erreicht werde. Be-
sonders sei betont, daß die neue Zeitschrift außer der Tracheo- und
Bronchoskopie, die sie als selbstverständlichen Bestandteil des Spezial-
gebietes betrachtet; als Grenzgebiete vornehmlich die Osophagoskopie,
die äußere Chirurgie des Halses, die Erkrankungen der Lunge und
Haut, soweit sie das Spezialfach berühren, und die Pathologie und
Therapie der Stimme fördern will. So zählen denn auch hervorragende
Chirurgen (Gluck) und Interne (v. Noorden) zu ihren ständigen
Mitarbeitern. Auf dem Gebiete der Ösophagoskopie hat sich der
Herausgeber der Teilnahme von Starck in Karlsruhe zu erfreuen, der
in einem sehr lesenswerten Aufsatz die eminenten Vorteile der öso-
phagoskopischen Behandlung der Fremdkörper der Speiseröhre gegen-
über der chirurgischen betont und, wie nebenher bemerkt sei, in der
Wiederempfehlung des Münzenfängers durch Friedrich einen bedeuten-
den Rückschritt sieht. Erst bei Versagen der Ösophagoskopie, die
unbedingt der erste Eingriff bei Fremdkörpern in der Speiseröhre sein
soll, tritt die chirurgische Behandlung in ihre Rechte. Auf dem gleich
hohen Niveau stehen die meisten der übrigen Beiträge, die zum Teil
durch ganz vorzügliche Tafeln illustriert sind. Man darf der weiteren
Entwicklung der Zeitschrift mit Spannung entgegensehen.
Engelhardt (Kassel).
21) G. Eckstein. Anatomische Untersuchungen über den
Zusammenhang zwischen den Halsrippen und Skoliosen.
(Prager med. Wochenschrift 1908. Nr. 17.)
Verf. hat ein Material von 46 Fällen von Halsrippen zusammen-
gestellt. Er ist der Ansicht im Gegensatze zu Garr&, daß Halsrippen
allein für die Entstehung hochgradiger cervicodorsaler Skoliosen nicht
beschuldigt werden können, sondern daß andere ätiologische Momente
für die Erklärung dieser Form von Skoliose herangezogen werden
müssen. A. Hofmann (Karlsruhe).
828 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27.
22) Berry. The Bier-Klapp suction method as an aid to
treatment in suppurative conditions of the neck.
(Albany med. annals 1908. Mai.)
B. empfiehlt auf Grund einiger Fälle das Klapp’sche Saugver-
fahren zur Vor- und Nachbehandlung bei der Operation vereiterter
und perforierter tuberkulöser Halsdrüsen. Durch die Vorbehandlung
gelingt es, die Mischinfektion rasch zu beseitigen; die Grenzen zwischen
erkranktem und gesundem Gewebe werden deutlicher, die Wunde
kann eventuell sofort wieder geschlossen und hierdurch eine ent-
stellende Narbenbildung vermieden werden. In der Nachbehandlung
nach der Operation wird durch die Saugbehandlung die Ausheilung
beschleunigt. Drei von B. mitgeteilte Fälle illustrieren das Gesagte.
Mohr (Bielefeld).
23) Garre. La strumectomie dans la maladie de Basedow.
Les résultats éloignés.
(Presse méd. 1908. Nr. 17.)
Die Operationsresultate haben sich gebessert, weil die Pat. früher
zur Operation kommen. Verf. verwirft die Resektion des Ganglion cervi-
cale des Sympathicus, welche er zweimal ausgeführt hat, weil technisch
schwieriger und gefährlicher. Gefäßunterbindung (acht Fälle), ver-
wendet er nur bei stark vaskulären Kröpfen und frischen Fällen, bei
denen das Resultat oft auffallend gut ist. Seine Methode der Wahl
ist die Hemistrumektomie (30mal) in Athernarkose. In einem Falle
sah er Besserung nach Radiumbehandlung. Jede Operation ist kontra-
indiziert bei schwer myokarditischen Erscheinungen.
Der unmittelbare Erfolg der Operationen zeigt sich in der Ab-
nahme der Pulsfrequenz. Die Kranken fühlen sich viel ruhiger. Am
geringsten beeinflußt wurde der Exophthalmus.
Dauerresultate: Unter mehr als 120 Nachuntersuchten aus den
letzten 5 Jahren war der Exophthalmus in einem Drittel der Fälle
ganz geschwunden, in einem Viertel wie vor der Operation, in der
Hälfte/nur noch Spuren.
Die Tachykardie dauerte weiter in vier Fällen. Bei zwei Drittel
blieb die Pulszahl unter 92.
Zwei Drittel der Nachuntersuchten haben noch nervöse Störungen.
Gewichtszunahmen und Besserung des Allgemeinbefindens bei der
Hälfte. G. berechnet für sich 16% Heilungen. Die Ansichten, was
unter Heilung zu verstehen ist, sind sehr verschieden, was daraus zu
ersehen ist, daß die Ziffern anderer Autoren zwischen 8—72%
schwanken. Ein großer Teil von G.’s Kranken ist so gebessert, daß
sie ihren Beruf wieder aufnehmen konnten. Er hat nur einen Todes-
fall, und zwar während der Operation erlebt, bei gleichzeitiger hyper-
trophischer Thymus. Es bestehen sicher Beziehungen zwischen Thymus
und Basedow, welcher Art läßt sich heute noch nicht sagen.
Deetz (Homburg v.d. H.).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 829
24) Geis. The parathyroid glands.
(Annals of surgery 1908. April.)
Die etwa !/, Zoll langen, gelbbraunen, nierenförmigen Neben-
schilddrüsen (Epithelkörperchen) besitzen einen Hilus, in den die Art.
parathyreoidea eintritt. Das Gewebe setzt sich aus unregelmäßigen,
epithelartigen Zellen zusammen, welche säulenartig angeordnet sind
und von Bindegewebe durchzogen werden, das seinen Ausgangspunkt
von einer dünnen Kapsel nimmt. Es werden gewöhnlich vier Drüsen
— auf jeder Seite der Schilddrüse zwei —, und zwar eine obere und
eine untere, angetroffen; sie sitzen an der hinteren Fläche der Schild-
drüsenkapsel fest an. Die obere, mehr nach außen liegende, liegt
an der Cartilago cricoidea, die untere, mehr nach innen liegende, oft
unterhalb des unteren Schilddrüsenpoles; sie ist oft schwer zu finden.
Die Art. parathyreoidea superior entspringt entweder direkt aus der
unteren Schilddrüsenarterie oder aus einer Anastomose zwischen oberer
und unterer. Die aus der Art. thyreoidea inferior abgehende untere
Nebenschilddrüsenarterie ist, wie an schönen Abbildungen erläutert
wird, ein erkennbarer, direkt von der unteren Schilddrüsenarterie ab-
gehender Zweig.
Sowohl die Exstirpation sämtlicher Nebenschilddrüsen, wie die
Unterbindung der sie versorgenden Gefäße ruft Tetanie und Tod
hervor. "
Operativ soll man deswegen bei Exstirpation der Schilddrüse
folgendermaßen vorgehen: Nach Durchtrennung von Haut, Platysma
und den Mm. sternohyoidei wird die obere Spitze der Schilddrüse
vorgezogen und die Art. thyreoidea superior unterbunden. Nachdem
man hiernach die Drüse noch weiter vorgezogen hat, sieht man die
Art. parathyreoidea, und distal von ihr unterbindet man die untere
Schilddrüsenarterie.e Man kann auch dort, wo die unteren Schild-
drüsenarterien eintreten, eine Klemmzange quer durch die Schilddrüse
legen und dann distal abtrennen. Auf beide Weisen wird die Art.
parathyreoidea erhalten. Herhold (Brandenburg).
25) O. Hildebrand. Beitrag zur Chirurgie des unteren Öso-
phagusabschnittes.
(Berliner klin. Wochenschrift 1908. Nr. 12.)
Verf. erbringt an der Hand einer kurzen Schilderung der Ana-
tomie der Speiseröhre den Nachweis, daß unserem chirurgischen Können
Grenzen gesetzt sind, und begründet seine Ansicht, daB die Versuche,
das Karzinom des unteren Ösophagusabschnittes operativ zu entfernen,
aussichtslos sind; die Gastrostomie bietet für das Leben der Pat. bis
jetzt sehr viel mehr als die Resektion der Speiseröhre. Eher gerecht-
fertigt erscheint die Operation bei dem sehr selten vorkommenden
tiefen Divertikel des Osophagus.
Bei Fremdkörpern von rundlicher Form, die nur kurze Zeit in
der Speiseröhre verweilten, genügt bei hochsitzenden die Osophago-
tomie, bei tiefsitzenden die Gastrotomie.
830 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27.
Die Entfernung von Fremdkörpern, die längere Zeit in der Speise-
röhre verweilten, gelingt nur, wenn man Ösophagotomie und Gastro-
tomie macht und bimanuell arbeitet, manchmal aber auch dann erst
nach Verkleinerung des Fremdkörpers mit Hilfe des Durchglühens
oder des Zertrümmerns durch Zange.
Vor jeder Ösophagotomie soll prinzipiell die Gastrostomie gemacht
werden, weil dadurch die Aussichten für die primäre Heilung außer-
ordentlich wachsen. Langemak (Erfurt).
26) C. Beck. Surgical diseases of the chest. 371 S.
Philadelphia, P. Blakiston’s son & Co., 1907.
Der bekannte Neuyorker Chirurg will, wie er im Vorwort sagt,
seinen Landsleuten, die sich allzusehr auf die Vervollkommnung der
Bauchchirurgie beschränkt haben, auch die Krankheiten des Brust-
korbes mehr ans Herz legen. Das Buch bringt eine Menge schöner
Illustrationen, die zum Teil anderen, meist amerikanischen Werken,
entlehnt sind. Die Darstellung ist für einen Chirurgen von Fach
etwas kurz. Verf. selbst betont, daß er mit Rücksicht auf den All-
gemeinpraktiker mehr Raum auf die Besprechung der Diagnose als
der operativen Technik verwandt hat.
Die Darstellung der Skoliose ist äußerst kurz fortgekommen, die
° Krankheiten der Wirbelsäule fehlen ganz, dafür ist eine sehr lesens-
werte Abhandlung mit Abbildungen, betreffend subphrenische Abszesse,
gegeben.
Die Diagnose durch Röntgenstrahlen wird, der ganzen Richtung
des Verf.s entsprechend, ausführlich besprochen, dagegen kommt das
Sauerbruch’sche Verfahren entschieden zu kurz weg. Wenn Verf
im Anfang als die drei Revolutionen in der Brustchirurgie die Ein-
führung der Bakteriologie, der Asepsis und der Röntgenstrahlen feiert,
so mag das für das ganze große Gebiet der Chirurgie stimmen, für
die Chirurgie des Brustkorbes ist Sauerbruch’s Idee entschieden
das Epochemachendste in der letzten Zeit gewesen. Auch eine Dar-
stellung und Gegenüberstellung von Unter- und Überdruckverfahren
wäre sicher erwünscht gewesen. Goebel (Breslau).
27) Le Conte. Rupture of the lung without costal injury.
(Annals of surgery 1908. März.)
Bei Lungenberstung nach Trauma (Überfahren usw.) tritt eine
tympanitische Dämpfung über den Lungen infolge Pneumothorax ein;
wenn in solchen Fällen kein Rippenbruch vorhanden ist, kann es
zweifelhaft werden, ob es sich nicht um ein Eindringen von Bauch-
inhalt durch das zerrissene Zwerchfell in die Brusthöhle handeln kann.
In einem derartigen Falle hatte Verf. die Laparotomie gemacht und
war dann, als die Eingeweide und das Zwerchfell normal angetroffen
wurden, erst auf die richtige Diagnose geführt worden. Differential-
diagnostisch kommt in Betracht, daß bei Eindringen von Bauchinhalt
in die Brusthöhle der tympanitische Ton nicht, wie es beim Pneumo-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27.
831
thorax der Fall ist, bis in die Lungenspitze hinaufreicht; zweitens
kommt nur hierbei Erbrechen vor, während es beim Pneumothorax
fehlt.
Bezüglich der Behandlung des traumatischen Pneumothorax nach
Lungenquetschung ohne Rippenbruch. soll nach Verf. rein sympto-
matisch verfahren werden. Nur wenn Dyspnoe und Puls sehr zu-
nehmen, kann mit einer Spritze die Luft abgesaugt werden; hierzu
darf aber nur eine dünne Nadel genommen werden, da sonst leicht
Hautemphysem eintreten kann. Auch eine Thorakotomie mit nach-
folgender Einführung eines Drains kann in Frage kommen.
Herhold (Brandenburg).
28) Dawbarn. Studies in technique of cancer of the breast
operation.
(Annals of surgery 1908. März.)
D. bespricht zunächst kurz jene Fälle, in welchen ein in der
Brustdrüse sitzender und von starrem Bindegewebe umgebener, sehr
kleiner Eiterherd Karzinom vortäuschte und zur Amputation der
Mamma führte. Sodann schildert er, wie er bei Brustkrebs operiert.
Er beginnt stets mit der Aus-
räumung der Achselhöhle, da
dieses nicht nur verhindert, daß
Krebskeime in das Blut- und
Lymphsystem gelangen, sondern
auch einen geringeren Blutverlust
bei dem nachfolgenden Aus-
schneiden der Mamma, des großen
und des kleinen Brustmuskels
bedingt, da die diese Muskeln
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versorgenden Blutgefäße leicht in
der Achselhöhle durchschnitten `
und unterbunden werden können.
Während der Operation legt D.
ferner um beide Beine in der
Nähe des Rumpfes elastische Bin-
den derartig an, daß der Puls F í
weich wird. Die Blutung pflegt |
dann aus den durchschnittenen
Muskelästen viel geringer zu sein, bei Abnahme der elastischen Binde
nach vollendeter Operation wird sie zwar wieder etwas stärker, sie
kann aber durch Auflegen von in heißes, gekochtes Wasser getauchten
Kompressen leicht gestillt werden. Ferner wird durch diese elastische
Umschnürung ein Reservevorrat von Blut bei schwächlichen und
anämischen Personen geschaffen. Endlich bildet Verf. aus dem M. del-
toideus durch einen rechteckigen Schnitt einen Muskellappen (D) und
vernäht ihn mit einem am Schlüsselbein gelassenen Stumpf der Cla-
vicularportion des M. pectoralis major (P). Auf diese Weise wird
832 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27.
das Heben, die Adduktion und Flexion des Oberarmes nach der Ope-
ration erleichtert.
Den Arm fixiert D. nach beendigter Operation nicht am Brust-
korbe, sondern in einer Stellung nach oben und rückwärts, so daß
die Hand im Nacken liegt. Hierdurch wird es der Pat. ebenfalls
möglich, später ihre Hand schneller, z. B. zum Haarmachen, wieder
zu gebrauchen. Herhold (Brandenburg).
Kleinere Mitteilungen.
29) Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins.
171. Sitzung vom 11. Mai 1908.
Vorsitzender: Herr Bessel-Hagen.
1) Herr A. Dietrich: a. Über die granulomartige Form des Lymph-
drüsensarkoms.
An der Hand einiger Fälle wird die eigentümliche Erkrankung der Lymph-
drüsen besprochen, die unter dem Namen der Hodgkin’schen Krankheit im
engeren Sinne (Kundrat, Paltauf) bekannt und deren Genese vielfach um-
stritten ist. Früher der Pseudoleukämie zugereiht, wurde sie von Sternberg
als eine eigentümliche Form der Lymphdrüsentuberkulose aufgefaßt, von anderen
als eine Infektionskrankheit ‚ohne einheitliche Atiologie (malignes Granulom von
Benda). Es kommen aber Übergänge in echte sarkomatöse Wucherung vor, und
D. zeigte in seinen Fällen, daß solche Übergänge ohne jede Anderung im ganzen
histologischen Aufbau erfolgen. Aber auch bei den anscheinend rein auf die
Lymphdrüsen selbst beschränkten Fällen ließen sich Einbrüche von charakteristi-
schem großzelligen Gewebe in Lymphgefäße und Venen feststellen. Daher ist
D. geneigt, die ganze Erkrankung auch dann, wenn kein Übergreifen auf andere
Gewebe und Organe ohne weiteres erkennbar ist, als eine eigentümliche Sarkoma-
tose anzusehen und schlägt den Namen der granulomartigen Form des Lymph-
drüsensarkoms vor.
b. Ein Fall von Akromegalie.
Demonstration der Präparate eines typischen Falles, an dem besonders die
Konochenveränderungen ausgeprägt waren, starker Schwund der Corticalis mit Auf-
treibung der Gelenkenden, Gelenkveränderungen wie bei Arthritis deformans, groß-
artige rachitisähnliche Umwälzungen an den Knochen-Knorpelgrenzen der Rippen.
Mäßige Hyperplasie der Hypophyse.
2) Herr Schäfer: Überintermittierende, mit plastischer Operation
behandelte Hydronephrose.
8. stellt einen Soldaten im 2. Dienstjahre vor, den er wegen intermittierender
Hydronephrose operiert hat. Die mächtige Geschwulst war vorn, dicht neben dem
Nabel, zum Vorschein gekommen. Stürmische Nierenblutungen hatten die Ope-
ration dringend gemacht. Es fand sich Descensus und Querlagerung der hyper-
trophischen rechten Niere. Der Harnleiter verlief in der vorderen Wand des
Sackes und endigte unweit des Ansatzes des Sackes an die Niere. Es lag also
eine Kombination von Wanderniere und falschem Harnleiteransatz vor. Der Harn-
leiter wurde, soweit er in der Wand des Sackes verlief, gespalten, die Schleim-
hautränder mit den Schnitträndern des Sackes vernäht, so daß die Harnleiter-
mündung an die tiefste Stelle des Sackes zu liegen kam, der Sack reseziert, die
Nierenbeckenwunde durch Zweietagennaht ohne Drainage geschlossen und schließ-
lich die Niere an der 12. Rippe befestigt. Heilung ohne Fistel.
3) Herr Bessel-Hagen: a. Heilung einer tuberkulösen Lungen-
kaverne durch Operation.
Die Versuche, auf operativem Wege tuberkulöse Lungenerkrankungen zu heilen,
haben seither zu starken Enttäuschungen und zur Anschauung geführt, daß man
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 833
die größeren Eingriffe, die Pneumektomie und auch die Pneumotomie, vermeiden
sollte. Trotzdem ist nicht jede Operation an der tuberkulösen Lunge zu verwörfen.
Es erscheint nur fraglich, ob es gelingen wird, die diagnostischen Schwierigkeiten
zu überwinden und die günstigen Fälle herauszufinden. B.-H. erachtet die In-
dikation zur Operation dort als zwingend, wo von einer Lungenkaverne aus tuber-
kulöse Fistelgänge über den Bereich der Lunge hinaus in die Thoraxwand ein-
gedrungen sind. Zur Gruppe dieser Fälle, von denen einzelne anscheinend mit
gutem Erfolg operiert worden sind, gehört auch der Pat., den er vorstellt.
Angeblich war derselbe nur zweimal »an Husten« erkrankt; im August 1906
bildete sich im oberen Teile der Brustbeingegend, langsam wachsend, ein kleiner
Abszeß und gleichzeitig über der rechten Clavicula eine geringe Infiltration, die
in der Tiefe hinter der Clavicula verschwand. Es lag die Annahme nahe, daß
der Sitz der Tuberkulose, um die es sich handeln mußte, hinter der Brustwand
zu suchen sei.
Die Operation, welche im Oktober 1906 von B.-H. ausgeführt wurde, begann
mit einem "j -Schnitt, Von der Abszeßhöhle aus verliefen Fistelgänge nach rechts
hin bis in die Schichten des M. pectoralis major, auf der linken Seite um das
Sternum herum in die Tiefe. Nach ihrer Exstirpation wurde unter Erhaltung
einer die Sternoclaviculargelenke verbindenden Knochenspange der obere Teil des
Sternum mit den Rippenansätzen entfernt und dahinter eine zweite, etwas größere
Abszeßhöhle freigelegt, von welcher wiederum verschiedene Fistelgänge ausgingen, _
nach oben in die infiltrierte Supraclaviculargegend hinein, nach hinten zur Wirbel-
säule und nach rechts unterhalb der 1. Rippe zur Lunge hin. Alle tuberkulös
erkrankten Teile, gegen die Wirbelsäule hin auch zwei tuberkulös erkrankte Bron-
chialdrüsen, wurden exstirpiert. Daß diese Drüsen nur zum Teil tuberkulös waren,
erschien günstig. Im weiteren Verlaufe der Operation mußte der Verfolgung des
zur rechten Lunge hin verlaufenden Fistelganges zunächst die Resektion eines
größeren Stückes der 1. Rippe und die Unterbindung der Vasa mammaria int.
vorausgeschickt werden. Dann folgte die vorsichtige Spaltung der den Fistelgang
deckenden Weichteilschicht bis zu einer ziemlich großen Lungenkaverne hin, die
eine dünne, eitrig-trübe Flüssigkeit enthielt. Daß die Wandungen und auch das
Gewebe vor der Kaverne der Lunge angehörten, konnte mit Sicherheit erkannt
werden. Übrigens fanden sich an den Wandungen der Kaverne nur wenige Un-
ebenheiten, nur einzelne käsige Bröckelchen und wenig, was auf eine weitergehende
tuberkulöse Infiltration hätte deuten können. Vorsichtig wurde mit dem scharfen
Löffel entfernt, was verdächtig erschien.
Die Heilung nach dieser, öfters von Hustenstößen unterbrochenen Operation
wurde durch Tamponade der Lungenhöhle mit Jodoformgaze erzielt. Das Resultat
ist ein tadelloses und voraussichtlich auch ein gutes Dauerresultat. Der Ernährungs-
zustand des Pat. ist ein vorzüglicher. An den Lungen sind jetzt keinerlei patho-
logische Erscheinungen mehr nachzuweisen; und auch auf Röntgenphotographien
sind nur diejenigen Erscheinungen sichtbar, die auf Veränderungen des knöchernen
Thorax zurückzuführen sind. (Demonstration.)
Daß es sich hier um eine tuberkulöse Kaverne handelte, hat die mikroskopische
Untersuchung erwiesen. Nun haben zweifellos in diesem Falle verschiedene gün-
stige Momente einen Einfluß aut die Operation ausgeübt. Doch muß immerhin
eine solche Beobachtung ermutigen, unter bestimmten, günstig erscheinenden Vor-
aussetzungen bis in die Lungenkaverne hinein vorzudringen und so eine Heilung
anzustreben.
b. Die diffuse Myelomatose des Rumpfskelettes.
Über diese seltene Erkrankung, deren klinische Erscheinungen leicht zu Täu-
schungen und infolgedessen zu einer fehlerhaften Therapie Anlaß geben, berichtet
B.-H. im Anschluß an eine Beobachtung, die er soeben gemacht hat.
Sie betrifft einen 52jährigen Herrn, der zur Operation eines Nierensteines aus
dem Auslande nach Berlin gekommen war. Wie er angab, hatte er mehrfach an
Nierensteinkoliken gelitten; auch sollte im Sommer v. J. ein starker Eiweißgehalt
834 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27.
und im Februar d. J. eine Eiterbeimengung im Urin beobachtet worden sein.
Der Zustand des Kranken war jammervoll. Auffällig war von vornherein, daß
das Krankheitsbild mehr, als an die Folgen eines Nierensteines, an eine schwere
Erkrankung der Wirbelsäule erinnerte.
Für die Beurteilung des Krankheitsfalles kam nun dem Vortr. ein ebenso
interessanter wie ungewöhnlicher Urinbefund zu Hilfe. Es gelang dem Krankenhaus-
chemiker Dr. Beckström, festzustellen, daß im Urin weder Serumalbumin noch
Serumglobulin vorhanden war, wohl aber jener merkwürdige Harnkörper, der als
Bence-Jones’scher Eiweißkörper beschrieben worden ist. Derselbe ist
vorzugsweise dadurch ausgezeichnet, daß er sich beim Erwärmen auf 45—60° aus-
scheidet, bei weiterem Erhitzen auf 100° wieder löst und bei der Abkühlung von
neuem ausfällt, daß ihn dann Siedehitze wieder zur Lösung und Erkalten wiederum
zum Ausscheiden bringt.
Von diesem Harnkörper hat nun der Kranke während der ganzen Zeit der
Beobachtung nicht weniger als 32—35 g täglich ausgeschieden. Daraus war zu
entnehmen, daß nicht eine gewöbnliche renale Albuminurie vorlag, sondern offenbar
eine schwere Knochenmarkerkrankung; denn wo dieser Harnkörper gefunden wurde,
ist fast in jedem Fall eine schwere Störung im Aufbau des Knochensystems nach-
gewiesen worden. Hiermit stimmte auch der weitere Verlauf überein, eine wech-
selnde Druckempfindlichkeit an mehreren Stellen der Wirbelsäule, das Auftreten
unerträglicher neuralgiformer Schmerzen in der Brust und in den beiden Rumpf-
seiten, dann das erste Erscheinen einer geringen, aber mehrfachen Deformation
der Wirbelsäule, und gleichzeitig mit diesen otienbar rasch fortschreitenden Um-
wandlungen das Einsetzen einer Fiebertemperatur von 39° und mehr.
Einen in diagnostischer Hinsicht wertvollen Befund ergaben zwei von Dr. Max
Cohn angefertigte Röntgenbilder insofern, als sie die Rumpfknochen, die Wirbel
und die Rippen stark durchscheinend, ähnlich wie bei diffus sich ausbreitenden
Einschmelzungsvorgängen in der Spongiosa, zeigten.
Weiterhin erschien für die Deutung der pathologischen Veränderungen wichtig
die Beschränkung der Krankheit auf die Knochen des Rumpfes, der völlig negative
Befund hinsichtlich solcher Veränderungen, wie sie im Röntgenbilde bei Knochen-
entzündungen und bei der Mehrzahl der Tumoren sichtbar werden, ferner das
Fehlen sämtlicher Lymphdrüsenschwellungen und andererseits das Bestehen einer
geringen Milzvergrößerung und nur mäßiger Blutveränderungen.
Es lag daher nahe, die Krankheitserscheinungen auf Myelome zu beziehen,
gleichzeitig aber auch diejenigen Formen des Myeloms auszuschließen, die in um-
schriebenen Knoten auftreten und mit Lymphdrüsenschwellungen einhergehen. Die
Annahme, daß es sich um die weniger häufige Form des echten Myeloms, um
eine diffuse hyperplastische Wucherung der Markzellen mit diffus tortschreitender
Einschmelzung der Spongiosa handle, ähnlich wie sie Abrikossoff als diffuse
Myelomatose beschrieben hat, wurde bestätigt, als der Kranke vor 2 Tagen unter
den |Erscheinungen einer rapide fortschreitenden Kachexie der Krankheit erlag.
Die Knochen des Rumpfes zeigten sich weich und äußerst fragil, bei Druck
knisternd, gefüllt mit einer gleichartigen, dunkelroten Markmasse. Eine genauere
pathologisch-anatomische Untersuchung soll noch vorgenommen werden.
Für die Diagnose der Erkrankung glaubt B.-H. dem Nachweise des Bence-
Jones’schen Eiweißkörpers einen besonderen Wert beilegen zu sollen. Er weist
darauf hin, daß sein Vorkommen außerordentlich leicht übersehen werden kann,
da die chemische Untersuchung große Sorgfalt erfordert. Oft mögen aus diesem
Grunde Myelome des Rumpfskelettes verkannt worden sein.
Diskussion: Herr Max Cohn demonstriert zwei Röntgenbilder eines Pat.,
bei dem auch eine disseminierte Erkrankung des Knochenmarkes anzunehmen ist
Im Gegensatz zu dem Falle des Herrn Bessel-Hagen ist aber ein relativ gut-
artiger Prozeß zu konstatieren; es scheint sich um eine bindegewebige Umwand-
lung des Knochenmarkes mit Zugrundegehen der Knochensubstanz im Sinne der
Ostitis fibrosa zu handeln.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 835
4) Herr Fischer: Thrombose der Gallengangkapillaren.
Verstopfung der Gallengangkapillaren durch Gallenthromben, wie sie Eppinger
bei toxischem Ikterus (Phosphorvergiftung) und bei cyanotischem Ikterus nach-
gewiesen hat, mußte bei einem tödlich endenden Falle von schwerem Ikterus als
Todesursache angesehen werden.
Es handelte sich um einen 29jährigen Arbeiter, der seit 3 Jahren an wechseln-
dem Ikterus litt; bisweilen traten kolikartige Schmerzen in der Lebergegend auf;
Gallensteine konnten im Stuhl nicht nachgewiesen werden.
Nach dem klinischen Bilde war eine Cholecystitis nicht mit Sicherheit auszu-
schließen; vielmehr war in der Tiefe eine kleine Resistenz zu fühlen. Bei der
Laparotomie wurde die Steine enthaltende Gallenblase und der Ductus cysticus
entfernt. Dagegen zeigten der Ductus hepaticus und Choledochus freie Durch-
gängigkeit. Trotzdem nahm die Verfärbung an Intensität bis zur Braunfärbung
der Haut zu; auch traten cholämische Blutungen auf. Am 8. Tage p. op. erlag
Pat. seinem Leiden.
Bei der Obduktion fand sich die oben angegebene Verstopfung der Gallen-
gangkapillaren. Die Atiologie für diesen Krankheitsfall ist leider nicht geklärt.
5) Herr Bessel-Hagen: Zur Pathologie der Hirschsprung’schen
Krankheit.
B.-H. stellt einen 6jährigen Knaben vor, den er trotz seines äußerst elenden All-
gemeinzustandes durch Operation geheilt hat. Der Knabe bot das typische Krank-
heitsbild dar. Nach dem Ergebnis verschiedener, nach Einführung einer Kuhn’schen
Spiraldarmsonde hergestellter Röntgenplatten mußte es sich in diesem Fall um
eine stark verlängerte und dilatierte Flexura sigmoidea handeln. Wie sich dann
bei der Operation zeigte, nahmen die Schenkel dieser bis zur Dicke eines Mannes-
armes aufgeblähten und stark hypertrophisch gewordenen Darmschlinge etwa 3/4
des ganzen Bauchraumes ein; zugleich aber waren sie unter Bildung eines Vol-
vulus derart gelagert, daß der zuführende Schenkel vom Colon desc. aus in das
kleine Becken hinab, dann zur anderen Bauchseite hinüber, und der abfübrende
Schenkel von dort und von der Oberbauchgegend her an der Hinterwand des
Beckens abwärts verlief, also zwischen Beckenwand und zuführendem Schenkel
eingeengt war. Jede Füllung und Dehnung des zuführenden Schenkels mußte so
zu einem temporären Darmverschluß führen. Die ganze Schlinge wurde nun nach
Aufdrehung des Volvulus vor die Bauchwand gelagert, mit der Bauchwunde ver-
näht und nach einigen Tagen abgetragen, so daß nunmehr ein Anus praeter-
naturalis vorhanden war. Nach einiger Zeit wurde dann der Sporn beseitigt und
die Darmöffnung durch eine plastische Operation wiederum geschlossen.
B.-H. betont die Wichtigkeit und Bedeutung der mechanischen Hindernisse
für das Zustandekommen der Hirschsprung’schen Krankheit und demgemäß
auch die Wichtigkeit chirurgischen Eingreifens. Für die Reihe derjenigen Fälle,
zu denen der besprochene gehört, wo bei kongenitaler Anlage einer abnormen
Schlingenbildung sekundär mechanische Hindernisse eine wichtige Rolle spielen,
ist jedenfalls eine interne Behandlung zwecklos und oft auch gefahrbringend. Doch
soll unter Rücksichtnahme auf den geschwächten Allgemeinzustand des Kranken
der Operation zunächst eine längere Vorbehandlung mit Darmspülungen voraus-
gehen und beim Operieren selbst der Wagemut nicht zu weit führen. Für die
Mehrzahl der Fälle wird bei vorsichtigem Vorgehen die zweizeitig ausgeführte
Resektion der allzusehr verlängerten und erweiterten Schlinge das beste Verfahren
darstellen, während die übrigen Operationsmethoden entweder Unzureichendes leisten
oder zu schwierig und eingreifend sind. Der vorgestellte Fall einer solchen Re-
sektion ist der achte, der geglückt und geheilt ist. Richard Wolff (Berlin).
30) L. Cheatle. Observations on the incidence and spread of cancer.
(Brit. med. journ. 1908. Februar 22.)
Von 56 Hautkrebsen der Hand, die C. sammelte, betrafen 54 den Handrücken
und von diesen wieder 28 den Bereich des zweiten Metacarpus, 22 den dritten
836 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27.
und vierten. Diese Tatsache widerspricht der Lehre vom Zusammenhang zwischen
Trauma und Neubildung; denn die Hautkrebse der Hand entsteben eben nicht am
Orte gehäufter Außenreize, sondern in dem Bereich des Handrückens, in welchem
die Hautnerven kutan werden. In diesem Zusammenhang mit der Nervenver-
sorgung der Haut sieht C. auf Grund Head’scher Experimente eine wichtige Be-
ziehung für die Entstehung von Hautkrebsen. Unter Beifügung erläuternder Ab-
bildungen beschreibt er noch einige Fälle von Gesichtskrebs, wo seiner Meinung
nach ein Zusammenhang besteht zwischen Krebsausbreitung und dem Bereich des
Nervus auricularis magnus. Weber (Dresden).
31) Groyer. On the thymus gland treatment of cancer.
(Annals of surgery 1908. April.)
Verf. hat 16 Fälle inoperabler Krebsgeschwülste (meistens Rezidive) mit Thymus-
drüsenextrakt behandelt. In allen Fällen, mit Ausnahme von dreien, wurde eine
temporäre Verkleinerung der Geschwulst und der Drüsen beobachtet, auch be-
fanden sich die Erkrankten wohler und verloren ihr kachektisches Aussehen. Alle
erlagen jedoch schließlich der Krebskrankheit, ohne daß .eine deutliche Verlänge-
rung des Lebens sichtbar geworden wäre. Im Gegenteil trat in einigen Fällen
der Tod trotz Wohlbefindens und besseren Aussehens scheinbar schneller ein, was
von @. auf die Bildung eines Toxins infolge der Thymusanwendung bezogen wird.
In den Fällen, in welchen das Karzinom im Digestionsapparat saß, wurde keine
Verkleinerung des Tumors erzielt.
Trotz dieser zweifelhaften Erfolge rät Verf. doch, bei inoperablen Krebsfällen
Thymus zu verabreichen. Herhold (Brandenburg).
32) Rosenkranz. Die Fulgurationsbehandlung der Krebse nach
Keating-Hart.
(Berliner klin. Wochenschrift 1908. Nr. 20.)
Nach Beschreibung der Instrumentariums und der Technik werden die Resul-
tate der Behandlungsmethode besprochen auf Grund der Eindrücke, die der Verf.
beim Erfinder der Methode gehabt hat. Es sind danach in vielen Fällen zunächst
Resultate erzielt, die man mit keiner anderen Methode zuwege gebracht hätte.
1) Unter den Haut-, insbesondere den Gesichtskrebsen, sind selbst schwere,
weit fortgeschrittene Fälle, bei denen zum Teil der unterliegende Knochen bereits
mitergriffen war, die zum Teil mehrmals radikal operiert und zum Teil ohne Er-
folg mit Strahlen behandelt waren, der Heilung zugeführt worden. In den leich-
teren Fällen hat die Methode den Vorzug der Schnelligkeit und Gründlichkeit.
Die Epithelisierung der Wunden ist eine rasche, der kosmetische Erfolg oft er-
staunlich. (Abbildungen.)
2) Geschwülste unter den äußeren Bedeckungen, also hauptsächlich Brustkrebse.
Obwohl es sich meist um ulzerierte, weit vorgeschrittene Geschwülste mit zum
Teil ebenfalls ulzerierten großen Drüsenmetastasen handelte, konnten doch die
Pat. in vielen Fällen in gutem Zustand erhalten werden, und wenn auch Rezi-
dive nicht immer ausblieben, so zeigten dieselben einen gutartigen Charakter, so
= bei erneuter Behandlung auch in diesen Fällen noch Heilung erwartet werden
ann.
3) Mit den Erfolgen bei den Geschwülsten der Schleimhäute ist Keating-
Hart bis jetzt weniger zufrieden, doch reichen die meisten in eine Zeit zurück,
in der er die elektrische Behandlung noch nicht hinreichend durch chirurgisches
Vorgehen wirksam machte. Trotzdem sind einige beachtenswerte Resultate zu
verzeichnen.
Bei den verzweifelten Fällen von Uteruskarzinom, die von Keating-Hart
behandelt wurden, wurden im wesentlichen nur palliative Erfolge erzielt. Doch
= die Beseitigung der Schmerzen, der Jauchung und der Blutung schon ein großer
winn.
Wenn auch die kurze seit Beginn der Behandlung verflossene Zeit zur Vor-
sicht bei der Beurteilung mahnt, so ist doch die gewissenhafte Nachprüfung eine
Zentralblatt für Chrirugie. Nr. 27. 837
Pflicht, und zwar eine streng den Absichten des Autors entsprechende, da eine
unexakte und inkonsequente Anwendung die Methode in Mißkredit bringen könnte.
Langemak (Erfurt).
33) M. O. Jogiches. Zur Behandlung der Angiome mittels Elektrolyse.
(Russki Wratsch 1908. Nr. 9.)
Die Behandlung ist in folgenden Fällen angezeigt: 1) bei oberflächlichen An-
giomen des Gesichtes; 2) bei Angiomen der Schleimhäute, und 3) bei tief unter
der Haut liegenden, nicht scharf begrenzten Angiomen.
Verf. behandelte 1906-1907 89 Angiome; über das erzielte gute Resultat geben
vier Paar Bilder (je eines vor und nach der Behandlung) Zeugnis ab.
E. Gückel (Wel. Bubny, Poltawa).
34) F. Gardiner. Some experiences with X ray and high-frequency
treatment.
(Scottish med. and surg. journ 1908. Februar.)
G. bringt eine Zusammenstellung der von ihm mit Röntgenbestrahlung und
hochfrequenten Strömen behandelten Fälle von Lungentuberkulose, Drüsentuber-
kulose, Skrofuloderma, Bauchfelltuberkulose, Lupus und Kehlkopftuberkulose. Das
Ergebnis bei zehn Fällen von Lungenphthise lehrt ihn, daß die Behandlung zwar
ein nützliches, aber kein spezifisches Hilfsmittel ist. Bei neun Drüsentuberkulosen
glaubt er die guten Erfolge andrer bestätigen zu können. Solange kein Eiter
nachweisbar ist, wird man BRöntgenbestrahlung mit Erfolg anwenden. Tritt keine
Heilung ein, so ist das Leiden doch durch Verkleinerung der Operation zugänglicher
geworden. Ahnlich günstige Erfolge hatte G. bei drei Fällen von Skrofuloderma,
zwei von Bauchfelltuberkulose, sechs von Lupus. Sein Bericht über Behandlung
von Rheumatismus, Lumbago, Ichias, Neuralgien, Ataxie, Schlaflosigkeit, Ulcus
rodens, Brustkrebs, Hauterkrankungen eignet sich nicht zur Wiedergabe, sondern
muß in der Urschrift eingesehen werden. Weber (Dresden).
35) 8. F. Proskurjakow. Über die Resultate der vierjährigen Tätig-
keit des phototherapeutischen Kabinetts im Petersburger Palinkin-
stadtkrankenhause.
(Russki Wratsch 1908. Nr. 8 u. 9.)
Es wurden 73 Pat. mit Lupus und 3 mit Hautepitheliom behandelt; die Zahl
der Sitzungen erreichte 15871. Schlußfolgerungen: Der Lupus wird vollständig
ausgeheilt. Bei optisch genauer Einstellung können die Sitzungen von 1 Stunde
bis zu 3/4, ja selbst 1/, Stunde abgekürzt werden. Bei größeren Exulzerationen
müssen dieselben zuerst mit anderen Mitteln (z. B. Argentum nitricum) gebessert
werden. In einigen Fällen wird mit der Zeit die Wirkung des Lichtes schwächer;
dann erweisen sich Unterbrechungen der Behandlung nützlich. Nach Finsen ist
vorzüglich heilbar die Dacryocystitis chronica tuberculosa. Das Ulcus rodens läßt
sich nach Finsen ebenfalls heilen, doch sind Rezidive nicht ausgeschlossen. — .
Besonders leicht und rasch heilen frische Fälle des Lupus.
E. Gückel (Wel. Bubny, Poltawa).
36) Morso und Mandelbaum (München). Neue Gesichtspunkte bei der
Behandlung eitriger Prozesse.
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 18.)
In einer kurzen Notiz teilen die Verff. zu dem von E. Müller und Peiser
auf dem diesjährigen deutschen Chirurgenkongreß gehaltenen Vortrage über die
Behandlung eitriger Prozesse durch Einbringung von Menschenserum in den Eiter-
herd mit, daß sie schwere eitrige Kolicystiden bei Mädchen mit Einläufen von
frischem, unverdünntem Rinderblutserum in die Blase erfolgreich behandelt haben.
Es trat meist sehr starke »Bakteriozidie« ein. — Anstoß zu den Versuchen gab
die Beobachtung, daß der Zusatz von Serum zum Cystitisharn im Reagenzglase
die Leukocyten binnen kürzester Zeit zu lebhafter Phagocytose veranlaßt.
Kramer (Glogau).
8385 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27.
37) G. Anzilotti. Sopra alcune sostanze atte a favorire l'osteogenesi
nel ritardo di consolidazione delle fratture.
(Arch. di ortopedia 1908. Hft. 1.)
Die Erfolge von Almerini und Colla mit Injektionen von Gelatine bei
Pseudarthrosen, Osteotomien, Osteomalakie haben A. ermutigt diese Gelatineinjek-
tionen in einem Falle von Pseudarthrose des Unterschenkels bei einem 26 Jahre
alten Manne zu machen. 15 Injektionen genügten, um die Pseudarthrose fest zu
machen, aber es wurden doch noch weitere 15 Injektionen zugefügt, um eines
definitiven Resultates sicher zu sein. Bei einem 41 Jahre alten Syphilitiker mit
Pseudarthrose des Unterschenkels schlug die Methode fehl. — Experimente an
Kaninchen mit Gelatine unter Beimischung von Kalksalzen (Chlorkalzium) hatten
ein noch besseres Resultat als Gelatine für sich allein.
E. Fischer (Straßburg i. E.).
38) Ottenberg. Transfusion and arterial anastomosis.
(Annals of surgery 1908. April.)
Die Transfusion von Blut in das Gefäßsystem ist gegen Ende des 19. Jahr-
hunderts stark diskreditiert worden. Der Grund lag in den verschiedenen Miß-
erfolgen, die man bei dem Versuch hatte, einem Menschen Blut von einem Tier
oder defibriniertes Blut in die Blutadern einzulassen. Heute weiß man, daß es
gefahrlos ist, wenn Blut derselben Spezies in das Blutgefäßsystem übergeführt
wird. O. glaubt, daß mit den großen technischen Fortschritten, die in der Chirurgie
mit der Gefäßnaht und den Gefäßanastomosen erzielt sind, die Transfusion wieder
eine Stelle in der Chirurgie erlangen werde.
Er machte die Transfusion von Mensch zu Mensch in zwei Fällen. Im ersten
Falle wurde einem an perniziöser Anämie leidenden jungen Mädchen von einem
anderen gesunden Mädchen Blut transfundiert, im zweiten Fall einem an Magen-
karzinom leidenden und durch Blutbrechen erschöpften Manne von seiner Frau.
Beide Male wurde das zentrale durchschnittene Ende der Art. radialis des Gebers
mit dem zentralen Ende der durchschnittenen Armvene des Empfängers verbunden,
im ersten Falle floß das Blut 27 Minuten, im zweiten 17 Minuten lang in die Vene
ein. Es trat sofort nach dem Überleiten des Blutes eine Erhöhung des Blut-
druckes, des Hämoglobingebaltes und der Zahl der roten Blutkörperchen ein.
Beide Pat. fühlten sich stärker und wohler. Leider konnte aber der Tod nicht
aufgehalten werden; das Mädchen erlag nach einigen Tagen der perniziösen Anämie,
da die Blutungen aus dem Uterus nicht nachließen, der Mann starb nach der
wegen Magenkarzinom ausgeführten Laparotomie.
Die Personen, von welchen das Blut entnommen wurde, zeigten keine wesent-
lichen Störungen; die Frau des Mannes hatte nicht einmal eine Verminderung
des Blutgehaltes noch der roten Blutkörperchen, während diese beiden Momente
bei dem jungen Mädchen vorübergehend vorhanden waren. Das letztere war auch
nach der Blutentnahme 2 Tage etwas schwach.
Was die Technik der temporären Blutgefäßanastomose betrifft, so wurde über
das zentrale durchschnittene Ende der Art. radialis ein dünner silberner Ring
geführt und über diesen das Ende umgekrempelt, so daß die Intima nach außen
lag und in ihrer umgekrempelten Lage durch einige feine Silknähte fixiert wurde.
Nun wurde über dieses Ende das zentrale Ende der Vene herübergestreift und
durch dünnen, ringförmig umgelegten Silberdraht gehalten; Intima lag so auf
Intima. Nach der vollendeten Transfusion wurde die Gefäßanastomose durch-
schnitten und beide Gefäßenden unterbunden. Die Operation wurde beidemal
unter örtlicher Betäubung ausgeführt. Herhold (Brandenburg).
39) E. Forgue et P. Roger. L’intervention chirurgicale dans la
syphilis necrotisante de la voûte cranienne.
(Arch. prov. de chir. 1907. Nr. 11.)
Verff. vertreten den Standpunkt, bei schwerer gummöser Knochennekrose des
Schädeldaches, bei der nicht in kurzer Zeit durch interne Behandlung eine wesent-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 839
liche Besserung zu erzielen ist, sich nicht mit den bisher üblichen partiellen Ein-
griffen — Sequesterextraktion, Schabung usw. — abzugeben, sondern frühzeitig den
erkrankten Knochen mittels ausgedehnter Resektion zu entfernen. Sie empfehlen,
stets den Knochen des Schädeldaches in ganzer Dicke zu entfernen und berichten
über drei sehr ausgedehnte Resektionen mit vollständigem Erfolg. In einem Fall
haben sie fast das ganze knöcherne Schädeldach ohne späteren Schaden für den
Betreffenden entfernt. Müller (Dresden).
40) Dobrowolsky. Zur Kasuistik des Fibroma molle. (Aus der IL.
chirurg. Abteilung der medizinischen Kriegsakademie in Petersburg).
(Münchener med. Wochenschrift. 1908. Nr. 16.)
Fall von seit 8 Jahren hinter und über der rechten Ohrmuschel entwickeltem
weichen Fibrom, das, einem Teil des Schläfen- und Hinterhauptbeines aufsitzend
und in das Innere der Ohrmuschel eindringend, sackartig bis fast zum Gürtel
herabhängt. Die Haut der Geschwulst ist verdünnt, zum Teil behaart und ge-
schwürig. Vollständige Entfernung der gleichmäßig elastisch weichen Geschwulst.
Kramer (Glogau).
41) Apelt. Erwiderung auf die Arbeit von Dr. K. Pollack: » Weitere
Beiträge zur Hirnpunktion.«
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie. Bd. XVIII. Hft. 4.)
Pollack hatte eine Arbeit von A. als Beweis dafür angeführt, daß noch oft
durch Unterlassen der Hirnpunktion die Aussichten für eine richtige Diagnose
bzw. Erhaltung des Lebens versäumt würden. A. verwahrt sich gegen diesen Vor-
wurf, da sieben seiner Fälle einer Zeit entstammen, in der die Methode der Hirn-
punktion noch nicht publiziert war; im Gegenteil werde in der Abteilung Nonne's
der diagnostische Wert der Hirnpunktion sehr hoch geschätzt. Zwei Fälle von
Hämatom, ein subdurales, ein extradurales, wurden so richtig erkannt. An
zwei anderen Fällen wird gezeigt, wie auch der negative Ausfall der Punktion von
Wert sei, während weitere Fälle von unterlassener Punktion beweisen, wie wert-
vollen Aufschluß die Punktion hätte geben können. Haeckel (Stettin).
42) R. C. Allen. A case of status epilepticus: lumbal puncture: re-
covery.
(Brit. med. journ. 1908. April 11.)
Bei einem 28jährigen Mädchen, das im Laufe von 8 Stunden 36 schwere epi-
leptische Anfälle durchmachte und anscheinend sterbend war, brachte die Lumbal-
punktion mit Entleerung von 84 ccm Liquor in der überraschendsten Weise un-
mittelbar Besserung. Die Kranke wurde geheilt entlassen. Über den weiteren
Verlauf ist nichts bekannt. Weher (Dresden).
43) Küttner. Beiträge zur Chirurgie des Gehirns und Rückenmarks.
(Berliner klin. Wochenschrift 1908. Nr. 12—14.)
Eine Anzahl von interessanten Fällen aus den Gebieten der Gehirn- und
Rückenmarkchirurgie werden unter Mitteilung der Krankengeschichten mit Illu-
strationen geschildert. Hier können nur die Fälle und das Resultat der operativen
Eingriffe kurz aufgeführt werden.
Angeborene Mißbildungen:
1) Cephalocele occipitalis inf. Heilung ohne lokale und allgemeine Störung.
2) Spina bifida der oberen Brustwirbelsäule. Tod infolge Kompression der
Medulla oblongata durch ein Sarkom des Plexus chorioideus ventriculi quarti.
3) Spina bifida occulta mit Defekt des unteren Kreuzbeinabschnittes und des
Steißbeines; nicht operiert.
4) Spina bifida occulta des Kreuzbeines mit Geschwulstbildung; Operation
abgelehnt, deshalb mit Urinal entlassen.
Verletzungen:
5) Spätblutung bei Fractura baseos cranii. 9 Tage nach der Verletzung
Rückkehr zu normalen Verhältnissen und glatter Verlauf.
840 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27.
6) Bruch dreier Halswirbel.e Rein motorische Lähmung beider Arme durch
intramedulläre Blutung. Vollkommene Heilung.
7) Isolierte Fraktur des Dornfortsatzes vom 4. Lendenwirbel durch Muskelzug.
Heilung.
8) Trophoneurotische Gangrän des rechten Fußes und Wirbelfraktur. Ampu-
tation. Heilung.
Entzündliche Erkrankungen:
9) Akuter Gehirnabszeß nach Fractura cranii complicata. Eröffnung. Heilung.
10) Akuter traumatischer Gehirnabszeß, enormer Gehirnverfall. Heilung bis
auf zurückgehende spastische Paresen.
11) Chronischer Gehirnabszeß des linken Stirnlappens, eine linksseitige Klein-
hirngeschwulst vortäuschend. Tod nach Freilegung der linken Kleinhirnhemisphäre
infolge Schluckpneumonie.
12, Eitrige Meningitis mit Gasbildung. Trepanation. Tod.
13) Angeborene symmetrische Lähmungen und Deformitäten (Fötale Poliomye-
litis?). Orthopädische Behandlung begonnen.
14) Myelitis und Myositis ossificans nach Masern.
Geschwülste und Cysten:
15) Erfolgreiche Exstirpation eines Rundzellsarkoms des linken Stirnhirns.
16) Rundzellensarkom der vorderen Zentralwindung. Exstirpation. Tod.
17) Craniectomia probatoria bei Gehirngeschwulst. Glatter Verlauf.
18) Palliativtrepanation bei nicht lokalisierbarer Hirngeschwulst. Fast völlige
Wiederherstellung.
19) Cyste der Hirnoberfläche nach Depressionsfraktur. Allgemeine traumatische
Epilepsie. Operation. Glatter Verlauf.
20) Laminectomia probatoria (Gliomatose des Rückenmarkes?). Glatter Verlauf.
21) Rückenmarkspsammon. Operation. Heilung.
22) Fibrom der Cauda equina. Operation. Heilung.
Technik:
Die Infektion der Hirnsubstanz läßt sich am sichersten fernhalten, wenn die
Wunde vollkommen durch Naht geschlossen wird. Der Nahtverschluß wird er-
leichtert durch die Entfernung des Knochenlappens, die bei bösartigen Geschwülsten
schon der späteren Druckentlastung halber anzeigt ist.
Bei aseptischen Operationen an Kopf und Hals operiert K. nur mit einem
vollkommen desinfizierten, steril angezogenen und mit Handschuhen armierten
Narkotiseur. — Die Verschiebung der Abdecktücher wird dadurch verhütet, daß
sie mit Knopfnähten am Öperationsfeld befestigt werden.
Der Knochenlappen wird nach Anlegung von Bohrlöchern umschnitten, der
Borchard’sche Pflug bei dicken Knochen zu Hilfe genommen.
Soll durch eine Palliativtrepanation eine dauernde Druckentlastung herbei-
geführt werden, so eignet sich die Trepanationsöffnung über den Kleinhirnhemi-
sphären (Krause) am meisten, weil
1) die hintere Schädelgrube in erster Linie von der Entlastung betroffen wird.
(Rettung der Sehkraft),
2) der Weichteillappen, welcher die Trepanationslücke deckt, ein besonders
dicker ist,
3) die Druckentlastung hier besonders wirksam ist, weil hier sehr große liquor-
führende subarachnoideale Räume gelegen sind und geöffnet werden.
Bei Rückenmarksgeschwülsten operiert K. stets einseitig, entfernt immer die
Wirbelbögen mit Luer’scher Zange, tamponiert niemals und drainiert nur aus-
nahmsweise, operiert in horizontaler Lage oder leichter Beckenhochlagerung, kom-
primiert bei stärkerem Liquorabfluß den Duralsack von oben her mit einem kleinen
. Stieltupfer. Langemak (Erfurt).
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
. an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden.
Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med -Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau.
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig.
Zentralblatt für Chirurgie
herausgegeben von
K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER,
in Bonn, in Berlin, in Breslau.
35. Jahrgang.
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG.
Nr. 28. Sonnabend, den 11. Juli 1908.
Inhalt.
L A. Peiser, Über das Panaritium der »Melker«. — II. C. Ritter, Ein einfaches Mittel gegen
Erbrechen beim Atherrausch. (Originalmitteilungen.)
1) Hirsch, Atherrausch. — 2) v. Brunn, Hautdesinfektion. — 3) Lohnstein, Chronische Ure-
thritis. — 4) Asch, Urethrotomia interna. — 5) Wossidlo, Erkrankungen des Colliculus seminalis.
— 6) Englisch, Harnröhrenepitheliom. — 7) Englisch, Leukoplasie und Malakoplakie. — 8) Thelen,
Chromocystoskopie. — 9) Bandler und Fischel, Funktionsprüfung der Nieren. — 10) Reitter,
Urämie. — 11) Frank, Stauungsbehandlung in der Urologie. — 12) Wildholz, Nierentuberkulose.
— 13) Zuckerkandl, Tuberkulöse Pyonephrose. — 14) Kümmell, 15) Holzknecht und Kienböck,
Nephrolithiasis. — 16) Küster, 17) v. Eiselsberg, Nierengeschwülste. — 18) v. Neugebauer, Herma-
phroditismus,
A. Nast-Kolb, Beitrag zur Frage der Sensibilität der Bauchorgane. (Originalmitteilung.)
19) Sammelbericht über Röntgenbehandlung. — 20) Ruckert, Sanitätsdienst im Hottentotten-
feldzug. — 21) Thiriar, 22) van Gehuchten, 23) Bordet, Hundswut. — 24) Kuhn, Tetanus. —
25) Hohmeier, Marmorek’s Antituberkuloseserum. — 26) Schlagintweit, Technik des Verweil-
katheters. — 27) Lewin, Harnröhrengeschwülste. — 28) Bergmann, Prostatahypertrophie —
29) Lichtenstern, 30) Pauchet, Bilasengeschwülste. — 31) Lenk, Harnleiterkatheterismus. —
82) Suter, Funktionelle Nierendiagnostik. — 83) Albrecht, Nierendystopie. — 34) Kretschmer,
= Kotzenberg, 36) Haynes, Nierenblutung. — 37) Lichtenstern, 38) Wildholz, Nierentuber-
080.
I.
Aus der Breslauer chirurg. Klinik. Direktor: Prof. Dr. Küttner.
Über das Panaritium der „Melker“.
i Von
Dr. Alfred Peiser,
Assistent der Klinik.
n unserer Zeit der sozial-politischen und hygienischen Fürsorge ver-
dient jede Krankheit Interesse, die man als eine Gewerbekrankheit
bezeichnen kann. Hierher möchte ich eine bestimmte Art des Pana-
ritiums rechnen, wie ich sie in den letzten Jahren mehrfach in unserer
Poliklinik zu beobachten Gelegenheit hatte. Es handelt sich um ein
Panaritium, das sich häufig bei den mit Melken und Reinigen der
Kühe in großen Meiereien und auf Gutshöfen beschäftigten Melkern
findet.
Die Pat., die zur Beobachtung kamen, hatten eine ganz auf-
fallend starke Schwielenbildung in der Hohlhand und der Beugeseite,
zum Teil sogar eine gewisse Beugekontraktur der Finger. Die
28
842 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28.
Schwielen bekommen nun hier und da tiefe Risse, und im Grunde
dieser Fissuren bilden sich Hauterweichungen und kleine Entzündungs-
herde, die dauernd gereizt werden durch das fortwährende beim Melken
erfolgende Eindringen feinster Härchen vom Euter der Kühe.
Allmählich kommt es zur Bildung einer kleinen Wundfläche, in welche
diese Härchen geradezu hineingerieben werden. Die meist recht in-
dolenten Pat. beachten diese Wunden zunächst nicht, sie ziehen sich
oft die kleinen Härchen, die, von heller Farbe, meist nur 2—3 mm lang
und so fein sind, daß man sie nur bei sehr scharfem Zusehen bemerkt,
selbst heraus, und so kommt es zuweilen zu spontaner Heilung. Es
ist jedoch gewöhnlich keine Dauerheilung, die Wunden brechen wieder
auf, heilen dann wohl wieder zu, um bald wieder aufzubrechen, und
dieses Spiel wiederholt sich so lange, als die kleinen Härchen nicht
aus der Wunde entfernt werden.
Diese Krankheit der Melker kann man als ein chronisches
Panaritium bezeichnen. Pathologisch-anatomisch erscheint es als
eine mehr oder weniger tiefgreifende Entzündung der Haut mit Granu-
lationsbildung in der Wunde, wie wir sie von den Fremdkörpergranu-
lationen beim Herauseitern von Seidenfäden kennen. Die Entzündung
ist teils mehr flächenhaft, teils in die Tiefe gehend. Im letzteren Falle
bekommt man das Bild von Fisteln, in die man mit der Sonde unter
der Haut zentimetertief eindringen kann.
Diese chronischen Panaritien, die allerdings oft akute Exazerbationen
aufweisen, erfordern zur dauernden Heilung eine bestimmte Therapie,
und zwar die sorgfältigste Entfernung der als Fremdkörper
wirkenden und natürlich niemals aseptisch einheilenden Härchen
durch Exkochleation mit dem scharfen Löffel. Ich führe als Beispiel
kurz folgenden Fall an:
R. W., Melker, 21 Jahre alt. Allenthalben finden sich an der Beugeseite
der Finger und der Hohlhand und an der Streckseite der Daumen dicke Schwielen
mit tiefen Einrissen. Am rechten Mittelfinger in Höhe der Falte zwischen Mittel-
und Grundglied findet sich eine sehr druckempfindliche, gerötete Stelle, in deren
Zentrum ein etwa linsengroßer, schmierigbelegter Granulationspfropf sitzt. Bei der
Exkochleation mit dem scharfen Löffel entleeren sich eine Menge schlaffer Granu-
lationen, untermischt mit teils in größerer Menge zusammengeballten, teils einzeln
liegenden, feinen, weißgrauen Härchen. Nach gründlicher Entfernung der Granu-
lationen bleibt eine über pflaumenkerngroße Hauttasche zurück. Tamponade mit
Jodoformgaze, später Schwarzsalbe.. Nach 8 Tagen geheilt entlassen.
Auffallend war, daß nur männliche Pat. zur Beobachtung kamen.
Im übrigen ist die Krankheit den Schweizer Arzten, und wahrscheinlich
auch wohl vielen Landärzten bei uns, wohlbekannt. In unserer
deutschen Literatur konnte ich jedoch keinerlei Bericht über dieselbe
finden. Sie verdient unsere Aufmerksamkeit nicht nur in praktischer
Beziehung wegen der bestimmten Therapie, die zu ihrer Heilung er-
forderlich ist, sondern, wie ich glaube, auch in hygienischer Hinsicht;
denn wenn schon der Forderung der Sauberkeit der Hände bei Ent-
nahme der Milch meist nicht in entsprechender Weise Genüge ge-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 843
leistet wird, so wird das bei wunden und infizierten Fingern noch weit
weniger der Fall sein, und darin liegt eine Gefahr, die vielleicht das
Interesse der Hygieniker wachruft.
II.
Aus der chirurgischen Klinik und Poliklinik zu Greifswald.
Direktor Prof. Dr. Payr.
Ein einfaches Mittel gegen Erbrechen beim Ätherrausch.
Von
Prof. Dr. Carl Ritter.
D: Atherrausch hat vor den lokalanästhetischen Methoden ‘den
großen Vorzug, daß er das Öperationsgebiet nicht kompliziert,
keiner Vorbereitung bedarf und vor allem Zeit spart. Gerade der
letztere Vorteil ist im poliklinischen Betriebe sehr wichtig. Ich
mache seit längerer Zeit vom Atherrausch ausgiebigen Gebrauch und
war bisher stets sehr damit zufrieden. Ich war daher höchst über-
rascht, als ich vor einigen Monaten erfuhr, daß die Pat. selbst gar
nicht so sehr davon begeistert waren. So schön die Narkose selbst,
so unangenehm die Folgen, besonders das Schwindelgefühl und das
Brechen. Und in der Tat stellte sich bei genauer Nachforschung
heraus, daB fast sämtliche Pat. nach dem Atherrausch oder kurz-
dauernder Athernarkose gebrochen hatten.
Diese Tatsache war mir neu. Denn aus der Klinik wußte ich
mich nicht zu erinnern, jemals Erbrechen nach Atherrausch oder gar
besonders häufig gesehen zu haben. Der Unterschied beruht aber
wohl darauf, daß die Pat. in der Klinik wohl vorbereitet, ohne ge-
gessen zu haben, zur Operation kommen. In der Poliklinik und auch
zur Operation pflegt aber wenigstens der pommersche Pat. stets nur
mit mächtig vollgepfropften Magen zu erscheinen.
Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß dies Erbrechen zerebralen
Ursprunges und als Reizerscheinung durch das Gift des Athers auf-
zufassen ist. _
Um dem Übelstand abzuhelfen, benutzte ich daher zunächst das
Mittel, das wir bei schweren Vergiftungen durch Chloroform stets
anzuwenden pflegen, die Tieflagerung des Kopfes.
Aber die Tieflagerung des Kopfes schlug bei meinen Pat. voll-
kommen fehl. Sie brachen danach genau so wie früher. Auch länge-
res Liegenlassen und Tieflagerung des ganzen Oberkörpers nützten
nichts. Ich hatte aber beobachtet, daß das Erbrechen gewöhnlich erst
ı Die Wirkung dieses Mittels wurde bekanntlich von Nelaton 1861 bei
Mäusen entdeckt, die er zu Tode chloroformiert hatte und die er dann, weil er
sie sezieren wollte, am Schwanz hochhielt. Die Tiere kamen wieder zum Leben,
und N&laton zog daraus den richtigen Schluß, daß die stärkere Blutfülle im
Gehirn die Ursache war.
28*
844 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28.
dann anfıng, wenn die Pat. sich aus dieser Lage erhoben und fort-
gehen wollten. Offenbar war also das Mittel von nicht ungünstigem
Einfluß, sondern war nur nicht genügend stark oder hielt nicht ge-
nügend lange vor.
Deshalb versuchte ich die Blutfülle durch eine Stauung am Halse
zu verstärken.
Dies Mittel erwies sich nun als ganz ausgezeichnet. Ich verfüge
zurzeit über 62 Fälle. Abgesehen von einem Falle, in dem es sich
um eine länger dauernde Athernarkose von 20 Minuten handelte, der
also eigentlich gar nicht hierher gehört, habe ich nicht in einem
einzigen Falle von Atherrausch oder kurz dauernder Ather-
narkose Erbrechen seitdem gesehen. Die Pat. haben auch
zu Hause nicht mehr gebrochen.
Wir legen die Stauungsbinde in der bekannten Weise, aber sehr
fest an, unmittelbar nach Beendigung der Operation. Es ist dabei
recht auffallend, wie schnell gewöhnlich die Pat. aus der Narkose er-
wachen. Die Stauungsbinde wird für 1/),—1 Stunde hinterher getragen;
am besten liegen die Pat. dabei. Doch ist das nicht unbedingt nötig.
Die praktische Verwertbarkeit der Methode geht wohl aus der
Zahl der Beobachtungen zur Genüge hervor.
Es dürfte sich übrigens wohl lohnen, das Mittel auch einmal beim
Erbrechen aus anderer Ursache, z. B. beim unstillbaren Erbrechen der
Schwangeren oder bei Reizzuständen im Gehirn zu versuchen.
Wie man sich die Wirkung der Hyperämie in diesem Falle zu
denken hat, ist nicht ganz sicher. Bei der Tuberkulose des Gesichtes,
bei der ich die Stauung am Halse vor 10 Jahren zuerst angewendet
habe, sowie bei den akut entzündlichen Erkrankungen des Schädels
und bei einigen Fällen von Geisteskrankheiten, bei denen dann später
Bier das Mittel verwandte, wirkt die Stauung wohl in gleicher Weise
wie sonst an den Extremitäten.
Später hat Bier das Mittel auch angewandt, um die unangeneh-
men Folgen der Lumbalanästhesie zu vermeiden. Seine Ansicht, daß
die Stauung dabei so wirkt, daß infolge des höheren Druckes im Ge-
hirn der Liquor cerebrospinalis mit seinem Kokain zurückgedrückt
und dadurch von den höheren Teilen des Rückenmarks und vom
Gehirn abgehalten wird, ist durch neuere Versuche von anderer Seite
bestätigt. =
Eine solche Annahme ist für die Wirkung beim Atherrausch aber
nicht gut möglich, da der Ather in der Hauptsache auf das Gehirn
wirkt.
Ich halte die Wirkung der Stauung am Halse beim Atherrausch
für eine direkte auf das Gehirn, und zwar in entgiftendem Sinne. Ob
das so aufzufassen ist, daß das Gift schneller in hyperämischem Zu-
stand aus dem Gehirn fortgeschafft wird, oder daß das Gehirn durch
das Gift dann nicht mehr so stark geschädigt werden kann, muß ich
dahingestellt lassen.
Für meine Ansicht spricht jedenfalls folgender Versuch:
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 845
Wenn man einen Menschen, der schon eine starke Stauung am Halse trägt,
mit Chloroform narkotisieren will, so gelingt es oft sehr lange nicht. Ich habe bei
einem Jungen 10—15 Minuten gewartet und keine Narkose erzielen können. Als
ich die Stauungsbinde fortnahm, verfiel er sofort, fast momentan, in tiefen Schlaf.
Hier haben wir also den umgekehrten Fall wie in den oben mit-
geteilten Beobachtungen und auch er beweist, daß das anämische Ge-
hirn für Narkotika leichter angreifbar ist als das hyperämische.
In ähnlicher Weise habe ich vor kurzem die Stauungsbinde bei einem Hunde
angewandt, den ich bei meinen Sensibilitätsversuchen durch subkutane und intre-
muskuläre Injektion von Kokain in schwerster Weise vergiftet hatte. Es traten
allgemeine Krämpfe auf, und die Atmung setzte aus. Alle anderen Mittel, die
ich versuchte, künstliche Atmung, Hochhalten an den Hinterbeinen schlug fehl.
— Amylnitrit, das übrigens bekanntlich sehr starke Hyperämie des Gesichtes
macht, hatte ich nicht zur Stelle. — Ich verwandte stärksten Grad der Stauung
am Hals. Das Tier wurde, nachdem es für kurze Zeit noch an den Hinter-
beinen hochgehalten war, für die Nacht hingelegt.
Am anderen Morgen, als ich dachte, daß das Tier längst tot sei, lief es ge-
sund und munter umher.
Wir sind also offenbar imstande, durch eine Stauungshyperämie
am Halse die Schädlichkeit von Giften für das Gehirn zu verringern.
Damit gewinnt dies Mittel eine allgemeinere Bedeutung, über die ich
demnächst weitere Beobachtungen hoffe bringen zú können.
1) M. Hirsch. Der Ätherrausch.
Wien, Franz Deuticke, 1908.
Die kleine, 49 Seiten starke Abhandlung enthält in klarer Schilde-
rung das praktisch Wichtigste über den Atherrausch. Das Büchlein
kann jedem, der sich rasch über diesen Gegenstand informieren will,
warm empfohlen werden. Müller (Dresden).
2) M. v. Brunn. Über neuere Bestrebungen zur Verbesse-
rung und Vereinfachung der Hautdesinfektion. (Aus der
Tübinger chirurg. Klinik.) Prof. v. Brunn.
(Münchener med. Wochenschrift. 1908. Nr. 17.)
Die Frage aufwerfend, ob es zweckmäßig sei, zur Erzielung eines
doch immer unvollkommenen Desinfektionseffektes einen so großen,
verwickelten Apparat in Bewegung zu setzen, wie ihn die zahlreichen
üblichen Hautdesinfektionsmethoden fordern, sucht Verf. nachzuweisen,
daß die Verwendung des reinen 96 %igen Alkohols als einzigen Des-
infektionsmittels das zweckmäßigste Verfahren darstelle. Er bestreitet
zwar nicht, daß der Alkohol in der für die Desinfektion praktisch in
Betracht kommenden Zeit eine Abtötung der Handbakterien nicht zu
leisten vermöge, mißt aber dafür seiner schrumpfenden Wirkung durch
die bei vorher unterlassener mechanischer Hautreinigung die Bakte-
rien in ihren Schlupfwinkeln festgelegt werden, einen um so höheren
Wert bei. Um nun diese Alkoholwirkung möglichst lange zu erhalten, ist
846 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28.
es notwendig, jede Aufweichung der Haut zu vermeiden. Verf. glaubt,
daß dies — eventuell nach Anwendung von Gaudanin oder eines steri-
len Fettes — durch sterile Gummihandschuhe, die innen reichlich
mit Talkum eingepudert sind, erreicht wird. Die in der Brunn’schen
Klinik mit solcher Händebehandlung gemachten, auch bei bakteriologi-
scher Prüfung bestätigten Erfahrungen waren bisher durchaus günstige.
Selbstverständlich ist es, daß der Chirurg seine Hände durch Fern-
halten jeder Beschmutzung, durch gründliche Reinigung nach dieser
sorgfältig pflege und über Nacht eingefettet halte, vor der Alkohol-
anwendung aber jede Aufweichung der Haut vermeide.
Kramer (Glogau).
3) Lohnstein. Erfahrungen über eine neue Behandlungs
methode der chronischen Urethritis.
(Zeitschrift für Urologie Bd. I. Hit. 11.)
Die neue Methode besteht in einer Ausschabung der Harnröhre,
die L. mit einer in einem katheterartigen Metallinstrument gedeckt
liegenden Doppelcurette ausführt. Das Instrument kann zugleich zum
Ausmessen der Harnröhre gebraucht werden.
Die Behandlung geschieht in mehreren Sitzungen in Intervallen
von 8—14 Tagen; dazwischen wird mit Höllenstein und übermangan-
saurem Kali gespült. Zur Ausführung gehört eine gewisse Routine,
da sonst leicht Blutungen auftreten.
Als Operation der Wahl hat L. seine neue Methode dann an-
gewandt, wenn 1) die Kaliberuntersuchung der Harnröhre, ausgeführt
mit der Doppelcurette, auf Infiltrate von besonderer Kürze in der
Gegend des Bulbus hinwies; 2) in Fällen von Hämospermie mit Schmerz-
empfindung während des Beischlafes, die meistens auf Wucherungen
in der Gegend des Caput gallinaginis zurückzuführen sind, und hat
gute Erfahrungen damit gemacht.
Im übrigen hat er die Methode erst ausgeführt, nachdem die
üblichen Behandlungsmethoden versagt und die Ausmessung des
Harnröhrenkalibers alsdann die Abwesenheit von Infiltraten ergeben
hatte. Es sind besonders einige bestimmt charakterisierte Gruppen
von chronischer Urethritis, deren Beschreibung sich nicht im kurzen
Referat wiedergeben läßt, in denen die Ausschabung Aussicht auf
Erfolg hat.
Zum Schluß wird noch ein Instrument, das aus einer Kombination
des Goldschmidt’schen Irrigationsendoskops mit einer Curette be-
steht, beschrieben, welches die Ausschabung unter Leitung des Auges
gestattet. Fehre (Dresden).
4) Asch (Straßburg). Die Urethrotomia interna und die Aus-
schabung der Strikturen in urethroskopischer Beleuchtung.
(Zeitschrift für Urologie Bd. II. Hft. 3.)
Durch dieKontrollierung des Heilungsverlaufes nach Durchtrennung
von Strikturen der Harnröhre konnte A. relativ frühzeitig das Ent-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 847
stehen von Rezidiven erkennen; das Rezidiv ist nach ihm bedingt durch
wucherndes Narbengewebe, das bei der Urethrotomia externa an der
oberen Wand, bei der Urethrotomia interna an der unteren Harnröhren-
wand, bei der Urethrektomia im Schnittbereich Leisten und hahnen-
kammartige Wülste bildet. Verf. war nun imstande, durch wieder-
holtes Ausschaben dieser harten, schwieligen Stellen im Urethroskop
die Rezidive so günstig zu beeinflussen, daß er neuerdings Strikturen
von vornherein erfolgreich mit Ausschabung angeht. — Die Urethro-
tomie und Einlegung einer Dauersonde ist aber unerläßlich bei retro-
strikturalen Entzündungen und Infektionen. Bei tuberkulösen strik-
turierenden Prozessen hat das Verfahren der Ausschabung keinen Erfolg.
Kroemer (Berlin).
5) Wossidlo (Berlin. Die Erkrankungen des Colliculus
seminalis und ihre Beziehungen zu nervösen und ander-
weitigen Störungen in der Urogenitalsphäre und zur sexuellen
Neurasthenie.
(Zeitschrift für Urologie Bd. II. Hft. 3.)
Verf. lenkt das Augenmerk der Urologen wieder auf eine in der
neueren Literatur fast unbekannte Reihe von Veränderungen des
Colliculus seminalis die in der Regel nach chronischer Gonorrhöe,
selten nach Masturbation, Exzessen in venere usw. auftreten, meist in
akuter Hyperämie, Schwellung, Infiltraten, Cysten- oder Schwielen-
bildung im Caput gallinaginis bestehen und zu lästigen Empfindungen
in der Pars posterior (Kitzel, Druck, Hitzegefühl, Schmerz) beim
Sitzen, bei der Miktion und Kohabitation, zu Erektionen und Pollutionen,
sowie zur Spermatorrhöe und zu blutigen Ejakulationen führen. Zur
Diagnose und Behandlung empfiehlt W. das von ihm verbesserte,
modifizierte Urethroskop Loewenhard’s. Die Behandlung besteht in
Atzungen des Colliculus mit Jodtinktur, 10-20 iger Argentum nitri-
cum-Lösung oder mit dem Lapisstift, schließlich in Stichelungen mit dem
Galvanokauter. Polypen wurden mit heißer Schlinge abgetragen.
Besonders disponiert sind unter den Gonorrhoikern Reiter und Rad-
fahrer. — Akute gonorrhoische Prozesse sind natürlich Kontrain-
dikation gegen jede Urethroskopia posterior. Kroemer (Berlin).
6) Englisch. Das Epitheliom der männlichen Harnröhre.
(Folia urologica Bd. I. Nr. 1.)
Auf Grund von 48 Fällen obiger Krankheit, unter denen. drei selbst
beobachtete sind, kommt E. zu folgenden Ergebnissen:
Die Epitheliome der männlichen Harnröhre sind an sich selten,
bleiben jedoch manchmal durch Verwechslung mit periurethralen Ab-
szessen unerkannt. Das Alter von 40—60 Jahren wird am häufigsten
betroffen.
Die Ursachen pflegen lange zurückzuliegen. Fast die Hälfte der
Fälle schließt sich an Urethritis gonorrhoica an. Daneben seien
848 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28.
Trauma und embryonale Verlagerung und zunächst gutartige Neu-
bildung genannt.
Den Ausgangspunkt bildet proliferierendes Harnröhrenepithel. Als
Hauptsitz kommt dieselbe Gegend wie bei Strikturen in Betracht (also
von dem Winkel zwischen dem hängenden Teil des Gliedes und dem
Hodensacke bis zum Anfange des prostatischen Teiles).
Die wichtigsten Krankheitszeichen sind: Harnbeschwerden, wie
bei sonstigen Hindernissen, spontane Blutungen, jauchig werdender
Ausfluß, harte Schwellung der Inguinaldrüsen, Kachexie. Die genauere
Untersuchung ergibt einen fühlbaren Knoten der Harnröhrenwand und
bei Sondierung einen elastischen Widerstand. Endoskopisch findet
man eine zerfallende Geschwulst.
Die Behandlung besteht in einer möglichst radikalen Operation.
Einschnitte und Auslöffeln waren ohne Erfolg, günstiger die Erfolge
der Amputatio penis. Nach den Erfolgen der Emaskulation soll man
nicht vor den eingreifendsten Operationen zurückschrecken, da auch
die Exzision der Harnröhre nicht vor Rezidiven schützt.
Die Kasuistik ist anhangsweise kurz beigefügt... Von E.’s drei
eigenen Fällen sind nur zwei genauer beschrieben. Sie traten beide
lange Jahre nach einem Tripper auf und waren bereits so weit vor-
geschritten, daß sie nicht mehr radikal operiert werden konnten. Sie
gingen marantisch zugrunde. Sein dritter nur kurz erwähnter Fall
zeichnete sich durch massenhafte Leukoplakie des vorderen Teiles der
Harnröhre aus. Fehre (Dresden).
7) Englisch. Über Leukoplasie und Malakoplakie.
(Zeitschrift für Urologie Bd. I. Hft. 8 u. 9.)
Die Arbeit bringt eine Zusammenfassung der bisher erschienenen
Veröffentlichungen über diese beiden anscheinend eng zusammen-
gehörigen Krankheiten, die mit zwölf verschiedenen Namen bezeichnet
werden: Pachydermie, Leukoplakia, Leukoplasia allgemein, Psoriasis
membranae mucosae, Leukokeratosis, Maculae luteae, Plaques opalines,
Epitheltrübungen, Cholesteatom, Xerosis, Metaplasie, Malakoplakia.
Eine eigene Beobachtung von Leukoplasie der Harnröhre bei Lithiasis
urethrae und die fremde Kasuistik sind beigefügt.
Das Wesen der Leukoplasie besteht in einer Wucherung des
Epithels der Schleimhaut mit Vermehrung, öfters auch Verhornung
der oberflächlichen Schichten und kleinzelliger Infiltration der Um-
gebung. Sie kommt an allen Teilen der ableitenden Harnwege vor,
am eichtesten aber auf Pflasterepithel; 9 Fälle der oberen Harnwege
(Nierenbecken und Ureter), 27 der Blase, 14 der Harnröhre sind von
E. in der Literatur gefunden worden. Hauptsächlich schlechte Er-
nährung und Tuberkulose, aber auch andere Erkrankungen, wie Gicht,
Rheumatismus, bestimmte Ohrerkrankungen werden als disponierend
angeschuldigt. Die Hauptursache ist aber ein entzündlicher Vorgang
chemischer oder mechanischer Art; obenan stehen Blennorrhöe, Steine,
auch häufige Höllensteininjektionen. Die Erkrankung kann zugleich
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 849
an mehreren Stellen, ja sogar über das ganze System ausgebreitet sein,
sie ist beim Mann häufiger als beim Weibe beobachtet worden, kommt
in jedem Alter vor, wenn auch die oberen Harnwege mehr im jugend-
lichen (20—40 Jahre) und die Harnröhre mehr im höheren Alter
(50—60 Jahre) befallen werden. Die Flecken, die als Verdickung der
Schleimhaut erscheinen, sind bis fünffrankstückgroß, von verschiedener
Form und meist weißlicher Farbe. Eine Hauptstütze der Diagnose
bildet die Endoskopie, der Harnbefund ist nicht charakteristisch. Der
Verlauf ist von sehr langer Dauer; ob eine Ausheilung ohne operativen
Eingriff stattfindet ist nicht sichergestellt. Bezüglich der Behandlung
hat sich ergeben, daß Trinkkuren und Einspritzungen ätzender und
adstringierender Substanzen nicht zur vollständigen Heilung führen,
aber die Begleiterscheinungen bessern. Unzuverlässig ist das Auskratzen
ohne Eröffnung der Blase, günstiger lauten die Erfolge bei Aus-
löffelung mit hohem Blasenschnitt, am günstigsten bei vollständiger
Entfernung der erkrankten Teile durch Thermokautor oder Exzision.
Von Malakoplakie sind bisher 18 Fälle beobachtet worden; davon
nur zwei am Liebenden, die übrigen sind Sektionsbefunde. Auch für
sie ist herabgesetzter Allgemeinzustand disponierend; Cystitis scheint
stets dabei zu sein. Das Wesen der Erkrankung besteht in Vorragung
der Blasenschleimhaut, zusammengesetzt aus einer Masse großer Zellen,
eingelagert in ein spärliches Gerüst mit ausgedehnten Kapillaren und
gewisse Eisenreaktion gebende Einschlüsse enthaltend neben Bakterien.
Der Sitz ist fast ausschließlich die Blase, meist das Trigonum; die
Flecken sind rundlich oder oval, von kaum sichtbarem Knötchen an
bis zu 10 mm Ausdehnung, von gelblicher oder grauweißer Farbe
mit einer Delle an der Spitze, welche in Ulzeration übergehen kann.
Es handelt sich um einen entzündlichen Vorgang, der sich der Leuko-
plasie nähert, mit der er wiederholt beobachtet wurde. Das Bild ist
noch nicht genügend geklärt. Fehre (Dresden).
8) Thelen (Köln). Über den diagnostischen Wert der Chromo-
cystoskopie bei chirurgischen Nierenerkrankungen.
(Zeitschrift für Urologie Bd. II. Hft. 2.)
Verf. injiziert 20 ccm einer 0,4%igen Indigokarmin-Kochsalzlösung
und beurteilt aus dem Sekretionstypus (Beginn und Konzentrations-
stärke des sezernierten Indigokarmins) die Funktionsfähigkeit beider
Nieren. Die Resultate stimmten mit den vergleichenden kryoskopischen
Bestimmungen und den Phloridzinproben (quantitativer Zuckernachweis!)
größtenteils überein. T. hält die Methode für eine wertvolle Unter-
stützung des Harnleiterkatheterismus und der funktionellen Diagnostik.
Die kranke Niere sondert später als die gesunde den Farbstoff ab.
Statt der normalerweise eintretenden dunkelblauen Färbung kommt
ein ungefärbter oder nur grünlich gefärbter Harnleiterstrahl. Fehlen
der Sekretion auf einer Seite spricht für Harnleiterverschluß oder
Fehlen der einen Niere. »Die Chromocystoskopie markiert die Harn-
leitermündungen und bildet also eine Schule für den Harnleiter
IREA
850 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28.
katheterismus.« Sie erlaubt dem Praktiker und dem Chirurgen die-
selben diagnostischen Schlüsse auf die Funktion der Nieren, wie die
Kryoskopie und die Phloridzinprobe, deren Ergebnisse auch nicht
immer einwandsfrei sind, und deren Ausführung für den Praktiker zu
zeitraubend ist. Die Chromocystoskopie stellt dagegen ein sehr ein-
faches Verfahren dar. — Kurze anschauliche Kranken- und Operations-
berichte erläutern die obigen Gesichtspunkte. Kroemer (Berlin).
9) Bandler und Fischel (Prag). Die Funktionsprüfung der
Niere (Phloridzin) bei Quecksilberzylindroidurie und der
Ablauf der Nylander’schen Reaktionen in Quecksilber-
zuckerharnen.
(Zeitschrift für Urologie. Bd. II. Nr. 1.)
Verff. vermochten durch sorgfältige Versuche (Phloridzininjektionen
mit nachfolgender qualitativ-quantitativer Bestimmung der Zuckeraus-
scheidung) bei normalen und luetischen Personen nachzuweisen, daß
die Einverleibung von Quecksilbermengen, wie sie bei den gangbaren
Behandlungsmethoden üblich sind, eine vorübergehende hochgradige
Zylindroidurie und Zylindrurie herbeiführt, aber eine ernstere funk-
tonelle Störung der Nieren nicht hervorruft. Die von Bechstein
stammende Behauptung, daß quecksilberhaltige Harne von Syphilitikern
trotz der Anwesenheit von Zucker die Nylander’sche Wismutprobe
nicht geben, wird als zu Unrecht bestehend nachgewiesen.
Es wäre wünschenswert, ähnliche funktionelle Nierenuntersu-
chungen an Operateuren anzustellen, welche auf Sublimatdesinfektion
unangenehm reagieren. Kroemer (Berlin).
10) Reitter. Die Indikationen für den Aderlaß mit nach-
folgender Kochsalzinfusion in der Therapie der urämischen
Störungen. 86 S.
Wien, Franz Deuticke, 1%7.
R. kommt auf Grund eines reichen klinischen Materials — in der
Arbeit sind nur Musterbeispiele angeführt — zu dem Ergebnis, daß
alle Nephrosen mit urämischen Störungen sich durch Aderlaß mit
nachfolgender Infusion günstig, wenn auch nicht in gleicher Stärke,
beeinflussen lassen.
Bei den urämischen Störungen der akuten Nephrosen sind In-
fusion und Aderlaß ein wirksames Heilmittel, das auch das Grund-
leiden günstig beeinflußt und daher unbedingt indiziert ist.
Bei den urämischen Störungen der chronischen Nephrosen ist die
günstige Wirkung abhängig von dem Grade der anatomischen Nieren-
schädigung; der Erfolg hängt von der Quantität und Qualität des
spezifischen Epithels ab. Bei nur geringer Atrophie des Nieren-
parenchyms ist der Erfolg gut, aber von kurzer Dauer. Bei akuten
Nachschüben dieser Formen ist bei Ausbruch urämischer Erschei-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 851
nungen Aderlaß und Infusion indiziert. Bei ausgeprägten Atrophien
des Parenchyns ist der Erfolg so gering und so rasch vorübergehend,
daß der Eingriff nicht indiziert ist; nur symptomatisch zur Milderung
einer urämischen Erscheinung, wie z. B. des Kopfschmerzes, kann er
hier im Einzelfall ausnahmsweise vorgenommen werden.
Die allgemein gültigen Kontraindikationen des Aderlasses: schwer
geschädigtes Herz, hochgradige Arteriosklerose, besonders der Hirn-
arterien, weitgehende Zerstörung des Lungengewebes, schwere Blut-
verluste, abnorme Blutzusammensetzung, gelten auch für alle Nephrosen.
Fehre (Dresden).
11)E. R. W. Frank. Über Anwendung der Bier’schen Stau-
ung in der Urologie. |
(Med. Klinik 1908. p. 787.)
Auf Grund eigener Erfahrungen (Krankengeschichten) befürwortet
F. lebhaft die Stauung bei Gelenkentzündungen nach Tripper (baldige
Schmerzlinderung und Abschwellung der Gelenke!) sowie die Saug-
behandlung bei tuberkulöser und nichttuberkulöser Fistelbildung, bei
Tuberkulose der männlichen Geschlechtsteile, bei Bubonen (erhebliche
Abkürzung der Krankheitsdauer, Wegfall größerer chirurgischer Ein-
griffe und ihrer oft üblen Folgeerscheinungen, insbesondere Narben-
bildung [Entstellung, Lymphstauung usw.]). Eine vom Kranken selbst
zu handhabende Saugglocke mit Spritze für das Schröpfverfahren am
Hoden wird empfohlen. (Abbildung.) Georg Schmidt (Berlin).
12) Wildholz (Bern). Experimentell erzeugte, aszendierende
Nierentuberkulose.
(Zeitschrift für Urologie. Bd. VI. Nr. 1.)
Bisher war es nur gelungen, eine aufsteigende Nierentuberkulose zu
erzeugen, wenn der Urinstrom unterbrochen wurde, so durch Harn-
leiterunterbindung mit tuberkelbazillenhaltigem Faden (Baumgarten),
oder durch nachfolgende Injektion von Tuberkelbazillen in den unter-
bundenen Harnleiter (Albaran, Bernard und Salomon).
W. spritzte Kaninchen von der mit stumpfer Kanüle durch-
stochenen Blase aus Perlsuchtbazillen in den Harnleiter einer Seite
und sah in den meisten der Versuchsfälle Tuberkulose des Nieren-
beckens und der Niere in der Markzone danach entstehen. Durch
vergleichende Tuscheinjektionen kam W. zu der Überzeugung, daß
das injizierte Virus jedesmal sofort ins Nierenbecken gelangte, dort
haften blieb und retrograd die Niere infizierte. Bei einer zweiten Ver-
suchsserie brachte er die Bakterienaufschwemmung in die Blase, welche
er für 10—15 Minuten unter einen Füllungsdruck von 2 cm Queck-
silber setzte. Auch hierdurch erzielte er Aszension der Tuberkelbazillen
bzw. des infizierten Blaseninhaltes in das Nierenbecken und retrograde
Niereninfektion. Die tuberkulösen Veränderungen saßen im Nieren-
becken in der subepithelialen Nierenschicht und folgten den die
*
852 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28.
Gefäße begleitenden Bindegewebszügen bis tief in die Markschicht hinein.
Die Beteiligung der Harnleiterlymphbahnen bei der Ausdehnung des
Prozesses glaubt W. ganz ausschließen zu können.
Die Versuche sind eine ernste Mahnung, bei pathologisch affı-
zierten Blasen nur mäßige Auffüllungen vorzunehmen, um eine Rück-
stauung des Urins in das Nierenbecken, von welcher sich Ref. in
pathologischen Fällen wiederholt überzeugen mußte, zu vermeiden.
Kroemer (Berlin).
13) O. Zuckerkandl (Wien). Die geschlossene tuberkulöse
. Pyonephrose.
, (Zeitschrift für Urologie. Bd. VI. Nr. 1.)
Z. bringt in vorliegendem Aufsatz die Beschreibung von drei
interessanten Fällen, in welchen bei erwiesener Tuberkulose der Blase
nur eine Niere vorhanden zu sein schien. Nur diese war zu tasten,
nur der betreffende Harnleiter sondierbar und sezernierend. Zur
klaren Diagnosenstellung wurden beide Nieren in einer Sitzung frei-
gelegt. Dabei ergab sich jedesmal der Hauptherd der Erkrankung
in der nicht sezernierenden Niere. Die Tuberkulose hatte zu schwie-
liger Verödung und Schwund des Nierenparenchyms geführt. Das
Nierenbecken war durch eine vom Hilus ausgehende Fettwucherung
verschlossen. Die Veränderung kann offenbar latent, ohne örtliche
Symptome, zustande kommen. Demnach kann es sich in jedem als
Solitärniere imponierenden Falle um einseitige Nierensklerose handeln.
Die Diagnose ist dabei sehr erschwert, zuweilen ohne Freilegung
beider Nieren unmöglich. Trotz der geringfügigen örtlichen Sym-
ptome ist eine solche Niere eine stete Gefahr für den Pat., da bestän-
dig neue miliare Prozesse von den älteren Herden ausgehen und die
Nachbarschaft gefährden können. Die operative Entfernung der
sklerotischen Niere bietet auch bei tuberkulöser Infektion der ander-
seitigen funktionierenden Niere günstige Aussichten für die Besserung
des Allgemeinleidens. Kroemer (Berlin).
14) Kümmell (Hamburg-Eppendorf). Diagnostik und Thera-
pie der Nephrolithiasis.
(Zeitschrift für Urologie Bd. II. Hft.3 u. 4.)
Nach einer kurzen historischen Einleitung über die Geschichte
der Nierensteinkrankheit geht K. zunächst auf die Symptomatologie
und Diagnose der Nierensteine ein. Von ätiologischen Faktoren
werden Traumen, schwere Rückenmarksverletzungen, Fremdkörperreiz
(Parasiten, Bakterien, Pilze) angeführt. Das Prädilektionsalter scheint
zwischen dem 22. und 45. Lebensjahre zu liegen. Frauen sind in 39%
aller beobachteten Fälle beteiligt; unter den an Harnleitersteinen
Leidenden befanden sich sogar */, weibliche Pat. Praktisch unter-
scheidet K. nicht zwischen primären und sekundären, d. i. durch ent-
zündliche Prozesse verursachten Steinen, sondern er trennt die asep-
tischen von den mit Infektion einhergehenden Fällen. Der Ausgang
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 853
der Erkrankung in Nierenverödung ist selten, der in Pyonephrose die
Regel. Von den gewöhnlich angeführten Symptomen sind weder der
Schmerz, der Steinabgang, die Blutung noch die Anurie sichere Er-
kennungszeichen der Nephrolithiasis. Die Nierensteindiagnose ist im
wesentlichen eine Ausschließungsdiagnose. Verwechslungen mit Appen-
dicitis, Gallensteinen und Nierenerkrankungen anderer Art sind keine
Seltenheit. Großen Wert legt K. auf ein gutes Röntgenbild. Von
101 bei der Operation entfernten Steinen konnten 91 im Röntgenbild
nachgewiesen werden. Vorzügliches Plattenmaterial, gute, weiche
Röhren bei 3 Minuten-Exposition, bestimmte Lagerung und Vor-
bereitung der Pat. sind erforderlich zur Erreichung befriedigender
Bilder. Neben Übersichtsbildern werden Detailaufnahmen mit Kom-
pressionsblenden angefertigt. Erst wenn die Wirbelkörper und der
Psoasschatten klar hervortreten, wird die Aufnahme als zuverlässig
angesehen.
Ist die Diagnose der Nephrolithiasis so gut wie gesichert, so setzt
die Feststellung der fraglichen Nierensuffizienz oder -Insuffizienz ein.
Die genaue Urinuntersuchung in bakteriologischer, physikalischer und
chemischer Beziehung geht voran. Die Cystoskopie, der Harnleiter-
katheterismus und die funktionelle Nierendiagnostik (Bestimmung der
Urate, der Molekularkonzentration, des Phloridzindiabetes) müssen
unterstützt werden durch die Kryoskopie des Blutes. Auf letztere
legt Verf. im Gegensatz zu Israel und Rovsing den größten
Wert. — Sinkt der Gefrierpunkt des Blutes d auf — 0,6 oder
darunter, so hält K. die Nephrektomie für lebensgefährlich und daher
unstatthaft, weil die zweite Niere gleichfalls insuffiziert sein müsse.
In solchen Fällen ist bei dringender Indikation nur die Nephrotomie
am Platze. — Die Pyelotomie wird von K. wegen der Neigung zu
langwieriger Fistelbildung nicht bevorzugt. Die Entfernung der kranken
Niere darf nur dann vorgenommen werden, wenn man sich von dem
Vorhandensein einer funktionstüchtigen anderseitigen Niere überzeugt
hat. Anurie spricht fast stets für doppelseitige Erkrankung, die sog.
reflektorische Anurie konnte K. nie beobachten. Bei 101 Pat. wurden
wegen Nephrolithiasis (einschließlich von acht sekundären Nephrek-
tomien) 109 Operationen ausgeführt. 51 aseptische oder leicht infi-
zierte Nierensteine wurden durch Nephrotomie entfernt ohne Todes-
fall. Von 44 schwer infizierten Fällen starben dagegen 3, bei welchen
nur die Nephrotomie vorgenommen worden war. 20 Nephrektomien
bei infizierter Niere verliefen ohne Todesfall.
Je frühzeitiger der Eingriff vorgenommen wird, um so günstiger
ist der Verlauf. — Die erzielten Resultate (bei 95 nicht Anurischen
eine Gesamtmortalität von 3,1%) sind erstaunlich günstig. Das
interessante Referat K.’s schließt mit intimeren Details der Technik,
welche zur Vermeidung der Blutung nach Nephrotomie und Drainage
des Nierenbekens dienen sollen. Die Freilegung beider Nieren ist
nicht selten notwendig, wenn die Diagnose uns im Stiche läßt und die
zuerst freigelegte Niere keine Steine enthält. Die letzteren sind erst
854 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28.
nach Ausführung des Sektionsschnittes mit Sicherheit zu tasten. Die
Durchgängigkeit des Harnleiters bis in die Blase ist am Schlusse der
Operation in jedem Falle zu prüfen. Kroemer (Berlin).
15) @. Holzknecht und R. Kienböck (Wien). Radiologische
Diagnostik der Nephrolithiasis.
(Zeitschrift für Urologie Bd. DH. Hft 5.)
Der vorliegende Aufsatz der beiden Wiener Röntgenologen
beleuchtet alle Schwierigkeiten der röntgenologischen Nierenstein-
diagnostik. Verff. empfehlen individualisierendes Vorgehen, in der
Regel Aufnahmen in Rückenlage mit der Kompressionsblende nach
Albers-Schönberg bzw. mit dem H.-K.’schen Zylinder oder dem
Robinsohn’schen Faszikelrohr. Die Röhre wird in 40 cm Fokus-
distanz von der möglichst frischen Platte angebracht. Das Licht
muß kräftig, aber weich bis mittelweich sein. 3—6 Minuten Exposi-
tionszeit genügen. Als Entwickler benutzen Verff. eine Kombination
von Metol und Hydrochinon. Standentwicklung ist unpraktisch. —
Die Platten werden im elektrischen Schaukasten, event. mit dem Opern-
glas im finsteren Zimmer betrachtet. Jenach dem Ausfall unterscheiden
Verff.: a. brillantes Bild (Wirbel, Rippen, Psoas und Nierenkontur
sind klar gezeichnet); b. gute Aufnahme (zeigt alle Einzelnheiten, aber
weniger kontrastreich); c. schlechte, unbrauchbare Aufnahmen (mit
unklarer Zeichnung). Die brillanten Bilder zeigen sogar die Knochen-
struktur in den Skeletteilen. Bis auf Steine, welche aus reiner Harn-
säure bestehen, erweisen sich ziemlich alle anderen als röntgenoopak
und erscheinen also auf der Platte. Die Versager schätzen die
Verff. auf etwa 2%. Diese Versager betreffen Fälle, in welchen vor-
handene Steine im Röntgenbild nicht nachzuweisen waren oder in
welchen trotz Steinschatten auf der Platte — bei der Operation Steine
nicht gefunden wurden. — Einer Literaturübersicht über die Statistiken
anderer Beobachter lassen die Verff. eine Auswahl von Röntgenbildern
aus ihrer eigenen Sammlung folgen, auf welchen alle Einzelnheiten und
Details mit Hilfe zugehöriger Konturskizzen leicht zu erkennen sind.
Die intrarenalen Steine markieren sich seitlich von den Nierenwirbeln
innerhalb der Nierenkontur oder an ihrem Rand als runde, ovale,
dreieckige, gelappte oder geweihartig verzweigte Schatten, während
Harnleitersteine schmal und länglich sind. Bei starker respiratorischer
Verschieblichkeit ist der Steinschatten doppelt konturiert. Besteht
der geringste Zweifel über die.Natur eines Schattens, so sind wieder-
holte Aufnahmen nach Abführen erforderlich, und zwar in mehreren
Richtungen, event. stereoskopische Aufnahmen oder das Doppelplatten-
verfahren.
Falsche Schatten werden dann verschwinden. Der Schluß ent-
hält eine Zusammenstellung aller Momente, welche differentialdia-
gnostisch in Betracht kommen können (Fremdkörper- Narben, Kot-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 855
ballen, knochenhaltige Dermoide, Prostatasteine, Phlebolithen usw.).
— Näheres in dem lesenswerten Original. Kroemer (Berlin).
16) Küster (Charlottenburg). Diagnostik und Therapie der
Nierentumoren.
(Zeitschrift für Urologie Bd. II. Hft. 1.)
K. bringt zunächst eine Zusammenstellung der älteren diagnosti-
schen Maßnahmen zur Feststellung einer Nierengeschwulst und warnt
vor der Neigung, sie zu vernachlässigen und einzig durch die moderne
Funktionsprüfung sich leiten zu lassen. Die letztere, insbesondere die
Phloridzinprobe, muß freilich stets den Ausschlag geben bei der Indi-
kationsstellung für oder gegen die Operation. K. fordert weiterhin
eine genaue Erforschung der pathologisch-anatomischen Unterschiede
und das Studium des verschiedenartigen klinischen Verlaufes der ein-
zelnen Geschwulstformen. Epinephrome, Epinephroide und Sarkome
sind z. B. sehr verschieden in ihrer Entstehung, Form, Wachstumsart
und Prognose. Daher ist es nicht angängig, in Sammelstatistiken alle
Neubildungen als Krebs der Niere zusammenzufassen. Erkennung
der Geschwülste im ersten Entwicklungsstadium ist das erstrebenswerte
Ziel. Die Therapie besteht in der Nephrektomie nur in Ausnahme-
fällen (kleine Geschwulst der zweiten Niere) in der Keilexzision. Das
retroperitoneale Operationsverfahren ist nur bei ganz beweglicher Niere
am Platze; bei vorgeschrittenen Neubildungen empfiehlt sich trans-
peritoneales Vorgehen, Entfernung der Niere mit Fettkapsel, Neben-
niere und den Lymphdrüsen derselben Seite, wenn möglich mit vor-
gängiger Unterbindung der Nierengefäße. Die Lumbalanästhesie ist
namentlich für geschwächte Individuen empfehlenswert. Geschwülste,
die bereits metastasiert haben und schwer beweglich sind, sollen nicht
mehr operiert werden. Auch hier ist das transperitoneale Vorgehen
als Probelaparotomie vorteilhaft. Kroemer (Berlin).
17) v. Eiselsberg (Wien). Diagnose und Therapie der Nieren-
tumoren.
(Zeitschrift für Urologie. Bd. IL. Nr. 1.)
v. E. faBt als Nierengeschwülste Karzinome, Sarkome, Hyper-
nephrome und embryonale Drüsengeschwülste zusammen. Das Streben
des modernen Chirurgen muß auf möglichst frühzeitige Diagnosen-
stellung gerichtet sein. In der Anamnese sind Traumen, Symptome
von Steinbildung besonders wichtig. Die Inspektion belehrt über die
Ausbreitung der Geschwulst (Venektasien, Drüseninfektion, Beinödem,
Pigmentierungen, Epheliden). Die Röntgenuntersuchung weist wenig-
stens die Kontur der Niere nach. Die Suche nach Metastasen
(Mamma!), die lokale Untersuchung und Tastung (Aufblähung des
Dickdarmes) auch vom Mastdarm bzw. von der Scheide her wird uns über
manches Aufschluß geben. Die Cystoskopie, die Harnleitersondierung
856 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28.
liefert den Harn jeder Seite getrennt zur chemischen und funktio-
nellen Diagnosenstellung. — Neben der Kryoskopie, deren Wert in
letzter Zeit angefochten worden ist, scheint besonders die Phloridzin-
probe im Sinne Kapsammer’s wichtig. — Die Therapie kann nur
in der Nephrektomie bestehen (Ausnahmen machen Hufeisennieren
und doppelseitige Geschwülste). v. E. wählt mit Vorliebe den lum-
balen Operationsweg, öffnet aber das Peritoneum, um vom Bauch aus die
andere Niere zu tasten. Von 20 Operierten verlor er primär 7 (Mor-
talität — 35%). Davon entfallen 3 Todesfälle auf 6 transperitoneale
Operationen, für welche v. E. allerdings die schweren Fälle auswählt.
Von den zunächst überlebenden 13 Pat. sind nur noch 5 am Leben.
Die übrigen starben innerhalb 2 bis 34 Monaten nach der Operation.
Wegen dieser ernsten Diagnose hält v. E. es für geboten, bei
unsicherer Diagnose und begründetem Verdacht auf Neubildung die
Niere freizulegen und eventuell durch Sektionsschnitt zu eröffnen.
Kroemer (Berlin).
18) F. L. v. Neugebauer (Warschau). Hermaphroditismus
beim Menschen.
Leipzig, Werner Klinckhardt, 1908.
Der unermüdliche Sammler und Forscher, dessen Namen durch
seine fleißigen Studien über den Hermaphroditismus und »Erreur de
sexe« wohlbekannt ist, hat uns in vorliegendem, 748 Seiten um-
fassenden Werk ein »Encheiridion« geschaffen, welches einen Mark-
stein in der Erforschung der sexuellen Zwischenstufen darstellt. —
Die Wichtigkeit dieses, mit zahlreichen Abbildungen versehenen Stan-
dardwerkes geht weit über die Grenzen des medizinischen Interesses
hinaus. Lehrer und Seelsorger, Juristen und Psychologen werden in
dem Buche erwünschte Belehrung finden.
Der wissenschaftliche Pathologe, wie der praktische Arzt und der
Operateur findet in der Fülle der reichen Kasuistik und in den klaren
zusammenfassenden Schlußkapiteln bei jedem zweifelhaften Falle sicher
analoge Erfahrungen früherer Beobachter, so daß er sehr wohl im-
stande sein dürfte, seinen eigenen Fall richtig zu werten und richtig
sozial zu beraten. Als besonders wertvoll erscheinen mir neben dem
wohlgelungenen Eingangskapitel über die historische Entwicklung der
Anschauungen vom Zwittertum die wissenschaftlichen Auseinander-
setzungen über die Entwicklung des normalen und pathologischen Ge-
schlechtsapparates, bei deren Schilderung er sich an Kollmann,
Nagel und Bayer anlehnt, und das gründliche Eingehen auf den
psychischen Zustand und die soziale Stellung der Hermaphroditen. —
Die Stellung einer anatomischen Diagnose über den Bau und die
eventuell vorhandene oder fehlende Funktion dieses oder jenes soma-
tischen Geschlechtscharakters ist oft weniger wichtig, als die psychische
Wertung der seelischen Zwitternatur. Die vom Verf. gesammelten Fälle,
in welchen Hermaphroditen infolge der fehlerhaften Beurteilung von
seiten der Arzte und Erzieher durch Selbstmord ihren seelischen Leiden
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 857
ein Ende zu machen suchten, sind eine ernste Mahnung für die Ärzte
und für den Staat, der auch diesen Individuen gegenüber die Pflicht
hat, ihnen ein menschenwürdiges Dasein voll Befriedigung zu garan-
tieren. Hoffen wir, daß diese Lücke in der Gesetzgebung, welche auf
Hermaphroditen bisher nicht Rücksicht nimmt, bald ausgefüllt sein
wird.
In diesem Sinne verfolgt Neugebauer’s Werk neben seiner
praktisch-medizinischen Bedeutung einen für die gesamte Gesellschafts-
ordnung wichtigen Aufklärungsdienst und muß auch in dieser Hin-
sicht als verdienstvolles Unternehmen genannt werden.
Der klare und nie ermüdende Stil des Verf.s, seine anschauliche
Darstellungsweise sind zu bekannt, als daß ich weitere Worte darüber
machen dürfte. Das Werk spricht für sich selbst und wird wohl bald
in keiner Bibliothek fehlen. Wer auf dem einschlägigen Gebiet arbei-
ten will, wird dem Verf. für seinen eminenten Fleiß Dank wissen.
Kroemer (Berlin).
Kleinere Mitteilungen.
Aus der chirurg. Abteilung des Katharinenhospitals in Stuttgart.
Direktor: Prof. Dr. Steinthal.
Beitrag zur Frage der Sensibilität der Bauchorgane.
Von
Dr. A. Nast-Kolb,
Oberarzt der Abteilung.
n der Nr. 20 dieses Zentralblattes teilt Ritter seine Erfahrungen über die Sensi-
bilität der Bauchorgane am Tiere mit. Er will diese Ergebnisse zwar nicht ohne
weiteres auf die Sensibilität des Menschen übertragen, neigt aber, auch nach seinen
persönlichen Erfahrungen bei Operationen, der Ansicht zu, daß die Bauchorgane
Schmerzempfindung besitzen. Für einen besonderen Prüfstein hält er die Unter-
bindung von Gefäßen in der Bauchhöhle. Demgegenüber möchte ich die Beob-
achtungen mitteilen, die ich anläßlich von Hernienoperationen und Laparotomien
teils als Assistent an der Heidelberger Klinik, teils am Katharinenhospital in
Stuttgart an nicht narkotisierten Pat. habe sammeln können. Bei diesen Ope-
rationen wurde die Eröffnung der Bauchhöhle bzw. des Bruchsackes in lokaler
Anästhesie mit Novokain vorgenommen, ohne jede Narkose, nur nach voraus-
geschickter Morphiuminjektion von 0,01 bis höchstens 0,015 Morphium. Bei den
Operationen der Hernien mußte ich mehrmals größere Netzpartien abbinden und
abtragen. Sowohl Unterbindung wie Durchschneidung des Netzes verursachten
keine Schmerzen. Zweimal habe ich bei eingeklemmten Brüchen mit Gangrän des
Darmes Darmresektionen von 15—20 cm Länge gemacht. Die Unterbindung und
Durchtrennung des Mesenteriums war vollkommen schmerzlos. Das eine Mal wurde
die zirkuläre Darmnaht ausgeführt, das zweite Mal nach Verschluß der Darmlumina
eine seitliche Anastomose mittels Murphyknopfes angelegt. Die Manipulationen am
Darm: Durchtrennung, Naht, Druck beim Vereinigen des Knopfes, haben keinerlei
Schmerzen ausgelöst.
Ebenso wie der Darm ist meiner Ansicht nach auch der Magen unempfindlich.
Bei mehreren Gastrostomien habe ich den Magen eröffnet und eine Witzel’sche
Fistel angelegt, ebenfalls nach Durchtrennung der Bauchdecken unter lokaler
Novokainanästhesie. Auch diese Eingriffe am Magen waren zweifellos schmerzfrei.
858 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28.
Dagegen löst jeder Zug am Mesenterium, am Peritoneum, am Bruchsack, am
Darm oder am Magen sofort die heftigsten Schmerzen aus. Ebenso ist das Zurück-
bringen von Magen oder Darm in die Bauchhöhle, sobald man einige Gewalt an-
wenden muß, wohl wegen der unvermeidlichen Zerrungen am Mesenterium und
wegen des Druckes auf parietales Peritoneum recht schmerzhaft.
Daß die Schmerzlosigkeit der Eingeweide bei den Operationen der Novokain-
wirkung zuzuschreiben ist, scheint mir, beim Menschen wenigstens, nicht wahr-
scheinlich; denn dann müßte sich die Anästhesie auch auf das Peritoneum parie-
tale erstrecken, was aber nicht der Fall ist. Ebenso ist auch die vorausgeschickte
Morphiumdosis zu gering, um die Anästhesie der Eingeweide zu erklären.
Erfahrungen an Tieren in dieser Hinsicht besitze ich nicht, für den Menschen
aber fand ich die Tatsache, in Übereinstimmung mit Lennander’s Ansichten, be-
stätigt, daß operative Eingriffe am Netz, Magen und Darm schmerzlos sind. Ob
die Durchtrennung mit dem Thermokauter weh tut, weiß ich nicht. Ich habe
keine Gelegenheit gehabt, ihn zu benutzen.
Damit soll aber nun durchaus nicht behauptet werden, daß unsere inneren
Organe überbaupt keine Empfindung besäßen. Müller (Grenzgebiete der Medizin
und Chirurgie 1908 p. 600) hat in sehr einleuchtender Weise dargetan, daß unter
gewissen Umständen doch in inneren Organen Schmerzempfindungen ausgelöst
werden können. Ob freilich seine Erklärung der Schmerzen innerer Organe als
Schutzvorrichtung im Kampfe ums Dasein für alle Fälle ausreicht, lasse ich dahin-
gestellt. Mir scheint diese teleologische Auffassung doch etwas zu weitgehend.
Ein Punkt bedarf, glaube ich, bei der Prüfung der Schmerzempfindung am
Menschen größerer Berücksichtigung, als er bisher gefunden hat. Je mehr man
sich mit dem lokalen Anästhesierungsverfahren beschäftigt, um so häufiger fällt
auf, eine wie große Verschiedenheit bei einzelnen Individuen in bezug auf Schmerz-
empfindung besteht. Aber nicht nur einzelne Individuen, sondern auch ganze
Bevölkerungsklassen und Rassen lassen in dieser Hinsicht, was übrigens allgemein
bekannt ist, große Unterschiede erkennen. Wer abwechselnd mit mehr ländlicher
oder städtischer Bevölkerung oder mit verschiedenen Volksstämmen bat arbeiten
müssen, wird die Beobachtung der verschiedenen Toleranz gegen Schmerzempfindung
bestätigt gefunden haben. Ich möchte deshalb auf diese Unterschiede bei der
Beurteilung der Schmerzempfindung während der Operation am nicht narkoti-
sierten Menschen noch besonders hinweisen.
19) Sammelbericht über Röntgenbehandlung von chirurgischen und
Hautkrankheiten von März 1907—1908.
(8. Zentralbl. f. Chir. 1905, Nr. 11; 1906, Nr. 16; 1907, Nr. 22.)
Die Forschung auf dem Gebiete der Röntgenologie ist auch im verflossenen
Jahr eifrig fortgesetzt worden. Eine große Anzahl von Mitteilungen über physi-
kalische Vorgänge in den verschiedenen Apparatteilen, über technische Neuerungen,
Anderungen, Verbesserungen finden wir in den einschlägigen Zeitschriften des
In- und Auslandes, und eine fast unübersehbare Kasuistik in diagnostischer und
therapeutischer Hinsicht ist in diesen enthalten. Große Anregung und Befruchtung
bat die uns hier näher angehende Röntgentherapie erfahren durch den Wettkampf
mit den anderen Zweigen der >»Aktinotherapie«, wie Müller alle Zweige der Be-
strahlungsbehandlung gemeinsam bezeichnet wissen will. Der Wettbewerb führte
Physiker und Techniker in gemeinsamer Arbeit mit Arzten zur Erforschung der tech-
nischen Möglichkeiten und der biologischen Wirkungsweise zusammen. Solchen An-
regungen verdankt namentlich die Lupusbebandlung mancherlei Fortschritte. Rein
aus technisch-physikalischen Überlegungen ging ein Verfahren hervor, dessen Grund-
lagen zwar schon 1905 in der Med. Klinik Hft. 21 und 22 veröffentlicht, dessen
praktische Verwendung aber erst im letzten Jahr erprobt wurde. Es handelt sich
um die Homogenbestrahlung nach Dessauer. Er wurde angeregt durch eine
Arbeit von Perthes über Absorption der Strahlen in verschiedenen Tiefen des
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 859
Gewebes (Fortschritte VIII). Durch theoretische Erwägungen kam er dahin, daß
bei starker Penetrationskraft der Strahlen der ganze Körper bomogen durchstrahlt
wird, wenn er in so großer Entfernung von der Strahlenquelle sich befindet, daß
kürzere Strecken keinen wesentlichen Unterschied in der Stärke der Bestrahlung
machen. Technisch hat Dessauer es nun verstanden, eine Apparatanordnung zu
bauen, daß so harte Röhren, wie sie bisher noch nicht in der Heilkunde üblich
waren, über 200 Stunden lang ohne Anderung des Vakuums dauernd betrieben
werden können. Da die chemische Wirksamkeit so harter Strahlen sehr gering
ist — in etwa 100 Stunden wird 1H. (Holzknecht’sche Einheit) erzielt, müssen
die Kranken tagelang der tatsächlich homogenen Behandlung ausgesetzt werden,
was für sie aber ohne Belästigung geschieht; denn sie liegen oder halten sich auf
in einem Zimmer, in dem die Röhren unter der Decke, für sie gar nicht bemerk-
bar, angebracht sind. So sind sie dauernd deren Strahlung ausgesetzt. Über die
biologische und therapeutische Wirkung ist bisher noch nichts mitgeteilt, doch
sind Versuche an verschiedenen Stellen im Gange. Ich habe absichtlich diese
Technik etwas weitläufiger besprochen, da sie für die Therapie, wenn sie praktisch
das hält, was sie theoretisch verspricht, eine ganz außerordentlich wichtige Neue-
rung bedeutet und weite Perspektiven eröffnet auf Behandlung mancher Leiden,
die heute für die Röntgentherapie noch ganz unzugänglich sind.
Die Arbeiten Dessauer’s seien den Lesern hiermit bestens empfohlen! (Mit
anderen zusammengestellt in Heilende Strahlen Bd. II von Dessauer, Würzburg,
Curt Kabitzsch, 1908.) Nach dem Studium dieser Arbeit sieht man, daß die
heutige Röntgentherapie fast nur mit Oberflächenbestrahlung arbeitet und dem-
gemäß nur die bisherigen beschränkten Erfolge erzielen kann. Aber trotzdem
muß man sich des Erreichten freuen; ist doch durch die wunderbaren Strahlen
mancher Schmerz gelindert, viel Entstellung beseitigt und eine ganze Anzahl von
Leben teilweise um Jahre verlängert worden! — Eine auch im vergangenen Jahre
noch ungelöst gebliebene Frage ist die nach einem absolut zuverlässigen und hand-
lichen Meß- und Dosierungsapparat für den praktischen Gebrauch des Rönt-
genotherapeuten. Die verschiedenen im In- und Ausland eingesetzten Komissionen
haben noch kein endgültiges Urteil abgeben können. Die in den Vorjahren ge-
brauchten, teilweise mit Begeisterung aufgenommenen Quantimeter, Dosimeter,
Radiometer sind zwar zum Teil wissenschaftlich zuverlässig, wie z. B. das Quanti-
meter von Kienböck, das Fällungsradiometer von G. Schwarz (s. u.), aber sie
sind noch nicht handlich genug, oder zu teuer. Viel gebraucht und anscheinend
bewährt ist das Radiometer von Sabourand und Noiré, während der älteste
Meßapparat von Holzknecht nur noch wenig mehr gebraucht zu werden scheint.
Inzwischen ist das Fällungsradiometer von G. Schwarz erschienen. Es beruht
darauf, daß Röntgenstrablen aus einer bestimmten Mischung von Sublimat und
Ammoniumoxalat Kalomel ausfällen, das die klare Mischung trübt. Die Menge
und damit die Trübung ist proportional der Menge der Röntgenstrahlen. Der
ganze Apparat ist recht praktisch angeordnet und scheint auch nicht allzu schwierig
und kompliziert in der Handhabung zu sein, er ist aber leider recht kostspielig
und daher für den praktischen Gebrauch noch nicht recht zugänglich. Seine An-
gaben sollen zuverlässig sein. (Genaue Veröffentlichung in Fortschritte XI, 2.)
Das gleiche gilt von dem Kienböck’schen Quantimeter. Manche Röntgenologen
ziehen den wenig zuverlässigen Meßapparaten die Erfahrung vor und gehen von
bekannter Leistung der Röhren aus (Albers-Schönberg nimmt als Grundlage
z. B. die »Handröhre«e), auch Levy-Dorn mißt nach Erfahrungsgrundsätzen.
Allerdings ist für Veröffentlichungen und Wiederholung von Versuchen zahlen-
mäßig genaue Angabe erwünscht, die aber wie bisher nach primärer Stromstärke,
Unterbrecher, Röhrenabstand usw. überhaupt gänzlich unbrauchbar waren. Die
Angabe der Millamp£rezahl im sekundären Stromkreis ist schon eher verwendbar
und wird zahlreicher gemacht als früher. Alban Köhler berichtet über gün-
stige Erfahrungen mit seiner Thermometerröhre. — Eine Übersicht über die bis-
her üblichen Meßverfahren gibt Kassabian (Amer. quarterly of Roentgenology).
Die Versuche von Guilleminot und Butcher, die Strahlung von Radium
860 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28.
bekannter Stärke als Vergleichsobjekt heranzuziehen, und von Bergonie, die elektro-
statischen Eigenschaften der Röntgenröhre im Betriebe dazu heranzuziehen, seien
der Vollständigkeit halber kurz erwäbnt.
Daß Schutzeinrichtungen bei jeglichem Röntgenbetriebe nötig sind, daß nament-
lich der Arzt auch vor Sekundärstrahlen sich hüten soll, ist nun ein allgemein
anerkanntes und auch wohl ziemlich durchgeführtes Erfordernis. Blendenkästen,
Röhrenschutzkappen aus röntgendichten Stoffen, fahrbare Bleiglasscheiben und
ähnliche Einrichtungen sind ihrer Handlichkeit wegen, und da sie Arzt und Kranken
meist gleichzeitig schützen, sehr beliebt. In allen neueingerichteten Röntgen-
stationen größerer Krankenhäuser findet man Schutzhäuschen für das Personal.
Dessauer filtriert seine äußerst harten Strahlen bei der Homogenbestrahlung
durch Bleiglas, um auch den letzten Rest weicher Strahlen auszuschalten. Bei Be-
handlung tiefliegender Prozesse, besonders der langdauernden der Leukämie, wer-
den Filter auf den Körper des Kranken mit Nutzen verwandt. v.Jaksch hat
sich mit Vorteil eines 0,02 mm starken Silberblechs, Pfahler des schon früher
von ihm verwandten und empfohlenen Sohlleders bedient, während Bazy durch
eine 4—b cm dicke Watteschicht im Trichter seiner Blende die zu weichen Strahlen
ausschalten will.
Sucht man so die für manche Gewebe zu wirksamen Strahlen auszuschalten,
so hat man andererseits nötig, die Empfänglichkeit anderer zu erhöhen, damit sie
überhaupt einer Strahlenwirkung zugänglich werden. Eosinlösung (2%ig), Chinin.
bisulfuric. dienen manchen Röntgenologen zur »Sensibilisierung « der Gewebe,
während die Kompression ein allgemein anerkanntes Mittel ist, um durch Besei-
tigung des die Strahlen stark absorbierenden Blutes auf tiefere Schichten kräftiger
einzuwirken.
Für Behandlung der meisten Krankheiten wurden mittelstarke Röhren an-
gewandt.
Daß volle Dosen bis zur Reaktion bei bösartigen Geschwülsten zur Heilung
erforderlich sind, wird allgemein anerkannt, ebenso daß zu geringe Gaben häufig
ein stärkeres Wuchern der Geschwulstelemente veranlassen. Diese Gewebsreizung
wird wieder nutzbringend angewandt bei Behandlung von Haarkrankheiten, da
durch den gesetzten Gewebsreiz ein stärkeres bzw. neues Wachsen der Haare ein-
treten soll (Newcomet).
Sehr zahlreiche Versuche an Tieren und Pflanzen aller Art, Untersuchungen
an behandelten Kranken sind vorgenommen, um die biologische Wirkung der
Röntgenstrahlen unserem Verständnis noch näher zu bringen als bisher. Lossen
hat eine größere Arbeit über Röntgen- und Becquerelstrahlen geliefert (Wiener
Klinik 1907, Urban & Schwarzenberg). Schmidt konnte an Amphibien durch
Bestrahlung ihrer Eier und Larven schwere Schädigungen an Gehirn und Rücken-
mark hervorbringen. Hasebroek setzte verschiedene Arten von Schmetterlings-
raupen und Puppen den Strahlen aus und konnte beim kleinen Fuchs, wenn die
Puppen kurz vor oder nach dem Übergangsstadium aus der Raupe bestrahlt wur-
den, Fehler in der Schuppenbildung erzeugen. Auf trächtige Tiere wirken die
Röntgenstrahlen sehr leicht ein, töten die Frucht ab oder hemmen ihre Entwick-
lung unter Erzeugung von allerlei Mißbildungen (Triboudeau und Belley). Daß
Cholin dabei eine Rolle spielt, konnten v. Hippel und Pagenstecher nach-
weisen, die durch Cholineinspritzungen gleiche Schädigungen erzeugten wie durch
Bestrahlung. Mit der Einwirkung auf Drüsengewebe beschäftigten sich Stern
und Halberstädter: Die Bürzeldrüse der Ente wird durch längere und öftere
Bestrahlung verödet. An Pflanzen experimentierten Schwarz und Guilleminot.
Sie fanden, daß keimende Pflanzen (Bohnen, Hafer) durch geringe Strahlengaben
angeregt, durch stärkere gehemmt und abgetötet werden.
Daß das Keimgewebe besonders empfindlich ist gegen die Röntgenstrahlen,
wurde durch Bergoni6 und Triboudeau von neuem bestätigt, die Tierversuche
anstellten und auch an menschlichen Ovarien und Hoden Untersuchungen machten.
Das Keimgewebe des Hodens wird allein beeinflußt, während das Zwischengewebe
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 861
gesund bleibt. Beim Ovarium dagegen schwindet nicht nur das Follikelgewebe,
sondern auch die Marksubstanz nach genügend langer Bestrahlung.
Die Veränderungen, welche die Bestrahlung im Blut erzeugt, sind wegen der
großen Wichtigkeit für die Behandlung der Leukämie und durch die Behandlung
zahlreicher derartiger Kranker oft und eingehend untersucht. Eine umfangreiche
Arbeit der Art von Tatarski ist in der Zeitschrift f. Elektrologie u. Röntgen-
kunde veröffentlicht. Auch die Lossen’sche Arbeit (s. o.) befaßt sich eingehend
mit diesem Kapitel. Eine chemische Einwirkung auf das Hämoglobin findet nach
Bordier, wenigstens in vitro, nicht statt. Dagegen ist die Beeinflussung der
weißen Blutzellen in vivo um so stärker, wie Schmidt und G&öronne von neuem
durch größere Versuchsreihen bewiesen haben. Sie nehmen sowohl eine direkte
Schädigung der Leukocyten selbst, als auch eine solche ihrer Bildungsstätten durch
Leukotoxine an. Das Leukotoxin bildet immer noch einen Streitpunkt bei ver-
schiedenen Forschern. Im allgemeinen scheinen die meisten ein solches anzu-
nehmen. Die obenerwähnten Untersucher wollen sein Vorhandensein dadurch be-
weisen, daß bei den der Nieren beraubten Tieren die Leukocytenzahl schneller sinkt
ale bei den Kontrolltieren. Durch die Nieren wird das Gift bei letzteren aus-
geschieden und wirkt daher langsamer und später. Schwere Beeinträchtigung der
Nieren bei behandelten Leukämikern wie bei gesunden Versuchstieren beobachteten
Barthin und Scott-Warthin. Sie konnten auch den anatomischen Nachweis
führen, während Price selbst bei vorbandener Albuminurie obne Schaden lange
und kräftig bestrahlt hat. — Durch längere und starke Bestrahlung wird die Milz
in myeloides Gewebe verwandelt (Ziegler, Zeitschrift f. Elektrologie u. Röntgen-
kunde 1907, Hft. 3). — Die schon im vergangenen Jahre mehrfach vorgenommenen
Stoffwechselversuche, namentlich an Leukämikern und Basedowkranken, sind mehr-
fach fortgeführt. Quadrone sah bei Leukämikern nach der Bestrahlung Phos-
phorsäure und Harnstoff vermehrt ausgeschieden, die N-Vermehrung konnten auch
Edsall und Lommel feststellen, bei den Kranken Lommel’s ging sie nach
Aufhören der Bestrahlung zunächst weiter, schlug dann um in N-Retention.
Rosenbaum hält die vermehrte N-Ausscheidung für unabhängig von der Leuko-
cytenzerstörung. — Daß im Körper gewisse Stoffe durch Zerfall krankhafter Ge-
webe erzeugt werden, nimmt Hall-Edwards an, der beobachtete, daß bei
Bestrahlung von Lupusherden auch ganz entfernt liegende, sorgfältig mit Blei
geschützte Stellen ausheilten. Er meint, daß durch Zerstörung und Aufsaugung
des Lupusgewebes sich im Blut Opsonine bilden, die dann, weiter transportiert,
an den entfernt gelegenen Krankheitsherden ihre Wirkung äußern. Auch Mac-
Culloch ist der Ansicht, daß Opsonine durch Aufsaugung der bestrahlten tuber-
kulösen Lymphdrüsen sich entwickeln. Bei Lupus, der überhaupt nicht auf Röntgen-
strahlen reagiert, wendet Hall-Edwards deshalb Tuberkulin an, um ihn durch
Erhöhung des Opsoninwertes der Bestrahlung zugänglich zu machen, wie auch
MacCulloch zuerst die jüngsten und leichtest zerfallenden Drüsen bestrahlt, um
durch deren schnelle Aufsaugung rasch den Opsoningehalt zu steigern und durch
ihn auf die älteren, widerstandsfähigeren Drüsen zu wirken.
Heile erklärt sich die Einwirkung der Röntgenstrahlen auf tuberkulöse Ge-
lenke durch Fermentbildung. Das Ferment stammt aus den Leukocyten und macht
den Eiter leichter aufsaugbar. Die Leukocytenzufuhr wird gesteigert durch Stau-
ung und Tuberkulin, und wenn die gestauten Gelenke bestrahlt werden, tritt
schnellere Wirkung ein durch den Zerfall der zahlreicheren weißen Blutzellen.
Ahnlich legt Heile sich die Einwirkung der Strahlen auf regionäre, nicht mit
behandelte Drüsen zurecht, die er bei Behandlung eines Zungenkrebses aus-
heilen sah.
Schädigungen durch Röntgenstrahlen wurden nur wenige mitgeteilt. Sie sind
durch die allgemeine Anwendung der Schutzmaßregeln sehr selten geworden und
baben nur in ganz wenigen Fällen die Haut betroffen. Hochsinger teilt zwei
derartige Vorkommnisse mit. Er warnt vor frühzeitiger Transplantation bei
Röntgengeschwüren, da selbst lange Zeit nach der Verbrennung und bei gutem
Aussehen der Geschwürsfläche das Zerfallsstadium noch nicht beendigt zu sein
862 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28.
braucht. Daß 33—35% der Fälle stärkere Reaktion zeigen, wie Ronzoni mit-
teilt, ist ungewöhnlich. Nicholson empfiehlt zur Behandlung der Dermatitis
Jodolpräzipitat, welches, auf die Haut gestreut und mit Borlint bedeckt, den
Schmerz lindert und Heilung berbeiführt. Dunham fand ungepflegte, vernach-
lässigte Haut empfindlicher gegen Röntgenstrahlen als gut gepflegte; nach Heile
ist die Haut über gestauten Gelenken besonders gegen die Strahlen empfindlich.
Über Schädigungen des Gesamtkörpers in Intoxikationsform wird mehrfach be-
richtet, namentlich nach schnellem Zerfall von Geschwülsten. (Ronzoni, Mara-
gliano und Bertolotti wollen bisher nicht bekannte schädliche Folgen der
Bestrahlung beobachtet haben. Ersterer sah danach septische und peritonitische
Erscheinungen (Art der Krankheit fehlt. Bef.), auch Verschlimmerung von Rheu-
matismus und trockene Pleuritis. Ebenso teilt Maragliano mit, daß nach Be-
strahlung sich Pleuritis entwickelte. Nach Bestrahlung des Kopfes und der Lenden-
wirbelsäule konnte Bertolotti Veränderungen der Zerebrospinalflüssigkeit nach-
weisen, während Martini bei Behandlung von Sarkomen mit Röntgenstrahlen
zweimal neben anderen Schädigungen Paraplegie erlebte. Im Rückenmark des
einen Kranken fanden sich schwere, ala »Leukomyelie« bezeichnete Veränderungen,
die Maragliano Leukotoxinen durch Zerfall des Lymphosarkoms zuschreibt.
Negro hatte akute tödliche Myelitis nach raschem Zerfall eines bestrahlten
Lymphosarkoms zu verzeichnen.
Über Röntgenbehandlung folgender hier interessierender Krankheiten liegen
Berichte vor:
1) Allgemeinerkrankungen: Leukämie, myeloide und lymphatische, Pseudo-
leukämie.
2) Bösartige Geschwülste: Hautkrebse (Cancroide, Epitheliome), Krebse aller
anderen Organe, Sarkome.
3) Gutartige Geschwülste: Myome, Keloide, venerische Bubonen.
E=. 4) Gelenkerkrankungen: Rheumatismus, Arthritis deformans.
6) Prostatahypertrophie.
6) Tuberkulose der Gelenke, Drüsen, des Bauchfells, der Nieren.
7) Nervenkrankheiten, Basedow’sche Krankheit.
8) Hautkrankheiten einschließlich Lupus.
Die leukämischen Erkrankungen waren sehr häufig Gegenstand der Röntgen-
behandlung. Alle Berichterstatter sind sich darüber klar, daß diese Behandlung
nur eine symptomatische ist; ebenso herrscht aber allgemeine Einigkeit darüber,
daß sie zurzeit die beste Behandlung dieser Erkrankungsformen genannt werden
muß. Mit keinem anderen Mittel lassen sich auch nur annähernd günstige Erfolge
erzielen. Die theoretischen Grundlagen für diese Behandlung sind teilweise im
vorhergehenden mit besprochen, teils schon aus den früheren Sammelberichten
bekannt. Eine umfangreiche und sehr sorgfältige Arbeit über dieses Gebiet
stammt von Decastello und Kienböck (Fortschritte 1907, Nr. 6). Sie bringen
in derselben auch eine Anzahl sehr genau und mit allen Erfordernissen beobach-
teter und behandelter eigener Fälle. Da diese Arbeit die gesamte über dieses
Gebiet bisher aufgekommene Literatur berücksichtigt, und die Endergebnisse
anderer Forscher in ihr mitvereinigt sind, sollen hier die Schlüsse von Decastello
und Kienböck ausführlicher hergesetzt sein. Sie fanden folgendes:
1) Myeloide Leukämie. In etwa 90% der Fälle wird die Krankheit über-
raschend schnell im Sinne einer Besserung beeinflußt. Diese Besserung ist subjektiv
und objektiv. Milzschwellung schwindet, der Blutbefund bessert sich, nähert sich
dem normalen. Die Besserung kann den Eindruck völliger Heilung machen. Selbst
weit vorgeschrittene Erkrankungen können sich noch so günstig gestalten. Durch
Dauerbehandlung können manche Kranke lange Zeit in gutem Zustand erhalten
werden, während bei anderen trotz sorgfältigster Behandlung doch manchmal in
kürzester Zeit unter schneller Verschlechterung des Blutbefundes das Ende eintritt.
Nur ganz vereinzelte Fälle waren der Röntgenbehandlung völlig unzugänglich.
'Vereinzelt beobachtete man die Umwandlung einer myeloiden Leukämie in eine
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 863
Iymphatische. Die Lebensdauer wird durch die Röntgenbehandlung wahrscheinlich
absolut verlängert, jedenfalls wird das kachektische Stadium abgekürzt.
2) Lymphatische Leukämie. Nur etwa 70% der Fälle lassen eine günstige
Einwirkung der Röntgenstrahlen erkennen. Es gelingt zwar in vielen Fällen, die
Drüsen durch die Bestrahlung zu verkleinern und das Verhältnis der Blutkörperchen
zu bessern, aber die eigentliche Erholung bleibt aus, namentlich dann, wenn schon
bei Beginn der Behandlung Anämie bestand.
Bei Kranken mit normaler absoluter Zahl der roten Blutzellen gelingt es, oft
jahrelang diese auf gleicher Höhe zu halten. Die Lebensdauer wird bei der lym-
phatischen Leukämie mehr beeinflußt als bei der myeloiden. Die Prognose der
Röntgenotherapie hängt bei beiden Formen der Krankheit ab von der Raschheit
des Verlaufes der Krankheit zur Zeit des Beginnes der Behandlung. Je rascher
der Verlauf, desto schlechter die Prognose. Dabei ist es einerlei, ob die Krankheit
von vornherein die Neigung zu raschem Verlauf zeigte oder sie erst während ihres
Bestehens annahm.
Die höchst interessanten Einzelheiten des Verlaufes und der Behandlung,
namentlich der Kranken der Verff., muß in dem sehr lesenswerten Original nach-
gesehen werden. In ihm ist auch die reichhaltige Literatur — es dürfte wohl
kaum eine Publikation innerhalb der Weltliteratur fehlen — enthalten.
Die Röntgenbehandlung bösartiger Geschwülste ist im Berichtsjahr fleißig
weiter geübt worden. Die schon früher bekannten Ergebnisse sind in dieser Zeit
nur bestätigt worden. Mit unseren heutigen, bekanntlich fast nur in den Ober-
flächenlagen wirksamen Verfahren sind heilbar die Hautkrebse (Cancroide, Epithe-
liome); tiefer liegende Krebse können gelegentlich heilen, es ist auf ihre endgültige
Heilung aber nicht sicher zu rechnen, und sie sind deshalb, solange operabel,
dem Chirurgen zu überlassen, während die inoperablen in jedem Falle mit Röntgen-
strahlen zu behandeln sind. Die läßt meistens örtliche Besserung neben Hebung
des Allgemeinbefindens erreichen, so daß bei richtiger Durchführung bzw. Wieder-
holung der Kur den unglücklichen Kranken oft lange Zeit noch ein erträgliches
Dasein geschenkt wird. Sarkome reagieren sehr verschieden auf Röntgenbestrahlung,
öfters heilen sie in überraschend kurzer Zeit und kehren nicht wieder. Bei Be-
handlung bösartiger Geschwülste muß man kräftige Bestrahlungsgaben verabreichen,
die eine deutliche Reaktion erzeugen; zu geringe Gaben zerstören das Geschwulst-
gewebe nicht, sondern regen es eher zu schnellerem und vermehrtem Wachstum
an. Schirmer kommt in seinem kritischen Sammelbericht über die Röntgen-
behandlung bösartiger Geschwülste an der Hand reichlichen Materials (325 Arbeiten)
etwa zu den obigen Resultaten. Auch Böclödre trug auf dem französischen Chirurgen-
Kongreß etwa in obigem Sinne vor, nur ist er in mancher Hinsicht optimistischer.
Dagegen wollen Senn und Lexer von der Röntgenotherapie bösartiger Neubildung
überhaupt nichts wissen.
Im einzelnen liegt reichliches kasuistisches Material vor. Hautkrebs ist viel
behandelt, jedenfalls noch mehr Fälle als berichtet sind. Alle Beobachter heben
die Schnelligkeit, Bequemlichkeit und die guten kosmetischen Ergebnisse des Ver-
fahrens hervor. Von früher behandelten Fällen wurde schon 2- und mehrjährige
Heildauer berichtet. Vom Brustkrebs ist weniger berichtet als in den Vorjahren.
Die Behandlung wirkte, von vereinzelten Fällen abgesehen, die über 2 Jahre rück-
fallfrei sind (Bookwall, Belot) nur pallistivv. Johnston hält den Brustkrebs,
wenn sehr frühzeitig der Röntgenbehandlung zugeführt, durch sie allein für radikal
heilbar. Die postoperative Bestrahlung zur Verhütung eines Rückfalls ist zwar
mehrfach empfohlen, positive Ergebnisse sind aber nirgends mitgeteilt. Krebse
der Unterleibsorgane haben Rudis-Jicinsky und Comas-Prio erfolgreich
behandelt. Bei dem Kranken der ersteren lag Karzinom der Bauchorgane (Aus-
gangsstelle nicht erwähnt. Ref.) vor, das auf energische Röntgenbestrahlung zurück-
ging und schon mehrere Jahre verschwunden geblieben ist. Die anderen beiden
Autoren hatten Krebsmassen im kleinen Becken, die bei Entfernung der krebsigen
Gebärmutter zurückgelassen werden mußten, zuerst durch die Bauchwunde 3 Wochen
lang, nach deren Schluß von der Scheide aus bestrahlt, teilen jetzt mehrjähriges
864 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28.
Freibleiben mit. Gray hatte guten Erfolg nach operiertem und rückfälligem
Blasenkrebs.
Daß manche Sarkome schnell und günstig durch die Röntgenotherapie be-
einflußt werden, geht aus Arbeiten von Schwarz, Elischer und Engel hervor.
Eine große Mediastinalgeschwulst ging unter Bestrahlung so rasch zurück, daß
schon nach einer Sitzung subjektiv und objektiv Besserung eintrat (Schwarz),
während Elischer und Engel bei zwei früher erfolgreich wegen Mediastinal-
geschwulst bestrablten Kranken, die sich aber zu bald der Behandlung entzogen
hatten, zunächst wieder Teilerfolge erzielten, den Tod aber nicht abwenden konnten.
Sehr wichtig sind ihre Sektionsergebnisse, die bewiesen, daß das Sarkomgewebe
trotz der tiefen Lage völlig zerstört und durch Bindegewebe ersetzt wird. Bei
beiden Fällen wäre voraussichtlich bei längerer Behandlung Radikalheilung erzielt
worden. Schirmer erklärt in seiner angeführten Arbeit, daß Sarkom ein
günstigeres Objekt für die Röntgenbehandlung ist als Karizmom. Auch bei Lympho-
sorkomen wurde rascher Zerfall berichtet, der jedoch, wie schon oben mitgeteilt,
in einigen Fällen schwere Allgemeinschäden erzeugte.
Über Behandlung gutartiger Geschwülste liegen nur spärliche Berichte vor.
Laquerritre hat bei älteren Frauen Uterusmyome erfolgreich bestrahlt, bei
Jüngeren aber tritt die Menopause zu langsam ein. Es handelt sich also wohl um
indirekte Wirkung durch Schädigung der Ovarien. Über die Röntgenbehandlung
der Keloide trug Siewers in der Leipziger medizinischen Gesellschaft vor. Er
bestrahlte sie sowohl von vornherein unter sorgfältigem Schutz des Gesunden und
dann bis zu starker Reaktion, oder in der 3. Woche nach der chirurgischen Ent-
fernung der Narbe mit geringen Dosen. Letzteres Verfahren ist bequemer und
rascher, dabei ebenso sicher. Auch Belot und Boggs haben gute Erfahrungen
mit der ersteren Art des Vorgehens gemacht. Nach Herxheimer's Vorgang sind
im verflossenen Jahr mehr Bubonen bestrahlt. Bassueur ist von den Erfolgen
so begeistert, daß er behauptet, die Röntgenbehandlung werde alle anderen ver-
drängen. Er wendet sie, im Gegensatz zu Herxheimer, in allen Stadien an.
Reines und Maragliano hatten auch gute Erfolge. Ersterer bestrablt die frei-
gelegten Drüsen. Pini rühmt die schnelle Wirkung der Röntgenotherapie, die
schon nach drei Sitzungen eintreten soll, während manchmal schon nach einer die
Schmerzen schwinden.
Rheumatismus und Arthritis deformans haben Edsall und Sharpe
erfolgreich behandelt. Die Kranke des letzteren war 2 Jahre vergeblich mit allen
erdenklichen Mitteln behandelt, um schon nach wenigen Bestrahlungen schmerz-
frei zu werden. Scholz dagegen hatte keinen Erfolg bei vorgenannten Krank-
heiten, und Ronzoni sah sogar Rheumatismus sich unter der Bestrahlung ver-
schlimmern. (Die Erkrankung war wohl zu frisch! Ref.)
Prostatahypertrophie ist nur wenig behandelt. Tansard und Feig
stellen auf Grund ihrer Erfahrungen folgende Indikationen auf: Die Röntgenbe-
handlung ist anzuwenden 1) bei jugendlichen Prostatikern, 2) bei fehlender Re-
tention, 3) bei Retention und ausschließlichem Kathetergebrauch, wenn die
Kranken nicht auf sehr rasch wirkende Therapie angewiesen sind, 4) bei infizierter
Blase, 5) bei sehr alten, 6) bei nierenkranken Prostatikern. Lomneau dagegen
will sie nur angewandt wissen bei absoluter Kontraindikation jeglichen chirurgischen
Eingriffe. Haenisch hat gute Erfahrungen gemacht, wenn auch nicht so ver-
blüffende Erfolge gesehen wie sie von anderer Seite früher berichtet wurden. Er
schreibt das dem Umstande zu, daß er nur Prostatiker ohne Retention bestrahlte.
Er bespricht die Technik genauer und warnt vor zu starken Dosen. Lassueur
behandelte abwechselnd vom Mastdarm und vom Damm aus und ist mit diesem
Verfahren sehr zufrieden.
Chirurgische Tuberkulose scheint in manchen Fällen ein recht dank-
bares Feld für die Röntgenbehandlung zu sein. Tuberkulöse Gelenke haben
Edsall und Scholz mit gutem Erfolg bestrahlt. Heile benutzt zur Be-
schleunigung der Wirkung die Stauung und Tuberkulininjektionen. Spina ventosa
ist ebenfalls von Scholz durch Bestrahlung schnell geheilt, ein Erfolg, den
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 865
Lefer als Scheinerfolg bezeichnet, hervorgerufen durch Schrumpfungen der Gra-
nulationen. Tuberkulöse Drüsenschwellungen reagieren recht gut auf
Röntgenstrahlen, je jünger sie sind desto besser. McCulloch wendet fast nur
noch diese Behandlung an und sah neben dem Schrumpfen der Drüsen schnelle
Hebung des Allgemeinbefindens, das er dem Freiwerden von Opsoninen durch die
Aufsaugung des Drüsenmaterials zuschreibt. Er bestrahlt deshalb auch vom Rand
der Drüsenpakete nach der Mitte, um zuerst die jüngsten zu treffen. Auch
Russell, Boggs, Maragliano, Feldstein sind von der guten Wirkung der
Röntgenisieruug überzeugt, und alle Berichterstatter rühmen namentlich den guten
kosmetischen Erfolg.
Eine eingehende Studie über Röntgenbehandlung der Bauchfelltuberkulose
veröffentlicht Bircher (Die chronische Bauchfelltuberkulose, ihre Behandlung mit
Röntgenstrahlen. Aarau 1907. Verl. von Sauerländer). Fischl und Mara-
gliano machen ebenfalls ermutigende Mitteilungen über die Behandlung dieser
Erkrankung.
Ganz überraschend klingen die Mitteilungen Bircher’s über seine Erfolge der
Röntgenbehandlung der Nierentuberkulose. Zwei Kranke, die vorher vergeblich
nach den üblichen Methoden behandelt waren, wurden nach längerer Röntgenkur
subjektiv und objektiv gebessert und wieder leistungsfähig. Die eine Kranke be-
kam nach 21/; Jahren einen Rückfall, der ebenfalls durch Bestrahlung schnell be-
seitigt wurde, während die andere schon 3 Jahre gesund und rückfallsfrei ist.
(Münchener med. Wochenschrift 1907.)
Neuritis, Neuralgien und Syringomyelie waren mehrfach Gegenstand
der Röntgenotherapie. Gregor brachte einen Fall von sehr hartnäckiger, ver-
alteter Trigeminusneuralgie durch sie zur Heilung. Die Schmerzen verringerten
sich nach der Bestrahlung, auch nach ihrem Aussetzen gingen sie noch weiter
zurück, um schließlich ganz aufzuhören. Freund (Wien) sah Ischiasschmerzen
schon nach der zweiten Sitzung aufhören; Gramegna und Ronzoni behandelten
Kranke mit Springomyelie mit bestem Erfolg. Sie erklären bei diesen Fällen
die Wirkung durch Schwund von Gliawucherungen im Rückenmark. Syringo-
ınyelie durch Höhlenbildung wird natürlich nicht beeinflußt. Couroe empfiehlt
nach Nervenresektion wegen Neuralgie Nachbehandlung mit Röntgenstrahlen.
Basedow’sche Krankheit hat Freund (Danzig) erfolgreich behandelt und
teilt die genauen Krankengeschichten mit (Münchener med. Wochenschrift 1907),
während De la Camp bei drei Fällen keinen Erfolg hatte. Die von mehreren
Seiten beobachtete N-Retention nach der Bestrahlung erklärt er als zufällig, da
sie auch bei anderweitiger Heilung der Basedow-Krankheit einzutreten pflegt.
Die Röntgenbehandlung der Hautkrankheiten ist so allseitig anerkannt
und verbreitet, daß sie hier nicht mehr ausführlicher behandelt zu werden braucht.
Nur einige den Chirurgen ganz besonders interessierende Hautkrankheiten seien
etwas näher betrachtet. Zunächst der Lupus. Einzelne Röntgenologen berichten
über äußerst günstige Heilerfolge bei dieser Crux medicorum. Nach van Allen
sollen 87 % der mit Röntgen behandelten Fälle ausheilen. Wills hatte unter
87 Fällen 20 volle Heilungen, 15 erhebliche, 20 teilweise Besserungen und nur
5 nicht gebesserte Fälle, während 5.rückfällig wurden und 14 Fälle als früh-
zeitig ausgeblieben nicht weiter in Betracht kommen.
Gottschalk, Freund (Wien), Görl hatten sehr gute und schnelle Heilungen
zu verzeichnen. Nach Hall Edwards lassen sich auch die gegen Röntgen-
strahlen unempfindlichen Lupusformen durch entsprechende Vorbereitung (Eosin-
anwendung) empfindlich machen. Wills hält die Röntgenbehandlung für besser
als Finsenlicht. Der Wettstreit zwischen den Anhängern des ultravioletten und
des Röntgenlichtes ist auf der ganzen Linie in vollem Gange. Viele erkennen die
Überlegenheit des einen oder anderen Verfahrens bei gewissen Formen an und
verwenden beide von Fall zu Fall. Auch andere Behandlungsmethoden werden
mit den aktinotherapeutischen kombiniert. Im ganzen verdankt diesem Wettstreit
und der Wirksamkeit der Verfahren wohl die Lupusbehandlung die größere Auf-
merksamkeit, die ihr seit einiger Zeit auch von weiteren Kreisen gezollt wird. —
866 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28.
Außer Lupus wäre noch Mycosis fungoides zu nennen, für welche die Rönt-
genbehandlung das souveräne Verfahren ist. Namentlich wirkt sie verhältnis-
mäßig schnell und soll nach Herxheimer und Hübner die Erreger der Krank-
heit zerstören. Unter die chirurgisch interessanten Hautkrankheiten ist auch noch
das Ulcus cruris varicosum zu rechnen, von dessen günstiger Beeinflussung
Graeve sehr begeistert ist. Auch der Berichterstatter selbst hat mit seiner Rönt-
genbehandlung recht günstige Erfahrungen gemacht. Das Ekzem in der Umgebung
heilte rasch ab, die Infiltration und die Spannung schwanden und damit auch der
Schmerz, und das vorher sehr widerspenstige Geschwür überhäutete sich rasch
unter einfachen Pulververbänden. Die Kranke ist bei gleicher Lebensweise wie
früher über 1 Jahr rückfalls- und beschwerdefrei.
Ich glaube diesen Sammelbericht nicht besser schließen zu können als mit den
Worten Bacelli’s, die Maragliano auf dem internationalen Kongreß für Physio-
therapie in Rom auf die Röntgentherapie anwandte: Unsere Kunst und Wissen-
schaft ist auf dem Wege zu einer stetigen Vervollkommnung. Wir müssen halten,
was wir haben, jedoch auch nicht verzweifeln mehr erreichen zu können, ohne je
das Unmögliche zu verlangen. Trapp (Bückeburg).
20) Ruckert. Sanitätsdienst im Feeldzuge gegen die Hottentotten.
(Deutsche militärärztl. Zeitschrift 1908. Hft. 6.)
R. schildert, nachdem er die von Mannschaften und Offizieren erduldeten
Strapazen besprochen hat, die Schwierigkeiten, welche den Sanitätsoffizieren für den
Verband und den Transport der Verwundeten im Feldzuge gegen die Hottentotten
erwuchsen. In dem Gefechte bei Tella, in welchem von vier Sanitätsoffizieren
ein Stabsarzt fiel und ein Oberarzt schwer verwundet wurde, hatte R. 34 Ver-
wundete zu versorgen, von welchen nur zwei (ein Bauchschuß und ein Becken-
schuß) ihren Verletzungen erlagen. Die übrigen, welche meist Extremitätenschüsse
hatten, heilten verhältnismäßig schnell und gut aus. Eine Kniegelenksdurch-
bohrung war nach einigen Monaten so gut verheilt, daß der Betreffende dienst-
fähig wurde. Beim Verbande spielten das Verbandpäckchen und durch Gras ge-
polsterte und aus Flußröhricht nach Art unserer Strohschienen hergestellte Schienen
die Hauptrolle. Daß die Wunden ohne Eiterung in den meisten Fällen heilten,
wird neben der Kleinheit der Projektile dem trockenen, beißen Klima zugeschrieben.
Herhold (Brandenburg).
21) Thirier. Un cas de rage humaine.
(Bull. de l’'acad. Roy. de méd. de Belge 1907. Dezember.)
22) van Gehuchten. Un cas de rage humaine évoluant cliniquement
comme une poliomyélite antérieure aiguë ascendante ou comme une
paralysie ascendente de Landry.
(Ibid. 1908. Januar.)
1) T. bekam am 16. September 1907 einen 37 Jahre alten Mann in Behand-
lung, der 6 Wochen vorher von einem Schäferhund in die Unterlippe gebissen
worden war. Man hatte ihn damals sofort mit Serum antirabique sehr intensiv
behandelt. T. konnte ihm einreden, er habe die Wasserscheu gar nicht, sondern
einen Fremdkörper im Rachen, den man operieren werde. Dies beruhigte, und
erst einige Stunden vor dem Tode trat lebhafte Unruhe auf. Der Kranke wollte
u. a. sich die Zunge ausreißen, um Luft zu bekommen. Die Sektion ergab die
gewöhnlichen Verhältnisse. T. ist sehr für milde Behandlung, er verwirft die
Zwangsjacke, sein Kranker habe nie versucht zu beißen, gute Worte hätten besser
gewirkt als alle Zwangsmaßregeln.
Anschließend an diesen Fall wird berichtet
2) van G.'s Fall betrifft einen 47 Jahre alten Mann, der von seinem eigenen
Hund ins Gesicht gebissen war. 36 Tage nachher meinte er, er werde wütend
und sah so seinen Tod voraus. Der Fall verlief vollständig unter dem Bilde der
oben angeführten Poliomyelitis bzw. der Landry’schen Paralyse, so daß der Verf.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 867
gar nicht an eigentliche Rabies canina dachte, bis die Erscheinungen der Wasser-
scheu zu charakteristisch wurden. Die klinischen Symptome waren so frappant,
daß Verf. allen Ernstes die Frage aufwirft, ob nicht die Landry’schen Paralysen
»Spätfälle«e der Hundswut sein könnten! Auch van G. redet zur Bekämpfung der
Wut dem Maulkorbgesetz das Wort. E. Fischer (Straßburg i. E.).
23) Bordet. Statistiques du traitement antirabique et du service des
diagnostics rabiques à l'Institut Pasteur du Brabant.
(Ibid. 1907. Dezember.)
B. kann über die Leistungen obigen Instituts nur Vorzügliches mitteilen, die
Resultate sind vorzüglich. Aber an beide Mitteilungen von T. und B. schließt
sich eine interessante Diskussion an, die dahin ausklingt, daß angesichts der vielen
Fälle von Wut in Belgien man doch wohl zu dem allerdings drakonischen Maul-
korbgesetz, wie es in Deutschland und England gehandhabt werde, seine Zuflucht
nehmen müsse. Es wird eine Kommission ernannt, diese Frage zu studieren.
E. Fischer (Straßburg i. E.).
24) F. Kuhn (Kassel). Die postoperativen Tetanusfälle von Zacharias
— Fälle von Catguttetanus.
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 12.)
Die von Zacharias beschriebenen Fälle (s. Ref. in d. Bl. 1908) von Tetanus
nach gynäkologischen Operationen sind nach K. nicht auf Luftinfektion, sondern
auf die Verwendung von tetanussporenhaltigem Catgut zurückzuführen. Die Kon-
trolluntersuchungen Zacharias’ bewiesen durchaus nicht die Keimfreiheit des
benutzten Catgut, da jeder einzelne Catgutfaden verschiedenen Ursprunges sei,
jeder der geprüften wohl tetanuskeimfrei, einer der gebrauchten aber keimbaltig
gewesen sein könne. Kramer (Glogau).
25) Hohmeier. Die Behandlung chirurgischer Tuberkulose mit dem
Antituberkuloseserum von Marmorek. (Aus der chirurg. Abteilung
des städt. Krankenhauses Altona. Prof. Fritz König.)
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 15.)
Die an 14 genau beschriebenen Fällen angestellten Versuche ergaben keinerlei
schwerere Störungen oder Schädigungen des Organismus durch Einverleibung des
Serums subkutan oder vom Mastdarm aus. H. hält es für möglich, daß bei ganz
leichten Fällen von Knochentuberkulose das Marmorekserum bei daneben durch-
geführter antituberkulöser Kur den Heilungsprozeß beschleunigen kann. Eine sichere
Wirkung auf ganz frische und leichtere tuberkulöse Knochen- oder Gelenkerkran-
kungen vermag er dem Serum nicht zuzusprechen, glaubt indes eine Einwirkung
desselben auf die Granulationen beobachtet zu haben, die, vor der Behandlung
grau und schlaff, nachher frischrotes Aussehen annahmen. Bei mittelschweren
Erkrankungen von Knochentuberkulose wurde ein Heilerfolg nicht erzielt, wenn
auch ein Teil der in dem einen Falle bestehenden, hartnäckigen Fisteln sich schloß,
ebenso irgend ein Einfluß bei den schweren Formen nicht gesehen. In zwei dieser
Fälle war das Serum auch nicht imstande, das Aufflackern alter, längst schlum-
mernder tuberkulöser Herde zu verhüten. Auch in der Folgezeit war weder eine
Besserung noch eine Hebung des Allgemeinzustandes als Folge der Serumbehand-
lung feststellbar. Kramer (Glogau).
26) Schlagintweit (München). Verbesserung der Technik des Ver-
weilkatheters.
(Zeitschrift für Urologie Bd. II. Hft. 4.)
Verf. braucht eine in sinnreicher Weise modifizierte Methode zur Anwendung
des Verweilkatheters, die dem Kranken freie Beweglichkeit im Bett gestattet und
auf Enten sowie Urinale verzichten läßt. Der Dauerkatheter wird mittels T-Rohr-
868 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28.
verbindungsstück mit einem ableitenden langen Schlauch, der in das Sammel-
getäß unter dem Bett führt, mit einer am Kopfende oberhalb des Kranken be-
festigten Schlauchleitung verbunden, die frei mit dem Katheter bzw. indirekt mit
dem Urinstrom kommuniziert und für gewöhnlich Luft zuführt. Die Luft treibt
den Urin Tropfen für Tropfen in das ableitende Rohr. Dadurch wird die Heber-
wirkung, die zuweilen unangenehme Tenesmen hervorruft, vermieden. Der Luft-
zuführungsschlauch kann nach Belieben zum Einguß von Spülflüssigkeit in die Blase
benutzt werden. Kroemer (Berlin).
27) Lewin (Berlin). Zur Diagnostik und Therapie der Tumoren der
Urethra posterior.
(Zeitschrift für Urologie Bd. UI. Hft. 4.)
L. führt bei Hämaturien, für die man mit anderen Untersuchungsmethoden
keine Ursache findet, ferner bei vielen sogenannten nervösen Störungen der Sexual-
sphäre (geschlechtliche Reizbarkeit, vorzeitige Ejakulation) bei Männern mit sonst
gesundem Nervensystem, bei denen auch Prostatitis und Spermatocystitis auszu-
schließen ist, die Urethroscopia posterior aus. Er benutzte dabei mit bestem Er-
folg das Irrigationscystoskop von H. Goldschmidt. Dreimal fand er als Ursache
der Blutungen Papillome in der Pars posterior urethrae, die er mit der Dittel-
schen Zange abtragen konnte. Dabei wurde unbeabsichtigt offenbar in einem
Falle ein Partikelchen der Geschwulst in die Blase verschleppt. Der betreffende
Pat. erschien nach 3/4 Jahren mit multiplen Papillomen der Blase, die durch Sectio
alta entfernt werden mußten. Dauernde Kontrolle der Blase.
Kroemer (Berlin).
28) Bergmann (Gotha). Kasuistische Beiträge zur operativen Be-
handlung der Prostatahyperthrophie.
(Zeitschrift für Urologie Bd. II. Hft. 5.)
Verf. möchte bei dem täglich wachsenden Interesse für die radikalen Operations-
methoden noch einmal feststellen, was die bisherigen, weniger eingreifenden Ver-
fahren geleistet haben. Als solche bezeichnet er die Bottini’schen Inzisionen
und die perineale intrakapsuläre Verkleinerung der Prostata. Von 57 Pat. (beob-
achtet in der urologischen Station des Krankenhauses Dresden-Friedrichstadt) mit
Prostatahypertrophie wurden 16 operativ behandelt. Die Bottini’schen Inzisionen
(1 median, 2 seitlich) wurden ausgeführt unter Novokainanästhesie, bei 10 Pat.
(3 davon sind primär, 1 weiterer durch wiederholten Bottini von ihrer Harn-
retention) geheilt. Die Harnorgane eines an Magenkrebs verstorbenen Operierten
zeigen im Bild die klaffenden Schnitte. — Die Bottini’sche Operation eignet
sich in der Hauptsache bei isolierter Hypertrophie des Mittellappens. Ist die
Harnröhre durch Vergrößerung der Seitenlappen seitlich komprimiert, so empfiehlt
sich die perineale Verkleinerung, die 7mal ausgeführt wurde. Vier Operierte sind
dauernd geheilt, zwei starben an interkurrenten Krankheiten. Einer behielt noch
Residualharn und mußte durch nachfolgende Bottini-Inzision geheilt werden. Unter
solchen Umständen glaubt B. also auf die Radikalverfahren verzichten zu können.
Er warnt vor Kokainanästhesie (1 Todesfall). Kroemer (Berlin).
29) Lichtenstern (Wien). Bericht über zwei operierte Fälle papillärer
Geschwülste der Blase.
(Zeitschrift für Urologie Bd. DI. Hft. 2.)
L. bringt zwei Belegfälle für die zweifelhafte Prognose der sogenannten gut-
artigen Blasenpapillome, die zunächst als einfache Fibroepitheliome imponieren,
später aber im Rezidiv bösartige Eigenschaften annehmen können.
Fall I. 42jähriger Mann, operiert im Mai 1906 wegen multipler Papillomatose
der Blase (Sectio alta). Die Papillome waren histologisch durchaus gutartig. Im
Juli desselben Jahres erscheint Pat. mit einem Rezidivtumor der Blase und einem
Impfrezidiv in der Bauchnarbe. Beide Neubildungen zeigen das Bild des alveolären
Karzinoms.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 869
Fall I. 61jähriger Mann, operiert wegen gut gestielten Solitärpapilloms von
histologisch durchaus gutartigem Bau, kommt 4 Jahre später mit rezidivierenden
Blasenpapillomen und einem Infiltrat der Bauchmuskelwand. — Die Rezidive
sollen schon 1 Jahr bestanden haben. Rezidivoperation. Die Papillome sind
bösartig. Das Infiltrat in der Muskelschicht zeigt den Bau des alveolären Karzi-
noms und Bildung von echtem Knochengewebe.
Diese Beobachtungen mahnen, wie Ref. meint, zur Vorsicht bei der Operation
von Papillomen; letztere müssen mit einem Bezirk Blasenwand entfernt und die
Bauchwunde vor Implantationsmöglichkeit geschützt werden.
Kroemer (Berlin).
30) V. Pauchet. Cancer infiltré de la vescie. Cystectomie totale.
Abouchement des uretöres dans l’intestin.
(Arch. prov. de chir. 1907. Nr. 12.)
P. hat bei einer 70jährigen Frau wegen ausgedehnten Karzinoms des Blasen-
grundes die totale Blasenexstirpation vorgenommen und die Operation folgender-
maßen ausgeführt. Isolierung und Durchschneidung der beiden Harnleiter; Ein-
pflanzung des rechten in den Blind-, des linken in den Mastdarm. Unterbindung
beider Hypogastricae, Exstirpation der Blase, die sich leicht ausführen ließ. Pat.
erlag am 5. Tage einer Pneumonie. Die Einpflanzung der Harnleiter in den Darm
führt P. derart aus, daß er parallel der Längsrichtung zwei kleine Inzisionen macht.
Durch die eine führt er den am Anfangsteil gespaltenen Harnleiter in den Darm
so weit ein, daß seine Spitze von der zweiten Inzisionsstelle aus durch Nähte
fixiert werden konnte. Wegen der damit gegebenen Gefahr der aufsteigenden
Pyelonephrose hält er bei Frauen die vaginale Einpflanzung für besser und gibt
eine Beschreibung eines derartigen Vorgehens. Müller (Dresden).
31) Lenk (Wien). Zur Asepsis des Ureterenkatheterismus.
(Zeitschrift für Urologie Bd. II. Hit. 3.)
L. versieht die Harnleiterkatheter mit einem schützenden Zwirnstrumpf, steckt
sie mit einem passenden Ansatzröhrchen in den auswechselbaren Doppelboden des
Schimmelbusch’schen Dampfsterilisators und desinfiziert Katheter mit Hülle
im strömenden Wasserdampf. Im Augenblick der Verwendung stülpt man den
Zwirnstrumpf über das Führungsrohr des fertig desinfizierten Harnleitercystoskops,
bringt die Spitze des Katheters durch die gut abschließende Diehtungsmuffe und
kann nun den Katheter durch die Zwirnhülle hindurch vorschieben, ohne ihn zu
berühren. Dadurch wird auch eine eventuell vorkommende Berührung des Apparates
mit dem Kopfhaar und den Kleidern des Arztes unschädlich. Die Asepsis bleibt
allerdings nur so lange gewahrt, als die Hülle sich trocken erhält. Dringt Blasen-
inhalt neben dem Katheter hervor, so ist die feuchte Hülle kein Schutz mehr.
Die Firma Leiter, Wien, liefert die Zwirnstrümpfe, die nach Meinung des Ref.
ein gutes Mittel zur Isolierung der Katheter bei der Sterilisation sind. Sie ver-
hindern das Aneinanderkleben der Katheter. Kroemer (Berlin).
32) Suter (Basel. Wert des Indigokarmins zur funktionellen Nieren-
diagnostik.
(Zeitschrift für Urologie Bd. II. Hit. 5.)
S. berichtet über seine mit der Völker-Joseph’schen Indigokarminmethode
gewonnenen Erfahrungen. Zur Injektion diente eine 4xige Aufschwemmung des
Farbstoffes in einer Menge von 4ccm. Von 26 Fällen mit gesunden Nieren
zeigten bei der Cystoskopie 20 gleichzeitige Farbsekretion, 6 ungleichzeitige; die
Differenz betrug dreimal 1—2, einmal 4, zweimal 5 Minuten. Die größte Mehrzahl
der zweimal 26 Nieren, nämlich 40, arbeiteten schon nach 10 Minuten Beobachtungs-
zeit. Ahnlich verhielten sich die gesunden Nieren bei Erkrankung der anderseitigen
Niere. Dagegen gaben von 48 kranken Nieren, die zur Operation kamen, 26 keine
Farbreaktion (Ursache: Tuberkulose, Pyonephrose, Hydronephrose, Cystenniere).
870 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28.
Bei 21 einseitig Erkrankten, die nicht zur Operation kamen, gaben die kranken
Nieren neunmal keine Farbe, achtmal vor der 15. Minute, viermal nach 15 Minuten.
Von 15 doppelseitig Erkrankten starben sieben im urämischen Koma, drei gaben
keine Farbreaktion, drei andere erst nach 20 Minuten. Ausgenommen sind hierbei
neun Fälle mit Nephritis.. Sechs von diesen zeigten normale Farbausscheidung,
einmal war verspätet träge Reaktion, einmal negativer Befund zu konstatieren.
Demnach scheiden also gesunde Nieren in der Regel gleichzeitig meist 10 Minuten
nach der Injektion die Farbe aus. Nieren, die erst nach 15 Minuten oder später
im Vergleich zum Schwesterorgan schwache Farbreaktion geben, sind als funktionell
schwach (krank) zu bezeichnen. Nieren, die keine Farbe ausscheiden, sind schwer
krank — funktionstot. Kroemer (Berlin).
33) P. Albrecht (Wien). Über kongenitale Nierendystopie.
(Zeitschrift für Urologie Bd. II. Hft. 5.)
A. berichtet über zwei Beckennieren, die durch Nephrektomie entfernt wurden.
Fall I betrifft einen 30jährigen Kaufmann, der mit ileusähnlichen Beschwerden
zur Klinik kam. Als Ursache der Verstopfung fand sich eine linksseitige, auf der
Beckenschaufel liegende Geschwulst, die nach dem lokalen und dem Urinbefund
als verschobene linke Niere angesprochen wurde; letztere war am normalen Ort
nicht zu tasten. Da nach dem Verlauf eine Pyonephrose vorlag, wurde die ver-
lagerte Niere entfernt. Bestätigung der Diagnose bei der Operation. Fall II:
35jähriger Mann, erkrankt mit Störungen der Urinentleerung. Zuletzt Symptome
von Pyelitis. Die Differentialdiagnose (Harnleiterkatheterismus) ergibt rechts
normalen Urin, links eitrigen Harn mit reichlichem Sediment und zahlreichen
Tuberkelbazillen. Die linke Niere wird zunächst vergeblich am normalen Ort bei
der Operation gesucht; sie findet sich im Becken und wird entfernt. Nach den
beigegebenen Illustrationen handelt es sich um eine typische, dreikantige Klumpen-
niere. Das geteilte Nierenbecken, sowie Ein- und Austrittsstellen der Gefáße, be-
finden sich an der Vorderseite. A. bespricht die Schwierigkeiten der Differential-
diagnose und weist dabei auf die von ihm beobachtete Darmanomalie (Fehlen des
S romanum) und auf die Pulsation des Blasentrigonums hin. Fehldiagnosen
werden sich nicht ganz vermeiden lassen. Normale dystope Nieren sollen nicht
entfernt werden, sondern nur verlagerte, kranke Nieren sind zu exstirpieren.
Kroemer (Berlin).
34) H. L. Kretschmer (Chicago). Beitrag zur Frage der »essentiellen
Nierenblutung.
(Zeitschrift für Urologie Bd. I. Hft. 6.)
Bei einem Pat. mit einer 2 Monate andauernden, nachweislich auf die eine
Niere beschränkten Hämaturie ohne sonstige klinische Zeichen einer krankhaften
Veränderung der Niere brachte die Dekapsulation den Prozeß zunächst zum Still-
stand. Als nach Ömonatiger Pause die Blutungen erneut und in anhaltender
schwerer Form auftraten, mußte zur Lebensrettung die Nephrektomie gemacht
werden, worauf der Harnbefund anscheinend endgültig zur Norm zurückkehrte.
Die mikroskopische Untersuchung eines bei der ersten Operation entnommenen
Gewebsstückes zeigte jedoch bereits proliferative Veränderungen der Malpighi-
schen Körperchen und die Neigung zu Blutungen in die Bowman'sche Kapsel.
Nach der zweiten Operation zeigte sich eine wesentliche Steigerung der früheren
Veränderungen, die nun als Nephritis bezeichnet werden. Die Veränderungen sind
genau beschrieben und abgebildet.
Auf Grund von 129 Fällen renaler Blutung aus der Literatur kommt K. zu
folgenden Schlüssen:
1) Zur Annahme einer Hämaturie aus einer anatomisch unveränderten Niere
muß eine Blutung aus einem anderen Abschnitt als aus dem Nierenparenchym
ausgeschlossen sein und eine mikroskopische Untersuchung der vermeintlich unver-
änderten Niere vorliegen.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 871
2) Schon geringe pathologische Veränderungen im Nierenparenchym können
wesentliche Blutungen zur Folge haben. Der gegenwärtige Stand der Mikroskopie
gestattet noch nicht in jedem Falle, aus dem Grade der Veränderungen Folgerungen
bezüglich der Schwere der Blutung zu ziehen.
3) In manchen Fällen essentieller Nierenblutung bewährt sich sowohl die De-
kapsulation als auch die Nephrotomie als endgültig heilsamer Eingriff. In anderen,
und zwar auch bei solchen mit scheinbar geringfügigen Veränderungen, ist der
Erfolg kein nachhaltiger, so daß später die Nephrektomie notwendig wird.
4) Dem klinischen Symptom der Nierenblutung entsprechen in den einzelnen
Fällen durchaus verschiedene anatomische und mikroskopische Bilder der Nieren-
parenchymveränderung. Fahre (Dresden).
35) Kotzenberg (Hamburg-Eppendorf). Über Nierenblutungen.
(Zeitschrift für Urologie Bd. H. Hft. 2.)
Verf. berichtet über 13 Operationsgeschichten jener wichtigen Fälle, in welchen
schwere Nierenblutungen auf dem Boden entzündlicher Veränderungen in der
Glomerulischicht teils einseitig, teils doppelseitig eintreten und schließlich gelegent-
lich aus Indicatio vitalis zur Operation zwingen. — Massenblutungen, welche sonst
wohl für Tuberkulose, Nephrolithiasis oder Geschwülste pathognomonisch sind, kom-
men also auch als sogenannte essentielle Nierenblutungen vor, wie man denn auch
von einer renalen Hämopbilie gesprochen hat. Unter 400 Operationen, welche in
.der Abteilung Kümmell’s ausgeführt wurden, konnte zwölfmal eine greifbare
pathologische Veränderung der blutenden Niere nicht konstatiert werden. Vier-
mal mußte aus Indicatio vitalis die Nephrektomie vorgenommen werden, sechsmal
genügte die Nephrotomie (in einem Falle doppelseitig), in zwei Fällen wurde die
Enthülsung ausgeführt. Elf Pat. verließen gebessert oder geheilt die Anstalt, nur
einer starb auf dem Operstionstisch an Verblutung.
Als Ursache dieser Blutungen, die mit den Hämorrhagien bei akuten In-
fektionskrankheiten nichts zu tun haben, schuldigt Verf. eben beginnende
nephritische Prozesse an, welche sich in der Rinde im Bereich der Glomeruli-
kapillarschlingen abspielen und vielleicht auf toxische Einwirkung zurückzuführen
sind. — Da eine Differentialdiagnose zwischen Geschwulst und nephritischer
Blutung nur durch Operation gestellt werden kann, so empfiehlt Verf. die Nephro-
tomie mit Entfernung eines Nierenstückchens zur mikroskopischen Untersuchung.
Die Prognose ist bei der Doppelseitigkeit des ätiologischen Prozesses stets ernst.
Kroemer (Berlin).
36) Haynes. Unilateral renal hematuria due to pyelitis cystica.
(Annals of surgery 1908. März.)
Ein älterer Mann, der nie venerisch krank gewesen war, litt seit einigen Jahren
an häufigem Urindrang und Schmerzen in der linken Nierengegend. Innerhalb des
letzten Jahres hatte er einige Male Blut im Urin gehabt. Durch die Röntgen-
untersuchung wurde festgestellt, daß die linke Niere vergrößert war, im cysto-
skopischen Bilde war die Umgebung des linken Harmleiters entzündet. Im Urin
fand man Spuren von Eiweiß, rote und weiße Blutkörperchen. Die linke Niere
wurde durch Lendenschnitt freigelegt und vergrößert angetroffen, ein Stein war
nirgends nachzuweisen, wohl aber nach durchschnittener Niere eine starke wuchernde
Entzündung der Schleimhaut des Nierenbeckens. H. exstirpierte die linke Niere;
hiernach schwanden! alle Krankheitssymptome. Verf. weist darauf hin, daß in den
meisten Fällen sogenannter idiopathischer Nierenblutung an den Nieren Ver-
änderungen angetroffen werden; in den seltenen Fällen, wo das nicht der Fall ist,
handelt es sich um eine sogenannte Angioneurosis. Was speziell die durch Ent-
zündungen der Nierenbeckenschleimhaut hervorgerufenen Blutungen anbetrifft, so
sollen sie nach H. zunächst medikamentös, wenn dies nicht hilft durch Ausspülungen
872 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28.
des Nierenbeckens mit schwachen Antisepticis behandelt werden. Wenn aber die
Blutung aus einer Niere gar nicht nachläßt, mag sie nun Jurch eine Angioneurosis
oder eine Pyelitis cystica bedingt sein, so hält er die Exstirpation der Niere, vor-
ausgesetzt, daß die andere Niere gesund ist, für gerechtfertigt.
Herhold (Brandenburg).
37) Lichtenstern (Wien). Die Resultate der operativen Behandlung
der Nierentuberkulose.
(Zeitschrift für Urologie Bd. II. Hft. 3.)
L. suchte der Frage der Dauerheilung nach der Exstirpation tuberkulöser
Nieren näher zu treten durch die Untersuchung des Urins scheinbar geheilter Per-
sonen auf den Gehalt an Tuberkelbazillen. Von 45 durch Zuckerkandl Ope-
rierten erlagen sechs dem Eingriff (primäre Mortalität = 13,3%). Die übrigen er-
freuen sich eines guten Gesundheitszustandes. Verf. konnte 17 von ihnen zu wieder-
holten Kontrolluntersuchungen des Urins herenziehen. Es wurde nach 2—3stün-
digem Sedimentieren 1 ccm des Sedimentes intraperitoneal bei Meerschweinchen
injiziert; die Sektion der letzteren nach bestimmter Beobachtungszeit ergab über-
raschenderweise sehr verschiedene Resultate; a. 7 von den untersuchten Urinen
zeigten dauernd negativen Keimgehalt; b. bei 3 war der Befund zunächst positiv,
später negativ; c. bei den 7 letzten Fällen waren stets Tuberkelbazillen nach weis-
bar. Gruppe e. enthält zwar Fälle mit restierender Cystitis, aber ohne spezifischen
Charakter. Bei Gruppe b. heilt die tuberkulöse Cystitis unter der Beobachtung.
Bei Gruppe a. bestehen noch tuberkulöse Prozesse der Blase oder des Harnleiter-
stumpfes trotz scheinbarer völliger Heilung. Von allen 17 Urinen konnten nur 3
mit den Färbemethoden als bazillenhaltig nachgewiesen werden. Erst wenn der
Urin im Tierversuch sich als frei von Tuberkelbazillen erweist, kann man demnach
von Heilung der Nierentuberkulose sprechen. Kroemer (Berlin).
38) Wwildholz (Bern). Klinisches über Nierentuberkulose.
(Zeitschrift über Urologie Bd. II. Hft. 3.)
W. hält die Nierentuberkulose für einen Prüfstein auf die Brauchbarkeit der
modernen funktionell-diagnostischen Untersuchungsmethoden: »Kryoskopie, Chromo-
cystoskopie, Urinseparatione. Die Kryoskopie des Blutes nahm er bei % Kranken
vor. Sieben von 21 mit doppelseitiger Nierentuberkulose Behafteten hatten einen
Gefrierpunkt von — 0,58 bis —0,67°, 13 andere trotz der Doppelseitigkeit des
Prozesses — 0,53 bis —0,56°. Dagegen war bei vier einseitig Erkrankten
d= —.0,6° bis —0,7°. Da die gesunde Niere gut funktionierte, wurde bei allen
vier Pat. die Nephrektomie mit gutem Erfolg ausgeführt. Die Indigokarminprobe
dient zur raschen Orientierung über die Lokalisation. Zur genaueren Bestimmung
der Ausdehnung des Prozesses genügt sie nicht. Vermißt man aber 40—60 Minuten
nach der Injektion jede Spur von Indigofarbstoff im Urin, so liegt meist ein
doppelseitiger NierenprozeßB vor. Die vergleichende Untersuchung der Harne-
beider Nieren auf den Gefrierpunkt / und Albumen, Eiter usw. lieferte weniger
gute Resultate als die Bestimmung der Valenzwerte, d.h. ./>< Urinmenge. War
der Valenzwert der zweiten Niere ein guter, so wurde die Nephrektomie trotz
Albuminurie und d-Erniedrigung ausgeführt. Von 121 Kranken kamen 72 zur
Nephrektomie, 62 bei W. mit 4,8% Mortalität. Eine exstirpierte Niere bot das
Bild einer reinen Nierenbeckentuberkulose. Kroemer (Berlin).
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden.
Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau.
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig.
Zentralblatt für Chirurgie
herausgegeben von
K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER,
in Bonn, in Berlin, in Breslau.
35. Jahrgang.
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG.
Nr. 29. Sonnabend, den 18. Juli 1908.
Inhalt.
1) Rosenfeld, Prophylaxe der Verkrüppelung. — 2) Rauenbusch, Spondylitis tuberculosa. —
8) Haudek, Schiefhals. — 4) Rebattu und Rheuter, Wirbeisäulenmißgestaltung. — 5) Eckstein,
6) Gerson, 7) Möhring, Skoliose. — 8) Böcker, Ellbogenverletzungen. — 9) Kaefer, Vorderarm-
brüche. — 10) Cramer, Angeborene Supinationsstörungen. — 11) Hornung, Syndaktylie. —
12) Fränkel, Der normale und der gestörte Gang. — 13) Schoemaker, Die Trochanter-Spinalinie.
— 14) Ghillini, 15) Graetzer, 16) Drehmann, Angeborene Hüftverrenkung. — 17) Zuelzer, Genu
varum infantile. — 18) Alsberg, Apophysitis tibialis adolescentium. — 19) Lehr, 20) Saxl, Klump-
fuß. — 91) Mayer, Plattfußbeschwerden. — 22) Haglund, 23) Blencke, Calcaneussporn. — 34) Tau-
bert, Überzählige Carpalia und Tarsalia und Sesambeine. — 25) Lengfellner, Schuhwerk.
L H. Teske, Beitrag zur Atiologie des angeborenen Schulterblatthochstandes. — IL C. Bayer,
Ein osteoplastischer Chopart. (Originalmitteilungen.)
26) Deutscher Orthopädenkongreß. — 27) Gaugele, Pott’scher Buckel. — 28) Gottstein, Sko-
liose. — 29) Renvall, Familiär auftretende Extremitätenmißbildungen. — 80) Holding, 81) Weber,
82) Bazy, Armnervenverletzungen. — 83) Zander, Angeborene Schulterverrenkung. — 84) Alsberg,
Erbsenbeinbruch. — 85) Hohmann, Klumphand und Klumpfuß. — 86) Hiller, Schnellender Finger.
— 87) Thrap-Meyer, Resektion der Symphysis sacro-iliaca. — 38) Nyrop Ejnar, Prothese bei
Hüftexartikulation. — 89) Becher, Kompensatorische Hüftverrenkung. — 40) Ehebold, 41) Bade,
43) Deutschländer, Angeborene Hüftverrenkung. — 48) Guradze, Oberschenkelosteotomie. —
44) Höring, Tendinitis ossificans traumatica. — 45) Troemner und Preiser, Frühfrakturen als
Initialsymptom bei Tabes. — 46) Haglund, 47) Lilienfeld, 48) Gaugele, Os tibiale. — 49) Nieny,
Plattfuß. — 50) Ebbinghaus, Bruch des Stieda’schen Sprungbeinfortsatzes. — 51) Lehr, Plan-
tare Fersenbeinexostose.
Orthopädischer Kurs in Berck.
Berichtigung.
1) L. Rosenfeld. Prophylaxe der Verkrüppelung.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.)
Der in der Literatur der Krüppelfürsorge wohlbekannte Verf.
schildert den Wert der Prophylaxe bei denjenigen Erkrankungen, die
zur Verkrüppelung führen, besonders bei der Tuberkulose der Knochen
und Gelenke, bei der Rachitis und bei anderen Konstitutionskrankheiten.
Bei Rückgratsverkrümmungen soll möglichst frühzeitig ärztliche Be-
handlung erstrebt werden. Man soll skoliotische Kinder als Externe
den Krüppelanstalten zuweisen. Der Wahl des Berufes soll ärztliche
Untersuchung vorausgehen. Die Ziele der Prophylaxe lassen sich
unter zwei Gesichtspunkten zusammenfassen: 1) Anteilnahme und Mit-
arbeit an einer Reihe von Bestrebungen der sozialen Medizin, die
somit gewissermaßen die Grenzgebiete der orthopädischen Chirurgie
bilden: an der Wohnungsfürsorge und Wohnungspflege, dem Ausbau
der bestehenden Kranken- und Unfallversicherungsgesetze, der Förderung
29
874 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29.
der Säuglingsheime und Milchküchen, an den verschiedenen Arbeits-
gebieten der Schulgesundheitspflege, an der Fürsorge für Tuberkulöse
in Heilstätten, See- und Walderholungsheimen. 2) Ausbau der Krüppel-
anstalten dahin, daß neben der Behandlung, Erziehung und Versorgung
auch der Verhütung des Krüppeltums Rechnung getragen wird. Im
Anschluß an die Krüppelanstalten sollen Ambulatorien oder Polikliniken
errichtet werden. Ferner sollen Erholungsstätten, Landkolonien, Sol-,
Thermal-, Stahlbäderabteilungen und Seeheime geschaffen werden.
J. Riedinger (Würzburg).
2) Rauenbusch. Die Spondylitis tuberculosa im Röntgen-
bilde. Archiv und Atlas der normalen und pathologischen
Anatomie in typischen Röntgenbildern. Bd. XVII. 22 Röntgen-
bilder.
Hamburg, Lucas Gräfe & Sillem, 1908.
R. zeigt an Röntgenbildern aus der Hoffa’schen Klinik, was die
Röntgenphotographie zur Deutung der pathologischen Anatomie der
Spondylitis leisten kann. Die Bilder zeigen in hervorragender Weise
die Ausdehnung der Erkrankung und das Vorhandensein von Senkungs-
abszessen. Auf den die Spondylitis der Brustwirbelsäule betreffenden
Tafeln sind diese deutlich zu sehen. Besonders wertvoll sind die Tafeln
durch Beigabe von Umrißzeichnungen, welche die Deutung des Be-
fundes sehr erleichtern. Wertvoll sind ferner die zur Differential-
diagnose herangezogenen Fälle von angeborenen Mißbildungen, Torsions-
erscheinungen bei Skoliose und Spondylitis ankylopoetica; wichtig die
Darstellung der normalen Halswirbelsäule. Im Text wird die Auf-
nahmetechnik geschildert und außerdem kurz auf Statistik, Heilungs-
aussichten und die rationelle Therapie eingegangen.
Auffallend ist der ständig wiederkehrende Druckfehler: Spondilitis.
Drehmann (Breslau).
3) M. Haudek. Zur operativen Behandlung des musku-
lären Schiefhalses.
(Zeitschrift für orthpäd. Chirurgie Bd. XX.)
Verf. empfiehlt die von Lange angegebene Methode der Durch-
trennung ‚des Kopfnickers an seinem Ansatz am Processus mastoideus
nicht allein wegen des kosmetischen Effektes, sondern auch wegen des
Vorteiles der kürzeren Dauer der Operation und der einfacheren
Operationsverhältnisse sowie der Erleichterung des Redressements der
Halsskoliose. J. Riedinger (Würzburg).
4) J. Rebattu et J. Rheuter. Etude sur les deviations de
la colonne vertebrale.
(Province med. 1908. Nr. 15.)
Das Untersuchungsmaterial der Verff. erstreckt sich auf 170 Fälle
von Deviationen der Wirbelsäule, meistens dem vorgerückten Alter an-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 875
gehörend. Sie gelangen zu folgenden Schlüssen: Vom klinischen
Standpunkt aus muß man streng zwischen reinen Skoliosen und
Kyphosen unterscheiden. Die letzteren können sich mit einer leichten
Skoliose vergesellschaften, aber diese Deviation ist immer sekundärer
Natur. Kyphosen sowohl als Kyphoskoliosen lassen sich einteilen in
allmählich entstehende, welche leichte Formen darstellen und durch
senile Osteomalakie bedingt sind; zweitens in rasch eintretende Er-
krankungen, deren Pathogenose eine verschiedenartige sein kann. Die
Skoliosen entwickeln sich in frühester Jugend, und zwar in kurzer
Zeit. Der Atiologie nach scheint es sich gleichfalls um eine Art
Osteomalakie zu handeln. A. Hofmann (Karlsruhe).
5) G. Eckstein (Prag). Anatomische Untersuchungen über
den Zusammenhang zwischen Halsrippen und Skoliosen.
(Zeitschrift für orthopåd. Chirurgie Bd. XX.)
Verf. hat in zwei Fällen das Zusammentreffen von Halsrippen
und Skoliose gefunden, ohne daß ein Zusammenhang beider Zustände
angenommen werden konnte. In zwei Fällen fand er Haisrippen
ohne Skoliose. Verf. untersuchte nun im deutschen anatomischen In-
stitut in Prag sämtliche Skelette und auf Halsrippen Bezug habende
Präparate. Unter 35 Fällen fand er einen Befund, der den Be-
dingungen entsprach, unter denen scheinbar Halsrippen mit Skoliose
zu verlaufen pflegen, und trotzdem konnte er in keinem derselben eine
Skoliose nachweisen. Somit gelangte Verf. zu der für die Auffassung
von der Entstehung der Skoliose sehr wichtigen Tatsache, daß
Halsrippen allein nicht beschuldigt werden, sondern daß andere ätio-
logische Momente (Rachitis, Heredität, Mißbildungen usw.) für die Er-
klärung herangezogen werden müssen. J. Riedinger (Würzburg).
6) K. Gerson. Skoliosenbehandlung im Hause.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX )
Verf. schildert das Tagespensum eines skoliotischen Kindes, das
aus der Behandlung vorläufig entlassen ist: frühmorgens aktive Re-
dression, nach der Schule vor Tisch Seitenlagerung auf einem schiefen
Brett mit Extension an einem Arm (dem Arm der konkaven Seite),
nach dem Mittagessen Übung an einem Sandsack, nach Beendigung
der Schularbeiten Liegen auf der konkaven Seite bei aufgestütztem
Ellbogen. J. Riedinger (Würzburg.
7) P. Möhring. Der tragbare Heilapparat bei der Skoliose.
Ein Rückblick und Versuch einer Vereinheitlichung.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.)
Ein guter Stützapparat muß nicht nur jeden Grad der Redression
erhalten, sondern auch selbst weiter redressieren können, ohne zu sehr
zu belästigen. Die Zeit des Hessingkorsettes ist nach Ansicht des
999
876 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29.
Verf.s vorüber, und der starre Panzer kommt nicht mehr in Frage.
Demgegenüber empfiehlt Verf. einen Stützapparat mit folgenden
Eigenschaften: Starke redressierende und Stützkraft, Vermeidung
jeden überflüssigen und schädlichen Druckes, Erhaltung größtmöglicher
Bewegungsfreiheit, Ermöglichung des Luftzutrittes, Leichtigkeit, Halt-
barkeit, Billigkeit und überaus einfache Handhabung. Der Apparat
läßt sich anwenden bei Skoliose, Kyphose, Tuberkulose und anderen
Erkrankungen. Er besteht aus Beckengürtel, zwei Rückenstäben,
Achselstücken, vorderem wagerechten Stab, Gummigurten. Eine Kopf-
stütze ist in den meisten Fällen entbehrlich, wenn es sich nicht um
eine Erkrankung der Halswirbelsäule handelt. Unter Mithilfe der
Redressionsbehandlung werden wenigstens mittelschwere Fälle wirklich
geheilt. J. Riedinger (Würzburg).
8) W. Böcker. Zur Beurteilung von Unfallverletzungen
im Bereiche des kindlichen Ellbogengelenks.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.)
Verf. betont die Wichtigkeit der Kenntnis der normalen Anatomie
des kindlichen Ellbogengelenkes für die Diagnose der Frakturen
unter Hinweis auf die hierüber veröffentlichten Arbeiten und weiter-
hin die Wichtigkeit der röntgenographischen Aufnahme von mindestens
zwei Seiten. Zur Erläuterung des letzten Punktes wird ein Beispiel
aus der Praxis angeführt. In zweifelhaften Fällen darf auch eine
Röntgenaufnahme der gesunden Seite nicht versäumt werden. Im
Alter von 11—13 Jahren sind die Verhältnisse am kompliziertesten.
Im Anschluß an diese Erörterungen berichtet Verf. über den Bruch
des Epicondylus internus bei einem l1jährigen Mädchen, der in der
Deutung Schwierigkeit bereitet hatte. J. Riedinger (Würzburg).
9) N. Kaefer (Odessa). Zur Behandlung der Vorderarm-
brüche.
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 19.)
K. verwendet als Stütze für die Extension des Vorderarmes das
freie Ende eines an jeden Operationstisch anbringbaren Beinhalters,
dessen nach oben gerichtetes freies Ende von dem Arm in der Ell-
beuge umfaßt wird. Der Verband wird aus einer Gipsstärkenbinden-
longuette hergestellt, die auf die mit Vaseline bestrichene Streck-
seite des Vorderarmes aufgelegt, glatt und faltenlos angestrichen und
mit einer den senkrechten Eisenstab in den Verband hineinnehmenden
Mullbinde festgewickelt wird, während ein Assistent den Gegenzug an
der Hand ausübt. Bei dem typischen Radiusbruch erhält die Schiene
Pistolenform. Zum Schluß wird noch eine nasse Stärkebinde angelegt
und der Eisenstab herausgezogen. Der Verband ist für Massage und
Übungen leicht abnehmbar. Kramer (Glogau).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 877
10) K. Cramer. Über kongenitale Supinationsstörungen.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.)
Verf. bespricht die einzelnen Ursachen der Behinderung der Su-
pination des Vorderarmes mit Ausschluß des traumatischen, nämlich
den totalen oder partiellen Defekt eines Vorderarmknochens, die an-
geborene Luxation des Radiusköpfchens ohne oder mit Verbildung des
Radius, Verwachsung mit dem Humerus, Verwachsung beider Vorder-
armknochen miteinander und rachitische Verkrümmungen der Vorder-
armknochen. Drei kasuistische Mitteilungen betreffen: 1) partiellen
Radiusdefekt, 2) Verwachsung beider Vorderarmknochen, 3) rachitische
Deformität. J. Riedinger (Würzburg).
11) H. Hornung. Eine neue unblutige Methode zur Be-
handlung der Syndaktylie beim Neugeborenen.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.)
Nach Besprechung der operativen Methoden, die nicht immer gute
Resultate geben, empfiehlt Verf. einen nach Angabe Spitzy’s her-
gestellten kleinen Apparat, der sich praktisch gut bewährt hat. Der
Apparat besteht aus zwei dreiseitigen Prismen oder Keilen, die durch
Schrauben einander bis zur Berührung zweier Längskanten genähert
werden können. Nach der Anlegung des Apparates zwischen zwei
Fingern kommt es bei allmählich stärkerem Anziehen der Schrauben
zu einer Furchung, dann zu einer Schwimmhautbildung, schließlich
zur Trennung. In einem Falle verliefen bis zur Trennung 14 Tage.
Das Resultat war ein vorzügliches. J. Riedinger (Würzburg).
12) J. Fränkel. Kinematographische Untersuchungen des
normalen Ganges und einiger Gangstörungen.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.)
Der Kinematograph hat besonders deshalb für die Medizin einen
Wert, weil er eine zusammengesetzte Bewegung in einzelne Phasen
zerlegt und diese getrennt mit genügender Deutlichkeit erkennen läßt.
Die analytische Verwendung des Kinematographen ist bisher nur von
neurologischer Seite geübt worden. Der Zweck der vorliegenden Arbeit
ist, die Methode im Dienste der Orthopädie zu erproben. Die Auf-
nahmen wurden in der Hoffa’schen Klink gemacht und betreffen
den normalen Gang, den Gang bei Luxatio coxae congenita, Coxa
vara, Coxitis und bei Lähmungen. An der Hand von Abbildungen
werden einige belehrende Erläuterungen hierzu gegeben. ,
J. Riedinger (Würzburg).
13) J. Schoemaker (im Haag). Die Trochanter-Spinalinie als
diagnostisches Hilfsmittel.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XIX. Hft. 3 u. 4.)
Zur Bestimmung des Trochanterstandes zieht S. bei Rückenlage
des Pat. eine gerade Linie von der Spitze des Trochanters am Rande
878 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29.
der Spina ant. sup. entlang bis zur Mittellinie (Trochanter-Spinalinie).
Bei normalen Menschen schneiden sich die Linien etwa in der Höhe
des Nabels in der Mittellinie des Körpers. Ist ein Trochanter in die
Höhe gerückt, so ist die Kreuzungsstelle der Linie dieser Seite in der
Mittellinie des Körpers nach unten verschoben, und zwar um eine
Strecke, die etwa dreimal so lang ist als die Strecke der Verschiebung
der Trochanterspitze nach oben. Auf kleinere Unterschiede kann
wegen der Leichtigkeit ungenauer Messung kein Wert gelegt werden.
Die Messung kommt hauptsächlich bei einseitigem Hochstand des
Trochanters in Betracht. Die Verschiebung nach hinten läßt sich
nicht messen. Für die Praxis kann der Einfluß dieser Verschiebung
vernachlässigt werden. Bei den Verschiebungen der Trochanterspitze
nach innen und unten macht sich fast nur die nach innen auf den
Verlauf der Trochanter-Spinalinie geltend. Verf. zieht die Linie durch
eine kratzende Bewegung des Mittelfingers oder markiert sie durch
Anlegung eines Bindfadens. Bei einseitigem Hochstand wird der Ab-
stand der beiden Kreuzungspunkte in der Mittellinie des Körpers
gemessen. Die Zahl wird durch 3 dividiert, und man hat dann un-
gefähr das Maß der Verschiebung des Trochanter in die Höhe. Bei
Schenkelhalsbruch, Luxatio iliaca und Coxa vara endet die Linie
unterhalb des Nabels. Bei Coxa valga dagegen geht sie steil in die
Höhe bis zum Brustbein. J. Riedinger (Würzburg).
14) Ghillini (Bologna). Experimentelle und angeborene Hüft-
gelenksverrenkung.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XIX. Hft. 3 u. 4.)
Seit etwa 15 Jahren paarte G. Kaninchen, bei denen er einseitige
oder doppelseitige Hüftverrenkung vorgenommen hatte, um Nach-
kommen mit gleicher Deformität zu erhalten. Die Resultate waren
in bezug auf die Vererbung natürlich negativ, jedoch für die patho-
logische Anatomie dieser Deformität von Bedeutung. Verf. fand ähn-
liche Veränderungen wie beim Menschen, aber auch Abweichungen,
die sich daraus erklären, daß ursprünglich normale anatomische Ver-
hältnisse vorlagen und die Deformität zu den erworbenen, traumatischen
zu zählen ist. In manchen Fällen war z. B. der obere Abschnitt des
Femur atrophisch, der untere dagegen kompensatorisch verdickt. In
anderen Fällen war der Pfannenboden nicht verdickt, sondern ver-
dünnt usw. Bei allen Experimenten erzielte Verf. Anteversion des
Kopfes. Er erinnert daran, daß er einer der ersten war, der nach
der Reposition des Kopfes bei Anteversion Fixation des Oberschenkels
in Innenrotation empfahl. Er hält sich auch heute noch für berechtigt,
zu erklären, daß es unmöglich ist, eine wahre, richtige Restitutio ad
integrum im anatomischen Sinne zu erreichen.
Nach den Ausführungen des Verf.s zeigen die Experimente, wie
man den Oberschenkel nach der Reposition fixieren muß und wie man
eine Nearthrose bilden kann, die das normale Gelenk ersetzt. Nie
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 879
sollen außerdem eine Bekräftigung der Theorien der mechanischen
Entstehung der Deformität sein. J. Riedinger (Würzburg).
15) G. Graetzer. Zur Ätiologie der angeborenen Hüftgelenks-
verrenkung.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.)
: Verf. kann der Theorie Drehmann’s, der die Verrenkung über dem
oberen Pfannenrand auf das längere Fortbestehen der ursprünglichen
Coxa valga zurückführt, nur soweit folgen, als sie in der Coxa valga
eine Vorstufe der Verrenkung erblickt. Die Ursache der Verrenkung
sieht er in der Fortwirkung der die Adduktion im fötalen Leben be-
hindernden Kraft, die nur als Zugwirkung amniotischer Verwachsungen
gedacht werden kann. J. Riedinger (Würzburg).
16) G. Drohmann. Weitere Beiträge zur unblutigen Be-
handlung der angeborenen Hüftverrenkung.
` (Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.)
Verf. schildert in anschaulicher, fesselnder Weise seine Er-
fahrungen, die in der Hoffa’schen Klinik beginnen, in der v. Mi-
kulicz’schen Klinik fortgesetzt und schließlich in eigener Praxis ge-
gemacht wurden. Infolge der Behandlung von 600 Fällen hat Verf.
ein sicheres Urteil über den Wert der Lorenz’schen unblutigen Be-
handlung der kongenital verrenkten Hüften gewonnen. Er kann mit
großer Befriedigung auf seine Endresultate zurückblicken; denn die
unblutige Methode hat mehr geleistet, als erwartet wurde. Bei den
sich noch vielfach widersprechenden Meinungen über die zweckmäßigste
Art des Vorgehens bei der Reposition der Verrenkung muß es für
jeden Orthopäden von größtem Interesse sein, ein so abgeklärtes
Urteil zu vernehmen, wie es D. abzugeben in der Lage ist. Für den
noch weniger Erfahrenen muß besonders die Schilderung der Methode
der Einrenkung und der bei der Einrenkung stattfindenden Vorgänge
von Wert sein, da die Schilderung einfach ist und einen direkten
Weg zeigt. Nach der Einleitung werden folgende Kapitel abgehandelt:
Kritik der unblutigen Methode, Statistik und Atiologie, Selbstheilungs-
fälle, erster Nachweis und bestes Alter zur Einrenkung (Ende des
2. Lebensjahres), Ursachen der Mißerfolge, Unglücksfälle und Ver-
meidung derselben, Methode der Einrenkung, »rechtwinklige Flexions-
abduktion«, bei schlechteren Pfannenverhältnissen »überrechtwinklige
Flexionsabduktion«, Heilungsvorgänge, Behandlung der primär schlecht
geheilten Fälle, Endresultate (bei einseitiger Verrenkung sind 93,26%
funktionell normal und 90,38% anatomisch normal geheilt; bei doppelsei-
tiger Verrenkung beträgt der Prozentsatz der guten Heilungen 82%, der
beiderseits anatomisch normal Geheilten 71,4% ; der Berechnung liegen
132 Endresultate der Privatpraxis zugrunde), ferner Schlußbemerkungen
und tabellarische Übersicht. Die Altersgrenze bei einseitiger Ver-
880 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29.
renkung wird auf 10, bei doppelseitiger auf etwa 6 Jahre angegeben.
Doppelseitige Verrenkungen werden in einer Sitzung eingerenkt. Vor-
bereitende permanente Extension wird nur bei älteren Fällen angewandt.
d. Riedinger (Würzburg).
17) R. Zuelzer. Betrachtung über die Behandlung des Genu
varum infantile, mit besonderer Berücksichtigung des O-Bein-
korrektionsapparates.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.)
Verf. hat nach dem Prinzip seines X-Beinkorrektionsapparates auch
einen Apparat für O-Beine konstruiert (s. Zentralblatt für Chirurgie
1907, p. 1255). Das Kind wird auf ein Brett so gelagert, daß mit
Hilfe von Gummibinden einige Stunden lang ein korrigierender Zug
einwirkt. Die Füßchen werden durch einen weichgepolsterten, schlitten-
artig verschieblichen Klotz auseinander gehalten. Bei guter Fixation
läßt sich eine kräftige Wirkung erzielen. Die Behandlung wird in
der Familie durchgeführt. Bei Klump- oder Plattfuß wird durch
senkrecht gestellte, giebeldachähnlich zueinander geneigte Bretter der
Fuß entweder in Pronations- oder in Supinationslage gebracht.
J. Riedinger (Würzburg).
18) A. Alsberg. Beitrag und kritische Bemerkungen zur Apo-
physitis tibialis adolescentium.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.)
Anknüpfend an die Mitteilungen von Ludloff, Schlatter und
anderen Autoren teilt Verf. zwei eigene Beobachtungen mit. Die Er-
krankung tritt im Wachstumsalter, fast nur bei Knaben im Alter von
12—14 Jahren, auf und wird häufig mit einer Fraktur oder Infraktion
verwechselt. Sie entsteht allmählich. Im Röntgenbild zeigen sich
Unregelmäßigkeiten in der Form des zungenförmigen Fortsatzes und
in der Breite der Knorpelfuge zwischen Fortsatz und Diaphyse. Das
rechte Bein ist häufiger befallen. Oft tritt das Leiden symmetrisch
auf. Die Pathologie des Prozesses harrt noch der Aufklärung. Verf.
wählt den Namen »Apophysitis tibialis adolescentium« statt »inkom-
plette Abrißfraktur«. Die letztere Bezeichnung ist zu beanstanden.
J. Riedinger (Würzburg).
19) H. Lehr. Über eine Verdickung des Taluskörpers als
Ursache von Klumpfußrezidiven.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie.)
Als Ursache mancher rezidivierender Fälle von Klumpfuß läßt
sich die im Verhältnis zur Knöchelgabel zu große Ausdehnung des
Talus nachweisen. Von Schanz wird in solchen Fällen der Talus
durch schichtweises Abtragen von der äußeren Seite mit Messer oder
Meißel operativ verkleinert. Oft ist auch die Durchschneidung des
Lig. deltoideum, sowie die subkutane Einkerbung der Fascia plantaris
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 8841
an mehreren Stellen geboten. Der Oberschenkel wird bei leichter
Beugestellung des Kniegelenkes in den Verband mit einbegriffen.
J. Riedinger (Würzburg).
20) A. Saxl (Wien). Supramalleoläre Infraktion der Fibula,
ein Hilfsmittel beim modellierenden Redressement des Klump-
fußes.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XIX. Hft.3 u. 4.)
Nach kurzem Hinweis auf die wichtigsten Punkte des Lorenz-
schen modellierenden (nicht forcierten) Redressements weist Verf. auf
die Schwierigkeit in manchen Fällen hin, das Fersenbein in über-
korrigierte Stellung zu bringen. In solchen hartnäckigen Fällen wird
von Lorenz zu dem Redressement des Fußes noch eine Infraktion
der Fibula knapp oberhalb des Knöchels hinzugefügt. Dieser para-
artikuläre Eingriff gestattet, dem Fersenbein den erwünschten Grad
von Pronation zu geben. Er darf nur als Schlußakt in ausgewählten
Fällen zur Anwendung kommen.” Frühzeitige Knochenschädigung ge-
stattet nicht das Redressement fortzusetzen. Die Infraktion kann
instrumentell durch den Osteoklasten oder auch manuell auf dem
dreieckigen Keil ausgeführt werden. Bei der Anlegung des Verbandes
darf man nicht zu stark pronieren lassen. J. Riedinger (Würzburg).
21) E. Mayer. Beiträge zur Entstehung und Symptomatologie
der Plattfußbeschwerden.
(Zeitschrift für ortbopäd. Chirurgie Bd. XX.)
Unter Benützung des Hebelgesetzes formuliert Verf. mathematisch
die in Funktionsstörungen bestehenden Folgen des Mißverhältnisses
zwischen Körperlast und Trag- oder Zugfähigkeit. Auch die Lokali-
sation der Schmerzen läßt eine Berechnung zu.
J. Riedinger (Würzburg).
22) P. Haglund (Stockholm). Über den sogenannten Cal-
caneussporn.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XIX. Hft.3 u. 4.)
Chrysospathes hält den spornartigen Knochenauswuchs der
unteren hinteren Fläche des Fersenbeines für eine Abnormität, ver-
ursacht durch Bänder- und Muskelzug (s. Zentralblatt für Chirurgie
1907, p. 1255). Der Ausgangspunkt soll die Epiphyse am hinteren
Abschnitt des Calcaneus sein. H. bestreitet dies auf Grund eines
Studiums von 17 Röntgenbildern und gibt an, daß der Sporn vom
Korpuskern des Calcaneus ausgeht und auf einen osteoarthritisartigen
Prozeß zurückzuführen ist. Die Gründe für diese Annahme werden
näher erörtert. J. Riedinger (Würzburg).
—.
882 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29.
23) A. Blencke. Bemerkungen über den »Calcaneussporn«.
‚Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.)
Verf. hat anatomische und röntgenologische Untersuchungen über
die Epiphyse am hinteren Abschnitt des Calcaneus angestellt und
faßt das bisher schon Bekannte hierüber zusammen. Mit der Dia-
gnose eines Knochenbruches sollen wir vorsichtig sein. Die Möglichkeit
eines solchen ist andererseits nicht abzustreiten. Im allgemeinen ist
der Calcaneussporn, die zackenartige Verlängerung des Tuberculum
majus calcanei, nicht sehr häufig zu beobachten. Er kann schmerzlos
verlaufen, spontan schmerzhaft werden oder nach einem Trauma Be-
schwerden verursachen. Zuweilen ist er Begleiterscheinung des Platt-
fußes. Er kann ferner bedingt sein durch Gonorrhöe, Arthritis und
Arteriosklerose, sogar durch Tuberkulose. An einem Calcaneus können
auch mehrere Fortsätze auftreten. Der Sporn wird einseitig und
doppelseitig beobachtet. Nur in der Minderzahl der Fälle handelt es
sich um eine Verlängerung der Calcaneusepiphyse, wie schon Chryso-
spathes nachgewiesen hat. Meist*sind es Knochengebilde, die sich
in späteren Jahren entwickeln. Bei der röntgenologischen Unter-
suchung von 673 Füßen wurde der Sporn in 19 Fällen gefunden
(2,8%). Die Vielgestaltigkeit des Leidens wird an zahlreichen Röntgen-
bildern veranschaulicht. Einige charakteristische Krankengeschichten
werden ausführlicher mitgeteilt. Durch gute Beobachtungen und er-
schöpfende Benutzung der Literatur bildet die Arbeit einen wichtigen
Beitrag zum Verständnis der erwähnten Veränderungen.
J. Riedinger (Würzburg).
24) Taubert. Überzählige Carpalia und Tarsalia, und Sesam-
beine im Röntgenbilde.
Med. Wochenschrift 1908. p. 702, 751, 794.)
T. bezweckt, die chirurgische Differentialdiagnose bei Verdacht
auf Knochenbruch u. dgl. zu erleichtern durch klare Abgrenzung der
inkonstanten Skelettstücke (Varietäten) — meist überzählige Hand-
und Fußwurzelknochen —, der knorpelig-knöchernen Sesambeine, der
bindegewebigen Sesamoide, endlich aller möglichen ähnlichen Gebilde
anderer Herkunft (Pseudosesamoide.. An der Hand der einschlägigen
anatomischen und röntgenologischen und eigenen Erfahrungen sowie
unter Beigabe von Skelettskizzen und Röntgenabbildungen werden die
in Betracht kommenden Körperabschnitte übersichtlich besprochen.
Georg Schmidt (Berlin).
25) K. Lengfellner. Die wissenschaftlichen Prinzipien bei
Herstellung von Schuhwerk mit Berücksichtigung von Jugend-
Ä und Militärschuhwerk.
‚Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.'
Das Ideal eines Schuhwerkes kann nur in dem Schuhwerk liegen,
das nach Maß unter Benützung eines eigenen Leisten hergestellt ist.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 883
Der Leisten muß nach einem Gipsabdruck gemacht werden, dessen
Technik Verf. beschreibt. Das Negativ wird mit einer Masse aus
Gips und Leim ausgegossen. Der Ausguß wird entsprechend model-
liert und kann als Leisten benutzt werden. Die bisher üblichen sog.
orthopädischen Leisten sind zu verwerfen, weil der Fuß in Schuhen,
die nach solchen Leisten hergestellt sind, keinen Halt hat. Verf. legt
den Kern der Schuhfrage in die richtige Anlage eines Leistengewölbes,.
Um das Verfahren der Anfertigung eines Leistens zu vereinfachen,
genügt es auch, die gewöhnlichen Maße zu nehmen und das Sohlen-
und Schuhgewölbemaß durch den einfachen Gipsbreiabdruck zu er-
halten, den Verf. schon früher beschrieben hat. Nach dem Gipsbrei-
modell wird der Leisten geformt. Wichtig ist bequemes Ballen- und
Zehenmaß, sowie der Bau der Fersenpartie und des Absatzes. Letz-
terer soll breit und niedrig sein. Auf Kosten der Verlängerung des
Schuhes kann man vorn eine gefällige halbrunde Form wählen. Der
Schuh muß sich auch nach der Achse des Fußes richten. Die meisten
Füße haben eine gerade Achse. Kinder sollen von der ersten Kind-
heit an zweckmäßiges Schuhwerk bekommen. Das Militärschuhwerk
entspricht den Anforderungen an ein gutes Schuhwerk nicht. _
J. Riedinger (Würzburg).
Kleinere Mitteilungen.
I.
Aus Dr. Teske’s chirurg.-orthop. Privatklinik in Plauen.
Beitrag zur Ätiologie
des angeborenen Schulterblatthochstandes.
Von
Dr. Hilmar Teske.
on dem 1863 zuerst durch Eulenburg beschriebenen, aber erst durch die Ab-
handlung von Sprengel (1891) bekannt gewordenen Schulterblatthochstande
konnte Ehrhardt 1904 schon 92 Fälle zusammenstellen, von denen 88 als an-
geborene, 4 als erworbene beschrieben wurden. Zu ersteren kommen jetzt noch
die Fälle von Graetzer, Bassenge, Sipari u. a. zu letzteren der Fall von
Cohn. Wie sehr sich übrigens bei genauer Betrachtung die Grenze zwischen an-
geborenem und sog. erworbenem Schulterblatthochstand verwischt, zeigt der letzt-
genannte Fall; auch in verschiedenen anderen Fällen ist die Unterscheidung nur
eine willkürliche (Ehrhardt). n
Trotz der reichlichen Literatur bedarf die Atiologie des vorliegenden Krank-
heitsbildes noch mancher Aufklärung. Am meisten fanden die Erklärungen An-
erkennung, welche die Ursache sehen
1) in rein mechanischer Störung,
2) in erworbener Störung der Entwicklungsmechanik.
Die erste, von Sprengel aufgestellte Erklärung erklärt den Schulterblatt-
hochstand bekanntlich als intra-uterine Belastungsdeformität infolge zu geringer
Fruchtwassermenge. Fälle von erworbener Störung der Entwicklungsmechanik
— kompliziert durch Defekte des Radius, der Rippen, knöcherne oder bandartige
2
884 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29.
Verbindung des oberen Skapularwinkels mit den Halswirbeln u. a. —, bei denen
intra-uterine Belastungsanomalien (Ehrhardt) und amniotische Verwachsungen
(Graetzer) als Ursache des Schulterblatthochstandes angesehen wurde, sind in
größerer Anzahl beschrieben. Als bestimmt in diese Kategorie gehörigen, weil
nach jeder Richtung hin untersucht, will ich hier kurz den Fall von Graetzer
anführen, der bei einem angeborenen doppelseitigen Schulterblatthochstande Schief-
hals, Muskeldefekte, Rippendefekte und röntgenologisch Spaltbildungen der Wirbel-
säule usw. fand und als Ursache der Deformitäten amniotische Verwachsungen an-
nahm.
Die beiden genannten Erklärungsarten für die abgehandelte Schulterblatt-
anomalie brachten aber noch nicht volle Klarbeit in das Krankheitsbild.
Eine bisher nicht beschriebene Atiologie weist der Fall von Cohn auf, inso-
fern als dabei meines Erachtens der Schulterblatthochstand auf eine kongenitale
Mißbildung zurückgeführt werden muß: Bei einem jetzt 1öjährigen Mädchen soll
seit dem 11. Lebensjahre ein Hochstand der rechten Schulter aufgetreten sein, der
jetzt etwa 5 cm beträgt. Bei der Röntgenuntersuchung fand sich zwischen 6. und
7. Halswirbel ein längliches dreieckiges Wirbelrudiment, dessen Spitze nach links
vr
gerichtet war. Wenn nun beide M. levatores gleich lang sind, folgert C., muß das
rechte Schulterblatt um die Höhe des eingesprengten Wirbelkeils in die Höhe ge-
zogen werden. Warum der Hochstand erst im 11. Lebensjahre bemerkbar wurde,
das erklärt er analog der Böhm'schen Skoliosentheorie.
Ich bin nun in der Lage einen Fall von angeborenem Schulterblatthochstand
zu veröffentlichen, der es fraglich erscheinen läßt, ob in dem Falle von Cohn
seine mechanische Erklärung der Levatorwirkung zutrifft.
Ein 3jähriges, gut entwickeltes Mädchen wird mir wegen Schulterblatthoch-
standes zugeführt; in seiner Familie sollen keine Mißbildungen vorgekommen sein.
Die Mutter hat zwei Frühgeburten und vier normale Geburten durchgemacht. Bei
der 7. Schwangerschaft will sie sehr durch einen Hängebauch gelitten baben. Über
die Menge des Fruchtwassers bei der Geburt weiß sie nichts anzugeben. Das
Kind schien bei der Geburt normal entwickelt, nur fiel es auf, daß es »keinen
Halse hatte. Als es 1/2 Jahr alt war, wurde rechtsseitiger Schulterhochstand und
linksseitiger Schiefhals bemerkt.
Bei der Untersuchung fand sich rechtsseitiger Schiefhals, Gesichtsskoliose, linkes
Ohr bedeutend kleiner als das rechte. In der rechten Oberschlüsselbeingrube findet
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 885
man hinten oben einen knöchernen Vorsprung, der sich als innerer oberer
Winkel der Scapula herausstellt. Letztere steht etwa 4 cm höher als die linke und
reicht vom 6. Halswirbel bis zum 4. Brustwirbel etwa. Sie ist etwas kleiner als
links, ihr unterer Winkel steht nur wenig vom Thorax ab. Der rechte Arm
kann nur um 110° erhoben werden, bei weiterer Hebung verhakt sich anscheinend
der nach vorn umgebogene obere innere Winkel des Schulterblattes an der 1. Rippe.
Die elektrische Untersuchung der Schulterblattmuskeln ergibt keine Defekte.
Das Röntgenbild zeigt beiderseitige 7. Halsrippe; der innere obere Winkel des
rechten Schulterblattes ragt etwa fingerbreit über den Schlüsselbeinschatten her-
vor. Die fünf rechten obersten Rippen bilden hinten keine gleichweiten Zwischen-
rippenräume, sondern sind in unregelmäßiger Krümmung kranialwärts ausgebogen;
auf der linken Körperseite sind sie normal. Die 5. rechte Rippe teilt sich etwa in
der Schulterblattlinie gabelförmig. Die obere Branche steigt über die 4. Rippe in
die Höhe und halbiert den 3. Interkostalraum, während die 4. Rippe den weiten
Zwischenraum zwischen den Branchen der Gabel halbiert. Zwischen 8. und 9. Brust-
wirbel ist ein kurzes dreieckiges Wirbelrudiment eingeschoben, gut von der Höhe
der ihm anliegenden Brustwirbel. Die Basis des Keils liegt nach rechts, die Spitze
reicht nach links bis etwa zur Medianlinie. Die Halswirbelsäule zeigt eine leichte
Cervicalskoliose. Einer Behandlung entzog sich der kleine Pat.
Der Fall von Cohn und der meinige haben das überzählige Wirbelrudiment
gemeinsam. Im erstgenannten Falle saß es zwischen 6. und 7. Halswirbel, so daß
C. (s. 0.) an durch Levatorwirkung bedingten Schulterblatthochstand denken konnte.
Gegen diese Folgerung kann man einwenden, daß die beiden Mm. levatores nicht
die gleich langen, starren Branchen eines Meßzirkels sind, sondern elastische, kon-
traktile Schläuche. Jedenfalls lehrt mein Fall, daß die Ansicht Cohn’s, der an-
geborene Schulterblatthochstand beruhe auf Wirbelanomalien, die zwischen 5. Hals-
wirbel und dem Brustwirbel lokalisiert sind, der durch eine Horizontale durch die
obere Kante des Schulterblattes der normalen Seite gekennzeichnet ist, nicht ver-
allgemeinert werden darf.
Wenn man beide Fälle gemeinsam betrachtet, wird man zu der Ansicht
kommen, daß bei ihnen der Schulterblatthochstand als kongenitale Mißbildung
entstanden ist, neben welcher noch andere kongenitale Mißbildungen (Wirbelrudi-
mente usw.) in variabler Zahl bestehen können. Die Sick’schen Fälle (zit. bei
Ehrhardt) von Schulterblatthochstand bei mehreren Gliedern einer Familie ge-
hören gleichfalls in das Gebiet der kongenitalen Mißbildung.
Bezüglich der Atiologie des Schulterblatthochstandes haben wir also genau
beschriebene Fälle, die in zwei Klassen zerfallen:
1) Durch erworbene Störung der Entwicklungsmechanik (Hemmungs-
mißbildung) entstandene,
2) als kongenital angelegte Mißbildung entstandene.
Zu der ersten Klasse würde der Fall von Graetzer, zu der zweiten der
von Cohn, der meinige, die Fälle von Sick gebören.
Weitere Beobachtungen werden die Atiologie des Schulterblattbochstandes nur
dann fördern können, wenn neben Anwendung aller Untersuchungsmethoden das
Röntgenbild klar ergibt, ob der untersuchte Fall einer dieser beiden Klassen an-
gehört bzw. dieses ausschließen läßt, was dann für die Sprengel'sche Theorie
hinsichtlich dieses Falles sprechen könnte.
Literatur. n
Bassenge, Deutsche med. Wochenschrift 1907. Nr. 25. p. 1025. Böhm, Fort-
schritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XI. Hft. 1. Derselbe, Berliner
med. Gesellschaft 23. Oktober 1907. Allgemeine med. Zentralzeitung 1907. Nr. 44.
Cohn, Diese Zeitschrift 1907. Nr. 32. Derselbe, Berliner med. Gesellschaft
10. Juli 1907. Münchener med. Wochenschrift 1907. Nr. 29. Graetzer, Mittei-
lungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie 1907. III. Supplement.
Ehrhardt, Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVI. Hft. 2. Sipari, referiert
Zentralblatt für Orthopädie 1908. Nr. 3.
886 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29.
II.
Ein osteoplastischer Chopart.
Von
Prof. Dr. Carl Bayer in Prag.
Vera man die Reihe von Modifikationen der Chopart’'schen Enukleation,
die aus der Anpassung zur Verfügung stehender Weich- und Knochenteile den
Verhältnissen bisher hervorgegangen sind, so findet man, daß Neues kaum mehr
geboten werden kann. Auch ist es nicht der Mühe wert kleine Abänderungen
eingebürgerter Modifikationen mitzuteilen, da sie im Notfalle förmlich selbstverständ-
lich sind, ohne alle Berechtigung weiterer Ansprüche. Und doch drängt es mich,
über eine Abänderung des typischen Chopart zu berichten, die mir die Ausführung
der Operation in einem Fall ermöglicht hat, wo sie unausführbar schien. Wie alle
Modifikatoren zwang auch mich die Not, und hatte auch ich wie sie den lebhaften
Wunsch zugleich, die Vorzüge einer Enukleation nach Chopart nicht ohne
weiteres aufzugeben: Caries metatarso-tarsea mit fungüser Weichteilerkrankung und
Fig. 1. Fig. 2.
zahlreichen Fisteln an Dorsum und Planta, so daß nur der Metatarsus V gesunde
dorsale, äußere und plantare Deckung hatte. Auf den ersten Blick schien als
einzig berechtigter Eingriff ein Pirogoft möglich; doch lehrte mich genaueres Stu-
dium der Verhältnisse, daß sich ein Chopart wohl ausführen ließe, wenn es gelänge
die Haut der Gegend des Metatarsus V, event. mit einem Teile dieses Knochens
zur Deckung auszunützen, ohne eine plantare Narbe zu setzen. Das war nur dann
möglich, wenn es gelang, die zur Verfügung stehende Deckung durch eine atypische
Schnittführung so zu einem Lappen zu gestalten, daß er sich nicht bloß einwärts,
sondern zugleich und hauptsächlich aufwärts schlagen ließ. Dank dem Tiefstand
des äußeren Fußrandes konnte diese Aufgabe durch den in Fig. 1 skizzierten
Ovalärschnitt leicht gelöst werden. Mit diesem war zugleich auch alles kranke
Gewebe radikal entfernt.
Die Operation wurde am 1. Mai l. J. an einem 32 Jahre alten Manne im
Spitale der Barmherzigen Brüder ausgeführt. Nach erfolgter Enukleation im
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 887
Chopart’schen Gelenke wurde der Metatarsus V schräg durchsägt, so daß die ganze
Tuberositas quinti im Zusammenhange mit dem Lappen blieb; dann wurden die
Gelenkknorpel von Talus und Calcaneus abgesägt. Jetzt ließ sich das Wundoval
als Lappen behandeln, der, aufwärts geschlagen, mit seinem Tuberositasknochen-
deckel der Sägefläche des Talus und Calcaneus sehr gut sich anschmiegte. Die
lineär vernähte Wunde verlief vorn innen. Die Planta war frei, die Vorzüge eines
Chopart waren gerettet.
Mag auch dem Knochendeckel bei dieser Art der Schnittführung keine Wich-
tigkeit zugeschrieben werden, so ganz wertlos scheint er mir nicht zu sein. Erstens
füllt er eine sonst unvermeidliche hohle Stelle im Lappen natürlich aus und ge-
staltet seine Wundfläche glatt. Zweitens kann er vielleicht bei tadelloser Anhei-
lung an den Calcaneus einen natürlichen Schutz bieten gegen spätere Exostosen-
bildungen, wie sie nach Chopart’scher Enukleation nicht selten vorkommen. Die
Erhaltung der Ansatzstelle des M. peroneus brevis, dessen halbe Funktion als
Strecker des Fußes nicht ganz zu unterschätzen ist, kommt endlich sogar mit Rück-
sicht auf das sog. Renversement sehr in Betracht. — Durch Annähen des Sehnen-
stumpfes des M. tibialis anticus, event. der Stümpfe aller Extensoren (Larger) an
den oberen Rand des Knochendeckels, könnte diese Gegenwirkung noch wesentlich
erhöht und zugleich der Neigung des Chopartstumpfes zur Valgusstellung wirksam
gesteuert werden.
Die Skizze (Fig. 2), nach dem Röntgenbild des prima geheilten Stumpfes an-
gefertigt, zeigt die Lage des Knochendeckels. Der Stumpf ist von guter Form,
beim Anschlagen auf die Sohlenfläche und Ferse schmerzfrei, aktiv streckfähig.
Ich bin der Meinung, daß diese Chopartmodifikation mit den bisher ein-
gebürgerten (cf. H. Petersen, Deutsche Chirurgie Liefg. 29a p. 187 u. ff.) ganz
gut konkurrieren kann.
26) VII. Kongreßder Deutschen Gesellschaft für orthopädische Chirurgie.
Berlin, 24. und 25. April 1908.
Vorsitzender: Schulthess (Zürich), Referent Drehmann (Breslau).
I. Projektionsvorträge. Abendsitzung am 24. April.
1) Schultze (Duisburg): Zur Behandlung der Deformitäten der
unteren Extremität.
a. Die unblutigen Methoden, die Osteoklase und das Redressement force,
kommen bei Behandlung der Deformitäten in erster Linie in Frage.
b. Die Reduktionsapparate sind durch die Osteoklase und das Redressement
überholt worden.
c. Der Indikationenkreis soll möglichst weit gesteckt werden. Erreicht wird
dies durch die entsprechenden Hilfsmittel.
d. Die Hilfsmittel bestehen in bestimmten maschinellen Vorrichtungen, welche
in Verbindung mit der manuellen Methode oder ohne dieselbe zur Anwendung
gelangen.
e. Die Maschine muß ein Präzisionsapparat sein, welcher sicherer und exakter
arbeitet als die Hand. Durch Verbindung mit der manuellen Methode wird der
Wert der Maschine erhöht.
f. Um eine Vollkorrektur zu erreichen, ist eine absolute Mobilisation und Über-
korrektur erforderlich.
g. Der Beckenfixator entspricht den an ihn gestellten Forderungen, sein Wert
wächst durch die Verbindung einer nach jeder Richtung beweglichen Extensions-
vorrichtung.
h. Bei Flexionskontrakturen der Hüfte, bei Luxatio congenita, paralytica und
destructiva leistete der Beckenfixator gute Dienste, ebenso bei rachitischer Ver-
krümmung des Oberschenkels.
i. Der Osteoklast I wirkt durch seine vielseitige Konstruktion präziser als die
bisher gebräuchlichen Apparate. Indiziert ist er für die Korrektur des Genu varum
und valgum, des Pes equino-varus, Pes cavus und valgus.
888 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29.
k. Ein für die Korrektur des Klump- und Hohlfußes nicht zu entbehrender
Apparat ist der Osteoklast II.
Derselbe verbindet die maschinelle und manuelle Methode. Letzteres ist nur
möglich geworden durch die Einlage der Gummikissen.
Jeder Widerstand wird durch den Apparat ganz allmählich und schonend
beseitigt, -so daß die schwersten und hartnäckigsten Deformitäten der Füße keine
Kontraindikation bedeuten.
Die Unterschenkelgamasche sowie der Fersenzug sind unentbehrlich und von
erhöhter Bedeutung durch die regulierbare Zugvorrichtung.
l. Die durch den Osteoklasten I und II begründete Behandlung des Klump-
fußes bedeutet ein neues Verfahren, welches darin gipfelt, daß das manuelle Re-
dressement durch die Kraft der Maschine einen höheren Wert erhält, und zwar
durch exakte, präzise Wirkung.
m. Der Plattfußosteoklast ist ebenso wirksam und garantiert in Verbindung
mit dem zentrifugal wirkenden Fersenzug eine volle Rekonstruktion des Gewölbes.
Auch bier ist das manuelle, verbunden mit dem maschinellen Redressement
von ausschlaggebender Bedeutung.
n. Jeder Klumpfuß sowie jeder Plattfuß ist zu rekonstruieren. Die unblutige
Methode ist hier allein die Methode der Wahl. Die blutige Behandlung zerstört
den anatomischen Aufbau.
Die Indikation für die blutige Behandlung der Pedes equino-vari und valgi
ist durch die Verbesserung der modernen Technik vollkommen ausgeschaltet.
Nach meiner Auffassung ist die blutige Behandlung des Pes varus und valgus
ein Kunstfehler. (Selbstbericht.)
2) Joachimsthal (Berlin: Die angeborene Hüftluxation als Teil-
erscheinung anderer angeborener Anomalien.
Kombination mit Caput obstipum, Knieluxation, Klumpfuß u. dgl. Die Pro-
gnose dieser Luxationen ist nicht schlechter als die der unkomplizierten.
Diskussion. Bade /Hannover) beobachtete am 2. Lebenstage Knie- und
Hüftluxation kombiniert. Die letztere wurde bald reponiert und war schon nach
2 Tagen nicht mehr zu reluxieren.
3) Guradze (Wiesbaden): Erfolge der Oberschenkelosteotomie.
Nach Besprechung der für die Oberschenkelosteotomie in Betracht kommenden
Gesichtspunkte demonstiert der Vortr. an der Hand einer großen Anzahl von
Photographien und Röntgenaufnahmen die Erfolge dieser Operation. Die behan-
delten Fälle gehörten zu den Krankheitsgruppen: 1) der Coxa vara, 2) der Beuge-
kontraktur nach tuberkulöser Koxitis, 3; der Oberschenkelverkürzung, 4) der Folge-
erscheinung traumatischer Hüftgelenksluxation, 5) des Genu valgum, 6) des Genu
varum. (Selbstbericht.)
Diskussion. Müller Stuttgart) begrüßt es, daß im Gegensatz zum Vor-
trag von Schultze auch die blutigen Methoden gebührend hervorgehoben werden.
Lorenz (Wien) empfieblt die subkutane Methode der Osteotomie mit be-
sonders konstruiertem schmalen Meißel.
Gocht (Halle) ist für Keilresektion bei rezidirierendem Klumpfuß.
Bade (Hannover) empfiehlt stumpfes Vorgehen nach Inzision der Haut an
der Außenseite des Klumpfußes.
Drehmann (Breslau) verwirft einen prinzipiellen Standpunkt, ob blutig oder
unblutig vorzugehen ist. Die Entscheidung ist von Fall zu Fall zu treffen. Beide
Methoden muß der Orthopäde genügend beherrschen. Er warnt vor der Keil-
resektion bei kindlichen Klumpfüßen, da er infolge ungleichen Wachstums bei
einem vor 15 Jahren operierten Fall eine das Gehen sehr erschwerende höchstgradige
Plano-valgusdeformität beobachtete. Die blutigen Methoden sind bei rachitischen
Verbiegungen älterer Kinder und zur Korrektur koxitischer Deformitäten viel
schonender.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 889
4) A. Schanz (Dresden): Korrektionsresultate an schweren Sko-
liosen.
Vortr. demonstriert zuerst eine Serie von Bildern, welche das mittels Re-
dressements im Jahre 1902 erzielte Korrektionsresultat an einer schweren Skoliose
und die Erhaltung des Resultates bis jetzt (1908) zeigen.
Obgleich das Redressement sehr gute Korrektionsresultate ergibt, und obgleich
diese Resultate als Dauererfolge erhalten werden können, so ist S. doch schon
lange zu der von ihm auch wiederholt ausgesprochenen Überzeugung gekommen,
daß das Redressement nicht das letzte in der Behandlung der schweren Skoliosen
sein kann. Die Korrektur muß auch ohne so forcierte Mittel erreicht
werden können. Es handelt sich nur darum, Druck und Zug in ge-
eigneter Richtung, genügender Stärke und "Dauer an die Wirbel-
säule heran zu bringen. Die Schwierigkeit, welcher derartige Versuche be-
gegnen, liegt in der auf der Wirbelsäule liegenden Rumpflast. Die Wirbelsäule
setzt infolge dieser Belastung dem Druck, welcher durch Vermittlung ‘der Rippen
an sie heran gebracht werden muß, einen so großen Widerstand entgegen, daß
die druckvermittelnden Rippen eher unbeabsichtigte Veränderungen eingehen und
dadurch die aufgewendete Kraft konsumieren, ehe die Wirbelsäule nachgibt.
Wenn diese Rechnung richtig ist, so muß Korrektionsdruck der be-
zeichneten Art leistungsfähig werden, wenn die Belastung der
Wirbelsäule aufgehoben wird.
Auf diese Voraussetzungen gründen sich neue Versuche des Vortr. Er hat
einen portativen Apparat konstruiert, welcher die Wirbelsäule kräftig extendiert
und dabei einen detorquierenden Druck ausübt. Dazu kommt ein gut fixierendes,
kräftig redressierendes und extendierendes Gipsbett. Außerdem ist nur Massage
zur Anwendung gekommen.
Die demonstrierten Bilder zeigen gute Resultate.
S. schließt mit dem Hinweise darauf, daß die Korrektur der schweren
Deformitäten die Frageist, vorderen Lösung die Skoliosenforschung
steht. Er fordert auf, sich dessen bewußt zu bleiben und sich weder durch Miß-
erfolge noch durch die in der Skoliosenbehandlung immer wieder vorkommenden
Seitensprünge von der ruhig auf die Lösung dieses Problems gerichteten Fort-
arbeit abbringen zu lassen. (Selbstbericht.)
6) Cramer (Köln): Über Rückgratsverkrümmungen bei lumbo-
sakralen Assimilationswirbeln.
Demonstration einer Reihe von Becken, deren Kreuzbeine angeborene Ano-
malien zeigen, sog. Assimilationsbecken. Diese müssen zur Skoliose führen.
Diskussion. Boehm (Berlin) weist auf seine diesbezüglichen Mitteilungen
zur Atiologie der Skoliose hin.
6) Schulthess (Zürich): Eine Form von Berufsskoliose.
Skoliose bei italienischen Gondelführern.
II. Hauptsitzung am 25. April.
a. Vormittagssitzung.
1) Otto Fischer (Leipzig): Über die Wirkung der Muskeln.
Da, wie Redner hervorhob, die Wirkungsweise eines Muskels sich nicht mit
wenigen Worten beschreiben läßt, sondern man vielmehr über einen jeden Muskel
eine Monographie schreiben müßte, um das Thema in nur einigermaßen er-
schöpfender Weise zu behandeln, so mußte sich der Vortrag auf die Hervorhebung
einiger Punkte beschränken, welche bei der Beurteilung der Muskeltätigkeit viel-
fach nicht in genügendem Maße berücksichtigt worden sind und deren Außeracht-
lassung in der Regel zu falschen Vorstellungen über die Tätigkeit der Muskeln führen
muß, und auch tatsächlich geführt hat. Als ein erster derartiger Punkt wurde die
zweiseitige Kraftentfaltung eines Muskels angeführt. Ein Muskel zieht stets mit
einer Kraft am Ansatz in der Richtung nach dem Ursprung hin und einer gleich
großen Kraft am Ursprung in der Richtung nach dem Ansatz hin. Daher wird
890 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29.
in der Regel nicht nur der Ansatz, sondern auch der Ursprungskörperteil durch
den Muskel in Bewegung gesetzt. Als zweite bemerkenswerte Tatsache wurde
hervorgehoben, daß ein Muskel bei seiner Kontraktion in erster Linie die Körper-
teile selbst in Bewegung zu setzen sucht, und demnach die Wirkung auf die Ge-
lenke erst eine sekundäre Erscheinung ist. Der Muskel sucht im allgemeinen einen
jeden in seinen Wirkungsbereich fallenden Körperteil zu drehen, indem er auf
denselben mit einem Kräftepaar einwirkt. Hat man für einen Muskel die Körper-
paare für alle ihm unterstellten Köperteile bestimmt, so hat man damit seine Tätig-
keit nur gekennzeichnet, so weit sich dieselbe auf die Hervorrufung und Sicherung
einer Ruhehaltung und Gleichgewichtsstellung bezieht. Aufdie bewegende Wir-
kung übten dagegen außerdem die Massen der einzelnen Körperteile, die Massen-
verteilung innerhalb eines jeden derselben und noch andere Momente, wie die
Arten der Gelenkverbindungen, bestimmte Bedingungen für die Beweglichkeit einen
maßgebenden Einfluß. Aus der Tatsache, daß ein Muskel in erster Linie die
Körperteile zu drehen sucht, folgt dann weiter, daß er in der Regel auch auf Ge-
lenke einwirkt, über die er gar nicht hinwegzieht, eine Tatsache, welche bisber
nur wenig bekannt und selten richtig verstanden worden ist.
Als weiterer, speziell für die Methodik der orthopädischen Chirurgie wichtiger
Punkt wurde hervorgehoben, daß für die Wirkung eines Muskels nur dasjenige
Stück desselben maßgebend ist, welches sich ungehindert von einem Körperteil zum
benachbarten zu erstrecken vermag. Es ist daher im Prinzip durchaus möglich,
einen Muskel betreffs seiner Wirkungsart vollkommen durch einen anderen zu er-
setzen, wenn man nur durch geeignete Mittel, wie Verlegen der Endsehne und
Erzeugen künstlicher Bandschlingen, das maßgebende Stück des zu ersetzenden
Muskels oder bei mehrgelenkigen Muskeln deren maßgebende Stücke richtig
herstellt.
In einem zweiten Teile des Vortrages wurde auf die unter dem Einfluß der
Muskeln eintretenden Bewegungen des menschlischen Körpers eingegangen. Es
wurde dabei hervorgehoben, daß es im wesentlichen zweierlei Aufgaben sind, welche
dabei in Frage kommen und für die Praxis Bedeutung besitzen. Die eine Gruppe
von Aufgaben nimmt die Spannung des Muskels als gegeben an und fragt nach
den bei der Kontraktion eintretenden Gliederbewegungen. Die andere Gruppe
von Aufgaben setzt dagegen die Bewegungen als bekannt voraus und fragt nach
den Muskeln und den Muskelspannungen, welche zur Hervorbringung dieser Be-
wegungen erforderlich sind. Für beide Arten von Problemen wurden Beispiele
angeführt. | (Selbstbericht.)
Diskussion: Lange München) betont die Wichtigkeit der Muskelwirkung
der Sehnenüberpflanzung. Die Ursache der Mißerfolge sind häufig Verwachsungen
der Sehne, deshalb Umlagerung mit Fettschicht.
J. Riedinger (Würzburg) weist auf die Bedeutung der Ergebnisse exakter
Forschung auch für die Orthopädie hin, die in vielfacher Hinsicht angewandte
Wissenschaft ist. Ferner berührt er die Frage der Muskelwirkung beim Zustande-
kommen von Muskelzerreißungen
Fränkl (Berlin) betont die Wichtigkeit der Kinematographie zur Beurteilung
der Muskelwirkung.
Joachimsthal (Berlin) weist auf die selbstregulatorischen Vorgänge am
Muskel bei Anderung der Gelenkfunktion hin, wie er sie früher am Wadenmuskel
beschrieben hat. -
Muskat (Berlin) weist auf die Funktionsänderung hin, welche bei der Über-
pflanzung mit Muskelspaltung entsteht.
Vulpius (Heidelberg) betont die Wichtigkeit, welche der Verlauf der End-
sehne bei der Muskelwirkung spielt und empfiehlt deshalb die Verpflanzung auf
die Sehne gegenüber der periostalen Methode. Die Lange’'schen Verwachsungen
werden dadurch ebenfalls vermieden.
Schulthess (Zürich) empfiehlt, die Bewegungsphysiologie in den Lehrplan der
Orthopädie aufzunehmen.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 891
2) Böcker (Berlin): Über Myositis ossificans traumatica.
Vorstellung eines Falles traumatischer Muskelverknöcherung nach blutiger
Reposition einer veralteten Ellbogenluxation. Atiologisch kommt Periost und
Muskelbindegewebe in Betracht.
Diskussion. Bardenheuer (Köln) führt die Verknöcherung auf Periost-
verlagerung zurück und glaubt durch seine Extensionsbehandlung derartige Ver-
lagerung vermeiden zu können.
Drehmann (Breslau) glaubt auf Grund histologischer Untersuchungen das
Perimysium als callusbildend ansehen zu müssen. Er sieht ein Analogon in dem
knöchernen Callus bei Rippenknorpelbrüchen.
Wullstein (Halle) beobachtete Entstehung aus dem Muskel allein, in anderen
Fällen sind wohl beide beteiligt; er rät, mit frühzeitiger Massage vorsichtig zu
sein. Außerdem demonstriert er eine Myositis ossificans bei Syringomyelie an
einem Amputationspräpareat.
Machol (Bonn) betont die Wichtigkeit der Röntgendurchleuchtung zur Stellung
der Prognose.
3) J. Riedinger (Würzburg): Über Veränderungen an Kaninchen-
extremitäten nach Durchschneidung des Intermediärknorpels.
Der Vortr. hat die Frage, ob nach traumatischen Epipbysenlösungen Wachs-
tumsstörungen auftreten oder nicht, experimentell untersucht, indem er bei
Kaninchen die Knorpelfuge am unteren Ende der Ulna auf blutigem Wege durch-
trennte und die Kaninchen in verschiedenen Zeiten behufs röntgenologischer und
mikroskopischer Untersuchung tötete. In den meisten Fällen ging der Schnitt
durch die Verkalkungszone; die Verletzung heilte unter Knorpelwucherung und
Callusbildung. Am 28. Tage zeigten sich mikroskopisch keine Veränderungen
mehr. Die Ossifikation ist keine regelmäßige, sondern, ähnlich wie bei der Rachitis,
eine ungleichmäßige. Die Verbiegungen der Knochen waren den rachitischen eben-
falls ähnlich. Wachstumsstörungen waren insofern vorhanden, als während der
Dauer der Heilung und der unregelmäßigen Ossifikation das endochondrale
Knochenwachstum sistierte. Dieser Ausfall ist an den schnell wachsenden Kanin-
chenknochen von bleibendem Einfluß, wie Präparate vom 360. und 510. Tage er-
kennen ließen. An ausgewachsenen Knochen ist an exostosen- oder spindelförmi-
gen Verdickungen der Übergang zur normalen Tätigkeit des Intermediärknorpels
zu erkennen. Nach Heilung der Verletzung wächst der Knochen wieder mehr in
gerader Richtung, was wieder einen Vergleich mit den Wachstumsverhältnissen
rachitischer Knochen zuläßt.
Sehr gefährdet ist der Intermediärknorpel bei Verletzung der Epiphyse, da es
zu Atrophie der Epiphyse und zu brückenförmiger Verbindung mit der Dia-
physe kommen kann. Bei teilweiser Zerstörung des Knorpels tritt Degeneration
desselben und frühzeitige Verknöcherung ein. Bei derartigen Störungen kommt
es zu starker Verkrümmung, Verkürzung und Verdickung der Knochen. — Die
Ergebnisse der Experimente lassen erkennen, daß Wachstumsstörungen nach Epi-
physentrennungen beim Menschen nicht zu befürchten sind, solange der Inter-
mediärknorpel nicht Bedingungen ausgesetzt ist, die ihn zur Degeneration oder zur
Atrophie bringen, wie Entzündung, stärkere Verletzung des Knorpels, Verletzung
der Epiphyse und Verschiebung. Die Trennungsstelle liegt beim kindlichen
Knochen ebenfalls nicht im Knorpel selbst, sondern an der Grenze der Diaphyse
in der jüngsten Knochenschicht. ‘Selbstbericht.)
Diskussion. Lorenz (Wien) teilt mit, daß er mit der Epiphyseolyse am
Femur keine Wachstumsstörungen beobachtet hat. Da jedoch die Möglichkeit
einer solchen Störung vorliegt, hat er die Methode verlassen. Vom intraartikulären
Redressement ist ebenfalls abzusehen, obwohl dieses die Krümmung direkt im
Scheitelpunkt angreift, wegen der Gefahr des Rezidivs und Bändererschlaffung.
Gocht (Halle. Ein Fall von Osteomalakie bei einem 40jährigen
Manne.
Der schon 9 Jahre kranke Mann wurde bisher als Rheumatiker und Gichtiker
behandelt, bis durch die Untersuchung am 6. Februar 1908 festgestellt wurde,
892 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29.
daß eine osteomalakische Erkrankung den Beschwerden zugrunde lag. Beide
Schenkelköpfe waren von den Schenkelbälsen gelöst und die Beckeneingangsfigur
zu einer herzförmigen beiderseitig eingedrückt. Knochenstruktur ganz verwischt.
— In Narkose wurden am 12. Februar die Beine in größtmögliche Speizstellung
überführt und im Gipsverband fixiert. Vom 7. März an zwei Schienenhülsen-
apparate mit Beckenteil. Außerdem erhielt Pat., der heute schon schmerzfrei ist
und stundenlang geben kann, hohe Dosen von Phosphor. (Selbstbericht.)
Diskussion. Alsberg (Kassel) beobachtete Osteomalakie bei einem Manne
nach Trauma mit hochgradiger Phosphaturie und letalem Ausgange.
Schulthess ‚Zürich: fand als erstes Symptom Erhöhung der Muskelreflexe
an den Beinen, empfiehlt frühzeitige Phosphorbehandlung.
6) Werndorff (Wien): Über Ostitis fibrosa Recklingshausen.
10jähriger Knabe mit multiplen Knochendeformitäten. Tumorbildung und
Chondrodysplasie, mebrkammerige Cysten. Histologisch Riesenzellensarkome und
fibröses Gewebe.
Diskussion. Joachimsthal ‘Berlin demonstriert ein Röntgenbild mit
Cystenbildung im Oberschenkel und konsekutiver Coxa valga. Lues ange-
nommen. s
6) v. Aberle (Wien: Uber einen eigentümlichen Knochen- und
Gelenkprozeß.
v. A. berichtet über einen eigentümlichen Knochen- und Gelenkprezeß, den er
an einem 40jährigen Pat. beobachtete. Wie das Röntgenbild zeigte, war das ganze
untere Ende der Elle spontan, ohne jede Eiterung spurlos verschwunden. Vor
15 Jahren hatte sich der gleiche Prozeß am rechten Elibogengelenk abgespielt.
Obgleich Syphilis als Grund der Affektion nicht auszuschließen, trotzdem Bild
dafür nicht beweisend ist, dürfte es sich um den äußerst seltenen Fall von Knochen-
schwund infolge einer Ernährungsstörung von seiten des Nervensystems ohne
nachweisbares Rückenmarksleiden handeln, wie solche Störungen bei Lepra,
Syringomyelie und Tabes vorkommen. Die Annahme wird umso wahrscheinlicher,
als der französische Autor Gasne einen ähnlichen Fall beobachtet hat, bei wel-
chem die ganze Handwurzel und die unteren Enden beider Vorderarmknochen
epurlos verschwunden waren. (Selbstbericht.)
7) Chrysospathes (Athen): Beitrag zu den intra-uterin entstehen-
den Frakturen und Knochenverbiegungen.
Nach Beschreibung eines mit obigen Knochendeformitäten behafteten, durch
Röntgenstrahlen untersuchten Säuglings versucht Verf. seinen Fall unter die bis-
her bekannten fötalen Knochenerkrankungen unterzubringen. — Zugleich und auf
Grund dieses seines Falles sucht er zu eruieren, inwieweit die Nomenklatur der in
Frage kommenden Erkrankung, bzw. Erkrankungen, berechtigt ist. —
(Selbstbericht.)
8) Cramer {Köln:: Über Heilung von Wunden des Gelenkknorpels.
C. studierte an experimentell ezeugten Gelenkwunden bei 3—4 Monate alten
Kaninchen die aseptische Heilung der Knorpelwunden. Wenn durch die Ver-
letzung zu gleicher Zeit der Markraum mitgetroffen ist, so wuchert aus diesem
Bindegewebe herein und füllt den Defekt, wenn aber die Knorpelverletzung ohne
gleichzeitige Verletzung des Knochens zustande kommt, so kommt es zu keiner
Vereinigung, die Wundflächen klaffen. Am Knorpel ist keine Veränderung, keine
Regeneration, nie Karyokinesen, kein Knorpelcallus.
9) Heusner ‘Barmen): Über einige neue Schienen und Verbände.
Demonstration neuer Schienen zum Ersatz des Gipsverbandes (Aluminium-
schiene mit Matratzengurt überzogen).
10) Evler (Treptow a. R.): Uber die Verwendbarkeit des Chrom-
lederszu orthopädischen Apparaten, insbesondere zu Schienenhülsenstreck-
verbänden, welche unmittelbar dem Körper an- und nachzupassen sind.
Nochmalige Empfehlung des Chromleders zu Apparatezwecken.
Demonstration einer erwachsenen Pat. mit angeborener Hüftluxation, welche
einen Chromlederstützverband trägt.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 893
11) Foerster (Breslau): Über eine neue Methode der Behandlung
spastischer Lähmungen mittels Resektion der hinteren Wurzeln.
F. faßte auf Grund neurologischer Erfahrung über die Hemmungswirkung der
Pyramidenbahnen auf die motorische Kraft den Plan, spastische Lähmungen durch
Resektion der hinteren Wurzeln zu beeinflussen. An der reflektorischen Erreg-
barkeit beteiligen sich mehrere Wurzeln, es genügt, eine oder zwei auszuschalten,
um eine Herabsetzung der spastischen Kontraktur zu erreichen.
Die theoretischen Erwägungen wurden durch die Operation bestätigt. Sofort
nach der Operation waren die Spasmen verschwunden, wenn es auch noch einer
lange Zeit durchgeführten Übungstherapie bedurfte, um das Gehen einzuüben.
Zwei vorgestellte Fälle zeigten ein gutes Resultat.
Diskussion. Tietze (Breslau) führte auf Veranlassung Förster’s die Ope-
ration aus.
Die Technik ist schwer, und die Operation selbst vorläufig noch ein sehr
schwerer Eingriff. Einige Fälle endeten letal
Neben der Operation ist der funktionelle Erfolg auf ausgedehnte Übungs-
therapie zurückzuführen.
b. Nachmittagssitzung.
12) Karch (Aachen): Die heutige Technik der plastischen Sehnen-
operationen.
K. demonstriert Instrumente zur Erleichterung der Sehnenverkürzung, empfiehlt
ferner die Verbindung der Sehnenverpflanzung mit der Curettage der Gelenke,
besonders am Fuß.
13) Bade (Hannover): Zur Technik der Arthrodesenoperationen.
Die Festigkeit soll für die einzelnen Gelenke verschieden sein, Fuß und
Hüfte sollen federnde Bewegung haben, dagegen Knie und Schulter ganz fest sein.
Abtragung des Knorpels mit Messer und Knochenschaber, keine Naht, Fixation
3—5 Monate in Gipsverband.
14) Hermann (Potsdam): Demonstration eines Meßapparates der Bein-
längen.
15) Muskat (Berlin) demonstriert eine neue Methode, Fußabdrücke herzu-
stellen.
16) Gocht (Halle: Weitere pathologisch-anatomische Unter-
suchungen aus dem Bereiche des kongenital verrenkten Hüft-
gelenkes.
An der Hand von Abbildungen aus dem Grundriß zum Studium der
Geburtshilfe von Bumm werden die normalen Haltungen der Frucht im Uterus
besprochen und an Wachsmodellen die Verbiegungsmöglichkeiten im Bereiche des
Hüftgelenkes bei verschiedenen Haltungen. Außerdem wird ein Präparat demon-
striert, welches von einem vierjährigen Kinde mit rechtsseitiger Hüftluxation
stammt. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind in folgenden Schlußsätzen
niedergelegt:
a. Die gewöhnliche Haltung des Fötus in utero ist charakterisiert durch
Flexion, Außenrotation und geringe Adduktion der Hüftgelenke.
b. jede gewaltsame Forcierung dieser Normalbaltung müßte (bei tatsächlich
zugegebener Druckmöglichkeit) zu einer Retroversion des oberen Femur-
endes führen.
c. Bei fehlerhafter forcierter Einwärtsrotation des Hüftgelenkes
resultiert eine Anteversion des oberen Femurendes.
d. Die auf Verdrehung im Schenkelschaft beruhende Anteversion müßte als
intra-uterin und primär entstanden angesehen werden, gegenüber den sekundär
intra-vitam entstandenen Verdrehungen im Bereiche des Schenkelkopfes und Halses.
e. Bei starker Anteversion des oberen Femurteiles muß es unter Umständen
zu einer Retroversion des Schenkelhalses und Kopfes kommen.
f. Die frübzeitig im 3.—4. Monat entstehenden Hüftluxationen neigen am
meisten zur Nearthrosenbildung ; je später die Luxation entsteht, um so mehr
wird eine Nearthrosenbildung vereitelt.
894 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29.
Übereinstimmend mit früheren Resultaten ergibt sich, daß auch bei dem vor-
liegenden Präparat
g. das Lig. ileo-femor. sup. stark verkürzt und sehr kräftig ist;
h. dasselbe Lig. ileo-femor. sup. bei fast allen energischen Hüftgelenks-
bewegungen stark angespannt wird;
i. dasselbe Band bei den ultra-physiologischen Bewegungen dem Schenkelkopf
als verankertes Führungsband dient;
k. die annähernd rechtwinklige Beugestellung des Hüftgelenkes zur
Entspannung der ganzen Hüftkapsel, ganz besonders der vorderen Partien, führt.
In dieser Haltung und Enthaltung wird also das Kapselinnere und die vordere
untere Pfannentasche am geeignetsten sein, den Schenkelkopf wieder aufzunehmen
und in die eigentliche Primärspanne eintreten zu lassen.
l. Die Auswärtsrotation bei starker Abduktionsstellung stellt sich
auch bei diesem reinen Kapselpräparat als die natürlichste zur Retention des
wieder eingerenkten Schenkelkopfes her. Jede Einwärtsrotation hebelt und schiebt
den Kopf vom Pfannengrunde. ‚Selbstbericht.)
17, Ludloff ‘Breslau: Zur blutigen Reposition der angeborenen
Hüftluxation.
L. spricht über die Erfahrung mit einer neuen Modifikation der bluti-
gen Einrenkung der angeborenen Hüftluxation.
Da in einzelnen Fällen die souveräne Lorenz’sche unblutige Repositions-
methode versagt und es unmöglich ist, den Kopf richtig in die Pfanne einzustel-
len, hat Verf. für solche Fälle fulgende Operationsmethode ersonnen und einige
Male praktisch ausgeführt.
Wenn der Versuch der unblutigen Reposition nicht geglückt ist, wird das
betreffende Bein in hochgradiger Abduktion und Hyperextension einige Wochen
eingegipst, darauf nach genügender aseptischer Vorbereitung in dieser Stellung
operiert:
Zirka 12 cm langer Schnitt von unten vom Poupart’schen Bande an in der
Achse des Oberschenkels am lateralen Rande des »Adductor magnus«, stumpf in
die Tiefe bis zur »Incisura acetabuli«, Eröffnung der Gelenkkapsel an dieser Stelle.
Man sieht dann von vorn in die Pfanne hinein und hat dieselbe in ganzer Aus-
dehnung ungemein übersichtlich vor sich.
Bei Repositionsmanövern sah man dann in diesen Fällen, daß der Kopf von
hinten nicht in die Pfanne treten konnte, weil die Verbindung zwischen dem
oberen Kapselrecessus und der übrigen Kapselhöhle kaum erbsengroß war. Bei
allen Versuchen wurde die Kapsel und der »Limbus castilaginus«e mit in die
Pfanne vorgetrieben; der Kopf konnte aber nicht durch den »Isthmus« hindurch-
treten. Es wurde nun der Isthmus durch Einkerben des Limbus erweitert und
der deformierte Kopf mit dem Knochenhaken in die Pfanne hineingezogen, darauf
die Wunde exakt vollständig geschlossen, ohne Drainage oder Tamponade, und ein
Gipsverband in dieser primären Lorenz’schen Abduktionsstellung angelegt.
Weder am reponierten Kopf noch an der Pfanne wurden irgendwelche ver-
bessernde operative Maßnahmen vorgenommen, sondern beide vollständig intakt
gelassen.
Die Fälle sind alle reaktionslos per primam geheilt.
Das Endresultat muß noch abgewartet werden, vorläufig stehen die Köpfe in
der Pfanne.
Die Vorzüge dieser Operationsmethode gegen die von hinten oben sucht der
Verf. in
1) vollständiger Übersichtlichkeit und Zugänglichkeit der Pfanne,
2) Schonung aller Kapsel-, Bänder- und Weichteile, welche für die Retention
und spätere Funktion wichtig sind,
3) in dem fast unblutigen Verfahren, denn nach dem Hauptschnitt fließt kaum
noch Blut, da man stumpf zwischen den Muskeln in die Tiefe geht und alle
größeren Gefäße und Nerven lateral und dorsal von dem Schnitt bleiben.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 895
Diese größere Übersichtlichkeit der Pfanne bei vorderem Schnitt im Gegen-
satz zu dem Arbeiten in der Tiefe bei den Schnitten von hinten und oben ist ge-
eignet, noch neue Aufschlüsse über die Repositions- und Retentionshindernisse zu
geben; so wurde z. B. an einem Präparat die Einkrempelung des Limbus am
hinteren und oberen Pfannenrand konstatiert.
Es braucht nicht hervorgehoben zu werden, daß bei diesem anatomischen Be-
fund jede genügende Retention ausgeschlossen wird und diese Einkrempelung viel-
leicht die Ursache für manche hartnäckigen Reluxationen ist. (Selbstbericht.)
18) Fröhlich (Nancyj: Was aus einigen geheilten angeboren Hütt-
luxationen werden kann.
Unter 240 Fällen waren 10 mit späterer Verschlechterung des anfänglich
guten Resultates; und zwar stellte sich ein: Coxa vara in 4, totaler Schwund des
Schenkelhalses in 2, Coxitis tuberculose in 2 Fällen, traumatische Luxation und
Poliomyelitis ant. je einmal.
Diskussion. Wullstein Halle) stellt eine erwachsene Pat. vor, welcher
er im Alter von 9 Jahren eine doppelseitige Hüftluxation reponierte. Das funk-
tionelle Resultat ist normal, dagegen durch das Röntgenbild eine beiderseitige
Coxa vara festzustellen.
19) Becher (Münster); berichtet über drei Fälle von pathologischen Hüft-
luxationen, die durch ihre Seltenheit, die Schwere der Krankheit und das erreichte
günstige funktionelle Resultat bemerkenswert sind. Ermöglicht wurde die Repo-
sition auf unblutigem Wege durch die vorhergehende permanente Gewichts-
extension, wie sie Vortr. veröffentlicht hat. Es handelt sich um folgende Fälle,
a. 16jähriger, 171 cm großer junger Mann, der das Bild einer traumatischen
Verrenkung bot: Rechtes Bein stark verkürzt, auf das äußerste nach innen rotiert
und adduziert, so daß die Ferse nach vorn und außen stand und Pat. nur mit
Krücke gehen konnte. Die Atiologie ist nicht klar; die Luxation bestand seit
ca. 13 Jahren, angeborene Luxation ist ausgeschlossen. Pat. ist auf dem Wege
völliger anatomischer und funktioneller Wiederherstellung.
b. 6jähriges Mädchen. Rechtsseitige, seit 11/, Jahren bestehende Luxatio
coxae infolge multipler Gelenkvereiterungen. Es gelang leicht, das Kopffragment
einzurenken, wobei starkes Reiben und Knirschen im Gelenk entstand. Beweg-
liches Gelenk, schmerzfreier Gang, leicht verkürztes Bein.
c. 6jähriges Mädchen mit rechtsseitiger Hüftluxation durch Narbenzug infolge
von Verbrennung vor 4 Jahren. Das Bein stand in fast rechtwinkliger Flexions-
und Adduktionskontraktur. Einrenkung gelang, doch erfolgte Reluxation nach
vorn und oben. Das funktionelle Resultat ist sehr zufriedenstellend. Verletzte
geht mit etwas steifer Hüfte, leicht verkürztem Bein, zeigt aber das Trendelen-
burg’sche Phänomen nicht mehr. |
20) A. Lorenz {Wien): Grundsätze der Behandlung veralteter trau-
matischer Hüftgelenksverrenkungen.
Die blutige Reposition irreponibler traumatischer Hüftverrenkungen ist eine
eminent lebensgefährliche Operation, welche nur in vereinzelten Fällen rezenter
Luxation bei noch jugendlichen Individuen vollständig befriedigende Resultate
aufzuweisen hat. Für den Fall der als unbedingt nötig erkannten blutigen Rapo-
sition sollte die übliche Methode der Skelettierung des oberen Femurendes dureh
die Methode der absoluten Muskelschonung ersetzt werden. Noch besser sollte
die Indikation zur blutigen Reposition vollständig fallen gelassen
werden. An ihre Stelle hat im Falle des Mißlingens der anatomischen Repo-
sition die Pseudoreposition, d. h. die Transposition des Schenkelkopfes in laterale
Apposition oder noch besser in subspinale Stellung zu treten. Die subspinale
Transposition erfolgt, wie die anatomische Reposition, durch Umwandlung der
Luxatio iliaca in eine Luxatio obturatoria und durch Verlagerung des Schenkel-
‚kopfes vom Foramen obturatum über den unteren Pfannenrand in die Pfanne bzw.
auf die Pfannengegend. Durch Druckschwund interponierter Weichteile kann die
subspinale Transposition sekundär zur anatomischen Reposition werden. Die
896 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29.
unblutige Therapie hat auch in der veralteten traumatischen Luxation den unbe-
dingten Vorzug vor der blutigen. Mitteilung eines einschlägigen Falles.
(Selbstbericht.)
21) Deutschländer (Hamburg): Zur Frage des traumatischen Platt-
fußes.
Vortr. berichtet auf Grund von 14 Beobachtungen über Funktionsstörungen
des Fußes, die bisher unter den Begriff des traumatischen Plattfußes subsummiert
wurden, denen aber nach Ansicht des Vortr. eine Sonderstellung zukommt. Das
Wesentliche dieser Funktionsstörungen besteht darin, daß nach einem meist gering-
fügigen Trauma des Fußes schwere Behinderungen des Gehaktes und plattfußähn-
liche Beschwerden auftreten, die aber im Gegensatz zum traumatischen Einfluß
oft jahrelang unverändert bestehen, ohne daß eine Veränderung des Fußgewölbes
eintritt. Wie die Röntgenuntersuchung ergab, handelte es sich dabei um Brüche
des Chopart'schen Gelenkes, die teils am Naviculare, teils am Processus anterior
calcanei lokalisiert waren. Derartige Brüche, die übrigens häufiger vorkommen,
ale man bisher annimmt, werden vielfach verkannt und geben bei längerem Be-
stande in der Regel zu einer chronischen deformierenden traumatischen Entzündung
des Chopart'schen Gelenkes Anlaß. Diese Gelenkerkrankung ist es nun, auf die
die Beschwerden und Funktionsstörungen des Fußes zurückzuführen sind, nicht
aber die supponierte Nachgiebigkeit des Fußgewölbes, die übrigens niemals er-
wiesen werden konnte, und aus diesem Grunde sind derartige Zustände auch nicht
in die Gruppe des Plattfußes einzubeziehen. Auch die Prognose und Therapie
wird ausschließlich von der Arthritis deformans beherrscht. Therapeutisch haben
daher nicht die Grundsätze der Plattfußbehandlung, sondern die der chronischen
deformierenden Gelenkentzündung zur Anwendung zu kommen (Mobilisation, Gym-
nastik, Massage, Heißluftbehandlung u. a.). In zwei Fällen wurde die künstliche
Verödung des Chopart’schen Gelenkes mittels Arthrodese mit gutem Erfolg aus-
geführt, Die Chopart’schen Gelenkbrüche und ihre Folgezustände verdienen be-
sonders aus Rücksicht auf unser Versicherungswesen größere Beachtung,
(Selbstbericht.)
22) J. Riedinger (Würzburg): Demonstration eines neuen Redressions-
apparates zur Behandlung des Klumpfußes und anderer Deformitäten
der unteren Extremitäten.
23) H. Riedel (Linz a. d. Donau). Zur operativen Behandlung des
Hallux valgus.
Die Ätiologie des Hallux valgus ist bis jetzt noch nicht sichergestellt. Man
kann zwei Typen des Hallux valgus unterscheiden, den angeborenen und den er-
worbenen, die beide mit oder ohne Plattfuß kombiniert vorkommen.
Die für schwere Fälle von Hallux valgus bis jetzt angegebenen Operations-
methoden sind sehr zahlreich, ein Beweis, daß keine derselben vollkommen be-
friedigende Resultate ergibt.
Da das Wesen des Hallux valgus nicht nur in der abnormen Zehenstellung,
sondern auch ganz besonders in der Adduktionsstellung des Metatarsus I beruht,
erscheint ein einfaches Verfahren indiziert, welches gleichzeitig beide Abnormitäten
beseitigt. Dies bewirkt die vom Vortr. im Verein mit Primararzt Dr. A. Bremer
ersonnene Öperationsmethode, welche darin besteht, daß ein Keil mit lateraler
Basis aus dem ersten Keilbein ausgeschlagen wird.
Es wurde danach zwar erst ein Fall doppelseitig und mit dem besten Dauer-
erfolg operiert, doch erscheint die Methode rationell und wird den Kollegen zur
Weiterprüfung und Übung empfohlen. (Selbstbericht.)
24) S. Kofman (Odessa): Erfahrungen über die Behandlung des
spondylitischen Buckels nach Calot.
K. hebt die Vorzüge der Behandlung der Pott’schen Krankheit nach Calot,
die Einfachheit, die absolute Ungefährlichkeit und Sicherheit der Wirkung hervor.
Er schildert das Wesen der Methode, die hauptsächlich in der zarten, allmählichen
Einwirkung auf den Gibbus besteht.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 897
K. hat Calot in Berck s. M. besucht und hatte reichliche Gelegenheit, Ein-
sicht in die Wirkung der Methode zu gewinnen. Er selbst wendet die Methode
seit einem Jahr an; er hatte sie in 31 Fällen erprobt, von denen neun in bezug
auf den Gibbus als geheilt zu betrachten sind. Statt des Gibbus resultiert eine Delle.
Es werden zwei photographische Bilder einer 14 Jahre alten Pat. mit einem 4 Jahre
datierenden Gibbus vor der Behandlung und nach Abschluß derselben ohne Gibbus
demonstriert. Die Calot’sche Methode ist als die alleinherrschende der nächsten
Zukunft zu betrachten. (Selbstbericht.)
25) A. Codivilla (Bologna): Uber Pseudarthrosenbehandlung mit-
tels Muskel-Periost-Knochenlappen nach den italienischen Me-
thoden.
Bei einer erheblichen Anzahl von Fällen von Pseudarthrosen und breiten
Knochendiskontinuitäten, die ich zu behandeln Gelegenheit hatte, habe ich je
nach den speziellen Indikationen des einzelnen Falles die verschiedenen bis jetzt
angegebenen Methoden angewendet. Wiesen die Enden der Knochensegmente
Zeichen einer ungenügenden formativen Vitalität auf, so habe ich die Bildung
plastischer Lappen aus dem diskontinuierlichen Knochen oder die Überpflanzung
von Knochen ohne nutritiven Lappen für unangezeigt gehalten.
Hingegen haben sich freie Periostüberpflanzungen aus einem gesunden Knochen,
der Transport eines nahen normalen Knochens, eines mit Hautlappen versehenen
Knochens nach Reichel oder eines mit provisorischen Muskellappen ausgestatteten
Knochenstückes aus einer entfernten Körpergegend bestens bewährt.
Letzteres Vorgehen hat dem Reichel’schen gegenüber folgende Vorzüge:
Es gestattet die Bildung eines mit viel reichlicheren Gefäß- und Nervenverbin-
dungen ausgestatteten Lappens, der dem Knochen eine größere Oberfläche zur
Gewinnung neuer nutritiver Verbindungen bietet, und es hat auch ein weit größeres
Anwendungsgebiet.
Ich gestatte mir, die Radiogramme zweier einschlägiger Fälle zu demonstrieren:
In einem derselben wurde der Muskellappen dem äußeren Skapularrand ent-
nommen. Es handelte sich um eine bedeutende Diskontinuität des Humerus; der
Muskellappen wurde 20 Tage nach der Operation getrennt.
Im zweiten Falle handelte es sich um eine angeborene tibio-fibulare Pseud-
arthrose; der Lappen für die fibulare Pseudarthrose wurde aus der Fibula der
gesunden Seite gebildet. Die Trennung des Muskels geschah nach 25 Tagen.
Die tibiale Pseudarthrose wurde mit periostalen Überpflanzungen versorgt.
Die radiographische Untersuchung läßt zweifellos die Vitalität der überpflanzten
Elemente erkennen. (Selbstbericht.)
26) Chlumsky (Krakau): Über den schlechten Einfluß der schwedi-
schen Gymnastik und ähnlicher Lockerungsverfahren auf die Sko-
liose.
C. zeigt Photographien von zwei Pat., bei welchen anscheinend nach schwe-
discher einseitiger Gymnastik und dem Klapp’schen Kriechverfahren eine bedeu-
tende Zunahme einer vorher kaum bemerkbaren Skoliose eintrat.
IH. Sitzung zur Frage der Krüppelfürsorge.
Getrennt von der wissenschaftlichen Sitzung wurde eine Sitzung zur Krüppel-
frage abgehalten, zu welcher die Vertreter der einzelnen Bundesstaaten und die
Leiter der größeren Krüppelanstalten eingeladen waren. Verbunden war mit
dieser Sitzung eine Ausstellung von Plänen, Apparaten und Arbeitserzeugnissen
aus Krüppelanstalten, welche von Anstalten des In- und Auslandes reichlich be-
schickt war.
Auf dem vorigen Kongreß waren Biesalski und Rosenfeld mit dem Re-
ferat über die Krüppelfrage betraut worden.
1) Biesalski (Berlin) hält das einleitende Referat über die amtliche Zählung
jugendlicher Krüppel in Deutschland, welche auf eine Eingabe der Deutschen
Zentrale für Jugendfürsorge veranstaltet worden ist. Es wurde in sämtlichen
Bundesstaaten gezählt. Dazu sind fast 1/, Million Zählkarten von dem Bureau des
898 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29.
Berlin-Brandenburgischen Krüppel-Heil- und Fürsorge-Vereins, in welchem die
technischen Arbeiten geleistet wurden, versandt worden. Die Bearbeitung hat
2 Jahre gedauert.
Es sind in Deutschland ohne Bayern, Baden und Hessen, welche eine Zählung
nach anderen Gesichtspunkten veranstaltet haben, 75000 Krüppel unter 15 Jahren
gezählt worden. Davon sind 42000 nach ärztlichem Urteil der Behandlung und
Erziehung in einem Krüppelheim bedürftig.
Der Bearbeitung der Statistik hat der Vortr. eine neue Begriffsbestimmung
des Wortes »Krüppel« zugrunde gelegt: >»Ein Krüppel ist ein in der Bewegung
seines Rumpfes oder seiner Gliedmaßen aus angeborener oder erworbener Ursache
behinderter Kranker, bei welchem die Wechselwirkung zwischen dem Grade seines
Gebrechens und der Lebenshaltung seiner Umgebung eine so ungünstige ist, daß
die ihm verbliebenen geistigen und körperlichen Kräfte zur höchstmöglichen wirt-
schaftlichen Selbständigkeit nur in einer Anstalt entwickelt werden können, welche
über die eigens für diesen Zweck notwendige Vielheit ärztlicher und pädagogischer
Einwirkungen gleichzeitig verfügt.< Darin ist zugleich der Begriff Krüppelheim
definiert, und es kann nunmehr verhindert werden, daß die öffentliche Fürsorge
Kindern zuteil wird, welche deren gar nicht bedürfen. Der Zweck aller Krüppel-
fürsorge ist, die Krüppelkinder erwerbsfähig, sie aus Almosenempfängern zu
Steuerzahlern zu machen und die öffentliche Armenpflege zu entlasten. Vor allem
muß betont werden, daß der Krüppel ein Kranker ist, und daß nur solche Krüppel-
fürsorge Anspruch auf diesen Namen hat, welche in allererster Reihe sich der viel-
fachen Möglichkeiten bedient, die in neuerer Zeit in der Orthopädie geschaffen
sind zur Heilung krüppelhafter Gebrechen.
Zweitens müssen Krüppelheime sich des Unterrichts der Schwachbefähigten
annehmen, der vielfach mit dem Krüppelgebrechen zusammen vorkommt.
Als Ersatz für das Wort »Krüppel«, das für die meisten Menschen einen
grausigen Beigeschmack hat, schlägt B. das Wort »Hilfling« vor.
Über 9000 Kinder haben selbst Aufnahme in ein Heim gewünscht. Es sind
aber nur 2826 Betten in 32 Krüppelheimen in Deutschland vorhanden für etwa
50000 heimbedürftige Krüppel des jugendlichen Alters. Im vorschulpflichtigen
Alter gibt es in Deutschland 13000 Kinder, auf welche ärztlich und pädagogisch
eingewirkt werden kann, ein Hinweis darauf, daß die Vorbeugung des Krüppel-
tums (Ambulatorien, Beratungsstellen) eine wichtige Aufgabe ist.
Die Zählkarten werden ihren Heimatländern durch die Regierungen zu-
gestellt werden, so daß ohne weiteres die praktische Krüppelfürsorge mit dem
Staat in amtliche Berührung kommt. Daraus wird, zumal jetzt jede Landschaft
unanfechtbare Mindestzahlen hat, ein Aufschwung der Krüppelfürsorge resultieren.
Schon jetzt sind, weil die Erhebung der Statistik in den weitesten Kreisen des
Reiches bei Behörden sowohl wie in den Familien das Vorhandensein und die
reichen Aussichten einer geordneten Krüppelfürsorge bekannt gemacht hat, zwölf
neue Krüppelheime im Bau begriffen oder geplant. Dazu gehört die Berliner
Anstalt, welche im Verlauf von einem Jahre 100 Betten belegt hat.
(Selbstbericht.)
2) L. Rosenfeld (Nürnberg): Bisherige Krüppelfürsorge und ratio-
nelle Hilfe ans dem heutigen Standpunkt der Orthopädie.
Kurzer Überblick über die Entwicklung und Art der bisherigen Krüppelfürsorge
und Krüppelanstalt, was geleistet und was nicht geleistet wurde. Aus der geschicht-
lichen Entwicklung ergeben sich eine Reihe von feststehenden Forderungen: 1) ärzt-
liche Hilfe, 2) entsprechende pädagogische Förderung, 3) Versorgung der Krüppel,
4) Maßnahmen zur Verhütung des Krüppeltums. Mit diesen Forderungen ist auch
die Art der Organisation und rationellen Hilfe gegeben. Die Organisation muß
in erster Linie eine dem Standpunkt der Orthopädie entsprechende ärztliche Be-
handlung gewährleisten. Hierzu ist notwendig eine orthopädische Klinik mit
allen Errungenschaften unserer heutigen Therapie; ein der Klinik angegliedertes
Ambulatorium. Wünschenswert sind eine Reihe von Hilfseinrichtungen: Beratungs-
stellen, Landkolonien, Walderholungsheime, Sol- und Seebäderabteilungen, Kli-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 899
mato- und Heliotherapie. Kurze Zusammenfassung der Forderungen des Unter-
richte, der Versorgung, der Verhütung.
Betrachtung über die Möglichkeit, die anzustrebenden Ziele zu erreichen. Not-
wendigkeit, eine dem Bedürfnis entsprechende Anzahl von Krüppelanstalten einzu-
richten. Staatliche, provinziale, kommunale, Privatanstalten? Anlehnung dieser
Anstalten an Universitätsinstitute? Notwendigkeit, Lehrstühle für orthopädische
Chirurgie zu schaffen! Eimpfiehlt sich Anlage der Fürsorgeeinrichtungen in der
Stadt oder auf dem Lande?
Behandlung der wichtigsten Forderung: Zusammenfassung aller Kräfte, speziell
der Orthopäden und Arzte.
Diskussion. Lange (München) teilt seine persönlichen Erfahrungen in der
Krüppelfürsorge mit.
Vulpius (Heidelberg) berichtet über die Ergebnisse der Krüppelstatistik in
en.
v. Aberle (Wien) über Krüppelfürsorge in Österreich-Ungarn.
Bade über das Krüppelheim in Hannover.
Schlee über das Krüppelheim in Braunschweig.
Witteck (Graz) spricht über Bandagistenkurpfuscherei und Krüppelfürsorge.
27) K. Gaugele. Das Redressement alter Pott’scher Buckel.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XIX. Hft. 3 und 4.)
Verf. beschreibt die Konstruktion eines orthopädischen Tisches, der das An-
legen von Verbänden in horizontaler Lage des Pat. unter Extension und Pelotten-
druck gestattet. Die Wirkung der Verbände wird an einigen Beispielen gezeigt.
d. Riedinger (Würzburg.)
28) J. F. Gottstein. Zur Redressement- und Verbandtechnik bei
schweren Skoliosen.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.)
Verf. hat seit dem Jahre 1903 etwa 120 schwere Skoliosen mittels des for-
cierten Redressements behandelt. Er redressierte zuerst nach Schanz in dem
Engelmann’schen Streckrahmen, dann nach Wullstein unter Abänderung
einiger Vorrichtungen des Wullstein’schen Apparates. Verf. gibt auch einige
Abweichungen in der Technik des Verbandes an und demonstriert an drei Fällen
die Leistungsfähigkeit der Methode. d. Riedinger (Würzburg).
29) Renvall. Zur Kenntnis der kongenitalen, familiär auftretenden
Extremitätenmißbildungen.
(Archiv f. Anatomie u. Physiologie 1908.)
R. konnte in 4 Generationen einer Familie 9 Mißbildungen gleichen bzw.
ähnlichen Typus nachweisen, die 5 männliche und 4 weibliche Personen betrafen.
8mal fand sich ein kongenital gekrümmter kleiner Finger (6 rechts, 2 links, 1 un-
bestimmt). Bei dem 9., vom Verf. nicht selbst gesehenen Mitgliede, soll die eine
Hand die Form eines Fischschwanzes haben. Bei dem einzigen — männlichen —
Erkrankten der 4. Generation lag außer dem links gekrümmten Finger eine rechte
Spalthand und Hypospadie vor, während seine ebenfalls belastete Mutter neben
der Fingerdeformität eine fixierte Dorsalflexion des 4. rechten Metatarsophalangeal-
gelenkes aufwies. Einer der 3 erkrankten Brüder dieser Mutter zeigte Finger-
verkrümmung nur an der anderen Hand. Defekt der Ulna und der 3 ulnaren Finger.
Verf. ist geneigt als Ursache der gehäuften Mißbildungen ein Vitium primae for-
mationis anzunehmen. Interessant ist, daß die Deformität meist durch die weib-
lichen Mitglieder vererbt wurde und männliche Nachkommen betraf.
Vorderbrügge (Danzig).
900 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29.
30) Holding. Observations made in 300 cases of severe traumatisms.
(Albany med. annals 1908. Mai.)
H. beobachtete unter 300 aufeinander folgenden Fällen schweren Traumas
18 von traumatischer Neuritis des N. circumflexus humeri nach Schultergelenks-
schädigungen. Die hauptsächlichen Symptome sind: Schmerzen in der Schulter-
gegend, behinderte Abduktion des Armes, Muskelatrophie des M. deltoideus, Infra-
spinatus, Teres minor und manchmal auch des Supraspinatus, atrophische Ostitis
im gleichen Bereiche mit ausgesprochener Druckempfindlichkeit des Knochens und
behinderter Beweglichkeit des Schultergelenkes, und trophische Hautstörungen.
Deutliche Entartungsreaktion fehlte in H.'s Fällen; im Röntgenbilde war die
Knochenatrophie deutlich. Mohr (Bielefeld).
31) Weber (Dortmund). Über subkutane totale Zerreißung des Plexus
brachialis ohne Verletzung der Knochen.
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 21.)
Die schwere Verletzung wurde von W. 7 Wochen nach dem Automobilunfall
entdeckt, als dessen Folge von dem behandelnden Arzt neben einer Commotio
cerebri nur ein Bruch im linken Ellbogengelenk und am linken Radius nachge-
wiesen worden war, obwohl 8 Tage nach der Verletzung heftige Schmerzen auf-
getreten waren und sich auch das Gefühl erloschen gezeigt hatte. Es be-
stand vollständige atrophische Lähmung des linken Armes und der Schultergegend
und hinter dem Schlüsselbein eine abnorm druckemkfindliche Resistenz, in der bei der
von Vogel ausgeführten Operation die in Narbenmasse eingebetteten zerrissenen
Nervenbündel des Plexus brachialis gefunden wurden. Resektion derselben und
Nervennaht. 10 Monate später zeigte sich die Sensibilitätsstörung erheblich ver-
mindert, der Biceps schwach innervierbar. Kramer (Glogau).
32) Basy. Troubles trophiques et moteurs survenant trois mois après
une suture nerveuse et guéris par l'électricité statique.
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris. Bd. XXXIII. p. 589.)
Es handelte sich um eine ganz plötzlich wieder auftretende Lähmung des
Medianus nach Naht mit vollem Erfolg. An der Nahtstelle fühlte man eine kleine, sehr
schmerzhafte Geschwulst (Neurom?), die nach drei Sitzungen bei Anwendung des
elektrischen Stromes verschwunden war, zugleich mit den Lähmungserscheinungen
Kaehler (Duisburg-M.).
33) P. Zander. Ein Fall von kongenitaler Luxation des Humerus.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.)
Den wenigen einwandsfreien Fällen der Literatur fügt Verf. einen Fall hinzu,
bei dem die stereoskopische Röntgenuntersuchung Aufschluß über die Verhältnisse
bei der Deformität gab, und der noch dadurch interessant ist, daß gleichzeitig
Schulterblatthochstand auf derselben Seite besteht. Verf. nimmt an, daß es sich
um eine Hemmungsbildung handelt. Die Deformität wurde bei einem 13 Jahre alten
Mädchen beobachet. Die Funktion des Armes war eine verhältnismäßig gute.
d. Riedinger (Würzburg).
34) A. Alsberg. Isolierte Fraktur des Erbsenbeines.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.)
Die Verletzung entstand bei einem Manne, welcher in die Speichen eines
Rades eingegriffen hatte, um das Rad herum zu drehen. Das Röntgenbild ergab
einen durch das Erbsenbein verlaufenden Bruchspalt mit unwesentlicher Ver-
schiebung der Bruchstücke. Die Verletzung war entstanden während die Hand
aus starker Pronation und Radialflexion in Supination, Volar- und Ulnarflexion
überging, und zwar wahrscheinlich durch Kontraktion des M. flexor carpi ulnaris.
Einen zweiten Fall fand Verf. in der Literatur nicht.
J. Biedinger (Würzburg).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 901
35) G. Hohmann. Zur Ätiologie und Pathologie von Klumphand und
Klumpfuß.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XIX. Hft. 3 und 4.)
Verf. berichtet ausführlich über drei aus dem Krankenmaterial von Prof.
Lange in München stammende Fälle von doppelseitiger Klumphand mit doppel-
seitigem Klumpfuß und sonstigen Gelenkkontrakturen. Ein vierter Fall wird nur
kurz erwähnt. Im Nachtrag werden zwei weitere Fälle angeführt. Die Ent-
stehung der Deformitäten wird auf Raumbeschränkung im Uterus zurückgeführt.
Für diese Auffassung ergeben sich aus den Krankengeschichten verschiedene An-
haltspunkte (Fruchtwassermangel, Steißgeburt, gleichzeitiges Vorkommen analoger
Deformierungsprozesse, zwanglose Rekonstruierung der intra-uterinen Haltung,
sonstige pathologische Veränderungen). Der Arbeit sind auch einige Bemerkungen
über die Therapie beigefügt, außerdem 19 Abbildungen.
J. Riedinger (Würzburg).
36) A. Hiller. Über den »schnellenden Finger«.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.)
Verf. gibt eine genauere Beschreibung des Krankheitsbildes auf Grund der
bisherigen Erfahrungen und einer eigenen Beobachtung. Letztere betrifft eine
14 Jahre alte Pat. mit schnellenden Daumen. An der Sehne des Flexor profundus
wurde beiderseits eine erbsengroße Verdickung gefunden. Die operative Freilegung
des Knotens rechts ergab spindelförmige Auftreibung sowohl der Sehne als der
Sehnenscheide Nach Resektion der Sehne im Bereich des Knotens wurde das
Leiden geheilt. Der histologische Befund an der exstirpierten Sehnenscheide ergab
Knorpel-Sehnen- und Muskelgewebe, außerdem fibröses und Granulationsgewebe.
d. Riedinger (Würzburg).
37) Thrap-Meyer. Et tilfaelde af resectio symphysis sacro-iliaca.
(Norsk Mag. for Laegevid. 1%8. Nr. 4 und 5.)
Bei einem 19jährigen Manne, der in New York eine Lungenentzündung durch-
machte, entstand am Ende der zweiten Krankheitswoche Druckbrand über dem
Kreuzbein, später außerdem über der linken Schulterblattgräte und über beiden
Darmbeinkämmen. Das Kreuzbeingeschwür wurde mehrfach operiert. Trotz un-
aufhörlicher Durchfälle erfreute Pat. sich eines guten Appetites.
In mehreren Sitzungen, die der elende Zustand des Kranken und eine schwere
Nachblutung erforderlich machten, wurde zunächst ein 6 cm breites Stück des
Os sacrum oberhalb des For. ischiadicum maj. abgemeißelt und in den Nachope-
rationen die Resectio der Symphysis sacro-ilaca vervollständigt. Mit Beseitigung
der Abszeßhöhle schloß sich die Fistel allmählich. Pat. ist so weit wiederherge-
stellt und gut auf den Beinen, daß er daran denkt, wieder zu arbeiten.
Bevenstorf (Hamburg).
38) Nyrop Ejnar. Eine Prothese bei Exartikulationen im Hüftgelenke.
(Zeitschrift für die orthopäd. Chirurgie Bd. XIX. Heft 3 u. 4.)
Verf. beschreibt eine Prothese aus Holz für das Hüftgelenk, konstruiert nach
dem Prinzip des Ernst Nyrop’schen künstlichen Kniegelenkes. Dieses Prinzip
beruht darauf, daß das Gewicht des Körpers nicht auf dem Holzzapfen des Ge-
lenkes ruht, was sich in der Weise erreichen läßt, daß die Holzzapfen etwas kleiner
sind als das Zapfenloch. Das Körpergewicht wird direkt auf den Gelenkkopf der
Hülse übertragen. Das Hüftgelenk sitzt an natürlicher Stelle, was das Sitzen nicht
behindert und dem Pat. erlaubt, sich mit großer Leichtigkeit zu bewegen.
J. Biedinger (Würzburg).
39) Becher. Uber kompensatorische Hüftgelenksverrenkung.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.)
Infolge hochgradiger Kontraktur des rechten Hüftgelenkes nach Koxitis war
8 bei einem 49 Jahre alten Mann allmählich zu Spreizstellung der Beine und im
902 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29.
weiteren Verlauf zu einer Verrenkung des linken Oberschenkels nach hinten ge-
kommen. Verf. nahm rechts die schiefe subtrochantere Osteotomie vor. Links
wurde durch Extension die Verrenkung eingerichtet. Nach der a
der Beine verwechselte Pat. längere Zeit links und rechts. Ein noch besseres Re-
sultat erzielte Verf. bei einem 9jährigen Mädchen mit den gleichen Veränderungen.
J. Biedinger (Würzburg).
o
40) R. Ehebold. Unsere Erfahrungen mit der angeborenen Hüftge-
lenksverrenkung.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.)
Verf. berichtet über die Erfahrungen, die er mit Gocht zusammen bei der
Untersuchung und Behandlung von 152 Fällen von angeborener Hüftgelenksver-
renkung in einem Zeitraume von 5 Jahren gemacht hat. Im ganzen wurden 102
Fälle eingerenkt, 7 davon blutig. Bei einseitiger Verrenkung wurden 77%, bei
doppelseitiger Verrenkung 61% Heilungen erzielt. Die Kinder standen in einem
Alter von 10 Monaten bis zu 12 Jahren. Extensionsbehandlung vor der Einren-
kung wird nicht mehr angewandt. In schweren Fällen werden zwischen den ein-
zelnen Repositionsakten manuelle Traktionen vorgenommen.
Im einzelnen teilt Verf. auf Grund seiner Erfahrungen seine Ansichten mit
über Atiologie, pathologische Anatomie, Anamnese, Heredität, Symptome Dia-
gnose, Komplikationen, Behandlung, Retention, blutige Reposition und Resultate.
Von Interesse ist besonders die Schilderung der Technik der Reposition, die sich
an die Technik der Lorenz'schen Methode anlehnt. Bei voller Wahrung des
Lorenz’schen Prinzips wird auf einige Abweichungen aufmerksam gemacht. In
der Reihe der Arbeiten, welche nach längerer Zeit Rechenschaft ablegen, wie sich
die Lorenz’sche Methode ausgestaltet und was sie geleistet hat, verdient auch
die vorliegende als beachtenswerter a hervorgehoben zu werden.
J. Riedinger (Würzburg).
41) P. Bade. Mitteilungen aus dem Gebiete der angeborenen Hüft-
verrenkung.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.)
1) Doppelseitige Hüftverrenkung, 2 Tage nach der Geburt eingerenkt, kom-
biniert mit doppelseitigen Knieverrenkungen und Hakenfüßen. Reposition aller
Verrenkungen. Nachbehandlung mittels Schienen. Anscheinend Heilung bei der
Entlassung nach einigen Wochen.
2) Doppelseitige Hüftverrenkung, kompliziert durch doppelseitige Klumpfüße
bei einem 4 Jahre alten Mädchen. Heilung.
3) Angeborene oder paralytische Hüftverrenkung mit der Fähigkeit des Selbst-
reponierens. Die Deformität wurde bei einem 7 Jahre alten Mädchen am linken
Bein, wo auch Klumpfuß vorhanden war, beobachtet. Der paralytische Klumpfuß
wurde durch Redressement und Sehnennaht, die Verrenkung durch Fixation in
reponierter Stellung während der Dauer von 6 Monaten geheilt.
J. Riedinger (Würzburg).
42) C. Deutschländer. Die blutige Reposition der angeborenen Hüft-
verrenkungen.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.)
Verf. berechnet, daß im Durchschnitt etwa 60—80% der angeborenen Hüft-
verrenkungen durch die unblutige Reposition anatomisch geheilt werden können.
Es bleiben deshalb stets Fälle für die blutige Operation übrig, für die Verf. ein
Wort einlegen will. Mit einer besseren Entwicklung der Technik und einer
besseren Kenntnis der anatomischen Verhältnisse müssen auch die Resultate besser
werden. Verf. schildert die Schwierigkeiten der Operation und die Mittel zu ihrer
Beseitigung. Er operiert von dem von Hoffa angegebenen Schnitt aus. Seine
Erfahrungen erstrecken sich auf zehn Operationen, denen unblutige Behandlung
vorausgegangen war. Die Krankengeschichten werden ausführlich mitgeteilt.
Meist war das Mißlingen der unblutigen Behandlung auf mangelhafte Entfaltung
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 903
des Kapselschlauches und auf Verwachsungen zurückzuführen. Von den operierten
sieben Kindern im Alter von 3—12 Jahren starb eines. Von zehn operierten Ge-
lenken zeigten später sechs gute (nicht völlige) Beweglichkeit und gute Funktion,
geringe Verkürzung nur ein Fall. Vier Gelenke wurden ankylotisch.
í J. Biedinger (Würzburg).
43) P. Guradze. Erfolge der Oberschenkelosteotomie.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.)
Verf. berichtet ausführlich über sieben Krankengeschichten, die zeigen, daß
auch bei schweren Verkrümmungen der unteren Extremitäten gute Erfolge durch
Osteotomie erzielt werden können. 2 Fälle betrafen rachitische Coxa vara, 1 Fall
Ankylose und Kontraktur des Hüftgelenkes, 1 Fall veraltete Hüftverrenkung, 1 Fall
starke rachitischo Verkrümmung eines Oberschenkels, 1 Fall hochgradige Genua
valga und 1 Fall Genu varum. In den meisten Fällen ist der Verf. mit der
lineären Osteotomie ausgekommen bei möglichst extraartikulärer Operation. Zur
Nachbehandlung dient der von Gocht angegebene Zuggipsverband.
J. Riedinger (Würzburg).
44) Höring. Über Tendinitis ossificans traumatica. (Aus der chirurgi-
schen Abteilung des Katharinenhospitals in Stuttgart. Prof. Steinthal.)
(Münchener med. Wochenschrift 1907. Nr. 13.)
Der 56jährige Pat. hatte einen heftigen Stoß gegen die linke, einen schwä-
cheren gegen die rechte Achillessehne durch eine Schreibtischkante erlitten, wo-
durch sich eine Tendinitis entwickelte, die das Gehen immer schmerzhafter machte.
Die Röntgenaufnahme ergab in der verdickten Sehne linkerseits eingelagerte
Knochensubstanz in der Form eines Kleinfingers, rechterseits zwei Verknöcherungs-
herde von Bohnen- bzw. Erbsengröße, in anderen Sehnen dagegen nichts derartiges,
so daß das Trauma als Ursache der Ossifikation anzusehen war. Operative Ent-
fernung des linksseitigen, aus wirklichen Knochen gebildeten Herdes. Pat. wurde
durch die Operation geheilt und arbeitsfähig. Die Ossifikation in der rechten
Achillessehne bereitet ihm bisher keine Beschwerden und ist nicht weiter fortge-
schritten. Kramer (Glogau).
45) Troemner und Preiser. Frühfrakturen als Tabesinitialsymptom.
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie. Bd. XVIII. Hft. 5.)
Durch unbedeutendes Ausrutschen mit dem Fuß zog sich ein 39jähriger Mann
einen schweren Zertrümmerungsbruch des Talus, Naviculare, einiger Keilbeine und
Metatarsen zu; er ging mit dem Fuße noch 5 Wochen lang herum; später traten
Knochenbildungen im Bindegewebe des Unterschenkels auf, und erst 1 Jahr nach
dieser Fraktur zeigten sich echte tabische Symptome, und zwar so, daß sie am
verletzten Bein stärker ausgeprägt waren als am gesunden. Es gehörte also dieser
Fall zu jenen, in denen lange Zeit vor Manifestwerden einer Tabes eine abnorme
Knochenbrüchigkeit sich bemerkbar macht, und mahnt daran, bei allen Frakturen
aus unzureichender Ursache im mittleren Lebensalter bei auffallender Schmerz-
unempfindlichkeit an die Möglichkeit tabischer Genese zu denken.
Haeckel (Stettin).
46) P. Haglund (Stockholm). Zur Frage des Os tibiale externum.
Erwiderung an Dr. A. Lilienfeld anläBlich seines Aufsatzes »Über
die sog. Tarsalia usw.«
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XIX. Hft. 3 und 4.)
47) A. Lilienfeld (Leipzig). Antwort auf die »Erwiderung« des Herrn
Haglund.
(Ibid.)
Polemik über die Frage: Fraktur oder akzessorisches Skelettstück? (Siehe
Zentralblatt f. Chir. 1907 p. 327 und p. 1245.) d. Riedinger (Würzburg).
904 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29.
48) K. Gaugele. Die ursächlichen Beziehungen des Os tibiale und
der Frakturen des Os naviculare zum Pes valgus.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XIX. Hft. 3 u. 4.)
Verf. berichtet über zwei Pat. im Alter von 12 Jahren, die mit Knickfuß be-
haftet waren und an der Spitze des Os naviculare Schmerzen empfanden. Röntgen-
strahlen klärten die Fälle auf. Es handelte sich um akzessorische Knochen. In
bezug auf die Erklärung schließt sich Verf. den Ausführungen Lilienfeld’s an,
der die Annahme einer Fraktur zurückweist. Die Schmerzen führt Verf. auf eine
Periostitis infolge von Insulten von außen her zurück. Verf. berichtet ferner über
die Differentialdiagnose zwischen dem Befund bei Os tibiale einerseits, Trauma
und Plattfuß andererseits. d. Biedinger (Würzburg).
49) K. Nieny. Studien über das Schuhwerk der Plattfüßigen.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.)
Verf. legt das Hauptgewicht auf gutes Schuhwerk und schildert eingehend,
wie ein solches beschaffen sein muß. Ferner bespricht er die Vor- und Nachteile
der üblichen Einlagen. Es ist verfehlt, auf eine bestimmte Art Stiefel oder Ein-
lagen zu schwören, da die Füße und die Beschwerden sehr mannigfaltig sind.
Verf. gibt schließlich einige Anleitungen, wie man die eine oder die andere Art
verordnen soll. J. Biedinger (Würzburg).
50) H. Ebbinghaus. Der Bruch des Stieda’schen Fortsatzes des
Sprungbeines.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.)
Verf. beobachtete die Verletzung bei einem Manne von 35 und einem von
21 Jahren und erläutert Symptomatologie, Mechanismus, Therapie und Prognose
der Fraktur. Er faßt folgendermaßen kurz zusammen: Gerade so wie bei forcierter
Pronation, Supination und Dorsalflexion des Fußes typische Brüche an den
Malleolen und dem Talushalse entstehen können, so kann auch bei Forcierung der
Streckung ein typischer Bruch entstehen, und zwar betrifft dieser den hinteren
sogenannten Stieda’schen Fortsatz des Talus. Obwohl diese Fraktur aus den
klinischen Symptomen allein genügend sicher disgnostiert werden kann, so ist
das souveräne Diagnostikum die Röntgenographie.
d. Riedinger (Würzburg).
51) H. Lehr. Uber die plantare Exostose des Fersenbeines.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XIX. Hft. 3 u. 4.)
Verf. sammelte die Literatur über die zuerst von Plettner beschriebene
plantare Exostose des Fersenbeines und berichtet zusammenfassend über zahlreiche
Beobachtungen in der Schanz’schen Heilanstalt in Dresden. Trauma als direkte
Ursache der Erscheinung schließt Verf. aus; er verweist das Krankbeitsbild in den
breiten Rahmen der Plattfußbeschwerden. Uber die Entstehung ist Sicheres noch
nicht bekannt. Verf. bespricht weiter die wichtigsten Punkte der Diagnose und
der Therapie. Bei der Operation muß die Fascia plantaris möglichst geschont
werden. J. Biedinger (Würzburg).
Vom 17. bis 24. August finden in Berck orthopädische Kurse
für französische und ausländische Ärzte statt. Redaktion.
Berichtigung: Nr. 25 p. 764, Zeile 5 v. oben lies 2,4 statt 24. Nr. 26 p. 799,
Zeile 3 u. 4 v. oben lies Osteome statt Sarkome.
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden.
Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau.
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig.
Zentralblatt für Chirurgie
herausgegeben von
K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER,
in Bonn, in Berlin, in Breslau.
35. Jahrgang.
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG.
Nr. 30. Sonnabend, den 25. Juli 1908.
Inhalt.
I. H. Kolaczek, Über Antifermentbehandlung eitriger Prozesse ohne Inzision. — ILL. Renner,
Zur Behandlung von Verbrennungen. (Originalmitteilungen.)
1) Jäger, Frühzeitige Chirurgie. — 2) Kutner, Grenzgebiete in der Medizin. — 8) Klemen-
siewiez, Entzündung. — 4) Blumenthal und Hamm, Koli- und Parakoliinfektionen. — 5) Jeru-
salem, Nachbehandlung Laparotomierter. — 6) Jeanbran und Anglada, 7) Klemm, 8) Linde-
mann, 9) Mohr, 10) Lilienthal, Appendicitis. — 11) Aderholdt und Silberstein, Hernien als
Unfallfolgen. — 12) Hausmann, Tastung des Magens. — 13) Riehl, 14) Loening u. Stieda, Gastro-
skopie. — 15) Simin, 16) Moynihan, Gastroenterostomie. — 17) Bogoljuboff, Darmunterbindung.
— 18) Shiels, Kolik. — 19) Mauclaire und Jacoulet, Darminfarkt. — 20) Pennington, Erkran-
kungen der Flexura sigmoidea. — 21) Schreiber, Rekto-Romanoskopie. — 22) Berg, Mastdarm-
krebs. — 28) Ladenburger, Talma’sche Operation. — 24) Mayo, Pankrestitis,
C. Goebel, Zur Antifermentbehandlung nach Ed. Müller. (Originalmitteilung.)
25) Schulz, Zur Operation der Fettleibigkeit. — 26) Fuld, Desinfektion von Magenschläuchen.
— 27) Neuhaus, Fremdkörper in Speiseröhre und Magen. — 28) Littig, 29) Braun, Magen-Darm-
verletzungen. — 30) Heppe, 31) Bauer, 82) Massoulard, Appendicitis. — 88) Grossmann,
84) Corner, 85) Krumm, 36) Esehenbach, Herniologisches. — 87) Clairmont, Magengeschwür.
— 88) Paglieri, Luetische Magengeschwulst. — 39) Tuffier, Gastroenterostomie. — 40) Bull u. Bery,
Volvulus des ganzen Dünndarmes. — 41) Petermann, Dickdarmkrebs. — 42) Lookhart Mummery,
48) Spence, Erkrankungen der Flexura sigmoidea. — 44) Potherat, Mastdarmgeschwulst. —
45) Mayo Robson, Bauchgeschwülste. — 46) Depage, 47) Bircher, Zur Milzchirurgie. — 48) Brunzl,
Lebertuberkulose. — 49) Lieblein, Talma-Drummond’sche Operation. — 50) Dreesmann,
51) Arnsperger, 52) Fink, 53) Schemmel, 54) Volmer, Zur Chirurgie der Gallenwege. — 55) Wat-
son, 56) Strauss, 57) Rindfleisch, 58) Hall, Pankreasleiden.
I.
Aus derTübinger chirurg.Klinik. Direktor: StaatsratProf.v.Bruns,
Über Antifermentbehandlung eitriger Prozesse
ohne Inzision.
Von
Dr. Hans Kolaczek,
Assistent der Klinik.
n Nr. 26 dieser Zeitschrift hat A. Peiser über die Antiferment-
behandlung eitriger Prozesse ohne Inzision berichtet. Schon vor
11/, Jahren haben Eduard Müller und ich gemeinsam die theoretischen
Grundlagen dieser neuen Behandlungsmethode festgestellt und als haupt-
sächliches Gebiet für ihre Anwendung eitrige abszedierende Prozesse
im Gegensatz zu mehr phlegmonösen betrachtet. Einschlägige Experi-
mente an Hunden wurden damals aus äußeren Gründen (meinen Fort-
gang von Breslau) nicht fortgesetzt und eine diesbezügliche Publikation
aufgeschoben.
30
906 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30.
Auf dem diesjährigen Chirurgenkongreß haben dann E. Müller
und A. Peiser über die ersten therapeutischen Versuche mit Anti-
ferment am Menschen berichtet, E. Müller über die von ihm und
mir festgesetzten theoretisch-experimentellen Grundlagen, A. Peiser
über die ersten praktischen Versuche in der Klinik. Nach dieser
Darstellung wurden die Abszesse inzidiert, der Eiter ausgedrückt und
ausgetupft, Antifermentserum in die Abszeßhöhle gebracht, ein Drain-
rohr eingeführt und ein trockener aseptischer Verband darüber angelegt.
In den vorausgegangenen theoretischen Erwägungen haben E.
Müller und ich die Antifermentbehandlung heißer Eiterungen in
bewußten Gegensatz zu der Jodoformbehandlung kalter Abszesse ge-
bracht. Bei dieser beruht, wie zuerst von Heile festgestellt, die Jodo-
formwirkung auf der massenhaften Heranziehung von polynukleären
Leukocyten, also proteolytischen Fermentträgern, die die unlöslichen
Eiweißkörper des Abszeßinhaltes verdauen und der Resorption zu-
gänglich machen. Bei heißen Abszessen dagegen stehen alsbald im
Vordergrunde die Eiterkörperchen, das sind durch ihr Absterben schon
intravital fermentativ höchst wirksame Leukocyten. Diese besorgen
die rapide eitrige Gewebseinschmelzung sowie das »Eiterfieber«, beides
Prozesse, denen bisher nach dem alten Grundsatz » Ubi pus, ibi evacua«
nur durch Inzision, Ablassen des Eiters und Drainage gesteuert
werden konnte.
Ist nun tatsächlich bei der Antifermentbehandlung heißer Ab-
szesse das Antiferment das Wirksame, so konnte das mit der Sicher-
heit des Experimentes nur bewiesen werden, wenn man die übliche
chirurgische Behandlung, Inzision und Drainage, fortließ und sich nur
der Punktion und Antifermentserum-Injektion bediente. Demge-
mäß haben auch E. Müller und ich bei unseren ersten derartigen
Tierversuchen nur die Punktion und Injektion angewandt. Auch in
zahlreichen Hundeversuchen, mit denen ich seit 3 Monaten beschäftigt
bin, habe ich das Experiment auschließlich in dieser »reinen« Form
angestellt. Mit5% iger Argentum-nitricum-Lösung, mit Terpentinöl und
einer 4%igen Aleuronataufschwemmung habe ich »aseptische«, mit
Kokkeneiter und 24stündigen Staphylokokkus-Bouillonkulturen »sep-
tische« Eiterungen hervorgerufen, teilweise auch beide Mittel kombiniert.
Sowohl große subkutane Abszesse als auch Gelenkeiterungen wurden
so durch Injektionen hervorgerufen, meist an zwei symmetrischen Stellen
desselben Tieres. Durch Punktion und Injektionen von Antiferment-
serum gelang es mir, auf der so behandelten Seite den Abszeß früher
zum Abheilen zu bringen als auf der anderen Seite, die unbehandelt
blieb oder mit Inzision oder nur mit Punktion (ohne nachfolgende In-
jektion) behandelt wurde. Auch ausgedehnte Hautgangrän, zu der
besonders Silbernitrateiterungen leicht führen, wurde auf der behandelten
Seite vermieden. Trotz dieser günstigen Eindrücke, die ich so von
der Antifermentbehandlung gewann, wird meines Erachtens im Ver-
such am Hunde (außer dem Affen das einzige Tier, das für derartige
Antifermentversuche in Frage kommt) die Frage über die Wirksam-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 907
keit der Antifermentbehandlung von Eiterungen nicht entschieden
werden können, und zwar aus folgenden Gründen: 1) wegen der ge-
ringen Disposition der Hunde für Infektionen und eitrige Prozesse,
2) wegen der enormen »Heilhaut« der Hunde, durch die auch ge-
waltige Abszesse, die die halbe Zirkumferenz des Thorax einnehmen,
binnen kurzer Zeit spontan zur Ausheilung kommen, 3) wegen der
sehr viel geringeren proteolytischen Kraft des Hundeeiters im Vergleich
zum menschlichen, die wohl zum Teil auf einer stärkeren Beteiligung
des Serums gegenüber den zelligen Elementen, vor allem aber auf
einem sehr viel geringeren Gehalt des einzelnen Leukocyten an pro-
teolytischem Ferment beruht.
Das entscheidende Wort über die Wirksamkeit der Antiferment-
behandlung in »reiner« Form, durch Punktion und Injektion von
heißen Abszessen, wird also erst der Versuch am Menschen sprechen,
zu dem ich leider bisher noch nicht genügend Gelegenheit hatte. Die
ersten diesbezüglichen Mitteilungen von A. Peiser scheinen indes
den gehegten Erwartungen ganz zu entsprechen.
II.
Aus dem Werksspital der Österr. Alpinen Montangesellschaft
in Donavitz bei Leoben.
Zur Behandlung von Verbrennungen.
Von
Dr. Leopold Renner, Chefarzt.
[e möchte im folgenden ein Pulver zur Behandlung von Verbren-
nungen zur Prüfung empfehlen, das sich mir im Laufe einiger Jahre
bei vielen Hunderten von Verbrennungen sehr gut bewährt hat. Das
Pulver besteht aus 1 Teile Bismuthum subnitr. auf 2 Teile Kaolin.
pulv. Mit diesem Pulver verbinde ich jede noch halbwegs frische
Verbrennung ohne Unterschied des Grades der Verbrennung.
Die Wunden werden zuerst gründlich gereinigt, dann wird haufen-
weise das Wismutpulver aufgestreut, darüber legt man in einfacher
Lage sterile hydrophile Gaze; den Schluß bildet sterile Zellstoffwatte
in dicker Lage. Das Ganze wird mit einer Binde fixiert. Der Ver-
band muß täglich erneuert werden, insolange lebhafte Sekretion be-
steht, wobei lokale, bei ausgedehnten Verbrennungen Vollbäder ver-
abreicht werden. Die Hauptwirkung des Pulvers ist die vorzügliche
Eintrocknung bei fast vollständig zu vermeidender Infektion.
Infolge der starken Eintrocknung wird bei oberflächlichen Ver-
brennungen die Blasenbildung beschränkt (bereits entstandene Blasen
werden abgetragen), bei tiefen Brandwunden kommt es zum trockenen
schwarzen Brandschorf. Die Abstoßung dieser trockenen Brandschorfe
wird, wie schon erwähnt, durch eingeschaltete Bäder beschleunigt.
30*
908 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30.
Die Pat. haben weniger Schmerzen, geringeres Fieber, leiden nicht so
sehr durch die Sekretion.
Bei Brandwunden 1. und 2. Grades ist oft schon nach 1—2 Ver-
bänden die Wunde mit einer dicken, festen Kruste bedeckt, die eine
vorzügliche Decke gibt für die Epidermisierung. Beginnt sich die
Kruste abzustoßen, oder vermutet man unter ihr die bereits vollzogene
Heilung, so genügt ein Verband mit Borlanolin, durch 24 Stunden
appliziert, um die Kruste zu entfernen.
Ich glaube auch bei dieser Art Behandlung seltener keloidartige
Narben gesehen zu haben.
Bei sehr ausgedehnten Verbrennungen kommt, wenn auch recht
selten, einmal ein Pat. vor, der das Pulver auf die Dauer nicht ver-
trägt. In solchen Fällen tritt ziemliche Unruhe auf bei gleichzeitigem
Auftreten eines urticariaähnlichen Ausschlages, verbunden mit Jucken.
In solchen Fällen habe ich das Pulver weggelassen, ein Bad gegeben
und die Wunden nur mit hydrophiler Gaze und Zellstoff verbunden,
worauf sofort Besserung eintritt; und am folgenden Tage ist die Sache
behoben.
Gegenüber den Wismutbinden nach v. Bardeleben hat das
Wismut-Kaolinpulver die Vorteile der größeren Billigkeit, leichteren
Verbandwechsels, größerer Desinfektionskraft, stärkerer Sekretvermin-
derung.
1) K. Jäger. Beiträge zur frühzeitlichen Chirurgie.
Wiesbaden, C. W. Kreidel, 1907.
Dem Werke ist ein Atlas mit zahlreichen photographischen und
röntgenographischen Aufnahmen beigegeben, die an Güte wirklich
nichts zu wünschen übrig lassen.
Verf. hat die Objekte zu seinen Studien dem prähistorischen und
mittelalterlichen Knochenmaterial der anthropologisch-prähistorischen
Sammlung des bayerischen Staates zu München entnommen; das früh-
mittelalterliche Material stammt aus den Össuarien zu Chammünster,
Greding und Aidenbach. Anhangsweise wird das altperuanische
Schädelmaterial der Münchener Sammlung behandelt. Die einzelnen
Präparate sind zum Teil sehr genau beschrieben; diese Bemerkungen
zusammen mit den vorzüglichen Abbildungen geben uns ziemlich be-
stimmte Hinweise auf das chirurgische Können in jenen fernen Zeiten.
Eine ganze Reihe schwerer Schädelbrüche mit großen Zer-
trümmerungen, aber mit allen Zeichen weit vorgeschrittener Heilungs-
prozesse beweisen uns, daß man zu jener Zeit, als man noch nicht
der überaus aktiven Therapie des indikationslosen Trepanierens
huldigte, sehr schöne Erfolge erzielte. Zahlreiche tadellos geheilte
Extremitätenbrüche können wohl nur mit Kunsthilfe zu so gutem
Resultat gelangt sein. An vielen Knochen sind noch heute die Ver-
änderungen, welche Rachitis, Osteomyelitis, Arthritis deformans, Tuber-
kulose an ihnen hervorbrachten, deutlich zu diagnostizieren. Syphilitische
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 909
Prozesse finden sich nur an Knochen von Fundstellen, wo Vermischung
mit Skeletten späterer Zeit sicher vorgekommen ist. Charakteristische
Bilder ergeben die Knochen, die von Schußverletzungen betroffen
wurden, in denen noch die bronzenen Pfeilspitzen usw. stecken, von
denen dann eine traumatische Osteomyelitis mit Nekrosen ihren Aus-
gang genommen hat.
Aus der Sammlung altperuanischer prähistorischer (präkolumbischer)
Schädel ist einer zu erwähnen, an dem eine trepanierende Operation
nach perforierender Schädelfraktur durch Hieb ausgeführt wurde. Alle
übrigen Schädel, elf an der Zahl, weisen die sicheren Zeichen frischer
und alter, teilweise sehr gut verheilter Lues auf.
Ein Literaturverzeichnis von 47 Nummern ist beigegeben.
Das Werk, dessen Preis nur 10 Mark beträgt, dürfte manchem
Freunde der Geschichte der Chirurgie sehr willkommen sein.
W. v. Brunn (Rostock).
2) Grenzgebiete in der Medizin. 14 Vorträge anläßlich der
Eröffnung des Kaiserin-Friedrich-Hauses für den ärztlichen
Fortbildungsverein. Redigiert von Prof. R. Kutner. 447 S.
Jena, &. Fischer, 1908.
Es war ein glücklicher Gedanke des Zentralkomitees für das ärzt-
liche Fortbildungswesen in Preußen, die anläßlich der Eröffnung des
Kaiserin-Friedrich-Hauses von hervorragenden Vertretern ihres Faches
gehaltenen Vorträge durch Herausgabe in Buchform einem weiteren
Kreise der Arzte zugängig zu machen. Im besonderen wird es der
Praktiker, dem die Zeit zu eingehenderen Literaturstudien meist fehlt,
angenehm empfinden, in kurzer, prägnanter Form über die Leistungen
sowohl der Medizin wie der Chirurgie auf dem nicht mehr kleinen
Felde der sogenannten Grenzgebiete und die daraus sich ergebende
moderne Indikationsstellung orientiert zu werden. Für den Chirurgen
von Fach bieten die Vorträge über die Appendicitis und über den
Ileus usw., besonderes Interesse dadurch, daß sie die Anschauungen
zweier namhafter Interner wiedergeben, wenn er denselben auch nicht
immer zustimmen wird (z. B. der Opiumbehandlung bei Appendicitis!).
‘Von einer Besprechung der einzelnen Vorträge darf Abstand ge-
nommen werden, da sie für den Chirurgen wesentlich Neues nicht ent-
halten; die Themata sind folgende: 1) Medikamentöse und mechano-
hydrotherapeutische Behandlung von Respirations- und Zirkulations-
störungen von Prof. Bäumler. 2) Gehirn und Auge von Prof.
v. Michel. 3) Die Behandlung der septischen Infektion von Prof.
Lexer. 4) Die Verhütung der Infektionskrankheiten auf Grundlage
der neueren Erfahrungen von Geh.-Rat Gaffky. 5) Experimentelle
Karzinomstudien an Mäusen von Prof. Ehrlich. 6) Über den heutigen
Stand der Therapie der Nervenkrankheiten von Prof. Edinger. 7) Die
chirurgische und interne Behandlung der Appendicitis von Prof. Rumpf.
8) Der Ausbau der klinischen Untersuchungsmethoden von Prof.
910 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30.
Friedr. Müller. 9) Die wichtigsten Indikationen zu chirurgischen
Eingriffen bei Erkrankungen des Darmes von Prof. Curschmann.
10) Der Einfluß der bakteriologischen Forschungsergebnisse auf die
Anschauungen in der allgemeinen Pathologie von Prof. v. Baumgarten.
11) Die interne und chirurgische Behandlung der Gallensteinkrankheit
von Prof. Kehr. 12) Das Wesen und die Behandlung der Neuralgie
von Prof. Bardenheuer. 13) Übung. Gymnastik und Massage bei
der Behandlung von Knochen- und Gelenkerkrankungen von weil.
Prof. Hoffa. 14) Die mechanische Behandlung der Nervenkrankheiten
von Frenkel-Heiden. Boerner (Rastatt).
3) Klemensiewicz. Die Entzündung.
Jena, Gustav Fischer, 1908.
Die bisher in das Gebiet der pathologischen Physiologie und der
Morphologie gestellte Lehre von der Entzündung aus neuen, chemisch-
physikalischen und biologisch-experimentellen Gesichtspunkten zu er-
klären, wenigstens so weit noch offene Fragen zu beantworten sind,
ist die Aufgabe des K.’schen Werkes. Die bisherigen Entzündungs-
theorien haben trotz aller Förderung und Erweiterung unserer Kennt-
nis nicht alle Fragen befriedigend zu lösen vermocht. Das Ergebnis
der morphologischen Forschung läßt sich dahin zusammenfassen, daß
die Entzündung durch ein Agens entsteht, das neben der direkten
Einwirkung auf die Gewebe zu einer wesentlichen Schädigung der
Gefäßwände führt. Es kommt dadurch zum Austritt flüssiger und
geformter Bestandteile aus den Gefäßen in deren Umgebung und
gleichzeitig zu einer Reaktion des noch lebensfähigen Gewebes im
Entzündungsherde. Diese Gewebsreaktion äußert sich teils in bio-
logischen, progressiven, teils in nekrobiotischen Erscheinungen. Im
Hinblick auf die allgemeinen Erscheinungen und die Ursachen ist die
Entzündung nach dem heutigen Stand unserer Kenntnis als eine
körperfremden Substanzen gegenüber auftretende biologische Reaktion
des tierischen Gewebes aufzufassen, zu deren Hervorbringung die
durch chemische Energien bewirkte Funktionsstörung der Blutgefäß-
wand die wesentlichste Ursache darstellt. Nach den Untersuchungen
des Verf.s kommen für Emigration: und Diapedese körperlicher Ele-
mente nicht ausschließlich chemotaktische Einflüsse in Betracht; beide
Erscheinungen sind vielmehr die Folgen der im entzündlichen Blut-
strome herrschenden Gesetze der Verteilung der Blutbestandteile nach
ihrem spezifischen Gewichte. Quantitativ maßgebend für den Durch-
tritt flüssiger und fester Blutbestandteile ist die Differenz zwischen
Blut- und Gewebedruck. Die Hyperämie ist die Folge der durch
chemische Energien bedingten völligen Lähmung der kontraktilen Ele-
mente der Gefäßwand, keine Reizerscheinung. Zur Zeit des hyper-
ämischen Kreislaufes ist der Druck überall im entzündeten Gefäß-
gebiet über die Norm erhöht. Diese mit Druckerhöhung eiuhergehende
Hyperämie führt bei gleichzeitig erhöhter Permeabilität der Gefäßwand
zu vermehrter Transsudation, die ihrerseits zur Ursache des erhöhten
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 911
Gewebedruckes wird. Infolge des vermehrten extravaskulären Druckes
tritt eine Stauung im Venengebiet ein, die schließlich in Stase über-
geht. Die entzündliche Rötung ist als eine kongestive, also aktive
Hyperämie aufzufassen, niemals, wenigstens nicht im Anfange des
Prozesses, als eine passive, durch Stauung bedingte venöse Hyper-
ämie. Von den älteren Theorien über die Bildung der Lymphe und
des Transsudates genügt die Filtrationstheorie vollkommen, um die
meisten Erscheinungen des entzündlichen Blutstromes und der Trans-
sudation in befriedigender Weise zu erklären; für schwache Entzün-
dungsgrade mag der osmotischen Theorie einige Bedeutung einzuräumen
sein, aber alle auf eine sekretorische Tätigkeit der Kapillarwand zu
beziehenden Hypothesen für die Transsudation sind abzulehnen. Die
Eiterung ist als eine physiologische Reaktion des Organismus aufzu-
fassen, die an gewisse Anderungen der normalen Bedingungen des
Blutstromes gebunden ist; wie erwähnt, werden diese Anderungen durch
Stoffe hervorgerufen, die die normale Funktion der Gefäßwand auf-
heben und ihre Durchlässigkeit erhöhen. Bei der entzündlichen Histo-
lyse schließlich entstehen aller Wahrscheinlichkeit nach gleichzeitig
Lysine, die für die Resorption toter Gewebselemente von Wichtig-
keit sind.
Aus der Fülle neuer Anschauungen und aus der Betrachtung
alter aus neuen Gesichtspunkten, die das Studium des Werkes un-
gemein lohnend machen, glaubte ich diese Sätze hervorheben zu sollen.
Die neue biologische und chemisch-physikalische Untersuchungsmethodik
hat an dem von Cohnheim geschaffenen modernen Entzündungs-
begriff nichts zu ändern vermocht; sie ist aber geeignet, eine Wand-
lung unserer Ansichten über Wesen und Bedeutung des vielseitigen
Symptomenkomplexes der Entzündung herbeizuführen. Man wird am
Ende des gedanken- und anregungsreichen Werkes dem Verf. bei-
pflichten, wenn er aus den Fortschritten der chemisch-physikalischen
und biologischen Methoden noch reiche Ernte für die Pathologie er-
hofft und prophezeit. W. Goebel (Köln).
4) Blumenthal und Hamm. Bakteriologisches und Klini-
sches über Koli- und Parakolininfektionen.
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie. Bd. XVII. Hft. 4.)
Verff. haben sehr eingehende biologische und kulturelle Studien
an Kolibakterien vom Menschen angestellt, die sie im ersten Teil der
Arbeit schildern; sie kommen zu dem Resultat, daß wir es mit einer
Fülle von Varietäten bei der Koligruppe zu tun haben, daß sich
einmal im Darm bei normalen Menschen neben Bakterien, die dem
klassischen Typus des Bacterium coli entsprechen, auch andere, teilweise
sich weit von ihnen entfernende Arten finden, daß andererseits in
pathologischen Prozessen neben Arten, die sich vom Bacterium coli deut-
lich unterscheiden, auch Bakterien gefunden werden, die sich durch
keine unserer zahlreichen kulturellen Methoden von ihm abgrenzen
lassen. Die Agglutination kann nur sehr selten zur Aufklärung der
912 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30.
Ätiologie der Kolibazillosen einen sicheren Anhaltspunkt geben und
leistet noch weniger für die Trennung der Kolistämme untereinander.
Im zweiten Teil der Arbeit befassen Verff. sich mit der patho-
logischen Bedeutung der Koligruppe für den Menschen an der Hand
von elf Beobachtungen bei Erkrankungen der Gallen- und Harnwege.
Sie konnten teils aus den Krankheitsprozessen, teils aus dem strö-
menden Blut, in einem Fall auch aus dem Schweiß und Sputum
Bakterien der Koligruppe züchten. Da es sich um Mikroorganismen
handelt, die die normalen Schleimhäute des Menschen bewohnen und
sich im geschädigten Gewebe leicht sekundär ansiedeln, so dürfen
als sicher im ätiologischen Zusammenhang mit der Erkrankung nur
diejenigen bezeichnet werden, deren Züchtung aus dem kreisenden
Blute gelang.
Betreffs des klinischen Verlaufes dieser Kolisepthämien sei als
charakteristisch hervorgehoben, daß sie sich durch intermittierendes
Fieber auszeichnen, bei dem tiefe, nicht selten sogar subnormale
Temperaturen abwechseln mit steilem Temperaturanstieg und heftigem
Schüttelfrost. — Der Leukocytenzählung scheint für den Unterschied
zwischen Kolibazillose und typhusähnlicher Erkrankung eine gewisse
Bedeutung zuzukommen, insofern nur bei ersterer die Leukocyten ver-
mehrt sind. — Von Interesse ist ein Fall, in dem sich der intra-
uterine Übergang der Kolibakterien von der Mutter auf das Kind nach-
weisen ließ. — Die häufige Entstehung von Pyelonephritis in der
Schwangerschaft ist wahrscheinlich in der Mehrzahl durch Aufsteigen
von der Blase, seltener als hämotogene Infektionen aufzufassen.
Haeckel (Stettin).
5) M. Jerusalem. Einiges über Nachbehandlung Laparo-
tomierter. (Aus der chirurg. Abt. des k. k. Krankenhauses
Wieden. Prof. Dr. Schnitzler.)
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 21.)
J. hat gegen die postoperativen Verwachsungsbeschwerden Laparo-
tomierter mit Erfolg die Bier’sche Saugglocke angewandt, die an-
fangs täglich, später jeden 2. oder 3. Tag 20—30 Minuten lang an
der Stelle der Narbe aufgesetzt wurde. Nach 6—22 Sitzungen schwand
die Schmerzhaftigkeit meist vollkommen, ebenso eine vorhandene Re-
sistenz, wurden derbe Narben weicher, Verstopfung wesentlich ge-
bessert. Auch postoperative Fisteln zeigten mehrfach Neigung zu
Heilung.
Ob die günstige Wirkung der Saugbehandlung außer durch Hyper-
ämie auch durch mechanischen Zug an Bauchdecken und Bauch-
inhalt (wie ihn J. bei Leichenversuchen nachweisen konnte) zu er-
klären ist, vermag Verf. nicht bestimmt zu sagen.
Kramer (Glogau).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 913
6) Jeanbran et Anglada (Montpellier). Rapports du trau-
matisme avec l’appendicite etc.
(Bull. et mem. de la soc. de chir. de Paris T. XXXIII. p. 326.)
Verff. kommen in ihrer Arbeit zu dem Resultat, daß ein Trauma
eine Appendicitis nicht veranlassen könne, daß immer eine versteckte
oder chronische Erkrankung des Wurmes durch das Trauma zum Auf-
flackern oder zur Verschlimmerung gebracht werde. In der sich an-
schließenden Diskussion (p. 344 ff.) schließt sich ein Teil der Redner
dieser Ansicht an, während andere davor warnen, a priori die Mög-
lichkeit eines direkt die Appendicitis veranlassenden Traumas abzu-
lehnen. Man solle ruhig zugeben, daß man bei dieser Frage zum großen
Teil noch sagen müsse: »Nous ne savons rien, ou à peu prös rien.«
Kaehler (Duisburg-M.).
T) P. Klemm. Die Bedeutung des Kotsteines für die Ent-
stehung und den Verlauf der akuten Appendicitis.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXV. Hft. 4.)
K. glaubt, daß bei dem Perforationsprozeß an einem kotstein-
haltigen und kotsteinlosen Wurmfortsatz anatomisch und pathogene-
tisch kein prinzipieller Unterschied besteht. In beiden Fällen entsteht
durch die akute Verschwellung der Schleimhaut, die Verf. schon in
seinen früheren Arbeiten als maßgebenden Faktor betont hat, eine
primäre akute Enge der Wurmfortsatzlichtung. Der Stein kann ja
möglicherweise den ersten Reiz abgeben, der zur Schwellung führt, da
aber sofort Sekretstauung eintritt, so ist es unmöglich, daß die harte
Wand des Konkrementes mechanisch die Schleimhaut zur Gangränes-
zierung bringt. Diese erfolgt durch die Einsperrung des Sekretes
hinter der verschwollenen Schleimhaut und die dadurch bedingte
UÜberdehnung der Wand des kleinen Organes. Bei der Anwesenheit
von Kotsteinen sind aber die Vorgänge, die sich an die Verschwellung
und die Sekretstauung anschließen, verhängnisvoller als bei steinlosem
Wurmfortsatz. Die Stufenleiter der Erscheinungen, die zur Gangrän
führt, wird schneller durchlaufen. E. Siegel (Frankfurt a. M.).
8) Lindemann. Die chronische Blinddarmentzündung.
(Zeitschrift für ärztliche Fortbildung 1908. Nr. 8.)
Während die Diagnose der akuten Appendicitis im allgemeinen
keine Schwierigkeiten macht, ist sie bei der chronischen Appendicitis
oft nicht leicht zu stellen. Die Verwechslung mit der Colica mucosa
liegt um so näher, als sie sich mit Appendicitis kombinieren kann.
Verf. beobachtete ferner einen Fall, in dem zwei steinharte Drüsen
im Gekröse des unteren Dünndarmabschnittes ohne nachweisbare Tu-
berkulose eine Appendicitis vortäuschten, und einen zweiten, bei dem
der Wurmfortsatz exstirpiert worden war, jedoch erst die Entfernung
der rechten, wenig veränderten, aber druckempfindlichen Adnexe Hei-
lung brachte.
307%
914 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30.
Bei der chronisch schleichenden, kaum gefahrbringenden Appen-
dicitis empfiehlt L., mit der Abtragung des Wurmes zurückhaltend
zu sein, zumal er den Eindruck hat, daß die Operation oft bessere
Erfolge zeitigt, wenn ihr eine rationelle innere Behandlung voran-
gegangen ist. Gutzeit (Neidenburg).
9) H. Mohr (Bielefeld). Diagnostische Schwierigkeiten und
Differentialdiagnose bei Appendicitis.
(Sammlung klin. Vorträge 479/480.)
M. bespricht sehr eingehend die diagnostischen und differential-
diagnostischen Schwierigkeiten bei der Appendicitis und die Ur-
sachen der häufigen Fehldiagnosen. Er weist im einzelnen nach,
warum kein einziges der sog. klassischen Symptome der Appendicitis,
für sich allein genommen, für Appendicitis kennzeichnend und ein-
deutig ist, nur eine genaue Beobachtung der im Einzelfall in Erschei-
nung tretenden Veränderungen die Diagnose ermöglicht. Ebenso
werden die verschiedenen Möglichkeiten, welche bei der Differential-
diagnose der Appendicitis im einzelnen in Betracht kommen, sorg-
fältig erwogen, wobei M. drei Hauptgruppen aufstellt: 1) Die Appen-
dicitis wird mit Erkrankung eines anderen Organes der Leibeshöhle
verwechselt oder umgekehrt. 2) Erkrankungen in den der Leibeshöhle
angrenzenden Organen und Geweben (Retroperitonealraum — Bauch-
decken) sowie Höhlen (Brustorgane) werden für Appendicitis gehalten,
seltener auch umgekehrt. 3) Das Krankheitsbild der Appendicitis
wird durch nervöse Erkrankungen vorgetäuscht (seltener umgekehrt) —
Pseudoappendicitis im engeren Sinne. Die Darstellung zeigt, wie
mannigfaltig die Art, wie groß die Zahl der differentialdiagnostisch
in Frage kommenden Erkrankungen ist, und wie schwierig die Dia-
gnose sein kann. Ihre sehr genaue Besprechung durch M. kann
daher nur als dankenswert bezeichnet werden. Kramer (Glogau).
10) Lilienthal. A point in the technic of appendicectomy.
(Amer. journ. of surg. 1908. April.)
Empfehlung, bei Beginn der Operation einen lang zu lassenden
Faden um die Basis des Mesenteriolum zu legen, damit man den
vorher hervorgeholten Blinddarm gleich versenkt, wodurch Chok usw.
vermieden werden kann. Der so an der Basis fixierte Wurm kann
dann leicht von Verwachsungen usw. isoliert und exstirpiert werden,
ohne daß die Därme unnötig entblößt oder durch Gaze abgedeckt
werden müssen. Goebel (Breslau).
11) C. Aderholdt und A. Silberstein. Hernien als Unfall-
folgen.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.)
20 ausführliche Mitteilungen aus den Akten von Berufsgenossen-
schaften zeigen, auf welch unsicherem Boden diese Frage der Praxis
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 915
und der Rechtsprechung sich noch bewegt. Nach der Überzeugung
der Verff. sind Hernien »aus Überanstrengung« in das Gebiet der
Fabel zu verweisen. J. Riedinger (Würzburg).
12) Hausmann. Meine Methode der Palpation normaler
Magenteile und ihre Ergebnisse.
(St. Petersburger med. Wochenschrift 1908. Nr. 16.)
Zur Palpation empfiehlt Verf. als seine Methode, die Hand steil
zu stellen, eventuell Krallenhand anzuwenden. Der normale Pylorus
sei so in 18%, die große Kurvatur in 25% zu fühlen gewesen. Falls
Flüssigkeit im Magen, beobachtete er ein exspiratorisches Gurren.
Deetz (Homburg v. d. H.).
13) M. Riehl. Die direkte Besichtigung der Magenschleimhaut.
(Aus der Kgl. medizinischen Poliklinik in München (Prof-
R. May.)
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 17.)
14) Loening und Stieda. Über Gastroskopie. (Aus der medi-
zinischen und chirurgischen Klinik zu Halle a. S.)
(Ibid. Nr. 19.)
Das von R. konstruierte Gastroskop wird nach Kokainisierung
des Rachens durch ein Ösophagusrohr in den Magen eingeführt, beide
Instrumente sodann durch eine Gummivorrichtung rasch miteinander
verbunden und durch das am oralen Ende des Osophagusrohres an-
gebrachte Seitenröhrchen der Magen mit Wasser angefüllt.e Durch
diese Methode der Weasserauffüllung wird ermöglicht, die Magen-
schleimhaut bis zum Pylorus abzuleuchten und ihre Färbung und
Faltenbildung, selbst die Bewegung der Magenwände zu sehen. R.
vermochte so auch ein Karzinom an der kleinen Kurvatur sichtbar
zu machen. — L.’s und S.’s Magenspiegel hat Säbelscheidenform und
ermöglicht, ein optisches Instrument durch sein Inneres in den Magen
einzuführen; letzteres ist nach einem neuen Prinzip in den Zeiss’schen
Werkstätten hergestellt. In dem Griff und dem äußeren Rohr liegt
die Luft- bzw. Wasserleitung; das Aufblasen des Magens mit Luft
hat sich den Verff. geeigneter als die Besichtigung unter Wasser er-
wiesen.
Weitere genauere Mitteilungen werden in beiden Arbeiten ange-
kündigt. Kramer (Glogau).
15) A. N. Simin. Eine neue Methode der Anlegung von
Gastroenteroanastomose.
(Russki Wratsch 1908. Nr. 11.)
S. erprobte an Hunden eine neue Methode: man bildet aus der
Vorderwand des Magens näher zum Pylorus eine schräge Falte, legt
zwei Darmklemmen an (Fig. 1), durchschneidet dazwischen die Falte
+
916 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30.
und schiebt die Klemmen auseinander (Fig. IH). Die Wunde wird
oben vernäht bis zum Ende des so gebildeten Zipfels und letzterer
mit dem Darm vereinigt (Fig. II). Dank dieser Methode wird die
Bildung des Circulus vitiosus vermieden.
E. Gückel (Wel. Bubny, Poltawa).
16) Moynihan. The direction of the jejunum in the ope-
ration of gastro-enterostomy.
(Annals of surgery 1908. April.)
M. erörtert die Frage, in welcher Richtung bei der hinteren
Gastroenterostomie das Jejunum an den Magen genäht werden soll,
indem er dabei annimmt, daß die hintere Gastroenterostomie mit An-
bringen der Anastomosenöffnung in möglichster Nähe der duodeno-
jejunalen Flexur als die beste Methode zu gelten hat. Was nun die
Linie anbetrifft, in welcher die Vereinigung zwischen Magen und
Darm stattfinden soll, so hat Verf. eine Zeitlang nach der von
Mayo angebenen Weise das Jejunum in einer nach abwärts und
links verlaufenden Linie mit dem Magen vereinigt. Er bekam hier-
nach des öfteren den üblen Circulus vitiosus und entdeckte gelegent-
lich einiger Obduktionen, daß sich nach Anwendung dieser Methode
das Jejunum um seine Längsachse gedreht hatte. Seit jener Zeit näht
er nun das Jejunum in rein vertikaler Linie an den Magen an und
hat seit jener Zeit keine üblen Folgen nach der Operation eintreten
sehen. Er meint, daß die Lage des Jejunum nach dem Abgange vom
Duodenum eine wechselnde je nach der Lage des Körpers sei, daß sie
bald nach links, bald mehr nach rechts liege und sich daraus die Vor-
teile des vertikalen Annähens erklären lassen. Im übrigen meint er,
man soll sich nicht zu fest an eine Richtungslinie binden; das Jeju-
num soll so nahe als möglich der Duodenalflexur und in einer Linie
angenäht werden, welche eine möglichst direkte Annäherung an den
Magen ohne Drehung um die Längsachse erlaubt.
Herhold (Brandenburg).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 917
17) Bogoljuboff. Über Unterbindung des Darmes.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXV. Nr. 4.)
Die Darmausschaltung durch eine Enteroanastomose hat den
Nachteil, daß in der ausgeschalteten Partie trotzdem Kotansamm-
lungen stattfinden können. Man hat deswegen verschiedene Methoden
ersonnen, um den ausgeschalteten Darm künstlich zu verengern und
dadurch dem Darminhalt die gewünschte Richtung zu geben. Aber
alle Verfahren, Darmunterbindung, Ecrasement usw. erreichten das
erstrebte Ziel nicht. Die Frage der künstlichen Strikturbildung im
ausgeschalteten Darmstück ist deswegen bisher ungelöst geblieben.
Verf. erreichte aber ein günstiges Resultat durch ein mehr biologisches
Verfahren, indem er im Tierexperiment einen Streifen aus der Apo-
neurose des Musc. rectus ausschnitt und mit diesem den Darm oberhalb
der Anastomose abschnürte, nachdem er das Mesenterium durchlöchert
hatte. Ein Catgutfaden wurde noch über dem Aponeurosestreifen
angelegt, und außerdem wurde die Unterbindungsstelle mit Lembert-
nähten, welche an die Darmwände oberhalb der Abschnürungsstelle
angelegt waren, umnäht. Im Gegensatz zu Seidenfäden, die beim
Hunde bekanntermaßen durchschneiden, zeigte der Aponeurosestreifen
nie eine Neigung hierzu; auch wurde die Schleimhaut an der Ab-
schnürungsstelle nicht nekrotisch. Die Lichtung des Darmes blieb
dauernd verengt. Das autoplastische Verfahren scheint also zu er-
reichen, was mit dem Fremdkörper bisher nicht gelang.
E. Siegel (Frankfurt a. M.).
18) G. F. Shiels. An original observation as to the nature
of colic; and remarks concerning its diagnostic value.
(Amer. journ. of surg. 1908. April.)
In einer Umfrage über die Definition des Begriffes Kolik bei
amerikanischen Chirurgen vermißt Verf. stets die Angabe, daß Kolik
ohne Gegenwart von Bauchfell nicht auftreten kann. Er definiert
den Kolikschmerz als eine charakteristische, akute, spastische peri-
toneale Schmerzwelle (Wave), meistens, doch nicht immer, begleitet
von den Anstrengungen eines Eingeweidehohlorgans mit glatten Muskel-
fasern, sich von einem irritierenden Inhalt oder einer Verstopfung
(Obstruktion) zu befreien. Diese Hohlorgane sind stets bedeckt mit
oder in naher Beziehung zum Peritoneum. Verf. wendet sich dann
gegen die bekannten Lennander’schen Ansichten von der Schmerz-
losigkeit des viszeralen, vom Vagus oder Sympathicus mit Nerven-
fasern versehenen Bauchfells. Er glaubt, daß bei Lennander’s
Experimenten stets das Kokain, mit dem die Bauchwand anästhesiert
war, als »Inhibitory agent« auftrat. Einen Beweis, bzw. einen Gegen-
beweis gegen Lennander bringt S. aber in keiner Hinsicht. Er stellt
einfach Behauptungen auf. Und wenn er meint, daß die Koliken,
die in einem seiner Fälle durch eine zurückgelassene, ganz in das
große Netz eingeschlagene Gazekompresse hervorgerufen wurden, nicht
nach Lennander erklärt werden könnten, da die Kompresse weder
918 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30.
andere Eingeweide noch Parietalperitoneum berührte, so irrt er sich,
da sehr wohl Zugwirkung am Mesokolon, event. entzündliche Ver-
änderungen am seitlichen Bauchfell usw. die Ursache sein konnten.
Goebel (Breslau).
—— a = u
19) Mauclaire et Jacoulet. L'infarctus hémorragique de
l'intestin par oblitération veineuse ou artérielle.
(Arch. génér. de Chirurgie Bd. II. Nr. 3 und 4.)
Verff. bringen eine ausführliche Darstellung des Intestinalinfarktes,
der durch arterielle oder venöse oder arterielle und venöse Thrombose
entstehen kann. Atiologisch kommt für den arteriellen Infarkt Em-
bolie vom Herzen oder der Aorta in Betracht; bei venösem Infarkt
müssen Störungen im Bereich der Pfortader, allgemein septische Er-
krankungen, sowie entzündliche oder neoplastische Veränderungen an
Darm und Gekröse berücksichtigt werden. Die klinischen Erschei-
nungen lassen deutlich zwei Phasen erkennen, indem zunächst heftige
Schmerzen, blutiges Erbrechen, Darmblutungen oder profuse Diarrhöen
auftreten. Später kommt es zum paralytischen Ileus und seinen Folge-
erscheinungen. Therapeutisch kommt die Resektion des infarcierten
Darmabschnittes in Frage, da diese Operation allein die sehr schlechte
Prognose bessern kann, und spontane Heilung nur ganz ausnahms-
weise eintritt.
Eine Übersicht über 56 Fälle und ausführliche Literaturangaben
beschlieBen die Arbeit. Strauss (Nürnberg).
20) J. R. Pennington (Chicago). The sigmoidal factor in pelvic
diseases.
(New York med. journ. 1908. Mai 23.)
Periodische Füllung und Entleerung, d. h. normale Funktion der
Flexura sigmoidea, ist äußerst wichtig für Uterus und Adnexe, und
Störungen dieser Funktion, wie sie durch Verwachsungen infolge von
Sigmoiditis und Perisigmoiditis nicht selten sind (B. Robinson fand
Verwachsungen der Flexur in 80% bei Männern und in 85% bei
Frauen), können zu dauernden Lageveränderungen des Uterus mit all
ihren bekannten Folgeerscheinungen führen. In vielen Fällen konnte
P. nur solche Symptome nachweisen, die sich direkt auf die Geschlechts-
organe bezogen, und stellte Veränderungen an der Flexur erst durch
sorgfältige klinische und insbesondere romanoskopische Untersuchung
fest. Er rät infolgedessen, alle Fälle von Lageveränderungen des
Uterus und unklaren Erscheinungen seitens der Beckenorgane auf
Erkrankungen der Flexur zu untersuchen und eventuell zu be-
handeln.
Wenn allgemein roborierende und Stuhlgang regelnde Maßnahmen,
Massage usw. nicht zum Ziel führen, so soll man nicht zulange
zögern und operativ die Verwachsungen in Angriff nehmen. P. geht
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 919
in schweren Fällen so weit, die Flexura sigmoidea zu resezieren oder
wenigstens eine Anastomose zwischen ihren Schenkeln anzulegen.
H. Bucholz (Boston).
21) J. Schreiber. Der Wert der Rekto-Romanoskopie für
die Erkennung und Behandlung der tiefsitzenden Darm-
erkrankungen.
(Sammlung zwangloser Abhandlungen aus dem Gebiete der Verdauungs- und Stoff-
wechselkrankheiten.)
Verf. gibt uns in der obengenannten Arbeit einen Überblick
über den Wert und die Leistungsfähigkeit der von ihm besonders ge-
pflegten und vervollkommneten Rekto-Romanoskopie. An der Hand
von einzelnen Krankengeschichten erläutert er, wie die direkte Be-
trachtung der erkrankten Stellen uns Auskunft gibt über Art und
Sitz der Erkrankung, wie diese Untersuchungsmethode uns instand
setzt, unsere Tastungsbefunde zu ergänzen, zu bestätigen und zu
modifizieren. Karzinom, Polypen und einzelne Partien der Darm-
schleimhaut können wir uns einstellen und unsere Befunde durch
mikroskopische Untersuchung vertiefen. Auch für die Therapie leistet
die Rekto-Romanoskopie mancherlei. Wir können die erkrankte
Schleimhautpartie unserer Therapie direkt zugänglich machen, können
Polypen, die die Lichtung einengen, durch das Endoskop operativ
entfernen, ein Verfahren, mit dem man um so eher auskommen kann,
als es sich bei den gestielten Polypen meistens um gutartige Ge-
schwülste handelt. Zur Technik der Rekto-Romanoskopie gibt S. aus
seiner reichen Erfahrung wertvolle Winke. Er hat ein Rektoskop
konstruiert, das verhältnismäßig einfach in der Handhabung ist und
vollständig ausreicht; es wird von der Firma Reiniger, Gebbert &
Schall, Erlangen-Berlin, hergestellt und in den Handel gebracht.
Der äußerst instruktiven Arbeit sind ausgezeichnete farbige Bilder
von einigen besonders wichtigen Erkrankungen beigegeben.
L. Simon (Mannheim).
22) J. Berg. Über den Wert der »kombinierten Methode«
bei der Behandlung des Mastdarmkrebses.
(Nord. med. arch. 1907. Abt.I. Hft.3u.4)
(Vortrag in der VII. Versammlung des Nord. chirurg. Vereins. 1907. August.)
Verf. erstattet zunächst einen summarischen Bericht über seine
seit 1890 operierten Fälle von Mastdarmkrebs. In sechs Fällen ist
Kolostomie wegen Rezidivs gemacht worden. 108 Fälle sind radikal
operiert worden mit 12,9% Mortalität. Kolostomie ist in 48 Fällen
gemacht worden mit 14,6%, Amputation oder Resektion ohne Hilfs-
schnitt mit 5,3%, sowie Amputation oder Resektion mit Sakralschnitt
mit 9%, kombinierte Operation in 12 Fällen mit 50% Mortalität.
Verf. bemerkt unter anderem folgendes: Die kombinierte Methode
verdient eine häufigere Anwendung als die einer »Notoperation«; denn
sie gewährt bei der Operation gewisser Fälle von hochsitzendem Mast-
920 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30,
darmkrebs bestimmte Vorteile vor den reinen, perinealen und sakralen
Methoden. Diese Vorteile sind:
a. Mit Laparotomie beginnend, gibt sie uns in der Regel sogleich
Gewißheit über die Operabilität des Falles.
b. In Fällen, wo die Karzinominfiltration im Beckenboden liegt,
ermöglicht sie die Trennung des Bauchfells in der Fossa Douglasi
unter Kontrolle des Auges und eine Dissektion von oben nach unten
mit der Möglichkeit, die umliegenden Organe zu schützen.
c. Sie ermöglicht unter guter Kontrolle die Aufsuchung und Ent-
fernung hoch oben im Mesosigmoideum gelegener Infiltrationen und
kranker Drüsen, und
d. sie setzt uns in den Stand, unter Kontrolle des Auges im
ersten Stadium der Operation die großen Arterienstämme aufzusuchen
und zu unterbinden und gewährleistet demnach eine relativ blutfreie
Operation.
Die große Mortalität, welche die kombinierte Methode bisher
aufzuweisen gehabt hat, wie andererseits die guten direkten und in-
direkten Resultate, die die einfachen, interglutealen Methoden in
Tausenden von Fällen aufzuweisen gegeben haben, gestatten uns nur
unter besonderen Gründen in einzelnen Fällen dieselben aufzugeben,
um eine langwierigere und eingreifendere Operation mit zwei Operations-
feldern auszuführen.
Bei der Wahl unter den verschiedenen Verfahren, nach denen
die kombinierte Methode durchgeführt worden ist, gilt es vor allem,
nicht schablonenmäßig, sondern mit gewissenhafter Individualisierung,
je nach der Eigenart des Falles zuwege zu gehen. — Abdominosakral
oder rein abdominal wird die Operation selbstredend in allen den
Fällen, wo die Operabilität von Anfang an zweifelhaft ist, oder wo
die kombinierte Methode auf Grund der hohen Lage der Geschwulst
gewählt wird. Andererseits ist es klar: solange die sakrale Methode
als Hauptmethode für Mastdarmkrebs in der Höhe des Beckenbodens
und darüber angesehen werden muß, solange werden wir auch in
einigen Fällen den sakroabdominalen Weg gehen. Es gilt in solchen
Fällen, wo man vor oder nach Eröffnung des Peritoneums bei Ab-
lösung des Colon pelvin. und der Flexur auf unvorhergesehene Hinder-
nisse stößt, ohne Zögern das untere Operationsfeld aufzugeben und
zur Laparotomie überzugehen, um entweder von dort aus die Operation
zu vollenden oder auch, wenn bei der Laparotomie der Fall sich als
inoperabel herausstellt, bevor schwererer Schaden entstanden ist, das
Ganze mit einer Kolostomie abzuschließen.
Dem Vorbilde Qu&nu’s mit Anlegung terminaler Kolostomie
zu folgen, halte ich für unberechtigt in Fällen, wo das Darmende gut
ernährt ist und ohne Spannung entweder in den belassenen Sphinkter
(Amputation) oder zu dem unteren Teile des Mastdarmes (Resektion)
herabgezogen werden kann. Ist man wiederum über dies oder jenes
im unklaren, so muß der Vorteil eines normal funktionierenden Afters
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 921
ohne Bedenken geopfert werden. Die Pat. müssen daher stets auf
die Eventualität eines permanenten Kunstafters vorbereitet werden.
Einar Key (Stockholm).
23) H. Ladenburger. Die Talma’sche Operation.
(Würzburger Abhandlungen Bd. VIII. Hft. 7.)
‚. Nachdem L. in der vorliegenden Arbeit einen kurzen historischen
Überblick über die Entwicklung der Talma’schen Operation ge-
geben hat, bespricht er zunächst die anatomischen Verhältnisse, vor
allem die ' Anastomosen der Pfortader mit der oberen und unteren
Hohlvene. Indiziert ist die Eröffnung neuer Seitenbahnen für das
gestaute Blut der Pfortader bei Ascites und Blutungen, die infolge
von Pfortaderstauungen eintreten. Die Stauungen in der Pfortader
können einmal Folgen sein von Stenosierung und Thrombosierung
des Stammes der Vena portae durch entzündliche Verwachsungen
und Geschwülste, dann aber, und diese Fälle sind wohl die meisten,
durch cirrhotische Prozesse in der Leber. L. kommt zu dem Schlusse,
daß die Talma’sche Operation indiziert ist bei Verengerungen des Pfort-
aderstammes und bei Erkrankungen der Pfortaderverzweigung in der
Leber; dazu gehören: die Lebercirrhose, und zwar die atrophische
und hypertrophische Form mit Ikterus und Mischformen, dann die
Cirrhose cardiaque, wenn auch hier der Erfolg sehr zweifelhaft ist,
dann die Zuckergußleber und Pick’sche perikarditische Pseudoleber-
cirrhose; doch komme bei diesen letzten Erkrankungen zunächst die
Kardiolyse in Betracht, die Talma’sche Operation in zweiter Linie.
Bei dem dritten Stadium der Banti’schen Krankheit empfiehlt
L., die Milzexstirpation mit der Omentopexie zu verbinden. Verf.
betont jedoch ausdrücklich, daB durch die Talma’sche Operation
nur die Blutungen verhindert, der Ascites beseitigt wird, daß ein
heilender Einfluß auf den Krankheitspsozeß nicht ausgeübt wird.
In dem zweiten Teil der ausführlichen Arbeit bespricht L. die
verschiedenen Methoden der Talma’schen Operation. Von den aus-
giebigen Tamponaden und Drainagen der Bauchhöhle, wie sie vor
allem von Ito, Omi, Drummond und Morison angegeben sind,
um ausgedehntere Verwachsungen zu erzielen, hat man bei uns wenig
Gebrauch gemacht. Im allgemeinen werden in Deutschland die extra-
und intraperitonealen Methoden der Omentopexie ausgeführt. Bei der
intraperitonealen Methode, die L. besonders empfiehlt, wird der Bauch
in der Mittellinie durch einen kleinen Schnitt eröffnet, das Netz durch
einige Knopfnähte in den Bauchfellschlitz eingenäht und die Bauch-
decken durch Etagennähte vereinigt. Bei der extraperitonealen Me-
thode, die von Narath empfohlen wird, wird das Netz in einer sub-
kutanen Tasche befestigt, nachdem das Bauchfell wieder so weit
geschlossen ist, daß der Netzzipfel ohne Kompression durchtreten
kann. In bezug auf die Vaskularisation seien beide Methoden gleich
gut, die intraperitoneale habe den Vorteil, daß man meistens einen
Bauchbruch vermeiden kann, was bei der extraperitonealen nicht
922 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30.
möglich sei. Wenn L. jedoch sagt, die intraperitoneale Methode sei
auch deshalb zu bevorzugen, weil man sie in Lokalanästhesie aus-
führen könne, während man bei der extraperitonealen unbedingt All-
gemeinnarkose brauche, so kann ich dem nicht beistimmen; denn wir
haben hier zweimal die extraperitoneale Methode in Schleick’scher
Lokalanästhesie ausgeführt, ohne daß die Pat. allzuviel über Schmerzen
geklagt hätten.
L. stellt dann noch die Statistiken der Talma’schen Operation
von Öttinger, Bunge, Montprofit und Wite zusammen; die Er-
folge schwanken sehr, im allgemeinen geben Verf. 30—50 % Heilungen
an. Zum Schlusse gibt L. die Krankengeschichten von fünf eigenen
Fällen, bei denen er die intraperitoneale Methode anwandte Ein
länger dauernder Erfolg konnte nur in einem Fall erzielt werden;
die übrigen vier Pat. gingen bald nach der Operation an interkurrieren-
den Erkrankungen, die mit der Operation nichts zu tun hatten, zu-
grunde.
Ein Literaturverzeichnis von 40 Nummern und eine dankenswerte
Fortführung der Bunge’schen Kasuistik vervollständigen die lesens-
werte Arbeit. L. Simon (Mannheim).
24) Mayo. Pancreatitis resulting from gallstone disease.
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. April 11.)
Unter 2200 von ihm und seinem Bruder ausgeführten Operationen
an den Gallenwegen fanden sie 141mal Erkrankung des Pankreas
(6,1%). Da sie im ganzen 168 Fälle von Pankreaserkrankungen über-
haupt in dieser Zeit zu behandeln hatten, sind 81% der Fälle durch
Gallensteine veranlaßt. M. gebt auf die anatomischen, funktionellen
und entwicklungsgeschichtlichen Zusammenhänge zwischen Gallenwegen
und Pankreas ein und bespricht dann die akuten Entzündungen unter
besonderer Berücksichtigung der Fettnekrose. Die chronische Ent-
zündung der Bauchspeicheldrüse ist außerordentlich häufig bei Er-
krankung der Gallenwege; hauptsächlich das »Infektionsdreieck« am
Pankreas ist betroffen. Von den beiden Formen, der interlobulären
und interacinären, findet sich die erstere, ungefährlichere, öfters. Eine
besondere Wichtigkeit für Umbildung und Verbrennung der Koble-
hydrate schreibt M. den »Langerhans’schen Inseln« zu. Die Diagnose
gründet sich neben dem Allgemeinbefinden, das bei der chronischen
Form weit hinfälliger ist als bei einfacher Gallenwegaffektion, auf den
lokalen Befund, der bei mageren Kranken oft eine Geschwulstbildung
nachweist. Die Untersuchung der Stühle sollte nie versäumt werden.
Therapeutisch soll man bei Operation von Gallensteinen stets aufs
sorgfältigste die Gallenwege von Konkrementen frei machen und
namentlich den Gallengang sondieren und erweitern.
Trapp (Bückeburg).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 923
Kleinere Mitteilungen.
Aus dem Augusta-Hospital in Breslau. Dirigierender Arzt:
Privatdozent Dr. Goebel.
Zur Antifermentbehandlung nach Eduard Müller.
Von
Carl Goebel.
Di Publikation von Peiser (dieses Zentralblatt Nr. 26) veranlaßt mich, einen
Fallvonmetastatischer@elenkentzündung beiOsteomyelitis hierkurz
zu erwähnen, der durch die Antifermentbehandlung (Punktion und Injektion)
günstig beeinflußt ist.
Herr Kollege Müller bat mir eine Anzahl zugeschmolzener Fläschchen mit
seinem Antiferment (Ascites Dr. Müller, mit Chloroform konserviert; von E.Merck-
Darmstadt) zur Verfügung gestellt, mittels dessen ich einige Fälle mit gutem Er-
folge behandelt habe. Ich erwähne hier nur eine günstige Beeinflussung einer
Sekundärinfektion bei tuberkulösem Lymphdrüsengeschwür des Halses.
Es lag nun nahe, das Antiferment auch durch Punktion einem Eiterherd
einzuverleiben, wie das Peiser nach der erwähnten Publikation ja getan hat.
Ich habe diese Injektion bei einem metastatischen Ellbogengelenkserguß mit
ausgezeichnetem Erfolg gemacht.
O. W., 13jähriges Mädchen, wird dem Hospital am 22. Mai cr. in äußerst
desolatem Zustande (anämisch, Gesicht wachsbleich, gedunsen, so daß man an
Amyloid denken mußte) mit mehreren, stinkendes Sekret liefernden Fisteln der
linken Hüftgelenksgegend und einer Verkürzung des Beines um etwa 10 cm über-
wiesen. Es handelte sich um eine seit Oktober 1907 datierende Osteomyelitis mit
Durchbruch ins Hüftgelenk, Sequestration des Femurkopfes usw.
Am rechten Ellbogengelenk bestand exzessive Schmerzhaftigkeit, Schwellung,
Fluktuation neben dem ÖOlecranon, mäßige Extensionsbeschränkung (Fixierung in
der Bonnet’schen Stellung). Es wurde sofort Bier’sche Stauung angewandt,
ohne daß eine Wirkung eintrat. Am 4. Juni machte ich Sequestrotomie am Ober-
schenkel, punktierte gleichzeitig das Ellbogengelenk, wobei wenig trübes Serum
aspiriert wurde, und injizierte eine Flasche des Antifermente. Am folgenden Tage
war mit einem Schlage absolute Schmerzlosigkeit des Gelenkes vorhanden. Dieselbe
hielt bis heute (3. Juli) an, die Schwellung (deutliches Fluktuationsgefühl neben
dem Ölecranon) verschwand vollkommen, und die Beweglichkeit wurde wieder
derart, daß jetzt nur eine geringe Flexionsbehinderung (ungefähr 10°) gegenüber
der rechten Seite besteht. Fieber war bei der Aufnahme bis zu 38,4° vorhanden,
fiel dann ab, trat aber nach der Sequestrotomie in geringem Maße (37,7—37,1°)
wieder auf.
Daß es sich im Gelenk sicher um eine Metastase handelte, beweist das Be-
stehen einer zweiten Metastase auf der linken Schulterhöhe (Acromion?). Wenn
der Fall auch nicht eine schwere Metastase im Gelenk darstellte, so ermuntert die
prompte Reaktion auf die Injektion des Müller’schen Mittels doch zu weiteren
Versuchen.
25) Schulz. Eine operative Behandlung der Fettleibigkeit. °
(Mitteilungen a. d. Grenzgebieten d. Medizin u. Chirurgie Bd. XVIII. Hft. 5.)
Nach dem Vorgange von Demars und Marx exstirpierte S. bei zwei Frauen
eine mächtige fetthaltige Bauchfalte, die bis auf den Oberschenkel herabreichte;
das Gewicht derselben betrug in dem einen Falle 2,75 kg, in dem anderen 4,56 kg.
Es empfiehlt sich, nach Anlegen des querelliptischen großen Hautschnittes und
Vertiefung desselben durch das Fettpolster bis auf die Bauchaponeurose das Fı'‘
924 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30.
von der Aponeurose einfach abzureißen, da beim Abschneiden Fett auf der Apo-
neurose sitzen bleiben würde, das durch späteres Schmelzen den Wundverlauf
kompliziert. Haeckel (Stettin).
26) Fuld. Eine Methode zur Desinfektion von Magenschläuchen in
der täglichen Praxis.
(Berliner klin. Wochenschrift 1907. Nr. 20.)
Das Ergebnis der vom Verf. angestellten Versuche ist die Tatsache, daß die
Erwärmung der Magenschläuche in 50xigem Glyzerin auf ca. 70° während je
20 Minuten genügt zur sicheren Abtötung der pathogenen Keime. Das Verfahren
ist bequem und greift die Schläuche nicht unnütz an. Dieselben können in der
bezeichneten Lösung aufbewahrt werden, ohne vor dem Gebrauch einer Abspülung
zu bedürfen. Die Firma F. & M. Lautenschläger hat einen Sterilisator für
Magenschläuche hergestellt. Der kleine Apparat wird, mit 50xigem Glyzerin
gefüllt, in den gewöhnlichen Sterilisator gehängt. Langemak (Erfurt).
27) Neuhaus Fremdkörper im Magen und in der Speiseröhre.
(v. Langenbeck's Archiv Bd. LXXXVI. Hft. 1.)
Unter den vier Fällen, die N. publiziert, betreffen zwei Fremdkörper, die aus
der Speiseröhre, und zwei solche, die aus dem Magen extrahiert werden mußten.
Besonders die aus der Speiseröhre entfernten beanspruchen ein größeres Interesse,
da bei dem einen Falle die Extraktion nur durch ein kombiniertes Verfahren,
Eröffnung des Magens und der Speiseröhre, zum Ziele führte, und bei dem anderen
Pat. durch eine sekundäre Blutung aus der Carotis und operative Verletzung des
Ductus thoracicus seltenere Komplikationen entstanden. Verf. warnt davor, spitze
Fremdkörper aus der Speiseröhre in den Magen stoßen zu wollen, wie dies in dem
einen Falle vergeblich mit der Schlundsonde versucht worden war. Der Sondierung
ist als souveränes Mittel die schräge Röntgendurchleuchtung und -Photographie
vorzuziehen. Auch die Ösophagoskopie hat nach den Literaturausweisen nicht
immer Erfolg gebracht, und sie ist bei Entzündung der Speiseröhre ganz zu ver-
meiden. Um Speiseröhrenfisteln nach der Naht zu verhindern, ist es am besten,
in den ersten Tagen nicht zu sondieren, auch keine Dauersonde einzulegen, son-
dern vorerst rektal zu vernähen. Am ratsamsten ist es, prinzipiell bei solchen
Fällen eine Gastrostomie anzulegen. Man vermeidet so alles, was eine Entzündung
m Ösophagus begünstigen kann. Nur wenn die Extraktion ohne Schädigungen
gelungen ist, mag man ohne Magenfistel auszukommen suchen. Die bei dem einen
seiner Pat. am 13. Tage nach der Operation entstandene Carotisblutung glaubt N.
durch eine Drucknekrose erklären zu müssen, die durch Anwendung des stumpfen
Hakens bei der Operation entstanden sein mag. E. Siegel (Frankfurt a. M.).
28) Littig. Intestinal perforation by abdominal contusion; operation;
recovery.
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. Nr. 7.)
Klassischer Fall von stumpfer Bauchverletzung.
Ein Mann in mittlerem Lebensalter bekommt einen Hufschlag links oberhalb
des Nabels; alsbald Erbrechen und überaus heftige Leibschmerzen. Die behandeln-
den Arzte stellten die Diagnose auf Darmperforation und zogen L. zu, der 9 Stun-
„den nach dem Anfall eintraf.
In dieser Zeit bestand auch eine harte Kontraktur der Bauchmuskulatur linker-
seits. Laparotomie, Perforation an der Grenze von Jejunum und Ileum, die einen
Finger in die Darmlichtung einzuführen gestatten würde; die Offnung ist durch
vorgefallene Schleimhaut fest verschlossen. UÜbernähung der gerade gegenüber dem
Mesenterialansatz gelegenen Wunde; Bauchnaht; Drainage.
Heilung, obwohl bereits umschriebene fibrinös- -eitrige Peritonitis bestanden
hatte. W. v. Brunn (Rostock).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 925
29) W. Braun. Uber penetrierende Verletzungen des Magen-Darm-
traktus.
(Berliner klin. Wochenschrift 1908. Nr. 2.)
Sieben Fälle, von denen sechs durch sofortige Operation geheilt werden
konnten.
1) Pfählungsverletzung des Mastdarmes. Laparotomie. Übernähung der Per-
forationsstelle.. Heilung.
.„ 2) Bauchstich; Dünndarmschlinge vorgefallen; acht Wunden im Dünndarm.
Übernähung, Spülung. Heilung.
3) Bauchstich; Netzvorfall, keine Darmverletzung. Heilung.
4) Schußverletzung (9 mm -Jagdgewehr),; Dünndarm achtmal durchlöchert.
Heilung durch Bauchdeckenphlegmone verzögert.
6) Teschingschuß; zwei Löcher im Colon transversum. Heilung.
6) Schuß aus Browningpistole in die rechte Nierengegend; zwei Löcher im
Magen, vier im Duodenum, Durchschuß der Leber. UÜbernähung der Darm- und
Magenwunden mit Netztransplantation, Exstirpation der rechten Niere, Tamponade
der Leberwunden. Heilung.
7) Einschuß unter der Herzspitze (Browningpistole); Kugel im 1. Lendenwirbel:
Lähmung des linken Beines, Hämatothorax, Loch im Diaphragma, zwei Löcher
im Magen. Tod.
Die Verletzten kamen alle 1/,—11/3 Stunden nach dem Trauma zur Aufnahme.
Verf. steht auf dem wohl jetzt allgemein anerkannten Standpunkte, daß Bauch-
schüsse und andere penetrierende Bauchverletzungen im Frieden unter günstigen
Bedingungen prinzipiell operative Behandlung verlangen. Bei der Indikations-
stellung darf man keinen Unterschied zwischen leichten und schweren Initial-
symptomen, bekannter oder unbekannter Stich- oder Schußrichtung machen.
Die Prognose hängt von der Frühzeitigkeit des Eingriffes ab.
Langemak (Erfurt).
30) Heppe. Die Appendicitis im Kanton Aargau, besonders ihr en-
demisches Auftreten und epidemisches Aufflackern. 20 8.
Aarau, H. R. Sauerländer & Co., 1907.
H, hat sich im Auftrage Bircher’s der dankenswerten Aufgabe unterzogen,
die in den Jahren 1888—1905 in der kantonalen Krankenanstalt, sowie die in den
Jahren 1902 - 1905 von sämtlichen Arzten des Kantons beobachteten Appendicitis-
fälle hinsichtlich der Atiologie, sowie gehäuften und periodischen Vorkommens
zu durchforschen. Die Ergebnisse decken sich bezüglich der dauernd zunehmenden
Zahl, die Verf. auf bessere Diegnosenstellung zurückführt, der Bevorzugung des
männlichen Geschlechtes und des 10.- 30 Lebensjahres mit den Erfahrungen anderer
Autoren. Mehrfach konnte ein gehäuftes Auftreten in einzelnen Familien, beson-
ders unter Geschwistern, beobachtet werden, ein Beweis für eine hier und da vor-
kommende familiäre Anlage. Verwertbare Anhaltspunkte für einen Zusammenhang
der Appendicitis mit Anginen oder Influenza ergaben sich aus dem Material nicht.
Dagegen war sehr ausgesprochen das gehäufte Auftreten der Erkrankung in den
Sommer- und Wintermonaten im Verhältnis zum Frühjahr und Herbst, eine Be-
obachtung, die wir auch bei Stricker und Schroth finden, für die vielleicht
gehäufte Anginen im Winter und zahlreichere Darmkatarrhe im Sommer als Er-
klärung dienen könnten — was aber aus dem vorliegenden Material nicht hervor-
geht. Sehr interessant ist das endemische Auftreten der Appendicitis in einzelnen
Orten, für welches Verf. gar keine Erklärung gefunden hat, das aber so eklatant
ist, daß man von Appendicitisherden sprechen kann; während 42.5% sämtlicher
Gemeinden fast ganz frei bleiben, finden sich in 32,5% der Gemeinden 1—650%/
aller Erkrankungsfälle, und in 2,5% der Gemeinden, den Appendicitisherden, steigt
die Zahl der Erkrankungen auf 32,50/! Auf einer beigefügten Karte hat Verf.
diese eigentümlichen Zahlenverhältnisse sehr übersichtlich zur Anschauung gebracht.
Vorderbrügge (Danzig).
“
926 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30.
31) F. Bauer. Om den akute appendiciten frän praktisk synpunkt.
(Allm. ‚svenska läkarmötets förhandl. Sundsvall 1907.)
Verf. gibt eine Übersicht über Vorkommen, Diagnostik und Behandlung der
Appendicitis unter praktischem Gesichtspunkt an der Hand von 900 Fällen aus
dem Krankenhaus in Malmö, behandelt von Dezember 1896 bis Juli 1907. Vor
1904 betrug die Mortalität 9%, seit 1904 3,9%. 369 Fälle von akuter Appen-
dicitis ohne hochgradige Peritonitis ergaben O0% Mortalität, 11 akute Appendiciten
ohne hochgradige Peritonitis mit besonders hervortretenden septischen Symptomen
27%, 155 akute Appendiciten mit begrenzter Peritonitis 4%, 189 akute Appendiciten
mit nicht begrenzter Peritonitis 22% Mortalität. 176 Fälle von chronischen Ap-
pendiciten wurden à froid operiert und gaben 2 Todesfälle. Von den akuten
Appendiciten mit nicht begrenzter Peritonitis wurden 92 Fälle während der ersten
36 Stunden nach der Erkrankung mit 6,5% Mortalität und 96 Fälle später mit
37% Mortalität operiert. — Verf. betont, daß die Behandlung von Appendiciten
von der Tatsache beherrscht wird, daß es nicht möglich ist, mit voller Sicherheit
in jedem einzelnen Falle nach den klinischen Symptomen die pathologisch-anato-
mischen Veränderungen im und um den Wurm zu beurteilen. Verf. ist ein An-
hänger der Frühoperation. Auch bei begrenzter Peritonitis muß der Wurm gleich-
zeitig mit der Entleerung des Abszesses entfernt werden.
Einar Key (Stockholm).
32) Massoulard. Tuberculose des ganglions iléo-cæcaux. Ablation
de ces ganglions et appendicectomie. Intégrité de l’appendice.
Guérison.
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXIII. p. 507 ff.)
Es waren anscheinend typische akute Appendicitisanfälle, und zwar der erste
11/g Jahre vor der Operation vorhergegangen. Der Wurm fand sich bei der Ope-
ration völlig gesund, was die genaue mikroskopische Untersuchung bestätigte.
Dagegen bestand im Ileocoecalwinkel ein Drüsenpaket unter chronisch entzünd-
lichem Bauchfell von deutlich tuberkulösem Bau. — In der ausgiebigen Dis-
kussion, die hier nicht referiert werden kann, wird eine Anzahl gleichartiger bzw.
ähnlicher Fälle angeführt. Es wird darauf hingewiesen, daß eine akute Steigerung
der chronischen genuinen Lymphadenitis, die ihren Ausgangspunkt durchaus nicht
immer im Wurme zu haben braucht, durch peritoneale Reizung sehr wohl einen
typischen Appendicitisanfall vortäuschen kann. Kachler (Duisburg-M.).
33) E. Grossmann. Über die operative Behandlung der Hernien im
Kindesalter. (Aus Dr. Christ’s Kinderhospital in Frankfurt a. M.)
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 19.)
Wenn die konservative Behandlung eines Nabel- oder Leistenbruches im Kindes-
alter keinen sichtbaren Erfolg hat, oder wenn die Kinder unter ihrem Zustande —
durch Auftreten von Ekzemen, Verwachsungen des Bruchinhaltes mit dem Bruch-
sacke, von Verdauungsstörungen — leiden, soll nach G.'s auf reichlichen Erfah-
rungen fußendem Urteil die Radikaloperation des Bruches vorgenommen werden,
die als relativ ungefährlich anzusehen ist. Meist genügt die einfache Unterbindung
und Versenkung des Bruchsackes mit nachfolgender Kanalnaht; nur bei großen
Brüchen und starkem Klaffen der Muskulatur ist die Bassini’sche Methode nötig.
Unter den 111 Bruchoperationen des obengenannten Hospitals befanden sich 1%
wegen Leisten-, 21 wegen Nabelbrüchen; von ersteren waren 11 doppelseitig.
28 Kinder standen innerhalb des 1. Lebensjahres, davon 10 im Alter von 3 Mo-
naten (35% Säuglinge). In 4 Fällen handelte es sich gleichzeitig um Einklemmung.
10Omal lag der Wurmfortsatz im Bruchsacke, zuweilen mit ihm verwachsen. — In
allen Fällen ist glatte Heilung eingetreten, niemals eine Wundstörung, geschweige
denn ein Todesfall erfolgt. Bei der N achbehandlung wurde mit großem Nutzen
in bezug auf Trockenbleiben des Wundverbandes ein Urinfänger benutzt, der nach
G.’s Angaben konstruiert ist. — Über die Spätresultate der 111 Radikaloperationen
wird nichts gesagt. Kramer (Glogau).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 927
34) E. M. Corner. The treatment of gangrene in strangulated hernia
at St. Thomas Hospital.
(Lancet 1908. Juni 13.)
Die Mortalität der komplizierten eingeklemmten Brüche betrug: bei Leisten-
brüchen 37%, bei Schenkelbrüchen 66%, bei Nabel- und Bauchbrüchen 80%.
Von 216 eingeklemmten Leistenbrüchen bestand bei 8 Gangrän = 3,6%, bei
133 eingeklemmten Schenkelbrüchen fand sich Gangrän in 13 Fällen = 9x und
bei 46 Nabel- und Bauchbrüchen in 10 Fällen = 21,7%.
Was die Operationsverfahren angeht, so ergab möglichst frühzeitige und aus-
giebige Resektion mit nachfolgender End-zu-End-Vereinigung die besten Re-
sultate.
Resektion mit nachfolgendem Kunstafter ergab 90% Mortalität.
Die Invagination brandiger oder brandverdächtiger Stellen (zwei Fälle) ergab
gute Resultate, doch will Verf. diese Methode nur für leichte Fälle aufbewahrt
wissen. H. Ebbinghaus (Dortmund).
35) Krumm. Uber die Brucheinklemmung des Wurmfortsatzes.
(Ärztl. Mitteilungen aus und für Baden 1908. Nr. 7.)
Wenn ein Wurmfortsatz in einen Bruchsack hineingerät, so kann er Anlaß
zu verschiedenen Erkrankungen geben; er kann sich entzünden und eine Appen-
dicitis mit all ihren Komplikationen im Bruchsacke zur Folge haben, oder er
kann eingeklemmt werden und auf diese Weise der Gangrän anheimfallen. Beide
Erkrankungsarten sind beobachtet worden, Verf. glaubt, daß die Einklemmung
die häufigere ist; er unterscheidet dabei die Fälle, bei denen neben dem Wurm-
fortsatz noch Darmschlingen oder Netz im Bruchsacke liegen, von denen, in wel-
chen der isolierte Wurm den einzigen Bruchinhalt bildet. Ein Fall der ersten
Gruppe wird kurz mitgeteilt: Hier hatte der Wurm den mit eingeklemmten Darm
geschützt, war aber selbst der Gangrän verfallen. Interessanter sind die beiden
von K. operierten Fälle reiner Wurmfortsatzeinklemmung, Schenkelbrüche bei
älteren Frauen. Bei der einen Pat. war der Bruch nach anstrengender Feldarbeit
in gebückter Stellung entstanden und hatte in 9 Tagen zu Einklemmungserschei-
nungen ohne Störung der Darmpassage geführt; es fand sich als einziger Bruch-
inhalt die Spitze des Wurmes, 2 cm lang, mit deutlicher Schnürfurche, anämisch,
aber nicht gangränös. Nach Erweiterung des Bruchringes wurde er vorgezogen
und abgetragen. Glatte Heilung. Im zweiten Falle waren die Erscheinungen
stürmischer, aber auch die Darmpassage frei; hier lag nur der mittlere Teil des
Wurmes, dunkelrot verfärbt, im Bruchsack, Ansatz und Spitze konnten erst nach
Eröffnung der Bauchhöhle zu Gesicht gebracht werden, der periphere Teil war
gelbgrün verfärbt, schwappend — also retrograde Inkarzeration. Auch hier wurde
durch Abtragung des Wurmes und Tamponade Heilung erzielt. Als hauptsäch-
lichstes Symptom isolierter Wurmfortsatzeinklemmung will K. Einklemmungs-
erscheinungen ohne Störung der Darmpassage ansehen; bei der Differentialdiagnose
gegen Hernienappendicitis ist zu verwerten, daß diese in 62 Fällen stets bei
Männern in Leistenbrüchen beobachtet wurde, während die Einklemmungen von
22 Fällen 19mal Schenkelbrüche bei Frauen betrafen.
Vorderbrügge (Danzig).
36) M. Eschenbach. Zur chirurgischen Behandlung der Nabelhernien.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVL Hft. 1.)
Verf. berichtet über 65 Fälle von Nabelbrüchen aus der Rotter’schen Klinik.
Nach den Erfahrungen, die daselbst mit mehreren Methoden gemacht wurden,
empfiehlt er für große Brüche die quere Raffung, die ohne komplizierte Technik
verhältnismäßig rasch ausführbar ist und gute Resultate liefert. Vor dem Silber-
draht warnt er wegen des Durchschneidens der Fäden und späterer Abszeßhildnne.
Die Operationsmortaliät war bei den freien Hernien günstig, sehr hoch ^ i
bei den eingeklemmten. Von 29 solcher Pat. starben 13. Von den I” `
928 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30.
mit Querraffung behandelt worden waren, bekam bisher nur einer ein Rezidiv.
Taxisversuche dürfen nur sehr vorsichtig ausgeführt werden. Was die Indikations-
stellung zur Operation anlangt, so ist in Anbetracht des sicheren Wachstums der
Nabelbrüche und der Gefahren der Operation sehr großer Brüche anzuraten, den
chirurgischen Eingriff vorzunehmen, solange die Brüche noch klein sind. In diesem
Stadium ist der Eingriff bei nicht eingeklemmten Nabelbrüchen ungefährlich.
E. Siegel (Frankfurt a. M.).
37) P. Clairmont. Uber das experimentell erzeugte Ulcus ventriculi
und seine Heilung durch die Gastroenterostomie.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVI. Nr.1.)
Fibich hatte Experimente veröffentlicht, auf Grund deren er den Beweis
erbracht zu haben glaubt, daß man bei Hunden im pylorischen Teil des Magens
durch Unterbindung der Gefäßstämme, Exzision von Schleimhautstücken und Ver-
ätzung des Schleimhautgrundes ein Geschwür erzeugen könne, und daß dieses Ge-
schwür durch eine QGastroenterostomie eklatant beeinflußt würde. C., der zur
Prüfung des Einflusses der Magen-Darmfistel auf das Magengeschwür analoge Ver-
suche vornahm, konstatiert, daß man nach Fibich’s Verfahren ein Geschwür
erhält, das nicht mit dem Ulcus pepticum des Menschen verglichen werden könne,
da es stets ein ausgeprägtes physiologisches Heilbestreben zeige. Er fand, daß derartig
erzeugte Geschwüre sich im allgemeinen überhäuten, im pylorischen Teil oft lang-
samer als im kardialen. Eine gleichzeitig oder einige Tage nachher ausgeführte
Gastroenterostomie beeinflußte die Überbäutung des Substanzenverlustes nicht. C.
hält die Annahme Fibich’s für unhaltbar, daß ein Nagengeschwür sich nach
der Gastroenterostomie wie ein frisch gesetzter Schleimhautdefekt verhalte und in
wenigen Tagen zur Ausheilung komme. Für die Beurteilung der ganzen Frage
bleiben deswegen nach wie vor die klinischen Erfahrungen ausschlaggebend.
E. Siegel (Frankfurt a. M.).
38) L. Paglieri. Su di un caso di tumore gastrico d’origine luetica.
(Gazz. degli ospedali e delle clin. 1908. Nr. 56.)
Bei einem 58 Jahre alten, schnell und stark abgemagerten Manne mit grau-
blasser Haut und starken Magenbeschwerden wird in der epigastrischen Gegend
eine halbhohlhandgroße Verhärtung mit einer mandelgroßen Geschwulst in der
Mitte gefühlt. Es besteht motorische Insuffizienz des Magens, und Salzsäure fehlt
im Magensafte. Nach Ablehnung der Operation durch den Pat. wird trotz völlig
negativer Anamnese in bezug auf Lues und ohne Befunde in dieser Richtung Jod-
kali verabreicht und nach eingetretener Besserung durch eine Hg-Kur in 3 Mo-
naten völlige Heilung von Beschwerden und Geschwulst erzielt.
Dreyer (Köln).
39) Tuffer. Gastro-enterostomie post. réparée spontanément. Ulcère
gastrique consécutif.
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXIII. p. 463.)
Bei einem Manne mit ausgesprochener Magendehnung und bei der Operation
gefundenen ausgedehnten Verwachsungen des pylorischen Teiles mit Gallenblase
und Duodenum legte T. eine Gastroenterostomie post. retrocol. an mit zunächst
ausgezeichnetem Erfolge. 9 Jahre später machten unstillbare Magenblutungen
eine Relaparotomie notwendig. Dabei fand sich nun, daß die früher angelegte
Verbindung zwischen Magen und Darm wieder aufgehoben war: die Darmschlinge
ging in das Mesocolon transv. hinein, es fehlte dann aber jede direkte Verbindung
mit dem Magen, nur dünne Verlötungen waren zu sehen. Ein Geschwür im prä-
pylorischen Teil, das die Blutung hervorgerufen hatte, wurde exzidiert, und man
konnte sich bei dieser Gelegenheit von dem vollständig normalen Zustand der
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 929
Magenwand in den übrigen Teilen überzeugen. Der Operationserfolg war wieder
ein ausgezeichneter. T. vergleicht diesen spontanen Verschluß mit ähnlichen Vor-
kommnissen, dem spontanen Verschluß von Stercoral- und vesico-vaginalen
Fisteln. In der Diskussion (Reynier, Oménu, Hartmann) wird darauf hin-
gewiesen, daß das Ereignis nur dann eintreten kann, wenn der Pylorus wieder
wegsam wird, daß dann aber auch der Magen Neigung zeigt, normale Dimensionen
anzunehmen. Kaehler (Duisburg-M.).
40) P. Bull und J. Bery. Volvulus af hela tunntarmen.
(Verhandlungen in der VII. Versammlung des Nord. chiurg. Vereins 1907. Aug.
(Nord. med. Arkiv 1907. Tillägshefte.)
B. berichtet über einen operierten Fall von: Volvulus des ganzen Dünndarmes
bei einem 29jährigen Manne. Als charakteristische Anhaltspunkte für die Dia-
gnose während der Laparotomie wird folgendes hervorgehoben: Ascites, stark ge-
dehnte, häufig auch ödematöse und coyanotische Darmschlingen, sowie in der
Ileocoecalgegend eine kollabierte Dünndarmschlinge, entsprechend dem untersten
Teile dep Ileum und unter einem scharfen Rande des Mesenterium liegend, auf
aon anderer Seite man das untere Ende der stark ausgedehnten Dünndärme
ndet.
B. berichtete über zwei Fälle von totalem Dünndarmvolvulus. In einem Falle
hatte der Volvulus mit intermittierenden Symptomen seit 5 Jahren bestanden.
Verf. betonte, daß die Ileussymptome in diesen Fällen nicht direkt vom Volvuylus
herrühren, sondern infolge gelegentlicher Komplikationen oder sekundär zustoßender
Unzuträglichkeiten entstehen; denn der Fortbestand der Drehung scheint die
Neigung zu Ileus allmählich zu steigern. Die Gekrösveränderungen in diesen
Fällen, wie gleichfalls das klinische Bild mit seinen intermittierenden Ileusanfällen
erinnert stark an das wohlbekannte Bild von chronischem Volvulus der Flexura
sigmoidea mit fibröser Mesosigmoiditis. Auch hier finden sich gewöhnlich die
stärksten Veränderungen in Form einer querlaufenden, sehnenglänzenden Narbe in
der Serosa an der schmalen Wurzel des Mesenterium. Von diesem Bande strahlen
radiäre Streifen aus, gegen die Darmanheftung zu schmäler werdend, ohne im all-
gemeinen an den Darm heranzureichen. Außerdem ist das Mesenterium in seinem
ganzen Umfange verdickt, zuweilen an der Oberfläche gleichsam in Falten gelegt
und allmählich der Breite nach einschrumpfend. Alle diese Veränderungen scheinen
am besten zu erklären zu sein durch eine fortbestehende (oder oft wiederholte)
Drehung der Därme um ihre Radix mesenterii. Daß sekundäre inflammatorische
Reize vom angespannten Darm (und zwar speziell in der Form von Divertikuliten)
hinzukommen können, will Verf. nicht in Abrede stellen, aber sie spielen sicher
nicht die Rolle, die man ihnen zuschreibt. Es sind nicht nur die Mesenterialver-
änderungen, die Verf. in dieser mehr mechanischen Weise für am besten erklärt
hält, sondern auch die Verwachsungen alten Datums, die man so häufig in dies-
bezüglichen Berichten erwähnt findet. Es sind Verwachsungen, welche die durch
den Volvulus angespannten Därme an andere Eingeweide oder die Bauchwand
anheften. Verf. meint nämlich, daß eine äußerst wichtige und vermutlich ge-
wöhnliche Veranlassung der chronisch ausgebreiteten gefäßlosen Verwachsungen
von Därmen und benachbarten Teilen Risse in der Serose sind, hervorgerufen
durch wiederholten Wechsel zwischen exzessiver Ausdehnung und Zusammenfallen
der Darmschlinge, wie man es am häufigsten bei chronischem Volvulus findet,
vermutlich aber nicht selten auch bei chronischer Verstopfung aus anderen Ur-
sachen. Verf. meint, eine abnorme Lage der Übergangsstelle zwischen Dünn- und
Dickdarm möge die Ursache des Ausbleibens der sonderbaren Festlötung gewesen
sein, die in einem gewissen Stadium der normalen Darm- und Mesenterial-
entwicklung zwischen dem erwähnten Teil des Darmkanals und der hinteren
Bauchwand stattfindet und die, einmal gebildet, den Blind- und aufsteigenden
Dickdarm mehr oder weniger fest an die rechte Seite des Bauches bindet.
Einar Key (Stockholm).
930 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30.
41) J. Petermann. Erfahrungen und Erfolge bei der operativen Be-
handlung des Dickdarmkrebses.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVI Nr. 1.)
Bei 115 Fällen von Dickdarmkrebs in der Abteilung von Rotter überwog
das männliche Geschlecht. Die größte Zahl der Fälle betraf die tiefer gelegenen
Abschnitte des Dickdarmes. Als Ursache für die Geschwulstbildung wurde einige
Male Trauma angegeben, das aber wohl nur eine nebensächliche Rolle spielte.
Operabel wer nur die Hälfte der Fälle. Die Entscheidung, ob die Geschwulst
radikal zu entfernen sei, konnte oft erst bei der Operation getroffen werden, zumal
Größe und Beweglichkeit der Geschwulst durch die Bauchdecken hindurch nicht
immer richtig zu beurteilen sind. Der Ansicht von Boas, daß zur Operation
sich am besten die Fälle mit weit zurückliegender Krankheitsentwicklung eignen,
tritt Verf. zugunsten eines frühzeitigen Eingriffes entgegen. Die Arzte müssen
nach seiner Meinung mit den Symptomen des Dickdarmkrebses vertrauter werden
und die Fälle frühzeitiger dem Chirurgen überweisen. Eventuell muß eine zeitige
Probelaparotomie gemacht werden. 40% aller Fälle kamen mit Ileuserscheinungen
in Behandlung. Von diesen starb mehr als die Hälfte im Anschluß an die Ope-
ration. Als Regel wird jetzt betrachtet, daß im Ileus nur eine Fistel ‘angelegt,
aber keine Resektion vorgenommen wird. Auch die Enteroanastomose bei hoch-
sitzendem Karzinom ist beim Darmverschluß zu vermeiden. Als palliativer Ein-
griff lieferte sie sonst befriedigende Resultate. Die Radikaloperation wurde in
52 Fällen ausgeführt. Die Resektion der Geschwulst mit primärer zirkulärer
Naht wurde dabei in fünf Fällen vorgenommen. Im ganzen erlebte man mit dieser
primären zirkulären Naht jedoch wenig Freude. Eher befriedigte in einigen Fällen
die nach Resektion und blindem Verschluß der Enden vorgenommene seitliche
Apposition der Darmenden, ein Eingriff, der aber nur für wenig Fälle geeignet
ist. Die Resektion der Geschwulst mit folgender Enteroanastomose wird bei allen
Geschwülsten der Blinddarmgegend sowie des rechten Kolonwinkels und des An-
fangsteiles des Colon transversum als Methode der Wahl betrachtet. Für die übrigen
Fälle ist das zweizeitige, besonders durch v. Mikulicz ausgebildete Verfahren
empfehlenswert und von Rotter mit gutem Erfolg angewendet worden. Es setzt
die Mortalität der Dickdarmoperationen wesentlich herab; seine Nachteile sind die
lange Behandlungsdauer, die Beschwerden bei Anlegung der Spornquetsche, die
lange Dauer des Kunstafters und die später auftretenden, allerdings sich meist
spontan schließenden Kotfisteln. Was die Dauererfolge betrifft, so leben von
22 Pat. 7= 31% länger als 3 Jahre nach der Operation rezidivfrei. Drei der
Operierten sind schon länger als 7 Jahre ohne Rückfall geblieben.
E. Siegel (Frankfurt a. M.).
42) 5. P. Lookhart Mummery. A new method of restorning the con-
tinuity of the bowel in cases of excision of a growth low down in the
sigmoid flexure.
(Lancet 1908. Mai 16.)
Verf. nähte in einem Falle von ausgedehnter Exstirpation der Flexura sigmoidea,
bei dem End-zu-End-Vereinigung völlig ausgeschlossen war, das proximale Ende
des Darmes um ein Glasrohr und invaginierte dieses Ende dadurch, daß er das
Glasrohr durch das rektale Ende aus dem After herausleitete in letzteres. So er-
zielte er eine Vereinigung ohne Naht, die wegen der erheblichen Spannung niemals
gehalten hätte. Außerdem wurde als erheblicher Vorteil empfunden, daß der
Darm frei entleert werden konnte, ohne Furcht vor der Verunreinigung des
Bauchfells, da Darm und Glasrohr in luftdichter Kontinuität verbunden waren.
Bei der Entlassung des Pat. ergab die Sigmoidoskopie eine feine weiße Narbe,
ohne Andeutung einer Striktur an der Stelle.
Dem Verfahren gebührt sicherlich in geeigneten Fällen Nachahmung, und es
dürfte manchmal einen erwünschten Ersatz für den stets unerwünschten Kunstafter
abgeben. H. Ebbinghaus (Dortmund).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 931
43) T. B. Spence. Angulation of the sigmoid.
(New York med. journ. 1908. Mai 2.)
S. beschreibt einen von ihm operierten Fall von Ileus durch Knickung
der Flexura sigmoidea an mehreren Stellen. Pat. litt seit 2 Jahren unter starkem
Gewichtsverlust, an Schmerzen in der linken Seite und Unregelmäßigkeit des
Stuhlganges.. Da es nicht möglich war, die aufgerichtete Flexur in korrigierter
Stellung zu erhalten, und da S. nicht wagte, das verkürzte Mesosigmoid zu
trennen, wie von anderer Seite empfohlen worden ist, so entschloß er sich zur
Resektion der Flexura sigmoidea.
S. macht auf die leichte Verwechslung mit dem Volvulus aufmerksam.
H. Bucholz (Boston).
44) Potherat. Tumeur villeuse du rectum.
(Bull. et mem. de la soc. de chir. de Paris T. XXXIII. p. 624.)
Bei der relativen Seltenheit dieser (von Esmarch als »villöse Polypen« be-
zeichneten) Erkrankung ist die Erwähnung dieses Falles berechtigt. Es handelte
sich um eine Geschwulst von der Größe einer Mandarine, die mit ziemlich breiter
Basis in der Ampulle saß. Die Exstirpation geschah ohne Schwierigkeit, der
histologische Bau zeigte keine Abweichung von sonst erhobenen Befunden.
Kaehler (Duisburg-M.).
45) A. W. Mayo Robson. An address on some abdominal tumours
simulating malignant disease, and their treatment.
(Brit. med. journ. 1908. Februar 22.)
Weit mehr als an anderen Körperteilen und viel verhängnisvoller werden ent-
zündliche Schwellungen im Bauch mit bösartigen Geschwülsten verwechselt. R.
berichtet über fünf Fälle im Laufe von 12 Jahren, in denen er 1—3 Jahre nach
Anlegung eines Kunstafters wegen vermeintlich inoperablen Mastdarm- oder Flexur-
karzinoms mit Ileuserscheinungen den angelegten After wieder schließen konnte,
weil die primäre Geschwulst vollständig geschwunden war. Das gleiche kommt
zuweilen beim Colon ascendens und transversum vor. Dafür gibt R. lehrreiche
Beispiele aus seiner Erfahrung, in denen eine Enteroanastomosis, ausgeführt wegen
Unmöglichkeit einer Radikaloperation, zur dauernden und völligen Heilung führte.
Wahrscheinlich handelt es sich in solchen Fällen um eine chronische, infiltrierende
Kolitis mit Kotstauung in Schleimhauttaschen. Solche chronische Entzündungen
kommen auch am Blinddarm vor und werden als Karzinome entfernt. In ähnlicher
Weise kann auch die Gastrostomie beim vermeintlichen Krebs der Speiseröhre
zur Dauerheilung führen. Wie für diese Fehldiagnosen erwähnt R. auch eine Reihe
lehrreicher Beispiele, in denen anscheinend bösartige Neubildungen des Magens
nach der Gastroenterostomie völlig verschwanden. R. warnt vor allzu schnell ge-
stellter Prognose! Weiter berichtet er aus seiner reichen Erfahrung über eine
große Reihe von Fällen, in denen Gummata, chronische Eiterungen, Gallensteine,
verkalkte Echinokokken, Cirrhose fälschlich für bösartige Neubildungen gehalten
wurden und teils mit, teils ohne Operation völlig und dauernd heilten. Eine
besonders große Rolle bei diesen Verwechslungsdiagnosen spielt die chronische
Entzündung im Pankreaskopf. Alle diese Möglichkeiten irrtümlicher Diagnose
geben uns Veranlassung genug, die Probelaparotomie viel öfter zu fordern als
üblich ist. Die Arbeit des bekannten Chirurgen hat ihren besonderen Wert da-
durch, daß sie eine so große Zahl von Beispielen irrtümlicher Diagnosenstellung
aus der Erfahrung eines einzigen Operateurs bringt. Weber (Dresden).
46) Depage. A propos de l’incision dans la splenectomie.
(Ann. de la soc. belge de chir. 1908. April.)
D. machte in einem nicht näher beschriebenen Fall von Splenektomie die
Schnittführung in Anlehnung an den Kehr’schen Wellenschnitt; während aber
bei diesem der erste und dritte Teil senkrecht und der mittelste Teil wagerecht
verlaufen, beginnt D. mit einem Schrägschnitt am Rippenbogen, verlängert den-
selben senkrecht durch den Rectus nach unten und setzt hierauf den dritten Teil
932 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30.
des Schnittes wieder parallel dem ersten nach außen. Verf. lobt sehr die außer-
ordentlich gute Übersicht, die er durch diesen Z-förmigen Schnitt erhielt.
Vorderbrügge (Danzig).
s
47) E. Bircher. Ein Beitrag zur Chirurgie der nichtparasitären Milz-
cysten.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCII. p. 323.)
B. berichtet über einen in der Kantonalen Krankenanstalt zu Aarau bei einer
34jährigen Frau operierten Fall von Milzcyste. Dieselbe hatte 3/, Jahre vor ihrer
Aufnahme in der Schwangerschaft Odem am rechten Bein und Schmerzen in der
rechten Unterbauchgegend gehabt, was sich nach der Entbindung besserte. Jetzt
war sie vor 8 Tagen plötzlich mit Leibschmerzen und Erbrechen erkrankt, rasch
abgemagert und von Kräften gekommen. Sie zeigte Fieber, eine mannskopfgroße,
teils cystische, teils elastische Geschwulst im Bauche rechts unten, übrigens auch Al-
buminurie. Laparotomie unter der Diagnose Pankreascyste oder Eierstocksgeschwulst.
Die Geschwulst ist unschwer als cystisch und der Milz angehörig erkennbar;
mittels Trokar wird eine dunkelbraune flockige dicke Masse, gemischt mit fetzigen
eiterigen Massen, entleert. Dann folgt Luxation der Milz, deren Stiel manns-
daumendick ist, mit pulsierenden Gefäßen, und um 360° achsengedreht, weiter die
Resektion des Cystensackes, nachdem an seiner Basis das normale Milzgewebe
durch eine Reihe von Knopfnähten umstochen ist. Abtragung der Cystenwand
unter geringer Blutung; der verbleibende Milzstumpf bzw. basale Rest der
Cystenwand ist derbfibrös, trabekelartig gezeichnet (Abbildung). Retorsion des
Milzstieles, Reposition der Milz, Bauchnaht. Der Operation folgten bald ileusartige
Erscheinungen, unter denen nach mehreren Tagen der Tod eintrat. Die Sektion
ergab (außer akuter, hämorrhagischer Nephritis), daß die reponierte Milz durch
Druck eine Dünndarmschlinge verlegt hatte. Der Stiel der Milz war 32 cm lang.
B. hält für denkbar, daß die Cystenbildung einen ursächlichen Zusammenhang
mit der Gravidität hatte. Die anatomische Ursache derselben mag eine Infarkt-
bildung mit nachfolgender Verflüssigung gewesen sein. Der ungewöhnlich lange
Stiel der Milz erlaubte deren auffällige Dislokation nach rechts in die lleocoecal-
gegend.
Im Anschluß an seinen Fall bringt B. eine gut orientierende Allgemein-
besprechung über die Milzcysten, deren Anatomie, Atiologie usw. Auch hat er
die bisher veröffentlichten Fälle operierter Milzcysten gesammelt und stellt sie — im
ganzen 33 — tabellarisch zusammen. Die am häufigsten ausgeführte Operation (15 Fälle)
ist die Splenektomie, die wohl als sicherste und beste Therapie anzuerkennen ist.
Auch in B.’s Falle, wo man der Pat. den unveränderten Milzrest erhalten wollte,
wäre durch Splenektomie der tödliche Ausgang wohl vermeidbar gewesen.
Zum Schluß Literaturverzeichnis von 57 Nummern.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
48) V. Brunzl. Über einen durch Operation geheilten Fall von groß-
knotiger Lebertuberkulose. (Aus der chir. Abteilung des k. k. Kranken-
hauses Wieden in Wien. Prof. J. Schnitzler.)
(Münchener med. Wochenschrift 1%8. Nr. 9.)
Der 21jährige, erblich nicht belastete, früher an Kniegelenks- und Hüftgelenks-
entzündung sowie an Lymphomata colli erkrankt gewesene Pat. wurde wegen seit
über 1 Jahr bestehender, nur vorübergehend gebesserter, schließlich andauernder
und jeglicher operativen Therapie trotzender Schmerzen in der vergrößerten, am
freien Rande höckerigen Leber operiert. Eine längere Jodkur hatte nach dem
Probebauchschnitt, der harte, kreidige Geschwülste im rechten Leberlappen ergeben
und vorübergehende Linderung gebracht hatte, nur kurze Zeit Erfolg gehabt;
dann traten — bei gleichzeitigen auf Tuberkulose verdächtigen Lungenerscheinun-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 933
gen — erneut heftige Leberschmerzen auf, die auch durch eine antisyphilitische
Behandlung nicht gemildert wurden. Deshalb Operation und stückweise Auslösung
einer ca. mannskopfgroßen Geschwulst mit nachfolgender Tamponade mittels in
Adrenalinlösung (30 Tropfen : 10 ccm physiologischer Kochsalzlösung) getränkter
Gaze; die Blutung war beträchtlich, so daß Kochsalzinfusionen nötig wurden. Nach
Abstoßung eines Lebersequesters langsame Heilung; Pat. noch 1 Jahr nach der
Operation frei von Beschwerden. Die Untersuchung — siehe die genaue Be-
schreibung im Original — ergab u. a. Epitheloidzellherde mit Riesenzellen, aller-
dings ohne Tuberkelbazillen, bei reichlicher Bindegewebsentwicklung, die für Lues
verdächtig erschien. Kramer (Glogau).
49) Lieblein. Klinische Beiträge zur Talma-Drummond’schen
Operation.
(Mitteilungen a. d. Grenzgebieten d. Medizin u. Chirurgie Bd. XVIII. Hft. 5.)
L. berichtet über die Erfahrungen der Wölfler’schen Klinik; in 15 Fällen
wurde bei Lebercirrhose operativ eingegriffen.
Dreimal bestand der Eingriff lediglich in einer Probelaparotomie, weil ent-
weder das Netz so geschrumpft war, daß seine Befestigung an der vorderen Bauch-
wand unmöglich war, oder bereits zahlreiche Verwachsungen zwischen Netz, Leber
oder Milz mit der vorderen Bauchwand vorhanden und die Kollateralen in der
vorderen Bauchwand schon stark ausgeprägt waren.
In zwölf Fällen wurde die Talma’sche Operation ausgeführt, und zwar:
1) Dreimal Befestigung des Netzes an die vordere Bauchwand und supra-
pubische Drainage;
2) einmal Festlegung eines Netzzipfels zwischen Zwerchfell und Leber, eines
anderen Zipfels am Peritoneum parietale der vorderen Bauchwand, gleichzeitig
suprapubischer Schnitt zur Entleerung des Ascites;
3) in vier Fällen die intraperitoneale Befestigung des Netzes an der vorderen
Bauchwand ohne suprapubische Drainage;
4) in einem Falle Befestigung des Netzes in einer Tasche, die durch Abpräpa-
rieren des Peritoneum parietale von der vorderen Bauchwand geschaffen wurde;
6) in drei Fällen die Operation nach Narath, extraperitoneale Befestigung
des Netzes in einer Tasche, die durch Abpräparieren der Bauchhaut gewonnen
wurde; in einem derselben sah man sich jedoch genötigt, nachträglich die typische
intraperitoneale Befestigung des Netzes auszuführen.
Von diesen Pat. starben vier an der Operation: zwei mit suprapubischer Drai-
nage an Peritonitis — diese Methode wird daher verworfen, zwei an Auseinander-
platzen der Bauchnaht am 12. bzw. 14. Tage nach der Operation. — Da nun noch
ein Fall 3 Tage nach der Entlassung an kruppöser Pneumonie zugrunde ging,
bleiben sieben Fälle übrig zur Beurteilung des Wertes der Operation. Von diesen
war bei zweien ein Erfolg überhaupt nicht aufzuweisen, bei zweien ein vorüber-
gehender, dagegen ein eklatanter Erfolg bei dreien, hier ergab die Nachunter-
suchung nach 22, bzw. 18, bzw. 13 Monaten Ausgebliebensein des Ascites und
Arbeitsefähigkeit. Dies wäre also auf zwölf Fälle Talma’scher Operation ein
Heilungsprozent von 25%, das ungefähr mit den anderseitig gemachten Erfah.
rungen übereinstimmt.
Worauf es beruht, daß die Operation bald sehr günstig, bald gar nicht wirkt,
ist noch nicht klar zu erkennen; es scheint aber, daß der auf Lues hepatis be-
ruhende Ascites nicht günstig für die Operation ist, daß ferner wohl in manchen
Fällen der Ascites bei Cirrhose nicht auf Stauung, sondern auf daneben bestehender
chronischer Peritonitis beruht.
Wenn demnach die Erfolge noch nicht glänzende zu nennen sind, so ermutigen
sie doch zum Fortschreiten auf dem begonnenen Weg operativer Versuche. Von
denselben erscheint die Narath’sche Methode der Netzbefestigung als die leistungs-
fähigste. Haeckel (Stettin).
934 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30.
50) Dreesmann. Beitrag zur Kenntnis der kongenitalen Anomalien
der Gallenwege.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCH. p. 401.)
D. begegnete folgenden zwei seltenen Anomalien der Gallenwege: 1) Hoch-
gradige Erweiterung des Choledochus. 24jährige Frau, die seit ihrer
Geburt wiederholt an schweren Kolikanfällen unter Auftreten von Ikterus gelitten
hatte. Auch bei der Krankenhausaufnahme bestand intensiver Ikterus, Fieber und eine
faustgroße, sehr druckempfindliche Geschwulst unter der Leber, die als Echinokokkus
angesprochen wurde. Bei der Laparotomie fand man eine erweiterte Gallenblase und
eine bei weitem erheblichere, cystenartige, bis an Wirbelsäule und Zwerchfell
reichende Dilatation des Choledochus. Beide Organe entleerten bei Punktion bzw. In-
zision schleimig-eiterige Flüssigkeit und wurden drainiert. Hierauf folgte Abfieberung
und Hebung des Befindens, doch wich der Ikterus nicht, und fand aus dem er-
weiterten Choledochus dauernd GallenflußB von 1—1!/, Liter täglich statt. D.
versuchte deshalb nach ca. 3 Monaten durch eine zweite Operation, den Gallenfluß
ins Duodenum zu leiten, indem er dieses mit dem Choledochus mittels eines Drains
anastamosierte. Der Verlauf war anfünglich gut, doch trat am 3. Tage der Tod
durch Herzkollaps ein. Bei der Sektion fand sich die kolossale Choledochusdila-
tation wieder vor, wobei aber die Einmündung des Cystiticus in den Choledochus
und vom Choledochus in den Darm frei war. D. fand fünf Fälle in der Literatur,
die seinem sehr ähnlich sind, auch sämtlich Frauen betreffen. Die Entstehung
dieser gewaltigen Dilatationen, die, wie die klinischen Daten lehren, erst im Lauf
langer Jahre zustande kommen, möchte D. durch die Annahme einer angeborenen
Schwäche bzw. übergroßen Nachgiebigkeit der Choledochuswand erklären, die bei
Eintritt eines erstmaligen katarrhalischen Ikterus zunächst eine geringe, aber
dauernde Dehnung des Gallenganges hinterläßt. Diese Dehnung nimmt bei
späteren Ikterusanfällen zu, und ist weiter zu vermuten, daß sich eine klappenartige
Wandfaltung mit Gallenstauung einstellt, ähnlich den anatomischen Verhältnissen
bei Hydronephrosen. Der klinische Verlauf dieser Fälle ist stets so gleichmäßig,
daß für den, der damit bekannt ist, die Diagnose der Choledochusdilatation un-
schwer gelingen muß; die bisherigen Operationsversuche haben noch keine Erfolge
gehabt. D. schlägt folgenden Heilplan vor. Da eine gewöhnliche Choledocho-
Duodenostomie die Gefahr einer Infektion der Choledochuscyste bringen würde,
soll das Duodenum vom Magen abgetrennt, die Abtrennungsstelle beiderseits ge-
näht werden, dazu Gastroenterostomie und breite Anastomose zwischen Chole-
dochuscyste und Duodenum. Die Operationen können zweizeitig gemacht werden.
2) Doppelbildung des CUysticus. Eine solche fand D. gelegentlich einer
Cholecystektomie. Die beiden Cystici, keinerlei Unterschiede zeigend, vereinigten
sich oberhalb des Choledochus. Das Vorkommen dieser Mißbildung ist bereits
bekannt. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
51) L. Arnsperger. Diagnose und Therapie der akuten Cholcystitis.
(Med. Klinik 1908. p. 353.)
Die Heidelberger chirurgische Klinik ist mit Kehr der Ansicht, daß jedem
Gallensteinanfall eine bakterielle Infektion und Sekretstauung in der Gallenblase
oder in den Gallengängen zugrunde liegt. Auffällig häufig trat der »erste Anfall«
in der Wochenbetts-, einige Male schon in der Schwangerschaftszeit auf (Lagever-
änderung der Unterleibsteile und Abflußbehinderung der Galle durch die ver-
größerte Gebärmutter?). Die Diagnose wird noch oft verfehlt; unter 36 Fällen akuter
Cholecystitis, die 1904—1907 in Heidelberg zur Operation kamen, wurden 28 v.H.
mit falscher Diagnose (meist akute Wurmfortsatzentzündung) eingeliefert. Der
akute schwere Anfall ist zunächst mit Bettruhe, warmen Umschlägen oder Eis-
blase, etwas Morphium, vorsichtigen Kamillen- oder Öleingüssen, flüssiger Kost,
Kochsalzwassereinläufen in den Mastdarm oder unter die Haut zu behandeln. Es
muß im akuten Anfall operiert werden: 1) wenn die Heftigkeit oder das Fort-
schreiten der Erkrankung (schwere peritonitische oder cholangitisch-septische An-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 935
zeichen) das Leben bedroht, 2}; wenn das Leiden nach 4—G6tägiger innerlicher Be-
handlung nicht deutlich zurückgeht. Die zweckmäßigste Operation im Anfall ist
die Cystektomie, gegebenenfalls mit Hepaticusdrainage. Fast bei allen Fällen läuft
trotz der Abbindung des Cysticus nach einigen Tagen Galle in den Verband, wohl
weil der Cysticusstumpf abschwillt und sich der Faden dadurch lockert. Von den
obigen 36 Operierten starben 24 v.H., darunter 3 von 12 Cholecystostomierten,
1 von 12 Cholecystektomierten, 3 von 6 Kranken, bei welchen Cholecystektomie
und Hepaticusdrainage ausgeführt worden war. Georg Schmidt (Berlin).
52) F. Fink. 400 Gallensteinkranke des Jahres 1906.
(Med. Klinik 1908. p. 410.)
Im wesentlichen zahlenmäßige Abwertung der an 400 in Karlsbad innerlich
behandelten Gallensteinkranken gemachten klinischen Beobachtungen. Es wird
auch den Chirurgen interessieren, zu hören, daß die Kur einen guten Erfolg bei
88,71 v. H., einen teilweisen Erfolg bei 8,53 v. H. (zusammen Erfolg bei 97,25 v.
H.), keinen Erfolg bei 2,74 v. H. erzielte. Georg Schmidt (Berlin).
53) Schemmel. Ein kleiner Beitrag zur Gallensteinchirurgie.
(Med. Klinik 1908. p. 630.)
Auf Grund eines eigenen Erfolges wird Kehr’s Vorschlag empfohlen, lippen-
förmige Gallenfisteln durch Ablösung der Gallenblase von der Bauchwand und Ver-
nähung des angefrischten Gallenblasenloches zu schließen.
In das Hepaticusdrain wird ein Auge eingeschnitten, das der Lichtung des
Choledochus gegenüber zu liegen kommt, so daß die Galle auch nach dem Darme
zu abfließen kann. Nach Abtragung der Gallenblase können mit Vorteil zur
Deckung von Defekten im verengten und gespaltenen Hepaticus die Lappen des
aufgeschnittenen Cysticusstumpfes verwendet werden. Krankengeschichte.
Georg Schmidt (Berlin).
54) A. Volmer. Ein Adenofibrom in der Wand des Ductus chole-
dochus.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVI. Hft. 1.)
Der vorliegende Fall ist durch seine Seltenheit bemerkenswert. Bei der Ope-
ration eines Choledochusverschlusses fand man als Ursache ein Adenofibrom in der
Wandung dieses Gallenganges. Der Choledochus wurde bis ins Duodenum hinein
gespalten und dann in der Ausdehnung der Geschwulst reseziert. Das obere Ende
wurde alsdann mit dem unteren und dem Duodenum vereinigt. Leider ging Pat.
zugrunde. Die Choledochusresektion ist bisher nur viermal ausgeführt worden,
von Kehr, Doyen und Rotter. E. Siegel (Frankfurt a. M.).
55) C. Watson. The clinical value of the pancreatic reaction in the
urine, based on over 250 analyses.
(Brit. med. journ. 1908. April 11.)
Die 250 Untersuchungen der 1904 von Cammidge angegebenen Pankreas-
reaktion des Urins erstrecken sich auf 120 Fälle der verschiedensten Erkrankungen.
Sie beweisen, daß in der Tat Pankreaserkrankungen in einer bestimmten und be-
deutungsvollen Beziehung zur Reaktion stehen, und daß die Probe ein Hilfsmittel
zur Erkennung von Pankreasveränderungen darstellt, aber nur im Verein mit der
ganzen übrigen Symptomatologie. Weber (Dresden).
56) Strauss. Die Erkrankungen und Verletzungen der Bauchspeichel-
drüse in der Armee von 1894 bis 1904.
(Deutsche militärärztl. Zeitschrift 1908. Hft. 8.)
Innerhalb des Zeitraumes von 1894-1904 fand S. in den Armee-Sanitäts-
berichten die nachfolgenden Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse bei Soldaten.
Fünf Pankreascysten, von welchen zwei mit Erfolg operiert wurden und drei die
936 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30.
Operation verweigerten. Sieben Pankreaskarzinome und ein Sarkom, von welchen
letzteres mit zahlreicher Metastasenbildung rasch tödlich endigte. Chronische Ent-
zündung kam einmal, hämorrbagische zweimal vor; letztere beiden Fälle wurden
leider ohne Erfolg operiert. Bei ausgedehnter Unterleibstuberkulose wurde in einem
Falle auch die Bauchspeicheldrüse von zahlreichen miliaren Knötchen durchsetzt
angetroffen. Endlich sind noch drei Sektionen erwähnt, bei welchen durch Magen-
und Darmgeschwüre das Pankreas schwer geschädigt war. Pankreasverletzungen
beobachtet man in der Armee häufiger, innerhalb der 10 Jahre kamen drei Fälle zur
Beobachtung, von denen zwei tödlich endigten. Die Diagnose der Pankreasver-
letzungen ist sehr schwer vor der Laparotomie zu stellen.
Herhold (Brandenburg).
67) W. Rindfleisch. Kasuistischer Beitrag zur Kenntnis der Stein-
bildung im Pankreas.
(Mitteilungen a. d. Grenzgebieten der Medizin u. Chirurgie Bd. XVIII. Hft. 5.)
Zwei Fälle aus der Lichtheim’schen Klinik, in denen die Autopsie Vor-
handensein von Pankreassteinen ergab, ohne daß im Leben die Diagnose darauf
gestellt worden war. R. erörtert die Schwierigkeit der Diagnose, die hauptsächlich
darauf beruht, daß einmal in dem komplizierten Verdauungsmechanismus sämt-
liche Rollen doppelt besetzt sind, und deshalb auch der Ausfall der wichtigsten
Verdauungsdrüse unter Umständen ohne deutlichen Einfluß auf den Ablauf der
Darmverdauung bleiben kann, also die allgemeinen Pankreaserscheinungen völlig
fehlen können, daß sodann die speziellen Steinsymptome, besonders die Schmerzen,
fehlen können oder, wenn vorhanden, schwer von den so viel häufigeren Bauch-
koliken anderen Ursprunges zu unterscheiden sind. Retrospektiv kommt R. bei
genauer Analyse aller Symptome zu dem Resultat, daß die Fehldiagnose in beiden
Fällen unvermeidlich war, und so wird es uns in der Pankreaspathologie noch
häufiger gehen. Haeckel (Stettin).
68) Hall. Cyst of the pancreas.
(Surgery, gynecology and obstetrics 1908. VI. 4.)
Bei einer 42jährigen Frau hatte sich zufällig 10 Jahre früher eine kleine Ge-
schwulst gefunden, die sehr langsam wuchs. Während vor Existenz der Geschwulst
zahlreiche Wochenbetten fieberfrei verlaufen waren, hatte Pat. seitdem stets 4 bis
5 Wochen lang Fieber, und nach der letzten Entbindung erholte sie sich überhaupt
nicht mehr, sondern kam in einen Zustand chronischer Sepsis, der sie aufs äußerste
herunterbrachte. Gleichzeitig war die Geschwulst stark gewachsen, hatte zur Zeit
der Operation die Größe des Uterus im 3. Monat. Sie lag mitten im Leibe, reichte
ca. 10 cm über den Nabel und hatte keinen Zusammenhang mit dem Uterus,
fluktuierte und wurde für ein septisch infiziertes Kystom gehalten. Bei der Operation
fand sich ihre gesamte Oberfläche mit der Bauchwand verwachsen, ihre Farbe war
leberbraun. Nach Punktion entleerte sich schokoladebraune, stinkende Flüssigkeit.
Während der vordere Teil der Geschwulst sich verhältnismäßig leicht ablösen ließ,
bereiteten die tiefen Lagen durch die oft dünne und sehr zerreißliche Wand große
Schwierigkeit. Schließlich fand man, daß die Geschwulst retroperitonealen Ursprung
hatte und vom Pankreas ausging. Die Kranke erholte sich nur sehr langsam. —
H. hält die Cyste für eine Retentionscyste des Pankreas, die durch irgend eine
Ursache, vielleicht im Zusammenhang mit den Wochenbetten, infiziert wurde.
Ungewöhnlich ist das sehr langsame Wachstum. Trapp (Bückeburg).
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdruoke wolle man
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden.
Für die Redaktion verantwortlich: Geb. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau.
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig.
Zentralblatt für Chirurgie
herausgegeben von
K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER,
in Bonn, in Berlin, in Breslau.
35. Jahrgang.
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG.
Nr. 31. | Sonnabend, den 1. August 1908.
Inhalt.
P. Sick, Zur Behandlung septischer und pyämischer Allgemeininfektion. (Original-Mitteilung.)
1) Leser, Allgemeine Chirurgie. — 2) Lerda, Präventivimpfung gegen chirurgische Infektionen.
— 3) Schwarz, Traumatische Neurose eine epidemische Volkserkrankung. — 4) Ehrhardt, Gummi-
. zusatz zum Lumbalanästhetikum. — 5) Hermann, Gehirn und Schädel. — 6) Jianu, Lumbal-
punktion bei Schädelbrüchen. — 7) Knapp, Hirngeschwülste — 8) Yonge, Nervenresektion bei
Heufieber. — 9) Meyer, Angina ulcero-membranosa. — 10) Massabuau, Speicheldrüsengeschwülste
— 11) Klemm, Basedow’sche Krankheit. — 12) Fraenkel, Kehlkopfverknöcherung. — 13) Vaquez,
Gaseinspritzungen bei Pleuritis.
De Witt Stetten, Zur Frage der sog. »Madelung’schen Deformität« des Handgelenkes, mit
besonderer Rücksicht auf eine umgekehrte Form derselben. (Originalmitteilung.)
14) Hochenegg, Klinischer Jahresbericht. — 15) Tetsuo Miyata, Skalpierung. — 16) Kaplan,
17) Barker, Otogene Meningitis. — 18) Thomas u. Cushing, Gehirncyste. — 19) Koch, 20) Morris,
21) Garrö, Verbesserung von Gesichtsformen. — 22) Bogoljuboff, Adenoma adamantinum. —
23) Levinger, Behaarter Rachenpolyp. — 24) Gorochow, Spina bifida. — 25) Wirschubski, Spon-
dylitis typhosa. — 26) Dobromyssloff, Geschwülste der Carotisdrüse. — 27) Severeanu u. Jianu,
Unterbindung des Ductus thoracicus. — 28) Hinrichs, Thymusschwellung. — 29) Delore und
Chalier, 30) Cook, Kröpfe. — 31) Kan, Kehlkopfluftsäcke. — 32) Hansberg, Membranbildung des
Kehlkopfes. — 33) Bloch, Gonorrhoische Entzündung eines Kehlkopfgelenkes. — 34) Möller, Kehl-
kopftuberkulose. — 85) Jacson, 386) Markuson, 87) Ingals, Fremdkörper in den Luftwegen. —
88) Vidal, Überdruckapparat. — 39) Delorme, Lungenschußwunden.
F. Franke, Zu der vorläufigen Mitteilung von Stabsarzt Dr. Momburg: »Künstliche Blut-
leere der unteren Körperhälfte« in Nr. 23 d. Bl.
Berichtigung.
Aus der chirurgischen Abteilung des Diakonissenkrankenhauses
in Leipzig. Chefarzt Dr. P. Sick.
Zur Behandlung
septischer und pyämischer Allgemeininfektion.
Von
P. Sick.
or Jahresfrist hatte ich Veranlassung an der Hand einiger schwerster
Phlegmonefälle! davor zu warnen, daß bei solchen ja glücklicher-
weise seltenen stürmisch verlaufenden Prozessen durch Bier’sche
Stauung die letzten Stunden versäumt werden, in denen durch die
alte radikale Therapie breitester Freilegung, eventuell Exzision oder
Amputation der Herde noch Heilung erzwungen werden kann. In
solchen Fällen tritt aber auch die Allgemeininfektion so frühzeitig
1 Grenzgebiete für Bier'sche Stauung. Deutsche med. Wochenschrift 1907.
Nr. 25. p. 997 ff.
31
938 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31.
in den Vordergrund des Bildes, daß neben dem chirurgischen Vor-
gehen die Bekämpfung der Blutinfektion oder schon in den Lungen,
Nieren lokalisierter Herde erforderlich wird. Außer den längst be-
währten Kochsalzeinläufen (intravenös, subkutan, protrahiert ins Rektum)
besitzen wir immer noch kein zuverlässiges Mittel, zumal wenn es
gegen verschiedene Infektionen wirksam sein soll. Erst kürzlich hatte
ich wieder Gelegenheit, die Unwirksamkeit des Streptokokkenserums,
der Nukleinpräparate, des Collargols an einem Manne zu erproben,
der eine 7Twöchige Streptokokkensepsis und Pyämie, ausgehend von
einer Handphlegmone, überstand. Das Ausbleiben der Reaktion in
manchen Fällen bakteriologisch bekannter Infektion dürfte doch
mehr beweisen, als eine Anzahl scheinbar durch Collargol und ähn-
liches Gebeilte, die sich klinisch ebenso schweren ohne Blutantiseptika
Geheilten an die Seite stellen. Die neueste Errungenschaft in der
Bekämpfung eitriger Prozesse, die Antifermentbehandlung nach
Eduard Müller und A. Peiser-Breslau, eignet sich offenbar ähn-
lich wie die Bier’sche Stauung bis auf weiteres auch nur für leichtere
zur Abszeßbildung neigende Herderkrankungen. Hier leisten sie ge-
wiß beide konservativ vorzügliches.
Dagegen habe ich im letzten Jahr in dem Jodipin, einer
chemischen Verbindung des Jodes mit Sesamöl, das von E. Merck,
Darmstadt, in verschiedener Konzentration hergestellt wird und bis-
her wesentlich als reizloser und sehr wirksamer Ersatz für Jodkalium
Verwendung fand, ein Mittel kennen gelernt, das stets eine Reaktion
in günstigem Sinne gerade bei den schwersten septischen Infektionen
herbeiführte. In allen Fällen trat mit der Herabsetzung der Tem-
peratur eine auffallend rasche Hebung des Allgemeinbefindens ein.
Direkt ausschlaggebend erschien das Jodipin zumal in einem Falle
schwerster Sepsis, der lokal außer dem schmutzigen streptokokken-
haltigen Belag der kleinen auswärts genähten Armwunde keine Reak-
tion zeigte, dagegen Ikterus, euphorische Delirien, große Infiltrate
beider Lungen mit Streptokokken im Auswurf. Collargol blieb ohne
Einfluß. Aber nach 3maligen Subkutangaben von 25 %igem Jodipin,
einmal 10 ccm, zweimal 5 ccm, war das Befinden in 3 Tagen zur
Norm zurückgekehrt. Die Verdichtungen in den Lungen hellten sich
sehr rasch auf und waren nach 10 Tagen nicht mehr nachweisbar.
Nicht uninteressant sind auch Fälle, bei denen die lokale schwere
Phlegmone zunächst trotz energischer Inzisionen noch Fortschritte
macht und doch unter der Jodipinwirkung das Allgemeinbefinden
schon eine entscheidende Wendung erkennen läßt. Die Erfahrungen,
die wir bisher naturgemäß nur an verhältnismäßig wenigen Kranken
haben erproben können, wobei außer Phlegmone auch Puerperalsepsis?,
3 Hier erwies sich auch die Kombination von Jodipin mit größeren Antipyrin-
gaben, welch letztere Curschmann empfiehlt, nützlich. Jedenfalls aber ist nicht auf
die Anwendung von Kochsalzeinläufen mit und ohne Zusatz von Alkohol und
anderen Reizmitteln zu verzichten, es sei denn, um an einigen Kranken die reine
Judipinwirkung herauszustellen.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 939
Anthrax, postoperative Pneumonie (nach Magenoperationen) mit Erfolg
in den Versuchskreis gezogen wurden, wird Herr Dr. Elsässer nächstens
in Bruns’ Beiträgen zur klinischen Chirurgie ausführlich veröffentlichen.
Wir sind meist mit 2 bis 4 Einspritzungen, das erstemal 1O ccm, dann
nach 12 bis 24 Stunden je nach Bedarf 5 ccm 25 giges Jodipin sub-
kutan in Brust oder Oberschenkel, ausgekommen, doch sind öfter
auch weit größere Mengen im Laufe von Wochen gegeben worden,
ohne daß Intoxikationsandeutungen sich zeigten. Dabei ist das Jod
schon nach wenig Stunden im Urin nachweisbar, und die Ausscheidung
läßt sich monatelang verfolgen. Untersuchungen über die Beeinflussung
der Blutzusammensetzung durch Jodipin stehen noch aus. Wahrschein-
lich handelt es sich um eine Mobilisierung der Antikörper unter seiner
Wirkung, nicht um direkte Antisepsis.
Die vorstehenden kurzen Ausführungen bezwecken nicht, das
Jodipin als Spezifikum gegen akute pyämische und septische Prozesse
hinzustellen, sondern diejenigen, die bei diesen Erkrankungen von den
bisherigen Hilfsmitteln nicht befriedigt sind, zur Nachprüfung aufzu-
fordern, um die spärliche Erfahrung eines einzelnen zu verbreitern.
Danach erscheint das Jodipin geeignet, das kleine Gebiet der Casus
infausti noch um etwas zu verringern.
1) E. Leser. Allgemeine Chirurgie in 50 Vorlesungen. 2. um-
gearbeitete Auflage. 772 Seiten mit 240 teils farbigen Ab-
bildungen im Text.
Jena, Gustav Fischer, 1908.
Der günstigen Meinung, welcher der Ref. bei Besprechung des
Werkes nach seinem Erscheinen Ausdruck gab (Zentralblatt für Chi-
rurgie 1906, p. 6), hat die Verbreitung, welche es in der Studenten-
und Arztewelt gefunden hat, recht gegeben. Knapp nach 2 Jahren folgt
der ersten Auflage die zweite. Der aufmerksame Leser wird finden, daß
den Ausstellungen, an denen es von seiten der Kritik seinerzeit nicht ganz
gefehlt hat, die aber zum großen Teil nur äußere Mängel, Fehler in
der Anordnung des Stoffes usw., auch einiges Vergessene betrafen,
vom Verf. mit Sorgfalt Rechnung getragen ist — es handelte sich ja
auch um keinerlei Grundfragen, und die vom Ref. bei der ersten Be-
sprechung gekennzeichnete Eigenart der Darstellung, welche den
Schwerpunkt auf den soliden Unterbau Volkmann’scher Lehre
gründete, ist in keiner Weise dadurch beeinträchtigt, der didaktische
Wert aber noch gesteigert worden, ohne daß der Umfang allzusehr
vermehrt zu werden brauchte. Doch erkennt man in den Ande-
rungen unschwer, wie sich auch Verf. dem Fluß, in welchen Probleme
der allgemeinen Chirurgie neuerdings geraten sind, im Anschluß an
andere Forscher nicht hat entziehen können. Vor allem spielt die
Bier’sche Hyperämielehre auf dem Gebiete der Behandlungserfolge
eine immer mehr hervortretende Rolle. Auch der Wunsch nach
31*
940 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31.
weiterer Ausgestaltung der Bibliographie ist jetzt in einem eigenen
Kapitel erfüllt, worin »dem jungen Arzte Winke gegeben werden, wie
er sich der Literatur gegenüber zu verhalten habe«. Die L.’sche all-
gemeine Chirurgie ist auf dem besten Wege, sich einzubürgern, was
im Wettkampf in der heutigen erfolgreichen Literatur auf gleichem
Gebiet sicherlich nicht wenig bedeutet. Herm. Frank (Berlin).
2) @. Lerda. Über die Prophylaxis der chirurgischen In-
fektionen vermittels präventiver Impfungen.
(v. Langenbeck's Archiv Bd. LXXXV. Hft. 4.)
L. ist der Ansicht, daB wir auch mit der besten Asepsis die in-
fektiösen Keime nicht immer vom Operationsgebiete fernhalten können.
Er glaubt deswegen, daß ein Fortschritt in der Vermeidung von In-
fektionen nicht durch Erfindung neuer antiseptischer Maßnahmen zu
erzielen sei, sondern meint, daß das Ziel dadurch zu erstreben sei,
daß man den Organismus gegen die Infektion mit den gewöhnlichen
Eitererregern immunisiert. Es ist ihm selbst im Tierexperiment ge-
lungen, durch Injektion von Gemischen aus sterilisierten Kulturen
verschiedenartiger Staphylo- und Streptokokkenkulturen oder Einver-
leibung von Endotoxinen derselben eine beträchtliche Immunität gegen
diese Keime zu erzielen. Auch an Menschen hat Verf. einschlägige
Versuche gemacht und kommt auf Grund seiner Beobachtungen zu
dem Schluß, daß am besten Suspensionen von Bakterienleibern anzu-
wenden seien. Obschon seine Versuche noch zu spärlich sind, um
allgemeine Schlußfolgerungen zu gestatten, hält er es doch für ge-
rechtfertigt, daß sich die Wissenschaft eifrig damit beschäftigt, zu
eruieren, wie man den individuellen Widerstand gegen die häufigsten
spezifischen Erreger der Sepsis erhöhen kann.
E. Siegel (Frankfurt a. M.).
3) Schwarz. Die traumatische Neurose eine epidemische
Volkserkrankung.
(St. Petersburger med. Wochenschrift 1908. Nr. 18.)
In seinem Vortrag berichtet Verf. über einige Kranke, bei welchen
sich an eine geringfügige Verletzung eine schwere traumatische Neu-
rose anschloß, die in Heilung ausging. Er schließt eine Erörterung
der Frage an, wieso in Deutschland die Unfallneurosen so schlechte
Prognose abgeben. Den Grund sieht er in unserer Unfallgesetzgebung.
In etwas optimistischer Auffassung kommt er zum Schluß, daB bei
einer Anderung unseres Unfallgesetzes, bei welcher die Segnungen für
die wirklich Geschädigten erhalten blieben, die üblen Folgen vermieden
würden, die traumatische Neurose in der Geschichte der Medizin als
ein Beispiel übrig bleiben werde, wie durch staatliches Gesetz eine
psychisch nervöse Epidemie zustande kommen könne.
Deetz (Homburg v.d. H.).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 941
4) E. Ehrhardt (München). Über die Verwendung von
Gummi als Zusatz zum Anästhetikum bei Lumbalanästhesie.
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 19.)
E. hat zunächst an Kaninchen Versuche angestellt, bei denen
eine von der Firma Merck gelieferte einwandsfreie Lösung von Gummi-
arabikum mit einer 1%igen Lösung von Tropakokain benutzt wurde.
Die Vorteile des Zusatzes von Gummi — 5—10—15% — bestanden
in der Verminderung der toxischen Allgemeinerscheinungen infolge
verlangsamter Resorption des Anästhetikums und weniger unmittelbaren
Kontaktes desselben mit den nervösen Zentralorganen, sowie in der
Verlängerung der anästhesierenden Wirkung. Auch bei Kälbern
wurden diese Ergebnisse bestätigt; nur die Versuche mit 10% hoher
Gummikonzentration nahmen einen eigenartigen Verlauf. Nach-
dem in Beckentieflagerung die Punktion und Injektion vorgenommen
war, trat Anästhesie der hinteren Extremitäten auf; beim Wechsel der
Lagerung sprang die Anästhesie auf vordere Extremitäten, Hals und
Kopf über, Bauch und Brust freilassend. Erst bei der darauffolgenden
Flachlagerung trat Anästhesie auch dieser Region ein, so daß also
totale Unempfindlichkeit bestand. — Die daraufhin mit Gilmer an
Menschen gemachten Versuche ergaben im Anfang in bezug auf die
Dosierung große Überraschungen, worüber noch gesondert berichtet
werden soll. E. schildert nur einige in den gynäkologischen Kliniken
ausgeführte Lumbalanästhesien mit Tropakokain-Gummilösung (0,4 bis
1 ccm 5—10%iger Tropakokainlösung mit 1,5—2 cem 15 % iger Gummi-
lösung, mit Liquor auf 10 ccm verdünnt), welche z. T. sehr günstig
verliefen; die Anästhesie trat rasch auf, war meist total und dauerte
etwa 1 Stunde. Mehrfach klagten die Pat. 1—2 Tage lang über
Kopfschmerzen, einige hatten auch Temperatursteigerungen, aber
niemals motorische Störungen. Die bei einer Demonstration am letzten
Chirurgenkongreß vorgenommene Lumbalanästhesie hatte eine Meningitis
zur Folge.
Als Ergebnis seiner Beobachtungen empfiehlt E. die Verwendung
eines 3%igen Gummizusatzes zu 1%iger Tropakokainlösung und die
Vermeidung des Auskochens der Nadeln und Spritze in Sodalösung,
die reizende Niederschläge in der Gummilösung veranlaßt.
Kramer (Glogau).
5) F. Hermann, a. o. Prof. der Anatomie an der Universität
Erlangen. Gehirn und Schädel. Eine topographisch-anato-
mische Studie in photographischer Darstellung. Mit 69 zum
Teil mehrfarbigen Lichtdrucktafeln. 60 Mk.
Jena, @. Fischer, 1908.
Durch den hier angezeigten Atlas von H. ist die topographisch-
anatomische Literatur um ein prachtvolles Werk bereichert worden.
Auf 69 künstlerisch vorzüglich ausgeführten Tafeln erhalten wir
942 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31.
genaue, in natürlicher Größe gehaltene Darstellungen von der Lage des
Gehirns und seiner Teile zu der Oberfläche des Schädels und damit
Anschauungsbilder, die wissenschaftlich wie praktisch von größtem
Werte sind. Die 69 Tafeln sind in sechs Gruppen geordnet: 1) Pro-
jektion von oben (23 Tafeln); 2) Projektion von vorn (12 Tafeln);
3) Projektion von hinten (15 Tafeln); 4) Projektion von lateral (12 Tafeln);
5) Projektion der Gehirmventrikel auf das Schädelgewölbe (4 Tafeln);
6) Verhältnis des Krönlein’schen Liniensystems zu dem Schädel-
gewölbe, dem Großhirnrelief und dem Medianschnitte des Gehirns
(3 Tafeln). Wo verschiedene Gebilde, wie Gehirnfurchen, Gefäße,
Schädelnähte, auf demselben Bilde gleichzeitig dargestellt sind, ist
von der Anwendung verschiedener Farben Gebrauch gemacht worden,
so daß die Bilder ohne weiteres übersichtlich und verständlich sind.
Die Methoden, die bei der Herstellung der Präparate, der photo-
graphischen Originalaufnahmen und bei der Vervielfältigung ange-
wendet wurden, zeugen von der großen Gewissenhaftigkeit, mit der
H. zu Werke gegangen ist, und die zugleich eine Gewähr für die
sachliche Zuverlässigkeit der Darstellungen bietet. In Anbetracht des
Gebotenen ist der Preis als niedrig zu bezeichnen.
E. Gaupp (Freiburg i. B.).
6) I. Jianu (Bukarest). Einige Betrachtungen über die Lum-
balpunktion bei Schädelbrüchen.
(Spitalul 1908. Nr. 8.)
Die Lumbalpunktion‘ spielt eine wichtige Rolle in der Diagnose
der Schädelbrüche; ist die hierbei entleerte Flüssigkeit blutig tingiert,
so kann fast mit Sicherheit ein Bruch des knöchernen Schädelgerüstes
angenommen werden. Es kann aber vorkommen, daß man bei der
einen Punktion eine klare, bei einer anderen eine blutige Flüssigkeit
erhält, und hat der Verf. die Beobachtung gemacht, daß hierbei die
Haltung des Pat. eine ausschlaggebende Rolle spielt, indem man
positive Resultate hauptsächlich bei in sitzender Haltung vorgenom-
menen Punktionen erhält. Auch ist es von Wichtigkeit, hierbei eine
größere Menge zerebrospinaler Flüssigkeit (etwa 30 ccm) abfließen zu
lassen, da die ersten Portionen, falls es sich um kleinere Mengen
handelt, oft vollkommen klar sind.
Eine weitere Vorsichtsmaßregel ist die, bei Vornahme mehrerer
Punktionen dieselben von unten nach oben zu verschieben, damit nicht
durch eine akzidentelle, der vorhergehenden Punktion zuzuschreibende
Blutung eine Rotfärbung der Punktionsflüssigkeit bewirkt wird und
dies zu Trugschlüssen Veranlassung gibt. E. Toff (Braila).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 943
7) A.Knapp (Halle). Fortschritte in der Diagnostik der Hirn-
tumoren, aus der Kgl. Universitätsklinik für psychische und
Nervenkrankheiten in Göttingen (Prof. Dr. Cramer).
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 19 u. 20.)
K. geht davon aus, daß im Gegensatz zu den einer genauen
Lokaldiagnose und einem operativen Eingriff am ehesten zugänglichen,
im Bereiche der Gehirnzentren sitzenden Geschwülsten, deren Ent-
fernung auch den Verlust des betreffenden Zentrums mit sich bringt,
die in stummen oder indifferenten Gehirnprovinzen sich ausbreitenden
Geschwülste für den Chirurgen ungleich verlockender sein müßten, da
ihre Beseitigung keine dauernden Ausfallserscheinungen zur Folge hätte.
In Anbetracht dessen, daß die Lokaldiagnose dieser Art von Gehirn-
geschwülsten nur auf Grund von Fernsymptomen geschehen kann, be-
zeichnet es K. als die Aufgabe des Neurologen, eine Gesetzmäßigkeit
in der Gruppierung dieser F'ernsymptome nachzuweisen, gibt aller-
dings zu, daß gerade bei deren Berücksichtigung die diagnostischen
Fehlerquellen besonders zahlreich sein werden. Für die Geschwülste
des Schläfenlappens hat er diesen Weg bereits mit Erfolg betreten,
indem er — in einer früheren Arbeit — auf die Bedeutung der im
Verlauf des Leidens auftretenden transitorischen Störungen im Oculo-
motoriusgebiet, besonders von Ptosis und Mydiasis aufmerksam ge-
macht, freilich nicht verschweigend, daß auch zuweilen Scheitellappen-
erkrankungen mit ÖOculomotoriussymptomen einhergehen. — K. be-
spricht sodann die verschiedenen Methoden für die Lokaldiagnose von
Gehirngeschwülsten, die Verwertung von Schalleitungsveränderungen
im Schädel, die er bei dicht unter dem Schädeldach sitzenden, durch
Verkalkungen einen deutlichen Konsistenzunterschied gegenüber dem
übrigen Schädelinhalt aufweisenden Herden nachweisen konnte, den
Wert der Röntgenuntersuchung, die allerdings meist nur bei Mit-
beteiligung der Knochen und bei Verkalkungen Aufschlüsse über den
Sitz der Geschwulst geben würde, und schließlich die explorative
Hirnpunktion nach Durchbohrung des unversehrten Schädels. Mit
dieser letzteren Methode wurden in der letzten Zeit in der Hallenser
Nervenklinik allein fünf Geschwulstfälle sicher erkannt und dadurch
der Operation zugänglich gemacht. Das von K. dabei angewandte
Verfahren, die Anwendung mehrfacher Punktionen zur Feststellung
der Ausdehnung der Geschwulst, die Vermeidung von Gefäßverletzungen
usw. werden vom Verf. ausführlich besprochen. Punktiert soll nur
dann werden, wenn entschiedene lokaldiagnostische Anhaltspunkte
durch die klinische Untersuchung gewonnen wurden. In der genannten
Klinik wird die auf Grund der Punktionen erweiterte und modifizierte
Diagnose dem Chirurgen schriftlich begründet mitgeteilt, während der
Operation durch fortgesetzte, von pathologischen Anatomen im Opera-
tionssaal selbst vorgenommene Untersuchungen der Charakter der
exzidierten Gewebsstücke festgestellt, bis allseitig im gesunden Ge-
webe operiert wird. Kramer (Glogau).
944 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31.
8) E.S. Yonge. The treatment of intractable hay fever
and paroxysmal coryza by resection of the nasal nerve.
(Lancet 1908. Juni 13.)
Verf. empfiehlt in verzweifelten Fällen von Heufieber und nasalen
Neurosen die Resektion des nasalen Astes des V. Nerven, die er in
der Augenhöhle am Foramen ethmoidale anterius vornimmt. Die Er-
folge, die Verf. den Pat. anfangs nur sehr vorsichtig in Aussicht zu
stellen wagte, waren überraschend gute. Auch das dritte Symptom
der Trias (Heufieber, intermittierende Coryza sind die beiden ersten),
das Asthma, schwand, ein Beweis mehr, daß dieses als reine Reflex-
neurose aufgefaßt werden muß. Nachuntersuchungen ergaben am
Nasenseptum, an der Conjunctiva und an der Augenlid- bzw. Nasen-
spitzenhaut verringerte Empfindung, doch keineswegs völlige An-
ästhesie.
Die folgende, der Arbeit entnommene Tabelle zeigt die Symptome
des Heufiebers zusammen mit der Verteilung der nasalen Nerven.
Symptome des Heuflebers.
die die Irritationsreflexe des nasalen
Nerven darstellen
Zweige des nasalen Nerven Verteilung der Zweige
Innerer Ast | Yorderer Teil des Septum a ne eb Ale
Äußerer Ast Vorderer Teil der Außen-|[ od. geheilt durch Kauterisation
wand der Nasenhöhle d.vorderen Nasenhöhlenpartien
Infratrochlearer Ast |Caruncula lacrimalis, Con-|Jucken am inneren Canthus, Kon-
junctiva, Tränensack,]| gestion d. Conjunctiva, Tränen-
aut der Augenlider träufeln, Rötung u. Schwellung
der Augenlider
Ast zum Frontalsinus et d. Sinus fron-|Stirnkopfschmerz
talis
Vorderer Ast Nasenflügel und -Spitze |Rötung der Nasenflügel u. -Spitze
Lange Ciliarnerven Ciliarmuskel
hotophobi
Ast zum Ciliarganglion| Iris, Cornea IP ae
H. Ebbinghaus (Dortmund).
9) A. Meyer (Berlin. Angina ulcero -membranosa sive
necrotica und ihre Erreger (Plant-Vincent'sche Angina).
(Sammlung klin. Vorträge Nr. 476/477.)
Unter Berücksichtigung der umfangreichen Literatur und der an
30 eigenen Fällen gesammelten Erfahrungen schildert M. die nekro-
tische Angina, die von Bergener zuerst beobachtet, dann v. Strümpell
ausführlich beschrieben und deren spezifische Infektion durch den
Spindelbazillus und eine Spirochäte zuerst von Plaut erkannt worden
ist; die Reinzüchtung dieser auch bei Stomatitis von Bernhein nach-
gewiesenen Bakterien gelang Lewkowicz bzw. Mühlens, während
Vincent erst etwas später über seine diesbezl. Versuche berichtet und
eine Schilderung der Krankheit gegeben hat, wobei er auch die Rolle
der »Symbiose fusospirillaire« bei anders gearteten Affektionen in Mund
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 945
und Rachen usw. näher berücksichtigte. Die meist einseitig an einer
Mandel auftretende, selten (M. beobachtete es zweimal) auf die Gaumen-
bögen übergreifende Affektion beginnt bei Kindern ziemlich akut, bei
Erwachsenen gewöhnlich schleichend und zeigt einen gutartigen Ver-
lauf, der mit den schweren Veränderungen an den Mandeln, der
Drüsenschwellung und dem Foetor ex ore kontrastiert. Solange die
Krankheit fortschreitet, überwiegen die Spindelbazillen und Spiro-
chäten absolut im Abstrich, um erst bei Nachlassen der Erscheinungen
die Begleitbakterien (Strepto- und Staphylokokken, Diphtheriebazillen
usw.) mehr hervortreten zu lassen. M. schildert eingehend die bak-
teriologischen Befunde, das Vorkommen der Krankheit, ihr sporadisches
und gruppenweises Auftreten, ihr klinisches Bild, die Affektionen, bei
denen gleichfalls die Symbiose fusospirillaire gefunden wird (Hospital-
brand, Stomacace, Stomatitis mercurialis, die Noma usw.), die Kom-
plikationen und Diagnose, zu deren Sicherung die mikroskopische
Untersuchung notwendig ist, um bei der Besprechung der Differential-
diagnose den Unterschied im klinischen Bild und Verlauf namentlich
gegenüber der Diphtherie näher zu beleuchten. Auch auf die Unter-
scheidung gegen den harten Schanker der Mandel wird hingewiesen.
— In therapeutischer Beziehung empfiehlt M. vor allem die örtliche
Behandlung mit Weasserstoffsuperoxyd.
Der die Literatur sorgfältig berücksichtigende Vortrag darf be-
sonders willkommen geheißen werden. Kramer (Glogau).
10) Massabuau. la structure histologique et l’origine em-
bryonnaire des tumeurs mixtes des glandes salivaires.
(Revue de chir. XXVII. ann. Nr. 10 u. 12.)
So wenig Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Klinik und
Behandlung der gemischten Geschwülste der Speicheldrüsen bestehen,
so strittig ist noch ihre Struktur und Genese. Die epithelial-drüsige,
hauptsächlich in Frankreich von Malherbe und Berger vertretene
und die in Deutschland verbreitete endotheliale Auffassung stehen sich
schroff und unvermittelt gegenüber. Demgemäß scheiden sich auch
die Ansichten über die Genese dieser Geschwülste.
M. hat nun sehr sorgfältig vier gemischte Geschwülste der Parotis,
eine der Submaxillaris und eine der Gaumensegeldrüsen untersucht
und in seinen Fällen stets nachweisen können, daß die Zellhaufen
sowie die wirklichen und scheinbaren Drüsen (Zellhaufen mit zentraler
Degeneration) sicher aus Epithelzellen bestehen. Selbst einzelne, an
der Peripherie der zusammenhängenden Zellmassen isoliert gelegene
Zellen lassen sich in dünnen, gut gefärbten Schnitten durch ihren
chromatinreichen Kern und ihr reichliches, scharf begrenztes, nach
van Gieson orange gefärbtes Protoplasma stets noch als Epithelzellen
erkennen und dürfen daher nicht als Bindegewebszellen, die zu den
komplexen Zellhaufen überleiten, angesehen werden. Ein Gleiches
gilt von den Zellhaufen, die sich in Lymphspalten oder -gefäßen finden.
81*+*
946 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31.
Die typischen Acini und Ausführungsgänge lassen selbstverständlich
gar keinen Zweifel an ihrer epithelialen Abkunft zu.
Die Annahme der Entstehung der gemischten Speicheldrüsen-
geschwülste aus dem Drüsengewebe selbst hält M. indes nicht für
genügend, um ihren komplizierten Aufbau zu erklären. Die zunächst
sehr bestechende Ableitung vom Kiemenapparat (Cuneo, Veau) läßt
bei den gemischten Geschwülsten der Lippen-, Wangen- und Gaumen-
segeldrüsen im Stich und erklärt auch nicht die drüsigen und adeno-
matösen Formationen der Geschwülste.
M. schließt sich deshalb der Ansicht Wilms’ an, welcher die
Geschwülste auf ektomesodermale, zunächst latent bleibende Ab-
sprengungen bei der embryonalen Anlage der Speicheldrüsen zurück-
führt. Sie gilt auch für andere drüsige Organe (Niere, Hoden, Eierstock,
Schilddrüse und Pankreas); und erklärt am besten die verschiedenen
Anordnungen des Epithels, das sich natürlich in derselben Richtung
differenzieren kann wie im Drüsenkeim selbst. Ebenso ist die Poly-
morphie des Geschwulststromas bei Zugrundelegung embryonalen
Bindegewebes ohne weiteres verständlich.
M. hält es nicht für ausgeschlossen, daß derartige embryonale
latente Speicheldrüsenkeime in embryonalen oder fertigen Speicheldrüsen
aufgefunden werden, womit die Theorie Wilms’ exakt bewiesen wäre.
Gutzeit {Neidenburg).
11) P. Klemm. Die operative Therapie des Morbus
Basedowii.
(v. Langenbeck's Archiv Bd. LXXXVI. Hft. 1.)
K. ist es vornehmlich daran gelegen, den Begriff der Basedow-
schen Krankheit festzustellen und besonders gegen die Struma vas-
culosa und (die sog. Formes frustes abzugrenzen. Nach seiner Ansicht
wird dem Basedow durch die vaskulösen Symptome sein eigenartiges
Gepräge verliehen. Er konnte die letzteren bei seinen sämtlichen
Fällen konstatieren, insofern er immer Vergrößerung, Pulsation,
Schlängelung der Gefäße und vielfach auch Pulsation der ganzen
Drüse vorfand. In einer Reihe von Fällen fanden sich diese Ver-
änderungen des Gefäßsystems nur an einzelnen Arterien, bei den
schwersten Pat. aber auch an allen. Jedoch nicht nur an der Schild-
drüse treten beim Basedow vaskulöse Störungen auf, sondern auch in
den übrigen Körperabschnitten, und die Schwere der Erkrankung hat
ihren Gradmesser im allgemeinen in der Ex- und Intensität der vas-
kulösen Zeichen.
Verf. hat 32 Fälle operiert und bei allen durch Exzision der
erkrankten Schilddrüsenhälfte Heilung von der Operation erzielt. War
die ganze Drüse erkrankt, so wurden die Gefäße der bleibenden Hälfte
unterbunden. Der Eingriff wurde stets ohne Allgemeinnarkose aus-
geführt. Eine Beziehung zwischen der Größe des Kropfes und
Schwere der Erscheinungen bestand nicht. Es gab schwere Fälle mit
kleinem Kropf und umgekehrt.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 947
K. sieht die Basedowerkrankung als eine Vergiftung an, die
durch toxische in der Schilddrüse gebildete Substanzen hervorgerufen
wird. Der Anschauung anderer Autoren, daß eine Veränderung des
Greefäßnervensystems das Primäre sei, kann er nicht beitreten. Wahr-
scheinlich haben diese toxischen, in ihrer Natur noch unbekannten
Stoffe eine elektive Wirkung auf die Gefäße; daß sie am meisten auf
die Schilddrüsengefäße Einfluß ausüben, ist aus der stärkeren Kon-
zentration am Ort des Entstehens zu erklären.
Von einer Heilung des Basedowleidens spricht K. dann, wenn die
Zeichen der krankhaften Vaskularität geschwunden sind und der
Kranke sein psychisches Gleichgewicht so weit wiedergefunden hat, daß
er den Anforderungen des Lebens gerecht werden kann. Auf der
Höhe eines Anfalles zu operieren, wurde vermieden. Bei solchen
Fällen wurde durch kühle Halbbäder zum Eingriffe vorbereitet. Von
27 Pat., die weiter beobachtet werden konnten, liegt bei 25 ein gutes
Dauerresultat vor. Bezüglich der Indikationsstellung zum Eingriff
äußert sich K. dahin, daß derselbe vorgeschlagen werden darf, sobald
die Diagnose gestellt ist. = E. Biegel (Frankfurt a. M.)
12) Fraenkel. Über die Verknöcherung des menschlichen
Kehlkopfes.
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII. Hft. 3.)
Auf Grund der Untersuchungen an nahezu 500 Kehlköpfen aller
Lebensalter von Chievitz, Scheier, Bergeat und F. lassen sich
bezüglich der Ossifikation des Kehlkopfes folgende Gesetze aufstellen:
Die Ossifikation des Kehlkopfes ist ein durchaus normaler physio-
logischer Vorgang, der seinen Anfang nimmt um die Zeit, wo das
übrige Skelett im Abschluß seines Wachstums begriffen ist.
Die ersten Kalkdepots fand man fast ausnahmslos beim männ-
lichen wie beim weiblichen Geschlecht in den unteren Abschnitten des
hinteren Randes des Schildknorpels, bald im Unterhorn selbst, bald
in den an dieses oben angrenzenden Teilen.
Unterschiede in der Ausbreitung der Verknöcherung bei den
beiden Geschlechtern konnte Verf. erst in den höheren Dezennien
nachweisen, in den jüngeren Jahren fehlen sie.
Den von Chievitz und namentlich von Scheier als für die
Össifikation des männlichen Schildknorpels charakteristisch bezeich-
neten, von der Mitte des unteren Randes nach aufwärts laufenden
Knochenzapfen fand auch F., doch scheint dieser in weniger ausge-
sprochener Form auch beim Weibe vorzukommen. Nach dem fünften
Dezennium kann die Verknöcherungszone in der ganzen Höhe der
Platte nach vorn rücken, jedoch ohne ganz den vorderen medialen
Teil der Platte zu befallen (»Ossifikation in breiter Front« nach F.);
oder der Prozeß verläuft so, daß in den untersten Teilen des Schild-
knorpels die Knochenbildung am weitesten gediehen ist, während nach
oben zu der Kalkgehalt abnimmt (»terrassenförmige Verknöcherüng
der Schildknorpelplatte« nach F.). Beide Typen hält Verf. als durch-
948 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31.
aus charakteristisch für den sich am weiblichen Kehlkopf abspielenden
Ossifikationsvorgang.
Ein medianer im Schildknorpelwinkel gelegener Knochen kommt
bei beiden Geschlechtern vor.
Später als am Schildknorpel setzt am Ringknorpel die Verknö-
cherung ein, und zwar gilt das gleichmäßig für beide Geschlechter.
Bei weitem am häufigsten werden die ersten Kalkherde am oberen
Rande der Ringplatte entsprechend der Artikulation mit den Gieß-
beckenknorpeln angetroffen, auch totale Ossifikation des Ringknorpels
kommt vor, indes viel weniger häufig als am Schildknorpel; beim
Weib ist sie sehr selten.
Der Gießbeckenknorpel verkalkt und verknöchert zuletzt; meist
erst nach dem dritten Dezennium.
Viel später als die Kehlkopfknorpel ossifizieren die Luftröhren-
knorpel.
Zusammenfassend ist zu bemerken, daß mit zunehmendem Alter
die Ossifikation der Kehlkopf- und Luftröhrenknorpel stärker aus-
geprägt ist; doch gestattet der Grad der Ossifikation keinen sicheren
Schluß auf das Alter.
Chronischer Katarrh, spezifische Entzündungen, z. B. bei Phthi-
sikern, endlich Konstitutionsanomalien können als begünstigende Fak-
toren nicht bezeichnet werden.
Herzfehler und Lues scheinen die Ossifikation eher zu hemmen.
Nach einer besonderen Ursache der Ossifikation zu suchen, er-
scheint zwecklos; sie ist ein physiologischer Vorgang.
Gaugele (Zwickau).
13) Vaquez. Traitement des &panchements pleuraux réci-
divants par les injections gazeuses.
(Acad. de méd. Séance du 26. Mai 1908.)
Bei rezidivierenden pleuralen Ergüssen erzielt man gute Erfolge
durch Einleiten von Gasen in die Pleurahöhle nach vorgenommener
Punktion und Entleerung der vorhandenen Flüssigkeit. In manchen
Fällen hat die Gasinjektion kurative, in anderen nur palliative Wir-
kung. Verf. nimmt an, daß es sich da um eine Druckwirkung handelt,
indem der eingeleitete gasförmige Körper einen neuerlichen Erguß
von Flüssigkeit verhindert. Es ist also von Vorteil, solche Gase zu
injizieren, die einer sehr langsamen Resorption unterliegen, und ist
hierzu am geeignetsten der Stickstoff. Man spritzt hiervon etwa die
Hälfte soviel als die durch Punktion entleerte Flüssigkeitsmenge be-
trägt ein, also ein Stickstoffvolumen für zwei pleuraler Flüssigkeit.
E. Toff (Braila).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 949
Kleinere Mitteilungen.
Zur Frage der sog. „Madelung’schen Deformität“
des Handgelenkes, mit besonderer Rücksicht auf eine
umgekehrte Form derselben.
Vorläufige Mitteilung.
Von
Dr. De Witt Stetten in Neuyork,
Assistent Visiting Surgeon am Deutschen Hospital.
° Hierzu 2 Röntgenogramme und 2 Photographien.
m letzten Jahre ist das Interesse für die merkwürdige Deformität des Hand-
gelenkes, welche Madelung .l; im Jahre 1878 auf dem VII. deutschen Chirurgen-
kongreß zuerst beschrieb, und die seitdem nach ihm benannt ist, wieder rege geworden.
Viele Fälle sind gesammelt und mehrere wichtige Beiträge kürzlich geliefert wor-
den, vor allem von Pels-Leusden (2), Estor (3), Siegrist (4) und Franke (5),
aber es herrscht immer noch keine Übereinstimmung, weder in bezug auf die Atio-
‚ logie noch auf die Pathogenese dieser Erkrankung, so daß man noch im Zweifel
ist, was eigentlich unter einer »Madelung’schen Deformität« verstanden wird.
Diese Gründe haben mich veranlaßt, den folgenden Fall, der das genaue
Gegenteil des gewöhnlichen Typus darstellt, kurz zu beschreiben. Ich bin der
Ansicht, daß er, gerade weil er atypisch ist, besonderes Licht auf diesen rätsel-
haften Zustand wirft.
Marie H., 12 Jahre alt, ohne Erbfehler, keine Rachitis, noch Unfall. Vor
5 Monaten bemerkte die Mutter zuerst eine Verbiegung des linken Handgelenkes,
welche sich allmählich entwickelte. Vor ein paar Wochen trat eine ähnliche Affek-
tion des, rechten Vorderarmes auf, aber nicht in dem Maße als auf der anderen
Seite. Uber Funktionsstörung beklagt sich Pat. selbst nicht.
Sie ist ein gut entwickeltes, gesundes Kind, ohne Merkmale von rachitischer
oder anderer Difformität, außer an beiden Handgelenken und Vorderarmen, haupt-
sächlich links. Es besteht eine scheinbare Luxatio posterior der Handgelenke,
mit den Händen in Ulnaradduktion. Der Processus styloideus der Ulna ragt auf
der Ulnarfläche bedeutend vor. Von der Seite betrachtet, gleicht der Zustand
sehr der Gabeldeformität einer Colles’schen Fraktur. Beim Palpieren fühlt man
deutlich eine Krümmung des unteren Radiusendes mit der Konvexität nach vorn
und zur radialen Seite. Am linken Arme ist der Radius 2,75 cm, am rechten
2 cm kürzer als die Ulna. Aktive und passive Bewegungen sind gleich und schmerz-
los. Linker Arm: Dorsalflexion und Ulnaradduktion der Hand sind sehr über die
Norm erhöht, während Volarflexion und Radialadduktion sehr behindert sind, ja
die letztere fast gänzlich aufgehoben ist. Rechter Arm: Funktionsänderung gering.
Nur eine Behinderung der Radialadduktion. Pronation ist nur ein wenig erschwert,
hauptsächlich auf der linken Seite, Supination dagegen mehr; links ist sie nur 1/3
der Norm.
Mit den Röntgenstrahlen läßt sich eine leichte Verbiegung der Ulna, mit der
Konvexität nach hinten gerichtet, nachweisen. Es besteht eine bedeutende Krüm-
mung des unteren Drittels des Radius, konvex vorn und auf der radialen Seite.
Wenn die Hand proniert wird, sieht man die Gelenkfläche des Radius ulnarwärts
gedreht; und die erste Reihe der Karpalknochen bildet einen scharfen Winkel mit
dem Os lunatum an der Spitze anstatt des leichten Bogens des normalen Gelenkes.
Dieser Knochen ragt zwischen die distalen Enden beider Vorderarmknochen keil-
förmig hinein, doch scheinen Ossa naviculare et lunatum im normalen Verhältnis
950 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31.
zur Radiusgelenkfläche zu stehen. Die Radiusepiphyse hat sich dem Ulnsende
genähert, so daß sie, links, das letztere etwas überdacht.
Die Epiphysenlinie des Radius ist etwas unregelmäßig, und direkt über der-
selben, an der Ulnarseite, besteht eine unbestimmte, durchsichtigere Zone, oberhalb
welcher, links, ein kleiner dornartiger Fortsatz ulnarwärts vorspringt. (Exostose?)
Fig. 1.
Radio-ulnare Aufnahme mit der Hand in Halbpronations- und Dorsalflexions-
stellung. Links.
Bei der radio-ulnaren Aufnahme sieht man die untere Gelenkfläche des Radius
nach hinten gerichtet. Der Carpus ist dieser Bewegung gefolgt, so daß das Ulnar-
köpfchen anscheinend frei auf der Volarfläche des Gelenkes liegt. All diese Ver-
änderungen sind ausgeprägter auf der linken Seite.
Fig 2.
-
nn = o a « ~ = : En
Aufnahme in Pronationsstellung der Hand. Links,
Dieser Fall zeigt also alle Merkmale, welche augenblicklich als charakteristisch
für eine »Madelung’sche Deformität« angesehen werden, mit dem Unterschiede:
1) daß die untere Radiusgelenkfläiche nach hinten anstatt nach vorn ge-
richtet ist,
Zentralblatt für Chirurgie.
Nr. 31. 951
2) daß eine scheinbare Subluxation der Hand dorsalwärts anstatt volarwärts
besteht, und -
3) daß eine Luxatio anterior
des unteren Ulnarendes im Radio-
ulnargelenk anstatt einer Luxatio
posterior, wie in den typischen
Fällen, vorhanden ist.
Nur ein anderer ähnlicher
Fall erscheint in der Literatur.
Er ist von Kirmisson ;6) be-
schrieben worden und gleicht
meinem auf das genaueste, nur
daß seine Pat. Zeichen von Ra-
chitis hatte.
Zum Schluß möchte ich die
Aufmerksamkeit auf das Folgende
lenken: Dieser Fall ist, überein-
stimmend mit der Mehrzahl der
Chirurgen, welche eine » Made-
lung'sche Deformität« nicht als
eine wirkliche, sondern als eine
scheinbare Luxation des Carpus
ansehen, bedingt durch die Ver
krümmung des unteren Radius-
endes und eine Drehung der Ge-
lenkfläche. Der Carpus behält
seine normalen Verhältnisse zum
Radius bei, aber die Ulna ist
im unteren Radio-ulnargelenk
luxiert. Die Krankheit tritt spon-
tan in der Wachstumsperiode auf,
entwickelt sich allmählich und ist höchstwahrscheinlich bedingt durch eine un-
regelmäßige Ossifikation des unteren Endes der Radiusdiaphyse. Es ist kein Grund
vorhanden, diese Krankheit kongenitaler Belastung, Entzündungsprozessen, Trauma
952 ‚Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31.
oder Rachitis zuzuschreiben, doch mögen diese anscheinend ähnliche Deformationen
hervorrufen.
Es bestehen zwei bestimmte Formen, analog dem Genu valgum und Genu
varum :
a. Die Fälle, in welchen die untere Gelenkfläche des Radius nach vorn und
ulnarwärts gedreht, die Ulna nach hinten luxiert ist, und anscheinend eine Sub-
luxatio anterior der Hand besteht. Dies sind die gewöhnlichen Fülle.
b. Die, welche Kirmisson’s und meinem Fall entsprechen, in welchen die
Gelenkfläche nach hinten und zur Ulna gedreht ist, mit Luxatio posterior des
Ulnaendes und Subluxationsstellung der Hand nach hinten.
Therapeutisch kommt nur die Osteotomie des Radius nach vollendetem Wachs-
tum in Betracht, falls die Funktionshindernisse und die kosmetischen Erfordernisse
Anlaß dazu geben.
Eine ausführliche Beschreibung des obigen Falles mit einem kritischen Über-
blick der Literatur wird binnen kurzem erscheinen.
Literatur.
1) Madelung, Verhandlungen der deutschen Gesellschaft für Chirurgie 1878.
Bd. VII. p. 259 — 276.
2) Pels-Leusden, Deutsche med. Wochenschrift 1907. Bd. XXXIII. p. 372
bis 374.
3) E. Estor, Revue de chirurgie 1907. Bd. XX VII. p. 145 168, 317—348.
4) H. Siegrist, Deutsche Zeitschrift f. Chirurgie 1908. Bd. XCI. p. 524—586.
5) Franke, Deutsche Zeitschrift f. Chirurgie 1908. Bd. XCII. p. 156— 180.
6) E. Kirmisson, Les difformites acquises de l’apparail locomoteur pendant
l'enfance et l'adolescence. Paris, 1902. p. 367— 372.
14) Hochenegg. Jahresbericht der II. chirurgischen Klinik zu Wien.
1906. j
Wien, Urban & Schwarzenberg, 1907.
Gleich seinem Vorgänger bringt der Jahresbericht für das Jahr 1906 der
II. chirurgischen Klinik in Wien eine Fülle interessanter Mitteilungen. Hervor-
hebung verdient H.'s Einleitung, in der er eine Frage anschneidet, die auch andere
klinisch lehrtätige Chirurgen beschäftigt oder noch beschäftigen wird, die er-
schreckende und in Zunahme begriffene qualitative Einschränkung des Lehrmate-
rials. Zu einer verhältnismäßig großen Zahl von Bauchoperationen an H.’'s Klinik
steht die Extremitäten- und Verletzungschirurgie in einem erstaunlichen Mißver-
hältnis. Auch in anderer Beziehung ist das Material als überaus lückenhaft und
unzureichend zu bezeichnen. So konnte H. im ganzen Berichtsjahre keine Tracheo-
tomie, keine Trepanation, keine regelrechte Empycmoperation, keinen Fall von
Hirnerschütterung, von Hirndruck, keinen Schädelbruch, keine frische Wirbel-
säulenverletzung, keine Nierenverletzung, nur eine Thoraxschußwunde usf. zeigen;
der Mangel an Extremitätenchirurgie erlaubte nicht einmal die Demonstration
der gewöhnlichsten Amputationen und Resektionen am Lebenden. Das vorhan-
dene operative Material ist zudem zu einförmig; es besteht aus Fällen, deren
Operation gewagt erscheint oder zur chirurgischen Alltäglichkeit geworden ist.
Die Ursachen liegen in der jedes Bedürfnis deckenden Versorgung der Provinz
und der Großstadtperipherie mit Fachchirurgen, in der großen Zahl neu entstan-
dener Ambulatorien und in der Absorbierung eines großen Materialteiles durch
Orthopäden, Laryngologen, Otiater, Urologen und Gynäkologen, deren Gebiete
zusehends gewachsen sind. Die nicht nur im Interesse der kommenden Arzte-
generation dringend nötige Abhilfe glaubt Verf. zum Teil durch die obligatorische
Überführung aller Verletzungen in die Kliniken schaffen zu können. Die frühere
Popularität der Kliniken, in denen im Gegensatz zu kleineren Krankenhäusern der
Kranke sich die klinische Vorstellung gefallen lassen muß, und in denen die Aus-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 053
führung operativer Eingriffe auch dem lernenden Chirurgen überlassen werden soll,
hat gelitten; sie wäre durch Herabsetzung der Pflegesätze und Aufbesserung der
Verpflegung, durch Schaffen von Freibetten für die chirurgische Kinderabteilung
u. dgl. zu heben. — Im wissenschaftlichen Teile des Jahresberichtes finden sich
von H. und seinen Mitarbeitern 16 zum Teil sehr interessante Vorträge und De-
monstrationen; die Arbeiten sind schon an anderen Stellen veröffentlicht worden,
es sei hier nur auf sie hingewiesen. Der umfangreichste Teil des Bandes, der
etwa 180 Seiten umfassende, mit großem Fleiß ausgearbeitete ärztliche Bericht,
bringt in übersichtlicher Anordnung eine Fülle kasuistischer Mitteilungen, die
durch eine Anzahl klarer Abbildungen ergänzt werden. W. Goebel (Köln).
15) Tetsuo Miyata. Beiträge zum Kapitel der totalen Skalpierung.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXV. Hft. 4.)
M. erweitert die bisherige Kasuistik von totalen Skalpierungen um drei neue
Fälle, darunter einen selbst behandelten, der durch Transplantationen geheilt wurde.
E. Siegel (Frankfurt a. M.).
16) J. B. Kaplan. Zur Kasuistik der otogenen Meningitiden.
(Russki Wratsch 1908. Nr. 11.)
Die 19jährige Pat. litt seit 4 Jahren an rechtsseitiger eitriger Otitis media.
Vor 2 Tagen — nach Angina — hat sich der Ohrfluß verstärkt. Meningitis,
Parese des rechten Facialis und Abducens; Blick nach links gerichtet. Probe-
punktion des Rückenmarkskanals ergibt trübe Flüssigkeit mit viel Eiterkörperchen,
hauptsächlich vielkernigen Leukocyten und Diplokokken. Tod nach 3 Tagen.
Sektion: rechtsseitige Otitis media, eitrige Meningitis an der Schädelbasis; Eiter
hauptsächlich in der linken Felsenbeingegend. Nach Prof. Werchowski, in
dessen Klinik der Fall beobachtet wurde, ist der nach links gerichtete Blick der
Pat. ein Zeichen, daß auf derselben Seite mehr Eiter als rechts vorhanden war.
Er sah schon früher einen solchen Fall. Das Symptom verdient nachgeprüft zu
werden. E. Gückel (Wel. Bubny, Poltawa).
17) Barker. On the possible use of lumbar puncture in the treatment
of otitic meningitis.
(Proceedings of the royal soc. of med. 1908. April.)
Auf Grund der guten Erfolge, welche Lenhartz mit der Lumbalpunktion
bei Zerebrospinalmeningitis hatte, tritt B. für häufig wiederholte Spinalpunktion
bei eitriger Meningitis im Anschluß an Ohrerkrankungen ein. Von drei Pat.
konnte er zwei durchbringen. Bei dem ersten Kranken war trotz Radikaloperation
die Entzündung nach dem Wirbelkanal fortgekrochen und hatte schwer eitrige
Spinalmeningitis veranlaßt (Mikrokokkus catarrhalis). B. hat 14mal punktiert,
jedesmal 10—12 ccm abgelassen. Bei dem zweiten Kranken fand sich ein Abszeß
hinter dem Gehörgang (Pseudodiphtheriebazillen), gleichfalls 14 Punktionen. Ein
16jähriges Mädchen, bei dem es sich um eine Streptokokkeninfektion handelte und
ausgedehnte Karies des Schläfenbeins bestand, ging nach 14 Tagen zugrunde.
Von der Einspritzung einer antiseptischen Flüssigkeit in den Wirbelkanal ver-
spricht B. sich nichts. Deetz (Homburg v. d. H.).
18) Thomas and Cushing. Removal of a subcortical cystic tumor at
a second-stage operation without anesthesia.
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. Nr. 11.)
Genaue Kranken- und Operationsgeschichte des von T. untersuchten und von
C. operierten Pat., eines 32jährigen Lehrers und Farmers.
Mit 9 Jahren hatte er eine leichte Kopfverletzung erlitten, 1892 einen Bruch
der Nasenbeine. l
1895 Beginn der Anfälle mit unbehaglichen Gefühlsempfindungen im Kopf
und linker Körperseite, etwa alle Monate einmal. Die Anfälle nahmen an Zahl
054 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31.
und Schwere zu, Bewußtlosigkeit stellte sich dabei ein, die Sehkraft verminderte
sich stark, Schwäche in den Extremitäten linkerseits machte sich bemerkbar.
In fünf Etappen, zwischen dem 22. November 1906 und dem 26. März 1907,
wurde mit großem osteoplastischem Lappen die Gegend der Rolands’schen
Furche freigelegt und schließlich, nachdem das Hirn freigelegt worden war, ohne
daß man objektiv etwas gefunden hätte, beim fünften Eingriff in das Hirn einge-
gangen, ohne daß der bei Bewußtsein befindliche Pat. Schmerzen davon gespürt
hätte. 1 cm unter der Rinde des Gyrus postcentralis, nahe dem Sinus sagittalis kam
man auf eine Cyste von 5 cm Durchmesser mit klarem Inhalt, die enukleiert
wurde.
Pat. genas, hatte bis zum 6. Mai 1907 keinen Anfall mehr gehabt, seine Mus-
kulatur linkerseits hatte er gut in der Gewalt.
Zahlreiche Abbildungen, besonders auch der durch Faradisation bestimmten
lokomotorischen Zonen. W. v. Brunn (Rostock).
19) F. Koch. Moderne Operationen zur narbenlosen Verbesserung
der Nasenform.
(Therapeutische Monatshefte 1908. Nr. 21.)
Zur Beseitigung von Nasenhöckern macht K. die Nase durch ein Lokal-
anästhetikum unempfindlich und löst den Höcker, vom Nasenseptum ausgehend,
von innen her aus seiner Verbindung aus und befreit ihn vom Periost. Eine von
ihm zu diesem Zweck konstruierte Fräse beseitigt den Höcker durch rotierende
und schneidende Bewegungen.
Zur Beseitigung der Sattelnase setzt K. Paraffinstücke vom Innem der Nase
aus auf. Die Form dieser Prothese wird erhalten, indem man zunächst ein Nega-
tiv der Nase in Gips bildet, von diesem ein Positiv macht, welches sterilisiert wird
und durch Aufgießen des Paraffins die neue Nasenform bekommt. Dieses Stück
wird abgelöst und eingelegt.
Nach den der Arbeit beigegebenen Abbildungen sind die Resultate K.'s als
glänzend zu bezeichnen. Silberberg (Breslau).
20) Morris. Partial resection of upper and lower maxillae for con-
genital deformity of the face. |
(Annals of surgery 1908. Februar.)
M. behandelte eine junge Dame, deren eine Gesichtshälfte stark bypertrophisch
war und sehr entstellend wirkte. Die Hypertrophie war durch die rechten Ge-
sichtsknochen bedingt; infolgedessen meißelte M. nach vorhergegangener Tracheo-
tomie des Kehlkopfes und Tamponade des Schlundes von Inzisionen der inneren
Wunde aus Stücke vom Oberkiefer und vom harten Gaumen fort, entfernte den
Vomer auf der einen Seite und lockerte das rechte Nasenbein, um es tiefer zu
drücken. In einer zweiten Operationssitzung entfernte er ein großes Stück aus
dem rechten Unterkiefer und vernähte dann beide Unterkieferhälften mit Silber-
drabt. Endlich wurden noch, um die abstehenden Ohren anliegend zu machen,
aus dem hinteren Teil ovale Hautknorpelstücke geschnitten und der Defekt ver-
näht. Wie die beigegebenen Photographien zeigen, war eine erhebliche Ver-
schönerung des Gesichtes eingetreten. Herhold (Brandenburg).
21) Garre. Fall von Mikrognathie.
Sitzungsbericht der Niederrhein. Gesellschaft für Natur- und Heilkunde zu Bonn 1%7.
Demonstration eines Mannes mit so hochgradiger Mikrognathie, daß er infolge
Luftmangels Erstickungsanfälle bekommt und die Aufnahme fester Nahrung be-
hindert ist. Operation nach v. Eiselsberg und v. Mikulicz mit stufenförmiger
Durchsägung der horizontaler Unterkieferäste und nachfolgender Naht der ausein-
andergezogenen Fragmente, ist wegen der Dünnheit des Knochens unmöglich.
G. wollte den Unterkiefer median spalten, zunächst einen Elfenbeinstift einlegen,
da die Wunde nicht aseptisch zu halten ist. Später sollte derselbe durch ein vom
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 955
Wundboden her implantiertes Rippenstück, der Krümmung wegen am besten dem
Angulus entlehnt, ersetzt werden.
Nach gütiger Mitteilung G.’s war nach Durchtrennung des Kiefers die Spannung
sehr groß. Es wurde daher zunächst ein Elfenbeinzapfen, dann eine zahnärztliche
Prothese mit Schraube eingelegt. Gegen den 29. Mai ist der Zustand recht ge-
bessert. Die Kochenimplantation ist noch aufgeschoben.
Deetz (Homburg v. d. H.).
22) Bogoljuboff. Adenoma adamantinum.
(Chiurgia Bd. XXIII. Nr. 135 [Russisch).)
Beschreibung eines einschlägigen Falles. Die 27jährige Frau litt seit 2 Jahren
an einer Geschwulst des linken Oberkiefers. Resektion nach prophylaktischer
Tracheotomie.
Die mikroskopischen Präparate bestätigten die Diagnose, wie aus fünf bei-
gegebenen recht instruktiven Zeichnungen hervorgeht. Verf. betont besonders,
daß er in einigen Präparaten die Herausbildung cystenartiger Hohlräume aus
mehrschichtigen Komplexen epithelialer Zellen nachweisen kann. An jenen Stellen
will er den rgang des Adenoma adamantinum in das Adenoma adamantinum
cysticum direkt beobachten. Verf. schließt daraus auf die gleichartige Genese
der soliden, gutartigen Epithelialgeschwülste und der vielkammerigen Cysten
des Kiefers, welch letztere aus den ersteren hervorgehen.
Oettingen (Berlin).
23) Levinger (München). Ein kongenitaler behaarter Rachenpolyp.
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 19.)
Die Geschwulst, die seit der Geburt des Kindes Atem- und schließlich auch
Schluckbeschwerden verursachte, hatte mit dem Stiel eine Länge von 6 cm, eine
Breite von 1!/, cm und keulenförmige Gestalt. Die Oberfläche entsprach äußerer
Haut mit zahlreichen Härchen. Das 61/, Monate alte Kind war sonst normal ent-
wickelt. Heilung durch Abtragung des Polypen mit der kalten Schlinge.
Kramer (Glogau).
24) D. G. Gorochow. Zur Kasuistik der Spina bifida Drei Fälle
mit Einschluß des Rückenmarks im Bruchsack.
(Praktitscheski Wratsch 1908. Nr. 15—17.)
Im Moskauer Sophienkinderhospital wurden innerhalb der letzten 7 Jahre
etwa 16 Fälle von Spina bifida beobachtet. Drei Fälle enthielten als Inhalt im
Bruchsack das Ende des Rückenmarks. Sie betrafen zwei Knaben und ein Mädchen
im Alter von 3—10 Monaten. Die Geschwulst war apfel- bis orangengroß, von
angiomatös und narbig veränderter Haut bedeckt. Das darin befindliche Rücken-
mark war 3,5 bzw. 6 cm lang und wurde — wie die ebenfalls vorgefallenen Nerven-
bündel — möglichst nahe am Sack abgeschnitten und reponiert. In Fall1 wurde
die quer zur Längsachse des Körpers liegende Öffnung im Kreuzbein durch einen
unterhalb derselben entnommenen Periostknochenlappen und darüber durch einen
Muskellappen aus dem Latissimus dorsi verschlossen. Heilung; nach 101/, Monaten
gesund; die vorher vorhandene Urininkontinenz hat sich gebessert. — In
Fall 2 wurde der Bruchsack durch Übereinanderlegung der Ränder geschlossen;
darüber wurden von beiden Seiten Muskellappen — links mit dem Periost —
geschoben und vernäht. Am 5. Tage Tod an Sepsis. — In Fall 3 wurde das
große (3><2 cm) Loch durch zwei Lappen zu 2/3 geschlossen; rechts wurde ein
Periostknochenlappen über dem Foramen ischiad. maj., links ein Periostknorpel-
lappen dicht am Defekt entnommen und über dem Loche vernäht. Heilung. —
Acht Zeichnungen erläutern die Technik der Operation und zeigen den Zustand
vor derselben (in Fall 1 auch nachher): E. Gückel (Wel. Bubny, Poltawa).
25) A. M. Wirschubski. Zur Kasuistik der Spondylitis typhosa.
(Praktitscheski Wratsch 1908. Nr. 17.)
Pat., 18 Jahre alt, Arbeiter, erkrankte 2 Monate nach überstandenem Abdo-
minaltyphus an starken Schmerzen in der rechten Lendengegend. Rücken nach
956 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31.
hinten rechts verkrümmt. Während der 9. oder 10. Woche Abendtemperatur bis
39°C, sonst normal. Behandlung mit Kompressen, Bädern und Salizylpräparaten
erfolglos; nach Anlegen eines Gipskorsetts trat — 4 Monate nach Beginn der
Krankheit — Heilung ein. E. Gtickel (Wel. Bubny, Poltawa).
26) Dobromyssloff. Zur Pathologie und Therapie der Tumoren des
Glomus caroticum.
(Chiurgia 1908. Nr. 135 [Russisch].)
Ausführliche Behandlung der Anatomie und Histologie des Glomus. Die Ge-
schwülste sind selten. Seit 1891 sind 19 Fälle beschrieben worden, die D. in
statistischer Tabelle geordnet hat. D. hat zwei Fälle beobachtet, von denen er
einen selbst operierte. Einmal handelte es sich offenbar um ein Peritheliom —
Verf. stand nur das Präparat zur Verfügung. Im anderen Falle lag eine klein-
apfelgroße Geschwulst vor, die, im linken seitlichen Halsdreieck liegend, bis an
den Proc. mastoideus heranreichte. Die Exstirpation war verhältnismäßig leicht.
Nach Abbindung der zahlreichen Gefäße, die in die mit fester Kapsel umgebene
Geschwulst eintraten, ließ diese sich bequem entfernen, zumal sie nicht wie ge-
wöhnlich hinter, sondern vor der Karotidenteilung lag. Daher kam es auch nicht
zu der gewöhnlich notwendigen Unterbindung der Carotis.
Die mikroskopische Untersuchung ergab zunächst das ausgesprochene Bild des
Spindelzellensarkoms. Dennoch gestattete die Anordnung zahlreicher epitheloider
Zellkomplexe in der Umgebung schlingenartig gebogener Kapillaren die Annahme,
daß es sich in jenem Fall um eine bösartige Neubildung des Glomus handelte.
Diese Geschwülste wachsen langsam. Das männliche Geschlecht scheint prä-
disponiert, der Beginn des Wachstums liegt meist in den Pubertätsjahren, und be-
sonders häufig ist die linke Seite getroffen. Solange die Kapsel der Geschwulst
unversehrt ist, scheint die Bösartigkeit nicht groß, daher oft ein gleichbleibender
Status über zehn und mehr Jahre. Wird aber die Kapsel erst durchbrochen, so
tritt die feste Umwachsung der Karotiden ein, das Vordringen in das Nachbar-
gewebe usw. Mit diesem Augenblick wird die Bösartigkeit groß.
Prognose und Indikation ergeben sich hieraus von selber.
Oettingen (Berlin).
27) C. Severeanu und I. Jianu (Bukarest). Versuche zur Behandlung
der Neubildungen durch lymphatische Stase: die Ligatur des Bogens
des Ductus thoracicus und die Ligatur der Pecquet’schen Zisterne.
(Revista de chir. 1908. Juni.)
Verff. haben die Unterbindung des Ductus thoracicus an jener Stelle, wo er
sich in die V. subclavia ergießt, vorgenommen und hierdurch in sehr günstiger
Weise die Schmerzen, welche ein großes, nicht operables Sarkom der Bauchhöhle
bewirkte, beeinflußt. Auch das Allgemeinbefinden und der Appetit besserten
sich. In drei Fällen von inoperablem Karzinom des Gebärmutterhalses wurde die
beiderseitige Unterbindung der Artt. hypogastricae und der Cisterna chyli
gemacht, und der Erfolg war der, daß die Sekretion, die Blutung und der
üble Geruch auffallend abnahmen bzw. ganz verschwanden. Der Allgemeinzustand
wurde ebenfalls besser, und die Kranken verloren ihr kachektisches Aussehen.
S. und J. nehmen sich vor, in Zukunft in Fällen von nicht operablen Gebär-
mutterkrebsen nur die Cisterna chyli und nicht auch die hypogastrischen Arterien
zu unterbinden, um den Einfluß der reinen lymphatischen Stase auf das Neu-
gebilde zu studieren. E. Toff (Braila).
28) W. Hinrichs (Ratzeburg). Behinderung der Atmung und der
Nahrungsaufnahme durch eine zu große Thymus bei einem 10 Wochen
alten Kinde. Operation. Heilung.
Inaug. Diss., Leipzig.
Beschreibung eines Falles, der die in der Überschrift angekündigte Eigen-
tümlichkeiten zeigte. Partielle Resektion brachte Heilung. Stocker (Bonn).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 957
29) Delore et Chalier. Contribution à la chirurgie thyroidienne (goitres
et strumites).
(Revue de chir. XXVII. ann. Nr. 10.)
Verff. berichten ihre Beobachtungen an 61 gutartigen Kröpfen und 12 Ent-
zündungen in Schilddrüsen oder Kröpfen, welche sie in der Klinik Poncet’s
operiert haben.
Bei den Kröpfen handelte es sich in der Mehrzahl der Fälle um Cysten oder
Knoten, die 42mal innerhalb der Drüse, 11mal subkapsulär (»&nucl&ation massive«)
enukleiert wurden. Nur 7mal wurde wegen diffuser Kröpfe die Resektion oder
partielle Thyroidektomie ausgeführt. Ein von zahlreichen Knoten durchsetzter
Kropf mit hochgradigem Infantilismus wurde teilweise exstirpiert, wonach sich der
Zustand schnell besserte. Fast die Hälfte der Cysten enthielt Blut, das sich ent-
weder allmählich in mehreren Schüben oder ganz plötzlich in die Cyste infolge
eines Traumas, einer Infektion, der Menstruation oder Schwangerschaft ergießt
und die schwersten Druckerscheinungen verursachen kann. Nicht selten vereitert
der blutige Inhalt, gibt aber wohl kaum zur Bildung eines Fibroms Veranlassung,
wie einige Autoren behaupten; wenigstens konnten die Verff. in einem äußerst
schnell gewachsenen Fibrom von vorangegangenen Blutungen nichts feststellen.
Am häufigsten erfordern die Kröpfe, welche die Nachbarorgane komprimieren,
die Operation. Ganz besonders bedürfen der chirurgischen Hilfe jene teilweise
retrosternal oder gänzlich mediastinal gelagerten Kröpfe, welche zu schweren Herz-
und Lungenstörungen führen und gewöhnlich lange Zeit unter falscher Diagnose
innerlich behandelt sind (»forme me&dicale«). Auch nervöse und psychische Störungen
bilden eine dringende Indikation. .
Fast bei allen Operationen wandten Verff. Atberbetäubung an, die sie mit
10 ccm Chloräthyl einleiteten. Die Lokalanästhesie ist bei hinfälligen und kachek-
tischen Kranken oder bei Herz- und Atmungsstörungen angezeigt. Die Tracheo-
tomie darf nur im äußersten Notfall ausgeführt werden. Die oft sehr heftigen
Blutungen bei Enukleationen stillen Verf. an dem vorgestülpten Geschwulstbett
durch Poncet’s »suture h&mostatique«. Im übrigen sahen sie, abgesehen von
einem tödlich verlaufenen Fall von Empyem, keine Komplikationen bei oder nach
der Operation eintreten, beobachteten auch niemals ein Rezidiv.
Die akuten Entzündungen entwickelten sich unter zwölf Fällen 10mal in einem
bereits vorher bestehenden Kropf. Die Eiterungen heilen selbst nach breiter Er-
öffnung zuweilen nicht aus, so daß die sekundäre Ausschälung des Eitersackes sofort
oder à froid notwendig wird. In einem Falle wurde sie primär mit bestem Er-
folge ausgeführt.
Bei mehreren Kranken haben die Verff. wegen Poncet’s entzündlicher
Tuberkulose, d. h. bei diffusen oder knotigen Hypertrophien, die durch den Tuberkel-
bazillus oder seine Toxine verursacht sind, ohne daß es zu spezifisch tuberkulösen
Gewebsveränderungen kommt, eingegriffen. Gutzeit (Neidenburg).
30) Cook. The X-ray and high frequency treatment of exophthalmic
goiter.
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. Nr. 10.)
Verf. hat in fünf Fällen sehr befriedigende Resultate gehabt, wo er Morbus
Basedow mit Röntgenstrahlen und Strömen hoher Frequenz behandelte. Letztere
wirken stark beruhigend auf das Nervensystem, der Appetit wird angeregt, das
Körpergewicht hebt sich. Die Röntgenstrahlen wirken auf den Kropf energisch
ein: anfangs beobachtet man Verkleinerung der Drüse, dann wieder Anschwellung
unter Umständen über das Maß der früheren Größe hinaus und unmittelbar danach
die definitive Abschwellung. In zwei Fällen ging auch der Exophthalmus sehr
stark zurück, ebenso die Tachykardie. Das Allgemeinbefinden besserte sich er-
heblich, der Schlaf wurde günstig beeinflußt. W. v. Brunn (Rostock).
958 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31.
31) Kan. Über einen Fall von kongenitalen Larynxluftsäcken bei einem
Kinde von 16 Tagen.
(Zeitschrift für Laryngologie, Rhinologie und ihre Grenzgebiete Bd. I. Hft. 1.)
Die für stereoskopische Besichtigung angefertigte Photographie gibt ein vor-
zügliches Bild der beschriebenen Mißbildung, die zu häufigen cyanotischen Anfällen
und in einem derselben zum Tode des Kindes geführt hatte. Anatomisch fand
sich eine mangelhafte Entwicklung des Aryknorpel, scheidenförmige Lichtung des
Kehlkopfes ohne die charakteristischen Prominenzen der wahren und falschen Stimm-
bänder, und der Stelle der Sinus pyriformes entsprechend zwei nach oben und
medialwärts sich erstreckende Wölbungen, die mit Schleimhaut ausgekleidete Luft-
säcke darstellte, von denen aber unentschieden gelassen werden mußte, ob sie
direkt mit dem Kehlkopfinnern kommunizierten. Interessante Darstellung der ver-
schiedenen Formen der bei Affen so häufig zu beobachtenden Laryngokelen.
Engelhardt (Kassel).
32) Hansberg. Uber angeborene Membranbildung des Kehlkopfes.
(Zeitschrift für Laryngologie, Rhinologie und ihre Grenzgebiete Bd. I. Hft. 1.)
Angeborene, aber nur einseitig entwickelte Membran des Kehlkopfes bei einem
Neugeborenen, bei dem nach 4 Monaten wegen hochgradiger Dyspnoe zuerst die
Tracheotomie, dann die Laryngotomie mit sehr günstigem Erfolg ausgeführt wurde.
Die dicke, derbe Membran inserierte unterhalb der vorderen Kommissur, und ver-
lief dem rechten Stimmband eine kurze Strecke adhärent, nach hinten oben, um kurz
vor dem Aryknorpel in der Höhe des Taschenbandes zu endigen.
Engelhardt (Kassel).
33) B. Bloch (Prag). Ein Fall von gonorrhoischer Miterkrankung
eines Kehlkopfgelenkes.
(Prager med. Wochenschrift 1908. Nr. 16.)
Der außergewöhnlich seltene Fall betraf einen 19jährigen Pat., der eine 8 Tage
alte Gonorrhöe hatte. Es bestand eine Arthritis des rechten Handgelenkes gonor-
rboischer Natur und eine ebensolche im Gelenke des linken Aryknorpels. Die
Gegend des Aryknorpels war in eine kugelige, kleinhaselnußgroße Geschwulst ver-
wandelt. Die Abheilung der Arygelenksentzündung beanspruchte 4 Wochen. In
der gleichen Zeit war auch die Handgelenksentzündung verbeilt.
A. Hofmann (Karlsruhe).
34) 8. Möller. Über Epiglottisamputation bei der Kehlkopftuberkulose.
(Zeitschrift für Laryngologie, Rhinologie und ihre Grenzgebiete Bd. I. Hft. 1.)
Empfehlung der Epiglottisamputation in geeigneten Fällen; die endolaryngeale
Behandlung wurde dadurch erheblich erleichtert, die Schluckschmerzen hörten auf,
das Allgemeinbefinden hob sich. Die Operation dürfte übrigens doch häufiger,
wenigstens als Teilamputation, ausgeführt werden, als Verf. annimmt.
Engelhardt (Kassel).
35) Jacson. Tracheo-bronchoscopy.
(Annals of surgery 1908. März.)
Verf. beschreibt sechs interessante Fälle von Fremdkörpern im Bronchus, die
alle mittels Bronchoskop und Zange entfernt wurden. Besonders interessant sind
zwei Fälle, in welchen sich einmal eine Schalnadel, das andere Mal eine Schlips-
nadel im Bronchus quer gestellt hatten. Die ziemlich große Schalnadel hatte sich
dabei mit der Spitze in den Bronchus gebohrt und konnte nur extrahiert werden,
nachdem sie durch die eingeführte Zange zerbrochen war. J. schlägt vor, stets
bei diesen Operationen große Rundbrillen zu tragen, da dem Operateur sonst
Kokainteilchen oder infektiöser Schleim aus dem Bronchus ins Auge spritzt.
Herhold (Brandenburg).
36) Markuson. Uber Fremdkörper in den Luftwegen der Kinder.
(Chirurgia 1908. Nr. 135. [Russisch.))
Unter Berücksichtigung der gesamten Literatur wird eine Statistik über die
in den letzten 20 Jahren im Olga-Hospital zu Moskau beobachteten Fälle gegeben.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 959
Das Thema kann statistisch von verschiedenen Seiten beleuchtet werden. Einige
Zahlen seien genannt: In den Jahren 1887—1907 wurden rund 50 Fälle beobachtet.
Für Rußland charakteristisch ist, daß es sich in 43 Fällen (86%) um Aspiration
von Sonnenblumensamen handelte 19 Kinder waren noch nicht 2 Jahre alt,
46 Kinder noch nicht 6 Jahre. 14 Kinder wurdefi am 1. Tage, bzw. sofort in das
Hospital gebracht, davon zeigte die Hälfte Erscheinungen der akuten Asphyxie;
die übrigen litten an leichten Stenosenerscheinungen. Von den 50 Pat. wurden
5 ohne Operation geheilt, 45 operiert. Von letzteren starben 9, und zwar 6 davon,
obgleich der Fremdkörper in der Operation entfernt worden war.
Verf. vergleicht den Wert der Tracheotomie mit dem der bronchoskopischen
Methoden und kommt zum Schluß, daß die intralaryngealen diagnostischen und
operativen Methoden außerordentlich wertvoll wären, aber eine erstklassige spezia-
listische Ausbildung verlangten. Deshalb sind sie aber neben der Tracheotomie
nicht zu verwerfen, sondern im Gegenteil eifrig zu üben. Die Prognose kann
dadurch noch um ein Bedeutendes gebessert werden. Oettingen (Berlin).
37) Ingals. Removal of a pin from lung by upper bronchoscopy.
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. Nr. 10.)
Mühsame Entfernung eines zylindrischen Stückes Radiergummi mit hindurch-
gesteckter Stecknadel aus dem rechten Bronchus. Der Gummi maß 1,2 cm in
der Länge und 7 mm im Durchmesser, die Nadel war 3cm lang. Der Pat. war
ein 10 Jahre alter Knabe. Verf. operierte in Narkose. Vor 3 Tagen hatte Pat.
den Fremdkörper aspiriert. Heilung. W. vr. Brunn (Rostock).
38) Vidal. Appareil à hyperpression pour les interventions thora-
ciques.
(Ann. de la soc. belge de chir. 1908. April.)
Der auf dem Brauer’schen Überdruckprinzip beruhende Apparat ist in fol-
gender Weise zusammengesetzt. Durch einen gewöhnlichen Blasebalg wird Luft
in ein Rohr getrieben, welches sich an seinem Ende in drei Röhrchen teilt, die
nach Art einer Panflöte nebeneinander, eins jedesmal l mm kürzer wie das nächste,
angebracht sind. Diese Panflöte taucht in ein offenes Gefäß mit Wasser so ein,
daß die aus der Öffnung des kürzesten Röhrchens austretende Luft, um aus dem
Gefäß entweichen zu können, den Druck einer Wassersäule von 10cm Höhe zu
überwinden hat. Dieses ist der Druck, unter dem die Luft in dem System stehen
soll. Erhöht sich dieser Druck, wie es bei der Blasebalgtätigkeit leicht möglich
ist, so tritt auch Luft aus dem zweiten und bei weiterer Erhöhung auch aus dem
dritten Röhrchen aus, was einen sehr schnellen Ausgleich zur Folge hat. Tritt
eine Druckerniedrigung ein, so wird diese durch eine andere Vorrichtung ausge-
glichen; von dem Hauptrohr zweigt ein Seitenast ab, der in eine 15—20 Liter hal-
tende Flasche führt; diese kommuniziert durch eine seitlich dicht über dem Boden
befindliche kurze Röhre mit einem etwas kleineren offenen Gefäß. In dieses
wird Wasser eingelassen, das sich nach dem Gesetz der kommunizierenden Röhren
in beiden Gefäßen verteilt; dabei bleibt in der größeren Flasche über dem Wasser-
spiegel eine normalerweise unter 10cm Druck stehende Luftmenge enthalten. Geht
nun der Druck unter 10cm herunter, so wird diese Luftmenge durch das Wasser
in das Hauptrohr hineingepreßt und hier der Druck erhöht. Am Hauptrohr sind
noch einige weitere Abzweigungen angebracht; durch die eine kann die Luft durch
Einschalten eines Hahnes über Chloroform geleitet und mit Chloroformdämpfen
gesättigt werden. Eine weitere führt zu einem Manometer, die letzte endlich steht
mit einer Gummikanüle in Verbindung, die in den Kehlkopf eingeführt wird, oder
neuerdings endigt sie in zwei ovalen Platten, die, ähnlich wie beim Mayer’ schen
Apparat, durch Kompression der Lippen einen Abschluß der Lungenluft gegen die
Atmosphäre bewirken. Von dem letztbeschriebenen Luft zuführenden Rohre zweigt
noch ein in einen Gummiballon führendes Röhrchen ab, welches das event. Er-
brochene aufnehmen soll.
960 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31.
Den Hauptwert des mehrfach mit gutem Erfolg erprobten Apparates sieht
Verf. in seiner Einfachheit, Wohlfeilheit und leichten Transportierbarkeit.
Vorderbrügge (Danzig).
39) Delorme. Traitemant . des blessures de poumon compliquées
d’hemorragies graves.
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXIII. p. 5% ff.)
An der Hand zweier, von Ombredunne und Duval operierter Fälle von
Lungenschußwunden (deren zweiter, wenigstens nach der Krankengeschichte zu
urteilen, zweifellos bei exspektativem Verfahren wohl auch zur Heilung gekommen
wäre Ref.) bespricht D. eingehend die Indikationen zu direkten Eingriffen bei
penetrierenden Lungenschußwunden. Er möchte mehr als bisher dem aktiven Vor-
gehen dabei das Wort reden. Sowohl bei primärem als bei sekundärem Hämato-
thorax, der irgendwie bedrohlich durch Kompression oder den Blutverlust wirkt
— bei stärkerer Hämoptöe ebenfalls, — soll das Verhalten des Chirurgen möglichst
aktiv sein. In der anschließenden Diskussion werden zahlreiche Ansichten auf
Grund reicher Kasuistik laut, die im Original nachgelesen werden müssen.
Kaehler (Duisburg-M.).
Zu der vorläufigen Mitteilung von Stabsarzt
Dr. Momburg: „Künstliche Blutleere der
unteren Körperhälfte“ in Nr. 23. d. Bl.
Von
Prof. Felix Franke in Braunschweig.
Bei der Bedeutung der ron Momburg angeschnitlenen Frage der künstlichen
Blutleere der unteren Körperhälfte halte ich es im Hinblick darauf, daß wahr-
scheinlich andere die Versuche Momburg's wiederholen oder xu modifizieren
suchen, für geboten, auf meine in einem Falle mit der elastischen Umschnürung
1590 gemachte Erfahrung hinzuweisen.
Ich hatte, wie ich in Nr. 45, Jahrgang 1897 d. Bl., mitgeteilt habe (Die Ampu-
tatio colli femoris als Ersatz der Exartieulatio coxae [Darmblutung nach elastischer
Umschnürung des Leibes]), um die Kompression der Aorta sicher zu erhalten, eine
Pelotie unter die Martin'sche Binde gelegt und dazu in Ermangelung eines besseren
in der Eile eine porxellanene Nadeldose benutzt. Die Blutstllung nun war eine
vollkommene, es kam aber nach der Abnahme der Binde zu reichlichen, anfangs
etwas blutigen Durchfällen, die allerdings keinen vollen Tag anhielten; sonst zeigte
sich kein Schaden.
Da der betreffende Pat. sehr mager war, besteht die Möglichkeit, daß nicht die
elastische Umschnürung an sich, sondern der Druck der Eingeweide gegen den scharfen
Rand der Nadeldose die Blutung verursacht hat. Ja, nach den günstigen Erfahrungen
Momburg’s mi der einfachen Umschnürung ist das sogar sehr wahrscheinlich.
Meine und namentlich Momburg’s Erfahrungen fordern zu weiteren Ver-
suchen auf. Falls die einfache Umschnürung bei gut genährten Personen versagen
sollte, empfiehlt es sich, den Versuch unter Benutzung einer Pelotie mit stumpfen
Rändern zu wiederholen, in ähnlicher Weise, wie es schon v. Esmarch in seinem
Handbuch der kriegschirurgischen Technik (3. Aufl. 1885, p. 213) vorgeschlagen hat.
Berichtigung. Im Aufsatz: »Beitrag zur Ätiologie des angeborenen Schulter-
blatthochstandes« in Nr. 29, p. 884, 3.Z. v. u. muß es heißen: Als es 1/3 Jahr alt
war, wurde rechtsseitiger Schulterblatthochstand und rechtsseitiger Schiefhals
bemerkt.
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden.
Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau.
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig.
Zentralblatt für Chirurgie
herausgegeben von
K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER,
in Bonn, in Berlin, in Breslau.
35. Jahrgang.
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG.
Nr. 32. Sonnabend, den 8. August 1908.
Inhalt.
A. Schanz, Jodpinselungen zur Erzielung schmaler Narben. (Originalmitteilung.)
1) Bonney, 2) Wideröe, Zur Krebsfrage. — 3) Pochhammer, 4) Zupnik, Lokaler Tetanus. —
5) Poenaru-Caplescu, Knochenbruchbehandlung. — 6) Miller, Knochen- und Gelenktuberkulose.
— 7) Cornil und Coudray, Muskelstarre. — 8) v. Oppel, Arterio-venöse Aneurysmen. — 9) Wet-
terer, Dosimster. — 10) Blum, Röntgenschadenersatzprozeß. — 11) Cohn, Händedesinfektion. —
12) Clark, Kohlenasche zur Wundbehandlung. — 13) Frangenheim, Stauungshyperämie. —
14) Corbellini, Leistenbrüche. — 15) Girgolaff, Anwendung isolierter Netzstücke in der Bauch-
chirurgie. — 16) Capek, Darmanastomosenbildung. — 17) Patel, Sigmoiditis und Perisigmoiditis.
— 18) Petrivalsky, Hirschsprung’sche Krankheit. — 19) Riedel, Cholecystitis. — 20) Jianu,
Cavo-meseraische Anastomose. — 21) Magnuson, Operative Knochenverlängerung. — 22) Aglave
und Retterer, 23) Riedinger, 24) Landwehr, 25) Friedel, Phlebektasien und Venenthrombosen.
Schwenk, Isolierte Fraktur des Processus coronoideus ulnae. (Originalmitteilung.)
26) Williams, Röntgenbehandlung des Krebses. — 27) Burr, Tetanus. — 28) Wood, Epilepsie.
— 29) Flemming, Filariasis. — 80) Hashimoto und So, Pseudarthrosen nach Schußverletzungen.
— 31) Turner, Pseudarthrosenbehandlung. — 82) Young, Multiple Exostosen. — 83) Titoff, Knochen-
echinokokken. — 34) Weljaminow, Polyarthritis thyreotoxica. — 85) Guthrie, Transplantation von
Blutgefäßen. — 86) Biesalski, 37) Kohl und Müller, 38) Forssell, 89) Stein, Zur Röntgentechnik.
— 40) Kienböck, Hautreaktion nach Röntgenuntersuchungen. — 41) Gross u. Barthélmy, Steri-
lisation von Gummihandschuhen. — 42) Erhardt, Gummizusatz zum Anästhetikum. — 43) Reg-
nier, Salzwasser gegen offene Tuberkulose — 44) Prawdoljuboff, Zwerchfellverletzungen. —
45) Eisendraht, 46) Vogel, Appendicitis. — 47) Ssisemski, Retroperitoneale Eiterungen. — 48) Port,
Nabel- und Bauchbrüche. — 49) Weimann, Magengeschwür. — 50) Eschbaum, Viermalige Magen-
operation. — 51) Einhorn, Schließungsunfähigkeit des Pylorus. — 52) Voeckler, Krebs des Wurm-
fortsatzes. — 53) Tesson, 54) Rosow, Darmverschluß. — 55) Wilson, Krebs der Flex. sigmoidea,
— 56) Burkhardt, Ruptur des Mastdarmes. — 57) Paryski, Totalexstirpation von Netz und Milz.
— 58) Hardouin, Pankreascyste. — 59) Schirokogorow, Pankreassarkom. — 60) Miller, Gan-
glionneurom. — 61) Koerber, Schulterblattexstirpation. — 62) Stieda, Zur Pathologie der Schulter-
gelenkschleimbeutel. — 68) Pförringer, Angeborene Verbildungen. — 64) Plagemann, Osteo-
myelitis der Synchondrosis sacroiliaca. — 65) Riedinger, Derangement im Hüftgelenk. — 66) Rauen-
busch, Unterschenkelpseudarthrose. — 67) Riedinger, Hackenfuß. — 68) Landwehr, 69) Nippold,
70) Blecher, Kahnbeinbruch. — 71) Hirsch, Metatarsus varus. — 72) Schmitter, Metatarsalgie.
— 78) Soubbotitch, Verrenkung des Metatarsus. — 74) Massando, Mal perforant. — 75) Pfeiffer,
76) Gocht, 77) Russ, 78) Ghiulamila, Zur chirurgischen Technik. — 79) Mayer, Chloroformtropf-
apparat. — 80) Bockenheimer, Leuchtender Hirnspatel. — 81) Schanz, Waschtisch.
Jodpinselungen zur Erzielung schmaler Narben.
Von
A. Schanz in Dresden.
aß Operationswunden mit Hinterlassung denkbar geringster Narben
heilen möchten, ist ein berechtigter Wunsch unserer Pat. Man
sollte meinen, daß unser Streben nach einem reizlosen Wundverlauf
diesem Wunsche denkbar weit entgegenkommt. Das ist aber nicht
der Fall. Gewiß hinterläßt eine Operationswunde bei aseptischem
Verlauf eine viel geringere Narbe als eine Wunde, welche unter
Eiterung heilt. Aber die ganz reizlose Wunde, welche den asepti-
82 `;
962 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32.
schen Operateur zufriedenstellt, gibt sehr häufig nicht die schmale
Narbe, welche unser Pat. wünscht und welche wir erwarten. Wenn
man aus einer solchen Wunde nach 8, nach 10 und 12, ja nach
14 Tagen die Nähte entfernt, so sieht man sehr häufig die obersten
Schichten der Haut, welche ganz exakt zusammengelegt waren, ein
wenig voneinander weichen. Es entsteht ein kleiner, keilförmiger Spalt,
der sich von der Tiefe heraus füllt, und wir erhalten nicht eine strich-
förmige Narbe, sondern eine von der Breite dieses Spaltes — einen
ein paar Millimeter breiten Narbenstreifen.
Läßt man die Nähte länger liegen, so erhält man zwar die strich-
förmige Narbe, aber man bekommt dafür große Stichnarben.
Wenn man auf diese Erscheinungen bei der Heilung von Haut-
wunden achtet, so wird man bemerken, daß oftmals Wunden, die uns
in ihrem Aussehen nicht vollständig befriedigen, weil sie leichte Reiz-
erscheinungen zeigen, günstigere Narbenbildung geben. Wir sehen an
solchen Wunden, deren Reizung natürlich nicht so weit gehen darf,
daß Sekretion entsteht, sehr rasche Verklebung bis zu den äußersten
Rändern und als Narbe einen Strich, der aussieht, als ob er von
einem Nadelriß herrühre.
Heute, wo wir die Hyperämie kennen und als Heilmittel zu
schätzen wissen, kann uns diese Differenz in der Heilung der ganz
reizlosen und der leicht gereizten Wunde nicht überraschen. Ich kann
darauf verzichten, darzulegen, wie und warum die durch die Reizung
hyperämisierten Wundränder rascher verkleben müssen als die ganz
reizlosen der ideal aseptischen Wunde.
Die Schlußfolgerung aus diesem Verhalten ist sehr einfach ge-
zogen. Wenn es uns darauf ankommt, denkbar schmale
Narben zu erhalten, so müssen wir die Ränder ideal asep-
tischer Wunden in einen leichten Reizzustand versetzen.
Ein ausgezeichnetes Mittel zu diesem Zweck haben wir in unserer
Jodtinktur. Pinselt man damit vor der Entfernung der Nähte die
Wunde ein- oder mehreremal, so verkleben die Hautränder rasch so
fest miteinander, daß jenes Klaffen mit seiner Verbreiterung der Narbe
nicht eintritt.
Seit Jahren übe ich diese Jodpinselungen. Ich nehme dieselben
3—5 Tage nach der Operation vor. Bei kleinen, an gut ernährten
Partien liegenden Wunden begnüge ich mich mit einer einmaligen
Pinselung. Bei größeren Wunden und an weniger gut ernährten
Stellen wiederhole ich die Pinselungen an 2—5 aufeinander folgenden
Tagen.
Der Einfluß dieser einfachen Manipulation auf die Narbenbildung
ist ein deutlich sichtbarer in dem gewünschten Sinne.
————
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 963
1) V. Bonney. The connective tissue in carcinome and in
certain inflammatory states, that precede its ouset.
(Lancet 1908. Mai 16., 23. u. 30.)
Eine umfassende, aber zu einem kurzen Referat wenig geeignete
Arbeit über das Verhalten des Bindegewebes bei Karzinom.
Nach kurzem Uberblick über die einschlägige Literatur sowie über
die von ihm angewandte Färbetechnik geht Verf. auf seine Unter-
suchungen über das Gebiet über; das Verhalten der Lymphocyten, der
Plasmazellen, der Endothelien, der Leukocyten, der festen Bindegewebs-
zellen, der Mastzellen, der Riesenzellen, des fibrösen und des Elastin-
gewebes wird in bezug auf das Entstehen und die Ausbreitung des
Karzinoms geschildert. Sodann werden die Karzinome der Vulva, der
Zunge, der Lippe, der Haut, der Brust, der Eingeweide, der Speise-
röhre einzeln in ihrem Verhalten zum Bindegewebe eingehend be-
sprochen.
Den Schluß der sehr interessanten Arbeit bilden folgende Kapitel:
Das Bindegewebe in seinem Verhalten zur Ausdehnung des primären
Karzinoms; das Bindegewebe in seinem Verhalten zu den durch-
wucherten Lymphgefäßen; das Bindegewebe in seinem Verhalten zu
metastatischen Knoten; die Veränderungen in den Lymphdrüsen bei
Karzinom; die Frage der Spezifität der Bindegewebsveränderungen,
die dem Krebs vorausgehen, bzw. ihn begleiten. Im ganzen sind als
Beläge 28 Zeichnungen mikroskopischer Bilder in der Arbeit enthalten.
Als interessantestes Ergebnis dürfte wohl der Satz gelten, »daß
kein histologischer Beweis dafür erbracht werden kann, daß von seiten
des umliegenden Bindegewebes gegenüber der Krebszelle Schutzmaß-
regeln auftreten«. H. Ebbinghaus (Dortmund).
2) S. Wideröe. Hämolyse som diagnosticum vid kancer.
(Nord. kirurg. förenings VII möto 1907. Nord. med. Arkives 1907. Tillägshäfte.)
Verf. hat nach Kelling’s Methode mit Serum von 50 verschiedenen
Pat. hämolytische Untersuchungen gemacht. Er hat nur Gelegenheit
gehabt, seine Versuche mit Hühnerblutkörperchen zu machen. Von
den 50 hämolytischen Untersuchungen sind 25 mit Serum von an Krebs
oder Sarkom leidenden Pat., die übrigen 25 mit Serum von an anderen
Krankheiten leidenden Pat. vorgenommen worden. Von den ersten
25 wurde in zehn Fällen Hämolyse unter 30% erhalten, von den
übrigen 15 trat in neun Fällen Hämolyse von 30—50% ein, in sechs
Fällen von 50—85%. Von den zehn negativen waren in sechs Fällen
die Pat. sehr kachektisch. Die Diagnose war sichergestellt durch
Sektion, Operation oder längere klinische Beobachtung. Von den
übrigen 25 Untersuchungen wurde in 22 Fällen Hämolyse unter 3%,
in zwei Fällen zwischen 30 und 50% und in einem Falle über 50%
gefunden. Von diesen drei mit Hämolyse über 30% waren zwei mit
Serum von an maligner Blutkrankheit leidenden Pat., einer mit Serum
von einem Pat. mit kruppöser Pneumonie vorgenommen. Unter den
32*
964 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32.
22 Fällen mit negativer Hämolyse waren zwei Fälle von gutartigen
Geschwülsten und zwei Fälle von Syphilis. Verf. betont außerdem,
daß bei gutartigen Geschwülsten und Syphilis keine Hämolyse gefunden
wurde, und daß bei kruppöser Pneumonie gesteigerte Hämolyse vor-
handen ist. Ob dies auf dem fieberhaften Zustande beruht oder etwas
für kruppöse Pneumonie Charakteristisches ist, bleibt dahingestellt.
Bei auf Tuberkulose beruhenden fieberhaften Zuständen fehlt vermehrte
Hämolyse. Verf. bemerkt, daß das Hämolysin, das sich in Krebsserum
findet, nicht nach der Seitenkettentheorie Ehrlich’s zusammengesetzt,
daß es vielmehr mutmaßlich dem von Bord und Kultmann in Krebs-
blut und Krebsgewebe nachgewiesenen Hämolysin verwandt ist. Verf.
betont, daß, wenn es sich bestätigen sollte, daß das Krebshämolysin
nicht nach Ehrlich zusammengesetzt ist, Kelling’s Theorie vom
Tierzellenparasitismus eine wertvolle Stütze verloren habe. Dahingegen
wird auf die Bedeutung der Methode als Diagnostikum bei Krebs
aufmerksam gemacht. Einar Key (Stockholm).
3) Pochhammer. Der lokale Tetanus und seine Entstehung.
(Deutsche med. Wochenschrift 1908. Nr. 16.)
P. hat umfassende experimentelle Studien in dieser Hinsicht
angestellt. Nach ihm beruht die lokale Muskelstarre beim Tetanus
auf einer Intoxikation der peripheren Nerven. Das Tetanustoxin wird
in der Substanz der Markscheiden der Nervenfasern abgelagert und
gebunden (chemische Affinität). Das Zustandekommen des Tetanus
ist durch Störung der Isolierung zwischen sensiblen und motorischen
Nervenfasern in den gemischten peripherischen Nervenbahnen infolge
Veränderung der Marksubstanz durch das Tetanustoxin zu erklären.
Die Substanzen der Markscheide wirken, in der Blutbahn kreisend,
antitoxisch. Nach Ausbruch des Starrkrampfes ist ein Nutzen von
der Antitoxinbehandlung nicht zu erwarten. Der Wert aller Serum-
therapie beruht in der Prophylaxe. Borchard (Posen).
4) Zupnik. Bemerkungen zu Pochhammer’s Aufsatz:
»Der lokale Tetanus und seine Entstehung.«
(Deutsche med. Wochenschrift 1908. Nr. 26.)
Z. verweist auf seine Publikation in der Deutschen med. Wochen-
schrift und die daselbst mitgeteilten Versuche. Hiernach sind bereits
im Jahre 1905 die jetzt erhobenen Hypothesen und Einwände Poch-
hammer’s widerlegt. Borchard (Posen).
5) Poenaru- Caplescu (Bukarest). Die Knochennaht und
der Gipsapparat in der Behandlung der Beinbrüche.
(Revista de chir. 1908. Juni.)
Nach einer kurzen historischen Übersicht der Frage beschreibt
P.-C. die in der Abteilung von Th. Jonnescu übliche Behandlungs-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 965
methode der Beinbrüche. Im groBen und ganzen besteht dieselbe
darin, daß aus zehn- bis zwölffachen Organtistreifen, die mit Gips
imprägniert sind, drei Leisten zugeschnitten werden, von denen die
eine, vom mittleren Drittel des Beines beginnend, über die hintere
Fläche, den Absatz und die Sohle läuft, über den Zehen umbiegt
und bis auf den Fußrücken hinübergreift. Eine zweite Organtinleiste
umfaßt beide Seitenteile des Beines und geht wie ein Steigbügel über
die Fußsohle.e Anfangs mit Binden und nach Erhärtung des Gipses
mit Diachylonstreifen werden diese Leisten nach vorgenommener
Adaptierung der gebrochenen Teile befestigt, und das Bein bleibt nun
durch dieselben genügend befestigt. Das Glied kann auf diese Weise
in seiner ganzen Ausdehnung beobachtet, offene Wunden können be-
quem verbunden, und durch die Diachylonstreifen kann der Verband
fester angezogen oder gelockert werden, je nachdem es die stattge-
habte An- oder Abschwellung verlangt. Nach 25—30 Tagen wird
der Verband abgenommen und mit Massage, Bädern und Mechano-
therapie begonnen.
Der angegebene Verband ist der modifizierte Maisonneuve’sche
Apparat der Beinbrüche. Eine weitere Neuerung ist die, daß die
Koaptierung der Knochenfragmente, falls dieselbe sehr schmerzhaft
ist, unter Spinalanästhesie vorgenommen wird. Bei komplizierten
Brüchen oder bei solchen, bei denen die Teile nur schwer oder gar
nicht in der richtigen Lage gehalten werden können, werden die
Jacoöl’schen Klammern angewendet und, wie die beigegebenen
Röntgenographien zeigen, sehr gute Resultate erzielt.
E. Toff (Braila).
6) Miller. Opsonic therapie in tuberculosis of bones and
joints.
(Univ. of Pennsylvania med. bull. 1908. Mai.)
Die Beurteilung des praktischen Wertes der Opsoninbehandlung
der Knochen- und Gelenktuberkulose ergibt sich aus folgenden Tat-
sachen: Die ÖOpsonintherapie gewährleistet bisher keine vollständige
Heilung. Trotzdem kann sie im Beginn der Erkrankung mit Vorteil
mit den sonstigen gebräuchlichen Behandlungsmethoden kombiniert
werden. Tuberkulöse Abszeßbildung muß nach Eröffnung des Ab-
szesses mit Opsoninen nachbehandelt werden. Gute Erfolge wurden
auch bei der Behandlung tuberkulöser Fisteln erzielt, zumal wenn
gleichzeitig Bakterienprodukte der Mischinfektion verwendet wurden.
Mohr (Bielefeld).
7) Cornil et Coudray. Osteomes musculaires. Hyperostose
consécutive à l’ablation du périoste. Etude expérimentale
et histologique.
(Rev. de chir. XXVII. ann. Nr. 12.)
Die Verff. haben bei 3—4 Monate alten Hunden 1 cm lange und
5—6 mm breite Knochenhautläppchen, die unter sorgfältiger Schonung
966 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32.
der osteogenen Schicht von der Innenfläche des Schienbeines abgelöst
wurden, sorgfältig ausgebreitet in die vordere Unterschenkelmuskulatur
versenkt. Die darauffolgende Knochenbildung haben sie an Präparaten
vom 2.—37. Tage genau studiert; sie ist frühestens am 8. Tage zu
bemerken und beginnt in dem jungen Bindegewebe, das den Knochen-
hautlappen umgibt. Vom 10. Tage ab finden sich typische OÖssifi-
kationsbilder mit osteoiden und knorpeligen Zwischenstufen. Nirgends
waren Beziehungen zwischen dem neugebildeten Knochen und den
Muskelfasern bzw. ihren Zerfalls-, Degenerations- oder Umwandlungs-
produkten aufzufinden, die auf ihre Beteiligung an der Knochenbildung
schließen ließen. Sie waren vielmehr stets durch Bindegewebe von den
Knochenbälkchen getrennt. Ganz denselben Befund konnten die Verff.
an zwei von Muskelgewebe umschlossenen und einer periostalen trauma-
tischen Knochenbildung vom Menschen erheben. Sicherlich gibt es
nun viele Knochenbildungen im Muskel, die unabhängig vom Skelett
und der Knochenhaut entstehen infolge eines einzigen oder wieder-
holten Reizes. Auf Grund ihrer eigenen Erfahrungen gelangen die
Verff. zu der auch sonst im Gegensatze zu Bremig und Grawitz
(ds. Bl. 1898, p. 82) vertretenen Ansicht, daß in diesen Fällen allein
das Bindegewebe des Muskels als Knochenbildner in Betracht kommt.
Gutzeit (Neidenburg).
8) W. A. v. Oppel. Zur operativen Behandlung der arterio-
venösen Aneurysmen.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVI. Hft. 1.)
Verf. hält es für wichtig, daß bei den arterio-venösen Aneurysmen
vor der Operation die Intensität der kollateralen Blutzirkulation nach
Korotkow festgestellt und danach der Operationsplan bestimmt wird.
Die Kenntnis dieser Intensität läßt die Gefahren berechnen, die einer
Extremität durch Unterbindung der Arterie oder bei Resektion eines
Stückes derselben drohen. Trotz dieser Vorsorge kann es aber ge-
schehen, daß die Extremität brandig wird, weil event. das arterielle
Blut durch den aneurysmatischen Sack von den Venen abgefangen
werden kann, ein Umstand, der anscheinend bisher nicht bekannt war.
v. ©. hat das bei einem Fall erlebt, bei dem er zur Rettung des be-
treffenden Armes in 9 Stunden drei Operationen in Chloroformnarkose
ausführen mußte.
Als das wesentlichste Prinzip der gefahrlosen Behandlung des
Aneurysma sieht er die Trennung des arteriellen Blutes von dem
venösen an. Danach ist die Methode von Hunter, die Unterbindung
der zuführenden Arterie, als ungeeignet anzusehen, wenn auch oft
genug bei ihr eine glückliche Verkettung von Umständen die Gangrän
verhütet hat. Die moderne Chirurgie ist immer mehr bestrebt, das
Aneurysma durch ganze oder partielle Exzision des Sackes zu heilen.
In neuester Zeit ist man sogar wiederholt bestrebt gewesen, die nor-
male Blutbahn durch Naht der Arterie wiederherzustellen. Verf. ist
der Ansicht, daß dieses letztere Verfahren nur dann anzuwenden sei,
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 967
wenn man nach der obenerwähnten Methode von Korotkow durch
die Voruntersuchung feststellt, daß die arteriellen Kollateralen nicht
ausreichend sind. Man darf aber nicht außer acht lassen, daß z. B.
bei der A. carotis communis eine derartige Prüfung nicht möglich ist,
und daß man bei ihr infolgedessen bezüglich des Ausganges der Ope-
ration stets in einer gewissen Unsicherheit bleiben wird. Hier wäre
also in der Tat die Naht der Arterie das sicherste Verfahren.
E. Siegel (Frankfurt a. M.).
9) J. Wetterer. Einiges über Dosimeter.
(Archiv f. phys. Medizin u. med. Technik Bd. III. Hft. 1.)
Holzknecht’s Chromoradiometer, Sabourand-Noiré’s Radio-
mètre und Bordier’s Chromoradiometer beruhen auf der Farben-
änderung gewisser Salze — bei letzteren beiden Bariumcyanür —
durch die Röntgenstrahlen. Bei allen dreien werden Reagenzpastillen
gleichzeitig mit der zu bestrahlenden Partie exponiert. Die Pastillen
dürfen nicht auf die zu bestrahlende Partie gelegt werden, da sie zu-
viel Strahlung absorbieren, müssen aber andererseits doch möglichst
noch in der kräftigsten Strahlung liegen, um Fehler zu vermeiden.
Nach der Exposition werden die Pastillen mit Testskalen verglichen.
Die Unterscheidung der Grade bei H. ist im Anfang schwierig; bei
S.-N. gibt es nur zwei Testfarben, so daß man geringere oder größere
Dosen nicht beurteilen kann. Außerdem soll zur Erzielung zuver-
lässiger Funktion die Fokushautdistanz hier 15 cm betragen, die
Pastille in halber Distanz sein. Dadurch wird die Handhabung sehr
erschwert. Auch muß das Vergleichen sehr rasch geschehen, da die
Farbe im Tageslicht zurückgeht. Schließlich wird auch durch Wärme-
strahlung eine gewisse Färbung erzeugt. Das B.’sche Instrument ist
eigentlich nur das durch Einfügung mehrerer Testfarben verbesserte
S.-N.’sche und ist leicht abzulesen. Nur sollen die beiden niedrigsten
Dosen nicht ganz exakt angezeigt werden.
Das Kienböck’sche Quantimeter beruht auf der Wirkung der
R.-Strahlen auf photographische Schichten. Es werden Streifen photo-
graphischen Papiers direkt auf die zu bestrahlende Stelle aufgelegt,
nachher in einer bestimmten Lösung bestimmte Zeit (jetzt 20 Se-
kunden) entwickelt und fixiert, dann mit einer Normalskala verglichen.
Auch die Tiefendose kann man durch Mitbenutzung von Aluminium-
treppchen ziemlich exakt bestimmen. Ein Mangel der sonst sehr
exakten Methode ist, daß man nicht sofort die bereits erreichte Dosis
ablesen kann. Deshalb benutzen viele nebenbei ein »offenes« Dosi-
meter (H. oder 8... Wenn man die Wirkung der Röhre ungefähr
kennt, kann man aber auch die Bestrahlung nach einiger Zeit unter-
brechen, den Streifen rasch entwickeln und nachher, wenn nötig, die
Bestrahlung mit einem neuen Streifen fortsetzen.
Bei der Freund’schen Methode wird eine Jodoformlösung durch
Bestrahlung rot gefärbt, außerdem Jod ausgeschieden. Die Färbung
wird mit Testlösungen verglichen. Sie ist aber ebensowenig wie ihre
968 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32.
Verbesserung durch Bordier und Gelimard exakt. Am günstigsten
spricht sich Verf. über das Fällungsradiometer von Schwarz aus.
Hier wird durch die Bestrahlung aus einer klaren Lösung Kalomel
ausgeschieden, der Grad der Trübung an drei Teströhrchen abgelesen.
Der Umschlag soll plötzlich und exakt stattfinden. Zur Messung
höherer Dosen nimmt man besser neue Röhrchen, die man immer nur
bis zum Eintritt der Trübung bestrahlt. Die einzelnen erreichten
»Kalome« werden addiert.
Der Vorzug besteht also in Vermeidung aller Farbennuancen
und sofortiger Ablesungsmöglichkeit. Benner (Breslau).
10) Blum. Ein Röntgenschadenersatzprozeß.
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII. Hft. 3.)
Verf. gibt dem Praktiker Winke, wie er sich bei einer eventuellen
Schädigung des Pat. durch Röntgenstrahlen zu verhalten hat. Vor
allem soll er bei solchen Prozessen, die allmählich immer zahlreicher
werden, einen in Röntgensachen wirklich kompetenten Sachverständigen
herbeiziehen, da in nicht wenig Fällen Arzte wegen Fahrlässigkeit
verurteilt worden sind auf Grund »sachunverständiger Sachverständigen-
gutachten«. Gaugele (Zwickau).
11) Cohn. Überblick über die Leistungen auf dem Gebiete
der Händedesinfektion.
Dissertation. Berlin, S$. Karger, 1907.
In fleiBigem Bemühen hat Verf. die meisten der üblichen Des-
infektionsmethoden mit ihren zahlreichen Anderungen und Vorschlägen
zu Anderungen in Form eines kurzen Überblickes aus der Literatur
zusammengestellt. Am Schluß findet sich eine kurze Besprechung der
Handschuhfrage. Die geschickt angelegte Arbeit ist nicht ganz voll-
ständig, kann es bei dem Umfange von 33 Seiten auch nicht sein.
Wer sich mit der Händedesinfektionsfrage beschäftigen will, findet
aber in der O.’schen Dissertation mit ihrem etwa 150 Nummern um-
fassenden, allerdings auch nicht lückenlosen Literaturverzeichnis ein
brauchbares Hilfsmittel. W. Goebel (Köln).
12) Clark. The use of anthracite coal ash as a surgical
dressing.
(Journ. of the amer. med assoc. 1908. Nr. 11.)
Empfehlung der Anthracitkohlenasche zur Wundbehandlung in
Notfällen, bei stark eiternden Wunden, besonders auch bei Beinge-
schwüren. W. v. Brunn (Rostock).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 969
13) P. Frangenheim. Die Wirkung der Stauungshyperämie
im Tierexperiment. (Aus der Königsberger chirurgischen
Universitäts-Klinik.)
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 24.)
Nach dem Ergebnis der von F. vorgenommenen Versuche wirkt
im Tierexperiment die Stauungshyperämie nicht oder wenigstens nicht
in nennenswerter Weise bakterizid, und gelingt es nicht, durch früh-
zeitige oder sofortige Stauung zu verhüten, daß Knochenmarkeiterungen
ausschließlich — durch stärkere Eiterung in der Markhöhle, größere
Sequester und Totenladen usw. — und Gelenkeiterungen in dem
größeren Teil der Fälle — durch Ausbreitung der Eiterung, Durch-
bruch in die Umgebung usw. — ungünstig beeinflußt werden. Eine
charakteristische Eigenschaft der Stauungshyperämie, die bei der
Stauung und Saugung zu beobachten ist, ist die vermehrte Eiter-
bildung und die Hinterlassung von Infiltration in der Umgebung der
Eiterherde. Kramer (Glogau).
14) J. Corbellini. La guérison radicale des hernies inguinales.
(Revue de chir. XXVII. ann. Nr. 7.)
C. hält es für verfehlt, indirekte (intrainguinale oder vordere)
und direkte (retroinguinale oder hintere) Leistenbrüche mittlerer Größe
nach ein und derselben Methode zu operieren. Weder für die Frei-
legung und Abtragung des Sackes noch für die Wiederherstellung
der Wände des Leistenkanales ist es nötig, die Fascie des Obliquus
externus zu spalten.
Bei den indirekten Brüchen verstärkt Verf. die vordere Wand,
schützt den inneren und verengert den äußeren Leistenring durch
Nähte, welche durch die Externusfascie hindurch Obliquus internus
und Transversus vor dem Samenstrang am Leistenbande befestigen
und beim Knüpfen die Aponeurose des Obliquus externus falten.
Bei den direkten Brüchen werden zur Wiederherstellung der
hinteren Wand und zum Schutze der äußeren Leistenöffnung Nähte
gelegt, die zunächst Obliquus externus und internus und Transversus
fassen und hinter dem Samenstrange hinab durch das Leistenband
gehen. Darauf wird das obere Fadenende eingefädelt, wieder durch
den Einstich der Externusfascie hindurch und hinter ihr und dem
Samenstrange hinab nochmals durch das Leistenband, wenige Milli-
meter vom ersten Ausstich, geführt und nun erst mit dem unteren
Ende geknüpft. Die vordere Wand und die innere Leistenöffnung
bleiben unberührt. Der äußere Leistenring wird durch mediale Pfeiler-
nähte so weit wie nötig verkleinert. Gutzeit (Neidenburg).
'15) S. S. Girgolaff. Experimentelle Ergebnisse zur Frage
der Anwendung isolierter Netzstücke in der Bauchchirurgie.
(Russ. Archiv f. Chirurgie 1907. [Russisch.))
Die Hauptergebnisse der umfangreichen Arbeit sind in der Polemik
-zwischen G. (cf. d. Zentralbl. 1906 Nr. 46 und 1907 Nr. 5) und
324+
970 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32.
Springer (1907 Nr. 49) bereits erwähnt worden. Hier bringt G. die
Literatur, die an 58 Tieren ausgeführten Versuche und eine Aus-
einandersetzung mit Springer.
Die überpflanzten Netzstücke verkleben in wenigen Stunden, meist
mittels fibrinösen Exsudates, und zeigen in 48 Stunden kapilläre Gefäß-
beziehungen zur Unterlage. Die Netzpfropfung bietet »gewisse, wenn
auch nicht absolute Garantie« gegen Verwachsungen, die nur am Dünn-
darme sich nicht vermeiden lassen.
Die »Plastik« ist also verwendbar zur Herstellung des serösen
Überzuges, zur Sicherung von Nähten, zur Naht parenchymatöser
Organe (Leber, Milz, wobei das Netz als Tampon eingenäht wird).
In Fällen, wo eine Perforation schon besteht‘oder droht, wo aus-
gedehnte Schädigungen vorliegen, empfiehlt es sich, nicht isoliertes
Netz zu verwenden. V. E. Mertens (Kiel).
16) E. Capek. Fine weitere Modifikation der Technik der
Cauterium-Darmanastomosen resp. Gastroenterostomien.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVI. Hft. 2.)
Für die Anlegung von Darmanastomosen sind im Laufe der Jabre
zahlreiche Methoden angegeben worden. Vor allem war man in letzter
Zeit bestrebt, ein Verfahren zu ersinnen, bei welchem die Anastomosen-
bildung völlig aseptisch verläuft, d. h. man will die Darmwand nur
zur Nekrose bringen, damit die Eröffnung der aneinander genähten
Darmlichtungen erst einige Zeit nach der Operation eintrete und so
eine Berührung des Operationsfeldes mit Darminhalt völlig vermieden
werde. Keine der bisherigen derartigen Methoden hat sich aber bisher
allgemeine Anerkennung verschafft, hauptsächlich weil das Eintreten
einer Kommunikation nie ganz sicher war. Verf. glaubt nun ein ganz
sicheres Verfahren gefunden zu haben, das er empfehlen möchte. Er
näht die Darmschlingen mit einer fortlaufenden Seromuscularisnaht
aneinander, dann werden beiderseits Serosa und Muscularis bis auf
die Schleimhaut inzidiert, die Ränder etwas auseinander gezogen und
darauf die Schleimhaut verschorft. Durch den inneren und durch den
äußeren Rand der verschorften Schleimhaut wird je eine Reihe von
Knopfnähten gelegt, die den Rand der Serosa und Muscularis mit-
fassen. Dadurch werden die verschorften Schleimhäute einander ge-
nähert. Darüber wird wieder eine Seromuscularisnaht mit Lembert-
schen Nähten gelegt. Wichtig ist für die Verschorfung, daß nach
der Inzision eine exakte Blutstillung mit heißen Tupfern, event. mit
Ligaturen größerer Gefäße erfolgt. Der Paquelin ist zum Kauterisieren
ganz ungeeignet. C. hat deshalb Glühbrenner von dreieckiger Gestalt
konstruiert, die auf einmal die Verschorfung erledigen, und zwar
in 20—25 Sekunden. Am besten bewährt sich ihm ein Glühdraht
von 3,8 mm Durchmesser. Die Anastomose ist jeweils schon nach
24 Stunden hergestellt gewesen. Das Verfahren ist ihm bei sämtlichen
Versuchstieren geglückt und ist nach des Verf.s Ansicht auch bei
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 971
Darmresektionen mit Vereinigung der Darmschlingen side to side an-
wendbar. E. Siegel (Frankfurt a. M.).
17) M. Patel. Sigmoiditis et perisigmoiditis, affections in-
flammatoires simple de I'S iliaque.
(Revue de chir. XXVII. ann. Nr. 10 u. 12.)
Außer dem Geschwür, der spezifischen (dysenterischen, syphiliti-
schen und tuberkulösen) und der sekundären Entzündung der Flexur
über eigenen oder Mastdarmverengerungen und außer der sekundären
symptomatischen Perisigmoiditis, die durch Übergreifen krankhafter
Vorgänge der Nachbarschaft entsteht, gibt es eine primäre, einfach ent-
zündliche Sigmo- und Perisigmoiditis, die zuerst von Mayer im Jahre
1897 genauer studiert ist, und zu der die Klinik Jaboulay’s, aus
welcher auch diese Arbeit stammt, mit am frühesten einschlägige Be-
obachtungen mitgeteilt hat (Regnier, These de Lyon, 1897/98).
P. hat noch mehrere neue und die in der Literatur niedergelegten
Fälle dazu verwertet, um in einer ausführlichen Abhandlung ein voll-
ständiges Bild dieser Krankheit zu geben und ihre Stellung in der
Pathologie und Klinik der Dickdarmkrankheiten genau zu fixieren.
Das Sigma unterscheidet sich in seiner anatomischen Anordnung
und physiologischen Aufgabe ganz wesentlich von den übrigen Teilen
des Dickdarmes. Die ungleiche Länge seines Gekröses, seine wech-
selnde Lichtung geben zu häufigen Lageveränderungen, Knickungen,
Erweiterungen, Aussackungen und Kotstauungen Veranlassung, be-
sonders da der Kot sich schon normalerweise längere Zeit im Sigma,
dem »Regulator der Defäkation«, aufhält. Bei habitueller Kotstockung
kommt es zu Dehnungsgeschwüren und kleinen Einrissen der Schleim-
haut, welche Eingangspforten für die Infektion bilden, und zur Ent-
stehung von Divertikeln, die so zahlreich sein können, daß sie die
ganze Flexur besetzen; wie P. betont, spielen sie die weitaus wich-
tigste Rolle in der Atiologie der Sigmoiditis. In ihrer Höhlung
fangen sich kleine Fremdkörper, sie bilden die besten Schlupfwinkel
für den infektiösen Darminhalt; wird das Divertikel durch Schleim-
hautödem nach der Darmlichtung zu abgeschlossen und der Druck
in ihm auf diese Weise gesteigert, so ist es bis zum divertikulären
Abszeß und der Perforation nicht mehr weit. Divertikel und Wurm-
fortsatz spielen somit eine ähnliche Rolle, und die Divertikulitis steht
in demselben Verhältnis zur Sigmo- und Perisigmoiditis, wie die Ap-
pendicitis zur Typhlitis. Daß die Divertikelentzündung nicht so häufig
ist wie die des Wurmfortsatzes, liegt wohl daran, daß der feste Kot
der Flexur nicht so leicht in das enge Divertikel eindringt, wie der
flüssige des Blinddarmes in den Wurm. Für gewisse Formen von
Sigmoiditis nach allgemeinen Infektionskrankheiten (Wochenbettfieber,
Scharlach, Influenza) ist wahrscheinlich der Follikelreichtum der Flexur
nicht ohne Bedeutung.
972 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32,
Die Sigmoiditis kann auf die Wand beschränkt bleiben oder zum
perisigmoiditischen Abszeß und zu allgemeiner Peritonitis führen.
Hiernach teilt sie P. ein in:
a. akute, nicht eitrige Sigmoiditis,
b. eitrige Perisigmoiditis,
c. chronische Sigmo- und Perisigmoiditis, zu welchen auch die
subakute Perisigmoiditis und die entzündlichen Verengerungen ge-
hören,
d. Sigmoiditis mit allgemeiner Peritonitis.
Verf. erörtert eingehend die klinischen Erscheinungen, den ana-
tomischen Befund und die Differentialdiagnose und Behandlung jeder
Form. Die Anfälle der akuten Sigmoiditis sind meist weniger stür-
misch als die der Epityphlitis und klingen nach reichlicher Stuhl-
entleerung sofort ab. Der perisigmoiditische Abszeß liegt, wenn er
von der Bauchfelloberfläche des fixierten Teiles der Flexur ausgeht,
über dem Leistenband; entstammt er dem beweglichen Teile, so findet
er sich am äußeren Rande des linken Rectus unterhalb des Nabels.
Entwickelt er sich zwischen den Blättern des Mesosigma, so kann er
sich weithin bis zum Zwerchfell subperitoneal ausdehnen und sich
nach der Lendengegend bzw. dem Petit’schen Dreieck senken und
hier am besten zugänglich sein, während die vorderen Abszesse durch
den Schnitt nach Roux bzw. Jalaguier zu eröffnen und unter Um-
ständen noch nach der Lendengegend hin zu drainieren sind. Durch-
brüche des Eiters nach der Blase und dem Darme sind auch beob-
achtet. Die Perforationsperitonitis führt meist schnell zu tödlichem
Kollaps.
Hervorzuheben ist noch, daß die Diagnose oft recht schwierig
sein kann, da Beckenaffektionen, Blinddarmentzündung und der Krebs
der Flexur wenigstens eine Zeitlang ganz ähnliche Erscheinungen wie
die Sigmoiditis veranlassen können.
Mit einem Literaturverzeichnis von 128 Nummern schließt die
gründliche Arbeit. Gutzeit (Neidenburg).
18) J. Petrivalsky. Zur Hirschsprung'’schen Krankheit.
(v. Langenbeck’s Archiv. Bd. LXXXVI. Hft. 2.)
P. bespricht die Differenzen, welche bei den verschiedenen Autoren
über die Atiologie der Hirschsprung’schen Krankheit bestehen.
Während die einen eine kongenitale Anomalie annehmen, sehen andere
als Grundlage des Leidens mechanische Hindernisse, Formverände-
rungen der Flexur oder eine idiopatische Dilatation an. Verf. hatte
Gelegenheit einen einschlägigen Fall zu beobachten, und da die
Operation tödlich verlief, durch eingehende Autopsie genauere Studien
an den Präparaten zu machen. Er kommt auf Grund seiner Beob-
achtung und anatomisch-histologischer Arbeit zu dem Schluß, daß
das echte Megakolon, die eigentliche Hirschsprung’sche Krankheit,
eine angeborene Entwicklungsstörung ist, welche nicht nur den Dick-
darm, sondern den ganzen Verdauungskanal, einschließlich der Drüsen-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32, 973
organe betrifft. In seinem Falle war der Darmkanal im Vergleich zu
der Körpergröße um die Hälfte kürzer als gewöhnlich, das Mesenterium
war histogenetisch geschwächt, das heißt nicht hinreichend mit Elastika
ausgerüstet. Diese histogenetische Anomolie des Mesenterium und
der Darmwand sieht Verf. als das Charakteristische des Megakolon an.
Die klinischen Erscheinungen, die Dilatation des Darmes, die Hyper-
trophie der Darmmuskulatur und die Hyperplasie des interstitiellen
Bindegewebes der Darmwand sind nur Folgeerscheinungen, die ihrer-
seits durch die Intensität und den Umfang der histogenetischen Störung
bedingt werden.
Im Gegensatz zu diesen Fällen gibt es noch eine symptomatische
Megakolie, welche nie den mikroskopischen Befund der angeborenen
aufweist. Ihre Ursache ist vornehmlich in Veränderungen an der Flexura
sigmoidea zu suchen, die ja auch bisher bekannt waren, wie die ab-
norme Länge derselben, Schlingenbildung, engere Insertion des Me-
sosigmoideum usw.
Derartige Veränderungen können durch einen Ventilverschluß
leicht dem Megakolon ähnliche Erscheinungen, auch eine Dilatation und
Hypertrophie der Darmwand herbeiführen. P. glaubt, daß seine Ein-
teilung in zwei Gruppen das Verständnis für die Hirschsprung’sche
Krankheit wesentlich zu fördern geeignet ist.
E. Siegel (Frankfurt a. M...
19) Riedel. Die Frühoperation der akuten schweren Chole-
cystitis.
'Deutsche med. Wochenschrift 1908. Nr. 22.)
In seiner ausführlichen, äußerst interessanten Mitteilung weist R.
darauf hin, wie früher zahlreiche Kranke mit akuter schwerer Chole-
cystitis und nachfolgender Perforation überhaupt nicht bis in die Spi-
täler gelangt sind. Erst seit der Zeit, wo entzündliche Prozesse im Bauche
dem Chirurgen überwiesen werden, erweist sich die Cholecystitis acuta
als ein schweres, das Leben bedrohendes Leiden. Deshalb sollte die
prall gespannte Gallenblase entfernt werden, bevor sie platzt oder
bevor ein kleines im Blasenbalse oder Ductus cysticus steckendes
Konkrement in den Choledochus hineingeworfen wird. Bei gutem
Allgemeinzustand und bei sicherer Diagnose ist auch bei leichter Chole-
cystitis zu operieren, weil jeden Tag eine schwere Cholecystitis ein-
setzen kann. Borchard (Posen). t &;
20) I. Jianu (Bukarest. Note über die cavo-meseraische
Anastomose.
(Spitalul 1908. Nr. 9.)
Die Ligatur der V. cava inferior unterhalb der Nierenvenen
bewirkt ein außerordentlich großes chronisches Odem der unteren Ex-
tremitäten infolge Behinderung des venösen Abflusses; die Ligatur
oberhalb der Nierenvenen bewirkt den Tod infolge von Nierendegene-
ration. Beides kann verhütet werden, falls man die Cava mit der
974 ` Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32.
V. mesenterica superior seitlich anastomosiert. Diese Operation wird
derart ausgeführt, daß nach präventiver Blutstillung die beiden Venen-
stimme aneinander gelegt und mit Oatgut Nr. O0 in der Ausdehnung
von etwa 1 cm zusammengenäht werden. In die gegenüberliegenden
Venenwände werden nun zwei Fensterchen geschnitten, dieselben mit
penetrierender Naht vereinigt und darüber mit dem von der ersten
Naht übrig gebliebenen Catgutende eine weitere Konsolidierungsnaht
ausgeführt. Nach Entfernung der provisorischen Ligatur geht der
Blutstrom von der Oava inferior in die Mesenterica superior.
Diese experimentellen Venenanastomosen könnten bei unabweislicher
Ligatur der Pfortader, bei Behinderung der Leberzirkulation, statt der
Talma’schen Operation, oder bei Hindernissen in der Zirkulation der
Mesenterialvenen zu therapeutischen Zwecken herangezogen werden.
E. Toff Braila..
21) Magnuson. Lengthening shortened bones of the leg by
operation.
(Univ. of Pennsylvania med. bull. 1908. Mai.)
Experimente an Hunden über operative Verlängerung der langen
Röhrenknochen des Beines. Die Verlängerung wurde dadurch erzielt,
daß der Knochen längs gespalten und auf die Endpunkte des Spaltes
quere Trennungen auf einander gegenüberliegenden Seiten des Knochens
gesetzt wurden. Unter Extension in der Längsrichtung wurden dann
die Knochenenden durch besonders konstruierte Elfenbeinschrauben
miteinander verschraubt. An der Tibia des Hundes betrug die so
erzielte Verlängerung !/,—1!/;, cm. Das Elfenbein fand sich, wenn
keine Eiterung eingetreten war, stets nach 3 Monaten resorbiert; es
verursacht keine Nekrosen und stößt sich bei aseptischem Verlauf
nicht aus. Für praktische Zwecke empfiehlt sich als beste Operations-
stelle das untere Drittel des Oberschenkels. Nach den Tierexperimen-
ten zu schließen, läßt sich beim Menschen eine Verlängerung bis zu
5 cm ohne Schädigung der Blutgefäße und Nerven erzielen.
Mohr (Bielefeld).
22) Alglave et Retterer. Du mecanisme de la phlebectasie.
(Compt. rend. de la soc. de biologie 1907. p. 373,446.)
Verff. versuchen die noch in manchen Punkten dunkle Atiologie
der Varicen teils aus dem histologischen Befunde, teils aus der funktio-
nellen Inanspruchnahme der Beinvenen zu erklären. Sie wenden sich
gegen die Annahme, daß primäre Klappenerkrankungen, das Gewicht
der Blutsäule oder chronische Gefäßwandentzündungen die Ursache
der Bildung von Venenerweiterungen seien. In keinem Stadium be-
obachte man Atrophie der Gefäßhäute oder der Elastika. Die Venen-
wände seien von Anfang an hypertrophisch. An der Hypertrophie
nähmen später auch die Klappen teil und würden dadurch starr und
insuffizient.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 975
A. und R. nehmen an, daß der Anprall der großen Blutmenge,
welche von den tieferen Beinvenen brüsk in die oberflächlichen Blut-
adern entleert würde, die Ursache sei, die primär eine Hypertrophie
der Gefäßwände und sekundär Venenerweiterung bewirke. Dafür
spreche insbesondere, daß die den Varicen benachbarten Venen, welche
im übrigen eine gesunde Beschaffenheit ihrer Häute aufwiesen, eben-
falls hypertrophische Wände besäßen. Revenstorf (Hamburg).
23) Riedinger. Hypertrophie der Wadenmuskulatur im An-
schluß an Venenthrombose nach Typhus.
(Archiv für Orthopädie, Mechanotherapie und Unfallchirurgie Bd.VI. Hft.2 u. 3.)
24) Landwehr. Pseudohypertrophia musculorum nach Venen-
thrombose.
(Ibid.)
Beide Verff. führen die Ursache einer Ernährungsstörung in Fällen
von GefäßverschluB auf ein Versagen der Kollateralbahnen zurück,
die bei gesunden Individuen prompt und dauernd den Ausgleich be-
werkstelligen. Es verwirklicht sich auch die Bier’sche Annahme, wo-
nach bei hochgradiger Stauung der Erfolg der Muskelhypertrophie nicht
eine Erhöhung, sondern eine Verminderung der Leistungsfähigkeit ist.
Der Prozeß ergreift nach und nach die proximal gelegenen Muskel-
partien und zeigt dabei die Formen einer Atrophie und später Hyper-
trophie, die wohl im Sinne einer Pseudohypertrophie aufzufassen ist.
Hinsichtlich der Entstehungsweise wird auf die Erklärung von Ribbert
hingewiesen, nach welcher der Zug an den Muskelfasern infolge Er-
weiterung der Gefäße eine intrazelluläre Entspannung zur Folge hat,
die ihrerseits durch Auslösung von Wachstumsenergie Neubildung von
Muskelsubstanz herbeiführen kann. Hartmann (Kassel).
25) G. Friedel. Operative Behandlung der Varicen, Ele-
phantiasis und Ulcus cruris.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVI. Hft. 1.)
In Fällen von Varicen, bei welchen man wegen Ausdehnung des
Leidens die Exstirpation der Venenstränge nicht mehr ausführen
kann, empfiehlt Verf. ein von Rindfleisch ersonnenes Verfahren,
die Anlegung spiraliger Schnitte um den Unterschenkel herum. Nach
Resektion eines Stückes der Vena saphena magna zeichnet man sich
durch Einritzen in die Haut den Verlauf der Spiralen an. Sind
Unterschenkelgeschwüre vorhanden, so müssen sie zwischen die Win-
dungen der Spiralen zu liegen kommen. Eventuell kann die Blut-
zufuhr zu diesen Geschwüren noch durch seitliche Schnitte in Längs-
richtung gehemmt werden. Alle Varicen müssen durchschnitten
werden, womöglich mehrere Male. Deshalb muß der Spiralschnitt
unter dem Knie beginnen und event. bis auf den Fußrücken verlaufen.
976 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32.
Es wurden bis zu fünf Spiralwindungen angelegt. Die durch-
schnittenen Venen werden unterbunden oder umstochen. Die Schnitte-
werden tamponiert und sollen per secundam intentionem heilen. Es
soll eine feste tief einschneidende lineäre Narbe erzielt werden, damit
sich keine neuen Venenerweiterungen bilden. Die Operation setzt
den Druck in den Venen wesentlich herab, und durch die ausgiebige
Eröffnung der Lymph- und Gefäßspalten kommt es zu einer enormen
Entfaltung des Öperationsgebietes, infolgedessen zu Rückgang der
entzündlichen Erscheinungen und Verdünnung der angeschwollenen
Beine. Eine Reihe von Krankengeschichten beweist die Erfolge,
welche mit dem Eingriff erzielt worden sind.
E. Siegel (Frankfurt a. M.).
Kleinere Mitteilungen.
Aus der chirurg. Abteilung des städtischen Krankenhauses Wenzel
Hancke zu Breslau. Leitender Arzt: Primärarzt Dr. Heintze.
Isolierte Fraktur des Processus coronoideus ulnae.
Von
Sekundärarzt Dr. Schwenk.
win L., 21 Jahre alt, kehrte am 26. März 1908 von einer Radtour er-
müdet heim. Beim Absteigen vom Rade kam er zu Fall. Er fiel bei gestrecktem
rechten Arm mit leicht dorsal flektierter Hand auf den steinernen Boden und
erlitt so eine Stauchung des Vorderarmes in der Richtung seiner Längsachse bei
Feststellung seiner beiden Hauptgelenke. Er hatte zunächst nicht den Ein-
druck, daß er sich verletzt hätte. Erst nach einer Stunde traten zunehmende
Schmerzen bei jeder Bewegung im rechten Ellbogengelenk auf, die den Pat. zu uns
führten.
Pat. hält den Vorderarm zum Oberarm ca. im rechten Winkel gebeugt, und
zwar in Mittelstellung. — Bewegungsversuchen setzt er heftigen Widerstand ent-
gegen, jede Bewegung ist schmerzhaft. Die Schmerzhaftigkeit ist konzentriert bei
Druck auf die Beugeseite des Ellbogengelenkes; ganz deutlich läßt sie sich lokali-
sieren auf den Gelenkteil der Ulna. Aktive Bewegungen sind nur in geringem
Grade ausführbar, passiv wegen der großen Schmerzen nicht weiter zu forcieren.
Das Olecranon liegt in der Condylenlinie. Die Gelenkgegend zeigt normale Kon-
turen, doch ist sie rechts mehr ausgefüllt wie links. Ein größerer Erguß ist nicht
zu konstatieren. Die bei dem Versuch, die Bewegung des Vorderarmes zu ver-
mehren, besonders) heftig exazerbierenden Schmerzen lassen bei Berücksichtigung
des fixen Schmerzpunktes im Gelenk an eine Verletzung des Proc. coronoideus
ulnae mit Abreißung des Musc. brach. int. denken. Die Röntgenaufnahme
bestätigt die Diagnose der Fraktur. Der Proc. coronoideus ulnae ist an seiner
Spitze abgebrochen, die Spitze liegt frei im Gelenk (s. das Röntgenbild). —
Ein Gipsverband in Flexionsstellung von ca. 60° blieb 14 Tage liegen. Nach
Abnahme des Verbandes war die Beweglichkeit fast momentan eine vollständige,
nur die Streckung des Armes war in geringem Grade behindert. Nach weiteren
10 Tagen war absolute Heilung erreicht. Allerdings machten sich jetzt gelegent-
lich seitens des abgesprengten Stückes Corpus mobile-Beschwerden geltend, indem
bei plötzlich ausgeführter Beugung der Vorderarm mitten in der Bewegung »stehen
bliebe. Das läßt sich nur so erklären, daß die Heilung ligamentös erfolgt ist.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 977
Auffallend sind in unserem Falle die geringen Beschwerden direkt nach der
»Stauchung«.
Für die (meist indirekte) Entstehung dieser Stauchungs- oder Kompressions-
fraktur scheint es gleichgültig, ob der Vorder- zum Oberarm in mehr oder weniger
Streck- oder Beugestellung sich befindet, wenn nur die Hauptgelenke festgestellt sind.
Bekanntlich ist die Fraktur des Proc. coronoideus sehr selten isoliert, häufiger
in Verbindung mit Luxation des Vorderarmes nach hinten gefunden worden. Der
Fall interessiert daher an sich, ferner durch die sichere Kenntnis seiner Ent-
stehungsweise, seine genaue röntgenographische Beobachtung und den durchaus
günstigen Ausgang im Gegensatz zu den Fällen mit komplizierender Luxation.
Zur Literatur sei verwiesen neben den Lehrbüchern auf die Arbeiten von
Urlich, Beck u.a.
26) Williams. Report of hundred and seven cases of cancer treated
with the Roentgen ray, with comments thereon.
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. Nr. 8.)
Die Fälle des Verf.s betreffen zur Hälfte Cancroide (53, davon 52 geheilt..
Hatte die Neubildung tiefere Gewebe ergriffen, wurde das Resultat erheblich
schlechter.
Drei Pat. mit unoperiertem Carcinoma mammae ergaben ein sehr schlechtes
Resultat; von 15 Karzinomrezidiven der Mamma wurden die meisten erheblich
gebessert, zwei sind seit 21/, Jahren geheilt und rezidivfrei geblieben.
W. v. Brunn (Rostock).
271) Burr. Delirium during and after tetanus.
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. Nr. 11.)
Delirium während oder nach Ausbruch des Tetanus ist nach Verf.s Ansicht
sehr selten.
Verf. beobachtete drei Fälle dieser Art bei Männern zwischen 26 und 33 Jahren.
In einem Falle, der tödlich endete und mit hohen Temperaturen verlief, war
weder Potatorium vorhanden noch waren Medikamente irgendwelcher Art gegeben
worden. Auch scheint Antitoxin nicht verabreicht worden zu sein. Das Delirium
dürfte hier eine Folge des schnellen Kräfteverfalles bei dem hohen Fieber ge-
wesen sein. Die Sektion klärte ebenfalls den Zusammenhang nicht auf.
978 Zentralblatt für Chirargie. Nr. 32.
Im zweiten Falle können die vorher verabreichten Medikamente (Brom,
Chloral) den Ausbruch verschuldet baben. Es wurde Antitoxin gegeben und trotz
der Schwere des Falles (10 Tage Inkubation) Heilung erreicht. Im ersten Falle
konnte über die Inkubation nichts eruiert werden.
Der dritte Fall war leicht und ging ebenfalls in Heilung aus. Hier handelte
es sich um einen Potator. W. v. Brunn (Rostock).
28) Wood. Operative procedure as a therapeutic measure in the cure
of epilepsy.
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. Nr. 9.)
W. berichtet aus seiner Praxis über drei Fälle von Epilepsie, weibliche Per-
sonen betreffend, die seit 20 bzw. 10 und 7 Jahren epileptisch waren und trotz
sorgfältiger ärztlicher Behandlung alle paar Monate ihre Anfälle hatten.
Im ersten Falle kam es nach schwerer Verbrennung während eines Anfalles
zur Amputation eines Armes; im zweiten hatte Pat. sich durch Sturz aus dem
Fenster eine Handverletzung zugezogen, die operativ behandelt werden mußte.
Fall 3 wurde wegen tuberkulöser HalsIymphome operiert; alle drei in Narkose.
Die |Fälle konnten 8 bzw. 4 und 3 Jahre beobachtet werden und blieben
ganz anfallsfrei ohne Medikation. W. v. Brunn (Rostock‘.
29) Flomming. Case of filariasis with abscess.
(Bristol med.-chir. journ. 1908. Juni.)
Bei dem 30jährigen Pat., der sich längere Zeit in Deutsch-Südwestafrika auf-
gehalten hatte, entwickelte sich subakut eine Schwellung an den langen Rücken-
muskeln in Höhe der Lendenwirbel. Im Blute wurde Filaria festgestellt. Die
Inzision der Schwellung ergab, daß ein Abszeß in den tiefsten Muskelschichten
vorlag; im Abszeßinhalt konnte Filaria nicht nachgewiesen werden, was bei dem
längeren Bestehen des Abszesses vor der Inzision (66 Tage) nicht zu verwundern
war. Mohr (Bielefeld).
30) Hashimoto und So. Über Pseudarthrosenbehandlung nach Schuß-
verletzungen.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVI. Hft. 2.)
In sieben Fällen von Pseudarthrose, die Verff. im japanisch-russischen Kriege
im Tokyo-Shibuya-Lazarett beobachteten, war nach ihrer Meinung unvorsichtige
Exstirpation der Knochenstücke die Ursache falscher Gelenkbildung. Bei Eiterung
von Schußwunden sollte man nur für guten Abfluß des Sekretes sorgen und die
Splitter nicht entfernen, da man mit ihnen nur zu leicht Periostgewebe abreißt,
das für die Knochenneubildung von größter Wichtigkeit ist. Verf. geben eine
kurze Krankengeschichte ihrer sieben operierten Fälle und besprechen die ver-
schiedenen Methoden allgemeiner und lokaler nichtoperativer, wie operativer Thera-
pie, die bisher gehandhabt werden. Sie selbst haben fünf Fälle nach Mangoldt
mit ungestielten Periost-Knochenlappen und zwei Fälle nach Hahn durch Ein-
fügung der durchsägten Fibula in das obere Fragment der Tibia meist mit sehr
gutem Erfolg behandelt. E. Siegel (Frankfurt a. M.).
31) @. J. Turner. Über Klopfung als Mittel zur Beschleunigung der
Heilung von Knochenbrüchen und als Heilmittel bei Pseudarthrosen.
(Russki Wratsch 1908. Nr. 15.)
T. wandte in je zwei Fällen von Pseudarthrose und von nicht heilenden
Knochenbrüchen die Klopfung der Bruchgegend mit dem Perkussionshammer an,
wozu im Gipsverband ein Fenster gemacht wird. Darauf trat in allen Fällen rasch
Heilung ein. — In der Literatur fand er eine Notiz von Schäffer, der bei
Pseudarthrosen auch klopft, aber mit der Hand.
E. Glickel (Wel. Bubny, Poltawa).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 979
32) Young. Case of multiple exostoses in a rachitic subject.
(Glasgow med. journ. 1908. März.)
Pat., jetzt 33 Jahre alt, hatte in seiner Kindheit so schwere Rachitis, daß er
erst nach dem 6. Jahre gehen lernte. Mit 14 Jahren bekam er Genua valga, und
mit 21 Jahren bemerkte er die erste Exostose, die sich an den Rippen entwickelte.
Allmählich bildeten sich noch an vielen anderen Stellen seines Skeletts Exosto-
sen aus. W. y. Brunn (Rostock).
33) Titoff. Über den Echinokokkus der Knochen.
(Chirurgia 1908. Nr. 135 [Russisch).)
Im Verhältnis zu den Erkrankungen an Echinokokkus überhaupt ist der
Knochen selten zu nennen. T. hat 77 Fälle zusammengestellt. Sein mitgeteilter
Fall hat insofern Interesse, als die Pat. angab, vor 6 Jahren zum erstenmal im
linken Schulterblatt eine nußgroße Geschwulst gefühlt zu haben, die ganz all-
mählich anwuchs. Bei der Aufnahme in das Hospital war die Blase mannskopf-
groß. Die Entfernung des Echinokokkus bot keine Schwierigkeiten; die am
Schulterblatt haftenden Teile wurden mittels breiten Meißels herausgehoben. Hei-
lung p. p. Oettingen (Berlin).
34) N. A. Weljaminow. Polyarthritis chronica progressiva thyreotoxica.
(Russki Wratsch 1908. Nr. 18—20.)
Unter obigem Namen scheidet W. eine Form des sogenannten chronischen
Gelenkrheumatismus in eine besondere Gruppe aus. Von etwa zehn beobachteten
Fällen werden zwei ausführlich beschrieben. Im ersten — mit Pocken in der
Anamnese — wurde Pat. 4 Jahre lang erfolglos wegen ihres Gelenkleidens be-
handelt. Es begann von den Fingergelenken, ergriff nach und nach alle Gelenke
der oberen, dann auch der unteren Extremitäten — symmetrische Polyarthritis.
Gleichzeitig hysterische Erscheinungen, Muskelatrophie, toxische Affektion des
Rückenmarks im Bereich der unteren Hals- und oberen Brustwirbel. Röntgeno-
skopisch wurde eine Struma endothoracica entdeckt. Nun erklärte W. sich die
Krankheit so: Struma — Dysthyreosis — Rückenmarksintoxikation — trophoneu-
rotische Polyarthritis. Eine eingeleitete Thyreoidinbehandlung ergab glänzenden
Erfolg, — beinahe vollständige Heilung. — Zweiter Fall: Abdominaltyphus in der
Anamnese, Kropf, Affektion der Tarsal- und Fußgelenke, die aber spontan zurück-
ging; darauf wurden Ellbogen- und Handgelenke befallen, Muskelatrophie wenig
ausgeprägt, keine deutlichen Symptome von Rückenmarksaffektion, bloß solche der
Beben Nerven. Thyreoidinbehandlung 1 Monat lang — geringe Besserung;
trumektomie — nun rasche Besserung: nach einem Monat hat die Beweglichkeit
im rechten Ellbogen um 42° zugenommen.
Auf Grund dieser Fälle, sowie des Studiums der — ziemlich kärglichen —
Literatur schließt W., daß außer Hypo- und Hyperthyreosis (bzw. Thyreodismus)
besonders die Dysthyreosis (bzw. Thyreodismus) in der Atiologie vieler Fälle von
Polyarthritis chron. progressiva eine Hauptrolle spielt. Er bringt u.a. drei Fälle
von Polyarthritis, die mehrere Wochen nach Scharlach auftrat; zur Zeit der Beob-
achtung dachte er an neurogenen Ursprung des Leidens; jetzt ist er überzeugt,
daß es sich auch hier um Affektion der Schilddrüse handelte. Weitere Einzelnheiten
müssen in der hochinteressanten Arbeit nachgelesen werden. Betrefis der Thyreoidin-
behandlung fand W., daß die gewöhnliche Dosis — bis 0,9 pro die — oft nicht
vertragen wird. Er beginnt mit 0,05 und geht selten über 0,3 pro die; nach
8—12 Tagen wird die Behandlung für etwa 8-10 Tage unterbrochen.
E. Gtüickel (Wel. Bubny, Poltawa..
35) Guthrie. Further results on heterotransplantation of blood vessels.
(Amer. journ. of phys. 1908. März.)
In zwei Fällen transplantierte Q. Stücke der Abdominalaorta von Katzen
zwischen die Schnittenden der Carotis beim Hunde; beidemal war die Blutzirku-
980 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32.
lation nach 7—8 Monaten vollkommen. Die nachträgliche Untersuchung des ein-
gepflanzten Stückes ergab, daß seine Lichtung frei, der Durchmesser stark! ver-
größert, die Wandung verdickt war. Die Intima war glatt und glänzend.
Mohr (Bielefeld'‘.
36) Biesalski. Die Neueinrichtung des Röntgenhauses (am Urban in
Berlin).
Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII. Hit. 3.)
Es wurde auf Betreiben der Professoren Fränkel und Körte am Urban ein
eigenes Gebäude für den Röntgenbetrieb errichtet. Verf. empfiehlt vor allem,
nicht — wie früher — kleine Zimmer, sondern möglichst große Säle zu schaffen,
da sie eine weit größere Ubersichtlichkeit und Schnelligkeit des Betriebes mit
einem geringeren Personal gewährleisten. Auf den üblichen roten Anstrich wurde
verzichtet, das Zimmer vielmehr hellgrau gestrichen. Die gesamte Einrichtung
ist von der Firma Reiniger, Gebbert & Schall geliefert. Im Erdgeschoß
befindet sich der Untersuchungsraum nebst einer Dunkelkammer, mit allen not-
wendigen und modernen Ausrüstungen versehen. Im Obergeschoß ist das Zimmer
für die Therapie und ein Schwesternzimmer, im Kellergeschoß sind Arbeitsräume,
eine Dunkelkammer und Plattenarchiv. Gaugele (Zwickau).
37) Aus der Röntgentechnik.
(Fortschritte auf dem (Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII. Hft. 3.)
1) Die Firma Max Kohl, Werkstätten für Präzisionsmechanik und Elektro-
technik in Chemnitz, Adorferstraße Nr. 20, stellt eine Universalblende her mit
Einrichtung für stereoskopische Aufnahmen und mit Schutzkasten für die Röntgen-
röhre. Der Apparat soll sowohl für Durchleuchtungen als auch für röntgeno-
graphische Aufnahmen verwendet werden können und soll in der Handhabung
bequem sein.
Der Schutzkasten für Röntgenröhren besitzt eine Stellvorrichtung für Beleuch-
tung von oben, von der Seite und von binten.
2) Die Firma C. H. F. Müller in Hamburg bringt einen neuen Röntgenröhren-
typ, die Zentralröhre, in den Handel. Der Ingenieur der Firma, C. F. Rodde,
glaubt in der Zentralröhre die Röhre der Zukunft gefunden zu haben. Sie stellt
eine Spezialröhre für allseitige Bestrahlungen und für Moment- und Fernaufnahmen
dar. Die Röhre wird nur in einer Größe von 200 mm Kugeldurchmesser, in zwei
Ausführungen, und zwar mit massiver Kupferantikathode und mit Wasserkühlung,
fabriziert. In Vorbereitung sind Röhren mit Iridiumantikathoden, über welche
demnächst berichtet werden soll. Gaugele (Zwickau).
38) Forssell. Eine Vorrichtung zur Röntgenographie mit Kompression
und Orthodiagraphierung in unmittelbarem Anschluß an die Durch-
leuchtung.
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII. Hit. 2.)
Verf. hat an dem Durchleuchtungsapparat von Holzknecht einige Verände-
rungen angebracht. Der Zweck dieser war, wie in der Überschrift schon an-
gedeutet ist, den Apparat zur Röntgenaufnahme mit Kompression einzurichten und
die Orthodiagraphie unmittelbar an die Durchleuchtung anzuschließen. Durch
seine Anderungen ist eine Fixierung des Fluoreszenzschirmes auch in sagittaler
Richtung ermöglicht, so daß er zur Plattenstütze, auch bei Kompression und zum
Orthodiagraphieren, gebraucht werden kann. Durch die Fixierung des Schirmes
erhält dieser auch bei kräftiger Kompression eine vollkommen sichere Lage, im
Gegensatz zu den Apparaten anderer. Die Einzelheiten sind im Original nachzu-
lesen. Gaugele (Zwickau).
39) Stein. Uber plastische Röntgenogramme.
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII. Hft. 2.)
Ein weiterer Beitrag und Nachprüfung der Technik der plastischen Röntgeno-
gramme von Alexander, der immer noch nicht ganz den Schleier von seinem
Verfahren gelüftet hat.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 981
Wie Alexander, so erreichte auch S. die plastischen Röntgenogramme bei
gleichzeitigem Zusammenkopieren von Negativ und Diapositiv. Der Arbeit sind
einige hübsche plastische Röntgenogramme beigefügt. Gaugele (Zwickau).
40) R. Kienböck. Über Hautreaktion nach diagnostischen Unter-
2 suchungen.
(Archiv f. phys. Medizin u. med. Technik Bd. III. Hft. 2.)
Verf. hat schon früher 14 Fälle zusammengestellt und spricht sich nach seinen
Erfahrungen dahin aus, daß nicht eine Überempfindlichkeit der Haut, sondern
Überexposition die Schuld tragen. An der Hand von vier Fällen macht er klar,
welch große Dosen manchmal bei solchen Untersuchungen oder Aufnahmen zu-
stande kommen. Oft wirken mehrere an sich nicht schädliche Faktoren zusammen:
Geringe Fokushautdistanz, intensives Licht, lange Exposition.
Bei einem Falle trat nach drei Brustwirbelaufnahmen innerhalb 6 Tagen eine
Ulzeration am Bauch von einjähriger Dauer ein. In einem anderen Falle kam es
nach zwei Nierenaufnahmen zu kurzdauernder Exkoriation, ferner nach 5 bis
6 Schultergelenkaufnahmen zu 10 wöchiger Ulzeration. In einem eigenen Falle
des Verf.s entstand nach Durchleuchtung und Aufnahmen der linken Schläfen-
gegend eine vorübergehende Epilation derselben. K. berechnet die gegebene Dose
auf etwa 10x. Zur Vermeidung von Hautreaktionen muß man, wenn intensives
Licht und lange Belichtung nötig ist, durch Milliamp£eremeter und K.'s Minuten-
tabellen ungefähr die resultierende Dose berechnen oder sein Quantimeter oder
ein offenes Dosimeter (Holzknecht oder Sabourand-Noire) anwenden.
Benner (Breslau).
41) G. Gross et M. Barthölmy. Sterilisation des gants de caoutchouc
par les vapeurs de formol.
(Province med. 1908. Nr. 21.)
Verff. haben die Sterilisation der Gummihandschuhe nach der Analogie der
Kathetersterilisation mit Formoldämpfen vorgenommen. Bakterielle Versuche
haben ergeben, daß der Formaldampf des nicht erwärmten Formalins imstande
ist, die mit infektiösem Material befleckten Gummihandschuhe vollkomınen keim-
frei zu machen. Seit 1 Jahre operiert G. mit auf diese Art sterilisierten Hand-
schuhen und hat keine Nachteile gesehen. Die Handschuhe werden vor dem Ge-
brauche tüchtig gereinigt, kommen dann in eine 1 «ige Sodalösung 1/, Stunde
lang, werden dann abgewaschen und getrocknet. Schließlich werden sie in einen
Behälter getan, der mit der kalten Formalinlösung beschickt ist. Das Innere der
Handschuhe wird zweckmäßig mit Gaze ausgestopft, damit der Formoldampf
auch leicht und überall hindringen kann. A. Hofmann (Karlsruhe).
42) E. Erhardt. Über Verwendung von Gummi als Zusatz zum
Anästhetikum bei Lumbalanästhesie.
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 26.)
In Ergänzung seiner Arbeit der Münchener med. Wochenschrift (s. Ref. in d.
Bl. Nr. 31) teilt E. mit, daß der am Schluß erwähnte Fall von Meningeslreizung
nach Tropakokain- Gummi-Lumbalanästhesie zur Heilung gelangt ist; Schuld an
dem Eintreten der leichten Meningitis habe aber nicht der Gummizusatz zur In-
jektionsflüssigkeit, sondern die Verwendung einer in Sodalösung ausgekochten
Nadel und Spritze gehabt. Die von E. seit der Demonstration auf dem Chirurgen-
kongreß in Berlin ausgeführten 21 Tropakokain - Gummianästhesien sind sämtlich
gut verlaufen; ein 3x iger Gummizusatz zu der auf 10 ccm mit Liquor verdünnten
Lösung genügte, um Totalanästhesie herbeizuführen. Schwere Erschütterungen
des Körpers sind während der Operation zu vermeiden, da durch Druckschwan-
kungen Erbrechen und Kopfweh eintreten; eine rasche Bewegung kann die An-
ästhesie völlig beenden. Kramer (Glogau).
982 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32.
43) Regnier. Traitement par l'eau salée de tuberculoses externes
avec guérison.
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris. Bd. XXXIII. p. 352.)
R. berichtet von günstigen Erfolgen, die er bei offener chirurgischer Tuber-
kulose (besonders Weichteilfungus und fungöser Synovitis) mit Salzbädern erzielt hat.
Er benutzte Salze von Salies-Salins und Kreuznach, und zwar 40 g auf 1 Liter
gekochten Wassers, ein Verfahren, das vor ihm schon Louvel angewendet hat.
Je nachdem wurden Irrigationen oder Verbände unter wasserdichtem Stoff mit
der Lösung appliziert. Die Resultate sollen selbst bei verzweifelten Fällen mit
vielfachen Fisteln günstig sein. (Vgl. dazu die ähnlichen Angaben von Bins-
berger, Ref. im Zentralblatt 1907, p. 1167.) Bei späterer Gelegenheit íp. 362)
stellt R. einen Fall vor, bei dem eine tuberkulöse Ostitis des Brustbeins unter
Chlorhydratammonisk-Umschlägen geheilt wurde. Kaehler (Duisburg-M.)
44) Prawdoljuboff. Zur Kasuistik der Zwerchfellverletzungen.
(Chirurgia 1908. Nr. 36. [Russisch.))
Beschreibung dreier einschlägiger Fälle. Jedesmal hatte es sich um Stich-
verletzungen der linken Seite gehandelt, in allen drei Fällen lag die Außenwunde
in einem Interkostalraum, und zweimal war das Netz in einem Klumpen von etwa
Hühnereigröße vorgefallen.
An der Hand der drei geheilten Fälle stellt P. gewisse Normen auf, die für
ihn bei der Behandlung der transpleuralen Zwerchfellverletzungen Regel geworden
sind. Zunächst erweitert er jedesmal die Wunde; in den meisten Fällen scheint
eine Rippenresektion vorhergehen zu müssen. Wird die Zwerchfellwunde dem
Auge sichtbar, so tritt die Frage an einen heran, ob die Organe des Bauches
unverletzt sind. Der Vorfall des Netzes gibt dafür nach keiner Richtung Hin-
weise. Im dritten Falle konnte P. nach Erweiterung der Wunde, Resektion des
vorgefallenen Netzes und Erweiterung der Zwerchfellwunde feststellen, daß das
Colon transversum verletzt war. Die Wunde wurde transpleural und transdia-
phragmal genäht. Im Anschluß an diesen Vorgang warnt P. davor, in jedem
Falle die Verletzungen an Unterleibsorganen durch das Zwerchfell hindurch zu
nähen. Nur wenn einwandsfrei nachgewiesen werden kann, daß weiter keine Ver-
letzungen an Bauchorganen vorliegen, darf auf die Laparotomie verzichtet werden.
Oettingen (Berlin).
45) Eisendraht. Subphrenic abscess as a complication of appen-
dicitis.
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. Nr. 10.)
Verf. erörtert die verschiedenen Wege, auf denen es bei normal und bei ab-
norm gelagertem Wurm zu subphrenischen Abszessen kommen kann und illustriert
seine Ausführungen einmal durch fünf Fälle seiner Beobachtung und ferner durch
eine Reihe von Zeichnyngen.
Lateral und medial vom Colon ascendens kann die Ausbreitung der Eiterung
erfolgen, oder auch vorn über das Querkolon und die Vorderfläche des Magens
hinweg zum linken Leberlappen oder zur Milz, oder endlich durch das Foramen
Winslowi auf die Hinterfläche des Magens; vom rückwärts hochgeschlagenen Wurm
aus kann die Eiterung zwischen rechter Niere und Leber aufwärts wandern.
Besprechung der Symptome, Diagnose und der Therapie. Letztere muß ope-
rativ sein. Seit Elsberg's Statistik (1901: 50 operierte Fälle) hat E. noch 34 Fälle
einschließlich seiner 5 eigenen Beobachtungen sammeln können, deren Mortalität
25% betrug. Eine Statistik der nicht operierten Fälle existiert nicht, Verf. schätzt
deren Mortalität auf 80—85%.
E. operiert am liebsten transthorakisch mit Resektion der 10. Rippe, ohne
Eröffnung der Pleurahöhle. Seine Ausführungen basieren im ganzen auf 106 Fällen,
einschließlich seiner 5 eigenen Beoobachtungen. W. v. Brunn (Rostock).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 983
46) K. Vogel. Trauma und Appendicitis.
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr.‘ 23.)
In der Mehrzahl der bisher beschriebenen Fälle von traumatischer Appendicitis
war der Wurmfortsatz bei Eintritt des Traumas schon erkrankt gewesen, indem
entweder ein oder mehrere typische Anfälle vorangegangen waren oder chronische,
selbst ganz symptomlose Veränderungen bestanden hatten. Letzterer Kategorie ge-
hört wahrscheinlich V.’s Fall an, bei dem der Wurm durch eine starke plötzliche
Körperbewegung des Pat. vollständig quer durchgerissen und es danach zu akuter
exsudativer Appendicitis gekommen war; nach Ablauf dieser wurde die Operation
ausgeführt. Der relativ gutartige Verlauf trotz der totalen Durchtrennung des
Fortsatzes mit Dislokation der Fragmente, deren zentrales an der Rißstelle ob-
literiert gefunden wurde, spricht dafür, daß das Trauma einen schon erkrankten
Wurm getroffen hatte. Kramer (Glogau).
47) Ssisemski. Zur Atiologie retroperitonealer Eiterungen.
‘Chirurgia 1908. Nr. 135.)
Das Gebiet retroperitonealer Eiterungen, heißer und; kalter Abszesse, ver-
eiternder Hämatome usw. ist ein weitumfassendes. Fast noch größer ist das
Gebiet, das von verschluckten Fremdkörpern handelt, von ihrem Schicksal, das im
günstigsten Fall in einem Wiedererbrechen oder im Abgang auf natürlichen Wegen
besteht, im ungünstigeren in einem Ileus oder in Perforation mit nachfolgender
allgemeiner oder umschriebener Peritonitis. Zu den größten Seltenheiten gehört
es aber, wenn ein verschluckter Fremdkörper einen rein retroperitonealen Abszeß
erzeugt; denn zum Zustandekommen dieses Bildes muß der Fremdkörper ganz
besonders gestaltet sein.
Ein 6jähriger Knabe wurde mit den Erscheinungen einer schweren Eiterung
in der rechten Leistengegend aufgenommen. Da alle in Frage kommenden Er-
krankungen (Spondylitis, Appendicitis, Karies, Trauma, Entozoen usw.) ausgeschlossen
werden konnten, wurde operiert mit der Diagnose: Abszeß auf unbekannter Grund-
lage. Schnitt parallel dem Lig. Pouparti. Retroperitoneal wurde eine große Menge
nicht riechenden, aber auch nicht käsigen Eiters entleert, und eine Gegenöffnung
über dem Darmbeinkamm angelegt. Beim vierten Verbandwechsel erschien ein
Stahlnagel von fast 2cm Länge, der konisch zulief und an seiner 2 mm breiten
Basis keinen Kopf trug. Der Vater des Knaben erinnerte sich, vor 2 Wochen mit
solchen Nägeln an einem Kumt Leder befestigt zu haben. Aus der Form des
Nagels, der im Original abgebildet ist, kann man ersehen, daß er in jeder Weise
für Perforation geeignet war; konischer Bau, feinste Spitze und breite Basis, an
der die treibende Gewalt angreifen und ohne Hindernis das Objekt fortschieben
konnte. Oettingen (Berlin).
48) K. Port (Nürnberg). Die Graser’sche Operation großer Nabel-
und Bauchbrüche.
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 23.)
Unter den sieben von P. operierten Pat. ist einer am nächsten Tage an Em-
bolie gestorben, zwei sind durch Einreißen der Naht mit Zerfetzung der Musku-
latur gestört gewesen, bei den übrigen war der Verlauf ein völlig glatter. Bei
drei dieser Pat. liegt die Operation über 1 Jahr zurück, und ist die Bauchwand
vollständig fest geblieben. Wesentlich für das Gelingen der Operation ist nach
P. das ausgiebige Freilegen des Operationsfeldes; der Querschnitt muß über die
lateralen Ränder der Recti hinausreichen, die Fascienblätter sollen nach oben und
unten bis zu der Stelle, wo die auseinander gewichenen Muskeln wieder beieinander
liegen, lospräpariert, beim Knüpfen der Nähte zuerst die durch die festen Inskrip-
tionen gelegten geknotet, bei den anderen Muskelnähten die hintere Fascie mit-
gefaßt werden. Vorherige gründliche Darmentleerung ist notwendig, damit die
Verkleinerung des Bauchraumes gut vertragen wird. — P. hält die Methode
Graser’s für eine wertvolle Bereicherung unserer Technik bei den großen
Brüchen mit weit auseinander gewichenen Muskeln. Kramer (Glogau).
984 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32.
49) H. Weimann (Tapian). Über einen Fall von Heilung eines per-
forierten Magengeschwüres durch einfache Eröffnung eines intraperi-
tonealen Abszesses.
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 24.)
Der betreffende Pat. hatte schon seit 11 Jahren an Magenbeschwerden, die
auf ein Geschwür zurückgeführt wurden, gelitten, so daß sich vor der Perforation
des letzteren schon feste Verwachsungen zwischen Magen und Bauchwand usw.
gebildet hatten, Der entstandene Abszeß lag der vorderen Magenwand an, in der
die Perforationstelle bei der Eröffnung des Eiterherdes gefunden wurde. Heilung
ohne Stenosenerscheinungen. Kramer (Glogau).
50) O. Eschbaum. Viermalige Magenoperation infolge Verwechslung
von gastrischen Krisen mit Pylorusstenose. (Aus der medizinischen
Klinik in Bonn. Prof. Schultze.)
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 23.)
Die vier Operationen — Gastroenterostomie und Enteroanastomosen — waren
von vier verschiedenen Chirurgen in den letzten 4 Jahren vor Aufnahme des
37jährigen Kranken in die Bonner medizinische Klinik wegen plötzlich mit Er-
brechen aufgetretener Magenschmerzen gemacht worden. In der inneren Klinik
wurde anamnestisch festgestellt, daß Pat. schon seit Jahren anfallsweise an reißen-
den Schmerzen in den Beinen gelitten hatte; die weitere Untersuchung ergab bei
Fehlen aller auf frühere Lues hinweisenden Residuen das Bestehen von Tabes mit
zeitweise sich einstellenden heftigen gastrischen Krisen. Kramer (Glogau).
51) Einhorn. Ein Fall von Verengerung und Schließunfähigkeit des
Pylorus.
(Deutsche med. Wochenschrift 1908. Nr. 23.)
Die obigen Fälle, von denen E. ein neues, durch Gastroenterostomia posterior
geheiltes Beispiel mitteilt, sind dadurch charakterisiert, daß kleinere Mengen von
Galle stets im Mageninhalt nachweisbar sind. Es weist dies auf eine Rigidität des
Pförtners hin, weswegen derselbe nie vollkommen schließfähig ist. Diese Aflektion
hat E. sowohl bei gut- wie bösartigen Erkrankungen des Pförtners beobachtet.
Borchard (Posen).
52) T. Voeckler. Über den primären Krebs des Wurmfortsatzes.
(v. Langenbeck's Archiv Bd. LXXXVI. Hft. 2.)
Verf. hat zwei Fälle von Wurmfortsatzkarzinom beobachtet, die in vorliegender
Arbeit beschrieben werden. Im Anschluß daran bespricht er die Literatur, die
über den Wurmfortsatzkrebs bisher veröffentlicht wurde; die Zahl der Einzel-
berichte ist eine noch geringe, obschon wahrscheinlich das Leiden häufiger ist. Es
bleibt jedoch vielfach unbeachtet, weil manchmal erst die mikroskopische Unter-
suchung den Charakter des anscheinend nur entzündlichen Prozesses aufklärt.
Meist fand man solide, alveoläre Krebsformen, wenngleich auch Zylinderzellen-
und Gallertkrebse vorkommen. Nach allen bisherigen Untersuchungen besitzt der
Wurmforsatzkrebs eine relative Gutartigkeit. Bei seinem zweiten Falle fand V.,
daß auch der Blinddarm karzinomatös erkrankt war. Aber da lediglich die Serosa-
seite die Veränderung aufwies, die Schleimhaut aber völlig unverändert war, so
ist anzunehmen, daß die Wucherung von dem ganz in einer karzinomatösen Ge-
schwulst aufgegangenen Wurm aus entstanden ist. V. glaubt deswegen, daß eine
Reihe von Blinddarmkarzinomen primäre Wurmkrebse sind und darum der Append-
ektomierte glücklich zu preisen sei, der nun auch noch die Aussicht weniger
besitzt, ein Blinddarmkarzinom im Alter zu akquirieren.
E. Siegel (Frankfurt a. M.).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 985
53) Tesson. Occlusion intestinal par torsion de la totalité de lin-
testin grêle et de son mésentère.
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXIII. p.578.)
Bei einem Pat., dem im zweiten akuten Appendicitisanfall vor 7 Monaten der
Processus vermiformis entfernt worden war, waren öfter plötzliche, vorübergehende
Schmerzen im Leibe geblieben. Eines Abends traten außerordentlich heftige
Schmerzen ein mit sehr rasch auftretenden Erscheinungen völligen Darmverschlusses.
Erst 44 Stunden nach Beginn der Erkrankung konnte laparotomiert werden: die
Blinddarmgegend war frei, der ganze Dünndarm mit seinem Mesenterium im Sinne
des Uhrzeigers gedreht; außerdem fanden sich zwei Stränge zwischen dem Scheitel
der betroffenen Schlingen und der zugehörigen Mesenterialfläche. Zurückdrehung,
Durchtrennen der Stränge. Heilung. — Ausführliche epikritische Bemerkungen
Deilbet’s. Kaehler (Duisburg-M.).
54) W. N. Rosow (Smolensk). Zur Anatomie und Therapie des akuten
Darmverschlusses.
(Russ. Archiv f. Chirurgie 1907. [Russisch.))
Von den 59 Fällen aus einer 8jährigen Periode wurden 58 operiert:
Volvulus der Flexura sigmoidea 5 geheilt, 4 tot,
> der Dünndärme 5 > 10 >
> des gesamten Dünndarmes und halben Kolon 0 > 1 >
Strangulationen 1 > 5 >
Invaginationen 2 > 2 >
Obturationen 6 > 7 >
2 Infarkte (?) (tot) und 1 Enterospasmus |?) 1 > 2 >
Unklare Fälle 2 > B >
22 geheilt, 36 tot.
Die Erfahrungen sprachen auch hier durchweg gegen interne Behandlung; u. a.
wurde mit Atropin keinmal etwas erreicht.
Bezüglich der Technik ist erwähnenswert, daß >»sehr ofte die Punktion des
geblähten und kotgefüllten Darmes während der Operation gemacht wurde mit
dem Erfolge ganz wesentlicher Erleichterung der Arbeit. Die Öffnung erfolgte
durch Trokar mit seitlichem Ansatz oder Messer.
Von den 10 Darmresektionen, die zum größten Teil unter sehr schwierigen
Verhältnissen gemacht wurden, brachten 5 Heilung. 4mal wurde das S romanum
(1mal wegen rezidivierendem Volvulus) fixiert mit Nähten, die das Mesosigmoideum
an die seitliche oder vordere Bauchwand hefteten. Die Fäden wurden nach außen
geleitet und über Bäuschen geknotet. Der Schluß der Bauchwunde erfolgte häufig
mit durchgreifenden Seidenfäden.
Die meisten Operationen wurden von L. J. Spasokukozki ausgeführt.
V. E. Mertens (Kiel).
55) Wilson. Case of carcinoma of the sigmoid, complicated by double
pyosalpinx.
(Intercol. med. journ. of Australasia 1908. April 20.)
Bei der 32 jährigen Pat. wurde wegen doppelseitiger eitriger Adnexerkrankung
mit ausgedehnten Verwachsungen operiert. Bei der Auslösung der linksseitigen,
stark mit Mastdarm und Flexura sigmoidea verwachsenen Eitertube wurde die
Lichtung der Flexur eröffnet, und es zeigte sich eine infiltrierende, weiche, z. T.
ulzerierte Geschwulstbildung. Resektion der Flexur und des Mastdarmes auf 17 cm
Länge, Vereinigung der Darmenden mit dem Murphyknopf, schließlich linksseitige
inguinale Kolostomie. Der Knopf ging durch die Öffnung einer bereits vor der
Laparotomie ausgefübrten hinteren Kolpotomie am 11. Tage ab, es blieb eine
Rekto-Vaginalfistel. Ein Mastdarmrohr wurde durch die Kolostomiewunde nach
außen geleitet, am Ende mit einem weiten Gummifingerling versehen, dieser auf-
986 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32.
geblasen und nun das Rohr so weit abwärts gezogen, daß die Lichtung der Flexur
unterhalb des künstlichen Afters verschlossen war und sämtlicher Stuhl durch
letzteren abging. Bei dieser Behandlung heilte die Rekto-Vaginalfistel aus. Nach
3 Monaten Heilung der Kolostomiewunde, normale Stuhlentleerung. Nach 17 Mo-
naten kein Rezidiv. Mohr (Bielefeld).
56) L. Burkhardt. Über Berstungsrupturen des Rektums. (Aus der
chir. Universitätsklin. zu Würzburg Prof. Enderlen).
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr 24.)
Während in den bisher bekannt gewordenen Fällen von Berstungsrupturen
des Mastdarmes zumeist pathologische Veränderungen desselben vorlagen, war
die von B. beobachtete, bei einem jungen Menschen mit gesundem Mastdarm
während der Defäkation entstanden. Pat. war 12 Stunden später kollabiert, die
Bauchwand gespannt, der Unterleib aufgetrieben, druckempfindlich, Puls 140,
Temperatur 37,7°. Oberhalb der Ampulle, ventral gelegen, fand sich eine für die
Fingerkuppe gerade noch erreichbare schmerzhafte Vertiefung, die sich wie ein
Divertikel anfühlte und Blutspuren am Finger zurückließ. Bei der Laparotomie ent-
leert sich 1/2 Liter Biter, aus der Excavatio recto-vesicalis ziemlich reichlich breiiger
Kot, der in sie durch einen 2 cm langen schrägen Riß der vorderen Mastdarm-
wand etwa 2 cm oberhalb der Umschlagsstelle des Bauchfells hineingelangt war.
Anlegung eines Anus praeternaturalis iliacus, Tamponade und Drainage an der für
die exakte Naht schwer zugänglichen Rißstelle. Guter Verlauf; 31/, Wochen später
Schluß des künstlichen Afters. Heilung.
Der mitgeteilte Fall ist, soweit aus der Literatur ersichtlich, der erste von
intraperitonealer Mastdarmruptur, der durchgekommen ist.
Kramer (Glogau).
57) Paryski. Totalexstirpation von Netz und Milz wegen Echino-
kokkus. Heilung.
(Chirurgia 1908. Nr. 136. [Russisch.])
Der Fall ist durch die Schwere des operativen Eingriffes mit Ausgang in
Heilung von Interesse. Eine 25jährige Armenierin stellte sich wegen einer schmerz-
haften Geschwulst im linken Hypochondrium zur Operation ein. Der Leib war
hoch aufgetrieben und mit Flüssigkeit gefüllt. Die Diagnose lautete: bösartige
Geschwulst des linken Eierstockes oder der Milz. Operation in Narkose. Nach
Eröffnung der Leibeshöhle stürzte eine Unmenge klarer Flüssigkeit hervor. Es
wurde das Netz sichtbar, das in ganzer Ausdehnung mit kleinen Erhebungen von
Senfkorn- bis Haselnußgröße besät war. Bei näherem Zusehen stellte sich heraus,
daß es sich um Tausende von Echinokokkenblasen bandelte. Bei weiterer Orien-
tierung zeigte sich, daß der hintere Pol der Milz von einer sehr großen, die Mitte
der Milz von mehreren kleineren Blasen eingenommen war. Verf. beschloß, alles
Erkrankte zu entfernen, was unter sorgfältigster Anlegung doppelter Ligaturen
verhältnismäßig leicht gelang. Verwachsungen, die die Milz an ihrer Rückfläche
zeigte, ließen sich ebenfalls ohne erhebliche Blutung lösen. Schluß der Bauch-
höhle mit Etagennaht.
Der Heilungsverlauf wurde durch Temperaturen nicht kompliziert. Das nach
totaler Netzexstirpation gefürchtete blutige Erbrechen trat nur einmal, am 11. Tage,
auf. Es wurde mit innerlichen Gaben von Argentum nitricum erfolgreich bekämpft.
Nach 4 Wochen konnte Pat. geheilt entlassen werden. Nach 1/ Jahre war sie
gesund und mit schwerer Feldarbeit beschäftigt. Oettingen (Berlin).
58) Hardouin. Quelques remarques sur le traitement des kystes glandu-
laires du pancréas à propos d'une observation personnelle.
(Revue de chir. XVII. ann, Nr. 5.)
Dem Rate Siraud’s, jede Pankreascyste von vornherein auf lumbalem Wege
freizulegen, kann sich Verf. nicht anschließen. Dazu ist in der Mehrzahl der
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 987
Fälle die Diagnose vor der Operation zuwenig bestimmt. Der Zugang ist mühe-
voll und genügt gar nicht, falls die Cyste exstirpiert werden soll und kann. Un-
bedingt zu empfehlen ist aber ein Schnitt in der Lendengegend zur Drainage, weil
er jede Verhaltung und dadurch auch die sekundäre Infektion des Cysteninhaltes
verhindert. H. heilte auf diese Weise eine sehr große, traumatisch entstandene
Cyste, die er von einem medianen Bauchschnitt aus freigelegt und entleert hatte,
in 3 Monaten. Nur ein kleiner Teil ihrer vorderen Wand wurde reseziert, dann
die Oystenwunde vollständig, die Bauchwunde bis auf eine Drainöffnung geschlossen.
Um die Absonderung der Sackwand schneller zum Versiegen zu bringen, spritzte
H. durch die hinteren Drains Jodtinktur ein. Gutzeit (Neidenburg).
59) J. J. Schirokogorow. Primäres Pankreassarkom.
(Russki Wratsch 1908. Nr. 21.)
Mann von 57 Jahren leidet seit 3 Jahren an Schmerzen in den Unterextremi-
täten, die im letzten Sommer jede Arbeit unmöglich machten. Von Zeit zu Zeit
Erbrechen, die letzten 5 Tage Temperatursteigerung, Pneumonie links; am Tage
vor dem Tode Lähmung der linken Gesichtshälfte.e Diagnose: Tabes dorsalis. —
Doch zeigte die Sektion sarkomatöse Entartung des ganzen Pankreas mit Metae-
stasen in der linken Lunge, im Magen, Dünndarm, Nieren und in den Ganglia
spinalia lumbalia et sacralia. Mikroskopisch erwies sich die Geschwulst als Sarcoma
parviglobocellulare; im Pankreas waren von den normalen Bestandteilen bloß die
Langerhans’schen Drüsen vertreten, nie Diabetessymptome vorhanden.
E. Gückel (Wel. Bubny, Poltawa).
60) J. W. Miller. Ein Fall von metastasierendem Ganglionneurom.
(Virchow’s Archiv Bd. CXCI. p. 411.)
Verf. beschreibt eine Geschwulst, die von den medial von der Niere liegenden
sympathischen Ganglien, vielleicht vom Ganglion coeliacum ausgegangen war. Die
Geschwulst war fest mit dem Nierenhilus verwachsen, ohne in die Niere einzu-
dringen oder den Harnleiter zu verlegen. Die abgeplattete Nebenniere lag dem
oberen Pole der Geschwulst auf. Die Struktur derselben war grobfaserig, an ein
Fibromyom des Uterus erinnernd, die Farbe gelblichweiß, die Konsistenz derb.
Medial von der Geschwulst lagen vier erbsen- bis bohnengroße Gebilde, die ihrem
Aussehen nach dem Hauptknoten völlig entsprachen und als Lymphknotenmeta-
stasen imponierten. Durch die Färbemethode von Ramön y Cajal-Levaditi
wurden in sämtlichen Geschwülsten Nervenelemente nachgewiesen. An die eigene
Beobachtung schließt sich eine kurze Literaturübersicht über die bekannten Fälle
von Ganglionneuromen an. Doering (Göttingen).
61) Koerber. Zur Kasuistik der Totalexstirpation der Scapula bei
akuter infektiöser Osteomyelitis, zugleich ein Beitrag zur Frühdiagnostik
derselben.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXV. Hit. 4.)
K. beschreibt einen Fall von akuter infektiöser Osteomyelitis des Schulter-
blattes, bei der wegen der großen Ausdehnung des Abszessses und der drohenden
Allgemeininfektion die Totalexstirpation des Knochens vorgenommen und ein
völliges Heilresultat erzielt wurde. Die Ursache der Erkrankung war eine fieber-
bafte Angina und ein gleichzeitiges Trauma, nämlich schwerer Fall auf die Schulter.
Wie in den meisten Fällen war bei der vorliegenden Krankengeschichte die Spina
scapulae die zuerst ergriffene Stelle und auch der Abszeß zuerst in der Fossa sub-
scapularis lokalisiert. Findet man auf der dorsalen Seite des Schulterblattes einen
Abszeß, so handelt es sich meist um den Durchbruch eines subskapulären verborgenen
Eiterherdes. Für die Frühdiagnose macht Verf. auf zwei bisher nicht bekannte
Symptome aufmerksam. Man kann nämlich bei leicht abduziertem Arm und
fixiertem Schulterblatt dort Fluktuation fühlen, wo der durch den Eiterstock ge-
spannte Musculus subscapularis über den Ansatz des Proc. glenoidalis heraufzieht.
988 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32.
Ferner ist die Außenrotation des Oberarmes enorm schmerzhaft, während die anderen
Bewegungen, sofern sie nicht brüsk und zu weitgehend ausgeführt werden, keinen
Schmerz auslösen. Die Erklärung ist die, daß gerade bei der Außenrotation der
M. subscapularis in besondere Spannung versetzt wird. Bei der Operation des be-
schriebenen Falles wurde die Cavitas glenoidalis erhalten, und das Schultergelenk blieb
uneröffet, ein Verfahren, das sich bei jugendlichen Individuen und dort, wo kein
Durchbruch in das Gelenk vorhanden ist, sehr empfiehlt.
E. Siegel (Frankfurt a. M.).
62) Stieda. Zur Pathologie der Schultergelenkschleimbeutel.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXV. Hit. 4.)
8. beschreibt acht Fälle von akuten Entzündungen der Schultergelenksschleim-
beutel. Es konnte in allen Fällen ein Schatten im Röntgenbild nachgewiesen
werden, der im weiteren Verlauf der Krankheit verschwand oder wenigstens bis
auf kleine Reste zurück ging. Verf. möchte diese eigenartige Schattenbildung als
eine gichtische Entzündung auffassen, obschon sich anderweitige Zeichen dieses
Leidens nicht fanden. Entsprechend der angenommenen Atiologie der Erkrankung
wurden anfangs Narkotika, Umschläge, Einwicklungen und Tinctura colchici ver-
abreicht, später Massage und Bewegungstherapie verordnet.
E. Siegel (Frankfurt a. M.).
63) Pförringer. Zur Kasuistik der angeborenen Verbildungen.
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII. Hft. 3.)
Verf. beschreibt mehrere Mißbildungen:
1) Fehlen beider Daumen bei einem 22jährigen Kaufmann, der die Hände mit
merkwürdiger Geschicklichkeit gebraucht, so daß der Fingerverlust nur wenig
empfunden wurde. Mißbildungen in der Familie nicht vorhanden. Im Röntgen-
bilde fiel vor allem auf, daß das Kahnbein auffallend klein war. Das Os multan-
gulum majus fehlte vollkommen.
2) Bei einem 40jährigen Arzte zeigte das Röntgenogramm eine Verwachsung
beider Vorderarmknochen vom Capitulum bis zur Tuberositas radii. Die funktio-
nelle Störung war gering. Der Vater und ein verstorbener Bruder hatten die-
selbe Mißbildung besessen.
3) In einem dritten Falle handelte es sich um ein 11/,jähriges Kind, mit steifem
und verkürztem rechten Arm. Das Röntgenbild zeigt, daß Humerus und Radius
zu einem einzigen Knochen verschmolzen waren.
Zu einem Urteil bezüglich der Atiologie läßt sich Verf. nicht herbei.
Gaugele (Zwickau).
64) Plagemann. Intraartikuläre umschriebene akute Osteomyelitis der
Synchondrosis sacroiliaca. Operative Heilung mit guter Funktion.
(Deutsche med. Wochenschrift 1908. Nr. 22.)
Der Fall ist ein Analogon zu den von Müller mitgeteilten rein intraartiku-
lären herdförmigen Östeomyelitiden. Das Wesentliche ist das Überwiegen der
Gelenkerscheinungen gegenüber den im klinischen Bilde mehr latent bleibenden
kleineren Osteomyelitisherden.
Im vorliegenden Falle war der Prozeß noch im Gelenk eingeschlossen, so daß
es sich also gewissermaßen um eine Frühoperation gehandelt hat. Daher der gute
funktionelle Erfolg. Borchard (Posen).
65) J. Riedinger. Haltungsanomalie und Derangement im Hüftgelenk.
(Archiv f. phys. Medizin u. med. Technik Bd. III. Hft. 2.)
Bei einem kräftigen Mann entstand durch eine im Liegen ausgeführte kräftige
Streckung, Abduktion und Außenrotation im Hüftgelenk eine schmerzhafte Affek-
tion dieses, welche sekundär zu einer Haltungsanomalie führte, die an die Wert-
heim-Salomon’sche Attitude hanchée erinnerte. Aus den Symptomen: leichte
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 989
Beweglichkeitsbeschränkung, Schmerz nur bei forcierter Streckung und bei Druck
unterhalb und etwas nach innen von der Mitte des Lig. Pouparti, negativer
Röntgenbefund u. a. kam R. schließlich zu der Diagnose einer intraartikulären
Verletzung im Bereiche des unteren vorderen Abschnittes des Hüftgelenkes; jeden-
falls handelte es sich um Loslösung von Gewebeteilen innerhalb der Gelenkhöhle
mit oder ohne Herausquetschung aus der Fossa acetabuli.
Benner (Breslau).
66) Rauenbusch. Ein Beitrag zur Behandlung der angeborenen Unter-
schenkelpseudarthrose.
(Deutsche med. Wochenschrift 1908. Nr. 22.)
Nachdem bei direkter Anfrischung eine Konsolidation nicht eingetreten war,
wurde durch die Methode nach Codivilla (Überpflanzung einer Periostknochen-
manschette vom gesunden Bein) in 7 Wochen völlige feste Verheilung erzielt.
Borchard (Posen).
67) J. Riedinger. Hackenfuß nach Spitzfuß.
(Archiv f. phys. Medizin u. med. Technik Bd. II. Hft. 2.)
Im Anschluß an eine kurze Erwähnung der Fälle von Entstehung eines Pes
calcaneus nach Durchtrennung der Achillessebne bringt Verf. einen neuen (dritten
Fall der Literatur) Fall von Umwandlung eines spastisch-paralytischen Spitzfußes
in einen spastisch-paralytischen Hackenfuß. Nach einer Durchschneidung beider
Achillessehnen wegen Little war die neue Deformität entstanden. Verf. schließt
eine kurze Besprechung der Ursachen an. Auch dieser Fall zeigt, daß an Stelle
der einfachen Tenotomie die Bayer’sche Plastik zu treten hat.
Benner (Breslau).
68) H. Landwehr. Ein Fall von Fractura ossis navicularis pedis.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XIX. Hft.3 u. 4.)
Der Fall betrifft ein 161/3 Jahre altes Mädchen. Nach anfänglicher Besserung
traten starke Beschwerden auf, weshalb etwa 51/;, Monate nach der Verletzung
(Sturz von der Treppe) die abgebrochene Tuberositas ossis navicularis operativ
entfernt, die Spongiosa des Kahnbeines mit dem scharfen Löffel ausgekratzt und
der Fuß in Adduktions-Supinationsstellung eingegipst wurde. Die Nachbehand-
lung bestand in der Anlegung einer Plattfußsohle mit seitlichen Schienen. Der
Erfolg war ein guter. — Die Verletzung ist wahrscheinlich als Abrißbruch zu
deuten. J. Riedinger (Würzburg).
69) ©. Nippold. Über Subluxationsfrakturen des Os naviculare pedis.
(Aus der chir. Universitätspoliklinik Jena.)
(Archiv f. phys. Medizin u. med. Technik Bd. III. Hft. 1.)
Mitteilung zweier Fälle, die beide durch Fall auf den plantarflektierten Fuß
mit Einwirkung einer Gewalt in der Längsrichtung entstanden waren. Verf. zieht
zum Vergleiche Paublan’s Bild von dem Herausschneppern eines Kirschkernes
zwischen zwei komprimierenden Fingern heran. Er hat im Anschluß an diese
beiden Fälle schon in einer Dissertation 1907 (bei Oraz & Gerlach, Freiberg i. S.)
40 Fälle aus der Literatur zusammengestellt, um zu zeigen, daß diese Verletzung
lange nicht so selten, wie nach den Lehrbüchern anzunehmen, sei. Die Diagnose
ist im Anfang ohne Röntgen kaum zu stellen. Die Reposition gelingt meist nicht;
dann kommt partielle oder totale Kahnbeinresektion in Betracht und gibt gute
Resultate. Sonst benutzt man vorteilhaft eine plantare Gipsschiene und stark ge-
polsterten, fest komprimierenden Verband. Benner (Breslau).
70) Blecher. Das Os tibiale externum und seine klinische Bedeutung,
zugleich ein Beitrag zu den Brüchen des Kahnbeinhöckers.
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII. Hft. 2.)
Verf. berichtet über drei Fälle von Os tibiale; auch er tritt der Ansicht
Haglund’s entgegen, daß es sich um Absprengungen handelt. In seinen zwei
990 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32.
Fällen waren jedesmal Schmerzen über dem stark vorspringenden Kahnbein vor-
handen, die unter feuchten Verbänden bald wieder verschwanden. Plattfußbildung
war nicht vorhanden.
Seine Erklärung über die Entstehung der Schmerzen und die Bedeutung der
Plattfußbildung lasse ich wörtlich folgen:
»Wenn wir dazu die anatomischen Verhältnisse betrachten, so liegt das Os
tibiale externum, wenn es klein und rudimentär ist, abgewandert — wie am rechten
Fuß von Momberg's Fall — als Sesambein in der Sehne des M. tibialis posticus
oder dem Lig. calcaneo-naviculare als kleine Verknöcherung auf — in beiden
Fällen ist es äußerlich nicht sichtbar und verändert auch — was wesentlich ist —
nicht die Ansatzpunkte der Sehne des Tibialis posticus: Ausgeprägte Tibialia
externa stehen dagegen mit dem Kahnbein seltener durch Gelenkflächen, meist
durch Gleitflächen, zwischen denen ein Schleimbeutel liegt, in Verbindung und
bilden für einen Teil der Sehne, der sonst an dem Kahnbeinhöcker sich inseriert,
den Ansatzpunkt. In diesem Falle sind die Ansatzverhältnisse der Sehne ent-
schieden nicht so günstig, als wenn das Tibiale externum ganz fehlt oder nur ver-
kümmert ist; das verhältnismäßig einzeln liegende und durch Band und Gelenk-
verbindungen wenig befestigte Tibiale externum wird durch Zerrungen, wie sie z.B.
beim Umknicken des Fußes vorkommen, nicht so festen Widerstand entgegen-
setzen können, wie die übrigen Ansatzpunkte der Sehne bzw. das Kahnbein selbst,
und daher wohl leichter bei derartigen sonst unerheblichen Gewalteinwirkungen
Lockerungen seiner Befestigungen erfahren. Die in die nähere Umgebung des
Tibiale lokalisierten Schmerzen finden dann durch derartige kleine, sonst symptomlos
bleibende Verletzungen ihre Erklärung; das Reiben in unserem zweiten Falle muß
wohl auf eine Entzündung des Schleimbeutels zwischen Kahnbein und Tibiale
externum bezogen werden.
Bei der wesentlichen Bedeutung, die der M. tibialis posticus ferner für die
Erhaltung des Fußgewölbes hat, muß natürlich jede Schädigung seiner Leistungs-
fähigkeit, wie sie z. B. die Lockerung seiner Ansatzpunkte herbeiführt, begünstigend
auf die Entstehung des Plattfußes einwirken. Es ist daher leicht verständlich,
daß ein ausgebildetes Tibiale externum bei stärkerer Inanspruchnahme des Fußes
oder geringfügigen Verstauchungen neben den oben geschilderten Beschwerden
dort, wo auch sonst Neigung zur Plattfußbildung vorhanden ist, diese wesentlich
fördern kann.<
Die neueren Arbeiten von Lilienfeld und Ref. scheinen dem Verf. noch
nicht bekannt gewesen zu sein. Gaugele (Zwickau).
71) K. Hirsch. Kasuistischer Beitrag zum Metatarsus varus con-
genitus.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XIX. Hft.3 u. 4.)
Verf. berichtet über einen 18 Jahre alten Arbeiter, der beiderseits die zuerst
von Cramer beschriebene Deformität zeigt. Kombiniert ist der Fall mit Tarsus
valgus (Valgität des Talus und Calcaneus). J». Biedinger (Würzburg).
72) Schmitter. Metatarsalgia.
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. Nr. 9.)
Im ersten der zwei beschriebenen Fälle bestand bei Hallux valgus eine Ver-
lagerung der zweiten Zehe nach oben, der Schuh drückte auf die zweite Zehe, und
dieser Druck erzeugte den Schmerz im Mittelfuß. Im zweiten Falle bestand
Hammerzehe an der zweiten, dritten und vierten Zehe, die vierte Zehe ragte vor
und war dem Schuhdruck besonders ausgesetzt. Auch hier war der Schmerz im
Mittelfuß lokalisiert.
Exartikulation der zweiten bzw. vierten Zehe in diesen zwei Fällen führte zur
Heilung. W. v. Brunn (Rostock).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 991
73) Soubbotitch. Luxation du métatarse en dehors.
(Bull. et mém de la soc. de chir. de Paris T. XXXIT. p. 323.)
S. hat diese verhältnismäßig seltene Verletzung der in der Überschrift ge-
nannten Gesellschaft übermittelt, weshalb sie hier erwähnt sei. Pat. ließ sich an
einer Mauer herunter; als er den Boden mit dem linken Vorfuß berührte,
machte er eine scharfe Wendung nach rechts, wobei er einen, jede weitere Be-
wegung hemmenden Schmerz im Fuß verspürte. Es resultierte die erwähnte Ver-
letzung, und zwar verbunden mit Bruch des II. Metatarsus und vollständiger Dre-
hung des Cuneiforme I um seine Längsachse. Auf diesen letzteren Umstand führt
8. die Unmöglichkeit der Reposition zurück. 14 Monate später ging Pat. so gut,
wie man nach blutiger Reposition kaum hätte hoffen können. Instruktives Rönt-
genogramm. Kaehler (Duisburg-M.).
74) Messando. Sullo odiramento dei nervi plantari come preteso
metodo di cura dell’ ulcera perforante del piede.
(Gazz. degli ospedali e delle clin. 1908. Nr. 68.)
Verf. hat in drei Fällen von Malum perforans die Nervendehnung am Tibialis
posticus bzw. dem inneren und äußeren Plantarnerven ausgeführt. Nach 2, 5 und
9 Monaten waren sämtliche Geschwüre, die nach dem Eingriffe heilten, wieder
aufgebrochen. Dreyer (Köln).
75) R. Pfeiffer. Aus der orthopädischen Werkstatt.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XII.)
1) Bei Knickfuß empfiehlt sich zuweilen die Anbringung einer Feder an der
Innenseite des Stiefels. Die Feder läuft vom Absatz nach oben und endet in
einer Lederschleife.. Die Feder gibt dem Leder des Stiefelschaftes und damit dem
inneren Knöchel einen Halt.
2) Die Beely’sche Schiene zur Behandlung des Genu valgum hat Verf. auch
für das Genu varum verwendbar gemacht. Das Nähere geht aus der Abbildung
hervor.
3) Verf. empfiehlt zur Behandlung der Spondylitis cervicalis eine Leder-
krawatte, die bei beweglichem Kinn einen federnden Druck nach oben ausübt,
ferner eine >»Kinnschleuder« zur Fixation des Kinnes im Reklinationsbett. Außer-
dem zeigt er, wie man durch drehrunde Riemen die Schultern im Reklinations-
bett gut fixieren kann. J». Biedinger (Würzburg).
76) H. Gocht. Einige technische Neuerungen.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.)
1) Ein Gipsbindentisch zur Aufbewahrung von fertigen Gipsbinden und zu
ihrer weiteren Präparierung vor der Verbandanlegung.
2) Eine Schulter-Armschiene. Die Schiene wurde dazu verwendet, um den
Arm nach der Arthrodese des Schultergelenkes in elevierter (annähernd horizon-
taler) Stellung festzustellen. Sie ist auch zu empfehlen für Entzündungszustände
des Schultergelenkes, wenn Kontrakturzustände verhindert werden sollen, sowie
für Nachbehandlung nach Operationen und Verletzungen. Sie ist nach dem Prinzip
des Middeldorpf’schen Triangels konstruiert.
3) Plattfußeinlagen aus Walkleder (sc. »Hornhaute«).
77) Russ. The magnesite splint. A new permanent surgical dressing.
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. Nr. 8.)
Verf. empfiehlt statt des Gipsverbandes einen Verband mit Magnesit, der den
großen Vorteil hat, die Röntgenstrahlen leicht durchdringen zu lassen. Von ver-
schiedenen Firmen kann man gutes Material erhalten, in Deutschland von der
Concordia, Chemische Fabrik auf Aktien in Staßfurt.
992 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32.
Die Herstellung von Magnesitbinden ist wie die von Gipsbinden. Zum Ge-
brauche legt man die Binde in Wasser mit Zusatz von Chlorbarium; Kochsalz oder
Alaun darf man keinesfalls zufügen. Die Dicke des Verbandes betrage etwa nur
zwei Bindenlagen. Der Verband ist sehr leicht, weil man weniger Magnesit braucht
als Gips. W. v. Brunn (Rostock).
78) J. D. Ghiulamila (Bukarest). Über einige einfache und praktische
Gipsextensionsverbände.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.)
Um Extension am Hüftgelenk ausüben zu können, legt Verf. in geeigneten
Fällen nach entsprechender Polsterung mehrere Zirkeltouren einer Gipsbinde um
den unteren Abschnitt des Oberschenkels, ebenso um den unteren Abschnitt des
Unterschenkels. In die Zirkeltouren werden die Enden von Bändern aufgenommen,
die in üblicher Weise zur Ermöglichung der Extension nach unten um den Fuß
herumgeschlungen und in der Mitte durch ein Brettchen auseinander gehalten
werden. Wie bei der Heftpflasterextension geht eine Schnur zum Fußende des
Bettes, verläuft dann um Rollen und ist am Ende mit einem Gewicht versehen.
Extension am Kniegelenk erfordert Eingipsen des Beckens, Oberschenkels,
Unterschenkels und Fußes. Der Verband wird am Knie geteilt. Der obere Teil
dient zur Fixation und Kontraextension, der untere als Angriffspunkt für die Ex-
tension.
Zur Streckung der Wirbelsäule wird das Becken durch einen gürtelförmigen
Gipsverband fixiert und nach unten gezogen. Die Extension greift mit Hilfe
einer Schlinge am Kopf an.
Die Verbände müssen beim Anlegen gut an den Körper anmodelliert werden.
J. Biedinger (Würzburg).
os 79) Mayer. New chloroform dropper.
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. Nr. 8.)
Ein Chloroformtropfapparat, auch für Ather ver-
wendbar. Die Tropfenzahl läßt sich von 2 pro Minute
an nach Gutdünken regulieren. Die Kappe B dient
zum Verschluß des Apparates beim Neufällen. (Siehe
nebenstehende Figur.) W. v. Brunn (Rostock).
80) Bockenheimer. Leuchtender Hirnspatel.
(Zeitschrift für ärztl. Fortbildung 1907. Nr. 7.)
Der Spatel ist aus Glas; an seinem Ende befindet
sich die elektrische, infolge eines besonderen Glas-
schliffes sehr stark wirkende Lichtquelle. Der Spatel
ist auskochbar und kann auch in jeder für andere
Zwecke geeigneten Form von den Fabrikanten L. und
F. Löwenstein hergestellt werden.
Gutzeit (Neidenburg).
81) A. Schanz. Ein Waschtisch für ortho-
pädische Operationszimmer.
(Zeitschrift f. orthopäd. Chirurgie Bd. XIX. Hft.3 u. 4.)
Es Verf. beschreibt einen Waschtisch, dessen Abfluß-
rohre sich nicht mehr durch Gipsbröckel verstopfen
können. J» Riedinger (Würzburg).
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
bandlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden.
Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau.
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig.
Zentralblatt für Chirurgie
. herausgegeben von
K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER,
in Bonn, in Berlin, in Breslau.
35. Jahrgang.
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG.
Nr. 33, Sonnabend, den 15. August 1908.
Inhalt.
G. Preiser, Uber pathologische Gelenkflächeninkongruenz. (Originalmitteilung.)
ı) Fasiani, Einfluß der Bier’schen Stauung auf Granulationsgewebe. — 2) Casoni, Cytolo-
gische Blutuntersuchungen bei Esmarch’scher Blutleere. — 8) Schmidt, Betäubungsverfahren im
Kriege. — 4) Hawk, Diurese nach Athernarkose. — 5) Faure, Die chirurgischen Krankheiten der
Haut und des Unterhautzellgewebes. — 6) Peyser, Schädelbasisbruch. — 7) Huther, Nebenhöhlen-
erkrankungen im Röntgenbilde. — 8) Soubeyran und Rives, Parotitis.. — 9) Brunk, Zungen-
abszesse. — 10) Teleky, Phosphornekrose. — 11) Stumpf, Bolusbehandlung bei Diphtherie. —
12) Wolf, Tracheotomie. — 13) Seidel, Chondrotomie bei Spitzentuberkulose. — 14) Paryski,
Echinokokkus der Prostata. — 15) Bierhoff, 16) Li Virghi, Prostatahypertrophie. — 17) Lang,
Prostatektomie. — 18) Berg, Blasensteine. — 19) Kusnetzki, Zur Untersuchung der Nierenfunk-
tion. — 20) v. Haberer, Verlagerung der Nebenniere in die Niere.
21) Haga, 22) Franz, Kriegserfahrungen. — 23) Cushing, Schädelbrüche. — 24) Kudeck, Zur
Physiologie des Gyrus supramarginalis. — 25) Panegrossi, Geschwülste des Corpus callosum. —
26) Lecöne, Parotisgeschwülste. — 37) Quercioli, Bruch des Atlas. — 28) Piazza, Raynaud-
sche und Basedow’sche Krankheit. — 29) Geraud, Cystenkropf, mit der Speiseröhre kommuni-
zierend. — 80) Oeken, Zerreißung des Ductus thoracicus. — 31) Schütte, Lungennaht bei Schuß-
verletzung. — 32) Siegel, Operative Heilung einer Lungenkaverne. — 83) Trendelenburg, Opera-
tion der Embolie der Lungenarterie. — 34) Bayha, Herznaht. — 85) Delore und Ballivet, Rücken-
schmerz bei Brustkrebs. — 86) Muchanoff, Brustdrüsenfibrome. — 87) Tourneux, Diverticulitis
paraurethralis. — 83) Rohdenburg, Prostatasteine. — 39) Tödenat, Prostatatuberkulose. — 40) Gun-
derren und Jervell, 41) MacGowan, Prostatektomie. — 42) Schönwerth, Blasenzerreißung. —
48) Kraus, Blasenwaschung. — 44) Sénéchal, Blasensteine. — 45) Sottile, Blasensarkom. —
46) de Graeuwe, Blasenexstirpation. — 47) Weisswanger, Nierenabszeß.
Aus dem orthopädischen Institut von Dr. Stein und Dr. Preiser
in Hamburg.
Über pathologische Gelenkflächeninkongruenz.
Vorläufige Mitteilung.
Von
Dr. Georg Preiser.
E folgenden Zeilen möchte ich die Aufmerksamkeit weiterer Kreise
auf eine pathologische Gelenkflächeninkongruenz lenken, deren Vor-
handensein für den Ablauf von Gelenkverletzungen von einschnei-
dender Bedeutung ist, und die meines Erachtens — da sie sich bei allen
Fällen monartikuläreridiopathischer Arthritis deformans findet
— die Ursache derselben ist. Diese monartikuläre Arthritis deformans,
die man, wenn sie an der Hüfte auftritt, dort Malum coxae senile
33
994 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33.
nennt, die aber auch an jedem anderen Gelenk auftreten kann, nie
mit Knochenatrophie, stets aber mit Knorpeldegeneration, Kapsel-
wucherung (Lipoma arborescens), Randosteophytenbildung einhergeht,
diese Arthritis deformans kann meines Erachtens nur auftreten
als sekundäre Folge eines statischen Mißverhältnisses der
Gelenkkomponenten; nicht zu verwechseln ist diese »statische«
Arthritis deformans mit der meist polyartikulären Arthritis deformans
progressiva, die man als Konstitutions- oder Infektionskrankheit auf-
zufassen hat und die mit Knochenatrophie und wirklicher Ankylosen-
bildung einhergeht.
Die Anatomen unterscheiden kongruente und inkongrente Ge-
lenke: z. B. sind Hüfte, die Symphysis sacroiliaca kongruente, Knie
und Schulter inkongruente Gelenke. Von dieser physiologischen
Inkongruenz soll hier nicht die Rede sein, sondern von einer patho-
logischen, die ich wiederum einteilen möchte in eine anatomische
und eine habituell-funktionelle Gelenkflächeninkongruenz.
Letztere entsteht, wenn an einem a priori kongruenten Gelenk, z. B.
der Hüfte, durch habituelle Rotationsänderung ein Teil der über-
knorpelten Kopffläche dauernd außer Artikulation gesetzt wird; das
kann z. B. der Fall sein, wenn eine frontale oder eine laterale Varia-
tion der Hüftpfannenstellung vorliegt, ein häufiges Vorkommnis, wie
ich in meinen Arbeiten a) Die Arthritis deformans coxae und die
Variation der Hüftpfannenstellung, Leipzig 1907 bei C. F. W. Vogel,
und b) Über die Arthritis deformans coxae, ihre Beziehungen zur
Roser- Nelaton’schen Linie und über den Trochanterhochstand
Hüftgesunder infolge anormaler Pfannenstellungen, Deutsche Zeit-
schrift für Chirurgie Bd. LXXXIX, Hft. 5 u. 6, nachweisen konnte.
Eine anatomische Gelenkflächeninkongruenz entsteht z. B. dann an
der Hüfte, wenn bei einer Schenkelhalsfraktur das distale Kopf-
fragmentende derartig verdreht wird, daß ein Teil seiner Knorpel-
fläche außer Artikulation gerät.
Ist dies nun — sei es auf anatomischer Basis, sei es durch funk-
tionelle Rotationsänderungen — geschehen, so geht schließlich die
nichtbenutzte überknorpelte Kopffläche zugrunde, und der Kopf zeigt
später die für Arthritis deformans charakteristischen Veränderungen
(Knorpelauffaserung, Schlifflächen, Randosteophyten, subchondrale
Cystenbildung usw.).
Aber auch wenn ein Trauma ein derart inkongruentes Gelenk
trifft, so wird der Verlauf ein schwererer sein, da an ihm leichter die
nun ungeschützt liegende Knorpelfläche verwundet werden kann, und
auch die Kapsel einem Trauma durch Fältelung und Verdrehungen
anormale Verhältnisse darbietet.
Da ich in meinen früheren Arbeiten versucht habe, das Entstehen
des Malum coxae senile auf eine Gelenkflächeninkongruenz der Hüfte
zurückzuführen, beschränke ich mich hier auf eine Untersuchung einiger
anderer größerer Gelenke.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 995
a. Die Gelenkflächeninkongruenz des Knies im Röntgen-
bilde.
Nach Albert haben wir die ganze Unterextremität, Fuß, Unter-,
Oberschenkel und Becken als statische Einheit zu betrachten, so daß,
wenn diese Einheit irgendwo gestört ist (Fraktur, pathologische Tro-
chanterhochstände infolge anormaler Pfannenstellung, Genu valgum
oder varum oder Pedes plano-valgi usw.), die Statik sämtlicher
Gelenke der Einheit gestört wird.
Ist nun die Statik normal, so Fig. 1.
gehen am Kniegelenk im Röntgen-
bilde die Konturen des Femur bei
ventrodorsaler Aufnahme direkt in
die der Tibia über (Fig. la). Ist u
jedoch die Statik irgendwo gestört, G
so ragt der laterale Tibiacon-
dylusschatten seitlich unter
dem des lateralen Femur con-
dylus frei hervor, bis 11/, und
2 cm auf der Platte gemessen
(Fig. 1b). Diese anatomische Gelenk-
flächeninkongruenz ist wahrschein- & h
lich die Folge einer Außenrotation,
da sie sich bei allen valgierend und damit ja auch außenrotierend
auf die Unterextremität wirkenden Einflüssen findet. Da ich sie bisher
bei allen unseren Fällen von monartikulärer idiopathischer Arthritis
deformans genus (auch manchen doppelseitigen) sah, d. h. bei 28 Fällen
in 5 Jahren, so stehe ich nicht an, in dieser Gelenkflächeninkongruenz
die Ursache dieser Form der Arthritis deformans zu sehen, die mit
Kapselverdickungen, Knorpelauffaserungen, Krepitation, schließlich
Zuspitzung der Gelenkkondylen im Röntgenbild usw. einhergeht, und
die man bisher oft irrtümlicherweise auf klimatische Einflüsse zurück-
zuführen geneigt war: »Hamburger Knie« (sie kommt anderswo unter
abgeänderter Lokalbezeichnung ebenso vor!).
Genau nun, wie sich bei alten Schenkelhalsbrüchen infolge der
veränderten Statik später stets eine Arthritis deformans einstellt, da
der außer Artikulation befindliche Teil der überknorpelten Kopffläche
atrophiert und die Arthritis deformans einleitet, genau so atrophiert
am Knie der außer Artikulation befindliche Teil der Tibiaknorpelfläche
und leitet so eine Arthritis deformans ein. Es bedarf also zur Aus-
lösung derselben nicht erst eines Traumas. Wohl aber verschlimmert
— wie bekannt — jedes Trauma die einmal bestehende Arthritis
deformans. Trifft jedoch ein Trauma ein noch nicht erkranktes, aber
bereits inkongruentes Gelenk, so bietet dieses in dem frei unter dem
Femurcondylus hervorragenden Teil der überknorpelten Tibiafläche
eine viel leichter verwundbare Angriffsfläche, wie ein kongruentes
Gelenk; auch der laterale Meniscus liegt ungeschützter.
33*
996 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33.
Haben wir also einen Pat. mit Arthritis deformans-Beschwerden
(Schmerzen bei längerem Stehen und Gehen, auch nachts, schwerem
»Ingangkommen«, Krepitation usw.), so zeigt das Röntgenbild in
initialen Fällen stets die oben beschriebene Inkongruenz. Solange es
sich erst um Kapselveränderungen und Knorpeldegeneration handelt,
so ist diese Inkongruenz der einzige Röntgenbefund. Bei längerem
Bestehen der Erkrankung kommt dann die Randosteophytenbildung
hinzu, die eigentümliche bekannte »Ecken«bildung und Zuspitzung der
seitlichen Kondylenrundung (Fig. 2).
Fig 2. Fig. 3.
Alsdann hat man neben der Behandlung der Arthritis deformans
des Knies (Massage, Pendeln, Heißluft, Heißwasser usw.) vor allem
auch den Ort zu ermitteln, an dem die Statik der Unterextremität
gestört ist, z. B. durch pathologische Trochanterhochstände (s. meine
oben zitierten Arbeiten), Pedes valgi oder plano-valgi usw., und diese
ebenfalls zu korrigieren.
b. Die Gelenkflächeninkongruenz des Ellbogens.
Nach den Anschauungen der meisten Autoren, z. B. auch Fischer’s
(Deutsche med. Wochenschrift 1907, Nr. 33), sind auch an der Ober-
extremität »statische« Einflüsse für die Gestaltung des Armes maß-
gebend. Bei der idiopathischen Arthritis deformans cubiti findet sich
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 997
ein der beschriebenen Kniegelenksflächeninkongruenz ganz analoges
laterales Hervorragen der überknorpelten Gelenkfläche
des Radiusköpfchens (Fig. 3). Auch am Ellbogen treten — mutatis
mutandis natürlich — beim Fortschreiten der Arthritis deformans
dieselben Veränderungen an den einzelnen Gelenkkomponenten ein,
wie am Knie, wie denn auch ein inkongruenter Ellbogen einem Trauma
gegenüber ein viel gefährdeteres Gelenk darstellt. Denn auch bei
ihm liegt ein Teil der Radiusknorpelfläche fast subkutan frei von
Muskulatur und dem deckenden Humerusknochen des kongruenten
Ellbogens.
Für alles Weitere, auch bezüglich der praktisch überaus wich-
tigen Folgen der Inkongruenz im Schultergelenk, verweise ich
vor allem auf die demnächst erscheinende ausführliche Arbeit in den
Fortschritten auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII,
Hft. 5.
1) Fasiani. Dell’ influenza della stasi alla Bier sullo sviluppo
del tessuto di granulazione.
(Giorn. della R. Accad. di med. di Torino 1908. Nr. 3—5.)
Verf. untersuchte experimentell den Einfluß der Bier’schen
Stauung auf das Granulationsgewebe, indem er an Kaninchenohren
Haut- oder Unterhautzellgewebe umfassende Substanzverluste setzte
und nach Granulationsbildung durch elastische Umschnürungen ar-
terielle Hyperämie bewirkte. Die mikroskopische Untersuchung der
4—11 Tage alten Granulationen ergab, daß unter dem Einfluß der
Hyperämie der Substanzverlust rascher ersetzt wird. Es bildet sich
bald junges, gefäßreiches Bindegewebe, über das vom Wundrande her
das Epithel hinwegziehen kann. Reichlichere Leukocytenauswanderung
wurde nicht beobachtet, dagegen will Verf. unter dem Einfluß der
Hyperämie auch bei ausgewachsenen Tieren ein bemerkenswertes
Längenwachstum beobachtet haben. Strauss (Nürnberg).
2) Casoni. Ricerche sperimentale sulle modificazioni della
crase sanguigna nell’ emostasi preventiva degli arti col metodo
di Esmarch-Silvestri.
(Policlinico, sez. chir. 1908 Nr. 5.)
Nach einer kurzen historischen Übersicht über die Entwicklung
der Esmarch’schen Blutleere und die zahlreichen experimentellen
Untersuchungen, die sich an diese Methode anschlossen , weist Verf.
darauf hin, daß eine cytologische Blutuntersuchung nach der Esmarch-
schen Blutleere bisher noch nicht vorgenommen wurde. Diese Lücke
sollen seine Untersuchungen ausfüllen, da er Kaninchenextremitäten 11/,
bis 2 Stunden lang mit der Esmarch’schen Binde blutleer machte.
Stets trat eine Parese auf, die 2—3 Tage andauerte und im Lauf‘
998 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33.
von 1—2 Wochen allmählich verschwand. Der Blutbefund ergab
schon nach wenigen Minuten eine Leukocytose infolge Vermehrung
der vorhandenen Leukocyten; nach einiger Zeit wurden diese durch
jugendliche, aus dem Knochenmark stammende Zellen ersetzt. Auch
die Erythrocyten, unter denen sich viele Normoblasten fanden, zeigten
eine Vermehrung, während der Hämoglobingehalt des Blutes ver-
mindert war. Temperatur und Ernährungszustand ließen keine Ver-
änderung erkennen. Die genannten Veränderungen erklärt der Autor
aus der Vasoparalyse der Knochenmarksgefäße infolge der elastischen
Umschnürung, nach deren Aufhebung die Gefäße des Knochenmarkes
einen Überfluß ihres Blut- und Zellvorrates abgeben.
‚Strauss (Nürnberg).
3) G. Schmidt. Bedarf die Kriegs- und Friedens-Sanitäts-
ausrüstung hinsichtlich des Betäubungsverfahrens einer Än-
derung?
(Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1908. Hft. 11.)
(Bericht über die Verhandlungen des wissenschaftlichen Senats bei der Kaiser-
Wilhelm-Akademie am 21. April 1908.)
Die Ergebnisse dieser Verhandlungen waren in kurzem folgende:
1) Die örtliche Betäubung ist für die Hilfeleistung unmittelbar bei
der fechtenden Truppe sowie auf den Truppenverbandplätzen gar
nicht, auf Hauptverbandplätzen wohl nur unter besonders günstigen
äußeren Bedingungen angebracht. Bier empfiehlt, statt der Schleich-
schen Lösung die 0,5 ige Novokainlösung subkutan unter die Haut
zu spritzen. 2) Wünschenswert ist für alle Sanitätseinrichtungen die
Betäubung durch Ather. .3) Gegen die Lumbalbetäubung im Felde
sprachen Üzerny, v. Eiselsberg, A. Köhler, Rehn, dafür Küster,
Sonnenburg, Bier. Herhold (Brandenburg).
4) Hawk. On the diuresis following ether narkosis.
. (Journ. of med. research 1%08. Nr. 2.)
Athernarkose ruft jedesmal Diurese hervor. Die Urinmenge ist
um 5,7, 6,8, 12,9 und 24,8% vermehrt, je nachdem die Narkose 1/2,
1, 2 und 41/, Stunden dauert. Die Vermehrung der Tagesmenge des
Urins betrug 3,1—20,7 %. Die Beeinflussung des Urins wird geringer
bei häufiger Anwendung des Betäubungsmittels. Bei einem Versuchs-
tiere hatte die erste Narkose Vermehrung der Urinausscheidung um
9,1% zur Folge, die vierte Ätheranwendung von gleicher Dauer nur noch
um 6,7%. Am Tage nach der Narkose ist stets ein Gewichtsverlust des
Versuchstieres zu beobachten, der zwischen 1,1 und 2% schwankt. An-
ästhesierung mittels Ather an drei aufeinander folgenden Tagen hatte
einen Gewichtsverlust von 6,5% zur Folge. Das spezifische Gewicht
des Harns ist erhöht, die Reaktion entweder sauer oder amphoter.
Revenstorf (Hamburg).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 999
5) J. L. Faure. Die chirurgischen Krankheiten der Haut
und des Unterhautzellgewebes. 153 Seiten mit 8 Abbildungen.
Übersetzt von Dr. W. Goebel in Köln.
Stuttgart, Ferdinand Enke, 1908.
Wie der Übersetzer W. Goebel in seinem Vorwort richtig sagt,
finden wir in dem vorliegenden Buche, das einen Teil des großen
französischen Handbuches der Chirurgie von le Dentu und Delbet
bildet, wohl kaum etwas, das nicht in den einschlägigen deutschen Lehr-
und Handbüchern zu finden wäre. Aber da wir gewöhnlich in den deutschen
Werken die zahlreichen Einzelheiten des chirurgisch-dermatologischen
Grenzgebietes sehr zerstreut finden, ist die kurze zusammenfassende
deutsche Bearbeitung des französischen Buches nur zu begrüßen. Die
chirurgischen Erkrankungen der Haut und des Unterhautzellgewebes
werden der Reihe nach besprochen, wobei neben Atiologie und Patho-
logie auch der Therdfie ein breiter Platz eingeräumt wird, so daß
der Praktiker in theoretischer und praktischer Hinsicht ein handliches
Hilfsmittel hat, das ihm zeitraubendes Suchen in größeren Werken
erspart.
Erfreulicherweise werden auch die neueren Behandlungsmethoden,
wie die Behandlung der Furunkeln mit Hyperämie und Behandlung
verschiedener Hautkrankheiten mit Röntgenstrahlen besprochen.
Das Buch ist jedem Praktiker zu empfehlen.
L. Simon (Mannheim).
6) Peyser. Zum Nachweis der Basisfraktur.
(Deutsche med. Wochenschrift 1908. Nr. 18.)
Bei Ohrerscheinungen nach Schädelverletzungen empfiehlt sich,
falls der Zustand des Pat. es gestattet, die Röntgenaufnahme in
occipito-frontaler oder fronto-occipitaler Richtung zu machen. Der
positive Befund kann für die Begutachtung wichtig werden.
Borchard (Posen).
7) A. Huther. Die entzündlichen Nebenhöhlenerkrankungen
der Nase im Röntgenbilde. Mit 20 photographischen Tafeln.
Wien, Urban & Schwarzenberg, 1908.
Auf 20 ausgewählten, ganz vorzüglichen Tafeln legt Verf. seine
mit der Röntgenphotographie bei Nebenhöhlenerkrankungen gemachten
Erfahrungen nieder. Die Röntgendiagnose der Nebenhöhleneiterungen,
an die sich so große Hoffnungen geknüpft haben, erfährt, so hoch sie
auch vom Verf. eingeschätzt wird, doch durch seine Ausführungen
eine erhebliche Einschränkung ihrer Wertschätzung. Ihre Vorzüge
sind, daß kein ernsterer Erkrankungsherd sich dem Nachweis auf
der Röntgenplatte entzieht. Der Mangel ist, daß sich einmal die Ver-
schleierung des Bildes auch bei Erkrankungen der Schleimhaut ohne
abnormen Inhalt der Höhle findet, und dann, daß sie nicht ver-
schwindet, wenn die Höhle durch Punktion entleert wird. Diese Ver-
1000 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33.
schleierungen bezieht Verf. auf überstandene ausgeheilte Nebenhöhlen-
entzündungen, die Veränderungen an Periost und Knochen hinterlassen
haben. Daraus ergibt sich, daß bei Deutung der Röntgenphotographie
große Vorsicht nötig ist, und dieselbe nur zur Ergänzung der auf
klinischem Wege gestellten Diagnose herangezogen werden darf. Die
Resultate der Durchleuchtung stimmen im allgemeinen, wenigstens
bezüglich der Kieferhöhle, mit denen der Röntgenphotographie überein.
Die Darstellung der Keilbeinhöhle ist bis jetzt noch nicht einwandsfrei
gelungen. | B Engelhardt (Kassel.
8) Soubeyran et Rives. Les parotidites post-opératoires.
(Arch. génér. de chirurgie II. 1908. Hft. 5.)
Verff. geben auf Grund einer 90 Fälle umfassenden Literatur-
übersicht eine Schilderung der Symptomatologie und Pathogenese der
postoperativen Parotitis, die vorzugsweise beimgweiblichen Geschlecht
und nach Bauchoperationen beobachtet wird und fast in der Hälfte
aller Fälle doppelseitig auftritt. Es gibt eine katarrhalische, kanali-
kuläre (Entleerung von Eiter durch den Ductus Stenonianus) und eine
phlegmonöse Form, welch letztere zu den schwersten Komplikationen
führt. Klinisch kennzeichnet sich die postoperative Parotitis meist
innerhalb der 1. Woche durch Fieber und Schwellung der Wangen.
Die Dauer schwankt zwischen 3 und 21 Tagen. Prognostisch kommen
wesentlich die Komplikationen in Betracht (Facialisparalyse, Carotis-
ulzeration, Sepsis). In 35 von 75 geheilten Fällen hatte exspektative
Therapie Erfolg. Für die Atiologie und Pathogenese kommt die
Jahreszeit (Winter), der Zustand der Zähne, die Art der Operation
(Ovariotomie) in Betracht. Wesentlich für die Entstehung der Par-
otitis erscheint jedoch der anormale Zustand der Mundhöhle: geringe
Speichelsekretion, Trockenhät der Mundhöhle, der einen Locus
minoris resistentiae für die Speicheldrüse schafft. i
Strauss (Nürnberg).
9) Brunk. Über Operation von tiefliegenden Zungen-
abszessen.
(Deutsche med. Wochenschrift 1908. Nr. 23.)
Bei tiefliegenden Abszessen im hinteren Teile der Zunge, deren
genaue Lokalisation oft schwierig ist, empfiehlt B. die Freilegung des
M. hyoglossus und stumpfes Auseinanderdrängen der Fasern, und zwar
sowohl bei lateral wie medial gelegenen Zungenabszessen.
Borchard (Posen).
10) Dora Teleky. Zur Therapie der Phosphornekrose.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVI. Hft. 2.)
In der v. Eiselsberg’schen Klinik wurden eine Reihe von Fällen
mit Phosphornekrose ohne bestimmtes Prinzip, ganz individuell be-
handelt. Die Schlüsse, die sich aus diesen Beobachtungen ergaben,
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 1001
sind jedenfalls beherzigenswert. Schmerzen und Eiterung geben keine
Veranlassung zu frühzeitigem Eingriff. Durch Spaltung von Abszessen
und Ausschabungen konnte man den Zustand des Pat. bis zur Locke-
rung des Sequesters leidlich gestalten. Die Grenze des Erkrankten
ist frühzeitig nicht zu erkennen, ein Umstand, der ebenso gegen Früh-
operation spricht, wie die in einzelnen Fällen sich aufdrängende Be-
obachtung, daß durch die Operation ein neues Aufflackern des Krank-
heitsprozesses angeregt wurde. Bei den Frühresektionen mußten die
Pat. länger im Krankenhause bleiben als bei der einfachen Sequestro-
tomie, zumal man erst von einer Heilung sprechen kann, wenn der
neugebildete Knochen zu einer Wiederherstellung der Funktion führt,
was natürlich längere Zeit in Anspruch nimmt. Auch war ferner das
kosmetische Resultat wie das funktionelle bei den exspektativ behan-
delten Pat. besser als bei denen mit Frühresektion. Was die An-
wendung der sofort nach. der Frühresektion eingelegten Prothese
anbelangt, so wurde bei einer derartig behandelten Pat. ein Mißerfolg
erzielt, der schwerwiegende Einwände gegen diese Therapie nicht von
der Hand weisen läßt, zumal oft noch nachträglich Sägenekrosen am
Unterkiefer entstehen, die ebenso wie die Lockerung der restierenden
Zähne vielfach die Befestigung erschweren. Trotz aller Fortschritte
der chirurgischen Technik wird deshalb für die Phosphornekrose das
alte exspektative Verfahren empfohlen. Erwähnt sei noch, daß in
der Arbeit ein seltener Fall beschrieben ist, in dem die Nekrose durch
innere Darreichung von Phosphorpräparaten gegen Osteomalakie ver-
ursacht wurde. E. Siegel (Frankfurt a. M.).
11) Stumpf (Würzburg). Über Bolusbehandlung bei Diph-
therie.
(Münchener med. Wochenschrift 1%8. Nr. 22.)
S. hat die von ihm bei schweren akuten Brechdurchfällen und
gewissen Vergiftungsenteritiden bewährt gefundene Bolusbehandlung
auch auf die Diphtherie ausgedehnt. Pat. erhält von einer Bolus-
aufschwemmung (1:2 Wasser) alle 5 Minuten 1 Teelöffel bis 1/, Kinder-
löffel, event. auch Nasenspülungen mit ihr. Schon nach kurzer Zeit
verschwindet der üble Geruch, sinkt das Fieber und die Pulszabl, gehen
Drüsenschwellungen zurück, der diphtherische Belag zerklüftet sich, bald
wird die glänzend rote Schleimhaut darunter sichtbar; nach 36 bis
48 Stunden soll vollständige Heilung erreicht sein. In den vom Verf.
so behandelten 15 Fällen, die Kinder im Alter von 1!),—11 Jahren
betrafen, handelte es sich um ziemlich schwere Rachenaffektionen, und
erfolgte volle Genesung, in einem der Fälle allerdings nach Auftreten
von Lähmungserscheinungen; ein weiterer Pat. starb plötzlich an
Herzschwäche.
S. empfiehlt wärmstens seine Methode unter Ausschluß aller
anderer Verfahren (Seruminjektionen oder Pyocyanaseaufstäubungen).
Kramer (Glogau).
83**
1002 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33.
12) Wolf. Über die Endresultate der Tracheotomie.
(Deutsche med. Wochenschrift 1%8. Nr. 17.)
Die Verfechter der Intubation machen der Tracheotomie den
Vorwurf der narbigen Stenosen und der Schädigung der tieferen
Luftwege. Die Erfahrungen der Leipziger Klinik sprechen durchaus
gegen die Berechtigung derartiger Vorwürfe, da in den Jahren 1895
bis 1906 überhaupt keine narbige Stenose nach Tracheotomie beobachtet
wurde, die einer dilatierenden oder blutigen Behandlung bedurft hätte.
Borchard (Posen).
13) H. Seidel. Über Chondrotomie der 1. Rippe bei be-
ginnender Spitzentuberkulose. (Aus der I. äußeren Abteilung
des Krankenhauses Dresden-Friedrichstadt.)
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 25.)
Unter Bericht über zwei Fälle von Resektion an dem 1. und
2. Rippenknorpel bei Lungenspitzentuberkulose mit Ausgang in Heilung
und auf Grund von Leichenversuchen, die S. im pathologisch-anato-
mischen Institut von Schmorl gemacht hat, sucht Verf. nachzuweisen,
daß die künstliche Gelenkbildung an der 1. Rippe eine verhältnis-
mäßig einfache und ungefährliche Operation, und die Resektion auch
der knöchernen Rippe, wie sie Kausch und S. in dem ersten der
beiden Fälle ausgeführt, nicht richtig ist, weil leicht neuralgische
Schmerzen, eine Wiederannäherung der beiden Rippenstümpfe und
dadurch eine Wiederverengerung der oberen Thoraxapertur die Folge
sein können. Auch wird die Operation durch Fortnahme zu großer
Rippenstücke erschwert, und genügt, wie die Selbsthilfe der Natur
durch Gelenkbildung am 1. Rippenknorpel zeigt, die Herstellung einer
schmalen Lücke in ihm. Für diese (Chondrotomie) empfiehlt S. die
Anwendung einer von ihm angegebenen Zange, event. auch eines
feinen Meißels oder scharfen Löffels und die Anwendung des Knorpel-
schnittes in der Richtung von außen unten nach innen oben — in
welcher Richtung auch die von der Natur gebildeten Gelenke ver-
laufen —, etwa 1/, cm vor der Knorpel-Knochengrenze, mit Inter-
position eines kleinen Muskellappens aus dem Pectoralis zwischen die
beiden Knorpelschnittflächen, um die Pseudarthrosenbildung zu sichern.
Die Operation wird von einem Hautlappenschnitt mit lateraler Basis
aus gemacht, dessen Konvexität am Brustbeinrande liegt, und der
oben am oberen Rande des Schlüsselbeines, unten auf der 2. Rippe
sich abgrenzt. Kramer (Glogau).
14) Paryski. Echinokokkus der Prostata.
(Chirurgia. Bd. XXIII. Nr. 136. [Russisch.))
Im Jahre 1884 sammelte Nicaise 35 einschlägige Fälle, konnte
aber nur zwei davon als notorische Echinokokken der Prostata aner-
kennen. Der Fall P.’s ist angeblich einwandsfrei. Ein 29jähriger Kosak
klagte über Schmerzen in Blase und Darm, sowie erschwerte Miktion.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33, 1003
Im Mastdarm war eine elastische Geschwulst zwischen Blase und
Vorderwand des Mastdarmes deutlich fühlbar. Ein Katheter ließ sich
leicht einführen, der Urin war normal.
In der Annahme, daß es sich um einen abgekapselten AbszeB
handelte, der ohne Temperaturen einherging, wurde die Probepunktion
vorgenommen. Die aspirierte wasserklare Flüssigkeit ließ an der Dia-
gnose Echinokokkus der Prostata keinen Zweifel übrig. Durch prä-
rektalen Schnitt wurde in die Tiefe gegangen, zunächst die Kapsel
eröffnet und die Flüssigkeit abgelassen, dann die Kapsel selbst ent-
fernt, was leicht gelang. Oettingen (Berlin).
15) E. Bierhoff (New York). The palliative treatment of
prostatic hypertrophy.
(New York med. journ. 1908. April 18.)
B. weist entgegen übereifrigen Verfechtern der rein operativen
Behandlung darauf hin, daß auch die palliativen Methoden, unter der
Voraussetzung einer zweckmäßigen Indikation, ihre großen Vorzüge
besitzen. Nach B.’s Ansicht ist die richtige Statistik noch nicht ge-
schrieben, da in den Statistiken viele Fälle als geheilt aufgezählt
werden, deren Operation eine zu kurze Zeit zurückliegt.
Behufs Aufstellung der Indikation unterscheidet er drei Stadien.
Im ersten, dem Kongestionsstadium, mit gesteigertem Urindrang,
Tenesmus, Brennen, aber mit der Möglichkeit völliger Blasenentleerung
führen Enthaltung von langem Sitzen, Fahren, Reiten, Vermeidung
von Exzessen im Essen und Trinken, Regelung des Stuhlganges, Schutz
vor Kälte und Hitze und andere allgemeine Verordnungen oft zum
Ziel. Bei Urinverhaltung gibt B. ein heißes Sitzbad, greift aber bald
zum Katheter, wenn sich der Erfolg nicht rasch einstellt.
Im zweiten Stadium der Blaseninsuffizienz finden sich die ge-
nannten Symptome gesteigert. Dazu kommt die Unfähigkeit die Blase
völlig zu entleeren, was durch die cystoskopisch leicht nachweisbaren
Veränderungen der Blase erklärt wird.
Hier kann regelmäßiger Katheterismus (eventuell in Intervallen)
mit Blasenspülung die Pat. oft jahrelang hinhalten.
Auch im dritten Stadium der vollständigen Retention erreicht B.
durch Katheterismus, eventuell Verweilkatheter (täglich gewechselt mit
Blasenspülung), oft eine bedeutende Erleichterung. Bei schweren Kom-
plikationen, akuter Retention, Hämorrhagien, starker Cystitis, Pye-
litis usw., Bettruhe mit Verweilkatheter. H. Bucholz (Boston).
16) G. Li Virghi. Azione del massagio nella ipertrofia della
prostata.
(Giorn. internaz. della soienze med. 1908. Faso. 8.)
Verf. sah nach Massage der Prostrata nicht bloB das Volumen
derselben bei Hypertrophie zurückgehen, sondern auch Retentions-
1004 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33.
erscheinungen der Blase verschwinden und rät, diese Methode vor
einem chirurgischen Eingriff zu versuchen, besonders in Verbindung
mit Bougierungen der Harnröhre. Dreyer (Köln).
17) Lang. Zweizeitige Prostatektomie unter Lokalanästhesie.
(Deutsche med. Wochenschrift 1908. Nr. 22.)
L. hält den Gebrauch des Katheters bei Prostatahypertrophie
für kontraindiziert. An Stelle des Katheterismus hat prinzipiell die
transvesikale Prostatektomie zu treten. Bei sehr dekrepiden Leuten
kann der erste Akt — die Sectio alta — sehr wohl in Lokalanästhesie
mit 1%iger Kokainlösung und der zweite Akt — die Ausschälung der
Prostata — ohne jede Anästhesierung ausgeführt werden.
Borchard (Posen).
18) J. Berg. Über die Bedeutung der Röntgenographie für
die Diagnose und Behandlung der Blasensteine.
(Nord. med. ark. 1907. Abt. I. Hft. 3 u. 4.)
Die Röntgenographie gewährt in der Regel eine vollstängere Dia-
gnose bei Blasenstein als irgend eines unserer bisher gebräuchlichen
Hilfsmittel und muß also, wo es angängig ist, vor Sonde und Cystoskop
zur Anwendung kommen. Der große Wert der älteren Untersuchungs-
mittel bleibt natürlich unbestritten. — Die Röntgenplatte gewährt oft
sichereren Aufschluß als das Cystoskop über Vorkommen, Anzahl,
Größe und Gestalt der Steine. Auch über die chemische Zusammen-
setzung der Steine, sofern dadurch eine verschiedene Durchlässigkeit
für Röntgenstrahlen bedingt wird, gewährt sie in Verbindung mit der
Harnuntersuchung wertvolle Aufschlüsse. Die Deutung des Bildes
erfordert allerdings einen geübten Blick und ein geübtes Urteil, da
Verwechslungen mit Phlebolithen, Prostatasteinen und Kotresten
leicht möglich sind.
Über die Topographie der Steine in der Blase gewährt Röntgen
Aufschlüsse, die uns oft in den Stand setzen, ohne Hilfe des Oysto-
skops, demnach auch in Fällen, wo dieses Instrument sich nicht ein-
führen läßt, wichtige Schlüsse über die Freiheit oder Gebundenheit
der Steine oder des Steins zu ziehen. Hierbei ist die wiederholte
photographische Aufnahme, eventuell nach Füllung der Blase mit
Sauerstoff, von großer Bedeutung. Da die Kenntnis der Beweglichkeit
des Steines oder seiner festen Lagerung in einem Divertikel das wich-
tigste Moment ist bei der Wahl zwischen Zertrümmerung und Schnitt-
operation, gewährt die Röntgenplatte häufig ein gutes Mittel, die für Zer-
trümmerung günstigen Fälle von denjenigen zu scheiden, wo der Schnitt
vorzuziehen ist. — Da der Stein bei Prostatahypertrophie ohne Cystitis
in der Regel sehr unbedeutende Symptome abgibt und außerdem der
Steinsonde leicht entgeht, sollte die Röntgenaufnahme des Beckens
häufiger bei Prostatismus angewandt werden. — So liegt die Bedeutung
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 1005
der Röntgenographie für die Entdeckung des echten Divertikelsteines
(wie gleichfalls des Steines im Harnleiterende und der Prostata) klar
zutage, und ihr häufiger Gebrauch auf dem betreffenden Gebiet der
Pathologie ist sicherlich geeignet, nicht nur unsere Kenntnis von .
diesen Steinen zu erweitern, sondern vielleicht auch auf unsere Therapie
— Resektion des Divertikels — einzuwirken.
Einar Key (Stockholm).
19) D. P. Kusnetzki. Die experimentelle Polyurie als Mittel
zur Untersuchung der Nierenfunktion.
(Russki Wratsch 1908. Nr. 12.)
K. prüfte in Prof. Fedorow’s Klinik die Polyurie an 19 Pat.
(16 Frauen, 3 Männer) 22mal. Im Gegensatz zu Albarran führte
er in beide Harnleiter Katheter ein, um die Nieren in gleiche Umstände
zu setzen. Neben den Kathetern floß meist ziemlich viel Harn vorbei
(in zwei Fällen 108,0 bzw. 194,0). Verf. bringt 14 Diagramme und
kommt zu folgenden Schlüssen: Die Methode ist theoretisch hoch-
interessant, kann aber allein nicht alle klinischen Aufgaben lösen, ist
schwierig, erfordert viel Zeit und wird daher nicht in die alltägliche
Praxis der klinischen Untersuchung aufgenommen werden. Man muß
beide Harnleiter gleichzeitig katheterisieren; bei Ausfluß des Harns
neben den Kathetern muß die Untersuchung wiederholt werden; dieser
AusflußB kommt sogar bei Katheter Nr. 8 vor. Zuweilen gibt die
kranke Niere größere Schwankungen als die gesunde, was zu falschen
Schlüssen führen kann. Bei Männern ist die Methode besonders
schwierig. Sie ist nur in den schweren Fällen, wo die übrigen leichteren
Untersuchungsmethoden im Stiche lassen, angezeigt.
E. Gückel (Wel. Bubny, Poltawa).
20) H. v. Haberer. Experimentelle Verlagerung der Neben-
niere in die Niere.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVI. Hft. 2.)
Verf. ging darauf aus, zu versuchen, ob es durch Verpflanzung
von Nebennieren in die Niere gelingen könne, Grawitz’sche Ge-
schwulst zu erzeugen. Die Bestrebung, die Nebenniere in die Niere
zu transplantieren, ist aus einer Reihe von literarischen Arbeiten be-
kannt; aber die Versuche sind meist nur in wenig befriedigender
Weise gelungen. Vor allem schlug die Verpflanzung der Marksub-
stanz völlig fehl, und Schmieden konstatierte, daß sich die transplan-
tierte Nebennierensubstanz höchstens 1 Jahr erhält. v. H. glaubte
deshalb das Transplantationsverfahren dahin ändern zu sollen, daß
die Nebenniere einen Teil ihrer Zirkulation durch Erhaltung ihres
Gefäßstieles beibehielt. Es wurde deswegen stets bei seinen Experi-
menten ein Stück Nebenniere am Gefäßstiele in einen durch Resek-
tion gewonnenen Raum in der Niere eingefügt und die Niere darüber
vernäht. Die Versuche wurden an 86 Tieren, Kaninchen, Katzen und
1006 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38.
Hunden ausgeführt. In mehr als der Hälfte der Fälle wurde damit
nun in der Tat auch ein Erfolg erzielt. Auch die Erhaltung der
Marksubstanz gelang im Gegensatz zu den in dieser Richtung völlig
resultatlosen Versuchen bei gefäßloser Transplantation bei den Ex-
perimenten des Verf.s in völlig einwandsfreier Weise dort, wo der Ver-
such überhaupt geglückt war. Die erfolgreichen Versuche lehrten,
daß ein großer Teil der überpflanzten Nebenniere zugrunde gehen
kann, daß aber von dem erhaltenen Rest sich eine neue Nebenniere
durch regenerative Hypertrophie auszubilden vermag. Auch eine
längere Beobachtungsdauer zeigte, daß eine einmal erhalten gebliebene
Nebenniere nicht mehr zugrunde geht. Bei der Regeneration voll-
zieht sich häufig ein völliger Gewebsumbau mit adenomähnlichen Bil-
dungen der Rinde und Markversprengung, Durchbruch durch die Kap-
sel und Eindringen des Gewebes nach der Niere, wie nach der Ober-
fläche zu. Daß sich eine Geschwulstbildung in Zukunft ergeben könne,
wagt v. H. nicht zu hoffen. — Als beiläufigen, aber immerhin wichtigen
Nebenbefund ergaben die Versuche, daß man bei Hunden wenigstens
das Vorkommen akzessorischer Nebennieren überschätzt hat. Jeden-
falls sind sie nicht imstande, nach Exstirpation der Nebennieren das
Hauptorgan zu ersetzen. Bezüglich der Funktion ist zu bemerken,
daß die Nebenniere sich als sehr wichtig für den Bestand des Orga-
nismus erwies, und daß eine beträchtliche Reduktion des Organs nicht
ertragen wird. Andere lebenswichtige Organe, wie z. B. die Nieren,
sind in dieser Hinsicht besser gestellt. Selbst nach einseitiger Neben-
nierenexstirpation trat starker Gewichtsverlust bei den Tieren ein, und
in einigen Fällen waren sogar schwerere Erscheinungen, wie Krämpfe,
Gleichgewichtsstörungen, Kräfteverfall, vorübergehend zu beobachten.
Die Rindensubstanz allein kann für die Funktion nicht genügen, selbst
wenn sie in beträchtlichem Maße vorhanden ist. Erhaltenbleiben der
Marksubstanz ist unbedingt für den Organismus erforderlich. In jedem
Fall von zu großem Ausfall von Nebennierensubstanz kommt es zu
einem typischen Symptomenkomplex, der mit dem Tode des Versuchs-
tieres endet. Längere Intervalle zwischen der Schädigung der einen
Nebenniere durch Transplantation und Eingriffe an der zweiten Neben-
niere gestalten die Versuchsresultate ungünstiger als wenn man die
Eingriffe rasch hintereinander ausführt. Auch bewährte sich diese
Versuchsanordnung nur dann, wenn zuerst das eine Organ transplan-
tiert, dann das zweite exstirpiert wurde. Bei umgekehrtem Vorgehen
starb das Versuchstier sehr bald.
Es ist jedenfalls ratsam, die interessanten Versuche des Verf.s,
welche einigermaßen Licht in das dunkle Gebiet der Nebennieren-
funktion und -Pathologie bringen, im Original nachzulesen.
E. Siegel (Frankfurt a. M.).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 1007
Kleinere Mitteilungen.
21) Haga. Einiges aus den eigenen Erfahrungen im japanisch-russi-
schen Kriege 1904/1905.
(Deutsche militärärztl. Zeitschrift 1908. Hft. 10.)
Verf., der als Divisionsarzt der japanischen Armee (unserem Korpsgeneralarzt
entsprechend) den japanisch-russischen Feldzug mitmachte, hat in einem Vortrage
seine in taktischer und chirurgischer Beziehung gemachten Erfahrungen besprochen.
Chirurgisch interessiert folgendes. Auf dem Hauptverbandplatze wurde meistens
nur verbunden und wenig operiert, ausgeführt wurden Blutstillungen und Tracheo-
tomien. H. glaubt, daß auch die Tracheotomie bei dem modernen kleinkalibrigen
Gewehr nicht mehr so häufig notwendig wird als früher. Nach dem Sitz der
Wunden in Prozenten berechnet, befinden sich unter den direkt durch Gewehrfeuer
Gefallenen:
Kopf und Hals 54,02%
Rumpf 44,45%
obere Extremität 0,66%
untere Extremität 0,86%.
Den Verletzungen durch Artilleriefeuer erlagen direkt auf dem Schlachtfelde:
Kopf und Hals 59,09%
Rumpf 34,55%
obere Extremität 0,45%
untere Extremität 5,91%.
Das Verhältnis der Toten zu den Verwundeten betrug 21,2 : 78,8%. Der
Verlust betrug:
durch Handfeuerwaffen 98,67%
durch Artilleriegeschosse 9,67%
durch Hiebwaffen 0,16%.
Bei Schädelverletzungen müssen alle Fragmente ausnahmslos entfernt werden,
nur nicht die in die Tiefe gedrungenen Splitter. Die Wunden sind offen zu halten,
wodurch am besten der Entwicklung von Hirnabszessen vorgebeugt wird, denen
die Verwundeten meist erliegen. Perforierende Streifschüsse bieten die meiste
Aussicht auf Genesung. Einige Verwundete, bei denen durch Röntgenuntersuchung
nachgewiesen wurde, daß das Geschoß im Gehirn stecken blieb, kamen mit dem
Leben davon. Laparotomien wurden nicht gemacht, weil man es einerseits nicht
wollte, andererseits auch die Zeit fehlte. Bei konservativer Behandlung sind viele
mit dem Leben davongekommen, obwohl peritonitische Erscheinungen oft genug
deutlich erkennbar waren. Herhold (Brandenburg).
22) Franz. Erfahrungen aus dem südwestafrikanischen Feldzuge.
(Deutsche militärärztl. Zeitschrift 1908. Hft. 12.)
Von Sanitäteformationen kamen in Südwestafrika während des Feldzuges
17 Feldlazarette zur Verwendung, von welchen 15 etabliert waren; die meisten
wurden und blieben stationär, einige wurden in der Nähe des Gefechtsfeldes vor-
übergehend als Hauptverbandplätze verwandt, im ganzen jedoch nur dreimal, da
die Eigenart des Nahgefechts das Einrichten von Verbandplätzen verbot. Während
des Feldzuges fielen von 174 Arzten 5, und 7 wurden verwundet, 7,4%. In Ge-
fechten gefallen bzw. den erlittenen Verwundungen crlegen sind 644, an Krank-
heiten gestorben 649 Mann. In den 31 Hauptgefechten sind von 9266 Gefechts-
teilnehmern, Offizieren und Mannschaften, verwundet und gefallen 700 = 7,5%.
Von 167 Fällen (erschöpfende Zahlen können noch nicht gebracht werden) der
Gefallenen oder kurz nach dem Gefecht Verstorbenen hatten Kopfschüsse 49 = 29%,
Brustschüsse 42 = 25,1%, Bauchschüsse 35 = 20,9%. Die Heilung der Wunden
waren im allgemeinen eine günstige, was vom Verf. dem Einfluß der trockenen
heißen Luft zugeschrieben wird. Herhold (Brandenburg).
1008 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33.
23) Cushing. Subtemporal decompressive operations for the intra-
cranial complications associated with bursting fractures of the skull.
(Annals of surgery 1908. Mai.)
C. hat in den letzten 3 Jahren in allen Fällen von Schädelbasisbruch, die mit
Gehirndruckerscheinungen verbunden waren, eine Trepanationsöffnung in der
Schläfengegend durch Aussägen eines 4!/s cm im Durchmesser großen, kreisrunden
Knochenstückes (bis auf die Dura) angelegt. Er schreibt es dieser Operation zu,
daß er von seinen letzten 15 Pat. nur zwei verloren hat. Die Wahl des Schläfen-
knochens hält er deshalb für die günstigste, weil die stumpf auseinander geschobenen
Muskeln sich über den Defekt legen und einen Gehirnvorfall zurückhalten, und
weil Bluteansammlungen bei Schädelbasisbrüchen meist in der Schläfenlappengegend
angetroffen werden. Herhold (Brandenburg).
24) Kudeck. Zur Physiologie des Gyrus supramarginalis.
(Deutsche med. Wochenschrift 1908. Nr. 17.)
Ein 17jähriger Pat. hatte durch einen Balken einen Schlag auf die rechte
Seite des Kopfes erlitten. Im Anschluß daran entwickelte sich nach 8 Wochen
eine typische Jackson’sche Epilepsie. Bei der Operation wurde die Gehirn-
masse durch den Meißel in 1!/; cm Ausdehnung verletzt. Es fand sich der Wand
im Sulcus Rolandi angelagert ein graubraunes Knötchen als Rest eines alten Blut-
ergusses. Dasselbe wurde nicht exstirpiert, die Dura vernäht. Nach der Opera-
tion bestand eine ganz leichte Facialisparese, leichte Störung der taktilen Sensi-
bilität, des Temperatursinnes, geringfügige Herabsetzung der rohen Kraft im linken
Unterarm und der linken Hand. Dagegen ist der stereognostische Sinn voll-
kommen gestört. Da der Ausfall des stereognostischen Erkennungsvermögens auf
die Gehirnverletzung bei der Operation bezogen werden mußte, so zieht K. den
Schluß, daß der stereognostische Sinn und das Muskelgefühl des Unterarmes und
der Hand im Gyrus supramarginalis der Großhirnrinde ihren Perzeptionssitz haben.
Zum Beweise zieht er den fast gleichen Fall von Starr und McCosh heran.
Borchard (Posen).
25) Panegrossi. Contributo clinico ed anatomo-patologico allo studio
dei tumori del corpo calloso.
(Policlinico, sez. med. 1908. Nr. 5.)
Bei einem ö3jährigen, bis dahin völlig gesunden Manne ohne neuropathische
Belastung trat inmitten voller Gesundheit nach einem Alkohol- und Tanzexzeß
psychische Verwirrtheit ein, der ein Stadium des Stupors folgte. Die Unter-
suchung ergab, abgesehen von psychischen Störungen, keine pathologischen Er-
scheinungen von seiten der Gesichts- und Extremitätennerven, Pat. konnte nicht
ohne Unterstützung stehen und sich in kleinen Schritten vorwärts bewegen. Die
Kniereflexe waren etwas erhöht, an der oberen Extremität war lediglich der
Bicepsreflex auslösbar. Baginsky war nachweisbar, die Pupillen reagierten auf
Lichteinfall. Nach einer geringen Besserung des Stupors kam es unter Puls- und
Temperaturanstieg zum Tode, 5 Wochen nach Beginn der Erkrankung. Die Au-
topsie ergab ein kartoffelgroßes Gliosarkom des Corpus callosum, dessen zwei
vordere Drittel bereits zerstört waren.
Eine ausführliche Berücksichtigung der Literatur und kritische Würdigung des
klinischen und autoptischen Befundes ergänzen die interessante Mitteilung.
Strauss (Nürnberg).
26) Lecöne. Adenomes et kystes de la parotide.
(Revue de chir. XXVII. ann. Nr. 1.)
Im Vergleich zu den Mischgeschwülsten werden die wahren Adenome und
Cysten der Ohrspeicheldrüse selten beobachtet. L. berichtet über vier Fälle aus
der Klinik Terrier’s: ein cystisches Adenom und drei Cysten; sie wurden sämt-
lich exstirpiert. Die Adenome sind klinisch und grob anatomisch den Misch-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 1009
geschwülsten zum Verwechseln ähnlich; nur die histologische Untersuchung genügt
zur Unterscheidung, was in der Literatur nicht genügend berücksichtigt ist. Sie
gehen entweder von den Drüsenacini oder, wie in L.’s Fall, von den Ausführungs-
gängen aus.
Bei der ersten Cyste wurde ein mehrschichtiges, fimmerndes Zylinderepithel
gefunden, das auf einer Schicht Iymphoiden Gewebes auflag, dann folgte eine dicke
Lage Bindegewebe, das noch Reste von Parotisgewebe umschloß. In der zweiten
Cyste war die fibröse Bindegewebskapsel nur stellenweise von mehrschichtigem
kubischen Epithel vom Charakter des Stratum Malpighi bekleidet, während im
dritten Fall ein geschichtetes Plattenepithel gleichmäßig die Innenwand der Cyste
auskleidete. Seinen Fällen stellt L. den Fall G. Sultan’s (Deutsche Zeitschrift
für Chirurgie 1898 Bd. XLVIII p. 143! als den bestbeobachteten an die Seite.
Diese Cysten haben, abgesehen von ihrer Lage in der Parotis, nichts mit
ihr zu tun, sondern sind branchiogenen Ursprunges und scharf zu trennen von
den Erweichungsherden in Mischgeschwülsten und den angeborenen cystischen
Lymphangiomen. Daß Cysten aus der Parotis selbst hervorgehen, ist bisher
nicht erwiesen, aber auch nicht als unmöglich hinzustellen.
Gutzeit (Neidenburg).
27) Quercioli. Considerazioni cliniche su di un caso di frattura iso-
lata comminuta simmetrica dello atlante senza lesioni midollari in
seguito a caduta sul capo.
(Policlinico, sez. chir. 1908. Nr. 6.)
Ein 60jähriger Arbeiter stürzte von einem ÖOlivenbaume, fiel mit dem Kopf
auf und verlor das Bewußtsein. Nach 1/3 Stunde konnte er sich erheben; es be-
standen jedoch Schmerzen im Nacken; der nach vorn gefallene Kopf konnte nicht
gehoben und gedreht werden, Sprache und Schluckakt waren behindert. Da auch
das Husten unmöglich war, kam es zu einer Bronchopneumonie, an der Pat.
13 Tage nach dem Unfalle zugrunde ging.
Die Autopsie ergab einen symmetrischen Bruch des Atlas, der in vier Teile
zerfallen -waren. Das Rückenmark war nicht geschädigt, dagegen waren beide
Hypoglossi blutig imbibiert und degeneriert. Schädelbasis und Epistropheus waren
ohne Verletzung.
Eine ausführliche, exakte Darstellung des Mechanismus der Verletzung be-
schließt die Arbeit. Strauss (Nürnberg).
28) Piazza. Morbo di Raynaud e malattia di Basedow.
(Policlinico, sez. med. 1908. Nr. 5.)
Ausführliche Krankengeschichte einer 22jährigen, neuropathisch schwer be-
lasteten Arbeiterin, die, seit 12 Jahren fast ununterbrochen krank, die Erschei-
nungen einer typischen Basedow’schen und Raynaud'schen Erkrankung (Zehen-
und Fingerspitzen, Wange und Nase) zeigte.
Der Verf. läßt den ursächlichen Zusammenhang beider Erkrankungsformen
unentschieden. Strauss (Nürnberg).
29) Géraud. Goitre kystique multilobulaire du lobe droit communi-
quant avec l’®sophage et simulant un goître cancereux,
(Arch. de med. et de pharm. militaires 1908. Mai.)
Ein Mann, der seit langen Jahren an Kropf litt, verschluckte beim Mittag-
essen eine Fischgräte und spuckte beim dadurch hervorgerufenen Husten Blut aus.
Seit jener Zeit verspürte er Schmerzen im Kropf und litt an starkem Foetor ex
ore. Die Kropfgeschwulst wurde exstirpiert, sie bestand aus zahlreichen kleinen
Cysten, der zurückgelassene Stiel war fest mit Schildknorpel und Speiseröhre ver-
wachsen. In dem zurückgelassenen Stiel entdeckte man eine Fischgräte, die in
einer mit stinkenden Massen angefüllten Tasche lag. Mikroskopisch wurden in
ihnen Speiseteile angetroffen. Offenbar war die verschluckte Gräte durch die
1010 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33.
Speiseröhre in die Schilddrüse gelangt, und es war zu einer feinen, zwischen Kropf
und Speiseröhre bestehenden Fistel gekommen. Nach der Operation verlor sich
der Foetor ex ore; Heilung. Herhold (Brandenburg).
30) Oeken (Castrop i. W.). Ein Fall von Zerreißung des Ductus
thoracicus infolge Brustquetschung.
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 22.)
Der Fall ist hauptsächlich deswegen bemerkenswert, weil sich außer einer
verhältnismäßig geringen Weichteilverletzung keinerlei Verletzung des knöchernen
Brustkorbes und der übrigen Brustorgane fand. Am 4. Tage nach dem Unfalle,
bei welchem der 20jährige Pat. durch aus geringer Höhe niedergefallene Stein-
massen fast vollständig verschüttet worden war, traten die ersten Beschwerden auf,
die sich rasch zu schwerer Atemnot steigerten und eine 4 Liter milchiger Flüssig-
keit ergebende Punktion der rechten Pleurahöhle notwendig machten; der Eingriff
mußte mit gleichem Ergebnis alle 48 Stunden, im ganzen noch viermal, wieder-
holt werden. Pat. litt infolgedessen an starkem Durstgefühl und wurde sehr un-
ruhig; Tod 14 Tage nach der Verletzung. — Bei der Obduktion fand sich der
Riß in der Pleura mediastinalis direkt oberhalb des Zwerchfellansatzes; aus der
Öffnung entleerte sich Chylus. OÖ. nimmt an, daß an der zerrissenen Stelle eine
abnorme Erweiterung und Vorwölbung des Milchsaftganges bestanden und dem-
nach eine pathologische Ruptur vorgelegen habe.
Verf. empfiehlt in bezug auf die Behandlung nach rascher Wiederansammlung
des durch die Punktion als chylös erkannten Ergusses breite Eröffnung der Brust-
wand und event. später die Naht oder feste Tamponade des Pieurarisses.
Kramer (Glogau).
3l) Schütte. Ein Fall von Lungennaht wegen schwerer Blutung nach
Schußverletzung. (Aus dem evang. Krankenhause Gelsenkirchen.)
. (Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 26.)
S. war in der glücklichen Lage, bereits 12—15 Minuten nach einem Selbst-
mordversuch, bei dem sich ein 21jähriger Mann zwei Kugeln in den Kopf und
eine in die linke Brust geschossen hatte, zur Stillung der inneren Blutung in dieser
operativ vorgehen zu können. Er bildete — ohne Narkose wegen des schweren
Kollapses — einen großen, hufeisenförmigen Rippenweichteillappen vom 3. bis
5. Interkostalraum mit der Basis nach dem Brustbein und mit der konvexen Seite
bis zur vorderen Axillarlinie, klappte ibn auf, erfaßte rasch die Lunge, zog sie
vor — enormer Blutstrom aus der Pleurahöhle — und brachte durch tiefgreifende
Catgutkreuznähte der vorderen und hinteren Lungenwunde die Blutung zum Still-
stand; Tampon in die Brusthöhle an der durch Kleiderfetzen verunreinigten Ein-
schußstelle, Nähte, Kochsalzinfusion und Kampfereinspritzungen. — Nach 12 Stun-
den legte S., nachdem der Puls bei dem Pat. kräftig geworden, nach Rippen-
resektion vom 8. Interkostalraum der hinteren Axillarlinie aus ein Gummidrain
durch die Brusthöhle und entfernte aus dem Gehirn nach Aufmeißelung der
Schädelschußwunden ein Geschoß und einen Knochensplitter. — Allmähliche Auf-
hellung des Sensorium. Schwinden einer linksseitigen Facialislähmung und einer
Sprachstörung, langsame Heilung der Brusthöhlenwunde nach reichlicher eitriger
Absonderung, deren Retention noch eine zweite Rippenresektion notwendig ge-
macht hatte. Schließlich vollständige Wiederherstellung des Pat.
Kramer (Glogau).
32) E. Siegel (Frankfurt a. M.). Totale Brustbeinresektion und ope-
rative Heilung einer Lungenkaverne.
(Münchener med. Wochenschrift 1%08. Nr. 25.)
Es handelte sich bei der 26jährigen Pat. um eine Erkrankung der rechten
Lungenspitze und einen fast die ganze Vorderfläche des Corpus sterni einnehmen-
den tuberkulösen Abszeß, bei dessen Eröffnung fast aus allen Interkostalräumen
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 1011
rechts und links hervorschießende Granulationen gefunden wurden. Es wurde
deshalb die Totalresektion des Brustbeines (zum Teil mit der Gigli’schen Säge)
ausgeführt; nach dieser fand sich der ganze Herzbeutel und die Lamelle über den
großen Gefäßen mit tuberkulösen Granulationen bedeckt und in Höhe des durch-
trennten Gelenkes zwischen Korpus und Manubrium an der rechten Pleura eine
kleine, dicht neben der Vena caya superior in die Lungenspitze führende Öffnung,
durch die der primäre tuberkulöse Herd in der Lunge aufs vordere Mediastinum
und die Hinterwand des Brustbeines übergegriffen hatte. Es wurden nun nach
Abtragung des Manubrium sterni bis auf eine schmale Spange zwischen beiden
Schlüsselbeinen die Knorpel der ersten zwei Rippen durchtrennt, die walnußgroße
Kaverne eröffnet, ausgeräumt und tamponiert, die große Wunde teilweise durch
Nähte verschlossen. Anfangs starke Atemnot und Fieber mit reichlicher Wund-
sekretion; dann — unter konsequenter Anwendung der Saugglocke — schließlich
vollständige Heilung ohne Regeneration des Brustbeines, so daß sich die Haut an
der Operationsstelle bei der Inspiration stark einzieht und die Pulsation des rechten
Ventrikels und der Aorta deutlich sichtbar sind. Die Kaverne in der rechten
Lungenspitze ist (durch die Mitte 1906 ausgeführte Operation) völlig ausgeheilt.
Der bemerkenswerte Fall gibt Verf. Veranlassung, die bisherigen Fälle von
Totalresektion des Brustbeines und die Indikationen zur operativen Behandlung
von Lungenkavernen zu besprechen; er verlangt, daß die Kaverne der einzige
tuberkulöse Herd in der betreffenden Lunge ist und das ihr benachbarte Knochen-
gerüst, um eine Retraktion und Schrumpfung zu ermöglichen, bei der Operation
mitentfernt werde. (Daß ausnahmsweise auch die bloße Inzision, Ausräumung und
Jodoformapplikation genügen kann, hat Ref. in einem von ihm vor 15 Jahren be-
handelten Falle beobachtet, in welchem eine kleine Kaverne der rechten Lungen-
spitze in die Fossa supraclavicularis unter Bildung eines tuberkulösen Abszesses
in dieser durchgebrochen war; die Ausräumung desselben und der mit ihr kom-
munizierenden Kaverne brachte für mehrere Jahre Heilung.)
Kramer (Glogau).
33) Trendelenburg. Zur Operation der Embolie der Lungenarterie.
(Deutsche med. Wochenschrift 1908. Nr. 27.)
Dem kürzlich von Sievers veröffentlichten Falle schließt T. einen zweiten
ebenfalls in der Leipziger Klinik genau nach seiner Methode operierten Fall an
der in recht schwerem Allgemeinzustande zur Operation kam. Es gelang, vier
große Emboli zu entfernen, die in Abbildung beigegeben sind. Man ist erstaunt
über die Größe der extrahierteıf Stücke. Nach dem Erwachen war die Atmung
nahezu ganz ruhig und frei geworden, der Puls blieb frequent. Am nächsten
Morgen verschlechterte sich der Allgemeinzustand, und nach 37 Stunden trat der
Tod ein. Bei der Sektion fand sich eine Nachblutung aus der nicht genügend
unterbundenen Mammaria interna und ein Embolus im linken Aste der Pulmonalis.
Letzteres ist so zu erklären, daß bei den Extraktionsmanövern die Zange immer
in den rechten Ast der Pulmonalis hineingelangte. T. weist auf die Notwendigkeit
der methodischen Absuchung der beiden Aste hin. Im übrigen beweist auch
dieser Fall die Möglichkeit und Ausführbarkeit der Methode.
Borchard (Posen).
34) Bayha. Ein Fall von Herznaht.
(Med. Korrespondenzblatt d. Württembergischen ärztl. Landesvereins 1908. Juni 13.)
24 jähriger Mann mit Stichverletzung des Herzens. Einstich unter der fünften
Rippe, zwei Querfinger breit neben dem Brustbein; hochgradige Anämie und starke
Vergrößerung der Herzdämpfung, namentlich nach rechts. 2—3 Stunden nach ‚der
Verletzung Erweiterung der Wunde, aus der bei jedem Atemzug ein mächtiger
Strahl Blutes hervorquoll; Resektion der fünften Rippe in 8cm Länge und des
sechsten Rippenknorpels. Pleuraraum mit Blut ausgefüllt, im Herzbeutel nahe
seinem unteren Rande ein schlitzförmiges Loch. Spaltung des Herzbeutels nach
oben, worauf in der Mitte des rechten Ventrikels eine schlitzförmige, ca. 1 cm
breite, querverlaufende, ziemlich stark blutende Herzwunde sichtbar wurde. Stillung
1012 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33.
der Blutung durch drei tiefgreifende Nähte. Ausspülung des Herzbeutels mit
Kochsalzlösung und Schluß desselben ohne Drainage. Ausspülung der Pleurahöhle
mit Salzlösung, Drainage derselben von der hinteren Axillarlinie aus nach Resektion
eines kleinen Stückes der neunten Rippe. Exakter Schluß der Hautwunde in der
Herzgegend mit kleinem Drain im äußeren Wundwinkel. Heilung der Herzwunde
per pr., im weiteren Verlauf Pleuraempyem, das nach Eröffnung nur langsam
ausheilte. Schließlich Heilung. Bei einer Nachuntersuchung nach 7 Monaten war
die Herzaktion regelmäßig, die Herzdämpfung nicht vergrößert, die Töne rein.
Mohr (Bielefeld).
35) Delore et Ballivet. De la douleur dorsale dans le cancer du
sein.
(Revue de chir. XXVIL. ann. Nr. 2.)
Bei vier Brustkrebskranken, die über heftige Schmerzen zwischen den Schul-
tern, an der Schulterblattspitze und an den Brustwirbeln klagten, ohne daß die
Wirbel oder die Pleuren Metastasen aufwiesen, fanden die Verff. die subskapu-
lären Lymphknoten am äußeren Schulterblattrande besonders stark krebsig infil-
triert und vergrößert. Nach 'ihrer Entfernung schwanden die Schmerzen und
kehrten nicht mehr wieder, womit erwiesen war, daß der Druck der Drüsen auf
die Nn. subscapulares und die zum Teres major und minor und Latissimus ziehen-
den Zweige in dem ‘engen Raume zwischen M. subscapularis und dem äußeren
Schulterblattrand einerseits und dem Latissimus, Teres major und minor anderer-
seits die Ursache des Schmerzes bildete. Charakteristisch ist, daß irgendwelche
schmerzhaften Druckpunkte auch an den Wirbeln fehlen.
Gutzeit (Neidenburg).
36) Muchanoff. Zur Kasuistik der
Mammafibrome.
(Chirurgia 1908. Nr. 36. [Russisch. ))
Kasuistischer Beitrag zur Vergröße-
rung der Brustdrüsen durch Gewichtszug,
Die 24jährige Pat. war hereditär luetisch
belastet und bot verschiedene Symptome
von Lues III. Täglich wiederholten sich
3—4 epileptiforme Anfälle, — Pat. ist
vollkommene Idiotin.
Die Mammae boten ein originelles
Bıld: die rechte hing bis in die rechte
Kniegegend, die linke bis unter die In-
guinalfalte herab. Das Gewicht der rechten
betrug über 3,5 kg, das der linken 2,7 kg.
In beiden Mammae lag eine Anzahl
bis apfelgroßer, harter Geschwülste, die
als Fibrome angesprochen wurden. Die
Axillardrüsen beiderseits waren gesund.
Die Amputation der Brüste wurde
in Narkose vorgenommen und die Pat.
nach 1 Woche geheilt entlassen. Die
mikroskopische Untersuchung bestätigte
die auf Fibrome der Mammae gestellte
Diagnose.
Im vorliegenden Falle konnte es sich
weder um Elephantiasis noch um hyper-
trophische Prozesse handeln; die Gewebe
der entfernten Brüste waren bis auf den
Einschluß der Fibrome vollständig nor-
mal, insbesondere ließ das lymphatische System keinerlei Besonderheiten erkennen.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 1013
Das Wachstum der Brüste hatte erst vor 3 Jahren mit dem (sehr verspäteten
Eintritt der Pubertätsanzeichen begonnen. Kurz nach dem Eintritt des Wachs-
tums hatte auch die allmähliche Senkung der Brüste begonnen, die anscheinend
noch nicht zum Stillstand gekommen war. Jedenfalls waren sie in letzter Zeit
immer noch in fortschreitendem Wachstum begriffen. Oettingen (Berlin).
37) J. P. Tourneux, Sur une diverticulite para-uretrale.
(Province méd. 1908. Nr. 21.)
Es handelte sich um ein para-urethrales Divertikel von 3 cm Länge beij
einem 25jährigen Manne, das wegen seiner entzündlichen Reizerscheinungen ex-
zidiert werden mußte. Die Öffnung des Blindsackes erfolgte in die Harnröhre.
Der Gang selbst lag im subkutanen Gewebe und war mit ektodermalem Epithel
ausgekleidet. A. Hofmann (Karlsruhe).
38) Rohdenburg. Prostatic calculi.
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. Nr. 9.)
Prostatasteine kommen meist bei jungen Leuten zwischen 23 und 30 Jahren
vor und können sehr erhebliche Beschwerden verursachen. Es kann sich eine
schwere Cystitis entwickeln mit heftigem Brennen nach der Miktion und Gefühl
von Schwere und Schwellung am Damm. Die Steine sind von bräunlicher oder
auch tiefblauer Farbe und zeigen deutliche Schichtung.
Verf. berichtet über zwei Fälle. Im ersteren handelte es sich um zahlreiche
kleinere und größer Konkremente, die beim Einführen eines Metallbougie deutliches
Krepitationsgeränsch gaben. Da operative Behandlung abgelehnt wurde, hat Verf.
durch Massage allmählich die Steine in die Harnröhre gedrückt und auf diesem
Wege beseitigt. Im anderen Falle wurde ein großer Prostatastein unter sehr
heftigen Schmerzen spontan entleert. Die Cystitis wurde in auch sonst üblicher
Weise behandelt, und beide Pat. geheilt. W. v. Brunn (Rostock).
39) Tödenat. Traitement de la tuberculose de la prostate.
(Province méd. 1908. Nr. 18.)
Verf. besitzt zebn Fälle von Tuberkulose der Prostata, die er konservativ be-
handelte. Fünf davon sind ca. 6 Jahre lang beobachtet und vollständig genesen.
Es handelte sich nur um kleine Herde in der Prostata. 2mal hat Verf. eine aus-
gedehnte Ausschabung der Prostata vorgenommen. Ein solcher Pat. ist seit 5 Jahren
geheilt, der andere erlag einer Lungenentzündung. Einmal hat Verf. die Prostata-
stomie ausgeführt. Der Pat. war ein Jahr später noch mit schmerzhaftem und
häufigem Harndrang behaftet. Verf. plädiert für die Curettage als chirurgischer
Intervention. A. Hofmann (Karlsruhe).
40) A. Gunderren und H. Jervell. Prostatectomi, dess indikationer,
Udförelse og resultater.
(Nord. kirurg. förenings VII mote 1907. Nord. med. ark. 1907. Tillägshäfte.)
G. befürwortet die Operation nach Young. Auf Grund der guten Resultate
von Radikaloperation und der sehr geringen Mortalität bei Pat., die nicht infiziert
sind, müssen die Indikationen in hohem Grade erweitert werden. Wenn Harn-
beschwerden in hohem Grade das Wohlbefinden des Pat. stören, wenn die Menge
des Residualharns beträchtlich ist, wenn akute Retention ein- oder mehreremal
aufgetreten ist, liegt hinreichende Indikation für eine Operation vor. Die Statistik
des Verf.s umfaßt 40 Fälle. In den ersten Fällen wurde ein Längsschnitt in der
Raphe gemacht und die Prostata mit Fergusson’s Depressor herabgedrückt.
Die übrigen Fälle sind nach Young's Methode operiert worden. Das Durch-
schnittsalter ist 68 Jahre, der älteste Pat. 86, der jüngste 52 Jahre. Kein Pat.
starb infolge der Operation. 16 Pat. hatten bei der Aufnahme eine leichte
Cystitis oder waren frei von Infektion. Alle diese wurden frei von ihren Harn-
beschwerden. In 10 Fällen bestand bedeutende Cystitis. Auch alle diese wurden
1014 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33.
gesund. 14 Fälle waren besonders schwer durch ernste Komplikationen. Alle
überlebten die Operation. Vier sind 2—8 Monate später gestorben. Alle bis auf
einen konnten wieder normal urinieren.
J. befürwortet suprapubische Prostatektomie. Nur Fälle mit Bronchitis, vor-
geschrittener Cystopyelitis, Cystitis mit starker Zersetzung und ausgesprochenen
Blasentenesmen, wie auch mit kleiner harter Prostata, und wo Verdacht auf Pro-
statakrebs vorliegt, eignen sich mehr für perineale Prostatektomie. Verf. stellt
folgende Indikationen auf: 1) Pat. mit chronischer unvollständiger Harnretention, die
trotz kürzerem Dauerkatheterismus oder wiederholter Katheterbehandlung Residual-
urin von 150 ccm oder darüber behalten, müssen mit Prostatektomie behandelt
werden. 2) chronische komplette Blasenretention, welche trotz kontinuierlicher
Drainage und Katheter a demeure nicht schwinden will, indiziert Prostatektomie.
Blasenparese, Cystitis und Pyelitis kontraindizieren den Eingriff nicht, wenn der
Zustand des Pat. im ganzen genommen einen Eingriff zuläßt. 3) akute Retentionen
indizieren nicht Prostatektomie, nur dann, wenn sie in chronische Retentionen mit
einem Residualharn von 150 ccm und darüber übergehen.
Diskussion. Rovsing warnt vor Prostatektomie als Normalmethode. Es
ist eine gefährliche Operation, die ein wichtiges Organ opfert, aber nicht mit
Sicherheit die einzige vorliegende Indikation — Hebung der Retention — erfüllen
kann. Er befürwortet suprapubische Cystostomie.
Lendorf :Saxtorph) betont, daß man hinsichtlich der Prostatektomie indivi-
dualisieren müsse. Bei Hypertrophie des mittleren Lappens ist suprapubische
Operation indiziert (bei Infektion wird auch Drainage nach dem Damm gemacht),
bei Hypertrophie der Seitenlappen oder diffuser Hypertrophie dagegen perineale
Prostatektomie ohne Eröffnung der Harnröhre.
Bödtker hat 11 Pat. operiert; danach drei Todesfälle, eine Besserung und
sieben Heilungen. Er betont 1) daß Bottini’s Operation ganz verlassen werden
müsse, weil ebenso gefährlich wie die Prostatektomie aber weniger erfolgreich;
2) daß suprapubische Cystostomie eine Seltenheit werden wird, nur eine letzte Zu-
flucht in einigen wenigen Ausnahmefällen; 3) daß die Prostatektomie mehr und
mehr die Normalmethode werden wird in allen Fällen, in welchen der Katheter
der Hand des Pat. überlassen werden muß oder in welchen Katheterisation Schwierig-
keiten bietet. Verf. bevorzugt perineale Operation.
Borchgrevink hat 16 Prostatektomien gemacht, alle perineal. In fünf Fällen
war die Operation durch Komplikationen erzwungen. Alle diese starben binnen
3 Tagen bis 4 Monaten nach der Operation. Von den übrigen Pat. starb einer an
Blutung, neun wurden gesund, einer leidet an Inkontinenz.
Cappelen hat 17 Prostatektomien gemacht, eine suprapubisch, die übrigen
nach Young. Kein Pat. ist infolge der Operation gestorben. Verf. bevorzugt
die perineale Methode.
Tscherning hat 12 Pat. operiert, worunter einer mit Krebs. Von den elf
Fällen mit Prostatahypertrophie starben zwei. Einer bekam eine kleine Fistel
über der Symphyse. Ein Pat. hatte etwas Residualharn. Verf. bestreitet, daß
Prostatakrebs nicht durch suprapubische Operation exstirpiert werden könne.
Rovsing betont, es sei unbekannt, ob die Prostata von Einfluß sei auf den
Organismus, abgesehen von der Potenz. Vielleicht haben sie eine innere lebenswich-
tige Sekretion. Dafür spricht, daß eine Prostatektomie leichter vertragen wird und
besser wirkt, je älter der Pat. ist, je länger er mit seiner Hypertrophie gegangen
und je größer die Geschwulst ist. Bevor wir Tausende von Pat. operieren, müssen
wir vorerst untersuchen, welche Bedeutung die Prostata hat.
| Einar Key (Stockholm).
41) MacGowan. Enuresis following prostatectomy.
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. Nr. 7.)
Verf., Chirurg in Los Angelos, Kalifornien, hat wegen Stenosen der Harn-
wege über 250 Operationen ausgeführt, davon 176 Prostatektomien. 11mal hat er
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 1015
danach Enuresis auftreten sehen und gibt hier seine Erfahrungen über die Ur-
sachen dieses Folgezustandes und dessen Heilungsmöglichkeiten bekannt.
Die Operation selbst führt er je nach Lage der Verhältnisse perineal oder
suprapubisch aus.
Die erste Ursache für Inkontinenz nach Prostatektomie kann dadurch gegeben
sein, daß durch längeres Bestehen ungewöhnlich großer Vorsteherdrüsen die
Muskelbündel des Detrusor auseinander gedrängt und überdehnt worden waren.
In diesen Fällen — Verf. beobachtete deren vier mit Drüsen im Gewicht von 160
bis 300g — ist Geduld am Platze; schließlich pflegt nach Monaten der Operierte
wieder Gewalt über seine Blasenmuskulatur zu bekommen.
Zweitens kann es vorkommen, daß die Prostata beim Versuche der Exstir-
pation sich als so steinhart erweist, daß man nach vergeblichen Versuchen der
Entfernung den Fall als inoperabel aufgeben möchte. Hier gelingt es indessen,
eventuell zugleich von oben und von unten, in der Regel (zwei eigene Fälle) doch
einen Kanal zu graben und mit dem Thermokauter auszubrennen, der zur Heilung
des Zustandes genügt. Die Untersuchung der Gewebsstücke von diesen zwei Fällen
ergab nur fibröses Gewebe, nicht etwa Karzinom.
Endlich kommt es bisweilen nach Exstirpation kleiner harter Drüsen, wo ein
starker Kontraktionszustand des Blasenhalses bei geringer Kapazität der Blase be-
steht, zu Inkontinenz. Verf. brachte zwei Fälle dieser Kategorie dadurch zur
Heilung, daß er den halben Umfang des Blasenhalses mit dem umgebenden Narben-
gewebe entfernte.
Endlich kann es sich ereignen, daß alle diese drei Ursachen nicht zutreffen,
daß nicht etwa neues Prostatagewebe sich gebildet hat und dennoch Inkontinenz
weiter besteht.
In solchen Fällen soll man auf das sorgfältigste mit dem Endoskop Harnröhre
und Blase absuchen; man findet dann häufig (in allen drei Fällen des Verf.s) kleine
drüsige Gebilde in der Wand der hinteren Harnröhre oder Blase, oft flottierend,
die man eventuell unter Zuhilfenahme der Sectio alta entfernen muß. Die drei
Fälle des Verf.s wurden so zur Heilung gebracht. W. v. Brunn (Rostock).
42) A. Schönwerth. Über subkutane extraperitoneale Blasenrupturen.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXV. Hft. 4.)
Verf. beschreibt einen Fall von extraperitonealem Blasenriß, der in der Blase
nicht gefunden wurde. Pat., ein widerstandsunfähiger Potator, starb. Für derartige
Fälle, bei welchen man den Riß nicht entdeckt, empfiehlt S. neben der Tamponade
des prävesikalen Raumes und Einlegung eines Verweilkatheters die Inzision des
Dammes und Freilegung des unteren Teiles der hinteren Blasenwand durch Ein-
gehen zwischen Blase und Mastdarm. Die Abflußverhältnisss werden dadurch
bessere, und eventuell wird auch der Blasenriß zugänglich.
E. Siegel (Frankfurt a. M.).
43) ©. Kraus (Karlsbad). Uber Blasenwaschung.
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 23.)
Der beschriebene Apparat »Plyst« ermöglicht es, Blase und Harnröhre unter
den Kautelen einer einwandsfreien Asepsis auf das rascheste und bequemste zu
reinigen. Er besteht aus einem Nelatonkatheter mit einem zweiten, T-förmig an-
gesetzten Schenkel, der mittels einer Metallkanüle an den Irrigatorschlauch ange-
steckt und durch einen doppelt wirkenden Quetschhahn abwechselnd derartig ab-
gesperrt wird, daß einmal die Verbindung Irrigator — Blase, das anderemal jene
Blase — Abfluß hergestellt ist. Weitere Einzelheiten und Abbildungen des von
H. Reiner in Wien angefertigten Apparates siehe im Original.
Kramer (Glogau).
44) M. Sénéchal. Calcul vésical, cystite calculeuse, consécutifs au
passage d'un fil de ligature à travers la paroi de la vessie.
(Gaz. des hôpitaux 1908. Nr. 50.)
14 Monate nach einer abdominalen Totalexstirpation wegen Karzinom stieß
sich durch die Scheide ein Faden ab. Ungefähr zu gleicher Zeit begann die Pat.
1016 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33.
über Blasenbeschwerden zu klagen, die auf Cystitis zurückgeführt wurden. Bald
darauf entleerte sie beim Urinieren unter heftigen Schmerzen einen länglichen
Stein, der einen Seidenfaden einschloß, dessen eines Ende frei heraushing. Es
zeigte sich, daß es einer der Fäden war, mit-denen die Scheide geschlossen worden
war. Die cystitischen Erscheinungen schwanden bald — es war nie Blut im
Urin —, auch war- zur Zeit dieses Ereignisses kein nachweisbares Rezidiv vor-
handen. Erst 1/, Jahr später fand sich das Rezidiv, und zwar an der hinteren
Scheidenwand. Der Faden, der offenbar von der Scheide aus infiziert wurde, ist
also durch die bis zu dem Augenblick unversehrte Blasenwand hindurchgewandert.
V. E. Mortens (Kiel).
45) Sottile. Sarcoma della vescica urinaria in un bambino ai 6 mesi.
(Gazz degli ospedali e delle chir. 1908. Nr. 65.)
Bei einem 6 Monate alten Knaben tritt plötzlich Harnverhaltung ein. Aus
der bis zam Nabel reichenden Blase wird blutiger Urin entleert. Bei der Sectio
alta wird eine glatte, rote, ziemlich weiche Geschwulst von der Größe einer Man-
darine, die die ganze hintere Blasenwand einnimmt, gefunden, die nicht entfern-
bar erscheint. Es handelt sich um ein kleinzelliges, gefäßreiches Sarkom mit spär-
lichem Zwischengewebe.
Die Sarkome kommen hauptsächlich bei männlichen Kindern, und zwar meist
in den ersten 5 Lebensjahren vor. Sie sind die häufigste Form der Blasengeschwülste
im jugendlichen Alter. Dreyer (Köln).
46) de Graeuwe. A propos de l’extirpation totale de la vessie.
(Ann. de la soc. belge de chir. 1908. April.)
An der Hand zweier Fälle berichtet Verf. über Verhoogen’s Operations-
verfahren. Nach Freilegung der Harnleiter werden dieselben dicht oberhalb der
Blase durchtrennt und einzeln in die Hinterwand des Blinddarmes eingepflanzt.
Letzterer wird ausgeschaltet und nach Vernähung der beiden Enden in sich eine
Cöcalfistel nach außen, eventuell unter Benutzung des Wurmfortsatzes, angelegt.
Zwischen Ileum und Kolon wird die Darmpassage durch Anastamose oder Im-
plantation wieder hergestellt. Die Exstirpation der Blase beschließt die Operation.
Die beiden Fälle verliefen tödlich; bei der ersten unter ungünstigen Verhältnissen
(schwere Kachexie) operierten 68jährigen Frau funktionierte die eine Harnleiter-
einnähung nicht. Tod am 2. Tage. Bei der zweiten Pat. hatte man nach Aus-
sehen und Palpationsbefund die eine Niere für nicht mehr funktionsfähig gehalten
und ihren Harnleiter abgebunden; auch hier fand sich bei der Sektion enorme
Ausdehnung des Harnleiters und Nierenbeckens mit einem ganz kleinen Restchen
Nierensubstanz. Wegen der großen Infektionsgefahr will Verhoogen die Ope-
ration in Zukunft zweizeitig machen. 1) Exstirpation der Blase, Abbinden der
Harnleiter und Einpflanzen derselben in die Hinterwand des Blinddarmes (extra-
peritoneal). 2) Laparotomie: Ausschalten des Blinddarmes, Einnähen desselben in
die Bauchwand mit Fistelbildung. Ileum-Kolonanastomose.
Vorderbrügge (Danzig).
AT) F. Weisswanger (Dresden. Nierenabszeß nach Gonorrhöe,
Nephrotomie, Heilung.
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 18.)
Interessant ist in dem mitgeteilten Falle die lange Latenzzeit der nach 6 Jahren
noch virulenten Gonokokken; wahrscheinlich war es durch Kompression des Harn-
leiters infolge vorausgegangener Schwangerschaft und durch Knickung desselben
infolge Beweglichkeit der rechten Niere zu Urin- und Eiterstauung in dieser ge-
kommen, in der sich ein großer Abszeß entwickelte. Kramer (Glogau!.
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden.
Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Broslan.
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig.
Zentralblatt für Chirurgie
herausgegeben von
K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER,
in Bonn, in Berlin, in Breslau.
35. Jahrgang.
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG.
Nr. 34. Sonnabend, den 22. August 1908.
Inhalt.
1) v. Lichtenberg, Postoperative Lungenkomplikationen. — 2) Allen, Erysipel. — 3) Teller,
Dekubitus. — 4) Whiteford, Resektion der Mamma. — 5) Bireher, Bauchfelltuberkulose —
6) Braun, Appendicitis. — 7) Borsz6eky, Magen- und Duodenalgeschwür. — 8) Laffer, Akute
Magendehnung und arteriomesenterischer Ileus. — 9) Daneel, Der Murphyknopf. — 10) Dendchau,
Gastroenterostomie. — 11) Lynch, Intussuszeption der Flexura sigmoidea. — 12) Föderl, Kolo-
stomie. — 13) Noetzel, Pankreatitis.
14) Kraemer, Konjunktivalreaktion bei Tuberkulose. — 15) Roith, Verschiedene Anästhe-
sierungsverfahren. — 16) Bergoni6, Blitzbehandlung des Krebses. — 17) Grosse, Thiosinamin-
vergiftung. — 18) Fells, Mundkrebs. — 19) Cousins, Odontom. — 20) Fritsch, Adamantinom. —
21) Paul, Zungenkrebs. — 22) Makkas, Extraktion verschluckter Gebisse. — 23) Bergeat, Brust-
wandresektion bei veraltetem Eınpyem. — 24) Hoffmann, Brustwandresektion mit Plastik auf die
Lunge. — 25) v. Saar, Bösartige Brustdrüsengeschwulst. — 26) Crone, Bauchwunde. — 27) Lerda,
238) Dubujaboux, Darmperforation. — 29) Smith, Pneumokokkenperitonitis. — 80) Barnard, Sub-
phrenischer Abszeß. — 81) Mollard-Chattot, 32) Martini und Pietro, Ascites. — 83) Wakefleld,
84) Hoke, 35) Gebele, Appendicitis. — 36) Gebele, Entzündung des Meckel’schen Divertikels. —
37) Kopylow, 38) Levy, 39) Lindenstein, 40) Cranwell, Herniologisches. — 41) Dawson, Magen-
krankheiten. — 42) Jonnesco und Grossman, Linitis plastica. — 43) Moynihan, Gastroentero-
stomie. — 44) Peiser, Wringverschluß des Darmes. — 45) Sick, Brucheinklemmung mit Volvulus.
— 46) Glies, Unterbindung der Vena portae. — 47) Mack, Cholecystotomie.
V. Baracz, Zur Darmanastomose mittels elastischer Ligatur der Schleimhäute.
1) A. v. Lichtenberg. Allgemeinbetrachtungen über die
Einteilung und Verhütungsmöglichkeit der postoperativen
Lungenkomplikationen.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVIL p. 354.)
Verf. schlägt vor, die postoperativen Lungenkomplikationen in
zwei Hauptgruppen, die pneumonischen und die grobembolischen, ein-
zuteilen. Die ersteren sind entweder postnarkotisch (Narkose-Aspirations-
Retentionspneumonien) oder hypostatischer oder embolisch-infektiöser
Natur. Unter allen Ursachen für postoperative Pneumonien steht die
Narkosenschädigung obenan. Es muß daher Aufgabe sein, die In-
halationsnarkose nach Möglichkeit einzuschränken. Am besten wird
sie durch Lokolanästhesie ersetzt, deren Anwendungsgebiet bei ge-
nügender persönlicher Technik und Erfahrung sich immer mehr aus-
dehnen läßt. Durch die Lumbalanästhesie läßt sich die Narkosenzahl
weiter verringern, wenngleich man diese Methode nicht so uneinge-
schränkt wie die Lokalanästhesie empfehlen kann.
Ist die Inhalationsnarkose einmal kontraindiziert, so sind Chloro-
form und Äther in gleicher Weise zu verwerfen. Außer den allge-
34
1018 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34.
mein bekannten Vorsichtsmaßregeln zur Verhütung von postnarkotischen
Lungenerkrankungen empfiehlt Verf. vor allem die Anwendung von
narkotischen Hilfsmitteln, besonders von Skopolamin-Morphium.
Reich (Tübingen).
2) B. Allon (New York). Treatment of erysipelas.
(New York med. journ. 1908. Juli 11.)
A. konnte das Fortschreiten des Erysipels dadurch aufhalten, daB
er 6—7 mm von der Demarkationslinie entfernt einen Streifen reiner
Karbolsäure aufpinselte.e Nach Weißwerden der Haut wäscht er den
Überschuß mit 95 %igem Alkohol ab. Wenn der durch das Aufpinseln
verursachte Schmerz, der gewöhnlich nur einige Minuten dauert, länger
anhalten sollte, dann empfiehlt A., mit Alkohol getränkte Gaze auf-
zulegen. In der Nähe der Augen und an anderen Stellen, wo sich
die Karbolsäure nicht gut anwenden läßt, streicht er Unguentum
hydrargyri ammoniatum auf, das 2% Karbolsäure enthält.
Die Heilung schien günstig beeinflußt zu werden; nur in einem
unter zwölf Fällen ging die Rötung ein Stück über die Zone hinaus.
H. Bucholz (Boston).
3) R. Teller (Gießen). Zur Behandlung des Dekubitus.
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 19.)
T. rühmt, neben der Anwendung von feuchten Verbänden (essig-
saure Tonerde oder Wasserstoffsuperoxyd) auf den Grund des Dekubital-
geschwürs und von Lessar’scher Paste auf die Umgebung, die Massage
der Wundränder, durch die eine stärkere Blutfüllung dieser und da-
durch raschere Heilungstendenz erzeugt wird. Außerdem läßt T.
warme Vollbäder auf einem über die Badewanne ausgespannten Bade-
tuch anwenden. Kramer (Glogau).
4) C. H. Whiteford. Plastic resection of the breast and
its bearing on the preliminary incision of breast tumours.
(Brit. med. journ. 1908. Juni 6.)
Aus kosmetischen und psychischen Gründen empfiehlt W. bei
gutartigen Geschwülsten der Brustdrüse und bei Probeausschnitten
verdächtiger Knoten eine von Collins Warren verbesserte Methode
der retromammären Exzisione Die Mamma wird durch Schnitt am
Außenrand der Drüse, wenn nötig, verlängert zur vorderen Achselfalte,
abgehoben, die Geschwulst aber nicht ausgeschält, sondern mit einem
Keil der Drüse selbst entfernt. Diese keilförmige Lücke läßt sich
durch Nahtreihen viel besser schließen, als die unregelmäßige, buch-
tige Höhle bei der Aushülsung. Die Narbe ist kaum sichtbar.
Weber (Dresden).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 1019
5) E. Bircher. Die chronische Bauchfelltuberkulose. Ihre
Behandlung mit Röntgenstrahlen. 188 Seiten.
Aarau, H; R. Sauerländer & Co., 1907.
Im Rahmen eines ausführlichen Referates orientiert uns Verf.
zunächst über die pathologische Anatomie und Symptomatologie der
Bauchfelltuberkulose. Aus seinen Zusammenstellungen von Statistiken
sei erwähnt, daß sie nur selten der alleinige Sitz des krankmachenden
Agens ist, daß ferner bei etwa 90% aller Bauchfelltuberkulosen auch
schon eine Lungenaffektion vorliegt, und daß die Pathogenese bei
Frauen drastisch durch die in 40% (nach Cummins) gleichzeitig ge-
fundene Adnextuberkulose beleuchtet wird. — Der folgende Teil ist
der Therapie gewidmet. B. bespricht die konservative Methode mit
ihren Resultaten, dann die zur operativen Therapie überleitende Punktion,
endlich die Operation in ihren verschiedenen Wandlungen und ihre
Erfolge. Der erste Überschwang nach Aufkommen der operativen
Richtung ist bald einer Reaktion gewichen; doch glaubt Verf., daß
wir heute sichere Indikationen für die Operation haben.
Eine von ihm gegebene Zusammenstellung der Resultate von über
100 Autoren bei Operationen ergibt zwar Heilungsprozentzahlen,
schwankend zwischen 30 und 95%. Das erklärt sich leicht daraus,
daß die Indikationen natürlich ganz verschieden gestellt und die Stati-
stiken nach verschiedenen Gesichtspunkten abgefaßt worden sind. Es
erweist sich aber doch, daß bei der ascitösen Form die operative
Therapie der konservativen weit überlegen ist, daß beide bei der ad-
häsiven Form etwa gleichwertig sind. Die Dauerresultate bei Operation
berechnet Verf., ähnlich König, auf 27%, die Operationssterblichkeit
auf 3%. Zur Berechnung der Dauerresultate bei konservativer Therapie
fehlt eine vergleichbare größere Statistik. Bei der Würdigung der
verschiedenen Erklärungsversuche einer Heilung spricht Verf. dem
Licht eine größere Rolle zu und kommt schließlich zu der Ansicht,
daß eine Summe von biologischen und physiologisch-chemischen Faktoren
den Effekt hervorbringen:
Der durch Luft, Licht, mechanische Irritation hervorgerufene Reiz
möge eine Hyperämie mit entzündlicher Reaktion hervorrufen, aus
welcher das oftmals bakterizide Serum resultiert. Auch die von
Gelpke aufgegriffene Theorie, nach welcher sowohl der spontan ent-
standene wie der postoperative Ascites bakterizid wirkt, daher erst ab-
gelassen werden soll, wenn er abgenutzt ist, wird eingehend besprochen.
Nach den erfolgreichen Versuchen mit Röntgenstrahlen bei Lupus
wurden in der Aarauer Anstalt seit 1897 auch Bauchfelltuberkulosen,
im ganzen 26 Fälle, so behandelt, und zwar durchschnittlich täglich
3—4 Wochen lang 15—30 Minuten mit harten bis mittelharten Röhren,
in Röhrendistanz von 25—30 cm bestrahlt. Zuerst wurden nur erfolglos
Laparotomierte so behandelt, dann solche, die zur Operation zu schwach
waren, und nachdem gerade dabei eklatante Resultate erzielt waren,
wurden eine Anzahl Pat. ohne Auslese bestrahlt. Von der ersten
34*
1020 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34,
Gruppe wurden 50% geheilt, 25% gebessert, es starben 25%. In der
zweiten und dritten sind einschließlich der Nachträge 64,2% geheilt,
7,1% gebessert, 7,1% ungeheilt, 21,4% gestorben. Einzelne Fälle,
besonders auch die tödlich geendeten, werden einer kritischen Be-
sprechung unterzogen. Verf. kommt zu folgenden Schlüssen: die
Röntgentherapie ist ein außerordentlich wertvolles Hilfsmittel bei der
Bekämpfung der Bauchfelltuberkulose Primär sollen mit Röntgen-
strahlen nur behandelt werden: adhäsive oder plastische Formen mit
wenig Aussicht auf Operationserfolg, hochgradig kachektische Fälle,
solche, die Operation verweigern, endlich milder verlaufende Fälle.
Sekundär ist Röntgentherapie anzuwenden bei allen Fällen, in welchen
das postoperative Exsudat nach 14 Tagen nicht geschwunden ist,
ferner bei Versagen der Operation oder späterem Rezidiv.
Die Theorie der Röntgenwirkung wird kurz besprochen, und neben
einer biochemischen Wirkung auf die Produkte der Tuberkulose auch
einer virulenzherabsetzenden, wenn nicht sogar zerstörenden Wirkung
der Strahlen auf die Bazillen großer Wert beigelegt. Wenn Verf. das
als experimentell genügend nachgewiesene Tatsache hinstellt, wird er
wohl manchen Widerspruch finden.
Interessant ist, daß durch Bestrahlung kein neuer Ascites erzeugt
wird, daß also das durch Operation erzeugte bakterizide Serum (cf. oben)
mindestens nicht der einzige und bedeutendste Heilfaktor sein kann.
Im Schlußteile bespricht Verf. alle 99 eigenen Fälle von Bauch-
felltuberkulose in bezug auf Pathologie und Therapie und teilt die im
Aarauer Spitale übliche Operationsweise mit: Langsames Ablassen
des Ascites, Ausspülen mit vielen Litern heißen sterilen Wassers (nicht
NaCl). Ein kleiner Wasserrest bleibt darin. Das Wasser reizt ziemlich
stark und verschlechtert dadurch die Heilungstendenz der Wunde,
welche daher in drei Etagen genäht wird. Ein Vergleich gespülter
mit ungespülten Fällen fällt zugunsten ersterer aus.
Das Resultat der nur diätetisch-medikamentösen Therapie gegen-
über der operativen stellte sich folgendermaßen:
Se
| Gebeilt | Gebessert [Ungevessert] Gestorben
32 Fälle nicht operiert 31% 19% 6% 44%
59 Fälle operiert 45,7% 22% 6,7% 25%
Den Schluß bilden Krankengeschichten und ein Literaturverzeichnis
von 448 Arbeiten. Renner (Breslau).
——— 0
6) Braun. Appendicitisoperation und Militärdienstfähigkeit.
(Deutsche militärärztl. Zeitschrift 1908. Hft. 9.)
Verf. ist als Assistent Riedel’s (Jena) eifriger Verfechter der
Frühoperation bei Appendicitis. Um diese zu ermöglichen, schlägt er
vor, die Mannschaften gelegentlich zu ermahnen, sich bei Beschwerden
in der Unterbauchgegend sofort krank zu melden (ob dann nicht
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 1021
einige Fälle von Hysterie mit unterlaufen würden? Ref.), und die
Erkrankten sogleich der äußeren Station zu überweisen. Um die nicht
genähten Leute dem Dienste zu erhalten, solle bei ihnen 8—-12 Wochen
nach der Heilung eine Korrektur der Narbe mit nachfolgender schicht-
weiser Naht der Bauchdecken vorgenommen werden.
Herhold (Brandenburg).
7) Borszöky. Die chirurgische Behandlung des peptischen
Magen- und Duodenalgeschwürs und seiner :Komplikationen
und die damit erreichten Endresultate.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 56.)
Zu obigem Thema liefert Verf. auf Grund von 34 eigenen Fällen
und eigenen Tierversuchen eine Studie, die infolge ausgedehnter
Literaturbenutzung über die bezüglichen Fragen gut orientiert.
Gegenüber den zahlreichen und verschieden motivierten Vorschlägen,
das offene, unkomplizierte Magengeschwür operativ mit Gastroenter-
ostomie, Exzision, Kauterisation, Ausschabung usw. zu behandeln, ver-
tritt Verf. den Standpunkt, daß alle diese Operationen die Krankheits-
ursache nicht beheben und als chirurgische Übergriffe zu betrachten
sind, da die unmittelbare Operationsmortalität der Gesamtmortalität
des intern behandelten Magengeschwürs etwa gleichkommt und die
Eindresultate zweifelhaft sind. Das unkomplizierte Geschwür gehört
dem Internisten, der bei konsequenter Behandlung ganz erfreuliche
Erfolge erzielt. — Das perforierte Geschwür dagegen ist sofort zu
operieren. Der Chok wird am besten durch die Operation selbst be-
kämpft. Uber die technische Seite der Versorgung der Perforation
und der Behandlung der Peritonitis äußert sich Verf. nur referierend;
drei eigene Fälle endeten sämtlich tödlich.
Bei Geschwürsblutungen kommt ein chirurgischer Eingriff nur dann
in Betracht, wenn eine interne Behandlung erfolglos geblieben ist.
Den Zeitpunkt zur Operation bestimmt allein der Kräftezustand der
Pat., sowie der Umstand, ob außer dem Bluterbrechen gleichzeitig eine
andere, der inneren Behandlung trotzende Komplikation des Geschwürs,
eine Pylorusstenose oder perigastritische Verwachsungen vorhanden sind.
Beim kallösen Geschwür ist die Gastroenterostomie das Normal-
verfahren und bringt etwa die Hälfte der Fälle zur Heilung. Unter
fünf Fällen erreichte Verf. Amal vollkommene Heilung, 1mal Besserung.
Der Erfolg dieser Operationen wird häufig gestört durch den Ver-
schluß der Anastomosenöffnung oder durch peptische J ejunalgeschwüre,
die weit häufiger sind, als man gemeinhin annimmt, auch bei chirurgi-
scher Behandlung eine recht zweifelhafte Prognose ergeben und am
besten durch eine konsequente, gegen die Hyperchlorhydrie gerichtete
innere Nachbehandlung nach der Operation vermieden werden.
Alle anderen Operationsmethoden gegen das kallöse Geschwür
sind zu gefährlich, schwierig und ebenfalls unsicher. Geschwürs-
exzision ist nur bei Karzinomverdacht angezeigt.
1022 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 84.
Im Gegensatz zum offenen Geschwür soll jede narbige Stenose
operativ behandelt werden, gleichgültig, ob Magendilatation und moto-
rische Insuffizienz schon vorhanden sind oder nicht. Hierbei kommt
ausschließlich die Gastroenterostomie in Betracht; bei Sanduhrmagen
ist die Gastroanastomose, bei kleinem Pylorusmagen die Gastroentero-
stomie, bei Cardiastenose die perorale oder retrograde Bougierung
angezeigt. Auch für das seltene peptische Duodenalgeschwür ist die
Gastroenterostomie Operation der Wahl, mit der höchstens die Jejuno-
stomie konkurrieren kann.
Weiterhin gibt Verf. eine nach Indikationen und Operationen ge-
ordnete Übersicht seiner operativ behandelten Fälle von gutartigen
Magenleiden nach dem Gesichtspunkt der unmittelbaren und dauernden
Erfolge. Dabei ergab sich insgesamt eine unmittelbare Sterblichkeit
von 16,6% und dauernde Heilung in 80% der Fälle. Wie Nach-
untersuchungen erwiesen, wird durch die Gastroenterostomie sowohl
die Superazidität als die motorische Insuffizienz meist dauernd günstig
beeinflußt.
Interessant sind die Ergebnisse zahlreicher Hundeversuche, aus
denen hervorgeht: 1) daß der Mageninhalt nicht ausschließlich durch
die Anastomosenöffnung, sondern selbst bei Pylorusstenose auch durch
den Pylorus weiterbefördert wird; 2) daß die Gastroenterostomie auf
Magenblutungen bei nicht verengtem Pylorus keine, bei Pylorusstenose
keine unbedingt verläßliche blutstillende Wirkung ausübt und 3) daß
man durch längere Salzsäurezufuhr nach Gastroenterostomie künstlich
peptische Jejunalgeschwüre erzeugen kann, jedoch nicht konstant, so
daß man für die Entstehung dieser Geschwüre außer der Hyper-
chlorhydrie auch noch andere Ursachen als mitwirkend annehmen muß.
Beich (Tübingen).
8) Laffer. Acute dilatation of the stomach and arterio-
mesenteric ileus.
(Annals of surgery 1908. März u. April.)
L. bespricht jene ominösen Fälle von meistens nach vorher-
gegangenen Operationen eintretenden akuten Magendehnungen, die
bei unzweckmäßiger Behandlung unter dem Bilde des Circulus vitiosus
zum Tode führen. Er hat mit großem Fleiß die Literatur über diese
Krankheit nachgesehen und findet, daß sich zwei Gruppen von Autoren
in ihrer Ansicht bezüglich der Atiologie der akuten Magendilatation
gegenüberstehen. Die einen meinen, daß dieses Leiden primär eintritt,
die anderen, daß es sekundär auf eine Knickung des Duodenum folgt.
Diese Knickung soll dadurch zustande kommen, daß sich die Dünn-
därme bei Gastroptose oder bei Schwächezuständen ins kleine Becken
senken und dadurch einen Zug am Mesenterium ausüben, durch welches
das Duodenum hindurchtritt. Auf diese Weise wird das Duodenum
gedrückt, und es kommt zur Dilatation des oberhalb der Knickung
gelegenen Teiles und des Magens (Mesenteric ileus). Verf. kann sich
dieser letzteren Ansicht nach gründlichem Studium der Krankheit nicht
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 1023
anschließen, er glaubt vielmehr, daß die akute Magendilatation meistens
‘ primär durch lähmende Einwirkung von Noxen (Chloroform, Chok usw.)
auf die Magennerven oder die Zentren im Gehirn bzw. im Sympathicus
eintritt. Bestärkt wurde er in seiner Ansicht dadurch, daß bei 120
aus der Literatur bekannt gewordenen obduzierten Fällen von akuter
Magendilatation nur 27mal dieser Typus des gastro-mesenterischen
Ileus angetroffen wurde. Nicht zu leugnen ist nach L.’s Ansicht, daß
sich der dilatierte Magen senkt und dann auf das Duodenum drückt.
Aus der Literatur hat Verf. 217 Fälle akuter Magendilatation
sammeln können; die Sterblichkeit derselben war eine verhältnismäßig
hohe, 63,5%. Im Anschluß an Operationen trat die akute Magen-
dilatation in 38,2% der Fälle ein. Unter diesen Operationen handelte
es sich in 69% der Fälle um Laparotomien. Die hervorstechendsten
Symptome waren Erbrechen, Ausdehnung des Epigastriums, Magen-
plätschern, Verstopfung, Kollaps. Differentialdiagnostisch können Ver-
wechslungen mit Peritonitis, hohem Ileus, Pankreascysten vorkommen.
Bezüglich der Behandlung soll prophylaktisch der Entstehung dadurch
vorgebeugt werden, daß keine kopiösen Mahlzeiten an den Tagen vor
der Operation und nach der Operation eingenommen werden, und daß
ein rauhes Hantieren mit den Eingeweiden oder eine Abkühlung der-
selben während der Operation vermieden wird. Ist die Dilatation ein-
getreten, so ist der Magen sofort wiederholt mit dem Magenschlauch
auszuhebern, selbst wenn Pat. schon moribund ist. Stimulantien und
Kochsalzeinläufe in den Darm sind nötig. Endlich wird empfohlen,
den Pat. nicht die Rücken- sondern die Bauchlage einnehmen zu lassen.
Herhold (Brandenburg).
9) P. Daneel. Beitrag zur Anwendung des Murphyknopfes
| bei der Magen-Darmanastomose.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 513.)
An der Hand des schon mehrfach publizierten Materiales der
Heidelberger Klinik untersucht D. die Vor- und Nachteile des Murphy-
knopfes.
Als Vorzüge werden angeführt: 1) Die Abkürzung der Operations-
dauer, 2) die Vereinfachung der Technik, 3) die gute unmittelbare
Funktion der Fistel, deren Festigkeit in den ersten Tagen größer,
später etwas geringer ist als bei Nahtanastomose. Es sind unter einer
Serie von 193 Gastroenterostomien mit Knopf 7 Fälle verzeichnet, bei
denen nicht auf die Narkose zu beziehendes und durch Magenspülung
beseitigtes Erbrechen auftrat, das meist auf einer Knickung oder Ver-
legung des abführenden Darmschenkels beruht und ebenso auch bei
Nahtanastomosen vorkommt.
Circulus vitiosus kam unter 333 einfachen Gastroenterostomien
zweimal vor und scheint nach der Literatur bei der Nahtvereinigung
noch häufiger zu sein.
Unter den Nachteilen der Knopfanwendung sind zunächst Fieber
bei der Knopflösung und leichtere Darmstörungen bei der Knopf-
1024 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34.
wanderung zu verzeichnen. Zu ernsteren Komplikationen kann die
Retention des Knopfes im Magen-Darmkanal führen, die im ganzen
siebenmal bei Autopsien festgestellt wurde, während Knopfabgang in
nicht ganz ?/, der Fälle beobachtet wurde. Der Knopfabgang erfolgte
durchschnittlich am 15. Tage, am häufigsten am 13. und 14. Tage,
bei Resektionen meist einige Tage später.
Von ernsten Komplikationen werden aufgeführt:
1) Knopfeinkeilung und Retention desselben im Darme, herbei-
geführt durch peritonitische Stränge, Verwachsungen usw. (3 eigene
Fälle, davon 2 tot, 1 durch Relaparotomie geheilt). 2) Knopfdekubitus
und Perforation: 5 eigene Fälle, sämtlich gestorben. Ein Vergleich
mit Perforation bei Nahtanastomose zeigt, daß letztere keine größere
Sicherheit in bezug auf Suffizienz der Anastomose gewährt. 3) Darm-
einklemmung und Darmverschlingung (3 Fälle). 4) Sekundäre Fistel-
verengerung, über die jedoch keine vergleichbaren Zahlen vorliegen.
Verf. kommt zum Schluß, daß Naht und Knopf ihre eigenen In-
dikationen haben, und zwar soll man den Knopf anwenden:
1) Bei der Gastroenterostomie kachektischer und heruntergekom-
mener Pat. (Karzinom).
2) Bei der Resektion nach Billroth HI wegen Abkürzung der
an sich schon langen Operation.
Die Naht soll ausgeführt werden:
1) Wo es bei der Operation weniger auf Eile ankommt (gutartige
Stenosen).
2) Bei allen Resektionen, ausgenommen Billroth I.
3) Bei allen auch unter nur geringer Spannung stehenden An-
astomosen, also besonders der Wölfler'schen Gastroenterostomia
anterior. Reich (Tübingen).
10) Denöcheau. Les suites réelles de la gastro-entérostomie
au cours de l’ulcere d’estomac et de ses complications.
(Arch. générales de chir. 1907. Oktober u. 1908. April.)
Verf. versucht als Internist einen Beitrag zu dem aktuellen Streit
über den wirklichen Wert der Gastroenterostomie bei Magengeschwür
zu liefern, wobei er sich auf insgesamt 109 selbst beobachtete und
jahrelang untersuchte Fälle stützt. Nach einer eingehenden, den Rah-
men eines Referates weit überschreitenden Schilderung der unmittel-
baren Operationsfolgen und der durch die Anastomose bedingten Nach-
erscheinungen kommt Verf. zum Schluß, daß die Operation in den
meisten Fällen sofort und auch dauernd einen günstigen Einfluß aus-
übt; in den wenigen Fällen, in denen kein gutes Resultat erzielt wird,
hängt dies nicht von der Operationsmethode ab, sondern in erster
Linie von dem Zustand der Magenschleimhaut, der Art und dem Sitze
des Geschwürs und der Art der Stenose. Des weiteren muß für die
ungenügenden Resultate die nicht ausreichende diätetische Behandlung
der Operierten verantwortlich gemacht werden, da nach der Gastro-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 1025
enteroanastomose noch monatelang ein exaktes diätetisches Regime
nötig ist, das erst den vollen Erfolg der Operation garantiert.
nn Strauss (Nürnberg).
11) I. M. Lynch (New York). Intussusception of the sigmoid.
(New York med. journ. 1908. Juni 6.)
L. nimmt an, daß die Intussuszeption der Flexur, d. h. des Teiles
derselben zwischen Gabelung der Iliaca communis und der Umschlags-
falte des Bauchfells, häufiger die Ursache von Verstopfung, Hämor-
rhoiden usw. ist, als man gewöhnlich glaubt. Für die Entstehung
macht er ein abnorm langes Mesosigmoid verantwortlich, wozu außer-
dem noch eines der Momente treten muß, das auch sonst eine In-
tussuszeption des Darmes veranlassen kann. Bei längerem Bestehen
finden sich nebenbei Sigmoiditis und Perisigmoiditis.. Symptome sind
Gefühl von nicht beendigtem Stuhlgang, Schmerzen, Abgang von
Schleim und Membranen, Allgemeinerscheinungen wie Kopfschmerz,
Schwindel, Symptome, die nach Schwere des Falles sehr wechseln.
Konstant ist das erste Symptom, das in Knie-Ellbogenlage meist ver-
schwindet. In schweren Fällen kann es infolge von Stauungen oder
Ulzerationen zu Blutungen kommen.
Die Therapie besteht in Anheftung der Flexur an die Fascia
transversalis (nicht an das Bauchfell. Wenn allgemeine Gründe eine
Laparotomie kontraindizieren, muß man versuchen, durch diätetische
Vorschriften, Sorgen für regelmäßigen Stuhl durch Ol- und Wasser-
einläufe usw. der Verschlimmerung des Leidens vorzubeugen. Heilung
ist durch palliative Behandlung nur selten zu erzielen.
H. Bucholz (Boston).
12) O. Föderl. Über Kolostomie.
(Zeitschrift für Heilkunde 1907. Bd. XX VII.)
Ist die Kolostomie nur der Vorakt anderer Eingriffe (wie Kolon-
spülungen, Flexur- und Mastdarmresektionen usw.) oder Verlegenheits-
operation, so kann die Fistel gewöhnlich zweizeitig angelegt werden.
Anders, wenn sie bei plötzlich und stürmisch einsetzenden Störungen
der Dickdarmpassage zur Dringlichkeitsoperstion wird, wobei die
schwere Beteiligung des Allgemeinbefindens einen radikalen Eingriff
meist nicht mehr gestattet. Die Gefahren der Peritonitis und der
Allgemeinfektion von der Darmlichtung aus fordern, namentlich wenn
schon dynamische Ileuserscheinungen drohen, die einzeitige Fistel-
bildung. Um die dabei naherückenden Gefahren der Peritonitis und
der fortschreitenden Bauchdeckenphlegmone infolge Ausfließens von
hochvirulentem Darminhalt auszuschalten, hat F. das Witzel’sche
Prinzip der Schrägfistelbildung auf die Kolostomie übertragen, wobei
der Darm erst nach der Kanalbildung eröffnet wird: Ein starker,
kurzer Trokar wird mit einem langen Schlauch am seitlichen Abfluß-
rohr und vor diesem mit einem Gummiring armiert, auf den sich vor-
wölbenden Blinddarm gedrückt, mit Lembertnähten überdacht, wobei
344%
1026 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 84.
die erste Naht den Gummiring zur Fixation mitfaßt. Nach Bildung
eines ca. 4 cm langen blinden Kanals wird mit dem erst jetzt ein-
gesetzten Trokarstachel der Darm eröffnet; Umsäumung der Wunde
mit Peritoneum. Verf. hat nach dieser Methode bisher neun Kolo-
und zwei Ileostomien ausgeführt.
Die Fistel genügt zum Ablassen von Gasen und dünnflüssigem,
event. durch Spülungen verdünntem Kot. Die Schrägfistel schließt
anfangs dicht und schützt damit vor der Bauchdeckenphlegmone. Bei
Insuffizienz oder zwecks Dilatierung des Fistelkanals wird der Trokar
nach Lösung der Fixationsnaht durch Drainröhren ersetzt. Die Fistel
schließt sich später entweder spontan oder nach einfacher Ränder-
exzision und Schleimhautinvertierung.
Verf. legt eine solche temporäre Schrägfistel am Blinddarm bei
appendico-peritonitischer Darmparalyse an; in Fällen, wo die Paralyse
noch nicht manifest ist, begnügt man sich mit der Kanalbildung, in-
dem der Darm dann erst im Bedarfsfalle eröffnet wird.
In ähnlicher Weise kann man eine schräge Ileostomiefistel an-
legen, und zwar hier in typischer Weise nach Witzel mit einem
Gummirohr. Je mehr die Gefahr der Kotinfektion des Bauchfells
und der Laparotomiewunde verringert werden kann, um so mehr steigt
die Bedeutung der Enterostomie nicht allein zur temporären Behand-
lung bestimmter Ileusformen, sondern auch zur Vermeidung und Be-
handlung der enterogenen Sepsis. R. Henschen (Tübingen).
13) W. Nootzel. Zur Therapie der Pankreatitis.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 734.)
Unter Mitteilung von neun Fällen von akuter Pankreatitis, je
einem Fall von Pankreascirrhose und subkutaner, stumpfer Verletzung
bespricht Verf. die Operationstechnik und die Indikationen zur opera-
tiven Therapie, wobei er zu folgenden Aufstellungen gelangt:
Die akute Pankreatitis muß prinzipiell chirurgisch behandelt wer-
den mittels einer sobald als möglich auszuführenden Laparotomie und
Tamponade des Pankreasherdes nach Bunge. Dem gewöhnlichen Weg
durch das Lig. gastrocolicum kann man auf besondere Indikation hin
noch eine stumpfe Durchtrennung des Mesokolon hinzufügen. Die
freie Bauchhöhle ist nach Rehn auszuspülen und zu drainieren. Bei
der so rasch und so schonend als möglich auszuführenden Laparotomie
muß die Beschaffenheit der Gallengänge in jedem Falle genau fest-
gestellt werden. Bei gleichzeitig bestehender Cholelithiasis ist, wenn
es der Kräftezustand der Operierten gestattet, der dringendsten durch
den Befund an den Gallenwegen gegebenen Indikation zu genügen,
also event. die Cholecystostomie auszuführen. Gestattet der Allgemein-
zustand dagegen einen Eingriff an den gleichzeitig erkrankten Gallen-
wegen nicht, so soll man nach Heilung der Pankreatitis eine Gallenstein-
operation vorschlagen.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 1027
Bei Operationen wegen längere Zeit bestehender Cholelithiasis
empfiehlt es sich, auch wenn gar keine Symptome von Pankreatitis
bestanden haben, eine sichere Orientierung über den Zustand des
Pankreas durchzuführen.
Trifft man bei einer wegen akuter peritonitischer Symptome ohne
sichere Diagnose ausgeführten Laparotomie keinen positiven Befund
in der Bauchhöhle, so ist gleichfalls zu raten, das Pankreas durch
stumpfe Durchtrennung des Lig. gastrocolicum freizulegen und zu
besichtigen.
Jedenfalls darf eine Pankreatitis erst dann als Ursache einer
peritonitischen Erkrankung ausgeschlossen werden, wenn eine proba-
torische Freilegung des Organes seine Integrität ergeben hat.
Beich (Tübingen).
Kleinere Mitteilungen.
14) E. Kraemer. Die Verwendbarkeit der Konjunktivalreaktion zur
Diagnose chirurgischer Tuberkulose.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVIL p. 581.)
Bei einem Material von 116 chirurgischen Fällen wurde die Konjunktivalreaktion
mit einer 2% igen Alttuberkulinlösung auf ihren diagnostischen Wert nachgeprüft,
Unter der Voraussetzung, daß die Reaktion in keinem Falle mit allgemeiner
Schwäche höheren Grades und auch in keinem Falle mit irgendwelchen Verände-
rungen der Conjunctiva angewendet werden kann, ergab sie in 93% bei sicher
tuberkulösen Fällen ein positives Resultat und in sicher nicht tuberkulösen Fällen
in 97% einen negativen Ausfall.
Unter den genannten Voraussetzungen glaubt daher Verf. den Schluß ziehen
zu können, daß ein positiver Ausfall die Anwesenheit irgend eines tuberkulösen
Herdes im Körper wahrscheinlich, der negative Ausfall sehr unwahrscheinlich
mache. Eine Wiederholung der Reaktion am gleichen Auge hat nur bei gleich-
mäßig negativem Ergebnis eine affirmative diagnostische Bedeutung. Im ganzen
neigt Verf. zur Ansicht, daß die Reaktion in unklaren chirurgischen Fällen unter
Umständen die Diagnose erleichtern kann. Reich (Tübingen).
15) O. Roith. Zur Indikationsstellung für die verschiedenen Anästhe-
sierungsverfahren.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 246.)
Verf. gibt eine Übersicht über die in der Heidelberger Klinik im Laufe eines
Jabres ausgeführten allgemeinen Narkosen (1011), die lumbalen (100) und lokalen
(222) Anästhesien mit ihren Erfolgen und Nachteilen und leitet daraus die zweck-
mäßigste Indikationsstellung für die Art der Schmerzbetäubung ab, wobei als
oberster Grundsatz gilt, den Schmerz ganz auszuschalten und möglichst wenig zu
schaden. Einen großen Teil der Mißerfolge bei den einzelnen Methoden schreibt
Verf. einer schablonenmäßigen Anwendung des einen oder anderen Verfahrens
ohne individuelle Indikationsstellung zu.
Zunächst ist die Allgemeinnarkose, die mit Chloroform, Billroth-Mischung
oder Atherrausch und Athertropfnarkose ausgeführt wurde, immer noch das beste
und allgemein brauchbare Verfahren. Hier wie bei der lokalen und lumbalen
Anästhesie ist es rationell, die Erregbarkeit zuvor durch Sedativa herabzusetzen,
wozu Morphium, am besten mit Atropin oder Skopolamin, sowie besonders auch
Veronal sich eignet.
Diese Kombinationen sind nicht durch die Zufuhr verschiedener Gifte gefähr-
licher, sondern durch quantitative und zeitliche Beschränkung des Verbrauchs an
1028 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34.
Narkotikum ungefährlicher und zugleich für den Pat. angenehmer, dem die Er-
regung vor der Operation und ein großer Teil der postnarkotischen Beschwerden
und Komplikationen erspart wird. Die Allgemeinnarkose ist stets angezeigt bei
Kindern und den meisten Laparotomien.
Für die Lokalanästhesie wird ein immer größeres Anwendungsgebiet angestrebt,
was durch Ausbildung der persönlichen Technik und kombinierte Anwendung der
Sedativa in großem Umfange gelungen ist, so daß Operationen an Kopf und Hals, an
Mamma und Rippen, Probelaparotomien und Gastroenterostomien, Operationen an
Genitalien und Damm, sowie alle Bruchoperationen, soweit nicht zu starke Ver-
wachsungen vorliegen, unter dieser Methode ausgeführt werden. Dem Verf. er-
scheint auch die Kombination von Lokalanästhesie mit Allgemeinnarkose, z. B. zu
größeren Laparotomien, als zweckmäßig.
Demgegenüber erfährt die Lumbalanästhesie, obgleich schwere Unglücksfälle
nicht vorkommen, eine sehr beschränkte Wertschätzung, da sie nicht nur in 52x
der Fälle unbefriedigende Anästhesien ergab, sondern auch recht häufig unan-
genehme Neben- und Nachwirkungen aufwies. Angewandt wurde zur Lumbal-
anästhesie in dem in Betracht gezogenen Zeitraum Atropin und zuletzt Tropakokain.
Es besteht der Grundsatz, nichts in Lumbalanästhesie zu operieren, wozu lokale
Anästhesie ausreicht. Somit verbleiben der Lumbalanästhesie in der Hauptsache
nur verwachsene Hernien und größere Operationen an der unteren Extremität.
Für die Operation des Mastdarmkrebses ist die Methode nicht geeignet.
Reich (Tübingen).
16) J. Bergoniö6. La fulguration (m6öthode de Keating-Hart pour
le traitement du cancer).
(Journ. de méd. de Bordeaux 1908. Ñr. 26.)
In einer lesenswerten Arbeit bespricht B. zunächst die Geschichte und Me-
thode der Fulguration, um dann seine eigenen, mit der Blitzbehandlung gewonnenen
Resultate mitzuteilen. Die Zahl der behandelten Fälle beträgt zebn, darunter neun
Karzinome und ein Spindelzellensarkom; fast ausschließlich handelte es sich um
Pat., die von Chirurgen als inoperal bezeichnet worden waren. Im Hinblick
hierauf müssen die Erfolge B.'s ausgezeichnete genannt werden, wenn auch die
Beobachtungszeit nur in zwei Fällen mehr als 11/, Jahr beträgt. B. konnte die
Angabe Keating-Hart's, daß es nicht notwendig sei, die Geschwulstmassen
radikal mit dem Messer zu entfernen, da die nachfolgende kräftige Fulguration
die zurückgelassenen Geschwulstzellen der Nekrobiose überliefere, voll bestätigen.
Zehn, meist gute ALORE unterstützen die Angaben B.’s in überzeugender
Weise. Boerner (Rastatt).
17) P. Grosse (Leipzig). Ein Fall von Vergiftung nach Gebrauch von
Thiosinamin.
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 17.)
Die Vergiftungserscheinungen, welche in Herzschwäche, Fieber, Anurie, Verfall
der körperlichen und geistigen Kräfte bestanden, traten erst nach der sechsten
Injektion von 2,3 ccm Fibrolysin (= 0,2 Thiosinamin) auf und gingen nur ganz
allmählich zurück. : Kramer (Glogau).
18) A. Fells. Remarks on cancer of the mouth in southern India
with an analysis of 209 operations.
(Brit. med. journ. 1908. Juni 6.)
Unter den poliklinischen Kranken des London Missionary Society's Hospital
zu Neyoor in Südindien fanden sich im Laufe von 2 Jahren 399 Fälle von bös-
artigen Neubildungen, unter diesen 377 Krebse. Davon entfielen auf die Mund-
höhle 92% und nur 8% auf die übrigen Organe. Fast immer beginnt das Mund-
höhlencancroid in der Wangenschleimhaut gegenüber den unteren Molaren. Diese
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 1029
Vorliebe für die Mundhöhlenschleimhaut erklärt sich aus der allgemein verbreiteten
Sitte, eine Mischung von Betelnüssen, Betelblättern, Tabak und gelöschtem Kalk
zu kauen. Genau da, wo die Kaumasse der Wange anliegt, beginnt das Geschwür.
Von den 209 Operierten starben nur 6 am Eingriff selbst; Dauerergebnisse lassen
sich bei der Art der Bevölkerung nicht feststellen. Die Arbeit ist eine Stütze
für die Lehre von der Reiztheorie bei Entstehung bösartiger Geschwülste.
Weber (Dresden).
19) J. W. Cousins. A case of compound follicular odontoma.
(Brit. med. journ. 1908. Juni 6.)
An der Hand eines von ihm operierten Falles gibt C. eine Beschreibung der
am Menschen seltenen Geschwulstform des Odontoma. In seinem Fall entfernte er
innerhalb 6 Jahren durch drei Operationen über 100 Dentikel und erreichte Dauer-
heilung. Das Odontoma entwickelt sich geschwulstartig aus dem Ganzen oder aus
Teilen eines Zahnkeimes. Ein zusammengesetztes Odontom entsteht durch eine sehr
frühzeitig einsetzende Entartung eines ganzen molaren Zahnkeimes, die schließlich
einer knochenharten Masse entspricht mit kleinen Stückchen aus Zahngewebe und
Knochen als Inhalt. Die Diagnose, die oft erst nach Probeeinschnitt möglich ist,
kann sehr wichtig sein, weil zur Heilung einer solchen knochenharten Geschwulst
am Kiefer die Resektion unnötig ist. Spaltung und Ausräumung genügt.
Weber (Dresden).
20) K. Fritsch. Zur Kenntnis des Adamantinoma solidum et cysticum
des Unterkiefers.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 193.)
Die aus der Küttner’schen Klinik stammende Beobachtung betrifft eine
Pat. mit einer großen, nach dem Röntgenbefund mehrfach cystischen Geschwulst
der einen Unterkieferhälfte, bei der durch halbseitige Unterkieferexstirpation mit
Einfügung einer Immediatprothese Heilung und ein gutes funktionelles Resultat
erreicht wurde.
Die zentrale Unterkiefergeschwulst zeigte auf dem Durchschnitt größere
und kleinere Cysten mit serösem Inhalt und einem Zahn. Mikroskopisch fanden
sich in einem kernarmen Bindegewebe Epithelzellenstränge, deren Rand von Zylin-
derzellen, deren Zentrum von netzartigem Gewebe gebildet wurde.
Wie Brennecke nimmt Verf. an, daß die Geschwulst von paradentären
Schmelzresten ausging und ein Ademantinom darstellt, in welchem teils die
Cystenbildung, teils das Vorkommen solider Geschwulstmassen überwiegt. Dem-
entsprechend ist zwischen soliden und cystischen Adamantinomen zu unterscheiden.
Reich (Tübingen).
21) F. T. Paul. Three years’ experience of Butlin’s operation for
cancer of the tongue.
(Brit. med. journ. 1908. Juni 6.)
Die Arbeit ist eine starke Empfehlung der von P. nach Butlin benannten
Exzision der primären Geschwulst an Zunge, Gaumen, Mundboden, Wangen,
Lippen, Rachen mit nachfolgender Ausräumung der beiden vorderen Halsdreiecke.
Unter 35 Fällen dieser Operation waren zwei Todesfälle an Sepsis, 17 Dauer-
heilungen und 5 Rückfälle. Die übrigen Pat. waren an anderen Krankheiten ge-
storben oder nicht aufzufinden. Weber (Dresden).
22) Makkas. Ein neues Instrument zur ösophagoskopischen Extrak-
tion verschluckter Gebisse.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 41.)
Die Anwendung ösophagoskopischer Fremdkörperextraktion erführt eine ge-
wisse Einschränkung durch jene Fälle, bei welchen, wie in drei eigenen Beob-
1030 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34.
achtungen aus der Garr&’scen Klinik und neun fremden Fällen, die Extraktion
mit Hilfe des Ösophagoskops unmöglich ist.
Der nächstliegende Versuch, in solchen Fällen den eingekeilten Fremdkörper
zu zerkleinern, hat mehrere Methoden und Instrumente entstehen lassen, gilt aber
mit Recht als gefährlich und technisch sehr schwierig. So ist beispielsweise die
galvanokaustische Zerstückelung nach Kilian nur diesem selbst einmal gelungen.
Verf. hat nun nach dem Typus der Beißzangen ein Instrument konstruiert,
das nach Versuchen nicht nur Gebißplatten, sondern auch Knochen zerschneidet.
Allerdings läßt es sich bei seiner Kürze nur im Hals- und obersten Brustteil an-
wenden und gestattet bei seiner Dicke nicht die Kontrolle des Auges.
Das Instrument ist zu beziehen von F. A. Eschbaum in Bonn.
Reich (Tübingen).
23) E. Bergest. Über Thoraxresektion bei großen, veralteten Empy-
emen.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 373.)
Die sehr umfangreiche Arbeit bespricht zur Einleitung die 9%) Empyemer-
krankungen, die in den letzten 15 Jahren in der II. chirurgischen Abteilung (Dr.
Sick) des Hamburg-Eppendorfer Krankenhauses zur Beobachtung und Operation
kamen. Unter den % Fällen befanden sich 21 veraltete Empyeme, von denen
11 metapneumonisch, 4 tuberkulös, 4 idiopathisch und 1 posttraumatisch waren
und 19 Männer, 2 Weiber betrafen.
Die an diesem Material gemachten Erfahrungen gehen dahin, daß in den
weitaus meisten Fällen alte Empyeme und Empyemfisteln nur durch die Schede’sche
Thoraxresektion zur Ausheilung gebracht werden können. Die Resektion muß in
möglichst großem Umfange gemacht werden, um den Erfolg zu sichern, da mehrere
kleine Eingriffe nur die Heilungsdauer verlängern. Doch macht es die Größe des
erforderlichen Eingriffes und der Zustand der Pat. meist nötig, die Radikalopera-
tion mehrzeitig auszuführen; 8mal wurde in 2, 5mal in 3 und je 2mal in 4 und
5 Sitzungen operiert. Als Kontraindikation ist nur sehr schlechter Allgemeinzustand
oder fortgeschrittene Amyloiddegeneration anzusehen. Veraltete, ausgedehnte tuber-
kulöse Empyeme sollten ebenfalls operiert werden, wenn der Zustand der anderen
Lunge und des Allgemeinbefindens es zuläßt. Bei Kindern soll die Thoraxresektion
möglichst bald vorgenommen werden, da vollständige Regeneration der knöchernen
Teile zu erwarten ist.
Die Kombination der Schede’schen Thoraxresektion mit der Delorme’'schen
Dekortikation ist in jedem Falle, wo die Pleura pulmonalis schwartig verdickt ist,
zu versuchen und in günstigen Fällen auszuführen. Neun diesbezügliche Erfahrungen
ließen es zweckmäßig erscheinen, zuerst an einem kleinen Fenster in der Schwarte
die Probe auf die Ausdehnungsfähigkeit der Lunge zu machen, bevor man den
Pat. dem zwar sehr rationellen, aber auch sehr eingreifenden Verfahren unterwirft.
Unter Umständen genügt schon eine Umschneidung der Schwarte an der Grenze
der Höhle. Vor Inangriffnahme der Operation ist eine möglichst genaue Orientierung
über die intrathorakischen Verhältnisse unter Zuhilfenahme aller zur Verfügung
stehenden Untersuchungsmethoden unbedingt erforderlich.
Der Sche de’sche U-Schnitt hat sich vor allen anderen Modifikationen bewährt.
Großer Wert ist auf die Narkose zu legen, zu der man nicht reinen Ather ver-
wenden soll und für die ‚sich neuerdings der Roth-Dräger’sche Apparat als sehr
brauchbar erwiesen hat.
Die unmittelbaren Heilungsresultate stellen sich folgendermaßen dar:
Vollständig geheilt 13
Mit Fistel entlassen 4
Gestorben 4.
Die mit Fistel Entlassenen wurden laut Mitteilung später noch geheilt, so daß
17 Heilungen 4 Todesfällen gegenüber stehen (81:19). Speziell auf die 7 tuber-
kulösen Empyeme kommen 29% Todesfälle und 71% Heilungen.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 1031
Verf. führt sodann die Statistik von Vosswinkel weiter und bespricht
135 Fälle von operierten veralteten Empyemen. Endausgang war: 56,5 % geheilt.
18,8% gebessert, 1,5% ungeheilt, 23,2% gestorben. Die tuberkulösen Empyeme
für sich ergaben eine Mortalität von 43% und Heilung in 57%. Weitaus die
meisten Fälle (90) wurden nach dem Schede’schen Verfahren operiert, das sich
somit als das am meisten verbreitete und zugleich erfolgreichste erwies.
Zum Schluß beschreibt Verf. eine Reihe von interessanten Querschnitten des
Thorax bei serösem und eitrigem Erguß und nach ausgedehnten Rippenresektionen,
welche vor allem die Schrumpfungs- und Verdrängungserscheinungen zur An-
schauung bringen. Reich (Tübingen).
24) A. Hoffmann. Beitrag zur Brustwandresektion mit Plastik auf
die freigelegte Lunge.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 182.)
Küttner hat in zwei Fällen wegen Rippenchondrom und einer nach Mamma-
exstirpation aufgetretenen krebsverdächtigen Infiltration eine ausgedehnte Resektion
der Brustwand in der Sauerbruch’schen Kammer vorgenommen und die Defekte
durch Hautweichteillappen aus der nächsten Umgebung gedeckt, die auf die freie
Lungenoberfläche gelegt wurden. Außer der möglichst dicht gelegten Hautnaht
wurden im ersten Falle die Muskelstümpfe zum Teil durch Naht vereinigt, im zweiten
Falle die Pleura parietalis an die extrakostale Muskulatur befestigt. Beide Pat.
kamen, nachdem im ersten Falle eine leichte entzündliche Reaktion der Pleura
mit nachfolgender spontaner Lösung der Verwachsungen zwischen Lungen und
Lappen, im zweiten Fall eine exsudative Pleuritis abgelaufen war, zur Heilung.
Beich (Tübingen).
25) v. Saar. Ein sehr junger maligner Mammatumor.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 231.)
Bei einer 48jährigen Frau, jenseits des Klimakteriums, die nie geboren hatte,
` fanden sich in der Mamma Involutionsveränderungen, Cystenbildung und eine
Geschwulst, die wegen ihres Eindringens in fremdes Gewebe (Fettgewebe und
Eindoneurium), sowie wegen ihrer morphologischen Eigenschaften als Karzinom
bezeichnet werden mußte, und deren Begrenzung nach dem normalen Parenchym
eine unscharfe war. Eigentümlich im histologischen Bilde war eine mächtige
Wucherung des elastischen Gewebes im Bereich des Karzinoms, die stellenweise
bis zum Untergang der epithelislen Gebilde führte und mehrfach Regenerations-
erscheinungen aufwies. Durch diesen Antagonismus zwischen epithelialer Neu-
bildung und Hypertrophie der elastischen Elemente kann demnach in beschränktem
Maße eine spontane Heilung bösartiger Prozesse an einzelnen Stellen angestrebt
werden. Der Arbeit sind Mikrophotogramme nach Lumière beigegeben.
Reich (Tübingen).
26) Crone. Fall von Bauchverletzung mit Darmvorfall.
(Deutsche militärärztl. Zeitschrift 1908. Hft. 10.)
Ein Kanonier erhielt mit einem großen Taschenmesser einen Stich in den
Leib, die vorgefallenen Därme wurden, da sich der Vorgang auf der Landstraße
abgespielt hatte und nur Verbandpäckchen zur Verfügung standen, mit einigen
Sublimatmullkompressen und darüber Watte bedeckt, und der Mann mittels Fahr-
bahre ins Lazarett gebracht. Der Transport dauerte etwa nur 1/4 Stunde. Im
Lazarett wurde am Dünndarm eine 1,5 cm lange, am Dickdarm zwei 1,5 bzw.
2,5 cm lange Wunden vernäht. Der vorgefallene Darm, und zwar etwa 1—1,5 m
Dünndarm und 40 cm Dickdarm, wurde dann reponiert und die Bauchhöhle schicht-
weise geschlossen bis auf eine für einen Gazestreifen bestimmte Öffnung im unteren
Wundwinkel. Ohne daß peritonitische Reizerscheinungen eintraten, heilte die Wunde
innerhalb 2 Monaten aus. Der Mann wurde später wegen geringfügiger Unterleibs-
beschwerden dienstunfähig. Herhold (Brandenburg).
1032 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 84.
27) G. Lerda. Sulle rotture sottecutanee dell’ intestino.
(Arch. internat. de chirurgie Vol. IV. Fasc. 1.)
Unter den vier klinischen Beobachtungen des Verf.s ist wegen des verhältnis-
mäßig unbedeutenden Traumas die Krankengeschichte des dritten Falles erwähnens-
wert. 54jähriger Mann, der einen kleinen, rechtsseitigen, durch ein Bruchband
nicht geschützten Leistenbruch hat, fällt, während er beide Hände in den Taschen
trägt, auf den Bauch. Trotz sofortiger heftiger Schmerzen im Leib arbeitet er
noch 1 Stunde weiter. 12 Stunden später Laparotomie. Etwa 1 m oberhalb der
Bauhin’schen Klappe findet sich eine Platzruptur des Dünndarmes. Das Loch
nimmt 2/3 des Umfanges der Darmschlinge ein und korrespondiert nach seiner
Lage mit dem Eingange zum Bruchsacke. Verschluß durch doppelte Lembertnaht.
Tod an Peritonitis nach 8 Stunden.
Auf Grund seiner klinischen Beobachtungen und auf Grund von Experimenten,
die teils an Tieren, teils an Leichen ausgeführt wurden, kommt L. zu dem Schluß,
daß eine umschriebene Gewalteinwirkung, die den Bauch trifft, sowohl eine Hernie
wie eine Platzruptur des Dünndarmes erzeugen kann. Eine durch ein Trauma
getroffene Darmschlinge platzt dann, wenn die Vermehrung des intraintestinalen
Druckes durch den Gegendruck der Nachbarorgane ausgeglichen wird. Das ist
der Fall, wenn Lücken in der Bauchwand — z. B. Bruchpforten — vorhanden
sind. Charakteristisch für diese Entstehungsart ist das Fehlen von Ekchymosen und
Zerreißungen des Peritoneum parietale. Außerdem spielen bei der Entstehung
einer Platzruptur des Darmes die verschiedene Füllung und wechselnde Beweglich-
keit der einzelnen Darmabschnitte, sowie der Spannungsgrad der Bauchwand eine
Rolle.
Die klinischen Zeichen der Darmverletzung sind manchmal unsicher. Die
Reizung des Bauchfells ist um so stärker, je weiter abwärts die Zerreißung loka-
lisiert ist. Pulsveränderung, Schmerzhaftigkeit und Härte des Leibes können
anfangs fehlen. Die Prognose ist um so günstiger, je früher eingegriffen wird.
Bevenstorf (Hamburg).
28) Dubujaboux. Perforation intestinale au 9 jour d’une typhoide.
Dilatation aigue postop@ratoire de l’estomac et de l’intestin.
(Arch. de méd. et de pharm. militaires 1908. April.)
Ein wegen Typhus ins Lazarett aufgenommener Soldat bekam am 9. Krank-
heitstag einen heftigen Schmerz in der rechten Bauchhälfte, die Temperatur stieg,
und Erbrechen trat ein. Bei der Laparotomie wurde 35 cm oberhalb der Bauhin-
schen Klappe eine Perforation im aufsteigenden Kolon angetroffen, die vernäht
wurde. Auswaschen der Bauchhöhle mit heißer Kochsalzlösung und Drainage der-
selben. Nach der Operation wurde andauerndes Erbrechen und Stuhlverhaltung
beobachtet; 15 Tage hindurch wurden Magenausspülungen gemacht und Klistiere
verabfolgt; während der ganzen Zeit wurde der Körper nur durch künstliches
Serum (subkutan) ernährt. Der Kranke kam mit dem Leben davon.
Verf. weist darauf hin, daß bei eingetretener Perforation so schnell als mög-
lich operiert werden muß; aber auch die Fälle, welche erst relativ spät in Be-
handlung kommen (24 Stunden), sollen noch operiert werden. Verf. verfügt über
sechs Fälle einschließlich des eben geschilderten, welche in französischen Laza-
retten operiert wurden; zwei wurden geheilt, vier starben.
Herhold (Brandenburg).
29) A. Smith. Primary pneumococcic peritonitis.
(Brit. med. journ. 1908. Mai 30.)
Bericht über zwei Fälle, Mädchen von 8 und 4 Jahren, die unter undeutlichen
Zeichen einer Pneumonie erkrankten, gleichzeitig mit schweren peritonealen Er-
scheinungen. Nach einer wenig ausgeprägten Krise gingen die abdominalen Sym-
ptome weiter. Beide Pat. wurden nach Entleerung großer Mengen Eiters geheilt.
Der Eiter enthielt Pneumokokken in Reinkultur. Die Fälle, gelten S. als eine
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 1033
Bestätigung für die Lehre von der Infektion des Bauchfelles auf dem Blut- bzw.
Lymphwege. Weber (Dresden).
30) H. L. Barnard. An address on surgical aspects of subphrenic
abscess.
(Brit. med. journ. 1908. Februar 22.)
B. berichtet aus dem’ London Hospital über Studien und Erfahrungen an
76 Fällen von subphrenischem Abszeß, im Laufe von 8 Jahren beobachtet, in einer
sehr lesenswerten, ausführlichen Arbeit. Aus dem Inhalt, der sich zu einem Ge-
samtreferat nicht eignet, sei folgendes hervorgehoben. Die Anatomie, Pathologie
und Symptomatologie wird eingehend besprochen mit manchen neuen Gesichts-
punkten. Unter den Ursachen zur Abszeßbildung in den 76 Fällen steht obenan
das Ulcus ventriculi und duodeni 26 mal, die Appendicitis 12 mal, vereiterte Echino-
kokkencysten 8mal und tropische Leberabszesse 6mal; alle übrigen Ursachen treten
mit ein bis drei Vertretern ganz zurück.
Die Probepunktion ist nur erlaubt, wenn alles zur nachfolgenden Operation
bereit ist. In diesem Fall ist sie aber auch das einzig sichere Mittel, den Eiter
aufzusuchen und verdient — auf dem Operationstisch! — ausgedehnte Anwendung.
Die Operationsmethoden teilt B. ein in »vordere« und >»hintere«, in thorakale und
abdominale, die thorakalen wieder in vordere, hintere, in transpleurale, subpleurale;
die abdominalen in mediane, hypochondrale, lumbale.. Wenn irgend möglich, soll
man den »hinteren« Methoden den Vorzug geben wegen der besseren Abflußbe-
dingungen. Sie gaben in 26 Fällen 27 x; die 43 »vorderen« 39,5% Sterblichkeit.
Im ganzen stellte sich die Sterblichkeit bei 76 Fällen auf 474%. Alle
12 Nichtoperierten starben! Von 64 Pat. mit 73 Operationen starben 24 = 37,5 x.
B.'s Untersuchung an den 36 Todesfällen ergab Unvermeidbarkeit des tödlichen
Ausganges 12mal, Vermeidbarkeit 24mal. In der Hälfte der vermeidbaren Todes-
fälle war die Krankheit überhaupt nicht erkannt worden, in der anderen Hälfte
fehlte es an genügender Einzelkenntnis über Ort und Art des Abzesses während
der Planung und Ausführung der Operation. Weber (Dresden).
31) Mollard-Chattot. Évacuation spontanée de lascite par l’ombilic.
(Lyon méd. 1908. Nr. 22.)
Mitteilung von zwei Fällen von Lebercirrhose, in denen der reichliche Ascites
zu einer Perforation des Nabels führte, obwohl die seröse Flüssigkeit mehrfach
durch Punktion entleert worden war. In dem einen Fall wurde die Fistelbildung
durch Gangrän des Nabels vorbereitet, in dem anderen wurde die stark verdünnte
Haut beim Aufstehen plötzlich durchbrochen, ohne daß entzündliche Erscheinungen
eine Rolle gespielt hätten. In beiden Fällen trat nach 6 bzw. 7 Tagen der Tod
durch Erschöpfung ein. Besprechung der französischen Litteratur.
Boerner (Rastatt).
32) Martini e Pietro. Sopra un interessantissimo caso di ascite filante
prodotta da tumore peritoneale.
(Giorn. della R. Accad. di med. di Torino 1908. Nr. 3—5.)
Ein 36jähriger Mann war wegen Ascites und wiederholter Pleursexsudationen
4 Jahre lang in Beobachtung und Behandlung. Wiederholte Punktionen hatten
fadenziehende Flüssigkeit ergeben und waren von zeitweiser Besserung gefolgt, so
daß eine tuberkulöse Polyserositis angenommen wurde. Die Laparotomie ergab
eine miliare Karzinomatose des parietalen und viszeralen Bauchfells, die durch
eingehende mikroskopische Untersuchung exstirpierter Knoten sichergestellt wurde.
Nach der Laparotomie und Entleerung des Exsudates verschwanden alle Sym-
ptome, so daß Verff. eine bereits 1 Jahr andauernde Heilung der so gutartig ver-
laufenen Karzinomatose annehmen. Strauss (Nürnberg).
1034 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34.
33) Wakefleld. Oxyuris vermicularis found in the vermiform appendix.
(Journ. amer. med. assoc. Bd. L. p. 23.)
Der Fall wird wegen der Seltenheit des Befundes mitgeteilt. Es lagen am
Ende des sonst wenig veränderten Wurmfortsatzes 5 bis 6 Oxyuren zusammen und
hatten etwa 1, der Dicke der Wandung durchbohrt. W. hält die Perforation der
Appendix durch sie für wahrscheinlich. Ref. konnte kürzlich bei einem von anderer
Seite operativ entfernten Wurmfortsatz gleichen Befund beobachten. Auch bier
zeigte die Appendix nur sehr wenig Veränderung. Die Würmer, sechs an der Zahl,
lagen in der Mitte und hatten sich anscheinend in die Schleimhaut eingebohrt.
Trapp (Bückeburg).
34) E. Hoke. Ein Fall von Perityphlitis typhosa. (Aus der medizi-
nischen Universitätsklinik in Prag. Prof. R. v. Jaksch.)
"Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 26.)
Die betreffende Pat., eine Krankenpflegerin, bot im Verlaufe eines wohl durch
Kontaktinfektion erworbenen Darmtyphus typische Erscheinungen einer Appen-
dicitis, die mit dem Typhus verschwanden, um später wieder zu rezidivieren und
dadurch die Appendektomie zu veranlassen. Die Kranke hatte 3 Wochen vorher
kurze Zeit auch an einer Angina gelitten, so daß diese gleichfalls als ätiologisches
Moment in Betracht kam. Kramer Glogau).
35) Gebele. Zur Prognose und Behandlung der Peri- und Para-
appendicitis.
(Deutsche med. Wochenschrift 1908. Nr. 21.)
Jede peri- und paraappendicitische Geschwulst, die sich nicht innerhalb des
Intermediärstadiums ganz oder fast ganz zurückbildet, ist gewöhnlich eitriger und
deshalb zweifelhatter Natur. Sie wird am besten am Ende des Intermediär- bzw.
am Anfang des Spätstadiums operiert. Es wurden in der Münchener Klinik
87 Geschwülste im Spätstadium operiert mit 4,6% Mortalität. In der Regel wird
radikal vorgegangen und der Wurmfortsatz entfernt, wenn er ohne besondere
Schwierigkeiten zu erreichen ist. Sonst wird er sekundär exstirpiert.)
Borchard (Posen).
36) Gebele. Zur Kasuistik der Entzündung des Meckel’schen Diver-
tikels. (Aus der chirurgischen Klinik München. Prof. v. Angerer.)
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 23.)
Fall von diffuser eitriger Peritonitis infolge Perforation des entzündeten
Meckel’schen Divertikels bei gleichzeitig vorhandener chronischer Appendicitis
und im Anschluß daran Auftreten von Volvulus des Dünndarmes um eine fixierte
Ileumschlinge. Bei der Operation wurde das Divertikel exstirpiert, ebenso der
Wurmfortsatz entfernt. Der makro- und mikroskopische Befund an ersterem ist
genau beschrieben. Heilung. Kramer (Glogau).
37) N. W. Kopylow. Uber inkarzerierte Hernien.
(Russ. Archiv für Chirurgie 1907. [Russisch.')
Von 75 Fällen verlor K. 42%. Diese Zahl ist ihm ein Ausdruck für die
traurigen, rückständigen Verkehrsverhältnisse Rußlands; mußten doch manche Pat.
auf elenden Wegen bis zu 100 Werst weit gefahren werden, um den Arzt zu er-
reichen. Bei sechs Kranken bestand die Einklemmung über 10 Tage! Ein Pat.
mit einem 1 Monat eingeklemmten Netzbruch kam durch; bei den übrigen bildete
gangränöser Darm den Bruchinhalt (12 Tage — geheilt; 16, 13, 11, 13 Tage — tot;.
In 50 Fällen war der Bruchinhalt reponibel. Von ihnen endeten 11—22%
tödlich, während von den 25 Kranken mit gangränösem Inkarzeratum 20—80%
starben.
In einem Falle lagerte K. die verdächtige Schlinge nach außen, reponierte sie,
als ihr Aussehen nach 24 Stunden normal war, in die Bauchhöhle und tamponierte.
Pat. ging an Peritonitis zugrunde. V. E. Mertens (Kiel).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 1035
38) R. Levy. Uber kongenitale Bauchmuskeldefekte und Hernia
ventralis incarcerata.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 201.)
Verf. beschreibt aus der Küttner'schen Klinik einen rechts sehr hochgradig,
links weniger ausgebildeten Bauchbruch bei einem 70 Jahre alten Manne, bei dem
außerdem ein doppelseitiger Leistenbruch und Hochstand beider Hoden zu kon-
statieren waren. Der Bauchbruch war vom Pat. im 18. Jahre erstmals beobachtet
worden und hatte sich mit dem Alter erheblich vergrößert, aber den Träger bis
zuletzt in seinem Beruf als Maurer nicht wesentlich belästigt. Einklemmungs-
erscheinungen, die früher schon öfter vorgekommen waren, zwangen den Pat. die
Klinik aufzusuchen, wo die Reposition leicht gelang.
Die Brüche saßen im Bereich des Musc. obliquus enternus und beruhten auf
einem Defekt der Recti unterhalb des Nabels, der oberen Hälften der Obliqui ex-
terni und vielleicht von Teilen des Obliquus internus und transversus. Auf der
Seite der geringeren Vorwölbung fühlte man deutlich einen Bruchspalt, in dem
Darmschlingen eingeklemmt waren.
Bezüglich der Atiologie glaubt Verf. eine stationär gewordene progressive
Muskelatrophie und spinale wie periphere Lähmungen ausschließen zu können,
so daß zur Erklärung nur die Annahme angeborener Bauchmuskeldefekte übrig
bleibt, deren intra-uterine Genese allerdings noch völlig dunkel ist.
Beich (Tübingen).
39) Lindenstein. Zur Lehre von der Hernia epigastrica.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 293.)
Im Nürnberger Krankenhause kamen in den letzten 5 Jahren 13 Hernien der
Lines alba zur Beobachtung, während im gleichen Zeitraum insgesamt 13634 Pat.
aufgenommen und 850 Hernien überzeugt operiert wurden. Frauen und Kinder
sind selten betroffen, dagegen meist Männer im kräftigen Alter, die der arbeitenden
Klasse angehören.
Aus der Anatomie der Linea alba erklärt es sich unschwer, daß die Brüche meist
oberhalb des Nabels, am häufigsten dicht über dem Nabel und genau in der Mittel-
linie sitzen und die Lücke eine rhombische Gestalt hat. Die eigentlichen Hernien
enthalten meist Netz und sind klinisch von den properitonealen Lipomen, auf
deren Grundlage sie auch häufig entstehen, nicht zu unterscheiden. Die epigastri-
schen Hernien entstehen weder durch Trauma noch infolge rascher Abmagerung,
sondern auf Grundlage einer angeborenen Schwäche der Bauchwand und der Fascie,
weshalb sie auch häufig mit anderen Hernien (unter 13 Fällen ö5mal) kombiniert sind.
Sie können jahrelang bestehen, ohne Beschwerden zu machen. Treten sie in
Erscheinung, so tun sie es entweder plötzlich unter Einklemmungserscheinungen,
oder, was viel häufiger ist, unter allmählicher Steigerung der Symptome. Letztere
gleichen denen bei allen möglichen Magen-Darmerkrankungen und werden recht
häufig mißdeutet. Charakteristisch ist, daß die Intensität der Schmerzanfälle mit
dem Lagewechsel sich ändert.
Die operative Therapie ist eine.überaus dankbare und in allen Fällen angezeigt,
wo Beschwerden bestehen. Während man früher sich meist mit einer einfachen
Schichtnaht der Bauchdecken wie bei medianen Laparotomien begnügte, wendet
Verf. neuerdings die Graser’sche Methode mit Hautfascienquerschnitt und Muskel-
plastik aus dem Rectus an.
In zehn von zwölf nachuntersuchten Fällen waren die Operierten rezidiv- und
beschwerdenfrei geblieben, zwei Pat. hatten Rezidive der Hernie, aber ohne Be-
schwerden. Reich (Tübingen).
40) Cranwell (Buenos-Ayres). Diagnostic et traitement de la hernie
diaphragmatique (forme chronique).
(Revue de chir. XXVII. année. Nr. 1.)
C. beobachtete einen falschen traumatischen Zwerchfellbruch bei einem 24jährigen
Italiener, der einen Dolchstich in den achten linken Interkostalraum in der vorderen
1036 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34.
Achsellinie erhalten hatte. Die Verbreiterung der linken Brustkorbseite an der
Basis, ihre geringere Beteiligung an der Atmung, Darmgeräusche daselbst und
tympanitischer Schall, der sich bei tiefer. Inspiration weiter nach oben ausbreitete,
zugleich heftiger Schmerz, der das Gesicht zum Risus sardonicus verzerrte, und
die Empfindung des Kranken, als ob die Baucheingeweide in die Höhe gezogen
würden, endlich die Verlagerung des Herzens nach rechts stellten die Diagnose
sicher. Auf dem Röntgenschirm sah man zudem einen dunklen Schatten von 3 cm
Breite und 10 cm Länge im unteren vorderen Teil der linken Brusthöhle.
Bei der Operation, die transpleural unter Bildung eines breiten, oben gestielten
Brustwandlappens mit Resektion von je 12cm der achten und neunten Rippe aus-
geführt wurde, fand sich das Querkolon mit dem großen Netz in der Brusthöhle.
Letzteres war an den Rändern des Zwerchfellspaltes und unter dem Herzbeutel
angewachsen, so daß die Reposition erst nach seiner Resektion gelang. Die sorg-
fältige Naht der Zwerchfellücke und der vollständige Verschluß der Brustfell- und
Hautwunde führten zu reaktionsloser Dauerheilung.
Den Weg durch die Pleura hält Verf. in allen Fällen (frischen, chronischen
und eingeklemmten) für den weitaus besten, weil er die genaueste Untersuchung
und Versorgung der in die Brusthöhle vorgefallenen Eingeweide und die bequemste
Zugänglichkeit zum Zwerchfell gewährt. Zudem läßt sich bei den nötigen Ein-
griffen am Zwerchfell der operative Pneumothorax auch auf dem Bauchwege nicht
vermeiden und ist wenigstens bei chronischen Hernien wegen eingetretener Ver-
wachsungen, die den weiteren Kollaps der bereits komprimierten Lunge verhindern,
nicht zu fürchten. Gutzeit (Neidenburg).
41) B. Dawson. An address on the diagnosis and operative treatment
of diseases of the stomach.
(Brit. med. journ. 1908. Mai 9.)
D. entwickelt als Interner seine Ansichten über Magenoperationen. Das Leben
nur verlängert zu haben, ist an sich noch kein Maßstab für die Berechtigung einer
Operation, z. B. einer Gastrostomie bei bösartiger Stenose. Das verlängerte Leben
muß auch unter bessere Bedingungen gebracht worden sein, wenn der Eingriff
berechtigt sein soll. So ist die Gastrostomie bei bösartiger Stenose nur berechtigt
bei unstillbarem Durst infolge der Verengerung; solche Fälle von Unfähigkeit auch
nur Wasser zu schlucken sind aber selten. Unter 34 Fällen gab der Durst nur einmal
Anzeige zur Operation.
Die Gastroenterostomie ist beim Karzinom nur berechtigt bei Pylorusstenose,
und auch hier nur dann, wenn die Magenwandung noch genügend motorische
Kraft hat. In allen anderen Fällen von Magenkrebs, auch nach gemachter Probe-
laparotomie, ist die Gastroenterostomie unberechtigt.
Die beim Geschwür, das unter genügend lange fortgesetzter innerer Behandlung
nicht beschwerdefrei wird, so segensreiche Gastroenterostomie wirkt dadurch, daß
die Fistel ein Notauslaß ist bei Krampfzuständen des Pylorus, bei Überfüllung des
Magens, und daß durch den Rückfluß von Galle und Pankreassaft die Azidität
herabgesetzt wird. Die Fistel wirkt — soviel steht heute fest — nicht einfach
drainierend, sondern nur als Austreibungsort für die motorischen Kräfte des
Magens, wenn der Pylorus dauernd oder zeitweise verlegt ist. Darum läßt sie
im Stich bei der einfachen Atonie und Erweiterung des Magens.
Die Nachuntersuchung von 60 Fällen von Gastroenterostomie bei Geschwür
hatte befriedigende Ergebnisse, zuweilen völlige Beschwerdefreiheit, meist sehr
wesentliche Besserung, selten gar keine Beeinflussung.
D. ist ein unbedingter Gegner jeder Operation bei akuten Blutungen, ebenso
bei der Erweiterung ohne Stenose. Denn bei letzterer bedarf die Fistelbildung
genau so gut wie der Weg durch den Pylorus der in solchen Fällen eben fehlenden
motorischen Kraft. Auch die Alkalisierung des Mageninhalts von der Fistel aus
kann nichts nützen, da eine Hyperazidität nur sehr selten besteht.
Weber (Dresden).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 1037
42) Jonnesco et Grossman. Contribution à l’etude de la linite
plastique.
(Revue de chir. XXVIII. année. Nr. 1.)
In dem von den Verff. beobachteten Falle des in seiner Ätiologie noch strittigen
Leidens handelte es sich um totale Sklerose des Magens bei einem 42jährigen
Manne. Die Magenwand war bis zu 1,8 cm dick und knirschte beim Schneiden.
Das ganze Organ war nur 15 cm lang, 41/, cm breit und 3—5 cm dick und faßte
knapp 40 ccm; der Pylorus war gänzlich unwegsam. Die Gastrostomie blieb deshalb
ohne Nutzen, erst die Jejunostomie machte eine regelmäßige Ernährung möglich,
doch war der Kranke so schwach, daß er den Verschluß des künstlichen Magen-
mundes, der wegen Andauung der umgebenden Haut erforderlich wurde, nur noch
2 Tage überlebte. Die Verff. bemerken selbst, daß nur die Totalexstirpation des
Magens mit Kardiojejuno- oder -duodenostomie zweckmäßig gewesen wäre.
Die Hauptveränderungen fanden sich in der Submucosa und bestanden in einer
chronischen diffusen Entzündung des Bindegewebes mit Vermehrung der elastischen
Fasern, welche die glatten Muskelzellen vielfach erdrückten. Sekundär war noch
eine Streptokokkeninfektion hinzugetreten, die auch die benachbarten Lymphknoten
ergriffen hatte. Das Bauchfell war unbeteiligt, von einer Geschwulstbildung nichts
zu finden. € Gutzeit (Neidenburg).
43) B. G. A. Moynihan. An address on gastro-enterostomie and
after.
(Brit. med. journ. 1908. Mai 9.) 5
Der sehr erfahrene Chirurg aus Leeds gibt hier eine wertvolle Übersicht über
die Dauererfolge in 255 Fällen von Gastroenterostomie. Die erste Gruppe — Ge-
schwürsperforation — enthält unter 9 Fällen 2 Todesfälle, die zweite — akute
Blutung — unter 26 Fällen 3 Todesfälle, die dritte — chronisches Geschwür —
unter 205 Fällen 2 Todesfälle, die vierte — Sanduhrmagen — unter 15 Fällen
3 Todesfälle, im ganzen also 3,5% Sterblichkeit. Die Nachuntersuchung über den
augenblicklichen Zustand bei 231 Operierten ergibt Heilung in 198 Fällen, Besse-
rung in 8, keine Besserung in 12, zweifelhafte Beurteilung in 9 und keinen neue-
sten Bericht in 4 Fällen.
M. faßt die Schlüsse aus seiner umfangreichen Arbeit selbst in folgende Worte:
Die Gastroenterostomie wirkt am besten bei einem mechanischen Hindernis für
den Durchgang von Mageninhalt. Ist der Pylorus frei, so bleibt die neue Fistel
als Austrittsstelle unbenutzt, wahrscheinlich weil sie bei der motorischen Tätigkeit
des Magens so gestreckt wird, daß ihre Lichtung praktisch verschwindet. Ein Ge-
schwür an der kleinen Kurvatur in der Nähe der Cardia soll, wenn irgend möglich,
exzidiert werden; eine Fistel ist hier zwecklos oder schädlich. Unter keinen Um-
ständen soll man eine Gastroenterostomie ausführen, wenn kein deutlich nachweis-
bares organisches Leiden vorliegt. Der Circulus vitiosus ist eine Folge leichter
mechanischer Abflußhindernisse, erzeugt durch fehlerhafte Technik. Er kann fast
mit Sicherheit vermieden werden, wenn man die zuführende Schlinge ganz kurz
nimmt (>»no loop method«), jede Drehung um ihre Längsachse meidet und sie senk-
recht an die hintere Magenwand anheftet. Weber (Dresden).
44) A. Peiser. Über den sog. Wringverschluß des Darmes.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 211.)
ln der Küttner’schen Klinik wurde eine 43 Jahre alte Frau beobachtet, die
nach 12tägiger Krankheit unter der Diagnose eines tiefsitzenden Obturations-
verschlusses des Darmes unbekannter Atiologie zur Operation kam.
Bei der Laparotomie fand sich ca. 80 om oberhalb der Ileocoecalklappe in der
rechten Unterbauchgegend eine Drehung eines kurzen Dünndarmstückes um cs.
90° um seine eigene Längsachse. Der Darm war durch sein aufgerolltes Mesenterium
verdeckt und in seiner Lage durch eine frische Fibrinschicht festgelegt. Am Über-
1038 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34.
gang des zuführenden, stark gebläbten Darmschenkels in die gedrehte Partie war
der Darm geknickt. Es bedurfte nur eines geringen Zuges, um den Darm frei
zu machen. Rasche Heilung.
Während nun Wilms für den Wringverschluß die Knickung als primär, die
spiralige Drehung des Darmes um seine Längsachse als sekundär auffaßt, glaubt
Verf., daß in seinem Falle die Darmdrehung primär war und die Knickung des
zuführenden Schenkels sekundär infolge der starken Blähung erfolgte, mithin die
beiden Hauptmomente dieser Art von Darmverschluß in verschiedener Reihenfolge
eintreten können.
Der Wringverschluß des Darmes ist bisher nur in drei, zudem mehrfach an-
gezweifelten Fällen bei Kindern beschrieben. Diese Seltenheit erklärt sich zum
Teil daraus, daß der Verschluß sich sehr leicht lösen läßt und daher öfter über-
sehen werden mag, wenn die Aufsuchung des Hindernisses bei Dleusoperationen
nicht unter ausgiebiger Darmeventration und Kontrolle des Auges erfolgt. Darin
liegt vielleicht eine Erklärung für manchen auch operativ nicht aufgeklärten
Tleusfall. Reich (Tübingen).
45) P. Sick. Über Brucheinklemmung mit Volvulus und primäre
Enterostomie.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 336.)
Verf. teilt zwei Fälle von Brucheinklemmung mit Volvulus mit, um zu zeigen,
wie leicht man mehrfachen Darmverschluß übersehen kann. Im ersten Falle handelte
es sich um einen eingeklemmten gangränösen Leistenbruch, der mit Resektion be-
handelt wurde, aber an einer vermutlich vom brandigen Bruchsack ausgehenden
Peritonitis starb. Die oralwärts zunehmende Lähmung und Cyanose des in den
Bruch führenden Darmschenkels führte zur Entdeckung einer höher gelegenen
Störung, die vermutungsweise in einem während der Operation unbemerkt gelösten
Volvulus bestand.
Der zweite Fall betraf eine Frau, die schon öfter leichte Volvulusanfälle ge-
habt hatte. Bei der Laparotomie fand sich ein Volvulus des größten Teiles des
Dünndarmes und eine leicht lösbare Einklemmung des unteren Ileums in einem
obturatorischen Bruch mit Gangrän des Schnürringes. Es wurde dabei der bisher
einzigartige Befund erhoben, daß beide Darmschlingen, die aus dem Bruchring
herausführten, gleichmäßig kollabiert waren, und darin ein Anhaltspunkt erblickt,
daß noch ein höher gelegener Darmverschluß vorlag. Nach S. konnte der Volvulus
nur nach der Brucheinklemmung entstanden sein, und zwar bei der reflektorisch
vermehrten Peristaltik des Darmes, durch die er sich aus dem Schnürring be-
freien wollte.
Derartige Fixationen des ausgespannten Mesenteriums scheinen in der Ätiologie
des Volvulus eine große Rolle zu spielen, gehen aber beim gewöhnlichen Volvulus-
mechanismus verloren, bei dem sie sich lösen, so daß schließlich der ganze Dünn-
darm bis zum Blinddarm in die Verschlingung einbezogen erscheint.
Den glücklichen Ausgang des zweiten Falles schreibt Verf. vor allem der
primären Anlegung einer Darmfistel zu, durch welche einerseits der Darminhalt
reichlich abgeleitet, andererseits Kochsalzlösung in großer Menge in den Darm
gegossen wurde. Die Fistel schloß sich nach Entfernung des Rohres spontan.
Überhaupt hat sich dem Verf. sowohl beim mechanischen als beim dynamischen
Ileus die primäre Enterostomie sehr bewährt, während die sekundäre Anlegung der
Darmfistel sowohl technisch schwieriger als im Erfolg zweifelhafter ist. Man soll
das Drainrohr in eine möglichst tiefe Dünndarmschlinge noch im Bereich der
Darmlähmung mit doppelter Tabaksbeutelnaht einnähen und die Fistel in einem
Wundwinkel am parietalen Bauchfell fixieren. Sofort kann man mit Kochsalz-
eingießungen beginnen. Inanition und Enteritis hat S. nicht beobachtet und widerrät
die Anlegung mehrfacher Fisteln. Reich (Tübingen).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 1039
46) Gies. Ligation of portal vein for hemorrhage during operation
on hydatid cyst of the liver.
(Journ. of the amer. med. assoc. Bd. L. Nr. 26.)
Bei der Operation präsentierte sich hinter dem Netz eine große Geschwulst,
deren anscheinend derbfibröse Wand angestochen wurde. Es blutete sofort sehr
heftig. Die genauere Untersuchung ergab, daß die vermeintliche Cystenwandstelle
eine über 1 cm starke Vene, wie sich später herausstellte, die Pfortader, war. Da
die Naht nicht hielt, doppelseitige Unterbindung. Der Echinokokkus wurde drai-
niert. Die Heilung verlief ungestört. Es traten keine Störungen in der Ernährung,
der Blutbildung oder im Urinbefund auf. Die Kranke gewann im Gegenteil an
Gewicht, gutem Aussehen und Körperkraft. G. erklärt den geringen Einfluß der
Unterbindung mit schon vorher bestehendem Hindernis im Strom der Pfortader
durch Druck der Geschwulst. Beim Bauchschnitt fand man schon starke Haut-
venen (Caput Medusae-ähnlich), die jedenfalls auch Kollateralen waren.
Trapp (Bückeburg).
47) W. Maek, Die Cholecystostomien der Heidelberger chirurgischen
Klinik 1901-1906.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 536.)
Die obengenannten 139 nachuntersuchten Cholecystostomien sollen vor allem
dieser Operationsmethode ihren, wenn auch durch die Ektomie beschränkten, In-
dikationskreis retten.
Die primäre Mortalität der Cholecystostomie betrug bei einfachen Operationen
3,1%, bei mit Choledochusoperationen komplizierten Fällen 5,1%, wobei aber nur
zwei- oder dreimal der Methode selbst die Schuld zugeschrieben werden konnte.
9% der Operierten waren Frauen, meist ausgangs der 30er Jahre. Bei der
Nachuntersuchung war die Arbeitsfähigkeit nur in 67,9% eine volle oder wesentlich
gebesserte. Beschwerden von seiten anderer Organe fehlten nur bei 46,7%, und
nur 19% waren völlig beschwerdefrei und gänzlich gesund. Fisteln mit schleimig-
eitriger Sekretion bestanden in 2,9% der Fälle, und in 2,4% hatten sich nach-
träglich Steine aus der Fistel entleert. Brüche, d. h. Spaltbildungen der Fascie,
in oder neben der Narbe, den Stichkanälen entsprechend, mit oder ohne Ektasie,
fanden sich in 20,4% aller Fälle, bei Männern öfter als bei Weibern. Ob die
Bauchwand durchgreifend oder in Etagen genäht worden war, erwies sich in dieser
Beziehung als gleichgültig.
Im Gegensatze zu obigen Zahlen waren 57,7% der Pat. in bezug auf ihr
Gallensteinleiden oder die Erkrankung der Gallenausführungsgänge vollständig ge-
heilt worden. Nachträgliche Schmerzanfälle waren in 34,3%, Verwachsungs-
beschwerden in 18,2%, möglicherweise echte Steinrezidive in 12,9% der Fälle zu
verzeichnen.
Verf. empfiehlt, die Fixation der Gallenblase zu vermeiden, wenn stärkere
Reizzustände bestehen, möglichst den Kehr’schen Wellenschnitt anzuwenden,
durch Heftpflasterverband und Vorsicht beim Verbandwechsel der Bruchbildung
entgegenzuwirken, und glaubt, daß auch in Zukunft bei unveränderter Gallen-
blasenwand, bei Solitärsteinen oder weniger festen Steinen die Cholecystostomie
mit Vorteil ausgeführt werden wird. Beich (Tübingen).
Zur Darmanastomose
mittels elastischer Ligatur der Schleimhäute.
Vorläufige Mitteilung.
Von
Prof. Dr. R. v. Baracz in Lemberg.
Dr. Franx Kuhn (Kassel) gibt in Nr. 25 d. Blattes (vom 20. Juni 1908) ein
neues Verfahren der Darmanastomose an, welches darin besteht, daß die freigelegten
1040 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34.
Schleimhäute der beiden zu vereinigenden Darmabschnitte rermiltels Gummifäden
aufeinander genäht werden, welche später die Darmwände durchschneiden sollen.
Er hält es für das durchsichtigste und reinlichste, rascheste und zuverlässigste aller
Anastomosenverfahren.
Da ich ein ganz ähnliches Verfahren gelegentlich der im Jahre 1904 angestellten
Versuche an Hunden mit der MceGraw'schen Methode! der Gastro- bzw. Entero-
enteroanastomose (elastische Ligatur) anwandte, möge es mir gestattet sein, über
dasselbe kurz zu berichten.
Von der Voraussetzung ausgehend, daß die die ganze Magen- bzw. Darmwand
durchsetzende elastische Ligatur hier und da zur Infektion der Perilonealhöhle
führen könnte, versuchte ich diese Gefahr dadurch zu umgehen, daß ich die
Moe Graw'sche Ligalur nicht durch die ganze Dicke der Magen- bxw. Darmwand
anlegte, sondern nur durch die bloßgelegte Mucosa führte nach vorheriger Aneinander-
nähung der xu verbindenden Darmteile.
Der Gang der Operation war kurz folgender. Annäherung des Jejunum an
den Magen (bzw. beider zu verbindenden Darmabschnüte), Anlegung einiger Lem-
bert’schen Darmnähte, longitudinale Einschnitte au beiden Seiten der Lembert-
schen Naht durch Serosa und Muscularis hindurch bis zur Submucosa. Stumpfe
Bloßlegung der peritonealen Seite der Mucosa so, daß dieselbe sich vorbuchtet. An-
einandernähung der inneren Wundränder der Serosa und Muscularis mit fort-
laufender Naht. Dann Durchführung eines ca. Imm dicken runden Gummifadens
mittels einer geraden Nadel von einem Wundrand zum anderen durch die ganze
Dicke der beiden Schleimhautiülste, straffes Anziehen der Fadenenden, Kreuzung
derselben knapp bei der Schleimhaut und Zusammenbinden mittels eines dicken,
festen Seidenfadens. Abtragung der beiden Enden der elastischen Ligatur oberhalb
dieser Seidenligatur. Naht der äußeren Wundlippen, Anlegung einiger Lembert-
scher Nähte.
Die Erfolge sowohl des Me Graw'schen Verfahrens wie auch meiner Modifika-
tion desselben waren in den wenigen Versuchen ausgezeichnet, und die Anastomosen-
öffnungen erwiesen sich bei den Autopsien der Tiere ideal. Ich veröffentlichte die
Ergebnisse meiner Versuche nicht, da ich im ganzen nur sechs Versuche anstellte,
welche einen Teil einer größeren experimentellen Arbeit bilden sollten, die ich aus
Zeitmangel unterbrechen mußte.
Der Unterschied meines Vorgehens von dem Kuhn'schen beruht wesentlich
darin, daß ich nicht Doppelfäden aus dünnerem Gummi, nur dickeren runden
(aus Amerika gebrachten) Einzelfaden wie MeGraw anwende, daß ich diese Naht
nicht zweimal, nur einmal in der ganzen Lünge der prolabierenden Schleimhaut
anlege, daß ich die Gummienden nicht knote, nur mü einem Seidenfaden zusammen-
binde, und daß ich rund herum noch einige Lembert’sche Nähte anlege. In beiden
Verfahren fällt der ligierte Schleimhautteil binnen wenigen Tagen der Usur anheinm,
wodurch sich eine breite Kommunikation beider Darmteile bildet.
Meine wenigen Versuche gewinnen an Wert, da sie mit geringer Modifikation
von anderer Seite am lebenden Menschen mit bestem Erfolg ausgeführt wurden. Die
Einzelheiten meines Vorgehens werden später anderenorts ausführlich mitgeteilt.
Lemberg den 21. Juni 1908.
1 Th. A. MeGraw, Upon the use of the elastic ligature in the sur-
gery of the intestines. Journ. of the amer. med. assoc., Chicago 1891.
Nr. 20. p. 685—694.
Vgl. ferner R. v. Bargcxz: Beobachtungen über die chirurgische
Technik in den Vereinigten Staaten Amerikas. Wiener med. Wochen-
schrift 1904. Nr. 13 und ff.
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden.
Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau.
Druck von Breitko pf & Härtel in Leipzig.
Zentralblatt für Chirurgie
herausgegeben von
K. GARRÈ, F. KÖNIG, E. RICHTER,
in Bonn, in Berlin, in Breslau.
35. Jahrgang.
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG.
Nr. 35. Sonnabend, den 29. August 1908.
Inhalt.
1) Kostlivy, Die entzündlichen Leukocytosen. — 2) Tisenhausen, Transplantation von Embryo-
nalgewebe. — 8) de Keating-Hart, Blitzbehandlung des Krebses. — 4) Peters, Cystopurin. —
5) Kümmell, Die Chirurgie des Harnapparates. — 6) Hirsch, Fremdkörper der Harnblase. —
7) Goldmann, Zur Autoplastik der Harnröhre. — 8) Porter, Prostatachirurgie. — 9) Allard, Die
sekretorischen Leistungen beider Nieren. — 10) Karaffa-Korbutt, Funktion der Harnleiter bei
Veränderung ihrer Lichtung. — 11) Thomas, 12) Herzen, Zur Diagnose von Nierenleiden. —
18) Bevan und Smith, Nierensteine. — 14) Mariani, Nephropexie. — 15) Landau, Altersverände-
rungen des Venensystems der Nebennieren. — 16) Blondi, Zur Behandlung des Urogenitalapparates.
17) Chitrowo, Das hämorrhagische Sarkom. — 18) Kopylow, Hautmyom mit Übergang in
Sarkom. — 19) de Besche, Mehrfache Krebse. — 20) Protopopow, Pneumonien nach Operationen.
— 21) Bazy, Die Ophthalmoreaktion in der Chirurgie. — 28) Allard u. Gross, Alkaptanurie und
Ochronose. — 283) Martini, Hauthorn der Glans penis. — 24) Terrier und Dujarier, Priapismus.
— 25) Höresco, Angeborene Harnröhrenenge. — 26) Roith, Harnröhrenstein. — 27) Lilienthal,
Prostatektomie. — 28) Lee Leedham-Green, Blasenvorfall. — 29) Riddell, Blasenektopie.. —
30) Hagentorn, Blasenschuß. — 81) Frohnstein, 32) Renaud und Driout, Fremdkörper in der
Blase. — 88) Cassanello, Blasenadenom. — 34) Olsen, Harnleiterriß. — 35) Wassiljew, Vor.
letzungen und Fisteln der Harnleiter. — 86) Ball, Harnleiterstein. — 37) Ventura, Phimose, Er-
weiterung der Harnleiter und Hydronephrose. — 88) Boari, Harnleitereinpflanzung in die Blase.
— 89) Delbet, Harnleitereinpflanzung in den Mastdarm. — 40) Carrel, Akute Arterienverkalkung
nach Nierentransplantation. — 41) Nov6-Josserand und Ballivet, 42) Griffiths, Nierenverletzung.
— 48) Barling, Wanderniere. — 44) Wischnewski, Angeborene Nierenverlagerung. — 46) Kap-
sammer, Nephrotomie. — 46) Gardini, 47) Nicolich, 48) Badin, Nierensteine. — 49) Hagen-Torn,
Nieren- und retroperitoneale Geschwülste. — 50) Bazy, Intermittierende Hydronephrose. — 51) Bre-
wer, Nieren- und Harnleiteroperationen. — 52) Shober, Nierentuberkulose. — 58) Doran, Cystische
Nebennierenentartung. — 54) Horsley, Perinephritischer Abszeß. — 55) Samurawkin, Neben-
hodenechinokokkus.
Wullstein, Dauerkatheterismus der Harnleiter. (Originalmitteilung.)
Naturforscherversammlung.
Berichtigung.
1) Kostlivy. Über das Wesen und die klinische Bedeu-
tung der entzündlichen Leukocytosen.
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XVII. Hft. 4.)
K. hat an der böhmischen chirurgischen Klinik zu Prag in 225
Fällen entzündlicher Erkrankung sorgfältig den Verlauf der Leukocyten-
zahl und das Blutbild studiert, und zwar bei folgenden Affektionen:
1) Entzündungen der Haut und des Unterhautzellgewebes, 41 Fälle.
2) Akute und chronische Osteomyelitis, Perityphlitis, komplizierte Frak-
turen, 33 Fälle. 3) akute Gelenkempyeme, 6 Fälle. 4) Erkrankungen
des Gehirns und seiner Häute, 5 Fälle. 5) Erkrankungen der Pleura-
höhle, 8 Fälle. 6) tiefe, umschriebene, nicht spezifische Abszesse,
8 Fälle. 7) Cholecystitis, Pericholecystitis, Gallenblasempyem, 14 Fälle.
8) Pyelophlebitis, 3 Fälle. 9) Appendicitis acuta abscedens, 29 Fälle.
35
1042 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35.
10) diffuse Peritontis, 10 Fälle. 11) Appendicitis chronica; Tuber-
culosis coeci, 71 Fälle.
Auf Grund seiner Untersuchungen kommt K. zu folgenden
Schlüssen:
1) Die polynukleäre, neutrophile Leukocytose ist eine Überkom-
pensation der Abnahme der Leukocyten, die durch den Verbrauch der-
selben zur Bildung der für die Paralysierung der Infektion nötigen
Antikörper entstanden ist (Isohypercytose).
2) Der erhöhte Verbrauch bedingt in der Folge auch eine erhöhte
Proliferation durch Reizung des leukopoetischen Apparates; dadurch
kommt eine Abstoßung von jüngeren und endlich jüngsten unreifen
Zellen mit geringster Antikörpervalenz zustande (Anisohypercytose).
3) Genügt auch das noch nicht zur Überwindung der. Infektion,
dann muß auch trotz maximalster Leistung des leukopoetischen Appa-
rates die relative Leukocytenzahl absinken; dabei werden immer
jüngere Elemente verbraucht und immer jüngere — in Ermangelung
von reiferen — in den Kreislauf gebracht (Anisonormo-, Anisohypo-
cytose).
4) Leukocytenzahl und neutrophiles Blutbild gestatten uns also,
insbesondere bei systematischer Untersuchung, einen Rückschluß auf
Toxizität und Virulenz der Infektion einerseits, auf die Resistenzfähig-
keit des Organismus andererseits. Die Leukocytose ist also haupt-
sächlich nur im prognostischen Sinne verwertbar, ihre diagnostische
Bedeutung kommt erst in zweiter Reihe in Betracht — am wenigsten
Wert kann ihr leider gerade in den zweifelhaften Fällen zugemessen
werden. Auch sei sie als diagnostisches Hilfsmittel immer nur im
Verein mit allen anderen klinischen Untersuchungsmethoden berück-
sichtigt. Haeckel (Stettin).
2) M. Tisenhausen. Zur Frage von der Transplantation
des Embryonalgewebes.
(Russki Wratsch 1908. Nr. 25.)
In einer vorläufigen Mitteilung berichtet T. über seine auf Ver-
anlassung von Prof. Kischensky in Odessa ausgeführten Experimente
zur Lösung folgender Fragen: 1) In welchem Alter wächst das trans-
plantierte Embryonalgewebe am besten? 2) Welche Gewebe bilden
den besten Boden für Transplantation? 3) Wie lange dauert das
Wachstum des transplantierten Gewebes, und was ist dessen endliches
Schicksal? — Erwachsenen Hühnern wurden 147 Transplantationen
in die vordere Augenkammer (49), in Kamm und Bartanhängsel (37),
in die hintere Augenkammer, Kopfhirn, Bauchhöhle, Netz, vordere
Bauchwand, Brustmuskel und Milz gemacht. Milz, Gehirn und hintere
‚Kammer erwiesen sich als ungeeignet; am besten gelangen die Trans-
plantationen in den Brustmuskel; gut waren die Resultate im Netz,
in der Bauchwand und Bauchhöhle; weniger günstig, hauptsächlich
aber weniger standhaft war das Wachstum in Kamm und Bartanhängsel.
Von unbebrüteten und 1—8 Tage lang bebrüteten Embryonen wachsen
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 1043
am besten Embryonen von 5 Tagen, unbebrütete und eintägige
wuchsen gar nicht. Am meisten energisch war das Wachstum nach
2—3 Wochen; nach 6 Monaten hatte es ganz aufgehört, doch waren
die Stücke in einigen Fällen nach 1°/, Jahren noch nicht resorbiert.
Manche Hühner sind für Transplantationen besonders geeignet. Er-
wachsene Hühner leiden nicht nach solchen Operationen; junge
Hühnchen (von 2—3 Wochen) gehen zuweilen zugrunde; bei ihnen sind
die Transplantationen erfolgreich, doch ist nach 1—2 Monaten ge-
wöhnlich wieder alles resorbiert. Die transplantierten Embryonalgewebe
machen ihre normale Entwicklung durch. Die Gewebe mit einfacher
Funktion differenzieren sich am leichtesten und bleiben am längsten
erhalten, besonders die einfachen mesodermalen Gewebe. Die Gewebe
mit höher differenzierter Funktion wachsen schwer und gehen bald
zugrunde: glatte Muskeln, Drüsen- und Flimmerepithel. Selten wuchsen
die Linse, Pigmentepithel der Netzhaut, Elemente des Zentralnerven-
systems. T. sah die Bildung von embryonalen Speiseröhren, einmal
einer Luftröhre, des Dickdarmes; von Teilen des Kopf- und Rücken-
markes, des Auges. In manchen Fällen fand er zwischen diesen
Bildungen ein sarkomartiges, mit zahlreichen Pigmentzellen durchsetztes
Gewebe und sieht es als Produkt der embryonalen Uvea an. —
6 Figuren zeigen die interessantesten Befunde.
E. Güickel (Wel. Bubny, Poltawa).
3) de Keating-Hart. La fulguration des cancers.
(Arch. intern. de chirurgie Vol. IV. Fasc. 1.)
Die Blitzanwendung ist eine elektro-chirurgische Behandlungs-
methode des Krebses. Sie besteht darin, daß Funken von großer
Frequenz und hoher Spannung durch Geschwulstmassen geschickt,
und daß dann die zerstörten Neubildungen mit dem Messer abge-
tragen werden. Die Verbindung der therapeutischen Anwendung der
Elektrizität mit chirurgischer Behandlung ist das Eigentümliche der
de K.-H.’schen Methode.
Man bedient sich eines der üblichen Apparate für Hochfrequenz
und eines Wehnelt- bzw. Turbinenunterbrechers. Die Funkenlänge
muß mindestens 40 cm betragen. Verf. bevorzugt die unipolare
Funkenanwendung, wenngleich sie weniger zerstörend wirkt als die
bipolare, und benutzt besondere, durch Luftstrom gekühlte Elek-
troden, denen er jede gewünschte Länge geben kann. Der Pat. liegt
auf einem hölzernen Operationstisch.
Ist die Haut unversehrt, so spaltet man zunächst das Gewebe,
um die Geschwulst freizulegen. Die Operation selbst umfaßt drei
Zeiten: 1) elektrische Behandlung; 2) Anwendung des Messers; 3) aber-
malige Blitzbehandlung. Der Nutzen der elektrischen Vorbehandlung
ist ein mehrfacher. Die vasokonstriktorische Wirkung des Funkens
vermindert die parenchymatöse Blutung; es gelingt bei der nach-
folgenden chirurgischen Behandlung leichter, die Grenze zwischen
35*
1044 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35.
gesundem Gewebe und Neubildung zu finden, und die Gefahr der
Wiedereinimpfung des Krankheitsstoffes auf die Wundfläche wird
vermindert.
Auf die zweite Phase, den chirurgischen Eingriff, legt Verf. großen
Wert. Man behandelt die Neubildung wie eine gutartige Geschwulst,
d. h. man exstirpiert sie an ihren sichtbaren Grenzen. Gründliche
Untersuchung des gesunden Gewebes ist erforderlich, um keines der
vielfach zahlreichen, zerstreut und entfernt liegenden Geschwulst-
knötchen zu übersehen. Durch Abänderung des ursprünglichen Ver-
fahrens wurde erreicht, daß oftmals nur eine einzige Sitzung nötig
war, um völlige Heilung zu erzielen.
Der wichtigste Teil der, Behandlung ist die zweite Anwendung
des elektrischen Funkens. Uber die Dauer dieser dritten Phase, die
anzuwendende Funkenlänge usw., entscheidet persönliche Erfahrung.
Die Wirkung des elektrischen Stromes ist im wesentlichen vier-
facher Art: Blutstillung, Zerstörung der Geschwulstmassen, Odem-
bildung, Reaktion des gesunden Gewebes. Die blutstillende Wirkung
erstreckt sich nur auf Kapillarblutungen, die aufhören, wenn die Elek-
trode über die Wundfläche gleitet. Größere Gefäße sind zu unter-
binden. Ein trockener, übelriechender Schorf bildet sich, wenn längere
Zeit eine bestimmte Stelle von dem Funken getroffen wird. Dieser
unerwünschte Nebeneffekt ist die Folge der Hitzewirkung der Funken
und wird durch Weiterführen der Elektrode leicht vermieden. Die
Hitzewirkung ist, wie die Wirkung der Funken überhaupt, um so
größer, je mehr die Elektrode dem Körper genähert wird.
Im Laufe von 24 Stunden durchtränkt sich das Gewebe mit einem
sehr reichlichen, blutig gefärbten Serum, das aus der Wunde abfließt
und nach Verlauf einiger Tage durch ein serös-eitriges Exsudat ersetzt
wird. Mikroskopisch führt diese Flüssigkeit zahlreiche polynukleäre
Leukocyten. Das Absondern des serösen Transsudates aus der Wunde
scheint ein Zeichen günstiger Reaktion zu sein, das Ausbleiben der-
selben eine ungünstige Prognose zu geben.
Die Reaktion des Gewebes ist teils eine lokale, teils eine allge-
meine. Die lokale Wirkung gibt sich in einer erstaunlichen Vernarbungs-
fähigkeit kund, die Fernwirkung in dem vorläufigen Verschwinden
unerträglicher Kreuzschmerzen, in der Vernarbung nicht behandelter
Hautgeschwüre, in dem Verschwinden von Drüsenschwellungen und
anderem. Diese regressiven Veränderungen der Metastasen bedeuten
indes nur einen vorübergehenden, keinen dauernden Wachstumsstill-
stand. Insbesondere darf beim Zungenkrebs, für welchen sich die
Blitzbehandlung besonders gut eignet, die Beobachtung des Ver-
schwindens der Infiltrationen nicht dazu führen, in der Nachbehand-
lungszeit weniger sorgfältig nach Metastasen zu suchen.
Ist die Wunde zum zweiten Male beblitzt, so wird sie teilweise
geschlossen und drainiert. Der Verband muß, weil er durchtränkt
ist, am folgenden, spätestens am 2. Tage nach der Operation erneuert
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 1045
werden. Nach Abfallen der Schorfe tritt rasche Vernarbung ein.
Rezidive werden von neuem beblitzt..
Eine ausreichende Erklärung für die Wirkung der Blitzbehandlung
ist bislang nicht zu geben, da weder die Annahme einer elektiven
Zerstörung der Geschwulstzellen, noch das Auftreten der serösen
Grewebsdurchtränkung, noch die lebhafte Transsudation genügen, die
Dauerheilungen verständlich zu machen. Die erhöhte Neigung zur
Narbenbildung ist jedenfalls sehr bemerkenswert.
Die Darstellung der Methodik und ihrer Erfolge wird durch die
Mitteilung von elf Beobachtungen an Kranken und durch eine Anzahl
von Photogrammen erläutert. Bevenstorf (Hamburg).
4) Peters. Über den praktisch-therapeutischen Wert des
Cystopurins.
(Deutsche Ärzte-Zeitung 1908. Nr. 9.)
Cystopurin ist ein Salz des Urotropins, das sowohl wegen der
sichereren und schnelleren Wirkung, als des Fehlens unangenehmer
Nebenerscheinungen diesem vorzuziehen ist. Es gibt dem Harn eine
saure Reaktion, hat eine deutliche diuretische Wirkung und wird auch
bei längerer Verabfolgung gut vertragen. Es hat sich bei den ver-
schiedensten infektiösen Prozessen der Harnwege, auch bei akuter
und chronischer Gonorrhöe, sehr gut ‚bewährt. Es wurde in der
Menge von 2—6 g pro die verordnet. Neugebauer (Mährisch-Ostrau).
5) Kümmell. Entwicklung und Fortschritte der Chirurgie
des Harnapparates in den letzten Dezennien bis zur Gegen-
wart.
(Zeitschrift für ärztliche Fortbildung 1908. Nr. 8.)
6) Hirsch. Über den radiographischen Nachweis von Fremd-
körpern der Harnblase.
(Ibid. Nr. 11.)
K.’s Abhandlung beschäftigt sich vor allem mit den zahlreichen
diagnostischen Methoden, welche die Chirurgie des Harnapparates in
den letzten Dezennien so wesentlich gefördert haben. Schon allein
wegen des umfangreichen, selten in einer Hand vereinigten Materiales
(z. B. mehr als 2000 kryoskopisch untersuchte Fälle, 110 Eingriffe
wegen Nierensteinen, 90 wegen Nierentuberkulose, 14 Fälle einseitiger
entzündlicher Nierenblutung) hat sie Anspruch auf allgemeines In-
teresse.
Die Angabe K.’s, in der Blase befindliche Stücke elastischer
Katheter, Gummiteile und ähnliches seien für Röntgenstrahlen durch-
gängig und auf der Platte nicht sichtbar, berichtigt H. auf Grund
eigener Untersuchungen dahin, daß englische und Nelatonkatheter
vollkommen sicher nachweisbar sind. Gutzeit (Neidenburg).
1046 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35.
7) E. Goldmann. Zur Autoplastik der Harnröhre.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVI. p. 1.)
» Die Arbeit beschäftigt sich mit der Blutversorgung der Harnröhre
als einer Grundbedingung für den Erfolg autoplastischer Harnröhren-
operationen. Neuere anatomische Untersuchungen, sowie eigene In-
jektionsversuche des Verf.s ergaben im wesentlichen, daß die Harnröhre
sowohl von vorn wie auch von hinten her reichlich mit Blut versorgt
wird aus den Artt. bulbosa, bulbourethralis, urethralis, dorsalis penis
und profunda penis. Es kommt also darauf an, wenigstens eine der
Hauptzufuhrquellen bei der Operation zu schonen, und auch die
Albuginea, deren Verlegung die Zirkulationsverhältnisse erheblich
verschlechtert, unversehrt zu lassen.
Im übrigen weist Verf. u. a. noch auf die Dehnbarkeit der Harn-
röhre als einen wichtigen Faktor bei der Autoplastik hin. Diese hängt
von der Entwicklung des Organes ab und ist dementsprechend bei
Kindern und Mißbildungen relativ geringer als bei Erwachsenen.
Reich (Tübingen).
8) Porter. Surgery of the prostate.
(Journ. of the amer. med. assoc. Bd. L. Nr. 21.)
Eine Studie, ob die frühzeitige Prostatektomie Vorteile bietet.
Auf Grund des Studiums von im ganzen 450 Fällen kommt Verf. zu
dem Schluß, daß die meisten Todesfälle nicht der Operation zur Last
zu legen sind. Den durch die Krankheit selbst verursachten Zuständen
(Oystitis, Pyelitis usw.) waren von 33 Gesamttodesfällen 15 zuzu-
schreiben, 8 der Operation als solcher in Form von Sepsis, Erschöpfung,
Schädigung durch die Narkose, die 10 übrigen anderen Krankheiten,
die mit der Prostatahypertrophie nicht zusammenhingen. P. zieht
dann noch die übrigen, durch die Operation gesetzten möglichen Nach-
teile unter Mitteilung von Resultaten verschiedener Chirurgen in Be-
tracht und kommt zu dem Schluß, daß hauptsächlich die sekundären,
durch die Hypertrophie bedingten Veränderungen die schlechten Er-
folge veranlassen, während die Prostatektomie an sich nur 2% Todes-
fälle bedingt. Sie ist daher frühzeitig, vor Eintreten der sekundären
Veränderungen auszuführen, zumal auch die Gefahr bösartiger Ver-
änderung droht und oft schon bei scheinbar nur hypertrophischer
Drüse eingetreten ist. Trapp (Bückeburg).
9) Allard. Vergleichende Untersuchungen über die sekre-
torischen Leistungen beider Nieren.
(Mitteilungen a. d. Grenzgebieten d. Medizin u. Chirurgie Bd. XVIII. Hft. 5.)
Man hat bisher meist mit Harnleiterkatheterismus versucht, fest-
zustellen, wie die Sekretionswege beider Nieren sich zueinander ver-
halten. Allein auf diesem Wege ist eine endgültige Entscheidung
nicht zu erwarten; der Fehlerquellen sind zu viele: es ist nicht sicher,
ob aller Urin durch den Katheterismus entleert wird; man weiß nicht,
wieviel neben dem Katheter in die Blase gelangt; die Lichtung des
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 1047
Katheters kann sich verstopfen, die Schleimhaut oder Gerinnsel des
Harnleiters können das Auge des Katheters verlegen; dazu kommt die
Empfindlichkeit des Harnleiters gegen mechanische Einflüsse, die
reflektorische Anurie, Oligurie und Polyurie, so daß manche den Wert
der >funktionellen Nierendiagnostik« ganz ablehnen und einen Vorteil
nur sehen in der Möglichkeit des getrennten Auffangens der Sekrete
beider Nieren, bei der der Nachweis irgend eines pathologischen Be-
standteiles mehr wert ist als die quantitative Analyse der einzelnen
Harnbestandteile.
A. kam zu einwandsfreien Resultaten durch Beobachtung eines
Mannes mit angeborener Blasenektopie, bei dem der Urin aus jeder
Harnleitermündung isoliert aufgefangen werden konnte, ohne sie irgend-
wie zu reizen. Er fand, daß die beiden Nieren in gleichen Zeitab-
schnitten bei richtiger Rückenlage und gewöhnlicher normaler Diurese
ungefähr gleiche Urinmengen von ungefähr gleicher Zusammensetzung
sezernieren. Bei stärkerer Diurese kommen Abweichungen vor. Appli-
kation einer Eisblase in der Gegend der einen Niere erwies sich
als ganz gleichgültig, ebenso die Anwendung des faradischen oder
galvanischen Stromes; dagegen fand A. die interessante Tatsache, daß
in der Seitenlage des Körpers eine erhebliche Sekretionsdifferenz auf-
tritt, indem die »oben« liegende Niere weniger sezerniert.
Haeckel (Stettin).
10) K. W. Karaffa-Korbutt. Zur Frage von der Funktion
der Harnleiter bei Veränderung ihrer Lichtung.
(Wratschebnaja Gazeta 1908. Nr. 17 u. 18. [Russisch.))
Experimentelle Studie aus Prof. Fedorow’s Klinik. Verf. experi-
mentierte an Hunden mit exstrophierter Harnblase. Bei Pyeloektasie
ist die Zahl der Ausscheidungen aus dem betreffenden Harnleiter
etwas geringer als aus dem normalen, die Quantität des Harns bei
jeder Ausscheidung etwas vergrößert. — Bei Stenose des Harnleiters
sind die Zeiträume zwischen den Entleerungen sehr verlängert, die
Quantität des Harns sehr vergrößert und die Energie der Entleerung
etwas vermindert; einige Enntleerungen sind von 1—2 nachfolgenden
kleinen Stößen begleitet. — Bei Atonie des Harnleiters fließt der Urin
kontinuierlich wellenförmig ab. E. G@tickel (Wel. Bubny, Poltawa).
11) Thomas. Diagnosis of renal disease and sufficiency.
(Annals of surgery 1908. April.)
Verf. bespricht einige von ihm ausgeführte Nierenoperationen.
Um die Nierenfunktion vor der Operation festzustellen, verfährt er
folgendermaßen. Vor der Prüfung bekommt Pat. eine ganz bestimmte
Diät, bestehend aus 1/, Liter Milch, einem Brötchen und zwei weich ge-
kochten Eiern. Dann folgt eine genaue cystoskopische Besichtigung
der Blase, worauf nötigenfalls beide Harnleiter katheterisiert werden.
Die erste der aus diesen letzteren aufgefangenen Urinproben dient zur
1048 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35.
mikroskopischen Untersuchung, die zweite zur Bestimmung des Ge-
frierpunktes des Harns und des Harnstofigehaltes, die dritte zur Be-
stimmung des auf Phloridzin projizierten Zuckers. Von der Bestim-
mung des Blutgefrierpunktes (Kryoskopie) hält Verf. nicht viel.
Herhold (Brandenburg).
12) P. A. Herzen. Zur Frage von der Diagnose der Nieren-
krankheiten.
(Wratschebnaja Gazeta 1908. Nr. 17. [Russisch.])
Für die gewöhnliche Praxis und für Krankenhäuser mit beschränk-
ten Mitteln ist die Harnleiterkatheterisation zu teuer und zu schwierig.
H. begnügte sich mit der Separation des Harns (mit dem Luys’schen
Separateur) und erzielte in etwa 50 Fällen vollständig befriedigende
Resultate. Nur muß die Separation vorschriftsmäßig geschehen.
Nötigenfalls wurde die Cystoskopie und die Chromocystoskopie
(Indigokarmin subkutan) zu Hilfe genommen, ebenso die künstliche
Polyurie, die quantitative Analyse des Harnstoffes, des Eiweißes, end-
lich die mikroskopische Untersuchung des Harns.
Im ganzen wurden von H. und seinen zwei Kollegen Rosanow
und Woronkow im alten Katharinenhospital in Moskau 61 Nieren-
operationen ausgeführt. E. Gtickel (Wel. Bubny, Poltawa).
13) Bevan and Smith. The diagnosis and treatment of kidney-
stone.
(Surgery, gynecology and obstetrics Bd. VL Nr. 6.)
Eine ziemlich ausführliche Abhandlung, bei welcher die Diagnose
den breitesten Teil einnimmt. Ganz besonders eingehend wird auch
die Diagnose mit Hilfe des Röntgenverfahrens berücksichtigt. — Der
Standpunkt der Verff. in der Behandlung der Nierensteine wird durch
folgende Zusammenfassung gekennzeichnet: Wenn die Diagnose, die
durch das Röntgenbild zu einer vollkommen sicheren wird, gestellt ist,
soll chirurgisch eingegriffen werden, ganz kleine Steine ausgenommen,
oder wenn andere Leiden den Eingriff verbieten. Bei sonst gesunder
Niere und vereinzeltem Stein im Nierenbecken soll letzteres allein er-
öffnet werden; sonst ist der Nierenschnitt zu machen. Bei einseitiger
Stein- und gesunder anderer Niere ist die primäre Nephrektomie an-
gezeigt, wenn die Steinniere hochgradig zerstört ist. Bei doppelseitiger
Erkrankung wächst naturgemäß die Gefahr jeden Eingriffes, die bei
einseitiger Nephrolithotomie sehr gering ist — nach eigener Erfahrung
zwischen 3 und 4% Todesfälle durch die Operation an sich (52 Ope-
rationen.. Der Arbeit sind zahlreiche gute Röntgen- und andere Ab-
bildungen beigegeben. Trapp (Bückeburg).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 1049
14) C. Mariani. Contributo clinico alla nefropessia eseguita
con processo proprio. Nefropessia periostea per trasfissione.
(Clinica chirurgica, Milano 1908. 18 S., 1 Taf.)
Um die operative Befestigung der Wanderniere möglichst wider-
standsfähig zu gestalten, bildet M. nach subperiostaler Resektion der
12. Rippe aus dem Periostzylinder eine Art Aufhängeband, das er
durch den oberen Nierenpol hindurchzieht. Nachdem er schon 1904
das Verfahren experimentell geprüft hatte, gibt er nunmehr einen Be-
richt über 19 von ihm nach dieser Methode operierte Fälle. Die
Technik ist folgende: 1) Winkeliger Lendenschnitt, dessen einer, oberer
Schenkel der 12. Rippe parallel geht und sie freilegt, während der
zweite Schenkel von der Spitze dieser Rippe zur Crista ilei geht.
2) Isolierung der 12. Rippe vom Sacrolumbalisrande bis zur Spitze
aus allen muskulös-ligamentären Verbindungen und von der Pleura.
3) Subperiosteale Rippenresektion, wonach der Periostmantel als
5—8 cm langes Band zurückbleibt. 4) Freilegen der Niere; Durch-
ziehen von zwei dicken Oatgutfäden durch ihren unteren Pol. 5) Mit
einer eigens konstruierten »Nierendurchstechungspince« wird das
Organ zwischen oberem und mittlerem Drittel parallel der Rippe durch-
bohrt, das Periostband gefaßt und durchgezogen. Fixation des Periosts
mit Oatgut an Ein- und Austrittsstelle; Annähen des freien Zipfels
an die Muskulatur des 11. Interkostalraumes. 6) Die zwei am unteren
Nierenpol durchgelegten Catgutfaden dienen zur Annähung des unteren
Pols an die Muskeln. Beim Wundschluß wird die Fettkapsel in die
Muskelnaht einbezogen. 30 Tage Bettruhe bei erhöhtem Bettfußende.
Die Operation ist nur bei einer Rippenlänge von ca. 10 cm aus-
führbar; die Pleura läßt sich leicht ablösen. Bei zwei Fällen konnte
Verf. den Nachweis leisten, daß das Periost nicht nekrotisch wird,
sowie durch Palpation und Röntgenographie feststellen, daß aus dem
Periost keine intrarenale Knochenbildung erfolgt. Als Vorteile seiner
Methode hebt M. hervor: Befestigung in normaler Lage; das Auf-
hängegewebe ist wenig dehnbar und bildet mit der Niere ein untrenn-
bares Ganzes; das Organ behält einen physiologischen Grad von Be-
weglichkeit und erträgt, wie die Urinuntersuchung zeigt, die Anwesen-
heit des Periosts in seiner Substanz ohne merkliche Störung.
K. Henschen (Tübingen).
15) Landau. Altersveränderungen des Venensystems der
Nebennieren.
(Petersburger med. Wochenschrift 1908. Nr. 24.)
Nach Injektion von der Vena suprarenalis her hat L. sehr schöne
Korrosionspräparate der Venenverteilung in den Nebennieren herge-
stellt, aus welchen man die sehr starke Gefäßverzweigung im Zustand
der Gravidität sieht im Gegensatz zur normalen Nebenniere, und die
ganz geringe Gefäßverzweigung bei der senilen Atrophie.
Deetz (Homburg v. d. H.).
36%
1050 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35.
16) Biondi. Intorno ad uno speciale trattamento di infer-
mita di determinati segmenti dell’ apparato genito-urinario.
(Morgagni 1908. Nr. 28.)
Verf. hat bei Injektionen von Chinaterite in das Vas deferens
dieselbe bis in die Samenblasen, die Prostata, Blase und vordere
Harnröhre und bei umgekehrter Injektionsrichtung zuweilen bis in den
ganzen Nebenhoden eindringen sehen. Ebenso konnte er entsprechend
mit 1/—3°/,igen Lösungen von Silbersalzen, 1—2 % igen Chlorzink-
und Sublimatlösungen eine spontane oder experimentelle Urethritis und
Epididymitis bei Hunden heilen. In derselben Weise hat er mit Jod-
lösungen wie wäßriger und alkoholischen Lösungen (1:1000) von
Sublimat, Protargol, milchsaurem Silber primäre Tuberkulose der
Samenblasen, des Hodens und Nebenhodens wie der Blase und Blasen-
katarrhe behandelt und dauernd geheilt. Bei tuberkulösen Herden
im Hoden selbst mußte er parenchymatöse Injektionen in dieses Organ
hinzunehmen. Die Behandlung ist nicht schmerzhaft, geht ohne Ent-
zündung und Fieber vor sich und erfolgte häufig ambulant. Hoden
und Nebenhoden werden nach der Behandlung hart und indolent.
Die Spermatozoen fehlten nach der Behandlung im Sperma nur dort,
wo sie vorher bereits nicht vorhanden waren — das war in der Mehr-
zahl der Fälle. Die Spermatogenese konnte auch in diesen Fällen
histologisch erwiesen werden, doch waren die Ausführungswege verlegt.
Verf. glaubt das Verfahren auch zur Behandlung einiger Spermatorrhöe-
formen, der tertiären Hodensyphilis und zur Verhütung der Epididy-
mitis bei Gonorrhöe empfehlen zu dürfen. Dreyer (Köln).
Kleinere Mitteilungen.
17) A. A. Chitrowo. Über die Histogenese des idiopathischen multiplen
hämorrhagischen Sarkoms (Kaposi).
(Russki Wratsch 1908. Nr. 26.)
C. hatte Gelegenheit, zwei Fälle in der Kasaner Klinik zu beobachten. Auf
Grund der Untersuchung von 17 Geschwulstknoten kommt er zu folgenden Schlüssen:
die Zellen der Neubildung entwickeln sich aus den Zellen der äußeren Gefäß-
scheiden, nehmen unter dem Einfluß eines unbekannten Reizes den Charakter von
Sarkomzellen an, gruppieren sich in typische Sarkomknoten; schwindet dieser Reiz,
so verlieren die Zellen ihren sarkomatösen Charakter, verwandeln sich in gewöhn-
liche Fibroblasten, die bei der Rückbildung der Knoten die ihnen in Granulomen
und chronischen Entzündungen eigentümlichen Veränderungen durchmachen. —
Die Bildung der Knoten geschieht auf zweierlei Art: das Coriumgewebe wird von
jungen Bindegewebszellen imbibiert, die sarkomähnlich werden; oder diese Zellen
verdrängen das Muttergewebe total und schichten sich sarkomähnlich an. Ist die
erste Art, wie häufig zu beobachten, von Erscheinungen der chronischen Ent-
zündung begleitet, so trägt die Geschwulst den Charakter eines typischen Granu-
loms. — Die Geschwulstzellen wachsen in die Gefäßlichtung, zerstören die Gefäß-
wände und führen so zu den für die Krankheit typischen Blutungen. Die roten
Blutkörperchen werden von den Sarkomzellen aufgenommen, zerstört und geben
so zu Pigmentbildung Anlaß. Bei der Rückbildung des Sarkoms zerfasern die
Geschwulstzellen nach und nach. Diese Zerfaserung kommt in Knoten jeden Alters
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 1051
vor — in alten und den jungen. — Was die von Zeit zu Zeit bei der Krankheit
auftretenden Infiltrationen betrifft, so konnte C. bloß zwei Präparate untersuchen
und stimmt in seinem Befund Scholtz und Bernhardt bei: diese Infiltrationen
sind entweder Anhäufungen kleinster Knötchen oder ausgedehnte Proliferationen
der Zellen der äußeren Gefäßscheide. — Zwei Figuren zeigen den mikroskopischen
Bau der Geschwulst. E. Gückel (Wel. Bubny, Poltawa).
18) N. W. Kopylow. Hautmyom mit Übergang in ein Sarkom.
(Russki Wratsch 1908. Nr. 27.)
Ein 45 Jahre alter Mediziner trug seit Kindheit eine erbsengroße Geschwulst
an der Brust. Als er 20 Jahre alt war, behandelte er die Geschwulst mit Atz-
mitteln, worauf sie klein wurde. Vor 5 Jahren fing sie wieder an zu wachsen;
neue Atzungen halfen nicht; endlich erreichte die Geschwulst die Größe eines
Hühnereies. Nun exzidierte man dieselbe mit dem Fettgewebe der Umgebung.
Heilung. — Mikroskopisch bestand die Neubildung aus glattem Muskelgewebe,
zwischen dem sich eine Zwischensubstanz bildet; aus der letzteren entstehen neue
spindelförmige und polymorphe Zellen (Sarkomzellen); die Substanz zwischen diesen
geht in Mucin über. E. Gückel (Wel. Bubny, Poltawa).
19) A. de Besche. Multiple cancere.
(Norsk Mag. for Laegevid. 1908. Nr. 6.)
Unter den mitgeteilten sieben Beobachtungen sind folgende Fälle erwähnens-
wert. 62jähriger Mann, dem ein Plattenepithelkrebs der Lippe und ein Rezidiv
derselben entfernt worden waren, litt 2 Jahre später an einem ringförmigen, nicht
mehr operablen Adenokarzinom des Mastdarmes. — Ein 63jähriger Tagelöhner,
dem ebenfalls ein Plattenepithelkrebs der Unterlippe exstirpiert war, mußte
5 Jahre später wegen eines Plattenepithelkrebses des Penis operiert werden. Die
übrigen Fälle betreffen teils das gleichzeitige Vorkommen von Plattenepithelkrebs
und Adenokarzinom des Magens, teils mehrfache Neubildungen im Magen-Darm-
kanal. Revenstorf (Hamburg).
20) F. J. Protopopow. Zur Frage von den Pneumonien nach
Operationen.
(Russki Wratsch 1908. Nr. 22.)
Während der letzten 17 Jahre wurden in der Moskauer chirurgischen Klinik
135 postoperative Pneumonien beobachtet: nach 1248 Laparotomien 89 = 7,1%,
nach 2506 anderen Operationen 46 = 1,8%, 85 Männer, 50 Frauen. Im Alter von
10—20 Jahren waren 8,8%, 20-30 = 18,6%, 30—40 = 28,9%, 40—50 = 27,4%,
50—60 = 12,8%, 60—70 = 3,5%. Innerhalb der ersten 4 Tage erkrankten 82,
4—7 Tage = 19, 8—14 Tage = 18, 14—21 Tage = 16. Die rechte Lunge 40mal,
die linke 34 mal, beide 61 mal. 15mal handelte es sich um kruppöse Pneumonie,
120mal um Bronchopneumonie. Von Bakterien fand man Staphylokokken und
Pneumokokken. Von 135 Pat. starben 35 = 26,8%. 5mal ging die Entzündung
in Abszeß über (Sektionsbefund). 90mal wurde Chloroform, 25mal Ather und
Chloroform gegeben; 22mal Kokainanästhesie, 3mal embolisches Lungeninfarkt.
E. Gtickel (Wel. Bubny Poltawa).
21) Bazy. De lophtalmo-réaction en chirurgie..
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris Bd. XXXIII. p. 911.)
Die Reaktion wurde an 20 Fällen in Anwendung gebracht. Über Technik und
genauere Dosierung finden sich keine Angaben. Es wurde das Präparat von
Calmette verwendet. Im allgemeinen glaubt B. feststellen zu können, daß die
bei chirurgischen Fällen beobachtete Reaktion nicht so intensiv ist, wie die von
internistischer Seite beschriebene. Die stärkste Reaktion trat auf bei zwei Nieren-
tuberkulosen, einer tuberkulösen Pleuritis und einer Hüftgelenkstuberkulose. Das
Auftreten der Reaktion war einigemal wesentlich verzögert. B. hofft, daß die
1052 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35.
Ophthalmoreaktion in allen den Fällen ein wertvolles Unterstützungsmittel werden
kann, wo die Diagnose unsicher ist, insbesondere bei allen den Erkrankungen des
Urogenitalapparates, wo der Verdacht auf Tuberkulose besteht, Anamnese und
sonstiger Befund aber andersartige Krankheitsursachen wahrscheinlich machen.
Kaehler (Duisburg-M.).
22) Allard und Gross. Alkaptanurie und Ochronose.
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XIX. Hit. 1.)
Verff. hatten in einem Falle von Alkaptanurie (Ausscheidung von Homogentizin-
oder Uroleucinsäure im Harn, die zur Schwarzfärbung desselben führt) mit bräun-
licher Färbung der Finger- und Fußnägel und arthritischen Veränderungen schon
am Lebenden die Diagnose gestellt, daß es sich um Ochronose handle, jene von
Virchow beschriebene Erkrankung, bei der es zu einer tiefschwarzen Färbung
der Gelenk-, Rippen- und Ohrknorpel kommt. Pat. kam später zur Sektion,
die die gestellte Diagnose vollkommen bestätigte. Es ist demnach der von anderer
Seite mehrfach bezweifelte Zusammenhang von Ochronose und Alkaptanurie sicher
erwiesen; beide sind Erscheinungen ein und derselben Stoffwechselerkrankung;;
die Ablagerung des Farbstoffes in den Gelenkknorpeln führte zu arthritischen Ver-
änderungen, die daher als Arthritis alkaptanuricg zu bezeichnen sind.
Haeckel (Stettin).
23) Martini. Sur la production cornee du gland.
(Ann. des malad. des org. gen.-urin. Bd. XXVII. Hft. 10.)
Der 23jährige Kranke, der keinerlei Geschlechtskrankheiten durchgemacht
hatte, bemerkte seit mehreren Jahren eine harte Schwellung an der Glans penis,
die ihm beim geschlechtlichen Verkehr mit seiner Frau große Schmerzen bereitete.
Die Untersuchung ergab, daß die Harnröhrenmündung zu zwei Dritteilen ihres
Umfanges von einem 1!/3 cm hohen Hauthorn umgeben war, das eine ca. 2!1/, cm
im Umfange betragende Implantationsbasis hatte. Namentlich rechts vom Meatus
urinarius ragte ein richtiges Hauthorn empor. Am übrigen Gliede finden sich
nirgends derartige Bildungen. Vollkommene Exstirpation der nur sehr wenig tief
ins Gewebe der Glans eindringenden Neubildung. Verf. gibt eine eingehende
histologische Beschreibung des exstirpierten Gebildes.
Nach Villeneuve, der 71 Beobachtungen von Hauthörnern zusammengestellt
hat, fanden sich 35 am Kopf, 12 am Rumpf, 12 am Schenkel, 8 an anderen Teilen
der unteren Körperhälfte, 3 am Gliede und an der Glans, 1 am Handrücken.
Paul Wagner (Leipzig).
24) Terrier et Dujarier. Du priapisme prolongé.
(Revue de chir. XXVII ann. Nr. 5.)
Verf. beobachteten einen Fall von idiopathischem Priapismus bei einem
öljährigen Tagelöhner; Leukämie und nervöse Störungen waren auszuschließen.
Die Eichel und der Harnröhrenschwellkörper waren schlaff, die Corpora cavernosa
penis, besonders das rechte, strotzend gefüllt, die Haut leicht gerötet und ödematös.
Vorübergehend trat Harnverhaltung ein. Wegen der unerträglichen Schmerzen
wurden die Schwellkörper des Gliedes in ihrem mittleren Drittel eingeschnitten ;
es entleerte sich schwärzliches Blut von teerartiger Konsistenz ohne Gerinnsel;
darin waren Kolibazillea nachzuweisen. Die rechte Wunde schloß sich erst nach
Ausstoßung eines nekrotischen Schwellkörperstückes. Der Penis wurde sofort
schlaff; normale Erektionen traten nach der Heilung einige Male, aber nur »an-
deutungsweise« ein. i
Unter 48 Fällen der Literatur wurde 20mal die idiopathische Form beobachtet.
Die chirurgische Behandlung beschleunigt nicht nur die Heilung, sondern scheint
auch ein besseres funktionelles Resultat zu geben. Die Albuginea muß der Blut-
stillung wegen und zur Vermeidung von Verwachsungen mit der Haut besonders
genäht werden. Gutzeit (Neidenburg).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr.’35. 1053
25) P. Höresco. Etude sur les retrecissements cong£nitaux de l’ur&tre
à propos de la maladie urinaire de J.-J. Rousseau.
(Ann. des malad. des org. gen.-urin. Bd. XXVI. Hft. 9.)
Die angeborenen Verengerungen der Harnröhre sind uns namentlich durch
die Untersuchungen von English, Bazy und Foisy genauer bekannt geworden
und haben an Interesse durch die Mitteilung von Poncet und Leriche ge-
wonnen, die nachweisen, daß die Blasenstörungen von J.-J. Rousseau auf eine
angeborene Harnröhrenverengerung zurückzuführen sind.
Verf. teilt drei eigene Beobachtungen von angeborener Harnröhrenverengerung
mit, die Kranke im Alter von 12, 19 und 5 Jahren betrafen, bei denen weder ein
Trauma noch eine Infektion nachzuweisen war. Bei den beiden ersten Kranken
saß die Verengerung im Dammabschnitt der Harnröhre, bei dem dritten Kranken
im Niveau des Blasenhalses selbst. Bei dem ersten Kranken bestanden Symptome
von Harninkontinenz sowohl nachts als am Tage; bei dem zweiten bestand Dysurie
mit sehr häufigen Miktionen; bei dem dritten handelte es sich um Anfälle von
Urinretention mit Dysurie und hypogastrischen Schmerzen.
Ganz besonderes Interesse bot der Fall des 6jährigen Knaben, weil es sich um
eine sicher nachgewiesene Klappe des Blasenhalses handelte, und weil dieser Fall
nach Verf.s Ansicht große Ähnlichkeit mit der Erkrankung J.-J. Rousseau’s
hatte. Im Gegensatz zu Poncet, der glaubt, daß Rousseau’s angeborene
Harnröhrenverengerung in der Portio bulbomembranosa gesessen hat, nimmt
Verf. mit Mercier an, daß der Sitz in der Portio prostatica, in nächster Nähe
des Blasenhalses gewesen ist, und daß es sich auch hier wahrscheinlich um eine
Klappenbildung gehandelt hat.
Die drei Kranken des Verf.s wurden auf operativem Wege vollkommen geheilt.
Paul Wagner (Leipzig).
26) O. Roith. Ein Fall von ungewöhnlich großem Divertikelstein der
Harnröhre.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 267.)
Bei einem 36 Jahre alten Manne, der von seiten des Harnapparates keine
früheren Erkrankungen zu berichten wußte, fand sich im serotalen Abschnitte der
Harnröhre ein Divertikelstein von der Größe einer Billardkugel. Nach der Ana-
mnese soll an dessen Stelle seit frühester Jugend eine Anschwellung bestanden haben,
die sich mit dem allgemeinen Wachstum vergrößerte. Das Harnen war vollkommen
ungestört, und der Katheterismus gelang leicht, es bestand also keine Stenose der
Harnröhre. Auch hatte Pat. sechs Kinder gezeugt. Wie nun die unter Lokal-
anästhesie ausgeführte Operation ergab, handelte es sich um ein Divertikel der
Harnröhre, das durch eine 2 mm breite runde Öffnung mit letzterer in Verbindung
stand, und. von einem glatten, in drei Fragmente geteilten, 125 g schweren runden
Stein ausgefüllt war, an dem die Corpora cavernosa penis eine entsprechende Rinne
hinterlassen hatten. Die Divertikelwand bestand aus Bindegewebe mit glatten
Muskeln und elastischen Fasern und einem geschichteten, offenbar durch Metaplasie
entstandenen Plattenepithel. Entzündliche Veränderungen fehlten. Der Stein
erwies sich bei der chemischen Untersuchung als reiner Phosphatstein.
Es war demnach wahrscheinlich, daß das Divertikel angeboren und der Stein
in demselben autochthon entstanden war. Nach der Zusammenstellung von English
sind bisher 32 Divertikelsteine in der Harnröhre, darunter zehn primäre, be-
schrieben, so daß obige Beobachtung eine große Rarität darstellt.
Reich (Tübingen).
27) H. Lilienthal (New York). Suprapubic prostatectomie in two
stages.
(New York med. journ. 1908. Juni 13.)
L. bat in einzelnen schweren, durch Blutungen, schlechten Allgemeinzustand
usw. komplizierten Fällen der Prostatektomie 5—10 Tage vorher eine einfache
Cystostomie vorausgeschickt. Die Vorteile dieses Verfahrens sind nach L.:
1054 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35.
1) Bessere Vermeidung von schweren Blutungen. 2) Herabsetzung des Choks.
3) Sorgfältige Untersuchung des Blaseninnern, welche bei Blutungen cystoskopisch
sehr schwierig sein kann. 4) Bessere Behandlungsmöglichkeit schwerer Oystitis
und dadurch Ausführung der eigentlichen Prostatektomie mit geringerer Sepsis-
gefahr. 5) Erholung der durch die Retention geschädigten Nieren. 6) Schutz vor
Infektion des Cavum Retzii. 7) Geringere Gefahr der Eröffnung des Mastdarmes.
Die Beschreibung der Operationsmethode bringt nichts wesentlich Neues.
H. Buchholz (Boston).
28) C. Lee Leedham-Green. Prolapse of the inverted bladder through
the urethra.
(Brit. med. journ. 1908. April 25.)
Ein walnußgroßer Blasenvorfall aus der erweiterten Harnröhre bei einem
18 Monate alten Mädchen, der beide Harnleitermündungen enthielt und verschie-
denen Behandlungsmethoden trotzte, heilte nach Einspritzung von Paraffin am
Blasenhals. Beobachtungsdauer seit der Einspritzung vier Monate. Es folgt eine
Literaturübersicht über 22 Fälle und kurze Besprechung der Pathologie und The-
rapie der Erkrankung. Weber (Dresden).
29) S. Riddell. A case of uretero-trigonal anastomosis for ectopia
vesicae.
(Brit. med. journ. 1908. April 25.)
Erfolgreicher Fall von Einpflanzung des Trigonums mit den Harnleitermün-
dungen bei Ectopia vesicae in die Flexur bei einem 6jährigen Mädchen. R. rät,
nicht vor dem 5. Lebensjahr zu operieren. Urinentleerung alle 3—4 Stunden.
Weber (Dresden).
30) A. A. Hagentorn. Zur Frage der Schußwunden der Harnblase.
(Russ. Archiv f. Chirurgie 1907. [Russisch.))
Der einzige bisher geheilte Fall von intraperitonealer Schußverletzung der
Blase, den H. finden konnte, gehört Finkelstein. Er selbst hat folgenden Fall
operiert:
Ein 21jähriger Fabrikarbeiter erhielt um 7 Uhr abends von vorn einen Re-
volverschuß in den Bauch. Er klagte über ständigen Harndrang, Übelkeit und
Schmerzen im Leibe. Vor 1!/,—2 Stunden habe er zuletzt uriniert.
In der Mittellinie, dicht unter dem Nabel fand sich die geschwärzte Einschuß-
öffnung, hinten rechts neben dem Steißbein der Ausschuß. Pat. brach einigemal,
hatte Singultus. Der Oberbauch war eingezogen; der untere aufgetriebene Teil gab
gedämpft-typanitischen Schall. Es wurde beginnende Peritonitis und Blasenver-
letzung angenommen (kein Katheterismus!). 5 Stunden nach der Verletzung Ope-
ration: im Bauch reichlich trüb-blutige urinöse Flüssigkeit. Eine Dünndarm-
schlinge war doppelt durchschossen und wurde genäht. In der hinteren Wand
der Blase, nicht weit vom Scheitel fand H. eine Schußwunde, die er in drei Etagen
schloß. Die zweite Wunde wurde erst nach Ablösung der Blase von der vorderen
Bauchwand extraperitoneal rechts in der Tiefe gefunden und doppelt vernäht.
Spülung der Bauchhöhle und Naht. Am nächsten Tage Verweilkatheter, der am
12. Tage entfernt wurde, nicht ohne Schwierigkeiten infolge von Inkrustationen.
Die extraperitoneale Wunde wurde Ausgangspunkt eines Abszesses, nach dessen
Tamponade alles heilte. V. E. Mertens (Kiel).
31) B. M. Frohnstein. Zur Kasuistik der Fremdkörper in der Harn-
blase.
(Russki Wratsch 1908. Nr. 27.)
F. fand in der Blase ein 8 cm langes abgerissenes Stück eines Nélatonkatheters.
Das Interesse des Falles liegt darin, daß trotz 1!/yjährigen Verweilens in der Blase
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 1055
der Fremdkörper nicht von Harnsalzen inkrustiert wurde und keine Cystitis ver-
ursachte. F. sieht die Ursache dieser seltenen Erscheinung in der Asepsis des Ka-
theters und in der Individualität des Harns des Pat.
E. Gtickel (Wel. Bubny, Poltawa).
32) F. Renaud und R. Driout. Observation de corps étranger de la
vessie chez la femme.
(Ann. des malad. des org. gen.-urin. Bd. XXVI. Hft. 9.)
Es handelte sich um eine 35 jähr. Frau, die sich angeblich zur Temperaturmessung
ein Medizinalthermometer in die Harnröhre eingeführt hatte. Sie sei dabei ein-
geschlafen, und das Instrument sei in die Blase gerutscht. Häufige Miktionen,
starke Dysurie, weder Eiter noch Blut im Urin. 5 Tage später suchte die Kranke
ärztliche Hilfe nach. Die Untersuchung ergab, daß das Thermometer quer in der
Blase lag, und daß seine beiden Enden sich tief in die Blasenschleimhaut einge-
klemmt hatten. Anbringen einer Seidenfadenschlinge um das dickere Thermometer-
ende. Einblasen von Luft in die Blase, vorsichtige Traktionen, bis das Thermo-
meter in die Achse der Harnröhre zu liegen kam. Extraktion durch die erweiterte
Harnröhre. Das Thermometer war 12 cm lang und hatte 11 mm im Durchmesser.
Reaktionslose Heilung. Paul Wagner (Leipzig).
33) RB. Cassanello. Contribution à l'étude anatomo- pathologique et
clinique de l’adenome vésical.
(Ann. des malad. des org. gen.-urin. Bd. XXVI. Hft. 9.)
Genaue klinische und pathologisch-anatomische Beschreibung eines Falles von
Blasenadenom bei einer 40jährigen Frau. Die Kranke wurde von Prof. Ceci
(Pisa) mittels hohen Blasenschnittes operiert. Exstirpation der kurzgestielten
voluminösen Geschwulst, die der Gegend der rechten Harnleitermündung aufsaß.
Resektion der betreffenden Partie der Blasenschleimhaut; Naht usw. Während der
Rekonvaleszenz entwickelte sich eine schwere fieberhafte Pyelonephritis der rechten
Seite. Freilegung der sehr schmerzhaften, stark vergrößerten Niere, deren Rinden-
und Marksubstanz sich ganz gleichmäßig von kleinen miliaren Abszessen durch-
setzt zeigte. Exstirpation der Niere und des größten Teiles des Harnleiters. Voll-
kommene Heilung. Verf. gibt eine genaue pathalogisch-anatomische und histo-
logische Beschreibung des exstirpierten Blasenadenoms, an dem er drei Zonen
unterscheidet: eine periphere Zone, die die ganze Neubildung umgibt und zum
größten Teile aus papillären Bildungen besteht; eine zentrale Zone, die das Ge-
rüst bildet und aus weichem, lakunärem, vaskularisiertem Gewebe besteht, und
endlich die Stielzone, die aus gewöhnlichem lockeren Bindegewebe besteht und
zahlreiche Gefäße enthält. Die klinische Diagnose eines Blasenadenoms ist auch
mit dem Cystoskop unmöglich, da das Adenom makroskopisch keine besonderen
Merkmale aufweist, die es von anderen Geschwülsten der Blasenschleimhaut sicher
unterscheidet. Prognostisch ist das Blasenadenom eine gutartige Geschwulst; die
Prognose wird außer der Möglichkeit einer bösartigen Degeneration getrübt durch
die häufigen schweren Blutungen, die das Leben der Kranken bedrohen, und durch
infektiöse Blasen- und Nierenentzündungen. Die Exstirpation der Geschwulst
samt ihrer Einpflanzungsstelle kann in vollkommen sicherer Weise und von einem
hohen Blasenschnitt aus geschehen. Paul Wagner (Leipzig).
34) A, Olsen. Et tilfaelde av ureter-ruptur.
(Tidsskrift for den norske Laegefor. 1908. Nr. 11.)
Fall von Spontanzerreißung des linken Harnleiters bei einem 77jährigen
Manne, hervorgerufen durch einen durchschlüpfenden Harnleiterstein. Urinreten-
tion. Weiche Geschwulst links unterhalb des Nabels, die anfangs für ein Blut-
extravasat gehalten wurde. Mit dem Katheter werden zweimal täglich 300—400 ccm
Harn entleert. Puls beschleunigt, klein, Temperatur unter 37,5°. Das allmähliche
Anwachsen der Geschwulst und eine Probepunktion leitete auf die Diagnose Urin-
1056 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36.
infiltration des Beckenbindegewebes. Hautschnitt links neben dem After. Stumpfe
Eröffnung des linken Cavum ischio-rectale. Drainage. Reichlicher Abfluß einer
nach Harn riechenden Flüssigkeit. Verkleinerung der Schwellung und allmähliche
Ausheilung, trotzdem Pat. nicht bewegt werden konnte, im Bette zu bleiben.
Revenstorf (Hamburg).
35) M. A. Wassiljew. Zur Heilung der Verletzungen und Fisteln
der Harnleiter.
(Russ. Archiv f. Chirurgie 1907. [Russisch.])
1) Eine 26jährige Pat. bekam nach der Entbindung eine Harnleiterfistel, die
links oben im Scheidengewölbe mündete. W. heilte die Kranke folgendermaßen:
nach Umschneidung der Fistel wurde der zentrale Harnleiterteil 2 cm weit
samt möglichst viel umgebendem Gewebe freigelegt. Nach Einführung eines Ka-
theters wurde die Blase vom Uterus abgelöst und nahe der Fistel geöffnet. In
diese Öffnung wurde der Harnleiter hineingezogen mittels eines Fadens, der durch
Blase und Harnröhre nach außen geleitet wurde. Darauf wurde der Harnleiter rings
an die Blase genäht und die Wunde in der Scheide geschlossen. Der Leitfaden
stieß sich nach 3 Tagen ab. ca 3 Wochen lang zeigte sich noch etwas Urin in der
Scheide. Ein Jahr darauf war Pat. völlig gesund. —
W. berichtet noch folgendes:
2) Gelegentlich einer abdominellen Totalexstirpation durchschnitt er den linken
Harnleiter nicht weit von der Blase. Da das renale Ende unauffindbar war, wur-
den in die Gegend, wo es mutmaßlich sein mußte, mehrere Ligaturen gelegt und
tamponiert. 6 Jahre später war Pat. völlig gesund, ohne jemals die geringsten Er-
scheinungen von Hydronephrose gehabt zu haben. V. E. Mertens (Kiel).
36) C. A. Ball. The diagnosis of impacted calculus in the ureter.
(Brit. med. journ. 1908. April 27.)
B. berichtet über einen Fall von irrtümlicher Annahme eines Steines im Harn-
leiter auf Grund einer Urinfistel nach Nephrektomie und mehrfachen röntgenogra-
phischen Nachweises eines ovalen Schattens in der Linie eines in den Harnleiter
geschobenen Bougies. Die Operation ergab keinen Stein im Harnleiter, klärte
auch über den Schatten, der nach der Operation am gleichen Orte geblieben war,
nicht auf. Weber (Dresden).
37) Ventura. Uronefrosi ed idrope degli ureteri da fimosi.
(Morgagni 1908. Nr. 27.)
Bei einem an Meningitis gestorbenen Kinde fand sich als zufälliger Nebenbefund
eine doppelseitige Hydronephrose, eine hochgradige Erweiterung beider Harn-
leiter, eine gedehnte Blase und eine erweiterte Harnröhre. Dabei bestand eine
Phimose, und die innere Vorhautöffnung lag dem Orificium externum urethrae
nicht gegenüber. Während des Lebens hatten keine Symptome von seiten der
Harnröhre vorgelegen. Dreyer (Köln).
38) Boari. Esiti remoti delle uretero-cisto-neostomie eseguite in Italia
con il metodo dell’ autore (bottone anastomotico).
(Morgagni Parte II. Nr. 27.)
Verf. konnte 12 Harnleiterblasenanastomosen mit Knopfverbindung sammeln,
darunter 8 in Italien. Von schweren Traumen und Karzinom abgesehen, bei denen
die Grundkrankheit zum Tode führte, wurden die Fisteln stets mit dauerndem Er-
folg operiert (5 bis 10 Jahre alte Fälle). In keinem Falle kam es zu einer Nekrose
des Harnleiterendes. Die Extraktion des Knopfes von der Harnröhre aus, ging
stets leicht und ohne Narkose vonstatten. Niemals kam es zu einer späteren
Striktur. Die Vereinigung erfolgte stets primär. Die schnelle und leichte Aus-
führbarkeit der Methode wird betont. Cystoskopisch zeigte die Harnleitermündung
keine Gefäße. Dreyer (Köln).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 1057
39) Delbet. Abouchement des uretères dans le rectum.
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXIII. p. 721.)
Im Anschluß an eine Mitteilung von Auvray gibt D. einen Bericht über
zwei Fälle, wo beide Harnleiter (aus hier weniger interessierenden Indikationen)
in den Darmkanal eingepflanzt wurden. Im ersten Falle wurde ein befriedigender
Erfolg erzielt, im zweiten weniger: der Dickdarm hatte sich nicht an die Aufnahme
des Urins gewöhnt, Pat. mußte tags 20mal, nachts 10mal den Mastdarm entleeren;
im ersten Falle war das nur 3mal erforderlich. Als Ort der Wahl für die Ein-
pflanzung gilt die Stelle des Kolon auf der Höhe oder dicht über dem Promon-
torium. Der Harnleiter wird unter dem etwas abgelösten Bauchfell nach der
Flexur hingeleitet und diese durch einen möglichst kleinen Schnitt eröffnet. Mit
Hilfe einer Harnleitersonde, über die man den Harnleiter stülpt, und die ein
Assistent in der Ampulle abfängt und aus dem After leitet, wird der Harnleiter
in die seitliche Darmöffnung geführt. Naht in zwei Schichten: die erste Darm-
schleimhaut und alle Harnleiterschichten, die zweite von beiden nur die äußeren
Schichten fassend. Nunmehr Naht des Bauchfells, so daß also der Harnleiter voll-
ständig retroperitoneal liegt. Kaehler (Duisburg-M.).
40) A. Carrel (New York). Acute:calcification of the arteries in a cat
with transplanted kidneys.
(Proceedings of the New York pathol. society Vol. VII. Nr. 5—8.)
C. exstirpierte einer 1 Jahr alten Katze beide Nieren und setzte ihr die Nieren
einer 2jährigen Katze ein. Beide Tiere erwiesen sich bei der Operation als völlig
gesund. Das Versuchstier ging am 36. Tage nach der Operation ein. Bei der
Sektion fanden sich ausgedehnte Kalkeinlagerungen in der Adventitia der Arterien
des großen Kreislaufes, besonders in der Aorta, die in ein starres Rohr verwandelt
war. Im übrigen fanden sich normale Verhältnisse. Die eingepflanzten Nieren
zeigten normale Größe, Farbe und Konsistenz. (Vorläufige Mitteilung.)
Erhard Schmidt (Frankfurt a. M.).
41) Nov6-Josserand et Ballivet. Deux cas d’&epanchements urineux
traumatiques de la region renale. (Pseudo-hydron&phrose traumatique.)
(Arch. göner. de Chirurgie 1%8. Nr. 6.)
Verff. berichten über zwei Fälle traumatischer Pseudohydronephrose, die bei
Kindern im Anschluß an ein vor einigen Wochen erlittenes Trauma allmählich in
Erscheinung getreten war. In beiden Fällen war das Trauma nicht allzu heftig
(Sturz vom Wagen und Fall auf eine Steintreppe).. Nur in dem einen Falle kam
es zu Dysurie und vorübergehender Hämaturie, während in dem anderen Falle zu-
nächst alle Symptome fehlten. Als wichtigste klinische Erscheinung trat in beiden
Fällen eine Geschwulst der seitlichen Bauchgegend auf, die ziemlich rasch an Um-
fang zunahm und die Operation nötig machte. In dem ersten Falle wurde die
perineale cystische Geschwulst durch das Peritoneum hindurch eröffnet und urin-
artiger Inhalt entleert. Es erfolgte Heilung, indem sich die geschaffene Urinfistel
allmählich schloß. Die mikroskopische Untersuchung der Sackwand ließ keine
charakteristischen Bestandteile des Nieren- oder Harnleitergewebes erkennen.
Im zweiten Falle fand sich neben der Pseudohydronephrose noch eine wirk-
liche Erweiterung des Nierenbeckens. Die geschaffene Fistel entleerte keinen Urin;
es kam zur septischen Infektion, der Pat. nach 6 Wochen erlag. Die Autopsie
ergab eine durch eine myxomatöse Geschwulst bedingte Stenose des Harnleiters,
die zu einer faustgroßen Hydronephrose geführt hatte, neben der noch das peri-
renale Gewebe cystisch erweitert war.
Im Anschluß an die beiden ausführlich geschilderten Fälle erörterten Verff.
unter Berücksichtigung der bisher noch spärlichen Literatur die Symptome der
Erkrankung (Häufigkeit bei Kindern, lebhafter Schmerz im Augenblick der Ge-
walteinwirkung, mäßige Hümaturie, rasch wachsende Geschwulst mit urinartigem
alkalischen Inhalt, die Pathogenese ‘'Berstung eines gesunden oder schon vorher
1058 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35.
hydronephrotisch veränderten Organs), endlich die Therapie. Einfache perirenale
Urinergüsse können spontan oder nach einfacher Punktion oder Inzision heilen. In
den seltenen Fällen, in denen Niere oder Harnleiter pathologisch verändert sind,
muß diese pathologische Veränderung (Hydronephrose oder Stenose) beseitigt
werden. Strauss (Nürnberg).
42) C. A. Griffths. Remarks on traumatic rupture of the kidney.
(Brit. med. journ. 1908. April 25.)
Bericht über zwei Fälle von Nierenzerreißung, die durch Naht mit Erhaltung der
Niere geheilt wurden. Im ersten wurde wegen zunehmender Schwäche und steigen-
der Temperatur die Niere freigelegt und ein Riß genäht, der von der Oberfläche bis
ins Becken hineinreichte. Im zweiten Falle trennte ein großer Querriß das untere
Drittel der Niere fast völlig ab. Ein zweiter Riß verlief vertikal, aber keiner
drang ins Becken ein. Die Nähte hielten nur teilweise in dem brüchigen Gewebe.
Der Operateur nahm daher die Fettkapsel zu Hilfe und nähte die Niere wie in
einen Sack ein. Auch hier glatte Heilung. Weber (Dresden).
43) G. Barling. A clinical lecture on the diagnosis and treatment of
renal mobility.
(Brit. med. journ. 1908. April 25.)
Bei Operationen bietet sich oft Gelegenheit, sich davon zu überzeugen, daß
beide Nieren auch in normalem Anheftungszustande um etwa 21/2 cm nach unten
verschiebbar sind. Die klinisch bewegliche Niere ist also nur als Steigerung der
normalen Beweglichkeit aufzufassen. Die bei Wanderniere so häufigen allgemeinen
nervösen Erscheinungen können sehr wohl eine unmittelbare Folge der Nieren-
beweglichkeit sein. An der Hand einer Präparatzeichnung setzt B. auseinander,
wie nach seiner Auffassung eine nach abwärts sinkende Niere unter Zurücklassung
der mit dem Ganglion semilunare verbundenen Nebennierenkapsel am ursprüng-
lichen Orte an diesem Ganglion und den in ihm mündenden Splanchnicusfasern
zerrt und so auf Hirn und Rückenmark unaufhörliche Reize überträgt, die schließlich
zur Neurasthenie führen können.
Zur Beurteilung seiner Heilungsergebnisse durch Operation teilt B. seine über
100 Fälle in drei Gruppen. Bei der ersten Gruppe, die sich durch Schmerzen,
Unbehagen, Ziehen, Koliken, kurz durch lokale Erscheinungen auszeichnete, erzielte
er fast überall völlige Heilung; bei der zweiten Gruppe (örtliche Erscheinungen
mit Kopfschmerzen, Erschöpfung und Schlaflosigkeit) heilte er die Mehrheit an-
nähernd ganz durch Operation; bei der dritten Gruppe, die aus Kranken besteht
mit seelischen Störungen, ist der Erfolg im ganzen unbefriedigend; immerhin teilt
Verf. einige bemerkenswerte Fälle mit von völliger Heilung nach Annähung der
Niere. Er operiert mit Vorliebe nach der von Jordan Lloyd angegebenen Me-
thode und fixiert die Niere hoch oben unter dem Rippenbogen und dicht am
Quadratus lumborum. Wenn beide Nieren beweglich sind und für die Beschwerden
verantwortlich gemacht werden können, so näht B. beide in einer Sitzung fest.
Unter mehr als 100 Fällen hatte er nur einen Todesfall, und zwar an nicht er-
kannter chronischer Nephritie. Weber (Dresden).
44) A. W. Wischnewski. Anomalien der Nierengefäße bei angeborener
Dystopie der Niere.
(Russ. Archiv f. Chirurgie 1907. [Russisch.))
W. fand an einer Leiche die rechte Niere auf der Darmbeinschaufel, die Crista
nur wenig überragend. Von den 5 Arterien entsprangen 2 aus der Aorta, 3 aus
der rechten Hypogastrica. Die Zahl der Venenstämme war drei. Die Nebenniere
lag entfernt in Höhe des 12. Brustwirbels. —
W. benutzt die Gelegenheit, um auf die chirurgisch nicht unwesentliche Eigen-
tümlichkeit hinzuweisen, daß angeborener Tiefstand einer Niere anscheinend stets
mit Vermehrung der Gefäße einhergeht. Die Fünfzahl der Arterien ist schon
wiederholt beobachtet worden. V. E. Mertens (Kiel).
© Googe o
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 1059
45) Kapsammer (Wien). Über Abfluß des gesamten Harnes der ge-
sunden Niere durch die Nephrotomiefistel der erkrankten.
(Zeitschrift für Urologie Bd. H. Hft. 2.)
Abfließen von Harn aus dem Drainagekanal nach Nephrektomie infolge In-
suffizenz des Harnleiterverschlusses ist des öfteren beobachtet worden. Die in der
Überschrift dieses Aufsates zu lesende Anomalie stellt dagegen ein Unikum dar.
Bei einem, 9jährigen Knaben, der an Mixtionsstörungen durch Membranen, Blasen
und Gerinnsel im Urin litt, war vergeblich die Sectio alta und Reinigung der
Blase ausgeführt worden. Da sich eine linksseitige Nierengeschwulst entwickelte,
wurde zunächst linkerseits eine Nephrotomiefistel angelegt, aus der sich zuweilen
tagelang der gesamte Urin entleerte. Pat. brauchte nicht durch dis Harnröhre zu
urinieren. Zeichen von Harnverhaltung fehlten. Die Untersuchung der später
entfernten linken Niere zeigte, daß sie aus einem schlaffen, häutigen Hydrone-
phrosensack bestand, der unmöglich das aus der Fistel rinnende vollwertige Harn-
exkret geliefert haben konnte. Der zu einer weiten, starren Röhre umgewandelte
klaffende linke Harnleiter erklärt die Möglichkeit des abnormen retrograden Urin-
abflusses. Kroemer (Berlin).
46) Gardini. Radiografia e radioscopia per la diagnosi di calcoli
renale.
(Morgagni Parte II. Nr. 27.)
Zuweilen gelingt es schon bei der Radioskopie Steine nachzuweisen. Zum
genaueren Studium von Lage, Form und Größe der Nierensteine ist indes eine
Plattenaufnahme notwendig. Unter 86 photographierten Fällen wurden 20mal
Steine gefunden, 4mal blieb die Diagnose ungewiß. Von den 16 zur Operation
gekommenen Fällen wurden bei dem Eingriff die Steine 14mal entfernt. Einmal
fand der Operateur die Steine nicht, und die Beschwerden blieben nach der Opera-
tion. Einmal hielt ein Karzinom von weiterem Suchen nach Steinen ab. Drei Fälle
illustrieren die Wichtigkeit der Röntgenuntersuchung besonders (zufälliger Stein-
befund bei einem als Neurastheniker geltenden Mann, 2mal doppelseitige Steine
bei einseitigen Schmerzen). Dreyer (Köln).
AT) Nicolich. Sur deux cas de n&phrolithiase aseptique.
(Ann. des malad. des org. génito-urin. T. XXVI. Nr. 10.) i
Bis Februar 1908 hat Verf. 21 Kranke mit aseptischer Nephrolithiasis mittels
Nephrolithotomie behandelt: bei 19 Operierten trat Heilung per pr. intent. ein;
zwei Operierte sind gestorben, der eine an den Folgen der Operation, der andere
10 Tage nach dem Eingriff an einer fibrinösen Pneumonie. In dem ersten Falle
han delte es sich um eine Niere, die von einem anderen Chirurgen bereits enthülst
und fixiert worden war. Obgleich deutliche Steinsymptome vorlagen und auch
durch eine Röntgenuntersuchung ein Konkrement sichergestellt war, hatte es der
betreffende Operateur wunderbarerweise nicht für nötig gehalten, die Nephrotomie
zu machen. Die Operation an der enthülsten, fixierten Niere war außerordentlich
schwierig, das Bauchfell und wahrscheinlich auch die Pleura wurden verletzt;
schwere Blutung. Entfernung eines größeren Konkrementes aus dem Nierenbecken.
Am 4. Tage kam es zu peritonitischen Erscheinungen, denen die 54jährige Kranke
rasch erlag.
j Verf. schließt, daß man sich in Fällen, wo die klassischen Symptome der
Nephrolithiasis vorliegen, nicht auf die Tastung der freigelegten Niere und nicht
auf den röntgenographischen Befund, die die Gegenwart eines Steines anscheinend
ausschließen, verlassen, sondern daß man auf jeden Fall die Niere spalten und
einen retrograden Katheterismus bis zur Blase vornehmen soll.
= Paul Wagner (Leipzig).
48) Badin. Valeur de la pyelotomie dans la nephrolithiase.
(Thèse de Lyon 1908. — Ann. des malad. des org. genito-urin. T. XXVL Nr. 10.)
Verf. gibt zunächst eine eingehende Beschreibung der Technik der Pyelolitho-
tomie, und teilt dann 10 Operationen dieser Art mit, die der Praxis von Rafin
1060 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35.
und von v. Frisch (Wien) entstammen. Bei neun Kranken trat vollkommene
Heilung ein; in einem Falle mußte einige Stunden nach der Pyelotomie die
Nephrektomie vorgenommen werden, da es zu einer schweren inneren Blutung im
Bereiche des Nierenstieles gekommen war. Auch in diesem Falle trat dann Hei-
lung ein.
"Nach Verf.s Ansicht soll man in allen Fällen, in denen mittels Röntgenographie
frühzeitig genug Nierenbeckensteine diagnostiziert worden sind, die einfache und
wenig eingreifende Pyelotomie machen, die bei richtiger Ausführung keine Fistel
zurückläßt.
Die Nephrotomie ist indiziert in den Fällen, wo bereits Infektion vorliegt und
die Niere breit drainiert werden muß, bei sehr großen und bei sehr zahlreichen
Steinen, und bei Steinen, die nicht im Nierenbecken liegen.
Paul Wagner (Leipzig).
49) Hagen-Torn. Zur Frage der Nierentumoren und retroperitinealen
Geschwülste.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXV. Hft. 4.)
H. publiziert einen Fall, bei dem sich bei der Operation eine Geschwulst
fand, die aus zwei Teilen bestand. Der eine Teil umfaßte die Nebenniere, der
andere war fest mit der Niere verbunden, und in der Niere selbst fanden sich
Inseln von demselben Gewebe wie in der Geschwulst. Wahrscheinlich handelte
es sich sowohl in der Niere wie im Retroperitonealgewebe um zurückgebliebene
Keime der Embryonalniere. E. Siegel (Frankfurt a. M.).
50) Bazy. Hydronéphrose intermittente par malformation du bassinet.
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXIII. p. 559, 565.)
Bei der 36jährigen Pat. lagen die ersten kolikartigen Anfälle mit längerer
Anurie 5 Jahre zurück. Bei der Operation fand sich der Abgang des Harnleiters
im obersten Winkel eines hoch nach oben gezogenen, stark erweiterten und ver-
dickten Nierenbeckens. Nephrektomie. Unter Berufung auf Duval und Gregoire
leugnet B. die Entstehung einer Hydronephrose durch Wanderniere, während
Delbet gerade den berichteten Fall als Beweismaterial dafür verwenden will:
die Einmündungsstelle des Harnleiters war durch irgendeine Ursache fixiert, die
Niere war oder wurde beweglich; so kam die Knickung, die Hydronephrose, zu-
stande. Kaehler (Duisburg-M.).
51) Brewer. An analysis of 140 operations on the kidney and ureters.
(Amer. journ. of the med. sciences 1908. Mai.)
B. gibt eine ausführliche Analyse seiner 140 Nieren- und Harnleiteroperationen.
Dieselben verteilen sich auf 48 Nephrektomien mit 2, 48 Nephrotomien und Probe-
operationen mit 9, 13 Enthülsungen mit 2, 9 Verletzungen mit 1, 15 Nephror-
rhaphien und 9 Operationen am Harnleiter mit 0 Todesfällen.
Hinsichtlich der Enthülsung bei chronischer Nephritis hat B. nur zwei Erfolge
zu verzeichnen; hingegen spricht er sich günstig über die Entkapselung aus bei
akuten Fällen, speziell in Fällen subakuter septischer Infarkte. — Einen breiten
Raum widmet er der Besprechung der akuten, einseitigen, hämatogenen Infektion.
Zum Zustandekommen derselben sind zwei Faktoren nötig: 1) ein septischer Herd
irgendwo im Körper, der virulente Bakterien an das Blut abgibt; 2) eine ver-
minderte Widerstandsfähigkeit einer Niere, bedingt durch Trauma, Steine, einen
verlegten Harnleiter oder einen früheren septischen Prozeß. — Die Erkrankung ist
daher nicht selten die Folge einer Pneumonie, Tonsillitis, akuter Exantheme,
Typhus, Furunkel. (In einer Anzahl Fälle gelang es dem Verf., die Erkrankung
an Tieren experimentell herbeizuführen.)
Die Symptome sind die allgemeiner schwerer Infektion, Druckempfindlichkeit
der Nierengegend. Druckempfindlichkeit und Muskelspannung der Gallenblasen-
und Blinddarmgegend können leicht zu Verwechslungen führen. Nur genaueste
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 1061
Untersuchung des separierten Urins kann Aufschluß geben. Bei der Operation
findet man entweder die Niere mit miliaren Abszessen durchsetzt, oder nur einige
solitäre, kleine Herde.
Bezüglich der Steindiagnose gibt Verf. zu, auf keinem Gebiete der chirurgi-
schen Diagnostik so vielen Irrtümern verfallen zu sein als gerade hier. Die Rönt-
genologie hat ihn recht oft im Stiche gelassen bzw. Trugschlüsse zur Folge gehabt.
In einem Falle dokumentierte sich der vermeintliche Harnleiterstein als verkalkte
Appendix epiploica. (Der Indigkarminuntersuchung ist nirgends Erwähnung getan.)
Levy (Wiesbaden).
52) J. B. Shober. Nephro-ureterectomy for tuberculosis.
(Therapeutic gazette 1908. Juni 15.)
Verf. hat bei einer 33jährigen, hereditär schwer belasteten Kranken die tuber-
kulöse rechte Niere mitsamt dem ganzen Harnleiter durch eine von E. Reynolds
angegebene vordere Inzision entfernt. Der ganze Eingriff konnte retroperitoneal
vorgenommen werden. 7 Wochen später entfernte Verf. bei der Kranken mittels
Laparotomie die fibromatöse Gebärmutter, beide cystisch entartete Eierstöcke und
Tuben, sowie den verdickten Wurmfortsatz. Weder makroskopisch noch mikro-
skopisch konnte in diesen Organen Tuberkulose nachgewiesen werden. Vollkom-
mene Heilung; rasche Gewichtszunahme. Paul Wagner (Leipzig).
53) A. H. G. Doran. Cystic tumour of the suprarenal body success-
fully removed by operation, with notes on cases previously published.
(Brit. med. journ. 1908. Juni 27.) .
Im Anschluß an einen eigenen, mit Glück transperitoneal ausgeschälten Fall
von cystischer Entartung der Nebenniere bespricht Verf. Geschichte, Pathologie
und Therapie dieser seltenen Geschwulstform, von der er 14 in der Literatur aufge-
fundene Fälle beschreibt. Die Arbeit faßt alles Wissenswerte über die Krankheits-
form zusammen. Literaturangabe. Weber (Dresden).
54) Horsley. Perinephritic abscess following parturition.
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. Nr. 10.)
Innerbalb von 2 Jahren operierte Verf. drei Fälle von eitriger Perinephritis,
entstanden im Anschluß an eine Entbindung. In einem Falle war der perine-
phritische Prozeß 4—5 Tage, im anderen Falle 4—5 Wochen, im dritten Falle
6 Wochen nach der Entbindung in Erscheinung getreten. In einem der Fälle war
leichte puerperale Infektion vom Hausarzt notiert worden, die anderen zwei Fälle
waren normal verlaufen. Die vaginale Untersuchung bei der Aufnahme in des
Verf.s Behandlung ergab ganz normale Verhältnisse.
Heilung der drei Pat. durch Entleerung des Eiters mittels lumbalen Schnittes.
W. v. Brunn (Rostock).
.55) Samurawkin (St. Petersburg). Ein seltener Fall von Nebenhoden-
echinokokkus.
(Zeitschrift für Urologie Bd. II. Hft. 2.)
Verf. gibt zunächst eine Übersicht über die spärlichen Literaturangaben über
Echinokokkenaussaat im männlichen Genitalsystem. Unter 2337 Fällen von multipler
Echinokokkenbildung fanden sich nur zehn mit dieser Lokalisation der Parasiten,
meist im Hoden, bzw. in der Prostata oder in den Samenbläschen. Im Neben-
hoden saß der von Cooper (Davaine) beschriebene Echinokokkus. Dazu kommt
vorliegende Beobachtung, die von v. Fedoroff an einem 27jährigen, kräftigen
Bauer gemacht wurde. Pat. hatte sich wegen Anschwellung des linken Hodens
an das Bezirkskrankenhaus gewandt, wo die Geschwulst durch Punktion entleert
wurde. Danach entstand eine zunächst serös, später eitrig sezernierende Fistel.
Im exstirpierten Präparat nahm der vereiterte Echinokokkus den um das Dreifache
1062 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35.
vergrößerten Nebenhoden ein. Letzterer zeigt im übrigen fibröse, schwielige Ent-
artung, so daß die Annahme des Verf.s berechtigt erscheint, daß der Parasit schon
längere Zeit bestanden habe. — Pat. wurde geheilt entlassen.
Kroemer (Berlin).
In Nr. 21 des Zentralblaties für Chirurgie empfiehlt Cardenal in einer Ors-
ginalmiteilung den » Dauerkatheterssmus der Ureteren in der chirurgischen Behand-
lung verschiedener Blasenleiden und der Prostatahypertrophie< und vertritt dabei
die Ansicht, daß noch nicht versucht ses, in beide Harnlesiter Dauer-
katheter einzulegen. Diese Annahme kann sch nicht unwidersprochen lassen,
denn Cardenal hätte seine bibliographische Umschau nur auf den Jahrgang 1907
des von ihm für seine Publikation gewählten Zentralblattes für Chirurgie auszudehnen
brauchen und in dem Bericht über die Verhandlungen der deutschen
Gesellschaft für Chirurgie, 36. Kongreß, abgehalten vom 3.—6. April
1907 gefunden, daß ich dort auf p. 83—86 in einem Autoreferat ebenso wie in extenso
im Archiv für klinische Chirurgie Bd. LXXXV in einem »Modifika-
tionen der Sectio alta« betitellen Vortrag ın der gleichen Weise empfohlen habe,
die Blase nach Sectio alla für einige Tage vollständig trocken zu legen »durch
beidersestiges Einlegen eines Ureteren-Dauerkatheilers«, welche durch
die Urethra nach außen geleitet werden. An der gleichen Stelle rate ich ebenso wie
Cardenal »in die Ureteren-Dauerkatheter, solange sie liegen, täglich
1—2mal einige Kubikzentimeter einer IP/onigen Höllensteinlösung
einlaufen zu lassen«. Wullstein.
LXXX. Versammlung deutscher Naturforscher
und Ärzte
in Köln a. Rh. vom 20. bis 26. September 1908.
Abteilung: Chirurgie.
(Gemeinschaftliche Sitzung mü anderen Abteilungen.)
Angemeldete Vorträge:
1. Schridde (Freiburg) und Türk (Wien). Über Regeneration des Blutes
unter normalen und krankhaften Verhältnissen.
2. Orth (Berlin). Über experimentelle enterogene Tuberkulose.
3. Bartel und Neumann (Wien). Über Immunisierungsversuche gegen
Tuberkulose.
4. Wolf-Eisner (Berlin). Uber die Konjunktivalreaktion.
5. Hamburger (Wien). Kutan- und Stichreaktion mi Tuberkulin; für
Carl v. Pirquet.
6. Uber Röntgentherapie: Referenten: Krause (Jena), Kienböck (Wien),
Gocht (Halle).
7. Lauenstein (Hamburg). Zur Frage der Contusio abdominis gravis und
der Indikationsstellung zur Operation.
8. Riedel (Jena). Über quere Resektion des Magens.
9. Clairmont (Wien). Zur Lokalisation des Ulcus ventriculi in ihrer Be-
deutung fir das operative Fernresultat.
10. Wilms (Basel). Technik der temporären Kolostomie.
11. Kausch (Schöneberg). Über zweizeitige Operationen.
12. Bunge (Bonn). Zur Frage des Wringverschlusses des Darmes.
13. Kuhn (Kassel). a) Gastroenterostomie und Enteroanastomose mittels Gummi.
b) Behandlung des Ascites mit Dauerdrainage (Interne einladen !).
14. A. v. Lichtenberg (Straßburg). Verhalten der Lungen und des Herzens
nach abdominellen Eingriffen.
15. Morian (Essen). Über das Karzinom der Papilla Vateri.
16. Loening und Alex Stieda (Halle). Weitere Beiträge zur Gastroskopie.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 1063
17. Kudlek (Köln). Lennander’s Theorie über die Schmerzempfindung
innerer Organe und die Nutzanwendung für die Diagnostik.
18. Vorschütz (Köln). Zuführung von Alkalien in der chirurgischen Therapie.
19. Sonnenburg (Berlin). Über Periyphlitis. |
20. Krabbel (Aachen). Wann soll Appendicitis operiert werden?
21. Clairmont und H. v. Haberer (Wien). Zur operativen Behandlung des
Gallensteinleidens, Choleeystostomie oder Cholecystektomie ?
22. Schulz (Barmen). Beiträge zur Gallensteinchirurgie. Zur Diskussion.
23. Kuhn (Kassel). a) Außere Gallenblasen-Dünndarmanastomose (bei Chole-
dochusverschluß, bes Hepatticusdrainage).
b) Spülungen durch die Gallenwege.
24. Heyde (Marburg). Die Bedeutung anaerober Bakterien für die Perstonttis
appendicitischer Entstehung.
25. Quleke (Straßburg). Zur Frage der Behandlung diffuser Peritonttiden.
26. Dreesmann (Köln). Diagnose und Behandlung der akuten Pankreatitis.
27. P. Clairmont (Wien) Die Schemeinklemmung von Brüchen.
28. Krönlein (Zürich). Prognose und Technik der Nierenexstirpation bei
Nierenneoplasmen.
29. Reerink (Freiburg). Über die Wirkung der Cavaunterbindung auf die
Nieren (experimentelle Untersuchungen).
30. Graff (Bonn). Über Massenblutungen aus anatomisch wenig veränderten
Nieren.
31. Garre (Bonn). Thema vorbehalten.
32. Freiherr v. Eiselsberg (Wien). Über Tetanus.
33. Capelle (Bonn). Über Dauerresultate nach Gefäß- und Organtransplan-
tationen.
34. Sauerbruch (Marburg). Über Parabiose.
35. Carl Beck (Neuyork). Hypospadiebehandlung nebst anderen plastischen
Methoden, welche sich bei der Harnröhre anwenden lassen.
36. Kausch (Schöneberg). Ein Instrument zur Lumbalpunktion (Druckmesser
und Injektion).
37. Kuhn (Kassel). a) Stericatgut.
b) Tetanus als Testobjekt bei der Calgutsterslisation.
c) Resorbierbarer Stlberdraht.
38. Lossen (Köln). Über Bier'sche Stauung und Saugbehandlung.
39. Feinen (Köln). Über Mastitis.
40. Zeller (Berlin). Über einige Versuche zur Wiederbelebung von durch
Verblutung oder Einatmen von Ghften getöteten Tieren.
41. Fritz Cahen (Köln). Über die Behandlung der Kastration in der Behand-
lung der Mammakarzinome.
42. Aenstoots (Köln). Zur Radikaloperation bei chronischen Kieferhöhlen-
empyemen.
43. Referenten Kienböck (Wien).
44. Gocht (Halle).
45. Luxembourg (Köln). Zur Kasuistik der Röntgenkarzınome.
Über Lungenchtrurgie.
46. Referenten Brauer (Marburg).
47. Friedrich (Marburg).
48. Zur Diskussion Garre (Bonn).
49. Zur Diskussion Sauerbruch (Marburg).
50. Hoffmann und v. d. Velden (Düsseldorf). Die Emphysemoperation.
51. Tiegel (Dortmund). Ein einfacher Apparat zur Überdrucknarkose (mit
Demonstrationen).
52. Kuhn (Kassel). Überdruck an der Lunge: a) Mittels peroraler Intubation
und Ventilation der Trachea ohne Ventù.
b) Mittels weicher, halbdurchlässiger Kopfmaske ohne jedes Ventil (mit De-
monsirationen).
1064 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35.
53. Derselbe: Behandlung der Asphyxie unter peroraler Intubation und Ven-
tilation der Trachea (mit Demonstrationen).
54. Gottstein (Breslau). Das Pulsionsdivertikel des Ösophagus.
55. Glücksmann (Berlin). Extraktion verschluckter Fremdkörper.
56. Kersting (Aachen). Wann soll der Chirurge den Zahnarzt rufen?
57. Müller (Rostock). a) Über Operation bei Arthritis deformans.
b) Demonstrations-, Knochen- und Gelenkpräparale.
58. Wollenberg (Berlin). Die Attologie der Arthritis deformans im Lichte
der Experimente.
59. Biesalski (Berlin). Praktische Folgerungen aus der Statistik jugendlicher
Krüppel.
60. Joachimsthal (Berlin). Die frühzeitige Diagnose bei angeborenen Hüft-
verrenkungen. S
61. Dreesmann (Köln). Atiologie und Behandlung der angeborenen Hüft-
verrenkung.
62. Mayer (Köln). Zur Behandlung schwerer Kinderlähmungen mit Demon-
strationen.
63. Silbermark (Wien). Trauma, Gelenktuberkulose, Operationstrauma, All-
gemeine Tuberkulose.
64. Lossen (Köln). Über extrakapsuläre Radikalresektion tuberkulöser EU-
bogen- und Hüfigelenke.
65. König (Altona). Beobachtungen über Callusbildung bei Frakturen.
66. Bardenheuer (Köln). Die Versorgung der Nervenenden nach Amputa-
tionen zur Verhidung der Entstehung der Neurome, sowie zur Heilung der
bestehenden.
67. Luxembourg (Köln). Statistik der in den Jahren 1902 bis 1906 im
Kölner Bürgerhospitale behandelten Oberschenkelbrüche (mit Ausnahme der Schenkel-
halsfrakturen). ,
68. Feinen (Köln). Über Schenkelhalsbrüche.
69. Finsterer (Wien). Über die Behandlung der kongenitalen Luxation der
Patella.
70. Derselbe. Zur Kenninis der Kompressionsfraktur des Os lunatum.
71. Vorschütz (Köln). Demonstration einer Unterschenkelschiene.
72. Kuhn (Kassel). Improvisation stärkster Extensionen zur Behandlung von
Frakturen in der Praxis bei geringer Assistenz (mit Lichtbildern).
73. Holländer (Berlin). Über plastische und kosmetische Operationen (mit
Lächtbildern). 3
74. Klapp (Berlin). Uber die Narkose bei künstlich verkleinertem Kreislauf.
75. Marwedel (Aachen). Über die chirurgische Behandlung der Lähmungen
des Oberarmes. $
76. Martin (Köln). Uber sklerosierende Osteomyelitis (Osteite à forme neur-
algique). .
77. Witzel (Düsseldorf). Über den Schutz des Peritoneums bes Operationen.
78. Anschütz (Kiel). Magensaftfluß bei Magenkarzinom.
79. v. Bramann (Halle). Beitrag zur Hirnchirurgie.
80. Bardenheuer (Köln) sst bereit, zu einer noch zu vereinbarenden Stunde
am Krankenbett die Extensionsbehandlung im Bürgerhospital zu demonstrieren.
Berichtigung. Der Verfasser der in Nr. 33 unter 7 referierten Arbeit heißt
Kutner, nicht Huther.
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdruoke wolle man
an Prof. BE. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlage-
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden.
—— ZZ mn Ő ng
Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau.
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig.
Zentralblatt für Chirurgie
herausgegeben von
K. GARRÈ, F. KÖNIG, E. RICHTER,
in Bonn, in Berlin, in Breslau.
35. Jahrgang.
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG.
Nr. 36. Sonnabend, den 5. September 1908.
Inhalt.
E. Payr, Über osteoplastischen jErsatz nach Kieferresektion (Kieferdefekten) durch Rippene
stücke mittels gestielter Brustwandlappen oder freier Transplantation. (Originalmitteilung.)
1) Netter, Collargol u. Elektrargol. — 9) Bertein u. Worms, Wirbeldiastasen. — 8) Schwartz
und Dreyfus, Lungenrisse. — 4) Hofbauer, Operative Behandlung chronischer Lungenleiden. —
5) Heidenhain, Suprarenin-Kochsalzinfusionen bei peritonitischer Blutdrucksenkung. — 6) Hönck,
7) Sonnenburg und Kothe, Appendicitis. — 8) Monprofit, Gastrektomie. — 9) Finney, Pylorus-
stenose. — 10) Negrescu, Wasserstoflsuperoxyd bei Afterfissuren und -Ulzerationen. — 11) Delore
und Chalier, Mastdarmkrebs. — 12) Mathieu, Verengerung der Gallenwege. — 18) Riedel, Chole-
cystitis und Cholangitis ohne Stein. — 14) Brin, 15) Deaver, Cholecystektomie.
16) Baradulin, Muskelechinokokkus. — 17) Haeberlin, Sonnenlicht in der Chirurgie. —
18) Beatson, Stauungsblutung. — 19) Holden, Hirnabszeß. — 20) Mandry, Rhinoplastik. — 21) Dis-
kussion über Carotisunterbindung. — 22) Jalaguier, Ösophagotomie. — 23) Schultze, Speise-
röhrenzerreißung. — 24) Venot, Sarkom des N. vagus. — 85) Mintz, Späte Erstickungsanfälle nach
Kehlkopfexzision. — 26) Nager, Luftröhrenkrebs. — 37) v. Saar, Luftröhrenplastik. — 28) Were-
kundow, Bauch-Brustkorbverletzung. — 29) Glickman, Brustquetschung. — 80) Marden, Bauch
schußwunde. — 81) Zinsser, Typhus-Peritonitis. — 32) Richelot, 88) Koppang, Appendicitis. —
84) Upcott, 35) Johnston, Wurmfortsatzdivertikel. — 36) White, 87) Weber, Krebs des Wurm
fortsatzes. — 88) Leischner, Partielle Bauchmuskellähmungen. — 89) Pokrowski, Eitrige Ent-
zündung von Magen und Darm. — 40) Wegele, Polypose des Magens. — 41) Hayem, Magenkrebs.
— 43) Twerdowski, Gastroenterostomie. — 48) Thorspecken, Magen-Dickdarmifistel. — 4) Fin-
ney, Hirschsprung’sche Krankheit. — 45) Morton, Mastdarmkrebs. — 46) Stern, Aneurysma
einer Gekrösarterie. — 47) Mastin, Netzanomalie. — 48) Johnston, Milzcysten. — 49) Nicolle u
Cassuto, Tropische Milzvergrößerung (Kala-azar).
Aus der Kgl. chirurgischen Klinik zu Greifswald.
Über osteoplastischen Ersatz nach Kieferresektion
(Kieferdefekten) durch Rippenstücke mittels gestielter
Brustwandlappen oder freier Transplantation.
Von
Prof. Dr. E. Payr.
Mit 2 Abbildungen.
er funktionell und kosmetisch das möglichste bietende Ersatz
durch Resektion oder Verletzung verloren gegangener Abschnitte
des Unterkiefers ist angesichts der durch die verstümmelnde Operation
bedingten schweren Schädigungen eine ernste und verantwortungsvolle
Aufgabe für den Chirurgen und seinen auf diesem Gebiet fast unent-
behrlichen Bundesgenossen, den Zahnarzt.
36
1066 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36.
Wir haben gerade in den letzten Jahren sehr bemerkenswerte
technische Fortschritte dem beiderseits fördernden Zusammenarbeiten
unserer Disziplin und der Zahnheilkunde zu danken.
Völliger Verzicht auf Verwendung einer Prothese, sowie die Ein-
legung nach erfolgter Wundheilung (sekundäre Prothese) mußten
den entschieden besseren Verfahren der Implantationsprothesen,
sowie der Verwendung von Immediatprothesen mit sekundärem
Ersatz derselben durch eine zahnärztliche definitive Prothese weichen.
Denn nur bei Verwendung der letztgenannten Verfahren gelingt
es, den beiden das spätere funktionelle und kosmetische Resultat
schwer beeinträchtigenden Faktoren, dem Muskel- und dem Narbenzug,
erfolgreich entgegenzutreten und dadurch die bei Unterkieferdefekten
drohenden Kau-, Schluck- und Sprachstörungen wenigstens großenteils
zu beseitigen.
Sowohl über die als bleibender Ersatz des resezierten Kiefer-
stückes gedachten Implantationsprothesen aus verschiedenartigstem
Material, als speziell über Immediatprothesen, die zurzeit in der
Frage des plastischen Kieferersatzes an erster Stelle stehen, sind zahl-
reiche, fast von Fall zu Fall neue Vorschläge enthaltende Mitteilungen
erschienen (Cl. Martin, Stoppany, Schröder, Fritzsche). Über
die derzeitigen Gesichtspunkte der Frage von chirurgischer Seite unter-
richten die Spezialarbeiten von F. König und Heller, sowie die
treffliche Bearbeitung der Kieferkrankheiten von Perthes.
Vorerst eine kurze Bemerkung zur Wahl der Implantations-
prothese.
Ich habe vor einer Reihe von Jahren in der Grazer chirurgi-
schen Klinik nach Unterkieferresektionen den Knochendefekt in meh-
reren Fällen unmittelbar durch verschieden geartete Magnesium-
prothesen ersetzt. Ich verwendete entweder aus Magnesiumblech
gefertigte Schienen (Schraubenbefestigung) oder noch einfacher einen
0,5 cm starken Magnesiumdraht, der, entsprechend gebogen, in je ein
Bohrloch (Zentralkanal) der Resektionsstümpfe versenkt oder in ein
seichtes Bohrloch im Tuberculum articulare bei halbseitiger Exartiku-
lation eingelegt wurde. Heute würde ich einen ebensolchen Draht
verwenden, der einen der Cavitas glenoidalis entsprechenden Metall-
knopf tragen würde. Für den Ersatz eines resezierten Mittelstückes
verwendete ich eine aus einem Magnesiumdraht und zwei demselben
an den Enden aufgesetzten Klammern gefertigte Schiene, gleichfalls
durch Metalldraht oder Schrauben nach Anlegung von Bohrlöchern
an den Resektionsstümpfen zu befestigen.
Diese Prothesen, besonders in Form des kräftigen Metalldrahtes,
haben den Vorteil, sich leicht adaptieren zu lassen, die Stellung der
Resektionsstümpfe günstig zu beeinflussen, wenig Raum zu bean-
spruchen und deshalb einen möglichst exakten Abschluß der Mund-
höhle zu begünstigen. Das Magnesiummetall verfällt einem völligen
Resorptionsprozeß, in seiner Umgebung jedoch bildet sich eine bei
Verwendung so bedeutender Mengen erhebliche bindegewebige, resi-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 1067
stente Narbe. In einem solchen mit einfacher Drahtprothese behan-
delten Falle war schon nach 10 Tagen ein völlig wasserdichter Ab-
schluß des ÖOperationsgebietes gegen die Mundhöhle erzielt. Die
Blechplattenprothesen haben den Nachteil, durch ihre etwas scharfe
Kante gelegentlich an der Schleimhaut noch sekundär durch Druck
Dekubitus zu erzeugen.
In den meisten solcher Art operierten Fällen wurde nach längerer
Zeit (”—10 Wochen) die Magnesiumprothese entfernt und durch ein
zahnärztliches Ersatzstück substituiert (hatte also nur die Rolle einer
Immediatprothese gespielt). In einem Falle heilte die Magnesium-
prothese fistellos ein, wurde völlig resorbiert, und bildete sich an ihrer
Stelle eine derbe, funktionell und kosmetisch genügende Narbe. Darin
wäre vielleicht ein gewisser Vorteil der Verwendung von Magnesium
für den erwähnten Zweck gegeben. Allein wir leben in einer Zeit,
in der wir den zur Pflicht gewordenen Ersatz verloren gegangener
Teile nicht durch Einheilung von Fremdkörpern, sondern, wenn irgend
möglich, durch lebendes und daher funktionell viel höher
wertiges Gewebe erstreben. Es ist angesichts der Tatsache, daß
wir in einer Ara der Plastik und Transplantation leben, merk-
würdig, daß wir bisher nur ganz vereinzelte Versuche einer osteo-
plastischen Deckung gesetzter Unterkieferdefekte zu ver-
zeichnen haben. Bardenheuer und Krause verwendeten gestielte
Periost-Knochenspangen benachbarter Kieferpartien, Wölfler mit
negativem Erfolg eine an einem Hautlappen hängende Spange aus
der Clavicula, Bardenheuer einen Haut-Periost-Knochenlappen aus
der Stirn. Sykoff transplantierte frei einen einer benachbarten
Unterkieferpartie entnommenen Knochenspan. Mancherlei mag noch
versucht, mancherlei vorgeschlagen oder beabsichtigt sein (Sykoff,
Lexer, Garre) — es ist eine Tatsache, daß kein osteoplastisches Ver-
fahren bisher technisch in entsprechender Weise für die ver-
schiedenen Anforderungen ausgearbeitet und systematisch
in Anwendung gebracht worden ist.
Seit Jahren mit dem Gedanken eines möglichst vollwertigen
osteoplastischen Unterkieferersatzes beschäftigt, habe ich vor etwa
4 oder 5 Jahren periostbekleidete Rippenstücke als zweckmäßiges
Material für eine Knochenplastik in Erwägung gezogen. Außeren
Gründen ist es zuzuschreiben, daß dieser Heilplan erst im letzten
Jahre seiner Realisierung zugeführt werden konnte.
Man kann denselben in zweierlei Weise zur Ausführung bringen.
1) Osteoplastik mittels eines in einem Brustwandlappen
befindlichen entsprechend großen Rippenstückes.
Obwohl, meinem Operationsplan entsprechend, wahrscheinlich ein
zungenförmiger, breiter, ein völlig mit Periost bekleidetes Rippenstück
tragender Haut-Muskellappen verwendbar ist — Mandry verwendete
kürzlich erfolgreich einen ein Stück Schlüsselbein enthaltenden Haut-
lappen für Rhinoplastik —, halte ich doch den Vorschlag meines
Assistenten, Dr. Heller, ein entsprechend langes Rippenstück mit
1068 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36.
völliger Periostbekleidung zu resezieren, durch eine kleine Inzisions-
öffnung in der Regio infraclavicularis mit hautwärts sehender
Konkavität zwischen Haut und Fascie zu schieben und daselbst
fest einheilen zu lassen, für eine Verbesserung.
Es entwickeln sich da sehr gute Gefäßverbindungen zwischen Mus-
kelfascie und Beinhaut der Rippen.
Dieser Eingriff ist die der Kieferresektion und dem plastischen
Ersatze zirka 2—3 Wochen vorausgehende »Voroperation«. An-
gesichts des nachfolgenden größeren Eingriffes ist dieselbe, wenn irgend
tunlich, unter Lokal- beziehungsweise Leitungsanästhesie (N. inter-
costalis) auszuführen.
Fig. 1. Fig. 2.
Fig. 1 und 2 stellen den Ersatz eines mäßig großen Defektes eines horizontalen
Kieferastes dar. Bei J wurde eine an anderer Stelle am Thorax samt Periost re-
sezierte Rippe R zwischen Haut und Fascie eingeschoben. Nach erfolgter Ein-
heilung und Resektion des kranken Unterkieferstückes wird der das Rippenstück
tragende Haut-Fascienlappen L emporgeschlagen, die Rippe R in den Kieferdefekt
zwischen K und X, eingepaßt, der Hautlappen eventuell zur Deckung eines Haut-
oder Schleimhautdefektes verwendet, sonst nach Anheilung der Rippe zurückge-
schlagen und zur Deckung des Defektes D verwendet. xy stellt den Haut-Weich-
teilschnitt dar, mit dem man für die Resektion auszukommen trachtet.
Drängt die Resektion des Kiefertumors, so muß diese natürlich
ausgeführt werden, gleichzeitig die Rippe an der Stelle des später
emporzuschlagenden Haut-Fascienlappens eingeheilt und inzwischen
durch ein anderes Verfahren die Dislokation der Kieferstümpfe
bekämpft werden. Gegebenenfalls kommt von vornherein das unter
2 angegebene Verfahren zur Verwendung. Hat die Sache Zeit,
so führt man in der zweiten Sitzung die Entfernung des kranken
Kieferstückes aus und ersetzt Knochen- und Weichteildefekt
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 1069
durch einen langen und breiten zungenförmigen Haut-Fascien-, die
Rippe und ihr Periost enthaltenden Lappen (s. Fig. 1 und 2). Das
reichlich gewonnene Hautmaterial erweist sich dabei ungemein nützlich.
Um eine Entstellung des Gesichtes tunlichst zu vermeiden, trachtet
man bei der Resektion mit einem Schnitt am Kieferrande auszu-
kommen (s. Fig. 1 z—y).
2) Eine zweite Art des osteoplastischen Kieferersatzes wird
durch die freie Transplantation eines periostbekleideten
Rippenstückes in den Defekt erzielt.
In der ersten Sitzung wird die Unterkieferresektion ausgeführt,
sowie Maßnahmen zur Verhütung einer Dislokation der Kieferstümpfe
getroffen. — Es handelt sich hauptsächlich darum, für die ungestielt
zu transplantierende Rippe ein aseptisches Feld zu schaffen; ein
solches ist ja Grundbedingung für das Gelingen einer freien Knochen-
transplantation. Vor allem also ist durch exakte Schleimhautnaht,
oder gegebenenfalls durch Hautlappenplastik die Mundhöhle gegen den
Kieferdefekt vollständig abzuschließen. — Als Verfahren zur Ver-
hütung der störenden Wirkungen von Muskel- und Narbenzug kommen
in Betracht:
A. Zahnärztliche Maßnahmen, allerdings nur bei teilweise erhal-
tenem Zahnbestand und entsprechender Ausdehnung des resezierten
Stückes möglich. Als solche sind die schiefe Ebene nach Sauer,
der Drahtschienenverband desselben Autors, eventuell Brückenarbeiten,
sowie die Krone von ÖOber- und Unterkieferzähnen überdachende
Doppelschienen in Erwägung zu ziehen. — Da gilt es für den Zahn-
arzt und Techniker, sein Bestes zu leisten!
B. Weniger zu empfehlen sind hier aus beliebigem Materiale her-
gestellte Implantationsprothesen, da es nur in einem relativ kleinen
Teile der Fälle angesichts der bei der Resektion erfolgenden Infektion
der Wunde gelingt, den Fremdkörper dauernd aseptisch und fistellos
einzuheilen. Natürlich gibt es auch da einen Ausweg, indem man
nach entsprechend langer Zeit (4—6 Wochen) die Implantationsprothese
(Abschluß gegen die Mundhöhle läßt sich wohl meist erzielen) entfernt,
das in ihrer Umgebung gebildete Granulationsgewebe exzidiert und
nun sogleich oder nach einigen Tagen das periostbekleidete Rippen-
stück transplantiert.
Der erstgenannte Weg ist sicherer, er garantiert viel eher ein
völlig aseptisches Operationsfeld für die freie Rippenüberpflanzung.
Die überpflanzten Rippenstücke werden durch Einfalzung, Ver-
zapfung oder Knochennaht mit den Kieferstümpfen verbunden. Je
einfacher und ohne Verwendung von fremdem Materiale dies
geschieht, um so besser.
Für den Fall einer halbseitigen Exartikulation kommt der Ersatz
durch einen nahe der Wirbelsäule gelegenen Rippenabschnitt samt
Köpfchen in Erwägung.
Auch andere Knochenteile, Spina scapulae, Darmbein lassen sich
vielleicht zur Transplantation verwenden; der allseitig mit zu über-
1070 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36.
tragende Periostmantel der Rippen stellt uns dies Material über
jedes andere. Für ein fehlendes Mittelstück des Unterkiefers
käme ein medianer Haut-Muskellappen mit einem Stück des Manu-
brium sterni samt Periost als ohne Voroperation zu entnehmender Er-
satz in Betracht.
Durch Rippenstücke lassen sich Unterkieferdefekte plastisch vor-
aussichtlich ersetzen bei Mikrognathie, Verletzungen, Phosphornekrose,
Tuberkulose und Aktinomykose, primären und sekundären Tumoren.
Unter Umständen könnte das Verfahren auch für Oberkiefer-
defekte in Frage kommen.
Wir haben im vergangenen Sommersemester drei Fälle, zwei
davon nach der ersten, einen nach der zweiten Methode mit gutem
Erfolg operiert. Herr Dr. Heller, schon früher auf diesem Gebiete
tätig, hat sich um die technische Vervollkommnung meines Heilplanes
sehr verdient gemacht und wird in einer ausführlicheren Arbeit ein-
mal über die von uns gemachten Erfahrungen, die Indikationsstellung
im Spezialfalle, sowie vor allem über die zahlreichen, keineswegs un-
wesentlichen technischen Einzelheiten berichten.
Es gelingt mittels dieses Verfahrens der osteoplastische Ersatz auch
nach sehr ausgedehnten Unterkieferresektionen (samt deckenden Weich-
teilen) — selbst unter recht ungünstigen Verhältnissen. — Die mehr-
fachen Eingriffe, die Entnahme einer Rippe samt Periostmantel von
demselben Individuum, die Bildung gewaltiger Haut-Fascienlappen
stellen angesichts der relativen Einfachheit der Prothesenmethodik
schwere Opfer zur Erzielung eines Knochenersatzes dar. Wir hoffen,
daß unsere Resultate sie berechtigt erscheinen lassen.
Greifswald, 30. Juli 1908.
1) A. Netter (Paris). L'argent colloïdal dans les maladies
infectieuses.
(Presse méd. 1908. Nr. 50.)
Verf. weist auf die guten Resultate, die man mit Collargol bei
verschiedenen infektiösen Krankheiten erzielen kann, hin und hebt
hervor, daß der Vergleich, den einige Autoren zwischen diesem Prä-
parat und dem auf elektrischem Wege hergestellten Elektrargol oder
Ultrargol anstellen, wertlos ist. Das auf chemischem Wege hergestellte
Collargol enthält 87% Silber in kolloidalem Zustand, während das
Elektrargel nur 1—4 mg per Kubikzentimeter hiervon enthält.
Letzteres Präparat ist also sehr schwach, was namentlich, wenn es
sich darum handelt, eine bakterizide Wirkung auszuüben, sehr in Be-
tracht kommt. Auch darf nicht vergessen werden, daß das Collargol
relativ leicht löslich ist und mit Leichtigkeit 5&%ige Lösung gibt,
während die Elektrargollösungen nur eine Konzentration von 0,025%
besitzen. E. Toff (Braila).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 86. 1071
2) Bertein et Worms. Le diastasis vertebral.
(Revue de chir. XXVII. ann. Nr. 2.)
Unter Wirbeldiastase ist die vollständige oder beinahe vollständige
ZerreiBung der Bandmassen zu verstehen, welche zwei benachbarte
Wirbel verbinden, ohne daß eine Verschiebung der sich entsprechenden
Knochenteile gegeneinander stattgefunden hat. Die Wirbel stehen
also wie früher genau übereinander. Immer entstehen dabei schwere,
sehr oft tödliche Verletzungen des Rückenmarkes infolge Überdehnung
des Markes im Augenblicke der Verletzung. Diese wird meist durch
Fall auf den nach vorn, seltener rückwärts gebeugten Kopf oder
ausnahmsweise auf den hinteren Teil des Rumpfes veranlaßt; sie kann.
übrigens auch bei der Extraktion des Kindes an den Füßen zustande
kommen. Prädilektionsstelle ist die untere Halswirbelsäule meist
zwischen 5. und 6., seltener zwischen 6. und 7. Wirbel. Eine Diastase
in der Rücken- und Lendengegend oder zwischen 1. und 2. Hals-
wirbel ist nur ganz vereinzelt beobachtet worden.
Da die Verletzung am häufigsten in Beugestellung der Wirbel-
säule erfolgt, so sind die Bänder zwischen den Dorn-, Gelenk- und
Querfortsätzen und den Wirbelbögen meist gänzlich zerrissen, aber
auch das vordere und hintere Längsband ist durchtrennt, die Band-
scheibe halbiert oder vom oberen Wirbel abgelöst oder in den Wirbel-
kanal verschoben, wo sie das Mark komprimiert. Letzteres zeigt
Blutungen, Erweichungen und Zerreißungen seiner Häute mit oft
ausgebreiteten Blutergüssen aus den duralen Venen und der Art.
vertebralis.
Der Eigenart der Verletzung entspricht ein ganz charakteristischer
Symptomenkomplex. Der Betroffene behält das Bewußtsein, kann
aufstehen und noch einige Schritte gehen, muß sich aber bald setzen,
da ihm die Beine »einschlafen« und er sie nicht mehr bewegen kann.
Oft sind auch die Arme schlaff gelähmt, die Sensibilität und die Re-
flexe im Gebiet der Lähmung sind aufgehoben. An der Wirbelsäule
ist weder eine Dislokation noch ein besonders auffälliger Schmerzpunkt
nachzuweisen, Kopf und Hals bleiben frei beweglich. Unter zu-
nehmender Dyspnoe, Benommenheit und Hyperthermie (bis 42°). tritt
in 2—3 Tagen der Tod ein.
Außer einer typisch verlaufenen eigenen Beobachtung haben die
Verff. noch 28 Fälle aus der Literatur zusammengestellt.
Gutzeit (Neidenburg).
3) Schwartz et Dreyfus. Des ruptures du poumon sans
fractures de còôte.
(Revue de chir. XXVII. ann. Nr. 5.)
An der Hand eines selbst beobachteten und von 29 Fällen der
Literatur werden die Symptome, Anatomie und Entstehung jener
Verletzungen besprochen. Jugendliches Alter und elastischer Brust-
korb bilden die Vorbedingung für ihr Zustandekommen. Das Zell-
1072 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36.
gewebsemphysem erscheint regelmäßig zuerst an der Basis des Halses,
wohin die aus den zerrissenen Bronchien ausgetretene Luft durch das
mediastinale Bindegewebe hindurch gelangt. Die Zerreißung des
Lungengewebes wird dadurch bewirkt, daß die in den Hohlräumen
der Lunge befindliche Luft so stark und so plötzlich komprimiert wird,
daß sie nicht mehr auf den natürlichen Wegen entweichen kann
(Dionis und S6jour). Bei Verwachsungen der Brustfellblätter können
auch starke Verschiebungen der Brustwand gegen die kompressible
Lunge Zerreißungen der letzteren veranlassen (Peyrot), bei gesunden
Pleuren wird das aber kaum möglich sein. Krankhaft veränderte
Lungen zerrissen leichter als gesunde. Daß das Lungengewebe nur
berste, wenn gleichzeitig mit der Kompression reflektorischer Glottis-
schluß eintritt (Gosselin), bestreiten die Verf. Die Prognose ist
meist ernst; in leichten Fällen droht die Infektion, in schweren führt
zudem der begleitende Hämopneumothorax meist zum Tode, wie auch
in dem berichteten Fall. !Als Folgen der Verletzung fanden sich
ferner große Blutergüsse unter der linken Pleura visceralis und eine
feine 1 cm lange, opaleszierende Narbe im mittleren Teil ihres unteren
Bandes. Das Rippenfell wies nur fibrinöse Beschläge und subpleurale
Blutungen auf, war aber nirgends verletzt. Die Rippen waren unver-
sehrt, nur die ersten beiden rechten Rippenknorpelbrustbeingelenke
waren verrenkt, ohne daß die dahinter liegende Pleura und Lunge
verletzt waren. Gutzeit (Neidenburg).
4) Hofbauer. Wann ist bei chronischen Lungenleiden (Em-
physem, Tuberkulose) operative Behandlung indiziert?
(Mitteilungen a. d. Grenzgebieten d. Medizin u. Chirurgie Bd. XIX. Hit. 5.)
Auf Grund physiologischer Betrachtungen kommt !'H. zu dem
Resultat, daß bei Tuberkulose operative Behandlung nur am Platze
ist, wenn die Rippenknorpel verknöchert sind; handelt es sich nur um
mangelhafte Längenentwicklung der oberen Knochenknorpelringe ohne
Verknöcherung, so kommt man ohne Operation durch entsprechende
Atemgymnastik zum Ziel. Bei Emphysem ist jede Operation unnötig,
weil durch Förderung der Atembewegungen des Zwerchfelles eine
völlig genügende, weitgehende Besserung des Gaswechsels und der
Luftaustreibung erreicht werden kann. Haeckel (Stettin).
5) Heidenhain. Über Behandlung der peritonitischen Blut-
drucksenkung mit intravenösen Suprarenin - Kochsalzinfu-
sionen.
(Mitteilungen a. d. Grenzgebieten d. Medizin u.{Chirurgie Bd. XVIII. Hft. 5.)
Nachdem es gelungen ist, das eine Hauptsymptom schwerer Peri-
tonitis, das Erbrechen infolge Stauung des Darminhaltes, durch Entero-
stomie zu überwinden, hat H. mit großem Erfolge die Bekämpfung
des zweiten schweren Symptoms, der peritonitischen Blutdrucksenkung,
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 1073
begonnen. Eine [sehr wesentliche Rolle spielten dabei die Unter-
suchungsresultate von Romberg und Paessler. Während man bis-
her annahm, daß bei den verschiedensten Infektionskrankheiten das
Weich- und Leerwerden des Pulses im Verein mit Blutleere der Haut
und gewisser Oyanose im Gesicht Folge einer durch die Infektion
erzeugten Herzschwäche sei, wiesen genannte Autoren nach, daß das
Herz dabei unbeteiligt ist, daß vielmehr die Senkung des arteriellen
Blutdruckes Folge der Lähmung des Vasomotorenzentrums im ver-
längerten Mark sei. Dieser Vasomotorenlähmung zu begegnen, ist nun das
Adrenalin ein ausgezeichnetes Mittel. H. verabreichte in jedem Falle
schwerer Peritonitis mit Pulsschwäche, welche nicht anders zu über-
winden war, intravenös 800—1000 cem Kochsalzlösung mit 6, höchstens
8 Tropfen Suprareninlösung (1: 1000) und sah, daß der Puls sich in
auffallendster Weise hob; mehr wie drei Infusionen waren meist nicht
nötig, in der Regel genügten zwei. Auch in Fällen, welche zu elend
zur Operation waren, machte H. diese Infusionen und sah eine so
bedeutende Besserung der Kreislaufverhältnisse, daß dann die Ope-
ration gewagt werden konnte. Die Hebung des Blutdruckes ließ sich
am besten mit dem Tonometer v. Recklinghausen’s nachweisen.
Unter dieser Behandlung starben von 20 schweren Peritonitiden sieben,
oder 35%. Die Resultate sind so ermutigend, daß sie dringend zur
Nachprüfung zu empfehlen sind. Haeckel (Stettin).
6) Hönck. Kritische Bemerkungen zu der von Prof.;Kretz
verfochtenen Anschauung über die Ätiologie der Eptyphlitis:
über den Zusammenhang von Influenza und Epityphlitis.
(Mitteilungen a. d. Grenzgebieten d. Medizin u. Chirurgie Bd. XIX. Hft. 1.)
Umgekehrt wie Kretz ist H. der Ansicht, daß in der Regel die
Appendicitis das Primäre, eine Affektion der Rachenorgane nur ihre
Folge sei. Wenn die zeitliche Aufeinanderfolge dem zu widersprechen
scheine, so sei vor der Rachenentzündung eine latent verlaufene Appen-
dicitis vorausgegangen. Die durch Wurmfortsatzentzündungen hervor-
gerufenen Schmerzen entstehen in der Rückwand der Bauchhöhle
innerhalb der Mesenterialwurzel; hier kommt es zu Entzündungen der
Lymphgefäße und Drüsen und zu Reizungen der sympathischen
Ganglien. Die Folge davon sei, daß häufig bei einer Appendicitis die
Schmerzen nicht im Bauche, sondern im Rücken empfunden werden.
Deshalb seien viele klinisch als Influenza angesprochene Fälle nichts
weiter als Appendicitiden. Haeckel (Stettin).
7) Sonnenburg und Kothe. Die Rizinusbehandlung der
akuten Appendicitis.
(Mitteilungen a. d. Grenzgebieten d. Medizin u. Chirurgie Bd. XIX. Hft.1.)
Verff. empfehlen Rizinusbehandlung bei leichten , Formen der
Appendicitis, d. h. bei einfachem Schleimhautkatarrh des Wurmfort-
gH**
1074 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36.
satzes, bei dem es nur darauf ankommt, den zurückgehaltenen Inhalt
aus dem Wurme zu entfernen. Als leichte Formen, also geeignet für
Rizinusbehandlung, sind aufzufassen diejenigen Fälle, in denen die
Temperatur sich um 37,5°, die Pulsfrequenz um 92, die Leukocyten-
zahl um 15000 herum bewegt. Unter den im letzten Jahre auf-
genommenen Fällen frischer Appendicitis wurden 150 für leichte
diagnostiziert; von ihnen heilten 144 unter Rizinusbehandlung, sechs
mußten, da keine Besserung erfolgte, am Tage nach der Aufnahme
operiert werden. Alle wurden geheilt, ein Beweis, daß nie durch das
Abwarten der günstige Zeitpunkt für die Operation versäumt wurde.
Die Rizinusbehandlung ist also zugleich eine Probe für den Charakter
des Anfalles und zugleich eine Bestätigung der Diagnose auf den
pathologisch-anatomischen Zustand des Wurmfortsatzes. Tritt nicht
sofort Besserung auf Rizinus ein, so handelt es sich eben nicht um
Appendicitis simplex; die Diagnose war eine falsche.
Man könnte einwenden, die leichteren Fälle von katarrhalischer
Appendicitis heilten auch bei indifferenter Behandlung; das ist richtig ;
allein unter Rizinusbehandlung klingt der Anfall schneller ab.
Die Rizinusbehandlung ist eine chirurgische und eignet sich nicht
für die Hauspraxis, da die sorgfältigste Überwachung nötig und die
Bereitschaft zur sofortigen Operation selbstverständlich ist.
Bei Diagnose auf Appendicitis gangraenosa bzw. perforativa
tritt die Frühoperation in ihre Rechte. Wie wenig dieselbe von den
Verff. vernachlässigt wurde, zeigt der Umstand, daß die Zahl derselben
sich bei ihnen stark vermehrt hat, im letzten Jahre 44% aller im
Frühstadium eingelieferten Appendicitisfälle gegen 32% der früheren
Jahre. Besonders betont wird der Wert der Leukocytenbeobachtung
für die Verfeinerung der anatomischen Diagnose, aber nur in Ver-
bindung mit Berücksichtigung aller übrigen lokalen und allgemeinen
Symptome. Als weitere Verfeinerung der Diagnose kommt nun noch
die Rizinusbehandlung hinzu. Haeckel (Stettin.
8) Monprofit. La gastrectomie. Histoire et méthodes opéra-
toires. Avec 50 figures dans le texte.
Paris, Jules Rousset, 1908.
Im ersten geschichtlichen Teil gibt M. eine Übersicht über die
Resektionen wegen Krebs vom ersten Fall P&ean’s im Jahre 1879
bis zu den 1905 veröffentlichten. Es werden weiter die topographische
Anatomie des Magens, speziell des Pylorus, weiter der Arterien und
Lymphdrüsen besprochen. Verf. weist auf die Wichtigkeit weiter
Resektionen an der kleinen Kurvatur hin, da hier die Lymphdrüsen
dem Magen am nächsten liegen und am leichtesten erkranken.
Es wird weiter ausführlich die Technik besprochen. Auf Magen-
spülungen vor der Operation verzichtet M. Den nicht ganz daran
gewöhnten strengen sie unnötigerweise an. Von der Mobilisation des
Duodenums erwartet er, daß sie die Sterblichkeitsziffer der Resektionen
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 1075
hochdrückt. Er bevorzugt die II. Billroth’sche Methode mit hinterer
Yförmiger Anastomose.e Hat man Mühe mit der Duodenalnaht, so
hat M. gelegentlich das Duodenum einfach unterbunden und die über
der Ligatur liegende Schleimhaut mit Schere und Thermokauter ent-
fernt. Knopf wendet er nie an. Zweizeitig sollte nur bei bedroh-
licher Schwäche der Kranken operiert werden.
Weiter geht M. dann auf die atypischen Resektionsmethoden ein
und gibt veranschaulichende Skizzen von Lappendeckung nach Re-
sektion der kleinen Kurvatur mit gleichzeitiger Exzision eines Teiles
der hinteren Magenwand, weiter mit gleichzeitiger Magenwand- und
teilweiser Pylorusresektion.
M. hat unter 30 Resektionen sechs Todesfälle gehabt, also un-
gefähr 20%. Zweimal war die Anastomose nach Kocher undicht
geworden. Wegen gutartiger Stenose hat er zweimal reseziert. Wenn
möglich, ist die typische, annuläre Resektion atypischen Operations-
methoden vorzuziehen. Eine Resektion hat er wegen plastischer Linitis
ausgeführt in der Annahme einer Neubildung. In der Tat erlag die
Kranke ein Jahr später einem Epitheliom.
Bei zu ausgedehnten Verwachsungen soll man die Operation nicht
zu weit treiben, ebenso bei zu schwachen Personen davon Abstand
nehmen oder zweizeitig operieren. Gastroenterostomisierte läßt M.
am Tage nach der Operation aufstehen, zunächst nur !/, Stunde.
Nach 5—6 Tagen aber sollen die Operierten den größten Teil des
Tages außer Bett sein.
Dem etwas weitläufig verfaßten Werk sind 31 noch nicht ver-
öffentlichte Krankengeschichten beigegeben.
E. Moser (Zittau).
9) Finney. The choice of operation in pyloric stenosis.
(Amer. journ. of the med. sciences 1908. März.)
F. wendet die von ihm angegebene Operation »Gastroduodeno-
stomie« in allen Fällen an, in denen es sich um gutartige Stenosen
handelt. Als Vorzüge gegenüber der Gastroenterostomie hebt er
hauptsächlich hervor 1) leichtere Technik, 2) Fehlen des Ulcus pep-
ticum des Duodenum, 3) kein Circulus vitiosus, keine Knickungen,
4) keine Spornbildung. F.’s Resultate sind durchaus befriedigend.
Levy (Wiesbaden).
10) Negrescu. Die Behandlung der Analfissuren und Ulzera-
tionen mittels Wasserstoffsuperoxyd.
(Revista stiintzelor med. 1908. April.)
Verf. hat in mehreren hartnäckigen Fällen von Fissuren und
Ulzerationen des Afters gute Erfolge mit Umschlägen und Waschungen
von Wasserstoffsuperoxyd in diluierten Lösungen erzielt. Das Mittel
wirkt heilend, entzündungswidrig und lindert auch das Jucken, welches
mit den erwähnten Krankheiten fast immer in Verbindung steht. Es
bat auch den Vorzug, ungiftig zu sein. Statt die Lösungen in der
1076 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36.
Apotheke bereiten zu lassen, ist es vorzuziehen, sich dieselben selbst
herzustellen, wofür sich die im Handel befindlichen konzentrierten
Präparate von Hydrogenium peroxydatum sehr gut eignen.
E. Toff (Braila).
11) Delore et Chalier. De lextirpation périnéale des cancers
de lanus et du rectum. Considérations basées sur 19 obser-
vations personnelles.
(Revue de chir. XXVII ann. Nr. 5.)
Die aus der Klinik Poncet’s stammende Arbeit ist eine Emp-
fehlung der coccygo-perinealen Methode, für welche eine genaue, in
sieben Zeiten eingeteilte Ausführungsanweisung gegeben wird. Den
Hauptwert legen die Verff. darauf, daß der Mastdarm in seiner Scheide
bis zum Douglas ausgelöst, und daß die Auslösung hinten in der Kreuz-
beinhöhlung begonnen wird. Die Zugänglichkeit genügt selbst für
Krebse, die an der Grenze von Mastdarm und Flexur liegen, und es
entsteht keine so große und leicht zu infizierende Wundhöhle wie bei
der sakralen Methode; die Ableitung der Wundsekrete ist trotzdem
hinreichend gesichert. Gutzeit (Neidenburg).
12) Mathieu. Retrecissements non ne&oplasiques des voies
biliaires principales.
(Revue de chir. XX VII ann. Nr. 1 u. 2.)
Es gibt angeborene und erworbene Verengerungen der Haupt-
gallenwege.
Die angeborenen sitzen vorzugsweise im unteren, an und für sich
engeren Abschnitt des Choledochus, während der darüber gelegene
Teil zu einer großen cystischen Geschwulst ausgedehnt ist. Fehler-
hafte Einmündung in den Darm, eine Klappe oder ein fibröses
Knötchen können sie verursachen. Meist handelt es sich um eine
fötale Gallengangsentzündung, die ihre Entstehung einer Toxininfektion
mütterlichen Ursprunges (Nabelvene, Leber, Gallenwege) verdankt und
in der faltenreichen Schleimhaut des fötalen Choledochus leicht zu
Verwachsungen und Strikturen führt. Die Kinder kommen ikterisch
zur Welt, sterben bald,wenn ein vollkommener Verschluß besteht, können
aber eine noch durchgängige Verengerung trotz des Ikterus, der dann
gewöhnlich anfallsweise unter Schmerzen zunimmt, längere Zeit über-
leben. Oder die Gelbsucht tritt erst in den ersten Lebensjahren, ja
sogar in der Jugend auf, ähnlich wie eine Harnverhaltung infolge von
Tripperstriktur nach längst überstandenem Tripper. Seltener sind die
Fälle, wo die Gallenwege von außen durch eine abnorm verlaufende
Art. gastroduodenalis, cystica, Pankreascysten, angeborene Nieren-
geschwülste oder peritonitische Stränge komprimiert werden. Diffe-
rentialdiagnostisch sind noch Geburtstraumen der Gallenwege, Syphilis
und die sehr seltene fötale Gallensteinbildung zu berücksichtigen.
Die erworbenen Verengerungen sind entzündlicher oder trau-
matischer Natur. Von den Entzündungsvorgängen spielt die Chole-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 1077
lithiasis die wichtigste Rolle, wenn auch zugegeben werden muß, daß
einmal typhöse, tuberkulöse oder syphilitische Geschwüre zu narbigen
Verengerungen führen können. Als Traumen kommen eigentlich nur
operative Eingriffe an den großen Gallengängen in Betracht, sei es,
daß ein Teil der Wand exzidiert oder ein von vornherein enger Gang
nur eingeschnitten wurde.
Die palliative Behandlung (Hepato-, Hepatico- oder Choledocho-
stomie) ist möglichst auf Notfälle zu beschränken. Als Radikalbehand-
lung stehen die Resektion der verengten Stelle oder ihre plastische
Erweiterung durch Längsschnitt mit querer Vernähung oder mit Netz-
oder Mageneinpflanzung zur Verfügung. Sehr oft wird nur die Anastomose
zwischen dem über der Verengerung gelegenen Gallengangsabschnitt
und dem Duodenum zum Ziele führen. Ein Fall von postoperativer
Choledochusstriktur, der mit Netzplastik vergeblich behandelt, durch
terminolaterale Hepaticoduodenostomie aber glücklich geheilt wurde,
wird ausführlich unter genauer Angabe des operativen Vorganges be-
richtet. Gutzeit (Neidenburg!.
13) Riedel. Über Cholecystitis und Cholangitis sine con-
cremento.
(Mitteilungen a. d. Grenzgebieten d. Medizin u. Chirurgie Bd. XIX. Hft. 1.)
Die ganz wenigen, bisher beschriebenen Gallenblasenentzündungen
ohne Stein sind streng genommen keine solchen gewesen, da es sich bei
ihnen doch um Konkremente gehandelt hat. R. dagegen beschreibt sieben
Fälle reiner Gallenblasenentzündung ohne Konkremente; daß diese
Erkrankung häufiger ist als man denkt, geht daraus hervor, daß R.
in den letzten 3 Jahren unter 300 Pat. mit Gallensteinen bzw. Ver-
dacht auf dieselben vier Fälle bloßer Gallenblasenentzündung beob-
achtet hat.
Die Krankheit kann die verschiedensten Grade erreichen, von
ganz leichten Fällen bis zu rasch, durch Perforation in die freie
Bauchhöhle tödlich verlaufenden. Zwei dieser Fälle starben trotz
Operation, die einmal in Exstirpation der Gallenblase, das andere
Mal in Cholecystostomie bestand. Bei der Autopsie fanden sich im
ersten zahlreiche kleine Leberabszesse, Eiter in den Gallengängen,
Choledochus durch Zugrundegehen der Schleimhaut vollständig ob-
literiert, so daß überhaupt keine Galle mehr in den Darm gelangen
konnte; im anderen Fall ergab die Sektion einen zweifaustgroßen
Leberabszeß und altes Ulcus duodeni. Die übrigen fünf Fälle heilten
nach der Operation; bei drei derselben war die Galle steril, in den
anderen ließ sich Bacterium coli darin nachweisen. Da Schmerzen in
der Gallenblasengegend und später Ikterus die Hauptsymptome sind,
so wird die Diagnose meist auf Gallensteine lauten. Könnte man
das Leiden sicher erkennen, so wäre die Therapie einfach: leichte,
aseptische Fälle müßten konservativ, schwerere mit Drainage der
Gallenblase, sehr schwere mit Exstirpation derselben behandelt werden,
1078 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36.
(Die Arbeit ist versehentlich vom Autor nicht selbst korrigiert, deshalb
verschiedene Druckfehler.) Haeckel (Stettin).
14) Brin (Angers). Le drainage des voies biliaires principales
avec cholécystectomie.
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXIII. p. 633.)
Lejars bespricht vier Fälle von B. und fügt drei eigene hinzu.
Die einfache Cholecystektomie mit Unterbindung des Ductus hepaticus
will er für die Fälle bewahrt wissen, wo eine große, nur Schleim
haltende Gallenblase mit isoliertem großen Schlußstein gefunden wird
ohne entzündliche Erscheinungen. In allen anderen Fällen hat die
Drainage der großen Gallenwege zu erfolgen. Lejars spricht sich
dafür aus, das Drain eher zu entfernen, als es Kehr im allgemeinen
anrät, warnt aber andererseits doch wieder vor zu großer Eile.
Kaehler (Duisburg-M.).
15) Deaver. Some of the reasons why cholecystectomie should
not be performed as frequently as is advocated by many
surgeons.
(Amer. journ. of the med. sciences 1908. April.)
Verf. wendet sich energisch gegen die viel zu oft ausgeführte
Cholecystektomie. Er erblickt in der Gallenblase ein äußerst wert-
volles Organ zur Drainage der Gallengänge und der Leber selbst bei
septischen Prozessen. Wenn auch viele Cholecystektomien den Pat.
keinen Schaden bringen, so spricht Verf. sich doch dagegen aus, an-
scheinend gesunde Blasen, oder wenigstens solche, die durch Drainage
der Heilung zugeführt werden können, primär zu exstirpieren. Gallen-
steinrezidive nach COholecystostomien hat er in seiner großen Praxis
nur äußerst selten gesehen und mißt ihnen keine Bedeutung zu. Zur
Entfernung der Gallenblase entschließt sich D. nur bei folgendem
Befunde: 1) Hydrops mit absolutem Verschluß des Oysticus, 2) chro-
nisches Empyem, 3) Gangrän der Gallenblase, 4) Perforation, 5) Neu-
bildungen, 6) wenn viele kleine Steine in die Schleimhaut eingebettet
sind, 7) bei Schrumpfungen der Gallenblase. Levy (Wiesbaden).
Kleinere Mitteilungen.
16) G. J. Baradulin. Muskelechinokokkus.
(Russ. Archiv für Chirurgie 1907. [Russisch.))
Nach zwei von B. zitierten Statistiken ist die Muskulatur relativ selten vom
Echinokokkus befallen, nämlich in 4,6% (Neisser) oder 1,9% (Marquet).
1) 28jähriger Schlosser hatte seit 5 Monaten Beschwerden im Rücken, teils
Schmerzen, die namentlich nachts stärker wurden. Hinten rechts von der Mittel-
linie eine vier Querfinger breite elastische Geschwulst in Höhe des Schulterblattes
von der Spina bis zum Angulus scapulae. Unter lokaler Anästhesie 12 com langer
Schnitt (Baradulin): im M. longissimus dorsi wurde eine viele Tochterblasen
enthaltende Echinokokkuscyste gefunden, die sich im ganzen entfernen ließ,
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 1079
2) 38jähriger Mann bemerkte vor 13 Monaten eine nußgroße, unter der Haut
verschiebliche Geschwulst an der Innenseite des rechten Oberschenkels im oberen
Drittel. Jetzt war die Geschwulst kindskopfgroß und hinderte am Gehen. Es
gelang, sie aus der Masse der Adduktoren herauszuschälen. Zirka 40 Tochterblasen
wurden gezählt.
3) 28jährige Kranke, die seit 11/s Jahren’ eine Geschwulst auf der rechten
Schulter hat. Sie reichte vom äußeren Ende des Schlüsselbeins bis an den Hals,
und vom Schlüsselbein nach hinten unter das Schulterblatt, und hinderte erheblich.
Bei stumpfem Vorgehen durch den Cucullaris wurden zwei Echinokokkusblasen
entfernt.
In allen drei Fällen waren die Geschwülste vor dem Eingriffe punktiert wor-
den, wobei jedesmal die Charakteristika der Echinokokkenflüssigkeit, Mangel von
Albumen, Scolices oder Chlornatriumkristalle im Rückstand gefunden wurden.
V. E. Mertens (Kiel).
17) K. Haeberlin (Nauheim). Über therapeutische Verwendung des
Sonnenlichtes in der Chirurgie.
(Wiener klin. Rundschau 1908. Nr. 22.)
Nach allgemeiner Einleitung bringt Verf. das bisher bekannte Tatsachenmaterial
über den Einfluß der Insolation auf Geschwüre, tuberkulöse Eiterungen und Neu-
bildungen. Diese Wirkung ist auf Hyperämie und Bakterizidie zurückzuführen
und bedarf genauer Dosierung, da zu starke Bestrahlung Erythema solare erzeugt.
Verf. hat eigene günstige Erfahrungen bei granulierenden Wunden, Brandwunden,
appendicitischen Fisteln und Beingeschwüren, ferner bei Mischinfektion mit Pyo-
cyaneus. Schmieden (Berlin).
18) G. Th. Beatson. Traumatic asphyxia.
(Scott. med. and surg. journ. 1908. Juni.)
B. teilt unter Wiedergabe eines vorzüglichen Aquarells einen Fall von Stauungs-
blutung nach Perthes mit. Der 24jährige Bergmann war von einem niederfahren-
den Grubenkorb so getroffen worden, daß Brust und Schultern ihm gewaltsam
mehrere Minuten lang vornüber beckenwärts gepreßt wurden. Vom Nacken und
Schlüsselbein ab nach oben war er blaurot geschwollen, mit Blutungen in Binde-
haut und Mundboden. B. schließt sich der Ansicht an, daß es sich nicht nur um
Blutaustritte, sondern vor allem um eine Stasis durch Überdehnung der Gefäße
handelt. Bemerkenswert an dem Fall ist eine zunehmende Verschlechterung der
Sehschärfe infolge von Atrophie des Opticus, so daß die Sehprognose sehr schlecht
gestellt werden mußte. Weber (Dresden).
19) Holden. Case of brain abscess.
(Journ. amer. med. assoc. Bd. L. Nr. 23.)
Nach mildem Mittelohrkatarrh entwickelte sich bei 35 jährigem Mann all-
gemeines Zurückgehen des ganzen Körpers, Lichtscheu, Ruhelosigkeit mit geringem
Fieber und undeutlicher Druckempfindlichkeit 11/, cm hinter und über dem äußeren
Gehörgang. Nach Freilegung der Mastoideuszellen fand man sie mit Granulationen
erfüllt, einen epiduralen Abszeß 4 cm hinter dem äußeren Gehörgang. Durch
Drainage wurde er zur Heilung gebracht, aber während dieser Zeit traten Wort-
blindheit und andere Zeichen weiterer Eiterung im Gehirn auf, und nach Eröffnung
der alten Wunde fand man mit der Hohlsonde einen neuen Abszeß nach Spaltung
der Dura etwa 1!/, cm unter der Hirnrinde. Nach seiner Entleerung (Gummi-
rohrdrainage) trat vollkommene Heilung im Laufe von 3 Wochen ein.
Trapp (Bückeburg).
20) Mandry. Rhinoplastik mittels direkter Einpflanzung eines Haut-
periostknochenlappens aus der Schlüsselbein-Schultergegend.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 222.)
Bei einer Lupuskranken mit Defekt der ganzen häutigen und knorpeligen Nase
und narbiger Veränderung der angrenzenden Wangenpartien hat Verf. eine origi-
1080 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36.
nelle neue Methode von Nasenplastik angewandt, deren Details aus dem Original
mit seinen Abbildungen zu ersehen sind.
Dieselbe besteht im wesentlichen in der direkten Einpflanzung einer hautunter-
fütterten Schlüsselbeinspauge mit Schulterbrücke in den Nasendefekt, und führte
in dem mitgeteilten Falle, wie Photographien zeigen, ohne Störung die Heilung
zu einem guten kosmetischen Resltat. Die M.'sche Methode hat gegenüber den
Plastiken aus den Wangen und der Stirne den Vorteil des Wegfalls neuer ent-
stellender Narben und gegenüber den bisherigen italienischen Methoden den Vor-
zug des Ausbleibens von Funktionsstörungen am Ort der Lappenentnahme und
von geringer Belästigung für den Kranken, gegenüber beiden Methoden ver-
hältnismäßige Kürze und Einfachheit voraus. Reich (Tübingen).
21) Discussion sur la ligature des carotides.
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris Bd. XXXIII. p. 1095 ff.)
Im Anschluß an einen Fall von unglücklichem Ausgang bei Unterbindung der
Carotis entspinnt sich in der oben genannten Gesellschaft eine ausgiebige Dis-
kussion über diesen Punkt, aus welcher einige Ausführungen hier angegeben werden
mögen.
Lejars meint, die Unterbindung der Carotis habe unter den Einflüssen der
modernen Technik fast alle Gefahren verloren. Man tue aber gut daran, doch
noch in vereinzelten Fällen auf einen unvorhergesehenen Ausgang zu rechnen, da
selbst bei genauester und sorgfältigster Untersuchung die Unzulänglichkeit der
anastomotischen Wege sich unserer Beurteilung entzieht.
Guinard betont auf Grund langjähriger Beschäftigung mit dieser Frage, daß
unmittelbare Schädigungen des Gehirns nicht auftreten, vorausgesetzt, daß der
Kollateralkreislauf genügend ausgebildet ist; die Späterscheinungen von seiten des
Gehirns beruhen auf fortschreitender Thrombose bzw. Embolie und diese wiederum
auf Infektion und Arteriosklerose. Unterbindet man die rechte Carotis commuuis
und macht eine Injektion in die linke, so dringt die Flüssigkeit augenblicklich
durch die Kollateralen (Lingualis, facialis usw.) in die Carotis der anderen Seite.
Wenn aber z. B. bei einem Aneurysma der seitlichen Halsgegend zuerst die A.
subelavia und dann erst die Carotis unterbunden werde, so liege die Möglichkeit
einer Eınbolie aus dem Aneurysmasacke vor, die bei umgekehrter Reihenfolge der
Ligaturen vermieden wäre, und damit der unglückliche Ausgang.
Moty hat bei spontan perforiertem retrotonsillären Abszeß mit schwerster
Blutung die Carotis unterbunden und trotz starker Anämie vollen Erfolg gehabt
Hartmann berichtet von einer Thrombose der Carotis interna bis zur A. foss.
Sylv., die bei absolut aseptischem Heiluugsverlauf ohne vorhandene Arteriosklerose
entstand und zu Erweichungsherden führte.
Morestin hat bei einer Operation anfangs die stark atheromatöse Carotis
interna nur auf der Sonde gehabt, nachher aber nur die Externa unterbunden.
Die Autopsie ergab, daß in die Lichtung der Carotis int. atheromatöse Plaques
hineinragten, die zu Embolie Veranlassung gegeben hatten.
Quenu macht den Vorschlag, gegebenenlalles und bei technischer Möglich-
keit eine arterielle Anastomose zwischen Carotis externa und interna End zu End
oder seitlich anzulegen.
Jordan’s Methode zur vorherigen Orientierung über eventuelle Zirkulations-
störungen (Chirurgenkongreß 1907) wird nur kurz erwähnt, gar nicht die prophylak-
tische Digitalkompression zur Erweiterung des Kallateralkreislaufes.
Kaehler (Duisburg-M.)
22) Jalaguier. ÖOesophagotomie sous oesophagoskopie pour retrecisse-
ment cicatriciel rebelle à la dilatation.
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXIII. p. 653.)
Bei der Abneigung, die im allgemeinen unter deutschen Chirurgen (conf,
König) gegen die Oesophagotomia interna unter Leitung des Auges im Ösopha-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 1081
goskop besteht, ıst es wohl berechtigt, auf diesen Fall hinzuweisen, der in J.'s
Abteilung zur Beobachtung kam, dort von Guiser operiert wurde und sich frü-
heren Operationen desselben anschließt (conf. dieses Zentralbl. 1907, p. 830). Bei
einer doppelten, ringförmigen Verätzungsstenose der Speiseröhre trotzte die untere
jahrelangen Bougierungsversuchen. Mehrere seichte Einschnitte mit dem Maison-
neuve’schen Ösophagotom in Narkose brachten völlige Heilung. G. hat bisher
sechs Fälle dieser Art behandelt: ein Mißerfolg, ein Todesfall infolge nachträg-
licher zu frühzeitiger Bougierung. (G. berichtet in späteren Sitzungen noch über
zwei günstig beeinflußte Fälle.) Kaehler (Duisburg-M.).
23) Schultze (NewYork). A case of traumatic rupture of the cardiac
orifice of the esophagus, probably caused by violent vomiting.
(Proc. of the New-York pathological soc. Vol. VIL 5—8.)
Bei einem chronischen Alkoholisten war wegen plötzlicher Schmerzen im Epi-
gastrium und Erbrechen großer Blutmengen eine Probelaparotomie (mit negativem
Erfolg) gemacht worden. Bei der Sektion fand sich ein etwa 5 cm langer, frischer
Riß in der Speiseröhre, nahe der Cardia, den S. mit dem heftigen Erbrechen in
Zusammenhang bringt. In der linken Pleurahböhle war reichlich Blut mit Magen-
inhalt; das Mediastinum zeigte Emphysem.
Erhard Schmidt (Frankfurt a. M.).
24) Venot (Bordeaux). Tumeur primitive du pneumogastrique (fibro-
sarcome). Resection du pneumogastrique. Gu6rison.
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris Bd. XXXIIL p. 679.)
Die außerordentliche Seltenheit der primären Vagusgeschwülste (V. konnte
nur einen, noch dazu zweifelhaften Fall auffinden in Revista clinica de los hospital.
Madrid 1891.) rechtfertigt die genauere Wiedergabe dieses Falles. 1895 drang
dem Pat. eine rikochettierende Schrotkugel in den vorderen seitlichen Halsteil.
1896 bemerkte er dicht über dem Schlüsselbein eine erbsengroße Geschwulst.
6 Jahre lang geringes Wachstum, nach einem weiteren Jahre stärkeres Wachsen
und Rauhwerden der Stimme. Allmählich weitere Beschwerden: Schmerzen im
linken Ohr und der entsprechenden Brusthälfte, anfallsweise nadelstichartige
Schmerzen in der Herzgegend und Palpitationen. — Die nunmehr hühnereigroße
Geschwulst von glatter Oberfläche und gleichmäßiger Härte lag dicht über dem
Schlüsselbein, hinter dem lateralen Rande des Kopfnickers und von diesem gut
abgrenzbar, der Carotis dicht auf, seitlich wenig, von oben nach unten gar nicht
verschieblich. Das linke Stimmband völlig unbeweglich in Kadaverstellung. Die
den Kranken am meisten belästigenden Herzbeschwerden waren rein subjektiver
Natur: Töne rein, Puls 88—90. Respiration normal. Bei der Operation fand man
eine Geschwulst, die in einer dünnen, glattwandigen, verschieblichen Kapsel einge-
bettet war und sich leicht auslösen ließ. Im Moment der mit starkem Zug ver-
bundenen Hervorhebung der Geschwulst heftiger Glottiskrampf. Durchschneidung
des auf das Doppelte des Normalen verdickten Vagus ober- und unterhalb der
Geschwulst, worauf die Atmung sofort regulär wurde. Die Folgen der Operation
waren: Atmung, Pulsspannung und -frequenz blieben völlig unbeeinflußt, die
Schmerzen schwanden, ebenso die subjektiven Herzbeschwerden, die Stimmband-
lähmung blieb. Die histologische Untersuchung ergab ein gleichmäßig gebautes
Fibrom, in dessen Pole je ein Nervenstrang hineinzieht, der sich im Geschwulst-
gewebe verliert. Der oben erwähnte Fremdkörper wurde nicht gefunden, auch
kein Zusammenhang desselben mit der Erkrankung konstatiert.
Kaehler (Duisburg-M.).
25) W. M. Mintz. Zur Frage von den späten Erstickungsanfällen
noch totaler Kehlkopfexzision.
(Russki Wratsch 1908. Nr. 28.)
In 3 Fällen unter seinen 13 Kehlkopfexzisionen sah M. einige Zeit: nachher
schwere Erstickungsanfälle, die nach Aushusten von Blutgerinnseln schwanden. Im
1082 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36.
ersten Falle kam das 41/2 Jahre nach der Operation vor und dauerte 2 Tage lang;
im zweiten nach 27 Tagen und dauerte 5 Tage, im dritten nach 21 Tagen und
dauerte 24 Tage. M. nähte in seinen Fällen die äußere Schicht der Luftröhre
mit der Haut zusammen; an der Luftröhre bleibt also zwischen äußerer Schicht
und Schleimhaut eine blutende Wundfläche. Das herabfließende Blut füllt die
Bronchien, und so bilden sich in denselben die Gerinnsel; im ersten Falle war das
größte 5 cm lang und 1'!/;—2 cm dick. M. wundert sich, in der Literatur keine
ähnlichen Befunde nach einfacher Tracheotomie gefunden zu haben. —
Gückel (Wel. Bubny, Poltawa).
26) F. R. Nager. Uber das primäre Trachealkarzinom.
(Archiv für Laryngologie und Rhinologie 1907. Bd. XX.)
Seit Bruns’ zusammenfassender Darstellung in Heymann’s Handbuch vom
Jahre 1898, führt Verf. noch sieben Fälle an, denen er einen achten anreiht. Der
öljährige Mann kam mit Husten, Atemnot usw.; er bot die Zeichen einer diffusen
Bronchitis, linksseitige Recurrenslähmung, Zurückbleiben der linken Seite bei der
Atmung. Eine direkte Endoskopie war nicht mehr möglich. Die Autopsie zeigte
einen Plattenepithelkrebs, der den linken Hauptbronchus verlegte. Verf. glaubt das
Plattenepithelkarzinom als eine versprengte (nicht metaplasierte) Geschwulst auffassen
zu müssen. Denn einmal erfolge in der Gegend der Bifurkation die Trennung von
Lungenanlage und Vorderdarm, und ferner kämen gerade in der Umgebung
solcher Abschnürungen leicht Versprengungen vor. Außerdem lag, wie oft beim
Luftröhrenkrebs, noch eine Mißbildung vor, und zwar hier eine muskuläre Cir-
rhose im rechten Unterlappen (zahlreiche Bündel glatter Muskulatur durch schmale
und breite Bindegewebssepten getrennt). F. Alexander (Frankfurt a. M.).
27) Frhr. v. Saar. Über Tracheoplastik.
(Festschrift f. Chiari 1907. Wien.)
Nach einer kritischen Übersicht über die verschiedenen Methoden (Dermato-
Chondro-Osteoplastik usw.) berichtet Verf. über einen von v. Eiselsberg operierten
Fall von karzinomatös degeneriertem Kropf. Pat. kam bereits tracheotomiert in
die Klinik. Erste Operation am 11. Januar: Exstirpation der Geschwulst, Resektion
von ca. 4cm Luftröhre, Vernähung derselben über einer Kanüle, Gipsverband
in stark gebeugter Kopfstellung. Zweite Operation am 19. Februar: Bildung des
Haut-Periost-Knochenlappens aus dem Brustbein und Versehen desselben auf beiden
Seiten mit Haut. Drittens Einlegung des Lappens in die Luftröhrenlücke am
5. März, nachdem ein Ende Januar zur provisorischen Verkleinerung eingefügtes
Zelloidinplättchen wieder entfernt worden war. Später Verschorfung einiger Luft-
durchlassender Stellen mit dem Paquelin. Am 7. Mai mit Pelotte geheilt ent-
lassen. Drei Jahre später mußte wegen eines Rezidivs wieder operiert und eine
tiefere Tracheotomie mit Dauerkanüle angelegt werden, weil die Geschwulst sich
als inoperabel erwies. Immerhin war das Resultat der Kombination der >»idealen«
Resektion mit der osteoplastischen als ein funktionell günstiges zu bezeichnen
gewesen. F. Alexander (Frankfurt a. M.).
28) P. A. Werekundow. Ein seltener Fall von Verletzung des Brust-
korbes und der Bauches.
(Wratschebnaja Gazeta. 1908. Nr. 19 [Russisch.])
Ein Soldat geriet beim Abspringen von einem hohen Zaun anf sein Gewehr,
wobei das Bajonett über dem linken Lig. Pouparti eindrang, in den Bauchwand-
muskeln bis zum Rippenbogen, weiter durch die Lunge und Pleura ging und am
Winkel des linken Schulterblattes die Haut durchstach. Pat. zog das Bajonett
heraus, konnte auch noch mehrere Schritte gehen. Hautemphysem an der linken
Seite von Brust, Hals und Gesicht; Blut im Auswurf; kein Husten, Puls 102.
Allgemeinzustand gut. Abwartende Behandlung. Die beiden Wunden heilten
glatt; keine Symptome von seiten der Bauchorgane; leichtes Pleuraexsudat, das
rasch resorbiert wurde. Nach 3 Wochen gesund entlassen.
Glückel (Wel. Bubny, Poltava).
p=- -~
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 1083
29) F. S. Glickman. Brustkontusion, kompliziert durch Pneumo-
und Hämothorax. |
(Wratschebnaja Gazeta. 1908. Nr. 19. [Russisch.])
Ein Soldat fiel auf der Straße, wobei sein Seitengewehr sich mit der Spitze
in den Hoden einrannte und Pat. mit der linken Brustseite auf den Griff aufstieß.
Er verlor für kurze Zeit das Bewußtsein und kam mit starken Schmerzen und
Dyspnoe ins Lazarett. Keine Haut- und Rippenverletzung;; vollständiger linkssei-
tiger Pneumothorax. Nach 11/, Tagen Symptome eines Pleuraexsudates, das bald
die ganze Pleura einnahm. Probepunktion, Blut in der Spritze. Blutiger Aus-
wurf, Pneumoniesymptome. Nach und nach schwand der Hämothorax, und Pat.
konnte nach 40 Tagen geheilt entlassen werden. — Es handelte sich also um Lun-
genzerreißung mit nachfolgender leichter Pneumonie; der Bluterguß in der Pleura
blieb aseptisch und wurde ohne weitere Komplikation resorbiert.
Gückel (Wel. Bubny, Poltawa).
30) Marden. Case report of plastic repair in old gunshot wound of
the abdomen.
(Surgery, gynecology and obstetrics Vol. VI. Nr. 6.)
Es handelt sich um eine Kotfistel bei einem 22jährigen Manne dicht oberhalb der
Spina ant. sup. dextra infolge eines Schusses durch die rechte Beckenhälfte. Der
Verschluß war früher vergeblich versucht. Es wurde sofort bis in die Bauchhöhle
eingedrungen, das verwachsene Netz abgebunden; die Darmfistel ging vom Grunde
des Blinddarmes aus, der tief im Becken so fest verlötet war, daß die Fistel unter
Belassung in dieser Lage geschlossen werden mußte. Der Verschluß des untersten
Wundwinkels war dabei wegen sehr zerreißlichen Gewebes sehr schwierig. Zur
Verstärkung dieser Stelle wurde der Wurmfortsatz an seinem Ansatz gedreht und
samt seinem Mesenterium über die schwache Stelle genäht. Zum Schluß der
weit klaffenden Bauchwunde mußte eine Hautmuskelplastik gemacht werden, in-
dem durch einen flachen Bogenschnitt in der seitlichen Bauchwand Haut und
Muskulatur der Länge nach losgelöst wurden, während sie am Becken und Rippen-
bogen sitzen blieben, der Lappen wurde dann nach innen verzogen. Glatte Hei-
lung in 4 Wochen. Trapp (Bückeburg).
31) Zinsser (New York) A case of peritoneal infection by bacillus
typhosus without intestinal perforation.
(Proceedings of the New York path. soc. VII. Nr. 5—8.)
Bei einer an Typhus abdominalis erkrankten 50jährigen Frau traten plötzlich
in der 4. Woche Symptome auf, die auf eine Perforation schließen ließen. Bei
der Laparotomie fand sich eine frische umschriebene Peritonitis mit Typhus-
bazillen in Reinkultur, ohne daß eine Perforationsstelle hätte gefunden werden
können. Z. nimmt an, daß vom Boden einer tiefen Ulzeration aus Keime durch
die noch übrigen Schichten hindurchgewandert seien.
Erhard Schmidt (Frankfurt a. M.).
32) L. J. Richelot. Sur l’appendicite chronique.
(Bull. de l’acad. de méd. 1908. Nr. 19.)
Kolitis findet man in vielen Fällen als Folge von Blinddarmentzündung. R
hat zum Beweis dessen zwei Beobachtungen.
1) Ein junger Offizier leidet seit 6 Jahren an einer Enteritis mucosa et mem-
branaces. Alle Hilfe war vergeblich. Der Kranke kam sehr herunter, wurde
kachektisch. Wegen Empfindlichkeit des McBurney’'schen Punktes mit vorüber-
gehendem Fieber wurde der Wurmfortsatz aufgesucht und entfernt. Er enthielt
einen Kotstein und Zeichen von Entzündung. Sofortige und dauernde Heilung.
2) Eine 53jährige Frau leidet seit 3 Jahren an einer Enteritis mucosa et
membranacea. Es bestehen nach jeder Mahlzeit starke Schmerzen in der Gallen-
1084 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36.
blasengegend und Herzgrube, die das Essen ganz verleiden. Eine unbestimmte
Druckschmerzhaftigkeit in der Ileocoecalgegend wird Veranlassung zu einem Ope-
rationsversuch. Der Wurmfortsatz ist injiziert und mit Eiter gefüllt. Sofortige
und dauernde Heilung. Neugebauer (Mährisch-Ostrau).
33) N. Koppang. Om punktioner av den appendicitiske abscess
gjennem bugbedaekningerne i terapeutisk oiemed.
(Tidskrift for den norske laegeforening 1908. Nr. 11.)
Die Behandlung der Ileocoecalabszesse mittels Punktion ist von Lenhartz
angegeben. Lenhartz benutzt eine 20 ccm fassende Luer’sche Spritze und eine
6—9 cm lange, 1 mm dicke Kanüle. Nach gründlicher Desinfektion der Haut wird
innerhalb des Gebietes der fühlbaren Resistenz auf dem höchsten und empfindlich-
sten Punkte der Geschwulst möglichst lateral eingestochen. Nach Entleerung von
Gas und Eiter wird die kleine Stichöffnung mit einem Zinkpflaster verschlossen.
Nach dieser Methode behandelte K. einen 14jährigen Knaben, der nach
10tägiger Krankheit einen hühnereigroßen Abszeß in der linken Dleocoecalgegend
aufwies. Durch Punktion wurden 32 ccm stinkender Eiter entleert. Rasche Besse-
rung. Bevenstorf (Hamburg).
34) Upcott. False diverticula of the appendix.
(Surgery, gynecology and obstetrics 1908. VI, 5.)
35) Johnston. Diverticulum of the vermiform appendix.
(Ibid. 6.)
U. beschreibt näher zwei derartige Wurmfortsätze und analysiert dann die
Entstehung der falschen Divertikel. Der Wurm hat im Vergleich zu seiner Lich-
tung eine sehr starke Muscularis, die im Fall einer Verlegung der Mündung einen
sehr starken Druck auf den Inhalt des Darmteiles ausüben kann. Nachgiebigere
Stellen in der Wandung werden daher ein Verdrängen der Schleimhaut ermög-
lichen. Solche nachgiebigere Stellen sind die Eintrittsstellen von Lymph- und
Blutgefäßen. An Hand der mikroskopischen Schnitte weist U. sie nach und sucht so
seine Behauptung zu beweisen. Er streift dann noch die Beziehung falscher Diver-
tikel und der dünneren Stellen der Wandung zur Perforation. Entzündliche Vor-
gänge begünstigen die Nachgiebigkeit der Gefäßdurchtrittsstellen.
J. beschreibt einen Fall, der nach der obigen Bezeichnung auch ein falscher
Anhang zu sein scheint. Trapp (Bückeburg).
36) White. Primary colloid carcinoma of the vermiform appendix.
(Am. journ. of the med. sciences 1908. Mai.)
Gelegentlich der Autopsie einer an Deus verstorbenen 75jährigen Frau wurde
ein Colloidkrebs des Wurmfortsatzes gefunden, der mit dem Ileus in keinem ur-
sächlichen Zusammenhang stand und nie Erscheinungen gemacht hatte.
Levy (Wiesbaden).
37) F. K. Weber. Zur Frage des primären Karzinoms der Appendix.
(Russ. Archiv für Chirurgie 1908. [Russisch.))
Wie stets in diesen Fällen — abgesehen von dem Beyer’s, — wurde auch
hier die Diagnose erst nach der Operation gestellt.
Der 43jährige Mann erkrankte 1901 zuerst an Appendicitis. Die Anfälle
wiederholten sich 5—6mal jährlich, bis im Frühjahr 1904 wegen eines großen
Abszesses in der Coecalgegend operiert werden mußte. Bei dieser Gelegenheit war
der Wurm in Verwachsungen eingebettet. Seitdem keine Anfälle mehr, wohl aber
zeitweise dumpfer Schmerz am Blinddarm. Februar 1906 wurde eine rechtsseitige
trockene Pleuritis überstanden. April 1906 kam Pat. wegen einer Narbenhernie
und klagte über die erwähnten Schmerzen. Im Hinblick auf die Pleuritis hielt
W. die höckerige, gänseeigroße Geschwulst für tuberkulös. Nach Überwindung
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 1085
vieler Verwachsungen gelang es, den stark verdickten Wurm samt einem Stück
des gedehnten Blinddarmes zu resezieren. Trotzdem vom vorderen Umfang des
Blinddarmes und von der Bauhin’schen Klappe Stücke entfernt wurden, gelang die
Naht ohne Stenosierung. Pat. wurde nach glatter Heilung in 3 Wochen ent-
lassen.
Die Geschwulst hatte am Übergang in den Blinddarm einen Durchmesser von
5 cm, war hier scharf abgegrenzt und erwies sich mikroskopisch als Adenokar-
zinom.
W. betont, wie ungeheuer selten diese übrigens sehr »gutartigen« Karzinome
sind, wenn man bedenkt, welche Unzahl von Wurmfortsätzen entfernt werden.
V. E. Mertens (Kiel).
38) Leischner. Die Bedeutung der partiellen Bauchmuskellähmungen
für die Chirurgie.
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie. Bd. XVII. Hft. 5.)
Bei jeinem 2jährigen Mädchen bestanden nach abgelaufener Poliomyelitis
anterior acuta Atrophien und Lähmungen an der rechten oberen und unteren Extre-
mität, und außerdem in der linken Bauchhälfte zwei umschriebene apfel- bzw.
walnußgroße Vorwölbungen, die große Ähnlichkeit mit seitlichen Bauchwand-
brüchen hatten. Es werden die wenigen in der Literatur niedergelegten ähnlichen
Fälle besprochen, auch solche, die auf [Basis von Neuritiden bei Erwachsenen ent-
standen. Die Kenntnis dieser Pseudohernia ventralis |lateralis infolge partieller
Bauchmuskellähmung ist von Wichtigkeit, weil sie, für echte Hernien gehalten,
schon Anlaß zu unnötigen Operationen gegeben haben. Haeckel (Stettin).
39) M. M. Pokrowski. Zur Frage von der eitrigen Entzündung des
Magens und des Darmes.
(Russki Wratsch 1908. Nr. 24 und 28.)
P. sah einen Fall von eitriger Gastritis bei einem vor 5 Tagen erkrankten
Mann. Erbrechen nur einmal; Diarrhöen, Tod 10 Tage nach Beginn der Er-
krankung. 2 Tage vor dem Tode wurde der Bauch schmerzlos, am Tage vor dem
Tode — Perforation der Magenwand und Peritonitis. Klinische Diagnose: Abdo-
minaltyphus! Sektion: eitrige Infiltration der Wände des ganzen Magens; Serosa
und Mucosa intakt, nur an einer Stelle der kleinen Kurvatur ist die Infiltration
stärker und die Schleimhaut nekrotisch. Perforation dicht am Pylorus. Öso-
phagus und Duodenum nicht ergriffen. Angina, Streptokokken im Eiter.
Seltener als der Magen findet sich der Darm eitrig entzündet. In der Lite-
ratur fand P. bloß 15 Fälle, davon 8 aus Rußland. Er selbst sah auch einen Fall,
Ein Mann, 28 Jahre alt, starb nach 31/2 Monate langer Krankheit (Ascites, Ödem
an den Beinen, sechs Punktionen des Unterleibes). Sektion: atrophische Leber-
cirrhose, Dickdarm mit der Leberpforte verwachsen, die Subserosa des Darmes an
dieser Stelle dicht und reichlich mit Eiterzellen infiltriert. Mucosa und Serosa
gut erhalten. Keine Peritonitis. Akute Angina. —
Gückel (Wel. Bubny, Poltawa).
40) Wegele. Uber Polyposis ventriculi (Polyadenome gastrique).
(Mitteilungen a. d. Grenzgebieten d. Medizin u. Chirurgie Bd. XIX. Hft. 1.)
So häufig Polyposis im Darm beobachtet worden ist, so selten im Magen; den
wenigen bisher publizierten Fällen fügt W. einen neuen hinzu. In der Annahme
eines Karzinoms wurde operiert. Man fühlte jedoch nach Eröffnung des Bauches
keine Geschwulst, machte daher einen Schnitt in den Magen und fand die gesamte
Oberfläche der Magenschleimheit von einer Menge zottenförmiger größerer und
kleiner, weicher Polypen besetzt. Gastroenterostomie. 11/2 Jahr später war Pat.
noch am Leben, doch war das Körpergewicht stetig gesunken. Mikroskopisch
zeigten die Geschwülste den Charakter eines Adenoms, das an einigen Stellen den
Verdacht auf Übergang in Adenokarzinom wach werden ließ.
Haeckel (Stettin).
1086 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36.
41) S. Hayem. De la frequence de l’ulcero cancer de l’estomac.
(Bull. de l’acad. de med. 1908. Nr. 15.)
Wegen der großen Verschiedenheit der Ansichten über die Beziehungen des
Magenkrebses zum Magengeschwüre hat H. 94 Fälle daraufhin untersucht und
gefunden, daß man mehr als ein Fünftel der Karzinome ätiologich auf Geschwür
beziehen müsse. Dieser Krebs sitzt stets »präpylorisch« an der kleinen Kurvatur;
er trifft, wie auch schon andere gefunden, fast ausschließlich Männer.
Neugebauer (Mährisch-Ostrau).
42) S. J. Twerdowski. Zur Frage von der Bedeutung der Gastro-
enterostomie bei Pylorusstenose.
(Wratschebnaja Gazeta 1908. Nr. 27. [Russisch.))
T. operierte 30 Pat.: 24 mit bösartiger Magengeschwulst, 6 mit gutartiger
Stenose. 29mal wurde die Anastomose nach Hacker — ohne Braun — ange-
legt, mit günstigem Ausgang; einmal — Krebsgeschwür der hinteren Wand —
nach Wölfler, Tod an septischer Peritonitis. Die Anastomose wurde 14mal
mittels Murphyknopf, 16mal mit dreizeitiger Naht angelegt. Zweimal trat nach
15 bzw. 7 Monaten wieder Erbrechen auf; eine operative Erweiterung der Ana-
stomosenöffnung durch 4-5 cm langen Schnitt und Naht senkrecht zur Schnitt-
linie; das Erbrechen hörte dann in beiden Fällen auf; beide Fälle waren mit
Murphyknopf operiert. Gückel (Weil. Bubny, Poltawa).
43) Thorspecken. Ein Beitrag zur Pathologie der Magen-Kolonfistel.
(Mitteilungen a. d. Grenzgebieten d. Medizin u. Chirurgie Bd. XIX. Hft. 1.)
T. veröffentlicht aus der Göttinger medizinischen Klinik einen Fall von Magen-
Dickdarmfistel. Ein 18jähriges Mädchen mit Lungen- und Hauttuberkulose bekam
nach längerem Voraufgehen von Leibschmerzen Koterbrechen, das mehrere Wochen
bis zum Tode anbielt; ganz unabhängig davon erfolgte ohne Beschwerden ziemlich
regelmäßig Stuhlgang; im Leibe waren viele gurrende Geräusche zu hören, Darm-
peristaltik aber war nur ein einziges Mal sichtbar. Bei der Autopsie fand sich
stenosierende Darmtuberkulose im Colon transversum; vor der Stenose starke Er-
weiterung und hochgradige Zerstörung der Schleimhaut mit fistulösem Durchbruch
in den Magen und subphrenischem Abszeß; von diesem gleichfalls Durchbruch in
den Magen. Hochgradige Fettleber, eingedickte Galle in der Gallenblase, keine
Spur von Galle in den Gallengängen.
Dieser Fall ist in doppelter Hinsicht bemerkenswert: einmal, weil ein ähnliches
Vorkommen von tuberkulösen Geschwüren an der linken Flexur nicht beschrieben
ist und noch weniger natürlich eine durch diese bedingte Fistelbildung; sodann,
weil sowohl Stuhl wie Erbrochenes völlig acholisch waren, und trotzdem kein
Ikterus bestand, im Urin Urobilin nicht nachgewiesen werden konnte. Diese
Acholie ohne Ikterus ist schwer zu erklären; manche Autoren halten völliges Ver-
siegen der Gallensekretion für bisher nicht erwiesen. Der auffällige pathologisch-
anatomische Befund der Leber läßt im vorliegenden Falle die Erklärung für di
gestörte Funktion vermuten; die mikroskopische Untersuchung der Leber zeigte
außergewöhnlich hochgradige Verfettung des ganzen Leberparenchyms. Überall
sind die Zellen vollständig von Fettropfen ausgefüllt, zwischen denen nur die
Gefäßendothelien, Gallengänge mit gut erhaltenem Epithel und größere Gefäße
. sichtbar sind. Auch einzelne normale Leberzellen sind nicht zu finden. Zwischen
den Lobulis liegen miliare Tuberkel. Haeckel (Stettin).
44) Finney. Congenital idopathic dilatation of the colon.
(Surgery, gynecology and obstetrics Bd. VI. Nr. 6.)
Beschreibung eines Schulfalles von Hirschsprung’scher Krankheit bei einem
9jähr. jüdischen Knaben. Probelaparotomie. F. legte zunächst eine Darmfistel an, von
der aus der Darm durchgespült wurde. Nach 6 Monaten ergab die zweite Laparo-
tomie, daß der ganze Darm nebst Mesenterium bedeutend kleiner und dünnwandiger
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 1087
geworden war, während sich das Allgemeinbefinden sehr gehoben hatte. Es wurde
nun eine seitliche Kolo-Kolostomie: gemacht, 5 Monate später die noch zurückgelas-
sene ausgeschaltete Schlinge entfernt und die Darmfistel geschlossen. Der Knabe er-
holte sich derart, daß er schon vor der letzten Operation völlig normal entwickelt
war. Zuletzt erinnerte nur die verbreiterte untere Öffnung des Brustkastens noch
an die überstandene Krankheit. — F. knüpft an diesen Fall eine eingehende
Studie der Krankheit mit gutem Literaturbericht. Trapp (Bückeburg).
45) ©. A. Morton. A clinical lecture on a consecutive series of
34 cases of excision of a portion of the rectum for carcinoma.
(Brit. med. journ. 1908. Mai 2.)
M. berichtet über 34 Fälle von Mastdarmresektionen wegen Krebs mit einer
Sterblichkeit von 13%; von den letzten 18 Operierten starb keiner. Von 19 Nach-
untersuchten lebten 8 ohne Rückfall, 10 rezidivierten. M. setzt die Grenzen der
Operabilität erheblich weiter als gewöhnlich geschieht. So gelten ihm Anheftung
an der Prostata oder am Kreuzbein nicht als Gegenanzeige. Die Resektion des
Mastdarmes mit nachfolgender Naht konnte er 12mal ausführen, aber stets gab
ein Teil oder die ganze Naht nach: nie erfolgte unmittelbar völlige Heilung.
Trotzdem stellte sich später in vielen Fällen freier Darmdurchgang wieder her, in
anderen Fällen allerdings nur mit Fistelbeigabe. Der eine Fall, in dem Verf. die
Durchziehmethode anwandte, mißglückte durch Nekrose des durch den After ge-
zogenen Darmendes. Weber (Dresden).
46) K. Stern. Operation eines Aneurysma embolomycoticum einer
Mesenterialarterie.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 315.)
Verf. beschreibt aus der Rehn’schen Abteilung einen Fall von embolomyko-
tischem Aneurysma der Art. mesenterica superior bei einem 20jährigen Manne mit
rekurrierender Endokarditis und Streptokokkensepsis. Man fühlte rechts unterhalb
des Nabels eine nicht ganz hühnereigroße, bewegliche Geschwulst bei Mangel von
peritonitischen Symptomen und den sonst für Aneurysmen charakteristischen Er-
scheinungen. Da Pat. unerträgliche Schmerzen hatte, wurde unter der Wahrschein-
lichkeitsdiagnose eines mesenterialen Drüsenabszesses laparotomiert. Man inzidierte
eine kleinapfelgroße Geschwulst im Mesenterium, räumte den aus alten Blut-
gerinnseln bestehenden Inhalt aus und unterband die in dickem Strahl spritzende
Art. mesenterica superior. Nach Einführung eines Gazestreifens wurde der Sack
durch Naht geschlossen und die Bauchwand genäht. Der Darm zeigte völlig nor-
male Beschaffenheit. Die Wunde heilte reaktionslos, und es trat zunächst eine
deutliche Besserung mit einer Fieber- und Schmerzpause auf, dann aber kam es
zu einer Embolie der Art. brachialis und einem neuen embolischen Aneurysma der
linken Oberbauchgegend. Beim Versuch, dasselbe zu operieren, entstand eine ge-
waltige Blutung, die zwar nach Gefäßligatur stand, doch erlag Pat. bald darauf
im Kollaps. .
Die Sektion ergab neben alten und frischen endokarditischen Auflagerungen
ein Aneurysma der Art. brachialis infolge Vereiterung eines septischen Thrombus.
Am mittleren Ast der Art. mesenterica superior, dicht an der Abgangsstelle, saß
ein apfelgroßes Aneurysma, dessen dünne Wand in die Bauchhöhle perforiert war.
In einem anderen Aste fand sich ein loser Embolus. Das exstirpierte Aneurysma
war tadellos ausgeheilt; Darm und Mesenterium waren gut ernährt.
Es ist dies der erste operativ behandelte Fall eines derartigen Aneurysmas,
durch welchen der Beweis erbracht ist, daß man in solchen Fällen die Art. mesen-
terica superior wohl unterbinden darf, ohne die bei plötzlichem Verschluß sonst
unausbleibliche Darmgangrün befürchten zu müssen, da sich bei dem chronischen
Verschluß des Gefüßes längst ein Kollateralkreislauf ausgebildet hat, bis das
Aneurysma als Geschwulst nachweisbar wird. Allerdings kann, wie auch hier, die
1088 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36.
Operation das Schicksal der Pat. nur selten ändern, was bei der Natur des Grund-
leidens und der bekannten Multiplizität derartiger Embolien leicht erklärlich ist.
Reich (Tübingen).
47) Mastin. A unique anomaly of the great omentum.
(Surgery, gynecology and obstetrics Bd. VI. Nr. 6.)
Bei einem 26jährigen Neger wurde wegen Schußverletzung des Darmes die
Laparotomie gemacht. Dabei fand man, daß das große Netz oberhalb des Nabels
in breiter Fläche mit der vorderen Bauchwand verwachsen und so stark verkürzt
war, daß eine vollständige Trennung des oberen Teiles vom unteren des Bauches
dadurch bewirkt wurde. Das Gewebe des Diaphragmas selbst war viel fester,
dicker und blutreicher als das des normalen Netzes; das präperitoneale Fett ging
direkt in das Innere des Diaphragmas über; das Peritoneum parietale hing oberhalb
und unterhalb ohne Unterbrechung mit seinem Bauchfellüberzug zusammen. Seitlich
lief die Scheidewand beiderseits, ganz ähnlich den Zwerchfellschenkeln, tief herab,
fest verbunden mit dem gesamten Dickdarm, so daß die Scheidewand hufeisen-
förmig lückenlos verlief. Magen und Dickdarm lagen dabei völlig normal, ebenso
alle anderen Baucheingeweide. Irgendweliche Zeichen frischer oder alter Entzündung
fanden sich nirgends. Die Sektion ließ den genauen Befund leicht erheben.
Trapp (Bückeburg).
48) Johnston. Non parasitic cysts of the spleen.
(Surgery, gynecology and obstetrics Bd. VI. Nr. 6.)
Bei einer mit Uterusmyomen belasteten 46jährigen Frau fand sich in der
linken Unterbauchseite eine etwa faustgroße Geschwulst, die bei der zum Zwecke
der Hysterektomie vollzogenen Laparotomie sich als die frei bewegliche Milz er-
wies, an deren Hilus eine gänseeigroße, weiße, cystische Geschwulst saß. Sie wurde
leicht stumpf ausgeschält, die Milz reponiert. Die Geschwulst hatte Eiform, eine
fast weiße, 0,5—2,5 mm dicke, stark verkalkte Wand und enthielt schleimig-
gallertiges, mit zerreiblichen, sandigen Bröckeln durchsetztes Material von schmutzig-
weißer, etwas ins Bräunliche spielender Farbe. Mikroskopisch fand man darin
neben Cholesterin und Detritus Reste von roten Blutkörperchen und Blutfarbstoff,
nur am Rande der Wand ein maschenförmiges, im Untergang begriffenes Gewebe.
Die Wand bestand aus verkalktem Bindegewebe. Die Nierenkapsel ging in die
Cystenwand über. Die Cyste wurde für ein umgewandeltes Hämatom der Milz
angesehen. Trapp (Bückeburg).
49) Nicolle et Cassuto (Tunis). Sur un cas de »Kala-azar« (spleno-
mégalie tropicale).
(Bull. de l'acad. de méd. 1907. Nr. 32.)
Ein 2jähriges Kind französischer Abstammung erkrankt mit gastrointestinalen
Krankheitserscheinungen, die von unregelmäßigem Fieber begleitet sind. Dazu
beträchtliche Milzvergrößerung und Kachexie.
Die mikroskopische Untersuchung des Blutes ließ Malaria ausschließen. Da-
gegen wies das durch Milzpunktion gewonnene Blut parasitäre Elemente auf, die
von Leishman und Donovan bei den Indern gefunden worden waren.
Die Krankheit, die epidemisch werden kann, soll nach Patton auch durch
Insekten verbreitet werden. Neugebauer (Mährisch-Ostrau).
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden.
Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau,
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig.
Zentralblatt für Chirurgie
herausgegeben von
K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER,
in Bonn, in Berlin, in Breslau.
35. Jahrgang.
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG.
Nr. 37. Sonnabend, den 12. September 1908.
Inhalt.
Wilms, Fixation des Coecum mobile bei Fällen von sogenannter chronischer Appendicitis.
(Originalmitteilung.) Š
1) Crile, Die Krebsfrage. — 2) Knox, Wunddrainage. — 3) Vaillard, Zur Tetanusprophylaxe.
— 4) Leale, Verbrennung bei Kindern. — 5) Couteaud, Lokalanästhesie. — 6) Bangs, Über Tabak
in der chirurgischen Praxis. — 7) Civatte, Zur Heirat Syphilitischer. — 8) Portillo, Venerische
Leistendrüsen. — 9) Dubreuilh, Gesichtsepitheliome. — 10) Sabourand, 11) de Beurmann und
Gougerot, 12) Civatte, 13) v. Zeissl, Dermatologisches. — 14) Meyer, 15) Zalewski, 16) Kramm,
17) Voss, 18) Hinsberg, Otologisches. — 19) Loewe, 20) Albrecht, 21) Newcomb, 22) Uffenrode,
23) Albrecht, 24) Hajek, 25) Citelli, 26) Kramm, Zur Chirurgie der Nase und der Nasenneben-
höhlen. — 87) Andereya, Oberkiefercysten. — 28) Legueu, Parotitis postoperatoria. — 239) Vohsen,
Bösartige Mandelgeschwülste. — 80) Gluck, Chirurgie des Kehlkopfes und Rachens. — 391) Gutz-
mann, Stimme und Sprache ohne Kehlkopf. — 32) Elsberg, Pneumothorax.
88) Silberberg, 834) Lasio, Spinalanästhesiee — 35) Carle, 36) Burgsdorf, 87) Hamel,
38) Burgsdorf, Zur Syphilisfrage. — 89) Bulkley und Janeway, Epitheliome. — 40) Bodin,
41) Bonnet, 42) Bodin, 48) Constantin und Levrat, 44) Audry, 45) Spitzer, 46) Nicolas und
Gauthier, Dermatologisches. — 47) Bönaky, Neurofibromatose. — 48) Herzenberg, Stauungs-
blutung. — 49) Blan, Meningoencephalitis acuta. — 50) Peabody, Zerebrospinalmeningitis. —
51) Graves, Hirngeschwulst. — 52) van Fleet, Geschwulst des N. opticus. — 58) Daae, 54) Putsch-
kowski, 55) Schroeder, 56) Muck, 57) Wittmaack, 58) Cohn, Otologisches. — 59) Cohen, Vier
Stirnhöhlen. — 60) Kuelbs, Mikulicz’sche Krankheit.
Berichtigung.
Fixation des Coecum mobile
bei Fällen von sog. chronischer Appendieitis.
Von
Prof. Wilms in Basel.
n einer demnächst in der Deutschen med. Wochenschrift erscheinen-
den Arbeit: »Langes Coecum mobile als Ursache mancher
Fälle von chronischer Appendicitis« wird darauf hingewiesen,
daß bei nicht wenigen Fällen dieser Erkrankung auch noch nach der
Appendektomie die gleichen Schmerzen bestehen bleiben wie vorher.
Ein Teil dieser Fälle mögen auf Fehldiagnosen beruhen, indem
z. B. Genitalaffektionen bei Frauen oder neuralgische Zustände im
Gebiete des N. ileohypogastricus als chronische Appendicitis gedeutet
wurden; bei anderen beruht aber der Mißerfolg nicht auf einer Fehl-
diagnose, sondern auf einer unrichtigen Auffassung über die Ursache
der Schmerzen bei sog. chronischer Appendicitis und damit
zusammenhängender unrichtiger Therapie.
37
1090 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37.
Die Schmerzen sind nämlich meiner Ansicht nach in gewissen
Fällen weder durch Entzündung des Wurmfortsatzes oder Mesen-
teriolum, noch durch eine Kolitis im Üoecum bedingt, sondern
nur durch Zerrung eines langen, beweglichen Coecum. Ist ein langes
Coecum mobile vorhanden, so kann dieses, um nur zwei Haupttypen
hier herauszuheben, in verschiedener Weise wirken. Einmal kann das
Coecum an einem relativ zu kurzen Mesenteriolum der Appendix
die Zerrung ausüben wie Fig. 1 demonstriert. Reseziert man hier den
Wurmfortsatz und durchtrennt natürlich dabei das Mesenteriolum, so
kann eine Heilung der Schmerzen eintreten. Ist aber das Mesen-
teriolum der Appendix lang (Fig. 2), und übt das Coecum dann an
seinem eigenen retroperitonealen Ansatz (event. bei einem Coecum mobile
am ganzen Mesenterium) den schmerzhaften Zug aus, so ist mit einer
Entfernung der Appendix nichts gewonnen. Hier kann nur eine Fixa-
Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3.
Fig. 1. Relativ zu kurzes Mesenteriolum der Appendix bei langem Coecum mobile.
Fig. 2. Langes Mesenteriolum bei langem, beweglichem Coecum. Fig. 3. Retro-
peritoneale Lagerung des Coecum zur Fixation.
tion des Coecums von Erfolg begleitet sein. (Näheres siehe in
obengenannter Arbeit).
Nebenbei sei erwähnt, daß die Situation eines relativ zu kurzen Mesenteriolum
wie bei Fig.1. für das Auftreten von Entzündung durch Sekretverhaltung, durch
Störung der Zirkulation der Appendixwand und des Mesenteriolum von großer
Wichtigkeit ist. Viele Fälle von Knickungen des Wurmfortsatzes nach Ent-
zündungen entstehen meiner Ansicht nach dadurch, daß bei solcher Sachlage durch
Zerrung Schädigungen der Wand der Appendix entstehen und von dort aus Ent-
zündungen ausgehen, die bei Heilung Adhäsionen in geknickter Stellung des Fort-
satzes bewirken. In manchen Fällen mag ja die Knickung durch die Entzündung
allein bedingt werden, aber sicher ist öfters das Primäre eine Lage bei der
der Appendix durch Zug des Mesenteriolum geknickt ist (Fig. 1).
Um die Schmerzen bei chronischer Appendicitis zu beseitigen,
habe ich nun bei etwa 40 Fällen, bei denen die bekannten Symptome
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 1091
bestanden und bei der Operation keine Reste von Entzündung noch
abnorme Verwachsungen sich fanden, sondern Coecum und Wurm-
fortsatz frei beweglich waren und sich leicht vor die Bauchwunde vor-
legen ließen, den Blinddarm flächenhaft an der hinteren Bauch-
wand im Bereich der Beckenschaufel zur Verwachsung gebracht,
und zwar nicht durch Naht, sondern nach folgender Methode:
Der Haut- und Muskelschnitt kann in gewöhnlicher Weise aus-
geführt werden; ich lege ihn, wenn die Palpation ein langes Coecum
erkennen läßt, näher an die Spina ant. superior heran, trenne dann
in der Länge a—b (Fig. 3) das Peritoneum von der Darmbeinschaufel
los und gehe stumpf mit dem Finger hinter das Peritoneum, das sich
leicht, weil es sehr locker adhärent ist, lösen läßt; dann trennt man
mit der Schere das Peritoneum in der Linie ac durch, die ungefähr der
hinteren Ansatzlinie des Ooecum entspricht. Die Trennung ist leicht,
weil man durch Fassen des schon gelösten Peritoneum mit Klemmen
das Peritoneum vorziehen kann. Man hat jetzt eine große, retro-
peritoneale Tasche gebildet, deren Weite man übersieht, wenn man
einen Spatel oder Langenbeck’schen Haken so einsetzt, daß man
den freien Peritonealzipfel nach vorn gegen das Peritoneum der vor-
deren Bauchwand gegendrückt. In diese Tasche, die man durch den
Haken offen hält, wird nun das Coecum mobile hineingeschoben und
dann der freie Peritonealzipfel in der Gegend der Bauchwunde fixiert.
Es ist klar, daß durch die jetzt geschaffenen, flächenhaften Adhäsionen
eine Fixation des Coecum erreicht wird, besser noch wie das Kolon
sonst mit seinem Mesokolon fixiert ist.
Die Erfolge meiner eigenen, ziemlich zahlreichen Beobachtungen
sind gute, selbst bei Pat., denen die früher ausgeführte Appendek-
tomie keine Heilung gebracht, hat die Coecumfixation die Schmerzen
beseitigt.
1) @. W. Crile. The cancer problem.
(New York med. record 1908. Juni 6.)
C. bestätigt, daß der Extrakt von Krebszellen aktive Hämolyse
hervorbringt, was bei gutartigen Geschwülsten nicht der Fall sei.
Ebenso könne das Blutserum eines Krebskranken Blutkörperchen
eines gesunden Menschen lösen. Das Blutserum von letzterem löst
aber im allgemeinen nicht die Blutkörperchen eines Krebskranken.
In 82% der Fälle bewährte sich dieser Satz.
Vor der Transfusion, die hier wieder empfohlen wird, um Chok
und den Folgen starken Blutverlustes bei der Operation vorzubeugen,
soll stets diese hämolytische Probe vorgenommen werden. Wenn dann
das Serum des Gesunden auf die Blutkörperchen des Pat. hämolytisch
wirkt, so sei die Transfusion kontraindiziert, aber im allgemeinen
seien die Fälle mit solch umgekehrter Hämolyse, die bisher beobachtet
wurden, inoperabel.
37*
1092 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37.
Es wird dann noch auf die Möglichkeit, eine Immunität gegen
Krebs zu schaffen, und auch auf gelungene Immunisierungsversuche
für Sarkom bei Hunden hingewiesen und schließlich die Weiter-
erziehung des Publikums für nötig gehalten, damit jeder lerne, die
Affektionen nicht zu vernachlässigen, welche ein Vorstadium des
Krebses bilden können. Loewenhardt (Breslau!.
2) R. W. Knox. Drainage of Wounds.
(New York med. record 1908. Mai 30.)
K. hat bei frischen Wunden aller Art gute Erfahrung mit der
Anwendung feuchter Wärme gemacht. Die Wunden werden offen ge-
lassen, jede Art Reinigung möglichst vermieden, namentlich die Ränder
nicht geglättet und die zerfetzten Weichteile in Ruhe gelassen.
Der Verband wird zweimal in 24 Stunden gewechselt und besteht
aus dicken Lagen Watte oder Flanelltüchern, die in heißem Wasser
ausgedrückt und mit Heißwasserbeuteln (40° R) warmgehalten werden.
Auf Grund ausgedehnter Erfahrung versichert K., daß bei zweck-
mäßiger Technik eine Wundinfektion zu den allergrößten Seltenheiten
gehöre, gleichgültig wie schwer die Verletzung und wie schmutzig die
Wunde sei. Uberfahrungen und Eisenbahnverletzungen schlimmster
Art wurden mit Erfolg behandelt.
Hat sich die Wundfläche gereinigt und granuliert, werden halb-
feuchte Verbände mit Bor-Glyzerin empfohlen. Gelegentlich soll auch
permanente Irrigation mit Borsäure und dünne Formalinlösung zum
Desodorieren verwendet werden.
»Gleich anderen guten Dingen« sei die Idee nicht neu, sondern
nähere sich »der Leinsamenkompresse zu Großmutters Zeiten«, gewinne
aber ein modernes Gepräge dadurch, daß die Überwachung durch eine
reinliche Krankenwärterin und Sterilisierung der Verbandsstoffe emp-
fohlen wird.
Wenn auch die Anwendung von Watte und Flanell direkt auf
die Wunde mehr einem improvisierten Notverband entspricht, ist
mutatis mutandis der beschriebenen primitiven Methode manches Be-
achtenswerte zu entnehmen. Seit die Wirkung physikalischer Heil-
faktoren wieder mehr gewürdigt und auf experimentellem Wege ge-
prüft worden, hat auch die feuchte Wärmeanwendung, besonders bei
lokalinfektiösen Prozessen, wieder ihre Bedeutung gewonnen.
Loewenhardt (Breslau).
3) Vaillard. Sur les injections preventives de serum anti-
toxique dans la prophylaxie du tétanos de homme.
(Bull. de l’acad. de méd. 1908. Nr. 21—26.)
Der Glaube an die Wirksamkeit der prophylaktischen Serum-
therapie ist in letzter Zeit erschüttert worden, in Frankreich besonders
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 1093
durch Reynier und Delbet. V. macht es sich in dem ausführlichen
Referate zur Aufgabe, ihn wiederherzustellen.
Das Antitoxin muß Zeit finden können, sich vor der Bildung des
Toxins im Körper zu verbreiten, und soll demnach mindestens gleich-
zeitig mit oder unmittelbar nach der Infektion einverleibt werden. Nach
subkutanen Infektionen kommt die Injektion noch 40 Stunden später
und darüber zurecht, bei intramuskulären jedoch im selben Falle
schon zu spät, weil die Phagocytose hier viel weniger entgegenwirken
kann.
Eine Hauptstütze für die absolute Verläßlichkeit der Antitoxin-
prophylaxe sieht V. in den Erfolgen der Tierheilkunde in Frankreich.
Nach Nocarde hat daselbst von 13124 verletzten oder operierten
Haustieren nur ein einziges eine leichte, in Heilung ausgegangene
Erkrankung bekommen, wogegen dort sonst der Starrkrampf nach
kleinen Verletzungen, Kastrationen u. dgl. gang und gäbe ist.
Alle Einwürfe von Delbet, Reynier und anderen: daß in Paris
die Zahl der Erkrankungen nach Einführung der präventiven Injek-
tionen nicht abgenommen habe, daß der Starrkrampf trotz derselben
oft zum Ausbruch komme, daß die günstigen Bedingungen der Prophy-
laxe in der Tierheilkunde der Behandlung des Menschen nicht zu-
statten komme, und daß endlich das Antitoxin als ein’ andersartiges
Serum beim Menschen weniger wirksam sei, als beim Pferde, werden
widerlegt.
Man hat sich vor Augen zu halten, daß das Antitoxin nicht
bakterizid wirkt, d. h. die Entwicklung der Tetanuskultur in der
Wunde nicht im geringsten beeinträchtigt, daß seine Wirkung beim
Menschen nach einer Woche zu erlöschen beginnt und daß die Durch-
seuchung des Körpers mit anderen Bakterien (Streptokokken, Prodi-
giosus, Cholera, Kolibazillen) die Wirkung desselben nicht zur Ent-
wicklung kommen läßt.
Jede kleine, oberflächliche, unkomplizierte Wunde soll sofort
10 ccm, jede größere, gequetschte, mit Knochen- oder Gelenkskompli-
kationen einhergehende 20—30 ccm Serum erhalten. Diese Gaben
sind stets nach einer Woche, wenn auch in geringem Maße, so lange
zu erneuern, als die Wunde infektiös aussieht. Die Verwendung von
Trockensubstanz als Pulver auf die Wunde ist wirkungslos.
Die Verletzungsstelle selbst ist sorgfältig von Fremdkörpern und
Blutgerinnseln zu säubern und mit Antisepticis zu reinigen, ohne
jedoch die Vitalität der Gewebe zu schädigen.
An der Diskussion hierüber beteiligen sich Le Dentu, P. Reynier,
Lucas-Championnière, Léon Labbé.
Neugebauer (Mäåhrisch-Ostrau).
1094 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37.
4) M. Leale. Some considerations in the management of
burns and scalds in infants and children.
(New. York med. record 1908. Mai 9.)
L. erwähnt, daß dreiviertel aller Fälle von Verbrennungen bei
Kindern vorkomme, bei denen die Prognose relativ schlecht sei, schon
weil viel leichter Chok sich einstellt, der nach seiner Ansicht die
Hälfte aller Todesfälle bedingt, aber gewöhnlich nicht vor 48 Stunden
nach dem Unfall in Erscheinung tritt. Einer verständigen Therapie
eröffnet sich daher noch immer ein reiches Feld. Die Anwendung
permanenter Irrigationen des Dickdarmes mit heißer normaler Salz-
lösung, die Verordnung von Tinctura opii benzoica, gegen Erbrechen
kleiner Dosen Atropin mit Opium und eine sorgfältige Beachtung aller
sonstigen hygienischen Maßnahmen, ferner ein warmes ruhiges gut
ventiliertes Krankenzimmer sind von größter Wichtigkeit. Neben ab-
soluter Asepsis der Verbandstoffe wird als bestes Wundreinigungsmittel
Wasserstoffsuperoxydwasser in warmer, 10—15 Volumen prozentiger
Lösung und darauf Kochsalzlösung oder 3%ige Borsäurelösung zur
Irrigation der ganzen Wundfläche empfohlen.
Zum Verbande steriles Zinköl. Ist der Papillarkörper mit be-
troffen, Streifen von Gummipapier oder Silberfolie darunter, prinzipiell
also ein nicht adhärentes und nicht reizendes Material bei häufigem
Verbandwechsel.
Die Empfehlung eines häufigen Verbandwechsels wird als direktes
Axiom jedenfalls nicht allgemeine Anerkennung finden.
Loewenhardt (Breslau).
5) Couteaud. L’anesthesie local et les nouveaux anesthe-
siques locaux.
(Bull. de l’acad. de med. 1908. Nr. 26.)
Dieser Bericht O.’s, der von P. Reclus referiert wird, ist eine
Lobhymne auf die Infiltrationsanästhesie mit Stovain, welche um so
weniger verständlich ist, als die Nachteile dieses Mittels (geringere
analgesierende Kraft, kürzere Dauer der Analgesie, schmerzhafte
Empfindung bei der Injektion) zugegeben werden. Nur die gefäß-
erweiternde Wirkung wird im Gegensatz zu H. Braun (stets Brown
geschrieben) bestritten.
Zur Beseitigung der Schwächen dieses Mittels wird eine Mischung
desselben mit Kokain empfohlen, ein Verfahren, das Hackenbruch
in einer anderen Variation schon vor Jahren angegeben hat. So wie
dieser scheinen auch die anderen Fortschritte auf diesem Gebiete in
Deutschland den Verff. unbekannt zu sein, wie die Leitungsanästhesie,
der Zusatz von Adrenalin usf.
Die Spinalanalgesie wird völlig verworfen, was bei der Einge-
nommenheit für Stovain nicht wundernehmen kann.
Neugebauer (Mährisch-Ostrau).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 1095
6) L. B. Bangs. Some observations on the effects of tobacco
in surgical practice.
(New York med. record 1908. März 14.)
B. konstatierte mehrfach bei Operierten eine Reihe von beun-
ruhigenden Symptomen, die sich schließlich als Tabaksabstinenz-
erscheinungen herausstellten und nach der Verordnung dieses Genuß-
mittels wieder verschwanden. Sogar direkte Erscheinungen von schwerem
Chok wurden bei Entziehung beobachtet; große Reizbarkeit, Ruhe-
losigkeit, schlechter Puls, Depressionszustände, Schlaflosigkeit zeigten
sich häufiger. Verf. gibt daher den Rat, daß, wenn der Körper und
besonders das Herz an dieses Stimulans gewöhnt sei, an die Folgen
plötzlicher Entziehung auch in chirurgischen Fällen zu denkensei. Alko-
holika und andere Stärkungsmittel bieten keinen genügenden Ersatz
bei manchem Öperierten, man muß individualisieren und darf nicht,
wie meist üblich, einem Öperierten plötzlich den Tabak entziehen.
Loewenhardt (Breslau).
7) Civatte. A quelles conditions peut-on autoriser le mariage
des syphilitiques?
(Ann de dermat. et de syph. 1%7. p. 734.)
Verf. hat obige Frage an eine Reihe bekannter Syphilidologen
gerichtet und veröffentlicht deren Antworten. Mit Ausnahme von
Mibelli und teilweise auch Pospelow gestatten alle die Heirat, wenn
genügend Zeit nach der Infektion verstrichen und lange und energisch
genug behandelt ist. Über den Wert und die Wirksamkeit der Queck-
silberkuren herrscht bei keinem ein Zweifel. Auf Jodbehandlung wird
wenig oder kein Wert gelegt. Mit Ausnahme von Watraszewski
verlangen alle noch vor der Heirat eine Behandlung.
Klingmüller (Kiel).
8) Portillo. Exposiciön de un nuevo tratamiento abortivo
de la adenitis inguinal venérea.
(Revista de med. y cir. präct. de Madrid 1908. Januar 7.)
P. empfiehlt zur Abortivbehandlung der Bubonen das folgende
Verfahren: 1) Entfernung der Schamhaare. 2) Desinfektion der ganzen
Leistengegend mit Wasser und Seife. 3) Bedeckung der Schwellung
mit einem Stück hydrophiler Watte, das den Krankheitsherd allseitig
um ca. 1—1!1/, cm überragt. 4) Bedeckung der Watte mit einem
noch etwas größeren Stück Gummipapier. 5) Über das Gummipapier
kommt wieder eine sehr dicke Wattelage. 6) Befestigung des Ganzen
mit Binden, die leicht komprimieren sollen. 7) Jetzt wird bei stehen-
dem Pat. zwischen Haut und erste Wattelage von oben her Äther
eingegossen, und zwar so viel, daß die unterste Wattelage vollkommen
durchtränkt ist. — Ist die Erkrankung noch im ersten Beginne, so
wird die Imprägnierung mit Ather alle 3 Stunden erneuert, ist bereits
Periadenitis vorhanden, alle 2 Stunden, und besteht schon Fluktua-
1096 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37.
tion, jede Stunde. Das Verfahren soll durchaus sicher sein und in
allen Stadien der Entzündung in 4 bis höchstens 8 Tagen zu voll-
kommener Heilung führen. Sein Nachteil aber ist die große Feuer-
gefährlichkeit. Stein (Wiesbaden).
9) Dubreuilh. Epitheliomatose d’origine solaire.
(Ann. de dermatol. et de syph. 1907. S. 387.)
Verf. teilt die Epitheliome des Gesichts in drei Gruppen: 1) Can-
croid der Unterlippe, die er als Krebs des Mundes auffaßt; 2) Ulcus
rodens (Epithelioma baso-cellulare (Krompecher) und 3) Epithelioma
papillare oder keratoticum (spino-cellulare Krompecher). Die beiden
letzteren trennt er scharf voneinander: das Ulcus rodens entsteht auf
gesunder Haut, das andere auf einer präcancerösen oder senilen
Keratose. Aus einer Zusammenstellung von 432 Fällen seiner Klinik
zieht Verf. den Schluß, daß die Sonnenstrahlen, natürlich neben dem
Lebensalter, einen Einfluß auf das Entstehen des Epithelioma pa-
pillare seu keratoticum haben. 62,5% von Fällen dieser Gruppe
hatten eine Beschäftigung, die sie den Sonnenstrahlen besonders aus-
setzte, waren Landleute, während sich unter den Fällen von Ulcus
rodens nur 35% befanden. D. vergleicht die Veränderungen beim
Epithelioma papillare seu keratoticum und bei dem Keratoma senile
mit der chronischen Radiodermitis. Besonders disponiert sind dazu
Landleute und blonde (pigmentärmere) Menschen.
Klingmüller (Kiel).
10) Sabourand. Nouvelles recherches sur les microsporums.
(Ann. de dermatol. et de syph. 1907. p. 161, 225, 326, 369.)
Verf. gibt in diesen inhaltsreichen Mitteilungen sehr eingehende
Beschreibungen des Mikrosporon Audouini und seiner Varietäten, be-
spricht ausführlich die Pathologie und die Kulturverfahren. Einzel-
heiten müssen im Original nachgelesen werden.
Klingmüller (Kiel).
11) deBeurmann etG@ougerot. Sporotrichoses tuberculoides.
(Ann. de dermat. et de syph. 1907. p. 497, 603, 655.)
Im Anschluß an frühere Untersuchungen über Sporotrichose im
allgemeinen und ihre syphiloide Form im besonderen bringen die Verff.
jetzt die ausführliche Beschreibung der tuberkuloseähnlichen Sporo-
trichose mit Abbildungen von Krankheitsfällen und mikroskopischen
Präparaten. Sie stützen die Spezifität dieser Krankheit durch den
kulturellen Nachweis von Sporotrichon, welcher ihnen allerdings meist
nur aus geschwürigen Stellen gelang. Die Kulturen entwickeln sich
meist bis zum 10. Tag auf Glyzerin-Peptonagar bei Zimmertemperatur.
Mikroskopisch sind sie schwer zu finden. Verff. stellen zwei Typen
der Krankheit auf: Sporotrichose gommeuse ulceree disseminee und
Sporotrichose verruqueuse papillomateuse et lymphangite tuberculo-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 1097
gommeuse centripdste.e Die Prognose ist günstig, da bisher alle Fälle
unter innerlicher Jodbehandlung abgeheilt sind. Klingmüller (Kiel).
12) Civatte. Les opinions d’aujourd’hui sur la nature du lupus
erythemateux.
(Ann. de dermatol. et de syph. 1907. p. 263.)
Verf. hat bei einer Reihe Dermatologen verschiedener Länder
eine Umfrage über die Atiologie des Lup. erythem. veranstaltet. Er
teilt die Antworten in folgende Rubriken: 1) Autoren, welche den
Lup. erythem. für tuberkulöser Natur halten, 2) welche ihn für nicht
tuberkulös halten und 3) welche für gewisse Fälle die tuberkulöse
Atiologie zugeben. Klingmiller (Kiel).
13) M. v. Zeissl (Wien). Die Behandlung der Akne rosacea.
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 20.)
Neben dem innerlichen Gebrauch von Levurinose hat v. Z. die
Aufpinselungen von Eisenchlorid sehr bewährt befunden; sie werden
morgens und abends auf die erkrankten Hautstellen gemacht, die nach
einigen Tagen sich bildende Kruste mit Wilson’scher Salbe verbunden. -
Nach Abstoßung der Kruste werden die Pinselungen, wenn nötig,
wiederholt. Allmählich schwinden die geschlängelten Blutgefäße gänz-
lich und bekommt die früher rot und unebene Haut ein blasses und
glattes Aussehen. Kramer (Glogau).
14) Meyer (Hannover). Exostosen und Hyperostosen des Ge-
hörganges als Ursache schwerer Mittelohrleiden.
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. LI. p. 275.)
Exostosen des Gehörganges können dadurch für ihren Träger
gefährlich werden, daß sie eine Anhäufung abgestoßener Epidermis-
massen im Gehörgange zwischen der verengten Stelle und dem Trommel-
fell verursachen. Wenn diese Retentionsmassen nicht rechtzeitig ent-
fernt werden, so kann das Mittelohr durch Druckusur des Trommelfells
eröffnet werden; das Hinzutreten einer Infektion kann dann unter
Umständen zu schweren, das Leben gefährdenden Erkrankungen führen.
Zwei Fälle, die M. in der Rostocker Ohrenklinik beobachtete, zeigen
diese Gefahren aufs deutlichste. Hinsberg (Breslau).
15) Zalewski. Experimentelle Untersuchungen über die Re-
sistenzfähigkeit des Trommelfelles.
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. LII. p. 109.)
Z. hat durch zahlreiche Leichenversuche festgestellt, wie groß
die Widerstandsfähigkeit des Trommelfelles unter der Wirkung der
allmählich wachsenden Luftverdichtung im äußeren Gehörgang ist.
Bei normalem Trommelfell erfolgt die Ruptur in 66% der untersuchten
Gehörorgane beim Druck von ein bis zwei Atmosphären, unter einer
37%
1098 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37.
Atmosphäre reißt die normale Membran in ca. 11%, über zwei Atmo-
sphären in ca. 23% der Fälle. Pathologische Veränderungen am
Trommelfell verändern seine Widerstandsfähigkeit, und zwar wird sie
vermindert durch Narben und entzündliche Prozesse, erhöht durch
bindegewebige Verdickung, manchmal auch durch Verkalkung. Die
Widerstandsfähigkeit ist bei Männern und Frauen annähernd gleich
groß. Mit dem Alter nimmt sie ab, am größten ist sie beim Neu-
geborenen.
Auch über den Sitz, die Größe und Form der Perforation er-
geben die Experimente Z.’s interessante Aufschlüsse.
Seine Resultate sind für die Begutachtung indirekter Trommelfell-
rupturen sehr wichtig. Hinsberg (Breslau).
16) Kramm. Sinusverschluß durch Phlebitis ohne Thrombose
bei Kindern.
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. LIII. p. 111.)
Gelegentlich findet man bei Warzenfortsatzoperationen den Sinus
durch einen Thrombus vollständig verschlossen, ohne daß vorher
klinisch die Symptome einer Phlebitis nachweisbar waren. Nach K.
kann ein Verschluß des Sinus aber auch dadurch zustande kommen,
daß durch den Druck eines perisinuösen Abszesses die Zirkulation im
Sinus unterbrochen wird, und daß dann die Wände des Sinus mit-
einander verkleben. Es fehlt hier demnach die eigentliche Thromben-
bildung. Nach K. kommen derartige Verschlüsse vorwiegend bei
Kindern vor. Hinsberg (Breslau).
17) Voss (Riga). Laßt den Thrombus in Ruhe!
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. LIL. p. 315.)
Bei der operativen Behandlung der otitischen Sinusthrombose
wird von vielen Autoren eine möglichst vollständige Entfernung des
Thrombus aus dem eröffneten Sinus empfohlen. Meist wird dazu
der scharfe Löffel verwandt. V. macht darauf aufmerksam, daß dieses
Verfahren mancherlei Gefahren mit sich bringt und rät deshalb,
den Thrombus selbst möglichst unberührt zu lassen, und nur durch
Exzision der Sinuswand im Bereiche der Thrombenbildung für möglichst
freien Abfluß der Zerfallsprodukte zu sorgen. Hinsberg (Breslan).
18) Hinsberg. I. Über die Bedeutung des Operationsbefundes
bei Freilegung der Mittelohrräume für die Diagnose der
Labyrintheiterung. II. Indikationen zur Eröffnung des eitrig
erkrankten Labyrinthes.
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. LII. p. 95.)
Bei der operativen Freilegung der Mittelohrräume muß stets genau
darauf geachtet werden, ob die schützende Knochenwand zwischen
Mittelohr und Labyrinth an irgend einer Stelle durchbrochen ist.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 1099
Prädilektionsstellen für solche Durchbrüche sind die beiden Fenster,
das Promontorium und der Wulst des horizontalen Bogenganges.
Während sich eine Zerstörung in der Gegend des runden Fensters
kaum dem Auge sichtbar machen läßt, können wir Durchbrüche an
den anderen genannten Stellen meist exakt nachweisen. Die Diagnose
»Labyrintheiterung« darf jedoch nicht auf Grund des Operations-
befundes allein gestellt werden, vielmehr muß stets das Resultat der
vor jeder Operation vorzunehmenden, exakten Funktionsprüfung be-
rücksichtigt werden (vgl. Krotoschiner, dieses Zentralblatt 1906,
p. 1076).
Durch Kombination beider Methoden können wir dann meist hin-
reichend sichere Schlüsse auf die Ausbreitung des Prozesses im La-
byrinthinneren ziehen. Das ist für unser weiteres Vorgehen ausschlag-
gebend: während wir bei einer eitrigen Erkrankung des ganzen
Labyrinthes seine Hohlräume möglichst mit eröffnen müssen, wenn wir
einer postoperativen Meningitis oder anderen Komplikationen vorbeugen
wollen, ist bei einer umschriebenen Erkrankung einzelner Labyrinth-
teile, vor allem des horizontalen Bogenganges, eine Eröffnung des
Labyrinthes zunächst nicht indiziert. Nur wenn der Verlauf nach
der Mittelohroperation zeigt, daß der Prozeß im Labyrinth weiter
fortschreitet, ist nachträglich dessen Eröffnung vorzunehmen.
(Selbstbericht.)
19) L.Loewe. Zur Chirurgie der Nase. 2. Heft. Mit 9 Tafeln
und 2 Abbildungen im Text.
Berlin, Oscar Coblentz, 1907.
Das vorliegende Heft bildet die Fortsetzung und Ergänzung des
in diesem Zentralblatt (Bd. XXXII, p. 697) ausführlich besprochenen
Werkes. Auch die im 2. Heft beschriebenen Operationsmethoden —
zum Teil neu, zum Teil Modifikationen der vom Verf. früher vor-
geschlagenen — verfolgen das Ziel, alle Teile der Nase und ihrer
Nebenhöhlen, sowie der nasalen Schädelbasis möglichst übersichtlich
freizulegen. Auch sie sind anatomisch gut durchdacht und zur Be-
seitigung schwerer Veränderungen, vor allem zur Exstirpation bös-
artiger Geschwülste, wertvoll. Zur Beseitigung von Eiterungen in
den Nebenhöhlen hält jedoch Ref. auch diese neuen Operationen zum
großen Teil für zu eingreifend. Hinsberg (Breslau).
20) H. Albrecht. Beiträge zur Nasenprothese.
(Klinisches Jahrbuch 1907. Bd. XVII.)
Verf. gibt eine genaue technische Darstellung der von ihm be-
nutzten Materialien (besonders Obturatorengummi, Kautschuk, Zelluloid,
emaillierte Metalle), Modellierung, Befestigung usw. Die beigegebenen
Abbildungen zeigen ein hervorragend günstiges Resultat, das von keiner
der plastischen Methoden der operativen Chirurgie bisher erreicht sein
dürfte. F. Alexander (Frankfurt a. M.).
1100 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37.
21) J. E. Newcomb. Septal hematoma and abscess.
(New York med. record 1908. März 14.)
N. sah drei Fälle von Hämatom der Nasenscheidewand, einen
unbekannter Ursache, zwei nach Trauma. Die Pat. waren 2, 8 und
18 Jahre alt; zwei Blutergüsse gingen in Eiterung über. Verf. rät
daher nach der Inzision die Blutgerinnsel sorgfältig auszuwaschen und
die Wundhöhle antiseptisch zu behandeln.
Von 14 vom Verf. beobachteten Abszessen der Scheidewand waren
9 traumatischen Ursprunges; der Zeitraum zwischen dem Trauma und
den Erscheinungen eines Abszesses lag zwischen 5 und 21 Tagen.
Die dabei öfter durch Zerstörung der kleinen Knorpel entstehende
Deformität ist nicht die der gewöhnlichen Sattelnase, sondern die
Einbuchtung liegt mehr nach der Spitze zu. In manchen Fällen ist
es schwierig den Zusammenhang zwischen Trauma und Abszeß heraus-
zufinden; leichte Kontusionen, an die nachher nicht mehr gedacht wird,
mögen das Hämatom und dann später den Abszeß hervorbringen. Als
Infektionsquelle können Typhus, Influenza, Erkrankungen der Sinus,
Insektenlarven in der Nase, Tuberkulose, Syphilis, Zahnkaries, Milz-
brand, Rotz, Masern, Scharlach, Furunkel und Schnupfen in Betracht
kommen. Bei Kindern steht die Zeit der ersten Dentition besonders
bei Skrofulose nicht selten im Zusammenhange mit solchen Eiterungen.
Auch gewaltsame Tamponade sowie Operationen an der Nase werden
beschuldigt, ebenso Erysipel. Nach Influenza wurde öfters akute
Perichondritis beobachtet. Während der Menstruation soll die be-
kannte Neigung der Influenza, Hämorrhagien hervorzurufen, ebenso
wie in den Ohren und den Schleimhäuten überhaupt auch Septum-
Hämatome hervorrufen können. Durchbruch von Zahncysten mit Ver-
eiterung wurden von Killian und Roe beobachtet. Die Weichteile
des Septums werden bei genanntem Leiden nicht zerstört, während sie
bei der Syphilis meist mit dem Knochen zusammen einschmelzen. Der
Abszeß ist häufig doppelseitig und erfordert zwei Inzisionen. Ver-
anlassung zur_Infektion gibt sehr häufig gewohnheitsmäßiges Kratzen
in der Nase mit den Fingernägeln.
Anatomisch ist zu beachten, daß der Knorpel aus zwei Platten
besteht, die durch das Trauma auseinander gedrängt werden können.
Die Blutung breitet sich aber im Perichondrium jeder Seite aus. Bei
gleichzeitigen Frakturen der Platten kann eine Kommunikation zwischen
rechts und links eintreten. Loewenhardt (Breslau).
22) W. Uffenorde. Die Chondrome der Nasenhöhle und
Mitteilung eines Falles von Enchondrom des Siebbeins mit
allgemeiner Besprechung der Operationsmethoden für die
Nasennebenhöhlen.
(Archiv für Laryngologie und Rhinologie Bd. XX. Hft. 2.)
Neben einer genauen Literaturübersicht erwähnt U. einen Fall
von Knorpelgeschwulst des Siebbeins, der ihm wegen Protrusio bulbi
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 1101
von augenärztlicher Seite überwiesen wurde, und dessen Diagnose durch
Probeexzision sichergestellt werden konnte Im Anschluß daran ver-
breitet sich Verf. in kritischer Darstellung über die für jene Gegend
geeignetsten Operationsmethoden; er gibt der Methode von Michaux-
Legouest der Jahre 1853/65, die von Moure der Vergessenheit ent-
rissen wurde, den Vorzug; nur ändert er den Schnitt etwas ab, indem
er nicht zwischen den Augenbrauen senkrecht, sondern von der Mitte
der gleichseitigen Augenbraue bogenförmig hinabgeführt wird. Zweifels-
ohne ist dieses Verfahren für die Siebbeingegend und ihre Umgebung
sehr geeignet, und eingreifendere Methoden, wie die intermaxillaren
und palatalen, hier sehr wohl zu entbehren. Am Schluß folgen noch
einige kritische Bemerkungen über Killian’s Stirnhöblen- und Denker-
Friedrich-Kretschmann’s Kieferhöhlenoperation. Manches hiervon
werden sicherlich viele Spezialkollegen unterschreiben, im großen und
ganzen sind aber wohl doch diese kleinen Abweichungen unwesentliche
und durch die Eigenart des jeweiligen Falles ein zu strenges Schema-
tisieren hinderlich. F. Alexander (Frankfurt a. M.).
mm ln mm nn
23) W. Albrecht. Die Bedeutung der Röntgenographie für
die Diagnose der Nebenhöhlenerkrankungen.
(Archiv für Laryngologie und Rhinologie Bd. XX. Hft. 2.)
Bekanntlich haben nach mehrfachen fruchtlosen Versuchen Gold-
mann und Killian vor einigen Jahren zum ersten Male brauchbare
Röntgenaufnahmen von Nebenhöblenerkrankungen geliefert; und zwar
wurden dieselben im sagittalen Durchmesser ausgeführt, Stirn und
Nase fest gegen die Platte gedrückt, die Blende auf die Protuberantia
occipitalis eingestellt. Diese beiden Autoren kamen zu dem Ergebnis,
daß das Röntgenverfahren als ein Hilfsmittel für die Diagnose anzu-
sehen sei. Im Anschluß hieran hat Verf. an 36 Pat. und 16 Leichen
Aufnahmen gemacht und faßt seine Resultate dahin zusammen, daß
die Röntgenographie am wertvollsten bei Erkrankungen der vorderen
Siebbeinzellen, ganz wertlos bei solchen der hinteren Siebbeinzellen
und der Keilbeinhöhle sei, eine Tatsache, die anatomisch ganz erklärlich
sein dürfte. Bei Stirnhöhlenaffektionen, speziell einseitigen, ist sie
ein wichtiger Faktor; jedoch bei beginnender Stirnhöhlenerkrankung
(Katarrh mit mäßiger Schleimhautschwellung und Infiltration, sowie
beginnender Eitersekretion) versagte sie. Bei Kieferhöhlenaffektionen
erschien die Durchleuchtung mittels Röntgenstrahlen wertvoller bei
Geschwülsten, wie bei Empyemen, wo die bequemere Probepunktion,
bzw. Probespülung zur Verfügung stehen. Zweifelsohne ist die Rönt-
genographie der Durchleuchtung überlegen. Immerhin dürfte eine
exakte endonasale Untersuchung mit Erweiterung durch Kokain usw.,
Rhinoscopia media und posterior auch weiterhin für eine genaue
Diagnose unerläßlich sein. Technisch ist zu bemerken, daß Verf. im
Gegensatz zu Goldmann-Killian mittelweiche bis harte Röhren,
1102 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 87.
sehr starke Ströme und eine Expositionsdauer von 2,5 bis 3 Minuten
anwandte, eine Erfahrung, die Ref. übrigens auch gemacht hat.
F. Alexander (Frankfurt a. M.)
24) Hajek (Wien). Über Indikationen zur operativen Be-
‘handlung bei der chronischen Stirnhöhleneiterung.
(Wiener med. Wochenschrift 1908. Nr. 26.)
Die meisten akuten Stirnhöhlenentzündungen heilen spontan,
eventuell nach Lüftung des mittleren Nasenganges, Lufteinpressung,
Kokainisieren. Bei intensiver Stauung ist die Resektion der mittleren
Muschel, in seltenen Fällen die einfache Trepanation der Stirnhöhle
von außen notwendig.
Bei chronischen Entzündungen der Stirnhöhle wendet H. zunächst
die endonasale Behandlung mit möglichst ausgiebiger Resektion der
mittleren Muschel an. In einigen Fällen tritt schon nach kurzer Zeit
völlige Heilung ein. In vielen Fällen hört der Kopfschmerz bei fort-
bestehender Eiterung auf; in vielen Fällen bleibt beides bestehen.
Auch dann wartet H. noch monatelang, bis er sich zu radikalem Vor-
gehen entschließt, weil er das Auftreten zerebraler Komplikationen bei
zweckmäßiger endonasaler Behandlung für unwahrscheinlich hält. Bei
Miterkrankung des Knochens, jedoch oder Verdacht auf zerebrale
Komplikationen, führt H. primär die Radikaloperation aus. Dazu sah
er sich bei einem Material von 7—8000 neuen Fällen jährlich nur
5—7mal genötigt. Erhard Schmidt (Frankfurt a. M.).
25) Citelli. Über eine neue Behandlungsmethode der chro-
nischen Stirnhöhleneiterungen. (Experimentelle und histo-
logische Untersuchungen.)
(Zeitschrift für Laryngologie, Rhinologie und ihre Grenzgebiete Bd. I. Hft. 2.)
Auf Grund von drei Tierversuchen glaubt Verf. bewiesen zu
haben, 1) daß in der gesunden Stirnhöhle Jodoform-Paraffinplomben
nach Art der Mosetigmischung reaktionslos zur Einheilung gelangen,
2) daß bei experimentell mit Staphylokokkus aureus erzeugter Stirn-
höhleneiterung nach Auskratzung und nachfolgender Plombierung Aus-
heilung erfolgt. Ein Hinunterfließen des Paraffins in die Nase durch
den Ductus naso-frontalis kann hierbei vermieden werden. Die Ver-
suche ermuntern nach Ansicht des Verf.s zur Nachprüfung am Menschen.
Engelhardt (Kassel).
26) Kramm. Was können wir bei chronischen Eiterungen
der Stirnhöhle, des Siebbeines und der Keilbeinhöhle mit
der intranasalen Therapie leisten?
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. LII. p. 76.)
K. betont, daß ein Eingriff von außen her zur Heilung von Stirn-
höhlen-, Siebbein- und Keilbeinhöhleneiterungen erst dann indiziert
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 1103
sei, wenn eine sachgemäß durchgeführte intranasale Behandlung nicht
zum Ziele führe. Die Technik dieser intranasalen Operationen, wie
Verf. sie auf Grund von Versuchen an der Leiche ausgebildet hat,
wird genau beschrieben; sie muß im Original nachgelesen werden.
Häufig führt diese Behandlungsmethode zur Beseitigung aller
Beschwerden. Wenn nicht, ist ein Eingriff von außen notwendig,
doch ist auch dann nach K.’s Ansicht die vorherige intranasale Be-
handlung nicht unnütz, da sie die Verhältnisse für die Operation
günstiger gestaltet. Hinsberg (Breslau).
27) Andereya. Zur Diagnose und Behandlung der Ober-
kiefercysten.
(Archiv für Laryngologie und Rhinologie Bd. XX. Hft. 2.)
Verf. erörtert hier vor allem die periodontalen Oysten, die infolge
einer Periodontitis chronica von den erbsengroßen Neubildungen an
Zahnwurzeln entstehen und mit Flüssigkeit gefüllte und mit geschichtetem
Pflasterepithel ausgekleidete Hohlräume darstellen. Ihre Entwicklung
‘ erfolgt meist nach dem Antrum und später nach außen, seltener nach
dem Nasenboden oder der lateralen Nasenwand hin. Da das Cysten-
epithel dem Mundschleimhautepithel identisch ist, wie Partsch betont,
so besteht die rationelle Behandlung darin, durch Entfernung der
vorderen Wand die breite Verbindung zwischen Cyste und Mund-
schleimhaut zu schaffen; durch Verwachsung der Schleimhäute beider
werde die Ausheilung erreicht. Die genaue Kenntnis dieser Ver-
hältnisse sei noch nicht genügend verbreitet, denn einer der sechs
Fälle des Verf.s wurde unter der Diagnose Sarkom von chirurgischer
Seite der Oberkieferresektion unterzogen. |
F. Alexander (Frankfurt a. M.).
28) Legueu. Sur les parotidites postope£ratoires.
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris Bd. XXXIII. p. 1044.)
Im Anschluß an einen von Morestin vorgestellten Fall, der
durch regelmäßige Ausstreichung des Ductus stenonianus zur Aus-
heilung gekommen war, bespricht L. die Atiologie dieser Erkrankung.
Er setzte mehrere Tage lang Hunde unter den Einfluß von
Atropin und konnte danach leicht postoperative Parotitiden erzielen.
Beim Menschen wirkt ebenso die häufig vor Operationen notwendige
Entziehung fester Nahrung und dadurch bedingte Unterdrückung
des Kauaktes, ferner die durch Abführungen und Blutverlust ver-
ursachte Wasserverarmung des Organismus. Hunde, denen einige
Zeit Flüssigkeiten entzogen wurden, bekamen denn auch Parotitiden
nach einem Aderlaß. Zum Beweis zieht Verf. andere Formen der
Parotitis heran bei langdauernder Appendicitis, bei Magengeschwür, bei
Extra-uterin-Schwangerschaft. Daß die postoperativen Parotitiden ge-
rade nach Laparotomien, nach Operationen an den Organen des Beckens
vorkommen, liegt also nicht an diesen Operationen selbst, sondern an
den sie begleitenden Nebenumständen, bzw. den notwendigen Vor-
1104 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37,
bereitungen. (Daß die Parotissekretion, ohne direkt zu Entzündung
zu führen, nach Bauchoperationen fast regelmäßig stockt, wies schon
Pawlow im Tierexperiment nach. Ref.) Kaehler (Duisburg-M.).
29) Vohsen. Operation bösartiger Mandelgeschwülste.
(Zeitschrift für Laryngologie, Rhinologie und ihre Grenzgebiete Bd.I. Hft. 2.)
Verf. beschreibt eine Methode, die in gewissen Fällen die von
Küster und Mikulicz zur Entfernung bösartiger Mandelgeschwülste
angegebene zu ersetzen geeignet ist. Da sie sicherlich berufen ist,
die Normalmethode für bösartige Mandelgeschwülste zu werden, die
nicht auf die Gegend zwischen Ober- und Unterkiefer übergreifen,
und auch zur Entfernung von Geschwülsten am Zungengrund und
Kehlkopfeingang sowie im Cavum pharyngis geeignet erscheint, so sei
sie hier ausführlicher wiedergegeben. Statt der Resektion des auf-
steigenden Kieferastes mit der nachfolgenden unvermeidlichen Durch-
schneidung der Mm. stylohyoideus, geniohyoideus und des N. hypo-
glossus erfolgt die Verschiebung des zwischen 2. und 3. Molaris schräg
durchsägten Unterkiefersegments mit der unverletzten Fascia parotideo-
masseterica nach außen, oben und vorn. Das Operationsfeld liegt
dann zwischen dem verschobenen Unterkiefersegment und dem vor-
deren Rande des Kopfnickers, der zusammen mit dem M. biventer,
stylohyoideus und dem N. hypoglossus nach hinten gezogen wird.
Unterbunden wird nur die A. alveolaris inf. und die V. facialis post.
und ihre Anastomose mit der Facialis ant.; die Maxillaris ext. ist
gleich bei Beginn der Operation am vorderen Masseterrand aufgesucht
und nach vorn verschoben. Den Beschluß macht eine exakte Rachen-
und Kiefernaht. Das Endresultat war ein sehr gutes.
Engelhardt (Kassel).
30) Gluck. Die Chirurgie im Dienste der Laryngologie.
(Zeitschrift für Laryngologie, Rhinologie und ihre Grenzgebiete Bd.I. Hft. 2.)
Zusammenfassende, äußerst interessante Darstellung der Entwick-
lung der modernen Chirurgie des Kehlkopfes und des Rachens und
Schilderung der vom Verf. geübten Operationsmethoden, ihrer Indika-
tionen und ihrer Resultate. Es sei hier nur ganz kurz auf die Resultate
eingegangen, die Verf. bei einem Material von 300 Fällen gehabt
hat, und die allerdings geradezu verblüffend genannt werden müssen.
Wenn G. für die Laryngofissur, für die Hemilaryngektomie und ebenso
für die einfache unkomplizierte Larynxexstirpation O% Mortalität heraus-
rechnet, und seine Statistik inklusive der eingreifendsten Operationen
am Rachen, Kehlkopf und Speiseröhre nur eine Gesamtmortalität von
13% aufweist, so dürften diese Erfolge einzig dastehen. Weniger all-
gemeiner Zustimmung dürfte sich vielleicht die vom Verf. in geeigneten
Fällen, nach gründlichster Erwägung, empfohlene Methode der chirur-
gischen Behandlung der Kehlkopftuberkulose erfreuen. Ist doch die
Kehlkopftuberkulose nicht weniger als Ilmal Gegenstand des radikal-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 1105
sten Eingriffes, der früher nur auf Grund falscher Diagnose ausgeführt
worden war,, nämlich der Totalexstirpation, geworden. Es wäre von
größtem Interesse, die genauen Krankengeschichten mit Schilderung
des Lungenbefundes zu erfahren, da Verf., der an 24 Pat. äußere
Eingriffe ausführte, wohl die größte Erfahrung auf diesem Gebiete
besitzt und so die Erfahrung anderer wirksam zu ergänzen vermöchte.
Die Tracheotomie hat aber in Übereinstimmung mit anderen Autoren
(Henrici, Hinsberg u. a.) als »sicherste Schweigekur« günstige Er-
folge ergeben. Als neue Operationsmethode empfiehlt Verf. nochmals
bei Bronchostenosen verschiedenster Herkunft die Ausschaltung der
oberen Luftwege durch Anlegung einer Lungenfistel.
Engelhardt (Kassel).
31) Gutzmann. Stimme und Sprache ohne Kehlkopf.
(Zeitschrift für Laryngologie, Rhinologie und ihre Grenzgebiete Bd.I. Hft. 2.)
Verf. gibt eine lichtvolle Darstellung der verschiedenen Be-
dingungen, unter denen bei Ausschaltung des Kehlkopfes eine Sprache
zustande kommt, und entwickelt des weiteren anschaulich, wie die
Pseudo- oder Rachenstimme entsteht, und wie er bei laryngektomierten
Pat. vorzugehen pflegt, um diese Rachenstimme auszubilden.
Engelhardt (Kassel).
32) C. A. Elsberg. Pneumothorax and posture; the im-
portance of the abdominal posture in operations on the
pleura and lungs.
(New York med. record 1908. Mai 23.)
E. meint, daß die Apparate von Sauerbruch und Brauer nur
eine beschränkte Ausbreitung gefunden hätten, weil sie zu kompliziert
und teuer sind. Er hat daher Versuche unternommen, um auf anderem
Wege die Gefahren des Pneumothorax bei Operationen zu vermindern,
und kam zu dem Resultat, daß auf dem Bauch liegende Hunde eine
breite Offnung einer Pleura sehr gut vertrugen, während Umlagerung
auf den Rücken sofort schwere Dyspnoe und Asphyxie hervorrief.
Zur Erklärung dieses großen Unterschiedes der Stellung, meint
E., müsse man sich vorstellen, daß bei Bauchlage das Herz an der
vorderen Brustwand liegt und so das vordere Mediastinum schütze,
während in der Rückenlage bei forcierten Atembewegungen sehr leicht
ein Durchbruch des vorderen Brustseptums und ein doppelter Pneumo-
thorax entstände.
E. will das auch dadurch bewiesen haben, daß nach vorheriger
Anheftung des Pericardiums an die vordere Brustwand auch in
Rückenlage der einseitige Pneumothorax nicht verhängnisvoll wurde,
während umgekehrt nach Anheftung des Perikards an die hintere
Brustwand auch in der Bauchlage sofort schwere Erscheinungen ein-
traten, sowie die Pleura eröffnet wurde, die aber sofort verschwanden,
nachdem die Anheftungsnaht gelöst war und das Herz auf das Brust-
bein fallen konnte.
1106 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37.
Auf Grund dieser Versuche wurde nun eine ganze Reihe von
Pat. mit Empyem, zwei mit Leberabszessen, drei mit subphrenischen
Abszessen und einer mit bronchiektatischer Kaverne der linken Lunge,
alles Fälle, bei denen die Pleura geöffnet werden mußte, in Bauch-
lage ohne erhebliche Störungen operiert.
Außer in einem Falle, blieb auch bei Empyem die gewöhnliche
Atemstörung und der Husten nach Eröffnung vollständig fort.
Loewenhardt (Breslau).
Kleinere Mitteilungen.
33) J. W. Silberberg. Weitere Beobachtungen über Lumbalanästhesie.
(Russ. Archiv f. Chirurgie 1908. [Russisch.))
S. ist nach wie vor ein Anhänger der Methode, die er auch bei Magen- und
Gallenblasenoperationen anwandte. Er stützt sich zurzeit auf 916 Fälle, die ihn
zu der Überzeugung gebracht haben, daß die Lumbalanästhesie zwar die anderen
Anästhesierungsverfahren nicht verdrängen kann, wohl aber eine wertvolle Er-
gänzung jener ist.
Einen Todesfall hat S. erlebt: Ein 56jähriger arteriosklerotischer Gewohnheits-
säufer wurde stark cyanotisch in trunkenem Zustande mit eingeklemmtem Bruch
eingeliefert. Aus der im zweiten Lumbointervertebralspatium eingestochenen Nadel
flossen 5 cem Liquor in schwachem Strahl ab. 11/sccm einer 5 % igen Novokain-
lösung wurden mit Liquor gemischt injiziert. Pat. wurde für 5 Minuten unter
einem Winkel von 45° gelagert, worauf vollkommene Anästhesie der Leistengegend
eintrat. Die Operation verlief glatt. Bei der Hautnaht erbrach Pat. plötzlich, die
Blutung stand, unter Aussetzen der Atmung trat starke Cyanose ein, die Pupillen
erweiterten sich maximal, Stuhlabgang. In 25 Minuten war Pat. trotz aller Be-
mühungen tot. — Die gerichtliche Sektion ergab: Im Sinus long. reichlich dunkles
flüssiges Blut. Hyperämie der ödematösen Pia. Die Ventrikel enthielten wenig,
leicht gerötete Flüssigkeit. Gefäße des nach Alkohol riechenden Gehirns stark
gefüllt. Atherom der Herzklappen und der Aorta. Herzmuskel in brauner Atrophie.
Die Lungen waren hyperämisch und stark Ödematös. Auf der Visceralpleura
einzelne Petechien. Die Obduzenten nahmen als Todesursache Lungenödem an.
S. bedauert, daß in dem Protokolle keine Notizen über das Rückenmark,
über den Kehlkopf und die Bronchien sich finden. Er denkt daran, daß
die Asphyxie infolge Aspiration eingetreten sein könnte. Der Kranke hatte auch
schon vor der Operation erbrochen. Ein zwingender Beweis dafür, daß der Tod
der Lumbalanästhesie zur Last zu legen sei, ließ sich also nicht erbringen.
V. E. Mertens (Kiel).
34) G. Lasio (Mailand). La rachi-anestesia nella chirurgia delle vie
genito-urinarie.
(Clinica chirurgica 1907. Nr. 9.)
L. hat zur Feststellung der Spinalanalgesie bei Operationen der Urogenital-
sphäre 52 einschlägige Eingriffe gemacht.
Technik und Instrumentarium der Anästhesierung schlossen sich fast ganz der
Bier’schen Methode an. Doch spricht Verf. sich für Platinnadeln mit kurzem
Schnabel aus, weil es möglich ist, daß durch die lang und spitz zugeschliffenen
Nadeln nur ein Teil der Injektionsflüssigkeit zur Wirksamkeit kommt, während
der andere sich im epiduralen Raum wirkungslos verliert. L. kocht in physio-
logischer Kochsalzlösung und wäscht in Stovain nach. Die Punktion erfolgt im
Reitsitz des Pat. auf dem Operationstisch in der Mittellinie meist zwischen 3. und
4. Lendenwirbel, seltener zwischen 4. und 5. L. verwendet 6 «ige Stovainlösung
in destilliertem Wasser mit einem Zusatz von 4 mg Milchsäure auf 2 ccm Lösung.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 1107
Es handelte sich um 2 Nephrektomien, 3 Lithotripsien, 2 suprapubische Cysto-
tomien wegen Blasenstein, 1 wegen einer Geschwulst, 16 Prostatektomien nach
Freyer, 9 perineale Prostatektomien, 4 transversale Perineotomien wegen Pro-
stataabszessen und -geschwülsten, 1 Orchidektomie, 1 Resectio epididymidis, 4 Radikal-
operationen der Hydrokele,! 9 Resektionen des Plexus pampiniformis mit einer
Radikaloperation nach Bassini. Hierbei genügten fast immer 4—5 cg Stovain,
die nach 5—7, spätestens nach 20 Minuten zu wirken begannen. Die Dauer der
Anästhesie erstreckte sich bis zu einer Stunde. L. möchte dem Umstande, daß
er die Pat. möglichst lange in Beckenhochlagerung erhält, viel Bedeutung zumessen.
Ernstere oder gar bedrohliche Vorfälle konnte L. nicht registrieren. In vier
Fällen war die gewünschte Anästhesie nicht oder so unvollständig eingetreten, daß
zur Verabreichung von Ather geschritten werden mußte.
Von besonderem Interesse sind die Funktionen der Blasenmuskulatur. Alle
Pat. L.’s hatten irgendeinen dysurischen Zustand von wechselnder Schwere und
Dauer, alle verließen aber geheilt die Anstalt. Ein Todesfall trat ein unter den
Erscheinungen schweren Kollapses und von Hämorrhagien nach einer Freyer-
schen Prostatektomie. Die Autopsie ergab ein Fibrosarkom des Kleinhirns und
der Meningen, in dessen Innern eine mächtige Hämorrhagie stattgefunden hatte. L.
urteilt, daß die Spinalanalgesie für die Urogenitalchirurgie nebst unbestreitbaren
Vorteilen gewisse Nachteile aufweist: eine Unbeständigkeit der Wirkung, welche
eventuell zwei Gifte einwirken läßt (Stovain und Ather); Möglichkeit der Infek-
tion besonders gefährlicher Organsysteme, auch auf dem Wege des Kreislaufs von
septischen Herden im Harntrakt; die gefäßerweiternde Wirkung des Stovains.
J. Sternberg (Wien).
35) Carle. Notes sur l’influence comparée des générateurs dans
l’heredo-syphilis.
(Ann. de dermat. et de syph 1908. p. 93.)
Verf. teilt drei Fälle mit, wo Männer kurz nach der Infektion gesunde Kinder
zeugten und ihre Frauen nicht ansteckten. Die lesenswerten Mitteilungen bringen
manches Interessante. Verf. schließt sich der allgemeinen Ansicht an, daß die
Syphilis der Väter weniger gefährlich sei für die Nachkommenschaft als die der
Mütter. Klingmäller (Kiel).
36) Burgsdorf. De la transmission hereditaire de la syphilis à la
troisième generation (Keratite interstitielle comme symptome de la
syphilis héréditaire à la troisième génération).
(Ann. de dermat. et de syph. 1908. p. 18.)
Bei einem 5!/, Jahre alten Mädchen bestand eine mehr als 2 Jahre alte
Keratitis parenchymatosa. Pat. war sehr klein und schwach entwickelt und zeigte
von sonstigen verdächtigen ‚Erscheinungen eine säbelscheidenartige Veränderung
der rechten Tibia. Durch eine Einreibungskur wurde sowohl die Keratitis geheilt,
wie auch das Allgemeinbefinden in kurzer Zeit wesentlich gebessert. Verf. stellte
fest, daß der Vater des Kindes offenbar an einer hereditären Lues gelitten hatte
und deshalb von Kindheit an in Behandlung gewesen war. '
`- Klingmiller (Kiel).
37) Hamel. Traitement des syphilides par les injections mercurielles
locales.
(Ann. de dermat. et de syph. 1908. p. 280.)
Verf. berichtet über günstige Erfahrungen mit Einspritzungen von löslichen
Hg-salzen (Hg cyanat. 1: 2000) unter die syphilitischen Herde. Diese örtliche Be-
handlung empfiehlt Verf. besonders für ulzeröse Prozesse. Sie soll die allgemeine
Behandlung nicht ersetzen, sondern unterstützen. Klingmüller (Kiel).
1108 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37.
38) W. F. Burgsdorf. Ein Fall von Syphilisreinfektion mit Kon-
statierung der Schaudinn’schen Spirochäte.
(Russki Wratsch 1908. Nr. 13.)
Ein Student erkrankte vor 2 Jahren zum erstenmal an Syphilis (Sklerose im
Sulcus coronarius, später Roseola.. Er unterwarf sich einer dreifachen Injektions-
kur. 1 Monat nach Beendigung derselben — neue Infektion — wieder Sklerose
im Sulcus coronarius. Die Untersuchung des nach Bier gewonnenen Saftes aus
dieser Sklerose zeigte zahlreiche Spirochäten. Später erschien eine Roseola. Es
war hier also zweifellos eine Syphilisreinfektion 2 Jahre nach der ersten Er-
krankung entstanden. E. Gückel (Wel. Bubny, Poltawa).
39) L. D. Bulkley and H.H. Janeway. A study of 400 cases of
epithelioma, in private practice, with remarks on treatment and results.
(New York med. record 1908. März 21.)
B. und J. berichten aus der 35jährigen Privatpraxis des ersten Autors über
417 Fälle von Epitheliom unter 15000 Hautkranken. Darunter befanden sich
doppelt soviel Männer wie Frauen. Einigermaßen überraschend ist die fast gleich-
mäßige Häufigkeit vom 30. bis 70. Lebensjahre in der Tabelle. Die absolut größte
Anzahl befand sich im Alter von 35—40 Jahren; der jüngste Pat. war 19, der
älteste 92 Jahre alt. 128 Fälle kamen auf die Nase, 94 auf die Wange; 32 Er-
krankungen der Unterlippe betrafen nur Männer, dagegen acht Fälle von Paget
der Brust nur Frauen. 26mal wurden mehrfache Affektionen festgestellt, darunter
ein Mann mit ungefähr einem Dutzend Stellen am Kopf. Die Dauer der Er-
krankung betrug bis zu 20 Jahren, dagegen bei 47 Pat. 6 Monate und darunter.
Es ist aber dabei zu bemerken, daß gewöhnlich erst ein fortgeschrittenerer Zu-
stand, also eine Ulzeration oder Wucherung, zur Beobachtung seitens des Kranken
führt, wo der eigentliche Beginn schon viel weiter zurückliegen mag. 38 Fälle
wurden operiert, 53 mit Röntgenstrahlen behandelt, davon 29 Fälle 3 Monate lang
und. darunter, die übrigen länger, bis zu einem Jahr und darüber.
Unter verschiedenen Lokalbehandlungen gab die Arsenikpaste hin und wieder
gute Dauerresultate.. Die Ausschabung, in 59 Fällen angewendet, erwies sich als
sehr brauchbar, erforderte jedoch Nachbehandlung, besonders zweckmäßig mit
Ausfüllung der Wunde durch Pyrogallussäurepulver und Watteverband.. Wenn
auch die in früheren Jahren angewendete kaustische Behandlung hin und wieder
zu Heilungen führte, wurden manche Mißerfolge und auch Verschlimmerungen
dabei beobachtet; ganz besonders ist vor dem Höllensteinstift zu warnen. Als das
beste und sicherste Mittel bat sich unbedingt die richtige Anwendung der Röntgen-
strahlen herausgestellt, während Radium durchaus nicht so befriedigend wirkte.
In einzelnen Fällen bleibt die operative Entfernung notwendig.
Loewenhardt (Breslau).
40) Bodin. Sur un nouveau champignon du favus (Achorion gypseum).
(Ann. de dermatol. et de syph. 1907. p. 585.)
Verf. züchtete aus einem Fall einen eigenartigen Favuspilz (Achorion gypseum),
der noch nicht beschrieben ist und den er selbst bei mehreren hundert Fällen von
Favus beim Menschen noch nicht gesehen hat. Er gibt eine genaue Beschreibung
des Aussehens der Kulturen, der morphologischen Eigentümlichkeiten und Inoku-
lationsversuche. Klingmüäller (Kiel).
41) Bonnet. Un cas de sporotrichose.
(Ann. de dermat. et de syph. 1907. p. 680.)
Beschreibung eines Falles von Sporotrichose mit zwei syphilisäbnlichen Ul-
zerationen, zwei kalten Abszessen, kleinen ulzerierten und nichtulzerierten Gummen,
welche teils wie skrofulöse, teils wie ekthymatöse aussahen. Die mikroskopische
Untersuchung des Eiters ergab keine einwandsfreien Befunde, während die Kul-
turen immer angingen. Heilung durch Jodkali innerlich.
Klingmüller (Kiel.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 1109
42) Bodin. Botryomycose du sillon retro-auriculaire.
(Ann. de dermat. et de syph. 1908. p. 28.)
Auf einer Kratzwunde entstand in 18 Tagen eine gestielte, elastische, schmerz-
lose, haselnußgroße Geschwulst (14—15 zu 8—10 mm) mit unregelmäßiger Ober-
fläche, bedeckt mit einer bräunlichen Kruste, stellenweise eingerissen und aus den
Spalten Eiter sezernierend. Bakteriologisch fanden sich gewöhnliche Staphylo-
kokken, histologisch gefäßreiches Bindegewebe mit sehr reichlicher leukocytärer
Infiltration. Klingmtiller (Kiel).
43) Constantin et Levrat. Sur un nouveau cas de dyskératose pseudo-
folliculaire de Darier.
(Ann. de dermat. et de syph. 1907. p. 337.)
Verf. geben die genaue Krankengeschichte und histologische Untersuchung
eines Falles von sogenannter Darier’scher Psorospermose.
Klingmüller (Kiel).
44) Audry. Sur un cas de Xeroderma pigmentosum de Kaposi sans
pigmentation.
(Ann. de dermat. et de syph. 1907. p. 199.)
Der 24jährige Pat. (Landwirt) zeigt alle Charakteristika des Xeroderm, nur
fehlen die sonst vorhandenen Pigmentierungen. Er kam wegen eines inoperablen
Epithelioms der Unterlippe in die Klinik. Klingmiüller (Kiel).
45) Spitzer. Association de lupus érythémateux et de lupus tuber-
culeux.
(Ann. de dermat. et de syph. 1907. p. 189.)
Gleichzeitiges Vorkommen bei demselben Fall im Gesicht. Die histologische
Untersuchung (Tuberkelbazillen im lupösen Gewebe) bestätigte die klinische Dia-
gnose. Klingmiller (Kiel).
46) Nicolas et Gauthier. Üuti-reaction et ophthalmo-reaction dans
diverses dermatoses d’origine tuberculeuse ou non.
(Ann. de dermat. et de syph. 1907. p. 706.)
Verff. prüften an 67 Fällen von Hautkrankheiten die Kutanreaktion. Der
negative Ausfall scheint ihnen wertvoller zu sein, ebenso wie bei der Ophthalmo-
reaktion, die sie bei 19 Hautkranken anstellten. An 13 Kranken prüften sie zuerst
die Ophthalmoreaktion und 12 Tage später die Kutanreaktion,; dabei versagte die
erste in einem Falle von Lupus vulgaris, während die letztere positiv war. Verff.
ziehen die Kutanreaktion vor, weil die Ophthalmoreaktion für den Kranken lästiger
ist und Komplikationen verursachen kann. Klingmüller (Kiel).
47) Benaky. Neurofibromatose généralisée avec molluscum pendulum
de lą moitié gauche de la face et ptosis du pavillon de l'oreille
atrophie du membre supérieur gauche et syndactylie.
(Ann. de dermat. et de syph. 1907. p. 728.)
Das Wesentliche dieser kasuistischen Mitteilung ist im Titel enthalten. Einen
ähnlichen Fall hat Verf. bereits in den Annales 1904 p. 977 veröffentlicht.
Klingmäller (Kiel).
48) R. L. Herzenberg. Stauungsblutung nach schwerer Rumpf-
kompression.
(Russisches Archiv für Chirurgie 1907. [Russisch.))
Es handelt sich hier um den ersten in der russischen Literatur niedergelegten
Fall, dem H. zur Aufklärung nichts hinzufügen kann.
Ein 1ö5jähriger Junge wurde beim Kohlenräumen durch große Massen Kohle
derart verschüttet, daß nur der Kopf frei blieb. Er lag ca. 20 Minuten um Hilfe
1110 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 87.
rufend da. Nach seiner Befreiung fiel er in Ohnmacht und blutete beim Erwachen
stark aus der Nase. Er atmete schwer und klagte über Schmerzen in der Brust und
der linken Schulter. Am anderen Morgen war das Gesicht — zumal links — ge-
dunsen. An den Lidern und um die Augen — besonders links — reichliche Blut-
austritte. Zusammenhängende Ekchymose der Conjunctivae bulbi bis in die Um-
schlagsfalten. Ekchymosen an der Unterlippe, dem Kinn und der linken Thoraxhälfte,
hier in Gestalt kleiner Punkte. Subkutanes Thoraxemphysem trotz Mangels eines
Rippenbruchs. Blutung am Hinterhaupt. Auf der linken Zungenhälfte stecknadel-
kopfgroße Ekchymosen, die auf der Mundschleimhaut entsprechend dem linken
Oberkiefer die Gestalt von Flecken hatten. Die Atmung war oberflächlich und
mühsam; links hinten waren feuchte Rasselgeräusche zu hören. Augenhintergrund
normal. Drei Petechien auf dem weichen Gaumen links; Ekchymosen auf dem
linken Trommelfell; Schwellung der Nasenschleimhaut. (Der Kehlkopf scheint
frei gewesen zu sein; wenigstens wird er hier nicht erwähnt. Ref.) Im Auswurf
zeigten sich in den nächsten Tagen einige Blutgerinnsel.
Pat. wurde bedeutend gebessert nach 20 Tagen entlassen.
V. E. Mertens (Kiel).
49) Blan (Görlitz). Kasuistischer Beitrag zur Meningoencephalitis acuta.
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. LII. p. 129.)
Bei einem 23/,jährigen Kinde, das von B. auf Grund unklarer Hirnsymptome,
die im Anschluß an eine Otitis media eintraten, operiert wurde, fand sich bei der
Sektion eine enorme Erweiterung der Ventrikel, die von wasserklarem Liquor
angefüllt waren. Keine Spur einer eitrigen oder tuberkulösen Meningitis. B. faßt
die Erkrankung als Meningitis serosa auf. Hinsberg (Breslau).
50) @. L. Peabody. Preliminary report of a case of cerebrospinal
meningitis of streptococcus. Origin apparently cured by subdural in-
jection of anti-streptococcus serum.
(New York med. record 1908. März 14.)
P. beschreibt einen Fall von Zerebrospinalmeningitis bei einem 37 jährigen
Mann mit Symptomen von Sepsis. Bei der Lumbalpunktion fanden sich Strepto-
kokken. Daraufhin entschloß sich P., Antistreptokokkenserum 4 Tage hintereinander
in Menge von je 10 ccm an Stelle einer durch Lumbalpunktion jedes Mal entleerten
Quantität Zerebrospinalflüssigkeit subdural zu injizieren. Nachdem in Pausen von
je einem Tage diese Methode noch 2mal wiederholt war und schon bei der aller-
ersten Einspritzung ein Temperaturabfall, sowie Nachlaßfder Kopfschmerzen und
Nackenstarre festzustellen war, konnte Pat. in 14 Tagen herumgehen und genas.
Loewenhardt (Breslau).
51) W. W. Graves. A clinical study of a case of brain tumor: opera-
tion; complete recovery.
(New York med. record 1908. Mai 23.) `
G. beschreibt einen mit völligem Erfolg operierten Fall von Hirngeschwulst,
bei dem die gewöhnlichen Symptome von Kopfschmerzen, Neuritis optica usw.
fehlten. Dagegen zeigte sich bei der 50jährigen Pat. Jackson’sche Epilepsie mit
nachfolgenden Erschöpfungszuständen, Paralyse der rechten Extremitäten und
Symptome von Aphasie. Es wurde eine hühnereigroße Cyste in der Gegend der
Fossa Rolandi entfernt.
Während der ersten 24 Stunden nach der Operation beklagte sich Pat. über
heftige Schmerzen im rechten Arm. An den Fingerspitzen trat zuerst Hyperämie,
dann Ischämie, schließlich Bildung von Blasen auf, die zwar nach einigen Tagen
schrumpften, doch blieben aber noch monatelang unangenehme Empfindungen in
dieser Extremität zurück. Loewenhardt (Breslau).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 1111
52) F. van Fleet. An intradural tumor of the optic nerve removed
by the Krönlein method.
(New York med. record 1908. Juni 27.)
van F. beschreibt eine Geschwulst des N. opticus, die in der Augenhöhle saß
und den Augapfel hervortrieb. Das 14jährige Kind wurde nach der Krönlein-
schen Methode mit gutem Erfolg operiert. (Temporäre Knochenresektion an der
Außenseite, Durchschneidung des N. opticus und Ausräumug der Geschwulst.)
Die als bösartig erklärte Geschwulst des N. opticus scheint ein Gliom ge-
wesen zu sein. Bewegungen der Lider und des (natürlich ohne Sehvermögen) er-
haltenen Augapfels blieben später normal. Loewenhardt (Breslau:.
53) Daae (Christiania). Primäre Ohrdiphtherie.
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. LII. p. 249.)
D. beobachtete bei einem 11jährigen Knaben eine sehr schwer verlaufende,
anscheinend durch Sinusphlebitis komplizierte Otitis med. acuta, als deren Erreger
bakteriologische Diphtheriebazillen festgestellt wurden. Auffallend ist, daß ander-
weitige diphtherische Erkrankungen, vor allem im Rachen, nicht vorausgegangen
waren, und daß auch im Rachensekret keine Diphtheriebazillen gefunden wurden.
Heilung nach Aufmeißelung des Warzenfortsatzes. Hinsberg (Breslau).
54) A. M. Putschkowski. Zur Kasuistik der Pseudomastoiditis.
(Russki Wratsch 1908. Nr. 22.)
In der Literatur fand P. nur einen Fall beschrieben: von Monnier — Revue
hebdom. de laryngologie, d'otologie et de rhinologie 1902. Einen ähnlichen Fall
beobachtete P. bei einem 24 Jahre alten Soldaten nach Abdominaltyphus. Schwellung
und Schmerzhaftigkeit der rechtsseitigen Submaxillar- und Halsdrüsen, Ohrmuschel
nach vorn verdrängt, Abszeß hinter derselben, Eiter aus dem Gehörgang. Trommel-
fell gesund, Gehör normal. Bei genauerem Zusehen fand man 2—3 mm vom
Trommelfell eine Spalte an der hinteren unteren Wand des Gehörganges, aus
welcher der Eiter hervorquoll. Schnitt nach Wilde; eine Sonde gelangt aus dem
Abszeß in den Spalt im Gehörgang. Rasche Heilung. Es handelte sich also um
Eiterung der Halsiymphdrüsen (Parotis intakt) mit Durchbruch ins Ohr, die eine
Mastoiditis vortäuschte. E. Gückel (Wel. Bubny, Poltawa).
55) Schroeder. Ein weiterer Fall von otogener, eitriger Sinusphlebitis
mit fieberfreiem Verlauf.
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. LII. p. 357.)
Das Eintreten einer Infektion des Sinus im Gefolge von Ohreiterung wird fast
stets durch hohe Temperatursteigerungen, meist von pyämischem Typus, angezeigt.
In dem von S. mitgeteilten Falle fehlte Fieber während der klinischen Beobachtung
vollständig, trotzdem man bei der Operation die Lichtung des Sinus in der Aus-
dehnung von ca. 1!/s cm von Eiter erfüllt fand. Der infizierte Bezirk war zentral-
und peripherwärts durch solide Thromben gegen den Kreislauf abgeschlossen.
Nach der Operation (Freilegung der Mittelohrräume, Spaltung des Sinus) erfolgte
glatte Heilung. Hinsberg (Breslau).
56) Muck. Ein geheilter, mit Stauungshyperämie (durch Saugwirkung
vom Gehörgang aus) behandelter Fall von beiderseitiger Mittelohr-
tuberkulose.
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. LIII. p. 132.)
Daß es sich in dem von M. beschriebenen Falle wirklich um Tuberkulose
handelte, wurde wiederholt durch Probeexzision festgestellt. Die durch die Tuber-
kulose gesetzten ausgedehnten Defekte vernarbten vollständig.
Hinsberg ‘Breslau’.
1112 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37.
57) Wittmaack. Ein neuer Wundsperrer für Mastoidoperationen.
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. LIII. p. 234.)
Der von W. angegebene Wundsperrer besteht aus vier miteinander verbundenen
Haken, die durch Schraubenwirkung gespreizt werden können. Er legt, wie Ref.
auf Grund vielfacher Erfahrung bestätigen kann, das Operationsgebiet ausgezeichnet
frei, stillt die Blutung aus den gespannten Weichteilen fast vollständig und spart
zwei Assistentenhände. Zur exakten Beleuchtung der tieferen Teile der Operations-
höhle läßt sich ein kleines elektrisches Lämpchen am Sperrhaken anbringen.
Hinsberg (Breslau).
58) G. Cohn. Adenoide Vegetationen und Schwerhörigkeit.
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. LII. p. 246.)
C. fand bei der Untersuchung von 1573 Schulkindern 315 mal, d. h. in 18 %
der Fälle, Schwerhörigkeit. Die Hörstörung war in ca. 60% durch eine ver-
größerte Rachenmandel verursacht, eine Zahl, die die ja schon längst bekannten
Gefahren der Rachenmandelhyperplasie für Hörvermögen deutlich genug beweist.
Hinsberg (Breslau).
59) Cohen. Four frontal sinuses.
(Journ. amer. med. assoc. Bd. L. Nr. 23.)
Bei einem Leichenschädel wurden vier Sinus frontales gefunden, von denen
die überzähligen hinter den regelmäßig vorhandenen lagen und durch besondere
Ausführungsgänge mit der Nase verbunden waren. Sie waren durch eine lückenlose
knöcherne Scheidewand von den normalen getrennt. C. weist auf die Schwierigkeit
der Diagnose und Therapie bei Erkrankung solch abnorm gebildeter Stirnhöhlen hin.
Von anderen Anomalien fand er noch: gänzlichen Mangel der Stirnhöhle; nur eine
mit einem Ausführungsgang; drei Höhlen, von denen zwei durch eine senkrechte
Scheidewand getrennt waren und einen gemeinsamen Ausführungsgang hatten.
Trapp (Bückeburg).
60) Kuelbs. Uber Mikulicz’sche Krankheit.
(Mitteilungen ans den Grenzgebieten der Medizin u. Chirurgie Bd. XVII. Hft. 5.)
Bei einem 21jährigen Manne traten Schwellungen beider Parotiden, der Sub-
maxillar- und Tränendrüsen bei normalem Blutbefund auf. Unter Jodnatrium-
behandlung besserte sich der Zustand wesentlich in 6 Monaten. Nach weiteren
6 Monaten vergiftete sich der Kranke mit Lysol, so daß die Speichel- und Tränen-
drüsen mikroskopisch untersucht werden konnten. Es fand sich in ihnen diffuse
oder herdförmige Leukocyteninfiltration, Epitheldegeneration, riesenzellenähnliche
Gebilde, erhebliche Bindegewebsentwicklung, keine Käseherde. Die Iymphatischen
Apparate zeigten keine Veränderung, mit Ausnahme einer einzigen Halsdrüse.
Es bestanden also keine Beziehungen zur Pseudoleukämie, von der nach K. einst-
weilen das Bild der Mikulicz’schen Krankheit abzusondern ist.
Erwähnt wird noch ein weiterer Fall von chronischer Schwellung der Parotiden,
welche unter Einfluß eines Erysipels erheblich zurückging, dann aber wiederkehrte.
Haekel (Stettin).
Berichtigungen. In dem Artikel von De Witt Stetten: »Zur Frage der sog.
Madelung’schen Deformität usw.< in Nr. 31, p. 952, Zeile 9 und 10 von oben
muß es statt mit »Luxatio posterior des Ulnaendes«e »Luxatio anterior des
Ulnaendes«< heißen.
In Nr. 35 dieses Zentralblattes (Beilage) p. 2 und 24 muß es A. Peiser statt
A. Preiser, Breslau, heißen.
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden.
Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Bat Prof. Dr. E. Richter in Breslau.
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig.
Zentralblatt für Chirurgie
herausgegeben von
K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER,
in Bonn, in Berlin, in Breslau.
35. Jahrgang.
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG.
Nr. 38. Sonnabend, den 19. September 1908.
Inhalt.
1) Laewen, Verhalten röntgenisierter Tiere gegen bakterielle Infektionen. — 2) Burkhardt,
Einwirkung von Sauerstoff auf Wunden und Infektionen. — 3) Milner, Knochencysten, Chondrome,
fibröse Ostitis. — 4) Painter, Chronische Gelenkentzündung. — 5) Klapp, Sehnenscheidenphleg-
mone. — 6) Gouteaud, Schlüsselbeinbruch. — 7) Montaudon, Mondbeinverrenkung. — 8) Pers,
Ischias. — 9) Henschen, Extensionsbehandlung von Knochenbrüchen. — 10) Stich, Fußgelenks-
tuberkulose. — 11) Abbot, Hypertrophie von Synovialzotten des Knies. — 12) Brandes, Fersen-
beinbruch. — 13) Lengfeliner, Knickfuß. — 14) Sick, Eingewachsener Nagel.
Reismann, Bemerkung zu der in Nr. 15 p. 470 dieses Zentralblattes von Dr. Hoffmann in
Schweidnitz mitgeteilten Fußverletzung. (Original-Mitteilung.)
15) Kaehler, Scharlachsalbe zur Epithelisierung von Wundflächen. — 16) Ritter, Knochen-
echinokokken. — 17) Borchard, Knochensarkome. — 18) Lissowskaja, Gonokokken in Knochen-
herden. — 19) Baetzner, Gonorrhoische Gelenkentzündung. — 20) Lexer, Gelenktransplantation.
— 21) Dreesmann, Chronische Polyarthritis bei Kindern. — 22) Gaudiani, Sehnenscheiden-
geschwülste. — 23) Mason, 24) Buchanan, Mit Knochenbruch komplizierte Schulterverrenkung.
— 235) Marjantschik, 26) und 27) Martini, Behandlung von Knochenbrüchen. — 28) Blecher,
Schädigung des N. medianus bei Radiusbrüchen. — 89) Zehn, Ellbogengelenksbrüche. — 30) Förster,
Sehnenverleizungen. — 81) Ohly, Verrenkung des Mondbeines. — 32) Ely, Kahnbeinbrüche. —
88) Siemon, Verrenkung des Mittelfingers. — 84) Nicolas, Durand und Moutot, Dactylitis syphi-
litica. — 85) Albee, Arthritis deformans der Hüfte. — 86) Abbot, Angeborene Hüftverrenkung. —
37) Franck, Oberschenkelhalsbrüche. — 38) Fortunet-Regnault, Geschoß im Oberschenkel. —
89) Wieting, Arteriovenöse Intubation bei angiosklerotischer Gangrän. — 40) Nabarro, Eiterung
der Bursa praepatellaris. — 41) Thomas, Kniescheibenbruch. — 42) Mensik, Genu valgum. —
43) Bayer, Unterschenkelgeschwülste. — 44) Reismann, 45) Kirchner, Talusluxation oder Luxatio
pedis sub talo? — 46) Bowlby, Tuberkulose der Hüfte. — 47) Ohse, Fußwurzeltuberkulose. —
48) Kirsch, Seidenplastik der Peroneussehne. — 49) Finsterer, Kahnbeinbruch.
IL Internationaler Kongreß für Chirurgie.
1) Laewen. Experimentelle Untersuchungen über das Ver-
halten röntgenisierter Tiere gegen bakterielle Infektionen
unter besonderer Berücksichtigung der Bildung spezifischer
Antikörper.
(Mitteilungen a. d. Grenzgebieten d. Chirurgie u. Medizin Bd. XIX. Hft. 1.)
Während man auf Grund der bisher vorliegenden Untersuchungen
glaubte, daß die Röntgenstrahlen bei ihrer Einwirkung auf den Tier-
körper durch Auflösung von Leukocyten bakterienfeindliche Stoffe
ins Blutplasma übertreten lassen und zu einer Resistenzsteigerung der
bestrahlten Tiere gegen die eingeführten Bakterien führen, zeigen die
zahlreichen Experimente, welche L. an Kaninchen, weißen Mäusen,
Meerschweinchen und Ratten vornahm, das Gegenteil. Auch nach
lange ausgedehnten Röntgenbestrahlungen und nach einer dadurch
bewirkten Zerstörung eines erheblichen Teiles der Leukocyten gelang
38
1114 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38.
es nicht, die bakterizide Kraft des Serums der Tiere irgendwie zu
verändern. Bei der Auflösung der Leukocyten durch die Röntgen-
strahlen im Blute und in künstlich geschaffenen Anhäufungen werden
keine bakteriziden Endoenzyme frei, die sich in ihrer Wirkung zu der
der Serumalexine addieren könnten. Dementsprechend erwies sich die
Resistenz ausgiebig röntgenisierter Tiere gegen verschiedene Bakterien
immer herabgesetzt. Wenn die Bestrahlung nicht zulange ausgedehnt
war, folgte auf die Infektion mit geeigneten Bakterien in der Regel
noch eine relative Leukocytose, die in einer Vermehrung der poly-
morphkernigen Leukocyten bestand. Nur bei vorhergehender sehr aus-
gedehnter Röntgenisierung fielen die Leukocytenzahlen nach der In-
fektion ziemlich rasch zum Nullwert ab.
Auf die Normalagglutinine zeigten die Röntgenstrahlen keine
Wirkung; dagegen hemmten sie die Bildung der spezifischen, auf die
Infektion hin gebildeten Agglutinine und wahrscheinlich, wenn auch
in geringerem Grade, der spezifischen Bakteriolysine. Bei einigen
Tieren blieb die Agglutininbildung ganz aus. Man darf aus den Ver-
suchen schließen, daß als Bildungsstätte der spezifischen Agglutinine
die blutbereitenden Organe und in ihnen die mit der Leukocytenbildung
in Zusammenhang stehenden Zellgruppen anzusehen sind.
Haeckel (Stettin).
2) L. Burkhardt. Untersuchungen über die Einwirkung
reinen Sauerstoffs auf Wunden und Infektionen.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIII. p. 182.)
B. hat zahlreiche bakteriologische und Tierversuche zwecks
Prüfung der zuerst von Thiriar {hervorgehobenen Wirksamkeit des
Sauerstoffs auf Wunden und Infektionen angestellt, die sowohl durch
die Art ihrer Anordnung als ihre Resultate von Interesse sind. Zur
Orientierung darüber diene die Wiedergabe der von B. gelieferten Zu-
sammenfassung seiner Arbeit nebst kurzen erläuternden Zusätzen:
1) Die Berührung mit reinem Sauerstoff ruft auf Wunden eine
starke Gefäßinjektion hervor, es entsteht ein Zustand arterieller
Hyperämie. Die Wunden bleiben feuchter, die Granulationsgewebs-
bildung wird befördert. (Technik: Wundanlegung an Kaninchenohren,
die, in ein mit Gummimanschette abschließendes Glasgefäß gesteckt,
einem übergeführten Sauerstoffstrom ausgesetzt wurden.)
2) Kulturen fakultativ aerober Bakterien bleiben auf künstlichen
Nährböden bei Züchtung in reiner konzentrierter Sauerstoffatmosphäre
in ihrem Wachstum erheblich zurück, werden aber nicht abgetötet.
(Auch die Virulenz unter Sauerstoff gezüchteter Kulturen ist kaum
vermindert. — Injektion von Kulturen mit und ohne Sauerstoffzüchtung
beim Kaninchen.)
3) Im Tierkörper scheint auch die Zufuhr von sehr reichlich
Sauerstoff zum Infektionsherd das Wachstum der Bakterien nicht
nennenswert zu hemmen; ebensowenig ist dies bei Allgemeininfektion
der Fall, wenn man den ganzen Körper des Versuchstieres mit Sauer-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1115
stoff überschwemmt. Indes sprechen Tierversuche dafür, daß eine,
wenn auch wohl nur geringe Virulenzminderung der Bakteriengifte
erfolgt. (Den zu infizierenden Tieren wurde mehrere Tage lang täg-
lich mehrmals Sauerstoff intravenös, subkutan und intraperitoneal in-
fundiert, so daß sie Sauerstoff sogar im Überfluß in den Geweben
hatten. Die Giftstärke der Kokkentoxine und Proteine nach Kultur-
züchtung unter Sauerstoff geschah mittels Einverleibung von mit den
betreffenden Präparaten gefüllten Kapillarröhrchen beim Versuchs-
tiere.
i Am Bauchfell wird durch die Berührung mit reinem Sauerstoff
ein Zustand leicht entzündlicher Reizung erzeugt. Es entsteht eine
ziemlich bedeutende Hyperleukocytose, besonders bei gleichzeitiger
Anwesenheit von Flüssigkeiten in der Bauchhöhle; die Resorption in
der Bauchhöhle wird verlangsamt. (Bei den zahlreichen Versuchen
B.’s am Bauchfell wurde den Tieren Sauerstoff bis zu ziemlich stark
meteoristischer Auftreibung des Bauches infundiert. Das Verfahren
wurde auch bei Tieren mit artefizieller septischer und tuberkulöser
Peritonitis angewandt. Bei letzterer schien ein günstiger Einfluß der
Sauerstoffzufuhr konstatierbar.)
5) Mehr als der gewöhnliche Sauerstoff scheint Ozon imstande zu
sein, Infektionen besonders in Körperhöhlen, die sich leicht mit dem
Gase füllen lassen, zu bekämpfen. (Die Umwandlung des infizierten
Tieren in die Bauchhöhle infundierten Sauerstoffes in Ozon geschah
mittels bis zu 3/, Stunden lang fortgesetzter Röntgenbelichtung.) |
Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
3) R. Milner. Historisches und Kritisches über Knochen-
cysten, Chondrome, fibröse Ostitis und ähnliche Leiden.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIII. p. 828.)
Die sehr fleißige, umfangreiche Arbeit eignet sich zu einem Refe-
rate nicht, da sie selbst mehr den Charakter eines kritischen Sammel-
referates hat. Ganz kurz sei angeführt, daß nach M.’s Darlegungen
Entstehung wirklicher Cysten aus Geschwülsten, insbesondere Chon-
dromen, niemals bewiesen ist, daß auch Virchow’s bekannter Fall
nichts mit Chondrom zu tun hat. Bislang erscheint die Herleitung
der Knochencysten aus einer fibrösen Ostitis ungleich wahrscheinlicher,
doch ist die Geschwulsttheorie der Knochencysten auch nicht ganz
abzulehnen und noch weniger die traumatische Entstehung derselben.
Das der Arbeit angehängte Literaturverzeichnis weist 146 Num-
mern auf. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
4) C. F. Painter (Boston). The plan of operative surgery
in the treatment of chronic arthritis.
(Amer. journ. of orthop. surg. 1908. April.)
Die genauere Einteilung der chronischen Gelenkentzündung, welche
namentlich in den letzten Jahren auf Grund sorgfältiger Studien und
38t
1116 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38.
nicht zum mindesten infolge der röntgenologischen Forschung Platz
gegriffen hat, hat auch die Therapie vielfach beeinflußt. Unter dem
Schutze der Asepsis — und Gelenkeröffnungen verlangen die denkbar
sorgfältigste — wagen wir heutzutage mehr als früher. Immerhin dürfte
der Standpunkt P.’s vielen Chirurgen wenigstens in Deutschland zu
radikal sein. Bei den infektiösen Formen, u. a. auch bei gonor-
rhoischen, eröffnet er das Gelenk breit, spült mit heißer Kochsalz-
lösung aus und näht sorgfältig wieder zusammen. Hypertrophische
Villi sucht er um so mehr zu entfernen, weil sie oft infektiöses Ma-
terial enthalten. Hyperplastische Periostwucherungen entfernt er
nach Ablauf des akut entzündlichen Stadiums.
Bei den atrophischen und hypertrophischen Formen operiert er,
wenn Größe der Villi oder des Gelenkergusses bzw. Periostwucherungen
oder freie Gelenkkörper eine spezielle Indikation dazu geben.
Bei vorhandenen Deformitäten räumt er den gewaltsamen Mani-
pulationen in Narkose ein breites Feld ein, greift aber in schweren
Fällen, namentlich wenn das Allgemeinbefinden stärker in Mitleiden-
schaft gezogen wird, zu Osteotomie, Exzision und ähnlichen Maßnahmen.
Bei hypertrophischen und atrophischen Formen macht er häufig von
Apparaten Gebrauch.
Leider sind dem Bericht keine Krankengeschichten beigefügt, so
daß es nicht möglich ist, sich ein genaues Bild über die Resultate
P.’s zu machen. Wir sind bei vielen infektiösen Prozessen an den
Extremitäten, namentlich seit Bier, vorsichtiger mit breiten Inzisionen
geworden, so daß ich eine so allgemeine Empfehlung einer radikalen
Therapie nicht ohne weiteres als einen Fortschritt betrachten möchte.
H. Buchholz (Boston).
5) R. Klapp. Die Behandlung der Sehnenscheidenphlegmone.
(Berliner klin. Wochenschrift 1908. Nr. 15.)
Während man früher die ergiebige Spaltung der Sehnenscheide
als das beste Mittel ansah, die Sehne zu erhalten, dann tamponierte
oder drainierte, auch die Sehnenscheide mit antiseptischen Mitteln
ausspülte, ist nach Bier’s Vorschlägen für die Behandlung akuter
Entzündungen ein Umschwung eingetreten. Durch Stehenlassen von
Hautbrücken zwischen den kleinen Inzisionen, durch Verzicht auf
Tamponade und Drainage unter Anwendung der Dauerstauung wird
dem Austrocknen und dem Absterben der Sehne vorgebeugt.
Die Erfolge dieser Methode, die K. an dem Bonner und Berliner
Material erprobte, waren geradezu glänzende im Vergleich zu den
früheren Resultaten. Die Anzahl der Mißerfolge war von etwa 80 bis
90% auf etwa 30% herabgedrückt. Weit über die Hälfte der Sehnen
konnte gerettet werden.
K. suchte nun zu erforschen, ob die guten Resultate der Bier-
schen Methode auf die Stauung oder auf die physiologische Behand-
lung zurückzuführen seien. Er eröffnete daher die Sehne niemals von
der Beugeseite, sondern stets von der Seitenfläche des Fingers; der
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1117
Hautschnitt hatte nicht ganz die volle Länge der entsprechenden
Phalange (Blutleere, Atherrausch.,. Das Sehnenscheidenfach wurde
lang eingeschnitten, eine Hohlsonde durch die Sehnenscheide gegen
die andere Seite des Fingers geführt und von außen mit gleichlangem
Schnitt eingeschnitten. — War das an allen Phalangen ausgeführt, so
wurde noch an den mittleren drei Fingern von der Handfläche aus
in schräger Ebene auf das zentrale Ende der Sehnenscheide einge-
schnitten und ebenfalls nach der anderen Seite geöffnet. An den
langen Scheiden der Beugesehnen von Daumen und kleinem Finger
wurden je nach Bedarf noch 1—2paarige Schnitte von der Länge
der vorigen angebracht. Die Sehnenscheide wurde schließlich mit
warmer physiologischer Kochsalzlösung sehr reichlich ausgespült, die
Wunden weiterhin mit Salbenlappen bedeckt. Eventuell Alkoholverband
für Hand und Arm. Horizontale Lagerung des Armes im Bett. Täg-
licher Verbandwechsel. In den ersten 2—3 Tagen ein halbstündiges
Bad in physiologischer Kochsalzlösung, darin Bewegungsübungen, die
auch sonst vom ersten Tage an ausgeführt werden. Nach Versiegen
der Eiterung und Abklingen der Entzündungserscheinungen Heißluft-
behandlung.
Ergebnisse: 1) 15 Fälle von reiner Sehnenscheidenphlegmone:
Geheilt 14, teilweise nekrotisch 1 Fall.
2) 2 Fälle von subkutanem Panaritium, bei welchen infolge von
Hautnekrose die Sehne längere Zeit freilag: Geheilt 1 Fall, teilweise
nekrotisch 1 Fall.
3) 6 Fälle von Panaritium tendinos., kompliziert mit Knochen-
veränderungen: Geheilt 2 Fälle, teilweise oder ganz nekrotisch 4 Fälle.
4) 1 Fall, septisch 12 Tage nach Infektion aufgenommen. Tod.
Auf Grund dieser Ergebnisse glaubt K., daB es auch allein mit
der systematisch durchgearbeiteten physiologischen Behandlung gelingt,
ebenso gute Resultate zu erzielen wie mit der Stauung, doch bleibt
abzuwarten, ob sich durch Hinzufügung der Stauung nicht die Resultate
noch weiter verbessern lassen. Langemak (Erfurt).
6) Gouteaud. Traitement esthetique des fractures de la
clavicule par la position.
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXIII. p. 644.)
Besonders bei Frakturen im äußeren Drittel des Schlüsselbeines
wird folgendes Verfahren empfohlen (das dem alten Hippokratischen
die Grundidee entlehnt): Der Kranke liegt in horizontaler Rückenlage
am äußersten Rande des Bettes der erkrankten Seite, der Arm hängt
senkrecht herab. Nach einigen Tagen kann der Unterarm rechtwinkelig
flektiert auf eine Unterlage gelegt werden. Die Schultermuskulatur
erschlafft, das Gewicht des Armes zieht das laterale Frakturende zur
Seite und dorsalwärts. Nachteile sind die doch immerhin recht un-
bequeme Lage und die Nötigung zur Bettruhe. Die kosmetischen
und funktionellen Resultate sollen ausgezeichnet sein.
Kaehler (Duisburg-M.).
1118 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38.
7) Montaudon. Die Theorie der verschiedenen Mecha-
nismen der Lunatumluxation.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 9.)
Nach einigen statistischen Ausführungen über die Verletzungen
im Bereich des Handgelenkes überhaupt und über die Verrenkung
des Mondbeines im besonderen bringt die Arbeit an der Hand von
instruktiven Röntgenpausen sechs Fälle, von denen einer die seltene
Form der dorsalen, alle anderen die gewöhnliche der volaren Ver-
renkung des Mondbeines wiedergeben.
Mit Unterstützung von Zuppinger studierte Verf. die Mecha-
nismen dieser Verrenkungen, worüber Näheres im Original nachzu-
sehen ist.
Im ganzen kommt die Arbeit zu dem Schluß, daß die Mondbein-
verrenkung fast stets eine volare, nur ganz selten eine dorsale ist.
Die volare kommt in der Regel durch Dorsalhyperflexion der Hand,
nur ausnahmsweise, wie in einem Falle des Verf.s, durch Volarhyper-
flexion zustande.
Die gewöhnliche volare Verrenkung erfolgt in der Regel bei
ulnar-dorsaler Hyperflexion der Hand als direkte zweizeitige Ver-
renkung; sie wird durch dorsale Verschiebung des Caput ossis capi-
tati eingeleitet, indem die volaren Bindenzüge zwischen Lunatum und
Radium nicht zerreißen. Es kann aber auch zu einem einzeitigen
direkten Austritt des Mondbeines durch Druck der benachbarten
Knochen kommen, wenn alle Verbindungen des Mondbeines zerrissen
sind. Reich (Tübingen).
8) Pers. Über chirurgische Behandlung der Ischias.
(Deutsche med. Wochenschrift 1908. Nr. 29.)
P.’s Methode beruht auf der Lösung des Ischiadicus bis hinauf
zum Foramen ischiadicum aus allen etwaigen Verwachsungen. Er
schreibt die Ischias einer Perineuritis oder den durch dieselbe be-
dingten Verwachsungen zu. Eine Lösung des erkrankten Nerven,
Sprengung der Verwachsungen mache die Schmerzen aufhören. Bei
langer Dauer, beim Versagen der anderen Behandlungsmethoden soll
operiert werden. Das Resultat ist beinahe in allen Fällen als ein
Dauerresultat zu betrachten. Die 4,8% Rezidive bei 49 Operationen
sind vorläufig nur einer mangelhaften Lösung zuzuschreiben.
Borchard (Posen).
9) K. Henschen. Die Extensionsbehandlung der Ober- und
Unterschenkelbrüche auf physiologisch-mechanischer Grund-
lage.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 616.)
In der vorliegenden, auf Zuppinger’s Ideen sich aufbauenden
Arbeit bringt Verf. neue Prinzipien in der Frakturlehre und -Behandlung
zum Ausdruck, die berufen sein dürften, die bisher geläufige Anschau-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1119
ung und Praxis gründlich zu reformieren und an Stelle der auch heute
noch keineswegs idealen Resultate eine anatomische und funktionelle
Reparation der gebrochenen Gliedmaßen zu setzen.
Wesentlich in der neuen Behandlungsmethode ist die Semiflexions-
lage, d. h. die durch Beugung der Gelenke erzielte Abspannung aller
Muskeln der Extremität auf eine mittlere Gleichgewichtslage, ein Prin-
zip, das, von Pott bereits inauguriert, infolge technischer Schwierig-
keiten sich in der Praxis nicht lange halten konnte und der älteren,
bis heute ausschließlich angewandten Frakturbehandlung in extremer
Streckstellung weichen mußte.
Wie eine eingehende, im Referat schwer wiederzugebende Wür-
digung der bisher zu sehr vernachlässigten mechanisch-physiologischen
Verhältnisse der Muskeln und des Bindegewebsapparates in ihrer Be-
ziehung zur Knochenbruchlehre zeigt, wird die Verschiebung der Bruch-
stücke hauptsächlich durch die elastische Zugkraft der Muskeln be-
wirkt und erhalten. Um diese soweit als möglich zu vermindern, muß
das Glied in eine mittlere neutrale, der Ruhelage annähernd gleich-
kommende Stellung gebracht werden, in der sich die Spannungen aller
Muskeln das Gleichgewicht halten, was nur bei einer korrelaten Win-
kelstellung aller zwischengeschalteten Gelenke erreichbar ist. Der
durch die Lage allein nicht zu beseitigende Rest von elastischer
Spannung muß durch Extensionskraft beseitigt werden. Ist die Ge-
samtmuskelspannung schon durch die Lage auf die Hälfte und mehr
herabgesetzt, so läßt sich der Rest sehr leicht und mit geringer Kraft
überwinden und zur Ausschaltung des interfragmentalen Druckes etwas
überkompensieren, während der Extension in extremer Streckstellung
die gesamte Muskelspannung entgegensteht, die, wenn überhaupt, dann
nur durch enorm hohe Kraft sich ausgleichen läßt.
Durch eine physiologisch wirksame Extension wird die Schädigung
der Muskulatur, soweit wie möglich, eingeschränkt. Da die neue
Methode nicht nur eine wirksame Extension möglich macht, sondern
auch durch Verzicht auf eine starre Immobilisation ein aktives Muskel-
spiel in mäßigen Grenzen gestattet, das alle passive Massage an Wirk-
samkeit weit übertrifft, so begünstigt sie die Zirkulation und die Abfuhr
des Abbaumaterials, gibt den reparativen Vorgängen eine funktionelle
Richtung, verhindert Luxusproduktion von Knochen und Bindegewebe,
beschränkt die Atrophie der Muskeln sowohl wie der Knochen und
verleiht dem gesamten Bindegewebsapparat denjenigen Grad von
Spannung, der zu seiner Erhaltung in ursprünglicher Ausdehnung und
Verschieblichkeit erforderlich ist.
Praktische Methoden, die den skizzierten Anschauungen Rechnung
tragen, stammen von Mojsisovics (Aquilibrialmethode), Middeldorpf
(Hebelschwebe), Loorinser (zugverhindernde Semiflexion) und von
Hennequin. Den Mängeln, welche diesen Methoden noch anhaften,
hat Zuppinger abgeholfen durch automatische Apparate zur Perma-
nentextension, die für Knochenbrüche an Ober- und Unterschenkel
je eine eigene Konstruktion besitzen. Wesentlich an diesen ist die
1120 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38.
Semiflexion sämtlicher Gelenke und die rein automatische Extension,
bedingt durch die leicht regulierbare Wirkung der Schwere des
Unterschenkels und des Oberschenkelteiles des Apparates, während
die Rumpfschwere die Gegenextension besorgt. Die nähere Konstruk-
tion der Apparate sowie die Technik ihrer Anwendung ist aus dem
Original zu ersehen, das hierfür gute Abbildungen besitzt.
Die Apparate wurden in der Züricher Klinik an 35 teils offenen,
teils subkutanen Brüchen des Unterschenkels und 13 des Oberschenkels
auf ihre Leistungsfähigkeit geprüft und haben sich nach den bei-
gegebenen Übersichten über die anatomischen und funktionellen Resul-
tate (röntgenologische Nachuntersuchungen) sehr gut bewährt. Bei
richtiger Technik ist Dekubitus ausgeschlossen. Dauernde Gelenkver-
steifungen wurden ebensowenig beobachtet wie Schädigungen des Knie-
gelenkbandapparates durch die Extension.
Eine technisch noch etwas einfachere Anwendungsform des gleichen
Prinzips gibt Verf. in seiner Hängemattenextension an, wobei der ge-
beugte Oberschenkel in einer Rinne liegt und der durch Beugung im
Kniegelenk horizontal gestellte Unterschenkel mit einem Gewichtszug
extendiert und in einer improvisierten Hängemattenvorrichtung suspen-
diert wird.
Weitere Erfahrungen werden zurzeit in der Züricher und Tübinger
Klinik gesammelt. Reich (Tübingen).
10) Stich. Über die Erfolge der operativen Behandlung der
Fußgelenkstuberkulose.
(Deutsche med. Wochenschrift 1908. Nr.’28.)
Garrd ist immer mehr ein Anhänger der operativen Therapie
geworden; er hält sich prinzipiell nicht mit konservativen Maßnahmen
auf, sondern operiert, wenn ein nachgewiesener Knochenherd entfernt
werden kann, bevor er in das Gelenk durchbricht. Ist eine Gelenk-
erkrankung bereits vorhanden, so kann man in frischen Fällen ohne
Fisteln bei gutem Allgemeinbefinden und jugendlichem Alter dann
konservative Maßnahmen versuchen, wenn das Röntgenbild keine aus-
gedehnteren Knochenzerstörungen aufweist. In allen anderen Fällen
wird konservativ operiert, sofern nicht allgemeine Kontraindikationen
vorliegen. Die streng konservative Behandlung führte kaum beim
vierten Teile zum Ziele. 77% mußten operiert werden. Die typische
Resektion des Sprunggelenkes ist die Methode der Wahl. S. hat
durch Nachuntersuchungen an der Hand von Röntgenbildern die
erzeugung gewonnen, daß der Verlust des Talus nach der Re-
sektion durch Veränderungen des Calcaneus und anderer Knochen
zu einem großen Teile wieder ausgeglichen wird.
Borchard (Posen).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1121
11) Abbot. Hypertrophy of the synovial fringes of the knee
joint.
(Journ. amer. med. assoc. Bd. I. Nr. 21.)
Zur Beseitigung der Wucherung synovialer Zotten in der Gegend
der Kniescheibe hat A. folgendes Vorgehen erprobt gefunden: Beider-
seits von der Kniescheibe wird durch 5 cm langen Schnitt und Ab-
präparieren die Kapsel des Gelenkes freigelegt. In der Mitte des
Schnittes wird sie zipfelförmig hochgehalten, mit passendem Instrument
(Klemme) in der Längsachse des Gliedes eine Falte abgehoben,
zwischen der Klemme und dem Gelenk diese Falte abgenäht, dann
zwischen Klemme und Naht abgetragen. Die feine Schnittlinie, die
innen von doppelter Synovialis gesäumt ist, wird noch einmal mit
feiner Naht übernäht, die Wunde versorgt und das Glied gestreckt
auf eine Schiene gelagert. — Durch sein Vorgehen zieht A. die
Synovialzotten aus dem Bereich des Gelenkes, in welches sie sich ein-
klemmen, heraus, ohne die Kapsel zu eröffnen. Er will sehr gute Er-
folge gehabt haben. — Das angegebene Verfahren erscheint einer
Nachprüfung wert. Trapp (Bückeburg).
12) Brandes. Über die Behandlung der Kompressionsfrak-
turen des Calcaneus.
(Inaug.-Diss., Berlin, 1908.)
Die Erfolge der üblichen unblutigen Behandlungsmethoden der
Calcaneusbrüche mit Ruhe und Gipsverbänden sind, wie Verf. an der
Hand von 15 im Hildesheimer Krankenhaus (Med.-Rat. Dr. Becker)
beobachteten Fällen darlegt, nicht befriedigend; die zurückbleibende,
meist hochgradige Plattfußform, die Schmerzen beim Gehen usw. und
leichte Ermüdbarkeit bedingen meist eine beträchtliche Einschränkung
der Erwerbsfähigkeit. Der Hauptgrund hierfür ist die Schwierigkeit
bzw. Unmöglichkeit, die Bruchstücke — es handelt sich meist um
Zertrümmerungsfrakturen — zu reponieren und die Bruchflächen
richtig aneinander zu halten. Um dies zu erreichen, ist Becker in
zwei Fällen blutig vorgegangen, die beide schwere Kompressionsbrüche
mit Splitterung betrafen. Nach Resorption des Blutergusses (am 10.
bzw. 14. Tage) wurde von einem kleinen Einschnitt an der medialen
Fußseite ein Elevatorium an der unteren Fläche der Knochen entlang
quer durch den Fuß geführt und dicht unterhalb des äußeren Knöchels
nach Anlegung eines kleinen Hautschnittes durchgestoßen. Durch
kräftigen Zug an den beiden Enden des Elevatoriums nach oben
wurde überraschend leicht eine gute Wiederherstellung des Fuß-
gewölbes erreicht. Um diese zu erhalten, wurde nun von hinten unten
nach vorn oben in der Mittelebene des Fersenbeines ein Drillbohrer
durch Haut und Knochen bis in die Nähe des Fersenbein-Würfel-
beingelenkes — die Entfernung wird vorher am Röntgenbild gemessen
und am Bohrer markiert — eingetrieben und liegen gelassen. Nun
wird das Elevatorium entfernt, die Wunden vernäht. Entfernung des
3g+*
1122 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38.
Bohrers nach 6 Wochen. In dem ersten Falle ragten noch einige
Knochenstücke in die Planta hinein, welche nach 6 Wochen bei noch
liegendem Bohrer abgemeißelt wurden. Das anatomische und funk-
tionelle Resultat war in beiden Fällen ein vorzügliches. B. will nur
die schweren Kompressionsbrüche der operativen Behandlung zuge-
wiesen haben. Vorderbrügge (Danzig).
13) K. Lengfellner (Berlin). Die Behandlung des Knickfußes
mit Einlagen und orthopädischen Apparaten.
(Wiener klin. Rundschau 1908. Nr. 18.)
L. ergänzt die Hoffa’sche Lehre vom Knickfuß in dem Sinne,
daß er seine Beziehungen zum Fußgewölbe erörtert und feststellt,
daß es auch einen fixierten Knickfuß geben kann. Er kann mit Platt-
fuß und Genu valgum kombiniert sein, und alle drei Deformitäten
können für sich das primäre Leiden sein. Verf. bespricht dann die
Therapie des Knickfußes als Deformität für sich und dann in seiner
Verbindung mit Plattfuß und Genu valgum. Als Drittes folgt die
Besprechung des traumatischen Knickfußes. An der Hand einer Reihe
von Abbildungen gibt L. spezielle Anweisungen für die Therapie.
Schmieden (Bonn).
14) P. Sick. Zur Radikaloperation des Unguis incarnatus.
(Zeitschrift für ärztl. Fortbildung 1908. Nr. 12.)
S. rollt den Nagel, ohne ihn zu spalten, ab und exzidiert den
erkrankten Nagelfalz samt dem anstoßenden Teil des Nagelbettes und
der zugehörigen Matrixecke in Form eines nach unten und außen ge-
richteten Keiles (s. Fig.). Die Wundflächen werden sofort oder nach
anfänglicher Tamponade aufeinander geklappt, was die Heilung wesent-
lich beschleunigt. Gutzeit (Neidenburg).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1123
Kleinere Mitteilungen.
Bemerkung zu der
in Nr. 15 p. 470 ds. Zentralblattes von Dr. Hoffmann
in Schweidnitz mitgeteilten Fußverletzung.
Von
Geh. San.-Rat Dr. Reismann in Haspe.
(gee die Natur der Verletzung, das eingeschlagene Heilverfahren und schließliche
Korrektur der nach der Reposition verbliebenen Valgusstellung des Fußes sind
keinerlei Einwendungen zu machen.
Nur möchte ich ein Bedenken dagegen aussprechen, daß der Fall bezeichnet
wird als »Pronationsluxation« des Fußes. Diese Bezeichnung dürfte nicht
geeignet sein, die Lehre über das immerhin schwierige Kapitel der Fußverletzungen
zu klären.
Wir bezeichnen als »Pronationsluxation«e doch diejenige Fußverletzung, die
vor sich geht im Pronationsgelenk des Fußes, die Luxation unterhalb des
Talus, d.h. die Verschiebung des Tarsus, des Os naviculare, cuboideum und cal-
caneus mitsamt dem Vorfuße nach hinten und außen im Gegensatze zu der
Supinationsluxation, bei der die Verschiebung des Tarsus nach hinten und innen
stattfindet.
Mit dem Pronationsgelenke hat also die in Betracht kommende Verletzung
nichts zu tun, die Verletzung fand statt im Beugegelenke des Fußes, der Articu-
latio talo-cruralis, also über dem Talus.
Daß die Verletzung zustande kam unter starker Pronation, der Drehung des
Fußes nach außen, berechtigt nicht, sie als Pronationsluxation zu bezeichnen.
Auch konnte diese starke Drehung des Fußes um mehr als 100° nach außen
unmöglich allein auf die Pronationsbewegung bezogen werden; denn bei einer
solchen Bewegung des Fußes nach außen über 20—25° findet durch Anstemmung
des Processus anterior calcanei an den Taluskörper eine so hochgradige Knochen-
hemmung statt, daß eine weitere Außendrehung unmöglich wird. Diese konnte
nur erfolgen unter gleichzeitiger Drehung des Talus mit dem ganzen Fuß in der
Malleolengabel unter Erhaltung der festen Verbindung des Talus mit dem Cal-
caneus. Begünstigt und ermöglicht wurde nun diese starke Drehung durch den
Abbruch des Malleolus internus.
Der Vorgang der Verletzung erklärt sich dann wohl in folgender Weise. Die
Frau glitt mit dem rechten Fuße aus, der linke Fuß geriet dabei in Pronations-
lage, sie kam zum Fallen, d. h. sie knickte im Hüft- und Kniegelenke ein und fiel
mit dem ganzen Körpergewicht auf den unter ihr befindlichen Fuß, bzw. den
unteren Teil des Unterschenkels, und zwar auf die äußere Seite desselben. Diese
wurde von den Tubera ischii mit einem Fallgewicht von 100 Kilo getroffen. Es
kam zunächst zum Abbruch des Malleolus internus. Aber damit war der Fallstoß
nicht erschöpft. Es wurde die Gelenkfläche der Tibia nach innen von der Rolle
des Talus zum großen Teil abgestoßen, und dies konnte, da der Malleolus externus
dabei standhielt, nur erfolgen unter einer eintretenden Diastase der Tibia gegen
die Fibula bzw. der beiden Malleolen, wie sie sich bei der Operation herausstellte
und die Anwendung der Drahtverbindung notwendig machte.
Die Verletzung konnte also nur bezeichnet werden: als partielle Luxatio pedis
supratalea mit Fractura malleoli interni.
In dem Falle Hoffmann hatte also bei dem Verletzungsvorgange das Talo-
tarsalgelenk standgehalten. Ganz anders lag die Sache in dem schönen Gegen-
stück, welches in den vorhergehenden Seiten derselben Herr Dr. Franz Link,
Karlsbad, uns bringt. In diesem Falle hatte das Talocruralgelenk standgehalten,
und die Verletzung vollzog sich unterhalb des Talus im Talotarsalgelenk als
1124 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 88,
Luxatio pedis sub talo, wie sie auch vom Verf. aufgefaßt und beschrieben ist, und
zwar als Luxatio pedis sub talo supinatorie. In dieser Hinsicht, also in den
Gegensätzen zwischen Fußverletzungen oberhalb und solchen unterhalb des
Talus, nehmen beide mitgeteilten Fälle im hohen Maße das Interesse des Chi-
rurgen in Anspruch. Beide Verletzungen legen auch ein Zeugnis ab über die un-
gemein große Festigkeit, mit der der Talus im Fußskelett eingefügt ist. Denn
auch in dem Falle Hoffmann blieb der Talus unbehelligt an seiner Stelle, und
das gestörte Lageverhältnis des Talus gegen die Tibia beruhte lediglich auf
Verschiebung der Tibia gegen die Talusrolle, was auch aus dem im übrigen mit
sehr mangelhaften Schattenkontrasten versehenen Röntgenbilde unzweifelhaft hervor-
geht. Diese Festigkeit des Talus darf bei Beurteilungen von Fußverletzungen,
namentlich von Luxationen, niemals außer acht gelassen werden. Das Weitere
hierüber siehe meine Ausführung in »Talusluxation oder Luxatio pedis sub talo?«
in Bd. XCIII, p. 218 u. f. der Deutschen Zeitschrift für Chirurgie 1908.
15) M. Kaehler. Epithelisierung von Wundflächen unter Scharlach-
salbe (nach Fischer-Schmieden).
(Med. Klinik 1908. p. 837.)
K.verwandte Scharlachsalbe (in etwas weicherer Konsistenz als vonSchmieden
angegeben und ohne Bedeckung durch wasserdichten Stoff) bei Defekt nach Brust-
drüsenkarzinom -Exstirpation, auf Transplantations- Entnahmestellen, bei Ulcus
varicosum des Unterschenkels usw. Es bildete sich auffallend schnell eine wider-
standsfähige Oberhaut. Auch stärker absondernde Wundflächen werden einigermaßen
günstig beeinflußt. Georg Schmidt (Berlin).
16) C. Ritter. Zur Diagnose der Knochenechinokokken.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIL. p. 166.)
R. beobachtete und operierte zwei Fälle von Knochenechinokokkus, in denen
das Röntgenbild so charakteristisch war, daß in dem einen Falle daraufhin die
Wahrscheinlichkeitsdiagnose richtig gestellt werden konnte — in Fall 2 wurde das
Röntgenogramm erst nach erfolgter Operation fertig gemacht, so daß es nicht
mehr diagnostisch verwertet werden konnte. In beiden Fällen zeigten sich die
befallenen Knochen (einmal der Oberschenkel, das zweitemal das Schlüsselbein)
— dem klinischen Tastbefund entsprechend — aufgetrieben, die sich scharf ab-
hebende Corticalis sehr dünn, die Markhöble fächerig, wie wenn »große Hohl-
räume {Cysten; im Knochen lägen«. Sonst gaben beide Fälle wenig oder keine
Anhaltspunkte zur Diagnose. Der Pat. mit Oberschenkelerkrankung litt bereits
seit 14 Jahren an Schmerzen im Knie bzw. Oberschenkel. In zwei Krankenhäusern
wurde an ihm außer den neuralgischen Beschwerden nichts Besonderes nachge-
wiesen. Die Operation räumte durch Aufmeißelung und Ausschabung des spindelig
verdickten Knochens dicke gelbliche eitrige Flüssigkeit, untermischt mit teils er-
haltenen, teils zerfallenen kleinen und kleinsten Bläschen, heraus. Dicht über den
Kniekondylen zerbrach die stark verdünnte Knochenschale. Die Heilung erfolgte
sehr langsam im Verlauf mehrerer Monate unter Oberschenkelverkürzung um
7,6 cm und starker Einschränkung der Kniebeugefähigkeit, aber mit leidlicher
Gehfähigkeit und starker Gewichtszunahme. Im zweiten Fall (Echinokokkus des
Schlüsselbeines) lagen bei dem 58jährigen geschwächten Pat. ober- und unterhalb
des Knochens gegen faustgroße, teigig konsistente, etwas fluktuierende Geschwülste
vor, die angeblich seit 8 Jahren nach einem Bruche des Knochens entstanden
waren. In der oberen Geschwulst waren zahlreiche, bis haselnußgroße bewegliche
Knochenstücke fühlbar; eine Probepunktion ergab einen atheromartigen Brei.
Bei der Operation ließ sich der obere Geschwulstsack bis an den Knochen heran
gut auslösen; als er von letzterer gelöst wurde, entleerten sich gewaltige Atherom-
massen aus in den Knochen führenden Löchern. Nach operativer Vergrößerung
letzterer gelangt man in die Höhle der unteren Geschwulst. Bei der Operation
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1125
wird die richtige Diagnose gemutmaßt, die sich bei sorgfältiger Durchmusterung
des » Atherombreies« durch Auffindung einiger kleiner klarer Echinokokkusbläschen
bestätigt. Das Mikroskop zeigt den Brei nur aus Cholestearinmassen, Fettropfen
und Echinokokkusmembrantrümmern bestehend; die gefühlten Knochenstückchen
waren Sequester des Schlüsselbeines; die Balgmembran, deren Bau näher be-
schrieben und abgebildet wird (Spindel- und Riesenzellen), stellt das veränderte
Schlüsselbeinperiost dar. Zur Nachbehandlung der ausgeräumten Höhle tat die
Benutzung von Sauggläsern gute Dienste; sie brachte noch zahlreiche Blasen zu-
tage und führte rasch zu guter Granulationsbildung. Auch erholte sich Pat. rasch,
eine vor der Operation bestehende Eosinophilie des Blutes ging zurück, ebenso
Schwäche und Schmerzen im Arm und eine erhebliche, mit der Erkrankung an-
scheinend im Zusammenhange stehende Sehschwäche. Die Knochenhöble soll später
plombiert werden.
Die Röntgenbilder beider Fälle, auf die es bei der Mitteilung wesentlich an-
kommt, sind beigegeben (die Deutlichkeit ihrer Reproduktion ist mäßig).
Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
17) Borchard. Zur Frage der konservativen Operationsmethoden bei
den Sarkomen der langen Röhrenknochen.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCII. p.1.)
Der Artikel bringt die Ausarbeitung eines von B. auf der vorjährigen Natur-
forscherversammlung gehaltenen Vortrages, über den der Autor in unserem Blatte
1907, p. 1327, selbst ein Referat geliefert bat. Es genüge, aui dieses zu verweisen
und zu bemerken, daß die Arbeit die Krankengeschichten der von B. behandelten
Fälle sowie zum Schluß ein Literaturverzeichnis von 37 Nummern bringt.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
18) 8. N. Lissowskaja.” Allgemeine gonorrhoische Infektionen mit
multiplen Knochenherden.
(Russ. Archiv für Chir. 1907. [Russisch.])
Die Verf. berichtet über einen jährigen Bauernsohn, der vor 3 Wochen mit
Fieber akut erkrankte.
Es fanden sich 1) ein Abszeß am unteren Ende der rechten Fibula, deren Mark
nicht vereitert war; 2) eine Fistel am oberen Ende der linken Tibia, deren Mark
weithin vereitert war; 3) ein Abszeß auf dem linken Fußrücken, wo der fünfte
Metatarsalknochen teilweise entfernt werden mußte; 4) ein Abszeß auf dem linken
Handrücken und 5) einer im Bereich des rechten Schulterblattes und des Halses,
die oberflächlich nur in den Weichteilen waren. Von Tibia und Fibula stießen
sich Sequester ab, der Metatarsalknochen kam vollständig heraus, worauf alles
heilte.
Im Eiter fanden sich Gonokokken, die auf Hydrokelenagar gezüchtet werden
konnten. Auch im Präputium und in der Harnröhre des Kindes wurden die
Kokken gefunden. Über die Infektionsquelle war nichts zu eruieren.
V. E. Mertens (Kiel).
19) W. Baetzner. Zur Behandlung der Arthritis gonorrhoica der
groBen Gelenke mittels Stauungshyperämie.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIII. p. 46.)
Die Mitteilung ist sehr beachtenswert, da sie, aus der Klinik von Bier her-
vorgegangen, über die in derselben seit 1904 (zunächst noch unter v. Bergmann’s
Direktion) gesammelten einschlägigen Erfahrungen berichtet und zugleich die Be-
handlung der gonorrhoischen Gelenkentzündungen mittels Stauung in maßgeblicher
Weise nach Seite der Technik und ihrer klinischen Wirksamkeit hin bespricht. In
der Berichtszeit kamen im ganzen 40 Fälle von gonorrhoischer Entzündung großer
Gelenke zur Behandlung. Davon standen 13 Fälle im Frühstadium (3.—6. Krank-
heitstag). Meist waren es schwere phlegmonöse Formen. Die Behandlung um-
1126 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38.
faßte 8 Tage bis 6 Wochen. Alle Gelenke sind mit unbeschränkter Funktion aus-
geheilt. Die übrigen 27 Fälle gelangten erst 10 Tage bis 21 Wochen alt in Be-
handlung. Die Dauer der letzteren erstreckte sich über einen Zeitraum von
6 Tagen bis 3 Monaten. 12 Fälle sind mit voller Funktion ausgeheilt, 9 mit ge-
ringer Bewegungsbeschränkung, 6 mit einer größeren Einbuße an Funktion, aber
Ankylosen sind nie eingetreten.
Die Behandlung, deren Technik als bekannt vorauszusetzen ist, ist nicht zu
früh auszusetzen und nicht eher, als die Entzündungserscheinungen abzuklingen
beginnen. Ein Merkmal hierfür ist, daß keine »heiße« Stauung mehr erreichbar
ist. Die Wirksamkeit des Verfahrens zeigt sich in erster Linie durch Linderung
der Schmerzen, die auch bald zu gutem Schlafe verhilft. Ferner werden durch
sie die Gelenke frühzeitig mobilisierbar, zu welchem Zwecke in der Weiterbehand-
lung die Heißluftbehandlung und Massage mit Erfolg mit heranzuziehen sind. Der
ganze Verlauf der Erkrankung wird durch die Stauungsbehandlung milder gemacht
und abgekürzt. Die funktionellen Endresultate sind bei ihr wesentlich günstiger
als bei der früheren Behandlungsmethode mittels Immobilisation. Die Methode
ist einfach, technisch nicht schwierig, billig und sehr wohl ambulant durchführbar.
Die klinischen Details des Berichtmaterials sind aus einer tabellarischen Über-
sicht und den beigefügten kurzen Krankengeschichten ersichtlich. Zum Schluß
steht ein 12 Nummern führendes Literaturverzeichnis.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
20) E. Lexer. Uber Gelenktransplantation.
(Med. Klinik 1908. p. 817.)
L. bevorzugte beim Beweglichmachen knöchern versteifter Gelenke die freie
Verpflanzung von Gelenkknorpel in das künftige Gelenk, derart, daß zwei Gelenk-
knorpelscheiben, die demselben Kranken aus der Kniescheibenfläche des Ober-
schenkelknochens oder aus amputierten Gliedern entnommen wurden, je eine
Trennungsfläche des verknöcherten Gelenkes bekleideten.
Bei Gelenküberpflanzungen handelte es sich entweder nur um den Ersatz von
halben Gelenken oder um den Ersatz beider mit Gelenkknorpel bekleideten Epi-
physen oder schließlich um die Verpflanzung von Gelenken mit ihrer Kapsel. Das
erstere Verfahren ist vollkommen geglückt bei einem vor 8 Monaten operierten
Manne: Sein wegen myelogenen Sarkoms reseziertes oberes Schienbeinende wurde
durch ein entsprechendes Tibiastück ersetzt, das samt Knochenhaut und Gelenk-
knorpel dem gleichzeitig amputierten Bein eines an Altersbrand leidenden Mannes
entnommen war. Nach glatter Heilung wurde schließlich eine aktive und passive
Beugungsfähigkeit fast bis zum rechten Winkel erzielt. In gleicher Weise wurde
bei anderen Kranken die obere Hälfte des Oberarmknochens, die untere Hälfte
der Elle, der Grundgliedknochen am vierten Finger mit Erfolg ersetzt.
Nach dem zweiten Verfahren wurde das rechtwinkelig verwachsene Kniegelenk
eines Mädchens durch Epiphysenstücke samt Kreuzbändern aus dem gleichzeitig am-
putierten Beine eines an Altersbrand Leidenden ersetzt. Die Kniescheibe, die nicht
mit Weichteilen unterfüttert worden war, heilte fest und wurde nach 3 Monaten
entfernt; dabei zeigte sich, daß die Epiphysenscheiben richtig angewachsen und
makro- und mikroskopisch normal und nicht abgestorben waren. In weiteren
4 Monaten wurde passive Beweglichkeit bis zu 45° erreicht. — Ganz ähnlich ge-
staltete sich Kniegelenksoperation und Verlauf bei einem zweiten Mädchen. — Um
aber noch größere Beweglichkeit zu erzielen, eröffnete L. bei dem ersten Mädchen
das Kniegelenk nochmals und nähte ein Stück der Tunica vaginalis einer gleich-
zeitig operierten Hydrokele mit der Wundfläche auf die des Lappens. In späteren
Fällen wird diese Serosaverpflanzung z. B. auch durch Netzstücke sogleich bei der
ersten Operation vorzunehmen sein. Für weitere Mobilisierung kommen auch noch
Muskelverpflanzungen in Frage.
Das dritte Verfahren kam zur Anwendung bei der Verwachsung eines kind-
lichen Kniegelenks, das durch ein mit der ganzen Kapsel und den Knorpelfugen
versebenes Kniegelenk eines völlig gelähmten, stark atrophischen und erheblich
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1127
verkürzten Beines eines anderen Kindes ersetzt wurde. Des letzteren Knie wurde
versteift. Über das Endergebnis der Verpflanzung wird später berichtet werden.
Die Gelenkverpflanzung ist da am Platze, wo schwere Zerstörungen der Ge-
lenkvorrichtung durch Krankheiten, besonders durch Tuberkulose und Eiterung
oder durch Verletzungen mit oder ohne Kontrakturstellung zur knöchernen Ver-
steifung geführt haben, oder wo durch Verletzungen wichtiger Gelenke ein Schlotter-
gelenk veranlaßt worden ist, oder schließlich, wo wegen Geschwülsten im Gelenk
oder in den Gelenkenden der Knochen größere Resektionen mit Fortfall des
halben oder ganzen Gelenkes nötig werden. Lange Behandlungsdauer, reichliches
Amputationsmaterial, unter Umständen mehrfache Operationen, sind erforderlich.
Georg Schmidt (Berlin).
21) Dreesmann. Über chronische Polyarthritis im Kindesalter.
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie. Bd. XVII. Hft. 5.)
Beschreibung eines ldjährigen Mädchens, das im Alter von 6 Jahren plötzlich
Schwellung der Gelenke bekam, die zu Ankylosen in ungünstigen Stellungen
führten. Es kam zu knöchernen Ankylosen sämtlicher Gelenke mit Ausnahme
der Kiefer-, Finger- und Zehengelenke. Mit diesen Gelenkveränderungen sind
starke Knochenverbiegungen an den Extremitäten und an der Wirbelsäule kom-
biniert. Diese Kombination ist äußerst selten; nur ein Fall ähnlicher Art konnte
von D. in der Literatur gefunden werden; doch begann in diesem das Leiden mit
Knochenveränderungen, denen die Gelenkerkrankung erst folgte. Atiologisch muß
man an irgend eine Infektion denken. Das Leiden schien still zu stehen ; wenig-
stens war während des Jahres, in welchem D. seine Pat. verfolgen konnte, kein
Fortschreiten zu sehen. Haeckel (Stettin).
22) Gaudiani. Dei tumori a mieloplassi delle guaine tendinee.
(Policlinico, sez. chir. 1908. Nr. 6.)
Bei einem 43jährigen Manne wurde seit 12 Jahren eine nußgroße Geschwulst
an der Beugeseite des rechten Ringfingers beobachtet, die langsam wuchs und als
Myelom der Schnenscheide betrachtet und exstirpiert wurde. Die histologische
Untersuchung ergab dichtes, maschenbildendes Bindegewebe mit zahlreichen kleinen
Rund- und Spindelzellen, polynukleäre und Riesenzellen, zahlreiche Hämorrhagien
und sklerosierte dickwandige Gefäße. Die Riesenzellen waren durch Konglome-
ration von Rundzellen entstanden. Verf. kommt auf Grund dieser Befunde zum
Schlusse, daß es sich bei diesen sogenannten Myelomen nicht um besonders charak-
terisierte Geschwülste handelt, sondern um gutartige Riesenzellenfibrosarkome,
analog der Epulis, Strauss (Nürnberg).
23) Mason. The treatment of dislocation of the shoulder-joint com-
plicated by fracture of the upper extremity of the humers.
(Annals of surgery 1908. Mai.)
M. beschreibt zunächst einen Fall von doppelseitiger Schulterverrenkung, in
dem rechts außer der Verrenkung der Kopf im chirurgischen Halse abgebrochen
war. Nach Eröffnung des vorderen Schultergelenkes wurde der abgebrochene Kopf
vermittels eines Elevatoriums an seine richtige Stelle gebracht, da auf andere
Weise eine Einrenkung nicht gelingen wollte. Das Gelenk wurde 4 Wochen ruhig
gestellt und durch diese Art der Behandlung ein sehr gutes funktionelles Resultat
erreicht. — Aus der Literatur stellte Verf. 64 Fälle (einschließlich seinem eigenen,
von Bruch des Oberarmkopfes und Verrenkung desselben zusammen. In 23 durch
Arthrotomie behandelten Fällen wurde 14mal = 70%, in 21 mit Resektion behan-
delten 9 mal = 42% ein gutes Resultat erreicht. Verf. hält die Gelenkeröffnung
mit Hereinhebelung des verrenkten und abgebrochenen Kopfes in die Pianne für
die beste Behandlungsmethode. Peinlichste Asepsis ist bei dieser Operation not-
wendig. Herhold (Brandenburg).
1128 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38.
24) Buchanan. Fracture through the anatomical neck of the humerus
with dislocation of the head.
(Annals of surgery 1908. Mai.)
Verf. beschreibt kurz 44 Fälle von Brüchen des anatomischen Halses des
Oberarmknochens. 29mal war die Ursache angegeben, darunter 22mal Fall auf
die Hand. Verf. stellt sich das Zustandekommen dieses Bruches folgendermaßen
vor: Durch den Fall auf die Hand findet zunächst eine Verrenkung des Oberarm-
knochens nach unten statt, so daß der Kopf unterhalb des Proc. coracoid. und
der Gelenkpfanne liegt. Wirkt jetzt die Gewalt weiter, so drückt der scharfe Proc.
glenoid. auf den Kopf und durchschneidet ibn. Die beste Behandlung dieser Fraktur
besteht nach B. in der Exstirpation des abgetrennten Kopfes, da eine Adaption und
künstliche Fixierung desselben am Schaft schwierig ist und ungenügende Resultate
liefert. Herhold (Brandenburg).
25) L. P. Marjantschik. Zur Behandlung der Frakturen der oberen
und unteren Extremitäten.
(Russ. Archiv für Chirurgie 1907. [Russisch.])
Auch M. klagt, daß auf dem Gebiete chirurgischer Hilfeleistung im letzten
Kriege auf russischer Seite »nicht einmal den primitivsten Forderungen Genüge
geleistete sei. Er selbst leitete eine Abteilung des Lazaretts der Stadt Kiew auf
der Station Mandjuria der Ostchinesischen Bahn.
Er berichtet über 56 Kranke, die ihm wegen Frakturen zugingen. Vier kamen
1/2 Stunde nach der Verwundung, die meisten — 19 — zwischen dem 21. und
40. Tage; die längste Frist waren 141 Tage. Die Gliedmaßen befanden sich natür-
lich in allen Stadien der Zerstörung bis zur Gangrän, so daß 43 Eingriffe nötig
waren. Die eigentliche Frakturbehandlung wurde nach Wolkowitsch gehand-
habt (vgl. Deutsche Zeitschrift f. Chirurgie Bd. LXIII und dieses Zentralblatt 1902,
p. 555 und 892). Es handelt sich dabei um Gips-Kartonschienen und einen Geh-
apparat für die untere Extremität, die es gestatten, die Fragmente zu fixieren, zu-
gleich aber den Pat. früh aus dem Bett zu bringen, zu bewegen und zu massieren.
M. empfiehlt das Verfahren eindringlich, nicht ohne bei der Verurteilung anderer
Methoden etwas zu weit zu gehen. V. E. Mertens (Kiel).
26) E. Martini. Über einen neuen Apparat für die Frakturen des
Schenkels.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIII. p. 230.)
27) Derselbe. Über einen neuen Apparat für die Behandlung der
Frakturen des Armes.
(Ibid. p. 389.)
Die beiden Arbeiten sind vom Verf. in der medizinischen Akademie zu Turin
gehaltene Vorträge, von Dr. Kühl (Turin) übersetzt. Sie behandeln von ihm in
der chirurgischen Abteilung des Turiner Stadthospitales (Vorstand: Prof. Dr.
M. Anglesio) konstruierte Verbandapparate für Frakturen des Femur bzw. Hu-
merus, die auf Einwirkung von Extension berechnet sind. Die Apparate bestehen
aus zwei ringförmigen, mit kurzen Schienchen armierten Bandagenstücken, von
denen das eine oberhalb, das andere unterhalb der Bruchstelle an die Extremität
mittels eines Gipsringes (»Muffe«) befestigt wird. (Am Arme wird die Schulter
und der Ellbogen, am Beine das Fußgelenk mit in die Verbandfixierung binein-
&enommen). Oberer und unterer Bandagenring werden durch zwei seitlich an-
gebrachte Eisenstäbe, an den Bandagenschienen in Schraubengewinden laufend,
miteinander derart in Verbindung gesetzt, daß mittels Benutzung der Schrauben-
gewinde die Eisenstäbe die Bandagenringe und damit die Bruchstücke auseinander
drängen. Photogramme von Pat., denen die Apparate angelegt sind, veranschau-
lichen die Methode, der der Verf. mannigfache Vorzüge nachrühmt (Anlegbarkeit
schon in den ersten Tagen nach der Verletzung, Möglichkeit, durch die Schrauben-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1129
wirkung eine allmählich zunehmende Distraktion auszuüben, Zugänglichbleiben der
Bruchstelle für Beobachtung, event. Massage, Brauchbarkeit besonders für kom-
plizierte Brüche usw... Doch werden exakte Berichte über mit diesen Apparaten
erzielte Resultate nicht mitgeteilt. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
28) Blecher. Die Schädigung des Nervus medianus als Komplikation
des typischen Radiusbruches.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIII. p. 34.)
In einer eigenen einschlägigen Beobachtung B.’s, betreffend einen 23jährigen
Kaufmann, handelt es sich um eine »>primäre« Medianusschädigung nach Radius-
bruch, entstanden durch 4—5 m hohen Sturz von einem Wagen auf den vorge-
streckten linken Arm. Die Hand war sehr stark dorsalwärts, die schräg ab-
gebrochene Radiusepiphyse stark nach radial und nach der Beugeseite verschoben,
auch der Proc. styl. ulnae abgebrochen. Reposition des Knochens, Verband
nach Lexer. Bei der ersten Revision in den nächsten Tagen zeigte sich
bereits behinderte Beugung des zweiten und dritten Fingers, verminderte Oppo-
sition und Adduktion des Daumens, ferner Gefühllosigkeit an der Spitze des
Mittel- und Zeigefingers. Behandlung mit Bädern, Massage, Faradisation. Lang-
same Besserung im Verlaufe von (6) Monaten mit Rückbleib leichter Atrophie des
Daumenballens und leichter Gefühlsänderung der Fingerspitzen. — Dem eigenen
Fall stellt B. aus der Literatur neun Parallelfälle zur Seite. Das gesammelte
Material zeigt, daß nach dem typischen Radiusbruch Medianusstörungen sowohl
alsbald dem Bruch folgend »primär« eintreten können, als auch im späteren Ver-
laufe der Bruchheilung »sekundär«. Im ersteren Falle ist anzunehmen, daß der
Nerv gleich bei der Verletzung geschädigt wurde, sei es durch direkten Druck
durch ein verlagertes Bruchstück sei es durch Überdehnung. Bei der sekundären
Schädigung wird dagegen der Nerv erst durch den raumbeengenden Knochencallus
gestört, der ihn drückt oder überdehnt, ähnlich einer über den Steg gespannten
Geigensaite. Die zweite Art der Nervenschädigung ist die häufigere. Die Pro-
gnose der primären Schädigung ist unsicher, sie ist nicht immer von völliger Re-
generation gefolgt. In diesen Fällen ist ein operativer Eingriff zwecks Revision
des Nerven usw. angezeigt, sonst nicht. Bei den sekundären Nervenschädigungen
durch Callus ist operative Behandlung (Abmeißelung des Callus) häufiger ratsam
und gibt erfahrungsgemäß völlig befriedigende Resultate.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
29) Zehn. Die späteren Schicksale einiger Frakturen im Bereiche des
Ellbogengelenkes.
(Rostock 1907. 58 S.)
Der Arbeit liegen 18 Fälle aus dem Becker’schen Krankenhause in Hildes-
heim zugrunde, von denen 6 suprakondyläre Frakturen waren, während 12 die
Kondylen und Epikondylen betrafen; 10 waren blutig, 8 unblutig behandelt. Auf
Grund anatomischer Betrachtungen und der gemachten klinischen Erfahrungen
fordert Z. bei den suprakondylären Brüchen den blutigen Eingriff, wenn mehr-
fache Repositionsversuche nicht zum Ziele führten; es ist dann häufig der Hume-
russchaft so durch den M. brach. int. durchgespießt, daß dieser sich wie eine
Schlinge um das Bruchstück legt und die Einrichtung unmöglich macht. Eine
zweite Indikation ergibt sich, wenn nach der Heilung des Bruches die Beuge-
muskulatur in den Callus eingewachsen ist und dadurch eine ganz erhebliche Funk-
tionsbeschränkung vorliegt. Bei den Brüchen im Bereich der Kondylen und Epi-
kondylen können 1) funktionelle, 2) kosmetische Rücksichten die Operation indi-
zieren. Nicht selten beobachtet man nach anscheinend leichten Brüchen schwerste
Funktionsbehinderungen, die, wie uns Röntgenaufnahmen zeigen, von Einklem-
mungen abgerissener Bruchstücke im Gelenk herrühren; hier kann natürlich nur
die operative Reposition der eingeklemmten Knochenstücke in Betracht kommen,
ein sehr dankbarer Eingriff. Ist ein Epicondylus abgerissen, ohne eingeklemmt
1130 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38.
zu werden, wie es beim E. medialis öfter passiert, so heilt er unter der Einwirkung
des Muskelzuges nicht an seiner normalen Stelle an, und die Folge ist eine Valgus-
oder Varusstellung des Ellbogens ohne nennenswerte Funktionsbehinderung; hier
würde man also nur aus kosmetischen Rücksichten operieren. Z. warnt im übrigen
davor, die eingeklemmten Stücke zu exstirpieren, um die Muskelansätze zu schonen.
nur die sorgfältige Annähung an normaler Stelle verhindert spätere Deformitäten.
— Die Krankengeschichten sind ausführlich wiedergegeben.
Vorderbrügge (Danzig).
30) ©. Förster. Drei Fälle von isolierten Sehnenverletzungen.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 720.)
Verf. beschreibt folgende drei für die Statik und Kinetik der Fingerbewegun-
gen interessante Fälle von isolierten Sehnenverletzungen.
1) Eine Durchschneidung der Sebne des langen Zeigefingerstreckers, woraus
eine unvollkommene Streckung der Mittelphalanx und eine Hyperextension des End-
gliedes resultiert und folgt, daß die Streckung der Mittelphalanx nicht allein von
den Interossei besorgt wird.
2) Eine subkutane Zerreißung der Sehne des Extensor pollicis longus: unmög-
lich war die vollkommene Streckung in ihrer Verbindung mit Adduktion, so daß
die intendierte Endstellung etwa der normalen Ruhestellung entsprach. Die opera-
tive Vereinigung des distalen Sehnenendes mit der Sehne des Extensor pollicis
brevis erzielte die Geradstellung der Endphalanx.
3) Eine perkutane Durchschneidung der Sehne des Extensor pollicis longus,
welche die typischen Lähmungserscheinungen wie im ersten Fall zur Folge hatte,
wozu als ungewöhnliche Beschränkung hinzukam, daß die Endphalanx von keiner
Stellung aus ganz gestreckt werden konnte. Die Sehnennaht führte zur Heilung
mit vollkommener Funktion. Reich (Tübingen).
31) A. Ohly. Luxation des Os lunatum. Pathologische Anatomie
und blutige Reposition desselben.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIII. p. 208.)
O. bringt zwei operierte Fälle von Mondbeinverrenkung aus dem Wiesbadener
Diakonissenhause, von denen namentlich der erste anatomisch genau beschrieben
ist. Er betrifft einen 23jährigen Mann, der erst 45 Tage nach seiner Verletzung
zugegangen war. Die Verletzung war durch Fall auf die Vola manus bei ausge-
strecktem Arm entstanden. Die vorhanden gewesene Schwellung war zurück-
gegangen, zurückgeblieben aber Beugestellung der Finger mit Schmerzen bei Be-
wegung, Kraftherabsetzung, etwas Ulnarflexion der Hand. In der Tiefe der Handfläche
der verrenkte Knochen fühlbar, und zwar, wie Röntgen zeigt, so gelegen, daß seine
distale konkave Fläche distal radialwärts blickt. Auch liegt infolge einer Drehung des
Knochens um 120° sein dorsales Horn ulnar, sein volares radialwärts. Längsschnitt
in die Vola, Beiseiteziebung der Beugesehnen und des N. medianus radialwärts.
Man findet einen Längsriß in dem tiefen volaren Bandapparat, entsprechend dem
Lig. lunato-triquetrum. Freilegung des Mondbeines auf der ulnaren Seite, Ein-
kerbung der Verbindungen nach dem Dorsum, wonach die Reposition unter
Dorsalflexion, Druck auf das Mondbein und nachfolgender Beugung gelingt. Naht,
gute Heilung, gutes Endresultat, gute Beweglichkeit, normale Lage des Mond-
beines im Röntgenbild. Von besonderem Interesse ist die Drehung, die der
Knochen in diesem Falle erfahren hat. O. bringt sie mit der Eigenbewegung
welche der Knochen bei Handgelenksbewegungen und Traumen macht, in Zu-
sammenhang. Fall 2 ist einfacher und nur kurz beschrieben. Ein Arbeiter erhält
einen starken Stoß gegen die Hand, die stark dorsal flektiert wird. Sofortige
Krankenhausaufnahme mit der entstandenen völligen Verrenkung des Mondbeines,
das dicht unter der dem Platzen nahen Haut vor den Sehnen liegt. Exzision des
Knochens, glatte Heilung, gutes funktionelles Resultat. Zum Schluß gibt O. kurze
Notizen über die Therapie der Verletzung (unblutige und blutige Reposition bzw.
Exstirpation des Knochens) und die damit erzielten Resultate. Literaturverzeichnis
von 16 Nummern. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1131
32) L. W. Ely. Report of nine cases of fracture of the carpal scaphoid.
(New York med. record 1908. 9. Mai.)
E. berichtet 9 Fälle von Kahnbeinbruch und betont die häufige Verwechslung
mit Verstauchungen des Handgelenks. Bei Komplikation mit Verschiebung des
Semilunarknorpels ist besondere Sorgfalt in der Behandlung und exakte Korrektion
nötig. Diagnostisch sind dann die Schmerzen bei Extension der Finger, besonders
des Mittelfingers, wichtig. Die Prognose ist im allgemeinen gut, Behandlung in
einfachen Fällen bestand nur in Immobilisierung der Hand.
Loewenhardt (Breslau).
33) G.Siemon. Isolierte offene Luxation des vierten rechten Mittelhand-
grundgelenkes.
(Med. Klinik 1908. p. 835.)
Durch doppelte stoßende Gewalt wurde der 4. Finger stark überstreckt. Der
Knochen des Grundgliedes trat durch die Haut in die Hohlhand. Beugesehnen
unverletzt. Nach Reinigung Rücklagerung und glatte Heilung, obwohl die verletzte
Hand mit lehmiger Walderde vollkommen bedeckt war.
Georg Schmidt (Berlin).
34) Nicolas, Durand et Moutot. Dactylite syphilitique & forme de
~ tumeur des gafînes avec recidive d’apparence sarcomateuse.
(Ann. de dermatol. et de syph. 1908. p. 208.)
Unter Dactylitis eyphilitica verstehen auch die Verff. »alle spezifischen Er-
krankungen der Finger mit Ausnahme des Primäraffektes und der sekundären Er-
scheinungen«. Sie heben die Schwierigkeit der Diagnostik hervor, weil bei dieser
Affektion sehr häufig die Syphilis ihre gewöhnliche Physiognomie verliere und
andere Krankheiten nachahme. In dieser Hinsicht ist der mitgeteilte Fall be-
sonders lehrreich. Ein 29 jähriger Pat., der sich vor 4 Jahren infiziert hatte, kommt
mit einer Schwellung der ersten Phalanx des linken Zeigefingers und einem Ulcus
auf der Beugeseite zur Behandlung. Tuberkulose wurde ausgeschlossen, weil
Röntgendurchleuchtung keine Knochenveränderungen zeigte. Chirurgischer Ein-
griff zeigt, daß der Prozeß bis auf die Sehnenscheiden der Beuger reicht. Exzision
Mikroskopische Untersuchung: Myelom der Sehnenscheiden. Die Wunde heilt
nicht, dafür entwickelt sich eine Geschwulst, die die ganze Phalanx einnimmt, und
aus dem alten Geschwür ein viel größeres, 6 cm im Durchmesser. Diagnose: Sar-
kom. Vor der Radikaloperation Versuch mit Hg. und Jod, rasche Heilung.
Klingmüller (Kiel).
35) Albee. Arthritis deformans of the hip.
(Journ. amer. med. assoc. Bd. L. Nr. 24.)
Um eine sichere und feste Anklose im Hüftgelenk mit Abduktion zu er-
zielen, meißelte A. die obere Hälfte des Oberschenkelkopfes in einer Linie parallel
zum Verlauf des Schenkelhalses mit breitem Meißel ab und eine entsprechende
Nische aus der Pfanne, so daß bei Abduktion des Beines die beiden Flächen sich
1132 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38.
glatt aufeinander legten und leicht knöchern verbanden. Der Mann wurde arbeits-
fähig. — A. empfiehlt die Operation bei solchen Kranken, bei welchen die knöcherne
Ankylose von selbst und in verkehrter Stellung des Gelenkes einzutreten droht.
Trapp (Bückeburg).
36) E. G. Abbot. A report of thirty-one cases of congenital Disloca-
tion of the hip joint reduced by manipulation.
(New York med. record 1908. März 23.)
A. gibt kurze Krankengeschichte von 31 Fällen nach Lorenz behandelter ange-
borener Hüftverrenkung. 99 Fälle waren einseitig, zwei doppelseitig. Das Alter variierte
von 2—3 Jahren. Der Gipsverband wurde prinzipiell bis unter das Knie verlängert.
In drei Fällen ging der Reduktion Gewichtsextension voraus. Prognostische Schlüsse
aus den Röntgenaufnahmen haben sich dem Verf. oft als trügerisch erwiesen.
Resultate: 22 vollständige Wiederherstellungen, zwei Mißerfolge, neunmal »anterior
position« (die doppelseitigen Fälle doppelt gerechnet). Die gewiß berechtigte Auf-
forderung, möglichst frühzeitig zu operieren, sowie die Mitteilung, daß die zuletzt
behandelten Fälle wegen größerer Erfahrung des Verf.s bessere Resultate suf-
weisen, schließt die Abhandlung. Loewenhardt (Breslau).
37) E. Franck. Zur Beurteilung der Oberschenkelhalsbrüche.
(Med. Klinik 1907. p. 996.)
Zwei Fälle von Oberschenkelhalsbruch. Der verhältnismäßig unbedeutende
Unfall hatte zunächst keine gröberen Gebrauchsstörungen zur Folge. Erst nach
und nach entwickelte sich ein klinisches Krankheitsbild, das nach mancherlei ärzt-
lichen Irrungen (Annahme von Neurasthenie, Rheumatismus usw.) durch die Röntgen-
aufnahme richtig gedeutet wurde. Letztere ist deshalb bei allen, auch den un-
bedeutendsten Verletzungen, welche den Beckengürtel betreffen, frühzeitig vorzu-
nehmen. Georg Schmidt (Berlin).
38) Fortunet-Regnault. Balle de fusil à aiguille ayant séjourné 38
ans dans le fémur.
(Lyon méd. 1908. Nr. 26.)
Ein französischer Soldat erhielt am 18. August 1870 einen Schuß mit dem
Zündnadelgewehr in den linken Oberschenkel; ein Versuch, das Geschoß zu ent-
fernen war vergeblich. Das dauernde Bestehen eitrig sezernierender Fisteln führte
schließlich eine derartige Verschlechterung des Allgemeinbefindens (Zeichen von
Amyloid!) herbei, daß noch nach 38 Jahren die Amputation am Oberschenkel
ausgeführt werden mußte. Das kaum deformierte Geschoß fand sich im Condylus
int. femoris. Boerner (Rastatt).
39) Wieting. Die angiosklerotische Gangrän und ihre operative Be-
handlung durch arteriovenöse Intubation.
(Deutsche med. Wochenschrift 1908. Nr. 28.)
W. publiziert den ersten erfolgreich operierten Fall. Es handelt sich um einen
40jährigen Mann, bei dem vor Jahren schon ein Bein wegen Gangrän amputiert
war, und bei dem Gangrän am anderen Beine drohte. Durch Intubation der Art.
femoralis unterhalb des Abganges der Art. profunda in die Vene schwanden alle
drohenden Erscheinungen. W. hält trotz aller Gefahren und Bedenken unter be-
stimmten Vorbedingungen die Operation für berechtigt. Bei dem großen Interesse,
das der Fall beanspruchen kann, bei den vielen technischen Einzelnheiten mag
dieser kurze Hinweis auf die leicht zugängliche Originalarbeit genügen.
Borchard (Posen).
40) D. N. Nabarro. A note of three cases of suppurating bursa
patellae due to the pneumococcus.
(Lancet 1908. August 1.)
Verf. beschreibt kurz drei Fälle von reiner Pneumokokkeneiterung der Bursa
praepatellaris. Die Infektion geschah teils auf direktem Wege durch eine Nadel-
verletzung, teils hämatogen.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1133
Eiterungen dieses Kokkus an dieser Stelle sind nach Verf. bislang sehr selten
beobachtet bzw. beschrieben. H. Ebbinghaus (Dortmund).
41) L. Thomas. Fracture of the patella treated by mobilizing the
lower fragment.
(Brit. med. journ. 1908. Mai 16.)
Knöcherne Heilung eines fast 1 Jahr alten Kniescheibenbruches mit 4 cm-Dia-
stase mit gutem funktionellen Ergebnis durch Abmeißelung des Tuberositas tibiae.
Nur so gelang es, die Diastase zu überwinden und die Bruchstücke zu vernähen.
Die fibrösen Anheftungen des Lig. patellae an der medialen Seite müssen dabei
sorgfältig geschont werden. Weber (Dresden).
42) J. Mensik. Über einen Fall von angeborenem Genu valgum.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 609.)
Ein bei einem 19jährigen Mann an der Wölfler’schen Klinik beobachtetes
Genu valgum mit einem Außenwinkel von 142° war laut Anamnese und durch
Ausschluß der gewöhnlichen ätiologischen Ursachen, insbesondere der Rachitie,
als angeboren zu betrachten, und beansprucht, wie drei sonst noch publizierte
Fälle, diese Atiologie die Küstner’sche Erklärung, daß als Ursache eine lang-
dauernde intra-uterine Belastung der befallenen Extremität im Sinne der Über-
streckung im Kniegelenk anzunehmen sei.
Keilosteotomie mit Knochennaht ergab ein funktionell wie kosmetisch gutes
Resultat. Reich (Tübingen).
43) C. Bayer. Zur Berechtigung konservierender Operationsversuche
bei unheilbaren Unterschenkelgeschwüren.
(Arch. intern, de chir. 1908. Nr. 1.)
In einem Falle von Unterschenkelgeschwür, das sich wegen seiner Größe weder
für die plastische Deckung noch für die von Rydygier eingeführte sogenannte
osteodermatoplastische Fußamputation, die quere Knochenresektion oder die Ver-
schmächtigung der Tibia durch Ausmeißelung (B.) eignete, operierte B., statt die
Amputation des Beines auszuführen, mit Erfolg nach einem Verfahren, das als
eine glückliche Modifikation der osteo-dermatoplastischen Methode Rydygier’s
bezeichnet werden muß. Zur Deckung des vorwiegend seitlich hoch ausgreifenden
Unterschenkelgeschwürs schien der bei der Amputation des Fußes nach Pirogoff
resultierende Plantarlappen allein nicht ausreichend. Es wurde deshalb aus dem
Fußrücken ein großer, bis zu den Zehen reichender, alle Weichteile umfassender
Lappen präpariert, am Malleolus internus gestielt und lateral derart gedreht, daß
er sowohl vorn wie seitlich über das Geschwür gebreitet werden konnte. Für den
im Bereich des Sprunggelenkes vorn dadurch entstandenen Hautdefekt erwies sich
der eigentliche Plantarlappen Rydygier’s vollkommen ausreichend. Der Verlauf
war, abgesehen von einer Randnekrose beider Lappen, nach wochenlanger Be-
handlung im ganzen glücklich. Die gleichzeitig bestehende Kniegelenkskontraktur
wurde durch Hautinzisionen, langsame Dehnung, Transplantation und schließlich
durch eine im Kniestück artikulierte, mit einer Kniekappe versehene Doppelschiene
behandelt, die mit einem artikulierenden Pirogoff-Schuh verbunden ist. Pat. kann
damit vorzüglich gehen. Bevenstorf (Hamburg).
44) Reismann. Talusluxation oder Luxatio pedis sub talo?
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIII. p. 218.)
45) Kirchner. Talusluxation oder Luxatio pedis sub talo? Entgegnung
auf eben genannten Aufsatz.
(ibid. p. 501.)
Das seinerzeit von K. genau beschriebene Fußverrenkungspräparat aus Göt-
tingen (cf. unser Blatt, laufender Jahrgang p. 286) hat nun auoh R. eingehend
untersucht; er interpretiert es seinerseits als Luxatio sub talo, nicht als Luxatio
1134 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38.
tali, wie es K. getan hatte. K. erwidert in seinem Artikel und hält seine Auf-
fassung R.'s Kritik gegenüber aufrecht. Dadurch, daß R. seiner Beschreibung
zwei Abbildungen des Präparates beigibt, gewinnt dieselbe an Interesse und An-
schaulichkeit. Bezüglich der Details muß Ref., dem übrigens R.’s Auffassung als.
die richtigere erscheint, auf die Originalien verweisen.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
46) A. A. Bowlby. An address on nine hundred cases of tuberculous
disease of the hip.
(Brit. med. journ. 1908. Juni 20.)
Das Alexandra-Hospital in London wurde 1867 gegründet, mit dem Zweck
koxitiskranke Kinder unter 12 Jahren ohne Operation, nur durch gute Pflege,
günstige Lebensbedingungen, Ruhe, Extension zu behandeln, und zwar ohne Rück-
sicht auf die Dauer der Behandlung. In den 21 Jahren seiner Leitung beoachtete-
B. %0 solcher Koxitiskinder mit einer Sterblichkeit von weniger als 4%, während
‚von 1867 bis 1879 384 Fälle mit 26% Sterblichkeit behandelt wurden. Seine große
Erfahrung hat ihn gelehrt, daß kein Fall von kindlicher Koxitis unheilbar ist.
Eine Resektion der kranken Hüfte hat er in keinem einzigen Falle ausgeführt,
sondern ist mit Ruhe, Extension und allgemeinen Maßnahmen, wie insbesondere
Freiluftbehandlung, zum Ziel gekommen. Gehschienen verwirft Verf. Auffallend:
ist, daß unter allen Fällen nur etwa zehn mit Drüsentuberkulose behaftet ge--
wesen sind. Die überaus günstigen Heilungsergebnisse, die B. auf 96% berechnet,
führt er auf zwei Umstände zurück: aseptische Behandlung der Abszesse und Vor-
rang der allgemeinen Behandluug eines Kindes vor der des Krankheitsherdes.
Einspritzungen von Jodoform hat er als nutzlos aufgegeben. Die Hauptstelle in
der Allgemeinbehandlung nimmt die Freiluftkur ein, die in schweren Fällen Tag
und Nacht durchgeführt wird mit hervorragendem Erfolg.
Die Prognose steht im geraden Verhältnis zum Lebensalter, in dem das Leiden
begonnen hatte;-unter den 33 Todesfällen waren 24 Kinder, bei denen die Koxtis-
vor dem 6. Lebensjahr eingesetzt hatte. Ankylosen in Flexionsstellungen sind mit.
Osteotomie sehr günstig zu beeinflussen, nur darf die Operation nicht zu früh vor-
genommen werden.
Von den gemeinhin üblichen Anzeigen von Gelenkresektion bei der Tuber-
kulose (Nekrose, Sequestration, ausgedehnte Karies, Beckenabszeß, dauernde Eite-
rung, pathologische Luxation) erkennt Verf. keine einzige an. Exzision des Ober-
schenkelkopfes ist in der Behandlung der Koxitistuberkulose vollkommen unnötig,
vorausgesetzt, daß der Kranke unter günstige Bedingungen gebracht werden kann..
Weber (Dresden).
47) Ohse. Über Dauererfolge bei Behandlung der Fußwurzeltuber-
kulose durch Resektion mit vorderem und hinterem Querschnitt.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 275.)
Zur Resektion wegen Fußwurzeltuberkulose wird in der Straßburger Klinik
entweder ein vorderer Querschnitt mit Bildung eines dorsalen Hautsehnenlappens
oder ein hinterer Querschnitt von einem Knöchel zum anderen geführt und auf
die Wiedervereinigung der Sehnen prinzipiell verzichtet. Derartig sind von 1894
bis 1906 115 Fälle operiert worden. In 47% der Fälle handelte es sich um
primär ossale, in 49% um synoviale Tuberkulose, bei 4% ließ sich diese Fest-
stellung nicht treffen. Bei einfachen Knochenherden stand der Calcaneus an erster-
Stelle, bei multiplen war meist der Talus mitbeteiligt.
In 30% der Fälle wurde nach ausgedehnten atypischen Resektionen die sekun-
däre Amputation notwendig, und zwar mit steigendem Alter der Pat. in zunehmen-
der Häufigkeit, z. B. bei einem Alter von 41—50 Jahren in 67% der Fälle, sowie
bei synovialer Form häufiger als bei ursprünglich ossaler.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1135
Durch die Operation und während der Wundheilung kam kein Todesfall vor,
im ganzen dagegen waren bei der Nachuntersuchung 19% der Resezierten ge-
storben, meist an Tuberkulose anderer Organe.
Im ganzen konnten 48 nicht mehr in Behandlung stehende Resezierte nach-
untersucht werden mit einer Beobachtungsdauer von 1—12 Jahren. Bei 42 von
diesen war der Prozeß völlig ausgeheilt, bei 5 bestanden noch unwesentliche
Residuen, 1 Pat. hatte ein schweres Rezidiv. Knochenankylose der Resektionsstelle
war 15mal (3mal in leichter Spitzfußstellung), bindegewebige Vereinigung 19mal und
ein Schlottergelenk 4mal zu verzeichnen. Von letzteren abgesehen, ist die Art der
Vereinigung in bezug auf die Gehfähigkeit ziemlich gleichgültig; diese war bei
unbeschuhtem Fyße 16mal sehr gut, 2imal gut, 3mal mäßig und 8mal schlecht.
Die Leistungsfähigkeit war von der Ausdehnung der Resektion nicht wesentlich
abhängig, wohl aber vom Alter, insofern in höherem Alter auch bei völliger Aus-
heilung die Funktion doch schlecht wird.
Die Indikationsstellung, nach der operiert wurde, ging dahin, die primäre
Amputation nur bei schlechtem Allgemeinzustand und zu großer Ausdehnung des
Prozesses auszuführen. In den ersten 5 Lebensjahren wurde prinzipiell konservativ
behandelt und in der zweiten Hälfte des ersten Dezenniums nur ausnahmsweise
reseziert, wenn einfache Eingriffe ohne Erfolg geblieben waren. Im mittleren und
höheren Alter wurde auf konservative Behandlungsversuche meist vorweg ver-
zichtet. Anderweitige tuberkulöse Erkrankungen gelten nicht ohne weiteres als
Gegenindikation für die Resektion, maßgebend war nur der Allgemeinzustand; auch
wurde eine obere Altersgrenze nicht respektiert. Allein aus den Nachuntersuchungen
ergab sich doch die Lehre, bei alten Leuten nicht mehr zu resezieren.
Reich (Tübingen).
48) E. Kirsch (Magdeburg). Peroneusersatz durch Seidenplastik.
(Münchener med. Wochenschrift 1%08. Nr. 23.)
Die 14jährige Pat. hatte sich 10 Jahre vorher eine Durchschneidung der links-
seitigen Peroneussehnen zugezogen, die nicht vereinigt worden waren. Gegen die
entstandene Varusstellung des Fußes hatte später die Sehnennaht nicht zum Erfolg
geführt. K. beseitigte zuerst die Kontraktur durch Tenotomie des Tibialis posticus
und der Achillessehne und stellte in einer zweiten Operation die Funktion der
Peronei wieder her. Da nirgends mehr eine Spur einer zusammenhängenden Sehne
zu finden war, entschloß K. sich zur Vornahme der Heteroplastik mit Seide nach
Lange's Methode, indem er eine 25 cm lange Fadenschlinge durch die Gewebe
vom Gastrocnemius bis zum Cuboideum hindurchzog und knotete. Vollständige
Heilung mit guter Funktion unter Apparatbehandlung, Gymnastik, Faradisation usw.
Kramer (Glogan).
49) Finsterer. Ein Fall von isolierter Fraktur des Os navicularg
pedis.
(Mitteilungen des Vereins der Ärzte in Steiermark 1908. Nr. 4.)
Dem in hockender Stellung arbeitenden Bergmanne fiel ein schwerer Stein
auf die Außenseite des linken Fußes. Er ging nach Hause, machte Umschläge
blieb aber auf. Nach 8 Wochen Wiederaufnahme der Arbeit, die wegen bald ein-
tretender Schmerzen wieder aufgegeben werden mußte. Nach 5 Monaten klinische
Behandlung. Als charakteristische Symptome fanden sich Vorspringen der Tube-
rositas navicularis, Verkürzung des inneren Fußrandes um 1 cm und eine er-
höhte Schmerzhaftigkeit bei Kompression im Sinne der Längsachse des Fußes.
Außerdem war das Fußgewölbe eingesunken. Eine Plattfußeinlage machte den
Verletzten wieder voll arbeitsfähig. Für die Behandlung in frischen Fällen emp-
fiehlt F. einen Extensionsverband am Vorfuß nach manueller Reposition.
Vorderbrügge (Danzig).
1136 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38.
II. Internationaler Kongreß für Chirurgie
in Brüssel vom 21. bis 25. September 1908.
Tagesordnung:
I. Natur des Krebses. Referent Roswell Park (Buffalo).
2) Pathogenese und Behandlung des Epithelialkrebses. Referent Delbet (Paris).
3) Behandlung des Lippenkrebses. Referent v. Bonsdorff (Helsingfors).
4) Behandlung des Krebses der Mundhöhle (Zunge usw.). Referent Collins
Warren (Boston).
5) Behandlung des Krebses der Nasenhöhle, des Rachens und Kehlkopfes. Re-
ferent Gluck (Berlin).
6) Behandlung des Krebses der Speiseröhre, der Leber, Gallenwege und des Bauch-
fells. Referent Czerny (Heidelberg).
7) Chirurgie der Leber:
a. Steine. Referent Kehr (Halberstadt).
b. Entzündungen:
1. Cirrhose. Referent Koch (Groningen).
2. Cholangitis. Referenten Quenu (Paris), Duval (Paris).
3. Abszeß. Referenten Legrand (Alexandrien), Voronoff (Kairo).
4. Geschwülste. Referent Payr (Greifswald).
8) Behandlung des Magen- und Pankreaskrebses. Referent Oxer ny (Heidelberg).
9) Behandlung des Krebses des Dünndarmes, Dickdarmes, Mastdarmes und Afters.
Referent Voelcker (Heidelberg).
10) Behandlung des Brustkrebses. Referent Halsted (Baltimore).
II. Anästhesie:
a. Allgemeine. Referent Vallas (Lyon).
b. Medullare. Referent Rehn (Frankfurt).
c. Lokale. Referent MacArthur (Chicago).
12) Hernien:
1. bei Erwachsenen:
Leistenhernien. Referent Alessandri (Rom).
Schenkelhernien. Referent Hildebrand (Berlin).
Nabelhernien. Referent Fraenkel (Wien).
2.bei Kindern. Referent Lorthioir (Brüssel).
3. Operatives Verfahren und Endresultate. Referent Kalliontzis (Athen).
4. Atiologie der Hernien. Referent Forgue (Montpellier).
Behandlung des Hautkrebses. Referent Morestin (Paris).
Krebs der Nebennieren. Referent Tavel (Bern).
13) Chirurgie der Wirbelsäule: -
a. Verletzungen. Referent de Quervain (Chaux-de-Fonds).
b. Tumoren. Referenten Berard (Lyon), Krause (Berlin).
14) Behandlung des Krebses der Harnwege und der männlichen Geschlechtsorgane.
Referent Leguen (Paris).
Röntgen- und Radiumbehandlung des Krebses. Referent Sequeira (London).
15) Behandlung des inoperablen Krebses. Referent Morris (London).
Projektionsabend. Referent Krause (Berlin).
16) Behandlung des Krebses der weiblichen Geschlechtsorgane. Ref. Faure (Paris).
17) Endresultate der operativen Behandlung des Krebses. Referent Dollinger
(Budapest).
Delegierter für Deutschland und bereit auf die den Kongreß bexüglichen Fragen
Auskunft zu erteilen ıst Prof. Sonnenburg in Berlin W., Hiükgistr. 3.
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden.
Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau,
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig.
Zentralblatt für Chirurgie
herausgegeben von
K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER, `
in Bonn, in Berlin, in Breslau.
35. Jahrgang.
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG.
Nr. 39. Sonnabend, den 26. September 1908.
Inhalt.
1) Schnitzler, Zur Klinik der Karzinome. — 2) Wells, Starrkrampfepidemie. — 3) Malis,
Kutandiagnose der Tuberkulose. — 4) Walton, Zustände des Nervensystems in akuten chirurgischen
Krankheiten. — 5) Sternberg, Ambulatorische Operationen. — 6) Landouzy, Leukoplasien des
Mundes. — 7) Solleri, Rückenmarksverletzung. — 8) und 9) Iselin, Tetanie nach Parathyreoid-
ektomie. — 10) Whitla, Atiologie der Tuberkulose. — 11) Schwab, Vorbereitung zur Laparotomie.
— 12) Federmann, Peritonitis. — 13) Battle, 14) Runge, 15) Christel, Appendicitis. — 16) Murray,
Hernien. — 17) Gray, Die Bewegungen des Magens. — 18) Roith, Die physiologische Bedeutung
der einzelnen Dickdarmabschnitte. — 19) Erdmann, Nieren- und Harnleitersteine, Appendicitis
vortäuschend. — 20) Liek, Kollateralkreislauf der Niere. — 21) Thomson, Renale Koliinvasion.
22) Blecher, Behandlung mit künstlicher Hyperämie. — 28) Dieulafoy, Simulation chirurgi-
scher Leiden. — 234) Clairmont, Hyperalgetische Zone nach Schußverletzungen. — 25) Herschel,
Kühlapparat für Warzenfortsatzentzündungen. — 26) Rister, Nasen-Rachenpolypen. — 27) Ostwalt,
Kokain-Alkoholeinspritzungen gegen Gesichtsschmerz und Gesichtskrampf. — 28) Spisharny,
Nervenplastik des Facialis. — 29) König, Knochenersatz bei Exartikulationen des Unterkiefers. —
30) Paterson, Spina bifida. — 31) Hinrichs, Thymushypertrophie. — 32) Grünberg, Jodkali gegen
Tuberkulose der oberen Luftwege. — 83) Sievers, Embolie der Lungenarterie. — 84) Goodman
und Wachsmann, Lungenemphysem. — 85) Wisshaupt, Hypertrophie der Brustdrüse. — 36) Thé-
venot und Alamatrine, Fibroadenokystom der Brustdrüse. — 37) Marchetti, Subkutane Darm-
zerquetschung. — 38) Wilcox, Jodoformeinreibungen gegen Bauchfelltuberkulose. — 89) Klauber,
40) Weber, Appendicitis. — 41) Fiaschi, Bauchfellfreie Hernien. — 42) Keimer, Brucheinklem-
mung. — 48) Fischel, Motilität des Magens. — 44) Thelemann, Postoperative Magen-Darmblutungen.
— 45) Voeckler, 46) Beeker, Ileus. — 47) Schmidt, Mesenterium ileocolicum commune. —
48) Oppel, Kotfistel. — 49) Schilling, Mastdarmvorfall. — 50) Goebel, Mastdarmstrikturen. —
51) Exner, Mastdarmsarkom. — 52) Lotsch, 55) Watkins, Milzzerreißung. — 54) Bircher, Milz-
cysten. — 55) Couteaud, Gashaltiger Leberabszeß. — 56) Michaux, Epitheliom der Gallenblase-
— 57) Ashhurst, Perforation der Gallenblase. — 58) Flörcken, Fadenrezidiv nach Gallenstein-
operationen. — 59) Dreifuss, 60) Mauclaire, Zur Pankreaschirurgie. — 61) Vittone, Heißwasser-
apparat.
1) J. Schnitzler. Zur Klinik der Karzinome.
(Med. Klinik 1908. p. 973.)
S. weist auf gewisse häufig vorkommende Abweichungen von dem
angeblich typischen Bilde’ des Karzinoms hin. So ist für dessen Dia-
gnose durchaus nicht das Vorhandensein von Krebskachexie erforder-
lich. Praktisch wichtig sind ferner die entfernten Karzinomsymptome.
Das Auftreten sehr hoher Lymphdrüsen der seitlichen Halsgegend bei
älteren Leuten weist in erster Linie auf Epitheliome im Rachen hin.
Beim Magenkrebs sind Lymphdrüsenknoten über dem Schlüsselbeine
zumeist der linken Seite nicht eben häufig, Achseldrüsenschwellungen
sehr selten, aber immerhin zu beachten, die Metastasierung im Dou-
glas’schen Raume nicht genügend bekannt. Auch in Eingeweide-,
insbesondere Netzbrüchen kommen Krebsmetastasen vor. Cystische Um-
wandlungen der Eiterungen in den Metastasen, entzündliche Vorgänge
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1138 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39.
in der Umgebung des Krebsherdes (Perisigmoiditis beim Karzinom
der Flexur, pseudokarzinomatöse Infiltration des Mastdarmes usw.).
— Bie Annahme, daß jedes Karzinom unaufhaltsam wachse, besteht
nicht mehr zu Recht. Die Krebserkrankung verläuft an ein und dem-
selben Körperteile ganz außerordentlich verschieden. Auch für die
früheste Operation läßt sich ein Dauer- und Allgemeinerfolg nicht
vorhersagen, da die Krankheitskeime bereits generalisiert sein können.
Welche Ursachen sie zur Entwicklung bringen, ist unbekannt. Auf-
regungen jeder Art können das Entstehen eines Krebses und ganz
besonders das Hervortreten bis dahin schlummernder Metastasen be-
günstigen. Die parasitäre Karzinomtheorie ist erledigt.
Georg Schmidt (Berlin).
2) H. G. Wells. Die alljährliche Starrkrampfepidemie in
den Vereinigten Staaten.
(Med. Klinik 1908. p. 879.) |
Am nordamerikanischen Unabhängigkeitsfeste (4. Juli), an welchem
viel Feuerwerk abgebrannt und aus Revolvern und wohlfeilen Pistolen
Millionen von Platzpatronen verschossen werden, kamen im Jahre 1903
unter 4500 Unfällen 415 meist tödliche Starrkrampferkrankungen vor.
Vor den üblen Folgen dieses SchieBunfuges wurde seitdem öffentlich ge-
warnt; die Zahl der Unfälle stieg indessen weiter an; immerhin
nahmen die Starrkrampferkrankungen ab.
750 Platzpatronen jeder Art, wie sie auf dem Markte erhältlich
sind, wurden während verschiedener Jahre von W. und anderen auf
das Vorhandensein von Tetanusbazillen in den Papierpfröpfen mit dem
Züchtungs- und Impfverfahren untersucht, immer ergebnislos. Sehr
oft wurden nicht krankmachende Bazillen gefunden, die in Form und
Wachstum denen des Starrkrampfes glichen. Näheres ist über die
Art dieser Untersuchungen nicht gesagt.
W. führt die Tetanusinfektion auf die Verunreinigung des ver-
wundeten Körperteiles, insbesondere der Hand, mit Straßenkot zurück
und empfiehlt gründliche Desinfektion in Allgemeinbetäubung sowie
Antitoxinprophylaxe. Letztere hat die Zahl der Starrkrampferkran-
kungen nach Platzpatronenschußverletzungen von Jahr zu Jahr ein-
geschränkt und ist auch bei offenen Knochenbrüchen, Nagelverletzungen
u. dgl. angebracht. Heilend wirkt das Serum kaum, höchstens in Form
der subduralen Einspritzung.
Die einschlägige nordamerikanische Literatur ist angeführt. —
Daß in Deutschland das häufige Vorkommen von Tetanusbazillen in
der Fließpappe, die für Militärplatzpatronen (Schjerning) oder für
Schrotpatronen (Ref.) verwandt wird, erwiesen worden ist, wird von
W. nicht erwähnt. Georg Schmidt (Berlin).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 89, 1139
3) J. Malis. Die Kutandiagnose der Tuberkulose bei chirur-
gischen Leiden.
(Deutsche Zeitschrift für Chirargie Bd. XCIL. p. 252.)
M. hat in der Wilms’schen Klinik zu Basel die kutane Tuber-
kulinreaktion nach v. Pirquet bei chirurgischen Kranken einer ein-
gehenden Prüfung unterzogen. Die Technik des Verfahrens besteht
darin, daß 2 Tropfen des 25 %igen Alttuberkulin auf die Haut
ähnlich wie bei der Vaccination verimpft werden, wobei zur Kontrolle
noch eine Skarifikation ohne Tuberkulinapplikation hinzugefügt wird.
Die Operation wird in der Morgenstunde vorgenommen, damit in den
folgenden Stunden die Erscheinungen der Reaktion beobachtet werden
können. Bei zweifellos tuberkulösen Kranken beschreibt M. vier ver-
schiedene Reaktionsformen: 1) eine rasch eintretende und sehr lebhafte
Reaktion. Sie beginnt schon nach 6 Stunden, erreicht ihren Höhe-
punkt nach 48 Stunden, diese Akme hält sich auf gleicher Höhe, um
am 5. oder 6. Tage wieder abzufallen. Man beobachtet erst eine
Quaddel mit rotem Saum, dann eine Papel mit bohnengroßer zen-
traler Abhebung, an deren Basis graugelbe, miliar-vesikulöse Er-
hebungen zerstreut sind. Zum Schluß Abblassung, Eintrocknung, Ab-
schuppung. Diese Form wurde 24mal beobachtet und betraf die
kräftigsten Individuen, die meist an einer lokalen Erkrankung litten.
Von den geimpften Kindern zeigte die Hälfte diese Reaktion. 2) Eine
ebenso rasch eintretende, mittelstarke und länger andauernde Reaktion.
Beginn nach ca. 6 Stunden, Höhepunkt nach 48 Stunden, Akme 2 bis
3 Tage lang, sehr langsamer und allmählicher Abfall. Lokalerschei-
nungen ähnlich, doch schwächer wie bei Form 1. Diese Reaktion
zeigten 22 Tuberkulöse, 31 % aller Tuberkulösen. Es handelte sich
um weniger widerstandsfähige Individuen als bei Gruppe 1. 3) Eine
rasch eintretende, schwach ausgeprägte und schnell ablaufende Reak-
tion. Sie tritt nach 6 Stunden ein, erreicht den Höhepunkt nach
24 Stunden und verschwindet im Laufe der nächsten 1—2 Tage.
Bildung einer blassen Quaddel mit schwachrotem Entzündungshof.
Diese Reaktion entspricht etwa der bei Lungentuberkulösen beschrie-
benen »Schnellreaktion«. Sie wurde bei 11 Pat. notiert, welche sämtlich
schwächlich und heruntergekommen, mangelhaft widerstandsfähig er-
schienen. Mehr als die Hälfte (6) hatten Lungenaffektionen. 4) Eine
sehr langsam eintretende, ebenso langsam ablaufende und schwach
ausgeprägte Reaktion. Blasse Quaddelbildung nach ca. 24 Stunden,
Höhepunkt nach 48 Stunden, der 3—4 Tage anhält, um allmählich
zu verschwinden. Die Reaktion ist bereits als »Spätreaktion« bei
Phthisikern beschrieben. In seinem Material beobachtete sie M.
13mal (18,3% aller untersuchten Tuberkulösen. Ein Tuberkulöser
zeigte gar keine Reaktion. Von Suspekten zeigten 10 (50%) gar
keine Reaktion, die übrigen 10 eine solche in verschiedener In-
tensität. Von 15 klinisch Gesunden zeigten 6 keine Reaktion, die
anderen aber die »Spätreaktione.. Nach diesen Resultaten ergibt
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1140 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39.
sich, daß der klinische Wert der Methode noch nicht gesichert
ist. Art und Entstehungsweise der Spätreaktion bei klinisch Ge-
sunden ist noch nicht völlig aufgeklärt. Es scheint aber, daß die
Stärke der Reaktion mit dem Fortschreiten der Tuberkulose immer
mehr abnimmt, bis sie, wie das bei den schwersten Tuberkulösen der
Fall ist, endlich ganz erlischt. Auch reagieren, wie sich gezeigt hat,
die chirurgisch Tuberkulösen im allgemeinen viel heftiger als die
Lungentuberkulösen. Sie zeigen regelmäßig eine Reaktion, die bei
Phthisikern selten und ungewöhnlich stark ist. Die Prognose erscheint
daher bei ihnen günstiger, was ja auch der Fall ist. Zu bemerken
ist noch, daß an Stellen, wo Heißluft appliziert wird, und an Stellen
unterhalb einer angelegten Bier’schen Stauungsbinde die Reaktion an
Eintrittsschnelligkeit und Intensität verstärkt wird.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven!.
4) A. J. Walton. A consideration of the state of the auto-
nomic nervous system in acute surgical conditions.
(Lancet 1908. Juli 11.)
Verf. beleuchtet hauptsächlich zwei Zustände des Nervensystems
in akuten chirurgischen Krankheiten: die Veränderungen der vaso-
motorischen Zentren mit nachfolgender Gefäßalteration, und die Ver-
änderungen des örtlichen Nervensystems der Baucheingeweide nach
Laparotomien. Die Anästhesie betreffend, ist an Kurven praktisch
dargetan, daß bei Ather der Blutdruck in guter Höhe gehalten wird,
während er bei Chloroform ständig sinkt; die spinale Analgesie hat an
sich nicht die geringste Wirkung auf den Blutdruck. Einen erheb-
lichen Einfluß auf die Entstehung des Choks übt der Blutverlust aus;
der Umstand, daß bei Schädelverletzungen bzw. -operationen sich stets
ein höherer Grad von Chok zeigt, als bei entsprechend großen Eingriffen
an anderen Körperstellen, ist mit den meist hier viel erheblicheren
Blutverlusten zu erklären.
Die Behandlung der Zustände ist eine präventive und eine kura-
tive. Verf. warnt insbesondere — und nach Ref.s Ansicht mit vollstem
Rechte — vor zweierlei: 1) vor dem starken Abführen vor Darm-
operationen und 2) vor dem langen Fasten vor den Operationen. Er
gibt 8 Stunden vor der Operation ein größtmögliches Frühstück, 5 und
3 Stunden vor der Operation je eine Tasse Beaf-Tea.. Während der
Operation ist die Körperwärme auf möglichster Norm zu halten, nicht
zu niedrig, aber vor allem auch nicht so hoch, daß Schweißausbruch
eintritt; gegen plötzliches Sinken des Blutdruckes ist der Crile’sche
Gummianzug zu empfehlen. Bei der Behandlung des Choks mit
Droguen warnt Verf., wie an Tabellen dargetan, vor der Anwendung
von Strychnin, Äther, Alkohol, Digitalis, Strophantus (wie ist es mit
Kampfer? Ref.), die nach anfänglicher Stimulation nur zur Paralyse
der Nervenzentren führen. Anders ist es mit Ergotin und Morphium ;
sie mindern fraglos den Grad des Choks, jedoch vermögen sie nicht
in dem Grade zu nützen wie die Nebennierenpräparate Sie hält
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 1141
Verf. für das Beste zur Kräftigung der autonomischen Nervenzentren.
Er verwendet am liebsten das Adrenalin mit physiologischer Na0l-
Lösung 1:160000, und zwar läßt er diese Lösung in der Menge von
1 Pint (ca. 550—600 g) pro Stunde kontinuierlich in den Mastdarm
einlaufen; graphische Blutdruckkurven illustrieren die enorme Wirk-
samkeit dieser Maßnahme.
Während der Operation und auch nachher sollte der Blutdruck
häufig kontrolliert werden, damit sein Niedergang nicht erst plötzlich
im Momente der Gefahr gemerkt wird. In die größeren Nerven-
stämme ist vor der Durchschneidung eine kleine Menge 2—4 % iger
Kokainlösung zu injizieren.
Bei Störungen im abdominellen Nervensystem empfiehlt Verf.
folgendes Verfahren: In Fällen akuter Paralyse infolge irgendeiner
Toxinwirkung innerhalb des Bauchfells sollte der Darm während der
diesbezüglichen Operation ausgiebig drainiertt werden. Bei allen
anderen Veränderungen ist keine Operation am Platze, und da dann
der Zustand auf einer Erschöpfung des Nervenzentrums beruht, so ist
jeder Versuch der Stimulation nur bedenklich. Unmittelbar nach der
Operation sollte 1/100 g (= ca. 1/, mg) Eserinsalicylat injiziert werden,
was alle 4 Stunden bis sechsmal wiederholt wird. Falls kein Stuhl
eintritt, ist am nächsten Tage ein Terpentinklysma zu verabfolgen.
Da beim Menschen Erschöpfung stets zuerst im Nervensystem auftritt,
so sollte die Behandlung der Symptome sich stets zuerst darauf er-
strecken, die örtlichen Organe zu stimulieren, so daß sie allein zu
funktionieren vermögen bis zu der Zeit, wo die Zentren wieder im-
stande sind, die Kontrolle der Funktion zu übernehmen.
Ebbinghaus (Dortmund).
5) J. Sternberg. Das Gebiet der ambulatorischen Opera-
tionen.
(Med. Klinik 1908. p. 895.)
Verf. erwägt die Zulässigkeit einer ambulatorisch auszuführenden
Operation (nach den Gesichtspunkten der Transportfähigkeit des
Kranken und der Art des Transportes, der Nachbehandlung, Pflege,
Ruhe, Schonung) und die einzelnen Stufen einer ambulatorischen
Operation (vorherige Stuhlregelung, allgemeine Körperreinigung, Rei-
nigung des Operationsfeldes, Betäubungsverfahren, Blutstillung, ruhig-
stellender und schützender Verband, Beseitigung des Nachschmerzes).
Zu letzterem Zwecke wird häufig Orthoform und Anästhesin in die
Wundhöhle und auf die Nahtlinie gestreut, später Morphium gegeben.
Ambulatorisch sind die meisten Operationen an den leicht fort-
zuschaffenden Kindern auszuführen, ferner zahlreiche Ohren-, Nasen-,
Kehlkopf-, Augenoperationen, endlich viele chirurgische Eingriffe an
Leuten, die daheim ein wenig Pflege und Ruhe haben. Zwei Schranken
grenzen das Gebiet ein: Die chirurgische Technik und die sozialen
Verhältnisse. Georg Schmidt (Berlin).
1142 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39.
6) Landouzy. Valeur semiologique des leucoplasies des
joues et de commissures, dites »Plaques des tumeurs«.
(Bull. de l’acad. de med. 1908. Nr. 25.)
Diese weißen, perlmutter- oder zwiebelschalenartig glänzenden
Streifen, die sich, vom Mundwinkel angefangen, in der Höhe und
Richtung des Zahnreihenschlusses von der Wangenschleimhaut nach
rückwärts ziehen und mit dem Rauchen ätiologisch in Zusammenhang
gebracht werden, sind ausnahmslos untrügerische Zeichen für Syphilis.
Sie finden sich auch bei Nichtrauchern. Das Rauchen spielt dabei
nur eine fördernde Rolle. — Mehrere Krankengeschichten und Ab-
bildungen. Neugebauer (Mährisch-Ostrau).
7) Solieri. Transversaler Schnitt des Rückenmarkes, bedingt
durch eine Schnittwaffe, in der Höhe des 3. Rückenwirbels.
(Mitteilungen a. d. Grenzgebieten d. Medizin u. Chirurgie Bd. XIX. Hft. 1.)
Einem 36jährigen Manne war ein Messerstich durch den 3. Brust-
wirbelbogen beigebracht worden mit Erscheinungen der Rückenmarks-
durchtrennung. Es wurde sofort das Rückenmark freigelegt und voll-
kommene, glatte Durchschneidung des Rückenmarkes konstatiert. Die
beiden Enden waren 2,5 cm auseinander gewichen, ließen sich jedoch
mit Catgut zusammennähen. Es erfolgte Heilung per primam, allein
die Leitung im Rückenmarke stellte sich nicht wieder her. 3 Monate
später Tod durch Dekubitus und Infektion der Harnwege.
S. vergleicht die in seinem Falle beobachteten Folgen der Rücken-
marksdurchschneidung mit den Fällen anderer Autoren und zeigt, daß
die sehr verschiedenen Angaben darauf beruhen, daß von den beiden
Enden des durchtrennten Rückenmarkes Degenerationsprozesse aus-
gehen; infolge davon müssen die Erscheinungen verschiedene sein, je
nachdem man bald nach der Verletzung oder erst später den Fall
beschreibt; denn es gesellen sich auch die degenerativen Symptome
hinzu, welche nicht der reinen Markdurchtrennung an sich zukommen.
Ferner werden durch Bahnen des Sympathicus vikariierend Innerva-
tionen geleistet von Organen, die gelähmt sein sollten.
Als direkt abhängig von der Rückenmarksdurchtrennung ist zu
betrachten: 1) die schlaffe motorische und sensible Lähmung; 2) die
dauernde Vernichtung der Sehnenreflexe; 3) der Dekubitus. — Dazu
können sich mit verschiedener Intensität und in verschiedener Grup-
pierung, je nach der Beobachtungsperiode und der Mitwirkung ana-
tomischer oder physio-pathologischer Veränderungen, folgende Sym-
ptome gesellen: 1) Die anfangs erhaltenen Hautreflexe können später
fehlen. 2) Klonische, spontane oder reflektorische Kontraktionen der
Glieder, in der Periode der auf- und absteigenden Entartungsprozesse
im Rückenmarke. 3) Parästhesien in den unteren Gliedmaßen, durch
den Sympathicus geleitet; schmerzhafte Parästhesien im Brustkorb
und in den oberen Gliedmaßen durch Reizung der Zellkerne im zen-
tralen Segment vor Einsetzen der Entartung. 4) Priapismus und ge-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. "1143
steigerte Dermographie in der Initialperiode; später Schwinden dieser
Erscheinungen. 5) Anfangs Mastdarm- und Blasenlähmung mit Re-
tention; dann fast normale Mastdarm- und Blasenfunktion mit Emp-
findung des Entleerungsbedürfnisses durch vikariierende Sympathicus-
funktion und lokale Reflexe. Später Stuhl- und Harninkontinenz
durch Degeneration im distalen Rückenmarkssegment.
Wenn auch in den meisten Fällen, ebenso wie im vorliegenden,
die Naht des durchtrennten Rückenmarkes ohne Erfolg für die Wieder-
herstellung der Nervenbahnen war, so zeigen die Fälle von Stewart
und Fowler, daß bisweilen doch danach die Nervenfasern sich regene-
rieren können, was nach dem Fallenlassen der Neuronentheorie und
der Erkenntnis, daß der distale Teil des Achsenzylinders durch die
wuchernden Zellen des Neurilemms und der Schwann’schen Scheide
wiederhergestellt wird, verständlich ist. Haeckel (Stettin).
8) H. Iselin. Tetanie jugendlicher Ratten nach Parathyreoid-
ektomie. Steigerung der tetanischen Reaktionsfähigkeit jugend-
licherRatten beiNachkommen parathyreoidektomierter Ratten.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIII. p. 397.)
9) Derselbe. Wachstumshemmung infolge von Parathyreoid-
ektomie bei Ratten. Ein Beitrag zur Kenntnis der Epithel-
körperchenfunktion bei jungen Ratten. (Vorläufige Mitteilung.)
(Ibid. p. 494.)
Die Tierversuche, über deren Ergebnis hier berichtet wird, stam-
men aus der Baseler chirurg. Klinik (Prof. Wilms).
Die erste Arbeit behandelt die Folgen der Exstirpation der Epi-
thelkörperchen (Glandulae parathyreoideae) bei jungen Tieren, worüber
bisher noch wenig gearbeitet ist; die Nebenschilddrüschen wurden mit
Schere und Pinzette unter bester Schonung der Schilddrüse exstirpiert,
wobei 5—12 Wochen alte gefleckte Ratten zur Untersuchung dienten.
Die sieben gesunden Versuchstiere bekamen nach der doppelseitigen
Exzision der Epithelkörperchen sämtlich eine akute, innerhalb 2 Tagen
tödlich verlaufende Tetanie — mithin sind die jugendlichen Ratten
viel empfindlicher gegen die Schädigungen dieses Drüsenapparates als
die erwachsenen. Noch viel empfindlicher zeigten sich junge Ratten, ,
die von parathyreoidektomierten Eltern stammten. Diese Tiere über-
lebten die Operation durchschnittlich nur 4 Stunden und gingen unter
epilepsieartiger, foudroyanter Tetanie zugrunde. Für die Menschen
haben die Parathyreoidektomieversuche bei jungen Tieren Interesse
im Hinblick auf die bekanntlich bösartige Kindertetanie, und auch die
veränderte Reaktion junger, von parathyreoidektomierten Eltern ab-
stammender Tiere auf die Operation hat klinische Bedeutung für die
Nachkommenschaft kachektisch gewordener strumektomierter Frauen.
Die zweite Arbeit betrifft die Körperentwicklung junger Ratten,
die die Parathyreoidektomie überlebten. Von weißen Ratten überlebte
1144 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39.
fast die Hälfte diesen Eingriff, viel empfindlicher (vgl. den Bericht
über die erste Arbeit) ist die gefleckte Ratte. Wird eine solche aber
nur einseitig der Operation unterzogen und ihr gleichzeitig eine Ein-
pflanzung fremder Epithelkörperchen in die Milz gemacht, so kann
sie sich von der eingetretenen Tetanie erholen, wird aber hin und
wieder rückfällig und gerät in eine chronische Form der Tetanie, die
sich durch Apathie, Zittern beim Aufheben an der Nackenhaut und
fast fortdauernde Masseterkrämpfe äußert. Durch letztere entstehen
Ernährungsstörungen und Abbrüche der Zähne, gefolgt von Alveolar-
periostitis und Zahnfistelbildungen. Außerdem bekommen diese Tiere
ein struppiges Fell und leiden an ihrer ganzen Körperentwicklung Not,
indem sie ungenügend an Gewicht zunehmen und im Wachstum zurück-
bleiben. J. hatte Gelegenheit, sieben solcher Tiere zu beobachten
(Sektion steht noch aus), worüber Näheres mitgeteilt wird. Eine Ge-
wichtstabelle, betreffend die Entwicklung dieser Tiere, denen ent-
sprechend jedesmal ein nicht operiertes Kontrolltier beobachtet ist,
dazu Photogramme operierter und nicht operierter Tiere, endlich ein
Röntgenbilderpaar — wieder von Versuchs- und Kontrolltier — zeigen
deutlich die durch die Epithelkörperchenexstirpation verursachte Ent-
wicklungsstörung, welche für den Menschen in Sachen des kongeni-
talen Myxödems und der Thyreoaplasie Bedeutung hat.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
10) W. Whitla. The etiology of pulmonary tuberculosis.
(Lancet 1908. Juli 18.)
Die übersichtlich zusammengestellten Ergebnisse der neuen Tuber-
kuloseforschung unter Heranziehung der Arbeiten aller auf diesem so
überaus wichtigen Gebiete tätigen Autoren. Verf.s Resultate gipfeln
in den Sätzen: Die alimentäre Infektionsart der Lungentuberkulose
spielt eine überaus wichtigere Rolle wie Entstehungsmodus der Krank-
heit durch Inhalation. Eine prinzipielle Verschiedenheit der Menschen-
und Rindertuberkulosebazillen besteht nicht.
Die interessante und eingehende Arbeit kann nur zur Lektüre
empfohlen werden, wennschon sie prinzipiell Neues nicht bringt.
H. Ebbinghaus (Dortmund).
11) M. Schwab. Die Vorbereitung der Kranken zur Laparo-
tomie.
(Med. Klinik 1908. p. 863.)
Die operative Prophylaxe verfügt über keine spezifischen Mittel.
Daher muß allgemein dem Kräfteverfall, der aufgeregten Herztätigkeit,
ungenügenden Nahrungsaufnahme, fehlenden Nervenentspannung ent-
gegen gearbeitet werden durch reichliche und kräftige Ernährung,
Einschränkung des bisher vor der Operation üblichen reichlichen Ab-
führens, Schlaf- und Beruhigungsmittel (Veronal, Digitalis, Morphium-
Skopolamin usw.) Von den wirksamen Desinfektionsweisen ist die
kürzeste die beste (Benzin-Joddesinfektion). Schonende Einleitung und
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39, 1145
zweckmäßige Durchführung der Inhalationsnarkose. Vernünftige Mund-
pflege. Georg Schmidt (Berlin).
12) Federmann. Über die Beurteilung und Behandlung der
akuten Peritonitis.
(Berliner klin. Wochenschrift 1908. Nr. 28.)
Die Aussichten der Operation sind um so günstiger, je früher der
Eingriff erfolgt. Nur wenn wir in jedem Stadium des Verlaufes das
anatomische Bild in seiner bisherigen und weiteren möglichen Ent-
wicklung vor Augen haben, erlangen wir einen Standpunkt für unser
therapeutisches Handeln. — Die Schwere der Entzündung hängt von
der Intensität der Infektion und von der Reaktionskraft des Orga-
nismus ab. Man sollte nur zwischen begrenzter und fortschreitender
Peritonitis unterscheiden; die Unterschiede beider Formen sind nur
gradueller Natur. In den ersten 24—48 Stunden ist in der größten
Mehrzahl aller Peritonitiden das Exsudat ein freies (diffuses) und be-
findet sich lose zwischen den Därmen; erst sekundär kommt es durch
Ablagerung von Fibrin zu Verklebungen (intraperitonealer Abszeß).
Aus dieser Genese erklärt sich ungezwungen die mannigfaltige Lokali-
sation der Abszesse. Zwischen dem Abszeß und der völlig unbe-
grenzten, freien Peritonitis gibt es zahllose Übergänge. Zwei Gruppen
von fortschreitender Peritonitis lassen sich trennen; die exsudative
und die trockene; die letztere stellt die allerschwerste Form dar, die
peritoneale Sepsis. In ihr Gebiet gehört die größte Zahl der post-
operativen Peritonitiden. Die Symptomatologie, die eingehend ge-
schildert ist, kann als bekannt übergangen werden. Die rationelle
Therapie der akuten Peritonitis kann nur die operative sein; sie bietet
aber nur im Frühstadium günstige Aussichten. Eine Peritonitis be-
findet sich solange im Frühstadium, als die Widerstandskraft des
Organismus einen bestimmten Grenzwert noch nicht überschritten hat.
Die Dauer des Frühstadiums schwankt je nach der Dignität der
Infektion. Als Höchstgrenze für die Ausführung einer Frühoperation
nimmt F. 36 Stunden nach Beginn der ersten erheblichen Krankheits-
erscheinungen an; bei Magen-Darmperforationen muß innerhalb der
ersten 12 Stunden operiert werden, wenn Erfolg erwartet werden soll.
Der operative Eingriff hat zwei Hauptaufgaben: 1) den Ausgangs-
punkt der Infektion zu beseitigen; 2) vorhandenes entzündliches Exsudat
zu entleeren und durch die dauernde Ableitung nach außen die weitere
Resorption von Giftstoffen ins Blut zu verhindern. Kleine Schnitte,
die bis auf ein kleines Drainloch geschlossen werden, sind ausreichend.
Bei der diffusen gonorrhoischen Peritonitis, die einer spontanen
Ausheilung fähig ist, ist die Frühoperation unnötig. Ihre Erkennung
ist oft nicht leicht, da sie stürmisch einsetzt und schwere Erschei-
nungen macht.
Eine besondere Stellung nimmt die Appendicitis ein. Bei der
Appendicitis simplex hält F. eine Frühoperation für überflüssig, bei
der Appendicitis destructiva (gangr. perfor.) mit eitriger Peritonitis
39**
1146 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39.
soll stets in den ersten 36 Stunden operiert werden. Fälle, welche
später in chirurgische Behandlung kommen, müssen individuell behan-
delt werden; ein prinzipieller Standpunkt läßt sich für die im Inter-
mediärstadium befindlichen Fälle nicht formulieren. Verf. macht sein
Handeln von der Blutuntersuchung abhängig: bei 20000 Leukocyten
und darüber operiert er, bei 15000 oder darunter wartet er ab.
Das beste Mittel, um den Organismus widerstandsfähig zu machen,
wenn abgewartet werden muß, sind permanente Kochsalzinfusionen in
den Mastdarm, mehrere Liter am Tage. Opium ist zu verwerfen.
Ist ein Abszeß deutlich nachweisbar, so soll er geöffnet werden;
der Wurmfortsatz ist dann in der Regel nicht entfernbar.
Langemak (Erfurt).
13) w. H. Battle. The necessity for the removal of the
appendix after perityphlitic abscess.
(Lancet 1908. Juli 11.)
Verf. vertritt folgenden Standpunkt: Die Behandlung des perity-
phlitischen Abszesses wird am sichersten in zwei Stadien vorgenommen:
1) die Entleerung des Eiters und die Drainage des Abszesses; 2) die
Entfernung des Wurmfortsatzes. Die Ansicht derer, die glauben, daß
der Wurmfortsatz durch seine Eiterungen obliteriere, erweist sich für
einen bedeutenden Prozentsatz der Fälle als irrig. Die Schnittführung
Verf.s durch die Rectusscheide mit stumpfer Retraktion des Rectus
medialwärts erwies sich zwecks Vermeidung späterer Hernien als die
beste. H. Ebbinghaus (Dortmund).
14) Runge. Appendicitis während der Schwangerschaft,
Geburt und Wochenbett.
(Berliner klin. Wochenschrift. 1908. Nr. 27.)
Die Appendicitis während der Schwangerschaft ist eine seltene
Erkrankung. Der Einfluß der Schwangerschaft auf den Verlauf einer
Appendicitis ist kein ungünstiger; da jedoch der Wurmfortsatz mit
dem Blinddarm durch die Schwangerschaft in die freie Bauchhöhle
verlagert wird, kann die Entzündung verhängnisvoller als sonst werden.
Es ist nicht erwiesen, daß die Schwangerschaft zur Rezidivierung einer
Appendicitis prädisponiere. Viel ungünstiger ist der Einfluß der Appen-
dicitis auf die Schwangerschaft: in 54,5% wurde dieselbe frühzeitig
unterbrochen, und zwar zumeist wenige Tage nach dem ersten Anfall.
Die Mütter sind noch mehr gefährdet als die Früchte; von den ope-
rierten Fällen starben 45%, von den nichtoperierten 24%. — Obwohl
die Adnexentzündungen meist doppelseitig sind, kommen Verwechs-
lungen von rechtsseitiger Adnexerkrankung und Appendicitis nicht
selten vor. In verdächtigen Fällen ist stets eine gleichzeitige Messung
der Temperatur in der Achselhöhle und dem Mastdarm vorzunehmen;
zeigen sich hierbei erhebliche Unterschiede, von 1,0—2,6°, so spricht
dies also für Appendicitis. — Die Komplikation von Schwangerschaft
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 1147
und Appendicitis ist immer eine sehr ernste. Je früher eingegriffen
wird, um so besser die Prognose. Die Schwangerschaft wegen einer
Appendicitis zu unterbrechen, wäre unbedingt falsch. Der Eintritt
der Geburtstätigkeit des Uterus verschlechtert die Prognose der Appen-
dicitis um ein bedeutendes. Selbst wenn schon Symptome einer
allgemeinen Peritonitis vorhanden sind, muß noch operiert werden.
Daneben gebe man bis zur Operation Morphium in kleinen Dosen,
um das Eintreten eines Aborts oder einer Frühgeburt zu verhindern.
Tritt die Unterbrechung der Schwangerschaft doch ein, so gestaltet
sich die Prognose um so günstiger, ein je längerer Zeitraum zwischen
Operation und Geburt bzw. Abort verstreicht.
Besteht eine Appendicitis beim Eintritt einer Geburt, so ist
sofortige Operation angezeigt. Die Prognose ist auch hier ernst. Die
Indikationen zur Vornahme der Appendektomie im Wochenbett sind
die gleichen wie außerhalb desselben. Langemak (Erfurt).
15) Christel. Zur Diagnose der Appendicitis im Bruchsack.
(Straßburger med. Zeitung 1908. Hft. 5.)
©. berechnet, daß in 8-9% der Schenkelbrüche der Wurmfortsatz
als Inhalt vorkommt. Häufig gibt er zu Störungen des Befindens
Veranlassung, da er sich leicht entzündet, wenn er den alleinigen
Bruchinhalt bildet. An den Druckstellen der Bruchpforte kann sich
ausgesprochene Atrophie aller Schichten des Wurmes ausbilden. Meist
kommt es dann infolge Entzündung zu sekundärer Einklemmung.
Für die primäre Einklemmung kann nicht der Umstand geltend
gemacht werden, daß die Entzündung an der Schnürfurche scharf ab-
setzt. Denn es ist sehr gut denkbar, daß die Entzündung nur an
dem im Bruchsack gelegenen und somit vielen Schädigungen aus-
gesetzten Teile sich abspielt. Solch entzündeter Wurmfortsatz kann
natürlich nach einer Reposition des Bruches auch intraabdominell aus-
heilen.
Für eine primäre Einklemmung dürfte nur sprechen: klares oder
wenig getrübtes Bruchwasser, nicht verwachsener Wurm, feste Ein-
schnürung, Stauungsfärbung des Organes ohne nekrobiotische Ver-
änderung, Schlingenbruch des Wurmes ohne Verwachsungen, Mangel
chronischer Entzündung und Veränderungen in der Schnürfurche in-
folge Druckes.
Zur Differentialdiagnose ist der Anamnese eine große Bedeu-
tung zuzusprechen. Wiederholte Schmerz- oder Schwellungsanfälle,
Schmerzen in gewissen Stellungen, oder gar entzündliche, phlegmonöse
Prozesse mit Eiterentleerungen werden für eine Appendicitis im Bruch-
sack zu verwerten sein.
C. hat in einem Falle die Wahrscheinlichkeitsdiagnose auf Appendicitis im
Bruchsack richtig gestellt. Bei einer 47jährigen Frau, die seit 4 Tagen Stuhl- und
Windsperre hatte, und bei der sich schon früher Eiter aus dem Bruch entleert
hatte, fand sich im verdickten Bruchsack ein etwa 3 om langes Stück des Wurmes,
+
1148 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39.
an der Spitze perforiert. Außerdem kam noch ein dunkel-blaurotes, gut finger-
kuppengroßes Darmstück zum Vorschein. Nach Abtragung des Wurmes und Re-
position der Schlinge trat Heilung ein.
Der abgeschnürte Darm und der eingeklemmte Processus zeigten deutliche
Unterschiede. Bei ersterem sah man nur akute Schädigungen. Bei letzterem konnte
man erkennen, daß es sich um eine chronische Entzündung gehandelt hatte.
E. Moser (Zittau).
16) R. W. Murray. Hernia its cause and treatment. 99 S.
London, J. & A. Churchill, 1908.
Nach M. sind die Hernien alle kongenital angelegt. Der kon-
genital angelegte Bruchsack ist für Atiologie und Operation der Brüche
das Wichtigste. Bei Kindern wird in 11% aller Fälle die Tunica
vaginalis offen gefunden. Der Typus des vollkommen von der Tunica
vaginalis getrennten Sackes ist also auch angeboren.
M. hat an Leichen Unteruchungen anstellen lassen, ob sich bei
Leuten, die keine Hernie haben, noch nicht obliterierte Teile des
Proc. vagin. testis finden. In der Tat fand Raw unter 200 Leichen
in 47 Fällen einen derartigen Bruchsack; an diesen 47 Leichen waren
68 Divertikel. In einem Falle war ein Leisten- und Schenkeldivertikel
auf beiden Seiten. Meistens war der nicht obliterierte Teil des Proc.
vagin. ungefähr 1 Zoll lang; die Offnung nach dem inneren Leisten-
ring war meist äußerst klein.
Der Befund eines Bruchsackes in der Leistengegend beweist also
noch nicht, daß der Träger desselben wirklich einen Bruch hat.
Ob nun eine Hernie zustande kommt, hängt einmal von der Weite
des inneren Leistenringes und von der Beschaffenheit der Muskulatur
ab, die mit dem Poupart’schen Band zusammen einen sphinkterartigen
Verschluß des Kanales bildet. Bei enger Öffnung und guter Musku-
latur ist die Wahrscheinlichkeit einer Bruchbildung gering, und um-
gekehrt. Daß in der Pubertät so viele Leistenbrüche entstehen, kommt
daher, daß in dieser Zeit die Muskulatur oft überanstrengt wird und
nachgibt.
Die Nagetiere leiden bei offenem und weitem Leistenkanal nicht
an Hernien, weil die Muskeln den Kanal gut schließen. Bei Pferden
nehmen die Tierärzte ohne weiteres an, daß Hernien sich nur in einem
schon vorhandenen Bruchsack ausbilden. Die operative Abbindung
und Entfernung des Bruchsackes gibt bei Hengsten gute Erfolge.
Direkte Hernien sollen in 55% doppelt vorkommen. Auch hier
spielen präformierte Lücken und Ausstülpungen des Bauchfelles eine
Rolle. Nabelbrüche müssen auch von der Geburt an als Peritoneal-
ausstülpungen angelegt sein, selbst wenn sie erst später, nach Ent-
bindungen u. dgl., zur Beobachtung kommen.
Von den oben erwähnten 68 Peritonealausstülpungen an 200 Lei-
chen waren nicht weniger als 58 den Schenkelbrüchen entsprechend,
14 davon bilateral. Die spätere Entwicklung der Schenkelbrüche aus
den präformierten Divertikeln wird durch die seitliche Entwicklung
des Beckens und durch Schwangerschaft begünstigt.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 1149
Bei Flaschenkindern wählt M. zur Operation möglichst den 3. Monat.
Handelt es sich um Brustkinder, so wartet er bis zum Alter von
8 Monaten. Bis dahin wird ein Bruchband getragen. Im Einzelfalle
kann natürlich davon abgewichen werden.
Bei der Operation kindlicher Leistenhernien unterbindet und exstir-
piert M. nur den Bruchsack möglichst hoch und näht dann die Apo-
neurose. Die Beziehungen des Bruchsackes kindlicher Brüche zur
Tun. vagin. werden eingehend besprochen. Bei Unvollständigkeit des
Descensus und der Entwicklung des Hodens hat M. diesen oft abge-
tragen, bisweilen auch in den Bauch versenkt.
Wenn nur für gründliche Entfernung des Bruchsackes Sorge ge-
tragen wird, dann hat man mit allen Operationsverfahren gleich guten
Erfolg. M. selbst legt in Trendelenburg’scher Hochlagerung den
Bruchsackhals frei, der meistens verdickt ist, befestigt und unterbindet ihn.
Dann wird die durchschnittene Aponeurose unter Ubereinandernähen
der Wundränder wieder vereinigt, derartig, daß sie gerade über dem
unterbundenen Bruchsack doppelt liegen. Die Stelle des äußeren
Leistenringes wird besonders mit einer Naht gesichert.. Bei Isolierung
des Bruchsackes soll der Genitocruralnervr nicht beschädigt werden,
da sonst der Cremaster gelähmt wird und der Hoden herabhängt.
Nach 2 Wochen läßt M. die Operierten aufstehen und nimmt
— wohl im Widerspruch mit vielen anderen Chirurgen — an, daß
eine Bassinioperation die Kranken viel länger ans Bett fesselt.
Rückfälle will er bei Leuten unter 40 Jahren nicht, bei solchen
über 40 an 2 von 31 Operierten gesehen haben.
Bei großen Brüchen älterer Personen hat M. den Versuch ge-
macht, den Bruchinhalt mittels eines eingenähten Polsters zurück-
zuhalten, hat aber keine ermutigenden Erfolge zu verzeichnen.
Bei Schenkelbrüchen wird außer der möglichst hohen Abbindung
des Bruchsackes das umgebende Fett sorgfältig entfernt. Bei Nabel-
brüchen wird die Aponeurose zusammen mit dem Bauchfell mit einigen
Matratzennähten von oben nach unten übereinander genäht, nachdem
das Bauchfell grundsätzlich eröffnet ist.
Eine Nachfrage bei Arzten verschiedener Länder der Welt hat
ergeben, daß Hernien bei allen Völkern weit verbreitet sind. In
einigen Gegenden kommen Schenkelbrüche seltener vor.
Zum Schluß sind M.’s operative Resultate der letzten 3 Jahre
kurz zusammengestellt.
Das kleine Buch ist sehr lesenswert, selbst wenn man in manchem
anderer Ansicht ist.als der Verf. Eine Reihe guter Bilder erläutern
den Text. E. Moser (Zittau).
ni mn
1150 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39.
17) H. M. W. Gray. Motor functions of the stomach (a) in
normal cases, (b) after gastroenterostomy, as demonstrated
by X-rays.
(Lancet 1908. Juli 25.)
Die X-Strahlenbeobachtung des Magens nach Wismutmahlzeiten ist
nach Verf. als die wahrscheinlich beste Methode für das Studium seiner
Motilität zu betrachten. Der Röntgenschirm gibt die brauchbarsten
Beobachtungsresultate, und auch eine Zeichnung mit dem Orthoradio-
graphen ist dem Röntgenogramm vorzuziehen. Die Momentphoto-
graphie wird nach ihrer röntgenographischen Vervollkommnung wahr-
scheinlich die besten Resultate zu geben imstande sein. 14 sehr
interessante Röntgenogramme und Zeichnungen illustrieren die Beob-
achtungen Verf.s, der zu folgenden Schlüssen kommt: 1) der Magen
ist in seiner natürlichen Form nicht von der allgemein angenommenen
Gestalt; 2) der Magen ist ein aus zwei Abteilungen, und zwar aus
einem kardialen und einem pylorischen Teil bestehendes Organ; die
Grenze zwischen beiden wird durch einen physiologischen Spinkter ge-
bildet; 3) die beiden Magenteile arbeiten zum großen Teil unabhängig
voneinander; 4) während der Verdauung behält die kardiale Portion
in großer Ausdehnung ihre Sackform, wobei nur ihr distaler Teil
sichtbare Peristaltik aufweist; im Gegensatz dazu ist die pylorische
Portion von tubulärer Form und zeigt während der Zeit starke peri-
staltische Wogen in ihrer gesamten Ausdehnung; 5) um die physio-
logischen Verhältnisse möglichst aufrecht zu erhalten, bzw. wieder
herzustellen, sollte die künstliche Gastroenteroanastomose im pylorischen
Rohr angelegt werden. Das, was Murphy u. a. als zweckmäßig
auf Grund ihrer Erfahrung empfehlen, vermag Verf. durch exakte,
direkte Beobachtung zu bekräftigen und als rationell zu beweisen;
6) Verf. bezweifelt sehr, daß bei nicht vorhandener aktueller Striktur
des Pylorus der Mageninhalt eher durch den Pylorus zu gehen neigt,
als durch eine laterale Anastomose der Pars pylorica. Diese Annahme
ist zwar weit verbreitet, erhält jedoch durch Verf.s Beobachtungen
keine Stütze.
Verf. verwandte zu seinen Versuchen das reine Bismuth. carbon.
Irgendwelche nachteiligen Folgen des Salzes, das natürlich in großen
Quantitäten genommen werden muß, sind nicht beobachtet. Verun-
reinigungen des Salzes haben indessen anderwärts zu Vergiftungs-
erscheinungen geführt. H. Ebbinghaus (Dortmund).
18) Roith. Die physiologische Bedeutung der einzelnen Dick-
darmabschnitte, zugleich ein Beitrag zur Lehre von der Anti-
peristaltik. |
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XIX. Hft. 1.)
Experimente und röntgenologische Untersuchungen an Tieren haben
bewiesen, daß die verschiedenen Abschnitte des Dickdarmes sich in
bezug auf ihre Funktion sehr verschieden verhalten; im Coecum, Colon
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 1151
ascendens und proximalen Teil des Colon transversum, finden antiperi-
staltische Bewegungen statt, um den Darminhalt lange Zeit festzuhalten
bis zu genügender Einwirkung. Der distale Teil des Colon transversum
und Colon descendens dienen zum raschen Weitertransport des einge-
dickten Kotes, und sind frei von antiperistaltischen Bewegungen,
während solche wieder im Colon sigmoideum vorzukommen scheinen.
R. machte es sich nun zur Aufgabe, diese Tatsachen am Menschen
nachzuprüfen, teils durch Untersuchung der Füllungszustände in
Leichen, teils am Lebenden, bei denen Darmausschaltungen im Bereich
des Dickdarmes ausgeführt worden waren. Er kann die Ergebnisse
der Tierexperimente nur bestätigen. Für die Praxis ergibt sich daraus
der Hinweis, daß man für die Ausschaltung des Blinddarmes haupt-
sächlich die Anastomose zwischen Deum und Mitte des Colon trans-
versum wählen soll. Die Anlegung einer Kolostomie soll, wenn es sich
hauptsächlich um Stauung im aufsteigenden Dickdarmschenkel und
Querkolon handelt, in der Gegend des Blinddarmes erfolgen. Der
dauernde Kunstafter soll in der Nähe der linken Flexur oder am ab-
steigenden Dickdarm angelegt werden. Haeckel (Stettin).
19) J. F. Erdmann. Renal and ureteral calculi complicating
or simulating appendicitis.
(New York med. record 1908. März 14.)
E. bespricht die diagnostischen Schwierigkeiten, die sich bei der
Unterscheidung zwischen gewissen Fällen von Appendicitis, die ohne
typischen akuten Anfall zur Beobachtung kommen, und Steinen in den
oberen Harnwegen ergeben können. Wenn der Stein im Beckenteil
des Harnleiters liegt oder im Hilus, kann sogar ein reflektorischer
Schmerz auf Druck an dem McBurney’schen Punkte ausgelöst wer-
den. Dagegen folgt dem plötzlichen Entfernen der tastenden Hand
(Blumenberg’s Symptom) nicht der Schmerz wie bei Appendicitis
nach dem Nabel hin, sondern nach dem Leistenkanal zu, der Richtung
des Harnleiters entsprechend. Auch bei Husten und tiefer Inspiration
sollen Steinleiden gewöhnlich nicht schmerzen. Häufig gibt eine exakte
Urinanalyse Aufschluß. In der Anamnese muß besonders jede Magen-
Darmstörung als für den Wurmfortsatz sprechend angesehen werden.
Empfindungen im Gebiet des Genitocruralis, in den Genitalien, der
Harnröhre, der inneren Oberfläche der Hüfte und des Oberschenkels,
besonders aber gelegentlicher Harndrang sprechen für Stein, Tem-
peraturerhöhung für Appendicitis. Bei der Oystoskopie ist bei Stein-
leiden meist eine Schwellung der betreffenden Harnleitermündung
bemerkbar. Röntgenographie und Gebrauch eines Harnleiterkatheters
mit wachsüberzogener Spitze, an der man einen Steineindruck erkennen
kann, müssen zur Hilfe herangezogen werden.
Bei Steinen im Beckenteil des Harnleiters zieht Verf. einen trans-
peritonealen Eingriff zur Lokalisierung vor, entfernt aber den Stein
durch einen anschließenden kleinen extraperitonealen Schnitt vom
1152 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39.
äußeren Rande der ersten Inzision ausgehend. Bei hohem Sitz folgt
E. in der Schnittrichtung den Angaben von Israel, untersucht aber
auch hierbei, ‚vorausgesetzt, daß die Harnorgane nicht infiziert sind,
durch eine Öffnung im Bauchfell jedesmal den Wurm.
Drei instruktive Fälle von Komplikationen der Appendicitis mit
Steinleiden vervollständigen die Abhandlung.
Loewenhardt (Breslau).
20) E. Liek. Experimentelles über Kollateralkreislauf der
Niere.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCILL. p. 101.)
Für die Frage nach der Möglichkeit der Wirksamkeit der Ede-
bohls’schen Nierenenthülsung bei Morbus Brightii, desgleichen der der
Talma’schen Operation nachgeahmten Netzeinhüllung der enthülsten
Niere (»Epiplonephroplastik«) sind die Verhältnisse des Kollateral-
kreislaufes der Niere von fundamentaler Wichtigkeit; denn nur in
dem Falle, daß, wie Edebohls und seine Anhänger annehmen, von
den Nierenkapselgefäßen aus eine Ernährung des Nierengewebes statt-
finden kann, kann von der Möglichkeit einer Wirksamkeit der Opera-
tionen die Rede sein. Zahlreiche sorgfältige, von L. an Kaninchen
und Katzen zum Studium der Nierenblutzirkulation ausgeführte Ver-
suche setzen L. instand, zu diesen Fragen ein wohlbegründetes Ur-
teil abzugeben, das aber, kurz gesagt, zuungunsten der fraglichen
Operationen und deren hypothetischer Grundlage ausgefallen ist.
L. berichtet zunächst über Vorversuche, die ein Bild von der
Art und Ausdehnung der normalerweise vorhandenen Nierenkollateralen
geben. Entweder wurden lebenden Tieren beide Gefäße einer Niere
doppelt unterbunden und durchschnitten — dann ergab nach ver-
schieden langer Zeit die anatomische Untersuchung, wieviel von solchen
Nieren nekrotisch geworden war —, der nicht nekrotisch gewordene
Anteil verdankt seine Erhaltung den Kollateralen. Oder man inji-
ziert am eben getöteten Tiere — wieder nach Unterbindung der
Nierengefäße — Farbstofflösungen in die Aorta; dann sind die in
der Niere zu findenden injizierten Gefäßbezirke durch die Kollateral-
gefäße gefüllt. L.’s Resultate gehen dahin, daß außer den großen
Nierengefäßen im Nierenhilus eine Reihe kleinerer Gefäße eindringen,
die teils sich von Gefäßen des Harnleiters abzweigen, teils aber Ast-
chen der Nierenarterie selbst sind, die diese vor ihrer Verzweigung
am Hilus abgibt. Allerdings treten auch von außen, d.h. von der
Fettkapsel aus, Astchen nach der Niere; aber stets sind die Hilus-
kollateralen viel stärker als die Kapselkollateralen, und ob die Kapsel-
kollateralen der Regel nach mit den Hiluskollateralen anastomosieren,
ist sehr zweifelhaft. Jedenfalls erhält aber die Capsula propria vom
Hilus aus mehr und größere Gefäße als von der Fettkapsel aus.
Tierversuche verschiedener Autoren zur Prüfung, ob mittels ein-
facher Nierenenthülsung ein ausgiebiger Kollateralkreislauf zu er-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 1153
reichen ist, haben mit wenigen Ausnahmen ein negatives Resultat er-
geben. Auch L. hatte bei acht Tieren ein gleiches Resultat, er geht
aber auf diese Versuche nicht näher ein. Dagegen berichtet er ein-
gehend über den Verlauf der Versuche mit der »Epiplonephroplastik«.
Die Versuchstechnik besteht darin, daß die lumbal freigelegte Niere
zunächst enthülst wird. Dann wird das Bauchfell eröffnet, das Netz
um die nackte Niere herumgelegt und das Ganze in die freie Bauch-
höhle versenkt. Von den Nierengefäßen wurden bald beide, bald nur
die Vene unterbunden — teils gleichzeitig mit der Netzplastik, teils
verschieden lange Zeit später. Einem Teil der Tiere wurde dann
späterhin noch die unverletzte Niere exstirpiert. Die Versuche er-
gaben, daß die Netzeinhüllung der enthülsten Niere allerdings die
Folgen der Gefäßunterbindung für das Organ etwas weniger schwer
gestaltet, es werden bei dem Verfahren kleinere Teile des Organes
nekrotisch; L. hat aber nicht gefunden, daß dies auf Bildung neuer
Gefäßbahnen bzw. Verbindungen zwischen Netz- und Nierengefäßen
beruht, niemals hat er auch nur einen Glomerulus von den Kapsel-
kollateralen aus injiziert gefunden. Seinen Befunden widersprechende
Ansichten anderer Experimentatoren unterzieht L. genauer Kritik und
führt aus, daß es andere Gründe sind, worauf es beruht, daß tatsäch-
lich die Epiplonephroplastik günstig wirkt. Er findet sie darin, daß
das umhüllende Netz die Niere oder wenigstens Teile derselben länger
lebensfähig erhält, auch ohne direkte Zuführung von Blut, etwa durch
Osmose. Während der Zeit, wo die Niere auf diesem Wege vor dem
schnellen Absterben geschützt wird, könnten sich die unversehrten Hilus-
kollateralen genügend erweitern, um wenigstens einige Teile des Or-
gans zu erhalten. Daß sich neue Gefäßversorgungen der Niere vom
Netze bzw. der von diesem gebildeten neuen Kapsel herstellen, be-
streitet L. entschieden. Wenn auch die Ergebnisse der Tierexperi-
mente nicht ohne weiteres auf den Menschen übertragbar sind, be-
zweifelt Verf. doch die Nützlichkeit der gegen die chronische Ne-
phritis bei diesem empfohlenen Operationen.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
21) W. H. Thomson. Acute invasion of the kidneys by the
bacillus coli.
(New York med. record 1908. März 21.
T. macht darauf aufmerksam, daß nicht nur einige Fälle von
‚chronischer Nierenerkrankung ihren Ursprung wiederholten leichten In-
fektionen vom Nahrungskanal aus verdanken, sondern daß auch ein
‚ganz besonderer Typus einer akuten fieberhaften Nierenerkrankung
von einer Invasion mit Bacillus coli herrühre. Der Beginn setzt
plötzlich mit Schüttelfrösten, eventuell mit Delirium und schweren
zerebralen Symptomen unter hohem Fieber ein; sehr schlechtes All-
gemeinbefinden ist gewöhnlich zu beobachten, Koma kann folgen. Vor
allem sei daher eine Gastroenteritis bei bestehender chronischer
1154 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39.
Nephritis zu fürchten, weil hier die genannte Infektion ganz besonders
nachteilig wirke. Zu beachten ist dabei die anfängliche Oligurie.
Den gewöhnlichsten Anlaß zur renalen Koliinvasion geben die
späteren Stadien des Typhus, in denen vermutlich der Darm besonders
leicht durchgängig ist. Auch chronische ulzerative Kolitis gibt eine
günstige Infektionsgelegenheit ab, ebenso Darmstörungen bei Influenza.
Bei der Sektion findet man die Nieren ganz mit Koliherden durchsetzt.
Diagnostisch ist wichtig gegenüber anderen Nierenerkrankungen: der
weiche Puls, Mangel an Odemen und Fehlen von Konvulsionen, da-
gegen häufiges Delirium oder so tiefes Koma, daß dann die vom Verf.
erprobte Medikation durch den Mastdarm appliziert werden muß,
nämlich zweistündlich ein Klistier von 120 g halbprozentiger Lösung
von Urotropin mit !/,% Natron benzoicum; letzteres soll die Reiz-
wirkung des Urotropins auf die Harnorgane verhindern. Heiße
Kochsalzklistiere oder Infusionen gegen die Oligurie sind wiederholt
anzuwenden. In allen Fällen, wo der Pat. schlucken kann, ist vorher
0,6 Kalomel gleichzeitig mit einem anderen starken Abführmittel (irgend
eine Komposition mit Jalappe) zu verabreichen und die Wirkung ab-
zuwarten. Loewenhardt (Breslau'.
Kleinere Mitteilungen.
22) Blecher. Über die Behandlung akut entzündlicher Erkrankungen
mit künstlicher Hyperämie (auf Grund von 500 Fällen).
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIII. p. 402.)
B. hat seine Erfahrungen in dem Garnisonlazarett Straßburg i. E. gesammelt,
in welchem er im Berichtsjahre 1906/07 alle auf die äußere Station in Zugang ge-
kommenen entzündlichen Erkrankungen nach Bier behandelte, mit Ausnahme
der ganz leichten Fälle. In Anwendung kam das Verfahren mit Sauggläsern nur
in einem Teile der behandelten Furunkel, sonst wurde die Staubinde benutzt, die,
vormittags angelegt, bis zum anderen Morgen liegen blieb, um dann für einige
Stunden abgelegt zu werden. Meist wurden die dünnen Binden gebraucht, nur
am Oberschenkel dickere Sorten. Für Stauung am Halse wurde die Binde mit
einer Tour einer Mullbinde unterfüttert, am Oberarm wurde die Binde bei Ell-
bogenbeugung angelegt, sonst wird sie, da der Unterarm meist gebeugt getragen
wird, leicht zu fest. Die vorhandenen Wunden wurden täglich in einfacher Weise
verbunden, daneben von meist halbstündigen heißen Seifenbädern ein ausgiebiger
Gebrauch gemacht. B. sieht den Hauptvorteil der Hyperämiebehandlung darin,
daß sie es erlaubt, ohne große Inzisionen und ohne Tamponade auszukommen.
Sie bewirkt auch ein rasches Nachlassen der Schmerzen, eine rasche Ausstoßung
der nekrotischen Teile, schnelles Aufhören der Eiterung und kürzt so die Heilungs-
dauer ab. Die gleichsam ausspülende Wirkung der Stauung infolge des durch sie
erzeugten Odems ersetzt die Tamponade. Das Endresultat ist eine erfreulich kleine
Narbe und selteneres Auftreten von Gelenkversteifung, also auch ein funktionell
besseres Resultat. Nebenbei wird auch erheblich an Verbandstoffen gespart.
Nach der allgemeinen Besprechung geht B. die einzelnen Erkrankungen durch.
Unter den behandelten 123 Furunkeln sind besonders 9 Oberlippen- und 13 Gesichts-
furunkel bemerkenswert, bei denen durchgehends die Staubehandlung (am Halse)
ohne Inzision sehr zufriedenstellend wirkte. Ebenso befriedigte bei Leistendrüsen-
und anderen Drüsenentzündungen die Saugglasbehandlung, wo teils nur Stich-
inzisionen, teils gar keine Einschnitte erforderlich waren. Betrefis der — im ganzen
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 1155
105 — in Behandlung gekommenen Panaritien, die auch sämtlich mit Staubinde ver-
sorgt wurden, interessieren besonders die 16 ossalen Panaritien am Nagelglied. In
der Hälfte der Fälle gelang Heilung ohne Sequesterbildung. Von 7 Sehnenscheiden-
panaritien, die mit kleinen, die Sehnenbänder schonenden seitlichen Einschnitten
behandelt wurden, sind wenigstens 3 mit völliger Beweglichkeit ausgeheilt. Hier
ist die seröse Durchtränkung der Gewebe infolge der Stauung von Bedeutung, da
sie einer Austrocknung der Sehne entgegenwirkt. Bei drei Fällen von Osteomyelitis
war der Behandlungserfolg mäßig, B. glaubt, daß die Gefäße des Knochens und
Knochenmarkes nicht sicher durch die Staubinde beeinflußt werden können. De-
gegen ist wieder Günstiges von dem Stauverfahren bei eitrigen Bursitiden (zehn
präpatellare Fälle) zu sagen, wo Schwellung und Schmerzen rasch zurückgehen
und Eiterentleerung durch kleine Stichinzision gelingt. Auch heilten mehrere Ge-
lenkeiterungen (Fingergelenke, ein Ellbogengelenk) mit völliger Beweglichkeit aus.
Mangelhafte Erfolge finden sich durchgehends nur bei Streptokokkeneiterungen,
bei denen es leicht auch zu sekundärem Erysipel kommt. Doch ist hervorzuheben,
daß, wie überhaupt, so auch bei den Streptokokkeneiterungen unter der Stau-
behandlung niemals allgemeine Sepsis beobachtet ist. B. sieht hierin eine mecha-
nische Wirkung der Staubinde, die durch Absperrung der Blut- und Lymph-
gefäße eine große Bedeutung für die Verhütung einer Allgemeininfektion hat.
Zum Schluß teilt B. noch 66 Fälle frischer Verletzungen mit, in denen nach
aseptischer Wundversorgung prophylaktisch gestaut wurde. Wennschon in sieben.
Fällen eine Wundvereiterung nicht vermieden wurde, glaubt B. doch, daß das
Verfahren nicht nutzlos gewesen ist. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
23) Dieulafoy. Escarres multiples et recidivantes depuis deux ans et
demi aux deux bras et au pied. Amputation du bras gauche. Dis-
cussion sur la nature de ces escarres. Pathomimie.
(Bull. de l’acad. méd. 1908. Nr. 23.)
D. behandelt die interessante Geschichte eines 30jährigen Simulanten, welcher
sich durch 21/2 Jahre mittels Wiener Atzpaste zuerst am linken, dann am rechten
Arme und am Fuße künstlich Hautgangrän erzeugte, ohne daß irgendeine eigen-
nützige oder gewinnsüchtige Absicht ersichtlich war. Der körperlich und geistig
sonst völlig gesunde Pat. wanderte von Arzt zu Arzt, von Klinik zu Klinik und
war vorerst den verschiedentlichsten konservativen Behandlungsmethoden unter-
worfen worden. Schließlich führte ihm ein Chirurg die blutige Dehnung des
Plexus axillaris aus, und als dies auch erfolglos blieb, die Amputation des linken
Oberarmes (!).
Da er nicht zu bewegen war, in Krankenhausbeobachtung zu bleiben oder die
Art der Entstehung der Geschwüre zu Hause beobachten zu lassen, war ein Er-
tappen auf der Tat ausgeschlossen. Auch die Möglichkeit eines chemischen Nach-
weises war durch sorgfältige Entfernung der Reste des Atzmittels verhindert
worden. Schließlich gestand er D. die Wahrheit nach dem Vorhalt, daß er bisher
als Kranker betrachtet werde, bei weiterem Leugnen jedoch als Betrüger gelten müsse,
dessen sich die Gesellschaft entledigen werde. Er gab nun an, daß er unter stetigem,
inneren Zwange gehandelt habe, »wie eine Maschine«, ohne zu wissen warum.
Er vergleicht den Zwang mit dem eines Morphinisten und glaubt, daß, wenn es
zur Fortsetzung der Simulation nötig gewesen wäre, er sich auch das Bein hätte
abnehmen lassen. Jetzt sei er für seine Heilung sehr dankbar.
D. nennt diese Krankheit nach einem Vorschlage von P. Bourget Patho-
mimie (wıueouc: = simulieren). Neugebauer (Mährisch-Ostrau).
24) Clairmont. Zur Kenntnis der hyperalgetischen Zone nach Schuß-
verletzungen.
(Mitteilungen a. d. Grenzgebieten d. Medizin u. Chirurgie Bd. XIX. Hit. 1.)
In einem Falle der v. Eiselsberg’schen Klinik konnte 3 Wochen nach einem
Schuß in die rechte Schläfe und bei Sitz des Geechosses im hintersten Teile der
1156 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39.
rechten Augenhöhle eine symmetrische hyperalgetische Zone des Halses und der
Brust beobachtet werden, die mit Weahrscheinlichkeit auf eine Verletzung der
Radix sympathica des Ganglion ciliare zurückzuführen war.
In einem zweiten Falle wurde nach leichter Commotio cerebri eine einseitige
parästhetische und hyperästhetische Zone am Scheitel gefunden.
Diese Beobachtungen sind eine Bereicherung unserer Kenntnis der zuerst von
Wilms festgestellten, später von Vorschütz u. a. bestätigten Erfahrungen.
Warum bei einseitiger Sympathicusverletzung die hyperalgetischen Zonen bald
einseitig, bald doppelseitig sind, ist unklar.
Der Arbeit beigegeben ist eine sehr instruktive Zusammenstellung der bisher
beobachteten Fälle in figürlichen Skizzen, so daß man mit einem Blicke das Gesetz-
mäßige dieser Hyperalgesien: Freibleiben des Trigeminusgebietes, erkennen kann.
Haeckel (Stettin).
25) K. Herschel. Ein Kühlapparat und seine Verwendung bei akuten
Warzenfortsatzentzündungen.
(Med. Klinik 1908. p. 829.)
H. führt Leitungswasser durch eine von Eis umgebene Schlangenröhre, von
da zu einer sich der Ohrmuschel anschmiegenden und durch Bänder befestigten
Bleihohlplatte und schließlich durch ein Endrohr ab (Abbildung). Die gleich-
mäßige Kälte schränkt die Blutüberfüllung im entzündeten Warzenfortsatz ein und
lindert die Schmerzen; die Knocheneiterung, die bei jeder schweren akuten Mittel-
ohrentzündung vorhanden ist, heilt aus, sofern nicht bereits durch Eiterverhaltung
Knochenmasse zerstört ist. 21 Kranke wurden so behandelt. Der eine ging an
Miliartuberkulose ein, doch hatte sich, wie das Präparat ergab, das örtliche Leiden
gebessert. 17 andere heilten ohne Operation aus. Dreien wurde der Warzenfort-
satz aufgemeißelt.
Der Kühler paßt auch für Hoden- und Brustwarzenentzündungen.
Georg Schmidt (Berlin).
26) R. Rister. Über operative Methoden der Entfernung von Fibromen
des Nasen-Rachenraumes.
(Russisches Archiv für Chirurgie 1907. [Russisch.))
R. verficht den Standpunkt, Pat. mit diesen Geschwülsten bis zu dem kri-
tischen Alter, in dem diese Neubildungen sich spontan zurückzubilden pflegen,
hinzuhalten mit Methoden, die möglichst geringe Verletzungen bedingen. Zu
denen rechnet er naturgemäß die, die auf natürlichem Wege, d. h. durch Mund
und Nase vorgehen.
Ein 23jähriger Bauer kam mit einem Fibrom, das zum rechten Nasenloch
hervorragte und den weichen Gaumen stark nach unten drängte. Die Nasen-
wurzel war verbreitert, das rechte Auge beiseite gedrängt. Es gelang du Bou-
cher (Für die Richtigkeit der Schreibweise dieses Namens kann Ref. nicht ein-
stehen, da der Autor ihn mit russischen Lettern so geschrieben hat, wie er aus-
gesprochen wird) nach »prophylaktischer temporärer (!) Ligatur beider externen
Carotiden« die ganze Geschwulst teils mit Unterstützung von der Nase her durch
den Mund zu entfernen. Die Blutung stand nach ihrer Entfernung.
vV. E. Mertens (Kiel).
27) Ostwalt. Quatre années de pratique des injections profondes
d’alcool cocaine dans les nevralgies et dans lhemispasme facial.
(Bull. de l’acad. de med. 1908. Nr. 16.)
Verf. hat in 152 Fällen von Gesichtsschmerz gegen 2000 Einspritzungen von
Kokainalkohol mit großem Erfolg ausgeführt. Nur in 8% dieser Fälle widerstand
das Leiden dieser Behandlung. Auch in 20 Fällen von halbseitigem Gesichts-
krampf und bei zahlreichen Neuralgien der peripheren Nerven haben sich diese
Einspritzungen bewährt. Neugebauer (Mährisch-Ostrau).
Zentralblatt für Chirurgie Nr. 39. 1157
28) J. K. Spisharny. Zur Frage von der Nervenplastik bei Facialis-
lähmung.
(Russki Wratsch 1908. Nr. 25.)
Pat. erhielt am 20. August 1906 mehrere Schußwunden, u. a. eine 3 bis 3,5 cm
unter dem rechten inneren Augenwinkel mit Verletzung des rechten Ohres und
Facialis. Im November fand man das Geschoß hinter dem rechten Ohr unter der
Haut und entfernte es. Vollständige Lähmung des rechten Gesichtsnerven. 14. De-
zember 1906 Operation. Schnitt am vorderen Rand des Kopfnickers, man findet
den Facialis am Eintritt in die Parotis, dann den N. accessorius; letzterer wird durch-
schnitten, ersterer bloß längs gespalten und das zentrale Ende des Accessorius in
die Spalte hineingelegt und die Nervenscheiden vernäht. Vom 10. Januar begann
man mit der Elektrisation. März 1908: Funktion der Facialis wieder hergestellt, das
Auge wird gut geschlossen, alle Bewegungen des Gesichts sind möglich, nur die
Stirnmuskeln arbeiten in begrenztem Maße. Auch das Platysma myoides wird
gut kontrahiert. — In der Literatur sind jetzt 77 Fälle beschrieben. —
Gückel (Wel. Bubny, Poltawa).
29) F. König. Weitere Erfahrungen über Kieferersatz bei Exartiku-
lationen des Unterkiefers.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIII. p. 237.)
Die Arbeit knüpft an eine frühere desselben Verf.s an, über die wir in unserem
Blatte 1907 p. 1022 referierten. Die Pat., über welche damals berichtet wurde,
und bei der für die eine exartikulierte Unterkieferhälfte eine im Kiefergelenk
artikulierende, an dem Unterkieferstumpf durch Anklammerung an Zähnen be-
festige Metallprothese hergestellt war, befindet sich gut, und ihre Prothese funk-
tioniert nach wie vor tadellos.
In einem zweiten Falle, 20jähriger Mann, wurde nach einseitiger Unterkiefer-
exartikulation wegen Spindelzellensarkoms vom Zahnarzt Roloff in ähnlicher
Weise für eine Prothese gesorgt: unmittelbar nach der Operation provisorische
Hartgummiprothese, später definitive Prothese, wobei nur zu bemerken, daß die
provisorische Hartgummischiene nicht direkt mit Draht an den frisch durchsägten
Kieferstumpf befestigt ist; vielmehr wurde schon vor der Operation ein Klammer-
gerüst für die Zähne im zu konservierenden Kieferstumpf konstruiert, mit einer
Goldgabel zur Aufnahme der Hartgummiprothese, die dann mit dieser Goldgabel
durch Draht verbunden wird.
Noch interessanter ist das neue und sicher einen weiteren Fortschritt dar-
stellende Verfahren, das K. in einem dritten, eine 68jährige, zahnlose Frau be-
treffenden Fall anwandte. Bei dieser wurde an die Kieferexartikulation sofort die
Implantation einer elfenbeinernen Prothese gefügt, die unten mit einem nagel-
oder stiftartigen Fortsatz in die Markhöhle des Kieferstumpfes eingespießt wurde,
während sie oben mit ihrem gelenkkopfartigen Ende in die Kiefergelenkpfanne
gesetzt und in ganzer Länge durch die genähte Mundhöhlenschleimhautwunde be-
deckt wurde. Es erfolgte gute Heilung, in der 2. Woche allerdings leichte ent-
zündliche Schwellung der Schleimhautwunde, die aber auf eine kleine Inzision und
Behandlung mit Saugung und Hyperämisierung (warme Breiumschläge) zurückging.
Das Verfahren, das K. der Einlegung von Eifenbeinstiften bei Frakturen nach-
gebildet hat, hat sich also völlig bewährt. Der künstliche Kiefer funktionierte
vom 1. Tage nach der Operation an bis zu dem nach !/, Jahr an Herzschwäche
erfolgten Tode der Frau vortrefflich, das Kinn stand in der Mitte, von einem Ein-
fallen der Wange war nichts bemerkbar (cf. Photogramme). Die natürlich schon
vor der Operation fertiggestellte Elfenbeinprothese war auf Grund einer Röntgen-
aufnahme geformt — von drei angefertigten Stücken wurde das passendste aus-
gewählt. K. glaubt, daß solche Prothesen vom Kieferperiost arrodiert werden,
daß neuer Knochen in sie hineinwächst, daß sie mitbin wirklich einheilen und zu
dauernden Schienen werden können, und empfiehlt bei zahnlosem Munde diese Ver-
senkung eines Elfenbeinersatzes als Normalverfahren bei der. Unterkieferexartikula-
1158 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39.
tion. — Die Unterbindung der Carotis externa hat K. stets ausgeführt, in dem
letzten Falle hat er in die Kiefergelenkhöhle Muskulatur eingeschlagen, zum Schutze
des Gelenkknorpels. Außer den Photogrammen der behandelten Frau sind auch
solche der Elfenbeinprothese der Arbeit beigegeben.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
30) P. Paterson. The treatment of spina bifida by drainage of cerebral
subdural space.
(Lancet 1908. August 15.)
Verf. operierte ein ca. 2 Monate altes Kind mit großer Meningomyelokele
zunächst in der typischen Weise, indem er den Sack exstirpierte. Der Erfolg war
unbefriedigend, die Zerebrospinalflüssigkeit sickerte binnen kurzer Zeit aus den
Stichkanälen hervor. Nunmehr trepanierte P. das rechte Scheitelbein und klappte
einen Duralappen auf und um, den er über die Knochenkante an das Perikranium
enheftete; primärer Verschluß der Wunde. Nach erheblichem Ödem in der Wund-
gegend, das einige Tage währte, primäre Heilung und Aufhören jeglicher Flüssig-
keitsabsonderung im Rücken. Leider litt das Kind auch noch an Hydrocephalus,
der ständig zunahm. Zu dem Zweck eröffnete P. auch noch die linke Schädel-
seite, um von hier aus mit Hilfe einiger durch die Hirnsubstanz vor den motori-
schen Zentren in die linken Hirnventrikel durchgeführten Seidenfäden eine stän-
dige Ventrikeldrainage in das perikranielle Gewebe einzuleiten.
Das Kind starb, örtlich gebessert, nach 3 Wochen; insbesondere die Spina
bifida war in bestem Zustande mit Heilungs- und Ossifikationsneigung. Die Ope-
ration stand nach Verf. nicht mit dem Tode in Zusammenhang.
H. Ebbinghaus (Dortmund).
31) W. Hinrichs. Behinderung der Atmung und der Nahrungs-
aufnahme durch eine zu große Thymus bei einem 10 Wochen alten
Kinde. Operation. Heilung.
(Berliner klin. Wochenschrift 1907. Nr. 17.)
Die Diagnose wurde vor der Operation gestellt. Längsschnitt über der Mitte
der Incisura jugularis. Nach stumpfer Ablösung der Thymus von der Kapsel wird
ein ca. 2mandel großes Stück entfernt, danach ruhige Atmung, weshalb der Rest
der Drüse zurückgelassen wird. Dieses Vorgehen ist nach Verf. zu empfehlen,
der auf Grund der von anderen Autoren gemachten Erfahrungen (Wiedergabe der
Krankengeschichten von sieben Fällen) noch folgende Ratschläge für Thymusopera-
tionen gibt: Möglichste Schonung des Thymusgewebes; zunächst soll man versuchen
die Thymus in ihrer Kapsel vorzuziehen und festzunähen (Ektopexie). Wo dies
nicht ausreicht, Eröffnung der Kapsel und sparsame Enukleation von Gewebe.
Erweist sich auch dies Vorgehen als unzulänglich, soll man durch Resektion eines
Teiles des Brustbeines günstigere räumliche Verhältnisse zur Entfaltung des
Thymusgewebes schaffen, nicht die ganze Drüse entfernen.
Langemak (Erfurt).
32) Grünberg. Über den günstigen Einfluß des innerlichen Gebrauches
von Jodkali auf die Tuberkulose der oberen Luftwege.
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. LIII. p. 346.)
G. teilt eine Reihe von Fällen aus der Körner’schen Klinik in Rostock mit
bei denen auf Grund des makroskopischen Befundes und der histologischen Uuter-
suchung exzidierter Stückchen Schleimhauttuberkulose diagnostiziert wurde, und
bei denen die Anwendung von Jodkali neben schonender Lokalbehandlung Heilung
berbeiführte. Wenn nun auch einzelne Fälle von Schleimhautlupus spontan aus-
heilen können, und wenn auch andererseits Jodkali keineswegs alle Fälle von
Schleimhauttuberkulose günstig beeinflußt, so hält G. doch das Jod für ein wich-
tiges Hilfsmittel bei der Behandlung der genannten Erkrankung.
Hinsberg (Breslau).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 1159
33) R. Sievers. Ein Fall von Embolie der Lungenarterie, nach der
Methode von Trendelenburg operiert.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIII. p. 282.)
S. hatte Gelegenheit, in der Leipziger Klinik die von Trendelenburg zur
Entfernung von Embolis aus der Lungenarterie erdachte Operation beim Lebenden,
einer 48jährigen Frau, zur Ausführung zu bringen, wobei er sich genau an die von
Trendelenburg in d. Ztbl. 1908 p. 92 beschriebene Methode hielt. Die glückliche
programmäßige Vollendung dieser neuen imponierenden Kunstleistung der Chirurgie
verdient von jedem Fachmann im Original studiert zu werden. Die Kranke hatte
eine entzündliche Unterleibserkrankung (Perityphlitis oder Gallensteinaffektion ?)
nebst Pneumonie durchgemacht und wurde als Rekonvaleszentin von der Embolie
betroffen. Der sofort herbeigerufene Arzt konnte 20 Minuten später mit der Ope-
ration beginnen, durch die er aus dem linken Pulmonalisaste zwei fingerdicke und
21 bzw. 15 cm lange Blutgerinnsel entfernen konnte. Atmung und Herzaktion
wurde wiederhergestellt, waren aber beschleunigt und blieben ungenügend, so daß
Pat. nach 15 Stunden freilich unterlag. Eine völlige Sektion durfte nicht gemacht
werden; doch ergab eine Revision der Wundgegend auch einige Emboli der rechten
Pulmonalisverzweigung, die mutmaßlich der Grund der voraufgegangenen rechts-
seitigen Lungenentzündung bzw. Infarzierung gewesen sind. Die Operation hatte
ohne Sauerbruch’schen bzw. Brauer’schen Apparat stattgefunden und einen
linksseitigen Pneumothorax bewirkt, der aber bei der Leichenuntersuchung bereits
ganz geschwunden befunden wurde. Demnach sind die genannten Apparate für
Trendelenburg’s Operation auch nicht notwendig, unentbehrlich aber für sie
ist natürlich die Gegenwart sachkundiger Krankenpflege, die, sofort die Situation
bei von Embolie betroffenen Kranken erkennend, den Arzt alarmieren kann, die
stete Dienstbereitschaft eines für die Operation eingeübten Chirurgen und endlich
ein für die Aufgabe ausreichendes und aseptisch gehaltenes Instrumentarium.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
34) C. Goodman and S. Wachsmann. The surgical treatment of al-
veolar pulmonary emphysema.
(New York med. record 1908. Mai 16.)
W. bespricht die operative Behandlung des auf Thoraxdilatation beruhenden
alveolären Emphysems.
Auf den Zusammenhang gewisser Lungenkrankheiten mit primären Rippen-
knorpelanomalien machte vor 50 Jahren bekanntlich Freund speziell für Tuber-
kulose aufmerksam. Zuletzt wurden auf der Dresdener Naturforscherverseammlung
1907 von Pässler und Seidel und von Stieda den beiden bisher bekannt ge-
wordenen Fällen von Freund'scher Operation bei Lungenemphysem zwei neue
Fälle hinzugefügt.
Verf. fügt nach einem kurzen Resümee den bisherigen (Fall Kraus; Fall
Mohr-Bramann-Haasler) vier neue eigene Fälle hinzu. Schließlich wird noch
der von M. Cohn in der Berliner klin. Wochenschrift 1908 Nr. 10 beschriebene
neunte Fall erwähnt.
Zur Vermeidung von Rezidiven, die in den ersten operierten Fällen vom Verf.
beobachtet wurden, wird eine Plastik des stehengebliebenen Perichondriums der
resezierten Knorpel empfohlen, indem dasselbe über den Rippenstumpf gezogen
und dort befestigt wird. Loewenhardt (Breslau). _
35) F. Wisshaupt. Ein Fall von Hypertrophie der Brustdrüse in der
Gravidität.
(Prager med. Wochenschrift 1908. Nr. 26.)
W. berichtet über einen Fall von Hypertrophie beider Brustdrüsen in der
Schwangerschaft. Die betreffende Frau war zum dritten Male schwanger. In der
zweiten Schwangerschaft nahm die Hypertrophie bereits solche Dimensionen an,
daß im 7. Monate die Einleitung der Frühgeburt vorgenommen werden mußte.
1160 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39.
W. entschloß sich diesmal im 4. Monate zur Amputation beider Brüste; die
rechte wog 5700 g, die linke 6500 g. Heilverlauf normal. Pat. wurde von einem
lebenden Kind entbunden. A. Hofmann (Karlsruhe).
36) Thövenot et Alamatrine. Contribution à l’etude de la maladie
kystique de Reclus.
(Province méd. 1908. Nr. 25.)
Die Reclus’sche Geschwulst, d. h. das doppelseitig auftretende Fibroadeno-
kystom der Brustdrüse, von dem Reclus über 160 Fälle beobachtet hat, halten
Verff. für eine Geschwulst rein entzündlicher Natur. Die Proliferation der Drüsen-
zellen hat keinen bösartigen Charakter. T. hat zwei Fälle mit gutem Erfolg ope-
riert. Einer ist seit 7 Jahren geheilt. A. Hofmann (Karlsruhe).
37) L. Marchetti (Mailand). Un caso di rottura totale sottocutanea
dell’ intestino per contusione addominale.
(Clinica chirurgica 1907. Nr. 9.)
Auf 69 Darmverletzungen, welche durch Bauchkontusionen entstanden sind,
entfielen nach Cahier 1902 nur zwei mit totaler Zerreißung des Darmes, so daß
die Publikation einer neuen Beobachtung gerechtfertigt erscheint.
18jähriger Deichgräber wird in einem engen Graben von abrutschender Erd-
masse auf der linken Bauchhälfte getroffen, während der Rücken an die harte
Wand angepreßt wird. Sofort ins Krankenhaus geschafft, zeigt er folgenden Be-
fund: Kollapserscheinungen nebst Perforationssymptomen in der linken Bauchseite
ohne eine äußere Verletzung. Nach Koffein- und Kochsalzinfusionen wird 11/3 Stunden
nach dem Trauma der Leib links von der Medianlinie in lokaler Anästhesie er-
öffnet. Mäßige Blutaustritte im Unterhautzellgewebe, die tieferen Muskelpartien
teilweise gequetscht. In der Bauchhöhle wenig geronnenes Blut, kein Kot, keine
Exsudation; auf den ersten Blick auch keine Veränderung der Darmschlingen bis
auf leichte Rötung; das große Netz anscheinend normal. Erst in der Fossa iliaca
sinistra erscheint plötzlich ein vollkommen abgelöster Ileumstumpf, an einem
längsgerissenen Mesenterium hängend, mit ringsum überquellender Schleimhaut.
Etwa 15 cm höher oben findet sich nach längerem Suchen der andere Stumpf, von
gleichem Aussehen. Einzelne kleine Gekrösgefäße bluten, einige Klümpchen und’
Tropfen Blutes werden entfernt; kein Kot oder Nahrungsbrei. Vereinigung der
Darmenden mit einem Knopfe termino-terminal. Ein kleinerer oberflächlicher
Einriß am Ileum, 6 cm abwärts der Rißstelle, wird noch übernäht. — Tod nach
43 Stunden. Nähte intakt. Akute diffuse septische Peritonitis.
M. mißt der besonderen Situation des Verunglückten beim Zustandekommen
der Verletzung die Hauptschuld bei. Für die rasche Ausbreitung des Prozesses
ist auch zu bedenken, daß die Darmenden sehr auseinander gerissen waren und
also große Partien des Bauchfelles infizieren konnten. J. Sternberg (Wien).
38) Ss. F. Wilcox. Inunction of jodoform in tuberculous peritonitis.
'New York med. record 1908. Mai 2.)
W. führt drei Fälle von Peritonealtuberkulose an, welche er erfolgreich mit
Jodoformeinreibungen auf die Bauchhaut behandelt haben will. Eine 10xige
ätherische Lösung des Mittels wird etwa mit der vierfachen Menge Olivenöl oder
Lebertran vermischt und früh und abends längere Zeit eingerieben. In dieser
Ferm soll das Medikament von der Haut absorbiert werden können.
Loewenhardt (Breslau).
39) O. Klauber. Fortschritte in der Perityphlitis- und Peritonitis-
behandlung.
(Med. Klinik 1908. p. 1056.)
Die allgemeine Erniedrigung der Sterblichkeitszahl bei den Operationen des
Lübecker Allgemeinen Krankenhauses (Roth) erklärt sich aus der Zunahme der
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 1161
Eingriffe am Wurmfortsatz, deren Aussichten immer bessere geworden sind. Das
beruht auf Abänderungen der Indikationen und der Technik. Die Appendicitis
ist in jedem Krankheitsabschnitt unbedingt sofort, und zwar möglichst gründlich
zu operieren. Auch im Spätstadium und bei ausgedehnter Erkrankung der Bauch-
höhle gewährleistet den bestmöglichen Erfolg nur der gründliche Eingriff: Ent-
fernung des Wurmfortsatzes, Durchmusterung der Bauchhöhle — ohne Scheu vor
der etwaigen Lösung von Verklebungen —, Eröffnung aller Eiterherde, Ableitung
der Absonderungen durch an den richtigen Stellen angelegte zweckmäßige Drainage
— durch mit Gaze umwickelte starrwandige durchlochte Gummidrains. Dieses
Verfahren im Verein mit sorgfältiger Nachbehandlung drückte die Sterblichkeit
der im Spätstadium zur Operation kommenden Kranken von 23 auf 4 vom Hundert,
die der an Bauchfellentzündung Leidenden von 57 auf 5 vom Hundert herab. Trotz
gründlichen Operierene sind auch die Fernergebnisse besser: Die Einschnitte wurden
bis auf ein kleines Löchelchen zur Primaheilung gebracht, und Fisteln blieben nie
zurück. Georg Schmidt (Berlin).
40) F. Weber. Appendicitis und Gravidität.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIII. p. 292.)
W., Dozent an der medizinischen Akademie in St. Petersburg, berichtet über
fünf Fälle von Appendicitis bei Schwangeren aus eigener Beobachtung, die sämtlich
operiert wurden. In zwei dieser Fälle hatten die im 3. Monate schwangeren Frauen
leichtere subakute Entzündungsanfälle, die zunächst exspektativ behandelt wurden.
Dann nach ca. 2-3 Wochen Appendektomie, im Intervall, die ohne die Schwanger-
schaft zu unterbrechen glatt heilte. Die drei übrigen Pat., Schwangere von 3, 5
und 6 Schwangerschaftsmonaten betreffend, hatten eitrige Appendicitiden und
wurden im Anfall operiert. Nur einmal fand sich der Abszeß nebst dem brandigen,
perforierten und kotsteinhaltigen Wurm an normaler Stelle. — Die betreffende
Kranke befand sich die ersten Tage bedenklich, doch heilte die zunächst stark
eiternde Wunde, und wurde die Schwangerschaft ausgetragen, ein zurückgebliebener
Narbenbauchbruch wurde durch Operation beseitigt. Im nächsten Falle wurde in
der Nierengegend ein extraperitonealer Abszeß eröffnet, nachdem ein Bauchhöhlen-
schnitt in der Blinddarmgegend außer leichten Verwachsungen am Blinddarm
nichts ergeben hatte. Glatte Heilung ohne Unterbrechung der Schwangerschaft.
Im letzten Falle fand sich ein sehr hoch gelegener Abszeß, gut von Därmen und
Netz eingekapselt, dessen Situs dadurch erklärt wird, daß der hoch steigende Uterus
den Blinddarm mit nach oben genommen hatte. Nach Appendektomie und Gaze-
drainage Heilung, doch erfolgte in der Nacht nach der Operation eine verfrühte
Entbindung. Den Fällen von Schwangerschaftsappendicitis ist noch ein Fall von
Appendicitis puerperalis hinzugefügt, der, 2 Wochen nach der Entbindung ein-
getreten, bei konservativer Behandlung genesen ist.
Der Mitteilung der eigenen Kasuistik hat W. eine Allgemeinbesprechung der
Schwangerschaftsappendicitis unter Verwertung der einschlägigen Literatur (Ver-
zeichnis derselben von 36 Nummern zum Schluß der Arbeit) voraufgeschickt, aus
der manches Interessante zu entnehmen ist. Im ganzen ist die Appendicitis bei
Schwangeren selten, so daß in der letzten statistischen Arbeit über sie nur 104 Fälle
vorliegen. Teils werden chronisch appendicitisch kranke Frauen selten schwanger,
teils übt eine Gravidität durch die Hyperämie der Bauchorgane eine Art Schutz
gegen Wurmfortsatzerkrankung aus. Andererseits könnte allerdings die häufige
Stuhlträgheit der Schwangeren zu Appendicitis prädisponieren. Im allgemeinen
sind auch speziell die schwereren Appendicitisformen selten. Verursachung von
Abort oder Frühgeburt durch Appendicitis, wobei Zerrung vorhandener Ver-
wachsungen, auf die Genitalien übergehende Eiterung oder pyämische Infektion
mit Mitbeteiligung des Placentarkreislaufes von Bedeutung sind, kommt vor, braucht
aber nicht notwendig einzutreten, und ist über die Häufigkeit dieses Ereignisses
nichts Sicheres statistisch feststehend. Jedenfalls verwirft W. den von McArthur
aufgestellten Grundsatz, vor etwaigen Operationen stets einen künstlichen Abort
einzuleiten. Die Diagnose und Differentialdiagnose wird nicht immer leicht, die
1162 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39.
Prognose stets als ernst anzusehen sein. Therapeutisch lehnt W. den Standpunkt,
in jedem Fall von Appendicitis bei Schwangerschaft eine Frühoperation zu fordern,
ab. Nur da, wo mit Wahrscheinlichkeit eine akut eitrige Entzündung anzunehmen
ist, soll ohne Zeitverlust operiert werden. Liegen leichtere, subakute Fälle vor,
so soll deren Rückgang abgewartet, dann aber im Intervallstadium bei noch be-
stehender Schwangerschaft appendektomiert werden.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
41) Fiaschi. The radical treatment of sliding hernia.
(Australasian med. Gazette 1907. November 20.)
Sliding Hernia wird der Vorfall von Eingeweiden oder Eingeweideteilen ge-
nannt, die keinen peritonealen Überzug haben. Nach Bull und Coley kam bei
der Bassini’schen Methode auf acht derartige Fälle ein Rezidiv, während sonst
bei 1076 Bassinioperationen die Zahl der Rückfälle 0,55% betrug. Wahrscheinlich
ist die Zahl der Rezidive aber noch größer. Bei drei rezidivierenden Hernien
nach Radikaloperation wurden bei der nochmaligen Operation die Bedingungen
dieser bruchsacklosen Hernien gefunden.
Die Operation derartiger Hernien muß nach F. darin bestehen, die betreffenden
Organe an die Bauchwand zu befestigen. Er benutzt dazu McBurney’s winkelige
»gridiron« Inzision. Die Entblößung der parietalen Wand von Bauchfell braucht
nicht weit ausgedehnt zu werden, noch nicht halb soweit, als es nach Lenormant
zur Befestigung des vorgefallenen Mastdarmes notwendig ist. Nach unten zu läuft
der Schnitt in den zur Bassini'schen Operation notwendigen aus. F. hat auf
diese Weise mit Erfolg operiert.
Bei einem 55jährigen Mann mit vorübergehend eingeklemmtem linksseitigen
Leistenbruch fand sich ein Teil des vorgefallenen Colon descendens ohne Bruch-
sack. Außer Bassini wurde noch oberhalb die laterale Oberfläche des Dick-
darmes an Fascie und Muskulatur der Bauchwand angenäht.
E. Moser (Zittau).
42) P. Keimer. Zur Behandlung der inkarzerierten Hernien, speziell
bei Gangrän und Gangränverdacht.
Inaug.-Disse., Rostock, 1908.
Unter 106 Inkarzerationen der Rostocker Klinik war Gangrän des Darmes in
45 Fällen eingetreten = 42%; 33mal bei Schenkel- und 11mal bei Leistenbrüchen.,
30 Fälle entfielen auf Frauen, 15 auf Männer. Bei Schenkelbrüchen trat die Gan-
grän also Smal so oft ein.
Zum Tode führten von den gangränösen Brüchen 19 = 42%. Bei Kindern
fehlten Fälle von Darmbrand ganz; im 8. Jahrzehnt dagegen kam Brand in 70%
der Fälle vor mit 80% Mortalität. Nach Übernähung wurde 3mal die Radikal-
operation angeschlossen, ohne Todesfall. Überhaupt sind mit der Übernähung
günstige Erfahrungen gemacht worden. — Unter vier Vorlagerungen führte einer
zum Tode. Dagegen endeten vier Fälle von künstlichem After alle tödlich, bei
allen war der After aber als Ultima ratio angelegt worden.
Die primäre Darmresektion wurde 27mal, also in 60% der Gangränfälle, aus-
geführt mit 11 Todesfällen = 40%. Neue Fälle erforderten Nachoperationen (Anus
praeternaturalis, Enteroanastomose).
Die Operationen wurden in Narkose oder Lumbalanästhesie vorgenommen.
E. Moser (Zittau).
43) L. Fischel. Kurzer Beitrag zum Kapitel der Motilität des Magens.
(Prager med. Wochenschrift 1908. Nr. 22.)
F. sucht durch zwei Fälle die Beobachtung zu erhärten, daß der Speisebrei in
bezug auf die Motilität des Magens durchaus keine homogene Masse darstellt,
sondern daß seine Komponenten ungleich schnell weiter befördert werden. Ferner
sucht F. nachzuweisen, daß die Aziditätsbestimmung mit Rücksicht auf die schicht-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 1163
weise Ablagerung des Speisebreies keine einheitliche sein kann, wie Koritschan
annimmt, sondern daß z. B. bei ein und demselben Probefrühstück, das in vier
gesonderten Ausheberungen entleert wurde, die Azidität in jedem von diesen vier
Proben ganz erheblich variierte. A. Hofmann (Karlsruhe).
44) Thelemann. Beitrag zu den postoperativen Magen-Darmblutungen.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCII. p. 80.)
T. beobachtete in zwei eigenen Fällen sehr erhebliche postoperative Darm-
blutungen. In Fall 1 hatte er einem 30jährigen Unteroffizier wegen eitriger Blind-
darmentzündung den fest verklebten und perforierten Wurmfortsatz exstirpiert,
wobei das Netz in keiner Weise beteiligt war. Durchaus regelrechter Wundverlauf,
bis sich am 13. Tage unter heftigem Stuhldrang blutige Stühle einstellten, die mit
einer kurzen Unterbrechung bis zum 18. Tage anhielten. Es bestand zeitweise
quälender Stuhldrang, die Stühle waren sehr zahlreich, ganz wie bei Ruhr. Puls
und Kräftezustand wurden aber nur wenig beeinflußt, und Pat., der früher nie an
Darmblutungen gelitten hatte, genas völlig. In Fall 2 war Pat., ein Landmann,
dessen Alter nicht angegeben ist, wegen Peritonitiserscheinungen 19 Stunden nach
Erleiden eines Hufschlages gegen den Bauch laparotomiert worden. Aus der Bauch-
höhle hatte sich überall hin verbreitete eitrige kotvermischte Flüssigkeit entleert,
am Colon descendens war eine quere Zerreißung durch die vordere Hälfte des
Darmes gefunden, welche nach Abtragung vorgefallener Schleimhautränder durch
Naht geschlossen war unter Bildung eines kleinen Hämatomes. Ausgiebige Drainage,
Zusammenziehung der Bauchwunde mit Silberdraht. Der stark kollabierte Mann
erholte sich unter täglicher Anwendung von Kochsalzinjektionen, erlitt aber eben-
falls am 13. Tage Darmblutungen, und zwar schwerster Art. Er hatte zwei manns-
faustgroße frische Blutgerinnsel ohne Kotbeimengung entleert und war fast bis
zur Pulslosigkeit kollabiert. Behandlung mit Kochsalzinjektionen und Einspritzung
Merck’scher Gelatinelösung. Die nächsten 3 Tage wiederholten sich noch Blutungen
in geringerem Grade, der Endausgang war auch in diesem Falle gut. Der Sitz
der Blutung kann bei ihm nur in unmittelbarer Nähe der genähten Darmwunde
gesessen haben.
Seine Fälle unter Berücksichtigung der einschlägigen Literatur epikritisch
besprechend, erklärt T. dieselben nach v. Eiselsberg durch Annahme von auf-
steigenden Thrombosen in venösen oder auch arteriellen Gefäßen nahe der Opera-
tionsstelle, gefolgt von Embolien in Darmgefäße, die zu Darmulzeration Anlaß
gaben. Meinhard Schmidt (Cuxhaven!.
45) T. Voeckler. Eine seltene Form innerer Inkarzeration.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIII. p. 381.)
Interessante Beobachtung aus dem städtischen Krankenhause Magdeburg-Alt-
stadt (Direktor Dr. Habs). Die Laparotomie einer 63jährigen Frau wegen Ileus
ergab Einklemmung von zwei Dünndarmschlingen in einer von einer Tube ge-
bildeten Schlinge. Die betreffende Tube war stark in die Länge gezogen, der
linken Seite angehörig, aber mitsamt dem ihr entsprechenden Eierstock, der in
eine fast kindskopfgroße Dermoidcyste verwandelt war, nach rechts herüberge-
schlagen, wo die Cyste mit der Hinterfläche des breiten Mutterbandes und mit der
Beckenwand verwachsen war. Extraktion der kaum veränderten Darmschlingen,
Ovariotomie, Heilung. V. hebt das sehr seltene Vorkommen von durch Tuben
bewirkten Einklemmungen vor, sowie auch den Umstand, daß hier eine »schlaffe«
Darmeinklemmung vorlag, was bei innerer Einklemmung sehr ungewöhnlich ist.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
46) Becker. Über den Strangulationsileus (»über dem Bande).
(Med. Klinik 1908. p. 826.)
Geschichte einer akuten, mit Erfolg operierten Dünndarmabschnürung über
einem Netzstrange (Abb.). Mehrere Monate vorher waren zwei Anfälle von Schmerzen
in der Magengegend und Erbrechen aufgetreten. Vermutlich waren dieses die
1164 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39.
ersten Erscheinungen einer nach schleichend und unbemerkt abgelaufener Wurm-
fortsatzentzündung zurückgebliebenen Netzstrangverwachsung. Der Strang, der breit
und beweglich vom Netz herkam, setzte sich nach hinten ohne besondere Eigen-
tümlichkeit spitzwinkelig an der Darmwand, an der dem Gekrösansatze gegenüber-
liegenden Stelle an. Hier war das Gekröse auffällig verkürzt und verdickt, der
Darm so der Wirbelsäule beträchtlich genähert. Georg Schmidt (Berlin).
47) E. Schmidt. Über die Entstehung eines Mesenterium ileocolicum
commune.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIII. p. 198.)
S. beschreibt aus dem hygienischen Institut in Posen, pathologisch-anatomische
Abteilung, zwei Sektionsbefunde. Der erste betrifft einen 18jährigen Mann, der,
in bereits nicht mehr operationsfähigem Zustand im Krankenhause aufgenommen,
an Ileus gestorben war. Die Obduktion ergab eine Achsendrehung des Blinddarmes
um 360°, dadurch ermöglicht, daß das Colon ascendens zusammen mit dem Ileum
an einem gemeinsamen Mesenterium saß. Außerdem fanden sich zahlreiche ab-
norme Verwachsungen des Dickdarmes unter sich und mit den Nachbarorganen ;
und zwar verläuft das Kolon von der Pylorusgegend des Magens an hinter diesem
und dicht vor der hinteren Bauchwand über die linke Niere hinweg unter Bildung
kleiner Schlängelungen, als wäre es durch Narben verschnürt. Auf Grund dieser
Befunde nimmt S. eine fötale Peritonitis an, die den Darm vorzeitig festlegte, seine
freie Entfaltung hinderte und zur Bildung des gemeinsamen Mesenteriums Anlaß
gab. Der zweite Fall betrifft ein einjähriges Mädchen, das, den größten Teil seines
Lebens im Krankenhause verbringend, das klinische Bild der Pylorusstenose, be-
ziehentlich übermäßiges Erbrechen nach jeder Mahlzeit gezeigt hatte. Bei der Sektion
zeigte sich der Pylorus auch in der Tat unwegsam, aber nicht durch Muskelhyper-
trophie usw., sondern durch Druck eines Darmes von außen. Der Blinddarm war
am Übergange in das Colon ascendens nach oben geknickt. und lag mächtig auf-
gebläht auf dem Pylorus, diesen zusammendrückend. Starke Darmmuskelhypertrophie
oberhalb der Knickungsstelle sprach für langes Bestehen dieser Dislokation. Dabei
war der geknickte Blind-Dickdarm abnorm beweglich und auch abnorm lang. Denn
wenn er der normalen Lage genähert wurde, reichte er noch 4 cm weit unter das
rechte Poupart’sche Band hinab. Auch die Flexura coli sinistra und das Colon
sigmoideum sind schlingenartig stark verlängert. Das auch in diesem Falle vor-
handene gemeinsame Mesenterium ileo-colicum will S. nun auf die zu große Länge
des Dickdarmes zurückführen. Er nimmt an, daß die letztere imstande ist, die
Verwachsung des Mesokolon, bzw. die retroperitoneale Befestigung des Colon
ascendens an richtiger Stelle zu hemmen, was für Erhaltung des Mesenteriums in
überabnormer Länge ausschlaggebend ist. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
48) W. A. Oppel. Über die operative Heilung äußerer Kotfisteln.
(Russisches Archiv für Chirurgie 1907. [Russisch.))
O. bespricht die Frage nach verschiedenen Richtungen und führt im ganzen
neun Fälle an, die sämtlich anzuführen sich hier erübrigt.
Einen Beweis dafür, wie fest die Bauhin'sche Klappe schließen kann, bringt
folgender Fall S. P. Fedorow’s, dem nach O. einzigen in der Literatur be-
kannten, in dem am Menschen die Monprofit’sche Operation ausgeführt wurde.
Wegen Karzinom wurden das halbe Querkolon, Colon descendens und ein Stück
der Flexur entfernt, Das Querkolon wurde geschlossen, sodann eine Ileumschlinge
durchtrennt und die beiden Enden getrennt voneinander in die Flexur eingepflanzt.
Die Folge war, daß das Colon ascendens sich füllte und bei steigender Dehnung
die Verschlußstelle des Querkolon nachgab und zum Ausgangspunkt einer Perito-
nitis wurde. Aus dem Blinddarm in das Ileum hatte nichts übertreten können.
Für Fisteln im Bereiche des Ileum empfiehlt O., gestützt auf die Versuche
von S. R. Mirotwórzew, die Anwendung künstlicher Klappen. Er macht eine
Ileokolostomie, durchschneidet aber nicht den zwischen der Anastomose und dem
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 1165
auszuschaltenden Bezirk liegenden Ileumteil, sondern bildet in ihm eine >»Klappe«.
Über die Technik ist kein Wort gesagt, doch scheint aus einer (stark schema-
tischen) Zeichnung hervorzugehen, daß es sich um eine Strikturbildung durch
Einschnürung handelt. Durch die Autopsie konnte O. nachweisen, daß diese
Stelle für Kot absolut undurchgängig gewesen war. V. E. Mertens (Kiel).
49) F. Schilling. Eingeweideprolaps infolge erhöhten Innendruckes.
(Med. Klinik 1908. p. 903.)
Ein Mann, der wiederholt an Blutungen aus äußeren und inneren Hämorrhoiden
gelitten hatte und derzeit verstopft war, sprang 4 Stufen einer Treppe herab. Dabei
empfand er einen heftigen Schmerz und hatte sich einen ‚nicht unbedeutenden
Mastdarmvorfall zugezogen. Die Rücklagerung gelang unschwer.
Die gesteigerte Bauchpresse vermag nur auf entsprechend vorbereitetem Ge-
biet einen Mastdarmbruch hervorzurufen. Georg Schmidt (Berlin).
50) C. Goebel. Über Rektumstrikturen.
(Med. Klinik 1908. p. 1014.)
1) Mastdarmverengerung bei einem jungen Mädchen, bei der die mikrosko-
pische Untersuchung und das Forschen nach Spirochäten im Stiche ließ und erst
die Feststellung des gleichen Leidens auf luetischer Grundlage bei der Mutter
Klarheit brachte. 2) Tuberkulöse Mastdarmstenose ohne Fistel durch submuköse
Entwicklung tuberkulösen Granulationsgewebee mit nachheriger Verkäsung;
teilweiser Ausheilung und narbiger Schrumpfung. 3) Echte tuberkulöse Trichter-
stenose des Mastdarmes ohne reichliche Durchfälle. 4) Ausgiebige Stenose des Mast-
darmes unbekannter Ursache, geheilt durch Kolostomie ohne Anwendung von
Spülungen. 5) Mastdarmverengerung nach gynäkologischer Operation; Kreuzbein-
resektion, Längsschnitt in den freigelegten Mastdarm, quere Vernähung, Wegfall
der Beschwerden.
Für die Spülbehandlung der Proctitis ulcerosa wird ein dickes doppelläufiges
Rohr (H. Haertel-Breslau) empfohlen. Georg Schmidt (Berlin).
51) A. Exner. Über nichtmelanotische Sarkome des Mastdarmes,
(Med. Klinik 1908. p. 858.)
In den Hochenegg’schen Kliniken wurden in den Jahren 1900—1906 unter
500 bösartigen Mastdarmgeschwülsten 6 Sarkome, darunter 2 Melanosarkome beob-
achtet. Ein Drittel der Mastdarmsarkome sind nicht melanotisch., Kranken-
geschichten zweier mit günstigem Ergebnis Operierter; das eine Mal konnte der
Erfolg noch nach 1 Jahr bestätigt werden, obgleich die ganze Darmwand von
der Geschwulst durchsetzt war (Abbildung des operativ gewonnenen Präparates).
Es waren Kleinrundzellensarkome.
Von Hämorrhoidalknoten können Sarkome ausgehen; in zwei Fällen von Myo-
sarkom des Mastdarmes (Krankengeschichten, Abbildungen des Spindelzellengewebes)
gelang die Operation; freilich starb der eine Kranke bereits nach mehreren Mo-
naten am Rückfall. Georg Schmidt (Berlin).
52) Lotsch. Die subkutane Milzzerreißung und ihre Behandlung.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIII. p. 90.)
L. berichtet über vier in einem (!) Jahre (1907) im Krankenhaus (Magdeburg-
Altstadt) beobachtete Milzzerreißungen, von denen zwei durch Laparotomie und
Milzexstirpation geheilt wurden. Ein dritter Pat., durch Eisenbahnwagenpuffer
verletzt, die auch Rippenbrüche veranlaßt hatten, ist ebenfalls splenektomiert, starb
aber an Herzschwäche, und ebenso starb der vierte Kranke, der die Operation ver-
weigert hatte, und zwar an Blutungen aus einem geplatzten Aneurysma der Dick-
darmwand, das wahrscheinlich auch durch das erlittene Bauchtrauma veranlaßt war.
Als hervorstechendstes Symptom der Milzzerreißung erwies sich eine hochgradige
Anämie. Berücksichtigung der Anamnese, dazu Krämpfe der Bauchmuskeln, Dämp-
1166 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39.
fung in der Milzgegend, das bildet — neben der Anamnese — ein eine richtige
Diagnose sehr wohl gestattendes Bild. Die Operation läßt sich sehr rasch aus-
führen, L. brauchte in den zwei von ihm selbst versorgten Fällen bis zur Ab-
klemmung des Milzstielee, mit welcher die operative Hauptaufgabe erledigt ist,
nur 10 bzw. sogar nur 5 Minuten. Der Schnitt werde am Außenrande des linken
M. rectus bzw. durch dessen Substanz hindurchgeführt. Bestätigte sich die Dia-
gnose durch den Befund des Bilutergusses in der Bauchhöhle und durch Tastung
von Rissen in der Milz, so ist es zweckmäßig, einen ausgiebigen Querschnitt im
8. Interkostalraum hinzuzufügen, wobei die Knorpel der 9. und 10. Rippe unter
sorgfältiger Schonung der Pleura zu resezieren sind.
L. geht kurz auf die Statistik der Milzzerreißungen ein. Sie lehrt, daß als
einzig rationelle Behandlung die sofortige Laparotomie anzusehen und die Splen-
ektomie der Splenorrhaphie und Tamponade vorzuziehen ist, besonders weil meistens
Risse am Milzhilus vorhanden sind, welche mit Naht und Tampon nicht sicher
versorgbar sind. Die Blutbildung wird durch die Milzentfernung nur vorüber-
gehend gestört; der eine Genesene L.’s hatte bereite nach 14 Tagen normalen
Hämoglobingehalt und normale Erythrocytenzahl; ebenso fand L. bei seinen Re-
konvaleszenten weder Lymphdrüsenschwellungen noch Druckempfindlichkeit der
langen Röhrenknochen. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
53) V. E. Watkins. Traumatic rupture of the spleen with report
of a case.
(New York med. record 1908. März 14.)
W. berichtet über einen Fall von traumatischer Milzruptur, die mit Erfolg
- durch Laparotomie und Tamponade behandelt wurde. Von der Splenektomie
wurde nach Angabe wegen schlechten Allgemeinbefindens auf dem Operationstisch
abgesehen, um den Eingriff möglichst abzukürzen. Loewenhardt (Breslau).
54) E. Bircher. Die Chirurgie der nichtparasitären Milzcysten.
(Med. Klinik 1908. p. 999.)
An der Hand einiger 50 veröffentlichten Fällen wird das pathologische und
klinische Krankheitsbild besprochen. Es wurde 833mal operiert, meist mit gutem
Erfolge. Das Verfahren der Wahl ist die Resektion der Cyste oder die völlige
Entfernung der Milz mit der Cyste. Der letztgenannte Eingriff ist bei einiger
Vorsicht technisch einfach, wurde 15mal vorgenommen und führte stets zu voller
Heilung, ohne daß das Fehlen der Milz nachträglich Beschwerden machte. Litera-
turverzeichnis. Georg Schmidt (Berlin). .
55) Couteaud. Sur un cas curieux d'’abcès gazeux du foie compliqué
d’hepatoptose.
(Bull. de l’acad. de med. 1908. Nr. 24.)
Ein Referat Le Dentu’s über obige Beobachtung, einen 59jährigen Tropen-
offizier betreffend, der 2 Jahre durch Schmerzen in der rechten Schulter geplagt
war. Fieber, Druckschmerzhaftigkeit der von früher her herabgesunkenen Leber
und blutiger Auswurf führten schließlich zur Diagnose, die durch Probepunktion
bestätigt wurde. Peripleurale Eröffnung von hinten durch den 11. Interkostalraum
bei verwachsenen Pleuren.
Der eitrige Inhalt war mit Gas gemischt, das von einer Kommunikation des
Abszesses mit einem Bronchus herrührte. Heilung.
Le Dentu bemerkt hierzu, daß der Gasgehalt der Leberabszesse auch idio-
pathisch auftreten könne und führt hierfür einige Beispiele eigener Beobachtung an.
Neugebauer (Mährisch-Ostrau).
56) Michaux. Volumineux £pithelioma de la vesicule biliaire.
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXIII. p. 658 ff.)
Es handelte sich um eine mannskopfgroße Geschwulst, die vor der Operation
als vom Eierstock ausgehend angesprochen war. Um sie auszulösen, mußte ein
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 1167
Leberstück reseziert s Verwachsungen mit Netz, großer Kurvatur, Duodenum und
Colon transversum gelöst werden. Das Mikroskop brachte die oben angegebene
Diagnose. Pat. überstand die Operation gut. Kaehler (Duisburg-M.).
57) Ashhurst. Perforation of the gall-bladder during typhoid fever;
cholecystectomy; recovery.
(Amer. journ. ot the med. sciences 1908. April.)
Ausführliche Krankengeschichte zweier Fälle von Perforation der Gallenblase
bei Typhus, Beide Fälle wurden laparotomiert, davon der eine mit Erfolg. Literatur-
zusammenstellung. Levy (Wiesbaden).
58) H. Flörcken. Das Fadenrezidiv nach Gallensteinoperationen.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIII. p. 310.)
In der Würzburger Klinik (Prof. Enderlen) kam eine früher von Schön-
born wegen Empyem und Steinen cholecystotomierte Kranke zu erneuter Opera-
tion, welche diesmal in Ektomie bestand. In der exstirpierten Gallenblase befanden
sich außer zwei freien Gallensteinen, die wahrscheinlich bei der früheren Operation
zurückgelassen waren, drei Konkremente, in welchen Fäden — offenbar den Fixa-
tionsnähten bei der früheren Operation entsprechend — enthalten waren. Die
Konkremente bestanden aus gemischtem Cholesterinpigmentkalk. F. stellt die in
der Literatur sonst beschriebenen Fälle von Gallensteinbildung um Fäden zu-
sammen, es sind deren nur sieben. Atiologisch weist er darauf hin, daß die durch
ihre Einnähung verringerte Beweglichkeit der Gallenblase die Steinbildung be-
günstigen wird, daß ferner die die Fäden umgebende kapilläre Flüssigkeitsschicht
die Bakterienansiedlung erleichtern, und daß wahrscheinlich auch die Luschka-
schen Gänge der Gallenblasenschleimhaut von Bedeutung für die Konkrement-
bildung sein werden. Im übrigen, meint er, würden die Fadenrezidive der Chole-
lithiasis bald genug verschwinden, wenn entweder nur Catgut zu Blasennaht ge-
nommen wird oder nur lang gelassene Fäden benutzt und später extrahiert werden
würden. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
59) A. Dreifuss. Beiträge zur Pankreaschirurgie.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIIL p. 432.)
D. publiziert drei von Alsberg im jüdischen Krankenhaus in Hamburg mit
glücklichem Erfolg operativ behandelte Fälle von Pankreasaffektionen.
Fall I betrifft die subkutane Verletzung des Pankreas bei einem 19jährigen
Malergehilfen, der, auf dem Fahrrad sitzend, in voller Fahrt mit der Magengegend
gegen eine Wagendeichsel geprellt war. 42 Stunden nach dem Unfalle mußte
laparotomiert werden, da bei schlechtem Befinden eine beginnende Peritonitis in-
folge innerer Verletzung vorhanden zu sein schien. Es fanden sich in den Tiefen
der Bauchhöhle Blutmassen, im Netz zahlreiche Fettnekrosen, Ödem und Fett-
nekrosen im Lig. gastro-colicum, und links in diesem auch ein Loch, durch welches
zwei Finger in den Winslow’schen Sack gelangen. Ausräumung von Blutgerinnseln
aus letzterem, Vorliegen einer zerquetschten Stelle im Pankreas. Die noch nicht
stehende Blutung wird durch provisorische Tamponade gestillt, dann der Herd und
die Höhle mit Gazestreifen drainiert. Nach bald eintretender Besserung und einer
reichlichen Absonderung, in der nekrotische Gewebsfetzen und Pankreassaft mit
entleert wurden, völlige Genesung, wobei die Fistel binnen 56 Tagen nach der
Operation sich schloß. D. hält diesen Fall für den ersten, bei dem bei isolierter
subkutaner Pankreasverletzung mit Erfolg operiert ist.
Fall II ist bezeichnet als »Pancreatitis haemorrhagica acuta mit Ausgang in
Erweichung; Platzen des Exsudates in die freie Bauchhöhle; zweimalige Laparo-
tomie; Heilung«e. Pat., 15 Jahre alt, hatte die letzten Jahre öfter Magenschmerzer
und war jetzt, nach einer starken Abendmahlzeit, nachts mit sehr starken Leib-
schmerzen erkrankt. Unter Wahrscheinlichkeitsdiagnose auf Appendicitis Laparo-
tomie mittels Schrägschnittes rechts am 2. Tage. Entleerung blutig-serösen Exsudates..
1168 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39.
der Wurm zeigt sich gesund. Oben in der Bauchhöhle findet sich blutige Imbibition
des Lig. gastro-colicum, auch Fettnekrosen. Stumpfes Durchgehen durch das genannte
Ligament, Einritzung des Bauchfellüberzuges des hämorrhagisch infiltrierten Pan-
kreas, Einlegung eines Gazedrains. Wenig befriedigender Verlauf, Magen- und Leib-
schmerzen, Unruhe, peritonitische Symptome mit nachweisbarer Flüssigkeitsansamm-
lung im Bauche, weshalb 18 Tage nach der Operation zum zweiten Male laparo-
tomiert wurde. Entleerung reichlicher rötlich-schleimiger Flüssigkeit, Spülung und
Austupfen der Bauchhöhle. Links neben und hinter dem Magen, von woher be-
sonders viel Flüssigkeit hervorquoll, findet sich im Bauchfell ein 5markstückgroßes
Loch, welches in eine große, zerfetzte, jene Flüssigkeit entleerende Höhle führt,
Gazedrainage derselben. Hiernach allmähliche Besserung unter reichlicher Ent-
leerung von nicht eitrigem Sekret, in welchem die Pankreasfermente nachgewiesen
wurden, und welches nach Darreichung antidiabetischer Diät mit Natr. bicarbon.
an Quantität abnahm. Fistelschluß nach 85 Tagen, völlige Wiederherstellung ohne
Diabetes mit starker Gewichtszunahme.
Fali III, »akute Pankreasnekrose mit Ausgang in Abszedierung; retroperito-
neale Eröffnung, Heilung«, betrifft eine 48jährige Frau, die jahrelang an Gallen-
steinkoliken gelitten hatte. Jetzt hatte sich unmittelbar nach angestrengtem Heben
ein besonders heftiger Schmerzanfall und darauf rechts in Bauch- und Lenden-
gegend eine mannskopfgroße, kaum druckempfindliche Geschwulst eingestellt. Durch
Lendenschnitt, sowie durch Eröffnung der Bauchhöhle wird festgestellt, daß die
Geschwulst extraperitoneal sitzt und mit der Niere nichts zu tun hat. Ihre Eröff-
nung entleert viel stinkenden Eiter aus einer weiten, glattwandigen, nekrotische
Gewebsfetzen enthaltenden Höhle. Danach Heilung unter Entleerung reichlichen
Sekretes, in welchem ein diastatisches und tryptisches Ferment nachgewiesen ist.
Fistelschluß nach 126 Tagen; starke Gewichtszunahme.
Außer den Krankheitsberichten bringt D. klinische Allgemeinbesprechungen
über die interessierenden Pankreasaffektionen und ein 33 Nummern enthaltendes
Literaturverzeichnis. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
60) Mauclaire. Un cas de pancreatectomie partielle pour epithelioma
de la tête du pancréas.
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXIII. p.871.)
Die Geschwulst saß am unteren Rande des Pankreaskopfes und wurde durch
das Lig. gastro-colicum hindurch angegangen. Die Auslösung gelang verhältnis-
mäßig leicht; die Geschwulst hatte die Größe einer halben Mandarine. Eine
Cholecystostomie wurde der Sicherheit halber angefügt. Nach Entfernung des
Tampons auf der Pankreaswunde ging die Galle wieder den natürlichen Weg.
Die histologische Untersuchung ließ ein Epitheliom erkennen. Pat. ging an Ka-
chexie 21/, Monate später zugrunde. Kaehler (Duisburg-M.).
61) Vittone. L’idropolitermo-Vittone.
(Giorn. della R. Accad. di med. di Torino 1908. Nr. 3—5.)
Verf. beschreibt einen neu konstruierten Heißwasserapparat, der gleichzeitig
als Instrumenten- und Verbandstoffsterilisator sowie als Inhalationsapparat und
Thermostat angewendet werden kann und endlich auch die Herstellung von sterili-
siertem Wasser gestattet.
Der kompendiöse Apparat wird von Janetti & Cie. in Turin in den Handel
gebracht und dürfte sich für die Bedürfnisse des praktischen Arztes und der
Sprechstunde empfehlen, wenn der nicht erwähnte Preis nicht zu hoch ist.
Strauss (Nürnberg).
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden.
Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau.
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig.
Zentralblatt für Chirurgie
herausgegeben von
K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER,
in Bonn, in Berlin, in Breslau.
35. Jahrgang.
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG.
Nr. 40. Sonnabend, den 3. Oktober 1908.
Inhalt.
J. Gobiet, Fixation der Wanderniere und Wanderleber mit Magnesiumplatten. (Original-
mitteilung.)
1) Parlavecchio, Aleukämische Lymphadenie. — 2) Prinzle, Melanotische Hautgeschwulst,
— 8) Tomkinson, Hauttuberkulose. — 4) Fagge, Gelenkbrüche. — 5) Beck, Osteoarthritis defor-
mans endemica. — 6) Mayrhofer, Ausfüllung kleinerer Knochenhöhlen. — 7) Delbet u. Moequot,
Gaseintritt in Venen. — 8) Merlel und Rougean, Arterienunterbindungen. — 9) Mumford,
Psychische Endresultate größerer Operationen. — 10) Struthers, Novokain bei Lokalanästhesie.
V
— 11) Schur und Wiesel, Chromaffines Gewebe bei Narkotisierten. — 12) Petrivalsky, 18) Win-
ternitz, Gaumenspalte. — 14) Kuhn, Perorale Intubation. — 15) Crile, Basedow. — 16) Palermo,
Geschwülste der männlichen Brustdrüse.
17) XX. italienischer Chirurgenkongreß. — 18) Don, Purpura haemorrhagica, verbunden mit
angioneurotischem Ödem. — 19) Dighton, Myositis ossificans progressiva. — 20) Buchanan, Zur
Nachbehandlung von Osteotomien. — 21) Selig, Radium gegen Geschwülste. — 322) Jelínek, Nar-
kose mit peroraler Intubation. — 38) Jerie, Tetanus. — 24) Vasek, Behandlung mit Stauungs-
hyperämie. — 25) Drew, Kopfverletzungen bei Kindern. — 26) Gobiet, Zur Hirnchirurgie —
37) Tansini, Gesichtsschmerz. — 28) Rethi, Kieferhöhleneiterung. — 29) Perrier, Oberkiefertuber-
kulose. — 80) Kirstein, Unterkieferankylose. — 31) Legg, Adenome des Gaumens. — 82) Wester-
gaard, Nervenschädigungen bei Drüsenexstirpationen. — 33) Guisez, Speiseröhrenverengerung. —
84) Cernezzi, Brust-Zwerchfellwunde. — 85) Thompson, Lungenembolien.
Brauer, Berichtigung.
Druckfehlerberichtigung.
Aus dem gewerkschaftlichen Krankenhaus in Orlau.
Fixation der Wanderniere und Wanderleber
mit Magnesiumplatten.
Von
Dr. Josef Gobiet,
Chir. Ordinarius.
ie immer wieder auftauchenden neuen Vorschläge für die Fixation
der Wanderniere sind ein Beweis dafür, daß keine der bisherigen
Methoden völlig befriedigt. Eine sichere Fixation der Niere an an-
nähernd normaler Stelle scheitert an der Unsicherheit der Naht. Legt
man die Naht durch das Nierenparenchym, so schneidet dieselbe beim
geringsten Zuge durch. Legt man die Naht, wie es zumeist geübt wird,
nur durch die abgelöste Capsula propria, so reißt dieselbe bei dem
Versuche, die Niere halbwegs an ihren normalen Standort hinter die
Rippen zu bringen, gewöhnlich bis auf eine schmale Gewebsbrücke
40
1170 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40.
durch. Man beendet die Operation mit einem Gefühle der Unsicher-
heit bezüglich der Haltbarkeit der Fixation und begnügt sich, um
einen stärkeren Zug zu vermeiden, die Niere an einem viel tieferen
Punkte zu fixieren, als es ursprünglich beabsichtigt war. Diese Un-
sicherheit der Naht führte dazu, daß von einigen (Riedel) außer der
Naht eine ausgiebige Tamponade, von anderen (Senn) die Tamponade
allein ausgeführt wurde. Diese Verfahren erfordern eine ungewöhnlich
lange Bettruhe, nach Riedel 10—12 Wochen. Ahnliche Schwierig-
keiten treten uns noch in erhöhtem Maß entgegen bei der Fixation
der Wanderleber. Auch hier schneiden die durch das Parenchym
gelegten Nähte leicht durch, die durch die dünne Leberkapsel gelegten
Nähte sind wohl nicht imstande, ein so schweres Organ auf längere
Zeit in sicherer Fixation zu erhalten.
Es ist Payr’s Verdienst, die resorbierbaren Magnesiumplatten
zur Naht von parenchymatösen Organen eingeführt zu haben. Die-
selben haben sich bei einer Reihe von Fällen zur Lebernaht nach
Resektion oder Verletzungen bestens bewährt.
Ich ging in zwei Fällen von Wanderniere und in einem Falle
von totaler Wanderleber in der Weise vor, daß ich das betreffende
Organ zwischen Magnesiumplatten und Rippen mittels Silberdraht
fixierte. Die Methode erwies sich als leicht und rasch ausführbar.
Der momentane Effekt der Fixation war ein guter, wie bei keiner der
anderen von mir versuchten Methoden. Auch der Dauererfolg scheint
mir, bisher allerdings infolge Kürze der Beobachtungszeit nur auf
Grund theoretischer Erwägung, vielversprechend zu sein. Hervor-
zuheben ist auch die Kürze der Bettruhe, da die Pat. bereits nach
8—10 Tagen das Bett verlassen. Aus diesen Gründen erscheint mir
die Veröffentlichung der Methode geboten.
Bei der Fixation der Niere ging ich folgendermaßen vor: Haut-
schnitt längs des unteren Randes der 12. Rippe, nach vorn zu schräg
gegen den Darmbeinkamm abbiegend. Isolierung der 12. Rippe von
Muskulatur und Pleura. In der Mitte der Rippe werden in einem
Abstande von 3 cm zwei Löcher gebohrt, wobei ein unter die Rippe
geschobenes Raspatorium die Pleura vor Verletzung schützt. Frei-
legung und Luxation der Niere. Abstreifen und teilweise Resektion
der Fettkapsel. Eine Ablösung der Capsula propria ist unnötig. An
der Vorderfläche der Niere wird an der Grenze zwischen mittlerem
und unterem Drittel eine 4 cm lange, 1 cm breite, 1 mm dicke Magne-
siumplattei, welche nahe ihren Breitseiten durchlöchert ist, schräg zur
Längsachse der Niere angelegt. Nun wird ein mittelstarker Silber-
draht mit geraden, stumpfen Nadeln (Kusnizoff’sche Nadel) doppelt
armiert durch Magnesiumplatte, ganze Dicke der Niere und das
korrespondierende Bohrloch der Rippe durchgeführt und über der
Rippe zusammengedreht, wobei man darauf zu achten hat, daß die
Niere zwischen Rippe und Magnesiumplatte nicht zu stark gedrückt
1 Erhältlich bei C. W. Rohrbeck’s Nachfolger, Wien I., Kärnthnerstraße 59.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 1171
werde. Sorgfältige Blutstillung. Naht der Muskeln und Fascien mit
Catgut. Völlige Hautnaht ohne Drainage. Die Heilung erfolgte in
beiden Fällen per primam. Die Pat. verließen nach 8 und 10 Tagen
das Bett.
In einem Falle von totaler Wanderleber führte ich die Operation
folgendermaßen aus: Längsschnitt am rechten Rectusrande, in Nabel-
höhe beginnend, nach oben mehrere Zentimeter über den Rippenbogen
verlaufend. Ablösen der Weichteile nach beiden Seiten vom Rippen-
bogen. 2—3 cm vom freien Rande des Rippenbogen entfernt, werden
vier Bohrlöcher im Rippenbogen angelegt. Der Abstand zwischen je
zwei Bohrlöchern beträgt &cm. Nunmehr werden zwei 5 cm lange,
2cm breite, 1 mm dicke, nahe ihrer Breitseite durchlöcherte Magnesium-
platten an der Unterfläche der Leber angelegt, einige Zentimeter vom
freien Leeberrande entfernt, die eine Platte nahe der Gallenblase, die
zweite nach außen in einiger Entfernung von der ersten. Nun wird
ein starker, mit stumpfer Nadel doppelt armierter Silberdraht durch
Magnesiumplatten, ganze Dicke der Leber und korrespondierende
Bohrlöcher des Rippenbogens durchgeführt. Die Drähte werden über
dem Rippenbogen zusammengedreht, jedoch erst bis beide Nähte an-
gelegt sind. Ich habe in meinem Falle, da ich nur schwachen Silber-
draht zur Verfügung hatte, welcher mir beim Knoten zerriß, starkes
Catgut verwendet. Jedoch empfehle ich, der Sicherheit wegen prin-
zipiell mit Silberdraht die Naht auszuführen. Bauchnaht in drei
Etagen. Die Heilung erfolgte reaktionslos.
Nach gleicher Methode kann man auch eine Wandermilz am linken
Rippenbogen fixieren.
Die Vorteile meiner Methode sind folgende: Die Naht durchsetzt
die ganze Dicke des Organes, ohne daß, dank dem Durchleiten des
Drahtes durch die Magnesiumplatte einerseits, die durchbohrte Rippe
andererseits, das Parenchym einreißt. Man kann ungestraft einen be-
liebig starken Zug ausüben, um das Organ an seinen normalen Stand-
ort hinaufzuziehen, wie es wohl bei keiner der anderen Methoden
möglich ist. Die Lage, die ich erzielte, war daher auch eine ideale.
Die Niere überragte nur mit dem unteren Pole die 12. Rippe, die
Leber war nur in der Ausdehnung eines Querfingers unterhalb des
Rippenbogens sichtbar. Der Dauererfolg dürfte ebenfalls ein guter
sein. Nach den Untersuchungen Payr’s hat das Magnesiummetall
die Eigenschaft, eine außerordentlich lebhafte Bindegewebsproliferation
zu erzeugen. Es dürfte daher nach Ablauf mehrerer Wochen, wo die
Magnesiumplatte infolge Resorption ihre Haltbarkeit zu verlieren be-
ginnt, eine genügend feste Narbenbildung um das fixierte Organ statt-
gefunden haben. Sollte diese Narbe zur Fixation nicht genügen, so
ist zur Sicherheit die Silberdrahtschlinge da, welche das Organ dauernd
an den Rippen aufhängt.
Auf Grund dieser Ausführungen glaube ich die Methode zur
Nachprüfung empfehlen zu können.
40*
1172 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40.
1) @. Parlavecchio. Ein Fall aleukämischer Lymphadenie
von endotheliomatöser Natur.
(v. Langenbeck's Archiv Bd. LXXXVI. Hft. 3.)
P. gibt einen ausführlichen kritischen Bericht über den heutigen
Stand unserer Kenntnisse über die Lymphadenien. Er teilt sie ein
in aleukämisch regionäre Lymphknotenleiden, in aleukämisch regionär-
systemische Lymphknotenerkrankungen und in leukämisch-systemische
Prozesse. Diese Einteilung hält er heute für die passendste, nur das
Lymphknotenendotheliom will nicht in sein Schema sich recht einfügen,
ebensowenig wie es sich bisher in andere Einteilungsprinzipien gefügt
hat. Weiterhin beschreibt Verf. auf das genaueste die Kranken-
geschichte und "mikroskopischen Präparate eines Falles, bei dem die
anatomische Untersuchung eine Wucherung der Endothelien ergab.
Wahrscheinlich war dieses Endotheliom aus der Auskleidung der
Lymphbahnen und -Räume entstanden, wie dies aus der Lage der
ausgebildeten und besonders der ganz jungen, beginnenden Nester
hervorging. Atiologisch muß man bei einem solchen Prozeß an In-
fektion denken, an zirkulierende Keime, die imstande sind, Prolifera-
tionserscheinungen in den zunächst getroffenen Zellelementen und
entzündliche Reaktionserscheinungen in den nächst gelegenen Follikeln
und Marksträngen zu erregen. Ein leukämischer Befund fehlte in
dem Falle. E. Siegel (Frankfurt a. M.).
2) Prinzie.. A method of operation in cases of melanotic
tumours of the skin.
(Edinb. med. journ. 1908. Juni.)
Die von der Haut (Naevis) ausgehenden melanotischen Geschwülste
sind nicht immer Sarkome, wie man sie früher stets bezeichnete, son-
dern auch sehr häufig Karzinome. Beide Arten melanotischer Neu-
bildungen haben die Neigung, nicht nur in den regionären Lymph-
drüsen, sondern auch im Verlaufe der Lymphgefäße metastatische
Geschwülste zu erzeugen. Gerade letzterer Punkt ist wenig beachtet,
und doch hängt von der radikalen Entfernung sämtlicher Drüsen
mitsamt dem umgebenden Gewebe der Erfolg ab, wie Verf. an zwei
Fällen zeigt. In beiden exzidierte er die primäre Geschwulst weit im
Gesunden, führte den Schnitt (es handelte sich um ein Melanosarkom
des Oberarmes sowie des Oberschenkels) bis zur Achsel bzw. zur
Leistengegend, und entfernte die mit der Primärgeschwulst zusammen-
hängenden Lymphstränge und Drüsen, sowie das umgebende Fett-
und Fasciengewebe. Die erste Pat., ein zur Zeit der Operation 17 Jahre
altes Mädchen, ist seit 91/, Jahren gesund, der zweite Pat., ein
30jähriger Mann, wurde im Oktober 1906 operiert und hatte bei der
Nachuntersuchung im Februar 1908 kein Rezidiv, befand sich vielmehr
sehr wohl. Verf. empfiehlt daher sein Verfahren bei den melanoti-
schen Geschwülsten der Haut. Jenckel (Göttingen).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 1173
3) Tomkinson. X-Rays in the treatment of cutaneous tuber-
culosis.
(Practitioner 1908. Juni.)
Bei Lupus vulgaris und Tuberculosis verrucosa hat Verf. mit
gutem Erfolge die Röntgenstrahlen angewandt. Sein Verfahren ist
folgendes: Die Bestrahlung erfolgt zuerst 3—5 Minuten lang auf eine
kleine Partie der erkrankten Haut; nach einigen Tagen wird die ganze
Fläche 3—4 Tage hindurch 5 Minuten lang bestrahlt. Dann wird
Unna’s Salizylkreosotpflaster aufgelegt oder, wenn dies nicht ver-
tragen wird, vorher die Fläche mit einer 10—20%igen Kokainlösung
eingepinselt. Nach 10 Tagen wird die Einpinselung mit Kokain
wiederholt, die Haut getrocknet und dann mit folgender Flüssigkeit
eingerieben:
Rp.: Acid. carbolici 50%
Acid. lactici 15%
Acid. salicylici 15%
Alcoh. absolut. 20%.
Einige Minuten später kommt folgende Lösung zur Verwendung:
Rp.: Acid. carbolici 80%
Alcoh. absolut. 20%.
Bei sehr ausgedehnten Erkrankungen kann auch der Thermokauter
mit gutem Erfolg angewandt werden. Nach der Kauterisation wird
die Wundfläche mit sterilem Lint, das in Karbolöl (1:30) getaucht
ist, bedeckt, und hinterher ein Läppchen mit einer 20%igen wäßrigen
Lösung von Ichthyol aufgelegt, bis völlige Heilung erfolgt ist. Dann
wird wieder die Bestrahlung (kurze Exposition 3—5 Minuten lang)
eingeleitet. Nach 3—4 Monaten wird diese Behandlung für längere
Zeit ausgesetzt, später nötigenfalls wiederholt. Jenckel (Göttingen).
4) Fagge. The importance of accurate diagnosis and the
treatment of fractures in the vicinity of joints.
(Practitioner 1908. April.)
Vor der planlosen, schematischen Deuchleuchtung eines jeden
Knochenbruches mittels Röntgenstrahlen ohne vorherige genaue Unter-
suchung und Stellung der bestimmten Diagnose warnt Verf. ganz
entschieden und will die X-Strahlen nur dann angewandt wissen, wenn
die Diagnose zweifelhaft ist, sowie zur Kontrolle, ob die angestellten
Repositionsversuche von Erfolg gekrönt waren und eine einigermaßen
gute axiale Vereinigung garantierten, oder nicht. Auf keinen Fall
soll man bei Mißlingen der Repositionsversuche oder zu schlechter
Stellung der Bruchstücke bei den Gelenkbrüchen allzulange mit einem
operativen Eingriff warten, da die nötige Korrektion durch die Ope-
ration bald nach der Verletzung leichter sei und auch ein besseres
funktionelles Resultat erzielt werden könne als späterhin, wo Ver-
wachsungen beständen und die Kontraktion der Muskulatur hindere.
1174 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40.
Bei alten, mit starker Verschiebung komplizierten Gelenkbrüchen
(Schulter, Ellbogen) hält Verf. die Resektion für das beste Verfahren
und hat gute Resultate davon gesehen. Jenckel (Göttingen).
5) E. Beck. Über Osteoarthritis deformans endemica im
Transbaikalgebiet.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVI. Hft. 3.)
Verf. konnte als Militärarzt im Transbaikalgebiet feststellen, daB
dort endemisch eine Krankheit vorkommt, die durch Gelenkverdickung,
Knarren, Bewegungsbeschränkung und Flexionsstellung, zuweilen durch
Wachstumshemmung des Skelettes charakterisiert ist. Fälle von ein-
seitiger Erkrankung kommen selten vor, meistens sind mehrere Gelenke
befallen, in allererster Linie die Interphalangealgelenke, die Elibogen-,
dann die Knie-, Hand- und Fußgelenke.. Das Leiden verläuft
schleichend, fortschreitend, hier und da durch einen Stillstand unter-
brochen. Umzug in eine gesunde Gegend kann weiteres Fortschreiten
des Prozesses verhüten. Die Röntgenaufnahmen sprechen dafür, daß
es sich um eine Knochenerweichung handelt, um einen der Arthritis
deformans ähnlichen, aber nicht gleichartigen Prozeß. Die Ursache
des Leidens ist mit Wahrscheinlichkeit in der Beschaffenheit des Trink-
wassers zu suchen. Betroffen ist am meisten das jugendliche Älter
von 8—13 Jahren. E. Siegel (Frankfurt a. M.).
6) B. Mayrhofer. Wesentliche Vereinfachung der Technik
der Ausfüllung kleinerer Knochenhöhlen. (Mosetig’s
Knochenplombe.)
(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Nr. 10.)
Verf. hat die Mosetig’sche Plombe seit einigen Jahren auch
zur Ausfüllung bei Zahnwurzelresektionen benutzt, damit aber nicht
viel Anklang gefunden, seiner Meinung nach, weil die schwierige
Technik viele Mißerfolge zeitigte. Er gibt jetzt eine etwas anders
zusammengesetzte Masse an, die man einfach mit einem erwärmten
Spatel einstreichen oder mit gewöhnlicher, erwärmter Spritze einführen
kann, und glaubt, daß diese Methode auch für größere Knochenhöhlen
verwendbar ist. Das Rezept lautet: Jodoformii 10, Olei Sesami 15,
Cetacei 30. Renner (Breslau!.
7) Delbet et Mocquot. Recherches expérimentales sur les
injections de gaz dans les veines.
(Revue de chir. XXVII. ann. Nr. 3.)
Gelangt Gas auf venösem Wege in die Blutbahn, so kann nur
diejenige Menge mechanisch gefährlich werden, die noch frei, d. h.
nicht gebunden von den roten Blutkörperchen bzw. gelöst im Blut-
plama, ins Herz und die Lungen eintritt. Diese Menge wird um so
größer sein, je schneller das Gas eindringt und je geringer die zwischen
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 1175
Eintrittsstelle und Herz befindliche Blutmasse ist, d. h. je näher dem
Herzen das Gas in die Venenbahn gelangt. Bei gleichbleibender
Eintrittsstelle kann die Blutmasse proportional dem Körpergewicht.
angenommen werden. Hiernach haben die Verff. in einer Reihe interes-.
santer Versuche am Hunde die »gefährliche Geschwindigkeit« bestimmt.
Für Luft beträgt sie beim Eintritt des Gases in die Vena saphena
5—6 ccm pro Minute und Kilogramm Tier, beim Eintritt in die Vena
jugularis genügen schon 2,2 ccm, um den Tod herbeizuführen. Zuerst
stockt die Atmung, dann steht das Herz still. Je mehr die Geschwin-
digkeit gesteigert wird, desto schneller folgen sich Atmungs- und
Herzlähmung; schließlich treten sie gleichzeitig ein. Künstliche At-
mung kann den Tod nicht aufhalten. Wird die Geschwindigkeit unter
die Gefahrgrenze vermindert, so werden Atmung und Herztätigkeit
beschleunigt; wahrscheinlich gibt das Blut das überflüssige Gas in den
Alveolen ab. Die Lunge wirkt gewissermaßen als Regulator, und
zwar so prompt, daß z. B. mit Chloroform gesättigter Sauerstoff, in.
die Venenbahn injiziert, nicht die geringste Betäubung verursacht.
Der leicht vom Blut gelöste und gebundene, ungiftige Sauerstoff allein
wird erklärlicherweise erst gefährlich, wenn er mit 3—4mal größerer
Geschwindigkeit als die Luft eindringt.
Bei der Versuchsanordnung ist zu berücksichtigen, daß das Gas
unter einem Überdruck von einigen Kubikzentimeter Wasser in die
Blutbahn geleitet wird, sonst fließt Blut in die Kanüle. Am un-
betäubten Tier gelangt infolge des Pressens bei Abwehrbewegungen
die Luft nicht in gleichmäßigem Strom in den Brustkorb und wird
oft in die Gekrös- und Wirbelvenen gedrückt, so daß die hinteren
Gliedmaßen vorübergehend gelähmt werden. Um vergleichbare Werte
zu erhalten, müssen somit die Versuche am narkotisierten Tier ange-
stellt werden. Auch muß das Gas wegen seiner großen Ausdehnungs-
fähigkeit bei der Erwärmung stets in der gleichen Temperatur ver-
wendet werden; die Verff. haben es auf 20° vorgewärmt.
Der Mechanismus des Todes ist noch nicht geklärt; zweifellos
hat die Dehnung der rechten Herzkammer nicht unwesentlichen Anteil
an ihm. Fängt doch das Herz nach Punktion der rechten Kammer
wieder an zu schlagen. Die Erscheinungen sind denen bei plötzlicher
Dekompression des Tierkörpers recht ähnlich; nur findet sich hier
freies Gas in allen Gefäßen, nach der Injektion nur im rechten
Herzen und in dem der Injektionsstelle entsprechenden Teil des
Venensystems.
Aus ihren Versuchen ziehen Verff. den Schluß, daß die wenigen
Kubikzentimeter Luft, die z. B. bei der Anastomosierung von Saphena
und Femoralis in die Venenbahn gelangen, ganz ungefährlich sind.
Tatsächlich haben sie diese Operation 16mal am Menschen ohne jeden
Zwischenfall ausgeführt. Die Einführung von Sauerstoff in eine Vene
möglichst entfernt vom Herzen empfehlen sie bei Asphyxien durch
Kohlenoxydvergiftung, Fremdkörper, Lungentuberkulose, retrosternalem
Kropf und bei asphyktischen Neugeborenen. Beim Erwachsenen von
1176 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40.
60 kg Körpergewicht würden 33 ccm in der Minute genügen, um den
Sauerstoffbedarf zu decken, was einer Geschwindigkeit von weniger
als 2ccm pro Kilogramm und Minute entspräche. Diese ist, wenn
die Ergebnisse am Hund auf den Menschen übertragbar sind, bei
freien Luftwegen (z. B. CO-Vergiftung) ganz ungefährlich. Größere
Vorsicht ist geboten, wenn durch eine mechanische Unterbrechung
der Atmung die Gasausscheidung durch die Lunge ausgeschaltet ist.
Bei der Chloroformsynkope ist die Sauerstoffeinspritzung nutzlos, da
das Herz bereits still steht. Gutzeit (Neidenburg).
8) Meriel et Rougean. Les ligatures d’arteres a l’amphi-
theätre.
Paris, A. Maloine, 1908.
Nach ähnlichem Grundsatz und Methode wie bei uns im Berg-
mann-Rochs werden die Unterbindungen der wichtigsten Gefäße
des Körpers besprochen. Selbstverständlich ist das Buch trotzdem
gänzlich unabhängig geschrieben und wahrt seinen eigenen Charakter.
Die Verff. geben zunächst einen kurzen Überblick über die Anatomie
des betreffenden Körperteiles und präzisieren dann die Lage des
Gefäßes bzw. die Schnittrichtung zur Unterbindung nach bestimmten
konstanten Linien, die sich aus der topographischen Anatomie des
betreffenden Körperteiles ergeben. Nach einem einleitenden Kapitel
allgemeinen Inhalts über Gefäßunterbindungen werden in zwei großen
Abschnitten die Unterbindungen der Gefäße der oberen Rumpfhälfte,
sowie der unteren Extremität besprochen. Es fehlt merkwürdigerweise
die Unterbindung der Art. mammaria und vertebralis. Zum Schluß
jedes Absatzes sind die Gefäßanomalien ausführlich beschrieben.
Coste (Breslau).
9) Mumford. Psychical end-results following major surgical
operations.
(Annals of surgery 1908. Juni.)
Eine medizinisch-sozialistische Studie.
Verf. hat festgestellt, daß nach größerer Operation eine Anzahl
Pat., die im anatomischen und chirurgischen Sinne als geheilt zu be-
trachten waren, nachher allerhand allgemeine Klagen hatten, sich
schwach und unlustig fühlten, kurz im psychischen Sinne nach M.
Fehloperationen repräsentierten. Von 39 operierten Männern, nach
deren Schicksal er sich später brieflich erkundigte, hörte er von 7,
daß sie nicht recht arbeitsfähig und schwach seien. Alle 7 waren
wegen eines Leidens an den Genitalorganen operiert (Varikokele, Hydro-
kele usw.), ohne aber daß irgend eine verstümmelnde Operation, z. B.
Fortnahme eines Hodens, ausgeführt wäre. Von 91 radikal operierten
und geheilten Frauen hatten 30 dauernd Klagen, fühlten sich matt usw.
2/, von diesen 30 waren ebenfalls solche, die eine Operation an den
Genitalorganen durchgemacht hatten; dies eine !1/; war wegen anderer
Leiden operiert. Diese psychische Invalidität tritt nun nach M. nur
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 1177
bei den Hospitalpatienten ein, während sie bei den Pat. der Privat-
praxis nicht beobachtet wird. Verf. meint, daß man die wegen
schwerer Leiden Operierten auch nach der Entlassung aus dem Ho-
spital durch Assistenzärzte oder ärztlich geschultes Unterpersonal be-
obachten und besuchen lassen solle; er verspricht sich davon, daß
eine Anzahl psychisch Invalider hierdurch wieder ganz gesunden
würde. Ferner soll nach ihm der Chirurg bereits im Hospitale psy-
chisch als Arzt auf seinen Klienten dauernd einzuwirken suchen.
Herhold (Brandenburg).
10) Struthers, The value of novocain as a local anaesthetic
for subcutaneous use.
(Edinb. med. journ. 1908. Februar.)
Zur Infiltrationsanästhesie empfiehlt Verf. das Novokain in einer -
1—2%igen Lösung mit event. Zusatz von 2—4 Tropfen Adrenalin.
Bis 10 g können ohne Schädigung injiziert werden; Novokain ist
deshalb dem Kokain bei weitem vorzuziehen. Wenn jedoch Verf.
behauptet, daß es das Eukain wegen schnellerer Wirkung übertreffe,
da Novokain nach 15 Minuten, Eukain jedoch erst nach Verlauf einer
1/, Stunde völlige Anästhesie hervorrufe, so irrt Verf. (Ref.).
dJenckel (Göttingen).
11) H. Schur und J. Wiesel. Über das Verhalten des
chromaffinen Gewebes bei der Narkose. (Aus dem Institut
für experimentelle Pathologie und der Prosektur des Kaiser
Franz-Hospital in Wien.)
(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Nr. 8.)
Während tiefer Narkose verschwindet das Adrenalin aus den
chromaffinen Zellen und tritt in vermehrter Menge ins Blut. W. fand
bei Status lymphaticus auffallende Hypoplasie des chromaffinen Ge-
webes, so daß sich diese bei Narkose wohl zu rasch erschöpfen. Viel-
leicht bietet das einen Fingerzeig zur Aufklärung der häufigen Todes-
fälle in der Narkose bei Status lymphaticus. Renner (Breslau).
12) J, Petrivalsky. Die kongenitale Gaumenspalte.
(Časopis lékařů českých 1908. p. 85.)
Der Autor verwendet zum Verschluß des Defektes folgende Naht:
Er legt zuerst eine Reihe adaptierender Nähte, die 1 cm voneinander
entfernt sind und außer dem Schleimhautrande auch die Submucosa
und einen Teil der Muskulatur, insofern sie überhaupt vorhanden ist,
einschließen; dazwischen legt er, um eine Spannung zu verhüten, eine
Reihe von Stütznähten, die ebenfalls 1 cm voneinander entfernt sind,
die ganze Dicke der Lappenwand umfassen und etwas weiter vom
Wundrand entfernt sind als die Adaptierungsnähte. — Zur Füllung
des Defektes benutzt er das plastische Verfahren nach Langenbeck;
40*+*
1178 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40.
er modifiziert es aber, indem er die vollständige Diszision verläßt,
dafür aber nach oberflächlicher Inzision die Muskulatur auf stumpfem
Wege schräg zerteilt. Der Hamulus pterygoideus und die an dem-
selben vorbeigehenden Muskeln werden nicht durchtrennt.
6. Mühlstein (Prag).
13) A. Winternitz. Operation der Gaumenspalte mittels
Plattennaht.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVI Nr.3.)
W. glaubt, daß die Erfolge der Uranoplastik von dem Zeitpunkte
des Eingriffes, der möglichst frühzeitig stattfinden soll, und von einer
zweckentsprechenden Technik abhängig sind. Früher hat er die zwei-
zeitige Operation nach J. Wolff ausgeführt, sie dann aber aus ver-
schiedenen Gründen zugunsten der einzeitigen Methode aufgegeben.
Er beginnt nicht mit der medialen Anfrischung, sondern mit der Ab-
lösung nach Entspannungsschnitt. Das Involucrum wird unter Digital-
kompression emporgehoben, bis an den medialen Spaltrand vom Knochen
gelöst und, falls er mit dem Vomer verwachsen ist, auch der muco-
periostale Überzug der entgegengesetzten Vomerfläche zum Lappen ge-
nommen. Die Schonung der Arteria palatina major hält W. nicht
für erforderlich. Sie wurde stets durchtrennt, ohne daß eine ungünstige
Beeinflussung der Heilung eintrat. Zur Naht benutzt Verf. kleine
Plättchen aus Aluminium oder Silber, die, erst auf der einen Seite
angelegt, nach Anlegung sämtlicher Nähte dann auch auf der anderen
eingeführt werden. Durch diese Plättchen wird nicht nur eine Ent-
lastung der Knopfnähte, sondern auch eine breitere Berührung der
Lappenränder erzielt. Die Seitentaschen werden nicht tamponiert; die
Platten werden am 5., die Nähte am 8.—10. Tage entfernt. Die
besten Erfolge wurden bei Kindern unter 2 Jahren erzielt. Doch hält
es Verf. für richtig, erst in der zweiten Hälfte des 2. Lebensjahres
zu operieren, da die Kinder im 1. Lebensjahre dem Eingriffe nicht
immer gewachsen sind. Die besseren Erfolge in diesem Lebensalter
sind dem postoperativen Verhalten zuzuschreiben, das bei älteren
Kindern kein so ruhiges ist. Im ganzen ist W. mit den Gesamt-
resultaten sehr zufrieden gewesen. E. Siegel (Frankfurt a. M.).
14) F. Kuhn. Einführung in die perorale Intubation.
(Med. Klinik 1908. p. 1107.)
K. stellt die Grundbegriffe seines Verfahrens für die Anfänger
und praktische Ausführungswinke für den Vorgeschrittenen zusammen.
Unter den Anzeigen für die perorale Intubation nimmt die Asphyxie
jeder Art den breitesten Raum ein; daran schließen sich vor allem
die Operationen im Mund-, Rachen-, Kehlkopfgebiete. Das Instru-
mentarium muß allererster Güte sein; wie es fortlaufend geprüft wird,
ist näher auseinandergesetzt. Das Verfahren wird am Phantom und
an der Leiche, dann am Lebenden vorgeübt. Seine — völlig harm-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 1179
lose — Ausführung ist beschrieben. Gesamtliteratur für die perorale
Intubation und ihre technischen Unterlagen.
Georg Schmidt (Berlin).
15) Crile. Surgical aspects of Graves’ disease with refer-
ence to the psychic factor.
(Annals of surgery 1908. Juni.)
Nach C. kann die Graves’sche (Basedow) Krankheit durch
psychische Aufregung vor der Operation so verschlimmert werden, daß
trotz glatt verlaufender Operation nachträglich der Tod eintritt. Verf.
beobachtete zwei an Basedo w’scher Krankheit leidende Hunde; wenn
er einen solchen Hund aufregte und durch die Peitsche in andauernder
Furcht hielt, so verschlimmerten sich die Krankheitserscheinungen,
der Puls wurde sehr hoch, die Glieder zitterten, die Temperatur stieg,
Durchfälle traten ein. Ein ähnliches Bild konnte Verf. hervorrufen,
wenn er dem an Basedow leidenden Hunde Thyreoidextrakt subkutan
injizierte. Verf. hält von den ihm überwiesenen Basedowkranken daher
jede Aufregung fern; gleich bei der Aufnahme verschafft er sich die
Zusage der Kranken, daß sie entweder mit Medikamenten oder mit
Operation behandelt werden. Durch Einatmen flüchtiger Ole, welche
zunächst für die Kranken als Medikament gelten, werden sie an die
Narkosenmaske gewöhnt. Der Tag der Operation wird ihnen nicht
mitgeteilt, am Abend vor der Operation erhalten sie Brom, am Morgen
der Operation Morphium; dann wird ihnen die nun bereits gewohnt
gewordene Maske zur Narkose mit Ather vorgehalten. 23 auf diese
Weise operierte Fälle sind sehr günstig verlaufen.
Herhold (Brandenburg).
16) N. Palermo. I tumori della mammella maschile.
(Studio critico chlinico. Palermo, Brangi 1907. 389 S.)
P.’s Buch ist im wesentlichen eine kompilatorische Arbeit, enthält
aber eine fleißige und übersichtliche Zusammenstellung der gesamten
Literatur nicht ohne kritisches Urteil, und ist deshalb dem, der über
dieses Thema arbeitet, zu empfehlen. P. hat eine Statistik von 751
einschlägigen Geschwülsten, darunter 649 Karzinome, zusammengestellt
und dieselbe um einige eigene Beobachtungen bereichert (2 Adeno-
fifrrome und 8 Karzinome). Nach einer kritischen Einleitung über die
Geschwülste der männlichen Brustdrüsen überhaupt bespricht er nach-
einander das Adenom, Karzinom, Fibrom, Lipom, Enchondrom, Angiom,
Myxom, Sarkom und Myom. Dem Karzinom mit seiner Pathogenese,
Diagnose, Prognose und Therapie ist der breiteste Raum im Buche
gegeben. 437 Nummern Literaturverzeichnis beschließen das Werk.
A. Most (Breslau).
1150 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40.
Kleinere Mitteilungen.
17) Bericht über den XX. italienischen Chirurgenkongreß vom 27. bis
29. Oktober 1907 in Rom.
(Arch. ed atti della societä italiana di chirurgia 1908. p. 727.)
Rom, Bertero & Co., 1908.
1) Allgemeine Chirurgie und chirurgische Pathologie.
Lusena: Sulle affezioni precarcinomatose e sulla diagnosi pre-
coce del carcinoma nelle sue sedi più communi. Redner faßt alles das
kritisch zusammen, was wir über die verschiedenen prädisponierenden Momente
des Karzinoms wissen — wie Erblichkeit, Leukoplakie bei Karzinom der Mund-
höhle usw. — und bespricht die Initialsymptome der wichtigsten und häufigsten
Krebse, ohne wesentlich neue eigene Momente zu bringen. Er betont die früh-
zeitige Operation als das zurzeit einzige Heilung versprechende Mittel und erörtert
den Wert der Probeexzision.
In der Diskussion wurde u. a. die Bedeutung entsprechender Hinweise an
die praktischen Arzte und entsprechender Belehrung der Laien betont.
Fischera berichtet über eine große Zahl von Experimenten, die er an
48 Hunden ausgeführt hat, um den Einfluß funktioneller Faktoren auf
die Regeneration der Gewebe zu studieren. Er setzte Wunden verschiedener
Art — einfache Schnittwunden bis zu Resektion größerer Gewebspartien — an
verschiedenen Organen, die entweder in dauernder oder rhythmischer Bewegung sind,
wie Pleura, Lunge, Zwerchfell, oder an solchen Organen, bei welchen Bewegung
mit Ruhe wechselt, bei denen er das Maß der Bewegung abstufen und bei denen
er auch den (trophischen usw.) Einfluß der Nervendurchschneidung studieren konnte,
wie bei der Extremitätenmuskulatur. — Das Resultat von 120 derartigen Regene-
rations- und Narbenuntersuchungen war kurz folgendes: Die Regeneration der Ge-
webe folgt auch hier den allgemeinen Gesetzen der Physiologie und Pathologie,
hingegen betrachtet der Autor den mechanischen und funktionellen Ein-
fluß als einen trophischen und formativen Reiz. Das Funktionieren des
verletzten Organes regt die jugendlichen Zellelemente in der Narbe zur produk-
tiven Tätigkeit an. Dieser Einfluß zeigt sich deutlich bei der Bildung des elasti-
schen Gewebes.
Chiarolanza berichtet über neuere Untersuchungen über die An-
wesenheit von Eiterkörperchen im Blute, welche Cesaris Demel als
spezifisches Diagnostikum für die Anwesenheit einer eitrigen Entzündung im Körper
angesehen hat. 100 eigene klinische Untersuchungen an Gesunden und Kranken
führten C. zu dem Schluß, daß besagtem Symptom der spezifische Charakter fehle,
da die sog. Eiterkörperchen bei Eiterung manchmal fehlen, andererseits auch bei
Gesunden (während der Verdauung) vorkommen können.
Anzilotti, Cassanello, Bernardi treten in der Diskussion hingegen für
den Wert der Demel’schen Methode ein.
Caminiti und Isaia berichten über Untersuchungen mit Streptothrix.
Ersterer über eine 5 Jahre alte Kultur, die im Tierexperiment noch virulent wirkt,
letzterer über eine aus Trinkwasser isolierte Form, welche beim Tiere Granulome
hervorruft.
2) Chirurgie des Nervensystems.
Maragliano berichtet über seine Erfahrungen bei Kraniektomien, die
er im verflossenen Jahr ausgeführt wegen Neubildungen, Traumen, Epilepsie. Er
empfiehlt die temporäre Blutstillung nach Heidenhain. Die Radiographie leistet
in der Diagnose der Hirngeschwülste noch nichts.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 1181
Falcone hat durch Injektion vom Subdural- und Subarachnoidealraum in
überraschender Weise kommunizierende Lymphbahnen darstellen können,
die durch den Knochen zur Schleimhaut des Sinus frontalis ziehen und
dort ein demonstrables Netz füllen. Er wird diesen für die Pathologie wichtigen
Befunden noch nachgehen und dieselben später ausführlich publizieren.
Dalla Vedova berichtet eingehend über einen sehr interessanten Fall von
subduralem Sarkom am unteren Hals- und oberen Brustmarke, das
er nach Resektion des 7. cervicalen und 1.—3. dorsalen Wirbelbogens radikal ent-
fernen und wodurch er den Kranken von seinen schweren Symptomen heilen konnte.
V. beschreibt ausführlich die nervösen Symptome und stellt eine Statistik von
88 Rückenmarksgeschwülsten aus der Literatur zusammen.
Codivilla spricht über die chirurgische Behandlung der Wurzel-
paralysen am Plexus brachialis. Er hat sie zweimal operativ angegriffen.
In dem einen Falle handelte es sich um eine Lähmung im Gebiete der 5. Wurzel
im Anschluß an eine Halswirbelfraktur. Diese Wurzel war außerhalb des Wirbel-
kanales verdickt, hyperämisch, innerhalb desselben abgeplattet, weiß. Abtragung
des Wirbelquerfortsatzes und Befreiung der Wurzel gab Heilung der Lähmung
innerhalb 10 Tagen. — Im anderen Falle hatte das 1jährige Kind eine Geburts-
paralyse des Plexus. C. exzidierte eine Narbe und führte eine Nervenplastik aus.
In der kurzen Beobachtungszeit noch kein Erfolg.
Virnicchi berichtet über klinische und histologische Untersuchungen
bei Nervennaht. Das klinische Material umfaßt acht Fälle. Einmal hat er
den N. medianus mit dem N. cubitalis mit bestem Erfolge vereinigt, auch hat er
wiederholt bei Defekten zwischen die Stümpfe Catgut eingepflanzt und war mit
dem Erfolge zufrieden.
3) Chirurgie an Kopf und Hals.
Righetti hat an Hunden und Kaninchen Untersuchungen über die Vor-
gänge nach Resektionen an den Speicheldrüsen angestellt und gefunden,
daß der Teil des Drüsenrestes, der mit dem Ausführungsgang in Zusammenhang
bleibt, rasch hypertrophiert, während die von ihm getrennten Drüsenteile der
bindegewebigen Atrophie anheimfallen und die erhaltenen Epithelinseln cystisch
entarten.
Niosi stellt ein großes Teratom des Halses vor, das Ceci bei einem
6monatigen Kind exstirpiertee Mikroskopisch fanden sich die verschiedensten
Arten der Gewebe vor; vor allem war Nervengewebe embryonalen Charakters vor-
handen.
Scalone: Kritischer und experimenteller Beitrag zur Funktion
und Transplantation der Thymus. Beim Tiere ruft die Exstirpation der
Thymus vorübergebende Störungen in der Ernährung und Widerstandsfähigkeit
(gegen Infektionen) hervor. Die Funktion der Thymus besteht nach S. vornehm-
lich in der Regelung der Entwicklung und des Wachstums des Organismus, viel-
leicht auch in einer antitoxischen Wirkung. Übergepflanzte Thymusstücke atro-
phieren:
4) Chirurgie der Brust.
Pandolfini demonstriert zwei Fälle von Endotheliom der Mamma,
ein Lymphendotheliom und ein Hämangioendotheliom. — Ceci erwiderte, daß er
solche Fälle für nicht allzu selten halte, da früher manche hierher gehörige Ge-
schwulst für ein Sarkom angesprochen wurde.
Jacobellini bespricht an der Hand von drei Fällen die Extraktion der
Fremdkörper aus der Speiseröhre und empfiehlt den Kirmisson’schen
Haken mehr als den Gräfe’schen Münzenfänger.
In der Diskussion erwähnten Biagi und Schiassi je einen interessanten
Fall. Ersterer extrehierte einen 6 cm langen Nagel, der von der Speise-
1182 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40.
röhre aus in das Mediastinum vorgedrungen war, mittels der hinteren
Mediastinotomie mit Resektion der 2.—5. rechten Rippe. Heilung. S. führte
die analoge Operation (Resektion der 4.—7. Rippe hinten links) aus, um eben-
falls einen Nagel zu extrahieren, der aber mit der nach oben gerichteten Spitze
in einem Bronchus der Lunge steckte. Es gelang ihm, den Hauptbronchus
ohne Verletzung per Pleura zu finden, zu isolieren, zu eröffnen und so den Nagel
zu extrahieren. Heilung.
Fasano berichtet über einen Fall von penetrierender Zwerchfell-
und Leberverletzung. Die abnorm hohe Einstichöffnung befand sich im linken
5. Interkostalraum unterhalb der Mammilla. Die Lunge war trotzdem nicht ver-
letzt. F. ging nach Rippenresektion transpleural vor und versorgte so die Leber-
wunde durch Naht; um diese zu tamponieren, befestigte er die Wundränder des
Zwerchfells an die äußere Wunde. Heilung. — F. bespricht eingehend die ein-
schlägige Literatur und vor allem den besten Operationsweg. Je nach der Art
des Falles solle man transpleural oder abdominal vorgehen, ersteres besonders bei
rechtsseitigen, letzteres bei linksseitigen Wunden. — De Gaetano empfiehlt die
Thorako-Laparotomie und primäre Naht der Wunden.
5) Bauchchirurgie.
Tusini: Enterotopia epitheliale e carcinoma. T. berichtet über einen
Fall von Adenokystom der Flexura sigmoidea und geht dann auf die
Genese der Geschwulst ein. Diese sei vom embryologischen Standpunkte deshalb
bemerkenswert, weil hier zum ersten Male beim Menschen nahe Beziehungen zwi-
schen den lIymphoiden Zellen der Follikelapparate des Darmes und dem Epithel
der Schleimhaut erwiesen seien. Weiterhin handelte es sich um ein jugendliches
weibliches Individuum.
Durante bezweifelte in der Diskussion die Möglichkeit einer Umwandlung
von Epithelien in Lymphfollikel.
Ferrarini teilt im Anschluß an einen eigentümlichen Fall von Spleno-
adenopathia chronica interessante eingehende bakteriologische Untersuchungen
ausführlich mit. Die exstirpierten submaxillaren Lymphdrüsen konnten klinisch
und pathologisch-anatomisch als tuberkulös gelten. Sie enthielten aber keine Tu-
berkelbazillen, sondern eine Varietät des Bacillus subtilis. Derselbe fand sich
auch konstant im Blute der Kranken; er selbst und seine Toxine riefen beim
Versuchstiere charakteristische Erkrankungen hervor, die zum Tode führten. Die
Pat. wies allmählich eine Schwellung aller peripheren Drüsengruppen und eine
Milzschwellung auf, so daß F. wohl mit Recht annimmt, daß das Ganze ein ein-
heitliches Krankheitsbild darstellt, dem jener Bazillus zugrunde liege.
Betagh referiert die vorläufigen Resultate experimenteller Untersuchungen
am Hund über den Einfluß der Gastroenterostomie auf die Sekretion
des Pankreas und der ausgeschalteten Duodeno-Jejunalschleimhaut.
Bei unkomplizierter Gastroenterostomie war kein Unterschied zu finden, während
in den Fällen, in welchen der Übertritt der Magensäfte zum Duodenum durch
stenosierende Operationen oder Resektion des Pylorus erschwert oder verhindert
wurde, die physiologische Wirkung der gedachten Sekrete in geringerem oder
höherem Grade gestört war.
Cosentino: Überpflanzungsversuche der Schleimhaut des Magen-
Darmkanaleszwischen Blätter des Bauchfellsundin parenchymatöse
Organe (Leber, Pankreas). C. konstatierte reaktive Veränderungen am neuen
Mutterboden (Auswanderungen von Zellen, Bindegewebswucherungen). Das über-
pflanzte Epithel verfiel größtenteils einer Nekrobiose, einzelne Elemente erbielten
sich jedoch, nahmen eine niedrige zylindrische Form an und umschlossen c'ystisch e
Räume, deren Größe von der eines Hirsekorns bis zu der einer Erbse schwankte.
Mattöli: Fünf Fälle von Darmausschaltung; dreimal wegen eines
widernatürlichen Afters, in einem vierten Falle wegen Tuberkulose des Blinddarmes.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 1183
Hier wurde zunächst der unterste Teil des Deum (der zuführende Darmschenkel)
reseziert und ins Querkolon gepflanzt und nach mehreren Wochen der Blinddarm
exstirpiert und der (abfübrende) Kolonschenkel blind verschlossen. Heilung. Im
fünften Falle handelte es sich um mehrfache Stenose des Dickdarmes. Einpflanzung
des unteren Ileum in den untersten Abschnitt der Flexur brachte Heilung.
Tarsia in Curia hat in bislang etwa 40 Experimenten am Hund eine Darm-
schlinge in Ausdehnung bis zu 18cm vom Mesenterium getrennt und
so die Ernährung derselben unterbrochen; alsdann hat er sie mit Netz sorg-
fältig umhüllt, um so dessen Wirkung auf die Gefäßneubildung und
Ernährung zu prüfen. Die Tiere gingen nicht zugrunde, ihre Darmfunktion
war gut, obwohl der isolierte Darmabschnitt allmählich der Nekrose anheimfiel.
Stinelli untersuchte experimentell den Einfluß der temporären Unter-
brechung der Zirkulation an der Milz. Er konnte ohne Schaden die Ge-
fäße 20 Minuten abklemmen.
6) Nierenchirurgie. p
Taddei hat gemeinschaftlich mit Torrini Uberpflanzungsversuche der
Nebenniere in die Niere ausgeführt, und zwar von Kaninchen und Kaninchen-
fötus und Meerschweinchen und Meerschweinchenfötus in die Niere von Kaninchen.
Die überpflanzten Organe verschwanden stets, und zwar die Marksubstanz und die
Zona reticularis am schnellsten, während die Zona glomerulosa und fascicularis
sich am längsten, bis zu 300 Tagen, hielten. Die Reaktion von seiten der Niere
war äußerst gering.
Alessandri. Beitrag zur Nierenchirurgie.
An der Hand von 67 eigenen Beobachtungen bespricht A. eingehend die ein-
schlägigen Fragen. Er betont den Wert der Röntgenstrahlen für die Diagnose
der Steinniere. Die Harnseparatoren wirken nicht sicher, daher empfiehlt A. den
Harnleiterkatheterismus, zumal den der kranken Seite, mit nicht zu dünnem Ka-
theter. Bei der funktionellen Diagnose leistet die Kryoskopie das meiste, doch
wagt A. nicht, auf diese allein einen Operationsplan zu bauen. — Auf die inter-
essanteren Details kann hier nicht eingegangen werden. Das Material setzt sich
zusammen aus 12 Fällen von entzündlichen Prozessen, 3 Fisteln, 7 essentiellen
Neuralgien, 1 Trauma, 11 Fällen von Nephrolithiasis, 7 Tuberkulosen, 4 Neubil-
dungen, 1 Nierencyste, 18 Senkungen, 3 Erkrankungen des Harnleiters.
Burci demonstriert ein durch Operation gewonnenes Nierenpräparat, bei
dem das Organ durch ein Septum in zwei Teile geteilt ist, deren jeder
ein eigenes Nierenbecken und einen eigenen Harnleiter besitzt, welch
letztere sich erst kurz vor der Blase zu einem Kanale vereinigen. Der obere
Nierenteil zeigt eine Pyonephrose, der untere ist gesund. Die Pat.
wurde geheilt.
Cassanello referiert als Beitrag zur Entstehung, Diagnose und The-
rapie der polycystischen Degeneration der Nieren über zwei eigene
Beobachtungen. In dem einen Falle, bei einer jungen Dame, bestand das doppel-
seitige Leiden seit frühester Kindheit und war mit Nephroptose kombiniert. Nephro-
pexie erzielte eine 5 Jahre beobachtete Besserung. — Der zweite Fall war einseitig
und ebenfalls mit Ptose kombiniert und schien erst seit wenigen Jahren zu be-
stehen. Nephropexie; Besserung. — C. bespricht eingehend die verschiedenen
Theorien über die Genese, die Diagnose und die Therapie, die äußerst vorsichtig
sein müsse.
Parlavecchio bespricht und demonstriert einen Fall von unilateraler
polycystischer Entartung der Niere, den er durch Nephrektomie geheilt
hat, nachdem er sich vom gesunden Zustande der anderen Niere überzeugt hat.
Das Präparat zeigte interstitielle Nephritis mit Retentionscysten. Pat. bat aller-
dings 4 Monate nach der Operation leichte Schmerzen auf der anderen Seite. —
Auch P. bespricht die Pathologie und Therapie dieses Leidens.
1184 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40.
Cappelli hat bei einer abdominellen Uterusexstirpation wegen Karzinom
etwa 8 cm vom rechten Harnleiter und etwa 1/, der Blasenwand resezieren
müssen. Um die Einpflanzung des Harnleiterstumpfes zu ermöglichen, mobili-
sierte er die rechte Niere. Schräge Ureterocystoneostomia extraperitonealis.
Heilung.
Leotta: Pathologisch-anatomische Beobachtungen über dasHyper-
nephrom. L. gibt eine umfassende und gründliche, auf eingehender Berück-
sichtigung der Literatur (ö Seiten Literaturverzeichnis) basierende Schilderung
dieses Leidens an der Hand von zwei eigenen Beobachtungen. Diese sind dadurch
bemerkenswert, daß in keinem dieser Fälle Hämaturie bestand, obgleich in
dem einen derselben die Geschwulst in Haselnußgröße in das Nierenbecken hinein-
ragte.
Diskussion zu den Vorträgen über die Nierenchirurgie, besonders
zu dem Referat Alessandri’s,
Zur Diagnose der Nierenfunktion sprach Leotta, welcher der Kryoskopie
nur einen sehr geringen Wert beimißt. — Auch Ferrarini verhält sich der Kryo-
skopie gegenüber zurückhaltend. — Biondi ist auf Grund seiner großen, über
100 Fälle umfassenden Erfahrung gegenüber den diagnostischen Hilfsmitteln sehr
skeptisch, legt aber dem Luys’schen Separator große Bedeutung bei, und wo
dieser nicht anwendbar, rät er zu Cystotomia suprapubica und Untersuchung des
Urins auf diesem Wege. — Auch Taddei spricht für das Luys’sche und Dalla
Vedova’sche Instrument und geht auf die Schwierigkeiten des Harnleiterkathe-
terismus bei cystischen Komplikationen ein. — Giordano betont, daß man alle
zu Gebote stehenden Untersuchungsmethoden heranziehen müsse. — Maragliano
hat beobachtet, daß mitunter bis '/4 des Urins neben dem Harnleiterkatheter ab-
fließen kann. — Caminiti sprach noch über die Pathogenese der polycystischen
Nierendegeneration, und Tusini berichtet über einen Fall von Pyonephrose mit
Schwangerschaft, welch letztere er durch Nephrostomie bis zum 7. Monate auf-
halten konnte. In einem Schlußwort präzisiert Alessandri nochmals seinen oben
angedeuteten Standpunkt, besonders den diagnostischen Hilfsmitteln gegenüber.
Ceci: Klinischer Beitrag zu den Cysten der Nebenniere. CO. be-
schreibt zwei Fälle, die er operierte.e Bei dem einen wurde abgesackte rechts-
seitige Peritonealtuberkulose vorher diagnostiziert, die Cyste exstirpiert und Heilung
erzielt. Der zweite Fall war kombiniert mit Basedow und hochgradiger Abmage-
rung. Auch hier Exstirpation der enormen Cyste. Tod später im Kollaps. In
beiden Fällen wurde bei der Autopsie keine Nebennierenkapsel gefunden. Die
Cystenwand enthielt jedoch Nebennierengewebe.
7) Geschlechtsteile.
Pascale bespricht zehn Fälle epithelialer Geschwülste des Penis
vom pathologisch-anatomischen und klinisch-chirurgischen Standpunkt aus. In der
chirurgischen Therapie ist er sehr weit, bis zur >»Emasculazione totale« gegangen.
In der Diskussion bespricht u. a. Tusini ein ÖOperationsverfahren bei
Vulvakarzinom, das ebenfalls auf die totale Exzision der äußeren Genitalien
und der beiderseitigen Leistendrüsen im Zusammenhang hinausläuft.
Marcozzi: In Rücksicht auf die Radikaloperationen bei Hydrokele hat M.
an Hunden Experimente ausgeführt, um die Veränderungen des Hodens nach
Entfernung der Tunica vaginalis parietalis zu untersuchen. Es ergab
sich regelmäßig eine parenchymatöse Degeneration des Organes, hervor-
gerufen durch den Druck der neugebildeten Bindegewebskapsel.
Anzilotti: Beiträge zur Pathologie des Hodens. Drei Fälle werden
referiert: 1) eine nekrosierende, eitrige Hoden- und Nebenhodenent-
zündung bei einem Prostatiker, hervorgerufen lediglich durch Bacillus
pyocyaneus, der sich als hochvirulent erwies und auch im Urin gefunden wurde;
2) ein doppelseitiges Kystom (eine echte Proliferationscyste) des Nebenhoden-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 1185
kopfes, ausgehend von den Tubuli; 3) eine Art Teratom, eine angeborene, rasch
wachsende Geschwulst, die lediglich Elemente des Ento- und Mesoderms, Cysten
verschiedener Struktur, mit bindegewebiger Wandung, Knorpeleinlagerungen und
rudimentäre Drüsen enthielt. Ein sarkomatöser Knoten fand sich auch. A. geht
auf die verschiedenen Theorien der Genese ein.
Betagh bespricht zunächst die pathologische Anatomie der Peri-
orchitis chronica (»pachivaginalite«), bei der er bedeutsame Entwicklung des
Bindegewebes und interstitielle Hämorrhagien, zumal ins Rete testis, und de-
generative Prozesse des Organes gesehen hat. Alsdann geht er auf die
Veränderungen bei Retentio testis ein, welche ebenfalls auf Atrophie
der verschiedenen Elemente des Organes und Wucherung mit hyaliner De-
generation des Zwischengewebes hinausläuft. Schließlich beschreibt B.
zwei Fälle von Torsion des Samenstranges, die mit hämorrhagischem
Infarkt und Nekrose des Hodens einhergingen und durch dessen Exstirpation
geheilt wurden.
Biondi: Experimentelle und klinische Beobachtungen über In-
jektionen in das Vas deferens. B. schlägt diese Injektionen zu therapeu-
tischen Zwecken vor. Er hat sie an Leiche und Versuchstier ausprobiert. Die
injizierte Lösung dringt zentralwärts über die Samenbläschen in Prostata und
Blase vor. Das klinische Beobachtungsmaterial bezieht sich vorläufig auf zehn Tu-
berkulosen und drei Gonorrhöen. Die Erfolge waren sehr gut. Bei infektiöser
Hodenentzündung wurde die zentrifugale Injektion in den Samenstrang mit solcher
in den Hoden kombiniert (cf. d. Zentralbl. 1908 Nr. 35 p. 1060).
Nasuti (Napoli) beschreibt den seltenen Fall eines Perithelioms des Eier-
stockes und geht auf die Genese und Histologie dieser Geschwülste ein.
8) Chirurgie der Extremitäten.
.. Galeazzi: Klinische und experimentelle Untersuchungen überdie
Überpflanzung desIntermediärknorpels. G. berichtet über drei klinische
Fälle. Zweimal hat er wegen Manus valga den Knorpel des peripheren Ulnaendes
in das periphere Radiusende verpflanzt, aber das rasche Verschwinden desselben
radiologisch festgestellt. Trotzdem war das funktionelle Resultat ein gutes. In
einem dritten Falle hat G. an Stelle eines größeren Radiusdefektes ein Stück
Metatarsus mit Epiphyse transplantiert. Hier heilte nicht allein der Knochen
ein, sondern es schien sogar der Epiphysenknorpel zu funktionieren. — Zur Klä-
rung hat G. noch Tierexperimente ausgeführt. Bei diesen ossifizierte der Inter-
mediärknorpel rasch und starb dann ab; nur selten erhielt sich seine Funktion in
sehr beschränktem Maße.
Secchi: Beitrag zur unblutigen Behandlung der angeborenen
Hüftgelenksluxation mittels der italienischen Methode. Gestützt auf
eine Erfahrung an 164 unblutig behandelten Fällen bespricht S. ausführlich die
verschiedenen Verfahren, verweist besonders auf das Paci’s und kommt zu dem
Schluß, daß in der größeren Anzahl der Fälle auf diesem Weg eine Heilung mög-
lich, stets aber eine wirkliche Besserung zu erzielen sei.
Leotta stellt einen Fall Weir-Mitchell’scher Krankheit, Erythro-
melalgie, vor, welcher mit Gangrän der linken großen Zehe kombiniert war,
Nach Amputation derselben schritt die Gangrän auf das Grundgelenk der 2. Zehe
über, so daß nach weiteren 8 Monaten L. die alte Amputationswunde und den
neuen Gangränherd energisch auskratzen mußte. Zugleich nahm er aber eine
Dehnung der beiden Nn. plantares hinter dem Malleolus vor. Jetzt erfolgte
rasche Heilung innerhalb 22 Tagen, die noch im Januar 1908 bestand. L. emp-
fiehlt daher in ähnlichen Fällen die Nervendehnung und rät, mit den Ampu-
tationen vorsichtig zu sein. Die mikroskopische Untersuchung der exstirpierten
Teile zeigte hochgradige Verdickung und Yung der Arterien. L. bespricht
eingehend das ganze Krankheitsbild.
1186 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40.
De Gaetano zeigt ein 1155 g schweres Teratom des Cavum sacro-
coccygeum, das bei einem 3jährigen Kind exstirpiert wurde. Er bespricht
Histologie und Atiologie dieser Geschwülste und nimmt für seinen Fall eine dop-
pelte Keimanlage an.
Anhang. Angemeldete, aber nicht gehaltene Vorträge.
1) Perez: Artrosinovite cronica sieross vegetante poliarticolare.
P. teilt einen einschlägigen Fall mit, bei dem er die Arthrektomie am Kniegelenk
mit gutem Erfolge gemacht hat. Die Pathologie dieses Leidens wird genau be-
sprochen.
2) Isaja: Dellatubercolosiparenchimaledellalingua. Beschreibung
eines als Tumor imponierenden tuberkulösen Granuloms der Zunge. Exzision. Hei-
lung. Genaue Beschreibung des histologischen Befundes und eingehende Berück-
sichtigung der Literatur. Nur 19 analoge Fälle sind bekannt.
3) Cosentino: Sulla tubercolosi del collo dell’ utero. Einschlägiger
Fall, geheilt durch Amputation des Uterushalses. Genaues Literaturstudium.
A. Most Breslau).
18) A. Don. Case of Henoch’s purpura associated with angio-
neurotic oedema.
(Practitioner 1908. Juni.)
Kasuistischer Beitrag zu dem Kapitel der Purpura haemorrhagica, verbunden
mit angioneurotischem Odem. Bei dem 1ijährigen Knaben bestand außer einer
Purpura an den Beinen und Ödem des Gesichtes als Hauptsymptom der Erkran-
kung eine starke Schmerzhaftigkeit der rechten Seite des Leibes im Bereiche des
Colon ascendens, sowie im Epigastrium, verbunden mit Fieber und Erbrechen. Da
starke Verstopfung vorhanden war, wurde Kalomel verordnet, wonach reichliche
Entleerung des Darmes und Verminderung der Leibschmerzen auftrat. Die Pur-
pura war sehr wechselnd, trat bald hier und dort am Körper auf, verschwand nach
wenigen Tagen, um dann an anderen Körperstellen wieder zu erscheinen. Pat. starb
im Alter von 41 Jahren nach starken Blutungen (Zahnfleisch, Nase, Ohren, Nägeln).
D. glaubt, daß die Erkrankung des Kolon das Primäre gewesen ist, wodurch die
Anämie, das Erbrechen und die Intestinalberschwerden bedingt wurden; durch
Resorption der Darmtoxine, sowie durch sekundäre bakterielle Infektion sei das
dem und die Purpura entstanden. Jenckel (Göttingen).
19) A. Dighton. Progressive ossifying myositis in a boy aet. eleven.
(Edinb. med. journ. 1908. April.)
Beschreibung eines Falles von Myositis ossificans bei einem 11 jährigen Knaben,
der aus gesunder Familie stammte und nach der Angabe der Mutter im Alter von
5 Jahren nach Masern, Bronchitis und Keuchhusten die jetzige Krankheit erwarb.
Dieselbe begann mit Steifheit der Muskeln, in denen sich nach und nach harte
Massen bildeten. Betroffen waren hauptsächlich die Oberarmmuskeln beiderseits,
Biceps, Triceps, Coracobrachialis, Anconeus. Der Biceps war fast völlig in eine
knochenharte Masse umgewandelt. Von den Beinmuskeln waren die Adductoren
besonders, die Extensoren und Flexoren in geringerem Maße affiziert. Linkerseits
war der pathologische Prozeß stärker ausgesprochen als rechterseits.
Typisch ist der Fall insofern, als ein männliches Individuum betroffen war, die
Erkrankung in der Jugend begann und vollkommen symmetrisch auftrat. Unge-
wöhnlich ist, daß trotz des langen Bestehens des Leidens die Rückenmuskeln, der
Latissimus dorsi sowie der Trapezius gesund blieben. Ein Röntgenbild vom Ober-
arm zeigt die Knochenbildung und Kalkablagerung besonders im Biceps sehr
instruktiv. Jenckel (Göttingen).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 1187
20) Buchanan. The ambulatory treatment of fractures as applied
to osteotomy.
(Practitioner 1908. April.)
Zur Erzielung eines guten funktionellen Resultates nach einer Osteotomie, hält
Verf. eine möglichst baldige ambulante Behandlung für das Beste. Daher rät er
ganz entschieden dazu, bei einer Osteotomie des Oberschenkels wegen Genu valgum
nach Macewen nach Ablauf der Schwellung — etwa am 4. Tage — das Bein
einzugipsen. Pat. können bald (gewöhnlich nach 6 Tagen p. op.) aufstehen und
guerst mit Hilfe einer Krücke, später eines Stockes herumgehen. Die meisten
Pat. verließen dann die Klinik auf 14 Tage. Nach 5—6 Wochen entfernt man den
Verband und die Nähte. Mit den erzielten Resultaten der 19 Fälle ist Verf. sehr
zufrieden. Eine Übersichtstafel über die Heilungsdauer ist der Arbeit beigefügt.
Jenckel (Göttingen!.
21) A. Selig. Die Behandlung inoperabler Geschwülste mit Radium.
(Med. Klinik 1908. p. 1149.)
Sechs inoperable Krebsfälle (zwei des Ductus cysticus und choledochus, vier des
Magens) wurden mit Hilfe einer 5 mg Radiumbromid enthaltenden Kapsel der Ein-
wirkung von 1200000 Emanationseinheiten ausgesetzt. Die Geschwulstmassen
bildeten sich nicht zurück und verloren höchstens etwas an Härte. Dagegen ließen
jedesmal die Schmerzen bedeutend nach. Alle Kranke starben. Bei fünf wurden
Haut und Neubildung mikroskopisch untersucht. In der bestrahlten Haut fand
sich allgemeiner Schwund des Papillarkörpers, Epitbels und Unterhautfettgewebes,
mehr oder minder tief greifende Nekrose mit Abhebung des Epithels und Schorf-
bildung, starke Gefäßfüllung und Blutaustritt, im Krebsgewebe manchmal eitrige
Einschmelzung neben Zellzerfall. Es wird daher davor gewarnt, noch bestehende
operative Heilungsaussichten durch nutzlose Radiumbehandlung zu vereiteln.
@eorg Schmidt (Berlin).
22) J. Jelinek. Die Narkose mit peroraler Intubation.
(Casopis lékařů českých 1907. p. 1169.)
Im Brünner Kinderspital wurde die perorale Intubation angewendet: 4mal
bei plastischer Operation der Palatoschisis, 3mal bei Cheiloschisis, 6mal bei Opera-
tionen an der Nase, 1mal bei Resektion des Unterkiefers, 2mal bei Epulis sarco-
matosa und 4mal bei der Exstirpation großer Halslymphome. Unangenehme
Komplikationen wurden niemals beobachtet; nur einmal machte die Entfernung
des im Kehlkopf durch einen Krampf der Stimmbänder eingeklemmten Tubus
einige Schwierigkeiten, die durch Anwendung größerer Kraft überwunden werden
mußten; die Folgen bestanden nur in einer schnell vorübergehenden Heiserkeit.
Eine tiefere Narkose hätte diese üble Folge verhüten können.
6. Mühlstein (Prag).
23) J. Jerie. Die Serotherapie des Tetanus.
(Casopis lékařů českých 1907. p. 1027.)
Der Autor beschreibt zunächst vier Fälle von postoperativem Tetanus aus der
Klinik Pawlik, bei denen durchweg die Serotherapie eingeschlagen wurde, und
zwar im ersten Falle nur subkutan (80 ccm), in den übrigen Fällen auch intra-
spinal (10—20 ccm). Pat. 1 starb, Pat. 2 und 3 genasen, Pat. 4 starb an einer
interkurrenten Pneumonie und Meningitis. Infolge dieses günstigen Resultates der
intraspinalen Injektionen und der widersprechenden Angaben in der Literatur
stellte J. Versuche an jungen Ziegen an und gelangte zu folgenden Ergebnissen:
1) Die intraspinale Injektion des Antitetanusserums schließt bei aseptischem Vor-
gehen keine Gefahr in sich. 2) Das Antitetanusserum ist bei intraspinaler An-
wendung wirksamer als bei subkutaner, indem ein Effekt, bestehend in einem pro-
trahierten Verlauf der Erkrankung, selbst dann erzielt wird, wenn die Injektion
erst 48 Stunden nach dem Auftreten der ersten Tetanussymptome vorgenommen
wurde.
1188 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40.
Auf Grund dieser Erfahrungen, sowie jener Erfahrungen, welche durch prophy-
laktische Seruminjektionen beim Menschen an einer großen Anzahl von Fällen
gesammelt wurden, stellt der Autor folgende Sätze auf:
1) Das Antitetanusserum (der Autor benutzte das Serum von Roux) ist ein
ausgezeichnetes Prophylaktikum.
2) Die Anwendung des Serums als Heilmittel bei ausgebrochenem Tetanus hat
noch keine befriedigenden Resultate geliefert. Die subkutane Injektion allein ge-
nügt nicht; die intrazerebrale Injektion ist direkt gefährlich; bei intraspinaler In-
jektion ist der Effekt zwar ein unsicherer, aber doch ein offenkundiger.
Schließlich empfieblt der Autor eine Kombination der subkutanen (80 ccm)
und intraspinalen (20 ccm) Injektionen. &. Mühlstein (Prag).
24) B. Vaßek. Die Therapie einiger chirurgischer Erkrankungen mittels
passiver Hyperämie nach Bier.
(Casopis lekafü ceskych 1908. p. 885.)
Der Autor sammelte an 126 Fällen der Klinik Kukula folgende Erfahrungen:
1) Beginnende Infektionen können durch die Bier’sche Methode kupiert werden;
gequetschte, verunreinigte, infizierte Wunden heilen sehr günstig. 2) Entwickelte
Infektionen heilen, wenn sie umschrieben sind, verhältnismäßig schnell nach kleiner
Inzision. 3) Bei entwickelter Sehnenphlegmone begünstigt die passive Hyperämie
nach Vornahme großer Inzisionen die Erhaltung der Sehnen; sie erleichtert den
Eiterabfluß ohne Mulldrains. 4) Bei gonorrhoischer Monarthritis wirkt sie als
promptes Analgetikum und begünstigt so die Wiederherstellung der Funktion.
5) Beim Fungus bewährt sich die passive Hyperämie speziell bei den chronischen
Formen, die nicht zum Zerfall neigen; bei Neigung zum Zerfalle muß erst operiert
und dann gestaut werden. 6. Mühlstein (Prag).
25) D. Drow. Injuries to the head in young children.
‘Practitioner 1908. April.)
Daß im frühesten Kindesalter Brüche des Schädeldaches nach Traumen öfter
vorkommen, als man erwartet, zeigt Verf. an der Hand von drei interessanten
Beobachtungen. Bei einem 8 Tage alten Kinde, das mittels Zange zur Welt kam,
ließ sich im Bereich des linken Stirnbeines eine deutliche Depression nachweisen,
die sich nach Freilegung des Knochens mittels Elevatorium nicht heben ließ. Erst
nach Durchschneidung und mehrfacher Einkerbung des Knochens unter Schonung
der Dura gelang die Hebung. Heilung. Der zweite Fall betraf ein 6 Wochen
altes Kind, das aus dem Bett auf den Kopf gestürzt war. Im Bereiche des rechten
Scheitelbeines war eine mächtige Schwellung vorhanden, die beim Schreien des
Kindes deutlich pulsierte (Cephalhydrokele). Durch Tastung ließ sich im Knochen
ein horizontal verlaufender klaffender Spalt feststellen, der später noch an Weite
zugenommen hatte. Durch diesen Spalt drängte sich, wie die Operation zeigte,
Gehirn nach außen vor. Der Vorfall wurde abgetragen, die Knochen mittels
Silberdrahtes fest vereinigt. Heilung. Beim dritten Kinde, das im Alter von
18 Monaten von einem Stuhl berab auf den Schädel gefallen war, trat 6 Wochen
später eine große, fluktuierende Schwellung des rechten Scheitelbeines auf. Bei
der Operation zeigte sich nach Entfernung einer großen Menge geronnenen und
flüssigen Blutes eine feine Fissur im rechten Scheitelbein, aber keine Depression ;
Hautnaht, Heilung. Verf. meint, daß man viel häufiger Brüche des kindlichen
Schädels würde feststellen können, wenn alle Fälle von Hämatombildung einer
Operation unterzogen würden, was jedoch bekanntlich gewöhnlich nicht nötig wäre.
Jenckel (Göttingen).
26) J. Gobiet. Beiträge zur Hirnchirurgie. Aus dem Gewerkschafts-
krankenhause Orlau.
(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Nr. 4.)
1) Wunde des Scheitelbeines mit Impression und Zertrümmerung der Gehirn-
substanz.. Heilung per granulationem nach Ausräumung in etwa 8 Wochen.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 1189
Weitere 8 Wochen später Kopfschmerzen, Schwindel, klonische Krämpfe in Hand
und Fuß. lebhafte Pulsation des Schädeldefektes. Bei Operation fand sich
eine Cyste, die exstirpiert wurde. Deckung durch einen Knochenperiostlappen
aus der Tibia, der teilweise nekrotisch wurde. Trotzdem konnte Pat. 3 Monate
beschwerdefrei arbeiten. Dann Entfernung des Lappens wegen zunehmender
Eiterung und schon 2 Tage später Einsetzen epileptischer Anfälle, die nach
Deckung des Defektes durch Plastik nach Durante-v. Hacker wieder prompt
schwanden. Noch 13/, Jahre später konnte Anhalten der Heilung konstatiert
werden. Verf. wendet sich auf Grund seines und anderer Fälle gegen die War-
nung Kocher’s vor dem Verschlusse traumatischer Schädeldefekte. Für die Plastik
empfiehlt er warm die Durante-v. Hacker’sche Methode.
2) Sechs Jahre nach Kopfverletzung epileptischer Anfall. 3 Jahre später
neuer schwerer Anfall. Da eine druckempfindliche Narbe und Knochenverdickung,
auch im Röntgenbilde, konstatiert wurde, Abtragung des verdickten Knochens
und Entleerung einer Flüssigkeitsansammlung unter der Dura. Beaktionslose
Heilung mit sofortigem Aufhören von Kopfschmerzen, Schwindel. Wegen zu kurzer
Beobachtungszeit kann von Dauererfolg noch nicht gesprochen werden.
3) Bei einem 82jährigen Manne wurde eine Geschwulst der Sprachregion
diagnostiziert, bei der Operation aber nicht gefunden. Die Sektion ergab ein
echtes, auf der Innenseite der Dura sitzendes Cholesteatom der anderen Seite. Be-
sprechung der seltenen Lokalisation und des kollateralen Sitzes der Hemiplegie.
4) Fall von extraduralem Hämatom nach Verletzung des Sinus longitudinalis
durch einen Knochensplitter, der den Sinus teilweise tamponierte. Nach seiner
Entfernung sehr heftige Blutung, die nur durch Tamponade gestillt werden konnte.
Heilung. Verf. machte bei der Schwierigkeit bzw. Unmöglichkeit einer Naht des
Sinus auf den Vorschlag Revenstorff’s aufmerksam, die Dura beiderseits zu
fassen und über der Sinuswunde fest zusammenzuziehen.
6) Im Anschluß an Influenza Mittelohrentzündung, die schon in 4 Wochen zur
Zerstörung des Proc. mast. und schließlich zu Abszeß des Schläfenlappens führte.
Nach Operation trat Heilung ein, die auch Bestand hatte.
Renner (Breslau).
27) Tansini. Sulla cura della nevralgia facciale.
(Rendiconti del R. istituto lombard. di science e lett. 1907.)
Verf. führt bei Trigeminusneuralgie außer der möglichst ausgedehnten Extrak-
tion der Nerven eine weit zentralwärts gehende Kauterisation des Nervenbettes
und Nervenstumpfes aus, um so eine Wiedervereinigung des Nervenastes tunlichst
zu vermeiden und in der Hoffnung, einen aszendierenden degenerativen Prozeß
hervorzurufen. Während T. früher häufig Rezidive erlebte, hat er in 17 so operierten
Fällen stets eine Dauerheilung erzielt, die 11/,—9 Jahre beobachtet wurde.
A. Most (Breslau).
28) L. Rethi. Die Radikaloperation der Kieferhöhleneiterungen von
der Nase her.
(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Nr. 5.)
R. versucht zunächst Spülungen durch das natürliche Ostium oder ein vor-
handenes Ostium sccessorium, oder bohrt nach Extraktion schlechter Zähne die
Kieferhöhle an. Führt dies nicht zum Ziele — nach seinen Erfahrungen in fast
50% —, so legt er eine breite Kommunikation zwischen Kiefer- und Nasenhöble
durch Abtragung der inneren Kieferhöhlenwand im Bereiche des unteren und mitt-
leren Nasenganges an. Auskratzungen, Spülungen — auch vom Kranken selbst —
sowie Trockenbehandlung können dann leicht vorgenommen werden. R. kriti-
siert die zahlreichen anderen angegebenen Methoden, die entweder zu kleine Öff-
nungen setzen oder einen unverhältnismäßig großen Eingriff bedeuten, wie die
Luc-Caldwell’sche Operation. Auch ist seine Methode in wenigen Minuten in
Lokalanästhesie auszuführen. Deformitäten der Nasenscheidewände müssen even-
1190 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40.
tuell vorher beseitigt werden. In 50 Fällen erzielte R. 42 vollkommene Heilungen,
8 Besserungen der subjektiren Beschwerden ohne völliges Aufhören der Eiterung.
Nie wurde eine nachträgliche Eröffnung von außen her nötig.
Renner :Breslau).
29) C. Perrier. Ein Fall von tumorartiger Tuberkulose des Ober-
kiefers.
(Med. Klinik 1907. p. 1151.)
Bei einer an Fußknochentuberkulose leidenden älteren Frau trat eine An-
schwellung des Oberkiefers und des Gaumens auf, deren Eigenart trotz mikro-
skopischer Untersuchung eines zur Probe ausgeschnittenen Gewebsstückchens nicht
gesichert werden konnte. Resektion des Oberkiefers. Die harte, die Oberkiefer-
höhle ausfüllende Geschwulst erwies sich als »tumorartige Tuberkulose«, in deren
Bindegewebe zerstreut kleine typische Tuberkel mit Riesenzellen eingelagert waren
und deren Randzone Verkäsungsherde mit Tuberkelbazillen enthielt. Wahrschein-
lich ist die Neubildung von der Schleimhaut ausgegangen.
Erkrankungen des Oberkiefers bei Leuten, die an mehrfacher Knochentuber-
kulose leiden, müssen daher den Verdacht wachrufen, ebenfalls tuberkulösen Ur-
SPrunge8 zu sein. Georg Schmidt (Berlin).
30) F. Kirstein. Über Ankylosis mandibulae.
(Med. Klinik 1908. p. 1103.)
Der Begriff »Ankylosis mandibulae« ist mit Ausschluß muskulärer, narbiger
usw. Kieferklemme (Kontraktur) zu begrenzen auf die festen knöchernen oder
fibrösen Verwachsungen des Unterkiefergelenkes. Entstehung, klinischer Verlauf,
Behandlung und Ausgänge sind an der Hand eines nach Sturz auf den Unterkiefer
entstandenen hochgradigen und mit Erfolg resezierten Falles beschrieben (Abbil-
dungen). Die Durchmeißelung der verknöcherten Gelenksstelle ist nicht ungefährlich,
obwohl ein durch die Operation oder im Anschluß daran erfolgter Todesfall bisher
nicht mitgeteilt worden ist; dem Verf. leistete hierbei der für die Radikaloperation
von Mittelohrentzündungen angegebene Stacke’sche Tutor gute Dienste Auch
operative dauernde Facialislähmung ist nicht bekannt. Zur Verhütung von Rück-
fällen wurde auch hier Helferich’s Muskeleinpflanzung zwischen Schädel und
Resektionsfläche angewendet. Die Operation führt zu schönen Erfolgen.
Georg Schmidt (Berlin).
31) Legg. The so-called adenomata of the palate.
(Practitioner 1908. März.)
Die im Bereiche der weichen oder der hinteren Partie des harten Gaumens
vorkommenden, gewöhnlich langsam wachsenden Adenome haben klinisch und
histologisch große Ahnlichkeit mit den Speicheldrüsengeschwülsten; sie stellen
kleinere und größere, von einer Kapsel umgebene, meist weiche, gelbweißlich
ausehende Geschwülste dar, die, ohne zu einer Anschwellung der regionären
Lymphdrüsen zu führen, in gleichem Prozentsatz bei Männern und Frauen
beobachtet werden können. Sechs Fälle werden beschrieben. Die Operation ist
einfach. Gewöhnlich kommt man mit der Inzision der Kapsel und stumpfer
Enukleation der Geschwulst zum Ziel; manchmal muß der scharfe Löffel zu
Hilfe genommen oder die Geschwulst in toto exzidiert werden. Sämtliche sechs
Pat. wurden geheilt. Die mikroskopische Untersuchung der Geschwulst im Fall 1
ergab, daß ein Teil des Stromas, das durchaus wie dasjenige einer Speichel-
drüse aussah, karzinomatösen Charakter zeigte. Diese Pat. ist seit 17 Jahren gesund
geblieben. Neun Mikrophotogramme sind der Arbeit beigefügt.
Jenckel (Göttingen).
32) M. Westergaard. Über Nervenläsionen bei Drüsenexstirpationen
am Halse.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVI. Hft. 3.)
W. ist der Ansicht, daß man die Nervenverletzungen, welche bei Halsdrüsen-
operationen vorkommen, in ihrer Häufigkeit und Bewertung unterschätzt hat. Er
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 1191
veröffentlicht zwei Fälle, die in die Klinik aufgenommen wurden wegen heftiger
Schultergelenksschmerzen. Als Atiologie dieser Beschwerden kam in beiden Fällen
eine Durchtrennung des N. accessorius in Betracht, die bei Gelegenheit früherer
Drüsenexstirpation am Halse verursacht worden war. Die Ursache dieser Schmerz-
empfindung kann eine Verwachsung der Nervenstümpfe mit der Narbe sein; in
höherem Maße sind sie aber wohl durch das Hängen der Schulter veranlaßt, wie
auch die eingeleiteten therapeutischen Maßnahmen erwiesen. Wahrscheinlich be-
dingt übrigens die Durchschneidung des N. accessorius allein keine Cuctllaris-
parese, so daß anzunehmen ist, daß mindestens bei dem einen der publizierten
Fälle eine Verletzung sämtlicher motorischer Nerven des Cucullaris, sowohl des
Accessorius wie des Astes vom dritten Cervicalnerven, vorlag. W. gibt zum Schluß
noch Vorschriften über die Anlegung des Schnittes zur Vermeidung derartiger
Nervenläsionen. E. Siegel (Frankfurt a. M.).
33) Guisez. De la cure des retrecissements cicatriciels à forme grave
par l’oesophagoscopie (&tude basee sur 20 observations personnelles).
(Revue de chir. XXVII ann. Nr. 3.)
G. hat 17 erworbene und zwei angeborene narbige Verengerungen der Speise-
röhre, die mit den gewöhnlichen Mitteln nicht zu erweitern waren, Ösophago-
skopisch behandelt. Bei 13 Kranken war bereits eine Magenfistel angelegt. 14 mal
wurde die narbige Stelle unter ösophagoskopischer Einstellung mit dem Ösophago-
tom ein- oder mehrmals eingekerbt und unter Leitung des Auges bougiert. Drei
von diesen Pat. starben: einer (Nr. 14) nach der Entlassung an unbekannter Ur-
sache, ein zweiter infolge Perforation der Speiseröhre und Pneumothorax; Verf.
hatte hier wegen Ungebärdigkeit des Pat. ohne Anwendung des Spiegels bougiert.
Der dritte Todesfall betraf eine sehr lange, starr infiltrierte und unnachgiebige
Striktur; nach der blutigen Erweiterung und Dehnung kam es zu rechtsseitigem
Pleuraempyem. Solche Verengerungen sind auch mit dem Spiegel nicht zu über-
sehen und daher zur endoskopischen Behandlung ungeeignet.
Sein Instrumentarium und die Ausführung der Osophagoskopie und -tomie ist
gefährlich. Gewöhnlich handelt es sich um mehrere Verengerungen, von denen
die stärkste am meisten magenwärts gelegen ist. Das eingeführte Rohr muß die
engste der oberen Strikturen noch gerade passieren können. Die über der untersten
Enge befindliche Tasche muß sorgfältigst mittels Aspirator und Stieltupfer entleert
werden, worauf die oft stark nach einer Seite verzogene kleine Lichtung sich ein-
stellen läßt. Oft liegt sie in einer Falte oder Narbe verborgen und verrät sich
nur durch das Austreten kleiner Schleimmengen bei den Atem- oder den peri-
staltischen Bewegungen der Speiseröhre. Die kurzen klappenförmigen Verenge-
rungen eignen sich am besten für die endoskopischo Behandlung, selbst wenn
sie nur noch von einer Fadenbougie passiert werden. Gutzeit (Neidenburg).
34) Cernezzi. Contributo alla cura delle ferite toraco-diaframmatiche.
(Società Milanese di medicina e biologia. Milano, F. Fossati, 1907.)
Der 7jährige Knabe wurde eine Stunde nach der Verletzung — Stich mit dem
Brotmesser — eingeliefert und sofort operiert. Aus đer Wunde im VI. linken
Interkostalraum, einwärts von der Mammilla, drang Netz. Der Allgemeinzustand
war leidlich, doch bestand Dyspnoe und Cyanose. C. drang zunächst durch die
Thoraxwunde vor. Da jedoch Allgemeinzustand und Cyanose trotz Herabziehens
der Lunge bedenklicher wurden, entschloß er sich zur Laparotomie. So gelang es,
das Netz zu reponieren und die weit klaffende Zwerchfellwunde zu schließen. Eine
blutende Leberwunde wurde ebenfalls genäht. Die Dyspnoe verschwand sofort.
Glatte Heilung. — Im Anschluß an diesen Fall erörtert C. die Frage des opera-
tiven Vorgehens und kommt zu dem Schlusse, daß der abdominale Weg prinzipiell
vorzuziehen sei; denn er bietet bessere Übersicht, verringert die Gefahr des Pneumo-
thorax und gestattet die gleichzeitige Versorgung von Verletzungen der Bauch-
organe, die unter 65 Zwerchfellwunden sich 53mal fanden. In gewissen Fällen
wird allerdings auch der transpleurale Weg indiziert sein {bei Verletzungen der
1192 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40.
Lunge oder des Perikards, in unklaren Fällen u. dgl. — wohl auch meist bei
rechtsseitigen Verletzungen. Der Ref.). A. Most (Breslau).
35) Thompson. Occluding pulmonary embolism.
(Annals of surgery 1908. Mai.)
Nach T. ist die Häufigkeit der Lungenembolien nach Operationen größer als
man im allgemeinen annimmt. Besonders treten sie nach Becken- und Bauch-
opergtionen deswegen auf, weil diese Operationen eben häufiger als andere ge-
macht werden. Von 22 aus der Literatur gesammelten Fällen verliefen 20 tödlich;
14 waren im Anschluß an Operationen aufgetreten. In den 22 Fällen trat die
Embolie viermal plötzlich ein, in den übrigen schwankte die Zeit des Eintretens
von 5 Minuten bis zu 12 Stunden. Um das Eintreten dieser unglücklichen Ereig-
nisse zu verhüten, schlägt T. vor, alle in der Umgebung einer Geschwulst liegen-
den varikösen Venen mitzuentfernen oder zu unterbinden.
Herhold (Brandenburg).
Berichtigung.
1) Zu Zentralblatt für Chirurgie 1908 Nr. 35 (Beilage) p. 96 Brauer (Marburg):
Die therapeutische Bedeutung des künstlichen Pneumothorax.
Durch mein eigenes Verschulden — ich war in jenen Wochen durch klinische
Arbeit sowie Lehrtätigkeit übermäßig belastet — ging leider der Redaktion der von
mir eingeforderte Selbstbericht über meinen Vortrag nicht zu. So ist es gekommen,
daß das Referat einige Punkte bringt, die ich richtig stellen möchte:
Der künstliche Pneumothorax kommt hauptsächlich bei schweren einseitigen,
einen freien Pleuraspali bietenden Lungenphthisen nutzbringend in Frage. Bei
Bronchiektasien berechtigen meine Erfahrungen noch nicht zu einem abschließenden
Urteil. Bei inoperabler ausgedehnter Lungengangrän war der Erfolg ein negativer.
Bei einer schweren, langdauernden Lungenblutung stand zwar die Blutung, der Pat.
ging aber doch an der Aspiration, die schon vor Anlegung des Pneumothorazx er-
folgt war, zugrunde.
2) Zu Zentralblatt für Chirurgie 1908 Nr. 35 (Beilage) 9.105 Friedrich
(Marburg): Die operative Beeinflussung einseiliger kavernöser Lungenphthise durch
kostoplastische Pneumolysis.
In diesem Autoreferat ist nach Zeile 3 einzuschieben:
sund infolge einer von Brauer ihm entwickelten Idee«.
Wie Friedrich am Schluß seines Referates selbst zum Ausdruck bringt,
handelt es sich für ihn um den »Gang der Operation«.
Diese Erklärung scheint mir nach meinen Erfahrungen, die ich machte, not-
wendig, um kein Mißverständnis darüber aufkommen zu lassen, daß ich es gewesen
bin, der auf Grund der Vorarbeiten von Quincke, Carl Spengler und Turban
sowie eigener Beobachtungen die Idee der großen exitrapleuralen Thorakoplastik (von
Friedrich als kostoplastische Pnreumolysis bezeichnet) gefaßt, entwickelt und zur
Ausführung in Vorschlag gebracht hat. Ich habe die drei ersten von Friedrich
operierten Fälle mit der ausdrücklichen Erklärung überwiesen, daß es notwendig sei,
durch eine radikale, extrapleurale Thorakoplastik einen Lungen-
kollaps zu bewirken, welcher gleich ausgedehnt sei, wie der Lungen-
kollaps bei wohlgelungenem kompletten Pneumothoraz. Der von Carl
Spengler gewählte Ausdruck »extrapleurale Thorakoplastik« ist eindeutig klar und
kann eine Veranlassung zu Mißverständnissen nicht geben.
L. Brauer (Marburg a. L.).
Druckfehlerberichtigung. Auf p. 43 der Beilage zu Nr. 35 d. Blattes soll
es in der 7. Zeile statt v. Krafft (Innsbruck) richtig v. Gra ff (Innsbruck) heißen.
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdruoke wolle man
an Prof. B. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden.
Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau.
Druck von Breitkopf 4 Härtel in Leipzig.
Zentralblatt für Chirurgie
herausgegeben von
K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER,
in Bonn, in Berlin, in Breslau.
35. Jahrgang.
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG.
Nr. 41. Sonnabend, den 10. Oktober 1908.
Inhalt.
Momburg, Zur Blutieere der unteren Körperhälfte. (Originalmitteilung.)
1) Morris, Intima der Gefäße und Bauchfell. — 2) Levin und Larkin, 3) Ward, Trans-
plantation von Bilutgefäßen. — 4) Sonnenburg und Mühsam, Verbandiehre. — 5) Roger,
Posttyphöse eitrige Mastitis. — 6) Bull, Appendicitis. — 7) Battle, Schenkelbruch. — 8) Thomson,
Divertikelbildungen im Nahrungskanal. — 9) Rodmann, Magengeschwüre und Krebs. — 10) Dufour
u. Fredet, Hypertrophische Pylorusstenose. — 11) Nicolaysen, Dünndarmtuberkulose. — 12) Frat-
tini, Mesenterialthrombosen. — 13) Mummery, Colitis chronica. — 14) Edmunds, Darmanasto-
mose bei Intussuszeption. — 15) Monks, Durchspülung des Darmes. — 16) Don, Hämorrhoidal-
operation. — 17) Terrier u. Auvray, Zur Chirurgie der Leber und Gallenwege. — 18) Mousarrat,
Cholecystitis.
\Y r
19) Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins. — 30) Beck, Basedow. — 21) Cernicky, Brust-
muskel- und Rippendefekt. — 22) Morison, Empyem. — 23) Razzaboni, Brustdrüsengeschwulst
beim Manne. — 24) Jaworski und Lapinski, Tastung des Wurmfortsatzes und Blinddarmes. —
35) Willis, Appendektomie. — 26) Luxardo, Hernia inguinalis vesico-pubica. — 27) Martinelli,
Beidseitiger Schenkelbruch der Blase. — 28) Heller, Retrograde Darmeinklemmung. — 29) Howitt
u. Corner, Massenreduktion. — 30) Konried, Pseudogeschwulst des Magens. — 81) Bunts, Hyper-
trophische Pylorusstenose. — 82) Monprofit und Kieffer, Gastrostomie bei Speiserðhrengeschwür.
,
— 83) Thomson, 34) Roberts, 35) Petrivalsky, Magen- und Duodenalgeschwür. — 36) Montprofit,
Gastroenterostomie. — 37) Beatson, Intussuszeption. — 38) Johnston, 39) Summers, Splenektomie.
— 40) Bérard und Cavalllon, Leberechinokokken. — 41) Lobingier, Gangrän der Gallenblase. —
42) Bachrach, Operationen an den Gallenwegen. — 43) Edgecombe, Pankreatitis bei Mumps. —
44) Musumeci, Gekröscysten. — 45) Heyrovsky, Cystische retroperitoneale Geschwulst,
Zur Blutleere der unteren Körperhälfte.
Von
Stabsarzt Dr. Momburg in Spandau.
D; Veröffentlichungen von Franke (Nr. 31 ds. Bl.) und Rimann
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIV, Nr. 9) veranlassen
mich, einige Punkte zu besprechen, um Fehler zu verhüten, welche
den Wert des Verfahrens schädigen könnten.
Rimann schreibt, daß der Schlauch in drei Touren so fest als
möglich umgelegt wurde, und daß unmittelbar nachher die Pulsation
in der A. femoralis nicht mehr zu fühlen war. Diese Ausdrucksweise
kann den Anschein erwecken, daß der Schlauch dreimal in der Taille
umgelegt wurde, ohne daß nach jeder Tour der Puls in der A. fe-
moralis kontrolliert wurde. Der Schlauch soll nur so oft umgelegt
werden, bis der Puls in der A. femoralis verschwunden ist. Jede
weitere Umlegung ist überflüssig und erhöht nur zwecklog und in ge-
führlicher Weise den Druck.
41
1194 Zentralblatt für Chirurgie Nr. 41.
Bei der Lösung des Schlauches beobachtete auch ich wie Ri-
mann eine Dikrotie des Pulses, welche ca. 10 Minuten anhielt. Es
war der Fall, bei dem der Schlauch 43 Minuten lag. Im zweiten
Falle war der Puls nach Lösung des Schlauches ca. 1/, Minute lang
kaum fühlbar, wurde dann aber schnell wieder normal. Ich möchte
doch raten, die untere Körperhälfte nach Anlegung von abschnüren-
den Binden an Ober- und Unterschenkel sukzessive wieder in den
Kreislauf einzuschalten.
Meiner Ansicht und Erfahrung nach wird die Methode in keinem
Falle, auch nicht bei muskelstarken Personen, im Stiche lassen.
Es wird vielleicht nur eine häufigere Umlegung des Schlauches nötig
sein. Ich bin bisher mit höchstens vier Touren ausgekommen. Zu
meinen zwei Fällen kann ich einen dritten hinzufügen, bei dem der
Schlauch 30 Minuten lang ohne jede Schädigung lag. Es handelte
sich um eine Eisenbahnverletzung (Abfahren beider Beine). Auch in
diesem Falle war der Schlauch ohne Narkose angelegt, wie bei meinen
ersten zwei Versuchen. Der Pat. klagte, wie auch die beiden anderen,
über den heftigen Druckschmerz, der genau derselbe zu sein scheint,
wie bei der Abschnürung der Extremitäten. Dieser Schmerz ließe
sich in gegebenen Fällen (hochsitzende Verletzungen der A. femoralis,
der A. iliacae, starke Blutungen bei Atonia uteri oder Extra-uterin-
Gravidität) durch Morphium bekämpfen.
Wir können auch am Becken eine fast absolute Blutleere er-
zielen, wenn erst die beiden Beine durch Umlegung einer Gummi-
binde von den Zehen aufwärts gänzlich blutleer gemacht werden, wie
bei der Blutleere Esmarch’s. Nach Umlegung des Schlauches in
der Taille wird die Gummibinde von den Beinen gelöst. Jetzt wird
der Pat. so gelagert, daß die Beine tief, der Körper hoch liegt. Hier-
durch fließt Blut aus dem Becken in die blutleeren Extremitäten,
dessen Rückfluß durch Anlegung von abschnürenden Binden an beiden
Oberschenkeln verhindert wird. Diesen Vorschlag mache ich auf
Grund einer Erfahrung bei einer Revision eines wegen Tuberkulose
resezierten Hüftgelenkes, welche ziemlich blutig verlief. Durch diese
Methode wäre dem anämischen Knaben der starke Blutverlust erspart
worden.
Entgegen dem Vorschlage Franke’s, welcher ja nichts Neues
bietet, möchte ich vor der Anwendung einer Pelotte warnen, welche
zwecklos und gefährlich ist und die absolute Sicherheit der Methode
beeinträchtigt.
1) Morris. The serous coat of blood vessels compared with
the peritoneum.
(Annals of surgery 1908. Juli.)
Verf. vergleicht die Intima der Gefäße wegen ihrer ein plastisches
Exsudat liefernden Eigenschaft mit dem Bauchfell. Wenn Intima an
Intima gebracht wird, wie es z. B. durch die Unterbindung eines
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1195
Gefäßes oder die von Matas angegebene innere Naht des Aneurysma-
sackes geschieht, so tritt eine Verklebung der aneinander liegenden
Flächen ein. Auch bei der Arteriennaht spielt die Intima eine ähn-
liche Rolle. Antiseptika üben einen ungünstigen Einfluß insofern auf
die Intima aus, als dadurch das Endothel derselben zerstört und eine
die Verklebung hervorrufende Wucherung verhindert oder stark beein-
trächtigt wird; auch mangelhafte Asepsis schädigt in dieser Weise die
Intima. Daher ist bei allen Arteriennähten absolute Asepsis und
Absehen von der Anwendung irgend eines Antiseptikums notwendig.
Herhold (Brandenburg).
2) I. Levin and J. H. Larkin. Transplantation of devi-
talized arterial segments.
(Proceedings of the soc. for exper. biol. and med. 1908. Juli.)
Verff. prüften die Frage, ob die Wiedervereinigung von Schlag-
adern und die Vermeidung von Thrombenbildung abhängig ist von der
Verwendung lebender Zwischenstücke, oder ob auch tote Gefäß-
segmente mit Erfolg eingepflanzt werden können. Sie pflanzten in
einem Falle ein 1 Zoll langes Teilstück einer Hundeaorta, das mit
4%igem Formalin gehärtet war, in die Bauchschlagader eines anderen
Hundes. Während der Beobachtungszeit von 10 Tagen normaler Puls
in beiden Femoralarterien. Am 11. Tage wurde die Einpflanzungs-
stelle untersucht. Die Nähte hatten gehalten, das Zwischenstück war
frei von Gerinnselbildung. Der Erfolg der Gefäßnaht scheint somit
von der Verwendung lebenden Materials nicht abhängig zu sein. Bei
anderen Überpflanzungsversuchen bildeten sich allerdings organisierte
Thromben mit zahlreichen Durchgangsöffnungen. Die Technik des
Einnähens gehärteter oder gekochter Arterienstücke ist recht schwierig.
Bevenstorf (Hamburg).
3) W. Ward. Histological changes in transplantated blood
vessels.
(Proceedings of the soc. for exper. biol. and med. 1908. Juli.)
Ein Segment einer Kaninchenaorta wurde in die Carotis eines
Hundes nach dem Karel’schen Verfahren eingenäht und das Gefäß
nach 70 Tagen histologisch untersucht. Die Funktion der etwas er-
weiterten Schlagader war eine vorzügliche gewesen. Bei mikroskopi-
scher Betrachtung indes erwies sich, daß der normale Bau des trans-
plantierten Gefäßes fast völlig zerstört war. Die Intima war durch
eine Lage von hyalinem Fibrin ersetzt worden. Muskelfibrillen fehlten
teils ganz, teils war ihre Zahl erheblich reduziert. Die Zwischenräume
der einzelnen Schichten waren der Sitz kleinster Blutungen. Fibröses
Gewebe war an Stelle der zerstörten Zellkomplexe getreten. Die
auffallendste Tatsache aber blieb, daß das elastische Gewebe aus dem
transplantierten Stück völlig verschwunden war.
Resorption des elastischen Gewebes tritt bei Transplantation auf
Angehörige der gleichen Spezies nicht ein. Je weiter dagegen die
41*
1196 Zentralblatt für Chirurgie Nr. 41.
Tiere im System auseinander stehen, um so rascher und um so mehr
verschwindet das elastische Gewebe aus dem überpflanzten Gefäßrohr.
Katzenaorta auf den Hund transplantiert, zeigt schon nach 20 Tagen
eine erkennbare Verminderung ihrer Elastika. Der Resorptionsprozeß
geht langsam vor sich. Die mechanische Funktion des Gefäßes wird
nicht beeinträchtigt, da fibröses Gewebe an die Stelle der zerstörten
Schichten tritt. Reveustorf (Hamburg).
4) Sonnenburg und Mühsam. Kompendium der Verband-
lehre. 2. Auflage. 94 S. 87 Abbildungen.
Bibliothek v. Coler-Schjerning Bd. XV.
In der vorliegenden 2. Auflage ist die Verbandlehre von der
Operationslehre derselben Verff., mannigfachen Wünschen entsprechend,
getrennt worden. Die Einteilung ist im wesentlichen dieselbe geblie-
ben; einige Kapitel, wie Wund- und Extensionsverbände, haben dan-
kenswerte Erweiterungen erfahren, besonders das Bardenheuer’sche
Extensionsverfahren ist, seiner Bedeutung entsprechend, in der neuen
Auflage eingehend beschrieben. Neu ist das Kapitel »Dauerverbände«,
in welchem wir den Schleich’schen Peptonpastenverband bei Fuß-
geschwüren und den Zinkleimverband finden. Hier hätte vielleicht
auch der Hoffa’sche Heftpflasterverband bei Fußdistorsionen erwähnt
werden können. Die instruktiven Abbildungen sind um einige vermehrt.
Die übersichtliche Anordnung des Stoffes, die knappe, aber leicht
verständliche Schreibweise sind Vorzüge, die das Büchlein für Stu-
dierende und Praktiker besonders empfehlenswert machen.
Vorderbrügge (Danzig).
5) H. Roger. Mammite suppuree post-typhique.
(Gaz. des höpitaux 1907. Nr. 58.)
Die eitrige Mastitis ist eine sehr seltene Komplikation des Ty-
phus. Sie entwickelt sich gewöhnlich erst beim Abklingen der Krank-
heit mit dem Eintritt in die Rekonvaleszenz. Die Krankheit verläuft
in der Regel fieberlos oder mit unbedeutender Temperatursteigerung
bis 38°. Doch sind auch Temperaturen bis 40° beobachtet. Die
Behandlung ist eine operative. Nach Eröffnung des Abszesses erfolgt
baldige Genesung. Die posttyphöse Mastitis ist nicht einheitlicher
Atiologie. Statt des Eberth’schen Bazillus wurden in einigen Fällen
Staphylokokken gefunden. Bevenstorf (Hamburg).
6) P. Bull. Erfaringer og Bemerkinger om akut Appendicit
og dens kliniske Behandling. 14b S.
Christiania 1908.
Nach der Statistik B.’s verliefen diejenigen Operationen, die vor
Ablauf von 24 Stunden oder nach dem 7. Krankheitstage ausgeführt
wurden, recht günstig, während die Operation am 3. Tage sich als be-
sonders gefährlich erwies: Der ungünstige Ausgang der letztgenannten
Fälle sei indes nicht der Operation zur Last zu legen, sondern dem
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1197
Umstande, daß der Entzündungsprozeß sich hatte ausbreiten können.
Die Behandlung der allgemeinen serös-eitrigen Peritonitis, einer der
frühesten Komplikationen der Appendicitis, ist recht aussichtsvoll, wenn
sie am ersten Krankheitstage operiert wird. Die Gefahren, die das
Leben des Pat. bei der Abszeßspaltung bedrohen, entspringen teils
aus der versteckten Lage des Eiters, teils aus der Wirkung der Nar-
kose auf den heruntergekommenen Kranken.
B. ist Anhänger der Frühoperation, die innerhalb der ersten
24—36 Stunden vorgenommen wird. Treten schwerere Erscheinungen
auf, so ist auch beim ersten Anfall sofort zu operieren.
Sind zwei oder mehr Anfälle bereits vorangegangen, so ist die
operative Entfernung des Wurmfortsatzes unter allen Umständen ge-
boten, um so mehr, je kürzer der Abstand zwischen den Anfällen
war. Die Appendektomie ist ferner indiziert, wenn Symptome einer
chronischen Entzündung des Wurmes oder Neigung zu Stuhlbeschwer-
den bestehen bleiben. Kinder, die bekanntlich über dem eigentlichen
Anfalle vorhergehende leichte Beschwerden oft nicht klagen, sind
stets baldigst zu operieren.
Nach Ablauf von 36 Stunden ist die Operation indiziert, wenn
die Symptome sich allmählich oder plötzlich verschlimmern, und wenn
Peritonitis oder Abszeßbildung eintritt. Exspektative Behandlung ist
gerechtfertigt, wenn keine gegenwärtige Lebensgefahr besteht, oder
wenn Kontraindikationen vorliegen. Gegen eine abwartende Haltung
ist ebenfalls nichts einzuwenden, wenn die Symptome offenbar in
Rückgang begriffen sind oder der Anfall leicht war; ferner bei all-
gemeiner Peritonitis und versteckt liegenden Abszessen, wenn der
Kräftezustand des Pat. eine Operation nicht zuläßt.
Außer bei ganz leichter Erkrankung empfiehlt es sich nicht, die
Operation im Intervall vor Ablauf von 6—8 Wochen nach dem An-
falle vorzunehmen. Nach einem schwereren Anfalle warte man ein
halbes Jahr.
Als Operationsmethode bevorzugt B. in unkomplizierten Fällen
und bei lateral gelegenen Abszessen den Kreuzschnitt, in den übrigen
Fällen der besseren Ubersicht halber den pararektalen Längsschnitt.
Beckenabszesse werden vom Mastdarm aus nach voraufgegangener
Probepunktion eröffnet. Die Entleerung hochsitzender Senkungs-
abszesse vom Darm her führt bei Anwendung scharfer Instrumente
leicht zu Nebenverletzungen und stärkeren Blutungen. Um diese zu
vermeiden, wendet B. eine verbesserte Reynier’sche Zange an. Die
Modifikation besteht darin, daß die scharfe Spitze keinen Teil des
Instrumentes bildet, sondern von den Löffeln nur mechanisch fest-
gehalten und nach Perforation der vorderen Darmwand mittels eines
Seidenfadens herausgezogen wird, während man die geschaffene Off-
nung mit der Zange stumpf erweitert. Revenstorf (Hamburg).
1198 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41.
7) Battle. The radical cure of femoral hernia.
(Edinburgh med. journ. 1908. Juni.)
Zur Beseitigung des Schenkelbruches schlägt Verf. vor, die
Aponeurose des Obliquus externus vom Annulus inguin. ext. aus
parallel zum Lig. Pouparti nach außen und oben hin zu spalten,
nachdem der Schenkelbruch durch vertikalen Schnitt freigelegt, der
Bruchinhalt reponiert und der Bruchsack nach unten gezogen und
möglichst hoch oben durch Seidenfaden abgebunden und abgetragen
ist. Dieser Faden bleibt absichtlich lang. Durch die Inzision vom
Leistenring aus werden zwei Lappen gebildet, ein oberer und ein
unterer. Das Prinzip der B.’schen Operation besteht nun darin, den
oberen Lappen (Aponeurose des Obliquus externus) hinter dem unteren
nach dem Schenkelkanal zu bringen und daselbst mit der hinteren
Schicht und dem Musculus pectineus durch Naht zu vereinigen, so
daß ein starker Verschluß des Kanals gebildet wird. Der untere
Lappen wird dann von den im Leistenkanal liegenden Gebilden iso-
liert, so daß das Lig. Pouparti, speziell der Teil, der den Kanal
kreuzt, gut übersichtlich wird. Dann wird durch eine Offnung in der
Fascia transversalis der Bruchsackhals nach oben durchgezogen und
nun durch Seidennähte die Aponeurose des Obl. externus vom oberen
Lappen mit der Fascia pectinea, dem hinteren Teil des Schenkel-
kanals, dem Lig. Gimbernati und Pouparti, sowie mit der Hinterfläche
des unteren Lappens verbunden, wobei die Öffnung in der Fascia
transversalis mitsamt dem in ihr liegenden Bruchsackhals ebenfalls
durch Nähte fixiert und geschlossen wird. Leider kann man aus den
vom Verf. selbst angefertigten, dem Text beigefügten schlechten
Skizzen absolut kein klares Bild von der Lage der einzelnen Gebilde
erhalten. Verf. hat nach dieser Methode 81 Pat. (14 weibliche, 67
männliche) operiert und angeblich kein Rezidiv erlebt.
Jenckel (Göttingen).
8) A. Thomson. Diverticule of the alimentary tract, with
particular reference to those met with in the ileum result-
ing from an accessory pancreas and from tuberculosis.
(Edinburgh med. journ, 1908. April.)
Divertikel des Rachens, der Speiseröhre, des unteren Teiles vom
Ileum und der Flexura sigmoidea sind ziemlich häufig, selten die-
jenigen des Magens, Duodenum, Jejunum, Wurmfortsatzes und Mast-
darmes. Im Blind- und aufsteigenden Dickdarm sind Divertikel, so-
weit Verf. feststellen konnte, überhaupt noch nicht beobachtet.
Die Einteilung in wahre und falsche Divertikel, je nach dem Be-
stehen der Wandung aus allen drei bzw. nur zwei Schichten, verwirft
Verf. Er unterscheidet 1) angeborene, 2) erworbene Divertikel. Im
Magen und Duodenum kommen Divertikel vor, die zum Pankreas und
seiner Bildung Beziehung haben; im Duodenum dicht oberhalb der
Papilla Vateri sind ebenfalls Divertikel beobachtet, die mit der Ent-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1199
wicklung der Leber und des Pankreas in Beziehung stehen und in
überzähligen Bauchfelltaschen während der Fötalperiode entstehen.
Im Anschluß an die Beschreibung des Sitzes der Divertikel im Bereich der
verschiedenen erwähnten Abschnitte des Nahrungskanals teilt T. zwei seltene Beob-
achtungen mit. Zuerst ein erworbenes Divertikel des unteren Ileumabschnittes,
das durch eine umschriebene tuberkulöse Infiltration der Darmwand und Zer-
störung der Ringmuskulatur entstanden war und durch die in seiner Nachbarschaft
eingetretenen entzündlichen Verwachsungen kolikartige Schmerzen in der rechten
Seite des Leibes hervorgerufen hatte. Der zweite Fall betrifft ein Divertikel des
unteren Ileumendes, hervorgerufen durch einen versprengten Pankreaskeim, der
die Kuppe der fingerförmigen Ausstülpung bildete. Mikroskopisch ließ sich nach-
weisen, daß ein Teil des Pankreasgewebes innerhalb der Längsmuskulatur des Di-
vertikels gelegen war und die Ringmuskulatur ersetzte; das andere, histologisch
wie ein Alveolarkarzinom gebaute Pankreasgewebe lag außerhalb der Längs-
muskulatur im subserösen Fettgewebe und bildete die Kuppe des Divertikels
Drei Abbildungen sind der Arbeit beigefügt. Jenckel (Göttingen).
9) Rodmann. How frequently do gastric ulcers become
carcinomata.
(Annals of surgery 1908. Juni.)
R. glaubt, daß sich der Magenkrebs in 50% der Fälle auf dem
Boden eines Geschwürs entwickelt. Innerhalb der letzten 2 Jahre
hat er neun Pat. operiert, bei welchen zweifellos festzustellen war, daß
sich das Karzinom aus einem vorhergegangenen Geschwür entwickelt
hatte. In einigen Fällen waren nur Geschwürssymptome vorhanden, so
daß die Diagnose auf Karzinom erst während der Operation gestellt
wurde; in anderen Fällen waren die Symptome des Geschwürs all-
mählich in die des Korzinoms übergegangen, indem der Schmerz
dauernd wurde, das erbrochene Blut eine dunklere Farbe annahm,
das Erbrechen häufiger eintrat usw., oder sich Krebskachexie entwickelte.
Das wichtigste Zeichen für den Übergang zum Karzinom ist nach R.
die rapide Abnahme des Salzsäuregehalts. In zweifelhaften Fällen
soll man nicht zulange mit der Laparotomie warten.
Herhold (Brandenburg).
10) Dufour et Fredet. La stenose hypertrophique du py-
lore chez le nourisson et son traitement chirurgical.
(Revue de chir. XXVIII ann. Nr. 2.)
Die Verff. empfehlen als die Methode der Wahl die submuköse
Pyloroplastik. Der Längsschnitt wird nur durch Serosa und die
starre verdickte Muscularis geführt; bei der queren Vernähung gibt
die meist stark gefaltete Schleimhaut, auch ohne daß sie durchschnitten
wird, leicht nach. Blutung oder Infektion sind nicht zu fürchten, da
die Magenlichtung nicht eröffnet wird; die Dauer der Operation ist
wesentlich kürzer. Bewirkt ein Schnitt nicht die genügende Erwei-
terung des Pförtners, so wird ein zweiter in möglichst großer Ent-
fernung vom ersten angelegt.
1200 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41.
Die Methode wurde in zwei Fällen mit bestem Erfolg ausgeführt,
in dem einen mit doppelter Plastik; eine kleine rautenförmige Stelle
im zweiten Schnitt mußte offen gelassen werden, was weder die Wund-
heilung noch das Resultat beeinträchtigte. Ein dritter, in sehr elendem
Zustande mit Durchschneidung der Schleimhaut operierter Knabe er-
lag einer reichlichen Magenblutung, da die Nähte wiederholt durch-
schnitten.
Begegnet die Ausführung der Pyloroplastik Schwierigkeiten, oder
hat sie nicht den gewünschten Erfolg, so tritt die Gastroenterostomie
in ihr Recht. Pylorektomie und Jejunostomie sind gänzlich verlassen,
die Dehnung nach Loreta ist an den zarten Geweben des Säuglings
ein viel zu rohes Verfahren. Die Gesamtsterblichkeit der bis De-
zember 1907 operierten 135 Fälle, welche am Schlusse der Arbeit
übersichtlich zusammengestellt sind, beträgt 48,88%.
Auf :’die charakteristischen Erscheinungen der hypertrophischen
Pylorusstenose (Bevorzugung des männlichen Geschlechtes; freies Inter-
vall nach der Geburt; explosives, stets gallenfreies Erbrechen in der
Zeit der rapiden Abmagerung nach jeder Nahrungsaufnahme, dann
nur morgens und abends; Fehlen von Darmstörungen; Peristaltik ;
Geschwulst) und die Differentialdiagnose gegenüber der angeborenen
Atresie und dem Spasmus wird genauer eingegangen. In Frankreich
ist übrigens das Vorkommen des Leidens noch bis vor wenigen Jahren
stark in Zweifel gezogen worden. Gutzeit (Neidenburg).
11) J. Nicolaysen. Den strikturerende 'Tyndttarmtuberkulose
og dens kirurgiske Behandling. 65 S. 12 Abbildungen.
Christiania 1908.
Die Strikturbildung kündigt sich entweder mit einem Anfalle von
Ileus an, der mehrere Tage dauern kann, oder mit anfallsweise auf-
tretenden Leibschmerzen, die von Verstopfung oder Durchfällen,
Meteorismus und Erbrechen begleitet sind. Die Zwischenräume der
Anfälle werden allmählich kürzer. König’s Syndrom und 'Noth-
nagel’s Darmsteifung sind charakteristische Zeichen der Stenosen-
bildung.
Schwierig ıst die$jUnterscheidung der tuberkulösen Darmstriktur
von der disseminierten ulzerösen Form der Darmtuberkulose. Während
des Anfalles ist der geblähte Darm, der oberhalb der Stenose liegt,
als feste, bis faustgroße Geschwulst fühlbar. Bauchmassage kann
Kolikanfälle auslösen. Manche Kranke bekommen ihren Anfall auf
Abführmittel oder Einläufe. Bei bejahrten Kranken nehmen die An-
fälle allmählich an Häufigkeit und Intensität ab, wenn Atrophie des
zuführenden Darmteiles eintritt. |
Während des Anfalles beobachtet man Plätschergeräusch, Meteo-
rismus, sichtbare Peristaltik und das Vorhandensein einer oder meh-
rerer Geschwülste im Leibe. Während der anfallsfreien Zeit deutet
das Vorhandensein kleiner, sehr beweglicher Geschwülste im kleinen
Zentralblatt für Chirurgie Nr. 41. 1201
Becken auf Darmtuberkulose. Fieber ist selten. Doch kommt auch
fieberhafte tuberkulöse Appendicitis vor. Bei Stenose des Duodenum
und des Anfangsteiles des Jejunum treten Symptome von seiten des
Magens in den Vordergrund. Fühlt man während des Anfalles
mehrere Geschwülste, so ist der Darm an mehreren Stellen verengt.
Meist wird die Diagnose der mehrfachen Verengerung erst bei der
Operation sichergestellt. Die tuberkulöse Natur der Darmerkrankung
ist zu vermuten, wenn Tuberkulose anderer Organe vorliegt, oder wenn
bei einem Pat., der das 50. Lebensjahr überschritten hat, die mit
chronischer Diarrhöe einhergehende Erkrankung im Dünndarme lokali-
siert ist.
Als Behandlungsmethode kommt in erster Linie die Darmresektion
in Betracht, insbesondere für die zu Metastasenbildung und starker
Narbenretraktion neigende hypertrophische Form der Darmtuberkulose.
Erkrankte Mesenterialdrüsen werden mit fortgenommen. Bei fibrösen
Strikturen ist auch die Enteroanastomose am Platze. Den Hautschnitt
legt man am besten, dicht oberhalb des Poupart’schen Bandes be-
ginnend, entlang dem rechten Rectusrande.
Unter 110 Fällen von strikturierender Darmtuberkulose wurden
47 mit Resektion, 49 mit Enteroanastomose, 6 mit Pyloroplastik, 1 mit
Ennterostomie und 7 mit einfacher Laparotomie behandelt. Die Darm-
resektion weist eine Mortalität von 19,1%, die Enteroanastomose eine
solche von 20,4% auf. Berücksichtigt man aber die Todesfälle, die
im Laufe des auf die Operation folgenden Jahres eintreten, so steigt
die letztere Zahl auf 34,7%.
Die höhere Sterblichkeit nach der Enteroanastomose erklärt sich
daraus, daß diese Operation hauptsächlich angewandt wird in Fällen
mit zahlreichen Strikturen und bei schwächlichen, an klinisch nach-
weisbarer Tuberkulose der Lungen leidenden Kranken.
Unter 52 Fällen von multipler Verengerung wurde 20mal die
Resektion ausgeführt mit nur 1 Todesfall, 32mal die Anastomosen-
bildung mit 14 Todesfällen.
Unter der Gesamtzahl von 49 Fällen, bei denen die Enteroana-
stomose gemacht wurde, starben 10 unmittelbar nach der Operation,
7 später, darunter 3 infolge Perforation eines tuberkulösen Darm-
geschwüres.
Aus den Mitteilungen N.’s geht hervor, daß die Darmresektion,
wenn sie auch nicht gegen Rezidive und Reinfektion von seiten der
Lunge schützt, der Enteroanastomose vorzuziehen ist.
Bevenstorf (Hamburg).
12) G. Frattini (Padua, Klinik Bassini). Sugli effetti dell’ oc-
clusione delle radici enteriche della vena porta.
(Clinica chirurgica 1907. Nr. 9.)
F. weist darauf hin, daß man — seit den Untersuchungen Neutra’s
— einige sichere Fälle von Mesenterialthrombose kennt, in welchen
die Annahme der Möglichkeit eines erfolgreichen chirurgischen Ein-
a1r*
1202 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41.
greifens gerechtfertigt erscheint. Zur Orientierung auf diesem Ge-
biete unternahm er eine Anzahl von Versuchen an Hunden. Er zog
eine mittlere Dünndarmschlinge vor und unterband alle erreichbaren pri-
mären Venen, wobei er bemüht war, einen Kollateralkreislauf zu ver-
hindern.
Von zehn Tieren gingen sechs an den Folgen des Eingriffes zu-
grunde. Die Därme zeigten keine wesentlichen Veränderungen, auch
nicht im histologischen Bilde, außerhalb der Zone direkt vom Eingriff
abhängiger Erscheinungen. Diese letzteren steigern sich von Hyperämie
verschiedenen Grades bis zu Extravasationen in den drei Schichten, ja bis
zur Mortifikation, in den Zotten. Interessant ist es, zu konstatieren, daß
das Epithel der Zotten zum größten Teil im Zerfall ist, während in
den tieferen Partien, am Grunde der Drüsen, die Ernährung des
Epithels noch eine so gute ist, daß die Zellen kaum pathologische
Veränderungen aufweisen. Im Zentrum des Prozesses der Infarzierung
ist das Gewebe scheinbar vollständig nekrotisch. Doch zeigt auch hier
noch die genauere histologische Untersuchung erhaltene epitheliale Ele-
mente am Grunde der Drüsen, sogar noch Mitosen. In den Muskel-
schichten fand F. ansehnliche Bündel unveränderter Fasern.
Die vier anderen Hunde erholten sich auffallend schnell von den
unmittelbaren Folgen der Operation. Nach 4—16 Tagen erfolgte die
Obduktion. Als wichtigstes Ergebnis sei die Bildung umfangreicher
Verwachsungen des großen Netzes um den Darm hervorgehoben, die
so innig waren, daß in einem Falle die Gefäßneubildungen bis in die
Submucosa reichten. In den Muskelschichten schien eine Kompen-
sation der Schäden nicht nur durch Bindegewebe, sondern durch Hyper-
trophie und Karyokinese eine wahre Neubildung der erhaltenen Muskel-
bündel einzutreten. Das lymphoide Gewebe der Zotten, die Solitär-
follikel und die Peyer’schen Plaques wiesen viele Mitosen auf. Die
Formen der Schleimhaut, der Zotten und Drüsen waren um so un-
deutlicher, je näher sie dem Zentrum des Prozesses lagen; doch gab
es zahllose Karyokinesen in den Epithelien, besonders im Drüsen-
grunde. Auch die extravasierten Blutzellen waren meistens gut er-
halten. In dem ältesten Falle war das Epithel vollkommen wieder-
hergestellt; die Mitosen halten sich innerhalb der normalen Grenzen;
Zotten und Drüsen erscheinen in ihren gewöhnlichen morphologischen
Details, nur meint F. gewisse Unregelmäßigkeiten in ihrem reziproken
Verhalten, in der Lage zu- und nebeneinander beobachten zu können.
In der Darmwand herrscht hier das Bindegewebe vor; die erhaltenen
.‚Muskelbündel halten keine einheitliche Richtung ein; die Fasern,
meistens normal groß und normal geformt, erscheinen hier und da
hypertrophisch.
Der Verschluß der Grekrösvenen verursacht also — auch wenn
er plötzlich eintritt — nicht notwendigerweise den Tod des Tieres,
sondern es kann infolge Zusammenwirkens spontaner Erscheinungen
zur Heilung kommen, wenigstens in bezug auf die direkten Konse-
quenzen der Kreislaufsstörung. Insbesondere zeigen die Darmepithelien
Zentralblatt für Chirurgie, Nr. 41. 1203
eine ganz auffallende Resistenz gegenüber Veränderungen ihrer Unter-
lagen, die im Verein mit anderen günstigen Umständen, wie Ver-
wachsungen im peritonealen Bereich, ihre Regeneration einleiten und
erzielen können. J. Sternberg (Wien).
13) Mummery. Chronic colitis and its surgical treatment,
(Practitioner 1908. April.)
Im Gegensatz zu Nothnagel, der die chronische Kolitis für eine
nervöse Erkrankung, eine Neurose mit sekundären Darmsymptomen
ohne lokale Ursache auffaßt, versteht M. unter einer Colitis chronica
mucosa ein Symptom, das zahlreiche Ursachen haben kann. So kann
sie entstehen infolge chronischer Entzündung des Kolon, speziell der
Flexura sigmoidea; wie Verf. mittels Sigmoidoskops feststellen konnte,
so kommt sie öfter als Folgeerscheinung bei chronischer Appendicitis
vor, wie statistisch nachgewiesen wurde. Auch Karzinom des Kolon,
sowie Verwachsungen und sonstige Entzündungen in der Nachbarschaft
des Dickdarmes können eine Colitis chronia mucosa hervorrufen. Die
Neurose ist die Folgeerscheinung, nicht die Ursache der Erkrankung.
Betreffs der Therapie stellt sich Verf. auf den Standpunkt, daß
man nicht zulange mit der chirurgischen Behandlung des Leidens
warten soll, sobald die interne versagt. Von der Anlegung einer
rechtsseitigen inguinalen Kolostomie will M. nichts wissen, gibt vielmehr
der von Keatly empfohlenen Appendikostomie bei weitem den Vorzug,
da deren Offnung wasser- und luftdicht schließe, und durch Einführung
eines Katheters eine genügende Spülung des Darmes mit adstringieren-
den oder antiseptischen Flüssigkeiten ermöglicht werde Außerdem
könne die Fistelöffnung mittels Thermokauters leicht und sicher später
wieder geschlossen werden. Verf. hat diese Operation bei einem Arbeiter
ausgeführt, der sich nach derselben äußerst wohl fühlte und seine
Arbeiten wieder voll und ganz verrichten konnte. Die von Arbuthnot
Lane empfohlene Ileosigmoidostomie, sowie die später von demselben
Autor bei Colitis mucosa angewandte Resektion des Kolon vom Blind-
darm bis zur Pars pelvinea recti wird mit Recht verworfen, da der
große und gefährliche Eingriff in gar keinem Verhältnis zur Schwere
der Erkrankung steht.
Neben der Colitis chronica mucosa und Colitis membranacea führt
M. noch die Colitis chronica ulcerosa und Colitis ulcerosa follicularis
an, die beide sich graduell von der Colitis mucosa bzw. membranacea
chronica unterscheiden und mit heftigen Diarrhöen sowie starken
Blutungen einherzugehen pflegen. =
Die Geschwüre haben bei oberflächlicher Betrachtung Ahnlichkeit
mit dysenterischen Geschwüren, sind aber doch völlig verschieden von
ihnen. Vielfach liegen sie ringförmig im Darm, manchmal sind sie
derartig ausgedehnt vorhanden, daß gar keine normale Schleimhaut
mehr besteht. Perforationen, lokale Abszeßbildung, allgemeine Peri-
tonitis suppurativa sind nicht seltene Folgeerscheinungen dieser Colitis
ulcerosa. In einzelnen Fällen kann durch lokale Irrigationen bei
*
1204 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41.
völliger Bettruhe (Wasserstoffsuperoxyd, später Olivenöl) Heilung er-
zielt werden; die meisten Pat. erliegen jedoch ihrem schweren Leiden.
Verf. rät auch bei derartig schweren Erkrankungen nicht zulange mit
der Operation zu warten, entweder die Appendikostomie oder aber die
Kolostomie zu machen und den Darm von den Fistel- bzw. Darm-
öffnungen auszuspülen. Jenekel (Göttingen).
14) A. Edmunds. A new method of intestinal anastomosis,
suitable for cases of gangrenous intussusception.
(Practitioner 1908. März.)
Die Statistiken zeigen, daß die Prognose der Invagination eine
durchaus gute ist, sobald die Desinvagination ohne Ruptur des Darmes
vollzogen werden kann. Die Fälle jedoch, in denen die Intussuszeption
so fest war oder so lange bestand, daß ein Teil des Darmes der Gangrän
verfiel; geben eine sehr schlechte Prognose, mindestens 9% Mortalität,
und nur wenige Publikationen sind vorhanden, die über eine Heilung
nach Resektion der gangränösen Darmpartie berichten. Man muß
eben bedenken, daß es meist ganz kleine Kinder sind, die von diesem
Leiden. befallen werden, nicht etwa widerstandsfähige, kräftige Er-
wachsene, für die eine Laparotomie kein so erheblicher Eingriff ist.
Die beste Behandlungsart wäre die Resektion des gangränösen
Darmstückes und Anastomose der beiden Darmenden; das Alter der
Pat. verbietet jedoch gewöhnlich ein derartiges eingreifendes Verfahren,
Barker schlug vor, einen Längsschnitt in dem gesunden Abschnitte
des Intussuscipiens zu machen, die invaginierte Partie aus dieser Off-
nung herauszuziehen, abzutragen, die Darmenden nach Maunsell’s
Methode zu vereinigen und durch die Offnung zu reponieren, danach
letztere durch Nähte zu schließen. Eine andere Methode unterstützt
das Naturverfahren, die Invagination wird noch etwas vollständiger
gemacht und die Verklebungen zwischen den einzelnen Serosaflächen
durch einige Nähte noch verstärkt, so daß die gangränöse Partie inner-
halb der Darmlichtung sich spontan abstoßen kann.
Verf. schlägt vor, die invaginierte Partie nach außen vor die
Bauchwand zu lagern, die Resektion des gangränösen Stückes dann
schnell auszuführen, in jede Darmöffnung eine Tube (Paul’s Tube)
zu schieben, um die Bauchwunde vor jeder Verunreinigung mit Darm-
inhalt zu schützen, dann eine von ihm konstruierte Anastomosenzange
zwischen Tube und Darmwand in beide Darmschenkel hineinzuschieben
und die Zange, deren Branchen in einer Entfernung von 3—4 cm
unterhalb der Darmöffnung erst parallel miteinander verlaufen, dann
fest zu schließen, um auf diese Weise, genau wie bei der Dupuytren-
schen Klemme, zwischen beiden Darmschenkeln eine Anastomose her-
zustellen, die etwa 4 cm vom Kunstafter entfernt gelegen ist. Die
Zange bleibt 8 Tage liegen; inzwischen hat sich die Anastomose ge-
bildet; der Kunstafter wird später durch Vernähung der Öffnungen
und Versenkung der Darmenden beseitigt.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1205
Verf. hat nach diesem Verfahren ein 10 Wochen altes Kind
operiert, das leider 5 Wochen später infolge anderweitiger, der Ope-
ration nicht zur Last zu legender Umstände starb. Er empfiehlt diese
Methode nicht nur für die gangränöse Invagination, sondern auch für
Anastomosenzange. Modifizierte Paul’s Tube.
Die für die
Zange be-
stimmte Rinne.
j FPauis Tilbe
Ir EEE
-
BESSERE 5:
Bahchwand
>
>
-
4Anastomose
~ a, Bauchwand,
b. Darmschlingen,
o. Anastomose,
d. Darmsporn,
e. die beiden nach außen führenden Darm-
öffnungen.
eingeklemmte brandige Brüche, wenn die betreffenden Pat. zu schwach
sind, um eine sofortige intestinale Anastomose auszuhalten, oder aber
die Umgebung usw. einen derartig großen Eingriff verbietet.
Jenekel (Göttingen).
1206 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41.
15) Monks. Experiments in flushing the intestinal canal
with salt solution through multiple enterotomy openings.
(Annals of surgery 1908. Juni.)
M. versuchte an’. Tieren den ganzen Darmkanal in einzelnen
Abschnitten mit Kochsalzlösung zu durchspülen. Er legte zu diesem
Zweck in einer möglichst hohen Darmschlinge des Jejunum eine Öff-
nung an, führte durch diese nach unten (distal) ein langes Glasrohr
und füllte den Darm bei Katzen bis zur Blinddarmklappe; dann
machte er unmittelbar vor derselben eine zweite Einterostemieöffnung,
durch welche die Lösung [mit Fäkalien ausfloß. Die obere Offnung
wurde nun vernäht und in die untere nach dem Dickdarm zu das
Glasrohr eingeführt. Nachdem wieder Salzlösung hineingelassen war,
floß diese durch ein in den 'After eingeführtes Glasrohr mit Fäkalien
wieder ab. Von 15 Katzen überlebten diesen Eingriff 10. Dann
wurde das Verfahren an menschlichen Leichen erprobt; hier war meist
noch eine dritte Enterostomie [am unteren /Darme nötig; außerdem
hinderte der dicke Darminhalt des Dickdarmes etwas die Durchspülung,
sie gelang aber schließlich auch. Endlich hat Verf. nun diese Aus-
spülung des ganzen Darmes bei einem 8jährigen Kinde gemacht, das
an schwerer septischer Peritonitis litt; der Erfolg war ein günstiger,
das Kind kam mit dem Leben davon. In diesem letzteren Falle waren
nur zwei Öffnungen, am proximalen und distalen Ende des Jejunum,
angelegt, durch welche es gelang den ganzen Darm bis zum After
auszuspülen. Bei diesen Maßnahmen ist sehr zu beachten, daß kein
Darminhalt in die Bauchhöhle gelangt, was sich durch allseitige Ab-
deckung erreichen läßt. Verf. will diese gründliche Auswaschung des
Darmes zur Befreiung von toxischen Stoffen nur in verzweifelten
Fällen angewandt wissen, in welchen die einfache Einterostomie nicht
genügen würde. Ob sie bei Erwachsenen ebenso wie bei dem ope-
rierten Kinde gelingt, kann er mit Bestimmtheit noch nicht sagen. °
Herhold (Brandenburg).
16) A. Don. An easy method of excising piles.
(Edinb. med. journ. 1908. Juni.)
Zur Beseitigung der Hämorrhoidalknoten empfiehlt Verf. folgende
Methode, die ohne Assistenz in Lokalanästhesie auszuführen ist. Die
notwendigen Instrumente sind sechs Arterienklemmen, sechs Doppel-
pinnen bzw. Stifte (harelip pins), ein gut abgemessener Kork, Catgut-
nähte und Ligaturen. Der Kork wird fingerhutförmig zugeschnitten
und mit einem Stock zum Anfassen versehen, außerdem mit Gaze
überzogen. Der Sphinkter wird zuerst dilatiert, dann die Hämorrhoidal-
knoten mit der Klemme gefaßt und vorgezogen; zuerst zieht man die
oberen Knoten mittels der Klemme nach oben, bis normale Schleim-
haut überall sichtbar ist und schiebt nun die eine Kante des Korkes
in den Mastdarm hinein; dann werden die unteren Knoten ganz nach
unten gezogen und auf diese Weise ermöglicht, daß der ganze Kork
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1207
in den After gelangt und nach innen von den Hämorrhoiden im
Mastdarm zu liegen kommt. Mit Hilfe der Pinnen werden nun die
Knoten von außen her an den Kork geheftet; dann legt Verf. nach
innen von den Knoten zirkulär um die auf dem Kork liegende Darm-
schleimhaut einen dünnen Gummischlauch herum und schnürt damit
die Gefäße ab. Dann submuköse Ausschälung der peripher von den
Pinnen liegenden Knoten mit dem Messer, wobei man achtgeben muß,
stets weit genug von der äußeren Haut, sowie der normalen Schleim-
haut zu bleiben. Der Gummischlauch wird daraufhin abgenommen,
einzelne blutende Gefäße gefaßt und unterbunden und zuletzt eine
Catgutnaht für die Schleimhaut angelegt. Diese Nähte sollen die
Schleimhaut, ein wenig von der Submucosa und nach außen die
Haut mitfassen. Ein Gazestreifen, event. mit Jodoform, wird in die
Afteröffnung eingeführt. Eine Verletzung des Sphinkters ist bei
dieser einfachen Methode ganz ausgeschlossen. Jenckel (Göttingen).
17) F. Terrier et M. Auvray. Chirurgie du foie et des
voies biliaires.. Echinococcose hydatique commune. Kystes
alveolaires. — Suppurations hépatiques. Abces tuberculeux
intra-hepatique. Abces de lactinomycose. — 366 p. Avec
47 figures dans le texte.
Paris, Félix Alcan, 1907.
Echinococcose hydatique commune. Verff. bringen eine
eingebende Schilderung der Leberechinokokken nebst Komplikationen
und Therapie. Je nach der Lage handelt es sich um inferiore Oysten,
und zwar postero-inferiore, die sich nach Art der Nierengeschwülste
entwickeln, und antero-inferiore, die sich in die Bauchhöhle entwickeln.
Die postero-superioren Uysten entwickeln sich oft weit in die Brust-
höhle hinein, die antero-superioren wölben die vordere Bauchwand vor.
Pathologische Anatomie und Diagnostik wird besprochen. Die Früh-
diagnose soll man nach Dieulafoy stellen können aus einer Reihe
von Symptomen, nämlich Schmerz in der rechten Schulter, Auftreten
von Urtikaria, Ekel vor fetten Speisen und rechtsseitige Pleuritis.
Es folgen dann die Symptome und Komplikationen.
Die Eosinophilie ist kein sicheres diagnostisches Zeichen für
Echinokokkus, da sie bei allen möglichen Parasiten, sogar Tänien und
Askariden, vorhanden sein kann. Ebenso ist sie häufig nach Über-
stehen von Infektionskrankheiten, dann bei Lymphosarkomen und
Lymphadenomen. Die Eosinophilie schwindet außerdem unter dem
Einfluß plötzlicher Temperaturerhöhung. Das Bestehenbleiben von
Eosinophilie nach Operation einer Oyste sollte aber den Verdacht auf
das Vorhandensein weiterer Cysten erwecken. Bei Perforation in die
Bronchien ist stets schwer zu entscheiden, ob die Cyste in der Lieber
oder in der Lunge ihren Sitz hat.
Nach einem historischen Rückblick auf die früheren Operations-
methoden besprechen Verff. ausführlich die jetzt üblichen Verfahren
1208 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41.
und veranschaulichen sie an Abbildungen, so z. B. die Freilegung der
oberen Leberoberfläche mit Rippenknorpelresektion, das transpleurale
und parapleurale (Siraud) Vorgehen durch das Zwerchfell hindurch.
Will man die Cyste nach der Ausräumung nicht drainieren, sondern
nähen, so soll man sorgfältig auf Cysten fahnden, die der Hauptcyste
benachbart liegen. Das Vorkommen derselben scheint nicht so selten
zu sein, als man früher annahm. Man benötigt deshalb große Schnitte.
Auch können trotz aller Sorgfalt in der Cystenhöhle selbst genügend
Keime zu einer weiteren Infektion zurückbleiben. Es muß erst die
Erfahrung lehren, ob man bei alten Cysten, bei denen Tochterblasen
nebenan liegen können, besger die Einnähung oder den vollständigen
Verschluß macht. Im allgemeinen ist der Verschluß durch Naht als
die bessere Operation anzusehen. Empfohlen wird das Verfahren
nach Dévé mit vorhergehender Punktion des Sackes. Der feine
Trokar bleibt im Sack; ein Ausfließen von Flüssigkeit soll dadurch
ganz vermieden werden. Bei der Enukleation soll man sich bewußt
sein, daß die COysten sehr häufig der Vena cava benachbart liegen,
und daß heftige venöse Blutungen bei der Operation schon vor-
gekommen sind.
Die Punktion ist heutzutage aufgegeben. Selbst die Probepunktion
auf dem ÖOperationstische durch die Bauchdecken hindurch muß ver-
mieden werden. Sollte man sich ausnahmsweise einmal zur Punktion
entschließen, so soll man nach dem Vorschlage von Hanot die Oyste
möglichst ganz entleeren und eine nicht toxische Dose von Sublimat
einfüllen. Vor Vereiterung schützt aber das Einfüllen antiseptischer
Flüssigkeit nicht.
Die Sterblichkeit nach der »Marsupialisation«, der Eröffnung und
Einnähung in die Bauchwand, ist keine geringe. Auch in späteren
Jahren bilden sich danach öfters Fisteln und besonders große Hernien
aus. Es sollte dieses Vorgehen deshalb nur angewendet werden, wenn
Naht und Versenkung kontraindiziert ist. Stets sollte es dann ein-
zeitig und mit möglichst weiter Resektion der Wandungen vorgenommen
werden. Die Größe der Cyste bildet ebensowenig einen Gegengrund
gegen den Verschluß durch Naht, wie die Anwesenheit von Gallen-
fisteln, die man vernähen kann. Unter 125 Fällen von Vegas und
Cranwell von Versenkung der genähten Cyste trat bei 32 Vereiterung
ein, und mußte bei diesen die sekundäre Drainage angelegt werden.
In diesen 32 Fällen trat aber Heilung ein. Nur zwei starben ohne
Drainage.
T.’s und A.s eigene Zusammenstellung von 58 Fällen von Naht
ohne Drainage ergibt 57 Heilungen und 1 Todesfall = 1,72% Mor-
talität. Demnach ist diese Methode, und zwar die einfache Naht,
wenn sie anwendbar ist, als die Methode der Wahl zu erklären. Ein
Antiseptikum ist dabei nicht in dem Hohlraume zurückzulassen.
Von Enukleationen konnten Verff. 14 Fälle zusammenstellen, mit
1 Todesfall, 2 mäßigen (Fistelbildung, langdauernde Heilung) und
11 guten Resultaten. Von 53 Fällen — teils Exstirpation, teils Re-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1209
sektion, teils Enukleation — waren 49 Heilungen zu verzeichnen und
4 Todesfälle (= 7,54%). Bei mehreren Cysten ist es besser, jede
einzelne von außen zu eröffnen, da jede einzelne infiziert sein kann.
Kystes alveolaires du foie (Echinococcose bavaro-tyrolienne).
Verff. besprechen den multilokulären Echinokokkus, den Dev& als den
bayrisch-tiroler Typus bezeichnet hat, weil er in diesen Gegenden am
häufigsten vorkommt und zuerst beschrieben worden ist. Die Patho-
logie wird ausführlich besprochen, besonders die Unterscheidung gegen
den gewöhnlichen Echinokokkus, weiter die Symptomatologie, Diagnose
und Behandlung.
Suppurations hépatiques. Mit der pathologischen Anatomie
wird Ausbreitung und Durchbruchsmöglichkeit der Abszesse ausführ-
lich erörtert. Fast 2/, aller spontanen Durchbrüche vollziehen sich
in die Respirationsorgane, und zwar meistens in die Bronchien. Der
Durchbruch in die Gallenwege ist selten; auf 30 Perforationsfälle
kommt nur ein solcher. Von den Europäern, die in den Tropen
dysenterische Leberabszesse bekommen, erkranken 40% daran in den
ersten 3 Jahren. Wenn die Frauen weniger befallen werden, so liegt
das daran, daß sie im Alkoholgenuß u. dgl. mäßiger sind. Die Grippe
kann einmal latente Leberabszesse wieder aufflackern lassen, dann
auch allein Lebereiterungen auslösen.
Von den Symptomen wird peritonitischem Reiben über der Leber
der größte diagnostische Wert zugesprochen. Verff. unterscheiden
eine akute, subakute und chronische Hepatitis. Letztere hat eine
Dauer von mehreren Monaten; der Abszeß erreicht oft bedeutende
Größe. Sie kann sich plötzlich aus dem chronischen Stadium heraus
zu einer akuten Hepatitis entwickeln. Eine larvierte Hepatitis kann
unter einer Peritonitis oder Pleuritis oder anderen Erkrankung ver-
steckt sein.
Von 34 Durchbrüchen in die Bronchien endeten 14 tödlich;
20 kamen zur Heilung.
In diagnostischer Beziehung sind Verwechslungen mit mancherlei
Krankheiten möglich, besonders sind sie vorgekommen mit Leberkrebs,
mit hypertrophischer Cirrhose, mit Lebergummi u. a. m.
Einer positiven Probepunktion soll stets die Operation unmittelbar
angeschlossen werden. Gewöhnlich hinterläßt eine Leberpunktion
keinerlei wahrnehmbare Spuren. Trotz Probepunktion kann aber ein
Abszeß übersehen werden; auch birgt die Punktion immer die Gefahr
der Blutung in sich. Deshalb aber stets eine Probeinzision zu machen,
hieße die Gefahr der Punktion übertreiben. Man wird jedoch die
Inzision ausführen, wenn man nach ergebnislosen Punktionen doch
noch den Verdacht auf Leberabszeß hat.
Besteht Leukocytose, so ist sie differentialdiagnostisch für Abszeß
verwertbar. Sie ist aber nicht konstant bei Abszeß.
Als Operation der Wahl hat die Befestigung der Leber in die
Bauchwunde mit sofortiger Eröffnung zu gelten. Die Durchschneidung
oder Resektion von Rippenknorpeln soll man beim Abszeß möglichst
1210 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41.
vermeiden wegen der leicht möglichen und leicht fortschreitenden In-
fektion. Auch beim transpleuralen Vorgehen empfiehlt es sich, die
Leberoberfläche an das Zwerchfell anzunähen, falls sie nicht damit
verwachsen ist. Gallenflüsse, mögen sie bald oder erst später nach
der Operation auftreten, sind immer eine ernste Komplikation.
Es werden dann Operationsverfahren beschrieben, die nur die
Punktionsöffnung erweitern, von denen besonders das nach Patrick
Manson zu nennen ist.
Es empfiehlt sich, Europäer, die in den Tropen einen Leberabszeß
überstanden haben, nach ihrer Heimat zurückzuschicken, da sie sonst
leicht wieder erkranken.
Abcès tuberculeux intrahepatique et p6rihepatite tuber-
culeuse. Der tuberkulöse Leberabszeß betrifft meistens Kinder. Von
zehn Fällen Lesimple’s betreffen sieben Kinder von 2, 4, 7, 12 und
13 Jahren. Sehr häufig sitzt der Abszeß gleichzeitig intra- und peri-
hepatisch. Bei Kindern handelt es sich meist nur um einen Abszeß.
Doch kommen mehrere vor, besonders bei Erwachsenen, auch ohne
Zusammenhang untereinander.
Ein tuberkulöser Abszeß äußert sich zunächst in unbestimmten Magen-
störungen, bei weiterem Wachstum in Schmerzen infolge der Perihepatitis
und schließlich in einer Pleuritis diaphragmatica. Die einfache Punk-
tion mit nachfolgenden Injektionen verwerfen Verff., raten vielmehr,
den Abszeß weit zu eröffnen. Bei entsprechendem Sitze, jedenfalls also
beim subphrenischen Abszeß, wird eine Resektion der Brustwand nötig
sein. Fisteln, die mit Bronchien in Verbindung stehen, braucht man
nicht nachzugehen, da sie nach weiter Eröffnung der Abszesse von
selbst heilen.
Von sieben Fällen tuberkulöser Abszesse sind vier geheilt, drei
gestorben.
Abc2s de l’actinomycose. Die Leber wird vom Darmkanale,
meist vom Blinddarm und dessen Umgebung her, infiziert, weiter von
der Lunge, von der Niere, dann vom Darm und von weiter her ver-
mittels der Pfortader. Bei vielen Fällen aus der Literatur, die als
primäre Leberaktinomykosen beschrieben sind, hat es sich um sekun-
däre Infektionen gehandelt. Mit Aribaud unterscheiden Verff. eine
hepatische Form, bei der Symptome und klinische Anzeichen auf die
Leber hinweisen, am häufigsten bei primärer Aktinomykose, weiter eine
gastrische und intestinale Form mit dementsprechenden Störungen,
und eine pyämische Form mit Abszessen in allen möglichen Organen.
Chirurgische Eingriffe sind ebenso wie Darreichen von Jodkali
bis jetzt erfolglos geblieben. Trotzdem wird man in gegebenem Falle
von beiden Gebrauch machen. Die sieben Fälle, in denen bis jetzt
chirurgisch vorgegangen ist, sind zusammengestellt.
E. Moser (Zittau).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1211
18) Mousarrat. Cholecystitis.
(Practitioner 1908. Juni.)
Die größte Mehrzahl der Fälle von Cholecystitis ist ausgezeichnet
durch die Anwesenheit von Steinen in der Gallenblase, gerade so wie
ein kleinerer Prozentsatz von Appendicitisfällen Kotsteine im Processus
vermiformis nachweisen läßt. Genau so wie bei letzteren niemand den
Kotstein als die Ursache der Appendicitis ansieht, ist es auch ein
Fehler, die Konkrementbildung innerhalb der Gallenblase als Ursache
der Cholecystitis zu betrachten. In beiden Fällen spielt jedoch die
Anwesenheit des Konkrements eine sehr wichtige Rolle für den Ent-
zündungsprozeß. Die erste Ursache der Cholecystitis ist die bakterielle
Entzündung, die ihrerseits die Konkrementbildung im Gefolge hat;
durch beide entsteht die chronische Cholecystitis, die sich durch An-
fälle von mehr oder weniger akutem Typ auszeichnet. Man unter-
scheidet die akute katarrhalische, die eitrige und die gangränöse Ent-
zündung der Gallenblase. Die klinischen Unterscheidungsmerkmale
werden an der Hand mehrerer Krankengeschichten besprochen, auch
die Differentialdiagnose zwischen akuter Cholecystitis und Appendicitis,
Ileus, Durchbruch eines Magengeschwürs, intermittierender Hydro-
nephrose auseinandergesetzt. Die Operation ist in jedem Fall indi-
ziert bei dem Empyem, der gangränösen Entzündung sowie bei Per-
forationen der Gallenblase. Zweifelhaft kann man sein, ob in jedem
Falle von akuter Cholecystitis operiert werden soll; es richtet sich
dies sehr nach der Schwere der klinischen Erscheinungen. Bei chro-
nischer Cholecystitis mit öfter sich wiederholenden Anfällen rät M.
sehr zur Operation.
Sobald der Ductus cysticus stenosiert oder die Blasenwand stark
verändert ist, führt Verf. die Oystektomie aus, sonst stets die Oysto-
stomie und Drainage. Jenckel (Göttingen).
Kleinere Mitteilungen.
19) Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins.
172. Sitzung am 15. Juni 1908.
Vorsitzender: Herr Bier.
Herr Bier. Die Operation großer Halstumoren unter Lokal-
anästhesie,
B. berichtet über seine Erfahrungen über die Operation großer Halstumoren,
die er unter Lokalanästhesie ausgeführt hat. Er bedient sich dazu der Hackenbruch-
schen Umspritzung mit Braun’scher Lösung (0,öxige Novokainlösung mit Supra-
reninzusatz). B. verwendet am Halse bis 80 ccm der 1/a&xigen Novokainlösung. Er
setzt dieser Menge niemals über 8 Tropfen Suprarenin zu, um Ernährungsstörungen
zu vermeiden. Zunächst wird der Tumor subkutan umspritzt, dann subfasical
und schließlich in der Tiefe. Will man wirklich tadellose Anästhesien haben, so
sind folgende Punkte zu beherzigen: 1) Man muß mit der Spritze gut unter die
Fascie und in die Tiefe gehen, ohne dabei die großen Gefäße zu verletzen. 2) Man
muß nach der Einspritzung genügend lange warten, mindestens eine Viertelstunde,
Inzwischen kann man eine andere Operation ausführen. 3) Bei ängstlichen Pat.
kombiniert man die Anästhesie mit dem Skopomorphin-Dämmerschlaf.
1212 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41.
Schon die Strumektomie läßt sich unter diesem Verfahren viel schmerzloser
ausführen als unter anderen Methoden der Lokalanästhesie, besonders bei Basedow-
kranken. Aber B. hat auch große Karzinomgeschwülste des Halses und partielle
und totale Exstirpationen des Kehlkopfes darunter sehr gut ausführen können.
Im letzteren Falle muß man außerdem die Schleimhaut des Kehlkopfes vorher
anästhesieren.
Die Methode eignet sich für kompakte Geschwülste, selbst wenn sie stark ver-
wachsen sind, auch wenn z. B. der Stamm der Vena jugularis interna mit entfernt
werden muß. Dagegen eignet sie sich nicht für Geschwülste, die über den ganzen
Hals zerstreut sind, wie das bei tuberkulösen Lymphomen häufig der Fall ist.
Diskussion: Herr Hildebrand erwähnt, daß er bei seinen zahlreichen
unter Lokalanästhesie ausgeführten Kropfoperationen beim Herauswälzen der Tu-
moren stets eine starke Wirkung auf Kehlkopf und Trachea in Gestalt einer erheb-
lichen Atemnot beobachtet hat; sonst war die Operation an und für sich wenig
schmerzhaft, nur beim Abbinden der Arterien wurde in der Regel über Schmerz
geklagt. H. fragt, was Bier in der Beziehung für Erfahrungen bei seiner Methode
gemacht hat. Herr Bier erwidert, daß er nur geringe Wirkungen auf die
Atmung gehabt hat, und auch die Abbindung der Arterien sei gewöhnlich nicht
schmerzhaft gewesen.
Herr Rumpel. Über kindliche Blasentumoren.
Bei den im frühesten Kindesalter beobachteten Geschwülsten der Harnblase
handelt es sich meist um Sarkome oder Myxome bzw. ihre Mischformen. Da sie
am häufigsten innerhalb des 1. und 2., seltener des 3. Lebensjahres auftreten, ist
man geneigt, sie als kongenitalen Ursprunges anzusehen. Charakteristisch ist ihr
Ausgangspunkt, der stets unterhalb der Schleimhaut gelegen ist, sowie ihr Sitz in
der Gegend des Biasenhalses. Hierdurch erklären sich die Symptome, deren
Mittelpunkt die Harnverhaltung bilde. Die Hämaturie pflegt zu fehlen. Hat
sich die Geschwulstbildung noch nicht über die Grenze der Blase ausgedehnt, so
kann mit Erfolg operiert werden.
Um einen solchen Fall handelt es sich bei dem 3jährigen Knaben, der demon-
striert wird. Das Kind wurde mit den Zeichen der paradoxen Dysurie eingeliefert.
Die Blase stand in Nabelhöhe; ein Stein war nicht nachzuweisen. Cystoskopisch
sah man multiple, kugelige, gestielte, submukös gelegene Tumoren von Haselnuß-
bis Kirschgröße, die auf den Blasenhals beschränkt waren. (Demonstration cysto-
skopischer Zeichnungen.) R. hat die Tumoren nach Eröffnung der Blase von oben
her exstirpiert. Naht. Dauerkatheter. Heilung vorübergehend durch Fistelbildung
gestört. Zurzeit (3 Monate nach der Operation) befindet sich der Knabe gut und
kann spontan ohne Beschwerden seinen Harn entleeren. Mikroskopische Diagnose:
Myxofibrom. (Demonstration) Die Prognose bei den Myxofibromen ist besser
wie die der reinen Myxome und der Sarkome.
Diskussion: Herr E.R. W. Frank. F. bespricht ein von ihm bei einem
10jährigen Mädchen beobachtetes gutartiges Papillom der Blase, die im jugend-
lichen Alter relativ seltener sind. Es bestand seit 11/ Jahren Bettnässen, quälender
Harndrang, zeitweise Urinretention; die Cystoskopie ergab, abgesehen von einer
Cystitis, das Vorhandensein eines gestielten Papilloms von Haselnußgröße im
Trigonum Lieut. unterhalb des Lig. interuretericum, das vom Urin zeitweise in
den inneren Blasenmund hineingespült wurde und Retention verursachte. In der
Umgebung war eine bmarkstückgroße Partie der Schleimhaut mit kleinen papillo-
matösen Wucherungen bedeckt. Atzung des Tumors mit 5 und 10. xiger Resorcinlösung
mittels endovesikalen Atzkatheters unter Leitung des Cystoskops — innerhalb 14 Tagen
dreimal. Nach Abgang der Atzschorfe wurde durch Cystoskopie festgestellt, daß nur
noch eine bräunlich pigmentierte Narbe vorbanden war; auch diese verschwand im
. Laufe der nächsten Monate. Demonstration einer photographischen Aufnahme
der Tumoren. F. empfiehlt die Methode für gutartige Geschwülste von geringerer
Ausdehnung; sie ist schmerzlos und ambulant ausführbar.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1213
Herr K. Schultze. Klinische Beobachtungen nach Fulgurations-
behandlung maligner Tumoren.
Trotz erst 3monatiger Beobachtungszeit soll die Frage über den Wert der
Fulguration als Mittel gegen den Krebs erörtert werden, da die bisherigen Er-
fahrungen an der Kgl. Chirurgischen Klinik keineswegs ermutigende sind, und es
wünschenswert ist, die Erfahrungen anderer Autoren zu hören. Als Palliativum
hat die Fulguration zweifellos ihren Wert vor allen bei jauchigen und schmerzen-
den Tumoren, doch scheint ein Heilmittel gegen den Krebs in ihr nicht gefunden
zu sein. 8. berichtet über die der Fulguration unterzogenen Fälle von Brustkrebs,
da diese zeitlich am längsten zurückliegen, und konstatiert, daß bei allen nach
mehr oder weniger kurzer Zeit Rezidive von zum Teil erschreckender Bösartigkeit
eingetreten sind. Die Fulguration wurde stets im Anschluß an eine möglichst
radikale Operation in einer Dauer von 30—-60 Minuten angeschlossen und teilweise
nach einigen Tagen wiederholt. S. hofft, daß andere Beobachter vielleicht über
bessere Resultate werden berichten können; die Erfahrungen der Chirurgischen
Klinik seien jedenfalls nicht ermutigend und kämen einem fast kompletten Miß-
erfolg gleich.
Herr Sticker. Unterschiede zwischen Sarkomen und infektiösen
Granulomen.
Sticker hat alkalische Serumplatten mit Sarkombrei geimpft und beobachtet,
daß an den Stellen, wo Rundzellensarkom aufgelegen, muldenartige Vertiefungen
in der Platte entstanden, daß also das Rundzellensarkom ein proteolyti-
sches Ferment enthielt.
Da in den Lymphzellen diese Fermente fehlen, die Leukocyten aber sich durch
den Besitz ihrer spezifischen Granula charakterisieren, können mit Hilfe der bio-
logischen und histologischen Untersuchung die Rundzellensarkome von in-
fektiösen Granulomen unterschieden werden.
Diskussion: Herr Sonnenburg bemerkt, daß er auch gute Erfolge ge-
sehen habe; Herr Borchardt u.a. haben keine günstigen Erfahrungen gemacht.
Herr Hofbauer: Antifermenttherapie des Karzinoms.
Grundlage der neuen Behandlungsmethode bildet die durch die Untersuchungen
von Petry, Neuberg, Blumenthal u. a. begründete Lehre von dem gestei-
gerten Fermentgehalt des Karzinomgewebes gegenüber normalen Geweben. Daher
mußte die Verwendung derartiger Substanzen versucht werden, welche die mo-
derne Biochemie als fermenthemmend erkannt hat; dies sind die artfremden Sera,
das Arsen, Chinin, die Tierkohle.
Außerdem wurde in Betracht gezogen, daß die intrazellulären Fermente zu-
nächst nicht in aktiver Form vorhanden sind, sondern in einer Vorstufe, welche
erst durch das Hinzutreten eines Aktivators in die wirksame Form übergeführt
wird. Dieser Aktivator ist das Lecithin, welches auch bei anderen Ferment-
prozessen eine wichtige Rolle spielt, sich außerdem bei allen rasch wachsenden
Geweben in vermehrter Menge nachweisen läßt und beispielsweise bei der Kobragift-
hämolyse nach den Angaben der Ehrlich’schen Schule eine führende Komponente
der Giftwirkung darstellt. Es mußte also darauf hinauskommen, das Lecithin zu
neutralisieren; und diesbezüglich kennen wir das Rinderserum (Weil) und das
Cholesterin als seine Antagonisten.
Somit kamen meritorisch in Betracht: Rinderserum, Atoxyl, Chinin. lactic.,
Cholesterin und cholesterinhaltige Sera (Hydrokeleninhalt), Tierkohle.
Bisher wurden 15 Fälle in diesem Sinne behandelt; 6 davon werden als Bei-
spiele vorgestellt, an welchen ein eklatantes Zurückgehen bzw. in 2 Fällen ein Ver-
schwinden des Tumors konstatiert werden konnte. Eine Beeinflussung des Kar-
zinomgewebes ist damit nachgewiesen; ob es damit auch Dauerheilungen geben
wird, muß die Zukunft lehren. Die vorgestellten Fälle betreffen ein primäres
Schleimhautkarzinom der Unterlippe, zwei Rezidivtumoren nach Mammaexstirpation,
einen operablen und einen inoperablen Mammatumor und ein ulzerierendes tief-
greifendes Cancroid des Nasenflügels.
1214 Zentralblatt für Chirurgie Nr. 41.
In der Diskussion bemerken Herr Körte u. a., daß sie keine Heilresultate
an den vorgestellten Fällen bemerkt haben, und warnen davor, zu frühzeitig mit
derartigen therapeutischen Versuchen an die Öffentlichkeit zu treten; man solle
nach Jahresfrist wieder über die Fälle berichten. Herr Bergell widerspricht den
von Herrn Hofbauer gegebenen theoretischen Ausführungen. Herr Bier weist
ebenfalls darauf hin, daß man schon bei den verschiedensten nicht chirurgischen
Behandlungsmethoden des Karzinoms Stillstände und anscheinende Besserungen
beobachtet habe, die keinen Bestand hatten. Immerhin seien die Einwirkungen
der antifermentativen Therapie bemerkenswert; die Fälle würden weiter genau
kontrolliert werden.
HerrSchmieden. Zur Therapieder Hirschsprung’schen Krankheit,
S. berichtet über die Erfahrungen an drei Fällen von Hirschsprung’scher
Krankheit. Die Therapie muß im wesentlichen eine chirurgische sein; von der
internen Medikation läßt sich, da das Leiden als ein angeborenes anzusehen ist,
nur eine symptomatische Besserung erwarten. Im ersten Falle, bei einem kleinen
Kinde, führte die Eröffnung des Kolon mit Entfernung großer harter Kotmassen
zur Heilung, weitere Nachrichten fehlen; der zweite Pat. kam mit einem von
anderer Hand angelegten Anus praeternat. zur Beobachtung; er ging über den
Versuchen, diesen zu schließen, zugrunde, trotzdem nur ein kurzer offener, gerader
Weg zum After führte, der Darm hatte jede Fähigkeit zur Kontraktion verloren.
‘Ein dritter Pat. wird vorgestellt; er war im Ileus operiert, die gewaltige Flex.
sigmoidea wurde durch eine große Anastomose ausgeschaltet, welche ihre Fuß-
punkte miteinander vereinigte; seit 3/4 Jahren besteht volle Heilung. Aus der
Literatur ergibt sich, daß bei der Hirschsprung’schen Krankheit bzw. ihren
Komplikationen folgende Operationen, z. T. kombiniert, zur Anwendung gekommen
sind: 1) die Probelaparotomie, 2) Laparotomie mit Reposition des Volvulus, 3) Kolo-
pexie, 4) Koloplikatio, 5) Anus praeternat., 6) Kolotomie, 7) Enteroanastomose,
8) Resektion der Stenose, 9) Resektion des ganzen Dickdarmes. S. betrachtet die
Anlegung einer Anastomose, die alles Kranke, besonders auch eine eventuelle
Knickungsstelle ausschaltet, als die ideale Operation; als Vorbedingung hierfür
muß aber der Darm absolut entleert werden; dann übersieht man die Verhältnisse
und ist nicht mehr zu Notoperationen (Anus praeternat.) gezwungen; zur vollen
Entleerung des Darmes hat sich der von Klapp angegebene Aspirationsapparat
bewährt. Ein Anus praeternat. soll nur für desolate Fälle vorbehalten werden
oder als Voroperation für spätere Radikalbehandlung. Es besteht die große Ge-
fahr, daß man einen solchen Anus praeternat. nicht wieder zum Verschluß bringen
kann. S. zeigt Röntgenbilder, welche den mit Bismutöl gefüllten ektatischen
Darm zeigen und im Anschluß daran einige ebenso angefertigte Bilder von Sand-
uhrmagen.
Diskussion: Herr Bessel-Hagen verteidigt unter Hinweis auf den in der
Sitzung vom 11. Mai 1908 besprochenen, von ihm glücklich operierten Fall
Hirschsprung’scher Krankheit bei einem 6jährigen Knaben die zweizeitig
ausgeführte Resektion der verlängerten Schlinge unter Anlegung eines Anus
praeternat., der nach Beseitigung des Sporns durch eine plastische Operation ge-
schlossen wurde.
Herr Fränkel. Zur Behandlung der Knöchelbrüche.
Die dauernden Schädigungen nach Knöchelbrüchen, die noch immer durchaus
nicht selten sind, lassen sich durch eine prophylaktische Behandlung, die zugleich
einfach und für den Verletzten bequem ist, vermeiden. Bei den Brüchen ohne
Dislokation legen wir nur über die oberen zwei Drittel des Unterschenkels einen
sich dem Condylus int. tibiae aufs beste anschmiegenden Gipsverband an, der über
dem Schienbein besonders sorgfältig unterpolstert sein muß. In den Verband
wird dann ein Gehbügel derart eingegipst, daß der Fuß bei der Belastung frei
darin schwebt. Zur Erleichterung des Gehens laufen kreuzförmig angeordnete
Gummizüge vom Vorfuß zu dem oberen Teil des Gipsverbandes und sorgen
dafür, daß der Fuß in rechtwinkeliger Stellung elastisch fixiert steht. Ein solcher
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1215
Verband gestattet vom ersten Tage freie Bewegungen und Massage, namentlich
Heißluftmassage, er läßt keine Versteifungen im Fußgelenke aufkommen und ver-
hütet, wenn er lange genug getragen wird, mit Sicherheit das Entstehen von Be-
lastungsdeformitäten, namentlich den traumatischen Pes valgus.
Auch bei Knöchelbrüchen mit Dislokation ist die ambulante Behandlung leicht
ausführbar und völlig gefahrlos, wenn man sich dabei eines kleinen Hilfsmittels
bedient, das man noch nicht gebraucht zu haben scheint. Beim Anlegen des Gips-
verbandes wird streng nach den bekannten Vorschriften — genaueste Reposition
und häufige Kontrolle der Stellung — verfahren, doch gipst man jeweils über den
Verband zweckmäßig einen Gehbügel an. Die Gipssohle wird dadurch vor Be-
schädigung geschützt, und die Entlastung des gebrochenen Gliedes ist absolut ge-
wahrt. Ist nach genügend vorgeschrittener Callusproduktion eine Fixation der
Bruchstelle nicht mehr nötig, so wird der untere Teil des Gipsverbandes über den
Knöcheln abgeschnitten; an dem übrigen Verbande wird nichts geändert, und die
weitere Behandlung erfolgt dann wie bei den Brüchen ohne Dislokation. Demon-
stration von solchen Verbänden.
Herr Bätzner. Die Resultate der Stauungsbehandlung gonor-
rhoischer Gelenkentzündungen.
B. demonstriert die guten Erfolge, welche die Stauungsbehandlung bei gonor-
rhoischen Gelenkentzündungen hat, an einer Reihe mit vorzüglichem funktionellen
Resultat ausgeheilter Gelenkentzündungen besonders der oberen Extremität, welche
er in der Poliklinik der chirurgischen Klinik beobachtet hat. Die Technik war
die schon früher von Bier geübte.
Herr zur Verth. Über Filariasis.
z. V. weist auf die Wichtigkeit der Tatsache hin, daß die Filaria sanguinis, die
übrigens nicht ausschließlich im Blute lebt, die Larve von makroskopisch großen,
meist um 5 cm langen, in den Blutbahnen, Lymphbahnen oder im Bindegewebe
lebenden Rundwürmern ist. Er teilt für klinische Zwecke ein in die Gruppe
1) der Filaria Loa mit ihrer Larve Filaria diurna,
2) der Filaria Bancrofti mit ihrer Larve Filaria nocturna
3) der Filaria perstans mit der Larve gleichen Namens.
Der ersteren fällt das unter dem Namen Kamerun-Beulen (Calabar-Swellings)
bekannte Krankheitsbild zur Last. Ein Fall solcher wandernder oder plötzlich
auftauchender und innerhalb weniger Tage verschwindender Beulen wird vorgestellt.
Die Krankheit begann mit mehrwöchigem hohen Fieber in Togo, dem nach etwa
3/, Jahren halbgänseeigroße Schwellungen an den Handgelenken folgten. Sie wan-
derten zum Ellbogen und zurück zum Handgelenk und sind rechts jetzt noch deut-
lich erkennbar. Seit einigen Wochen treten abends gegen 11 Uhr etwa zweimal
wöchentlich, oft an zwei Abenden hintereinander, an derselben Stelle ungefähr
halbgänseeigroße Beulen an den verschiedensten Körperteilen auf. Einmal sah der
Kranke in solcher Schwellung den geschlängelten Wurm für kurze Zeit sich unter
der Haut bewegen. Der Nachweis von Mikrofilarien (Larven) im Blute gelang
nicht; doch besteht die für Entozoen charakteristische Eosinophilie (etwa 50%).
Therapie: Entfernung des Wurmes, sobald er sich zeigte. Hilfsmittel zum Fest-
halten unter der Haut, Ring von Kollodium, Schröpfkopf, Klapp’sche Sauger.
Weiterhin wird ein Fall der häufigsten Folgeerscheinung der Filaria Bancrofti,
der Elephantiasis des Beines, vorgestellt. Sie begann im Jahre 1905 in Duala mit
fünftägigem Fieber und starker Schwellung und Rötung des rechten Unterschenkel».
Es folgten jährlich etwa drei Fieberschübe von 3tägiger Dauer, bei denen unter
Rötung die inzwischen zurückgegangene und abgeblaßte Schwellung wieder zu-
nahm. Seit 1906 Abklingen des Prozesses. Keine Mikrofilarien!, doch Eosinophilie
von 48%. Behandlung: außer örtlichen Einwirkungen Atoxyleinspritzungen (wö-
chentlich 0,4 subkutan).
ı Nachweis von Mikrofilarien ist nachträglich gelungen.
1216 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41.
Die Filaria perstans wird meist, nach englischen Autoren stets, als harmloser
Schmarotzer gefunden.
Die Larve bedarf zur Entwicklung eines Zwischenwirtes (Mücke, Bremse,
Zecke). Der Nachweis der Eosinophilie bei Elephantiasis ist ein neuer Beweis
für die filarielle Natur der endemischen Elephantiasis. R. Wolff (Berlin).
20) C. Beck. Partial thyroidectomy combined with Roentgen treat-
ment in Basedow’s disease.
(Separatabdruck aus Post-Graduate 25. anniversary volume 1908.)
B. empfiehlt die Röntgenbehandlung des Morbus Basedow, weil sie eine all-
mähliche Verkleinerung der Schilddrüse hberbeiführt und dadurch gestattet, in
schweren Fällen nur den am meisten vergrößerten Lappen zu entfernen und so
Über- und Unterthyreoidosis zu vermeiden. Zum Beweise berichtet er über 15 in
den letzten 4 Jahren von ihm so behandelte Fälle. In einem Falle eines 17jährigen
Mädchens mit geringem Exophthalmus und großer Drüse trat, obwohl operativ
nur der am meisten vergrößerte Lappen entfernt war, Dyspnoe und stertoröse
Atmung als Zeichen einer Intoxikation ein. Sechs Bestrahlungen nach der Ope-
ration erzielten völlige Heilung, die bis jetzt beinahe 1 Jahr dauerte. Von zwei
jungen Frauen mit sehr mäßiger Vergrößerung der Schilddrüse, jedoch starkem
Exophthalmus, wurde eine völlig geheilt, bei der anderen blieb der Exophthalmus.
Bei einem 11jährigen Jungen mit weichem, kindsfaustgroßem Kropf, beträchtlichem
Exophthalmus, Puls von 170 in der Minute erreichte B. Abnahme des Exophthal-
mus bis auf eine Spur, im übrigen normalen Zustand. Ein Fall mit harter Ge-
schwulst gab keinen Erfolg.
B. bestrahlt durch sein tubulares Diaphragma, unter Gebrauch hoher Energie und
weicher Röhren, 5 Minuten lang jeden 2. Tag während der ersten Woche, jeden
3. Tag während der folgenden Wochen bis zu deutlicher Verkleinerung der Drüse
oder Eintritt einer Dermatitis. Wenn letztere verschwunden ist, wird wieder be-
strahlt, zweimal in der Woche, bis zur vollkommenen Verkleinerung der Drüse
oder neuen Reaktion. Daneben wird Fowler’sche Arseniklösung verabreicht (außer
bei dem oben genannten 11jährigen Jungen).
Die Schlußsätze lauten:
1) Leichte Vergrößerung der Schilddrüse bei Morbus Basedow soll mit der
Böntgendiaphragmamethode in kurzen Zwischenräumen behandelt werden.
2) Großer Basedowkropf soll nach der kombinierten Methode behandelt wer-
den: der größere Lappen wird unter lokaler Anästhesie ohne Anwendung von
Antisepticis entfernt, der andere Lappen wird bestrahlt, sobald die Reaktion nach
der Operation vorüber ist.
3) In vorgeschrittenen Fällen von Morbus Basedow, wo schwere Symptome
den sofortigen Eingriff untersagen, soll Röntgenbehandlung der Operation voraus-
gehen bis Besserung erreicht ist. Kranepuhl (Kassel).
V
21) L. Cernicky. Kongenitaler Defekt der Brustmuskeln und der
, Rippen.
(Casopis lékařů českých 1908. p. 635.)
Der publizierte Fall bot folgende Anomalien dar: 1) einen Defekt im Skelette
des Brustkorbes an typischer Stelle, d. h. im vorderen Anteil der 2. und 3. Rippe
rechts. Die Haut stülpte sich hier beim Husten in Form eines Sackes vor, der in
einem Zentrum einen Spalt besaß, durch welchen sich ein zweites Säckchen,
wahrscheinlich die Pleura, vorstülpte. (Hernia thoracalis.) 2) Einen Totaldefekt beider
Brustmuskeln, an deren Stellen eine Hautduplikatur vorhanden war. 3) Eine Atrophie
der Haut im Bereiche des Defektes, vorwiegend infolge Mangels an subkutanem
Fettgewebe, und eine ungenügende Entwicklung der Härchen an der rechten Brust-
hälfte und in der Achselhöhle. 4) Eine Hypoplasie des rechten Schultergürtels
und Hochstand des rechten Schulterblattes.. 5) Eine Verkürzung des rechten
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1217
Humerus und Hypoplasie der ganzen rechten ÖOberextremität. In psychischer
Beziehung war Pat. normal, Heredität war nicht vorhanden. Der Kranke kommt
seiner Beschäftigung — er ist Kutscher — ordentlich nach, nur mußte er seine
linke Hand zur Arbeit einüben, da die rechte zu schwach ist.
6. Mühlstein (Prag).
22) A. Morison. Remarks on empyema based on a series of one
hundred consecutive cases.
(Edinburgh med. journ. 1908. März.)
Auf Grund von 100 Empyemfällen, die Verf. mit gutem Erfolg operierte und
nachbehandelte, kommt er zu folgenden Schlüssen: Die Rippenresektion ist im
allgemeinen zu vermeiden, da sie meist unnötig ist und zu Deformitäten Veran-
lassung gibt. Nur bei veralteten Empyemfällen kommt man ohne Rippenresek-
tion nicht aus. Am besten werden die Pat. bei der Operation nicht auf die ge-
sunde Seite, sondern auf den Rücken gelagert, und zwar so, daß die kranke Seite
den Rand des Operationstisches überragt, so daß man schräg von unten heran-
kommen kann. Für die Inzision wählt M. am liebsten den 6. Interkostalraum in
der hinteren Axillarlinie.e Nach der Probepunktion wird die Haut zuerst vertikal
durchtrennt, dann ein horizontaler Schnitt am oberen Rand der 7. Rippe durch
die Muskulatur bis in die Pleurahöhle hinein angelegt und ein 5cm langes und
1/2 cm im Durchmesser haltendes, nur im untersten Drittel gefenstertes Gummi-
drain angelegt. Eine Ausspülung der Höhle wird, da gefährlich, verworfen. Als
Narkotikum soll Chloroform, bei kleineren Kindern lokale Anästhesie angewandt
werden. Als Ursache des Empyems wurde gefunden: 91mal Pneumonie (Pneumo-
kokken), 4mal eine Pleuritis, 3mal Tuberkulose, je Imal Osteomyelitis der Rippen
und intraabdominale Entzündung. Großes Gewicht wird auf die Nachbehandlung
gelegt (häufiger Verbandwechsel während der ersten Tage). .
Sobald Pat. das Bett verlassen kann, wird mit gymnastischen Übungen —
Turnen am Reck, Trapez, Barren, Spielen von Blasinstrumenten usw. — begonnen,
um die Wiederausdehnung der Lunge zu beschleunigen. Bei vier alten Empyemen
mußte eine ausgedehnte Rippenresektion ausgeführt werden; die Fälle heilten
sämtlich mit starker Deformierung. Jenckel (Göttingen).
23) G. Razzaboni (Bologna). Tumore misto della mammella osservato
in un uomo.
(Clinica chirurgica 1907. Nr. 10.)
Ein 22jáhriger Mann bemerkte seit 2 Jahren eine wachsende Geschwulst in
der rechten Brust. Es besteht eine über hühnereigroße Auftreibung der Gegend
unter normaler Haut. Warze und Warzenhof ganz normal in Aussehen. Die
Geschwulst ist auf dem Pectoralis verschieblich, an die Warze leicht fixiert, leicht
gelappt, weich elastisch ohne Fluktuation. Keinerlei Schmerzen, keine tastbaren
regionären Drüsen. Die Exstirpation ergibt ein Fibro-Adeno-Myxomyom.
J. Sternberg (Wien).
24) Jaworski und Lapinski. Klinische Untersuchungen von 800 Fällen
in bezug auf die Palpation des Wurmfortsatzes, des Blinddarmes und
der zugehörigen Druckpunkte.
(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Hft. 6.)
Während die Mehrzahl der Autoren den Wurmfortsatz nicht für tastbar halten,
konnten Verff. in 51,5% bei Männern, bei welchen der Wurm als gesund anzu-
sehen war, diesen doch tasten. Es sind allerdings gewisse Bedingungen bzw.
Kunstgriffe nötig: 1) Der Wurm muß auf der Aponeurose des Ileopsoas liegen
und quer oder schief nach unten parallel zum Muskel verlaufen, weil er sonst
meist durch den Blinddarm verdeckt ist. 2) Die Bauchdecken dürfen nicht zu
dick und nicht gespannt sein. 3) Der Ileopsoas muß während der Untersuchung
durch aktives Anheben des gestreckten Beines gespannt werden. 4) Der rechte
1218 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41.
Zeigefinger muß quer zum Verlauf des Ileopsoas aufgelegt werden, bis man den
scharfen, steifen Rand des Muskels fühlt, dann hin- und hergeschoben werden.
Von 412 tastbaren Wurmfortsätzen waren 270 schmerzhaft, davon 23 sogar
sehr schmerzhaft. Danach kann man weder aus der Tastbarkeit noch der Dicke
oder Schmerzhaftigkeit des Wurmes einen sicheren Schluß auf anatomische Ver-
änderungen desselben ziehen.
Der M. Burney’sche Punkt war in 26,5% schmerzhaft; dies fällt aber nicht
mit der Druckempfindlichkeit des Wurmes zusammen. Auch ein symmetrischer
Punkt links war öfter schmerzhaft, ebenso der Lenzmann’sche Druckpunkt und
sein symmetrischer Punkt links.
In 60 weiteren Fällen fand sich in der Ileocoecalgegend mehr als ein walzen-
förmiger Strang.
Der Blinddarm war in 55 % palpabel, und davon in 30,6 % schmerzhaft; oft
strahlten die Schmerzen weit entfernt aus. Benner (Breslau).
25) Willis. The treatment of the appendix stump after appendec-
tomy.
(Annals of surgery 1908. Juli.)
W. hat an 125 namhafte Chirurgen die Frage gerichtet, wie sie den Wurm-
fortsatzstumpf nach der Amputation desselben versorgen, indem er sieben Fragen
auf den betreffenden Fragebogen schrieb. 105 antworteten. Von diesen gaben
bezüglich der ersten Frage, ob sie den Stumpf quetschen oder unterbinden, 48
an, daß sie quetschen und unterbinden, 29 unterbinden ohne Quetschung, 13
quetschen, aber unterbinden nicht, 7 quetschen weder noch unterbinden sie. Die
2. Frage lautete: »Wird der Wurm mit dem Messer oder dem Thermokauter
durchtrennt?«e Mit dem Thermokauter hatten nur 11 Operateure die Durch-
trennung vorgenommen. 38 betupften den mit dem Messer Uurchschnittenen
Stumpf mit reiner Karbolsäure, 15 mit Karbolsäure und Alkohol, 4 kauterisierten
den durchschnittenen Stumpf, 10 ätzten den Stumpf mit anderen chemischen
Mitteln, 28 desinfizierten ihn überhaupt nicht besonders.
Die dritte Frage handelte über die Einstülpung des Stumpfes. 77 Chirurgen
stülpten den Stumpf stets ein, und zwar 66 nach Unterbindung, 11 ohne solche,
11 stülpten ihn nur gelegentlich in den Blinddarm ein, 11 überhaupt nicht. Die
letzten Fragen bezogen sich darauf, ob durch das Nichteinstülpen schädliche
Folgen beobachtet wurden. 23 Chirurgen gaben an, daß sie bei nicht eingestülptem
Wurmrest nachteilige Folgen, besonders Blinddarmfisteln, erlebt hätten.
Nach des Verf.s Ansicht können bei nicht eingestülptem Stumpf nicht allein
Kotfisteln, sondern auch schwere Verstopfungserscheinungen auftreten.
Herhold (Brandenburg).
26) A. Luxardo (Treviglio). Dell’ ernia inguinale obliquo-interna o
vescico-pubica.
(Clinica chirurgica Bd. XIV. Nr. 7.)
L. bringt einen der zu den selteneren Formen gerechneten Fälle von
Hernia inguinalis obliqua interna (vesico-pubica) zur Kenntnis. 46jähriger Mann
hat seit 7 Jahren, nach einer plötzlichen gewaltigen Anstrengung, eine langsam
wachsende Geschwulst in der rechten Leistenbeuge. Seit einiger Zeit ist sie
schmerzhaft. Es besteht seitdem auch häufiger quälender Harndrang bei klarem
Urin. Bei der Operation zeigt sich, daß der Samenstrang weit außen und hinter
der Geschwulst verläuft, diese zwischen dem Urachus und der Plica umbilicalis
zum Vorschein kommt, ohne den äußeren Leistenring zu berühren. Den Inhalt
bildete nur ein Teil der Harnblase, aber nicht in Form eines Divertikels. Radikal-
operation nach Bassini. Glatte Heilung.
L. legt besonders Gewicht auf die strikte Abgrenzung der Hernia obliqua
interna von den direkten Hernien gegenüber jenen Autoren, welche diese Sonder-
stellung nicht akzeptieren. J. Sternberg (Wien).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1219
27) Martinelli. Ernia crurale bilaterale della vescica.
(Gazz. degli ospedali 1908. Nr. 98.)
Bei einer 47jährigen Frau, die seit 13 Jahren an einem rechtsseitigen und
später auch linksseitigen schmerzhaften Leistenbruch leidet, findet man bei der
Operation beiderseits in den Bruchpforten die wie eine Vesica bicornis ausgezogene
Blase. Der zuerst auf der linken Seite vorgenommene Eingriff hatte zur Ver-
letzung der Blase mit Austritt von Urin geführt. Durch doppelte Naht wurde
ein voller Erfolg erzielt. Dreyer (Köln).
23) E. Heller. Weiterer Beitrag zur Kenntnis der retrograden Darm-
inkarzeration.
(Med. Klinik 1908. p. 1268.)
Die retrograde Darmeinklemmung kann erfolgen einmal dadurch, daß zwei
Darmschlingen unabhängig voneinander vorfallen, wobei das Mesenterium der Ver-
bindungsschlinge freibleibt, oder dadurch, daß das Mittelstück einer im Bruchsack
liegenden Darmschlinge wieder in die Leibeshöhle zurücktritt, wobei das zugehörige
Mesenterium zum zweiten Male durch die Bruchpforte geht. Von der letzteren
Art, der echten retrograden Inkarzeration, operierte H. neuerdings einen Fall, der
sich noch dadurch auszeichnete, daß die eine der im Schenkelbruchsacke liegenden
zwei Schlingen unter dem umgeschlagenen Mesenterium der Verbindungsschlinge
nochmals durchgetreten und mit ihrer Spitze in einer Bruchsackausbuchtung ein
zweites Mal eingeklemmt war (Zeichnungen). Es wurden 40 cm von der brandigen
Zwischenschlinge und 60 cm der zuführenden Schlinge, deren Gekröse keilförmige
Infarkte enthielt, reseziert und die Darmöffnungen nach außen geleitet. Die schon
sehr elende Kranke starb bald an allgemeiner Bauchfellentzündung. An der Leiche
wurden die Verhältnisse nachgeprüft und die Länge der Darmschlingen und des
Mesenteriums fortlaufend gemessen. Die Rückstülpung der Zwischenschlinge war
wohl durch Taxisversuche erfolgt.
Retrograde Darmeinklemmung setzt voraus eine weite Bruchpforte, verlängertes
Mesenterium und eine von vornherein nicht zu feste Einklemmung. Diese Be-
dingungen finden sich bei großen, lange bestehenden Brüchen nicht selten vereinigt.
Die Rücklagerung ist ein Kunsterzeugnis und wird begünstigt durch verschiedene
Beschaffenheit des Gekröses der einzelnen Darmabschnitte. Nach erfolgter Ver-
lagerung entwickeln sich infolge der vermehrten Raumbeengung und nachträg-
lichen Schwellung die Bedingungen für das Brandigwerden der Zwischenschlinge.
Sie wird endgültig stranguliert beim zweiten Durchtritt durch die Bruchpforte
hauptsächlich am Gekröse. Die doppelte Mesenterialstrangulation erklärt den
äußerst raschen Verlauf der Gangrän des in der Bauchhöhle liegenden Darmteiles.
Georg Schmidt (Berlin).
29) Howitt and Corner. The reduction en masse of strangulated and
non-strangulated herniae.
(Annals of surgery 1908. April.)
Bericht über 137 Fälle von Scheinreduktion eingeklemmter Brüche; 86 %
Männer und 14% Frauen. In 50% der Fälle war die Reposition durch Arzte, in
den übrigen Fällen von den Pat. selbst hervorgerufen. In den akuten Fällen war
meist Dünndarm, in den subakuten und chronischen meistens Dickdarm und Blase
im Bruchsack. Wenn nach der Reposition eines eingeklemmten und reponierten
Bruches die Verstopfungserscheinungen fortbestehen, so soll sofort die Laparotomie
gemacht werden. Herhold (Brandenburg).
30) Konried. Fall von Pseudotumor des Magens.
(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Heft 6.)
Ziemlich große Resistenz der Magengegend, freie Salzsäure kaum in Spuren,
häufiges Erbrechen, Schmerzen, rapide Abmagerung, kachektisches Aussehen. Auch
1220 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41.
bei Durchleuchtung nach Wismutmahlzeit mußte eine Geschwulst der Pylorus-
gegend angenommen werden, die auf die Leber überging. Dennoch Besserung
des Zustandes unter symptomatischer Behandlung, Dampfkompressen, Condurange,
HCI, Diät. Nach 1 Jahre schien die Resistenz kleiner, aber schmerzhafter zu sein,
bei röntgenologischer Untersuchung fand sich kein Anzeichen einer raumverengenden
Bildung mehr. K. hält das Ganze für eine chronische Chole- und Pericholecystitis
mit Verwachsungen der Pars pylorica. Renner (Breslau).
31) Bunts. Infantile hypertrophy stenosis of pylorus.
(Annals of surgery 1908. Juni.)
Zu 89 aus der Literatur von Thompson gesammelten Fällen der oben ge-
nannten Krankheit fügt B. noch 25 hinzu. Von diesen 114 heilten 53, 61 starben,
diese Sterblichkeit von 55% verteilt sich folgendermaßen:
Fälle | Gereint | Gestorben | Mortalität
Dehnung 27| 13 14 | 51,8%
Gastroenterostomie 69 32 37 53,6%
Pyloroplastik 17 8 9 55%
Pylorektomie 1 0 1 100%
B. zieht folgende Schlüsse:
1) Die angeborene und infantile Pylorusstenose haben klinisch eine verschiedene
Bedeutung.
2) Die angeborene Stenose muß möglichst frühzeitig operiert werden.
8) Die infantile Stenose entwickelt sich nach der Geburt und ist einer Besserung
durch Medikamente zugänglich; tritt die Besserung jedoch nicht bald ein, so soll
operiert werden.
4) Die infantile und angeborene Form ist klinisch nicht sicher zu unterscheiden.
b) In geeigneten Fällen bietet die Pyloroplastik die besten Operationsresultate
und sollte die Operation der Wahl sein.
6) In den letzten Jahren hat sich die Sterblichkeit der Operation nicht wesent-
lich gebessert. : Herhold (Brandenburg).
32) A. Monprofit et Kieffer (d'Angers). Sur un cas de gastrostomie
pour ulcere de l’oesophage.
(Ann. de chir. gastro-intestinale Nr. 1.)
Wie aus der Überschrift hervorgeht, wurde bei einem Speiseröhrengeschwür
mit Stenosenerscheinungen eine Gastrostomie gemacht. Die Pat. wurde ein Jahr
durch die Magenfistel ernährt; danach war das Geschwür ausgeheilt, und Pat. kann
wieder Nahrung von oben zu sich nehmen. Simon (Mannheim).
33) A. Thomson. Deaths from gastric and duodenal ulcer after
| operations for other conditions.
(Edinb. med. journ. 1908. Februar.)
Mitteilung von drei Fällen, bei denen nach anderweitigen Operationen (Resectio
maxillae sup. wegen Sarkoms und zwei suprapubischen Prostatektomien) infolge
von Magen- bzw. Duodenalblutungen der Tod eintrat. In keinem der Fälle waren
irgendwelche Erscheinungen vorhergegangen, die den Verdacht auf Geschwürs-
bildung im Magen-Darmkanal hätten aufkommen lassen. Verf. meint, daß dem
Erbrechen nach der Narkose eine Hauptrolle für die Entstehung derartiger Magen-
Darmblutungen zugeschrieben werden müsse. Infolge der großen Anstrengungen
beim Erbrechen nach der Operation manifestiere sich ein vorher latentes Geschwür.
Jenckel (Göttingen).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1221
34) Roberts. Gastric and duodenal ulcers secondary to wounds of
the urinary bladder.
(Annals of surgery 1908. Juni.)
Verf. beschreibt zunächst zwei von ihm operierte Fälle, in welchen sich nach
nicht ganz aseptisch verlaufenen Blasenoperationen Blutbrechen und schwere Anämie
einstellten und die Autopsie das Vorhandensein eines Magengeschwürs in dem
einen, eines Duodenalgeschwürs in dem anderen Falle ergab. Er hat dann aus der
Literatur noch 14 Fälle gesammelt, in welchen nach Blasen- und Nierenoperation
Hämatemesis auftrat. 7 mal wurde in der Gesamtzahl der 16 Fälle (mit den zweien
des Verf.s) ein Magen- bzw. Duodenalgeschwür angetroffen. R. glaubt, daß diese
Erkrankungen des Magens bzw. Darmes die Folgen von Thromben oder Embolien
bei septischen oder toxämischen Zuständen sind, und daß gerade bei Operationen
am Harnapparat in den zitierten Fällen ein septisches und ein urämisches Toxin
vorhanden gewesen sei.
Um derartige Schädigungen, d. h. das Eintreten von Hämatemesis infolge einer
Affektion des Magens-oder Duodenum zu verhüten, sollen gerade bei Operationen
am Harnapparat alle Blutgefäße schonend behandelt und peinlichste Asepsis be-
obachtet werden. Ist die Hämatemesis einmal ausgebrochen, so kommt aus-
schließlich rektale Ernährung für die ersten 48 Stunden in Betracht; ferner Magen-
spülungen mit heißer Kochsalzlösung oder 1’/wiger Höllensteinlösung, Exzitantien,
Ergotin subkutan, zuguterletzt, wenn es der Zustand erlaubt, die Gastroentero-
stomie oder die Unterbindung des die Blutung unterhaltenden Blutgefäßes.
Herhold (Brandenburg).
35) J. Petrivalsky. Beitrag zur Kenntnis des Duodenalgeschwürs.
(Časopis lékařů českých 1908. p. 664.)
Der Bericht erstreckt sich auf sieben Fälle von Duodenalgeschwür aus der
Klinik Kukula in Prag. Alle betrafen Männer. Die Sekretion und die Azidität
des Magensaftes war entweder normal oder erhöht, die Motilität des Magens ent-
weder normal oder herabgesetzt. Am konstantesten war die Hypersekretion, worin
ein differentialdiagnostisches Kriterium gegenüber dem Magengeschwür liegen dürfte.
Bei vier Fällen wurde die |Gastroenteroanastomose nach Woelfler mit der
Modifikation nach Peterson durchgeführt. Ein Pat. starb im Kollaps, drei Pat.
wurden geheilt. Bei keinem entstand ein Circulus vitiosus, wohl aber bei einem
an der Anastomosenstelle ein peptisches Jejunalgeschwür, das in die vordere
Bauchwand unter dem Knorpel der neunten Rippe perforierte; es wurde exstirpiert.
Die Anastomose wurde plastisch korrigiert und durch eine Enteroanastomose nach
Braun geschützt. Zwei Pat. starben unoperiert infolge Perforation bzw. Ver-
blutung. Der siebente Pat., der gleichzeitig an Mastdarmkrebs litt, starb ebenfalls
infolge Perforation, nachdem eine Operation des Karzinoms nach Kraske vor-
genommen worden war. 6. Mühlstein (Prag).
36) A. Montprofit. Etude sur quatre-vingt-dix opérations de gastro-
entérostomie en Y antérieure.
(Ann. de chir. gastrosintestingle. Nr. 1.)
In der kurzen Abhandlung über die Gastroenterostomie in Ypsilonform geht
M. nicht näher auf die Technik ein, sondern verweist auf seine früheren Veröffent-
lichungen. Er berichtet nur über die 90 Operationen, die er nach dieser Methode
ausführte, und zwar 38 mal bei gutartigen und 52mal bei bösartigen Stenosen des
Pylorus. Er kommt zu dem Schlusse, daß die Methode Hervorragendes leiste und
in allen Fällen empfohlen werden könne, wo eine hintere Gastroenterostomie
schwierig oder nicht möglich oder gar schon ohne Erfolg ausgeführt sei.
Simon (Mannheim‘.
1222 Zentralblatt für Chirurgie Nr. 41.
37) G. T. Boatson. Two successful cases of acute intussusception,
including that of the vermiform appendix, with remark on treatment.
(Edinb. med. journ. 1908. August.)
Wie wichtig bei der Invagination des Darmes die frühzeitige Diagnose und
möglichst baldige operative Behandlung ist, wird von Verf. an zwei Kranken-
geschichten erläutert. In beiden Fällen gelang die Reduktion der invaginierten
Partie und damit die Heilung der Kinder, obwohl bei dem ersten Pat. — einem
9 Monate alten Knaben — die Intussuszeption bis zur Flexura hepatica, in letzterem
Falle sogar bis zur Flexura sigmoidea herabreichte. Interessant war, daß bei der
Lösung der Invagination im Fall 1 sich der Proc. vermiformis in seiner Spitze
als gangränös erwies; wahrscheinlich hatte die Invaginatio ileocoecalis zu einer
Abschnürung des Mesenteriolum des Wurmfortsatzes geführt und dadurch die be-
ginnende Gangrän hervorgerufen.
Verf. konnte als auffälligen Befund bei beiden Operationen eine völlige Leere
des Dünndarmes, der stark kollabiert erschien, konstatieren und glaubt, daß dieser
Zustand des Darmes in Zusammenhang mit der Entstehung der Invagination zu
bringen sei. Bedenken wir jedoch, daß beiden Kindern zum erstenmal in ihrem
Leben Abführmittel per os verabfolgt waren, im Verlauf deren Wirkung sich die
Erscheinungen der Darminvagination erst einstellten, so erscheint der Zustand des
Dünndarmes weniger auffallend, und als Ursache der Intussuszeption ist doch wohl
die durch die Abführmittel stark vermehrte Peristaltik anzusehen (Ref.).
Jenckel (Göttingen).
38) Johnston. Splenectomy.
‚Annals of surgery 1908. Juli.)
Große Statistik über 708 literarisch gesammelte Fälle von Milzexstirpation
mit einer Gesamtmortalität von 27,4%. Die erschöpfende Sammlung Bessel-
Hagen’s vom Jahre 1900 ist bei der Zusammenstellung mit benutzt worden. Die
Ursachen, weswegen die Milz exstirpiert wurde, sind tabellarisch zusammengestellt,
und es werden die einzelnen Gruppen kurz besprochen. Die 1. Gruppe umfaßt
74 Fälle idiopathischer Milzvergrößerung mit 28,3% Mortalität. 2) Milzvergröße-
rung und Wandermilz: 60 Fälle mit 6 tödlichen Ausgängen. 3) Wandermilz mit
Stieldrehung: 27 Fälle mit 8 Todesfällen. 4) Malariamilz: 61 mit 13,1% Morta-
lität. 5) Malaria- und Wandermilz: 40 mit 2 Todesfällen; 12, bei denen außer-
dem noch Stieldrehung vorhanden war, mit 2 Todesfällen. 6) Banti’sche Krank-
heit: 61 Fälle mit 12% Todesfällen. 7) Cysten: 42 mit 7 Todesfällen. 8) Splen-
ektomien bei Leukämie: 49 mit 87,7% Mortalität. 9) Sarkome: 9 mit 3 Todesfällen.
10) Abszesse: 2 mit 1 Todesfall. 11) Milzexstirpationen wegen traumatischer Ver-
jetzung der Milz: 150 Fälle mit 34% Mortalität.
Verf. weist am Schluß auf die schlechte Prognose hin, welche Milzexstirpationen
bei Leukämie haben. Herhold (Brandenburg).
39) Summers. Splenectomy in Banti’s disease, followed by oedema
of the large intestine with localised necrosis of its wall.
(Annals of surgery 1908. Juni.)
8 Tage nach einer wegen Banti’s Krankheit ausgeführten Milzexstirpation
traten bei dem Operierten Erscheinungen von Peritonitis auf. Bei der sofort vor-
genommenen Laparotomie zeigte sich an der Flexura sigmoidea eine 3 Zoll große
perforierte nekrotische Stelle ; dieselbe wurde eingestülpt und übernäht. Der Kranke
genas. Bei der Operation zeigte sich, daß in der Vena mesenterica superior ein
Thrombus saß, der im Zusammenuhange mit dem in der unterbundenen Vena sple-
nica befindlichen Thrombus stand. Verf. weist auf die Seltenheit dieser durch
Operation entstandenen Thrombose hin. Herhold (Brandenburg).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1223
40) L. Bérard et P. Cavaillon. Coliques hépatiques, ictère et cholér-
ragie dans les kystes hydatiques du foie.
q (Extrait du bull. méd. 1907. Februar 23.)
Verff. beschreiben drei Fälle von Leberechinokokkus, die mit Ikterus und,
nach der Einnähung des Sackes, mit Cholerrhagien einhergingen. Die Punktion
ergab im ersten Fall 8 Liter trüber, grüner Flüssigkeit. Die Cyste, die von der
Gallenblase bis zur Wirbelsäule reichte, war wegen der großen Ausdehnung nicht
zu exstirpieren. 30 Stunden nach der Operation trat aus dem Cystenrest eine
starke Blutung ein, die auf Tamponade stand. Als nach 4 Tagen die Tamponade
entfern wurde, entleerte sich blutig-gallige Flüssigkeit und darin Schorfe. Der
Gallenfluß hielt 21 Tage an, wobei die Kranke sehr abkam.
Im zweiten Falle trat der Gallenfluß nach Inzision eines Abszesses in der
Uiacalgegend ein. Sie hielt 20—25 Tage an.
Im dritten Falle handelte es sich auch um eine bis zur Wirbelsäule reichende
Cyste. Beim Verbandwechsel am übernächsten Tage nach der Operation trat der
Gallenfluß auf, und 19 Tage nach der Operation plötzlich der Tod. Bei der Ob-
duktion fand sich eine kleine Eiteransammlung im rechten subphrenischen Raunıe.
In die Cyste hinein mündete ein Gallengang zweiter Ordnung. Die Gallenblase
stand gar nicht mehr im Zusammenhange mit den Gallenwegen.
Der Ikterus kann entstehen durch Kompression der Gallenwege, durch Infek-
tion und durch Zusammenhang der Cyste mit den Gallenwegen. Die Infektion
kann einmal die Cyste selbst betreffen und dann die Gallenwege als aufsteigende
Angiocholitis. Eindringen von Hydatiden in die Gallenwege löst außer dem Ikterus
noch Koliken aus.
Die Eröffnung der Gallengänge in die Cyste kann ohne Operation erfolgen.
Der Gallenfluß kann aber auch erst bei der Operation entstehen durch Aufhebung
des auf den Gallenwegen lastenden Druckes. Der später einsetzende Gallenfluß
ist auf Nekrose der Wand [oder auf Trauma (z. B. Drain) zurückzuführen. Die
Prognose hängt ab von der Größe des offenen Gallenweges, erkenntlich an der
Menge der ausfließenden Galle, und von dem Zustande der großen Gallenwege,
erkenntlich an der Farbe des Stuhles. Schädigungen der Gallenwege sind jeden-
falls sowohl für den Ikterus wie für den postoperativen Gallenfluß verantwortlich
zu machen. E. Moser (Zittau).
41) Lobingier. Gangrene of the gall bladder.
(Annals of surgery 1908. Juli.)
Als man bei einem scheinbar an eitriger Gallenblasenentzündung leidenden
Pat. den M. rectus gespalten hatte, traf man auf eine gangränöse, mit Gas gefüllte,
von der Peritonealhöhle abgegrenzte Gallenblase. Die Ränder derselben waren
emphysematös; im Cysticus saß ein Stein. Exstirpation der Blase, Drainrohr, teil-
weise Naht der Bauchhöhlenwand, Heilung.
Eine bakteriologische Untersuchung des Gallenblaseninhaltes wurde leider nicht
gemacht. Herhold (Brandenburg).
42) R. Bachrach. Über die Resultate unserer Operationen an den
Gallenwegen.
(Med. Klinik 1908. p. 1099.)
153 Operationen zumeist aus Hochenegg’s, zum kleinsten Teil aus Lorenz’
klinischer und poliklinischer Tätigkeit. Darunter 58 Cholecystektomien (2 Todes-
fälle). (Wenn möglich, wird Gallenblase und Ductus cysticus uneröffnet entfernt.)
Die Gallenblasenexstirpation ist das Normalverfahren. Sie wurde in der letzten Zeit
fast regelmäßig ausgeführt und ist nur da zu unterlassen, wo sie eine unmittelbare
Gefahr für den Kranken bringen würde. — Daraus werden auch die im ganzen
recht günstigen Ergebnisse abgeleitet. Echte Rückfälle wurden eigentlich niemals
beobachtet. Zahlreichere Opfer (6 unter 13 Fällen) forderte die sonst sehr emp-
fehlenswerte und technisch nicht schwierige Mobilisierung des Duodenums, wohl
deshalb, weil sie nur bei schon recht vorgeschrittenen Krankheitszuständen nötig
1224 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41.
ud
wird. Von 118 über den Dauererfolg befragten Kranken wurden 79 verwertbare
Auskünfte erlangt. Davon erfreuten sich 69 Operierte dauernder voller Heilung.
Nur bei 2 lag vielleicht ein Rückfall vor. Georg Schmidt (Berlin).
43) Edgecombe. Metastatic affection of the pancreas in mumps.
(Practitioner 1908. Februar.)
Bei einer leicht verlaufenden Mumpsepidemie von 33 Fällen, die Verf. in einer
Knabenschule beobachtete, zeigten 5 Fälle eine metastatische Entzündung des Pan-
kreas, die durch Erbrechen, Schmerzen und Spannung der Bauchmuskeln, beson-
ders im Epigastrium, und Verstopfung sich klinisch äußerte. In 4 Fällen bestand
Fieber. Eine deutliche Schwellung in der Gegend des Pankreas konnte bei zwei
Knaben gefühlt werden. Im Urin war eine deutliche »Pankreasreaktion«, die auf
eine akute Entzündung dieses Organs hinwies, zu erkennen. Azeton und Acet-
essigsäure waren in großen Mengen vorhanden, Zucker fehlte.
Jenckel (Göttingen).
44) A. Musumeci (Catania). Cisti linfatica del mesentere.
(Clinica chirurgica 1907. Nr. 10.)
M. teilt einen Fall einer glücklich operierten, sehr großen Lymphcyste des
Mesenteriums mit, der dadurch interessant ist, daß bei dem Träger der linke,
kaum haselnußgroße Hoden, der früher häufig durch den weit offenen Leistenring
in den Bauch geschlüpft und wieder in den Hodensack gesunken war, seit 1 Jahr
im Bauch verblieben ist, wodurch die Fehldiagnose auf Sarkom eines Becken-
hodens gestellt worden war. Für die Cyste selbst fehlt jede Atiologie.
J. Sternberg (Wien).
45) H. Heyrovsky. Ein Beitrag zur Kasuistik der cystischen retro-
peritonealen Tumoren. (Aus der II. chir. Klinik Wien.)
(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Hit. 6.)
Bald nach einem heftigen Stoß gegen den Bauch Konstatierung einer Ge-
schwulst unter dem rechten Rippenbogen. Nach einer Kolik Aufhören der Schmerzen.
Die Geschwulst wurde verchieden gedeutet; nach 4 Jahren hielt man sie für eine
bösartige Nierengeschwulst und riet zur Operation. Nach 10 Jahren Störung des
Allgemeinbefindens. Die damals mannskopfgroße Geschwulst wurde von Hochen-
egg als Hydronephrose operiert, entpuppte sich aber als Cyste mit gelatinösem,
teils rotbraunem Inhalt und wurde als Pankreascyste gedeutet. 2 Jahre nachher
entleerten sich aus der Fistel geschwulstartige Massen, später trat eine Perforation
des infizierten Sackes nach der Niere ein, so daß 5 Jahre nach der ersten Operation
eine kindskopfgroße, retroperitoneale Geschwulst — der Cystenrest — und die Niere
entfernt werden mußten. Danach rasche Erholung, aber 4 Jahre später nach
neuerlichem leichten Trauma hohes Fieber, Bauchschmerzen, rapides Wachstum einer
Resistenz, aus der sich bei Inzision hämorrhagischer Eiter entleerte. Damals fanden
sich schon Knötchen im Netz, die im nächsten Jahre konfluierten. Nach neuer-
licher Laparotomie mit Entleerung freier Gallertmassen Perforationsperitonitis.
Außer gallertigen Geschwulstmassen fand sich eine breitbasige ebensolche Ge-
schwulst in der Flexura sigmoidea, die, bei der zweiten Operation entfernt, sich
als papilläres, in Gallertkarzinom entartetes Kystom erwies, das als aus verspreng-
ten Keimen der Urogenitalanlage entstanden aufgefaßt wurde. Die Geschwulst
der Flexur wird als Metastase angesehen. Andere Fälle cystischer retroperitonealer
Geschwülste aus der Literatur werden zitiert und die Ansichten der verschiedenen
Autoren über die Genese besprochen. Renner (Breslau).
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
au Prof. E. Richier in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden.
ZZ FR m m ne
Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau.
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig.
Zentralblatt für Chirurgie
herausgegeben von
K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER,
in Bonn, in Berlin, in Breslau.
35. Jahrgang.
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG.
Nr. 42. Sonnabend, den 17. Oktober 1908.
Inhalt.
C. Hübscher, Die Behandlung des kontrakten Plattfußes im Schlafe. (Originalmitteilung.)
1) Groedel, Orthoröntgenographie. — 2) Klingelfuß, Zur Röntgenstrahlentechnik. — 3) Mar-
tinl, Wirkung der Röntgenstrahlen auf bösartige Geschwülste.. — 4) Wossidlo, Zur Lumbal-
,
anästhesie. — 5) Leser, Spezielle Chirurgie. — 6) Petrivalsky, Phimose. — 7) Bayer, 8) Moyni-
han, Prostatachirurgie. — 9) Goodlee, Tuberkulose der Harn- und Geschlechtsorgane. — 10) Knorr,
Cystoskopie und Urethroskopie beim Weibe. — 11) Mayo, Blasengeschwülste. — 12) Pavone,
13) Uteau, Anurie. — 14) Mori, 15) Barile, Varikokele.
I. P. Hackenbruch, Operationsschleier mit Metallstützgestell. — Il. K. Vogel, Zur Technik
des Gipsverbandes. (Originalmitteilungen.)
16) Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins. — 17) Försterling, Zur röntgenologischen Technik.
— 18) Bircher, Knochengeschwülste im Röntgenogramm. — 19) Novak, Hämatolymphangiom. —
20) Swetschnikow, Kavernöse Angiome. — 21) McLeod, Bakterienvaccine. — 22) Hans, Intussus-
zeption der Harnröhre. — 23) Murtry, Harnröhrenkrebs. — 24) Stopezanski, Plastische Indura-
tion des Penis. — 25) Man, 26) Lasio, 27) Walker, Zur Prostatachirurgie. — 28) Wilms, Blasen-
ektopie. — 29) Necker und Paschkis, Konjunktivalreaktion in der Urologie. — 30) Grekow,
Nieren- und Blasentuberkulose. — 31) Miles, Intermittierende Hydronephrose. — 32) Külz, Anurie.
— 33) Winter, Torsion des Samenstranges. — 84) Horand, Hydrocele tuberculosa. — 35) Kopy-
loff, 36) Rawling, 37) Conforti, Bauch- und Leistenhoden. — 38) Thibierge, Kraurosis vulvae.
— 39) Butler und Long, Vulvovaginitis. — 40) Berkofsky, Gefäßunterbindung bei Puerperal-
pyämie. — 41) Puech und Massabuau, Mischgeschwülste des Collum uteri. — 42) Lucio, Solide
Eierstocksgeschwülste. — 43) Briggs, Akutes Becken-Bauchödem. — 44) Makrowski, Leber-
abszesse. — 45) Outerbridge, Pankreascyste. — 46) Stockton und Wiliams, Pankreatitis.
Die Behandlung des kontrakten Plattfußes im Schlafe.
Von
Dr. C. Hübscher,
Dozent für Orthopädie in Basel.
ekanntlich kann man dem kontrakten Plattfuß, der reflek-
torischen Pronationskontraktur, auf die verschiedenste Weise beikom-
men. Bettruhe und feuchtwarme Umschläge genügen in den leichtesten
Fällen; lokale Narkose des Talonavikulargelenkes durch Kokainein-
spritzen nach Lorenz oder allgemeine Narkosen lösen den Reflex-
krampf und gestatten ein Eingipsen des Fußes in Supinationsstellung.
Daneben verwenden wir noch die Gibney’schen Heftpflasterverbände
auf Empfehlung von Drenkhahn und Muskat. Wie zu erwarten
stand, wird als neueste Behandlung Hyperämie und Stauung nach Bier
gerühmt (Muskat, Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft f. Chir.,
XXXVII. Kongreß).
Nach meinen Erfahrungen verschwindet der reflektorische Muskel-
spasmus ohne Ausnahme während des natürlichen Schlafes, um
42
1226 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42.
sich beim ersten Bewegungs- oder Stehversuch mit gleicher Sicherheit
wieder einzustellen. Gelingt es uns, während der Nachtruhe den Fuß
in volle Supination zu bringen, ohne den Pat. dabei aufzuwecken, so
haben wir gewonnenes Spiel. Diese nächtliche Arbeit leistet uns eine
Vorrichtung, welche nichts anderes ist, als der etwas vereinfachte
Klumpfußverband nach Finck!, der hier selbstverständlich umgekehrt
auf Supinationszug angelegt wird.
Nach der nebenstehenden Zeichnung ist die Herstellung und die
Anlegung des leicht zu improvisierenden Verbandes wohl sofort ver-
ständlich: ein Fußbrettchen aus Lindenholz wird durch Annageln der
entsprechenden Gurte zur anschnallbaren Sandale vervollständigt.
Die drei elastischen Züge aus ca. 7 mm dickem Kautschukrohr werden
durch die etwas engeren Löcher des Brettchens durchgezwängt und
halten hier selbsttätig. Oben sind die Schläuche
mittels kleiner Ringe in einen Korsetthaken ein-
gehängt, der durch einen spiraligen Heftpflaster-
streifen (Beiersdorf’s Leukoplast Nr. 536) am
inneren Tibiaknorren anbandagiert ist. Durch
Nachziehen der unteren Schlauchenden durch
die engen Löcher kann die Kraft der beiden
inneren Schläuche gegen den äußeren Antago-
nisten so abgestimmt werden, daß ein kräftiger
Supinationszug entsteht, ohne daß dabei der
leiseste Schmerz ausgelöst wird. Der äußere
Pronationszügel verhindert ein Abhebeln des
Brettchens. Sobald der Pat. sich zur Ruhe
begeben hat, wird das Fußbrettchen angeschnallt
und der Zug in Aktion gesetzt.
Das Bild, das uns am nächsten Morgen
erwartet, ist ein überraschend erfreuliches, so-
wohl für den Arzt als noch mehr für den
Pat. Der Fuß, der oft monatelang eine Quelle
scheußlicher Schmerzen war, wird nun ohne
jede Anstrengung aktiv supiniert und wieder
proniert. Wir sind dann sofort imstande, unter Korrektion des Valgus-
winkels den Gipsabguß für die definitive Lange’sche Zelluloideinlage
herzustellen. Während der wenigen Tage bis zur Fertigstellung der
Einlage wird der Supinationsverband nachts weiter getragen; tags-
über marschiert der Pat. mit einer provisorischen Einlage herum,
wobei noch auf Sohle und Absatz des Stiefels außen Keile aus Kork-
linoleum genagelt werden, um den Fuß sicher in Supination auftreten
zu lassen.
Zusammenfassend möchte ich diese Behandlung des kontrakten
Plattfußes im Schlafe aus folgenden Gründen empfehlen:
—
ı Julius Finck, Zeitschrift für orthopädische Chirurgie Bd. XIII. p. 395.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1227
1) Der nächtliche Zugverband arbeitet in der denkbar schonendsten
und einfachsten Weise ohne Zeitverlust für den Pat.
2) Die vielfach angewandte, wochen- und monatelange Immobili-
sierung der Füße im Gipsverband wird umgangen.
3) Der gleiche Verband kann als portativer Widerstandsapparat
zur täglichen Gymnastik verwendet werden.
4) In diagnostischer Hinsicht gibt uns der nächtliche elastische
Zug sofort sicheren Aufschluß: Füße, welche am folgenden Tage nicht
supiniert sind, erweisen sich dadurch als keine reinen kontrakten Füße;
sie müssen, weil schon durch Verwachsungen fixiert, in Narkose redres-
siert werden.
5) Stellt diese Behandlungsmethode ein interessantes physiologi-
sches Experiment dar, das uns zeigt, daß im Schlafe nicht nur das
Seelenorgan ruht, sondern daB auch der Reflexbogen unterbrochen ist.
1) Groedel. Die Orthoröntgenographie. Anleitung zum Ar-
beiten mit parallelen Röntgenstrahlen. Mit 32 Abbildungen.
München 1908.
Verf. beschreibt im großen und ganzen nur die Technik der
Orthoröntgenographie. Zunächst erwähnt er ihre Geschichte und den
Horizontalorthodiagraphen von Moritz. Bequemer und mindestens
wissenschaftlich ebenso wertvoll ist das Verfahren der Vertikalortho-
diagraphie. Den besten Apparat hat hier Levy-Dorn geschaffen;
die anderen sind zum Teil wertlos. Es folgt eine genaue Beschreibung
des Apparates und seiner Anwendung, ferner der vom Verf. selbst
angegebenen Röhrenhalter und seiner Vorrichtung zum Zentrieren der
Röhre.
Die Ausmessung des Herzorthodiagramms kann nie ganz exakt
sein. Als Maße sind folgende drei von Moritz angegebenen wichtig:
1) Der Medianabstand links. Größter Abstand des linken Herz-
schattenrandes von der Mittellinie. — 2) Der Medianabstand rechts.
Größter Abstand des rechten Herzschattenrandes von der Mittellinie.
— 3) Der Längsdurchmesser. Die größte Entfernung des linken Herz-
schattenrandes von dem Venenvorhofwinkel.
Den von Dietlen veröffentlichten Normalmaßen für Horizontal-
orthodiagramme des Herzens fügt Verf. eine Tabelle von Normal-
maßen des vertikalen Herzorthodiagramms bei, die er an einer großen
Reihe von herzgesunden Individuen gewonnen hat und deshalb als
Durchschnittswerte aufstellen kann.
Ein neues Kapitel befaßt sich mit der Lungenorthodiagraphie und
der Orthodiagraphie der Baucheingeweide. — Am Schluß erwähnt
Verf. noch die orthophotographischen und teleröntgenographischen
Verfahren von Albers-Schönberg und Köhler. Er selbst be-
richtet über Fernaufnahmen von 1—2 Sekunden und Nahaufnahmen
von 1/1o—t/2 Sekunde Dauer.
Seine zusammenfassenden Ausführungen lasse ich wörtlich folgen:
42*
1228 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42.
»Die Orthodiagraphie ist ein technisch exakt ausgebautes Ver-
fahren, welches uns gestattet, das Herzschattenbild mit parallelen
Strahlen aufzuzeichnen. Die Orthodiagraphie ist nicht schwer zu er-
lernen, unsere Resultate werden aber um so zuverlässiger, je mehr
Übung wir haben. Bei den verschwindend geringen Unkosten der
einzelnen Aufnahmen sind wir in der Lage, die Orthodiagraphie ebenso-
oft wie etwa die Perkussion zu wiederholen und so unseren Befund
stets wieder zu kontrollieren. Die Herzgröße kann mittels der Ortho-
diagraphie einwandsfrei festgestellt werden. Ebenso kann die Form
des Herzschattens und die Gestalt der einzelnen Herzbogen, der bis
jetzt vernachlässigte, aber wohl wichtigste Punkt der Herz-Röntgen-
diagnostik, bei geeigneter Technik mit Leichtigkeit festgestellt werden.
Dabei hat die Orthodiagraphie den photographischen Methoden gegen-
über den Vorzug der Möglichkeit, die Pulsationen der einzelnen Herz-
abschnitte gleichzeitig zu beobachten.
Die orthophotographischen Verfahren sind technisch schwierig.
Unter ihnen hat die Immelmann’sche Methode der Orthodiagraphie
gegenüber keinen Vorteil, da sie nicht objektiver wie diese ist.
Die Spaltaufnahmen nach Albers-Schönberg und Haenisch
ergeben einwandsfreie Resultate und sind als Kontrolle der Ortho-
diagraphie sehr wertvoll, ohne diese infolge der Umständlichkeit und
Kostspieligkeit ihrer Herstellung ersetzen zu können.
Die Köhler’sche Teleröntgenographie ist der beste und dabei
einfachste Ersatz der Orthodiagraphie. Auch die Fernaufnahmen sind
wertvoll als Kontrolle der Orthodiagraphie, besonders nachdem ihre
Herstellung nun bei kürzerer Expositionszeit möglich ist. Aber auch
sie können aus den ebenerwähnten Gründen niemals die Orthodia-
graphie ganz ersetzen. Außerdem erscheint mir die Orthodiagraphie
für die Beobachtung der Herzformen vorläufig noch geeigneter zu sein.
Der besondere Wert der Fernaufnahmen liegt in ihrer korrekten Pro-
jektion, was besonders für die Aufnahmen im schrägen oder queren
Durchmesser gilt.« 7 @augele (Zwickau).
2) Klingelfuss. Präzisierung des Begriffes »Momentauf-
nahmen« in der Röntgenstrahlentechnik. |
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XI. Hft. 4.)
Verf. weist darauf hin, daß der Kürzung der Expositionszeit
vorläufig in der Dauer einer Einzelentladung eine untere Grenze ge-
setzt bleiben wird.
Um eine Vergleichsbasis für die sog. Momentaufnahmen zu ge-
winnen, empfiehlt er, statt der Zeit des .Stromschlusses die Anzahl
der Unterbrechungen und die aufgewendete Magnetisierungsstromstärke
zu „beobachten.
Objekte, die in 1/3 Sekunden effektiver Expositionszeit die
photographische Platte hinreichend schwärzen, würden mit fünf ein-
zelnen »Schlägen«, solche, die fünfmal ‚durchlässiger sind, mit einem
»Schlage« durchleuchtet sein, falls die aufgewendete Stromstärke in
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1229
beiden Fällen gleichgroß ist, wobei dann zu beachten wäre, daß sich:
die einzelnen Schläge nicht schneller folgen, als der zeitliche Ver-
lauf einer Entladung zuläßt.
Wollte man Aufnahmen machen, deren Expositionsdauer kürzer
ist, als der zeitliche Verlauf des einzelnen »Schlages«, so müßte man,
wie das in der optischen Photographentechnik üblich ist, einen Moment-
verschluß vor die X-Strahlenröhre bringen, der nur einen Teil
der Strahlung des einfachen Schlages durchläßt. Dabei würde man
auf eine neue Schwierigkeit stoßen, nämlich auf das zeitlich richtige
Zusammentreffen der Blendenöffnung mit dem Verlauf der Hauptphase
der X-Strahlen; denn wie Verf. an der Aufnahme der durch den
einfachen Schlag« hervorgerufenen X-Strahlen durch eine Spaltblende
auf eine bewegte photographische Platte zeigt, ist die Entladung
einer einmaligen Unterbrechung nicht kontinuierlich, sondern mehr-
fach zwischen Null und einem Maximum schwingend.
- Gaugele (Zwickau).
3) Martini. Über die durch die Röntgenstrahlenbehandlung
hervorgerufenen histologischen Veränderungen maligner Ge-
schwülste.
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII. Hft.-4.)
Verf. hat an einem großen Material Untersuchungen im oben an-
gegebenen Sinne ausgeführt, und zwar in der Weise, daß er Pat.
klinisch sorgfältig beobachtete und die mikroskopische Untersuchung der
Geschwülste mehrmals, und zwar immer vor und nach Abschluß der
Behandlung vornahm. Seine Fälle betrafen Mammakarzinome, Krebs-
metastasen in Lymphknoten, Ulcus rodens der Wange, fungösen Krebs
der Nase, malignes Lymphosarkom der Brustwand und des Schien-
beines, Myxosarkome des Oberschenkels und Beckens, Enchondrome
der Rippen, bösartige Geschwulst der Unterkieferdrüse, Adenokarzinome
des Hodens; zum Teil handelte es sich um Rezidive.
Als Indikation gilt dem Verf. die Inoperabilität der Geschwülste
oder aber, wenn kosmetische Gründe vorliegen, wie bei Gesichts-
geschwülsten. Aber auch hier darf nicht vergessen werden, daß man,
wenn nach einigen Bestrahlungen keine Besserung eintritt, die. wert-
volle Zeit für die Operation nicht vorübergehen lassen darf. Anderer-
seits erklärt Verf. es als die Pflicht des Arztes, die von einer un-
operierbaren Geschwulst Befallenen einer Höntgenbeatraulung zu unter-
werfen.
Der klinische Erfolg war ein derartiger, daß bei der Art der
jeweiligen Erkrankung und ihrer Ausbreitung von keiner anderen Be-
handlung bessere Resultate zu erwarten waren. Bei den Brustdrüsen-
krebsen fiel der Nachlaß der Schmerzen und der deutliche Rückgang
der Geschwulstknoten aüf; die Wangenepitheliome heilten radikal mit
schöner Narbe aus, das maligne Lymphom zeigte einen überraschenden
Schwund, das Sarkom der Brustwand verschwand nach 11—12 Sitzungen
1230 [Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42.
vollkommen, das Myxosarkom des Oberschenkels und Beckens ließ nur
eine Besserung des Allgemeinbefundes erkennen.
Das Osteosarkom wurde überhaupt nicht gebessert, ebensowenig
das Enchondrom der Halswirbel, während bei dem Sarkom des Unter-
kiefers und des Hodens eine Abnahme der Geschwulst und Nachlaß
der Schmerzen eintrat.
Diese Unterschiede in den Erfolgen finden in der Verschiedenheit
der Form und des histologischen Baues der Geschwulstelemente mehr
als in der Ausdehnung der Geschwulst ihre Erklärung. Wie bekannt,
können die bindegewebigen Geschwülste verschiedene Form und einen
komplizierten Bau annehmen, so daß verschiedene Kombinationen von
Sarkomgewebe mit anderen, ebenfalls mesenchymalen Geweben unter
Bildung von Mischgeschwülsten: Fibrosarkom, Liposarkom, Myxo-
sarkom, Chondrosarkom, Osteosarkom usw., zustande kommen können.
Aus dem obengenannten geht nun hervor, daß aus weniger hoch
entwickelten, aber stark wuchernden Zellen und wenig Stroma be-
stehende Geschwülste die für die zerstörende Einwirkung der Röntgen-
strahlen am meisten empfindlichen Neubildungen darstellen; daher
sind die medullär gebauten, aus unreifen, dem embryonalen Binde-
gewebe ähnlichen Geweben bestehenden Geschwülste leichter zugänglich
für die Beeinflussung durch Röntgenstrahlen als Mischgeschwülste,
die zwar auch aus Bindesubstanz bestehen, in denen diese aber älter
und stärker ausdifferenziert ist.
Besonders sind die Osteosarkome und Chondrosarkome für die
Röntgenstrahleneinwirkung schwer zugänglich, weil die knöcherne Hülle
ein von den Strahlen schwer durchdringbares Gewebe darstellt.
Aber nicht nur das Parenchym, sondern auch das Stroma und
die Umgebung einer Geschwulst werden histologisch verändert. Be-
sonders an Stellen großer Zerstörung des Parenchyms finden sich
auch stärkere Degenerationserscheinungen des Stroma, an Stelle des
Parenchyms tritt sklerotisch aussehendes, geschrumpftes Bindegewebe;
die Gefäße findet man häufig thrombosiert und ihre Wandungen
hyalin entartet.
Aus seinen histologischen Untersuchungen gewann Verf. den Ein-
druck, daß in Geschwulstzellen keine besonderen charakteristischen,
d.h. von den gewöhnlichen Degenerationsformen verschiedene Rück-
gangserscheinungen vorkommen; er fand alle möglichen Stadien von
Rückmetamorphose, von der trüben Schwellung und von der hya-
linen, schleimigen, vakuolären Entartung des Protoplasma mit mehr
oder weniger weitgehender Veränderung des Kernes bis zu den ver-
schiedenen Formen von Nekrobiose, von Nekrose, von Cytolyse und
Histolyse.
Die Röntgenstrahlen stellen also ein physisches Agens dar, das
in den Zellen verschiedene Verwandlungen bedingen kann, so daß die
Zellen mehr oder weniger verändert oder ganz zerstört werden.
Gaugele (Zwickau).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1231
4) E. Wossidlo. Experimentelle Untersuchungen über Ver-
änderungen der Nissl’schen Granula bei der Lumbal-
anästhesie.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVI. Hft. 4.)
Verf. konnte durch seine Versuche an Kaninchen die Resultate
van Lier’s bestätigen. Auch er fand, daß alle zur Lumbalanästhesie
angewendeten Mittel, Novokain, Stovain, Alypin und Tropakokain,
Veränderungen an dem Zelleib der Ganglienzellen des Rückenmarkes
hervorrufen, daß diese Erscheinungen aber wieder rasch verschwinden.
In den Ganglienzellen der Medulla oblongata konnte er dagegen
bei seinen Todesfällen keine pathologischen Prozesse auffinden. Was
die einzelnen erprobten Mittel anlangt, so empfiehlt W. als das beste
das Tropakokain. Das Alypin hatte in den Experimenten eine zu
hohe Mortalität, das Novokain schädigt die sensiblen Gebiete lange,
und ebenso hat das Stovain den Nachteil, daß es reizend wirkt und
länger dauernde Schädigungen setzt. Was ferner die Wirkungsweise
der in den Rückgratskanal injizierten Mittel anlangt, so kann dieselbe
eine verschiedenartige sein. Erstens wirkt die Leitungsunterbrechung
auf die Funktion der Zelle, ferner übt das auf dem Lymphweg oder
entlang den Nervenfasern vorgedrungene Mittel seinen Einfluß, und
schließlich kann eine Odemisierung durch die Injektion selbst ein-
treten. Die Nisslkörper sieht W. als Produkte einer normal funk-
tionierenden Ganglienzelle an. Unterbrechung der Funktion führt
einen Zerfall herbei, während der Wiedereintritt der normalen Funk-
tion eine Neuproduktion der Granula hervorruft. Die Spannungs-
verhältnisse mögen dabei eine Rolle spielen.
E. Siegel (Frankfurt a. M.).
5) E. Leser. Die spezielle Chirurgie in 60 Vorlesungen.
1279 S. mit 410 teils farbigen Abbildungen im Text. 8. ver-
mehrte und verbesserte Auflage.
Jena, Gustav Fischer, 1908.
In bereits gewohntem Zeitzwischenraum, 2 Jahre nach der voran-
gehenden Auflage, erscheint die L.’sche spezielle Chirurgie von neuem;
der lebhafte Wettbewerb auf dem Büchermarkt hat ihrer wohlbegrün-
deten Beliebtheit also keinen Abbruch getan. Nach den wiederholten
Besprechungen in dieser Zeitschrift genügt die Feststellung, daB das
rastlose Schaffen der neueren Chirurgie auch im Buche seinen Nieder-
schlag gefunden hat, zum Teil in gebotener Zurückhaltung, wie bei
den Operationen im Luftdrucksunterschiedverfahren, oder in etwas
breiterer Ausführung, wie in der Harnleiterchirurgie. Um so mehr
fällt auf, daß der Verf. den chirurgischen Eingriffen am Ohr und
Felsenbein immer noch, man möchte fast sagen, ängstlich aus dem
Wege geht. Bei aller Würdigung der von ihm hervorgehobenen
Beweggründe für seine Ablehnung ist es doch kaum angängig, dem
Schüler wie dem Arzte dies wichtige Kapitel vorzuenthalten, dessen
1232 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42.
Kenntnis und Anwendung ja unter Umständen auch dem auf sich
allein gestellten Arzt der Drang des Augenblickes aufzwingen kann,
und die Kritik wird nicht müde werden können, diese Forderung zu
erheben.
Bei dieser Gelegenheit mag auch das Fehlen der Besprechung
der Meningitis serosa, auf welche man immer mehr aufmerksam wird,
bemerkt werden.
Auch einige Röntgenbilder, deren Undeutlichkeit der Verf. selbst
bedauert, könnten wohl wiederum leicht durch bessere ersetzt werden,
da sie eigentlich ziemlich alltägige Vorkommnisse darstellen. Eine
sehr annehmbare Neuerung besteht darin, daß die einzelnen zusammen-
gehörigen Abschnitte innerhalb der Vorlesung noch durch im Druck
herausgehobene Überschriften zusammengefaßt werden, obwohl der
Vorlesungston allerdings damit unterbrochen wird. Jedenfalls kann
man auch als Kritiker den Erfolg des Buches anerkennen.
Herm. Frank (Berlin).
6) J. Petrivalsky. Zur Therapie der Phimose.
(Časopis lékařů českých 1907. p. 1055.)
Der Autor gibt eine neue Methode der Phimosenoperation an,
die er als plastische Exzison bezeichnet. Bei gespannter Vorhaut
spaltet er den Präputialring beiderseits durch je einen 1 cm langen
Schnitt, der beide Vorhautblätter durchtrennt, und exzidiert die obere
Partie des Ringes zwischen den beiden seitlichen Schnitten. Dann
bildet er aus dem dorsalen äußeren Vorhautblatt wiederum durch
zwei seitliche, 1 cm lange Schnitte einen Lappen, spaltet das innere
Blatt, etwa der Mitte des Hautlappens entsprechend, je nach Bedarf
eventuell bis zum Sulcus coronarius, zieht das Präputium vollständig
über die Glans zurück und schlägt nun den Hautlappen zwischen die
auseinander weichenden Schenkel des Schnittes im inneren Vorhaut-
blatt. Die durch die Inzision des inneren Vorhautblattes entstandenen
zwei Läppchen werden nach außen umgebogen und in die Winkel
seitwärts vom äußeren Lappen eingepflanzt; die noch offenen Wund-
ränder werden durch Nähte geschlossen.
Die Vorteile dieser Methode sind folgende: Die Eichel bleibt
nicht dauernd unbedeckt, die Vorhautöffnung wird infolge der Ein-
pflanzung der äußeren Haut in das innere Vorhautblatt elastischer;
der kosmetische Effekt ist ein guter, es resultieren keine überflüssigen
Lappen; die Methode ist bei allen Formen der Phimose und in jedem
Alter ausführbar. (Sechs Abbildungen.) 6. Mühlstein (Prag).
7) C. Bayer. Prostatadehnung.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVI Nr. 3.)
B. glaubt, daß, analog der Sphinkterendehnung bei Krampf-
zuständen des Afters, die Dehnung der Prostata in einzelnen Fällen
von chronischer Prostatitis und Prostatahypertrophie ihre Berechtigung
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42, 1233
habe, und zwar dann, wenn der Krampf vor und nach dem Urinieren das
hervorstechendste Symptom bildet, schwere Komplikationen wie früher,
jauchige Cystitis, Abszesse aber fehlen. Er hat einen lithotryptor-
ähnlichen Apparat konstruiert, mit dem die Dehnung leicht und bei
Vorsicht gefahrlos gelingt. Mit ihm kann bei Cystitis auch eine Blasen-
spülung ausgeführt werden. Von acht Fällen, die mit Dilatation be-
handelt wurden, hatten nur drei keinen Erfolg; die übrigen Pat. da-
gegen waren mit dem Resultat der Behandlung zufrieden.
E. Siegel (Frankfurt a. M.).
8) Moynihan. A clinical lecture on suprapubic prostatectomy.
(Practitioner 1908. Juni.)
M. hat 100mal die suprapubische Prostatektomie nach Freyer
ausgeführt und ist mit den Erfolgen sehr zufrieden. Von 15 Pat.
mit Karzinom der Prostata starben 3, von 85 Pat. mit einfacher
Hypertrophie der Vorsteherdrüse starben 6 nach der Operation; dem-
nach hatte M. eine Mortalität von 8%.
2 Pat. gingen an Lungenembolie, 2 an Harnverhaltung, 2 an Chok
(beides Karzinome), 2 an Nierenentzündung und Erschöpfung zugrunde.
Zur Sicherung des Cavum Retzii sowie zum besseren Arbeiten in
der Tiefe der Blase näht Verf. nach der Inzision der Harnblase
letztere mit der Bauchwand mittels durchgreifender Nähte zusammen
und läßt die Fäden lang, um später beim Spülen der Harnblase leichter
die Wunde auseinander ziehen zu können.
Die Entfernung der Prostata wird in der Weise ausgeführt, wie
sie von Freyer angegeben ist, nur daß sich Verf. beim Entgegen-
drängen der Prostata vom Mastdarm aus die dazu benutzte Hand
durch Überziehen eines sterilen Gummihandschuhes schützt. Die Pars
prostatica urethrae wird stets mit entfernt, meist auch ein Teil der
Pars membranacea; irgendwelche Störungen hat Verf. niemals danach
beobachtet. Sobald die Prostatektomie ausgeführt ist, soll die Blase
mit einer 1%igen Karbollösung ausgespült werden, bei bestehender
Cystitis 20—30 Minuten lang, bis die Flüssigkeit klar ist.
Vor dem Einführen eines Drains in die Blase wird gewarnt,
da durch das Liegenbleiben eines auch noch so kleinen Gummirohres
die Blasenschleimhaut gereizt und die Heilung hinausgeschoben werde.
Verf. verkleinert die Bauchwunde durch je eine Naht am oberen und
unteren Ende und läßt im übrigen die Wunde offen und durch Granu-
lation verheilen. Vom 2. Tage an wird die Blase täglich durch einen
von oben her eingeführten weichen Gummischlauch mit einer 1%igen
Karbollösung ausgespült.
Seitdem Verf. die Drainage fortläßt, hat er viel schnellere Heilung
beobachten können. Während sich früher die Wunde durchschnittlich
in 26 Tagen schloß, heilte bei den letzten 50 Operationen ohne Drai-
nage der Bauchschnitt innerhalb 14 Tagen. Sobald die Pat. sich von
der Operation erholt haben, sollen sie sich im Bett aufsetzen und
später möglichst bald herumzugehen versuchen.
42*r%
1234 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42.
Bei der Prostatektomie stellen sich gewöhnlich dann Schwierig-
keiten ein, wenn eine bösartige Neubildung vorliegt und das Organ
in eine kleine harte Geschwulst verwandelt ist, die sich nicht aus-
schälen läßt, sondern exzidiert werden muß. Überhaupt ist der Ver-
dacht auf Bösartigkeit gerechtfertigt, sobald eine kleine harte Partie
in dem sonst weichen und vergrößerten Organ nachgewiesen werden
kann, die der Ausschälung große Schwierigkeiten entgegensetzt oder
dieselbe unmöglich macht. Jenckel (Göttingen).
9) R. J. Goodlee. Prognosis in relation to treatment of
tuberculosis of the genito-urinary organs. The Bradshaw
lecture. 64 S., 2 Abbildungen.
London, J. Bale Sons, 1907.
Verf. ist der Chirurg des University College Hospital in London,
einer der führenden englischen Chirurgen. Ich füge dies bei, weil
die in seinem Vortrage niedergelegten Ansichten zum Teil erheblich
von denen, die zurzeit in Deutschland in Geltung sind, abweichen.
Der Vortrag wurde vor dem Royal College of Surgeons gehalten
und ist veranlaßt durch Stiftung eines Dr. Bradshaw, zu dessen
Gedächtnis G. mit kurzen biographischen Notizen über den Stifter
beginnt, der ein Original gewesen zu sein scheint. Was das eigent-
liche Thema betrifft, so betrachtet er zunächst die Resistenz des Kör-
pers gegen Tuberkulose im allgemeinen, geht kurz auf die historische
Entwicklung der Behandlung der Knochen- und Gelenktuberkulose
ein, reiht daran eine Zahl von Krankengeschichten, von geheilten Pat.,
die an Urogenitaltuberkulose gelitten hatten, und die durch möglichst
konservative Methoden geheilt wurden.
Bei Nebennierentuberkulose operiert G. nicht. Die meisten Nieren-
tuberkulosen entstehen, seiner Auffassung nach, von der Blase auf-
steigend; nur sehr selten hämatogen. Die Indikation für die Nephrek-
tomie zieht er äußerst eng. Er unterwirft ihr nur die Phthisis renalis
und Pyelitis bei Verschluß des Harnleiters, da die Niere dann doch
außer Kurs gesetzt ist; sonst inzidiert und drainiert er bei Pyelitis.
Sind kleinere tuberkulöse Herde in der Niere, so reseziert er sie nach
Möglichkeit. Er wendet die Nephrektomie so selten an, weil man nie
wisse, ob nicht die andere Niere auch schon erkrankt sei. Von den
ganzen Methoden, die wir unter dem Begriffe der funktionellen Nieren-
diagnostik zusammenfassen, ist in dem Vortrage nirgends die Rede.
Bei Besprechung der Harnleitertuberkulose erklärt G. sich für
Resektion, es sei denn, daß sowieso nephrektomiert werden muß.
Dann soll möglichst viel von dem Harnleiter weggenommen, keinesfalls
aber eine partielle Blasenresektion angeschlossen werden. Für die
Behandlung der Blasentuberkulose empfiehlt Verf. Injektionen von
Argentum nitricum. Bei Hodentuberkulose exstirpiert er den Hoden
nur, wenn er ganz zerstört oder stark schmerzhaft ist. Sonst reseziert
er nur unter Entfernung des Nebenhodens. Bei Prostatatuberkulose
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1235
inzidiert er vom Damme, wenn es zur ÄAbszedierung kommt. Bei der
Tubentuberkulose zieht er die Laparotomie der vaginalen Methode
vor. Zum Schluß geht er noch auf die in England jetzt so häufige
Behandlung mit bakteriellen Vaccinen nach Bestimmung des opsoni-
schen Index ein, die technisch zu umständlich und zuviel Fehlern
unterworfen sei. Deetz (Homburg v. d. H.).
10) R. Knorr. Die Cystoskopie und Urethroskopie beim
Weibe. 145 Abbildungen, 3 Tafeln. 286 Seiten.
Wien, Urban & Schwarzenberg, 1908.
Verf. hat in seinen seit Jahren abgehaltenen und viel besuchten
Unterrichtskursen das Bedürfnis gefühlt, nach einem Buche, das den
modernen Stand der gynäkologischen Cystoskopie mit Einschluß der
funktionellen Nierendiagnostik und der Urethroskopie in kurzer zu-
sammenfassender Darstellung an der Hand von zahlreichen Abbildungen
schildert und die technischen Schwierigkeiten dem Anfänger nach
Möglichkeit erleichtert.
Der Hauptteil des Buches wird dementsprechend von technischen
und diagnostischen Ausführungen in Anspruch genommen, der dritte,
wesentlich kürzere Teil behandelt die klinische Seite des Gebietes.
Die Ausführungen sind klar und präzis, die Abbildungen sehr zahl-
reich und instruktiv. Die Literaturangaben sind sehr spärlich und
geben manchem Autor Grund zu gerechter Beschwerde Das Buch
erfüllt seinen Zweck in durchaus entsprechender Weise; es sei hier
aber der Ort, darauf hinzuweisen, daß der Bedarf an Lehrbüchern der
gleichen Art jetzt auf lange hinaus gedeckt ist, denn erst vor kurzem
ist Stöckel’s gleichnamiges Buch und Zangemeister’s Atlas er-
schienen. Desgleichen haben alle Neuauflagen der gynäkologischen
Lehrbücher die entsprechenden Kapitel durchgehend neu bearbeitet
oder neu entstehen lassen. Zudem ist das speziell für die weibliche
Cystoskopie Charakteristische überaus beschränkt, fast nur die Ver-
änderungen der Blase bei gynäkologischen Erkrankungen betreffend ;
alle wichtigen Grundzüge sind bei beiden Geschlechtern die gleichen
und in den großen allgemeinen Lehrbüchern von Nitze und Casper
aufs ausführlichste behandelt.
Man muß also die Bedürfnisfrage für die Zukunft entschieden
verneinen. Willi Hirt (Breslau).
11) Mayo. Transperitoneal removal of tumors of the bladder.
(Annals of surgery 1908. Juli.)
M. ist verschiedentlich nicht mit der extraperitonealen Blasen-
eröffnung zufrieden gewesen, wenn es sich um radikale Blasenresek-
tionen, z. B. wegen Karzinom handelte. Er sah nicht allein baldige
Rezidive, sondern es wurde auch das Cavum Retzii in den Prozeß
hineingezogen. M. bat deswegen in der letzten Zeit in fünf Fällen
von Blasengeschwülsten die transperitoneale Eröffnung der Blase vor-
genommen und ist mit dem Operationsresultat sehr zufrieden gewesen,
k
1236 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42.
da alle Operierten genasen. Der Gang der Operation ist folgender:
Trendelenburg’sche Lage, Eröffnung der Bauchhöhle oberhalb des
Schambeins, Zurückhalten der Eingeweide durch Gazekompressen,
Hineinziehen der Blase in die Wunde und Eröffnen derselben durch
einen 2 Zoll langen Schnitt. Man kann jetzt ohne Rücksicht auf das
Bauchfell so viel von der Blase fortnehmen als notwendig ist. Die
Blasenwunde wird dann durch durchgreifende Catgutnähte geschlossen,
darüber kommt eine feste Naht des Bauchfells mit Silk oder Seide,
dann Schluß der Bauchhöhle. Die ersten Tage wird die Blase regel-
mäßig durch den Katheter entleert. Herhold (Brandenburg).
12) Pavone. Dell’ intervento chirurgico e dell’ utilita del
cateterismo degli ureteri nell’ anuria calcolosa.
(I. Cong. d. Soc. ital. di Urologica 1908.)
Gelegentlich, nicht immer, konnte P. an Urämie Leidende infolge
von Harnleiterverstopfung durch Operation noch retten. Am 3., 4.
und 5. Tag der Anurie hat er durch den Harnleiterkatheter ver-
stopfende Steine gelockert und zurückgeschoben. Letztere wurden
ausgestoßen, und die Anurie war beseitigt. Zuweilen konnte durch
Injektion einer Adrenalin-Kokainlösung in den Harnleiter der Krampf
mit gleichem Erfolge beseitigt werden. Nach Beseitigung des Hinder-
nisses auf einer Seite sah P. cystoskopisch Urin aus beiden Harn-
leitern fließen, so daß die Reflexanurie als zweifellos vorkommend er-
achtet werden muß. Der Harnleiterkatheterismus hat für die Dia-
gnose die doppelte Bedeutung, die Seite des Hindernisses und seine
Beschaffenheit (Stein, Narbe, Falte) festzustellen. Wenn der Stein
durch die Sonde nicht fortzubewegen ist, so soll man zur Nephro-
tomie schreiten, die der vitalen Indikation genügt und durch Hem-
mung des Harnleiterkrampfes gelegentlich noch die Ausstoßung des
Steines herbeiführt. Erst bei Fehlschlagen dieser Hoffnung soll se-
kundär die Ureterotomie angeschlossen werden. Wird zu spät bei
Anurie eingegriffen, so droht, vom tödlichen Ausgang abgesehen, auch
noch die Gefahr der Funktionsstörung der Niere. Dreyer iKöln\.
13) Uteau. Traitement de l’anurie.
(Revue de chir. XXVIII ann. Nr. 3 u. 4.)
Eine umfassende Abhandlung über den Gegenstand, aus der
folgendes hervorgehoben sei:
U. unterscheidet Anurien aus rein mechanischer oder anatomischer
Ursache, rein reflektorische Anurien und gemischte Formen, bei denen
die anatomischen Veränderungen des Harnapparates allein die Anurie
nicht erklären und die Mitwirkung eines Reflexvorganges angenommen
werden muß. Bei der Anurie aus rein mechanischer oder anatomischer
Ursache gibt es vier Möglichkeiten: 1) Anurie der anatomisch einzigen
Niere. 2) Anurie der allein noch funktionierenden Niere. 3) Auf
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1237
beiden Seiten sind die ausführenden Wege verschlossen. 4) Das Paren-
chym beider Nieren ist völlig zerstört.
Die häufigste Ursache der mechanischen Anurie ist ein Stein oder
eine Geschwulst im Becken. Doch muß z.B. bei sehr kleinem oder
unebenem Stein noch eine reflektorische Zusammenziehung der Harn-
leitermuskulatur oder eine reflektorische Hemmung der Nierenabsonde-
rung hinzutreten, um Anurie zu bewirken (gemischte Form).
Die Behandlung ist für beide Fälle gleich und kann nur chirurgisch
sein, da selbst erfolgreiche Heilmittel nicht die Krankheitsursache be-
seitigen können. Die retroperitoneale Ureterostomie ist schwierig, lang-
dauernd, oft erfolglos und somit als dringliche Operation an wenig
widerstandsfähigen Kranken unbrauchbar. Dasselbe gilt von der trans-
peritonealen Ureterotomie. Zunächst ist der Harnleiterkatheterismus
auszuführen. U. vergleicht ihn mit dem großen Einlauf beim Ileus;
er klärt auch die Diagnose und ist, wenn er nicht hilft, wenigstens
unschädlich. Die Nephrostomie ist ohne Zögern anzuschließen. Sie
entspricht dem Kunstafter ohne Darmverschluß und ist die Methode
der Wahl. Selbst in eiligen Fällen vermeidet U. dabei den Thermo-
kauter; er zerstört kostbares Nierengewebe, und die Blutung, gegen
welche er prophylaktisch empfohlen wird, schadet gar nichts. Bei
Beckengeschwülsten soll zunächst auch nur die Anurie durch die
aus bekämpft werden, ehe die Radikaloperation in Frage
ommt.
Bei der rein reflektorischen Anurie kann der Reflex von jedem
Abschnitt des Harnapparates ausgehen, aber auch außerhalb desselben
seinen Ursprung haben (Anurie bei Wanderniere, nach Traumen, Höllen-
steineinträufelungen, Bruchoperationen).
58 im Auszug mitgeteilte Fälle der Literatur veranschaulichen die
verschiedenen Arten von Anurie. Gutzeit (Neidenburg).
14) A. Mori (Piombino). Metodi e processi operatori per la
cura del varicocele.
(Clinica chirurgica 1907. Nr. 10.)
M. stellt in einer sehr ausführlichen und überaus fleißigen Arbeit
aus zahlreichen, zum Teil kaum gekannten Spezialpublikationen, zu-
meist in italienischer, französischer und englischer Sprache, die Me-
thoden der Varikokelenbehandlung, durch viele gute Skizzen erläutert
und kritisch verglichen, zusammen und schließt daran eine eigene neue
Operationsmethode. Es erfolgt eine Suspension des Hodens nahe am
Leistenring in sehr interessanter Weise behufs Erleichterung und Re-
gelung des venösen Rückflusses im Plexus pampiniformis. Die Me-
thode gehört zur Gruppe der am Kremaster auszuführenden Eingriffe
und schließt sich den von den Landsleuten des Autors Carta und
Barile und von Vince vorgeschlagenen an.
M. eröffnet in Kokainanästhesie die Haut über dem Leistenkanal,
legt stumpf den Samenstrang bloß und hebt ihn hervor, bis der Hoden
1238 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42.
im Operationsfeld erscheint. Nun wird ringsum der Kremaster und
die Tunica fibrosa in der Hälfte ihrer Länge durchschnitten, der
obere Stumpf fixiert, der untere manschettenförmig nach abwärts ge-
stülpt. Jetzt können allenfalls besonders weite Venenstücke unter-
bunden oder reseziert werden. Hierauf wird der obere Kremaster-
stumpf an die Umstülpungsstelle des unteren schirmförmigen Stumpfes
mit Catgut genäht, die Manschette des Kremaster wieder zurück
hinaufgestülpt und kreisförmig an die obere Hälfte genäht. Es ist
also eine Invagination der oberen Hälfte des Kremaster und ‚der
Tunica in die untere erfolgt, der Kremaster verkürzt, der Hoden im
Hodensack gehoben. M. meint, daß sein Vorschlag alle Koeffizienten
der Varikokele — die Gefäßveränderung, die Hodensenkung, die Er-
schlaffung und Dehnung von Kremaster und Tunica vaginalis com-
munis — trifft; außerdem vermeidet er die Nachteile mancher anderen
Methode, welche eine Torsion oder Knickung der Venen unvermeid-
lich machen. Die doppelte Muskelhülle verstärkt vielmehr den Rück-
fluß im Venengebiel. Auch die schließliche Inguinalektopie des Hodens
infolge gewisser anderer Methoden ist unmöglich. M. ist mit den
bisher erzielten Resultaten vollkommen zufrieden.
J. Sternberg (Wien).
15) ©. Barile (Florenz). Un nuovo processo per la cura ra-
dicale del varicocele.
(Clinica chirurgica 1907. Nr. 7.)
B. gründet seine neue Methode der Varikokelenoperation auf den
Gedanken, daß nur die Sicherung der regelmäßigen Venenentleerung
des Plexus pampiniformis ein Rezidiv verhütet. Diese Funktion hat
der Kremaster. Ist er erschlafft oder ausgedehnt, so soll er auf mög-
lichst natürliche Weise unterstützt werden, d.h. mit Hilfe derselben
Muskeln, denen er entstammt, also aus dem Obliquus internus und
transversus. B. spaltet deshalb nach Eröffnung der Aponeurose des
Obliquus externus nahe am Leistenring vier quer oder mäßig schräg
verlaufende Muskelbündel stumpf aus den genannten Muskeln ab,
näht die oberen zwei auf die vordere, die unteren zwei, nachdem sie
in der Mitte durchschnitten wurden, mit ihren vier freien Enden an
die hintere Wand der Tunica vaginalis communis, nahe am oberen
Pol des Hodens, an. Bei sehr großen Varikokelen erfolgt gleich-
zeitig die Resektion der erweiterten Venen. J. Sternberg (Wien).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1239
l.
Operationsschleier mit Metallstützgestell.
Von
Dr. P. Hackenbruch,
dirigierender Arzt am St. Josef-Hospital zu Wiesbaden.
s kann jetzt keinem Zweifel mehr unterliegen, daß unsere Operationsresultate
durch die Verwendung von Schleiern, welche, der Forderung von Mikulicz
Rechnung tragend, die gesetzte Wunde gegen die Tröpfcheninfektion aus Mund
und Nase des Chirurgen und seiner Gehilfen schützen, in außerordentlicher Weise
günstig beeinflußt werden.
Wenn trotzdem die Verwendung von Operationsschleiern noch keine allge-
meine geworden ist, so liegt der Grund dazu wohl darin, daß die bis jetzt emp-
fohlenen Schleiervorrichtungen für den Operateur und seine Gehilfen immerhin
Metallstützgestell des Operationsschleiers.. Metallgestell des Operationsschleiers.
Vorderansicht. Seitenansicht.
eine mehr oder weniger große Unbequemlichkeit in sich tragen. Auch der durch
seine Einfachheit sich auszeichnende, von Witzel empfohlene Operationsschleier,
welcher ähnlich dem orientalischen Frauenschleier nur die Augenpartie des Ge-
sichtes frei läßt, hat für seinen Träger hauptsächlich den Nachteil, daß bei länger
dauernden Operationen und insbesondere im Sommer das Gesicht und der Kopf
bald recht unangenehm warm werden, weil die Exspirationsluft schlechten Ab-
zug hat. R
Um diesem Übelstande möglichst abzuhelfen, konstruierte ich mir ein Metall-
stützgestell für einen Operationsschleier, wodurch eine bessere Luftzirkulation
1240 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42.
gewonnen wurde, während der Schutz für die Operationswunde der gleiche bleibt.
Nach vielfachen Versuchen und Anderungen erwies sich als praktisch im Gebrauch
der jetzt kurz zu beschreibende Operationsschleier.
Das Stützgestell des Mullschleiers besteht aus einem den Kopf zirkulär um-
fassenden, für verschiedene Kopfweiten veränderlichen und durch Schraubenkopf
feststellbaren Metallring (Fig. 1 und 2), an welchem beiderseits in der Schläfen-
gegend ein das Gesicht und Kinn umrahmender Metallbogen durch drehbares
Scharniergelenk so angebracht ist, daß dieser Metallbogen wie das Visier eines
Ritterhelmes in die Höhe geschlagen werden kann; der Gesichtsmetallbügel ist
ebenfalls durch eine einfache Schiebervorrichtung verlängerbar. An der Vorder-
seite des Stirnteiles des Kopfreifens befinden sich drei flache, kleine, nach oben
gerichtete Häkchen, in welche ein einschichtiger, engmaschiger, umsäumter Mull-
schleier von gut !/;m Länge und beigefügtem Schnittmuster (Fig. 3) mit seiner
Fig. 3. Fig. 4.
Stirnteil
Nackenteil
Schnittmuster des Kopfteiles des Opera- Der Kopfschleier ist aufgelegt, der Ge-
tionsschleiers. sichtsschleier hängt am Gesichtsbügel her-
unter.
schmalen oberen Seite eingehängt und zwei- bis dreimal um den Stirnteil umge-
schlagen wird; dadurch entsteht an dem Stirnband ein Gazewulst, der beim auf-
gesetzten Schleier die Stirn berührt und den sich entwickelnden Stirnschweiß auf-
saugt. Der über den Kopf zurückgeworfene einschichtige Schleier bedeckt Kopf
und Nacken reichlich (Fig. 4).
Der Gesichtsteil des Operationsschleiers, welcher aus einer zweifachen Schicht
engmaschigen, umsäumten Mulls besteht, hat ein ähnliches, aber entsprechend
kleineres Schnittmuster. Dieser zum Verdecken von Mund und Nase dienende
Mullschleier wird in zwei, am unteren Bogen des Gesichtsbügels befindliche kleine
flache Häkchen eingehängt und ebenfalls mehrmals um den unteren Bogenteil
herumgeschlagen, so daß er serviettenförmig herunterhängt (Fig. 4. Etwa 6 cm
unterhalb des Stirnreifens befindet sich an dem Gesichtsbügel zu beiden Seiten je
ein flaches, nach oben gerichtetes Häkchen, in welches die in die Höhe geschlagene
Breitseite des Gesichtsschleiers so eingehängt wird, daß der freie Rand des
Schleiers, über den Nasenrücken hinwegziehend, Nase und Mund bedeckt. Die
Zentralblatt für Chirurgie. Nr.42. 1241
Art der Befestigung zeigt am besten Fig. 5, worauf die linke Seite des Schleiers
eingehakt und die rechte Seite zum Einhaken emporgehoben dargestellt ist, während
Fig. 6 den fertig zum Gebrauch angelegten Schleier illustriert.
Auf Grund sehr zahlreicher Verwendung stört der fertig aufgesetzte Schleier
in keiner Weise beim Operieren und hat gegenüber dem bis jetzt von uns ge-
brauchten Witzel'schen Schleier den großen Vorteil, daß er nicht so warm
macht, weil die Exspirationsluft zu beiden Seiten des Metallgesichtsbügels un-
behindert entweichen kann, während durch die zweifache vorgespannte Gazelage
alle eventuell dem Munde des Sprechenden entfallenden Tröpfchen aufgefangen
werden. Es läßt sich natürlich dieser Schleier auch in drei- oder mehrfacher
Schicht benutzen, was in dem Falle zuweilen nötig ist, wenn Operateur oder
Gehilfe operieren bzw. assistieren müssen in einer Zeit, in welcher sie selbst an
Fig. 5. Fig. 6.
Der Kopfschleier ist aufgelegt, der Ge- Operationsschleier fertig zum Gebrauch.
sichtsschleier ist links eingehakt und wird
rechts zum Einhaken emporgehoben.
Schnupfen, Husten oder Angina leiden. Ein weiterer Vorteil unseres Operations-
schleiers besteht darin, daß er die Ohröffnungen frei läßt.
Wie schon kurz gesagt, ist der Kopfteil des Metallstützgestelles durch einen
einfachen Mechanismus leicht verstellbar für verschiedene Kopfweiten; desgleichen
kann auch der Gesichtsbügel je nach Bedürfnis verlängert oder verkürzt werden,
so daß auch für Bärte verschiedener Länge die nötige Schutzhülle ermöglicht ist.
Der Operationsschleier ist. zu haben bei P. A. Stoss Nachf., Wiesbaden,
Taunusstraße 2, zum Preise von 6 Æ.
Literatur.
Schuchardt, Kopfklammer. Zentralblatt für Chirurgie 1900. Nr. 15.
F. Wenzel, Die Verwendung von Gazeschleiern bei aseptischen Operationen.
Zentralblatt für Chirurgie 1902. Nr. 19.
. O. Witzel, Chirurgische Hygiene, Aseptik und Antiseptik. Deutsche Klinik
1903. Urban & Schwarzenberg.
1242 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42.
lI.
Aus dem Krankenhause der Barmherzigen Brüder in Dortmund.
Zur Technik des Gipsverbandes.
Vorläufige Mitteilung.
Von
Dr. K. Vogel,
Privatdozent für Chirurgie, dirig. Arzt.
I pflege mein sehr großes Frakturmaterial im allgemeinen nach den Grund-
sätzen Bardenheuer’s zu behandeln. Nur für den Unterschenkel weiche ich
insofern von seinen Vorschriften ab, als ich möglichst bald einen Gipsverband an-
lege und die Pat. aufstehen lasse, meist schon nach 8—14 Tagen. Ich bin zur
Benutzung des Gipsverbandes zuerst gezwungen worden durch die hohen Anforde-
rungen, die die schulgerechte Bardenheuer’sche Methode an das Hilfspersonal,
besonders das ärztliche, stellt, Anforderungen, denen ich aus Mangel an Kräften
nicht immer genügen konnte. Ich glaube aber auch, daß die Nachteile des Gips-
verbandes, die Fixation der Gelenke und Atrophie der Muskeln, wenig hervortreten
bei normalem Verlauf, wo er nicht lange zu liegen braucht, und daß sie in hohem
Grade aufgewogen werden durch die Möglichkeit, den Pat. bald aufstehen zu
lassen.
Sei dem wie ihm wolle, zweifellos wird wohl mancher Unfallchirurg noch
vom Gipsverband Gebrauch machen. Daher möchte ich eine Modifikation des-
selben mitteilen, die, wie ich glaube, gerade für Unterschenkelfrakturen empfehlens-
wert ist. Dieselbe hat den Zweck, den Verband zu erleichtern.
Ich habe mich früher schon mit dieser Aufgabe beschäftigt, speziell als Assi-
stent von Herrn Geheimrat Schede in Bonn, wo wir eine große Anzahl von
Kindern mit angeborener Hüftgelenksverrenkung behandelten und diese sich
mit den für ihre schwachen Kräfte allzu schweren Gipsverbänden herumschleppen
sahen.
Seit 1 Jahre bin ich, nach Rücksprache mit verschiedenen Chemikern, der
Frage praktisch nähergetreten und habe sehr ausgedehnte Versuche mit den ver-
schiedensten Modifikationen des Gipsverbandes gemacht, die ich speziell bei Unter-
schenkelverbänden erprobte.
Die Versuche sind noch nicht abgeschlossen, die Resultate noch nicht ideal,
aber meines Erachtens immerhin wert, mitgeteilt und eventuell nachgeprüft zu
werden. =
Die Erleichterung des Gipsverbandes darf nicht auf Kosten seiner Festigkeit,
Dauerhaftigkeit und Billigkeit erreicht werden. Ebenso muß die bequeme
Art der Herstellung und die schnelle Erhärtung gewahrt bleiben.
Ich ging nun von dem Gedanken aus, die Porosität zu erhöhen, die der ge-
wöhnliche Gipsverband ja schon in ziemlich erheblichem Grade besitzt, und zwar
dadurch, daß ich Chemikalien zusetzte, die im Moment, wo die Binde ins Wasser
getaucht wird, Kohlensäure entwickelten. Es ist klar, daß bei gleichmäßiger
Verteilung jener Agenzien im Gipspulver bzw. in der Binde die beim Naßwerden
sich entwickelnde Kohlensäure die Gipsmasse schaumig auftreibt.
So einfach der Gedanke ist, zeigten sich bei der Ausführung doch Schwierig-
keiten, die zum Teil auch jetzt noch nicht ganz beseitigt sind.
Erstens leidet durch die verstärkte Porosierung des Verbandes die Bindung
seiner Teile untereinander: er wird bröckelig. Weiter wirkt natürlich die in der
Binde sich entwickelnde Kohlensäure dem Eindringen des Wassers in jene ent-
gegen, da sie nach außen drängt. Die Durchtränkung der Binde ist also er-
schwert.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1243
Dem ersteren Nachteil habe ich dadurch zu begegnen gesucht, daß ich billige
Klebemittel in Pulverform zusetzte, stieß dabei aber auf die Schwierigkeit, daß
jetzt der Verband sehr langsam trocknete, so daß er bei irgend notwendiger
Stellungskorrektur kaum zu gebrauchen war. Zwischen diesen beiden Fehlern:
mangelhafte Kohäsion auf der einen und zu langsames Trocknen auf der anderen
Seite, habe ich lange hin- und herlaviert. Auf meine vielen Versuche will ich hier
nicht eingehen. Das zeitige Resultat derselben ist folgendes:
Um die Kohlensäure zu entwickeln, bringe ich sog. »konzentrierten Alaun«
und Kreide im Verhältnis ihrer Atomgewichte zusammen. Auf den »konzen-
trierten Alaun« wurde ich von einem alten Chemiker, den ich an Fractura cruris
behandelte, aufmerksam gemacht. Es ist chemisch Aluminiumsulfat Al, (SO,s;
jene Bezeichnung ist in der Technik, wo das Präparat zum Gerben usw. gebraucht
wird, üblich, chemisch ist sie inkorrekt. Das Salz kristallisiert mit 18 Molekülen
Kristallwasser. Kreide ist kohlensaurer Kalk.
Die Gleichung lautet demnach:
A1 (S 043 + 18H20 + 3 Ca C 0O; = 3 Ca S0, + 2 A1 (0 H) + 15H00 + 3C 02.
Das Wesentliche an dieser Umsetzung ist also, daß die Schwefelsäure sich mit
dem Kalk zu Gips (CaSO,) verbindet und die Kohlensäure frei wird. Dieser
Prozeß geht in dem Moment vor sich‘, wo das Gemisch ins Wasser kommt.
Die Gleichung liefert also nicht nur Kohlensäure, sondern auch Gips. Letzterer
entsteht jedoch in zu geringer Menge, als daß mit jener Mischung allein ein fester
Verband erzielt werden könnte. Derselbe unterscheidet sich nicht wesentlich von
einem einfachen Kleisterbindenverband, vor allem trocknet er sehr langsam.
Ich habe daher jenes Pulvergemisch gewöhnlichem Gips zugesetzt, so
daß dieser den eigentlichen Verband herstellt, jenes nur dem Zweck der Kohlen-
säureentwicklung dient.
Als Binde- bzw. Klebemittel habe ich Traganth, Gelatine, Leim, Amylum und
Gummiarabikum verwandt.
Der Leim bewährte sich recht gut, kann aber nur schwer genügend fein pul-
verisiert werden. Am meisten zufrieden bin ich vorläufig mit Amylum und Gummi-
arabikum gewesen.
Demnach ist mein Rezept zurzeit folgendes:
Rp. Gummi arab....... 10,0
Awmyl. 20.004.008. 20,0
Cretae alb. subtill. pulv. 27,0
Alum. sulf. ....... 60,0
Die Pulver müssen gut gemischt und vor allem möglichst fein zerkleinert
werden, da sonst der Verband nicht fest wird.
Jenes Gemisch wird nun dem gewöhnlichen Gips zugesetzt und mit ihm innig
vermengt, und zwar empfehle ich ein Verhältnis von 1 (Gemisch) : 5 (Gips).
Die Herstellung der Binden sowohl wie das Anlegen des Verbandes geschieht
genau wie bei gewöhnlichem Gips. Es ist ratsam, die Binden nicht allzu dick
noch allzu breit zu nehmen, da das Eindringen des Wassers in die Tiefe schon
durch die nach außen strömende Kohlensäure erschwert wird.
Das Gipswasser bedeckt sich bald mit Schaum; es geht natürlich viel Kohlen-
säure verloren, doch merkt man beim Verstreichen mit der Hand deutlich ein
Knistern im Verband, zum Zeichen, daß noch genügend Gas vorhanden ist.
Beim Abwickeln der Binde stellen sich die tieferen Teile oft noch als trocken
heraus, sie müssen dann — am besten durch Ausdrücken eines nassen Watte-
bausches — nachträglich benetzt werden.
Diese etwas umständlichere Applikation ist noch ein kleiner Nachteil des Ver-
fahrens. Ich hoffe, denselben noch ausgleichen zu können.
Ich habe nun bei vielen Pat. den gewöhnlichen Gipsverband und diese Modi-
fikation desselben abwechselnd angelegt, ohne daß sie von der Anderung Kenntnis
hatten; alle haben auf Befragen prompt erklärt, daß dieser Verband wesentlich
leichter sei. Der exakte Beweis, etwa durch die Wage, ist sehr schwer, da
1244 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42.
zuviel Momente die Rechnung beeinflussen. Die Gewichte können jedenfalls nur
unter Berücksichtigung der Volumverhältnisse verglichen werden; diese sind aber
sehr schwer festzustellen.
Die Angabe sämtlicher Pat., daß die Methode den Verband erleichtere, dürfte
wohl als Beweis genügen.
Dieselbe ist zweifellos noch verbesserungsbedürftig, aber meines Erachtens
auch verbesserungsfähig. Das Prinzip, Kohlensäure, gewissermaßen in statu nas-
cendi, wirken zu lassen und dieselbe durch jene chemische Umsetzung, die gleich-
zeitig Gips liefert, zu erhalten, ist jedenfalls richtig. Einzelheiten der Anwendung
können modifiziert werden.
16) Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins.
173. Sitzung am 13. Juli 1908.
Vorsitzender: Herr Hermes.
1) Herr Hermes: a. Magenvolvulus bei Sanduhrmagen.
Der Fall betraf eine 70jährige Frau, welche seit 30 Jahren an Magenbeschwerden
litt; sie konnte sich nie recht satt essen, ohne Magenschmerzen zu bekommen, die
wieder erst nach zeitweise täglichem Erbrechen sistierten. Vor 10 Jahren hatte
sie einen Anfall von heftigen Magenschmerzen, die ohne ärztliche Behandlung bei
6wöchiger Bettruhe unter Massage schwanden. Im Januar 1907 erkrankte sie an
heftigen Leibschmerzen mit Fieber und Ileuserscheinungen; sie wurde in kolla-
biertem Zustand ins Krankenhaus gebracht; sie zeigt unterhalb des Nabels, in der
Mitte des Leibes, eine kugelige Auftreibung, die eine Einfurchung besitzt, so daß
man den Eindruck nebeneinander liegender, hochgradig geblähter Darmschlingen
hat; in den seitlichen Partien ist der Leib flach, leicht eindrückbar; durch Magen-
spülung wurde 1 Liter bräunlicher, leicht übelriechender Flüssigkeit entleert; die
Konfiguration des Tumors war danach derart, daß man ihn für einen stark ge-
senkten, dilatierten Magen halten konnte. Die Laparotomie ergab einen cysten-
artigen, magenähnlichen Tumor, der nach unten bis ins Becken ragte; hinter ihm
Jagen kontrahierte Darmschlingen,; an seinem oberen Rande, nach dem Zwerchfell
zu, verlief das durch das Lig. gastrocolicum mit dem Tumor verbundene Quer-
kolon. Nach Herabziehen des Querkolons und Hochdrängung des Tumors erkennt
man, daß es sich um einen Sanuduhrmagen handelt, dessen pylorischer Teil sich
um seine Achse in isoperistaltischer Richtung gedreht hatte und durch einen 12 cm
langen und 5cm breiten Schlitz im Mesocolon transversum hindurchgetreten war.
In der Umrandung dieses Schlitzes waren sehnenartig glänzende Faserzüge zu
sehen; am Magen waren narbige Veränderungen oder Verwachsungen nicht zu
konstatieren. Der kardiale Teil des Magens zeigte eine normal aussehende, etwas
verdickte Wand, während der pylorische, erheblich größere, die Zeichen starker
Stauung aufwies; die Stenose zwischen den beiden Magenteilen war für den ein-
stülpenden Finger gerade passierbar.
Wegen des hochgradigen Kollapszustandes wurde schnell eine Witzelfistel an.
pylorischen Teil angelegt, diese in der Wunde fixiert, die Bauchwand mit durch-
greifenden Nähten geschlossen. Die Pat. erholte sich unter Kampfer und Koch-
salzinfusion schnell aus dem Kollapszustand; es erfolgten bald Stuhlgang und Winde,
Die Ernährung fand zunächst durch Nährklistiere und die Magenfistel statt, aus
der sich anfangs noch reichliche Mengen Mageninhalts entleerten. Nach 8 Tagen
Entfernung des Katheters aus der Magenfistel, worauf sie sich schnell schloß.
Dann wurde die Ernährung per os so gut vertragen, daß von den Nährklistieren
Abstand genommen werden konnte. Allmählich trat der frühere Zustand wieder
ein; die Pat. wurde mit regelmäßigen Magenspülungen behandelt und in leidlichem
Kräftezustand in eine Siechenanstalt entlassen.
Der geschilderte Fall ist der erste von Volvulus eines Sanduhrmagens; er
unterscheidet sich von den beiden bisher bekannten Fällen von Volvulus des ganzen
Magens durch das Fehlen jeder Adhäsionsbildung, die bei diesen für den Volvulus
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1245
verantwortlich gemacht werden. Hier war der gedrehte Magen durch einen Schlitz
im Mesocolon transversum hindurchgetreten.
b. H. schildert die Anlage des Operationsgebäudes des Rudolf
Virchow-Krankenhauses und demonstriert es am Schluß der Sitzung im
einzelnen.
2) Herr Gumbel: a. Über Wirbelbrüche.
G. berichtet über geheilte Fälle folgender Verletzungen:
a. Bruch des Dornfortsatzes des 4. Lendenwirbels, der durch Fall gegen
eine Wagendeichsel entstanden war.
3. Bruch der Querfortsätze des 3. Lendenwirbels. Der Pat. war aus 6 m
Höhe herabgesprungen, beim Auftreffen auf der Erde infolge der Wucht des Sturzes
mit dem Oberkörper vornüber gefallen. Der isolierte Bruch der beiden Quer-
fortsätze kann nur durch Muskelzug entstanden sein. Heftpflasterverband. Nach
5 Wochen war Pat. beschwerdefrei.
y. Bogenbruch des Epistropheus, entstanden durch Fall auf das Gesäß
aus Höhe von drei Stockwerken. Commotio cerebri; keine motorischen und sen-
siblen Lähmungen. Die Wahrscheinlichkeitsdiagnose wurde gestellt auf Grund
der lokalen Schmerzhaftigkeit, der Diastase zwischen Atlas und Epistropheusdorn
Beschränkung der Rotation des Kopfes, Das Röntgenbild ergab Bruch des Bogens
beiderseits zwischen den Gelenkfortsätzen. Behandlung mit Extension in Glisson-
scher Schwinge. Jetzt (nach 10 Monaten) besteht nur noch eine geringe Beschrän-
kung der Drehbewegung.
b. Retrocoecale Bauchfelltasche.
Der über 10 cm lange Wurmfortsatz liegt, mit der Spitze nach oben gerichtet,
in einer retrocoecalen Bauchfelltasche, mit dem Peritoneum verwachsen. Ein Mes-
enteriolum fehlt; die Art. appendicularis ist etwa l5 cm lang, entspringt abnorm
hoch aus der Art. ileocolica und tritt nach ihrem Verlauf im Mesenterium des
Ileum in das retrokolische Bindegewebe ein, um sich dicht am Processus vermi-
formis in typischer Weise zu teilen. Dieses Verhalten spricht für embryonales
Zustandekommen der Lageanomalie, die wohl als Hernia processus vermiformis in
recussu retrocoecali aufzufassen ist. Auch die übrigen pericoecalen Bauchfelltaschen,
namentlich der Recessus ileoappendicularis, sind sehr tief und weit.
3) Herr Levy-Dorn: Erfahrungen über Röntgentherapie und
-Diagnose.
L. hat einem Pat., der an starker Hyperhidrosis der Hände und Füße litt,
die eine Hand mit mäßigen Dosen bestrahlt. Unter nicht nennenswerter Reaktion
der Haut trat nach ca. 14 Tagen Trockenheit auf, die bis jetzt, d. h. 6 Wochen,
anhält. Ein Vergleich mit der nicht behandelten, permanent feuchten Hand zeigt
deutlich den Erfolg der Bestrahlung, deren Erfolg bei Hyperhidrosis noch von
vielen bezweifelt wird.
Der zweite vorgestellte Pat. leidet an myelogener Leukämie; er wird schon
13/4 Jahr durch intermittierende Röntgenbehandlung über Wasser gehalten, so daß
er seinem schweren Beruf als Gärtner meist nachgehen konnte. Die Kurve der
Zahl der weißen Blutkörperchen wies auffallenderweise die niedrigsten Werte auf,
wenn es dem Pat. am schlechtesten ging. Man hat den Eindruck, als ob der An-
stieg der Blutkörpermengen eine heilsame Reaktion darstellt, die im Übermaß
allerdings wie das Fieber schaden wird. Man sollte daher die Röntgentherapie
bei Leukämie nicht in der Absicht treiben, die Blutkörperchenmengen möglichst
herabzudrücken, sondern das Allgemeinbefinden zu heben. Bei dem Pat. stand
auch sonst das Allgemeinbefinden und die günstige Wirkung der Strahlen darauf
wenig im Einklange mit anderen Symptomen, wie Milztumor, Kopfschmerz, blu-
tigem Stuhl. Häufig angewandte kleine Röntgendosen brachten ihm während der
schlechten Zeiten großen Nutzen. N. empfiehlt diese Form der Bestrahlung all-
gemein bei Leukämie.
L. demonstriert weiter Bilder von einem Pat. mit Ösophaguskarzinom und
Divertikel in der Höhe der Thoraxapertur; ob ein Divertikel vorlag, war vor
1246 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42.
Anwendung der Röntgenstrahlen zweifelhaft; außerdem gelang die Sondierung erst
nach genauer Feststellung der Lage des Tumors durch das Röntgenbild.
Es folgten dann Bilder von einem Falle von Myositis ossificans im M. brachialis
int.; dieselbe war aufgetreten im Anschluß an eine schwere Luxation des Ellbogens,
die vor 8 Wochen eingerenkt und mit Kontraktur geheilt war. Die Sagittalauf-
nahme ließ Absprengungen des Condylus vermuten, das Seitenbild zeigt die typische
Myositis: unregelmäßig schbattierte und geformte Knochenmassen im Verlaufe des
M. brachialis int., getrennt von der Diaphyse des Humerus, im Bereiche desselben
breiter, nach der Ulna zu schmäler.
Zum Schluß zeigt L., wie man sich mit primitiven Mitteln ein Modell her-
stellen kann, das alles, was für das Verständnis der verschiedenen Lokalisations-
manöver mittels Röntgenstrahlen zu wissen nötig ist, erläutert. Veranlaßt wurde
er dazu durch häufige Anfragen über Anwendung und Sinn einiger Einrichtungen
bei dem neuesten Lokalisationsapparate, dem Radiostereometer nach Gillet, dem
Röntgentiefenmesser nach Fürstenau. Er erörtert insbesondere den Zweck der
sog. seitlichen Konstanten.
4) Herr Günther: Behandlung von Kniescheibenbrüchen.
Von elf in der I. chirurg. Abteilung des Virchow-Krankenhauses beobachteten
Kniescheibenbrüchen, von denen acht operiert wurden, werden fünf vorgestellt.
Bei der Operation wurde so vorgegangen, daß mit vom Condylus zum Condylus
femoris geführtem Schnitt das Gelenk eröffnet und mit durch Gaze geschütztem
Finger von Blutcoagulis befreit wurde. Dann wurden eine Seidenknochennaht und
über ihr mehrere Catgutperiostnähte angelegt. Nach Schluß vorhandener seit-
licher Risse mit Catgut wurde die Hautwunde vollkommen vernäht. Alle Fälle
heilten per primam. Entlassen wurden alle Operierten in solchem Zustande, daß
sie sicher und ohne Unterstützung durch Stock, Kniekappe oder irgendwelchen
portativen Apparat gehen konnten. Freilich zeigten alle noch Beschränkungen der
Beweglichkeit im Knie im Sinne der Beugung. Diese wurde dann noch weiter-
hin gebessert, ja nach längerer Zeit vollkommen gehoben, wie sich an den De-
monstrierten zeigen ließ. Unter diesen befanden sich zwei mit dem sehr seltenen
Vorkommen der Fraktur im 10. und im 70. Lebensjahre. Beide waren operiert,
der Greis erst, nachdem durch unblutige Behandlung ein schlechtes Resultat er-
zielt war.
5) Herr Pincus: Essentielle Hämaturie.
P. stellt einen geheilten Fall von Massenblutungen aus beiden Nieren vor bei
einer 37jährigen Pat. 1898 litt sie im Anschluß an einen Fall an einer rechts-
seitigen Kniegelenksentzündung. 5 Monate lang Behandlung mit Gipsverbänden.
Mehrfach Punktion von Blut und Eiter. 1904 erkrankte sie an Gelenkrheuma-
tismus mit hohem Fieber. 1906 ohne nachweisbare Ursache plötzliches Auftreten
von Nierenblutungen ohne Schmerzen. Aufnahme in ein Krankenhaus; nach wenigen
Tagen Operation. Nephrotomie der linken Niere. Heilung. Weihnachten 1907
fällt Pat. eine Kellertreppe hinunter und zieht sich dabei eine Kontusion beider
Lendengegenden zu. Am 1. Januar 1908 plötzliches Wiederauftreten von blutigem
Urin, ohne Schmerzen; am 4. Februar Aufnahme ins Krankenhaus. Die kräftige,
gut genährte Pat. befand sich in keineswegs anämischem Zustande. Die linke
Niere war palpatorisch nicht nachweisbar, die rechte etwa zur Hälfte ihres Vo-
lumens abtastbar, auf Druck etwas schmerzhaft. Beide Ureterendruckpunkte stark
empfindlich; Urin fast schwarz; im Sediment Erythrocyten, wenig Leukocyten.
Cystoskopische Untersuchung ergibt, daß aus beiden Ureteren Blut fließt. Im
März 1908 ist nur der Morgenurin noch ganz dunkel, am Tage ist er oft von heller
Fleischwasserfarbe; im Sediment granulierte Zylinder; Albumen 1/20/00.
14. Mai 1%8: Plötzliches Aufhören der Blutung.
Im Anschluß an diesen Fall bespricht P. jenes seltene Krankheitsbild, welches
in der Regel mit Massenblutungen und Koliken verläuft, und bei welchem früher
nie materielle Veränderungen nachgewiesen wurden. Daher stammte der Name:
essentielle Hämaturie. Die Theorien der renalen Hämophilie und der Angio-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1247
neurose hält P. nicht für bewiesen. Er schließt sich denjenigen an, die die Ur-
sache dieser Blutungen in einem chronisch entzündlichen Prozeß suchen.
Die Diagnose läßt sich erst nach Ausschluß der Tuberkulose, der Steinkrank-
heit und des Neoplasmas stellen, in vielen Fällen überhaupt nicht mit Sicherheit.
Die Therapie kann eine exspektative sein bei gesicherter Diagnose und nicht
zu starker Alteration des Allgemeinbefindens durch den Blutverlust; jedoch ist der
rechte Zeitpunkt für eine probeweise Freilegung mit nachfolgender Spaltung des
Nierenparenchyms nicht zu verfehlen. Der heilende Einfluß der Nephrotomie ist
erwiesen. Bei lebensgefährlichen Blutungen kommt event. die Nephrektomie in
Betracht. Bei Doppelseitigkeit der Erkrankung liegen noch keine chirurgischen
Resultate vor. R. Wolff (Berlin).
17) Försterling. Ein neues Universalblendenstativ mit Schutzkasten.
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII. Hft. 4.)
Beschreibung eines Stativs mit Blendenvorrichtung und Schutzkasten über die
auf dem Groedel’schen Röhrenhalter fixierte Röhre. Seine Vorzüge beschreibt
Verf. also:
1) Absoluter Schutz der Umgebung und der zu untersuchenden bzw. zu be-
handelnden Person gegen unbeabsichtigte Bestrahlung.
2) Große Stabilität der ganzen Vorzichtung; diese ist dabei weder an einen
Tisch noch an eine bestimmte Stelle des Zimmers gebunden.
3) Leichteste Handhabung bei der Einstellung; es ist möglich, dem Kasten
jede beliebige Höhen- bzw. Winkelstellung wiederzugeben, die er bei etwaigen
früheren Aufnahmen gehabt hat; d. h. man kann Aufnahmen stets unter denselben
Bedingungen wiederholen. |
4) Man kann sowohl große Übersichts-, wie Blenden- bzw. Kompressionsaufnahmen
damit machen, ohne den Pat. umlagern zu müssen oder die Röhre zu verwechseln.
5) Ist der Apparat geeignet zu therapeutischen Bestrahlungen jeder Art, sowobl
größerer Flächen, wie kleinerer Stellen. Auch bei Erkrankungen in den Körper-
öffnungen (Mund, Mastdarm, Scheide) ist er anwendbar.
6) Vermöge des selbstzentrierenden Röhrenhalters braucht jede Röhre nur
einmal zentriert zu werden; bei jeder späteren Benutzung ist sie stets dann sofort
eingestellt.
-7) Ist er trotz seiner Vielseitigkeit verhältnismäßig billig (ca. 300 Mk.).
Er dürfte mithin sämtlichen Anforderungen entsprechen, die man billiger-
weise an einen solchen Universalapparat stellen kann.
Hergestellt wird das Stativ von der Firma Reiniger, Gebbert & Schall
in Erlangen. Gaugele (Zwickau!.
18) Bircher. Knochentumoren im Röntgenogramme.
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII. Hft. 4.)
Der erste Teil enthält eine Schilderung der Röntgengeschichte der Knochen-
geschwülste und erwähnt vor allem die Verdienste von Rumpel. Daran an-
schließend berichtet Verf. über einige Fälle aus dem Kantonkrankenhause zu
Aarau.
Fall 1. 11jähriger Knabe aus gesunder Familie. Seit der Geburt Verdickung
des rechten Unterschenkels am Fußgelenk, speziell des äußeren Knöchels. Röntgen-
bild: Auftreibung der Tibia und Fibula mit Trübung der Knochensubstanz. Ope-
ration und mikroskopische Untersuchung: Enchondrosis ossificans.
Fall 2. 21jährige Fabrikarbeiterin aus gesunder Familie mit Vorwölbung der
linken Wange durch faustgroße Oberkiefergeschwulst. Röntgenbild: die Geschwulst
ist vor allem durch Verdeckung der normalerweise sichtbaren Knochen erkenntlich.
Operation und Diagnose: Myxofibrosarkom. Heilung.
Fall 3, 8jähriger Knabe aus mit Tuberkulose belasteter Familie zeigt längere
Zeit geschwollenes Knie mit starken Schmerzen beim Gehen. Winkelstellung des
Knies. Röntgenbild: Bruch des Femur in der Epiphysenlinie des distalen Endes,
1248 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42.
in eine rarefizierte Partie übergehend. Operation und Amputation; Sarkom. Tod
an Metastasen in der Wirbelsäule und in der Lunge.
Fall 4. 20jähriger Landwirt aus gesunder Familie mit einer seit 12 Wochen
bestehenden, rasch wuchernden Geschwulst in der linken Kniekehle. Pat. kann
nicht mehr gehen, hat starke Schmerzen. Kein Trauma. Röntgenbild: deutliche
Geschwulstbildung. Operation und Amputation: kleinzelliges Rundzellensarkom.
Fall 5. 64jähriger Mann. Vor 20 Jahren Geschwulst am linken Knie; seit
2 Jahren Wucherungen in der Kniegegend mit Durchbruch nach außen. Auf dem
Röntgenbild unregelmäßige, den Knochen durchsetzende Massen. Operation und
Amputation: Spindelzellensarkom mit Össifikation.
Fall 6. 58jähriger Mann. Oktober 1906 Sturz auf die linke Hand. Im De-
zember Geschwulstbildung des Vorderarmes mit starker allgemeiner Abmagerung.
Spindelförmige, kleinhöckerige Geschwulst mit Trübung des unteren Speichenendes
auf dem Röntgenbild. Amputation verweigert. Resektion von Radius und Ulna
auf 12 cm. Exzision eines Knotens unter dem Kinn. Diagnose: Großzelliges
Rundzellensarkom, vom periostalen Bindegewebe ausgehend. Später Exartikulation
am Ellbogen. Rezidive. Tod.
Fall 7. 46jähriger Knecht mit Schwellung am linken Arm. Röntgenogramm:
vollkommene charakteristische Trübung der Knochen und Weichteile im Ellbogen-
gelenk mit Verrenkung der Vorderarmknochen. Resectio cubiti. Diagnose: Fibro-
myxo-osteosarcoma periostale. Heilung.
Fall 8. 38jähriger Mann mit Geschwulst auf der linken Schulter, Röntgen-
bild: Zerstörung am Oberarmkopf. Exartikulation des Armes: Kleinzelliges Rund-
zellensarkom. Tod an Metastasen.
Fall 9. 29jähriges Dienstmädchen mit Beckengeschwulst, wie das Röntgen-
bild zeigt, hervorgehend aus der Articulatio sacroiliaca; Laparotomie: Riesenzellen-
sarkom. Tod.
Die Bedeutung der Röntgenographie der Knochengeschwülste faßt B. in fol-
genden Sätzen zusammen:
1) Dieselbe setzt uns in den Stand, mit ziemlicher Sicherheit zu entscheiden,
ob eine vom Knochen ausgehende Geschwulst oder eine andere Krankheit vor-
handen sei. Sie erklärt uns die Diagnose.
2) Läßt sie uns den Umfang der Erkrankung am Knochen erkennen, wie weit
das Wachstum im Knochen vorgeschritten ist, wie die Geschwulst sich ausgebreitet
hat. Dadurch ebnet sie uns den Weg, den wir bei der Operation einzuschlagen
gedenken, ob wir mit konservativer oder radikaler Operation vorgehen müssen.
Sie gibt uns scharfe Operationsindikation.
3) In vielen Fällen läßt sie uns den Ausgangspunkt der Geschwulst erkennen
und auch ihre Wachstumsrichtung. Sie klärt uns oft über Verhältnisse auf, die
uns makroskopisch dunkel bleiben. Sie unterstützt daher auch die pathologisch-
anatomische Untersuchung. Gaugele (Zwickau).
19) J. Novak. Ein Fall von Hämatolymphangiom.
(v. Langenbeck's Archiv Bd. LXXXVI. Hft. 4.)
Bei einem jährigen Kinde wurde eine Geschwulst an der unteren Extremität
gefunden und operiert, die, subkutan entwickelt, vorwiegend aus gefäßreichem
Bindegewebe bestand und in ihrer Ausbreitung dem Verlaufe der Vena saphena
magna folgte. Sie griff auf Haut, Periost und Muskulatur über. Das hervor-
stechendste Merkmal war eine ausgedehnte Entwicklung von Blut- und Lymph-
gefäßen. Die Wandung der Arterien und Venen wies eine starke Verdickung auf.
An den Venen bestanden ferner noch andere zartere Stellen mit aus Endothel
und Fibroblasten aufgebauten Auswüchsen, die durch ihre Verästelung die Venen-
lichtung zum Teil in einen kavernösen Hohlraum verwandelten. Verf. möchte die
Geschwulst als Hämatolymphangioma mixtum fibroendotheliale bezeichnen.
E. Siegel (Frankfurt a. M.).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1249
20) W. Swetschnikow. Uber die Entstehung und das Wachstum
multipler kavernöser Angiome.
(Russ. Archiv für Chirurgie 1908. [Russisch.))
50 Angiome von Erbsen- bis Hühnereigröße fanden sich außen am Körper
eines 13jährigen Jungen. Die subkutanen Geschwülste ließen sich unter der Haut
und gegen die Haut verschieben. Die größten lagen auf der Brust. An den be-
sonders zahlreichen Geschwülsten der Volarflächen der Vorderarme war der enge
Zusammenhang mit den Venen !Basilica, Cephalica) besonders deutlich nachzu-
weisen. Bei der Sektion sah man den Eintritt dicker Venen in die Knoten. Außer
den subkutanen wurden noch gefunden ein Angiom im vorderen Mediastinum,
zwei unter der Pleura costalis rechts, eins in der rechten Hälfte der Zunge, eins
im rechten Sinus pyriformis des Kehlkopfes, zahlreiche in der Leber. Auffallend
war eine starke Erweiterung der Venen fern von den Angiomen, so z. B. in der
Milz, die kein einziges Kavernom enthielt.
S., der unter Leitung von A. J. Moisejew gearbeitet hat, kommt zu der
Ansicht, daß Anomalien in der Entwicklung des Venensystems zugrunde liegen,
die zur Dilatation vieler Venen Anlaß geben, in deren Verlauf an einzelnen Stellen
exzessive Erweiterung und durch Konfluenz Bildung kavernöser Gefäßgeschwülste
stattfindet. V. E. Mertens (Kiel.
21) McLeod. The bacterial vaccines in relation to the ordinary pyo-
genic processes.
(Buffalo med. journ. 1908. Juli.)
Verf. hat bei zahlreichen chirurgischen Affektionen die Vaccinebehandlung
nach Wright mit Erfolg verwendet. Eine Anzahl von Fällen (27) schwerer, hart-
náckiger Furunkulose und Karbunkelbildung (5), verursacht durch Staphylokokkus
albus und aureus, wurde durch ausschließliche Behandlung mit Mischvaccine dieser
Kokkenarten größtenteils sehr rasch geheilt oder gebessert, nachdem die bisherige
Behandlung erfolglos gewesen war. Durch die gleiche Vaccineart wurden mehrereFälle
von jahrelang ohne Erfolg behandelter Sykosis zur Heilung gebracht. Auch einige
Aknefälle, bei denen sich aus den Pusteln Staphylokokkus albus isolieren ließ,
kamen durch die entsprechende Vaccine prompt zur Heilung. Bei durch Staphylo-
kokken veranlaßten Erkrankungen wurde stets die von dem betreffenden Pat. selbst
gewonnene Vaccine angewendet; Phlegmonen, Osteomyelitis, Erysipelas usw. wurden
günstig beeinflußt, ebenso in zwei Fällen operierte Thoraxempyeme nach In-
fluenza; hier wurden die im Eiter gefundenen Pseudodiphtheriebazillen der Pat.
zur Vaccina benutzt und rasches Versiegen der vorher profusen Eiterung erzielt.
Nach Verf.s Erfahrungen ist eine Stammvaccine nur bei Staphylokokkenerkran-
kungen zu empfehlen, bei Streptokokkenschädigung wertlos, ausgenommen beim
Erysipel. Mohr (Bielefeld).
22) H. Hans. Intussusceptio urethrae.
(Med. Klinik 1908. p. 902.)
Durch Fall auf den Damm wurde die Harnröhre kreisförmig abgerissen. Hinter
der sich bildenden Striktur entstand eine ampullenförmige Erweiterung der Pars
membranacea, die durch starken Urindruck schließlich sich nach vorn zu einstülpte.
Wie sich bei der Urethrotomia externa zeigte, wurde die Intussuszeption durch
Katheterismus im ganzen ins Blaseninnere vorgeschoben. (Abbildungen) Der
»Polyp« wurde an seinem »Ansatz« abgetragen, der Kranke nach 18 Tagen mit
für dicksten Katheter durchgängiger Harnröhre entlassen.
Georg Schmidt (Berlin).
23) Murtry. Primary carcinoma of the female urethra.
(Annals of surgery 1908. Juni.)
Verf. konnte nur 27 Fälle von primärem Krebs der weiblichen Harnröhre aus
der Literatur zusammenstellen. Er selbst operierte zwei Fälle durch völliges Aus“
1250 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42.
schälen der Harnröhre bis zum Schließmuskel der Blase; die Art der Operation
selbst ist nicht angegeben. Die eine Pat. heilte gut, die andere bekam sehr bald
ein Rezidiv und starb. Die Frühdiagnose des primären Harnröhrenkarzinoms ist
schwierig, da gutartige Karunkeln und Syphilis ähnliche Erscheinungen hervor-
rufen. Herhold (Brandenburg).
24) J. Stopezanski. Über plastische Induration des Penis. (Aus der
Krakauer dermatologischen Klinik.)
(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Nr. 10.)
Mitteilung eines Falles, bei dem bei der Aussichtslosigkeit interner oder lo-
kaler Therapie die zwar auch nicht sicheren Erfolg versprechende Exstirpation des
Knotens vorgenommen wurde. Nach genauer histologischer Untersuchung kommt
S. zu dem Schluß, daß die Ursache entzündliche Veränderungen rings um die
Dorsalgefäße sein können, auch wenn an anderen Arterien sklerotische Ver-
änderungen fehlen. Literatur. Renner (Breslau).
25) H. Man. Über Prostataanomalien.
(St. Petersburger med. Wochenschrift 1908. Nr. 26.)
In einem Vortrage wird eine Literaturübersicht über die bisher beobachteten
Mißbildungen der Prostata, die versprengten Prostatakeime und Retentionscysten
der Drüse gegeben.
Ein 18jähriger Mann mit totalem Defekt der Vorsteherdrüss und Samen-
bläschen und ein Pat. mit einer cystischen Geschwulst im Bindegewebe zwischen
Blase und Mastdarm werden vorgestellt. M. ist der Ansicht, daß letztere Ge-
schwulst aus Überresten des Wolff’schen Körpers hervorgegangen sei.
Besprechung der Differentialdiagnose. Deetz (Homburg v. d. H.).
26) G. Lasio (Mailand). Contributo allo studio della prostatite acuta
parenchimatosa.
(Clinica chirurgica 1908. Nr. 10.)
L. hatte an einem reichen Krankenmaterial Gelegenheit, Fälle von akuter
parenchymatöser Prostatitis zu beobachten, die von dem von Thompson und
Segond fixierten klassischen Bild erheblich abwichen und ihm demnach auch
andere therapeutische und speziell operative Indikationen ergaben. Es handelte
sich im ganzen um 13 Fälle, Individuen zwischen 15 und 60 Jahren. Bezüglich
der Atiologie war zweimal fehlerhafter Katheterismus, einmal Influenza, zweimal
Prostatahypertrophie, dreimal akute Gonorrhöe, einmal Cystitis bei habitueller
Koprostase, einmal tuberkulöse Cystitis und vorgeschrittene Lungenphthise zu kon-
statieren, für drei Fälle fehlte die Erklärung — ein Vorkommnis, das in Publika-
tıonen v. Frisch’s, Hinrichsen’s u. a. Analogien findet. Mit Rücksicht auf
die Resultate neuerer Untersucher, daß die Drüse permanent bei allen Leuten
Mikroorganismen, und zwar zum Teil ernst pathogene, enthält, dürften sich solche
Fälle, wie auch die der »idiopathischen« Prostatititen der Rad- und Motorrad-
fahrer, nach Erkältungen u. ä. erklären lassen.
In den zwei Fällen mit Hypertrophie, 56 und 60 Jahre alt, hatte der Abszeß
enorme Dimensionen angenommen und die Drüsensubstanz fast vollständig er-
weicht, bis auf eine harte, fibröse Rindenschicht. Erst die Operation deckte bei
dem einen Pat. den Zustand auf, bei dem anderen der spontane Durchbruch in
die Blase.
In dem Falle des Phthisikers waren die ätiologischen Verhältnisse nicht klar.
L. möchte eher eine spezifische Cystitis annehmen. Ein Übergreifen von der
Blase nimmt er auch in dem Falle mit habitueller Koprostase (löjähriger Knabe
mit Malaria) an. Eine metastatische Prostatitis stellt der eine Fall mit Influenza
vor. Zwei weitere nach ungeschicktem und unreinem Katheterismus boten be-
sonders schwere Zerstörungen der Drüse.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1251
L. hebt besonders hervor, daß viele seiner Fälle im Beginn ohne ernstere
Erscheinungen blieben: Kein Fieber noch Schüttelfrost; allgemeines Wohlbefinden;
keine Schmerzen, weder im Damme noch im After; Kot- und Harnentleerung frei.
In den meisten Fällen bot aber die objektive Untersuchung eine Veränderung des
Umfanges der Prostata oder andererseits krasses Mißverhältnis zwischen Größe
der Prostata und Intensität der Blasenstörungen. Auch konnte gewöhnlich die
Prostatamassage die Diagnose festigen. Die Entleerungsstörung ist in solchen
Fällen gewiß durch den entzündlichen Zustand der Schleimhaut bedingt; sie wird
also je nach der Bildung der Abszesse zeitlich wechseln.
In zwei Fällen, in welchen die Einschmelzung des Gewebes über die Grenzen
der Drüse gegriffen hatte, in dem einen aufwärts ins Beckenzellgewebe, auf den
Damm, wo also eine rasch fortschreitende und umfangreiche Phlegmone, bzw.
eine Verjauchung des Dammes und des Penis bzw. Hodensackes drohte, glaubt
L., durch den rechtzeitigen Eingriff — Bloßlegung und Eröffnung des Abszesses
nach transversaler Perineotomie in Medullaranästhesie — schwerere Folgen, Ste-
nosen usw. abgewendet zu haben.
Sämtliche Operierte verließen übrigens das Krankenhaus gesund, nicht nur
von der lokalen Eiterung, sondern auch von den sekundären Ernährungsstörungen
befreit. J. Sternberg (Wien).
27) T. Walker. The radical treatment of cancer of the prostate.
(Practitioner 1908. Februar.)
Übersichtliche, die Literatur in ausgiebiger Weise berücksichtigende Arbeit,
in der die verschiedenen Operationsmethoden zur radikalen Beseitigung des Prostata-
karzinoms auseinandergesetzt werden. Verf. hat selbst zweimal ein Prostatakarzinom
durch die suprapubische Methode nach Freyer entfernt. Das häufigere Verfahren
ist das perineale. Die von Young (Baltimore) angegebene Radikaloperation, be-
stehend in der totalen Entfernung der Prostata mitsamt des Pars membranacea
urethra und dem Trigonum Lieutaudi bis zur Einmündungsstelle des Harnleiters,
Entfernung der Samenblasen, Resektion der Vasa deferentia, Vernähung der Blase
und Anastomose des vorderen Teiles der Blase mit der Harnröhre wird genau
beschrieben und durch vier beigefügte Photogramme illustriert. Von den auf diese
Weise von Young operierten Pat. waren zwei nach 12 bzw. 13 Monaten voll-
kommen gesund, ein Pat. starb 6 Wochen nach der Operation an septischer Pyelo-
nephritis, der letzte 12 Monate nach der Operation infolge einer Litholapaxie.
Jenckel (Göttingen).
28) Wilms. Zur Technik der Beckenkompression bei Operation der
Blasenektopie nach Trendelenburg.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIII. p. 321.)
Das von Trendelenburg angegebene Beckenkompressorium war bekanntlich
auf Anlegung gegen die Weichteilhautdecke der Darmbeine hin berechnet und
führte leicht zu Dekubitus. Um diesem Ubelstand abzuhelfen, hat W. ein Kom-
pressorium konstruiert, das, aus einem federnden Metallbügel bestehend, in mit
Nägeln armierte Platten ausläuft. Die Nägel greifen die Knochenflächen an und
können mittels Schrauben deren Zusammendrängung bewirken. Abbildung des
Apparates, der in der Klinik, ohne Nekrose zu bewirken, bereits mit Erfolg pro-
biert ist. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
29) F. Necker und R. Paschkis. Die diagnostische Verwertbarkeit
der Konjunktivalreaktion in der Urologie. (Aus der chirurgischen
Abteilung des Rothschildspitals in Wien.)
(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Nr. 10.)
Zunächst versuchten Verff. die Reaktion an 40 chirurgischen Fällen, von denen
17 klinisch tuberkulös oder stark verdächtig waren. löınal fiel die Probe positiv,
2mal negativ aus; von letzteren erwies bei einem die Laparotomie die Richtigkeit
1252 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42.
der klinischen Diagnose: Tuberculosa peritonei, im anderen wurden bei der Sektion
keine tuberkulösen Veränderungen gefunden. Von 23 klinisch Unverdächtigen
reagierten 3 positiv, und bei zweien fanden sich auch nachträglich Lungenver-
dichtungen.
Urologische Kranke kamen 42 zur Untersuchung. Von 15 klinisch verdächtigen
reagierten 6, die 9 negativen waren auch im Tierversuch, welcher immer nebenbei
angestellt wurde, bazillenfrei. Von 23 klinisch unverdächtigen reagierten 3.
Einige diagnostisch besonders schwierige Fälle werden kurz mitgeteilt. Verff.
kommen zu dem Schlusse, daß die Reaktion zwar nicht als sicheres diagnostisches
Mittel bei Urogenitaltuberkulose zu betrachten sei, doch die Diagnose wesentlich
stützen könne, wo Bazillennachweis im Sediment, eventuell sogar im Tierversuche
mißlingt.
Verff. benutzten zuerst Alttuberkulin, ziehen aber jetzt das’ sicher dosierte,
weniger reizende Tuberkulintest des Institut Pasteur de Lille vor.
Renuer (Breslau).
30) J. J. Grekow. Uber Nieren- und Blasentuberkulose.
(Russ. Archiv für Chirurgie 1908. |Russisch.))
G. tritt dem Rovsing’schen Vorschlag des doppelseitigen Explorativschnitttes
zur Abtastung der Nieren entgegen. Er empfiehlt den Kocher’schen Schnitt
auf der vermutlich kranken Seite. Von diesem Schnitt aus könne man die andere
Niere gut abtasten, ohne das Bauchfell in Gefahr zu bringen. In den drei hier
mitgeteilten Fällen von Nephrektomie hat ihn das Verfahren vollauf befriedigt.
| V. E. Mertens (Kiel).
31) A. Miles. Plastic operation on the renal pelvis for intermittend
` hydronephrosis.
(Edinb. med. journ. 1908. Februar.)
Durch schrägen Abgang des Harnleiters vom Nierenbecken und dadurch zeit-
weise bedingten ventilartigen Verschluß entstand bei einer 2djährigen Pat. eine
linksseitige Hydronephrose. Verf. fand bei der Freilegung der Niere den unteren
Pol sackartig erweitert und die Wandung stark verdünnt. Nach Eröffnung des
Nierenbeckens erwies sich die Offnung des Harnleiters von bindegewebigen Massen
umgeben, die zum Teil die Lichtung klappenartig verschlossen. Nach Spaltung
der Harnleitermündung wurden die bindegewebigen Ränder mittels Schere exzidiert
und über einem in den Harnleiter geführten und nach auBen geleiteten Katheter
das Nierenbecken mittels Seide vernäbt. Der größte Teil des sehr verdünnten
unteren Nierenpoles wurde dann ebenfalls exzidiert und die Offnung durch Seiden-
nähte in drei Etagen (Czerny-Lembert) geschlossen. 15 Monate bestand eine
Nierenbeckenfistel. Die Beschwerden hörten mit dem Tage der Operation auf.
Jenckel (Göttingen).
32) Külz. Über einen Fall von Nephrotomie bei Anurie nach Schwarz-
wasserfieber.
(Archiv für Schiffs- und Tropenhygiene 1908. Nr. 15.)
Der Fall betrifft einen Eisenbahningenieur, der bereits 2 Jahre früher ein
sehr schweres Schwarzwasserfieber überstanden hatte. 48 Stunden nach Eintritt
der Anurie Aufnahme ins Krankenhaus. Wegen der Hoffnungslosigkeit seines
Zustandes willigt Pat. in die ihm vorgeschlagene Nephrotomie, die 31/, Tage nach
Beginn der Anurie jn Chloroformnarkose vorgenommen wird. Schnitt durch das
mittlere Drittel der intensiv dunkelrot, fast blaurot gefärbten, an das Kolorit der
Milz erinnernden Niere, bis ins Becken. Das Parenchym des sehr hyperämischen,
nicht unerheblich blutenden Organs ist von auffallend schwammig-brüchiger Kon-
sistenz. Tamponade. 3 Stunden nach der Operation wurden 30 ccm Blut aus der
Blase entleert. 8 Stunden später starke Durchfeuchtung des Verbandes mit ik-
terischem Urin. 24 Stunden nach der Operation trat der Tod ein unter den
gleichen Erscheinungen wie sonst bei Anurie nach Schwarzwasserfieber.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1253
Verf. hebt hervor, daß trotz des Mißlingens der bisher bekannt gewordenen,
allerdings wenig zahlreichen Fälle angesichts der völligen Aussichtslosigkeit der
nichtoperativen Behandlung weitere chirurgische Versuche durchaus berechtigt
sind. Er empfiehlt, in späteren Fällen statt der bisher vergeblichen Versuche mit
einseitiger Kapselspaltung und Nephrotomie die gleichzeitige beiderseitige chirur-
gische Inangriffnahme der Nieren anzuwenden. Revenstorf (Hamburg).
33) F. Winter (Suderode).. Ein Fall von Torsion des Samenstranges.
(Inaug.-Diss., Leipzig, 1908.)
Pat. erkrankte, nachdem er vorher hier und da Schmerzen von 2—3 Stunden
Dauer im Unterleib gehabt hatte, plötzlich an Erbrechen, ziehenden Schmerzen
im Hoden und schmerzbafter Verdickung des Hodens. Bei der Operation, die in
Detorsion und Orchidopexie bestand, fand man ein abnorm langes Mesorchium.
Verf. rät, gestützt auf den glücklichen Ausgang in diesem Falle, bei jeder Torsion
zum Versuch der Erhaltung des Hodens. Stocker (Bonn).
34) R. Horand. Hydrocèle vaginale d’origine tuberculeuse.
| p (Lyon méd. 1908. Nr. 18.)
Die Hydrokele des Hodens ist in einer gewissen Zahl von Fällen auch dann
eine tuberkulöse, wenn lokale oder allgemeine Zeichen für Tuberkulose fehlen.
H. berichtet über fünf Fälle dieser Art; bei dreien unter ihnen wurde die tuber-
kulöse Natur des Leidens durch Serumdiagnostik sichergestellt, bei zweien durch
andere Umstände wenigstens sehr wahrscheinlich gemacht.
l Boerner (Rastatt).
35) N. W. Kopyloff. Die Behandlung des Kryptorchismus.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXV. Hft. 4.)
Verf. hat in kurzer Zeit eine größere Reihe von Fällen von Kryptorchismus
beobachtet und operiert. Das Verfahren war im ganzen das von Schüller, Riedel
und Czerny, nur mit etwas veränderter Technik. Der Hoden wurde nämlich
nach Lösung des Samenstranges durch eine Naht fixiert, die durch Hodensubstanz
und Hodensack auf beiden Seiten der Raphe hindurch ging. Der Funiculus wurde
dann auch noch durch Nähte am Leistenring und Eingang in den Hodensack fixiert,
um das Hinaufziehen des Hodens zu verhindern. Bei einer Reihe von Fällen blieb
der Hode im Fundus, bei einigen kam er später etwas nach oben zu liegen, machte
aber keine Beschwerden mehr. Jedenfalls war das Resultat stets ein zufrieden-
stellendes. Vielfach waren mit dem Kryptorchismus Hernien, Hydrokelen oder
eine Geschwulst verbunden E. Siegel (Frankfurt a. M.).
36) Rawling. The surgical treatment of the incompletely descended
testis.
(Practitioner 1908. August.)
Bericht über 120 Fälle, die wegen unvollkommenen Descensus testiculi einer
Operation unterworfen waren. 23 Pat. befanden sich zwischen dem 1. und 10. Lebens-
jahre, 64 zwischen dem 10. und 20., und 33 waren über 20 Jahre alt.
Mit dem üblichen Operationsverfahren, den Hoden aus seinen Verbindungen
zu lösen, nach unten herunterzuziehen und mit dem Hodensack an der tiefsten
Stelle zu vernähen, ist R. wenig zufrieden. Von 40 Pat. hatten nur 4 bei dieser
Behandlung ein gutes Resultat; meistens zog sich der Hoden wieder nach oben
zurück. Auch mit der zweiten Methode, den Hoden im Leistenkanal zu lassen
und die Hernie allein zu beseitigen, ist Verf. nicht einverstanden, da leicht eine
bösartige Umwandlung, . eine Torsion und eine Infektion dieses Bauchbodens ein-
treten könne. Verf. empfiehlt vielmehr bei einseitiger Infektion die Entfernung
des Hodens, die er bei 50 Pat. ausführte.
Bei doppelseitigem unvollkommenen Descensus rät Verf. davon ab, beiderseits
den Hoden nach der Bauchhöhle hin zu schieben und die Bruchpforte zu schließen,
da bekanntlich die Bauchhoden ihre Fähigkeit, Samen zu produzieren, verlören,
während 40% der inguinal, pubisch und puboserotal liegenden Hoden weiter
1254 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42.
funktionierten. Bei doppelseitigem Kryptorchismus ist die Operation, wenn irgend
möglich, vor der Pubertätszeit auszuführen; man kann bei genügend langem Samen-
strang den Hoden an das Skrotum zu nähen versuchen oder soll, wenn dies nicht
geht, den Hoden im Leistenkanal liegen lassen und nur die Hernie beseitigen.
Jenckel (Göttingen).
37) Conforti. Contributo all’ istologia del testicolo in retenzione.
(Morgagni 1908. Nr. 7.)
Verf. hat bei acht untersuchten Leistenhoden fünfmal durch den ganzen
Hoden verbreitete, meist in Knotenform vereinigte, seltener zerstreut liegende,
jugendlichen Hodenkanälchen gleichende, mit follikulärem Epithel ausgestattete,
mit sehr kleiner oder gar keiner Lichtung versehene Gänge gefunden. Dazwischen
fanden sich auch weiter entwickelte Kanäle, die eine Zwischenstufe zwischen den
obigen und den wohlausgebildeten, mit Sertoli’schen Stützzellen und Spermato-
gonien versehenen Gängen darstellen. Konzentrisch geschichtete, hyalin aus-
sehende, runde Körperchen wurden extrakanalikulär zweimal gefunden und schienen
keine Beziehung zum Epithel zu haben, sondern von den Basalmembranen aus-
zugehen. Die interstitiellen Zellen schwankten in den untersuchten Fällen sowohl
nach Zahl wie Lagerung außerordentlich. Ihre Vermehrung darf nicht als eine
Art Kompensationshypertrophie aufgefaßt werden, sondern beruht wohl auf einer
Entwicklungshemmung. Dreyer (Köln).
38) Thibierge. Etude clinique sur le kraurosis vulvae.
(Ann. de dermatol. et de syph. 1908. p. 1.)
Verf. faßt seine Beobachtungen folgendermaßen zusammen: Die Kraurosis
vulvae ist charakterisiert durch eine mehr oder weniger beträchtliche Zusammen-
ziehung des Orificium vulvae, durch Atrophie und Glätte der Vulvarschleimhaut
mit Verlust ibrer Elastizität. Ihr geht voraus ein Zustand von kürzerer oder
längerer Dauer, wo allein die Atrophie und Glätte der Vulvarschleimhaut be-
stehen. Die Kraurosis ist die Folge der Involution der Gewebe, die dem Orificium
vulvae benachbart sind, und ist verknüpft mit der Unterdrückung der Funktion
der Ovarien.
Unter 94 Frauen jeden Alters fand Verf. sie zwölfmal. Zum Schlusse bringt
er kurz 16 eigene Beobachtungen. Klingmüller (Kiel).
39) Butler and Long. The vaccine treatment of gonorrhoeal vulvo-
vaginitis in children.
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. Nr. 10.)
Die Verff. haben zwölf kleine Mädchen von 1!/ Jahren bis zu 12 Jahren mit
gonorrhoischer Vulvovaginitis nach dem Wright'schen Verfahren behandelt. Der
Erfolg war, daß in vier Fällen innerhalb 10 Tagen bis zu 3 Wochen jegliche Ab-
sonderung verschwand und keine Gonokokken mehr nachweisbar waren. In fünf
weiteren Fällen gelang es nach längerer Zeit, den Fluor und die Gonokokken zu
beseitigen; nur drei Fälle blieben ungeheilt.
Diesen zwölf Fällen stellen die Verff. zwölf andere gegenüber, welche in bisher
üblicher Weise mit antigonorrhoischen Mitteln äußerlich behandelt worden waren;
von diesen ist nur bei dreien die Absonderung verschwunden, aber nur einer dieser
Pat. hat keine Gonokokken mehr.
Es scheint also die Wright’sche Methode einen wesentlichen Fortschritt
auch in der Behandlung derartiger Krankheitsfälle zu bedeuten.
W. v. Brunn (Rostock).
40) Berkofsky. Zur Unterbindung der Venae spermaticae bei puer-
peraler Pyämie.
(Deutsche med. Wochenschrift 1908. Nr. 17.)
In drei Fällen wurde mit alleiniger Unterbindung der Vena spermatica ein
günstiger Erfolg erzielt. Die transperitonale Unterbindung der Spermatikalvenen
kann als ein ungefährlicher Eingriff bezeichnet werden. Borchard (Posen).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1255
41) Puech et Massabuau. Les tumeurs mixtes du col de l'utérus.
(Province méd. 1908. Nr. 19.)
Die Mischgeschwülste des Uterushalses sind selten. Verff. haben in der Lite-
ratur 15 Fälle gefunden, denen sie einen neuen hinzufügen. Es handelte sich um
ein Chondromyxoadenofibrom der Cervix, das gestielt in die Scheide hineinragte.
Die Geschwulst wurde exstirpiert, da die Einwilligung zur Uterusexstirpation ver-
weigert wurde. Verff. raten wegen der Möglichkeit der bösartigen Umwandlung
solcher Mischgeschwülste zu radikalem Vorgehen. A. Hofmann (Karlsruhe).
42) B. A. Lucio (Pisa). Sopra alcuni casi di tumori solidi dell’ ovaio.
(Clinica chirurgica 1907. Nr. 9.)
Mit Rücksicht auf die relative Seltenheit der soliden Eierstocksgeschwülste
(1,5%) gewinnt die Mitteilung L.'s über sechs solche Fälle, ein Peritheliom, ein
Sarkom und vier Fibrome, an Bedeutung. Die sorgfältigen histologischen Unter-
suchungen und Folgerungen speziell für die Fibrome seien dem Spezialforscher
besonders empfohlen. J. Sternberg (Wien).
43) Briggs. Fulminating pelvic-abdominal edema simulating ruptured
tubal pregnancy.
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. Nr. 7.)
Zwei eigene Beobachtungen dieses bisher nur wenig bekannten Leidens, von
dem bisher nur zwei Fälle (Jocet und Legueu) publiziert worden sind.
Die Pat., beides Damen in mittleren Jahren, erkrankten plötzlich mit allen
Symptomen des Tubenrisses.. Das Becken erwies sich bei der Untersuchung mit
fluktuierenden Massen ausgefüllt.
Bei der Operation ergab sich beide Male das gleiche Bild: massenhafte seröse
Exsudation unter die Serosa der Beckeneingeweide, im zweiten Fall auch unter
die Serosa der Bauchdecken mit Erguß in die freie Becken-Bauchhöhle.
Die erste Pat. genas danach, die zweite starb. Auch die Autopsie vermochte
durchaus keine Ursache für diese merkwürdige Erkrankung aufzudecken.
Wahrscheinlich ist sie angioneurotischen Ursprunges.
W. v. Brin (Rostock).
44) P. Makrowski. Über Leberabszesse.
(Russ. Archiv für Chirurgie 1908. [Russisch.])
1) Ein 40jähriger Ingenieur erkrankte am 31. Dezember an Appendicitis mit
heftigen Schmerzen und Frösten. Am 21. Januar stand er auf eigene Hand auf
und bekam einen sehr schweren Schüttelfrost. Da Fieber und Fröste anhielten,
kam er am 24. Januar in die Klinik von Prof. Spisharny.
Er klagte über Schmerzen im Epigastrium und rechts am Rippenbogen. Bei
Lagewechsel und linker Seitenlage Schüttelfrost. Kein Ikterus. Der Leib war
leicht aufgetrieben, spannte sich bei jeder Berührung besonders rechts. Die Haupt-
schmerzen wurden in der Gallenblasengegend geklagt; die Leber war nicht, die
Milz deutlich vergrößert.
Während Ötägiger Beobachtung und symptomatischer Behandlung besserten
sich die Schmerzen und ließ die Leibesspannung nach, während das Fieber
anhielt.
30. Januar Operation (J. P. Alexinski). Durch einen Längsschnitt am äußeren
Rectusrand wurde zunächst eine Vergrößerung der derben, scharfrandigen Leber
festgestellt. Durch einen zweiten Schnitt wurde der in Verwachsungen eingebettete
Wurm freigelegt und reseziert. Beide Wunden heilten glatt, während Fieber und
Fröste anhielten. Am 6. Februar begann Pat. über Schmerzen in der Lebergegend
bei tiefem Atmen und Druck zu klagen.
9, Februar Operation. Resektion der 9. Rippe am r. Angulus scapulae. Probe-
punktion negativ, auch vier weitere in den nächsten Tagen.
20. Februar Operation. Öffnung der Pleura an der Stelle der alten Rippen-
resektion, wobei Pneumothorax entstand, der mit Potain abgesogen wurde, nach-
dem das Zwerchfell an die Pleurawunde fixiert war. Tamponade.
1256 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42.
23. Februar Operation. Schnitt durch das Zwerchfell, von dem aus die Leber
(und Niere) ohne Befund abgetastet wurde. Tamponade nach beiden Seiten. Viel-
fache Punktionen blieben resultatlos. Endlich wurde am 6. April eine erweichte
Stelle in der Leber stumpf geöffnet, wobei zwei Eßlöflel dicken Eiters sich ent-
leerten. Von jetzt ab besserte sich das Allgemeinbefinden und sank die Tempe-
ratur.
Pat. wurde am 14. April entlassen, das Krankenlager zog sich aber bis in den
Juni hin. |
2) Seit 2 Jahren litt der jetzt 21jährige Student an häufigen Durchfällen mit
Schmerzen und aufgetriebenem Leib. Im September 1906 gesellte sich zu Durch-
fällen das Gefühl der Schwere im Epigastrium. Ende Oktober fing das Allgemein-
befinden an schlecht zu werden, hin und wieder hatte Pat. Schüttelfrost. Zu be-
ständigen dumpfen Schmerzen im Epigastrium gesellten sich allmählich Fieber und
Fröste. Der Leberrand war in ganzer Ausdehnung schmerzhaft und zeitweise pal-
pabel (?). Pat. war nie ikterisch. Der Schnittpunkt des Rippenbogens und
äußeren Rectusrandes war intensiv schmerzhaft. Die Lungen waren normal und
verschieblich. Ä |
29. Dezember Operation (J. K. Spisharny). Schnitt am äußeren Rectus-
rand. Ein Bauchdeckenabszeß hing durch eine Fistel mit einem intraperitonealen
Abszeß zusammen und dieser wieder mit einem dritten in der Tiefe mehr zur
Mittellinie hin. Drainage. Zunächst Besserung. Vom 27. Dezember ab wurden
von der ersten Wunde aus noch mehrere kleine Abszesse eröffnet. Eine links-
seitige Pneumonie mit rechtsseitigem Empyem führte am 4. Januar zum Tode.
Die Autopsie lehrte, daß die Operationswunden in der Leber lagen. Außer-
dem fanden sich noch »viele« unberührte Abszesse hauptsächlich im linken, aber
auch im rechten Leberlappen. Die Gallenwege wurden frei gefunden. Woher
die Abszesse stammten, blieb unaufgeklärt. V. E. Mertens (Kiel).
45) Outerbridge. Calcified pancreatic cyst.
(Univ. of Pennsylvania med. bull. 1908. Juli.)
Die Pat., die seit 12 Jahren an Diabetes und in den letzten Jahren an Leber-
koliken litt, bemerkte seit 4 Jahren eine zunehmende Schwellung in der Magen-
gegend. Bei der Operation wurde retroperitoneal, hinter Magen und Querkolon,
eine steinharte, kokosnußgroße, nur wenig bewegliche Geschwulst gefunden, welche
die Stelle des Pankreas einnahm. Die Inzision der Geschwulst ergab, daß es sich
um eine Cyste mit verkalkten, fest mit der Umgebung verwachsenen Wänden und
mit dermoidcystenähnlichem Inhalte handelte. Drainage der Cyste, Entfernung
eines taubeneigroßen Steines aus der Gallenblase. Cholecystostomie. Tod nach
16 Tagen an Azetonurie. Mohr (Bielefeld).
46) Stockton and Williams. Acute pancreatitis.
(Buffalo med. journ. 1908. Juli.)
Verff. berichten über vier sämtlich tödlich geendete Fälle von akuter hämor-
rhagischer Pankreatitis mit Autopsiebefund und exakter histologischer und bak-
teriologischer Untersuchung. Von den beiden operierten Fällen ist der eine dadurch
bemerkenswert, daß die Pankreatitis sekundär durch Perforation eines Duodenal-
geschwüres verursacht wurde; bei der Operation fand man nach Durchtrennung
ausgedehnter Verwachsungen in der Gegend des verhärteten Pankreas einen Abszeß,
dessen Ursprung erst bei der Autopsie klar wurde, nämlich Perforation eines dicht
an der Ausmündungsstelle des Pankreas gelegenen Duodenalgeschwüres.
Mohr (Bielefeld).
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden.
Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau,
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig.
Zentralblatt für Chirurgie
herausgegeben von
K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER,
in Bonn, in Berlin, in Breslau.
35. Jahrgang.
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG.
Nr. 43. Sonnabend, den 24. Oktober 1908.
Inhalt.
H. Jselin, Behandlung akut eitriger Entzündungen mit heißer Luft. (Originalmitteilung.)
1) Nielot und Romary, Verletzungen durch Jagdfeuerwaffen. — 2) Crile, Chirurgischer Chok.
— 8) Strasser, Muskel- und Gelenkmechanik. — 4) Hoffa und Wollenberg, Arthritis deformans
und chronischer Gelenkrheumatismus. — 5) Alamartine, Hypertrophierende Knochengelenkent-
zündungen tuberkulösen Ursprungs. — 6) Titus, Gonorrhoische Gelenkentzündung. — 7) Gara,
Fibrolysin bei Ankylosen. — 8) Ritter, Sehnennaht. — 9) Nerking, Narkose und Lezithin. —
10) De Witt Stetten, Narkose. — 11) Spielmeyer, 12) Chaput, Luinbaranästhesie. — 18) Schül-
ler, Die diploötischen Venenkanäle des Schädels. — 14) Sajous, Der hypophyseo-suprarenale
Nervenapparat. — 15) Wischnewski, Stirnhöhlenoperation. — 16) Witzel, 17) Lerda und Ma-
rangoli, Zur Alveolar- und Zahnchirurgie. — 18) Reinmöller, Empyem des Antrum Highmori. —
19) Schönstadt, Plastische Technik nach Oberkieferresektion. — 20) Nicolaysen, Radiusbruch.
— 21) Lange, Kniebrüche. — 22) Tietze, Fersenbeinbrüche. — 23) Lenormant, Verrenkungen im
Lisfranc’schen Gelenk.
D. Hellin, Die Behandlung von Abszessen. (Originalmitteilung )
24) Peltesohn, Zur operativen Behandlung von Knochenbrüchen. — 25) v. Khautz jun.,
Muskelschwielen. — 26) Lorenz, Myositis fibrosa. — 27) Porcile, Muskelangiome. — 28) Spitzy,
29) Taylor, 30) Osterhans, Nervenplastik. — 31) Lop, Anästhesierungsapparat. — 82) Dönitz,
33) Holzbach, Zur Anästhesierungsfrage. — 34) Courmont und Cade, Kleinhirngeschwulst, —
35) de Renzi, Hirncysticercus und Leberechinokokken. — 86) Anton und v. Bramann, Hydro-
cephalus. — 87) Hajek, 38) Kellner, Kieferhöhlenempyem. — 39) Kahler, Cholesteatome der
Nebenhöhlen. — 40) Barret und Orr, Unterbindung der Carotis ext. wegen Nasenbluten. —
41) Alessandri, Konservative Chirurgie bei Knochen- und Gelenkleiden. — 42) Oppel, Zur Nerven-
chirurgie. — 43) Anglada, Doppelseitige Schulterverrenkung. — 44) Bovero, Der Processus supra-
condyloideus humeri. — 45) Villars und Canaguler, Intramuskuläres Lipom. — 46) Thon, Trau-
matische Ulnarislähmung. — 47) Waechter, Epiphysenbruch des Radius. — 48) Guzzi, Trauma-
tisches Handödem. — 49) Bull, Verrenkung des Os capitatum. — 50) Reismann, 51) Vogel,
Narbenkontraktur der Hand. — 52) Kofmann, Bruch der Phalangen. — 53) Hintz, Sarkom einer
Phalanx. — 54) Bruce, Hüftleiden und Ischias. — 55) Gillette, Unterbindung der A. iliaca com-
munis. — 56) Binnie, 57) Abbe, 58) Blake, Aneurysmorrhaphie. — 59) Morävek, Kniescheiben-
sarkom. — 60) Schwarz, Fibromatöse Verdickung der Achillessehne. — 61) Niosi, Syphilitische
Erkrankung von subkutanem Gewebe des Oberschenkels. — 62) Znojemsky, Fersenbeinbrüche.
Berichtigung.
Aus der chirurgischen Klinik und Poliklinik in Basel,
Direktor: Prof. Dr. Wilms.
Behandlung akut eitriger Entzündungen
mit heißer Luft.
Von
Dr. Hans Jselin,
I. Assistenzarzt.
eit Bier die Hyperämie als Heilmittel wissenschaftlich und prak-
tisch zu Ehren gebracht hat, ist das Interesse für die Behandlung
der entzündlichen Prozesse rege geworden. Bier brauchte zur Heilung
entzündlicher Krankheiten ausschließlich die passive Hyperämie, die
45
1258 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43.
Stauung. Die aktive Hyperämie hält er dafür ungeeignet und will
sie nur bei chronischen Vorgängen zur Unterstützung der Resorption
angewendet wissen (vgl. Die Hyperämie als Heilmittel, bei Vogel,
4907 p. 422, ferner p. 158, 163, 164 und 250). Klapp! benutzt die
heiße Luft erst, »wenn die Eiterung versiegt und die Entzündung ab-
geklungen ist, zur Erhöhung der Mobilisierung«. Ullmann? und auch
Bier ließen mit Erfolg heiße Luft auf oberflächliche Geschwüre ein-
wirken. Zur Bekämpfung phlegmonöser Entzündungen ist
das alte Volksheilmittel Wärme bisher als heiße Luft noch
nicht systematisch verwendet worden. Die vortrefflichen Tier-
versuche Schäffer's? haben uns Mut gemacht, die Heilwirkung der
Wärme bei eitrigen frischen Entzündungen zu erproben. Die
heiße Luft wurde gewählt, weil die Haut dabei am wenigsten leidet,
und weil dieses Mittel am besten den chirurgischen Anforderungen
an reinliche Wundpflege gerecht wird. Schäffer behandelte künstlich
erzeugte subkutane Entzündungen am Tier; er gab den heißen Um-
schlägen den Vorzug. Unsere Erfahrungen am Menschen rechtfertigen
die Wahl der heißen Luft.
Der Heißlufttherapie, dem sog. »Heizen«, geht immer der chirur-
gische Eingriff voran: In Bromäthernarkose und bei Blutleere wird
der Abszeß gespalten, der Ursprung der Eiterung klargelegt, Eiter
und nekrotisches gelöstes Gewebe werden mit physiologischer Koch-
salzlösung ausgespült und die Eiterhöhle wird mit Jodoformgaze, die
2 Tage liegen bleibt, ausgelegt. Bei den eitrigen Sehnenscheiden-
phlegmonen legen wir die Schnitte von Klapp! an. Das Heizen
beginnt am Tage nach der Operation.
Seit einem halben Jahre werden in der chirurgischen Poliklinik
alle phlegmonösen Erkrankungen der oberen Glieder mit heißer Luft
behandelt. Selbst auswärtige Kranke unterziehen sich gern der
etwas zeitraubenden Kur, weil, wie sie sagen, die heiße Luft die
Schmerzen nimmt. Erstaunlich war für uns die Verkürzung der
Heilungszeit; die Eiterung hörte nach einigen Tagen auf, die Wunden
reinigten sich rascher und schlossen sich schneller als ohne dieses
Mittel. |
Die Anwendung ist folgende: als Wärmequellen dienen uns die
billigen Bier’schen Holzheizkästen. 2—3 Stunden täglich 2mal wirkt
die Wärme ein. Die Kastentemperatur beträgt in halber Höhe | bis
110° ©. Innerhalb dieser Grenzen bleibt der Wärmegrad an der
Haut ziemlich unabhänig von der Kastentemperatur; fast immer zeigte
das Thermometer 44—47° C., gleichgültig, ob es in einer Digitalfalte,
oder auf der bloßen Haut oder unter dünnem trockenen oder feuchten
Mullverband lag. Die rasche Blutzirkulation und die Schweiß-
1 Klapp, Die Behandlung der Sehinenscheidenphlegmone. Berliner klin.
Wochenschrift 1908. Nr. 15. |
2 Ullmann, Wiener klin. Wochenschrift 1901.
3 Jean Schäffer, Der Einfluß unserer therapeutischen Maßnahmen auf die
Entzündung. (Aus der Breslauer Hautklinik.) Stuttgart, Enke, 1907.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 1259
verdunstung scheinen schädliche Temperaturerhöhungen zu verhüten.
Den konstanten Wärmegrad von 46° C an der Haut hat auch Wilms*
1898 bei »seiner forcierten Wärmebehandlung von Gelenkerkrankungen
mittels einfachen Wärmeapparates« gefunden. Schäffer hält 46° für
die wirksamste Temperatur. Daß die Hyperämie erwärmend in die Tiefe
wirkt, haben die Temperaturmessungen in der menschlichen Harnröhre
bei Wärmeanwendung auf den Damm von Wilms und auch Quincke
bewiesen; Steigerung bis zu 3° konnte festgestellt werden. — Die Wir-
kung der heißen Luft äußert sich in bekannter Weise auf der Haut.
Die geheizten Stellen werden ödematös. Genähte Wunden schwitzen
klares Serum durch die Nahtlücken aus. Die künstliche Schwellung
verschwindet meist über Nacht, die Rötung noch schneller.
Unsere Erfahrungen sollen an anderer Stelle ausführlich ver-
öffentlicht werden, sie seien hier nur angedeutet: Entzündete Weich-
teilverletzungen wurden mit Erfolg geheizt; vernachlässigte durch-
gehende Fingerverletzungen, Fälle, in denen wir früher sofort amputiert
hatten, konnten konservativ behandelt werden. Tiefe Hohlhandphleg-
monen (drei Beobachtungen) heilten binnen 12—15 Tagen, tiefe
Panaritien des ganzen Fingers mit teilweiser Nekrose der Sehnen-
scheide (5 Fälle) in 8—14 Tagen ohne Schädigung der Sehne.
Bei drei eitrigen Sehnenscheidenphlegmonen mit Eiterung bis
in die Hohlhand blieben die Sebnen mit ganzer Bewegungsfähigkeit
erhalten. Diese Ergebnisse haben die fatale Prognose der eitrigen
Sehnenscheidenphlegmonen gebessert und die Behandlung eitriger Ent-
zündungen überhaupt zu einer erfreulicheren gemacht. Wir empfehlen
dieses Verfahren genauer Prüfung.
1) Niclot et Romary. Les blessures par armes de chasse
et l'infection. Contribution expérimentale.
(Revue de chir. XXVII. ann. Nr. 6.)
Die Jagdfeuerwaffen unterscheiden sich von denen des Heeres
wesentlich durch Tragweite und Geschosse. Deshalb unterliegen auch
die von ihnen gesetzten Verletzungen und die sie begleitenden Infek-
tionen z. T. anderen Bedingungen. Wie die Verff. in einer Reihe von
Kultur- und Schießversuchen unter wechselnden Anordnungen fest-
stellten, können sich Bakterien an der Oberfläche des Bleies und der
Schwarzpulverkörner nicht allzu lange lebend erhalten und nur schlecht
vermehren. Beim Schrot spielt auch die Legierung, die Politur und
die Oberflächenadhärenz für die Haftung der Mikrobenleiber eine wich-
tige Rolle. Die Vorladung ist je nach dem Material (Filz, Wolle,
Fett, Wachs, Kautschuk, Papier- oder Stoffreste) in wechselndem
Grade keimreich. Nach Schüssen auf sterilisierte Sandsäcke erwiesen
sich die mit einer bestimmten Bakterienart beschickten Bleikörner fast
immer keimfrei, die getroffenen Stellen des Sackes infiziert, ein Er-
—
4 Wilms, Deutsche med. Wochenschrift 1898. Nr. 23.
45*
1260 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43.
gebnis, das die Verff. weniger dem »Abwischen« des Bleies an der
Sackwand als dem Umstande zuschreiben, daß Blei und seine Legie-
rungen an und für sich bakterientötend wirken. Die mittleren Körner
eines auf eine Paraffintafel abgegebenen Schrotschusses sind weit
keimärmer als die seitwärts gestreuten, welche oft Luftkeime mitreißen.
Die lebendige Kraft und die Stichflamme der Pulvergase wirken eben
mehr auf die zentralen Körner. Von infiziertem Schwarzpulver können
nur einzelne unvollständig verbrannte Körner bei Nahschüssen noch
Keime in die Wunde tragen, da die Verbrennungstemperatur mehr
als 120° beträgt. Die Vorladung wird bei dieser Temperatur nur
äußerlich sterilisiert (»geröstet«), so daB ihr meist keimreiches Material,
wenn es ganz oder teilweise in der Wunde stecken bleibt, regelmäßig
Infektionen bewirkt.
In Schußkanälen durch Gelatinezylinder werden im ganzen Ver-
laufe, besonders aber am Eingange, Keime abgesetzt.
Diese experimentellen Ergebnisse werden am lebenden Objekt
durch mitgerissene Kleider- und Hautfetzen, die Zertrümmerung des
Gewebes und die Art der Wundversorgung wesentlich abgeändert.
Auch scheinen hier die Anaeroben (malignes Odem) als Infektions-
erreger vorzuherrschen. Tetanusinfektionen sind die Verff. in ihrem
Beobachtungsgebiete — Süd-Algier und Sahara — nicht begegnet.
Gutzeit (Neidenburg).
2) G. Crile (Cleveland). Surgical shock.
(Boston med. and surg. journ. 1908. Juni 25.)
C., dem wir schon verschiedene ausgezeichnete experimentelle
und klinische Studien über das Wesen und die Bekämpfung des
chirurgischen Choks verdanken, legt hier in einem in der Harvey-
Gesellschaft in Neuyork gehaltenen Vortrage den Unterschied und die
Beziehungen zwischen Hämorrhagie und Chok dar und knüpft daran
allgemeine und spezielle Vorschläge seiner Verhütung und Behandlung.
Wenn sich die Hämorrhagie nicht sonst klinisch sicher bemerk-
bar macht, so gibt oft die Blutuntersuchung Aufschluß darüber, ob
wir es mit einer Hämorrhagie oder mit einem Chok, den C. eine
intravaskuläre Hämorrhagie nennt, zu tun haben. Bei einer echten
oder extravaskulären Hämorrhagie findet man in klinischen Unter-
suchungen kurze Zeit nach Beginn Sinken des Hämoglobins und der
roten Blutkörperchen und sofort, meist vor Eintritt jener Veränderung,
Steigen der Leukocytenzahl, während beim Chok diese Blutbestand-
teile keine oder keine nennenswerte Veränderung zeigen.
C. warnt bei der Besprechung der mannigfachen psychischen Mo-
mente vor übertriebener Vorbereitung der Pat., die er ebenso verwirft
wie zu nachlässige. Er erinnert an die allgemein bekannte, aber selbst
in den besten Kliniken nur zu oft vernachlässigte Forderung, vor Be-
ginn der Operation möglichst alles von dem Pat. fernzuhalten, was
ihn unnötig aufregt. Der taktvollen Einleitung und sorgfältigen Durch-
führung der Narkose widmet er beherzigenswerte Worte.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 1261
Was die Beziehungen der Hämorrhagie zum Chok anlangt, so
hebt C. die wohlbekannte Tatsache hervor, daß Kinder wie alte Leute
auf Blutverlust gern mit schwerem Chok reagieren, sowie daß Pat.,
die viel Blut verloren haben, in größerer Chokgefahr schweben, und
knüpft die Forderung an, in diesen Fällen die Vorsichtsmaßregeln zu
verschärfen.
Hinsichtlich der chirurgischen Technik widmete er den einzelnen
Körperteilen besondere Betrachtungen, aus denen Folgendes hervor-
gehoben sei. Bei Gehirnoperationen narkotisiert er im Gegensatz zu
Horsley, der Chloroform verwendet, nur mit Ather, wenn auch die
venöse Blutung beim Chloroform etwas geringer sein mag. Schonendste
Eröffnung des Schädels, wenn möglich nicht mit Hammer und Meißel,
sowie möglichst zarte Berührung des Gehirns erscheinen ihm wichtige,
oft nicht genügend gewürdigte Gesichtspunkte.
Im Anschluß an die Erwägung, daß gesteigerter Hirndruck auf
den intrakraniellen Blutdruck hemmend wirkt, event. so stark, daß
letzterer für die Ernährung der lebenswichtigen Zentra nicht mehr
ausreicht, sucht ©. in Fällen von Hirngeschwülsten usw. alles mit be-
sonderer Vorsicht zu vermeiden, was diesen Druck weiter vermindern
kann.
C. erwähnt vier Fälle von Hirndruck, in denen im Beginn der
Narkose die Atmung aussetzte; in zwei von diesen Fällen gelang es
ihm unter gleichzeitiger künstlicher Atmung die Trepanation rasch
genug auszuführen, worauf die Atmung spontan wieder begann. (Ref.
hat zwei ganz gleiche Fälle in der chirurgischen Klinik in Breslau
erlebt.)
Bei Operationen am Mund, Gesicht und Hals sind Blutverlust,
Narkosenzufälle und Reflexe, welche die Herztätigkeit hemmen, die
hauptsächlichsten zum Chok führenden Umstände, die sich jedoch alle
bei genügender Vorsicht vermeiden lassen. Bei Operationen am Kehl-
kopf, Rachen und Nasen-Rachenraum gibt Verf. vorher Atropin und
setzt außerdem die Reflexe durch Kokainisieren der Schleimhäute
herab.
Eine große Rolle spielt der Chok bei Operationen in der Brust-
höhle, wo Überfüllung der großen Venenstämme, ja akute Herzerwei-
terung die Folge unzweckmäßigen Vorgehens sein können. U. nimmt
an, daß ein Teil der üblen Zufälle, die man durch Verdrängung oder
Verlagerung der großen Gefäße und des Herzens zu erklären suchte,
so eine bessere Erklärung finden. (Nach Ansicht des Ref. kann sich
vielleicht aus der exakteren Beobachtung, die das Operieren in der
Sauerbruch’schen Kammer oder in Überdruckapparaten erlaubt,
eine Entscheidung über diese Frage gewinnen lassen.)
Bei Operationen am Bauch, von denen namentlich die wegen
eiternder Prozesse vorgenommenen eine große Chokgefahr involvieren,
vermeide man nach Möglichkeit Narkosen selbst mit Ather und suche
mit Stickoxyd auszukommen event. durch Morphium eine wesentliche
Ersparnis des Narkotikums zu erzielen.
1262 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43.
Bei Chokgefahr durch Amputationen legt C. vorher den Plexus
frei und kokainisiert ihn. Im traumatischen Chok operiert er nur
dann unmittelbar nach der Einlieferung des Pat., wenn die Operation
mit lokaler oder spinaler Anästhesie vorgenommen werden kann; an-
dernfalls wartet er erst die Reaktion ab.
Zum Schluß bespricht C. die Wirkung der direkten Bluttrans-
fusion auf den Blutdruck; während er unmittelbar nach einer solchen
Transfusion eine Erhöhung des Druckes um 15 bis 120 mm Hg fest-
stellen konnte, erreichte er durch venöse Kochsalzinfusion niemals
mehr als wenige Millimeter. Dabei warnt er aber vor sogenannter
Übertransfusion, die im Tierversuch die schwersten Störungen, wie
Lungenödem, hervorrief. Andererseits stellte er fest, daß Tiere nach
einer Bluttransfusion Chok hervorrufende Maßnahmen weit besser ver-
trugen.
C. warnt vor Bluttransfusion in Fällen von schweren organischen
Herzveränderungen, da das Herz dann der zugemuteten Mehrarbeit
nicht Herr wird, empfiehlt sie aber in Fällen von Chok bei sonst ge-
sundem Herzen aufs wärmste, ganz besonders wenn Blutverlust die
Ursache des Choks ist. H. Bucholz (Boston).
3) H. Strasser. Lehrbuch der Muskel- und Gelenkmechanik.
I. Band: Allgemeiner Teil. Mit 100 Textfiguren.
Berlin, Julius Springer, 1908.
Das vorliegende Buch hat zum Gegenstand die Mechanik des
menschlichen Stütz- und Bewegungsapparates. Auf diesen paßt ganz
besonders der Vergleich mit einer Maschine, welche wunderbar kunst-
voll gebaut ist und den mannigfaltigsten Aufgaben zu genügen ver-
mag. Während die Erforschung der Vorgänge, durch welche in den
Muskelfasern die mechanische Triebkraft erzeugt wird, wesentlich in
das Gebiet der Physiologie fällt, geschieht die Erforschung des
Maschinenbaues mit anatomischen Methoden. Die Einführung in die
Maschinenlehre des Körpers muß eine der Aufgaben des anatomischen
Unterrichtes und der Tätigkeit auf dem Seziersaale sein. Das vor-
liegende Lehrbuch soll im wesentlichen ein Hilfsbuch für den ana-
tomischen Unterricht sein.
Das Werk zerfällt in einen allgemeinen und einen speziellen Teil.
Letzterer soll sich besonders eng an den praktischen anatomischen
Unterricht angliedern und eine spezielle Anleitung sein zum Studium
der mechanischen Verhältnisse der Muskeln und Gelenke bei der Prä-
paration. Im allgemeinen Teile, der jetzt vorliegt, werden die wich-
tigeren allgemeinen mechanischen Probleme, die sich in der Muskel-
und Gelenkmechanik darbieten, klar formuliert und im vollen Umfang
und Zusammenhang erläutert.
Von besonderer Wichtigkeit ist der erste Abschnitt, der den
Mediziner in die Grundbegriffe der theoretischen Mechanik einführen
soll. Gerade mit diesem Abschnitt füllt Verf. eine Lücke in der
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 1263
medizinischen Literatur aus, da bis jetzt ein kurzer Leitfaden fehlt,
der den Mediziner über die Grundprinzipien der Mechanik aufklärt,
und in dem das Hauptgewicht nicht auf die Zusammenstellung von
Formeln, sondern auf die Gewinnung richtiger elementarer Vorstel-
lungen über das mechanische Geschehen und auf die Schulung des
räumlichen Vorstellungsvermögens gelegt ist.
Der zweite Hauptabschnitt behandelt die allgemeinen mechanischen
Verbältnisse des Skeletts und der Muskeln, der dritte führt den Leser
in die allgemeinen Probleme der Gelenk- und Muskelmechanik ein.
Hier werden an einzelnen Beispielen Untersuchungen über das Gleich-
gewicht der Kräfte im Ruhezustande des Gelenkapparates aus dem
Gebiete der Statik und bei Bewegungen der Glieder untereinander
aus dem Gebiete der Kinetik und Dynamik vorgeführt.
Ein ausführliches Literaturverzeichnis von Werken über theore-
tische und technische Mechanik, über Anatomie und Physiologie und
Muskel- und Gelenkmechanik beschließt das lehrreiche Werk, dessen
zweiter spezieller Teil besonders für den Chirurgen des Bewegungs-
apparates von großer Wichtigkeit sein wird. Drehmann (Berlin).
4) A. Hoffa und A. Wollenberg. Arthritis deformans und
sogenannter chronischer Gelenkrheumatismus. Eine röntgeno-
logische und anatomische Studie. Mit 178 Abbild. 299 S.
Stuttgart, Ferdinand Enke, 1908.
Das vorliegende Werk, dessen Herausgabe H. nicht mehr erleben
sollte, berichtet über Studien, welche dieser gemeinschaftlich mit seinem
Assistenten W. unternahm, um das unklare Gebiet der chronischen
Gelenkkrankheiten, die gewöhnlich unter der Rubrik des chronischen
Gelenkrheumatismus zusammengeworfen werden, zu klären.
In der Einleitung stellen die Autoren eine Einteilung der Gelenk-
krankheiten auf im Vergleich zu der Einteilung früherer Autoren.
Die weiteren Ausführungen sollen zeigen, daß die Osteoarthritis
deformans einerseits und die Polyarthritis chronica primitiva progres-
siva, sowie der sekundäre chronische Gelenkrheumatismus andererseits
voneinander in klinischer wie anatomischer Beziehung streng zu trennen
sind. In der weiteren Ausführung werden die drei Krankheitsbilder
unter Darstellung zahlreicher Krankengeschichten, Röntgenbefunde
und anatomischer Untersuchungen genau präzigiert. Der anatomische
Teil stellt die Habilitationsschrift W.’s dar.
Die Arthritis deformans, die nur eine kurze Besprechung erfährt,
da später aus der Feder W.’s eine ausführliche Veröffentlichung er-
folgen soll, zeigt im Röntgenbild außer Deformationen, die sich rein
mechanisch durch Belastung eines für seine Aufgabe nicht genügend
tragfähigen Knochens erklären lassen, noch Gestaltsveränderungen
durch aktive Knochenneubildung. Die nach Sauerstoffeinblasung her-
gestellten Röntgenbilder zeigen, daß eine Kapselschrumpfung mit Ver-
1264 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43.
ödung der Gelenkhöhle nicht nachweisbar ist. Die Synovialis scheint
nur mäßig verdickt und mit geringgradigen Wucherungen versehen.
Die anatomischen Untersuchungen bestätigen diesen Befund, ebenso
die ausführlichen mikroskopischen Untersuchungen der Synovialis. Die
letzteren zeigen, daB prinzipielle Unterschiede im anatomischen Bilde
der Synovialis zwischen Arthritis deformans und Arthritis traumatica
nicht vorliegen. Atiologisch unterscheiden Verff. eine spontane, eine
reaktive im Senium, nach Traumen oder Entzündungen und eine neuro-
gene Arthritis deformans.
- Therapeutisch interessieren uns einige Resektionen des Schenkel-
kopfes bei deformierender Arthritis des Hüftgelenkes und die Exstir-
pation subpatellarer Fettzotten am Kniegelenk. Die Erfolge des
letzteren Eingriffes sind aus den Krankengeschichten nicht zu erkennen.
Die primäre chronische progressive Polyarthritis, ein progredienter
Prozeß, der häufig schon im frühen Alter beginnt und außer den
Gelenken auch Sehnenscheiden und Schleimbeutel ergreift, von
unbekannter Atiologie, zeigt im Röntgenbilde keine Knochendeforma-
tionen, sondern im Vordergrunde stehen Atrophie, Kapselschrumpfung
und Kontraktur. Erst in späteren Stadien kommt es durch Hinzu-
treten von Arthritis deformans zu Wucherungen.
Die dritte Gruppe, der sekundäre chronische Gelenkrheumatismus,
der sich nach einem akuten Stadium entwickelt, zeigt fast die gleichen
Röntgenbefunde, nur daß die Ankylosierungsprozesse und Synostose
ganzer Skelettabschnitte eine größere Rolle spielen, dafür aber der
Ernährungszustand der Knochen eher eine Besserung erfährt.
Ein großes Kapitel behandelt die Anatomie der chronischen pro-
gressiven Polyarthritiden. Einer ausführlichen Übersicht der in der
Literatur niedergelegten Befunde folgt eine breite Darlegung der
eigenen makroskopischen und mikroskopischen Befunde, auf deren
Wiedergabe hier nicht näher eingegangen werden kann. Der Befund
erinnert an die Bilder, die wir bei der infektiösen Arthritis finden.
Wir hoffen, daß das Buch eine Anregung geben möge, besonders
auf dem Gebiete der Atiologie dieser Gelenkerkrankungen weiter zu
forschen, damit wir in die Lage kommen, prophylaktisch gegen dieses
schwere Leiden etwas zu erreichen, gegen das unsere Therapie so gut
wie aussichtslos ist. Drehmann (Breslau).
5) Alamartine. Osteo-arthropathies hypertrophiantes d’ori-
gine tuberculeuse. Lè ròle de la tuberculose dans le syndrome
de P. Marie.
(Revue de chir. XXVII. ann. Nr. 6.)
Die aus der Klinik Poncet’s hervorgegangene Arbeit erbringt
den Nachweis, daß eine ziemlich große Zahl hypertrophierender
Knochengelenkentzündungen unter der von P. Marie beschriebenen
Form, mit und ohne Trommelschlägelfinger, auf Tuberkulose zurück-
zuführen sind. Ebenso wie beim Rheumatismus tuberculosus Pon cet’s
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 1265
handelt es sich nur um eine Toxinwirkung der Tuberkelbazillen; die
typischen tuberkulösen Gewebsbildungen, -zerstörungen und -ver-
käsungen fehlen regelmäßig. Rarefizierende Prozesse im Mark rufen
eine entzündliche Wucherung der subperiostalen Knochenschichten mit
starker Osteophytenbildung hervor. Dazu kommen Veränderungen der
Gelenkflächen von einfacher Knorpelerosion bis zur Synostose. Das
Röntgenbild läßt das Fortschreiten und die verschiedenen Stadien der
Krankheit gut erkennen.
Nach A.’s Schätzung sind in mindestens 25% aller Fälle andere
Organe tuberkulös erkrankt; auf latente Tuberkulose ist bisher nur
sehr selten gefahndet.
Auch klinisch gleichen sich der tuberkulöse Rheumatismus und
die P. Marie’sche Krankheit insofern, als bei beiden subakute, von
schmerzhaften Gelenkschwellungen begleitete Anfälle zu beobachten
sind.
In manchen Fällen von frühzeitiger P. Marie’scher Krankheit
scheint erbliche Tuberkulose (Heredo-dystrophie tuberculeuse) eine
Rolle zu spielen.
Literaturverzeichnis von 59 Nummern. Gutzeit (Neidenburg).
6) E. C. Titus. An improved treatment of gonorrheal
arthritis (so-called gonorrheal rheumatism).
(New York med. record 1908. Juli 25.)
T. fand, daß statische Elektrizität auf gonorrhoische Prozesse
günstig wirkt. |
Er führt in Simslage eine eigens konstruierte Vakuumröhre in den
Mastdarm ein und steigert den Strom ganz allmählich. Die Beband-
lung muß ganz schmerzlos sein und eher wohltuend wirken. Es soll
ein direkter bakterizider Effekt auf die tiefsitzenden Gonokokken
durch die Entwicklung von Sauerstoff- und Salpetersäureanhydrid (in
statu nascendi) in den Geweben stattfinden; außerdem befördern die
Stromwellen die Zirkulation in den erkrankten Partien und wirken
u. a. als Massage.
Verf. gibt an, daß die günstigen Erfolge, die man mit der
Influenzmaschine im allgemeinen auf infektiöse Prozesse ausüben kann,
den meisten Ärzten noch ganz unbekannt sei. Er habe selbst eine
große Reihe von überzeugenden Experimenten darüber angestellt.
Die Behandlung vom Mastdarm geht von der Annahme aus, daß
aus Mitbeteiligung von Prostata und Samenblase die meisten gonor-
rhoischen Allgemeininfektionen und speziell die Nachschübe für den
gonorrhoischen Gelenkrheumatismus herzuleiten seien.
Die behandelten Erfolge erscheinen um so mystischer, als Verf.
selbst die »aktinische Wirkung der Vakuumtube in die Gewebe nur
auf eine Tiefe von 2—6 mm« abschätzt. Loewenhardt (Breslau).
43+*
1266 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43.
7) 8. Gara. Die Behandlung der schweren Ankylosen der
Gelenke mit Fibrolysin.
(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Nr. 12.)
Bei einer Anzahl bis dahin vergeblich und sehr lange behandelter
Ankylosen gelang es G. durch tägliche Fibrolysininjektionen, im
Durchschnitt etwa nach 20, leicht, ausgiebige Exkursionen mit den
Gelenken zu machen. Da die Mobilisierungen immerhin schmerzhaft
sind, gibt er gern !/, Stunde vorher Aspirin. Die Injektionen allein
machen natürlich nicht die Gelenke mobil, sondern ermöglichen nur
durch Erweichung des Bindegewebes die Mobilisation.
Renner (Breslau).
8) C. Ritter. Eine neue Methode der Sehnennaht.
(Med. Klinik 1908. p. 1191.)
Ein Stück einer Arterie oder Vene desselben Menschen wird als
Schaltstück zwischen die beiden angefrischten Sehnenstümpfe eingefügt
und mit ihnen vernäht. Beiderseits ragen die Sehnenstümpfe etwas
in das Rohr hinein. Der Zwischenraum zwischen ihnen und dem
umgebenden Gefäßrohr wird, besonders nach Operationen unter Blut-
leere, sich nachher alsbald mit Blut füllen. Demnach wird eine Ver-
bindung durch lebendes Gewebe hergestellt; die Länge des Spaltes
zwischen den Sehnenstümpfen spielt keine Rolle, da man das Ersatz-
gefäßrohr beliebig lang anwenden kann; auch der verschiedenen Breite
der Sehne läßt sich ein Gefäßrohr — z. B. von der Breite einer
Vena saphena — nach Bedarf anpassen, indem es einmal, dank seiner
Elastizität, zusammenschnurrt, und das andere Mal künstlich dadurch
verbreitert werden kann, daß man die Gefäßwand spiralig aufschneidet,
so über die Sehne stülpt und alsdann die Spiralschnitte durch feinste
Nähte vereinigt (Abbildungen. Das Verfahren bewährte sich bei
einer veralteten Sehnenverletzung (Krankengeschichte).
Georg Schmidt (Berlin).
9) Nerking. Narkose und Lezithin. (Aus der biochemischen
Abteilung des Instituts für experimentelle Therapie zu Düssel-
dorf.) Vorläufige Mitteilung.
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 33.)
Die Wirkung der Narkotika auf den Organismus besteht nach
_ der heut geltenden Lehre darin, daß sie von den Lipoiden bzw. dem
Lezithin des Zentralnervensystems aufgenommen werden und damit
gewissermaßen eine feste Lösung bilden. Es drängt sich nun die
Frage auf, ob es möglich ist, diese Verankerung dadurch aufzuheben,
daß man den narkotisierten Tieren andere Lezithine intravenös ein-
spritzt. Nach den Versuchen N.’s scheint es tatsächlich zu gelingen,
dadurch die Narkose abzukürzen. Näheres will N. später mitteilen;
für jetzt sich mit der kurzen Erwähnung nur die Priorität auf diesem
Arbeitsfelde sichern! Kramer (Glogau).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 1267
10) De Witt Stetten (New York). The modern administra-
tion of general anaesthesia in mouth, nose and pharynx
surgery.
(New York med. journ. 1908. Juli 18.)
S. empfiehlt die Intubationsmethode, deren Technik er eingehend
beschreibt. 15 Minuten vor Beginn der Narkose gibt er 0,01 Mor-
phium mit !/; mg Atropin. Die Narkose wird mit Chloroform oder
einer Chloroformmischung eingeleitet. Wenn sie einigermaßen tief
ist, werden die Nasenhöhlen und der Rachen mit 4%iger Kokain-
lösung mit 1:5000 Adrenalin betupft. S. legt größten Wert auf diese
Manipulation, um völlige Trockenheit und Beseitigung aller Reflexe
in Nase und Rachen zu erzielen, und führt das Fehlschlagen seiner
ersten Versuche direkt auf die Unterlassung des Kokainisierens zurück.
Zur Intubation verwendet er zwei Nelatonkatheter mit seitlicher und
endständiger Öffnung an dem konischen Ende. Weite Nr. 25 bis 27
Charrière. Die gut eingefetteten Katheter werden so weit eingeführt,
daß die seitliche Offnung dem Kehlkopfeingange gegenüber zu liegen
kommt. Die Entfernung vom Naseneingange beträgt bei Erwachsenen
17 cm. Darauf wird die Zunge vorgezogen und fixiert und der hin-
tere Teil von Mund und Rachen fest mit Gaze ausgestopft. Bei
Nasenoperationen führt S. zwei Katheter in den durch Sperre weit
geöffneten Mund ein und fixiert sie jederseits in derselben Höhe.
Darauf stopft er Gaze in den hinteren Teil des Mundes und den
Nasen-Rachenraum. Bei Operationen im Rachen wendet er die von
Kuhn warm empfohlene Intubation des Kehlkopfes an, für die er
sich ein sehr einfaches handliches Instrument konstruiert hat. 8.
schließt sich der Meinung Kuhn’s an, daß diese Methode, mit Über-
druck kombiniert, die komplizierteren Apparate verdrängen wird. Für
die Narkose selbst verwendet er meist einen kleinen Trichter, bedient
sich aber gelegentlich auch eines Sauerstoffapparates. Er bevorzugt
das Chloroform, weil die Narkose im ganzen ruhiger ist, und warnt
speziell vor Ather bei gleichzeitiger Verwendung des Paquelin.
H. Bucholz (Boston).
11) W. Spielmeyer (Freiburg). Veränderungen des Nerven-
systems nach Stovainanästhesie.
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 31.)
Während in mehreren anderen Fällen die von S. auf Krönig’s
Veranlassung vorgenommene Untersuchung des Rückenmarks von Pat.,
bei denen einige Zeit vor ihrem Tode die Stovain-Lumbalanästhesie
(0,05—0,07 bzw. 0,1—0,12 Stovain) angewandt worden war, keine
Veränderungen ergeben hatte, fanden sich solche in auffallender Art
bei vier Fällen, die hohe Stovaindosen erhalten hatten. Eine dieser
Pat. war 40 Stunden nach der Lumbalanästhesie unter schweren
Atmungsstörungen und Koma zugrunde gegangen; außer chromolyti-
schen Vorgängen zeigte das Rückenmark Schwellung und Abrundung
*
1268 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43.
der Zellkörper, Auflösung der Kernmembran und Zerfall der Kern-
körperchen als Folge der durch das Stovain hervorgerufenen Atmungs-
lähmung. In den drei übrigen Fällen, in denen der Tod an Karzinose
oder Peritonitis usw. 2—8 Tage nach der Operation erfolgt war,
waren an den großen polygonalen motorischen Zellen des Rücken-
marks, d. h. des Vorderhorns, Auftreibung und Abrundung, vom Kern
nach der Peripherie fortschreitende Chromolyse, Verlagerung des
Kernes, Fältelung oder Auflösung der Kernkapsel nachweisbar. Daß
diese Veränderungen der motorischen Zellen, die den Zellaffektionen
in den zugehörigen Nervenkernen nach Zerstörung der Achsenzylinder
entsprechen, auf die Stovainwirkung zurückzuführen waren, bewiesen
die Versuche an Tieren, die nach intraduralen Stovaininjektionen
analoge Veränderungen, selbst (Hunde und Affen) Degenerationen in
den hinteren Wurzeln und Hintersträngen erkennen ließen.
Kramer (Glogau).
12) Chaput. De la rachistovainisation.
(Presse med. 1907. Nr. 94.)
©. ist begeisterter Anhänger der Rückenmarksanästhesie mit
Stovakokain, d. i. eine Mischung von 3 Teilen Stovain mit 1 Teil
Kokain; er injiziert davon 4 ccm in einer 2%igen Lösung, das sind
0,08 Stovakokain, und hat damit vollständige Anästhesie selbst bei
Operationen am Kopf und den oberen Gliedmaßen erzielt. Uble Zu-
fälle will er niemals gehabt haben und erklärt die bisher beobachteten
für Fehler der Technik oder als Folgen der nicht beachteten Kontra-
indikationen oder als Zufälle, die nicht der Rückenmarksanästhesie
zur Last zu legen seien.
Verf. hält für nötig, vorher 10 bis 20 ccm Rückenmarksflüssigkeit
zu entleeren, und gibt bei nervösen Personen 1 Stunde vorher !/, mg
Skopolamin. Bei drohendem Kollaps gibt er Koffein, und gegen nach-
trägliche Kopfschmerzen hilft ihm sicher die Entleerung von 10 bis
20 ccm Rückenmarksflüssigkeit. Fehre (Dresden).
13) Schüller. Die röntgenographische Darstellung der diplo&-
tischen Venenkanäle des Schädels.
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII. Hft. 4.)
Dupuytren hat gelegentlich eines Experimentes am Hunde-
schädel zufällig die Existenz großer Venenkanäle in der spongiösen
Substanz des Schädels entdeckt; diese Kanäle führen einen großen
Teil des Gehirnblutes ab, so daß der Sinus longitudinalis meist eine
relativ enge Lichtung aufweist. Auch beim Menschen ist die Diplo&
des Schädels von einem Netz größerer Venenkanäle durchzogen, deren
genaue Beschreibung wir Breschet verdanken. Nach ihm entspringen
die Venen der Diplo& aus dem spongiösen Gewebe der Hirnschädel-
knochen mit großen Zweigen, die sich plötzlich bilden. Die Knochen-
kanäle, in welchen diese Venen eingeschlossen sind, verlaufen meist
näher der inneren Tafel als der äußeren; bisweilen sind sie in einer
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43, 1269
kleinen Strecke nach der Hirnhöhle zu oder nach außen offen. Man
findet sie leichter an Schädeln, die eine größere Dicke haben, und wo
die Diploö stärker entwickelt ist. Es scheint, daß die Schädel des
weiblichen Geschlechtes sie öfters darbieten als die der Männer. Auch
sonst ist die Stärke der diploätischen Venen, ihre Länge und die An-
zahl ihrer Zweige zahlreichen Verschiedenheiten unterworfen. Sie
endigen entweder an der inneren oder an der äußeren Oberfläche des
Schädelknochens in jenen Venen, die in ihrer Nähe vorbeiziehen. Die
am skelettierten Schädel erkennbaren Knochenlöcher über dem Hinter-
hauptloch, über der Schläfengegend und unter dem Augenbrauenbogen
verraten das Vorhandensein und den Durchmesser der diploätischen
Kanäle. An der Innenfläche des Schädels begegnet man ihren Off-
nungen meist an der Furche der Arteria meningea media. Die
Kanäle treten häufig an den Suturen von einem Knochen auf den
anderen über. Noch öfter jedoch hören die Kanäle, wenn sie an die
Nähte gelangen, plötzlich auf und bilden eine Art Blindsack. Am
unbeständigsten und unregelmäßigsten sind die diploätischen Venen
des Stirnbeines; die des Scheitelbeines zeigen öfters gegen das Tuber
parietale zu Erweiterungen, die wie Varicen aussehen.
Die physiologische Bedeutung des diploötischen Venensystems
wurde schon von Breschet erkannt und entsprechend gewürdigt. Diese
Venen stellen die Kollateralen der intrakraniell gelegenen Venensinus
dar. Wenn in diesen letzteren irgendein Hindernis des Blutabflusses
besteht, wie z. B. Verstopfung der Lichtung durch Thrombose oder
Kompression von außen, so können die diploetischen Venen in reich-
lichem Maße zum Ausgleich der Zirkulationsstörung im Inneren des
Schädels beitragen. Auf Grund einiger vom Verf. gesammelter Be-
obachtungen erscheint es sogar, daß bei Aktivierung eines derartigen
Kollateralkreislaufes eine beträchtliche Erweiterung der diploetischen
Venen eintreten kann, ähnlich wie wir dies an anderen Körperstellen
so häufig beobachten, z. B. beim Caput medusae der Bauchwand, Zur
Annahme einer derartigen Erweiterung wurde Verf. veranlaßt durch
die Beobachtung einzelner abnorm weiter Brechet’scher Kanäle in
dem folgenden Falle:
Ein 43jähriger Schneider erkrankte im September 1907 an Jackson-Epilepsie;
ım weiteren Verlaufe stellte sich eine Parese der rechten unteren Extremität ein.
Das Röntgenbild ergab das Vorhandensein eines außerordentlich breiten Breschet-
schen Kanales (s. Fig). Bei der Operation ergab sich der Scheitelknochen als:
sehr dick; es fand sich eine nußgroße Geschwulst, ein Gliom, die offenbar einen
Druck auf den Sinus longitudinalis ausgeübt hatte, wodurch die Erweiterung der
Vena diploötica zustande kam. Ein ähnlicher Fall fand sich bei einem 26jährigen
Bauer, auch dieser wurde operiert; hier war die Blutung aus dem Knochen noch
stärker, so daß Pat. daran starb.
Zusammenfassend gibt Verf. an: die diploötischen Venen des
Schädels (Breschet’sche Venen) können mit Hilfe der Röntgenographie
schon beim Lebenden dargestellt werden.
Bei Vorhandensein eines drucksteigernden Prozesses (Hirn-
geschwulst) im Schädel scheint eine Erweiterung von diploetischen
1270 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43.
Venen zustande kommen zu können, so zwar, daß sie einen beträcht-
lichen Teil des sonst durch die Sinus durae matris fließenden Hirn-
blutes nach außen fördern.
Der Nachweis einer derartig. erweiterten Vene ist von diagnosti-
scher Bedeutung, weil ihr Ausgangspunkt zusammenfallen kann mit
dem Sitze der intrakraniellen Geschwulst und somit direkt auf letzteren
hinweist. í Gaugele (Zwickau).
14) C. E. de M. Sajous. Les sécrétions internes. L'appareil
nerveux-hypophyseo-surrenal.
(Gaz. des hôpitaux 1908. Nr. 29.)
»Die Hypophysis stellt ein Zentrum dar, das mit Hilfe des N. hypo-
physeo-suprarenalis die Funktionen der Nebennieren regelt und sekun-
där der Fixation des Sauerstoffes der eingeatmeten Luft an das Blut
und der Regulation der organischen Verbrennungen vorsteht.« Daß
all dieses mit Hilfe des Splanchnicus vor sich geht, hat S. schon früher
ausgesprochen (vgl. Zentralblatt 1908 Nr. 6), hier gibt er eine Schil-
derung des ganzen nervösen Apparates (Nerf hypophyseo-surrenal). Die
Bahn beginnt im Lobus post. der Hypophysis cerebri, verläuft im In-
fundibulum, Tuber cinereum, Boden des 3. Ventrikels weiter durch
Medulla oblongata ins Rückenmark. Unterhalb des Austrittspunktes
der 3. Dorsalwurzel verlassen die Fasern das Rückenmark, verlaufen
im Sympathicus, beteiligen sich am N. splanchnicus major und enden
in den Plexus suprarenales. on V. E. Mertens (Kiel).
u
15) A. W. Wischnewski. Zur Technik der osteoplastischen
Radikaloperation der Stirnhöhle.
(Russ. Archiv für Chirurgie 1908. [Russisch.))
Die zahlreichen bisher geübten Methoden haben W. nicht befrie-
digt. . Er hat daher an der Leiche ein weiteres Verfahren aus-
gebildet.
Der Schnitt beginnt am Processus zygomaticus des Stirnbeines in
Höhe etwa des äußeren Endes der Augenbraue, zieht im Bogen (auf
Grund der Zeichnung geschätzt ca. zwei Querfinger oberhalb der
Braue) zum Nasenansatz und dann lateralwärts ein kleines Stück am
inneren Lidwinkel vorbei. Das Periost wird kopfwärts etwas ab-
geschoben und dann mit einer (kleinen Farabeuf’schen) Säge die
vordere Wand des Sinus frontalis samt dem Arcus superciliaris und
einem Stück des Proc. zygom. flach abgesägt, so daß sie, am Periost
hängend, nach unten geklappt werden kann. Gegen Ende des Sägens
muß man darauf achten, daß man mit dem Instrument hauptsächlich
an den Seiten, weniger in der Mitte arbeitet, weil man sonst gelegent-
lich — aber selten — mit den dort liegenden Gefäßen in Konflikt
geraten kann. Nach Ausräumung des Sinus wird in die Nase drainiert,
der Deckel aber aufgeklappt und angenäht.
Die feine Narbe, die in Stirnfalten gelegt werden kann, hält W.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 1271
für weniger entstellend, als die eingesunkene Stirn nach Anwendung
anderer Methoden. V. E. Mertens (Kiel).
16) K. Witzel. Entwicklung der Kiefer und der Zähne beim
Menschen.
(Zentralstelle für Zahnhygiene 1907.)
Das vorliegende Werk ist kein Lehrbuch im gewöhnlichen Sinne
des Wortes, sondern ein Atlas von 75 Tafeln mit beigefügtem Text
in deutscher, französischer und englischer Sprache. Die ersten
10 Tafeln bringen die zum Verständnis der komplizierten Vorgänge
bei der Entwicklung der Zähne und Kiefer notwendigen Zeichnungen
In objektiver Form, ohne jede Replik des Verf.s, werden uns die be-
kannten Bilder zur Entwicklungsgeschichte der Kiefer nach Kölliker,
Binodi, Albrecht und Röse vorgeführt. Tafel 11—34 sind muster-
hafte Photogramme aus der großen Schädelsammlung des Verf.s, an
denen die Entwicklung der Zähne und der Kiefer von der frühesten
Embryonalzeit an bis zum höchsten Greisenalter (Schädel einer 105-
jährigen Frau) demonstriert wird. Tafel 35 ist ein instruktives Nerven-
präparat, aus dem ersichtlich ist, wie nahe die Wurzelspitze der un-
teren zweiten Prämolaren dem Hauptstamm des Nerv. mandibularis
liegt, und wie schwer bei einer Wurzelspitzenresektion eine Verletzung
dieses Nerven zu vermeiden ist. Weiter ersieht man aus diesem Prä-
parat an der Lagerung des unteren Weisheitszahnes, wie leicht bei
der verhältnismäßig häufigen Retention dieses Zahnes eine Druck-
neuralgie des Trigeminus entstehen kann. Die folgenden Tafeln
bringen ausgezeichnete Röntgenogramme von Schädeln der verschie-
denen Altersstufen, an denen insbesondere die Beziehung der bleiben-
den Zähne zum Milchgebiß, die Anatomie der Wurzelbildung sowie
das Verhältnis der unteren Zähne zum Canalis mandibularis studiert
werden kann. Auf Tafel 59 sehen wir, wie ausnahmsweise bei der
Wurzelbildung eines retinierten Molaren die noch nicht verkalkten
Teile des Zahnsäckchens den Canalis mandibularis zangenförmig um-
fassen, so daß dieser später durch die fertig entwickelte Wurzel hin-
durchgeht. In einem solchen von Röse beschriebenen Falle wurden
bei der Extraktion des Zahnes Nerv. und Arter. mandibularis, die
durch ein Foramen in der distalen Wurzel des Weisheitszahnes ver-
liefen, zerrissen. Eine profuse Blutung, sowie eine dauernde Anästhesie
im ganzen Bereich des Nerven waren die Folge. Die letzten 3 Tafeln
sind Röntgenogramme des Schädels von lebenden, eines 8jährigen
Mädchens, eines 1l1jährigen Knaben und des Gesichtsschädels des
Verf.s.
Das ganze Werk ist mit großem Geschick und großem Fleiß zu-
sammengestellt. Die musterhafte Sammlung von Photo- und Röntgeno-
grammen wird dem Buche einen dauernden Platz in jedem zahnärzt-
lichen Lehrinstitut sichern. Boennecken (Prag).
1272 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43.
17) Lerda e Marangoli. La pratica delle injezioni anestetiche
perineurali nella chirurgia alveolare e dentaria.
(Stomatologia 1908. Nr. 4.)
Verff. empfehlen, gestützt auf ihre klinische Erfahrung und auf
Leichenversuche, für schwierige oder multiple Zahnextraktionen, sowie
für Operationen am Alveolarfortsatz die perineurale Anästhesierung
der entsprechenden Nervenstämme vor ihrem Eintritt in den Kiefer-
knochen. Behufs Analgesie des Oberkiefers führen sie eine lange
Hohlnadel von der Mundhöhle aus »in den Sulcus, der das Ende des
Alveolarfortsatzes des Oberkiefers von der Prominenz des Hamulus
des Processus pterygoideus trennt, etwa !/, cm medial vom Alveolar-
fortsatz und hinter dem letzten Molaren« ein und nach einigen tasten-
den Versuchen in die Fossa spheno-maxillaris. Sie injizieren 4—6 ccm
einer 0,5%igen Kokainlösung, der Adrenalin beigefügt ist.
Die Analgesierung des Unterkiefers nach L. und M. deckt sich
übrigens vollkommen mit dem Verfahren H. Braun’s (conf. dessen
bekanntes Buch) zur perineuralen Injektion des N. alveolaris inf. und
lingualis, nur daß jene Autoren die 0,5%ige Kokainlösung in den
oben bezeichneten größeren Mengen (4—6 ccm) anwenden. Dabei
haben sie allerdings mitunter leichtere Kokainvergiftungen erlebt.
A. Most (Breslau).
18) Reinmöller. Das dentale Empyem des Antrum Highmori.
44 Seiten. 28 Abbildungen und 4 Tafeln.
Rostock, @. B. Leopold, 1908.
Unter Änfügung von 20 selbstbeobachteten Fällen stellt R. den
Satz auf, daß das dentale Empyem der Highmorshöhle weit häufiger
sei, als man bisher annahm. Röntgenverfahren und Untersuchung
der Zähne mit dem Induktionsstrom erleichtern die Diagnose wesent-
lich, indem das Röntgenbild die Granulationsherde über den Wurzeln
als Schatten erkennen läßt, der Induktionsstrom Aufschluß gibt, ob
die Pulpa noch lebt.
Verf. bespricht des näheren die Diagnose und warnt davor, im
Konservieren schlechter Zähne zu weit zu gehen.
Als Therapie für das akute Empyem empfiehlt sich Spülung von
der Alveole aus. Für die Behandlung des chronischen Empyems kommt
entweder die Cooper’sche Methode, d.h. Eröffnung der Highmors-
höhle durch eine Zahnalveole, oder die Desault’sche in Betracht,
die die Höhle von der facialen Wand aus freilegt. Verf. operiert
immer in Lokalanästhesie (Novokain - Suprarenin). Gegen den Nach-
schmerz gibt er Pyramidon 0,1—0,3 mit Dionin 0,01—0,03. Als
Mundspülflüssigkeit empfiehlt er 1/,%igen Thymolspiritus oder Koch-
salzlösung.
Ein Schlußkapitel ist der Nachbehandlung und Prothesenanferti-
gung gewidmet. Deetz (Homburg v. d. H.).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 1273
19) Schönstadt. Zur plastischen Technik nach Oberkiefer-
resektion.
(Zeitschrift für ärztliche Fortbildung 1908. Nr. 14.)
Um das Herabsinken des Auges der operierten Seite und die
hierdurch bedingte Entstellung und Sehstörung (Doppelbilder) zu ver-
hindern, mobilisiert S. die mittlere Nasenmuschel durch Einknicken an
ihrem Ansatz und befestigt sie mit dem freien Rand am Periost des
Stumpfes des Jochbogens. Die dem Augapfel zugekehrte Fläche wird
durch Abpräparieren der Schleimhaut wund gemacht und gibt ihm
eine gute knöcherne Stütze.
Sollte die mittlere Muschel geopfert werden müssen, so empfiehlt
es sich, einen Lappen der Nasenscheidewand in ähnlicher Weise zu
verwenden. Gutzeit (Neidenburg).
20) J. Nicolaysen. Fractura radii hos börn.
(Norsk mag. for laegevid. 1908. Nr. 8.)
Die Bajonettstellung der Hand ist bei Kindern selten deutlich
ausgeprägt und gehört nicht zu den regelmäßigen Befunden des
typischen Radiusbruches. Die Knochenverletzung besteht in der Regel
in einer queren Infraktion mit dorsaler Verschiebung des unteren
Bruchstückes.
Sowohl die Fraktur wie die Epiphysenlösung der Speiche zeigen
große Neigung, die nach eingetretener Konsolidation der Bruchflächen
zurückgebliebenen Dislokationen nachträglich wieder auszugleichen. Bei
einem 12jährigen Knaben, bei dem sich, wie das Röntgenogramm zeigte,
eine vollständige Reposition nicht erreichen ließ, stellte N. 6 Monate
später ein ideales Heilungsresultat fest. Diese Tatsache ist wichtig
für die Beurteilung von Behandlungsmethoden auf Grund von Röntgen-
bildern. Man beachte die Frakturlinie, die nicht vor Ablauf von
4—6 Wochen nach der Knochenheilung zu verschwinden pflegt. Nur
Röntgenbilder, welche die Frakturlinie noch zeigen, können zur Be-
urteilung der Resultate einer Behandlungsmethode dienen. Die auf
späteren Bildern sichtbaren Veränderungen demonstrieren die Natur-
heilung. Revenstorf (Hamburg).
21) Lange. Strain-fractures of the knee.
(Annals of surgery 1908. April.)
Abrißfrakturen kommen an den Knochen des Kniegelenkes in-
folge der vielen starken Bänder nicht selten vor. Abgesehen von dem
durch Spannung des Lig. patellae hervorgerufenen Kniescheibenbruch
können folgende Zerrungen Rißbrüche an den Kondylen des Gelenkes
hervorrufen: 1) Hyperextension solche der Kreuzbänder und der seitlichen
Bänder. 2) Seitliche entweder von innen nach außen oder umgekehrt
wirkende Zerrung solche der inneren oder äußeren Seitenbandansätze.
3) Aus- oder einwärts rotierender Zug. Verf. vermochte an der Leiche
an einem über die Tischkante gewaltsam gestreckten Knie eine Fraktur
1274 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43.
in der Epiphysenlinie des Oberschenkels hervorzurufen. Die Rißbrüche
werden nach Einführung der Röntgendurchleuchtung häufiger als sonst
erkannt. | Herhold (Brandenburg).
22) Tietze. Beiträge zur Kenntnis des Entstehungsmecha-
nismus und der wirtschaftlichen Folgen von Fersenbein-
brüchen.
(Archiv f. Orthopädie, Mechanotherapie u. Unfallchirurgie Bd. IV. Hit. 4.)
In dieser Arbeit stellt Verf. einen Rißbruch des Fersenbeines,
wie er in den landläufigen Abhandlungen so häufig beschrieben ist,
mit anderen Autoren entschieden in Abrede und kann auch den Be-
fund von isolierten Brüchen seitlicher Fortsätze nicht bestätigen. Es
lag vielmehr stets ein Kompressionsbruch des Fersenbeines vor, dessen
Zustandekommen nicht allein auf Rechnung einer Belastung von oben
zu setzen ist, sondern es spielen auch der Bodendruck, der Band-
apparat und die Spaltrichtung des Knochens eine entscheidende Rolle.
Die Bruchform wechselt in hohem Grade je nach der Richtung der
einwirkenden Gewalt.
Während früher die wirtschaftlichen Folgen der Fersenbeinbrüche,
die in den meisten Fällen mit ausgesprochenem Plattfuß, Verdickung
der Ansatzstelle der Achillessehne, einer Verbreiterung des Fersen-
beines bei gleichzeitiger Höhenabnahme verheilen, äußerst ungünstig
hingestellt wurden, hat sich die Statistik dieser Brüche in den letzten
Jahren bei einer zielbewußten mediko-mechanischen Behandlung doch
ganz wesentlich gebessert, und die Zahlen von T., die trotz aller
Mängel und subjektiven Schwächen einer Statistik die wirtschaftlichen
Folgen der Fersenbeinbrüche in einem ganz anderen Licht erscheinen
lassen, sprechen eine deutliche Sprache. Hartmann (Kassel).
23) Lonormant. L'intervention chirurgicale dans les luxations
irréductibles et anciennes de l'articulation de Lisfranc.
(Arch. génér. de chirurgie II. 1908. Nr. 6.)
Im Anschluß an einen selbst beobachteten und genau beschriebenen
Fall von Verrenkung im Lisfranc’schen Gelenk gibt Verf. eine Über-
sicht über diese verhältnismäßig seltene Verletzung, von der er ins-
gesamt 96 Fälle — darunter 50 Totalverrenkungen — aus der Literatur
zusammenstellt. Bei den totalen und auch partiellen Verrenkungen
handelt es sich fast durchweg um dorsale Verschiebungen. Die Ver-
letzung kommt meist durch ein direktes Trauma zustande; in dem
Falle des Verf.s handelte es sich um eine indirekte Gewalteinwirkung,
indem dem Verletzten ein Balken auf die Vorderfläche des in Knie
und Hüfte gebeugten Beines fiel, ohne den auf ebenem Boden stehen-
den Fuß zu treffen. Des weiteren betont L., daß die Verrenkung
selten durch einen Bruch kompliziert ist. Für die Therapie kommt
möglichst baldige Reposition in Frage, zu der Narkose nötig ist. Ver-
hältnismäßig oft ist auch in Narkose die Reposition unmöglich, indem
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 1275
Anterpusition von Sehnen oder Knochenpartikeln dieselbe hindert. Die
blutige Reposition ist in diesen Fällen ohne Schwierigkeit und gibt
gute Resultate. Bei veralteten Verrenkungen ist infolge Verknöcherung
des Bandapparates und Veränderungen der Gelenkflächen auch die
blutige Reposition schwierig, so daß nicht immer gute Resultate erzielt
werden. Strauss (Nürnberg).
Kleinere Mitteilungen.
Die Behandlung von Abszessen.
Von
Dionys Hellin in Warschau.
eit einiger Zeit behandle ich Abszesse mit minimalen Inzisionen ohne
Tamponade oder Drainage. Sammelt sich wieder Eiter, so soll uns das
nicht zu größeren Inzisionen verleiten. Vielmehr wird der Eiter, wie bei der
ersten Inzision, sanft, schmerzlos für den Pat., ausgedrückt, event. die Inzision,
wenn ihre Ränder verklebt sind, mit Sonde erweitert. In der Regel genügt eine
einzige Inzision. Vom Ausdrücken des Eiters, das früher so verpönt war, habe ich
niemals Schaden gesehen. Bier’sche Hyperämisierung wurde dabei in keiner Form
angewandt. Diese Methode der Behandlung hat den Vorteil vor der bis jetzt üblichen
(abgesehen von der Bier’schen), daß die Heilungsdauer unvergleichlich abgekürzt
wird, daß man dem Kranken die mit dem jedesmaligen Einführen von Gazedrains
verbundenen Schmerzen erspart, und die Narben danach minimal sind. Der Übergang
von Ausscheidung eitriger Flüssigkeit in serös-eitrige bzw. blutig-seröse vollzieht sich
hier sehr rasch. Ich habe auch bemerkt, daß Gummidrains viel weniger die Heilung
verzögern als Gazedrains. Es folgt aus dem Gesagten, daß die günstigen Erfolge
bei Behandlung von Abszessen nach der Bier’schen Methode vor allem den kleinen
Schnitten und dem Weglassen von Tampons zu verdanken sind. Man erinnere sich
nur, wie oft eitrige Gonitiden durch mehrfach wiederholte Punktionen heilen (wobei
gewöhnlich die rein eitrige Flüssigkeit durch eine Eiter und Synovia, endlich nur
reine Synovia enthaltende ersetzt wird). Ich bin überzeugt, daß diese Methode sich
recht bald viele Freunde unter den Arzten, nicht weniger auch unter den Pat. er-
werben wird. Die Zahl der von mir auf diese Weise hintereinander ohne Auswahl
behandelten Fälle (eine große Serie von Furunkeln und Karbunkeln nicht mit-
gerechnet) beträgt 26, darunter: n
1 Mastitis puerperalis Beide sehr groß, mit multiplen, mitein-
x ander kommunizierenden Herden, heil-
1 Mastitis bei einer nicht stillenden { ten nach einer einzigen kleinen, etwa
Frau 1cm langen Inzision in 11 bzw.12Tagen.
2 Abszesse des Femur traumatischen Ursprungs
1 Abszeß des Femur nach Masern (Heilungs- | Jeder Abszeß nahm, der Länge
dauer 5 Tage) nach, beinahe die Hälfte des
1 Abszeß des Femur unbekannter (wahrschein- | Femur ein.
lich tuberkulöser) Natur)
1 Abszeß des Unterschenkels, auf das Femur hinübergreifend.
1 großer Abszeß des Vorderarmes nach Panaritium (Heilungsdauer 11 Tage).
3 Abszesse der Achselhöhle (Heilungsdauer 4—11 Tage).
1 Abszeß in der Elibogengegend.
4 Panaritien mit Komplikationen (ca. 11 Tage).
2 große Abszesse des Gesichtes,
3 Abszesse des Halses,
1 Abszeß der Parotisgegend,
heilten im Laufe von 8—10 Tagen.
1 Abszeß binter dem Ohr, |
1276 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43.
3 Fälle von Karies des Unterkiefers, die gleichzeitig in Behandlung waren,
heilten nach Weglassen von Tampons im Laufe von 2 Wochen; vordem wurde
Tamponade lange Zeit hindurch vergeblich angewendet. Einem von diesen Pat.,
einem 72jährigen Greis, habe ich durch die erweiterte Fistelöffnung Sequester des
Unterkiefers, etwa 1/53 der linken Unterkieferhälfte entsprechend, extrahiert.
24) Peltesohn. Beiträge zur operativen Behandlung der Knochen-
brüche und ihrer Folgen.
(Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVI. Hft. 3 u. 4.) .
In ungefähr 15 Jahren wurden in der Körte’schen Abteilung am Urban
etwa 5000 Frakturen behandelt. Bei einer kritischen Sichtung dieses Materiales,
die Verf. nach den einzelnen Körperregionen, d.h. Extremitätenabschnitten, vor-
nimmt, kommt er zu dem Schluß, daß die Ursachen, welche operative Maßnahmen
bei Knochenbrüchen erfordern, nämlich deforme Heilung und Pseudarthrosen-
bildung, zu den seltenen Ausnahmen gehören. Nur die suprakondylären Oberarm-
brüche trotzen in verhältnismäßig größerer Anzahl der Behandlung mit Verbänden.
Die häufigste Ursache für Pseudarthrosenbildung sind allgemein somatische Stö-
rungen und lokale Schädigungen durch Muskelinterposition, Verhakungen, Gelenk-
brüche usw. Außerdem ist bei komplizierten Brüchen leicht eine Verzögerung der
Knochenkonsolidation möglich, da die Sorge für Erhaltung des Lebens meist in
den Vordergrund tritt und infolgedessen die Maßnahmen für zweckmäßige Stellung
der Fragmente nicht immer anwendbar sind. Die einzelnen Maßregeln, die zur
Fixation der Bruchenden dienen können, finden eingehende Besprechung, besonders
die Drahtnaht, die Verwendung des Stiftes und die perkutane Nagelung, die Ver-
einigung der Knochen mit und ohne Anfrischung. Für komplizierte Brüche wird
die Naht so lange als erlaubt angesehen, als sie nicht die Übersicht und den Zu-
gang zum Blut sowie den Abfluß der Sekrete hindert. Wenn man einmal operativ
vorgeht, so soll man auf ein gutes anatomisches Resultat hinzielen, da nur dadurch
Mißerfolge vermieden werden, namentlich bei den artikulären und paraartikulären
Frakturen. Die Fixation ist durchaus erforderlich, weil ohne sie die Fragmente
oft wieder auseinandertreten, und weil nur bei genügender Befestigung der Knochen-
enden aneinander frühzeitige Bewegung eingeleitet werden kann. Die Indikation
zum operativen Eingriff wurde bei deformer Heilung erst dann als gegeben ange-
sehen, wenn durch sie Funktionsstörungen hervorgerufen worden waren. Bei Pseud-
arthrosen dagegen wurde operiert, wenn der Zustand schon ein langdauernder war und
einfache Mittel schon angewendet worden waren, bzw. wenn das Röntgenbild eine
lokale Ursache, wie Dislokation der Fragmente oder Muskelinterposition, erwies.
Bei Verzögerung der Konsolidation soll man unter den heutigen Verhältnissen
überhaupt nicht zu lange warten, da die endgültige Verknöcherung sich um so
länger hinausschiebt, je später man operiert. Bezüglich des primären operativen
Eingriffes steht Körte auf dem Standpunkte, daß er nur in Ausnahmefällen ge-
rechtfertigt ist, da die Infektionsgefahr selbst bei bester Asepsis keine geringe ist,
und es noch zweifelhaft erscheinen muß, ob die Heilresultate besser sind und die
Behandlungsdauer kürzer ist als bei nicht operativer Therapie.
E. Siegel (Frankfurt a. M.).
25) A. v. Khautz jun. Über angiomatöse Muskelschwielen. (Aus der
zweiten chirurgischen Abteilung der Rudolf-Stiftung.)
(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Nr. 3.)
Mitteilung zweier Fälle, bei welchen klinisch und grobonatomisch der Schwielen-
charakter im Vordergrunde stand, weshalb Verf. obigen Namen wählte. Beide
machten erst nach einem Trauma Erscheinungen und wurden durch Exstirpation
geheilt. Histologisch lagen im ersten Falle eine gefäßreiche Muskelschwiele, im
zweiten von Schwielengewebe umgebene typische Kavernomherde vor.
Benner (Breslau).
Zentralblatt für Cihrurgie. Nr. 43. 1277
26) H. Lorenz. Über eine eigenartige Form von Myositis fibrosa
progrediens.
(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Nr. 14.)
Ein 31jähriger Tagelöhner hatte vor 11 Jahren im Anschluß an Erkältung
und Fieber eine Schwellung im Nacken — angeblich Furunkel — bekommen, die
nach Eiterdurchbruch heilte. Es bildete sich aber eine zunehmende Steifheit des
Nackens, derentwegen Pat. 3 Jahte später schon einmal in der Grazer Klinik war.
Aus einem — histologisch nicht untersuchten — probeexzidierten grau erscheinenden
Stückchen eines Nackenmuskels wurde damals die Diagnose auf Myositis cervicalis
gestellt. Wegen weiterer Verschlimmerung kam Pat. 8 Jahre später wieder in die
Klinik. Damals bestand eine über einen größeren Teil der Skelettmuskulatur
ausgebreitete symmetrische Muskelveränderung, teils Atrophie, teils Hypertrophie,
ohne Störungen des Nervensystems. Da die Stellung des Kopfes am meisten
störte, wurden die Kopfnicker durchtrennt, mit nur geringem Erfolge. Das histo-
logische Bild zeigte sehnige Bindegewebslängsbündel, dazwischen noch erhaltene
Muskelfasern mit auffallender Kernvermehrung.
Alles in allem scheint dem Verf. das Krankheitsbild weder auf die progressive
Dystrophie noch auf spastische Kontraktur infolge Accessoriusreizung durch Spon-
dylitis und nachfolgende fibröse Degeneration gut zu passen. Er denkt daher an
eine angeborene Prädisposition zu Muskelerkrankung, kombiniert mit Spondylitis,
vielleicht gleichzeitiger Accessoriusreizung. Renner (Breslau).
27) Porcile., Di un caso di angiomi muscolari multiple.
(Policlinico, sez. chir. XV, 7. 1908.)
Bei einem 1i1jährigen Mädchen entwickelte sich im Anschluß an einen Fall
auf die Schulter eine fluktuierende Geschwulst, die zunächst als Abszeß gedeutet
wurde. Die Untersuehung ergab eine Geschwulst, welche die Fossa infraspinata
des Schulterblattes ausfüllte und von teilweise normaler Haut bedeckt war. Teil-
weise fanden sich auch in der bedeckenden und umgebenden Haut zahlreiche Ven-
ektasien. Des weiteren fand sich eine walnußgroße Geschwulst im Bereiche des
Triceps des Oberarmes und ein haselnußgroßer Knoten im Supinator longus des
Vorderarmes. Die drei Geschwülste ließen sich ohne Schwierigkeiten entfernen,
da sie, besonders die letzterwähnte, von dem umgebenden Muskelgewebe ziemlich
gut abgegrenzt waren. Die pathologisch-anatomische Untersuchung ergab Muskel-
angiome von venösem bzw. arteriellem Typus. Beachtenswert erscheint, daß die
eine Geschwulst deutlich lipomatösen Charakter zeigte; weiterhin betont der Verf.
die Verdickung der Gefäßwand, die Hyperplasie des Bindegewebes und die Atrophie
der Muskelfasern, die zum Teil Segmentation und Fettdegeneration zeigten.
Eine Übersicht über Genese, Vorkommen, Symptomatologie, Therapie und
Prognose der Muskelangiome ergänzt die Arbeit. Die Prognose der Geschwülste
dürfte von dem Autor wohl zu günstig beurteilt werden, da vielfach die wuchern-
den Angiome durch die Muskelzerstörungen schwere funktionelle Schädigungen
bedingen. (Der Ref.) Strauss (Nürnberg).
28) H, Spitey. Zur Frage der Behandlung von Lähmungen mittels
Nervenplastik, (Aus der chirurgisch-orthopädischen Abteilung der
Universitäts-Kinderklinik in Graz.)
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 27.)
S. berichtet z. T. in genaueren Krankengeschichten über eine ziemlich große Zahl
von Nervenplastiken an den Extremitätennerven, die wegen Lähmung verschiedener
Atiologie entweder durch Einpflanzung des peripheren Teiles in einen in der Nähe
befindlichen gesunden Nerven (periphere Implantation) oder durch Verbindung des
ganzen oder eines Teiles des zentralen Stumpfes eines gesunden Nerven mit dem
in situ gelassenen gelähmten (zentrale Implantation) operativ angegriffen wurden.
Die meisten Plastiken betrafen den gelähmten Peroneus, der mit dem unversehrten
1278 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43.
N. tibialis vereinigt wurde, und ergaben mit beiden Methoden gute Resultate.
Auch die bei Lähmungen des N. tibialis 'ausgeführten Einpflanzungen waren von
günstigem Erfolge, wenn die Kraft des Ersatznerven durch die Lähmung nicht
gelitten hatte. Dagegen war bisher das Resultat der am gelähmten Obturatorius
vorgenommenen Plastiken (Einpflanzung in den N. cruralis) wohl wegen des Miß-
verhältnisses der beiden Nervenquerschnitte nicht befriedigend.
Ein ausgezeichnetes Feld für Nervenplastiken boten die Lähmungen der oberen
Extremität, bei denen, wenn sie zentraler Natur bind, immer eine partielle zentrale
Einpflanzung eines benachbarten Nerven in den gelähmten vorzuziehen ist. So
war bei Einpflanzung des N. medianus in den gelähmten N. radialis der Erfolg
in mehreren Fällen ein vollkommener. — S. beschreibt sodann noch genauer die
Technik und erwähnt, daß er zur Isolierung und zum Schutze vor dem Erdrücken
und Durchwachsen der Nahtstelle durch Narbengewebe der Umgebung die Naht-
stellen mit in Formalin gehärteten Hundearterien umhüllt und damit gute Erfolge
erzielt hat. Die anfänglich auftretenden Ausfallserscheinungen im Gebiete des
kraftspendenden Nerven schwinden bei teilweisen, nicht zu weit gehenden Abspal-
tungen wieder. Auch die Zuckungen in dem einen Muskelgebiete bei Innervierung
des anderen wurden von den Pat. bald durch Selbstregulierung zu überwinden
gelernt. Kramer (Glogau).
29) Taylor. Nerve-bridging.
(Journ. of the amer. med. assoc. Vol. L. Nr. 13.)
Infolge von Anwendung von Kunsthilfe bei der Geburt hatte die zur Zeit
der Operation 1 Jahr alte Pat. eine totale Lähmung des linken Armes.
Der Plexus brachialis wurde in großer Ausdehnung freigelegt. Die tiefe
Halsfascie war mit dem ganz narbig veränderten Plexus eng verwachsen. Die
Fascie wurde abgetrennt, der Plexus, soweit er narbig war, en masse reseziert,
die Wurzeln des Plexus bis zu den Intervertebrallöchern verfolgt. Die beiden
Schnittflächen der einzelnen Nervenenden, die nach der Resektion nur bis 2 cm
einander genähert werden konnten, wurden durch Chromcatgutfäden verbunden
und das Ganze von Cargilemembran umgeben. Nach etwa 8 Monaten zeigten sich
die ersten Anfänge von Bewegung; allmähliche Besserung, nach 28!1/, Monaten
vollkommene Sensibilität, nach 341/, Monaten dauernder Gebrauch des Armes beim
Spielen, Essen usw. W. v. Brunn (Rostock).
30) K. Osterhans. Nerve anastomosis in infantile paralysis.
(New York med. record 1908. Juli 11.)
O. betont, daß ein großer Teil der Deformitäten nach Kinderlähmungen durch
frühzeitige Behandlung der akuten Stadien der Krankheit verhindert werden kann;
namentlich kommt Fixation des Gliedes in richtiger Lage nach Abklingen der
akuten Symptome in Betracht, während später die bekannten Operationen not-
wendig werden.
Mit ganz besonderem Vorteil hat auch Verf. von Nervenanastomosen Gebrauch
gemacht und publiziert die Krankengeschichte eines 10jährigen Knaben mit rechts-
seitigem Talipes equinovarus, bei dem die Lähmung der Peronei durch End-zu-End-
Vereinigungen eines zentralen Bündels aus dem N. popliteus int. mit einem peri-
pheren Bündel aus dem N. popliteus ext. und umgekehrt erfolgreich behandelt
wurde. Gleichzeitig wurde der M. tibialis ant., die Achillessehne und die Plantar-
fascie subkutan durchtrennt.
Massage und Elektrizität vervollständigten die Heilung.
Loewenhardt (Breslau).
31) Lop. Appareil pratique pour donner en même temps le chloro-
forme et l'oxygène.
(Presse méd. 1907. Nr. 94.)
Rings um den unteren dem Gesicht aufliegenden Rand einer Chloroformmaske
läuft eine Röhre, die mit mehreren nach dem Innern der Maske zu mündenden
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 1279
Öffnungen versehen ist. Durch Anschluß dieser Röhre an einen Behälter mit
Sauerstoff wird letzterer zugeleitet, während das Ohloroform von außen auf die
Maske getropft wird. Der Apparat kann leicht von jedem Instrumentenmacher
hergestellt werden. Fehre (Dresden).
32) Dönitz. Über Verwendung von Gummi als Zusatz zum Anästhe-
tikum bei Lumbalanästhesie. (Aus der chirurgischen Universitätsklinik
zu Berlin. Prof. Bier.)
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 32.)
D. berichtet über den in bezug auf zu kurze Dauer der Anästhesie und aut
den Eintritt der eitrigen Meningitis höchst unglücklichen Verlauf des von Er-
hardt während des letzten Deutschen Chirurgenkongresses unter Gummianästhesie
operierten Fall und weist die Behauptung, daß die Auskochung der Spritzen usw.
in Sodalösung die Schuld getragen, energisch zurück, da die Spritzen usw. mit
steriler Kochsalzlösung nach dem Kochen sorgfältig ausgespritzt worden waren.
Auch in einer von Klapp ausgeführten Lumbalanästhesie mit Gelatine-Kokain-
lösung trat eine aseptische Meningitis auf, wie sie auch von Erhardt in einem
weiteren Falle beobachtet worden ist. In beiden Fällen Erhardt’s war die In-
kongruenz zwischen Puls (langsam, voll) und Temperatur (erhöht) auffällig.
In einem Nachwort bleibt Erhardt bei seiner Behauptung von der Schäd-
lichkeit der Soda und beruft sich auf seine mit der Gummianästhesie gemachten
Erfahrungen. Kramer (Glogau).
33) E. Holzbach. Der Wert der Rückenmarksanästhesie für die
gynäkologischen Bauchoperationen. (Aus der Tübinger Universitäts-
Frauenklinik. Prof. Dr. Sellheim.)
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 28.)
Für die Technik der Lumbalanästhesie verlangt H., die Punktionsspritze mit
einem Gummischlauch zu armieren, damit jede Verschiebung der Nadel während
der Injektion vermieden werde, dem Präparat Suprarenin erst im Moment der Be-
nutzung zuzusetzen und nach beendeter Injektion jeden Lagewechsel der Pat. lang-
sam vorzunehmen. In bezug auf den Wert der Lumbalanästhesie äußert er sich
auf Grund der zahlreichen Erfahrungen, besonders aus der Sellheim’schen
Klinik, dahin, daß die Methode bei aufmerksamer Handhabung der Inhalations-
narkose in vielen Punkten so wesentlich überlegen ist, daß die jetzt ihr noch an-
haftenden Unbequemlichkeiten gern dafür in Kauf zu nehmen seien. Unter den
letzten 250 von im ganzen 1000 Fällen wurden nur in 9 ein völliges Versagen der
1280 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43.
Anästhesie, in 7 ein unbefriedigender, durch Würgen und Brechen gestörter Ver-
lauf, in 41 ein Nichtausreichen der Anästhesie, die durch die Inhalstionsnarkose
ergänzt werden mußte, verzeichnet. An Nacherscheinungen wurden in 3 Fällen
eigenartige trophische Störungen (Infiltrat und Nekrose in der Glutäalgegend), in
einigen anderen Blasenbildung im Gebiete des M. peroneus bzw. an einem Finger,
in der Hälfte der Fälle eine transitorische Albuminurie (nach Stovainisierung ins
Rückenmark) beobachtet. Heftige Kopf- und Nackenschmerzen der Operierten
kommen Dank der verbesserten Technik nicht mehr vor. — Erwähnt sei noch,
daß, um die Pat. während der Operation unter Lumbalanästhesie in ein schläfriges
Stadium zu versetzen, kleine Dosen von Skopolamin-Morphin vorher gegeben wurden.
Kramer (Glogau).
34) P. Courmont et A. Cade. Maladie de Recklinghausen et tumeur
du cervelet.
(Lyon méd. 1908. Nr. 27.)
Bei einer 28jährigen Frau mit Recklinghausen’scher Krankheit traten
17 Jahre nach Feststellung der ersten Geschwulst deutliche Zeichen einer Klein-
hirngeschwulst auf (Hinterhauptskopfschmerz, ausgesprochene Gleichgewichtsstö-
rungen. doppelseitige Stauungepapille, zerebrales Erbrechen). Da der Sitz der Ge-
schwulst, ob rechts oder links, nicht mit Sicherheit diagnostiziert werden konnte,
wurde von einem operativen Eingriff abgesehen, und die Kranke ging unter ge-
häuften epileptiformen Krämpfen zugrunde. Bei der Sektion fand sich neben dem
für Recklinghausen’sche Krankheit typischen Befund ein Sarkom der rechten
Kleinhirnhemisphäre. Verff. erörtern die Beziehungen zwischen der Neurofibro-
matose und der Kleinhirngeschwulst; sie kommen zu der Ansicht, daß es sich um
eine bösartige Generalisation der Grundkrankheit auf das Gehirn handelte. Der-
artige Fälle sind nur einigemal bisher beschrieben worden.
Boerner (Rastatt).
35) De Renzi. Nuove applicazioni curative. Cisticerco cerebrale ed
echinococco del fegato.
(Nuova revista clinico-terapeutica 1908, Nr. 6.)
Ausführlicher Bericht über zwei Fälle von Echinokokkeninvasion. In einem
Falle fand sich bei einem 38jährigen Manne neben zahlreichen Hautechinokokken
das klassische Bild eines Gehirncysticercus, das monatelang bestand. In dem anderen
Falle waren die Erscheinungen eines Leberechinokokkus deutlich. In beiden Fällen
ergab die Blutuntersuchung eine auffallende Eosinphilie, die R. auf die Anwesen-
heit der Echinokokkuscysten zurückführt. Von besonderer Bedeutung erscheinen
die Erfolge der eingeschlagenen Therapie. Durch innerliche Darreichung von
Extractum filicis mar., über dessen Verwendung leider keine exakten Angaben
gemacht werden, gelang es, die Hautechinokokken und die Symptome des Gehirn-
cysticercus zum Verschwinden zu bringen, so daß in den 2 der Kur folgenden
Jahren keine Störung beobachtet werden konnte. Bei dem Leberechinokokkus
verschwand Eosinophilie und Leberschwellung im Laufe von 20 Tagen. R. emp-
fiehlt daher auf Grund dieser und weniger analoger Fälle den ätherischen Extrakt
des Filix mas. zur Behandlung der Echinokokken. Strauss (Nürnberg).
36) Anton und v. Bramann (Halle a. 8... Balkenstich bei Hydro-
cephalien, Tumoren und bei Epilepsie.
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 32.)
Die Ursachen und Wirkungen der vermehrten Flüssigkeitsansammlung in den
Gehirnhöhlen des Näheren besprechend und die geringen, weil zu kurzdauernden
Erfolge der Ventrikel- und Lumbalpunktionen hervorhebend, machen Verff. den
Vorschlag, eine freie Kommunikation der Ventrikelflüssigkeit mit dem Subdural-
raum des Gehirns und Rückenmarks, wie sie für die ungestörte Ernährung und
für die gleichmäßige Funktion der Nervenkomplexe des Gehirns notwendig ist,
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 1281
durch operative Öffnung des Balkens so herzustellen, daß dieser neue Weg dau-
ernd erhalten bleibt. Zu diesem Zweck soll von einer kleinen Trepanations- oder
Bohrlochöffnung aus seitlich der Mittellinie in der Querebene der rechten präzen-
tralen Furche mit einer, an der Falx entlang geführten, gebogenen Kanüle mit
stumpfer Spitze, — um die Balkenarterie nicht zu verletzen —, der Stich und die
Erweiterung desselben gemacht werden. Vier sehr eingehend mitgeteilte Kranken-
geschichten von drei Fällen von Hydrocephalus internus und ein Fall von Menin-
gitis serosa, in denen in der angegebenen Weise vorgegangen und nach der Er-
öffnung des Balkens mit Entleerung von Liquor die Dura wieder genäht, der
Haut-Knochenlappen zurückgeschlagen und die Kopfwunde geschlossen worden
war, beweisen, daß die Operation gut durchführbar, von den Pat. ohne Nachteil
ertragen und von subjektiver und objektiver Besserung der Hirndruckerscheinungen
gefolgt war.
Verff. empfehlen den Balkenstich bei Hydrocephalus, bei Geschwülsten mit
Hydrocephalus und Stauungsneuritis (Fall 3), bei Hypertrophie des Gehirns von
Epileptikern und »Pseudotumoren«, d. h. den anderen mit Raumbeengung des
Gehirns einhergehenden Erkrankungen (Meningitis serosa usw.).
Kramer (Glogau!.
37) M. Hajek. Ein Beitrag zur Kenntnis des dentalen Empyems der:
Kieferhöhle auf Grund meiner Beobachtungen der letzten 10 Jahre.
(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Nr. 16.)
Verf. ist zwar mit der Mehrzahl der Rhinologen der Ansicht, daß die meisten
Kieferhöblenempyeme nasalen Ursprunges sind, zeigt aber an instruktiven Fällen,
daß die dentalen viel häufiger sind, als man annimmt. Er fand unter 250 Empyemen
20 dentale. Die von ihm mitgeteilten Fälle erläutern sehr gut, wie schwer es oft
ist, den dentalen Ursprung zu erkennen, und er selbst ist sicher, noch viele Fälle
übersehen zu haben. Die Röntgenuntersuchung wird häufig Aufschluß geben
können. H. teilt die Formen des dentalen Empyems ein in solche bei akut und
solche bei chronisch entzündlichen Veränderungen der Zahnwurzel und der Alveolar-
umgebung. Manchmal ist weder ein Wurzelabszeß, noch ein Granulom, noch ein
breiter Durchbruch vorhanden, und man muß dann annehmen, daß die putriden
Stoffe der Pulpa durch die Wurzelspitze die Kieferhöhle erreicht haben. Auch
hinter gut sitzenden Füllungen finden sich manchmal eitergefüllte Wurzelkanäle.
Literatur. Benner (Breslau).
38) E. Kellner. Beitrag zur Klinik der mit Knochennekrose einher-
gehenden Kieferhöhleneiterungen.
(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Nr. 16.)
Knochennekrose kann entweder durch Übergreifen der Entzündung von der
Schleimhaut der Kieferhöhle auf Periost und Knochen entstehen, oder bei Osteo-
myelitis des Oberkiefers, oder fortgeleitet vom Alveolarfortsatze. Die mediale und
die faciale Wand werden von der Nekrose bzw. Perforation bevorzugt. Verf.
bringt acht Fälle. Alle wurden durch breite Eröffnung nach Luc-Caldwell
vollkommen und dauernd geheilt. Renner (Breslau).
39) O. Kahler. Zur Frage der Genese der Cholesteatome der Neben-
höhlen.
(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Nr. 16.)
Daß neben der sekundären, meist durch Eiterung bedingten Entstehung von
Nebenhöblencholesteatomen auch eine primäre, epidermoidale vorkommt, zeigt
Verf. an einem von ihm operierten Falle von Cholesteatom des Stirnbeines. Neben
der Stirnhöhle, die keinen pathologischen Inhalt, nur mikroskopisch chronisch ent-
zündliche Schleimhaut aufwies, fand sich eine 6: 5:3 cm große, mit gelber Flüssig-
keit und rötlich grauen krümligen Massen gefüllte Höhle, an einigen Stellen mit
geschichtetem Pflasterepithel ausgekleidet. Eine Entstehung aus einem abgeschlos-
1282 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43.
senen Teile der Stirnhöhle oder einer verlagerten Siebbeinzelle glaubt Verf. aus-
schließen zu können. Außerdem soll der Befund von elastischen Fasern in der
Wand für die epidermoidale Entstehung sprechen.
Acht Fälle von echten Stirn- und Kisferhöblencholestaktoinen werden angeführt.
Literatur. Renner (Breslau).
40) Barret and Orr. Two cases of epistaxis, in which ligation of
external carotid artery became necessary.
(Intercol. med. journ. of Australasia 1908. Juni 20.)
Zwei Fälle von Nasenbluten, das schließlich, nachdem alle anderen Mittel
ohne nachhaltigen Erfolg geblieben waren, die Unterbindung der Carotis ext. not-
wendig machte, worauf die Blutung prompt stand. Es handelte sich um jüngere
Männer ohne nachweisbare Hämophilie oder sonstige in Betracht kommende Er-
krankungen, bei denen die Blutung nach Entfernung eines Nasenpolypen, bzw.
Kauterisation vergrößerter Nasenmuscheln ohne besondere Gelegenheitsursache
einige Tage nach der Operation einsetzte. Wahrscheinlich handelte es sich in
beiden Fällen um Ulzeration der Blutgefäße. Mohr (Bielefeld).
41) Alessandri. Contributo alla chirurgia conservativa delle ossa e
delle articolazioni.
(Bull. della R. accad. med. di Roma Anno XXXII. p. 371—397.)
In diesem lesenswerten Artikel berichtet A. über seine Erfahrungen aus dem
Kapitel der Extremitätenchirurgie. Zunächst handelt er die Tuberkulose ab. Er
geht hierbei in seinen konservativen Bestrebungen sehr weit, kann aber trotzdem
von ausgezeichneten Erfolgen sprechen. Unkomplizierte Fälle (33 Kranken-
geschichten) behandelt er mit Injektionen von 1%iger Jod-Jodkalilösung nach Du -
rante (cf. dieses Zentralblatt 1906 p. 38) in den Krankheitsherd sowohl wie allge-
mein (in Nates oder Bauchwand), eine Behandlung, die sich besonders für reine
Knochenherde eignet. Dabei wendet er die üblichen Kontentivverbände an. Fort-
geschrittene Fälle (ebenfalls 33 Krankengeschichten) reseziert er und hat auf diese
Weise, besonders am Fuß, selbst verzweifelte Fälle geheilt. Auch bei Geschwülsten,
sei es myelogenen oder periostalen Sarkomen, geht er konservativ mit Resektion vor.
Alsdann berichtet A. über einige Fälle von Frakturen, weiterhin über fünf Pseud-
arthrosen, zum Teil mit starker Dislokation, die er durch Knochennaht zur Hei-
lung gebracht, zum Teil mit Resektion der Fragmente. A. Most (Breslau).
42) W. A. Oppel. Die operative Behandlung der Folgen von par-
tiellen Schußverletzungen peripherer Nervenstämme.
(Russ. Archiv f. Chirurgie 1908. [Russisch.))
Auf Grund deutscher (Henle), japanischer und russischer (zum Teil persön-
licher) Erfahrungen bespricht O. die operativen Maßnahmen und redet besonders
der Neurolyse das Wort. Er betont, wie wichtig es ist, dem aus fibröser oder
knöcherner Haft befreiten Nerven ein neues Bett zu schaffen, das ihn gegen wieder-
holte narbige Umstrickung schützt.
Beachtenswert — wie O. mit Recht hervorhebt — ist der folgende Fall. Wegen
unerträglicher Beschwerden mußte O. aus einem N. medianus 4 cm resezieren.
Sowohl den zentralen als auch den peripheren Medianusstumpf implantierte er
seitlich dem N. ulnuris. Unmittelbar nach der Operation konnte Pat. die Finger
bewegen! Nach einigen Monaten stellte sich eine Neuritis des Ulnaris ein, die O.
dazu zwang, den Medianus wieder abzutrennen; dabei wurde das zentrale Medianus-
ende noch um 10 cm gekürzt. Auch nach dieser Operation keine Motilitäts-
störungen! Es ist also erwiesen, daß höher hinauf Anastomosen motorischer
Nerven vorhanden gewesen sein müssen, an deren Vorhandensein wir noch nicht
genügend gewöhnt sind. V. E. Mertens (Kiel).
Mn nn Er Be nn, a EEE in aa:
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 1283
43) Anglada. Luxations doubles simultandes scapulo-humerales.
(Arch. internat. de chir. 1908. II, 6.)
Eine 5öjährige, fettleibige Frau fiel bei einem Sturze von der Treppe auf beide
vorgestreckte Hände, wodurch es zu einer doppelseitigen symmetrischen Oberarm-
verrenkung kam, die sich in Narkose leicht reponieren ließ. Die kasuistische Be-
sonderheit des Falles veranlaßte den Verf.,, eine Zusammenstellung der bisher in
der Literatur bekannten Tatsachen über die verhältnismäßig seltenen doppelseitigen
Verrenkungen zu versuchen und durch ausführliche Literaturangaben zu ergänzen.
Strauss (Nürnberg).
44) Bovero. Di alcune modalità poco note del »processus supra-
condyloideus humeri internus«.
(Giorn. della R. accad. di med. di Torino Anno LXXIJ, 6.)
Nach einer kurzen Zusammenstellung der bisher beobachteten und beschriebenen
Varietäten des Processus supracondyloideus humeri bringt Verf. die ausführliche
Beschreibung von zwei weiteren Varietäten, die er im Laufe einer 32 Fälle um-
fassenden Arbeit fand. Die Darstellung der Besonderheiten der Fälle würde den
Rahmen eines Referates überschreiten.
Ausführliche Literaturangaben ergänzen die Arbeit. Strauss (Nürnberg).
45) F. Villars et P. Canaguier. Sur un cas de lipome intra-muscu-
laire du brachial antérieur.
(Journ. de méd. de Bordeaux 1908. Nr. 33.)
Intramuskuläre Lipome sind bisher nur selten beschrieben worden. Ihre Dia-
gnose kann große Schwierigkeiten bieten, ganz besonders die Differentialdiagnose
gegen kalten Abszeß und Sarkom; Fluktuation, Veränderungen der Haut, Drüsen-
schwellungen, Tuberkulose anderer Organe werden für Abszeß, rapides Wachstum
und ungleichmößige Konsistenz für Sarkom sprechen. Verff. beobachteten ein
Lipom des linken M. brachial. int., welches durch seinen seltenen Sitz, sein schnelles
Wachstum im Anschluß an ein Trauma und seine Größe (Umfang 25 cm) ganz be-
sonders bemerkenswert ist. Boerner (Rastatt).
46) Thon. Volare, mit typischer Radiusfraktur komplizierte Ulna-
luxation. — Ulnarislähmung. (Aus der chirurgischen Universitätsklinik
zu Gießen. Prof. Poppert.)
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 29.)
Pat. war zu Fall gekommen, wobei er auf dem Terrazzoboden mit beiden Füßen
gleichzeitig nach vorn rutschte und nach hinten auf die rückwärts ausgestreckte,
stark dorsalflektierte linke Hand fiel; als er schon zu Boden lag, rutschte er infolge
des Schwunges noch ein wenig weiter nach vorwärts, so daß die linke Hand zum
zweiten Male noch stärker dorsalflektiert wurde. Hierbei war, nachdem vorher
der typische Radiusbruch entstanden, ermöglicht durch ein volares Ausweichen des
Ulnaköpfchens, eine hochgradige dorsale und proximale Verschiebung des distalen
Radiusfragmentes eingetreten. Obwohl die trotz mehrfacher Frakturierung des
letzteren gelungene Einrichtung bald vorgenommen worden, war doch, wohl durch
eine Quetschung gegen das weit nach unten herausgetretene Ulnaköpfchen, eine
Lähmung des M. ulnaris erfolgt, die nicht mehr behoben werden konnte.
Kramer (Glogau).
47) Waechter. Arrest of growth at the lower end of the radius
after separation of its epiphysis.
(Annals of surgery 1908. Juli.)
Ein 11jähriges Kind erlitt durch Fall einen Epiphysenbruch am unteren Ende
des linken Radius. 2 Jahre nach der im übrigen guten funktionellen Heilung be-
merkten die Eltern, daß die Beweglichkeit im Handgelenk abnahm, und daß die
1284 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43.
Hand schief stand. W. konstatierte eine ulnare Abduktionsstellungjder Hand, die,
wie das Röntgenbild nachwies, durch ein verschiedenes Wachstum der beiden
Unterarmknochen bedingt war. Das untere Ende des Radius war im! Längen-
wachstum infolge der verknöcherten Epiphysenlinie zurückgeblieben. Die ver-
knöcherte, mit Zerstörung des Gelenkknorpels einhergehende Verknöcherung der
Epipbysenlinie war eine Folge des erlittenen Bruches.
Herhold (Brandenburg).
48) R. Guzzi (Mailand). Caso singolare di edema traumatico alla
mano destra.
(Clinica chirurgica 1907. Nr. 9.)
G. bringt einen ungewöhnlichen Fall von hartem Ödem der rechten Hand im
Anschluß an ein Trauma zur Kenntnis: Ein 20jähriger Bauer geriet vor 6 Jahren
mit dem rechten Zeigefinger in ein Zahnradgetriebe und verlor die zweite und
dritte Phalanx, worauf nach einigen Tagen auch die Grundphalanx exartikuliert
wurde. Monatelang blieben Unempfindlichkeit und Schwäche im ganzen Arm zurück.
Gleich nach Wiederaufnahme der Arbeit stellte sich ein bedeutendes Ödem der
Hand mit unerträglichen Schmerzen ein, die erst nach absoluter Ruhe und Massage
nach mehreren Monaten schwanden. Diesen wechselnden Zustand ertrug Pat. durch
4 Jahre, bis sich das Odem mit den argen Schmerzen, besonders entsprechend dem
zweiten Metacarpus, dauernd erhielt und jeder Behandlung widerstand. Es wurde
ein Teil des Metacarpus reseziert; das Odem und die Schmerzen schwanden rasch,
und Pat. konnte 1!/2 Jahr lang alle Arbeiten verrichten. Da stieß er die Dorsal-
seite der Hand heftig an eine Mauer an; am nächsten Tage waren Schmerzen und
Ödem wiedergekehrt und erreichten in wenigen Tagen enorme Dimensionen. Nun
wurde der Rest des zweiten Metacarpus reseziert. Unter Lichtbädern und Massage
schwanden alle Erscheinungen innerhalb weniger Wochen, so daß wieder ein Jahr
lang verhältnismäßiges Wohlbefinden blieb, einzelne Intervalle mit Ödem und
Schmerzen abgerechnet. Allmählich kehrten beide ungemein heftig wieder. Die
Schmerzen wurden nun als konstante, zeitweilig bis in die Schulter ausstrahlende
angegeben, die jede Berührung und Bewegung der Hand unmöglich machten. Das
Ödem betrifft gleichmäßig die ganze Hand, von der Radiocarpalfuge angefangen,
bei normaler Hautfarbe und Temperatur. Die Haut ist trocken, die Nägel sind
normal. Die Schwellung ist kaum eindrückbar, die entstandene Delle verschwindet
sofort, die Konsistenz ist eher elastisch zu nennen. Druck enorm schmerzhaft.
Pulsqualitäten der Radiales gleich. Reflexe rechts gesteigert. Fingerbeweglich-
keit durch das Ödem behindert und schmerzhaft. Druck auf die Nervenstämme
und Muskeln des rechten Armes sehr schmerzhaft. Die taktile Empfindlichkeit ist
wesentlich herabgesetzt am ganzen Unterarm und an der Hand. Die elektrische
Untersuchung ergibt keinen Unterschied. — Lichtbäder, Massage, sowie Extensio-
nen des Armes im Rossi-Schede’schen Rahmen ließen das Odem noch einmal
völlig verschwinden. Aber nach 3 Monaten wieder der alte Zustand; außerdem war
die Haut cyanotisch, glänzend. Thiosinamin hatte keinerlei Wirkung. Nun.wurde
ein Versuch mit blutiger Dehnung der drei Nervenstämme gemacht. Nach wenigen
Stunden war das Odem verschwunden, die entsetzlichen Schmerzen blieben. Nach
26 Tagen wurde wegen des neuerlichen Odems eine zweite blutige Dehnung aus-
geführt. Diesmal schwanden beide Erscheinungen für 6 Tage; eine dritte Deh-
nung des Ulnaris und Radialis wurde mit einer Resektion im Medianus verbunden,
dessen Gebiet die ärgsten Schmerzen anzugehören schienen. Mit dem neuerlichen
Zurückgehen des Ödems hatte sich aber diesmal eine progressive Unterempfind-
lichkeit des ganzen Armes eingestellt, die vom Ellbogen abwärts in vollständige
Anästhesie überging. Dabei Entartungsreaktion im Medianus- und Ulnarisgebiet.
Nach wenigen Wochen mußte wegen des kolossalen Ödems, der blassen, glänzend
gespannten Haut mit Dehnungsgeschwüren am Handrücken und Vorderarm und
vor allem wegen der unerträglichen kontinuierlichen Schmerzen zur Amputation
im mittleren Drittel des Oberarmes geschritten werden. — G. will die Differential-
diagnose zwischen neurotrophischem (neuritischem), hysterischem, syringomyelitischem
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 1285
und »traumatischem« Ödem dahin entscheiden, daß es sich um ein »traumatisches«
Ödemjan einem hysterischen Subjekt gehandelt hat. — G. macht schließlich auf
dielganz auffallende Wirkung der blutigen Dehnung auf das Ödem aufmerksam,
die vielleicht in echten neurotrophischen Fällen mit Erfolg versucht werden könnte.
J. Sternberg (Wien).
49) P. Bull. Luxatio dorsalis ossis magni carpi.
(Norsk mag. for. laegevid. 1908. Nr. 8.)
Bemerkenswerter Fall von dorsaler Verrenkung des Kopfbeins ohne Fraktur
des Os naviculare und ohne gleichzeitige Verrenkung des Os lunatum. In den ersten
4—5 Wochen starke Schmerzen und Parästhesien der rechten Hand. Diese, von
der Kompression des N. medianus und N. ulnaris herrübrenden Symptome gehen
imYLaufe von 6 Monaten völlig zurück, während eigentümliche trophische Störungen
an den Fingernägeln und an der Hand bestehen bleiben. Nach mehr als einem
halben Jahre auffallende Besserung des funktionellen Ergebnisses. Die Beweg-
lichkeit der Finger und die Kraft des Handgelenkes nimmt zu. Doch blieb der
Daumen wegen seiner ausgeprägten Extensionsstellung wenig brauchbar. Mit
Rücksicht auf das immerhin nicht ungünstige Heilungsresultat wurde von einem
operativen Eingriff Abstand genommen.
Die Verletzung war durch Fall in den Schiffsraum, wahrscheinlich infolge
Hyperextension der Hand entstanden. Die Symptome der dorsalen Verrenkung
des Os capitatum sind abnorme Stellung der Hand, Formveränderung des Hand-
gelenkes, funktionelle Beeinträchtigung der Hand- und der Fingerbewegungen und
nervöse Störungen im Gebiete des Medianus, seltener des Ulnaris. Diagnostisch
wichtig sind die Parästhesien im Medianus- und Ulnarisgebiete sowie die Ver-
kürzung des Handgelenkes, die 0,5—1,0 cm beträgt. In frischen Fällen versuche
man die Reposition des verrenkten Handwurzelknochens in Narkose durch Hyper-
extension, Zug und direkten Druck. Meist mißglückt die Reposition oder gelingt
nur unvollständig. In diesen Fällen entferne man das Os lunatum durch einen
volaren Schnitt längs der Sehne des Palmaris longus.
Bevenstorf (Hamburg).
50) Reismann (Haspe). Hochgradige Narbenkontraktur sämtlicher
Finger der rechten Hand in Beugestellung.
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 28.)
51) K. Vogel. Zur Therapie der Narbenkontraktur der Hand.
(Ibid. Nr. 33.)
Die durch Verbrennung entstandene Beugekontraktur wurde von R. zunächst
durch zahlreiche quere Einschnitte der Finger bis auf die Sehnen mit nachfolgender
Streckung und Fixierung der letzteren in Streckstellung zu beseitigen gesucht. Da
ein Rezidiv erfolgte, wurde der Eingriff wiederholt, sodann das Narbengebiet in
der Hohlhand umschnitten, unterminiert, der nach Streckung entstandene Defekt
durch dem Oberschenkel entnommene Thiersch'sche Lappen gedeckt. Zur Mo-
bilisiefung der Finger und Erhaltung ihrer Streckstellung benutzt R. einen zweck-
mäßigen, mit Gummizügen versehenen Apparat. — Das Resultat der Behandlung
war schließlich, auch in bezug auf die Funktion der Finger, ein sehr gutes und
seit 2 Jahren andauernd günstigster Art.
V. empfiehlt unter Hinweis auf einen Fall von Kontraktur nach Maschinen-
verletzung, in dem er nach Ausschneidung der Schwiele die Haut des unbrauchbar
und hinderlich gewordenen Zeigefingers in den Defekt eingenäht hatte, dieses Ver-
fahren auch dann, wenn ein Finger nicht ganz unbrauchbar geworden sei. Er hält
das R.’sche Verfahren für zu mühevoll und unsicher im Erfolge, nicht vor Rezi-
diven schützend, während das von ihm angewandte letztere ausschließe und für
den Pat. mit wenig Unbequemlichkeiten verbunden sei. Die vorhergehende Be-
handlung der zu operierenden Hand im Heißluftkasten wird von V. erneut gerühmt.
Kramer (Glogau).
1286 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43.
52) 8. Kofmann (Odessa). Kasuistischer Beitrag zur Frage der Finger-
frakturbehandlung.
(Archiv für Orthopädie, Mechanotherapie und Unfallchirurgie Bd. VI. Hft. 4.)
K. erzielte ein gutes Heilungsresultat bei Bruch der Grundphalanx des rechten
Mittel- und Zeigefingers, dessen Fragmente einen dorsalwärts offenen Winkel bil-
deten, indem er die mit steriler Gaze umwickelten Finger mitsamt den übrigen in
die Hohlhand einschlug und auf einem Wattebausch, der auf die hervorspringenden
Fragmente einen Druck ausüben sollte, einen Verband anlegte.
Hartmann (Kassel).
53) A. Hints. Ein Fall von Riesenzellensarkom an der Grundphalanx
des rechten Ringfingers. (Aus der Wiener dermatologischen Klinik
und dem pathologischen Institute.)
(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Nr. 15.)
Ein Jahr nach Beginn der Geschwulst wurde sie entfernt. Sie war pflaumen-
groß, von normaler Haut überzogen, anscheinend weder mit dieser noch der
Unterlage verwachsen, aber auf der Strecksehne reitend und sich mit ihr bewe-
gend. Bei der Operation erwies sie sich mit der Sehne verwachsen und vom
Periost ausgehend, von dessen derbfibrösen Schichten sie sich mikroskopisch aber
deutlich abgrenzte. Es war ein polymorphzelliges Riesenzellensarkom vom Cha-
rakter der Epuliden, mit dem es die relative Gutartigkeit gemeinsam hatte.
Renner (Breslau).
54) I. Bruce. The relation between sciatica and disease of the hip-
joint.
(Practitioner 1908. April.)
Die von William Bruce im Jahre 1903 auf Grund klinischer Untersuchungen
ausgesprochene Vermutung (Sciatica, an inquiry as to its real nature and rational
treatment. Lancet 1903 August), daß als Ursache für ischiadische Beschwerden
eine Hüftgelenkserkrankung (Gicht, Arthritis deformans) vielfach nachgewiesen
werden könne, sucht Verf. durch fünf Krankengeschichten zu stützen.
In sämtlichen Fällen handelte es. sich um Personen mit typischen ischiadischen
Beschwerden, ohne daß klinisch am Hüftgelenk der affizierten Seite irgendein
pathologischer Prozeß nachgewiesen werden konnte. Erst durch die Durchleuchtung
mit Röntgenstrablen wurden mehr oder weniger starke Veränderungen (Arthritis
deformans im Bereiche des Schenkelkopfes und der Pfanne) festgestellt, die in dem
ersten Fall eine Hüftresektion nötig machten. In ähnlicher Weise, wie bei einer
Coxitis tuberculosa Schmerzen im Kniegelenk durch Zweige des N. obturatorius,
bzw. bei Schmerzen an der Vorderseite des Knies durch Aste des N. cruralis aus-
gelöst werden können, ist es auch bei einer Arthritis deformans der Hüfte möglich,
daß Schmerzen in der Glutäalgegend auftreten, die für ischiadische gehalten und
dementsprechend behandelt werden. Dem Verf. liegt es fern, zu behaupten, daß
in allen Fällen von Ischias Veränderungen am Hüftgelenk nachgewiesen werden
können, bzw. daß in allen Fällen von Arthritis deformans der Hüfte auch ischie-
dische Beschwerden vorhanden sind; er rät vielmehr, mit der Diagnose »Ischias«
vorsichtig zu sein und niemals die Durchleuchtung der Hüfte derartiger Kranker
zu unterlassen. Jenckel (Göttingen).
55) Gillette. Ligation of the left common iliac artery.
(Annals of surgery 1908. Juli.)
Wegen eines Aneurysmas der linken A. ischiadica, das in der Gesäßgegend
pulsierend fühlbar war, machte G. die Unterbindung der linken A. iliaca int.
7 Monate pulsierte das Aneurysma nicht, dann macht es sich wieder bemerkbar,
und G@. unterband jetzt die Iliaca ext., nachdem er vergeblich versucht hatte, das
direkt zuführende Gefäß zu finden. Als auch jetzt die Pulsation fortbestand, unter-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 1287
band er die linke Iliaca comm. dicht unter der Aorta und exstirpierte dann den
Aneurysmasack. Es trat Gangrän des Beines ein, das dicht oberhalb des Knies
amputiert werden mußte; dann erfolgte Heilung.
Aus der Literatur sammelte G. 80 Fälle von Unterbindung der A. iliaca comm.;
56 = 70% endeten tödlich infolge der Operation. Gangrän trat bei den letzten
21 Fällen in 331/3% ein, während sie in den vorher publizierten Fällen etwas
häufiger war. Verf. hält die Operation doch für sehr gefährlich, und ist sie nach
ihm nur im äußersten Notfalle auszuführen. Herhold (Brandenburg).
56) Binnie. Aneurysmorrhaphy.
(Annals of surgery 1908. Juli.)
Verf. vergleicht das Entstehen von Aneurysmen mit dem Hervorwölben der
Wand an brüchig gewordenen Stellen von pneumatischen Automobilreifen und
erläutert die Ahnlichkeit an Zeichnungen. Sodann schildert er die Operation eines
falschen Kniekehlenaneurysmas, in dessen Höhle das erweiterte, eine 3/, Zoll breite
Öffnung zeigende Arterienrohr lag. B. spaltete dieses wahre Aneurysma und ver-
nähte nach Matras die im Grunde liegenden Arterienöffnungen mit Jodcatgut.
Darauf verkleinerte er den übrigen Teil des Sackes durch Raffnähte und nähte
die Haut bis auf eine kleine, für ein dünnes Drainrohr bestimmte Öffnung darüber
zu. Das Aneurysma wurde auf diese Weise geheilt. Herhold (Brandenburg).
57) Abbe. Aneurysmorrhaphy.
(Annals of surgery 1908. Juli.)
Es handelt sich um den selten Fall eines Aneurysma der Glutaea superior,
das auf den N. ischiadicus drückte und andauernd heftige Schmerzen verursachte.
A. unterband zunächst die A. iliaca ext. und spaltete nach Auseinanderziehen der
Gesäßmuskeln den freigelegten, nicht mehr pulsierenden Aneurysmasack. Aus der
in der Tiefe des Sackes befindliche Öffnung der A. glut. superior blutete es, durch
Fingerdruck ließ sich diese Blutung beherrschen. Nunmehr wurde die erste Naht
des Sackes mit feinem Chromcatgut oberhalb der Fingerspitze und dann tabaks-
beutelartig um die Öffnung der A. glut. herumgelegt und nach Aufheben des
Fingers schnell zugezogen. Dann wurde die Innenfläche des ganzen Sackes durch
innere Nähte aneinander genäht, so daß eine völlige Verödung desselben die Folge
war. Beim Lösen der Unterbindung der A. iliaca externa blutete es nicht mehr.
Die Wunde wurde geschlossen, und es trat völlige Genesung ein.
Herhold (Brandenburg).
58) Blake. Aneurysmorrhaphy.
(Annals of surgery 1908. Juli.)
Es handelte sich in dem vorliegenden Falle um ein Aneurysma der A. poplitea.
Nach Spaltung des Sackes unter Esmarch’scher Blutleere sah man die mit dem
Sack kommunizierende Öffnung an der oberen Hälfte desselben etwas seitlich der
Inzision. Es wurde diese Öffnung durch Chromcatgutnähte verschlossen, der Sack
durch Nähte vereint und außerdem der Sicherheit halber die Arterie am proxi-
malen Ende des Sackes unterbunden, während das distale Ende offen blieb. Nach
Lösung des Gummischlauches war eine Blutung nicht vorhanden. Ungestörte Hei-
lung. Herhold (Brandenburg).
59) A. Morávek. Patellarsarkom.
(Časopis lékařů českých 1907. p. 1003.)
Bei einem 30jährigen Manne, der über 10 Monate an stechenden Schmerzen
litt, im Knie entwickelte sich nach einem Sturz auf dieses Knie eine langsam
wachsende Geschwulst. Da dieselbe auf dem Röntgenogramm gut abgegrenzt war,
wurde nur eine Exstirpation der Kniescheibe vorgenommen und der Defekt in der
Gelenkkapsel durch einen Lappen aus dem M. vastus internus gedeckt. Der Er-
folg war in funktioneller Hinsicht sehr befriedigend, da Pat. fast den ganzen Tag
ohne Beschwerden stehen kann; die Extension ist normal, die Flexion nur wenig
behindert. Die histologische Untersuchung ergab ein Sarcoma gigantocellulare.
G. Mühlstein (Prag).
1288 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43.
60) Schwarz. Ein Fall von fibromatöser Verdickung der Achilles-
sehne. (Aus der kgl. chir. Klinik der Universität Halle a. S. Prof.
v. Bramann.)
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 23.)
In S.'s Fall lag eine traumatische Entstehung der Tendinitis achillea vor, in
deren Verlauf es zu einer beträchtlichen, gut fingerbreit oberhalb der Sehnen-
ansatzstelle beginnenden und 2 cm nach oben reichenden Verdickung der Sehne ge-
kommen war; Dorsalflexion und Abrollen des Fußes waren stark behindert, so
daß Pat. mit auswärts gedrehtem Fuße ging und stets hinkte. Die Exstirpation
der Geschwulst ergab ein Fibrom mit lockerer Anordnung der Fasern. S. nimmt
an, daß bei dem Pat. eine gewisse Disposition der Sehnen zu Erkrankung vor-
gelegen habe; Pat. selbst behauptete zu Rheumatismus zu neigen, übrigens schlecht
sitzendes Schuhwerk nie getragen zu haben. Kramer (Glogau).
61) Niosi. Par la diagnosi di una non comune lesione sifilitica gom-
mosa sottocutanea dell’ arto inferiore.
(Clinica moderna 1907. Hft. 16.)
Bei einem 25 Jahre alten Manne findet sich eine halbweiche, an den Rändern
härtere, nicht scharf begrenzte, große, flache Geschwulst im Subkutangewebe und
der Aponeurose der unteren Hälfte der vorderen und seitlichen Teile des linken
Oberschenkals, die auf die vordere und innere Seite des Knies übergreift. Die
seit 6 Jahren bestehende und in ibren erweichten Teilen mehrfach punktierte Ge-
schwulst wurde in der irrtümlichen Annahme eines Sarkoms inzidiert, wobei sich
eine blutige Flüssigkeit entleerte und elastisch harte, weißgelbliche Granulationen
mit nekrotisierender und leicht blutender Oberfläche vorgefunden wurden. Unter
Jodoformbehandlung und fünf Kalomelinjektionen erfolgte schnelle und dauernde
Heilung, wobei der anämische Pat. sich gleichzeitig sehr erholte. Zwei nachträg-
lich gefundene Hautulzerationen heilten gleichfalls unter der Hg-Behandlung. Die
Anamnese war völlig negativ. Dreyer (Köln!.
62) J. Znojemsky. Frakturen des Calcaneus.
(Casopis lékařů českých 1908. p. 511.)
Z. stellt aus der Klinik Kukula’s in Prag 17 Fälle von Fersenbeinbrüchen
zusammen. Nur einmal (Fall I) lag ein echter Rißbruch des Tuber calcanei vor,
beim Sprung aus der Höhe auf die Fußspitzen durch Kontraktion der Waden-
muskeln entstanden. Die Bruchlinie verlief parallel mit der architektonischen
Struktur der Spongiosa. Im Fall II verlief die Bruchlinie vertikal, aber außer
diesem Rißquerbruch des Tuber war noch ein Bruch des Korpus vorhanden. Atio-
ogie: Sturz auf eine feste Unterlage und reflektorische Kontraktion der Waden-
muskulatur. Fall III betraf einen Bruch des Korpus; Fall IV—VI waren Frak-
turen des Processus anterior, und alle übrigen Fälle waren Kompressivbrüche.
Sämtliche Fälle sind durch Röntgenogramme erläutert. In therapeutischer Be-
ziehung empfiehlt Z. folgenden Vorgang: Entsprechend der anatomischen Form
des Bruches wird so redressiert, daß eventuelle Kontrakturen vermieden werden;
dann Gipsverband für 2-3 Wochen, der durch einen Verband aus Wasserglas
ersetzt wird. Jetzt wird massiert, gebadet und elektrisiert, wobei aber der Kranke
mindestens 6 Wochen liegen muß. Bei starker Dislokation der Bruchstücke werden
dieselben operativ miteinander vereinigt, event. werden sie exstirpiert.
G. Mühlstein (Prag).
Berichtigung. In Nr. 40 p. 1191, Ref. 33, Z. 13 u. 14 muß es statt »ist ge-
fährlich« heißen: »beschreibt Verf. ausführlich«.
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden.
Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau,
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig.
Zentralblatt für Chirurgie
herausgegeben von
K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER,
in Bonn, in Berlin, in Breslau.
35. Jahrgang.
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG.
Nr. 44. Sonnabend, den 31. Oktober 1908.
Inhalt.
L A. Grossich, Eine neue Sterilisierungsmethode der Haut bei Operationen. — II. F. Franke,
Zur Erklärung des postoperativen spastischen Darmverschlusses. (Originalmitteilungen.)
1) Wederhake, Desinfektion der Hände und der Haut. — 2) Fiessler und Iwase, Sterilisa
tion der Gummihandschuhe. — 8) Knox, Wunddrainage. — 4) Muskat, Wanderung von Fremd«
körpern. — 5) Haeberlin, Nadelextraktion. — 6) Norris, Das Netz. — 7) Stirling, Zur Bauch-
höhlendrainage. — 8) Kauffmann, 9) Walko, 10) Broca und Barbet, 11) Duvergey, Appendi-
citis. — 12) Chavannaz, 183) Hackenbruch, 14) Takata, 15) Mauclaire, 16) Menge, Hernio-
logisches. — 17) Scudder, 18) Luis y Yague, Pylorusstenose. — 19) Jeanneret, Gastrostomie. —
20) Campo, 21) Rivas y Rivas, Gastroenterostomie. — 22) Parker, Darmstenosen. — 23) Gant,
Chronische Diarrhöe. — 24) Beach, Mastdarmstriktur.
H. Eggenberger, Wismutvergiftung durch Injektionsbehandlung nach Beck. (Originalmit-
teilung.)
85) Dollinger, Behandlung tuberkulöser Fisteln nach Beck. — 26) Armeesanitätsbericht. —
37) Neudörfer, Bauchschuß. — 28) Baradulin, Postoperativer Ileus. — 29) Mauclaire, Chylus-
artiger Ascites. — 30) Mc Guire, 31) Lamari, Peritonitis. — 82) Brüning, 33) Frascella, 84) Mül-
der, 35) Clark, Appendicitis. — 86) Pohlman, Blinddarm-Duodenalkanal durch den Wurm. —
87) McLean, Cystenbildung im Wurm. — 88) Simon, Perforiertes Meckel’sches Divertikel. —
89) Nast-Kolb, 40) Sarshezki, 41) Arnaud, Herniologisches. — 42) Finsterer, Hydrokele mulie-
bris. — 43) Rubritius, Bauchdeckengeschwulst nach Bruchoperation. — 44) Hunter, Pylorus-
‚stenose. — 45) Manges, Magensarkome. — 46) Luther, Enteroptosis. — 47) Zaaljer, Purpura und
Darminvagination. — 48) Boese, Tuberkulose der Flexur. — 49) Hirschman, Mesosigmoidopexie.
— 50) Mershejewski, Hämorrhoiden. — 51) v. Herczel, Mastdarmkrebs.
Erklärung.
I.
Eine neue Sterilisierungsmethode der Haut
bei Operationen.
Vorläufige Mitteilung.
Von
Dr. Antonio Grossich,
Primärchirurg am städtischen Hospital in Fiume.
(Aus dem Italienischen übersetzt.)
T Tnter den 1600—1800 Kranken, die jährlich in die chirurgische Ab-
teilung des Fiumaner Krankenhauses aufgenommen werden, befinden
sich wenigstens 5—600 Verletzte, von diesen wieder etwa 3- 400 mit
‚offenen Wunden. Jeder Spitalschirurg weiß, wie schwer eine asep-
tische Versorgung solcher Wunden ist, besonders wenn dieselben die
behaarte Kopfhaut, den Hals, die Achselhöhle, das Scrotum, die Finger
oder die Zehen betreffen, und wenn der Verletzte, oft mitten in der
Nacht hereingebracht, stark blutet.
44
1290 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44.
In einem solchen Falle, vor ca. 1 Jahre, dem Gedanken folgend,
daß viele Operateure und ich selber nach der regelrechten Reinigung
der Haut vor den Operationen die Schnittstelle mit Jodtinktur be-
streichen, bestrich ich die, eine offene, eingerissene, breite Wunde
umgebende Haut mit Jodtinktur allein, ohne irgend eine Waschung,
nähte dann die Wunde vollkommen zu, bestrich noch einmal die
Nähte mit der Tinktur und legte dann den gewöhnlichen sterilen
Verband an. Es trat Heilung per primam ein. Eine zweite, dann
eine dritte, eine zehnte in der gleichen Weise versorgte Wunde heilte
ebenso schön. Seitdem haben sowohl ich als meine Assistenten die
Methode allgemein angewendet, d. h. nach der trockenen Rasierung
der Haare einfach mit Jodtinktur bestrichen, die Bestreichung dann
wiederholt, nachdem die Wunde genäht wurde, und der Erfolg war
immer eine reine Prima intentio, ohne die geringste Spur von
. Rötung, Schwellung, Eiterung oder Temperaturerhöhung. Dieser
Erfolg war konstant, selbst wenn die Wunden mitunter manche
Stunden, sogar Tage unversorgt geblieben waren; die reinste Heilung
trat immer ein, wenn die Wunden nur kein Zeichen einer
schon bestehenden Entzündung, wie Rötung oder Schwel-
lung, darboten. Zu bemerken ist noch, daß die Verletzten fast
alle aus dem Hafen oder aus den Fabriken kamen, wo ca. 20000
Arbeiter aller Nationalitäten und Rassen beschäftigt sind, meist Leute,
die nicht als sehr rein zu bezeichnen sind.
Durch diese Erfolge ermutigt, wendete ich die Methode nicht.
mehr allein bei Wunden, sondern auch bei kleineren Operationen, bei
Atheromen, Hydrokelen usw. an. Nun stellte sich die merkwürdige, ja
paradoxe Tatsache ein, daß, wenn der Pat. unmittelbar vor der Ope-
ration ein Seifenbad genommen hatte oder sonst mit Seife und Wasser
gereinigt wurde und erst dann mit Jodtinktur bestrichen, nicht mehr
allemal eine wirklich glatte Heilung eintrat. Hier und da eiterten
die Nähte oder diastasierten die Wundränder, oft kam es zu wahrer
Eiterung. Wenn aber jede Waschung unterblieb und nach der trockenen
Rasierung der Haare die Haut des Operationsfeldes weit und breit
mit Jodtinktur bestrichen wurde, so blieb auch bei diesen Ope-
rationen die perfekteste Prima intentio nie aus.
Diese paradoxe Tatsache fand eine Erklärung durch die mikro-
skopische Untersuchung kleiner, vor dem Beginne der Operation exzi-
dierter Hautstückchen. Bekanntlich bildet die oberflächliche Schicht
der Epidermis kein absolut kompaktes Gewebe; schmale Interzellular-
räume sind bei Alkoholhärtung stets deutlich nachweisbar, daher der
Name: Stratum disjunctum Ranvier; nun bedingt das Wachs-
tum der basalen Schicht eine Lockerung der oberflächlicheren Zellen,
indem dieselben auf eine größere Fläche verteilt und gedehnt werden;
es entstehen dadurch Einrisse, welche die sogenannte horizontale Ab-
schuppung der Epidermis verursachen. Dieser Prozeß geht ununter-
brochen vor sich, aber selbstverständlich nicht in der Weise, daß der
Einriß plötzlich entsteht und die somit gebildete Schuppe auf einmal
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1291
den Zusammenhang mit der Epidermis verliert, sondern allmählich;
so befinden sich unter den noch nicht fertigen Schuppen Kapillar-
räume, welche sowohl mit den Interzellularräumen als mit der Luft
kommunizieren und die stets Fett, Schweiß und selbstverständlich auch
Bakterien enthalten.
Die mikroskopische Untersuchung der mit Jod behandelten Haut-
stückchen zeigte nun, daß das Jod alle diese Spalten und sämtliche
Interzellularräume sowie die Lymphbahnen imbibiert; diese Tatsache
ist übrigens nicht neu, und wir sehen in unseren Beobachtungen bloß
eine Bestätigung der Angaben anderer Autoren, auf welche wir hier
nicht eingehen können. Dieses Penetrationsvermögen kommt dem Jod
in alkoholischer Lösung fast spezifisch zu; Wasser oder wäßrige
Lösung dringen nur unvollständig und bloß in die oberflächlichsten
Schichten ein. Der Grund des hohen Penetrationsvermögens der
Jodtinktur ist ein mehrfacher: erstens löst dieselbe als eine alko-
holische Tinktur das Fett, welches sich immer in den Kapillarräumen
befindet, und wird von diesen letzteren geradezu absorbiert. Anderer-
seits kommt dem Jod selbst ein besonderes Penetrationsvermögen zu,
indem es sich mit den Fettsäuren der Haut chemisch verbindet und
diese Verbindung besonders rasch resorbierbar ist (siehe die Arbeiten
von Mering, E. Fischer, Kast u. a. A.)
Der Grund, warum die mit Seife und Wasser gewaschene Haut
durch die Jodtinktur schwerer zu desinfizieren ist als die nicht ge-
waschene und trockene, ist nun sehr klar:
Wasser, und noch mehr eine Seifenlösung, bringt erstens die
Epidermiszellen zur Aufquellung und verstopft schon dadurch den
Eintritt der Kapillarspalten; zweitens aber werden viele Kapillarräume
durch eine Seifenlösung gefüllt, welche für das Eindringen der alko-
holischen Lösung dann ein Hindernis bildet. Mikroskopische Partikel
von Seife können auch durch sehr langes Waschen mit Wasser nicht
entfernt werden; diese Partikel bilden aber für vorhandene Keime
eine Hülle, die sie vor der Wirkung der Antiseptika schützt und
welche von dem durch das Wasser, das in den Spalten zurückbleibt,
stark verdünnten Alkohol nicht so leicht gelöst wird.
In meiner Abteilung werden nun die Kranken womöglich am Tage
vor der Operation gebadet, sie bekommen frische Wäsche, und vor der
Operation werden sie nur noch mit der Jodtinktur in der später zu
beschreibenden Weise bestrichen. Nach dieser Prozedur habe ich bis
jetzt 59 freie Leistenhernien, zwei Schenkelhernien und drei inkar-
zerierte Leistenhernien operiert, und alle genasen ohne die geringste
Störung. Von diesen Fällen betraf einer einen 65jährigen Mann mit
inkarzerierter Hernie, der bereits aphonisch und pulslos ins Spital ge-
bracht wurde; ein anderer betraf einen 7ÖOjährigen Mann mit einer
inkarzerierten großen Scrotalhernie, der ebenso kollabiert war wie der
erste; beide kamen direkt zur Operation, sie wurden trocken rasiert
und mit Jodtinktur bestrichen ; bei dem zweiten war der Darm schon
verfärbt, aber noch glänzend, so daß er reponiert werden konnte;
44*
1292 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44.
beide Kranken genasen, wie gesagt, ohne die geringste Störung; die
Temperatur blieb stets normal, die Wunde heilte per primam.
Außer diesen Fällen wurden nach dieser Sterilisierungsmethode
noch mehrere Drüsenpakete, ein kindskopfgroßer Halstumor, Sarkom,
bei einem Manne, und dieser Tage ein mannsfaustgroßes Angiom des
Halses bei einem 35tägigen Säugling nach tiefer Unterbindung der
Carotis und der Jugularis exstirpiert; es wurden dann mehrere Mamma-
exstirpationen nach Kocher, mehrere Amputationen an den Extremi-
täten, Laparotomien wegen Stichwunden des Abdomen, wegen eines
Coecaltumors, mit Exstirpation des Coecum, eine Gastroenteroanasto-
mose, eine transvesikale Prostataexstirpation, Laparotomie bei Extra-
uterin-Schwangerschaft, bei Ovarialkystomen, bei Ileus und andere
Operationen ausgeführt.
Ich habe so die Überzeugung gewonnen, daß die Jodtinktur
besser als irgend ein anderes Verfahren die Haut sterilisiert, und daß
von seiten des Pat. während der Operation jede Infektionsgefahr ganz
ausgeschlossen ist. Desto skrupulöser muß also die Reinigung der
Hände der Operateure und der Assistenten, die Überwachung der
Sterilisation der Instrumente, der Tupfer, Gaze usw. stattfinden; denn
eine eventuelle Infektion würde heute doppelt lasten.
Mein Verfahren möchte ich folgendermaßen rekapitulieren:
1) Der Pat. wird nackt auf den Tisch gelegt und das Operations-
feld breit mit Jodtinktur bestrichen. Das geschieht mit einem Tupfer,
der mit einer Pinzette gefaßt und auf welchen Jodtinktur — 10 bis
12%ig — gegossen wird. Haare wurden schon früher trocken rasiert.
2) Über den ganzen Körper des Pat. wird ein mit entsprechender
Öffnung versehenes Leinentuch, das bis zum Boden reicht, gelegt. Die
Ränder der Öffnung werden an der angrenzenden Haut um das Ope-
rationsfeld mit kleinen Klemmen befestigt.
3) Nachdem Pat. narkotisiert worden, wird das Operationsfeld ein
zweites Mal mit Jodtinktur bestrichen. |
4) Nach Vollendung der Operation wird die Nahtreihe mit Jod-
tinktur bestrichen und der Verband aus steriler Gaze angelegt.
Am 7. Tage werden die Nähte, die braun und steif erscheinen,
entfernt; nach weiteren 24 Stunden verläßt gewöhnlich der Operierte
das Haus. Wenn der Verband aus irgend einem Grunde vor dem
7. Tage gewechselt wird, so wird die Nahtreihe bei der Gelegenheit
wieder mit Jod bepinselt.
Von der Anwendung des Jods, selbst wenn ein Drittel des
Körpers bestrichen wurde, konnte ich nie einen Nachteil konstatieren.
Die Haut exfoliiert sich, indem sich eine dünne braune Lamelle los-
löst, Und darunter zeigt sie nicht die geringste Abnormität. Wenn
die Ränder der Operationswunde recht aneinander adaptiert wurden,
so verwachsen dieselben so schön, daß man die Narbe und die Naht-
löcher kaum erkennt.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1293
II.
Zur Erklärung des postoperativen spastischen
Darmverschlusses.
Von
Prof. Felix Franke in Braunschweig.
E der Diskussion, die sich an den Vortrag Bunge’s über den post-
operativen spastischen Darmverschluß am 4. Sitzungstage des dies-
jährigen Chirurgenkongresses anschloß, hob Heidenhain mit Recht
hervor, daß eine genügende Erklärung dieses eigentümlichen Vorganges
bisher fehle. Und auch die von den einzelnen Rednern in der Dis-
kussion versuchten Erklärungen haben wohl niemand recht befriedigt.
Sie konnten wohl für diesen oder jenen Fall passen, ließen aber bei
anderen Fällen im Stiche. So können Gerinnselbildung im Gekröse
(Payr), Reizung durch einen Spulwurm (Küster), Darmgeschwüre
(Wilms) und andere mechanische Momente doch schwerlich z. B. zur
Erklärung der Tatsache genügen, daß der spastische Darmverschluß
von Gynäkologen häufiger beobachtet wird als von Chirurgen, obgleich
diese sich bei Bauchoperationen ohne Zweifel häufiger in mechanisch
reizender Weise mit dem Darme befassen müssen.
Meiner Ansicht nach ist das Leiden in der Hauptsache ein rein
nervöses, und ich möchte es als traumatische Darmneurose be-
zeichnen.
Diese meine Ansicht, die ich Herrn Kollegen Heidenhain gegen-
über schon auf dem Kongreß privatim geäußert habe — an der Dis-
kussion habe ich mich nicht beteiligen wollen, um sie nicht noch
länger auszudehnen —, stützt sich auf folgende Gründe und Erwä-
gungen.
Es ist jetzt zur Genüge bekannt, daß die glatte Muskulatur nicht
nur der Atmungsorgane, sondern auch der Verdauungsorgane bei
manchen Personen zu krampfhaften Kontraktionen neigt. Neben dem
Stimmritzenkrampf kennen wir einen Speiseröhrenkrampf, einen Cardio-
und Pylorospasmus, und in neuerer Zeit haben sich nun auch die
Beobachtungen von Fällen von Enterospasmus gemehrt. Langemak
hat schon im 5. Bande des Zentralblattes für die Grenzgebiete eine
Reihe solcher Fälle zusammengestellt. In den leichten Formen das.
Bild der von Fleiner 1893 zuerst, später von Westphalen, Albu,
neuerdings von Kisch beschriebenen spastischen Obstipation bietend,,
steigern sich die schweren Fälle bis zum völligen Darmverschluß, zum.
spastischen Ileus, und zwar ohne jede nachweisbare mechanische Reizung,
wie etwa durch einen Gallenstein, Spulwurm o. dgl. oder durch ein Ge-
schwür. Wenngleich meistens weibliche Personen von nicht ganz normalem
Nervensystem betroffen sind, neurotische, hysterische, neurasthenische
oder solche, die blaß oder schlecht genährt sind, gibt es auch solche
1294 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44.
selbst männlichen Geschlechts, deren Nervensystem oder Gesundheits-
zustand sonst nichts zu wünschen übrig läßt.
Es handelt sich in allen diesen Fällen ganz ohne Zweifel um
erhöhte Empfindlichkeit und Reizbarkeit der Darmnerven. Kommt
es nun schon ohne jede mechanische Einwirkung zu solchen unter
Umständen recht lästigen, ja gefährlichen Krampfzuständen, so wird
man schon einfach vom theoretischen Standpunkt aus ohne weiteres
zugeben müssen, daB ihr Auftreten nach Bauchoperationen infolge der
dabei stattfindenden mechanischen Reizung der Därme, mag sie auch
manchmal nur in einfachem Anfassen bestehen, leicht begreiflich er-
scheint. Man wird aber auch die Möglichkeit ihrer Entstehung allein
schon durch psychische Einwirkung bei dazu disponierten Personen zu-
gestehen müssen. Wir hätten dann also zu unterscheiden eine Ent-
stehung durch rein körperliches (mechanisches) und durch geistiges,
psychisches Trauma.
Es wird nun niemand leugnen wollen, daß gerade Bauchopera-
tionen nicht nur als ein körperliches, sondern gerade auch als psy-
chisches Trauma, und zwar mitunter recht schwerer Art, aufzufassen
sind. Selbst nach leichten Operationen hat man mitunter Gelegenheit,
zu seinem Verdrusse diesen schädlichen Einfluß gerade der Bauch-
operation auf das Allgemeinbefinden und namentlich die Energie
und die Psyche der Operierten zu beobachten. Daß das häufiger
bei Frauen vorkommt, kann nicht weiter auffallen, ist doch deren
Nervensystem namentlich auf psychischem Gebiete viel empfindlicher
als das der Männer.
Wenn nun dieser traumatische Einfluß der Bauchoperation sich
einmal am Darm äußert, darf das nach dem eben Besprochenen gar
nicht wunderbar erscheinen, um so weniger, als die Darmfunktionen
für nicht wenige Menschen ein steter Gegenstand der Beschäftigung
und Besorgnis sind, aber gerade nach Bauchoperationen es auch werden
können durch die Sorge des Arztes und der Pflegeperson um sie.
Auf diese Weise ist ohne Zuhilfenahme eines zufälligen Zu-
sammentreffens das Auftreten des spastischen Deus erklärlich auch in
Fällen, in denen bei der Operation der Darm gar nicht berührt ist,
z. B. nach Nierenoperationen. Ich selbst habe den Spasmus nach
einer Annähung der Wandermilz beobachtet, bei der ein Darm so
gut wie gar nicht berührt, das Mesenterium oder Mesokolon gar nicht
gezerrt wurde, eine Embolie in diese ausgeschlossen werden konnte,
Kotverhaltung oder Reizung des Darmes durch harte Kotballen oder
Darmwürmer nicht vorlag. Es handelte sich aber um eine durch
jahrelange Beschwerden sehr angegriffene, abgemagerte, nervöse Frau,
bei der Hysterie nicht sicher ausgeschlossen werden konnte.
Um ein zufälliges Zusammentreffen dagegen handelte es sich in
einem anderen Falle, in dem der spastische Verschluß des Colon
transversum, den ich bei einer Gastroenterostomie fand, schon vor
der Operation aufgetreten war und nach ihr ohne weiteres Zutun
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1295
wieder verschwand. Aber auch hier betraf die Erkrankung eine
schwächliche, zarte, nebenbei junge Frau.
Von meinem Standpunkte aus kann ich also die von den
verschiedenen Autoren angeschuldigten mechanischen Mo-
mente nur als Gelegenheitsursachen bezeichnen. Auf eine
direkte Ursache des postoperativen Enterospasmus muß ich aber
nun hinweisen, auf die meines Wissens bisher nicht oder nicht
genügend aufmerksam gemacht ist und die mich hauptsächlich an-
geregt hat, diesen Artikel zu schreiben. Ich meine den Ileus durch
medikamentöse Einwirkung. Diese Art der Entstehung habe ich
in diesem Sommer bei zwei kräftigen Männern im Anschluß an die
Exstirpation des Proc. vermiformis beobachtet.
Schon seit etwa 20 Jahren habe ich Belladonna gegen die ver-
schiedenen Krampfzustände der glatten Muskulatur mit Erfolg an-
gewandt, so auch, wie gegen Gallenblasenkrampf, gegen den der Darm-
muskulatur, z. B. u. a. vor 17 Jahren bei einer 11 Tage anhaltenden,
nach normaler Entbindung aufgetretenen Darmlähmung, und auch
schon lange, bevor vor einigen Jahren die so vielfache Empfehlung
des Mittels gegen den Ileus und für die Nachbehandlung bei Laparo-
tomien einsetzte, zu gleichem Zwecke. Seit einigen Jahren habe ich
fast regelmäßig nach Laparotomien, besonders solchen, nach denen
ich Darmverklebungen oder Darmparese, wenn auch vorübergehende,
befürchten mußte, Physostigmin subkutan einspritzen lassen, 0,0005
bis 0,001 g 2—3mal täglich, manchmal sogleich, bisweilen erst am
2.. oder 3. Tage.
In den erwähnten zwei Fällen von Appendektomie sprach nun
alles für, nichts gegen die Annahme, daß die in zu großer Dosis
und zu lange fortgesetzte Behandlung mit Physostigmin als Ursache
für den mit Bestimmtheit anzunehmenden Darmspasmus anzusehen
war, der beidemal auch bald schwand, nachdem das Mittel ausge-
setzt wari.
Jedenfalls lehren die beiden Fälle, daß man mit der Dosierung
des Physostigmins, das in geeigneten Fällen von ausgezeichneter
Wirkung ist, vorsichtig sein muß, und daß es nötig ist, beim Auf-
treten eines spastischen Ileus nach Bauchoperationen die Möglickeit
seiner Entstehung durch arzneiliche Einwirkung im Auge zu behalten,
mag nun in dem betreffenden Falle Physostigmin oder Atropin (Bella-
donna) angewandt sein.
1 Anm. Auf meinen Wunsch sind die zwei ausführlichen Krankengeschichten
als zu umfangreich für das Zentralblatt fortgeblieben. Die darin niedergelegten
Erfahrungen scheinen nur so gedeutet werden zu können, wie vom Verf. ge-
schehen. Richter.
1296 Zentrulblatt für Chirurgie. Nr. 44.
1) Wederhake. Desinfektion der Hände und der Haut
mittels Jodtetrachlorkohlenstoff und Dermagummit.
(Med. Klinik 1908. p. 1302.)
Desinfektion der Hände mit einer Lösung von Paraffin in Jod-
tetrachlorkobhlenstoff befriedigte nicht. Dagegen wurde mit Jodtetra-
chlorkohlenstoff (Benzinoform), der viel billiger wie Ather und nicht
feuergefährlich ist, der das Fett löst, die Luft aus den Hautporen
verdrängt, die Keime aus ihnen herausschwemmt und den zurück-
bleibenden Rest durch die Jodwirkung schädigt, eine durchschnittliche
Keimverminderung von 95% erzielt. Der Rest der Keime wird durch
einen Handüberzug festgebannt. Chirol, Schleich’s Wachsüberzug,
Menge’s Paraffinxylol, Haegler’s Guttaperchaüberzug, Döderlein’s
Gaudanin bewährten sich nicht. Auch mit Chirosoter erhielt W. nicht
eindeutige Ergebnisse. — Der Überzug soll sehr elastisch und dünn-
flüssig sein, daß er sich bis in die feinsten Hautporen erstreckt und
darin bei mechanischen Insulten festhaftet; er soll beim Trocknen
eine lückenlose Decke bilden, die Haut nicht beschädigen und nach
der Operation wieder leicht entfernt werden können. Dies leistet der
nicht teure Dermagummit (4 g besten Parakautschuks werden in 100 g
Tetrachlorkohlenstoff gelöst; dazu wird langsam eine Lösung von
0,4 Jod. pur. in 100 Tetrachlorkohlenstoff hinzugefügt).
Die Desinfektion ist leicht auszuführen und erfordert kein warmes
Wasser.
Die Hände werden mittels rauhen Tupfers oder keimfreier Bürste
3 Minuten lang in 300-500 ccm 1°/ igem Tetrachlorkohlenstoff ab-
gerieben. Dann wird in die Händehaut ein wenig Dermagummitlösung
eingerieben. Sollte die Lösung noch ein wenig kleben, so wird Talk
oder ausgeglühtes Kaolinpulver oder Reispuder auf die Hände auf-
gestreut. Nach der Operation wird der Kautschuküberzug mit einem
mit Tetrachlorkohlenstoff getränkten Tupfer entfernt. — In gleicher
Weise wird das ÖOperationsgebiet vorbereitet; Einpuderung ist hier
überflüssig. — An offener Flamme zersetzt sich der Tetrachlorkohlen-
stoff und reizt zum Husten. — Dermagummit ist an sich steril und
wird steril von der Fabrik geliefert, läßt sich aber auch unbegrenzt
oft im strömenden Dampf unter Druck sterilisieren.
Die mehrfach so desinfizierte Hand bleibt dauernd jodiert und
leicht gelb verfärbt.
Das Verfahren bewährte sich bei Desinfektionsversuchen im Paul-
Sarwey’schen Kasten, bei zahlreichen Operationen mit Versenkung
von Seidennähten, bei der bakteriologischen Prüfung der operierenden
Hände. Georg Schmidt (Berlin).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1297
2) A. Fiessler und Y. Iwase. Zur Sterilisation und Ver-
wendung der Gummihandschuhe. (Aus den Universitäts-
Frauenkliniken in Tübingen und München.)
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 33.)
Nachdem sich herausgestellt hat, daß es unmöglich ist, ohne
schwere Schädigung der Haut die Hände völlig keimfrei zu machen,
scheint dies auch für die Gummihandschuhe zuzutreffen. Denn die
Versuche der Verff. ergaben, daß nicht bloß die chemischen und
mechanischen Methoden zur Sterilisierung der Handschuhe nicht aug-
reichen, sondern auch durch 30 Minuten lange Einwirkung von ge-
spanntem Dampf von 0,7 Atmosphären Überdruck nur die vegetativen
Bakterienformen an den Innen- und Außenflächen der Handschuhe
abgetötet werden, die Methode für Sporen keine volle Sicherheit ge-
währt. Trotzdem wird das Verfahren — Eintauchen der gewaschenen
Handschuhe in Aufschwemmungen von Talk in Alkohol, sorgfältige
horizontale Lagerung (unter Vermeiden von Pressen und Knicken) auf
Sieben im Dampftopfe mit rascher Trocknung (zur Wiederherstellung
der Elastizität, Durchsichtigkeit und Festigkeit) nach der Einwirkung
des Dampfes, auch von Döderlein in einem Nachwort der Arbeit
wärmstens empfohlen. Zur Sterilisation und zum Aufbewahren der
Handschuhe hat sich ein Apparat der Firma F. G. Küster, bzw.
ein von Brodnitz oder Lautenschläger konstruierter als beson-
ders zweckmäßig erwiesen. Kramer (Glogau).
3) R. W. Knox. Drainage of wounds.
(New York med. record 1908. Mai 30.)
K. hat bei frischen Wunden aller Art gute Erfahrung mit der
Anwendung feuchter Wärme gemacht. Die Wunden werden offen
gelassen, jede Art Reinigung möglichst vermieden, namentlich die
Ränder nicht geglättet und die zerfetzten Weichteile in Ruhe ge-
lassen.
Der Verband wird zweimal in 24 Stunden gewechselt und be-
steht aus dicken Lagen Watte oder Flanelltüchern, die in heißem
Wasser ausgedrückt und mit Heißwasserbeuteln (40° R) warmgehalten
werden.
Auf Grund ausgedehnter Erfahrung versichert K., daB bei zweck-
mäßiger Technik eine Wundinfektion zu den allergrößten Seltenheiten
gehöre, gleichgültig, wie schwer die Verletzung und wie schmutzig die
Wunde sei. Überfahrungen und Eisenbahnverletzungen schlimmster
Art wurden mit Erfolg behandelt.
Hat sich die Wundfläche gereinigt und granuliert, werden halb-
feuchte Verbände mit Borglyzerin empfohlen. Gelegentlich soll auch
permanente Irrigation mit Borsäure und dünne Formalinlösung zum
Desodorieren verwendet werden.
»Gleich anderen guten Dingen« sei die Idee nicht neu, sondern
nähere sich »der Leinsamenkompresse zu Großmutters Zeiten«, sie
44+%
1298 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44.
‚gewinnt aber ein modernes Gepräge dadurch, daß die Überwachung
durch eine reinliche Krankenwärterin und Sterilisierung der Verband-
stoffe empfohlen wird.
Wenn auch die Anwendung von Watte und Flanell direkt auf
die Wunde mehr einem improvisierten Notverband entspricht, ist mu-
tatis mutandis der beschriebenen primitiven Methode manches Be-
achtenswerte zu entnehmen. Seit die Wirkung physikalischer Heil-
faktoren wieder mehr gewürdigt und auf experimentellem Wege
geprüft wurden, hat auch die feuchte Wärmeanwendung, besonders
bei lokalinfektiösen Prozessen, wieder ihre Bedeutung gewonnen.
Loewenhardt (Breslau).
4) G. Muskat. Über Wanderung von Fremdkörpern.
(Med. Klinik 1908. p. 1373.)
Fall mit der Rückseite des Oberarmes auf ein Nadelkissen; gleich
darauf stechende Schmerzen an der Speichenseite des Unterarmes.
Röntgenbild und Einschnitt weisen eine 4,5 cm lange Nadel neben
dem oberen Drittel des Radius nach. — Die Nadel drang wahrschein-
lich mit großer Gewalt durch die Weichteile des gebeugten Ober-
armes bis unter die Sehne des Streckmuskels. Bei der darauf ein-
tretenden reflektorischen Streckung des einen Halt suchenden Armes
wurde die Sehne gespannt und von ihr die Nadel nach dem Vorder-
arme getrieben, wie ein Pfeil von einer gespannten Sehne vorwärts
geschleudert wird.
M. verbrachte Nadeln in die Bauchhöhle oder in die Schenkel-
muskeln von weißen Mäusen und Kaninchen und stellte nach einiger
Zeit mittels Röntgendurchleuchtung oder Einschnittes den Verbleib
der Fremdkörper fest. Von zwölf Versuchsreihen waren bei dreien
Wanderungen nachzuweisen, einmal von der Bauchhöhle durch das
Gekröse und den Darm hindurch, einmal vom Schenkel in die Becken-
muskeln. Beim dritten der Tiere war eine Nadel in einem Schenkel
um 3 cm nach dem Becken zu gewandert, eine andere Nadel im an-
deren Schenkel aber liegen geblieben.
Durch Eiterungen und durch Knochen wird die Wanderung der
Nadel gehemmt. Dagegen wandern Fremdkörper leicht, welche in der
Richtung der Muskelfasern eines größeren Muskels liegen.
Georg Schmidt (Berlin).
5) Haeberlin (Nauheim). Zur Technik der Nadelextraktion.
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 32.)
Zur topographischen Bestimmung des Fremdkörpers empfiehlt
sich, wie auch H. erprobt fand, die Durchleuchtung vor dem Schirm
in vielen Ebenen, wobei das Glied um die Längs- und sagittale Achse
gedreht, flektiert und gestreckt wird. Der Hautschnitt erfolgt nach
solcher Feststellung der Lage der Nadel senkrecht zu ihrer Längsachse.
Kramer (Glogau).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1299
6) Norris. The omentum: its anatomy, histology, and
physiologie, in health and disease.
(University of Pennsylvania med. bulletin 1908. Juni.)
N. berichtet über anatomische, histologische und physiologische
Studien am Netz von Tieren und einer Anzahl von Präparaten vom
Menschen, die bei Operationen oder Sektionen gewonnen wurden.
N.’s Tierversuche über die physiologische Bedeutung des Netzes be-
schäftigten sich hauptsächlich mit der Frage, ob eine Leukocyten-
neubildung im Netz vor sich geht, und ob nach Splenektomie das
Netz teilweise die Funktion der Milz übernimmt. Schlüsse: Das
Netz ist eine hochdifferenzierte seröse Membran. Die sog. Stomata
sind tatsächlich Offnungen, in welche Lymphgefäße ausmünden; diese
Öffnungen vermehren sich an Zahl infolge von entzündlichen Reizen
und spielen eine bedeutende Rolle in der Lymphzirkulation der Bauch-
höhle. Das Netz ist sehr reich an Lymphgefäßen; die kleineren Ka-
pillaren proliferieren sehr rasch auf entzündliche Reize hin. Es hat
keine eigene Fähigkeit, sich zu bewegen. Der eigentliche Zweck der
Fettbildung im Netz ist der, eine schützende Wand aus Blut- und
Lymphgefäßen zu bilden. Übermäßige Fettbildung ist sekundärer
Natur und in Analogie zu stellen mit der exzessiven Fettbildung in
anderen Körperteilen, woselbst sich normalerweise Fett findet. Die
Hauptfunktion des Netzes besteht in Leukocytenbildung; zu dieser
Ansicht führen weniger physiologische als histologische Studien. (7 Ab-
bildungen.) Mohr (Bielefeld).
7) Stirling. The question of drainage after abdominal sec-
tion for perforative and suppurating conditions.
(Intercolonial med. journ. of Australasia 1908. Juli 20.)
Verf. verwirft bei der operativen Behandlung der Peritonitis jede
Spülung, auch mit den permanenten Kochsalzeinläufen in den Mast-
darm nach Murphy hat er schlechte Erfahrungen gemacht. In letzter
Zeit ist er dazu übergegangen, auch bei allgemeiner Peritonitis, wenn
der primäre Infektionsherd durch andere Maßnahmen völlig abge-
schlossen werden konnte, überhaupt nicht mehr zu drainieren, sondern
nach möglichster Trockenlegung des Bauchfells durch Austupfen die
Bauchwunde völlig zu schließen und den Kranken sofort in die sog.
Fowler’sche Lage zu bringen. Einige mit Erfolg behandelte Fälle
von Geschwürsperforation (Naht), Uterusperforation mit allgemeiner
Peritonitis (krimineller Abort) und Appendicitis perforativa mit allge-
meiner Peritonitis werden mitgeteilt. Mohr (Bielefeld).
8) R. Kauffmann. L’appendice dans la scarlatine.
Thèse de Paris, @. Steinheil, 1908.
Der Wurmfortsatz, der ein bedeutendes lymphatisches Gewebe
enthält, ist immer im Laufe des Scharlachs der Sitz eines mehr oder
weniger intensiven Entzündungsprozesses, und verschiedene Symptome
x
1300 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44.
sind auf denselben zurückzuführen. So z. B. das Erbrechen und 'son-
stige gastrointestinale Erscheinungen, die namentlich bei bösartigem
Scharlach deutlich ausgeprägt sind. Da kommt es aber auch mitunter
zur Entwicklung einer wahren Appendicitis; und zwar kann dieselbe
sich in jedem Stadium der Krankheit entwickeln, oder auch nach voll-
ständigem Abfalle des Fiebers auftreten.
Bei der Nekropsie findet man Verwachsungen zwischen Wurm-
fortsatz und Blinddarm, Entzündungen der Schleimhaut, kleine hämor-
rhagische Herde in derselben und eine deutliche Schwellung der
Lymphdrüsen im Mesoappendix. Ist im Laufe eines Scharlachs
Appendicitis zur Entwicklung gelangt, so behandelt man dieselbe nach
bekannten Prinzipien, geradeso als ob die Krankheit allein aufgetreten
wäre. Bei schweren Scharlachfällen ist es von Vorteil, dem Auftreten
einer Entzündung des Wurmfortsatzes vorzubeugen, einerseits durch
strenge Diät, die ja bei Scharlach ohnehin beobachtet wird, und dann
durch Auflegen einer Eisblase auf die Gegend des Wurms. Auch in
der Rekonvaleszenz der Scarlatina ist eine genaue Beobachtung der
Darmfunktion von Wichtigkeit. E. Toff (Braila).
9) K. Walko. Die larvierten Formen der chronischen Ap-
pendicitis.
(Prager med. Wochenschrift 1908. Nr. 30.)
Verf. hat ca. 150 Fälle von chronischer Appendicitis beobachtet,
die meist operativ behandelt wurden.
Er steht auf dem Standpunkte, daß die chronische Appendicitis
sich nicht im Anschluß an akute Anfälle zu entwickeln braucht, son-
dern daß sie ganz schleichend und latent auftreten kann. Was die
Schmerzempfindung bezüglich der Diagnose für eine Bedeutung hat,
erhellt daraus, daß die chronische Appendicitis oft gar keine Schmerzen
macht, daß andererseits Schmerzen in der Nabel- und Magengegend
empfunden werden, ja, daß über Rücken- und Kreuzsschmerzen, über
Schmerz über dem Brustbein, sowie über Gürtelgefühl geklagt wird,
daß ferner Schmerz im rechten Hoden und in der Gegend der Flexura
sigmoidea auftritt. Von differential-diagnostischem Wert ist, daß dys-
peptische Beschwerden im Verlauf einer chronischen Appendicitis auf-
treten. Solche Kranke gelten’ oft als Hysteriker und Neurastheniker,
bis sie mit einem Schlage durch eine Operation von ihrem Leiden
befreit sind. Auffallend ist das wechselnde Verhalten der Funktion
des Magens. Die Intensität der gastrischen Symptome entspricht
weder bezüglich der subjektiven Beschwerden, noch nach den objek-
tiven Erscheinungen der Schwere des krankhaften Prozesses im Wurm.
Die Ursache erblickt Verf. in toxischen und mechanischen Einflüssen,
derart, daß sie sich durch Reflexvorgänge in der Darminnervation gel-
tend machen. Eine gesonderte Besprechung widmet Verf. denjenigen
Fällen von Appendicitis, die mit Magengeschwür vergesellschaftet sind.
Er faßt zwei Möglichkeiten ins Auge, einmal toxische Einflüsse von
nn aaO lilii a
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1301
seiten der im Blut kreisenden Bakteriengifte, dann eine fortgeleitete
Thrombophlebitis im Mesenterium, wie sie Payr durch seine Versuche
zeigt. Was die Erkrankung des übrigen Darmkanals anbelangt, so ist
eine Appendicitis oft hinter einer hartnäckigen Verstopfung, sei sie
nun atonisch oder spastisch, versteckt. Desgleichen tritt die Erkran-
kung unter dem Bild einer schweren Enteritis auf. Zur Appendicitis
larvata rechnet Verf. ferner jene Fälle, bei denen durch eine ver-
schleppte Perforation eine diffuse adhäsive Peritonitis eingetreten ist.
Mannigfaltige Adhäsionsbildungen und Pseudotumoren gehören in diese
Reihe.
Der Krankheitsverlauf der chronischen Appendicitis wird aber
auch oft vorgetäuscht durch einen nervösen Symptomenkomplex, den
schon Nothnagel als Pseudoappendicitis bezeichnet hat. Zu einer
Verwechslung mit Appendicitis können ferner folgende Erkrankungen
Anlaß geben: rechtsseitige Hodenneuralgie, Kryptorchismus, Harn-
röhrenstriktur, Blasen- und Gallensteine und Entzündungen des Nieren-
beckens und des Psoas. Sehr innige Beziehungen bestehen zwischen
der Appendicitis und den Erkrankungen der weiblichen Adnexe. Als
Folgeerscheinung der Appendicitis sind besonders Thrombosen der
benachbarten Venen mit nachfolgender Lungenembolie und sonstige
pyämische Lokalistion zu fürchten. Auch die retrograde Thrombose
im Pfortadergebiet mit folgender Darmgangrän erwähnt Verf.
Die Tatsache, daß von den verschiedensten Organen des Bauches
ausgehende Reize immer zu denselben Erscheinungen führen, wie:
Dyspepsie, Sekretions- und Motilitätsstörungen, faßt Verf. als Beweis
dafür auf, daß alle vom Bauch ausgehenden Erregungen durch den
Vagus oder durch den Sympathicus dem nervösen Zentralorgan zu-
geführt werden und von da aus je nach Art und Dauer des Reizes
als steigender oder hemmender Impuls zu dem Magen zurück gehen.
Bei vielen Fällen wird sich auch eine Kombination der nervös
reflektorischen und der toxischen Vorgänge finden, wozu noch ein
drittes Moment, das der durch Verwachsung bedingten mechanischen
Reizung, hinzukommt.
Auf Grund seiner Beobachtungen gelangt Verf. zu dem Resultate,
daß die Appendektomie das rationellste Verfahren ist. In ca. 75%
der Fälle kehrten die sekretorischen wie motorischen Störungen des
Magens zur Norm zurück, in 25% war die Operation nur von vorüber-
gehendem Erfolg oder blieb ganz ohne Einfluß, wobei eine schwere
Magenatonie, ein Magengeschwür und ein chronischer Dickdarm-
katarrh nicht als unbedingte Folgeerscheinungen einer chronischen
Appendicitis gelten müssen. A. Hofmann (Karlsruhe).
10) A. Broca et F. Barbet (Paris). Résultats éloignés de la
resection de l’appendice au cours de l’appendicite chronique.
(Presse med. 1908. Nr. 64.)
.Verff. weisen auf die indirekten günstigen Veränderungen hin,
welche durch die Entfernung des Wurmfortsatzes bei chronischer
1302 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44.
Appendicitis erzielt werden. Namentlich bei Kindern ist in den
meisten Fällen die Anderung im Allgemeinzustand eine auffallende.
Kinder, die früher sich schlecht nährten, oft erbrachen, appetitlos
waren, unregelmäßigen, ungenügenden Stuhl hatten, blaß waren und
in der Entwicklung zurückblieben, sind 20—30 Tage nach der Ope-
ration kaum wiederzuerkennen; die Schmerzen sind verschwunden; es
stellt sich förmlicher Heißhunger ein, der Stuhlgang ist regelmäßig,
und das Körpergewicht nimmt rasch zu. Nur in seltenen Fällen, und
hauptsächlich, wenn außer der Appendicitis noch andere Darmverän-
derungen bestanden hatten, dauern die denselben zuzuschreibenden
Symptome auch nach der Operation durch einige Zeit fort. So ist
es hauptsächlich in jenen Fällen, in welchen eine schleimig-membra-
nöse Enteritis besteht. Doch auch auf diese Erkrankung übt die
Appendektomie eine günstige Wirkung aus, und von sieben von den
Verff. unter derartigen Umständen operierten Pat. hat nur ein ein-
ziger einige Zeit nach der Operation Symptome von Enteritis zurück-
behalten.
Aus diesen Beobachtungen ist also der Schluß zu ziehen, daß
bei Bestehen einer chronischen Appendicitis operativ eingegriffen
werden soll, ohne das Auftreten von akuten Verschlimmerungen ab-
zuwarten.
37 Krankengeschichten, betreffend die von den Verff. operierten
Fälle, illustrieren das Gesagte. E. Toff (Braila).
11) Duvergey. Les adherences douloureuses consécutives à
l’appendicectomie.
(Province med. 1908. Nr. 32.)
Verf. macht darauf aufmerksam, daß die Literatur über diejenigen
schmerzhaften Zustände, welche nach einer Appendektomie auftreten,
noch sehr spärlich ist. Er hat zahlreiche Fälle beobachtet, bei welchen
nach Entfernung des Wurms die Beschwerden in derselben Stärke wie
vorher andauerten. Er unterscheidet zwei Kategorien. Bei der einen
treten die Schmerzen allmählich einige Zeit nach der Operation auf,
nachdem zunächst die Beschwerden behoben zu sein schienen. Die
andere Art von Kranken klagt ohne Unterbrechung über dieselben
Beschwerden, so daß die Operation in diesem Falle auch nicht vor-
übergehend Erleichterung verschafft hat. Die Art des Schmerzes
wechselt vom leisesten Stich bis zu den quälendsten kolikartigen An-
fällen. Als Ursache spricht Verf. Verwachsungen an, die meistens
vom Netz ausgehen und sich nach der Bauchwand zu mit Einbeziehung
des Blinddarmes oder benachbarter Darmschlingen hin erstrecken. Die
Verwachsungen selbst verdanken ihre Entstehungen immer einer In-
fektion, sei es des Operationsfeldes, sei es von seiten eitriger Prozesse
im Wurme selbst. Als einziges Mittel zur Beseitigung der Beschwerden
empfiehlt Verf. die Relaparotomie mit Durchtrennung der Verwachsungen.
A. Hofmann (Karlsruhe).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1303
12) M. G. Chavannaz. Cure radicale de la hernie inguinale.
Technique et résultats personnels.
(Journ. de méd. de Bordeaux 1908. Nr. 29.)
C. lagert den Samenstrang ganz in die Tiefe der Wunde und
läßt ihn durch eine enge Öffnung im unteren Winkel dicht über dem
Schambein heraustreten. Im übrigen werden Muskulatur und Fascie
wie bei der Methode von Bassini, aber vor dem Samenstrang, an
das Lig. Pouparti genäht; das Besondere in dem Vorgehen C.'s
besteht jedoch darin, daß er zur Sicherung der mit Catgut aus-
zuführenden Etagennaht zunächst drei durchgreifende Silberdrahtnähte
legt. C. hatte unter 68 nach dieser Methode operierten Fällen zwei
Rezidive. Die ÖOperationsdauer soll zwischen 7(!) und 20 Minuten
schwanken. Boerner (Rastatt).
13) Hackenbruch (Wiesbaden). Zur Radikaloperation der
Leistenbrüche. Fascienknopfnähte.
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 32.)
Zur weiteren Verbesserung der Resultate der Radikaloperation
empfiehlt H. neben der Anwendung strengster Asepsis (Gummihand-
schuhe, Gesichtsschleier), und Versorgung des Bruchsacktrichters im
Sinne der lateralen Verlagerung nach Kocher die auch von Girard
bewährt befundene Benutzung eines aponeurotischen Lappens zur Ver-
stärkung der Kanalnaht und die Verwendung von alleinigen Fascien-
knopfnähten — mit Jodcatgut — bei letzterer. Er operiert folgender-
maßen: Freilegung der Aponeurose des M. oblig. abdom. ext., Spal-
tung vom Scheitel der äußeren Bruchpforte bis über die Gegend des
inneren Leistenringes hinaus, Ablösung des lateralen Teiles von der
Unterlage und Umschlagen dieses aponeurotischen Lappens; Ablösung
der Muskelplatte des M. obliq. int. und transv. abdom. vom Bruch-
sackhals, Isolierung des Bruchsackes, Abbindung (Jodcatgut) und Ver-
lagerung des Bruchsackstumpfes nach oben. Nach Verschiebung des
Samenstrangbündels über den medialen Teil der Aponeurose des M.
oblig. abdom. ext. wird der freie mediale Schnittrand desselben mit
dem Leistenbande bis auf eine kleine Lücke für den Samenstrang
durch einzelne Knopfnähte verschlossen, letzterer auf die Nahtreihe
gelegt und über ihn der laterale aponeurotische Lappen hinweg ge-
schlagen und auf der medialen Fläche der Aponeurose befestigt, so
daß der Samenstrang zwischen diese beiden Fascienblätter zu liegen
kommt. Schluß der Hautwunde durch Michelklammern, Gazedurana-
pflasterverband; Entfernung der Klammern nach 6—7 Tagen; 3 Wochen
lange Bettruhe.
Die von H. erreichten sehr günstigen Resultate bestätigen somit
die vorber schon von Girard, Graser, Halstedt bezüglich des
Wertes der Verstärkung der Kanalnaht durch Fascienverdoppelung
ausgesprochenen Ansichten. Kramer (Glogau).
1304 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44.
14) Takata. Eine Modifikation der Verlagerungsmethode bei
der Kocher’schen Bruchoperation. (Aus der chirurgischen
Universitätsklinik in Marburg.)
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 33.)
Die von Prof. Friedrich geübte Modifikation besteht darin, daß
der Bruchsack nur an seiner Durchtrittsstelle zwischen den Schenkeln
des Obliquus von einem kleinen Hautschnitte freigelegt, nicht am
inneren Leistenring abgetragen, sondern zwischen der Muskulatur der
vorderen Bauchwand und dem sie auskleidenden parietalen Bauchfell
weit in die Höhe geschoben und seine Kuppe schließlich, wie bei
Kocher, durch einen sehr kleinen Schlitz nach außen hindurchgeführt
und, event. nach teilweiser Abtragung des zu langen Bruchsackes,
in der Höhe des Bauchwandschlitzes angenäht wird. Durch straffes
Anziehen wird das Bauchfell der abdominalen Bruchsacköffnung so-
mit unter das parietale Bauchfell verlagert, außerdem auch das laterale
Ende der hinteren Leistenkanalwand gegen die vordere Wand an-
gepreßt und hierdurch ein solider, glatter Abschluß der abdominalen
Leistenpforte hergestellt. — Eine Reihe von schematischen Zeich-
nungen veranschaulichen die Methode Kocher’s und die seit über
10 Jahren bewährt befundene Friedrich’sche Modifikation, die sich
durch Geschwindigkeit der Ausführung, durch Berücksichtigung des
Bauchwandmuskelapparates, durch Verwendung von nur wenigen
Nähten und durch Schaffung geringer äußerer Narbenbildung aus-
zeichnet und sehr gute Dauererfolge gibt. Ihre Gegenanzeige findet
sie bei verwachsenen Brüchen und starker Bruchsackwandverdickung ;
hier gebührt der Bassini’schen Methode der Vorzug.
Kramer (Glogau).
15) Mauclaire. Embolies pulmonaires apres la cure radicale
des hernies inguinales.
(Arch. de génér. de chir. II. Nr. 6. 1908.)
Verf. schildert auf Grund von 50 in der Literatur angegebenen
Fällen Atiologie, Symptome und Therapie der Lungenembolien, die
im Anschluß an die Radikaloperation freier Leistenbrüche beobachtet
werden. M. betont, daß diese Komplikation mit der Operation in
Verbindung zu setzen ist. Genetisch kommen lokale (Infektion, Schä-
digung der benachbarten Venen) und allgemeine Ursachen (Allgemein-
infektion, Blutalteration, Herzerkrankungen, Veränderungen des Venen-
systems, zu frühzeitiges Aufstehen) in Frage.
Die Behandlung soll im wesentlichen eine prophylaktische sein:
Vermeiden der angegebenen ätiologischen Momente In schweren
Fällen erscheint die Unterbindung der V. femoralis oder iliaca an-
gezeigt. Die Versuche Trendelenburg’s, den verstopfenden Pfropf
aus der Arteria pulmonalis zu extrahieren, hält M. für recht beachtens-
wert. Strauss (Nürnberg).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1305
16) Menge (Heidelberg). Zur Radikaloperation von Nabel-
brüchen und von epigastrischen und subumbilikalen Hernien
der Linea alba durch quere Fascienspaltung und Muskel-
aushülsung.
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 27.)
Zu dem kürzlich von Port veröffentlichten Aufsatz über die
Graser’sche Operation großer Nabel- und Bauchbrüche bemerkt M.,
daß diese Methode, dem Pfannenstiel’schen Verfahren angepaßt,
für die im Titel bezeichneten Fälle zuerst von ihm angegeben worden
sei (Zentralblatt für Gynäkologie 1903 Nr. 13) und auch für kleine
Nabelbrüche, hier einen unbedeutenden Eingriff darstellend, sich vor-
züglich eigne, wie sie ebenfalls bei Fällen von sehr weitgehender
Diastase der Mm. recti mit ausgezeichnetem Erfolg anwendbar sei.
M. empfiehlt die Bezeichnung »Radikaloperation mit querer Fas-
cienspaltung und Muskelaushülsung«, die in einem Nachwort auch
Graser unter Anerkennung der Priorität von Pfannenstiel und M.
annimmt.
Ref. hat bereits im Jahre 1895 (s. Archiv für klin. Chirurgie
Bd. LO Hft. 1) einen durch Exstirpation eines kopfgroßen Desmoids
der Bauchwand entstandenen enormen Defekt in dieser durch Aus-
hülsung und Verschiebung der Mm. recti mit andauerndem Erfolge
gedeckt. Kramer (Glogau).
17) Scudder (Boston). Stenosis pylori infantum.
(Boston med. and surg. journ. 1908. August 6.)
Unter Veröffentlichung von fünf von ihm in den letzten Jahren
operierten Fällen gibt S. eine klare Darstellung des Krankheitsbildes
der angeborenen Pylorusstenose, aus der ich folgendes hervorheben
möchte. Die Symptome sind außerordentlich charakteristisch. Das bei
der Geburt meist ganz gesunde Kind fängt am 3. oder 4. Tage nach
der Geburt an zu erbrechen. Form und Geruch des Erbrechens unter-
scheiden sich wesentlich von dem durch einfache Indigestionen hervor-
gerufenen, es ist stürmisch und hartnäckig, der Geruch ist nicht unan-
genehm; eine Diätveränderung vermag keinen Einfluß auszuüben, dagegen
wird es durch die Quantität der eingenommenen Nahrung wesentlich
beeinflußt. Die Salzsäure ist selten vermehrt, Blut oder Milchsäure
finden sich nicht. Der Stuhl behält seine mekoniumartige Beschaffen-
heit bei, nach der Mahlzeit tritt meist eine auffallende Magensteifung
auf. Der Pylorus ist oft als harte Geschwulst durch die Bauchdecken
‘ hindurch fühlbar. Diese Geschwulst wird gebildet durch die enorme
Verdickung der Schleimhautfalten sowie der Muskulatur des Pylorus.
Die Prognose ist bei interner Therapie absolut schlecht, doch auch
bei operativer noch schlecht genug. S. fand unter 135 Fällen aus
der Literatur eine Sterblichkeit von 49%. Unter allen für die Ope-
ration vorgeschlagenen Methoden kommt nach S.’s Ansicht nur die
hintere Gastroenterostomie in Frage. S. bereitet das Kind durch Ein-
1306 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44.
läufe mit Kognak und Kochsalz vor. Ferner sorgt er für möglichst
gute Warmhaltung des Kindes während und nach der Operation und
gibt wenige Stunden danach bereits etwas Wasser oder Muttermilch.
Seine fünf operierten Fälle sind alle geheilt, ohne Störungen zu hinter-
lassen. H. Bucholz (Boston).
18) Luis y Yague. Periodos clinicos secretorios y mötricos
de los dilatados gastricos per estenosis benignas.
(Rev. de med. y cirurg. pract. de Madrid 1908. Nr. 1031. Juni 21.)
1) Die motorische und sekretorische Funktion des Magens bei
den gutartigen Stenosen durchläuft in den meisten Fällen verschiedene,
gut voneinander abgrenzbare Perioden. Die Perioden der motorischen
Funktion sind: a. übermäßige Motilität; b. geschwächte Motilität;
c. Lähmung. Die Perioden der sekretorischen Funktion sind: a. Hyper-
chlorhydrie mit Hyperacidität; b. Hypochlorhydrie mit Hyperacidität.
Die verschiedenen Perioden der Motilität sind fast konstant zu treffen
in allen Fällen, in denen nicht operativ eingegriffen wird. Die se-
kretorischen Perioden sind nicht ganz so konstant zu finden. Die
Erfolge der Gatroenterostomie sind sehr verschieden; in den Fällen
der übermäßigen Motilität pflegt die Evakuation des Mageninhaltes
gleichmäßig und dauernd zu werden, aber es treten leicht Störungen
der Sekretion (Hyperchlorhydrie) auf; in den Fällen geschwächter
Motilität sind die Resultate weniger vollkommen, und oft treten Ver-
dauungsstörungen, besonders Diarrhöen auf. Stein (Wiesbaden).
19) T. Jeanneret. Recherches experimentales sur un nou-
veau procédé de gastrostomie.
Diss., Bern, 1907.
Tavel beschrieb in einer vorläufigen Mitteilung (s. Originalmit-
teilung, d. Zentralbl. 1906 p. 634) eine neue Methode der Gastrostomie
und verwies auf J.’s zu erscheinende Arbeit.
J. gibt zuerst eine kurze historische Entwicklung der Magenfistel-
operation und streift die Vor- und Nachteile der einzelnen Verfahren.
Er hebt sodann hervor, daß allen jetzt gebräuchlichen Verfahren ge-
wisse Mängel anhaften, die in der einschlägigen Literatur zum Teil
nirgends erwähnt werden, gerade weil es noch keiner Methode gelang,
sie zu beheben. 1) Bei allen geübten Verfahren wird der Magen an
die vordere Bauchwand fixiert; Störungen und Beschwerden, ähnlich
wie bei der Hernia epigastrica, sind die Folge. 2) Stets wird ein Teil
der Magenwand selbst zur Bildung des Fistelganges benutzt; bei dem
meist vorhandenen geschrumpften Zustande des Magens ist dies nicht
nur mit operationstechnischen Schwierigkeiten, sondern auch mit
späteren funktionellen Nachteilen verknüpft. 3) Die Enge der erzielten
Fistel gestattet nur eine sehr einseitige Ernährungsweise. 4) Die ge-
bräuchlichsten Methoden schaffen eine Fistel, die nicht mit Schleim-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1307
haut, sondern entweder mit Serosa (Witzel, Fontan, Kader) oder
mit Wundgranulationen (Marwedel) ausgekleidet ist; darin liegt die
stete Gefahr der Verengerung und Atresie. J. beschreibt sodann aus-
führlich die Operationstechnik der neuen Methode Tavel’s, der aus
einer ausgeschalteten, mit ihrem Mesenterium im Zusammenhang ge-
bliebenen Dünndarmschlinge einen Fistelkanal bildet (s. die erwähnte
Originalmitteilung. Es folgen die Berichte über Tierexperimente
(7 Hunde), deren interessante Einzelheiten im Original nachzulesen
sind. Verf. kommt zu folgenden Hauptergebnissen: 1) Eine durch
eine ausgeschaltete Darmschlinge hergestellte Magenfistel hat keine
Neigung zur Verengerung und Atresie. 2) Die Peristaltik behält in
einer umgedrehten Darmschlinge ihre ursprüngliche Richtung und
wiedersetzt sich dem Herausfließen des Mageninhaltes, wenn die
Schleimhaut genügend gereizt wird (durch längeres Verweilen der
Sonde). 3) Ein schräger Verlauf des Fistelkanales auf der vorderen
Magenwand verhindert das Austreten von Mageninhalt. 4) Eine Magen-
fistel, die beide Ursachen der Undurchlässigkeit, zentripetale Peristaltik
und schrägen Verlauf, vereinigt, ist unter allen Umständen schluß-
fähig. 5) Die zur Magenfistel umgewandelte Darmschlinge kann in
ihre äußere Öffnung eingeführte Nahrung aktiv dem Magen zuführen.
— Verf. glaubt, daß die anfangs erwähnten, den früheren Methoden
der Gastrostomie anhaftenden Mängel durch das Vorgehen Tavel’s
vermieden werden. Seine Nachteile bestehen in schwierigerer Technik
und längerer Operationsdauer; er erfordert daher immer relativ guten
Allgemeinzustand des Pat. — Im Anschluß wird über zwei von Tavel
nach seiner Methode operierte Fälle berichtet (Fall 1 schon bei Tavel
erwähnt). Beide Male war ein voller Erfolg zu verzeichnen.
E. D. Schumacher (Zürich).
20) Campo. Quimismo del estómago despues de la gastro-
enterostomia.
(Revue de med. y cirurg. pract. de Madrid 1908. Nr. 1029.)
Die Gastroenterostomie ist absolut indiziert bei gutartiger oder
bösartiger Verengerung des Pylorus. Der Chemismus des Magens
pflegt im ersteren Falle Hyperchlorhydrie, im letzteren Hypochlor-
hydrie durch Degeneration der Drüsen zu zeigen. Die Totalazidität
ist höher als es dem Salzsäuregehalt entspricht (Milchsäure). Sie
muß mit Probefrühstück vor der Operation genau bestimmt werden.
In der großen Mehrzahl der Fälle ist der Gehalt an Salzsäure vor
der Operation der gleiche; in einigen Ausnahmefällen ist er nach der
Operation erhöht. Dagegen pflegt die Totalazidität vermindert zu
sein. Die neuerlichen Mitteilungen von Katzenstein über die Ver-
minderung der Azidität nach Gastroenterostomie widersprechen in
der von diesem Autor angegebenen Begründung bzw. Theorie den
Resultaten der Klinik und sind daher sehr anfechtbar.
Stein (Wiesbaden).
— on. nn
1308 ‚Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44.
21) Rivas y Rivas. Resultados tardios de la gastroentero-
stomia.
(Rev. de med. y cirurg. pract. de Madrid 1908. Nr. 1031.)
Man muß unter den Gastroenterostomierten drei Gruppen unter-
scheiden: a. Entleerung des Magens innerhalb 1/3 bis 4 Stunden;
b. innerhalb 4—8 Stunden, c. später als nach 8 Stunden. Die Opera-
tion der Gastroenterostomie löst ein mechanisches Problem, hat aber
keinen Einfluß auf die Schädigungen der Funktion oder Sekretion.
Daher müssen die Operierten einer innerlich-medizinischen Therapie
unterworfen werden. Die Resultate der Operation sind gut bei
geschwürigen Prozessen am Pylorus; sie sind schlecht bei Geschwüren
fern vom Pylorus, da die Gastroenterostomie weder die Schmerzen,
noch die Blutungen, noch die Sekretionsanomalien beeinflußt. Bei
jedem Pat. ist die Leber genau zu untersuchen, denn sie ist oft
atrophisch, und diese Atrophie steht möglicherweise mit den nach
Gastroenterostomie häufig beobachteten Diarrhöen in ursächlichem
Zusammenhang, entweder durch Insuffizienz der Leberfunktion oder
durch Zirkulationsstörungen. Stein (Wiesbaden).
22) Parker. Intestinal anastomosis without open [incisions
by means of basting stitches.
(Bulletin of the Johns Hopkins hospital 1908. Mai.)
Der Darm wird beiderseits neben der zu resezierenden Partie mit
einfacher Darmklemme abgeschlossen und das Zwischenstück entfernt.
Dann wird jedes Ende übernäht, ohne Knoten, vielmehr wird der
Verschluß durch straffes Anspannen der beiden Fadenenden erzielt.
Dann werden die zwei Darmenden nach Abnahme der Klemmen
gegeneinander gelegt und durch Lembertnähte vereinigt; zum Schluß
wird jeder der zwei gespannt gehaltenen Verschlußfäden an einem
Ende herausgezogen und die Lembertnähte geknotet.
An 15 Hunden untersuchte Verf. die Brauchbarkeit der Methode.
Die ersten drei Tiere gingen an Ileus zugrunde, weil es zu keiner
Öffnung der Darmlichtungen gskommen war; es waren kleine Hunde
gewesen. |
Nun wurden große Hunde genommen; von diesen 12 ging einer
noch an Ileus infolge Striktur der Operationsstelle zugrunde, die
anderen 11 blieben am Leben; die Passage hatte sich wieder ein-
gestellt. — 8 Abbildungen. | W. v. Brunn (Rostock).
23) S. G. Gant (New York). Local and clinical treatment
of chronic diarrhoea.
(New York med. journ. 1908. August 15.)
G. bekämpft die chronische Diarrhöe, die er auf ulzeröse Pro-
zesse im Dickdarme zurückführt, hervorgerufen durch Tuberkulose,
Gonorrhöe, Lues u. a., prinzipiell mit Ausspülungen und hält jede
interne Therapie für unnütz. Er legt großen Wert darauf, daß die
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1309
Spülflüssigkeit auch alle erkrankten Partien sicher erreicht. Zu diesem
Zwecke führt er das Darmrohr unter Leitung des Rektoskops so hoch
wie möglich in den Darm ein. Wenn nach einigen Wochen kein
Erfolg erzielt worden ist, so legt er einen Anus coecalis an. Da in
einer Reihe von Fällen diese Methode nicht genügend war, weil die
Erkrankung sich bis in das Ileum hinauf erstreckte, so führt Verf.
jetzt prinzipiell zwei Katheter in den künstlichen After ein, einen in
das Kolon, den anderen in das Ileum. Durch Herstellung einer Falte
nach Art der Kader’schen Gastrostomie verhindert er das Austreten
von Darminhalt. Zur Spülung verwendet G. heißes oder kaltes Wasser,
Lösungen von Argentum nitricum, Formaldehyd usw. Bei sehr übel-
riechenden Stühlen spült er mit 1—2%iger Lösung von Ichthyol.
Treten nach der Spülung starke Koliken auf, so legt er heiße Um-
schläge auf den Leib, oder er bringt zum Schluß 20 ccm Wismut mit
120 ccm warmen Ols in den Darm.
Übrigens erweitert G. die Indikationsstellung für diese Methode,
indem er sie auch für schwere Autointoxikationen, Ptomainvergiftung,
Kinderdiarrhöen, ja für längere Zeit notwendige künstliche Ernährung
in Vorschlag bringt. H. Bucholz (Boston).
24) Beach. The treatment of choice of stricture of the
rectum.
(Pacific med. journ. 1908. August.)
Nach B.’s Erfahrungen hat keine der chirurgischen Behandlungs-
methoden, die das Syphilom des Mastdarmes direkt auzugreifen suchen,
dauernden Erfolg, sie verschlimmern sogar eher den Zustand. Die
Methode der Wahl ist die permanente Kolostomie, welche die exak-
teste Durchspülung der Erkrankungsstelle erlaubt.
Mohr (Bielefeld).
Kleinere Mitteilungen.
Aus der chirurgischen Universitätsklinik zu Basel.
Direktor: Prof. Dr. Wilms.
Wismutvergiftung durch Injektionsbehandlung
nach Beck.
Von
Dr. Hans Eggenberger,
Assistenzarzt.
n Nr. 18 des »Zentralblattes für Chirurgie« 1908 (p. 555) teilte Beck eine neue
Methode zur Diagnose und Behandlung von Fistelgängen mit. Er hatte durch
Injektion von Bismuth. subnitric. 1 : Vaselini albi 2 Empyemböhlen und Höhlen
von spondylitischen Abszessen rasch zur Heilung gebracht.
Wir injizierten nach seiner Methode verschiedene Fisteln mit gutem Erfolg;
ein Fall aber zeigte uns, daß diese Behandlung doch besondere Aufmerksamkeit
verlangt.
1310 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44.
Bei einem 7jährigen Knaben mit spondylitischem Abszeß im Abdomen, der
. früher mehrfach punktiert worden war und angefangen hatte zu fisteln, wurden
30 g Wismutvaselin injiziert. Man ließ die Injektionsmasse in der Höhle. Es floß
nur wenig davon durch die Fistel nach außen ab. Nach 6 Wochen wurde der
Appetit des Pat. allmählich schlechter; Übelkeit und Erbrechen traten auf. Der
Puls stieg rasch bis 120 und 130. Diese Symptome blieben zunächst unerklärt.
Bald bemerkte man aber eine der merkuriellen ähnliche Stomatitis mit schwarz-
braunen Belägen und Geschwüren an Zahnfleisch und Lippen. Da Quecksilber-
vergiftung ausgeschlossen war, wurde die Annahme einer Wismutintoxikation nahe-
liegend. Die Abszeßhöhle wurde breit eröffnet und ausgespült. Die Intoxikations-
erscheinungen nahmen dessenungeachtet an Intensität zu, indem sich Nystagmus,
Trismus, klonische und tonische Krämpfe der Gesichts- und Extremitätenmusku-
latur einstellten. Pat. zeigte das Bild einer toxischen Hirnrindenreizung, wie z. B.
bei Urämie. Er wurde benommen, die Atmung stertorös, beschleunigt und das
Gesicht cyanotisch.. Wenige Tage nach Ausräumung der Abszeßhöhle trat der
Exitus ein. Diarrhöe war nie vorhanden. Die Farbe des Stuhles war durch das
seit mehreren Wochen regelmäßig eingenommene Ferrum oxydatum saccharatum
stets grau.
Bei der Autopsie fanden sich außer einer deutlichen Hyperämie keine anato-
mischen Veränderungen am Zentralnervensystem. Ausgeprägt waren aber solche
im Verdauungstraktus. Es fanden sich 1) kleine punktförmige Blutungen in der
Magenschleimhaut; 2) die Dünndarmfollikel waren gerötet und geschwollen; an der
Valvula Bauhini war ein grünbraunes, zirkuläres Geschwür, das 2—3 cm weit auf
die benachbarten Partien des Coecum übergriff. Die übrige Dickdarmschleimhaut
war geschwollen und hyperämisch.
Nach Hans Meyer und Steinfeld (Dorpat) können solche Darmverände-
rungen bei Säugetieren experimentell erzeugt werden durch subkutane Injektion
von löslichen Wismutpräparaten. Das Wismut wird in den Darm ausgeschieden
und ist als Schwefelverbindung in den braunen Dickdarmgeschwüren wieder zu
erkennen. In unserem Falle wurde von Dr. Gigon in dem abgekratzten braunen
Zahnfleischbelag Wismut nachgewiesen.
R. Kobert (Lehrbuch der Intoxikationen) nimmt an, daß sich aus dem sonst
unlöslichen Bismuth. subnitric., namentlich wenn es als Salbe appliziert wird, auf
Wundflächen lösliche Albuminate bilden, die sehr giftig sind. Für lösliche Doppel-
salze von Bismut beträgt die kleinste tödliche Dosis bei subkutaner Injektion 6 mg
pro Kilogramm Hund und Katze.
Die ersten Wismutvergiftungen bei Wundverbänden wurden schon vor 20 Jahren
von Pott, Kerner, Kocher, Riedel usw. beobachtet.
Dreesmann stellte die bis 1901 bekannten Fälle im Archiv für experimentelle
Pathologie und Pharmakolologie zusammen. In neuerer Zeit wurden akute und
subakute Bismutvergiftungen veröffentlicht von Mahne nach Injektion in Abszeß-
höhle (Berliner klin. Wochenschrift 1905 p. 232) und Bennecke nach interner Dar-
reichung (Münchener med. Wochenschrift 1905 p. 945).
Man muß sich demnach auch bei der Wismuttherapie nach Beck stets bewußt
sein, daß man es mit einer unter Umständen sehr giftigen Substanz zu tun hat.
25) B. Dollinger. Behandlung tuberkulöser Fisteln nach dem Beck-
schen Verfahren.
(Orvosi Hetilap 1908. Nr. 35.)
Verf. hat in 16 Fällen das Beck’sche Verfahren angewendet; es gelang in
vier Fällen mittels 2—8 Injektionen volle Heilung zu erzielen, in 12 Fällen, die
noch in weiterer Behandlung sind, konnte bereits nach 3—4 Injektionen eine Bes-
serung, Verminderung des Sekretes, lebhafte Granulation konstatiert werden.
P. Steiner (Klausenburg).
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O -e EEE
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1311
26) Sanitätsbericht über die Kgl. preußische Armee, das XII. und
XIX. (1. und 2. Kgl. sächsische) und das XII. (Kgl. württem-
bergische) Armeekorps, sowie über die Kaiser]. ostasiatische Besatzungs-
brigade und über das Kaiserl. ostasiatische Detachement für den Be-
richtszeitraum vom 1. Oktober 1905 bis 30. September 1906. Bearbeitet
von der Medizinalabteilung des Kgl. preußischen Kriegsministeriums.
Mit 31 Karten, 9 graphischen Darstellungen und 1 Zeichnung. VII und
415 8.
Berlin, E. S. Mittler & Sohn, 1908.
Bei einer Durchschnittsiststärke von 531735 Mann traten in Revier- und La-
zarettbehandlung 314807 Leute = 59,2% der Kopfstärke ein, d. h. 3,8% weniger
als im Vorjahre. Diese Abnahme war durch eine Verminderung der Krankheiten
der äußeren Bedeckungen (Panaritium, Zellgewebsentzündung, Furunkel usw.) mit
bedingt. Es starben, wie in den beiden Vorjahren, von 1000 Mann 2. Von den
Krankheitsgruppen weisen die Krankheiten der äußeren Bedeckungen und die
mechanischen Verletzungen den höchsten Zugang auf (13,36 und 13,02% der Kopf-
stärke gegenüber z. B. 8,29, 7,71 und 1,27 bei den Krankheiten des Ernährungs-,
Atmungs-, Kreislaufsgebietes).
Zu 2 aus dem Vorjahr übernommenen Wundstarrkrampffällen traten 3 weitere
hinzu; 2 führten zum Tode, imal war die Erkrankung von einer kleinen, durch
einen vorstehenden Stiefelnagel hervorgerufenen Wunde an der Fußsohle aus-
. gegangen; im Stiefel und Fußlappen des Erkrankten wurden durch Impfung auf
Mäuse Tetanusbazillen nachgewiesen. Das Heilserum bewährte sich.
Über Ored&’sche Silbersalze, Collargoleinspritzungen und Aronson’sches
Serum bei Eiterungen usw. wird günstig berichtet.
Bei einem schwerkranken Typhösen wurden das Leben im höchsten Grade
gefährdende Blutungen aus Nase, Zahnfleisch, Lunge, Magen und Darm durch
Einspritzung von 0,001 Adrenalin unter die Haut zum Stehen gebracht. Die Ein-
spritzung wurde vorsichtshalber an den 2 nächsten Tagen wiederholt. Der Kranke
genas.
Erfolge der Bier’schen Stauung bei 2 Fällen von Kniegelenks- und 1 Falle
von Fußwurzeltuberkulose werden besonders erwähnt.
Besserungen, zum Teil auffallender Art, tuberkulöser Bauchfellentzündung
nach dem Bauchschnitt wurden mehrfach beobachtet.
8 Kropfkranke erhielten Thyreoidin und Antithyreoidintabletten Möbius, davon
7 ohne jeden Erfolg; 16 operierte wurden sämtlich dienstfähig.
1039 (0,2% der Kopfstärke) Fälle von Unterleibsbrüchen wurden behandelt,
81 Bruchoperationen, bei den Leistenbrüchen meist nach Bassini, ausgeführt.
Dazu kommen 30 Erkrankungen an eingeklemmtem Bruch mit 8 Operationen, von
denen 7 Dienstfähigkeit erzielten. Von 10 Operationen wegen Darmverschlusses
führten 5 zur Heilung.
1666mal trat Blinddarmentzündung auf. Auffallend ist, daß noch »am ge-
bräuchlichsten in den meisten Lazaretten die Opiumbehandlung« war. Trotzdem
sind die Blinddarmoperationen von 124 ım Jahre 1902/03 auf 407 im Jahre 1905/06
angestiegen. 402 Operationsfälle sind ausführlich zusammengestellt (p. 92—95);
davon starben 53 = 13,2% (im Vorjahre 17,3%); 349 wurden gesund (= 86,8%;
im Vorjahre 82,7%), darunter 225 auch dienstfähig (= 64,5% der Geheilten; im
Vorjahre 63,3%; oder = 56% der Operierten).. Von 207 Operierten, bei welchen
vor dem Eingriff in der Umgebung des Wurmfortsatzes Bauchfellentzündung oder
Eiterung nicht bestand, starben 6. — Die Zahl der Blinddarmoperationen stieg
seit 1902/03 um 232,2%, die der Blinddarmerkrankungen nur um 62,4%. Es ent-
fallen auf 42 Operationen während der ersten 24 Stunden 3 Todesfälle (= 7,1%);
auf 65 während der zweiten 24 Stunden 6 (= 9,2%), auf 101 Operationen während
des 3.—7. Tages 34 (= 33,7%, auf 61 Operstionen in der 2. und 3. Woche
8 (13,1%), auf 133 Operationen in späterer Zeit 2 (= 1,5%). Auf die zahlreichen
1312 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44.
sonstigen chirurgisch lehrreichen Einzelheiten dieser sorgfältigen Berichterstattung
über Appendicitisbehandlung sei besonders deshalb hingewiesen, weil sich darin
die Ergebnisse vieler Ärzte unter den verschiedensten äußeren Bedingungen wider-
spiegeln und damit eine allgemeine Übersicht über die gegenwärtigen durchschnitt-
lichen Ausgänge bei dieser Krankheitsart gewonnen wird.
Erfolge der Bier’schen Stauung bei Tripperrbeumatismus, bei Nebenhoden-
entzündung nach Tripper und bei weichem Schanker werden erwähnt.
An Panaritium erkrankten im Durchschnitt der Jahre 1881-1886 2,52, im
Jahre 1905 06 0,82% der Kopfstärke (= 4379 Mann). Über das hierbei vielfach an-
gewandte Bier’sche Stauungs- und Saugverfahren widersprechen sich die Ansichten
erheblich. Die lobenden Urteile rühmen die Kleinheit der erforderlichen Einschnitte,
die günstigen Narben, das schnelle Nachlassen des Schmerzes, die Abkürzung der
Heilungszeit. — Ahnlich wird über das Bier’sche Verfahren bei den sonstigen
Zellgewebsentzündungen geurteilt, deren Zahl (= 6,13% der Kopfstärke) gegenüber
1881-1886 (4,74%) gestiegen ist.
Die Furunkelbehandlung nach Bier findet Anerkennung.
Einmal mußte eine Paraffiingeschwulst vom Nasenrücken entfernt werden; die
zur Ausgleichung einer nach Verletzung entstandenen Sattelnase früher eingespritzte
Masse hatte eine unförmliche Anschwellung der Nase erzeugt.
Unter den 35355 Erkrankungen der Bewegungswerkzeuge befanden sich allein
12964 Fälle von »Fußgeschwulst« (= Schwellfuß, meist Mittelfußknochenbruch).
Unter den 69235 mechanischen Verletzungen erscheinen zahlreiche Zerreißungen
usw. der Baucheingeweide sowie 2973 Knochenbrüche, auf deren Zusammenstellung
nach Körperstelle, Behandlungsart, Krankheitsdauer usw. verwiesen sei. Dasselbe
gilt für die Einzelheiten der 278 Schuß- und der 15075 Hieb-, Schnitt-, Stich-,
Riß-, Quetsch- und Bißwunden.
Über die neueren Betäubungsverfahren liegen noch keine ausgedehnteren Mit-
teilungen vor.
In einer Operationsliste sind Anzeigen, Art und Ausgänge von 1147 größeren
Operationen verzeichnet. Georg Schmidt (Berlin).
27) A. Neudörfer. Penetrierende Schußverletzung des Abdomens durch
eine Exerzierpatrone. (Aus der I. chir. Abteilung der Rudolfstiftung.)
(Wiener klin. Wochenschrift 1907. Nr. 4.)
Der Holzpfropfen der Patrone war in der linken Leistengegend eingedrungen ;
hier war Netz vorgefallen. Das Lig. gastrocol. war zerrissen, im Querkolon fand
sich ein erbsengroßes Loch; endlich fand sich als Quelle nicht unbeträchtlicher
Blutung ein Schlitz im Mesocolon transv. Außerdem bestanden mehrere Sugille-
tionen der Darmwand. Der Rest des Pfropfens fand sich in der Bursa omentalis.
Für den Fall, daß infolge der starken Ablösung des Querkolons dieses gangranös
werden sollte, wurde durch Annähen und Abtamponieren für Durchbruch nach
außen gesorgt. 2 Tage nach der Verletzung wurde Tetanusantitoxin prophylaktisch
subkutan injiziert. Der Verlauf war ganz glatt. Renner (Breslau).
28) Œ. I. Baradulin. Zur Frage des postoperativen Ileus.
(Russ. Archiv für Chirurgie [Russisch.])
B. bespricht den eigenartigen Symptomenkomplex und betont die Schwierig-
keiten der Differentialdiagnose gegenüber der Peritonitis. Als unterscheidende
Merkmale findet er schließlich: beim paralytischen Ileus haben alle Autoren einen
ruhigen, vollen und regelmäßigen Puls beobachtet, doch kann auch durch Intoxi-
kation zuletzt die Qualität des Pulses beträchtlich leiden. Weniger Wert hat das
Verhalten von Schmerz und kotigem Erbrechen, da beide beobachtet werden; nur
pflegt jener geringer zu sein, und dieses ist sehr selten. Therapeutisch werden
Eingüsse, subkutane Kochsalzinfusionen, Magenspülungen, Wärme auf den Leib,
elektrische Klysmata empfohlen. (Vor kurzem erzählte ein Kollege aus Amerika
dem Ref. folgenden Fall: er hatte eine Pat., die nach Ovariotomie eine schwere
| a. „Ba
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1313
Darmparalyse bekam. Kein Mittel half. Da griff er zu einem alten Verfahren:
er machte einen Aufguß von Zigarrenspitzen [1:8] und goß der Kranken davon
100 ccm in den Mastdarm. Fast momentan kam die Peristaltik in Gang, während
die Kranke, trotzdem die Flüssigkeit sofort ablief, alle Zeichen einer schweren
Vergiftung bot. Sie kam durch.)
B. hat folgenden Fall: nach einer einfachen Appendektomie begann der Leib
am 4. Tage sich zu blähen. Trotz aller Mittel (u. a. Belladonna) nahm die Blähung
zu. Am 10. Tage kamen zuerst etwas Gase, aber erst vom 12. Tage ab gelang
es, regelmäßige Entleerungen zu erzielen. Die ganze Zeit über war der Leib
unempfindlich, es wurde nicht erbrochen, der Puls blieb unter 100.
V. E. Mertens (Kiel).
29) Mauclaire. Deux cas d’ascite chyliforme.
(Archives gener. de chir. 1998. II, 7.)
M. berichtet kurz über einen Fall von chylusartigem Ascites, der bei einem
44jährigen Manne durch Metastasen in Netz- und Lymphdrüsen bedingt war.
Es bandelte sich um Zylinderepitheliome, die sekundär von einem exstirpierten
Brustkrebs ausgegangen waren. Nach dreimaliger Punktion des Ascites wurde
eine Probelaparotomie gemacht, um die Ascitesflüssigkeit möglichst vollständig zu
entfernen. Der Kranke starb 3 Tage nach der Operation. In einem zweiten Falle
bestand bei einem 8jährigen Kinde eine fibrinös-käsige Bauchfelltuberkulose, die
zu einer Spontanperforation des Nabels führte. Aus der entstehenden Fistel ent-
leert sich eine weißliche, milchige Flüssigkeit.
Nach einer mehr tabellarischen Übersicht über Häufigkeit und Genese des
chylusartigen Ascites kommt Verf. zum Schluß, daß therapeutisch nur bei tuber-
kulöser Basis die Laparotomie indiziert sei, um einen möglichst vollständigen Ab-
fluß des Exsudats zu erzielen oder Drüsenkonglomerate zu entfernen, die den
Ductus thoracicus oder die Cisterna chyli komprimieren. Bei Karzinomatose des
Bauchfells ist dagegen die Laparotomie kontraindiziert. Strauss (Nürnberg).
30) McGuire. Treatment of diffuse suppurative peritonitis.
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. Nr. 13.)
Verf. behandelt seine Fälle von diffuser eitriger Peritonitis jetzt folgender-
maßen: Operation an der Stelle des Ursprunges der Eiterung, Inzision über dem
Schambein und Drainage der Beckenhöhle durch diese Inzisionsöffnung; Erhöhung
des Kopfendes der Bettstelle, und zwar recht erheblichen Grades, dauernde Irri-
gation des Mastdarmes mit Kochsalzlösung unter geringem Druck; Morphium in
kleinen, Spartein in großen Dosen; keine Abführmittel, nur Klysmen; bei Er-
brechen keine Nahrung durch den Mund.
Unter den letzten 500 Appendicitispatienten seiner Privatpraxis waren 24 Fälle
mit diffuser eitriger Peritonitis; von den nach alter Methode behandelten 6 starben
5; von den nach diesen neuen Prinzipien behandelten 18 starb nur einer.
W. v. Brunn (Rostock).
31) A. Lamari. Infezione diplococcica nella peritonite tubercolare.
(Nuova Rivista clinico-terapeutica 1908. XI, 6.)
Bei einem 17jährigen Jungen, der jahrelang an tuberkulöser Peritonitis ge-
litten hatte, fanden sich die Erscheinungen der Pneumokokkenperitonitis der
Kinder. Die Laparotomie ergab 8 Liter dicken gelben Eiters und eine miliare
Peritonealtuberkulose. Die bakteriologische Untersuchung ließ den Fränkel-
schen Diplokokkus und den `Koch'’schen Bazillus erkennen. Verf. schließt, daß
die Vereiterung tuberkulöser Herde stets durch Mischinfektion zustande kommt,
daß die tuberkulöse Peritonitis zur Pneumokokkeninfektion prädisponiert, und daß
endlich diese Infektion die miliare Ausbreitung der Tuberkulose begünstigt.
Strauss (Nürnberg).
1314 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44.
32) F. Brüning. Über Appendicitis nach Trauma.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVI. Hft. 4.)
B. beschreibt einen Fall von Appendicitis traumatica, entstanden durch Sturz
auf der Treppe, bei dem wahrscheinlich eine starką Anspannung der Bauchdecken
zu einer vorübergehenden Einklemmung des Wurmfortsatzes im Leistenringe und
diese zu einer Entzündung führte. In der aus der Literatur vom Verf. gegebenen
Zusammenstellung der Veröffentlichungen über traumatische Appendicitis überwiegt
die Meinung, daß nur ein vorher schon veränderter Wurmfortsatz durch Trauma
entzündlich erkranken kann. Verf. bespricht den Mechanismus, wie bei vorhan-
denem Abszeß, chronischer und akuter latenter Entzündung eine Appendicitis zu-
stande kommen kann. Nach seiner und Aschoff’s Ansicht spielt in der Ent-
stehung der traumatischen Appendicitis die reflektorische Darmlähmung eine große
Rolle. Der Fall des Verf.s, wie einige andere sprechen aber dafür, daß es auch
eine traumatische Appendicitis bei gesundem Wurmfortsatz gibt. Das klinische
Bild der traumatischen Appendicitis ist immer ein besonders schweres. Von
34 Pat. starben 19. Der anatomische Befund ist gewöhnlich nur eindeutig für
Trauma sprechend, wenn die Operation sehr zeitig vorgenommen wird. Als Gut-
achter soll man daran festhalten, daß eine traumatische Appendicitis nur anzu-
nehmen ist, wenn direkt im Anschluß an den Unfall Erscheinungen aufgetreten
sind, die auf eine Appendicitis hindeuten, und welche andauern bis zum Manifest-
werden der Entzündung. E. Siegel (Frankfurt a. M.).
33) Frascella. Un caso di appendicite acuta paragastrica perforata con
peritonite purulenta diffusa: intervento e guarigione. Contributo ana-
tomo-patologico, patogenetico e clinico alle dislocazioni appendicolari.
(Policlinico, sez. chir. 1908. XV, 7.)
Verf. zählt kurz die verschiedenen Regionen der Bauchhöhle auf, in denen
bisher ein erkrankter Wurmfortsatz gefunden wurde, und berichtet dann ausführlich
über einen selbst beobachteten Fall, der bisher in der Literatur nur drei Analoga
haben soll.
Bei einem 11jährigen Jungen, der seit 2 Tagen plötzlich schwer erkrankt
war, fand sich bei der Laparotomie eine sero-fibrinöse eitrige Peritonitis; der
Blinddarm lag im oberen Teile der Fossa iliaca dextra, der sehr lange Wurm-
fortsatz lag auf seiner Vorder- und Innenseite und erstreckte sich mit einem gut
entwickelten Mesenterium bis zum Lig. gastro-colicum, mit dem er an der großen
Kurvatur fest verwachsen war. Die Exstirpation des 15 cm langen gangränösen
Wurmfortsatzes brachte Heilung.
Des weiteren versucht F. den Nachweis, daß die lange vor der akuten Ent-
zündung bestehende chronische Epiploitis die vor der akuten Erkrankung be-
stehenden Symptome: Appetitlosigkeit, Stuhlträgheit, zeitweises Stechen in der
Magengegend, verursachten. Strauss (Nürnberg).
34) P. Müller. Ein mit Pelveoperitonitis, Ikterus und Albuminurie
komplizierter Fall von Appendicitis (Drainage der von der Regio analis
her eröffneten Beckenhöhle — Ligatur der arrodierten A. iliaca ext.
vom Riedel’schen Zickzackschnitt aus).
(Med. Klinik 1908. p. 1306.)
M. beobachtete das gleichzeitige Einsetzen von Ikterus und Albuminurie mit
verhältnismäßig schnellem Verlauf und günstigem Ausgang unter 50 operativ be-
handelten Fällen von Appendicitis siebenmal. Es kann sich handeln um Spät-
ikterus bei pyämischer Pfortaderthrombose mit schlechtester Prognose, um Früh-
ikterus als Teilerscheinung einer septischen, durch Streptokokken verursachten
Allgemeininfektion mit raschestem Verlauf und und tödlichem Ausgang oder mit
schweren Zuständen und Übergang in Genesung erst nach längerer Zeit, endlich
um leichte Anfälle, welche entweder gleich nach der Operation auftreten oder mit
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1315
Albuminurie verbunden sind. Letztere sind wohl verursacht durch die Aufssugung
von Toxinen, die in der Leber und in den Nieren eine schnell vorübergebende
parenchymatöse Veränderung setzen.
Im vorliegenden Falle war wohl der Bauchfellüberzug der Arteria iliaca ext.
beim Einführen eines Gazestreifen mit der Kornzange verletzt worden. Die Eite-
rung hatte nun Zutritt zur Gefäßwand.
Vom Riedel’schen Zickzackschnitt aus lassen sich dieses Gefäß, aber auch
die spermatischen und hypogastrischen Venen sehr leicht unterbinden.
Als Gegenöffnung in der Becken-Bauchhöhle wird an Stelle des Einschnittes
vom Mastdarm- oder Scheideninnern her die paraanale und pararektale Inzision
empfohlen. Dauerbäder verminderten die Eiterung aus der Becken-Bauchhöhle
schnell und kürzten den Heilungsverlauf ab. Georg Schmidt (Berlin).
35) Clark. The Gould stitch.
(Univ. of Pennsylvania med. bull. 1908. Juni.)
Verf. empfiehlt auf Grund zahlreicher Fälle die von Gould angegebene Art
von Matratzennaht (cf. dieses Blatt 1904, p. 13564) als sicherste Methode zum Ver-
schluß des Wurmfortsatzstumpfes nach Appendektomie, ebenso zur Aponeurosennaht
beim Verschluß von Hernienöffnungen und Laparotomiewunden.
Mohr (Bielefeld).
36) Pohlman. The appendix forming a duodenal-cecal canal.
(Journ. of the amer. med. assoc. 1X8. Nr. 12.)
Bei der Obduktion eines an Lungentuberkulose verstorbenen Negers fand sich
eine chronische adhäsive Peritonitis; der Wurmfortsatz war mit seiner Spitze mit
dem tief herabhängenden transversalen Teile des Duodenums verwachsen und kom-
munizierte mit dessen Lichtung. Der Wurm, nicht verdickt und ohne sonstige
sichtbare Veränderung, von 4 cm Länge, hatte eine Lichtung von ca. 2 mm Weite,
war mit kotigem Material gefüllt und bildete einen nach dem Blinddarm und
Duodenum offenen Kanal. W. v. Brunn (Rostock).
7) McLean (Kiautschou). Über Oystenbildung aus Resten des Pro-
cessus vermiformis. |
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 33.)
Den von Klemm mitgeteilten drei Fällen reiht Verfasser einen weiteren
an, in welchem sich bei wiederholten schweren appendicitischen Anfällen bei
der Operation die Auslösung des gegen das kleine Becken fest verlöteten Wurms
als unmöglich erwiesen hatte, deshalb die Durchtrennung mit Einstülpung des
oralen Endes des Wurmes in den Blinddarm vorgenommen worden, und es in
kurzer Zeit unter neuen Anfällen zur Bildung einer fast faustgroßen, dann all-
mählich sich verkleinernden Cyste in dem distalen Stumpf gekommen war. Bei
ihrer Operation platzte die gut walnußgroße Geschwulst und entleerte dicke,
schleimige Flüssigkeit und wurde exstirpiert. Heilung. Kramer (Glogau).
= 838) L. Simon. Perforation eines Meckel’schen Divertikels.
(Med. Klinik 1908. p. 1345.)
Erfolgreiche Abtragung des Divertikels und Darmnaht 18 Stunden nach Be-
ginn der Erkrankung, 5 Stunden nach dem Durchbruch. Es bestand weder eine
Verwachsung des Divertikels, noch hatte irgendwelche Knickung oder Drehung
‚die Entzündung des Darmanhanges verursacht. Fremdkörper fanden sich nicht,
ebensowenig Anhaltspunkte für Typhus oder Tuberkulose. Wahrscheinlich war
demnach eine Infektion von den Bakterien des Darminhaltes ausgegangen. Infolge
sehr starker Faltung und Schwellung der Darmschleimhaut an der Stelle des Durch-
bruches nach dem blinden Ende des Divertikels, einer Art von Selbstschutz, war
durch das 4 mm Durchmesser besitzende Loch nur verhältnismäßig wenig Darm-
inhalt in die Bauchhöhle geflossen. Georg Schmidt (Berlin).
1316 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44.
39) Nast-Kolb. Die Operation von Leisten- und Schenkelhernien in
lokaler Anästhesie. (Aus der chirurg. Klinik zu Heidelberg. Prof.
Narath.)
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 33.)
Die Lokalanästhesie mit 1%iger Novokain-Suprareninlösung wird in der Heidel-
berger Klinik nicht bei Kindern, dagegen fast immer bei Erwachsenen, und be-
sonders bei alten Leuten, mit eingeklemmten und freien, nicht verwachsenen Brüchen
jeder Größe (unter Anwendung der Bassini’schen oder Ferrari’schen Methode
bei Leistenbrüchen!, event. nach Morphin-Skopolamininjektion, benutzt. Die Technik
der Einspritzung findet in der Arbeit genaue Beschreibung. Behutsames Ope-
rieren ohne Zerrung der Gewebe ist zur Vermeidung von Schmerzen notwendig.
Die Wundheilung wurde durch den Einfluß des Lokalanästhetikums nicht gestört.
Nachschmerzen, oft. recht heftiger Art, erforderten Morphiumdarreichung. Post-
operative Lungenaffektionen kamen auch nach der Operation unter lokaler An-
ästhesie zur Beobachtung. Kramer (Glogau).
40) K. A. Sarshezki. Die Dauerresultate der radikal operierten Leisten-
brüche der akademischen chirurgischen Klinik (St. Petersburg) von 1895
bis 1906. Experimentelle Prüfung der anatomischen Grundlagen der
Bassini’schen Operation.
(Russ. Archiv für Chirurgie 1908. [Russisch.))
Die Arbeit stammt aus der Klinik von Weljaminoff und handelt haupt-
sächlich von den Methoden Bassini’s und Kocher's. Es ist die Kocher'sche
Verlagerungsmethode in einer Modifikation von Prof. W. A. Tih)i(e)le Nach
Isolierung des Bruchsackes wird die vordere Wand des Leistenkanales mit der
Schere aufgeschlitzt, der Bruchsack noch weiter frei gemacht, gedreht und durch
eine Öffnung in der Aponeurose des M. obliquus ext. möglichst stramm nach
außen und oben gezogen und mit einer Naht befestigt. Nach der Naht der Apo-
neurose wurde der Bruchsack anfangs mit einigen Nähten darauf befestigt, später
aber exstirpiert.
Bei der Revision wurde als Rezidiv eines Leistenbruches eine herniöse Vor-
wölbung im Bereiche der Operationsstelle beobachtet, >in der man nach Form und
Größe einen bereits wieder entstandenen Peritonealsack annehmen konnte«.
Als Minimalfrist zwischen Operation und Revision bestimmt S. auf Grund
seiner Literaturstudien 2 Jahre, eine Frist, die er selbst aber nicht eingehalten hat.
Operiert wurden an 150 — 139 männlichen, 11 weiblichen — Kranken 169 Brüche.
Es entfallen auf die modifizierte Kocher’sche Methode 116, von denen 71,5%
per primam heilten, während 28,2% (meist »tiefe«) Eiterung aufwiesen {die 2'/;mal
so oft dort vorkam, wo der Sack daringelassen war. Keine Todesfälle, Bettruhe
durchschnittlich 14 Tage.
Nach Bassini wurden 37 Brüche operiert, von denen 83,7% per primam
heilten, 16,2% (6 Fälle) per secundam (davon 3 gleich bei der Operation tam-
poniert). Keine Todesfälle, Bettruhe durchschnittlich 17 Tage.
Nachuntersucht wurden 76 nach Kocher Öperierte, wobei 21 = 27,6% Re-
zidive gefunden wurden. Von den per primam geheilten Fällen hatten 25% Re-
zidive, von den übrigen 42,1%. Die Frist zwischen Operation und Revision betrug
bei 12 Fällen weniger als 2 Jahre, sonst 2—11 Jahre.
Von den nach Bassini Operierten wurden 18 revidiert; davon hatte 1 ein
Rezidiv (= 5,5%), der per secundam geheilt wer. Die Frist betrug in 15 Fällen
weniger als 2 Jahre, in den übrigen 2—6 Jahre. '
S. kommt bei voller Würdigung der großen Ungleichheit der Vergleichs-
objekte zu dem Schluß, daß dem Bassini'schen Verfahren doch wohl der Vorzug
vor dem modifizierten Kocher’schen gebührt, und zwar weil die Fixierung der
Muskeln an das Poupart'sche Band einen besseren Schutz gegen Rezidive zu geben
scheint als die einfache Beseitigung des überschüssigen Bauchfells.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1317
Um zu prüfen, ob die Muskeln wirklich mit dem Poupart’schen Bande ver-
wachsen, hat S. elf Tierversuche (Hunde! angestellt und mikroskopische Unter-
suchungen gemacht. Danach verwachsen Muskel und Band durch eine feine binde-
gewebige Narbe. Das Bindegewebe schiebt sich zwischen die Muskelbündel bzw.
Fasern, auch zwischen die Fasern des Bandes, wo es durch die Nadel verletzt
wurde. Die nächstliegenden Muskelfasern degenerieren und zerfallen, nehmen Kalk
auf und gehen schließlich in der Narbe auf. Die weiterliegende Muskulatur bleibt
unverändert, abgesehen von vereinzelten Bindegewebszügen, die sich zwischen die
Fasern schieben. Nach 2—3 Monaten war die Vernarbung beim Hunde vollendet.
V. E. Mertens (Kiel).
41) L. Arnaud. Les cystocèles crurales chez l'homme.
(Province méd. 1908. Nr. 29.)
Selten schon bei der Frau, ist die Cystokele im Schenkelkanal beim Manne
ganz außerordentlich selten. Verf. kennt nur drei Veröffentlichungen, von Sorel,
Schonen und v. Aue. Der vorstehende Fall betraf einen 64jährigen Mann, der
schon 18 Jahre lang einen Schenkelbruch hatte. Ohne äußeren Anlaß traten Ein-
klemmungserscheinungen auf. Bei der Operation fand sich ein kleiner Bruchsack,
nach dessen Ofnung man eine freie Blinddarmschlinge zu Gesicht bekam. Erat
dann widmete man einer blauverfärbten fast ebenso großen Masse, wie sie der
Bruchsack darstellte, seine Aufmerksamkeit: Dieselbe gab sich als die eingeklemmte
Harnblase zu erkennen. Reposition der Cystokele nach Erweiterung des Bruch-
ringes; Abtragung des Bruchsackes, Pfeilernaht. Heilung in 14 Tagen.
Die bisherigen Beobachtungen der cruralen Cystokele beim Manne betrafen
immer die rechte Seite. Verf. führt folgende Gründe dafür an: Die angeborene
größere Weite des rechten Schenkelringes im Gegensatze zum linken und die
asymmetrische Lage der Blase, die im gefüllten Zustande sich mehr nach der
rechten Seite zu neigt. A. Hofmann (Karlsruhe).
42) H. Finsterer. Ein Beitrag zur Kenntnis der Hydrokele muliebris.
(Aus der Grazer chirurgischen Klinik.)
(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Nr. 15.)
Wenn schon die Hydrokele muliebris nicht allzu häufig ist (89 Fälle), so stellt
Verf.s Fall von doppelseitiger Hydrokele mit Vereiterung ein Unikum dar. Es
handelte sich um eine 57jährige Frau, die nach wiederholten Traumen der Leisten-
gegenden beiderseits allmählich zunehmende Anschwellungen bekam. Nach Influeuza
traten Schmerzen und Rötung auf. Die vom Arzte zuerst auf Lymphadenitis, dann
auf Hernia incarc. gestellte Diagnose wurde in der Klinik berichtigt, Probepunk-
tion, dann Inzision gemacht. Atiologie, Pathologie, und vor allem die Differential-
diagnose werden erschöpfend besprochen. Bei der Operation ist charakteristisch
die Lage des Lig. rotundum an der Hinterseite der Hernie, von ihr nur sehr
schwer zu trennen. — Literatur. Benner (Breslau).
43) H. Rubritius. Chronisch entzündlicher Bauchdeckentumor nach
Hernienoperation.
(Prager med. Wochenschrift 1908. Nr. 31.)
Im Anschluß an die von Schloffer auf dem letzten Chirurgenkongreß er-
wähnten Fälle von chronischen Geschwülsten der Bauchdecken nach Bauchopers-
tionen, berichtet R. über einen Fall eines eingeklemmten Leistenbruches, bei dem
4 Wochen nach der vorgenommenen Radikaloperation sich eine Beule in der
rechten Unterbauchgegend bemerkbar machte, die innerhalb 3 Wochen zu einer
faustgroßen Geschwulst heranwuchs. Sie war mit dem Netz und Dünndarm-
schlingen verwachsen und stellte eine schwielige Masse dar, in deren Zentrum
eine Eiterhöhle mit einem Seidenfaden lag. R. hält letzteren für den Urheber
der Geschwulst und rät, bei Bauchoperationen nur resorbierbares Nahtmaterial zu
benutzen. Die Tatsache, daß die Geschwulst von der Operationsnarbe aus weit
,
1318 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44.
entfernt liegt, erklärt sich R. so, daß der Bruchsackstumpf nach der Abbindung
sehr weit zurückschlüpfen kann und so den von der Wunde entfernten Sitz der
Geschwulst verursacht. A. Hofmann (Karlsruhe).
44) Hunter. A case of hypertrophic stenosis of the pylorus in an
infant 8 weeks old.
(Glasgow med. journ. 1908. Juli.)
Den 1. Lebensmonat war der Knabe ganz gesund und gedieh aufs beste. Dann
fing er an zu erbrechen und magerte trotz verschiedenster diätetischer Maßnahmen
schnell ab. In verfallenem Zustande kam das Kind ins Hospital und starb dort
8 Tage später.
Die Obduktion ergab keine besondere Dilatation des Magens (31/3 : 13/4 Zoll),
aber eine kolossale Hypertrophie des Pylorus, und zwar sowohl der zirkulären wie
der Längsmuskulatur. Die Veränderung war in 3 cm Länge ausgeprägt, der äußere
Umfang des fest kontrahierten Sphinkters betrug 6 cm. Ein Metallkatheter Nr. 10
konnte nur mit Druck hindurchgeführt werden. W. v. Brunn (Rostock).
45) Manges. Primary sarcoma of the stomach. Report of three cases.
(Mt. Sinai hospital reports Vol. V. 1907.)
Die drei vom Verf. ausführlich beschriebenen Fälle betrafen einen Mann von
48 Jahren, eine ebensoalte Frau und ein 19 Jahre altes Mädchen. Im ersten und
dritten Falle lag ein Lymphosarkom vor, im zweiten ein Myosarkom. Die ältere
Frau starb, weil inoperabel, unoperiert. Der Mann starb im Anschluß an die
ausgeführte Gastroenterostomie; das Mädchen wurde laparotomiert wegen akuter
Blutung aus der Geschwulst in die freie Bauchhöhle, erlag aber auch bald dem
Eingriff. W. v. Brunn (Rostock).
46) Luther. Review of cases of various types of enteroptosis.
(Univ. of Pensylvania med. bull. 1908. Juli.)
L. teilt die Krankengeschichten von 35 von Clark operierten Fällen von
Enteroptosis mit. Bestimmte Indikationen für den chirurgischen Eingriff bei
Enteroptose lassen sich bisher nicht aufstellen, nur so viel läßt sich sagen, daß
die bestehenden Symptome direkt durch die Enteroptose verursacht sein müssen,
wenn die Operation Aussicht auf Erfolg haben soll. In fünf Fällen mit starker
Erschlaffung der Bauchwand nach Geburten wurde die Webster’sche Operation
(teilweise Resektion der Bauchwand) mit zwei Besserungen und zwei Heilungen
ausgeführt. Die Methode gibt gute Resultate, falls die Diastase nicht bereits so
lange besteht, daß die Bauchorgane weit unter ihre normale Lage gesunken sind,
in letzterem Falle muß gleichzeitig mit der Webster’schen Operation eine
Hebung des Querkolons durch Annähung des Netzes an die Bauchwand vor-
genommen werden: fünf Fälle, eine Heilung, zwei vorübergehende Besserungen
mit Rückfall nach einer Geburt bzw. einem Fall, ein Mißerfolg. In einem Falle
trat Besserung nach Aufhängung der Leber und des Querkolons ein. Bei neun
Pat. wurde das Querkolon vermittels des Lig. gastrocolicum am Peritoneum parie-
tale aufgehängt: vier Heilungen, vier Besserungen, ein Todesfall an Peritonitis.
Vier Fälle von Aufbängung des Querkolons, Magens und der einen Niere: eine
Besserung, 1 Heilung, von den beiden anderen fehlt Nachricht. Bei einem Pat.
mit extremer Senkung des Querkolons mit Kotstase und den Symptomen eines
unvollständigen Ileus wurde, nachdem die Aufhängung von Rezidiv gefolgt war,
das Querkolon reseziert, und die Darmenden wurden durch End-zu-End-Anasto-
mose vereinigt; völlige Heilung, auch der nervösen Allgemeinerscheinungen. In
den letzten 12 Fällen handelte es sich um Ptosis der Flexura sigmoidea; 10mal
Aufhängung der Flexur an der seitlichen oder vorderen Bauchwand vermittels
des Mesosigmoideum; 2mal wurde außerdem eine Gegeninzision in der linken
Flanke angelegt, durch welche die Aufhängenähte angezogen wurden; in zwei
Fällen mußte die Flexur, um Knickungen zu vermeiden, in der Mittellinie der
vorderen Bauchwand fixiert werden; drei Heilungen, fünf Besserungen, ein Miß-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1319
erfolg, imal kein Bericht. In den beiden letzten Fällen wurde außer der Auf-
hängung der Flexur die Webster’sche Operation ausgeführt: eine Heilung, eine
Besserung. Mohr (Bielefeld).
47) Zaaijer. Purpura en Darminvaginatie.
(Nederl. Tijdschrift v. Geneeskunde 1908. Nr. 7.)
Z. sah in zwei Fällen im Anschluß an eine Purpurseruption Darminvagina-
tion auftreten. Er ist der Ansicht, daß die Purpura ein prädisponierendes Mo-
ment für die Entstehung der Invagination ist. Die Blutungen in die Darmschleim-
haut können, wie ein Polyp, den Anfang einer Invagination bilden, oder Blutungen
in die Darmwand können eine lokale Paralyse geben. Möglich ist es auch, daß
Blutungen in dem Gebiete des N. splanchnicus lokale Lähmungen oder Erregungen
verursachen. Embolien in den Arterien verursachen lokale Ischämien der Darm-
wand. E. H. van Lier (Amsterdam).
48) I. Boese. Uber den strikturierenden tuberkulösen Tumor der
Flexura sigmoidea.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVI. Hft. 4.)
Verf. veröffentlicht die Krankengeschichte eines Pat., bei dem aus den ileus-
ähnlichen Erscheinungen und der Fühlbarkeit einer Geschwulst ein Karzinom der
Flexura sigmoidea diagnostiziert wurde. Die Darmresektion, die mit Genesung
des Kranken endete, ergab durch histologische Untersuchung und Tuberkelbazillen-
nachweis im Schnitt, daß es sich um eine tuberkulöse Geschwulst handelte. B.
bespricht die verschiedenartigen nicht krebsigen Geschwülste, die in letzter Zeit
an der Flexur beobachtet wurden, und die Graser’schen Divertikel, die nicht
selten den Ausgang für entzündliche Geschwülste der Flexur bilden.
E. Siegel (Frankfurt a. M.).
49) Hirschman. Mesosigmoidopexie, with report of two cases.
(Pacific med. journ. 1908. August.)
Verf. berichtet über zwei Fälle von Vorfall des Mastdarmes und der Flexur
dritten Grades, die nach Versagen der gewöhnlichen operativen Maßnahmen
durch Mesosigmoidopexie völlig geheilt wurden. Schnitt links von der Mittellinie
parallel dem Leistenband; das stark verlängerte Mesenterium der Flexur wurde
auf beiden Seiten skarifiziert. Beginnend an der Mesenterialwurzel, wurden die
beiden gegenüber liegenden Außenflächen des Mesosigmoids durch drei Reihen
unterbrochener Catgutnähte zusammengefaltet. Um Knickung der Flexur zu ver-
meiden, wurde das longitudinale Muskelband der Flexura sigmoidea zusammen
mit !/gcm Serosa und Muskularis beiderseits vom Bande durch quere, unter-
brochene Catgutnähte eingestülpt; auf diese Weise wurde eine Art von Spange
festen Muskelgewebes gebildet, welches die Kurve der Flexur gestrekter machte.
Hierauf Schluß des Leibes, Reposition und Resektion der Rektokele sowie der
vorgefallenen Afterschleimhaut. Die Nachuntersuchung nach 6 bzw. 18 Monaten
ergab bei beiden Pat. völlige Heilung mit normaler Darmfunktion.
Mohr (Bielefeld!.
50) J. S. Mershejewski. Zur Operation der Hämorrhoiden nach
Whitehead.
(Russ. Archiv f. Chirurgie 1908. !Russisch.))
M. bricht eine Lanze zugunsten der Whitehead’schen Operation, die im
Jahre 1906/07 von P. B. Butz 52mal ausgeführt wurde. Von diesen Pat. konnte
M. 15 nach längstens 1 Jahr untersuchen.
Er fand die Resultate sehr gut. Ein einziges Mal war es zu einem geringen
linksseitigen Vorfalle der Mastdarmschleimbaut gekommen. In einem zweiten Falle
drängte sich die Schleimhaut etwas vor. Ein Pat. endlich beklagte sich, daß er
die Winde nicht halten könne, während der Sphinkter sonst kräftig war. Bei allen.
diesen Kranken war der Sphinkter instrumentell gedehnt worden.
V. E. Mertens (Kiel).
1320 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44.
51) v. Herezel. Radikaloperation des Mastdarmkrebses auf sakralem
Wege und Enderfolge seiner Operationen.
(Orvosi Hetilap 1908. Nr. 26.)
Verf. bespricht in diesem Vortrage die Radikaloperation des Mastdarmkrebses
und befürwortet die möglichst frühzeitige Operation. Er ist ein Anhänger der
Amputationsmethode, da die Resektion eine größere operative Mortalität zur Folge
hat. Die Anlegung eines Kunstafters hält er als Voroperation für unnötig, da
wir anstatt einer Operation später dann noch zwei (Exstirpation des Krebses und
Schließen des Kunstafters) auszuführen hätten, was für die herabgekommenen
Kranken nicht indifferent ist. In letzter Zeit führt Verf. die Operation nach
Kocher aus mittels Resektion des Steißbeines und Durchschneidung des Lig.
tuberoso- und spınoso-sacrum; er hält die Resektion des Kreuzbeines für über-
flüssig. Bei Eröffnung des Douglas’schen Raumes zieht er die Bauchfellnaht der
Tamponade vor, da wir so die Infektion eher vermeiden können. Verf. operierte
82 Fälle von Mastdarmkrebs; in 7 Fällen wurden auch Teile der Prostata, in 2 die
Samenblasen, in 2 Teile der Blase, in 3 die Gebärmutter exstirpiert. Operative
Mortalität hatte Verf. in 12 Fällen, d. i. in 14,6%; und zwar war die Todesursache:
Chok in 4 Fällen; Lungenkomplikation in 3 Fällen (Pneumonie in 2, Embolie in
1 Falle); Meningitis cerebrospinalis in 1 Fall infolge von Lumbalanästhesie am
10. Tage nach der Operation; Nephritis aposthematosa in 1 Falle; Sepsis bzw. Peri-
tonitis in 3 Fällen. Somit hatte Verf. Sepsis in 25% seiner operativen Todesfälle
als Todesursache (Krönlein 38,5%). Verf. berichtet in seiner Arbeit auch über
die Spätresultate seiner Operationen, welche er seit 1893 auf sakralem Wege in 59,
auf coccygealem in 21, auf sakroabdominalem Wege in 2 Fällen ausführte. Zur
Beurteilung der Dauerheilung kann Verf., nach dem Volkmann’schen Triennium
gerechnet, 64 Pat. verwerten. Von diesen starben infolge der Operation 8, binnen
3 Jahren infolge von Rezidiv 15, das weitere Los unbekannt bei 7 Fällen. Wenn
wir nur die bekannten 57 Fälle in Betracht ziehen, so blieben über 3 Jahre rezidiv-
frei 34, d. i. 59,7%. Wenn wir alle seither Verstorbenen, auch die an inter-
kurrenter Krankheit Gestorbenen als Rezidivtode berechnen, ist die Zahl der Über-
lebenden, welche als definitiv geheilt betrachtet werden können, 24 = 42,1%. Wenn
wir die uns unbekannten 7 Fälle als Rezidivtodesfälle betrachten, beträgt die Ra-
dikalheilung 63,2%, die Zahl der definitiv geheilten Überlebenden 37,0%. Ziehen
wir nur die die Operation Überstehenden in Betracht, so ist die Radikalheilung 69,4%,
die Zahl der Überlebenden, definitiv Geheilten 48,9% (bei Hochenegg 25%).
Von diesen sind bereits 11 über 10 Jahre, 6 über 6 Jahre, 7 über 4 Jahre rezidivfrei.
P. Steiner (Klausenburg).
Erklärung.
Marburg den 14. Oktober 1908.
Ich erkenne vollkommen die Verdienste Brauer's um die Indikationsstellung
und den energischen Ausbau der von Quincke, C. Spengler und Turban in-
augurierten exirapleuralen Thorakoplastik zur Behandlung der Lungentuberkulose
an. Ich habe eine besondere Betonung dieser Dinge in den Referaten nicht für
nötig gehalten, da ich dieses in den ausführlichen Arbeiten glaube getan zu haben.
Es kam mir zunächst wesentlich darauf an, die chirurgisch-technischen Gesichts-
punkte und den weiteren Verlauf derartiger Fälle hervorzuheben.
P. L. Friedrich.
Die vorstehenden Ausführungen regeln in sachlicher Weise die uns beschäftigende
Frage. Ich schließe mich denselben daher an. Ich habe stets anerkannt, daß nur
eine richtige chirurgische Technik den Weg, den ich in Vorschlag brachte, auch
gangbar machen kann. L. Brauer.
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden.
Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau.
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig.
Zentralblatt für Chirurgie
herausgegeben von
K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER,
in Bonn, in Berlin, in Breslau.
35. Jahrgang.
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG.
Nr. 45. Sonnabend, den 7. November 1908.
Inhalt.
R. v. Rydygier, Zum osteoplastischen Ersatz nach Unterkieferresektion. (Originalmitteilung.)
1) Martin, 2) Bullrich, Echinokokken. — 8) Bertelli, Lebersarkome. — 4) Ssuslow, Anatomie
der Gallenwege. — 5) Cotte, 6) Mongour, 7) Pop-Avramescu, Gallensteine. — 8) Fowler, Harn-
röhrensteine. — 9) Cardenal, Prostatahypertrophie. — 10) Fenwick, Prostata- und Blasenkrebs.
— 11) Marro, Blasen-Harnleiteranastomose. — 12) v. Karaffa Korbutt, Harnleiteratonie.. —
13) Lardennois, Nierenverletzungen. — 14) v. Illyés, Nierentuberkulose. — 15) Perez Grande,
Nierenenthülsung. — 16) Israel, Verschmolzene Nieren. — 17) Langlois, Überpflanzung beider
Nieren. — 18) Exalto, Hodenretention. — 19) Gregoire, Hodenkrebs. — 20) Quénu und Duval,
Kolpohysterektomie.
I. W. Volkmar, Ein Fall von Verletzung des Ductus hepaticus bei der Cystektomie. —
I. L. Buerger, Eine modifizierte Crile’sche Transfusionskanüle. (Originalmitteilungen.)
21) II. internationaler Chirurgenkongreß. — 22) Elsberg, Leberabszeß. — 23) Ribera, 24) Arce,
Echinokokken. — 25) Steinthal, Gallensteine. — 26) Michailow, Cysten der Vesicula prostatica.
— 27) Andre, Strikturen der Pars prostat. urethrae. — 28) Bonneau, Prostatasteine. — 29) Schaff-
roth, 80) Lasio, 81) Cadini, Prostatahypertrophie. — 82) Muir, Blasenzerreißung. — 33) Li Virghi,
Blasenperforation durch Stein. — 84) Ferria, Blasengeschwüre. — 35) Coen und Lilla, Harn-
separator. — 36) Kutner, 37) Berg, Zur Nierendiagnostik. — 38) Hamilton, Blasendrainage. —
89) Levin, Pyurie. — 40) Loumeau, 41) Alessandri, Nierentuberkulose. — 43) Berg, Hyper-
nephrom. — 43) Damski, Cyste der Samenbläschen. — 44) Beardsley, Epididymitis und Orchitis.
— 45) Mohr, Hydrokele. — 46) Viscontini, Leukoplakie und Karzinom der Vulva.
Berichtigung.
Zum osteoplastischen Ersatz
nach Unterkieferresektion.
Von
Ludw. R. v. Rydygier.
P seiner interessanten Mitteilung in Nr. 36 dies. Zentralblattes über
osteoplastischen Ersatz nach Kieferresektion erwähnt Payr auch
das Verfahren, wonach eine an einem Hautlappen hängende Spange
aus der Clavicula zur Plastik verwendet wird und das Wölfler (cf.
21. deutschen Chirurgenkongreß) mit negativem Erfolg einmal ange-
wendet hat. Ich habe dasselbe Verfahren unabhängig von Wölfler
schon im Jahre 1892 ausgeführt und sehe nicht ein, weshalb es
weniger empfehlenswert sein sollte, wie der Ersatz durch Rippenstücke.
Ich glaube im Gegenteil, daß es bequemer ist, den Ersatz aus der
näherliegenden und festeren Clavicula zu nehmen, als aus der ent-
fernteren Rippe. Der Erfolg wird gewiß ebenso sicher sein, wenn
man nur die schon damals! von mir anempfohlene Technik befolgt.
1 Przegląd lekarski 1892.
1322 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45.
Ich erlaube mir, dieselbe unter Vorlage der damals verfertigten Zeich-
nung nochmals ganz kurz zu skizzieren: Es wird über und zwei
Querfinger breit unter der Clavicula ein entsprechend breiter, mit oberer
Ernährungsbrücke versehener Hautlappen gebildet, der jedoch nur bis
an den unteren Rand der Clavicula freipräpariert wird; die Vorder-
fläche der Clavicula bleibt mit seiner Basis genau vereinigt, und man
muß sich ja hüten, während des Abtrennens des zum Ersatz be-
stimmten Stückes aus der vorderen Hälfte der Clavicula die ver-
hältnismäßig lockere Verbindung zwischen Haut und Knochen zu
lösen. Der untere Teil des Hautlappens wird um die abgelöste
Knochenspange von unten her herumgeschlagen (cf. Abb.), der Defekt
mit einem entsprechenden Hautlappen bedeckt, und man wartet 8 bis
12 Tage ab, bis der umhüllende Hautlappen fest mit der Knochen-
spange verwachsen ist. Daraufhin kann man die so präparierte Knochen-
spange ohne Gefahr des Absterbens an einen genügend langen Haut-
lappen in den Unterkieferdefekt einpflanzen. Im übrigen verfährt man
nach den allgemein gültigen Regeln.
Obgleich schon 16 Jahre seit der Ausführung und Veröffentlichung
meiner ersten nach diesem Verfahren ausgeführten Operation verflossen
sind, hatte ich nicht Gelegenheit, sie noch einmal auszuführen; nichts-
destoweniger glaube ich das Verfahren entschieden empfehlen zu dürfen ;
bei entsprechend günstigen Verhältnissen sogar vor dem Ersatz aus
der Rippe.
1) Martin. Kystes hydatiques de la rate.
(Arch. génér. de chirurgie II, 7.)
Verf. gibt auf Grund von sechs bisher unveröffentlichten und
83 aus der Literatur gesammelten Fällen eine Ubersicht über den
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1323
Echinokokkus der Milz, die in 0,3% aller Fälle von Echinokokkus-
erkrankung betroffen sein soll. Die Genese der Invasion — Venen-
system oder Lymphgefäße — ist noch nicht sichergestellt. Patho-
logisch-anatomisch finden sich einfache und mehrfache Cysten, die
entweder der Milz oberflächlich aufsitzen oder kavernenartig im Milz-
parenchym lokalisiert sind. Die an der Oberfläche gelegenen Cysten
bedingen eine Reihe genau bezeichneter Veränderungen der Um-
gebung.
Die Cysten entwickeln sich zuweilen, ohne irgendwelche subjek-
tive Erscheinungen zu machen; in anderen Fällen werden tabesartige
Krisen, Angina pectoris, blitzartige Zuckungen in der linken Schulter
und vor allem Unfähigkeit, in links gebeugter Stellung zu sitzen oder
zu liegen, beschrieben. Eine Reihe weiterer subjektiver Erscheinungen
sind durch die verschiedene Art der Ausbreitung der Uyste bedingt.
Objektiv ergibt die Perkussion zuweilen Hydatidenschwirren, das jedoch
seltener nachweisbar ist als bei Lieberechinokokken; die Blutunter-
suchung ergab in einzelnen Fällen Eosinophilie.
In seltenen Fällen kommt es zur Vereiterung der Oyste und zum
Durchbruch in die Pleura- oder Bauchhöhle.
Die Zusammenstellung der bisher verwendeten therapeutischen
Methoden läßt für die nicht vereiterten Cysten die Splenektomie als
die Idealmethode erscheinen; vereiterte und verwachsene Cystensäcke
sollen eröffnet und drainiert werden. Strauss (Nürnberg).
nn u ——
2) Bullrich. La naturaleza de la eosinofilia en los quistes
| hidaticos.
(Revista de la sociedad med. Argentina Bd. XVI. Nr. 89.)
Nach Erörterung aller bisher in der Literatur niedergelegten An-
schauungen über das Zustandekommen der Eosinophilie bei der Echino-
kokkenerkrankung spricht B. seine Meinung dahin aus, daß die Eosino-
philie eine Reflexerscheinung ist, die in einer durch die Toxine der
Echinokokkencyste im Knochenmark ausgelösten Reizwirkung ihre Ur-
sache hat. Stein (Wiesbaden).
3) Bertelli. Contributo allo studio dei sarcomi primitivi
del fegato.
(Policlinico. Sez. chir. 1908. XV. 6 u. 7.)
.. In einer umfangreichen, sehr fleißigen Arbeit gibt Verf. eine
Übersicht über die bisher beobachteten und in der Literatur nieder-
gelegten primären Lebersarkome, deren Kasuistik durch die genaue
Beschreibung von zwei weiteren Fällen Bereichert wird. Die Zusammen-
stellung der einzelnen Besonderheiten dieser Erkrankung würde den
Rahmen eines Referates überschreiten; Ref. begnügt sich daher,
darauf hinzuweisen, daß das makroskopische und mikroskopische Bild
der Geschwulstbildung in der Regel ein recht verschiedenartiges ist,
45*
1324 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45.
so daß eine genaue Klassifizierung — Endotheliom, Peritheliom — nicht
statthaft erscheint. Das klinische Bild läßt keine für die Erkrankung
charakteristischen Symptome erkennen, so daß die Diagnose im Leben
nicht mit Sicherheit gestellt werden kann. Die Therapie erwies sich
bisher in allen Fällen als machtlos. Strauss (Nürnberg).
4) K. Ssuslow. Beiträge zur chirurgischen Anatomie der
Gallenwege des Menschen.
(Russ. Archiv für Chirurgie 1907. [Russisch.))
S., Anatom, bringt ein durch Studien an 145 Objekten (131 Lei-
chen, 14 Präparate) gewonnenes, sehr reiches Material.
Von den Ergebnissen sei einiges mitgeteilt.
1) Die Kuppe der Gallenblase fand sich 67mal in der Mammillar-
linie, 17mal außen, 16mal innen von ihr.
2) 6mal hatte die Gallenblase ein eigenes Gekröse, je 34mal
wurde ein Lig. cystico-colicum bezw. cystico-duodenale gefunden.
3) S. steht auf dem Standpunkte, daß die Sondierung des Oysticus
bei richtiger Technik in der Mehrzahl der Fälle gelingt (86 gegen 34).
(In 13 Fällen gelang die Sondierung gar nicht, in 7 Fällen bei breiter
Eröffnung der Blase, in 14 Fällen nach Freipräparieren des Ductus).
Die von S. empfohlene Technik: der linke Zeigefinger geht in das
Foramen Winslowi hinter den Ductus cysticus, der linke Daumen wird
auf den Ductus gelegt. Während die mit der rechten Hand geführte
Sonde, auf die Krümmung des Blasenhalses genau achtend, in den
Ductus vorsichtig eindringt, bemühen sich die beiden Finger der linken
die Heister’schen Falten möglichst auszugleichen, den Ductus »wie
einen Handschuhfinger«e auf die Sonde zu ziehen. Bei diesem Ver-
fahren hat S. 3mal geringe Verletzungen der Schleimhaut gesetzt.
4) Das Lig. hepato-duodenale war 1—6 cm lang, in der großen
Mehrzahl (33,6%) 3,50—4 cm.
5) Das Foramen Winslowi war 19mal von 120 verschlossen.
6) Das untere Ende des Choledochus ist weiter von der Median-
linie entfernt als das obere.
7) Der mit dem Pankreas in Berührung stehende Teil des Chole-
dochus war 1—3,5 cm lang, meist 2,5—3 cm (in 39 von 111 Fällen).
S. scheint nicht beobachtet zu haben, daß der Oholedochus von Pan-
kreassubstanz ganz umgeben war.
8) Die Pars intraparietalis des Choledochus betrug 0,4—1,5 cm.
In 84 von 95 Fällen war die in der Duodenalwand gelegene Strecke
0,5—1,0 cm lang.
9) Die Mündung ins Duodenum lag 49mal in der Mitte, 50mal
tiefer, 14mal höher als die Mitte des absteigenden Teiles.
V. E. Mertens (Kiel).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1325
5) G. Cotte. Traitement chirurgical de la lithiase biliaire
et de ses complications. 472 S.
Lyon-Paris, A. Maloine, 1098.
Das vorliegende Buch ist eine Darstellung der modernen Gallen-
steinchirurgie auf Grund der neuesten Publikationen maßgebender
Operateure Frankreichs und des Auslandes. Unveröffentlichte Fälle
Poncet’s und einiger anderer französischer Chirurgen sind dabei
mitverwertet worden.
Im ersten Teile bespricht Verf. zunächst die allgemeinen In-
dikationen für ein operatives Vorgehen; die Mortalität beträgt bei
interner Behandlung 6—8%, während die ÖOperationsmortalität un-
komplizierter Fälle nur 3% ist; die medikamentöse Behandlung soll
daher nicht zulange ausgedehnt werden, wenn sie auch in vielen
Fällen zunächst versucht werden kann. Hieran schließen sich die
besonderen Indikationen und die Operationsmethoden bei der Lithiasis
der Gallenblase und des Ductus cysticus; die beiden heute nur
noch in Betracht kommenden Operationen sind die Cholecystostomie
und die Cholecystektomie mit Drainage; die erstere verliert augen-
scheinlich an Terrain, wenn sie auch in bestimmten Fällen, wie z. B.
bei schlechtem Allgemeinzustand, den Vorzug verdient; radikales
Operieren und damit gute Dauerresultate gewährleistet aber nur die
Entfernung der Gallenblase; technisch wird die subseröse Ausschälung
der Gallenblase warm empfohlen. Bei der Cholelithiasis der Gallen-
gänge ist Cholecystektomie mit Hepaticusdrainage die Operation der
Wahl, event. in Verbindung mit Hepatopexie, die die Drainage er-
leichter. Der große Wert der Mobilisierung des Duodenums wird
hervorgehoben. Im Gegensatz zu Kehr wird die Operation des akuten
Choledochusverschlusses empfohlen.
Nach einigen Betrachtungen über die intrahepatische Lithiasis
und ihre chirurgische Behandlung folgen die unmittelbaren Resultate
der Operation und die Dauerresultate; zum Schluß finden sich einige
allgemeine technische Regeln.
Im zweiten Teil bespricht ©. die Komplikationen der Chole-
lithiasis (Leberabszeß, Fistelbildungen usw.); hier beanspruchen die
Ausführungen über Cholelithiasis und Appendicitis, sowie Pankreatitis
besonderes Interesse.
Im dritten Teile sind die Beziehungen zwischen der Gallenstein-
krankheit und dem Karzinom erörtert; die Drüsenmetastasen längs
dem Ductus choledochus, sowie der Sitz des Karzinoms an der Gallen-
blase, Fundus oder Hals, ist in den bisherigen Arbeiten nicht genügend
berücksichtigt; das Leberbett ist beim Krebs der Gallenblase stets zu
resezieren, da die Gefahren der Operation dadurch nicht erhöht
werden.
Den vierten Teil bilden die Statistiken von Bramann, Schede,
Rotgans, Koerte, Kehr, Mayo Robson, Quénu, Terrier und
vielen anderen. Am Schluß folgt ein reiches Literaturverzeichnis.
Die Abbildungen, 17 im Text und 4 Tafeln, sind gut.
1326 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45.
Der Wert des Buches liegt in der zusammenfassenden Darstellung
der heutigen Gallensteinchirurgie in Deutschland, Frankreich, England
Amerika, und von diesem Gesichtspunkt aus darf die Arbeit des Verf.
auch das Interesse des deutschen Chirurgen in Anspruch nehmen,
dem sie im ganzen nicht viel Neues bringt. Boerner (Rastatt).
6) C. Mongour. Du moment de lintervention chirurgielle
dans la lithiase biliaire.
(Journ. de méd. de Bordeaux 1908. Nr. 36.)
M. gibt in kurzen Sätzen eine Zusammenfassung seines ausführ-
lichen Referates auf dem Kongreß für innere Medizin in Genf. Hier-
nach ist die Gallensteinkrankheit im allgemeinen ein gutartiges Leiden,
und da die Operation noch immer eine Mortalität von 2% habe, ohne
mit Sicherheit vor Rezidiven zu schützen, so müsse der chirurgische
Eingriff auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben. Als solche betrachtet
M. bei der Lithiasis der Gallenblase wiederholte, heftige Koliken, das
Vorhandensein einer Infektion der steinhaltigen Gallenblase (Ref. nicht
verständlich, da nach der herrschenden Anschauung die klinischen
Erscheinungen des Gallensteinleidens fast stets auf einer Infektion
beruhen), schließlich eine Allgemeininfektion, als deren Ausgangspunkt
die Gallenblase vermutet wird.
Unter den verschiedenen Formen der Cholelithiasis der Gallengänge
kommt nur die Lithiasis des Ductus choledochus mit chronischem Ikterus
für die Operation in Frage; und zwar ist letztere indiziert, wenn der
Ikterus metapigmentär wird, oder wenn bestimmte entzündliche Kompli-
kationen vorliegen.
Eine Kontraindikation bilden Schwangerschaft, Arteriosklerose,
Erkrankungen des Herzens, Diabetes, Alter über 65 Jahre.
Im übrigen hält M. die Frage noch nicht für genügend geklärt,
um definitive Grundsätze aufstellen zu können.
Boerner (Rastatt).
1) A. E. Pop-Avramescu. Die Cholecystektomie bei
Gallensteinen.
Inaug.-Diss., Bukarest. 1908.
Verf. bespricht die in der Klinik von Th. Jonescu üblichen
chirurgischen Behandlungsmethoden der Gallensteine und beschreibt
eine neue Behandlungsart, die er auf Grund mehrerer am Hund an-
gestellter Experimente empfiehlt. Sie besteht darin, daB die Gallen-
blase, falls sie starke Verwachsungen mit der Umgebung hat, nur
eröffnet, gereinigt und vernäht wird, während man andererseits den
Ductus cysticus doppelt unterbindet und durchschneidet, die Gallen-
blase also ausschaltet, aber nicht entfernt. Dieselbe verkleinert sich,
und der Gallenabfluß geschieht weiter, ohne daß das Tier irgend-
welche Beschwerden darbietet. Die Operation ist in den Fällen, wo
der Ductus choledochus undurchgängig ist, kontraindiziert und durch
die Cholecystostomie zu ersetzen. E. Toff (Braila).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1327
8) H. A. Fowler. Autochthonous urethral calculi. Report
of a case.
(New York med. record 1%8. August 1.)
F. gibt eine übersichtliche Abhandlung über die Harnröhren-
steine, für die er, wenn sie primär in der Harnröhre gebildet sind,
die Termini »autochton«, wenn außerhalb entstanden »heterochthon«,
wenn nach dem Hineingelangen in die Harnröhre durch neue Ablage-
rungen vergrößert, »amphiochthon« vorschlägt. Wenn die ursprüng-
liche Herkunft aus der Blase festzustellen ist, soll die Bezeichnung
» Vesiko-urethralsteine« gewählt werden; wächst ein solcher Stein nach-
träglich in der Harnröhre, so spricht F. von Vesiko-urethral-urethral-
steinen.
Die Bildung der primären Harnröhrensteine hinter Strikturen, in
angeborenen oder erworbenen Divertikeln, nach Trauma usw., werden
erörtert und mit instruktiven Beispielen aus der Literatur belegt.
Schließlich folgt die Beschreibung eines eigenen Falles von großem
primärem Stein der hinteren Harnröhre, der durch Dammschnitt ent-
fernt wurde.
Die Bildung des Konkrementes schloß sich an eine vor langen
Jahren erlittene Harnröhrenverletzung an, die, mit Urethrotomie er-
folgreich behandelt, später zu Abszeßbildung Veranlassung gegeben
hatte. Die Länge dieses Steines, der zum Teil im Blasenhalse, zum
Teil in der hinteren Harnröhre lag, betrug 7!/, cm; derselbe wog
106 g und bestand ausschließlich aus Phosphaten.
Loewenhardt (Breslau).
9) Cardenal. Un nuevo procedimiento para el tratamiento
de la hipertrofia de la prostata.
(Revista de med. y cirurg. pract. de Madrid 1908. Nr. 1030.)
C. gibt folgendes Verfahren zur Operation der Prostatahyper-
trophie an, das in 16 Tagen zur Heilung führen soll: Füllung der
Blase mit 250 g Borsäurelösung. 10—12 cm langer Schnitt in die
Medianlinie. Freilegung der Blase und Fixation derselben seitlich
der Mittellinie mit zwei Seidenfäden. Eröffnung der Blase in einer
Ausdehnung von 7—8 cm. Entleerung des Blaseninhaltes durch den
schon vorher eingeführten und mit einer Naht fixierten Katheter.
Einführung von zwei Harnleiterkathetern, die ein flötenschnabelartiges
Ende haben und möglichst bis zum Nierenbecken vorgeschoben werden,
während ihre hinteren Enden sich außerhalb der Bauchhöhle befinden.
Halbmondförmige Inzision der Blasenschleimhaut oberhalb der Pro-
statageschwulst und Ausschälung der Prostata mit den Fingern der
linken Hand, wozu zuerst der Zeigefinger, dann die anderen Finger
benutzt werden. Für die rechte Hälfte der Drüse muß zuweilen die
rechte Hand zu Hilfe genommen werden. Tamponade. Durchleitung
der beiden Harnleiterkatheter durch die Harnröhre. Schluß der Wunde
bis auf eine genügende Öffnung zur Durchleitung der Tamponade bzw.
eines Drains. | Stein (Wiesbaden).
1328 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45.
10) H. Fenwick. The value of bilateral ureterostomy (short-
circuiting of the urine) in advanced cancer of the bladder
or prostate.
(Brit. med. journ. 1908. Juli 4.)
F. empfiehlt bei inoperablen Fällen von Blasengeschwülsten zur
Milderung der Beschwerden die doppelseitige Ureterostomie in der
Lendengegend. Sie ist viel einfacher als die Einpflanzung in den
Darm. Außerdem dient ihm die Ureterostomie als Einleitung zur
Entfernung der ganzen krebsig entarteten Blase, wofür er drei Bei-
spiele bringt. Weber (Dresden).
11) Marro. Vescico-uretero-anastomosi.
(Gazz. degli osped. e delli clin. 1908. Nr. 103.)
(Accad. di med. di Torino. Sitzung vom 26. Juli 1908.)
M. faßt mit einer Naht das freie Ende des Harnleiters und durch-
bohrt mit der Nadel die Blasenwand. Durch starken Zug wird die
Muskulatur der Blase auseinander gedrängt, und der Harnleiter dringt
in dieselbe ein. Sehr schnell tritt die Verklebung von Harnleiter und
Blase ein, und der erstere besitzt auch das natürliche Ventil.
Dreyer (Köln).
12) v. Karaffa Korbutt. Zur Frage über die Entstehung
und die ätiologische Bedeutung der Ureterenatonie.
(Folia urologica Bd. II. Hft. 2.)
Verf. lenkt in dankenswerter Weise die Aufmerksamkeit auf ein
noch wenig erforschtes Gebiet, das der Atonie der Harnleiter. Woher
kommt es, daß man hin und wieder Erweiterung des Nierenbeckens,
ja sogar Hydronephrose findet bei völlig frei durchgängigem Harnleiter,
völlig frei sowohl für Flüssigkeit als für Katheter. Solche Fälle, wie
sie besonders Feodorow beschrieben hat, erklärt Verf. durch die
Atonie des Harnleiters, die sich in mangelhaften, unter Umständen
ganz fehlenden peristaltischen Bewegungen äußert; pathologisch-ana-
tomisch findet sich Wucherung von Bindegewebe, das schließlich die
muskulären Elemente völlig verdrängt und ersetzt. Die Ansichten des
Verf.s werden durch sechs gut gelungene Figuren und mikroskopische
Schnitte erläutert. Willi Hirt (Breslau).
13) G. Lardennois. Contribution à l'étude des contusions,
déchirures et ruptures du rein.
Thèse de Paris, Q. Steinheil, 1908.
Sehr fleißige Arbeit mit vier eigenen Beobachtungen und einem
wohl ziemlich vollständigen Literaturverzeichnis von 767 Nummern.
Die Schlußfolgerungen des Verf.s sind folgende: Die Nierenkontusionen
sind im allgemeinen gutartiger Natur. Schwere Nierenzerreißungen
können auch nach einem leichten Trauma entstehen. Die Hämaturie
ist das diagnostische Anzeichen einer Nierenkontusion; das perineale
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1329
Hämatom bemißt ihre Schwere. Ein beträchtliches Hämatom, sich
selbst überlassen, kann zu schweren Komplikationen führen, die unter
Umständen das Leben des Verletzten bedrohen, jedenfalls aber un-
günstig auf die verletzte Niere einwirken. Komplizierende Verletzungen
verschlechtern die Diagnose beträchtlich, dürfen den Operateur aber
niemals entmutigen. Ein operatives Eingreifen bei Nierenzerreißungen
ist unter zwei Bedingungen notwendig: einmal, wenn rasch die Zeichen
schwerer Anämie infolge innerer Blutung auftreten; befürchtet man
hier die Verletzung eines anderen Bauchorganes derselben Seite, so
macht man die seitliche Laparotomie; fernerhin muB eingegriffen
werden, wenn sich ein beträchtliches Hämatom gebildet hat, das eine
von der Spina ant. sup. oss. ilei zum Nabel gezogene Linie überschreitet;
in diesen Fällen ist der lumbale Weg bequemer und sicherer. Die
Nephrektomie ist nur dann angezeigt, wenn die Niere vollkommen zer-
trümmert oder wenn der Nierenstiel abgerissen ist. Im allgemeinen
besteht der operative Eingriff in der Entfernung der Blutgerinnsel, in
der Freilegung der verletzten Niere und in der Oatgutnaht und leichten
Tamponade der verletzten Stelle. Paul Wagner (Leipzig).
14) G. v. Illy&s. Über die Nierentuberkulose.
(Folia urologica Bd. II. Hft. 1.)
Verf. steht auf dem Standpunkte, daß die hämatogene Infektion
bei der Nierentuberkulose die weitaus häufigere Art der Infektion
gegenüber der aszendierenden Form darstelle, der man früher die
größte Bedeutung beilegte; dieser Standpunkt ist heute wobl All-
gemeingut geworden. Unter den Formen der Tuberkulose hat Verf.
am häufigsten die kavernöse angetroffen. Ob spontane Heilungen
wirklich immer nur scheinbare und nicht dauernde sind, wie Verf.
angibt, darüber ist wohl sehr schwer eine sichere Auskunft zu erlangen,
da die dauernd geheilten Fälle eben nicht zur Operation oder Sektion
gelangen werden. In der ungünstigen Beurteilung der Harnseparatoren
bei der Diagnosestellung kann Ref. dem Verf. nur völlig beipflichten,
besonders wenn es sich um geschwürige Prozesse in der Blase handelt.
Uber die Bedeutung des Bazillenbefundes in positiver oder negativer
Hinsicht wäre die Ansicht des Verf.s zu hören nicht unerwünscht
gewesen.
Der Satz: »Die im Urin der anderen Niere auffindbaren Eiweiß-
und Nierenbestandteile kontraindizieren nicht bei guter Funktion die
Entfernung der kranken Niere«, dürfte noch immer debattiert werden
können. Willi Hirt (Breslau).
15) Perez Grande. La decorticación renal.
(Revista de med. y cirurg. pract. de Madrid Nr. 1034—1039.)
In einer sehr ausführlichen Arbeit bespricht P. auf Grund sämt-
licher bisher in der Literatur publizierter Fälle unter Beifügung neuer
eigener Beobachtungen die Frage der Indikation der operativen Ent-
45**
1330 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45.
hülsung der Niere bei nephritischen Prozessen. Er kommt zu folgen-
den Ergebnissen: Die Enthülsung bewirkt eine Entlastung des Organes
und erzeugt einen komplementären Kreislauf zwischen Nierenparenchym
und umgebenden Geweben. Die Operation ist bei der akuten Nephritis
indiziert, aber stets in Verbindung mit der Nephrotomie, da dann der
gewünschte Erfolg beschleunigt wird. Bei der chronischen Nephritis
ist die Operation durch keine andere Medikation zu ersetzen und soll
ausgeführt werden, sobald die Diagnose gestellt ist, ohne erst mit
internen Mitteln Zeit zu verlieren. Bei den Nierenblutungen besteht
gleichfalls Indikation, selbstredend in Verbindung mit der Nephro-
tomie. Bei Nierenschmerzen unbestimmbaren Ursprunges kann die
Enthülsung gleichfalls Hilfe bringen, doch ist hier mehr zur Nephro-
tomie zu raten, die die Sicherung der Diagnose bewirkt. Die von
anderen Autoren angegebene Indikation bei hysterischer Anurie wird
von P. nicht anerkannt. Dagegen tritt er für die Operation ein
in Fällen von puerperaler Anurie, sowie bei der Eklampsie der
Schwangeren; hier soll die Operation möglichst frühzeitig vorgenommen
werden, da sie dann leichter ist und auch eher gestattet wird; sie
kann event. mit der Nephrotomie verbunden werden.
Stein (Wiesbaden).
16) J. Israel. Diagnosen und Operationen bei verschmolzenen
Nieren.
(Folia urologia Bd. I. Hft. 6.)
Hufeisennieren finden sich in 0,1% der Sektionen, andere For-
men der Nierenverschmelzung sind noch viel seltener. I. ist unter
ca. 800 Nierenoperationen siebenmal verschmolzenen Nieren begegnet,
d. h. in 0,8%; davon waren fünf Hufeisennieren, zwei einseitig ver-
schmolzene Langnieren. Der Häufigkeitsunterschied zwischen den
Sektions- und ÖOperationsbefunden liegt in der Prädisposition miß-
gebildeter Nieren zur Erkrankung. Diese Erkrankung entsteht häufig
in den Jugendjahren. Bei Hufeisennieren liegt entweder das ganze
oder das halbe Organ weiter unten und median als normale Nieren.
Eine scharfe Grenze zwischen beiden Nieren ist selten erkennbar. Die
Nierenbecken liegen meistens in der Konkavität des Hufeisens, seltener
an der Vorderfläche des Organes. Der Harnleiter zieht über die
Vorderfläche des Organes hinab. Bisweilen hat das Verbindungs-
stück ‘eine eigene Gefäßversorgung. Eine sichere Diagnose der Huf-
eisenniere ist nur durch Tastung zu erbringen. Die röntgenographische
Darstellung des Harnleiterverlaufes ist besonders bei einseitigen Lang-
nieren wertvoll.
Eine auffallend mediane Lage einer Nierengeschwulst oder eines
Nierensteines ist für die Diagnose der Hufeisenniere nur verwertbar,
wenn auszuschließen ist, daß es sich um Geschwulst oder Stein in
einer verlagerten Niere handelt. Die Erkennung einer Hufeisenniere
während der Operation ergibt sich aus dem Verlaufe des Harnleiters
über die Vorderfläche des Organes. Obwohl beide Hälften einer Huf-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1331
eisenniere durch einen einzigen, rechts- oder linksseitigen extraperi-
tonealen Schrägschnitt zur Ansicht gebracht werden können, erfordern
Operationen an beiden Hälften einen doppelseitigen Lumboabdominal-
schnitt. Die Unregelmäßigkeit der Gefäßversorgung vermindert die
Sicherheit der Stielkompression zum Zwecke blutleeren Operierens am
Nierenparenchym. Deshalb ist bei Steinen in mißbildeten Nieren die
Nephrotomie wenn möglich durch die Pyelotomie zu ersetzen. Nach
Resektion einer Nierenhälfte ist die Wunde zu drainieren, weil die
Trennungsfläche der Nieren bisweilen einige Zeit Urin absondert.
Die von I. an sieben verschmolzenen Nieren ausgeführten elf
Operationen: zwei Nephrotomien, zwei primäre Nephrektomien, eine
sekundäre Nephrektomie, zwei Pyelolithotomien, zwei Nephrolitho-
tomien, zwei Enthülsungen, sind: sämtlich geglückt.
Willi Hirt (Breslau).
17) Langlois. La transplantation en masse des deux reins.
3 Abbildungen.
(Presse méd. 1908. Nr. 17.)
Nach kurzer Anführung der bisher mit der Niere vorgenom-
menen Transplantationsversuche werden ausführlich die Versuche von
Guthrie und Carrel beschrieben.
In einem Stück (Transplantation en masse) wurden beide Nieren
mit den Nierengefäßen samt einem Ausschnitt aus Aorta und Vena
cava, und mit beiden Harnleitern einschließlich eines Stückes Blasen-
wand entfernt und einem gleichen, entsprechend vorbereiteten Tier
eingepflanzt. Die Technik wird genau beschrieben.
Von 14 so operierten Katzen starben 5 sogleich (3 an Chok
und 2 an Nahtinsuffizienz). Von den 9 Überlebenden starben 3 in
den ersten 8 Tagen, 4 gegen den 15. Tag, und 2 lebten 30 und
35 Tage. In allen Fällen war die Nierenfunktion wieder hergestellt,
Albuminurie war selten und vorübergehend. Der Tod konnte immer
anderen Ursachen als einer ungenügenden Nierenfunktion zugeschrieben
werden. Fehre (Dresden).
18) Exalto. De behandeling van den onvolkomen afgedaalden
Testikel.
(Nederl. Tijdschrift voor Geneeskunde 1908. Nr. 8.)
Auf Grund einer Beobachtung von 29 Fällen von Descensus
incompletus kommt E. zu nachstehenden Schlüssen:
1) Das Bestehen einer Hodenretention allein gibt keine Indikation
zur Operation.
2) Schmerzbeschwerden geben den Verdacht auf einen Bruch,
auch wenn dieser klinisch nicht nachgewiesen werden kann.
3) Ein solcher Bruch muß nach Bassini operiert werden.
4) Der Hoden muß in das Skrotum reponiert werden, wenn das
bequem geht.
5) Wenn es nicht gelingt, so ist er präperitoneal zu lagern.
&
1332 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45.
6) Komplizierte Methoden zur Erhaltung des Hodens im Skrotum
sind zu verwerfen.
7) Semikastration ist nicht gestattet.
E. H. van Lier (Amsterdam).
19) Gregoire. Considerations sur létat des ganglions dans
le cancer du testicule.
(Archives générales de chirurgie II. 7.)
Verf. versucht im Anschluß an einige selbst beobachtete und an
weiter aus der Literatur gesammelte Fälle einige Angaben über die
maligne Entartung der Lymphdrüsen beim Hodenkarzinom zu ge-
winnen. Die Lymphdrüsen finden sich in 91% aller Fälle von bös-
artiger Hodengeschwulst erkrankt, ohne daß Inspektion und Tastung
irgendwelchen sicheren Nachweis erbringen lassen.
Der Beginn der malignen Drüsenentartung läßt sich niemals mit
absoluter Sicherheit feststellen, im allgemeinen beginnt sie 6—8 Monate
nach dem Beginn der Hodenerkrankung. Die Größe der primären
Geschwulst gibt keinerlei Anhaltspunkte für die Beurteilung des
Zustandes der Drüsen. Man sollte daher bei jeder malignen Hoden-
erkrankung an die Kastration die probatorische Freilegung der
inguinalen und abdominalen Lymphdrüsen anschließen.
Strauss (Nürnberg).
20) Quónu et Duval. Technique opératoire de la colpo-
hystérectomie totale par voie combinée périnéo-abdominale.
(Revue de chir. XXVIII. année. Nr. 6.)
Das an 10 Abbildungen erläuterte Verfahren ist im Prinzip das
gleiche wie die kombinierte Mastdarmexstirpation. Der Introitus wird
mitten durch das Frenulum, dann entlang der Innenseite der kleinen
Lippen und unterhalb der Harnröhrenmündung kreisförmig umschnit-
ten, darauf die Scheide so weit ausgelöst, daß ihr Eingang durch
eine doppelte fortlaufende Naht geschlossen werden kann. Ist man
bis zum Douglas, der Plica vesico-uterina und der Basis der breiten
Mutterbänder gelangt, so wird die Vulvawunde nach Einlegen eines
mit vier Gazedochten umstopften Drains verkleinert und die Operation
in üblicher Weise auf abdominellem Wege beendet.
Zum Abschluß gegen die Beckenwunde vernähen die Verff. nicht
nur die Wundränder der breiten Mutterbänder und des Douglas und
Blasen-Bauchfelles miteinander, sondern lagern, gewissermaßen als
zweite Etage, das ausgebreitete Colon pelvinum über den Becken-
eingang, wo es an der hinteren Blasenwand und den Seiten des
Beckens durch Nähte befestigt wird. Gutzeit (Neidenburg).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1333
Kleinere Mitteilungen.
Il.
Aus der Privatklinik des Prof. Kehr in Halberstadt.
Ein Fall von Verletzung des Ductus hepaticus
bei der Cystektomie.
Von
W. Volkmar,
Assistenzarzt der Klinik.
ehr hat auf dem I, internationalen Chirurgenkongreß in Brüssel mit einigen
Worten einen Fall erwähnt, dessen Anamnese, Operation und Heilungsverlauf
hier etwas ausführlicher mitgeteilt werden sollen.
Die Krankengeschichte ist kurz folgende:
J. B., 57jährige Frau, hat seit dem 41. Jahre Gallensteinkoliken. Mehrmals
wurde dabei Ikterus beobachtet und starkes Anschwellen der Gallenblase. Men-
struation und Gravidität verstärkten die Anfälle. Seit Februar 1908 trat Fieber
hinzu, Schüttelfrost und Erbrechen. Schmerzen waren stets scharf rechts lokali-
siert. Obstipation. In letzter Zeit Gewichtsabnahme. Befund: Starkes Fettpolster
der Bauchdecken, Leib sehr aufgetrieben, große Druckempfindlichkeit der Gallen-
blasengegend. Urin frei von pathologischen Bestandteilen.
Diagnose: Empyem der Gallenblase.
Operation 24. Januar 1908: Wellenschnitt. Steine und Eiter enthaltende
Gallenblase mit Netz verwachsen, wird gelöst, der Cysticus freigelegt. Derselbe
ist auf ca. 8 cm Länge sehr fest mit dem Hepaticus verwachsen, so daß die Cystik-
ektomie große Schwierigkeiten macht. Schließlich gelingt es, Gallenblase samt
Cysticus zu entfernen. Cysticus wird unterbunden, doch sammelt sich in der Tiefe
des Operationsterrains immer wieder Galle an, die aus einem Gange herausläuft.
Es handelt sich also entweder um einen akzessorischen Cysticus, oder es ist
ein Stück Hepaticus mit reseziert, vielleicht von einem akzessorischen Ast. Die
Verhältnisse sind so zart, das Operationsterrain liegt so tief, daß eine Klarlegung
durch Sondierung nicht gut möglich ist. Außerdem drängt die Schwäche der
Pat. zur Beendigung der Operation (Dauer 35 Minuten). Das fragliche Gebilde
wird mit einem Faden umgangen und verschlossen.
Am 6. Tage nach der Operation tritt allmählich immer stärker werdender
Ikterus auf, die Stühle bleiben acholisch, ein Beweis dafür, daß der Ductus hepa-
ticus selbst unterbunden ist.
Am 9. Tage wird die Tamponade gewechselt und die Ligatur vom Hepaticus
gelöst.
Nunmehr wird aus diesem der Gallenfluß sehr profus, der Stuhlgang bleibt
scholisch.
Da der Gallenfluß die Frau sehr schwächt, indiziert sich eine nochmalige
Operation, um die Galle wieder dem Darm zuzuführen.
11. August 1908 IL Operation. Freilegung der Hepaticusfistel ohne Eröffnung
der Bauchhöhle. Präparation des Lig. hepato-duodenale; die Arteria hepatica
wird freigemacht, ebenso der Ductus choledochus. Er ist gänsekielstark und wird
durchtrennt. Die Papille ist sondierbar. Choledochus wird nun weiter duodenal-
wärts auf eine Länge von 1 cm freigelegt.
Nunmehr wird die hintere Schleimhautleiste vom Hepaticus und Choledochus
mit Catgut vereinigt. Dann folgt Anheftung der vorderen Choledochuswand an
die Leber dicht oberhalb der Hepaticusfistel, so daß die Galle direkt in den Chole-
1334 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45.
dochus abfließt. Feiner Tampon von Xeroformgaze. Dauer der Operation 40 Mi-
nuten.
Schon am 25. August ist der Stuhlgang minimal gefärbt.
Vom 28. August an findet ein tägliches Einfübren eines langen, dünnen, ent-
sprechend gebogenen Laminariastiftes in den Choledochus bis ins Duodenum hin
statt.
1. September. Stuhlgang normal getärbt.
17. September vollständig geheilt entlassen.
Epikrise: Ruge hat huf dem Chirurgenkongreß 1908 gezeigt, daß Cysticus
und Hepaticus in ca. 33% der Fälle dicht nebeneinander verlaufen. Eine Ver-
letzung des Ductus hepaticus ist in solchen Fällen leicht möglich, auch bei sorg-
fältigster Präparation (s. Fig. 1).
Fig. 1.
Oysticus mit Hepaticus so eng verwachsen,
daß bei der Cystikektomie das Stück des
Hepaticus von 1—2 reseziert wird.
Fig. 2.
4
Vereinigung des Hepaticus mit
dem Choledochus durch Naht.
Das herausgeschnittene Präparat.
Bei wenig ausgedehnten Verletzungen genügt die einfachste Tamponade, bei
größeren wird man eine Hepaticusplastik machen, analog der Pyloroplastik nsch
Heinecke-Mikulicz. Bei ganz ausgedehnten Verletzungen muß man plastische
Verfahren anwenden.
Das Verfahren von Verhoogen ist gewiß sehr einfach (ds. Zentralblatt 1908
Nr. 26 p. 790), kann aber leicht zu Strikturen führen; denn es setzt einen Binde-
gewebsgang an Stelle eines mit Schleimhaut ausgekleideten.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1335
In dem geschilderten Falle ist der abgetrennte Hepaticus unterbunden wor-
den, weil man daran denken mußte, daß entweder ein akzessorischer Cysticus oder
ein gedoppelter Choledochus vorliegen könne. In beiden Fällen wäre eine zweite
Operation unnötig gewesen Da aber vom 5. Tage an immer mehr zunehmender
Ikterus auftrat, mußte der Hauptast des Hepaticus unterbunden sein. Unter diesen
Verhältnissen war eine erneute Freilegung des Operationsfeldes geboten.
Bei der Nachbehandlung hat die Erweiterung des Ductus choledochus und
der Papille mit Laminariastiften gute Dienste geleistet. Der Gang wurde durch-
gängig, die Galle lief duodenalwärts, und es trat schließlich vollständige Hei-
lung ein.
Fig. 2 zeigt das Präparat,
Fig. 3 die ausgeführte plastische Operation.
II.
Aus der Il. chirurg. Abteilung des Mt. Sinai Hospitals in Neuyork.
Direktor: Dr. H. Lilienthal.
Eine modifizierte Crile’sche Transfusionskanüle.
Von
Dr. med. Leo Buerger in Neuyork.
er Gebrauch der Crile’schen Transfusionskanüle ist zuweilen mit einer Schwie-
rigkeit verbunden, sowohl beim Umstülpen der Vene, als auch beim Ineinander-
schieben von Vene in Arterie. Dank dem verhältnismäßig kleinen Lumen und
der unnachgiebigen Wandung der Arterie gelingt es manchmal erst nach längerem
Manövrieren, sie über die Vene zu schieben. Verf. hat das Crile’sche Instrument
nach einigen Richtungen hin modifiziert, wodurch er das Operationsverfahren zu
erleichtern glaubt.
Diese veränderte Transfusionskanüle besteht aus einem Ringe, welcher die
Gestalt eines abgeschnittenen Kegels hat und von einem ziemlich festen Griffe
getragen wird. Kanüle und Griff sind aus einem und demselben Stück Neusilber
gearbeitet. Wie aus der Abbildung ersichtlich, ist die Kanüle der Länge nach
gespalten, wodurch es nun möglich wird, ihren Durchmesser auf die Dauer zu ver-
ändern oder auch vorübergehend zu vermindern, je nach Bedarf. Das Metall der
Wandung ist möglichst dünn beschaffen, damit der Unterschied zwischen äußerem
und innerem Umfang ein minimaler sei. An zwei Stellen ist die Kanüle ring-
formig verdickt: die obere Verdickung liegt dicht an der Spitze, wodurch der zum
Empfang der Arterie bestimmte Teil möglichst klein wird; die andere Verdickung
befindet sich weiter unten.
Technisches Verfahren: Nachdem die Vene völlig freigelegt und ihre Adven-
titia abpräpariert worden ist, werden drei feine Leitfäden angelegt und das Gefäß
durch die Kanüle gezogen, wobei die Leitfäden erst durch den Spalt gehen und
alsdann in das Lumen der Kanüle eintreten. Die Vene wird nun umgestülpt und
hinter der zweiten Verdickung unterbunden. Dann wird die Arterie mittels Pin-
zetten oder Fäden darübergezogen und hinter der oberen Verdickung unter-
bunden. Ä
Die Vorteile des modifizierten Instruments sind folgende: erstens hat man an
dem Griff einen festen Halt; zweitens wird das Ineinanderschieben durch die
kegelförmige Gestalt und das Fehlen einer Verdickung an der Spitze erleichtert;
1336 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45.
drittens wird durch den Spalt eine Veränderung im Durchmesser der Kanüle er-
möglicht, so daß man mit zwei Kanülen in allen Fällen auskommen kann; viertens
endlich gestaltet sich das Einziehen der Vene in die Kanüle ganz leicht.
21) II. internationaler Chirurgenkongreß in Brüssel.
Referent: Heinz Wohlgemuth, Berlin.
Der internationale Chirurgenkongreß hätte mit Fug und Recht »Internationaler
Krebskongreß« heißen können; denn von den 5 Sitzungstagen sind nicht weniger
als 2 volle und 3 halbe den Diskussionen über das Karzinom gewidmet, und die
dem Kongreß angegliederte Ausstellung ist eine Krebsausstellung in optima forma.
Die Einführungsrede Czerny's, der dem Kongreß präsidierte, war ein genereller
und höchst bemerkenswerter Ausblick auf das, was wir in der Erkenntnis des
Karzinoms und seiner Therapie bisher geleistet haben und was wir vielleicht noch
erreichen können. Czerny legt den allergrößten Wert darauf, daß der Glaube
an die Heilbarkeit des Krebses möglichst weit im Publikum verbreitet werde,
damit wir die Möglichkeit haben, die Karzinome frühzeitig zu operieren und damit
auch zu heilen. Denn bei den in den späteren Stadien zur Operation gelangenden
Karzinomen sind wir an der Grenze unseres chirurgischen Handelns angekommen.
Wir können nichts mehr fortnehmen. Wenn wir aber mit anderen Behandlungs-
methoden das Karzinom angreifen wollen, so sind wir vorläufig wenigstens noch
nicht imstande, stolz auf die Erfolge zu sein. Die Aussicht auf ein Serum, so sehr
sie zu erhoffen ist, ist doch verfrüht, solange wir nicht die Ursachen des Karzi-
noms kennen. Die Fulguration kann natürlich nur die Fälle heilen, die auch auf
operativem Wege mit Röntgen- oder Radiotherapie zu heilen sind, wobei Czerny
allerdings der Meinung ist, daß die Beblitzung in 30 Minuten das vollbringt, was
die Röntgen- oder Radiumbehandlung erst in 3 Monaten zustande bringt. Wie
die letzteren, tötet sie nicht die Krebszellen, sondern beeinflußt sie nur. Ein
kurzer Ausblick auf die Atiologie des Karzinoms entwickelt gewissermaßen ein
parasitäres Bekenntnis Czerny’s. Die bei’ Tieren nicht, selten beobachteten spon-
tanen Rückbildungen des Karzinoms lassen ihm die Aussicht auf ein Serum als
Wahrscheinlichkeit gelten. Auf der anderen Seite geben uns die Erfolge der
Röntgenbehandlung und der Radiotherapie zu denken und lassen den Chemismus
im pathologischen Sinne für die Atiologie des Karzinoms nicht von der Hand
weisen. Auch ist der endemische Faktor, die Häufigkeit und besondere Intensität
der Krebse in verschiedenen Ländern, die Erblichkeit, die Akquisition, die Um-
formung aus chronischen Entzündungen noch nicht genügend aufgeklärt. Aber
wenn Czerny, indem er auf das Heidelberger Institut für Krebsforschung zu
sprechen kommt, in dem freien Herumlaufen der Pat. mit offenen Krebsen eine
Gefahr sieht und ihre Isolierung für notwendig hält, so klingt hier der Grundton
seines Bekenntnisses, der Glaube an die Infektiosität, wieder durch. Zunächst
aber hält Czerny es für notwendig, daß eine große internationale Verständigung,
eine allgemeine und genaue Unterredung über die Verbreitung, Intensität und die
therapeutischen Erfolge des Karzinoms in allen Ländern über alle die berührten
wichtigen Fragen durch Bildung von Landeskomites eingeleitet wird, ehe wir es
unternehmen können, Schlußfolgerungen über die Ursache und die Art der Be-
kämpfung des Karzinoms zu ziehen.
Nach diesen Einleitungen stellt sich Roswell Park (Buffalo), dem das Referat
über die Natur des Krebses anvertraut ist, auf den Standpunkt der unbe-
dingten Kontagiosität des Karzinoms. Der Krebs, sagt er, wird von einem von
außen kommenden Agens erzeugt, sein Beginn, seine Entwicklung sind die einer
chronischen Infektionskrankheit, seine Zellen verbreiten sich wie ein infektiöses
Agens, als wären sie selbst ein solches. Daher muß das Karzinom wie eine kon-
tagiöse Krankheit behandelt werden, mit den sorgfältigsten hygienischen Maß-
nahmen, besonders wenn es ulzeriert ist. Wir können zwar annehmen, daß der
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1337
Krebs im Anfang eine durchaus lokale Infektion ist, die sich mehr oder weniger
schnell ausbreitet, bei den verschiedenen Individuen allerdings außerordentlich
wechselnd in der Form und Intensität der Neubildung. Wenn wir das Karzinom
erkennen können, solange es noch absolut lokal ist, dann muß es, wenn wir die
Fortnahme weit im Gesunden machen, als eine heilbare Krankheit angesehen
werden. Aber leider ist der Beginn des Krebses nicht immer gleich sichtbar und
fühlbar, nichts unterscheidet ihn oft von anderen infektiösen Schädigungen, keine
eigene Symptomatologie läßt sein erstes Auftreten vermuten. Wenn aber seine
Zeichen sicher sind, dann ist es oft zum radikalen Eingriff zu spät. Darum sind
unsere therapeutischen Maßnahmen auch noch so häufig nutzlos.
Roswell Park schließt seine Ausführungen mit dem Wunsche und der
Hoffnung, daß die sorgfältigen Forschungen uns noch einmal ein Mittel an die
Hand geben werden, die parasitäre Neubildung zu zerstören, ihre Keime zu ver-
nichten, ohne daß wir gezwungen sind, einen großen verstümmelnden Eingriff zu
machen.
Mit diesen Anschauungen ist Herr Sticker (Berlin) nicht ganz im Einklang.
Der Parasit sei eben noch nicht gefunden. Wir werden vielleicht auch nie von
dem, sondern von den Parasiten des Karzinoms sprechen müssen, weil wir wohl
an der Annahme festhalten müssen, daß man nicht von dem, sondern von den
Karzinomen reden wird. Auf alle Fälle ist die Immunität gegen Karzinom keine
gewöhnliche im Sinne der Infektionskrankheiten, und daher ist wohl jede Aussicht
auf ein Serum illusorisch.
Es ist zu verstehen, daß über dies Thema, bei dem es sich ja bis auf weiteres
nur um Hypothesen handeln kann, sich keine Diskussion im weiteren Umfang
anschloß, aber eine stille Hoffnung vieler ist es doch sicher gewesen, daß die ge-
waltigen Anstrengungen, die seit Jahren zur Erforschung der Krebskrankheit ge-
macht werden, sich auf diesem Kongreß schon in einigen hoffnungsschimmernden
Ausblicken kenntlich gemacht haben würden.
Es wurden nun die Karzinome der einzelnen Organe behandelt. Herr v. Bons-
dorff (Helsingfors), der das Referat über Lippenkrebs hatte, gibt seine Erfah-
rungen in folgenden Schlüssen kund. Vor der Exzision des Lippenkrebses ist eine
vollständige doppelseitige Ausräumung der Submaxillar- und Submentaldrüsen und
auch der tiefen die Halsgefäße entlang führenden Drüsengruppen bis zum Schlüssel-
bein herunter, nötigenfalls auch der supraclavicularen Drüsen zu machen. Auch
die supramaxillaren Drüsen samt allem auf dem Unterkiefer befindlichen Fett-
gewebe sind zu entfernen. Hat B. doch noch 9 Jahre nach bloßer Exstirpation
der Geschwulst ein Drüsenrezidiv auftreten sehen. So vorgehend wird man in
80% der Fälle eine dauernde Heilung erzielen können. Denn innere Metastasen
sind selten. Auffällig ist nur ein scheinbarer Zusammenhang zwischen Lippen-
und Magenkrebs, wie er bei neun Pat. beobachtet ist, die ohne lokales Rezidiv
gestorben sind.
Einen weit. weniger radikalen Standpunkt nimmt Herr Ribera y Sans
(Madrid) ein. Er unterscheidet die Karzinome, bei denen man mit einer keilför-
migen Exzision auskommt, von denen, die eine submaxillare Ausräumung notwendig
machen, und anderen, die größere Plastiken verlangen. Für die Unterlippe will
er mit dem Verfahren von Guarnerio und Creus stets auskommen. Von den
ätiologischen Momenten kennt er als sicher nur das physische und chemische
Trauma, den Einfluß des Tabaks und die Verbrennung durch die Zigarette.
Herr Dollinger (Budapest) dagegen, sowie Morestin (Paris) stehen ganz
auf dem Standpunkte v. Bonsdorff’s. Morestin besonders legt nachdrücklich
Wert auf die sorgfältigste Entfernung aller submentalen Drüsen, auch der lateralen.
In einem breiten Trapezoid unschneidet er die Geschwulst, so daß der Schnitt
ihm die weiteste Möglichkeit zur Exstirpation der Drüsen gibt.
Über die Behandlung des Mund- und Zungenkrebses spricht zuerst
Herr Collins Warren (Boston). 172 Fälle, die er im Massachusetts Genern!
Hospital behandelt hat, bewiesen ihm die Notwendigkeit der Fortnahme einer À<
1338 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45.
beider Seiten der Drüsenkette des vorderen cervicalen Dreiecks. Er geht also
selbst hier nicht soweit wie v. Bonsdorff. Aber seine Resultate sind nicht gerade
hervorragend. 16 Operierte sind mehr als 3 Jahre rezidivfrei geblieben. Dollinger
sieht die Resultate der chirurgischen Behandlung des Krebses der Organe der
Mundhöhle, ausgenommen der Lippe, sogar als ganz kläglich an; ihm ist kein
Fall am Leben geblieben. Deshalb wollen auch Morestin (Paris) und Bastia-
nelli (Rom) gleich beim kleinsten Karzinom der Mundhöhle eine ausgedehnte
Freilegung beider Seiten; aber da ihre Resultate auch nicht gerade glänzend
sind, bemerkt Czerny in einem Schlußwort, daß, da auch bei den meist ausge-
dehnten Operationen die Resultate beim Karzinom der Mundhöble so wenig
ermutigend sind, er sich wohl kaum zu einer so eingreifenden Operation ent-
schließen würde.
Über die chirurgische Behandlung des Kehlkopf- und Rachenkrebses
spricht zunächst Herr Gluck (Berlin). Er stellt eine Reihe seiner Pat. und seiner
glänzenden Resultate von Kehlkopfexstirpation und nachfolgender Plastik mit oder
ohne Prothese vor und betont besonders, daß ihm jetzt die Fortnahme der ganzen Partie
en bloc mit Muskulatur, Drüsen, sogar der Vena jugularis, die Resultate außer-
ordentlich verbessert hat. Erst zum Schluß pflanzt er jetzt nach Abtrennung der
exstirpierten Massen den Luftröhrenstumpf in die Haut ein, und nimmt seine
Zuflucht zur präventiven Einpflanzung nur in den Fällen von schwerer Dyspnoe.
Die relativ geringe Gefahr seiner Operationsmethode hat ihn ermutigt, sie auch
bei Tuberkulose anzuwenden. Die Mortalität der großen Operationen am Kehlkopf
hat bis vor kurzem 54% betragen, jetzt zeigen seine halbseitigen Exstirpationen
0% Mortalität, seine totalen 9%. Gluck demonstriert ferner seine Gummitrichter-
prothese, die er jetzt auch in den Fällen von Karzinom oder Verschluß des Brust-
teiles der Speiseröhre anwendet, um die Speiseröhre mit dem Magen zu verbinden
und ein dem Normalen analoges Schlucken zu ermöglichen. Gluck schweift dann
noch zu dem Versuch einer durch Lungenfistel retrograd ermöglichten Atmung
ab, bei Fällen von Stenose oder Ausschaltung der normalen oberen Atmungswege. —
Für die Entfernung der bösartigen Geschwülste im Cavum pharyngo-nasale
hält Herr Durand (Lyon) eine systematische Pharyngeotomie für notwendig mit
einem ganzen knöchernen Block des Oberkiefers und Jochbeines, den er nach
gelungener Pharyngeotomie wieder reponiert.
Die Speiseröhrenkarzinome, deren chirurgische Behandlung bisher so
traurige Erfolge aufzuweisen hat, hält Herr Czerny (Heildelberg) doch immer noch
für exstirpierbar und heilbar, solange sie lokal beschränkt sind, und die Erfolge
Gluck’s mit seiner Operationsmethode lassen ihn auch auf eine bessere Zeit ihrer
chirurgischen Behandlung, selbst des Brustteiles, hoffen. Er warnt eindringlichst
vor zu langer Sondenbehandlung, bis am Ende der Kranke nicht mehr kräftig
genug ist, die Operation auszuhalten, nicht einmal eine Gastrostomie. Vielmehr
soll beizeiten überlegt werden, ob der Fall sich vielleicht für eine Exstirpation
eignet, besonders da ja die Speiseröhrenkrebse nicht sehr zu Metastasen neigen.
Sowie bei Sondenbehandlung Schmerzen und Blutungen auftreten, soll man die
Sondenbehandlung aussetzen und operieren. Hier hofft Herr Kümmell (Ham-
burg) von der Roux’schen Transplantation des Dünndarmes noch viel Gutes. Er
hat sich von ihrer Ausführbarkeit überzeugen können. Wenn man, wie er es getan,
den Darm im antiperistaltischen Sinn einpflanzt, so schwinden die anfangs auf-
tretenden Schwierigkeiten des Schluckaktes in kurzer Zeit; der Darm gewöhnt
sich scheinbar an den umgekehrten Weg der Fortbewegung der Speisen.
Trotz der großen Umsicht der KongreßBleitung und der Zurückhaltung, mit
der nur einige wenige wichtige aktuelle Themata zur Besprechung kommen, muß
ein Teil der Ref. aus Zeitmangel auf eine längere Besprechung des ihnen über-
antworteten Themas verzichten, sich damit begnügen, nur die letzten Schlüsse der
Erfahrungen und Beobachtungen zu geben, andere beschränken sich auf die Auf-
zählung ihrer Fälle und deren Mortalität bzw. Heilungen. Es würde im Rahmen
unseres Referates zu weit führen, alle diese Einzelbemerkungen zu erwähnen.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1339
Der 2. Tag des Kongresses war der Leber und der Gallenblase gewidmet.
Zunächst gab Herr Kehr (Halberstadt) seine reichen Erfahrungen auf diesem
Gebiete an der Hand von höchst instruktiven Zeichnungen, Präparaten, Tabellen
usw. kund. Seine Ausführungen gipfelten in den Schlüssen: Nicht alle Gallen-
steine sind operativ zu entfernen. Unter 4000 Fällen fand er bei 2700 keine
Indikation zu chirurgischem Eingriff, hat bei diesen vielmehr eine Kur verordnet,
die auf Beseitigung der entzündlichen Vorgänge im Gallensystem und auf eine
Zurückführung der Steine in das Stadium der Latenz hinzielte. Die Beobachtung
der nicht operierten Gallensteinkranken hat ihm die Überzeugung gebracht, daß
die Cholelithiasis in 80% der Fälle zur Latenz neigt, und daß bei richtiger interner
Behandlung anfänglich recht stürmische und schwere Erscheinungen oft einer
dauernden Gesundheit Platz machen. Wie die Ursache der Gallensteinkrankheit
verschieden aufgefaßt wird, so wird auch die Frage der Heilbarkeit von denen, die
in der Gallensteinkrankheit eine Konstitutionsanomalie sehen, verneint, von denen,
die die Ursachen der Konkrementbildung in einer Erkrankung der Gallenblasen-
schleimhaut suchen, bejaht. K. persönlich verwirft die Theorie der Konstitutions-
anomalie und steht durchaus auf dem Boden der Infektionstheorie; denn bei An-
nahme der ersteren müßte einmal viel häufiger Steinbildung in den Lebergängen
und im Choledochus beobachtet werden als es der Fall ist, und dann müßten die
Rezidive nach Gallensteinoperationen viel häufiger vorkommen, als wir sie beob-
achten. Gewiß haben wir bei Erhaltung der Gallenblase und nach Choledochoto-
mien mit Naht Rezidive, aber wir können fast immer nachweisen, daß diese auf
einem Zurücklassen von Steinen beruhen. Die Steine entstehen eben nur in der
Gallenblase, und an sich harmlos, machen sie sich erst bemerkbar beim Hinzutreten
von Stauung der Galle und Infektion. Eine Restitutio ad integrum einer einmal
so erkrankten Gallenblase ist schwer möglich; daher kommt auch für K., wenn er
einmal operiert, nur die Entfernung der Gallenblase in Betracht. Nicht etwa
wegen Gefahr der Entwicklung eines Karzinoms, deren Wahrscheinlichkeit nach
seinen Berechnungen ca. 0,0001 % ist; denn ist einmal ein Karzinom da, das
Beschwerden verursacht, so ist es unserer Radikalbehandlung unzugänglich. So stellt
K. schließlich folgende Leitsätze für die Behandlung der Gallensteinkrankheit auf:
In vielen Fällen können wir durch Ruhekuren, Alkalien, heiße Umschläge usw.
die entzündlichen Prozesse beseitigen, ein Latenzstadium herbeiführen, ja einen
dauernden Erfolg, wenn auch bezweifelt werden muß, daß eine Ausstoßung sämt-
licher Steine erfolgen kann. Aber das ist auch nicht der Sinn des internen Ver-
fahrens, sondern daß sie sich ruhig verhalten. Die Riedel’schen Frühoperationen
sind ganz zu verwerfen. Der akute Choledochusverschluß ist bis auf wenige Aus-
nahmen intern zu behandeln. Treten cholangitische Erscheinungen auf, zieht sich
der Ikterus unter Kräfteverfall in die Länge, so kommt eine Operation in Betracht.
Auch häufige Koliken, die Kräfte und Lebensgenuß beeinträchtigen, können zur
Operation Veranlassung geben. Fälle mit Ikterus und häufigem Abgang von Steinen
gehören dem Internen, Hydrops, Empyem, pericholecystitische Erscheinungen dem
Chirurgen. Doch mit der vergeblichen internen Behandlung des chronischen Chole-
dochusverschlusses soll man nicht zu lange fortfahren. Kranke mit chronischem
Ikterus, der nicht auf Stein im Choledochus und unheilbaren Lebererkrankungen
beruht, müssen spätestens 3 Monate nach Beginn des Ikterus operiert werden, da
nicht selten statt des vermuteten Karzinoms des Pankreaskopfes die heilbare
Pankreatitis chronica interstitialis gefunden wird. Die Folgezustände der Chole-
lithiasis, die eitrige Cholangitis, der Leberabszeß, die Perforationsperitonitis usw.
muß man natürlich so schnell wie möglich operieren. Bei Diabetes, Arterio-
sklerose, chronischer Nephritis, Lungen- und Herzerkrankung soll man möglichst
von einer Operation der Gallensteine absehen.
Was nun die Operationsmethoden anlangt, so ist K. ein entschiedener Gegner
der Cystendyse, schränkt die Cystostomie möglichst ein, macht nur die Ektomie
und statt der Choledochotomie mit Naht die Hepaticusdrainage mit sorgfältiger
guter Tamponade. s
Natürlich werden die Ansichten und Hypothesen Kehr’s nicht allgemein an-
1340 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45.
erkannt. Was zunächst die Ätiologie der Gallensteine betrifft, so wirft Bakes
(Trebitsch) darauf ein Licht, indem er über die Beobachtung eines echten Rezidivs
selbst nach Ektomie und Hepaticusdrainage berichtet. Was die Entstehung der
Cholecystitis anlangt, so glaubt Fink (Karlsbad, daß zuerst eine Stauung im
(allensystem stattgefunden hat, zu der dann ein Infekt gekommen ist. Die aus-
gedehnteste Diskussion dreht sich natürlich um die Behandlung der Gallensteine,
insonders um das Vorgehen bei Cholecystitis. Auf der einen Seite Cystendyse
und Cystostomie, wenigstens bedingt, zu denen sich Fédoroff (Petersburg), Stein -
thal (Stuttgart), Alessandri (Rom), Delagénière (Le Mans) bekennen, auf der
anderen Ektomie, die Haasler (Halle) wegen des Verdachtes schon auf eventuelles
Karzinom, gemacht wissen will. Zur Riedel’schen Frühoperation raten doch
noch Moynihan (Leeds) und Hartmann (Paris, Delagenitre (Le Mans)
schneidet vom Fundus der Gallenblase aus von innen her sämtliche Gallenwege
auf in den Fällen von älterer Lithiasis mit Verwachsungen, in denen man auf
zahlreiche und kleine Steine stößt, und in solchen, wo der Choledochus nicht leicht
und sicher erkannt werden kann. Man kann dann wieder nähen und drainieren,
Cystostomie mit Hepaticusdrainage, Ektomie machen oder die Blase sich selbst
überlassen und nur ein Drain einlegen. So verfocht jeder sein Prinzip. Den
wohl richtigsten Standpunkt nahm zum Schluß der ganzen Diskussion Czerny
ein, der in der Lösung dieser Frage eine gute Routine immer noch für besser
hält als das beste Prinzip.
Diesen Gallensteindiskussionen schlossen sich solche über die entzündlichen
Erscheinungen der Leber an. Für die Cirrhose und ihre chirurgische
Therapie stellte zunächst als Ref. Herr Koch (Groningen) folgende Leitsätze
auf: Es ist klinisch und experimentell erwiesen, daß Heilung der Blutstauung
bei Verschluß und Verengerung der Vena portae durch Omentopexie erreicht
wird. Auch bei der atrophbischen Lebercirrhose können Ascites und Blutungen
aus dem Magen-Darmkanal durch Omentopexie beseitigt werden. Die Opera-
tion soll in frühen Stadien der Krankheit gemacht werden, da sie bei weit
fortgeschrittenen Fällen gefährlich ist. Eine Heilung der Stauungserscheinungen
ist in ca. 30% zu erreichen; dabei scheint es ziemlich gleich zu sein, ob eine
intra- oder extraperitoneale Omentopexie gemacht wird. Die Krankheit der Leber
wird durch diese Operation wenig beeinflußt. Wo die Talma’sche Operation
keine Heilung bringt, ist von einer Splenopexie noch ein Resultat zu erwarten.
Die Eck’sche Fistel ist zu widerraten; denn der dadurch bedingte Ausfall der
Leberfunktion bedeutet doch den sicheren Tod. Bei der hypertrophischen Cir-
rhose ist die Cholecystostomie mit oder ohne Hepato- oder Omentopexie zu emp-
fehlen. Wenn sehr hochgradige Störungen der Leberfunktion vorhanden sind
(Ikterus, Urobilinurie), dann soll man nicht mehr operieren. Peugniez (Amiens)
hat bei den vaskulären Cirrhosen nach Splenektomie stets eine Verkleinerung der
Leber beobachtet und ein Verschwinden des Ascites. Einen seiner Pat. konnte
er Jahre hindurch noch weiter beobachten. Dieselben guten Resultate will
Kümmell (Hamburg) aber auch mit einfacher breiter Eröffnung und sorgfältiger
etwas »brüsker« Reinigung der Bauchhöhle gesehen haben, wie sie ihm die Omento-
pexie gegeben hat.
Die Angiocholiten, oder wie wir sie nennen, die Cholangiten behandelte
Herr Duval (Paris) im Auftrage von Qu&nu. Nach Beleuchtung ihres mikro-
skopischen Ursprunges, bei den primären Cholangiten durch den Eberth'schen,
Escherich’schen Influenza-Cholerabazillus, Pneumokokkus usw., ihres Weges, der
z.B., was den Eberth’schen Bazillus anlangt, stets ein vasogener ist, während
man vor einigen Jahren noch die häufigste Art der Ansteckung der Leber durch
aufsteigende Infektion annehmen zu müssen glaubte, kommt D. auf die Therapie
und stellt kein Prinzip auf, sondern steht auf einem Standpunkt, der die Frage
Cholecystostomie, Ektomie, Hepaticusdrainage je nach dem Fall individualisiert
wissen will. Herr Haasler Halle) möchte die Leber mehr noch als durch Hepaticus-
drainage entlasten, indem er eine Kanüle durch irgendeinen großen Gallengang
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1341
ın die Leber führt und regelmäßige Spülungen der Leber macht. — Der Leber-
abszeß veranlaßt nur eine kleine Diskussion durch Herrn Le Dentu (Paris) und
Herrn Giordano (Venedig). Dagegen weckten die Lebergeschwülste eine
angeregte und ausführliche Besprechung. Zunächst stellt Herr Payr (Greifswald)
die Indikationen für die chirurgische Behandlung der Lebergeschwülste auf: Große
Beschwerden, fortschreitendes Wachstum, die Gefahr bösartiger Degeneration
rechtfertigen die Resektion gutartiger Lebergeschwülste. Nicht parasitäre Cysten
sollen ausgeschält, nicht drainiert werden. Infektiöse Granulationsgeschwülste,
wie Gummata, herdförmige Tuberkulose, Aktinomykose, bedürfen nicht immer der
Resektion. Bei den Gummigeschwülsten hält P. die Probelaparotomie für ein
Heilverfahren; er hat oft Verkleinerung danach gesehen und vergleicht den Ein-
griff der Probelaparotomie bei Tuberkulose des Bauchfells. Die Resektion könnte
beim Sitz des Gummis in dem Lappen eines Hepar lobatum angebracht sein. Die
Aktinomykose ist stets eine Metastase, meist vom Blinddarm oder Wurm. Beim
Grallenblasenkarzinom sind, selbst wenn keine Verwachsung mit der Leber zu sehen
ist, diese überhaupt nicht mitbeteiligt zu sein scheint, dennoch oft weit in die
Leber hinein die Keime verbreitet; daher macht P. beim kleinsten Karzinom
der Gallenblase stets eine Keilexzision der Leber, um die portalen Drüsen mit zu
entfernen. Er nimmt einen innigen Zusammenhang zwischen Gallensteinen und
dem Karzinom der Gallenblase an; denn er hat gefunden, daß 2—3% aller Gallen-
steinkranken ein Karzinom der Gallenblase bekommen. Von sekundären Ge-
schwülsten dürften nur die »übergreifenden«, nicht die metastatischen mit Aus-
nahme vielleicht der solitären Hypernephromknoten Gegenstand einer Resektion
sein; dagegen sollte der Echinokokkus durch Resektion entfernt werden. Nachdem
P. noch einiges über die Blutstillung gesagt, schließt er mit der Resignation, daß
wir zur Heilung von Lebergeschwülsten chirurgisch bisher herzlich wenig beitragen
können. Herr Haasler (Halle) glaubt nicht an irgendeinen Dauererfolg bei Re-
sektion einer Lebergeschwulst und Herr Sonnenburg (Berlin) sowie Herr Ri-
bera y Sans (Madrid) sprechen sich durchaus gegen die Resektion der Echino-
kokken aus. Mit Eröffnung, Auskratzung und Drainage kann man immer noch
auskommen.
Die Chirurgie des Magenkarzinoms wurde von Herrn Czerny (Heidelberg)
eingeleitet, der dringend zur Einschränkung der Indikationen riet auf die Fälle, in
denen das Karzinom noch lokal geblieben ist. In noch weit größerem Maße
empfiehlt er Zurückhaltung mit der Operation des Pankreaskarzinoms. Sind die
Beschwerden natürlich sehr groß, dann ist der Versuch einer radikalen Operation
oder einer palliativen gerechtfertigt. Dem gegenüber ist Herr Hartmann (Paris)
unbedingter Anhänger der totalen Entfernung des Magens en bloc mit allen
Drüsen, ebenso Herr Delag&nidre (Le Mans), der nur einen kleinen Kragen an
der Speiseröhre hängen läßt zur Anastomose mit dem Jejunum. Dazu Fortnahme
aller Drüsen der Umgegend bis zum Lig. hepatogastricum und die Speiseröhre
hinauf, so hoch man kommt. Herr Monprofit (Angers) empfiehlt für die Fälle
von totaler Verstopfung des Choledochus bei Magen- und Pankreaskarzinom die
Einpflanzung der Gallenblase in das Jejunum und, sollte sich dies nicht glatt
machen lassen, die Durchtrennung des Darmes, Einpflanzung des abführenden
Endes in die Gallenblase, des zuführenden in die Wand des abführenden Schenkels.
Das Referat über die Karzinome des Dünn-, Dick- und Mastdarmes
übernimmt für den verhinderten Herrn Völker (Heidelberg) Herr Czerny. Was
die so schwer zu diagnostizierenden Karzinome des Dünndarmes anlangt, so glaubt
er, daß die bisher sehr schlechten Resultate der Resektion besser werden mit
weiterer Verbreitung der zweizeitigen Operation. Bei allen chronischen Darm-
leiden älterer Personen ist mit Vorsicht die Diagnose Karzinom zu erwägen. Für
die Operation der Mastdarmkarzinome ist das kombinierte Vorgehen (abdomino-
perineale Amputation, abdomino-coccoygeale Resektion) die Methode der Zukunft.
Bei Frauen hat sie heute schon nur ca. 15% Mortalität und 40—560% Dauer-
erfolge, während sie beim Manne leider noch 40—50% Mortalität aufweist. Herr
1342 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45.
Tixier (Lyon) weist darauf hin, daß eine voraufgehende Exstirpation des Uterus
die Operation des Mastarmkarzinoms sehr erleichtert. Herr Depage (Brüssel)
rühmt dasselbe von der Bauchlage. Herrn Bachrach (Wien) haben seine Er-
fahrungen gelehrt, daß in allen Fällen vor der Operation eine sorgfältige Cysto-
skopie notwendig is. An der Wiener Klinik v. Hochenegg war es nötig,
16mal die miterkrankte Prostata, 7mal den Uterus mitzuentfernen. Da Hochen-
egg die kombinierte Methode nur für die Fälle aufspart, in denen er durch das
Kreuzbein nicht auskommen kann, rühmt er ihre Erfolge nicht.
Eine sehr ausgedehnte Besprechung fand die Chirurgie des Brustdrüsen-
karzinoms. Herr Depage (Brüssel) baut seine ÖOperationsmethode auf der
Theorie Handley’s — der Propagation auf dem Lymphwege — auf und nimmt
die entferntesten Drüsen fort. Er macht einen Schnitt senkrecht vom Schlüssel-
bein bis 2 Finger breit unterhalb des Proc. xiphoideus, quer von der Mittellinie
bis zur Axillarlinie.e Entfernung der gesamten Muskulatur, eingeschlossen die
oberen Teile des Serratus und des Oblig. abd. ext. Herr Mauclaire (Paris) hat
weniger Lokalrezidive, seitdem er die ganze große Wunde mit heißer Luft ver-
schorft. Herr Le Dentu (Paris) hält die Fälle, in denen schon supraklavikuläre
Drüsen ergriffen sind, für vollkommen aussichtslos, ihm schließen sich Steinthal
(Stuttgart) u. a. an. Herr Jonnesco (Bukarest) hat sehr gute Resultate: Von 64
sind noch 34 nach 3 Jahren rezidivfrei. Er nimmt erst die Achsel- und pekto-
ralen Drüsen fort und dann die Mamma, alles natürlich en bloc. Schließlich be-
merkt Herr Czerny, daß er sich nie entschließen konnte, in allen Fällen die
ganz großen Operationen zu machen. Er bezweifelt auch die Nützlichkeit des Ge-
neralisierens. Herr Korteweg (Leyden) macht auf eine sehr interessante Beob-
achtung aufmerksam, die er an der alten Billroth'schen Klinik gemacht hat. Um
in der Diagnose sicher zu sein, ließ man zurzeit die Frauen mit einer Geschwulst
in der Brustdrüse warten, bis das Karzinom als solches manifest war, entweder
durch Verwachsung mit der Haut oder Achseldrüsenschwellung oder Ulzeration.
Da hat sich nun statistisch vergleichend herausgestellt, daß die Fälle um so länger
rezidivfrei blieben, je später sie operiert wurden. Daraus folgt, daß nicht die Früh-
operation, sondern die Natur des Karzinoms bestimmend ist für das Resultat. Bei
den bösartigen kann man machen was man will, sie führen doch den Tod herbei.
Fazit: Eine Einigung, ob Frühoperation, ob breite Fortnahme nach Halsted und
noch über ihn hinaus, ob von Fall zu Fall zu individualisieren, ob die großen Ope-
rationen ganz zu unterlassen seien, ist nicht erzielt worden.
Die Frage der Anästhesie, die die Karzinomdebatten nun unterbrach, hat
Neues und Interessantes gebracht. Herr Vallas (Lyon) ist ein überzeugter An-
hänger der Athylchlorid-Athernarkose. Chloroform, zu gefährlich, darf nur
dann angewendet werden, wenn Ather nicht angebracht ist. Für die Athernarkose
bricht auch noch eine Lanze Herr Bergalonne (Genf). Eine Athylchlorid-
Sauerstoffnarkose beschreibt Herr Lotheissen (Wien); Herr Kümmell
(Hamburg) rühmt die Humanität der Skopolamin-Morphium-Ather-Sauer-
stoffnarkose, bei der Herr Walther (Paris) 2mal sehr üble Zufälle, Tetanus
mit vollkommenem Opisthotonus gesehen hat. Nun beschreibt des längeren Herr
Jonnesco (Bukarest) eine als Allgemeinnarkose angesprochene Cervical-
Medulläranästhesie mit Stovain-Strychnin und beruhigte die doch wohl bei
vielen aufsteigenden stillen Sorgen, in diese Gegend ein derartiges Mittel einzu-
spritzen, mit der in vieler Erfahrung gewonnenen Überzeugung der absoluten Un-
gefährlichkeit. Die Probe aber, die später von ihm im Hospital St. Jean an einem
Kinde gemacht wurde, mißglückte dermaßen, daß man wohl bis auf weiteres von
dieser Anästhesie absehen wird. Das Kind bekam sofort nach der Injektion die
besorgniserregendsten tetanischen Zustände. Gegen die Lumbalanästhesie über-
haupt führte Herr Rehn (Frankfurt a. M.) einige schwere Bedenken an. An Ta-
feln zeigte er schwere Veränderungen im Rückenmark nach Lumbalanästhesie, die
er bei Tieren gemacht hat, und die ihn zu den Forderungen veranlassen, daß sie
niemals gemacht werden darf, wenn man mit Lokalanästhesie oder Atherrausch
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1343
auskommen kann. Nie ohne Einwilligung und Verständigung des Pat., nie bei
Kindern und jungen Personen. Die Lumbalanästhesie darf nie die Anästhesie der
Wahl sein. Auf der anderen Seite findet sie eine Reihe von Vorkämpfern: Son-
nenburg (Berlin), der gegen den Kollaps intravenös Epirenal gibt, Zahrad-
nitzki (Deutsch-Brod, Kümmell (Hamburg) und viele andere. Die lokale
Anästhesie wurden von den Herren McArthur (Chicago), Moty (Paris),
v. Hintz (Neumarkt) besprochen. Zum Schluß sagt Herr Wohlgemuth
(Berlin), daß alle Enqueten, Statistiken über die relative Gefährlichkeit oder Un-
gefährlichkeit der verschiedenen Narkotika und Methoden den Nagel nicht auf den
Kopf treffen. Die Narkosenfrage sei eine Frage des Narkotiseurs, nicht des Nar-
kotikums. Bei geeigneter Durchbildung der- Studierenden in der Narkose und
Anästhesie, bei Ausbildung von Arzten, die sich in den großen Krankenhäusern
und Kliniken nur mit der Narkose beschäftigen und für jeden einzelnen Fall nach
eingehender Beobachtung des Pat. die Methode der Schmerzlosigkeit wählen,
braucht es keine Zufälle mehr zu geben. Generell wird es niemals ein Narkotikum
oder eine Anästhesie geben, die bei vollkommener Wirkung auch absolut ungefähr-
lich ist. Herr Czerny stimmt den Ausführungen Wohlgemuth’s bei.
Die Hernien riefen 27 Diskutierende in die Reihen. Die Ätiologie blieb
noch umstritten. Während Herr William Sheen (Cardiff) die traumatische Ent-
stehung bei Erwachsenen zugibt, d. h. klinisch, nicht pathologisch, aber doch nur
als große Seltenheit, glaubt Herr Ribera y Sans (Madrid), daß die Hernie des
Kindes stets angeboren, die des Erwachsenen stets erworben, und daß die Hypo-
these des präformierten Sackes nicht bewiesen ist. Die Besprechung der einzelnen
Hernien ist im wesentlichen eine Diskussion über das Operationsverfahren; wir
wollen hier nur die Stichworte erwähnen.
Das beste Operationsverfahren der Leistenbrüche ist nach Herrn Ales-
sandri (Rom) das Bassini’sche. Herr Jonnesco (Bukarest) hält es für den
springenden Punkt, die Infektion zu vermeiden; nur wo sieerfolgt, treten Rezidive
ein. Daher näht er grundsätzlich mit Silberdraht und vermeidet versenkte Fäden.
Herr Lucas-Championnitdre macht in besonders schweren Fällen die Kastration,
um einen doppelten Schutz durch Übereinanderlegen der Bauchwand zu ermög-
lichen. Herr Vanvers (Lille) zieht den Bruchsack nach Anlegung einer provi-
sorischen Tabaksbeutelnaht soweit wie möglich heraus, um ihn so hoch es geht,
definitiv zuzunähen, ohne ihn abzutragen. Er hält das für unnötig. Herr Czerny
glaubt aus dem Umstande, daß sich an der Diskussion kein deutscher Chirurg
beteiligt hat, schließen zu können, daß wir wissen, daß kleine Hernien mit allen
Methoden geheilt werden können, große mit allen Methoden Rezidive geben.
Die Schenkelbrüche besprach Herr Hildebrandt (Berlin), dem sich
Herr Bérard (Lyon) mit Beschreibung eines kombinierten cruralen und ingui-
nalen Verfahrens und Muskelverschlusses der Bruchpforten anschließt.
Die Brüche der Kinder wurden besonders von Herrn Lorthioir (Brüssel)
behandelt, der auf dem Standpunkte fußt, daß jeder Bruch bei Kindern operiert
werden muß, jede Bandage kontraindiziert ist. In bezug auf das Operations-
verfahren hält er ein Unterbinden des so hoch wie möglich abgetragenen Sackes
sowie eine Wiederherstellung des Leistenkanales für unnötig, jeden Verband sogar
für schädlich. Dieses etwas radikale Vorgehen bekämpfen energisch Ribera y
Sans (Madrid), Lucas-Championnidre und Broca (Paris), die mit noch an-
deren der Ansicht sind, daß Lorthioir viel zu früh operiert. Vor dem 7. Le-
bensjahre sei eine Operation nicht nötig. In bezug auf die Dauerresultate der
Bruchoperationen haben die Herren Kalliontzis (Athen), Legueu (Paris), Pe-
trowitsch (Nisch), Lameris (Utrecht), Verhoef (Brügge), Ribera y Sans
(Madrid) einstimmig dem Bassini’schen Verfahren den Vorzug gegeben.
Es folgte nun die Rückenmarkschirurgie. Zunächst sprach Herr
de Quervain (La Chaux-de-Fonds) über Rückenmarksverletzung. Nach
längerem Eingehen auf die Pathologie der Verletzung stellt er für die chirurgische
Therapie die Sätze auf: Blutungen, extra- oder intradurale, geben keinen Anlaß
1344 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45.
zu Eingriffen. Ein solcher ist angezeigt bei Störungen, die auf einen Bogenbruch
hinweisen, bei Schußverletzungen, wenn das Geschoß im Wirbelkanale sitzt, und
zwar als Frühoperation. Wenn hier die Frühoperation nicht vorgenommen wurde
und die nervösen Störungen nicht spontan zurückgingen, oder wenn bei partieller
Schädigung nach anfänglicher Besserung eine nachträgliche Verschlimmerung ein-
tritt, ist auch eine Spätoperation angezeigt. Bei Totalläsion, wo bisher jede Ope-
ration als unstatthaft galt, würde man wohl, wenn sich die Erfolge der von den
Amerikanern Stewart und Harte ausgeführten Rückenmarksnaht bestätigen
würden, eine solche versuchen dürfen. Sehr zur Zurückhaltung mahnen Sonnen-
burg (Berlin, Hildebrandt (Berlin) und Czerny. Einmal richte man kaum
viel aus mit der Operation, schade dann aber noch mit der Laminektomie, die die
Festigkeit der Wirbelsäule nicht unbedenklich störe.
Die Geschwülste der Wirbelsäule wurden von Herrn B&rard (Lyon),
wenn sie noch primitiv, solitär, ohne Deformation der Wirbelsäule und ohne
schlaffe Lähmung mit ungefährer Lokalisation erscheinen, einer sofortigen Opera-
tion für notwendig erachtet. Stets sollte die Dura eröffnet werden, wenn nicht
die Geschwulst schon vorher gefunden wird. Die Geschwulst mit von Anfang an
medullärem Verlaufe soll man nur bei sehr genauer Lokalisation operieren. Auch
wenn die Diagnose schwankt zwischen Geschwulst, Meningitis oder Syringomyelie
ist die explorative Laminektomie angebracht. So sind schon viele meningeale
Cysten gebessert oder geheilt worden. Herr F. Krause (Berlin) berichtet über
28 Fälle. Er legt ebenfalls besonderen Nachdruck auf die Eröffnung der Dura.
So hat er bei drei Nachoperationen, wo vorher die Eröffnung unterlassen wurde,
2mal eine intradurale Geschwulst exstirpiert.
Den Schluß der Krebsdebatten und zugleich den Schluß des Kongresses bil-
dete der Krebs der Harnwege und der Genitalorgane sowie die
Röntgentherapie. Über die Erkrankungen beim männlichen Geschlecht refe-
rierte zunächst Herr Legueu (Paris). Die ernstesten krebsartigen Erkrankungen
sind nach seiner Meinung die der Prostata, Harnröhre und Blase. Sehr schwer
ist eine Frühdiagnose. Hat man die Geschwulst erkannt, so ist ihre Verbreitung
auch schon sehr ausgedehnt, und jede Operation würde ungenügend ausfallen.
Auch nach den ausgedehntesten Resektionen der Blasenwand hat L. in kurzer Zeit
ein Rezidiv bekommen. Auch eine Dauerheilung bei Nierenkarzinom zu erreichen,
gelingt nur selten, häufiger bei Krebs des Hodens und Penis. Frühe Operationen
und Fortnahme en bloc geben die besten Resultate. Sonderbar und an die Be-
merkungen Korteweg’s über das Mammakarzinom erinnernd sind aber zwei Be-
obachtungen Legueu’s, Fälle, in denen er nur die Niere entfernen konnte, die
ganzen Drüsenmassen aber zurücklassen mußte und trotzdem gerade hier die län-
gere Heilungsdauer hatte. Die Sarkome des Penis und Hodens haben aber jäm-
merliche Aussichten auf Heilung. Herr Rovsing (Kopenhagen), Ribera y Sans
(Madrid), Dollinger (Budapest) berichten über ihre Statistiken.
Beim Karzinom der weiblichen Genitalorgane drehte es sich wesentlich
um die Frage der vaginalen oder abdominellen Operation. Herr Faure (Paris)
bevorzugt die abdominelle Methode nach Wertheim mit präventiver Unterbin-
dung der Art. hypogastrica. In komplizierten Fällen mit wenig beweglichem
Uterus empfiehlt er das vagino-abdominelle Vorgehen, indem er von unten be-
ginnt. Ihm schließt sich im wesentlichen Herr Jacobs (Brüssel) und Herr
Wertheim (Wien) an. Letzterer hat 200 Präparate ausgestellt und gibt eine
Statistik seiner Fälle, die mit 59% Rezidivfreiheit nach jähriger Kontrolle ab-
schließt. Herr Rouffart (Brüssel) bezweifelt, daß auf vaginalem Wege alle Drüsen
entfernt werden können, während Herr Czerny der Fortnahme sämtlicher Drüsen
als systematischer Operation keinen besonderen Wert beilegen kann. Ein Antrag
von Rouffart, Jacobs und anderen, der Kongreß wolle beschließen, daß in
einer allgemeinen großen Statistik für eine Beurteilung der Heilung eine jährige
Rezidivfreiheit verlangt werde, jeder vorher auch ohne sichere Todesursache ein-
getretene Tod als durch Rezidiv bedingt anzusprechen sei, wurde abgelehnt, da
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1345
hierzu ein internationales Krebskomitee vorhanden, und dieser Kongreß kein
Krebskongreß sei.
Die Behandlung des Krebses mit Röntgen- und Radiumstrahlen
hat Herr Sequeira (London) in vielen Fällen mit gutem, in anderen ohne Erfolg
versucht; aber ein abschließendes Urteil über den Wert der Röntgenstrahlen bei
systematischer Anwendung nach Operation der Karzinome zu geben, ist ihm noch
nicht möglich. Herr Tuffier (Paris) faßt die Wirkung der Röntgen- und Radium-
strahlen als eine enorme Kongestion in das das Karzinom umgebende Bindegewebe
auf, in der die Krebszellen gewissermaßen ertränkt werden. Nach Beblitzung
sieht man oft eine Granulationsfläche erscheinen, die keine Spur von Krehszellen
mehr zeigt. Aber alle diese Behandlungsmethoden sind T. durch oberflächliche
Bildung einer scheinbar guten Narbe nichts anderes als eine »cache-mistre«; unten
wuchert das Karzinom ruhig weiter. Wenn man also irgendeine Aussicht hat,
radikal zu operieren, unterbleibe jene Behandlung. Bleibt aber nichts anderes
übrig, dann Radium. Glänzende Resultate mit Radium hat Herr Abbe (Neuyork)
bei Cancroiden erzielt. Die von ihm gezeigten Photographien und Moulagen waren
von höchstem Interesse. Er bestrahlte mit 100 mg 1!1/,—1!/5 Stunde durchschnitt-
lich. Er wendet die Radiumtherapie auch bei Leukoplakie und bei Struma an.
Hier führt er die kleine Tube in einen 2 cm tiefen Einschnitt ein. Herr Mo-
restin (Paris) spricht über die Behandlung der Hautkrebse, Herr De Keating-
Heart (Marseille) über die guten Resultate, die er mit der Fulguration auch
bei inoperablen Mastdarmkarzinomen erzielt hat. Herr Sticker (Berlin) gibt zu,
daß wir mit der Radiumbestrahlung, der Fulguration, Sero- und Fermenttherapie
eine spezifische Wirkung auf das Karzinom ausüben können. Bei letzterer hat vor
allen das Trypsin einen Einfluß. Auch die Wirkung fremdartigen Blutes ist nicht
zu leugnen, aber üble Erscheinungen der Serumkrankheit, der Fermentation treten
auf, die vorläufig die Therapie einschränken. Herr Czerny schöpft aus den Ver-
suchen von Sanfelice noch eine Hoffnung auf ein Antitoxin. Bisher hat er bei
der Behandlung der inoperablen Karzinome bzw. der Rezidive von der mit der
Operation verbundenen Beblitzung Resultate gesehen, wie sie ihm keine andere
Behandlungsmethode gegeben hat. Vielleicht wirkt hier also doch noch etwas an-
deres als die Verbrennung.
Hiermit endigten die Verhandlungen, die der Präsident in seinem Schlußwort
als ein Friedenswerk von weittragender Bedeutung charakterisierte.
nn mn nn
22) Elsberg. Solitary abscess of the liver.
(Mt. Sinai hospital reports Vol. V. 1907.)
In den letzten 5 Jahren kamen 18 Fälle von solitärem Leberabszeß zur Ope-
ration; davon 13 mit Heilung.
Die Ursache war in 1 Falle Kugelschuß, imal Cholelithiasis, imal Colitis
chronica, 1mal Appendicitis, Imal Osteomyelitis tibiae, 2mal Hämorrhoiden, 2mal
Febris intermittens, 3mal Diarrhöe; in 6 Fällen war eine besondere Ursache nicht
nachzuweisen.
Amöbendysenterie im gemäßigten Klima als Ursache des Leberabszesses
scheint eine nicht so gute Prognose zu geben, als wenn andere Bakterien zur Ent-
stehung eines Leberabszesses Veranlassung geben. W. v. Brunu (Rostock).
23) Ribera. Quistes hidaticos.
(Revista de med. y cir. pract. de Madrid 1908. Nr. 1029.)
Mitteilung einer Statistik von 117 selbst operierten Fällen von Echinokokkus-
cysten. Es handelt sich um 21 Fälle, in denen die Erkrankung an äußeren Körper-
teilen statthatte; 2 Fälle von Lungenechinokokkus; 3mal war die Pleura der Aus-
gangspunkt; 91 Fälle waren intraabdominal; davon waren 77 Leberfälle, 4 Milz-
fälle, 1 Pankreasfall, 3 Nierenfälle, 6 Peritonealfälle.e Von den 77 Leberfällen
1346 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46.
waren 64 intrahepatische. Resultate der Operationen: Bei den 21 äußeren Fällen
20 Heilungen und 1 Todesfall. Die 4 Thoraxfälle gingen alle in Heilung aus. Die
intraabdominalen Fälle (ausgenommen die Leberfälle) wurden alle geheilt; von den
77 Leberfällen endeten 10 tödlich, die übrigen wurden geheilt.
Stein (Wiesbaden).
24) Arce. L'opération de Posadas dans -le traitement des kystes
hydatiques.
(Revista de la sociedad méd. Argentina Bd. XI. Nr. 88.)
Unter Beibringung der Krankengeschichten von elf Fällen tritt A. für die von
Posadas angegebene Operation der Echinokokkuscysten ein, die in primärer Naht
ohne Drainage nach Entleerung der Cyste besteht. Er hat nur einmal eine Eite-
rung nachfolgen sehen. Abweichend von dem ursprünglichen Vorgehen von Posadas
rät A. nur noch, eine Spülung der Cyste mit Formollösung zur Verhütung eines
Rezidivs vorzunehmen. Seine Fälle betreffen einen Lungenechinokokkus und zehn
Leberechinokokken. Stein (Wiesbaden).
25) Steinthal. Die chirurgische Behandlung der Gallensteinkrankheit.
(Med. Korrespondenzblatt des württembergischen ärztl. Landesvereins 1908. 5. und
12. September.)
Der Arbeit liegen 100 operativ behandelte Fälle von Cholecystitis zugrunde.
S. sah mehrfach eine akute infektiöse Cholecystitis sich an Influenza oder Darm-
katarrh anschließen. Die Indikationen zur Operation deckten sich mit denjenigen
der meisten anderen Öperateure. Die verschiedenen Eingriffe waren: Cysto-
stomien 54, Cystektomien 22, Operationen am Choledochus 8, Lösungen von Ver-
wachsungen 4, Probelaparotomien 3, Inzision pericholecystitischer Abszesse 2, je
einmal teilweise Cystektomie, und Cystostomie mit Fixation der Pendelleber. Der
Operation primär erlagen 17 Kranke; je 3 an Pneumonie, Darmverletzung und
Cholangitis septica, je 2 an Peritonitis, cholämischer Nachblutung und Leber-
abszeß. Für die Beurteilung der Dauerresultate kamen 72 Fälle in Frage: 1) ge-
ringer oder gar kein Erfolg 15; 2) völlig arbeitsfähig, aber nicht beschwerdefrei 7;
3) völlige Beschwerdefreiheit oder nur gelegentlich unwesentliche Beschwerden in
der Narbe 50. S. sah nur einen Fall, der vielleicht als echtes Gallensteinrezidiv
nach der Operation aufzufassen war: nach Cholecystektomie und Entfernung eines
größeren Steines aus dem Choledochus traten 1 Jahr später wieder die Zeichen
eines Choledochussteines auf; bei der zweiten Operation, 2 Jahre nach der ersten,
fand sich im Choledochus zähverbackener Gallengries; seither andauerndes Wohl-
befinden. In 3 Fällen wurde zunächst nur die Cholecystostomie ausgeführt,
zwecks Ableitung des infektiösen Inhaltes, und die Choledochotomie erst später
angeschlossen, nachdem sich die Kranken genügend gekräftigt hatten. Die Dauer-
erfolge waren nach der Cystostomie und nach der Cystektomie ungefähr die
gleichen; S. erhält daher die Gallenblase, wenn es möglich ist.
Mohr (Bielefeld).
36) N. A. Michailow. Un cyste de la vésicule prostatique.
(Ann. des malad. des org. gén.-urin. 1908. XXVI, 13.)
Die Fälle von Cysten der Vesicula prostatica sind wahrscheinlich nicht so
selten, wie man nach den bisherigen Angaben der Literatur glauben sollte. Bei
regelmäßiger Anwendung des Endoskops hat Verf. in den letzten Monaten sieben
Fälle dieser Art beobachtet; den einen Fall, der einen 28jährigen Kranken betrifft,
teilt er ausführlich mit. Im Endoskop erscheinen diese Cysten als rundliche, un-
durchsichtige Gebilde mit flüssigem Inhalte; sie verdecken den Sinus pocularis.
Die klinischen Erscheinungen bestanden in Störungen der Miktion, Schmerzen
bei der Ejakulation und in nervösen Störungen. Operative Abtragung der Cyste;
Heilung. Bedeutende Besserung der Beschwerden. Paul Wagner (Leipzig).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1347
27) Andre. Deux cas de rétrécissement de lurèthre prostatique.
(Ann. des malad. des org. gén.-urin. 1908. XXVI, 14.)
Entzündliche Verengerungen der Pars prostatica der Harnröhre sind selten.
Unter einer sehr großen Anzabl von Harnröhrenkranken hat Verf. bisher nur zwei
hierhergehörige Fälle beobachtet. Beide Fälle kamen innerhalb weniger Tage zur
Beobachtung. Der eine Fall — 72jähriger Prostatiker — zeichnete sich noch
ganz besonders durch die Hartnäckigkeit zum Rezidivieren aus. Trotz Urethro-
tomia interna und trotzdem der Kranke seitdem täglich dreimal bougiert wurde,
kam es wieder zu einer beträchtlichen Verengerung. Wahrscheinlich handelt es
sich in diesem Falle um eine chronisch sklerosierende Entzündung des prostatischen
Teiles der Harnröhre. Paul Wagner (Leipzig).
28) R. Bonneau. Lithiase prostatique.
(Ann. des malad. des org. gén.-urin. 1908. XXVI, 14.)
Mitteilung eines Falles von Lithiasis prostatica, der von seinen ersten An-
fängen an beobachtet werden konnte. Ein 24jähriger Kranker, der mehrfache
Gonorrhöen durchgemacht hatte, ließ sich vom Verf. daraufhin untersuchen, ob
er nun völlig geheilt sei. Die Dreigläserprobe ergab im ersten Glase ganz wenige
kurze Fäden; sonst alles normal. Nach der Massage der sonst vollkommen gesund
erscheinenden Prostata entleerte Pat. beträchtliche Quantitäten weißer, opaker,
lamellöser Konkretionen von 1—4 mm Breite und 1/2—1 mm Dicke. Nach einer
methodisch alle 4—5, später alle 8 Tage vorgenommenen Massagekur der Prostata
wurde die Ausscheidung dieser Konkretion immer geringer; ihre Beschaffenheit
änderte sich unter dieser Behandlung. Die in den ersten Stadien der Krankheit
entleerten Konkretionen bestanden aus einem organisierten, mit phosphorsaurem
Kalk imprägnierten Stroma. Unter der Massagehandlung verschwanden die Kalk-
ablagerungen allmählich mehr und mehr, um schließlich vollkommen aufzuhören.
Paul Wagner (Leipzig).
29) P. Schaffroth. Beitrag zur Behandlung der Prostatahypertrophie
mit parenchymatösen Jodinjektionen.
Inaug.-Diss., Basel, 1905.
S, berichtet über 27 Fälle von Prostatahypertrophie, die in der kantonalen
Krankenanstalt Aarau (H. Bircher) mit Jodinjektionen vom Mastdarm aus nach
Heine behandelt wurden. Als Spritze wurde eine graduierte Punktionsspritze
mit geradem Ansatz von 8—10 cm Länge benutzt, als Injektionsflüssigkeit reine
alkoholische Jodtinktur, von der bis zu 3 ccm pro dosi eingespritzt wurden. Die
heilende Wirkung soll auf Nekrose und nachfolgender bindegewebiger Schrumpfung
des Prostatagewebes beruhen.
Auf Grund der erzielten Resultate — 36,67% geheilt, 33,33% gebessert, 6,67%
vor Abschluß der Behandlung ausgeschieden, 23,33% während der Behandlung
gestorben, darunter ein Fall infolge der Injektionen — glaubt S. die Methode
empfehlen zu können. Ob sich dieser Auffassung viele Chirurgen im Hinblick
auf die Gefahr einer Verletzung des Plexus prostaticus mit ihren Folgen — der
Todesfall war bei S. hierdurch bedingt — und trotz der immer besseren Erfolge
der Prostatektomie anschließen werden, erscheint sehr zweifelhaft.
Boerner (Rastatt).
30) @. B. Lasio. Contributo alla cura radicale dell’ ipertrofia pro-
statica.
(I. Kongreß d. Soc. It. di Urologia. 10.—17. April 1908.)
(Morgagni II. 1908. Nr. 35.)
Gegenüber einer früheren Statistik L.'s mit 20% Mortalität beträgt in seiner
neueren die Mortalität nur noch 8%. Von den überlebenden 65 Fällen wurden
80 geheilt, 19 gebessert, 5 blieben ungeheilt. Erfolge sind besonders zu er-
zielen, solange keine stärkere Blasendehnung vorliegt. Nach der perinealen Ope-
1348 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45.
ration blieben zweimal Fisteln bestehen, und mehrmals kamen nicht sehr schwere
Orchioepididymitiden vor. Inkontinenz, die zuweilen der Operation folgte, ver-
schwand schließlich immer wieder. Die sexuelle Funktion wurde stets aufgehoben,
bis auf einen Fall, bei dem indes die Ejakulation gleichfalls verschwunden war.
Die Heilungsdauer betrug 2—9 Wochen, im Mittel 20 Tage. Die Todesfälle traten
15, 20 Tage und länger nach der Operation an Sepsis, Urämie und Herz- oder
Niereninsuffizienz ein. Bei 21 Fällen mit transvesikaler Prostatektomie betrug die
Mortalität 19%. Die Operation wurde nach Freyer, mit Jodoformgazetamponade
nach Nicolich und mit dem Drainagerohr nach Guyon-P&rier ausgeführt.
Blutungen oder septische Beckenentzündungen kamen niemals vor. Die Heilungs-
dauer betrug 1—2 Monate und darüber. Etwaige Fisteln haben sich stets spontan
geschlossen. Nur bei einem Kranken ist eine persistierende Inkontinenz auf-
getreten. Auch hier wurden die besten Resultate bei fehlender Sepsis und fehlender
Blasendehnung erreicht. Die gewöhnlich unschwierige Operation kann bei sehr
großem Mittellappen und gleichzeitiger Entzündung der Drüse und ihrer Um-
gebung recht schwer werden. In solchen Fällen zieht L. den perinealen Weg vor.
Nach seiner Ansicht wird letztere Operation überhaupt besser vertragen, gibt
bessere unmittelbare Resultate und ist bei hohem Alter, bestehender Sepsis und
leichter Intoxikation mit geringeren Gefahren verbunden. Bei jüngeren Pat. mit
großen Fibroadenomen gibt dagegen die Freyer’sche Operation vollständigere
und mehr dauernde Resultate. Auch die partielle Prostatektomie nach Ruggi
und die Bottini’sche Operation finden bei weniger starken Hypertrophien ihre
Indikationen. Doch sind ihre Resultate nicht immer andauernd.
Dreyer (Köln).
31) U. Cadini. Prostatectomia perineale e prostatectomia transvescicale.
(I. Kongreß d. Soc. It. di Urologia. 14.—17. April 1908.)
(Morgagni II. 1908. Nr. 35.)
C. hat in den letzten 3 Jahren 228 Prostatiker behandelt. Von 105 Kranken
mit akuter Retention wurden 25 operiert, und von diesen starben 4, von den
nichtoperierten 80 starben 10. Von 18 Pat. mit chronischer kompleter Retention
wurden 5 operiert, und von diesen starben 2; von den nichtoperierten 13 starben 5.
Die schweren Komplikationen, die gerade in dieser Gruppe häufig vorhanden sind,
erklären die große Zahl der Todesfälle. Von 55 Kranken mit inkompleter Re-
tention wurden 17 ohne Todesfall operiert, und von den übrigen 38 starben 5.
Diese Fälle eignen sich also am meisten für die Operation, zumal da auch sie
schließlich Komplikationen und Gefahren zu gewärtigen haben. Von 50 Pat mit
Blasendehnung wurden 13 operiert, und von diesen starb einer, während von den
Nichtoperierten 19 starben. Auch hier tritt die Uberlegenheit der operativen
Resultate deutlich zutage. Septische Pyelonephritiden, starke Atheromatose,
Emphysem mit starkem Bronchialkatarrh oder akute Fieberzustände kontraindi-
zieren die Operation. Das Alter der Operierten betrug 53—76 Jahre. Nach
Freyer wurde 47 mal operiert mit 6 Todesfällen, perineal 13mal mit 1 Todesfall.
Die hohe Operation wird als leichter, kürzer, aber gefährlicher, die perineale als
länger, schwieriger und mit größerem Blutverlust verbunden hingestellt. Die
Heilungsdauer ist kürzer bei der Freyer’schen Operation. Doch ist strengere
Überwachung bei der Nachbehandlung nötig. Die funktionellen Resultate sind bei
der hohen Operation stets sehr gute: der Urin wird ganz entleert und bleibt klar.
Bei der perinealen Operation, deren Heilung um 1/; länger währt, blieb niemals
eine perineale Fistel, zweimal jedoch Inkontinenz zurück. Bei der Freyer’schen
Operationen blieben die Erektionen fast immer erhalten, dagegen erfolgte meist
keine Ejakulation mehr.
Die hohe Operation soll bei jüngeren Männern und weicheren Drüsen, die
perineale bei älteren, schwächeren Leuten mit schweren, septischen Komplikationen
und ganz besonders bei sehr harten, fibrösen Prostatatumoren angewandt werden.
Dreyer (Köln).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1349
32) Muir. An unusual case of rupture of the bladder: subsequent
prostatectomy.
(Brit. med. journ. 1908. Juli 4.)
Ein 60jähriger Mann, seit einigen Tagen mit beginnenden Prostatabeschwer-
den erkrankt, erleidet plötzlich beim Urinlassen einen heftigen Schmerz. Nach
2 Tagen, ohne daß der mit Katheter gewonnene Urin Abweichungen zeigt, Auf-
treten einer prävesikalen Phlegmone. Suprapubische Inzision, Entleerung von
Urin aus dem Spatium praevesicale; keine Öffnung in der Blasenwand zu finden.
Da sich eine Urinfistel herstellt, die allen Urin entleert, wird eine suprapubische
Prostatektomie 1/4 Jahr später ausgeführt, ohne daß man auch diesmal die Öffnung
in der derben und gesunden Blasenwand findet. Heilung von allen Beschwerden.
Bemerkenswert an dem Falle ist das frühe Auftreten einer Ruptur nach Prostata-
erscheinungen, die Entleerung völlig normalen Urins und die Unmöglichkeit, die
bestehende vermutlich tief im Blasenhals liegende Berstungsruptur zu finden.
Weber (Dresden).
33) G. Li Virghi. Perforazione extraperitoneale spontanea della vescica
per calcolo.
(Giorn. internaz. della scienze med. 1908. Fasc. 16.)
Bei einem ?1jährigen Manne, der vor 3 Jahren durch Sectio alta und vor
2 Jahren durch Litholapaxie von einem Blasenstein befreit wurde, bildet sich,
nachdem längere Zeit wieder ein Stein und heftige Cystitis festgestellt waren,
unter den Zeichen einer Urinphlegmone an der Bauchwand eine Fistel, die links
seitlich in die Blase führt, in der mit dem Metallinstrument eine rauhe, mit Salzen
imprägnierte Öffnung gefühlt wird. Der Fall einer extraperitonealen Blasenruptur
infolge eines Blasensteines ist bisher nicht beschrieben worden.
Dreyer (Köln).
34) Ferria. Sull’ ulccra semplice della vescica.
(I. Kongreß d. Soc. It. di Urologia 1908.)
(Morgagni II. 1908. Nr. 38.)
Bei zwei Frauen, die über gesteigerten Harndrang, wiederholte Blasenblutungen
und Schmerzen hinter der Symphyse klagten, die namentlich beim Urinieren und
bei Druck sich verstärkten, wurden bei klarem, nur einige Flocken ohne Tuberkel-
bazillen enthaltenden Urin Geschwüre an der vorderen Blasenwand gefunden, die
4—ő cm vom Orificium internum entfernt saßen, die Größe eines 1—2 Centesimo-
stückes hatten und einen aufgeworfenen Rand und grauen Grund aufwiesen. Bei
einer Frau war das Geschwür mit einer Phosphatborke inkrustiert. Das Geschwür
wurde mit Atzungen durch das Luys’sche Endoskop bei einer Frau geheilt und
bei der zweiten wesentlich gebessert. Dreyer (Köln).
35) G. Coen e P. Lilla. Sul valore del separatore di Luys applicato
nella donna.
(Gazz. degli osped. e delle clin. 1908. Nr. 104.)
Verf. konnte in 11 Fällen bei der Frau den Wert der Urinseparation mit dem
Luys’schen Instrument nachweisen. Es handelte sich um Pyelitiden, Pyonephrosen,
Steinnieren, Steinniere und Geschwulst. Nur bei Schwangeren gelang die Trennung
der Urine nicht und konnte erst nach Ablauf der Schwangerschaft erzielt werden.
Die Operationsresultate bzw. die Cystoskopie bestätigten die Schlüsse, welche aus der
Verschiedenheit der Urine in Menge, Eiweißgehalt, Reaktion, Sediment und Zucker-
reaktion nach Phloridzineinspritzung gezogen waren. Bemerkenswert war die mehr-
fach gemachte Beobachtung einer Anurie nach Einlegen des Instrumentes, während
eine Verminderung in der Ausscheidung des Harnstofies, wie anderweitig mitgeteilt
ist, nie festgestellt werden konnte. Dreyer (Köln).
1350 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45.
36) R. Kutner. Eine neue Methode, den Harn jeder einzelnen Niere
getrennt aufzufangen. {Vorläufige Mitteilung.)
(Zeitschrift für ärztliche Fortbildung 1908. Nr. 17.)
An der Spitze des Blasenspiegels münden zwei Kanäle, und zwar trichterför-
mig nach innen ein Zentralkanal und ihn überall umgrenzend ein peripherer Ring-
kanal. Die Harnleitermündung wird mit der Spitze des Instruments so bedeckt,
daß der austretende Harn durch den Zentralkanal abfließen kann. Die umgebende
Blasenwand wird mittels Luftpumpe an den peripheren Ringkanal angesogen, und
so ein sicherer Abschluß nach der Blase zu geschaffen.
Das Verfahren hat sich am Lebenden (zunächst bei Frauen) bereits gut be-
währt. Eine Infektion des Harnleiters oder der Niere oder ein Vorbeifließen des
Urins wie beim Harnleiterkatheterismus ist ausgeschlossen.
Gutzeit (Neidenburg).
37) G. Berg. Zum gegenwärtigen Standpunkt der Nierendiagnostik
und Nierentherapie.
(Med. Klinik 1908. p. 1333.)
Krankheitsgeschichte einer operierten tuberkulösen Pyonephrose. — Die Er-
gebnisse der gleich bedeutenden Untersuchungsverfahren, der Ohromocystoskopie
und der Phloridzinprobe, stimmen bei schweren Nierenveränderungen überein,
weichen aber bei leichteren Erkrankungen öfter voneinander ab. Eine Störung
der Nierentätigkeit durch Phloridzin- oder Methylenblauverabreichung konnte B.
nicht feststellen. Die Bestimmung des Harnstoffes und der Chloride bringt nur
vergleichsweise verwertbare Ergebnisse. Dagegen leistete mehrfach die Ophthalmo-
reaktion wertvolle Dienste. Nicht völlig zuverlässig erwies sich die Prüfung der
molekularen Dichte des Harns und des Blutes. Der Harmleiterkatheterismus
wird lebhaft empfohlen.
Von 8 nicht operierten, an Harntuberkulose Leidenden starben 6 im Laufe
von 1—2 Jahren; vom 7. fehlt eine Nachricht; die 8. Kranke lebt. 2 Kranke wurden
operiert und leben. Die Frühzeichen des Leidens und die Behandlungsgrundsätze
sind erörtert. Georg Schmidt (Berlin).
38) Hamilton. An apparatus for the intermittent postoperative drainage
of the bladder.
(Journ. of the amer. med. assoc. Vol. L. Nr. 12.)
Beschreibung und Abbildung eines Apparates, der dazu dienen soll, bei supra-
pubischer und perinealer Cystostomie sowie auch bei Empyemen eine Entleerung
der betreffenden Hohlräume zu bewerkstelligen. Es ist im wesentlichen das Prinzip
der Wasserstrahlluftpumpe. Dem Verf. hat sich der Aparat gut bewährt.
W. v. Brunn (Rostock).
39) I. Levin (New York). Renal pyuria without apparent lesions in
the kidney.
(New York med. journ. 1908. Juli 18.)
L. beschreibt zwei Fälle von Pyurie, bei denen er die Nephrotomie aus-
führte, aber nicht, wie er erwartet hatte, Abszesse oder Ulzerationen im Nieren-
becken fand, sondern nur eine vergrößerte Stauungsniere. Er nähte die Nieren
mittels durchgreifender Nähte. Beide Fälle wurden geheilt. L. ist der Ansicht,
daß es sich um einseitige Nephritis gehandelt habe. Er schließt aus dem Befunde,
daß Leukocyten aus den Kapillaren direkt in die Nierenkanälchen übertreten
können. H. Bucholz (Boston).
40) E. Loumeau. Tuberculose rénale primitive à formes clinique et
anatomique très particulières.
(Ann. des malad. des org. gén.-urin. 1908. XXVI, 13.)
Sehr interessante Krankengeschichte einer 33jährigen Frau, die vor 5 Jahren
an Lungentuberkulose mit Bluthusten erkrankte, der sich dann 1 Jahr später
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1351
heftigste, paroxysmusartige Schmerzen der rechten Seite anschlossen, die auf die
rechte Niere als Ausgangspunkt hinwiesen, um so mehr, als der Urin Tuberkel-
bazillen enthielt. Während die Lungenerscheinungen allmählich zurückgingen,
steigerten sich die Schmerzen zu einer unerträglichen Höhe. Sie traten ganz un-
regelmäßig auf, im Durchschnitt alle 14 Tage und hielten 1—4 Stunden an. In
den Zeiten zwischen den Schmerzanfällen vollkommene Euphorie. Urin niemals
bluthaltig. Da die Untersuchung eine normale Funktion der linken Niere ergab,
wurde die rechte Niere exstirpiert. Heilung. Vollkommenes Ausbleiben der
Schmerzanfälle. Anatomisch fand sich an dem exstirpierten Organ eine diffuse
Sklerose; die disseminierten tuberkellösen Herde waren von einem Bindegewebs-
wall umgeben, so daß man von einer beginnenden Heilung der Nierentuberkulose
hätte sprechen können (sklerosierende oder atrophische Form der Nierentuber-
kulose). Die eigentümlichen paroxysmusartigen Schmerzanfälle — forme doulou-
reuse paroxystique de la tuberculose renale — erklärt Verf. durch zeitweise auf-
tretende Kongestionen in der von einer festen, unnachgiebigen Bindegewebskapsel
eingehüllten Niere. Paul Wagner (Leipzig).
41) Alessandri. Può la tubercolosi renale guarire colla sola nefro-
tomia?
(Bull. della R. accad. med. di Roma anno XXXII. p. 360.)
Nachdem A. die im Titel gestellte Frage an der Hand der Literatur be-
sprochen hat, referiert er folgenden Fall: 32jähriger Mann mit linksseitiger Pyo-
nephrose wird mit Nephrotomie behandelt. Nach anfänglicher Besserung allmäh-
liche Verschlechterung des lokalen und allgemeinen Befindens und Beginn von
Symptomen rechtsseitiger Pyonephrose. Daher erneute Erweiterung und Revision
der linksseitigen Wunde und sofortige rechtsseitige Nephrotomie, wo Tuberkulose
nachgewiesen wurde. Rasche lokale Heilung und Hebung des Allgemeinbefindens.
A. bespricht die Bedeutung pyogener Komplikationen bei Tuberkulose und die
Möglichkeit einer Spontanheilung der letzteren, wofern die komplizierenden Eite-
rungen beseitigt werden. Er tritt daher für die konservative Therapie bei Tuber-
kulose wichtiger Organe ein, die man nicht leichten Mutes opfern solle.
A. Most (Breslau).
42) Berg. Malignant hypernephroma of the kidney — its clinical
course, diagnosis and treatment.
(Mount Sinai hospital reports Vol. V. 1907.)
Von 1898 bis Januar 1907 wurden im Hospital 21 Fälle von Hypernephroma
renis behandelt; da im ganzen 25 Nierengeschwülste behandelt wurden, machten
die Hypernephrome 87,5% aller Nierengeschwülste aus. 14 Fälle betrafen Männer,
7 Frauen, alles Erwachsene vom 2.—5. Dezennium des Lebens.
Das erste Symptom war in der Mehrzahl der Fälle heftiger Schmerz in der
befallenen Körperseite, später kam es zu Hämaturie; doch werden auch Fälle
beobachtet, in denen weder das eine noch das andere eintritt, sondern wo Pat. nur
wegen zunehmenden Kräfteverfalls zum Arzt kommt. In der Hälfte aller Fälle ist
eine fühlbare Geschwulst vorhanden.
Metastasen treten vor allem in den Lungen auf; ferner wurden sie beobachtet
im Mesenterium des Dünndarmes, in Lunge und Leber, in den Eierstöcken, den
Knochen.
Die Diagnose ergibt sich aus den Symptomen; doch versäume man niemals,
in Fällen von Kräfteverfall ohne erkennbare Ursache den Harn auf rote Blut-
körperchen zu untersuchen und durch Harnleiterkatheterismus die befallene Seite
sicherzustellen.
Die Behandlung ist, wenn noch möglich, operativ. Die Resultate sind sehr
wenig ermutigend. Nur einer von den 20 operierten Pat. lebte noch 2 Jahre nach
der Operation frei von Rezidiv oder Metastase. Vier starben unmittelbar nach
der Operation, alle anderen sehr bald oder doch relativ kurze Zeit nachher an
Rezidiven oder Metastasen. W. v. Brunn (Rostock).
1352 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45.
43) A. Damski. Cas d'un kyste des vesicules seminales.
(Ann. des malad. des org. genito-urin. Bd. XXVI. Hft. 13.)
45jähriger Mann mit außerordentlich großer, von den Samenbläschen aus-
gehender Cyste, die als große, glatte, ziemlich harte Geschwulst im linken Hypo-
gastrium und auch vom Mastdarm aus unmittelbar oberhalb der normalen, eher
etwas verkleinerten Prostata zu fühlen war. Keinerlei Symptome von seiten des
Urogenitalapparates; dagegen starkes Hemmnis bei der Stuhlentleerung und kolik-
artige Schmerzen im direkten Anschluß an dieselbe. Mastdarm und Blase ohne
Besonderheiten. Punktionen der Cyste vom Mastdarm aus brachten nur vorüber-
gehenden Erfolg. Weitere Untersuchungen machten es wahrscheinlich, daß es sich
um eine vom Becken ausgehende bösartige Geschwulst handelte, die durch Kom-
pression zu Stauung und cystöser Dehnung der Samenblasen geführt hatte. Er-
öffnung der Cyste vom Mastdarm aus brachte vorübergehend Besserung. Wegen
beginnender Darmverschlußerscheinungen Anlegen eines Kunstafters. Nochmalige
Punktion der Oyste. Die trübe, schleimige Flüssigkeit riecht deutlich nach Sperma
und enthält normal gebildete Spermatozoen. Der Kranke verließ gebessert das
Hospital, Paul Wagner (Leipzig).
44) Beardsley. Epididymitis and orchitis complicating typhoid.
(Journ. of the amer. med. assoc. Vol. L. Nr. 13.)
Vier Fälle von Epididymitis und Orchitis im unmittelbaren Zusammenhang
mit Typhus, und zwar in der Regel alsbald nach der Entfieberung; in zwei Fällen
bestand zugleich Phlebitis in den Oberschenkelhautvenen. In allen Fällen spon-
taner Rückgang der Schwellung; doch war noch nach Monaten eine Verhärtung
in der Epididymis zu fühlen. W. v. Brunn (Rostock).
45) H. Mohr (Bielefeld). Bemerkungen zur Behandlung der Hydrokele.
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 32.)
Nach dem Vorgang anderer Chirurgen hat M. in zwei Fällen umfangreicher
Hydrokele Adrenalineinspritzungen (2 ccm einer Lösung 1 : 5000) in den entleerten
Sack vorgenommen, danach zwar keine völlige Heilung, aber wesentliche Verlang-
samung der Wiederansammlung der Flüssigkeit, geringe Schmerzhaftigkeit und
Reaktion beobachtet. In zwei weiteren Fällen operierte Verf. nach der Klapp-
schen Methode unter regionärer Anästhesie und ambulant. Der gespaltene Hydro-
kelensack wurde aus der Hautwunde hervorgekrempelt und durch feine Seidennähte
zusammengerafft. Heilung ohne irgendwelche Komplikationen (Hämatombildung
im Hodensack, Funktionsstörungen des Hodens). Kramer (Glogau).
46) C. Viscontini. Due casi di epitelioma primitivo della vulva.
(Gazz. degli ospedall e delle clin. 1908. Nr. 107.)
Der eine der beiden beobachteten Fälle von primärem Karzinom der Vulva,
ein Cancroid, ging von einer ausgedehnten Leukoplakie der Vulva aus.
Dreyer (Köln).
Berichtigung. In Nr. 42 p. 1237, Ref. 13, Z. 17 v. o. muß es statt >sohne
Darmverschluß« heißen »beim Darmverschluß«.
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden.
aaue Te
Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau.
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig.
Zentralblatt für Chirurgie
herausgegeben von
K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER,
in Bonn, in Berlin, in Breslau.
85. Jahrgang.
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG.
Nr. 46. Sonnabend, den 14. November 1908.
Inhalt.
1) Haeberlin, Tumor und Diathese. — 2) Antico, 3) Pfahler, Wirkung von Röntgenstrablen.
— 4) Paton und Lindsay, Chloroformspätwirkung. — 5) Kraupa, Synthetisches Suprarenin. —
6) Quadrio, 7) Vautrin, 8) Desjardins, Zur Pankreaschirurgie. — 9) Suter, Harnröhrendivertikel.
— 10) Cholzoff, Harnröhrenresektion. — 11) Alexander, Zur Prostatachirurgie. — 13) Kusnetzky,
Experimentelle Polyurie. — 13) Seelig, Phloridzinglykosurie und Indigkarmininjektionen. —
14) Martini, Zur Chirurgie des Hodens. — 15) Cullen, Adenomyom des Uterus.
16) Naturforscherversammlung: a. Sauerbruch und Heyde, Künstliche Vereinigung von Warm-
blütern. — b. Fabian, Blutuntersuchungen zu chirurgischer Diagnostik. — c. Esser, Blut- und
Knochenmarksveränderungen bei Ernährungsschäden. — d. Stich, Gefäß- und Organtransplanta-
tionen. — e. Fischer und Schmieden, Gefäßoperationen. —- f. Capelle, Gefäß- und Organtrans-
plantationen. — g. Ribbert, Schilddrüsentransplantation. — h. Ribbert, Regenerationsfähigkeit
epithelialer Gewebe. — i. v. Lichtenberg und Müller, Postoperatives Verhalten der Lungen und
des Herzens. — k. Wright, Vaccinetherapie. — 1. Kleinsorgen, Fett als Heilmittel. — m. Zeller,
Wiederbelebung. — n. Kienböck, o. Gocht, Wirkung von Röntgenstrahlen. — p. Zur Verth,
Narkose bei künstlich verkleinertem Kreislauf. — q. Kausch, Instrument zur Lumbalpunktion. —
r. Kuhn, Sterilcatgut. — s. Kuznitzky, Bubonenbehandlung.
17) Leary, Seruminjektionen bei Blutungen. — 18) Andre, Chloroform. — 18) Barker, 20) Har-
douin, Spinalanästhesie. — 21) Henls, Tetanus. — 22) Haret, 23) Geyser, Wirkung von Röntgen-
strahlen. — 24) Wickham und Degrais, Radium gegen Hauttuberkulose. — 25) McLaren, Leber-
syphilis. — 26) Parlavecchio, Gallenblasensarkom. — 27) Gerschuni, 28) Goblet, Pankreas-
verletzungen. — 29) Fasano, 30) Magenau, Pankreatitis. — 31) Hasbrouck, Netzcyste. — 32) Ehler,
Mesenterialdermoid. — 33) Heller, Mißbildung des Penis. — 34) Kaufmann, Harnröhrenendoskop.
— 35) Olivier und Clunet, Harnröhrenepitheliom. — 36) Jooss, Prostatamassage. — 37) Frank,
Cystoskop. — 38) Eising, Prävesikaler Abszeß. — 39) Ruppauner, Cystitis emphysematosa. —
40) Brongersma, Cysten in der Harnblase. — 41) Hagner, Hämaturie. — 42) Walsh, Nieren-
tuberkulose. — 43) Kay, Fibrolipom des Beckens. — 44) Ransohoff, Thrombose von Samenstrang-
venen. — 45) Schmeel, Metastasierendes Hodenteratom. — 46) Crowe und Wynn, Vaccinebehand-
lung puerperaler Sepsis. — 47) Arnavielche, 48) Wendler, Blitzverletzungen. — 49) Scheel,
Schrapnellverletzungen. — 50) Friedrich, Reflexlichtbeleuchtung. — 51) Bryant, Knochenbohrer.
1) C. Haeberlin (Nauheim). Tumor und Diathese.
(Frankfurter Zeitschrift für Pathologie Bd. II. Hft.2 u. 3.)
In der sehr lesenswerten Arbeit weist H. zunächst auf die von
dem kürzlich verstorbenen Eugen Albrecht immer wieder betonte
Notwendigkeit hin, über die Gesetze des normalen Wachstum Klar-
heit zu gewinnen, bevor wir an die Erklärung der Geschwülste heran-
gehen. Selbst die Entdeckung eines spezifischen parasitären Erregers
würde unsere Erkenntnis von dem Wesen der Geschwülste nicht
wesentlich fördern; denn nicht der Parasit baut die Geschwulst auf,
sondern der Körper, vielleicht unter dem Einfluß eines Parasiten.
Wir kennen heute noch nicht die Momente, welche die verschiedene
Struktur der Lepraknoten und des Tuberkels bedingen, trotzdem uns
die Erreger so gut bekannt sind.
46
1354 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46.
Entwicklungsmechanische und biologische Gesichtspunkte ver-
dienen bei der Behandlung des Geschwulstproblems mehr Beachtung,
als bakteriologische.
Im folgenden werden dann sehr interessante, bisher noch zu
wenig beachtete Analogien und Ahnlichkeiten zwischen Geschwulst-
bildungen und Stoffwechselerkrankungen aufgestellt und beleuchtet.
Es können nur einige Vergleichsmomente kurz erwähnt werden.
Lipom und pathologische Fettsucht: die Fettaufspeicherung kann
nicht durch luxurierende Nahrungsaufnahme allein erklärt werden.
Die Fettzelle hat ihre spezifische Fähigkeit, Brennmaterial für den
Körperhaushalt abzugeben, verloren.
Wachstum und Alter: Mit dem Abnehmen vitaler Funktionen
im Alter geht eine Zunahme der Geschwulstbildungen und Stoff-
wechselerkrankungen einher. Die Geschwulstbildung findet statt, da
gewisse Hemmungen (v. Dungern, Werner) weggefallen sind, die
es bisher der Zelle unmöglich machten, zu geschwulstartigem Wachstum
vorzuschreiten.
Beim Diabetes fällt in leichten Fällen die glykogene Funktion
der Leberzelle, in schweren die Fähigkeit der gesamten Körperzellen,
die Dextrose zu verbrennen, aus.
Geschwulstbildung und Stoffwechselerkrankung müssen also aus
ähnlichen Vorgängen, nämlich dem Ausfall gewisser Zellfunktionen,
erklärt werden. Hierfür spricht auch ihre häufige Kombination bei
demselben Individuum und in manchen Familien. Trappe (Breslau).
2) Antico. Ricerche intorno all azione dei raggi Röntgen
sul sisterna neuro-musculare.
(Nuova Rivista clinico-terapeutica 1908. XI, 8.)
Zur Ergänzung der Arbeit Imperato’s untersucht A. den Einfluß
der Röntgenstrahlen auf die Reflexerregbarkeit und die verschiedenen
Grefühlsqualitäten. Es fand sich, daß die Röntgenbestrahlung die
Muskelreflexerregbarkeit viel weniger beeinflußt als die willkürliche
Muskulatur, was Verf. damit erklärt, daß die willkürliche Muskulatur
wesentlich von Nerven beeinflußt wird, die vor allem durch die Röntgen-
strahlen erregt werden. Von viel größerer Bedeutung sind die genannten
Strahlen für die Sensibilität, die eben auch eine nervöse Funktion ist.
Die Intensität der Wirkung richtet sich nach der Art der Applikation
der Strahlen. Den stärksten Einfluß hat die Bestrahlung des Großhirns,
die dagegen für die Muskelreflexerregbarkeit fast ohne Wirkung ist; in
zweiter Linie kommt die Bestrahlung der Haut, während die Bestrah-
lung des Rückenmarkes ohne jeden Einfluß auf die Sensibilität ist.
Bezüglich der Wirkung auf die einzelnen Gefühlsqualitäten muß er-
wähnt werden, daß vorzugsweise die taktile Sensibilität gesteigert
wird; an zweiter Stelle wird die Schmerzempfindung, dann die Muskel-
sensibilität und das Gefühl der Schwere beeinflußt, die Temperatur-
empfindung ließ keinen deutlichen Einfluß erkennen, was Verf. auf
die Schwierigkeiten der Messung zurückführt.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1355
Die Gesamtergebnisse seiner und Imperato’s Untersuchungen
faßt A. dahin zusammen, daß durch die Röntgenstrahlen eine Funk-
tionsbesserung des Nervengewebes zustande kommt, die therapeutisch
wohl verwertet werden könne. Strauss (Nürnberg).
3) @. E. Pfahler. The treatment of sarcoma by means of
the Roentgen rays.
(Therapeutic gazette 1908. Juli 15.)
Mitteilung von 29 mittels Röntgenstrahlen behandelten Sarkom-
fällen. 15 Kranke sind genesen (?).
Verf. will auch bei operativen Fällen im Anschluß an die Ope-
ration eine Röntgenbehandlung eingeleitet wissen. Die Zahl der
Röntgenbestrahlungen richtet sich nach der Eigentümlichkeit des
Falles; im Durchschnitt werden 20 Sitzungen genügen. In inoperablen
Fällen, oder wenn die Kranken einen operativen Eingriff verweigern,
gibt die Röntgenbehandlung unzweifelhaft die größten Aussichten auf
Genesung: 25—50% (!. Macht die Genesung unter der Röntgen-
behandlung nur sehr langsame Fortschritte, so kann man zur Unter-
stützung noch Injektionen mit Coley’s Toxinen machen. Vorbedingung
für ein günstiges Resultat ist eine gute Technik. (Nach den in Deutsch-
land gemachten Erfahrungen können wir den Optimismus des Verf.s
keineswegs teilen. a Paul Wagner (Leipzig).
4) N. Paton and D. Lindsay. On the action of chloroform
administered by different channels.
(Brit. med. journ. 1908. Juli 25.)
Die Verff. versuchten die Frage der Spätgiftwirkung des Chloro-
forms im Tierexperiment zu lösen durch ausgedehnte Stoffwechsel-
versuche. Schwere Giftwirkung zeigte sich besonders nach Einver-
leibung vom Magen und vom Unterhautfettgewebe aus, während sie
nach Einatmung ganz gering war. Die Ursache für diesen großen
Unterschied fanden Verff. in der überaus schnellen Ausscheidung des
Chloroforms aus dem Blute nach der Einatmung gegenüber der Aus-
scheidungszeit bei Einverleibung des Chloroforms vom Magen oder vom
Unterhautfettgewebe aus. Die Dosis spielt dabei eine nur geringe
Rolle. So erklärt sich die Seltenheit der Spätgiftwirkung des Chloro-
forms bei der üblichen Narkose. Weber {Dresden).
5) E. Kraupa. Untersuchung über das synthetische Supra-
renin. :
(Med. Klinik 1908. p. 1374.)
K. träufelte das Höchster synthetische Suprarenin in den Binde-
hautsack Gesunder, spritzte es unter die Haut, um Blutleere des Unter-
hautzellgewebes zu erzielen, untersuchte das Verhalten des Mittels im
Vergleiche mit dem anderer Mittel gegenüber der Sterilisation, bei
46*
1356 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46.
längerem Offenstehen der Lösung, und prüfte endlich ihre Keimfreiheit.
Ihre Wirksamkeit wird auch durch !/,stündiges Kochen nicht ver-
mindert. Nach Btägigem ÖOffenstehenlassen wurde schwache Ver-
färbung, aber keine Abnahme der anämisierenden Kraft bemerkt.
Das Mittel ist ferner, ebenso wie die anderen erprobten Nebennieren-
erzeugnisse, keimfrei, wobei überdies ein Zusatz eines Antiseptikums
keimhemmende Wirkung entfaltet, die aber nur dann hinreicht, wenn
die Zahl der etwa in die Lösung gelangten Keime gering ist.
Somit unterscheidet sich das synthetische Suprarenin von den durch
Organauszug gewonnenen Stoffen nur durch den geringeren Preis.
Georg Schmidt (Berlin).
6) R. G. Quadrio. Contributo alla studio clinico del car-
cinome primitivo della testa del pancreas.
(Malpighi, Gaz. med. di Roma 1908. August 1.)
Aus dieser, auf dem Material der Baccelli’schen Klinik fußen-
den, die Semiologie und Diagnostik des Pankreaskarzinoms behandelnden
Studie seien folgende Punkte herausgehoben: Der Pankreaskopf ist
in ca. 80% der Fälle betroffen; die Verschiedenheit des Sitzes der
Neubildung bedingt Verschiedenheiten des klinischen Bildes. Charakte-
ristisch sind meist andauernde, seltener zeitweise neuralgiforme Schmerz-
anfälle, die am meisten tabischen Krisen ähneln und in gleicher Weise
keiner anderen Bauchgeschwulst eigen sind. Kompression des Pylorus
führt zu Stenosenerscheinungen des Magens, solche des Dünndarmes
zu unvollständigem Darmverschluß mit meist deutlichem Meteorismus,
Kompression der V. cava et portae zu Ascites, Odem der Beine, Er-
weiterung der Subkutanvenen.
Diagnostische Leitkriterien sind: schneller, ununterbrochener und
sich verschlimmernder Krankheitsverlauf; frühzeitige und auffallende
Anämie; Kachexie; Hypothermie; Dilatation der Gallenblase ohne
Lebervergrößerung (dabei infolge Choledochuskompression universeller,
meist sehr hochgradiger Ikterus, der nur fehlt, wenn der Choledochus
an der Drüse vorbei-, nicht durch sie hindurchläuft); rapide Abnahme
der Muskelkraft; Symptome fehlender Pankreaswirkung: Steatorrhöe
(während normalerweise 95% der eingeführten Nahrungsfette ausgenutzt
werden, fällt der Ausnutzungswert — namentlich bei gleichzeitiger
Gallenretention — auf 60—40%); Hyposteatolyse (der Gehalt des
Kotes an Neutralfetten sinkt unter 75%, den Normalwert, in zwei
Fällen des Verf.s auf 50—40%); quantitative Bestimmung der Aus-
nutzungswerte der Eiweißkörper und Kohlehydrate führt dagegen zu
keinem konstanten und eindeutigen Resultat; alimentäre, seltener
spontane Glykosurie (in letzterem Fall ist meist der größte Teil der
'Drüse zerstört oder das Karzinom mit Sklerose oder Cirrhose im
Restteile des Organes kombiniert); Löwi’sche Reaktion (Mydriasis
pupillae nach Einträufelung von Adrenalin in den Bindehautsack).
Alle übrigen Symptome sind wechselnd und inkonstant.
K. Henschen (Tübingen).
Zentralblatt für Chirargie. Nr. 46. 1357
7) Vautrin. Traitement de la pancréatite chronique com-
pligee d’obliteration du choledoque.
(Revue de chir. XXVIII. année. Nr. 5.)
Wohl häufig, aber durchaus nicht immer ist die chronische Pan-
kreasentzündung eine Folge der Gallensteinkrankheit. Sitzt der Stein
in der Ampulle, so ist die Stauung im pankreatischen Gange die
leicht begreifliche Ursache der gleichzeitig vorhandenen Bauchspeichel-
drüsenentzündung, besonders wenn zugleich der Dünndarm verlegt
oder verengt ist. Bei Steinbildung in den oberen Gallenwegen ent-
steht die Pankreasentzündung mehr mittelbar, indem durch die Acholie
des Darmes die Virulenz der Darmflora gesteigert wird. Sehr oft
werden aber die Ausführungsgänge beider Drüsen unabhängig von-
einander vom Darm aufsteigend infiziert mit qualitativ (Steinbildung,
Sklerose) und quantitativ verschiedenem Erfolge. Das überwiegende
Befallensein des Pankreaskopfes ist der beste Beweis für die Häufigkeit
dieser aufsteigenden Infektion. Daneben kann sie aber auch auf dem
Blutwege, z. B. bei Typhus, akuten Exanthemen, Parotitis, Pyämie,
Östeomyelitis oder nach vorausgegangenen Verletzungen der Drüse,
sowie durch Fortleitung von der näheren und weiteren Umgebung
(Ulcus ventriculi und duodeni, subhepatische und peripankreatische
Exsudate und Lymphdrüsenschwellungen) vermittelt werden.
Die chirurgische Behandlung wird je nach der Ursache und dem
Stadium (entzündliche Schwellung oder Schrumpfung) verschieden sein.
Der gleichzeitig erforderliche Eingriff am Gallensystem beeinflußt die
Pankreasentzündung um so günstiger, wenn er mit Drainage des He-
paticus bzw. Choledochus und des Raumes unter der Leber verbunden
ist und je näher dem Pankreas er vorgenommen wird. In Fällen rein
entzündlicher Schwellung genügt oft die einfache Laparotomie. Anders,
wenn der intrapankreatische Teil des Choledochus von dem narbig ge-
schrumpften Pankreasgewebe komprimiert wird. Die Entzündung und der
Ikterus gehen dann oft nur nach Ablösung des Duodenum und Pankreas-
kopfes und Drainage des so geschaffenen Raumes zurück. Wesentlich
früher wird der Choledochus wegsam, wenn noch der ihn einzwängende
Pankreasring an der Hinterseite mit dem Thermokauter in der Ver-
laufsrichtung des Gallenganges gespalten wird; er ist etwa 3—4 mm
dick und bei vorgeschrittener Sklerose sehr gefäßarm. Unter Um-
ständen muß sogar zur Hepatiko- bzw. Choledochoenterostomie ge-
griffen werden. Gutzeit (Neidenburg‘.
8) Desjardins. Technique de la pancreatectomie.
(Revue de chir. XXVII. annee. Nr. 6.)
Zu einer gänzlichen Ausrottung der Bauchspeicheldrüse hält sich
D. nach dem heutigen Stande der physiologischen Bewertung des Or-
ganes nicht für berechtigt. Die öfter in Frage kommende Abtragung
des ganzen Kopfes ist, weil die auch das Duodenum ernährenden Artt.
pancreatico-duodenales dabei unterbunden werden, von Gangrän des
1358 . Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46.
Duodenum gefolgt und daher ohne Duodenektomie nicht statthaft.
Letztere ist auch wegen der Miterkrankung der retroduodenalen Lymph-
drüsen bei vielen Pankreasleiden, besonders beim Krebs, nicht zu
umgehen.
Für die gleichzeitige Exstirpation von Duodenum und Bauch-
speicheldrüse hat nun D. bis in alle Einzelheiten ein Verfahren aus-
gearbeitet, das er wiederholt an der Leiche ausführte und an der Hand
von acht erläuternden Abbildungen eingehend beschreibt. Das Bauchfell
wird 2cm vom rechten Rande des absteigenden Duodenum und ihm
parallel eingeschnitten; alsdann werden Duodenum und Pankreas
stumpf von der Unterlage (Pfortader und Hohlvene!) bis fast zur
Mittellinie abgelöst, worauf sie sich vor die Bauchwunde ziehen und
genau untersuchen lassen. Das Duodenum wird zwischen je zwei
Klemmen am Pylorus und am Anfangsteil des Jejunum, der Chole-
dochus, wenn erweitert, tief unten, sonst am Cysticus abgetragen. Das
Pankreas wird im Körper (nicht im Halse) nur wenig rechts von der
Mittellinie durchtrennt, um die von ihm und dem Duodenum abge-
lösten Vasa mesenterica sup. und die Art. colica media sicher zu
schonen. Zur Blutstillung am Pankreas genügen nach vorheriger
Unterbindung der Hauptgefäße — Artt. pancreatico-duodenalis sup. et
infer., Aste der Art. splenica und gastroepiploica dextra — Massen-
ligaturen, wenn nötig nach Anlegung einer Quetschklemme Die
Schnittfläche des Jejunum wird terminal durch Knopfanastomose mit
dem Magen verbunden; etwas unterhalb dieser Verbindung werden
pankreatischer Gang und Choledochus, wenn sie weit genug sind,
mittels Boari’scher Knöpfe dem Jejunum seitlich in gleicher Höhe
eingepflanzt.
Ist der Ausführungsgang des Pankreas zu eng, um eine Anasto-
mose zu gestatten, so durchtrennt D. 30 cm unterhalb der ersten
Schnittstelle das Jejunum nochmals. Das rechte Ende des auf diese
Weise ausgeschalteten Darmstückes verbindet er mit der Gallenblase,
das linke wird auf den Pankreasstumpf gezogen und mit seinem Rande
durch fortlaufende Naht an ihn fixiert, während das anale Ende des
zweiten Jejunumschnittes terminal mit dem Magen und seitlich mit
der Mitte des ausgeschalteten Stückes anastomosiert wird. Auf diese
Weise mischen sich Pankreassaft und Galle, bevor sie in den Darm
gelangen. Unter Umständen ist es ratsam, zunächst eine Y-förmige
Gastrojejunostomie zu machen und den Rest der einzeitig etwas lang-
währenden Operation in einer zweiten Sitzung zu erledigen.
Gutzeit (Neidenburg).
9) F. Suter. Ein Beitrag zur Histologie und Genese der
kongenitalen Divertikel der männlichen Harnröhre.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVII. Hft. 1.)
S. hatte Gelegenheit, ein kongenitales Divertikel der männlichen
Harnröhre zu operieren und mikroskopisch zu untersuchen. Er ist
auf Grund seines Befundes wie der aus der Literatur gesammelten
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1359
Fälle der Ansicht, daß die angeborenen Harnröhrendivertikel sich
durch ihren histologischen Bau in der Wand auszeichnen. Die letztere
ist mit einer epidermoidalen Innenhaut ausgekleidet und besitzt
keinerlei spongiöses Gewebe. Eine Kritik der histologischen Befunde
ergibt ferner, daß es sich bei ihnen nicht um einfache Ausstülpungen
der Harnröhrenwand handelt, sondern daß sie als mit der Harnröhre
kommunizierende epidermoidale Taschen aufzufassen sind. Was die
Atiologie und Genese dieser Divertikel anlangt, so muß wohl das ab-
norme Bestehenbleiben eines mit der Harnröhre kommunizierenden
Teiles der Genitalrinne angenommen werden. Dieser Teil wächst sich
zu einer Tasche mit epidermoidaler Auskleidung aus. Durch die An-
sammlung von Urin in ihr werden früher oder später Beschwerden
verursacht, die, wie in dem Falle des Verf.s, operative Beseitigung
verlangen. E. Siegel (Frankfurt a. M.).
10) Cholzoff (Petersburg). Die Radikalbehandlung der Harn-
röhrenverengerungen durch Resektion der verengten Stelle.
(Zeitschrift für Urologie Bd. II. Hft. 7.)
Verf. empfiehlt die chirurgische Behandlung der Harnröhren-
strikturen, »da die Palliativbehandlung die Kranken zu sogenannten
ewigen Pat. macht«. Er selbst hat elf Fälle operativ behandelt; bei
fünf von diesen handelte es sich um traumatische Strikturen, bei sechs
um solche gonorrhoischen Ursprungs. Bei zwei Kranken mußte die
Operation 2mal ausgeführt werden. — C., der früher nach Resektion
der Striktur die Zirkulärnaht über einem eingeschobenen Dauerkatheter
ausführte, stellt jetzt durch Anlegung einer zentralen Harnröhrenfistel
mit Dauerkatheter die Zirkulärnaht ruhig und erzielt so glatte
Primärheilung. Von der Resektionsstelle aus wird eine Sonde in den
zentralen Harnröhrenabschnitt geführt und auf dem Sondenknopf die
Urethrotomia externa zur Einlegung des Katheters vorgenommen. Bei
Resektion der Pars membranacea wird der Katheter über den Damm
in die Blase gelegt. Von elf Operierten wurden acht primär geheilt.
Nach der Operation bleibt der Dauerkatheter bis zu 2 Wochen liegen,
dann beginnt vorsichtigste Bougiebehandlung. Unvorsichtiges starkes
Bougieren verdirbt den Operationserfolg. Zwei Rezidivoperationen
brachten vollen Erfolg. Die bisher beobachteten Dauerresultate
sind gut. Das Verfahren ist kontraindiziert bei alten dekrepiden
Leuten, bei mehrfachen Strikturen und eitriger Urethritis.
Kroemer (Berlin).
11) Alexander. Contribution to the surgery of the prostate.
(Annals of surgery 1908. August.)
Verf. bespricht die Behandlung der nach Prostataexstirpation
zurückgebliebenen Harnröhren-Mastdarmfistel und der Harnblasen-
inkontinenz. Die Methode der Operation der Harnröhren-Mastdarm-
fistel weicht von der bei uns üblichen nicht wesentlich ab. Bezüglich
der zurückgebliebenen Harnblaseninkontinenz unterscheidet Verf. vier
1360 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46.
Grade: 1) andauerndes Harnträufeln, 2) häufiger Urindrang, 3) zeit-
weiliges Harnträufeln, 4) Harnträufeln nur im Stehen. Das Leiden ist
bedingt durch eine Verletzung der Fasern des M. sphincter; es tritt
besonders dann ein, wenn das Dach der Urethra prostatica verletzt
ist. A.’s Behandlungsmethode dieser Inkontinenz ist eine palliative,
sie besteht in Folgendem. Die Blase wird mittels Katheter mit warmer
Salzlösung so weit angefüllt, daß Pat. es eben noch ertragen kann,
und dann die Öffnung des Katheters mit dem Finger verschlossen.
Nach einigen Minuten wird der Katheter entfernt. Es wird Pat. jetzt
angehalten, das Wasser noch weiter in der Blase zu lassen, was erst
nach an den folgenden Tagen in derselben Weise vorgenommenen Spü-
lungen in geringem Grade gelingt. Es wird zunächst in liegender Stel-
lung, später im Stehen geübt, immer wird Pat. suggestiv dabei zu
beeinflussen versucht. Hat er eine gewisse willkürliche Kontrolle er-
langt, so muß er den Strahl beim Urinieren recht häufig unterbrechen.
Die Behandlung ist mithin eine Übungstherapie.
Herhold (Brandenburg).
12) P. Kusnetzky (St. Petersburg). Über experimentelle Poly-
| urie.
(Zeitschrift für Urologie Bd. II. Hft. 6.)
K. bringt in vorliegendem Aufsatze die Ergebnisse seiner an
18 Fällen angestellten Nachuntersuchungen der von Albarran in-
augurierten Funktionsprüfung der Nieren. Letzterer stellte bekanntlich
fest, daB die Ausscheidungskurven für kranke Nieren bei veränderter
Wasserzufuhr oder bei künstlichem Diabetes viel geringere Schwan-
kungen aufweisen als die gesunder Organe, d. h. nur die gesunde
Niere besitzt eine breite Akkommodationsfähigkeit bei Steigerung der
Aufgaben, während die kranke eine deutliche Trägheit (Torpor renalis)
aufweist. K. führte in beide Harnleiter Katheter ein und kontrollierte
gleichzeitig durch einen Blasenkatheter die neben den Harnleiter-
kathetern abfließenden Urinmengen. Bei Männern mißlang die kor-
rekte Versuchsanordnung stets. Nur bei elf Frauen war das Vorbei-
fließen des Harns zu vermeiden. In diesen elf von 18 Fällen gab
die experimentelle Polyurie zehnmal richtige Werte im Sinne des
Albarran’schen Gesetzes. Einmal zeigte die kranke Niere (Ren mo-
bile) die größere Schwankung. Die schwierige und für die Praxis
unbrauchbare Methode lieferte also weniger gute oder doch nicht
bessere Resultate als die gleichzeitig für dieselben Fälle angestellte
Phloridzinprobe. K. empfiehlt daher die experimentelle Polyurie nur
für die schwierigen Fälle, in welchen die anderen einfachen Methoden
im Stiche lassen. Kroemer Berlin).
Zentralblatt für Chirurgie. _ Nr. 46. 1361
13) A. Seelig (Königsberg i. Pr... Bemerkungen über die Be-
einflussung der Phloridzinglykosurie durch subktane Indig-
karmininjektionen.
(Zeitschrift für Urologie Bd. II. Hft. 7.)
S., der ebenso wie Kapsammer beobachtet hatte, daß zuweilen
bei Kombination von Phloridzin- mit Indigkarmininjektionen die Zucker-
ausscheidung ausblieb, während Phloridzin allein bei demselben Pat.
sofort Zuckerausscheidung hervorrief, suchte die hemmenden Ursachen
im Tierexperiment festzustellen. Die bei Kaninchen vorgenommenen
zahlreichen Experimente ergaben die gleichen, vom Menschen her be-
kannten, wechselnden Resultate, bei gleicher Versuchsanordnung bald
blauen Urin ohne Zuckergehalt, bald blauen zuckerhaltigen Urin, ohne
daß die Untersuchung der Nieren eine Aufklärung geben konnte.
Nahrung, Urinreaktion, Stärke der Diurese spielten keine Rolle. Im
Reagensglase konnte eine direkte gegenseitige Beeinflussung beider
Medikamente bzw. des Farbstoffes und des Zuckers nicht nachgewiesen
werden. — Bei der Kombination beider Versuche empfiehlt es sich,
das Phloridzin früher als das Indigkarmin zu injizieren, wenn man
seiner Wirkung sicher sein will. S. glaubt, daß Phloridzin an der
gleichen Stelle im Nierenapparat zur Wirkung gelangt als das Indig-
karmin — nämlich in den gewundenen Kanälchen.
Kroemer (Berlin).
14) E. Martini (Turin). Experimenteller Beitrag zum Studium
der Chirurgie des Hodens.
(Zeitschrift für Urologie Bd. II. Hft. 4—8.)
M. stellte sich zunächst zur Aufgabe die Erforschung der physio-
logischen Bedingungen, unter welchen die Durchgängigkeit der Samen-
ausfuhrwege ermöglicht wird, wenn das Vas deferens oder der Neben-
hoden eine Kontinuitätstrennung erlitten haben. Die Enden des
durchschnittenen Vas deferens wurden bei Hunden wieder vereinigt,
und zwar End-zu-End. Diese Termino-Terminalanastomose übte Verf.
nach drei Methoden:
a. mittels gewöhnlicher Zirkulärnaht,
b. mittels Naht und Einlegung eines 3 cm langen Magnesium-
stützfadens,
c. mittels Naht und Einlegung eines 7 cm langen Silberstütz-
fadens, der 3cm weit von der Naht durch die Wand des Vas de-
ferens hervortrat und unter der Haut befestigt wurde.
Während das Verfahren a und b eine Obliteration nicht verhin-
dern konnte, erzielte M. durch den Silberstützfaden in der Lichtung
des Vas deferens, wenn der letztere erst am 10. Tage nach der Ope-
ration entfernt wurde, eine Restitutio ad integrum mit offenem Kanal.
In einer folgenden Versuchsreihe erstrebte M. eine Einpflanzung
des Vas deferens in den Nebenhoden (Vaso-Epididymostomie) und in
den Hoden selbst (Vaso-Didymostomie). Das gespaltene Vas deferens
40**
1362 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46.
wurde in das Parenchym des Nebenhodens versenkt und mit Albu-
ginea gedeckt (Termino-Lateralanastomose). Ebenso versuchte M. die
Einpflanzung des Vas deferens in das Rete testis nach Resektion des
Nebenhodens (Verfahren nach Bogolyubow), endlich die Adaption
des Vas deferens nach Scaduto an die Spitzen der Ausführkegel
ohne Verletzung des Rete testis. Die Kontrolluntersuchungen am
später herausgenommenen Organ erstreckten sich — neben der Fest-
stellung von Spermatozoen im Vas deferens — auf die mikroskopische
Serienuntersuchung der Einpflanzungsstelle. Verwertet wurden bei
der Beurteilung nur einwandsfreie Fälle, so z. B. von neun Fällen
versuchter Vaso-Epididymostomie nur sechs. Von letzteren zeigte nur
ein einziger eine wahre, funktionierende Anastomose. Die Einpflanzung
des Vas deferens in den Hoden verursachte stets einen Verschluß des
Ganges, verbunden mit schweren Veränderung der Samenzellen in-
folge der Verletzung trophoneurotischer Fasern. Der Versuch einer
Anastomose hat also nur Aussicht bei möglichst geringem Operations-
trauma und bei unversehrtem Hoden.
Drittens stellte M. eine Versuchsreihe an, welche nach Durch-
trennung des Vas deferens der einen Seite den Samenprodukten des
abgelösten Hodens durch Hoden und Vas deferens der anderen, ge-
sunden Seite Abfluß zu schaffen bezweckte, und zwar
a. durch Anastomose zwischen den medialen Flächen beider Hoden
(Intertestikularanastomose),
b. durch Verbindung des Mediastinum testis des abgelösten Ho-
dens mit der Basis der Lobuli auf der Seite der unversehrten Aus-
fuhrwege (Synorchidie).
Im Gegensatz zu früheren Experimentatoren konnte M. in keinem
Fall eine Durchgängigkeit der Anfrischungsstelle für die Samen-
produkte erzielen, da durch beiderseitige Wucherung des interstitiellen
Bindegewebes ein die Tubuli trennendes Septum entstand. Der an-
gepflanzte Hoden zeigte meist Stauung und Abtötung der Samen-
produkte oder entzündliche Veränderungen mit Ausgang in Atrophie.
Die Intertestikularanastomose erwies sich als weniger gewebs-
schädigend wie die Einpflanzung des vom Nebenhoden befreiten Or-
ganes mit dem eröffneten Rete testis an die Basis der Lobuli. Diese
Synorchidie schädigte das Hodengewebe beider Seiten.
Verf. rät daher für Operationen am Menschen:
1) bei Durchtrennung des Vas deferens die Termino-Terminalnaht
mit stützendem Silberfaden auszuführen,
2) bei Obliteration des Nebenhodenschwanzes das Vas deferens
an die gesunde Nebenhodenpartie anzupflanzen,
3) bei der Notwendigkeit, den ganzen Nebenhoden zu entfernen, .
auf die Vaso-Didymostomie bzw. auf die Synorchidie zu verzichten,
da Durchgängigkeit der Samenausfuhrwege nicht zu erzielen sei und
event. noch der gesunde Hoden Schaden leide.
In einer vierten Versuchsreihe studierte M. den Einfluß, den
o Aa
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1363
Schädigungen des Vas deferens, der Tunica vaginalis, der Arterien-
und Nervenversorgung auf die Hodensubstanz ausüben.
Alle Versuche wurden an ausgewachsenen Hunden ausgeführt,
die möglichst unter normalen Bedingungen in Kontakt mit Hündinnen
gehalten wurden. Wie oben erwähnt, wurden alle Fälle mit Störungen
der Rekonvaleszenz bei der Beurteilung der Resultate ausgeschaltet.
Die isolierte Unterbindung des Vas deferens führt zum Schwund
der Lichtung, zu Samenstauung und Epitheldegeneration im Hoden,
die vom Zentrum nach der Peripherie fortschreitett. Nach 6—8 Mo-
naten ist der Hoden atrophisch, und die bei der Stauung erst ver-
größerte Drüse schrumpft unter die Norm zusammen. Der Neben-
hoden macht die gleichen Veränderungen durch. Die Epithelgebilde
entarten, das interstitielle Stroma wird relativ und absolut vermehrt,
wenn die lymphatische Resorption eintritt.
Resektion des Vas deferens mit Unterbindung beider Gangenden,
Unterbindung der A. spermatica und Zerstörung der Nerven macht
raschere und weiter gehende Atrophie des Hodens als die einfache
Unterbindung des Vas deferens.
Resektion des Nebenhodens bewirkt rasche Atrophie des Hodens
bei Hyperplasie des interstitiellen Hodengewebes.
Die Unterbindung der A. spermatica und die Resektion der grö-
beren Nervenfasern (alle Nervenfasern isoliert zu zerstören, ist nicht
möglich) ist nur von einer vorübergehenden Schädigung des samen-
bereitenden Hodenparenchyms gefolgt, von der sich das Organ rasch
erholt. Das interstitielle Gewebe bleibt dauernd hyperplastisch.
Die Schädigung der Hüllen des Samenstranges hat keinen Einfluß
auf die Hodensubstanz, solange die Heilung nicht durch Eiterungs-
vorgänge kompliziert wird.
Die Inzision der Tunica vaginalis testis mit Reiben beider Blätter,
die Exzision der Tunica vaginalis parietalis, vor allem aber die Extra-
version der Vaginalhülle schädigt die Hodensubstanz, weil durch Ver-
ödung des Vaginalraumes der Hoden fixiert und bei Schrumpfung der
Kapsel gedrosselt wird. Allein die Störung ist nur vorübergehend.
Nach kurzer Zeit erholt sich das Parenchym, und die Spermatogenese
setzt wieder ein. Dauernde Atrophie tritt aber ein, wenn eine In-
fektion sich hinzugesellt.
M., der allenthalben auf die Literatur erschöpfend eingeht und
ähnliche Experimente anderer Forscher referiert, fügt seiner fleißigen
und lesenswerten Arbeit ein reiches Literaturverzeichnis bei. Die wich-
tigen Organbefunde sind durch klare Bilder mikroskopischer Präparate
illustriert. Kroemer (Berlin).
15) T. S. Cullen (Baltimore). Adenomyoma of the uterus.
Philadelphia and London, W. B. Saunders & Co., 1908.
Der bekannte Autor, dessen Gründlichkeit und reiche Erfahrung
durch seine Arbeiten über den ÜUteruskrebs aufs beste illustriert
worden sind, bringt in vorliegendem Band eine musterhafte Studie
8
1364 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46.
über die Adenomyome der weiblichen Genitalien. Seit dem Jahre
1894 hat er mehr als 90 Geschwülste untersucht, die nach ihrer Zu-
sarmmensetzung aus Adenomschläuchen vom Charakter der Uterus-
schleimhaut in inniger Mischung mit Myomgewebe als » Adenomyome«
bezeichnet werden mußten. Die letzteren verhielteu sich zur Gesamt-
zahl der beobachteten Myome wie 5,7: 100. Die klinische Diagnose
war nur bei bestimmten Symptomen zu stellen möglich gewesen.
Nach dem anatomischen Bau unterscheidet C.:
1) Intramurale Adenomyome. Dieselben bewirken nur eine zwei-
bis dreifache Vergrößerung des Uterus, dessen Form dabei erhalten
bleibt. Charakteristisch sind allseitige Verwachsungen der Geschwulst
mit den Nachbarorganen. Die intramuralen Adenomyome enthalten
reichlich cystische Räume, die mit altem Blut erfüllt sind und mit
dem Cavum uteri kommunizieren. Mit dem begleitenden adenoiden
Gewebe dringen die Adenomgebilde in das Myom vor, indem sie sich
baumförmig verzweigen.
2) Subperitoneale und intraligamentäre Adenomyome. Dieselben
zeichnen sich durch den Reichtum an Cysten aus, welch letztere enorme
Größe annehmen können.
3) Submuköse Adenomyome. Bei dieser Entwicklung bleiben die
Adenompartien engkalibrig, weil der gesteigerte intra-uterine Druck
die cystische Dilatation hindert.
Von den gewöhnlichen Korpusgeschwülsten sind die Adenomyome
der Cervix zu trennen. Die in den letzteren sich findenden Adenom-
schläuche enthalten Oervixepithel und typischen Schleiminhalt. Der
bindegewebige Anteil der Geschwulst ist dicht gefügt und hart.
Die Untersuchung von Tuben und Ovarien, die bei 45 von
den operativ gewonnenen Geschwülsten durchgeführt werden konnte,
lieferte keine wesentlichen Ergebnisse. 30mal zeigten die Organe die
von dem Myom hervorgerufenen Entzündungserscheinungen in Form
von ein- oder doppelseitigen Adhäsionsmembranen.
Unter den klinischen Symptomen erwähnt C. außer der Ver-
längerung der pathologisch verstärkten Menstruation Druckempfind-
lichkeit des Uterus während der Menses, verursacht durch die Kon-
gestion zu dem Schleimhautgewebe in der Geschwulst, ferner Schmer-
zen im Kreuz und in den Schenkeln. Wie umschriebene Myome
wirkt auch das Adenomyom als Fremdkörper, kann aber wegen seiner
diffusen Entwicklung nicht an die Schleimhaut- bzw. Serosaoberfläche
geboren werden; daher die dauernden Schmerzen. Das Alter der
betroffenen Pat. schwankte zwischen 30 und 60 Jahren. Schwanger-
schaft wird offenbar durch die Adenomyombildung nicht gehindert.
Bei der bimanuellen Untersuchung findet sich ein stark vergrößerter
und verdickter Uterus ohne isolierte höckrige Auswüchse, aber mit
zahlreichen Verwachsungen in der Peripherie. Die Schleimhaut des
Cavum uteri ist sehr dick, aber von normaler Struktur. — In einem
besonderen Kapitel bespricht O. die Differentialdiagnose der Adeno-
myome und ihre Abgrenzung von anderen Blutungsursachen (Polypen,
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1365
Venektasie, chronischer Metritis und Endometritis, umschriebenen
Kugelmyomen, bösartigen Neubildungen, Entzündungen, Abort oder
ektopischer Schwangerschaft).
Die Therapie kann wegen der Verwachsungen nur in der abdo-
minalen Geschwulstexstirpation bestehen, wobei die Eierstöcke geschont
werden sollen.
Die Prognose ist günstig, da die Neubildung histologisch gut-
artig ist.
Im Gegensatz zu den Adenomyomen des runden Mutterbandes,
die nur geringe Größe (3—4 cm Durchmesser) erreichen, am Leisten-
ring liegen und als Abkömmlinge des Müller’schen Ganges gedeutet
werden müssen, sind die Adenomyome des Uterus sekundär entstanden
durch Einfließen der Schleimhaut in die Muskelinterstitien. Der
Schleimhautursprung der adenoiden Schläuche ist bewiesen durch den
Zusammenhang mit der Schleimhaut des Uterusinnern, durch den
Gehalt der Cysten an Blut, durch die gelegentliche Einmündung der
Schläuche in das Cavum uteri, endlich durch die Fähigkeit des Ge-
webes, eine Decidua zu bilden, wie auch ein typisches Adenokarzinom
sich daraus entwickeln kann. 55 Fälle wurden in Serienschnitte zer-
legt. Adenokarzinom im Adenomyom fand sich zweimal, desgleichen
sechsmal ein vom Myom unabhängiges, begleitendes Oervixkarzinom.
Die Ausstattung des Werkes ist elegant und vornehm, die Illu-
strationen sind sehr klar und von vollendeter künstlerischer Ausführung.
Kroemer (Berlin).
Kleinere Mitteilungen.
16) 80. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Köln
im September 1908.
Abteilung für Chirurgie und kombinierte Sitzung der chirurgisehen
und internen Abteilung.
Berichterstatter: GOEBEL, Köln.
a. Sauerbruch berichtet über die von ihm gemeinsam mit Heyde, vor-
genommenen Versuche, Warmblüter künstlich zu vereinigen. Es ist
ihm gelungen, Kaninchen von demselben Wurf, von gleichem Geschlecht und von
Jugendlichem Alter so zur Vereinigung zu bringen, daß sie gewissermaßen ein
Organismus geworden sind. Die Technik dieser Versuche und die Art der ana-
tomischen Vereinigung ist von beiden bereits in Nr. 4 1908 der Münchener med.
Wochenschrift ausführlich beschrieben. S. demonstriert zwei in »Parabiosee lebende
Kaninchenpaare. Außerdem eine ganze Reihe Präparate, aus denen die Art der
Vereinigung (Kommunikation der Bauchhöhlen der Tiere) deutlich hervorgeht.
Weiter berichtet er über Versuche, daß nach doppelseitiger Nierenexstirpation,
bei dem einen Tiere die Nieren des anderen bis zu einem gewissen Grade kompen-
satorisch eintreten. Die Tiere leben länger, als die Kontrolltiere. Stets finden
sich bei beiden vereinigten Tieren subpleurale Blutungen in der Lunge und venöse
Stauungen und Schwellung der Schleimhaut des Magen-Darmkanals.
Bei Unterbindung einer Dünndarmschlinge bei dem einen Tiere, zeigte das
andere starke Temperatursteigerung, die S. auf Resorption bezieht.
Schließlich berichtet S. darüber, daß das eine von zwei künstlich vereinigten
Tieren verkümmert, während das andere sich kräftig entwickelt. Die Erklärung
1366 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46.
hierfür kann man vielleicht darin finden, daß das eine Tier dem anderen Nahrungs-
stoffe wegnimmt; eine Giftwirkung ist ihm unwahrscheinlicher.
(Selbstbericht.)
b. Fabian (Bonn): Die Bedeutung der Blutuntersuchung für die
chirurgische Diagnostik.
Ohne auf die bakteriologische Blutuntersuchung und Blutkörperchenzählung
einzugehen, weist F. zunächst kurz auf die bisherigen Beziehungen zwischen Chir-
urgie und Hämatologie hin: Mikulicz’sche und Banti’sche Krankheit, Milz-
exstirpation bei Leukämie und bei Pseudoleukaemia infantum.
Die morphologische Blutuntersuchung besitzt eine ganz besondere diagnostische
Bedeutung bei Erkrankungen des lIymphatischen und hämatopoetischen Systems,
wenn sie sich, wie gar nicht selten im Frühstadium, klinisch als isolierte Ge-
schwülste präsentieren. Hier vermag sie oft schon zeitig zwischen echter Pseudo-
leukämie, Hodgkin'scher Krankheit (malignem Granulom), Tuberkulose des
lymphatischen Systems und Lymphosarkom zu differenzieren.
Bei vier Fällen von Lymphdrüsenschwellung unklaren Ursprungs konnte auf
diese Weise dreimal die Diagnose einer echten Iymphatischen Pseudoleukämie
gestellt werden auf Grund des Befundes einer relativen Lymphocytose; zweimal
waren auch große Lymphocyten im Blute.
In einem Falle (13jähriger Knabe mit linksseitigen, isolierten Halslymphomen;
außer dem Blutbefunde keine Zeichen einer generalisierten Affektion) wurden die
Lymphome exstirpiert; sofortiger Rückgang der Blutveränderung, aber nach
6 Wochen Rezidiv und Verschlechterung des Blutbildes.
Außer bei diesen sog. Systemaffektionen ist die Blutanalyse angezeigt bei
allen auf Echinokokkus verdächtigen Fällen wegen der dabei vorhandenen Eosino-
philie. (Selbstbericht.)
c. Esser (Bonn): Blut- und Knochenmarksveränderungen bei Er-
nährungsschäden.
Vortr. berichtet erstens über experimentell bei jungen Ziegen durch Dar-
reichung von hoch- und zu lange sterilisierter Milch erzielte Knochenmarks- und
Blutveränderungen, die auffallend mit den bei der Barlow’schen Krankheit oder
Osteotabes infantum gefundenen übereinstimmen: Schwund des Zellmarkes und
Ersatz desselben durch gallertig degeneriertes Fasermark, Verschmälerung der
Knorpelwucherungszone und mangelhafte Bildung schmaler Knochenbälkchen vor-
nehmlich durch Verminderung der Apposition infolge kümmerlicher und spärlicher
Entwicklung von Osteoblasten, Blutungen in das Knochenmark, und am Blute
Zeichen der Anämie mit fast völligem Schwund der polynukleären Zellen und
Auftreten von Myeloblasten.
Ferner gelang es E., bei Ziegen durch quantitativ fehlerhafte Ernährung,
speziell durch übermäßige Eiweißzufuhr, an der endochondralen Ossifikationsgrenze
Veränderungen hervorzurufen, die den bei Rachitis beobachteten entsprechen: er-
hebliche Knorpelwucherung, mangelhafte provisorische Verkalkung, unregelmäßiges
Vordringen zellreichen, hyperämischen Markes in den Knorpel und Liegenbleiben
großblasigen Zellknorpels im Mark mit Übergang in osteoide Substanz. Hierbei
fand sich im Blut neben einer geringen Anämie eine Hyperleukocytose.
(Selbstbericht.)
d. Stich (Bonn): Über biologische Veränderungen nach Gefäß-und
Organtransplantationen.
Die histologischen Verhältnisse bei einfachen zirkulären Gefäßnähten decken
sich auch bei langer Beobachtungsdauer (über 1 Jahr) mit den von Jakobsthal
für kleinere Gefäßwunden gefundenen Veränderungen.
Vom gleichen Tier oder einem anderen Tier der gleichen Spezies überpflanzte
Arterien heilen histologisch unverändert ein, ebenso Arterien vom getöteten Tier
der gleichen Spezies. Dagegen gehen Gefäße artfremder Tiere (Katze, Kaninchen,
Mensch), auf die Hundecarotis überpflanzt, in allen ihren Schichten zugrunde und
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1367
werden durch ein Bindegewebe ersetzt, in dem sich bald elastische Fasern ent-
wickeln.
Venen des gleichen Tieres heilen leicht in resezierte Arterien ein. Infolge
starker Vermehrung der elastischen Elemente in der Intima der Vene bleibt auch
nach Jahr und Tag Aneurysmabildung aus. Media und Adventitia der Vene ver-
änderten sich nur wenig. Übrigens steht die Neubildung elastischer Elemente
lange nicht im Einklang mit dem durch den Verlust der Arterie bedingten Aus-
fall dieses Gewebes.
An exstirpierten und später an anderer Stelle im Körper mittels Gefäßnaht
reimplantierten Schilddrüsen und einer Niere konnte Vortr. tadellose histologische
Einheilung konstatieren. (Selbstbericht.)
e. Fischer (Frankfurt) und Schmieden (Berlin) haben eine Reihe von Ge-
fäßoperationen vorgenommen und die mikroskopischen Veränderungen fest-
gestellt, welche die durch freie Plastik verlagerte Vene unter den neuen Druck-
verhältnissen durchmacht, sowie wie sich die Vene verändert, wenn eine Arterie
auf eine Vene gepflanzt, der Blutstrom auf dieses Weise umgedreht ist. Es ent-
stehen Verdickungen der Wand im Sinne der Anpassung in gewissem Grade,
auch eine Verdickung der Intima. Erweiterung oder gar Aneurysmenbildung
entsteht nicht. (Selbstbericht.)
f. W. Capelle (Bonn): Über Dauerresultatenach Gefäß-und Organ-
transplantationen.
C. berichtet über die Erfolge, die an der Klinik Garr? mit der Gefäßnaht
erzielt worden sind. |
Nachdem Arterienstücke, in Kontinuitätsdefekte anderer Arterien des gleichen
Tieres implantiert, nach 40 Tagen glatt eingeheilt waren, wurden Implantations-
versuche mit Arterienmatrial vom toten Tier der gleichen Spezies und mit leben-
dem Arterienmaterial einer anderen Tierspezies — an Hunden — vorgenommen.
1/a—11/a Stunde post mortem herausgenommene und eingesetzte Arterienstücke
waren nach 4, 5 und 11 Tagen frisch und funktionsfähig. Heteroplastisches Arterien-
material wies dagegen nach 50 Tagen und früher mikroskopisch hochgradige
degenerative Veränderungen auf, war aber funktionell intakt und für den Blut-
strom durchlässig. Die Versuche, Venen als Ersatz für arterielle Defekte heran-
zuziehen, waren sehr erfolgreich. In die Carotides communes eingepflanzte Venae
jJugulares externae neigten selbst nach 409 Tagen nicht zu aneurysmatischen De-
generationen; ihre Wand hatte sich durch Dickerwerden dem arteriellen Blutdruck
angepaßt. Die Venen zeigten sich als ein vollgültiges Ersatzmaterial für Defekte
auch größerer Arterienrohre und lassen sich den experimentellen Ergebnissen zu-
folge auch für die Chirurgie am Menschen durchaus empfehlen (z. B. bei Aneurysma-
exstirpationen, Entfernung maligner Tumoren, die auf große Gefäße übergegriffen
haben usw.).
Bei den Verpflanzungen ganzer Organe mittels Gefäßnaht dienten Schilddrüse
und neuerdings Nieren als Implantationsobjekte.
Schilddrüsen: Abgesehen von dem künstlich eingesetzten Organ wurde dem
Versuchstier a priori alles andere Schilddrüsengewebe genommen. Der Hund
blieb munter und gesund; als ihm dann nach 245 Tagen das implantierte Organ
wieder entfernt wurde, trat prompt Tetanie ein und führte innerhalb von 3 Wochen
zum Tode. Die überpflanzten Drüsen erwiesen sich nach Jahr und Tag als vol]
erhaltene gesunde Organe, mikroskopisch so gut wie nicht verändert.
Nieren: Die Nierentransplantationen stehen noch im Anfange der Entwicklung.
Die Beobachtungsdauer beträgt bis jetzt 6 Tage bzw. 3 Wochen. Bei zwei positiv
ausgefallenen Versuchen blieben die Nieren lebend und funktionsfähig. Die Urin-
absonderung ging weiter und war besonders gut an einer in den Hals eingepflanzten
Niere zu beobachten. Die produzierte Flüssigkeit erwies sich chemisch als regulärer
Urin. (Der Vortrag erscheint andernorts ausführlicher). (Selbstbericht.)
Diskussion: Ernst Unger (Berlin): Aus einer großen Reihe von Trans-
plantationsversuchen zum Teil mit Gontermann, Berlin, hebe ich hervor:
1368 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46.
1) Die Einpflanzung einer entfernten Niere an der alten Stelle ist technisch
kaum ausführbar.
2) Die Einpflanzung der Niere mit ihren Gefäßen am Halse gelingt leichter,
führt am Tiere nur wegen der eintretenden Verunreinigungen der Wunde nicht
zu Dauerresultaten.
3) Die Einheilung einer entfernten Niere an die Iliacagefäße ist das zweck-
mäßigste; es gelingt, die Funktion der Niere hier zu erhalten.
4) Die Wiederholung der Versuche von Carrel und Guthrie, beide Nieren
zugleich mit Ureteren und Harnblase einzupflanzen (bei Katzen) ist uns noch nicht
eindeutig gelungen. (Selbstbericht.)
g. Ribbert (Bonn) sprach:
1: Über den günstigsten Ort für die Schilddrüsentransplantation.
Nach Untersuchungen von Carraro im Bonner pathologischen Institut ist nicht
die Milz, oder das Knochenmark, sondern die Subcutis am besten geeignet. Man
verpflanzt am besten platte Scheiben der Schilddrüse.
2: Über die Alterotransplantation der Schilddrüse. Die Verpflanzung
des Gewebes von Ratten, Meerschweinchen und Hunden auf Kaninchen versagte
stets. Einmal gelang dagegen die Übertragung menschlichen Schilddrüsengewebes
in die Hundemilz. Nach 7 Tagen war das verpflanzte Stück völlig eingeheilt.
h. 3) Uber die Regenerationsfähigkeit epithelialer Organe. Die Re-
generation der Speicheldrüse ist sehr unvollkommen. Es bildet sich nur in relativ
geringer Menge ein aus verzweigten Kanälen bestehendes, aber niemals wieder
funktionsfähig werdendes Gewebe. (Selbstbericht.)
i. v. Lichtenberg (Kronburg) (gemeinsam mit Leo Müller- Heidelberg)
spricht über das postoperative Verhalten der Lungen und des Herzens.
Retrospektive Statistiken geben nur relative Morbiditätswerte. Um absolute Werte
zu gewinnen, wurden 100 Bauchfälle der Heidelberger chirurgischen Klinik vor
und nach der Operation genau auf den Zustand der Lungen und des Herzens
untersucht. Der systolische und diastolische Blutdruck wurde mit dem Tonometer
v. Recklinghausen’s bestimmt. Nach tabellarischer Demonstration der durch
diese Untersuchungen gewonnenen Zahlen werden die wichtigsten Resultate in
folgende Schlußsätze zusammengefaßt: Postoperative Lungenkomplikationen im
absoluten Sinne kommen ungemein viel häufiger vor, als man es auf Grund der
vorhandenen retrospektiven Statistiken annehmen konnte (diese Untersuchungen
stellten in 35% die physikalischen Befunde einer pneumonischen Lungenkomplika-
tion fest), da sie in vielen Fällen vollkommen unbemerkt verlaufen können.
Kurzdauernde geringe Temperatursteigerungen nach aseptischen Operationen
werden vielfach durch solche »okkulte«e Lungenkomplikationen verursacht. Die
Lungenkomplikationen treten meistens im unmittelbaren Anschluß an die Opera-
tion auf und sind am 2., 3. und 4. Tage nach derselben physikalisch nachweisbar.
Das Anästhesierungsverfahren übt keinerlei Einfluß auf die Zahl der Lungen-
komplikationen aus. Die meisten Lungenkomplikationen sind embolischer Natur.
Herzfehler haben scheinbar ätiologisch weniger Bedeutung wie relativ gering-
gradige Veränderungen des Myokards und der Gefäße. Eine Veränderung der
Verschieblichkeit der Lungengrenzen in den ersten Tagen nach der Operation’
erlaubt bedingte Schlüsse auf das Vorhandensein einer »okkulten Lungenkomplika-
tion zu zieheu. (Selbstbericht.)
k. Der Vortrag von Prof. Wright (London) beschäftigte sich mit den Prin-
zipien und der Anwendung der Vaccinetherapie. Bekanntlich fand
W. in den phagocythosebefördernden Kräften des Serums, den Opsoninen, einen
neuen Indikator für die Widerstandskraft des Körpers gegenüber bakteriellen
Infektionskrankheiten. Durch eine ingeniös ersonnene Methode gelang es ihm
ferner, diese opsonische Kraft, von der er nachwies, daß sie der allgemeinen
antibakteriellen Widerstandskraft parallel läuft, zu messen; als Ausdruck dafür
gewann er den sog. opsonischen Index. Endlich ergab die wiederholte Kontrolle
dieses opsonischen Index mit seinen größeren oder geringeren Werten ein Bild
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1369
des entsprechenden Schwankens der Gesamtimmunität des Körpers und damit ein
unvergleichliches diagnostisches Hilfsmittel.
Die praktische Aufgabe strebte jedoch noch nach anderen Zielen; die Im-
munität des Körpers mußte unabhängig von der bakteriellen Krankheit willkürlich
gesteigert werden, um dann als Heilfaktor gegen die Krankheit wirken zu können.
Dies Ziel erreichte W. auf dem Wege der Vaccinetherapie; er gewann die Erreger
durch Züchtung, wenn möglich aus dem kranken Organismus selbst, und stellte
sich durch eine Aufschwemmung der abgetöteten Bakterien ein sog. Vaccin her.
Durch steigende subkutane Jnjektionen dieses Vaccins erreichte er dann unter
ständiger Kontrolle des opsonischen Index ein langsames Ansteigen des letzteren,
ein ebensolches der Gesamtimmunkräfte und klinisch eine Besserung wie Heilung
des Prozesses selbst. Trotzdem die bakteriellen Vaccine nun abgetötete Er-
reger enthalten, sind sie keineswegs indifferent für den kranken Organismus —
die Immunitätsreaktionen mit Fieber, die vielfach den Injektionen folgen, zeigen
das zur Genüge. So war denn ein großer Teil des W.'schen Vortrages den
genaueren Indikationen seiner Vaccinetherapie gewidmet und der Festlegung ihrer
Grenzen, damit einerseits keine übergroßen Hoffnungen bei ungeeigneten Fällen
an die Vaccinetherapie geknüpft würden, die zu Enttäuschungen führen müßten,
andererseits aber forderte er zu eingehender Nachprüfung seiner Resultate auf und
zur Anwendung der Vaccinetherapie in den geeigneten Fällen. Hier erwartet
W. dann eine volle Bestätigung der guten Resultate, die er bisher an seinem
großen Londoner Materiale durch die Vaccinetherapie erzielte.
(Selbstbericht.)
l. Kleinsorgen (Elberfeld): Fett als Heilmittelin Chirurgie, innerer
Medizin und Zahnheilkunde.
Autor führt aus, daß die Rolle, die das Fett als chemischer Körper spiele,
sehr indifferenter und neutraler Natur sei, und daß daher bei der bisher in der
Medizin vorherrschend gewesenen chemisch medikamentösen Richtung nicht zu
verwerten gewesen wäre, daß man einem Körper von so hervorragenden physika-
lischen Eigenschaften die genügende Beachtung gezollt. In einer Zeitepoche je-
doch, wie der jetzigen, wo die physikalisch-diätetische Heilmethode, wo die Hyper-
ämie als Heilmittel den ihnen gebührenden Platz in der offiziellen Heilkunde
eingenommen hätten, sei es an der Zeit, auch ein Heilmittel par excellence, wie es
der Fettstoff in seinen verschiedenen Formen darstelle, zu würdigen uud ihm statt
seiner sekundären Rolle, die es bisher hauptsächlich als Vehikel für Salben, Pasten,
Linimente usw. gespielt, eine primäre zuzuweisen. Es werden dann nach einer
einleitend naturphilosophischen Betrachtung des Fettes die physikalischen Eigen-
schaften und Wirkungen desselben, wie sie uns in der Natur vor Augen treten,
kurz berührt und aus diesen Erscheinungen heraus die Direktiven für ein thera-
peutisches Handeln entwickelt.
Es wird des Fettes als schützenden, einhüllenden und einbettenden Stoffes
gedacht, ferner seiner Weichheit, Zartheit, Nachgiebigkeit und seines aseptischen
Charakters und insofern als eines idealen Schutzstoffes für gereiztes und offen-
liegenden Gewebes und als eines geeigneten Schutzmittels bei der Händedesinfektion.
Als einer weiteren und wohl der wichtigsten Eigenschaft wird die Hyperämie
und heilende Stauungswärme befördernde gedacht, die in der mannigfachsten
Weise variiert werden kann, wie Fetteinreibungen und Massage, Auflegen von
kleineren oder größeren fettdurchtränkten Stoffen in jeder Stärke und vor allem
durch entsprechendes Temperieren des Fettstoffes. Die heilende Zellaktivität kann
so bis zu jeder gewünschten Grenze gesteigert und der Gebrauch von sog. reizenden
Salben überflüssig gemacht werden. In dieser Form stelle die Fett- oder Oltherapie
eine willkommene ungefährliche, in der täglichen Praxis zu verwertende Ergänzung
der Bier’schen Heilmethoden dar.
Weiterhin wird des Fettes als konservierenden Stoffes für die Haut, Haare,
Nägel und besonders noch für die Zähne gedacht, seine lösende Eigenschaft für
harten Darminhalt, für Steinbildungen usw. wird hervorgehoben, seine Bewertung
als aktiven Wärmebildners in der Ernährungsfrage, seine schmerzstillenden ın'
1370 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46.
beruhigenden Eigenschaften nicht nur infolge der hyperämisierenden Eigenschaft,
sondern auch der Charaktereigenschaften des Fettstoffes als solchen gewürdigt.
Schließlich werden noch die speziellen Indikationen für die drei Disziplinen
der Chirurgie, innere Medizin und Zahnheilkunde besprochen.
Neben den schon bekannten Anwendungsformen, wie z. B. bei Magen- und
Darmgeschwüren, bei Gallensteinen usw., wird einer häufigeren mehr kausalen
Anwendung der reinen ungemischten Fettstoffe in der Wundbehandlung und vor
allem einem ausgiebigeren Gebrauch zur Erzeugung von Hyperämie und heilender
Stauungswärme speziell für die Hauspraxis das Wort geredet.
Als neue Anwendungsformen werden in Vorschlag gebracht und zur Prüfung
anempfohlen: Benutzung von Ol-Ganz- und Teilbädern bei Verbrennungen, rheu-
matischen Leiden, Entzündungen aller Art usw., ferner Inhalation von Oldämpfen
(reines Vaselinöl) bei Krankheitsprozessen der Atmungsorgane, dann Öleinläufe bei
Katarrhen und Geschwüren der Blase, der Genitalsphäre, zur leichteren Lösung
und Entfernungen von Blasensteinen, weiterhin event. Verwendung von Ölsprays
in der Wundbehandlung, schließlich Fetteinreibung als aseptischer Handschutz für
den Operateur. (Selbstbericht.)
m. O. Zeller (Berlin): Zur Frage der Wiederbelebung.
Redner hat, angeregt durch die Erfolge Kuliabko's bei der Wiederbelebung
auch menschlicher Herzen, frisch getötete Tiere (d. h. Tiere, deren Reflexe er-
loschen waren, deren Atmung und Herzschlag zum Stillstand gekommen war)
durch Speisung der Kranzarterien mit sauerstoffhaltiger Nährflüssigkeit wieder
zu beleben versucht. Von komplizierten Methoden, den physiologischen Versuch
am ausgeschnittenen Herzen in situ nachzuahmen, ist er zu der einfachen zentri-
petalen intraarteriellen Infusion von einer Carotis oder Brachialis her unter ge-
nügendem Sauerstoffdruck übergegangen, einem Verfahren, das den Vorteil der
gleichzeitigen Durchströmung des Herzens und der nervösen Zentralorgane hat,
aber den Nachteil, das Durchströmungsgebiet auch auf unwichtige Teile auszu-
dehnen und so die Menge der erforderlichen Durchströmungsflüssigkeit stark zu
steigern. Man kann dem durch Abschnüren der oberen Extremitäten und Kom-
pression der Bauchaorta teilweise abhelfen.
Auch stellte sich die Notwendigkeit heraus, auf Transfusion gleichartigen
Blutes — für den Menschen kommt nur Menschenblut oder das höherer Menschen-
affen in Frage — zurückzugreifen, und zwar unter Vermeidung der mit derselben
bisher verbundenen Gefahren. Der Gefahr der Überdehnung des rechten Herzens
und der Rückstauung des venösen Blutes nach den nervösen Zentralorganen be-
gegnet die zentripetale arterielle Transfusion, den Bedenken gegen die Anwendung
defibrinierten Blutes die Benutzung ganzen Blutes, das durch, den physiologischen
Antithrombinen ähnlich wirkende, Antithrombine flüssig erhalten ist. Verwendet
ist bisher das Blut peptonisierter Blutspender — die intravenöse Injektion von
Pepton hemmt die Gerinnung, die Beifügung von Pepton zum ausströmenden
Blut aber nicht — und mit Hirudin, das als wahres Antithrombin das Fibrin-
ferment unschädlich macht, gemischtes Blut. Die Peptoninjektion wirkt in ziem-
lich hohem Grade giftig auf die Herztätigkeit, das Blut peptonisierter Tiere aber
ist für andere ungiftig. Hirudininjektion zeigt keine schädlichen Wirkungen auf
Herz- und Nierentätigkeit. —
Die Herztätigkeit wurde in den Versuchen durch den Gad’schen Blutdruck-
und Pulsschreiber genau kontrolliert, der auch die Atemschwankungen erkennen
läßt. —
Wiederbelebung nach Entblutung.
Nach unbedingt und ausnahmslos tödlichen Blutungen, also von mehr als ?/3
der Blutmenge (Schramm, Maydl), gelang mehrmals die Erhaltung des Hundes
durch intravenöse Transfusion von Peptonblut.
Wurde nach weitmöglichster Entblutung das Gefäßsystem noch durch Koch-
salzinfusionen ausgespült, bis der Herzschlag völlig erloschen war, so gelang durch
zentripetale arterielle Transfusion die Wiederbelebung meist prompt, außer wenn
durch zu profuse Kochsalzinfusionen nach Stillstand (es Herzens das rechte Herz
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1371
überdehnt war, oder wenn die Vita minima bei winzigen Pulserhebungen zu lange
gewährt hatte.
Für die dauernde Erhaltung der Tiere hatte Peptonblut die günstigsten
Ergebnisse.
Bei reichlicher Verwendung von defibriniertem Blute traten zuweilen Blutungen
in die Luftwege, den Darm und die Bauchhöhle auf. — Letzteres besonders auch,
wenn das Gefäßsystem überfüllt ward und dann Thoraxkompressionen gemacht
waren. —
Wiederbelebung durch Chloroform vergifteter Hunde.
Vergiftung durch Einblasung sehr dichter Chloroformdämpfe oder durch intra-
venöse Injektion von Chloroform, da reichliche Chloroformierung mit gewöhnlicher
Maske meist zu Atemstillstand führt, während das Herz noch sehr lange weiter
schlägt. —
Intravenöse Infusion von O-haltiger Salzlösung brachte nur geringe Herzaktion
wieder. —
Zentripetale arterielle Durchströmung mit O-haltiger Locke’scher Flüssigkeit
machte Wiederkehr des Herzschlages und der Atmung, aber nur für kurze Zeit.
Zentripetale arterielle Transfusion von Hirudinblut blieb nahezu wirkungslos,
wenn nach Aufhören der Atmung das Herz noch sehr lange geschlagen hatte,
das Tier also schließlich erstickt war, wirkte dagegen, wenn Versuchsfebler ver-
mieden waren, meist prompt und sicher bei plötzlichem Herzstillstand, also dem
bisher gefürchtetsten Zufalle.. — Durch Kontrollversuche wurde festgestellt, daß
unter gleichen Verhältnissen die üblichen Wiederbelebungsmethoden erfolglos
blieben. —
Die demonstrierten Pulskurven zeigen die Wiederkehr normalen Pulses und
Blutdruckes. Manche der Tiere standen nach Beendigung des Versuches auf. —
Viele Tiere sind infolge ungünstiger äußerer Verhältnisse noch nachträglich
eingegangen. —
Bei Chloroformtod des Menschen würde das Verfahren wohl zu spät kommen,
könnte aber versucht werden, nachdem während der Vorbereitungen die üblichen
Mittel angewandt sind. — Vielleicht ist aber ein Erfolg zu erhoffen z. B. bei Tod
während der Naht von Herzwunden oder bei der Trendelenburg'schen Ex-
traktion von Emboli aus der Lungenarterie. (Selbstbericht.)
n. Kienböck (Wien): Erstattet das Referat über den heutigen Stand der
Röntgentherapie. Er hebt unter anderem den wachstumshemmenden und zerstö-
renden Einfluß der Röntgenstrahlen hervor, der sich bei sehr radiosensiblen Sarkomen
durch die ganze Dicke des Körpers erstreckt, bei den weniger empfindlichen
Karzinomen nur bis zur Tiefe weniger Zentimeter; doch dürfte die Dessauer-
Holzknecht’sche Homogenbestrahlung eine bessere Tiefenwirkung hervorbringen.
Bei etwa 2000 mit den Sabourand-Noire&’schen Radiometer applizierten Voll-
dosen hat K. nach der ersten Bestrahlung nie Dermatitis auftreten gesehen;
dagegen einige Male, wenn nach 14 Tagen abermals eine Volldose gegeben wurde;
es handelte sich auch hier nur um Radiodermatitis 2., nie 3. Grades. K. hält
dieses Dosimeter für das Beste; er verwendet sein »Quantimeter« nur zur Er-
gänzung, nie allein. Das neue von Strauss konstruierte Radiometer ist seinem
Apparat nachgebildet, doch wahrscheinlich unverläßlich. Daß es Fälle von Idio-
synkrasie für Röntgenlicht gebe, ist an konkreten Fällen noch immer nicht erwiesen
worden. (Selbstbericht.)
o. H. Gocht (Halle a. S): Die Schädigungen, welche durch die
Röntgenstrahlen hervorgerufen werden, die Vermeidung und Be-
handlung, schließlich die forensische Bedeutung derselben.
Schlüsse:
1) Nur unter Verantwortung des Arztes darf die Röntgenuntersuchung und
Röntgentherapie in Anwendung kommen.
2) Der Arzt, welcher mit Röntgenstrahlen arbeitet, muß die dem heutigen
Stande dieser Spezialwissenschaft entsprechenden prophylaktischen Maßnahmen
1372 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46.
kennen, er muß die Dosierungsfrage genau studieren und stets die unumgänglich
notwendige Vorsicht nach allen Richtungen hin anwenden. .
3; Der Arzt soll seine Pat. darüber aufklären, daß trotz aller Vorsicht Uber-
dosierungen vorkommen, zumal wenn eine gewisse Reaktion 1. oder 2. Grades
absichtlich hervorgerufen und unterhalten werden muß.
4) Da es gelegentlich dem Arzt als gravierend ausgelegt worden ist, wenn er
während der Behandlung das Röntgenzimmer verläßt, so muß ausdrücklich kon-
statiert werden, daß hieraus besonderes Verschulden nicht hergeleitet werden
darf. Unsere heutigen Apparate und Röhren arbeiten bei den kurzen Expositions-
zeiten, die wir im allgemeinen auch für die Röntgentherapie brauchen, genügend
gleichmäßig.
5) Bei Anklagen, vermeintliche oder wirkliche Röntgenschädigungen betreffend,
ist es dringend zu befürworten, daß zur Begutachtung Arzte herangezogen werden,
die selbst anerkannte Röntgenfachleute sind. Jedenfalls müssen die betreffenden
Gutachter mit der Wirkungsweise der Röntgenstrahlen und mit den biologischen
Eigenschaften derselben aufs genaueste möglichst aus eigener Erfahrung vertraut sein.
6) Und zum Schlusse soll noch besonders betont werden, daß bei dem heutigen
Stande der Röntgentechnik Röntgenschädigungen bei Pat. zu den Seltenheiten
gehören und immer mehr gehören werden. Die Hauptleidtragenden, die zum
großen Teil dauernd und schwer durch Röntgenstrahlen Geschädigten sind nicht
die Pat., sondern die um den Ausbau der Röntgenkunde hochverdienten Ingenieure
und Arzte. (Selbstbericht.)
Diskussion.
Luxembourg (Köln): Vorstellung eines Falles von Berufsrönt-
genkarzinom.
Schwester B., seit Juni 1898 im Kölner Bürgerhospital als Röntgenschwester
mit der Röntgenaufnahme und Plattenentwickelung beschäftigt.
Die karzinomatöse Degeneration der an beiden Händen trotz Salben- und
sonstiger Behandlung auftretenden Geschwüre (pathologisch-anatomische Diagnose:
Plattenepithelkarzinom mit starker Verhornung) machte im Laufe der Jahre 1%7
und 1908 die Amputation des linken Vorderarmes an der Grenze des oberen und
mittleren Drittels und die Exartikulation des rechten Daumens im Metakarpopha-
langealgelenk erforderlich.
Der Fall ist als relativ gutartig zu bezeichnen, da vor, während und nach
der Behandlung regionäre Lymphdrüsenmetastasen palpatorisch nicht nachzu-
weisen waren.
Was die Therapie der Röntgenkarzinome der Extremitäten anbelangt, so bin
ich auf Grund der bei diesem Falle gemachten Beobachtungen, zumal im Hinblick
auf die mehrfach notwendig gewordenen Nachoperationen, der Ansicht: es ist
möglichst frühzeitig und vor allem ausgiebig im Gesunden, speziell im Bereiche
gesunder Haut, zu amputieren bzw. zu exartikulieren. (Selbstbericht).
p. Zur Verth (Berlin): Über die Narkose bei künstlich verkleiner-
: tem Kreislauf.
Die Beobachtung, daß ausgeblutete Menschen leicht zu narkotisieren sind,
veranlaßte Klapp, die Menge des frei im Körper kreisenden Blutes durch Ab-
schnürung der Extremitäten einzuschränken. Ziegner’s durch Klapp’s Mit-
teilungen veranlaßte Experimente ergaben, daß Kaninchen, denen die beiden
hinteren Extremitäten abgeschnürt sind, schneller in Narkose fallen und besonders
schneller erwachen als gleichschwere Kontrolltiere. Redner sah beim Menschen
keine Schädigung von Abschnürungen der Extremitäten und erzielte durch die
Abschnürung beider Beine die Möglichkeit, jeden Menschen mit Athertropfnarkose
einzuschläfern. Auffällig war besonders schnelles Erwachen nach Lösung der
Umschnürungen, das gleichzeitig mit dem Aufhören der Narkose erfolgte. Redner
erwartet besonders bei Narkosezufällen eine starke Anregung des Atemzentrums
durch das in Überschuß kohlensäurehaltige Blut, das aus den Extremitäten nach
schneller Lösung der Umschnürung dem Kreislauf zugeführt wird.
(Selbstbericht.)
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1373
Diskussıe n: Anschütz (Kiel) hat sich in etwa 50 Fällen der Abschnürung
der unteren Extremitäten, in einigen wenigen Fällen auch der der oberen Extremi-
täten bedient und leidlich gute Erfolge gesehen; jedenfalls hat er weniger vom
Narkotikum gebraucht als sonst. Er fürchtet indessen die Gefahr der Nachblutung
und möchte deshalb das Verfahren bei intestinalen Operationen nicht anwenden;
für Schädel- und Halsoperationen eignet es sich am meisten.
Ritter (Greifswald) gebraucht die Kopfstauung zur Verhinderung des Er-
brechens nach der Athernarkose und bittet um Nachprüfung des anspruchslosen
Verfahrens, das ihm gute Dienste leistet.
In seinem Schlußwort betont zur Verth, das es sich bei Klapp’s und
seinem Vorgehen um alles andere als um eine Stauung handele; die Extremität
wird zur Einschränkung der im Körper kreisenden Blutmenge abgeschnürt und
so eine Art Reservevorrat an Blut geschaffen. Nachblutungen hat zur Verth nie
gesehen. Goebel (Köln).
q. W. Kausch (Berlin-Schöneberg): Ein Instrument zur lumbalen
Punktion, Injektion und Druckmessung und ein Verfahren der
letzteren.
K. demonstriert ein von ihm konstruiertes Instrument, das zur Lumbalpunktion,
Injektion und Druckmessung dient. An der gebräuchlichen Lumbalpunktionsnadel
befinden sich zwei seitlich abgebogene Ausflußröhren, jede mit einem Hahne ver-
sehen. Die eine hat eine enge Mündung, aus ihr tropft beim Einstich der Liquor,
und es wird so erkannt, daß die Nadel richtig innerhalb der Rückenmarkshüllen
liegt. Durch diese Röhre kann auch Liquor angesaugt und Flüssigkeit eingespritzt
werden. Die andere Röhre besitzt eine weitere Mündung, auf die die Rekord-
spritze paßt. Sie dient zur Injektion und zur Druckmessung.
Zu letzterem Zwecke wird an die Mündung ein Gummischlauch von beliebiger
Länge, für gewöhnlich 20 bis 40 cm, bei sehr hohem zu erwartendem Druck ein
längerer angesetzt. Am anderen Ende des Gummischlauches befindet sich ein
Glasrohr von 20 cm Länge, das in der Mitte eine zirkuläre Marke besitzt. Die
Weite des Glasrohres ist beliebig. Schlauch und Glasrohr werden bis zur Marke
mit steriler Kochsalzlösung gefüllt, das Glasrohr wird senkrecht gehalten in solcher
Höhe, daß die Marke dem zu erwartendem Druck entspricht. Wird nun der
Hahn geöffnet, so wird die Flüssigkeit im Glasrohre steigen oder fallen. Das
Glasrohr wird so bewegt, daß der Flüssigkeitsspiegel sich genau an der Marke
befindet und still steht. Alsdann entspricht die Höhendifferenz zwischen der Ein-
stichstelle des Trokars und der Marke dem zerobrospinalen Drucke. Diese Druck-
messungsmethode hat den großen Vorteil, daß dabei kein Liquor verloren geht,
wie bei allen bisher üblichen Methoden; es wird also der tatsächlich bestehende
Druck gemessen. Man ist ferner vollständig unabhängig von der Weite des Glas-
rohres und des Gummischlauches. (Selbstbericht.)
r. Kuhn (Kassel): Sterilcatgut.
Redner verbreitet sich des näheren über sein Sterilcatgut, und legt die handels-
fertigen Proben des neuen Präparates vor.
Das Wesentliche an diesem neuen Präparat ist die von dem Verf. eingerich-
tete und kontrollierte, mittels besonderer Spezialmaschinen sich voll ziehende
Fabrikation des Rohfadens nach aseptischen Grundsätzen, und zwar dies
vom Darme des frischen Schlachttieres ab bis zur Verpackung. Bei dieser
Fabrikation ist auf »händeloses« Manipulieren ähnlich wie in der Praxis des
Chirurgen der Hauptwert gelegt.
Die Vorkehrungen des Autors zwingen die Bearbeiter zur selbstverständ-
lichen Einhaltung aseptischer Regeln und Grundsätze, da diese in der Anlage des
Verf. gewissermaßen automatisch zur Verwirklichung kommen. Nur durch grobe
Nachlässigkeiten, die durch gewissenhafte Kontrolle beseitigt werden, sind Fehler
möglich.
In einer bestimmten Phase der Bearbeitung ist eine gründliche und zuver-
1374 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46.
lässige Desinfektion des Rohdarmfadens vor dem Drehen desselben eingeschaltet.
Eine Neuinfektion wird bei der Weiterbearbeitung unmöglich gemacht.
Auf diese Weise entsteht ein mit einem reizlosen Dauerantiseptikum in allen
Schichten durchsetzter, absolut in allen Schichten keimfreier Faden.
In den Handel kommt der Faden in zwei Verpackungen:
1) in der oben geschilderten Form als Sterilrohcatgut-Kuhn, zur Weiterbear-
beitung, und
2) als Sterilcatgut-Kuhn gebrauchsfertig, nachdem der Faden samt Verpackung
noch eine zuverlässige Endsterilisation erfahren hat. (Selbstbericht.)
s. Kuznitzky (Köln): Die ambulante Behandlung der Bubonen.
K. behandelt Bubonen seit 11 Jahren ausschließlich durch galvanokaustische
Punktion. Fluktuation wird nicht abgewartet, sondern der Bubo wird punktiert,
sobald Pat. Schmerzen in der Leiste empfindet. K. führt die Punktion unter
Chloräthylanästhesie mit dem Middeldorpf-Brenner für Stromstärke von ca.
50 Ampère aus, indem er an der am meisten empfindlichen Stelle mit den fast
zur Weißglut erhitzten Brennerende ca. 2—2i/, cm tief eingeht. Die Pat. fühlen
sich, selbst wenn noch kein Eiter austritt, sofort erleichtert und können ihrem
Berufe weiter nachgehen. Die Punktionsstelle wird mit impermeablem, reizlosem
Pflaster geschlossen (Zinkoxydparaplast z. B.. Darüber kommt als Verband das
sehr einfache Bubo-Gürtelsuspensorium (bei Kühne, Sierus, Neumann, Köln).
Vor dem Schlafengehen macht Pat. ca. 1 Stunde lang täglich warme Breium-
schläge über das Pflaster, bis nach einigen Tagen der Eiter reichlich fließt. Nach
durchschnittlich 2—3 Wochen versiegt die Eiterung. Das kosmetische Resultat
ist sehr zufriedenstellend, da die Narben völlig unauffällig sind. Fistelbildungen,
die etwa noch nachträglich eine Spaltung mit dem Messer erforderlich gemacht
hätten, wurden niemals beobachtet. (Selbstbericht.)
(Fortsetzung folgt.)
17) T. Leary (Boston). The use of fresh animal sera in hemorrhagic
conditions.
(Boston med. and surg. journ. 1908. Juli 16.)
In einer größeren Reihe von Fällen bekämpfte L. schwere Blutungen (Ikterus,
Hämophilie, Purpura, Uterus-, postoperative Blutungen, Typhus, Blutungen bei
Neugeborenen) durch subkutane Injektionen von Kaninchenblutserum mit sehr
gutem Erfolg. Verschiedentlich konnte er eine auffällig stimulierende Wirkung
des Serums feststellen. L. gewinnt das Serum durch Punktion des Herzens; nach
Absetzen des Blutkoagulums im Thermostaten zentrifugiert er das Serum und er-
hält es nach 2 Stunden in gebrauchsfertigem Zustande. Die Kaninchen konnte er
nach 2—3 Wochen wieder benutzen. L. erlebte bei seinen Injektionen niemals
ernstere Störungen, einigemal konnte er ähnliche Exantheme beobachten, wie sie
auch nach Injektionen von Diphtherieheilserum beschrieben worden sind. L. be-
absichtigt zu weiteren Versuchen, die er im City- und Carney-Hospital in Boston
anstellt, größere Mengen des Serums herzustellen. H. Bucholz (Boston).
18) Andre. Sur la nature du dépot constanté dans quelques flacons
de chloroforme.
(Arch. de méd. et de pharm. militaires 1908. Juli.)
In einigen mit Chloroform gefüllten Flaschen zeigte sich ein schwacher Nieder-
schlag, der aus kleinen glänzenden Plättchen und zarten Flocken bestand. Eine
genauere Untersuchung ergab, daß die Plättchen von dem Kitt herrührten, mit
dem der Stöpsel der Flasche verkittet war, während die Flocken aus buttersaurem
Kalium bestanden, das sich unter dem Einfluß des Chloroforms aus dem Glyzerin
des Kittes bildete. Die Reinheit des Chloroforms wurde durch diesen Niederschlag
nicht beeinträchtigt, und war es zur Narkose ebenso gut brauchbar wie ungetrübtes.
Herhold (Brandenburg).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1375
19) A. E. Barker. A third report on clinical experiences with spinal
analgesia: with a third. series of one hundred cases.
(Brit. med. journ. 1908. August 22.)
Seinen 200 Fällen von Lumbalanästhesie (Zentralblatt 1907, Nr. 29 und 1908,
Nr. 16) fügt B. hier ein weiteres Hundert an, so daß er nun über 300 solcher
Fälle, im gleichen Krankenhause vom gleichen Chirurgen behandelt, verfügt.
Grundsätze und Technik sind die gleichen geblieben und an oben erwähnten Orten
einzusehen. Nur hat B. die Operationsgrenze etwas mehr nach oben verschoben.
Die wenigen nicht ganz gelungenen Anästhesien gehören diesen schwierigen Fällen
an. Die bei abdominalen Fällen mit hochreichender Gefühllosigkeit zuweilen vor-
kommenden Fälle von Blässe und Ohnmachtsanwandlungen bezieht Verf. auf eine
Gehirnblutleere, die eine Folge der durch Bauchmuskelerschlaffung eintretenden
prallen Füllung der Bauchvenen ist. Kein Todesfall war auf Rechnung der Me-
thode selbst zu setzen. Dagegen erlebte Verf. unter den aufdiese 300 folgenden Fällen
zwei in sehr schlechtem Zustand Operierte, die bald nach dem Eingriff erlagen.
Das eine war ein Probebauchschnitt bei sehr weit vorgeschrittenem Magenkrebs,
das andere ein akuter Darmverschluß durch Kolonkrebs. Verf. ist geneigt, den
tödlichen Ausgang in diesen beiden Fällen zunächst und hauptsächlich auf den
schweren Krankheitszustand zu beziehen und erst in zweiter Linie auf die An-
ästhesie.
Die Technik hat sich bei jedem 100 verbessert: beim ersten mußte 14mal,
beim zweiten 6mal, beim dritten 3mal mit Chloroform nachgeholfen werden. 2mal
im letzten 100 mißlang die Punktion überhaupt: alte Männer mit unregelmäßigen
Dornfortsätzen, der eine taub und nicht imstande die gewünschte Lage einzunehmen.
Weber (Dresden).
20) Hardouin. Les cas de mort après la rachistovainisation.
(Arch. génér. de chir. 1908. II, 8.)
Verf. berichtet kurz über einen Todesfall, den er bei seiner zehnten Spinal-
analgesie mit Stovain erlebte und den er auf die Stovainverwendung zurückführt.
Bei einem 59jährigen, sonst völlig gesunden Arbeiter wurde ein seit 20 Stunden
eingeklemmter Bruch operiert. Die subarachnoideale Injektion von 0,07 g Stovain
(Billon) ergab keine Besonderheiten, 3 Minuten später kollabierte der in leichter
Beckenhochlagerung liegende Pat. während der Vorbereitung zur Operation. Atem-
not, Würgbewegungen, Unruhe und leichenblaßes Gesicht werden durch Koffein-
und Atherinjektionen nicht gemildert. Es wird rasch die Operation beendet, wäh-
rend deren Pat. pulslos wird. Nach 1/4 Stunde ist kein Herzton zu hören, nur
zeitweise erfolgt ein oberflächlicher Atmungszug. Die erst jetzt vorgenommene
künstliche Atmung ist ohne Erfolg. Nach 20 Minuten tritt der Tod ein.
Eine kritische Übersicht über 15 weitere Todesfälle bei der Rachistovainisation
führt den Verf. zum Schluß, daß Stovain gefährlicher ist als Tropakokain, und daß
die Spinalanalgesie überhaupt nicht so gefahrlos ist, als viele Autoren angeben.
Sie ist daher nur ausnahmsweise und mit besonderen Vorsichtsmaßregeln im gut
eingerichteten Hospitale zu verwenden. Eine Kontraindikation, die bisher noch
nicht aufgestellt wurde, bilden alle Fälle von Darmverschluß, da unter den 15
angeführten Todesfällen es sich 5mal um Brucheinklemmung und 1mal um Vol-
vulus gehandelt habe. Strauss (Nürnberg).
21) Henls. Un cas de tétanos traité par les ponctions lombaires et
les injections intrarachidiennes de serum antitetanique. Gu£rison.
(Arch. de méd. et de pharm. militaires 1908. August.)
Der Tetanus war bei dem betreffenden Soldaten im Anschluß an eine Kopf-
verletzung ausgebrochen. Nachdem durch eine subkutane Injektion von 100 cem
Antitetanusserum und Chloralbydrat kein Erfolg gesehen war, wurde das Serum
intralumbal eingespritzt. Hiernach ließen die Krämpfe nach, die Temperatur
sank; nach 2 Tagen wurde noch eine zweite intralumbale Injektion gemacht, und
nunmehr hörten die Krämpfe ganz auf, nach und nach trat Heilung ein.
Herhold (Brandenburg).
1376 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46.
22) G. Haret. Les rayons X font-ils naitre le cancer?
(Presse méd. 1908. Nr. 14.)
Ein an beiden Händen mit Lupus behafteter Kranker bekam an der einen
niemals mit Röntgenstrahlen behandelten Hand ein Epitheliom, wäbrend die andere
bestrahlte Seite davon frei blieb.
H. will ein auf einer bestrahlten Haut entstandenes Karzinom nicht als durch
Röntgenstrahlen verursacht bezeichnet wissen, da den letzteren eine derartige spe-
zifische Kraft nicht innewohnt; dieselben wirken ebenso, wie jeder andere andau-
ernde Reiz, von dem wir wissen, daß er eine ursächliche Rolle bei der Entwick-
lung von Krebsen bilden kann. Auf dem französischen Chirurgenkongreß 1907 hat
Beclere über einen Kranken berichtet, dessen auf einer Röntgendermatitis ent-
standenes Karzinom durch Röntgenstrahlen geheilt wurde. Fehre (Dresden).
23) Geyser. Using the X-ray without burning.
‘Journ. of the amer. med. assoc. Vol. L. Nr. 13.)
Empfehlung der »Cornelltube« zu therapeutischen Zwecken. Diese Röhre ist
aus Bleiglas angefertigt und besitzt nur ein Fenster aus Flintglas, das auf die zu
bestrahlende Hautpartie aufgesetzt wird (oberste Stelle der Skizze. Nur hier
können Röntgenstrahlen austreten. W. v. Brunn (Rostock).
24) Wickham et Degrais. Action thérapeutique du radium dans_ la
tuberculose cutanée.
(Presse méd. 1908. Nr. 16.)
Die Radiumbehandlung der verschiedenen Hauttuberkuloseformen, die einzeln
besprochen werden, gab gute und schnelle Resultate mit glatten Narben. Kräftige
Tiefen- und Breitenwirkung und langdauernde sorgfältige Überwachung der Pat.
sind unumgänglich notwendig, da sich leicht Rückfälle einstellen. Die Behandlung
selbst dauert/meist nur 2—3 Tage. Vergleiche zwischen den bisherigen Behand-
lungsarten und der Radiumbehandlung halten Verff. für verfrüht. Beide haben ihre
Vorteile und Nachteile; aber das Radium wird sich zweifellos seinen Platz be-
haupten. Die Versuche der Verff. mit Einspritzungen von radioaktiven Lösungen
haben ermutigende Erfolge gehabt. Die Erscheinungen gingen zurück oder
schwanden ganz, ohne zu rezidivieren. Eine Kombination der Injektionen mit
Bestrahlung kann vielleicht in manchen Fällen angebracht sein.
Fehre (Dresden).
25 McLaren. Note on syphilis of the liver.
(Annals of surgery 1908. August.)
An der Leber kommen drei typische Erscheinungen tertiärer Lues vor:
1) milchartige, weiße, kleine Flecke von unregelmäßiger Gestalt; 2: einzelne Gummi-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1377
knoten; 3) mehrfache Gummiknoten. Wenn auch die Behandlung zunächst eine
interne mit Jodkali sein muß, so werden doch sehr große Knoten, die sich schwer
resorbieren, dem Messer anheimfallen können.
MecL. beschreibt drei Fälle, in welchen die Knoten mit dem Thermokauter
aus dem Lebergewebe herausgeschnitten und die Leberwundflächen durch Catgut
vereinigt wurden. Alle drei Fälle verliefen günstig. Aus der Literatur sind elf
derartige Operationen bekannt geworden mit zwei Todesfällen — 12,5%.
| Herhold (Brandenburg).
26) G. Ferlavecchio. Über einen Fall von primärem Sarkom einer
empyematösen Gallenblase.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVII. Hft. 2.)
Die Zahl der Fälle von primärem Sarkom der Gallenblase beträgt nur sechs,
einschließlich eines vom Verf. selbst beobachteten und ausführlich beschriebenen
Falles. Die Kranken gehörten alle dem höheren Lebensalter an. Die richtige
Diagnose ist nie vor dem Eingriff gestellt worden. Vermutungsweise läßt sich
vielleicht ein Sarkom annehmen, wenn sich die Geschwulst unbestimmt und
schmerzlos entfaltet, eine ansehnliche Größe erreicht und das Allgemeinbefinden
stark beeinflußt. E. Siegel (Frankfurt a. M.).
27) B. E. Gerschuni. Über die subkutanen isolierten Verletzungen
des Pankreas.
(Russ. Archiv für Chirurgie 1908. [Russisch.))
Zu 19 bekannten Fällen fügt G. den 20., von J. J. Grekow operierten.
Eine 43jährige Frau bekam abends einen Stoß mit einem Holzscheit gegen den
Leib. Am anderen Morgen Erbrechen; nachmittags bei 64 Pulsen intensive Schmerz-
haftigkeit der Oberbauchgegend, deren Muskeln bretthart gespannt waren, besonders
rechts vom Nabel. Das aufgetriebene Epigastrium durch eine tiefe Furche ober-
halb des Nabels vom übrigen Bauche getrennt. Keine Spuren der Gewalteinwirkung
auf der Haut. Wegen zunehmender Schmerzen wurde (24 Stunden nach der Ver-
letzung) operiert; es fanden sich ausgedehnte Blutungen im Netz und Mesokolon,
auf dem Colon transversum und der großen Kurvatur des Magens, in der Radix
mesenterii und dem Mesoileum. Blutungen an der Leberpforte. Netz, Bauchfell
und Darmserosa waren übersät mit kleinen und größeren weißlichgrauen Plaques.
Daraufhin wurde das Pankreas aufgesucht und ein querer, schwarz erscheinender
Riß in der Nähe seines Kopfes gefunden. In der Umgebung stand dunkelbraune
Flüssigkeit, nach deren Entfernung aus der Tiefe helles Blut quoll. Tamponade,
Die Wunde eiterte mäßig, die Plaques vermehrten sich. Am 7. Tag erschien zum
ersten Male Zucker im Hara. Am 9. Tage starb Pat. unter den Zeichen stetig
zunehmender Schwäche,
Bei der Sektion fand man massenhafte Herde der Fettgewebsnekrose; auch
im retro- und präperitonealen Fett längs dem Bauchschnitt. Zwischen Magen und
hinterer Bauchwand lag ein mit der Wundhöhle nicht zusammenhängender Abszeß
von Apfelgröße, in seinem dicken, grünlich-gelben Eiter schwammen Klümpchen
nekrotischen, verseiften Fettes bis zu Erbsengröße. In der Substanz des Pankreas
waren die stecknadelkopfgroßen Herde im Schwanzteile besonders zahlreich. Zirka
3cm vom Kopf entfernt ein 7 mm tiefer Querriß mit schmutzig-graugelblichen
Rändern. In der Nähe des Risses war die Substanz der Drüse grau.
G. bespricht die Schwierigkeiten der Diagnose bzw. deren Unmöglichkeit und
macht besonders auf den beschriebenen Kontraktionszustand des Epigastrium auf-
merksam, der möglicherweise in Zukunft einen wertvollen Fingerzeig abgeben
könnte. V. E. Mertens (Kiel).
28) J. Gobiet. Über Schußverletzungen des Pankreas.
(Wiener klin. Wochenschrift 1907. Nr. 4.)
18 bisher veröffentlichten Fällen reiht Verf. einen neuen an, der 18 Stunden
nach der Verletzung zur Operation kam. Außer der stark gequetschten Schuß-
1378 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46.
wunde in der Mitte des Pankreaskörpers fanden sich Ein- und Ausschuß am linken
Leberlappen und ein Loch im kleinen Netz. Alle Wunden wurden tamponiert,
außerdem die Bursa omentalis und der Raum zwischen Magen und Leber. Ver-
lauf verhältnismäßig glatt, leichte Pneumonie, etwas Ikterus, nach 9 Tagen Ent-
leerung massenhaften Pankreassekretes mit Fettnekrosen. Nach 5 Wochen völlige
Heilung.
Von den bekannten 19 Fällen sind 6 nicht operierte tödlich geendet, von den
13 operierten 7 geheilt. Die Erforschung der Todesursache zeigt, daß 1) die kom-
plizierenden Verletzungen anderer wichtiger Organe, 2) der Austritt von Pankreas-
sekret die Verletzung so gefährlich machen. Daher ist die erste Bedingung mög-
lichst rasche Laparotomie, wo Verdacht auf penetrierende Bauchverletzung be-
steht. Da die Pankreasschußwunden auffallend wenig bluten, muß man sorgfältig
suchen. Die Naht am Pankreas ist schwierig, außerdem genügt die Tamponade
fast immer. Naht ohne Tamponade ist unzureichend. — Literatur.
Benner (Breslau).
29) Fasano. Contributo clinico alla conoscenza delle pancreatite
suppurante.
Policlinico, sez. chir. 1908. XV, 8.)
Ein 13jähriges Mädchen klagte seit 1 Monate über zeitweise heftige Schmer-
zen in der Magengegend, die von Druckgefühl, Ubelkeit, Erbrechen und heftigem
Stuhlgang gefolgt waren. Der Stuhlgang bedingte nicht immer nachfolgende
Entleerungen, dagegen stellten sich im anfallsfreien Intervall häufige Diarrhöen
ein. Schließlich kam es im Anschluß an einen Anfall zur völligen Stuhlverhaltung.
In der Klinik mußte ein akuter Okklusionsileus angenommen werden. Objektiv
konnten Darmsteifungen, die von rechts nach links verliefen, und eine kuglige
Geschwulst in der Oberbauchgegend, die den Eindruck einer Flüssigkeitscyste
machte, nachgewiesen werden. Es wurde eine retroperitoneal gelegene Cyste als
Ursache des Ileus angenommen. Die erst nach 3 Tagen vorgenommene Opera-
tion ergab beginnende Peritonitis und eine große Geschwulst unter dem gespann-
ten Lig. gastro-colicum. Bei der Inzision der Geschwulst entleerten sich 4 Liter
jauchiger mit nekrotischen Fetzen vermischter Flüssigkeit. 4 Tage nach der Ope-
ration ging Pat. zugrunde. Die Obduktion ergab als Ausgangspunkt der schein-
baren Geschwulst das nekrotische Pankreas.
Eine ausführliche Darstellung der Atiologie, Genese, Symptomatologie und
Diagnose der akuten Pankreaseiterungen ergänzt die beachtenswerte Kasuistik, die
den Verf. mahnt, auch nur beim geringsten Verdacht auf Pankreaseiterung mög-
lichst rasch chirurgisch vorzugehen. Im berichteten Falle war die Verzögerung
des Eingriffs durch die anfangs versagte Binwilligung der Eltern zur Operation
bedingt. Strauss (Nürnberg).
30) Magenau. Ein Fall von akuter hämorrhagischer Pankreatitis bei
Cholelithiasis.
(Med. Korrespondenzblatt d. württemb. ärztl. Landesvereins 1908. August 15.)
Es handelte sich um einen fettleibigen Mann, der nach dem Mittagessen akut
unter den Erscheinungen einer Perforation eines Ulcus ventriculi oder duodeni
erkrankte. Die 7 Stunden nach Beginn der Erkrankung ausgeführte Laparotomie
ergab: Gallenblase mit Steinen gefüllt; in der Oberbauchgegend ein stark hämor-
rhagisches, seröses Exsudat; Pankreas dunkelrot verfärbt und vergrößert, derb;
Fettgewebsnekrose in der Umgebung. Ausgedehnte Tamponade und Drainage;
3 Tage später Tod. K
Nach dem Sektionsbefunde war folgende Aiologie der Erkrankung wahrschein-
lich: Oberhalb der Papille fanden sich vier kleine Gallensteine, welche den nach
dem Mittagessen sehr reichlichen Sekretstrom der Bauchspeicheldrüse in die viel-
leicht vorher schon durch ein altes Gallensteinleiden chronisch geschädigte Drüse
zurückstauten und so die totale Nekrose des Pankreas, die bei der Sektion ge-
funden wurde, verursachten. Mohr (Bielefeld).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1379
31) Hasbrouck. Enormous endotheliomatous cyst of the great omentum.
(Annals of surgery 1908. August.)
Bei einer Ö0jährigen Frau, die an Unterleibsschwellung litt, hatte man die
Diagnose auf Ovarialkystom gestellt, während die Laparotomie ergab, daß es sich
um eine Gekröscyste handelte. Dieselbe ging zwischen Magen und Colon trans-
versum vom Netz aus; sie war nicht gestielt und wog, mit Flüssigkeit gefüllt,
40 Pfund. Bei der Operation wurde eine gewisse Menge Flüssigkeit vor der Ex-
stirpation durch Punktion abgelassen. Im Innern der aufgeschnittenen Cyste lag
ein großes Blutgerinnsel; das Gewebe bestand vorwiegend aus Epithelzellen, die
sich säulenförmig um die Gefäße gruppierten, von welchen sie auszugehen schienen;
das zwischen den Zellen liegende fibröse Gewebe war sehr blutreich. Die mikro-
skopische Diagnose lautete auf Epithelioma. Pat. wurde geheilt. Bei 19 aus der
Literatur gesammelten Fällen betrug die Mortalität der operierten Netzcysten 6%.
Verf. weist auf die Schwierigkeit hin, vor der Laparotomie eine sichere Diagnose
zu stellen. Herhold (Brandenburg).
32) F. Ehler. Multiples Dermoid des Mesenterium.
(Casopis l&kafü ceskych 1908. p. 177.)
Die 22jährige Frau bekam vor 2 Jahren einen Fußtritt gegen den Bauch.
Eine Woche später tastete sie an der verletzten Stelle eine Beule, die an Größe
stetig zunahm. In der linken Bauchhälfte fand sich eine ovale, vom Poupart-
schen Bande bis zum Rippenbogen, von der Linea alba bis in die Lendengegend
reichende, glatte, elastische fluktuierende, nicht druckschmerzhafte, gegen die Unter-
lage und bei Respiration mäßig bewegliche Geschwulst. Die Diagnose wurde auf
retroperitoneale Cyste genitalen Ursprunges gestellt. Bei der Operation fand man
im Mesenterium des Colon descendens eine mannskopfgroße Cyste, an deren oberem
Pol in der Nierengegend drei weitere, kleinere, kleeblattartig zusammenhängende
Cysten vorhanden waren. Sie wurden sämtlich exstirpiert. Die Wand hatte einen
schleimhautartigen Charakter: geschichtetes Pflasterepithel, spärliche Submucosa
mit längs- und querverlaufenden Bindegewebsbündeln und zahlreichen, dünnwan-
digen Gefäßen. Den Inhalt der Cysten bildete eine schmierige, gekochtem Reis-
brei ähnelnde Masse. — Heilung.
Der Autor glaubt, daß es sich um retroperitoneale Gebilde handle, die zwischen
die Mesenterialblätter hineingewachsen sind, und daß das Trauma den Anstoß
zum Wachstum der embryonal angelegten Keime gegeben habe.
6. Mühlstein (Prag).
33) Heller (Charlottenburg). Zwei seltene Mißbildungen des Penis.
(Zeitschrift für Urologie Bd. II. Hft. 7.)
H. beschreibt zunächst einen normalen 22jährigen Mann mit Diphallus par-
tialis. Der 6cm lange Schaft des Penis erwies sich bis zur Eichel als ganz nor-
mal. Solange das Präputium die Glans bedeckte, war die Anomalie nicht merklich.
Wurde mit einiger Mühe die Vorhaut zurückgestreift, so präsentierten sich zwei
ziemlich gleichmäßig entwickelte Eicheln, von denen jede ein blind endigendes
Orificium externum zeigte. Die eigentliche Harnröhre endete unter dem rechten
Orificium externum hypospadisch. Störungen bestanden nicht, auch keine sonstigen
Anomalien.
H. unterscheidet neben dem partiellen Diphallus noch einen totalen. Dabei
können beide Glieder nebeneinander völlig getrennt oder mit der Wurzel konver-
gierend, oder übereinander angelegt sein. Jedenfalls hat der Diphallus nichts zu
tun mit der sogenannten Verdoppelung der Harnröhre. H. beschreibt eine ein-
schlägige Beobachtung. In einem normal gebildeten Penis fand sich unter der
Harnröhre eine Fistelöffnung in der Haut, von welcher aus ein dünner Gang 15 cm
lang zu sondieren war. Bei sexueller Erregung des Trägers entleerte sich daraus
klebrige Flüssigkeit. H. erklärte diese Bildung als den verlagerten Ausführungs-
gang einer dritten Cowper’schen Drüse. Mikrosköpische Belege stehen noch aus.
Kroemer (Berlin).
1380 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46.
34) R. Kaufmann (Frankfurt). Eine verbesserte Lupenvorrichtung zur
endoskopischen Untersuchung der Harnröhre.
(Zeitschrift für Urologie Bd. IL. Hft. 6.)
Die bisher zur Vergrößerung der Schleimhautbilder an den Handgriffen des
Endoskops angebrachten Lupen ermöglichen nur dem emmetropen oder hyperme-
tropen Auge des Beobachters, klare Bilder zu gewinnen. K. konstruierte daher ein
verschiebbares Lupensystem zweier Linsen, die auf dem Endoskop eine Einstellung
des Bildes für jedes Auge entsprechend seiner Refraktionsanomalie gestatten. Er
empfiehlt gleichzeitig das Einfetten der Lupe mit Glyzerin oder »Brillenglanz«, um
das Beschlagen der Linsen zu vermeiden. Kroemer (Berlin).
35) Olivier et Clunet. Epithelioma primitif de l’ur&thre d’origine
| glandulaire.
(Bull. et mem. de la soc. anat. de Paris 1907. Nr. 10.)
Ein 52jähriger Mann litt seit 2 Jahren an Harnbeschwerden; schließlich kam
es zum völligen Verschluß durch im Orifictum externum erkennbare Geschwulst-
massen und zur Fistelbildung an der unteren Fläche.
Die histologische Diagnose der exstirpierten Geschwulst lautete Karzinom, von
dem eine genaue Beschreibung gegeben wird.
Die Leistendrüsen waren nur entzündlich vergrößert.
Neugebauer (Mährisch-Ostrau).
36) K. Jooss (München). Selbstmassage der Prostata.
(Zeitschrift für Urologie Bd. II. Hft. 6.)
J. beschreibt einen von Stiefenhofer-München konstruierten Massage-
apparat, der aus einem 32 cm langen Mittelstück, »dem sogenannten Schaft« und
einem fingerförmigen Fortsatz, dem Massage-Ansatzstück, besteht. Während der
Schaft fixiert wird, kann der in den Mastdarm eingeführte Massagefinger durch
einen Hebelarn vom Pat. selbst in Bewegung gesetzt werden und streichende,
drückende usw. Motionen ausüben. Die Fingeransätze können je nach dem Fall
verschieden lang gemacht und ausgewechselt werden. Ob der Apparat den Finger
des Arztes ersetzen wird, scheint auch dem Verf. zweifelhaft.
Kroemer (Berlin).
37) R. W. Frank (Berlin). Ein verbessertes Cystoskop.
(Zeitschrift für Urologie Bd. Il. Hft. 6.)
F., der es sich zur Aufgabe gestellt hatte, die mit dem Gebrauche der Nitze-
Cystoskope verbundenen Schwierigkeiten zu beseitigen, bringt nunmehr eine Be-
schreibung seiner bildaufrichtenden Instrumente. Bekanntlich ist das Operieren
mit dem Nitze-Cystoskop auch für den Geübten nicht immer leicht, weil man in
dem Gesichtsfelde die Verhältnisse der Blasenwand nicht aufrecht, sondern im
Spiegelbilde sieht, d. h. horizontale Gegenstände vertikal und umgekehrt. F. ist
es nun gelungen, durch Einsetzen eines bildaufrichtenden Prismenapparates in den
Cystoskoptrichter die Bildversohiebung zu korrigieren. Man sieht in seinem In-
strument die Gegenstände so, wie sie in Wirklichkeit liegen. Durch Verbesserung
der Linsen und Erweiterung des Gesichtswinkels ist gleichzeitig für möglichste
Klarheit der Bilder gesorgt. Auch die Kontaktzange ist in sinnreicher Weise ab-
geändert, so daß der störende Kurzschluß vermieden wird. Endlich bringt F. eine
elegante Verpackung des gesamten Apparates in einer Metallhülse, die zum Trans-
port wie zur Formalindesinfektion in gleicher Weise geeignet ist. Das ganze
gleicht einem Fernrohr. Wer, wie der Ref., in der Lage gewesen ist, das neue
Orthocystoskop zu prüfen, wird zugeben, daß nicht leicht etwas Vollkommeneres
auf diesem Gebiete geleistet werden kann. Instrumente, Zubehörteile und Ver-
packung werden von der Firma Georg Härtel, Berlin, Karlstr. 19 geliefert.
Kroemer (Berlin).
Demenz BE E
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1381
38) Eising. Prevesical abscess.
(Annals of surgery 1908. August.)
Der prävesikale Raum, das Cavum Retzii, wird vorn vom Os pubis und der
Fascia transversalis, hinten von der aus dem Becken aufsteigenden und die vordere
und seitliche Blasenwand bedeckenden Fascie begrenzt. Der Raum reicht gewöhn-
lich bis zur Plica Douglasi, in seltenen Fällen bis zum Nabel; von der Plica Dou-
glasi steigen als seitliche Säulen Bänder zur Symphyse herab. Im prävesikalen
Raume liegen Lymplıdrüsen, die ihren Zufluß teils von der Blasenschleimhaut,
teils von der hinteren Harnröhrenwand erhalten. Verf. hat aus der Literatur eine
Anzahl von Fällen gesammelt, in denen es zur Abszeßbildung im Cavum Retzii
kam; die Fälle, die ganz kurz beschrieben werden, sind in folgende Gruppen ge-
teilt: I. Infektion des Raumes von der Harnröhre und Prostata; II. Infektion in-
folge Perforation der vorderen Blasenwand; III. Infektion von benachbarter Drüsen-
entzündung; IV. Infektion von den weiblichen Genitalorganen; V. infolge Osteo-
myelitis des Schambeines; VI. ausgehend von Erkrankungen des Nahrungskanals;
VII. nach Appendicitis. Ein Fall, in dem die Abszeßbildung nach Verletzung der
Harnröhrenwand beim Katheterisieren eintrat, wurde von E. selbst mit günstigem
Ausgang operiert. Herhold (Brandenburg).
39) E. Ruppauner. Zur Frage der Cystitis emphysematosa.
(Frankfurter Zeitschrift für Pathologie Bd. Il. Hft.2 u. 3.)
Emphysem der Blasenschleimhaut, wohl zu unterscheiden von Fäulnisemphysem,
ist beim Menschen auf dem Sektionstische selten, noch seltener im Leben beob-
achtet worden.
R. beschreibt einen neuen Sektionsfall. Er nimmt eine enge Verwandtschaft
aller chronischen Schleimhautemphyseme an: Colpititis emphysematosa und Pneu-
matosis cystoides intestini der Menschen und des häufigen Intestinalemphysems der
Schweine. Für letztere hat A. Jaeger durch sehr genaue Untersuchungen den
spezifischen Erreger und das von diesem produzierte Gas nachweisen können
(Archiv f. wissensch. u. prakt. Tierheilkunde Bd. XXXII, 1906). Für den Menschen
st der Erreger bi sher noch nicht erkannt. Trappe (Breslau).
40) Brongersma (Amsterdam). Über zwei Fälle von Cysten in der
Harnblase.
(Zeitschrift für Urologie Bd. II. Hft. 6.)
Verf. beschreibt eine walnußgroße cystische Geschwulst der Blase, die 1/s cm
vor und seitlich von der linken Harnleitermündung saß, im cystoskopischen Bilde
durch ihre Transparenz als Oyste sich manifestierte und klinisch die bekannten
Fremdkörpererscheinungen gemacht hatte (Unterbrechung des Harnstrahles wäh-
rend der Miktion, Schmerzen, Cystitis). Eine Kommunikation der Cyste mit
dem Harnleiter bestand nicht. Der Inhalt war kristallklar, glyzerinartig. Die
Wand der mit Plattenepithel ausgekleideten Cyste zeigte die Schichten der
Blasenwand. B. hält seinen Fall für eine Retentionscyste einer Harnblasen-
drüse und führt noch fünf analoge Fälle aus der Literatur an. Diese Bildungen
sind viel seltener als die cystischen Erweiterangen des Harnleiterendes, die im
cystoskopischen Befund genau das gleiche Bild geben, ätiologisch aber auf ange-
borene Harnleiterstenose mit und ohne Verlagerung des Harnleitermundes, sowie
auf erworbene Stenosierung (Steine oder Blutgerinnsel im Harnleiter nach Trau-
men) zurückzuführen sind. Das Harnleiterende wölbt sich als kugelig-cystische
Geschwulst in die Blase vor, oder die Steine stülpen eine seitliche Wandpartie als
Harnleiterhernie in die Blase vor.
B. beschreibt einen durch Steine verursachten analogen Fall, der durch Ex-
stirpation der Niere und des Harnleiters geheilt wurde. Kroemer (Berlin).
41) Hagner. Symptomles hematuria.
(Annals of surgery 1908. August.)
; H. berichtet über drei Fälle von Blutharnen, bei welchen im Urin keine patho-
logischen Formelemente, abgesehen von den roten Blutkörperchen, vorhanden
1382 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46.
waren. Die cystoskopische Untersuchung ergab, daß die Blase gesund war; die
Harnleiter zeigten beim Katheterismus keine Verstopfung, in zwei Fällen entleerte
sich das Blut aus dem rechten, im dritten aus dem linken Harnleiter. Das Merk-
würdige dieser drei Fäle war, daß 24 bzw. 48 Stunden nach dem Harnleiter-
katheterismus das Bluten aufhörte und nicht wiederkam, was um so bemerkens-
werter ist, als die Blutung in einem Falle seit 35 Jahren bestand.
Herhold (Brandenburg).
42) Waleh. The kidneys in tuberculosis.
(Third annual report of the Henry Phipps institute 1906.)
Verf. hat in 101 Fällen von Lungentuberkulose die Nieren pathologisch-anato-
misch bzw. bakteriologisch untersucht und andererseits auch in 44 Fällen nicht
tuberkulöser Affektionen die mikroskopische Untersuchung der Nieren ausgeführt,
Abgesehen vom Vorhandensein von Tuberkeln in vielen Fällen der ersten
Kategorie hat er irgend etwas für Tuberkulose Spezifisches an Gewebsverände-
rungen nicht gefunden. Außer hämorrhagischer Nephritis und Glomerulonephritis
hat er alle Formen von Nephritis beobachtet. Am häufigsten fand sich in Fällen
von Lungentuberkulose (in 77%) chronische, lokalisierte, interstitielle Nephritis.
Diese Veränderung wird natürlich auch bei Nichttuberkulösen gefunden. Chro-
nische allgemeine interstitielle Nephritis dagegen scheint bei Lungentuberkulösen
so gut wie gar nicht vorzukommen. Chronische parenchymatöse Nephritis fand
sich in 34% der Fälle. Tuberkel waren in 43% der Lungentuberkulosefälle vor-
handen.
Das Gewicht der Nieren kommt im allgemeinen für die Diagnosenstellung
gar nicht in Betracht.
Durch das Tierexperiment konnten in 82,5% der Lungentuberkulosefälle im
Urin Tuberkelbazillen nachgewiesen werden (Meerschweinchen). Mikroskopisch
fanden sich Tuberkelbazillen in 75% der Fälle Bisweilen fanden sich Tuberkel-
bazillen im Urin, Tuberkel in der Niere, und doch erkrankten die mit dem Urin
infizierten Meerschweinchen nicht. Bisweilen fanden sich infektionstüchtige Tu-
berkelbazillen im Urin, und doch waren die Nieren frei von Tuberkulose. Odem
fand man in 37% der Fälle, meist bei akuter parenchymatöser Nephritis. Albumin
wurde in 51% der Fälle nachgewiesen, meist bei akuter parenchymatöser Nephritis
Zylinder und Eiterzellen waren in 25—66% der Fälle vorhanden, je nach der Sorg-
falt des Untersuchers.
Die Art der im Einzelfalle vorliegenden Nephritisform kann man nur an-
nähernd bestimmen. Die gewöhnlichsten klinischen Symptome, die bei bestehender
Lungentuberkulose auf Nierenaffektion hindeuten, sind die Befunde von hyalinen
und granulierten Zylindern im Harn. W. v. Brunn (Rostock).
43) Kay. Case of rare pelvic tumour in a child of four years.
(Glasgow med. journ. 1908. August.)
Ein 4jähriger Knabe erkrankte aus voller Gesundheit heraus mit Leibschmerzen
und Unmöglichkeit, den Urin zu entleeren. Nach Entleerung der prall gefüllten
Blase durch den Katheter fand sich eine große, harte Beckengeschwulst, die vom
Kreuzbein ausging und Mastdarm und Blase nach vorn verschoben hatte. Zu-
nächst wurde ein Sarkom angenommen, der Fall als inoperabel betrachtet und
dauernd katheterisiert. Schließlich entschloß Verf. sich zum Eingriffe. Zuerst,
nach Eröffnung der Bauchhöhle, fand er bei völlig mit Katheter entleerter Blase
ein großes, prall mit Harn gefülltes Divertikel, dessen Abfluß durch die Geschwulst
verhindert wurde. Die Geschwulst, von über Orangengröße, ließ sich nach Spal-
tung des hinteren parietalen Bauchfells leicht bloßlegen und wurde in zwei
Stücken entfernt. Sie erwies sich als ein von der Vorderfläche des Kreuzbeines
gewachsenes Fibrolipom. Die Wunden wurden ohne jede Drainage geschlossen,
und noch nach über 2 Jahren ist der Knabe völlig gesund.
Eine Geschwulst von gleicher Größe und histologischer Zusammensetzung hat
Verf. kürzlich aus der Achselhöhle eines 4 Jabre alten Knaben entfernt.
W. v. Brunn (Rostock!.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1383
44) Ransohoff. Venous thrombosis and hydrocele of the inguinal
canal.
(Annals of surgery 1908. August.)
Drei Fälle von Thrombose einer Vene des Samenstranges innerhalb des
Leistenkanales. Klinisch äußerte sich die Krankheit in einer zylindrischen An-
schwellung am oberen Ende des Samenstranges, die sich in den Leistenkanal er-
streckte; 2mal war eine leichte Entzündung des Nebenhodens eingetreten. Alle
Krankheitserscheinungen schwanden nach 2—3 Wochen völlig unter Behandlung
mit Bettruhe und Umschlägen. Als Ursache wurde einmal Überanstrengung beim
Tennis, das andere Mal langdauerndes Golfspiel, das dritte Mal endlich Druck des
Bruchbandes angegeben. Die Krankheit ist zuweilen mit Hydrokelen des Samen-
stranges kompliziert; auch beim weiblichen Geschlecht kann eine Thrombose an
einer der Venen des Lig. rotundum z. B. durch Trauma vorkommen.
Herhold (Brandenburg).
45) W. Schmeel. Über ein Hodenteratom mit makroskopisch blasen-
molenähnlichen intravaskulären Metastasen.
(Frankfurter Zeitschrift für Pathologie Bd. II. Hft 2 u. 3.)
Die Neubildung war innerhalb eines halben Jahres langsam gewachsen und
wurde unter der Diagnose »Hodentuberkulose« exstirpiert. Kurz darauf traten
Drüsenmetastasen auf, die im Verlauf eines weiteren halben Jahres zum Tode
führten.
Bei der Sektion fanden sich im Gefäßsystem (Vena cava, Valvula tricuspidalis,
A. pulmonalis) zahlreiche frei flottierende, zottige Fäden mit Sekundärzöttchen,
also chorioepitheliomartige Bildungen, die Schlagenhaufer vom Epithelüberzuge
fötaler Eihüllen oder deren Rudimenten ableitete. 5
Mikroskopisch aber fehlte der für das Chorioepitheliom charakteristische Über-
zug von Langhans’scher Schicht und Syncytium.
Die Zotten und Träubchen bestehen aus Epithelschläuchen und Cysten in
myxomatösem Grundgewebe und sind von einem Endothel überzogen, das viel-
leicht dem Endothel der Gefäßwand entstammt. Trappe (Breslau).
46) Crowe and Wynn. A case of streptococcic puerperal infection
treated with a vaccine.
(Brit. med. journ. 1908. August 8.)
Fall von puerperaler Sepsis durch Mischinfektion von Kolibazillen und Strepto-
kokken, der erfolgreich mit Koli- und Streptokokkenvaccine, von der Kranken selbst
gewonnen, behandelt wurde, nach Feststellung des opsonischen Index. Temperatur-
kurve ist beigegeben. Weber (Dresden).
47) Arnavielche. Relation d’accidents causés par la foudre dans les
alpes.
(Arch. de méd. et de pharm. militaires 1908. August.)
Acht Soldaten befanden sich teilweise auf dem Boden liegend, teils auf einer
steinernen Bank sitzend in einer Kapelle, als der Blitz in die Glocke derselben
schlug und durch eine von dieser auf den Fußboden gehende eiserne Kette in
das Innere drang. Sechs Leute hatten mehr oder weniger schwere Hautverbren-
nungen erlitten, während die Kleider bis auf ein kleines, in der Nähe der Hosen-
tasche befindliches Loch unversehrt waren. Außerdem waren bei diesen sechs
Leuten die unteren Gliedmaßen etwa 24 Stunden gelähmt; es bestand an ihnen
ein Gefühl von Ameisenkriechen und leichte Empfindungsstörungen. Bei allen
sechs Leuten wurde die Dienstfähigkeit erhalten. Herhold (Brandenburg).
48) Wendler. Über Blitzverletzungen.
(Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1908. Hft. 17.)
Am 10. Juni 1907 schlug der Blitz in eine Abteilung von etwa 40 Mann Feld-
artillerie; ein Mann wurde getötet, sechs niedergeworfen und verletzt. Bei allen
Leuten waren die Kleider zerfetzt und verbrannt; bei den sechs Verletzten, die
1384 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46.
mit dem Leben davon kamen, wurde eine meist schnell vorübergehende Bewußt-
losigkeit, motorische Lähmung oder Schwäche einzelner Gliedmaßen und Verbren-
nungen am Körper beobachtet. Die motorische Lähmung und Schwäche der
Glieder dauerte nur 24 Stunden. Herhold (Brandenburg).
49) Scheel. Uber Schrapnellverletzungen.
(Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1908. Hft. 15.)
Auf dem Artilleriedepot Wilhelmshafen explodierten am 21. September 1907
20 mit Bleiantimonkugeln gefüllte 15 cm-Stahlschrapnells. Von den 14 anwesenden
Arbeitern wurden fünf sofort getötet, drei schwer und drei leicht verwundet. Die
Getöteten wiesen ausgedehnte Verbrennungen, aufgerissene Körperhöhlen, Knochen-
zerfetzungen, Abreißen ganzer Gliedmaßen auf. Die Schwerverletzten erlitten eben-
falls ausgedehntere Verbrennungen, Weichteilzerreißungen und Knochenbrüche,
während bei den Leichtverletzten geringere Verbrennungen und Kontusionen vor-
handen waren. Von den Schwerverletzten starb einer. Die Verbrennungen wurden
durch die bei der Explosion des Schrapnells entstehenden Gase und Flammen be-
dingt. Herhold (Brandenburg).
50) P. L. Friedrich. Die elektrische Reflexlichtbeleuchtung im Dienste
des chirurgischen Unterrichts.
(Klinisches Jahrbuch Bd. XIX. 1908.)
F. beschreibt die Beleuchtungsanlage, die im Hörsaal der chirurgischen Uni-
versitätsklinik zu Marburg neu angelegt wurde. Diese neue Anlage, die nach dem
Krönig-Siedentop’schen Prinzip konstruiert ist, dient nicht nur zur Beleuch-
tung des Operationsfeldes, sondern erstrebt auch eine intensive Lichtgebung für
Operations- und Demonstrationsfeld ohne einseitigen Lichteinfall und Ausnutzung
der Belichtung für alle im Raum zuschauenden Hörer an.
Das Licht einer mit einem Strom von 30 Ampere gespeisten Scheinwerfer-
bogenlampe, die in einem Vorraum angebracht ist, fällt auf einen Metallspiegel
und wird von diesem durch eine Öffnung in der Wand auf ein System von sieben
Verteilerspiegeln geworfen, die das Licht wieder auf 7 im Raum verteilte Be-
leuchtungsspiegel weitergeben. Diese letzteren reflektieren das Licht auf das
Operations- und Demonstrationsfeld, das einen Durchmesser von 60 cm hat. Durch
eine sinnreiche Anordnung der Spiegel wird eine intensive Beleuchtung in Hori-
zontalrichtung auch für Operationen und Demonstrationen in Steinschnittlage
gesichert.
Ein Wasserkasten zwischen Scheinwerfer und Wanddurchtrittsöffnung trägt
zur Abküblung des Lichtes bei, eine Rauchglasplatte ermöglicht, wenn erwünscht,
eine Dämpfung des Lichtes.
Die Anlage hat sich sehr bewährt, Kosten waren 1478 Mark. Ein Bild und
mehrere Pläne veranschaulichen die Anlage. L. Simon (Mannheim).
32) Bryant. A new motor for bone surgery.
(Annals of surgery 1908. August.)
Der von B. empfohlene Knochenbohrer hat große Ahnlichkeit mit der Sudek-
schen Fräse. Seine Eigenschaften sind folgende: 3/9 Pferdekraft, 15000 Um-
drehungen in der Minute, Durchmesser 21/, Zoll, Länge des Griffes 91/, Zoll. Der
Motor ist äußerst leicht und kann zur Bildung von osteoplastischen Lappen sowohl
wie zum Herstellen von Trepanlöchern gebraucht werden. Hergestellt wird er
von der Internationalen Instrumentenkompagnie in Cambridge, Mass.
Herhold (Brandenburg).
Originalmitteilungen, Monograpbien undSonderdrucke wolle man
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden.
Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau.
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig.
Zentralblatt für Chirurgie
herausgegeben von
K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER,
in Bonn, in Berlin, in Breslau.
35. Jahrgang.
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG.
Nr. 47. Sonnabend, den 21. November 1908.
Inhalt.
1) Guyot, Bakteriohämoagglutinine. — 2) Rostowzew, Tetanus. — 3) Meissner, Alkohol-
esinfektion. — 4) Escomel, Aseptische Konservierung der Verbandmittel. — 5) v. Bayer, Ein-
heilung von Fremdkörpern. — 6) Faslani, 7) Frangenheim, 8) Waterhouse, Hyperämiebehand-
lung. — 9) Hartwell, Schädelverletzungen. — 10) Custodis, Verletzungen der A. meningea media.
— 11) Oppenheim, Zur Gehirnchirurgie. — 12) Kanasayi, Topographische Anatomie der Pars
mastoidea. — 13) Onodi, Das Gehirn und die Nebenhöhlen der Nase, — 14) Halle, Septumresek-
tion. — 15) Hopmann, Verkürzung und Verlagerung des Vomer. — 16) Sturmann, Kieferhöhlen-
eröffnung. — 17) Leroux, 18) Kapp, Paraffinplastik. — 19) Cheatle, Ergrauen der Haare. —
20) Gemoiu, Zur Behandlung der Gesichtslähmung. — 21) Brandt, Chirurgie für Zahnärzte —
II. E. Ruttin, Zur Chirurgie des Schläfenbeins. — II. M. Katzenstein, Einfacher Apparat zur
künstlichen Atmung bei eröffnetem Thorax. (Originalmitteilungen.)
232) Naturforscherversammlung. — a. Wrede, Ostitis fibrosa cystica am Schädel. — b. Sickinger,
Trigeminusneuralgie. — c. Witzel, Kieferprothesen. — d. Brauer, e. Friedrich, Lungenchirurgie.
f. Hoffmann und v. d. Velden, Zur Emphysenoperation. — g. Kuhn, Überdruck an der Lunge.
h. Einthoven, i. Hoffmann, Elektrokardiogramm. — 28) Heinrichsen, Hyperämiebehandlung. —
24) Herzenberg, Stauungsblutung nach Rumpfkompression. — 25) Veil, Teratom am Kopfe. —
26) Reiher, Schädelbruch. —. 87) Lop, Transplantation von Kaninchenperiost. — 28) Flaschi,
Syphilitische Schädelnekrose. — 289) Peabody, Streptokokkenmeningitis. — 80) Tilmann, Epilepsie
nach Trauma. — 81) Chalier, Trepanation gegen Gesichtsneuralgie. — 32) Young, Hydrocephalus.
— 88) Schapiro, Hirnbrüche. — 84) Andrassy und Seitz, 35) Graves, 86) Mills und Frazier,
87) v. Orzechowski, Hirngeschwülste. — 88) Stumme, Akromegalie und Hypophyse. — 39) Reclus,
Exophthalmus pulsatilis.. — 40) Dionisio, Otorrhõe. — 41) Schroeder, Sinusphlebitis.
1) Guyot. Sulla emoagglutinazione batterica (batterio-
emoagglutinazione).
(Policlinico, sez. med. 1908. XV, 7.)
Auf Grund ausgedehnter, in Tabellenform mitgeteilter Versuche
über Bakteriohämoagglutinine kommt G. zu nachstehenden Schlüssen:
Zahlreiche Stämme von Bakterium coli agglutinieren die roten
Blutkörperchen verschiedener Tierarten.
Die Erythrocyten verschiedener Individuen derselben Art werden
von den gleichen Bakterien in gleicher Weise agglutiniert.
Die Hämoagglutination beruht nicht auf Sekretions- oder Exkre-
tionsprodukten der Bakterien, sondern ist an den Bakterienleib ge-
bunden, der die agglutinierende Kraft auch nach dem Absterben der
Bakterien noch behält.
Die Reaktion des Kulturmediums hat keinen Einfluß auf die In-
tensität der Hämoagglutination, die jedoch durch Natur und Zusam-
mensetzung des Nährbodens beeinflußt wird.
Das Hämoagglutinationsvermögen ist voraussichtlich eine allgemeine
Eigenschaft aller Bakterien. Strauss (Nürnberg).
47
1386 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47.
2) Rostowzew. Das Kernig’sche Symptom bei Tetanus.
(Berliner klin. Wochenschrift 1%08. Nr. 36 u. 37.)
Verf. beobachtete das Kernig’sche Symptom — die Flexions-
kontraktur des Kniegelenkes — bei Tetanus bereits im Frühstadium
der Krankheit neben anderen Frühsymptomen. Es kann daher — wie
Verf. an seinen Beobachtungen zeigt — von großer Bedeutung in
diagnostischer Beziehung sein; doch findet sich das Symptom auch in
den Spätstadien.
Die Ausführungen über Pathogenese und Wesen dieses Symptoms
bringen R. zu dem Schluß, daß die Flexionskontraktur des Knie-
gelenkes durch folgende drei Ursachen hervorgerufen werde: Intra-
kranielle Drucksteigerung, erhöhte Reizbarkeit der Wurzeln der Rücken-
marksnerven infolge des sie umgebenden Exsudats und Verkürzung
infolge von Hypertonie der Flexionsmuskeln des Unterschenkels.
Langemak (Erfurt).
3) Meissner. Über Hautdesinfektion nur mit Alkohol.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVIII. p. 191.)
Spielt die Anwendung des Alkohols schon in der Desinfektions-
methode nach Fürbringer und Ahlfeld und mit Seifenspiritus eine
Rolle, so ist seine alleinige Anwendung zur Hautdesinfektion, nach-
dem der Vorgang Reinicke’s wenig Nachahmung gefunden hatte,
neuerdings wieder von Schumburg in Aufnahme gebracht worden.
Seine Eignung zur Hautdesinfektion verdankt der Alkohol weniger
seiner schwach antiseptischen oder fettlösenden Wirkung, als vielmehr
mechanisch-physikalischen Eigenschaften, unter denen die gerbende,
härtende Wirkung an erster Stelle steht.
Verf. hat an der v. Bruns’schen Klinik ausgedehnte bakterio-
logische Untersuchungen bei bloßer Alkoholdesinfektion des Operations-
feldes und der Tageshand angestellt, indem von ersterem vor Beginn
der Operation, nach dem Hautschnitt und am Schluß der Operation,
von letzterer vor Beginn und nach Schluß der Operation nach Ab-
nahme der Gummihandschuhe abgeimpft wurde. Näheres über die
Technik der Untersuchungen ist aus dem Original zu ersehen. Zum
Vergleiche wurden analoge Versuche mit der Ahlfeld’schen Methode
angestellt.
Im ganzen ergab sich, daß die Verwendung von hochprozentigem
Alkohol die Keimabgabefähigkeit der Haut nicht in dem Maße herab-
setzt, wie diejenigen Methoden, welche nach der Desinfektion einen
Überzug auf der Haut anbringen, aber die Wirkung ist doch eine
so starke und für die Operationsdauer zuverlässige, daß sie den prak-
tischen Bedürfnissen in vollstem Umfange genügt.
Von allen Desinfektionsmethoden, welche auf physikalisch-chemi-
scher Einwirkung beruhen, ist die Desinfektion nur mit Alkohol (96 % ig)
bakteriologisch die beste; da sie die Desinfektion mit einem Mittel in
einem Akt vereinigt, die einfachste; da keinerlei Hautreizungen auch
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1387
bei wiederholter Desinfektion entstehen, die schonendste; und da sie
nur 5 Minuten dauert, die am raschesten ausführbare.i
Die praktische Ausführung gestaltet sich derart, daß Hand oder
Operationsgebiet 5 Minuten mit in Alkohol getauchten sterilen Gaze-
bäuschen abgerieben und jede Anwendung von Wasser, Seife, Des-
infizientien usw. unterlassen wird, abgesehen davon, daß grob verun-
unreinigte Hände zuvor in gewöhnlicher Weise gewaschen und ab-
getrocknet werden.
Der gebrauchte 96 %ige Alkohol kann durch Sedimentierung und
Destillation wieder gebrauchsfähig gemacht werden; außerdem eignet
sich ebensogut der überall zu beschaffende gewöhnliche Brennspiritus,
so daß das Verfahren zugleich den Vorzug der Billigkeit besitzt.
Die alleinige Alkoholdesinfektion ist daher nicht bloß dem Klini-
ker, sondern vor allem auch dem Praktiker und Kriegschirurgen aufs
angelegentlichste zu empfehlen. Reich (Tübingen).
4) Escomel. Dispositif pour réaliser la conservation asep-
tique des objets de pansements.
(Presse méd. 1908. Nr. 22.)
E. empfiehlt (ähnlich dem Janet’schen Verfahren der Katheter-
sterilisation mit Trioxymethylen), zum Gebrauch in der Sprechstunde
die Verbandmittel in einem Glasgefäß aufzubewahren, in dessen Deckel
ein mit Formaldehyd getränkter Wattetampon befestigt ist. Bakterio-
logische Versuche ergaben die Abtötung der auf Petrischälchen aus-
gesäten Kulturen in diesen Gefäßen. Fehre (Freiberg).
5) H. v. Bayer. Fremdkörper im Organismus. 'Einheilung.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVIII. p. 1.)
Das sich mehrende Bedürfnis der Chirurgie, körperfremde Mate-
rialien zu therapeutischen Zwecken dem Organismus zu dauerndem
oder vorübergehendem Verweilen einzuverleiben, hat den Verf. ver-
anlaßt, in einer großen Versuchsreihe das Verhalten der Gewebe zu
Fremdkörpern zu studieren.
Die Arbeit, die mit zahlreichen sehr guten Abbildungen aus-
gestattet ist und viele recht interessante histologische Beobachtungen
bringt, eignet sich bei ihrer Fülle von Einzelfeststellungen nicht zu
einem kurzen Referate; vielmehr muß sich dieses auf eine kurze In-
haltsübersicht beschränken.
Ganz allgemein ist zu bemerken, daß es in bezug auf die Wir-
kung im Organismus weder chemisch noch physikalisch in strengem
Sinn indifferente Fremdkörper gibt. Die meist an Kaninchen an-
gestellten Versuche beschäftigen sich zunächst mit den Unterschieden
im Verhalten des Organismus gegen Fremdkörper, die sich aus den
physikalischen Eigenschaften (Gewicht, Größe, Dichtigkeit, Härte, Poro-
sität, Oberflächenbeschaffenheit, Bewegung usw.) ergeben.
47*
1388 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47.
Sodann werden die aus den chemischen Eigentümlichkeiten der
Fremdkörper (Elfenbein, Hartgummi, Horn, die verschiedenen Metalle)
und der Eigenart der einzelnen Körpergewebe und -Höhlen hervor-
gehenden Verschiedenheiten der Reaktion untersucht und schließlich
der Einfluß des allgemeinen Zustandes der Gewebe (Hunger usw.)
berücksichtigt. |
52 Thesen am Schluß der Arbeit erleichtern eine Orientierung.
Reich (Tübingen).
6) Fasiani. Sull’ emigrazione dei leucociti nella stasi alla
Bier.
(Giorn. della R. accad. di med. di Torino 1908. LXXI, 7 u. 8.)
Verf. konnte in experimentellen Untersuchungen über die Granu-
lationsbildung bei der Bier’schen Stauung die von einzelnen Autoren
betonte Leukocytenanhäufung nicht beobachten und stellte daher eine
Reihe weiterer Tierversuche an, um die verschiedenen Ansichten der
einzelnen Autoren, die kurz angeführt werden, zu klären. Es wurde
daher in das Kaninchenohr subkutan Catgut, aseptische und mit Aleu-
ronat imbibierte Seide eingeführt und dann das Ohr durch eine
Gummischlinge 2—3 Stunden gestaut. Es fand sich in drei Unter-
suchungsreihen keine stärkere Anhäufung von Leukocyten in dem ge-
stauten Ohr, ebenso fand keine erheblichere Gewebseinschmelzung
statt. Verf. kommt daher zum Schluß, daß die Bier’sche Stauung
keine stärkere Leukocytose bedinge, und daß der raschere und gün-
stigere Ablauf infektiös entzündliche Prozesse nicht auf die reichlichere
Leukocytose zurückzuführen sei. Dagegen sei es sicher, daß die re-
generativen Prozesse unter der Stauungsbinde viel rascher zustande
kommen. |
Die verschiedenen Angaben anderer Experimentatoren erklärt F.
aus einer verschiedenen Dosierung und Verwendung der Methode.
Strauss (Nürnberg).
7) P. Frangenheim. Die Wirkung der Bindenstauung im
Tierexperiment.
(v. Langenbeck’'s Archiv Bd. LXXX VL. Hft. 2.)
Verf. hat bei Kaninchen teils in den Unterschenkel, teils in das
Knochenmark und in das Kniegelenk Bakterien injiziert und sofort
oder nach kurzer Frist nach der Infektion die eine Seite gestaut,
während die andere nicht gestaut wurde. Bei den Gelenkeiterungen
wurde immer nur ein Gelenk infiziert und gestaut, dagegen das infi-
zierte Kontrolltier nicht gestaut. Verf. fand überall auf der gestauten
Seite vermehrte Eiterung gegenüber der nicht gestauten und konnte
durch Stauung die Entzündung nie zur Rückbildung bringen.
E. Siegel (Frankfurt a. M.).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1389
8) Waterhouse. An address on Prof. Bier’s treatment by
means of induced hyperaemia.
(Brit. med. journ. 1908. Juli 18.)
Die Arbeit ist eine Lobpreisung der Hyperämiebehandlung nach
Bier und hat ihren Wert hauptsächlich darin, daß sie englischen Ur-
sprungs ist. Denn man hat sich in England der Bier’schen Methode
gegenüber, wie Verf. am Schluß selbst betont, bisher weniger zugäng-
lich gezeigt, als sie verdient. W. wendet sie seit 12 Jahren an und
erklärt die Erfolge bei der Gelenktuberkulose für allen anderen Me-
thoden überlegen. Allerdings verbindet er mit der Stauungsbinde
stets die Jodoformeinspritzung, so daß seine Ergebnisse nicht restlos
auf die Stauung zu beziehen sind. Zu der für eine erfolgreiche Be-
handlung so notwendigen Frühdiagnose besitzen wir im Koch’schen
Tuberkulin ein Mittel, das in 99% der Fälle verläßlich ist. Unter
Hinweis auf 20 Beispiele aus einer sehr großen Zahl von Fällen rühmt
Verf. die großen Vorzüge der Methode. Neue Beobachtungen bringt
er nicht. Weber (Dresden).
e M IMMM
9) Hartwell. The question of operation for non penetrating
intracranial trauma.
(Annals of surgery 1908. Juli.)
Verf. teilt mit Bezug auf den therapeutischen Standpunkt die
nicht penetrierenden Schädelverletzungen in vier Gruppen. Gruppe I
enthält die Fälle, in denen es sich um eine Gehirnerschütterung
handelt, die sich nach und nach bessert; Gruppe II betrifft Schädel-
zertrümmerungen schwerster Art mit starker Gehirnverletzung, bei
denen der Tod sehr bald eintritt. In diesen beiden Gruppen ist von
einer Operation Abstand zu nehmen. Gruppe III betrifft die Fälle,
in denen es sich um Depressionsfrakturen oder Blutungen im Innern
des Schädels handelt; hier muß auf alle Fälle operiert werden.
Gruppe IV enthält die Grenzfälle, bei denen die Indikation schwer zu
stellen ist. Hierher gehören besonders die Fälle, in welchen allge-
meine Gehirndruckerhöhung infolge Blutüberfüllung der Gefäße und
Odem des Gehirns ohne sonstige lokale Erscheinungen vorhanden
sind. Zwei Erkrankungen dieser letzten Gruppe, in welchen die
Trepanation, auch ohne daß ein lokaler Herd gefunden wurde, zur
Beseitigung der Krankheitssymptome (Erbrechen, Kopfschmerzen, Kon-
vulsionen) führte, werden näher beschrieben. Auf die Schwierigkeit
einer exakten Diagnose bezüglich des Sitzes der Gehirnläsion wird
hingewiesen und ein Fall geschildert, wo man eine Beteiligung der
linken motorischen Region annahm, während die Autopsie einen Blut-
erguß in der rechten zeigte. Herhold (Brandenburg).
1390 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47.
10) Custodis. Die Verletzung der Arteria meningea media.
(Bibliothek von Coler-Schjerning Bd. XXVI. VIII. u. 200 S.)
Berlin, August Hirschwald, 1908.
Unter Berücksichtigung von 153 operativ behandelten Fällen der
letzten 25 Jahre wird eine übersichtliche und umfassende Darstellung
der Symptome, Diagnose, Prognose und Behandlung der Verletzungen
der Arteria meningea media gegeben. Die Erfolge sind seit der Sta-
tistik Wiesmann’s (1884) etwas besser geworden. 79,63 : 73,5% Hei-
lungen; eine schlechtere Prognose geben immer noch die mit Schädel-
grundbrüchen einhergehenden Blutungen. Gefordert wird ein aktiveres
Vorgehen, da eine moderne Trepanation bei richtiger Ausführung
nicht viel schaden kann. Bekanntlich können auch ohne Bruch der
Schädelknochen Zerreißungen der Arterie zustande kommen. Zu
empfehlen ist die osteoplastische, temporäre Resektion an den Tre-
panationsstellen Krönlein’s. Das verletzte Gefäß muß natürlich,
auch wenn es nicht mehr bluten sollte, unterbunden werden; nim
Notfalle darf man sich mit der Tamponade begnügen.
Zwei selbst beobachtete Fälle, die 1/, bzw. 17 Stunden nach der
Verletzung operiert wurden und zur Heilung kamen, werden genauer
geschildert. Glimm (Hamburg).
Il) H. Oppenheim. Zur Gehirnchirurgie.
(Berliner klin. Wochenschrift 1908. Nr. 28.)
In Form eines offenen Briefes an Fedor Krause schildert Verf.
die Schwierigkeit und die Verantwortung der vom Nervenarzt gefor-
derten Diagnose, zumal wenn bei dem schon im Stadium der Be-
nommenheit befindlichen Pat. eine genaue Untersuchung nicht an-
zustellen ist.
{s} „ Außerst wichtig ist daher, aus einer genauen und überzeugenden
Krankengeschichte des erstbehandelnden Arztes die für die Ortsbestim-
mungen notwendigen Herderscheinungen erkennen zu können, da manche
Erscheinungen nur periodisch oder anfallsweise auftreten. Einige ge-
meinsam beobachtete Fälle, die zum Teil schon veröffentlicht sind,
illustrieren kurz die oft unüberwindlichen Schwierigkeiten der Dia-
gnose. Die Erfolge in einzelnen Fällen sind nur als Ausnahmeerfolge
anzusehen; dem Wissen und Können sind noch enge Grenzen gezogen.
Die Erfolge werden aber besser werden, wenn die Pat. rechtzeitig
in klinische Beobachtung kommen, damit Art und Reihenfolge der
Entwicklung bestimmt werden kann. O. sieht in der Hirnpunktion
ein willkommenes Hilfsmittel in der speziellen Diagnostik der Hirn-
geschwülste, die bei richtiger Anwendung gute Dienste leistete und
manchen Fall der operativen Radikalbehandlung zugänglich machen
kann, der dieser sonst entgehen würde. Langemak (Erfurt).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1391
12)H. E. Kanasayi. Beitrag zur topographisch-chirurgischen
Anatomie der Pars mastoidea. Mit 40 Tafeln nach photo-
graphischen Aufnahmen der Präparate in natürlicher Größe.
Wien, A. Hölder, 1908.
Die anatomischen Untersuchungen des Verf.s sind insofern be-
merkenswert, als sie sich auf ein außerordentlich großes Material
(ca. 4000 Schädel) erstrecken. Es fragt sich nur, ob die Neuheit der
Ergebnisse ganz die aufgewendete Mühe und Arbeit lohnt. Die
Untersuchungen des Verf.s erstrecken sich auf folgende Einzelheiten:
Größe und Form des Processus mastoideus, katamastoideale und
anamastoideale Schädel, Crista supramastoidea und Torus supra-
mastoideus, Incisura mastoidea, Apex simplex und duplex, Processus
mastoideus duplex, Fissura mastoidea-squamosa, Foramen occipito-
mastoideum, Processus paramastoideus und endlich Dehiszenz des Pro-
cessus mastoideus und Os tympanicum. Des weiteren werden in
Sagittal- und Frontalschnitten die topographisch-anatomischen Ver-
hältnisse des Warzenfortsatzes zu dem Sinus und Gehirn dargestellt.
Leider lassen stellenweise gerade hier die Reproduktionen, die sonst
durchaus auf der Höhe stehen, etwas zu wünschen übrig.
Engelhardt (Kassel).
13) Onodi. Das Gehirn und die Nebenhöhlen der Nase.
Mit 63 Tafeln nach photographischen Aufnahmen.
Wien, A. Hölder, 1908.
Der unermüdliche Forscher gibt in diesem seinem neuesten Werke
die Resultate mühevoller topographisch-anatomischer Untersuchungen,
deren Ergebnisse, den explorativen Gehirnpunktionen und chirurgischen
Eingriffen bei durch Nebenhöhleneiterungen hervorgerufenen Hirn-
komplikationen zugute kommen sollen. Auf 61 Tafeln, in Sagittal-
und Frontalschnitten und in natürlicher Größe, sind die Lageverhält-
nisse der Nebenhöhlen zu den einzelnen Teilen des Gehirns dargestellt.
Die Umrisse der Stirnhöhle sind auf das Stirnhirn projiziert, so daß
man mit einem Blick die räumlichen Beziehungen zu den einzelnen
Stirnwindungen, in erster Linie dem Gyrus frontalis sup. erkennen
kann. Ebenso anschaulich ist das Verhältnis der Siebbeinzellen zur
unteren Fläche des Stirnlappens, der Keilbeinhöhle zu Tuber cinereum
und Schläfenlappen, und die verschiedenen Abweichungen vom nor-
malen Verhalten dargestellt. Besonders eingehend hat Verf. die
Entfernung der seitlichen Gehirnventrikel, der Gehirnganglien, der
Capsula interna, der Zentralwindungen und der Insel von der Stirn-
höhle, von ihrer hinteren Wand und vom Polus frontalis des Stirn-
lappens studiert und die nötigen praktischen Schlußfolgerungen daraus
gezogen. Durch Entfernung der Knochenwandung der einzelnen
Nebenhöhlen und Erhaltung der Schleimhaut bei blasenförmiger Ge-
stalt wirken einzelne Bilder besonders anschaulich. Ein genaues Stu-
dium des Atlas, der die Präparate in natürlicher Größe bei ausge-
1392 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47.
zeichneten photographischen Aufnahmen reproduziert, muß jeden, der
in die Lage kommt, rhinogene Hirnkomplikationen behandeln zu müs-
sen, dringend empfohlen werden. Engelhardt (Kassel).
14) Halle. Die submuköse Septumresektion.
(Zeitschrift für Laryngologie, Rhinologie u. ihrer Grenzgebiete Bd. IL Hft. 3.)
Verf. tritt auf Grund seines Materials von 500 Septumresektionen
für diese die physiologisch bedeutsamen Teile der Nase in idealster
Weise erhaltende Operation ein und schildert eingehend seine von
den anderen Autoren etwas abweichende Technik. Interessant sind
seine Versuche, die bisweilen beobachtete abnorme Beweglichkeit des
Septums durch freie Implantation passend zurechtgeschnittener Knor-
pel- und Knochenstückchen zwischen die Schleimhautblätter zu ver-
mindern und so eine nachträgliche Konsolidierung des neugebildeten
Septums zu begünstigen. Engelhardt (Kassel).
15) Hopmann. Verkürzung und Verlagerung des Vomer.
(Zeitschrift für Laryngologie, Rhinologie u. ihrer Grenzgebiete Bd. I. Hft. 3.)
Durch mit Hilfe einer besonderen Technik hergestellte Moulagen
der Choanen und des Epipharynx hat Verf. nachweisen können, daß
besonders bei Ozaena eine Verlagerung des Vomer vorkommen kann,
und daß das Septum verhornt, der Nasen-Rachenraum vertieft ist.
Unter Verlagerung versteht Verf. eine Anomalie, »bei der der Vomer
verkürzt und mit seinem hinteren Rand und den Alae nicht an nor-
maler Stelle, sondern vor derselben angelagert ist, so daß es nicht
zur Bildung regulärer Choanen kommt«. Diese bei Ozaena zu beob-
achtenden Septumverkürzungen sind offenkundige Ergebnisse einer
Wachtumsstörung konjunktivaler Natur, die wiederum ihren Grund
in schwächenden Krankheiten der Mutter, besonders Syphilis und
Tuberkulose, haben kann. Engelhardt (Kassel).
16) Sturmann. Die intranasale Eröffnung der Kieferhöhle.
(Berliner klin. Wochenschrift 1908. Nr. 27.)
Das Verfahren des Verf.s hält die Mitte zwischen den kleinen
und großen Operationen und gestattet, die für jede Art der Erkran-
kung passende Behandlung anzuwenden (Lokalanästhesie).
Durch die Haut des Naseneinganges senkrechter Einschnitt auf
die Apertura pyriformis. Abhebelung der Weichteile und des Periost
von der facialen Fläche des Maxillare und Abhebelung der Nasen-
schleimhaut von der nasalen Knochenwand. Nach Einführung eines
langen Nasenspiegels Einschlagen der Apertur möglichst hoch oben
und tief unten mit dem Meißel, Entfernung des Knochenstückes mit
der Knochenzange, Erweiterung der Öffnung nach Belieben durch
Fortnahme von den beiden Wänden. Nach Spülung der Höhle mit
Wasserstoffsuperoxyd Tamponade mit Jodoformgaze. Wo nötig, Aus-
schabung. Die gute Übersicht erleichtert die Nachbehandlung. Die
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1393
Beobachtungszeiten sind noch zu kurz, um ein Urteil über die End-
ergebnisse fällen zu können. Langemak (Erfurt).
————————
17T) R. Leroux. Linclusion de la paraffine à 78° en pro-
these nasale.
(Presse méd. 1908. Nr. 8.)
Zur Vermeidung der dem weichen Paraffin (Vaselin) oder dem
durch Hitze verflüssigten Hartparaffin anhaftenden Gefahren und
Mängel benutzt L. auf kaltem Weg ein Paraffin mit einem Schmelz-
punkt von 78°, und zwar injiziert er es nicht, wie andere, mittels be-
sonderer, kräftig wirkender Hebelspritzen, sondern bringt es durch
einen gewöhnlichen Kieferhöhlentrokar, dessen Mandrin als Spritzen-
stempel wirkt, an die gewünschte Stelle. Durch ein feines Skalpell
und einen schmalen biegsamen Spatel formt er sich vorher subkutan
die zur Aufnahme des Paraffins nötige Höhle. Durch diese »Inklusion«
vermeidet er auch auffällige Narben, die der Einpflanzung von Paraffin-
blöcken oder -platten nach Broeckaert oder Eckstein anhaften.
Fehre (Dresden).
18) Kapp. Gesichtsumformungen durch Paraffinprothesen.
(Fortschritte der Medizin 1908. Nr. 12.)
Verf. will die Paraffinbehandlung mehr als dies bislang geschieht,
zu kosmetischen Zwecken angewandt wissen. Von den üblichen Me-
thoden zieht er die Stein’sche vor; bei dem Gebrauche der Stein-
schen Spritze und des leicht knetbaren Paraffins kann man letzteres
in mehreren, beliebig zu wiederholenden Sitzungen injizieren, was für
die Umformung von großem Nutzen ist.
Die Gefahr der Embolie wird bei Injektion nicht flüssigen Paraf-
fins vermieden; von den im Anschluß an die Injektionen vorkommen-
den Schwellungen und Hautrötungen teleangiektatischen Charakters
sind erstere zu umgehen, wenn man stark mit Venen durchsetzte
Partien nicht injiziert und die Injektionen nicht unter zu großem
Druck macht. Bei fest auf der Unterlage sitzenden Narben, starken
Bindegewebsstörungen älterer Leute u. a. verwendet Verf. als Vorkur
Thiosinaminpflaster oder macht Fibrolysininjektionen.
Bei sensiblen Pat. ist Athylchlorid als das zweckmäßigste An-
ästhetikum im Gebrauch. Kronacher (München).
19) L. Cheatle. On the mental nerve area and its relation
to the greyness of hair.
(Brit. med. journ. 1908. Juli 4.)
Der N. mentalis ist der einzige Nerv, dessen Hautbezirk völlig
mit Haar sich bedecken kann und der andererseits an den Grenzen
sehr wenig Bezirke abgibt an benachbarte, in sein Gebiet reichende
Nerven. Er ist also gegebenenfalls sehr geeignet, um Auftreten und
Ausbreitung des Ergrauens der Haare zu studieren. Das Ergebnis
> 474%
1394 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47.
der Beobachtungen C.’s, das er durch einige treffende Abbildungen
stützt, ist, daß das Ergrauen des Bartes sich oft ganz scharf an die
Grenzen hält, die dem Hautbezirk des Nerven entsprechen. Er hält
demnach in vielen Fällen eine trophoneurotische Ursache für gegeben.
Weber (Dresden).
20) V. Gomoiu (Bukarest). Eine neue Operation zur Be-
handlung der Gesichtslähmung.
(Spitalul 1908. Nr. 15.)
In Fällen von unheilbarer Gesichtslähmung, dort, wo eine Hei-
lung mit den üblichen Mitteln nicht erzielt werden kann, ist eine
neuroplastische oder muskuloplastische Operation angezeigt. Da die
nervösen Anastomosen nicht jene günstigen Resultate ergeben haben,
die man anfangs von denselben erwartet hatte, schlägt Verf. eine
neue Muskelplastik vor, für welche ein Bündel des Kopfnickers in
Verwendung gezogen wird. Hierzu wird ein Einschnitt längs des
vorderen Randes dieses Muskels ausgeführt, das betreffende Bündel
von der übrigen Muskelmasse abgelöst und in der notwendigen Länge
abgeschnitten, dann unter Benützung derselben Hautwunde, ein Kanal
bis zum Mundwinkel präpariert, in welchen man das erwähnte Muskel-
bündel einführt und mit einigen, die Mundschleimhaut - nicht durch-
bohrenden Nähten fixiert. Wenn auf diese Weise eine vollständige
Beweglichkeit der Gesichtsmuskeln nicht zu erzielen ist, so erreicht
man doch eine erhöhte Gesichtsstatik, durch welche die Lähmung viel
weniger in Erscheinung tritt. G. hat seine Operation bis nun am
Menschen nicht ausgeführt, sondern nur an der Leiche und an Tieren,
er empfiehlt aber dieselbe zur Ausführung in einschlägigen Fällen
und ist sicher, daß gute Erfolge zu erzielen sind. E. Toff (Braila).
21) L. Brandt. Chirurgie für Zahnärzte.
Berlin, August Hirschwald, 1908.
Das soeben in erster Auflage erschienene Buch des durch seine
Gaumenprothesen auch in chirurgischen Kreisen seit langem wohl be-
kannten Verf. bildet einen Markstein in der Entwicklung der Zahn-
heilkunde insofern, als es sich die rühmliche Aufgabe stellt, dieser
Kunst den ihr gebührenden Platz einer chirurgischen Disziplin zu ge-
winnen. Es ist das Ergebnis der seit Jahren von B. eifrig verfolgten
Bestrebungen, den Zahnärzten chirurgisches Denken zu lehren; die
ersten Kapitel über die Wunde und ihre Behandlung, über Antisepsis
und Asepsis, über Infektion und Entzündung führen den lernenden
Zahnarzt in diesem Sinne in seine Disziplin ein. In den weiteren Ka-
piteln werden die eigentlichen Zahn-, Kiefer- und Mundkrankheiten
unter Beigabe guter Abbildungen nach Fällen aus der umfangreichen
klinischen Praxis des Verf. besprochen; die technischen Fragen sind
hier nicht berührt. In diesen Kapiteln gewinnt auch der praktische
Arzt, welcher nicht speziell Zahnarzt ist, eine gute Übersicht über dies
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1395
Spezialgebiet der Medizin und die häufigen Wechselbeziehungen zwi-
schen Zahnerkrankungen und lokalen und allgemeinen Leiden der
verschiedensten Art. Dem Chirurgen speziell kann das Werk gute
Dienste leisten zur Information über die Prothesen nach Operationen,
deren sich die moderne Mund-, Kiefer- und Nasenchirurgie mit immer
größerem Nutzen bedient; für den Zahnarzt sind die für ihn/wichtigen
Operationen kurz erläutert.
Der Hirschwald’sche Verlag hat dem Buch in zahlreichen in-
struktiven Abbildungen eine gute Ausstattung gegeben.
Richard Wolff (Berlin).
Kleinere Mitteilungen.
I.
Aus der k. k. Universitäts-Ohrenklinik in Wien.
Direktor: Prof. Urbantschitsch.
Zur Chirurgie des Schläfenbeins.
Von
Dr. Erich Ruttin,
Assistenten der Klinik.
n der otologischen und chirurgischen Literatur sind zahlreiche Fälle von aus-
| ee Entfernung der Felsenbeinpyramide bekannt!. Allein in fast allen
Fällen handelte es sich um Entfernung der schon durch den Krankheitsprozeß
(Caries, Nekrose oder maligne Tumoren) fragmentierten und aus der Umgebung
gelösten Pyramide. Die Entfernung der losgelösten Pyramidenstücke ist natürlich
eine leichte und im Verlaufe der Operation selbstverständliche. Die Gefährlichkeit
der Operation ist eine minimale, selbst wenn dabei die Carotis oder der Bulbus
freigelegt wird.
Es scheint jedoch, daß man vor der ausgedehnten Resektion der Pyramide
zur Beherrschung tiefer Extraduralabszesse, zur Entfernung von Acusticustumoren
usw. häufig zurückschreckt, und daß die Ursache dieser Scheu die Furcht vor
Nebenverletzungen der angrenzenden Gebilde (Carotis, Bulbus, Sinus, Sinus petrosus,
Dura der mittleren und hinteren Schädelgrube, Facialis, Vagus, Accessorius, Me-
dulla oblongata) bildet. ,
Auf Anregung des Herrn Prof. Kümmell in Heidelberg möchte ich hier
einen Fall mitteilen, über den ich bereits in Heidelberg auf der Versammlung der
Deutschen otologischen Gesellschaft berichtet habe.
R. W., 62 Jahre alt, wurde am 22. April 1908 in die k. k. Universitäts-Ohren-
klinik in Wien (Prof. Urbantschitsch) aufgenommen. Bis vor 4 Monaten war
Pat. gesund. Vor 4 Monaten erkrankte sie an Influenza, an die sich eine links-
seitige akute Otitis anschloß. Pat. wurde damals einige Tage nach Beginn der
akuten Otitis mit den Erscheinungen einer akuten Mastoiditis in die Klinik sauf-
‚genommen, jedoch, da die Symptome wieder zurückgingen, auf ihren Wunsch bald
wieder entlassen. In der Zwischenzeit wurde sie unregelmäßig ambulatorisch be-
handelt. 8 Tage vor ihrer Aufnahme traten Schwellung hinter dem Ohre, Er-
brechen und heftige Kopfschmerzen auf.
Otoskopischer Befund: Linkes Ohr: Die hintere obere Gehörgangswand so
stark verengt, daß der Gehörgang nur mehr einen schmalen Spalt darstellt, aus
1 Literatur siehe bei: Heyer, Deutsche Zeitschrift für Chirurgie 1899. Bd. L.
*
1396 Zentralblatt für Chirurgie, Nr. 47.
dem dicker, nicht fötider Eiter quillt. Nach Auseinanderdrängen des Spaltes
findet man in der Tiefe eine weiche Granulation. Die Regio mast. ist geschwollen,
die Haut daselbst ödematös und druckempfindlich. Schmerzen im Ohre. Heftige
Kopfschmerzen. Erbrechen. Kein Fieber. Kein Nystagums, etwas »Schwindel«,
Auf dem linken Ohre ist sie anscheinend taub. Weber im Kopf. Rinne negativ
(anscheinend hinübergehört). c und C,, es-+. Laute Sprache mit Hörschlauch nicht
gehört. Kalorische Reaktion schwach, aber deutlich.
Operation: Typischer Hautschnitt durch das stark infiltrierte subkutane Ge-
webe. Es quillt sofort reichlich dünnflüssiger Eiter hervor. In der Corticalis des
Warzenfortsatzes finden sich zwei Fisteln: eine etwa linsengroße, etwa 1 cm über
der Warzenfortsatzspitze in der hinteren unteren Gehörgangswand gelegen, die:
andere, etwa 2cm lang, fast 1 cm breit im Beginne des Sinus transversus, über
denselben nach rückwärts verlaufend. Diese Fisteln sind vollständig mit schwam-
migen Granulationen erfüllt. In der ersten fühlt man mit der Sonde in der Tiefe
rauhen Knochen, in der zweiten die Sinuswand.
Aufmeißelung des Warzenfortsatzes, |dessen Struktur nicht deutlich zu er-
kennen ist, da das ganze Innere desselben zerstört ist und zahlreiche kleinere und
einen etwa haselnußgroßen Sequester enthält. Dieser Seqnester deutet pneumatische-
Struktur an. Freilegung aer Dura der mittleren und hinteren Schädelgrube-
in großer Ausdehnung. Die Dura der mittleren Schädelgrube ist mit Granu-
lationen bedeckt {und verfärbt, jedoch wird nach vorn gesunde Dura er-
reicht, nachdem die Totalaufmeißelung angeschlossen worden war. Jetzt sieht
man auch im vorderen Abhang der Prominenz des horizontalen Bogenganges-
zwischen ovalem Fenster und der Höhe der Prominenz eine etwa stecknadelkopf-
große verfärbte Stelle; es scheint eine Fistel, die mit einer pilzförmigen Granu-
lation verschlossen ist, zu sein. Verfolgung des Sinus nach aufwärts und der Dura
der hinteren Schädelgrube hinter dem Sinus bis ins Normale. Verfolgung des Sinus:
nach abwärts bis in die Nähe des Bulbus venae jugularis. Der Sinus ist allent-
halben mit Granulationen bedeckt. Bei der Verfolgung des Sinus nach unten:
gegen den Bulbus findet sich ein Durchbruch an der vorderen unteren Gehörgangs-
wand, an der Grenze zwischen Gehörgangswand und Trommelhöhlenboden, so daß ich
wegen dieser und der obenerwähnten Fistel in der hinteren unteren Gehörgangs-
wand resezieren mußte. Dies gelang mir erst, nachdem ich den oarotischen Kanal
mit dem Meißel eröffnet hatte. Dabei erfolgte eine ganz unbedeutende venöse-
Blutung, die mich am Operieren nicht im mindesten hinderte.
Die Fisteln führten in eine unter dem Gehörgang gelegene, mit schwammigen.
Granulationen erfüllte Abszeßhöhle. Bei der erwähnten Resektion der Gehörgangs-
wände und der Ausräumung dieser Abszeßhöhle mußte der ‚Facialis geopfert.
werden.
In diesem Stadium der Operation liegt die Dura der hinteren Schädelgrube
in einem etwa 3 cm langen und 11/2 cm breiten, medial vom Sinus gelegenen und’
ihm parallelen Streifen frei. Sie ist mit Granulationen bedeckt und verfärbt.
Nach vorn kann man auch durch Lüften der Dura nichts Gesundes erreichen,
sondern es quillt sogar von vorn her ein Tröpfchen Eiter zwischen Knochen und’
Dura hervor. Da die Funktionsprüfung mit großer Wahrscheinlichkeit Taubheit
ergeben hatte und die Operation eine Fistel aufdeckte, wollte ich durch die-
Labyrinthoperation nach Neumann den tiefen Extraduralabszeß, der gegen die-
Spitze zu liegen mußte, erreichen : doch beim Versuche, retrolabyrinthär zu meißeln,
begann die Pyramide wegen der ausgedehnten Resektion des umgebenden Knochens:
zu federn. Es blieb mir daher nichts übrig, als den Versuch zu machen, die Pyramide in:
toto zu entfernen. Stumpfe Ablösung der Dura der mittleren und hinteren Schädel-
grube bis zur Pyramidenspitze mit einem, dem Freer’schen Raspatorium ähnlichen.
Instrument (Fig. 1). Durchtrennung der Nerven im inneren Gehörgang. Abhebung
des Ganglion Gasseri aus der Impressio trigemini. Bei der Ablösung der Dura an
der Stelle des Saccus endolymphaticus reißt die Dura hier ein, und es fließt klarer -
Liquor ab. Extraktionsversuch der ganzen Pyramide gelingt nicht. Versuche,
die Pyramide mit der Kugelzange zu fassen und mit dem Meißel zu verkleinern,,
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1397
erfolglos. Geringe venöse Blutung. Tamponade. Aussetzen der Narkose wegen
schlechten Pulses. Sistieren der Narkose. Im Erwachen Entfernung der Tampo-
nade. Durchtrennung eines Durastranges in der Nähe des Saccus endolymphaticus,
durch den die Pyramide noch festgehalten wird. Unter rotierenden Bewegungen
um die Längsachse der Pyramide gelingt es jetzt leicht und ohne weitere Neben-
verletzungen, die Pyramide in toto zu extrahieren (Fig. 2). Keine Veränderung im
Zustand und Puls der Pat. Keine Blutung. Im Wundgebiete sieht man nun den
Trichter, der die Pyramide enthielt. Im Grunde desselben liegt der ganze intra-
kranielle Teil der Carotis lebhaft pulsierend frei. An der hinteren Wand des
Trichters sieht man gegen die Spitze zu die schmutzig verfärbte pachymeningitisch
veränderte Dura, den Stumpf der Nerven des inneren Gehörganges und eine etwa
1 cm lange Öffnung in der Dura, entsprechend der Stelle des Saccus endolympha-
ticus, durch die das mit normaler Pia bedeckte Kleinhirn sichtbar ist.
a. Ansicht der Breitseite.
b. Seitenansicht.
2a. Ansicht der in einem Stück entfernten Pyramide von der medialen Seite.
a = Apertura externa aquaeductus vestibuli.
b = Fossa bulbi jugularis.
m = Meatus auditorius internus.
f = Facialis.
p = Pyramidenspitze.
2b. Ansicht von der lateralen Seite.
f = Facialis.
of = Ovales Fenster.
bg = Horizontaler Bogengangswulst.
fi = Fistel im horizontalen Bogengangswulst.
rf = Rundes Fenster.
pr = Promontorium.
c = Canaalis caroticus.
1398 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47.
Am nächsten Tage war die Pat. sehr schwach, doch befand sie sich wohl,
sprach mit den Angehörigen ganz ruhig und vernünftig. Außer der Facialparalyse
war nichts Abnormes zu bemerken. Puls 60, schwach, kein Fieber. Keine Be-
schwerden. Am 3. Tage wurde sie bewußtlos und kam unter den Zeichen zu-
nehmender Herzschwäche ad exitum.
Obduktionsbefund (Dozent Dr. Bartel): Hyperämie des Gehirns. Pachy-
meningitis externa der hinteren Schädelgrube in der Nähe der Pyramidenspitze.
Multiple kleine Blutungen an der Durainnenfläche. Hochgradige Fettdegeneration
des Herzens, Fettentartung der Leber und Nieren. Atrophie der Milz. Emphysem
der Lunge mit beginnender Lobulärpneumonie im Unterlappen. Hirsekorngroße
Follikel im Dickdarm. Marasmus senilis. Nach Leptomeningitis und Zeichen von
Verletzungen des Vagus und der Medulla oblongata wurde geforscht, doch konnte
nichts dergleichen festgestellt werden.
In der Literatur konnte ich nur einen Fall finden, der in ähnlicher Weise
operiert wurde. Es ist dies der von Bircher mitgeteilte Fall (Zentralblatt für
Chirurgie 1893, Nr. 22, p. 483 ff.).
Bircher hat in diesem mit Phlebitis des Sinus transversus, petrosus inferior
und cavernosus kombinierten Falle von tiefem Extraduralabszeß den Eiterherd
durch stückweise Entfernung der Pyramide freigelegt. Dabei wurde der carotische
Kanal aufgebrochen, aber seine untere Wand stehen gelassen. Der Facialis wurde
geopfert. Die Pat. wurde nach mehrmonsatiger Dauer geheilt.
In meinem Falle gelang es nicht, wieim Bircher’schen, die Pyramide zu zer-
stückeln, und es mußte daher die Extraktion in toto vorgenommen werden. Trotz-
dem kamen mit Ausnahme des Durarisses in der Gegend des Saccus endolympha-
ticus?2 keine Nebenverletzungen vor.
Der Fall zeigt, daß die Gefahr der gefürchteten Carotisblutung und der übrigen
Nebenverletzungen keine so große ist, daß die Otochirurgie vor dem carotischen
Kanal halt machen müsse.
Erwähnt sei noch, daß diese oder eine ähnliche Methode sich auch für die
Entfernung von Acusticustumoren eignen dürfte. Tatsächlich hat auch Kümmel
schon vor Jahren einen ähnlichen Vorschlag gemacht und auch neuerdings Ba-
rany einen ähnlichen Weg an der Leiche versucht.
II.
Einfacher Apparat zur künstlichen Atmung
bei eröffnetem Thorax‘.
Von
Dr. M. Katzenstein in Berlin.
ür die Chirurgen, die nicht in der Lage sind, sich einen der verschiedenen
teuren Apparate für Operationen nach Eröffnung des Thorax zuzulegen, möchte
ich im folgenden einen von mir improvisierten Apparat beschreiben, den ich nach
vielfacher Prüfung an der Leiche, einmal am Menschen mit gutem Erfolg an-
gewandt habe.
2 Dieser Einriß der Dura ist offenbar in diesem Falle auf die für die Ab-
lösung ungünstige sehr tiefe Apertura ext. aquaeductus vestibuli zurückzuführen.
Wie ich mich später durch Versuche an der Leiche überzeugte, gelingt die Ab-
hebung der Dura der hinteren Schädelgrube meist auch an dieser Stelle ohne
Verletzung.
1 Nach einer auf der Freien Vereinigung der Chirurgen Berlins am 9. März
1908 gehaltenen Demonstration, bei der eine der Leiche entnommene Lunge künst-
lich geatmet wurde.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1399
Das nicht neue, von Physiologen vielfach benutzte Prinzip beruht auf der
Eigenschaft der Lunge, vermöge ihrer Elastizität nach Eröffnung des Thorax zu
kollabieren. Es bedarf daher lediglich einer von uns ausgeführten künstlichen
Aufblähung der Lunge, die zweckmäßigerweise durch einen Blasebalg erfolgt, um die
künstliche Atmung (Inspiration und Exspiration) bei eröffnetem Thorax auszuführen.
Die Zuführung dieser Inspirationsluft in die Lunge kann entweder durch eine
Tracheotomiewunde, einfacher aber durch die ausgezeichnete Tubage von Kuhn
erfolgen.
Die Anordnung des Apparates erhellt wohl vollkommen aus beifolgender
Zeichnung. Seine Anwendung geschieht in folgender Weise:
Trichter zur Narkose.
ehlkopf eingeführt.
Tubagerohr (Kuhn)
wird in den
a. Exspirationsluft. b. T-Rohr.
Vor jeder Operation, bei der event. der Thorax eröffnet wird, wird das Tubagerohr
in bekannter Weise in den Kehlkopf eingeführt, alsdann die Mundhöhle tamponiert.
Die Narkose erfolgt durch den Trichter, der vermittels eines T-Rohres an das
Tubagerohr befestigt ist. In dieser Phase der Operation ist der Blasebalg nicht
an das dritte Ende des T-Rohres angeschlossen, dieses wird vielmehr durch ein
kurzes, mit Klemme versehenes Gummirohr verschlossen. Im Moment, wo die
Lunge nach Eröffnung des Thorax kollabiert, wird der Blasebalg angeschlossen
und durch leichten Druck desselben die Lunge inspiratorisch aufgebläht. Durch
Nachlassen des Blasebalges kollabiert die Lunge wieder, die Exspirationsluft kann
durch das kleine Ventil«@ nach außen gelangen. Alsdann folgt wieder die Inspira-
tion usw. Wie ich bei dem einen Falle, den ich beobachtete, sehen konnte, schließt
sich die andere Lunge dem Tempo der künstlichen Inspiration vollkommen an,
und der den Blasebalg bedienende Gehilfe hat es in der Hand, nach Aufforderung
die Inspiration so kräftig zu gestalten, daß die Lunge in die Wunde hinein sich
vordrängt.
Der Preis des Apparates beträgt ungefähr 35 .4 inkl. Tubagerohr. Der Ap-
parat kann von jedem Arzte zusammengestellt werden.
1400 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47.
22) 80. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Köln
im September 1908.
Abteilung für Chirurgie und kombinierte Sitzung der chirurgisehen
und internen Abteilung.
Berichterstatter: GOEBEL, Köln.
(Fortsetzung.)
a. Wrede (Königsberg i. Pr.): Zwei Fälle von Ostitis fibrosa cystica
am Schädel.
Ein 28jähriger, kräftiger Tischler hat seit dem 6. Lebensjahr eine flache An-
schwellung der rechten Stirn- und Schläfengegend, verbunden mit einer Verlagerung
des Augapfels. Plötzlich stellen sich Kopfschmerzen und zunehmende Sehstörungen
ein. Bei der Operation findet sich eine Ostitis fibrosa cystica des Stirn- und Keil-
beins. Möglichst ausgedehnte Resektion der erkrankten Knochenabschnitte,.
Deckung des Defektes durch freie Knochenplastik. Heilung unter Wiederher-
stellung der normalen Sehschärfe.
Ein 6jähriges, blasses, schwächliches Mädchen fiel vor 1 Jahr vom Wagen.
4 Wochen später entstand unter frühzeitig einsetzender Facialisparalyse oberhalb
und vor dem linken Ohr eine langsam wachsende Anschwellung. Das Röntgen-
bild zeigt einen nach außen und nach der Schädelhöhle vorspringenden kugligen,
apfelgroßen Schatten in der Schläfengegend. Operation und histologische Unter-
suchung erweisen diese Geschwulst als eine Ostitis fibrosa cystica. Noch in Be-
handlung. (Selbstbericht.)
b. Alois Sickinger (Brünn-Wien): Die Trigeminusneuralgie vom
zahnärztlichen Standpunkte,
S. begründet durch Beispiele, wie häufig durch selbst einfache Eingriffe vom
Zahnarzte dieses schwere Leiden geheilt wird. Er behauptet, daß einerseits von
den Chirurgen der Zahnarzt viel zu wenig beratschlagt wird, anderseits der Zahn-
arzt oft die notwendige skrupulöse Untersuchung und Behandlung der Zähne
unterläßt und lieber den Pat. an den Chirurgen weißt.
Die chirurgische Operation mit Ausschluß der Krause’sche Ganglion Gasseri-
Methode bezeichnet S. als weder schwer noch gefährlich und will daher, wenn
nicht sicherer Erfolg vom Zahnarzt erwartet werden kann, bzw. nicht nach dessen Be-
handlung gleich eintritt, lieber mit der chirurgischen Operation nicht gezögert wissen.
Er macht darauf aufmerksam, daß bei hysterischen Pat. dieses Leiden schwer in die
Wagschale fällt und deshalb oft ganz belanglose zahnärztliche Eingriffe Heilung durch
Suggestion erzielen. Auch ganz abnorme Fälle kommen vor, die lehrreich sind. So
leidet ein 31jähriger sehr kräftiger Mann seit 2 Jahren an regelmäßig auftretenden
Schmerzen des linken 1. Trigeminusastes. Er wird chirurgisch operiert, nachdem alle
Mittel versagten. Der Schmerz sistiert 4 Tage und beginnt von Neuem in fast
gleicher Intensität. Erst jetzt sucht Pat. den Zahnarzt auf Rat des Chirurgen auf.
Er wird von 8. zahnärztlich behandelt. Die Plombierung linderte die Schmerzen
nicht. Selbst die Extraktion des linken oberen IL. Mahlzahnes half wenig; erst die
Extraktion auch des II. oberen linken Mahlzahnes brachte die Erlösung. Da der
Fall ganz jung ist, will S. seine Schlüsse erst nach längerer Zeit ziehen. Er bittet
um Einsendung der gemachten Erfahrungen nach Brünn nicht allein von den be-
teiligten Spezial-, sondern auch von den allgemein praktischen Arzten.
(Selbstbericht.!
c. K. Witzel (Dortmund): Die Errungenschaften auf dem Gebiete
der chirurgischen Prothetik.
Einleitend betonte W. wichtige, zu beachtende Punkte vor der Operation.
Wenn irgend auf einem Gebiete der Zahnheilkunde es nötig sei, daß Zahnarzt und
Chirurg von vornherein zusammenarbeiteten, so sei es auf dem Gebiete der Prothe-
tik. Der Zahnarzt, als Prothetiker, sei berufen, durch seine Kunst das zu ersetzen,
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1401
was der Chirurg als pathologisch lege artis habe entfernen müssen. Die Brauch-
barkeit einer Prothese würde in hohem Grade gesichert, wenn Chirurg und Zahn-
arzt sich vor jeder Operation verständigt hätten; dies sei um so mehr geboten,
weil diese Arbeiten sich nicht schablonenhaft herstellen lassen, sondern individuell
von Fall zu Fall durchgedacht werden müssen. Bei den Oberkieferresektionen
seien z. B. alle Wangenschnitte, durch deren Vernarbung eine Verzerrung des
Gesichts herbeigeführt wird, zu vermeiden. An der Hand von Lichtbildern be-
sprach W. die verschiedenen Arten von Prothesen nach Resektionen des Unter-
kiefers, die Grundsätze der Berliner Schule — v. Bergmann-Sauer, der Lyoner
— Ollier, Claude-Martin. In der Sammlung waren die Drahtverbände für
Unterkieferresektionen nach Sauer, Bönnecken, Hahl, Partsch, Stoppany,
Schröder (Greifswald-Berlin, Groth (München), Eichler und eine Reihe von
W. angegebener Verbesserungen, erst als Phantoma:beit, dann die Modelle und
Apparate, wie sie für Pat. ausgeführt worden sind. Darin besteht ein Haupt-
vorzug der W.'schen Sammlung, daß wir nicht allein die Phantomarbeiten darin
finden, wodurch W. zum Ziele gelangt ist, sondern vielmehr immer die Fälle auch,
wo diese Arbeiten praktisch ausgeführt worden sind. So z. B. die Prothese mit
einseitigem Qleitgelenke nach ausgeführter einseitiger Exartikulation, wo Pat. erst
nach Monaten in zahnärztliche Behandlung kam, ferner die Prothese mit Gleit-
gelenk nach Exartikulation des ganzen Unterkiefers. Sehr interessant sind die
Modelle von dem Kiefer der Emma B.; hier ist an den drei Modellen die Wirkung
des Gleitgelenkes auf das zurückgelassene Periost deutlich zu erkennen; es hat sich
ein formgerechter Unterkieferknochen wieder gebildet.
W. sagt in seinem Schlußworte wie der Operateur sich an der Leiche übt,
dann die Versuche bei Tieren ausführt, den Erfolg abwaıtet, um gegebenenfalls
die Operation beim Menschen auszuführen; ebenso sind die Zahnärzte gezwungen,
Phantomarbeiten zu machen, dieselben auf ihre Vorteile gegenüber der bisher ver-
öffentlichten Verbänden zu prüfen, um sie später zu verwerten.
Wir müssen Herrn Geheimrat Partsch dankbar sein, daß er den Studenten
der Zahnheilkunde Gelegenheit gibt, auch solchen Operationen beiwohnen zu können.
(Selbstbericht.)
d. L. Brauer: Die chirurgische Behandlung der Lungenkrankheiten.
Der Ref. bespricht vom Standpunkte des inneren Mediziners die neueren Be-
strebungen auf dem Gebiete der Lungenchirurgie, hierbei die prinzipiellen Fragen
besonders hervorhebend.
Die operativen Eingriffe, welche zur Heilung anatomischer oder funktioneller
Lungenkrankheiten möglich sind, lassen sich nach den folgenden Gesichtspunkten
einteilen:
1) Operationen, welche in das Lungengewebe hineinführen, daselbst Krankheits-
berde aufsuchen und dieselben nach außen drainieren.
2) Resektion größerer Lungenteile oder ganzer Lungenlappen.
3) Methoden, deren gemeinsames Ziel es ist, die Lungen zum Kollaps bzw.
zur Kompression zu bringen.
4) Operationen, die zu dem Zweck am Brustkorb vorgenommen werden, um
den Atemtypus zu ändern, also eine rein funktionelle Beeinflussung der Lungen-
arbeit zu schaffen.
Die unter 1) genannten Operationen sind die bislang am meisten geübten,
sie kommen bei Lungengangrän, Abszeß usw. in Anwendung. Die drei weiteren
Methoden haben in den letzten Jahren an Umfang gewonnen.
Noch rein im Stadium des Tierexperimentes liegt dann ferner der Versuch,
kranke Abschnitte der Lungen nicht auf dem üblichen Wege der Durchdringung
des atmenden Parenchyms zu drainieren, sondern eine Drainage der großen Bron-
chien am Hilus zu versuchen. (Gemeinsame Arbeit des Ref. mit Sauerbruch.)
Gleichfalle im Stadium des Tierversuches befinden sich die Bemühungen von Bruns
und Sauerbruch, die Verödung ganzer Lungenlappen dadurch zu erzielen, daß
durch Unterbindung eines Hauptastes der Pulmonalarterie die Ernährung des be-
1402 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47.
treffenden Lungenabschnittes auf diejenigen geringen Blutmengen beschränkt wird,
die ihm durch die Bronchialarterie zuströmen.
Die Lungenkrankheiten sind und bleiben der Hauptsache nach Prozesse, die
von dem internen Mediziner zu behandeln und zu beurteilen sind. Nur dort, wo
trotz aller der inneren Medizin zu Gebote stehenden Mittel der Erfolg ausbleibt,
sollte der Gedanke an ein chirurgisches Eingreifen aufkommen. Bei der Gefähr-
lichkeit vieler Lungenoperationen ist die sorgfältigste Kontrolle der Diagnose unter
Zuhilfenahme aller modernen Untersuchungsmethoden unbedingt notwendig. Für
die Umgrenzung und Tiefenlokalisation eines Krankheitsherdes ist außer der klini-
schen Untersuchung stets auch die Röntgenphotographie, womöglich die Stereo-
radiographie heranzuziehen. Besonders die Beurteilung der Pleuraadhäsionen stößt,
wie angeführte Beispiele erneut bestätigen, häufig auf beträchtliche Schwierigkeiten.
Die seither übliche Methode der Lungensektion gibt oft ungenügende räum-
liche Vorstellungen von der Ausdehnung und Lagerung der Krankheitsherde.
Man sollte die Lungen tunlichst in situ nach bestimmter Methode fixieren, wie
dieses zuerst von Schmorl dann von Beneke und B. durchgeführt wurde. (De-
monstration derartiger Präparate.)
Die unter 1) genannten herderöffnenden Maßnahmen gehören in das Arbeits-
gebiet des Chirurgen. Der Ref. lehnt daher die Besprechung dieser Fragen, sowie
das Eingehen auf sonstige chirurgische Dinge ab. Das Gleiche gilt für die Fragen
der Lungenresektionen.
Ausführlicher werden die Ursachen bei Dyspnoe bei breit offenem und bei
geschlossenem Pneumothorax dargelegt. Das Studium dieser Fragen ist für die
richtige Beurteilung der Indikation, der Wirkung und der Nebenwirkung vieler
Lungenoperationen von ausschlaggebender Bedeutung.
An der Hand der eigenen Erfahrungen gelangen die unter 3) und 4) aufge-
führten Operationen zu eingehenderer Besprechung.
Ref. vertritt im Gegensatz zu anderen seit langem den Standpunkt, daß bei
richtiger Indikation und zweckmäßigem Vorgehen bestimmte Fälle von Lungen-
tuberkulose ein besonders günstiges Objekt chirurgischer Therapie darstellen. Am
meisten kommt in Frage, bei vorwiegend einseitiger, ausgedehnter schwerer Lungen-
tuberkulose die kranke Lunge durch Kollaps ruhig zu stellen. Voraussetzung des
Erfolges ist der Mangel anderweitiger schwerer tuberkulöser Komplikationen.
Der Lungenkollapsläßt sich bei freiem Pleuraspalt durch Anlegung eines
künstlichen Pneumothorax erzielen (Forlanini, Murphy); bei Obliteration des.
Pleuraraumes ist eine mehr oder weniger ausgedehnte extrapleurale Thorakoplastik
hierzu nötig (Quincke, C. Spengler, Turban).
Zur eigenen Beobachtung kamen im Laufe der letzten Jahre 48 Fälle, bei
denen ein künstlicher Pneumothorax erzielt wurde. Ferner konnte Ref. sieben
Fälle, bei denen er die Indikation der extrapleuralen Plastik stellte, beobachten.
Über die hierbei gesammelten Erfahrungen wurde andernorts mehrfach be-
richtet. Der Vortr. hebt heute besonders eine Gruppe von Kranken hervor, welche
lange vor sowie nach Anlegung des Pneumothorax sorgsamster klimatischer und
hygienisch-diätetischer Behandlung unterworfen waren, da an einem unter diesen
Bedingungen beobachteten Krankenmateriale am ungetrübtesten der Wert des Ein-
griffes zutage tritt.
Die Erfolge, die der Lungenkollaps durch Pneumothorax bei wesentlich ein-
seitiger Phthise brachte, ließ schon seit Jahren mit Küttner, Anschütz und
mehreren Lungenspezialisten eingehend den Gedanken erwägen, dort, wo ausge-
dehnte Schwarten die Anlegung eines Pneumothorax hinderten, eine möglichst
große extrapleurale Thorakoplastik den Kranken zu empfehlen.
Es müßte das Ziel einer solchen Operation sein, die kranke Lunge möglichst
radikal zusammenfallen zu lassen und daher mit der Operation möglichst hoch am
Thorax heraufzugehen; denn sollte der Eingriff nützen, so müßte die Lunge nach
Entfernung der Rippen tunlichst in gleicher Weise zum Kollaps kommen, wie bei
wohlgelungenem Pneumothorax. Dieses Postulat ergab sich als etwas selbstver-
ständliches aus vielfachen klinischen und radioskopischen Studien. Die bekannten
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1403
Mitteilungen der vorgenannten Autoren, sowie die Erfahrungen und literarischen
Berichte über ausgedehnte Rippenresektionen bei großen Empyemresthöhlen ließen
das gesteckte Ziel durchaus erreichbar erscheinen, so daß Ref. einigen Davoser
Kranken, bei denen der Versuch, einen Pneumothorax anzulegen, mißlungen war
und bei denen der überaus bedrohliche Krankheitsverlauf die Lungenkollapstherapie
dringend indizierte, den Rat geben konnte, zum Zweck einer ausgedehnten Thorako-
plastik nach Marburg zu kommen. Die technische Bearbeitung und Ausführung
der Operation wurde dann von Friedrich übernommen. Ref. möchte empfehlen,
an der von C. Spengler gewählten Bezeichnung »extrapleurale Thorakoplastik«
als völlig eindeutig festzuhalten.
Pneumothorax und Plastik haben, wie gesagt, das gleiche Ziel und im all-
gemeinen auch den gleichen Endeffekt. Ihre Differenz besteht im wesentlichen
in den Nebenwirkungen; wegen vieler Einzelheiten muß auf die ausführliche Dar-
stellung verwiesen werden.
Im geschlossenen Pneumothorax gestaltet sich der Lungenkollaps je nach dem
Vorhandensein von Adhäsionen und je nach der Größe des angewandten Druckes
verschieden, ist auch in diesen Grenzen willkürlich zu variieren. Ein völliger
Lungenkollaps, wie er bei gut gelungenem Pneumothorax erreicht wird, tritt selbst
bei ausgedehntester Plastik nicht ein, da die Spitzenpartie unter der ersten Rippe
und unter der Clavicula ausgespannt bleibt. Die Lunge im Pneumothoraxraum
ist durch entsprechende Regulierung des Druckes nahezu völlig ruhig zu stellen;
nach der Plastik führt dieselbe immer noch ziemlich ausgiebige Bewegungen aus.
Der entstellende Eingriff der großen Plastik sollte nur dort in Anwendung ge-
zogen werden, wo die Pneumothoraxtherapie technisch nicht möglich ist, zumal
der Plastik weit größere das Leben unmittelbar gefährdende Nebenwirkungen eigen
sind. Mikroskopische Präparate phthisischer Lungen, die längere Zeit unter der
Einwirkung eines Pneumothorax standen, zeigen stark vermehrte Bindegewebs-
wucherung und anderweitige Zeichen guter Heilungstendenz (genauere Beschreibung
durch Dr. Graetz, Beiträge zur Klinik der Tuberkulose Bd. X).
Auch zur Behandlung der therapeutisch so überaus undankbaren Bronchiekta-
sien sind Lungenkollapsmethoden seit langem versucht worden. Daneben wurde
vielfach die Eröffnung und Drainage der Herde empfohlen.
Ref. betont nachdrücklichst, daß es von größter Bedeutung ist, zunächst
generell zu entscheiden, ob Lungenkollapsmethoden bei den multiplen chroni-
schen Bronchiektasien überhaupt Nutzen schaffen oder nicht. Erst in zweiter
Linie steht dann die Frage, auf welchem der technisch möglichen Wege der
Kollaps zu erstreben ist (Pneumothorax- oder plastische Methoden).
Von den Operationen der letzten Gruppe (Anderung des Atemtypus durch
kleinere Eingriffe am Thorax) verdient die Freund'sche Emphysemoperation ein-
gehende Beachtung, wenn auch das Urteil über den Wert der Operation noch
nicht abgeschlossen sein dürfte.
Dagegen dürfte die Durchtrennung des ersten Rippenknorpels zur Mobili-
sierung der oberen Thoraxapertur bei beginnender Phthise eher ablehnend zu
beurteilen sein. Der Eingriff ist als rein vorbeugende Maßnahme leidlich gut be-
gründet, hierfür aber wohl zu different. Als heilender Eingriff bei bereits vor-
handener Erkrankung ist der Eingriff nicht ratsam. (Selbstbericht.)
e. Friedrich (Marburg) hat, einer Aufforderung Bardenheuer’s folgend,
das Referat zur Lungenchirurgie übernommen, trotz der Bedenken wegen der
Kürze der Aufeinanderfolge seiner Referate (s. Chirurgenkongreß 1907) und wegen
der Kürze der Zeit, welche seit dem Auftauchen neuer Heilvorschläge, der Mög-
lichkeit ihrer Prüfung erst verstrichen ist.
F. gruppiert den Stoff in 1) Eingriffe, welche in die Lunge selbst eindringen
(intrapulmonale), 2) solche, welche von der Pleura aus die kranke Lunge
heilend beeinflussen (intrapleurale Pneumothoraxtherapien und ähnliche) und
3) solche, welche unter voller Erhaltung der Pleura costalis nur durch Operationen
an der Brustwand auf eine Erkrankung der Lunge einwirken sollen, extrapleurale,
thorakale Operatioren. Da die Zeit der Sitzung bereits sehr vorgerückt ist,
1404 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47.
beleuchtet er nur in kurzen Umrissen den gegenwärtigen Stand des intrapulmonalen
Vorgehens bei Abszeß, Gangrän, Fistelbildung, traumatischer Ruptur,
Blutung; ebenso von Aktinomykose und Echinokokkus. Für die Tuber-
kulose lehnt F. intrapulmonale Eingriffe (Kaverneneröffnung usw.) in der bisher
geübten Form wegen zu geringer Erfolge als kaum gerechtfertigt ab.
Er bekennt sich erneut als Verfechter des Nutzens des Druckdifferenzverfahrens
(nach Sauerbruch oder Brauer) und empfiehlt, um ihm mehr Eingang zu ver-
schaffen — auf Grund der von ihm gemachten und 1907 ausgesprochenen Er-
fahrungen, daß es keineswegs auf peinliches Einhalten einer ganz bestimmten
Druckhöhe ankomme, daß bei Schwankungen zwischen 4 und 7—8 dauernd
ohne Symptome des Pneumothorax operiert werden könne, — die Umgestaltung
eines beliebigen Raumes im Operationshause in ein Druckdifferenzoperationszimmer,
was mit nicht zu großen Unkosten verbunden sei (Näheres siehe F.’s Vortrag in
Münchener med. Wochenschrift). Namentlich für Verletzungen, plastische Opera-
tionen, Probethorakotomien, Tumorinangriffnahme glaubt F. den großen Wert des
Verfahrens erneut betonen zu müssen, während er bei den entzündlichen Erkran-
kungen (Abszeß und Gangrän) nicht von der Überlegenheit des Verfahrens für
die definitiven Erfolgsziffern überzeugt ist. Auch wie 1907 nimmt er heute gern
den Vorwurf auf sich, noch nicht in endgültiger Weise sich über den Wert der
Methode äußern zu können. Dazu sei die Zeit noch zu kurz und die Zahl der
Fälle gegenüber den über 10 Jahre ausgedehnten lungenchirurgischen Erfahrungen
anderer Operateure doch noch zu gering.
Hinsichtlich der intrapleuralen Therapie, des durch Stickstoffeinlassung in die
Pleura bewirkten »Lungenkollapses« (Brauer), »Lungenkompression« (A. Schmidt)
bei Tuberkulose verweist er auf die gegensätzlichen Erfahrungen beider bei Tuber-
kulose, auf ihre Pneumothorax-therapeutischen Ideen bei Bronchiektasien, Aspira-
tionspneumonien und fötiden Bronchitiden. —
Von den thorakalen, extrapleuralen Operationsverfahren erörtert F. besonders
den Freund'schen Vorschlag für die Behandlung der knöchernen Thoraxstarre beim
Lungenemphysem, die Sprengung der ersten Rippe bei Tuberkulose,
die ausgedehnte Brustwandentknochung bei fortgeschrittener einseitiger
Phthise, wie er sie an Fällen ausgeübt und methodisch ausgebaut hat, die ihm von
Prof. Brauer nach Versagen der Pneumothoraxtherapie zwecks operativer Volum-
einengung der Lunge zugeführt waren. Die bisherigen Erfahrungen an drei Fällen
(der erste operiert Oktober 1%7) von Lungenemphysem veranlassen F. zu
folgender Stellungnahme: Die Zahl der zur Operation geeigneten Fälle von Lungen-
emphysem mit ausgesprochenen Beschwerden durch Thoraxstarre
scheint keine große zu sein. Bei sechs ihm zugeführten Fällen ergab sich bei ge-
wissenhafter Prüfung nur für drei die Indikation. 2) Der Eingriff ist für den
Fachchirurgen kein schwieriger, erfordert aber sicher das Beherrschen peinlicher
chirurgischer Technik, wenn der Eingriff so ausgeführt werden soll, wie er, um
einen mechanischen Dauererfolg zu garantieren, ausgeführt werden muß.
3) Es muß nämlich, ohne die von Freund geforderte Rücksichtnahme auf den an
sich beim Emphysematiker hypertrophischen Musc. triangularis sterni, nicht nur
die Durchtrennung der Rippenknorpel oder die Fortnahme kleiner Knorpelstücke
gemacht werden, sondern in größerer Ausdehnung (4—6 cm) muß Knorpel und
Rippenknochen abgetragen und ganz besonders das retrokostale Perichondrium
und Periost bis auf mm peinlichst entfernt werden. Nur nach solchem Vor-
gehen erreichte F. einen bisher bleibenden mechanischen Effekt für
die Respirationsphasen. Die Fälle mit spärlicher Knorpelfortnahme zeigten
in kürzester Frist wieder ein ganz enges Aneinanderrücken der Rippenenden und
bald durch Narbenbildung des Nachbargewebes solche Konsolidierung, daß eine
mechanische Nachwirkung der Operation für die Atmungstätigkeit nicht mehr
plausibel ist. Einzelheiten über seine Fälle hat F. in den »Sitzungsberichten der
Gesellschaft zur Förderung der gesamten Naturwissenschaften in Marburg« vom
7. Juli 1908 gegeben.
Die Sprengung der ersten Rippe bei beginnender Spitzentuberkulose für die
JP
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1405
Praxis zu akzeptieren, haben sich Prof. Brauer und F. bisher aus im Vortrag
erörterten Gründen nicht entschließen können. Zum Schluß gibt F. Bericht über
weiter gewonnene Erfahrungen an Fällen progredienter, einseitiger kaver-
nöser Lungenphthise, welche er, in Anlehnung an Brauer’s Erfolge mit der
Pneumothoraxtherapie und, seiner Intention folgend, mit ausgedehnter Brust-
wandmobilisierung, Brustwandentknochung behandelt hat. Unter Hin-
weis auf die von ihm hierfür ausgearbeitete Methodik des Vorgehens, wie F. sie
am Chirurgenkongreß 1908 geschildert und in mehreren Publikationen inzwischen
begründet und weiter ausgebaut hat, ist er in der Lage, jetzt über sechs durch die
Operation hervorragend gebesserte Fälle (Nachlaß des Sputums, des Hustens, Ab-
fall des Fiebers, Körpergewichtszunahme, subjektive Besserung) zu berichten. Von
Fällen jedoch, welche bei strenger Einhaltung seiner Indikationsstellung (— noch
leidlicher Ernährungszustand, keine aktiven Lungenprozesse der anderen Seite,
keine manifeste Tuberkulose anderer Organe, namentlich Larynx und Darm; wäh-
rend große Sputummengen, anhaltendes Fieber, keine Kontraindikation darstellen —)
besser unoperiert geblieben wären, wurden der eine durch operativen Pneumothorax,
der andere durch schwere akute hämorrhagische Nephritis im Verlauf kompliziert
und endeten schließlich tödlich. Der erstere hatte gleichzeitig andersseitige Ka-
vernenbildung, sowie Kehlkopftuberkulose, der zweite bei extremstem Ernäherungs-
rückgang und »galoppierender« Phthise schwere Ileocoecal- und Kolontuberkulose,
Derlei Fälle sind absolut von der Operation auszuschließen. Da die Operation in
F.’s Fällen bis jetzt maximal 10 Monate zurückliegt, ist hinsichtlich des definitiven
Endergebnisses noch entsprechende Reserve geboten. Doch ermutigt das bisher
Erreichte zu kritischer Weiterarbeit auf dem eingeschlagenen Wege.
(Selbstbericht.)
Diskussion: Garrö& (Bonn) spricht über die Behandlung der Bronchiektasien
auf operativem Wege und stellt eine vor 5/, Jahren operierte Pat. vor, bei der er
ein neues Verfahren eingeschlagen hat, um einen ganzen mit Bronchiektasien durch-
setzten Unterlappen auszuschalten und zu atelektasieren.
Resektion der 6.—9. Rippe inkl. in ganzer Länge, Inzision der Pleura auf
ca. 20 cm Länge, Ablösung des Lappens aus seinen Verwachsungen mit dem
Zwerchfell, dem Herzbeutel und der Brustwand; Annähen des unteren Lungenrandes
auf der Höhe der sechsten Rippe und Tamponade zwischen Zwcrchfellkuppe,
Herzbeutel und Lungenbasis. Die Höhle granuliert zu. Der Komplementärraum
verödet, das Herz rückt nach links. Der linke untere Lungenlappen ist dauernd
außer Funktion gesetzt. Der fötide Auswurf ist verschwunden, das Heilresultat
ist wegen chronischer Bronchitis (bzw. B.-Ektasien?) der anderen Seite kein voll-
kommenes. (Selbstbericht.)
f. Hoffmann und v. d.. Velden (Düsseldorf): Zur Emphysemoperation.
V. berichtet über fünf nach Freund operierte Fälle von starrdilatiertem
Thorax. Er betont, daß die Indikation allein in der Thoraxstarre liege, nicht im
Emphysem oder im Asthma. Er empfiehlt die Anwendung kleiner Hautschnitte-
auf den Knorpeln, die mit der Luer’'schen Zange 2—3 cm breit reseziert werden.
Das hintere Perichondrium muß unbedingt mit entfernt werden. Nicht nur die
klinischen Erfolge waren gut, auch klinisch experimentelle Untersuchungen am
Respirations- und Zirkulationstraktus zeigten in absoluten Zahlen eine deutliche
Besserung. (Selbstbericht.)
Stieda (Halle) empfiehlt neben sonstigen operationstechnischen Mitteilungen.
zur Freund’schen Operation großen Hautschnitt und einseitige Operation.
Goebel (Köln).
v. Muralt (Davos). Ich habe an sechs Fällen von einseitiger oder vorwiegend
einseitiger, progredienter Lungentuberkulose mit schlechter Prognose die Pneumo-
thoraxtherapie nach der Methode von Brauer versucht. In einem Falle konnten
wegen ausgedehnter Verwachsungen die Pleurablätter nicht getrennt werden, in,
einem zweiten Falle entstand wegen Verwachsungen nur ein ganz kleiner Pneumo-
thorax. An diesem Pat. wurde nachher von Friedrich mit bestem Erfolge die
1406 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47.
große Thorakoplastik ausgeführt. Bei den übrigen vier Fällen gelang es, einen
großen Pneumothorax zu erzielen. Der zuerst operierte Fall, eine galoppierende
Phthise, geht schon seiner vollen Genesung entgegen, der Pneumothorax wird jetzt
nicht mehr unterhalten. Die übrigen drei stehen noch nicht lange unter der
Therapie, sie haben aber sämtlich das Fieber verloren, an Gewicht zugenommen,
haben viel weniger Auswurf und fühlen sich viel besser als vor der Operation.
(Selbstbericht.)
Sauerbruch (Marburg). Die Erleichterung, die die Anwendung des Druck-
differenzverfahrens bei den Operationen von Lungenverletzungen und Lungen-
tumoren bietet, ist mehrfach anerkannt worden (Friedrich, Küttner). Eine
ganze Reihe Chirurgen aber mißt den Wert des Verfahrens nach seiner Verwend-
barkeit bei Lungengangrän- und Lungenabszeßoperationen. Es wird darauf hin-
gewiesen, daß man diese Operationen auch ohne Hilfsapparate vornehmen könne,
da es dabei gar nicht zu einem Pneumothorax komme. Es muß unbedingt zuge-
geben werden, daß das Verfahren für diese Prozesse eine sehr geringe Bedeutung
hat, und zur Ausschaltung des Pneumothorax überhaupt keine. Den einzigen Vor-
teil, den es bietet, ist der, daß durch den im Bronchialsystem herrschenden Über-
druck, während der Operation eine Aspiration aus dem Wundgebiet verhindert wird.
Dann schlägt S. eine Modifikation der Freund’schen Operation bei Emphysem
vor. Er glaubt, daß die »Sprengung des Thorax« ausgiebiger dadurch erreicht
werden kann, daß die Rippen nicht am Sternalansatz, sondern auf der Höhe ihrer
Biegung, also in der Axillarhöhle durchtrennt werden. Daß nach der Durch-
trennung der Rippenkuppe eine größere Mobilisation des Thorax erreicht werden
kann, als durch Zerschneiden der Rippenknorpel am Sternalansatz, ergibt sich aus
physikalischen Gründen; auch diese Tatsache konnte S. feststellen.
Kausch (Schöneberg) nimmt gegenüber dem ablehnenden Standpunkte der
beiden Ref. die Freund'sche Operation wegen beginnender Lungenphthise, die
Resektion des ersten Rippenknorpels, in Schutz. Der Widerspruch zwischen der
bisherigen Behandlungsmethode, der Ruhigstellung der erkrankten Lungenspitze
und der neuen, die auf bessere Durchlüftung herauskommt, bleibt zwar bestehen.
K. weist auf eine im Erscheinen begriffene gemeinsame Arbeit seiner Assistenten
Harrass und v. Hart hin, die wichtige Aufklärung über den Thorax phthisicus
gibt. Danach muß unterschieden werden zwischen sekundärer Veränderung des
ersten Rippenknorpels (Kürze oder Verknöcherung) und primärer. Bei der ersteren
besteht eine primäre Skoliose der ganzen oberen Thoraxapertur, einschließlich der
Wirbelsäule. Bei der letzteren ist die Freund’'sche Operation angezeigt, bei
ersterer anscheinend nicht.
Keinesfalls stellt die Operation einen schweren Eingriff dar, wie Brauer be-
hauptet. Gegenüber den heute besprochenen schweren Eingriffen bei Tuberkulose
ist er geradezu ein leichter. Die beiden Fälle von Kausch, dessen zweiter Fall
beidseitig operiert wurde, sind jedenfalls sehr erheblich gebessert worden, der
erste Fall sogar geheilt. Ein definitives Urteil über den Wert der Operation
läßt sich heute noch nicht geben, dazu sind die Erfahrungen noch viel zu gering.
Dann bemerkt K., daß er seit längerer Zeit größere tuberkulöse Empyeme
mit Mobilisierung der Thoraxwand über dem Empyem behandelt, das Empyem
selbst alsdann genau wie einen kalten Abszeß. (Selbstbericht.)
g. Kuhn (Kassel. Überdruck an der Lunge.
a. mittels peroraler Intubation der Luftwege mit und ohne Ventil. b. Mittels
weicher halbdurchlässiger Kopfmaske ohne jedes Ventil (mit Demonstrationen).
a. Zunächst betont Verf., daß er die höchste Anerkennung für die Verdienste
von Brauer und Sauerbruch um die Thoraxchirurgie und ihrer Systeme habe.
Beider Verfahren basieren auf dem seinerzeit von Mikulicz inauguriertem Pro-
mm.
Nachdem aber inzwischen eine auch von Mikulicz noch nicht gekannte Me-
thode, die der peroralen Intubation, klinische Gestalt angenommen und an s0
vielen Kliniken praktisch mit Erfolg angewandt werde, sei es an der Zeit. auch,
dieser nach der genannten Richtung hin näher zu treten.
FR
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1407
Mindestens müsse der Vortragende entschieden dagegen Einspruch erheben,
das Verfahren, ohne es näher zu kennen oder nur einigermaßen probiert zu haben,
für die genannten Zwecke verurteilen zu wollen, oder davor, entgegen den Er-
fahrungen unserer besten Kliniken, als etwas Gefährlichem zu warnen.
Wenn das Intubationsrohr schulgerecht einliegt, ist es ein barmloses Instru-
ment, und es ist unschwer und auf verschiedene Weise möglich, einen Überdruck
in der Lunge herzustellen. Die Wege sind folgende:
1) Bei gut abgedichteten Luftwegen strömt aus einem sich selbst regu-
lierenden Reservoir von konstantem Druck, der nicht über 8—10 cm Wasser ist,
eine sauerstoffhaltige Druckluft in den Tubus; ein kleines Ventil reguliert den Abfiuß.
2) Einen zweiten Weg beschritt Schmieden: bei kaum abgedichteten Wegen
führt er aus einer Sauerstoffpumpe mit Brat’schem Reduktionsventil einen Gas-
strom von gewissem Druck in den Tubus. Dieser Strom hat höheren Druck und
arbeitet mit einem gewissen Verlust; die Abfuhr wird durch das, dem Kuhn’schen
ähnliche Brat’sche Ventil reguliert.
3) Der dritte Weg wurde vom Vortr. neuerdings im Zentralblatt für Chirurgie
1908, Nr. 26 beschrieben: er arbeitet mit noch weniger oder keiner Abdichtung
und mit noch höherem Verlust an Gas, indem er weder die Mund- und Luftwege
dichtet, noch die Zufuhr in den Tubus luftdicht macht; sein Vorschlag beruht auf
einer Art Luftpuffung.
Man sieht aus dieser Zusammenstellung, daß lediglich die Abdichtung und
der Druck differiert. Sonst gelingt es auf jedem der beschriebenen Wege, Uber-
druck in der Lunge auf dem Wege der Intubation zu erzielen. j
Welcher Weg nun für den Menschen und klinisch der beste, wird die Zukunft
lehren.
Er liegt nach Ansicht des Vortr. in der Mitte und arbeitet womöglich mit
keinerlei Ventilen.
Feststeht unzweifelhaft: daß es nicht schwer ist, mittels Intubation Druck-
erhöhung in klinisch brauchbarer Weise zu erzielen; daß es ferner nicht schwer
ist, die Frage der Kohlensäureabfuhr und Chloroformzufuhr zu lösen; daß endlich
das Tubageverfahren für die genannten Zwecke das einfachste und das mit den
geringsten Aufwänden arbeitende, und somit dasjenige, das nicht zu teuer und
überall anzuwenden ist. z
b. Redner demonstriert seine »weichee Maske für das Uberdruckverfahren.
Zur Füllung der Maske dient ein Morell’scher Luftkompressor, der direkt mit
einem Elektromotor gekuppelt ist und leicht jede Regulierung erlaubt. :
(Selbstbericht.)
h. W. Einthoven (Leyden). Über das Elektrokardiogramm.
Das in unserem Körper klopfende Herz entwickelt bei jeder Zusammenziehung
einen elektrischen Strom, der nach allen Teilen unseres Organismus, z. B. nach
unseren Händen und Füßen, hingeleitet wird. Man braucht nur ein geeignetes
elektrisches Meßinstrument mit den beiden Händen oder mit einer Hand und
einem Fuße einer Person zu verbinden, um bei jedem Schlag ihres Herzens einen
Ausschlag des Instrumentes zu beobachten.
Registriert man die Ausschläge des Meßinstrumentes, so bekommt man den
Aktionsstrom des Herzens in der Form einer Kurve, die Elektrokardiogramm
' genannt wird. In dieser Kurve unterscheidet man eine Spitze der Vorkammer-
und vier Spitzen der Kammerkontraktion. Aus der Form, der Größe und den
zeitlichen Verhältnissen dieser Spitzen kann man viele Einzelheiten erkennen über
die Weise, wie das Herz seine Aufgabe vollbringt.
Dies wird vom Vortr. mittels einer Anzahl an die Wand projizierter Dia-
positivbilder näher erläutert.
Das Elektrokardiogramm des Hundes, obgleich in der Form nicht ganz mit
dem des Menschen übereinstimmend, weist doch keine prinzipiellen Unterschiede `
mit demselben auf. Es ist namentlich geeignet, verschiedene Fragen zu beleuchten,
deren Lösung bis jetzt mittels der bekannten mechanischen Untersuchungsmethoden
Schwierigkeiten dargeboten hat. So zeigt die Kurve des Aktionsstromes des Her-
1408 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47.
zens unzweideutig, daß Vagusreizung die Vorkammersystole direkt, die Kammer-
systole jedoch nur indirekt beeinflußt. Blutentziehung und Chloroform-
narkose haben ganz bestimmte Veränderungen in der Form des Elektrokardio-
gramms zur Folge, die leicht und deutlich konstatiert werden können. Man darf
sogar die Hoffnung hegen, daß vielleicht später, wenn die Registrierung des Elektro-
kardiogramms allgemeiner angewandt werden sollte, dieselbe auch eine praktische
Bedeutung für den Chirurgen bekommen wird, der vor oder such
während der Narkose seiner Pat. sich über ihre Herztätigkeit zu
unterrichten wünscht.
Im normalen menschlichen Elektrokardiogramm ist der Einfluß der Atem-
bewegung en auf die Form der Kurve ersichtlich, und macht sich namentlich die
durch Körperanstrengung gesteigerte Herzfrequenz recht deutlich
geltend. Nach Körperanstrengung ist die Vorkammerspitze bedeutend vergrößert,
was auf eine Zunahme der Kraft der Vorkammerkontraktionen hinweist, während
man aus der eigentümlichen Veränderung, die das Kammerelektrogramm zu gleicher
Zeit erfährt, den Schluß ziehen darf, daß die Tätigkeit der linken Kammer dabei
mehr zugenommen hat als die der rechten.
Unter verschiedenen pathologischen Verhältnissen treten ganz spezielle
Formveränderungen des Elektrokardiogramms auf, so daß man oft aus der Form
der Kurve die Natur des Herzleidens erkennen kann. In gleicher Weise
kann der Grad des Leidens beurteilt werden, wodurch man also in den Stand ge-
setzt wird, den durch Heilmittel ausgeübten Einfluß Schritt für Schritt zu studieren.
* Das physiologische Laboratorium in Leyden ist mittels elektrischer Leitungs-
drähte mit dem dortigen Universitäts-Krankenhause verbunden, wodurch es mög-
lich ist, die Kranken in dem 1,5 km entfernten Spitale mit dem im Laboratorium
fest aufgestellten elektrischen Meßinstrument zu untersuchen.
Der Vortr. zeigt eine große Anzahl von Kurven, die man auf diese Weise
von den Aktionsströmen des menschlichen Herzens erhält, und die man mit Recht
»Telekardiogramme« nennen darf. Es zeigen sich typische Formen vom Elektro-
kardiogramm bei Hypertrophie des rechten Herzens durch Mitralis-
insuffizienz, Hypertrophie des linken Herzens durch Aortainsuffi-
zienz, Hypertrophie der linken Vorkammer durch Mitralstenose
und ferner noch bei vielen anderen Abweichungen, von denen wir
nur noch die Myodegeneratio cordis und die kongenitalen Herz-
fehler nennen.
Da der Aktionstrom der Vorkammern im Elektrokardiogramm fast immer sehr
deutlich von dem Aktionsstrom der Kammern unterschieden werden kann, lassen
die Kurven das Verhältnis zwischen Vorkammer- und Kammerkontraktion in einer
Weise erkennen, welche an Bestimmtheit und Genauigkeit die gewöhnlichen mecha-
nischen Registriermethoden weit übertrifft. Herzblock- und Allorbythmiezustände
werden im Telekardiogramm mit sehr befriedigender Schärfe und Entschiedenheit
wiedergegeben.
Sehr merkwürdig sind auch die elektrischen Erscheinungen, die bei einer so-
genannten Extrasystole eintreten. Der Aktionsstrom bekommt dabei eine Form,
die stark von dem gewöhnlichen Elektrokardiogramm abweicht, was darauf hin-
weist, daß der Ursprung und die Fortpflanzung der Kontraktionswelle in den
Kammern während einer Extrasystole nicht mit denen einer normalen Herzkon-
traktion übereinstimmen. Ferner hat der Augenblick, in welchem die Extrasystole
sich ‘entwickelt, im Zusammenhang mit der Form und der Größe des arteriellen
Pulses auf die Bedeutung dieser unzeitigen Herzwirkung neues Licht geworfen.
Die Untersuchung des mechanischen Kardiogramms ist nicht selten
mit unüberwindlichen Schwierigkeiten verbunden, während die Ausmessung und
Analyse dieser Kurve oft eine reiche Quelle fehlerhafter Erklärungen darstellt.
- Dagegen geht die Registrierung des Elektrokardiogramms — wenn die erforder-
lichen Apparate einmal richtig aufgestellt sind — leicht und schnell.
Die Methode erfordert keine besondere Geschicklichkeit des Beol;achters, ergibt.
ein vollkommen sicheres und zuverlässiges Resultat und knüpft an eine Genauig-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1409
keit, die wenig zu wünschen übrig läßt, den großen Vorteil, daß man durch die-
selbe in den Stand gesetzt wird, absolute Maße zu benutzen. Überhaupt ist der
Schluß gerechtfertigt, daß die elektrische Untersuchungsmethode des Herzens mit
Vorteil angewandt werden kann, die jetzt in der Klinik üblichen me-
chanischen Untersuchungsmethoden zu ergänzen. (Näheres siehe in der
Abhandlung von Prof. Dr. Einthoven in Pflüger’s Archiv Bd. CXXII, p. 517,
August 1908.) (Selbstbericht.)
i. A. Hoffmann (Düsseldorf. Über das menschliche Elektrokardio-
gramm.
Die von Einthoven und Kraus mitgeteilten Untersuchungsergebnisse werden
durch die Untersuchungen des Vortr. in vielen Punkten bestätigt. Er hatte Ge-
legenheit, Versuche an einem Menschen mit freiliegendem Herzen zu machen und
sich davon zu überzeugen, daß bei jedem Menschen Untersuchungen mit verschie-
denen Polrichtungen gemacht werden müssen. Er wählte als oberen Ableitungs-
punkt stets den rechten Arm und dann als unteren vergleichsweise 1) den linken
Arm, 2) das linke Bein, 3) die Vorderfläche des Thorax in der Höhe der sechsten
linken Rippe und 4) die hintere Axillarlinie in derselben Höhe. Von diesen Punkten
erhält man Kurven verschiedenen Charakters. Bei dem Menschen mit freiliegen-
dem Herzen konnten die Kurven 3 und 4 direkt von der nur mit dünner Haut-
und Muskelschicht bedeckten Herzwand abgeleitet werden. Die so erhaltenen
Kurven stimmten sehr wohl mit den am unversehrten Menschen in derselben Weise
erhaltenen überein, sie zeigten von der Vorderfläche ein Vorwiegen des Gipfels S,
von der Hinterfläche ein Vorwiegen des Gipfels R. Es ist dieses merkwürdig, da
nach den Angaben der Vorredner man gerade das Umgekehrte erwarten sollte.
Thierversuche am Katzenherzen ließen daran zweifeln, daß die Auffassung
richtig sei, da die Welle R vorwiegend dem rechten und die Welle S dem linken
Ventrikel angehören; es scheint sich eher umgekehrt zu verhalten. Diese Un-
sicherheit beweist uns, daß das Kammerelektrokardiogramm in seiner Gestalt
noch nicht eindeutig aufzufassen ist und Veränderungen der Gestalt keine unbe-
dingten Rückschlüsse zulassen; jedenfalls ist die Insuffizienz des Herzens aus dem
Elektrokardiogramm nicht einfach zu erkennen, da bei Fällen von Insuffizienz des
Herzens ganz normale Elektrokardiogramme gefunden werden können. Es bedarf
noch grundlegender Studien, um die Methode für die Klinik nach dieser Richtung
hin brauchbar zu machen; andererseits ist aber zu bemerken, daß dem Studium
der Irregularität des Herzens schon jetzt reiche Forderungen aus der Methode er-
wachsen.
An Hand der vorgezeigten und projizierten Elektrokardiogramme zeigt sich,
daß in scheinbar regelmäßigem Rhythmus ganz abnorme Systolen nahezu an nor-
maler Stelle eingeschaltet sind. Auf keine andere Weise war die Abnormität dieser
Systolen festzustellen, außer durch das Elektrokardiogramm. Es handelt sich um
Extrasystolen, die um wenige Hundertstel-Sekunden zu früh eintraten. Auch die
am freiliegenden Herzen und bei einigen anderen Fällen aufgenommenen Elektro-
kardiogramme wurden demonstriert.
(Fortsetzung folgt.)
23) K. Heinrichsen. Über die Behandlung akuter und subakuter
Eiterungen mit Stauungshyperämie nach Bier.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVII. Hft. 1.)
Verf. schildert im einzelnen die Art der Behandlung und die Resultate der
Stauungshyperämie bei verschiedenen akuten und subakuten Eiterungen, die ihm
in der von Bier angewendeten Technik vielfach gute Dienste geleistet hat. Er
zieht besonders auch die mit Bier’s Verfahren verbundenen kleinen Inzisionen
vor. Die wesentliche Grundlage des Erfolges ist, wie das Bier schon betont hat,
die richtige Dosierung der Stauung und die genügende Beaufsichtigung der Pat.
1410 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47.
»Jeder Assistenten- und Schwesternwechsel kann die guten Resultate verschlech-
tern.e Die Tamponade der Wunden ist natürlich unzulässig. Die Tatsache, daß
bei der Stauungshyperämie die Temperatur nicht gleich abfällt, soll keine Ver-
anlassung zu sofortiger Vergrößerung der Einschnitte geben. H. hat das Ver-
fahren auch prophylaktisch bei frischen infektionsverdächtigen Verletzungen ange-
wendet und war mit dem Erfolg zufrieden. Auch bei einigen Fällen von akut
und subakut verlaufendem Gelenkrheumatismus hat es sich ihm bewährt. Beson-
deres Interesse dürfte auch der Abschnitt über die Sehnenscheidenphlegmonen
bieten. E. Siegel (Frankfurt a. M.).
24) R. L. Herzenberg. Stauungsblutung nach schwerer Rumpf-
kompression.
(Russ. Archiv für Chirurgie 1907. [Russisch.))
Es handelt sich hier um den ersten in der russischen Literatur niedergelegten
Fall, dem H. zur Aufklärung nichts hinzufügen kann.
Ein 1djähriger Junge wurde beim Kohlenräumen durch große Massen Kohle
derart verschüttet, daß nur der Kopf freiblieb. Er lag ca. 20 Minuten um Hilfe
rufend da. Nach seiner Befreiung fiel er in Ohnmacht und blutete beim Erwachen
stark aus der Nase. Er atmete schwer und klagte über Schmerzen in der Brust
und der linken Schulter. Am anderen Morgen war das Gesicht — zumal links —
gedunsen. An den Lidern und um die Augen — besonders links — reichliche
Blutaustritte. Zusammenhängende Ekchymosen der Conjunctivae bulbi bis in die
Umschlagsfalten. Ekchymosen an der Unterlippe, dem Kinn und der linken
Thoraxhälfte, hier in Gestalt kleiner Punkte. Subkutanes Thoraxemphysem trotz
Mangels eines Rippenbruches. Blutung am Hinterhaupt. Auf der linken Zungen-
hälfte stecknadelkopfgroße Ekchymosen, die auf der Mundschleimhaut, entsprechend
dem linken Oberkiefer, die Gestalt von Flecken hatten. Die Atmung war ober-
flächlich und mühsam; links hinten waren feuchte Rasselgeräusche zu hören.
Augenhintergrund normal. Drei Petechien auf dem weichen Gaumen links;
Ekchymosen auf dem linken Trommelfell; Schwellung der Nasenschleimhaut. (Der
Kehlkopf scheint frei gewesen zu sein; wenigstens wird er hier nicht erwähnt.
Ref.) Im Auswurf zeigten sich in den nächsten Tagen einige Blutgerinnsel.
Pat. wurde bedeutend gebessert nach 20 Tagen entlassen.
V. E. Mertens (Kiel).
25) W. Veil. Uber ein Teratom am Kopfe eines Kindes.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVIII. p. 550.)
Ein 18 Tage altes, sonst normales Kind trug über dem linken Ohr eine dem
Schädel aufliegende, zur Hälfte von Haut bedeckte Geschwulst, die mehrere zapfen-
artige Vorragungen und deutliche Eigenbewegungen aufwies. Der Schädelknochen
darunter war verdickt, nicht perforiert. Abtragung der Geschwulst mit dem
Meißel, wobei sich im Knochen ein Zahm fand.
Die nähere Untersuchung ergab, daß die aus Bestandteilen aller drei Keim-
blätter zusammengesetzte Geschwulst sich nicht eigentlich geschwulstartig, sondern
organmäßig entwickelt hatte, wenngleich keine ausgebildeten fötalen Organe sich
vorfanden. Es handelte sich demnach um ein Teratom, für das eine heterochthone
Entstehung wahrscheinlich war. Reich (Tübingen).
26) Reiher. Ein Fall von Trauma des Hinterkopfes.
(St. Petersburger med. Wochenschrift 1908. Nr. 29.)
Interessante Geschichte eines Kranken, dem ein Baumstamm auf den Kopf ge-
fallen war, wodurch eine Berstungsfraktur des Schädels in vier fast gleiche Teile,
dem Quénu-Tisson’schen Typus entsprechend, entstand. Die Blutung durch
Zerreißung des Längssinus stand auf Tamponade.
Genaue Schilderung der durch die Commotio cerebri verursachten Ausfalls-
erscheinungen und psychischen Veränderungen, die z. T. unter dem Bilde der
Seelenblindheit verliefen. Deetz (Arolsen).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1411
27) Lop (Marseille). Greffe periostique animale.
(Gaz. des höpitaux 1908. Nr. 80.)
Durch Schlag mit einem Werkstück erlitt ein 60jähriger Arbeiter eine aus-
gedehnte Zerstörung der Kopfschwarte. Trotz aller Bemühungen kam es zu Eite-
rung und Verlust des Periosts auf dem rechten Parietale und Occipitale über
10 cm. Mehrfache Auskratzungen blieben erfolglos. Schließlich kratzte L. noch-
mals aus, desinfizierte intensiv und bedeckte den nackten Knochen mit dem Periost,
das ganz frisch vom Schädel eines Kaninchens abgezogen war, das im Augenblick
der Operation getötet wurde. In weniger als 20 Tagen war alles heil.
v. E. Mertens (Kiel).
28) Fiaschi. Case of extensive syphilitic necrosis of the skull.
(Australasian med. gaz. 1908. Juni 20.)
Pat., ein Mann von 46 Jahren, der 20 Jahre vorher an Syphilis erkrankt ge-
wesen war, war schon vor 2 Jahren vom Verf. wegen einer nicht tuberkulösen
Ostitis mit Nekrose am rechten Humerus operativ behandelt und geheilt worden.
1 Jahr später erlitt er an der Stirn eine Verletzung durch einen Eisensplitter,
es kam zu Schwellung und heftigen Schmerzen, zu Ulzeration und starker Eiterung;
auch heftige Kopfschmerzen stellten sich ein.
Bei der Operation ergab sich, daß der weitaus größte Teil der Stirnbein-
schuppe nekrotisch war, und daß diese Nekrose sich unmittelbar in beide Orbitae
fortsetzte. Ein Versuch, den kranken Knochen im Gesunden in toto auszumeißeln,
scheiterte an der abnormen Härte des gesunden Knochens. Verf. sägte deshalb
innerhalb der Nekrose, entfernte so den größten Teil des kranken Knochengewebes
und erweiterte die gewaltige Öffnung bis tief in beide Orbitae hinein vermittels
Knochenbeißzangen. Blutung gab es fast gar nicht, die Sinus waren mit der
Dura überall bereits abgehoben.
Bald granulierte die große Wundhöhle; bei der Publikation war die Haut-
wunde noch nicht geschlossen, 9 Wochen nach dem Eingriff.
W. v. Brunn (Rostock).
29) G. L. Peabody. Preliminary report of a case of cerebrospinal
meningitis of streptococcus. Origin apparently cured by subdural in-
jection of anti-streptococcus serum.
(New York med. record 1908. März 14.)
P. beschreibt einen Fall von Zerebrospinalmeningitis bei einem 37jährigen
Manne mit Symptomen von Sepsis. Bei der Lumbalpunktion fanden sich Strepto-
kokken. Daraufhin entschloß sich P., Antistreptokokkenserum 4 Tage hinterein-
ander in Mengen von je 10 ccm an Stelle einer durch Lumbalpunktion jedesmal
entleerten Quantität Zerebrospinalflüssigkeit subdutal zu injizieren. Nachdem in
Pausen von je einem Tage diese Methode noch 2mal wiederholt war und schon bei
der allerersten Einspritzung ein Temperaturabfallen sowie Nachlaß der Kopf-
schmerzen und Nackenstarre festzustellen war, konnte Pat. in 14 Tagen herum-
gehen und genas. Loewenhardt (Breslau).
30) Tilmann. Anatomische Befunde bei Epilepsie nach Trauma.
(Med. Klinik 1908. p. 1442.)
In jedem Falle von Epilepsie, bei dem eine Schädelverletzung vorliegt, muß
die Ursache der Epilepsie durch Operation beseitigt werden. T. erlebte bei
26 Schädelaufmeißelungen keinen Todesfall am Operationschok. Das Gehirn ver-
trägt Spülungen mit körperwarmer physiologischer Kochsalzlösung ausgezeichnet.
Am besten operiert man unter trockener Asepsis und mit angewärmten Tupfern.
Zweizeitig geht T. nur dann vor, wenn die Blutung bei der Freilegung des Ge-
hirns zu groß ist.
Die bei den sieben Operationen der letzten Jahre erhobenen Befunde sind
ausführlich mitgeteilt (Krankengeschichten). Bei drei Leuten, die unmittelbar nach
1412 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47.
dem Unfall an Hirnreizung erkrankten, fanden sich im Zentralgebiete Narben der
weichen Hirnhaut, die nicht mit der Dura, dagegen sämtlich mit dem unterliegenden
Teile der Hirnrinde verwachsen waren, mit dem sie entfernt wurden. Narben der
Zentralrinde, zumal mit Piaverwachsungen, lösen anscheinend besonders schnell und
leicht Epilepsie aus. Liegt der Verletzungsherd weiter ab, oder bestehen nur Ver-
wachsungen zwischen weicher und harter Hirnhaut, so treten die Anfälle erst nach
längerer Zeit ein. Die Operation war stets erfolgreich.
In einer verhältnismäßig großen Zahl von Epilepsiefällen leiten Traumen das
Krankheitsbild ein. Für jeden Anfall ist der primäre Reiz der Auslösung in die
Hirnrinde zu verlegen. Georg Schmidt (Berlin).
31) A. Chalier. Le traitement des névralgies faciales par la trepa-
nation de la zone sensitivo-motrice du coté opposé.
(Gaz. des hôpitaux 1908. Nr. 106.)
Seit 3 Jahren litt der 49jährige Pat. an linksseitiger Trigeminusneuralgie, vor
1 Jahr war der dritte Ast reseziert mit 10 Monate anhaltendem Erfolge. Dann
stellten sich wahre Schmerzparoxysmen ein, ausstrahlend in Schläfe und Nacken.
Sprechen, Kauen, Schlucken lösten heftigste Anfälle aus, bei denen das Gesicht
verzerrt wurde.
Jaboulay stellte die Diagnose: Tic douloureux de la face ou névralgie épi-
leptique spasmodique, und machte folgende Operation. Es wurde sorgfältig die
Lage des Sulcus Rolandi der rechten, also entgegengesetzten, Seite bestimmt und
ihm entsprechend ein 7—8 cm langes, 2 cm breites Stück aus dem Schädeldach
entfernt. In die Dura machte Jaboulay drei kleine Schnitte, aus denen der
Liquor langsam hervorsickerte. Die Haut wurde über der Lücke genäht. Der
Erfolg war glänzend, Pat. wurde 8 Tage nach der Operation (4. Juli 1908) geheilt
entlassen.
Die Begründung dieses Vorgehens ist im Original einzusehen.
V. E. Mertens (Kiel).
32) Young. -Case of marked hydrocephalus in a child aged 3 years
(operated on at age of 6 days for a large lumbo-sacral spina bifida).
(Glasgow med. journ. 1908. August.)
Verf. entfernte einem 6 Tage alten Kind eine Spina bifida lumbo -sacralis
unter sorgfältiger Schonung der in der Sackwand verlaufenden Nerven. Es trat
Heilung per primam ein; zur Zeit der Operation war sonst, speziell am Kopfe,
nichts Abnormes zu entdecken. 5 Monate später begann sich ein Hydrocephalus
zu entwickeln und wuchs in weiteren 5 Monaten zu erheblicher Größe.
Abgesehen von Beseitigung von sehr starker Phimose mit Balanitis wurde
therapeutisch nichts unternommen.
Eine weitere Ausbildung des Hydrocephalus kam nicht zustande, eher eine
Besserung des Zustandes. Am Ende des 3. Lebensjahres ist die vordere weit
klaffende Fontanelle fast geschlossen, die Nähte ebenfalls verwachsen; das Kind
ist ganz intelligent, kann allein stehen, aber noch nicht gehen, Stuhl und Urin
werden zu gewissen Zeiten spontan entleert, das Kind beschmutzt sich fast nie
mehr. Die Narbe am Rücken ist fest und hart.
Die Familienanamnese ist ohne Belang.
Die Spina bifida und der Hydrocephalus sind sicher beide kongenital angelegt.
W. v. Brunn (Rostock).
33) L. B. Schapiro. Zur Diagnose und Heilung der sog. Zerebral-
hernien.
(Russ. Archiv für Chirurgie 1908. [Russisch.])
1) Ein 8jähriger Junge kam mit einer bei der Geburt ganz kleinen, jetzt
mandarinengroßen Geschwulst auf dem Nasenrücken zwischen den Lidwinkeln. Sie
war etwa 4 cm breit, 3cm hoch. Die Haut über ihr war normal und etwas ver-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47.. 1413
schieblich.. Sie fluktuierte nicht und war eine Spur seitlich beweglich. Auf
Druck keine Hirnerscheinungen. Im übrigen war das Kind körperlich und geistig
gesund.
Durch einen Längsschnitt wurde die Geschwulst freigelegt bis an den glatten
Rand des Knochendefektes, der durch den Geschwulststiel völlig ausgefüllt wurde.
Der Stiel wurde ohne Ligatur im Knochenniveau glatt durchtrennt und die Blu-
tung mit dem Thermokauter gestillt. Eine Lichtung enthielt er nicht. Der ca.
21/, cm im Durchmesser haltende, ungefähr kreisförmige Knochendefekt wurde
durch ein mit dem Periost nach innen gerichtetes Periosiknochenplättchen von
lij mm Dicke gedeckt, das nicht angenäht wurde. Heilung p. p. i.
Mikroskopisch bestand die derbe Geschwulst hauptsächlich aus fibrösem Ge-
webe, in dem embryonales Muskelgewehe, Iymphoide Zellen, große Kerne ohne
Protoplasma verstreut waren.
2) Das völlig gesunde 12jährige Mädchen trug 3 cm über der Nasenwurzel
mitten auf der Stirn eine 2 cm breite, 11/.—2 cm hohe Geschwulst, die von dünner
bläulicher Haut bedeckt war. In Ruhe pulsierte sie nicht, wohl aber beim
Schreien, wobei sich auch ihre Spannung vermehrte. Druck blieb ohne Hirn-
erscheinungen. Rundum war deutlich ein Knochenrand zu fühlen. Die Operation er-
gab, daß es sich um ein Angiom handelte, dessen Gefäße mit der Diplo& des
Stirnbeines zusammenhingen, und das den Knochen usuriert hatte, so daß eine
»shöchstens 1—1!/; mm« tiefe Delle entstanden war, die ähnlich wie im vorigen
Falle mit Knochenplättchen gedeckt wurde. (Welchen Zweck die Plastik hier
hatte, ist aus dem Bericht nicht ersichtlich. Ref.) V. E. Mertens (Kiel).
84) Andrassy und Seitz. Bericht über die im Jahre 1907 vorgenom-
menen Eingriffe. (Aus dem Bezirkskrankenhause Böblingen.)
(Med. Korrespondenzblatt d. württemberg. ärztl. Landesvereins 1908. Aug. 22 u. 29.)
Bemerkenswert ist folgender Fall von Gliosarkom des Kleinhirns. Vor 5 Jahren
Sturz auf den Kopf aus 5 m Höhe, seither zeitweilig Anfälle von Kopfschmerzen.
Stauungspapille, niedriger Puls, Erbrechen sprechen für Druckerhöhung in der
Schädelhöhle, Parese des rechten Facialis, Schwindelanfälle und Druckempfindlich-
keit des rechten Hinterhauptes für Lokalisation im Kleinhirn. Daher Freilegung
der rechten Kleinhirnhälfte, Dura prall gespannt, nach Spaltung derselben drängt
das Kleinhirn stark vor, eine Geschwulst wird nicht gefunden. Schluß der Wunde,
Heilung p. p., zunächst wesentliche Besserung im Befinden, nach 18 Tagen Tod
in einem Anfalle von Atemnot. Die Sektion ergibt in der rechten Kleinhirnhemi-
sphäre mitten in der weißen Substanz eine mandelgroße, nicht abgekapselte Ge-
schwulst von derselben Resistenz wie die Hirnmasse. Mikroskopisch: Gliosarkom.
Mohr (Bielefeld).
35) W. W. Graves. A clinical study of a case of brain tumor: ope-
ration; complete recovery.
(New York med. record 1908. Mai 23.)
G. beschreibt einen mit völligem Erfolg operierten Fall von Hirngeschwulst,
bei dem die gewöhnlichen Symptome von Kopfschmerzen, Neuritis optica usw.
fehlten. Dagegen zeigte sich bei der 50jährigen Pat. Jackson’sche Epilepsie mit
nachfolgenden Erschöpfungszuständen, Paralyse der rechten Extremitäten und
Symptome von Aphasie. Es wurde eine hühnereigroße Cyste in der Gegend der
Fossa Rolandi entfernt.
Während der ersten 24 Stunden nach der Operation beklagte sich Pat. über
heftige Schmerzen im rechten Arm. An den Fingerspitzen trat zuerst Hyperämie,
dann Ischämie, schließlich Bildung von Blasen auf, die zwar nach einigen Tagen
schrumpften. Doch blieben aber noch monatelang unangenehme Empfindungen in
dieser Extremität zurück. Loewenhardt (Breslau).
1414 -Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47.
36) Mills and Frazier. A brain tumor, localized and completely
removed.
(Univ. of Pennsylvania med. bull. 1908. August.)
Der von den Verff. beobachtete und operierte Fall von Hirngeschwulst ist be-
merkenswert durch die schnelle Entwicklung des Symptomenbildes, das bestimmt
auf den Krankheitssitz an der Grenze des Schläfen- und Hinterhauptslappens hin-
wies, und durch den völligen Erfolg des chirurgischen Eingriffes. Bei der 45jäh-
rigen Frau entwickelte sich innerhalb 2 Monaten eine linksseitige, laterale, homo-
nyme Hemianopsie und beginnende Neuritis optica; in den nächsten Wochen traten
Anfälle von Schwindel, Erbrechen und Kopfschmerzen, sowie eine Parese des
linken Armes hinzu, ferner Hemiataxie und Hypästhesie der linken Extremitäten.
4 Monate nach Beginn der Erscheinungen wurde operiert; nach Bildung eines
großen, die rechte Parieto-Occipitalgegend umfassenden Haut-Knochenlappens und
Freilegung des Hirns wurde eine nahe der Oberfläche liegende, 8:4 cm große, mit
seröser Flüssigkeit gefüllte Cyste unschwierig ausgeschält. Bis auf einen dünnen
Drain Schluß der Wunde, glatte Heilung. Die mikroskopische Untersuchung be-
stätigte die Diagnose einer einfachen, serösen Cyste. Sämtliche Erscheinungen
gingen in den nächsten Wochen erheblich zurück und waren nach 3 Wochen bis
auf die Hemianopsie fast geschwunden. 3 Monate später war Pat. bis auf eine
geringfügige Hemianopsie gesund. F. hält nach seinen Erfahrungen etwa 20% der
Hirngeschwülste für operabel. Mohr (Bielefeld).
37) K. v. Orzechowski. Ein Fall von Mißbildung des Lateral-
recessus. Ein Fall zur Onkologie des Kleinhirnbrückenwinkels.
(Arbeiten a. d. neurologischen Institut an der Wiener Universität 1908. Bd. XIV.)
Verf. beschreibt uns in der obengenannten Arbeit einen äußerst interessanten
Fall, wie er sonst nirgends in der Literatur gefunden werden konnte. Bei der
Autopsie einer 60 Jahre alten Frau, die seit 25 Jahren an tabischen Beschwerden
gelitten hatte und in den letzten Tagen des Lebens Symptome einer Geschwulst
des Kleinhirnbrückenwinkels darbot, wurde bei der Obduktion neben kleinen
Aneurysmen der Art. vertebralis und basilaris eine Cyste von der Größe einer
Nuß im Kleinhirnbrückenwinkel festgestellt. Die histologische Untersuchung ergab,
daß eine Stelle der sonst gliösen Cystenwand aus einer Geschwulst mit der Struktur
des zentralen Nervengewebes bestand. Sie war an die Pia des Kleinhirns ange-
heftet, ohne daß die solide Geschwulstpartie, noch die von letzterer ausgehende
Cyste mit dem Zentralnervensystem in direktem Zusammenhang stand. Die Ge-
schwulst wies innige Beziehungen zum Plexus chorioideus auf, der durch einen
Hohlgang in der Geschwulst ins Innere der Cyste gelangte. Die Geschwulstmasse
grenzte sich stellenweise gegen die Plexuszotten durch typisches Ependym ab.
Daneben lag eine zweite, kleinere, hauptsächlich aus verflochtenen Markfasern
bestehende Geschwulst in der medialen Recessuswand, bzw. im ponto-bulbären
Körper. In beiden Geschwülsten fanden sich in der Adventitia der Gefäße kleine,
rundliche, homogene Körperchen (»fuchsinophilee Körperchen, welche chemisch
durch Eisen- und Fibrinreaktion und ausgesprochene Affinität zu den sauren Farb-
stoffen charakterisiert waren). Im Stamm wurde neben ziemlich vielen, kleinen,
frischen Erweichungen ein sklerotischer Plaque gefunden.
Außerdem fanden sich am Rückenmark außer der starken Hinterstrangssklerose
mehrere piale Neurome, zu den typischen wahren Neuromen gehörend, die aus
Nervenfasern vom peripheren Charakter bestehen, wenig faserige Grundsubstanz
und wenig Kerne aufweisen, so daß an ihrem Aufbau vorherrschend das nervöse
Faserelement beteiligt ist.
In der eigentlichen nervösen Rückenmarkssubstanz fehlten die Neurome voll-
kommen. Sie sind durch Auswachsen der Vorderwurzelfasern, und zwar aus jener
Strecke des intramedullären Verlaufes der letzteren entstanden, die peripher von
dem Abblassungsstreifen liegt. Die Verteilung der Mehrzahl der pialen Fasern
deckt sich zugleich mit der Lokalisation der Hinterwurzelaffektion in den lumbo-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1415
sakralen Segmenten. Daneben wurden aber auch Neurome in den dorsalen und
cervikalen Partien gefunden, weit von den Segmenten mit der hinteren, radikulären .
Schädigung, hier allerdings weniger an Zahl. Die extramedullären Vorderwurzeln
haben keine Zeichen der Degeneration, noch der Atrophie, noch der Regeneration
dargeboten und waren bis auf einige Neurome ganz unversehrt.
Verf. bespricht in außerordentlich gründlicher Weise den mikroskopischen
Befund der Serienschnitte der Geschwulst. Bezüglich der beiden Geschwülste am
Kleinhirnbrückenwinkel ist er der Ansicht, daß sie embryonaler Herkunft sind,
und zwar daß sie von der Wand des Recessus lateralis ausgehen. Er kommt
weiterhin auf die Entwicklungsgeschichte und die anatomischen Verhältnisse des
Lateralrecessus zu sprechen und gelangt zu dem Schluß, daß in dem Gebiete des
Hinter- und Nachhirns in den Resten der sekundären Rautenlippe ein Gebilde
vorhanden ist, welches seinem Werdegang entsprechend mit großer Wahrschein-
lichkeit den Ausgangspunkt einer großen Anzahl von Geschwülsten des IV. Ven-
trikels, des Kleinhirnbrückenwinkels,. der Brücke und des Trigeminus bildet. Für
die Geschwülste schlägt O. die Bezeichnung »Geschwulst des Lateralrecessus« vor.
Weiterhin betrachtet Verf. die verschiedenen Arten der Rückenmarksneurome
und rechnet seinen Fall unter die pialen Markfasern von den Hinterwurzeln, welche
bei der Tabes entschieden häufiger vorkommen als im normalen Rückenmark und
ein häufiges Degenerationszeichen des tabischen Rückenmarkes darstellen.
Der interessanten Arbeit sind neben einem ausführlichen Literaturverzeichnis
mehrere Zeichnungen makroskopischer und mikroskopischer Bilder beigegeben, die
das Verständnis der Arbeit wesentlich erleichtern. L. Simon (Mannheim).
38) E. Stumme. Akromegalie und Hypophyse.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVII. Hft. 2.)
Die vorliegende Arbeit enthält ausführlich alle Details der Krankengeschichte
der von Hochenegg auf dem Chirurgenkongreß 1908 vorgestellten Pat. (vgl.
dieses Zentralblatt 1908, Nr. 35, Beilage p. 72). E. Siegel (Frankfurt a. M.).
39) P. Reclus. Sur une observation d’exophthalmos pulsatile.
(Gaz. des hôpitaux 1908. Nr. 85.)
Die syphilitische Pat. erkrankte im Februar 1906. Sie litt unter heftigen
Kopfschmerzen, und man bemerkte, daß das linke Auge mehr vorstand und am
inneren Winkel durch eine unregelmäßige, pulsierende Schwellung gehoben wurde.
Bald wurde Pat. nachts durch ein lautes, brausend dröhnendes Geräusch in ihrem
Kopf geweckt. In Kürze bildete sich ein erhebliches Odem des oberen Lides aus,
das durch einen Gefäßknäuel gehoben wurde. Dies alles, wie das sehr starke
Conjunctivalödem, war in lebhafter Pulsation. Die Geräusche, über die Pat. klagte,
waren an jeder beliebigen Stelle des Schädels deutlich zu hören.
Von einem Eingriff wurde mit Rücksicht auf den Allgemeinzustand (Albumen,
Zucker) abgesehen. Es wurde symptomatisch behandelt und täglich durch »einige
Minuten« digitale Kompression der Carotis communis geübt. Der Exophthalmus
wurde geringer, ebenso die Geräusche. Die Besserung war aber nur vorübergehend.
Pat. wurde ins Hospital aufgenommen und einer Gelatineinjektionsbehandlung
(intramuskulär) unterworfen. Von Ende August 1906 bis Ende Mai 1907 wurden
81 Injektionen & 80 cg Gelatine gemacht. Da bekam Pat. plötzlich eine totale
Ophthalmoplegie rechts samt Ptose. Das Auge erblindete fast vollständig, es fand
sich eine Retinitis.
Im Dezember 1907 wurden die Injektionen wieder aufgenommen. Nach der
vierten -rötete sich plötzlich das obere Lid des linken Auges unter Schmerzen.
Nach Eisapplikation Besserung und Abschwellen, worauf sich zeigte, daß die
Pulsation verschwunden war, ebenso die Chemosis. Es blieben nur die intra-
kraniellen Geräusche noch und Anfälle von Kopfschmerzen, als deren Ursache
linksseitiges Glaukom gefunden wurde. Am 19. März 1908 entschloß R. sich end-
lich zur Unterbindung der Carotis, worauf auch die Geräusche schwanden. Das
Aufhören der Pulsation sieht R. als Erfolg der Gelatinebehandlung an.
1416 Zentralblatt für Chirurgie Nr. 47.
Um den 17. April stellten sich heftigste Schmerzen in der rechten Hälfte des
Kopfes und im rechten Bulbus ein. Pat. klagte, es sei genau so, wie seinerzeit
beim Entstehen des linksseitigen Exophthalmus. Am 2. Mai starb Pat. plötzlich
unter den Erscheiungen einer Ventrikelblutung.
Sektion: Die Diagnose auf linksseitiges Aneurysma arterio-venosum im Sinus
cavernosus bestätigte sich durchaus. Die Carotis hatte hier ein 4—b mm langes
Loch. Die Arterie war bis an die Ligaturstelle, wo ein 2cm langes Gerinnsel
lag, leer.
Rechts fand sich entgegen aller Vermutung ebenfalls ein solches Aneurysma,
ein mit frischen Gerinnseln gefüllter Sack. Durch das arrodierte Gehirn hatte die
Perforation stattgefunden, die zur tödlichen Blutung in die Ventrikel führte.
Die großen Sinus im Schädel waren dilatiert, und durch den hohen Druck,
der hier herrschte, so nimmt R. an, wurden die im Sinus cavernosus verlaufenden
Nerven derart beeinflußt, daß es zur Ophthalmoplegie kam. (Es wäre sehr zu
wünschen, daß Verf. in Zukunft die Lektüre seiner Publikationen dadurch er-
leichtert, daß er rechts und links weniger oft verwechselt. Ref.)
V. E. Mertens (Kiel).
40) Dionisio. Sulla presenza di corpusculi nerastri nel pus delle
otorroe croniche curate colla fototerapia.
(Giorn. della R. accad. di med. di Turino 1908. Nr. 6.)
Bei der erfolgreichen Behandlung chronischer Otorrhöen mit ultravioletten
Strahlen von bestimmter Wellenlänge konnte Verf. in dem ausgeschiedenen Sekret
schwarze Körperchen beobachten, die sich jedoch nur dann fanden, wenn die Ei-
terung durch Knochencaries bedingt war. Die mikroskopische Untersuchung ergab,
daß es sich mit allergrößter Wahrscheinlichkeit um pulverförmige nekrotische
Knochenpartikelchen handelte, die infolge der erfolgreichen Bestrahlung ohne jeden
chirurgischen Eingriff zur Ausscheidung kamen. Verf. kommt daher zum Schluß,
daß die Bestrahlung, die er auch bei Ozaena mit vielem Erfolg verwendete, die
Ausscheidung der cariösen Knochen begünstigt. Strauss (Nürnberg).
41) Schroeder. Ein weiterer Fall von otogener, eitriger Sinusphlebitis
mit fieberfreiem Verlauf.
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. LII. p. 357.)
Das Eintreten einer Infektion des Sinus im Gefolge von Ohreiterung wird fast
stets durch hohe Temperatursteigerungen, meist von pyämischem Typus, angezeigt.
In dem von S. mitgeteilten Falle fehlte Fieber während der klinischen Beobach-
tung vollständig, trotzdem man bei der Operation die Lichtung des Sinus in der
Ausdehnung von ca. 1!/, cm von Eiter erfüllt fand. Der infizierte Bezirk war
zentral- und peripherwärts durch solide Thromben gegen den Kreislauf abge-
schlossen. Nach der Operation (Freilegung der Mittelohrräume, Spaltung des
Sinus) erfolgte glatte Heilung. Hinsberg (Breslau).
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden.
Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau,
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig.
Zentralblatt für Chirurgie
herausgegeben von
K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER,
in Bonn, in Berlin, in Breslau.
35. Jahrgang.
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG.
Nr. 48. Sonnabend, den 28. November 1908.
Inhalt.
E. Becker, Extension am quer durchbohrten Knochen. (Originalmitteilung.)
1) Wullstein und Wilms, Chirurgie. — 2) Rote Kreuz-Bericht über die Hilfstätigkeit im ruse
sisch-japanischen Kriege. — 3) Bainbridge, Sauerstoff in der Chirurgie — 4) Bernardi, Blut-
veränderung infolge von Knochenbrüchen. — 5) Köhler, Unfallverletzte. — 6) König, Der Unfall-
arzt gegenüber traumatischen Knochengelenkentzündungen. — 7) Debove, Tabes und Chirurgie.
— 8) Findlay, Rachitis. — 9) Arce, 10) Poncet, Gelenktuberkulose. — 11) Clarke, Ganglion. —
12) Olliete, Befestigung des Oberarmes am Schulterblatt. — 13) Lusk, Suprakondylärer Oberarm-
bruch. — 14) Jones, Ischämische Paralyse. — 15) le Damany, 16) le Damany, Castex u. Veron,
17) Bade, Angeborene Hüftverrenkung. — 18) Montandon, Ober- und Unterschenkelbrüche —
19) Meissner, Bruch der Oberschenkelkondylen. — 20) v. Frisch, 21) Staffel, Plattfuß. — 22) Mayo,
Hallux valgus.
23) Naturforscherversammlung: a. Kuhn, Überdruck an der Lunge. — b. Lauenstein, Bauch-
kontusion. — c. Guleke, Eitrige Bauchfellentzündung. — d. Krabbel, e. Wilms, Appendicitis. —
f. Weiswange, Appendektomie bei gynäkologischen Laparotomien. — g. Clairmont, Schein-
einklemmung von Brüchen. — h. Löning und Stieda, Gastroskopie. — i. Anschütz, Magensaft-
fluß. — k. Clairmont, Magengeschwür. — 1. Wilms, Temporäre Kolostomie. — m. Heller, Hirsch-
eprung’sche Krankheit. — n. Morian, Krebs der Vater’schen Papille.
24) Jones, Altägyptische Knochenbrüche. — 25) Isaja, Ellbogengelenksankylosen. — 26) Stetten,
Radialislähmung bei Verschiebung des Radiusköpfchens. — 27) Sherren, Neuritis ulnaris bei
Krankheit des Ellbogengelenks. — 28) Stamm, Radiusdefekt. — 29) Würth v. Würthenau,
Trommlerlähmung. — 80) Berg, Phlebosklerose der Venen. — 31) v. Brunn, Schnellende Hüfte.
— 32) Blanc, Pseudokoxitis. — 33) Urechila, Hüfttuberkulose mit Bronchien kommunizierend. —
834) Angel, Hüftankylose. — 35) Manolescu, Echinokokkus der Sakrolumbalmuskulatur. — 36) Bett-
mann, Kniescheibenbruch. — 37) Pech, Knieverletzungen. — 38) Hashimoto und Saito, Ampu-
tationsstümpfe. — 39) Berger, Narbenkrebs des Fersenbeins. — 40) Roith, Luxatio pedis sub talo.
— 41) Nast-Kolb, Mittelfuubrüche. — 42) van Dam, Hammerzehen. — 43) Fränkel, Gehgipsver-
bände. — 44) Kaufmann, Ofliziersgamasche als Universalschiene. — 45) Martin, 46) Ortiz de
la Torre, Arteriennaht. — 47) M’Gregor, Extremitätengangrän.
Hoffmann, Erwiderung. — Cernezzi, Zu Gobiet’s Mitteilung in Nr. 40 d. BI.
Aus dem städtischen Krankenhause zu Hildesheim.
Extension am quer durchbohrten Knochen.
Von
Medizinalrat Dr. Ernst Becker,
Oberarzt.
or etwa Jahresfrist hat Steinmann! (Bern), um die gelegentlich
bei der gewöhnlichen Heftpflasterextension eintretenden Mißstände
(Reizung der Haut, Ekzem, Zirkulationsstörung durch Schnürung,
ischämische Muskellähmung, Dekubitus, Gangrän) zu verhüten, eine
neue Extensionsmethode empfohlen, die er kurz als Nagelextension
bezeichnet. Er nimmt zwei sehr spitze, schlanke, vernickelte Stahl-
1 Steinmann, Zentralblatt für Chirurgie 1907. p. 938 ff.
48
1418 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48.
nägel von 6—8 cm Länge mit breitem Kopf und schlägt sie beider-
seits am oberen Rande der Femurkondylen, mit der Spitze schräg ab-
wärts gegen den jenseitigen Condylus gerichtet, mittels Hammers ein.
An die etwa 1 cm aus der Haut hervorragenden Kopfenden der Nägel
hängt er mittels Schnur oder Draht Gewichte an, deren Nachinnen-
rutschen zur Vermeidung von Druck auf die Haut durch eine Rinne
oder einen besonderen Anhängeapparat verhindert wird. Da die Nägel
nach seiner Ansicht infolge einer gewissen Druckatrophie des Knochens
sich nach einiger Zeit lockern, so müssen sie, wie gesagt, schräg ein-
geschlagen werden. Im übrigen rühmt er der Methode nach, daß sie
einfacher und rascher als die Heftpflasterextension besorgt werden
könne, die sofortige Anwendung großer und besser wirkender Ge-
wichte erlaube, für den Kranken selbst beim stärksten Zuge schmerz-
los sei und jegliche Reizung der Haut, Zirkulationsstörungen, Deku-
bitus usw. vollkommen ausschließe; sie gestatte die sofortige Aufnahme
der gymnastischen Behandlung und sei bei komplizierten Frakturen
in gleicher Weise verwendbar wie bei unkomplizierten.
Wilms? bestätigt an der Hand einer einschlägigen Beobachtung
diese Vorteile, warnt nur vor der Anwendung zu großer Gewichte,
weil er dabei eine beträchtliche Diastase der Bruchenden beobachtete,
ein Moment, auf das beiläufig Steinmann in seiner Publikation
bereits aufmerksam gemacht hatte. Wilms verwendet außerdem statt
der Steinmann’schen runden, schmale, meißelartig geformte Nägel,
die sich sehr leicht mit den breiten Seiten nach auf- und abwärts
einschlagen und so fixieren ließen, daß eine Lockerung »so gut wie
ausgeschlossen« sein soll.
Ich glaube nun nicht, daß durch besondere Gestaltung der Nägel
sich eine Lockerung wird verhüten lassen. Denn ich weiß aus meinen
Beobachtungen bei den nach meiner Methode? behandelten Fersenbein-
brüchen, wobei die Bruchstücke auf einen Bohrer aufgespießt werden,
daß dieser Bohrer sich nach 5—6 Wochen lockert und dann ganz von
selbst herausfällt, ohne daB überhaupt jemals eine Extension auf ihn
eingewirkt hat. Bedenkt man ferner, daß der eingetriebene Nagel
sich um die Corticalis als Hypomochlion dreht, so kann sein freies
Ende in der weitmaschigen Spongiosa gar keinen festen Halt finden.
Außerdem ist bekanntlich auch die Spongiosa gerade im Bereiche der
Femurkondylen, wie man auf jeder Röntgenplatte sehen kann, außer-
ordentlich dünn, so daß auch aus diesem Grunde eine Lockerung
hervorgerufen wird. Je stärker also der Gewichtszug ist, desto eher
muß der Nagel sich lockern.
2 Wilms, Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCII. p. 260.
3 a. a. O. p. 940, Absatz 4.
4 Becker, Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII. p. 575 und
V. Brandes, Uber die Behandlung der Kompressionsfrakturen des Calcaneus.
Inaug.-Diss., Berlin 1908.
5 Merkel, Handbuch der topographischen Anatomie 1907. Bd. III. p. 696.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1419
Diesen offenbar nicht gleichgültigen Mangel der an sich guten
Methode habe ich durch folgendes Verfahren beseitigen können. Ich
ließ mir durch meinen Maschinenmeister einen 20 cm langen und
4 mm dicken Stahlstab schneiden und an beiden Seiten mit Gewinden
versehen. Das eine Ende wurde außerdem von zwei Seiten abgeplattet
und mit kurzer Spitze versehen, während das andere Ende eine Ein-
kerbung und Abflachung erhielt, so daß es in den Borchardt’schen
elektrischen Trepanationsapparat hineinpaßte, den mir seinerzeit die
Firma Hirschmann geliefert hatte (Fig. 1). Beide Enden des Stahl-
stabes konnten durch Messinghülsen mit entsprechendem Gewinde
kaschiert werden. In die Hülsen griffen Karabinerhaken mit alten
ausrangierten elektrischen Klingelschnüren, an denen die Extension
ausgeübt wurde. Zwei kreisförmige Scheiben aus Weißblech bilden
den Abschluß gegen den Verband (Fig. 2).
Fig. 1.
Zuerst benutzte ich diese Methode bei einem Chauffeur, der Stückbrüche
beider Oberschenkel auf der Grenze zwischen mittlerem und unterem Drittel da-
durch erlitten hatte, daß bei einem Automobilunglück ihm beide Beine zwischen
einen Chausseebaum und den Kraftwagen gequetscht waren. Nachdem mit der
gewöhnlichen Extensionsmethode nach Heusner es binnen 14 Tagen nicht ge-
lungen war, ein befriedigendes Resultat zu erzielen, ging ich folgendermaßen vor.
In Lumbalanästhesie mit Tropakokain wurde der Stahlbohrer etwa drei Quer-
finger breit oberhalb des Gelenkspaltes, um mit Sicherheit die Gelenkkapsel und
die Fossa intercondylica zu vermeiden, an der Außenseite des Oberschenkels auf
die Haut aufgesetzt und die Richtung, welche er nehmen sollte, vorher ganz genau
festgelegt, während ein Assistent mit aller Kraft am Unterschenkel zog und ein
anderer den Oberschenkel fixierte, so daß die Dislokation der Bruchstücke beseitigt
war. Auf Kommando wurde dann der Strom angestellt, und in wenigen Sekunden
fuhr der Bohrer quer durch Haut und Knochen hindurch, ohne die geringste Er-
schütterung oder Dislokation des unteren Bruchstückes hervorzurufen. Nach Lösung
des Bobrers vom elektrischen Apparate lag er absolut fest und unbeweglich im
Knochen. Um beide vorstehenden Enden wurde ein Streifen Vioformgaze gerollt
und diese durch einige Achtertouren einer Gazebinde über der Streckseite des
Knies fixiert. Dann wurden die beiden Weißblechscheiben darübergeschoben und
48*
1420 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48.
die Hülsen aufgeschraubt. Der Unterschenkel wurde in eine Volkmann'sche
Schiene gelagert, die Karabinerhaken mit Extensionsschnüren eingehängt, und in
wenigen Minuten war der ganze Extensionsverband fertig, so daß sofort die Ge-
wichte angehängt werden konnten. In den nächsten Tagen wurden, da der Kranke
noch über Schmerzen an den Bruchstellen klagte, Gipshülsen um die Oberschenkel
gelegt.
In einem zweiten Falle, der ein sehr korpulentes 20jähriges Mädchen mit
sehr fleischigem Oberschenkel und Spiralbruch in der Mitte des Femur betraf,
legte ich sofort einen Gipsverband um das Becken und den gebrochenen Ober-
schenkel bis hinab zu der Stelle, wo der Bohrer lag, so daß dadurch das obere
Bruchstück sofort ruhiggestellt war. Diese Kranke hatte nicht die geringsten
Schmerzen. Ich glaube, daß dieses in manchen Fällen wohl zu emptehlen ist.
Sobald die Konsolidation einigermaßen eingeleitet ist, entfernt
man den Gipsverband und beginnt mit Massage. Ist die Fraktur
fest, so zieht man den Bohrer mit einer Zange heraus, was sehr leicht
und schmerzlos gelingt, da er sich im Laufe der Wochen gelockert
hat. Die Bohrlöcher der Haut, die meistens etwas entzündlich ge-
rötet sind, heilen unter Wundverband in kurzem.
Auf Grund meiner Erfahrungen kann ich mich dahin aussprechen,
daß das geschilderte Verfahren die Vorzüge des Steinmann’schen
teilt, ihm aber durch Sicherheit und Exaktheit überlegen ist. Da der
Bohrer die Knochencorticalis an zwei Stellen durchbohrt, so kann
eine Hebelwirkung wie bei der Nagelextension niemals eintreten.
Ferner hat man in den beiden überstehenden Enden des Stahlstabes
eine vorzügliche Handhabe, um eine Rotation des unteren Bruch-
stückes um die Längsachse zu verhüten. Da der Zug direkt am
Knochen ausgeübt wird, so gebraucht man selbstverständlich sehr
viel weniger Gewichte als bei der Heftpflasterextension, die zunächst
doch an Haut und Muskulatur angreift und erst indirekt am Knochen.
Damit hängt zusammen, daß ein Schlotterkniegelenk unmöglich ent-
stehen kann.
Gegenüber dem Einschlagen von Nägeln ist schließlich als be-
sonderer Vorzug zu erwähnen, daß bei der elektrischen Bohrung
jegliche Erschütterung oder Verschiebung der Bruchstücke,
sowie etwaige Splitterung gänzlich ausgeschlossen ist. Die Führung
des Bohrers ist wegen der rapiden Schnelligkeit, mit der sie erfolgt,
eine absolut sichere.
Welchen Umfang man künftig dieser Methode einräumen wird,
kann erst durch weitere Erfahrungen festgestellt werden; ob sie z. B.
nach Hüftgelenksresektionen, bei allen Arten von Oberschenkel-
brüchen (Steinmann scheint das anzunehmen), bei Unterschenkel-
brüchen (wenn man die Malleolen durchbohrt) ratsam ist, steht noch
dahin.
Vorläufig glaube ich, daß sie besonders empfohlen werden kann
bei komplizierten Oberschenkelbrüchen, die häufige Verband-
wechsel erheischen, bei subkutanen Komminutivbrüchen des Femur,
sowie bei sehr korpulenten Menschen, bei denen die Anlegung
von Verbänden am Oberschenkel ihre Schwierigkeiten hat.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1421
.
1) Wullstein und Wilms. Lehrbuch der Chirurigie. I. Bd.
Jena, Gustav Fischer, 1908.
Eine Anzahl unserer jüngeren Chirurgen hat sich zusammengetan,
um für die Studierenden eine kurze, praktisch gehaltene und leicht
verständliche Darstellung des Lehrgebietes der Chirurgie zu schaffen.
Als Vorbild hat den Autoren das bekannte v. Mering’sche Lehrbuch
der inneren Medizin gedient, das sich seit Jahren bewährt hat.
Der allgemeinen Chirurgie sind nur wenige Kapitel besonders
gewidmet, das übrige soll in den Abschnitten der speziellen Chirurgie
eingeflochten werden. Der II. Band wird zeigen, ob dies in aus-
reichender Weise der Fall sein wird. Am I. Band haben mitgearbeitet
die Herren Schloffer, Tilmann, Preysing (Otologie, Rhinologie
und Laryngologie), Wilms, Küttner, de Quervain, Sauerbruch,
Perthes, J. Riedinger. Die Darstellung ist fast durchweg eine
gute, wenn auch nicht ganz gleichmäßige in allen Abschnitten. Der
Text ist sehr reich und vorzüglich illustriert (326 zum Teil farbige
Abbildungen). Das ist für ein chirurgisches Lehrbuch von grund-
legender Bedeutung; es liefert den Studierenden präzise Erinnerungs-
bilder, an die sich das Verständnis heftet. Die Verlagsbuchhandlung
hat in Anbetracht des niedrigen Preises (10 Mk.) wieder Großes ge-
leistet.
Das vorzügliche Lehrbuch wird bei den Studierenden bald beliebt
werden, besonders wenn erst in einer II. Auflage einige Ungleichheiten
ausgemerzt sind. Garrd (Bonn).
2) Beiträge zur Kriegsheilkunde aus der Hilfstätigkeit der
deutschen Vereine vom Roten Kreuz während des russisch-
japanischen Krieges 1904—1905. Hrsg. vom Zentralkomitee
der deutschen Vereine vom Roten Kreuz in Berlin. XXXI
und 431 S., 17 Tafeln, 122 Abbild. im Text. 42 Mk.
| Leipzig, W. Engelmann, 1908. .
Dieses großartig ausgestattete Werk ist nicht für Arzte allein
geschrieben, sondern wendet sich auch an nichtärztliche Leser, wie
schon daraus sich ergibt, daß die medizinischen Fachausdrücke ent-
weder im Text selbst deutsch gegeben oder in einem beigefügten
alphabetisch geordneten Namenverzeichnis in Übersetzung mitgeteilt
werden. Immerhin nehmen den größten Raum des Buches medi-
zinische Dinge ein, die aber zu einem großen Teil unsere Leser
schon kennen, da, wenn auch weniger ausführlich, die chirurgischen
Führer der zwei ausgesandten Expeditionen, die Herren Borchardt
und Henle, bereits über besonders Wertvolles ihrer Erfahrungen
auf kriegschirurgischem Gebiet andererseits berichtet haben, worüber
dann in diesem Zentralblatt an verschiedenen Stellen, zum Teil durch
die Herren selbst, referiert worden ist. Neu ist ein allgemeiner zu-
sammenfassender Bericht über die Hilfstätigkeit des deutschen Roten
1422 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48.
Kreuzes während des russisch-japanischen Krieges, neu sind die Be-
richte über das gesamte ungemein reiche Einrichtungsmaterial, das
die Expeditionen mit sich führten und aus dem sie ihre Lazarette
aufbauen und einrichten, auch Eisenbahnzüge für Verwundete und
Kranke ausrüsten konnten; neu ein großer Abschnitt über die inneren
Krankheiten bei den Russen, die im Charbiner Lazarett Aufnahme
fanden und dort Gelegenheit gaben, an ihnen Studien mit allen Hilfs-
mitteln der modernsten Klinik zu machen, neu eine große Anzahl
mehr oder weniger ausführlicher Krankengeschichten, neu endlich eine
sehr große Zahl trefflicher photographischer und röntgenographischer
Abbildungen, die einen reichen kriegschirurgischen Atlas darstellen.
Es ist bekannt, daß beide Expeditionen den Schlachtfeldern fern
bleiben mußten, frische Verletzungen also nicht zu ihrer Beobachtung
kamen, ebenso, daß die Zahl der durch sie behandelten Schuß-
verletzungen nur eine verhältnismäßig kleine war, in Oharbin 272, in
Tokio 276 Verletzte betrug. Jenes Moment fällt nicht sehr ins Ge-
wicht; denn den primären Charakter der Wunden durch die modernen
Schußwaffen kennen wir aus anderen Kämpfen und wissen durch an-
dere Berichte über den großen asiatischen Krieg, daß hierin Ande-
rungen nicht zur Beobachtung kamen. Dagegen gestatteten die gut
eingerichteten Laazarette, jede zukommende Verletzung, bzw. deren
Folgen, auf das genaueste nach jeder Richtung hin zu untersuchen,
sie nach den neuesten therapeutischen Grundsätzen zu behandeln und
ihren Verlauf bis zu ihrem Ende oder wenigstens so lange zu beob-
achten, bis ihre Entlassung gar keine Gefahr mehr bot.
Einzelne Erfahrungen mögen hier Platz finden, so die, daß
Borchardt keinen Fall beobachtet hat, wo bei Verletzungen durch
Infanterievollmantelgeschosse, auch wenn die Projektile im Kör-
per stecken geblieben, deformiert, Querschläger waren, neben ihnen
andere Fremdkörper bzw. Teile der Kleidung gefunden wurden. Anders
bei den Schrapnellwunden, bei denen häufig die Kugel im Körper
zurückblieb, nicht selten Kleiderfetzen mitgerissen waren und sich weit
häufiger als bei den Gewehrschußwunden eine Neigung zu Infektionen
zeigte, wie übrigens auch bei Wunden durch artilleristische Geschosse
und Handgranaten. Leider kamen 40% aller in Charbin — frühestens
10 Tage nach ihrer Verwundung — eintreffenden Verletzten mit in-
fizierten Wunden daselbst an, unter ihnen namentlich solche, die man,
seien es Schuß- oder Amputationswunden, primär durch Naht
verschlossen hatte. Die zur Beobachtung kommenden Brustschüsse
verliefen oft unter geringen Symptomen gut, selbst solche, die beide
Lungen betrafen oder durch Schrapnellkugeln erzeugt waren; aber
aus unbekannten Gründen entwickelten sich später bei einer Anzahl
von ihnen Pneumonien, die auch wohl einen tödlichen Ausgang nah-
men. Spezielle Erwähnung verdient ein Fall, wo bei einem am
21. Februar durch ein zwischen der 10. und 11. Rippe eingedrungenes
Geschoß verwundeten und am 2. Mai gestorbenen Soldaten bei der
Sektion zufällig eine ausgeheilte quere Durchschießung der Aorta
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1423
gefunden wurde. Die Wunden des Gefäßrohres waren vollkommen
fest geschlossen.
Noch später als das russische Lazarett erhielt das in Tokio etab-
lierte und bald nach jeder Richtung gut ausgerüstete seine Ver-
wundeten. Hier war es dann aber auch möglich, die Erfolge der
notwendig werdenden Operationen lange Zeit hindurch zu beobachten,
da die durchschnittliche Behandlungsdauer der Pat. 72 Tage dauerte.
Die Desinfektion beschränkt sich allein auf die Anwendung von Seifen-
spiritus, ohne Wasseranwendung; und daß dieses einfache, also für
den Kriegschirurgen besonders geeignete Verfahren sich wohl bewährte,
ergibt der Erfolg: von den 276 behandelnden Verletzten, bei denen
195 Operationen gemacht wurden, ist nur einer gestorben. Die lange
Dauer des Lazarettaufenthaltes erklärt sich übrigens zum großen Teil
aus der auch bei den japanischen Verletzten stark hervortretenden
Sucht nach hohen Renten und den Widerständen, die sie zu ihrer
Wiederherstellung notwendigen Übungen entgegenstellten. Uber die
operativen Heilversuche bei Nervenschußverletzungen hat Henle schon
früher berichtet; sie sind unseren Lesern bekannt. Die übrige Sta-
tistik enthält eine große Anzahl interessanter Beobachtungen, so daß
das Studium des Originals dringend zu empfehlen ist. Leider wird
der hohe Preis der erwünschten Verbreitung des Buches nicht gün-
stig sein. Richter (Breslau).
3) Bainbridge. Oxygen in medicine and surgery — a con-
tribution, with report of cases.
(New York state journ. of med. 1908. Juni.)
Nach sehr ausführlichem Referat über die Publikationen über die
Verwendungsmöglichkeiten des Sauerstoffes in der Medizin berichtet
B. über die Erfahrungen, die er mit Sauerstoffinjektionen in die Bauch-
höhle bei Laparotomien und im Tierversuche gewonnen hat.
Der Sauerstoff (89%) wurde durch Passieren einer Flasche voll
heißen Wassers vorgewärmt und durch eine lange Glaskanüle am
Schluß der Laparotomie in die Bauchhöhle eingeführt. Er wurde
den bekannten Stahlflaschen, worin er in komprimiertem Zustande
sich befand, direkt entnommen.
Man muß sich in acht nehmen, bei der Infusion kein Emphysem
der Gewebe zu erzeugen. Die Menge des zur Verwendung kommen-
den Sauerstoffes wird am besten so bestimmt, daß man vor der Ope-
ration den Bauchumfang mißt und nachher so viel OÖ einströmen läßt,
daß das ursprüngliche Umfangsmaß beinahe erreicht wird; in Fällen
von Chok, bei Blutungen, lasse man so viel einströmen, daß die Leber-
dämpfung gerade verschwindet.
Bei solchem Vorgehen war die Cyanose geringer, die Wundflächen
röter, Puls und Atmung besser, die Leibschmerzen geringer, Übelsein
und Erbrechen seltener, der Appetit besser, die Darmtätigkeit reger
als bei den Operationen ohne Sauerstoffinjektion; der Blutdruck wurde
nicht nennenswert verändert.
1424 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48.
Die Erfahrungen, die B. an 16 Pat. machte, beschreibt er dann
im einzelnen. Es handelt sich um Operationen wegen tuberkulöser
Peritonitis, gutartigen und bösartigen Geschwülsten des weiblichen
Geschlechtsapparates, Lebercirrhose, Appendicitis. Besonders deutlich
traten die Vorzüge des Verfahrens in die Erscheinung bei einer
Karzinompatientin, die zweimal ohne und zweimal mit Sauerstoff-
injektion laparotomiert worden war.
Die Experimente B.’s an Katzen (Injektion von 200, 300 bzw.
400 ccm Sauerstoff unter 60—200 mm Wasserdruck bewiesen, daß
nach 36 Stunden stets aller Sauerstoff resorbiert war, bisweilen schon
nach 24 und 18 Stunden. Der intraabdominale Druck hatte wenig
Einfluß auf die Geschwindigkeit der Resorption. Puls und Atmung
wurden ein wenig beschleunigt, der Blutdruck stieg etwas; auffallend
war das schnelle Aufwachen aus der Narkose; nahm Verf. statt des
Sauerstoffes Luft, so wachten die Tiere erst viel später auf; sonst
war der Einfluß ähnlich wie bei Sauerstoff. Wenn Verf. den Sauer-
stoff unter hohem Druck einströmen ließ (1500—1800 mm Wasser), so
kam es zu starkem Anstieg des Blutdruckes, Beschleunigung von Re-
spiration und Herztätigkeit und dann schnell zum Tode. In solchen
Fällen waren auch mikroskopisch gar keine Veränderungen an den
Organen zu sehen.
Von besonderem Interesse war der Einfluß der Sauerstoffinjektion
auf die Ausbildung von Verklebungen. Verf. skarifizierte zunächst
das parietale und viszerale Bauchfell an zahlreichen Stellen und schloß
die Bauchwunde nach Injektion von 200—300 ccm Sauerstoff. Ferner
heftete er nach Skarifikation dieser Darmteile ein 9 cm langes Stück
Dünndarm durch zwei Seidennähte an das Querkolon und schloß die
Bauchwunde nach Sauerstoffinjektion.
In Parallelversuchen führte er die gleichen operativen Maßnahmen
aus, aber ohne Sauerstoffanwendung. Der Erfolg war, daß nach Sauer-
stoffinjektion höchstens einzelne spinnwebfeine Verklebungen sich vor-
fanden, in den anderen Fällen aber umfangreiche zahlreiche breite
Verklebungen und feste Verwachsungen in kurzer Zeit sich ausge-
bildet hatten. Die Ursache kann sein einmal das mechanische
Moment des Auseinanderhaltens der verletzten Bauchfellflächen durch
den Sauerstoff, ferner eine erhöhte Wachstumsenergie des Serosaendo-
thels unter dem Einfluß des Sauerstoffes oder endlich der Umstand,
daß die Darmbewegung durch Sauerstoff kräftig angeregt wird und
dadurch für die Bildung von Verklebungen ungünstige Verhältnisse
geschaffen werden. W. v. Brunn (Rostock).
4) GŒ. Bernardi. Di alcune modificazioni citologiche nel
sangue dei fratturati. (Istituto di patologia chirurgica della
università di Pisa.) 14 Doppeltabellen, I kolor. Tafel.
Pisa, F. Mariotti, 1907.
Die sehr fleißige, die Untersuchungen von über 1000 Blutpräpa-
raten verwertende Arbeit füllt eine Lücke in unseren Kenntnissen von
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1425
der Pathobiologie der Knochenbrüche. Die traumatische Schädi-
gung eines Organes, welches die zellbildende Keimstätte der roten
und der weißen granulierten Blutzellen ist, muß, wenn ein größerer
Abschnitt geschädigt ist, zu einer bestimmten, wohl nur graduell
verschiedenen Umänderung des Blutcytogrammes führen.
Nach einem Überblick über die qualitativen und quantitativen
Änderungen des morphologischen Blutbildes unter normalen und
pathologischen Verhältnissen, wobei er sich in der Streitfrage der
Abstammung der weißen Blutkörperchen zu Ehrlich’s dualistischer
Lehre bekennt, berichtet B. über seine an verschiedenaltrigen Indivi-
duen, die die verschiedensten subkutanen oder offenen Diaphysenbrüche
aufwiesen, vorgenommenen Untersuchungen; zur Kontrolle wurde
jeweilen ein gleichaltriges gesundes Individuum hämatologisch unter-
sucht.
Die roten Blutkörperchen zeigen bei Subkutanbrüchen keinen
auffälligen quantitativen Unterschied; anders im qualitativen Verhalten:
bei Kindern treten neben in Teilung begriffenen weißen noch spärliche
kernhaltige rote Blutkörperchen auf; bei Erwachsenen beobachtet man
zuweilen Polychromasie.
Wichtiger ist das Verhalten der Leukocyten. Bei allen Knochen-
brüchen kommt es zu einer Vermehrung der absoluten Leukocyten-
gesamtzahl proportional dem Alter, dem hämatologischen Wert
des Knochens und der Schwere der Verletzung; die Leukocytenzahl
wird um so größer, je näher das Knochenmark noch seiner größten
physiologischen Aktivität, d. i. der Fötalzeit, steht. Das Maximum der
Leukocytose tritt nicht unmittelbar nach der Verletzung, sondern erst
in 10—15 Tagen auf; sie verschwindet wieder unter verschiedenen
Schwankungen mit Annäherung der Heilung. Die Hyperleukocytose
erscheint bei Kindern früher als bei Erwachsenen, bei letzteren bei
offenen Frakturen und etwaigen Nebenverletzungen früher als bei
Subkutanbrüchen.
Die prozentualische Leukocytenformel erfährt immer bemerkeus-
werte Abänderungen, die graduell vom Alter, der Wichtigkeit des
gebrochenen Knochens und der Ausdehnung des Bruches abhängig
ist. Sie bleibt annähernd normal bei Brüchen kleiner Knochen (Knie-
scheibe usw.), erfährt unwesentliche Modifikationen bei Radius-, größere
bei Unterschenkel-, die größten bei Oberschenkelbrüchen. Bei Kindern
sind alle myeloiden Elemente auf Kosten der lymphocytären, die von
43—33% (normal) auf 27—14% fallen, vermehrt. — Im Blute der
Frakturierten existiert eine bescheidene, weder der Schwere der Ver-
letzung noch dem Werte des Knochens, noch dem Alter proportionale
Zahl von Myelocyten, neutrophil oder eosinophil granuliert, wobei
letztere überwiegen. Die bei Kindern wahrscheinlich intensivere
Knochenmarksreaktion dürfte wahrscheinlich dadurch verdeckt sein,
daß die Myelocyten sich rasch in Polynukleäre umwandeln und als
solche ins Blut eintreten. — Die Neutrophilen, die großen Mono-
aukleären und die Übergangsformen sind immer beträchtlich vermehr‘
| 48° *
1426 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48.
auf Kosten der Lymphocyten. — Die Eosinophilen neigen in den
ersten Tagen der Fraktur zur Verminderung oder bleiben normal,
nehmen dann rasch zu; ihre Vermehrung zeigt einen glatten afebrilen
Heilverlauf an. Mangel, auffallende Spärlichkeit oder sukzessives
Verschwinden der kreisenden Eosinophilen ist ein prognostisch schlech-
tes Zeichen und deutet auf schwere Komplikationen.
Die Steigerung der extrazellulären Jodreaktion des Blutes an den
Blutplättchen, die bei Knochenbrüchen klinisch wie experimentell
nachgewiesen ist, scheint dem Verf. unbekannt zu sein; wenigstens ist
sie nicht angeführt oder gar nachgeprüft.
Auf der kolorierten Tafel sind eigenartige Erythrocytenbefunde
reproduziert, wie sie B. tierexperimentell bei Tauben und Kaninchen
mit Knochenbrüchen erheben konnte: in zahlreichen roten Blut-
körperchen trat eine oft sehr reichlich differenzierte chromatische
Substanz auf, in granulärer oder häufiger noch filamentärer Anord-
nung; Einzelheiten darüber sind im Original einzusehen.
K. Henschen (Tübingen).
5) A. Köhler. Über die ärztliche Untersuchung der Unfall-
verletzten. 5
(Charité-Annalen XXXII. Jahrg.)
Aus seiner reichen Erfahrung gibt K. einige praktische Winke
für die ärztliche Untersuchung der Unfallverletzten. Nachdem er die
eigentümliche Vertrauensstellung des Arztes sowohl dem Pat. als wie
der Genossenschaft gegenüber und das fast immer völlig unbegründete,
von außen in ihn hineingetragene Mißtrauen des Arbeiters gegen den
Arzt besprochen hat, wendet sich Verf. der Untersuchung selbst zu.
Mit Recht fordert er vom Arzte ein strenges Unterscheiden zwischen
dem subjektiven und objektiven Befund, ein Punkt, der nach Ansicht
des Ref. immer wieder vernachlässigt wird. Schwierig kann die Be-
urteilung angeblich sensibler Störungen und Schmerzen werden, be-
sonders wenn noch nicht objektive Veränderungen erwartet werden
können. Die Simulation des Romberg’schen Phänomens, von Muskel-
lähmungen und Gelenksteifigkeiten läßt sich durch gewisse Kunstgriffe
meist entlarven. Boerner (Rastatt).
6) König. Die traumatische Knochengelenkentzündung in
ihrer Bedeutung für das Gutachten des Unfallarztes.
(Berliner klin. Wochenschrift 1908, Nr. 37.)
Die Frage nach dem tatsächlichen Zusammenhange zwischen
Gewalteinwirkung und Knochengelenkentzündung in präziserer Weise,
als dies in der Regel geschieht, zu beantworten, ist der Zweck der
Ausführungen des Verf.s.
Die Zahl der Fälle, die der Gewalteinwirkung allein ihre Ent-
stehung verdanken, ist gering. In der Regel handelt es sich um spe-
zifische Erkrankungen, die durch stumpfe Gewalt, direkt oder indirekt,
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1427
hervorgerufen wurden, ohne daß Brüche oder Verrenkungen entstanden.
Da es ein objektives Zeichen dafür, daß eine Entzündung eine trauma-
tische ist, in der Regel nicht gibt, ist die Anamnese von großer
Bedeutung, zumal wenn das Trauma und der Eintritt der Gelenk-
entzündung zeitlich weit auseinander liegen.
1) Die akute Knochengelenkentzündung.
Als direkte und einzige Folgen der Gewalteinwirkung kommen
in Betracht: der Bluterguß und der traumatische Hydrops (aseptische
traumatische Gelenkergüsse). Bei allen übrigen hat die Gewalt nur
den Boden präpariert für die Niederlassung einer anderweitigen Ent-
zündungsursache (Gonokokken, Staphylo-Streptokokken, Typhusbazillen,
Bakterium coli, Pneumokokken usw.). Es entsteht der für die Begut-
achter am häufigsten in Betracht kommende traumatisch septische
oder traumatisch infektiöse Erguß.
Für die Begutachtung sind folgende Sätze maßgebend:
a. Eine Knochengelenkentzündung ist mit an Gewißheit grenzender
Wahrscheinlichkeit als traumatische zu betrachten, wenn sie in direk-
tem Anschluß an eine Gewalteinwirkung aufgetreten ist.
Der Nachweis eines als Ausgangspunkt für Infektion anzusehenden
anderweiten Eiterherdes erhöht die Sicherheit der Diagnose einer
traumatisch septischen Erkrankung (eitrige Angina, Furunkel usw.).
b. Auch wenn im Verlaufe von einigen Wochen, nachdem die
Gewalt eingewirkt hatte, eine Knochenentzündung an der getroffenen
Stelle entsteht, ist man noch berechtigt, den Zusammenhang zwischen
Gewalt und Entzündung mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen.
c. Es kann aber auch längere Zeit nach dem Stattfinden einer
Gewalteinwirkung am Knochen erhebliche Schwellung und ein AbszeBß
auftreten.
d. Unter denselben Verhältnissen bricht erst nach wandelbarer
Zeit ein vorhandener Knochenherd in das Gelenk durch und ruft erst
jetzt eine traumatische Entzündung des Gelenkes hervor.
e. Es kann jedoch eine ursächliche Beziehung zwischen Trauma
und Knochengelenkentzündung in letzterem Falle nur dann mit Wahr-
scheinlichkeit angenommen werden, wenn vollkommen einwandsfrei
erwiesen ist, daß von dem Moment des Unfalles bis zu dem Auftreten
schwerer Entzündungserscheinungen, Schmerz, Schwellung, event. lokale
leichte Entzündungserscheinungen mit ‘oder ohne Fieber, oder wenn
Funktionsstörungen vorhanden waren.
Ein Zusammenhang ist unbedingt zu verwerfen, wenn solche Sym-
ptome in der Zwischenzeit fehlen.
2) Traumatische Tuberkulose des Knochengelenkappa-
rates.
K. konnte unter 566 tuberkulösen Erkrankungen des Hüftgelenkes
86 als traumatische ermitteln. In 36 Fällen entstand die Erkrankung
direkt im Anschluß an die Gewalteinwirkung. Unter 720 Kniegelenk-
erkrankungen entstanden 129 nach Gewalteinwirkung.
*
1428 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48.
Für den Begutachter sind folgende zusammenfassende Sätze
wichtig:
a. Sowohl der Tierversuch als auch die Erfahrung am Menschen
haben bewiesen, daß sich die große Mehrzahl der traumatischen Tu-
berkulosen alsbald nach dem Stattfinden des Traumas entwickelt. Die
Kenntnis des klinischen Verlaufes dieser Fälle lehrt uns, daß sie
bereits in den ersten 14 Tagen nach der Verletzung auftreten. Immer-
hin dürfen wir aber auch den Zeitraum, bis zu welchem große Wahr-
scheinlichkeit für den Zusammenhang spricht, auf etwa 2 Monate,
und wenn man bedenkt, daß sich manche Formen sehr langsam ent-
wickeln, bis sie der Kranke bemerkt, auf 3 Monate bestimmen.
b. Bei allen später auftretenden Erkrankungen muß, um die
Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhanges zuzugeben, nachgewiesen
werden, daß bis zum Offenkundigwerden der Erkrankung von dem
Moment des Unfalles an krankhafte Erscheinungen (Schmerz, Schwel-
lung, Funktionsstörunug) vorhanden waren.
Ist dies nicht der Fall, so ist unseres Erachtens die Erkrankung
nicht als ein Betriebsunfall anzuerkennen. Es wird dann auch öfter
möglich. sein, direkt nachzuweisen, daß andere im Wesen der tuber-
kulösen Erkrankung gelegene Verhältnisse die Entstehung derselben
erklären. Langemak (Erfurt).
7) Debove /Paris). Tabes et chirurgie.
(Presse méd. 1908. Nr, 59.)
Die Tabes zeigt sich unter sehr verschiedenen Formen, und oft
sind die Erscheinungen derart, daß die Grundkrankheit verkannt wird.
Dies hat namentlich dann sehr unliebsame Folgen, wenn man eine
chirurgische Krankheit annimmt und demgemäß einen chirurgischen
Eingriff macht. Nicht nur, daß derselbe auf das Leiden gar keinen
Einfluß ausübt, sondern die Heilung der Operationswunde ist eine sehr
langwierige und kann in manchen Fällen auch ganz ausbleiben. Es
ist dies namentlich mit Bezug auf tabische Gelenkerkrankungen in
Betracht zu ziehen. Es sind da oft Resektionen mit den schlech-
testen Folgen vorgenommen und die Tabes erst dann erkannt worden,
als es zu spät war. Ja, es sind Fälle bekannt — und Verf. zitiert
solche aus eigener Beobachtung —, wo die Operation nicht nur lokal
nichts genutzt, sondern auch auf die Grundkrankheit einen verschlim-
mernden Einfluß ausgeübt hat.
Eine 48jährige Tabikerin erkrankte an einer Arthritis des rechten
Knies. Es wurde die Resektion desselben vorgenommen und das Bein
in einem Gipsverband immobilisiert. Bald darauf traten schwere
gastrische und laryngeale Krisen auf, häufige Ohnmachten verschlim-
merten den Zustand, und Pat. starb am 25. Tage nach der Ope-
ration. Die Untersuchung des resezierten Knies zeigte auch nicht die
geringste Spur von knöcherner oder bindegewebiger Vereinigung der
Knochen.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1429
In anderen Fällen wurde wegen gastrischer tabischer Krisen die
Gastroenterostomie vorgenommen, da Pylorusstenose diagnostiziert
wurde. In einem anderen ähnlichen Falle wurden Leberkrämpfe an-
genommen und die Gallenblase reseziertt. Als die Schmerzen hierauf
nicht besser wurden, machte man eine Nephropexie, indem man glaubte,
daß es sich um Wanderniere handle. In ähnlicher Weise wurde bei
Blasenkrisen der Steinschnitt vorgenommen.
Aus diesen Erfahrungen soll die Lehre gezogen werden, daß man
bei Vorhandensein von osteoartikulären Erkrankungen, sowie auch bei
verschiedenen Krisen der Viszeralorgane an die Möglichkeit des Be-
stehens von Tabes denken und den Kranken einer dementsprechenden
Untersuchung unterwerfen soll. E. Toff (Braila).
8) L. Findlay. The etiology of rickets: a clinical and ex-
perimental study.
(Brit. med. journ. 1908. Juli 4.)
Die Erfahrung lehrt, daß Tiere, die zu Zwecken des Experiments
in Käfigen gehalten werden, sehr häufig rachitisch werden. Vergleiche
zwischen Hunden, die bei völlig gleicher Fütterung, Reinlichkeit und
anderen äußeren Bedingungen im engen Käfig gefangen gehalten
wurden, und solchen, die ein gewisses Maß von freier Bewegung
hatten, haben F. überzeugt, daß Mangel an Muskelübung mit Sicher-
heit zur Rachitis führt. F. überträgt diese Schlußfolgerungen auf
menschliche Verhältnisse und versucht nachzuweisen, daß das Gleiche
auch für die menschliche Rachitis zutrifft, und daß alle anderen, so
zahlreichen wie unbefriedigenden Theorien der Rachitis nicht den
Kern treffen. Einige seiner Argumente mögen hier angeführt werden:
die Rachitis ist eine Krankheit der gemäßigten Zone und in den
Tropen und Subtropen so gut wie unbekannt, weil das Klima hier ein
Leben außer dem Hause bei viel Bewegung gestattet. Sobald aber
z. B. Neger- oder Italienerkinder in die engen Verhältnisse einer
Großstadt, wie Neuyork, geraten, werden sie massenweise rachitisch.
Ferner: die Rachitis ist eine Erkrankung der Wintermonate, wo in
unserem Klima die Bewegungsfreiheit noch mehr eingeschränkt ist;
sie ist im wesentlichen eine Krankheit der städtischen Bevölkerung
und der geringeren. Volksklassen: aus dem gleichen Grunde!
In welcher Weise dieser Mangel an Bewegungsfreiheit und
Muskelübung wirkt, um Rachitis zu erzeugen, ist bisher nicht zu er-
klären. Daß sie aber eine nicht mehr zu übersehende ursächliche
Bedeutung für die Rachitis hat, ist für F. erwiesen. Prophylaxe und
Therapie ergeben sich daraus von selbst. Weber&(Dresden).
9) Arce. Tuberculosis articular.
(Revista de la sociedad med. Argentina Bd. XV. Nr. 87.)
In einer sehr ausgedehnten Arbeit, welche die gesamte Patho-
logie und Therapie der Gelenktuberkulosen behandelt, kommt A. zu
1430 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48.
nachstehenden Ergebnissen: Die rationelle Behandlung der Gelenk-
tuberkulose hat in der Mehrzahl der Fälle in der Arthrotomie mit
nachfolgender Synovektomie bzw. Arthrektomie zu bestehen. Es muB
stets große Sorgfalt auf die Erhaltung der Funktion gelegt werden;
die »Arthrodiaphysektomie« kann in schweren Fällen zumeist die Am-
putation ersetzen. Massage und Mobilisation müssen der operativen
Behandlung alsbald nachfolgen. Man kann eine Heilung der Knie-
gelenktuberkulose mit erhaltener Funktion des Gelenkes auch nach
der Synovektomie erreichen.
Die Arbeit ist durch vorzüglich ausgeführte röntgenographische
Tafeln illustriert und ist in ihren von unseren modernen Prinzipien
abweichenden Forderungen von Interesse. Stein (Wiesbaden).
10) M. A. Poncet. Pathogénie du rhumatisme tuberculeux.
(Lyon méd. 1908. Nr. 33 u. 34.)
In der sehr lesenswerten Arbeit tritt P. dafür ein, daB es sich
bei dem Gelenkrheumatismus Tuberkulöser nicht um ein zufälliges
Zusammentreffen zweier verschiedener Krankheiten handle, sondern
um eine tuberkulöse Gelenkentzündung, die aber dadurch ausgezeichnet
sei, daß spezifische Gewebsveränderungen, meist auch spezifische bak-
teriologische Wirkungen der Gelenkflüssigkeit fehlen. Für seine An-
schauung führt P. unter anderem folgende Punkte ins Feld:
1) Die große Häufigkeit derartiger Gelenkentzündungen bei Tuber-
kulösen.
2) Aus der anscheinend rheumatischen Gelenkerkrankung entsteht
zuweilen ein Fungus.
3) Es bestehen gewisse Beziehungen zwischen dem tuberkulösen
Hauptleiden und dem Auftreten der Gelenkentzündungen.
4) Auch nach Injektionen von Koch’schem Tuberkulin beob-
achtet man leichte Gelenkentzündungen (Arthralgien).
P. nimmt an, daß es sich um eine Toxinwirkung des Tuberkel-
bazillus handelt, deren nähere Umstände wir noch nicht genügend
kennen.
Einzelheiten müssen im Original nachgelesen werden.
Boerner (Rastatt).
11) Clarke. The pathogenesis of ganglia.
(Surgery, gynecology and obstetrics Vol. VII. Nr. 1.)
Eine sehr umfangreiche und sorgfältige Studie über den Gegen-
stand unter Entwicklung der historischen Entwicklung der Theorie
über die Überbeine und der Entwicklungsgeschichte. Eine Anzahl
von Krankengeschichten wird beigebracht, aus denen Ü. seine Erfah-
rungen geschöpft hat. Er hat sowohl die normalen Synovialbäute
eingehend makroskopisch und mikroskopisch untersucht, wie speziell
die Verhältnisse bei den Überbeinen. Er kommt nach seinen Unter-
suchungen zu dem Ergebnis, daß Überbeine sehr selten als Aus-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48, 1431
stülpungen (Hernien) der Synovialmembran entstehen. Häufiger sind
sie ausgedehnte regelmäßige oder akzessorische Schleimbeutel, am
häufigsten Cysten im lockeren, den Sehnen und Gelenken benachbarten
Bindegewebe, das aus unbekannter Ursache cystisch degeneriert ist.
Trapp (Bückeburg).
12) Olliete. Fijación escäpulohumeral del hümero sin artro-
desis.
(II. Spanischer Chirurgenkongreß.)
(Revista de med. y cirurg. pract. de Madrid 1908. Nr. 1036.)
O. gibt ein Verfahren an, welches den Zweck hat, bei Lähmung
des Deltoides den Humerus gegen das Schulterblatt zu fixieren, obne
eine Arthrodese vornehmen zu müssen. Es kann dann mit Hilfe der
noch unversehrten Muskeln eine Pendelbewegung des Armes im Schulter-
gelenk stattfinden. Das Verfahren ist folgendes: 1) Freilegung des
langen Kopfes der Bicepssehne im Sulcus intertubercularis und Durch-
schneidung desselben möglichst nahe seinem Ansatzpunkt am Schulter-
blatt. 2) Durchbohrung des Humeruskopfes von außen unten nach
oben innen. 3) Herstellung einer Periost-Knochenbrücke zwischen
Cavitas glenoidalis und Proc. glenoidalis. 4) Verlängerung der durch-
schnittenen Bicepssehne mit Hilfe einer Seidensehne nach Lange;
Einführung dieser Seidensehne in den in den Oberarmkopf gebohrten
Kanal, Durchführung durch denselben und Umschlingung der in der
Cavitas glenoidalis gebildeten Knochenbrücke; darauf Zurückführung
der Sehne durch den Kanal im Humeruskopf in umgekehrter Rich-
tung wie das erstemal und Vereinigung des Endes der Seidensehne
mit deren Anfang in der Muskulatur des Biceps. 5) Freilegung der
Insertionen der Akromioclavicularportion des M. trapezius, Verlänge-
rung derselben mit Seidenfäden nach Lange und Befestigung dieses
verlängerten Trapezius an der Ansatzstelle des Deltoides.
zo Stein (Wiesbaden).
13) Lusk. Reduction of supracondyloid fracture of humerus.
(Annals of surgery 1908. September.)
Verf. weist darauf hin, daß bei suprakondylärem Bruche des
Oberarmes das untere kleine Bruchstück an einem vom größeren
oberen Bruchstück ausgehenden Knochenhautlappen hängt. Bei for-
cierter Streckung des Unterarmes schwingt an diesem erschlafften
Periostlappen das untere Bruchstück nach hinten und kann jetzt durch
forcierte Beugung wieder nach vorn in die normale Lage zum oberen
Bruchstück gebracht werden. Der Arm wird dann in dieser forcierten
Beugestellung, nachdem ein Gazebausch in die Ellbeuge gebracht und
Unterarm und Oberarm mit Flanellbinden eingewickelt sind, ein-
gegipst. Verf. hat vier Fälle in dieser Weise mit, wie er durch
Röntgenbilder nachweist, sehr gutem Resultat behandelt.
Herhold (Brandenburg).
1432 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48.
14) R. Jones. On a simple method of dealing with Volk-
mann’s ischemic paralysis.
(Amer. journ. of orthop. and surg. 1908. Nr. 4.)
Verf. berichtet über 24 Fälle von ischämischer Paralyse. Er hat
keinen Pat. über 14 Jahre. In 19 Fällen lag eine Fraktur zugrunde.
Seine Behandlungsmethode besteht darin, daß er die kontrahierten
Fingerglieder in Flexionsstellung des Handgelenkes und des Metacarpo-
phalangealgelenkes extendiert und jeden einzelnen Finger isoliert schient.
Einige Wochen später wird dann bei gebeugtem Handgelenk die Ex-
tension aller Finger vorgenommen und mittels Schienen fixiert. In
einer dritten Sitzung wird das Handgelenk extendiert und in einer
vierten in Überkorrektion fixiert. Das Resultat dieser Behandlung
besteht darin, daß keine Neigung zum Rückfalle zurückbleibt, daß die
Zirkulation zur Norm zurückkehrt und, falls die Schädigung der Nerven
nicht zu stark war, die normale Gestalt wieder erlangt wird. Von
der Durchtrennung und Verlängerung der Sehnen hält Verf. nichts.
A. Hofmann (Karlsruhe).
15) P. lo Damany. La luxation congenitale de la hanche,
influences étiologiques, étude anthropologique.
(Revue de chir. XXVII. ann. Nr. 5u. 6.)
Die Arbeit bringt eingehende anthropologische Studien über die
angeborene Hüftgelenksausrenkung. Einseitig ist sie oft mit gleich-
seitigen oder gekreuzten Asymmetrien des Gesichts oder Schädels ver-
bunden. In einem großen Prozentsatz läßt sich eine starke familiäre
Belastung mit demselben Leiden oder anderen Mißbildungen (Klump-
fuß, Hasenscharte, überzählige Finger und Zehen, Angiome, Schief-
hals) nachweisen.
Das wichtigste Ergebnis von D.’s Nachforschungen ist aber, daß
bei den höheren Rassen die angeborene Hüftluxation in weit größerer
Zahl beobachtet wird als bei den niederen. Am häufigsten ist sie
beim weißen Weibe (5 : 1000; beim weißen Manne 1,5: 1000), ganz
selten bei der schwarzen Rasse zu finden. Bei der gelben Rasse
(Anam, Tonking) tritt sie etwa 5—1lOmal weniger als in Frankreich,
aber etwa 10mal so oft als bei den Negern in Madagaskar und im
Sudan auf. Eine ähnliche Bevorzugung der weißen Rasse soll keine
andere angeborene Mißbildung erkennen lassen.
Neben dem Keimfehler spielt also eine besondere anthropologische
Veranlagung, die vielleicht in der stärkeren Flexionslage der Hüfte
des Fötus der höheren Rassen begründet ist, eine wichtige Rolle in
der Atiologie des Leidens. D. legt ihm deshalb den Namen »anthro-
pologische Verrenkung« bei. Gutzeit (Neidenburg).
C
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1433
16) P. le Damany, E. Castex et F. Veron. Le traitement ra-
tionnel des luxations congénitales de la hanche, remarques,
documents cliniques.
(Revue de chir. XXVIII ann. Nr. 4.)
Mit den rein immobilisierenden Methoden läßt sich kaum mehr
als die Hälfte der behandelten Fälle heilen, wenn man unter Heilung
die vollkommene anatomische Wiederherstellung des Hüftgelenkes ver-
steht. D. verwendet deshalb nach der Einrenkung und dem ersten,
das Hüftgelenk in der Lorenz’schen Lage (Flexion, Abduktion, Ein-
wärtsdrehung) feststellenden Verband einen aus Beckengürtel und
gelenkig mit ihm verbundener Oberschenkelschiene zusammengesetzten
Apparat; er gestattet gewisse Bewegungen, verhindert aber jede Stel-
lung, die zu einer Wiederausrenkung führen könnte, d. h. zu starke
Verminderung der Flexion und Abduktion. Außerdem besorgt er die
Zurückdrehung des antevertierten Schenkelhalses bei Kindern, die
noch jung genug dazu sind. Die Bewegungen beeinflussen die Wieder-
bildung und Vertiefung der Pfanne sowie die Beseitigung etwaiger
Fehler des Kopfes außerordentlich günstig und beschleunigen dadurch
lie anatomische und funktionelle Wiederherstellung des Gelenkes.
Durch Vergrößerung des Winkels zwischen Gürtel und Schiene wird
die Beweglichkeit der Hüfte immer mehr dem normalen Ausschlage
genähert. Eine Nachbehandlung mit Massage, Bewegungen und
Gymnastik wird überflüssig.
In 50 Fällen, die die Verff. nach dieser Methode behandelten,
erzielten sie 40 vollständige Heilungen, drei ohne Beseitigung oder
sogar mit Vermehrung der Anteversion des Schenkelhalses, vier hohe
Repositionen, zwei Transpositionen und einen Mißerfolg.
Eine Grenze auch für dieses Verfahren bilden jene veralteten
Fälle, die sich überhaupt nicht mehr einrenken lassen. Die Arthro-
tomie nützt nach D.’s Erfahrungen dann auch nicht mehr.
War bei älteren Kindern die Detorsion des Schenkelhalses nicht
mehr zu erreichen, so wartet D. bis zu 2 Jahren, da in dieser Zeit
die Streckung des Hüftgelenkes trotz Weiterbestehens der Anteversion
noch vollständig werden kann. Eine Osteotomie ist dazu nur aus-
nahmsweise nötig. Gutzeit (Neidenburg).
a
17) P. Bade. Zur Frage der angeborenen Hüftverrenkung,
insbesondere kritische Bemerkungen zu der Arbeit von
Deutschländer: »Die blutige Reposition der angeborenen
Hüftverrenkung«.
‘(Archiv für Orthopädie, Mechanotherapie u. Unfallchirurgie Bd. VII. Hft. 3.)
Deutschländer hat in der Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie
eine Arbeit publiziert, in der er sieben Fälle von angeborener Hüft-
verrenkung — fünf doppelseitige und zwei einseitige — der blutigen
Behandlung unterworfen hat. Da nun diese blutige Reposition jen-
seits der Altersgrenzen auch bei Deutschländer nicht ein einziges
48r+*
1434 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48.
Heilresultat gezeitigt hat, geht Verf. an der Hand der sorgfältig ge-
führten Krankengeschichten alle Fälle einzeln durch und kommt
bei seiner kritischen Durchsicht zu dem Schluß, daß das Ver-
sagen der unblutigen Behandlung dieser jugendlichen Fälle durchaus
nicht den anatomischen Verhältnissen, als vielmehr seiner angewandten
und noch nicht genügend durchgearbeiteten Methode zur Last zu
legen ist. In den meisten Fällen hätte ganz sicher ohne blutige
Operation ein gutes Resultat erzielt werden können.
Hartmann (Kassel).
18) Montandon. Le traitement des fractures diaphysaires
de la cuisse et de la jambe.
(Arch. generales de chir. 1908. II, 8.)
Verf. versucht die Wirkungsweise der Zuppinger’'schen Exten-
sionsapparate zu erklären und geht davon aus, daß die von Barden-
heuer empfohlene permanente Extension das Weber’sche Gesetz von
der Verlängerung der Muskelsubstanz durch Zug nicht berücksichtigt.
Dagegen beruhen die Zuppinger’schen Theorien und Apparate, die
nicht am Krankenbette, sondern am Schreibtisch konstruiert wurden,
ausschließlich auf physiologischen Tatsachen. Die Dislokation der
Bruchenden ist im wesentlichen durch die passive Elastizität der Mus-
keln bedingt, die weniger durch Zug an sich bekämpft werden kann
als dadurch, daß der Zug in einer Stellung angreift, in der die Mus-
keln am meisten erschlafft sind. Diese Stellung ist für die untere
Extremität die halbe Beugung im Hüft-, Knie- und Fußgelenk und
wird durch die Zuppinger’schen Apparate ohne weiteres bedingt.
Diesen theoretischen Voraussetzungen entsprechen die klinischen Tat-
sachen, indem die in der Krönlein’schen Klinik in Zürich mit den
Apparaten erhaltenen Resultate bei Ober- und Unterschenkelbrüchen
besser sind als die mit sonstigen Extensionsmethoden erzielten Erfolge.
Eine genaue Schilderung der Verwendung der Apparate ergänzt
die Arbeit, deren sonstiger Inhalt mit den Ausführungen Krönlein’s
(Chirurgenkongreß 1908) und Henschen’s (Beitr. zur klin. Chirurgie
Bd. LVII) übereinstimmt. Strauss (Nürnberg).
19) Meissner. Die Frakturen beider Femurkondylen.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVIII. p. 216.)
An der Hand von fünf Fällen aus der v. Bruns'schen Klinik,
die in guten Röntgenbildern wiedergegeben sind, und 21 aus der Lite-
ratur zusammengestellten Beobachtungen bespricht Verf. die Frakturen
beider Femurkondylen, die sog. T- und Y-Brüche des unteren Femur-
endes.
Diese bilden ein seltenes Vorkommnis und waren zwölfmal durch
Fall auf das Knie, zweimal durch Fall auf die Füße und anders-
artige Kompression in der Längsrichtung, viermal durch direkte Ge-
neu entstanden, während in sechs Fällen genauere Angaben
ehlen.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1435
Der Entstehungsmechanismus ist bei direkter Gewalteinwirkung
ein von Fall zu Fall wechselnder, weist aber bei den indirekten Brüchen,
zu denen die durch Fall auf Knie und Fuß verursachten Brüche ge-
hören, gewisse Gesetzmäßigkeiten auf. Beim häufigsten Entstehungs-
vorgang, dem Fall aufs Knie, handelt es sich nicht um eine Keil-
wirkung der Kniescheibe, wie 14 eigene Leichenversuche des Verf.s
und solche von Markuse beweisen, schon deshalb nicht, weil bei
direkter Gewalteinwirkung auf die Kniescheibe diese selbst stets in
Trümmer geht; vielmehr läßt sich experimentell eine Kondylenfraktur
dadurch erzeugen, daß eine Gewalt die Tuberositas tibiae bei flek-
tiertem Kniegelenk trifft. In analoger Weise kann es auch beim
Lebenden durch Fall auf die Tuberositas tibiae oder auf den Fuß
zum Kondylenbruch kommen, wobei in erster Linie die Stauchung in
der Längsachse des Oberschenkels wirksam ist und sekundär sich eine
Torsion hinzugesellen kann. Der interkondyläre Längsbruch ist dabei
primär, der suprakondyläre Querbruch sekundär.
Für das Zustandekommen der Brüche beider Oberschenkelkondylen
bildet das jugendliche und weit mehr noch das höhere Lebensalter eine
Prädisposition, insofern die Mehrzahl der Beobachtungen Individuen
über 50 Jahre betraf. Der suprakondyläre Bruch liegt entweder am
Schaftansatz der Kondylen oder reicht, besonders wenn Torsion mit
im Spiele war, in schrägem Verlauf etwas höher hinauf. Die inter-
kondyläre Bruchlinie pflegt ziemlich median zu verlaufen. In der Regel
ist das obere Bruchstück nach vorn, das untere bei gleichzeitiger
Drehung um eine Frontalachse nach hinten verschoben. Zugleich trifft
man meist eine seitliche Verschiebung eines oder beider Kondylen.
Durch die regelmäßige Beteiligung des Kniegelenkes erhalten diese
Brüche einen besonders schweren Charakter und geben auch in funk-
tioneller Hinsicht eine ungünstige Prognose mit Rücksicht auf die zu
erwartende deformierende Gelenkentzündung.
Im ganzen hat die Therapie bisher keine sehr glänzenden Erfolge
aufzuweisen. Das gegebene Behandlungsverfahren ist die Extension,
die in ihrer von Zuppinger inaugurierten Modifikation (automatische
Extension in Semiflexionslage) in Zukunft bessere Erfolge zu ver-
sprechen scheint. Reich (Tübingen).
20) O. v. Frisch. Die Gleich’sche Operation und ihre Be-
deutung in der Therapie des PlattfuBes.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX VII. Hft. 2.)
Verf. steht auf dem Standpunkte, daß Operationen bei Platt-
füßen nur unternommen werden sollen, wenn es sich um schwere Fälle
handelt und andere Korrektionsmethoden erfolglos erprobt wurden.
In der v. Eiselsberg’schen Klinik wurden 18 Fälle nach Gleich
operiert. Von den vor mehr als 2 Jahren behandelten Fällen sind
zehn geheilt und können einen schweren Beruf ausüben. Drei Fälle
sind gebessert und zwei sind ungeheilt geblieben. Der Eingriff wurde
ohne Keilexzision in der von Brenner modifizierten Art ausgeführt,
1436 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48.
daß der schräg durchmeißelte Fersenhöcker nach unten, innen und
vorn disloziert wurde. Es wird ein Schnitt hinter dem Malleolus int.
gemacht, der Calcaneus schräg durchgeschlagen, dann auch das Periost
an der Innenseite durchtrennt, damit eine genügende Verschieblichkeit
eintritt. Das Fragment wird nach seiner Dislokation durch einen
Nagel von der Ferse aus an den Körper des Fersenbeines angeheftet.
Der Nagel wird nach 14 Tagen durch ein Fenster in dem nach dem
Eingriff angelegten Gipsverband entfernt. Nach 3 Wochen darf Pat.
in einem neuen, die Ferse entlastenden Gipsverband umhergehen; nach
6 Wochen darf der letztere ganz entfernt werden. Nun wird Massage
und Bewegung zur Kräftigung der Muskeln und Stärkung der Sehnen
und des Gelenkes angewendet. Die Rekonvaleszenz ist in den ersten
Monaten nicht immer beschwerdefrei, doch nehmen die durch die
ungewohnte Belastung erzeugten Schmerzen dauernd ab. Sehr auf-
fällig war bei den nachuntersuchten Fällen, daß sich im Laufe der
Zeit eine ausgeprägte Fußwölbung herausgebildet hatte, die durchaus
spontan entstanden war. Diese eigenartige Selbstheilung hat sicher
ihre Ursache in der ÖOperationsmethode, die den vorderen Teil des
Gewölbebogens entlastet und jene Druckkomponente verringert, die
als Seitenschub im Sinne einer Abflachung des Fußgewölbes wirkt.
Wichtig ist wohl auch dabei die Verlagerung eines Teiles der kurzen
Fußmuskeln und des Lig. plantare longum in ihrem Punctum fixum
nach abwärts. Daß die Fälle nicht alle einwandsfrei geheilt sind,
liegt wohl daran, daß die Methode erst ausgebildet werden mußte.
Erst weitere Beobachtungen müssen lehren, in welcher Weise und wie
hochgradig die Verschiebungen vorzunehmen sind. Verf. versucht, diese
Frage auch auf eine genügende theoretische Grundlage zu stellen.
Erwähnenswert ist, daß nach der Operation Einlagen oder Schienen
nicht getragen werden. Verf. empfiehlt zum Schluß die Gleich’sche
Methode als die einfachste und geeignetste, eine Dauerheilung zu
schaffen. Sie ist vielen anderen Verfahren, und besonders den nicht
unbedenklichen Sehnenplastiken, vorzuziehen.
E.’Siegel (Frankfurt a. M.).
21) F. Staffel. Einige Bemerkungen über Plattfuß- und
Valguseinlagen.
(Archiv für Orthopädie, Mechanotherapie u. Unfallchirurgie Bd. VII. Hft. 1.)
Verf. unterscheidet in dieser Arbeit 1) Beseitigung der Plattfuß-
beschwerden, 2) Verhinderung der Ausbildung oder Zunahme eines
Plattfußes oder Pes valgus.
Zur Beseitigung der Plattfußbeschwerden gehört oft außerordent-
lich wenig, meistens nur, das Durchtreten des Schuhs oder Stiefels
hintanzuhalten, da die normal gewölbte Stiefelsohle an sich schon
den zu abnormer Senkung neigenden Fuß genügend stützen würde.
Bei kleinen Kindern verhindert S. demnach das Durchtreten nur
durch Vorrücken des Absatzes an der Innenseite des Schuhs. Bei
Erwachsenen verordnet er.eine’ leichte, schmale Spange aus Bandfeder-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1437
stahl von 1,7 cm Breite und 1,8 mm Dicke, die nur nach der inneren
Stiefelsohle geformt wird. Verf. kennt keine das Gewölbe wirklich
haltende Plattfußeinlage, die die elastische Abwicklung des Fußes
weniger beeinträchtigt als diese feine Spange.
Soll aber der Pes valgus behandelt werden, so muß der ganze
innere Fußrand energisch gehoben, d. h. der Fuß auf eine schiefe
Ebene gebracht werden. Zu diesem Zwecke bedient S. sich des
leichten und den Verhältnissen anpaßbaren Korkes, der hinwiederum
auf eine eben beschriebene federnde Spange nach dem Grade der
Valgität aufgebaut wird, häufig noch in Verbindung mit einem Eisen-
winkel in der äußeren Fersenkappe, der ein Vordringen des Fußes
gegen das Oberleder verhindern soll. Hartmann (Kassel).
22) Mayo. The surgical treatment of bunion.
(Annals of surgery 1908. August.)
M. schlägt folgendes Verfahren zur Beseitigung des Hallux valgus
und der meist damit verbundenen Schleimbeutel- und Gelenkentzün-
dung zwischen Grundglied der Zehe und I. Metatarsus vor. Freilegen
des Gelenkes durch einen Lappenschnitt; hufeisenförmiger Schnitt
durch den Schleimbeutel mit vorderer Basis und Aufklappen der
Schleimbeutelwand nach vorn. Resektion des Köpfchens des Meta-
tarsus I und Hineinschlagen des Schleimbeutellappens in die Gelenk-
wundhöhle. In dieser Lage wird er durch ein paar Oatgutnähte fixiert.
Er liegt jetzt zwischen dem resezierten Metatarsus I und der Grund-
phalanx der Zehe, wodurch eine Versteifung des Gelenkes vermieden
wird. Die Hautwunde wird über dem Gelenk völlig geschlossen. Die
große Zehe ist jetzt verkürzt, wodurch ein Rezidiv des Hallux valgus
unmöglich wird, der bekanntlich vorwiegend durch das Beiseitedrücken
der großen Zehe infolge zu kurzen Schuhes bedingt wird.
Herhold (Brandenburg).
Kleinere Mitteilungen.
23) 80. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Köln
im September 1908.
Abteilung für Chirurgie und kombinierte Sitzung der chirurgischen
und internen Abteilung.
Berichterstatter: GOEBEL, Köln.
(Fortsetzung.)
a. Kuhn (Kassel. Überdruck an der Lunge,
a. mittels peroraler Intubation der Luftwege mit und obne Ventil;
b. mittels weicher halbdurchlässiger Kopfmaske ohne jedes Ventil (mit
Demonstrationen).
a. Zunächst betont Verf., daß er die höchste Anerkennung für die Verdienste
von Brauer und Sauerbruch um die Thoraxchirurgie und ihrer Systeme habe.
Beider Verfahren basieren auf dem seinerzeit von Mikulicz inaugurierten Pro-
gramm.
1438 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48.
Nachdem aber inzwischen eine auch von Mikulicz noch nicht gekannte Me-
thode, die der peroralen Intubation, klinische Gestalt angenommen und an so vielen
Kliniken praktisch mit Erfolg angewandt werde, sei es an der Zeit, dieser ernstlich
nach der genannten Richtung hin näher zu treten.
Mindestens müsse der Vortr. entschieden dagegen Einspruch erheben, das
Verfahren, ohne es näher zu kennen oder nur einigermaßen probiert zu haben,
für die genannten Zwecke verurteilen zu wollen, oder davor, entgegen den Er-
fahrungen unserer besten Kliniken, als etwas Gefährlichem zu warnen.
Wenn das Intubationsrohr schulgerecht einliegt, ist es ein hırmloses Instru-
ment, und es ist unschwer und auf verschiedene Weise möglich, einen Überdruck
in der Lunge herzustellen. Die Wege sind folgende:
1) Einen Weg hat Vortr. seinerzeit in »Zeitschrift für Chirurgie« Bd. LXXVIII
indem Kuhn-Dräger’schen Apparate gezeigt: beigutabgedichteten Luftwegen
strömt aus einem sich selbst regulierenden Reservoir von konstantem Druck. der
nicht über 8—10 cm Wasser ist, eine sauerstoffhaltige Druckluft in den Tubus;
ein kleines Ventil reguliert den Abfluß.
2) Einen zweiten Weg beschritt Schmieden: bei kaum abgedichteten Wegen
führt er aus einer Sauerstoffbombe mit Brat’schem Reduktionsventil einen Gas-
strom von gewissem Druck in den Tubus; dieser Strom hat höheren Druck und
arbeitet mit einem gewissen Verlust; die Abfuhr wird durch das dem Kuhn’schen
ähnliche Brat’sche Ventil reguliert.
3) Der dritte Weg wurde vom Vortr. neuerdings im Zentralblatt für Chir-
urgie 1908 Nr. 26 beschrieben: er arbeitet mit noch weniger oder gar keiner Ab-
dichtung und mit noch höherem Verlust an Gas, indem er weder die Mund- und
Luftwege dichtet, noch die Zufuhr in den Tubus luftdicht macht; sein Vorschlag
beruht auf einer Art Luftpuffung.
Man sieht aus dieser Stellung, daß lediglich die Abdichtung und der Druck
differiert. Sonst gelingt es auf jedem der beschriebenen Wege, Überdruck in der
Lunge anf dem Wege der Intubation zu erzielen.
Welcher Weg nun für den Menschen und klinisch der beste, wird die Zukunft
lehren:
er liegt nach Ansicht des Vortr., was Dichtung und Druck anbelangt, in der
Mitte und arbeitet womöglich mit keinerlei Ventilen.
Feststeht unzweifelhaft: daß es nicht schwer ist, mittels Intubation Druck-
erhöhung in klinisch brauchbarer Weise zu erzielen; daß es ferner nicht schwer
ist, die Frage der Kohlensäureabfuhr und Chloroformzufuhr zu lösen; daß endlich
das Tubageverfahren für die genannten Zwecke das einfachste und das mit den
geringsten Aufwänden arbeitende ist, und somit dasjenige, das nicht zu teuer und
überall anzuwenden ist. Voraussetzung ist aber, daß es verwendet und auch der
es kritisiert, mit den Prinzipien und der Technik der Tubage vertraut und
bekannt ist. (Selbstbericht.)
b. Lauenstein (Hamburg). Zur Frage der Behandlung der Contusio
abdominis und der Indikation zur Operation.
L. gelangt zu folgenden Schlußsätzen.
1) Die Laparotomie bei Contusio abdominis mit Darmverletzung kommt nicht
nur dann zu spät, wenn schon allgemeine Peritonitis besteht, sondern auch schon,
wenn bei den ersten Zeichen der Peritonitis operiert wird.
2) Es liegt im Interesse der an Darmverletzung durch Bauchquetschung Lei-
denden, daß sie so rasch wie möglich laparotomiert werden, damit die Darmver-
letzungen sachgemäß behandelt werden.
3) Die modernen Fortschritte des Krankentransportwesens erleichtern diese
Bestrebungen.
4) Die Schwierigkeiten dieser Frage liegen in der Schwierigkeit der Beur-
teilung, ob der Darm verletzt ist.
Die äußeren Verletzungen, Abschürfungen und Blutergüsse ergeben ebenso-
wenig sichere Anhaltspunkte für eine Darmverletzung, wie die Chokwirkungen.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1439
5) Gasaustritt in den Leib und Fehlen der Leberdämpfung ist eines der weni-
gen sicheren frühen Zeichen der Darmverletzung. Wo hettige Schmerzen, Auf-
stoßen, Erbrechen und Unmöglichkeit der spontanen Blasenentleerung bestehen,
muß Verdacht aufkommen, daß der Darm verletzt worden ist.
6) Eine schwere Druckgewalteinwirkung auf den mittleren weichen Teil des
Leibes, sei es von vorn nach hinten, sei es zirkulär, kann immer den Darm ver-
letzen.
7) Am Bauch gequetschte Verletzte, die sich frei bewegen können, z. B. gehen,
oder den Rumpf ohne Hilfe der Hände aus der Wagerechten aufrichten und wieder
erheben oder liegend die beiden Beine erheben können, haben in der Regel keine
Darmverletzung; doch kommen Ausnahmen vor.
8) Die erfahrungsgemäß begründeten Indikationen zum Eingriff bei Milz-,
Nieren-, Leber- und Blasenverletzung nach schweren Bauchquetschungen werden
durch diese Ausführungen nicht berührt.
9) Opiate verschleiern den wirklichen Zustand der Verletzten.
10) L. hat von 1900—1908 132 Fälle von Bauchquetschung beobachtet. Unter
ihnen waren 39 Nierenverletzungen, 9 Milz-, 15 Leberzereißungen, 3 mit Blasen-,
12 mit Darmverletzungen und 54 ohne schwere innere Verletzungen. Von diesen
12 Darmverletzungen wurden 3 Pat. — operiert nach 4, 1 und 2 Stunden — geheilt.
11) Da die Entstehung der Darmverletzungen durch indirekte Gewalt noch
unklar ist, so empfiehlt es sich, auf diese in Zukunft zu achten.
(Selbstbericht.)
Diskussion. Anschütz (Kiel) billigt das frühe Operieren. Er weist daraufhin,
daß bei Wirbelverletzungen mitunter hyperästhesische Zonen an den Bauchdecken
auftreten, welche mit starker Spannung, Urinretention einhergehen. Sonst keinerlei
nervöse Störungen. Von 3 Fällen lmal vergebliche Laparotomie. Die Bauch-
deckenspannung als das wichtigste Frühsymptom kann dann durch Hyperästhesie der
Bauchdecken wohl infolge von Rückenmarks- oder Wurzelverletzungen ertolgen.
(Selbstbericht.)
Storp (Danzig). Hautperforationen sind schwer zu beurteilen, wenn sich schon
Verklebungen und Abszesse gebildet haben.
Krabbel (Aachen) hat die Bauchdeckentetanie in einem Falle von Pankreas-
und Zwerchtellzerreißung vermißt.
Müller (Rostock) hält es für schwer und unangängig, hier Regeln aufzustellen;
nur eine größere Kasuistik der typischen Verletzungen kann unsere lückenhafte
Kenntnis auf diesem Gebiete heben. Goebel (Köln).
c. Guleke (Straßburg). Zur Frage der Behandlung der diffusen
eitrigen Peritonitis.
G. bespricht die Erfolge der operativen Behandlung von 33 Fällen diffuser
Peritonitis der Straßburger Klinik. Von 20 appendicitischen Peritonitiden wurden
15 geheilt = 75% Heilungserfolge. Bei sämtlichen Fällen wurden die Bauchwunden
bis auf die Drainöffnungen vernäht, um den intraperitonealen Druck wieder her-
zustellen. Spülungen der Bauchhöhle mit Kochsalzlösung wurden nicht angewandt,
teils aus theoretischen Gründen, teils weil die Zusammenstellung solcher Fälle
ebenso gute Resultate ergibt, wie bei den mit Spülung behandelten.
(Selbstbericht.)
Diskussion: Wilms (Basel) empfiehlt angelegentlich den Gebrauch der
Spülung, die allein die möglichste Säuberung der Peritonealhöhle bei diffuser
eitriger Peritonitis gewährleistet. Goebel (Köln).
Dreesmann (Köln) bemerkt, daß die Peritonitis doch wohl öfter diffus sei,
als angenommen werde; aber der Charakter dieser Peritonitis ist an verschiedenen
Stellen des Peritoneum ein verschiedener. Je mebr man sich dem Ursprungsherd
nähert (ebenso auch an den abhängigen Partien), um so mehr nimmt die Peritonitis
einen eitrigen Charakter an, während im übrigen Teil der Bauchhöhle nur leich-
tere Entzündungsgrade der Serosa sich vorfinden. Diese Tatsache muß uns zu
der Maßnahme führen, den Pat. stets so zu lagern, daB der Ursprungsherd an der
1440 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48.
tiefsten Stelle liegt, also vor allem bei der Appendicitis auf die rechte Seite. Die
linke Hälfte der Bauchhöhle kann sich dann leichter erholen. Diese Lagerung
soll gleich im Beginn der Erkrankung, auch vor der Operation eingenommen
werden. (Selbstbericht.)
Roth (Lübeck). Die Zahlen aus dem Allgemeinen Krankenhause in
Lübeck umfassen nur Fälle von diftuser Peritonitis nach Appendicitis, und
zwar alle Fälle ohne Ausnahme, wie sie uns zugegangen sind. Wir eröffnen
meist pararektal die Bauchhöhle, nötigenfalls auch links — oft links zu-
erst —, exstirpieren immer den Wurmitortsatz als die Ursache der Entzündung
und trennen alle Verklebungen, da wir bei Operationen und Sektionen gelernt
haben, daß man sonst ott einen Abszeß in der Umgebung oder im kleinen Becken
übersieht. Gespült wird nicht mehr, da wir keinen Nutzen davon gesehen haben,
vielmehr die Gefahr besteht, daß die Entzündung dadurch auch in den oberen
Teil des Bauches unter das Zwerchfell verschleppt wird, wo sie am gefährlichsten
ist. Auch vieles Tupfen und Wischen erscheint uns zwecklos. Zum Schluß wer-
den mit Gaze umwickelte Drains in das kleine Becken und neben dem Kolon nach
oben geschoben; dasselbe geschieht nötigenfalls auch links; dann werden die Wun-
den in Etagen genäht, damit der Innendruck der Bauchhöhle zur Geltung kommen
kann, Pat. wird für die nächsten Wochen mit dem Oberkörper hochgelagert da-
durch, daß Klötze unter das Kopfende des Bettes gestellt werden. Kinzelheiten
der Behandlung sind in der Veröffentlichung von Dr. Klauber (Med. Klinik
Nr. 28, 1908) zu finden, der die Zahlen des Herrn Guleke entnommen sind.
Unsere Resultate der Peritonitisbehandlung haben sich ganz wesentlich ge-
bessert, seitdem wir die Pat. nicht mehr so spät bekommen und besonders seitdem
wir an Stelle der Tamponade die Drainage und Naht nach dem Vorgange anderer
gesetzt haben. (Selbstbericht.)
Kudlek (Köln) warnt vor den großen gar zu optimistischen Angaben über
die Heilungsziffern der allgemeinen ditiusen Peritonitis. Er betont, daß die guten
Heilresultate der Vorredner durch die nicht exakte Definition und Diagnose der
diffusen Peritonitis zu erklären sind. (Selbstbericht.)
Guleke betont, daß bei der großen Mehrzahl der Straßburger Fälle zur Kon-
trolle der Diagnose »diffuse« Peritonitis links eine Gegeninzision gemacht und
der Fall nur dann als »diffuse« Peritonitis angesprochen wurde, wenn sich hier
eitriges Exsudat aus der freien Bauchhöhle entleerte. Der Zeitpunkt der Opera-
tion nach der Perforation ist nach unserem Material bei der appendiıcitischen Peri-
tonitis nicht ausschlaggebend tür den Erfolg, eher die Virulenz der betreffenden
Bakterien oder Kokken. Die Besserung der Resultate bezieht sich im wesentlichen
nur auf die appendicitischen Peritonitiden. Bezüglich der Kochsalzspülung sei er-
wähnt, daß Verf. dieselben jahrelang an der v. Bergmann’schen Klinik machen
sah, daß aber die Resultate in der Straßburger Klinik ohne Kochsalzspülung
wesentlich bessere bei gleicher Schwere des Krankheitsfalles sind.
(Selbstbericht.)
d. Krabbel (Aachen): Wann soll Appendicitis operiert werden?
K. kommt auf Grund seiner Ausführungen zu folgenden Schlußfolgerungen:
Es gibt ganz leichte Fälle von akuter Blinddarmentzündung, die ım Verlauf
von 24 Stunden in allen Symptomen abklingen. In diesen Fällen wird nicht
operiert.
Gehen die Erscheinungen nach 24 Stunden nicht zurück, treibt der Leib
stärker auf, ist deutliche Spannung der Bauchdecken vorhanden, wird die Schmerz-
haftigkeit größer, besteht das Erbrechen fort, ist der Puls frequent, der Tempera-
tur — die an und für sich von geringerer Bedeutung ist — nicht entsprechend,
so soll sofort operiert werden.
In von vornherein schweren Fällen, die mit schlechtem Allgemein-
befinden, raschem, oberflächlichem Atmen, beschleunigtem Puls und Spannung
der Bauchdecken auftreten, muß sofort am ersten Tage operiert werden. Der
Wurmfortsatz ist in der Regel dann durchbrochen oder brandig.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1441
Vom 3. Tage an wird nur dann operiert, wenn eine Abgrenzung des entzünd-
lichen Herdes nicht zu konstatieren ist und das Allgemeinbefinden auf eine schwere
Erkrankung hinweist. Es wird nicht operiert, wenn eine deutlich abgrenzbare
Resistenz ohne besonderes Fieber besteht, und die linke Seite sich auf Druck voll-
ständig schmerzfrei erweist. Dann wird abgewartet unter sorgfältigster Beobach-
tung des Kranken, bis sich ein Abszeß entwickelt hat, der von den Bauchdecken
oder vom Rektum oder der Vagina ohne Eröffnung der Bauchhöhle zu er-
reichen ist.
Bei allgemeiner eitriger Bauchfellentzündung wird dann operiert, wenn man
dem Pat. noch einen Eingriff, wenn eben möglich in Narkose, zumuten kann.
Jedem Pat., der einen leichten Anfall überstanden hat, soll dann zur Operation
im Intervall, a froid, geraten werden, wenn er nach Ablauf der Entzündungs-
erscheinungen noch dauernd oder auch nur ab und zu Beschwerden hat; zeigen
sich gar keine Symptome mehr, so ist die Operation nicht indiziert, dem Kranken
aber ans Herz zu legen, sobald ein neuer Anfall sich einstellen sollte, sich sofort
am 1., spätestens am 2. Tage operieren zu lassen. Hat ein Kranker einen schweren
Anfall oder mehrere überstanden, so ist ihm die Operation im schmerzfreien
Stadium, im Intervall, dringend anzuraten, besonders wenn er gezwungen ist, große
körperliche Anstrengungen zu machen, eine Seereise zu unternehmen, oder sich
an Orten aufzuhalten, wo chirurgische Hilfe nicht leicht zu erreichen ist.
Bei allen Leitsätzen, die bezüglich dieser Krankheit aufgestellt werden, ist
daran festzuhalten, daß der medizinisch-chirurgische Blick, die Beobachtungsgabe
und die Erfahrung des Arztes in manchen Fällen für die einzuleitende Behandlung
ausschlaggebend sein muß; eine Schablone, eine mathematische Formel gibt es
bier nicht. (Selbstbericht.)
e. Wilms (Basel): Chronische Appendicitis und Coecum mobile.
Siehe Originalartikel in Nr. 37 dieses Zentralblattes vom 12. September 1908.
(Selbstbericht.)
f. Weiswange (Dresden): Soll der Wurmfortsatz bei gynäkologi-
schen Laparotomien mit entfernt werden?
Die Frage, ob der Wurmfortsatz bei gynäkologischen Laparotomien mit ent-
fernt werden soll, hat in den letzten Jahren eine außerordentlich reiche Literatur
hervorgerufen. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in England und Frank-
reich hat man diesem Gegenstande lebhaftes Interesse entgegengebracht. Wer sich
für diesen Gegenstand interessiert, den verweise ich auf das sehr schöne Sammel-
referat von Klien in der Monatsschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie (Bd. XXIV,
Hft.6). Und doch will es mir scheinen, als ob keine Einheit in dieser Beziehung
bis jetzt erreicht sei. Während eine ganze Reihe von Operateuren auf dem Stand-
punkte grundsätzlicher Entfernung der Appendix steht, wie Pankow und Krönig,
halten andere diesen Standpunkt für zuweitgehend und schenken der Frage keine
größere Bedeutung (z. B. Leopold, Verhandlung der Dresdener gynäkologischen
Gesellschaft, März 1908\.
Der Grundton, der durch die Literatur zieht, ist kurz gesagt folgender: In-
spektion der Appendix bei jeder Laparotomie und Entfernung, wenn dieselbe er-
krankt ist.
Leider ist die Sache nicht so einfach. Dieses ist auch in neuer Zeit von ver-
schiedenen Seiten betont worden. Pankow bat in seinem Vortrage auf dem
Kongreß der deutschen Gesellschaft für Gynäkologie zu Dresden schon die For-
derung aufgestellt, jede Appendix grundsätzlich zu entfernen, sofern der Zustand
der Pat. diesen Eingriff nicht verbietet. Auch ich habe mich seit 7 Jahren ein-
gehend mit dem Studium der Appendix beschäftigt und dieselbe makroskopisch
wie mikroskopisch untersucht. Ist die Erkrankung klar, so wird unsere Hand-
lungsweise natürlich in der Entfernung des Organes zu bestehen haben.
Nun ist es aber nach meinen Erfahrungen ganz unmöglich, makroskopisch fest-
zustellen, ob die Appendix gesund ist.
Ich operiere seit 8 Jahren stets mit einem Chirurgen zusammen und habe sehr
1442 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48.
oft Gelegenheit gehabt, den betreffenden Herren bei vermuteter vollständiger Ge-
sundbeit der Appendix nachträglich makroskopisch oder mikroskopisch Erkrankung
des Wurmfortsatzes zu demonstrieren, seien es nun Fremdkörper, wie z. P. die
Borste einer Zahnbürste (Zentralblatt für Gynäkologie 1903), Oxyuren und ähnliches,
oder makroskopische mehr oder weniger schwere Störungen, die durch Tastbefund
und Inspektion nicht nachweisbar waren. Wie unangenehm aber für den Opera-
teur die Lage werden kann bei nicht Mitentfernung der Appendix, möge Ihnen
folgender Fall lehren:
Es handelte sich um eine 38jährige Frau Op. Oa., die an doppelseitiger Adnex-
erkrankung litt, und nachdem sie jahrelang erfolglos behandelt worden war, zur
Operation kam. Es wurden bei der Laparotomie am 8. Februar mittels supra-
symphysären Fascienquerschnitts aus sehr starken Verwachsungen zwei große eitrige
Tubensäcke entfernt.
Das rechte Ovarium war noch nicht so zerstört, daß man im Hinblick auf das
jugendliche Alter der Pat. nicht den Versuch machen konnte, einen größeren Teil
desselben zurückzulassen. Die makroskopisch keine Veränderung bietende Appendix
wurde zurückgelassen. Am 3. Tage nach der Operation stellte sich Temperatur-
erhöhung bis 38,6° ein, die auch in den nächsten Tagen anhielt. Natürlich ver-
mutete ich eine Infektion. Der Fall erschien mir klar, als ich am 9. Tage einen
Bauchdeckenabszeß spalten konnte.
Aber auch jetzt blieb die richtige Erholung aus, trotzdem Temperatur und
Puls normal waren und die Pat. entlassen werden konnte.
Am 21. April wurde abermals ein rechtsseitiger Bauchdeckenabszeß von meinem
Vertreter gespalten, worauf die Frau sich wieder etwas, aber nicht vollkommen
erholte. Als ich sie Anfang Mai — also 3 Monate nach der Operation — wieder-
sah, klagte sie über starke Schmerzen im Mastdarm, und ich fühlte per vaginam
eine diffuse teigige Schwellung am aufsteigenden Schambeinast. Die Schmerzen
steigerten sich unter Temperaturerhöhung, und es bildete sich in dem rechten
Wundwinkel eine Schwellung, aus der sich auf Inzision Eiter entleerte. Es handelte
sich um einen nach unten gehenden Fistelgang, dessen Ursache nicht festzustellen
war. Ich tamponierte denselben und wartete nun diesen Erfolg ab. Ich dachte
schon daran, daß vielleicht der zurückgelassene Teil des Ovariums die Ursache
sein könnte.
Auch nach diesem Eingriff trat keine Erleichterung ein, es bildeten sich
mehrere Fisteln in der Nähe der Narbe, aus der sich geringe Mengen Eiter ent-
leerten, die dann nach Ätzung oder Tamponade ausheilten, um an anderer Stelle
wieder aufzutreten.
Vom Mastdarm oder Scheide aus ließ sich außer einer starken Empfindlichkeit
um den Mastdarm herum ungefähr 10 cm vom Anus entfernt nichts nachweisen,
kein Infiltrat oder nachweisbare Schwellung. Aber auch jetzt blieb die Erholung
aus, so daß ich mich zu einer zweiten Laparotomie am 13. Juli entschließen mußte,
zu der ich nur mit größter Mühe die Erlaubnis erhielt.
Meine Vermutung, daß die Eiterung von einem zurückgelassenen Ovarien-
stumpf ausgehen könnte, bestätigte sich nicht, die Peritonealwunde war sehr glatt
geheilt, und der Befund im Operationsgebiet gab keinen Anbaltspunkt für die
Eiterung. Dagegen fand sich das Coecum stark verwachsen rechts an der Bauch-
wand. Ganz allmählich gelang es, die Appendix aus ihren Verwachsungen zu
lösen; ihr perforiertes Ende ging in die Wunde der vorderen Bauchwand über
nnd hat hier die Eiterung unterhalten. Es war also während der Rekonvaleszenz
der Operation eine Appendicitis aufgetreten, deren Symptome durch die Operations-
folgen falsch gedeutet waren; allerdings wohl ein menschlicher Irrtum: denn wenn
man die unveränderte Appendix gesehen hat, denkt man gewiß nicht an eitrige
Appendicitis bei Fieber nach einer Operation wegen eitriger Adnexerkrankung,
sondern an eine damit zusammenhängende Erkrankung. Auch waren die Sym-
ptome absolut nicht charakteristisch für eitrige Appendicitis. Der Eiter war nach
oben durchgebrochen, aber auch nach unten hatte sich derselbe einen Weg in das
periproktitische Gewebe gebahnt. Neben der alten Narbe hatte sich eine Fistel
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1443
gebildet, die Eiter sezernierte, und in die man mit der Sonde 16 cm tief nach
unten hinter das Rektum herumkam. Nach Entfernung der Appendix blieb noch
eine Fistel zurück, deren Ausheilung außerordentlich mühevoll und langwierig war
und noch mehrere große Inzisionen erforderte.
Dieser Fall war für mich so unangenehm und mit einer Reihe von außer-
ordentlich widrigen Komplikationen von seiten der unverständigen Angehörigen
verbunden, daß ich es schwer bereut habe, bei dieser Laparotomie die makroskopisch
nicht veränderte Appendix nicht mit entfernt zu haben. Was hätte ich der Frau
und auch mir ersparen können!
Nach meinen Erfahrungen und Beobachtungen kann ich nur den Standpunkt
der Operateure teilen, die dazu raten, bei gynäkologischen Operationen die Appendix
grundsätzlich mit zu entfernen.
Nachteile habe ich durch die Entfernung der Appendix nie gesehen, und auch
in der Literatur habe ich bei richtiger Technik keine beschrieben gefunden.
Wenn ich die Grnndsätze unserer Handlungsweise in dieser Frage in einigen
Leitsätzen zur Diskussion stellen darf, so wären es folgende:
1) Der Wurmfortsatz ist bei allen gynäkologischen Laparotomien grundsätzlich
mit zu entfernen, auch wenn er makroskopisch keine Veränderungen zeigt, sofern
in dem Allgemeinzustande oder in sonstigen Gründen keine Gegenindikation
besteht.
2) Wir haben makroskopisch weder in der Inspektion noch Palpation ein dia-
gnostisch sicheres Mittel, um festzustellen, ob der Wurmfortsatz gesund ist.
3) Was die Gegenindikationen anbetrifft, so dürfte in der Verlängerung der
Operation durch Entfernung der Appendix nur ausnahmsweise ein Hinderungs-
grund liegen.
Dagegen möchte ich in den Fällen eine Gegenindikation sehen, wo die obli-
terierte Appendix umgeschlagen, in unschädlichen Adhäsionen verwachsen, auf dem
Coecum liegt und keinerlei Beschwerde macht. In diesen Fällen rate ich von der
Entfernung ab, einmal, weil ich bei diesem Zustande den Wurmfortsatz für un-
schädlich halte, und zweitens, weil die Operation sogar schädlich wirken kann
durch bisweilen unvermeidliche Verletzungen und Zerrungen des Coecum.
Auch bei älteren, jenseits des Klimax stehenden Frauen darf eine maskroskopisch
gesund aussehende Appendix zurückgelassen werden, da hier auch in der Appendix
schon Rückbildungsvorgänge eingetreten sind und eine spätere Erkrankung kaum
zu erwarten ist.
Zwei Einwände, die gegen diese Leitsätze gemacht werden können, möchte ich
noch kurz erwähnen,
Die einen halten die Frage noch nicht für spruchreif, da noch nicht bewiesen
sei, ob die Appendix nicht eine physiologisch wichtige Bedeutung für die Ver-
dauung habe. Nun, ich glaube, daß wir uns dadurch nicht abschrecken lassen
brauchen, meine Leitsätze anzunehmen. Aus allen Arbeiten, die über dieses Thema
erschienen sind, geht doch hervor, daß, wenn die Appendix eine pbysiologische
Funktion hat, diese höchstwahrscheinlich im Kindesalter bis zur Pubertät liegt.
Bei dem größten Teil der Laparotomien aber, die wir auszuführen baben, kommt
dieses Alter nicht in Betracht. Dann aber kann man darin, daß bei grundsätz-
licher Entfernung der Appendix bei jeder gynäkologischen Laparotomie zweifellos
eine Reihe gesunder Wurmfortsätze (etwa 40%) mit entfernt werden, eine uner-
laubte operative Polypragmasie erblicken. Nun, unser ärztliches Streben muß da-
hin gehen, daß der Pat. das Recht hat, von seinem Arzte nicht nur Befreiung von
momentaner Gefahr, sondern auch Bewahrung vor später möglichen Leiden zu
verlangen. Wenn daher eine Frau das Unglück hat, sich einer Laparotomie unter-
ziehen zu müssen, so hat sie wohl das Recht, zu verlangen, daß wir das Organ,
das so häufig schwere Gesundheitsschädigungen bringt, mit zu entfernen, um ihr
eine eventuelle zweite Laparotomie oder schwerere Erlebnisse zu ersparen.
(Selbstbericht.)
1444 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48.
g. Clairmont (Wien): Scheineinklemmung von Brüchen.
C. beschreibt als Scheineinklemmung von Brüchen jene Veränderungen, welche
ein äußerer Bruch unter dem Einfluß eines in der Bauchhöhle sich abspielenden
mechanischen oder dynamischen Ileus erfährt und die dadurch charakteristisch
sind, daß sie eine Einklemmung des Bruches vortäuschen, obne daß derselbe, we-
nigstens in den ersten Stadien, inkarzeriert ist. Eine Durchsicht der Literatur bat
gezeigt, daß eine große Mannigfaltigkeit in bezug auf den intraabdominellen
Mechanismus bestehen kann, der die äußere Hernie kompliziert. (Demonstration
derselben an schematischen Zeichnungen.) (Selbstbericht.)
h. Löning und Stieda (Halle): Beiträge zur Gastroskopie.
Die Vortr. geben einen Überblick über die Geschichte der Gastroskopie und
demonstrieren einen neuen Magenspiegel, der sich von den früheren besonders da-
durch auszeichnet, daß in den Magen ein halbbiegsamer, halbstarrer Tubus von
ovalem Querschnitt eingeführt wird, der dann das optische Rohr aufnimmt,
Es werden nach der Natur gezeichnete Bilder des Pylorus, normale und patho-
logische (u. a. Stenose, Karzinom), vorgelegt. Die Vortr. hoffen, mit diesem neuen
Magenspiegel die Schwierigkeiten der Gastroskopie zu verringern.
(Selbstbericht.)
Diskussion. Kausch (Schöneberg), der selbst seit längerer Zeit mit der
Konstruktion eines Gastroskops beschäftigt ist — das Instrument ist aber noch
nicht publikationsfähig —, hat eine Hauptschwierigkeit darin gefunden, daß man
mit den gewöhnlichen Beleuchtungsapparaten nicht rückwärts sehen kann. Dies
scheint auch für das Instrument von Löning und Stieda zu gelten. Bei tief-
stehendem Magen und hochstehendem Pylorus ist das Rückwärtsschauen notwendig.
(Selbstbericht.)
i. Anschütz (Kiel. Die Bedeutung des Magensaftflusses für den
Chirurgen.
Der Magensaftfluß ist eine Komplikation bei verschiedenen bekannten Magen-
krankheiten und tritt manchmal so in den Vordergrund, daß er das Krankbeits-
bild beherrscht und ein chirurgisches Eingreifen nötig macht oder wenigstens an-
gezeigt erscheinen läßt. Es werden nur Fälle von Magensaftfluß im engeren Sinne
des Wortes besprochen (nüchtern reichlich Inhalt, nach Magenentleerung abends
vorher). Die leichten Fälle haben keine Bedeutung für den Chirurgen, nur die
schwereren. Magensaftfluß findet sich bei Atonie, benigner und maligner Stenose
des Pylorus, häufig bei Ulcus ventriculi, fast immer besteht zugleich eine motorische
Insuffizienz. Das Symptom des Magensaftflusses sollte stets beachtet und auch
genau beobachtet werden. Es können sonst Überraschungen eintreten, einerseits
plötzliche Verschlimmerungen infolge von Retention, Dilatation, Tetanie usw.,
andererseits können sich auch ohne Eingriff überraschende Wendungen zum
Bessern plötzlich einstellen. Die chronische Form kann übersehen werden. Bet
motorischer Insuffizienz täuscht Saftfluß schwerere Grade von Retention vor.
Genaue Untersuchung des nüchternen Mageninhaltes ist nötig zur Beurteilung, ob
ein schwerer Fall vorliegt. Es ist zweckmäßig, die Ernährung per os total zu
entziehen und Flüssigkeit auf abnormem Wege zuzuführen. Bei schweren Fällen
scheiden die Kranken durch den Magen mehr aus als künstlich eingeführt wird.
A. hat schwere Fälle bei gutartiger Stenosis pylori gesehen, die schwersten waren
zwei Fälle von Pyloruskarzinom. Weit mehr als die rektal und subkutan ein-
geführte Flüssigkeit verließ den Magen, chronische Fälle dieser Art sind sehr ge-
fährlich wegen des dauernden Verlustes an Flüssigkeit, an Kochsalz (Strauss),
ganz abgesehen von der Inanition; es kann oft nur die Gastroenterostomie helfen.
Die Hypersekretion dauert auch manchmal noch nach der Gatroenterostomie weiter
an und kann bedrohliche Symptome machen. In einem Falle trat am 8. Tage
p. op. nach vollem Wohlbefinden starker Saftfluß und Tetanie auf. Bei der
chronischen Form ist in schweren Fällen (mehr Flüssigkeitsverlust als Zufuhr)
schnelle Gastroenterostomie indiziert; sonst soll stets erst das Grundleiden intern
behandelt werden. Rezidive dabei häufig.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1445
Die akute Form des Magensaftflusses gibt zu schweren Täuschungen bei der
Indikationsstellung zur Operation und bei der Prognose Anlaß; denn schwere Krank-
beitsbilder können plötzlich schwinden. Bei gutem Ernährungszustande kann man
längere Zeit mit der Operation abwarten, bei heruntergekommenen Pat. muß man
schnell operieren. Sehr gefährlich sind die Fälle, wo postoperativ nach Operation
am Magen oder auch an anderen Organen der Magensaftfluß eintritt. A. hält es
für wahrscheinlich, daß Magensaftsfluß bei manchen postoperativen Störungen un-
klarer Art stark beteiligt ist. Bei manchen Fällen von sogenanntem Circulus
vitiosus, Myasthenie, akuter Magendilatation spielt die Hypersekretion ebenfalls
eine große Rolle. Die Fälle von echtem Magensaftfluß sind gar nicht so selten,
wie man bisher annahm; sie werden häufig übersehen, wenn zugleich stärkere mo-
torische Insuffizienz besteht. Innerhalb eines Jahres beobachtete A. fünf schwere
Fälle. (Selbstbericht.)
k. Clairmont (Wien): Zur Lokalisation des Ulcus ventriculiin
ihrer Bedeutung für das operative Fernresultat.
Redner bespricht an der Hand des Materiales der v. Eiselsberg’schen Klinik
die Frage, ob die Lage des Ulcus rot. im Magen die Wahl des operativen Ein-
griffes zu beeinflussen imstande sei, und in welcher Weise. Erfahrungen an
246 Ulcera, die in operative Behandlung kamen, sprechen dafür, daß das Ulcus
entfernt vom Pylorus, sei es an der kleinen Curvatur, sei es an der großen Cur-
vatur oder gar an der Cardia, durch die Gastroenterostomie nur wenig günstig be-
einflußt werde. C. sieht von den mit plastischen Operationen und Resektionen
behandelten Fällen zunächst ab. Die Gastroenterostomie ergab eine Mortalität
von 9,2%, in bezug auf das Fernresultat Heilung in 52%, Besserung in 15%.
Werden die Fälle von dem Gesichtspunkt aus, wo das Ulcus gefunden wurde, ge-
ordnet, so ergibt sich folgendes: 110 mal lag das Geschwür am Pylorus, 30 mal
entfernt von demselben. In bezug auf das Fernresultat finden wir in der ersten
Gruppe 64%, in der zweiten nur 48% erfreuliche Resultate. Ziehen wir zum
Vergleich jene Fälle heran, in denen ebenfalls Ulcera entfernt vom Pylorus vor-
lagen, die aber mit Jejunustomie oder Gastroenterostomie und Jejunostomie be-
handelt wurden, so finden wir in 63% der Folge gute Erfolge in bezug auf das
Fernresultat. Der Vergleich dieser drei Zahlen zeigt, das für das Ulcus entfernt
vom Pylorus die Erfolge der Gastroenterostomie nicht als befriedigend angesehen
werden können, daß diese Operation nicht als Normalverfahren gelten kann,
sondern an ihre Stelle andere Eingriffe treten müssen, sei es die Jejunostomie
allein oder die Gastroenterostomie und Jejunostomie, sei es die Exstirpation des
Geschwüres, die in der v. Eiselsberg’schen Klinik auch mehrmals zur Aus-
führung kam.
Diskussion. Kausch (Schöneberg) warnt davor, zu häufig das entfernt
vom Pylorus, zumal an der kleinen Curvatur sitzende Magengeschwür durch zirku-
läre Resektion zu entfernen. Die Mortalität würde sonst enorm steigen.
Clairmont (Schlußwort). Das perforierte Ulcus zur Beurteilung von opera-
tiven Methoden bzw. der Dauerheilung heranzuziehen, hit C. nicht für angezeigt.
Viele der Ulcera an der kleinen Curvatur sind kallöse. Der Magen wird bei Ulcus-
fällen in der v. Eiselsberg’schen Klinik vor der Operation nicht gespült.
Payr (Greifswald) ist mit dem Erfolge der Gastroenterostomie nicht immer
zufrieden, namentlich wenn das Geschwür an anderer Stelle als am Pylorus saß.
Er bevorzugt in solchen Fällen mehr und mehr die Exzision des Ulcus oder die
Ausschneidung eines Segmentes. Ist das Pankreas mit in den Geschwürsbereich
einbegriffen, so scheut P. eine brüske Lösung des Magens nicht, selbst auf die
Gefahr hin, diesen zu eröffnen. Der Magensaft ist bei seiner Hyperazidität nicht
allzu gefährlich. Goebel (Köln).
‘ Riedel (Jena) (zugleich an Stelle seines Vortrages, auf den R. verzichtet):
Ulcera der kleinen Curvatur, sowie der vorderen und hinteren Magenwand machen
sich, wenn sie in der Pars pylorica des Magens ihren Sitz haben, durch einen
genau in der Mittellinie befindlichen Schmerz geltend; alle übrigen weiter links
1446 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48.
lokalisierten Ulcera bewirken einen Schmerz, der unter dem linken Rippenbogen
lokalisiert wird, gelegentlich auch im Rücken.
Die Behandlung der Ulcera pylori muß eine ganz andere sein als die der
Ulcera der vorderen und hinteren Magenwand. Dort ist Gastroenterostomie in-
diziert; hier liegt die Sache weit komplizierter.
Gastroenterostomie, auch wenn sie gut ausführbar ist, läßt öfter dauernden
Erfolg vermissen; das gleiche gilt für die einfache Exstirpation des Ulcus mit
nachfolgender Naht; sie ist nur indiziert bei kleineren Geschwüren, die dicht vor
der Perforation stehen oder schon perforiert sind.
Für die meisten Fälle ist die quere Resektion des mittleren Abschnittes vom
Magen das empfehlenswerte; nötig ist sie, wenn der kardiale Teil zu einem
so engen Schlauche degeneriert ist, daß technisch Gastroenterostomie unmöglich
ist; desgleichen ist Gastroenterostomie ausgeschlossen, wenn die Ulcera der vor-
deren Magenwand die vordere Bauchwand perforiert haben. (Selbstbericht.)
l. Wilms (Basel): Technik der temporären Kolostomie.
Zur Darmausschaltung im unteren Teile des Kolon empfiehlt es sich, statt der
Anlage eines Anus praeternaturelis mit Einnähen beider Darmenden eine seitliche
Kolonfistel anzulegen und unterhalb dieser Fistel durch Überstreifen einer Haar-
nadel über das Kolon einen Verschluß herzustellen, der jederzeit ohne besondere
operative Eingriffe wieder gelöst werden kann. Die Nadel wird nämlich an ihrem
unteren Ende, nachdem der Dickdarm zwischen ihre Branchen gelagert ist, mit
einem Faden zusammengebunden; dadurch wird der Darm zugeklemmt. Der
Faden wird, damit er nicht abrutscht, an dem gebogenen Ende der Nadel fixiert
und von dort nach außen geleitet. Auch die Nadel selbst wird noch durch einen
besonderen Faden fixiert, der ebenfalls herausgeleitet wird. Durch Zug an dem
Faden kann die Nadel jederzeit entfernt werden, und ohne besondere Operation
schließt sich dann die seitliche Kolostomie von selbst.
Diese Methode gestattet auch die einzeitige Resektion von Dickdarmkarzinomen ;
sie verlängert die Operation nur um wenige Minuten, verhindert aber mit Sicher-
heit, daß die Darmnaht durch Stuhl gefährdet wird. W. hat sogar bei pelvinen
Formen des Kolonkarzinoms ganz auf die Naht verzichtet und nur durch je vier
Zügel, die zum Anus herausgeleitet wurden, die beiden Darmenden invaginiert.
Schädigungen des Darmes durch die Nadel sind trotz einmal 12wöchiger Dauer
der Kompression nicht erfolgt. W.’s Erfahrungen mit der Methode sind durch-
weg gute. (Selbstbericht.)
Diskussion. Anschütz (Kiel). Man kann den Spontanverschluß der
Kolostomie dadurch beschleunigen, daß man die Darmschlinge mit etwas Spannung
des Mesenteriums an die Bauchdecke fixiert. Der Darm retrahiert sich schneller,
zum Verschließen des abführenden Schenkels genügte ein Schwämmchen oder
Tampon oder Gummitampon.
Kausch (Schöneberg) hat das Bedenken, daß bei der Methode W.'s der ab-
führende Schenkel nicht monatelang verschlossen werden kann, wie das bei aus-
gedehnter Geschwürsbildwng zuweilen notwendig ist; ferner kann man bei dieser
Methode keine Durchspülungen vornehmen.
m. A. Heller (Kiel: Über die sog. Hirschsprung’sche Krankheit.
H. weißt nach, daß, wie durch O. Wandel für den Volvulus des Coecum
und aufsteigenden Colon eine Bildungsanomalie als prädisponierende Ursache fest-
gestellt ist, so auch für den Volvulus der Flexura sigmoidea sowohl im erwachsenen
wie im späteren Kindesalter dieselbe Bildungsanomalie die prädisponierende Ur-
sache ist, wie schon für das Säuglingsalter durch Hirschsprung erkannt ist,
Verschiedene Dinge können bei dieser Veranlagung zum Volvulus führen, z. B,
Abkoickungen bei starker Belastung der unteren Sigmoideumhälfte durch feste
Kotballen, schrumpfende Bindegewebswucherung des Mesosigmoideum durch ent-
zündliche Reizungen, plötzliche starke Erhöhung des intraabdominalen Druckes
und ähnliches. Der schon geprägte Ausdruck »Megakolon congenitum« ist zu
weit, da auch an anderen Dickdarmabschnitten angeborene abnorme Entwicklung
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1447
sich findet. H. schlägt deshalb die Bezeichnung »Megasigmoideum con-
genitume vor. Eine Anzahl vorgelegte Zeichnungen illustrierte sowohl die große
Mannigfaltigkeit in der Entwicklung des Sigmoideums bei Neugeborenen, wie
Volvulusfälle beim Erwachsenen. Auf Grund seiner Sektionserfabrungen stimmt
H. der Ansicht v. Eiselsberg’s u. A. zu, bei bedrohlichen Erscheinungen mög-
lichst frühzeitig das Sigmoideum zu resezieren. (Selbstbericht.)
n. Morian (Essen a. d. R.): Über das Karzinom der Vater’schen
Papille.
M. erörtert die Pathologie, Symptomatologie und Therapie des Choledochus-
krebses, beaonders des Karzinoms an der Papille. Er beobachtete im Laufe der
Jahre vier Fälle; bei einem saß die Geschwulst an der Gabelung des Hepaticus
und Cysticus, bei den übrigen dreien nahe dem Diverticulum. Melanikterus durch
Gallenstauung bestand bei allen vieren, dreimal ermöglichte das Courvoisier’'sche
Zeichen, die Gallenblasenausweitung, eine Wahrscheinlichkeitsdiagnose; einmal
bestand Gallenblasenschrumpfung, bei der Operation fand sich ein Stein in der
Blase, statt des vermuteten Choledochussteines aber eine kleine Geschwulst an der
Papilla Vateri. — Die Kranke mit hochsitzendem Choledochuskrebs verweigerte die
Operation, bei den drei Papillengeschwülsten wurde zweimal palliativ, einmal
radikal operiert. Von den beiden Cholecystostomierten starb einer bald, ein zweiter
erst 16 Monate nach der Operation; die Pat., bei der das Karzinom samt der
Papille transduodenal exstirpiert wurde, heilte, trotzdem in der 2. Woche nach dem
Eingriff wiederbolt cholämische Magen- und Darmblutungen ihr Leben bedrohten.
M. rät, bei Verdacht auf Choledochuskrebs zu operieren, und zwar je nachdem
die Choledochusresektion oder transduodenal die Exstirpation der Papilla Vateri
event. zugleich mit Cholecystenterostomie zu machen, wo dies unmöglich, auf die
Palliativoperationen, besonders die Cystenterostomie, sich zu beschränken.
(Selbstbericht.)
(Schluß folgt.)
24) F. W. Jones. Some lesions from ancient fractures.
(Brit. med. journ. 1908. August 22.)
Besprechung einiger in geschichtlicher Beziehung äußerst interessanter Fälle
— im ganzen waren es über 200 — von alten und geheilten Knochenbrüchen, die
von Ausgrabungen eines Begräbnisplatzes südlich von Assuan stammten und der
Zeit von etwa 4000 vor bis 500 nach Christi Geburt angehören. J. verglich sie
nach ihrer Häufigkeit mit den Statistiken großer moderner Krankenhäuser und
fand bemerkenswerte Unterschiede: so war kein Kniescheibenbruch vertreten,
ferner waren alle Knochenbrüche unterhalb der Knie sehr selten. Die interessan-
ten Unterschiede in der Häufigkeit dieser und jener Fraktur bei den alten Agyp-
tern und uns erklärt er aus der Verschiedenheit der Lebensbedingungen; es gab
damals keine Treppen, keine Stockwerke, keine gepflasterten Straßen, keinen oder
nur geringen Wagenverkehr, keine Maschinen. Die häufigsten Brüche betrafen
Vorderarm und Schlüsselbein und sind zu erklären als Wirkungen von Schlägen
mit dem langen Stock (»Naboot«), dem ständigen Begleiter des Nubiers damals
wie heute.
Man kannte damals bereits eine Art einfacher Schiene (d. Zentralblatt 1908
Nr. 23), und es ist erstaunlich, wie vorzüglich die allermeisten Brüche geheilt sind,
trotz sicherlich ganz ursprünglicher oder überbaupt fehlender Behandlung. Das
trifft sogar für Oberschenkelbrüche zu. Eine Ausnahme bilden die schon bei den
alten Agyptern meist schlecht geheilten Schlüsselbeinbrüche. Im allgemeinen war
die Deformität um so höher, je frischer der Bruch war. Weber (Dresden).
25) Isaja. Nuovo processo di resezione del gomito. Contributo alla
cura delle anchilose ossee traumatiche del gomito.
(Policlinico, sez. chir. 1908. XV, 8 u. 9.)
Verf. schildert ausführlich die Art und die Erfolge der bisher zur Mobilisie-
rung des nach einem Trauma versteiften Ellbogengelenkes verwendeten Operations
1448 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48.
methoden. Von all diesen Methoden erschien bisher die Helferich’sche Muskel-
lappeneinpflanzung die erfolgreichste. Doch bringt auch diese Methode, die, zum
Teil modifiziert, bisher in zehn Fällen mit teilweisem Erfolg verwendet wurde, noch
zahlreiche Mängel mit sich, die sich vor allem auf die exakte Bedeckung der neu-
gebildeten Gelenkflächen und auf die Schwächung des zur Lappenbildung verwen-
deten Muskels beziehen. All den ausführlich dargelegten und kritisch gesichteten
Mängeln soll nun das von I. in einem Falle mit recht gutem Erfolge verwendete
Vorgehen vorbeugen.
Es handelte sich um einen 30jährigen Mann, bei dem eine Fraktur der distalen
Humerusepiphyse mit einer gleichzeitigen Verrenkung des Ellbogens nach hinten
zu einer völligen Versteifung des extendierten Ellbogengelenkes geführt hatte. I.
bildete einen U-förmigen Hautlappen aus der Rückfläche der Ellbeugengegend (Basis
am Oberarm‘. Ein analoger Lappen wurde aus der freigelegten Aponeurose ge-
schnitten, deren Zusammenhang mit der Olecranonspitze erhalten blieb. Sodann
wurde das Olecranon schräg von unten nach oben durchtrennt, seine Verwachsungen
mit der Humerusrückfläche gelöst und so das Gelenk von hinten her freigelegt.
Es folgte die Lösung der Seitenbänder, die von ihrer distalen Insertionsfläche ge-
trennt wurden, worauf durch forcierte Flexion die Ankylose behoben wurde und
die beiderseitigen Gelenkenden reseziert werden konnten. Nun wurde das Olecranon
durch einen Einschnitt in die Aponeurose nach außen gebracht und die Aponeurose
selbst zwischen den angefrischten Gelenkenden mit Catgut an dem vorderen Kapsel-
umfang und den Seitenbänderu fixiert. Zum Schluß wurde an der Hinterfläche
der Ulna eine kleine Grube gebildet, in der die Olecranonspitze vermittels eines
Nagels fixiert wurde. Exakte Hautnaht vervollständigte die Operation. In der
Folgezeit wurde der Ellbogen ohne Verbandwechsel abwechselnd je 24 Stunden
lang in Beugung und Streckung gehalten. Es erfolgte Heilung mit aktiver Beugung
bis zu 80° und Streckung bis zu 135°. Nach 5 Monaten ergab die Nachunter-
suchung ein unverändert gutes Resultat.
Verf. sieht die besonderen Vorzüge dieser Methode in der Schonung und Er-
haltung des Tricepsansatzes, in dem breiten übersichtlichen Zugang zum Gelenk
durch den U-förmigen Lappen und in der Schonung der Muskeln, an deren Stelle
die Aponeurose tritt. Strauss (Nürnberg).
26) Stetten. Musculo-spiral (radial) paralysis due to dislocations of
the head of the radius.
(Annals of surgery 1908. August.)
S. schildert zunächst einen Fall, in dem durch Schlag mit einer Kurbel gegen
den rechten Vorderarm bei einem Mann ein Bruch der Ulna und eine Verrenkung
des Radiusköpfchens nach vorn und außen hervorgerufen wurde. Dabei bestand
Lähmung des Handgelenkes im Sinne der Streckung, außerdem konnten der Dau-
men nicht abduziert und die distalen Phalangen der Finger nicht extendiert werden.
Völlige Anästhesie zeigte ferner der Handrücken bis zum Phalangealgelenk des
Daumens und bis zu den Metacarpophalangealgelenken der übrigen Finger. Alles
das wies auf eine Schädigung des N. radialis hin. 3 Monate nach der Verletzung
wurde das in der Ellbogenbeuge hervorragende Radiusköpfchen freigelegt und re-
seziert. Es fand sich dabei, daß der N. radialis an der Stelle, wo er sich in den
sensiblen oberflächlichen und den tieferen interossealen Zweig teilt, eingerissen war;
doch wurden die Fasern durch loses Bindegewebe noch eben zusammengehalten,
so daß eine Naht nicht nötig war. Die Wunde wurde ganz geschlossen, und im
Laufe von Monaten gingen alle motorischen und sensiblen Läbmungserscheinungen
zurück. Das Ellbogengelenk konnte ebenfalls gut gebeugt und gestreckt werden.
Verf. hat aus der Literatur festgestellt. daß eine Schädigung des N. radialis
bei Verrenkung des Radiusköpfchens nach vorn dann einzutreten pflegt, wenn zu-
gleich die Ulna mit gebrochen ist. Unter 119 derartigen komplizierten Fällen war
der Radialis in 7,56% so verletzt, daß Lähmungserscheinungen vorhanden waren.
Durch Experimente an Leichen stellte Verf. fest, daß diese Zerreißung des N. radialis
erst dann eintritt, wenn bei gebrochener Ulna das Radiusköpfchen nach vorn und
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48, 1449
außen verdrängt wird. Es wird dann immer die Teilungsstelle des Radialis ge-
troffen, da diese gerade in direkter anatomischer Beziehung zum humero-radialen
Gelenke steht. Die Prognose dieser Nervenverletzungen ist im allgemeinen eine
gute, von zehn operierten Fällen blieben nur bei zweien die Lähmungen bestehen.
Was die Behandlung anbetrifft, so kann man in frischen Fällen die unblutige Re-
position des Radiusköpfchens versuchen. In alten Fällen ist die Resektion des
Köpfchens die Operation der Wahl. Der Nerv braucht nur dann genäht zu werden,
wenn er ganz durchgerissen ist. Zur Nachbehandlung gehört gewissenhaftes Elek-
trisieren mit dem galvanischen Strome. Die sorgfältige Arbeit bringt einige recht
gute anatomische Bilder. Herhold (Brandenburg).
27) Sherren. Remarks on chronic neuritis of the ulnar nerve, due
to deformity in the region of the elbow-joint.
(Edinb. med. journ. 1908. Juni.)
Verf. berichtet über zwei Fälle von chronischer Neuritis des N. ulnaris, die
mit einer spindelförmigen Auftreibung des Nerven hinter dem Epicondylus in-
ternus, einer Valgusstellung des Ellbogens, plötzlich einsetzenden Schmerzen und
Abmagerung der vom Nerven versorgten Muskeln einherging. Das Leiden bestand
in beiden Fällen mehrere Jahre lang und wurde von dem ersten Pat. auf eine
Verletzung der distalen Humerusepiphyse in der Jugend, im zweiten Fall auf eine
Arthritis cubiti, die sich nach Masern entwickelt haben sollte, zurückgeführt.
Außer diesen beiden eigenen Beobachtungen und einem ihm mündlich mit-
geteilten Krankenbericht des Dr. Turney und Dr. Corner konnte S. aus der
Literatur noch 21 gleiche Fälle zusammenstellen. Unter 19 Pat., deren Geschlecht
in der Krankengeschichte notiert war, befanden sich 16 Männer; bei 16 von den
24 Pat. war eine Verletzung des Elibogens (meist Fraktur) voraufgegangen.
Die spindelförmige Auftreibung des Nerven ist bedingt durch eine interstitielle
Neuritis, wie durch mikroskopische Untersuchung festgestellt werden konnte. Diese
Neuritis wird offenbar erzeugt durch die Reizung bzw. den Druck, dem der Nerv
durch seine Lage bei Cubitus valgus ausgesetzt ist. Auch gibt es Fälle, in denen
der Nerv bei Bewegungen des Ellbogens über einen nach hinten hin gelegenen
Vorsprung des Epicondylus medialis gleitet und infolgedessen Schmerzen erzeugt.
Die Behandlung hängt von der Ursache der Neuritis ab. In den Anfangs-
stadien kann man versuchen, mit Ruhigstellung und Elektrisieren des Armes zum
Ziele zu kommen; besteht jedoch eine Deformität, so ist die beste Methode, ent-
weder den Ellbogen zu resezieren oder für den Nerven ein neues, tieferes Bett
hinter dem Epicondylus medialis herzustellen, und bei starker fibröser Entartung
des Nerven letzteren zu resezieren. Verf. resezierte bei seinem ersten Pat. den
Nerven, im zweiten Fall, einer 40jährigen Frau, den Ellbogen; mit beiden Opera-
tionen erzielte er sehr zufriedenstellende Resultate. Jenckel (Göttingen).
28) Stamm. Erworbener partieller Radiusdefekt bei einem hereditär
luetischen Säugling.
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII. Hit. 4.)
Verf. berichtet über ein Kind, dessen Mutter mehrfach abortiert hatte. Gleich
bei der Geburt zeigte sich eine Schwellung am rechten Vorderarm und eine ab-
norme Beweglichkeit an der Speiche. Der Arm wurde fixiert; nach 10 Tagen
ging die Schwellung zurück. Ein Röntgenbild 3 Wochen nach der Geburt zeigte
das obere Ende der Speiche pilzartig aufgetrieben; eine zweite Aufnahme 11 Wochen
nach der Geburt ergab nun den merkwürdigen Befund, daß das distale Bruchstück
vollkommen fehlte, also trotz Kalomelkur vollkommen aufgesogen war. Der Erfolg
war eine Klumphandstellung. Gaugele (Zwickau).
29) Würth v. Würthenau. Beitrag zur Trommlerlähmung und deren
Behandlung.
(Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1908. Hft. 16.)
Während die sog. Trommlerlähmung meistens durch Zerreißen der Sehne des
linken langen Daumenstreckers entsteht, hat W. unter 62 Fällen dieser Erkrankung
1450 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48.
nur dreimal eine Zerreißung der linken langen Daumenbeugesehne finden können.
Einer dieser letzteren Fälle wurde operiert, er ist in der Arbeit näher beschrieben.
Daß die Beugesehne seltener zerreißt, liegt daran, daß sie anatomisch günstiger
liegt als die Strecksehne und bei Bewegungen des Daumens nicht so stark über
Knochenvorsprünge gezerrt und gerieben wird. Dem Zerreißen der Sehne geht
immer eine Entzündung derselben vorher, die zur partiellen Nekrose führt. Bei
einer erheblichen Anstrengung tritt dann der Riß ein. Wenn man daher eine
frühzeitige Diagnose dieser bei Trommlern eintretenden Entzündung der Sehne
stellt, so kann man durch Ruhigstellen des Fingers und eine gegen die Entzündung
gerichtete Behandlung das Zerreißen verhüten. Ist einmal der Riß eingetreten,
so hilft nur die Sehnennaht; aber auch hierdurch wird die volle Dienstfähigkeit
des Mannes gewöhnlich nicht herbeigeführt. Herhold (Brandenburg).
30) Berg. A case of general phlebo-sclerosis, thrombo-phlebitis of
left common iliac, moist gangrene of left lower extremity; amputation ;
recovery.
(Mt. Sinai hospital reports Vol. V. 1907.)
Ein 23 Jahre alter russischer Schneider ohne syphilitische Symptome oder
Syphilis in der Anamnese, weder Trinker noch starker Raucher, erkrankte mit
Schwellung und Schmerzen der beiden Beine und zugleich an linksseitiger totaler
Hemiplegie 3 Wochen vor der Aufnahme. Die Erscheinungen im gelähmten
linken Beine wurden schwerer, dabei war der arterielle Puls stets nachzuweisen.
Die oberflächlichen Venen waren als dicke, harte Stränge sowohl am linken Bein
als auch am linken Arme leicht zu tasten. 6 Wochen später hatte sich Brand des
linken Fußes bis zur Mitte des Unterschenkels ausgebildet; es wurde im Ober-
schenkel amputiert. Pat. genas. Die hemiplegischen Symptome gingen auch mehr
und mehr zurück.
Die Untersuchung des amputierten Beines ergab eine Phlebosklerose aller
Venen mit Thrombosierung; die Arterien zeigten wohl hier und da mikroskopisch
die ersten Zeichen von Sklerose, waren aber gut durchgängig, ohne Thromben.
Die Untersuchung des linken Armes mit Röntgenstrablen ließ ebenfalls die
Venen als dunkle Stränge scharf hervortreten. W. v. Brunn (Rostock).
31) M. v. Brunn. Über die schnellende Hüfte.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVIII. p. 121.)
In der v. Bruns’schen Klinik wurde bei einem sonst gesunden, kräftig ent-
wickelten Mädchen eine Erkrankung der Hüfte beobachtet, die sich im 1. Lebens-
jahr entwickelt hatte und dadurch ausgezeichnet ist, daß bei jedem Schritt unter
mäßigen Schmerzen und begleitet von einem ruckartigen, schnappenden Geräusch
eine Vorwölbung in der Trochantergegend entsteht, welche mit der Entlastung
des Beines wieder verschwindet. Als Ursache läßt sich durch Tastung das Her-
übergleiten eines sehnigen Stranges von hinten nach vorn feststellen. Die opera-
tive Festlegung dieses Stranges in einer Rinne des Trochanters beseitigte das
Schnappen und das Geräusch. 2 Jahre später trat das gleiche Symptomenbild
auf der anderen Seite auf. Hier ergab die Operation, daß ein derber Fascien-
strang über den Trochanter hinübergleitet, von dem er durch eine mächtige
Schicht lockeren Bindegewebes getrennt ist. Nach Entfernung dieser Bindegewebs-
schicht und Faltung der Fascie mit Befestigung am Trochanter war auch hier das
schnappende Geräusch verschwunden.
Es liegen neun analoge Beobachtungen in der Literatur vor, von denen viel-
leicht zwei mit willkürlicher Subluxation im Hüftgelenk kombiniert und fünf nicht
autoptisch sichergestellt waren. Nach autoptischen Befunden ist es wahrschein-
lich, daß das Fehlen einer Bursa trochanterica, bzw. deren Ersatz durch ein lockeres
Bindegewebe die Ursache des Phänomens bildet, etwa in dem Sinne, daß der nor-
male Schleimbeutel die Glutäussehne in einem gewissen Abstande vom Trochanter
hält, wozu dagegen das lockere Bindegewebe nicht befähigt ist. Es käme dann
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1451
an Stelle des leichten Gleitens zu einer Hemmung an der hinteren Trochanter-
kante, die ruckartig überwunden wird.
Eine konservative Behandlung mit bloßer Ruhigstellung dürfte selten Erfolg
haben, die Anheftung der Glutäussehne am Trochanter dagegen in allen schwe-
reren Fällen das gegebene Verfahren darstellen, das in dem mitgeteilten und einem
Falle von Bayer einen schönen Erfolg aufzuweisen hatte und zugleich für die
entwickelte Entstehungstheorie spricht. Reich (Tübingen).
32) Blanc. Sindromes pseudocoxalgicos.
(Revista de med. y cirurg. pract. de Madrid 1908. Nr. 1033.)
Im Anschluß an eine Besprechung der Symptomatologie der einzelnen Stadien
der Koxitis, insbesondere der Stellungsanomalien des Beines, weist B. auf die Not-
wendigkeit hin, darauf zu achten, daß ganz gleiche fixierte Stellungen der unteren
Extremität bei ganz verschiedenen Erkrankungen zur Beobachtung gelangen und
daher bei oberflächlicher Untersuchung zu folgenschweren Fehldiagnosen führen
können. Er gibt die genaue Krankengeschichte von zwei hierher gehörigen Fällen.
Im ersten handelte es sich um ein Mädchen, welches das direkte Bild einer Koxitis
im sog. zweiten Stadium darbot: Unbeweglichkeit des Hüftgelenkes, Bein in starker
Adduktion und Innenrotation fixiert, hochgradige Atrophie der Muskulatur, starkes
Hinken. Die Kranke wurde, da man aus äußeren Gründen eine hysterische Kon-
traktur in Betracht gezogen hatte, in Narkose genau untersucht; dabei ergab sich,
daß sie einige tiefe Analfissuren, die zum Teil geschwürigen Zerfall zeigten, hatte.
Dieselben wurden nach forcierter Dehnung des Anus erfolgreich behandelt, und
bald schwanden alle oben mitgeteilten Symptome von seiten der unteren Extremität.
Die Muskulatur wurde durch Massage in kurzer Zeit gekräftigt. Im zweiten Falle,
der ebenfalls ein Mädchen betraf, und der ähnliche Symptome bot wie der erste,
wurde bei der Untersuchung des Rektum ein großer Abszeß entleert, der offenbar
vom Wurmfortsatz herrührte, und nach dessen Entleerung gleichfalls Heilung ein-
trat. Es waren vorher keine anderen Erscheinungen von seiten des Wurmes auf-
getreten. Stein (Wiesbaden).
33) C. I. Urechia (Bukarest). Uber einen mit den Bronchien kom-
munizierenden Fall von Ooxo-Tuberkulose.
(Spitalul 1908. Nr. 15.)
Es handelte sich um eine 26jährige Frau, die im Laufe zweier Jahre zuerst
an dem einen und dann an dem anderen Hüftgelenk einen kalten Abszeß dar-
geboten hatte. Dieselben brachen spontan durch, und es entwickelten sich mehrere
Fisteln, von denen zwei bis in die Gesäßgegend reichten und etwa 10 cm von-
einander entfernt waren. Eines Tages, während mit dem Irrigator Waschungen
an diesen Fisteln vorgenommen wurden, trat bei der Kranken ein heftiger Er-
stickungsanfall auf, und sie spuckte eine große Menge von Flüssigkeit aus. Da
sich diese Erscheinung wiederholte, wurden Einspritzungen mit Methylenblaulösung
gemacht, und es trat unter ähnlichen Erscheinungen Blauspucken auf. Es konnte
also gar kein Zweifel mehr bestehen, daß eine fistulöse Verbindung zwischen dem
Abszeß des Hüftgelenkes und den Bronchien bestand. Die röntgenographische
Untersuchung ergab auch tatsächlich das Bestehen eines Ganges, der von der
Lungenbasis in die Bronchien führte, doch konnte auf diese Weise die weitere
Verbindung desselben mit dem tuberkulösen Abszeß der Hüfte nicht sichtbar
gemacht werden. E. Toff (Braila).
34) Angel. Tratamiento de una forma especial de anquilosis viciosa
de la cadera.
(Revista de la med. y cirurg. pract. de Madrid 1908. Nr. 1030.
Mitteilung über eine neue Operation bei Ankylose des Hüftgelenkes mit
extrem nach innen rotiertem Oberschenkel. 19jähriger Pat., der vor 2 Jahren eine
Hüftgelenkentzündung, wahrscheinlich gonorrhoischer Natur, durchgemacht hat.
1452 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48
Schmerzen sind nicht mehr vorhanden. Das rechte Hüftgelenk ist vollkommen
ankylotisch, das Bein steht in starker Adduktion und sehr starker Innenrotation.
Die Operation bestand in der subtrochanteren Osteotomie des Femur nach voraus-
gegangener Tenotomie am oberen Ende des Tensor fasciae latae und des Sartorius.
Der Erfolg war ein ausgezeichneter. Stein (Wiesbaden).
35) D. N. Manolescu (Bukarest). Über einen Fall von Echinokokken-
cyste der Sakrolumbalmuskulatur.
(Spitalul 1908. Nr. 14.)
Die betreffende 2öjährige Frau war seit etwa 1 Jahre krank, während welcher
Zeit sich in der Sakrolumbalgegend eine etwa kindskopfgroße, schmerzlose Ge-
schwulst entwickelt hatte. Die Diagnose wurde auf Echinokokkencyste gestellt
und war hierfür außer den lokalen Erscheinungen auch der Blutbefund charak-
teristisch, indem 25,4% eosinophile Polynukleare gefunden wurden. Interessant
ist, daß einerseits gleich nach der Exstirpation des Tumors die Zahl der Eosino-
philen auf 12% gesunken war, sich aber einige Tage später wieder auf 13,15%
erhob, was nach Chauffard und Boidin auf eine noch vorhandene, wenn auch
versteckte Hydatidencyste hindeuten würde, die aber trotz genauester Untersuchung
nicht gefunden werden konnte.
Der Fall ist durch den ziemlich seltenen Sitz der Cyste in der Sakrolumbal-
muskulatur bemerkenswert. E. Toff (Braila.
36) Bettmann (Leipzig). Über eine Schraubvorrichtung zur Heilung
des Kniescheibenbruches.
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 36.)
B. erkennt durchaus an, daß die — besser mit Seide oder Catgut als mit
Silberdraht ausgeführte — Naht für viele Fälle von Kniescheibenbruch recht be-
friedigende Resultate gibt. In anderen aber stößt sie auf große Schwierigkeiten,
besonders wenn die Bruchstücke durch Schrumpfung des Quadriceps schon stärker
auseinander gewichen sind oder hierzu das Bestreben haben, die Naht infolgedessen,
vorausgesetzt, daß die Bruchstücke zur Berührung gebracht werden, einen relativ
starken Zug auszuhalten hat. In zwei veralteten Fällen von Kniescheibenbruch
mit starker Diastase hat B. deshalb an Stelle der Naht eine Vorrichtung ange-
wandt, mit deren Hilfe eine feste Vereinigung der Fragmente in unverrückbarer
Stellung erreicht werden konnte. Sie besteht aus zwei Querstäben, d. h. zwei
langen Bohransätzen, von denen der eine durch das obere, der andere durch das
untere Bruchstück mittels eines Drillbohrers oder durch das Lig. patellae sup. und
inf. derart hindurchgebohrt wird, daß sie parallel zueinander zu stehen kommen
und mit ihren beiden Enden zu beiden Seiten des Gelenkes durch die Haut her-
vorragen. Jeder der beiden Stäbe hat nach den Enden zu je ein mit einem
Schraubengang versehenes Loch. Stellt man die beiden Öffnungen senkrecht zu-
einander, so läßt sich jederseits durch sie eine Flügelschraube hindurchführen, die
zur Näherung der Stäbe angezogen wird. Dies geschieht dadurch, daß sich
zwischen dem Flügel der Schraube und dem Stabe mit einfachen Löchern eine
über die Schraube übergezogene, kleine, lose Hülse befindet, die sich beim An-
ziehen der Schraube gegen den Stab und den Flügel stemmt. Auf diese Weise
gelingt es, die vorher beweglich gemachten und angefrischten Bruchstücke so fest
gegeneinander zu verschrauben, daß sie direkt ineinander eingepreßt werden und
zu fester knöcherner Verwachsung gelangen. Nach 14 Tagen ist diese so weit vor-
geschritten, daß man den Apparat entfernen kann, während schon vorher der Pat.
mit diesem und einem Verband umherzugehen imstande war. Die Vorrichtung,
die von A. Schütze in Leipzig, Windmühlenstraße 30, zum Preise von 12 «W an-
gefertigt ist, ist auch für die Behandlung anderer Pseudarthrosen, wie frischer
Extremitätenbrüche verwendbar. Kramer (Glogau).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1453
37) Pech. Du traitement des &panchements traumatiques du genou
par la ponction, la mobilisation immédiate et la progression des ré-
sistances.
(Arcb. de méd. et de pharm. militaires 1908. September.)
Bei allen Verletzungen des Kniegelenkes ist die Hauptsache, zu verhüten, daß
eine Atrophie des M. quadriceps eintritt, die durch die Immobilisation des Beines
und die Kompression des Kniegelenkes bedingt wird. P. verfährt daher folgender-
maßen. Er punktiert grundsätzlich alle traumatischen Ergüsse, wenn sie nicht
sehr klein sind; schon 24 Stunden nach der Punktion läßt er Streckübungen des
Beines im Liegen machen, indem er den Unterschenkel vermittels einer über eine
Rolle gehenden Schnur mit Gewicht belastet und diese Gewichte heben läßt. Diese
Ubungen werden dreimal täglich 10 Minuten ausgeführt und zunächst mit 1 kg
begonnen und bis zu 30 kg gesteigert. Man muß sich dabei nach der Muskulatur
des Individuums richten; schwächere Personen müssen mit entsprechend leichteren
Gewichten üben. Vor Ablauf von 20 Tagen läßt Verf. die Kranken nicht auf-
stehen; dann sollen diese jedoch langsame Gehbewegungen gleich ohne Stock
machen. Das Bein muß dabei kräftig und langsam aufgesetzt werden, damit die
Muskulatur weiter gekräftigt wird. Drei auf diese Weise mit gutem Erfolg be-
handelte Fälle werden näher beschrieben. Schädliche Folgen sind durch diese
frühzeitigen Bewegungen niemals beobachtet, tritt wirklich ein kleiner Erguß nach-
träglich auf, so verschwindet er mit der zunehmenden Kräftigung der Quadriceps-
muskulatur. Herhold (Brandenburg).
38) Hashimoto und Saito. Erzielung tragfähiger Amputationsstümpfe
durch Nachbehandlung nach H. Hirsch im japanisch-russischen Kriege
190408.
(v. Langenbeck's Archiv Bd. LXXXVI. Hft. 3.)
Die Verff. konstatieren, daß es im Krieg oft genug notwendig ist, schon auf
dem Schlachtfeld Amputationen vorzunehmen. Die osteoplastischen Methoden,
z. B. nach Bier, können dort aber nicht in Betracht kommen, weil sie, als zu kom-
pliziert, zuviel Zeit erfordern. Die rationelle Methode für die Schlachtfeldampu-
tation ist der Zirkelschnitt. Um brauchbare Stümpfe zu erzielen, haben Verff.
das Verfahren von H. Hirsch angewendet, das bekanntermaßen in Massage und
Tretübungen bestebt, und waren bei ihren sehr zahlreichen Fällen außerordentlich
zufrieden damit. In 5—6 Monaten wurde damit durchschnittlich ein tragfähiger
Amputationsstumpf erzielt. E. Siegel (Frankfurt a. M.).
39) Berger. Epitheliome du talon développé autour d'un séquestre
résultant d’une osteomyelite ancienne du calcaneum. Opération de
Wladimiroff-Mikulicz.
(Revue de chir. XX VIII. annee. Nr. 6.) -
Der Krebs hatte sich bei einem 42jährigen Eisenbahnbeamten von der epithe-
lialen Auskleidung der seit dem 19. Lebensjahre bestehenden fistulösen Totenlade
aus entwickelt und bildete an der Fersenhaut eine blumenkohlähnliche Geschwulst.
Die Operation wurde mit den typischen Sägeschnitten ausgeführt, nachdem B.
sich 2 Tage vorher durch Exstirpation der Geschwulst und des größten Teiles
des Fersenbeines davon überzeugt hatte, daß sie sich ganz im Gesunden vorneh-
men ließ.
Den Abänderungen der ursprünglichen Wladimiroff-Mikulicz’schen Me-
thode, welche die Herstellung eines Sohlenfußes bezwecken (Verf. bezieht sich auf
Goldammer, s. ds. Zentralbl. ds. J. p. 286), macht B. zum Vorwurf, daß sie sich
des Hauptvorzuges des ursprünglichen Verfahrens, ein unverkürztes Glied zu liefern,
begäben. Gutzeit (Neidenburg).
1454 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48.
40) Roith. Luxatio pedis sub talo nach hinten und außen mit Sub-
luxation des Cuboids.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVIII. p. 394.)
Verf. beschreibt eine etwas atypische Luxatio pedis sub talo bei einem Manne,
dem von hinten außen her eine schwere Steinplatte gegen den Unterschenkel ge-
faillen war. Nach den drei im Text wiedergegebenen Röntgenogrammen ist der
ganze Fuß unter dem Talus weg nach hinten und etwas nach außen verschoben;
das Caput tali ruht auf dem Naviculare; gleichzeitig ist das Cuboid plantarwärts
gegen den Calcaneus und dieser etwas nach hinten gegen die untere Gelenkfläche
des Talus verschoben und der äußere Knöchel gebrochen.
In Narkose gelang die unblutige Reposition der 14 Tage alten Verrenkung
mit dem Erfolge, daß Pat. nach 14 Tagen ohne Schmerzen auftreten konnte.
Die Subluxation des Cuboids weist darauf hin, daß derselbe Mechanismus,
der zur Luxatio pedis sub talo führt, unter Umständen auch eine Verrenkung im
Chopart’schen Gelenk bewirken kann. Reich (Tübingen).
41) A. Nast-Kolb. Über indirekte Mittelfußbrüche. (Aus der chirur-
gischen Abteilung des städt. Katharinenhospitals.. Prof. Steinthal.)
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 35.)
Daß die bei Soldaten so häufig chronische Fußgeschwulst als Folge der
Fraktur eines Mittelfußknochens auch im Zivilleben vorkommt, beweisen zwei
hintereinander vom Verf. bei zwei jugendlichen Dienstmädchen beobachtete Fälle
von indirektem Mittelfußbruch, dem ein nennenswertes Trauma nicht voraus-
gegangen war. Die bestehenden Schmerzen und teigige Schwellung des Fuß-
rückens, der an der Stelle des 2., bzw. 3. Metatarsus stark druckempfindlich war,
veranlaßten eine Röntgenaufnahme, die die Diagnose einer Fraktur bestätigte.
Verf. nimmt an, daß diese indirekten Mittelfußbrüche auch ım Zivilleben bei
Jugendlichen Individuen nicht selten seien. Kramer (Glogau).
42) J. M. van Dam. Hamerteenen.
(Nederl. Tijdschrift v. Geneeskunde 1908. Nr. 18.)
Verf. berichtet über die Resultate, die in der Lanz’'schen Klinik bei der
Behandlung der Hammerzehen erreicht worden sind.
Die besten Methoden sind: die Resektion im ersten interphalangealen Gelenk
oder Exartikulation der Endphalangen. Die Resektion gibt bessere kosmetische
Resultate. Die Beweglichkeit der operierten Zehen ist bei der Resektion etwas
besser, doch ist sie auch hier sehr gering. E. H. van Lier (Amsterdam).
43) J. Fränkel. Die Technik der Gehgipsverbände. (Aus der Kgl.
chirurgischen Universitätsklinik in Berlin. Prof. Bier.)
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 33.)
Um sich vom Bandagisten möglichst unabhängig zu machen und mit billigen
und einfachen Verbänden zum Ziele zu kommen, hat F. es sich angelegen sein
lassen, die Technik der Gehgipsverbände zu vereinfachen. Bei Knöchelbrüchen
ohne Verschiebung der Bruchstücke wird der Fuß und das Fußgelenk nicht in
den mit einem Gehbügel versehenen Gipsverband hineingenommen, sondern durch
zwei kreuzförmig angeordnete Gummizüge. die vom Vorfuß zum oberen Teile des
Verbandes laufen, in frei schwebender Stellung fixiert; der Verletzte kann mit sol-
chem absolut entlastendem Verbande, der Versteifungen des Fußgelenkes verhindert,
gut gehen. Auch in anderen Fällen, z. B. bei redressierten Plattfüßen, nach Sehnen-
plastiken usw., ist ein Gehbügelgipsverband sehr vorteilhaft. Um ihn abnehmbar
zu machen, versah F. den Lorenz’schen Tretbügel mit einem Haspenscharnier-
gelenk, das ein Auf- und Abklappen des mit dem Gelenk versehenen Schienenteiles
gestattet (über die genauere Technik dieses Verbandes s. die Arbeit‘. Auch für
die Fußgelenktuberkulosen verwendet F. solche abnehmbare Gehverbände. Da in
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1455
der Bier’schen Klinik bei der Behandlung der Gelenktuberkulose auf die Fest-
stellung des kranken Gelenkes verzichtet wird, wird bei Fungus pedis der Fuß frei
gelassen; der Verband beginnt erst oberhalb der Knöchel. Ebenso bleibt bei
Kniegelenkstuberkulose das Knie frei; dementsprechend sind die Schenkel des
Gehbügels für diesen erst oberhalb des Kniegelenkes angelegten Verband nach
oben verlängert. Kramer (Glogau!.
44) Kaufmann. Die neue Offiziersgamasche als Universalschiene.
(Deutsche militärärztl. Zeitschrift 1908. Hft. 16.)
K. weist darauf hin, daß sich die neue als Ersatz des langen Stiefels bei der
Infanterie eingeführte Offhiziersgamasche (aus gelbem steifen Leder) zum Schienen
von Arm- und Beinbrüchen verwenden lassen werde. Wie die Gamasche an den
gebrochenen Extremitäten angelegt wird, ist durch verschiedene Photographien
dargestellt. Herhold (Brandenburg).
45) E. Martin. Zirkuläre Arteriennaht beim Menschen.
(Med. Klinik 1908. p. 1455.)
Offene Verrenkung des Vorderarmes nach hinten und außen mit Zerreißung
der gesamten Weichteile an der vorderen und medialen Seite der Ellbogenbeuge
einschließlich der V. und A. brachialis und der sämtlichen ulnaren Kollateralen
der letzteren. Nach Abschneidung von 3 cm der zerfetzten Schlagader Anlegung
dreier Haltefäden nach Carrel-Stich, fortlaufende Naht mit feinster gerader
Darmnadel und feinster Darmseide durch alle Schichten der Gefäßwand. Primäre
Wundheilung obne wesentliche Kreislaufstörung im Unterarme. Pulskurven von
der A. radialis des operierten und des gesunden Armes, die für die Wiederher-
stellung des Zuflusses von der Nahtstelle her sprechen.
Georg Schmidt (Berlin).
46) Ortiz de la Torre. Sutura de la arteria iliaca externa.
II. Spanischer Chirurgenkongreß.
(Revista de la med. y cirurg. pract. de Madrid 1908. Nr. 1036.)
Pat., der eine Stichwunde ca. 4 cm oberhalb des Poupart'schen Bandes erhalten
hatte, wurde zunächst mit Kompression und Ruhe behandelt. Nach 2 Monaten
hatte sich eine mächtige Geschwulst in der linken Bauchseite entwickelt, in deren
Bereich laute systolische und diastolische Geräusche hörbar waren. Laparotomie;
Kompression der Aorta in der Höhe des Abganges der Renales; Entleerung der
die Geschwulst bildenden großen Gerinnsel und ca. eines Liters Blut; Naht der
1 cm langen Arterienwunde mit Catgut in drei Etagen. Normaler Verlauf. Heilung.
Stein (Wiesbaden).
47) M’Gregor. Gangrene of the extremities after pneumonia, with
notes of two illustrative cases.
(Glasgow med. journ. 1908. August.)
Der erste Fall stammt aus eigener Praxis, der andere aus der des Dr. Knox
in Glasgow.
Im ersten Falle handelte es sich um einen 18 Jahre alten Mann, der bis vor
4 Monaten stets gesund gewesen war. 1 Woche nach dem Beginn einer krupösen
Pneumonie begann die Gangrän an den Fingern der rechten Hand ohne jegliche
Schmerzempfindung. An der A. brachialis selbst konnte stets der Puls gefühlt
werden, nicht aber unterhalb der Teilungsstelle. 3—4 Wochen lang war der Arm
wie gelähmt, erholte sich aber nachher wieder. Die gangränösen Fingerpartien
(vgl. drei beigegebene Skizzen) wurden abgetragen und Heilung erzielt. Da Pat.
im übrigen, abgesehen von seiner Pneumonie, gar keine Krankheitssymptome auf-
1456 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48.
wies, besonders auch nicht von seiten des Herzens, ist mit größter Wahrscheinlich-
keit anzunehmen, daß es sich bei ihm um eine autochthone Thrombose der
A. brachialis an der Teilungsstelle gehandelt hat. Bei der Operation — 4 Monate
nach Beginn der Gangrän — brauchte kein einziges Gefäß unterbunden zu werden.
Der zweite Fall betrifft ein 4 Jahre altes Mädchen; 4 Wochen nach Beginn
einer Bronchopneumonie kam es zu Gangrän von den Zehen bis zur Hälfte des
Unterschenkels.. Durch Amputation wurde sie geheilt, hat ebenfalls keinerlei
andere Krankheitserscheinungen innerer Organe sonst gezeigt und hat sich später
sehr gut entwickelt. W. v. Brunn (Rostock).
Erwiderung
auf die Bemerkung des Herrn Geh. San.-Rat Dr. Haspe xu dem von
mir in Nr. 15 d. BU veröffentlichten Beitrag zur Behandlung veralieter
Pronationsluxationen des Fußes.
In Nr. 38 beanstandet Herr Geh. San.-Rat Dr. Haspe diese Bezeichnung, weil
ddie beschriebene Verletzung nicht im Pronations-, sondern im Talorcruralgelenk vor-
gekommen wäre.
Da es den Anschein erwecken muß, als hätte ich aus Unkenntnis einen falschen
Namen gebraucht, so möchte ich nur bemerken, daß die von mir gewählte Bezeich-
nung doch wohl die allgemein gültige sein muß; wenigstens habe ich in der darauf
bexüglichen Literatur und ebenso in dem Handbuch der praktischen Chirurgie von
v. Bergmann, vr. Bruns und v. Mikulicx keine andere als diese gefunden.
Wilkürliche Anderungen eines Einzelnen dürften aber eher wieder zur früheren
Verwirrung als zur Klärung auf dem Gebiete dieser Verletzungen führen.
Da ich verreist war, konnte ich diese Erwiderung erst jetzt einsenden.
Schierdnitz 10. November 1908.
' Dr. A. Hoffmann.
Die Originalmitteilung des Dr. J. Gobiet, in Nr. 40 dieses Zentralblattes er-
schienen, über » Fixation der Wanderniere und Wanderleber mit Magnesiumplatten«,
veranlaßt mich, zwei Arbeiten zu erwähnen, die ich unter den Titeln » L'assorbimento
del magnesio nel parenchima renale — Riforma med. 1904« und »I sostegni di
magnesio nella legatura iniraepatica mediata — Clinica chirurgica 1905, ref. im
Zentralblatt für Chirurgie 1905 p. 1056« veröffentlicht habe.
Die Resultate mehrerer Thierexperimenie über die Resorption des Magnesium
in der Niere und über die Anwendung von Magnesiumplatten für Leberblutstillung
habe ich reröffentlicht und habe auch Stützen (Platten. Walzen usw.) für Wander-
leber empfohlen. Ferner dürfte nach meinen experimentellen Untersuchungen das
Magnesium dem von Gobiet durch die ganze Niere durchgeführten Suberdraht mit
Vorteilen zu substiluieren sein. Es freut mich daher, daß Gobiet durch klinische
Erfahrung meine Ansicht stützt und Magnesiumanwendung für die Nieren- und
Leberchirurgie empfiehlt. Prof. Dr. Aldo Cernezzi,
Cittiglio (Italien).
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
an Prof. B. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden.
Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau.
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig.
Zentralblatt für Chirurgie
herausgegeben von i
K. GARRÈ, F. KÖNIG, E. RICHTER,
in Bonn, in Berlin, in Breslau.
35. Jahrgang;
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG.
Nr. 49. Sonnabend, den 5. Dezember 1908.
Inhalt.
G. Bolognesi, Über Änderungen im Blutserum infolge von Operationen. (Originalmitteilung.)
1) Van Kaathoven, 2) Bolognesi und Zancanli, 8) Camus, Zur Narkosenfrage. — 4) Leale,
Verbrennung bei Kindern. — 5) Civatte, Heiratsgestattung Syphilitischer. — 6) Dreysel, Eston-
präparate. — 7) Reich, Erysipeloid. — 8) Herxheimer, Ekzembehandlung. — 9) Peters, Gesichts-
und Schädelasymmetrie. — 10) Sicard, Trigeminusneuralgie. — 11) Wahl, Skoliosenbehandlung. —
12) Poirier und Pique, Die Regio hyothyreoepiglottica. — 13) Fabre und Thövenot, Kropf der
Neugeborenen. — 14) McLennan, Funktion der Thymus. — 15) Polito, Pleuritisbehandlung. —
16) d’Este, Chirurgie des Herzens und Herzbeutels. — 17) Parlavecchio, Perikardiektomie. —
18) Heile, Brustkrebs.
19) Naturforscherversammlung: a. Reerink, Cavaunterbindung. — b. Graff, Nierenblutungen.
— c. Krönlein, Nierengeschwülste. — d. Wollenberg, e. Preiser, f. Müller, Arthritis deformans.
— g. Marwedel, Oberarmlähmung. — h. Mayer, Kinderlähmung. — i. Zur Verth, Schnappendo
Hüfte. — k. Bade, Angeborene Hüftverrenkung. — l. Finsterer, Angeborene Kniescheibenverren-
kung. — m. Finsterer, Bruch des Mondbeins. — n. Kuhn, Extensionsapparat. — o. Strauss
Woasserstrahlluftpumpe für Saugbehandlung. — p. Strauss, Dosimeter für Röntgentherapie.
20) Ziegner, 21) Mindlin, Zur Narkosenfrage. — 22) Burgsdorf, 23) Carle, Übertragung von
Syphilis hereditaria. — 24) Hamel, Zur Syphilisbehandlung. — 25) Finkelstein, Arachnoidis ad-
haesiva cerebralis. — 26) Groves, Exzision des Ganglion Gasseri. — 27) Redard, Gesichtsangiome.
— 28) Allen, 29) Forster, 30) Traver, Rückenmarksverletzungen. — 31) Wittek, Atlanto-Epi-
strophealverrenkung. — 82) Burk, Bruch eines Wirbelgelenkfortsatzes. — 83) Preiser, Spondylitis
cervicalis deformans. — 34) Lovett, Kinderlähmung. — 35) Chevassu, Branchialfisteln. — 36) Brau-
ser, Gummöse Halslymphome. — 37) Fein, Abtragung der Rachenmandel. — 38) Martino, Man-
delblutung. — 39) Albrecht, Rachendivertikel. — 40) McLellan und Dunn, Zottencyste der Schild-
drüse. — 41) u. 42) Capelle, Basedowthymus. — 43) Dunhill, Basedow. — 44) Branham, Tetanie
nach Thyreoidektomie. — 45) Smoler, Halsverletzung. — 46) Seelig, Speiseröhrenstenose —
47) Blauel, Fremdkörper in der Speiseröhre. — 48) Patel, Durchtrennung des Zungenbeinschild-
knorpelbandes. — 48) Meyer, Leukämische Kehlkopfveränderungen. — 50) Llorente, Intubation.
— 51) Sargnon u. Barlatier, Laryngostomie. — 52) Hutter, Kehlkopfmißbildung. — 58) Harms,
54) Koschier, Kehlkopfstenosen. — 55) White, 56) Hirsch, Hämangiom des Kehlkopfs. — 57) Krieg,
Luftröhrengeschwtiste. — 58) Grünberg, Jodkali bei Tuberkulose der oberen Luftwege. — 59) Vi-
dakovich, 60) Dick, Pleuraempyeme. — 61) Stuckey, Lungenwunde. — 62) Baron, Lungen-
abszesse. — 68) Gurewitsch, Herzbeutelverwundung. — 64) Ortiz de la Torre, Fremdkörper-
extraktion aus dem Herzen.
Aus der chirurgischen Klinik der Kgl. Universität zu Modena.
Direktor: Prof. V. Remedi.
Über Änderungen im Blutserum
infolge von Operationen.
| Von
Dr. Giuseppe Bolognesi,
Assistent.
Not einiger Zeit wurden in der chirurgischen Klinik in Modena Blut-
\Duntersuchungen über die Modifikationen angestellt, welche das
49
1458 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49.
Blut infolge von Operationen! erleidet. Da ich nun im vorigen Jahre
in Versuchen, die an Tieren angestellt wurden, eine Veränderung der
Proteinsubstanz des Blutserums bei Infektionen mit Pyogenes com-
munis? festgestellt habe, hielt ich es für interessant, nachzuforschen,
ob auch eine einfache, mit peinlicher Sorgfalt aseptisch ausgeführte
Operation, die also ohne Einwirkung von Mikroben und Anwendung
von Narkose stattfand, imstande wäre, eine nennenswerte Anderung
in der Blutmischung herbeizuführen.
Die Ergebnisse der zu diesem Zweck unternommenen Versuche
haben alle mit der größten Bestimmtheit bewiesen, daß unsere Ver-
mutung begründet war.
Wenn wir Kaninchen in mannigfaltiger Weise operierten (Nephro-
tomie, Nephrektomie, Hepatotomie, Splenektomie, Laparotomie mit
Einsenkung von Lappen in die Peritonealhöhle, die aus der Bauch-
wand erhalten wurden und mit ihr verbunden waren, Verpflanzung
von Organen usw.) und das Blutserum® des Tieres in verschiedenen
Zeitabständen von der Operation (3—8 Tage) mit 1,2%/,,iger Salizyl-
säurelösung in der Proportion von 10:50 behandelten* und jedesmal
dieses Blutserum mit anderem unter gleichen Umständen von einem
normalen Kaninchen (von gleichem Gewicht und auf identische Weise
aufgezogen) entnommenen kontrollierten, so erhielten wir immer eine
größere Menge von einem Niederschlage (Globulinen?), welcher sich
mit diesem Reagens bildete. Solche Zunahme war weniger bemerkbar
in den Untersuchungen, die in größerem Abstande von der Operation
ausgeführt wurden, und unter den Beobachtungen, die in gleichen
Zeitperioden gemacht wurden, war sie größer in den wenigen Fällen,
in welchen die Heilung der Operationswunde per secundam erfolgte®.
Ich brauche die Wichtigkeit des Befundes nicht hervorzuheben.
Ich will nur daran erinnern, daß die nach der Chloroformnarkose ®
1 Bolognesi e Zancani, L'indice opsonico nella cloronarcosi. Clinica
chirurgica 1908.
3 Bolognesi, Chemische Veränderungen des Blutserums bei Infektionen mit
Pyogenes communis. Biochemische Zeitschrift 1907. Bd. VI. p. 149—157. (Ich
mache dabei darauf aufmerksam, daß auf p. 152 anstatt 1:2000 1,20/% zu setzen ist.)
Bolognesi, Modificazioni chimiche del siero di sangue nelle infezioni da
comuni piogeni. Clinica med. 1907.
3 Ich entnahm das Blut aus der Carotis, sonderte mittels Zentrifuge das Serum
ab und schritt sofort zu seiner chemischen Untersuchung.
4 Ich bestimmte den Grad und die Proportionen der Salizyllösung in den
Studien des vergangenen Jahres über die chemischen Veränderungen des Blut-
serums in den Infektionen mit gewöhnlichen Eitermikroben.
5 Es ist bekannt, daß der Verlauf einer Operationswunde beim Kaninchen
trotz der größten Vorsicht hinsichtlich der Asepsis während der Operation dennoch
anormal sein kann, da man hierbei nicht in absoluter Weise alle Regeln beob-
achten kann, die nach der Operation nötig sein würden; man hat alsdann eine
leichte, meistens auf das subkutane Bindegewebe beschränkte Eiterbildung, d. h.
eine Heilung per secundam, oder nach der neueren und richtigeren Benennung
von G. Meyer, einen mykotischen Verlauf der Operationswunde.
6 Siehe Bolognesi und Zancani in oben zitierter Schrift.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1459
beobachtete Erhöhung des Index opsonicus des Blutes (welcher, wie
bekannt, uns gleichzeitig einen Verteidigungsgrad des Organismus
gegen die Mikroben darstellt, insofern er die Phagocytose der Leuko-
cyten befördert) nach einer einfachen Operation (aseptische Ausführung
ohne Narkose) fehlt, wo gerade die gegenwärtigen Ergebnisse eine
Zunahme in den durch Salizylsäure ausfällbaren Substanzen aufweist.
Ferner muß auch die Tatsache hervorgehoben werden, daß in den
Fällen, in welchen nach der Operation Mikroben auftreten und in
welchen im Menschen’? auch nach der Chloroformnarkose die Erhöhung
des Index opsonicus fehlen würde, besagter Niederschlag stets reich-
licher war.
Fernere Forschungen können festsetzen, ob auch im Menschen
die beschriebenen Erscheinungen stets vorkommen, und werden im-
stande sein, die wahre Natur des besagten Niederschlages zu be-
stimmen.
1) Van Kaathoven. Twenty-five hundred cases of gas-ether
anaesthesia without complication.
(Annals of surgery 1908. September.)
Verf. sieht auf 2500 unter ihm ausgeführte Athernarkosen zurück,
bei denen niemals irgendeine Komplikation oder üble Folge auftrat.
Er ist ein Gegner davon, daß man so tief narkotisiert, bis alle Reflexe
aufgehoben sind. Nach ihm genügt es zu einer chirurgischen Nar-
kose, wenn Pat. bewußtlos und Muskelerschlaffung eingetreten ist.
Um den Pat. in diesem Stadium zu erhalten und das tiefe cyanotische
Stadium mit erweiterten Pupillen und beschleunigtem Puls zu ver-
meiden, muß der Narkotiseur seine ganze Aufmerksamkeit anwenden.
Die besten Resultate hat Verf. gesehen, wenn er vor dem Ather
Nitrous oxyd (Stickoxydul, Lustgas) bis zum ersten Eintritt der Bewußt-
losigkeit (3 Minuten) und darauf die offene Tropfmethode mit Äther
anwandte.
Statt des Nitrous oxyd kann man auch Morphium und Atropin
subkutan vor der Verwendung des Athers geben. Das Atropin be-
schränkt die Schleimsekretion. Bei Potatoren wird vorher außerdem
noch Nase und Schlund mit 2%iger Eukainlösung besprüht. Bei der
Anwendung von Ather nach der eben beschriebenen Methode bleibt
das lästige Erbrechen aus. (Die Vorzüge der Skopolamin-Morphium-
injektion mit nachfolgender Athertropfnarkose scheinen dem Verf.
nicht bekannt zu sein. Ref.) Herhold (Brandenburg).
2) Bolognesi e Zancani. L'indice opsonico nella cloro-
narcosi.
(Clinica chirurgica 1908. Nr. 9.)
Verff. untersuchten bei 19 Individuen mit verschiedenen chirur-
gischen Leiden die Anderungen des opsonischen Index unter dem
1 Bolognesi und Zancani, ibid.
49*
1460 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49.
Einfluß der Chloroformnarkose: letztere führt zu einer unmittelbaren,
nur vorübergehenden Erhöhung des Index: nach einem ohne Narkose
vorgenommenen operativen Eingriff bleibt der Index entweder unver-
ändert oder wird kleiner; in Fällen gestörter (mykotischer), Wund-
heilung scheint der opsonische Index nicht zuzunehmen; seine Varia-
tionen stehen meist in keinem Verhältnis zur Menge der Leukocyten.
K. Henschen (Tübingen).
3) L. Camus. Dans les anesthesies de courte durée doit-
on employer la chlorure d'éthyle mélangé à lľoxygėne?
(Presse méd. 1908. Nr. 28.)
Auf Grund von Tierversuchen kommt C. zu dem Ergebnis, daB
es keinen Vorteil bietet, das reine Chloräthyl durch Mischung mit
Luft oder Sauerstoff zu ersetzen. Reines Chloräthyl ist nicht nur
einfacher und leichter zu verabfolgen, sondern die Narkose wird auch
ruhiger. Asphyxie ist bei einiger Aufmerksamkeit nicht zu fürchten;
Mischungen mit Luft geben auch keine Gewähr dagegen, sondern es
treten Atmungsstörungen sogar leichter dadurch auf.
Fehre (Freiberg).
4) M. Leale. Some considerations in the management of
burns and scalds in infants and children.
(New York med. record 1908. Mai 9.)
L. erwähnt, daß ®/, aller Fälle von Verbrennungen bei Kindern
vorkommen, bei denen die Prognose relativ schlecht sei, schon weil
viel leichter Chok sich einstellt, der nach seiner Ansicht die Hälfte
aller Todesfälle bedingt, aber gewöhnlich nicht vor 48 Stunden nach
dem Unfall in Erscheinung tritt. Einer verständigen Therapie er-
öffnet sich daher noch immer ein reiches Feld. Die Anwendung per-
manenter Irrigationen des Dickdarmes mit heißer normaler Salzlösung,
die Verordnung von Tinct. opii benzoica, gegen Erbrechen kleine
Dosen Atropin mit Opium und einer sorgfältige Beachtung aller son-
stigen hygienischen Maßnahmen, ferner ein warmes, ruhiges, gut ven-
tiliertes Krankenzimmer sind von größter Wichtigkeit. Neben absoluter
Asepsis der Verbandstoffe wird als bestes Wundreinigungsmittel Wasser-
stoffsuperoxydwasser in warmer, 10—15 volumenprozentiger Lösung
und darauf Kochsalzlösung oder 3%ige Borsäurelösung zur Irrigation
der ganzen Wundfläche empfohlen.
Zum Verbande steriles Zinköl. Ist der Papillarkörper mit be-
troffen, Streifen von Gummipapier oder Silberfolie darunter, prinzipiell
also ein nicht adhärentes und nicht reizendes Material bei häufigem
Verbandwechsel.
Die Empfehlung eines häufigen Verbandwechsels wird als direktes
Axiom jedenfalls nicht allgemeine Anerkennung finden.
Loewenhardt (Breslau‘.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1461
5) Civatte. A quelles conditions peut-on autoriser le ma-
riage des syphilitiques?
(Ann. de dermat. et de syph. 1907. p. 784.)
Verf. hat obige Frage an eine Reihe bekannter Syphilidologen
gerichtet und veröffentlicht deren Antworten. Mit Ausnahme von
Mibelli und teilweise auch Pospelow gestatten alle die Heirat,
wenn genügend Zeit nach der Infektion verstrichen und lange und
energisch genug behandelt ist. Uber den Wert und die Wirksamkeit
der Quecksilberkuren herrscht bei keinem ein Zweifel. Auf Jod-
behandlung wird wenig oder kein Wert gelegt. Mit Ausnahme von
Watraszewski verlangen alle noch vor der Heirat eine Behandlung.
Klingmüller (Kiel).
6) Dreysel. Die Estonpräparate und ihre therapeutische
Verwendbarkeit bei Haut- und Geschlechtskrankheiten.
(Fortschritte der Medizin 1908. Nr. 11.)
Eston enthält essigsaure Tonerde in fester Form, ist ein weißes,
sehr feines und trockenes Pulver, völlig ungiftig, in Wasser nahezu
unlöslich, löslich in alkalischen Flüssigkeiten; daher erklärt sich auch
seine gute Wirkung bei Zusammentritt mit Blut, Eiter usw. Weitere
gleichwertige Präparate sind das stärker wirkende Formeston, und
das milder wirkende Subeston.
Die Anwendungsweise geschieht in Pulver-, Salben-.und Pflaster-
form bei Ekzemen der verschiedensten Art, Dermatitiden, Urticaria,
Herpes zoster, Hyperidrosis, Balanitis, Beingeschwüren, eiternden und
frischen Schnitten und Quetschwunden. Kronacher (München).
7) M. Reich. Über das Erysipeloid. (Aus der I. chirurg.
Abteilung des Wiener allgemeinen Krankenhauses.)
(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Nr. 11.)
Das Erysipeloid ist zu wenig beachtet, dabei häufiger, als man
denkt. Es ist auf unblutigem Wege — Heißluft und Burow — leicht
zu heilen. Charakteristisch ist die Anamnese: meist handelt es sich
um kleine Verletzungen bei Leuten, die mit Fleisch oder Wild zu tun
haben; doch kommt es auch nach anderen Verletzungen vor, so daß
Verf. die Frage offen läßt, ob die Atiologie eine bakterielle oder che-
mische (Ptomaine?) ist. Am wichtigsten für die Diagnose sind ferner:
exquisit starkes Brennen und Jucken und bläulichrote Färbung und
Schwellung der Haut. Fieber ist selten. Literatur.
Renner (Breslau).
8) Herxheimer. Über die Behandlung der Ekzeme mit
- neuen Teerpräparaten.
(Berliner klin. Wochenschrift 1908. Nr. 3.)
Karboterpin, eine Lösung von Steinkohlenteer in Terpinol, be-
währte sich besonders bei Psoriasis; doch war die Wirkung langsam.
1462 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49.
Es wurde, wie bei Eczema chronicum, konzentriert zweimal täglich
aufgepinselt und zeigte auch eine Juckreiz lindernde Wirkung.
Ein das Jucken sehr gut beeinflussendes Teerpräparat ist das
Succinol; geeignet für Eczema chron., Pruritus und Psoriasis. Das
Mittel entstammt dem Bernstein. Karbeneol, eine Lösung von Stein-
kohlenteer in Tetrachlorkohlenstoff, erwies sich von nachhaltiger, wenn
auch langsam eintretender Wirkung bei Psoriasis. Da Karbeneol von
allen Teerpräparaten die geringste Zahl von Irritationen auf der Haut
hervorruft, erscheint es besonders geeignet für die Ekzembehandlung.
Nachteile des Präparates sind: Schwarzfärbung der Haut, Beschmut-
zung der Wäsche, langsames Eintrocknen. Langemak (Erfurt).
9) A. Peters (Rostock). Über Gesichts- und Schädelasym-
metrien und ihr Verhältnis zum Caput obstipum.
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 34.)
Die gar nicht seltene Asymmetrie des Gesichts und Schädels
(Schädelskoliose), die sich in Tieferstehen der einen Orbita, des gleich-
seitigen Ohres und Nasenflügels, in leichtem Abweichen der Kinnspitze
in seitlicher Richtung usw. kundtut, findet sich bei gleichzeitig be-
stehendem Caput obstipum am stärksten entwickelt (sekundäre
Schädelskoliose). P. berichtet über einige Fälle von erblichem Auf-
treten solcher Asymmetrie, die hier auf eine fehlerhafte Anlage im
Keimplasma zurückzuführen sein dürfte, und wirft die Frage auf, ob
die Einwirkung des Caput obstipum auf die Entstehung der Schädel-
skoliose für alle Fälle bewiesen sei. Er erinnert dabei an das Vor-
kommen einer angeborenen Aplasie des Kopfnickers, die auf fehler-
hafter Keimanlage beruhe, und weist hin auf die einfach ererbte
angeborene Ptosis (kongenitale Augenmuskelaplasie), auf das Bestehen
eines Caput obstipum bei der einen der mit deutlicher Gesichts-
asymmetrie behafteten fünf Schwestern seines einen Falles und auf
das gleichzeitige Vorkommen anderer verwertbarer Mißbildungen bei
Caput obstipum. In Anbetracht dessen bezweifelt er für einen Teil
der Fälle die ursächliche Bedeutung des letzteren für die Schädel-
skoliose. Kramer (Glogau).
10) Sicard. Traitement de la névralgie faciale par lalcooli-
sation locale.
(Presse méd. 1908. Nr. 37.)
S. unterscheidet drei Gruppen von Injektionen:
1) Die periphere Gruppe: in die Austrittsstellen des N. supra-
orbitalis, infraorbitalis und mentalis.
2) Die mittlere Gruppe: in die Spongiosa des Ober- und Unter-
kiefers, in das Foramen mandibulare an der Lingula und in den Ca-
nalis palatinus.
3) Die tiefe Gruppe: in das Foramen ovale und Foramen rotundum.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1463
Die Technik der einzelnen Injektionen wird kurz beschrieben und
an einigen Abbildungen erläutert. Die erste Bedingung für das Ge-
lingen ist die richtige Diagnose; wer Migräne mit Trigeminusneuralgie
verwechselt, kann keinen Erfolg erzielen. Es wird 80 iger Alkohol mit
feiner Platinnadel injiziert; bei Injektionen in die Spongiosa wird der
Knochen vorher angebohrt und stets Lokalanästhesie angewandt. Die
Injektion in das Foramen ovale ist besonders schmerzhaft. Die
Schmerzen schwinden nach längstens 3 Tagen.
Uble Zufälle sind selten; Anstechen einer Arterie schadet bei
Benutzung feiner Nadeln nichts. Bei Injektionen in den N. supra-
orbitalis und infraorbitalis entsteht oft starkes, 48 Stunden anhaltendes
Odem. Bei Injektion in das Foramen ovale tritt mitunter Sklerose der
Mm. pterygoidei ein, die das Mundöffnen beschränken; auch vorüber-
gehende Lähmung des N. abducens ist beobachtet worden. Bei In-
jektionen in das Foramen rotundum tritt mitunter Myosis auf.
Beweis für das Gelingen ist Auftreten von Anästhesie in dem
betreffenden peripheren Nervengebiet. Wenn der Alkohol statt in
das Foramen infraorbitale auf die Vorderfläche des Oberkiefers gespritzt _
wird, entsteht vorübergehende Lähmung der dort liegenden Facialis-
äste. Bei Injektion ins Foramen ovale tritt stets halbseitige Lähmung
der Kaumuskeln auf infolge Degeneration des dieselben versorgenden
Nerven. Oft bestehen anfangs Parästhesien (unangenehmes Jucken,
Nadelstiche) in den anästhetischen Zonen.
Die bereits chirurgisch vorbehandelten Fälle gaben infolge der
narbigen Veränderungen eine schlechtere Prognose als die nicht
chirurgisch behandelten.
S. hat im ganzen 63 Fälle verschiedenster Art mit bestem Er-
folge behandelt. Die Wirkung hält bis zu 24 Monaten an, aber auch
schon nach 4—6 Monaten gab es Rückfälle, die dann, von neuem
hehandelt, immer seltener werden.
Bei den hartnäckigsten, allen anderen Eingriffen widerstehenden
Neuralgien beabsichtigt S. nach Spaltung der Weichteile und Resek-
tion des Jochbogens das Ganglion Gasseri aufzusuchen und Alkohol
in dieses zu injizieren. Fehre (Freiberg).
11) K. Wahl (München). Was dürfen wir von der heutigen
Skoliosenbehandlung erwarten?
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 28.)
W. beantwortet obige Frage in bezug auf die beweglichen Sko-
liosen dahin, daß die Resultate ihrer Behandlung durchgehends sehr
erfreuliche seien, wenn auch die Dauer der letzteren mindestens 3 Mo-
nate, in manchen Fällen bis 2 Jahre beträgt. Den Angelpunkt der
Therapie bildet die orthopädische Gymnastik, die intensiv, nicht nur
täglich, sondern mehrmals am Tage jan orthopädischen Hausturn-
geräten betrieben werden muß. W. verwendet hierfür einen kombi-
nierten Apparat, bei dem der Widerstand durch kräftige Gummikabel
gegeben ist. Bei der fixierten Skoliose benutzt er jetzt für die Nacht
1464 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49.
nach mehrfachen anderen Versuchen ein Reklinationsbett, das aus
einem gepolsterten Brett mit eingebauten Schiebern besteht und eine
ähnlich stark redressierende Wirkung wie der Gipsverband ausübt;
in ihm drückt die ganze Köperlast auf den Rippenbuckel, während
die eingesunkene Thoraxpartie frei in der Luft schwebt. Außerdem
bedient sich W. noch eines ganz besonders kräftig wirkenden Turn-
gerätes, das aus einer Glisson’schen Schwebe und einer am Scheitel
der Abbiegung der Wirbelsäule seitlich angreifenden Gabel zusammen-
gesetzt ist (Abbild... Sonst kommen noch leichte orthopädische Stoff-
korsette mit Schienen zur Anwendung. Die Resultate W.’s waren
befriedigende; Heilungen wurden aber nicht erzielt.
Kramer (Glogau).
12) Poirier et Piquó. Anatomie chirurgicale de la region
hyo-thyro-épiglottique.
(Revue de chir. XXVII. année. Nr. 7.)
Als Regio hyothyreoepiglottica beschreiben Verff. auf Grund von
40 Leichenuntersuchungen jene dreiseitig-pyramidenförmigen Räume,
welche symmetrisch zu beiden Seiten des sagittalen und medianen
Septum subhyoideum gelegen und vorn durch die Membrana hyo-
thyreoidea, hinten durch die Epiglottis und oben durch die Membrana
byoepiglottica begrenzt werden. Nach unten schneiden sie mit dem
Ansatz des Kehldeckels an den Schildknorpel ab, lateralwärts reichen
sie bis zur Durchtrittsstelle des N. laryngeus superior durch die Mem-
brana hyothyreoidea. Sie sind ausgefüllt von je einem Fettkörperchen,
das an der medialen Scheidewand und dem Kehldeckel befestigt,
sonst aber frei beweglich ist und als Gleitorgan für die Bewegungen
des Kehlkopfes, Kehldeckels und Zungengrundes angesehen werden muß.
Chirurgisch wichtig ist die Gegend, weil sich hier mitunter Zell-
gewebsentzündungen abspielen, die zu Stenosenerscheinungen, Schluck-
beschwerden und Heiserkeit Veranlassung geben und sich seitlich vom
Schlund- oder Kehlkopf ausbreiten können. Für die Pharyngotomia
transversalis (Malgaigne) und transhyoidea (Vallas) bildet sie einen
Teil des Zugangsweges. Gutzeit (Neidenburg).
13) J. Fabro et L. Thévenot. Le goitre chez le nouveau-né.
(Revue de chir. XXVII. ann. Nr. 6.)
In kropfreichen Gegenden wird der Kropf beim Neugeborenen
gar nicht so selten angetroffen. Sicherlich haben territoriale Einflüsse
hierbei eine größere Bedeutung als die Erblichkeit. Das besonders
beim Fötus reich entwickelte Venennetz der Schilddrüse schafft eine
größere Neigung; die Stauung durch den Druck der Gebärmutter
beim Geburtsakt, das Schreien und Pressen des Säuglings fördern
das Wachstum. Die diffusen parenchymatösen oder Gefäßkröpfe über-
wiegen; sie schnüren zuweilen in Form eines Ringes Luft- und Speise-
röhre ein und führen dann zu den » Asphyxies foudroyantes«, die dem
kaum Geborenen unter heftigsten Erstickungserscheinungen das Leben
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1465
rauben. Häufiger sind jedoch zwar schwere, aber mit dem Fortbestand
des Lebens vereinbare Formen mit andauernder oder intermittieren-
der Atemnot und die gutartigen Kröpfe, die nur unbedeutende oder
zunächst gar keine Störungen verursachen und daher oft unbemerkt
bleiben können.
Für die Diagnose ist zu beachten, daß die Schilddrüse beim Neu-
geborenen auf dem Schildknorpel oder gar über ihm liegen kann.
Von chirurgischen Eingriffen ist der Luftröhrenschnitt wegen der
Gefahr der Blutung und der Bronchopneumonie streng zu verwerfen.
Die Durchschneidung des Isthmus und die Exothyropexie kommen am
häufigsten in Frage. Prophylaktisch empfehlen die Verff., Schwangeren
in kropfbelasteten Gegenden nur gekochtes oder aus kropffreien Ge-
bieten stammendes Wasser und Jodpräparate zu geben.
Gutzeit (Neidenburg).
14) MoLennan. An experimental investigation into the func-
tion of the thymus gland.
(Glasgow med. journ. 1908. August.)
An jungen Kaninchen und Kätzchen hat Verf. die Exstirpation
der Thymus vorgenommen. Die Kaninchen wurden aus einem etwa
6 Wochen alten Wurf ausgewählt und die übrigen Tiere als Kontroll-
tiere betrachtet; die Technik des Vorgehens wird genau beschrieben.
Auffallend war es, wie schnell die Tiere, die den Eingriff über-
standen hatten, sich erholten; nach wenigen Tagen bereits begannen
sie außerordentlich stark zu fressen und erwiesen sich in der Folge-
zeit als weit widerstandsfähiger gegen Krankheiten (Favus, Enteritis,
Coceidiosis, Tuberkulose), als die Kontrolltiere.
Entsprechend der gesteigerten Nahrungsaufnahme wurde das Ge-
wicht viel höher als das der nicht operierten Tiere.
Bei mikroskopischer Untersuchung wurde an Milz und Knochen-
mark — über die Zeit seit der Operation wird nichts gesagt — nichts
Ungewöhnliches gefunden. Die durch vier Mikrophotogramme illu-
strierten Befunde an den Wachstumszonen der Knochen lassen auf
besonders lebhaftes Knochenwachstum schließen.
Bemerkenswert und anscheinend bisher noch nicht bekannt ist
der Umstand, daß mit der Fortnahme der Thymus ein Kleinerwerden
der Schilddrüse Hand in Hand geht; das Organ wird relativ zell-
reicher, es besteht aus drüsigem Gewebe mit sehr wenig Zwischen-
gewebe (zwei Mikrophotogramme).
Analog den Ergebnissen von Blumreich und Jakobi konstatierte
Verf. andererseits ein Verschwinden der Thymus nach Entfernung der
Schilddrüse.
Vier Tiere hatten rachitische Erscheinungen; zwei wurden ihrer
Thymus beraubt, zwei aber nicht; auf die Rachitis wurde ein Einfluß
dadurch nicht ausgelöst.
Verf. hat auch drei Kindern wegen Atmungsbehinderung die
Thymus exstirpiert, stets mit Erfolg.
49**
1466 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49.
Man darf aber Milz und Thymus nicht zusammen entfernen, das
hat stets den Tod der Versuchstiere zur Folge gehabt.
Ist man bei Morbus Basedow genötigt, die Schilddrüse, wenn
auch partiell, zu entfernen, so rät Verf., erst auf eine eventuell ver-
größerte Thymus zu fahnden und sie vorher zu beseitigen.
W. v. Brunn (Rostock).
15) Polito. Un caso di pleurite essudativa curato con l’emi-
esotorace (Scarpa).
(Nuova Revista clinico-terapeutica 1908. XI, 7.)
Verf. empfiehlt auf Grund eines an der De Renzi’schen Klinik
beobachteten Falles die von Scarpa 1906 empfohlene mechanische
Behandlung der exsudativen Pleuritis. Durch einen besonders kon-
struierten Apparat — den Hemiexothorax — wird die gesunde
Thoraxhälfte immobilisiert und dadurch die kranke Seite zur Hyper-
funktion gezwungen, die wiederum ein rascheres Aufsaugen des Ex-
sudats bedingt. Die Behandlung wurde in 15 Sitzungen von 20 bis
90 Minuten Dauer vorgenommen und ergab keine besonderen Stö-
rungen. Während der Behandlung zeigte sich eine vorübergehende
Blutdruckherabsetzung und Pulsbeschleunigung.
Der heilende Einfluß der mechanischen Behandlung zeigte sich
nicht allein in vermehrter Diurese, sondern ließ sich auch bald durch
Auskultation und Perkussion, sowie noch exakter durch genau wieder-
gegebene Messungen der respiratorischen Kapazität feststellen.
Strauss (Nürnberg).
16) d’Este (Pavia). La chirurgia del pericardio e del cuore.
(Dissertazione di libera docenza. 499 S., 33 Fig. u. 1 Tafel.)
Pavia, Marelli, 1907.
Diese umfangreiche Habilitationsschrift enthält eine umfassende
und detaillierte Darstellung alles dessen, was in der Literatur über
die Chirurgie des Herzbeutels enthalten ist. — Eingehend ist die ein-
schlägige Anatomie behandelt. Verf. hat an 23 Leichen eigene Unter-
suchungen, besonders über die Topographie der Vasa mammaria in-
terna und jene des Mediastinum anticum ausgeführt. Er hat gefunden,
daß die Größe jenes Teiles des Perikardium, der von den Pleurablättern
nicht bedeckt ist, das Spatium interpleuricum, außerordentlich wechselt
und oft sehr klein ist, woraus die wechselnde Gefahr der Pleura-
eröffnung bei Verletzungen und Operationen erhellt. — In einem
zweiten Kapitel werden die Tierversuche abgehandelt, zu denen Verf.
ebenfalls persönliche Beiträge über die Technik der Herznaht liefert,
die zu abschließenden Resultaten noch nicht geführt haben. Das
dritte und vierte Kapitel enthält Abhandlungen der chirurgischen Er-
krankungen des Herzbeutels und des Herzens. Hieran schließt sich
das Kapitel über die Freilegung des Herzens. Verf. gibt im allge-
meinen dem Vorgehen nach Farina und Wilms den Vorzug, das
er eingehend an der Leiche studiert hat. — 18 Seiten Literatur-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1467
verzeichnis und eine 78 Seiten umfassende tabellarische Übersicht aller
publizierten Fälle von ausgeführter Herznaht beschließen das Buch.
A. Most (Breslau).
17) Parlavecchio. Pericardiectomia sperimentale e sue possi-
bili applicazioni terapeutiche.
| (Policlinico, sez. chir. 1908. XV, 8.) |
P. geht davon aus, daß es noch nicht entschieden ist, ob man
das Perikard beim Menschen ohne besondere Gefahr in großer Aus-
dehnung resezieren kann. (Die recht ansehnliche Literatur über Cardio-
lysis scheint dem Verf. entgangen zu sein, da er angibt, daß der
Delorme’sche Vorschlag keine Anwendung gefunden habe. Ref.)
Es werden daher zunächst 18 Fälle aus der Literatur angeführt, bei
denen die Autopsie als Zufallsbefund einen mehr oder minder voll-
ständigen Defekt des Perikardium ergab, und die fast alle im Leben
ohne nennenswerte Beschwerden waren. Des weiteren werden die
experimentellen Untersuchungen Amerio’s referiert, der bei Kanin-
chen nach der Wegnahme des Perikards niemals besondere Schädi-
gungen gesehen haben will. Dieser Annahme glaubt P. entgegentreten
zu müssen, da er bei sieben Versuchen an Hunden nach der Weg-
nahme des Perikards trotz Heilung per primam Abmagerung und
Hypertrophie des linken Ventrikels sah. Ausgiebige Resektionen wur-
den besser vertragen als solche kleineren Umfanges, die oft zu aus-
gedehnten Verwachsungen Veranlassung gaben. Die Durchtrennung
des linksseitigen N. phrenicus verursachte keine Störung der Zwerch-
fellbewegungen.
Verf. kommt zu dem Schluß, daß die Perikardektomie nur in
jenen Fällen vorgenommen werden soll, in denen sie eine lebensrettende
Operation darstellt. Hier kämen in erster Linie Mediastinalgeschwülste
in Betracht, die auf den Herzbeutel übergreifen; sodann chronische
- Entzündungen, die trotz Perikardiocentese und -tomie fortbestehen
und das Leben gefährden. Die hierbei nicht vermeidbare Pleura-
infektion schätzt P. gering ein, da eine Pleuritis weniger gefährlich
und leichter zu bekämpfen sei als eine Perikarditis.
Für die Operation selbst empfiehlt P., einen möglichst breiten
Zugang zu schaffen, wozu der Rydygier’sche Lappen- oder ein Tür-
flügelschnitt in Betracht käme. Die Schonung der linken Pleurahöhle
läßt sich nicht immer durchführen und sei auch für die meisten Fälle
ohne besonderen Wert. Der N. phrenicus der linken Seite ist nicht
unbedingt zu erhalten, da die Resektion desselben keine Störung der
Zwerchfellbewegung bedingt, dagegen muß jede Verletzung des rechts-
seitigen Phrenicus und der rechtsseitigen Pleurahöhle vermieden werden,
um Zwerchfellslähmung und doppelseitigen Pneumothorax auszuschalten.
Strauss (Nürnberg).
1468 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49.
18) Heile (Wiesbaden). Zur Operation und Nachbehandlung
des Brustkrebses.
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 30.)
Statt durch Extension bzw. Suspension des Armes der operierten
Seite nach Leser sucht H. die Beweglichkeit im Schultergelenk
durch Verpflanzung des Musc. pectoralis minor auf die bloßgelegten
Achselgefäße und frühzeitige Bewegungsversuche des freigelassenen
Armes zu erhalten. Nach Entfernung der Brust mit dem Kocher-
schen Hautschnitt, der vor der vorderen Achselfalte endet, wird der
Musc. pectoralis minor, sofern nicht, wie stets der Pectoral. major,
fortgenommen werden mußte, von seinen Rippenansätzen abgelöst —
unter Erhaltung seiner Insertion am Processus corocoideus —, über
die bloßgelegten Achselgefäße ausgebreitet und am M. cucullaris
und serratus angeheftet. Die Hautnahtlinie kommt breit median von
den Achselgefäßen zu liegen. Der Arm bleibt außerhalb des zirku-
lären Verbandes, und wird die Pat. schon am nächsten Tage zu Be-
wegungsversuchen mit ihm angehalten. — Wenn auch der M. pector.
minor späterhin atrophiert, so verhindert er doch während der Wund-
heilung eine Verwachsung der Haut mit den Achselgefäßen und das
Eintreten von Stauungen. Kramer (Glogau).
Kleinere Mitteilungen.
19) 80. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Köln
im September 1908.
Abteilung für Chirurgie und kombinierte Sitzung der chirurgischen
und internen Abteilung.
Berichterstatter: GOEBEL, Köln.
(Schluß.)
a. Reerink (Freiburg). Über die Wirkung der Cavaunterbindungen
auf die Nieren. (Experimentelle Untersuchungen.)
R. berichtet über die Resultate einer größeren Anzahl von Experimenten an
Hunden; er konnte eindeutig feststellen:
1) Unterbindung der Cava inferior unterhalb der Venae renales wird von
Hunden jeglichen Alters anstandslos vertragen; irgendwelche besondere Erschei-
nungen treten danach überhaupt nicht auf.
2) Unterbindung der Cava inferior nebst Unterbindung einer Vena renalis
bzw. Unterbindung der Cava zwischen den Einmündungsstellen der Venae renales
(die Einmündungsstellen können bis zu 2 cm Abstand voneinander haben) sind
ebenfalls gefahrlos; die »gestaute« Niere schwillt fast sofort auf das Doppelte bis
Dreifache ihres Volumens an, ohne daß es aber histologisch zu schweren Ver-
änderungen kommt; aber noch bis nach 3 Wochen erhielt sich das Gewicht der
normalen zur >gestauten« Niere in mehreren Fällen ca. wie 50 g zu 70 g, obne
daß stärkere Bindegewebsbildung stattgefunden hatte. Wie die Autopsien zeigten,
nimmt das Blut hauptsächlich seinen Weg durch die sog. Vena abdominalis, die
außer Muskelästen Zweige zum Nierenfett und zur Nierenkapsel sendet und mehr-
fache Verbindungen mit der Vena phrenica eingeht. Die Cava ist dabei unterhalb
der Unterbindungsstelle nicht thrombosiert, es muß also noch eine Art rück-
läufigen Transportes zwischen der offen gebliebenen Vena renalis und den weiter
unten abgehenden Asten, insbesondere der Vena abdominalis, stattfinden.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1469
3) Auch die brüske Unterbindung der Cava inferior oberhalb beider Venae
renales wird ertragen, wenn man junge Tiere wählt, den Eingriff im leichten
Atherrausch (ohne Morphium und Chloroform) vornimmt und aseptisch arbeiten
kann. Altere Tiere überstehen den Eingriff schwer (von acht Hunden nur zwei,
und zwar männliche Exemplare, während die weiblichen alle starben), und auch
bei jungen Hunden genügt Infektion der Bauchwunde, um das Resultat in Frage
zu stellen. Immerhin blieben bei den genannten Kautelen sechs junge Tiere
nacheinander am Leben; die Cava zeigt sich dann von der Unterbindungsstelle bis
zur Teilungsstelle der Dliacae thrombosiert; die Venen des Nierenfettes und der
Nierenkapsel sind noch nach 3 Wochen prall gefüllt. Anastomosen mit der Vena
abdominalis lassen sich nicht nachweisen, letztere erscheinen im Gegenteil auf
beiden Seiten fest obliteriert. Stauungserscheinungen an den hinteren Extremi-
täten fehlten vollständig. Die Nieren selbst sind zu dieser Zeit makroskopisch
wieder völlig normal und lassen zunächst auch histologisch keine Besonderheiten
erkennen. — Injektionsversuche am Kadaver nach Unterbindung der Cava sind
nach R. wertlos, da sie nicht den geringsten Anhaltspunkt geben, welche
Bahnen bei diesen starken Stauungen im uropoetischen System wirklich benutzt
werden. — In mehreren histologischen Präparaten macht es den Eindruck, als ob
die arteriellen Gefäße vergrößert und vermehrt wären; hierüber sind weitere
Untersuchungen notwendig, besonders nach längerer Dauer der Unterbindung, da
diese Tatsache der vermehrten arteriellen Blutzufuhr bei den hochgradigsten venösen
Stauungen imstande wäre, neue Erklärungen für die physiologische Pathologie im
Nierensystem zu geben. (Selbstbericht.)
b. Graff (Bonn): Über Massenblutung aus wenig veränderten
Nieren.
Die Quelle der Blutung ist leicht festzustellen, die Ursache sehr viel schwerer,
zuweilen unmöglich, auch nach Freilegung der blutenden Niere. Wenn auch
kleinere parenchymatöse oder interstitielle Veränderungen mikroskopisch meist vor-
handen sind, so stehen sie doch nicht im Einklang mit der Stärke der Blutung.
In wenigen Fällen ergab aber auch die genaueste Durchforschung der exstirpierten
Niere ein vollkommen gesundes Organ. Der Kernpunkt der noch unaufgeklärten
Sache liegt darin, ob die Niere wirklich gesund ist, oder ob nicht die Blutungen ein
Prodromalsymptom einer beginnenden Nephritis sind. Letzteres ist jedenfalls
häufiger wie ersteres. Nach kurzem Bericht über einen hierhin gehörigen Fall
bespricht Vortr. die Therapie, die in der operativen Freilegung der Niere und
Dekapsulation oder besser Nephrotomie zu bestehen hat. Nephrektomie kommt
nur in Frage, wenn erstere erfolglos geblieben ist.
(Der Vortrag erscheint in extenso in den »Folia urologica«.)
(Selbstbericht.)
c. Krönlein (Zürich. Über Prognose und Therapie der Nieren-
tumoren.
K. hat in den Jahren 1885-1908 25 Kranke mit Nierentumoren operiert und
dabei immer die totale Nephrektomie ausgeführt, mit Ausnahme eines Falles von
Nierenechinokokkus, bei dem er durch extraperitoneale breite Eröffnung des
Tumorsackes schnelle Heilung erzielte. Die Operationsmortalität der 25 Fälle be-
trägt 8%, von 22 Fällen maligner Tumoren 9%. Bei allen Tumoren wurde die
Diagnose durch den operativen Befund bestätigt, für gewöhnlich aber ist eine
differential-diagnostische Unterscheidung der verschiedenen bösartigen Nieren-
geschülste, der Hypernephrome, Karzinome und Sarkome vor der Operation
nicht möglich. Es gibt Fälle von polycystischem Nierentumor, bei denen die
Nephrektomie dem Chirurgen zur Pflicht, die Ablehnung der Operation zur Unter-
lassangssünde werden kann. In einem noch lebenden Falle besteht eine Dauer-
heilung von 10 Jahren. Auch nach geglückter Operation ist die Prognose schlecht, da
Rezidive die Regel sind; die Karzinomrezidive treten früher auf als die der anderen
Geschwülste. Spätrezidive können bei Hypernephromen noch nach 6, sogar noch
nach 11 Jahren auftreten; gleichwohl sind Dauerheilungen sicher festgestellt. Bei
1470 Zentralblatt für Chirurgiö. Nr. 49.
einem noch lebenden Pat. hat Vortr. durch Exstirpation eines Nierenkarzinoms
eine Dauerheilung von 23 Jahren beobachtet. Wie schon an anderer Stelle, so
bekennt sich K. auch hier als Freund der Athernarkose, die er für die Nieren-
chirurgie für die zweckmäßigste hält; nicht zu empfehlen ist in dieser letzten Be-
ziehung die Lumbalanästhesiee Als Operationsmethode für die Exstirpation von
Nierentumoren hat sich K. der retro- oder paraperitoneale Flankenschnitt am
meisten bewährt. Das Gr&ögoire’sche Radikalverfahren der Exstirpation bös-
artiger Nierengeschwülste ist zu verwerfen. (Selbstbericht.)
Diskussion Riedel (Jena) empfiehlt den transperitonealen Schnitt.
Goebel (Köln).
d. G.A. Wollenberg: Die Ursache der Arthritis deformans im
Lichte des Experimenten.
W. hat auf Grund ven Literaturstudien, von knktomischeh Untersuchungen
und von klinischen Beobachtungen die Überzeugung gewonnen, daß sämtliche Vor-
gänge, welche in den ein Gelenk versorgenden Blutgefäßen eine länger dauernde
Behinderung der arteriellen Zirkulation, eine Stauung im venösen Kreislaufe
hervorrufen, zur Entstehung der Arthritis deformans die Veranlassung geben
können. Von dieser Voraussetzung ausgehend, hat W. versucht, durch zeitweise
Abschneidung der Ernährung an einem an der Bildung eines Gelenkes teilnehmen-
den Skeletstück Arthritis deformans experimentell beim Tiere zu erzeugen. Zu
diesem Zwecke wurde bei Hunden die bloßgelegte Patella durch die Gelenkkapsel
fassende Knopfnähte umnäht. Nach !/s Jahre hatte sich, wie das Röntgenbild und
die histologische Untersuchung zeigt, eine überaus hochgradige Arthritis deformans
der Patella mit mächtigen Knochenwucherungen in die Quadricepssehne hinein
eingestellt. (Demonstration von Röntgenbildern und Mikrophotogrammen.) — Die
Versuche wurden weiter in mannigfacher Weise variiert. W. verspricht sich von
denselben nicht nur eine Klärung der Atiologie, sondern auch manchen wichtigen
Aufschluß in noch strittigen anatomischen Fragen. (Selbstbericht.)
Diskussion: Müller (Rostock) betont, daß unzweifelhaft in der Störung
des Gelenkmechanismus ein prädisponierendes Moment für die Entstehung der
Arthritis deformans liege, deren Atiologie im übrigen noch so viele Rätsel berge.
Preiser (Hamburg) hebt die schon an anderer Stelle betonte Bedeutung der
statischen Veränderungen im Skeletsystem für die Atiologie der Arthritis defor-
mans nochmals hervor. Die Berechtigung seiner Anschauungen wird ihm durch
die Wirksamkeit der Therapie bestätigt. Goebel (Köln).
e. Preiser (Hamburg): Über pathologische Gelenkflächeninkon-
gruenz als Ursache von Arthritis deformans.
P. macht auf eine pathologische Gelenkflächeninkongruenz aufmerksam, die in
der Ätiologie der Arthritis deformans die Hauptrolle zu spielen scheint und die er
einteilt in eine anatomische und funktionell-habituelle Art. An der Hüfte z.B.
kann durch primäre Variation der Pfannenstellung dauernd ein Teil der Schenkel-
kopfknorpelfläche außer Artikulation gesetzt und so durch Atrophie der unbenutzten
Knorpelfläche eine Arthritis deformans eingeleitet werden. An der Hand von
Lichtbildern geht P. auf die verschiedenen Entstehungsarten und - möglichkeiten
des Malum coxae senile ein. — Auch am Knie kann es durch statische Störungen,
wie Plattfüße, Genu valga usw. zu einer pathologischen Gelenkflächeninkonrgruenz
kommen, indem dann im Röntgenbild der laterale Tibiakondylusschatten teilweise
frei unter dem Femurschatten hervorragt und so atrophieren und zur Arthritis
deformans führen kann. — Am Ellbogen entsteht ein teilweises Hervorragen des
Radiusköpfchens, ganz ähnlich wie am Knie bei der Tibia. P. zeigt auch hier
Röntgenbilder von Gelenkinkongruenz und daraufhin eingetretene Arthritis defor-
mans. — Auch an der Schulter ist der Gelenkinkongruenz als Ursache der Ar-
thritis deformans der Hauptanteil einzuräumen; auch an der Symphysis sacro-iliaca
und am ersten Metatarsophalangealgelenk. Bei letzterem kann man oft eine Art
Spornbildung beobachten, die sich aber durch Leichenuntersuchungen als osteo-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1471
phytäre Knochenbildung nachweisen ließ infolge Arthritis deformans. Man wird
deshalb mehr wie bisher auf pathologische Gelenkflächeninkongruenz zu achen haben.
(Selbstbericht.)
f. W. Müller (Rostock): Operative Behandlung der Arthritis de-
formans.
Obgleich wohl die Mehrzahl der Chirurgen eigene Erfahrungen über Operationen
bei Arthritis deformans zu sammeln in der Lage war, ist die in der Literatur
niedergelegte Kasuistik relativ klein. Vortr. hat Beobachtungen an 106 Fällen
klinisch behandelter Arthritis deformans gesammelt. In 27 Fällen erschien operative
Behandlung angezeigt, die übrigen wurden konservativ-symptomatisch, viele mit
Injektionen behandelt (Öl). In 18 Fällen wurde reseziert (meist Hüftgelenk), neun-
mal wurde Arthrektomie bzw. Arthrotomie gemacht. Im ganzen war ja der Er-
folg hinsichtlich des Verschwindens der subjektiven Symptome, des Schmerzes nach
fast all diesen Operationen ein guter, die funktionellen Resultate ebenfalls gute. Was
die Frage der Rezidive betrifft, so wird ziemlich allgemein berichtet, daß solche nicht
eintreten. Vortr. hat aber 10 Jahre nach einer Arthrektomie mit anfänglich sehr gutem
Erfolg einschweres Rezidiv (Kniegelenk) beobachtet. Er regt an, gerade die Rezidivfrage
aufs neue zu prüfen, zumal über gar manche Fälle das Dauerresultst nicht bekannt
geworden ist. Die sichersten Erfolge ergibt die künstliche Versteifung schwer er-
krankter Gelenke (Knieresektion); aber die Tatsache, daß auch recht ungründliche
Operationen nicht selten günstigen Erfolg hatten, ist ohne weiteres nicht recht
verständlich. Vortr. glaubt, daß durch genauere Untersuchungen der früher Ope-
rierten vielleicht auch Anhaltspunkte für die noch immer dunkle Atiologie des
Leidens sich ergeben können, daß letzteres mehr ein sekundärer Vorgang ist, der
wie zum Trauma, so zu jeder Form der Gelenkentzündung und zu älteren Defor-
mationen sich hinzugesellen kann; das wird auch von neueren Autoren mehr und
mehr angenommen (Hoffa-Wollenberg). Es sind nach Ansicht des Vortr.
keineswegs bloß die weit vorgeschrittenen Fälle, welche wegen der starken Be-
schwerden zur Operation Anlaß geben, vielmehr stehen die Veränderungen im
Gelenk öfter im Mißverhältnis zu den subjektiven Beschwerden: Sehr schwere
Veränderungen, multiple Gelenkmäuse, und keine Beschwerden, ein andermal nur
geringe Abschleifung, keine Kapselverdickung und sehr heftige Schmerzen. Da
wir noch weit davon entfernt sind, bestimmte Indikationen für die operative Be-
handlung der Arthritis deformans zu fixieren, so möchte Vortr. auffordern, die
Frage an der Hand weiterer Kasuistik aufs neue zu prüfen. (Selbstbericht.)
g. Marwedel (Aachen): Chirurgische Behandlung von Lähmungen des
Oberarmes.
Vortr. hat vor 5 bzw. 4 Jahren dreimal chirurgische Eingriffe am Plexus
cervicalis vorgenommen zur Beseitigung von Oberarmlähmungen. Im ersten Falle
(Narbenexzision und Neurolyse des Plexus nach Geburtslähmung) völlige Heilung.
Im zweiten Falle (einer poliomyelitischen Lähmung) wurde aus dem achten Cervi-
calnerv ein Streifen abgespalten und absteigend in den fünften und sechsten Cervical-
nerv eingepflanzt: nach 2 Jahren sehr bedeutende, zum Teil vollkommene Wieder-
herstellung der Oberarmlähmung ; dagegen blieb partielle Lähmung der Hand
(Radialis) zurück, die durch Nachoperationen zum Teil korrigiert wurde. Ein
dritter Pat. starb leider 3 Monate nach seiner geheilten Operationswunde an
Pneumonie. — Vortr. faßt die bisherigen Ergebnisse der Operationen am Plexus
zusammen und empfiehlt das bisher nur wenig bearbeitete Gebiet allgemeinerem
Studium und Interesse. (Selbstbericht.)
Diskussion: Bardenheuer (Köln) hat 2 Fälle von Lähmungen im Gebiete
des Plexus cervicalis mit sehr gutem Erfolg operiert und verweist auf seine
demnächst in der Deutschen Zeitschrift für Chirurgie über das Thema erscheinende
Arbeit. Die Lähmungen entstehen nach Frakturen und Oberarmluxation, und oft
sind es sogar viel leichtere Verletzungen, die in ihren Folgeerscheinungen zu Nerven-
degenerationen führen. Wenn nach anfänglicher Steigerung der galvanischen Tir-
regbarkeit ein Schwinden der Erregbarkeit zu beobachten ist, wenn Muskelatrop!''
1472 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49.
eintreten, dann heißt es operieren! Wir waren bisher auf diesem Gebiete viel zu
konservativ. Der operativ behandelte Nerv wird unter viel günstigere Heilungs-
bedingungen gestellt. Bei der Operation werden Blut und Gewebsfetzen entfernt
und so eine Narbenbildung verhindert, die den gerissenen Nervenfibrillen große
Hindernisse bei ihrer Wiedervereinigung entgegensetzen; die gerissenen Nerven-
enden können exzidiert und damit glatte Verhältnisse geschaffen werden. Die Zer-
reißung der Blut- und Lympbgefäße innerhalb der in seiner Kontinuität noch
nicht zerrissenen Nerven kann zu Entzündungserscheinungen und sekundär zu
degenerativen Vorgängen im Nerven führen. Aus allen diesen Gründen soll man
mit dem operativen Eingriff nicht zögern. Goebel (Köln).
h. ErnstMayer (Köln). ZurBehandlungschwerer Kinderlähmungen
(mit Demonstrationen).
Vortr. bespricht die verschiedenen Behandlungsmethoden bei Lähmungen und
glaubt, daß man auch in den schwersten Fällen mit Sehnenüberpflanzungen, event.
mit Arthrodese einzelner Gelenke verbunden, ein Resultat erzielen kann. Wichtig
dabei ist, bei Kontrakturen eine Redression der Deformität — wenn nötig in einer
besonderen Sitzung — vorzunehmen. Ebenso ist eine nachlässig oder falsch durch-
geführte Nachbehandlung häufig schuld an einem Mißerfolg. Vortr. eah z. B., wie
Masseure Kniegelenke, die mit großer Sorgfalt durch eine Quadricepsplastik
tendinös fixiert waren, mit Gewalt zu beugen versuchten. Die Überpflanzung
wird meist von Sehne auf Sehne ohne Verlängerung durch Seidenfäden vorge-
nommen.
Zur. Demonstration gelangten 4 Pat., die durch Sehnenüberpflanzung wieder
gehfähig gemacht worden waren, darunter ein 5i/sjähriger imbeziller Knabe mit
spastischer Lähmung und ein 30jähriger Mann mit spinaler Lähmung, der bis zu
seinem 27. Lebensjahre auf den Knien gerutscht war. (Selbstbericht.)
i. Zur Verth (Berlin): Zur Mechanik und Diagnose der schnappen-
den Hüfte.
Die schnappende Hüfte entsteht durch das Gleiten eines sehr starken Ver-
stärkungsstreifens der Fascia lata über den Trochanter major. Dieser Verstärkungs-
streifen, den Redner mit dem Namen Tractus cristo-femoralis belegt, kommt
oben von der Crista ossis ilei, geht nach unten zum Teil mit der Sehne des
Glutaeus maximus an den Trochanter tertius, zum Teil in den Maissiat’schen
Streifen — Tractus ilio-tibialis — über. An ihm inserieren von hinten die Fasern
des Gluteus maximus.
Jeder,der es versteht, seine Muskeln einzeln oder gruppenweise
zu kontrahieren und zu erschlaffen, ist in der Lage, das Phänomen
der schnappenden Hüfte zu erzeugen. Den Mechanismus teilt Redner in
eine vorbereitende und ausführende Phase. Zur Vorbereitung wird das Bein, das
schnappen soll, zum Standbein gemacht und die gegenüberliegende Seite gesenkt.
Beide Bewegungen spannen den Tractus cristo-femoralis an. Zur Ausführung wird das
Becken im Hüftgelenk gegen den Oberschenkel des Beines, das schnappen soll,
etwas gebeugt und das Becken im Sinne der Verschiebung der Front nach der
der schnappenden Hüfte entgegengesetzten Seite rotiert. Ist der Glutaeus maxi-
mus völlig erschlafft, so tritt in diesem Moment das Schnappen ein. Zur Rückkehr
in die Ausgangsstellung wird nur der Glutaeus maximus kontrahiert. Er treibt
vor allem den Trochanter major mechanisch unter den Tractus cristo-femoralis
hindurch in seine Ausgangsstellung zurück.
Die Diagnose willkürliche Luxation ist nur erlaubt bei Nachweis des Kopfes
des Hüftbeines außerhalb der Pfanne. (Selbstbericht.)
k. Bade (Hannover): Demonstration vonelf unblutig behandelten,
unter schwierigen Umständen zur Heilung gebrachten kongenitalen
Hüftverrenkungen.
‚1 Zwei doppelseitige Fälle, kompliziert mit doppelseitiger Coxa vara. Ein-
zeitig behandelt. Heilung seit 3 Jahren.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1473
2) Ein doppelseitiger, kompliziert mit doppelseitiger Coxa valga. Zweizeitig
behandelt. Heilung seit 21/, Jehren.
3) Drei einseitige, vorher anderwärts erfolglos behandelt, kompliziert durch
hochgradige Anteversion. Heilung seit 6, 3 und 5 Jahren.
4) Eine einseitige, 15 Jahre alt. Anatomische und funktionelle Heilung, obwohl
die Reposition im 13. Jahre stattfand.
5) Drei einseitige. Trotz hochgradiger Anteversion und sehr schlechter pri-
märer Stabilität Heilung seit 4, 3 und 2 Jahren.
6) Ein einseitiger Fall mit Fehlen des knöchernen Kopfes, der sich nachträglich
im ersten Jahre der Behandlung als unregelmäßiger Knochenkern bildete und jetzt,
3 Jahre nach der Reposition, als aus drei einzelnen Knochenkernen bestehend
kenntlich ist.
In allen Fällen ist das funktionelle Resultat ein sehr gutes, in allen Fällen
besteht konzentrische Einstellung der Köpfe. B. demonstriert die Fälle, um zu
zeigen, daß es nicht berechtigt ist, wie kürzlich Deutschländer und Witzel
verlangten, eine breitere Indikation für die blutige Einrenkung zu stellen. Erst
dann, wenn eine blutige Behandlung für die bis jetzt unblutig irreponiblen Fälle
bessere Prognose böte, sei es erlaubt, sie heranzuziehen. Das Mißlingen der un-
blutigen Behandlung sei bei jugendlichen Fällen, d. h. einseitigen Fällen bis zum 7.,
doppelseitigen bis zum 5. Jahre, in der Regel auf nicht genügende Technik zurück-
zuführen, nicht aber auf die anatomischen Verhältnisse. (Selbstbericht.)
l. Finsterer (Graz) berichtet über einen operativ behandelten Fall von kon-
genitaler permanenter Patellarluxation aus der Klinik Prof. v. Hacker’s
in Graz, bei dem durch schiefe lineare Osteotomie von hinten unten nach vorn
oben nach erfolgter Korrektur des Genu valgum eine dauernde Reposition erzielt
wurde, und schildert eingehend die Vorteile dieser Art der Osteotomie gegenüber
den bei den sechs Fällen von operierter permanenter Patellarluxation angewandten
Methoden. (Selbstbericht.)
Diskussion. E. Hoffmann (Düsseldorf) demonstriert unter Mitteilung der
genaueren Technik einen 10jährigen Jungen mit operativ geheilter angeborener
Patellarluxation.
m. Finsterer {Graz) bespricht an der Hand von vier Beobachtungen und
13 Fällen der Literatur den Entstehungsmechanismus und das klinische Bild der
sehr seltenen isolierten Fraktur des Os lunatum und verweist ganz be-
sonders auf zwei bisher wenig beachtete Symptome: Verkürzung des Abstandes
des Köpfchens des III. Metacarpus von der Gelenkfläche des Radius, gesteigerte
Schmerzhaftigkeit beim Einwirken einer Gewalt in der Längsachse des Metacarpus,
durch welche die Stellung einer Wahrscheinlichkeitsdiagnose ermöglicht wird.
Die Prognose ist bezüglich der Gelenksfunktion ernst; therapeutisch kann die Ex-
stirpation des zertrümmerten Os lunatum zur Verhütung einer sekundären Arthritis
deformans in Betracht kommen, die in einem Falle mit Erfolg ausgeführt wor-
den war. (Selbstbericht.)
n. Kuhn (Kassel): Improvisation stärkster Extensionen zur Behand-
lung von Frakturen usw. in der Praxis bei geringer Assistenz (mit
Lichtbildern).
Redner demonstriert an der Hand zahlreicher Lichtbilder zunächst seine Im-
provisationsapparate und zeigt an vielen Beispielen, wie er mit seinen fünf Stamm-
teilen (Stange, Rolle, Öse, Klammer und Schräubchen) alle Aufgaben der Geräte-
behandlung in der Chirurgie und Orthopädie, in der Krankenbeförderung und der
Krankenpflege löst. Tragapparate und Suspensionsgeräte, Extensionsmaschinen
und Lagerungsapparate sieht man in bunter Reihe mit kleiner Mühe aus einfachen
Urstücken ohne Mechaniker vor den Augen erstehen.
Insbesondere verbreitet sich Redner über die Verwendung dieser seiner Geräte
zu Kraftzwecken und erörtert ein Verfahren improvisierter forcierter Extension
mittels derselben zu Zwecken der Lagekorrektur von Frakturen oder Anlegung
von Gipsverbänden. Das Verfahren setzt jeden Arzt auch bei beschränkter Hilfe
1474 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49.
und beschränkten Mitteln in die Lage, allen einschlägigen Aufgaben vollkommen
gewachsen zu sein.
Vor den Augen des Beschauers baut Redner ohne Mechaniker aus seinen
primitiven Urelementen (einigen Osen und einigen Stangen) eine Winde auf,
welche Pferdekräfte zu leisten vermag.
Die Befestigung der Zugseile am Körper des Pat. geschieht mittels Schnüren,
die über Filz laufen und mit eingegipst werden. Nach Erhärten des Verbandes
werden sie durch weiteres Drehen der Winde entfernt. (Selbstbericht.)
. 0. Strauss (Barmen) demonstriert eine für die Saugbehandlung nach Prof.
Bier dienstbar gemachte Wasserstrahlluftpumpe. Diese stellt eine einfache und
billige, von jedem Arzt ausnutzbare Energiequelle dar. Sie läßt sich ohne jede
weitere Vorrichtung an jedem Wasserhahn anbringen. Das Instrument besteht
aus einem durch eine Düse verengtem Rohr mit seitlichem Ansatz. Verbindet
man den seitlichen Ansatz durch einen Gummischlauch mit einer Glasglocke, so
kann man mit diesem einfachen Apparat unter Umgehung von Gummibällen und
Saugpumpen die Stauungsbehandiung nach Bier in bequemer Weise ausüben.
Der Arzt ist nicht mehr auf den lästigen Handbetrieb angewiesen, sondern er
reguliert mit seinem Wasserhahn in exakter Weise den Grad der Luftverdünnung.
Die Wirkung läßt sich mit diesem Instrument gleichmäßiger und auch kräftiger
als mit anderen Pumpen gestalten. Der Apparat kann auch für Ansaugung von
Flüssigkeiten aus Körperhöhlen und zur Aufsaugung von Staub in Kranken- und
Operationssälen Verwendung finden.
Bezugsquelle: Emil Jansen, Barmen, Wertherstraße.. (Selbstbericht.)
p. Strauss (Barmen) beschreibt ein neues Dosimeter für die Röntgentherapie.
Das Dosimeter ist ein offenes photographisches.. Neben der zu bestrahlenden
Stelle werden gelbe mit Asbest unterlegte Zelluloidküvetten befestigt. Die Be-
festigung geschieht mit Kartonhaltern, die mit Leukoplast auf die Haut geheftet
werden und stets nur einmal gebraucht werden. Die Belichtung des Streifens, der
in die mit einer Entwicklerlösung gefüllte Küvette geschoben wird, vollzieht sich
unter den Augen des Arztes und unter Wirkung des Röntgenlichtes selbst. Das
Reagenspapier macht eine Farbenskala durch. Hat man die gewünschte Dose erreicht,
so zieht man den Streifen aus der Küvette, fixiert ihn und stellt an einer Standard-
skala die gegebene Dose fest. Die Streifen lassen sich dauernd aufbewahren. Bei
diesem Dosimeter entfällt die umständliche Entwicklung in der Dunkelkammer,
die beim Kienböck’schen Verfahren nötig ist. Es schaltet die Fehlerquellen
dieses Verfahrens aus und gestatttet die sofortige objektive Ablesung der gege-
benen Dosen. Auch die Tiefendosen können mit Küvetten, die mit einer Alumi-
niumskala bedeckt sind, sofort abgelesen werden. Das Verfahren ist äußerst ein-
fach und nicht mit nennenswerten Kosten verbunden. Das Instrumentarium wird
von der Firma Reiniger, Gebbert & Schall in Erlangen hergestellt.
(Selbstbericht.)
20) H. Ziegner. Welche Vorzüge hat die Narkose bei verkleinertem
Kreislauf und wie wirkt die von Klapp proponierte Autotransfusion ?
(Med. Klinik 1908. p. 1577.)
Nach günstig ausgefallenen Kaninchen- und Affenversuchen hat Z. die Klapp-
schen Abschnürungen auch an zu narkotisierenden Menschen vorgenommen, die
meist an Wurmfortsatzentzündung litten. Das Verfahren gestattet, an Chloroform
zu sparen. Die Kranken erwachten auffallend schnell aus der Betäubung, sobald
die Binden gelöst waren, klagten über erhöhten Wundschmerz, blieben aber von
allen weiteren üblen Nachwirkungen der Betäubung völlig verschont; insbesondere
trat niemals Erbrechen auf. Einmal bestanden bis zum 4. Tage Parästhesien ;
dauernde Schädlichkeiten verursachte die Gummibinde niemals.
Georg Schmidt (Berlin).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1475
21) A. N. Mindlin. Zur Frage von der Athernarkose auf Grund
von 1700 Beobachtungen.
(Russki Wratsch 1908. Nr. 33.)
Die Beobachtungen betreffen das Material der Klinik von Tiling seit 1894.
Ausführung der Narkose: jede halbe Minute werden 5 ccm aufgegossen, wobei darauf
geachtet wird, daß Pat. möglichst wenig ohne Maske bleibt. Kinder bekommen die
Hälfte. Nach Eintritt der Narkose wurde durchschnittlich nur 1,5—2,0 pro Mi-
nute verbraucht. Das Bewußtsein schwand nach 2—3 Minuten, die Anästhesie
begann nach 5—6 Minuten. Komplikationen: vorübergehende " Asphyxie 2mal,
Erbrechen während der Narkose in 19,5%, nachher in 15%. Unvollständige Nar-
kose Imal, Pneumonie 1mal. Schlußfolgerungen: Die Athernarkose ist in jedem
Alter verwendbar (außer bei Kindern: in der Zahnungsperiode und bei Affektionen
der Atmungsorgane. Dem Chloroform wird Vorzug gegeben nur bei akuter
Rhinitis, akuter und chronischer Bronchitis, bei stark ausgeprägter Lungentuber-
kulose, endlich bei großen Kröpfen und anderen die Luftröhre zusammenpressenden
Geschwülsten. — Die Athernarkose übertrifft an Gefahrlosigkeit das Chloroform
bei weitem. E. Gückel (Spassk, Rjasan).
22) Burgsdorf. De la transmission hereditaire de la syphilis & la
troisième génération (kératite interstitielle comme symptome de la
syphilis héréditaire à la troisième génération).
(Ann. de dermat. et de syph. 1908. p. 18.)
Bei einem 5i/a Jahre alten Mädchen bestand eine mehr als 2 Jahre alte Ke-
ratitis parenchymatosa. Pat. war sehr klein und schwach entwickelt und zeigte
von sonstigen verdächtigen Erscheinungen eine säbelscheidenartige Veränderung
der rechten Tibia. Durch eine Einreibungskur wurde sowohl die Keratitis geheilt,
wie auch das Allgemeinbefinden in kurzer Zeit wesentlich gebessert. Verf. stellte
fest, daß der Vater des Kindes offenbar an einer bereditären Lues gelitten hatte
und deshalb von Kindheit an in Behandlung gewesen war.
Klingmüller (Kiel).
23) Carle. Notes sur l'influence comparée des générateurs dans l’heredo-
syphilis.
n de dermat. et de syph. 1908. p. 93.)
Verf. teilt drei Fälle mit, wo Männer kurz nach der Infektion gesunde Kinder
zeugten und ihre Frauen nicht ansteckten. Die lesenswerten Mitteilungen bringen
manches Interessante. Verf. schließt sich der allgemeinen Ansicht an, daß die
Syphilis der Väter weniger gefährlich sei für die Nachkommenschaft als die der
Mütter. Klingmiller (Kiel).
24) Hamel. Traitement des syphilides par les injections mercurielles
locales.
(Ann. de dermatol. et de syph. 1908. p. 280.)
Verf. berichtet über günstige Erfahrungen mit Einspritzungen von löslichen
Hg-Salzen (Hg. cyanat. 1:2000) unter die syphilitischen Herde. Diese örtliche Be-
handlung empfiehlt Verf. besonders für ulzeröse Prozesse. Sie soll die allgemeine
Behandlung nicht ersetzen, sondern unterstützen. Klingmüller (Kiel).
25) B. K. Finkelstein. Ein Fall von operativer Heilung der Arach-
noitis adhaesiva cerebralis.
(Russki Wratsch 1908. Nr. 37.)
26jährigəe Frau, IVpara, seit 7 Jahren starke Kopfschmerzen: Jodkali ohne
Erfolg. Die letzten 5 Monate bedeutend schlechter: Erbrechen, seit 2 Monaten
täglich; seit 6 Wochen Lähmung des linken Facialis; Gehen unmöglich. Parese
1476 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49.
des linken Abducens; Stauungspapille beiderseits, Visus links ?/g, rechts 0,3. Gehör
links sehr herabgesetzt. Rachenschleimhaut auf Reiz reflexlos.. Geschmacks-
empfindung fehlt. Linke Extremitäten paretisch. Diagnose: Geschwulst in der
linken hinteren Gehirngrube. 18. März 1907 Operation. Hautmuskellappen mit
unterer Basis; aus dem Knochen wird ein 4Xö5öcm großes Stück ganz entfernt;
Lappenbildung aus der Dura. Nach Emporheben des Kleinhirns nach oben innen
findet man eine Cyste im Kleinhirnbrückenwinkel, die bald platzte, und etwa 100 g
blutig-seröse Flüssigkeit entleerte. Die kontrahierte Cystenwand erschien als
schmaler dünner Streifen eines losen, spongiösen Gewebes. Mit dem Finger konnte
man anstandslos die hintere Fläche der Pyramide abtasten. Tampon unter die
Kleinbirnhemisphäre, Duralappen nicht genäht, Naht des Hautmuskellappens. Blutung
sehrgering. Operationsdauer 40 Minuten, Chloroformverbrauch8g. Nach 2 Tagen hörte
das Erbrechen auf, doch begann eine Ophthalmie am linken Auge mit Geschwürs-
bildung an der Hornhaut. Die Facialislähmung ging nach und nach zurück. Nach
31/2 Wochen hörte die Absonderung von Zerebrospinalflüssigkeit auf, und konnte
Pat. wieder gehen. 1 Monat naclı der Operation war V. rechts 0,5. Die Ge-
schmacksempfindung kehrte wieder, auch das Gehör links wird besser. Status
1 Jahr nach der Operation; V. rechts 0.6, links 3/.,; das Hornhautgeschwür ging
1 Monat nach der Operation schon in Heilung über. Keine Kopfschmerzen, kein
Schwindel. Pat. kann arbeiten und frei gehen, doch ist das linke Bein schwächer
als das andere. Cornea reagiert auf Berührung. Gefühl in der Region des I. und
II. Trigeminusastes links etwas schwächer als rechts. Geschmack normal. Pat. hat
vor 3 Monaten normal geboren. In der ÖOperationsgegend eine kindsfaustgroße
Hernie, die Pat. nicht beunruhigt. Gückel (Spassk, Rjasan!.
26) Groves. A case of severe trigeminal neuralgia successfully trated
by excision of the Gasserian ganglion.
(Bristol med.-chir. journ. 1908. September.)
40jährige Pat. mit seit 5 Jahren bestehender schwerer Trigeminusneuralgie.
Die Operation begann mit Freilegung und temporärer Unterbindung der A. carotis
communis; trotzdem war nach Bildung des Schläfenlappens und Eröffnung der
Dura die Blutung so erheblich, daß mit einem Saugapparat ähnlich dem Cath-
cart’schen Irrigator andauernd das Blut aus der Schädelhöhle entfernt werden mußte.
Der einzige Vorteil der vorhergehenden Carotisunterbindung war der, daß die A.
meningea media ohne Blutung durchtrennt werden konnte. Durchtrennung des
2. und 3. Astes des N. trigeminus. Beim Versuch, das Ganglion selbst auszu-
lösen, erfolgte eine derartig heftige Blutung, daß die Wunde tamponiert, die
Carotis definitiv unterbunden und die Operation abgebrochen werden mußte. Pat
war 71/, Stunden lang bewußtlos. 5 Tage später zweite Operation, bei der die
Entfernung des Ganglions leicht und ohne Blutung durchgeführt werden konnte.
Glatte Heilung. 1 Jahr später bestand noch Anästhesie der rechten Wangen-,
Lippen-, Gaumen- und Zungenhälfte, die Empfindlichkeit der Hornhaut war nur
vermindert. Die histologische Untersuchung des Ganglion ergab keine patho-
logischen Veränderungen. Mohr (Bielefeld).
27) M. P. Redard. De l’electrolyse dans le traitement des angiomes
et particulierement des angiomes de la region parotidienne.
(Presse med. 1908. Nr. 19.)
Verf., der schon wiederholt über dieses Thema berichtet hat, rühmt aufs neue
die schnelle Wirksamkeit, Unschädlichkeit und einfache Technik. Ein großes
Angiom der Parotisgegend bei einem 11 Monate alten Kinde wurde durch fünf
elektrolytische Sitzungen in einigen Monaten geheilt. In gleicher Weise wurden
große Angiome des Gesichts, der Zunge, der Augenlider, der Orbita schnell,
dauernd und ohne den geringsten Zwischenfall geheilt. Bei sechs Angiomen der
Parotisgegend wurde niemals der N. facialis verletzt.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1477
Als negative Elektrode wird eine der Körperform möglichst angepaßte, mit
Leder überzogene Metallplatte von Ring-, Halbmond- oder anderer Form benutzt,
während der positive Pol durch eine oder mehrere feine Nadeln von Platin oder
Gold gebildet wird. Narkose ist oft nützlich, Lokalanästhesie ist nicht brauchbar.
Beide Pole sollen, um möglichst lokale Wirkung zu erzielen, einander tunlichst
genähert werden. Die Nadeln sticht man anfangs am besten in der Peripherie der
Geschwulst ein, um die zuführenden Gefäße zu veröden. Den Strom läßt man bei
einer Nadeln mit 10—40 Milliamperes, bei mehreren Nadeln mit 30-60 Milliam-
peres 3—4 Minuten lang wirken.
Die Sitzungen sollen in Pausen von 14 Tagen bis zu 1 Monat wiederholt wer-
den, je nach dem Fortschreiten der Rückbildung.
Wenn die Haut mit ergrifien ist, macht man am Schluß multiple oberfläch-
liche Stichelungen mit negativer Nadel bei 10—12 Milliamp£res Strom.
Zwei Abbildungen. Fehre (Freiberg).
28) Allen. Injuries of the spinal cord.
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. Nr. 12.)
Bericht über 9 Fälle von Verletzung des Rückenmarkes; in 6 Fällen handelte
es sich um Wirbelbrüche mit Dislokation, einmal um Kugelschuß, einmal um eine
Wirbelverrenkung, die sich spontan reponiert hatte, einmal um eine Quetschung
des Rückenmarkes obne jede Schädigung der Wirbelsäule.
Ausschließlich liegen Fälle vor, die tödlich endigten und obduziert wurden.
Verf. beschreibt in jedem Fall auch genau die mikroskopischen Veränderungen am
Rückenmark.
In 3 Fällen war versucht worden, operativ Besserung herbeizuführen.
Bei einem Pat., dem durch einen Fall der Körper des 6. Halswirbels sowie
die Laminae des 5. und 7. Halswirbels zerbrochen worden waren, der aber noch
1 Stunde weit mit Unterstützung hatte gehen können, bot das Rückenmark das
Bild der Hämatomyelie.
Von Interesse ist auch Fall 8, der einen jungen Studenten betrifft. Beim
Ringen hatte er plötzlich das Gefühl, als ob etwas in ihm zerbrochen wäre; er
hatte die Symptome der Querschnittsläsion des Rückenmarkes. Nach 14 Tagen
starb er. Die Obduktion ergab, daß der 7. Halswirbel luxiert gewesen war und
sich spontan reponiert hatte.. Das Rückenmark war an dieser Stelle stark ge-
quetscht.
Endlich ist noch zu erwähnen ein Pat., der 8 Fuß hoch herabgefallen war,
und zwar aufs Gesicht. Es bestand sofort Lähmung von Blase und Mastdarm,
unvollständige Lähmung der unteren Extremitäten. Die Lähmungen nahmen zu,
am 38. Tage starb Pat. Die Wirbelsäule war unversehrt. Aber erstens bestand
traumatische Myelitis, Degeneration der Nervenzellenkörper und Nervenfasern,
Rundzelleninfiltration der Neuroglia, Dilatation der Gefäße, miliare Blutungen;
außerdem Degenerationsprozesse in den Zellkörpern des Vorderhorns, am stärksten
im Bereiche des 8. Cervicalsegments.
Sechs Abbildungen. W. v. Bruun Rostock).
29) E. Forster. Über Verletzungen der Wirbelsäule und des Rücken-
markes durch kleinkalibrige Geschosse.
(Beilage zum 21. Jahresbericht über die kantonale Krankenanstalt in Aarau
[Chefarzt Bircher).)
1) 4öjähriger Arbeiter schießt sich mit 5mm-Revolver in den Mund; Schuß-
öffnung in der hinteren Rachenwand. Bewegungen der Halswirbelsäule einge-
schränkt, namentlich Drehung. Nach einigen Tagen Meningitis, profuse Blutung
und Tod durch Erstickung. Die Obduktion ergab: das Geschoß ist zwischen Atlas
und Hinterhaupt hindurchgegangen, hatte ein Stück Atlasbogen herausgeschlagen
und die „Dura eröffnet; Rückenmark unverletzt; Quelle der Blutung nicht zu
finden. Infektion vielleicht durch Sondierung.
1478 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49.
2) 15jähriger Schüler erhält aus einer Flobertpistole einen Schuß in den
Nacken, in Höhe des vierten Halswirbels. Zunächst Ohnmacht, teilweise Lähmung
der linken Schultermuskulatur, linker Cucullaris schlaff. Keine sensiblen Störungen.
Röntgenaufnabmen in verschiedenen Ebenen zeigen das Geschoß im Wirbel-
kanal am oberen Teile des Epistropheuskörpers ein wenig links von der Mittellinie.
Nach 11 Tagen Geschoß reaktionslos eingeheilt.
Beweglichkeit der linken Schulter und Händedruck links nur noch leicht
herabgesetzt.
Gröbere anatomische Markschädigung also ausgeschlossen.
3) 15jähriger Schüler erhält aus einer Flobertpistole einen Schuß in die linke
Halsseite. Sogleich können alle vier Extremitäten nur noch in geringem Grade
bewegt werden. Kopf und Rumpf frei; keine Blasen- und Mastdarmstörungen, kein
Priapismus; rechte Pupille weiter, einmal Schwitzen der rechten Gesichtsbälfte;
geringe Sensibilitätsstörungen an den linken Extremitäten. (Genauer Nervenstatus
im Original.)
Röntgenaufnahmen zeigen das Geschoß in Höhe des sechsten Halswirbels,
etwas links von der Mittellinie.
Die Erscheinungen gehen schnell zurück. Nach Jahresfrist nur noch leichte
Lähmungserscheinungen und Sensibilitätsstörungen der linken Hand; daselbst auch
trophische Störungen; rechte Pupille noch weiter.
Das Geschoß im Wirbelkanal hat sich gesenkt, sitzt jetzt zwischen sechstem
und siebentem Halswirbelkörper.
Trotz der Schwere der anfänglichen Erscheinungen, die aber nicht einem be-
stimmten Typus von Querschnittsverletzung entsprechen, kann es sich nicht um
letztere gehandelt haben, sondern nur um eine Kontusion, vielleicht mit multiplen
Blutungen geringer Art.
F. kommt zu folgenden Ergebnissen: Ein Geschoß kann durch bloßen Anprall
an die Wirbelsäule schwere Rückenmarkserscheinungen hervorrufen: es kann
andererseits (bei kleinem Kaliber) in den Wirbelkanal eindringen und relativ ge-
ringe Störungen hervorrufen; heilt es im Mark selbst ein, so bleiben wohl immer
dauernde Störungen zurück. Bei Commotio medullae spinalis können anfangs
sehr ernste Symptome in kurzer Zeit verschwinden; jedoch kann auch hier einmal
gelegentlich der Tod eintreten. Wirkliche Zertrümmerung von Nervensubstanz
schließt eine Restitutio ad integrum wahrscheinlich aus; Kompressionserscheinungen
weichen nur, wenn das komprimierende Moment dusgeschaltet wird. Exakte Dia-
gnose ist nicht immer zu stellen. Bei schwerer Schädigung, die nach einigen
Tagen noch keine Neigung zur Besserung zeigt, dürfte ein operatives Verfahren
gerechtfertigt sein, das in Entfernung des Geschosses und etwaiger dislozierter
Knochenstücke bestehen würde. Fehre (Freiberg).
30) Traver. Puncture of the medulla by a hair pin.
(Albany med. annals 1908. Oktober.)
Eigenartiger Fall von Stichverletzung des verlängerten Markes . bei einem
Sjährigen Mädchen, das sich das Haar mit gewöhnlichen Haarnadeln aufgesteckt
hatte. Während des Schlafes fiel sie aus dem Bett und klagte zunächst nur über
Gefühlsstörungen in den Händen; erst bei genauerer Untersuchung fand man im
‘Nacken an der Haargrenze eine Haarnadel etwa auf 2/3; ihrer Länge eingedrungen;
dieselbe wurde mit Mühe entfernt und das Kind ins Krankenhaus gebracht. Hier
wurde vollständige motorische und sensible Paralyse des Körpers vom Nacken
abwärts festgestellt. Kurz nach Einlieferung starb das Kind. Sektion nicht ge-
stattet. Mohr (Bielefeld).
31) A. Wittek (Graz). Ein Fall von Distensionsluxation im Atlanto-
epistropheal-Gelenk.
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 35.)
‚Ein l1jähriger, bisher gesunder Knabe erkrankte im Anschluß an eine eitrige
Periostitis des linken Unterkiefers dentalen Ursprunges an Schmerzen im Hinter-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1479
kopf und Nacken unter Fieber von 38°, Neigung des Kopfes nach rechts und
Rotationsbeschränkung. Die Röntgenaufnahme ergab das Bestehen einer Ver-
renkung des Atlas-Epistropheus-Gelenkes wahrscheinlich infolge eines metastatischen
Ergusses in das Gelenk zwischen Zahnfortsatz und vorderem Atlasring einer- und
Zahnfortsatz und Lig. cruciatum andererseits, sowie in die unteren Gelenke zwischen
Atlas und Epistropheus, wodurch es zu einer Überdehnung der Gelenkkapsel und
des Bandapparates gekommen sein mußte. Das Tub. ant. hatte sich gegen den
Rachen hin verschoben, das Tub. post. des Atlas der hinteren Begrenzung des
Zahnfortsatzes genähert, so daß der Zahn diesem näher stand als jenem; außer
der Verschiebung nach vorn hatte der Atlas noch eine Drehung um seine frontale
Achse ausgeführt. Die Behandlung bestand in Stützung des Kopfes durch eine
Kravatte. Kramer (Glogau).
32) W. Burk. Über einen Bruch des Gelenkfortsatzes des V. Lenden-
wirbels.
= Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVIII. p. 558.)
Eine 31jährige Pat. wollte in Hockstellung mit extrem vorgebeugtem Rumpf
eine schwere Platte in ein am Boden befindliches Fach schieben, verspürte plötz-
lich einen heftigen Schmerz in der Kreuzgegend, der trotz mannigfacher Therapie
im Verlaufe von 31/3 Jahren nicht schwand und in seiner Ursache verkannt wor-
den war.
Die Untersuchung ergab Beckensenkung und leichte Flexion des Beines auf
der erkrankten Seite, Schonung des Beines, Abflachung der normalen Lenden-
lordose, Kontraktur der linksseitigen Rückenstrecker, Druckempfindlichkeit des
V. Lendenwirbeldornfortsatzes, Beschränkung und Schmerzhaftigkeit der Bewegun-
gen der Lendenwirbelsäule, sonst keine Veränderungen speziell von seiten der
Wirbelsäule. Die Röntgenuntersuchung entdeckte einen isolierten, senkrecht ver-
laufenden Bruch des rechten Gelenkfortsatzes des V. Lendenwirbels. Die operative
Entfernung des Bruchstückes brachte volle Wiederherstellung der Funktion.
Es handelt sich demnach um einen indirekten Bruch, der durch eine das
physiologische Maß überschreitende Kombination von Beugung und links konvexer
Abbiegung der Lendenwirbelsäule entstanden ist und die erste Beobachtung dieser
Art darstellt. Reich (Tübingen).
33) G. Preiser. Zur Frage der Atiologie der Spondylitis cervicalis
deformans. (Aus dem orthop. Institut von Dr. Stein und Dr. Preiser
in Hamburg.)
(Münchener med. Wochenschrift 1%08. Nr. 27.)
Bei dem ö54jährigen Pat., der, früher Luetiker (!), seit 3 Jahren an Schmerzen
in den Nacken- und Supraspinalmuskeln des Schulterblattes litt, ergab die Röntgen-
untersuchung eine Deformierung des 4.—6. Halswirbels und an ihrer linken Seite,
anscheinend der Gegend des Processus articularis entsprechend, eine Knochen-
spange. Da Pat. als ein eifriger Violinist beim Geigenspiel stets den Kopf nach
links vorn zu neigen pflegt, glaubt P., auf diesen chronischen. eine »Quetschung
der Bandscheiben« veranlassenden Insult die Entstehung der erwähnten Deformie-
rung usw. zurückführen zu können (warum kommt es zu solcher aber nicht bei
anderen Violinisten? Ref.). Kramer (Glogau).
34) R. W. Lovett (Boston). The occurence of infantile paralysis in
Massachusetts in 1907.
(Boston med. and surg. journ. 1908. Juli 30.)
L.'s” Arbeit ist das Ergebnis einer Umfrage bei den 6000 Arzten des Staates
Massachusetts. Er erhielt Bericht über 234 akute Fälle von Poliomyelitis und
konnte aus dieser Statistik verschiedene interessante Schlüsse ziehen. 18mal trat
die Erkrankung bei verschiedenen Gliedern einer Familie auf bzw. innerhalb deren
Freundeskreises. Verschiedentlich ließ sich das Vorkommen im Anschluß an
1480 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49.
Hauptlinien des Straßenbahnverkehrs feststellen. In 52 Fällen hatte ein Trauma,
meist Fall auf den Kopf stattgefunden. Bei weitem die meisten Fälle kamen im
Spätsommer vor (im Gegensatz zu Zerebrospinalmeningitis, die im Frühjahre die
meisten Erkrankungen zeitigte), eine Tatsache, welche L. in Zusammenbang mit der
in jener Jahreszeit am stärksten grassierenden Gastroenteritis der Kinder bringt.
Ein namentlich im Verhältnis mit den sonst sebr günstigen hygienischen Bedin-
gungen in Massachusetts relativ großer Prozentsatz (40%) von Erkrankungen fand
sich bei Familien, die in dumpfen Wohnungen wohnen.
In je 2 Fällen waren Varicellen und Masern vorausgegangen, einmal Schar-
lach; 3 Fälle traten bald (2—3 Wochen) nach der Impfung auf. Nur in 12 Fällen
wurde kein Fieber beobachtet. Die hauptsächlichsten Begleiterscheinungen waren
Erbrechen, Schmerzen und Empfindlichkeit. 18 Fälle werden als geheilt bezeichnet.
Ein Vergleich mit der großen Statistik des Kinderhospitals in Boston (645 Fälle)
zeigt einen sehr großen Unterschied in der Ausbreitung der Lähmung bei den
akuten und chronischen Fällen.
L. ist der Ansicht, daß die Poliomyelitis eine akute Infektionskrankheit ist,
bezweifelt aber, namentlich auf Grund experimenteller Forschungen, daß es sich
um einen einheitlichen Infektionserreger handelt. H. Bucholz (Boston).
35) M. Chevassu. Les kystes branchiaux A structure pharyngo-sali-
| vaire et en particulier les kystes présternaux.
(Revue de chir. XXVIII. ann. Nr. 4.)
Einem 26jährigen Mann entfernte C. eine nicht ganz fünffrankstückgroße, vor
dem gesunden Manubrium sterni gelegene Cyste; ein Einschnitt im 5. Lebensjahre
hatte eine nur vorübergehend vernarbende Fistel zurückgelassen. Ein kleiner Fort-
satz der Geschwulst senkte sich tief in den Raum über der Incisura jugularis. Die
Wand bestand aus zweischichtigem flimmerndem Zylinderepithel, adenoidem Ge-
webe mit Keimzentren und Bindegewebe mit glatten Muskelfasern und funktio-
nierenden Speicheldrüsen (seröse und Schleimdrüsen, Gianuzzi’sche Halbmonde,
Ausführungsgänge, die in die Sacklichtung münden), zeigte mithin den Aufbau der
embryonalen Schlundwand. Von der unpaaren Schilddrüsenanlage konnte sie wegen
ihrer Lage vor dem Brustbein nicht abstammen; auch enthielt sie nirgends Schild-
drüsengewebe. Dagegen stößt die Herleitung vom Kiemenapparat auf keine
Schwierigkeiten. Die mediane Lage spricht nicht dagegen, da erhalten gebliebene
Teile der Kiemengänge mit ihrem unteren oberflächlichen Teile während der Ent-
wicklung des Kopfnickers und des Schlusses des Brustkorbes immer weiter nach
der Mittellinie gedrängt werden können. Die Abstammung von einer entodermalen
Kiemenfurche ist wegen des Flimmerepithels zweifellos, ob von der 2., 3. oder 4,
ist wegen der Kürze des oberen Fortsatzes nicht zu entscheiden.
Verf. glaubt, daß sich in derartigen Cysten und Fisteln häufiger Speichel-
drüsen finden als die wenigen Mitteilungen darüber annehmen lassen, und daß
ihre Absonderung an der Verhinderung des spontanen Verschlusses der Fisteln
mitwirkt. Gutzeit (Neidenburg).
36) H. Brauser.” Zur Frage der gummösen Lymphome des Halses.
(Berliner klin. Wochenschrift 1908. Nr. 3.)
Bei einem 48 Jahre alten Mann entwickelte sich 7 Jahre nach luetischer In-
fektion eine ovale, fast hühnereigroße derbe Geschwulst am hinteren Rande des
rechten Kopfnickers ohne Entzündungserscheinungen. Eine sofort eingeleitete
Jodkalibehandlung brachte in wenigen Wochen die Geschwulst zum spurlosen Ver-
schwinden.
B. glaubt, daß die Fälle von luetischen Halsdrüsenschwellungen nicht so selten
sind, wie man bisher annahm, daß zuweilen auch ein Halsgumma unerkannt zum
Schwinden gebracht wird, weil die Jodkalitherapie bei Halsdrüsenschwellungen so
sehr beliebt ist. Langemak (Erfurt.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1481
37) J. Fein. Über die Abtragung der Rachenmandel mit dem bajonett-
förmigen Adenotom.
(Medizinische Klinik 1908. p. 1489.)
F. hat mit dem bajonettförmigen Adenotom (Abbildung) in den letzten
6 Jahren ungefäbr 2000 Rachenmandeln bei Kindern und Erwachsenen entfernt.
Man kann mit dem Instrument die Schneide des Ringmessers gut an die vorderen,
der Nasenscheidewand anliegenden Teile der Rachenmandel anlegen, das Zäpfchen
stark nach vorn ziehen und die operierende Hand in eine für das kräftige Fest-
halten des Griffes in für die notwendigen volaren und dorsalen Beugungsbewe-
gungen günstige Lage bringen. Das richtige Fassen, Ansetzen und Bewegen des
Messers sind beschrieben. Es wird von H. Reiner in Wien in drei Größen ge-
liefert, von denen die mittlere für fast alle Fälle genügt.
Georg Schmidt (Berlin).
38) Martino. La sutura de los pilares en las grandes hemorragias
amigdalianas.
(Revista med. del Urguay Bd. XI. Nr.3.)
Nach Operation der Tonsillotomie wegen Hypertrophie bei einem 40jährigen
Manne war, wahrscheinlich infolge sehr unvorsichtigen Verhaltens des Kranken,
einige Stunden nach der Operation eine schwere Blutung aufgetreten, die mit den
gewöhnlichen Mitteln nicht zu bewältigen war; auch das Anlegen von Klemmen
war erfolglos. Nachdem Pat. mehr als 2 Liter Blut verloren hatte und bereits im
Zustande des Kollapses sich befand, machte M. die Naht der Gaumenbögen. Der
Kranke wurde gerettet. M. empfiehlt in solchen Fällen, die ihm vorher noch nicht
begegnet waren, mit den anderen Methoden nicht lange Zeit zu verlieren, sondern
gleich, so lange Pat. sich noch in gutem Allgemeinzustande befindet, die Naht
auszuführen. Stein (Wiesbaden).
39) P. Albrecht. Über das seitliche Pharynxdivertikel. (Aus der
II. chir. Klinik in Wien.)
(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Nr. 16.)
Ein früher stets gesunder 43jäbriger Mann bekam plötzlich Schluckbeschwerden
und bemerkte eine nußgroße Geschwulst an der rechten Halsseite. Mit ihrem
Wachsen trat auch Atemnot ein, dann Fieber. In der Angst fuhr sich der Mann
mit dem Finger in den Rachen, erbrach darauf schleimig-eitrige Flüssigkeit. Die
Geschwulst wurde wieder kleiner, Fieber und Atemnot schwanden. Doch blieb
Pat. seitdem heiser und konnte schlecht schlucken. Laryngoskopisch fand sich
Vorwölbung der seitlichen Rachenwand und der rechten Vallecula, Kehlkopf
vertikal gedreht, rechte Hälfte plump und fast unbeweglich. Die Diagnose war
vermutungsweise zuerst Struma aberrata, dann Lymphocavernoma colli congen.
Bei der Operation fand sich ein schlaffer, mit Kopfnicker, Submaxillaris, Biventer,
oberen Zungenbeinmuskeln und den großen Gefäßen verwachsener Sack mit gelb-
lichem Sekret und krümeligen Massen, innig zusammenhängend mit dem Periost
des Zungenbeines und unter ihm einen ganz dünnen Fortsatz in die Tiefe sendend.
Nach dessen Durchschneidung drang zischend Luft in den Rachen. Die Stelle
war dann nicht mehr zu finden. Tampon, sonst Verschluß, glatte Heilung. Nach
9 Monaten auch laryngoskopisch normaler Befund. Der Sack war auch in seinem
Stiel mit geschichtetem Plattenepithel ausgekleidet. Aus dem Fehlen von muaku-
lären Elementen, ebenso wie an der Stelle, wo der Stiel die Membrana hyothy-
reoidea durchbohrte (Dreieck, begrenzt vom hinteren Rande des Hyothyreoideus,
vom vorderen Rande des Constr. plaryngis inferior und vom unteren Zungenbein-
rande), schließt A., daß es zur Entwicklung eines Divertikels besonders leicht
dann kommt, wenn sich die Stellen mangelhaften embryonalen Verschlusses an
Orten der Rachenwand finden, wo Muskulatur fehlt.
Den beschriebenen Fall fast er auf als entstanden aus einer unvollständigen
nneren angeborenen Halsfistel im Bereiche des Sinus pyriformis. Sekretstauung,
1482 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49.
>
dann Pulsion durch Steigerung des Binnendruckes im Rachen, akute Entzündung,
endlich Traktion infolge der entzündlichen Verwachsungen wirkten befördernd.
Außer diesem Falle sind nur noch zwei Divertikel im Bereiche des Sinus
pyriformis beschrieben.
Hinweis auf die Literatur. Renner (Breslau).
40) McLellan and Dunn. Case of introcystic papilloma of an acces-
sory thyroid.
(Glasgow med. journ. 1908. Juli.)
Einer Dame von 28 Jahren wurde eine fast faustgroße Geschwulst der linken
Halsseite exstirpiert, die sich dort innerhalb 4 Jahren entwickelt hatte.
Sie erwies sich bei der Untersuchung als eine große Cyste, ganz ausgefüllt
von Zotten, die von der Cystenwand ausgingen. Die ganze Struktur des Gewebes
bewies seine Entstehung aus Schilddrüsengewebe; kolloide Massen waren reichlich
vorhanden und Schilddrüsenepithel, zum Teil mit Adenomentwicklung.
W. y. Brunn (Rostock).
41) Capelle. Über die Beziehungen der Thymus zum Morbus Basedowi.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVIII. p. 353.)
Anlaß zur vorliegenden Untersuchung gaben Fälle von Herztod, wie sie nach
Operation von Basedowkröpfen auch sonst häufig beschrieben sind. Sie betrafen
drei junge Mädchen. bei welchen an der Garr&’schen Klinik zweimal eine
typische halbseitige Exstirpation, einmal eine doppelseitige Resektion in Atbher-
tropfnarkose vorgenommen worden war. Bei allen drei Pat. fehlten organische
Herzveränderung, alle hatten einen hochfrequenten Puls, zwei waren hochgradig
nervös, eine hatte eine Spitzenaffektion, eine andere eine Skoliose, die dritte war
kräftig und sonst gesund. Respiratorische Beschwerden von seiten des Kropfes
fehlten.
Bei zwei Fällen setzte am Abend des Operationstages Delirium cordis mit
Angstgefühl und Jaktationen ein, das 10—20 Stunden nach der Operation zum
Tode führte. Bei der dritten Pat., dem kräftigen Mädchen, war die Narkose von
Anfang an durch bronchiale Reizung erschwert und nie ganz tief; bei der schwie-
rigen Isolierung des unteren Poles erfolgte eine Synkope mit tödlichem Ausgang.
Die Sektionen ergaben nur unwesentliche pathologische Befunde, gesunde
Klappen, Dilatation des Ventrikels einmal links, einmal beiderseits, einmal kräf-
tiges, einmal blaßes Myokard. Auffallend war aber bei allen drei Fällen der Be-
fund einer hyperplastischen Thymus, die zweimal mit einer Hyperplasie des lym-
phatischen Apparates vergesellschaftet war.
Nach einer Ubersicht über die widersprechenden Anschauungen betreffs der
Beziehungen zwischen Thymus und Basedowstruma gibt Verf. 60 Sektionsproto-
kolle von an Basedow gestorbenen Individuen mit dem überraschenden Ergebnis,
daß 79% der Fälle eine Persistenz oder Hyperplasie der Thymus aufwiesen. Näher-
hin wurde bei Basedowkranken, die an interkurrenten Krankheiten gestorben waren,
in 44%, bei solchen, die der Krankheit selbst spontan erlagen, in 82% und bei
solchen, die im Anschluß an eine Kropfoperation verloren wurden, in 95% eine
T'hymuspersistenz beobachtet.
Nach all dem kommt der Thymus im Krankheitsbilde des Morbus Basedowi
eine nicht zu verkennende Bedeutung zu, wenn gleich freilich die pathologische
Genese dieser Beziehungen noch unklar ist.
Die Versuche mit Tbymusfütterung bei Morbus Basedowi scheinen darauf
hinzuweisen, daß die vermutlich sekundäre Hypertrophie oder Reviveszenz der
Thymus die Basedowsymptome steigert und nicht etwa zur Entgiftung von Basedow-
produkten bestimmt ist.
Der Nachweis der Thymus am Lebenden begegnet erheblichen Schwierigkeiten,
doch dürften von der Röntgenuntersuchung, dem Nachweis des Status Iymphaticus
und einer event. Probefütterung mit Thymuspräparaten (die aber nicht ganz un-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1483
gefährlich zu sein scheint!) weitere diagnostische Fortschritte in dieser Richtung
zu erwarten sein
Ein gelungener Thymusnachweis bei Morbus Basedowi muß dazu führen, solche
Pat. von einer Operation auszuschließen, um die Zahl der tödlichen Katastrophen
zu vermindern. Reich (Tübingen).
42) Capelle. Ein neuer Beitrag zur Basedowthymus. (Aus der kgl.
chirurgischen Universitätsklinik zu Bonn Geh.-Rat. Prof. Dr. Garr?.)
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 35.)
C., der über die Beziehungen der Thymusdrüse zum Morbus Basedow bereits
vor kurzem einen wertvollen Beitrag geliefert, bringt zu seinen bisher beobachteten
drei Fällen, in denen nach wohlgelungener Strumektomie wegen Morbus Basedow
plötzlich Herzkollaps und Tod als Folge des Status thymicus eingetreten war,
einen neuen Fall von Thymustod nach Operation eines Basedowkropfes. Letzterer
reichte bei der 16jährigen Kranken nicht retrosternal; doch war über dem Manu-
brium sterni eine Dämpfung feststellbar, die der Herzdämpfung aufsaß und die
Grenzen des Manubrium nicht überschritt. Die Operation in Athernarkose war durch
Verwachsungen des Kropfes etwas erschwert, aber mit geringem Blutverlust ver-
bunden und bestand in Unterbindung der Art. tbyreoidea sup. und inf. dextra, Resek-
tion des rechten weichen Strumalappens und Unterbindung der A. thyreoidea sup.
sinistra. Nach 12stündigem günstigem Zwischenstadium erfolgte plötzlich der töd-
liche Herzkollaps, und die Autopsie ergab eine vergrößerte Thymusdrüse.
Der Fall bestätigt die von C. in seiner früheren Abhandlung aufgestellten
Schlußfolgerungen und ermahnt von neuem, bei Basedow auf einen etwa bestehen-
den Statusthymicus (Dämpfung über dem oberen Brustbein, blaßrote Hypertrophie der
Tonsillen, Milz usw.; Nachweis eines Schattens im Röntgenbild des Mediast. ant.)
vor Vornahme der Strumektomie zu achten und bei Verdacht einer großen Thymus
von einem Eingriff abzustehen. Kramer (Glogau).
43) Dunhill. Surgical treatment of exophtalmic goitre.
(Intercol. med. journ. of Australasia 1908. Juni 20.)
Z3 D. hat wegen Based ow’scher Krankheit bei 25 Kranken eine teilweise Thyreoid-
ektomie, stets unter Lokalanästhesie, ausgeführt. Nach seinen Erfahrungen ist
nach der Operation konstant eine rasch einsetzende Besserung zu erwarten, die
andauert, sofern eine genügende Menge Drüsengewebes entfernt wurde. Nur in
einem Falle erlebte D. einen Mißerfolg. Die Operation sollte, nachdem interne
Behandlung versagte, möglichst rasch vorgenommen werden, nicht als ultimum
refugium. Jedoch operierte D. auch zwei Pat. mit vorgeschrittener Myokarditis,
Odemen, sehr starker Drüsenvergrößerung und schlechtem Allgemeinzustand noch
mit Erfolg. In einer Sitzung sollte nicht zu viel von der vergrößerten Schilddrüse
entfernt werden, vielmehr hat D. bei sechs seiner Pat. nach einiger Zeit zum
zweitenmal eine Portion Schilddrüsengewebes entfernt, nachdem die erste Operation
nur Besserung, kein völliges Schwinden der Beschwerden bewirkt hatte; gewöhn-
lich wurde zuerst der eine Lappen mit dem Isthmus, in einer zweiten Sitzung die
Hälfte des anderen Lappens entfernt. Die zweite Operation wurde stets besser
als die erste ertragen. Unter 32 teilweise Thyreoidektomierten starb einer infolge der
Operation; es war zu viel in einer Sitzung entfernt und das Schilddrüsengewebe
zu ausgedehnt gequetscht worden. D. hält die Kompression bzw. Quetschung des
Schilddrüsengewebes zwecks Blutstillung für gefährlich, da schwere Zustände von
akutem Thyreoidismus durch größere Mengen stark geschädigten Gewebes zustande
kommen können. Mohr i{Bielefeld!.
44) Branham. Tetany following thyreoidectomy cured by the sub-
cutaneous injection of parathyroid emulsion.
(Annals of surgery 1908. August.)
Im Anschluß an eine Kropfexstirpation traten bei einer Pat. anfallew- Hr
heftige tetanische Krämpfe auf, so daß die Atmung zeitweise aufhört‘
1484 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49.
liche Atmung gemacht werden mußte. Schilddrüsentabletten wurden ohne Erfolg
genommen; erst als man aus ihnen, nachdem man sie 10 Minuten zum Desinfi-
zieren in 10/„iger Sublimatlösung hatte liegen lassen, eine Kochsalzlösung her-
gestellt und diese nach Filtration subkutan injiziert hatte, trat verhältnismäßig
schnelle Besserung ein. Eine Schilddrüsentablette enthielt 0,06 g Parathyreoid-
extrakt, fünf solcher Tabletten wurden zerrieben und mit 400 ccm Kochsalzlösung
übergossen. Diese ganze Lösung wurde auf einmal subkutan injiziert. Das ex-
stirpierte Präparat zeigte, daß rechts beide, links aber nur eine Glandula thy-
reoidea entfernt wurde, so daß links eine zurückgeblieben war. Allem Anschein
nach war diese jedoch durch operatives Trauma geschädigt; sie erholte sich aber
wieder, so daß die Kranke schließlich ganz geheilt wurde.
Herhold (Brandenburg).
45) F. Smoler. Eine seltene Halsverletzung.
(Prager med. Wochenschrift 1908. Nr. 27.)
Die Seltenheit der Speiseröhrenverletzung durch Gewalteinwirkungen von
außen her veranlaßt Verf. einen Fall mitzuteilen, bei dem ein jähriger Junge
durch Auffallen auf Glasscherben eine Schnittverletzung der Speiseröhre im Hals-
teile mit gleichzeitiger Verletzung der Luftröhre erlitt. Letztere war seitlich
angeschnitten. S. vernähte die Wunde nach ausgeführter Tracheotomie in der
Mittellinie. Die ebenfalls seitliche Speiseröbrenwunde wurde mit Einlegen eines
Drains bebandelt. Verf. konnte aus zwei Referaten von dieser Art Verletzung
55 Fälle zusammenstellen. A. Hofmann (Karlsruhe).
46) Seelig. A further aid in the diagnosis of oesophageal stenosis.
(Surgery, gynecology and obstetrics Bd. VII Hft. 3.)
Die Diagnose eines Speiseröhrendivertikels, das oberhalb einer Striktur lag,
gelang durch Röntgenaufnahme unter Zuhilfenahme des Wismutverfahrens nur
teilweise. Erst das Schluckenlassen einer ganz dünnen Goldkette und folgende
Aufnahme zeigte, daß ein Divertikel vorhanden war. In ihm hatte sich die Kette
zusammengeballt. Die dünne Kette läßt sich leicht schlucken.
Trapp (Bückeburg).
47) Blauel. Über die Entfernung ‚von Gebissen aus der Speiseröhre
mit Hilfe des Osophagoskops.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 138.)
In den beiden aus der v. Bruns’schen Klinik mitgeteilten Fällen von öso-
phagoskopischer Extraktion von Gebissen aus der Speiseröhre hatte der eine
Fremdkörper 2 Tage darin verweilt, hochgradigste Schlingbeschwerden, Dyspnoe,
Fieber und eine sicher nachweisbare eitrige Wandveränderung, das andere, schon
35 Tage in der Speiseröhre befindliche Gebiß wesentlich leichtere Symptome,
Schluckbeschwerden, Druckempfindlichkeit des Halses und mäßige Temperatur-
steigerung verursacht. In beiden Fällen war eine erfolgreiche ösophagoskopische
Extraktion erst möglich, nachdem die entzündliche Schleimhautschwellung um den
Fremdkörper herum durch Adrenalinpinselung stark vermindert worden war. Die
Rekonvaleszenz des ersten Falles war durch heftige Schmerzen in der Speiseröhre
und eine Pneumonie kompliziert, der zweite Pat. war andern Tags fieber- und
beschwerdenfrei.
Außer diesen eigenen Beobachtungen sind noch zehn erfolgreiche und zehn er-
folglose Ösophagoskopische Gebißextraktionen aus der Literatur wiedergegeben.
Für die Diagnose der steckengebliebenen Fremdkörper ist weder die Sonden-
noch Röntgenuntersuchung verläßlich, sondern allein die Ösophagoskopie. Die
ösophagoskopische Methode der Extraktion ist in geübter Hand sehr leistungsfähig
und daher stets vor der Ösophagotomie zu versuchen. Als therapeutisches Mittel
zar Erleichterung der Extraktion empfiehlt Verf. angelegentlichst die Adrenalin-
pinselung der geschwellten Schleimhaut. Reich (Tübingen).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1485
48) M. Patel. Sur le traitement des sections traumatique de la mem-
brane thyro-hyoidienne.
(Province med. 1908. Nr. 24.)
P. empfiehlt für die Naht des durchschnittenen Zungenbeinschildknorpel-
bandes Nähte, welche das Zungenbein umgreifen und am Schildknorpel ansetzen.
Die Stichkanäle am Schildknorpel müssen durch den Knorpel hindurchgehen.
Eine Naht des durchtrennten Bandes selbst hält P. für wertlos. In einem Falle
hat er zunächst die Naht des Bandes versucht, jedoch ohne Erfolg. Nach wenigen
Tagen führte er dann die oben genannte Naht mit bestem Erfolge aus. Als Naht-
material benutzt P. Renntiersehnen. A. Hofmann (Karlsruhe).
49) Meyer. Über leukämische Veränderungen im Kehlkopf.
(Zeitschrift für Laryngologie, Rhinologie u. ihre Grenzgebiete Bd. I. Hft. 1.)
Subglottische Schwellung von blaßgraurötlicher Farbe und harter Beschaffen-
heit, welche die Lichtung in transversaler Richtung auf 3 mm verlegte und zur
Tracheotomie nötigte, die aber nach 10 Tagen durch nachfolgende Fasciennekrose
und Bronchopneumonie zum Tode des Pat. führte. Die Diagnose wurde schon im
Leben durch Blutuntersuchung bestätigt. Engelhardt (Kassel).
50) Llorente. La traqueotomia y el entubiamento laringeo en los
procesos laringeos etc.
(Rev. de med. y cir. pract. de Madrid 1908. Juni 28.)
Gestützt auf ca. 8400 Fälle empfiehlt L. die Intubation als der Tracheotomie
bei weitem überlegen, einerlei, ob es sich um diphtberische oder andersartige Pro-
zesse handelt. Stein (Wiesbaden).
51) Sargnon et Barlatier. De la laryngostomie. 10 Abbildungen.
(Presse méd. 1908. Nr. 22.)
Über Indikation, Technik und Nachbehandlung der Laryngostomie, die genauer
beschrieben werden, vgl. das Referat im Zentralblatt für Chirurgie 1907 p. 1494
über eine Arbeit derselben Verff., das gleiche Thema betreffend.
Sie zählen 35 ihnen bekannte Laryngostomien auf, darunter 11 eigene Fälle;
von letzteren wurden 10 geheilt, einer starb an Bronchopneumonie. Von diesen
11 wurden operiert: 8 wegen Narbenstenosen durch Kanülendruck, 1 wegen
narbiger Verengerung nach typhöser Erkrankung des Kehlkopfes, 1 wegen Stenose
nach einem Messerstich und 1 wegen rezidivierender Papillome.
Gegenindikationen sind akute entzündliche Erscheinungen und Hindernisse an
den tieferen Luftwegen, z. B. Papillome an der Luftröhre unterhalb der Kanüle.
Literaturverzeichnis von 34 Nummern. Fehre (Freiberg).
52) F. Hutter. Ein Beitrag zu den Mißbildungen des Kehlkopfes.
(Aus dem histol.-bakter. Laboratorium der Wiener allgemeinen Poli-
klinik.)
(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Nr. 16.)
Am Keblkopf eines an akuter Infektion gestorbenen Kindes befand sich ein
Hohlraum, von der unteren Fläche des Zungenbeinkörpers bis zum unteren Rand
der Cart. thyr. und von der vorderen Epiglottisfläche bis zu einem Weichteilbündel
reichend, das das Spatium hyothyr. und den intermediären Spalt des Thyreoids
überbrückt. Er mündete im Bereiche des Epiglottisstieles in den Kehlkopf. Aus
Resten epithelialer Auskleidung wurde auf angeborene Anlage geschlossen. Außer-
dem bestand totale Spaltung der Cart. thyreoidea. Renner (Breslau).
1486 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49.
53) L. Harms. Über eine Modifikation der Schornsteinkanüle zur
Behandlung narbiger Kehlkopfstenosen. (Aus der Wiener Klinik für
Kehlkopf- und Nasenkrankheiten.)
(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Nr. 16.)
54) H. Koschier. Zur Behandlung der postdiphtherischen Stenosen
des Larynx und der Trachea. (Aus der laryngol. Abteilung der
Wiener allgemeinen Poliklinik.)
(Ibid.)
H. zieht die Schornsteinkanüle der T-Kanüle vor und sieht den Grund, daß sie
sich nicht besonderer Beliebtheit erfreut, darin, daß sich manchmal im Winkel
zwischen den beiden Kanülen ein Sporn von Schleimhautwulst bildet, der schließ-
lich eine zweite Stenose verursachen kann. In zwei solchen Fällen beginnender
Spornbildung hat H. deshalb sofort nur mehr das laryngeale, an entsprechender
Stelle siebartig durchlöcherte Rohr eingeführt, das seinen Zweck vollkommen er-
füllte und eine Spornbildung nicht eintreten bzw. sich zurückbilden ließ. Er
empfiehlt diese Methode zur Nachprüfung.
K. hat aus dem gleichen Grunde wie H. die Schornsteinkanüle ändern lassen,
aber unter Beibehaltung beider Teile ohne Winkelbildung und zieht sie ebenfalls
den T-Kanülen vor. Ferner berichtet er über einen Fall vollständigen Kehlkopf-
verschlusses, den er erfolgreich mit zirkulärer Resektion behandelte. Da außerdem
infolge Fehlens von Trachealringen eine Partie aspiriert wurde, mußte er eine
stützende Plastik vornehmen. Er ließ eine Zelluloidplatte in Haut einheilen und
pflanzte den Lappen dann verkehrt auf den Luftröhrendefekt. Die Platte eiterte
aber während einer Influenza aus; trotzdem war das Resultat durch narbige Span-
nung gut. In einem zweiten Falle hat er dann zunächst eine tiefere Tracheotomie
und Hautnaht der oberen gemacht, dann eine Zelluloidplatte über dem Knorpel-
defekt unter die Hautränder geschoben und nach erfolgter Einheilung die untere
Fistel heilen lassen. Da seitdem 5 Jahre ohne neue Stenose vergangen sind,
kann hier von Dauererfolg gesprochen werden. Renner (Breslau).
55) H. White. Ein Fall von Hämangiom des Kehlkopfes, behandelt
mit Laryngofissur.
(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Nr. 16.)
56) O.Hirsch. Über Haemangioma cavernosum des Kehlkopfes. (Aus
dem Ambulatorium des Herrn Privatdozenten M. Hajek.)
(Ibid.)
Im W.'schen Falle handelte es sich um eine fast kirschgroße Geschwulst, die
breitbasig in der Interarytänoidalfalte saß. Verf. glaubt, daß es sich um eine
kongenital angelegte Geschwulst handelte, obwohl histologisch die Entstehung auf
entzündlicher Basis nicht ausgeschlossen war. Die Entfernung war hier durch
Beschwerden und drohende Stenose gerechtfertigt und gelang leicht durch
Laryngofissur.
H. erwähnt zuerst drei Fälle kleiner, blauroter Geschwülste an den Stimm-
bändern, bei denen die histologische Untersuchung ergab, daß es sich um gefäß-
reiche Polypen handelte, stellt dann aus der Literatur die Fälle zusammen, die
nach sorgfältiger Kritik als Hämangiome angesehen werden dürfen, und schildert
schließlich einen neuen Fall; hier war das ganze rechte Taschenband von einer
großen Geschwulst eingenommen, und auch am linken saß eine bohnengroße Ge-
schwulst. Die Operation schien wegen der Geringfügigkeit der Symptome noch
nicht angezeigt. Nach der Literatur können größere, breitbasige Hämangiome
nur durch Laryngofissur ohne Gefahr entfernt werden.
Beide Autoren machen Literaturangabe. Renner (Breslau).
‚ Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1487
57) E. Krieg. Uber die primären Tumoren der Trachea.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVIII. p. 162.)
Unter Mitteilung eines Falles von Fibrom der Luftröhre aus der v. Bruns-
schen Klinik führt Verf. die v. Bruns’sche Statistik der primären Luftröhren-
geschwülste, die bis 1898 reicht und 143 Beobachtungen umfaßt, bis zum Jahre
1907 weiter unter Beifügung von 53 neuen Mitteilungen, so daß sich folgende
Gesamtstatistik ergibt: | `
a. Gutartige Neubildungen, zusammen 134 Fälle:
Fibrome 25; Papillome 41; Lipome 4; Chondrome und Osteome 42; Ade-
nome 6; Lymphome 2; Intratracheale Strumen 14.
b. Bösartige Neubildungen, zusammen 61 Fälle:
Sarkome 21; Karzinome 40.
c. Neubildungen unbekannter Natur: 6 Fälle.
Die bösartigen Geschwülste machen also ein Drittel der Gesamtzahl aus, und
die Sarkome sind im Vergleich zu den Karzinomen relativ häufig. Der endo-
tracheale Weg reicht zwar zur Entfernung der meisten gutartigen Geschwülste
aus, für alle bösartigen aber ist die Tracheotomie oder Krikotracheotomie der
bessere Weg zu einer radikalen Exstirpation. Reich (Tübingen).
58) Grünberg. Über den günstigen Einfluß des innerlichen Gebrauches
von Jodkali auf die Tuberkulose der oberen Luftwege.
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. LIII. p. 346.)
G. teilt eine Reihe von Fällen aus der Körner’schen Klinik in Rostock mit,
bei denen auf Grund des makroskopischen Befundes und der histologischen Unter-
suchung exzidierter Stückchen Schleimhauttuberkulose diagnostiziert wurde, und
bei denen die Anwendung von Jodkali neben schonender Lokalbehandlung Hei-
lung herbeiführt. Wenn nun auch einzelne Fälle von Schleimhautlupus spontan
ausheilen können, und wenn auch andererseits Jodkali keineswegs alle Fälle von
Schleimhauttuberkulose günstig beeinflußt, so hält G. doch das Jod für ein wich-
tiges Hilfsmittel bei der Behandlung der genannten Erkrankung.
Hinsberg (Breslau).
59) Vidakovich. Beiträge zur Behandlung chronischer Pleuraempyeme
nach der Methode von E. G. Beck.
(Orvosi Hetilap 1908. Nr. 33.)
Verf. hat in zwei Fällen von chronischem Pleuraempyem das Beck’sche Ver-
fahren (dieses Zentralblatt 1908 Nr. 18) mittels Injektion von Bismut-Vaselinpaste
angewendet und hat nach vergeblicher Anwendung anderer Methoden vollen Heil-
erfolg erzielt. Gelungene Röntgenogramme zeigen den erzielten Erfolg.
P. Steiner (Klausenburg).
60) Staveley Dick. The treatment of chronic empyema by hyper-
aemia and hypertranssudation.
(Brit. med. journ. 1908. August 29.)
Bericht über eine seit über 2 Jahren bestehende Empyemfistel bei 8jährigem
Knaben, die nach mehrfachen erfolglosen Rippenresektionen durch Hyperämie- .
behandlung mit Sauggläsern zur Heilung kam. Weber (Dresden).
61) L. G. Stuckey. Über Lungennaht bei Stich-Schnittwunden.
(Russki Wratsch 1908. Nr. 35 u. 36.)
Im Petersburger Obuchowspital wird prinzipiell jede frische Brustwandwunde
mit Verdacht auf Pleura- und Lungenverletzung erweitert, die Lungenwunde ge-
näht (die Nähte umgreifen den Grund der Wunde und werden leicht geschnürt);
wo die Wunde nicht genäht werden kann, macht man die Exteriorisation. Die
Pleurawunde muß vollständig geschlossen werden mit obligater Pneumopexie.
Diese Grundsätze bilden die Sehlußfolgerungen der Arbeit. — Im ganzen wurden
so 25 Fälle behandelt. 19 Männer, 6 Frauen. 9 starben. 22 mal wurde die Lunge
genäht (2mal Achternaht!; 6mal Pneumopexie. 7mal glatte Heilung. 2 starben
1488 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49.
infolge von Blutverlust (vor der Operation), 3 infolge akuter Septhämie. 10mal
eiterte die Wunde; davon starb einer an katarrhalischer Pneumonie, 7 andere (3 +)
bekamen Empyeme, wobei bei den 4 Geheilten die Heilungsdaner 82—173 Tage
betrug und einem später infolge umschriebener eitriger Pleuritis eine Rippen-
resektion gemacht werden mußte. — 3mal wurde die Exteriorisation gemacht. —
2 mal glatte Heilung, im dritten Fall eitrige Pleuritis, Pleurotomie mit Rippen-
resektion, Heilung. Gilckei (Spassk, Rjasan).
62) Baron. Über Lungenabszesse bei Säuglingen.
(Berliner klin. Wochenschrift 1908. Nr. 3.)
Zu den bisher bekannten sieben Fällen fügt B. einen von ihm behandelten
achten (5 Wochen altes Kind) hinzu unter kurzer Mitteilung der Krankengeschichten
aller Fälle dieser seltenen Erkrankung. Nach Rippenresektion Heilung des ca.
taubeneigroßen, im linken Unterlappen gelegenen Abszesses.
Die Diagnosenstellung bei Kindern ist sehr schwierig, da charakteristische
Merkmale, z.B. eitriges Sputum, fast immer fehlen; die akustischen Phänomene
deuten meistens auf eine dichte Infiltration, nicht auf Höhlenbildung. Die Dia-
gnose wird deshalb nur durch Zufall zu stellen sein bei Probepunktion, die aber
nur bei sicheren pleuritischen Verwachsungen erlaubt ist, da die Gefahr der Pleura-
infektion vorliegt. Die Lungenabszesse liegen meistens im Unterlappen, bei
Kindern merkwürdig oft nahe der Oberfläche. Langemak (Erfurt).
63) N. J. Gurewitsch. Ein Fall von isolierter Verwundung des Herz-
beutels.
(Russki Wratsch 1908. Nr. 37.)
18 Jahre alter Jüngling, vor 11/gStunden Dolchstich in den dritten Interkostalraum
zwei Finger breit links vom Brustbein. Konnte noch 1/ Stunde lang fahren, dann
Schwäche und ohnmächtiger Zustand. Wunde 2,5 cm lang. Nach Entfernung der
Blutgerinnsel bedeutende venöse Blutung — bei jeder Herzkontraktion. Lappen-
bildung — Basis lateral, Resektion der 3., doppelte Durchschneidung der 4. und
5. Rippe. Wunde im Perikard 2 cm lang; spaltartige Wunde der linken Pleura,
Lunge nicht atelektatisch. Erweiterung der Perikardwunde, Entfernung des
Blutes aus dem Herzbeutel; keine weitere Blutung; Herz unversehrt; Tampon in
den Herzbeutel und in die Winkel des Hautmuskelknochenlappens. Zuerst Ver-
lauf günstig, nach 11 Tagen plötzlich Verschlimmerung: Dyspnoe, Puls unregel-
mäßig, dikrotisch. Nach Entfernung des Perikardtampons entleert sich viel blutig-
seröse Flüssigkeit. Kein neuer Tampon, sofort Herztätigkeit besser, und nun
glatte Heilung. 1 Jahr später vollständig gesund. Glückel (Spassk, Rjasan).
64) Ortis de la Torre. Üuerpo extraüo enclavado en el corazon.
(Rev. de med. y cir. pract. de Madrid 1908. Nr. 1034.)
Kranker mit Wunde in der Herzgegend. Es entstand hochgradige Atemnot,
fast Atemstillstand, Dämpfung der ganzen linken Brustseite, Unmöglichkeit, die
Herzgrenzen zu perkutieren und die Herztöne zu auskultieren. Die Wunde befand
sich in einer Ausdehnung von 2 cm im 4. Interkostalraum etwas nach innen von
der Mammillarlinie. Es waren heftige Schmerzen in der Gegend des Proc. xiph.
vorhanden. Bildung eines Lappens, welcher die Gegend der 4., 5. und 6. Rippe
in einer Ausdehnung von ca. 10 cm links vom Brustbein umfaßte. Eröffnung des
Perikards und Entleerung einer Menge von Gerinnseln. Im rechten Herzohr saß
ein Stück Glas von der Größe 34:12 mm fest, das entfernt wurde. Catgutnaht
der Herzwunde und des Herzbeutels. Temperatur von 39° am 5. Tage; Entleerung
von 700 g Flüssigkeit durch Punktion. Heilung der Wunde in weiteren 9 Tagen.
Stein (Wiesbaden).
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrncke wolle man
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden.
Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau.
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig.
Zentralblatt für Chirurgie
herausgegeben von
K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER,
in Bonn, in Berlin, in Breslau.
35. Jahrgang.
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG.
Nr. 50. Sonnabend, den 12. Dezember 1908.
Inhalt.
1) Schmidt, Myalgien und Spasmen der Bauchmuskeln. — 2) Cuff, Peritonitis während der
Schwangerschaft. — 8) Gilliam, Behandlung der Peritonitis. — 4) Busch u. Bibergeil, Verhütung
peritonealer Verwachsungen. — 5) Brehm, Subphrenische Abszesse. — 6) Oberndorfer, 7) Jean-
brau und Anglada, 8) Moullin, 9) Kothe, 10) Oppenheim, 11) Pankow, 12) Rendu, 13) Mantle,
Zur Appendicitisfrage. — 14) Carmichael, 15) Brenner, Herniologisches. — 16) Lieblein, Der
Galalithdarmknopf. — 17) Lund, Magengeschwür und Magenkrebs. — 18) Moullin, Gastroentero-
stomie. — 19) Braun, Entzündliche Geschwülste am Darm. — 20) Lesk, Gallensteinileus. —
21) Hanes, Mastdarmuntersuchung.
F. Kuhn, Die Abstufang der Resorbierbarkeit ein Wesentliches in der Catgutfrage. (Original-
mitteilung.)
22) Stone, Bauchdeckendesmoide. — 23) Sehroeter, 2) Knowling, 25) Reinecke, Bauch-
verletzungen. — 26) Kempf, Darmberstung. — 27) Hamman, Bauchfellituberkulose. — 28) Alles-
sandri, Pseudobauchfelltuberkulose. — 29) Porter, Chronische Peritonitis. — 80) Blake, Verhütung
peritonealer Verwachsungen. — 81) Buhlig, 32) Seelig, 33) Guibal, 34) Mandry, 85) Barkley,
36) M. v. Brunn, 37) Derlin, Zur Appendicitisfrage. — 38) Tricot, Pseudoappendicitis. — 89) Le-
tulle, 40) Coons, Krebs des Wurmfortsatzes. — 41) Laroyenne, 42) de Beule, 483) Borelli,
44) Köppl, Herniologisches. — 45) Solaro, Darmschließer. — 46) Stewart, Fibrolysin gegen Py-
lorusstenose. — 47) Maylard, 48) Russell, Pylorusverengerung. — 49) Mayo, Blutleere Stellen im
Duodenum. — 50) Mayo, Duodenalgeschwür. — 51) Stavely, 52) Fischer, 53) v. Khautz jun.,
54) Mc Callum, 55) Kingsford, Ileus. — 56) Canon, Ausschaltung des Dickdarmes. — 57) Strehl,
Angeborene Retroposition des Dickdarmes. — 58) Brewer, Diverticulitis des Colon sigmoidenm.
— 59) Burckhardt, Aktinomykose und Krebs des Dickdarms. — 60) Schenck, Dickdarmstenose.
— 61) Torikata, Mastdarmexstirpation.
4
der Bauchmuskeln, welche Erkrankungen der Abdominal-
organe vortäuschen.
(Prager med. Wochenschrift 1908. Nr. 41.)
Myalgien der Bauchmuskeln sind nicht so selten, wie man nach
ihrer Würdigung in den Lehr- und Handbüchern erwarten sollte.
In der Regel treten sie beim Anspannen der Bauchmuskeln auf; sie
können jedoch auch bei völliger Muskelruhe eintreten. Am ehesten
noch erhält man durch eine vorsichtige, einschmeichelnde Tastung
Aufschlüsse über den Ursprung der Schmerzen. Ist in diesem Falle
die Tiefe unempfindlich, so kann man eine Erkrankung der Bauch-
organe ausschließen, während ein brüskes Vorgehen, das bei einer
Unempfindlichkeit der Tiefe Schmerzen und krampfhafte Zusammen-
ziehung der Bauchmuskulatur hervorruft, die Diagnose einer Myalgie
sichert.
Die Krämpfe der Bauchmuskeln stehen im umgekehrten Ver-
hältnis zum Füllungszustande der Eingeweide. Von größter prak-
50
1) A. Schmidt (Halle a. S.\.. Über Myalgien und Spasmen
1490 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50.
tischer Bedeutung ist die Erfahrung, daß die reflektorischen Kontrak-
tionen auf bestimmte Abschnitte der Bauchmuskeln beschränkt sein
können. S. hat oft bei Magengeschwür und bei Cholecystitis isolierten
Tonus des obersten Rectussegments gesehen, welcher Vorgang sehr
leicht eine Geschwulst vorzutäuschen vermag. Ebenso können Kon-
traktionen des Obliquus abdominis externus Geschwülste vortäuschen.
S. hält spontane funktionelle Bauchmuskelkrämpfe fast immer
für hysterisch. Er beschreibt zwei solche Fälle, von denen der eine
mit tonischen, der andere mit klonischen Krämpfen einherging.
A. Hofmann (Karlsruhe).
2) A. Cuff. Clinical notes on some causes of peritonitis
occurring during the course of pregnancy.
(Brit. med. journ. 1908. Juli 4.)
Unter Beibringung einiger Beispiele bespricht C. einige hervor-
stechende Ursachen für Entstehung einer Peritonitis im Laufe der
Schwangerschaft. Solche Ursachen sind Appendicitis, Pyelonephritis,
Bleivergiftung, intrathorakale Veränderungen, Stieltorsionen von Eier-
stocksgeschwülsten und die sog. »rote Degeneration«. der Uterusmyome
(Fairbairn). Sie geben vielfach Gelegenheit zu verhängnisvollen Irr-
tümern. Unter der roten Degeneration der Myome, die Fairbairn
zuerst beschrieb, versteht man die Umwandlung des Myoms in eine
weiche, fleischähnliche Masse durch eine aseptische Nekrobiose unter
dem Einfluß irgendeiner Ernährungsstörung. Es gelang Ü. in einem
solchen Falle von 6monatiger Schwangerschaft, das Myom aus der
Uteruswand auszuschälen, ohne die Schwangerschaft zu stören.
Weber (Dresden).
3) Gilliam. The adjustable canvas chair as an aid to the
Murphy-treatment.
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. Oktober 3.)
Die Murphy’sche Behandlung der eitrigen Bauchfellentzündung
besteht darin, daß 1) der Eiter durch bestimmte Lagerung — Ober-
körper 45° erhöht, Beine wagerecht — in das Becken gesenkt, 2) aus
diesem durch Drainage über dem Schambein oder vom Scheiden-
gewölbe aus abgeführt wird; 3) gleichzeitig läßt man dauernd eine
warme Kochsalzlösung in den Darm einlaufen zur Auswaschung des
Körpers. Die Mengen dieser Lösung, die man einführt, sind beträcht-
lich, 6—15 Quarts in 24 Stunden. Das Darmrohr bleibt dauernd
liegen und hat vorn an der Olive drei Öffnungen, damit Gas abgehen
kann; durch den Mund wird während dieser Zeit keine Flüssigkeit
gereicht. Die Flüssigkeitszufuhr wird nur durch Höhenlage des
Wassergefäßes, nicht durch Verengung des Schlauches reguliert, ge-
wöhnlich steht es 8—10 cm höher als der After. — Für die halb-
sitzende Lage hat G. mit gutem Erfolge bei einer sehr schweren Peri-
tonitis nach kriminellem Abort einen sog. Triumphstuhl angewandt,
in dessen Sitz eine runde Öffnung geschnitten wurde, die ein Luftkissen
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1491
teilweise deckte. Dieser Stuhl wurde auf die Seitenbretter des Bettes
gestellt, unter ihn eine Wanne zum Auffangen von Kot und Urin.
Die sehr schwer, moribund auf den Operationstisch gekommene Kranke
genas, trotzdem noch ein schweres Ekzem am Rücken auftrat.
Trapp (Bückeburg).
4) M. Busch und E. Bibergeil. Experimentelle Unter-
suchungen über Verhütung von peritonealen Adhäsionen.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVII. Hft. 1.)
Verff. haben Versuche an Hunden darüber angestellt, welche
Mittel man eventuell anwenden könnte, um nach Laparotomien peri-
toneale Verwachsungen zu verhindern. Zuerst wurden Vorversuche
unternommen, um überhaupt festzustellen, inwieweit bei Hunden Ver-
wachsungen nach Bauchschnitt mit oder ohne Eröffnung des Nahrungs-
kanals entstehen. Es wurde dabei auch wieder die schon bekannte
Tatsache bestätigt gefunden, daß Anwendung trockener Kompressen
zum Abtamponieren und Tupfen die Verwachsungen mehr begünstigt
als der Gebrauch feuchtwarmer Kochsalzkompressen. Als verwachsungs-
hindernde Mittel scheinen den Verff. vor allem reizlose Fette und
schleimige Substanzen in Frage zu kommen. Es wurde deshalb reines
Olivenöl, Paraffin, Lanolin, Gummi arabicum, Agar, Gelatine und
Fibrolysin in die Bauchhöhle gegossen; auch subkutane Injektion von
Physostigmin wurde angewendet. Ein Erfolg wurde jedoch mit diesen
Mitteln nicht erzielt. Einige wurden zu rasch resorbiert, andere, wie
Lanolin, Paraffin, Öl usw. reizten die Serosa zu stark. Den Beweis
dafür, daß subkutane Injektionen oder nach der Operation dargereichte
Laxantien die Verwachsungen verhüten, sehen die Verff. noch nicht
für erbracht an. E. Siegel (Frankfurt a. M.).
5) Brehm. Zur Therapie der subphrenischen Abszesse.
(Petersburger med. Wochenschrift 1908. Nr. 35.)
In einem Vortrage wird zunächst eine Übersicht über die anato-
mischen Verhältnisse gegeben. Wichtig ist das Verhalten des dia-
phragmatischen, Iymphatischen Apparates. Die Lymphgebiete beider
Seiten im Bereiche des Peritoneum diaphragmaticum sind selbständig
und durch das Lig. suspensorium hepatis voneinander getrennt. Es
bestehen überall Verbindungen mit den Lymphgebieten der Pleurae
diaphragmaticae. Infolgedessen ist der subphrenische AbszeB fast
stets einseitig und die Pleurahöhle mit affiziert, und zwar gewisser-
maßen um einen Grad leichter. Ist z. B. im Subphrenium Jauche,
so ist in der Pleura trübseröses oder fibrinöses Exsudat.
Als Atiologie kommen Eiterungen am Wurmfortsatz, Pankreas,
durchbrechende Magengeschwüre, Leberzerreißungen in Betracht. Als
Therapie empfiehlt Verf. transpleurale Eröffnung, nachdem man die
Ränder der Pleura costalis mit dem Zwerchfell vernäht hat, um so
die Brusthöhle etwas abzuschließen, und dann erst die Inzision durch
das Zwerchfell zu legen. Deetz (Arolsen).
50*
1492 . Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50.
6) S. Oberndorfer. Randbemerkungen zur Lehre von der
Appendicitis.
(Frankfurter Zeitschrift für Pathologie Bd. IL Hf. 2 u. 3.)
Über die Ätiologie der Appendicitis besteht trotz der vielfachen
Bearbeitung, die sie erfahren hat, noch keine völlige Klarheit. O.
macht auf mehrere Punkte, die noch der Klarstellung bedürfen, auf-
merksam und nimmt selbst Stellung dazu. Ein prädisponierendes
Moment für die primäre Erkrankung des Wurmfortsatzes, das aber in
der letzten Zeit zu wenig beachtet wurde, liegt in mechanischen Ver-
hältnissen, in der Enge des Wurmfortsatzes. Beweis: weite, trichter-
förmige Wurmfortsätze werden auf dem Sektionstisch stets gesund be-
funden, während andererseits ein enges Meckel’sches Divertikel Ent-
zündungserscheinungen bieten kann, die einer Appendicitis entsprechen.
Die Bedeutung der Gerlach’schen Klappe für Kot- und Sekret-
stauung im Wurmfortsatz und nachfolgende Entzündung, die v. Hanse-
mann sehr hoch anschlägt, wird von O. nur gering geachtet. Auch
bezweifelt O., daß Kot im Wurmfortsatz an sich Appendicitis ver-
ursachen kann.
Über die Bedeutung des Follikelreichtums des Wurms sind die
Meinungen sehr geteilt. v. Hansemann sieht den Grund in der
rudimentären Beschaffenheit des Organes: die spezifischen Elemente,
die Drüsen sind geschwunden, die nicht spezifischen lIymphatischen
Elemente infolgedessen zusammengerückt.e. Eugen Albrecht weist
dagegen auf die Größenverschiedenheit des Wurms bei verschiedenen
Tierarten hin (klein bei Carnivoren, sehr lang bei manchen Herbiveren)
und sieht darin eine Anpassung an die Lebensweise. Der Follikelreich-
tum ist dann der Ausdruck des Funktionswechsels: der Wurm hat die
Rolle des resorbierenden Darmes aufgegeben und dafür die des lympha-
tischen Organs übernommen.
Fremdkörper und Parasiten spielen für die Entstehung einer
Appendicitis nur eine untergeordnete Rolle; Kotsteine bestehen meist
nicht aus Kot, sondern aus Bakterien und Schleimhautprodukten.
Am meisten bedarf noch die Bakteriologie der Appendicitis
weiterer Bearbeitung. Sicher ist, daß in einzelnen Fällen eine Infek-
tion des Wurmes auf hämatogenem Wege erfolgen kann; doch sind
diese Fälle selten gegenüber der häufigen Infektion vom Darm aus.
Schon der fast immer negative Ausfall der Blutuntersuchung und das
Aufhören aller fieberhaften Symptome nach Exstirpation, des Wurms
sprechen gegen eine hämatogene und für eine lokale Atiologie der
Appendicitis. O. verwahrt sich auch gegen die so beliebte Analogie
zwischen Angina und Appendicitis. Einmal ist der Bau der Mandeln
ein völlig anderer, als derjenige des Wurms, hier Lücken im Epithel,
dort lückenloser Epithelüberzug über den Follikeln. Die Tonsillen-
pfröpfe, die so häufig Ausgangspunkt der Anginen sind, fehlen beim
Wurmfortsatz. Bei Annahme der Anginatheorie müßte es auch
wunderbar erscheinen, daß eben nur die Follikel des Wurmfortsatzes,
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1493
nicht aber die völlig gleich gebauten der anderen Darmabschnitte er-
kranken.
Ein anderer wesentlicher Unterschied, als die Weite der Lichtung
besteht zwischen Dickdarm und Wurm nicht. Darum muß in der
Enge des Wurms der Grund für die Häufigkeit seiner Erkrankung
gesehen werden. Infolge einer Stauung tritt eine Lockerung des Ge-
webes, Untergang von Epithelien ein, und damit ist den Infektions-
erregern der Eingang in das Gewebe ermöglicht.
Trappe (Breslau).
7) Jeanbrau et Anglada. Traumatismes et appendicite.
Étude pathogénique et médico légale.
(Rsvue de chir. XXVIL.ann. Nr. 7.)
Verff. haben trotz ausgiebigen Studiums der einschlägigen Literatur
keinen Fall finden können, in dem mit Sicherheit ein bis dahin ge-
sunder Wurm infolge einer Quetschung der Blinddarmgegend entzünd-
lich erkrankt wäre. Der beweglich zwischen den Darmschlingen wie
zwischen Luftkissen verborgene Blinddarmanhang kann einer auf ihn
wirkenden Gewalt leicht ausweichen; wird er dennoch getroffen, so
tritt eher eine Zerreißung oder Durchbohrung seiner Wand durch in
ihm befindliche Fremdkörper ein als eine wirkliche Entzündung. Er-
hebliche Anstrengungen, wie das Heben einer schweren Last, können
ebensowenig wie der Defäkationsakt oder Darmkontraktionen eine
Entzündung des gesunden Wurmes hervorrufen.
Das Trauma kann vielmehr nur bei einer bereits bestehenden
chronischen Wurmfortsatzentzündung einen akuten -Anfall auslösen,
indem es Verwachsungen, die eine drohende Perforation hintanhalten
oder einen Eiterherd abkapseln, zerreißt oder die Schleimhaut gegen
einen in der Lichtung befindlichen Stein quetscht. Zwischen Trauma
und Anfall dürfen aber höchstens 48 Stunden verstreichen, damit
zwischen beiden noch ein ursächlicher Zusammenhang angenommen
werden kann. War die Wurmfortsatzwand schon stark verdünnt,
so kann auch ein Trauma, das nur die Umgebung des Blinddarmes
trifft, eine akute Appendicitis hervorrufen.
Heilt der traumatisch entstandene Anfall ohne Eingriff, und treten
später neue Anfälle auf, so dürfen sie nicht mehr dem Trauma zur
Last gelegt werden.
Die gerichtlich-medizinischen Folgerungen beziehen sich auf das
französische Unfallgesetz vom Jahre 1898. Gutzeit (Neidenburg‘.
8) M. Moullin. An address on the significance of some of
the symptoms of appendicitis, from the point of view of the
urgency of operation.
(Brit. med. journ. 1908. August 29.)
Der bekannte Chirurg weist hin auf ein allgemeines Vorstadium
vieler Appendicitisfälle, das große praktische Bedeutung hat, weil es
1494 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50.
die einzige, kurz dauernde und im weiteren Verlaufe nie wieder-
kehrende Gelegenheit ist zur erfolgreichen inneren Behandlung mit
Rizinus, Bettruhe, Nahrungsentziehung. Klinisch kennzeichnet sich
dieses Vorstadium durch allgemeines Unbehagen im Leibe, mit mäßigen
Schmerzen um den Nabel, Übelkeit, zuweilen Erbrechen, Völle im
Leib, Appetitlosigkeit. Erst einen oder wenige Tage später setzt der
akute, schwere Schmerzanfall ein, das Zeichen, daß nun die Entzün-
dung auf das Peritoneum parietale übergreift und Operation angezeigt
ist. Während dieses Vorstadiums können bereits schwere Verände-
rungen am Wurme stattgefunden haben. So erklärt es sich, daß der
Chirurg oft schon am angeblich ersten Tage der Erkrankung Zer-
störungen bis zu voller Gangrän vorfinden kann.
Ein zweiter Punkt, dessen Bedeutung Verf. betont, ist die kutane
Hyperästhesie mancher Fälle über der rechten Darmbeingrube und
zuweilen hinten. Es ist dies eine Head’sche Zone, deren Lage zu
der des Wurmes in gar keiner Beziehung steht. Ihre Bedeutung liegt
darin, daß sie ein frühes Zeichen ist, daß sie meist nicht länger als
einige Tage beobachtet wird, daB sie fast immer eine Dehnung der
Wurmwand anzeigt. Schwindet sie langsam, so bedeutet das eine
Abschwellung des Wurmes und Neigung zur Heilung; schwindet sie
plötzlich, so hat ein Durchbruch stattgefunden, und die absolute An-
zeige zur Operation ist gegeben. Mit dem peritonealen Tiefenschmerz
hat diese kutane Hyperalgesie nichts zu tun.
Dem McBurney’schen Schmerzpunkt mißt M. große Bedeutung
bei. Mehrstündlich gezählte, zunehmende Leukocytenwerte sind ihm
eine Anzeige zur Operation; ganz niedrige Zahlen bei schwerem Krank-
heitsbilde lassen fast sicher den tödlichen Ausgang voraussehen. —
M. ist ein Anhänger der sofortigen Operation in allen Fällen, wo die
Zeichen einer fortschreitenden Entzündung zu finden sind, ohne Rück-
sicht auf das angeblich so gefährliche Intermediärstadium.
Weber (Dresden).
9) Kothe. Das neutrophile Blutbild im Frühstadium der
akuten Appendicitis.
(Berliner klin. Wochenschrift 1908. Nr. 36.)
K. hat an einem größeren Materiale (Abteilung Sonnenburg) fest-
zustellen versucht, in welcher Weise sich das neutrophile Blutbild
bei der akuten Appendicitis verändert und welche Dienste die Arneth-
sche Methode im Verein mit der Bestimmung der Gesamtzahl der
Leukocyten uns für die Diagnose und Prognose speziell im Früh-
stadium der Erkrankung zu leisten imstande ist.
Das Ergebnis der Untersuchungen ist nun:
Die Arneth’sche Methode leistet für die Beurteilung und Be-
handlung der akuten Appendicitis wichtige Dienste, indem sie die
Diagnose sichert und die Auswahl der Fälle für die operative und
exspektative Behandlung erleichtert. Das Blutbild soll aber immer
nur mit den übrigen Symptomen zusammen verwertet werden. Be-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1495
stimmte Zahlen als Richtschnur lassen sich danach nicht aufstellen,
da die Methode sehr subtil und in nicht geringem Grade von dem
subjektiven Ermessen des einzelnen Beobachters abhängig ist. In
gewissem Sinne ist die Methode auch für die Prognose verwertbar:
je weniger das Blut geschädigt ist, um so besser die Prognose. Bei
methodisch fortgesetzten Untersuchungen erwies sich die Bestimmung
der Prozentzahl der Neutrophilen besonders wichtig nach den Opera-
tionen (Fortschreiten bzw. Zurückgehen der Entzündung, Auffinden
sekundärer Abszesse). Zunehmende Veränderung des Blutbildes nach
einer Operation weist mit Sicherheit auf Komplikationen hin. Erfolgt
gleichzeitig ein Absinken der Leukocytenzahl, so ist dies als Signum
mali ominis aufzufassen.
Von der Arneth’schen Methode sind noch weitere wertvolle
Ergebnisse zu erwarten. Langemak (Erfurt).
2 E. A. Oppenheim. Zur Frage der Obliteration des
menschlichen Wurmfortsatzes.
(Frankfurter Zeitschrift für Pathologie Bd. II. Hft. 2 u. 3.)
Fast der vierte Teil aller durch Sektion gewonnenen Wurmfort-
sätze ist total oder partiell obliteriert. Zur Erklärung dieser Erschei-
nung sind im wesentlichen drei Theorien aufgestellt worden: Wölfler,
Ribbert, Zuckerkandl erblicken in der Obliteration einen Involu-
tionsvorgang der rudimentären Organe. Eine andere Anschauung
glaubt äußere Ursachen für die Obliteration verantwortlich machen zu
müssen; und zwar nimmt Ribbert eine chronische Intoxikation,
Oberndorfer eine chronische Entzündung an. Aschoff endlich
führt alle Obliterationen auf einen akuten pseudomembranös nekro-
tisierenden Prozeß zurück.
O. hat unveränderte Wurmfortsätze von Erwachsenen und Kin-
dern, ganz und teilweise obliterierte und auch entzündete Wurmfort-
sätze unter aller Vorsicht eingebettet und in verschiedenen Schnitt-
richtungen, Stufen- und Serienschnitten untersucht. Er konnte nach-
weisen, daß in den obliterierten Wurmfortsätzen lediglich die Schleim-
haut zugrunde gegangen war, während alle anderen Bestandteile in
normaler Weise erhalten waren.
Mit diesen Befunden ist die Annahme einer akuten oder chroni-
schen Entzündung für alle Fälle unvereinbar, da meistens keinerlei
Narbengewebe nachzuweisen ist und die Wandschichten keinerlei
Verwerfung oder andere Zeichen abgelaufener Entzündung zeigen.
Die Annahme eines einfachen Involutionsvorganges stößt deshalb
auf Schwierigkeiten, weil nur die Schleimhaut verloren geht, die an-
deren Darmwandschichten aber erhalten sind.
O. erklärt sich den Vorgang folgendermaßen: Infolge der Invo-
lution wird die Lichtung sehr eng, es findet eine Sekretstauung statt,
die zu ödematöser Durchtränkung und schließlich zum Untergange der
Schleimhaut führt. Danach kommt es zur Verwachsung der ihrer
Schleimhaut beraubten Darmwandung.
1196 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50.
Ein analoger Vorgang findet bei der Atresie des involvierenden
Uterus statt. Trappe (Breslau).
11) Pankow. Die Differentialdiagnose zwischen Appendicitis
| und weiblichen Genitalerkrankungen.
(Med. Klinik 1908. p. 1527.)
60 von Hundert aller der Freiburger Frauenklinik zugehenden
Frauen haben in der Geschlechtsreiffe eine Blinddarmentzündung
durchgemacht.
An der Hand eigener Erfahrungen werden die unterscheidenden
Merkmale zwischen Appendicitis und gonorrhoischer, tuberkulöser,
septisch-saprischer Pyosalpinx, Tubarschwangerschaft, Hämatokele,
zwischen akuter appendicitischer Perforationsperitonitis und stiel-
gedrehter Eierstocksgeschwulst, zwischen chronischer Wurmfortsatz-
entzündung und beweglicher Uterusretroflexion, Oophoritis, Eierstocks-
senkung, Eindometritis, rechtsseitiger Wanderniere, allgemeiner Entero-
ptose und endlich Hysterie besprochen. Im letzteren Falle wurden
einmal erst die runden Mutterbänder verkürzt und später der ganz
gesunde Wurmfortsatz entfernt, ohne irgendwelchen Dauererfolg.
Georg Schmidt (Berlin).
12) H. Rendu. Les lesions hepatiques d’origine ap;’endicu-
laire et leur retentissement gastrique.
Inaug.-Diss., Paris, 1908.
Verf. bespricht in seiner Arbeit den Zusammenhang zwischen den
schweren Formen der Appendicitis und Schädigungen der Leber. An
der Hand einer größeren Anzahl von selbst beobachteten Fällen und
Tierexperimenten weist er darauf hin, daß man zweierlei Schädigungen
des Lebergewebes in Betracht ziehen müsse, einmal eine direkte Bak-
terieninfektion, dann aber auch eine Schädigung der Leberzellen durch
die Toxine. In seiner Arbeit weist R. darauf hin, daB der rechte
Leberlappen häufiger von den Schädigungen getroffen wird wie der
linke, eine Behauptung, die er durch Ergebnisse im Tierexperiment,
durch Phosphorinjektionen in den Processus zu stützen sucht.
In dem zweiten Teile stellt R. die Behauptung auf, daß die go
häufig beobachteten Störungen des Magens, auch Erbrechen blutiger
Massen im Verlaufe einer Appendicitis ebenfalls auf Schädigungen
der Leber zurückzuführen seien. Eine größere Anzahl von Kranken-
geschichten und Tierexperimenten werden zum Beweise und Erklärung
angeführt. L. Simon (Mannheim).
13) A. Mantle. Mucous colitis and its relationship to appen-
dicitis and pericolitis, with remarks upon its treatment by
irrigation (Plombières Bath).
(Brit. med. journ. 1908. Juli 11.)
M.’s Arbeit behandelt die Beziehungen zwischen der Colitis mu-
cosa, die für ihn nur dem Grade nach von der Colitis membranacea
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1497
und haemorrhagica verschieden ist, und der Appendicitis. Verwechs-
lungen sind zahlreich: Die Kolitis wird für Appendicitis gehalten und
umgekehrt. Die Kolitis ist die Hauptursache für fortbestehende Be-
schwerden trotz der Appendektomie; sie kann sowohl Ursache wie
Folge einer Appendicitis sein. M. führt Beispiele dafür an. Zur
Behandlung im chirurgischen Sinne empfiehlt M. die Coecostomie
oder die Appendikostomie als Mittel zur Ableitung des Stuhles bzw.
zur Spülung. Die Spülbehandlung ohne operativen Eingriff ist seit
Jahren besonders ausgebildet worden in Plombieres und Harrogate.
M. geht des näheren auf die dabei geübte Technik ein.
Weber (Dresden).
14) E. S. Carmichael. Some points in the anatomy and
pathology of the hernial sac.
(Brit. med. journ. 1908. August 29.)
Die Erfahrungen an über 300 Bruchoperationen, vorwiegend bei
Kindern, haben den Verf. überzeugt, daB die Zahl der angeborenen
Bruchsäcke bei weitem höher ist als man bisher angenommen hat.
Die Begründung für diese Behauptung muß in der Arbeit selbst ein-
gesehen werden. Verf. geht sogar so weit, daB er in über 50% aller
kleinen Kinder, wie sie zufällig gerade zur poliklinischen Beobachtung
kommen, einen offenen Processus vaginalis annimmt, weil sich in der
entsprechenden Zahl von Fällen der Samenstrang der einen Seite
wesentlich verdickt anfühlt im Vergleiche zur anderen. Diese Ver-
dickung sei fast immer zu deuten als ein offen gebliebener Scheiden-
fortsatz des Bauchfells. Weber (Dresden).
15) A. Brenner. Radikaloperation der Nabelbrüche. durch
Lappendoppelung.
(v. Langenbeck”s Archiv Bd. LXXXVIL Hft. 1.)
Verf. beschreibt seine Operationsmethode der Nabelhernien, die
ziemlich identisch mit der von Wreden ist; doch hat B. dieselbe un-
abhängig von letzterem ausgeführt. Die Operation wird in folgender
Weise vorgenommen. Nach einem Längsschnitt über die Höhe des
Bruches wird der Bruchsack ausgeschält, eröffnet, der Bruchinbhalt
versorgt und reponiert. Dann wird die Bruchpforte durch eine Bauch-
fell und Aponeurosenwand fassende Naht meist in querer Richtung
verschlossen, darauf der Schnitt bis auf die Linea alba vertieft, die
Fettmasse von der zwischen den Musc. recti liegenden Aponeurose
abgelöst und der Innenrand des M. rectus beiderseits durch einen
kleinen Fascienschnitt aufgesucht. Das elliptische Feld, das sich nun
zwischen den beiden Recti zeigt, soll durch zwei Lappen aus der vor-
deren Rectusscheide verstärkt und dadurch die Bruchpforte verlegt
werden. Die Fettlappen werden dann vom Innenrande der geraden
Bauchmuskeln zurückpräpariert, dann wird jederseits ein halbmond-
förmiger Lappen aus der vorderen Rectusscheide gebildet. Die Enden
des Lappenschnittes treffen oben und unten die Mittellinie. Die beiden
50**
1498 Zentralblatt für Chirurgie Nr. 50.
Lappen werden abgelöst und erst der eine nach der entgegengesetzten
Seite umgeschlagen und mit der Scheide daselbst durch Naht vereinigt.
Dann wird der andere Lappen ebenfalls umgeklappt und mit der Um-
schlagslinie des ersten vernäht. Es folgt Drainage und Hautnaht.
Die doppelte Platte der Rectusscheiden soll für die Zukunft ein
Hervortreten von Bruchinhalt verhüten. Die Entblößung der Recti
in der großen Ausdehnung, wie sie die Lappenbildung verursacht,
bringt keinen Schaden. Als Vorzug der Methode wird angesehen,
daß sie sich den Verhältnissen des Dickbauches anpaßt und weder vor
noch nach dem Eingriff eine Entfettungskur erfordert, die doch nicht
immer durchzuführen ist. Von 26 Operierten sind drei gestorben.
Alle anderen Fälle sind dauernd geheilt, so daß B. die Methode als
unbedingt zuverlässig empfehlen kann. Am Schluß folgen die Kranken-
geschichten. E. Siegel (Frankfurt a. M.).
16) V. Lieblein. Der Galalithdarmknopf.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVIII. p. 289.)
Im Verlaufe von 12 Jahren wurden an der Wölfler’schen
Klinik an 268 Fällen von Magen-Darmoperationen Erfahrungen über
die Brauchbarkeit des Murphyknopfes gesammelt. Während dessen
Verwendung anfänglich eine fast ausschließliche (ausgenommen Dick-
darmoperationen) gewesen war, führte eine Anzahl von 25 tödlichen
Knopfunfällen im Laufe der Jahre zu seiner völligen Verdrängung
durch die Nahtanastomosen.
Eine Kritik der Todesfälle ergibt, daß zur Gastroenterostomie
bei hypertrophischer und brüchiger Magenwand die Naht entschieden
vorzuziehen ist, daß Unfälle bei der vorderen Gastroenterostomie und
bei bösartigen Grundleiden häufiger sind als bei der hinteren Gastro-
enterostomie und bei gutartigen Magenaffektionen, weiter, daß die
chronischen Dünndarmstenosen ein dankbareres Gebiet für die Knopf-
anwendung abgeben, als die akuten lleusfälle und besonders die gan-
gränösen Hernien.
Ursache aller Übelstände ist die Schwere, die enge Lichtung und
die Nichtresorbierbarkeit des Knopfes.
Diese Nachteile vermeidet nun der Galalithknopf des Verf.s, der
aus einer Verbindung des Formaldehyds mit Parakasein nach dem
Muster des Murphyknopfes konstruiert und völlig resorbierbar ist bis
auf die Federn aus Neusilber. Der Knopf wird von der Firma
Schaerer in Bern in drei Größen hergestellt mit einer Lichtung von
7—11 mm und einem Gewicht von 2—4 g.
19 Tierversuche und die Anwendung am Menschen bei 19 Gastro-
enterostomien und 3 Dünndarmresektionen bei brandigen Brüchen
fielen befriedigend aus.
Als vornehmliches Anwendungsgebiet bezeichnet Verf die Pylorus-
stenosen, bei denen eine Abkürzung der Operationsdauer sehr wün-
schenswert ist und zugleich die Infektionsgefahr verringert. Auszu-
schließen von der Verwendung des Knopfes sind auch hier Fälle mit
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1499
stark verdickter, brüchiger Magenwand und gangränöse Hernien.
Außerdem soll man zur "Sicherheit noch stets eine einfache Über-
nähung hinzufügen.
Die Knöpfe werden durch Kochen in Wasser sterilisiert, wobei
sie etwas erweichen, und in Karbolglyzerin aufbewahrt, worin sie ihre
brauchbare Konsistenz wieder erhalten und monatelang liegen bleiben
können. BR Reich (Tübingen).
17) Lund. The diagnosis at operation between chronic ulcer
and cancer of the stomach.
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. August 15.)
Selbst nach Eröffnung des Magens läßt sich die Diagnose in
manchen Fällen sehr schwer stellen, besonders wenn es sich um be-
ginnenden Krebs handelt, dessen operative Behandlung die meisten
Aussichten bietet. Die vor der Operation gemachten Untersuchungen
— namentlich die des Magensaftes — sind in solchen Fällen sehr
wichtig. Verf. legt großen Wert auf das Verhalten der Salzsäure.
Die Geschwüre, die Zweifel bieten, können sein: 1) verhärtet, meist
an der kleinen Kurvatur gelegen, aber verschieblich. Diese müssen,
selbst wenn gutartig, entfernt werden, da Gastroenterostomie keinen
Erfolg bringt. Am besten ist eine teilweise Gastrektomie. 2) ver-
härtet mit Sitz am Pylorus. Sie erstrecken sich oft vom Duodenum
auf diesen, sind mit dem linken Leberlappen und Pankreas verwachsen.
Sie sind meist gutartig, Gastroenterostomie ist zweckmäßig, Exzision
schwer und gefährlich. Im ersteren Fall ist das chemische Ver-
halten des Magensaftes weniger wichtig als im zweiten.
Trapp (Bückeburg).
18) M. Moullin. A clinical lecture on gastro-enterostomy
for non-malignant disease.
(Brit. med. journ. 1908. Juli 11.)
Der sehr bewanderte Chirurg gibt uns hier seine Erfahrungen
über die Gastroenterostomie bei gutartigen Leiden wieder. Er an-
erkennt als Anzeige zur Operation die gutartige Verengerung durch
Narbe, fibröse Stenose oder jahrelang bestehenden Krampf, das Magen-
und Duodenalgeschwür selbst und die Blutung. Im allgemeinen zieht
er die hintere Gastroenterostomie mit kurzer Schlinge (sog. no-loop
method) der vorderen oder der Finney’schen Operation vor. Die
Frage, wo die neue Öffnung angebracht werden soll, beantwortet er
nach den neueren Forschungen von Cunningham. "Danach besteht
der Magen aus zwei Teilen, die während der Fortbewegung des In-
haltes völlig getrennt voneinander arbeiten. Ein sphinkterähnliches
Band von Muskelfasern erstreckt sich von dem kardialen Ende der
kleinen Kurvatur quer über den Magen und teilt diesen ein in einen
annähernd senkrechten, kardialen, links gelegenen Anteil und den quer
gelegenen, rechten, Pylorusschlauchteil. Meistens kann man diese Tei-
*
1500 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50.
lung auch bei Operationen zur Darstellung bringen. Daß diese beiden
Teile tatsächlich voneinander getrennt arbeiten, hat M. gelegentlich
durch eine besondere Art des Erbrechens nach der Gastroenterostomie
nachweisen können. Zuweilen erbrechen die Kranken einige Zeit nach
der Operation, wenn das Narkosebrechen bereits vorüber ist, 2—3 Tage
lang äußerst sauren Mageninhalt, dem aber niemals Nahrung bei-
gemengt ist, auch wenn sie erst eine Viertelstunde vorher aufgenommen
war. Ein Beweis dafür, daß der Magen in zwei voneinander ge-
trennten Teilen arbeitet. Wenn die Verschwellung der neuen Fistel
vorüber ist, hört auch dieses Säureerbrechen auf. An der Grenze
dieser beiden Magenanteile soll die Fistel angelegt werden. — Die
Ansicht, daß die heilende Wirkung der Gastroenterostomie auf ein
Geschwür in der Neutralisierung des hyperaziden Mageninhaltes durch
das Einfließen der alkalischen Säfte des Pankreas und der Leber
beruht, vermag Verf. nicht zu teilen. Denn seiner Meinung nach
findet man einige Zeit nach der Operation nur ausnahmsweise im
Magen Galle, während sie allerdings in den ersten Tagen wegen der
Verschwellung der Wundränder Gelegenheit hat, länger im Magen
zu verweilen.
Wenn jahrelange Unterernährung und hochgradige sekundäre
Neurasthenie vorhanden sind, kann der Erfolg der Operation begreif-
licherweise nicht vollkommen sein. Auch nach der Operation ist sorg-
fältige Lebensweise und Diät unerläßlich, eine Regel, gegen die nur
zu oft verstoßen wird. Auf diese Weise sind Mißerfolge nach der
Gastroenterostomie oft zu erklären. Weber (Dresden).
19) H. Braun. ZEntzündliche Geschwülste am Darm.
B. machte in dieser Mitteilung unter Hinweis auf einen vor
8 Jahren auf dem ÜÖhirurgenkongreß gehaltenen Vortrag über ent-
zündliche Geschwülste des Netzes auf das Vorkommen analoger Pro-
zesse in der Nähe des Kolon aufmerksam. Diese Geschwülste hängen
so innig mit der Darmwand zusammen, daß sie bei unserer jetzigen
geringen Kenntnis dieser entzündlichen Veränderungen für Karzinome
gehalten und meist auch als solche exstirpiert werden. Um so leichter
ist diese Verwechslung möglich, da diese Pseudotumoren meist mehr
oder weniger schnell wachsen, ohne Fieber verlaufen, Stenosenerschei-
nungen des Darmes veranlassen und zur Kachexie führen können. B.
teilt die Krankengeschichte eines derart verlaufenen und von ihm be-
handelten Falles von Tumor des Colon descendens bei einer 64 Jahre
alten Frau mit; erst die mikroskopische Untersuchung ergab die Dia-
gnose. Gewiß können aber diese Tumoren auch wieder verschwinden.
So war B. ein älterer Herr mit Karzinom des Colon ascendens zuge-
1 Dieser Selbstbericht über einen auf dem letzten Deutschen Chirurgenkongreß
gehaltenen Vortrag hat zufällig keine Aufnahme in dem allgemeinen Kongreß-
bericht (cf. Beilage zu Nr. 35 dieser Zeitschrift) gefunden. Auf ihn bezieht sich
die Diskussion auf p. 136, vor der er hätte stehen sollen. Red.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1501
schickt worden, der in der rechten Seite des Leibes einen faustgroßen,
harten, höckerigen Tumor hatte. Die in Aussicht genommene Ope-
ration wurde von dem Kranken aber entschieden verweigert, und bei
einer 9 Jahre später vorgenommenen Untersuchung war nichts mehr
von dem früher vorhandenen Tumor nachweisbar. Diese entzündlichen
Geschwülste sind es, die vom Arzt für Karzinom erklärt und durch
Kurpfuscher oder Geheimmittel geheilt werden können. Zur Heilung
dieser Geschwülste ist wohl nur ausnahmsweise die Darmresektion
notwendig, sondern es wird genügen, wenn die Diagnose während der
Operation gestellt wird, die Geschwulstmassen bis in die Nähe der
Darmwand abzutragen, oder Exzisionen aus ihr zu machen, oder die
Ennteroanastomose auszuführen. (Selbstbericht.)
20) R. Lesk. Über Gallensteinileus.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIV. p. 47.)
Die aus der Prof. Schnitzler unterstellten chirurgischen Abtei-
lung des k. k. Krankenhauses Wieden in Wien hervorgegangene Ar-
beit berichtet über die einschlägigen Operationen Schnitzler’s,
nämlich sechs klinische Fälle, wovon die Hälfte genasen, und fünf
anderweitig behandelte, welche sämtlich starben. Aus der Literatur
(45 Nummern zählendes Verzeichnis derselben zum Schluß der Arbeit)
hat sodann L. alle sonst publizierten Fälle gesammelt und in einer
Tabelle zusammengestellt, um auf Grund der Ergebnisse dieses Ma-
teriales eine Allgemeinbesprechung des Gallensteinileus zu liefern.
Die Krankheit befällt vorzugsweise Frauen in vorgerückten Jahren.
Die zur Darmpassagestörung führenden Steine scheinen meist nicht
durch die natürlichen Wege, sondern durch pathologische Kommuni-
kationen zwischen Gallenblase und Darm in letzteren zu gelangen, ein
Vorgang, der fast symptomlos zu erfolgen pflegt. Anamnestisch fin-
den sich aber meist sonstige Hinweise auf Bestehen von Cholelithiasis,
sowie Angaben über frühere Anfälle von Darmkolik. Das Leiden
beginnt meist mit einem plötzlichen Leibschmerz, der aber nicht so
stark zu sein pflegt wie der Initialschmerz bei einem Strangulations-
ileus. Weiterhin ist ein gewisser Wechsel der Kolik und Ileussym-
ptome bzw. von deren Heftigkeit charakteristisch, den L. also erklärt.
Der Gallenstein wirkt passageerschwerend auf den Darminhalt, der
durch ihn gestaut wird. Folge davon ist vermehrte Peristaltik, durch
die der Stein auch ein Stück weit darmabwärts gefördert ` und der
Darminhalt ebenfalls bewegt wird. Unter Erleichterungsgefühl und
Nachlaß der Darmkrämpfe bleibt aber jetzt der Stein liegen und be-
wirkt neuerdings Stauung, desgleichen aber auch neue Darmkrämpfe,
Erbrechen usw. Das Spiel wiederholt sich, bis eine Erschöpfung bzw.
Lähmung der motorischen Darmkräfte eintritt. Sitz des Ileus bewir-
kenden Steines ist in der Hälfte der Fälle das untere Ileum; die
Größe des Steines beträgt meist 2—4 cm. Die Dauer der Ileussym-
ptome betrug durchschnittlich 2—6 Tage, die Prognose für die Ope-
1502 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50.
ration ist nur in den ersten 4 Tagen günstig. Im ganzen wurden
von 92 verzeichneten operierten Fällen 42 geheilt, 50 endeten tödlich.
Bei kleinen Steinen empfiehlt sich die Enterotomie mit Längsschnitt
und querer Naht (Körte), bei größeren Längsschnitt und Längsnaht.
Eine Revision der Gallenwege wegen akut entzündlicher Erscheinungen
kommt bei der Operation nicht in Betracht, dagegen kann, wenn man
einen fazettierten Stein gefunden hat, eine Revision der Gallenblase
und der geblähten Darmschlingen erforderlich sein; ebenso kommen
bei Ulzeration und Perforation am Darm Resektionen, Darmanasto-
mosierungen in Frage, die aber sehr schlechte Prognose haben. Da
die sichere Diagnose des Gallensteinileus selten möglich ist (eine Ge-
schwulst ist bei ihm der Regel nach nicht fühlbar) und Operationen
an den Gallenwegen selten in Erwägung zu ziehen sind, ist als
Schnittführung die in der Mittellinie zwischen Nabel und Symphyse
zumeist zu empfehlen. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
21) Hanes. A new position for the diagnosis and treatment
of diseases of the rectum and sigmoid flexure.
(Journ. amer. med. assoc. 1908. Oktober 3.)
H. nennt die Lage die »übertriebene Knie-Ellbogenlage«. Der
Kranke liegt mit den Beinen bis zur Leistenbeuge auf einem Opera-
tionstisch, der Rumpf hängt senkrecht herunter, und der Oberkörper
stützt sich mit den Schultern auf zwei Stühle, zwischen denen der
Kopf frei herabhängt; oder der Kopf ruht auf dem Fußboden auf
den beiden Vorderarmen, die auf untergeschobene Kissen sich stützen.
Es ist einleuchtend, daß durch diese Lage der gesamte Bauchinhalt
gegen das Zwerchfell rückt und so der unterste Abschnitt des Darmes
gerade gestreckt wird. Gleichzeitig strömt, oft unter hörbarem Ge-
räusch, wenn man den Mastdarmspiegel einschiebt, Luft in den Darm
und bringt ihn zur völligen Entfaltung, so daß die Schleimhaut weit-
hin zu übersehen ist. Das Rektoskop läßt sich leichter und schonen-
der einführen als bei allen anderen Arten von Lagerung. Eingießun-
gen sind in erstaunlichen Mengen möglich, ebenso natürlich lokale
Behandlung, wenn man Spiegel von genügender Weite anwendet. Die
Lage soll bis zu 20 Minuten ertragen werden.
Das Verfahren scheint der Nachprüfung wert.
Trapp (Bückeburg).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1503
Kleinere Mitteilungen.
Aus dem Elisabeth-Krankenhaus in Kassel.
Die Abstufung der Resorbierbarkeit ein Wesentliches
in der Catgutfrage.
Von
Dr. Fr. Kuhn.
achdem die »Keimfreiheit« des Catgut, auf Grund dessen, was ich in der letzten
Zeit an verschiedenen Orten mitgeteilt habe, erledigt sein dürfte, und wir in mei-
nem Sterilcatgut, welches »händefrei«e und >kontaktfrei« hergestellt, und >»vor dem
Drehen und während desselben zuverlässig desinfiziert (die Desinfektionskörper
seien noch dahingestellt, Sublimat, Jod, Argentum usw.) wird«, ein im vollsten
Sinne des Wortes »keimfreies« Präparat haben, benötigt es, eine andere große
Seite der Catgutfrage zu besprechen, eine klinische Seite, die meines Erachtens
mindestens nicht weniger wichtig ist als die Sterilität, nämlich
„die Resorption des Catgut‘.
Um uns nach dieser Richtung leichter zu verstehen, bitte ich mit mir mehrere
Catgutfäden verschiedener Zubereitung zur Hand zu nehmen, etwa
1) ein Sublimatcatgut oder Cumolcatgut (Krönig),
2) ein Claudius’sches Jodcatgut,
3) mein Sterilcatgut.
Von jedem dieser Fäden wollen wir probeweise einige Stücke in der Haut
eines Operierten vernähen. Bei der Verfolgung der Vorgänge während der nächsten
Tage muß uns zunächst die verschiedene Dauer der Resorption auffallen: Der
Faden gewöhnlicher Zubereitung braucht 8—10 Tage bis er aufgelöst worden ist
bzw. abfällt, der Claudius’sche 15—20 Tage, mein Sterilcatgut 25—40 Tage.
Ganz entsprechend dieser mehr oder minder raschen Resorption geht die Se-
kretion im Stichkanal und die, wenn man es so nennen will, Eiterbildung parallel.
Der weich gewordene Catgutfaden ist von eitrigem Sekret belegt, das sich auch
auf Druck aus dem Kanal entleert; der ganz ungequollene, unveränderte Jod-
sterilcatgutfaden dagegen ist ganz trocken geblieben upd reiner wie ein Seiden-
faden.
In diesen Unterschieden nun bezüglich Resorption und Sekretion liegt der
Fingerzeig, wie wir Catgut anzuwenden haben. Nicht ob Catgut oder ob Seide
ist die Frage. Bei der Wahl des Nahtmaterials gilt es vielmehr zu entscheiden,
nicht ob wir Catgut anwenden sollen, sondern welches Catgut, d. h. Catgut
welcher Zubereitung.
Ich selbst war stets und zu frühestens mit ein überzeugter Anhänger der
Seide; ich nähte viele Jahre alles, selbst gynäkologische Sachen, nur mit Seide.
Seitdem ich aber die Catgutfrage näher studiert und die Bedeutung der Unter-
schiedlichkeit der Resorption kennen gelernt habe und auch die Wege, eine solche
zu erzielen, seit dieser Zeit weiß ich, daß man auch mit denselben Resultaten alles
mit Catgut nähen kann. Dabei bleibt der Vorteil, daß der Faden früher ver-
schwindet.
Worin besteht nun das Geheimnis bei der Verwendung von Catgut
und worin der Kunstgriff seiner richtigen Verwendung?
Er beruht auf folgenden Tatsachen:
1) Behandelt man einen Rohdarm vom Hammel vor dem Drehen (wie für mein
Sterilcatgut) mit Jodlösungen und dreht ihn in diesem Zustande zu Catgut, so er-
hält man ein ganz besonderes, durch und durch gegerbtes, höchst widerstands-
1504 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50.
fähiges Material, das, ähnlich wie Leder, höchst schwer auflösbar und resor-
bierbar ist.
Ein solcher Faden bleibt in einer Wunde lange Zeit, eine Reihe von Wochen,
fast unverändert; er liegt darin wie ein solider Faden von Gummi oder Metall.
Dementsprechend ist er ganz passiv und greift nicht in die naturgemäßen Hei-
lungsvorgänge in der Wunde rings um ihn ein. Er reizt durch nichts, macht
keinerlei Sekretion, provoziert keine Leukocyten, stellt keine Anforderungen hin-
sichtlich Resorption; er quillt nicht und zerfällt nicht in Einzeldrähte.
Erst nach Wochen wird er langsam durchscheinender und nimmt ab, dies
aber ohne Lockerung, von der Peripherie aus, durch Auflösung nach Art eines
Zuckerbonbons im Munde.
Alle diese Einzelheiten, mit Ausnahme der letzteren, rücken den Faden dem
Silberdrahte näher, dessen gutes Einheilen in Wunden bekannt ist.
2) Ahnlich steht es um den Claudius’schen Catgutfaden; behandelt man
einen Rohcatgutfaden nach Claudius mit Jod, so entsteht um den Faden gleich-
sam eine Rinde, sichtlich ungefähr in der Art, wie es soeben vom Sterilcatgut
geschildert wurde. Dementsprechend zeigt der Faden wenigstens im Beginne ver-
langsamte Resorption. Diese setzt dann mit einem Mal ein und vollzieht sich
rasch weiter, wie beim gewöhnlichen Catgut.
3) Den soeben in 1) und 2) geschilderten Verhältnissen entgegen zeigt ein
Catgutfaden gewöhnlicher Präparation (Cumolcatgut, Saul’sches Catgut usw.) eine
rasche Quellung, Lockerung und Erweichung. Der Faden zerfällt in Lamellen,
entsprechend seiner Entstehung. Diese werden einzeln angefressen. So entsteht
alsbald ein weiches Gebilde, um dieses eine lebhafte Sekretion.
Vergleicht man nun die Vorgänge in und an einer Wunde nach einer
frischen Naht, so ist folgender Unterschied in die Augen springend:
Der langsam resorbierbare Faden ist, wie ein Seiden- oder Drahtfaden,
ganz passiv, chemisch inaktiv, reizlos; er ist glasartig massiv, nicht imbibierbar,
ohne Kranz von Leukocyten; dagegen verwandelt sich der rasch zerfallende
und rasch lösbare Faden alsbald in einen Klumpen weichen Breies artfremder
Bestandteile von ziemlicher Masse (z. B. Catgut Nr. 4 hat den Querschnitt der
Pellen von zwei Frankfurter Würstchen), die chemisch höchst aktiv auftreten,
resorptionsbedürftig sind, Leukocyten anlocken und andere Reaktionen anslösen.
Die Schlußfolgerungen aus dem Gesagten ergeben sich von selbst:
Es ist leicht zu begreifen, daß im Innern einer sich gerade eben zur Heilung
anschickenden Wunde, also z. B. bei versenkten Nähten, Bruchoperationen usw.,
nichts riskanter ist, als eine derartige Häufung artfremden, toten Tiermaterials.
In einer solchen Wunde, namentlich zu Beginn der Heilung, muß dieses Material
höchst störend wirken. Wie anders, wenn der Faden wenigstens die erste Zeit
sich ganz passiv verhält, chemisch ganz inaktiv, ganz indifferent!
Andererseits begreift es sich, daß bei oberflächlicher Verwendung, bei ganz
flachen Hautnähten, namentlich solchen, die von selbst abfallen sollen, ein leicht
löslicher Faden schon eher angezeigt ist, und daß hier seine störende Wirkung
event. viel weniger zur Geltung kommt.
Wir sehen also, welchen Unterschied wir mit unserem Catgut machen müssen:
Wir müssen es mit Rücksicht auf seine Resorbierbarkeit verwenden, und
e nachdem diese rascher oder weniger rasch vor sich geht.
Für tiefere Nähte und für Unterbindungen muß absolut an einem Catgut
in der Art meines Sterilcatgut, das mit Jod präpariert und schwer löslich
ist, festgehalten werden, und ihm für alle tieferen Zwecke, Bauchdecken-,
Bruchoperationen usw., der Vorzug gegeben werden.
Für oberflächlichere Zwecke kann eher einmal eins, das den seitherigen Arten
ähnelt, Verwendung finden. Ich habe für diesen Fall neben dem Sterilcatgut noch
ein solches mit der Beibezeichnung leicht löslich, das mittels Sublimat, im
übrigen aber wie das andere hergestellt wird, in Anregung gebracht.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1505
22) Stone. Desmoid tumors of the abdominal wall.
(Annals of surgery 1908. August.)
Zu der Pfeiffer’schen Statistik von 400 Fällen der Desmoide der Bauch-
decken (Beiträge zur klin. Chirurgie 1904), die bis zum Jahre 1904 reicht, hat 8.
bis heute noch 10 Fälle aus der Literatur gesammelt, die kurz näher beschrieben
werden. Es wird dann die pathologische Anatomie dieser aus den Aponeurosen
und Muskelscheiden der Bauchwand hervorgehenden Geschwülste besprochen. Mikro-
skopisch bestehen sie aus zellarmem Bindegewebe, das zuweilen sarkomatös oder
myxomatös entartet. Sie kommen meistens beim weiblichen Geschlecht und vor-
wiegend bei Frauen vor, die geboren haben. Ihr Sitz ist gewöhnlich der rechte
untere Quadrant des Bauches; sie gehen in erster Linie vom Rectus aus, dann
folgen der Häufigkeit nach Obliquus externus, Fascia transversalis und Linea alba.
Die Atiologie ist dunkel. Klinische Symptome machen die Geschwülste besonders
dann, wenn sie nach innen, nach der Bauchhöhle zu, wachsen, wobei sie dann leicht
mit Leber-, Netzgeschwülsten usw. verwechselt werden können. Die benachbarten
Lymphdrüsen schwellen erst dann an, wenn die Geschwulst bösartig geworden ist.
Wegen der Neigung zu solcher Verwandlung soll möglichst früh operiert werden.
Die Sterblichkeit beträgt, wenn die Bauchhöhle eröffnet wurde, 3,5%, ohne Er-
öffnung derselben 1,05%. Rezidive traten ein bei Männern in 68,1%, bei Frauen
in 90%. Die endgültige Heilung erfolgte nach wiederholter Operation bei Männern
in 50%, bei Frauen in 21,2%. Herhold (Brandenburg).
23) P. Schroeter. Ein kasuistischer Beitrag zu den Schußverletzungen
des Magen-Darmtraktus und den Perforationen chronischer Magen-
geschwüre.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIV. p. 179.)
S. berichtet folgende, von ihm im Krankenhause zu Pabianice (Russisch-Polen)
mit bestem Erfolg operativ versorgte Fälle: 1) 25jähriger Arbeiter, der einen Schuß
mit Eingang am linken Steißbeinrand erhalten hat. 15 Stunden später wegen
Zeichen beginnender Peritonitis Laparotomie. Es finden sich drei Darmschuß-
löcher, eins im Querkolon, zwei im S romanum. Darmnähte, Mikuliczdrainage des
kleinen Beckens, Heilung. 2) 39jähriger Fabrikarbeiter, wegen Magengeschwür
im Krankenhause befindlich, wo er plötzlich von Perforationssymptomen befallen
wird. 5 Stunden später Laparotomie. Nachweis des Magenperforationsloches, für
einen Finger durchlässig, an der Vorderwand nahe der kleinen Kurvatur bei der
Cardia. Da Naht unmöglich, einfache Gazetamponade, Reinigung der infizierten
und mit Mageninhalt verunreinigten Bauchhöhle mit trockenen und feuchten
Tupfern. Die ersten 9 Tage ausschließliche Klysmenernährung, übrigens glatter
Heilungsverlauf. 3} 44jähriger Arbeiter mit Schußwunde in der Magengegend,
3 km per Achse ins Spital gebracht. Laparotomie 8 Stunden nach der Verletzung.
Ein Schußloch in der Magenvorderwand, nahe der oberen Kurvatur, 8mm im
Durchmesser haltend; Naht desselben. Anlegung eines Fensters im Lig. gastro-
colicum, durch welches die Magenhinterwand eventriert wird. Sie zeigt eine 5b mm
breite Durchlöcherung, die auch vernäht wird. Bauchhöhlenreinigung mit Koch-
salzsepülung, Gazedrains im oberen Bauchteile. Leichte Störung des Heilungs-
verlaufes durch linksseitiges seröses, eine Punktion erforderlich machendes Pleura-
exsudat. Das Geschoß wurde am Rücken links hinten unten zwischen 11. und
12. Rippe exzidiert.
Den Krankengeschichten folgt ziemlich ausführliche epikritische Allgemein-
besprechung mit Anziehung neuerer einschlägiger, besonders kasuistischer Literatur.
Meinhardt Schmidt (Cuxhaven).
24) Knowling. Penetrating wound of abdomen, fracture of sacrum;
abscess; recovery.
(Brit. med. journ. 1908. Juli 26.)
Radfahrer erleidet beim Zusammenprallen mit einem Wagen einen heftigen
Deichselstoß in die rechte Leistengegend und einen starken Bluterguß über dem
1506 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50.
linken Gesäß durch den Sturz. Die vorgefallenen Därme werden zurückgebracht,
die Wunde wird genäht. Nach Überwindung eines schweren Anfalles von Darm-
parese mit Koterbrechen entwickelt sich aus dem Bluterguß am Gesäß eine Phleg-
mone mit Emphysem, deren Eröffnung ein Stück Zeug von 8:7 cm Länge aus
der Tiefe der Wunde zutage fördert. Für kurze Zeit entleert die Wunde viel
Darminbhalt neben dem freiliegenden, gebrochenen Kreuzbein. Volle Genesung in
3 Monaten. Der Fall ist bemerkenswert durch die seltene und erfolgreiche Wan-
derung des Zeugstückes von der rechten Leistengegend durch die Bauchhöhle hin-
durch nach hinten in den großen Bluterguß links vom gebrochenen Kreuzbein.
Weber (Dresden).
25) Reinecke. Isolierte, quere Mesenterialabreißung bei Kontusion
des Abdomens. (Aus dem allg. Krankenhause St. Georg in Hamburg.)
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 36.)
Einem 41jährigen Kutscher war, nachdem er von seinem Wagen gefallen und
glatt auf den Boden zu liegen gekommen, ein ca. 10 Zentner schwerer Ballen gegen
das Becken gestürzt; es traten sofort die Erscheinungen einer schweren intra-
abdominellen Verletzung und Blutung bei linksseitigem Beckenbruch auf. 9 Stunden
später Laparotomie, bei der sich eine beginnende Gangrän des Ileum, hervor-
gerufen durch eine ziemlich ausgedehnte, durch Zugwirkung entstandene Abreißung
des Mesenterium vom Darm ohne Verletzung des letzteren selbst fand. Resektion
von 54 cm Darm, Einstülpung des kleinen nachbleibenden Ileumstumpfes am
Blinddarm in diesen und Naht, Einpflanzung des Dünndarms in den aufsteigenden
Dickdarm oberhalb der Bauhin’schen Klappe; Naht des Mesenterium. — Heilung
ohne motorische Darmstörungen; normale Stuhlentleerungen und völlige Erholung
des Pat. zu früherer Arbeitsfähigkeit. Kramer (Glogau).
26) F. Kempf. Über den Mechanismus der Darmberstung unter der
Wirkung der Bauchpresse.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIII. p. 524.)
K. beschreibt einen einschlägigen, im Braunschweiger Krankenhause (Prof.
Sprengel) beobachteten Fall und erläutert unter Beigabe gut verständlicher
schematischer Abbildungen das mechanische Zustandekommen der hier eingetre-
tenen Darmberstung. Ein Ödöjähriger Maurer, behaftet mit einem rechtsseitigen,
stets mit Bruchband zurückgehaltenen Leistenbruch, hebt sehr schwere Zementsäcke,
wobei er durch Anheben der Last mit dem rechten Knie nachhilft. Effekt: hef-
tiger Schmerz am Bruche, dann starke Bauchbeschwerden; 61/, Stunden später
Laparotomie, bei der 70 cm oberhalb der Bauhin’schen Klappe am konvexen Dünn-
darmrand eine linsengroße Perforation mit Schleimhautausstülpung, sowie Peri-
tonitis gefunden wurde. Tod trotz Darmnaht und Bauchhöhlenreinigung usw.
Der bei der Operation nur von Exsudat gefüllte Bruchsack war zwerchsackförmig,
indem er aus einem oberen, walnußgroßen und einem ungleich kleineren zylin-
drischen, unteren Fache bestand, die beide nur durch eine für eine dicke Sonde
durchgängige Offnung miteinander kommunizierten. Die Abbildungen zeigen, wie
man sich etwa die Eindrängung des Darmes in den Bruchsack bis zum Platzen
vorstellen kann. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
27) Hamman. The statistics of tuberculous peritonitis from the
clinical records of the Johns Hopkins hospital.
(Bull. of the Johns Hopkins hospital 1908. September.)
H. berichtet über 150 Fälle von Peritonitis tuberculosa aus den ersten
15 Jahren des Bestehens des Hospitals.
Diese verteilen sich auf folgende Altersklassen: 7 von 1 bis 10 Jahren; 35 von
10 bis 20 Jahren; 54 von 20 bis 30 Jahren; 28 von 30 bis 40 Jahren; 11 von
40 bis 50 Jahren; 5 von 50 bis 60 Jahren; 4 von 60 bis 70 Jahren; je 3 von
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1507
70 bis 80 und von 80 bis 90 Jahren. Es sind also relativ wenig Kinder darunter.
Über 1/3 der Fälle betrifft das 3. Lebensjahrzehnt.
Neger werden weit häufiger befallen als Weise; obwohl viel mehr Weise das
Hospital aufsuchen als Schwarze, befanden sich unter den 147 Kranken, deren
Hautfarbe vermerkt ist, 77 Neger und nur 70 Weise.
69 Männer und 81 Frauen setzen die Gesamtziffer zusammen.
Das erste Symptom war bei 41% aller Pat. der Leibschmerz, in 15% der
Fälle Anschwellung des Leibes, in 18:5 der Fälle allgemeine Gesundheitsstörungen,
nur in 2 Fällen das Bemerken einer Geschwulst, in 7 Fällen dysmenorrhoische
Beschwerden.
4 Pat. kamen mit appendicitischen, 2 mit cholecystitischen Beschwerden, 6 mit
Darmverschluß ins Hospital.
Zur Zeit der Aufnahme, hatten 104 Pat. über Leibschmerzen zu klagen,
42 über Erbrechen, 51 über Übelsein, 48 hatten Verstopfung, 33 Durchfall, 4 ab-
wechselnd das eine und das andere. 6 hatten Blut im Stuhl, in einem Falle
gelang der Tuberkelbazillennachweis im Kot. 47 litten an Husten.
Bei 62 Pat. ließ sich Flüssigkeit in der Bauchhöhle nachweisen. In 56 Fällen,
bei denen man gelegentlich der Operation oder Autopsie die Menge derselben
messen konnte, betrug sie 27mal über 4 Liter, 15mal 1 bis 4 Liter, 14mal weniger
als 1 Liter. 5ömal ließen sich Geschwulstmassen im Leibe konstatieren; 43mal
konnte man über die Natur derselben durch Autopsie am Lebenden bzw. am
Toten Aufschluß gewinnen; 8mal handelte es sich um verklebte Darmschlingen,
9mal um aufgerolltes Netz, 6mal um abgesackte Flüssigkeit, je Imal um ver-
größerte Milz bzw. Leber, 18mal um veränderte Beckenorgane.
103 Pat. wurden operiert bzw. obduziert. Davon fand sich die ascitische
Form in 35 Fällen, die fibröse in 63 und die eitrige in 5 Fällen.
Die Zählung der Leukocyten ergab in 70% weniger als 10000, in 83% weniger
als 15000; die 11 Fälle mit höheren Ziffern betrafen stets Pat. mit schweren
Komplikationen. Nur in einem einzigen Falle konnte man die tuberkulöse Peri-
tonitis als primär ansehen. Selten nur war diese eine seröse Membran allein
erkrankt.
Ein Fall bietet besonderes Interesse: ein Negerknabe wurde 6mal ins Hospital
aufgenommen, zuerst wegen tuberkulöser Peritonitis, dann wegen Pleuritis, dann
wegen Perikarditis. Die Obduktion zeigte eine alte fibröse Peritonitis, Pleuritis
und Perikarditis; aber der einzige Herd im ganzen Körper war ein kleiner ver-
kalkter Knoten in einer Lunge. Solche Fälle werden wohl hier und da als mul-
tiple Serositis bezeichnet, wohl auch einmal als »Zuckergußleber« oder als »peri-
karditische Pseudocirrhose«.
Die Prognose ist nicht gut. Geheilt wurden entlassen 16, gebessert 71, un-
gebessert 15, 48 starben; also 32% unmittelbare Sterblichkeit. Die Fälle der
gynäkologischen Abteilung gaben die günstigste Ziffer, 10% Mortalität.
Über 43 der Entlassenen, die operiert worden waren, konnte Nachricht er-
halten werden. 14 waren gestorben in den ersten 4 Jahren nach der Entlassung;
7 lebten noch, aber leidend, zum Teil noch über 10 Jahre; 22 lebten noch in
voller Gesundheit, darunter 2 nach mehr als 10 Jahren, weitere 5 nach mehr als
5 Jahren.
Leider ist über den Heilerfolg des operativen Eingriffs sowie über die Pro-
gnose mit Bezug auf die vorliegende Form der Erkrankung, ob serös, fibrös oder
eitrig, nichts bemerkt. W. v. Brunn (Rostock).
28) Allessandri. Pseudotuberculosi peritoneale nell’ uomo de residui
vegetali.
(Policlinico. Sez. chir. 1908. XV, 8.)
Verf. berichtet kurz über die bazillären und nicht bazillären Momente, die zu
tuberkelartigen Gebilden führen können, und schildert dann ausführlich einen selbst-
beobachteten Fall, bei dem es durch Aussaat vegetabilischer Substanzen zu einer
miliaren Pseudotuberkulose des Bauchfells gekommen war. Es handelte sich um
1508 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50.
eine 26jährige Frau, die bereits vor 17 Jahren an Magenleiden behandelt wurde
und nun wiederum die Erscheinungen eines Magengeschwüres bot. Nach 4 Wochen
klinischer Beobachtung und Behandlung waren die Symptome der akuten Erkran-
kung behoben; es bestanden aber noch Störungen, die auf Verwachsungen zwischen
Dickdarm und Magen hinwiesen und einen operativen Eingriff nötig machten.
Bei der Laparotomie fanden sich eine Reihe von Verwachsungen zwischen Magen,
Netz, Milz und Dickdarm, die ohne Schwierigkeit gelöst werden konnten. Dann
aber sah man auf der Oberfläche der genannten Organe eine Reihe von steck-
nadelkopf- bis linsengroßen Knötchen, die als Miliartuberkulose — von einem
tuberkulösen Magengeschwür ausgehend — betrachtet wurden. Die mikroskopische
Untersuchung ließ jedoch die Struktur des Tuberkels nicht erkennen. Es fanden
sich lediglich unregelmäßige Riesenzellen, die eigenartige Gebilde umschlossen.
Die Deutung dieser gelang erst durch den positiven Ausfall der Stärkereaktion.
Es handelte sich demnach um vegetabilische Substanzen, wahrscheinlich Legumi-
nosenzellen, die durch ein perforiertes Magengeschwür auf die Bauchfellserosa ge-
langt waren und hier zu Pseudotuberkulose führten. we
Verf. betont die diagnostische und therapeutische Bedeutung des Falles, zu
dem er lediglich vier Analoga aus der Literatur finden konnte.
Drei Abbildungen und ausführliche Literaturangaben ergänzen die Arbeit.
Strauss (Nürnberg).
29) Porter. Chronic peritonitis with complete obstruction.
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. August 29.)
Der Kranke war 35 Jahre alt, früher starker Trinker, seit Jahren abstinent,
Seit Dezember 1906 hatte er mehrere Anfälle von Erbrechen mit Leibschmerzen
und Verstopfung, die stets schnell vorübergingen. Bei der Aufnahme bestand
anhaltendes Gallenerbrechen, Gasauftreibung und Stuhlverstopfung. Der Befund
sprach für Peritonitis. Der Urin war sehr spärlich und hochgestellt, der Darm
für Inhalt durchgängig (Holzkohlenprobe). Auf Tuberkulin reagie:te er nicht.
Im Erbrochenen fanden sich Bakterien, die in ihren Eigenschaften cem Typhus-
bazillus glichen, Agglutinationsprobe positiv. — Bei der Operation fand man bei
ausgedehnter peritonitischer Verwachsung einander berührender Darmschlingen nur
wenige nach der Bauchwand ziehende Stränge; der Dünndarm war augenfällig
verkürzt, in seinem Durchmesser verdickt und fühlte sich an wie mit Regen-
würmern gefüllt. Nach Einschneiden sah man, daß der ganze Darm von zusammen-
stoßenden, anscheinend stark hypertrophischen Schleimhautfalten derart angefüllt war,
daß keine Sonde zwischen diese eingeführt werden konnte. Bei den über den
ganzen Dünndarm verbreiteten Veränderungen war keinerlei Eingriff möglich,
daher Schluß der Darm- und Bauchwunde. 72 Stunden später Tod unter Erschei-
nungen des Darmverschlusses und völliger Anurie.
Die Sektion ergab etwa folgendes: Der ganze Darm mit Ausnabme des Mast-
darmes war mit hellgrauen, gleichmäßig verbreiteten, etwa 1,5mm starken Schwielen
ringsum bedeckt. Diese hatten durch ihre Zusammenziehung den Darm bedeutend
verkürzt, dadurch die Schleimhautfalten eng aneinander gerückt, so daß sie dicht
aufeinander stießen und die Lichtung des Darmes völlig ausfüllten. Schnitt man
in gewisser Entfernung ringförmig die Schwarten durch, so konnte man das Darm-
rohr zu seiner natürlichen Länge ausziehen, wobei die Schleimhaut ihr regelrechtes
Aussehen annahm. P. erklärt das Verhalten des Darmes und die Störungen aus
diesem rein mechanischen Vorgange. Warum die Schwartenbildung fast ausschließ-
lich das Darmrohr betraf und gerade die Zusammenziebung in der Längsrichtung
bewirkte, konnte ebensowenig einwandsfrei festgestellt werden, wie die Ursache
für die Entstehung der chronischen Peritonitis überhaupt. Irgendein dem be-
schriebenen auch nur entfernt ähnlicher Fall war in der Literatur nicht aufzu-
finden. Trapp (Bückeburg).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1509
30) Blake. The use of sterile oil to prevent intraperitoneal adhesions.
(A clinical and experimental study.)
(Surgery, gynecology and obstetrics Bd. VI. Hft. 6.)
Von der theoretischen Erwägung ausgehend, daß das Öl in dünner Schicht
das ganze Bauchfell überzieht, wenn man es in die Bauchhöhle bringt und dadurch
die Peritonealflächen voneinander trennt, stellte B. zunächst Versuche an Katzen
an, wie größere Mengen von Ol in der Bauchhöble vertragen werden. ` Er fand,
daß bei der Katze 7,5 g steriles Olivenöl ohne irgendwelche Erscheinungen ver-
tragen wurde. Setzte man künstliche Peritonealreize (Abschaben), so bildeten sich
bei den nicht mit Öl behandelten Versuchstieren stets Verwachsungen, bei Öl-
anwendung blieben sie ganz aus oder waren doch sehr viel spärlicher. Bei sieben
Kranken, bei denen sich Bildung von Verwachsungen erwarten ließ, wurden 4 bis
11 g steriles Öl in die Bauchhöhle gebracht. Nur einmal wurde eine Schädigung
des Kranken beobachtet, wahrscheinlich durch ungenügend sterilisiertes Öl. Eine
Kontrolle der Wirkung beim Menschen hat nicht stattgefunden. Das Öl muß
mindestens 1 Stunde gekocht werden, um sicher keimfrei zu sein.
Trapp (Bückeburg).
31) Buhlig. So called phlebitis of the left leg following a case of
appendicitis, not operated upon.
(Surgery, gynecology and obstetrics Bd. VII. Hft. 1.)
Die erwähnte Komplikation ist bei abwartend behandelter Appendicitis sehr
selten: bisher ist nur ein Fall in der Literatur beschrieben.
Der akute Anfall bei dem 26jährigen Manne wurde abwartend, nur mit Bett-
ruhe und teelöffelweiser Darreichung von Wasser behandelt. Im Anfange wurde
ein Einlauf, nach Fieberabfall Rizinus gegeben. Am 10. Tage trat zuerst Schmera
im Rücken auf unter Temperaturanstieg, am nächsten Tage schwoll der Ober-
schenkel unterhalb der Leiste an, und in den nächsten Tagen verbreitete sich die
Schwellung, die schließlich die Kniekehle erreichte, durchscheinend, aber nicht
richtig Ödematös war. Als Pat. aufstand, trat starke Anschwellung der Venen
bis zum unteren Drittel des Oberschenkels ein. — Verf. knüpft an diesen Fall
theoretische Erwägungen über die Entstehung dieses Zustandes, den er mit der
Phlegmasia alba dolens vergleicht. Er hält ihn für eine auf dem Wege der
Lymphbahnen entstandene Infektion. Daß solche Zustände häufiger nach Opera-
tion als nach abwartender Behandlung vorkommen, will er dadurch erklären, daß
bei der Operation Lymphbahnen eröffnet werden, und nie so aseptisch operiert
werden kann, daß nicht von den schon vorhandenen Keimen oder bei Eröffnung
des Wurmes austretenden eine Anzahl in die Lymphspalten eindringen kann.
Trapp (Bückeburg).
32) Seelig. Haematuria as a complicating factor in appendicitis.
(Annals of surgery 1%8. September.)
S. beschreibt drei Fälle, in welchen die Diagnose auf Nierensteinkolik gestellt.
war, während es sich bei der Operation erwies, daß eine Appendicitis vorlag. Im
Fall I bestanden Blutharnen und kolikartige Schmerzen rechts; das Röntgenbild
ergab ein negatives Resultat. Nach Exstirpation des entzündeten Wurmes schwan-
den alle Erscheinungen; allem Anschein nach lag eine Nephritis vor, die durch
vom Appendix ausgehende Toxine hervorgerufen war. Im Fall II wurde ebenfalls.
Hämaturie beobachtet, die Obduktion ergab, daß der Blinddarm direkt nach vorn
von der Niere und der gangränöse Wurm retrocoecal lag und mit der Niere ver-
wachsen war. Im Fall III, wo ebenfalls Blutharnen bestand, zeigte das Röntgen-
bild bei verschiedenen Aufnahmen einen Schatten im Harnleiter, 2 Zoll oberhalb
der Blasenmündungsstelle, ein Harnleiterkatheter stieß ebenfalls an dieser Stelle
auf Widerstand. Bei der Operation (Lendenschnitt) fand man, daß der einen
Kotstein enthaltende Wurm mit dem rechten Harnleiter verwachsen war und ihn.
knickte. Herhold (Brandenburg).
’
1510 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50.
33) P. Guibal. Entero-colite et appendicite.
(Bull. et mém. de la soc. d'anat. de Paris 1907. Nr. 10.)
Dieulafoi bestreitet die Möglichkeit, daß eine Kolitis gewöhnlich eine ent-
zündliche Erkrankung des Wurmfortsatzes zur Folge haben könne; Reclus da-
gegen sieht nicht ein, warum die Entzündung des Dickdarmes nicht auch auf seinen
Anhang übergehen könne und verweist auf die Erfahrungen von F. Bernard, der
unter 1000 Kolitiden 76 Appendicitiden beobachtet hat. G. teilt die Kranken-
geschichte eines Mannes mit, die diesen ätiologischen Zusammenhang beweist.
Auch für die Frage, ob eine Blinddarmentzündung eine Kolitis erzeugen könne,
bringt Verf. zwei Beiträge, welche diese im bejahenden Sinne beantworten.
Neugebauer (Mährisch-Ostrau).
34) Mandry. Bericht über ein zweites Hundert Appendicitisoperationen.
(Med. Korrespondenzblatt des württemb. ärztl. Landesvereins 1908. Oktober 17.)
Aus M.’s Zusammenfassung seiner Erfahrungen sei folgendes hervorgehoben;
Abführmittel nach dem neuesten Vorschlage von Sonnenburg sind bedenklich
und höchstens im Krankenhause, wo ständige Überwachung möglich ist, in ein-
zelnen Fällen zulässig. Die operative Behandlung der allgemeinen Bauchfell-
entzündung hat in den letzten Jahren wesentlich bessere Resultate ergeben (bis zu
80% Heilungen); die rektalen Kochsalzeinläufe sind kein Ersatz für die Operation,
nach derselben aber von guter Wirkung. An allgemeiner Bauchfellentzündung
Leidende und Operierte sind sitzend zu lagern. Die Rezidivgefahr ist nach mit
Abszeßspaltung zur Ausheilung gekommenen Blinddarmentzündungen keine große,
namentlich wenn sich gleichzeitig ein Kotstein entleert hat; die sekundäre Wurm-
exstirpation kann deshalb in diesen Fällen auf Kinder und jugendliche Personen
beschränkt werden. Mohr (Bielefeld).
35) Barkley. Some observations on acute and chronic appendicitis.
(Surgery, gynecology and obstetrics Vol. VII. Nr. 1.)
B. hat 527 Fälle operiert; von diesen waren akut 189, und bei 69 von diesen
fand sich Eiter. Alle akuten Fälle wurden beim ersten Anfall operiert, 132 vor
dem 4. Krankheitstage. Chronisch waren 338 Fälle, bei 56 fand man Eiter, bei
228 lag der Wurm in Verwachsungen eingebettet. Das Alter der Kranken schwankte
zwischen 5 und 83 Jahren, am häufigsten war die Erkrankung zwischen 15 und
45 Jahren. Männer waren häufiger als Frauen befallen (359:168\. Die Symptome
waren sehr wechselnd, besonders die Stärke des Schmerzes, die oft in keinem
Verhältnis zur Schwere der Erkrankung stand. B. beobachtete zweimal völlige
Schmerzlosigkeit bei tiefem Druck trotz Gangrän des Wurmfortsatzes. Druck-
empfindlichkeit der Lendengegend beobachtete er bei Eiterung (60%) oder schwerer
Erkrankung des Wurmes. Muskelrigidität, besonders die rechtsseitige, ist fast das
wichtigste Frühsymptom. Puls und Temperatur spielen keine so ausschlaggebende
Rolle wie die genannten Symptome. Verf. erwähnt dann Komplikationen, wie
tuberkulöse Peritonitis und Schwangerschaft. Posttyphöse Appendicitis ist nicht
so selten. B. beobachtete 6 Fälle, alle mit Eiterung. Behandlung: Die einzelnen
angewandten Verfahren der Baucheröffnung und der Versorgung des Fortsatzes
selbst sind leider nur mit den Namen der Erfinder genannt, die bei uns meist
unbekannt sind. B. bevorzugt für die Stumpfversorgung die einfache Abbindung,
Abtragung und Sterilisation des Stumpfendes. Bei der Baucheröffnung hat er
zweimal den Lendenschnitt gebraucht und bessere Drainage hierbei beobachtet.
Von Zwischenfällen nach der Operation erwähnt er Blutung aus dem Stumpf (Tod),
subphrenischer Abszeß (2 Fälle, 1 Tod), Phlebitis des rechten Beines, Eitersenkung
in den Hodensack, Abszeß in der linken Darmbeingrube, Ileus (2mal, machte
Wiederöffnung der Bauchhöhle nötig), akute gelbe Leberatrophie, Tod. Fremd-
körper fand B. nur 2mal (1 erbsengroßes Stück Lötzinn, 1 Stecknadel).
Todesfälle hatte er 18 zu verzeichnen, davon 13 bei akuten Fällen.
Trapp (Bückeburg).
x
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50, 1511
36) M. v. Brunn. Weitere Erfahrungen über die Behandlung appendi-
citischer Abszesse mit Naht.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVIII. p. 250.)
Verf., der schon früher für die Rehn'sche Methode der Behandlung appendi-
citischer Eiterungen eingetreten ist, kann jetzt an 78 operierten Fällen die Vor-
züge dieser Methode gegenüber der ofienen Behandlung (71 Fälle) überzeugend
nachweisen.
Die Methode besteht kurz in prinzipieller Entfernung des Wurms, konsequenter
Lösung aller Verwachsungen, Ausspülung der ganzen Bauchhöhle und Etagennaht
der Bauchwand bis auf eine Drainlücke. Auf eine Drainage der Abszeßhöhle
selbst wird, wenn es sich nicht um ganz starre Höhlen handelt, verzichtet und
nur in den Douglas’schen Raum eine Gummiröhre eingelegt, lediglich mit dem
Zweck, die überschüssige Spülflüssigkeit abzuleiten; es wird deshalb sobald als
möglich (am ersten Tage) entfernt. Die Mortalität betrug bei 71 offen behandelten
Abszessen 15,5%, bei 38 mit Naht behandelten 5,1%. Kottfisteln sind erheblich
seltener: 7,4% bei offen, 2,6% bei mit Naht behandelten Fällen, davon eine bei
einem mit Bauchfelltuberkulose komplizierten Falle, und die andere nur ganz
vorübergehend. Zwar kommt es in fast der Hälfte der Fälle zu Bauchdecken-
abszessen; jedoch ist der Zustand, wie er durch Eröffnung und Drainage eines
solchen oberflächlichen Abszesses geschaffen wird, der prinzipiellen Offenhaltung
der ganzen Wunde bei weitem vorzuziehen. Die Zahl der Douglasabszesse wird
bei der Methode durch die prinzipielle Ableitung alles infektiösen Materials nach
dem Douglas nicht vermehrt; bei offener Behandlung entstanden drei Douglas-
abszesse (zwei inzidiert, einer spontan perforiert), bei Nahtbehandlung ein Douglas-
abszeß (inzidiert) und zwei Douglasinfiltrate (spontan zurückgebildet).
Sonstige intra- und extraabdominale Abszesse kommen bei beiden Methoden
gleicherweise vor, meist bei veralteten Fällen. Die Operation ist um so leichter
und ungefährlicher, je früher der Abszeß operiert wird. Eine besondere Gefähr-
lichkeit des sog. Intermediärstadiums ist nach den Erfahrungen der v. Bruns-
schen Klinik nicht erweislich.
Im ganzen ist die Behandlung appendicitischer Abszesse mit Naht der offenen
Behandlung weit überlegen durch ihre Gründlichkeit und den leichten und kurzen
Heilungsverlauf. Reich (Tübingen).
37) Derlin. Rückblick auf 100 Operationen wegen Erkrankung der
Wurmfortsatzes.
(Deutsche militärärztl. Zeitschrift 1908. Hft. 15.)
Von den 100 Operationen wurden 22 im Frühstadium mit 2 Todesfällen,
19 im Intermediärstadium mit 4 und 52 im anfallsfreien Stadium ohne Todesfall
ausgeführt. Die Operation wurde immer vorgeschlagen, sobald Bauchdecken-
spannung oder beschleunigter Puls bei mehrmaligem Erbrechen auf eine Beteili-
gung des Bauchfells hinwies; in den übrigen, leichteren Fällen wurde zunächst
abgewartet, ob in den folgenden Stunden Besserung eintrat. Sobald die Zahl der
Leukocyten 25000 übertraf, wurde stets Eiter angetroffen. Von den Operierten
blieben 69 dienstfähig (ein glänzendes Resultat! Ref... Dienstbeschädigung wurde
fast immer angenommen, sobald eine Schädigung durch Erkältung, Bajonettstoß
vor den Bauch usw. als erwiesen angesehen werden konnte.
Herhold (Brandenburg).
38) Tricot. Pseudo-appendicite au cours d’un rhumatisme polyarticu-
laire aigu.
(Gaz. des höpitaux 1908. Nr. 106.)
Angeregt durch die einschlägige Mitteilung Küttner’s bringt T. folgenden
in einem Militärlazarett Algiers 1906 beobachteten Fall:
Ein 21jähriger Zuave klagte über allgemeine Abgeschlagenheit, Schmerzen
rechts im Leibe und im Epigastrium. Am 13. Tage wurden die Leibschmerzen
1512 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50.
sehr heftig; am 15. stieß Pat. laute Schreie aus, wenn sein Leib berührt wurde.
Besonders empfindlich war die Blinddarmgegend. Als Erbrechen auftrat und die
Peritonealerscheinungen sich steigerten, wurde operiert: in der Bauchhöhle etwas
klare Flüssigkeit. Das Bauchfell war lebhaft injiziert. Wurm (wird entfernt) und
Blinddarm frei! Im Bauche nichts Abnormes.
Das Befinden besserte sich etwas, aber das Fieber stieg, und nach wenigen
Tagen brach ein akuter Gelenkrheumatismus aus. Ca. 6 Wochen danach wurde
Pat. entlassen.
4 Wochen später erkrankte Pat. wieder: Zunächst traten die Leibschmerzen
auf, dann brach der polyartikuläre Rheumatismus aus. Pat., durch den ersten Fall
gewitzigt, nahm sofort Salizyl innerlich und äußerlich und genas >»rapid«.
V. E. Mertens (Kiel).
39) Letulle. Nouvelle observation de cancer primitiv de l’appendice
vermiforme du caecum.
(Bull. et mem. de la soc. d’anat. de Paris 1907. Nr. 10.)
Bei einem jungen Manne wurde anläßlich einer Blinddarmentzündung der in
einem Eitersacke schwimmende Wurmfortsatz entfernt. Eingehender histologischer
Befund, auf Grund dessen ein primärer Zylinderzellenkrebs mit kolloider Degene-
ration diagnostiziert wurde. Neugebauer (Mährisch-Östrau).
40) Coons. Primary carcinoma of the appendix.
(Surgery, gynecology and obstetrics Vol. VII. Nr. 1.)
21jähriges Mädchen, dessen Vater an Lippenkrebs gestorben war, bei dem
Schmerzen im Unterleibe bestanden, hatte eine Geschwulst in der rechten Unter-
bauchgegend, die als Pyosalpinx gedeutet wurde und sich bei Operation auch
als solche erwies. Der rechte Eierstock wies einen Abszeß auf, die Tube war mit
Eiter gefüllt und mit dem Wurm verwachsen, so daß letzterer mit entfernt wurde.
Der Wurmfortsatz war gänsekielstark, an der Spitze schien ein Konkrement zu
liegen, beim Aufschneiden aber fand sich eine Infiltration an der Wand, deren
histologische Untersuchung Krebszellen und Wucherung derselben in die Sub-
mucosa ergab. Der Wurmfortsatz war sonst gesund. Eine 3 Jahre später vor-
genommene Operation wegen Blutung durch geplatzte Tubarschwangerschaft ergab
Rückfallsfreiheit. Trapp (Bückeburg).
41) L. Laroyenne (Lyon). Hernie compliquée d'étranglement rétro-
grade de l'intestin.
(Gaz. des hôpitaux 1907. Nr. 24.)
L. beobachtete in der Abteilung von Tixier folgenden Fall:
70jähriger, kachektischer Mann, zweifaustgroßer, rechtsseitiger Leistenbruch,
seit dem Abend vorher eingeklemmt. Im Bruchsacke reichlich zitronengelbe Flüs-
sigkeit. Außerdem enthielt er den Blinddarm mit dem untersten Teile des Dünn-
darmes und eine Dünndarmschlinge, die beide frei von Ernährungsstörungen waren.
Mäßig starke Einschnürung des Bruchringes. Im Leib eine 2 m lange, vollkommen
gangränöse Verbindungsschlinge und reichlich stinkende Jauche. Von einer Darm-
resektion wurde Abstand genommen. Man beschränkte sich auf Drainage des
Leibes. Tod in der folgenden Nacht. L. glaubt, daB eine Drehung der Verbin-
dungsschlinge um ihre Achse mit Schuld an der Gangrän gewesen sei.
C. Lauenstein (Hamburg).
42) F. de Beule (Gand). La hernie étranglée »en W« avec étrangle-
ment rétrograde de l'intestin. Etude critique et expérimentale.
(Bull. de l'acad. de méd. de Belgique. Bruxelles, Hayez, 1908. Nr. 7. p. 545.)
Bemerkenswerte Arbeit, enthaltend zwei neue Beobachtungen über das Thema
der »zwei Darmschlingen im Brachsackee nebst ausführlicher kritischer Besprechung
der bisher vorliegenden Literatur und des Ergebnisses von Tierexperimenten.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1513
Erste Beobachtung: 62jähriger, elender Mann mit rechtsseitigem, kindskopf-
großem Skrotalbruch. Im Bruchsacke zwei dunkelblaue, ekchymosierte Dünn-
darmschlingen von 25 cm Länge, >ohne jede Verbindung untereinander«e. Bruch-
ring durch eine sagittal verwachsene Appendix epiploica in zwei Abteilungen
geteilt. Im Leib eine 1,50 m lange gangränöse Verbindungsschlinge. Anlegung
eines Kunstafters. Tod im Kollaps.
Zweite Beobachtung: 73jährige Frau, rechtsseitiger faustgroßer Schenkelbruch,
34 Stunden eingeklemmt; empfindliche, tief tympanitische Resistenz in der rechten
Fossa iliaca. Daraus Wahrscheinlichkeitsdiagnose gestellt auf Inkarzeration von
zwei Schlingen im Bruchsacke mit retrograder Einklemmung der Verbindungs-
schlinge im Leibe. Die Diagnose stimmte. Im Bruchsacke zwei Dünndarm-
schlingen mit vereinzelten Ekchymosen, je 20 und 8 cm lang, und eine 25 cm lange,
weinfarbene, am Mesenterium mit Ekchymosen versebene, aber lebensfähige Ver-
bindungsschlinge. Reposition. Verlauf günstig.
Wegen aller Einzelheiten und besonders der interessanten kritischen Ausfüh-
rungen sei auf das Original verwiesen.
Für die retrograde Inkarzeration des Mesenteriums im Bruchringe stellt de B.
auf Grund seiner ersten klinischen Beobachtung die Teilung des Bruchringes durch
einen sagittalen Strang in zwei Hälften als Ursache hin. Er nimmt nämlich an,
daß eine Darmechlinge durch die eine Öffnung in den Bruchsack hinein- und durch
die andere in den Leib zurücktrete, und daß dabei Repositionsmanöver eine Rolle
spielen. Allerdings ist, abgesehen davon, daß die Repositionsmanöver in ihrer
Bedeutung für die »Hernie en W« noch keineswegs hinreichend klargestellt worden
sind, schwer einzusehen, wie eine auch nur lose eingeklemmte und mäßig geblähte
Schlinge aus dem Bruchsacke, selbst unter der Einwirkung äußerer Handgriffe,
durch die zweite, doch sicherlich nicht klaffende Bruchringöffnung in den Leib
zurücktreten können soll.
In seinen Hundeexperimenten glaubt Verf. die Bestätigung gefunden zu haben,
daß die Gangrän der Verbindungsschlinge in allen den Fällen, wo ihr Mesenterium
nicht abgeschnürt ist, in der Überdebnang der Darmschlinge durch Zersetzung
des Inhaltes und Gasauftreibung ihre Ursache habe. Wenn de B. an einem Hunde
1 Stunde lang durch Zug an zwei Dünndarmschlingen eine »Zugarkade« des Mes-
enteriums der Verbindungsschlinge im Sinne des Ref. hergestellt bzw. unterhalten
hat, ohne daß an der Darmschlinge Zirkulationsstörungen aufgetreten sind, so sei
dazu bemerkt, daß die »Zugarkade« des Mesenteriums allein schwerlich die Er-
nährung der Darmwand gefährdet, daß vielmehr die Abschnürung der Darmwand
selbst hierfür unerläßliche Vorbedingung sein dürfte.
C. Lauenstein (Hamburg).
43) Borelli. Sopra una varietä rara d’ernia crurale.
(Policlinico. Sez. chir. 1908. XV, 9.)
Verf. schildert zunächst die Anatomie der sog. Hernia cruralis externa 'Tillaux).
d. i. jener außerordentlich seltenen und daher auch von einzelnen Autoren negierten
Varietät, bei der sich der Bruchsack nach außen von der Scheide der Schenkel-
gefäße entwickelt. Atiologisch muß ein zu schlaffer, schlecht entwickelter Schenkel-
bogen betont werden, der auch noch gleichzeitig zu anderen Brüchen Veranlassung
geben kann. Von besonderer Bedeutung erscheint die erwähnte Varietät für die
Operation, bei der eine Verletzung der großen Schenkelgefäße droht, zumal deren
Lage vor der Operation oft schwer zu bestimmen ist. Nur bei kleinen Brüchen
und fettlosen Pat. erscheint es möglich, den Sitz der Hernie vor der Operation zu
bestimmen; es wird hervorgehoben, daß die äußeren Schenkelbrüche breitbasig
entspringen und konisch endigen, so daß der Bruch bei vertikaler Haltung deut-
licher ist als in liegender Stellung, in der die gewöhnlichen Brüche mehr bervor-
treten. Die schon bei den übrigen Schenkelbrüchen zu beachtenden Anomalien
der Art. epigastrica und obturatoria erbeischen bei den äußeren Schenkelbrüchen
ganz besondere Vorsicht, so daß bei eingeklemmten Schenkelbrüchen prinzipiell
die Einschnürung nach Anlegung von kleinen Einkerbungen stumpf zu beheben ist,
1514 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50.
Zum Schluß wird ein Fall angeführt, der einen Öljährigen Mann mit gleich-
zeitiger Leisten- und Schenkelhernie betraf. Bei der Operation zeigten sich die
oben angeführten Lageverhältnisse des Schenkelbruchsackes. Die Artt. epigastrica
und obturatoria hatten ein gemeinsames Ursprungsgefäß, das parallel zum Arcus
Fallopii verlief. Strauss (Nürnberg).
44) Köppl. Beiträge zur Kenntnis und Kasuistik der Hernia ischiadica
an der Hand des ersten radikal operierten und geheilten Falles.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVIIL p. 314.)
Eine 42 Jahre alte Frau hatte seit 2 Jahren häufig sich wiederholende Ileus-
anfälle, die nach Dauer und Intensität in der letzten Zeit zugenommen hatten. Es
bestanden dabei außer Stuhlverhaltung und Erbrechen Schmerzen in der Unter-
bauchgegend mit Ausstrahlung in das rechte Bein, weshalb Pat. im freien Stadium
unter der Diagnose Hernia ischiadica in die Wölfler’sche Klinik kam.
Man konstatierte eine mannsfaustgroße, pralle, fluktuierende Geschwulst, die
bei zweimaliger Punktion sanguinolente Flüssigkeit geliefert hatte und als ver-
mutliche Geschwulst des N. ischiadicus angesprochen wurde. Während der Beob-
achtung traten wieder leichte Einklemmungs- und neuralgische Erscheinungen auf,
letztere besonders bei Rückenlage und im Sitzen. Durch den Mastdarm fühlte
man eine pralle Geschwulst in der Fossa ischiorectalis. Bei der Operation fand
sich unter dem Glutaeus maximus ein Bruchsack, der außer reichlich blutigem
Bruchwasser den rechten Eierstock und das abdominale Tubenende enthielt. Der
Bruchsackhals war eben für einen Finger durchgängig, und als Durchtrittsstelle
ergab sich das Foramen infrapyriforme. Tube und Eierstock wurden reseziert, der
Bruchsack nach Abbindung abgetragen und die Bruchpforte durch Vernähung des
Musc. pyriformis mit dem Lig. sacrospinosum geschlossen. Es erfolgte glatte
Heilung. 3
Im Anschluß hieran gibt Verf. eine Ubersicht über die Topographie und
Varietäten der ischiadischen Brüche und eine Kasuistik von 23 Fällen.
5mal war der Bruch angeboren; sonst kamen 5mal indirekte Traumen (An-
strengung in gebückter Stellung), 5mal Zug von Geschwülsten ätiologisch in
Betracht, während Erschlaffung der Bänder und Muskeln, sowie habituelle Ver-
stopfung häufiger disponierende Momente bilden.
Bruchinhalt war meist Dünndarm, außerdem der Eierstock (4mal), die Harn-
blase (1mal) und Netz (imal). 56% der Fälle kamen in eingeklemmtem Zustand
in Beobachtung. Die Diagnose stützt sich vor allem auf den Nachweis einer
Schwellung in der Glutäalgegend und ischiadischer Neuralgien und hat vor allem
Abszesse und Geschwülste auszuschließen. Immerhin ist sie sehr schwierig und
wurde nur in den wenigsten Fällen vor der Operation oder Autopsie gestellt.
Besonderer Wert ist auf rektale und vaginale Untersuchung zu legen.
Von den 9 eingeklemmten Brüchen endeten 6 tödlich, davon 2 trotz, 1 an
der Operation und 3 ohne Operation. Von den 4 Pat. mit temporär eingeklemmten
Brüchen starben 2, 1 wurde gebessert und 1 geheilt. Mit freien Brüchen wurden
3 operiert, wobei es lmal zu einer Harnfistel und imal zur Heilung kam, während
in 1 Falle das Resultat unbekannt blieb.
Bezüglich der Operationsmethode bestehen noch keine Regeln. Schwierigkeiten
bereitet der Verschluß der Bruchpforte, der sich in jedem einzelnen Falle nach
der Topographie des Bruches unter Rücksichtnahme auf die austretenden Nerven
und Gefäße zu richten hat. Der beschriebene Fall ist der erste erfolgreich radikal
operierte. Reich (Tübingen).
45) G. Solaro. Ein neuer elastischer Darmschließer. (Aus der chirur-
gischen Abteilung, Pavillon Ponti, des Ospedale Maggiore, Mailand.
Prof. B. Rossi.)
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 34.)
Die eine der beiden Zungen des in Form und Größe den üblichen ähnelnden
Darmschließers ist breit gehalten und fensterartig durchlöchert, in der Mitte eine
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1515
Fuge aufweisend, in die die zweite schmale Zunge beim Schließen ein- und über
die Oberfläche der ersteren durchgreift. Die gefensterte Zunge wird mit einem
Gummischlauch überzogen, der an der Spitze geschlossen ist. Der Abschluß des
Darmstückes ist ein vollständiger und kräftiger, ohne daß die Darmwand ge-
quetscht wird. (Bezugsquelle: G. Marelli in Mailand) Kramer (Glogau).
46) M. B. Stewart. Fibrolysin in cicatricial pyloric obstruction.
(Brit. med. journ. 1908. August 29.)
Bericht über einen Fall von Narbenstenose am Pylorus, wahrscheinlich ver-
bunden mit Perigastritis, dem wegen erfolgloser Behandlung seiner Magenerwei-
terung und hochgradiger motorischer Störung die Operation vorgeschlagen wurde.
Wegen Ablehnung Versuch mit Fibrolysineinspritzungen in der Magengegend unter
gleichzeitiger Massage, die schon nach einer Woche bei täglicher Einspritzung von
2 ccm deutliche und fortschreitende Besserung brachten. Schnelle Gewichts-
zunahme, Schwinden aller Symptome, volle Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit,
die bislang — über t/ Jahr — andauert. Weber (Dresden).
47) E. Maylard. Congenital narrowness of the pyloric orifice a cause
of chronic gastric disease in the adult, illustrated by twelve additional
cases.
(Brit. med. journ. 1908. Juli 11.)
Bereits 1904 hat Verf. in den »Transactions« und im »Brit. med. journale,
gestützt auf sieben Fälle, hingewiesen auf das Vorkommen einfacher Pylorusver-
engerungen ohne Geschwür, Narbe oder Krebs beim Erwachsenen, und sie in ur-
sächlichen Zusammenhang gebracht mit der angeborenen Pylorusstenose. Es sind
Fälle, in denen bei der Operation der durch eine Öffnung im Magen in den Pylorus
eingeführte Finger den Eingang ins Duodenum kaum findet oder, wenn eingeführt,
wie von einem festschließenden Ring umkrampft wird. Dabei dürfen sich keine
Anzeichen von innerer Narbe oder äußerer Pylorusverdickung finden. Jenen dort
beschriebenen Fällen fügt Verf. jetzt zwölf neue hinzu. Alle seine Fälle kamen
nach langdauernder innerer Behandlung zur Operation in der Annahme eines Ge-
schwüres oder einer verengernden Narbe oder zum Zweck eines Probebauchschnittes.
Jedesmal wurde eine Gastroenterostomie angelegt. — Uber die Dauerergebnisse
ist folgendes zu sagen; Von den sieben Fällen der ersten Reihe konnten sechs
jahrelang nachbeobachtet werden. Einer erkrankte nach 5 Jahren wiederum unter
Magenerscheinungen, zwei waren nach 6 Jahren wesentlich gebessert, einer starb
nach 3 Jahren an anderer Krankheit, war aber dauernd magengesund geblieben,
zwei waren nach 5 Jahren völlig gesund. Von den zwölf Fällen der zweiten Reihe
scheiden vier aus wegen zu kurzer Beobachtungszeit. Von den übrigen acht wur-
den zwei nicht gebessert, vier geheilt und zwei wesentlich gebessert. Warum die
Operation nicht in allen Fällen den gehegten Erwartungen entsprochen hat, erklärt
Verf. auf doppelte Weise: Bei älteren Leuten mit jabrzehntelangem Leiden ist die
Magentätigkeit unheilbar gestört, und zweitens verengert sich in einigen Fällen
die neue Fistel wegen Nichtgebrauch wieder, ja verschließt sich wohl gar. Wegen
dieser Fehlerfolge glaubt M., daß man in Zukunft mehr die Pyloroplastik bevor-
zugen soll! Weber (Dresden).
49) W. Russell. Remarks of congenital stenosis of the pylorus in
the adult.
(Brit. med. journ. 1908. Juli 11.)
Nach einem kurzen geschichtlichen Uberblick über die Lehre von der angeborenen
Pylorusstenose weist Verf. hin auf die bemerkenswerte Lücke, die sich in den
Arbeiten der Internen wie Chirurgen vorfindet über das weitere Schicksal der-
jenigen Kinder mit angeborener Pylorusstenose, die diese Anomalie ihres Magens
überwinden. Nach seiner Meinung gibt es nun in der Tat eine Pylorusverengerung
beim Erwachsenen, die auf angeborene Zustände zurückweist. Er berichtet aus
1516 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50.
den letzten 2 Jahren seiner Tätigkeit über drei solcher Fälle im Alter von 34,
42 und 51 Jahren. Die Diegnose stützt sich auf Anamnese und Befund einer
Magenerweiterung bei Pylorusverengerung, freie Salzsäure, Ausschluß von Geschwür,
Krebs und Narbe. Wenn einmal die Möglichkeit der angeborenen Verengerung
in solchen Fällen in Erwägung gezogen wird, so ist auch die Möglichkeit der
Diagnose gegeben. Sie wird sicherlich in Zukunft öfters gestellt werden. Helfen
diätetische und arzneiliche Maßnahmen nicht, so ist die Operation angezeigt.
Weber (Dresden!.
49) Mayo. Anemic spot on the duodenum which may be taken for
ulcer.
(Surgery, gynecology and obstetrics Vol. VI. Nr. 6.)
Bei Vorzieben des Duodenum zur Untersuchung hat M. mehrmals an dem-
selben weiße, blutlose Stellen dicht unterbalb des Pylorus gesehen. Zweimal hat
er sie eingeschnitten wegen Verdachtes, es läge ein Geschwür vor. Dabei lernte
er die wahre Natur erkennen. Er erklärt die Entstehung aus dem Gefäßverlauf;
wenn das Duodenum angezogen wird, werden dadurch die Gefäße gezerrt und ihre
Lichtung geschlossen. Trapp (Bückeburg).
50) W. J. Mayo. Ulcer of the duodenum.
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. August 15.)
M. hat schon früher nachgewiesen, daß das Duodenalgeschwür viel häufiger
ist als man bisher annahm. 3/,, alle Magen- und Duodenalgeschwüre zusammen-
gerechnet, sitzen im Duodenum. Daß man früher dies nicht wußte, hatte haupt-
sächlich seine Ursache darin, daß man größtenteils auf die Diagnose bei der Sek-
tion angewiesen war, deren Genauigkeit durch Leichenerscheinungen beeinträchtigt
wurde. Erst die Chirurgie enthüllte den wahren Sachverhalt; aber auch am
Lebenden ist die Differentialdiagnose oft recht schwer, da viele Duodenalgeschwüre
solche des Pylorus vortäuschen können. Ein absolut sicheres Zeichen für die Lage
des Pylorus sind die Venen desselben, die ringförmig verlaufen. Verf. geht dann
noch näher auf die anatomischen Verhältnisse ein.
1906/07 hat er zusammen mit C. H. Mayo im ganzen 193 Kranke mit Magen-
und Duodenalgeschwüren operiert, und zwar waren darunter 119 = 61,7% mit
reinem Duodenal-, 60 = 31% mit reinem Magengeschwür, während bei 14 = 7,3%
in beiden Organen Geschwüre vorlagen. Von den Operierten haben sich 106 wieder
vorgestellt. 82% waren geheilt, 9,5% gebessert, 5,7% ungeheilt und ungebessert ;
die Mortalität infolge der Operation betrug 2.8%. Trapp (Bückeburg).
51) Stavely. Acute and chronic gastromesenteric ileus, with cure in
a chronic case by duodeno-jejunostomy.
(Bull. of the Johns Hopkins hospital 1908. September.)
Bericht über zwei Fälle, von denen der erste ohne, der zweite mit operativer
Hilfe zur Heilung kam.
Im ersten Falle handelte es sich um einen Mann von 30 Jahren, bei dem eine
Exstirpation des Wurmfortsatzes wegen chronischer Appendicitis, eine Radikal-
operation eines freien Leistenbruches und die Operation einer Varikokele vor-
genommen worden war: die Dauer der Operation hatte etwa 1 Stunde betragen.
Unmittelbar danach begann er zu erbrechen, heftige Leibschmerzen stellten sich
ein, besonders im Epigastrium, das leicht aufgetrieben erschien; 3 Tage hielt der
Zustand an, dann hörten die Schmerzen auf, das Erbrechen wurde seltener, , aber
Pat. verfiel zusehends. Am 4. Tage wollte Verf. eine Magenspülung vornehmen
lassen, doch scheiterte das am Widerstand des Pat. Am Abend dieses 4. Tages
förderte ein Einlauf große Gasmengen zutage, ohne aber sonst etwas zu bessern;
da wurde Pat. auf die rechte Seite gelagert und das Fußende des Bettes erhöht,
und sofort verschwanden alle jene Symptome. Pat. erbolte sich rasch und ist
genesen.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1517
Die zweite Pat. war eine Dame von 36 Jahren. 7 Jahre zuvor hatte sie einen
Abort gehabt, es war eine Infektion zustande gekommen und ein Beckenabszeß
entstanden. Von der Scheide aus wurde er durch Punktion entleert, und un-
mittelbar danach hat Pat. 5 Tage lang große Mengen grünlicher Flüssigkeit er-
brochen; sie wurde damals geheilt, weiß aber nicht mehr, wodurch. Innerhalb
der folgenden 7 Jahre hat sie nun ungefähr 20mal Anfälle gehabt. Im Anschluß
an die Nahrungsaufnahme kam es zu Erbrechen, die Oberbauchgegend wölbte sich
unter großen Schmerzen vor, stundenlang hielt der Zustand an, das Erbrochene
schmeckte bitter und hatte grüne Farbe, Pat. wurde durch die Schmerzen mehr-
mals bewußtlos.
Bei der Operation fand sich der Magen stark erweitert, ebenso das Duodenum,
das in seiner ganzen Ausdehnung gut 9cm Durchmesser hatte und einen großen
U-förmigen Bogen unter der Leber beschrieb. Der Pylorus war für vier Finger
bequem durchgängig. Die Dilatation hörte genau am Mesenterialansatz, wo die
Gefäße vorn über den Darm herunterziehen, auf. S. legte nun vor dem Mesen-
terialansatz eine Anastomose zwischen dem durch seine Erweiterung bequem zu
erreichenden Duodenum und dem Jejunum, etwa 30 cm distal vom Anfang, an.
Pat. wurde zunächst 11/3 Tage nur rektal ernährt, allmählich bekam sie etwas
Salzwasser, dann Eiweißwasser durch den Mund, und erst nach 10 Tagen konsi-
stentere Nahrung. Sie ist noch 6 Monate nach dem Eingriff ganz gesund und hat
20 Pfund zugenommen. W. v. Brunn (Rostock).
52) B. Fischer. Über Ileus durch Entspannungsnähte.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIV. p. 107.)
F. berichtet über drei Sektionsbefunde, Pat. betreffend, die, von bekannten
hervorragenden, verschiedenen Chirurgen laparotomiert, an Ileus zugrunde gegangen
waren, und bei denen die Obduktion zeigte, daß bei den tiefen Entspannungs-
nähten (mit Silberdraht) Darmschlingen mitgefaßt und eingebunden waren — zur
nicht geringen Überraschung der Operateure (vgl. eine beigegebene Abbildung).
F. hält es für möglich, daß dieser bedauernswerte Kunstfehler, von dem bislang
noch nichts vermeldet ist, vielleicht öfter vorkommen könnte als man dachte.
Werden gestorbeue Laparotomierte in der gewöhnlichen Weise seziert, daß die
genähte Operationswunde zunächst durch Lösung der Nähte geöffnet wird, so wird
die Darmeinnähung leicht übersehen — dagegen kann sie nicht dem Nachweis ent-
gehen, wenn man, wie F. es tat, den Bauch seitlich von der genähten Wunde
öffnet und letztere zunächst von ihrer Bauchseite ber untersucht. F. teilt mit,
daß er bei anderen Laparotomiesektionen auch Nahtanspießungen von Därmen
gefunden hat ({!). Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
53) v. Khautz jun. Darmstenose durch submuköse Hämatome bei
Hämophilie.
(v. Langenbeck's Archiv Bd. LXXXVII. Hit. 3.)
Verf. veröffentlicht die Krankengeschichte eines 24jährigen Pat., der wegen
Darmstenose zur Operation kam. Die dominierenden Symptome bestanden in
einer Blähung des Darmes, in peritonealer Reizung, Fühlbarkeit einer Geschwulst
und Blutabgang durch den After. Pat. gab selbst an, daß er Bluter sei. Trotz-
dem mußte man sich bei der lebensgefährdenden Erkrankung zu dem operativen
Eingriff entschließen. Bei demselben fanden sich im Dünndarm an verschiedenen
Stellen Blutungen in die Darmwand. Der pathologisch-anatomische Befund bei
der nach dem Tode erfolgenden Sektion ergab die typischen Zeichen der Hämo-
philie, vielfache Blutaustritte in die Gewebe und serösen Höhlen, auffallende Zart-
wandigkeit der Blutgefäße und ausgesprochene Enge der Aorta. Bezüglich eines
3 Wochen vor der Operation erlittenen Traumas stellt sich v. K. auf den Stand-
punkt, daß bei der hämophilen Konstitution des Pat. eine selbst unbedeutende
Verletzung genügt haben mag, um allmählich den schweren, tödlich verlaufenden
Symptomenkomplex hervorzurufen. E. Siegel (Frankfurt a. M.!.
1518 Zentralblatt für Chirargie. Nr. 50.
54) McoCallum. Right meso-jejunal hernia.
(Bull. of the Johns Hopkins hospital 1908. August.)
Ein Neger von 41 Jahren erkrankte an heftigen Leibschmerzen, Stuhlverhal-
tung und Erbrechen und wurde 1 Woche später operiert.
Bei der Laparotomie fand man in der Bauchhöhle eine allseitig frei beweg-
liche kugelige Geschwulst, deren Stiel vom Epigastrium herunterkam. Sie bestand
aus einem großen Dünndarmschlingenkonvolut, das in einer papierdünnen trans-
parenten Hülle steckte. Nach Hochschlagen des Dickdarmes entdeckte man un-
gefähr in der Mittellinie die Öffnung, durch welche der Darm in die große Ge-
kröstasche hineingeschlüpft war, zog ihn heraus, schloß die Öffnung durch Nähte
und dann die Bauchhöble, da der Darm nirgends verdächtig aussah.
Pat. hatte nachher noch 9mal spontanen Stuhl, erbrach noch einigemal und
starb an Herzechwäche tags darauf.
Die Obduktion zeigte, daß der Sack durch Einstülpung des einen Gekrösblattes
gebildet worden war; er hatte bei seinem Wachstum die Gekrösblätter auseinander-
gedrängt und war imstande, den ganzen Dünndarm in sich zu bergen.
W. v. Brunn (Rostock).
55) Kingsford. Case of acute intestinal obstruction in a haemophilic.
(Brit. med. journ. 1908. August 29.)
Bericht über einen tödlich verlaufenden Ileus durch Intussuszeption des Ileum
bis 8 cm oberbalb des Blinddarmes bei einem 10jährigen Bluter. Dicht unterhalb
der Spitze des eingeschobenen Darmstückes mündete ein langes Meckel'sches Diver-
tikel, dessen blindes Ende nach außen hervorragte. Verf. rechnet den Fall zu
jenen seltenen Ileusformen, in denen ein Meckel’sches Divertikel die indirekte Ur-
sache zur Darmeinschiebung abgibt. Weber (Dresden).
56) Canon. Komplette Ausschaltung des Dickdarmes wegen hart-
näckiger Darmblutungen bei Syphilis.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIV. p. 85.)
Der in der Arbeit ausführlich erzählte, vom Verf. operierte Fall ist von diesem
bereits auf dem Chirurgenkongreß publiziert, und verweisen wir auf das bezügliche
Referat in unserem Blatte 1908, Kongreßberichtsbeilage p.138. Der Zustand des eine
Fistel tragenden Pat. ist zwar ein leidlicher, doch lehrt C.’s Operation, ebenso wie
die spärlichen gleichen Operationen anderer Chirurgen, daß die komplette Dick-
darmausschaltung, abgesehen von ihren technischen Schwierigkeiten und Gefahren,
ihrer bedeutenden direkten Folgen wegen ein so schwerer Eingriff ist, daß er
nur in äußersten Notfällen als erlaubt anzusehen ist.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
57) H. Strehl. Kongenitale Retroposition des Dickdarmes.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVII. Hft. 1.)
Verf. beschreibt einen Fall, bei dem er bei der Operation die Diagnose einer
Retroposition des Dickdarmes stellen konnte. Aus der Beschreibung des nachher
durch die Sektion gewonnenen Präparates ergibt sich, daß die Anomalie jedenfalls
durch eine falsche Drehung der Nabelschleife erfolgt ist. Dieselbe hat wohl im
Sinne der Drehung des Uhrzeigers stattgefunden statt umgekehrt. Die Ursache
für die falsche Drehung der Nabelschleife ist nicht recht ersichtlich; vielleicht ist
sie in der mächtigen Duodenalschlinge zu suchen. Als einen richtigen Fall von
Retroposition des Dickdarmes läßt S. nur den Tscherning’schen gelten nicht
auch den von Clairmont. Die Diagnose wird wohl auch in Zukunft am Kranken-
bette nicht gelingen, da es erst durch irgendwelche Gelegenheitsursache zu Ileus-
erscheinungen kommt, die sich in nichts von sonstigen derartigen Symptomen
unterscheiden. Bei dem Eingriff wird wohl die Form des Duodenum und die des
Colon transversum auf Entwicklungsstörungen hinweisen. Eine radikale Beseitigung
der Lageanomalie ist nicht möglich; zur Beseitigung der Stenoseerscheinungen
kommen nur Anastomose und Anus coecalis in Betracht.
E. Siegel (Frankfurt a. M.).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1519
58) Brewer. Acute diverticulitis of the sigmoid, with operation be-
fore rupture.
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. August 15.)
B. hat schon früher, auf dem amerikanischen Chirurgenkongreß, über Eite-
rungen in der linken Bauchseite, die er mehrfach auf gangränös gewordene
Divertikel des S romanum zurückführen konnte, gesprochen. Einer seiner damals
vorgeführten Pat. erlitt später einen Rückfall, bei dem die Diagnose — das erste-
mal nach B. — richtig gestellt werden konnte. — Es bandelte sich um einen
45jährigen Mann; dessen erster Anfall war folgendermaßen verlaufen: Er wurde
‚während des Essens von heftigstem Schmerz in der linken Unterbauchseite be-
fallen, der sich zunächst verlor, nachts wiederkehrte und von Übelkeit, Erbrechen
und großer Körperschwäche begleitet war. Es bestand linksseitige Muskelrigidität,
und man fühlte in der linken Darmbeingrube eine weiche Masse, die sich bei der
Operation als Abszeß mit kotigem Inhalt aufklärte.e Er enthielt auch einen Kot-
stein. In der Flexura sigmoidea fand man eine Öffnung, aus der sich Kot ent-
leerte. Es entstand zunächst eine Kotfistel, die allmählich ausheilte, so daß in
6 Wochen volle Heilung eintrat. Der Operierte war dann 5 Jahre und 4 Monate
beschwerdefrei. — Der zweite Anfall glich vollständig in seinen Erscheinungen
dem ersten, die Geschwulst saß unterhalb der alten Narbe. Nach Eröffnung der
Bauchöhle fand man zahlreiche alte Verwachsungen, an der Flexur saß eine etwa
8—10 cm im Durchmesser große, entzündliche Geschwulst, die aus einem Diver-
tikel bestand, das mit ödematösem Bauchfell und stark angeschwollenen Appendices
epiploicas überzogen war. Diese Geschwulst wurde in die Bauchwunde eingestellt
und gegen die Bauchhöhle abgeschlossen. Nach 48 Stunden entleerte sich Eiter,
die Wände des Divertikels stießen sich unter Bildung einer kleinen, von selbst
heilenden Kotfistel ab. Später Sekundärnaht. — Die Symptome, die solche Diver-
tikel machen, sind ganz zu vergleichen mit denen der Appendicitis in ihren ver-
schiedenen Graden und dementsprechend zu behandeln. Die sofortige Abtragung
wird sich nur dann machen lassen, wenn der Stiel des Divertikels schmal genug
ist. Sonst empfiehlt Verf., wenn Eiterung vorhanden, die bei dem beschriebenen
Fall ausgeführte Operationsmethode. Trapp (Bückeburg).
59) Burckhardt. Kombination von Aktinomykose und Adenokarzinom
des Dickdarmes.
(Zentralblatt f. Bakteriologie u. Parasitenkunde Abt. I. Bd. XLVI. Hft. 5.)
Makro- und mikroskopische Beschreibung eines operativ gewonnenen Prä-
parates, daß die jedenfalls ebenso seltene wie interessante Vergesellschaftung einer
Darmaktinomykose mit einem beginnenden Adenokarzinom des Colon descendens
nahe der linken Niere zeigt. Dem färberischen Verhalten des Pilzes, der Form des
Präparates, den geringen Verwachsungen und dem Fehlen jeglicher Ausbreitungs-
neigung nach scheint es sich um einen im Erlöschen begriffenen, aber sicheren
aktinomykotischen Prozeß zu handeln. Die im übrigen ja oft genug resultatlose
kulturelle Untersuchung des Pilzes hat allerdings nicht stattgefunden. Die Frage,
ob Karzinom oder Aktinomykose das Primäre gewesen ist, glaubt Verf. unent-
schieden lassen zu müssen. W. Goebel (Köln).
60) Schenck. Über die Darstellung von Dickdarmstenose durch das
Röntgenverfahren.
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII. Hft. 5.)
Verf. kann — anscheinend als einer der ersten — eine Stenosenbildung des
Darmes am Röntgenbilde demonstrieren.
Eine 54jährige Pat. hat sich vor 6 Wochen angeblich verhoben und leidet
seitdem an Schmerzen im Leibe. Appetit und Körpergewicht nahmen ab, Durch-
fälle und Erbrechen traten auf. Deutlicher Meteorismus. In der linken Seite
unterhalb des Rippenbogens eine harte, höckrige Geschwulst, die man für Kar-
zinom hielt, deren Lage man aber nicht genau feststellen konnte. Mit Hilfe der
1520 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50.
Röntgendurchleuchtung nach vorausgegangenen Wismuteinläufen gelang es, den
genauen Sitz und die Ausdehnung der Geschwulst, ihren zentralen Zerfall und
ihren primären Ausgangspunkt festzustellen; ferner konnte man deutlich die Ver-
lagerung des Colon ascendens und transversum diagnostizieren.
Das beigegebene Röntgenbild zeigt sehr deutlich am Colon descendens zwei
Verengerungen und zwischen beiden eine kugelige Auftreibung mit einem Hohl-
raum in der Mitte.
Pat. wurde nicht operiert, die spätere Sektion ergab »ausgedehntes ulzeröses
stenosierendes Gallertkarzinom im Colon descendens«. Gaugele (Zwickau!.
61) R. Torikate. Beitrag zur kombinierten Exstirpation der hoch-
sitzenden bzw. hoch hinaufreichenden Mastdarmkarzinome bei Männern.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIV. p. 162.)
Die Arbeit ist aus der Klinik in Kyoto hervorgegangen, aus welcher früher
schon über drei kombinierte Mastdarmkrebsoperationen bei Männern mit zwei
Todesfällen berichtet worden ist (vgl. unser Blatt 1904 p. 1079). Seitdem sind in
genannter Klinik fünf weitere Fälle bei Männern mit kombinierter Methode ex-
stirpiert, von welchen nur einer an der Operation starb, die übrigen geheilt sind.
Betreffs der Technik ist von Wichtigkeit, daß an der abdominalen Durchtrennungs-
stelle des Colon descendens bzw. sigmoideum das orale Darmende stets als Kunst-
after in die linke Leistengegend eingenäht wurde, währeud das aborale durch Naht
verschlossen und nach möglichst tiefer Auslösung des Mastdarmes aus dem kleinen
Becken in dieses versenkt ist, um dann nach Abschluß der Bauchhöhle gegen das
Becken durch Peritonealuähte («Peritonisation des Beckens«) unten von einem
Sakral- bzw. Parasakralschnitt aus mitsamt dem zuvor zugenähten After und
Sphinkter total entfernt zu werden. Die entfernten Darmstücke hatten eine Länge
von 29-50 cm. Viermal wurde die Operation mit dem Bauchschnitt in Becken-
hochlagerung begonnen, dann der Eingriff vom Kreuzbein her bei rechter Seiten-
lage hinzugefügt, und zwar einmal, da der Kranke stark mitgenommen, erst
1 Woche später. Provisorische Unterbindung der Iliaca int. und sacralis media
wurde nicht regelmäßig vorgenommen. Am Kunstafter wurde der eingepflanzte
Darm ca. 4cm lang vor die Bauchdecken vorgenäht und entweder für die ersten
Tage ganz verschlossen gehalten oder mit einem eingeführten starken Gummirohr
sicher verbunden.
T. erklärt, und wohl mit Recht, das in der Kyotoschen Klinik ausgearbeitete
Verfahren anderen Methoden, insbesondere denjenigen mit Anlegung sakraler After,
durch Sicherheit der Aseptik für überlegen. Angaben über die Zeitdauer der
Operationen finden sich leider nicht. Bei dem tödlich verlaufenen Falle trat nach
anfänglich gutem Verlaufe Peritonitis infolge zu früher Nahtlösung am Kunstafter
auf. Die genesenen Fälle betreffend, ist zu bemerken, daß bei einem die Nephrek-
tomie einer an Abszedierungen erkrankten Niere nötig wurde, bei einem anderen
Fall ist die lange Heilungsdauer ‘Spitalentlassung erst 344 Tage nach der Opera-
tion) auffallend. Endlich ist bei zwei Geheilten Rezidiv bzw. Metastase sicher
festgestellt, bei einem als wahrscheinlich zu betrachten.
Die Arbeit tritt ebenso wie jene vom Jahre 1901 energisch für die kombinierte
Operationsmethode der hohen Mastdarmkrebse ein und referiert über deren Sta-
tistik bis zur Jetztzeit. An ihrem Schluß steht ein 33 Nummern zählendes Literatur-
verzeichnis. Meinhard Schmidt (Cuxhaven!.
Berichtigung. In Nr. 48 p. 1418 Z. 12 v. u. lies »Corticalis« statt Spongiosa.
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden.
Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau,
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig.
Zentralblatt für Chirurgie
herausgegeben von
K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER,
in Bonn, in Berlin, in Breslau.
35. Jahrgang.
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG.
Nr. 51. Sonnabend, den 19. Dezember 1908.
Inhalt.
1) v. Bardeleben und Haeckel, Atlas der topographischen Anatomie. — 2) v. Kuester, All-
gemeine Chirurgie. — 8) Müller, Die Stärkekleisterplattee — 4) Müller und Jochmann, Das
proteolytische Leukocytenferment. — 5) Konradi, Vererbbarkeit erworbener Immunität. — 6) Rov-
sing, Histologische Geschwulstdiagnose. — 7) Wyss, Krebsentstehung. — 8) Williams, Krebs-
behandlung. — 9) Saroumian, Multiple Lipome. — 10) v. Waslelewskl und Hirschfeld, Wir-
kung der Fulguration. — 11) Hartmann, Thiosinamin und Fibrolysin. — 12) Koerner, Otitische
intrakranielle Erkrankungen. — 18) Ruge, Meningokokkendiagnose. — 14) v. Hippel, Palliativ-
trepanation. — 15) Kühne und Plagmann, Röntgenuntersuchung bei Otitis media. — 16) Wasser-
mann, Röntgenverfahren in der Rhinologie und Laryngologie. — 17) Uffenorde, Siebbeinerkran-
kungen. — 18) Hopmann, Mandeloperationen. — 19) Roberts, Halsrippen. — 20) Lucass, Zur
Geschichte der Laryngologie. — 21) Rehn, Brustchirurgie. — 22) Simmonds, Herzverkalkung. —
23) Quénu, Cholecystitis typhica. — 234) Zerfing, 35) Sauve, Pankreaserkrankungen. — 26) Prze-
walski, Das große Netz.
H. Eggenberger, Wismutvergiftung durch Injektionsbehandlung nach Beck. (Orig.-Mitteilg.)
27) Eckermann, Narbenkrebs. — 28) Castellani, Elephantiasis. — 29) Kirschner, Trauma-
tische Aphasie. — 80) Bouquet, Meningealblutung. — 81) Deane, Sinusthrombose. — 32) Esau,
Nasenmißbildung. — 33) Hagenbach, Symmetrische Lymphangiome. — 34) Laufer, Implantations-
krebs. — 35) Braun, Rückenmarksschüsse. — 86) u. 87) Verhandlungen des Vereins deutscher
und süddeutscher Laryngglogen. — 88) Küttner, Lungenschuß. — 89) McLennan, Mediastinal-
geschwulst. — 40) Alessandri, Cysticercus der Brustdrüse. — 41) Dehner, Mastopexie. — 42) Knott,
Lebersarkom. — 48) Hofmeister, Gallensteine. — 44) Stern, Gallenblasen-Nierenbeckenfistel. —
45) Goldammer, Beckenflecke. — 46) Hinterstoisser, Sakralgeschwulst.
Berichtigung.
1) K. v. Bardeleben und H. Haeckel. Atlas der topo-
graphischen Anatomie des Menschen. 4. verbesserte und
vermehrte Auflage. Herausgegeben unter Mitwirkung von
Dr. Fritz Frohse, mit Beiträgen von Prof. Dr. Th. Ziehen.
208 größtenteils mehrfarbige Holzschnitte, 1 lithographische
Doppeltafel und erläuternder Text.
Jena, Gustav Fischer, 1908.
Die Autoren ruhen nicht auf ihren Lorbeeren aus; diese neue
Auflage, das 10. bis 12. Tausend des Atlasses umfassend, haben sie
wieder dadurch verbessert, daß sie in einer Anzahl der Tafeln früher
schwarz gehaltene Teile gefärbt und dadurch, ohne je grell zu wirken,
den schnellen Überblick über das Dargestellte erleichtert haben. Neu
eingefügt sind einige Tafeln, so Nr. 124 mit der Darstellung des von
der Rückseite freigelegten Mediastinum, drei Tafeln über die vordere
Bauchwand, eine über die Blinddarmgegend; endlich sind eine Anzahl
Bilder der Topographie des Fußes durch bessere ersetzt, wobei na-
türlich auch der Text entsprechend bearbeitet ist.
61
1522 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51.
Ref. kennt keinen Atlas der topographischen Anatomie, der diesem
vorzuziehen wäre. Richter (Breslau\.
2) Freiherr v. Kuester. Grundzüge der allgemeinen Chir-
urgie und chirurgischen Technik für Arzte und Studierende.
414 Seiten, 291 Abbildungen.
Wien, Urban & Schwarzenberg, 1908.
Die Meinung des Verf.s, daß es heute noch an einem Buche der
allgemeinen Chirurgie fehlt, welches in knapper Form alles Wichtige
schildert, die Bedürfnisse des praktischen Arztes vollständig berück-
sichtigt, auch dem Studenten der klinischen Semester ein Begleiter
und ein Repetitorium, dem Medizinalpraktikanten ein treuer Helfer in
der Not sein soll, wird wohl angesichts der vielen Neuerscheinungen
auf diesem Gebiete nicht von vielen Seiten geteilt werden; im Gegen-
teil wird man den Mut der Verleger bewundern müssen, noch neue
Werke auf den Markt zu bringen.
Ref. wenigstens glaubt, daß der praktische Arzt, dem besonders
doch geholfen werden soll, sich immer in einem Buche Rat holen wird,
das er bereits in jungen Jahren kennen und schätzen gelernt hat; die
Tatsache, daß alle bekannten älteren Lehrbücher in regelmäßigeu
Zwischenräumen Neuauflagen erleben, beweist dies.
Nach einer ausführlichen Schilderung der allgemeinen chirurgi-
schen Technik (p. 1—185) behandelt Verf. die allgemeine chirurgische
Pathologie und Therapie in fünf Abschnitten: 1) Geschwülste p. 199
bis 252; 2) Verletzungen der Weichteile, Knochen und Gelenke p. 254
bis 313; 3) Wundinfektionen und chirurgische Infektionskrankheiten
p. 314—379; 4) ätiologisch verschiedene, chirurgisch wichtige Erkran-
kungen p. 386—399; 5) Wundheilung p. 400—405). Das Buch ist
flott geschrieben, gut ausgestattet und berücksichtigt kritisch alle
Fortschritte, die uns das letzte Jahrzehnt gebracht hat. Als einen
Vorzug betrachtet es Ref., daß der Diagnose ein verhältnismäßig
breiter Raum überall zugewiesen ist; die nicht tuberkulösen Gelenk-
erkrankungen hätten dagegen — im Vergleich zu der Geschwulstlehre
— ausführlicher abgehandelt werden können; auch für eine Schilde-
rung der Bardenheuer’schen Extensionsbehandlung hätte sich Platz
finden müssen.
Dem durch seine Mitarbeit an der Zeitschrift für ärztliche Fort-
bildung in weiteren Kreisen bekannten Verf. wünscht Ref., daß seine
oben erwähnten Befürchtungen sich als nicht begründet erweisen möchten.
Lessing (Hamburg).
3) Müller. Die Stärkekleisterplatte ein einfaches Hilfsmittel
zum Studium diastatischer Fermentwirkungen.
(Zentralblatt für innere Medizin 1908. Nr. 16.)
In Anlehnung an sein Verfahren zum Nachweis eiweißlösender
Fermente durch die Serumplatte hat Verf. Stärkekleisterplatten zum
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1523
Studium diastatischer Fermentwirkungen benutzt. Durch die mühelose
und wenig Materialaufwand erfordernde, dabei recht anschauliche
Methode ließ sich feststellen, daß im menschlichen Mundspeichel
weder unter normalen, noch unter krankhaften Bedingungen (Fieber,
Diabetes, Morbus Basedowii, Magenkrsbs, Magengeschwür, Nieren-
und Blutkrankheiten u. ä.) gröbere Veränderungen in der diastatischen
Fermentwirkung auftreten, und weiter, daß der absolute Ptyalingehalt
unter normalen und anormalen Bedingungen im wesentlichen von der
Speichelmenge abhängig ist; bei Trockenheit des Mundes, bei Fieber,
bei Diabetes z. B. ist also der absolute Ptyalingehalt geringer als bei
reichlicher Speichelsekretion. In gleicher Weise läßt sich natürlich
die Stärkeplatte zum Studium des Diastasengehaltes des Magen- und
Darminhaltes, des Urins, des Blutserums, des Eiters, des Sputums,
der Trans- und Exsudate usw. verwenden. W. Goebel (Köln).
4) Müller und Jochmann. Zur Kenntnis des proteolyti-
schen Leukocytenferments und seines Antiferments.
(Verhandlungen des 24. Kongresses für innere Medizin 1907.)
Bringt man ein Tröpfchen Eiter oder Blut eines an myelogener
Leukämie Erkrankten, überhaupt eine Spur einer stark leukocyten-
haltigen Körperflüssigkeit auf eine erstarrte Hammel- oder Rinder-
serumplatte (sog. Löfflerplatte), so findet man nach mehrstündigem
Aufenthalt der Platte im Brutschrank bei 50—60° an der Stelle des
Tropfens eine Delle. Diese Delle ist die Wirkung eines durch Zerfall
der gelapptkernigen Leukocyten freiwerdenden eiweißlösenden Fer-
ments. Das einfache Verfahren kann klinisch zu verschiedenen dia-
gnostischen Zwecken, u. a. auch zur Unterscheidung von heißem
Kokkeneiter von tuberkulösem Eiter gebraucht werden, vorausgesetzt,
daß es sich bei der Tuberkulose noch nicht um eine Mischinfektion
oder um einen mit Jodoform behandelten Prozeß handelt. Einfacher
ist allerdings für diesen Zweck die Verwendung von Millon’s Rea-
gens nach dem von M. in der vorliegenden Arbeit beschriebenen
Verfahren. Im Körper kreist ein dem proteolytischen Ferment ent-
gegenwirkendes Antiferment, das bei Körpertemperatur voll wirksam
ist und die Proteolyse hemmt, bei 50—60° aber unwirksam gemacht
wird. Außer beim Menschen fanden Verff. das Leukocytenferment
nur noch bei hochstehenden Affen und beim Hunde. Das Serum-
plattenverfahren eignet sich unbestreitbar vorzüglich zum Nachweis
und Studium der beiden Fermente und ihrer Wechselbeziehungen
und scheint in seinem weiteren Ausbau vollen Ersatz für die bisheri-
gen umständlichen chemischen Methoden zur Untersuchung der Proteo-
lyse zu bieten. W. Goebel (Köln).
51*
1524 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51.
5) Konradi. Ist die erworbene Immunität vererbbar?
(Zentralblatt für Bakteriologie u. Parasitenkunde I. Abt. Bd. XLVI. Hft. 1.)
Die Frage ist nicht neu und hat besonders zahlreiche und eifrige
Bearbeiter gefunden, seitdem die als Träger der Immunität geltenden
Schutzstoffe bekannt sind. Während alle Untersucher zu der Über-
zeugung gekommen sind, daß die Nachkommen von Eltern mit er-
worbener Immunität fast in allen Fällen einen kürzer oder länger
dauernden Schutz mit zur Welt bringen, war man in der Erklärung
dieser Erscheinung durchaus uneinig. Tizzoni und ÖOentanni,
Ribbert u.a. vertraten den Standpunkt, daß bei der paternellen
Vererbung, bei der Übertragung der erworbenen Immunität durch
das Sperma die Immunität dauernd ist. Die durch Diffusion im
Placentarkreislauf oder durch die Milch übertragenen Schutzstofie
sollten nur zu einer vorübergehenden Festigkeit, jedenfalls zu keinem
dauernden Schutze der Nachkommen führen. Dem gegenüber standen
die Untersuchungsergebnisse von Ehrlich und Morgenroth u. a.,
die behaupteten, daB die Nachkommen immunisierter Mütter nur in-
folge der Mitgabe von Antikörpern durch das Blut und die Milch
immun seien, daß diese Immunität aber auch nur von beschränkter
Dauer sei. Bei den Versuchen sowohl über die paternelle Immunität,
als auch über die Übertragung der Immunität durch Placenta und
Milch ist die Möglichkeit eines Überganges von Infektionserregern mit
sekundärer aktiver Immunisierung der Nachkommenschaft nicht aus-
geschlossen. Zahlreiche zur Umgehung dieser Fehlerquelle angestellte
Versuche ergaben, daß der Mutter injizierte Antitoxine und die diesen
in biologischer Hinsicht ähnlichen Agglutinine im fötalen Serum
nachweisbar waren, und daß auch, wie namentlich aus den Arbeiten
Ehrlich’s und Wassermann’s, Stäubli’s u. a. hervorgeht, die
Milch und besonders das Kolostrum so immunisierter Tiere und Men-
schen Antitoxine und Agglutinine enthalten kann. Im Gegensatze zu
der v. Behring’schen Schule, die eine unter normalen Verhältnissen
vor sich gehende placentare Übertragung von Antitoxinen leugnet,
fand Polano, daß auch die intakte Placenta sowohl bei passiver als
auch bei aktiver und bei natürlicher Immunität einen regelmäßigen
Übergang von Antitoxinstoffen von der Mutter auf das Kind gestattet.
Die durchaus nicht seltenen Widersprüche in den bisherigen Erfah-
rungen veranlaßten den Verf. zu einer Reihe von Versuchen an
künstlich mit Hundswutvirus immunisierten Hunden. Das Ergebnis
war, daß die Nachkommen einer während der Tragzeit immunisierten
Hündin sich innerhalb gewisser Grenzen als immun erwiesen, daß ihre
Immunität sogar von längerer Dauer war, als die künstlich erworbene
aktive anderer Hunde. Aber auch die geraume Zeit vor der Kon-
zeption erworbene Lyssaimmunität beider Eltern vererbte sich auf die
Nachkommenschaft, wenn auch nicht regelmäßig. Die Enkel schließ-
lich ererbten keinerlei Schutz, auch dann nicht, wenn der Vater eine
aktive Immunität besaß. Für die Art der Übertragung, ob durch die
Milch oder auf placentarem Wege, geben die Versuche leider keinen
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1525
Aufschluß, doch neigt Verf. am meisten der Annahme der intra-
uterinen Übertragung der in Frage kommenden Stoffe zu. Einzelheiten
der Versuche lassen die Möglichkeit des Schlusses zu, daß die Pro-
duktion von Antikörpern im jungen Organismus energischer vor sich
geht als im mütterlichen. W. Goebel (Köln).
6) T. Rovsing (Kopenhagen). Über die Sicherheit der
histologischen Geschwulstdiagnose als Basis radikaler chirur-
gischer Eingriffe.
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 38.)
R. warnt in eindringlichen Worten vor der Überschätzung histo-
logisch-mikroskopischer Geschwulstdiagnosen und gibt einzelne seiner
mit diesen gemachten üblen Erfahrungen wieder. Von pathologischen
Anatomen als gutartig bezeichnete Geschwülste (Papillome, Adenome)
erwiesen sich klinisch und durch die Operation als Karzinome, und
umgekehrt wurden gutartige Granulationsgeschwülste mikroskopisch
als bösartig angesehen. Sehr lehrreich sind in dieser letzteren Be-
ziehung einige Fälle von Osteomyelitis, in denen der mikroskopiker
Sarkom diagnostiziert hatte, während sie von dem Kliniker nach dem
ganzen Krankheitsverlauf und besonders auch nach dem Röntgenbilde
als Osteomyelitis richtig erkannt worden waren. Kramer (Glogau).
7) M. O. Wyss. Zur Entstehung primärer Karzinome.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIII. p. 537.)
W. erklärt zwar, nicht etwa eine neue Karzinomtheorie aufstellen
zu wollen, indes ist doch, was er bringt, wenigstens ein sehr inter-
essierender origineller Beitrag zur Karzinomtheorie, insbesondere zu
derjenigen von Ribbert, der das Karzinom aus Epithelzellen ent-
stehen läßt, die »ausgeschaltet« werden, um dann auf eigene Faust
auf Kosten des Körpers schrankenlos weiter zu wachsen. Der Kern
von W.’s Auseinandersetzungen ist die Annahme, daß diese Ribbert-
sche Epithelausschaltung unter anderen einerseits durch angiosklero-
tische Gefäßveränderungen, andererseits durch kleinzellige Bindegewebs-
infiltrationen geleistet werden kann, indem vorausgesetzt oder als
leicht verständlich angenommen wird, daß diese beiden pathologischen
Prozesse durch allmählichen Ausschluß von der normalen Blutzufuhr
das Epithel »auszuschalten« imstande sind. Nach der Ausschaltung
aus der normalen Bluternährung ist die Weiterexistenz und das
Wuchern des Epithels dadurch ermöglicht, daß gerade das Epithel
eigentümliche biologische Fähigkeiten besitzt, die sich bei der Trans-
plantation von normalem Epithel beim Menschen, sowie im Tierexperi-
ment durch die Transplantationsfähigkeit von Karzinomen als vor-
handen ausweisen. Man muß annehmen, daß die Epithelzellen unter
abnormen Verhältnissen ähnlich der Eizelle sich lediglich aus Ge-
websflüssigkeit zu nähren imstande sind. Haben solche abnorme Er-
1526 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51.
nährungsverhältnisse Platz gegriffen, so, nimmt W. weiter an,
beschränken sich die veränderten Epithelzellen nicht nur auf die sie
umgebenden Flüssigkeiten, sondern zerstören auch Bindegewebs- und
andere Zellen und gelangen schließlich zu dem parasitären Wachstum,
das der Karzinomzelle eigen ist.
Das erste Karzinom, an dem W. lokale Arteriosklerosen fand,
war ein Röntgenkarzinom, und gerade das Röntgenkarzinom (sozusagen
»das erste experimentelle Karzinom, das wir kennen«) war es auch,
an dem W. zuerst in einer in den Bruns’schen Beiträgen veröffent-
lichten Arbeit seine Ideen über die Karzinomgenese entwickelte (vgl.
dieses Blatt 1906, p. 1203). Die in vorliegender Arbeit verwerteten
neuen histologischen Karzinomuntersuchungen W.’s betreffen 50 exzi-
dierte kleine Geschwülste, meistenteils karzinomatöser Art, deren
Flächendurchmesser von 25 mm bis zu Zellhaufen von Bruchteilen von
Millimetern herabging. Genaueres über die Einzelheiten der mikro-
skopischen Befundaufnahmen möge im Original eingesehen werden,
dem auch eine Reihe Abbildungen, die verengenden Gefäßdegenera-
tionen sowie die kleinzellige Bindegewebsinfiltration darstellend, bei-
gegeben sind. Dagegen werden betreffs der Häufigkeit der spezifischen
Befunde W.’s folgende Zahlen auch hier interessieren: Untersuchte
Karzinome (einschließlich der Röntgenkarzinome) 36. Davon zeigten
Gefäßveränderungen unter der Geschwulst 27, Infiltration des sub-
epithelialen Bindegewebes 28, gleichzeitig beide Veränderungen 22,
irgendeine Veränderung unter dem Epithel, die einen Ausschluß vom
Blutstrome bedingt haben kann, 33. — Also irgendeinen positiven
Befund im Sinne W.’s 91% der Fälle,
Diese Andeutungen über den Inhalt von W.’s Arbeit mögen ge-
nügen. Dieselbe enthält aber noch mancherlei andere zur Sache ge-
hörige, interessante Betrachtungen, sowie Bezugnahme auf die neuere
theoretische Karzinomliteratur, die zum Schluß in einem 94 Nummern
zählenden Verzeichnis zusammengestellt ist.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
8) Williams. Early treatment of some superficial cancers,
especially epitheliomas with radium.
(Journ. amer. med. assoc. 1908. September 12.)
1) Die Strahlung des Radiums bleibt stets gleichmäßig. Radium
wirkt sicherer und ist ungefährlicher als Röntgenstrahlen. 2) Die
y-Strahlen wirken schmerzstillend. Bei ihrer Anwendung muß man
zur Vermeidung von Verbrennungen die 3-Strahlen ausschalten. 3) Die
ß-Strablen wirken auf die Epitheliome, Ulcus rodens usw. und sind
auch bei derartigen Erkrankungen der Schleimhäute im Mund usw.
anwendbar. 4) Radium soll frühzeitig und kräftig genug angewandt
werden. Schmerzen entstehen dabei nicht, die Narbe ist äußerst ge-
ringfügig. 5) Nach operativem Vorgehen soll man Radium nicht an-
wenden. 6) Die Heilung folgt der Radiumbehandlung schneller als
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1527
der Röntgenbehandlung. Manchmal heilt Radium noch Neubildungen,
die vergeblich mit Röntgenstrahlen behandelt waren. 7) Die Rückfälle
nach Radiumbehandlung sind selten. 8) Sein einziger Nachteil sind
die großen Anschaffungskosten. Trapp (Bückeburg).
9) E. Saroumian. Contribution å l'étude des lipomes mul-
tiples symétriques.
Thèse de Lausanne 1908.
S. berichtet über 19 Beobachtungen (18 Männer, 1 Frau) von
symmetrischen, multiplen Lipomen. Die Anamnese ergab in 15 Fällen
(14 Männer, 1 Frau) Alkoholismus; in den übrigen 4 Fällen war nicht
danach geforscht worden. Im Gegensatz hierzu war bei 7 Beob-
‚achtungen multipler, nicht symmetrischer Lipome nie Alkoholismus
vorhanden gewesen. S. bemerkt, daß die multiplen symmetrischen
Lipome meist erst bei Erwachsenen (25—60 Jahre) auftreten, die
multiplen nicht symmetrischen Fettgeschwülste dagegen oft schon seit
der Jugend bestehen. Bei Frauen ist das Erscheinen multipler, nicht
symmetrischer Lipome zur Zeit der Menopause ein häufiges Vor-
kommnis; bei der Pat. mit mehrfachen symmetrischen Fettgeschwülsten
waren diese schon einige Jahre vorher aufgetreten. S. räumt dem
Alkoholismus eine große ätiologische Bedeutung für das Entstehen
dieser Geschwülste ein. Schumacher (Zürich).
10) v. Wasielewski und Hirschfeld. Über den Einfluß der
Fulguration auf die Lebensfähigkeit von Zellen. (Aus dem
Institut für Krebsforschung in Heidelberg.)
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 37.)
Gewisse Bakterien (Bakterium typhi, coli, Mikrokokkus neofor-
mans, Staphylokokkus aureus usw.) und Hefen ertragen die Beblitzung,
ohne abgetötet zu werden; dagegen werden Amöben und Ciliaten in
ihren vegetatiren Formen schwerer geschädigt. Die Widerstands-
fähigkeit der Metazoenzellen gegen die Fulguration wurde an Mäuse-
krebsgewebe geprüft und durch nachträgliche Verimpfung desselben
festgestellt, ob die Stücke noch lebensfähig seien. Eine intensive
Beblitzung 3—4 mm dicker Geschwulstscheiben von Fünfpfennigstück-
größe wurde 10—15 Minuten lang gut vertragen; bei längerer Be-
strahlung ging die Transplantationsfähigkeit zurück (Erwärmung und
Austrocknung wurden durch gleichzeitige CO,-Anwendung auszu-
schalten gesucht). Durch gleichzeitige CO,-Einwirkung wurde die
Fulgurationswirkung abgeschwächt; doch nahm auch bei 30 Minuten
langer Beblitzung die Impfausbeute ab. Kramer (Glogau).
1528 Zentralblatt für Chirurgie Nr. 51.
11) K. Hartmann (Koblenz). Thiosinamin bzw. Fibrolysin
und ihre therapeutische Anwendung. 89 S.
Bonn, Carl Georgi, 1908.
In der vorliegenden Arbeit hat Verf. nach einer Einleitung über
die Eigenschaften und Anwendung des Thiosinamins und Fibrolysins
alle Veröffentlichungen zusammengestellt, in denen über Anwendungs-
weise und Erfolge bzw. Mißerfolge bei Thiosinaminbehandlung be-
richtet wurde. Die Zusammenstellung, die über 230 einzelne Arbeiten
berücksichtigt, läßt erkennen, daß Thiosinaminpräparate — und Fibro-
lysin ist eine Vereinigung von 1 Molekül Thiosinamin mit !/, Molekül
Natr. salicyl. — überall da mit Aussicht auf Erfolg angewendet
werden können, wo nicht allzu altes, von Entzündungserscheinungen
freies Narbengewebe erweicht und gedehnt werden soll. Unter den
24 verschiedenen Krankheitsgebieten, in denen die Anwendung von
Thiosinamin und Fibrolysin besprochen wird, interessieren am meisten
die guten Erfolge bei Dupuytren’scher Fingerkontraktur, narbiger
Kehlkopfstenose, Speiseröhrenstenose, gutartiger Pylorusstenose, Harn-
röhrenstriktur und in der Gynäkologie.
Das Fibrolysin wird allgemein in der von E. Merck gebrauchs-
fertig hergestellten Lösung subkutan angewandt, während das Thio-
sinamin am meisten in der durch v. Hebra angegebenen 15 %igen
alkoholischen Lösung injiziert wird. L. Simon (Mannheim).
12) O. Koerner. Die otitischen Erkrankungen des Hirns,
der Hirnhäute und der Blutleiter. Nachträge zur III. Auflage.
Wiesbaden 1908.
Mit bekannter Genauigkeit hat Verf. die Errungenschaften der
letzten 5 Jahre in diesem Nachtrag als erfahrener Kliniker und
Operateur kritisch behandelt. Nichts Wesentliches, was die intra-
kraniellen Komplikationen betrifft, scheint zu fehlen. Die beschränkte
diagnostische Bedeutung der Lumbalpunktion wird ausführlich be-
gründet; im Hinblick auf die geheilten Fälle »erfolggekrönter Opera-
teure« entwickelt Verf. seine gewiß berechtigten Bedenken und
nimmt hierfür eine Vorstufe der eitrigen Leptomeningitis an, bei der
virulente Mikroben sich in den Subarachnoidealräumen vermehren,
den Liquor überschwemmen und die sie begleitenden toxischen Sub-
stanzen meningitische Symptome hervorrufen: können, ohne daß die
Sektion eine Entzündung der weichen Hirnhäute aufdecke. Ein ope-
rativ geheilter Fall, bei dem Eiter in den Piamaschen gefunden,
stehe noch aus. Die Östeophlebitispyämie B.’s wird, durch einige
neuere Beobachtungen gestützt, aufrecht erhalten. Der Notwendigkeit
der Grunert’schen Bulbusoperation steht B. noch etwas skeptisch
gegenüber, da der Nachweis fehlt, daß »der Kranke nicht auch durch
die Sinus jugularis-Operation ohne Freilegung des Bulbus am Leben
erhalten worden wäre«. So sind überall die wichtigsten Streitfragen
eingehend berücksichtigt; die Verwertung der Literatur ist geradezu
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1529
mustergültig; und mit vollem Recht beklagt es K., daß von anderer
Seite der otologischen Literatur nicht die gleiche Würdigung zuteil
werde. Schultze’s »Hirnhäuteerkrankungen« und Lenhartz’ »Sep-
tische Erkrankungen« im Nothnagel’schen Handbuche zeugten von
einer sehr mangelhaften Berücksichtigung einschlägiger otologischer
Publikationen. F. Alexander (Frankfurt a. M.).
— nn [m
13) Ruge. Zur Erleichterung der Meningokokkendiagnose.
(Zentralblatt für Bakteriologie u. Parasitenkunde I. Abt. Bd. XLVII. Hft. 5.)
Wo der mikroskopische Nachweis der Kokken in der Zerebro-
spinalflüssigkeit nicht gelingt und die oft recht schwierige kulturelle
Untersuchung nicht angängig ist, kann man sich so helfen, daß man
6—8 Tropfen der zu untersuchenden verdächtigen Lumbalflüssigkeit
auf einen zuvor abgeglühten Objektträger bringt. Nach 10—12stün-
digem Aufenthalt des Präparates bei Zimmertemperatur unter einer
Petrischale ist die kleine Flüssigkeitsmenge eingetrocknet. Inzwischen
hat aber eine so starke Anreicherung der etwa vorhandenen Keime
stattgefunden, daß der mikroskopische Nachweis nunmehr ohne wei-
teres gelingt. Die gleiche Anreicherung hat Verf. auch bei Strepto-
kokken beobachtet. W. Goebel (Köln).
14) E. v. Hippel. Die Palliativtrepanation bei Stauungs-
papille.
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 37.)
Nach den von v. H. gemachten statistischen Feststellungen sind
die Aussichten für das Sehvermögen günstige, wenn in einem relativ
frühen Stadium, d. h. bei noch brauchbarem Sehvermögen die Palliativ-
trepanation vorgenommen wird, dagegen ungünstiger, bzw. absolut
schlechter, wenn zur Zeit der Operation das Sehvermögen schon prak-
tisch unbrauchbar geworden, bzw. erloschen ist. Die Möglichkeit der
Spontanheilung der Stauungspapille beim chronischen Hydrocephalus,
dem sog. Pseudotumor und der Gehirnschwellung spricht nicht gegen
die Vornahme der Palliativtrepanation, weil diese Krankheiten bisher
nicht mit Sicherheit differentialdignostisch von Hirngeschwulst zu
unterscheiden sind, und es vorkommen kann, daß sonst völlige Heilung,
aber mit Erblindung eintritt. Ob die beim Turmschädel vorkommende
Stauungspapille durch Trepanation geheilt werden kann, steht noch
nicht fest. Trotzdem der Eingriff mit Gefahren verknüpft ist, ist er
entschieden anzuraten, weil, abgesehen von der Besserung des Seh-
vermögens, oft das Leben verlängert und vor allen Dingen erträglich
gemacht, sogar nicht selten durch ihn die Krankheit geheilt wird.
Kramer (Glogau).
51*+*+
1530 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51.
15) Kühne und Plagmann. Die Röntgenuntersuchung des
Processus mastoideus bei Ostitis media.
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII. Hft. 5.)
Systematische röntgenographische Untersuchungen des Prozesses
des Warzenfortsatzes an einer größeren Anzahl von normalen und
pathologischen Fällen sind in der Literatur nur wenig zu finden.
Verff. haben nun eine große Anzahl von Fällen mit akuter und chro-
nischer Mittelohrentzündung ohne besondere Auswahl, mit und ohne
klinisch nachweisbare Mastoiditis mit Röntgenstrahlen untersucht.
Da die Schrägaufnahmen oft hochgradige Verzeichnungen geben
und die stereoskopischen Aufnahmen der Schädelbasis nicht allein
viel Zeit und Geduld, sondern auch viel Geld kosten, so wurde all-
mählich ausschließlich die Sagittalaufnahme der ganzen Schädelbasis
unter Anwendung der Albers-Schönberg’schen Zylinderblende
ausgeführt. Diese Aufnahme gewährt zugleich das Bild beider
Warzenfortsätze und beider Felsenbeine Die Fixierung des Kopfes
geschieht nur durch Sandsäcke.
Die Resultate, die zugleich durch Aufnahmen am normalen Men-
schen kontrolliert wurden, waren:
Während beim Gesunden die Struktur des Warzenfortsatzes auf
beiden Seiten fast ausnahmslos die gleiche ist, so daß beide entweder
vorwiegend Hohlräume oder eine kompaktere Knochenstruktur zeigen,
gibt es unter pathologischen Verhältnissen deutliche Unterschiede
zwischen den Bildern beider Seiten. — Ein dichter strukturloser
Knochenschatten auf der kranken Seite spricht nahezu sicher für das
Bestehen einer Osteosklerose, wie sie sich im Anschluß an chronische
Mittelohreiterung auszubilden pflegt.
Bei einseitiger akuter Mittelohreiterung zeigt das Röntgenogramm
eine diffuse Schleierbildung im Bereiche des Fortsatzes, die nach Ab-
heilung der Mittelohreiterung bald zurückgeht. Diese Verschleierung
tritt sowohl bei einfachen Schleimhauterkrankungen in den gesamten
Mittelohrräumen auf, als auch bei der akuten Ostitis media, bei der
es bereits zu einer beginnenden Knochenzerstörung im Warzenfortsatz
gekommen ist. Die Differentialdiagnose zwischen der akuten Ostitis
media und der akuten Mastoiditis ist also auf Grund des Röntgen-
bildes nicht zu stellen. Da aber Warzenfortsätze mit ausgesprochener
Höhlenbildung viel leichter zu Knocheneinschmelzungen neigen, ist das
Röntgenbild für die prognostische Beurteilung von großem Wert.
Gaugele (Zwickau i. S.).
16) Wassermann. Die Bedeutung des Röntgenverfahrens auf
dem Gebiete der Rhinologie und Laryngologie.
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrablen Bd. XII. Hit. 5.)
Selbst dem geübtesten Fachmann unterlaufen bei der Diagnose
der Nebenhöhlenerkrankungen diagnostische Irrtümer. Selbst bei der
relativ am einfachsten erkennbaren Erkrankung des Kieferhöhlen-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1531
empyems versagt selbst die Probepunktion dann, wenn eine zweigeteilte
Kieferhöhle vorhanden ist. Noch schwieriger ist die Diagnose der
Stirnhöhleneiterung, namentlich bei Verschluß des Ductus nasofron-
talis. Das lange Suchen nach eitrigem Sekret ist oft geeignet, das
Vertrauen zwischen Pat. und Arzt zu stören. Mit Freuden ist es
daher zu begrüßen, daß Verf. in dem Röntgenverfahren eine ziemlich
zuverlässige Methode gewonnen hat, uns auf einmal einen Überblick
über die Nebenhöhlen zu verschaffen und in Kombination mit unseren
bisherigen Methoden die Diagnose zu sichern, zu vereinfachen und
insbesondere zu beschleunigen. Die Beobachtungen des Verf.s er-
strecken sich auf 40 Fälle, die alle durch operative Eingriffe hinsicht-
lich der Befunddeutung kontrolliert werden konnten.
Die Aufnahmen wurden ausschließlich im occipitofrontalen Durch-
messer des Schädels, also von hinten nach vorn her, bewerkstelligt.
Das Röntgenbild ergibt natürlich nur eine Trübung der Höhlen,
ohne über die Art der Höhlenausfüllung Aufschluß zu geben; hier
haben wir zur Unterstützung die bisherigen klinischen Untersuchungs-
mittel zuzuziehen.
Ganz besonders wertvoll erscheint das Röntgenverfahren für die
Diagnose der Siebbeinerkrankungen. Oft tritt äußerlich nur eine
Kieferhöhleneiterung in den Vordergrund, oder eine Eiterung des
mittleren Nasenganges, bei denen erst das Röntgenogramm eine iso-
lierte Erkrankung des Siebbeines ohne Beteiligung .der Stirn- oder
Kieferhöhle erkennen ließ.
Nicht nur hinsichtlich der örtlichen Wahl des Eingriffes ist aber
die Röntgenographie von großer, praktischer Bedeutung, sondern auch
hinsichtlich der Methode desselben, besonders bei Stirnhöhlenopera-
tionen, da sie uns über Tiefe und Höhe, Buchten, Septen und Kam-
merungen der Höhle Aufschluß gibt.
Das Röntgenogramm ist endlich berufen, auch die Operations-
resultate zu kontrollieren, da mit dem Nachlaß der klinischen Sym-
ptome wiederum eine Aufhellung der früher konstatierten Trübungen
eintritt; nur bei der Kieferhöhleneiterung bleibt eine Verdunkelung
auch nach Ablauf des Prozesses zurück.
Auf jeden Fall ist das Röntgenverfahren zuverlässiger als die
Durchleuchtung mit der elektrischen Glühlampe.
Technik: Notwendig ist absolute Fixation des Kopfes, am besten
mit dem von Grashey angegebenen Kopfstücke. Pat. liegt mit dem
Gesicht auf der teilweise mit Kompressen gepolsterten Platte. Auf
das Hinterhaupt wird die Kompressionsblende von Albers-Schön-
berg eingestellt; Pat. muß tiefes Atmen und Schlucken während der
Aufnahme vermeiden. Halbweiche Röhre. Die der Arbeit beigege-
benen Photogramme zeigen zum Teil mit überraschender Deutlichkeit
Eiterungen der Kieferhöhle, der Stirnhöhle, des Siebbeines.
Gaugele (Zwickau i. 8.).
1532 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51.
17) W. Uffenorde. Die Erkrankungen des Siebbeines.
Jena, Gustay Fischer, 1907.
Es läßt sich darüber streiten, ob es zweckmäßig ist, die Spezia-
lisierung so weit zu treiben, daß man die Erkrankungen eines Neben-
höhlenkomplexes für sich monographisch darstellt. Die Zersplitterung
wird dadurch immer größer und zeitigt dann auch Monographien über
so kleine Gebiete wie z. B. die Erkrankungen der Nasenscheidewand.
Überdies liegt gerade das Siebbeinlabyrinth so im Zentrum der übrigen
Nebenhöhlen, und weist so innige Beziehungen mit demselben auf,
daß es ganz unmöglich sein dürfte, sich strikte an das Thema zu
halten. Und dieser Gefahr konnte der Verf. auch nicht ausweichen;
allenthalben finden sich Abschnitte über die anderen Nebenhöhlen,
speziell die Kieferhöhlen. Sieht man von diesen prinzipiellen Beden-
ken ab, so verdient die Arbeit des Verf.s doch ein hohes Lob. U. hat
sich bemüht, in manche Streitfragen Klarheit zu bringen, so besonders
in die Frage über die Beziehungen zwischen Nebenhöhleneiterung und
Polypen, er unterscheidet: 1) typisches Empyem ohne Polypenbildung;
2) typische hyperplastische (polypöse) Entzündung ohne Eiterung, und
3) Polypenbildung mit sekundärer Eiterung. Bei 1) bestehe meist
Atrophie, bei 2) Hypertrophie der unteren Muschel. Bei 3) nimmt
Verf. eine sekundäre Infektion an. Diagnostisch bevorzugt er mit
Recht die Rhinoscopia media, die er durch Infraktion der mittleren
Muschel sich erleichtert. Dagegen scheut er im Gegensatze zu zahl-
reichen anderen Autoren die Entfernung des vorderen Endes der
mittleren Muschel und geht unseres Erachtens hierin etwas zu weit.
Eine ausführliche Darstellung ist den Komplikationen des Endokra-
niums und der Orbita mit ihrem Inhalte gewidmet. Endlich werden
ausführlich die mannigfachen Beziehungen zu Magenaffektionen der
verschiedensten Art, Pharyngitis, Laryngitis, Bronchitis, Asthma usw.
erörtert, und mit vollem Recht betont, wie oft im mittleren Nasengang
versteckt liegende Veränderungen übersehen werden, und wie vieles
als vasomotorische, nervöse usw. Sekretion mit Unrecht angesehen
wird. Therapeutisch wird die Galvanokaustik nur noch angewandt, um
die operativ hergestellten Offnungen vor hartnäckiger Neigung zur
Verengerung zu schützen. Sonst bevorzugt Verf. vornehmlich schnei-
dende Instrumente, Stanzen, Conchotome usw. und wendet mit Recht
wenig den scharfen Löffel an. Die Grenzen endonasalen Vorgehens
steckt er nicht so weit wie Kramm und dürfte darin des Beifalls
der meisten Fachgenossen sicher sein. Naturgemäß ist es nicht zu
umgehen, daß in dieser Siebbeinmonographie die Operationsmethoden
von Kiefer- und Stirnhöhle augehandelt werden. Die lateralen Sieb-
beinzellen, die bekanntlich der Ausheilung von Siebbein- und Stirn-
höhleneiterung am meisten hindernd im Wege stehen, werden gebührend
gewürdigt. Recht gelungen erscheint uns das Kapitel über die Ge-
schwülste; hier bevorzugt Verf. die Methoden von Pr OaS und
Gussenbauer.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1533
Im ganzen eine äußerst fleißige Arbeit, die überall das Bemühen
verrät, kritisch eigene wie fremde Beobachtungen und Publikationen
zu verwerten. Die Abbildungen sind teils anderen anerkannten
Werken (besonders Hajek) entlehnt, teils liegen eigene Präparate
des Verf.s zugrunde. Die Ausstattung ist eine sehr gute.
F. Alexander (Frankfurt a. M.).
18) Hopmann. Die Furcht vor Mandeloperationen.
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 38.)
H. faßt seine Ausführungen in folgenden Sätzen zusammen:
Gaumenmandeln und alle Wucherungen des lymphatischen Rachen-
ringes überhaupt, welche Störungen verursachen, müssen gründlich
beseitigt werden, wenn Dauerheilung erzielt werden soll. Alle in
Betracht kommenden Mandeln können gründlich in einer Operation
(bei der die Gaumenbögen sorgfältig zu schonen, die Mandeln mög-
lichst stumpf herauszuschälen sind), doch nur unter Anwendung all-
gemeiner Narkose entfernt werden. Diese Operation, sorgsam aus-
geführt, ist nicht angreifender und gefährlicher als eins der üblichen
Verfahren zur »Exstirpation«e der Mandeln, welches in der Regel nur
teilweise Entfernung der Mandeln erreicht oder bezweckt.
Kramer (Glogau).
u...
19) Roberts. The surgical importance of cervical ribs to the
general practitioner.
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. Oktober 10.)
Kurzer Überblick über die Geschichte der Halsrippen. Die Dia-
gnose ist heute sehr erleichtert durch die Röntgenuntersuchung; man
findet infolgedessen Halsrippen viel häufiger wie früher. Verf. be-
spricht dann die verschiedenen Formen der Halsrippen unter ein-
gehender Würdigung der aus ihrer Lage sich ergebenden anatomischen
Anomalien der. Weichteile. Abbildungen veranschaulichen diese Ver-
hältnisse. Die Krankheitserscheinungen treten häufig erst später auf,
obwohl die Halsrippen stets angeboren sind. Verf. führt dies auf die
anfängliche größere Elastizität, die später durch Verkalkung von Knor-
peln schwindet, auf Abmagerung infolge von Krankheiten, Verletzungen,
die in späterem Alter die Rippe stärker schädigen als in jugendlichem,
zurück. Die Behandlung kann in ernsteren Fällen mit schweren Stö-
rungen nur in Entfernung bestehen, während man bei leichteren alle
möglichen, die Zirkulation und die Tätigkeit der Nerven befördernde
Mittel anwendet. Trapp (Bückeburg).
20) Lucass. Geschichte der Laryngologie an der Universität
Heidelberg seit der Erfindung des Kehlkopfspiegels bis zum
1. Oktober 1908. Preis 3 Mk.
Würzburg, Curt Kabitzsch, 1908.
Verf. gibt in seiner kleinen Monographie sine ira et studio einen
Überblick über seine vergeblichen, durch die jährlich steigende Kranken-
1534 = Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51.
frequenz wohlbegründeten Bemühungen, der Laryngologie an der Uni-
versität Heidelberg durch Einrichtung einer stationären Klinik die ihr
gebührende Stellung zu verschaffen, eine Frage, die jetzt durch Ver-
einigung der Laryngologie mit der Ohrenheilkunde endgültig gelöst ist.
Engelhardt (Kassel).
21) Rehn. Die Fortschritte der Brustchirurgie.
(Zeitschrift für ärztliche Fortbildung 1908. Nr. 12 u. 13.)
In einer übersichtlichen Darstellung des jetzigen Standes der
Brustchirurgie bringt R. nachstehende Erklärung der schweren Folgen
des einseitigen Pneumothorax: Nicht das Flattern der Mediastinal-
pleuren, die Verkleinerung des restierenden Lungenvolumens und die
Hyperämie der kollabierten Lunge, sondern die Verlegung der zur
gesunden Lunge führenden Luftwege bildet die Hauptgefahr. Zwerch-
fell und Herzbeutel rücken abwärts. Das vom Lungenhilus zum
Ziwerchfell herabziehende Lig. pulmonale wird gespannt, die Haupt-
äste der Lungenschlagader und der Aortenbogen, die die Haupt-
bronchien innig umschlingen, werden gestreckt und halten den Lungen-
hilus noch fester, während die Luftröhre mit dem Mediastinum sich
bei tiefer Inspiration nach der gesunden Seite bewegt. Dadurch wird
eine Knickung zwischen Luftröhre und Hauptbronchus bewirkt, am
linken Bronchus, der enger, von der Aorta umschlungen und stärker
von der Luftröhre abbiegt, noch leichter als am rechten. Durch An-
ziehen der kollabierten Lunge oder Lagerung des Kranken auf die
Pneumothoraxseite wird die Knickung der Luftwege aufgehoben
und der Zugang zur gesunden Lunge wieder frei.
Gutzeit (Neidenburg).
22) Simmonds. Über den Nachweis von Verkalkungen am
Herzen durch das Röntgenverfahren.
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII. Hft. 6.)
Deutliche Röntgenbilder von Verkalkungen am Herzen sind bis
jetzt noch nicht vorhanden. Verf. zeigt uns nun sehr scharfe Bilder
von derartigen Fällen, allerdings nur von Sektionspräparaten, und
zwar Fälle von Verkalkung der Coronararterien, der Aortenklappen,
der Mitralis, weiter Fälle von Kalkablagerung im Herzbeutel nach
vorausgegangener Entzündung, Fälle von chronischer Sklerose der
Mitralis und Aorta mit Kalkablagerung usw.
Die praktische Verwertung solcher Befunde am lebenden Herzen
scheitert zurzeit noch an der langen Expositionszeit. (Ref. sah vor
kurzem bei der Sektion einer 80jährigen Frau eine totale Verkalkung
des Annulus fibrosus in Kleinfingerstärke; es ist zu hoffen, daß in
Zukunft durch Momentaufnahmen solche Befunde auch am Lebenden
festgestellt werden können.) Gaugele (Zwickau).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1535
23) E. Quenu. De la cholecystite typhique au cours et
pendant la convalescence de la fièvre typhoïde et spéciale-
ment de son traitement opératoire. Revue critique.
(Revue de chir. XXVIII ann. Nr. 6.)
Die Leber ist das Hauptausscheidungsorgan für die Typhusbazillen ;
Infektionen der Gallenblase beim Typhus sind daher sehr häufig. Sie
können sowohl im Verlauf wie in der Rekonvaleszenz oder auch erst
lange Zeit nach überstandener Krankheit, bei chronischen Bazillen-
trägern, auftreten und nicht selten zur Gallensteinbildung führen bzw.
ein vorhandenes Gallensteinleiden verschlimmern. Auch die Weil-
sche Krankheit und viele infektiöse Ikteri ist Q. geneigt, auf den
Typhuserreger zurückzuführen. Die typhöse Infektion der intrahepa-
tischen Gallenwege mit oder ohne Abszeßbildung ist seltener.
Während des Typhus bleibt die Beteiligung des Gallensystems
infolge des schweren allgemeinen Krankheitszustandes in vielen Fällen
unbemerkt, zumal Gelbsucht oft fehlt und die geschwürigen Vorgänge
im Darm im Vordergrunde des Interesses stehen. Geringfügige Gallen-
blasenerkrankungen während der Genesung sind häufig als leichte
Typhusrückfälle angesehen worden. In beiden Stadien erfordern die
eitrigen Entzündungen und die Perforationen der Gallenblase unbe-
dingt chirurgisches Eingreifen. Die Cholecystostomie ist die Operation
der Wahl an den schon durch das Grundleiden geschwächten Kran-
ken. Nur bei Perforationen oder stark brüchiger Blasenwand ist die
Ektomie am Platze.
Kritischer Bericht über 44 Fälle der Literatur und kurze Mit-
teilung einer bisher unveröffentlichten Beobachtung von Cavaillon
und Leriche. Gutzeit (Neidenburg).
24) Zerfing. Benign and malignant diseases of the pancreas,
with report of cases.
(Southern California practitioner 1908. Mai.)
Verf. bespricht zuerst die anatomischen Verhältnisse des Aus-
führungsganges des Pankreas. Nach den Untersuchungen von Opie
genügte der kleine Gang, Ductus Santorini, der etwa 1 Zoll über
der Vater’schen Papille ausmündet, wenn er überhaupt vorhanden ist,
in 30% der untersuchten Fälle, bei denen es zu totalem Verschluß
des Ductus pancreaticus gekommen war, nicht, um den Pankreassaft
dem Darme zuzuführen.
Bei dem Choledochus unterscheidet Z. einen supraduodenalen,
retroduodenalen, pankreatischen und intraparietalen Teil. Der pan-
kreatische Teil ist in 62% vollständig von Pankreasgewebe umgeben,
und in 38% lag er in einer besonderen Grube des Pankreas.
An die Histologie und Physiologie des Pankreas schließt sich die
Pathologie. Der Symptomenkomplex der akuten hämorrhagischen
Pankreatitis wird eingehend besprochen, sowie die Differentialdiagnose
der chronischen Pankreatitis.
1536 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51.
Zum Schluß bringt Verf. die Krankengeschichten eines Falles
von chronischer interstitieller Pankreatitis und eines primären Pankreas-
karzinoms, Deetz (Arolsen).
25) L. Sauvé. Des pancr&atectomies et specialement de la
pancreatectomie cephalique.
(Revue de chir. XX VIII. ann. Nr. 2 u. 3.)
S. setzt in dieser auf breiter anatomisch-physiologischer wie experi-
mentell und klinisch chirurgischer Grundlage angelegten Arbeit aus-
einander, wie die Aufgabe, den Pankreaskopf zu exstirpieren, allein
durch die Duodenopankreatektomie gelöst werden kann, und beschreibt
ihre durch 20 Leichenversuche gewonnene Technik an der Hand von
vier Abbildungen. Abgesehen davon, daß das zurückgelassene Duo-
denum infolge der für die Amputation des Bauchspeicheldrüsenkopfes
erforderlichen Durchtrennung seiner ernährenden Gefäße brandig wird,
bietet die gemeinsame Abtragung von Duodenum und Pankreas den
großen Vorteil, daß sich das abgelöste »Duodenopankreas« vor die
Bauchwunde ziehen läßt; hierdurch werden die großen Gefahren der
Operation (Verletzung der Pfortader, der Vasa mesenterica superiora
und A. colica dextra) wesentlich leichter gemieden, auch ist die für
Pankreasoperationen unumgänglich notwendige Asepsis besser zu wah-
ren, als wenn man in der Tiefe arbeiten muß.
Ein weiterer Grund für die Berechtigung der Duodenopankreat-
ektomie ist der, daß die meisten Pankreaskrebse Krebse des Pan-
kreaskopfes sind und zunächst auf Duodenum und Pylorus und die
Lymphknoten am oberen und unteren Rande der Bauchspeicheldrüse
übergreifen.
Für die chirurgische Behandlung kommt vor allem der tiefgelegene
Krebs des Pankreaskopfes in Betracht, der durch Druck auf das
Sonnengeflecht und den Wirsung’schen Gang frühzeitig Schmerzen
und Kachexie hervorruft. Der Pankreaskrebs in der Nähe der Papilla
Vateri wird wegen des beständig fortschreitenden Ikterus häufig zu-
nächst unter falscher Diagnose behandelt, bis die mangelnde Fett-
spaltung und Verdauung auf eine Insuffizienz der Bauchspeicheldrüse
hinweisen. Der oberflächliche Krebs des Pankreaskopfes entwickelt
sich meist so unbemerkt, daß die von ihm befallenen Kranken selten
rechtzeitig zum Chirurgen kommen.
S. führt die Operation zweizeitig aus: zuerst die Y-förmige Gastro-
jejunostomie, nach ihrer Heilung die Duodenopankreatektomie und
Choledochoenterostomie. Den Pankreasstumpf näht er in die Haut-
wunde ein, da er die Einpflanzung des Wirsung’schen Ganges in
den Darm für technisch nicht möglich hält, und die Versenkung der
ganzen Schnittfläche des Pankreasstumpfes in den Darm, am Tier
wenigstens, mit Sicherheit akuteste Pankreatitis mit Blutungen ver-
anlaßt.
In die Zusammenstellung der bis jetzt ausgeführten Exstirpationen
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1537
des Pankreas sind auch drei noch nicht veröffentlichte Fälle von
Tuffier, Duval und Michaux aufgenommen.
Gutzeit (Neidenburg).
26) Przewalski. Über das große Netz.
(Berliner klin. Wochenschrift 1908. Nr. 27.)
Nach kurzer Mitteilung des bisher über die physiologische
Funktion des Netzes Bekannten wird als Ergebnis von 40 Tierrer-
suchen (Netzresektionen mit Unterbindung aller Milzblutgefäße) aus-
geführt, daß bei 25% eine Umdrehung einer Dünndarmschlinge auf
180—360° gefunden wurde, der Netzmangel also unter bestimmten
Bedingungen die Darmtorsion tatsächlich begünstigt.
Das Netz reguliert die Peristaltik der Dünndärme, indem es
während peristaltischer Bewegungen der letzteren sie zu einem Kon-
volut verbindet. Langemak (Erfurt).
Kleinere Mitteilungen.
Aus der chirurgischen Universitätsklinik zu Basel.
Direktor: Prof. Dr. Wilms.
Wismutvergiftung durch Injektionsbehandlung
nach Beck.
Von
Dr. Hans Eggenberger,
Assistenzarzt.
Nachtrag zur Mitteilung in Nr. 44 p. 1309 d. BI.
ürzlich haben Novak und Gütig (Berliner klin. Wochenschrift 1908 p. 1764)
einige letal verlaufene Intoxikationen nach Darreichung von Bismuthum sub-
nitricum zusammengestellt, die nicht als Metallvergiftungen — mit Stomatitis und
Enteritis —, sondern als Nitritvergiftungen sichergestellt wurden. Deren
Krankheitsbild war charakterisiert durch das Auftreten einer eigentümlichen fahlen
Cyanose der Haut und der Schleimhäute, durch raschen, kleinen Puls und die
Bildung von Methämoglobin im Blute. l
Nach Kobert sind die drei Hauptsymptome der Nitritvergiftung: 1) zentrale
Lähmungen, 2) zentrale Reizerscheinungen, 3) Umwandlung des Oxyhämoglobins
der roten Blutkörperchen in Methämoglobin. In unserem Falle wurde eine Blut-
untersuchung kurz vor dem Tode versäumt; es fiel aber die fahle Cyanose auf.
Die zentralen Reizerscheinungen, die bisher in ähnlichen Fällen nie beschrieben
sind, waren sehr ausgesprochen. Sie begannen mit einzelnen Zuckungen und
endeten in einem allgemeinen, tonischen Krampfzustande. Der Exitus trat unter
primärem Atemstillstand ein. — Die Autopsie ergab, wie schon früher (p. 1310)
bemerkt wurde, eine deutliche Hyperämie des Zentralnervensystems. An mikro-
skopischen Veränderungen fand man in den Tubuli contorti der Nieren zahlreiche
hyaline und einige gekörnte Zylinder, in den Tubuli recti einige Desquamationen.
In der Leber zeigte sich eine geringe Infiltration der Glisson’schen Scheiden mit
Lymphocyten. In der Milz war stellenweise etwas braunes Pigment. (Prof.
Hedinger- Basel.)
Maassen stellte fest, daß verschiedene, besonders in Kinderfäces entbalter
Bakterien imstande sind, aus Bismuthum subnitricum in erheblichen Mengen Nitr‘
1538 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51.
zu erzeugen. Die Nitrite wurden in unserem Falle wahrscheinlich durch vom
Darm her .eingewanderte Bakterien gebildet.
Gleichzeitig gab sich bei unserem Pat. die Schwermetallvergiftung an der
Stomatitis und dem Coecalgeschwür deutlich zu erkennen. Es mußte sich also
hier um eine Kombination von Metall- und Nitritvergiftung handeln.
Nach externer und subkutaner Applikation treten vorwiegend
die Wismutmetallvergiftungen auf, wie sie früher beobachtet wurden,
während nach interner Darreichung die eben beschriebenen Ni-
tritvergiftungen vorwiegen. Die letzteren nehmen häufiger einen tödlichen
Verlauf als die ersteren.
Erich Meyer (Therapeutische Monatshefte 1908 p. 388) empfiehlt, bei der
Wismutbehandlung stets das Bismuthum subnitricum durch Bismuthum
carbonicum zu ersetzen, was bei der Injektionsbehandlung nach Beck sehr
empfohlen werden muß,
Berichtigungen: Nr. 44 d. Bl., p. 1310, Z. 31 lies: Wismut nicht nachge-
wiesen, statt Wismut nachgewiesen; daselbst Z. 43: Münchener med. Wochenschrift
1906, statt 1900.
27) A. Eckermann. Über Narbenkarzinome.
(Wiener klin. Rundschau 1908. Nr. 39 u. 40.)
Verf. bespricht zunächst die Literatur und beschreibt dann mehrere interessante
Fälle aus der Klinik Trendelenburg’s. In allen fünf Fällen handelte es sich
um Narbenkarzinome, einmal auf dem Boden einer Narbe nach Frostgangrän.
Schmieden (Berlin).
28) A. Castellani. The treatment of elephantiasis.
(Indian med. gazette 1908. Juni.)
C. empfiehlt subkutane Injektion von Fibrolysin, die täglich oder zweitägig
in einer Dosis von 2ccm anzuwenden ist. Die Behandlung wird durch Bettruhe,
Massage und Druckverband vorbereitet und unterstützt und wenigstens 5—6 Mo-
nate fortgesetzt. Hat die Spannnng nachgelassen, so werden Streifen der Haut
und des Unterhautzellgewebes exzidiert. In einigen Fällen wurde ein glänzendes
Resultat erzielt. Doch ließ sich ein Urteil darüber noch nicht abgeben, ob das
hartnäckige Leiden wirlich dauernd geheilt war. Revenstorf (Hamburg).
29) Kirschner. Über zwei Fälle von traumatischer motorischer
Aphasie.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIV. p. 94.)
Die beiden Fälle sind in der Greifswalder Klinik Payr’s beobachtet und
betreffen Männer, die durch Maschinen am Kopfe verletzt waren. Beim Fehlen
sonstiger schwerer Gehirnerscheinungen war das Symptom einer subcorticalen
motorischen Aphasie das bemerkenswerteste. Beide Male wurde der Schädel in
der linken Schläfenbeingegend, wo auch eine Wunde bzw. ein Hämatom vorlag,
freigelegt, wonach Schädelbrüche mit deprimierten Bruchstücken gefunden und
letztere entfernt sind. Der entfernte Knochensplitter war im ersten Falle 6 cm
lang und mit seiner vorderen unteren Spitze etwa 4 mm unter der Tabula externa
gelegen, derart, daß er über dem hinteren Teil der 3. Stirnwindung und dem
unteren Teil der Zentralfurche gelegen haben muß. In Fall 2 war das Fragment
fast Öömarkstückgroß und etwa 1 cm in die Tiefe verlagert; nach Entfernung des
wichtigsten 2markstückgroßen Splitters kam noch ein mäßiges extradurales Häma-
tom zur Ausräumung. Der Splitter scheint ebenfalls die untere Stirnwindung und
oben hinten gerade noch die Zentralfurche gedeckt bzw. gedrückt zu haben. In
beiden Fällen glatte Wundheilung und allmähliche Rückkehr fast normaler Sprach-
fähigkeit. In Fall 1, der eine leichtere Störung darbot, nimmt K. nur eine lokale
Hirnerschütterung mit chokartiger Lähmung der betroffenen Nervensubstanz an,
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1539
in Fall 2 vielleicht auch Blutung oder noch schwerere Veränderung in der Hirn-
substanz.
Betreffs interessanter Einzelheiten (u. a. sog. Telegrammsprachstil bei Rückkehr
der Sprache) sowie der kurzen Allgemeinbemerkungen zur Sache wird auf das
Original verwiesen, das übrigens außer Photogrammen zu Fall1 auch ein 13 Num-
mern zählendes Literaturverzeichnis bringt. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
30) H. Bouquet. Hemorragie meningee curable chez un enfant.
(Province med. 1908. Nr. 38.)
Ein 14jähriger Junge wurde im Anschluß an eine Insolation von den Sym-
ptomen einer Meningitis befallen. Die lumbale Punktion ergab Blut. Heilung in
ca. 6 Wochen.
Verf. glaubt, daß die Insolation eine Hämorrhagie der weichen Hirnhäute
hervorgerufen hat. A. Hofmann (Karlsruhe).
31) Deane. Thrombosis of superior, longitudinal and lateral sinuses
complicated by pregnancy.
(Journ. amer. med. assoc. 1908. September 19.)
Die 18jährige Pat. war im 5. Monat schwanger, litt seit Jahren an Ohrenfluß.
Augenblicklich bestand Fieber, rechtsseitiger Ohrenschmerz und die Zeichen von
Eiterung in den Mastoideuszellen. — Die Polypen im rechten Gehörgange wurden
entfernt, das Antram mastoideum eröffnet, dabei ein Teil der hinteren kariösen
Gehörgangswand fortgenommen. Der absichtlich freigelegte Siuus sigmoideus
zeigte gangränöse Wand und enthielt Eiter. Von peripherer Blutung nach Ein-
führung einer Sonde nach hinten selbst bei tiefem Eindringen keine Blutung. Die
geplante Unterbindung der Jugularis konnte wegen Kollaps der Pat. erst 5 Tage
später ausgeführt werden. Im weiteren Verlaufe traten hauptsächlich Schüttel-
fröste, Erbrechen und Kollapserscheinungen hervor. Da den Frösten nie nach-
weisbare Metastasen an inneren Organen folgten, wurde Fortschreiten der Throm-
bose auf die anderen Hirnblutleiter angenommen, zumal da vervollständigte
Unterbindung der rechten Jugularis und Resektion die Fröste nicht beeinflußte.
D. nahm an, daß die Thrombose auf die Sinus übergegriffen habe, die sich im
Confluens sinuum vereinigen. Er trepanierte mit dem Meißel 1,5 cm rechts und
nach unten von der Protuberantia occipitalis, fand den Sinus lateralis dexter zu-
sammengefallen und verfärbt. Er wurde bis in das Torcular Herophili gespalten,
eins stumpfe Curette bis zum linken Sinus lateralis vorgeschoben, was obne Blu-
tung möglich war. Nach Vorschieben der Curette 8cm in den Sinus longit. sup.
entleerte sich übelriechender Eiter, nach Curettement des linken Sinus lateralis
ein kräftiger Blutstrom. Darauf Tamponade. In dem weiteren Verlaufe wurde
noch mehrmals die Curette angewandt, und D. ließ reichlich Blut austreten, um
Gerinnsel infektiöser Natur fortzuschwemmen. Die häufigen und schweren Kollaps-
zustände wurden, wie schon vor der letzten Operation, erfolgreich mit Whiskey-
klistieren, Digitalis, Nitroglyzerin und anderen Analepticis bekämpft. Die Tempe-
ratur fiel 2 Tage nach der letzten Operation ab, und es trat allmählich Heilung
und Erholung ein. 4 Monate nach der letzten Operation gebar Pat. ein kräftiges
und gesundes Kind. Später wurde noch die Radikaloperation der Paukenhöhle
gemacht. — Eine operative Eröffnung des Confluens sinuum am Lebenden ist
bisher noch nicht beschrieben. Trapp (Bückeburg).
32) Esau. Angeborene Mißbildung der Nase (Doggennase) und span-
genförmige Verknöcherung des knorpligen Septums.
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII. Hft. 5.)
Es handelt sich um einen Pat. mit Spaltnase. Im Röntgenogramm sieht man
vom freien Rande der Ossa nasalis, da wo sich sonst das knorplige Nasengerüst
ausetzt, eine ziemlich breite Knochenspanne beinahe halbkreisförmig zur Spina
nasalis inferior sich herunterziehen.
1540 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51.
Im Gegensatz zu manchen anderen, hält Verf. die geschilderte abnorme Nase
für eine Hemmungsmißbildung unbekannter Ursache, aber wahrscheinlich nicht auf
amniogenem Wege entstanden. Er kommt zu dieser Ansicht durch den Vergleich
mit Nasen von Föten in den ersten Lebenswochen. Bei diesen sind die Nasen-
löcher noch durch ein breites Septum getrennt und stehen weit auseinander. Die
Nase ist platt und niedrig. Störungen von seiten der Nase liegen nicht vor.
Gaugele (Zwickau i. S.).
33) E. Hagenbach. Symmetrische Lymphangiome der Mundspeichel-
drüsen.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIII. p. 478.)
Interessante kasuistische Mitteilung aus dem Baseler Kinderspitale, betreffend
ein 5 Monate altes Kind, das, behaftet mit symmetrischen Geschwülsten der
Speicheldrüsen, äußerlich an die Mikulicz’sche Krankheit erinnerte. Am größten
war die Anschwellung der linken Submaxillardrüse, die ebenso wie die übrigen
Geschwülste schon gleich nach der Geburt bemerkt worden und nicht gewachsen,
ca. apfelgroß war (s. Photogramm). Beschwerden waren geringfügig, und nur
zwecks Behebung der Entstellung wurde die Submaxillarisgeschwulst, die bei Probe-
punktion klare, gelbe, etwas fadenziehende Flüssigkeit ergeben hatte, exstirpiert,
wobei die Maxillaris externa und der Hypoglossus durchtrennt werden mußten,
die Blutung übrigens gering war. Verlauf anfänglich gut, später aber traten zu-
nehmende Diarrhöen und unter Kräfteverfall der Tod ein. Die histologische Be-
fundaufnahme der operierten Geschwulst (Lymphangiom) und das Sektionsresultat
werden mitgeteilt, zwei mikroskopische Abbildungen beigefügt.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
34) R. W. Laufer. Über einen sicheren Fall von Implantations-
karzinom.
(Prager med. Wochenschrift 1908. Nr. 40.)
L. beschreibt einen Fall von primärem Karzinom des Zungengrundes ohne
Beteiligung irgendwelcher Lymphdrüsen. Exstirpation der Geschwulst im Ge-
sunden, nachdem das Öperationsgebiet durch einen Wangenschnitt zugänglich ge-
macht worden ist. Nach !/; Jahre Exstirpation einer taubeneigroßen Geschwulst,
die die ganze Dicke der Wange durchsetzt hat. Verf. nimmt an, daß beim Durch-
ziehen der primären Geschwulst durch die Wangenwunde sich Krebeszellen abge-
löst haben, die dann in der frischen Operationswunde sich festsetzten. Verf. kann
sich das Auftreten der Metastase an einem Orte, der von Lymph- und Blutmeta-
stasen verschont bleibt, nur durch den Akt einer Implantation erklären.
A. Hofmann (Karlsruhe).
35) W. Braun. Beitrag zur Frage der operativen Behandlung der
Rückenmarksschüsse. Nebst neurologischen Bemerkungen zu einem
operierten Falle von M. Lewandowsky.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIV. p. 116.)
Einen eigenen ungewöhnlich interessanten und bedeutsamen Fall von im Juni
1904 bei einem 13jährigen Knaben vorgenommener Exzision einer im Brustrücken-
mark eingeheilten 5 mm-Teschingpistolenkugel hat B. bereits auf dem Chirurgen-
kongreß von 1906 vorgetragen, und verweisen wir diesbezüglich, ebenso wie betreffs
der schon damals berichteten Resultate bei Geschoßexzisionen aus dem Marke von
Versuchstieren und betrefis der vom Verf. aufgestellten operativen Indikationen
bei Rückenmarksschüssen auf sein Referat im Jahrgange 1906 dieses Blattes, Kon-
greßbeilage p. 60. Die vorliegende Arbeit bringt jetzt die der Bedeutung des
Falles würdige genaue Wiedergabe der Krankengeschichte, wobei eine gute sche-
matische Zeichnung des Rückenmarksquerschnittes die topographischen Verhält-
hältnisse des Geschoßlagers zeigt, eingehende neurologisch-klinische Epikrise der
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1541
Beobachtung und die detaillierte Berichterstattung über die Tierversuche und deren
Resultate, desgleichen gründliche Besprechung der Operationsindikationen. Hier-
über auf das Original verweisend, wollen wir nur berichten, daß der gegenwärtige
Zustand des Operierten im allgemeinen gut ist. Der Knabe ist stark gewachsen,
hat männlichen Typus bekommen. Er kann in einem Schienenapparate an zwei
Stöcken sich leidlich fortbewegen, etwa 50 m weit in 75 Sekunden. Er kann auch
ohne Stock im Apparat aufrecht, ohne zu schwanken, stehen und Treppen auf-
und absteigen. Ohne Prothese ist er leistungsunfähig. Der Verlauf des Falles läßt
schließen, daß im menschlichen Rückenmark die Möglichkeit eines Ersatzes der
leitenden Bahnen durch einander gegeben ist. Doch wird bei dem Pat. auch nicht
zum wenigsten seine Jugend es gewesen sein, die das günstige Resultat ermög-
lichte.
Zum Schluß der Arbeit steht ein 30 Nummern zählendes Literaturverzeichnis.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
36) Verhandlungen des Vereins deutscher Laryngologen 1908.
Würzburg, Curt Kabitzsch, 1908.
Die Verhandlungen des Vereins deutscher Laryngologen enthalten eine
Fülle chirurgisch interessanten Materials. Erwähnt sei nur ein Vortrag von
v. Eichborn, Über Anwendung der Fulguration in der Laryngologie, der be-
sonders die Laryngologen für die neue Behandlungsmethode zu interessieren sucht
und beweist, daß inoperable Nasen-Rachengeschwülste mit Hilfe dieser Methode
wenigstens einer zeitweisen Besserung zugänglich sind. Ein Vortrag von Killian
beschäftigt sich mit der auch chirurgisch wichtigen Diagnose der komplizierten
Scharlachsinusitis und ein in kurzem Referat nicht wiederzugebender von v. Eicken
behandelt die Komplikationen bei Erkrankung der Nasennebenhöhlen, die nicht so
ganz selten sind, wie man vielfach annimmt, und weitere Arbeit erfordert.
Engelhardt (Kassel).
37) Verhandlungen des Vereins süddeutscher Laryngologen 1908.
Würzburg, Cart Kabitzsch, 1908.
Der Bericht über die Verhandlungen des Vereins süddeutscher Laryngologen,
der von jetzt ab in dem Verein deutscher Laryngologen aufgeht, wird eingeleitet
durch einen sehr lesenswerten Aufsatz von Brünings, welcher den Nachweis
führt, daß für die »syringoskopische« Beleuchtung, d.h. für die Beleuchtung röhren-
förmiger Organabschnitte, die Außenlampe, event. mit verdeckter Lichtleitung —
wie bei dem von ihm angegebenen Endoskop — den Vorzug verdient. Die übrigen
Vorträge bewegen sich größtenteils auf dem Gebiete der Geschwulstbildungen der
Nasennebenhöhlen und des Nasenrachens, die durch die verfeinerte Untersuchungs-
technik und frühzeitige Diagnose ein nicht undankbares Arbeitsfeld des Spezial-
arztes zu werden versprechen. Engelhardt (Kassel).
38) H. Küttner. Zur Behandlung schwerer Schußverletzungen der
Lunge mit primärer Naht.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIV. p. 1.)
Die in der Arbeit enthaltene energische Empfehlung einer interventionistisch-
operativen Behandlung schwerer Schußverletzungen der Lunge fußt auf dem vor-
trefflichen Erfolg eines von K. derart versorgten Falles, den derselbe dieses Jahr
bereits kurz auf dem Chirurgenkongreß in seinem Vortrag »Erfahrungen über
Operationen bei Unter- und Überdruck« erwähnt hat (vgl. unser Blatt Kongreß-
bericht 1908 p. 97). K. gibt jetzt die ausführliche Krankengeschichte seines Falles
nebst Photogramm des Brustkorbes des genesenen Pat. mit seinen Öperations-
narben. Es handelt sich um den Selbstmordversuch eines 20jährigen Fabrik-
arbeiters, der sich mit einem 9 mm-Revolver 3 cm unterhalb der Mammillarlinie
in die linke Brustseite geschossen hatte. Zunehmende Atemnot des von auswärts
nach Breslau geschafften Mannes infolge fast komplett gewordenen Hämothorax
1542 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51.
mit Cyanose usw. indizierten den in der Sauerbruch’schen Kammer vorgenom-
menen Eingriff. 12 cm langer Schnitt durch die Axillarlinie auf der 6. Rippe, die
10 cm lang reseziert wird. Mächtiges Vorstürzen des Blutes, das nach Einsetzung
der Mikulicz’schen Rippensperre exakt entfernt wird. Die kollabiert gewesene
Lunge bläht sich unter dem Minusdrucke der Kammer gut auf und gewinnt ihre
gelbrote Farbe wieder. Lösungen leichter Pleuraverklebungen; zur Sichtbar-
machung der Lungenschußlöcher bedarf es noch eines Querschnittes auf den schon
gemachten Schnitt, sowie neuerlicher Resektion von 6 cm der 5. und 6. Rippe
nebst Unterbindung der Interkostalarterie. Die voluminösen, zerfetzten Lungen-
löcher am Unterlappen und der Lungenbasis werden mit Seide vernäht, auch eine
Streifwunde des Zwerchfells mit Nähten geschlossen, die Brustwand über der auf-
geblähten und die Pleurahöhle völlig füllenden Lunge ohne Drains zugenäht.
Frappierend guter Erfolg, am 11. Tage Verlassen des Bettes. Ein zunächst wieder
auftretender, offenbar entzündlicher Erguß ging rasch zurück.
Zwei gleichzeitig behandelte, weit leichtere Lungenschüsse zeigten eine viel
verzögertere Rekonvaleszenz. Dem eigenen Falle kann K. nur fünf anderer Autoren,
die ebenfalls mit Naht operativ behandelt sind, zur Seite stellen. Zwei derselben
zeichnen sich ebenfalls durch sehr gut verlaufene Heilung aus.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
39) MeLennan. An unusual form of mediastinal tumour.
(Glasgow med. journ. 1908. Juli.)
Ein Mädchen von 28 Jahren wurde wegen einer Schwellung am Halse ein-
geliefert. Die Diagnose wurde auf eine inoperable Mediastinalgeschwulst gestellt;
Pat. starb und wurde obduziert.
Die Geschwulst schien von der Thyreoides auszugehen und hatte doppelte
Struktur; zum größten Teil bestand sie aus Rund- und Spindelzellensarkom, zum
kleineren aus Adenokarzinom. Beide Geschwulstarten hingen unmittelbar zusam-
men. Die Metastasen wurden nur von Sarkomgewebe gebildet.
Ä W. v. Brunn (Rostock).
40) Alessandri. Cisticercus cellulosae della mammella simulante un
epitelioma.
(Bull. della Reale Accad. med. di Roma Anno XXXII.)
Der seltene Fall betraf eine 49jährige Frau mit einer nußgroßen Geschwulst,
deren Deckhaut mit ihr verwachsen war und durch sie eingezogen wurde. Außer-
dem ließ das Vorhandensein von Achseldrüsen die klinische Diagnose »Karzinom«
als sicher annehmen, die erst nach der Operation richtig gestellt werden konnte.
Klinisch war es die einzige Lokalisation der Parasiten im Körper’der Kranken.
A. Most (Breslau).
41) Dehner (Ludwigshafen). Mastopexie zur Beseitigung der Hänge-
brust.
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 36.)
Die Operation wurde durch ein hartnäckiges, jeder Behandlung trotzendes
und recht schmerzhaftes intertriginöses Ekzem veranlaßt und bestand in Aus-
schneidung eines großen Stückes der Haut samt Unterhautzellgewebe an der
oberen Peripherie der hypertrophischen Brustdrüse bis auf die Fascie des M.
pectoralis major und in Befestigung des Drüsengewebes am Periost der dritten
Rippe mittels Catgutnähten. Die Operation, beiderseits ausgeführt, hatte vollen
Erfolg. Kramer (Glogau).
42) Knott. Primary sarcoma of the liver.
(Surgery, gynecology and obstetrics Vol. VII. Nr. 3.)
K. entfernte bei einem 62jährigen Farmer ein Lebersarkom. Der Kranke hatte
1/a Jahr vor der Operation zuerst Schmerz in der Lebergegend gespürt. Bald darauf
trat andauernder blutiger Durchfall auf, dem eine Kachexie folgte, die den ungewöhn-
lich muskelkräftigen Mann unter Verlust von 60 Pfund Körpergewicht (300 Pfund
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1543
vorher) aufs äußerste herunterbrachte. Es fand sich in der Lebergegend eine
kindskopfgroße Geschwulst, deren Ursprung nicht feststellbar war. Erst bei der
Laparotomie wurde sie erkannt, nachdem viele feste Verwachsungen gelöst waren.
Sie entsprang mit kurzem, dickem Stiel (7,5 >< 2,5 >< 2,5 cm) vom rechten Leber-
lappen. Der Stiel wurde, wegen des bedenklichen Zustandes des Kranken, abge-
klemmt, die Geschwulst abgetragen. Die Klemmen blieben 48 Stunden liegen,
Tamponade. Nach schwerem Kollaps erholte sich der Kranke in 48 Stunden.
Heilung. Die Geschwulst war ein großzelliges Rundzellensarkom. Bei der Ope-
ration waren keine Metastasen zu entdecken.
K. knüpft hieran eine ausführliche Abhandlung über primäre Lebersarkome
und bringt im Auszug Kranken- und Sektionsgeschichten von allen 74 ihm zu-
gänglichen Fällen. Reiches Literaturverzeichnis (95 Nummern). Verf. beschreibt
eine von ihm angegebene Lebernaht. Trapp (Bückeburg).
43) Hofmeister. Über Gallensteinerkrankung.
(Med. Korrespondenzblatt des württemberg. ärztl. Landesvereins 1908. Okt. 10.)
Bericht über 78 Operierte. In sämtlichen Fällen von akuter infektiöser Chole-
cystitis (14) und chronischer Cholecystitis (44) wurde die Gallenblase exstirpiert;
bei den 34 Fällen von chronischer Cholecystitis ohne Verschluß wurde außerdem
wegen Beteiligung der Gallengänge 1lmal die Hepaticusdrainage ausgeführt. Die
12 Fälle von Steinverschluß des Ductus choledochus wurden sämtlich mit Exstir-
pation der Gallenblase, Choledochotomie und Hepaticusdrainage behandelt. 9 Pat.,
bei denen außer der Gallensteinoperation auch noch Eingriffe am Magen, an der
Leber, den Nieren und dem Wurmfortsatz vorgenommen werden mußten, sind
sämtlich geheilt. Dauerresultate: von den 68 Geheilten sind 64 beschwerdefrei
geblieben, davon %2 von der Operation an; die übrigen 4, die an jahrelang angeb-
lich behandelter Cholelithiasis mit ausgedehnten Verwachsungen gelitten hatten,
behielten auch später Verwachsungsbeschwerden. In 9 Fällen entwickelten sich
nach der Operation Folgezustände, an welchen die Kranken zugrunde gingen, am
häufigsten biliäre Leberdegeneration und hämorrhagische Diathese. Hat die biliäre
Leberdegeneration höhere Grade erreicht, so nützt es dem Pat. nichts mehr, wenn
die Beseitigung des Choledochusverschlusses gelingt. Dem Zweck einer raschen,
sicheren und rezidivfreien Heilung genügt am idealsten die Exstirpation der
Gallenblase, die für H. das Normalverfahren darstellt. Mohr (Bielefeld).
44) N. Stern. Ein Fall von Perforation eines Gallenblasenabszesses
in das Nierenbecken.
(Wratschebnaja Gazeta 1908. Nr. 29. [Russisch.))
Eine 64 Jahre alte Frau leidet seit 7 Jahren an Magenschmerzen, die etwa
8 Tage dauern. Mai 1906 ein schwerer Anfall von Cholelithiasis mit Perichole-
cystitis. Im Oktober beginnt ein neuer Anfall, zuerst ziemlich leicht, doch am
2. November stieg die Temperatur bis 39,8°, zeigte 15 Tage lang reine Inter-
missionen (vom Typus der F. tertiana}, und nahm darauf pyämischen Charakter an;
starke Schüttelfröste. Von seiten der Leber anfangs nur geringe Schmerzhaftig-
keit, erst am 20. November fand S. die Gallenblase vergrößert (Empyem der Blase
und eitrige Pericholecystitis. Operation wird verweigert. Am 30. November
wurde mit dem Urin viel Eiter entleert (2/5 der ganzen Harnmenge). Reaktion
auf Gallenpigmente und Hämoglobin positiv. Am 2. Dezember neue starke Ko-
liken rechts, worauf nach 3 Stunden im Harn viel Gallensteine entleert werden.
Noch 5 Wochen lang wurde Eiter entleert, darauf vollständige Heilung.
E. Gückel (Spassk, Rjasan).
45) Goldammer. Beitrag zur Frage der Beckenflecke.
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII. Hft. 6.)
Robinsohn wies vor kurzem auf häufiges Zusammentreffen von Ischias und
Beckenflecken hin und sieht letztere an als den radiologisch sichtbaren Ausdruck
einer mit der Ischias vergesellschafteten Beckenschleimbeutelerkrankung, in erster
1544 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51.
Linie der Bursa musculi obturatorii und der Bursa musculi glutaei maximi. Ro-
binsohn denkt dabei an Bursensteine, Calculi bursarii.
G. beschreibt 17 Fälle, und zwar sind nur solche in Betracht gezogen, bei
denen der Nachweis von Ischias in Anamnese und Befund besonders berücksichtigt
worden sind. Von allen Pat. wurden Blendenaufnahmen des Gesamtbeckeninnern
aufgenommen.
Das Bemerkenswerte an diesen 17 Beobachtungen ist zunächst, daß bei keiner
einzigen trotz genauer darauf gerichteten Beobachtung Ischias festgestellt werden
konnte. Dagegen bestanden bei zwei Fällen arthritische Veränderungen im Hüft-
gelenk; und zwar waren dabei einmal Gelenkbeschwerden und Beckenfleckbefund
gleichseitig, während das andere Mal die kranke Seite nur einen, die andere, ab-
solut gesunde Seite acht Beckenflecke aufwies. Zu bemerken ist dazu, daß bei einer
großen Zahl von Aufnahmen wegen chronischer Arthritis des Hüftgelenkes und
einer kleineren wegen Ischias oder Ischiasverdacht sich keine Beckenflecke fanden.
Besonders beachtenswert war ein Fall, bei dem klinisch eine die chronische Ar-
thritis begleitende Schleimbeutelentzündung festgestellt war, obne den geringsten
röntgenographisch nachweisbaren Schleimbeutelsteinbefund.
Auffallend ist ferner, daß von den 17 Fällen bei fünf eine steinbildende Dia-
these mit Sicherheit nachgewiesen wurde, und bei sieben anderen nach den klini-
schen Erscheinungen der Verdacht auf eine solche nahe lag.
Von den 17 Pat. waren 15 Männer, nur zwei Frauen; einer befand sich mit
27 Jahren im 3. Jahrzehnt, 5 im 4., 7 im 5., je einer im 6. und 7., 2 im 8.
Die Beckenflecke fanden sich 10mal doppelseitig, Dmal nur rechts, 2mal nur
links. Ihren typischen Sitz bildet der auf dem Beckenbilde kreissegmentförmige
Raum zwischen der Spin. isch. und der Symphyse, nach außen begrenzt von der
Pars pubica der Linea terminalis; und zwar liegen sie hier, &®nn multipel vor-
handen, in der Regel perlschnurartig angeordnet in einem nach außen konvexen
Bogen.
Diese Lagerungsverhältnisse sind von großer diagnostischer Bedeutung hin-
sichtlich der Verwechslung mit Harnleitersteinen. Nach den sehr zahlreichen
Beckenbildern, die Verf. bei liegender Harnleitersonde gemacht hat, verläuft der
normale Harnleiter weit mehr medial, als sich die Beckenflecke gewöhnlich finden,
und zwar liegt er über dem Lig. sacro-spinosum, ungefähr zwischen Kreuzbein und
Spin. isch., um von dort in nach außen konvexem Bogen weiter zu verlaufen und
ca. querfingerbreit lateral von der Symphysis sacro-iliaca in den Knochenschatten
des Darmbeines überzugehen.
Die Größe der Flecke ist verschieden, bis zu Bohnengröße. Trotz alledem
ist man oft noch großen Täuschungen ausgesetzt. So wurden in einem Falle ge-
wöhnliche Phlebolithen trotz Anwendung aller verfeinerten Untersuchungsmethoden
für Harnleitersteine gehalten und durch Operation entfernt.
Nach G. handelt es sich bei den Beckenflecken um Venensteine aus phosphor-
saurem Kalk, nicht aber um Bursensteine. Gaugele (Zwickau i. S.).
46) H. Hinterstoisser. Über einen kongenitalen, teratoiden Sakral-
tumor mit Metastasierung.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVII. Hft. 1.)
Nach Exstirpation einer teratoiden Sakralgeschwulst trat im nächsten Jahre
schon eine Rezidivgeschwulst auf mit Drüsen im Retroperitonealraum und in den
Schenkelbeugen. Die histologische Untersuchung des Rezidivs wie der Metastasen
ergab das Bild eines großzelligen, alveolaren Sarkoms. Neben diesem Falle konnte
Verf. nur einen einzigen von Metastasierung bei sakraler Mischgeschwulst auffinden,
E. Siegel (Frankfurt a. M.).
Berichtigung. P. 1421 u. 1422 lies Brentano statt Borchardt.
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden.
Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau.
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig.
Zentralblatt für Chirurgie
herausgegeben von
K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER,
in Bonn, in Berlin, in Breslau.
35. Jahrgang.
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG.
Nr. 52. Sonnabend, den 26. Dezember 1908.
Inhalt.
1) v. Felegyhazi, 2) Lookwood, Bier’sche Stauung. — 8) Pavone, Tachiol bei eiterhaltigem
Urin. — 4) Ransohoff, Prostatektomie. — 5) Onorato, 6) Berg, Blasenkrebs. — 7) Casper, Pye-
litis. — 8) Kreiss, Plastische Operationen am Nierenbecken. — 9) Delbet und Chevassu, Azoo-
spermie. — 10) Starr, 11) Coley, Leistenhoden. — 12) Preiser, Gelenkflächeninkongruenz. —
13) Donato de Francesco, Plastische Umänderung eines Amputationsstumpfes. — 14) Gallois
und Bosquette, Innere Knochenarchitektur. — 15) Kumaris, Coxa valga. — 16) Jianu, Klappen-
bildung in Venen. — 17) Bardenheuer, Behandlung der Nerven bei Amputationen. — 18) Mar-
chal, Fersenbeinbrüche. — 19) Whitmann, Paralytischer Talusfuß. — 20) Igelstein, Pseudofrak-
turen der Sesambeine des ersten Metatarsophalangealgelenkes. — 21) Martin, Hammerzehe.
H. Turner, Zur operativen Behandlung veralteter Kniescheibenbrüche mit größerer Diastase
der Fragmente. (Originalmitteilung.)
22) Schmidt, Stauungshyperämie. — 28) Brongersma, Prostatektomie. — 24) Liebl, Retro-
vesikale und retroprostatische Cysten. — 25) Cholzow, 26) Wintermitz, Nierenanomalien. —
27) Kato und Kotzenberg, Der arterielle Blutdruck bei Nierenerkrankungen und Appendicitis. —
28) Gage und Beal, Fibrinsteine der Niere. — 29) Gatti, Nierenenthülsung. — 30) Busch, Leonard
und Wright, Nebennierentransplantation. — 31) Beilby, Hypernephrom. — 82) Pels-Leusden,
Strangulation des Penis. — 83) Johnston, Hermaphroditismus. — 84) Posner, Azoospermie —
35) Jianu und Pitulescu, Das Blut bei Gebärmutterkrebs. — 88) Puyol, Eierstockscyste eines
Kindes. — 87) Putti, Schulterblatthochstand. — 88) Bülow-Hansen, Radiusdefekt. — 39) v. Salis,
Angeborene Knieverrenkung. — 40) Dockk, Fibuladefekt. — 41) Kilvingston, Fußmißbildung. —
42) Wette, Zehenverrenkung; Abriß der Streckaponeurose am Mittelfinger. — 43) Wiesel, Periost-
ablösung am Metatarsus. — 44) Couteaud, Hammerzehe. — 45) Martini, Beinbruchapparat,
1) E. v. Felegyhazi. Beiträge zur Erklärung der Wirkungs-
weise der Bier’schen Stauung im Granulationsgewebe fistu-
löser fungöser Herde.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIL. p. 459.)
v. F. hat seit 1!/, Jahren in der Klinik von Prof. Makara in
Klausenburg histologische Untersuchungen tuberkulöser Gewebe,
Fisteln, Lymphome, Granulationen, an denen die Saug- und Stauungs-
behandlung durchgeführt wurde, vorgenommen. Die exzidierten und
fixierten Gewebsstückchen wurden mit Hämatoxylin-Eosin oder Pikro-
fuchsin, teilweise auch auf Tuberkelbazillen gefärbt. In einigen Fällen
ist durch Saugen gewonnene Gewebsflüssigkeit ferner auf Blutbestand-
teile und Bakterien untersucht. Unter Beigabe von fünf mikroskopi-
schen Abbildungen beschreibt v. F. die Befunde einer Reihe auserlesener
Fälle, die die Wirkung der Saugbehandlung, der gemeinsamen Saug-
und Stauungsbehandlung und Stauungsbehandlung allein betreffen und
zu verschiedenen Zeitpunkten der Behandlung aufgenommen sind. Die
unmittelbaren Wirkungen des Saugens bestehen in Hyperämie, Trans-
sudation und Auswanderung von Leukocyten; auch finden sich in dem
b2
1546 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52.
abgesogenen Sekret von eröffneten kalten Abszessen reichliche pyogene
Kokken. Nach v. F.’s Ansicht nützt also bei tuberkulösen Fisteln das
Saugen durch die Entfernung des Eiters und der Gewebstrümmer, so-
wie durch die Entleerung der auf sekundäre Weise hineingelangten
Kokken, ist mithin hauptsächlich behufs Vermeidung sekundärer In-
fektionen wichtig. An den längere Zeit hindurch mit Saug- und
Stauungsbehandlung versorgten Geweben hebt v. F. als wichtigsten
Befund die auf Bindegewebsneubildung deutenden Veränderungen her-
vor. Man findet neugebildete Bindegewebszellenbündel mit Mitosen
und neugebildeten Blutgefäßen. Letztere sind um einige Tuberkel
dicht aneinander gelagert und vermehrt, ihre Wand verdickt und die
Endothelbekleidung geschwollen. Zahlreiche Tuberkel sind von dünnen
Bindegewebsschichten begrenzt oder eingekapselt. Klinisch entspricht
diesen Vorgängen eine wahrnehmbare Verhärtung des ganzen Stau-
ungsgebietes. Es ist also anzunehmen, daß, ähnlich wie bei der Stau-
ungsinduration der Lunge durch Herzfehler, durch die wiederholte
passive Hyperämisierung das Bindegewebe vermehrt und sklerosiert
wird, wobei die Tuberkel durch bindegewebige Einkapselung aus-
geschaltet, kleine Abszesse zur Obliteration gebracht werden. Bei
akuten Prozessen liegt die Sache anders. Hier kommt im Staugebiet
besonders die lokale Leukocytose mit Mobilisierung der durch Phago-
cytose nützlich werdenden polynukleären Leukocyten in Frage, wie
v. F. unter Heranziehung der einschlägigen Literatur ausführt.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
2) Lockwood. Bier’s hyperaemia, or the use of the ela-
stic bandage in the treatment of diseases.
(Southern California practitioner 1908. April.)
L. begründet zunächst das Rationelle der Behandlung, gibt dann
die Vorschriften über die übliche Art der Anwendung, sowie einige
Vorsichtsmaßregeln bei der Ausführung. Insonderheit warnt er, die
Stauung bei Herzkranken, Diabetikern und Arteriosklerotikern zu
benutzen. Deetz (Arolsen!.
3) Pavone. Il tachiolo come antisettico dell vie urinarie
e come mezzo di disinfezione dei cateteri di gomma.
(I. Congr. delle soc. ital. di urologia 1908.)
(Morgagni 1908. Nr. 39.)
Kranke mit eiterhaltigem Urin, die abwechselnd 8 Tage lang
Urotropin und Tachiol (Silbersalz der Fluorwasserstoffsäure), letzteres
in der Dosis eines Liters einer !/,,%/pnigen Lösung pro Tag, einnahmen,
schieden regelmäßig im letzteren Zeitraum weniger Bakterien aus als
während der Urotropinwoche (1,5 pro die). Das Tachiol wurde nicht
als Silbersalz, sondern in der Natrium- und Kaliumverbindung aus-
geschieden. Mit Tachiollösungen (1:5000) konnten Sonden und Ka-
theter desinfiziert werden, ohne daß die Reste der Lösung eine
Reizung der Schleimhäute hervorriefen. Dreyer (Köln).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 1547
4) Ransohoff. A new and rapid method of perineal drainage
in suprapubic prostatectomy.
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. September 12.)
R. ist im allgemeinen Anhänger der suprapubischen Methode;
nur in ganz bestimmten Fällen wendet er die perineale an. Um aber
den Vorteil der Drainage vom Damm aus zu haben, ohne eine Ure-
throtomie machen zu müssen, führt er nach Entfernung der Prostata
in den tiefsten Teil der gesetzten sackförmigen Wunde einen sehr
starken, besonders gekrümmten Trokar ein, während der Zeigefinger
der linken Hand vom Damm aus, kurz vor dem After, gegendrückt.
Durch die Trokarhülse wird ein sehr starker, am oberen Ende trichter-
förmiger Katheter (36 Charriere) eingeführt und am Damme befestigt.
Auf diese Weise hat man den Vorteil, ohne die Nachteile der Urethro-
tomie in Kauf nehmen zu müssen. Der Bulbus urethrae läßt sich
leicht vermeiden; die Fasern des Sphincter ani werden überhaupt nicht
berührt. Die suprapubische Blasenwunde wird ganz, die Bauchdecken-
wunde bis auf einen dünnen Drain geschlossen, der als Sicherheits-
ventil zur Blasenwunde reicht. Trapp (Bückeburg).
5) Onorato. Sulla cura operativa del cancro della vescica.
(Accad. med. di Genova. Sitzung vom 27. Juli.)
(Gazz. degli ospedali e delle clin. 1908. Nr. 116.)
O. schildert an der Hand eines glücklich operierten Blasenkarzi-
noms die Technik des eröffnenden Querschnittes mit Abmeißelung
eines Knochenlappens, der später wieder am Knochen fixiert wird.
Eine Infektion des Bauchfells wird bei der Blasenexstirpation durch
Vernähung der parietalen Serosa mit dem visceralen Bauchfell abso-
lut vermieden, was bei der Frau leicht gelingt. Wegen der Gefahr
der aufsteigenden Nephritis bei Einpflanzung der Harnleiter in Mast-
darm oder Haut wird eine sekundäre Anlegung zweier Nierenfisteln
empfohlen. Dreyer (Köln).
6) Berg. The radical treatment of carcinoma of the bladder.
(Annals of surgery 1%08. September.)
Nach B. treten nach Operationen wegen Blasenkrebs dann Rezi-
dive auf, wenn erkrankte Lymphdrüsen zurückgelassen werden oder
wenn das Karzinom der Blase ein sekundäres ist und der nicht ent-
deckte Herd in der Prostata, der Gebärmutter oder im Mastdarm
sitzt. Bei jeder derartigen Operation sollen daher die vergrößerten
Lymphdrüsen mit entfernt werden. Verf. spricht sich gegen den
radikalen Standpunkt Watson’s aus, der in jedem Falle von Blasen-
krebs die Blase total entfernt und in beiden Nierengegenden eine
Nierenfistel anlegt. In geeigneten Fällen ist die Operation der Wahl
die partielle Resektion der Blase und Einpflanzen des Harnleiters der
erkrankten Seite in den Scheitel der Blase. Seine Operationstechnik
ist folgende: Nach Freilegen der Blase wird das Bauchfell nur dann
eröffnet, wenn es mit erkrankt ist. Die erkrankten Drüsen werden
52*
1548 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52.
entlang den Gefäßen — Arteria und V. iliaca — gesucht und exstir-
piert; nach Abschneiden des Harnleiters der erkrankten Seite wird
das Becken mit Jodoformgaze austamponiert, um Infektionen während
der Operation zu vermeiden. Nunmehr wird der erkrankte Teil der
Blase mit dem Thermokauter entfernt und dann der Harnleiter in
den Blasenscheitel eingepflanzt. Die Blasenwunde wird mit durch-
greifenden Catgutnähten verschlossen, darüber kommen feine Silknähte,
welche nur die Muscularis mitfassen. Drainiert wird nur mit Ka-
theter durch die Harnröhre mit fleißigen Ausspülungen.
Herhold (Brandenburg).
7) Casper. Zur Pathologie und Therapie der Pyelitis.
(Med. Klinik 1908. p. 1521.)
An der Hand von fünf Fällen, von denen zwei durch Strepto-
kokken, einer durch Grippeerreger, einer durch Tripperkokken, einer
durch Colibazillen verursacht waren, werden Erkennung, Heilungsaus-
sicht und Behandlung der Pyelitis besprochen. In irgendwie zweifel-
haften Fällen muß der Harn unmittelbar aus dem Nierenbecken auf-
gefangen werden. Waschungen des letzteren mit Höllensteinlösung
1:1000 bis 300 sind bei Pyelitiden angebracht, deren Ursache Gono-
kokken, Coli- oder Eiterbazillen sind, verboten dagegen bei Tuber-
kulose, Steinbildung (Röntgenaufnahme!), Pyelonephritis; die letztere
wird durch eine gegenüber der zweiten Niere erkennbare Schwächung
der Arbeitsleistung erkannt. Mit der Nephrotomie darf zunächst,
aber nicht zu lange zugewartet werden; die Operation ist wenig ge-
fährlich und: wirkt fast immer sicher günstig. Einer der obigen
Streptokokkenfälle wurde mit glänzendem Erfolge nephrotomiert.
Georg Schmidt (Berlin).
8) F. Kreiss. Über die plastischen Operationen am Nieren-
becken und oberen Ureterabschnitt bei den Retentions-
geschwülsten der Niere.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVIII p. 423.)
Eine Übersicht über die Stellungnahme der Chirurgen zu den
konservativen plastischen Operationen in der Therapie der Hydro-
nephrosen zeigt, daß die meisten Autoren der Berechtigung dieser
Operationen bedingt zustimmen, eine allgemeinere Anwendung aber
von einem Ausbau der Technik und einer überzeugenden Statistik
abhängig machen. Einerseits wird anerkannt, daß die plastischen
Operationen, weil sie die Harnstauung beseitigen und gleichzeitig die
Niere erhalten, dem Ideal einer Hydronephrosenoperation entsprechen,
andererseits wird vor allem die Tatsache betont, daB diese Operationen
recht langdauernd und schwierig sind, häufig sekundäre Eingriffe not-
wendig machen und im definitiven Erfolg nicht absolut sicher sind.
Bei Pyonephrosen dagegen konkurrieren bisher fast ausschließlich die
Nephrotomie und Nephrektomie. |
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 1549
Verf. hat nun 102 Fälle von plastischen Operationen am Nieren-
becken und Harnleiter, inkl. drei Fällen der Schloffer’schen Klinik
zusammengestellt. Er unterscheidet drei Grundtypen abnormer Pas-
sageverhältnisse am Nierenbeckenausgang: 1) Veränderungen in Wand
und Lichtung des Harnleiters und Nierenbeckens bei normaler Lage
der Niere (die zirkuläre Striktur am Harnleiterursprung bzw. Becken-
ausgang, Formveränderungen des Nierenbeckens mit Verlegung der
Abgangsstelle des Harnleiters).
2) Aus Lageveränderungen von Niere, Nierenbecken und Ureter
hervorgegangene Verhältnisse.
3) Formen wie in 1) und 2), die aber durch entzündliche Vor-
gänge, wie Sklerosierung, Verwachsungen des Nierenbeckens und des
Harnleiters untereinander und mit der Umgebung zu besonderen
Typen ausgebildet erscheinen. An schematischen Abbildungen werden
die verschiedenen Formen dieser Typen erläutert.
Die zur Beseitigung dieser Hindernisse ausgeführten plastischen
Operationen zerfallen in fünf Gruppen:
1) Bei echter Striktur führte Fenger eine Plastik nach Art der
Heinike-v. Mikulicz’schen Pyloroplastik und Küster eine Resek-
tion mit Anastomose nach Art der Kocher’schen Gastroduodeno-
stomie nach Pylorusresektion aus.
2) Bei Sporn- und Klappenbildung am Orificium pelvicum des
Harnleiters wurde von Trendelenburg die transpelvische, von Fenger
die extrapelvische Klappenbildung (Spaltung des Sporns und V-förmige
Naht) ausgeführt.
3) Die laterale Anastomose nach Albarran zwischen Harnleiter
und tiefstem Punkte des Hydronephrosensackes.
4) Die Pyeloplicatio (nach Art der Gastroplicatio) und die Re-
sektion des Blindsackes.
5) Die direkte Vereinigung des Nierensackes mit der Harnblase.
Was den Zugang zum Nierenbecken betrifft, so wurde unter den
102 Fällen nur zwölfmal der abdominale, sonst stets der lumbale Weg
beschritten,; doch hält Verf. den transperitonealen Weg für besser,
weil er bessere Übersicht gibt und nicht zuvor die Auslösung eines
großen, meist verwachsenen Nierensackes erfordert.
Die präliminare Anlegung einer Nephrostomie soll in erster Linie
vom Inhalt der Geschwulst abhängen in dem Sinne, daß die Nephro-
stomie bei Pyonephrose und Fällen, in welchen die Funktionsfähigkeit
der zu operierenden Niere in Frage steht, das einzig korrekte Ver-
fahren darstellt; sie kann aber bei aseptischen Fällen meist wegfallen.
Bei leicht infizierten Nieren sind die Erfolge mit und ohne präliminare
Nephrostomie bisher noch gleich; hier muß vor allem der Allgemein-
zustand des Pat. entscheiden. Weiteres über die operativen Einzel-
heiten der Methoden ist aus dem Original zu ersehen. Den Schluß
der Operation bildet stets die Drainage des Sackes und die Nephro-
pexie. Weiterhin setzt Verf. die Indikationen zu den einzelnen Ope-
rationsverfahren auseinander, die wesentlich von den anatomischen
1550 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52.
Verhältnissen abhängig zu machen sind, ohne daß sich allgemein
gültige Regeln aufstellen ließen.
Was den Ausgang der 102 an 97 Fällen vorgenommenen Ope-
rationen betrifft, so sind sieben Todesfälle zu verzeichnen, darunter
einer an Urämie bei einer Solitärniere. Im übrigen ist der Erfolg,
der bei plastischen Operationen in der Erhaltung eines brauchbaren
Organes unter Vermeidung einer Dauerfistel bestehen soll, nur bei 1/3
der Fälle exakt, d. h. cystoskopisch festgestellt, doch sind auch so-
genannte klinische Heilungen mit großer Wahrscheinlichkeit als echte
Heilungen zu betrachten, da der Fortbestand abnormer Verhältnisse
sich sonst durch Pyurie, Cystitis und Resistenz von Fisteln bemerkbar
macht. Mit dieser Einschränkung ergab sieh folgende Statistik:
Orere Mißerfolge Heilung
Transpelvische Klappenoperationen 10 | 20 % 80%
Fenger’sche Operation A 26 23% 76,9%
Reine Uretero-Pyelo-Neostomie 14 28,5% 71,4%
Pyeloplicatio -9 22,2% 77,7%
Beckenresektion 6 _ 100%
Laterale Anastomose 11 36,5 % 63%
Obige Operationen in Kombination mit
beckenverengernden Operationen 10 |2 Mißerfolge) 8 Erfolge
Blasenanastomose | 4 — 100%
Insgesamt ergaben sich also auf 102 Operationen 6,8% Todes-
fälle, 68,6% Erfolge und 19,6% Mißerfolge. Die Güte der Resultate
fordert demnach dazu auf, die plastischen Operationen in geeigneten
Fällen anzuwenden. Reich (Tübingen).
9) P. Delbet et M. Chevassu. Les obliterations blennor-
rhagiques de lépididyme et leur traitement chirurgical.
(Revue de chir. XXVIII. année. Nr. 5.)
Nach schwerer oder öfters rückfälliger doppelseitiger gonorrhoischer
Nebenhodenentzündung tritt in mehr als der Hälfte der Fälle Azoo-
spermie ein. Sie ist dann als dauernd anzusehen, wenn sie länger als
1 Jahr nach Ablauf der Entzündung besteht, und ein derber Knoten
im Nebenhodenschwanze zurückgeblieben ist. Nur wenn dieser später .
noch verschwinden sollte, ist zu erwarten, daß die Samenwege noch
einmal gangbar werden. Die pathologische Anatomie gibt die Er-
klärung hierfür. Es handelt sich bei der Tripperentzündung des
Nebenhodens um eine peri- und intraepididymäre Lymphangoitis, die
von der Harnröhre längs der Lymphgefäße des Samenstranges zum
Nebenhoden fortgeschritten ist. Subepitheliale Leukocytenanhäufungen
in den Kanälchen führen zur Wucherung oder zur Drucknekrose des
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 1551
Epithels; die Kanälchen veröden oder werden durch das Narben-
gewebe in ihrer Umgebung bis zur Undurchgängigkeit eingeengt.
Da der Hoden fast stets funktionsfähig bleibt, höchstens in einen
Zustand funktioneller Ruhe gelangt, läßt sich das Hindernis für die
Samenentleerung operativ durch eine Anastomose zwischen Vas de-
ferens und dem Nebenhodenkopfe (Spermatokelel) oder dem Media-
stinum testis umgehen. Wenn möglich, wird nur eine Seitenverbindung
zwischen Nebenhodenkopf und Vas deferens hergestellt; die obliterierten
Teile des Nebenhodens sollen nur in frischeren Fällen, in denen man im
allgemeinen aber nicht operiert, reseziert werden, wenn noch ein Rezidiv
zu befürchten ist. Da der Hodenscheidenraum meist verödet, ist der
Zugang von hinten der leichtere.
Bericht über sieben operierte Fälle. Der funtionelle Erfolg konnte
in keinem ermittelt werden. Gutzeit (Neidenburg).
10) Starr. Operation for undescended testicle.
(Annals of surgery 1908. September.)
Verf.s Operationsmethode für den Leistenhoden ist folgende. In-
zision, 1 Zoll lang, über dem äußeren Leistenringe, Befreien des Hodens
von seinen Verwachsungen und Bohren eines Kanales in den Hodensack
stumpf mit dem Finger. Nun wird der Samenstrang ausgelöst, wobei
einige Arterien, mit Ausnahme der das Vas deferens versorgenden,
geopfert werden können. Bevor nun der Hoden in den Hodensack
gebracht wird, wird die hintere Faserhaut des Hodens an einen dop-
pelt geflochtenen Silberdraht mit Catgut genäht. Nun wird von oben
der Hoden mit diesem Draht in den Boden des Hodensackes versenkt,
die Enden des Silberdrahtes sind vorher auseinander gebogen und
werden durch die Haut des Hodensackes nach außen gestoßen und
hier durch je eine Catgutnaht gehalten. Nach 12 Tagen werden diese
Nähte entfernt, und nunmehr läßt sich der Silberdraht aus der in
der Leistenbeuge befindlichen Öffnung herausziehen. Der Hoden ist
während dieser Zeit fest angewachsen. Herhold (Brandenburg).
11) Coley. The treatment of the undescended or maldescended
testis associated with inguinal hernia.
(Annals of surgery 1908. September.)
Unter 59235 Fällen von Leistenbruch, die im Hospital for ruptured
and crippled zu Newyork von 1890—1907 beobachtet wurden, waren
737 durch nicht herabgestiegenen Hoden kompliziert. C. berichtet
über seine Erfahrungen bei 126 operierten Leistenhoden, die mit
Leistenbrüchen verbunden waren. Er unterscheidet den nicht herab-
gestiegenen (Bauch- und Leistenhoden) von dem schlecht herab-
gestiegenen (im Damm, am Scarpa’schen Dreieck und der Gegend der
Spina ilei gelegenen) Hoden. Die Gründe für den nicht richtig herab-
gestiegenen Hoden sollen nach einigen Autoren an falschen anatomi-
schen Ansatzpunkten des Lig. gubernaculum liegen; wenn z. B. das
1552 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52.
Hauptbündel desselben statt in den Hodensack zum Damm zieht, so
würde hieraus eine Ectopia perinealis resultieren. C. selbst ist der
Ansicht, daß der Hauptgrund, weshalb der Hoden schlecht herab-
steigt, in einer Verdickung der Tunica propria, besonders der Basement-
membran derselben liegt. Unter den 739 Fällen war der nicht herab-
gestiegene Hode bei Kindern unter 14 Jahren 15mal häufiger als über
dieses Alter hinaus. Verf. schließt daraus, daß ein großer Teil der Hoden
bis zur Pubertätszeit allmählich herabsteigt, und daß man daher keinen
Grund hat, eine Operation wegen nicht herabgestiegenen Hodens bei ganz
jungen Kindern auszuführen, wenn nicht die Hernie dazu zwingt; vor
dem 8. Lebensjahre sollen diese Operationen daher nicht gemacht
werden. Andererseits soll kein Fall von doppelten, nicht herab-
gestiegenen Hoden das Pubertätsalter unoperiert erreichen, da sich
diese Hoden nicht voll zu entwickeln pflegen, und daher das Eintreten
der Mannbarkeit ausbleibt; aber auch bei einseitigem, nicht herab-
gestiegenem Hoden soll operiert werden, da sich derselbe nicht selten
entzündet und auch zu bösartiger Umwandlung neigt.
Was die Methode der Operation betrifft, so hat C. das Festnähen
des Hodens im Hodensack oder am anderen Hoden oder am Ober-
schenkel ganz verlassen. Er spaltet wie bei der Bassini’schen Ope-
ration die vordere Wand des Leistenkanals möglichst weit und befreit
Hoden und Samenstrang von allen Verwachsungen unter Opfern
einiger Venen, wenn es nötig ist. Er bringt dann den Hoden in den
Hodensack und näht den Kanal ohne Verlagerung des Samenstranges
wieder zu. Eine Tabelle über die operierten 128 Fälle ist der Arbeit
angefügt. Herhold (Brandenburg).
12) Preiser. Über die praktische Bedeutung einer anatomi-
schen und habituell-funktionellen Gelenkflächeninkongruenz.
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII. Hit. 5.)
Neben der physiologischen Gelenflächeninkongruenz gibt es auch
eine pathologische, und diese läßt sich wieder einteilen in eine solche
anatomischer Art und eine funktionell-habitueller Art. Letztere ent-
steht dann, wenn an einem normalerweise kongruenten Gelenk, z. B.
der Hüfte, durch pathologische oder habituelle Rotationsänderungen
ein Teil der überknorpelten Gelenkfläche dauernd außer Artikulation
gesetzt wird.
Hüfte: Eine anatomische Gelenkflächeninkongruenz auf trauma-
tischer Basis erhält man bei Coxa-Valgastellung des Schenkelhals-
bruches; ein Teil der Gelenkflächen des Kopfes tritt außer Artiku-
lation, die der normalen Belastung entzogene Knorpelfläche fasert
auf und bildet den Anfang einer Arthritis deformans; ähnlich verhält
es sich bei nicht reponierter angeborener oder traumatischer Hüft-
verrenkung; auch hier sieht man sehr häufig infolge der Nichtinan-
spruchnahme der Kopfgelenkflächen eine typische Arthritis deformans,.
Verf. fügt noch die Bilder zweier Fälle bei, wo nach Einschmel-
zungsprozessen an der Pfanne Gelenkflächeninkongruenzen zustande
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52, 1553
kamen und eine sekundäre Arthritis deformans hervorbrachten. (Nach
Tuberkulose und Gonorrhöe.) Eine habituelle, funktionelle Gelenk-
flächeninkongruenz erhalten wir bei der Rachitis durch eine mehr
frontale Pfannenstellung mit Einwärtsrotation des Beines; auch hier
ist eine sekundäre Arthritis deformans häufig die Folge. Noch häu-
figer und verhängnisvoller ist die Grelenkflächeninkongruenz bei late-
raler Variation der Pfannenstellung; das gewöhnliche Malum coxae
senile verdankt dieser Pfannenstellung seine Entstehung.
Knie: Normalerweise gehen die Konturen der Oberschenkel-
knorren, wenn geradlinig verlängert, in die Konturen der Tibia gerade
über. Ist die statische Einheit, z. B. bei stark seitlicher Hüftpfannen-
stellung oder bei Plattfüßen, gestört, so tritt dadurch Knochengelenks-
flächeninkongruenz ein, indem der laterale Tibiaschatten den Femur-
schatten überragt. Eine solche Inkongruenz kann nach des Verf.s
Ansicht die Ursache bilden für die idiopathische monartikuläre Ar-
thritis deformans. Diese Gelenkflächeninkongruenz ist also nicht etwa
funktionell. Die Arthritis deformans hat aber nicht das geringste
zu tun mit der Hoffa’schen Polyarthritis progressiva destruens. Ein
Trauma braucht hier nicht mitzuspielen, doch wird durch ein event.
Trauma das Leiden erschwert und gelöst.
Ellbogen: Verf. hat ferner bei einigen Fällen »idiopathischer«
Arthritis deformans cubiti ein der Kniegelenksflächeninkongruenz ganz
analoges laterales Hervorragen der überknorpelten Gelenkfläche des
Radiusköpfchens gesehen, und zwar hat er auch bei Pat., die über
funktionelle Beschwerden und Schmerzen im Ellbogengelenk durch
schwere Arbeit (z. B. bei Plätterinnen) klagten, denselben Befund,
nur noch ohne arthritische Veränderungen, wie eckige Zuspitzung °
der Humerus- und Ulnakondylenkonturen, erheben können. Bei idio-
pathischer monartikulärer Arthritis deformans cubiti fand sich dagegen
bisher regelmäßig diese Gelenflächeninkongruenz, so daß Verf. sie
auch beim Ellbogengelenk in ätiologische Beziehung zur Arthritis
deformans setzen möchte.
Schulter: Auch beim Schultergelenk hat er eine solche Flächen-
inkongruenz nachweisen können; da ja ein Teil des Oberarmkopfes
zunächst immer außer Artikulation bleibt, existiert hier eine physio-
logische Gelenkflächeninkongruenz, die dann eine pathologische wird,
wenn eine bestimmte Haltung längere Zeit eingenommen wird (so
beim Tragen des Armes in der Schiene bei irgendwelchen Verletzun-
gen). Als typisch schildert Verf. das Verschwinden der Rundung
am unteren Kopfschattenrand, eine Zuspitzung dieses unteren Randes
und ein Höherrücken desselben.
Die Schlußbemerkung des Verf. möchte ich wörtlich angeben.
‚„ In der Deutung der von mir vorstehend beschriebenen Verän-
derungen, besonders der Gelenkflächeninkongruenz, handelt es sich
um keine bereits bis auf den letzten Rest eindeutige und jeden Zweifel,
jede andere Erklärung ausschließende Theorie; aber das klinische
Bild der beschriebenen Art der Arthritis deformans ist an Hüft-
52**
1554 ‚Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52.
Knie, Schulter und Ellbogen — mutatis mutandis — so ähnlich und
dabei doch so grundverschieden von der progressiven polyartikulären
Form der Arthritis deformans, daß es nahe lag, nach einer mecha-
nischen, für alle betroffenen Gelenke gültigen Grundlage zu suchen.
Ob ich diesen Zusammenhang, das allen an monartikulärer »idio-
pathischer« Arthritis deformans erkrankten Gelenken Gemeinsame in
der beschriebenen Gelenkflächeninkongrenz gefunden habe, wird die
weitere Forschung zu entscheiden haben. Ich wollte hiermit nur
weitere Kollegenkreise gebeten haben, auf diese Gelenkflächeninkon-
gruenz in Zukunft ihr Augenmerk zu richten.«
Gaugele (Zwickau).
13) Donato de Francesco. Verwertung eines alten Ampu-
tationsstumpfes mittels plastischer Resektion nach Vanghetti
(Methode A. Keule).
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVII. Hft. 3.)
Vanghetti hat durch Versuche erwiesen, daß der distale Kno-
chenansatz eines Muskels oder einer Muskelgruppe durch einen künst-
lichen Ansatz ersetzt werden kann, sobald dieses mit der Hautdecke
überzogene Muskel- oder Sehnenende besonders hergerichtet wird,
derart, daß einer Schnur ein Angriffspunkt geboten wird. Dadurch
wird die Retraktion und Atrophie der Muskeln vermieden und eine
willkürliche Kontraktion ermöglicht. Man erhält auf diese Weise
einen plastischen Motor. Um bei einem Amputationsstumpf dieses
Ziel zu erreichen, muß man eine Schlinge oder eine Keule bilden.
Die Schlinge bekommt man dadurch, daß man zwei Muskeln an ihrem
Ende vernäht. Die Haut wird alsdann durchbohrt und eine beliebige
Schnur hindurchgezogen, welche das Sehnen- und Muskelende der
beiden vernähten Gruppen einschließt. Die Keule wird erhalten, wenn
das Ende des Motors durch ein bereits mit Sehne oder Muskel ver-
wachsenes oder eingefügtes Knochenstümpfchen verdickt wird. Auf
diese Weise gestattet die besondere Konformation des Stumpfendes,
mit einer Schleife oder einem gepolsterten Ring einen Zug oberhalb
der Keule auszuüben.
Verf. hat nach den Prinzipien dieser Methode den Vorderarm-
amputationsstumpf eines 5 Jahre zuvor operierten Mannes plastisch
umgeändert und nach einer Reihe von Fährlichkeiten, die in der Ar-
beit näher geschildert sind, ein brauchbares Resultat erzielt, d. h.
Pat. kann eine von Marelli-Mailand konstruierte, in den Finger-
gelenken bewegliche Prothese in seinem Handel und in seinen ge-
wöhnlichen Hantierungen gebrauchen, ein gewiß sehr beträchtlicher
Fortschritt gegenüber der geringen Brauchbarkeit der sonst üblichen
Prothesen. E. Siegel (Frankfurt a. M.).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 1555
14) E. Gallois und J. Bosquette. Etude sur l’architecture
intérieure des os et en particulier de lextrémité supérieure
du fémur. Son rôle dans le remaniement du squelette (frac-
tures et déformations).
(Revue de chir. XX VIII. ann. Nr. 4 u. 5.)
Verff. bedauern, daß die Lehren Julius Wolff’s in Frankreich
noch nicht die verdiente Beachtung gefunden haben. Die Richtigkeit
und Bedeutung derselben unter normalen und pathologischen Bedin-
gungen ihren Landsleuten vor Augen zu führen, ist der Zweck ihrer.
Arbeit. Insbesondere wird an der Hand von 26 guten Abbildungen
gezeigt, wie die Form, die Richtung und die Zahl der Zug- und
Drucklinien sich bei stärkerer Neigung oder Aufrichtung des Ober-
schenkelhalses, nach schief geheilten Brüchen oder Verkrümmungen
des Schaftes, bei Arthritis deformans, Paget’scher Krankheit oder
Ankylose des Hüftgelenkes genau den veränderten statischen Verhält-
nissen anpassen. Gutzeit (Neidenburg).
15) J. Kumaris. Fin Beitrag zur Lehre der Coxa valga,
mit besonderer Berücksichtigung der sog. Coxa valga luxans.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVII. Hft. 3.)
Eine Einigung über die Coxa valga ist bisher noch nicht erzielt.
Verf. teilt deshalb die Ergebnisse aus dem einschlägigen Material der
Kgl. Poliklinik in Berlin mit. Der Atiologie nach unterscheidet K.
eine Coxa valga traumatica, symptomatica, rachitica und eine rein
primäre Form, die sowohl bei Neugeborenen wie bei Erwachsenen
anzutreffen ist. Die angeborene Form hat dieselben Ursachen wie die
Luxatio coxae congenita. Warum sie erst im vorgeschrittenen Alter
erkannt wird, ist bisher noch nicht aufgeklärt. Nach Klapp’s An-
sicht gibt es eine Reihe von Fällen, bei denen die Coxa valga dadurch
entsteht, daß nicht die ganze Hüftpfanne von dem Kopfe des Femur
voll ausgenutzt wird, also eine Subluxation besteht. Er hat diese
Art als Coxa valga luxans bezeichnet. Die Hüftgelenkspfanne ist
bei diesen Fällen deformiert, hat eine flache Bildung und besonders
schräge Stellung. Bei solchem Pfannenzustande kann sehr einfach
bei vorhandenem Collum valgum eine Subluxation des Kopfes nach
oben hervorgerufen werden, da der letztere keinen normalen Wider-
stand findet und nach oben herausgehebelt wird, sei es durch Ande-
rung der Belastungsrichtung oder plötzlich nach einem Trauma.
Die meisten Fälle dagegen gehören zu einer Gruppe, bei der die
Pfanne ein gut überhängendes Dach bildet und -ausschließlich ein
Collum valgum besteht.
Ahnlich wie bei der Coxa valga luxans findet man auch bei
hochgradigen Fällen von Coxa vara, daß der Kopf nur mit einem
kleinen Teile die Pfanne ausfüllt. Man kann auch hier von einer
Coxa vara luxans sprechen.
- Zur Symptomatologie der Coxa valga gehört Abduktion, Außen-
1556 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52.
rotation der ganzen Extremität, Adduktionshemmung und Schmerz-
haftigkeit in der Hüfte. Sicherheit der Diagnose bringt allerdings
oft erst das Röntgenbild. Therapeutisch kommen bei dem Leiden in
Frage Extension, Tenotomien, Osteotomie und keilförmige Resektion.
E. Siegel (Frankfurt a. M.)
16) I. Jianu (Bukarest). Venöse Klappenbildung zur Be-
handlung der Varicen der unteren Extremitäten.
(Revista do chirurgie 1908. August.)
Die Operation, die Verf. vorschlägt, ist von ihm bis nun nur an
Tieren, nur in einem einzigen Falle am Menschen vorgenommen worden;
es bleibt daher noch abzuwarten, ob weitere Erfahrungen die prak-
tische Verwertbarkeit derselben bestätigen werden. Im großen und
ganzen handelt es sich darum, im Veneninnern künstliche Klappen
anzulegen, derart, daß der Blutstrom wohl von der Peripherie gegen
das Zentrum fließen kann, aber bei Rückstauung durch das selbstän-
dige Schließen der Klappen zurückgehalten wird. J. schlägt vor, die
Klappenbildung durch Invagination oder Intussuszeption vorzunehmen,
wobei erstere ohne Durchschneidung der Vene, einfach durch ent-
sprechend angelegte Fäden gemacht werden kann. Die in das Innere
der Lichtung hineinragende Venenfalte übt die Wirkung einer Klappe
aus. Bei der zweiten Methode ist es das abgeschnittene, untere
Venenende, das in die Lichtung des oberen Endes ebenfalls durch
Fäden hineingezogen und hier fixiert wird. E. Toff (Braila).
17) Bardenheuer. Behandlung der Nerven bei Amputationen
zur Verhütung der Entstehung von Amputationsneuromen
und zur Heilung der bestehenden Neurome durch die s0g.
Neurinkampsis.
(Zeitschrift für ärztl. Fortbildung 1908. Nr. 19.)
Die hohe Durchschneidung des Nerven genügt nicht in allen
Fällen, um die Entstehung eines Neuroms oder die Verwachsung des
Nervenendes vermittels einer langgestreckten Narbe mit dem” Ampu-
tationsstumpf oder der Amputationsnarbe, besonders in entzündeten
Wunden, zu verhindern.
Aus diesem Grunde schlägt B. das etwas gekürzte Nervenende
um und vernäht die quere Wundfläche an der wundgemachten Ober-
fläche oder in einem künstlich gebildeten Schlitz des Nervenstammes.
Ist das zur Verfügung stehende Nervenende sehr kurz, so wird es
gespalten und jede Hälfte so umgeschlagen, daß die wunden Flächen
auseinander liegen. In ähnlicher Weise können zwei dünne, benach-
barte Nerven untereinander vernäht werden (s. Fig. 1—4).
Bei zehn Amputationen, in welchen die Nerven derartig versorgt
waren, trat keine Neuralgie ein; auch fehlten die sonst fast stets
vorhandenen Schmerzen und abnormen Empfindungen in | den abge-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 1557
setzten ; Gliedern. Bereits bestehende Amputationsneurome wurden
durch das Verfahren mit dauerndem Erfolge beseitigt, bei‘ einem
Syme’schen Stumpf allerdings erst, nachdem nachträglich auch an
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dem N. suralis und peroneus superficialis die Neurinkampsis ausge-
führt worden war. Es müssen also bei tiefen Amputationen stets
alle Zweige eines Nervenstammes aufgesucht werden.
Gutzeit (Neidenburg).
18) Marchal. Fractures du calcaneum.
(Soc. med. chirurg. d’Anvers 1908. Januar.)
Nach einem anatomischen Abriß besonders über die innere Archi-
tektur des Calcaneus teilt M. die Fersenbeinbrüche ein: 1) in solche
durch Abreißen. Die Achillessehne reißt entweder passiv oder aktiv
den Hackenfortsatz ab; 2) In solche von Einkeilung (par pénétration);
Z. B. werden Kopf und Hals des Calcaneus durch drückende Gewalt
vom Os cuboid. in den. Körper des Calcaneus hineingedrückt; oder
das Sustentaculum drückt sich von oben her in den Körper ein;
3) solche durch Auseinandersprengung, z. B. der Talus wirkt keilartig
auf den Calcaneus ein und sprengt ihn auseinander. Außer diesen
den Körper betreffenden, kommen dann Frakturen der Apophyse des
Calcaneus vor: a. vordere Apophyse zum Os cuboid. hin, b. Bruch
des Sustentaculum, c. Bruch der Apophysis epitrochlearis.. Durch
acht Figuren im Text und Röntgenbilder sind die einzelnen Bruch-
arten erläutert. E. Fischer (Straßburg i. E.).
19) Whitmann. Further observations on the treatment of
paralytic talipes calcaneus, by astragalectomy and backward
displacement of the foot.
(Ann. of surgery 1908. Februar.)
Talus-Oalcaneusfuß ist nach W. die häufigste Form des paraly-
tischen Talusfußes. Der Fuß steht hierbei in Dorsalflexion, das
Schienbein weicht nach hinten ab, das Fersenbein hat sich aufwärts
1558 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52.
von hinten unten nach vorn oben aufgerichtet, die Wölbung des Fuß-
gewölbes ist größer als gewöhnlich, die Wadenmuskeln sind atrophisch.
Beim Gehen wird der Fuß geschleudert, ohne sich abzuwickeln. Um
diese abnorme Stellung zu beseitigen exstirpiert W. den Talus und
schiebt dann den Fuß nach rückwärts, damit die Tibia wieder in die
richtige Projektionsebene kommt. Darauf werden die Peroneussehnen
durchschnitten und an die Achillessehne genäht, endlich wird letztere
verkürzt. Nunmehr werden die unteren Flächen der Unterschenkel-
knochen und die ihnen gegenüberstehenden Knochen des Fußes an-
gefrischt, damit eine Arthrodesis zustande kommt. Diese Operation
soll ausgeführt werden, wenn der Gang trotz Stützapparaten schlecht
bleibt, was besonders der Fall ist, wenn neben der Calcaneusstellung
auch ein seitliches Abweichen des Fußes stattfindet. Verf. hat die
Operation bereits 4Omal mit Erfolg ausgeführt.
E Herhold (Brandenburg).
20) L. Igelstein. Über die Pseudofrakturen der Sesambeine
des ersten Metatarsophalangealgelenkes.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIII. p. 505.)
Unter Mitteilung eines eigenen, in der Lexer’schen Klinik in
Königsberg beobachteten Falles liefert I. eine Allgemeinbesprechung
und neue Theorie zur Frage der Fraktur bzw. Pseudofraktur der
Großzehen-Sesambeine. Nachdem Momburg den Nachweis geliefert
hat (cf. dieses Blatt 1907 p. 710), daß nicht selten angeborene Zwei-
und Mehrteilungen der Sesambeine vorkommen, daß bei posttrauma-
tischen Zehenbeschwerden nicht nur am verletzten Fuße, sondern auch
am gesunden mit Röntgen diese Sesambeinteilungen sichtbar werden,
ist (darin ist I. mit Momburg einig) es mehr als fragwürdig, daß
die Annehmbarkeit wirklicher Sesambeinfrakturen zu Recht besteht.
Momburg nahm unter diesen Umständen zur Erklärung der Zehen-
beschwerden eine Entzündung am oder im Grundgelenk der großen
Zehe an, die durch den Unfall entstanden sei. I. will diese Annahme
auf Grund genauerer, die Sesambeine betreffender anatomischer Unter-
suchungen durch die Theorie ersetzen, es handle sich um eine Neur-
algie feiner Nervenästchen, die, dicht an den Sesamknöchelchen ver-
laufend, durch Kontusion usw. erkrankt wären. In einleitenden, zur
Durchsicht zu empfehlenden anatomischen Bemerkungen beschreibt er
zwei Nervenästchen, den Zweigen des N. plantaris zugehörig, deren
eines hart am tibialen, das andere hart am fibularen Sesambein ent-
lang laufen. Auch hebt er hervor, daß der Abductor hallucis sich
teilweise am medialen Sesambein, der Adductor hallucis sich dagegen
teilweise am lateralen Sesambein inseriert, woraus sich ergibt, daß bei
Adduktion und Abduktion der Großzehen deren Sesambeine mit ins
Spiel gezogen werden müssen. Nun ergibt sich, daß bei den Pat.
mit Fraktur bzw. Pseudofraktur der Sesambeine Ab- und Adduktion
der Zehe frei und schmerzlos war — und auch diesen Umstand ver-
wertet I. gegen die Momburg’sche und zugunsten seiner eigenen
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 1559
Theorie, außerdem auch gegen die Annehmbarkeit von Frakturen. —
Außer der Krankengeschichte des eigenen Falles gibt Verf. auch
Referate der älteren bislang veröffentlichten einschlägigen Fälle — es
sind deren erst vier. Die spärliche anziehbare Literatur ist zitiert.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
21) E. Martin. Zur Behandlung der Zehenkontrakturen, ins-
besondere der » Hammerzehe «.
(Zeitschrift für ärztliche Fortbildung 1908. Nr. 19.)
Ist die Hammerstellung, wenn nötig unter Zuhilfenahme der sub-
kutanen oder offenen Durchschneidung der sich spannenden Weich-
teile, beseitigt, so wird ein schmaler, einer Staubinde entnommener
Gummistreifen derart durch die Zehen geflochten, daß er an der Ober-
seite der Hammerzehe und der Unterseite der übrigen Zehen zu liegen
kommt. Die freien Enden werden in Spiraltouren um Fuß und
Unterschenkel geführt und mit einer Binde festgewickelt (s. Abbil-
dungen).
Das Verfahren läßt sich je nach der vorliegenden Verkrümmung
in mannigfaltigster Weise abändern. Gutzeit (Neidenburg).
Kleinere Mitteilungen.
Aus der orthopädischen Klinik der kaiserl. militär-medizinischen
Akademie zu St. Petersburg.
Zur operativen Behandlung
veralteter Kniescheibenbrüche mit größerer Diastase
der Fragmente.
Von
Prof. H. Turner.
ei veralteten Patellarfrakturen läßt sich die Kontinuität des Knochens oft des-
halb nicht wieder herstellen, weil die Bruchstücke nicht genügend aneinander
gebracht werden können. Um dieser Schwierigkeit aus dem Wege zu gehen, sind
bekanntlich eine Reihe von ÖOperationsverfahren angegeben worden!, jedoch ohne
daß die Frage zu einem Abschluß gelangt wäre.
Die queren Einkerbungen des Quadriceps (Porter) oder seine Verlängerung
durch V-förmige Durchtrennung haben den Nachteil, die Zugkraft des Muskels
nicht unwesentlich herabzusetzen. Statt des oberen Fragmentes das untere durch
Abmeißelung der Tuberositas tibiae zu mobilisieren, nach E. v. Bergmann’s Vor-
schlag, erwies sich bei stärkerer Retraktion des Quadriceps als unzureichend und
dürfte unter Umständen die Beweglichkeit des Gelenkes beeinträchtigen. Was
ferner die osteoplastischen Methoden von Rosenberger, J. Wolff und Hel-
ferich betrifft, so haben sie wegen ihrer Kompliziertheit, meines Erachtens mit
Recht, wenig Anklang in praxi gefunden. Andererseits aber die Patellarfraktur
als solche ganz außer Acht zu lassen und sich, wie es Tenderich empfahl, auf
die Wiederherstellung des tendinösen Reservestreckapparates zu beschränken,
t Of. Reichel, Handbuch der praktischen Chirurgie 1907. Bd. V. p. 704.
1560 Zentralblatt für Chirurgie, Nr. 52.
scheint uns für die Mehrzahl der operativen Fälle keine genügende Sicherheit
zu bieten. Wir glauben, dort, wo eine direkte Vereinigung der Bruchstücke un-
möglich ist, auf eine plastische Überbrückung derselben nicht ohne weiteres ver-
zichten zu dürfen. Von allgemeiner Bedeutung in diesem Sinne und wegen ihrer
Einfachheit doppelt interessant ist die Methode von Schanz, welcher den Sar-
torius nach vorn verlagerte und in Längsrinnen der Patellarfragmente fixierte. Ein
vorzügliches Resultat erzielte neuerdings auch Rotter?, der die Bruchstücke durch
einen umgeschiagenen Lappen aus der Aponeurose des Quadriceps vereinigte und
%/, Jahr später die Unnachgiebigkeit des neugebildeten Fascienstreckbandes kon-
statieren konnte. — Letzthin ist auch der eigentliche Urheber der klassischen
Patellarnaht, Lord Lister, mit einer Publikation 3 hervorgetreten, welche den er-
wähnten Schwierigkeiten Rechnung trägt und in veralteten Fällen zweizeitig zu
operieren, die Fragmente aber präliminar durch eine Drahtschlinge möglichst ein-
ander zu nähern empfiehlt.
Unter solchen Umständen erscheint es mir gerechtfertigt, die Aufmerksamkeit
auf eine verhältnismäßig einfache und allgemein anwendbare Methode zu lenken,
welche bei absoluter Schonung der Muskulatur und ohne Schädigung des fibrösen
Gelenkapparates eine straffe unnachgiebige Verbindung der Bruchstücke auch bei
größerer Diastase gewährleistet.
Ich spaltete das dicke Lig. patellae in frontaler Ebene, verlängerte den Lappen,
soweit erforderlich, nach unten durch Ablösung des Periosts von der Tibia, klappte
ihn nach oben um, präparierte ihn gegen die Bruchfläche des unteren Fragmentes
hin los und befestigte ihn mit Seidenknopfnähten unter einer periostalen Brücke
des oberen Fragmentes, die von zwei Querschnitten aus in einer Breite von 1 bis
11/2 om geschaffen wurde. Zur Sicherung der Fixation und für die Ernährung des
Lappens dürfte eine derartige Brückenbildung nicht belanglos sein. Zum Schluß
raffte ich den insuffizienten Reservestreckapparat mit einigen Nähten zusammen.
Das Verfahren kam bei einem 53jährigen Pat. zur Anwendung, der sich vor
2 Monaten eine Patellarfraktur mit 7 cm betragender Diastase der Fragmente und
vollständigem Verlust der Streckfähigkeit zugezogen hatte. Die im vorliegenden
Falle besonders schlechten Gewebsverhältnisse hatten mich veranlaßt, von einer
Spannung des ligamentösen Lappens abzusehen. Der Kranke wurde nach 1 Monat
geheilt entlassen, nachdem er schon 1 Woche früher das Knie aktiv fast in nor-
malem Umfange zu strecken vermochte.
22) K. Schmidt (Leipzig). Über Technik und Wirkung der Stauungs-
hyperämie und ihre Verwendung in der Praxis.
(Wiener klin. Rundschau 1908. Nr. 36—39.)
Der Verf. schildert sehr genau die Technik der Hyperämiebehandlung, wie
er sie angewendet hat, und die sich nicht von den Bier’schen Vorschriften unter-
scheidet. Die anfänglichen technischen Schwierigkeiten hält er für leicht über-
windlich, und er hat sich mit allen Einzelheiten der Behandlung sehr befreundet
mit Ausnahme der Saugstiefel. Besonders hebt er auch seine guten Erfahrungen
auf dem Gebiete der akuten Infektionen hervor. >Wer das Glück hat, seine ersten
Versuche mit der Hyperämie an Mastitiden oder akuten Trippergelenken anstellen
zu können, wird ein begeisterter Anhänger dieser Methode werden und sich auch
durch vereinzelte Fehlschläge nicht von ihr abwendig machen lassen.«
Schmieden (Berlin).
23) H. Brongersma (Amsterdam). Quelques observations sur la pro-
statectomie transvesicale.
(Extrait du bull. de l'assoc. française d’urologie. Evreux 1908.)
Verf. hat 34 gutartige Hypertrophien und 11 Karzinome der Prostata auf
transvesikalem Wege operiert; der jüngste Pat. zählte 50, der älteste 87, die Groß-
2 Deutsche med. Wochenschrift 1908. Nr. 17.
3 Brit. med. journ. 1908. April 11.
pA
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 1561
zahl 65—70 Jahre. Die entfernten Drüsen wogen 15—284 g. Die Diagnose wurde
mit Kugelbougies, durch Sonden-, Mastdarm- und cystoskopische Untersuchung
gesichert, die Nierenfunktion mit der Indigokarminprobe allein oder kombiniert
mit der experimentellen Polyurie nach Albarran geprüft. Präoperative Vor-
behandlung der Cystitis mit Verweilkatheter und Silbernitratspülungen; die Opera-
tion selbst geschieht von einem vertikalen Medianschnitt aus nach der allgemein
üblichen Technik, bei starker Blutung Gazetamponade des Drüsenbettes und der
Blase, sonst Röhrendrainage; Naht der Bauchwunde in zwei Etagen, wobei zwei
tiefe Nähte die Blase an der Bauchwand fixieren. In der Nachbehandlungsperiode
wird die Blase 2mal täglich durch einen durch das Drain eingeführten Nelaton-
katheter gespült, vom 10. Tage an eine Verweilsonde eingelegt, die weggelassen
wird, sobald kein Urin oder Spülwasser mehr durch die Wunde fließt; Heilung in
3—6 Wochen.
Von den 34 wegen gutartiger Hypertrophie Operierten starben 6 = 17,7% an
Niereninsuffizienz, Herz- und Lungenaffektionen, Septhämie, Chok. Von den 28
Geheilten konnten 27 nach 3—8 Monaten gut urinieren, einer, dem die Prostata
nur teilweise entfernt worden war, behielt eine Retention von 100 ccm; eine
schwere postoperative Epididymitis machte die Kastration notwendig; in einem
Falle kam es zur Bildung von Steinen im Prostatabette, die dann spontan aus-
gestoßen wurden. Fernresultate: in 24 vor 41/, Jahren operierten Fällen normale
Harnentleerung, in einem Falle eine geringe Strikturierung, in vier Fällen Potentia
co&undi et ejaculandi.
Bei der karzinösen Hypertrophie haben von elf Pat. nur fünf die Operation
überlebt; von diesen letzteren starben zwei 3—6 Monate später an Metastasen,
einer nach 21 Monaten an Kachexie, zwei sind 6 Monate nach der Operation noch
wohl. Ursache der sechs Operstionstodesfälle war 3mal Blutung, je imal Sept-
hämie, Pneumonie, Kachexie; in vier Fällen war die Blase bereits mit ergriffen.
Die Operation war stets sehr mühsam, mehr ein Herausreißen; immer wurden die
miterkrankten Ductus ejaculatorii mit entfernt. Sobald die Ausschälung Mühe
macht, handelt es sich immer um Karzinom. In sieben Fällen wurde die Diagnose
vor der Operation, in den vier anderen erst histologisch gestellt. Die direkte
Operationsmortalität ist bei perinealem und transvesikalem Vorgehen gleich hoch,
letzteres ist einfacher und kürzer dauernd; Mastdarmverletzungen und Incontinentia
urinae sind bei der Dammoperation häufiger, dagegen der Chok geringer. Bei
diagnostiziertem Karzinom empfiehlt sich die perineale, bei erst während der Ope-
ration festgestellter Diagnose eine kombiniert transvesikal-perineale Operation.
Die Indikationen zur operativen Behandlung der Prostatahypertrophien gibt
B. folgendermaßen: Im Beginne des Leidens, wenn keine oder eine akute kom-
plette Retention vorliegt, besteht nur eine bedingte Indikation, da die Prostatiker
bei bestimmtem Regime lange Jahre bei geringen Beschwerden leben können; bei
der Häufigkeit des Karzinoms (10—25% der Hypertrophien!) ist es jedoch besser,
früh zu operieren. Inkomplette chronische Retention mit oder ohne: Dilatation,
komplette chronische Retention, kleine, harte, noch nicht höckrige, mit fibrösen
Prostatahypertrophien so leicht zu verwechselnde Karzinome bilden bei ordent-
lichem Allgemeinbefinden und gesicherter Nierenfunktion eine absolute Indikation.
Große höckrige Geschwülste und die diffuse prostato-pelvische Karzinomform
Guyon’s sollen nicht mehr operativ angegangen werden.
K. Henschen (Tübingen).
24) W. Liebl. Über retrovesikale und retroprostatische Oysten.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIV. p. 16.)
Die Arbeit basiert auf einem de Quervain gehörigen Fall, ein retroproste-
tisches Lymphangioma cysticum bei einem 46jährigen Manne betreffend. Er hatte
vor 20 Jahren einen ziemlich langwierigen Tripper durchgemacht, ohne Folgen
davon zurück zu behalten, war jetzt aber vor Monaten an Miktionsbeschwerden,
Pollakiurie, Tenesmus, später Retentionen erkrankt, die schon häufig den Kathe-
terismus vernotwendigt hatten. Wegen Urinretentionen wurde Pat. auch von
1562 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52.
de Quervain binnen mehr als 3 Jahren wiederholt behandelt und insbesondere
vier größeren Operationen unterzogen. Es handelte sich bei letzteren im wesent-
lichen um Dammeinschnitte, teils mit, teils ohne Eröffnung der übrigens (von
einem falschen Weg abgesehen) normalen Harnröhre und um Inzisionen und Re-
sektionen einer sich vorfindenden und hartnäckig rezidivierenden Geschwulst zwi-
schen Prostata und Mastdarm. Diese Geschwulst war cystös und entleerte bei den
Eingriffen aus verschiedenen Hohlräumen je 100, aber auch 200—300 ccm meist
klarer Flüssigkeit. Die mikroskopische Untersuchung von Cystenwandteilen ergab
Bindegewebe mit Endothel- (nicht Epithel-) Auskleidung. Die Größe der Geschwulst
wurde bei den verschiedenen Eingriffen ungleich befunden, zuletzt ungefähr halb-
faustgroß, saß ferner zuerst nur über, später auch unter dem Levator ani, sich
am Damm als vortretende Wölbung markierend. Die partiellen Exzisionen aus
der Geschwulst, die Entleerung ihrer Höhlen machten jedesmal auf gewisse Zeit
die Harnentleerung frei, und ist nach dem letzten Eingriffe, Dezember 1906, Pat
ohne Beschwerden geblieben, obwohl eine Radikaloperation nicht stattgefunden hat.
Dem eigenen Falle hat L. sämtliche in der Literatur aufgefundene Parallel-
fälle, in folgende vier Gruppen geteilt, zur Seite gestellt: 1) Epitheliale Cysten in
der Prostata, sieben Beobachtungen von Cysten, die vom Prostatagewebe ausgingen,
vier solche von Cysten des Utriculus prostaticus. 2) Retrovesikale Epithelcysten,
acht Fälle, retroprostatische und retrovesikale Dermoidcysten, zwei Fälle. 3) Retro-
vesikale Endothelcysten, ein Fall von Lymphangioma cavernosum cysticum. 4) Echino-
kokkuscysten; intraperitoneale fünf Fälle, retrovesikale elf Fälle. In der Allge-
meinbesprechung findet sich das Resultat, daß in allen diesen Fällen das Symptom
der Miktionsstörung charakteristisch in den Vordergrund tritt, während Schmerzen
nie beobachtet sind. Die Prognose gestaltet sich nicht sehr günstig. Operativ-
therapeutisch sind verschiedene Methoden mit nicht immer befriedigenden Resul-
taten versucht, insbesondere Punktion und Inzision vom Mastdarm oder vom Damm
aus, aber auch Radikaloperationen, denen in neuerer Zeit der Vorzug gegeben ist.
Zum Schluß Literaturverzeichnis von 27 Nummern.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
25) B. N. Cholzow. Zur klinischen Diagnose der Nierenanomalien.
(Russki Wratsch 1908. Nr. 38.)
54 Jahre alter Mann mit chronischer Lungentuberkulose, Arteriosklerose,
chronischer parenchymatöser Nephritis, einer faustgroßen Geschwulst in der rechten
Leistengegend. Cystoskopie: Fehlen der linken Harnleiteröffnung, der linken
Hälfte des Trigonum Lieutaudii. C. führte in den rechten Harnleiter bis zum
Nierenbecken einen mit einem Metallmandrin versehenen Katheter ein und fand
bei Röntgenbeleuchtung, daß er in der Gegend des rechten Ileosakralgelenkes
endigte. Diagnose: Nierendystopie. Die Sektion zeigte Agenesie der linken und
Dystopie der rechten Niere. Zwei Figuren zeigen das Röntgenbild und das aus
der Leiche gewonnene anatomische Präparat. E. Gückel (Spassk, Rjasan).
26) Wintermitz. A case of sigmoid kidney.
(Bull. of the Johns Hopkins hospital 1908. August.) .
Die Nieren eines 5 Monate alten Kindes waren derartig zusammengewachsen,
daß der untere Pol der normal gelagerten linken Niere durch eine zylindrische
Masse von Nierenparenchym ununterbrochen mit dem oberen Pole der darunter
gelagerten rechten Niere zusammenhing; beide Nieren bildeten eine $-förmige
Masse. Die Blutgefäßversorgung der oberen linken Niere war normal, die der
rechten Niere anormal. Die Harnleiter mündeten an normaler Stelle in die
Blase. Näheres im Original. Abbildung. W. v. Brunn (Rostock).
27) Kato und Kotzenberg. Über das Verhalten des arteriellen Blut-
druckes bei chirurgischen Nierenerkrankungen und Appendicitis.!
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVIII. p. 404.)
Verff. haben zweimal am Tage während eines längeren Zeitraumes systematisch
den systolischen Blutdruck bestimmt bei 17 Nierenerkrankungen, darunter 11 ein-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 1563
seitigen, bei 5 Blinddarmerkrankungen, 2 Bauchhöhlengeschwülsten und einem Falle
von Gallensteinleiden in der Absicht, eventuell für die Differentialdiagnose wert-
volle Momente herauszufinden.
Dabei ergab sich in den Fällen einseitiger Eiterniere Druckerhöhung, die mit
dem Abklingen des Eiterungsprozesses abfiel. Sodann ließ sich die bekannte Druck-
erhöhung bei doppelseitigen Nierenerkrankungen bestätigen. Die nicht entzündlichen
Prozesse der Bauchhöhle hatten keinen Einfluß auf die Blutdruckkurven, dagegen
fand in den Fällen von akuter oder subakuter Appendicitis eine auffällige Steigerung
des Blutdruckes bis zu einer Höhe, wie sie selbst bei chronischer Nephritis und
Arteriosklerose nicht zur Beobachtung kam.
Wenngleich die skizzierten Resultate noch kein abschließendes Urteil gestatten,
so regen doch speziell die Ergebnisse bei Appendicitis zu weiterer Nachprüfung
an, ob die Methode nicht ein Hilfsmittel zur Differentialdiagnose entzündlicher
Prozesse der Bauchhöhle abgibt. Bei Nierenerkrankungen aber sind praktisch
verwertbare Resultate nicht zu erwarten. Reich (Tübingen).
28) Gage and Beal. Fibrinous calculi in the kidney.
(Annals of surgery 1908. September.)
Eine Pat., die in jungen Jahren mehrfach an Blutharnen gelitten hatte, er-
krankte später an Nierensteinkoliken mit zeitweiligem Abgang von kleinen Steinen.
Cystoskopisch war an der Blase nichts zu sehen; der sowohl aus dem rechten wie
linken Harnleiter entleerte Urin zeigte Eiweiß und Harnsäurekristalle; da aber
die Nierensteinkolik stets rechts gewesen war, wurde die rechte Niere freigelegt.
Sie erwies sich als völlig ausgestopft von über 100 kleinen facettierten Steinen
und wurde deshalb exstirpiert. Die Untersuchung dieser wie Gummi weichen
Steine ergab, daß sie aus phosphorsaurem Kalk bestanden; nach der Entkalkung
zeigte sich ein deutliches, aus Fibrin bestehendes Netzwerk. Verff. nennen diese
Steine daher Fibrinsteine, und sie glauben, daß sie mit den frühen Hämaturien in
ursächlichem Zusammenhange stehen. Herhold (Brandenburg).
29) @. Gatti. Die Nierenentkapselung bei chronischer Nephritis.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVII. Hft. 3.)
G. gibt eine Übersicht über die bisherigen Veröffentlichungen, die das Thema
der Nierenentkapselung bei chronischer Nephritis behandeln. Im einzelnen wird
referiert über die Resultate des Verfahrens, über die klinischen Beobachtungen
der Nierenfunktion nach dem Eingriff, über die Widerstandsfähigkeit der Nephri-
tiker gegenüber der Operation, ferner über die bisher publizierten experimentellen
Arbeiten und die durch die Entkapselung bewirkten Veränderungen des Nieren-
gewebes. Im Anschluß daran wird genauer eine eigene Beobachtung des Verf.s
selbst beschrieben, der bei einem Pat. mit chronischer Glomerulonephritis inter-
stitialis mit parenchymatösen Veränderungen in zwei Sitzungen beide Nieren ent-
kapselte. Nach diesen Eingriffen trat eine Besserung des Allgemeinbefindens ein.
Die Ödeme nahmen ab, das Herzklopfen, die Appetitlosigkeit und die Mattigkeit
schwanden, so daß Pat. wieder 11/, Jahre lang seine Arbeit verrichten konnte.
Der Prozeß erwies sich trotz alledem aber als fortschreitend und führte unter
urämischen Erscheinungen zum Tode. Da sowohl bei der chirurgischen Autopsie
wie nach dem Tode Stücke der Nieren mikroskopisch untersucht werden konnten,
ließ sich auch anatomisch das Fortschreiten des nephritischen Prozesses und der
mangelhafte Erfolg der Operation nachweisen. Es bildete sich um die Nieren
herum sogar eine sehr dicke, aber gänzlich gefäßarme Kapsel, so daß von einer
besseren Blutgefäßversorgung der Nieren gar keine Rede sein konnte.
E. Siegel (Frankfurt a. M.).
30) Busch, Leonard and Wright. Further results in suprarenal trans-
plantation.
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. August 22.)
In einer früheren Mitteilung berichteten Verff. über 32 Fälle von Transplan-
tation einer Nebenniere nach völliger Entfernung der anderen in die Niere des-
1564 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52.
selben Versuchstieres. Nur einmal konnte das Überleben der Nebenniere mit Er-
haltung der Markzelle sicher nachgewiesen werden.
Verff. haben jetzt neue Versuche gemacht und bei 30 Tieren die Nebenniere
anderer Tiere derselben Art in die Schilddrüse, den Hoden und die Nieren ein-
gepflanzt. Nur die Einpflanzung in die Nieren ergab positive Resultate. Verff.
beschreiben dann ihre Technik. Zusammenfassung: Nur bei drei Fällen konnte
ein Weiterfunktionieren und Einheilen der Nebenniere mit voller Erhaltung nach-
gewiesen werden; bei einigen anderen war wohl ein Bestehen der Funktion, aber
kein sicherer anatomischer Nachweis des Einheilens nachzuweisen. Die Niere ist
das geeignetste Organ zur Einpflanzung der Nebenniere. Die längste beobachtete
Zeit der Einheilung mit guter Funktion ist 247 Tage. Verbesserte Technik ver-
spricht bessere Ergebnisse. Trapp (Bückeburg).
31) Beilby. A clinical study of hypernephroma with pathological
reports.
(Surgery, gynecology and obstetrics Bd. VII. Nr. 3.)
Die Studie beruht auf 11 Fällen, bei denen die Geschwulst operativ entfernt
wurde, und vier zufällig bei der Sektion gefundenen. Die Untersuchungen wurden
im Bender-Laeboratorium in Albany-N. Y. gemacht. — Zwei von den Geschwäülsten
nahmen die normale Stelle der Nebenniere ein und wurden bei der Sektion ent-
deckt, waren nicht bösartig. Die anderen lagen im Nierengewebe. Auch von
diesen wurden zwei bei der Sektion gefunden, die anderen nach operativer Ent-
fernung untersucht. Eine nähere Beschreibung sowohl der Sektionsbefunde wie
der klinischen Fälle ist gegeben; ein eingehendes Referat würde zu weitläufig
sein. Das Gesamtergebnis kann man zusammenfassen in folgendem: 1) Die Sym-
ptome der Geschwulst waren in keinem Fall auf die Art derselben zu beziehen;
sie bestanden in Schmerz, Blutharnen, Geschwulstbildung. Die Schmerzen waren
nach Ansicht des Verf.s wesentlich auf mechanische Störungen durch Blutgerinnsel
zurückzuführen, hatten nichts Charakteristisches. Geschwulstbildung wurde selten
und dann als spätes Symptom beobachtet. In einzelnen Fällen und gerade solchen,
bei denen die Geschwulst in der Niere selbst lag und das Nierenbecken befallen
hatte, fehlte die Hämaturie. 2) Die Diagnose ist infolge dieses Verhaltens kaum
zu stellen. B. schlägt Blutdruckuntersuchungen vor, da bei Vermehrung des
Nebennierengewebes dessen Steigerung nicht unwahrscheinlich sei. Einzelne Beob-
schtungen in dieser Hinsicht liegen vor, jedoch sind sie noch ungenügend. 3) Pro-
gnose. Wenn die Geschwulst zeitig entfernt wird, ist sie gut. Die von B. nach-
beobachteten operierten Fälle sind sämtlich am Leben und gesund, einer davon
51/2 Jahre. 4) Metastasen hat er bei seinen Fällen nicht gefunden.
Trapp (Bückeburg).
32) Pels-Leusden. Zum Mechanismus der Strangulationen des Penis
und deren Beseitigung.
(Berliner klin. Wochenschrift 1908. Nr. 3.)
Mitteilung eines Falles von Strangulation des Penis durch einen zur Ver-
hütung der Konzeption übergestülpten Messingring, der 51/3 Stunden gesessen
hatte. Vom Sulcus coronarius war der Ring an die Peniswurzel gewandert, da
durch die immer stärker werdende Blutfüllung des distal von dem Ringe gelegenen
Teiles des Penis ein Druck auf den Ring in perinealer Richtung ausgeübt wurde.
Zur Entfernung erwies sich die Giglisäge wieder sehr geeignet, die P. bei
Kupfer, Messing, Gold und Schmiedeeisen mit Erfolg angewandt hat.
‘ Langemak (Erfort).
33) Johnston. Hermaphrodism.
(Surgery, gynecology and obstetrics Bd. VII. Nr. 2.)
Bei einem 23jährigen Manne, der völlig wie ein kräftig entwickelter Mann
gebaut war, einen Penis und Scrotum von normaler Größe hatte, aber dessen
Hoden fehlten, sollte ein rechtsseitiger eigroßer Leistenbruch operiert und dabei
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 1565
der Versuch gemacht werden, den vermuteten Leistenhoden herabzuziehen. J. fand
in dem Bruchsack ein strangförmiges Gebilde, umgeben von ausgedehnten Venen.
Bei Zug an dem vermeintlichen Samenstrange kamen Teile zum Vorschein, die
sich bei näherer Betrachtung als Fundus uteri mit gut entwickelten Tubenenden
und Övarien herausstellten. Diese wurden reponiert und der Leistenkanal ge-
schlossen. J. fübrt dann noch ähnliche Fälle aus der Literatur an.
Trapp (Bückeburg).
34) H. L. Posner. Beiträge zur Kenntnis der Azoospermie.
Inaug.-Diss., Berlin, 1908.
P. berichtet über 18 neue Fälle, in denen die diagnostische Hodenpunktion
zur Ermittelung der erloschenen oder noch bestehenden Spermatogenese ausgeführt
wurde. In 16 Fällen wurden wohlausgebildete Spermatozoen gefunden, in zwei
Fällen fehlten dieselben. Punktionen an Gesunden (auch an der Leiche) hatten
stets schon beim ersten Versuch ein positives Ergebnis.
Zur Punktion verwendet man sterile, dünnste Kanülen und sog. Bier’sche
Spritzen. Bei einseitiger Epididymitis wird die erkrankte Seite punktiert. Blutung
tritt dabei nicht auf.
Die Spermien im Hoden sind bewegungslos. Sie erhalten ihre Beweglichkeit
erst unter dem Einfluß des Prostata- und Samenblasensekretes. Auch das mikro-
chemische Verhalten der Punktionsflüssigkeit weicht von dem des Ejakulats ab.
Sie gibt weder die Florence’sche noch die Barberio’sche Reaktion.
Im Gegensatz zu der großen Zahl der positiven Fälle bei Azoospermie infolge
Obliteration der samenleitenden Wege steht das Resultat einer Statistik von sieben
Fällen, bei denen Gonorrhöe und Nebenhodenentzündung in der Atiologie nicht
zu ermitteln waren. Unter diesen sieben Fällen wurden nur in einem Falle Samen-
fäden gefunden. Die Ursache der Azoospermie war in diesen Fällen nicht Ver-
schluß der Samenkanälchen des Nebenhodens, sondern Schwund des funktionieren-
den Hodenparenchyms. Bevenstorf (Hamburg).
35) J. Jianu u. Pitulesou (Bukarest). Die Untersuchung des Blutes in
Fällen von Gebärmutterkrebs, behandelt mittels Unterbindung des
Bogens des Ductus thoracicus.
(Spitalul 1908. Nr. 18.)
Bekanntlich wurden in der Abteilung von Severeanu einige Fälle von Ge-
bärmutterkrebs mittels Unterbindung des Ductus thoracicus behandelt, um eine
lymphatische Stauung hervorzurufen und durch dieselbe auf das Neugebilde ein-
zuwirken. Die Resultate waren relativ gute, und wird diese Operationsmethode
noch weiter ausgebildet werden. Anßerdem wurden bei den Operierten Blut-
untersuchungen vorgenommen und hierbei folgendes gefunden.
Die Anzahl der roten Blutkörperchen war vor und nach dem Anlegen der
Ligatur die gleiche und blieb es auch bis zum 20. Tage, an dem die letzten Unter-
suchungen vorgenommen wurden. Hingegen erfubr die Zahl der weißen Blutzellen
eine erhebliche und rasche Verminderung; schon 7 Stunden nach der Unterbindung
war sie in dem einen Falle von 16000 auf 13000 und in dem anderen von 13000
auf 10500 pro Kubikmillimeter gesunken. In ersterem Falle war der Abfall ein
stetiger und erreichte am 20. Tage 7000 pro Kubikmillimeter, während im anderen
Falle das Minimum mit 8000 weißen Blutkörperchen bereits am 8. Tage erreicht
war, von wann ab eine gleichmäßige Steigerung stattfand, so daß am 20. Tage
11000 Blutkörperchen gezählt wurden.
Die kleinen Lymphozyten zeigen während der ersten 24 Stunden nach der
Unterbindung eine stetige Abnahme ihrer Zahl; es folgt dann wieder eine Zunahme,
doch nur sehr allmählich, so daß erst nach 13—14 Tagen die ursprüngliche An-
zahl wieder erreicht ist, ja, dieselbe wird in weiterer Folge sogar bei weitem über-
stiegen. Die Übergangsformen und eosinophilen polynukleären Zellen zeigen keine
Anderung ihrer Anzahl, während die neutrophilen zuerst einen Anstieg und dann
einen Abfall durchmachen. Die großen Mononuklearen nehmen ab, doch trat in
dem einen Falle später wieder eine leichte Zunahme auf.
1566 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52.
Aus der geringen Anzahl der bis nun operierten Fälle können keine weiteren
Schlüsse gezogen werden; jedenfalls zeigt der Blutbefund nach der Operation, daß
wenigstens für eine gewisse Zeit der Erguß der kleinen Lymphocyten in den all-
gemeinen Blutkreislauf teilweise gehindert wird. E. Toff (Braila).
36) Puyol. Quiste del ovario en una niña de diez años.
(Revista méd. del Uruguay Bd. X. Nr. 6.)
Bei einem 10jährigen Mädchen, das ganz plötzlich unter den Symptomen einer
schweren Appendicitis erkrankte, ergab die sofort vorgenommene Operation eine
Ovarialcyste von der Größe eines fötalen Kopfes, die im linken Ovarium saß. Der
Stiel war zweifach torquiert. Glatte Heilung. Stein (Wiesbaden).
37) Putti. ` Beitrag zur Atiologie, Pathogenese und Behandlung des
angeborenen Hochstandes des Schulterblattes.
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII. Hft. 5.)
Genaue Beschreibung eines Falles:
Ein 3jähriges Kind, von luetischem Vater abstammend, zeigt keine Erschei-
nungen von Lues. P. findet bei ihm eine ziemlich starke Vergrößerung des Schulter-
blattes, das im übrigen normal ist, ferner die von Kausch beschriebene mangel-
bafte Entwicklung des unteren Bündels des Trapezius; zwischen erstem Brustwirbel
und dem inneren Rande des Schulterblattes sieht man auf dem Röntgenbild eine
knöcherne Verbindung; mit dem Schulterblatt ist diese Knochenbrücke nur locker
verbunden, dagegen unbeweglich mit dem Querfortsatze des ersten Brustwirbels;
das spricht gegen die skapulare Genese der Knochenspange; auch haben wir es
nicht mit einem Produkt einer Muskelossifikation zu tun, da die Knochenspange
histologisch deutlich den Bau eines langen Röhrenknochens zeigt mit Muskel-
insertionen. Verf. beschreibt weiter die dabei auftretende Skoliose und die cranio-
facialen Asymmetrien und visceralen Anomalien. Er faßt seine Ausführungen wie
folgt zusammen:
»1) In unserem speziellen Falle sind Schulterblatthochstand sowie die anderen
denselben begleitenden Deformitäten auf die hereditäre Lues als ätiologischen Faktor
zurückzufübren (paraheredosyphilitische Erscheinungen).
2) Der Hochstand des Schulterblattes ist gleich wie die angeborene Leisten-
hernie, der Anus vulvaris, das Fehlen einer halben Rippe, als ein Stehenbleiben
im Evolutionsrhythmus des Embryo aufzufassen.
3) Das skapulovertebrale Knochensegment ist ein Vertebralelement, ein kosti-
former Fortsatz, entstanden zur Stütze einer anormalen Schichtung der Muskulatur
infolge einer Störung in der Metamerie und Differenzierung der Myomerenelemente
der Gegend. Die Verbindung mit der Scapula ist nicht eine Funktion des anor-
malen Segmentes, sondern eine Folge des primären Kontiguitätsverhältnisses beider
Knochen.
4) Die craniofacialen Asymmetrien als assoziirte Phänomene des angeborenen
Schulterblatthochstandes sind als das Produkt einer Adaptierung des Schädel-
skeletts an die statischen Verhältnisse der Halswirbelsäule anzusehen.
5) Der gänzlich neue Befund einer extrarachidialen, aber nicht mit der Gegend,
die der Sitz einer evolutiven Störung ist, zusammenhängenden Hypertrichose modi-
fiziert die morphogenetischen Hypothesen der Hypertrichose.
6) Der Fall lehrt, daß die auf einer richtigen Deutung der Pathogenese der
Deformität beruhende chirurgische Behandlung des angeborenen Hochstandes des
Schulterblattes ein recht gutes orthomorphisches und funktionelles Resultat liefern
kann.« Gaugele (Zwickau).
38) V. Bülow-Hansen. Et tilfaelde of kongenital komplet radius-
defekt opereret efter Bardenheuer’s methode.
(Norsk Mag. for Laegevidenshaben 1908. Nr. 10.)
Fünfmonatiges Kind mit doppelseitigem Radiusdefekt, Fehlen des Daumens,
des Metacarpus I, des Os naviculare und des Os multangulum majus. Die nach
ni
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 1567
der Radialseite verschobenen Hände stehen im rechten Winkel zum Unterarm und
sind auffallend kurz und atrophisch. Die Operation wurde in zwei Sitzungen mit
einem Zwischenraum von einem Monat ausgeführt. Spaltung des unteren Endes
der Ulna. Fixierung des Carpus in der auf diese Weise hergestellten Gabel des
Vorderarmknochens.. 6 Wochen Gipsverband. Kontrolle des Ergebnisses durch
Röntgenogramm nach 3 Jahren. Wenn auch die eine Hand noch etwas winklig
zum Unterarm steht, ist die Beweglichkeit nach allen Richtungen uneingeschränkt.
Der Zeigefinger hat sich etwas in Opposition zu den übrigen Fingern gestellt und
ersetzt teilweise den fehlenden Daumen. Revenstorf (Hamburg).
39) H. v. Salis. Zur Frage der blutigen Reposition bei Luxatio genu
congenita.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIV. p. 149.)
v. S. beschreibt eine von schönem Resultate gefolgte Operation Hübscher’'s
(Basel) wegen angeborener Knieverrenkung bei einem 5/jährigen Mädchen. Es
handelte sich (vgl. Röntgenbild) um eine totale Verrenkung der Tibia nach vorn
bei Mangel der Kniescheibe mit Kniehyperextension und relativer Verkürzung der
Quadricepssehne, sowie gleichzeitigem Klumpfuß. Durch Ablösung der das Knie
deckenden Haut in Halbmondform wurde die Quadricepssehne freigelegt und
mittels der Bayer’schen für die Achillessehne angegebenen Schnittführung plastisch
verlängert, wobei bei Ablösung der einen Sehnenlängshälfte von ihrer tibialen In-
sertion ein Stück der Tuberositas tibiae ausgelöst wurde, um als neue künstliche
»Kniescheibe« in die Sehnennaht mit versenkt zu werden (vgl. 3 Figuren, die
diese schön durchdachte Plastik erläutern). Die Gelenkreposition gelang erst nach
bilateraler Quertrennung der vorderen Gelenkkapsel rechts und links von der
Strecksehne. Dann Gipsverbände, auch über dem redressierten Klumpfuß, sowie
Beseitigung einiger überzähliger Zehen. Zur Zeit der Berichterstattung (11/, Mo-
nate nach der blutigen Kniereposition) kann das Kind sein Bein schon zum Stehen
benutzen (Abbildung), aktive Kniestreckung ist noch nicht möglich.
Kurze Erwähnung der sonst zur Behandlung des Leidens veröffentlichten Ope-
rationsmethoden, von denen v. S. die Resektion und Arthrodesis für nicht mehr
zulässig hält. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
40) Dockk. Un cas d'absence congénitale, du péroné.
(Ann. et bull. de la soc. de méd. d'Anvers 1907. Dezember.)
Das betreffende Mädchen, 15 Monate alt, zeigt neben dem Fehlen der rechten
Fibula mit starker konvex nach vorn gerichteter Krümmung der Tibia 51/3 cm
Verkürzung des Beines, starke Pes varo-equinus-Haltung. An beiden Füßen sind
nur die 1.—4. Zehe und der 1.—4. Metatarsus vorhanden; die linke Hand hat nur
einen Daumen und zwei Finger, nur drei Mittelhandknochen sind vorhanden, der
ganze linke Arm ist verkürzt um 2!1/s cm, Umfang um 11/, cm geringer als rechts.
Die Behandlung wird orthopädisch sein, vielleicht Vereinigung von Calcaneus und
Tibia und Gang wie bei Wladmiroff-Mikulicz. — Heredität nicht nach-
weisbar. E. Fischer (Straßburg i. E..
41) B. Kilvingston. An unusual deformity of the foot.
(Brit. med. journ. 1908. Februar 29.)
K. beschreibt eine doppelseitige, angeborene Deformität am Fuße eines
12jährigen Knaben, die theoretisch großes Interesse hat, daK. sie als einen Rück-
schlag ansieht wegen ihrer großen Ähnlichkeit mit dem Fuße der anthropoiden
Affen. Es handelt sich um eine auffallende Verkürzung des ersten Metatarsus um
mehr als die Hälfte. Da dem Knaben ein wichtiger Stützpunkt für sein Körper-
gewicht auf diese Weise fehlte, so verlegte er seine Gebfläche mehr auf die Außen-
seite des Fußes und ersetzte das ihm fehlende Metatarsalköpfehen durch Plantar-
flexion der Großzehenphalangen, deren Spitze dem Boden aufruht. Ganz ähnlich
liegen die Verhältnisse beim Greiffuß der anthropoiden Affen, die gleichfalls mehr
auf der Außenfläche der Fußsohle gehen und eine verkürzte, daumenartige Groß-
zehe haben. Weber (Dresden).
1568 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52.
42) F. Wette. Zwei Fälle von Luxation im Metatarsophalangeal-
gelenk. Doppelseitiger Abriß der Streckaponeurose am Mittelfinger.
(Aus der orthopäd. Klinik des verstorbenen Prof. Hoffa.)
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 37.)
In den ersten 2 Fällen handelte es sich um eine dorsale, bzw. plantare Ver-
renkung der drei mittleren Zehen im Metatarsophalangealgelenk; die Reposition
gelang in dem einen durch Händedruck und -zug am Vorfuß leicht, in dem Falle
von dorsaler Verrenkung dagegen auch nicht auf blutigem Wege, so daß die
Köpfchen der Metatarsi reseziert werden mußten. Das Resultat war ein gutes.
In dem Falle von Abriß der Aponeurose war die Verletzung beim Strumpfausziehen
dadurch entstanden, daß der rechte Mittelfinger zwischen Strumpf und Strumpf-
band hängen blieb; später kam auch am linken Mittelfinger dieselbe Verletzung
in gleicher Weise zustande; das Endgelenk blieb in Beugestellung stehen und ließ
sich aktiv nicht mehr strecken. Pat. war dadurch im Gebrauch des Fingers nicht
behindert. Kramer (Glogau).
43) Wiesel. Diagnose einer Periostablösung am Metatarsus II dexter.
durch Röntgenographie.
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII. Hit. 2.)
Bei einem 40jährigen Tabiker, der sich mit 20 Jahren luetisch infiziert hatte,
trat eine starke Schwielenbildung auf der Fußsohle ein (entsprechend der Lage des
dritten Metatarsus), die später vereiterte. Auf dem Röntgenbild sah man, daß sich
an dem dritten Metatarsus das Periost abgelöst hatte. Eine spezifische Behandlung
war ohne nennenswerten Einfluß.
Verf. nahm die Amputation der Zehe und die Exstirpation des Metatarsus
vor, wobei er seine Diagnose bestätigt fand. Die Heilung erfolgte prompt.
Der Fall lehrt also, daß man Tabiker öfters als es bisher geschehen röntgeno-
graphieren soll, da das, was man lediglich auf Rechnung der Trophoneurose zu
setzen geneigt ist, auch durch anatomische Veränderungen bedingt sein kann.
Gaugele (Zwickau).
44) Couteaud, Etude sur l’orteil en marteau.
(Revue de chir. XX VIII. ann. Nr. 7.)
In schweren Fällen von Hammerzehe nimmt C. unter örtlicher Betäubung die
Resektion des verkrümmten Gelenkes mit der Gißlisäge und die Durchschneidung
der Beugesehnen von einem einzigen Dorsalschnitt aus vor, um die störende plan-
tare Narbe zu vermeiden. In leichteren Fällen genügt die Resektion eines oder
beider Gelenkenden ohne Sehnendurchschneidung.
C. hat die Hammerzehe übrigens auch bei einigen stets nacktfüßig gehenden,
stark mit Syphilis durchseuchten und vielfach auch mit anderen Mißbildungen der
Glieder behafteten Stämmen der Hochebenen von Madagaskar, oft zusammen mit
Abduktionskontrakturen der Zehen, beobachtet. Es kann also nicht ausschließlich
das Überragen der zweiten Zehe über die anderen und ihre Beengung durch
schlechtes Schuhwerk die Veranlassung des Leidens sein.
Gutzeit (Neidenburg).
45) E. Martini. Über einen neuen Apparat für die Behandlung der
schrägen oder komplizierten Frakturen des Beines.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXV. Hft. 3.)
Beschreibung eines Apparates, der den Vorteil bietet, daß er die Bruchstelle
nach Reposition und Immobilisierung des Gliedes frei und sichtbar läßt, so daß
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eignet. E. Siegel (Frankfurt a. M.).
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gr. 8. "Wien, F. Deuticke ’09.
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Leiden, S. C. van Doesburgh. — Leipzig, J. A. Barth '08. 3.—
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496. Martin, A., Überblick üb. d. Entwicklungen d. modernen gynäkolog. Operationstechnik. (10 S.) ’uS.
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VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG.
Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.
Nr. 35. Beilage. 1908.
Bericht über die Verhandlungen
der
Deutschen Gesellschaft für Chirurgie,
XXXVII. Kongreß,
abgehalten von 21.-24. April 1908
im Langenbeck-Hause.
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig.
1908.
Inhalt.
Allgemeine Pathologie und Therapie: 1) Trendelenburg, Operationsbehandlung der
Embolie der Lungenarterie. — 2) Kümmell, Frühes Aufstehenlassen Laparotomierter. — 3) Frän-
kel, 4) Ranzi, Postoperative Thrombose und Embolie. — 5) Czerny, Blitzbehandlung der Krebse.
— 6) Müller, Präparate zu Lehrzwecken. — 7) Neuber, Skopolaminnarkose. — 8) Gilmer, Lum-
bale Lokalanästhesie. — 9) Bier, Neuer Weg zur Lokalanästhesie. — 10) Müller und Preiser,
Behandlung von Eiterangen mit proteolytischem Leukocytenferment bzw. Antiferment. —
11) Schoene, Transplantation körperfremder Gewebe. — 12) Kocher, Zur Transplantation der
Schilddrüsen. — 18) v. Haberer, Zur Verpflanzung der Nebenniere in die Niere. — 14) Lexer,
Die Verwendung der freien Knochenplastik nebst Versuchen über Gelenkversteifung und Gelenk-
transplantation. — 15) Heidenhain, 16) Barth, 17) Brentano, Zur Knochenplastik. — 18) v. Brunn,
19) Heusner, Hautdesinfektion. — 20) Klapp u. Dönitz, Chirosoter. — 21) Wederhake, Derma-
gummit. — 22) Chlumsky, Catgutsterilisation. — 28) Spechtenhauser, Wienerdraht. — 24) Do-
berauer, Allmähliche Zuschnürung von Gefäßen. — 25) Föderl, Aktinomykose. — 26) Fessler,
Wirkung des Spitzgeschosses.
Kopf: 27) Franz, Krönlein’sche Schädelschüsse. — 28) Schlesinger, Traumatische Meningitis. —
, 29) Salzer, Cephalokele. — 80) Haasler, Zur Hirnchirurgie. — 81) Payr, 32) Heile, 33) Sprin-
ger, Hydrocephalus. — 84) Krause, Zur Hirnchirurgie. — 35) Tietze, 36) Martens, Zur Klein-
hirnchirurgie. — 37) Erdheim und Stumme, Schwangerschaftsveränderung der Hypophyse. —
88) Hochenegg, Akromegalie bei Hypophyscntumor. — 39) Eckstein, Nasenplastik.
Hals: 40) Doilinger, Subkutane Lymphdrüsenexstirpation. — 41) Kocher, Blutuntersuchung bei
Basedow. — 42) Lauper, 43) v. Hacker, Speiseröhrenkrebs. — 44) Gottstein, Kardiospasmus.
— 45) Voelcker, Exstirpation der Cardia.
Brust: 46) König, Rippenbrüche und traumatisches Emphysem. — 47) Schmieden, 48) Dreyer,
49) Brauer, 50) Küttner, Druckdifferenzverfahren. — 51) Mayer, Apparat zur Überdrucknarkose.
— 52) Seidel, Chondrotomie bei Spitzentuberkulose. — 53) Friedrich, Kostoplastische Pneumo-
lysis. — 54) Perthes, Chronischer Lungenabszeß. — 55) Friedrich, Volumenausgleich nach
Lungenamputation. — 56) Braun, Geschwulst der Pleura. — 57) de Quervain, Fibroepitheliale
Veränderungen der Mamma.
Bauch: 58) Peiser, Fötale Peritonitis. — 59) Ritter, Brucheinklemmung. — 60) Schloffer, Ent-
zündliche Bauchdeckengeschwülste nach Bruchoperationen. — 61) Brenner, Nabelbruchopera-
tion. — 62) Rovsing, Gastro-Duodenoskopie. — 63) Junghans, 64) Middeldorpff, Fremdkörper
im Magen. — 65) Rubritius, Operationen bei gutartigen Magenerkrankungen. — 66) Credé,
67) Neuhaus, Gastroenterostomie. — 68) Moczkowicz, Aseptische Darmoperationen. — 69) Klapp,
Entleerung infektiöser Flüssigkeitsansammlungen und chirurgische Darmentleerung. — 70) Braun,
Enterokystom. — 71) Bunge, Spastischer Darmverschluß. — 72) Canon, 73) Heddaeus, Darm-
ausschaltung. — 74) Graff, Milzexstirpation. — 75) Ruge, Zur Anatomie der Gallengänge —
76) Exner und Heyrovsky, 77) Lampe, Cholelithiasis. — 78) H. Braun, Ganglioneurome.
Harn- und Geschlechtsorgane: 79) Hinterstoisser, Harnröhrenverletzungen. — 80) Pels-
Leusden, Harnröhrennaht. — 81) Wilms, Prostatektomie. — 82) Ehrhardt, Prostatakrebs. —
88) Zuckerkandl, Nierensteine. — 84) Loewenhardt, Hydronephrose.
Gliedmaßen: 85) Evler, Chromlederstreckverbände. — 86) Borchgrevink, 87) Klapp, 88) Heus-
ner, 89) Krönlein, 90) Manasse, 91) Lampe, Apparate zur Behandlung von Knochenbrüchen.
— 92) Küttner, Zur Prognose der traumatischen Verrenkungen. — 93) Dollinger, Veraltete
Ellbogenverrenkungen. — 94) Stieda, Coxa valga. — 95) Goebel, Oberschenkelsarkom. — 96) Lud-
loff, Osteochondritis dissecans des Knies. — 97) Müller, Gelenkmaus beim Hunde. — 98) Mus-
kat, 99) v. Frisch, Plattfuß.
Allgemeine Pathologie und Therapie.
1) F. Trendelenburg (Leipzig). Über die operative Be-
handlung der Embolie der Lungenarterie.
Es ist zunächst die Frage zu erörtern, ob bei der Embolie der
Lungenarterie diejenigen Vorbedingungen erfüllt werden können, ohne
welche ein chirurgischer Eingriff nicht berechtigt sein würde, d. h.
ob die Diagnose der Embolie mit der nötigen Sicherheit gestellt wer-
den kann, und ob genügende Zeit für die Operation zu Gebote steht.
Die erste Frage ist zu bejahen. Bei einer gewissen Mannigfaltig-
keit der Symptome im einzelnen ist die Gesamtheit derselben doch
sehr charakteristisch. Meist wird die Diagnose auch durch schon vor-
her bekannte Nebenumstände gestützt, es ist eine Operation mit Frei-
legung oder Unterbindung größerer Venen vorhergegangen, oder es
besteht nachweislich eine Thrombose der Femoralis, oder es hat ein
Knochenbruch an der unteren Extremität stattgefunden, oder der
Kranke ist mit Varicen behaftet. Die Auskultation am Herzen er-
gibt meist einen negativen Befund. Systolische oder systolische und
diastolische Geräusche sprechen dafür, daß der Embolus sich noch
im rechten Herzen aufhält. — Was die zweite Frage betrifft, so tritt
der Tod keineswegs so häufig ganz plötzlich ein, wie man gewöhn-
lich glaubt. Von neun Fällen von Embolie im Leipziger Kranken-
haus endeten nur zwei ganz schnell, in 1—2 Minuten, tödlich, bei
sieben Fällen verstrich eine Zeit von 10 Minuten bis zu einer Stunde,
ehe der Kranke dem embolischen Anfall erlag. Bei mindestens der
Hälfte der Fälle werden wenigstens 15 Minuten zu Gebote stehen,
also in einem Krankenhause eine genügende Zeit für die Operation.
Die Technik der Operation wird an Abbildungen und an einem
Leichenherzen demonstriert. Sie entspricht der im Zentralbl. f. Chir.
1908, Nr. 4 gegebenen Darstellung. Dem dort empfohlenen Lappen-
schnitt zur Eröffnung des Thorax ist ein Querschnitt auf der zweiten
Rippe und ein senkrechter Schnitt am linken Sternalrande vorzuziehen;
die durch die Schnitte umschriebenen dreieckigen Hautmuskellappen
werden zurückgeschlagen, der an das Sternum grenzende Teil der
zweiten Rippe wird in einer Länge von 10—12 cm reseziert.
Versuche an Tieren ergaben, daß die vollständige Kompression
der Pulmonalis nur 45 Sekunden bis 2 Minuten ertragen wird, also
viel weniger lange als die Kompression der Venae cavae, welche nach
Sauerbruch’s Angabe bis zu 10 Minuten vertragen wird. Wahr-
scheinlich versorgen bei Kompression der Cavae die Kranzvenen des
Herzens das rechte Herz und den kleinen Kreislauf noch mit etwas
Blut, während bei der Kompression der Pulmonalis jede Blutzufuhr
1*
ee Mi: u
zu den Lungen abgeschnitten ist. Die gleichzeitige Kompression der
Pulmonalis und der Aorta bietet dieselben Erscheinungen dar, wie
die Kompression der Pulmonalis allein.
Die Extraktion der Emboli aus der komprimierten und dann an-
geschnittenen Pulmonalis muß also möglichst schnell geschehen. Die
Zeit von 45 Sekunden ist aber für ein paar so einfache Handgriffe
eine verhältnismäßig lange. Auch steht nichts im Wege, wenn man
mehr Zeit braucht, die Arterie seitlich zuzuklemmen, die Kompression
zu lösen, den Blutstrom für kurze Zeit durchzulassen, dann wieder zu
komprimieren und mit dem Absuchen der Aste der Lungenarterie
fortzufahren.
Das in der früheren Veröffentlichung erwähnte Kalb, bei dem im
Dezember 1907 ein 15 cm langer Embolus aus der Lungenarterie
extrahiert war, wurde im März d. J. getötet. Das Präparat des
Herzens wird demonstriert. Man erkennt an der Innenseite der Pul-
monalis an einer ganz zirkumskripten schwieligen Verdickung die Stelle,
wo die Arterie inzidiert wurde. Die eingeheilten Seidenfäden sind so-
wohl an der Intima wie auch außen nirgends zu sehen, da sie von der
Gewebswucherung überdeckt sind.
Ein Versuch mit der Operation bei einer 7Ojährigen Frau führte
nicht zum Ziel, da Pat. vor Beendigung der Operation starb.
Nachschrift:
Inzwischen sind wieder zwei Fälle von Embolie in der chirurgi-
schen Klinik zu Leipzig zur Operation gekommen (vgl. Deutsche Zeit-
schrift für Chirurgie Bd. XCIII, p. 282 und Deutsche med. Wochen-
schrift 1908, Nr. 27). Beide Fälle beweisen die Durchführbar-
keit der Operation beim Menschen. Bei der Operation schon pulslos,
erholten sich die Kranken schnell nach Extraktion der bis zu
34 cm langen Thrombenstücke aus der Pulmonalis. Der Blutverlust
aus der Pulmonalis war minimal. Die erste Pat. starb 15 Stunden
nach der Operation an Herzschwäche. Auch bei dem zweiten Kranken
trat leider der Tod ein, aber erst 37 Stunden nach der Operation, und
zwar infolge einer Nachblutung aus der Art. mammaria interna. In
einem Pulmonalisaste steckte noch ein zurückgebliebener Embolus.
(Selbstbericht.)
2) Kümmell (Hamburg). Abkürzung des Heilungsverfahrens
Laparotomierter durch frühes Aufstehenlassen.
Nach einem historischen Überblick über die bisher ausgeübte
Methode des Frühaufstehens Operierter und speziell Laparotomierter
bespricht K. seine diesbezüglichen Erfahrungen auf diesem Gebiete.
Seit Januar 1908 hat er über 164 Pat. zu verfügen, die zwischen dem
1. und 3. Tage nach der Operation das Bett verlassen haben. Dabei
befanden sich Herniotomien (50), Operationen nach Alexander-
Adams (8), Appendektomien [& froid (56) und & chaud (20)], Exstir-
er 5 we
pationen von Ovarialkystomen (7), Myome (4), ferner Salpingektomien
[Pyosalpinx und Tubargraviditäten], Cholecystektomien (3), Gastro-
enterostomien, Enteroanastomosen (4) und Probelaparotomien. Den
Beweggrund zum Abgange von der bisher üblichen Methode, Ope-
rierte und Laparotomierte 14 Tage bis 3 Wochen strenge das Bett
hüten zu lassen, bildete die auch von anderer Seite (amerikanische
Chirurgen, deutsche Gynäkologen) gemachte Erfahrung, daß Em-
bolien wesentlich verringert werden, wenn durch frühes Aufstehen,
bald nach der stattgehabten Operation, also am 1.—3. Tage, ein
den gewöhnlichen Lebensverhältnissen der Kranken möglichst gleicher
Zustand herbeigeführt wird und die Tätigkeit des Herzens normalen
Umständen entspricht. Tatsächlich haben die Erfahrungen anderer
Operateure auf diesem Gebiet eine erhebliche Herabsetzung der Em-
bolien und Thrombosen gezeitigt.
Unter den 164 Fällen, die K. seiner speziellen Betrachtung unterzieht,
ist nur eine unerhebliche Thrombose, dagegen keine Embolie eingetreten,
während unter dem alten Modus im Jahre 1906 und 1907 bei nahezu
gleicher Laparotomienzahl von ca. 600 etwa 1% Todesfälle an Em-
bolie bzw. Thrombose eintraten. Einen nicht zu unterschätzenden
Vorteil der neu geübten Methode erblickt indessen K. darin, daß
wider alles Erwarten außerordentlich feste und derbe Narbenverhält-
nisse geschaffen werden. Als Vorbedingung für die Methode führt
K. an:
1) Einwandsfreie Narkose ohne Erbrechen und weitere Kompli-
kationen.
2) Rasches Operieren und geringer Blutverlust.
3) Aseptischer Wundverlauf.
4) Derbe und feste Fasciennaht.
Indessen ist hier wie bei jeglicher anderen Maßnahme von der-
artig prinzipieller Bedeutung Schematisieren absolut verwerflich, hin-
gegen verlangt auch hier die Bewertung der individuellen Eigenschaften
der Pat. ihre volle Berücksichtigung.
Nachteile der Methode hat K. bisher nie wahrgenommen, statt
dessen hat sie sich bewährt 1) als sie die nach Laparotomien sonst
so lästigen und quälenden Symptome gestörter Darmtätigkeit ver-
ringert, 2) als sie das subjektive Wohlbefinden der Pat. steigert, 3) als
sie die Kräftigung fördert, kurz als sie die Dauer der Rekonvaleszenz
ganz wesentlich abkürzt und vor allen Dingen festere Narben schafft.
(Selbstbericht.)
3) A. Fränkel (Wien). Über postoperative Thrombose und
Embolie.
Die postoperative Thromboembolie steht in direkter ursächlicher
Beziehung zur Operation; es muß demnach schon bei der Pro-
gnose der letzteren mit dieser Eventualität gerechnet werden. Ein an-
sehnlicher Prozentsatz der Operierten hat durch diesen Zustand teils
ee A, gern
unter einem unerwartet in die Länge gezogenen, von steter Gefahr
bedrohten Krankenlager zu leiden oder erliegt dieser Komplikation.
Nahezu 5 % der Laparotomierten akquirieren Thrombosen, und nahezu
die Hälfte der Thrombosenfälle sind von Embolien gefolgt.
Die Protokolle des Wiener pathologischen anatomischen Institutes
wiesen für das Jahr 1906 allein achtzehn durch postoperative Lungen-
embolie verursachte Todesfälle auf. Hierzu kommen noch eine er-
hebliche Anzahl postoperativer embolischer Pneumonien.
Zweierlei Arten von postoperativen Thrombosen sind zu unter-
scheiden; zunächst jene, welche die Venen des ÜÖperationsgebietes
selbst betreffen. Sie sind unzweifelhaft auf septische Wundinfektion
zurückzuführen. — Thrombophlebitis septica. — 2) die entfernten
Thrombosen; diese können sich an Fälle von anscheinend vollkommen
aseptischem Wundverlauf anschließen, und die Venen des Operations-
gebietes können dabei vollkommen frei bleiben; die Thrombose betrifft
zumeist eine der Schenkelvenen — gewöhnlich die linke. Sie stellen
reine Thrombosen dar, mit nur sehr geringen lokalen und allgemeinen
Reaktionserscheinungen. Mit ausgesprochener Prävalenz schließen sich
diese Thrombosen an Laparotomien an.
Man hat für diese letztere Form der postoperativen Thrombosen
auch nach besonderen Erklärungen gesucht und glaubte sie nach Ana-
logie mit den adynamischen oder marantischen Thrombosen in der durch
die aufgezwungene Ruhe des Krankenlagers bewirkten Verlangsamung
der Zirkulation und Herabsetzung der Herzkraft, ferner in der Schädi-
gung des Herzens durch die Narkose gefunden zu haben.
Dem widerspricht, daß es sich um Individuen des besten Lebens-
alters handelt, die, ohne nach der Operation Störungen der Zirku-
lation oder der Atmung aufgewiesen zu haben, ganz unerwartet Throm-
boembolien darboten. Die Thromboembolie wurde ferner auch nach
Operationen in medullarer oder lokaler Anästhesie beobachtet; für
diese entfällt die Narkose als pathogenetisches Moment. Die respira-
torischen und Kreislaufstörungen schließen sich zudem, wofern sie
durch die Narkose bedingt werden, unmittelbar an diese an, wogegen
diese postoperativen Thromboembolien nach Ausgleich dieser Folgen
im Zeitpunkte der Rekonvaleszenz in Erscheinung zu treten pflegen.
Gegen die dynamisch-kardialen Ursachen spricht übrigens die
relative Seltenheit derartiger Zustände bei unzweifelhaften Erkrankungen
des Herzens ohne Operation.
Vortr. glaubt, daß am ungezwungensten auch diese entfernten post-
operativen Thrombosen schließlich auf dieselben ätiologischen Momente
zurückzuführen wären, wie die Thrombosen des Operationsfeldes und
sieht in diesen postoperativen Zufällen, auch wenn sie bei anscheinend
ungestörter Asepsis auftreten, ein wenn auch spätes Zeichen statt-
gehabter Wundinfektion.
Als analoge Erscheinung ist die postoperative Parotitis zu be-
trachten; sie hat mit den postoperativen Thrombosen das Gemeinsame,
daß sie nach Laparotomien und gynäkologischen Eingriffen besonders
r rn, WM az
häufig auftritt. Diese Koinzidenz wollte man seinerzeit durch eigen-
artige nervöse Beziehungen zwischen Keimdrüsen und Parotis erklären.
Gegenwärtig gilt die postoperative Parotitis allgemein als infektiöse
Metastase, deren Eintrittspforte die Operationswunde bildet.
Auch bei der Parotititis nach Laparotomien konstatiert man, wie
bei der postoperativen Thrombose, ein beschwerdefreies Intervall
zwischen primärer und metastatischer Infektion. Ein Gleiches be-
obachtet man auch bei anderweitigen Infektionen, z. B. Osteomyelitis
nach Angina oder nach einer Staphylomykose der Haut, oder bei
Wurmfortsatzentzündung nach Angina. Die primäre Infektion kann
bei der Unscheinbarkeit der Symptome auch bei diesen Erkrankungen
der Aufmerksamkeit vollkommen entgangen sein.
Wenn”demnach auch die postoperative Thromboembolie förmlich
als selbständiges Krankheitsbild auftritt, so kann dies doch nicht
hindern, ihren letzten und eigentlichen Grund in der Wunde selbst
zu suchen; denn von allen ätiologischen Faktoren, die für die Ent-
stehung der Thrombose in Betracht kommen, ist keines so sicherge-
stellt wie die Infektion und Intoxikation.
Pathogene Keime beherbergt aber mehr oder weniger jede Wunde
— auch bei anscheinend vollkommen reaktionslosem Verlauf —, und
ihre Wirkungen können gegebenenfalls in einer späteren Zeit und an
einer entfernten Körperstelle in Form metastatischer infektiöser Pro-
zesse in Erscheinung treten. Letztere nehmen milde Formen an, wenn
die wenig virulenten Bakterien nicht auf dem direkten Wege einer
Thrombophlebitis, sondern erst nach Passage des Lymphdrüsenfilters
in die Blutbahn gelangen.
Die Prädisposition der Laparotomien für diese Art postoperativer
Zufälle liegt darin, daB gerade bei diesen Operationen in dem so häufig
sich einstellenden Zustande postoperativer Magen- Darmlähmung für
den Durchtritt von Bakterien und Toxinen in das Blut besonders
günstige Vorbedingungen gegeben sind.
Daß dieser Zustand von Magen-Darmlähmung nach Laparotomie
als ein septischer zu betrachten ist, erhellt auch aus der Beobachtung,
‘daB bei Sepsis extraabdominellen Ursprunges derlei Magen-Darm-
lähmungen zu beobachten sind.
Auch bei Abdominaltyphus stellen sich die Thrumbosen, deren
bakterielle Atiologie hier vollkommen sichergestellt ist, erst in der
Rekonvaleszenz ein, und auch hierbei mag die Darmlähmung in gleicher
Weise wie ‘die postoperative nach Laparotomie den ätiologisch maß-
gebendsten Moment bilden für das Zustandekommen mancher in der
Rekonvaleszenz auftretender Metastasen.
Nicht minder deutet das Studium der Krankengeschichten von
Fällen von postoperativer Thromboembolie auf den ursächlichen Zu-
sammenhang mit Magen-Darmlähmung nach Laparotomie. Man vermißt
dabei selten den ausdrücklichen Hinweis auf diesen Zustand.
Wenn auch in der Wunde die nächstliegende und gewiß häufigste
Primärinfektion gesucht werden muß, die auf dem Wege latenter
a Bo
Bakteriämie das Zustandekommen postoperativer Thromboembolie er-
klärt, 50 darf außerdem die Möglichkeit auch anderweitiger Eintritts-
pforten der Infektion (z. B. vorausgegangene Angina) nicht außer acht
gelassen werden.
In praktischer Beziehung wird diese Deutung in jedem Falle
postoperatirer Thromboembolie einen Mangel in’ der operativen
Asepsis sehen und zur Revision des ganzen Apparates der Wund-
behandlung auffordern. Die Prophylaxe der Thromboembolie fällt
in diesem Sinne mit der Prophylaxe der Wundinfektion zusammen.
Die mechanische Theorie glaubt außerdem in einer geänderten
Nachbehandlung das geeignete Mittel zur Vermeidung dieser post-
operativen Zustände gefunden zu haben: die Laparotomierten werden
veranlaßt, bald nach der Operation das Bett zu verlassen, Atmungs-
gymnastik, Massage usw. wird angewandt. Diese »geänderte Nach-
behandlung« ist nur in ihrer allgemeinen Anwendung auf alle Laparo-
tomierten wirklich neu. In individualisierender Weise wurde sie mehr
oder weniger bei Erscheinungen funktioneller Insuffizienz immer geübt.
Als wichtigste prophylaktische Fürsorge muß das frühe Eingreifen
gegen die Erscheinungen der postoperativen Magen-Darmlähmung emp-
fohlen werden.
Die operative Therapie der schon ausgebildeten Thrombose (Re-
sektion der sicht- und fühlbaren Venenstränge nach Müller) ist in
ihren Erfolgen unzuverlässig, um so mehr als gleichzeitig thrombosierte
Venen in der Tiefe mit ihren Gefahren der Embolie durch diese Ope-
ration nicht beeinflußt werden. Der Trendelenburg’schen Ope-
ration (Punktion des Conus arteriosus und Aspiration des Embolus)
stellt sich außer der Größe des Eingriffes noch die Schwierigkeit ent-
gegen, im einzelnen'Falle aus den klinischen Vorboten der Embolie
festzustellen, ob ein relativ unschuldiger Infarkt oder eine tödliche
Embolie bevorsteht; nur in letzterem Falle wäre an die operative
Bloßlegung des Herzens zu denken. (Selbstbericht.)
4) Ranzi (Wien). Postoperative Thrombose und Embolie.
R. berichtet über die innerhalb der letzten 7 Jahre in
der v. Eiselsberg’schen Klinik beobachteten postoperativen
embolischen Lungenaffektionen. Unter 6871 Operationen wur-
den 263 Lungenkomplikationen überhaupt und unter diesen wieder
67 embolische Affektionen beobachtet. Dieselben verteilen sich:
1) auf 23 tödliche, nicht infizierte Lungenembolien, 2) auf 20 Lungen-
infarkte und 3) auf 14 embolisch eitrige Prozesse. Neben lokalen
Ursachen, die in 16 Fällen vorhanden waren, müssen von allgemeinen
Ursachen besonders die recht häufigen Herzfleischerkrankungen genannt
werden. Gerade mit Rücksicht auf diesen Umstand wird in der
Klinik v. Eiselsberg besonderes Gewicht auf die Vorbereitung der
Pat. vor größeren Eingriffen mit Herzmitteln (Digalen) gelegt. Aus
= Zn
demselben Grund wird bei länger dauernder Operationen zur Fort-
setzung der Narkose stets Ather angewendet. Im letzten Jahre wurde
zur kombinierten Narkose mit Skopolamin-Morphin übergegangen. Von
anderen prophylaktischen Maßregeln werden Atemgymnastik, leichte
Massage der Extremitäten, Lageveränderung des Oberkörpers und Ent-
spannung der Extremitätenmuskulatur durch unter die Knie gelegte
Kissen erwähnt. Das frühzeitige Aufstehenlassen nach Laparotomien
hält R. nicht für angezeigt, einerseits weil nur wenig Fälle beobachtet
wurden, in denen sich die Embolie im Anschluß an das Aufstehen
nach längerem Krankenlager anschloß, andererseits weil die Befunde
bei Relaparotomien und Sektionen, welche in den ersten 10 Tagen
nach der Operation gelegentlich in bezug auf die Wundverheilung in
der Bauchwunde erhoben wurde, ebenso wie die üblen Erfahrungen,
die mit dem postoperativen Vorfall von Baucheingeweiden gemacht
wurden, gegen eine Abkürzung des Liegens nach Laparotomien sprachen.
Eine große Anzahl von Embolien (23) wurden in den ersten 5 Tagen
beobachtet.
Die Operation nach Trendelenburg wurde bisher in der Klinik
nicht ausgeführt, doch glaubt R., daß dieselbe in geeigneten Fällen zu
versuchen sei. Am ehesten würde man sich bei den plötzlichen Todes-
fällen zur Operation entschließen, doch werden sehr häufig äußere
Umstände die Ausführung vereiteln. Bei den protrahierten Fällen von
Lungenembolien begegnet die Indikationsstellung zur Operation bald
großen Schwierigkeiten, da man auch in ganz verzweifelt erscheinenden
Fällen noch ab und zu durch Exzitantien einen Erfolg erzielt. Eine
weitere Schwierigkeit liegt darin, daß man den Sitz der Embolie nicht
mit Sicherheit bestimmen kann. Nur wenn der Embolus im Stamm
bzw. einem Hauptast der A. pulmonalis sitzt, sind für die Operation
günstige Verhältnisse vorhanden. Unter 9 protrahiert verlaufenden
Lungenembolien war dies 4mal der Fall, in 5 Fällen saßen multiple
Emboli in den Nebenästen der Lungenarterie.
Daß auch Abnormitäten am Herzen den Erfolg einer Operation
gelegentlich verhindern können, beweist ein Fall, der in der Klinik
beobachtet wurde. Nach der Radikaloperation einer Nabelhernie trat
am 7. Tag ein embolischer Insult auf, der in 5 Stunden zum Tode
führte. Die Sektion zeigte eine paradoxe Embolie, indem einerseits
die Lungenarterie durch einen Embolus verstopft war, andererseits eine
Embolie der Aorta ascendens und der Arcus aortae am Abgang der
großen Gefäße vorhanden war, die durch ein offenes Foramen ovale
zustande gekommen war. (Selbstbericht.)
Diskussion zu Nr. 1—4.
Borelius (Lund): In meiner Klinik waren bis Ende des vorigen
Jahres die Laparotomierten immer wenigstens 14 Tage nach der Opera-
tion bettlägerig. Vom’Anfang dieses Jahres habe ich versucht, nach
undrainierten, aseptisch heilenden Laparotomien die Operierten etwas
früher aufstehen zu lassen, die meisten nach 8 Tagen, einige, unwillige,
— 10 —
erst nach 10, 12 Tagen, einzelne, die selbst gern aufstehen wollten,
schon nach 5 Tagen. Laparotomierte noch früher, also schon am
2., 3. Tage nach der Operation aus dem Bette zu treiben, möchte ich
nicht zuraten. Ich habe von dem Verfahren keine Unannehmlichkeiten
gesehen, nur einmal ist es mir passiert, daß eine Pat., die 8 Tagen nach
einer Appendicitislaparotomie aufgestanden war, nach 2 Tagen wieder
wegen leichter Erscheinungen einer Thrombose ins Bett mußte; sie
blieb 6 Tage im Bette, konnte dann wieder aufstehen, aber blieb in
der Klinik noch 12 Tage lang. In der Zeit vom 1. Januar bis 1. April
sind im ganzen 97 Laparotomien ausgeführt; von diesen sind 43 früh
aufgestanden; die Bettsejour ist für diesen mit durchschnittlich 5 Tagen
abgekürzt. Die Sejour in der Klinik ist mit ungefähr ebenso vielen
Tagen abgekürzt, was gewiß für viele Kranke sowohl wie für die über-
belegte Klinik unbedingt ein Vorteil ist.
Von viel größerer Bedeutung wäre es natürlich, könnte man durch
dies früher Aufstehenlassen die Komplikationen und ganz besonders
die postoperativen Pneumonien, die Thrombosen und Lungenembolien
einigermaßen günstig beeinflussen.
In den letzten 10 Jahren — 1. April 1898 bis 1. April 1908 —
sind in der chir. Universitätsklinik in Lund im ganzen 1808 Laparo-
tomien ausgeführt; von diesen sind an Pneumonie gestorben 23 = 1,3%
und an Lungenembolie gestorben 7 = 04%.
Die postoperativen Pneumonien betrafen in 12 Fällen undrainierte,
prima heilende Laparotomien, 1lmal drainierte Fälle.
Die Lungenembolien trafen 4mal undrainierte Fälle.
Das Einsetzen der Pneumonie ist in den undrainierten, aseptischen
Fällen angegeben zu:
1 Tag nach der Operation in 1 Fall
2 > >» » > > 1 >
4 > > > > ‚4 »
5 > > > > 1 >
6 > ; š j ai
T > » > , >» I >
8 » > > >» ] >
9 » > > > » 1 »
10 > > > > » 1 >
in den drainierten Fällen zu:
1 Tag nach der Operation in 2 Fällen
2 » > > > > 1 >
3 >? > ? 2 > 2 >
4 > > > > » 1 >
5 > > » > > 1 >
7 >? » > » » 1 >
8 » > » » » 2 »
später als 10 > > > > » 1 >
se 11 an
Die Lungenembolie kam:
am 3. Tage nach der Operation in 1 Fall
> 6. » > > > > 1 >
> 7. > » > > > 3 >
> 14. > >» > » > 1 >
> 16. > » > » >» 1 >
Ich habe die betreffenden Krankengeschichten durchgesehen, und
ich muß sagen, ich habe daraus keinen Grund gefunden, um zu be-
haupten, daß es mir besser gegangen wäre, wenn ich während allen
diesen 10 Jahren die Laparotomierten hätte früh aufstehen lassen.
Möglich ist es immerhin, daß dies frühe Aufstehen eine gewisse
Einwirkung auf die Komplikationen nach Laparotomien haben kann,
aber ob diese Einwirkung eine günstige ist oder nicht, oder sogar eine
ungünstige, das kann erst die weitere Erfahrung lehren.
Es scheint mir sehr wichtig mit diesem Verfahren nicht übers
Ziel zu schießen. (Selbstbericht.)
Rehn (Frankfurt a. M.) will seine Pat. ebenfalls nicht so früh
aufstehen lassen wie Kümmell. Die Ventilation der Lunge schütze
auch nur vor marantischen Thrombosen, nicht vor toxischen. Die
Indikationsstellung für die Trendelenburg’sche Operation ist
schwierig. |
Lauenstein (Hamburg): Postoperative Embolien beruhen auf
Fehlern in der Asepsis.
Abel (Berlin) hat nach gynäkologischen Laparotomien keinen
Vorteil vom frühen Aufstehenlassen gesehen; er hält es nur bei alten
Leuten für indiziert.
Meinert (Dresden): Die Mehrzahl der postoperativen Thrombosen
ist eine Folge der Eindickung des Blutes durch den: Wasserverlust
während der Operation. Daher ist reichliche Wasserzufuhr, auch
schon während der Operation, notwendig.
Olshausen (Berlin): Myomotomien stehen bezüglich der Embolien
an der Spitze der Laparotomien; vielleicht wird eine Thrombose durch
die bisher allgemein übliche Art der Beckenhochlagerung begünstigt,
wobei die Pat. an den gebeugten Knien hängt. O. benutzt deshalb
jetzt Schulterstützen.
Müller (Rostock): Nach tödlichen Embolien findet man sehr oft
bei der Sektion eine Erweiterung der V. saphena, die offenbar die
Entstehung einer Thrombose begünstigt. In einem Falle konnte M.
durch schnelle Resektion der frisch thrombosierten V. saphena die
Embolie verhüten.
Gebele (München): Die Hauptrolle in der Prophylaxe der
Lungenembolien spielt die Asepsis. Daneben sind event. Kräftigung
des Herzmuskels (Strophanthus) und Lungengymnastik wichtig. Die
Laparotomierten sollen aber 14 Tage zu Bett liegen; frühes Aufstehen
kann die Ursache von Embolien werden.
ss. IS ner
H enle (Dortmund) läßt auf Grund der schlechten Erfahrungen
in der Breslauer Klinik mit dem frühen Aufstehenlassen seine Pat.
14 Tage liegen. Um Thrombenbildung in der V. saphena zu verhüten,
übt er die Massage der unteren Extremitäten.
Hochenegg (Wien) beobachtete gehäuftes Auftreten von Throm-
bosen und Embolien, und sieht deren wichtigste Ursache in einer
Infektion vom Darm aus; er empfiehlt deswegen, frühzeitig abzuführen.
Körte (Berlin) läßt seine Laparotomierten 14 Tage zu Bett liegen,
da erst dann die Narbe genügende Festigkeit besitze; auch bestehe
bei frühem Aufstehen die Gefahr, daß die an den Unterbindungsstellen
sitzenden Thromben losgerissen würden und eine Embolie verursachten.
Bei der Ausführung der Trendelenburg’schen Operation dürfte die
Frage nach dem Sitze des Embolus oft Schwierigkeiten machen.
Krönlein (Zürich) regt Untersuchungen darüber an, ob etwa
das verhältnismäßig häufige Vorkommen von Embolien nach gynäko-
logischen Laparotomien auf besonderen anatomischen Verhältnissen
des Venensystems im weiblichen kleinen Becken beruhe.
Heller (Quedlinburg) will diejenigen Pat. früh aufstehen lassen,
bei denen der Laparotomieschnitt oberhalb des Nabels liegt, da bei
diesen die Atmung im Liegen wesentlich behindert sei.
Löbker (Bochum): Vor der Laparotomie sind die Verhältnisse
im Kreislauf genau festzustellen (Bestimmung der Urinmenge!) und
während der Operation genau zu überwachen; die Einwirkung des
Blutes durch Wasserabgabe ist rechtzeitig durch subkutane Kochsalz-
infusionen usw. zu korrigieren.
v. Eiselsberg (Wien) läßt seine Laparotomierten auch deswegen
erst nach 14 Tagen aufstehen, weil sie das frühe Aufstehen sehr un-
angenehm empfinden. Boerner (Rastatt).
5) V. Czerny. Über die Blitzbehandlung der Krebse.
In das Heidelberger Samariterhaus, das in erster Linie dem
Studium neuer Heilmethoden des Krebses gewidmet ist, treten etwa
vier Fünftel der Kranken in einem weit vorgeschrittenen, mit den ge-
wöhnlichen Behandlungsmethoden unheilbaren Zustande der Krank-
heit ein. Das Verfahren von de Keating Hart wurde deshalb mit
großem Eifer aufgegriffen, da es noch eine Heilung in Aussicht stellte,
wo die blutigen Methoden allein versagen.
Der von Keating Hart benutzte Apparat kann an den Röntgen-
apparat angeschlossen werden, von dem man den Induktor und Wehnelt-
unterbrecher benutzt. Von diesem wird die Elektrizität einem Petro-
leumkondensor zugeführt, der mit einem Funkenunterbrecher und
Solenoid versehen ist. Dieser steht in Verbindung mit dem Oudin-
schen Resenator, einer Kupferspirale von ca. 130 Windungen, die
durch einen Schieber mit dem Solenoid so abgestimmt werden kann,
— 13 —
daß aus ihrem oberen Pole durch eine Metallelektrode Funkenbüschel
von 10—20 cm Länge entsendet werden. Man läßt diese Funken-
büschel, welche durch einen Strom Kohlensäure oder komprimierter
Luft abgekühlt werden, 5—40 Minuten lang auf die Krebsgeschwüre
und ihre Umgebung mit häufigem Ortswechsel einfallen, während sich
der Kranke in tiefer Narkose befindet.
Dann wird die bestrahlte Krebspartie mit dem Messer exstirpiert
oder mit dem scharfen Löffel abgeschabt, die harten Ränder mit
Messer und Schere entfernt und abermals 10—15 Minuten lang die
Wundfläche fulguriert, um die noch zurückgebliebenen Krebszellen-
nester zu zerstören. Die Funkenblitze zerstören die Krebszellen, aber
auch das Zwischengewebe, wenn es weich ist. Derbes Bindegewebe
eines Scirrus und gesunde Haut widerstehen lange, werden aber bei
längerer Einwirkung ebenfalls zerstört und in einen Brandschorf um-
gewandelt.
Tiefsitzende Krebse sind am besten nach den Regeln der Chirurgie
gründlich zu exstirpieren und die Wundfläche nachträglich dann zu
fulgurieren, wenn es sich um eine Rezidivoperation handelt, oder wenn
die Beschaffenheit des Tumors die Gefahr eines Rezidivs wahrschein-
lich macht. Die Wunden sezernieren stark nach der Fulguration und
müssen deshalb gut drainirt oder offen mit Tamponade behandelt
werden. Ob man durch bipolare Anwendung des Stromes, durch Ful-
guropunktur und Fulgurolyse bei tiefliegenden Karzinomen und Me-
tastasen Nutzen schaffen kann, müssen erst weitere Versuche lehren.
Im Heidelberger Samariterhaus wurden vom 17. November 1907
bis 18. April 1908 120 Fulgurationen bei 59 Pat. ausgeführt. Davon
waren bloß 4 Sarkome, bei denen vielleicht mehr Nutzen zu erwarten
ist als bei den Karzinomen. Von Heilungen kann man in der Kürze
der Zeit noch nicht sprechen, wenn auch 8 kleinere und größere Ge-
sichtskarzinome, die wohl auch auf andere Weise zu heilen gewesen
wären, beseitigt worden sind. Einige Fälle sind auf dem Wege der
Besserung, aber andere nach vorübergehender Besserung wieder
schlechter geworden, und entsprechend dem hoffnungslosen Zustande,
in dem die Behandlung begonnen worden ist, sind von den behandelten
Kranken teils im Hospital, teils zu Hause 17 ihrem Leiden erlegen.
Schon daraus ist zu entnehmen, daß die Fulguration nicht imstande
ist, bei weit vorgeschrittenen Krebsleiden den Tod zu verhindern.
Wenn wir auch nur in einer kleinen Zahl der Fälle den Eindruck
hatten, daß der Tod durch die Schwere des Eingriffes und vielleicht
auch durch rascheres Wachstum der Geschwulst und Zunahme der
Kachexie bei unvollständiger Operation beschleunigt worden ist, so
darf man doch den Eingriff nicht gering schätzen und von ihm nicht
das Unmögliche erwarten.
Die Fulguration ist ein mächtiges dosierbares Zerstörungsmittel
des Krebsgewebes, das imstande ist, Heilungen herbeizuführen, soweit
als die Neubildung dem Messer, scharfen Löffel und der Fulguration
zugänglich ist. Leider ist die Zerstörung der Krebszellen durch die
idR go
elektrischen Funken keine so gründliche, daß dadurch ihre Lebens-
und Proliferationsfähigkeit gänzlich aufgehoben würde Wenn man
Mäusekrebs fulguriert, so werden die Krebszellen und Alveolen zwar
zertrümmert, bleiben aber noch transplantationsfähig, wenn man die Zer-
störung nicht bis zur völligen Eintrocknung treibt (von Wasielewski).
Damit erscheint für die Fulguration wohl auch die Grenze ihrer
Wirksamkeit gegeben. Wir können oberflächliche, ulzerierte, nament-
lich weiche Krebsgeschwüre durch Fulguration, Ausschabung und
nochmalige Fulguration beseitigen und in entsprechender Weise zu
rascher Heilung bringen, da die Fulguration die. Granulations- und
Narbenbildung in hohem Grade anregt und beschleunigt. Sie besorgt
diese Beseitigung rascher und sicherer als Röntgen- und Radium-
strahlen, wenn dieselben auch als wichtige Unterstützungsmittel der
Krebstherapie ihre Bedeutung beibehalten. Bei harten und infiltrierten
Krebsgeschwüren muß die Exzision der Fulguration vorausgehen. Sie
kann aber auch noch Heilungen bei oberflächlichen ausgedehnten
Hautkrebsen herbeiführen, wo das Messer nicht mehr ausreicht. Eine
Einwirkung auf tiefersitzende Krebse findet nur in ganz beschränktem
Maße statt. Bei operablen und tiefersitzenden Karzinomen könnte
man die Gefahr des Rezidivs vielleicht vermindern, wenn man nach
gründlicher Exstirpation die Operationswunde nachträglich fulguriert.
Etwas Sicheres wird sich erst nach mehrjähriger Beobachtung sagen
lassen.
Bei inoperablen und rezidiven Krebsen kann man mit der Ful-
guration die Jauchung, Blutung und auch die Schmerzhaftigkeit wirk-
sam bekämpfen und dadurch das Leben der Kranken verlängern und
ihre Leiden vermindern. Leider ist die Blitzbehandlung schmerzhaft,
muß deshalb in tiefer Narkose gemacht werden, wofür wir eine ge-
mischte Morphium-Hyoscin-Chloroformnarkose mit Vorliebe verwenden.
Äther kann wegen Explosionsgefahr nur mit größter Vorsicht ange-
wendet werden. Merkwürdig ist, daß die Fulguration, wenn sie im
Gange ist, nicht selten die Pat. in eine Art hypnotischen Schlafes
versetzt, so daß man die Narkose aussetzen kann.
Die Fulguration der Haut hinterläßt manchmal trotz der Kühlung
durch Kohlensäure schmerzhafte Brandwunden, und durch die elek-
trische Ladung der Pat. können auch an entfernten Körperteilen
durch Spitzenentladung auf metallische Gegenstände Brandschorfe
entstehen.
Jedenfalls verdient die Fulguration ein gründliches Studium, aus
dem sicher auch noch mannigfache Nutzanwendungen für andere
krankhafte Zustände, namentlich für Lupus, tuberkulöse Geschwüre,
für Hämorrhoiden, aber vielleicht auch für Kropf und Prostatahyper-
trophie hervorgehen dürfte. Daß man Naevi, Kondylome, Atherome,
Mollusca damit zerstören kann, ist längst bekannt. Vielleicht würden
auch Gelenkstuberkulosen durch die Fulguration günstig beeinflußt
werden.
zen 195 un
Die Technik der Apparate und Hilfsinstrumente verlangt noch
eine sorgfältige Ausbildung, und die physikalischen und biologischen
Eigenschaften der hoch frequenten und hoch gespannten Ströme,
welche durch die Fulguration des Krebses neues therapeutisches Inter-
esse erweckt haben, werden sicher noch lange den Gegenstand eifriger
Studien bilden. (Selbstbericht.)
Diskussion.
Sonnenburg (Berlin. S. hat in Marseille bei Keating-Hart
die Fulguration studiert und die bisher gewonnenen Resultate geprüft.
Er hat den Eindruck bekommen, daß nicht allein günstige Beein-
flussungen des Krebses, sondern auch zum Teil schon Dauererfolge
mit der Methode erzielt wurden. Die Technik muß genau befolgt
werden. Nachprüfungen erscheinen durchaus berechtigt.
(Selbstbericht.)
Schulze (Berlin): Das Wesentliche ist die Frequenz, nicht die
Spannung des Stromes. Auf Grund seiner histologischen Unter-
suchungen ist er der Ansicht, daß eine elektive Wirkung auf Krebs-
zellen nicht stattfinde.
Funke(Wien) berichtet über seine zweijährigen Erfahrungen, die er
bei der Bestrahlung maligner Geschwülste mit Radium gewonnen hat. Als
Einzeldosis werden 20 mg reines Radiumbromid verwendet. Das Haupt-
gewicht wird auf eine möglichst langdauernde, stunden-, ja tagelange
Bestrahlung der Tumoren oder der nach Operationen gesetzten
Wundflächen gelegt.
Vorerst wurden inoperable Tumoren -bestrahlt und dabei die Beob-
achtung gemacht, daß ein sehr rasch wachsendes, rezidivierendes, klein-
zelliges Sarkom der Brustwand in 14 Tagen vollständig zerstört war
und an dieser Stelle auch nicht mehr rezidivierte. Pat. starb mehrere
Monate später an multiplen inneren Metastasen. Ebenso wurde ein
faustgroßes Karzinom der rechten Halsseite bei einem 71jährigen Pat.
durch permanente Bestrahlung innerhalb 4 Wochen vollständig zerstört.
Ermutigt durch diese Erfahrung, verwendet F. das Radium nun
auch bei operablen Geschwülsten, und zwar vorwiegend in Fällen, bei
denen verstümmelnde Operationen notwendig geworden wären, also bei
Tumoren des Ober- und Unterkiefers und der Zunge. Kleinere Tu-
moren wurden ohne Operation zerstört, größere dagegen werden vom
Munde aus möglichst schonend entfernt, die Knochenhöhlen mit dem
scharfen Löffel gereinigt und die ganze Wundhöhle vorerst tamponiert.
Am 2. oder 3. Tage wird bereits mit der Radiumbestrahlung begonnen.
Nach F.’s Erfahrung scheint das Radium keine besondere Fern-
wirkung zu besitzen, es zerstört das Gewebe nur dort, wo es direkt
"aufliegt und erzeugt an dieser Stelle ein typisches, graugelbes Radium-
geschwür, bei längerdauernder Einwirkung Nekrose der Weichteile
und der Knochen. Es besitzt auch keine besondere Tiefenwirkung,
stets muß man bei Zerstörung größerer Tumoren das nekrotische
ey 0: pa
Gewebe entfernen und das Radium auf lebendes Gewebe einwirken
lassen.
Intensive Bestrahlungen größerer Höhlen nehmen viel Zeit in
Anspruch. Die Pat. reagieren sehr verschieden auf das Radium, oft
gelingt es schon in wenigen Stunden, ein Geschwür zu erzeugen, wäh-
rend in anderen Fällen langdauernde Bestrahlungen notwendig sind,
um denselben Effekt zu erzielen.
Das Entstehen des Radiumgeschwüres äußert sich durch lebhafte
Schmerzen, die sich im akuten Stadium zu einer Intensität steigern,
daß man stets zum Morphium greifen muß. Bei Bestrahlung im Be-
reiche der Mundhöhle sind ausstrahlende quälende Kopfschmerzen und
ein intensiver Foetor ex ore eine stete Begleiterscheinung.
Die Radiumgeschwüre heilen sehr langsam, am besten unter einer
indifferenten Behandlung. Alle reizenden Medikamente sind schäd-
lich. Auf Grund seiner Erfahrungen glaubt F. folgendes schließen
zu können.
1) Das Radium ist imstande, selbst große Tumoren, Karzinom und
Sarkom, gründlich zu zerstören. Die regionären Lymphdrüsen müssen
nach wie vor auf operativem Wege entfernt werden.
2) Indiziert ist die Radiumbehandlung hauptsächlich in jenen
Fällen, bei denen verstümmelnde Operationen notwendig wären.
Die Radiumbestrahlung der Wundflächen nach Operationen muß
eine sehr intensive sein und muß so lange fortgesetzt werden, bis die
ganze Wundfläche in ein graugelbes Radiumgeschwür umgewandelt ist.
Niemals sah F. auf dem Grund eines Radiumgeschwüres oder
einer Narbe nach einem solchen ein Rezidiv.
Sämtliche histologische Untersuchungen der Tumoren vor und
während der Behandlung wurden im Path.-anat. Institut des Prof.
Paltauf ausgeführt. (Selbstbericht).
Abel (Berlin) empfiehlt ein von ihm angegebenes und von der
Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft in Berlin angefertigtes Instru-
mentarium zur Fulguration, welches dem ursprünglichen von de
Keating-Hart überlegen sein soll. Die Blitzbehandlung verdiene
eine ernste Nachprüfung, doch dürfe man weder sich noch den Pat.
darüber täuschen, daß sie einen gefährlichen ‚Eingriff darstelle.
Boerner (Rastatt).
Rosenkranz (Berlin) macht Prioritätsbemerkungen.
Krumm (Karlsruhe) hebt unter Hinweis auf die Erfahrungen,
die er auf einer Reise nach Marseille im Januar d. J. an Ort und
Stelle bei Keating Hart gesammelt hat (vgl. Deutsche med. Wochen-
schrift 1908, Nr. 10), nochmals hervor, daß es sich bei dem Verfahren .
um eine neue Art der Anwendung hochgespannter und hochfrequenter
Ströme handelt. Wichtig scheint ihm vor allem die Kühlung der.
Funken zu sein, die den Zweck hat, jede Schorfbildung und Ver-
brennung der Gewebe strikte zu vermeiden, sodann die Kombination
der Funkenanwendung mit der operativen Entfernung des ma-
kroskopisch erkrankten Gewebes. Erst durch diese beiden von Kea-
ee I
ting Hart zuerst angewandten und empfohlenen Modifikationen der
Stromapplikation ist es diesem gelungen, seine beachtenswerten Erfolge
zu erzielen.
K. teilt noch mit, daß die Pat., deren Operation er im Januar
1908 beiwohnte, mit ausgedehntem Mammakarzinom nach einer Mit-
teilung Keating Hart’s heute geheilt ist, ebenso die Pat. mit aus-
gedehntem Stirnkarzinom. (Selbstbericht.)
Perthes (Leipzig): Von den mit Röntgenstrahlen behandelten
Fällen von oberflächlichem Haut- und Lippenkarzinom, welche im
Jahre 1904 hier vorgestellt wurden, ist die überwiegende Mehrzahl
rezidivfrei geblieben. Ein Fall von ausgedehntem, nach Probeexzision
auch mikroskopisch natchgewiesenem Lippenkarzinom ist durch Röntgen-
bestrahlung jetzt 41/, Jahre völlig geheilt. Drei weitere Fälle von
Lippenkarzinom sind jetzt 3 Jahre rezidivfrei. — Im Jahre 1904 wurde
von P. auch der Versuch gemacht, bei inoperablem Brustdrüsenkrebs
alles, was von karzinomverdächtigem Gewebe für das Messer erreich-
bar war, zu exstirpieren und dann bei der Operation die offene
Wunde mit Röntgenstrahlen sehr energisch zu bestrahlen.
Das Verfahren schien wenigstens vorübergehend das Wachstum des
Karzinoms aufzuhalten. Aus äußeren Gründen konnten die Versuche
nicht fortgesetzt werden. (Selbstbericht.)
Steinthal (Stuttgart. Wenn wir heute darüber diskutieren, was
die neue Methode der Blitzbehandlung gegen das Karzinom zu leisten
vermöge, so ist es gewiß angebracht, auch die Frage aufzuwerfen, was
erreichen wir mit unserem bisherigen operativen Vorgehen, und von
welchen Umständen hängen die Dauerresultate ab?
Ich habe diese Frage schon einmal an einem größeren Material be-
züglich des Brustkrebses geprüft und im Jahre1%5 über 166 Operationen
berichtet, die an 145 Kranken ausgeführt worden waren. Zur Be-
rechnung der Dauerresultate konnten aber nur 99 Fälle herangezogen
werden, die das übliche Triennium hinter sich hatten. Diese Statistik
ist weiter geführt worden, und zwar wurden die schon berichteten
Fälle als Serie I noch einmal revidiert, während die nun folgenden
Fälle als Serie II gesondert laufen.
Die folgende Tabelle zeigt die Zusammensetzung der beiden Serien,
die eine Gesamtzahl von 142 Fällen ausmachen.
Serie I Serie I Total
Rezidivfrei 33 14 47
Rezidiviert 63 23 86
Der Operation erlegen 2 3 5
Interkurrent gestorben 1 3 4
Total 99 43 142
Die Serie I mit 99 Fällen weist 2 Todesfälle auf, die Serie Il
mit 43 Fällen 3 Todesfälle. In den beiden Todesfällen der Serie I
hat es sich schon um ausgedehnte Erkrankung und eine entsprechend
Chirurgen-Kongreß 1903. 2
zo, HR, ge
große Operation gehandelt. Man könnte danach annehmen, daß mit
‘der stetig radikaler werdenden Operation die Mortalität gestiegen sei.
Da aber seit dem Jahre 1904, wo die Serie II abschließt, als Serie III
noch 58 Fälle mit nur 2 Todesfällen in sehr radikaler Weise operiert
worden sind, so ist man gewiß zu dem Ausspruch berechtigt, daß die
modernen großen Brustoperationen nicht mit einer ent-
sprechend größeren Lebensgefahr verbunden und demnach
wohlberechtigte Operationen sind. Es fragt sich nur, ob
mit der Größe des Eingriffes die Erfolge entsprechend ge-
stiegen sind?
Von den 99 Fällen der Serie I waren ursprünglich 33 Fälle
rezidivfrei. Es sind aber 3 Spätrezidive hinzugekommen, so daß die
urzprüngliche Ziffer 33'1/;, $ auf 30,3% für die Dauerheilung sinkt.
Von den 43 Fällen der Serie II sind 14 — 32,5 % rezidivfrei, und zwar
ist der jüngste Fall aus Serie I 51/, Jahre, aus Serie II 31/, Jahre
rezidivfrei. Rechnet man endlich die beiden Serien zusammen, so
kommen auf 142 Fälle 44 rezidivfreie Fälle, was einem Prozentsatz
von 30,9 % entspricht, und es schwankt demnach die Ziffer für die
Dauerheilung zwischen 30,9 und 33!1/, %. Im einzelnen ausgeführt,
leben von den Rezidivfreien! post operationem
Serie I Serie II
1 Fall 16 Jahre 4 Fälle über 5 Jahre
1 Fall 14 4 Fälle über 4 >
2 Fälle 13 6 Fälle über 31/, >»
3 Fälle über 12
1 Fall 11!/,
5 Fälle über 10
y y v y y Yy Y Y y 4
3 Fälle über 9
2 Fälle über 8
5 Fälle über 7
2 Fälle über 6
2 Fälle 51/3
27 Fälle 14 Fälle
Aber die eben angeführten Ziffern besagen zunächst sehr wenig.
Erst wenn man die einzelnen Fälle sichtet und gruppiert, bekommt
man ein richtiges Bild von dem Wert der Operation und erkennt die
Faktoren, welche für die Beurteilung von Einfluß sind.
Man muß dabei drei Gruppen unterscheiden.
Gruppe I: Fälle mit anscheinend sehr langsamem Wachstum, der
Tumor ist nur einige Zentimeter groß (bis zu Pflaumengröße), liegt
noch ganz in der Drüse, zum mindestens ist die Haut noch nicht
fixiert, in der Achselhöhle finden sich eine oder auch mehrere Drüsen,
die man gewöhnlich erst bei der Operation findet.
1 27 Lebende + 3 rezidivfrei Gestorbene + 14 Lebende = 44.
u ON a
Gruppe II: Fälle mit deutlichem Wachstum; Knoten, die länger
stationär geblieben sind, fangen an zu wachsen, die Haut wird ad-
härent; Drüsen in der Achselhöhle sind deutlich nachzuweisen. In
diesem Zustand kommen die Kranken am häufigsten zur Operation.
Gruppe III: Fälle, bei denen die Mamma zum größten Teil er-
griffen, der Tumor mit Haut und Unterlage verwachsen ist und häufig
auch die Supraclaviculardrüsen erkrankt sind.
Sieht man sich nun das Verhältnis der Geheilten zu den Un-
geheilten in den verschiedenen Gruppen an, so ergeben sich folgende
Zahlen:
Geheilt Rezidiviert Geheilt Rezidiviert
Serie I Serie II
Gruppe I 71,4% 286% 857 % 143 %
Gruppe IL 26,5 % 705% 320 % 68,0%
Gruppe II 00,0 % 100% 00% 100%
Danach ist die Prognose in Gruppe I eine recht gute, in
Gruppe III eine ganz schlechte. In Gruppe II hängt die Prognose,
wie in einer demnächst zu erscheinenden Arbeit dargelegt werden
wird, im wesentlichen von drei Momenten ab: dem Übergreifen der
Neubildung auf die Unterlage, dem Mitergriffensein der regionären
Lymphdrüsen und vielleicht von einer Familiendisposition.
Nach obigen Prozenten verhält sich die Zahl der Geheilten und
Rezidivierten der Gruppe I und II für die Serie I nahezu umgekehrt,
bei Serie II bleibt für die Geheilten (85,7 %) gegenüber den Ungeheilten
(68%) noch ein gewisser günstiger Überschuß. Da aber in der Serie Il
noch Spätrezidive drohen, so sind wir vorläufig leider nicht in der Lage,
zu sagen, daß durch die in Serie II durchweg angewandten modernen
ausgedehnten Operationen in Gruppe II ein viel besseres Resultat er-
zielt werde, und in Gruppe III ist jede Operation bezüglich eines
Dauerresultates aussichtslos.
Weiter haben Untersuchungen bezüglich des Sitzes und der Art
der Rezidive wohl ergeben, daß in Serie II die Zahl der inneren
Metastasen zu-, die der lokalen Metastasen etwas abgenommen hat,
aber der Unterschied ist zu gering, um dies den ausgedehnteren Opera-
tionen zuschieben zu können.
So kommen wir auch auf diesem Wege zu dem Schluß, daß wir
wirklich gute Resultate nur in solchen Fällen erzielen, die der Gruppe I
angehören, und daß wir, um dieselben zu steigern ruhig mit großen
Operationen vorgehen dürfen. Für die Fälle der Gruppe II bleibt
nach wie vor die Prognose eine zweifelhafte, und für diejenigen der
Gruppe HI bleibt sie trotz der modernen großen Operationen ganz
schlecht.
Es muß sich nun zeigen, ob die neue Methode der Blitzbehand-
lung hierin Wandel schaffen kann. (Selbstbericht.)
2%
— ?20 —
6) W. Müller (Rostock). Demonstration von Präparaten
zu Lehrzwecken.
Vortr. zeigt mehrere Präparate, die nach seiner Angabe von einem
Modelleur gefertigt wurden und welchesich anlehnenan die nachgebildeten
Gliedmaßen aus Glyzerin-Gelatine, die 183% Ritschl auf demChirurgen-
kongreß demonstriert hat (Verfahren von Cathcart in Edinburg).
Auf die Transparenz der Glyzerin-Gelatinemasse rechnend, hat M.
versucht, Frakturpräparate, die an mazerierten Skeletteilen zuvor her-
gestellt wurden, und an welchen die Fragmente mittels Gummibänd-
chen beweglich fixiert waren, so einzubetten, daß sie durch die künst-
lichen Gliedmaßen hindurch gesehen werden können. Beweglichkeit
und Haltbarkeit dieser Gelatinearme und -Beine ist eine gute und
hinreichend, um sowohl die Entstehung typischer Frakturen, wie be-
sonders die Dislokationen, den Vorgang bei der Reposition usw. an-
schaulich zu machen. Man sieht dabei die Skeletteile etwa so wie
bei der Röntgendurchleuchtung. Vortr. zeigt außer einem so nachge-
bildeten Femur zur Demonstration der Coxa vara und ähnlicher Dif-
formitäten eine typische Radiusfraktur in Nachbildung, ferner ein
Fuß-Unterschenkelpräparat, an welchem er die dorsale Zehenluxation
macht und reponiert. Da es sich um erste Versuche handelt, die
aber gelungen sind, so stellen sich derartige Präparate auf Bestellung
noch etwas hoch, zumal auch die Gelatine teuer ist. Bei Selbstan-
fertigung kann man sparen. (Selbstbericht.)
7) Neuber (Kiel). Über Skopolaminnarkose.
Seit einer Reihe von Jahren benutzte N. das Schleich’sche
Narkosengemenge, hat es auch beibehalten nach Einführung des Skopo-
lamins. Dabei wurden zunächst in etwa 300 Fällen die Kümmell’schen
Vorschriften befolgt — 0,0005 g Skopolamin und 0,01 g Morphium
1—11/, Stunden vor der Operation — und die damit im Eppendorfer
Krankenhause gemachten günstigen Erfahrungen im allgemeinen be-
stätigt. Später ging N. zum Korff’schen Skopomorphin über — 0,004
Skopolamin + 0,01 Morphium je 2!/,, 1'/, und !/, Stunde vor der
Operation. — Über letzteres wurde auf Grund der in 250 Fällen
gemachten Erfahrungen folgendes berichtet.
Nur 7mal Vollnarkosen durch Skopomorphin allein, 243mal außer-
dem Schleich’sches Gemenge, durchschnittlich 50—60 g pro Stunde.
Niemals bedrohliche Störungen der Herztätigkeit oder Atmung, weder
Cyanose noch Schleimansammlungen im Rachen oder der Trachea.
Exzitation selten, nur bei Potatoren, Asphyxie nicht beobachtet.
Zuweilen Abwehrbewegungen und Schmerzäußerungen, durch einige
Tropfen Narkosengemenge sofort zu beseitigen. Für die während der Ope-
ration zuweilen empfundenen Schmerzen pflegt jede Erinnerung zu fehlen.
Erbrechen während der Operation in 2%, nach der Operation in
30 %, dann aber wenig und bald vorübergehend. Wundschmerz nach
der Operation gar nicht oder gering; subjektives Befinden meist sehr gut.
us. GI. ee
Kein Fall von postoperativer Pneumonie.
N. hält die Skopolamin-Morphiumnarkose für einen ganz wesent-
lichen Fortschritt und empfiehlt dieselbe dringend, sei es nach der
Kümmell’schen oder Korff’schen Methode. (Selbstbericht.)
8) Gilmer (München). Über lumbale Totalanästhesie.
Alle bisherigen Versuche, durch lumbale Injektion eine hoch-
gehende, eventuell eine totale Anästhesie zu erzeugen, scheiterten an
der Gefahr der Atemlähmung durch Kontakt des Anästhetikum mit
dem Atemzentrum. Da wir noch kein Mittel kennen, das elektiv auf
die sensiblen Nerven allein lähmend wirkt, so müssen wir durch ge-
eignete Zusätze die unerwünschte Wirkung auf die motorischen Bahnen
ausschalten. Geeignet hierfür sind die Mucilaginosen, deren entgiftende,
reizmildernde und resorptionsverzögernde Wirkung Tappeiner experi-
mentell nachgewiesen hat. Am geeignetsten war nach Tierversuchen
von Erhardt (München) eine Lösung von Gummiarabikum, in 15 iger
Lösung dem Tropakokain zugesetzt. Es gelang ihm auf diese Weise,
bei Kaninchen und Kälbern langandauernde Totalanästhesien zu er-
zielen ohne die geringsten Störungen der motorischen Bahnen und des
Atemzentrums. G. hat die Versuche auf den Menschen übertragen;
am geeignetsten erscheint hier ein 3%iger Gummizusatz zur 1%igen
Tropakokainlösung. Bei peinlicher Neutralisation und Sterilisation
sind die Lösungen für den Organismus völlig reizlos.. Durch Injektion
der Lösung an sich selbst und bei 30 Kranken hat G. nachgewiesen,
daß mit 0,1 Tropakokain bei Beckenhochlagerung mit Sicherheit totale
Anästhesie von mindestens 1 Stunde Dauer erzielt werden kann; das
Abdomen bleibt bis zu 3 Stunden anästhetisch. Es wurden auf diese
Weise Halsdrüsen, Strumen, Mammakarzinom, KRippentuberkulose,
Magenkarzinome usw. ohne Inhalationsnarkose operiert. Zweckmäßig
ist es, durch Injektion von Morphium-Skopolamin das Bewußtsein der
Kranken auszuschalten und die Anästhesie zu verlängern. Atem-
störungen wurden nie beobachtet, die sensorischen Funktionen blieben
völlig erhalten, ebenso die motorischen, bis auf eine leichte Schwäche
in den Beinen. Von Nachwirkungen wurde nur Kopfweh beobachtet,
jedoch nur in zwei Fällen. Die neue Methode wird sich vor allem
für schwere Eingriffe in der Bauchhöhle und am Thorax (Lungen-
operationen!) eignen.
Die fertigen Tropakokain-Gummilösungen werden von E. Merck
(Darmstadt) in den Handel gebracht. (Selbstbericht.)
9) A. Bier (Berlin). Über einen neuen Weg Lokalanästhesie
an den Gliedmaßen hervorzurufen.
Um die Operationen an den Gliedmaßen, die sich unter lokaler
Anästhesie bisher nicht schmerzlos ausführen ließen (Resektionen,
— 29 —
Amputationen, Exartikulationen, Nekrotomien usw.), unter örtlicher
Betäubung machen zu können, hat B. folgenden Weg beschritten:
Er sperrt das zu anästhesierende Gebiet zwischen zwei Gummi-
binden, von denen die eine oberhalb, die andere unterhalb des Opera-
tionsfeldes liegt, ab. Man muß weiche dünne Gummibinden nehmen
und sie über ein größeres Gebiet auseinander wickeln. Denn bei der
gebräuchlichen Form der v. Esmarch’schen Blutleere verursacht die
Binde selbst erhebliche Schmerzen, während sie, in der beschriebenen
Form angelegt, kaum unbequem ist. Meist wird noch vorher das
Blut aus dem ganzen Gliede bis zu der Stelle, an der die zentrale
Binde angelegt werden soll, durch die fast in Vergessenheit geratene
Esmarch’sche Expulsionsbinde ausgewickelt.
In dem abgesperrten Gebiete wird möglichst nahe an der zentralen
Binde eine Hautvene aufgesucht. Man soll dazu eine größere
Vene wählen, deren anatomische Lage sich leicht bestimmen läßt.
Für das Bein eignet sich hierzu am besten die Vena saphena magna,
die schon vom Malleolus internus tibiae ab leicht aufzufinden ist, für
den Arm vor allem die Vena cephalica, in zweiter Linie die Vena
basilica und die Vena mediana cubiti. Am Vorderarme sind bei vielen
Menschen so stark entwickelte Hautvenen vorhanden, daß man über
ihre Wahl nicht im Zweifel ist. Doch soll man nie zu kleine Venen
aufsuchen, weil sich in ihre Lichtung nur schwer eine Kanüle einführen
läßt. Am Unterschenkel eignet sich für gewisse Operationen auch die
Vena saphena parva. Im großen und ganzen aber ist es zweckmäßig,
eine der oben genannten größeren Venen nach ihrer anatomischen
Lage aufzusuchen. Sind sie nicht deutlich von außen zu sehen oder
zu fühlen, so soll man stets einen Querschnitt anlegen, der mit Sicher-
heit auf das Gefäß führt. Ist dasselbe gefunden, so verfährt man
ähnlich wie bei der intravenösen Kochsalzinfusion. Man führt mit der
Deschamp’schen Nadel zwei Fadenschlingen um die Vene, schlitzt
diese seitlich und führt peripherwärts (nach den Klappen zu) eine feine
Metallkanüle ein, bindet sie fest und unterbindet das Gefäß nach dem
Zentrum zu. Nunmehr spritzt man 0,25—0,5%ige Novokainlösung
ein. Das Novokain muß, um Gewebsreizungen zu vermeiden, in
physiologischer Kochsalzlösung gelöst sein. Meist hat das keine
Schwierigkeiten, zuweilen setzen zunächst die Venenklappen dem Ein-
dringen der Flüssigkeit etwas Widerstand entgegen, werden aber
bald durch sanften Druck überwunden. In letzter Zeit hat B. aus-
schließlich die 0,5%ige Lösung gebraucht, weil sie zuverlässiger an-
ästhesiert.
Für die Resektion des Ellbogengelenkes eines Erwachsenen sind
etwa 50 ccm, für die des Kniegelenkes etwa 80 ccm der 0,5 %igen
Lösung notwendig.
Wenn die Einspritzung richtig gelang, so ist das ganze Operations-
gebiet fast augenblicklich anästhetischh Am schlechtesten ist die
Anästhesie immer in einem Streifen unmittelbar unterhalb der zentralen
Binde. Deshalb soll man diese nicht zu nahe an das Operationsgebiet
u 95 mr
heranlegen und, wie schon erwähnt, soll man möglichst dicht unter ihr
die Vene aufsuchen. |
In den meisten Fällen — bei genügendem Gebrauch von 0,5 iger
Lösung und längerem Warten stets — tritt nach einiger Zeit eine
totale Anästhesie des ganzen Gliedes auch unterhalb der peripheren
Binde ein. B. nennt erstere die direkte, letztere die indirekte An-
ästhesie. Er hat meist unter ersterer operiert. Bald nach dem Er-
scheinen der indirekten Anästhesie tritt auch eine motorische Läh-
mung ein.
Kanüle und Spritze sind die von der intravenösen Kochsalz-
infusion her bekannten Instrumente.
Unter der beschriebenen Anästhesie hat B. schmerzlos z. B. die
Knie- und Ellbogengelenksresektion, die Amputation, die Nekrotomie,
die Sehnenverpflanzung ausgeführt, so daß wir dem Ideale nahe-
gekommen sind, daß wir alle Operationen, die sich in der künstlichen
Blutleere vollführen lassen, auch unter Lokalanästhesie schmerzlos
machen können.
Da man direkt in die Venen das anästhesierende Gift einspritzt,
so muß die Vergiftungsgefahr vermieden werden. Diese ist an sich
dadurch geringer geworden, daß man unter künstlicher Blutleere
operiert, wobei ein großer Teil des Giftes gebunden wird, und daß
man dünne Lösungen verwendet. Außerdem aber empfiehlt es sich,
die Blutleerbinde einen Augenblick so weit zu lockern, daß der arterielle
Blutstrom freigegeben, der venöse aber noch gehemmt ist, d. h. also
nur so weit, daß eben aus der Wunde eine beträchtliche Blutung er-
folgt; dadurch wird die Giftlösung, die sich noch in den Gefäßen
befindet, ausgespült. Dann zieht man die Blutleerbinde wieder fest
an, unterbindet und näht, und löst sie erst dann endgültig.
Auch kann man bei Verwendung von 0,5%iger Novokainlösung
die Kanüle, nach Abklemmung des mit ihr verbundenen Schlauches,
in der Vene bis zur Beendigung der Operation liegen lassen und als-
dann das Operationsgebiet mit größeren Mengen physiologischer Koch-
salzlösung ausspritzen.
Vor allem bei Amputationen, wo der Schnitt durch die mit der
Lösung angefüllten Venen hindurchgeht, und wo man nachher leicht
mit physiologischer Kochsalzlösung durchspülen kann, darf man dreist
größere Mengen des Anästhetikums benutzen.
Direkte wie indirekte Anästhesie verschwinden fast augenblicklich,
wenn man die Blutleerbinde endgültig gelöst hat. Schon etwas vor-
her schwindet die motorische Lähmung. Deshalb soll dies nicht vor
fast völliger Beendigung der Operation geschehen. Löst man deshalb
die Binde, um blutende Gefäße zu finden, so soll man sie sofort,
nachdem man seinen Zweck erreicht hat, wieder anlegen und, während
sie liegt, die Operation vollenden.
Es entspricht dieses Verhalten der flüchtigen Wirkung dünner
Novokainlösungen. Sie in Verbindung mit Nebennierenpräparaten
einzuspritzen, wodurch man wahrscheinlich auch diese Form der An-
E ie
ästhesie beträchtlich verlängern könnte, scheint B., da das Mittel
unmittelbar in die Gefäße kommt, nicht unbedenklich.
Außer dem Novokain, das B. bisher ausschließlich angewandt
hat, sind auch andere Anästhetika noch vorsichtig zu prüfen.
Vorbedingung für das Gelingen der Anästhesie ist eine absolut
zuverlässige Blutleere. (Selbstbericht.)
Diskussion zu Nr. 8 und 9.
Dönitz (Berlin) demonstriert einen Thermophorkasten zur An-
wärmung des bei der Lumbalanästhesie notwendigen Instrumentariums ;
durch diese Erwärmung wird der Kältereiz, welcher sich in Kopf-
schmerzen, Temperatursteigerungen usw. äußert, vermieden.
Gerstenberg (Berlin) demonstriert eine Reihe von anatomischen
Präparaten aus dem Gebiete der Rückenmarksanästhesie. Dieselben
wurden von ihm in Gemeinschaft mit Herrn Dr. Hein (Berlin) an
frischen Leichen gewonnen. Die dabei gemachten Beobachtungen
sind ausführlich in der Zeitschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie,
Bd. LXI Hft.3 beschrieben. Die entsprechenden Abbildungen werden
auch im Epidiaskop vorgeführt. (Selbstbericht.)
Oelsner (Berlin) wendet sich gegen die Ausführungen von Dönitz.
Die bei weitem überwiegende Mehrzahl aller Neben- und Nach-
wirkungen in der Lumbalanästhesie resultiert aus den toxischen Eigen-
schaften der angewandten chemischen Mittel. Um diese zu vermeiden,
versuchte Vortr. unter Ausschaltung jedes chemischen Reizes auf
physikalischem Wege Anästhesien zu erzeugen. Er wandte bei seinen
Versuchen, die er gemeinsam mit Kroner (Berlin) unternahm, O-gradige
physiologische Kochsalzlösungen an und erzielte bei Einwirkung der-
selben auf das freigelegte Rückenmark von Hunden regelmäßig
Anästhesien, die nach einiger Zeit wieder verschwanden. Die Ver-
suche wurden dann in der Weise auf den Menschen übertragen, daß
5—10 ccm einer physiologischen Kochsalzlösung von 0° in den Lum-
balkanal injiziert wurden. Anästhesien wurden bisher nicht erzielt;
es wurden aber auch nie trotz der hohen Dosis und der großen Tem-
peraturdifferenz irgendwelche unangenehme Nebenwirkungen, wie z. B.
Kollapse, beobachtet, was gerade im Hinblick auf die Ausführungen
von Dönitz besonders bemerkenswert erscheint. (Selbstbericht.)
10) E. Müller und A. Preiser (Breslau). Über die Behand-
lung von Eiterungen mit proteolytischem Leukocytenferment
bzw. Antiferment.
Theoretischer Teil (Müller). Der sogenannte >»kalte«, rein-
tuberkulöse Eiter unterscheidet sich vom sogenannten »heißen«, akut-
entzündlichen Eiter in chemisch-biologischer Hinsicht vor allem dadurch,
daB sich ein eiweißlösendes Ferment in dem ersteren in sehr geringer
ie D
und in dem letzteren in großer Menge findet. Das eiweißlösende
Ferment ist an die gelapptkernigen weißen Blutkörperchen gebunden.
Die eiweißlösende Wirkung dieses »proteolytischen Leukocytenfermen-
tes« kann aufgehoben werden durch einen spezifischen, im Blutserum
kreisenden Hemmungskörper, der u. a. auch in den krankhaften
Ausscheidungen bei Brust- und Bauchwassersucht zu finden ist (das
»Antiferment des proteolytischen Leukocytenfermentes«).,. So kann
z. B. die Flüssigkeit bei Bauchwassersucht unter Umständen die eiweiß-
lösende Wirkung des Eiterfermentes noch stärker hemmen als nor-
males Blutserum. Der Eiweißabbau, der auch die wichtigste Vorbe-
dingung für die Aufsaugung aus dem Eiterherd ist, muß demgemäß
bei rein-tuberkulösen Prozessen sehr gering, bei akut-entzündlichen
ungemein groß sein. Es muß deshalb gelingen, durch Zusatz von
Ferment tuberkulöse Ausscheidungen aufsaugefähig zu machen und
durch Zusatz des physiologischen Hemmungskörpers Gewebseinschmel-
zung und Aufsaugung beim fermentreichen heißen Eiter zu verhindern.
Eine »indirekte Fermentbehandlung« des kalten, tuberkulösen Eiters
stellt die Jodoformglyzerin-Injektion dar, weil dadurch fermenthaltige
weiße Blutkörperchen in den Krankheitsherd angelockt werden. Vortr.
schlägt nun auf Grund ausgedehnter experimenteller Untersuchungen
als neu die Bekämpfung fermentreicher Eiterherde durch
künstliche Zufuhr des spezifischen Hemmungskörpers vor.
Diese Antifermentzufuhr schützt das durch die Entzündung gefährdete
Gewebe vor eitriger Einschmelzung und verhindert gleichzeitig
die gefahrbringende Aufsaugung giftiger Eiweißabbauprodukte
aus dem Eiterherd in den Körper. Außerdem beschränkt sie die
eitrige Absonderung. Eine solche Antifermentbehandlung gelingt
durch direkte Bespülung und Berührung der Eiterhöhle mit mensch-
lichem Blutserum und gewissen, sehr eiweißreichen Punktions-
flüssigkeiten, die man z. B. bei Bauchwassersucht gewinnen kann.
Fehlen solche Punktionsflüssigkeiten, so wird die Eiterhöhle mit Blut-
serum behandelt, das von demselben Pat. durch Aderlaß gewonnen
wird. Eine solche künstliche direkte Zufuhr größerer Mengen von
Blutserum und Punktionsflüssigkeiten in den Eiterherd bedingt durch
ihren Gehalt an Schutz- und Nährstoffen verschiedenster Art eine
Massenwirkung aller jener physiologischen Schutzkräfte,
mit denen sich der Körper gegen die Bakterieninvasion
verteidigt. Der Körper braucht aber eine solche künstliche Steige-
rung seiner Abwehrbestrebungen, weil es ihm bei der Erschwerung
der Säftezirkulation kaum gelingt, im Innern des Eiterherdes die er-
forderliche Massenwirkung selbständig zu erzielen. Ausgedehntere,
praktische Erfahrungen mit diesem von dem Vortr. vorgeschlagenen
Verfahren waren in der Küttner’schen chirurgischen Klinik
in Breslau möglich. (Selbstbericht.)
Klinischer Teil (Peiser). Diese Ausführungen waren die
. theoretisch experimentelle Grundlage für eine neue Art der Behand-
—- 2 —
lung akuter Eiterungen. Sie wurde bis jetzt in rund 100 Fällen der
Küttner’schen Klinik erprobt und hat in keinem Falle irgend einen
Schaden gestiftet. Klinisch zu erwarten war dreierlei: Verringerung
der Eiterung, rasche Reinigung der Wunde, Sinken erhöhter Tempe-
ratur und damit im ganzen schnellere Heilung. Die Grundlage der
Behandlung ist die Tatsache: das Antiferment wirkt nur da,
wo es hindringt, wirkt nur durch direkte Berührung. Dem-
entsprechend sind drei Gruppen von Fällen zu unterscheiden, solche,
die absolut geeignet für die Antifermentbehandlung sind, solche, die
relativ geeignet und solche, die ungeeignet sind.
Zur ersten Gruppe gehören die mit Abszeßbildung einher-
gehenden Fälle, zur zweiten die sich mehr flächenhaft ausbreitenden
Eiterungen (Phlegmonen, Karbunkel usw.), zur dritten die Knochen-
eiterungen. Die letzteren einfach deshalb, weil das Antiferment in
den Knochenherd nicht einzudringen vermag. Bei der ersten Gruppe
ist gewöhnlich schon am zweiten Tage kein Eiter mehr vorhanden,
dafür höchstens einige Tropfen klarer, seröser Flüssigkeit. Hier
genügt auch ein verhältnismäßig kleiner Hautschnitt, der den Weg
zur Abszeßhöhle bahnt. Bei der zweiten Gruppe muß natürlich breit
inzidiert werden, da nur so das Antiferment mit möglichst großer
Fläche der Eiterung in Berührung kommt. Die rasche Demarkation
des nekrotischen Gewebes äußert sich in überaus rascher Reinigung
der Wunde. Bei subakuten und chronischen Eiterungen, bei denen
trotz Inzision die Temperatur nicht sinken will, tritt bei Antiferment-
behandlung Abfall der Temperatur ein. Aussichtsreich erscheint die
Kombination der Antifermentbehandlung mit der Bier’schen Stauung.
(Selbstbericht.)
11) G. Schoene (Marburg). Experimentelle Untersuchungen
über die Transplantation körperfremder Gewebe.
Nach den Arbeiten der letzten Jahre haben wir zu unterscheiden
zwischen einer natürlichen und einer künstlichen Resistenz gewisser
Versuchstiere (Mäuse, Ratten) gegenüber der Einimpfung einer körper-
fremden Geschwulst. Die künstliche Resistenz ist als »aktive Immu-
nität« bezeichnet worden. Zur Aufklärung dieser Resistenzen, bzw.
Immunitäten hat der Vortr. festzustellen versucht, ob und inwieweit
derartige gesetzmäßige Vorgänge auch bei der Transplantation körper-
fremder normaler Gewebe zu beobachten sind.
Die Versuche wurden angestellt, indem Hautlappen von der Maus
und vom Kaninchen transplantiert wurden. Es zeigte sich, daß die
Hautlappen der Maus sich nur in der Minderzahl von Fällen auf be-
liebig gewählte andere gleichgeschlechtliche Tiere verpflanzen ließen,
daß dies aber weit leichter gelang, wenn junge, gleichgeschlechtliche
Geschwister für den Versuch gewählt wurden.
Es fand sich aber, daß die Lappen im Falle des Nichtanheilens
auf dem fremden Tiere nicht etwa schnell abstarben, sondern sich
Ze 97
längere Zeit, etwa 8 Tage, lebendig erhielten und erst dann eintrock-
neten. Nach 3 Tagen ließen sich die Lappen noch zurücktransplan-
tieren auf das Tier von dem sie stammten, in einzelnen Fällen noch
nach 5 Tagen. Auch auf der Ratte starben die Mäuselappen nur
langsam ab; auch Hautlappen vom Ohr des Kaninchens gelang es
dem Kaninchen, von dem sie stammten, wieder anzuheilen, nachdem
sie 3 Tage auf der Maus gewesen waren.
In diesen Versuchen liegt eine Parallele zu den Ehrlich’schen
Versuchen, in denen Mäusetumoren, welche 5 Tage lang auf der Ratte
gewachsen waren, sich wieder auf die Maus zurückimpfen ließen.
Diese Versuche lassen jedenfalls eine schwere primäre toxische Wir-
kung der Gewebssäfte des fremden Tieres auf den transplantierten
Lappen nicht erkennen.
Als erster Beitrag zur Lösung der Frage, ob eine aktive Immu-
nität gegen die Implantation körperfremden normalen Gewebes erzeugt
werden kann, hat Vortr. eine Reihe von Versuchen angestellt, deren
Resultat dahin zusammenzufassen ist, daß Hautlappen der Maus auf
mit einem Gemisch von Mäuseleber, Niere und Milz vorbehandelten
Ratten schneller zugrunde gehen als auf normalen Ratten.
(Selbstbericht.)
Diskussion.
Wullstein (Halle a. S.) hat in den letzten 2 Jahren Experi-
mente unternommen, um Gewebe der einen Tierspezies auf die andere
zu übertragen und hat dazu zwischen Ziege und Schaf eine Verwach-
sung erzeugt, eine Sauerbruch’sche »Parabiose«.. Von den Tieren
überlebte das eine die Operation um 5i/,, das andere um 11 Tage.
Gleichwohl ist, wie das (demonstrierte) Präparat zeigt, eine Vereini-
gung eingetreten, die jeder objektive Beschauer für eine einwandsfreie
Heilung per primam intentionem erklären muß. Und auch die mikro-
skopische Betrachtung des Präparates ergibt demgemäß im Bereiche
der Cutis in der haarfeinen Verwachsungszone eine Vereinigung durch
zweireihig angeordnete Fibroblasten; in der Epithelschicht aber ist der
Übergang von der Ziegenhaut in die Schafhaut, abgesehen von der
verschiedenen Pigmentierung, überhaupt nicht mehr zu erkennen. W.
gedenkt die Experimente fortzusetzen, und zwar auf Anraten von Prof.
Stoeltzner (Halle) nach vorheriger Immunisierung der Tiere.
(Selbstbericht.)
Funke (Wien) stellt einen 15jährigen Knaben vor, der vor 6 Jahren
anläßlich einer Bergpartie von einem herabfallenden Stein getroffen
wurde und eine schwere Schädelzertrümmerung erlitt.
16 Stunden nach der Verletzung Operation, Entfernung der voll-
kommen losen Knochenfragmente. Die Dura, die sehr gespannt war,
wird nicht eröffnet, die ganze Wundfläche lose tamponiert. Die Be-
wußtlosigkeit dauerte 11 volle Tage an, erst in der 3. Woche ver-
mochte der Pat. leichte Bewegungen mit den Extremitäten auszu-
führen und einzelne Silben auszusprechen. Der früher sehr aufgeweckte
mu DE u
Knabe hatte das Schreiben und Lesen vollkommen vergessen, Kopf-
rechnen und Notenlesen war dagegen ungestört. Erst nach !/, Jahre
war sein Zustand wieder ziemlich normal, nur die Sprache blieb
bis zum heutigen Tag etwas langsam und zeitweise leicht stotternd.
Auch die früher öfters bestandenen intensiven Kopfschmerzen stellen
sich seit einem Jahr nicht mehr ein.
Der Wundverlauf nach der Operation war ein ganz reaktions-
loser. Am 8. Tage wurden die Tampons entfernt, die Wunde durch
die Naht vollkommen geschlossen. 2 Monate später Einlegung einer
fast handtellergroßen Zelluloidplatte, die ebenfalls reaktionslos ein-
heilte und bis zum heutigen Tag ohne die geringsten Beschwerden
getragen wird. (Selbstbericht.)
L. Rehn (Frankfurt a. M.). Demonstration eines 9 Jahre alten
Mädchens. Seit 5 Jahren linksseitige tuberkulöse fistelnde Koxitis,
hochgradige Flexions-Adduktionskontraktur im Hüftgelenk, Kompen-
sationslordose der Lendenwirbelsäule. Verkürzung des Beines um
6 cm, sehr schlechtes Gehvermögen. Resektion des atrophischen
Schenkelhalses und -kopfes, der nach oben disloziert war, Einschlagen
eines Elfenbeinstiftes in die Sägefläche des Trochanter und in die
Pfanne, Fixation desselben durch einen in das Darmbein einge-
schlagenen Nagel. Der Elfenbeinstift ist glatt, ohne Fistel eingeheilt,
um ihn herum beginnt sich ein neuer Schenkelhals zu bilden. Die
Stellung des Beines, das nunmehr nur noch 3!/, cm verkürzt ist, ist
als eine sehr gute zu bezeichnen, in dem Hüftgelenk ist bereits eine
geringe passive Beweglichkeit vorhanden, die voraussichtlich noch zu-
nehmen wird. Der Gang ist vorzüglich. Die demonstrierten Photo-
graphien vor und nach der Operation zeigen den ausgezeichneten funk-
tionellen und kosmetischen Erfolg der künstlichen Schenkelhalsbildung
durch den eingesetzten Elfenbeinstift. (Selbstbericht.)
12) Kocher (Bern). Zur Technik der Transplantation der
Schilddrüse.
K. berichtet über gelungene Versuche, Schilddrüsengewebe in
Knochen (die Tibia) einzupflanzen, ein Verfahren, das bei gleicher
Sicherheit der Wirkung einfacher und gefahrloser ist als beispielsweise
die Einpflanzung in die Milz.
Diskussion.
Payr (Greifswald) berichtet über den weiteren Verlauf des vor
2 Jahren am Chirurgen-Kongreß besprochenen Falles von Trans-
plantation der Schilddrüse in die Milz. Es sind seit dem Eingriff
28 Monate verflossen, ein Zeitraum, der genügt, um ein Urteil über
das Resultat der Organüberpflanzung zu fällen.
Es war ein sehr ungünstiger Fall gewesen, in dem P. ein großes
Stück gesunder mütterlicher Schilddrüse in die Milz überpflanzte. Das
— 2 —
Kind war durch nahezu 3 Jahre mit äußerst geringem Erfolge mit
Schilddrüsenpräparaten innerlich behandelt worden. —
Trotzdem besserte sich das intellektuelle und somatische
Befinden des Kindes in ganz auffallender Weise, in den ersten Monaten
bis zum Ende des ersten Jahres rapide, dann etwas langsamer.
Über das intellektuelle Verhalten der Pat. teilt P. folgendes mit:
Das Kind war total verblödet, ja in seinem ganzen Gehaben als
tierisch zu bezeichnen. Es konnte weder stehen, noch gehen, noch
sitzen. Es stieß unartikulierte Laute aus, nicht selten ließ es ein tieri-
sches Gebrülle hören. — Die Aufmerksamkeit des Kindes war kaum
durch irgendwelche Sinnesreize zu erregen.
Das Kind lernte sitzen, stehen, gehen; es hatte schon nach wenigen
Monaten Interesse für äußere Eindrücke, fing zu gehen an, gab Zeichen
von sich, wenn es Stuhl oder Harn absetzen wollte; es lernte einige
Worte sprechen, allerdings blieb der Wortschatz ein geringer. — Ganz
auffallend war das früher ganz vermißte Auftreten von Erinnerungs-
bildern, sowie von deutlicher, einen gewissen Grad von Intelligenz ver-
ratender Urteilskraft. Das Kind erkannte Personen, Straßen, Häuser,
in denen es einmal gewesen, sofort wieder, machte verschiedene
Wünsche nach Speise und Trank, Spazierengehen usw. in zweckmäßiger
Weise seiner Umgebung bemerkbar. Auch das Aussehen des Kindes
besserte sich ganz unglaublich, und war das Kind zur Zeit der ersten
Nachtragsberichterstattung im September 1906 kaum mehr wieder-
zuerkennen. — Es ist nicht ganz leicht, intellektuelle Qualitäten ganz
scharf einzuschätzen, jedoch wurde das Kind oftmals untersucht und
genaue Aufzeichnungen über alle Wahrnehmungen gemacht. — Gegen
den Sommer 1907 sowie den Herbst schienen die Fortschritte, die
immer noch deutlich zu verfolgen waren, langsamer zu werden. Das
Kind war zu dieser Zeit mehrfach krank, und hatte dies auch auf das
somatische Befinden seine Rückwirkung. —
Somatisch zeigte sich gleichfalls eine sehr bedeutende Besserung.
— Am auffallendsten und wohl am sichersten für den funktionellen
Erfolg der Schilddrüsentransplantation sprechend waren Längen-
wachstum und Gewichtszunahme. Das Kind erreichte innerhalb
zweier Jahre eine Größe von 104—105 cm, was einer Längenzunahme
von 18—19 cm entspricht. Allerdings entspricht auch dieser Wert
noch nicht dem Durchschnittsmaß eines gleichalterigen gesunden Kin-
des (110—114), ist aber jedenfalls als ein bemerkenswertes Resultat
anzuführen. Von einer radiologischen Feststellung des epiphysären
Wachstums wurde unter dem Einfluß der Mitteilungen Försterling’s
sowie deren Betätigung aus dem Finseninstitut über die nachteilige
Wirkung der Röntgenstrahlen auf jugendliche wachsende Knochen
vorläufig abgesehen — ob mit Recht erscheint jetzt P. allerdings fraglich.
— Seit dem Spätherbste 1907 ist das Längenwachstum ein geringes,
jedoch nicht ganz leicht festzustellen, da auch die Haltung des Kindes
eine schlechtere geworden ist. —
a U ya
Im Sommer und Herbst 1907 litt das Kind an sich mehrmals
wiederholenden schweren Darmkatarrhen, die außerordentlich schädi-
gend auf das Allgemeinbefinden einwirkten. Das Kind bekam eine
eigentümliche wachsgelbe, bleiche Gesichtsfarbe, ist schwer anämisch,
hat an verschiedenen Stellen des Körpers Drüsenschwellungen, die
früher nicht palpable Milz wurde nun palpabel.
Auch die Gewichtszunahme ist seither erheblich hinter den frühe-
ren raschen Progressionen zurückgeblieben. Immerhin hat das Kind
Anfang 1908 einen Wert von 19400g erreicht, was dem Durchschnitts-
gewichte eines Sjährigen Kindes (19000—19800) entspricht. Das Kör-
pergewicht ist also anfangs 1908 trotz schwerer Anämie und schlechten
Allgemeinbefindens infolge erschöpfender Darmkatarrhe eigentlich als
ein der Norm entsprechendes zu bezeichnen. —
Der Haarwuchs, die Nagelentwicklung, die Dentition
zeigten seit der Schilddrüsenüberpflanzung sehr bedeutende Fortschritte,
Haut- und Uhnterhautfettgewebe sind völlig normal geworden und
zeigen auch heute keine Spur der typischen myxödematösen Ver-
änderungen.
Die Haltung des Kindes hat sich in den letzten Monaten ver-
schlechtert, es hält sich stark gebückt, der Gang ist ein spastischer.
Alles zusammengefaßt, muß man sagen, daß der Erfolg dieses
Eingriffes in intellektueller und somatischer Hinsicht hinter dem
zurückgeblieben ist, was nach der rapiden Besserung in den ersten
Monaten zu erwarten war. Sicher aber ist, daß das Kind bis
jetzt kein Rezidiv seines Myxödems aufweist, was wohl nur im
Sinne einer Funktion des transplantierten Schilddrüsenstückes zu deuten
ist. — Allerdings dürfte die Funktion keine vollwertige sein. — Auch
zahlreiche äußere ungünstige Umstände wirkten diesem Ziele entgegen.
Schlechte Wohnung, Ernährung, wenig Luft und Licht, ungenügende
Beschäftigung mit dem Kinde sind gewiß nicht zu unterschätzende
antagonistische Faktoren.
Der Erfolg ist also kein vollkommener; vielleicht läßt sich
auch der Grund dafür angeben. — Es ist nach unseren jetzigen Kennt-
nissen wahrscheinlich durchaus nicht gleichgültig, in welchen Fällen
von Hypothyreosis man operiert; ob es sich um ein kongenitales oder
erworbenes Myxödem, um eine Üachexia strumipriva oder endlich
um eine Kombination von Kretinismus mit Myxödem handelt. Wir
wissen seit den in neuester Zeit mitgeteilten Untersuchungen von
Scholz und Zingerle, daß bei Kretinismus schwere Veränderungen
im Zentralnervensystem, speziell im großen Hirn, sich fast in jedem
Falle nachweisen lassen. Wahrscheinlich sind in kombinierten Fällen
von kongenitalem Myxödem und Kretinismus, besonders wenn es sich
schon um etwas größere Kinder handelt, die Aussichten einer Schild-
drüsentransplantation beschränkt, weil es fraglich erscheint, ob die
durch den Schilddrüsenmangel bedingten zerebralen Defekte einer
Heilung zugänglich sind. —
nr Bl je
Je reiner und frischer der Ausfall an Schilddrüsenfunktion ist, um
so höhere Chancen des Erfolges.
Was die Technik des Verfahrens anlangt, so ist die Milz der
außerordentlich reichlichen Vaskularisation wegen als ein besonders
günstiger Ort für die Einpflanzung zu bezeichnen. Wenn es sich
zeigt — P. hat ja selbst derartige Versuche zuerst am Tier ausgeführt —,
daß das Knochenmark in gleicher Weise für die Ernährung des über-
pflanzten Gewebes sorgt, so ist diese Methode natürlich als einfacher
und weniger gefährlich zu bezeichnen.
Übrigens läßt sich auch ein Bedenken, das wahrscheinlich gegen
die Implantation in die Milz manchen vor der Ausführung dieses Ein-
griffes abhält, vielleicht beseitigen.
Bei zweizeitigem ÖOperieren, 1) Splenopexie, 2) Organtransplan-
tation, läßt sich die von manchem als doch nicht so gering angesehene
Gefahr einer Nachblutung in die Bauchhöhle umgehen. —
(Selbstbericht.)
Garr& (Bonn) hat im Februar 1908 bei chronischer Tetanie nach
Kropfoperation die Epithelkörperchen eines Basedowkropfes in die
Tibiadiaphyse eingepflanzt. Der Pat. geht es wesentlich besser. Er
glaubt aber, daß es notwendig sei, ganze Organe zu transplantieren
mittels der Gefäßnaht (Stich), wenn man Dauererfolge bei der Schild-
drüsenüberpflanzung erzielen wolle. Bei einem Hunde gelang es ihm
so, eine ganze Schilddrüsenhälfte zu verpflanzen.
Czerny (Heidelberg) mußte wegen Karzinom die Totalexstir-
pation der Schilddrüse machen; als Tetanie eintrat, überpflanzte er
ein frisch exstirpiertes Schilddrüsenstück in die Milz. Die Tetanie bes-
serte sich, aber Pat. starb 6 Tage später an Pneumonie. Die Unter-
suchung ergab nun, daß das Schilddrüsenstück wirklich eingeheilt war.
Müller (Rostock) hat zwei Fälle von Kretinismus, ähnlich wie
Kocher, mittels Einpflanzung von frischem Schilddrüsengewebe in
die Metaphyse der Tibia behandelt und eine wesentliche Besserung
des Intellektes erzielt.
Moskowicz (Wien) überpflanzte in einem gleichen Falle ebenfalls
Schilddrüsengewebe in den Knochen, schnitt dasselbe aber mit Rück-
sicht auf die Saftströmung in feine Scheiben. Erfolg.
Boerner (Rastatt).
v. Eiselsberg (Wien) berichtet im Anschluß an die Mitteilung
Kocher’s über einen Fall, in welchem er vor ®/, Jahren mit Erfolg ein
Epithelkörperchen von einer Pat. (bei der eine Üystenstruma operiert
wurde) verpflanzt hat in einem Falle von chronischer Tetanie.
Im Jahre 1882 war von Billroth einer damals 17jährigen Pat.
wegen eines starke Atembeschwerden verursachenden Kropfes eine
Totalexstirpation des Kropfes ausgeführt worden. Es schloß sich eine
intensive Tetanie an, welche auf keinerlei Medikation (Schilddrüsen-
fütterung, Fütterung mit Epithelkörper, Verpflanzung einer Schild-
deae O a
drüse) weichen wollte. Erst die eben erwähnte Verpflanzung eines
Epithelkörperchen zwischen Fascie und Peritoneum brachte eine ent-
schiedene Besserung.
Objektiv besteht zwar noch das Oh wosteck’sche Phänomen fort,
doch ist wie dies Pinneles nachwies, die Ka OZ von 2,5 auf 5
Milliampere gestiegen.
Über den zweiten Fall, in welchem die Überpflanzung durch Ver-
eiterung resultatlos blieb, will ich an anderen Orten berichten.
Ich glaube, daß die Verpflanzung auch bei anderen Fällen von
Tetanie (aus anderer Ursache) aussichtsvoll ist, und meine nur, daß die
Hauptschwierigkeit die Beschaffung des Materiales sein dürfte. Viel-
leicht könnte man daran denken, von einem an einer schweren Ver-
letzung Verstorbenen gleich nach dem Tode die Epithelkörper zu ent-
nehmen. (Selbstbericht.)
13) H. v. Haberer. Experimentelle Verpflanzung der Neben-
niere in die Niere.
Vortr. schildert eine Methode der Transplantation von Neben-
nieren in die Nieren bei Hunden, Katzen und Kaninchen, deren
Wesen darin besteht, daß zunächst ein kleiner Gefäßstiel der Neben-
niere zwecks besserer Ernährung derselben in der ersten Zeit nach
der Transplantation erhalten bleibt. Mit dieser Methode gelang es,
in über 50% eine Einheilung der Nebenniere in die Niere nicht bloß
mit anatomisch, sondern auch funktionell günstigem Resultate zu er-
zielen. Ohne auf diese Versuche, die in einer bereits in Druck be-
findlichen Publikation niedergelegt sind, näher einzugehen, bespricht
Vortr. die Resultate einer von ihm gemeinsam mit Prof. Stoerk
in Wien durchgeführten Arbeit, welche sich mit dem Studium der histo-
logisch-anatomischen Veränderungen von in die Niere transplantierten
Nebennieren beschäftigt. Die der Arbeit zugrunde liegende Frage
war die, ob aus in die Niere transplantiertem Nebennierengewebe
Formationen entstehen können, die mit den unter dem Namen
Grawitz’sche Geschwülste bekannten Tumoren Ähnlichkeit besitzen.
Zu diesem Behufe wurden 104 transplantierte Nebennieren in nahezu
kontinuierlicher Reihe, angefangen von wenigen Tagen nach der Trans-
plantation, bis zu über 1/, Jahre nach derselben, untersucht. Dabei
ergab sich, daß fast von jeder transplantierten Nebenniere gleich in
den ersten Tagen ein Teil zugrunde geht. Neben eindeutigen Ne-
krosen kommt es aber auch zu regressiven Vorgängen in einzelnen
Rindenzellkomplexen, welche von den Verfassern mit Sicherheit als
Vorstadien des Zellunterganges bezeichnet werden, und die sich zu-
nächst durch das Verschwinden der alveolären Strukturierung der
Zellkomplexe, geringere Protoplasmafärbbarkeit, Auftreten von häma-
togenem Pigment im Protoplasma, sowie durch degenerative Kernver-
änderungen dokumentieren. Dazu kommt das Auftreten von eigen-
tümlichen Kristallen mit Fremdkörperriesenzellenbildung. Auch das
we 8 aa
regellose Einwachsen von Bindegewebszügen ist für den regressiven
Zustand bezeichnend. Lange Zeit können sich die Zellen in diesem
regressiven Zustand erhalten, dessen Erkennung durch den Vergleich
mit lebendem und hypertrophierendem Nebennierengewebe ermöglicht
wurde. Die ungeschädigten und hypertrophierenden Anteile der trans-
plantierten Nebennieren kontrastieren in lebhaftester Weise mit den
eben skizzierten Bildern. Die hypertrophische Rinde zeigt auffällig suk-
kulente, pigmentfreie Zellen in charakteristischen alveolären Verbänden.
Häufig sind Mitosenbefunde. Derartige alveoläre Zellverbände wachsen
sehr häufig ins regressive Gewebe ein und dringen auch in den Narben-
bereich oder sogar in benachbartes Nierenparenchym vor und unter-
scheiden sich dann in nichts von den herkömmlicherweise als Neben-
nierenrindenadenome bezeichneten Formationen.
Wucherndes Mark, das bisher von keinem Transplantator gesehen
wurde, da die Marksubstanz bisher allen Experimentatoren nach der
Transplantation zugrunde gegangen ist, zeichnet sich durch Auswachsen
der Markmasse in und durch die Rindenschicht, durch Bildung intra-
und extrakapsulärer Markdepots, durch infiltratives Vordringen in die
umgrenzende Narbenschicht und das umgebende Nierengewebe, sowie
durch lebhafte chromaffine Sekretion aus.
Durch das ineinander greifende Spiel von Regreß und Regeneration
kommt es zu einem totalen Neu- und Umbau des Organes, bis durch
die mächtige regenerative Wachstumstendenz des Nebennierengewebes
das funktionelle Gleichgewicht wieder vollständig hergestellt ist.
Die Verff. glauben, daß die regressiven Veränderungen von jenen
Autoren, welche bisher über Erfolge mit gefäßloser Nebennierentrans-
plantation berichten, zum Teil nicht erkannt wurden, und halten dafür,
daß auch die von Schmieden seinerzeit angegebenen Befunde fast
ausschließlich auf diese Weise zu erklären sind. Auf Grund ihrer
Untersuchungsreihe fühlen sie sich zu dem Schlusse berechtigt, daß in
die Niere experimentell verlagertes und daselbst wucherndes Neben-
nierenrindengewebe bei den genannten drei Tierspezies immer und aus-
schließlich Formationen vom Typus der Rindenadenome, niemals aber
vom Typus der Grawitz’schen Geschwülste produziert.
(Selbstbericht.)
Diskussion.
Schmieden (Berlin): Vortr. führt aus, daß seine früheren Ex-
perimente, mit denen es zum ersten Male gelungen war, die Neben-
niere zu verpflanzen, den Zweck hatten, die versprengten Nebennieren-
keime nachzuahmen und die histologischen Verhältnisse bei freier
Plastik zu studieren. Damit kann man das Gewebe nicht im alten
Zustand erhalten, auch seine Funktion geht bei dem langsam vor sich
gehenden Degenerationsprozeß langsam zugrunde. Hierbei entstehen
Bilder, die sehr lebhaft an das Gewebe der Grawitz’schen Tumoren
erinnern, was die Zellbilder und die Anordnung anbetrifft. Wenn
nun v. Haberer eine bessere Pflanzung gelungen ist, so gelingt dies
eben nur unter zeitweiser Beibehaltung einer Brücke; dies freilich ist
Chirurgen-Kongreß 19(8. 3
—. 34 —
keine freie Plastik mehr, und die Methode verliert dadurch an Aus-
sicht auf praktische Verwertbarkeit und eventuelle Ausführbarkeit von
einem Individuum auf das andere.
Der Vortr. wirft zum Schluß die Frage auf, ob der bei freier
Plastik notwendige Verlust der Nervenverbindungen des Organs event.
an dem Verluste der Funktion schuld sei, und regt Studien darüber
an, ob bei der Technik des Herrn v. Haberer die Nerven des Organs
erhalten bleiben. (Selbstbericht.)
Störk (Wien): Das angeblich stehen gebliebene Rindengewebe
sei hypertrophisches Gewebe. Auch habe es keine Ahnlichkeit mit
Grawitz’schem Geschwulstgewebe (Schmieden).
14) Lexer (Königsberg i. Pr... Die Verwendung der freien
Knochenplastik nebst Versuchen über Gelenkversteifung und
Gelenktransplantation.
L. berichtet über seine Erfolge mit freier Knochentransplantation
nach Erfahrungen an einem großen Krankenmaterial. Es handelt sich
um den Ersatz von großen Lücken der Schädelknochen, um das Heben
von eingefallenen Stellen des Gesichtsskelettes, um den Ersatz großer
Defekte der Röhrenknochen und des Unterkiefers, um die Heilung
von Pseudarthrosen, auch am Schenkelhals, durch Knochenbolzung,
um die Versteifung paralytischer Gelenke (besonders des Fußgelenkes)
durch Bolzung der benachbarten Knochen, um den Ersatz großer
Abschnitte der Röhrenknochen samt einem Gelenkkopfe oder samt
beiden Epiphysen und schließlich um Versuche, ganze Gelenke zu trans-
plantieren. (Kniegelenke bei zwei Erwachsenen.)
Zur Verpflanzung eignete sich am besten frischer, mit Periost be-
kleideter Knochen, während ausgekochter Leichenknochen sich nur da
bewährte, wo er unter Periost oder in den Knochen hinein verpflanzt
worden war. Bei großen Röhrenknochenersatzstücken wurde das
Knochenmark entfernt, da entzündliche Erscheinungen der Resorption
seiner Zeerfallsstoffe folgten, und durch Jodoformknochenplombe ersetzt.
Der allmähliche Schwund der letzteren gibt in den Röntgenbildern
gute Anhaltspunkte für das Fortschreiten der Vaskularisation.
Einzelheiten eignen sich nicht für ein kurzes Referat. (Demon-
stration verschiedener operierter Pat. und Röntgenbilder.)
(Selbstbericht.)
15) L. Heidenhain (Worms). Östeoplastischer Ersatz der
Tibiadiaphyse.
H. stellt ein 4jähriges Kind vor, welchem er Anfang Juni 1906
wegen eines myelogenen Sarkomes der Diaphyse der rechten Tibia
diese fast in ganzer Länge exstirpiert und durch ein abgespaltenes
Stück der linken Tibia von gleicher Länge (Innenfläche, Knochen mit
ge ABEL ai
Periost) ersetzt hat. Heilung p. pr. Das Kind ging von der 7. Woche an
ohne Verband. 3!/, Monate nach der Implantation Querbruch des
implantierten Stückes wegen Rarefaktion desselben. Glatte Konsoli-
dation in kurzer Zeit unter Gipsverband. Seitdem Funktion ohne
Störung. Von geringfügiger Verbiegung der Tibia durch Belastungs-
druck abgesehen, keine Deformität des Knochens. Röntgenbild zeigt,
daß die Tibia in normaler Weise von den Epiphysen aus gewachsen
ist. Das implantierte Stück, welches die Mitte des Knochens ein-
nimmt, ist natürlich nicht gewachsen, entsprechend den normalen Vor-
gängen beim Knochenwachstum. H. zeigt ferner die Röntgenplatten
eines Kindes, welchem er einen ca. 10 cm langen vollkommenen Defekt
der Tibia, durch akute Osteomyelitis entstanden, ebenfalls durch ein
abgespaltenes Stück der Innenfläche der anderen Tibia mit Periost
ersetzt hat. Auch hier erfolgte, trotz Eiterung und Abstoßung eines
großen Sequesters des implantierten Stückes, Heilung, d. h. Konsoli-
dation mit voller Funktion. (Selbstbericht.)
16) Barth (Danzig). Über Osteoplastik.
Die Bedeutung des Periostes bei der freien Transplantation
periostgedeckter Knochenstücke erscheint heute in einem anderen
Lichte, als es Vortr. vor 14 Jahren auf Grund seiner Versuche dar-
gestellt hat. Es ist inzwischen durch Experiment sowohl als durch
klinische Erfahrung hinreichend erwiesen, daß sich das Periost auf
Periostknochenstücken erfolgreich übertragen läßt und dabei eine
relativ hohe Vitalität und Produktivität besitzt. Auch Erfahrungen
des Vortr. lassen daran keinen Zweifel. Den Prüfstein bilden die
großen zirkulären Defekte der langen Röhrenknochen mit Verlust des
Periostes nach Verletzungen, Osteomyelitis und besonders bei den
modernen Kontinuitätsresektionen wegen Sarkomen. Der erfolgreiche
Ersatz solcher Defekte mit totem Knochenmaterial scheiterte im all-
gemeinen an dem Mangel eines ausreichenden ossifikationsfähigen
Bodens, von dem aus der tote Knochen durch neuen Knochen ersetzt
werden kann; denn die schmalen Berührungsflächen an den Resektions-
stümpfen sind hierfür völlig unzureichend. Solche Fremdkörper
können zwar an den Resektionsflächen knöchern verwachsen, sie bleiben
aber in der Hauptsache Fremdkörper, und früher oder später ent-
scheidet eine gelegentliche sekundäre Infektion endgültig über ihr
Schicksal. Hierzu einige Beispiele.
Bei einem 21jährigen Manne wurde ein 20 cm langes Stück, d.
h. fast die ganze Diaphyse des Humerus wegen periostalen Sarkoms
zirkulär mitsamt Periost reseziert und durch ein entsprechendes Stück
aus einem sterilisierten Skeletthumerus ersetzt. Nach anfangs günstigem
Verlauf trat nach 3 Wochen unter Fieber Eiterung ein, und der im-
plantierte Knochen mußte 7 Wochen p. op. wieder entfernt werden.
3 Monate später Spaltung der Narbe und Implantation der sterili-
sierten Fibula einer frischen Leiche. Heilung mit knöchener Ver-
einigung am oberen, mit Pseudarthrose am unteren Ende. Später
3*
zen, U on
Fistelbildung und Entfernung des Fremdkörpers nach 7 Monaten.
Nach Heilung der Wunde Autoplastik mit 20 cm langem Periost-
knochenspan aus der Tibia. Knöcherne Vereinigung mit beiden
Humerusstümpfen binnen 2 Jahren, aber Pseudarthrose oberhalb der
Mitte infolge fortschreitender Rarefikation an dieser Stelle, während
sich das Knochenstück in den übrigen Abschnitten durch Modellierung
der Form des normalen Humerus angepaßt hat. B. führt dies auf
eine Tätigkeit des mitüberpflanzten Periostes zurück, da periostlose
Knochenstücke, in Weichteilen implantiert, allmählich resorbiert werden,
wie er an einem Beispiel demonstriert. Einen scheinbaren Erfolg mit
der Implantation toten Materials hatte B. bei einer 33jährigen Pat.,
der der obere Abschnitt der Tibia in Ausdehnung von 10 cm wegen
periostalen Sarkoms reseziert worden war. Es wurde die Fibula in
die Fossa intercondyl. fem. eingepflanzt und der Defekt zwischen Cond.
int. fem. und Tibiastumpf durch ein großes mazeriertes Spongiosastück
ersetzt. Heilung mit unvollkommener Konsolidierung des Beines,
Gang mit Stützapparat, Amputation nach 11/, Jahren wegen Rezidivs.
Das implantierte Spongiosastück war stark verkleinert, teils durch
Rezidivknoten, teils durch Granulationsgewebe. Die Vereinigung mit
der Tibia war eine bindegewebige.
Mit derselben Methode, aber unter Benutzung zweier periostge-
deckter Knochenspäne aus der gesunden Tibia, erzielte B. ein voll-
kommenes Resultat bei einem 17jähriges Mädchen mit myelogenem
Sarkom des Tibiakopfes. Vollkommene Konsolidierung, freier Gang,
rezidivfrei nach 4 Jahren.
Ein ideales Resultat hatte die Autoplastik in einem vor 11 Jahren
von B. operierten Fall von 6 cm langem zirkulären Defekt der Tibia
nach osteomyelitischer Totalnekrose bei einem Sjährigen Knaben. Im-
plantation zweier Periostknochenspäne der gesunden Tibia, voll-
ständige Konsolidierung mit massiger Knochenneubildung nach 2!/,
Jahren, vorzügliche Gebrauchsfähigkeit des Beines.
In einem weiteren Falle von Autoplastik, die vor 6 Jahren ge-
legentlich einer 6 cm langen Kontinuitätsresektion der Tibia wegen
Sarkoms ausgeführt wurde, blieb das funktionelle Resultat infolge von
Pseudarthrose am unteren Ende unvollkommen. Der Periostknochen-
span hat sich aber gut modelliert, so daß er im Röntgenbild kaum
von der normalen Tibia zu unterscheiden ist.
Nach diesen Erfahrungen hält Vortr. die Auto- und Homoplastik
mit periostgedeckten Knochenstücken für den Ersatz von Kontinuitäts-
defekten der Röhrenknochen für die souveräne und allein sicher zum
Ziele führende Methode, während die Fremdkörpertherapie im Sinne
Gluck’s durch die Erfolge der Autoplastik mehr denn je zurück-
gedrängt ist. Anders verhält es sich bei Schädeldefekten und bei
wandständigen höhlenförmigen Defekten der Röhrenknochen. Hier
verbürgt der ossifikationsfähige Boden den knöchernen Ersatz auch bei
Implantation sterilen toten Knochenmaterials, wovon sich B. nament-
lich bei komplizierten Schädelbrüchen des öfteren überzeugen konnte.
en. 3 sm
Er pflegt hier die beschmutzten Fragmente durch Auskochen zu
sterilisiieren und dann zu replantieren; in einem Fall wurde durch
sekundäre Einheilung von Knochenkohle in die granulierende Wunde
voller Erfolg erzielt. In solchen Fällen erscheint die Autoplastik über-
flüssig. Bei einem richtigen Verständnis für die pathologischen Vor-
gänge kann man auch sonst gelegentlich schöne Erfolge mit der
Implantation von toten Knochen haben, wie folgender Fall beweist.
Ein 17jähriges Mädchen, welches seit dem 5. Lebensjahre an aben-
teuerlichen Verkrümmungen der Extremitäten infolge von Osteo-
malakie litt und sich nur auf der Erde kriechend fortbewegen
konnte, war mehrfach erfolglos osteotomiert worden, weil stets Pseud-
arthrosen zurückblieben, mangels jeder Callusbildung an dem atro-
phischen Knochen. Durch Implantation von Knochenkohle in die
Markhöhle wurde binnen 10 Wochen Konsolidierung erzielt. Nach-
einander wurden sechs Osteotomien mit Implantationen von Knochen-
kohle an Femur und Tibia beider Beine ausgeführt und das Mädchen
hierdurch auf die Beine gebracht, was vorher jahrelangen Bemühungen
nicht gelungen war. (Selbstbericht.)
17) Brentano (Berlin). Beitrag zur Knochenüberpflanzung in
Röhrenknochendefekte.
B. stellt zwei Pat. vor, bei welchen er ausgedehnte Defekte
in den langen Röhrenknochen durch Zupflanzung eines freien Periost-
knochenstückes ersetzt hatte. Das Ersatzstück wurde in beiden
Fällen mittels der elektrischen Kreissäge der Vorderfläche der Tibia
entnommen und umfaßte nicht nur die Oorticalis in ihrer ganzen Dicke
und das zugehörige Periost, sondern auch oberflächliche Teile des
Knochenmarkes.
Fall I. 14jähriges Mädchen mit einem myelogenen Sarkom der
linken Tibia, das die ganze untere Epiphyse und ein Stück der an-
grenzenden Diaphyse einnahm, aber weder die Corticalis noch den
Gelenkknorpel an irgend einer Stelle durchbrochen hatte. 22. Januar
1908 Resektion der unteren ?/, der linken Tibia samt ihrem Periost
und der Gelenkfläche, aber mit sorgfältiger Schonung aller Sehnen
(Demonstration des Präparates).. In den 15 cm langen Defekt wird
ein Periostknochenstück eingepflanzt, das der Tibia derselben Seite
oberhalb der Resektionsstelle, in diese aber nicht hineinreichend, ent-
nommen war. Das Stück stützte sich oben auf die Sägefläche der
Tibia, unten auf die Talusrolle, wo mit der Luer’schen Zange eine
kleine Grube in dem Knorpel zur Aufnahme des peripheren Endes
hergestellt worden war. Einen weiteren Halt erhielt das Ersatzstück
durch Nähte, die sein Periost oben mit dem der Tibia, unten mit
Resten der Gelenkkapsel verbanden. Hautnaht. Drainage der Fuß-
gelenkgegend vor und hinter dem äußeren Knöchel. Volkmann'sche
Schiene, später Gipsverband, in dem die Pat. schon 6 Wochen nach
der Operation die ersten Gehversuche machen konnte. Gegenwärtig
(3 Monate nach der Operation) kann sich die Pat. bereits ohne Ver-
—— 388 —
band und ohne Stock fortbewegen. Der Fuß steht in leichter Varus-
stellung und ist im Talo-Cruralgelenk versteift. Von einem leichten
Federn abgesehen, ist aber sonst, und zwar namentlich auch bei der
Betastung, kaum etwas von der Überpflanzung nachzuweisen. Die
Röntgenbilder zeigen, daß das eingepflanzte Knochenstück in feste
organische Verbindung mit dem Tibiaschafte getreten ist und bereits
eine deutliche Knochenneubildung begonnen hat, die von dem Periost
und dem Marke des Ersatzstückes ausgeht.
Fall II. 25jähriger Mann. Pseudarthrose des linken Oberarmes,
entstanden nach komplizierter Fraktur durch Fall in Südwestafrika.
3malige Anfrischung und Naht ohne Erfolg, ebenso das osteoplastische
Verfahren nach W. Müller: Am 2. Oktober 1907 Implantation eines
6 cm langen Periostknochenstückes aus der linken Tibia zwischen die
treppenartig angefrischten und auseinander gezogenen Fragmentenden.
Bei der Art der vorgenommenen Anfrischung läßt sich das eingepflanzte
Knochenstück nur mangelhaft durch einige Periostnähte an Ort und
Stelle fixieren. Hautnaht, Drainage. Verband und Fixierung des
Armes auf einem Middeldorpff’schen Triangel. Verlauf anfangs
reaktionslos. Fast 5 Wochen nach der Operation bildete sich ein
Abszeß an der Implantationsstelle, der inzidiert werden mußte. Aus
der Inzisionswunde entwickelte sich eine Fistel, die sich erst schloß,
als sich ein kleinfingernagelgroßer Sequester aus ihr entleert hatte. Pat.
machte dann später noch ein Erysipel durch, das zu einer Abszeß-
bildung in der Achselhöhle geführt hatte.
Trotz all dieser Komplikation ist der überpflanzte Knochen nicht
ausgestoßen worden, sondern ist eingeheilt. Er ist aber, vermutlich
infolge der ungenügenden Fixierung, bis jetzt, d. h. ca. 61/, Monate
nach der Operation, noch nicht in feste Verbindung mit den Fraktur-
enden getreten, so daß noch deutliche Wackelbewegungen an der Im-
plantationsstelle nachweisbar sind.
Die Röntgenbilder zeigen, daß das Ersatzstück oben und unten
von Oallusmassen umwuchert wird, die von den Humerusenden ge-
bildet werden und sich einander entgegen wachsen, gegenwärtig aber
erst die Enden des eingepflanzten Stückes pfannenartig umgeben.
Dieses selbst ist kürzer geworden und hat eine mehr ovale Form an-
genommen, indem vorwiegend seine Ecken und Enden der Resorption
zum Opfer gefallen sind, d. h. also diejenigen Teile, wo das mitver-
pflanzte Periost nicht ganz fest haftete bzw. bei der Fixierung vom
Knochen gelöst wurde.
Der Fall lehrt, daß man bei der Überpflanzung von Periost-
knochenstücken auf möglichst feste Verbindung des Ersatzstückes mit
dem Knochen, der den Defekt aufweist, das größte Gewicht zu legen
hat. Bei mangelhafter Fixierung treten infolge der elastischen Re-
traktion der Muskeln Verschiebungen ein, und es kommt durch Be-
wegungen der Knochenenden an der Einpflanzungsstelle zu Ab-
schleifungen an dem Ersatzstücke, das dadurch seiner ursprünglichen
Bestimmung verloren geht. (Selbstbericht.)
en 3 a
Diskussion zu Nr. 14—17.
A. Neumann (Berlin. Demonstration eines Falles von
Osteoplastik.
N. stellt einen 4ljährigen Buchbinder vor, welchem er vor Jahres-
frist die distalen 91/3 cm des linken Radius wegen Sarkom desselben
reseziert und den Defekt durch ein entsprechendes Stück aus der
Tibia in Zusammenhang mit dem Periost derselben ersetzt hat. Das
Ersatzstück ist ohne jede Naht oder Nagelung fest eingeheilt und hat
— durch eine zweckentsprechende Verwendung des mit überpflanzten
Periostes — dem Handgelenk die Beweglichkeit in so hohem Grade
wiedergegeben, daß der Pat. eine vollkommen gebrauchsfähige Hand
wiedererlangt und behalten hat. Die vorgezeigten Röntgenbilder lassen
die anatomischen Verhältnisse gut erkennen, speziell auch die wichtige
Rolle, die dem mitüberpflanzten Periost bei der Knochenneubildung
zuzuerteilen ist. (Selbstbericht.)
_ Braun (Göttingen) deckte einen Defekt des Humerus nach Re-
sektion wegen Knochencyste ebenfalls durch freie Autoplastik aus
der Tibia und erzielte einen vollkommen festen Oberarmknochen.
Boerner (Rastatt).
v. Hacker (Graz) will im Gegensatz zu Lexer kein Transplan-
tationsmaterial von anderen Pat. benutzen, da hierbei eine Übertragung
von Krankheitskeimen nicht mit Sicherheit auszuschließen sei.
Axhausen (Berlin) betont auf Grund seiner Tierversuche, daB
die Mitüberpflanzung von Periost notwendig sei, wenn man einen
dauernden Ersatz erzielen wolle; das transplantierte Periost bleib am
Leben und produziert Knochen.
Löwenfeld (Utrecht) berichtet über einen Fall von Autoplastik.
Kausch (Schöneberg) ist der Ansicht, daß toter, selbst ausge-
kochter Knochen trotz des Fehlens des Periostes einheile; Leichen-
knochen allerdings nicht.
Bade (Hannover) ist mit der Versteifung des Fußgelenkes durch
Bolzung, wie Lexer vorschlägt, nicht einverstanden, da für die Funk-
tion des Fußes eine geringe Beweglichkeit des Fußgelenkes notwendig
sei. Andererseits lasse sich eine Versteifung des Kniegelenkes auch
durch langdauernde Verbände erreichen. Boerner (Rastatt).
18) M. v. Brunn (Tübingen). Über neuere Bestrebungen
zur Verbesserung und Vereinfachung der Hautdesinfektion.
Alkohol als einziges Desinfektionsmittel.
Die bisher üblichen, meist mehraktigen und ziemlich komplizierten
Desinfektionsverfahren haben sämtlich nicht vermocht, ein keimfreies
Operieren zu ermöglichen. Daher machen sich in neuerer Zeit immer
mehr Bestrebungen geltend, auf die Entfernung der Bakterien von
der Haut überhaupt zu verzichten und nur dafür zu sorgen, daß
a Ale ge
während der Operation keine oder doch wenigstens nicht allzu viele
Bakterien sich von der Hautoberfläche ablösen. Dieses Ziel zu er-
reichen, gelingt durch die Desinfektion ausschließlich mit
reinem 96%igen Alkohol, der in der v. Bruns’schen Klinik im
letzten Halbjahr ausschließlich zur Desinfektion der Haut von Händen
und Operationsfeld benutzt wurde. Die Veränderung der Hautober-
fläche durch den Alkohol derart, daß kleinste korpuskuläre Elemente
auf ihr festgehalten werden, ist schon vielfach in der Literatur er-
wiesen, wurde aber bisher fast immer gegen den Wert der Alkohol-
desinfektion ins Feld geführt. Da es bei der reinen Alkoholdesin-
fektion nicht auf eine Abtötung der Bakterien abgesehen ist, welche
innerhalb der zur Desinfektion praktisch in Betracht kommenden Zeit
nicht gelingt, sondern auf eine Schrumpfung der Haut durch Wasser-
entziehung, so ist den stark wasserentziehenden hohen Kon-
zentrationen der Vorzug zu geben vor den etwas stärker bak-
teriziden schwächeren Konzentrationen. Eine vorausgeschickte
Waschung mit Wasser und Seife ist unzweckmäßig und beein-
trächtigt den Desinfektionseffekt. Eine zu starke mechanische Be-
arbeitung der Haut ist zu unterlassen, damit nicht aus den tieferen
Hautschichten Bakterien an die Oberfläche gebracht werden, die man
dann doch schließlich nicht entfernen kann, und damit Hautschädi-
gungen unter allen Umständen vermieden werden.
Die praktische Ausführung der Desinfektion besteht darin, daß
mit einem in Gaze gehüllten Wattebausch die Haut der Hände und
des Operationsfeldes 5—10 Minuten lang in 96 gigem Alkohol abge-
rieben wird. Selbstverständlich müssen die Hände schon vorher im
gewöhnlichen Sinne rein sein, auch sollen die Pat. das übliche
Reinigungsvollbad am Abend vor der Operation oder am Morgen des
Operationstages, wenn möglich aber nicht unmittelbar vor der Opera-
tion, bekommen haben. Nach beendeter Desinfektion ist eine zu starke
Benetzung der Haut zu vermeiden, weil durch Aufweichung der Haut
die Bakterienabgabe wieder vermehrt werden kann. Es empfiehlt sich
daher, die Hand mit sterilen Gummihandschuhen zu bedecken, während
besondere Vorsichtsmaßregeln am Operationsfeld nach den bisherigen
Erfahrungen überflüssig zu sein scheinen.
Die reine Alkoholdesinfektion leistet nach den bisherigen Er-
fahrungen praktisch vollkommen Ausreichendes auf so einfache Weise,
wie kein anderes Desinfektionsverfahren und ist bei der leichten Zu-
gänglichkeit des Desinfektionsmittels zur weitesten Verbreitung be-
sonders geeignet. (Selbstbericht )
19) Heusner. Über Jodbenzindesinfektion.
Dem Spiritus gegenüber besitzt das Benzin wie auch die Jod-
benzin-Paraffinlösung den Vorzug weit stärkerer fettlösender Kraft.
Daher bleibt das Jodbenzin überlegen, wenn es sich um Entfernung
von Maschinenschmiere und sonstigen fettigen Verunreinigungen der
A| u
Haut handelt, ebenso zum Reinigen eiternder und jauchender Wunden.
Gut bewährt hat es sich ferner zur Desinfektion des Mundes bei
Zahnkaries und Mundfäule. (Selbstbericht.)
20) Klapp und Dönitz (Berlin). Über Chirosoter.
Der Zweck bei der Anwendung des Chirosoters ist der, daß man
die Keime in ihren Schlupfwinkeln auf der Haut festkleben will. Wir
betrachten das Chirosoter nur als Fixationsmittel für die Keime, eine
homogene Decke ist nicht beabsichtigt.
Man muß die Haut mit besonderer Vorsicht auf den Gebrauch
des Chirosoters vorbereiten. Wenn man nicht nach unserer Vorschrift
vorgeht, so werden Mißerfolge nicht ausbleiben. Wir bereiten das
Operationsfeld in folgender Weise vor: Am Tage vor der Operation
wird die Haut in ganzer Ausdehnung des Operationsfeldes mit 3 iger
alkoholischer Formollösung eingepinselt, und zwar wird die Haut etwa
3 Minuten lang mit der genannten Lösung feucht erhalten. Am Tage
der Operation und kurz vor der letzteren geschieht noch einmal das-
selbe, worauf das Operationsfeld mit dem Chirosoterspray angefeuchtet
wird. Der Operateur bereitet sich folgendermaßen vor: nach kurzer
Reinigung der Hände mit Wasser und Seife werden dieselben sehr
gründlich mit einem Handtuch abgetrocknet. Dann wäscht man sich
3 Minuten lang in 70 &igem Alkohol, und nachdem der Alkohol abge-
trocknet ist, gebrauchen wir wiederum das Chirosoter in Sprayform.
Die bakteriologischen Ergebnisse sind recht gut. Sie wurden auch
von anderen Arzten, so z. B. von Meissner und von Brunn be-
stätigt. Die Haut verträgt das Chirosoter sehr gut, wenn man nur
die eine Vorsicht gebraucht, daß man es nicht im Überschuß ver-
wendet, so daß es an dem Körper herunterläuft und an Stellen ge-
langt, wo es nicht verdunsten kann. Wenn man nach diesen Vor-
schriften vorgeht, wird es niemals zur Verbrennung der Haut kommen.
Wir fügen noch hinzu, daß eine Vorbereitung der Hände mit Jod-
benzin sehr unzweckmäßig ist.
Die praktischen Erfahrungen, welche wir seit dem 1. August 1907
in der Kgl. chirurgischen Klinik erzielt haben, sind günstig. Während
der genannten Zeit wurde das Mittel bei sämtlichen Operationen der
Klinik und Poliklinik angewendet. Was die Wundheilung anlangt,
so war dieselbe tadellos, so daß wir das Mittel nur weiter empfehlen
können. | (Selbstbericht.)
21) Wederhake (Düsseldorf). Desinfektion der Hände und
des Operationsfeldes mittels Dermagummit.
W. empfiehlt, an Stelle des feuergefährlichen Benzins beim Ge-
brauche der Heusner’schen Methode den Tetrachlorkohlenstoff zu
verwenden. Derselbe ist nicht feuergefährlich, billig, ein ausgezeich-
netes Lösungsmittel für Fette, Jod, Brom usw. Man sollte ihn des-
wegen in der Chirurgie überall da verwenden, wo man bisher den
ent BI
teueren und feuergefährlichen Ather zu mechanischen Reinigungs-
zwecken gebraucht hat. Bei seinem Gebrauch ist nur die Vorsichts-
maßregel zu beachten, daß er nicht in großen Quantitäten vom Ope-
rationsfeld herabläuft, um sich z. B. beim liegenden Kranken auf
dessen Rücken zu sammeln. Gebraucht man ihn zur Händedesinfektion
oder zu Reinigung des Operationsfeldes, so reibt man 3 Minuten lang
mit einer Lösung von 1,0 Jod in 1000,00 Tetrachlorkohlenstoff ab.
Die auf diese Weise erzielten Resultate entsprechen einer Keim-
verminderung von 95—99%. Um jedoch möglichst keimfrei zu ope-
rieren, muĝ man die Hand und das Operationsfeld noch mit einem
undurchlässigen Überzug versehen. Als solcher hat sich dem Vortr.
das Dermagummit bewährt, welches von der Fabrik Dr. Degen & Kuth,
Düren (Rheinland) oder aus jeder Apotheke bezogen werden kann.
Das Dermagummit ist eine eigenartige, kaum klebende Jodkautschuk-
lösung in Tetrachlorkohlenstoff, das beim Verreiben auf der Haut
einen bakteriendichten Überzug bildet, welcher nur durch kautschuk-
lösende Mittel wieder entfernt werden kann. Auf Grund klinischer
und bakteriologischer Untersuchungen kann das Dermagummit emp-
fohblen werden. Es kann auch als Überzug nach der Desinfektion
nach Fürbringer, Ahlfeld usw. gebraucht werden, nur müssen die
Hände vor dem Auftragen des Dermagummit trocken sein.
Auch $ilberseide und Silberkautschukseide in stets steriler Packung
(Demonstration) können aus den Apotheken oder von der Fabrik
Dr. Degen & Kuth, Düren (Rheinland) in Packungen von 4,5, 10
und 50 m bezogen werden. (Selbstbericht.)
Diskussion zu Nr. 18—21.
C. Brunner (Münsterlingen) hat das Heusner’sche Jodbenzinver-
fahren im Laufe des letzten halben Jahres konsequent für die Des-
infektion der Haut des Operationsfeldes eingeführt und an Stelle der
Fürbringer’schen Methode beibehalten. Für die Desinfektion der
Hände wurde es verlassen, da die Erfahrung gemacht wurde, daß
die Haut der Hände rissig wurde. Die Desinfektion des Operations-
feldes ist während der von Heusner vorgeschriebenen Zeit von 8 bis
10 Minuten immer gut vertragen worden, mit Ausnahme am Skrotum bei
Herniotomien. Hier wurde Ekzem beobachtet. Vor der Fürbringer-
schen Methode hat das Heusner’sche Verfahren bei ebenso großer
Leistungsfähigkeit den Vorteil größerer Einfachheit und Kürze.
Vollständige Amykosis — Redner gebraucht diesen Ausdruck
an Stelle des Wortes Asepsis —, Fernhaltung aller Keime von den
Operationswunden wurde auch bei Benutzung des Deckverfahrens, bei
Anwendung des Döderlein’schen Gaudaninüberzuges, unter Be-
nutzung des ganzen sogenannten verschärften modernen Wundschutzes,
d. h. bei Anwendung von Gummihandschuhen, Kopfmützen, Mund-
binden, nie erreicht, wohl aber starke Keimreduktion. Es stimmen
auch darin die Untersuchungsergebnisse mit denen des Herrn v. Brunn
überein. B. bezweifelt, daß wir das, was jetzt als Ideal bezeichnet
sa BI
wird, die absolute Keimfreiheit operativer Wunden, zu erzielen ver-
mögen. Vom praktischen Gesichtspunkt aus liegt dafür nach seinen
Erfahrungen das Bedürfnis nicht vor. Erzielt er Konstanz infektions-
loser Heilung, so gibt er sich damit zufrieden. Einige Keime werden
die Gewebe wohl auch in Zukunft bei jedem Verfahren zu verdauen
haben. (Selbstbericht.)
v. Krafft (Innsbruck) berichtet über seine Versuche bezüglich
der Bildung von Antikörpern bei Staphylokokkeninfektion und die
dadurch ermöglichte Diagnose der bestimmten Art der Infektion.
Braatz (Königsberg) hebt hervor, daß seine eigenen, vor vielen
Jahren gemachten Erfahrungen heute von v. Brunn bestätigt wor-
den seien.
Erler (Treptow) sprach sich gegen Hautlacke aus. Durch die-
selben wird die Körperfeuchtigkeit am Verdunsten verhindert; sie
bricht dann in kurzer Zeit mit elementarer Gewalt durch und reißt
die Keime, die inzwischen unter dem Lacküberzug aufgeschwemmt und
angesammelt sind, mit sich fort.
Die Löcher, welche der hervorperlende Schweiß setzt, sind durch
Höllensteinlösungen nachzuweisen. Bei einer schlecht desinfizierten
Hand ist jeder Hautlack insofern schädlich, als er die Keime erst
hervortreibt.
(Vgl. Fortschritte der Medizin Bd. XVII 1900. Nr. 23. Erler,
Antiseptische Harzkollodiumlösungen und Improvisieren der regel-
rechten Händedesinfektion. (Selbstbericht.)
Herhold (Brandenburg) spricht ebenfalls zur Catgutsterilisation.
Heidenhain (Worms) empfiehlt den Seifenspiritus zur Desinfektion
der Haut.
Kausch (Schöneberg) ist ebenfalls immer wieder zum Seifen-
spiritus zurückgekehrt und benutzt stets Zwirnhandschuhe.
Boerner (Rastatt).
22) Chlumsky (Krakau). Eine neue und einfache Methode
der Catgutsterilisation.
C. legt Catgutfäden, so wie er sie aus der Fabrik bekommt, in
eine Mischung von reiner Karbolsäure (1 Teil) und Kampfer (Camphora
trita 2 Teile), mit Zugabe von einigen Tropfen Spir. absol. Diese Lö-
sung wirkt hochgradig antiseptisch und zeichnet sich vor anderen
Karbollösungen dadurch aus, daß sie nicht ätzt. Man kann sie di-
rekt auf die Hand gießen, ohne die Haut zu ätzen. C. hat diese
Lösung im Zentralblatt für Chirurgie vor einigen Jahren als ein
hervorragendes Mittel gegen Erysipelas und gegen chirurgische In-
fektionen empfohlen. Sie wurde seit der Zeit von mehreren Kollegen
(Müller, Klebel, Nespor usw.) geprüft und als sehr gut und wir-
kend erkannt.
eo AU. me
Die Catgutfäden bleiben in der genannten Lösung 5—8 Wochen
liegen und werden dann direkt benutzt. Will man aseptisch ope-
rieren, dann taucht man sie auf einige Augenblicke vor dem Gebrauch
in steriles Wasser, um den Überfluß der antiseptischen Lösung zu
entfernen.
Bakteriologisch untersucht, zeigten die Fäden, welche aus ver-
schiedenen Fabriken geliefert und dann in die Lösung getaucht wurden,
schon nach einigen Stunden kein Bakterienwachstum. Absichtlich mit
sehr virulenten Kokken infiziert, waren sie noch nach 3—5 Wochen
nicht steril. Um also die Sterilisation der Fäden zu beschleunigen,
legt ©. die Fäden zuerst in eine 1%ige Jod-Jodkalilösung (Olaudius)
und nach 5—6 Tagen erst in die oben genannte Kampferlösung. Die
so behandelten Fäden sind fest und unbegrenzt haltbar. Sie können
direkt aus der Lösung zur Operation benutzt werden.
(Selbstbericht.)
23) Spechtenhauser (Wels). Über »Wienerdraht« (Demon-
stration).
Auf Grund 2jähriger Erfahrung empfiehlt Vortr. einen Aluminium-
Bronzedraht, der aus feinsten Elementen drahtseilartig gedreht ist und
der eine technische Lücke ausfüllt. Das Material verbindet alle Vor-
züge des Drahtes (Zugfestigkeit bis 150 kg, Dauerwirkung und abso-
lute Sterilisierbarkeit) mit jenen der Seide (Geschmeidigkeit, einfädelbar
wie Seide, knöpfbar mit einfachem chirurgischen Knoten). Der Wiener-
draht vereinfacht die Anwendung von Draht in der Chirurgie und
Gymäkologie, macht, da er Knoten verträgt, das Drehen, das gewöhn-
lich auch Bruch zur Folge hatte, überflüssig und liefert bei seiner
außerordentlichen Geschmeidigkeit und Zugfestigkeit absolut sichere
Dauernähte. Demnach ist er in erster Linie für Knochennaht (Pa-
tella!), dann für Sehnen-, Bruch-, Bauchdeckennähte und für Damm-
nähte zu empfehlen und in diesen Fällen einwandsfrei erprobt worden.
Außer Vortr. verwendete ihn bisher die Klinik v. Eiselsberg (Wien)
und Brenner (Linz) zur vollsten Zufriedenheit.
Fabrikant: R. Kutil, Wien IX, Spitalgasse 7.
(Selbstbericht.)
24) Doberauer (Komotau). Die Unterbindung großer Gefäß-
stämme mit Hilfe der allmählichen Zuschnürung.
D. berichtet über ein Verfahren, große Gefaßstämme zu unter-
binden, ohne die Gefahren der peripheren Gangrän und der plötzlichen
Drucksteigerung im Gefäßsystem. Er legt zunächst um den betreffenden
Gefäßstamm einen dünnwandigen Gummischlauch, der durch Torsion
allmählich zugeschnürt wird und so das Lumen des Gefäßes immer
mehr verengt und schließlich ganz aufhebt. Während dieser Zeit
(2—4 Tage kamen in D.’s Fällen zur Anwendung) werden die kolla-
teralen Bahnen genügend ausgebildet, so daB nicht bloß die Unter-
Ze Ah u
bindung, sondern auch ausgedehnte Resektion der Hauptstämme mit
Verzweigungen unter Erhaltung der Extremität und ohne Gefahr für
das Herz ausgeführt werden kann. Hervorzuheben ist, daß die temporäre
Ligatur die Intima nicht schädigt und keine Thrombose macht; man
kann somit, falls die Resektion des Gefäßstammes sich als vermeidbar
erweist, die Zirkulation in demselben jederzeit wieder freigeben. Für
die Operation von Tumoren und Aneurysmen scheint die Methode
empfehlenswert. D. übte sie mit Erfolg zweimal an der Art. iliaca
communis. Die Indikation zur Operation gaben maligne Tumoren,
welche auf die Gefäßstämme übergegriffen hatten; sie kann ohne
weiteres auf die Carotis übertragen werden, für welche Jordan auch
die probeweise Ligatur in Vorschlag gebracht hat. (Selbstbericht.)
25) Föderl (Wien). Zur Therapie der Aktinomykose.
F. berichtet über sechs Fälle von Aktinomykose, welche an-
scheinend durch Injektionen von Natr. kakodylikum geheilt wurden.
Es handelte sich immer um Infektion von der Mundhöhle aus mit der
Lokalisation der Abszesse und Infiltration an der Zunge, am Halse
mit perilaryngealer Ausbreitung, in der Regio temporalis mit Uber-
greifen auf die Schädelbasis und am Unterkiefer unter Mitbeteiligung
der Submaxillardrüsen.
Am 1. Tage wurde von einer 10 %igen wäBrigen Lösung intramus-
kulär in die Nates ein Viertel einer Pravaz’schen Spritze voll in-
jiziert, um in den folgenden Tagen um je eine Viertel Spritze anzu-
steigen, durch eine Woche hindurch eine ganze Spritze voll zu inji-
zieren und in der Menge wieder zurückzugehen, worauf ein neuer
Turnus folgte.
Neben dieser allgemeinen Behandlung beschränkte sich die lokale
auf Punktion oder kleine Inzision von Abzessen und auf indifferente
Wundversorgung.
Größere operative Eingriffe, wie Exkochleationen, ausgedehnte In-
zisionen und Exstirpationen wurden vermieden.
F. empfiehlt für Fälle, in welchen mit Jodnatrium nicht dör ge-
wünschte Erfolg erzielt wird, Injektionen mit Natr. kakodylicum zu
versuchen. (Selbstbericht.)
Diskussion.
Schlange (Hannover) erinnert daran, daß die Aktinomykose eine
große Neigung zur spontanen Heilung hat. Man braucht nur zu in-
zidieren und Sorge zu tragen, daß die Aktinomyceskörner entleert
werden können. 8. hält alle inneren Mittel für aussichtslos, hat auch
vom Jod nichts Besonderes gesehen.
Foederl gibt die Spontanheilung zu. Er wollte nur darauf hin-
weisen, daß sich unter seiner Behandlung die Infiltrate in überraschend
schneller Weise zurückgebildet haben. Nach den Erfahrungen der
Tierärzte ist die einfache Eröffnung der Abszesse auch nicht genügend;
zen. AG a
sie werden vielmehr weithin gespalten, mit Jod bestrichen und letzteres
besonders intern gegeben. Goebel (Breslau).
26) Fossler (München). Versuche über Wirkung des Spitz-
geschosses.
Veröffentlicht mit Genehmigung des Kgl. bayr. und Kgl. preuß.
Kriegsministeriums.
Vortr. hat 1906/7 durch Unterstützung der bayr. Militärschieß-
schule mit der neuen S-Munition 8 mm Kaliber des deutschen Infan-
teriegewehres bei kriegsmäßiger Volladung Versuche auf 50, 150, 600,
700, 800, 1000, 1300 und 1500 m angestellt. Als Ziele dienten frische
und konservierte menschliche Leichenteile, frische Tierleichen.
Schon seit Jahren gingen die ballistischen und taktischen Bestre-
bungen dahin, durch Einführung einer steilen Spitze beim Infanterie-
geschoß eine größere Rasanz (Flachheit der Flugbahn), leichtere Über-
windung des Luftwiderstandes zu ermöglichen. Doch scheiterten diese
Versuche lange Zeit daran, daß ein solches Geschoß wegen starker
Rückwärtslagerung seines Schwerpunktes leicht mit seiner Längsachse
aus der Schußrichtung geriet. Diese Erhaltung des Geschosses mit
seiner Längsachse in der Flugbahn gelang nur durch Steigerung der
Anfangsgeschwindigkeit und sehr innige Führung in den Gewehr-
zügen.
Frankreich hat zuerst ein derartiges sehr langes Kupfergeschoß
eingeführt, vielleicht zur Steigerung der Verwundungsfähigkeit so lang,
wie es der Lademechanismus des Gewehres nur gestattet, weil mit
Zunahme der Länge die Häufigkeit der Querschläger wächst.
Deutschland besitzt in der S-Munition benannten Patrone ein
nickelplattiertes Stahlmantelgeschoß mit Hartbleikern, welches viel
kleiner, leichter ist und eine fast kegelförmige Spitze besitzt, während
die des französischen torpedoähnlich zuläuft. Die Anfangsgeschwindig-
keit des deutschen ist noch bedeutender als die des französischen,
viel bedeutender als die der bisherigen spitzbogenförmigen (ogivalen)
Geschosse.
Auch England setzt bereits seinem Lee-metfordgeschoß eine lange
Spitze auf. — Das deutsche Spitzgeschoß trifft für gewöhnlich auf
alle Entfernungen mit der Spitze auf. Sein Hauteinschuß ist bei
- Ersttreffern etwas kleiner als die des bisherigen ogivalen Modell 88.
Er ist bei Ersttreffern immer fein gezähnelt und durch zähen Pulver-
schleim auf alle Entfernungen schwarz gerändert.
Der Weichteilschußkanal ist nicht ganz glattwandig, eng.
Der Hautausschuß, wenn kein wechselnder Widerstand entgegen-
getreten ist, meist ebenso klein, rund, häufiger schlitzförmig.
Ist aber das Geschoß vor Erreichung des Zieles auch nur leicht
seitlich irgendwo angestreift, oder durchbohrt es ein Ziel mit verschie-
denartig geschichtetem Widerstand, oder gelangt es durch mehrere
Ziele mit Luftzwischenraum, so wird seine Spitze sofort abgelenkt, es
—. 41 —
fängt infolge der Rückwärtslagerung seines Schwerpunktes zu pendeln
an, wendet sich wiederholt meist unter Rechtsdrehung seitlich in ver-
schiedene Quer- und Schieflagen, kann sich auch ganz überschlagen.
Modell 83 macht ähnliche Querschläger meist nur bei schon erlahmen-
der Kraft, vorzugsweise in weiten Entfernungen, das S-Geschoß auf
alle Schußweiten, mit Vorliebe sogar auf mittlere und nahe. Wegen
der außerordentlich hohen Anfangsgeschwindigkeit des S-Geschosses
haben daher auch seine Querschläger, welche die Schußrichtung oft
noch sehr energisch beibehalten, auch sehr bedeutende Wirkung. Die
Geschoßwendung kann noch im selben Körperteil nach Sehnen- oder
Knochenberührung in der Richtung zum Ausschuß als trichterförmige
Erweiterung desselben, aber auch in Körperhöhlen, endlich in Körper-
teilen hintereinander bei Luftabstand eintreten. F. hat in derartigen
Versuchen gezeigt, wie groß die Zertrümmerung und Platzwunde im
Zweitgetroffenen sein kann, auch im Röntgenbild die Knochenzer-
störung nachgewiesen.
Durch Beschüsse von mehrfachen Pappendeckel-Sägemehlschichten
hintereinander unter Luftabstand läßt sich die Geschoßwendung von
Fall zu Fall demonstrieren.
Man hat demnach in der Wirkung beim S-Geschoß Spitzentreffer
von Zweittreffern bzw. Querschlägern, da diese viel häufiger vorkommen,
auf alle Entfernungen wohl zu unterscheiden. Bei den Querschlägern
sind die Ein- und Ausschüsse, die Schußkanäle, die Knochenzertrümme-
rungen, die Zerreißungen der Weichteile, namentlich auf Entfernungen
bis zu 1000 m, wegen der außergewöhnlich hohen Anfangsgeschwindig-
keit, immer größer als bei Ersttreffern.
Eine Zoneneinteilung gibt es ebensowenig als bei Modell 88.
Doch nimmt von 1500 m die Schwere der Verletzungen rascher ab
als bei Modell 88, weil das Geschoß leichter ist, dementsprechend
seine Anfangsgeschwindigkeit bzw. Arbeitskraft rascher erlahmt. Man-
telreißen wurde äußerst selten, unter 26100 Schüssen mit 400 Treffern
nur dreimal, darunter je einmal bei Hundeoberschenkelknochen, bzw.
bei der Tibia des Menschen und des Pferdes auf 700 und 400 m be-
obachtet. Die Spitze wurde je einmal an der Crista tibiae des Men-
schen (der härtesten Knochenstelle) auf 1200 und 600 m abgebrochen.
Der Stahlmantel ist an der Spitze verstärkt; deshalb durchdringt
das S-Geschoß eher ein Hindernis, als daß es bricht. Trotz der
starken Spitze, trotz der ungewöhnlich hohen Anfangsgeschwindigkeit,
also trotz Erhöhung der absoluten Durchschlagskraft bleibt aber vom
neuen Geschoß schon bei 1300 m Entfernung (vgl. Kranzfelder-
Oertel, Deutsche med. Wochenschrift 1906, Nr. 13) ein größerer
Prozentsatz im menschlichen Körper stecken als von Modell 88, weil
es sich leichter querstellt, rascher ermattet.
Tuchfasern werden nur bei engem Anliegen in den Schußkanal
mithineingerissen. Bei zweitgetroffenen Objekten ist der Einschuß nie
schwarz umsäumt. Der schwarze Saum des Einschusses kann forense
Bedeutung gewinnen.
au A gun
Die Knochenverletzungen sind typisch wie bei den ogivalen Ge-
schossen; wenn das S-Geschoß als Ersttreffer anlangt, ist die Seiten
wirkung wegen der steilen Spitze eher etwas geringer als bei Modell 88,
die Splitterzone vielleicht kürzer, aber von der diagonalen (radiären)
Fissurenform in der Dia- und Metaphyse wie früher. In Epiphysen,
platten und anderen spongiösen Knochen sind die Lochschüsse häufiger
bei S.
Auch die Vollschädelverletzungen verhalten sich wie bei Modell 88
mit geringer Einschränkung der radiären Fissuren (vgl. Kranz-
felder-Oertel). Gegen den Ausschuß hin ist bei S die Wirkung
oft bedeutender, weil es sich sowohl innerhalb des Gehirnschädels, als
auch in den Nebenhöhlen des Gesichtsschädels sofort quer legt. Dies
ist schon am enthirnten Schädel sehr deutlich. Also »Glücksschüsse«
mit minimalen Verletzungen durch die Oberkieferhöhle zum Nacken, wie
sie F. mehrmals 1900 in Südafrika gesehen hat, werden seltener.
Ahnlich wird es mit Durchbohrungen des Brust- und Bauchraumes
sein, wenn das Geschoß Gelegenheit hat, sich schon innerhalb des
Körpers durch Anstreifen an Knochen querzulegen. F. beobachtete
z. B. bei Durchschüssen vom Brustraum des Pferdes mit Rippenver-
letzung auf 700 m Schlitze in der Lunge, durch welche man zwei
Finger legen konnte. Schon die Muskelzwischenwand des leeren
Herzens genügt zur Querstellung im Ausschuß. — Die Serosa des
Darmes weicht im Einschuß weiter auseinander als die Schleimhaut.
Seitliche Magendurchschüsse zeigen vollkommenen Ventilverschluß, so
daß kaum Inhalt ausfließt. Die Darmdurchschüsse sind auf nahe
Entfernung weit zerrissen, auf mittlere kaliberweit bei Ersttreffern.
Futtergefüllter Darm des Pferdes wird faustgroß zerrissen.
Nur einmal unter 12 Fällen wurde bei perforierenden Bauch-
schüssen kein Darm verletzt. Dies läßt allerdings nicht auf den
lebenden Darm rückschließen. Doch glaubt F., daß der steilen Spitze
Gefäße und Eingeweide seltener ausweichen als der ogivalen, weil
letzterer in flüssigen Medien eine einige Millimeter breite Kopfwelle
vorausgeht, welche ersterer fehlt.
Die Verwundungsfähigkeit des neuen Geschosses wird etwas sich
steigern wegen der größeren Rasanz, der in Anbetracht des geringeren
Gewichtes vermehrten Munitionsmenge, wegen der größeren Quer-
schlägerzahl.
Von solchen Querschlägern sind größere Zerstörungen zu er-
warten; daher größere Infektionsgefahr der Wunden, Zunahme der
Blutung, Zunahme der stark beweglichen komplizierten Frakturen,
Zunahme der klaffenden Durchschüsse durch Kopf und den Rumpf
mit ausgedehnteren Eingeweideverletzungen. Dazu kommt noch die
größere Häufigkeit der verlorenen Geschosse. Geht aber das neue
Geschoß als Spitzentreffer durch einen Körperteil, was ebenfalls
häufig vorkommt, dann wird die Verletzung noch gutartiger sein als
bei Modell 88. (Selbstbericht.)
een. AI: en
Kopf.
27) Franz (Berlin). Über Krönlein’sche Schädelschüsse.
Während des südwestafrikanischen Feldzuges wurden fünf derartige
Verletzungen beobachtet. Das Charakteristische derselben ist, wie be-
kannt, daß das im großen und ganzen unversehrte Großhirn bei
Schüssen mit kleinkalibrigem Geschoß (Schweizer Ordonnanzgewehr)
aus der weitgeöffneten Schädelkapsel herausgeschleudert wird.
Den ersten Fall sah ich selbst. Es handelte sich um einen
Selbstmörder, der sich mit seinem Schießgewehr 98 erschossen hatte.
Der Einschuß war sehr groß. Die beiden Stirnbeine und ein Teil
des linken Scheitelbeins waren fortgerissen, das Schädeldach klaffte
bis zur Spitze der Hinterhauptschuppe in der Längsausdehnung etwa
5 cm weit. Die Haut war vom Einschuß aus in weitem Umfange
zerrissen, während die Hautausschußöffnung am Hinterhaupt 2 cm
oberhalb der Protuberantia externa nur 3:2 cm groß war. Ein Blick
in die weitgeöffnete Schädelkapsel zeigte, daß das Großhirn fehlte.
Es war am Pons Varoli abgerissen. Der Schußkanal verlief vom
medialen linken Augenwinkel, die Wurzel der Nasenbeine, die Sella
turcica zerschmetternd, über die Oberfläche des Kleinhirns, auf dieser
eine 4 cm lange und 2 cm breite Halbrinne bildend, zum Ausschuß.
Das Großhirn lag außerhalb der Leiche. Die linke Hemisphäre, nur
an der Spitze des Stirnhirns einen kleinen Defekt zeigend, lag 40 cm
von der rechten Backenseite des Mannes entfernt. Die rechte war in
zwei ungleiche Teile zerrissen; der eine Teil lag 1 m, der andere Teil
zusammen mit dem losgesprengten Stücke des linken Scheitelbeins
3 m nach rechts auf dem Erdboden. Die in transversaler Richtung
verlaufende Trennungsfläche befand sich kurz vor dem Sulcus Rolandi
und} war durchaus glatt. Beide Hemisphären zeigten auch auf der
Basis eine vollkommene Unversehrtheit der Form, namentlich auch der
Hirnwindungen.
Die vier anderen Fälle wurden von anderen Militärärzten be-
obachtet. Beim zweiten sah ein Kollege während des Gefechtes bei
Narus, wie ein Hottentott aus einer Entfernung von 20 Schritt einen
Schädelschuß bekam. Hut und Schädeldecke fallen zuerst, dann erst
der Mann zu Boden. Als der Arzt beim Vordringen unserer Truppen
an die Stelle kommt, sieht er die weitzersprengte leere Schädelkapsel
und etwa 2 m vor der Leiche liegend die beiden voneinander getrennten
in ihrer Konfiguration vollkommen erhaltenen Großhirnhemisphären.
Beim Absuchen eines Gefechtsfeldes wird drittens ein Hottentott
auf dem Rücken liegend gefunden mit weitklaffendem Schädel. Auch
hier ist die Schädelkapsel leer, und in etwa 1 m Entfernung von der
Leiche liegen dicht nebeneinander die wie bei der Sektion aus der
Schädelkapsel herausgehobenen, in ihrer Form vollkommen erhaltenen
Großhirnhälften.
Cbirurgen-Kongreß 1908. 4
ee 150:
Viertens: ein Herero, welcher standrechtlich erschossen werden soll,
macht einen Fluchtversuch. Die Kugel unseres Soldaten dringt ihm
auf eine Entfernung von etwa 30 Schritt in den Schädel. Er stürzte
zu Boden, und der herbeieilende Arzt findet die Schädeldecke wie
abrasiert dicht vor dem Menschen liegen und im Zusammenhang da-
mit das vollkommen erhaltene Großhirn.
Im fünften Falle handelt es sich gleichsam um einen halben Krön-
lein’schen Schädelschuß. Ein Patrouillenunteroffizier war aus unbe-
kannter Entfernung erschossen. Als am nächsten Tage der Arzt zu
der Stelle kam, fehlte die ganze linke Hälfte der Hirnschale, zusammen
mit der Haut. Das linke Auge sowie die angrenzenden Teile des
Oberkiefers und der Nase waren total zersplittert. Die linke Hemi-
sphäre lag in ihrer Konvexität vollkommen erhalten 2 m vor dem
Toten. Ä
Als Herr Professor Krönlein im Jahre 1899 auf dem Chirurgen-
kongreß den ersten Fall einer derartigen Verletzung mitteilte, erschien
derselbe den bisherigen Kenntnissen von der Geschoßwirkung so wider-
sprechend, daß er als eine vorderhand unerklärbare Rarität ange-
sprochen wurde.
Nachdem nunmehr zusammen mit den oben mitgeteilten Fällen
bereits acht solche Schüsse bekannt sind, dürfte es berechtigt sein,
an einen gesetzmäßigen Vorgang zu denken, für welchen die not-
wendigen Bedingungen aber nur selten zutreffen.
Die Annahme, daß die Pulvergase die Ursache sind, dürfte
wohl, da es sich in der Mehrzahl der Fälle nicht um Selbstmörder
handelt, unzutreffend sein.
Auch kann es sich nicht um reduzierte Ladungen handeln,
da nicht anzunehmen ist, daß unsere Soldaten zum Kampf gegen den
Feind mit derartigen Patronen ausgerüstet wurden. Vielmehr erscheint
es mir nicht unmöglich, auch diese Schußverletzung in Einklang mit
den bisher gültigen Theorien über die Geschoßwirkung zu bringen.
Daß Gehirnmassen fortgeschleudert werden, ist einzusehen, da in
einem flüssigen inkompressiblen Stoff, wie es das Gehirn ist, in dem
keine Reibung, keine Festigkeit und keine Kompression vorhanden ist,
die Arbeitsleistung des Geschosses nur in Geschwindigkeitsüber-
tragung besteht.
Wie kommt es nun aber, daß das Großhirn nicht in kleine
Partikel zerspellt fortgerissen wird, sondern gleich einem festen
Körper, gleich den herausgerissenen Knochensplittern
im ganzen unversehrt auf dem Boden liegt? Dafür dürfte folgendes
physikalische Gesetz Aufschluß geben, daß nämlich Flüssigkeiten die
Labilität ihrer Teilchen verlieren und somit zu festen unelastischen
Körpern werden, wenn eine sehr heftige Gewalt innerhalb einer ganz
kurzen Zeitspanne — und das Geschoß durcheilt das Gehirn bei
nahen Entfernungen nur in einem Mehrfachen einer zehntausendstel
Sekunde — auf sie einwirkt.
— 51 —
Ob, wie Hildebrandt meint, die hinter dem Geschoß ein-
dringende Luft dabei eine Rolle spielt, lasse ich dahingestellt, jeden-
falls halte ich dafür, daß sie nicht von entscheidendem Einfluß ist.
Aber es müssen zwei Faktoren erfüllt sein:
Erstens das Geschoß darf das Gehirn möglichst in seiner Substanz
nicht verletzen, sondern es nur an seiner Basis von dem anderen Hirn
abtrennen. In den Fällen von Krönlein war das an der Medulla
oblongata, in meinem Fall am Pons Varoli geschehen.
Ob dabei das Geschoß die Basis cranii im transversalen oder
sagittalen Durchmesser durchsetzt, bleibt sich gleich, denn in meinem
Falle war das letztere eingetreten.
Einen gewissen Wert glaube ich dem Erhaltensein der Pia mater
zuschreiben zu sollen.
Indessen ist auch dieses Moment nicht ausschlaggebend, da in
meinem Fall die Pia kleine Defekte zeigte, und trotzdem in der Nähe
derselben die Zeichnung der Hirnwindungen nicht verändert war, auch
die Hirnmasse hier nicht herausgequollen erschien.
Der zweite Faktor ist: daß nicht nur die Dura mater und die
knöcherne Schädelkapsel, sondern auch die Haut eine genügend weite
Offnung für das Herausfliegen des Großhirns hat. Und letzteres ist
sehr selten der Fall, da auch bei den Schüssen aus allernächster
Entfernung die Elastizität der Haut eine so große ist, daß durch-
schnittlich die Verletzung derselben auffallend klein im Verhältnis zu
der der darunter liegenden Teile ist. (Selbstbericht.)
Diskussion.
Krönlein (Zürich): Einer meiner Schüler hat mir noch eine
Beobachtung mitgeteilt. Bei einem auf dem Klosett gefundenen
Selbstmörder wurde die Hälfte des Gehirns auf dem Boden liegend
gefunden.
Kocher (Bern) hat versucht, die Krönlein’schen Schädelschüsse
nachzuahmen dadurch, daß er eine mit Kartoffelbrei gefüllte Metall-
büchse herstellte, deren Doppelboden mit einer geringen Menge Wasser
gefüllt war. Ein Schuß durch diese Wasserschicht warf die ganze
Füllmasse nach oben hinaus. Die Erklärung, daß die Gehirnbasis
getroffen werden muß, beruht darauf, daß an ihr (Cisterna sub-
arachnoidealis) Flüssigkeit vorhanden ist, die genügt, um die Schädel-
decke aufzuklappen und das Gehirn hinauszuschleudern.
Tilmann (Köln) berichtet über einen Selbstmord in einem ab-
geschlossenen Zimmer. Das Gehirn war erst an die Decke geflogen
und lag dann unversehrt neben der Leiche. Der Lauf war wahr-
scheinlich nur mit Pulver geladen. Es handelte sich also um Wirkung
der Pulvergase. T. hat nun Versuche gemacht, ob bei unseren Schüssen
auch die Pulvergase eine Wirkung ausüben, und es ist ihm in der
Tat gelungen, einen Schädel durch Pulvergase allein zu zertrimmern,
| 1
un BO u
während das Gehirn aus dem Hinterhauptsloch entwich. Jedenfalls
muß der Schußkanal lang sein.
Krönlein: Aus meinen Beobachtungen geht schon hervor, daß
die Theorie, daß die Pulvergase die Wirkung hätten, unhaltbar ist.
Besonders spricht meine zweite Beobachtung dagegen: Ein Soldat er-
schießt aus Versehen seinen Vordermann auf 4—5 Fuß Entfernung.
Die Zuschauer sahen erst das Gehirn herausfliegen und dann erst den
Mann umfallen. Goebel (Breslau).
28) A. Schlesinger (Berlin). Geheilte traumatische Meningitis.
Dem Pat. fiel ein Mauerstein auf den Kopf in Scheitelhöhe.
Nach !/, Jahr eiternde Wunde mit Splitterfraktur des Schädels. Fort-
nahme des nekrotischen Knochens. Darauf weiter Fieber, Kopf-
schmerzen. Wegen Verdacht auf Meningitis Lumbalpunktion. Klarer
Liquor unter starkem Druck. Unmittelbar nachher Verschlimmerung:
rechtsseitige Krämpfe, im Arm beginnend. Tags darauf soporöser Zu-
stand. Freilegung des Armzentrums. Es findet sich metastatische
handtellergroße meningeale Phlegmone über dem linken Arm-
zentrum. Spaltung der Dura, bis überall gesunde weiche Hirnhäute.
Tamponade. Rückgang der Erscheinungen: Am 4. Tage Tampons
entfernt. Größe des Defektes 10:16 cm. Nach 2 Monaten Haut-
periostplastik. Jetzt (11/, Jahre nach der Operation) noch 5mark-
stückgroßer Defekt. Keine Anfälle. Vollständiges Wohlbefinden.
Auffallend war besonders das Fehlen des Hirnprolapses trotz des
enormen Defektes. Sehr wichtig ist es, immer die Phlegmone vollständig
freizulegen. (Selbstbericht.)
29) Salzer (Wien). Zur Anatomie der Cephalokele.
Redner demonstriert mikroskopische Präparate und Zeichnungen
von drei Cephalokelen, die operativ behandelt wurden; und zwar betraf
der eine Fall eine Meningokele occipitalis superior, der zweite eine
Hydrocephalokele occipitalis und der dritte eine sincipitale Encepha-
lokele. Auf Grund der Präparate kann man sagen, daß es Cephalo-
kelen gibt, an deren Aufbau die Dura mater gar keinen Anteil hat,
daß es vorkommt, daß unter der vollständig normalen Haut unmittel-
bar Arachnoidea oder Hirnsubstanz liegt, daß sich Dura und Schweiß-
drüsen tief in die Arachnoidea bzw. Hirnsubstanz einsenken können,
und endlich, daß es Hydrocephalokelen gibt, die den Zusammenhang
mit dem Gehirn vollständig aufgegeben haben. (Selbstbericht.)
30) Haasler (Halle). Beiträge zur Hirnchirurgie.
H. bespricht nach Erfahrungen in der chirurgischen Klinik den
Wert der diagnostischen Hirnpunktion für die Hirnchirurgie.
Speziell bei Hirntumoren, dann aber auch bei entzündlichen Affek-
tionen und bei Hämatom der Dura wurde das Verfahren erprobt. Von
— 53 —
Hirngeschwülsten kamen in der Ara der diagnostischen Hirnpunktion,
d.h. während der letzten 3 Jahre, 23 Fälle in klinische Beobachtung
und Behandlung; von diesen blieben aus verschiedenen Gründen 7 un-
operiert, 16 kamen zur Operation. In diesen Fällen hatte die dia-
gnostische Hirnpunktion zumeist gute Dienste geleistet. Sie gab Aus-
kunft über den genauen Sitz und die Ausdehnung der Neubildung,
über ihre Lage zur Hirnoberfläche, über ihre histologische Beschaffen-
heit. Letzteres wurde dadurch erleichtert, daß etwa die Hälfte der
Tumoren cystisch oder erweicht war; in einem Falle wurde ein Cysti-
cerkenkonglomerat nachgewiesen, einmal ein Kleinhirntuberkel. Für
die Operation besteht der Vorteil darin, daß die Schädelresektion an
geeignetster Stelle und von vornherein in genügender Ausdehnung
angelegt werden kann, daß das Vorgehen in die Tiefe bei negativem
Befund an der Hirnoberfläche einen sicheren Anhalt gewinnt, kühner
und erfolgreicher sich gestaltet.
Von Nachteilen des Verfahrens ist vor allem die Blutung zu er-
wähnen. Sowohl unter den Hirnhäuten als auch im Stichkanal und
in seiner Umgebung fanden sich häufig Blutungen, zumeist jedoch von
ganz geringer Ausdehnung. Nur in 2 Fällen waren sie reichlicher:
Ausgedehnte subdurale Blutung nach wiederholter Ventrikelpunktion
durch dasselbe Bohrloch bei Hirntumor und taubeneigroße subkortikale
Blutung bei einem Fall von Haematoma durae. Die Infektion des
Stichkanals muß zu vermeiden sein; nur einmal wurde bei einer aus-
wärts punktierten Hirncyste Streptokokkeninfektion mit tödlichem Aus-
gang (Meningitis) beobachtet.
Bei älteren Stichkanälen können organisierte kleine Hämatome
mit ihren graurötlichen Granulationsmassen Geschwulstgewebe vor-
täuschen und beim Aufsuchen kleiner Tumoren zu Irrtümern Anlaß
geben. Noch nach Monaten ist die Stichstelle im Gehirn, die Hirn-
narbe zu erkennen. Da das Alter der einzelnen Einstiche bekannt
ist, eignen sich diese Narben vorzüglich zum Studium des Regenera-
tionsprozesses.
Die Hirnpunktion soll nicht zu allzu langem Zuwarten und Auf-
schieben der Operation verleiten. Wenn auch nach erfolgreichen Ven-
trikel- oder Cystenpunktionen mit ausgiebiger Aspiration von Flüssig-
keit, merkwürdigerweise aber auch nach negativen Punktionen öfters
auffällige Besserung beobachtet wird, soll doch möglichst bald operiert
werden. Von den ohne Operation verstorbenen Fällen wären 3 nach
Sitz und Art des Tumors bequem zu operieren gewesen. Von den
16 Operierten wurden 9 als geheilt oder gebessert entlassen, bei den
anderen handelte es sich um nicht radikal entfernbare Tumoren; die
Pat. erlagen in der Mehrzahl erst nach Wochen oder Monaten ihren
Rezidiven. Von jenen 9 Fällen leben noch 6, von denen 4 wohl als
völlig geheilt anzusehen sind. (2 von diesen Pat. wurden vorgestellt,
von denen der eine, vor 3 Jahren operiert [gutartiger Tumor der
linken Zentralfurche, Arm-Facialislähmung, Krämpfe], jetzt völlig
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gesund ist und als Mechaniker arbeitet, der andere wegen Stirnhirn-
sarkom radikal operiert und ebenfalls geheilt ist) _(Selbstbericht.)
31) Payr (Greifswald). Drainage der Hirnventrikel mittels
frei transplantierter Blutgefäße.
Die krankhaften Flüssigkeitsansammlungen in den Hirnventrikeln,
speziell der angeborene und erworbene Hydrocephalus, sind
seit den ältesten Zeiten Gegenstand chirurgischer Heilbestrebungen.
Die wiederholte Punktion der Seitenventrikel ist bis in die aller-
neueste Zeit der wichtigste therapeutische Behelf geblieben; demselben
Zweck dient die moderne, gleichfalls wiederholt anzuwendende spinale
Lumbalpunktion. Zur Heilung führende periodische Spontandurch-
brüche gegen die Schädeloberfläche oder die Nase, sowie die Erkenntnis,
daß es sich beim Hydrocephalus um ein anatomisch bedingtes dauern-
des Mißverhältnis zwischen Absonderung und Abfuhr des Liquor
cerebrospinalis handelt, mußte zum Gedanken eines künstlich zu er-
zielenden dauernden Abflusses, einer Drainage, führen. Seit einem
halben Jahrhundert sind solche Versuche im Gange. Keen, v. Miku-
licz, Cushing, Nicoll u. a. haben an ihrer Ausbildung gearbeitet.
Der Drainage gegen die Schädeloberfläche droht die Gefahr der
sekundären Ventrikelinfektion; dem Abfluß gegen den subaponeuro-
tischen Raum des Schädels, gegen intermuskuläre Bindegewebsräume;
subkutanes Gewebe usw. erwachsen gewichtige Bedenken bezüglich der
Dauerhaftigkeit des Abflusses und der Resorption. Die treffliche Idee
einer Dauerdrainage gegen eine der großen serösen Höhlen des Körpers
vom spinalen Subarachnoidealraum paßt nur für die Fälle mit freier
Kommunikation zwischen den Liquor führenden Räumen von Hirn und
Rückenmark.
Also überall Schwierigkeiten, überall Bedenken zum Teil prinzi-
pieller Natur; dementsprechend sind auch die bisherigen Erfolge gering,
die Erfahrungen nicht sehr ermutigend.
Der Liquor cerebrospinalis hat zwei Abfuhrwege: 1) Gegen die
venöse Blutbahn, 2) gegen die Lymphbahn. Der erstere ist der weit-
aus wichtigere. Gerade er ist nach unseren heutigen, allerdings noch
in manchen Punkten recht lückenhaften Kenntnissen über die Patho-
genese des Hydrocephalus ernstlich gestört.
So kam P. auf den Gedanken, diesen krankhaft gestörten
Abflußweg des Liquor aus den Ventrikeln des Gehirns in
die venöse Blutbahn auf operativem Wege durch einen neu zu
schaffenden Weg wieder zu ermöglichen.
Die Schwierigkeiten, die sich diesem Plan entgegenstellen, sind
nicht unerbeblich.
In Betracht kommen vor allem die Sinus durae matris, die großen
Venen des Schädels und Gesichts und endlich große venöse Blut-
gefäße am Halse.
L G a
Aussicht auf Funktion einer Dauerdrainage haben nur jene
Verfahren, bei denen ein völlig endothelbekleideter Kanal Ven-
trikelhohlraum und Blutbahn verbindet. P. wählte hierfür
vorerst den Vorgang der freien Gefäßtransplantation.
Zahlreiche experimentelle und klinische Erfahrungen auf dem
Gebiete der modernen Gefäßchirurgie (Höpfner, Carrel, Guthrie,
Mariotti, Stich u. a.) legten es P. nahe, Blutgefäßstücke, Arterien
und Venen, völlig aus der Kontinuität des betreffenden Gefäßrohres
entfernt, zu transplantieren.
. Eine Anzahl noch nicht abgeschlossener Tierversuche ergab die
Tatsache einer hohen Vitalität von transplantierten Blutgefäßen und
zeigte, daß sich nicht nur sämtliche Wandungsschichten erhalten,
sondern auch in ihrem Lumen vollständig frei bleiben können. Be-
sonders gut lassen sich Blutgefäße in seröse Höhlen, in Netz, aber
auch in Muskulatur, Fettgewebe usw. überpflanzen. Auch die Organ-
transplantation hatte schon die Tatsache ergeben, daß besonders die
Blutgefäße sich gut erhalten und eine große Rolle für die rasche
Vaskularisation spielen.
P. versuchte deshalb die Dauerdrainage der Ventrikel bei Hydro-
cephalus mittels frei transplantierter Venenstücke — V. saphena —
desselben Individuums.
Es kommen außerdem noch Arterien in Be- Fig.1. Fig.2.
tracht; beide Gefäßgattungen können von demselben
Individuum entnommen sein, oder von einem anderen.
Endlich machen die modernen Versuche über Gefäß-
transplantation es durchaus wahrscheinlich, daß sich
auch Gefäße aus ganz frisch amputierten Extremitäten
oder frischen Leichen, vielleicht sogar von Tieren, er- :
folgreich übertragen lassen.
Am besten bedient man sich jedenfalls von dem-
selben oder einem anderen Individuum operativ ent-
nommener Arterien oder Venen.
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Technik.
Zur Ausführung bedarf man einiger kleiner
instrumenteller Behelfe. — Solche sind:
1) Verschieden dicke Aluminiumtrokars mit einer
Einteilung in !/;, cm, um die Länge des die Gehirn-
substanz durchsetzenden Drainkanals genau kennen
zu lernen, (Fig. 1) (sehr starkes Kaliber).
2) Ein Einführungsinstrumentchen für das zu transplan-
tierende Blutgefäßstück (Fig. 2).
3) Ein Kompressorium für den Sinus longitudinalis |
a. zwei kleine Gummiballons durch T-Rohr gleichzeitig
mit Luft zu füllen am vorderen und hinteren Umfang der
Trepanationsöffnung zwischen Schädelkapsel und Dura einzu-
führen (Fig. 3) oder
b. ein kleines federndes Zangenkompressorium (Fig. 4).
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a De: s
4) Sehr feines Nähwerkzeug, wie feinste halbkreisförmig gebogene
Nadeln, paraffinierte Augenseide, feinste Hakenpinzettchen und ein
für die kleinen Nadeln bestimmter Nadelhalter!.
Obwohl die Drainage am Hinter- und Unterhorn des erweiterten
Seitenventrikels möglich ist, empfiehlt P., sie am Vorderhorn anzulegen.
Im Verlaufe der Koronarnaht wird eine Trepanationsöffnung in
der Weise angelegt, daß die für die rechtsseitige Ventrikeldrainage
bestimmte Schädellücke die Medianlinie etwas nach links überragt und
umgekehrt, um genügenden Zugang zum Sinus sagittalis super. zu er-
halten. Einschneiden der Dura in Lappenform. Probepunktion. des
Seitenventrikels, darauf Punktion mittels Aluminiumtrokar nahe an
der Mantelspalte (Fissura longit. cerebri).
Fig. 3. Fig. 4.
Messung der Dicke der Hirnsubstanz von der Oberfläche bis in
den Ventrikel; durch Entleerung eines Teiles von dessen Inhalt erzielt
man die dringend wünschenswerte Druckentlastung der Piavenen. Der
Trokar bleibt liegen, wird jedoch, da eine volle Entleerung unerwünscht,
verstopft. Vorherige Messung des Druckes ist zweckmäßig.
Jetzt erst wird in schonendster Weise Vene und Arterie frei-
gelegt und exstirpiert (elastische Retraktion ist mit mindestens 50%
anzuschlagen), in ein Gefäß mit körperwarmer physiologischer Flüssigkeit
‚ 1 Dieses Instrumentarium ist im medizinischen Warenhaus, Berlin N., nach
meiner Angabe angefertigt worden.
Zen. 157. en
(Gazetupfer) übertragen. Bei Verwendung von Venen hat das periphere
Ende in den Ventrikel zu sehen, bei Arterien das zentrale. Bei Ver-
wendung von Venen (besonders Vena saphena) verhütet die Anwesenheit
von funktionsfähigen Klappen das unerwünschte Einströmen von Blut
in den Ventrikel. Die Einführung des Blutgefäßes in den Ventrikel
geschieht nach Umstülpung des einen Endes mit dem kleinen Führungs-
instrument. Das Gefäßstück soll nicht weit frei in den Ventrikel ragen,
sondern ihn gerade bequem erreichen. Will man nun in den Sinus
drainieren, so wird dieser temporär komprimiert, eröffnet, das andere
Ende des Gefäßrohres, gleichfalls auf eine kleine Strecke, umgestülpt
eingeführt und durch eine Anzahl feiner Nähte in der Sinuswand be-
festigt, darauf derselbe freigegeben. Beabsichtigt man nur eine
Drainage gegen den subaponeurotischen Raum, so wird das Gefäß durch
eine Lücke des Schädels gegen diesen geführt und an der Dura durch
Naht befestigt. In jedem Falle wird die Hautwunde sorgfältigst
lückenlos geschlossen und ein leichter Kompressionsverband angelegt.
P. hat nach diesem Verfahren an einem 10jährigen Kinde mit
akut entstandenem Hydrocephalus zweimal die Ventrikeldrainage aus-
geführt, einmal subaponeurotisch, das zweitemal in den Längsblut-
leiter. Das Verfahren ließ sich gut durchführen, jedoch sind mehr-
fache technische Fehler gemacht worden, auf welche P. aufmerksam
macht und deren künftige Vermeidung er sicher erhofft. — Der Erfolg
des Eingriffes war, soweit es sich beurteilen ließ, ein günstiger; leider
war das Kind schon zur Zeit der ersten Drainage Dezember 1907
erblindet. ,
Das Verfahren, dessen experimentelle Begründung im Tierversuch
nicht ganz leicht ist, bedarf noch gar mancher mühevoller Unter-
suchungen und technischer Verbesserungen, und hofft P. die demselben
noch anhaftenden Mängel beseitigen zu können.
Das Rückströmen von Blut aus dem Sinus in den Ventrikel läßt
sich auf mehrfache Weise verhüten, am besten bei Verwendung von
Venen mit funktionsfähigen Klappen, ferner durch die Art der Ein-
pflanzung in die Wand des Sinus. Diese Gefahr scheint indes nicht
sehr groß zu sein, da der Liquordruck im Ventrikel den venösen Blut-
druck sehr erheblich überragt; selbst bei durch freien Abfluß erfolgter
Druckausgleichung stellt der Seitenventrikel mit seiner reichlichen
Liquorproduktion einen mit Fluidum gefüllten, nur nach einer Seite
offenen Hohlraum dar, der für einen rückläufigen Blutstrom erst bei
Minusdruck günstige Gelegenheit bieten würde.
Absolut kontraindiziert ist das Verfahren bei im Gefolge ent-
zündlicher Erkrankungen entstandenen akuten Formen von Hydro-
cephalus mit getrübtem oder eitrigem Ventrikelinhalt. Die freie
Gefäßtransplantation dürfte sich außerdem noch auf verschiedenen
anderen Gebieten unseres Faches als nützlich erweisen.
(Selbstbericht.)
Bu IB, e
32) Heile (Wiesbaden). Zur Behandlung des Hydrocephalus.
Bei der Behandlung des angeborenen Hydrocephalus muß man
nach Ansicht des Vortr. die chronische schleichend verlaufende Er-
krankung, wie wir sie mit Hirndruckerscheinungen (Kopfschmerzen
event. Erbrechen usw., geistigem Verfall) oft bei mehr oder weniger
körperlich gut entwickelten Kindern sehen, unterscheiden von den sehr
oft rapid verlaufenden Formen von Hydrocephalus, die sich im ersten
Jahr oft schon bis zu ihrem höchsten Grad entwickeln. Bei der
langsamer verlaufenden Erkrankung hat Vortr. mit großem Erfolg
wiederholte Ventrikel- und Spinalpunktionen angewendet, indem zu
gleicher Zeit im Anschluß an die Punktionen verhältnismäßig große
Jodkaliumdosen innerlich gegeben wurden. In der Kombination
einer Behandlung von wiederholten Punktionen zugleich
mit energischer Jodkaliumkur hat Vortr. ausgesprochene Hirn-
druckerscheinungen bei vier Kindern im Alter von 3—6 Jahren seit
zum Teil mehr als 2 Jahren vollkommen verschwinden sehen.
Zur Rückbildung des akuten Hydrocephalus im Anschluß an
eine operierte Spina bifida hat Vortr. versucht, einen serösen
Kanal, mit Endothel ausgekleidet, herzustellen, um durch ihn
einen dauernden Abfluß der Spinalflüssigkeit in die Bauchhöhle zu
veranlassen. Da in diesem Fall bei der angeborenen früher operierten
Spina bifida die Lendenwirbelsäule nicht voll entwickelt war, war es
leicht, neben der Lendenwirbelsäule vom Rücken aus stumpf mit
Finger und Kornzange in die Bauchhöhle zu dringen, nachdem ein
Hautlappen an der Stelle zurückgeklappt war. 'Durch den Spalt wurde
aus der Bauchhöhle eine Darmschlinge vorgezogen und das Peritoneum
des Darmes an den geöffneten untersten Duraraum angenäht. Der
Hautmuskellappen wurde primär über der Wunde vereinigt, und es
war so in der Tiefe durch die Verbindung von Peritoneum und Dura
ein seröser Verbindungsgang zwischen Bauchhöhle und Spinalkanal fertig-
gestellt. Obwohl das Kind durch zahlreiche vorhergegangene V entrikel-
uud Spinalpunktionen sehr geschwächt war, hat es den Eingriff gut über-
standen. Durch ein Versehen in der Nachbehandlung wurde das in
dauernder steiler Beckenhochlagerung liegende Kind leider plötzlich
aufgerichtet, wodurch ein augenblicklicher, massiger Abfluß der Spinal-
bzw. Ventrikelflüssigkeit in die Bauchhöhle erfolgen mußte. Das
Kind ist dann auch, nachdem es sich bis zu dem Moment des Auf-
hebens aus dem Bette ganz wohl befunden hatte — es trank gut,
hatte kein Fieber und keine Pulsbeschleunigung —, infolge dieser
plötzlichen künstlichen übergroßen Druckentlastung im Chock ge-
storben. Vortr. ist der Ansicht, daß bei besser geleiteter Nach-
behandlung es wahrscheinlich gelungen wäre, das Kind durchzubringen
und, da die Kommunikation zwischen Bauchhöhle und Spinalkanal
frei und der Abfluß ermöglicht war, auf diese Weise eine dauernde
Druckentlastung und damit eine Besserung des Hydrocephalus hätte
erfolgen können.
=, 50 a
Selbstverständlich müssen einer derartigen Druckentlastung nach
der Bauchhöhle Spinalpunktionen vorhergehen, die den Beweis liefern,
daß das Foramen Magendi offen ist, damit nicht nur die Spinal-
flüssigkeit, sondern auch die Ventrikelflüssigkeit abfließen können. In
dem Fall des Vortr. war vor der eben beschriebenen Operation durch
wiederholte Spinalpunktionen bewiesen, daß man in der Höhe der
Lendenwirbelsäule in der Tat durch Abfließen der Zerebrospinal-
flüssigkeit eine Druckentlastung des Gehirns, eine mehrere Zenti-
meter betragende Verringerung des Schädelumfanges herbeiführen
konnte. Vortr. macht darauf aufmerksam, daß es zwar bei mangel-
hafter Entwicklung der Wirbelsäule leicht möglich ist, in der Höhe
der Lendenwirbelsäule Bauchhöhle und Rückenmarkskanal zu ver-
binden, daß es aber bei normaler Anlage der Wirbelsäule seine Be-
denken hat, so hoch neben der Wirbelsäule einzugehen, da man dann
leicht den Lumbal- und Sakralplexus schädigt, und da man weiter in
der Tiefe in Gefahr kommt, die großen Gefäße zu verletzen. Für die
Fälle sollte man nach der Ansicht des Vortr. so vorgehen, daß man
das Steißbein reseziert und event. ein oder zwei Wirbel des Os sacrum.
Hier kommt man schon an den offenen knöchernen Wirbelkanal, in
dem in dieser Höhe nur nicht lebenswichtige Nerven endigen, die das
Perineum versorgen. Man kann einerseits von hier leicht den Dural-
sack punktieren, andererseits aber auch, wenn man die hintere Wand
des Wirbelkanals bis etwa zum zweiten Lendenwirbel, z. B. mit der
Knabberzange, entfernt, leicht den untersten Blindsack des Dural-
raumes freilegen, ohne daß man durch diesen Eingriff die Festigkeit
der Wirbelsäule oder den Zusammenhang von Wirbelsäule und Becken
irgendwie schädigt. Da im übrigen in diesem aufgemeißelten Wirbel-
kanal ja nur, wie gesagt, die unwesentlichen letzten perinealen Nerven-
endigungen liegen, so ist auch eine Schädigung von wesentlichen
Nerven ausgeschlossen. Wenn wir jetzt analog dem Vorgehen bei
Mastdarmoperationen die untere Douglasfalte eröffnen und parietales
oder viszerales Peritoneum genügend vorziehen, so dürfte es möglich
sein, auf diese Weise eine Verbindung von dem untersten Teil
des Spinalkanals mit dem untersten Teil der Bauchhöhle auszulösen.
Vortr. glaubt, daß es wirkungsvoller ist, den Abfluß der Zerebro-
spinalflüssigkeit in eine seröse Höhle, wie z. B. die Bauchhöhle, zu
veranlassen, weil nach den Erfahrungen des Vortr. in der Miku-
licz’schen Klinik man bei Dauerdrainage in das subkutane Gewebe,
am Schädel z. B., immer wiederkehrend sieht, wie die austretende Zere-
brospinalflüssigkeit in dem subkutanen Gewebe einen entzündlichen
Wall veranlaßt, der dem weiterem Ausfließen von Flüssigkeit sehr
hinderlich und der auch durch häufiges Wegmassieren nicht genügend
zu beseitigen ist. (Selbstbericht.)
es
— 60 —
33) Springer (Prag). Zur Behandlung des Hydrocephalus.
S. empfiehlt, die Punktion vom Seitenventrikel in jedem schweren
Falle von Hydrocephalus zu versuchen. Sind die guten Resultate
auch selten und meist erst nach zahlreichen Punktionen erzielt, so
scheine in anderen Fällen ein mechanisch behebbares Hindernis, eine
Art Ventilverschluß, die Ursache des Ventrikelhydrops zu sein. S.
hat an einem 13 Monate alten angeborenen Hydrocephalus durch
Punktion des rechten Seitenventrikels zunächst Abflachung der rechten
Schädelhälfte ohne Nachlassen der Fontanellenspannung erzielt; die
nach 4 Wochen vorgenommene Punktion des linken Seitenventrikels
brachte die Fontanelle zum dauernden Einsinken. Der Schädelumfang
ist seit einem halben Jahre nicht mehr gewachsen, das Kind hat sich
ausgezeichnet entwickelt, die Stauungspapille ist beiderseits ge-
schwunden.
S. nimmt an, daß in diesem Falle jeder Seitenventrikel am
Foramen Monroi durch ventilartige Vorlegung der Plexus choriodei
abgeschlossen war.
Es empfiehlt sich, stets beide Ventrikel kurz nacheinander zu
punktieren, und zwar nach Kocher von der Stirne her. Der Haut-
schnitt ist am besten in kleinem Bogen zu machen und an seiner
Basis das Stirnbein zu durchbohren.
Der umschnittene kleine Lappen verhindert ein nachträgliches
Aussickern von Liquor und damit die sekundäre Meningeninfektion.
(Selbstbericht.)
Diskussion zu Nr. 31—33.
Kausch berichtet über 14 Fälle von Hydrocephalus aus der
Mikulicz’schen Klinik; sämtliche betreffen die frühe Kindheit, der
Schädel ist noch nicht verknöchert. In je einem Falle fand die
Ventrikel- und Lumbalpunktion Anwendung, doch nicht mit Kon-
sequenz; kein Erfolg. Neun Fälle wurden mit subkutaner Drainage
des Seitenventrikels behandelt; einer davon wurde ein wenig gebessert,
alle anderen gingen bald zugrunde. Besonders wichtig ist ein Fall,
in dem die Drainage ausgezeichnet funktionierte und das Kind den
Eingriff 7 Monate überlebte. Es bildeten sich an der Drainagestelle
große subkutane Säcke, die Flüssigkeit wurde aber trotz aller Be-
mühungen nicht resorbiert. K. folgert hieraus, daß diese Art der
Drainage in schweren Fällen mit Reproduktion des Liquor versagt.
In einem Falle wurde die subkutane Drainage des zerebralen
Subduralraumes ausgeführt, in einem die Ableitung des Liquor aus
dem Ventrikel nach der Peritonealhöhle, indem ein Gummidrain sub-
kutan beide verband. Kein Erfolg.
In einem Falle von hochgradigem Wasserkopf mit Spina bifida
wurde der Sack in einen offenen Kanal verwandelt, der in das sub-
kutane Gewebe mündete. Beide Leiden heilten vollständig.
K. spricht sich auf Grund seiner Erfahrungen und der Literatur
se ABl, ses
für die energische Punktion aus, sowohl die ventrikuläre wie die
lumbale, außerdem für die antiluetische Kur. (Selbstbericht.)
Henle (Dortmund) hat ähnliche Versuche wie Payr gemacht.
In einem Falle benutzte er bei einem Kinde ein Stück der Art. ra-
dialis der Mutter als Drainagerohr, und als diese Transplantation
mißglückte, ein Stück der V. saphena; diesmal mit Erfolg.
Boerner (Rastatt).
34) F. Krause (Berlin). Krankenvorstellungen aus der Hirn-
chirurgie.
1) Subkutane Dauerdrainage der Hirnventrikel bei
Hydrocephalus.
Zur dauernden Ableitung des vermehrten Liquors verwendet K.
ein vergoldetes Silberröhrchen (bei Windler zu haben). Ein kleiner,
nur Haut und Galea aponeurotica in sich fassender Lappen wird zur
Seite geschlagen, das Periost längs gespalten und in Form zweier
kleiner Läppchen abpräpariert. Mit der kleinsten Fräse wird der
Schädel durchbohrt, die Dura nicht verletzt. Nun wird die mit der
Silberkanüle überzogene dicke Hohlnadel so weit ins Gehirn ein-
gesenkt, bis Liquor abfließt, die Hohlnadel herausgezogen und die
Kanüle an Ort und Stelle gelassen. Um letztere unverschieblich zu
befestigen, wird sie auf einer an Stelle der Hohlnadel eingeführten
Stricknadel mit der schneidenden Zange 1—1!/, cm oberhalb der
Knochenoberfläche durchtrennt, dann rechts und links mit einer feinen
spitzen Nagelschere bis zum Schädelknochen längs gespalten. Die
beiden so gebildeten Silberzungen werden nach rechts und links recht-
winkelig umgebogen, bis sie der Knochenoberfläche unmittelbar auf-
liegen; über sie werden die beiden Periostläppchen derart durch einige
Catgutnähte fixiert, daß das Kanülenlumen vollständig freibleibt. Die
Kanüle wird also zwischen Knochenfläche und Periost festgehalten.
Zum Schluß wird das Hautläppchen eingenäht.
Die Ventrikelflüssigkeit sickert nun in das subkutane lose Gewebe
und kommt hier zur Resorption. Auch wenn bei Verkleinerung des
Ventrikels die innere Kanülenmündung durch Hirnmasse verlegt wird,
kann Ventrikelflüssigkeit zwischen dem Silberröhrchen und dem Hirn-
kanal aussickern. Gerade das langsame Abfließen ist wünschenswert.
K. hat drei Fälle von chronischem Hydrocephalus mit gutem Aus-
gang — bei einem liegt die Kanüle reizlos seit 7 Monaten —, einen
Fall von akutem Hydrocephalus, dessen Ursache vielleicht eine tuber-
kulöse Basalmeningitis war, mit tödlichem Ausgang, nachdem 8 Tage
lang ein sehr günstiger Verlauf bestanden, behandelt. 3mal hat er die
Dauerdrainage des Seitenventrikels vom Scheitelbein oder der Schläfen-
beinschuppe, imal die des Hinterhorns von der Hinterhauptschuppe
aus vorgenommen.
Sind die Schädelnähte bereits verknöchert, so kann die starre
Schädelkapsel nicht nachgeben; die bloße Drainage würde also
ce H
erfolglos sein. Man muß dann eine große Ventilbildung am besten in
der Zentralregion gleichzeitig ausführen, wie esK. bei einem 19jährigen
Mädchen getan.
2) Vorstellung eines 35jährigen Kaufmannes, bei dem vor fast
2 Jahren ein hühnereigroßes Fibrosarkom des linken Hinter-
hauptlappens entfernt worden ist. Neben den allgemeinen Hirn-
druckerscheinungen und Kopfschmerzen, die im Hinterhaupt, Nacken
und oberen Rückenteil ihren Sitz hatten, entwickelten sich rechtsseitige
Hemianopsie, ferner Hemihypästhesie, Hemiataxie und Hemiparese der
rechten Körperseite. Hermann Oppenheim diagnostizierte eine Neu-
bildung im linken Hinterhauptlappen. Nach Ausführung der Trepanation
legte K. am 9. Juni 1906 die Basis des Duralappens, da er in der Nähe
des Sinus longitudinalis arbeiten mußte, nach diesem hin, um
störende Blutungen aus ihm und aus den von ihm in die Pia hinüber-
ziehenden zahlreichen und dünnwandigen Venen zu verhüten. Die
Eröffnung der Dura begann im linken oberen Wundwinkel; von hier
aus wurden der obere horizontale und der laterale senkrechte Schnitt
geführt, dann die harte Hirnhaut unmittelbar oberhalb des Sinus
transversus gespalten. Als der Duralappen medianwärts abgehoben
wurde, kam zunächst das normale Hinterhauptshirn zum Vorschein,
bald aber auch der Tumor, der sich schon durch seine fleischrote
Farbe von der gesunden Hirnrinde abhob. Die Lösung der Dura
vom Tumor wurde stumpf mit dem Finger vorgenommen, damit zu-
nächst seine Grenzen festgestellt werden konnten.
Solche kortikal liegende, abgekapselte Geschwülste können sehr
wohl mit dem Finger herausgeschält werden, aber doch nur an Stellen
des Gehirns, an denen die dabei unvermeidliche Druckvermehrung und
Gewalteinwirkung keinen allzu großen Schaden anrichtet. Die gesamte
Konvexität des Großhirns darf hier genannt werden; freilich wird
man mit äußerster Vorsicht und langsam palpatorisch vorgehen. So
ist es auch in diesem Falle geschehen. Nach Abpräparieren der Dura
fand sich, daß der Tumor die Medianlinie nicht allein erreichte,
sondern auch medianwärts nach dem Cuneus hin weit in die Tiefe
ging. Um hier die Grenze zu finden, zog K. mit dem Hirnspatel
vorsichtig die Falx cerebri nach rechts hin — aber so weit in die
Tiefe, wie die Geschwulst reichte, vermochte das Auge nicht zu sehen.
Da diese sich aber ein wenig derber als die Gehirnsubstanz anfühlte,
drang K. an der medialen Fläche der linken Großhirnhemisphäre mit
dem bloßen Finger — dem einzig zuverlässigen Instrument in solchen
schwierigen Fällen — vorsichtig in die Tiefe und kam bis an die
deutlich fühlbare Grenze des Tumors. Der linke Zeigefinger mußte
dabei bis über sein basales Interphalangealgelenk hin versenkt werden,
so weit reichte die Geschwulst nach vorn in die Gehirnmasse hinein.
Mit der Fingerspitze fühlte K. zugleich, wie beim leichten Anziehen
der Tumor folgte, und so konnte er ihn, der scharf abgegrenzt war,
stumpf ohne wesentliche Blutung aus seinem Bett herauslösen. Dieses
stellte unmittelbar nach der Ausschälung eine sehr tiefe Höhle dar;
a 6 en
sie wurde durch sanftes Auseinanderziehen mit stumpfen Haken zu-
gänglich gemacht, um eine etwaige Blutung oder Geschwulstreste nicht
zu übersehen. Als die Höhle sich selbst überlassen wurde, fiel sie
wesentlich zusammen.
Der mit dem Tumor verwachsen gewesene Duralappen, an dem
ja beim Ablösen Geschwulstreste zurückgeblieben waren, wurde bis
nahe zu seiner Basis abgetragen, der Rest über die im Gehirn zurück-
bleibende Höhle gelagert, welche dadurch von rechts her ein wenig
gedeckt war. Da der Tumor sich links oben unter die Hirnrinde vor-
geschoben hatte, so blieb hier nach der Auslösung ein lappenartiges
Gebilde normaler Hirnsubstanz stehen, das gleichfalls über die Höhle
gelegt wurde. Dann wurde der Weichteil-Knochenlappen an seiner
ursprünglichen Stelle durch Nähte befestigt. Die Geschwulst war
von eiförmiger Gestalt. Histologisch erwies sie sich als Spindelzellen-
sarkom. Nach ihrer Entfernung zeigte der freiliegende Occipitallappen
des Großhirns deutliche Pulsation. Die Heilung ist bis zum heutigen
Tage eine vollständige, auch die Hemianopsie ist vollkommen ge-
wichen.
Während in dem beschriebenen Falle die Geschwulst breitbasig
der Dura aufsaß und durch diese hindurch sogleich in ihrer Größe
erkannt werden konnte, liegen die Verhältnisse bei der Operation
weniger klar, wenn der Tumor nur mit einem dünnen Stiel der harten
Hirnhaut anhängt. Die Entwicklung geht auch dann von der inneren
Durafläche aus, erfolgt aber zum überwiegenden Teil in das Gehirn
hinein oder vielmehr in einen Raum, den die Geschwulst durch das
Auseinanderdrängen der Hirnsubstanz sich schaft. Am charakte-
ristischsten wird diese Entwicklung vor sich gehen, wenn eine große
vorgebildete Furche der vordringenden Neubildung wenig Widerstand
entgegensetzt. So hat K. im vorderen Abschnitte der Fossa Sylvii
eine gut apfelgroße Geschwulst beobachtet, die nur mit einem erbsen-
dicken Stiel der inneren Durafläche anhing, aber der histologischen
Beschaffenheit nach doch von dieser ihren Ursprung genommen haben
mußte. Sie reichte bis ins Gebiet der Insel und wurde aus der Tiefe
der Fossa Sylvii mit Erfolg und mit Ausgang in Heilung ausgeschält.
3) Vorstellung eines 24jährigen Kaufmanns, bei dem im Januar
1907 beide Kleinhirnhemisphären wegen der Erscheinungen der
Kleinhirngeschwulst freigelegt werden mußten. In jeder Hemisphäre
fand sich eine walnuß- bis hühnereigroße Cyste, die breit gespalten
und tamponiert wurden. Der Verlauf war dadurch kompliziert, daß
in die eine Höhle eine Nachblutung erfolgte, wodurch die zerebellaren
Symptome von neuem ausgelöst wurden. Beim Verbandwechsel ent-
leerte sich aus dem rechten unteren Wundwinkel klarer Liquor, der
ganze Haut-Knochenlappen zeigte deutliche Hirnpulsation. Trotz dieses
günstigen Befundes nahmen die schweren Erscheinungen zu, die
Temperatur stieg an den Abenden bis auf 39,5 und 40°, es bildete
sich Nackensteifigkeit heraus, dazu kamen rasch zunehmende Schluck-
beschwerden und leichte Unbesinnlichkeit. Aus diesem Grunde sah
=. Gi ee
K. sich veranlaßt, 11 Tage nach Inzision der Cyste die Wunde in
ganzer Ausdehnung zu öffnen. Aus dem linken Wundwinkel tropfte
fortwährend klarer Liquor ab, der schon in Vernarbung begriffene
Lappen pulsierte deutlich. Als die Haut rasiert und mit Ather ab-
gerieben wurde, sprudelte plötzlich aus einer in der Mitte der Wunde
gelegenen kleinen granulierenden Stelle im Strahl wasserklarer Liquor
hervor (etwa 20 ccm). Indessen hielt K. es wegen des gefahrdrohenden
Allgemeinzustandes des Kranken für durchaus notwendig, das ganze
Operationsgebiet genau zu revidieren. Die Knochenklappe wurde also
mit der geschlossenen Schere gelöst und heruntergeschlagen. Das
freigelegte Kleinhirn erschien durchaus normal, zeigte eine glänzende
Oberfläche und dasselbe Aussehen und die gleiche Färbung wie bei
der ersten Operation; nirgends fanden sich Spuren von Schwellung,
Erweichung, Nekrose oder gar Eiter. Abnorm erschien nur an der
Oberfläche der linken Kleinhirnhälfte eine daumengliedgroße Stelle;
sie war ein wenig hervorragend und dunkelblau verfärbt und entsprach
genau dem Ort der früher eröffneten Cyste. Die bereits fest verklebte
Hirninzisionswunde wurde stumpf auseinander getrennt und damit eine
pflaumengroße Höhle eröffnet, die sich mit dicken, schwärzlichen Blut-
gerinnseln prall erfüllt zeigte. Nachdem diese in schonender Weise
entfernt waren, wurde die Höhle von neuem tamponiert und der
Haut-Knochenlappen mittels einiger Nähte zurückgelagert. Bereits am
Tage darauf waren die schwersten Erscheinungen geschwunden. Der
Tampon wurde am 4. Tage zum größten Teil, 2 Tage später samt
den Nähten ganz entfernt.
Die Störungen waren offenbar dadurch hervorgerufen, daß nach
Herausziehen der tamponierenden Binde (5 Tage nach der Operation)
die Wundränder des Kleinhirns rasch verklebten und aus kleinen noch
nicht abgeschlossenen Gefäßen der Cystenwandung Blutungen in diese
Höhle stattfanden, bis sie vollständig gefüllt war. Das wie eine Ge-
schwulst wirkende, nicht unbeträchtliche Blutcoagulum rief im Zu-
sammenhang mit mäßiger Liquorstauung von neuem die schwersten
Erscheinungen des Hirndruckes hervor. Nach dem zweiten Eingriff
trat vollkommene Heilung ein, die jetzt seit mehr als einem Jahre
von Bestand geblieben.
4) Vorstellung eines 46jährigen Rechtsanwalts, bei dem im
Dezember 1907 ein handtellergroßes Angioma venosum racemo-
sum operiert worden ist. Im wesentlichen waren die Erscheinungen
der Jackson’schen Epilepsie vorhanden. Nach Ausführung der sehr
großen Trepanationsklappe spritzte beim ersten Schnitt in die Dura
oben plötzlich ein fingerstarker Blutstrahl hervor, der sich zunächst
nur durch Fingerkompression beherrschen ließ. Der Duralappen
wurde darauf fertig gebildet und sollte heruntergeschlagen werden.
Beim leichten Emporheben sah K. zwei starke Venen in die Dura
eintreten und konnte sie vor der Durchtrennung unterbinden. Als
nun der Duralappen herabgeschlagen war, gewahrte man fast klein-
fingerstarke, dunkelviolette Gefäße in starker Schlängelung die frei-
en G0 om
gelegte Hirnoberfläche bedecken. An der Stelle der heftigen Blutung
ging von einem solchen weiten Gefäß ein dritter Ast analog den
beiden unterbundenen in die Dura hinein; dieser war beim ersten
Schnitt getroffen worden. Das Muttergefäß wurde oberhalb und unter-
halb des zur Dura ziehenden Astes umstochen und die gefahrdrohende
Blutung damit beseitigt.
Nirgends war an den erweiterten und geschlängelten Gefäßen
Pulsation zu bemerken. Es handelte sich um Venen der Pia mater.
In der Mitte des Operationsfeldes bemerkte man außerdem eine
flächenhafte Anhäufung kleinerer geschlängelter Venen von durch-
schnittlich 2 mm Durchmesser, zwischen denen von Hirnrinde über-
haupt nichts wahrzunehmen war.
Hinten blieb die Grenze der erweiterten Gefäße fingerbreit von
dem hinteren Duraschnitt entfernt, auch oben übersah man die vom
Sinus longitudinalis her eintretenden zahlreichen Venen, eine unmittel-
bar neben der anderen liegend; dagegen reichte die Gefäßneubildung
im vorderen und unteren Wundbereich weiter, als durch die Offnung
der Dura mater freigelegt war.
Daher mußten nach Verlängerung der Hautschnitte an diesen
beiden Seiten reichlich 2 cm Knochensubstanz fortgenommen werden,
so daß unten die Schädelbasis erreicht war. Dementsprechend wurde
die Dura nach vorn und nach unten weiter eingeschnitten und zur
Seite geschlagen; aber auch dann gelangte man an normale Hirnober-
fläche erst, wenn man unmittelbar an der Trepanationsgrenze das Ge-
hirn mit Tupfern vorsichtig gegen den Schädelraum drängte und in
die Knochenlücke verschob. Unten sah man deutlich den Beginn der
Fissura Sylvii. Hinter deren vorderem Ende und etwas unterhalb,
also bereits in der ersten Schläfenwindung, befand sich der zuführende
Hauptvenenstamm; er war zeigefingerstark und teilte sich in zwei
laterale, je 1 cm dicke und einen mittleren dünnen Ast. Zuerst um-
stach K. mit halbkreisförmigen drehrunden, sogenannten »ganz ge-
bogenen« Nadeln von !/), mm Stärke und 36 mm Länge diese drei
Zweige in weiter Entfernung von ihren dünnen Wandungen und tief
durch die Hirnsubstanz hindurch. Trotzdem fand jedesmal eine äußerst
heftige Blutung aus den Stichkanälen statt, die sich nur durch längere
Kompression stillen ließ. Während diese mit Tupfern ausgeübt wurde,
umstach K. in gleicher Weise der Reihe nach alle zuführenden Ge-
fäße im vorderen und hinteren Wundgebiet, so daB mit der stets not-
wendigen Kompression der Stichkanäle keine Zeit verloren ging. Hierauf
wurden die vom Sinus longitudinalis herabkommenden zahlreichen Venen
versorgt, und zuletzt legte K. um den Hauptstamm unten, dessen dreiAste
bereits einzeln unterbunden waren, noch eine sehr weit (etwa 3 cm)
ausgreifende Ligatur, die vorn in der Fossa Sylvii eingestochen wurde
und hinten in der obersten Schläfenwindung herauskam. K. achtete
sehr wohl darauf, mit dieser Unterbindung nicht etwa ‚die Arteria
Fossae Sylvii zu verletzen; aber so weit in die Tiefe bis zu dieser
brauchte er nicht zu gehen.
Chirurgen-Kongreß 1908. 5
zer 66
Nach Ausführung der zahlreichen Unterbindungen, zu denen Zwirn
verwendet wurde, waren alle Gefäße prall gefüllt, sie sahen aus wie
kurze Würste; das in ihnen befindliche Blut ließ sich durch Druck
nicht mehr verschieben.
Das beschriebene Verfahren dürfte bei ausgebreiteten Angiomen
an der Hirnoberfläche wegen der außerordentlichen Gefahr der Blutung,
wie K. sie in dem angezogenen Falle gesehen, wohl das einzig ver-
wendbare sein; namentlich wird man bei einiger Ausdehnung der Ge-
schwulst in der Zentralregion oder einem funktionell ähnlich wichtigen
Bezirk von der Exstirpation Abstand nehmen, weil sie zu übergroßen
und bleibenden Störungen führen müßte.
Da nach den vielen Unterbindungen, wie K. beobachten konnte,
das Blut nicht mehr zirkulierte, war der ganze Bezirk aus der Blut-
bahn ausgeschaltet. Diese Beobachtung berechtigt zu der Annahme,
daß man bei solchen flächenhaften venösen Angiomen eher auf eine
Verödung rechnen kann als bei den arteriellen Rankenangiomen, z. B.
des Gesichts, bei denen die bloßen Unterbindungen, auch wenn sie
noch so zahlreich ausgeführt werden, unwirksam zu sein pflegen.
Die Operation hatte recht lange gedauert, der Kranke trotz aller
Vorsichtsmaßregeln viel Blut verloren, die Beendigung war daher durch-
aus geboten. Zur größeren Sicherheit hätte K. sonst noch die doppelt
unterbundenen Gefäßstämme längs gespalten und austamponiert, um
die Narbenbildung zu befördern. Um in dieser Hinsicht noch einen
weiteren Reiz auszuüben, bedeckte K. ausnahmsweise die ganze frei-
liegende Hirnoberfläche mit Vioformgaze und nähte dann erst die sehr
große Wunde bis auf die erforderliche kleine Lücke im hinteren oberen
Wundwinkel zu. Die tamponierenden Binden wurden 3 Tage später
ein wenig herausgezogen, nach weiteren 4 Tagen völlig entfernt. Sie
hafteten außerordentlich fest und folgten erst auf sehr starken Zug;
dabei entleerte sich nur frisches Blut. Die Heilung erfolgte ohne
Störung.
Was die Natur des vorliegenden Prozesses anlangt, so wird man
ihn als Angioma venosum racemosum bezeichnen dürfen. Das Ranken-
angiom, Angioma arteriale racemosum Virchow’s, mit seinen ver-
dickten, erweiterten und verlängerten Gefäßen eines bestimmten Arterien-
bezirkes kann hier zum Vergleich sehr wohl herangezogen werden. Die
befallenen Venen der vorliegenden Beobachtung waren gleichmäßig,
stellenweise auch varikös erweitert und zeigten infolge ihrer Ver-
längerung einen abnorm gewundenen Verlauf, dagegen erschienen ihre
Wandungen nicht verdickt. Die feinen Verzweigungen in dem zentral
gelegenen Bezirk erreichten durch ihre Erweiterung die Größe der ge-
wöhnlichen Piavenen, gingen eher noch über deren Abmessungen
hinaus, während ihre Farbe ein wenig heller als die normaler Pia-
venen war. Über das Verhalten der zuführenden Arteria Fossae
Sylvii kann K. nichts aussagen, da er sie nicht zu Gesicht bekommen
hat; abnorme Pulsation in der Umgebung war nicht bemerkbar.
si G7 a
In einem zweiten Falle — bei einem 10jährigen Knaben — hat K.
ein um das Vielfache kleineres venöses Angiom operiert. Hier wurden
alle erweiterten Piavenen am Rande des prominenten Hirngebietes
doppelt unterbunden und durchtrennt, dazu dieser Gehirnabschnitt in
einer Tiefe von 1 cm und einer Länge von 2!/, cm gespalten und mit
steriler Gaze tamponiert. Auch dieser am 19. September 1903 operierte
Kranke ist geheilt und bis heute geheilt geblieben.
(Selbstbericht.)
35) Tietze (Breslau). Beiträge zur Kleinhirnchirurgie.
Vortr. berichtet über drei Eingriffe am Kleinhirn. Im ersten
Falle erfolgte bei einem walnußgroßen Sarkom in der linken Klein-
hirnhemisphäre im unmittelbaren Anschluß an eine Neisser’sche Probe-
punktion der Tod an Atemlähmung. Die Sektion ergab, daß durch
die Kanüle ein Gefäß angestochen war und eine relativ beträchtliche
Blutung stattgefunden hatte. Für die topische Diagnose hatte man in
diesem Falle besonderes Gewicht auf das Schwanken nach einer be-
stimmten Seite gelegt. Dies namentlich von Allen Starr betonte
Symptom erwies sich in einem zweiten mitgeteilten Falle (Kleinhirn-
tuberkel) als trügerisch. Endlich im dritten Falle handelte es sich
um eine mit Glück operierte Kleinhirncyste. Das vor der Operation
fast völlig erloschene Sehvermögen wurde wieder nahezu normal.
(Selbstbericht.)
36) Martens (Berlin. Zur Chirurgie der Kleingehirn-
geschwülste.
M. berichtet über einen 13jährigen Knaben, der einige Wochen
nach einem Trauma mit Kopfschmerzen, Erbrechen, Doppelbildern,
Schwindel erkrankte. Die Untersuchung zeigte alle Symptome des
Kleingehirntumors (Stauungspapillen, langsamen, unregelmäßigen Puls,
Schwankungen bei geschlossenen Augen, Richtungsabweichung nach
rechts beim Gehen mit geschlossenen Augen usw... Der Sitz des
Tumors wurde angenommen in der Mitte des Kleinhirns, etwas mehr
nach links. Die Operation sollte zweizeitig ausgeführt werden. Doch
24 Stunden nach der ersten wohlgelungenen (Freilegung des Klein-
hirns nach Krause) starb der sehr elende Knabe nach zunehmenden
allgemeinen Krämpfen. Die Sektion klärte den Tod auf: außer einem
‘etwa walnußgroßen, vom Dache des 4. Ventrikels ausgehenden Tumor
fanden sich multiple kleinere pilzförmige Tumoren neben tumorösen
Verdickungen in allen übrigen Hirnventrikeln, ausgehend von der
subependymären Gliaschicht, mikroskopisch sich als Gliome erweisend.
Die Pia des Kleinhirns ist stark verdickt, zuckergußähnlich, vom
Tumorgewebe durchsetzt. Derartige multiple Gliome sind sehr selten —
der beschriebene ist der 5. bis jetzt bekannte Fall —, klinisch als solche
nicht diagnostizierbar und ihre Kenntnis für die Stellung der Pro-
gnose sehr wichtig. (Selbstbericht.)
b*
Zur. 08 ss
Diskussion zu Nr. 34—36.
Kredel (Hannover) bespricht zwei von ihm operierte Tumoren
der Kleinhirnbrückengegend und macht besonders aufmerksam auf eine
Gefahr, die bei diesen Operationen mehrfach verhängnisvoll wurde,
wenn der Tumor groß ist, nämlich schwere Blutung im allerletzten
Augenblick der Auslösung der Geschwulst. Er erklärt diese Blutung
damit, daß durch große Tumoren eine Druckusur an einem großen
Gefäßstamm an der Schädelbasis entstanden war. Ferner demonstriert
K. die von ihm seinerzeit (ds. Zentralbl. 1806 Nr. 43) empfohlenen
und nachträglich verbesserten Metallplatten zur Erzielung von Blut-
leere der Galea; die Verbesserung besteht in einer zentralen Durch-
lochung, welche das Abgleiten des Fadens verhindert.
(Selbstbericht.)
Sticker (Berlin) demonstriert ein Pamenen erzeugtes Gehirn-
sarkom beim Hunde.
Seefisch (Berlin) hält die Gehirnpunktion nach Neisser für
sehr nützlich und berichtet über einen Fall von Hirnsarkom, der durch
dieselbe diagnostiziert wurde. Boerner (Rastatt).
H. Küttner (Breslau): Die Ableitung des Ventrikelinhaltes nach
außen läßt sich auch so erreichen, daß man einen zungenförmigen
Lappen aus der Dura bildet, diesen mit einigen Nähten zu
einer Röhre schließt und diese Röhre in den Ventrikel einsenkt, die
äußere Wunde vernäht. Der Ventrikelinhalt fließt dann in das sub-
aponeurotische Zellgewebe der Kopfschwarte ab. Ferner möchte ich
darauf aufmerksam machen, daß die Gegend der Kleinhirn-
hemisphären sich ausgezeichnet zur palliativen Druckent-
lastung des Gehirns bei inoperablem oder nicht lokalisier-
barem Tumor, wie überhaupt bei chronischer Hirndruck-
steigerung eignet. Der Vorzug dieser Stelle ist ein dreifacher:
Einmal wird von der Entlastung in erster Linie die hintere Schädel-
grube getroffen, was für die Rettung der Sehkraft von großer Be-
deutung ist, zweitens ist der Weichteillappen, welcher die Trepanations-
lücke deckt, besonders dick, da er die gesamten Ansätze der kräftigen
Nackenmuskulatur enthält. Das freigelegte Gehirn mit seinen Häuten
befindet sich also tief unter der Körperoberfläche und ist bei dem
reichlichen Liquorabfluß der Infektion weit weniger ausgesetzt als an
anderen Stellen. Auch ein sich etwa ausbildender stärkerer Gehirn-
prolaps wird durch die dicke bedeckende Weichteilschicht vor der In-
fektion geschützt. Drittens ist die Druckentlastung an der genannten
Stelle deshalb besonders wirksam, weil hier sehr große liquorführende
subarachnoideale Räume gelegen sind und eröffnet werden. Bei starkem
Hirndruck ist die Flüssigkeitsansammlung in dieser Zisterne so groß,
daß man, wenn man es zum erstenmal sieht, fast eine Oyste vor sich
zu haben glaubt. Da die Cisterna cerebello-medullaris nicht unmittel-
bar berührt wird, ist auch eine plötzliche Druckentlastung bei der
— 69 —
Operation völlig ungefährlich, wie ich mich in drei Fällen überzeugen
konnte. Im Gegenteil, sofort nach der Eröffnung der genannten sub-
arachnoidealen Räume stellt sich die fehlende Pulsation des Kleinhirns
wieder ein, und das vorher wie eine Billardkugel in die Knochenlücke vor-
gewölbte Gehirn sinkt zurück. Als Schnittführung eignet sich besonders
die von Herrn Krause für die Freilegung beider Kleinhirnhemisphären
angegebene. (Selbstbericht.)
Adler (Pankow-Berlin) demonstriert einen 36jährigen Kranken,
bei welchem er einen kleinapfelgroßen, rein subkortikal gelegenen
Hirntumor aus dem Marklager der rechten motorischen Region ent-
fernt hat. Die Diagnose stützte sich auf den Beginn des Leidens mit
Konvulsionen, welche besonders den linken Arm betrafen, und welchen
allmählich eine Lähmung des linken Armes, des linken Facialis und
des linken Beines folgte. Beiderseitige Stauungspapille, rechts stärker
als links, sowie starke Kopfschmerzen in der rechten Scheitelgegend
vervollständigten das Krankheitsbild. Der durchaus vom Jackson-
schen Typus der Rindenepilepsie abweichende Verlauf der Krämpfe,
sowie die mangelnde perkutorische Schmerzhaftigkeit über der rechten
Scheitelgegend ließen einen subkortikalen Sitz des Tumors vermuten,
während die geringen Störungen der Sensibilität und des Muskelsinnes
` auf eine Lage des Tumors unterhalb des Gyrus centralis anterior hin-
deuteten.
In der Tat fand sich bei der Operation die Hirnoberfläche bis
auf eine Abplattung der Gyri gänzlich unverändert. Weder durch
Palpation, noch durch Punktion war ein Krankheitsherd nachzuweisen.
Dagegen stieß der in den freipräparierten Sulcus Rolando eingeführte
Finger in einer Tiefe von etwa 4cm auf ein als schlaffer Sack im-
ponierendes Gebilde, welches sorgfältig stumpf mit dem Finger bis
aus 8cm Tiefe aus dem Marklager ausgeschält und aus der Zentral-
furche herausgeholt wurde. Die starke Blutung aus der Wundhöhle
stand auf Tamponade. Die Heilung erfolgte ohne Zwischenfall, in-
dessen sind erst 2 Monate seit der Operation verstrichen. Bisher sind
die Kopfschmerzen verschwunden, Pat. ist wieder imstande zu gehen;
Stauungspapille, Arm- und Facialislähmung sind beträchtlich zurück-
gegangen. Die mikroskopische Untersuchung des Tumors ergab, daß
es sich um ein enorm gefäßreiches, von den adventitiellen Lympb-
scheiden der Blutgefäße ausgehendes Peritheliom handelt. Der Fall
ist bemerkenswert durch die Seltenheit der Peritheliome in der Hirn-
substanz überhaupt, durch die relative Seltenheit der bisher erfolgreich
operierten, rein subkortikalen Hirntumoren und durch den palpatori-
schen Nachweis der Geschwulst in der Zentralfurche, welcher auch
die Entfernung der Geschwulst auf diesem Weg ermöglichte.
(Selbstbericht.)
— 70 —
37) Erdheim und Stumme (Wien). Über die Schwanger-
schaftsveränderung der menschlichen Hypophyse.
M. H.! Die Ausführungen meines Chefs, Herrn Hofrat Hochen-
egg’s, haben jener Theorie, die die Akromegalie durch Steigerung
oder chemische Anderung der Hypophysensekretion zustande
kommen läßt, recht gegeben.
Als interessante Illustration für die Richtigkeit dieser Auffassung
möchte ich eine sehr alltägliche Form dieser Erkrankung mit dem
Ausgang in spontane Restitution daneben stellen: Ich meine die einer
geringgradigen Akromegalie gleichenden Weichteilverdickungen, an
Nase, Lippen und Händen bei Schwangeren, Veränderungen als
deren pathogenetisches Substrat man eine mit reger Sekretion einher-
gehende Hypertrophie der Hypophyse wird annehmen müssen.
Daß in der Gravidität eine Vergrößerung dieses Organes statt
hat, war schon seit der Publikation von Comte bekannt. Launois
und Mulon, Guerrini, Morandi und Cagnetto haben darauf hin-
gewiesen. Von deutschen Autoren hat zuerst Erdheim diesbezügliche
Angaben gemacht, im übrigen aber auf meinen heutigen Vortrag ver-
wiesen, nach ihm kürzlich Tandler die Tatsache der Vergrößerung
des Hirnanhanges in der Schwangerschaft erwähnt.
Da die ganze einschlägige Literatur auf diese paar flüchtigen,
beiläufigen Notizen sich beschränkt, und eine systematische Bearbei-
tung unserer Frage noch ausstand, haben E. und ich vor einigen
Jahren im pathologischen Institut Hofrat Weichselbaum’s in Wien
dieses Thema aufgenommen, und wir sind heute, nachdem wir etwa
150 Hypophysen daraufhin untersucht haben, in der Lage, ein lücken-
los ausgebautes Bild der Schwangerschaftsveränderung des menschlichen
Hirnanhanges zu entrollen.
Die Schwangerschaftsveränderung der Hypophyse ist schon
makroskopisch sehr auffallend; sie bezieht sich auf eine Vergrößerung
vorwiegend in querer Richtung, gegen die Sinus cavern. hin, und auf
eine bedeutende Gewichtszunahme bis auf das 21/,fache des Normalen.
Die Schnittfläche, normal rötlichgrau, erscheint Ende der Gravidität
einförmig weiß, saftreich und wesentlich weicher. Wenige Wochen
nach dem Partus beginnt das Rotgrau die weiße Farbe wieder zu
verdrängen, und am Ende des Puerperiums hat das Organ seine
früheren Maße in der Regel wieder erreicht.
Alle diese Veränderungen sind der Ausdruck des massenhaften
Auftretens einer neuen Zellform, die wir Schwangerschaftszellen
nannten.
Zur Histologie übergehend, darf ich daran erinnern, daß die
Hypophyse der Niegeschwängerten aus Eosinophilen, Basophilen und
Hauptzellen besteht, unter denen die ersten stets ganz bedeutend über-
wiegen; die Hauptzellen, die uns vor allem interessieren, liegen einzeln
oder in kleinen, kaum je selbständigen Gruppen unter die anderen
ze A Zee
verstreut; ein Plasma ist bei ihnen nicht darstellbar, man sieht nur
dichtgedrängte runde, dunkle Kerne mit deutlichem Chromatingerüst.
Diese Zellform ist es, aus der die Schwangerschaftszelle her-
vorgeht.
Die Metamorphose geht so vor sich, daß sich mehr und mehr
Plasma um den Kern ansammelt, das auf der Höhe der Gravidität
reichlich feine Granula, im Gegensatz zu den Chromophilen aber keine
Fettkörnchen zeigt. Die Zellgrenze bleibt trotzdem unscharf, das
wichtigste Kriterium zur Trennung von Chromophilen und Schwanger-
schaftszellen. Der Kern wird immer größer, Hchter, bläschenförmig
und unregelmäßig oval. An Zahl übertreffen die derartig veränderten
Zellen bei der Erstgeschwängerten durchschnittlich im 6. Monat, bei
Oftgeschwängerten schon nach ebenso vielen Wochen die Eosinophilen.
Die Schwangerschaftszellen liegen am Ende der Gravidität in breiten,
selbständigen Alveolen und Balken; ihre Potenz gibt sich in mechanischer
Schädigung chromophiler Nachbargruppen kund.
Die Chromophilen selbst zeigen in der Schwangerschaft keine
konstante Veränderung. Die ersten Zeichen der Umgestaltung: Ver-
mehrung der Hauptzellen und Aufhellung der Kerne, wird bei der
Erstgeschwängerten etwa im 3. Monate manifest.
Die Vergrößerung der Hypophyse geschieht also sowohl durch
Hypertrophie als durch Hyperplasie, welch letztere, wie die allerdings
spärlichen Mitosen beweisen, wenigstens zum Teil sicher auf karyo-
kinetischem Wege vor sich geht.
Die Veränderung ist auf der Höhe der Schwangerschaft, wo
manchmal +, des Organes und mehr von den neuen Zellen gebildet
werden, eine geradezu imposante, das Bild, vom normalen völlig ver-
schieden, für den Uneingeweihten kaum als Hypophyse kenntlich.
Bald post partum setzt die Rückbildung ein, mikroskopisch schon
früher wahrnehmbar als mit freiem Auge. Das Plasma wird immer
spärlicher, etwas später, nach 3—4 Wochen, beginnt der Kern kleiner,
dunkler, runder zu werden. Am Ende der 6. Woche ist fast immer
das Plasma geschwunden, der größte Teil der Kerne auf Größe, Form
und Farbe wie vor der Gravidität zürückgeführt, der Hauptzelltypus
also wieder erreicht. In bemerkenswertem Gegensatz dazu steht unser
Befund, daß bei Laktierenden auch noch 7 Monate p. part. reichliche
Balken von Schwangerschaftszellen auf einer hohen Stufe der Entwick-
lung vorhanden sein können. Aber auch bei promptester Involution
verrät eine wesentliche Vermehrung der Hauptzellen und die Bildung
größerer Alveolen und Balken daraus noch auf lange Jahre die ab-
gelaufene Gravidität. Tritt eine neue Schwangerschaft hinzu, so
summieren sich die Veränderungen; so erklärt es sich, daß die größten
Hypophysen an Oftgebärenden zu finden sind, andererseits auch deut-
liche Graviditätshypertrophie bei Oftgeschwängerten in einem früheren
Stadium manifest wird, als bei Erstgeschwängerten.
Die nach vollendeter Involution restierenden Hauptzellen bleiben
in großer Zahl bis zum Einsetzen des Klimakteriums erhalten, für
= GO a
ihre Trägerin eine Reserve, stets sprungbereit, ihre leider noch so
dunkle Rolle zu übernehmen ; erst wenn die alternde Keimdrüse ihre
Tätigkeit einstellt, lichten sich ihre Scharen und verschwinden im
höchsten Alter vollständig von der Bildfläche.
Der Ablauf der geschilderten Schwangerschaftsveränderung der
Hypophysis ist in an- wie absteigender Linie so geregelt, daß aus
dem histologischen Bild das Stadium der Gravidität auf 1—2 Monate
genau bestimmt werden kann, eine Erkenntnis, der nicht bloß foren-
sische Wichtigkeit innewohnen könnte, die vielmehr auch ein be-
achtenswertes Licht auf die physiologische Bedeutung des ÖOrganes
wirft: kann es doch nach alledem einem Zweifel nicht unterliegen,
daß der Hypophyse während der Schwangerschaft eine wesentliche
sekretorische Aufgabe zukommt.
Ob und inwieweit sie darin ersetzlich ist, wird Gegenstand der
Beobachtung sein, wenn einmal eine größere Anzahl von Frauen der
jüngsten Errungenschaft unserer hohen Disziplin, der Exstirpation der
Hypophyse wird teilhaftig geworden sein.
Über die Pathogenese der Akromegalie habe ich mir, meines
Chefs Erfolg und unsere Befunde zusammenhaltend, die Ansicht ge-
bildet, daß eine primäre Störung der Keimdrüse zu einer Wucherung
der Hypophyse führt, die dann ihrerseits die akromegalischen Ver-
dickungen auslöst. (Selbstbericht.)
38) J. Hochenegg (Wien). Operativ geheilte Akromegalie
bei Hypophysentumor.
Ich erlaube mir, eine 30jährige Pat., bei welcher in der internen
Klinik Hofrat v. Neusser’s auf Grund der eklatanten Symptome und
der Röntgenogramme des Schädels die Diagnose auf Akromegalie und
Hypophysentumor gestellt worden war, zu demonstrieren.
Die photographische Aufnahme, die ich Ihnen in Vergrößerung
zur Demonstration bringe, enthebt mich, eine genaue Beschreibung der
akromegalischen Veränderungen zu geben; sie waren eben vollkommen
typisch, betrafen Kopf und Gesicht, die Hände und Füße in der be-
kannten, schon oft beschriebenen Weise, und es waren dieselben in
meinem Falle ziemlich hochgradig. Nur eines Details will ich Er-
wähnung tun, da wir später noch darauf zurückzukommen haben, das
war das weite Auseinanderstehen der vorderen, namentlich der oberen
Schneidezähne, auf deren Vorkommen in anderen Fällen auch schon
aufmerksam gemacht wurde.
In bezug auf die anamnestischen Daten will ich nur hervorheben,
daß bei meiner Pat. die Erkrankung gewissermaßen in zwei Etappen zur
Ausbildung kam. Das seit dem 15. Jahre normal menstruierte und
auch sonst gesunde Mädchen erkrankte im 25. Jahre — sie war damals
in Berlin angestellt —, wie sie sich ausdrückt, plötzlich an Bleichsucht
mit heftigen Kopfschmerzen, anfallsweise auftretenden Schweißaus-
brüchen, Nasenblutung und Sistieren der Menses. Bald stellten sich
—_—_n3 —
Sehstörungen ein, Pat. konnte deshalb durch 3 Monate weder lesen noch
schreiben, die Fähigkeit, in die Ferne zu sehen, war ihr fast gänzlich
verloren gegangen. Nach einem Jahre verloren sich diese von ihren
damaligen Arzten für Chlorose und Hysterie gedeuteten Symptome
fast vollkommen. Die Menses kehrten zurück. Dieser Zustand der
Besserung hielt durch 4 Jahre an.
Erst im August 1907 wurde die Menstruation wieder unregelmäßig
und spärlich, abermals stellte sich der heftige Kopfschmerz ein, und
in auffallender Raschheit und unter Parästhesien bildeten sich die Ver-
größerung der Hände und Füße, das Plumpwerden der Lippen, Nase
und Zunge und die Veränderung der Gemütsstimmung so ausgeprägt
aus, daß schon im Oktober das Bild für jeden Kundigen ein voll-
kommen ausgesprochenes war.
Auf alle diese Details, die ich der ausführlichen Publikation
durch meinen Schüler, Dr. Stumme, vorbehalte, will ich hier nicht
näher eingehen und mich nur auf die Operation selbst und auf deren
Effekt beschränken.
Da der Zustand des Mädchens, namentlich durch die Kopf-
schmerzen, ein so ungemein qualvoller war, drang sie selbst auf
Operation, obwohl ihr gesagt wurde, daß der Eingriff kein leichter
und der Erfolg ein fraglicher sei.
Bei der Operation, die ich am 16. Februar 1908, also vor zirka
2 Monaten, ausführte, wich ich einigermaßen von den bisher geübten
und in Publikationen niedergelegten Verfahren ab.
Ich wählte den schon öfter von anderen (Schloffer, v. Eisels-
berg) mit Erfolg betretenen und von Anatomen (Tandler) vorge-
schlagenen nasalen Weg, d. h. ich bahnte mir durch Zurückklappen und
vollkommene Ausräumung der Nasenhöhle den Weg zum Hypophysen-
bett. Ich will hier gleich die Bemerkung einfügen, daß ich vorläufig, d.h.
solange es nicht gelingt, ohne jegliche Voroperation endopharyngeal die
Operation zu machen, wie mir der vom Wiener pathologischen Institut
zur Demonstration überlassene Schädel eines Hypophysentumors möglich
erscheinen läßt, die nasale Voroperation für die Methode der Wahl
halte; sie gibt hinlänglich genug Zugänglichkeit und erscheint mir be-
deutend weniger eingreifend und verstümmelnd als die anderen vor-
geschlagenen Methoden.
Es ist bekannt, daß die Nebenhöhlen der Nase, also vor allem die
Stirnhöhlen, bei Akromegalie mächtig erweitert sind. Auch in meinem
Falle erwies dies das Röntgenbild. Da durch diese Erweiterung der
Stirnhöhlen begreiflicherweise die Distanz von der Stirne bis zur
Hypophyse bedeutend vergrößert ist und hierdurch das eigentliche
Operationsfeld in größerer Tiefe sich befindet, ist es empfehlenswert,
durch Eröffnung und Ausräumung der Stirnhöhle den Zugang sich
bequemer und das ÖOperationsfeld zugänglicher zu machen.
Um nun nach der Operation die Entstellung des Profils der Stirne
möglichst geringfügig zu gestalten, erschien es uns opportun, die vordere
Wand der Stirnhöhle nicht zu opfern, sondern nur temporär mobil
ee DU A
und aufklappbar zu machen, was leicht von zwei seitlichen in den
Augenbrauen geführten Hautschnitten mit einem flachen Meißelschlag
erzielt werden konnte. (Demonstration eines Kadaverpräparates.)
Es empfahl sich nun weiter, die ganze Operation, die ich natür-
lich in Narkose ausführte, an der horizontal liegenden Pat., bei der
der Kopf etwas nach hinten übergebeugt war, auszuführen. Um
in dieser Lage die Aspiration von Blut zu verhindern, tamponierten
wir den Spalt hinter dem weichen Gaumen und der Pharynxwand mit
einem großen länglichen, quergelegten Tampon, den wir mit einem um
die horizontale Platte des Oberkiefers herumgelegten und um die Ober-
"lippe geknoteten Bande sicher an seiner Stelle erhielten. Dieser Tampon
verhinderte während der ganzen Operation, daß vom nasalen Operations-
felde Blut gegen den Mund zu sickerte, ließ aber die Atmung unbe-
hindert und schmälerte nicht unser Operationsfeld.
Die Ausräumung der Nase vollführten wir mit Schere und Pin-
zette, namentlich aber mit einem großen, scharfen Löffel; die innere
Orbitalwand und die Wand der Highmorshöhle blieben dabei intakt.
Die ziemlich beträchtliche, aber nie beängstigende Blutung stand
prompt durch zeitweise angewendete Tamponade mit in Adrenalinlösung
getränkter Gaze.
Nach dieser Voroperation und nach Eröffnung der Keilbeinhöhle,
die in unserem Falle sehr reduziert war, war am Grunde der trichter-
förmigen Wundhöhle der blendend weiße, auf Haselnußgröße erweiterte
Hypophysenwulst sichtbar.
Ich konnte an ihm bequem die knöcherne Schale einmeißeln und
das hierdurch entstandene Loch nach Belieben vergrößern. Ich be-
gnügte mich aber mit einem etwas über erbsengroßen Loch, spaltete
im Bereich dieses die sich einstellende Dura, worauf unter Pulsation
der ungemein weiche, rotbraune Tumor prolapsartig vorquoll.
Die ursprünglich geplante Entfernung des Tumors in einem Stücke
mußte sofort wegen Weichheit der Geschwulst undurchführbar er-
scheinen, weshalb ich mich damit begnügte, den Tumor mit einem
löffelartigen Instrument einfach auszulöffeln.. Ich tat dies so lange,
bis ich das derbe Diaphragma der Dura und seitwärts und unten die
Knochenwände unterm Löffel hatte; hierauf wischte ich, um ja sicher
den ganzen Tumor zu entfernen, mit Gazetupfern exakt die ganze
Höhle aus. Die Blutung war minimal und stand ebenfalls auf das
Einlegen eines Adrenalintampons.
Ich möchte auf die Anlegung eines kleinen Loches Gewicht legen ;
man kommt mit demselben vollkommen aus, da die breiig weiche
Tumormasse so nur ein Auslöffeln erlaubt und bei kleinem Loche viel-
leicht doch eher eine Meningitis vermieden werden kann.
Um nun weiter eine Infektion des Tumorbettes nach Möglichkeit zu
verhüten, tamponierte ich die durch eine kreisrunde Eingangspforte er-
öffnete, jetzt leere Knochenhöhle locker mit Jodoformdochten, die durch
ein Drain durchgezogen und aus dem Nasenloch herausgeleitet wurden.
Auf diese Weise sollte ein Aufsaugen von Wundsekret im Bereiche
en, OR ec
der Nase verhindert werden. ' Ebenso wurde die Nase mit Jodoform-
gaze locker tamponiert.
Der Verlauf nach diesem immerhin großen chirurgischen Eingriff
war ein ungemein glatter, auch für die Pat. fast beschwerdefreier.
Am 8. Tage werden die drainierenden Streifen entfernt, am 10. Tage
kann die Pat. das Bett verlassen. Gegen die Borkenbildung in der
Nase bzw. Wundhöhle wird mit Ausspülungen mit Salbeitee vor-
gegangen.
Bevor ich auf den Effekt der Operation zu sprechen komme, will
ich nochmals hervorheben, daß ich die Überzeugung habe, daß ich die
ganze tumorartig veränderte Hypophyse operativ entfernt habe. Die
histologische Untersuchung der ausgelöffelten und gesammelten Partien
ergab, daß es sich um Adenom der Hypophyse gehandelt hat.
Um nun auf den Heilungseffekt der Operation zu sprechen
zu kommen, so muß zunächst hervorgehoben werden, daß es gut ist,
den Einfluß der Operation auf die Pat. von zweifachem Gesichtspunkte
aus gesondert zu betrachten.
Vor allem ist seit der Operation ein Sistieren der quälenden
Kopfschmerzen, eine Besserung der psychischen Stimmung und Ver-
minderung der Sehstörungen zu verzeichnen. Alle diese Störungen
werden ja mit Recht und wohl allgemein als mechanische Schädigung
des auf Gehirn und Sehnerven drückenden Hypophysentumors ge-
deutet; es ist dabei leicht verständlich, daß dieselben mit Entfernung
des Tumors zum Schwinden gebracht wurden. Die Besserung in dieser
Beziehung wurde auch in den bekannten, bereits publizierten Opera-
tionen anderer Operateure erzielt.
Von viel größerer Bedeutung erscheint mir der Einfluß der
Operation auf die Symptome der Akromegalie.
Schon am 5. Tage nach der Operation überraschte uns die Pat.
mit der Angabe, daB sie fühle, daß die Zähne näher aneinander rücken,
und daß jetzt der Unterkiefer anders auf den Oberkiefer passe, wie
früher.
Am 10. Tage nach der Operation wird die Richtigkeit dieser An-
gabe objektiv durch Messung nachgewiesen; schon an diesem Tage
hat sich der Abstand an den Schneidezähnen des Oberkiefers so ver-
mindert, dieselben sind so zusammengerückt, daß Pat. zwischen den
beiden mittleren Schneidezähnen nur mehr mit ihrem Fingernagel ein-
dringen kann, während früher die oberste Kante der Fingerkuppe das
Distanzmaß ihr abgab.
So geht es mit den Händen, an denen uns fast bei jeder Visite
von der vorher tief melancholisch verstimmten, jetzt wieder heiteren
Pat. das Kleinerwerden demonstriert und versichert wird, daß
sie es ordentlich spüre, wie von Tag zu Tag die Hände normaler
werden, wie sie besser dia Hand zur Faust schließen könne usw.
Nach kaum einem Monat ist die Pat. entlassungsfähig. Wie sie
die Schuhe, mit denen sie ins Krankenhaus kam, und die ihr damals
knapp paßten, aus dem Magazin zurückbekommt, sind ihr dieselben
zu 90: et
um so vieles zu groß, daß sich die Pat. weigert, dieselben als ihr
Eigentum zurückzunehmen. Wie ich die Pat. bei ihrer Entlassung
von meiner Klinik den Herren der internen und laryngologischen
Klinik, die vor der Operation die Pat. lange und zu wiederholten
Malen zu beobachten Gelegenheit hatten, vorstelle, erkennen diese die
Pat. nicht wieder, so bedeutend hat sich alles an ihr verändert.
Ich glaube, daß auch Sie diese Veränderungen an der jetzt voll-
kommen wohlen Pat. konstatieren werden, wenn Sie das Bild vor der
Operation mit der von mir mitgebrachten Pat. vergleichen. Ich kann
nur sagen, daß ich eine so prompte, so rasch einsetzende Beeinflussung
der akromegalischen Symptome einfach für unmöglich gehalten habe.
Bisher standen sich in bezug auf die Bedeutung des Hypophysen-
tumor für den mit Akromegalie bezeichneten Symptomenkomplex
folgende Ansichten unvermittelt gegenüber, die, da das Tierexperiment
in dieser Hinsicht keine Lösung brachte, bisher unentschieden bleiben
mußten.
1) Der Hypophysentumor ist eine Teilerscheinung der All-
gemeinerkrankung Akromegalie. Die Hauptvertreter dieser
rein symptomatischen Auffassung stellen sich vor, daß geradeso, wie
die peripheren Abschnitte des Gesichtes und der Extremitäten Ge-
stalt und Größenveränderungen durch Akromegalie erfahren, auch
die Hypophyse verändert werde und so einen Tumor vortäusche.
2) Der Hypophysentumor ist die Ursache der Akromegalie,
und zwar nach der Ansicht der einen durch aufgehobene Funktion
der Hypophyse, nach der anderen durch gesteigerte Funktion und
endlich nach Ansicht einer dritten Gruppe durch qualitativ veränderte
Funktion.
3) Endlich die Hypophysenveränderung hat zwar kausale Be-
deutung, sie ist aber nur für die Veränderung im Bereiche des
Kopfes als dem von den Hirnnerven versorgten Körperbezirk zur
kausalen Verantwortung zu ziehen, während die akromegalischen Ver-
änderungen an den Extremitäten anders lokalisierte Ursachen wahr-
scheinlich spinaler Natur haben müßten.
Mein Fall, der, soviel ich weiß, der erste ist, wo bei Akrome-
galie die Operation vollendet wurde und Erfolg hatte, ist geeignet,
die Frage, welcher Einfluß dem Hypophysentumor bei Entstehung der
Akromegalie zuzuschreiben ist, prinzipiell zu entscheiden. Die Ope-
ration gleicht einem Experiment, sie erweist zur Evidenz, daß einem
Hypophysentumor bei Akromegalie nicht nur symptomatische, sondern
kausale Bedeutung zukomme. Sie erweist ferner, daß nicht durch einen
Ausfall der Hypophysenfunktion, sondern durch eine Hyperfunktion
des Hirnanhanges die akromegalischen Erscheinungen veranlaßt werden
müssen. Ebenso wie nachgewiesen erscheint, daB auch für die akrome-
galischen Veränderungen an den Extremitäten die Hyperfunktion der
Hypophyse allein verantwortlich ist.
~ _ Mein Fall beansprucht ferner großes therapeutisches Interesse,
indem er erweist, daß durch Entfernung des Hypophysentumors nicht
_— 1 —
nur die vom Tumor ausgehenden Drucksymptome, also die mechanische
Schädigung des Gehirns und der Sehnerven, sondern auch die schwere,
wie wir wissen sonst fast sicher zum Tode führende Allgemeiner-
krankung der Akromegalie operativ beeinflußbar ist. Die Berechtigung
des Eingriffes auch von diesem Standpunkt erscheint mir fortan er-
wiesen. (Selbstbericht.)
Diskussion.
H. Borchardt (Berlin) demonstriert einen jungen Mann, bei dem
er vor ca. 2 Monaten einen Hypophysistumor operiert hat.
Enorm starke Kopfschmerzen und die typischen Sehstörungen veran-
laßten die Operation; der Plan war, in zwei Zeiten von vorn, d.h. von
der Stirn her, die Hypophyse freizulegen; das mißlang; sehr starke
Blutung der mit dem abnorm tief herabreichenden Sinus longitudinalis
kommunizierenden Knochenvenen zwang zur Unterbindung des Sinus
longitudinalis, zur sofortigen Durchschneidung der Dura und zur ein-
zeitigen Operation. Nach Erhebung des Stirnhirns konnte man zwar
bis an die Hypophysengegend heran, die Übersicht aber war un-
genügend, der Blutverlust zu groß, so daß die Exstirpation nicht
forciert werden konnte.
In einem zweiten Akt wurde nach Schloffer von der Nase aus
operiert; da gelang es verhältnismäßig leicht, Stücke der Geschwulst
zu entfernen; radikal ist sie nicht exstirpiert worden.
Der Erfolg war zufriedenstellend; Pat. ist die sehr quälenden
Kopfschmerzen los und hat auch die maniakalischen Anfälle verloren,
die er vor der Operation hatte. (Selbstbericht.)
v. Eiselsberg (Wien): Im Anschluß an die interessante Mitteilung
Hochenegg’s möchte ich mir erlauben, in Kürze über drei Fälle von
Operation wegen Hypophysentumors zu berichten, welche ich in der
zweiten Hälfte des Januar 1907 vorgenommen habe.
Im ersten Falle handelt es sich um einen 20jährigen Kommis,
welcher seit Jahren von den DDr. Frankl-Hochwart und Fröhlich
beobachtet worden war, und bei welchem auf Grund von anhaltendem
Kopfschmerz, einer doppelseitigen Hemianopsia temporalis und end-
lich einer Adipositas mit gleichzeitigem Zurückbleiben des Genitale
die Wahrscheinlichkeitsdiagnose auf einen Tumor der Hypophyse ge-
stellt wurde, welche Diagnose durch das Röntgenbild nur noch ge-
festigt wurde.
Ich habe bei dem Pat. am 21. Januar 1907 die Operation aus-
geführt und dabei eine Cyste entsprechend der Hypophyse bloßgelegt.
Die Untersuchung der Cystenwandung ergab, daß es sich anschei-
nend um ein Epithelialkarzinom handelte.
Interessant war nun, daß bei diesem Pat. der Kopfschmerz auf-
gehört hat, die Sehstörung wesentlich zurückgegangen und der Pat.
mit dem Resultat vollkommen zufrieden ist. Auch hat die Fettsucht
etwas abgenommen. Jetzt, mehr als 3/, Jahre post operationem, fühlt
sich Pat. vollkommen wohl.
it MB en
Der zweite operierte Fall betrifft einen Pat. mit typischen Er-
scheinungen von Akromegalie:
33 Jahre alte Frau. Vor 8 Jahren, als sie zum ersten Male
schwanger war, bemerkte sie Vergrößerung von Händen und Füßen,
sowie des Gesichtes. Seit vielen Jahren Sehstörung beider Augen
und Zunahme von Kopfschmerz.
Typische Akromegalie. Die Untersuchung des Gesichtsfeldes
ergibt bitemporale Hemianopsie. Das Röntgenbild ergibt eine ganz
wesentliche Erweiterung des Türkensattels. Es bestand eine starke
Hyperplasie der Rachenmandeln mit chronischem Katarrh.
Zunächst wurde mit Rücksicht auf diesen letzterwähnten Umstand
von einer Operation Abstand genommen und Pat. entlassen. Nach
kurzer Zeit erschien jedoch die Pat. abermals in der Klinik, mit der
Bitte, operiert zu werden.
Ich machte die Operation am 19. Dezember 1907 und gelangte
auch entsprechend der Hypophyse in eine große, von Tumor erfüllte
Höhle, aus der zahlreiche Tumorbröckel entfernt wurden.
Im Anschluß daran entwickelte sich eine foudroyante Meningitis,
der Pat. am 2. Tage nach der Operation erlag.
Die Sektion ergab, daß ein ausgedehnter, nach der Schädelbasis
zu gelegener Hirntumor vorhanden war, der bis in die Gegend des
Stirnlappens sich erstreckte, und von dem bloß der Teil, welcher
gerade der Sella turcica entsprochen hatte, entfernt war. Es han-
delte sich um ein sehr zellreiches Sarkom, welches wohl als vollkommen
inoperabel zu bezeichnen war.
Im dritten Falle handelte es sich um einen 26jährigen Bauzeichner,
der seit 2 Jahren an Kopfweh und Sehstörungen litt, welche mit
Schwindelanfällen einhergingen, so daß er zu Boden stürzte Im
Laufe der letzten Zeit steigerte sich das Kopfweh ganz enorm.
Die Augenuntersuchung ergab eine temporale Hemianopsie links
und Atrophie des Sehnerven auf der rechten Seite.
Das Röntgenbild zeigte wieder entsprechend der Hypophysen-
gegend eine wesentliche Erweiterung.
Bei dem Pat. ist am 20. Dezember 1907 die Operation gemacht
und ein Tumor aus der Gegend der Hypophyse entfernt.
Der Erfolg war bloß insofern ein günstiger, als die Kopfschmerzen
nachließen, aber der Gesichtssinn, solange sich Pat. in der Klinik
befand, bis gegen Mitte März, noch nicht sich besserte. Erst Ende
April zeigte sich eine Besserung. Mikroskop. Diagnose: Sarkom.
In allen drei von mir operierten Fällen handelte es sich um
maligne Tumoren der Hypophysis. Zweimal überlebten die Pat. den Ein-
griff, einmal ging die Pat. an foudroyanter Meningitis basilaris zu-
grunde. Ich habe mich in diesem Fall, trotz der Warnung der Herren
von der Kehlkopfklinik, zu früh zur Operation verleiten lassen, zu einer
Zeit, als noch ein Katarrh der Nasenwege bestand, welcher wohl die
foudroyante Entzündung erklärt.
— (9 —
Was die Technik betrifft, so habe ich jedesmal durch Aufklappung
der Nase von vorn her mit Stimmgabelschnitt operiert und dann noch
die Vorderwand der Stirnhöhle ganz weggenommen, wodurch immer
Entstellungen zustande gekommen sind, die sich, wie der vorgestellte
Fall Hochenegg’s beweist, durch temporales Aufkippen vermeiden
läßt. Jedenfalls hat aber dieser schon von Schloffer kürzlich ge-
machte Vorschlag, der dann von Tandler und Moscovits weiter
ausgebildet wurde, einen sehr guten Einblick gewährt, und ich habe
jedesmal bei hängendem Kopf den größten Teil der Operation be-
endet. Ich möchte auch an dieser Stelle erwähnen, daß ich erst nach
wiederholten operativen Versuchen an der Leiche, wobei mir Prof.
Tandler hilfreich zur Seite stand, an die Ausführung der Operation
am Liebenden geschritten bin.
Jedenfalls scheinen mir diese drei Fälle zu beweisen, daß der Ein-
griff gegen die Hypophyse ausführbar ist, und daß er dort, wo es sich
um einen gutartigen Tumor handelt, und daher Heilung verspricht —
das entnahmen Sie wohl aus dem vorgestellten Hochenegg’schen
Falle — indiziert ist und Dauerheilung verspricht, was in meinen drei
Fällen nicht zu gewärtigen ist.
Immerhin ist das Resultat bei dem ersten von mir operierten
Falle, welcher schon °/, Jahr anhält, einiger Beachtung wert.
Trotzdem glaube ich, daß dieser Eingriff nicht oft ausgeführt
werden dürfte. Meine Fälle waren insgesamt maligne Tumoren. Da
Hypophysentumoren oft noch mit Diabetes kombiniert sind, ist dieses
ein weiterer Grund der Einschränkung der Indikation.
(Selbstbericht.)
König (Altona) berichtet über seine vor 10 Jahren angestellten
Versuche, die Hypophysis vom Rachen aus anzugehen.
Boerner (Rastatt).
39) Eckstein (Berlin. Eine neue Plastik bei Verlust der
Nasenspitze.
Die jetzt 20jährige gesunde Pat. kam mit einem Angiom auf
der Nasenspitze zur Welt, das mit dem Thermokauter so gründlich
zerstört wurde, daß die Nasenspitze mit verloren ging. Das Nasen-
profil stellte einen flachen, in die zu kurz geratene Oberlippe ver-
laufenden Bogen dar, die Nasenflügel bzw. deren Reste verliefen
schräg nach unten. — Zunächst wurde durch Hartparaffininjek-
tion am unteren Ende des restierenden Nasenrückens sowie oben am
Übergang zur Stirn ein gerades Nasenprofil geschaffen und dadurch
der Nasenrücken um !/; verlängert. Dann wurde der linke Nasen-
flügel in der Flügelfurche von der Backe abgelöst, von der Schnitt-
fläche aus wurde aus seiner ganzen Dicke ein Dreieck mit vorderer
Spitze herausgeschnitten, so daß nur noch .der Rand des Flügels im
Zusammenhang mit dem Rücken übrig blieb; dieser Rand wurde nun
hinaufgeschoben und angenäht, wodurch er eine horizontale, normale
use 280 ee
Stellung bekam. In derselben Weise wurden der andere Nasenflügel
und das Septum, mithin die ganze Nasenbasis nach oben verschoben,
wodurch das untere Ende des Nasenrückens zur Spitze wurde. Der
Erfolg war gut, die Nase macht einen nahezu normalen, gänzlich un-
auffälligen Eindruck, die Narben sind in der Flügelfurche erst in
nächster Nähe sichtbar, die Haut ist völlig normal.
Anstatt daß also, wie bei allen sonstigen Methoden, der Defekt
durch eine Lappenplastik mit ihren sattsam bekannten Nachteilen er-
setzt wurde, ist er hier durch einen zweiten Defekt mit wesentlich
besseren Resultaten ausgeglichen worden. (Selbstbericht.)
Hals,
40) J. Dollinger (Budapest. Die subkutane Entfernung
tuberkulöser Lymphknoten des Halses, des Nackens und der
Submaxillargegend.
D. referiert über die Erfahrungen, welche er mit seiner Methode
der subkutanen Entfernung tuberkulöser Lymphknoten des Halses in
letzter Zeit machte. Die Methode wurde im Jahre 1904 Bd. LXXII
der Deutschen Zeitschrift für Chirurgie samt den anatomisch -topo-
graphischen Tafeln veröffentlicht. D. hat die Operation bisher ins-
gesamt an 200 Halsseiten von 158 Pat. ausgeführt. Davon ent-
fallen 25 Fälle auf seine Assistenten. Das Wesen der Operation ist,
daß die genannten Lymphknoten von einem 6 cm langen Schnitt aus
entfernt werden, welcher am Nacken, 1 cm von dem behaarten Teile
gegen die Mittellinie liegt, mithin von den Haaren bedeckt ist. Pat.
wird hochgelagert, der Operateur sitzt unter dem Kopfe und beleuchtet
die Wundhöhle von unten her. Das Blut fließt dabei beständig aus
der Wunde heraus. Die Blutung ist übrigens gewöhnlich unbedeutend,
da zu den Lymphknoten stumpf vorgedrungen wird. Diejenigen Lymph-
knoten, die unter dem oberen Ende des Kopfnickers liegen, umgeben
den N. accessorius, der geschont werden muß. Bei den Lymphknoten
der Submaxillargegend wird die Tasche der Speicheldrüse bei Beleuch-
tung mit dem Skalpell gespalten, nachdem vorher die Vena facialis
antica beiseite geschoben wurde. Sind diese Knoten groß, so ist sie
obsolet. Die tiefen Lymphknoten des Halses liegen entlang der Vena
jugularis. Sie werden mit der Hakenzange in die Wunde gezogen
und von der Vene vorsichtig abgelöst, was gewöhnlich leicht zu be-
werkstelligen ist.
Die Lymphknoten der Cervicalgegend ziehen manchmal bis zu
dem unteren Ansatz des Kopfnickers und bis in die Schlüsselbeingrube
herab. Da sie in lockeres Bindegewebe eingelagert sind, können sie
mit der Hakenzange mit einiger Mühe, namentlich wenn der Kopf
des Kranken stark gegen die kranke Seite herabgebeugt wird, in die
Nähe der Wunde gezogen und hier ausgelöst werden. Früher ent-
—_— 8 —
fernte sie D. zuweilen von einem besonderen Schnitte aus, in letzter
Zeit gelang es ihm aber fast immer, sie von der oberen Wunde aus
zu entfernen. Die Lymphknoten sind meistens bereits verkäst und
zerreißen bei der Entfernung. In 7 Fällen waren sie bereits in tuber-
kulöse Abszesse umgewandelt, und der Eiter überflutete die ganze
Wundhöhle Werden die käsigen Teile und der tuberkulöse Eiter
gut ausgewischt, so hindert das die Heilung p. p. nicht
Sämtliche 7 Fälle, in denen Abszesse vorhanden waren, heilten
ohne Eiterung. Reiner, übrigens nicht infizierter tuberkulöser Eiter,
gut ausgewischt, hindert die Heilung nicht. Fälle, in welchen über
den Lymphknoten die Haut bereits gerötet oder fistulös ist, eignen
sich für diese Methode nicht mehr. Wegen Blutung war D. insgesamt
in 3 Fällen genötigt, für einige Tage die Wundhöhle zu tamponieren,
worauf dann die Operation beendet wurde Gegen ein Rezidiv
schützt die Operation ebensowenig wie die offene Entfernung dieser
Lymphknoten. Bei einigen Kranken, die sich früh meldeten, bevor
die Knoten abszedierten, wurde die Operation auf derselben Seite
wiederholt ausgeführt, bei einer jungen Dame auf derselben Seite 2mal,
auf der anderen imal. Alle 3mal Heilung p. p. Von den 200 Hals-
seiten, die D. bisher bei 158 Kranken operierte, heilten 167 p. p. In
33 Fällen bestand kurze Zeit nach der Operation etwas Eitersekretion.
In diesen Fällen wurde an der tiefsten Stelle der Wundtasche mit
dem Tenotom eine kleine Gegenöffnung angelegt und ein ganz dünnes
Drainrohr für einige Tage eingelegt. Es blieb an dieser Stelle nur
eine punktförmige Narbe. Zu einer phlegmonösen Entzündung kam
es in keinem Falle. Sämtliche Pat. sind geheilt. Die Operation wurde
bisher sehr wenig beachtet, weil ihre Ausführung, namentlich anfangs,
bis sich der Operateur darauf eingeschult hat, recht schwer ist. In
Deutschland hat sie Prof. Bier, in Chicago J. Frank mit gutem
Erfolg in mehreren Fällen ausgeführt. D. betont nochmals die tech-
nischen Schwierigkeiten, mit denen der Operateur anfangs zu kämpfen
hat, die Verschonung von einer entstellenden Narbe wird aber von
den Kranken immer sehr hoch geschätzt, und D. empfiehlt deshalb
die Operation auch auf Grund seiner neueren Erfahrungen.
(Selbstbericht,
Diskussion.
Most (Breslau) macht einen ziemlich tiefen seitlichen Querschnitt
und räumt von diesem die Lymphdrüsen subkutan aus.
Boerner (Rastatt).
41) T. Kocher (Bern). Blutuntersuchungen bei Basedow.
K., der in den letzten Jahren bei 153 Basedowoperationen nur
zweimal tödlichen Ausgang beobachtet hat und infolgedessen die Früh-
operation bei dem Leiden fortdauernd empfiehlt, hat bei Blutunter-
suchungen Basedowkranker die roten Blutkörperchen meist etwas ver-
mehrt, die weißen dagegen stark vermindert gefunden, und ganz
besonders die neutrophilen polynukleären, während die Lymphocyten
Chirurgen-Kongreß 1908. 6
—— 82 —
sogar etwas vermehrt erschienen. Das änderte sich mit der Operation:
die Leukocytenzahl nahm ab, die der neutrophilen gelapptkernigen
stark an Menge zu. Ein je umfangreicheres Kopfstück entfernt werden
konnte, um so besser war die Prognose für die Heilung des Basedow.
Diskussion.
Hönnecken (Dresden) demonstriert Präparate von experimentell
bei Kaninchen erzeugten Kröpfen. Er ist der Ansicht, daß jeder
Basedowkropf einen Regenerationsvorgang nach voraufgegangener In-
suffizienz der Schilddrüse darstelle. Boerner (Rastatt).
42) Lauper (Interlaken). Dilatations- und Radiumbehand-
lung des Speiseröhrenkrebses.
L. referiert über einen günstig beeinflußten Fall von Carcinoma oeso-
phagi mittels Radiumbehandlung. Der 69jährige Pat. ist seit Herbst
1904 krank, seit Sommer 1905 in Behandlung und ißt heute, nach bald
4 Jahren seit dem Beginn des Leidens, wieder so ziemlich alles. Pat.
fühlt sich vollständig wohl. Vor Beginn der Radiumbehandlung war
der Kranke in ca !/, Jahr um 50 Pfd. abgemagert; von diesen hat
er seither wieder ungefähr die Hälfte eingeholt. Das Hindernis, an
der Bronchuskreuzuug sitzend, war so eng, daß feinste Oliven nur mit
Anwendung eines Kunstgriffes, d.h. nur unter heftigen Brechbewe-
gungen mit großer Mühe passierten. Anfängliche recht mühsame
Dilatationsversuche mit speziell konstruierten Sonden hatten nur einen
verhältnismäßig geringen Wert. Erst nach Einleitung der Radium-
therapie fing Pat. an sich langsam zu erholen. Es wurden 0,003 Ra-
diumbromid von 500,000 Aktivitäten eingeführt in anfänglich kurzen
Sitzungen von 10 Minuten, später von 20—40 Minuten Dauer. Längere
Sitzungen wurden nicht vertragen. Pat. klagte über Unbehagen und
leichten Schmerz in der Sternalgegend. Die protrahierte Anwendung
jedoch in kurzen Sitzungen wurde anstandslos vertragen. Das Hindernis
besteht weiter, die Erkrankung scheint keineswegs behoben, wohl aber
in der Entwicklung sehr wesentlich gehemmt, wobei es sich wahr-
scheinlich um eine oberflächliche Destruktion und eine sekundäre
bindegewebige Durchwachsung und quasi Abkapselung der malignen
Neubildung handelt. L. zieht daraus folgende Schlüsse:
1) Den Radiumsalzen kommt eine Einwirkung auf den Speise-
röhrenkrebs zu.
2) Bei der Radiumbehandlung, die in richtiger Dosierung unge-
fährlich ist, empfiehlt sich mehr die protrahierte Anwendung
in kurzen Sitzungen. (Selbstbericht).
Diskussion.
H. Küttner (Breslau): Ich möchte auch bei den tiefsitzenden
sophaguskarzinomen, welche sich dem ösophagoskopischen, dem Son-
ser 2 IB a
dierungs- und Röntgenbefunde nach in der Nähe des Zwerchfells be-
finden, dazu raten, vor einer eventuellen thorakalen Operation die
Probelaparotomie zu machen. Diese Karzinome verbreitern sich weit
mehr im Abdomen als im Thorax, und man kann, wie ich es einmal
erlebt habe, bei der Probethorakotomie ein Karzinom für operabel
halten, von dessen Inoperabilität ein Griff ins Abdomen ohne weiteres
überzeugt hätte. Ich habe dann in drei Fällen bei solchen in Zwerch-
fellnähe sitzenden Osophaguskarzinomen die Probelaparotomie voraus-
geschickt und dabei stets Tumoren gefunden, welche weit in der
Magenwand und den abdominalen Drüsen vorgeschritten waren. Keine
Untersuchungsmethode hatte uns über diese in der Tiefe der Zwerch-
fellaushöhlung sich abspielenden Veränderungen aufzuklären vermocht.
Der kleine Laparotomieschnitt wird dann sofort zur Anlegung der
Magenfistel benutzt. (Selbstbericht.)
43) v. Hacker (Graz). Über Resektion und Plastik am
Halsabschnitt des Ösophagus wegen Karzinom.
Die Resektion am Halsteil der Speiseröhre wurde bis heute, auch
bei der Hauptindikation dazu, dem primären Karzinom desselben, noch
selten, etwa in ein Viertel Hundert Fällen ausgeführt, und sind die
Resultate der Operation, sowohl was die unmittelbaren, als was die
Dauererfolge betrifft, keine uns befriedigenden. Die primäre Mortalität
beträgt 36%, ja wenn man einige späte Todesfälle als noch in Be-
ziehung zur Operation stehend auffaßt, sogar 48%. Die Todesfälle
können hauptsächlich auf die zu geringe Widerstrandskraft der Kran-
ken und auf Infektionsprozesse in der Wunde und deren Folgen be-
zogen werden. Hinsichtlich der Dauererfolge wurden Fälle beobachtet,
in denen der Tod an Rezidiv in 8, 9, 12, 15 Monaten auftrat. Das
beste Resultat hatte bisher Ozerny’s erster Resektionsfall, der eben,
15 Monate danach, dem Rezidiv erlag!. Vortr. kann nun über einen
von ihm im Oktober 1906 mit Resektion behandelten Karzi-
nomfall berichten, in dem die Pat. bisher, also 1!/, Jahre,
vom Rezidiv verschont blieb, bis Februar 1%8 um 19 Kilo
zugenommen hatte, sich völlig gesund fühlt und sich aus-
schließlich durch den den ganzen Halsteil ersetzenden neu
gebildeten Hautösophagus auf natürlichem Wege ernährt.
H. hat drei Ösophagusresektionen ausgeführt, eine bei Sarkom, zwei
bei Karzinom des Ösophagus. Im letztoperierten wurde die Plastik
nach seinem 1886 und 1887 nach den Tierversuchen ange-
gebenen Plan völlig zu Ende geführt. Das Wesentliche und
Neue an diesem Verfahren bestand darin, ein Rohrstück
eventuell in seiner ganzen Zirkumferenz, nicht bloß einen
ı Ein geheilter, 1901 von Hildebrand operierter Fall, den Kasansky in
seiner Dissertation veröffentlichte, wurde als Pharynxkarzinom aufgefaßt und hier
nicht mit berücksichtigt.
6*
— 84 —
partiellen Wanddefekt eines Schleimhautkanals, vollständig durch
die äußere Haut zu ersetzen. Sein erster Fall starb kurz nach
der Operation an Herzschwäche. Die Resektion war mit der Be-
deckung der Wunde durch Hineinlegen zweier seitlicher, rechteckiger
Hautlappen, die zugleich die Hinterwand des Ösophagusdefektes er-
setzten, also mit dem ersten Akt der Plastik, abgeschlossen worden.
Im Sarkomfalle kam es nach diesem ersten Akt zur glatten Heilung,
das rasche Rezidiv machte jede weitere Operation untunlich. Die
dritte vor 1!/, Jahren operierte Pat. — zufälligerweise handelte es
sich in allen drei Fällen um Frauen — machte eine Reihe von Ope-
rationen durch. Sie war in den Ferien, August 1906, in die Klinik
gekommen. Es wurde zuerst eine Strumaoperation vorgenommen; auf
die Struma waren die Schlingbeschwerden bezogen worden. Als die-
selben danach blieben, wurde durch die ösophagoskopische Unter-
suchung Karzinom nachgewiesen. Im Anschluß an diese Unter-
suchung traten Erscheinungen einer Perforation am Halse auf. Die
nach vorgängiger Gastrostomie ausgeführte Inzision am Halse erwies
bereits eine von einer Perforationslücke ausgehende, bis unter das
Jugulum reichende Eiterung. Die Operation wurde mit der Osopha-
gostomie beendet.
Erst nach Ausheilung der Phlegmone und nachdem sich Pat.
entsprechend gekräftigt hatte, wurde im Oktober 1906 zur Resektion
geschritten. Das Karzinom hatte die Nn. recurrentes umwachsen und war
in den Kehlkopf gedrungen, der mitreseziert wurde. Vom ursprünglichen
Ösophagotomieschnitte waren deshalb oben und unten Querschnitte
nach rechts gemacht und ein rechteckiger Lappen gebildet worden.
Dieser Lappen wurde nach Beendigung der Operation in die Wunde
geschlagen und ersetzte so den resezierten Halsteil des Osophagus
in seiner hinteren Wand. Der obere Lappenrand wurde an die hin-
tere Pharynxwand, der untere an die hintere Wand des in die Haut
genähten Ösophagus angenäht und umsäumte überdies die etwas mehr
rechts neben dem Osophagus herausgenähte Trachea. Am Hals blieb
außer Drainagelücken keinerlei offene Wunde nach der Operation zu-
rück. Nach reaktionsloser Heilung konnte die Frau nach Einlegung
eines Gluck’schen Gummitrichters, der Pharynx und Osophagus ver-
band, Flüssigkeiten ziemlich gut schlucken. Im Dezember wurde
dann der zweite Akt der Plastik durchgeführt. Zur Bildung der
vorderen Wand wurden zwei Türflügellappen, der kleinere rechts, der
größere links, gebildet, durch Umschlagen mit der Epidermis nach
innen und Vernähung ihrer Längsränder wurde das Hauptrohr nach
vorn geschlossen; nach unten geschah dies durch die Vereinigung
mit der angefrischten Osophagusschleimhaut. Zur Bedeckung wurde
hierauf jederseits ein rechteckiger Lappen mit lateraler Basis abprä-
pariert, von denen der rechte bedeutend größer genommen worden
war, damit er, über das Hautrohr geschlagen, die Längsnahtreihe des-
selben überdeckte, was auch der Fall war. Die Ränder der beiden
Lappen wurden unter fingerbreitem Abstand voneinander beide an
ir RE, en
den linken Kopfnicker angenäht und miteinander durch Brückennähte
verbunden. Mit dem unteren Rand des rechten Hautlappens wurde
die Trachealmündung umsäumt. Schließlich waren, mit Ausnahme
des freiliegenden Streifens des Kopfnickers, alle Wundflächen bedeckt
und vereinigt. Nur die Pharynxöffnung und das obere Lumen des
Hautösophagus, mit dem vorläufig der Decklappen vereinigt worden
war, blieben frei. Erst in einem letzten Akt folgte, nach Anfrischung,
die Vernähung vom Osophagusrohr und Pharynx in der vorderen
Zirkumferenz. Die Heilung erfolgte schließlich ohne jede bleibende
Fistel.
Der Erfolg in dem Falle ist der denkbar beste. Die
Frau ist völlig arbeitsfähig und spricht mit tonloser, aber
verständlicher Pharynxstimme. Die Magenfistel war, nach
Weglassung des Rohres, von selbst geheilt.
Da zu einer ausführlichen Besprechung nicht Zeit ist, wird im
Anschluß an diesen Fall, und mit Rücksicht auf die vorliegenden
Erfahrungen bei der Resektion, nur auf einige Punkte hingewiesen,
welche dem Vortr. zur Besserung der unmittelbaren und der
Dauererfolge von besonderer Wichtigkeit erscheinen:
Als Voroperation erscheint die Gastrostomie als von prinzi-
pieller Wichtigkeit zur Vermeidung der Hauptgefahren der Operationt
der Wundinfektion und Aspirationspneumonie. Sie gestattet den
Kranken eventuell vor der Operation noch zu kräftigen. v. H. ha,
sie als Voroperation vor Operationen am Hals mit Eröffnung des
Speiserohres zuerst 1897, und zwar vor Eröffnung der Halsphlegmone
nach Osophagusperforation ausgeführt; auf die prinzipielle Bedeutung
derselben als Voroperation haben dann insbesondere Quervain für
die Resektion 1899 und Helferich 1900 im allgemeinen hingewiesen
und nachher verschiedene andere Chirurgen. Die Gastrostomie er-
scheint dem Vortr. auch dazu von Wichtigkeit, um, wie er vorschlägt
in Fällen, wo die Striktur noch für die dünnste Darmsaite durchgängig
ist, durch die retrograde Durchführung eines an einen Faden gebun-
denen Bougie oder eines Drainrohrs die untere Grenze des Kar-
zinoms, das ja meist stenosiert, zu bestimmen. Eine entsprechende
Auswahl der geeigneten Operationsfälle vorausgesetzt, tritt v. H. für
einerücksichtslose Mitresektion beiVerwachsungen des Kar-
zinoms mit Nachbarorganen, insbesondere dem Luftrohre,
ein. Die Mitresektion am Luftrohre scheint häufiger notwendig zu
sein, als sie bisher ausgeführt wurde. Es sind nicht die während der
Osophagusresektion absichtlich unternommenen Resektionen am Respi-
rationstrakt, bei denen ja für eine zweckmäßige Ableitung der Sekrete
desselben und gegen Schluckpneumonie Vorsorge getroffen werden
kann, die so gefährlich sind — gerade diese Operationen verliefen
günstig —; zu fürchten sind jedoch einerseits wegen der Gefahr der
Wundinfektion, Verletzungen am Luftrohr mit nachfolgender Nekrose
oder Undichtwerden genähter Risse usw., andererseits Ablösungen bei
wa ‚A ge
festen Verwachsungen, wegen der Gefahr des Rezidivs, das wiederholt
von solchen Stellen ausging.
Ein Punkt, der bisher noch nicht berücksichtigt wurde, sind die
regionären Lymphdrüsen bei der Resektion des Karzinoms
des Halsösophagus. Es kommen zwei Gruppen in Frage; die
Glandul. cervic. proff. supp. werden wohl bei der gründlichen Exstirpa-
tion, als nahe am ÖOsophagus liegend, mitzuentfernen sein; dagegen
muß man, nach den heutigen Grundsätzen der Karzinomoperation,
für künftige Fälle auch die Entfernung der supraclavicular,
im Winkel zwischen YV. jugal. int. und V. subclavia, liegen-
den zweiten Gruppe, der Glandul. cervic. proff. inf., ver-
langen.
Zum Schluß wird in bezug auf die Technik, die ja im allgemeinen
ziemlich klar vorliegt, nur der Punkt der Wundversorgung nach
der Resektion besprochen. Meist wurde der untere Ösophagus-
stumpf herausgenäht und die Wunde sorgfältig tamponiert, eventuell
mit besonderem Pharynx- und Mediastinaltampon. Unter Umständen
werde man allerdings in dieser Art vorzugehen genötigt sein.
Im allgemeinen hält v. H. nach sorgfältigem Schutz der Wunde
vor Infektion während der Operation, durch Tamponade, die primäre
Wundbedeckung mit Haut für das beste, um das Zellgewebe, nament-
lich des retroösophagealen Raumes, gegen Eindringen von Mund-Rachen-
und Wundsekret zu schützen. Dadurch wird zugleich der erste Akt
seiner Plastik, nämlich die Bildung der hinteren Osophagusrinne, voll-
zogen. Ein solcher Pat. ist, wenn er auf die eigentliche Plastik noch
warten muß, besser daran, als nach der Tamponade. Er kann auch
mit einem, Pharynx und Osophagus verbindenden, Rohr Flüssigkeiten
schlucken. Der Vortr. ist gleichfalls dafür, nach der Resektion ein
etwa rasch auftretendes Rezidiv abzuwarten. Diese Art der Wund-
versorgung stellt im allgemeinen keine irgend in Betracht kommende
Komplizierung der Operation dar. Zu einer eingreifenderen Opera-
tion am Osophagus, bzw. am Larynx (falls die Osophagusresektion
eine sekundäre wäre), pflegt man ausgiebige Schnitte, zumal entweder
den Osophagotomieschnitt, oder einen Medianschnitt und, um mehr
Platz zu bekommen, von den Enden derselben eventuell Querschnitte
zu machen. Diese Schnitte eignen sich sehr gut zu der von v. H. ange-
strebten Wundbedeckung. Auf die im Einzelfall sich ergebenden
Modifikationen der Dermato-Osophagoplastik und ihrer Akte kann hier
nicht weiter eingegangen werden. (Selbstbericht.)
Diskussion zu 42 u. 43.
H. Küttner: M. H.! Ich möchte mir erlauben, Ihnen hier ein
Karzinom des Halsteiles vom Osophagus zu zeigen, welches ich
bei einer 41jährigen Frau durch Resektion gewonnen habe. Die Sonde
stieß 15 cm hinter der Zahnreihe auf ein Hindernis, die Osophago-
— 87 —
skopie ergab in gleicher Höhe ein Karzinom, welches durch Probe-
exzision sichergestellt wurde. Operation in steiler Schräglage mit ge-
senktem Kopf. Ausräumung der Lymphdrüsen auf beiden Seiten des
Halses, Exstirpation der linken Schilddrüsenhälfte, Freilegung des
dicht über dem Jugulum fühlbaren Tumors. Der Osophagus ließ sich
allseitig stumpf isolieren, nur vom Kehlkopf mußte er scharf getrennt
werden. Der linke Recurrens vagi wurde zunächst durch mediale
Verlagerung geschont, konnte aber schließlich doch ‚nicht erhalten
werden. Bei der weiteren Operation wurde dann auf die gewöhnlichen
Gefahren der Ösophagusoperation Rücksicht genommen, auf die
Schluckpneumonie, die Nachblutung und die eitrige Mediastinitis. Die
Infektion des lockeren Zellgewebes am Hals und im Mediastinum
suchte ich dadurch zu vermeiden, daß ich’ den Ösophagus allseitig
auslöste, ehe ich ihn durchtrennte, ferner dadurch, daß die Durch-
trennung nach unten zwischen zwei Ligaturen mit dem Thermokauter
vorgenommen und das geschlossene, sich stark in die Tiefe zurück-
ziehende untere Osophagusende durch eine Lappenplastik an der Haut
fixiert wurde. An dieser Stelle scheint am Präparat die Abtragung
sehr nahe am Karzinom vorgenommen zu sein, es ist aber durch die
Ligierung und Kauterisation noch ein 1!/, cm breiter Ring ausgefallen.
Am oberen Ende war die Durchtrennung zwischen Ligaturen unmög-
lich, da das Karzinom zu weit hinaufreichte; es mußte der Pharynx
breit eröffnet werden. Um die Pharynxsekrete von der Wunde ab-
zuhalten, wurde durch Lappenplastik aus beiden Halsseiten eine voll-
kommen geschlossene Röhre gebildet, welche Schleim und Speichel
auf die intakte seitliche Halswand ableitete. Als weitere Sicherungs-
maßnahmen dienten die teilweise Tamponade mit Gaze, welche zwecks
schnellerer Ausbildung von Verklebungen in Lugol’sche Lösung ge-
taucht war, ferner das Fortlassen jedes eigentlichen Verbandes, der
nur in Gestalt einer dünnen, nach jeder Durchfeuchtung erneuerten
Gazeschicht angelegt wurde, und schließlich die Beibehaltung der
steilen Schräglage 8 Tage nach der Operation, eine wichtige Maß-
nahme, welche auch der Schluckpneumonie am wirksamsten vorbeugt.
Die Nachblutung wurde durch die sorgfältige Ableitung der Sekrete
und die Vermeidung jeder Ernährungsmanipulation am Halse verhütet.
Zu diesem Zweck wurde 8 Tage lang per rectum ernährt und dann
die Gastroenterostomie gemacht. Die Vorausschickung der Gastro-
enterostomie wurde unterlassen, da bei der beabsichtigten steilen Schräg-
lage des Körpers die in den Magen eingeführte Nahrung am Halse
wieder herausgeflossen wäre, wie wir nachträglich auch leicht fest-
stellen konnten. Die Operation wurde sehr gut überstanden, aber das
Endresultat ist doch nicht günstig gewesen. Es trat ein Rezidiv im
Larynx auf, dessen Operation verweigert wurde, so daß wir schließ-
lich tracheotomieren mußten. Die Pat. lebt heute noch, 10 Monate
nach der Operation, und sieht auffallend gut aus, aber sie hat ein
großes, jetzt nicht mehr operables Rezidiv. Ich glaube, daß wir auch
an dem Ösophaguskarzinom am Hals, welches ja auffallend häufiger
u. BE
als das tiefsitzende bei Frauen vorkommt, wenig Freude erleben wer-
den. Bisher sind alle Operationen von Rezidiven gefolgt gewesen.
(Selbstbericht.)
... Körte (Berlin) hat zweimal wie v. Hacker den Halsteil des
Ösophagus reseziert mit Fortnahme des Kehlkopfes und Bildung eines
neuen Speiserohres aus der Haut. Beide Pat. starben bald darauf an
Rezidiv.
Hofmeister (Stuttgart) berichtet über zwei Fälle, in denen er
den Halsteil des Osophagus unter Fortnahme des Kehlkopfes reseziert
hat. Ferner beobachtete er einen Fall, in welchem Kardiospasmus
diagnostiziert worden war, bei dem sich aber eine scharfwinkelige
Knickung des Osophagus, anscheinend nach Pleuritis, durch die Oso-
phagoskopie feststellen ließ. Boerner (Rastatt).
Lotheissen (Wien) weist auf die Bedeutung der Ösophago-
skopie hin, wo Verdacht auf Kardiospasmus besteht. Mehrmals sah
er Fälle, die von Internen und Neurologen als Kardiospasmus behan-
delt worden waren, bei denen die Osophagoskopie aber beginnendes
Karzinom ergab. Bei Fällen von Kardiospasmus mit Ektasie sieht
man meist den weiten, faltenreichen Ösophagus in der Tiefe krampf-
haft abgeschlossen. Einmal beobachtete L. einen Krampf, der zeit-
weise nachließ, sonst sah man nichts. Als der bejahrte Kranke 2 Jahre
später an einer anderen Krankheit gestorben war, fand sich bei der
Obduktion ein tiefsitzendes, kaum kirschgroßes Divertikel, dessen Ein-
gang schlitzförmig und auch an der Leiche kaum sichtbar war.
Die Röntgenuntersuchung erscheint wichtig, weil man oft erst
dann die Höhe des Spasmus bestimmen kann, der nicht selten
am Hiatus oesophageus sitzt. Manchmal findet man nämlich weder
mit der Sonde noch bei der Osophagoskopie ein Hindernis. Bei einem
Tjährigen Kinde, das seit seinem 10. Lebensmonat an Schlingbeschwerden
litt, ging die Sonde anstandslos bis in den Magen; sowie das Kind
etwas aß, trat der Krampf auf. Auf dem Röntgenschirm sah man
deutlich (mit Wismutbrei) die Stenose am Hiatus und lebhafte Peri-
staltik der Speiseröhre. Nach ein paar Sekunden sah man erst tropfen-
weise, dann im Strahl die Speisen in den Magen spritzen, nach meh-
reren Minuten entleerte sich alles. Obwohl das Kind mit 12 Monaten
eine schwere Diphtherie durchgemacht hat, kann man diese nicht als
Ursache ansehen, da die Beschwerden schon 2 Monate vorher be-
standen. Auch hier wurde Ballondilatation versucht mit rasch vor-
übergehendem Erfolg. Zu einem größeren Eingriff gaben die Eltern
aber nicht ihre Einwilligung. (Selbstbericht.)
44) G. Gottstein (Breslau). Die Therapie des chronischen
Kardiospasmus.
G. berichtet zunächst über die bisherigen Versuche, den chro-
nischen Kardiospasmus therapeutisch anzugreifen. Er geht ausführ-
— 89 —
lich auf die von Reisinger auf dem vorjährigen Chirurgenkongreß
empfohlene Resektion der Speiseröhre ein und bezeichnet diese Me-
thode als eine viel zu eingreifende.
Weiterhin bespricht er die therapeutischen Versuche von Miku-
licz’s behufs Heilung dieses Leidens. v. Mikulicz ging operativ von
der Bauchhöhle aus vor, eröffnete den Magen und dehnte von hier
aus die Cardia mittels einer Zange. Auf diese Weise wurden von
6 Fällen 2 geheilt, 1 gebessert. Die Nachuntersuchungen dieser Fälle
haben ergeben, daß sie auch jetzt noch in gleicher Weise als geheilt
zu betrachten sind. In einem siebenten Falle zog v. Mikulicz nach
dem. Vorschlag von Henle einen Gummiballon durch die Cardia hin-
durch, nachdem er vorher den Magen eröffnet hatte. In diesem Falle
kam es zu einer »subjektiven« Heilung. In einem achten Falle er-
öffnete v. Mikulicz das Abdomen nicht mehr, sondern zog nur einen
Ballon durch die Cardia hindurch. Diese letzte Methode hatte nur
einen Erfolg von 3 Tagen. Sie erwies sich außerdem als gefährlich,
da eine Invagination der Cardia in den Ösophagus während des
Hindurchziehens des Ballons zustande kam. Aus diesem Grunde ver-
warf v. Mikulicz diese Methode. Auch die von v. Mikulicz & G.
konstruierten Metallinstrumente zur Dehnung von oben werden als zu
gefährlich zurückgewiesen.
G. berichtet über eine neue Methode der Dehnung der Cardia
in situ, die im Gegensatz zur Henle’schen Methode des Durchziehens
eines Ballons, sich an die Methode von Rosenheim, Strauss und
Wilms anlehnt. G. geht in‘ der Weise vor, daß er einen in beson-
derer Weise konstruierten Gummiballon in die Cardia einlegt und
nachlfer durch Wasser ausdehnt. Die Idee des Einlegens eines wider-
standsfähigen Stoffes zwischen zwei Gummiballons behufs Verhinde-
rung des Ausweichens des Ballons stammt von Stabsarzt Geissler.
Für den praktischen Gebrauch hat G. die Sonde vielfach verändern
müssen, da sie in ihrer ursprünglichen Form nicht brauchbar war. G.
hat in dieser Weise sechs Fälle behandelt. Im ersten derselben benutzteer
zunächst die Henle’sche Methode, die zwar eine Besserung, aber keine
- Heilung erzielte. Auch der ursprüngliche Gummiballon nach Geissler
führt nicht zum Ziel. Mit der veränderten Dilatationssonde hat G.
im Laufe von 2!/, Jahren in 6 Fällen Amal eine vollständige — ob-
jektive — Heilung, in 2 Fällen eine subjektive erzielt. G. versteht
unter objektiver Heilung eine solche, bei der sich im Osophagus ein
Residualbestand nicht mehr nachweisen läßt, unter subjektiver Heilung
eine Besserung der Beschwerden, bei der sich aber noch ein Residual-
bestand im Osophagus findet, ohne daß Erbrechen eintritt. Von den
zwei Fällen, in denen bisher eine objektive Heilung noch nicht erzielt
ist, ist in dem einen eine forcierte Dehnung noch nicht vorgenommen,
in dem anderen erst zweimal leicht gedehnt worden. Ein besonderer
Vorteil der Methode liegt darin, daß man sie ohne operativen
Eingriff mehrmals wiederholen kann, dáher nicht bald bei der ersten
Dehnung ad maximum vorzugehen braucht. Die v. Mikulicz’sche
ii 300, aa
operative Methode wird auch weiterhin ihre Bedeutung für diejenigen
Fälle behalten, bei denen eine Passage der Sonde durch die Cardia
nicht mehr möglich ist.
G. stellt zwei Pat. vor, die durch forcierte Dauerdehnung mit der
Dilatationssonde völlig geheilt worden sind. (Selbstbericht.)
Diskussion.
Czerny (Heidelberg) demonstriert einen Apparat zur Dilatation
der Cardia bei Kardiospasmus. Boerner (Rastatt).
Lotheissen (Wien) weist auf die Bedeutung der Ösophago-
skopie hin, wo Verdacht auf Kardiospasmus besteht. Mehrmals sah
er Fälle, die von Internen und Neurologen als Kardiospasmus be-
handelt worden waren, bei denen die Osophagoskopie aber beginnendes
Karzinom ergab. Bei Fällen von Kardiospasmus mit Ektasie sieht
man meist den weiten, faltenreichen Osophagus in der Tiefe krampfhaft
abgeschlossen. Einmal beobachtete L. einen Krampf, der zeitweise
nachließ, sonst sah man nichts. Als der bejahrte Kranke 2 Jahre
später an einer anderen Krankheit gestorben war, fand sich bei der
Obduktion ein tiefsitzendes, kaum kirschgroßes Divertikel, dessen
Eingang schlitzförmig und auch an der Leiche kaum sichtbar war.
Die Röntgenuntersuchung erscheint wichtig, weil man oft erst
dann die Höhe des Spasmus bestimmen kann, der nicht selten am
Hiatus oesophageus sitzt. Manchmal findet man nämlich weder mit
der Sonde noch bei der Osophagoskopie ein Hindernis. Bei einem
7 jährigen Kinde, das seit seinem 10. Lebensmonat an Schlingbeschwerden
litt, ging die Sonde anstandslos bis in den Magen; sowie das’ Kind
etwas aß, trat der Krampf auf. Auf dem Röntgenschirm sah man
deutlich (mit Wismutbrei) die Stenose am Hiatus und lebhafte Peri-
staltik der Speiseröhre. Nach ein paar Sekunden sah man erst tropfen-
weise, dann im Strahl die Speisen in den Magen spritzen, nach mehreren
Minuten entleerte sich alles. Obwohl das Kind mit 12 Monaten eine
schwere Diphtherie durchgemacht hat, kann man diese nicht als Ur-
sache ansehen, da die Beschwerden schon 2 Monate vorher bestanden. -
Auch hier wurde Ballondilatation versucht mit rasch vorübergehendem
Erfolg. Zu einem größeren Eingriff gaben die Eltern aber nicht ihre
Einwilligung. (Selbstbericht.)
45) Voelcker (Heidelberg). Über Exstirpation der Cardia
wegen Karzinom.
Der Vortr. berichtet über drei Fälle von Exstirpation der Oardia
wegen Karzinom, von denen eine zu einem vollkommenen Erfolg, zwei
zu Mißerfolg führten. Es handelte sich in den drei Fällen um Kar-
zinome, die primär an der Cardia saßen und deren Hauptsymptom
Schluckbeschwerden waren. Sie waren sämtlich für die Schlundsonde
undurchgängig. Das Hindernis saß in dem einen Falle (64jährige Frau)
—— Oh
bei 46, in dem zweiten (50jähriger Mann) bei 41, in dem dritten
(60jähriger Mann) bei 48 cm.
Als Bauchschnitt wählt man am besten einen medianen Längs-
schnitt, der hoch oben am Proc. ensiformis beginnt und 8—10 cm
lang ist. Durch ihn orientiert man sich über die Größe des Tumors,
über Drüsenschwellungen, Lebermetastasen, Beziehung zum Zwerch-
fell, kurz über die Operabilität des Tumors. Entschließt man sich
zur Radikaloperation, so setzt man auf den ersten Schnitt noch einen
zweiten, der parallel dem Rippenbogen, ca. 2—3 cm unterhalb des-
selben zur Axillarlinie verläuft. Entsprechend dem Vorschlage Mar-
wedel’s wird neben dem Proc. ensiformis die 6. und 7. Rippe in ihrem
Knorpelteil eingekerbt, event., wenn das nicht genügt, in der Axillar-
linie von eigenen kleinen Schnitten aus die 9., 8. und 7. Rippe sub-
periostal durchtrennt. Dadurch wird der Rippenbogen so weit mobil,
daß er sich von einem Assistenten in die Höhe halten läßt.
Der Pat. wird am besten so gelagert, daß die Zwerchfellgegend
den höchsten Punkt bildet und sowohl der Oberkörper als auch das
Abdomen mit den Beinen abschüssig liegen. Dadurch erleichtert man
sich das Operieren in der Tiefe sehr.
Wichtig ist es, sich vor der Operation ungefähr über die Opera-
bilität des Tumors zu informieren. Das gelingt zum Teil durch Bis-
mutfüllung „und Röntgenphotographie. In dem einen Falle konnte
man auf diese Weise sehr schön feststellen (Beobachtung der medizi-
nischen Klinik Heidelberg), daß der Osophagus, etwas dilatiert, bis
1,5 cm unterhalb des Zwerchfells herabreichte, und daß durch die
anschließende Stenose des Bismutbrei als feiner Faden sich fortsetzte.
In einem anderen Falle konnte man sich an einem verschluckten
Gummischlauche, der mit Quecksilber gefüllt war, über den Stand
der Cardia orientieren. .
Zu betonen ist, daß sich der Osophagus jedesmal sehr leicht
aus der Brust hervorziehen ließ, wenn man ihn aus dem Hiatus des
Zwerchfells durch vorsichtige Schnitte ausgelöst hatte. Bei dem Vor-
ziehen spannen sich die Nervi vagi als sicht- und fühlbare Stränge an
und lassen sich unter Kontrolle des Auges durchtrennen; der linke
liegt mehr nach vorn, der rechte mehr nach hinten. Ein Einfluß der
Vagusdurchschneidung auf Herztätigkeit oder Atmung wurde nicht
beobachtet.
Der wichtigste und schwierigste Teil der Operation ist die Naht.
Die Verwendung des Murphyknopfes ist zu widerraten. Er wurde
in dem zweiten Falle, bei dem die mit dem Tumor verwachsene Milz
zugleich mitexstirpiert wurde, zur Einpflanzung des Ösophagus in die
hintere Magenwand (End-zu-Seit) angewandt. Der Verlauf war die
ersten 8 Tage günstig, dann begannen Zeichen von Nahtinsuffizienz,
am 11. Tage mußte der Knopf aus der Wunde herausgezogen werden,
es flossen dann sowohl die verschluckten Flüssigkeiten als Duodenal-
inhalt zu der Bauchwunde heraus, und der Pat. starb trotz sorgfältiger
Pflege und Ernährung durch eine Jejunostomie am 24. Tage an
es O9,
Erschöpfung. Hätte man die Vereinigung statt mit dem Murphyknopfe
mit einer exakten Naht bewerkstelligt, so wäre wahrscheinlich ein
positiver Erfolg der Operation trotz der komplizierenden Milzexstirpa-
tion zu verzeichnen gewesen. :
Der Knopf kann nicht zur Heilung führen, weil an dem Oso-
phagus der Peritonealüberzug fehlt, der die Verklebung vermittelt.
An der Muskulatur, aus der die äußere Schicht des Osophagus be-
steht, erzeugt der Knopf lediglich eine Nekrose, mit deren Demarka-
tion der Knopf sich löst und die Teile wieder auseinander weichen.
Der einzig richtige Weg ist eine exakte, zweireihige Naht. Die
Schwierigkeit ist dabei nur die, daß der ÖOsophagus sich nach der
Durchtrennung wieder in die Brusthöhle zurückziehtt. Man muß auf
irgend eine Weise dafür sorgen, daß an dem Osophagus wenigstens
so lange gezogen wird, bis die Naht zur Hälfte fertig gestellt ist. In
dem ersten Falle wurde der Osophagus während der Nacht zunächst
mit dem Tumor in Verbindung gelassen, so daß ein dauernder Zug
ausgeübt werden konnte, und unter allmählicher Durchtrennung schritt-
weise von hinten beginnend die zweireihige Naht angelegt. Es bildete
sich zwar eine Fistel, die aber wieder heilte, so daß die Pat. nach
8 Wochen in sehr gutem Zustande entlassen werden konnte. Sie
schluckte flüssige und feste Speisen. In dem dritten Falle wurde der
Tumor durch einen Schlitz in der hinteren Magenwand dyrchgesteckt
und unter dauerndem Zug die äußere Naht von außen, die innere
Naht vom Magenlumen aus unter allmählicher Abtrennung des Tumors
angelegt, dann der Magen geschlossen. Trotzdem die Operation ohne
Blutverlust ausgeführt war, starb Pat. nach 24 Stunden; bei der
Autopsie fanden sich Schrumpfnieren, die vor der Operation nicht er-
kannt worden waren, und die allem Anscheine nach zu dem schlechten
Ausgange viel beigetragen hatten. Das Durchziehen des Osophagus,
bzw. des Tumors durch die hintere Magenwand hat den Vorteil be-
quemer Zugänglichkeit bei der Naht, aber dafür den Nachteil, daß
der Schlitz für den Durchtritt des Tumors größer angelegt werden
muß, als es für den Osophagus allein notwendig wäre.
Die Nahtfrage ist die wichtigste bei der ganzen Operation, und
wenn sie auch jetzt noch große Schwierigkeiten bereitet, so ist sie
doch ein rein technisches Problem, das sicherlich zu lösen ist.
Hervorzuheben ist, daß die Gefahr der Peritonitis bei diesen
Operationen sehr gering ist, und daß man ihr durch Tamponade be-
gegnen kann. Offenbar kommt der Umstand zu Hilfe, daß die Opera-
tion sich nur in dem oberen Bauchraum abspielt, der durch das Meso-
kolon und das große Netz von selbst gegen das übrige Peritoneum
abgedeckt ist. Trotz Dehiszenz der Naht entstand in den beiden
ersten Fällen keine Peritonitis.
Die Gastrostomie im Pylorusteil ist der Operation zur Sicherung
der Ernährung hinzuzufügen. (Selbstbericht.)
— 93 —
Brust.
46) Fritz König (Altona). Über Rippenbrüche und trau-
matisches Emphysem.
Unter den letzten 52 Rippenbrüchen sah K. 8mal ernste Kompli-
kationen durch Lungenverletzung, drei Todesfälle. Von ihnen war
einer nur durch das allgemeine traumatische Emphysem bedingt, wie
die Sektion einwandsfrei erwies. K. fürchtete bei dem 52jährigen Mann,
der schon 4mal Lungenentzündung an der Seite der Fraktur gehabt
hatte, einen größeren Eingriff und machte nur lokale Inzisionen,
welche zwar das Emphysem verringerten, aber keine dauernde Abhilfe
schafften.
Die Fortschritte der Chirurgie der Brusthöhle eröffnen nun gewiß
auch ohne Druckdifferenzverfahren neue Möglichkeiten bei intrathora-
kalen Verletzungen. Was an sich bei traumatischem Emphysem in-
folge Zerreißung der Lunge durch Rippenbruch gemacht werden soll,
zeigt dem Vortr. eine Heilung schwersten traumatischen Emphysems,
das durch Fraktur der Trachea bedingt war; sofortige Inzision auf
die Verletzungsstelle und Tracheotomie an derselben führte die Heilung
herbei. Wo bisher ein zielbewußter Eingriff bei Emphysem durch
Rippenbruch gemacht worden ist, da bestand er analog in Eröffnung
des Brustraumes an der Stelle der Fraktur und Ableitung der Luft
durch Drainage bzw. Tamponade.
K. ist der Meinung, daß dabei auf den Zustand der Lunge zu-
wenig Rücksicht genommen wird. Dieselbe kann allerdings durch
die anspießende Rippe fixiert sein, und alsdann bleibt sie ausgespannt;
in anderen Fällen aber ist das nicht der Fall, zum Emphysem gesellt
sich totaler Pneumothorax: die Lunge liegt kollabiert um den Hilus.
Dann kann auch nach Thorakotomie die Heilung nur unter langsamer
Ausdehnung der Lunge erfolgen, und diesen Prozeß kann man durch
geeignetes Vorgehen günstig beeinflussen.
Bei einem 24jährigen Eisenbahnangestellten, den K. vorstellt, war
am 2. Oktober 1907 durch Pufferverletzung eine Fraktur der 2, bis
10. Rippe links vorn mit starker Dislokation erfolgt; Pat. hatte schweren
Chok, die lateralen Bruchenden waren unter der unverletzten Haut
fühlbar, es bestand eine große subkutane Luftgeschwulst, welche
synchron mit der In- und Exspiration einfiel und sich ausdehnte. K.
machte sofort in Lokalanästhesie eine Inzision auf dieselbe und ent-
leerte Luft und Blut; die Zwerchfellpleura lag direkt vor, die Mus-
kulatur über den Rippen war weggerissen, die Lunge war oben an
den Hilus zurückgeschnurrt. Sofort wurde die Lunge mit einer
Kugelzange heruntergezogen, und es wurde ihr unterer zer-
fetzter Rand mit drei Seidennähten an die Pleura costalis in
der Wunde angenäht, die Höhle leicht tamponiert. Mehrere Tage
starke Hämoptöe und Exsudation aus der Pleura, im übrigen rasche
— 94 —
Besserung und baldige Heilung unter völliger Ausdehnung der Lunge.
Entlassung am 15. November. An dem vorgestellten Pat. fühlt man
auch jetzt noch die dislozierten Rippenenden; man sieht die Inzisions-
narbe. Der Thorax dehnt sich aber gut aus, die Atmung ist überall
vesikulär, keine Dämpfung. Pat. hat nur bei eiligen Bewegungen noch
Beschwerden.
Gestützt auf seine Beobachtungen empfiehlt Vortr. bei Rippen-
brüchen mit maligne vorschreitendem Emphysem und Spannungs-
pneumothorax die Inzision, womöglich in Lokalanästhesie Ist die
Lunge durch das Fragment festgehakt oder sonst adhärent, dann muß
auf jeden Fall, unter Umständen mit Lockerung derselben, das die
Quelle des Emphysems abgebende Lungenloch sichtbar gemacht und
in offener Wunde behufs ableitender Tamponade fixiert werden. Ist
die Lunge ganz kollabiert, dann soll sie hervorgezogen und gleichfalls
an der Verletzungsstelle eingenäht werden.
Dieses Vorgehen ist auch ohne Druckdifferenzverfahren
ausführbar; es besteht aber, zumal nach der heutigen Mitteilung
von Sauerbruch, kein Zweifel, daß die Anwendung desselben gerade
für die in Rede stehende Verletzung noch bessere Chancen und even-
tuell ganz neue Möglichkeiten eröffnet. (Selbstbericht.)
47) Schmieden (Berlin). Eigene Erfahrungen mit dem Druck-
differenzverfahren nach Sauerbruch.
Der Vortr. tritt der mehrfach in letzter Zeit geäußerten Ansicht
entgegen, daß der Wert des Druckdifferenzverfahrens nur ein geringer
sei. Er hat sehr eingehende Studien darüber gemacht, wozu ihm der
Brauer’sche Überdruckapparat, die Sauerbruch’sche Kammer und
der von Brat konstruierte Apparat zur Verfügung stand, letzterer
in Anwendung mit einfachem Überdruck, sowie mit künstlicher Re-
spiration. Er hält die künstliche Atmung für minderwertig im Ver-
gleich mit dem Druckdifferenzverfahren; zwischen Überdruck- und
Unterdruckapparaten besteht kein prinzipieller Unterschied; man kann
mit allen Apparaten, die empfohlen sind, zum Ziele kommen. Einen
großen Fortschritt stellen die vereinfachten Apparate für Überdruck
ohne Kammer dar, wofür der von Brat konstruierte schon jetzt als
ein annähernd vollwertiger Ersatz der Druckdifferenzkammern be-
zeichnet werden darf. Der Vortr. hat ihn im Tierexperiment vielfach
erprobt und mit dem Kuhn’schen Tubagerohr kombiniert angewendet.
Ein Exspirationsventil garantiert die Ausatmung unter jeder momentan
gewünschten Überdruckstärke. Ein großer Vorteil liegt darin, daß
der Brat’sche Apparat gestattet, sofort beim Eintreten eines Narkose-
zufalles durch Umiegen eines Ventiles künstliche Atmung zu machen.
Mit diesen Vervollkommnungen ist das Druckdifferenzverfahren
für die Lungenchirurgie äußerst wertvoll, und die Wahrscheinlichkeit
praktischer Erfolge auf dem Gebiet der ÖOsophaguschirurgie rückt
_— 95 _._
immer näher. Für die Chirurgie des Brustteiles der Speise-
röhre macht der Vortr. den Vorschlag, einstweilen auf die
Wiedervereinigung des resezierten Osophagus zu verzichten.
Wir müssen erst lernen, gefahrlose Resektionen durchzu-
führen und vorläufig beide Enden blind verschließen; eine
Magenfistel sorgt für dieErnährung. Auf diese Weise, glaubt
der Vortr., werden bald mit Erfolg resezierte Osophaguskarzinome
bekannt gegeben werden.
Die vortreffliche Funktion der Sauerbruch’schen Kammer und
des Brauer’schen Apparates ist in Bier’s Klinik auch schon an drei
Operationen am Menschen festgestellt worden.
Den Schluß des Vortrages bilden Ausführungen über Apparate
zur Messung der Länge der Osophaguskarzinome, Versuche, mit denen
der Vortr. zurzeit beschäftigt ist. (Selbstbericht.)
48) Dreyer (Breslau). Vergleichende experimentelle Unter-
suchungen über Über- und Unterdruckverfahren.
Vortr. hat zusammen mit Herrn Dr. Spannaus ausgedehnte
Untersuchungen über die Physiologie des Über- und Unterdruckver-
fahrens angestellt. Benutzt wurde zu den Studien auf der einen Seite
die ganz moderne Sauerbruch’sche Kammer der Klinik, auf der
anderen Seite ein ganz neuer vervollkommneter Überdruckapparat.
So wurden zum erstenmal beide Methoden, und zwar in ihrer höchsten
technischen Vervollkommnung, unmittelbar miteinander verglichen. Das
Resultat war folgendes:
1) Die Aufzeichnung der Luftschwankungen in Trachea und
großem Bronchus der freigelegten Lunge ergab bei Über- und Unter-
druck ganz gleiche Kurven.
2) Bei der Atmung an der Gasuhr zeigte sich kein Unterschied.
3) Die dem Überdruckverfahren zum Nachteil ausgelegte Erhöhung
des Venendruckes bei uneröffnetem Thorax fand sich bei Unterdruck
genau 80. 5
4) Bei eröffnetem Thorax zeigte sich mit der Zunahme des Über-
druckes ein Steigen des Blutdruckes in der Art. pulmonalis und ein
Sinken desselben in der Art. femoralis. Wieder das gleiche trat, in
Bestätigung der Angaben Friedrich’s, mit dem Wachsen des Unter-
druckes ein.
5) Wurden vermittels eines mit dem Proc. xiph. in Verbindung
gebrachten Winkelhebels die Atemexkursionen des Thorax aufge-
schrieben, so waren die bei Druckdifferenz entstehenden Abweichungen
der Thoraxstellung von der Norm bei gleichen Uber- und Unterdruck-
werten, direkt nacheinander an gleichen Tieren gemessen, ganz gleich,
— ein sehr sinnfälliger Beweis dafür, daß es bei solch elastischen
Gebilden wie Brustkorb und Brustkorbinhalt lediglich auf den Unter-
schied in der Größe der einwirkenden Kräfte, nicht auf deren abso-
lute Werte ankommt.
uns 06 ee
Es ergab sich also völlige Übereinstimmung zwischen Über- und
Unterdruckverfahren bei Benutzung der neuen vervollkommneten Ein-
richtungen. Die Erklärung liegt darin, daß das Wirksame beider
Methoden in dem Umstande zu suchen ist, daß auf der Innenfläche
der Lunge ein höherer Druck lastet als auf ihrer Außenfläche, wo-
durch das Kollabieren der Lunge verhindert wird.
Die Feststellung der physiologischen Gleichwertigkeit beider
Verfahren ist insofern von großem Wert, als man nunmehr kein Be-
denken tragen wird, in der Praxis sich des einfacheren Überdruck-
verfahrens zu bedienen. (Selbstbericht.)
49) Brauer (Marburg). Die therapeutische Bedeutung des
künstlichen Pneumothorax.
B. weist auf die günstige Wirkung hin, die seinen Erfahrungen
nach ein künstlicher Pneumothorax bei einer Anzahl von Lungen-
erkrankungen zu leisten vermag, besonders bei Bronchektasien,
Gangrän und Phthisis, hier speziell gegen Blutungen.
50) H. Küttner (Breslau). Erfahrungen über Operationen
bei Unter- und Überdruck.
M. H.! Die Diskussion über Lungenchirurgie auf dem vorjährigen
Kongresse hat mich, so anregend und belehrend sie gewesen ist, doch
in einem Punkte unbefriedigt gelassen; wir haben fast nichts über
Operationen bei Unter- und Überdruck gehört. Dies veranlaßte mich
damals, außer den Resultaten von Tierexperimenten meine spärlichen,
bei drei Operationen am Menschen gemachten Beobachtungen mitzu-
teilen. Seither bin ich auf diesem Gebiet unausgesetzt tätig gewesen
und habe 15 weitere Operationen ausgeführt, so daß ich Ihnen heute
über 18 Druckdifferenz-Operationen berichten kann. Vielleicht
gewinnen diese Beobachtungen dadurch an Interesse, daß ich in der
glücklichen Lage bin, sowohl eine Sauerbruch’sche Unterdruck-
kammer wie einen Brauer’schen Überdruckapparat zur Verfügung
zu haben. Von den 18 Operationen sind 9 bei Unterdruck, 9 bei
Überdruck ausgeführt worden, es war somit die willkommene Gelegen-
heit geboten, beide Verfahren gegeneinander abzuwägen.
Auf die zahlreichen bemerkenswerten Einzelbeobachtungen kann
ich aus Zeitmangel nicht eingehen, nur folgendes sei kurz erwähnt.
Als besonders geeignet für das Operieren bei Druckdifferenz erwiesen
sich 5 Brustwandtumoren, deren Photographien und Röntgenbilder
ich herumreiche. Bei 2 mit der Pleura verwachsenen Rippenenchon-
dromen und einer unter dem Bilde eines Sarkoms auftretenden gum-
mösen Erkrankung verliefen Operation und Rekonvaleszenz gleich ideal;
bei einem ulzerierten Mammakarzinomrezidiv war trotz der Infektiosität
des Prozesses der Verlauf nur durch eine leichte Pleuritis beeinträchtigt ;
bei einem Enchondrom der Wirbelsäule kam es in der Kammer zu
a= 97 ou
einer mechanischen Narkosenstörung durch Verdrehen des sehr grazilen
Kinderhalses bei der unvermeidlichen Bauchlage und durch Druck
der Halskravatte, doch ging der Zwischenfall nach Herstellung nor-
Fe Verhältnisse rasch vorüber, und die Heilung erfolgte in kurzer
eit.
Die Größe des Thoraxdefektes ist für Operation und Verlauf be-
deutungslos — nach Entfernung des einen malignen Rippenenchondroms
fehlte die Pleura in einer Ausdehnung von 18:10 cm —, Bedingung
für eine ungestörte Rekonvaleszenz ist nur, daß die Brusthöhle primär
absolut sicher verschlossen wird. Es ist nicht unbedingt notwendig,
daß hierzu Haut verwandt wird —, ich habe bei einer Ösophagus-
operation einmal einen ganzen Lungenlappen fortlaufend in den Defekt
eingenäht, ohne einen sekundären Pneumothorax zu bekommen —, am
günstigsten aber ist es natürlich, wenn normale Haut mit oder ohne
Muskulatur zur Verfügung steht. Die Weichteillappen legen sich dann
ohne weiteres der Lunge an und werden von ihr mitbewegt.
Weniger gut waren die Resultate bei drei Pleuraoperationen,
doch lag dies an der Ungunst der Fälle Ein diffuses Pleurasar-
kom konnte nur mit Inzision und Auslöffelung behandelt werden, die
anstandslos ertragen wurde. Von zwei tuberkulösen Empyemen kam
es bei dem einen auf eine gewöhnliche Thorakoplastik hinaus, die
auch ohne Druckdifferenz hätte ausgeführt werden können; vielleicht
wurde jedoch die eingreifende Operation von der elenden Pat. so
gut ertragen, weil bei Sauerstoffüberdruck operiert wurde Der
dritte Fall ist der schon im Vorjahre mitgeteilte, bei dem ich die
Pleuratuberkulose nach Analogie der Peritonealtuberkulose operieren
wollte, den Pat. aber an Aspiration des Empyems durch eine Lungen-
fistel verlor.
Mehr Freude haben wir an den bei Druckdifferenz ausgeführten
Lungenoperationen erlebt. Ich zeige Ihnen hier einen Pat., bei
dem ich in der Sauerbruch’schen Kammer wegen schwerster Blutung
die Schußlöcher der Lunge durch Naht geschlossen habe.
Es machte einen gewaltigen Eindruck, als aus der eröffneten Pleura
ein armdicker Blutstrahl hervorschoß; der Verlauf war frappierend
glatt und stach aufs vorteilhafteste ab gegen die verzögerte Rekon-
valeszenz zweier gleichzeitig konservativ behandelter, weit leichterer
Lungenschüsse. Alle bedrohlichen Erscheinungen waren mit einem
Schlage beseitigt, schon am 11. Tage konnte der Verletzte endgültig
das Bett verlassen. Es hat sich hier so recht gezeigt, was das Druck-
differenzverfahren zu leisten vermag: die Schußlöcher waren schwer
zu finden, aber in aller Ruhe konnten wir die Lunge absuchen und
die Wunden vernähen. Die Lungennaht, welche ich bei den ver-
schiedenen Operationen vielfach auszuführen Gelegenheit hatte, bietet
nicht die geringste Schwierigkeit, ich verwende nach Garr&'s Vor-
schlag stets feine Seide. Zieht man vorsichtig an, so schneidet die
Naht nicht durch, der unbedeutende Luftaustritt aus den Stichkanälen
sistiert stets von selbst.
Chirurgen-Kongreß 1908. í
— 98 —
In zwei Fällen habe ich wegen diffuser Bronchiektasen,
einmal bei Uber-, einmal bei Unterdruck, die Pneumolyse ausge-
führt. Beide Pat. haben die Operation gut überstanden; die eine
Kranke entzog sich dem ihres elenden Zustandes halber notwendigen
zweiten Operationsakt und lebt ungeheilt, sehr gut dagegen ist das
Endresultat bei dem Pat. geworden, den ich Ihnen hier zeige. Sie
werden ihm nicht mehr ansehen, in welch elendem Zustande er sich
befand, als er noch ganze Gläser eines furchtbar stinkenden Sputums
auswarf. Ich habe ihm rücksichtslos die ganze gespannt gehaltene
Lunge ausgehülst und die bedeckende Brustwand entfernt, und so ist
er wieder ein voll arbeitsfähiger Mann geworden.
Verloren habe ich eine Pat. mit Lungenfisteln und Pyo-
pneumothorax ah einer so seltenen Komplikation, daß sie das Ver-
fahren nicht belastet. Die 19jährige Pat. ging am 12. Tage nach
Vernähung der Lungenfisteln und ausgedehnter Thoraxresektion ganz
schnell zugrunde an einer enormen akuten Dilatation des Magens,
der das ganze Abdomen ausfüllte.e Der Vagus, der bei der Opera-
tion nicht berührt worden war, fand sich in entzündliche Schwielen
eingebettet.
Interessant wegen der heute noch extremen Seltenheit der Indi-
kation sind zwei operativ in Angriff genommene Fälle von primären
Lungenkarzinomen, deren Röntgenbilder ich zirkulieren lasse. In
dem einen Falle gelang die Diagnose Karzinom erst im späteren Ver-
lauf nach der Operation durch die systematische Untersuchung der
nach außen entleerten Produkte eines sequestierenden Lungenprozesses.
Bei dem zweiten Pat. dagegen konnte das Karzinom vor der Opera-
tion sicher diagnostiziert werden, da sich in dem kopiösen Sputum
der großen Kaverne Krebszellen fanden. In beiden Fällen war eine
radikale Entfernung des Tumors nicht mehr möglich, doch wurden
die Pat. wenigstens von den Beschwerden durch das massenhaft ent-
leerte fötide Sputum befreit. Der eine Kranke lebt noch, der andere
ist zu Hause kachektisch gestorben. Ich habe den Eindruck, daB das
so proteusartig unter den verschiedensten Krankheitsbildern auftretende
primäre Lungenkarzinom weit häufiger ist, als im allgemeinen ange-
nommen wird; in einem Semester habe ich als Chirurg nicht weniger
als drei sichere Fälle gesehen; es will mir auch scheinen, als ob diese
Krebsform für die operative Behandlung nicht die ungünstigste sei,
sobald einmal bei manchen unklaren Lungenaffektionen frühzeitiger
an die Möglichkeit eines Karzinoms gedacht werden wird. z
Auch an die Resektion des karzinomatösen intrathorakalen Oso-
phagus habe ich mich wieder herangewagt, leider ohne Erfolg. Ich
bin auf verschiedene Weise vorgegangen. Nachdem mich der schon
im Vorjahre mitgeteilte Fall von radikaler Entfernung des Tumors
gelehrt hatte, daß von der primären Vereinigung wenig zu erwarten
sein dürfte, habe ich in einem zweiten Falle zunächst durch ausgiebige
Tamponade der Pleura einen allseitig abgeschlossenen Raum zu schaffen
gesucht, innerhalb dessen ich in einer zweiten Sitzung die Exstirpation
——— ———————, — uu = — A) _ — -= L a M M
a. 09 —
vornehmen wollte; der 69 Jahre alte Mann hat aber schon den ersten
Akt nur 2 Tage überlebt; allerdings zeigte die Sektion, daB der ge-
wünschte Abschluß erreicht war. In einem weiteren Falle habe ich,
wie aus diesen Bildern ersichtlich, einen groBen Hautlappen gebildet,
den ich in die Tiefe der Pleurahöhle hineinschlug und durch den ich
die Enden des resezierten Osophagus durchzog. Auf diese Weise
wurde das ganze vor Infektion nicht zu schützende Operationsfeld der
direkten Tamponade zugänglich, doch führte auch hier der enorme
Eingriff nach 24 Stunden zum Tode. Für unmöglich halte ich die
Lösung des Problems auch heute noch nicht. Meine drei mißglückten
Fälle betrafen sämtlich alte elende Leute und hochsitzende Karzinome
am Hilus der Lunge oder im Bogen der Aorta. Das einzige tiefer
sitzende Karzinom bei dem einzigen jüngeren Pat. erwies sich im Ver-
lauf der Operation als nicht radikal entfernbar, der Eingriff wurde
ohne weiteres überstanden, obwohl — wiederum ein Beweis für die
Leistungsfähigkeit des Verfahrens — die Auslösung des Tumors einen
‚doppelseitigen Pneumothorax zur Folge gehabt hatte.
Fasse ich meine Eindrücke bei den mit Druckdifferenz ausge-
führten Operationen zusammen und vergleiche sie mit früheren Er-
fahrungen, so besteht für mich kein Zweifel, daß die Sauerbruch-
sche Idee einen ganz außerordentlichen Fortschritt bedeutet.
Niemals haben wir mehr das unheimliche Lungenflattern, die akuten
Atmungsstörungen, die blitzartigen Kollapse gesehen, man operiert
auch in der ganz freien Brusthöhle mit der gleichen Sicherheit und
Ruhe wie bei einer Laparotomie.
Es ist den Verfahren, vor allem dem Überdruck, vorgeworfen
worden, daß es die Aspiration begünstige. Ich habe, wie schon
gesagt, bei einem durch die Lungenfistel überfließenden tuberkulösen
Empyem eine tödliche Aspiration erlebt, sie begann aber bereits vor
Einleitung des Überdruckes und wäre ohne Druckdifferenz ebenfalls
zustande gekommen; auch in einem Falle von Bronchektasien machte
die Aspiration zeitweise bedrohliche Erscheinungen, die aber rasch
vorübergingen und den Operateur nicht hinderten. Dagegen verlief
in drei weiteren Fällen mit massenhaftem Sputum die Operation bei
Unter- und Überdruck vollkommen ungestört, überhaupt habe ich,
abgesehen von jener tödlichen Aspiration, bei keiner meiner Operationen
eine mit dem Eingriff zusammenhängende Lungenkomplikation erlebt,
weder auf der operierten noch auf der gesunden Seite. Danach könnte
es fast scheinen, als ob die Druckdifferenz das Zustandekommen der
Aspiration erschwere, da der höhere Druck im Bronchialbaum das
Sputum zurückdränge. Soweit möchte, ich nicht gehen, immerhin
scheint es mir sicher, daß die Aspirationsgefahr durch die Druck-
differenz nicht erhöht wird, einen gewandten und erfahrenen
Narkotiseur vorausgesetzt. Ob meine Vorsichtsmaßregel, Pat.
mit reichlichem Sputum längere Zeit vor der Operation so zu lagern,
daß alle Höhlen sich gründlich entleeren können, an dem guten
7*
si. 100:
Resultate beteiligt ist, kann ich nicht entscheiden, vermindert wird die
Sputummenge dadurch jedenfalls.
Ferner ist gegen die Druckdifferenzverfahren eingewandt worden,
daß sie nur bei intakter Lunge wirksam sein könnten, mit
dem Moment der Lungeninzision müsse sich der Druck ausgleichen.
Dies ist zweifellos nicht der Fall. Ich habe mehrfach die Lunge bei
Lösung von Adhäsionen erheblich verletzen müssen, ohne daß sie,
trotz bedeutenden Luftaustrittes, kollabierte, und bei dem Pat. mit
dem Lungenschuß strömte so reichlich Luft aus den Schußlöchern,
daß wir durch den mitgerissenen Atherdampf in hohem Maße belästigt
wurden — Fälle, in denen, nebenbei bemerkt, der Thermokauter zu
vermeiden ist —; trotzdem blieb die Lunge vollkommen entfaltet.
Selbst die Eröffnung größerer Bronchien wirkt, wie das Tierexperiment
uns gelehrt hat, nach dieser Richtung nicht schädlich; denn die große
Innenfläche der Lunge verträgt den Druckausgleich an einer doch
verhältnismäßig kleinen Stelle, und selbst wenn ja, was wir sogar bei
offener Durchtrennung des Hauptbronchus eines ganzen Lungenlappens
nicht gesehen haben, das operierte Organ kollabieren sollte, würde
die geblähte andere Lunge das Mediastinum in ausreichender Weise
schützen.
Erwähnen möchte ich noch, daß ich weit häufiger als in den 18
operierten Fällen den Uber- oder Unterdruck nur bereit gehalten
habe, ohne ihn schließlich einschalten zu müssen. Es ist ein sehr
beruhigendes Gefühl, der Gefahr einer etwaigen Pleuraverletzung in
jedem Augenblick vorbeugen zu können.
M. H.! Über die großen Vorzüge des Operierens bei Druck-
differenz kann meines Erachtens ein Zweifel nicht obwalten. Eine
andere Frage ist es, ob das Unter- oder Überdruckverfahren
den Vorzug verdient. Nach unseren bei Verwendung beider Me-
thoden gewonnenen Eindrücken sind die beiden Verfahren vollkommen
gleichwertig, und mein Assistent, Herr Dr. Dreyer, wird Ihnen über
ausgedehnte vergleichende Experimente berichten, welche die physio-
logische Gleichwertigkeit bis in alle Einzelheiten und mit aller Sicher-
heit beweisen. Somit hängt es rein von äußeren Momenten ab, welchem
Verfahren der Vorzug gegeben wird. Gute Resultate lassen sich mit
beiden erzielen, ich für meine Person bevorzuge den Brauer’schen
Überdruckapparat. Sein großer Vorteil beruht darin, daß man unter
normalen Verhältnissen operiert, jeden Augenblick jedes Hilfsmittel
zur Hand hat, durch Raummangel nicht behindert, den Blicken des
Narkotiseurs und der Zuschauer durch beschlagende Glaswände nicht
entzogen ist, mit günstigerer Beleuchtung arbeitet und die Asepsis
leichter durchzuführen vermag. Es war sehr auffallend und charak-
teristisch, wie mit dem Moment, als wir beide Methoden zur Ver-
fügung hatten, bei uns allen ganz spontan die Schwenkung zum Über-
druck erfolgte.
Als großen Nachteil der Kammer, in welcher ich durch Unter-
druck und Hitze niemals wirklich belästigt worden bin, habe ich die
— 101 —
Trennung des Operateurs vom Narkotiseur empfunden. Bei der er-
wähnten einzigen Narkosenkomplikation, die wir erlebten, mußten wir
uns durch Dritte am Telephon, welche zudem infolge des Motorge-
räusches schlecht verstanden, über alle Phasen des Zwischenfalles
verständigen, und ich muß sagen, daß mir diese Situation den Ge-
schmack an der Kammer verdorben hat. Auch über die durch den
Lärm des Motors und das Beschlagen der Fenster erschwerte Nar-
kosenkontrolle, wie vor allem über die Trennung vom Pat., welche
jede Beobachtung der Atmung fast unmöglich macht, haben meine
narkotisierenden Assistenten stets geklagt. Zwar ist die Handhabung
der Narkose bei Überdruck auch nicht einfach, ernstliche Schwierig-
keiten aber haben sich nicht ergeben, und trotz der noch geringen
Erfahrung haben die Narkotiseure rasch genügende Übung erlangt.
Zur Narkose haben wir ohne jeden Nachteil fast stets Ather benutzt,
Lungenkomplikationen sind, wie gesagt, nicht aufgetreten. Vielfach
habe ich Sauerstoff geben lassen, und es ist eine zweifellos nützliche
Eigenschaft des Brauer’schen Apparates, die bei schwerem Blutver-
lust und großem Eingriff nicht zu unterschätzen ist, daß man jeden
Augenblick Sauerstoff unter Überdruck atmen lassen kann. Ferner
habe ich als Vorzug des Überdruckes kennen gelernt, daß der Druck
sehr schnell zu ändern ist, während dies in der Kammer infolge ihrer
Größe nur langsam möglich ist. Die schnelle Druckänderung aber
ist von Vorteil, einmal weil es kein besseres Mittel zur Hebung des
Pulses gibt, als die rasche Aufblähung der Lunge, zweitens weil
durch Herbeiführung eines vorübergehenden unschädlichen Zusammen-
sinkens die Abtastung und Lokalisierung von Herden in der Lunge
sehr erleichtert wird. E
Wenn mir persönlich somit auch das Uberdruckverfahren an-
genehmer ist, so soll damit nicht gesagt sein, daB es nun unbedingt
den Vorzug verdiene; dazu sind die Erfahrungen nicht ausreichend,
obwohl sie sich gleichzeitig auf eine überreiche Zahl von Tierexperi-
menten stützen. Prinzipielle Unterschiede aber bestehen jedenfalls
nicht, und es dürfte daher in erster Linie eine Frage des persönlichen
Geschmackes und nicht zuletzt des Geldbeutels sein, für welches Ver-
fahren man sich entscheidet. Der Bedeutung der Sauerbruch’schen
Idee aber wird sich auf die Dauer niemand entziehen können, der
große Chirurgie des Thoraxinnern treiben will. (Selbstbericht.)
51) L. Mayer (Brüssel). Ein neuer Apparat zur Überdruck-
narkose.
Die Ursachen zu der erstaunend kleinen Verbreitung, welche
bisher das Sauerbruch’sche Druckdifferenzverfahren gefunden hat,
sind erstens die theroretischen Bedenken, welche noch viele Chirurgen
gegen das ausgezeichnete Brauer’sche Überdruckverfahren haben.
Es darf wohl heute keinem Zweifel mehr unterliegen, daß beide Me-
thoden praktisch gleichwertig sind.
— 102 —
Die zweite Ursache ist darin zu ersehen, daB es bisher keinen
Apparat gab, welcher die Anwendung der Sauerbruch’schen Grund-
sätze in genügend einfacher Weise gestattete.
Vortr. hat nun mit Herrn Dr. Danis (Brüssel) einen Apparat
konstruieren lassen, welcher einfach, sicher, wenig umfangreich und
leicht transportabel ist.
Der demonstrierte Apparat zerfällt in zwei Teile; der erste Teil
dient zur Sauerstoffchloroformnarkose, der zweite ist der eigentliche
Überdruckapparat.
Zur Narkose wird eine Sauerstoffbombone benutzt, welche mit
einem, dem Ricard’schen Chloroformapparat ähnlichen, aber ohne
Ventil konstruierten Chloroformgefäß verbunden ist. Der mit Chloro-
form mehr oder weniger gesättigte Sauerstoffstrom wird von dem Pat.
durch eine intrabukkale besondere Maske eingeatmet. Letztere besteht
aus zwei Metallplatten, zwischen welchen die Lippen des Pat. einge-
klemmt werden. Die ausgeatmete Luft wird nun zu einem Uber-
druckkasten geleitet, aus welchem sie unter einem einfachen Wasser-
ventil entweicht.
Dieser Apparat hat sich bei einer ganzen Anzahl Tierexperimenten
gut bewährt, und auch bei einer Operation am Menschen hat er Aus-
gezeichnetes geleistet. Es handelte sich um einen 21jährigen Mann,
der sich eine Revolverwunde dicht außerhalb der Herzspitze zugezogen
hatte. Es entstanden schwere Erscheinungen von Hämothorax, die in
bedrohendster Weise zunahmen und 18 Stunden nach dem Unfall den
fast pulslosen, stark dyspnoischen Pat. zur Operation führten. Unter
Anwendung des telephonisch in die Wohnung des Pat. verlangten
Überdruckapparates wurde die linke Thoraxseite breit eröffnet, eine
große Menge Blutes ausgeräumt, die Lungenwunde leicht gefunden
und übernäht und der Thorax primär geschlossen. Gute Heilung.
Vortr. glaubt, daß der neue Apparat wegen seiner Einfachheit
sich für die Unfallchirurgie ganz besonders eignen dürfte. Der
Apparat ist von der Firma Claesen (Brüssel) konstruiert.
(Selbstbericht.)
Diskussion zu Nr. 47—51.
Sauerbruch (Marburg). S. bestätigt zunächst die großen Vorteile,
die das Druckdifferenzverfahren für die Brustwandplastik hat. (Vgl. die
Mitteilung: »Resektion der Brustwand und Plastik auf die freigelegte
Lunge«. Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXVI.) Auch ist
er der Meinung, daB primäre Lungenkarzinome häufiger vorkommen,
als man bisher annahm. S. berichtet über einen von ihm mit Erfolg
operierten Fall von Resektion der Lunge wegen Lungenkarzinom. Der
Fall war unter dem Bilde einer schweren Interkostalneuralgie ver-
laufen, die nach der Operation nicht wiederkehrte. Die radikale Be-
seitigung des Tumors gelang allerdings nicht.
Bezüglich der Speiseröhrenresektion hat S. auch noch keine Er-
folge aufzuweisen, er hat in neun Fällen die Operation versucht. Den
— 103 —
Vorschlag, zweizeitig zu operieren, hält er für nachahmenswert, betont
aber, daß das Idealverfahren, speziell für das Kardiakarzinom, die ein-
zeitige Operation mit Anastomose zwischen Magen und Speiseröhre bildet.
Schließlich weist S. noch darauf hin, daß die Verwendung des Unter-
druckes für die Beseitigung von Hautemphysem, Spannungspneumo-
thorax und Mediastinalemphysem sehr zu empfehlen sei. Bericht über
zwei Fälle. (Selbstbericht.)
Kuhn (Kassel) hat schon Apparate angegeben für den Überdruck
mit peroraler Tubage.e Man muß mittels eines dünnen Röhrchens bis
zum Ende der Intubationskanüle Sauerstoff zuführen.
.„..Henle (Dortmund) demonstriert einen einfachen Apparat zum
Überdruckverfahren. Ferner teilt H. einen Fall von Kardiolyse mit,
bei dem nach der Rippenresektion das Herz sich noch nicht gut zu-
sammenzog. Erst als H. dann in die richtige Schicht des Perikards
hineinkam, konnte das Herz frei arbeiten. Leider ging H. zu hoch
hinauf, es entstand ein Einriß, der genäht werden konnte. Aber
Pat. starb nach 22 Stunden. Die Sektion ergab Herzatrophie.
Kausch (Schöneberg) berichtet über die von ihm operierten Pat.,
der es ausgezeichnet geht. Auch im Arm sind keine Schmerzen mehr
vorhanden. Wichtig zur Beurteilung des Falles ist, daß es sich 1) um
eine ältere, über 40 Jahre alte Frau handelte, daß 2) sich die Tuber-
kulose ganz rapide, unter K.’s Augen entwickelte, 3) daß die sozialen
Verhältnisse sehr schlecht waren. Die Pat. ist Wäscherin, muß gleich
nach der Operation arbeiten. Trotzdem nimmt sie noch an Gewicht
zu, es geht ihr gut. Der zweite Fall K.’s war schlechter, beide
Spitzen waren ergriffen,. auch war wegen Fußtuberkulose schon Am-
putation gemacht. Beide erste Rippenknorpel waren stark verknöchert.
Der Eingriff wurde gut überstanden. Das weitere Ergebnis muß man
noch abwarten. K. hat kleinere und größere Stücke der Rippe fort-
genommen. Der Eingriff ist ganz leicht.
Wendel (Magdeburg) meint, bei alten Empyemen spielten viel
mehr innere Schrumpfungen in der Lunge, als äußerer Druck usw.
eine Rolle.
Wullstein (Halle a. 8... W. hat einen plastischen Ersatz der
Gelenkkapsel, des Peritoneums, der Tunica vaginalis propria und der
Dura experimentell vorgenommen, und zwar derart, daß er an die
Stelle der genannten Gewebe Haut mit der Epithelseite nach der
freien Gelenkhöhle, Bauchhöhle usw. einschlug.
W. faßt die Resultate dieser Experimente in folgende Sätze kurz
zusammen:
1) Man kann alle die genannten Gewebsteile ohne weiteres und
ohne Bedenken, daß Infektionen erfolgen, durch Einschlagen von Haut
plastisch ersetzen. |
2) Gemäß der neuen funktionellen Beanspruchung erfährt die Haut
eine entsprechende funktionelle Anpassung, d. h. sie wandelt sich ent-
— 14 —
sprechend ihrer Beanspruchung in Peritoneum, Dura, Gelenkkapsel usw.
um, und zwar so, daß sie sich nach einer bestimmten Zeit weder
makroskopisch noch mikroskopisch von ihrer Umgebung unterscheidet.
3) Dabei ist die histologische Genese verschieden, und zwar einer-
seits bei dem funktionellen Ersatz der Gelenkkapsel, andererseits bei
dem funktionellen Ersatz der Dura, der Tunica vaginalis propria, des
Peritoneum und voraussichtlich der Pleura und des Perikard.
a. Bei den Gelenken kommt die funktionelle synoviale Anpassung
zustande unter Fibrinablagerung auf die implantierte Haut, Schwund
der Epithelschicht, Organisation des aufgelagerten Fibrins und Über-
schieben des Endothels von der Seite her. Reste des Epithels in den
Drüsen, Haarbälgen usw. kommen allmählich mehr und mehr zum
Schwund.
b. Bei allen anderen Geweben (Dura, Peritoneum usw.) findet die
funktionelle Anpassung statt unter Schwund der Epidermisschicht, die
schon innerhalb weniger Tage (4 Tage) voraussichtlich durch Autolyse
vollständig verloren geht, so daß dann also die feinen oberflächlichen
Bindegewebszüge der Cutis frei vorliegen. Leider harrt die histologisch
sehr interessante Frage noch der Lösung, ob die Endothelisierung der
Cutis von der Seite her oder durch Metaplasie der feinen oberflächlichen
Bindegewebsschichten der Cutis erfolgt. Für die letztere Annahme
scheinen allerdings die histologischen Präparate zu sprechen, um so mehr,
als schon nach 10 Tagen die ganze Fläche des implantierten Lappens
endothelisiert war, was durch Überwucherung von der Seite her wohl
kaum möglich gewesen wäre.
4) Kam beim Ersatz des Peritoneums durch Haut das Netz mit
der Bauchwand so zur Verwachsung, daß es das implantierte Hautstück
brückenförmig überspannte und damit so von der freien Bauchhöhle
abschloß, daß die Haut nicht mehr der veränderten funktionellen Be-
anspruchung ausgesetzt war, so blieb, von dem Netz überbrückt, die
Haut als solche bestehen; die Haare wuchsen weiter, das Platten-
epithel siegte über das Endothel und überwucherte vom Rande her
die Endothelschicht des Netzes; das verhornte Plattenepithel stieß sich
ab und bildete ebenso wie die weitergewachsenen und ausgefallenen
Haare den Inhalt des allseitig von Plattenepithel ausgekleideten Hohl-
raumes — kurz es kam zur Bildung einer echten, artifiziell erzeugten
Dermoidcyste.
Gerade dieses negative Resultat ergänzt weiterhin die positiven
Resultate.
Somit gilt auch für den plastischen Ersatz der Gelenkkapsel, der
Dura, der Tunica vaginalis propria, des Peritoneums und voraussichtlich
auch der Pleura und des Perikards durch Haut der Satz: »Wo für
die Haut eine spezifische funktionelle Beanspruchung be-
steht, kommt es zu einer entsprechenden spezifischen funktio-
nellen Anpassung der Haut; wo dagegen diese funktionelle
Beanspruchung fehlt, bleibt auch die funtionelle Anpassung
auB.« (Selbstbericht.)
— 15 —
Brauer betont, daß man die Sauerbruch’schen Prinzipien genau
einhalten muß. Deshalb sind alle Apparate mit enger Maske, mit
Röhren oder Ventilen falsch (Gefahr beim Erbrechen!). Die Konstanz
der Druckdifferenz ist bei diesen Apparaten nicht zu erhalten.
Goebel (Breslau).
52) Seidel (Dresden). Über Chondrotomie bei Enge der
oberen Thoraxapertur und beginnender Spitzentuberkulose.
Vortr. erwähnt kurz die pathologisch-anatomischen Grundlagen
der Lehre von der mechanischen Disposition der Lungenspitzen zur
Tuberkulose, wie sie nach den Untersuchungen von Freund und
Hart, Birch-Hirschfeld, Schmorl fesststehen. Er demonstriert
einige Lungen, welche die Schmorl’sche Furche und in der Spitze
tuberkulöse Veränderungen zeigen. Die Ausheilung derartiger Spitzen-
tuberkulosen kommt nach Freund und Hart namentlich in Verbin-
dung mit Gelenkbildung am 1. Rippenknorpel vor. Ein kausaler Zu-
sammenhang ist sehr wahrscheinlich, und die Forderung der künst-
lichen Gelenkbildung bei beginnender Spitzentuberkulose und zugleich
bestehender Enge der oberen Apertur erscheint demnach berechtigt.
Vortr. hat in zwei Fällen diese Gelenkbildung ausgeführt. Der un-
mittelbare Erfolg war gut, das endgültige Resultat ist natürlich noch
nicht zu beurteilen. Die Technik der operativen Gelenkbildung ist
einfach, wenn man bei der Operation innerhalb des 1. Rippenknorpels
bleibt, nicht zuviel von ihm fortnimmt und die Schnittlinie 1/, cm von
der Knorpel-Knochengrenze entfernt schräg von unten außen nach oben
innen führt. Muskulatur wird nicht durchtrennt, da der 1. Rippen-
knorpel unmittelbar hinter dem Bindegewebsspalt zwischen Pars clavi-
cularis und Pars sternalis des M. pectoralis major liegt, so daß diese
beiden Muskelpartien nach einiger Lockerung nur auseinander gezogen
zu werden brauchen. Eine vom Vortr. angegebene stanzenförmige
Zange erleichtert die Durchtrennung des Rippenknorpels. Vortr. hält
den Eingriff für so einfach und ungefährlich, daß er empfiehlt, ihn
in größerem Umfange anzuwenden, damit man sich ein Urteil über
den endgültigen therapeutischen Wert bilden kann. Die innere The-
rapie darf selbstverständlich nicht vernachlässigt werden; sie hat nach
der Operation ebenso intensiv einzusetzen, wie dies bisher üblich ge-
wesen ist. (Selbstbericht.)
53) Friedrich (Marburg). Die operative Beeinflussung ein-
seitiger kavernöser Lungenphthise durch kostoplastische Pneu-
molysis.
F. hat, gestützt auf die Beobachtungen und Erfolge, welche
Brauer durch Erzeugung eines künstlichen Pneumothorax bei Lungen-
phthise nach dem Vorgange Murphy’s und Forlanini’s erzielt hat,
für die Fälle, wo aus äußeren oder auf Grund von Pleuraadhäsionen
— 16 —
dieses Verfahren nicht anwendbar war, eine operative Methode der
Lungenlösung von der Brustwandspannung ausgearbeitet, welche weit
über die seinerzeitigen dahingehenden Vorschläge Quincke’s, Speng-
ler’s, Turban’s hinausgeht und den erstrebten Effekt des Ent-
spannens der Kavernenwände, des Zusammensinkens dieser eiternden
Lungenhöhlen, der Gesamteinengung des Lungenvolumens und damit
ihrer weitgehenden Außerdienststellung in vollkommenstem Maße er-
reichen läßt. Der überraschend günstige Erfolg im erstmalig nach
seinem Prinzip operierten Falle hat die Prüfung an zwei weiteren
Fällen mit ebenso günstigem bisherigen Endeffekt bestanden. Die Art
des Vorgehens besteht kurz darin, daß die knöcherne Brustwand der
erkrankten Seite nicht nur in Teilresektionen weniger Rippen mobili-
siert wird, sondern daß die 2. bis einschließlich 9. bzw. 10. Rippe in
toto von ihrem sternalen Knorpelteil (mit Ausschluß dieses) bis zum
Angulus costae, noch richtiger bis zu ihrem Wirbelende abgetragen
werden, unter peinlichster Schonung der oft äußerst zarten
Pleura costalis in allen ihren Abschnitten. F. legt dabei das
Hauptgewicht auf die Verhütung jeglicher Aspiration aus der kranken
Lunge in die gesunde während und nach der Operation, auf die Be-
handlung des großen mechanischen Insulten ausgesetzten kleinen und
schwachen Herzens der Tuberkulösen, auf per primam-Heilung der
ganzen Wunde. Vorsichtige Anästhesierung, richtige Lagerung, rasche-
stes Operieren, exzitierende Vor- und Nachbehandlung des Herzens
und peinliche Asepsis sind die Grundbedingungen des Erfolges. Mit
Thorakoplastik im bisherigen Sinne, bei Resthöhlen nach Pleura-
empyem, hat die Operation nur die Abtragung der Rippen gemein.
Sowohl Endziel als technisches Vorgehen sind für die die Lungen-
einengung, die Pleuraerhaltung anstrebende »kostoplastische Pneu-
molysis« wesentlich andere. Dort starre Pleuraschwarten bei bestehen-
dem offenen Pneumothorax, hier peinlichste Schonung und Erhaltung
der zarten Pleura und Verhütung jeglichen Pneumothorax; dort End-
ziel womögliche Lungenwiederentfaltung, hier Endziel, die Lunge unter
Atmosphärendruck zu stellen, welcher auf die Pleura costalis dauernd
in der Folge einwirken soll. Um Mißverständnissen zu begegnen,
empfiehlt daher F. die von ihm gewählte Bezeichnung der Operation.
Der unmittelbare Erfolg des Eingriffes hat sich in folgendem zu
erkennen gegeben: Rückgang der bis dahin erhöhten Körpertemperatur,
enormer Rückgang der Auswurfsmengen, Nachlaß des Hustens, ruhige-
rer Nachtschlaf, Zunahme des Körpergewichtes, wesentliche Besserung
des subjektiven Befindens. Es wurden nur Fälle dieser Therapie unter-
zogen, wo bei jahrlanger Behandlung seitens erfahrenster Phthiseo-
therapeuten (L. Spengler, Brauer, Brecke) und trotz Aufgebots
aller allgemein diätetischen und klimatischen sowie medikamentösen
Maßnahmen ein dauerndes langsames Fortschreiten des Krankheits-
prozesses festzustellen war. Die unmittelbaren Gefahren des Eingriffes
wurden von F. eingehend geschildert, ebenso die Details des rasch
sich kennzeichnenden Erfolges. Sowohl zahlreiche frühere Erfahrungen
— 107 —
mit Thorakoplastik bei starrwandigen Empyemresthöhlen, als die Be-
einflussung eines früheren Falles von einseitiger Phthise durch par-
tielle Rippenabtragung, als endlich seine experimentellen Studien über
den Volumausgleich im Thorax nach einseitiger Lungenamputation
hatten F. den geschilderten Gang der Operation einschlagen lassen.
(Selbstbericht.)
54) Perthes (Leipzig). Zur operativen Behandlung des
chronischen Lungenabszesses (Demonstration).
Bei dem chronischen Lungenabszeß ist im Gegensatz zum
akuten durch einfache Pneumotomie, auch mit ausgiebiger Rippen-
resektion, eine fistellose Heilung oft nicht zu erzielen. P. ist deshalb
in folgender Weise vorgegangen: Bei einem nach Pneumonie im rechten
Unterlappen entwickelten, 5 Jahre bestehenden, mit den Bronchien in
weiter Verbindung stehenden Lungenabszeß wurde zunächst die Pneu-
motomie gemacht. Die Expektoration des fötiden Eiters hörte danach
auf, und der Allgemeinzustand wurde ein sehr guter. Doch blieb
eine von der Drainageöffnung in der Axillarlinie bis in den Lungen-
hilus reichende starrwandige Höhle bestehen. Die gesamte AbszeB-
wandung wurde nun 4 Jahre nach der Pneumotomie in toto wie
ein Tumor aus der Lunge exstirpiert. Die Blutstillung durch
Umstechungen machte keine Schwierigkeit. Eine besondere Versorgung
der in die Höhle führenden Bronchialäste erwies sich als unnötig, viel-
mehr heilten die gebildeten Hautmuskellappen auf die Lungenwund-
fläche ohne Störung auf. Bei der Operation war ein bei Zug an der
Lunge regelmäßig auftretender, bei Nachlassen des Zuges sofort wieder
aufhörender Stillstand von Atmung und Herzaktion auffallend. Die
ohne Skoliose und ohne Fistel geheilte 15jährige Pat. wird vorgestellt.
(Selbstbericht.)
Diskussion.
Körte (Berlin) fragt, ob es nötig ist, einen AbszeB zu exstir-
pieren. Nach seinen Erfahrungen heilen die Lungenabzesse aus, wenn
man die Decke des Abszesses fortnimmt und die Rippen ausgedehnt
reseziert. Man muß die Resektion für die Tumoren und für Bronchiek-
tasien reservieren.
Perthes (Leipzig): Erhebliche Mengen von Lungengewebe sind
nicht fortgenommen, also sicher ein Fortschritt gegen die Fortnahme
des ganzen Oberlappens. Auch will P. das Verfahren nicht als ein
Normalverfahren hinstellen. Es handelte sich ferner um einen chro-
nischen Lungenabszeß. Herrn Körte’s Fälle waren alle akut. Garr®'s
und anderer Fälle haben eine ganz große Reihe von Operationen durch-
machen müssen, während hier mit einem Schlage vollkommene Heilung
erfolgte. Goebel (Breslau).
Te
— 108 —
55) Friedrich (Marburg). Der Volumausgleich im Thorax-
innern nach einseitiger totaler Lungenamputation.
F. demonstriert eine Reihe von Thoraxpräparaten von Hunden,
bei denen er vor Jahresfrist die totale einseitige Lungenamputation
ausgeführt, die Tiere danach ein Jahr lang am Leben gelassen
und jetzt zum Zweck des Studiums der Thoraxinnenverhältnisse ge-
tötet hat. Nach nochmaligem Hinweis auf die in seinem vorjährigen
Kongreßreferat über »Lungenchirurgie« angegebenen Technizismen
für die Lungenamputation, insbesondere die richtige Bronchienver-
sorgung des Amputationsstumpfes und Ausschaltungsmöglichkeit der
unmittelbaren Gefahren, die sich aus dem unzureichendem Bronchus-
verschluß ergeben (namentlich das sich rasch verbreitende Mediastinal-
emphysem, welches er durch Vorzeigung von Photogrammen solcher
Eimphysemtiere illustriert), zeigt er am T'horaxinnern solcher Versuchs-
tiere, nachdem er alle Organe durch Formolinjektion von der Aorta
aus in bester Weise hat in ihrer Lage erhalten können, daß in die
Stelle des Defektes, wo die ganze Lunge einer Seite entfernt worden
ist, zunächst das Herz einrückt. Es nimmt das Mediastinum mit sich
nach der Seite der Amputation, und die anderseitige erhaltene Lunge,
mäßig kompensatorisch erweitert, füllt den übrigen Teil des Thorax-
raumes aus.
Das Zwerchfell rückt auf der Amputationsseite bedeutend in die
Höhe. Der Volumausgleich wird ein so vollständiger, daB nirgends
im Brustraum eine Spur Hohlraum zurückbleibt. In spiegelnder
Glätte sind Pleura costalis, Perikard, die Blätter des Mediastinum
und der Pleura diaphragmatica erhalten. Seine Demonstrationen
erstrecken sich sowohl auf Kadaver, wo jetzt beiderseits die Brustwand
zurückgeschlagen und der Lungen-Herz-Zwerchfellsitus voll erhalten
ist, als auf Thoraxquerschnitte, welche in gleicher Weise anschaulich
den Volumausgleich, die topographischen Verschiebungen dartun.
(Selbstbericht.)
56) H. Braun (Göttingen). Demonstration eines Tumors
der Pleura.
Die Geschwulst, welche sich bei einer 42 Jahre alten Frau seit
längerer Zeit und allmählich unter Erscheinungen der zunehmenden
Dyspnoe und Cyanose entwickelt hatte, verursachte auf der rechten
Brustseite eine Dämpfung, die sich bis zur 2. Rippe in die Höhe er-
streckte und unten in diejenige der Leber überging; letztere selbst
war handbreit unter dem Rippenbogen zu fühlen. Da die Kranke
mit der Diagnose Leberechinokokkus überwiesen war, wurde, obgleich
die Punktion der Geschwulst keine Flüssigkeit ergeben hatte, am
T. November 1906 die Probelaparotomie gemacht. Bei derselben zeigte
sich, daB keine abdominelle, sondern eine intrathorakische Geschwulst-
bildung, welche die Leber nur nach unten verdrängt haben mußte,
vorlag. Wegen der Ausdehnung des Tumors, der maligner Natur zu
ser IHN.
sein schien und eine erfolgreiche Operation für aussichtslos erscheinen
ließ, wurde von jedem weiteren Eingriff Abstand genommen. Nach-
dem die Kranke am 29. November entlassen und dann längere Zeit
zu Hause war, kam sie am 9. April wegen stärkerer Atembeschwerden
wieder in die chirurgische Klinik. Die lokalen Verhältnisse bei der
Untersuchung der Brust waren nicht viel geändert. Der Zustand
verschlimmerte sich immer mehr, und am 25. April 1907 erfolgte
der Tod.
Die Autopsie ergab einen pyramidenförmigen, außergewöhnlich
großen Tumor, der 25 cm in der Höhe, 11 cm in der Breite und
19 cm in der Tiefe maß, fast die ganze rechte Brusthälfte bis zur
zweiten Rippe hinauf ausfüllte, von der Pleura ausging und mit dieser,
ebenso wie mit der rechten Lunge nur durch einige dünne, leicht zu
lösende Adhäsionen in Verbindung stand. Die histologische Unter-
suchung ergab, daß es sich um ein Fibrosarcoma myxomatodes handelte.
B. ging noch auf die Diagnose solcher Tumoren ein und glaubt,
daß sie bei genauer Untersuchung erkannt und bei Anwendung unserer
jetzigen technischen Hilfsmittel bei Operationen in der Brusthöhle
auch mit Aussicht auf Erfolg operiert werden könnten.
(Selbstbericht.)
57) F. de Quervain (Chaux-de-Fonds). Über die fibro-
epithelialen Veränderungen der Mamma und ihre maligne
Entartung.
de Q. kommt auf Grund der Untersuchung von 20 auch klinisch
beobachteten Fällen zu folgenden Ergebnissen: Alle fibroepithelialen
Veränderungen der Mamma gehen, wie schon Tietze und v. Saar
betont haben, von den gleichen elementaren Prozessen aus und unter-
scheiden sich voneinander nur durch die mehr oder weniger scharfe
Abgrenzung des veränderten vom normalen Gewebe und durch die
vorwiegende Beteiligung des Bindegewebes in den einen, des Epithels
in den anderen Fällen. Die alte Fragestellung, ob es sich bei der
König-Reclus’schen Mastitis chronica cystica um Entzün-
dung oder Geschwulst handle, ist in dieser Form zu einseitig. Es
handelt sich um einen Vorgang, den man ohne Gewalt weder in die
eine, noch in die andere dieser von der Pathologie geschaffenen Kate-
gorien einreihen kann, so wenig wie die Struma und die Prostata-
hypertrophie. Man bezeichnet denselben am besten als fibroepithe-
liale Degeneration. Dieser Vorgang zeigt gewisse Beziehungen zur
Altersinvolution, läßt sich aber nicht mit derselben identifizieren, da
das Fibroadenom häufig schon im 3., ja im 2. Dezennium auftritt.
Von großer klinischer Bedeutung ist die maligne Degeneration,
die zu häufig ist, um als Zufälligkeit aufgefaßt zu werden, abgesehen
von den histologischen Gründen, die gegen eine solche Auffassung
sprechen. In den 20 vom Vortr. untersuchten Fällen fand sich diese
Entartung 3mal vor, 2mal in Form eines Karzinoms, imal als Sarkom.
— 10 ° —
Ohne Bedeutung für die histologische Diagnose des Krebses sind die
in den gutartigen Formen gar nicht seltenen, ja selbst in anscheinend
gesunden Mammae beobachteten »blassen Zellen«. Dagegen gibt es
andere histologische Bilder, welche deutlich zum Krebs überleiten.
Für die Therapie ergeben sich hieraus folgende Schlüsse:
1) Besteht klinisch Verdacht auf Bösartigkeit, so ist das Gebilde
wie ein Krebs zu behandeln, d. h. mit Entfernung der Mamma und
Ausräumung der Axilla. |
2) Besteht lokal kein Verdacht, sind aber Drüsen vorhanden, so
ist in gleicher Weise zu verfahren. Höchstens könnte bei eng um-
schriebener Veränderung die Ablatio mammae durch eine ausgiebige
Resektion ersetzt werden.
3) Besteht lokal kein Verdacht und sind auch keine Drüsen-
schwellungen vorhanden, so genügt die Resektion der Mamma, doch
ist hinterher eine genaue histologische Untersuchung des Gebildes vor-
zunehmen, damit der Eingriff, wenn nötig, durch nachträgliche Aus-
räumung der Drüsen vervollständigt werden kann. Der makroskopische
Nachweis einer Cyste schließt umschriebene krebsige Entartung nicht aus.
(Selbstbericht.)
Bauch.
58) A. Peiser (Breslau). Über fötale Peritonitis.
Vortr. bespricht zunächst Atiologie und Pathologie, dann Dia-
gnose, Prognose und Therapie der Krankheit, die bisher bei den
Chirurgen fast gar keine Beachtung gefunden hat. Die beobachteten
Fälle zeigen, daß alle pathologisch-anatomischen Erscheinungsformen,
die wir bei der Peritonitis des Erwachsenen zu sehen gewöhnt sind,
auch bei der fötalen Peritonitis gefunden werden, von der zirkum-
skripten akuten (serofibrinösen und eitrigen) Peritonitis bis zur diffu-
sen chronischen Adhäsion. Vortr. berichtet über zwei eigene Beob-
achtungen. Der erste von Garr2& operierte Fall hatte zwar nach der
Operation weiter Erbrechen, das noch längere Zeit anhielt, blieb
aber am Leben. Es ist dies bisher der einzig sichere Fall fötaler
Peritonitis, der am Leben geblieben ist. Inwieweit allerdings mit ein-
facher Strangbildung verlaufene fötale Peritonitis ohne klinische Zei-
chen verlaufen und erst im späteren Leben zum Ileus führen kann,
entzieht sich bisher unserer Kenntnis. Im zweiten Falle, der wenige
Stunden nach der Operation zugrunde ging, fand sich ein angeborener
Spalt im Mesenterium, in welchem sich eine Dünndarmschlinge ge-
fangen hatte und inkarzeriert war. Auf dem Boden dieser Inkarzera-
tion hatte sich die fötale Peritonitis entwickelt. Zwei Fälle aus der
Literatur lassen es angezeigt erscheinen, die genaue Untersuchung
des Processus vermiformis nicht zu versäumen. (Selbstbericht.)
— 1il —
59) Ritter (Greifswald). Experimentelle Untersuchungen über
Einklemmung von Brüchen.
R. berichtet über eine Reihe von Experimenten, in denen es ihm
geglückt ist, künstlich beim Tier eine Brucheinklemmung bzw. am
Dünndarm hervorzurufen. Der Grund, warum Vortr. noch einmal
dieser Frage nachgegangen ist, ist einmal der, daß unsere Erfahrungen
über die physiologischen Vorgänge in der Bauchhöhle sich sehr wesent-
lich vermehrt haben, seitdem die letzten Brucheinklemmungsversuche
angestellt sind. Und zum anderen befriedigt der Mechanismus, wie
er zurzeit angenommen wird, nicht.
An die Koteinklemmung, das muß einmal offen gesagt werden,
glaubt heute eigentlich kein Mensch mehr so recht. Denn im Dünn-
darm — und dieser klemmt sich vor allem ein — ist überhaupt kein Kot
vorhanden, und an eine einfache Kotstauung sieht man fast nie eine
wirkliche Einklemmung sich anschließen. Aber auch gegen die ela-
stische Einklemmung läßt sich mancherlei einwenden, wie Vortr. näher
ausführt. Es spricht manches dafür, daß die Bruchpforte nicht, wie
bisher allgemein gelehrt wird, im Moment der Einklemmung weiter,
sondern enger wird.
Und wenn man sich einmal nach den äußeren Umständen um-
sieht, unter denen eine Brucheinklemmung stattfindet, so sind es be-
kanntlich plötzlicher Sprung und Fall, bei denen die Bauchdecken
plötzlich angespannt werden, Abrutschen eines Bruchbandes und
längerer Druck auf die Bruchpforte, wiederholte Taxisversuche und
ferner Arbeiten in gebückter Stellung oder Pressen bei Stuhlgang
in hockender Stellung. Das alles ist aber nicht möglich, ohne daß
eine Pressung, ein Druck auf den Darm an der Bruchpforte ausgeübt
wird, und das muß zu einer Kontraktion des Darmes und damit zu
einer Anämie der Schlinge führen, die, je länger sie dauert, eine
Schädigung hervorrufen muß. Auf diese Schädigung, muß man an-
nehmen, folgt nachträglich eine entzündliche Hyperämie und Schwel-
lung und eine Erschlaffung der Darmwand. Diese Momente würden
aber eine Einklemmung leicht verständlich machen.
Es fragte sich, ob man auf diese Weise eine künstliche Ein-
klemmung hervorrufen kann.
Die Versuche wurden vom Vortr. so angestellt, daß man bei
Hunden nach Eröffnung der Bauchhöhle eine Dünndarmschlinge durch
den Ring einer Kautschukplatte hindurchzog, die so weit war, daB nicht
die Spur einer Stauung oder Zirkulationsstörung eintrat, aber doch
ein Mißverhältnis zwischen Weite des Ringes und der Schlinge mög-
lich war. Einerlei nun, ob die Darmschenkel zentral vom Ring auf
‚mechanische Weise (Schlag mit stumpfem Instrument) oder durch An-
legen zweier Elektroden oder durch Umlegen eines mit Adrenalin ge-
tränkten Gazestreifens zur Kontraktion gebracht wurde, oder ob für
einige Zeit ein kleiner Gummischlauch oder Band um den Darm-
schenkel fest herumgelegt wurde, stets trat nachträglich eine derjenigen
— 112 —
bei Menschen analoge Einklemmung ein, wie im einzelnen ausgeführt
wird.
Sind wir nun berechtigt, diese Versuche als beweisend anzusehen ?
R. muß das entschieden verneinen, denn sie berücksichtigen die phy-
siologischen Vorgänge in der Bauchhöhle absolut nicht. Und das ist
ein Vorwurf, den man allen Experimentatoren, die sich früher mit der
Brucheinklemmung befaßt haben, machen muß. Hebt man eine Darm-
schlinge aus der Bauchhöhle hervor, so kommt sie mit der äußeren
Luft in Berührung, die austrocknend, drückend und abkühlend wirkt.
Das ruft aber einen Reiz hervor, der den Darm hyperämisch macht
und erschlaft. Es war also sehr wohl möglich, daß dadurch die
Einklemmung hervorgerufen war und nicht durch die Maßnahmen,
die Vortr. angewandt hatte.
R. versuchte nun diesen schädigenden Einfluß der Luft durch
Kochsalzspülung auszuschalten. Doch nützte das nichts; denn bei
jedem Hervorheben der Darmschlinge kam sie doch wieder mit der
Luft in Berührung. R. erreichte aber schließlich die Ausschaltung
jedes Reizes dadurch, daß er einen weiten Blechteller in die Bauch-
decken einnähte, der unten durch ein großes Loch mit der Bauch-
höhle kommunizierte. Auf der einen Seite läuft die warme physiolo-
gische Kochsalzlösung zu, füllt den Teller und die Bauchhöhle und
läuft dann an der anderen Seite wieder ab. Diese Maßnahme ge-
stattet nun ein vollkommen freies Operieren mit den Darmschlingen,
ohne daß man eine nachträgliche Entzündung derselben zu fürchten
braucht. Sie hat aber auch den großen Vorteil, daß man alles, was
in dieser vergrößerten Bauchhöhle geschieht, sieht.
Und so konnte in zahlreichen Versuchen mit dem Auge das, was
bisher nur angenommen war, direkt verfolgt werden, daß nämlich auf
eine längere oder kürzere Schädigung einer Darmschlinge, z. B. durch
temporäre Umschnürung mit Gummiband, nicht nur entzündliche Hy-
perämie, sondern auch Erschlaffung der Darmwand und Füllung der-
selben erfolgte.
Und schließlich konnte in weiteren Versuchen festgestellt werden,
daß, wenn eine Darmschlinge vorher durch einen Ring gezogen war
und nun oberhalb derselben die Darmschenkel für kürzere Zeit mit
einem Gummiband umschnürt wurden, stets dann eine typische Ein-
klemmung zustande kam, wenn zwar der Ring weit genug war, um
keine Zirkulationsstörung von vornherein hervorzurufen, aber doch
ein Mißverhältnis zwischen Ring und Darmweite noch möglich war.
Damit ist die Möglichkeit eines solchen Einklemmungsmechanis-
mus bewiesen. Ob beim Menschen die Einklemmung auf diese Weise
zustande kommt, -ist damit nicht gesagt. Es ist aber möglich; denn
im Bauche fühlen wir bekanntlich durch die Bauchdecken hindurch
nichts. Deswegen, weil wir aber von einer Schädigung, die die Darm-
schlinge an der Bruchpforte betroffen hat, nichts fühlen können, ist
noch nicht gesagt, daß sie nicht doch stattgefunden hat, und daß sie
— 113 —
als primäre Ursache einer folgenden entzündlichen Anschwellung und
Erschlaffung der Wand vorangeht.
Demonstration mehrerer farbig photographierter Einklemmungs-
präparate. (Selbstbericht.)
60) Schloffer (Innsbruck). Chronisch entzündliche Bauch-
deckengeschwülste nach Bruchoperationen.
S. hat in vier Fällen als eine Folgeerscheinung von Hernienope-
rationen, die vor Jahren vorgenommen und glatt verlaufen waren,
chronisch entzündliche, zum Teil überaus mächtige Bauchdeckenge-
schwülste beobachtet, die klinisch in vielen Richtungen echten, und
zwar bösartigen Geschwülsten glichen. Einer dieser Fälle (aus dem
Jahre 1904) wird hier mitgeteilt.
Radikaloperation einer rechtsseitigen Leistenhernie vor 6 Jahren.
Glatte Heilung, keine Ligatureiterung, auch später keinerlei Störung
seitens der Narbe. Die Geschwulst entwickelte sich 51/, Jahre später
ganz allmählich, machte lokal keinerlei nennenswerte Beschwerden.
Nur das Allgemeinbefinden ging zurück; der Kranke magerte ab.
Die Geschwulst gehörte den tieferen Schichten der Bauchdecken
im rechten unteren Quadranten des Abdomens an, war doppelt faust-
groß, von unregelmäßiger, knolliger Form, sehr hart, nicht druckemp-
findlich. Unter Bettruhe und Kataplasmenbehandlung verkleinerte sie
sich ein wenig, wurde etwas weicher und schließlich an einer Stelle
druckempfindlich. Die Spaltung des aus einer dicken Bindegewebs-
schwarte bestehenden Tumors führte nun auf einen kleinen Abszeß,
in dem ein Seidenfaden schwamm.
Die Krankengeschichten der übrigen Fälle sind ähnlich. In allen
Fällen war bei der Hernienoperation Sublimatseide verwendet worden.
Im Abszeßeiter, der in mehreren Fällen untersucht wurde, fanden
sich Kokken vom Typus der pyogenen Staphylokokken. Zweifellos
handelte es sich also um nichts anderes als um eine ungewöhnliche
Form der Ligatureiterung.
Es ist bekannt, daß chronische, nicht spezifische Entzündungs-
prozesse an den verschiedensten Körperstellen zu Verwechslungen mit
echten Geschwülsten Anlaß geben. Auch daß solche Prozesse durch
versenkte Seidennähte hervorgerufen wurden, findet man gelegentlich
in der Literatur beschrieben. Mehrmals wurden die betreffenden Ge-
schwülste auf Grund einer irrigen Diagnose total exstirpiert, und erst
nachträglich der schuldige Seidenfaden entdeckt.
Die Exstirpation sollte aber bei Bauchdeckengeschwülsten solcher
Art vermieden werden, weil sie jedesmal einen großen Eingriff dar-
stellt und einen erheblichen Defekt in den Bauchdecken setzt. Die
einfache Spaltung des kleinen Abszesses im Innern der Geschwulst
genügt vollauf. Allerdings mag die Freilegung dieses Abszesses auf
Schwierigkeiten stoßen, wenn, wie dies häufig vorzukommen scheint,
ein winziger Abszeß in einem sehr großen Tumor verborgen ist. Durch
Chirurgen-Kongreß 1008. 8
— 114 —
Ausschaltung jeder mechanischen Zerrung an der Geschwulst bei
kompletter Bettruhe gelingt es aber, die Mehrzahl dieser entzündlichen
Tumoren zu deutlicher Verkleinerung zu bringen, ein Umstand, der
auch diagnostisch verwertet werden kann. Wenn zudem noch durch
eine energische Kataplasmenbehandlung die eitrige Gewebseinschmel-
zung begünstigt, der Abszeß also vergrößert wird, so dürfte dann das
Auffinden des letzteren in keinem Falle auf nennenswerte Schwierig-
keiten mehr stoßen. (Selbstbericht.)
Diskussion.
H. Küttner (Breslau): Ich möchte bei dieser Gelegenheit auf
die nach Appendicitis entstehenden chronisch entzündlichen
Bauchdeckentumoren hinweisen. Die drei Fälle, welche ich ge-
sehen habe, riefen klinisch ganz den Eindruck von typischen Desmoiden
hervor, eines paßte jedoch nicht in dies Krankheitsbild: die Pat. waren
sämtlich ältere Männer. Nur in einem Falle hatte der ganz schmerz-
lose Tumor seinen Sitz in der Ileocoecalgegend, und gerade hier wies
nichts in der Anamnese und im Befunde vor der Operation auf eine
Appendicitis hin, obwohl der chronisch entzündete Wurmfortsatz den
Bauchdecken adhärent war. In den beiden anderen Fällen waren
appendicitische Erscheinungen voraufgegangen, doch saß der Tumor
einmal dicht unter dem rechten Rippenbogen, das andere Mal in der
linken Unterbauchgegend. In diesen beiden Fällen enthielt die all-
seitig in den Bauchdecken gelegene, vollkommen reizlose Geschwulst
einen kleinen zentralen, von schwartiger Muskulatur umgebenen Ab-
szeß. Die Operation bot keine Schwierigkeiten; bei dem Tumor in
der Ileocoecalgegend wurde der erkrankte Wurmfortsatz mit entfernt,
bei der Geschwulst in der linken Unterbauchregion war die Rekon-
valeszenz durch Ausbildung einer kleinen spontan heilenden Kotfistel
verzögert. (Selbstbericht.)
Bakes (Trebitsch; berichtet über einen Fall, der dem von
Schloffer beschriebenen ähnlich war. Er hat bei diesem eine ein-
greifende Operation vorgenommen, die sich dann später als überflüssig
herausstellte, da sich in der Mitte der exstirpierten Geschwulst einige
in wenig Eiter eingebettete Ligaturen fanden.
Braun /Göttingen) fragt, ob die Geschwülste mit dem Netz ver-
wachsen waren, da er glaubt, daß derartige entzündliche Geschwülste
auch von Netzunterbindungen ihren Ausgang nehmen können.
F. Franke (Braunschweig) weist darauf hin, daß auch ohne
Eiterung solche Geschwülste in der Muskulatur entstehen können
unter Wucherung derselben, und führt einen Fall an, in dem sich in
der Harnblasenwand um einen nach einer Schenkelbruchoperation in
sie eingewanderten Seidenfaden ein förmliches Myom gebildet hatte,
und einen anderen interessanten Fall, in dem sich als Ursache eines
als Desmoid diagnostizierten Tumors des schrägen Bauchmuskels eine
aus dem Uterus dahin gewanderte, in seiner Wand mit einem Ende
—— 1) —
noch steckende dünne, 12—13 cm lange Spalte eines Strohhalms fand
(krimineller Abort?). (Selbstbericht.)
Schlange (Hannover) hat eine derartige Geschwulst nach Appen-
dicitisoperation beobachtet. Er hält die Mitteilung der vorausgegan-
genen Beobachtungen für äußerst wertvoll, da vielleicht dadurch ein-
greifende Maßnahmen sich häufig vermeiden lassen.
Hoffmeister (Stuttgart) berichtet über mehrere von ihm beob-
achtete Fälle. Bei zwei von ihnen waren Netzverwachsungen vor-
handen.
Schloffer: Stenosenerscheinungen von seiten des Darmes haben
bei seinen Fällen gefehlt. In dem einen der Fälle konnte mit Sicher-
heit festgestellt werden, daß keine Netzverwachsungen vorhanden
waren, im zweiten war bei der vorausgegangenen Bruchoperation sicher
keine Netzligatur angelegt worden. Lichtenauer (Stettin).
61) A. Brenner (Linz), Nabelbruchoperation mit Lappen-
doppelung.
Im Vergleiche mit den Leisten- und Schenkelhernien beruht die
Statistik der Nabelhernien noch auf kleinen Zahlen, wie die Zusammen-
stellungen von Berger, Pott und mir zeigen.
Berger (Paris 1897) untersuchte Individuen
8274 H. i. 1250 H. crur. 1099 H. u.
Verhältniszahl 80 : 12 : 11
Pott (1903) Sammelstatistik operierter Hernien
4066 424 86
100 : 10 À 2
Brenner (Linz) eigene Statistik operierter Individuen
2325 321 66
8&0 á: 10 : 2
Die Berichte der einzelnen Chirurgen stützen sich auf noch weniger
Fälle, die nach bestimmten Methoden operiert wurden — so führt
Kraus aus der Klinik Bruns’ nur 30 Fälle ins Treffen und Busse
aus der Klinik v. Eiselsberg’s in Königsberg nur 17 Fälle, die
nach Condamin-Bruns behandelt wurden. Mayo hat 35 Fälle
nach seiner Methode operiert.
Für die Feststellung der Dauerheilungen vermindern sich die
Zahlen von Kraus und Busse noch auf 22 bzw. 14, und die Statistik
der Dauererfolge ändert sich je nach der Größe der Hernien, die der
einzelne Chirurg operiert hat.
. Busse hat diese Frage in sehr glücklicher Weise aufgerollt, in-
dem er die 57% Dauererfolge der Condamin-Bruns’schen Methode
auf 3 Gruppen von Hernien aufteilte und zeigte, daß man
bei den kleinen Brüchen (haselnuß- bis walnußgroß) 100% Dauer-
heilung erreichen kann;
g*
— 116 ——
bei den mittleren /apfel- bis gänseeigroß) 50%,
daß aber
bei den großen (doppelfaust- bis mannskopfgroß' nur mehr 25%
zu erreichen waren.
Wer also nur kleine oder kindliche Nabelhernien operiert, wird
ideale Dauerheilungen erzielen. Für diese kleinen Nabelhernien ge-
nügen aber die einfache quere Knopfnaht, wie sie Kocher empfiehlt,
oder die Omphalektomie nach Condamin-Bruns oder die neuerlich
von v. Baracz sehr warm empfohlene, leicht ausführbare und sehr
gefällige Operation nach Mayo oder eine der vielen bisher geübten
Methoden, auf die ich wegen Mangel an Zeit hier nicht eingehen will.
Mit der Größe des Bruches wächst auch die Größe der Opera-
tion und dürfte in der von Graser in 4 Fällen angewendeten Me-
thode, die bis zu 3 Stunden dauerte, den Höhepunkt erreicht haben. —
Aber die Statistik der Radikaloperation der Nabelhernien muß auf
die Gruppe der mittleren und großen Hernien aufgebaut werden, und
hier müssen die Methoden in Wettbewerb treten, welche allen — auch
den größten Hernien gewachsen sind.
Es kommen für die großen und einen Teil der mittleren Hernien
überhaupt nur die plastischen Operationen in Betracht — denn das
Exzidieren des Nabels und das Herstellen sogenannter anatomischer
Verhältnisse verringert den Bauchumfang und macht ihn zu klein
für den durch das Mesenterialfett zu groß gewordenen Bauchinhalt.
Mit Recht fordert daher Busse, daß zuerst der zu Operierende einer
Entfettungskur unterzogen werde, damit man nach der Omphalektomie
die Bauchwunde vereinigen könne, und daß zweitens der Öperierte
sich einer solchen Lebensweise befleißige, daß nicht später wieder der
anwachsende Bauchinhalt die Narbe sprenge. Nur die plastischen
Operationen tragen dem vermehrten Bauchinhalt und dem größeren
Bauchumfange Rechnung und erleichtern den Erfolg der Radikal-
operation. — Ich will die einzelnen Plastiken, die Heteroplastiken mit
Drahtnetz nach Witzel und die Muskelplastiken verschiedener Autoren
hier nur erwähnen; heute neigen sich die Chirurgen mehr nach der
Seite der Aponeurosenplastik, und im besonderen nach der aus den
vorderen Rectusscheiden.
Nable hat 1897 eine H. epigastrica, Bessel-Hagen 1900 eine
unter dem Nabel gelegene H. ventralis durch Lappen, aus beiden
vorderen Rectusscheiden gedeckt, die in der Mittellinie vernäht
wurden.
Heinrich hat schon 1900 zur Behebung eines großen Bauch-
wandbruches in der Mittellinie einen halbmondförmigen Lappen aus
der rechten Rectusscheide über die Mittellinie nach links hinüber-
geschlagen und an dem Innenraum der linken Rectusscheide vernäht.
Er hat also als erster die Mittelebene überbrückt.
Caten hat dann 1907 in 7 Fällen die Bruchpforte durch einen
rechteckigen Lappen aus der vorderen Rectusscheide der einen Seite
gedeckt.
— 11 —
Wullstein hat 1906 für postoperative Bauchbrüche eine
Doppelung der Rectusscheide vorgeschlagen, indem er die eine Hälfte
der vorderen und die andere Hälfte der hinteren Rectusscheide ent-
nimmt und links mit rechts vernäht, so daß in der Mittellinie zwei
Aponeurosenplatten sind, die Nähte aber seitlich liegen.
Endlich hat Wreden 1906 eine Methode angegeben, die wahr-
scheinlich identisch ist mit der hier mitzuteilenden; er hat sie in
8 Fällen von H. u. angewandt. Erst nachdem ich schon 2 Fälle nach
Heinrich mit einfachem Lappen und 4 Fälle mit gedoppelten Lappen
operiert hatte, kam mir das Referat im Zentralblatt für Chirurgie
1906 (Oktoberheft) zu Gesicht; die Originalarbeit im Russki Wratsch
1906 ‚konnte ich mir nicht zugänglich machen. Die Operation gestaltet
sich folgendermaßen :
Ohne besondere Vorbereitungskur wird in Narkose oder besser
noch in Lumbalanästhesie der Bruchsack in der Mittellinie um-
schnitten, ausgelöst, sein Inhalt in entsprechender Weise versorgt, die
Bruchpforte zumeist in querer Richtung vernäht. Nun wird der
Schnitt in der Haut und Fettschicht bis zur Magengrube und zur
unteren Bauchfurche verlängert, das elliptische Feld zwischen den
beiden Rectusrändern wird durch flache Messerzüge freigelegt und
die Innenränder der Recti aufgesucht. Weiter wird das Fettgewebe
beiderseits von der vorderen Rectusscheide so weit abgelöst, daß man
aus jeder Rectusscheide einen halbmondförmigen Lappen ausschneiden
kann, dessen Höhe ungefähr gleich ist dem Abstande der beiden Recti
und dessen Enden dort liegen, wo die Recti oben und unten wieder
in der Mittellinie zusammentreffen. Diese Lappen werden gegen die
Mittelebene umgeschlagen und übereinander vernäht.
Zu beiden Seiten dieses nunmehr aus 3 Aponeurosenblättern be-
stehenden elliptischen Feldes liegen die Mm. recti in breiter Fläche
bloß, aber sie stehen mit ihren Gefäßen und Nerven in Zusammen-
hang wie zuvor und überziehen sich mit einer Bindegewebsnarbe.
Die Nachuntersuchungen der so operierten Frauen ergab, daB
der Verlust der vorderen Rectusscheide der Festigkeit der Bauchwand
keinen Eintrag tat, da ja noch die hintere Rectusscheide da ist und
die Muskelmasse der Recti, die an dem verstärkten Mittelfelde nun-
mehr feste Anhaltspunkte haben.
Die Endresultate der Operation sind vollkommen befriedigend.
Von den 12 Frauen mit H. umb. hatten
kleinere Brüche (walnußgroß) 1,
mittlere » (apfel- bis gänseeigroß) 6,
große » (doppelfaust- bis kindskopfgroß) 5.
Alle sind 3%/,—21,, Jahre geheilt geblieben, also Dauerheilungen 100%.
Auch Herniae epigastricae und postoperative Bauchwandbrüche
wurden mit Erfolg in dieser Weise operiert, so daß die Gesamtzahl
24 beträgt. Zur Erläuterung der Dauerresultate reiche ich die Ab-
bildungen einiger Frauen herum.
— 118 —
Erstens einer Frau vor der Operation. Die Seitenansicht zeigt,
daß der Nabelbruch im Scheitel der eiförmigen Vorwölbung des ganzen
Bauches liegt. Auf der Vorderansicht sieht man, daß der Bauch dieser
dicken Frauen durch die Einziehung der Mittellinie eine herzförmige
Gestalt bekommt, die auch bei den Öperierten mehr oder weniger `
deutlich zutage tritt und dort als Ausdruck der Nachgiebigkeit der
Rectusgegend gedeutet werden könnte.
Ich habe aber schon erwähnt, daß ja noch die hintere Rectus-
scheide und die Muskulatur der Recti der Ausdehnung Widerstand
leistet; ich habe auch eine Frau, die ich am 23. Mai 1906 mit nur
einseitigem Lappen operiert habe, nachuntersucht und konnte zwischen
rechts und links keinen Unterschied in der Festigkeit der Bauch-
wand finden.
Sehr deutlich ist dieses ballonartige Vorwölben der Bauchwand
bei der Frau Z., die sehr wenig Fett und sehr schlaffe Bauchdecken
hat. Aber auch hier fühlt man, wenn sich die Frau aus der horizon-
talen Rückenlage aufrichtet, die Spannung der Recti und der zwischen
ihnen gelegenen Aponeurosen.
Schließlich reiche ich noch die Abbildungen einer 125 kg schweren,
155 cm hohen Frau mit 150 cm Bauchumfang herum. Die Frau wurde
am 19. November 1903 wegen inkarzerierter gangränöser Nabelhernie
operiert; sagittale Naht der Bruchpforte.
Am 6. September 1906 kam sie wegen neuerlicher Schmerzen in
dem wieder entstandenen Bruche. Bei der Operation fanden sich
2 Bruchsäcke und 2 Bruchpforten. Nach Spaltung der Zwischen-
wand entstand eine handbreite Spalte in der vorderen Bauchwand,
die in querer Richtung vernäht wurde, worauf die Deckung mit dem
gedoppelten Lappen erfolgte. Die Frau ist wie die anderen voll-
kommen geheilt, arbeitsfähig und trägt keinerlei Binde.
'Selbstbericht.)
Diskussion.
Wullstein (Halle a. S.) weist darauf hin, daß er bei seiner vor
2 Jahren mitgeteilten Methode, die im Prinzip fast völlig, in der
Technik allerdings nicht völlig identisch mit der Brenner’schen ist,
zwei Schwächen der Brenner’schen Methode vermieden habe.
Brenner nämlich entnimmt beide Aponeurosenlappen, die er zur
Lappendoppelung braucht, den vorderen Rectusscheiden und läßt an der
Stelle der Entnahme derselben einen Defekt zurück; außerdem bringt
er beide Aponeurosenlappen ungefähr in der Mittellinie oder doch
jedenfalls unweit derselben fast in derselben Sagittalebene wie die
Mm. recti zur Vernähung. W. läßt dagegen an der Stelle der Ent-
nahme keinen Defekt und bringt die beiden Aponeuroselappen und
die Mm. recti so zur Vernähung, daß die drei Nahtlinien in weit von-
einander entfernten Sagittalebenen gelegen und dachziegelförmig durch
die erwähnten Aponeuroselappen bzw. die Mm. recti gedeckt sind.
Gerade von dem Defekt in der Rectusscheide meint W., daß er
—— 119 ——
schließlich eine hernienartige Ausstülpung des M. rectus aus demselben
zur Folge haben werde. ‚Selbstbericht.)
Martin (Köln) hat das Bedenken, daß die doppelte Fascienplatte
ohne Muskeldeckung dem intraabdominalen Druck nicht widersteht.
Er empfiehlt die Graser’sche Methode.
Heidenhain (Worms) empfiehlt gleichfalls die Graser’sche
Methode.
Sprengel (Braunschweig) teilt die Bedenken Wullstein's und
empfiehlt die Uberklappmethode nach Mayo.
Bier (Berlin) verweist auf die Methode von Lucas-Cham-
pionnière. Er stülpt die Fascie durch eine Art Lembertnaht nach
innen ein und verdoppelt sie hierdurch.
Brenner (Stuttgart) hält seine Methode für besser als die von
Wullstein, da die Bauchhöhle schnell geschlossen wird. Die ein-
fache Naht (Bier) wird bei großen Hernien nicht halten. Schädi-
gungen durch die Bloßlegung der M. recti hat er nicht gesehen. Mit
den Dauerheilungen ist er zufrieden. Lichtenauer (Stettin).
`
62) Th. Rovsing (Kopenhagen). Gastro-Duodenoskopie und
Diaphanoskopie.
Die Methode ist für die recht häufigen Fälle berechnet, wo der
Chirurg noch bei der Operation, wenn er den Magen zur direkten
Inspektion und Palpation vor sich liegen hat, ohne sichere Diagnose
dasteht.
Das Gastrokop wird durch eine kleine, 1 cm breite Inzision an
der Vorderfläche des Magens, dicht oberhalb der großen Kurvatur
und beinahe mittwegs zwischen Pylorus und Fundus, eingeführt. Es
ist einem sehr vergrößerten Nitze’schen Gastroskop ähnlich, aber
(s. Fig.) mit einer Vorrichtung zum Lufteinblasen versehen. Der
Schnitt wird so klein gemacht, daß das Instrument ihn luftdicht
schließt. Ist er zu groß ausgefallen, so muß er durch eine Tabaks-
beutelsutur um das Gastroskop zusammengezogen werden. Die Unter-
suchung besteht nun aus zwei Teilen: 1) der Diaphanoskopie und
2) der eigentlichen Gastroskopie.
1) Diaphanoskopie. Sobald die Lampe in dem aufgeblasenen
Magen zum Leuchten gebracht wird, sieht man diesen als eine nach
allen Seiten leuchtende Kuppel, in deren Wand alle anatomischen
Details erstaunlich scharf hervortreten: die Gefäße, der Verlauf der
Muskelfasern in den verschiedenen Lagen usw. Um eine schöne Total-
durchleuchtung zu bekommen, muß die J,ampe mitten in dem Magen ange-
bracht und das Licht im Operationszimmer gedämpft oder gelöscht wer-
den. Eine Gastritis gibt sich gleich kund durch die von stark rosa
bis zu tief blaurot schwankende Farbe der Wand und durch das dichte
— 120 ——
Gefäßnetz. Tumoren zeigen sich als dunkle diffuse Schatten auf der
im übrigen klaren Magenwand. Im scharfen Gegensatz hierzu zeigen
die tiefen chronischen Ulcera eine zentrale porzellanartig weiße, ge-
fäßleere Partie, die scharf gegen die umgebende dunkelrote Zone ab-
sticht. Kleine Erosionen oder oberflächliche Schleimhautulzerationen
zeichnen sich, wenn sie bluten oder von Blutgerinnseln bedeckt
sind, als dunkle Flecken in der Wand, von welchen ein Blutstrom
als ein dunkler Streif hinunter nach der großen Kurvatur strebt.
Hat man den Magen durchleuchtet, führt man das Gastroskop
durch den Pylorus in das Duodenum hinein, welches sich wegen der
dünneren Wand noch schöner und kräftiger durchleuchten läßt.
2) Gastro-Duodenoskopie. Hat die Diaphanoskopie ab-
norme Stellen der Magenwand nachgewiesen, so betrachtet man gleich
durch das Gastroskop die dementsprechende Schleimhautpartie; die
direkte Beobachtung gibt dann gewöhnlich vollkommene Klarheit. Im
Laufe weniger Minuten kann man nun eine systematische Inspektion
der ganzen Magenschleimhaut von Cardia bis Pylorus vornehmen und
dann Pylorus und Duodenum bis zur Papille untersuchen, wenn nicht
eine enge Pylorusstenose die Passage des Instrumentes verhindert.
Keine Abnormität kann sich an der ausgeglätteten Schleimhaut ver-
“
— 121 ——
bergen, Veränderungen in Pylorus und Cardia verraten sich gleich
durch die veränderte Form der Öffnungen.
Die Methode hat sich in 24 vom Verf. operierten Fällen gut be-
währt; in zwei Fällen, wo Krebs oder Ulcus sich dem klinischen Bild
als wahrscheinliche Diagnose darboten, wurde der Magen selbst ganz
normal gefunden, eine schwere Ptose als Ursache der Leiden festge-
stellt und Heilung durch Gastropexie erreicht. In neun Fällen wur-
den Ulcera ventriculi unerwartet konstatiert, in drei Ulcus
duodeni als Ursache der ganz unsicheren Symptome nachgewiesen;
4mal wurden bösartige Neubildungen entdeckt.
In einem von Oberarzt L. Kraft operierten Falle wurde eine
Pat. vor Verblutung aus einer ganz kleinen, in anderer Weise nicht
nachweisbaren Schleimhauterosion gerettet. Die Diaphanoskopie er-
möglicht rasch die blutende Erosion zu entdecken und unschädlich zu
machen. .
Für retrograde.Bougieeinführung in den Osophagus bei von
oben impermeablen Strikturen hat Verf. ein spezielles Gastroskop an-
gegeben, welches, wie das einfache Gastroskop, bei Louis & H. Loewen-
stein in Berlin zu erhalten ist.
Das Gastroskop muß mitsamt Leitungsfaden und Insufflations-
apparat durch 36stündigen Aufenthalt im Formalin- Desinfektions-
apparat vor der Operation sterilisiert werden.
In keinem der 25 Fälle des Verf.s ist Peritonitis eingetreten
(5 Magenresektionen, 17 Gastroenterostomien, 3 Gastropexien, 1 Gastro-
tomie). Nur zwei Pat. mit vorgeschrittenem Krebs sind an Lungen-
komplikationen gestorben. (Selbstbericht.!
Diskussion.
K. Loening (Halle): Demonstration eines Gastroskops, welches
von der Firma Zeiss, Jena, hergestellt wird und ein schonenderes
Einführen dadurch gestattet, daß es in der sagittalen Richtung ab-
geplattet ist.
Gottstein (Breslau) hat die Methode der Gastroskopie bereits
seit 8 Jahren als Kardioskopie ausgeübt und in zahlreichen Fällen
mit Erfolg verwandt. Ganz besonders benutzte G. die Methode, um
die Kontraktionen der Cardia während des Schluckaktes beim Kardio-
spasmus zu beobachten. Er hat diese Methode nicht besonders pub-
liziert, da sie sich mit jedem gewöhnlichen Cystoskop ohne Schwierig-
keit von der Gastrotomiefistel aus bewerkstelligen läßt.
(Selbstbericht.)
63) Junghans (Liegnitz). Trichobezoar des Magens.
J. zeigt ein Trichobezoar des Magens, das er bei einer 27jährigen
Frau entfernte. Pat. klagte nur über ein Gefühl der Schwere ım
Leib. Von seiten des Magens war vollständiges Wohlbefinden vor-
handen. Nie Übelkeit, das Gefühl der Völle oder Erbrechen. Er-
nährungszustand vorzüglich; Gewichtszunahme im letzten Jahre vor
—— 122 ——
der Operation 6kg. Der Befund vor der Operation war ein glatter,
fester, runder, leicht verschieblicher Tumor unterhalb des linken Rippen-
bogens bis Nabelhöhe. Da anamnestisch nichts zu erfahren war,
wurde die Diagnose auf einen gutartigen Tumor (Netztumor) gestellt.
Bei der Operation wurde ein 598g schweres Trichobezoar entfernt,
das einen vollständigen Ausguß des Magens darstellte. Dasselbe war
21cm lang, 11cm breit und 6cm dick. Auffallend war die Be-
schaffenheit der Magenwand. Dieselbe war mit ca 1cm langen weiß-
lichen Strichen übersät, die J. als subseröse Narben ansprach, ähnlich
den Striae post partum. Die Magenwände waren nicht erschlafft,
Funktion des Magens absolut normal. Der Durchschnitt des Tumors
wies im Innern menschliche Haare, die äußere Schicht von ca. lcm
dicke Borsten auf. Daraufhin gestand die Frau, von ihrem neunten
bis zu ihrem achtzehnten Lebensjahre an den eigenen Zöpfen gekaut
zu haben. Dann sei sie in einer Großstadtbäckerei tätig gewesen,
woselbst sie auch Pinsel und Besenhaare abgekaut habe. Mit ihrer
Verheiratung habe sie die Gewohnheit abgelegt. |
Eigenartig ist noch, daß die Menschenhaare ihre natürliche Farbe
und Durchsichtigkeit beibehalten haben, während die Borsten, die
sämtlich weiß gewesen sind, eine tief schwarzbraune Farbe angenommen
haben. Desgleichen sind vier Kirschkerne schwarz verfärbt, die an
der tiefsten Stelle der kleinen Kurvatur in den Tumor eingebettet
sind. Pat. hat nie Höllenstein oder ein derartiges Medikament er-
halten. (Selbstbericht.)
64) Middeldorpf (Hirschberg i. Schl.). Über Fremdkörper des
Magens.
Vorstellung eines 16jährigen Mädchens, dem durch Gastrotomie
1 kg Nägel usw. entfernt wurden. Die Fremdkörper sollen seit Juni
1907 verschluckt sein und bestanden aus
1184 Nägeln von 3—5 cm Länge,
192 Haken, wie sie zum Berohren der Stubendecken ver-
wendet werden,
128 gebogenen und 27 geraden Stecknadeln,
79 Drähten von 11,—6 cm Länge, zumeist dünnen
Drähten, wie sie die Buchbinder zum Heften ver-
wenden,
6 Nagelköpfen,
4 Glassplittern.
Der Magen reichte bis zur Symphyse herunter, der Verlauf nach
der Operation war ganz reaktionslos, die Durchleuchtung am Tage
vor der Vorstellung ergab eine Magenerweiterung ohne zurückgebliebene
oder neu verschluckte Fremdkörper.
Motiv: Hysterie.
Bemerkenswert ist außer der Menge der Fremdkörper, daß alle
den Osophagus passierten, daß keine Perforation der Magenwand ein-
— 123 —
trat, was auf die Masse der groben Eisennägel zurückzuführen ist,
welche die Drahtstifte einhüllten. ‘Selbstbericht.)
Diskussion.
H. Küttner (Breslau): Obwohl Herr Graser seinen Vortrag über
die Technik der Magenresektion nicht gehalten hat, möchte ich doch
kurz über die Erfahrungen berichten, welche ich mit seinem Instru-
mentarium gemacht habe. Ich habe die Graser’schen Instrumente
neuerdings eingeführt und verwende sie vorwiegend am Magen, seltener
am Duodenum. Bisher habe ich auf diese Weise 18 Magenresektionen
ausgeführt und bin mit der Methode sehr zufrieden. Von den 18 Re-
sezierten sind, obwohl die überwiegende Mehrzahl sehr schwierige
Operationen mit ausgedehnten Drüsenausräumungen, Fortnahme von
Pankreasabschnitten, Resektion von Teilen des Mesokolons durch-
zumachen hatte, nur zwei gestorben. Von den beiden Todesfällen
aber kann der eine der Methode nicht zur Last gelegt werden; denn
der Exitus erfolgte nach dem vollkommenen Abschluß der Heilung
an einer akut einsetzenden Lungengangrän, wie sie ja nach Magen-
resektionen wegen Karzinoms gelegentlich vorkommt. Durch die
Autopsie wurde, wie Sie an diesem Präparat erkennen können, eine
ideale Heilung der Resektion festgestellt. So bleibt ein Todesfall
übrig, und dieser betrifft eine sehr kachektische, gleichzeitig an Lungen-
tuberkulose und doppelseitigen Pleuraschwarten leidende Frau mit
einem sehr vorgeschrittenen Karzinom. Es bildete sich eine Duodenal-
fistel aus, und die Pat. starb am 12. Tage nach der Operation an zu-
nehmender Schwäche. Wäre ich nicht auf Grund der guten Erfolge
in anderen ungünstigen Fällen mit der Indikation sehr weit gegangen,
so hätte sich auch dieser Todesfall vermeiden lassen. Daß ich seit
Verwendung des Graser’schen Instrumentariums bei meinen Resek-
tionen keine Peritonitis mehr zu beklagen hatte, ist wohl kaum ein
Zufall; es gelingt mit diesen Instrumenten doch besonders sicher, den
Austritt von Magen-Darminhalt zu verhüten; günstig in dieser Be-
ziehung wirkt auch der Murphyknopf, den ich bei Magenoperation
ebenso schätze, wie ich ihn bei Eingriffen am Darm vermeide. Mit
der Sicherung der Naht gehe ich sehr weit. Nach Abtragung des zu
resezierenden Teiles mit dem Messer dicht an der Klemme und Ver-
schorfung der Schnittfläche lege ich eine Rückstichnaht durch die Klem-
menfenster; dann folgt nach Abnahme der Klemme eine fortlaufende
Naht durch die gequetschte Partie, darauf eine fortlaufende Lembert-
naht, und schließlich stülpe ich stets der Sicherheit halber namentlich
die Nahtenden noch mit einigen Knopfnähten ein. An den gefährdet-
sten Partien, vor allem an Cardia und Duodenum, nehme ich überdies
sämtliches erreichbare Gewebe als Deckung zu Hilfe, Netz, selbst Gallen-
blase, und am Duodenum stets das Pankreas, von dessen Verwendung
ich nie einen Nachteil gesehen habe. Macht die Auslösung des Magens,
z. B. bei verwachsenen Tumoren der hinteren Wand, große Schwierig-
keiten, so habe ich sie mir oft dadurch erleichtert, daß ich zuerst
— 124 —
den Magen durchtrennt, versorgt und dann erst die weitere Auslösung
vorgenommen habe. Die prinzipielle Verwendung der zweiten Bill-
roth’schen Methode hat außer der leichteren Vermeidung der Infek-
tion den Vorteil, daß man in der Ausdehnung der Resektion ganz
unbeschränkt ist; ich habe sie aus diesem Grunde schon vor Einfüh-
rung des Graser’schen Instrumentariums als Normalverfahren geübt.
Ist durch besondere Kleinheit des Magenrestes die Gastroenterostomie
erschwert, so ziehe ich die Jejunumschlinge, welche stets nach dem
v. Mikulicz’schen Vorschlage schon vor Beginn der Resektion auf-
gesucht und durch einen Zügel markiert wird, durch das Mesokolon
durch, mache die Gastroenterostomie oberhalb des Mesokolon und
leite erst dann den Magen durch den Mesokolonschlitz hindurch, an
dessen Rändern ich ihn dann sorgfältig fixiere. Dadurch wird die
bei ganz kleinem Magenstumpf oft schwierige hintere Gastroentero-
stomie sehr erleichtert. (Selbstbericht.)
65) Rubritius (Prag). Die Erfolge der chirurgischen Be-
handlung gutartiger Magenerkrankungen.
Das Thema, über welches ich sprechen will, ist vor diesem Forum
schon oft behandelt und durch die längere Diskussion, welche auf dem
Ohirurgenkongreß des Jahres 1906 dem Vortrage Krönlein’s folgte,
gewissermaßen dahin abgetan worden, daß mit ziemlicher Übereinstim-
mung die Gastroenterostomie als das Normalverfahren bei der chirur-
gischen Behandlung gutartiger Magenerkrankungen hingestellt wurde.
Wenn ich nun heute dennoch wieder dieses Kapital behandeln
will, so hat dies seinen Grund einzig und allein darin, daß ich in der
Lage bin, ihnen an der Hand eines großen Materials über eine ganze
Reihe von nachuntersuchten Kranken berichten zu können, bei denen
die Operation 13 Jahre bis 5 Monate weit zurückliegt. Es ist mir
möglich, über die Dauerresultate bei 71 Kranken zu berichten, welche
teils von mir selbst, teils von den Hausärzten nachuntersucht wurden,
bei denen nicht nur der objektive Befund aufgenommen, sondern in
den meisten Fällen auch die sekretorische Funktion des Magens geprüft
wurde. Aus dem Ergebnis dieser Untersuchungen kann ich einige
für unser operatives Vorgehen bei der Behandlung gutartiger Magen-
erkrankungen vielleicht wichtige Schlüsse ableiten.
Insgesamt wurden 96 Fälle operiert, 7mal wurde die Resektion des
Geschwürs, 7mal die Pyloroplastik, 33mal die Gastroenterostomia anterior
42mal die Gastroenterostomia posterior, 3mal die Y-förmige Gastroen-
terostomie nach Wölfler-Roux, einmal die Gastrolyse und 3mal
die Probelaparotomie vorgenommen. Die Mortalität bei den Resek-
tionen beträgt 14%, bei den Gastroenterostomien 12,5%, die Gesamt-
mortalität 13,5%. Das gesamte Material ist gruppiert nach: 1) cal-
lösen Geschwüren, 2) blutenden Geschwüren, ohne Infiltration, 3) nar-
bigen Pylorusstenosen, Fällen von 4) Perigastritis und 5) Pylorospasmus,
— 1253 ——
Bei 71 Pat. konnten die Dauererfolge ermittelt werden. Von diesen
sind 38 vollkommen geheilt und beschwerdefrei, 9 sind gebessert, 7 un-
geheilt; bei 6 Fällen kam es zur Karzinomentwicklung auf der Basis
des Ulcus, 3mal beobachteten wir die Entstehung eines Ulcus pepticum
jejuni immer nach Gastroenterostomia anterior. 6 sind an unbekannten
Krankheiten oder Lungenphthise gestorben, bei 2 Fällen handelte es
sich um hysterisches Erbrechen.
Bei den 9 »gebesserten« Fällen ergab die Magensaftuntersuchung
entweder Milchsäure in geringer Menge oder starke Hyperazidität.
Bei vielen Fällen war außerdem noch eine beträchtliche Magendila-
tation zu konstatieren. Die Fälle, bei denen Milchsäure gefunden
wurde, sehen alle gut aus und sind frei von Beschwerden, es deutet
also dieser Befund nicht etwa auf Karzinom, sondern vielmehr auf
eine Stagnation und Zersetzung der Ingesta im Magen.
Auch wir haben in den meisten Fällen benigner Magenaffektionen die
Gastroenterostomie als das Normalverfahren angewendet (80 Gastroen-
terostomien gegenüber 16 anderen Operationen). Wir erzielten 53,5%
Heilungen, 12% Besserungen, beobachteten bei 8% von den nachunter-
suchten Fällen das Auftreten von Ulcus carcinomatosum und hatten bei
10% der Fälle keinen Erfolg. Im Vergleiche mit anderen Berichten
haben wir eine etwas geringere Heilungsziffer erreicht. Wir haben ferner
an unseren Fällen die Erfahrung gemacht, daß die Gastroenterostomie
nicht immer. imstande ist, die motorische Insuffizienz des dilatierten
Magens vollständig zu beheben und die geänderten Aziditätsverhält-
nisse wieder zur Norm zurückzuführen.
Die Prozentzahl der malignen Entartung benigner Magenerkran-
kungen beträgt nach Hauser 5—6%. Es ist daher die Zahl 8 für
unsere Fälle eine verhältnismäßig hohe zu nennen. Angesichts dieser
Tatsache müssen wir uns die Frage vorlegen, ob wir denn nament-
lich bei dem callösen Ulcus — und dies kommt ja für die ma-
ligne Entartung in erster Linie in Betracht — mit der einfachen
Grastroenterostomie immer das Richtige tun. Ich glaube, wir sollten
doch häufiger zur Resektion greifen, und dies namentlich bei jenen
Fällen, bei welchen die Resektion keine allzu großen technischen
Schwierigkeiten bietet. (Selbstbericht!.
66) Cred6 (Dresden). Gastroenterostomia caustica.
Vortr. berichtet, daß er sich schon lange mit Versuchen beschäf-
tige, eine Verbindung von Magen und Darm in der Weise herzustellen,
daß bei der Operation der Magen und der Darm geschlossen bleiben
und sich erst einige Tage nach dem Eingriff die Öffnungen bilden.
Wenn sich dies erreichen lasse, so sei die Operation viel ungefährlicher,
und Arzte und Kranke würden sich zeitiger zu derselben entschließen,
was prognostisch von großer Bedeutung sei und dem Kranken eine
Periode schweren Siechtums ersparen kann. C. glaubt, daß er auf
diesem Wege jetzt zu einem brauchbaren Resultat gekommen ist, da
— 126 ——
es sich bis jetzt bei 8 Kranken, die alle ganz reaktionslos heilten,
vollkommen bewährt hat. Zur Erläuterung seiner Operationsmethode
zeigt er Photographien und Präparate. In der Literatur hat er von
einem derartigen Vorgehen am Menschen nichts finden können, wenn
auch Wullstein bei Tierexperimenten von ähnlichen Gedanken ge-
leitet war.
Die Operation vollzieht sich wie folgt: Nach gründlicher anti-
septischer Vorbereitung Bauchschnitt im äußeren Teile des M. rectus,
Hervorziehen des Magens und Herausholen einer geeigneten Dünn-
darmschlinge. C. hält die Gastroenterostomia anterior retrocolica für
die zweckmäßigste Methode, doch läßt sich nach seinem Vorgehen
jede Modifikation ausführen. Durch das Mesenterium der Dünndarm-
schlinge wird, diese umschließend, ein starker Seidenfaden gezogen,
um sie festzuhalten. Etwa 3—4 cm oberhalb der großen Kurvatur
und 1 cm vom Mesenterialansatz des Dünndarmes wird mit einem
langen Faden dünner Silberseide oder Silbercatgut Magen und Darm
flach bogenförmig mit tiefgreifenden, weiten Stichen in überwändlicher
Naht (Leichennaht) fest vereinigt, in der Länge von etwa 5—6 cm.
Damit die Naht sich nicht verschiebt, werden die Fadenenden an
ihrem Austritt mit je einem Pean festgehalten. Nun wird die
Magenwand mit dem breiten Ansatz des Paquelin mit scharfer Be-
grenzung in dem Umfange von etwa 2 cm Länge und 1,5 cm Breite
verkohlt (bei Magenerweiterung etwas größer), jedoch so, daß die
Mucosa wohl etwas verschorft, aber nicht zerstört oder eröffnet, wird,
was ganz leicht nach einiger Übung auszuführen ist. Sollte eine kleine
Öffnung in derselben entstehen, so wird dieselbe durch eine Naht ge-
schlossen, oder wenn diese nicht halten sollte, was Vortr. noch nicht
passiert ist, offen gelassen, da die ringförmige Naht so fest schließt
und so rasch verwächst, daß später nichts in die Bauchhöhle gelangen
kann. Im Rande der locheisenartig gebrannten Stelle erkennt man
deutlich linienförmige Striche, die die Serosa und die Muscularis
hinterlassen haben. Die Umgebung der gebrannten Stelle ist durch
die ausstrahlende Hitze des Paquelin in den Zustand einer leichten
Verbrennung ersten Grades gebracht worden, die zu rascher und
fester Verwachsung außerordentlich befähigt und das Bauchfell matt
erscheinen läßt. Nun wird die korrespondierende Stelle der Dünn-
darmwand etwas vorsichtiger gebrannt, aber auch so, daß die Schleim-
haut lebensunfähig gemacht wird. Darauf wird der Darm an den
Magen angelagert und in Bogenlinie, wieder mit etwa 1,5 cm Abstand
von der gebrannten Stelle, die Naht vollendet und das Fadenende
mit dem Fadenanfang verknotet. In 10 Minuten ist die ganze Ope-
ration vollendet. Die Nahtlinie wird mit Collargolstreupulver bestäubt
und alle Magen-, Darm- und Netzteile, welche der Luft ausgesetzt
waren, reichlich mit 1%iger Collargollösung prophylaktisch be-
gossen und versenkt. Die Bauchhöhle wird vollkommen geschlossen.
Der Vorteil dieser jedenfalls sehr einfachen Methode liegt erstens
in der Schnelligkeit der Ausführung, zweitens in der Unmöglichkeit,
— 127° ——
die Bauchhöhle und die Finger mit Magen- oder Darminhalt zu be-
schmutzen, drittens in der einfachen, bequemen und einzigen Naht,
viertens in der durch die leichte Verbrennung bedingten, ganz über-
raschend schnellen und flächenhaften Verwachsung von Magen und
Darm, und fünftens in der Möglichkeit, die Ernährung durch den
Magen nach der Operation fortzusetzen. In der Regel am 5. Tage
tritt nach Abstoßung der nekrotischen Stücke des Magens und des
Darmes die volle Verbindung ein. In derselben Weise kann auch
Darm mit Darm seitlich vereinigt werden. Die leichte Verbrennung
der Serosa empfiehlt sich weiter z. B. bei Magenfistelbildung, bei
Ventrofixatio uteri usw. zwecks Erzielung breiter, fester Verwach-
sungen. (Selbstbericht.)
67) Neuhaus (Berlin. Funktionelle Magenuntersuchungen
hinsichtlich der Früh- und Spätresultate nach Gastroentero-
stomie.
Funktionelle Magenuntersuchungen, welche an 17 Pat. mit Gastro-
enterostomia anterior antecolica angestellt worden sind, haben ergeben,
daß in der ersten Zeit (mehrere Monate) nach der Operation konstant
nach einem Probefrühstück sich nicht nur Galle, sondern auch Pan-
kreassekret im Magen nachweisen läßt. Lag der Zeitpunkt der Opera-
tion weiter zurück, so ließ sich eine bemerkenswerte Differenz fest-
stellen. Ein Teil hatte dauernd (bis zu 5 Jahren) nach einem Probe-
frühstück Galle und Pankreassekret im Magen, während bei einem
anderen Teil der Untersuchten sich die beiden Drüsensekrete trotz
wiederholt vorgenommener Kontrolluntersuchungen nicht nachweisen
ließen. Diese Differenz ist folgendermaßen zu erklären: Bei der ersten
Gruppe (mit Galle und Pankreassekret im Magen) ist die Anastomose
offen geblieben; bei der zweiten Gruppe ist sie funktionell — nicht
anatomisch — ausgeschaltet. Diese funktionelle Ausschaltung kommt
durch drei Momente zustande: 1) durch mehr oder minder hochgradige
Narbenschrumpfung an der Anastomosenstelle an sich; 2) durch Ver-
kleinerung der Anastomosenstelle, welche mit Verkleinerung des ganzen
dilatierten Magens durch allmähliche Beseitigung der Dilatation und
Atonie des Magens Hand in Hand geht; der Mageninhalt benutzt
wieder den Pylorus als Austrittsstelle anstatt der Anastomose; 3) durch
den bei der sehr mobilen Magenschleimhaut leicht möglichen Schleim-
hautprolaps an der Anastomose, in Verbindung mit der das ganze
Hohlorgan beim Verdauungsakt verkleinernden Muskelkontraktion,
wobei besonders die Längsmuskeln in Betracht kommen.
Daß die Anastomose dauernd offen bleibt, kann verschiedene
Gründe haben:
1) Die Anastomose ist von vornherein sehr groß angelegt worden.
2) Die Dilatation und Atonie des Magens war zur Zeit der Opera-
tion nicht sehr stark ausgebildet.
— 128 —
3) Der Pylorus ist in irgend einer Weise — operativ oder durch
Narbenstränge — dauernd unpassierbar, so daB der Mageninhalt allein
auf die Anastomose angewiesen ist.
Die Beimengung von Galle und Pankreassekret zum Mageninhalt
hat niemals irgendwelche nachweisbare Schädigung für den Gesamt-
organismus zur Folge gehabt. (Selbstbericht.)
68) Moszkowicz (Wien) berichtet über »aseptische Darm-
operationen«, d. h. Operationen am Magen und Darm, bei denen
das Darmlumen während der Naht nicht zu Gesichte kommt. Demon-
stration des Instrumentariums, Beschreibung der Technik an der Hand
von Wandtafeln, welche die Phasen der Operation veranschaulichen.
Es handelt sich um eine Fortbildung der von Rostowzew vor einem
Jahre im Archiv für klinische Chirurgie vorgeschlagenen »aseptischen
Darmnaht«. Diese Methode hat wohl nur deshalb bisher keine Nach-
ahmung gefunden, weil Instrumentarium und Technik noch nicht voll-
kommen ausgebildet waren. Sie unterscheidet sich vorteilhaft von
allen übrigen vorgeschlagenen Verfahren dadurch, daB die Operation
wirklich aseptisch verläuft, und daß nach beendeter Darmnaht die
Kommunikation der Därme sicher hergestellt ist.
M. schlägt folgende Technik vor. Der Darm wird ober- und
unterhalb der erkrankten Partie mit einer Quetsche quer durch-
gequetscht. Die Quetsche enthält in ihrem Innern zwei Paare von
dünnen Stäbchen, deren Enden aus der Quetsche hervorragen und mit
kleinen Ringen zusammengefaßt werden. Dadurch verwandeln sich
die Stäbchen in einfache Darmklemmen. Sie bleiben nach Abnahme
der Quetsche liegen und werden, um ein Abgleiten der Stäbchen ganz
sicher zu verhindern, durch besondere »Haltezangen« zusammengedrückt.
Der Darm wird zwischen den Stächen mit dem Thermokauter durch-
trennt. Die erkrankte Darmpartie, durch Stäbchen hermetisch ge-
schlossen, wird reseziert. Die zurückbleibenden, mit Stäbchen ver-
schlossenen Darmenden werden zur Anastomose gebracht, indem die
Naht in zwei Reihen über die Stäbchen hinweg angelegt wird. Wenn
die Naht fertig ist, werden die Stäbchen einzeln entfernt, die kleinen
Lücken am Ende der Naht, die dann noch vorhanden sind, werden
durch Knopfnähte geschlossen. Die Kommunikation der Lumina wird
hergestellt, indem die Verklebung der Darmenden durch Invagination
mit dem Finger gelöst wird.
Seitenanastomosen und Resektionen können auf diese Weise an
jedem Teile des Magens oder Darmes ausgeführt werden. Der Vortr.
hat bisher ausgeführt: eine Magenresektion, zwei Kolonresektionen,
eine Gastroenterostomie, zwei Anastomosen zwischen Ileum und Colon
transversum. Er erwartet, daß durch ein aseptisches Vorgehen die
Resultate der Magen- und Darmoperationen sich bessern werden,
namentlich aber die einzeitige Dickdarmresektion wieder an Boden ge-
winnen wird. Selbstbericht.)
— 129 —
Diskussion.
Wullstein (Halle): Zur Ausführung der Darmresektion wird der
Darm an den beiden Resektionsstellen mittels des Splanchnotrib ge-
quetscht und nach Wegnahme des Splanchnotrib und vor der Exstirpa-
tion des zu resezierenden Darmteiles das eine und andere Darmende
für die Dauer der Darmnaht durch einen in der Quetschfurche um-
gelegten, festgeknoteten Seidenfaden verschlossen. Der hierzu benutzte
Seidenfaden hat die Dicke der stärkeren oder stärksten Seidenfäden,
welche wir in der Chirurgie verwenden. `
Um diesen möglichst fest geknoteten, starken Seidenfaden nach-
her nach vollendeter Darmvereinigungsnaht, wobei er ja mit dem An-
legen der mehretagigen Serosa-Muscularisnaht vollständig in der Tiefe
verschwindet, wieder entfernen zu können, lege ich zwei Seidenfaden-
schlingen (a und b) in bestimmter Anordnung zur Öffnung des Knotens
und eine dritte (c) zur definitiven Entfernung des Fadens ein. Die
hierzu verwendeten Fäden müssen die Garantie geben, daß sie bei
dem geringen nachher auszuübenden Zuge nicht reißen; sie werden
aber im allgemeinen stark genug sein, wenn sie der zweitdünnsten
Nummer der in der Chirurgie verwandten Seide entsprechen. Die
Schlingen der Fäden müssen durch Einflechtung des einen Faden-
endes in das andere, nicht etwa durch einen Knoten gebildet sein.
Um die Schlingenfäden (a, 5, c) nachher nicht zu verwechseln, was
sehr wesentlich ist, können wir zu ihrer Unterscheidung entweder an
ihrem Ende einen, zwei oder drei Knoten einschlagen, oder wir lassen
sie uns, wie ich es getan habe, in verschiedener Farbe (siehe Fig. 1
Schlingenfaden @ = rot, b = blau, ce = gelb) gleich fertig von unserem
Seidenlieferanten liefern.
i Unser Lieferant ist: Instrumentenfabrikant Fr. Baumgartel-Halle a. S.
Chirurgen-Kongreß 1908. 9
sus. 130 ie
Um die Anordnung der Schlingenfäden und ihren Zweck leichter
erklären zu können, müssen wir kurz darauf hinweisen, daß ein chirur-
gischer Knoten (Fig. 1) besteht aus einer »chirurgischen Schlinge« B
und einer darauf gesetzten sog. »Sicherungsschlinge« A. — Durch
Zug an dem eingelegten, roten Schlingenfaden a wird zunächst die
Sicherungsschlinge A aufs leichteste aufzuziehen sein und ebenso nachher
die chirurgische Schlinge B durch Zug an dem blauen Schlingenfaden 5,
während schließlich der gelbe Schlingenfaden c nach nunmehr erfolg-
ter Lösung des chirurgischen Knotens den dicken Seidenfaden, der
zum Verschluß des Darmlumens diente, durch eine ganz kleine Lücke
in der mehretagigen Serosa-Muscularisnaht definitiv entfernt. Da der
Schlingenfaden a nur sehr dünn ist, hindert er das dichte Herantreten
der Sicherungsschlinge an die chirurgische Schlinge in keiner Weise,
so daß der Knoten in seiner Festigkeit keine Einbuße erleidet.
Unser Vorgehen gestaltet sich also kurz folgendermaßen:
Ein dicker Seidenfaden wird durch die Schlinge des Schlingen-
fadens c gezogen und dicht oberhalb bzw. unterhalb des zu exstirpie-
renden Darmteiles um den Darm herum gelegt und geknotet. Dabei
kann derjenige, der das bevorzugt, zur Erhöhung der Asepsis vorher
die Schleimhaut durch Quetschung des Darmes mit dem Enterotrib
zur Retraktion bringen, den Faden in der Quetschfurche umlegen und
den Darmstumpf an der Durchschneidungsstelle mit dem Paquelin
verschorfen. Der Faden muß fest geknotet und der Darm nicht un-
mittelbar am Faden durchschnitten werden, damit ein Abgleiten des
Fadens unmöglich ist. Bevor jedoch die chirurgische Schlinge B des
Knotens geschürzt wird, muß das eine Ende des dicken Seidenfadens
durch die Schlinge des Schlingenfadens 5 geführt und vor dem An-
legen der Sicherungsschlinge A wiederum das andere Ende durch die
Schlinge des Schlingenfadens a gezogen werden.
Die Schlinge des Schlingenfadens 5 wird immer möglichst dicht
an die chirurgische Schlinge B herangeschoben. Ungefähr 3 mm’ von
der Sicherungsschlinge werden die Enden des dicken Seidenfadens ab-
getragen; die Schlingenfäden a, 5 und c bleiben ungekürzt.
Ist der Darm so durch den Knoten verschlossen, so ergibt sich
das auf Fig. 1 wiedergegebene Fadenarrangement.
Nachdem das andere Darmende in der gleichen Weise versorgt
ist, wird das dazwischen gelegene Darmstück exstirpiert, nachdem
durch Abklemmen oder Abbinden desselben dafür gesorgt ist, daß
sich nach der Durchschneidung Inhalt aus demselben nicht entleeren
kann.
Bei der nun folgenden Darmnaht hat man nur darauf zu achten,
daß man nicht etwa durch Zug an dem roten Faden a die Sicherungs-
schlinge löst, während ein zufälliger Zug an dem blauen Faden b oder
am gelben Faden c in keiner Weise schadet, im Gegenteil den Knoten
dadurch, daß er die chirurgische Schlinge noch dichter an die Siche-
rungsschlinge anpreßt, noch weiterhin festigen wird.
— 131 —
Bei der mehretagigen Serosa-Muscularisnaht wird der Faden c
auf der einen Seite und die Fäden a und 5 zusammen ungefähr an
der entgegengesetzten Seite der Darmzirkumferenz aus einer ganz kleinen
Lücke der Naht, zu deren Verschluß nach der späteren Entfernung
der Fäden entweder gar keine oder eine einzige Übernähungsnaht
nötig ist, herausgeleitet.
Ist die 2- oder 3etagige Serosa-Muscularisnaht fertig, so wird —
und zwar vorteilhafterweise unter einem gewissen Gegenzug an dem
gelben Faden ce — durch Zug am Faden a und damit gleichzeitiger
Entfernung des Fadens a die Sicherungsschlinge A geöffnet, darauf
durch Zug am Faden b und damit gleichzeitiger Entfernung des
Fadens 5 die chirurgische Schlinge B geöffnet und schließlich durch
Zug am Faden c mit diesem gleichzeitig der dicke Seidenfaden in toto
herausgezogen oder doch wenigstens das eine Ende des dicken Seiden-
fadens so weit herausgehoben, daß es erfaßt und der ganze Faden
entfernt werden kann. -
Nachdem durch Ent Fig. 2.
fernung der Fäden in der
gleichen Reihenfolge auch das
andere Darmlumen wieder
eröffnet ist, ist die Kom-
munikation an der Nahtstelle
nach völlig fertiger Vernä-
hung wieder hergestellt.
Dasselbe Prinzip, die
Knoten versenkter Nähte
durch Zug an eingelegten
Fadenschlingen zu lösen,
habe ich in etwas modifiziererter und vereinfachter Weise (Fig. 2) bei
versenkten Bauchdeckennähten, z. B. bei der Muskelnaht bei der
Radikaloperation der Leistenhernie nach Bassini und bei der Bauch-
decken-Muskelnaht nach Amputation des Wurmfortsatzes mehrfach
angewandt. Ich gebe zu, es geschah das mehr experimenti causa,
denn es besteht gar kein Grund, hier die reaktionslos einheilenden
Fäden nachträglich nach 12—14 Tagen zu entfernen. Im Gegenteil,
ich muß zugeben, daß die aus feinsten Lücken der Hautnaht heraus-
geleiteten Fäden a und e (siehe Fig. 2) unter Umständen in dieser
Zeit sogar die Leitwege für die Infektionskeime von der Oberfläche in
die Tiefe abgeben können. — Gleichwohl, ich will diese meine Me-
thode, versenkte Bauchdeckennähte nachträglich — nach 12—14 Tagen
— zu entfernen, hier beschreiben.
Danach wird die Vereinigung der Muskeln vorgenommen durch
gewöhnliche Nähte, die durch einen chirurgischen Knoten geknotet
werden. Das einzige Besondere daran ist, daß, bevor die Sicherungs-
schlinge A des Knotens der chirurgischen Schlinge B aufgesetzt wird,
das eine Ende des dicken Seidenfadens (s. Fig. 2) durch die Schlinge
des Schlingenfadens a gezogen wird, von den beiden Enden des dicken
9%
— 1322 —
Seidenfadens d und e das dem Schlingenfaden a gegenüber gelegene
d nach fester Schnürung der Sicherungsschlinge A ungefähr 3 mm
oberhalb der letzteren abgeschnitten wird und das andere Ende dieses
Fadens e zusammen mit dem Schlingenfaden a, ohne daß ein Zug an
ihnen ausgeübt wird, durch eine feine Lücke zwischen zwei Hautnähten
herausgeführt und locker in den Verband gelegt wird.
Nach 12—14 Tagen, wenn die versenkte Naht entfernt werden soll,
sind alle Fäden mit Granulationsgewebe bereits durchwachsen, gleich-
wohl wird durch Zug am Schlingenfaden a die Sicherungsschlinge A
relativ leicht geöffnet. Die chirurgische Schlinge B dagegen muß sich,
um sich zu öffnen, bei fortgesetzt stärkerem Zug am Faden e allmäh-
lich aufrollen, was, da der Faden in den 12—14 Tagen, wie gesagt,
in Granulationsgewebe bereits eingebettet ist, für die Pat. zumeist
nicht ganz schmerzlos ist.
Man wird infolgedessen besser tun auch hier zur absolut scho-
nenden Öffnung der chirurgischen Schlinge B von der Schnürung der-
selben einen Schlingenfaden b in nächster Nähe der chirurgischen
Schlinge einzulegen, und zwar, wie es Fig. 3 zeigt, auf der den Fäden a
und e (Fig. 2) entgegengesetzten und der dem gekürzten Ende des
dicken Seidenfadens d entsprechenden Seite.
Fig. 3.
Ist dann durch’Zug am Schlingenfaden a (s. Fig. 3) die Siche-
rungsschlinge A in schonender Weise geöffnet, dann haben wir eine
Situation, wie sie Fig. 4 darstellt. D. h. das kurze Ende des dicken
Seidenfadens liegt dann auf der dem lang gelassenen Ende des dicken
Seidenfadens e entsprechenden und dem Schlingenfaden b entgegen-
gesetzten Seite, und die chirurgische Schlinge B wird nun durch Zug
am Schlingenfaden b besonders bei leichtem Gegenzug am Faden e aufs
leichteste zu öffnen sein, so daß dann der schonenden Herausnahme
des Fadens durch Zug am Fadenende e nichts mehr im Wege steht.
Diese durch Fig. 3 und 4 illustrierte Knotenlösung und Faden-
entfernung ist sicher ebenso schonend und empfehlenswert wie die auf
Fig. 1 dargestellte und hat dieser gegenüber sogar den Vorteil, daB
dabei der Schlingenfaden c in Wegfall kommt, da er in seiner Funk-
— 133 —
tion durch das lang gelassene Ende des dicken Seidenfadens e er-
setzt wird.
Bei allen drei Methoden ist darauf zu achten, daß an der roten
Fadenschlinge « kein vorzeitiger Zug erfolgt.
Fig. 4.
Wird die letztbeschriebene Methode (Fig. 3 und 4) zur nachträg-
lichen Entfernung versenkter Bauchdeckennähte benutzt, so werden
alle drei Fäden a, b und e durch dieselbe kleine Lücke in der Haut-
naht nach außen geführt; bei der Verwendung zur Ausführung der
völlig aseptischen Darmoperation wird man Faden a und e am besten
aus einer und Faden b aus einer zweiten entsprechend entfernten,
feinsten Lücke der mehretagigen Serosa-Muscularisnaht nach außen
herausleiten. (Selbstbericht.)
69) Klapp (Berlin). Entleerung infektiöser Flüssigkeits-
ansammlungen und chirurgische Darmentleerung.
Wenn wir lokale infektiöse Flüssigkeitsansammlungen chirurgischer
Natur zu behandeln haben, so legen wir, wie alle Chirurgen, größtes
Gewicht darauf, die infektiösen Stoffe so gründlich wie nur möglich
nach außen zu entleeren. Obgleich wir auch früher keinen Zweifel
an diesem Standpunkt gelassen haben, so muß das doch einmal ex
kathedra ausgesprochen werden, um einigen in letzter Zeit hervor-
tretenden Stimmen entgegen zu treten, welche uns den Standpunkt
imputieren wollen, als ob wir eine ganz uugenügende Entleerung des
Eiters vornähmen.
Der Schnitt in irgend einer Form, ob groß oder klein, wenn nur
physiologisch richtig angelegt, muß den Eiterherd nach außen eröffnen.
Daß sich Bier in der Beschränkung unnötig großer Schnitte ein
großes Verdienst erworben hat, wird ihm von der einen Seite bestritten,
von der anderen Seite anerkannt (Kocher). Erst in zweiter Linie
kommen die anderen ableitenden Maßnahmen. Wenn man die hier-
her gehörigen Mittel nach ihrer Wirksamkeit ordnen will, so möchte
ich die Saugbehandlung voranstellen, dann die Drainage und schließ-
— 134 —
lich die Tamponade nennen. Die Tamponade wird ohne Zweifel ihrem
Wert nach zu hoch veranschlagt. Zum mindesten soll man nicht
wieder die Tamponade mit einem Docht vergleichen und ihr größere
Saugkraft zuschreiben. Eine Saugkraft kann die Tamponade nur so
lange entfalten, als sie trocken ist. Sobald sich der Tampon voll-
gesogen hat, wirkt er nur noch als Fremdkörper, der die Gewebe zur
Sekretion reizt, ohne daß er die Sekrete genügend ableitet. Neuer-
dings ist man mit Recht bestrebt, den Docht bei der Ableitung von
Sekreten besser nachzuahmen; z. B. scheint das Dreesmann mit
seinem Instrument gut gelungen zu sein. Ich glaube, daß die Be-
deutung der bloßen Tamponade eher im Offenhalten der Wunde liegt,
als in ihrer Saugkraft.
Es besteht noch weiterhin eine dringende Indikation, die Technik
der Ableitung infektiöser Flüssigkeiten zu verbessern. Dabei drängt
sich in letzter Zeit immer mehr das Bestreben vor, möglichst physio-
logisch vorzugehen. Je physiologischer man bei der notwendigen und
natürlich gründlichen Entleerung infektiöser Flüssigkeitsansammlungen
mit den Geweben umgeht, um so eher werden diese imstande sein, sich
mit den ihnen eigenen Abwehrkräften an der Bewältigung der In-
fektion zu beteiligen. Wieviel sich mit der physiologischen Behand-
lung allein erreichen läßt, habe ich kürzlich an dem Beispiel der
Sehnenscheidenphlegmone zeigen können.
In letzter Zeit bin ich der Frage nachgegangen, ob wir nicht
auch beim Deus und der diffusen Peritonitis durch Verbesserung der
Technik in der Ableitung des Darminhaltes unsere Resultate ver-
bessern können.
1) Die Entleerung des Darmes bei der diffusen Peritonitis ist
eine so dringende und anerkannte Maßnahme, daß ich über die Indi-
kation kein Wort verliere. Ebensowenig möchte ich mich darüber
auslassen, wie man bisher vorgegangen ist. Bei dem bisherigen Vorgehen
wird die Asepsis nicht mit genügender Sicherheit gewährleistet. Die
Indikation besteht, den Darm schnell, ergiebig und unter Wahrung
der Asepsis zu entleeren; dieser Forderung wird aber die technische
Ausführung noch nicht gerecht. Gewiß wirken Enterostomien sehr
günstig, aber diese können auch noch angewendet werden, wenn der
Darminhalt vorher gründlich entleert worden ist. Die Darmentleerung,
welche ich befürworten möchte, geschieht so, daß eine geschlossene
Leitung zwischen Darm und Potin’scher Saugflasche hergestellt wird.
Zu diesem Zweck gebrauche ich ein rohrartiges Instrument, welches
man mit dem einen Ende in den Darm einnäht und aus welchem
man dann einen weichen gefensterten Gummischlauch in den Darm
hineingleiten läßt. Ist das geschehen, so verdünnt man die Luft der
Potin’schen Saugflasche und saugt so den gewöhnlich dünnflüssigen
Darminhalt in die Flasche hinein. Entleert sich kein Darminhalt
mehr, so reiht man immer mehr Darm über den Schlauch herüber
und saugt erst nach der einen und dann nach der anderen Richtung
— 135 —
den Darm so weit aus, wie man nur kann. Meist gelingt es, von ein
bis zwei Einstichstellen den ganzen Darm völlig zu entleeren.
Als Vorteil des Instrumentes betrachte ich es, daß diese Art der
Entleerung aseptisch, sehr ausgiebig und schonend in einer ge-
schlossenen Leitung erfolgen kann, so daß man nicht einmal den
üblen Geruch im Operationszimmer hat. Gegen den plötzlichen Sturz
des Blutdruckes wendet man mit Vorteil die in letzter Zeit von
Heidenhain empfohlenen Adrenalin-Kochsalzinfusionen an. Ich halte
es für am zweckmäßigten, in jedem Falle von diffuser Peritonitis,
welche mit Untätigkeit des Darmes einhergeht, während der Laparo-
tomie mit Hilfe meines Apparates den Darm zu entleeren und dann,
wenn nötig, eine oder mehrere Enterostomien anzulegen. Die drohende
Herabsetzung des Blutdruckes wird zweckmäßig mit Adrenalin-Koch-
salzinfusionen bekämpft.
2) Lokale oder ausgebreitete Ansammlungen infektiöser
Flüssigkeiten im Bereich der Bauchhöbhle entleere ich nicht
nur durch einen geeigneten Schnitt mit Tupfer oder Spülungen,
sondern ich führe ein vergittertes Saugrohr ein, um die Flüssigkeit
vollständig abzusaugen. Dieses Saugrohr ist vergittert, damit sich
keine Gewebeteile in seine Fenster ansaugen. Man leitet die Flüssig-
keiten wiederum in eine Potin’sche Saugflasche. So behandle ich
z. B. den appendicitischen Abszeß mit möglichst kleinem Schnitt und
glaube, der Forderung möglichst schonenden Vorgehens am besten
gerecht zu werden. In gleicher Weise werden lokale oder diffuse
peritonitische Exsudate behandelt. (Selbstbericht.)
Diskussion.
Payr (Greifswald) benutzt zur Entleerung von Flüssigkeiten
aus dem Darm während und nach der Operation eine Bunsen’sche
Wasserstrahlpumpe. Lichtenauer (Stettin).
nn
70) H. Braun (Göttingen). Demonstration eines Entero-
kystoms.
B. zeigte ein Enterokystom, dessen Durchmesser 25 cm querüber,
18 cm von oben nach unten und 13 cm von vorn nach hinten betrug,
und durch seine Größe und sein Gewicht (es wog etwas über 6 Pfund)
bei einer 71jährigen, bis dahin immer gesunden Frau einen Darmver-
schluß veranlaßt hatte. Bei der am 16. September 1907 vorgenommenen
Operation zeigte sich, daß dieser große cystische Tumor, ohne irgend-
welche sonstige Adhäsionen, nur durch ein 1 cm langes und 2 mm
dickes Ligament auf die Länge von 2 cm mit einer Dünndarm-
schlinge in Verbindung stand. Nach Durchtrennung derselben konnte
der Tumor leicht entfernt werden; der dadurch entstandene peritoneale
Defekt am Darme wurde mit einer doppelten Nahtreihe feinster Seiden-
suturen gedekt. Der Wundverlauf war vollkommen reaktionslos, die
— 136 ——
Kranke konnte am 9. Oktober geheilt entlassen werden und ist auch
jetzt noch vollkommen gesund. (Selbstbericht.)
Diskussion.
Jaffe (Posen) berichtet über zwei von ihm beobachtete entzünd-
liche Geschwülste von Colon descendens. In einer fand sich als Ur-
sache ein Knochenstückchen, die andere wurde partiell reseziert und
ergab mikroskopisch entzündetes Gewebe.
F. Franke (Braunschweig) lenkt die Aufmerksamkeit darauf, daB
multiple falsche Divertikel am Darm, besonders an der Flexura
sigmoidea, nicht nur dadurch wichtig für den Chirurgen sind, daß sie
infolge von Entzündung verdächtige, schon öfters als Karzinom ange-
sehene Geschwülste bilden, auch Anlaß zu schweren Eiterungsprozessen
bis zu abgesackter und allgemeiner Peritonitis geben können, sondern
auch dadurch, daß sie ohne irgend eine erhebliche Entzündung zu
einer Verdickung des Darmes führen können, die den Eindruck einer
Geschwulst macht. Wahrscheinlich gehören hierher manche Fälle so-
genannter hyperplasierender oder infiltrierender Kolitis bzw. Sigmoiditis.
F. erläutert das kurz an der Hand eines von ihm mit Resektion der
Flexura sigmoidea behandelten und geheilten Falles unter Demonstra-
tion des Präparates. (Selbstbericht.)
Müller (Rostock): Zwei Fälle, von denen der eine reseziert wurde,
der andere spontan zurückging. Er glaubt, daß die Fälle häufiger
vorkommen, als sie beschrieben werden.
Braun (Schlußwort) glaubt auch nicht, daß die Geschwülste selten
vorkommen. Lichtenauer (Stettin).
71) Bunge (Bonn). Über postoperativen spastischen Darm-
verschluß.
B. berichtet über zwei Beobachtungen, die geeignet sind, zu be-
weisen, daß es Enterospasmen von einer solchen Ausdehnung, Inten-
sität und Dauer gibt, daß durch dieselben infolge absoluter Verlegung
der Kot- und Gaspassage die gleichen Gefahren ausgelöst werden
können, wie durch einen mechanischen Darmverschluß.
In beiden Fällen handelte es sich um weibliche Kranke, bei denen
gynäkologische Operationen ausgeführt waren, unter gleichzeitiger Ent-
fernung des veränderten Wurmfortsatzes.
Bei der ersten Kranken traten am Tage nach der Operation
heftige kneifende Schmerzen in der Oberbauchgegend, später in den
seitlichen Bauchgegenden auf, ohne daß ein objektiver Befund (ge-
steigerte Peristaltik, isoliert geblähte Schlinge usw.) zu erheben ge-
wesen wäre. Trotz energischer Anregung der Peristaltik bestand vom
Tage der Operation an eine absolute Kot- und Gassperre, so daß ein
kolossaler Meteorismus sich einstellte; am 5. Tage wurde zwecks Ent-
leerung des Darmes relaparotomiert. Es fand sich ein Spasmus, der
— 137 —
den ganzen Dickdarm mit Ausnahme des Coecum betraf, der spastische
Darm war steif wie ein Tau, das Coecum auf Kindskopfgröße ge-
bläht, der Dünndarm durch den gestauten Darminhalt mächtig aus-
gedehnt. Ileostomie mit Witzel’scher Fistel führte zu glatter Heilung;
bereits 2 Tage nach der Operation Stuhl per rectum.
Bei der zweiten Kranken fehlten die heftigen Schmerzen im An-
fang, es bestand von vornherein das Bild einer schweren postoperativen
Darmlähmung, die trotz hoher Physostigmingaben und anderer Ab-
führmittel nicht zu beseitigen war. Relaparotomie am 6. Tage ergab
einen über den ganzen Dickdarm und eine 30—40 cm lange Dünn-
darmstrecke ausgedehnten gleichen Spasmus; in der Mitte des spastisch
kontrahierten Querdickdarmes eine überfaustgroße durch Gas bedingte
Aufblähung. Trotz Deostomie Exitus am gleichen Tage.
In beiden Fällen keine Peritonitis.
Die Atiologie derartiger Spasmen ist bisher noch vollständig un-
geklärt, doch scheint es B. am wahrscheinlichsten, daß nervöse, reflek-
torische Einflüsse am ehesten in Betracht zu ziehen sind.
Eine frühzeitige Diagnose derartiger Spasmen hält B., wenn man
in den ersten Tagen nach der Operation untersucht, bevor ein stärkerer
Meteorismus die Untersuchung erschwert, für möglich auf Grund ander-
weitiger eigener Erfahrungen, die er bei Darmstörungen verschiedenen
Grades nach Nierenoperationen, in einem Falle auch nach unkompli-
zierter Entfernung eines Wurmfortsatzes gemacht hat. In diesen
Fällen gelang es, die Erscheinungen schnell durch große Dosen von
Opium mit Belladonna per rectum zum Verschwinden zu bringen.
Abführmittel jeder Art sind in solchen Fällen kontraindiziert, da sie
wie in den beiden operierten Fällen den Zustand nur verschlimmern;
eine Verabreichung von Opium mit Belladonna ist natürlich nur er-
laubt bei sicher nachgewiesenem Spasmus. (Selbstbericht.)
Diskussion.
v. Brunn (Tübingen) berichtet über zwei analoge Fälle aus der
Tübinger Klinik. Im ersteren Falle fanden sich bei der Operation
zwei Kontraktionsringe im unteren Deum. Im zweiten Falle fand sich
eine tetanische Kontraktion im Colon transversum, die selbst an der
Leiche noch vorhanden war. Hierbei fand sich eine strangförmige
Adhäsion in der Nähe dieser Stelle. B. glaubt daher diese als Ur-
sache ansprechen zu müssen.
Barth (Danzig): Zwei Fälle von Enterospasmus. .Der erste durch
Morphiumtherapie geheilt, beim zweiten fand sich als Ursache des
Ileus nach einer einfachen Kolporrhaphie ein Bandwurm.
Heidenhain (Worms) hat einen Fall nach abdominaler Uterus-
exstirpation gesehen. Er bittet alle derartigen Fälle bekannt zu geben,
um die rätselhafte Ursache aufzudecken
Körte (Berlin) sah zwei Fälle nach Magenoperationen. Er mußte
in beiden Fällen die Jejunostomie machen, im zweiten Falle sogar
— 138 ——
wiederholen. Er hat auch derartige Fälle ohne vorausgegangene Ope-
ration beobachtet.
Müller (Rostock) glaubt, daß viele derartige Fälle durch begin-
nende Peritonitis hervorgerufen seien.
Küster (Berlin) hat zwei Fälle beobachtet. Bei dem einen war
die Ursache ein Spulwurm. Lichtenauer (Stettin).
A. Schlesinger (Berlin). Frau mit vollständig obturierendem Rek-
tumkarzinom. Anlegung eines rechtsseitigen Anus praeternaturalis. Da
nach 6 Tagen immer noch kein Stuhl erfolgt ist, wird ein Verschluß
oberhalb des Anus angenommen und die Laparotomie gemacht. Es
findet sich 1) im Colon transversum ein Kotstein und zwischen diesem
und dem Tumor eine sehr starke Kotanfüllung der Flexur, 2) der
untere Teil des Ileum ist spastisch kontrahiert, oberhalb des Spasmus ge-
blähte Darmschlingen. Es handelt sich also um zweisitzigen Ileus. Laparo-
tomiewunde geschlossen und Anus links angelegt, nachdem der Kot-
ballen zerdrückt ist. Am nächsten Tage entleert sich nach Öffnung
des Darmes reichlich Kot aus der linken Wunde. Zugleich kommt
aus dem rechtsseitigen Anus Kot heraus. (Selbstbericht.)
Wilms (Basel) weist hin auf den von Krönig beschriebenen
Fall, bei dem Darmgeschwüre, durch Thrombosen verursacht, den
Ennterospasmus auslösten.
Payr (Greifswald) hat bei Tieren künstlich Embolien der Darm-
gefäße hergestellt und hierbei das Auftreten von Darmgeschwüren und
Spasmen beobachtet.
Marquard (Hagen) sah einen Spasmus des Kolon nach Nephro-
stomie, bei der eine Eröffnung der Leibeshöhle nicht stattgefunden
hatte. Er glaubt dies auf Thrombosen der Darmgefäße zurückführen
zu müssen.
Bunge: Eine Peritonitis an dem kontrahierten Darmstück war
nicht vorhanden, der Darm sah vielmehr blaß aus. Uber den Fall
Krönig ist B. anderer Ansicht als Wilms. Wären Nekrosen der
Darmschleimhaut die Ursache des Spasmus gewesen, so hätte nach
Abstoßung derselben eine Stenose des Darmes eintreten müssen.
Lichtenauer (Stettin).
72) Canon (Berlin). Darmausschaltung durch Ileo-Flexuro-
Ä stomie.
C. berichtet über einen Pat., bei welchem er vor 2!/, Jahren
die totale Ausschaltung des Dickdarmes vorgenommen hat. Pat.
war 1/4 Jahr lang wegen andauernder Darmblutungen mit inneren
Mitteln — darunter Jodkali — und Darmspülungen auch von spe-
zialistischer Seite ohne jeden Erfolg behandelt worden. Der Mastdarm
war gesund, in der rechten unteren Bauchgegend war aber ein Tumor
fühlbar, der schließlich exstirpiert wurde und aus höchstwahrscheinlich
— 139 —
luetisch verändertem Dickdarm bestand (Verdickung der Darmschichten,
starke Hyperämie der Schleimhaut mit kleineren Defekten, starke
Infiltration der Submucosa und geringere der Muscularis). Der Darm
schien auch noch in der Umgebung des exstirpierten Stückes krank
zu sein; ein trotzdem später gemachter Versuch ihn zu vernähen miß-
lang, und da auch weitere Blutungen aus dem oberen Darmteil auf-
traten, wurde angenommen, daß der Dickdarm noch weiter hinauf
erkrankt war, und seine totale Ausschaltung von einem Medianschnitt
aus vorgenommen; das Ileum wurde oberhalb des Blinddarmes durch-
trennt, das orale Ende in die Flexura sigmoidea implantiert, das
aborale verschlossen und versenkt. Die aborale Öffnung am Colon
descendens wurde ebenfalls übernäht, doch ist. hier eine. kleine Fistel
zurückgeblieben, die den Pat. aber wenig stört. Die Blutungen aus
dem Dickdarm haben nach der Ausschaltung und nach einer Queck-
silberkur nachgelassen, aber die Sekretion jauchiger Massen aus dem
ausgeschalteten Dickdarm ist trotz häufiger Spülungen mit einem
Darmrohr noch stark und sehr störend, ein Umstand, welcher ebenfalls
auf Erkrankung des Darmstückes schließen läßt. Pat. hat nur Durch-
fälle, wenn er viel Flüssigkeit zu sich nimmt; der Urin ist frei von
Eiweiß und zeigt keine Vermehrung des Indikan. (Selbstbericht.)
73) Heddaeus. Über die Folgen einer totalen Ausschaltung
des Kolon durch Verbindung des Ileum mit der Flexura.
sigmoidea.
Vortr. berichtet über einen vor 5 Jahren von Lindner operierten:
Fall von totaler Ausschaltung des Kolon wegen Darmneurose.
Die betreffende Pat. hatte infolge der genannten Operation sehr
heftige Beschwerden, meist in Gestalt kolikartiger Anfälle bekommen.
Die vom Vortr. ausgeführte Operation ergab eine enorme Ausdehnung
des mit blindem Ende seitlich in das Kolon implantierten Ileum und
außerdem eine stark stenosierende Überbrückung des Dünndarmes durch
die verlagerte Ileumschlinge. .
Durch die Operation wurde die Pat. fast vollkommen geheilt.
Die heutigen seltenen Beschwerden gipfeln in plötzlich auftretenden
gehäuften Diarrhöen, die Vortr. auf die zu tief angelegte Einpflanzung
bezieht. Dieser Zustand ist auch durch die Entfernung des Blind-
sackes und einer neuen Anastomose zwischen dem Dünndarm und
dem früher ausgeschalteten Coecum nicht behoben.
Vortr. kommt zu dem Resultat, daß
1) die totale Ausschaltung des Kolon kein gleichgültiger Eingriff
ist, wie manche Autoren behaupten, sondern daß sie nur in den
schwersten, sonst unheilbaren Erkrankungen des Kolon angezeigt ist;
2) daß sie, wenn möglich, nur eine: partielle sein soll.
3) Bei der Technik ist darauf zu achten, daß das Ileum beim
Einpflanzen in das Kolon keine kurze Überbrückung des Dünndarmes
macht, und
= 140 =
4) daß die Einpflanzung des Ileum in das Kolon womöglich end
to side oder, wenn side to side, dann wenigstens mit kürzestem Blind-
sack erfolgt. (Selbstbericht.)
Diskussion zu Nr. 72 und 73.
Schultze (Duisburg) hat wegen multipler Stenosen des Dick-
darmes das Ileum in die Flexura sigmoidea eingepflanzt.
F. Franke (Braunschweig), der die Ausschaltung des Kolon
zuerst auch bei chronischer Obstipation vorgenommen und empfohlen
hat, hebt hervor, daß nach seinen und anderer Erfahrungen in ein-
zelnen Fällen durch retrograde Peristaltik schwere Störungen hervor-
gerufen werden können, und will deshalb die Operation nur in ganz
besonders schweren Fällen zulassen. (Selbstbericht.)
Martens (Berlin) berichtet über einen Kranken mit chronischer
Dysenterie, bei dem auswärts erst eine Coecalfistel, dann eine Anasto-
mose zwischen Ileum und Flexura sigmoidea, schließlich die Durch-
trennung des Ileum zwischen Anastomose und Coecum gemacht worden
war. Die Operationen hatten keinerlei Nutzen gehabt und ihren Zweck
insofern verfehlt, als der Kot sich zum Teil doch noch rückläufig aus
der Coecalfistel entleerte. Zur völligen Ausschaltung mußte jetzt noch
das Kolon oberhalb der Anastomose durchtrennt und zur Ableitung
des Eiters das proximale Ende nach außen geleitet werden. Die vielen
häufigen, dünnen Stuhlentleerungen sind dem Kranken sehr lästig.
M. warnt daher vor zu häufiger Anwendung dieser doch nicht
ganz gleichgültigen großen Eingriffe. (Selbstbericht.)
Sprengel (Braunschweig) hat einen der von Franke berichteten
Fälle später zur Operation bekommen. Die Pat. war mit dem Resultat
der Kolonausschaltung sehr unzufrieden.
Körte (Berlin) wendet die Ausschaltung des Dickdarmes nur in
extremen Fällen an, und auch dann, wenn möglich, nur partiell. Es
kommt darauf an, ob die Erkrankung des Dickdarmes bereits aus-
geheilt ist. Ist dies nicht der Fall, so empfiehlt K. eine Fistel am
Blinddarm anzulegen und von dort aus den erkrankten Darm durch-
zuspülen. Lichtenauer (Stettin).
74) Graff (Bonn). Über Milzexstirpation bei Anaemia pseudo-
leucaemica infantum.
Die Bluterkrankungen im Kindesalter sind noch ein recht dunkles
Kapitel der inneren Medizin, namentlich der Zusammenhang mit dem
begleitenden Milztumor. Während man im allgemeinen die Milz nicht
für den primären Sitz der Krankheit hält, gibt es doch Fälle, bei
denen die Entfernung der Milz schnelle Heilung bringt. Vortr. hat
bei einem hochgradig anämischen, abgemagerten, nur 11 Pfund wie-
genden Kind einen Milztumor entfernt, der über 1 Pfund wog. Blut-
befund vor der Operation Verminderung der roten Blutkörpercheh
— 141 —
mit auffallend vielen Normoblasten und Vermehrung der weißen Blut-
körperchen. Nach der Operation mit Besserung des Allgemeinbefin-
dens allmählicher Ubergang des Blutbefundes zur Norm. Zunahme
des Körpergewichtes in 9 Monaten von 11 Pfund auf 21 Pfund. Der
Blutbefund, der Milztumor (pathologisch anatomisch einfach indurative
Hyperplasie), die fehlende Lebervergrößerung und Drüsenanschwellung
sichert die Diagnose auf Anaemia pseudoleucaemica infantum. Für
die Erklärung der rätselhaft schnellen Heilung post exstirpationem
kann die Beobachtung Umber’s herangezogen werden, der bei
Banti’scher Krankheit einen pyogenen Eiweißzerfall nachwies, der
mit Entfernung der Milz sofort aufhörte. Jedenfalls scheint nach
den bisherigen, wenn auch sehr wenig zahlreichen Erfahrungen die
Milzexstirpation bei derartigen Krankheiten sehr schnelle Heilungen
herbeizuführen. (Selbstbericht.)
Diskussion.
Wolff (Potsdam) stellt das vor 3 Jahren operierte Kind vor,
welches jetzt 4 Jahre alt und vollkommen gesund ist. Der Blutbefund
ist jetzt morphologisch normal, es besteht aber noch eine Vermeh-
rung der weißen Blutzellen im Verhältnis zu den roten.
Lichtenauer (Stettin).
75) E. Ruge (Berlin). Beiträge zur chirurgischen Anatomie
der Grallengänge.
Vortr. berichtet über die Resultate seiner Untersuchungen an
43 Präparaten von menschlicher Leberpforte.e Er fand, daß der
Ductus cysticus nur in 1/; der Fälle den Lehrbuchverlauf zeigt, so
zwar, daß er in einem spitzen Winkel in den Hepatocholedochus ein-
mündet. In den übrigen Fällen läuft er eine Strecke weit mit dem
Hepaticus eng verbunden neben diesem her, bevor er in ihn einmündet,
in 9 unter 43 Fällen ihm an der rechten Seite völlig parallel ver-
laufend, in 18 Fällen um ihn eine Spiraltour beschreibend. Typische
Präparate von jedem dieser drei Typen wurden gezeigt und an der
Hand von Wandtafeln auf die Konsequenzen dieser anatomischen
Verhältnisse aufmerksam gemacht. Sie bestehen nach dem Vortr. im
wesentlichen darin, daß zunächst einmal sehr häufig der Operateur, in
der Meinung, schon im Choledochus angelangt zu sein, sich noch im
Cysticus befindet, daß weiterhin bei der oft versteckten Lage der
Mündung des Cysticus im Pankreasgewebe die Hepaticussondierung
schwierig oder unmöglich wird und die Einführung eines Hepaticus-
drains mißlingt.
Ferner demonstriert der Vortr. einen eigenartigen Fall von Cysticus-
doppelbildung.
Am Hepaticus fand Vortr. relativ häufig eine Varietät, die
darin bestand, daß dieser sich schon sofort an der Cysticuseinmündung
in seine Aste zerteilt (2—5 Aste), so daß ein Hepaticushauptgang
fehlt. Er macht auf die notwendige Insuffizienz der Drainage durch
— 142 ——
ein Hepaticusrohr in diesen Fällen und in solchen von kurzem Hepa-
ticus aufmerksam, da dasselbe natürlich nur in einen Ast des Hepa-
ticus eingeschoben werden könne. Er empfehlt aus diesen und anderen
Gründen statt der Hepaticus- die prinzipielle Choledochusdrainage,
deren Effekt er als vollwertig mit der ersteren gleichstellt.
Der Choledochus geht nach dem Vortr. fast stets (außer 3 Fällen)
durch die Substanz des Pankreas hindurch.
Der Pancreaticus accessorius (Santorini) besteht nur in
9 unter 43 Fällen. (Selbstbericht.)
Diskussion.
Pagenstecher (Wiesbaden) hat die von Ruge demonstrierten
Varietäten der Gallengänge in vivo beobachtet.
_ Gleiss (Hamburg) hat bei einem eingeklemmten Choledochusstein
Ol in die vorher angelegte Gallenblasenfistel injiziert mit dem Erfolg,
daß der arrodierte Stein spontan abging. Lichtenaner (Stettin).
76) A. Exner und H. Heyrovsky (Wien). Pathologie der
Cholelithiasis.
E. und H. berichten über Versuche, die sie zum Teil an mit
verschiedenen Bakterienarten beimpfter und nicht beimpfter Galle, zum
Teil an gewöhnlicher Bouillon, die mit gallensauren Salzen versetzt
worden war, anstellten. Eine quantitative chemische Untersuchung
zeigte in einwandsfreier Weise, daß durch das Wachstum der Bakterien
die gallensauren Salze zersetzt werden, am stärksten von den Bakterien
der Typhus-Koligruppe, am geringsten von den Pyokokken. Durch das
Zugrundegehen der gallensauren Salze wird die Fähigkeit der Galle,
‚Cholestearin zu lösen, bedeutend vermindert. Da Naunyn die Be-
hauptung aufstellte, daß bei der Lösung des Cholestearins in der Galle
‚der Gehalt der Galle an Fetten und Seifen die Hauptrolle spiele,
wurde in steriler und beimpfter Galle auch der Gehalt an Seifen
und Fetten bestimmt. Diese Körper wurden durch das Wachstum
‚der Bakterien nicht beeinflußt. Die Genannten kommen zu folgenden
Untersuchungsergebnissen.
1) Durch das Wachstum der Bakterien werden in der Galle die
gallensauren Salze zerstört. 2) Die Zerstörung der gallensauren Salze
vermindert die Fähigkeit der Galle, Cholestearin zu lösen, sehr be-
.deutend. 3) Diese Verminderung der gallensauren Salze führt zum
Ausfall des Cholestearin. 4) Bei diesem Prozesse spielen die Seifen
:und Fette keine Rolle. 5) Die bisher in der Galle als Fettsäuren be-
stimmten Körper enthalten nur zu einem geringen Teile wirklich Fett-
‚säure. Der Gehalt der Galle an Fettsäuren ist in Wirklichkeit
‚annäherungsweise nur !/,, der bisher angenommenen Mengen und ent-
spricht ungefähr dem Fettsäuren-Gehalte des Blutes. 6) Diese Tat-
‚sachen sind von ausschlaggebender Bedeutung für die Genese der
— 13 —
Gallensteine, da sie zeigen, daß Cholestearin bei Bakterieninfektion
ausfallen muß und so der Anstoß zur Bildung von Cholestearinsteinen
gegeben wird. (Selbstbericht.)
77) Lampe (Bromberg). 4 Gallensteine von besonderer Größe.
L. demonstriert 4 Gallensteine von besonderer Größe; der größte
hat eine Länge von 8 cm, einen Umfang von 13 cm, ein Gewicht von
62 g. 2 Steine sind gewonnen durch Cholecystostomie bzw. Chole-
cystektomie, 2 durch Enterotomie bei Gallensteinileus. Sämtliche Steine
stammen von weiblichen Kranken im IV., V. und VI. Dezennium;
sie sind durch die entsprechenden Eingriffe geheilt worden.
(Selbstbericht.)
——— nn
78) H. Braun (Zwickau). Über Ganglioneurome. Fall von
Resektion und Naht der Bauchaorta.
Bei einem 61/,jährigen, sonst gesunden Mädchen wurde ein kinds-
kopfgroßes, retroperitoneal gelegenes, die linke Seite des Abdomen
ausfüllendes Ganglioneurom exstirpiert. Der Tumor hatte keinerlei
charakteristische Krankheitserscheinungen verursacht und ließ sich bis
auf einen vor der Wirbelsäule gelegenen breiten Stiel leicht aus-
schälen. Es fand sich dann, daß die Aorta in Länge von 8 cm in
eine an der Rückseite des Tumors gelegene Furche eingebettet, und
daß ihre Adventitia in den Tumor aufgegangen war. Vier Arterien
traten unmittelbar nach ihrem Austritt aus der Aorta in den Tumor
ein. Beim Herauspräparieren der Aorta aus dem Tumor entstand
ein schräger Einriß in der Wand des Gefäßes. Da die Naht der
Wunde nicht gelang, wurden 2 cm der Aorta, soweit ihre Wandung
stark lädiert und nicht mehr zur Naht geeignet war, quer reseziert.
Die Enden wurden mittels des von Oarrel-Stich angegebenen Ver-
fahrens zirkulär durch Naht vereinigt. Es trat glatte Heilung ein.
Zirkulationsstörungen an den unteren Extremitäten wurden nicht be-
obachtet. Der exstirpierte, 1900 g schwere Tumor besteht zum über-
wiegenden Teil aus marklosen Nervenfasern; markhaltige Fasern sind
nur spärlich vorhanden. Zwischen den Nervenbündeln liegen teils
einzeln, teils in Gruppen, Ganglienzellen. Der vorliegende Fall ist
der sechste ähnlich gelegener retroperitonealer Ganglioneurome, als
deren Ausgangspunkt der Grenzstrang des Sympathicus anzusehen
ist. Die fünf übrigen Fälle sind ebenfalls operiert worden, nur 2mal
mit günstigem Ausgang (Kredel, Glockner). Allen Fällen ist die
nahe Beziehung des Tumors zur Aorta abdominalis oder der Vena
cava inf. gemeinsam. Die Exstirpation derartiger retroperitonealer
Tumoren gelingt am besten durch einen langen Querschnitt, welcher
vorn in der Mittellinie unterhalb des Nabels beginnt, den geraden
Bauchmuskel durchtrennt und hinten in dem Winkel zwischen Rücken-
strecker und 12. Rippe endigt. (Selbstbericht.)
— 14 —
Diskussion.
Kredel (Hannover): Wenn bei der Operation der großen retro-
. peritonealen Ganglioneurome Schwierigkeiten mit der Aorta entstehen,
empfiehlt K., wie er es einmal getan, ein kleines Stück des Tumors
sitzen zu lassen. Die stückweise Entfernung dieser Geschwülste ist
außerordentlich gut möglich, weil die Schnittfläche völlig blutleer,
schneeweiß aussieht, als ob man im toten Gewebe operiert. Bei dem
so operierten Kinde war nach 5 Jahren der Tumor nicht wieder-
gewachsen. Ein zweites mit multiplen subkutanen Ganglioneuromen
beobachtetes Kind war ebenfalls nach mehr als 6 Jahren völlig wohl
und gesund geblieben und die Geschwülste nur ganz wenig gewachsen.
(Selbstbericht.)
Martin (Köln): Komplizierte Verrenkung im Cubitalgelenk mit
Zerreißung der Art. und V. brachialis. Zirkuläre Gefäßnaht nach
Stich. Glatte Heilung. Boerner (Rastatt).
Harn- und Geschlechtsorgane.
79) Hintertoisser (Teschen). Über Urethralverletzungen.
Von 16 Verletzungen des perinealen und pelvinen Teiles der
Harnröhre starben 2, während die übrigen 14 zur Heilung gelangten.
7 waren kompliziert bzw. verursacht durch Knochenbrüche des Beckens
(absteigender Schambeinast, Sitzbein); zu dieser Gruppe zählen die
2 Todesfälle an Sepsis, welche sich am 5. und 11. Tage nach der
Verletzung ereigneten. Die übrigen neun, teilweise sehr schweren
Zerreißungen der Urethra waren lediglich Weichteilverletzungen. Die
Entstehungsursachen waren bei 5 Bergleuten: Verschüttung im Schachte,
Anfahren eines Kohlenhuntes, Sturz auf einen Kohlenhunt, Herab-
fallen von Steinblöcken auf den liegenden Arbeiter (2), die anderen
Verletzungsfälle entstanden durch Sturz mit dem Perineum auf einen
harten Gegenstand (Holzblock, Eisenstange, Rand eines Wassereimers,
Zaun), je Imal durch Sturz aus großer Höhe, Sturz mit dem Pferde,
Fußtritt.
Acht Fälle (darunter die beiden Todesfälle) wurden mittels Ver-
weilkatheter behandelt; 8mal wurde durch den äußeren Harn-
röhrenschnitt die Verletzung bloßgelegt, in sechs Fällen konnte das
proximale Urethrallumen gefunden und der Verweilkatheter eingeführt
werden, einmal wurde durch Punctio vesicae suprapubica, einmal
durch Sectio alta der retrograde Katheterismus ausgeführt und
eine Doppeldrainage (Dittel-Ultzmann) angelegt. In einem Falle
mußte, als die Narbenstriktur fast impermeabel geworden, schließlich
die Resektion und Naht der Urethra ausgeführt werden.
Sämtliche acht operativ behandelten Fälle kamen zur Heilung,
freilich nach einem durch die ausgedehnten Weichteilverletzungen und
durch Komplikationen im Wundverlauf bedingten längeren Kranken-
— 145 ——
lager und einer lange fortgesetzten Sondierung. Das bisherige Vor-
gehen in der Behandlung der Harnröhrenzerreißungen erscheint aus-
reichend: zunächst Versuch der Blasendrainage durch einfache
Katheterisation bzw. Verweilkatheter; gelingt diese nicht, wie das
wohl bei allen totalen Zerreißungen der Fall ist, sogleich Urethro-
tomia externa, Einführung des Verweilkatheters; wird das proximale
Urethrallumen nicht gefunden, so muß durch Punctio vesicae oder
besser durch Sectio alta der retrograde Katheterismus ausgeführt
und eventuell eine Doppeldrainage angelegt werden.
Von einer primären Naht kann man sich bei dem gewöhnlich
sehr übel zugerichteten, oft schon infiltrierten phlegmonösen Gewebe,
sowie bei der Schwierigkeit der Orientierung keinen Erfolg versprechen.
(Selbstbericht.)
80) Pels-Leusden (Berlin). Ist es notwendig, nach Zer-
reißungen und Resektionen der Harnröhre am Perineum
eine zirkuläre Naht anzulegen ?
Diese Frage kann mit »Nein« beantwortet werden. Zur Beant-
wortung stützt sich P.-L. auf das Material Koenig’s aus der Göttinger
und Berliner chirurgischen Klinik und auf Experimente am Hunde.
Hat man die zerrissenen Harnröhrenenden gefunden bzw. die strik-
turierten Teile der Urethra reseziert, so ist es nur notwendig, die beiden
Enden, nachdem man sie auf der unteren Seite eine Strecke weit längs
geschlitzt hat, mit einigen, die Schleimhaut ganz knapp, das benach-
barte Gewebe breit mitfassenden Seiden- oder Catgutknopfnähten an-
einander zu bringen, so daß also eine nach dem Perineum zu offene,
nach der Symphyse geschlossene Rinne entsteht. Die äußere Wunde
wird locker mit Jodoformgaze austamponiert, bleibt ganz offen, ein
Verweilkatheter ist überflüssig. Der Urin fließt anfangs am Perineum,
nach einigen Tagen aber schon per vias naturales wieder ab, und die
Wunde ist in der Regel nach 3 bis 4 Wochen geschlossen. Nach
8 Tagen wird vorsichtig mit einer dicken Sonde oder Katheter bou-
giert. Experimentell kann man nachweisen, daß das Epithel vom Rande
der neugebildeten Urethralrinne aus den benachbarten Wundteil rasch
überwuchert und den Querschnitt der Harnröhre so in wünschens-
werter Weise vergrößert. Bleibende Fisteln sind aber nicht zu be-
fürchten. Die Dauerresultate dieser so einfachen Operationsmethode
können sich denen mit primärer zirkulärer Vereinigung der Harn-
röhrenstümpfe über einem Verweilkatheter und vollständigem Schluß
der äußeren Wunde würdig zur Seite stellen. Infektionen sind bei
dieser offenen Wundbehandlung ausgeschlossen. P.-L. erwähnt noch,
daß er auch bei den Hypospadieoperationen nach Beck den Ver-
weilkatheter stets perhorresziert. (Selbstbericht.)
nn
Chirurgen-Kongreß 1908. 10
— 146 ——
81) Wilms (Basel. Zur Technik der Prostatektomie.
Statt der vesikalen und perinealen Prostatektomie empfiehlt W.
eine neue Methode, bei welcher vom Perineum aus die Prostata
aufgesucht wird, aber Rektalverletzungen ausgeschlossen sind und die
Ausschälung der ganzen Prostata in ähnlicher Weise erfolgt wie sonst
von der Blase her. Man geht direkt am linken absteigenden
Schambeinast ein außerhalb des M. bulbocavernosus und der darüber
laufenden Arterien. Ohne nennenswerte Blutung kommt man sofort
auf den linken seitlichen Lappen der Prostata. Nachdem man sich
durch Einführung des Katheters über die Lage der Harnröhre orien-
tiert hat, geht man stumpf oder mit scharfem Instrument durch die
Kapsel der Prostata durch und schält nun mit dem Finger die Pro-
stata aus ihrer Kapsel heraus, genau wie sonst von der Blase aus. An
der Vorderseite gelangt man am leichtesten auf den rechten Lappen
der Prostata, so daß also eine totale Ektomie leicht und schnell auf
diesem Wege gelingt. Die Pars prostatica urethrae wird natürlich mit
der Prostata ebenso entfernt, wie .sonst bei der vesikalen Ausschälung.
Abtastung der Blase von unten her ist bei Verdacht auf Stein leicht.
Nachbehandlung wie bei der perinealen Operation.
(Selbstbericht.)
82) Ehrhardt (Königsberg). Über die chirurgische Behand-
lung des Prostatakarzinoms.
Über das Prostatakarzinom bestehen noch immer weitverbreitete
Irrtümer, die der Ausbildung der Diagnose und einer rationellen
Therapie hinderlich waren. Die Erkrankung ist keineswegs besonders
selten, und die Metastasenbildung tritt nicht, wie man oft liest, schon
im Frühstadium, sondern meist erst nach Durchbruch durch die
Kapsel auf. Die Metastasierung erfolgt auf dem Lymphwege, seltener
auf dem Blutwege.
Vortr. hat bei einem faustgroßen Prostatakarzinom von einem
Tförmigen Perinealschnitt aus zunächst die Harnröhre samt Schwell-
körper vor dem Tumor durchtrennt, dann Geschwulst und Harnblase
ohne Symphysenresektion ausgehülst und in die Dammwunde gezogen.
So gelang es, den Tumor unter Schonung der Ureteren abzutrennen,
die Harnröhre mit der Blase ohne Spannung zu vereinigen und die
Lymphdrüsen im kleinen Becken auszuräumen. Vortr. empfiehlt diese
Aushülsung und Dislokation der Harnblase in die Dammwunde auch
für die Freilegung mancher Blasentumoren. (Selbstbericht.)
83) O. Zuckerkandl (Wien). Über Diagnostik von Steinen
der Niere.
Bei einiger Übung kann man aus den Schattenrissen auf der
Röntgenplatte mannigfache Details herauslesen, und Schlüsse auf die
— 141 ——
Lage des Steines und Beschaffenheit der Niere sind möglich. Steine
in engen Räumen müssen sich in ihrer Form diesen anpassen; in
weiten Räumen sind sie kugelig, ovoid, Oxalate oft von stachelig
kugeliger Form. Uretersteine sind mit ihrer Längsachse longitudinal
gestellt, walzenförmig, Pflaumenkern- oder Zigarrenform imitierend.
Steine im unteren Nierenbeckenabschnitt sind oben breiter, unten
spitz zulaufend, am Schattenriß dreieckig, mit einem spitzen Anteil
nach abwärts gekehrt. In diesen Fällen ist das Nierenbecken stets
erweitert, in seiner Wand verdickt.
Ein isolierter Kelchstein ist durch seine Form, die dem Ausguß
des nicht erweiterten Kelches entspricht, und durch seine Lage näher
der Nierenperipherie gekennzeichnet.
Freie Steine finden sich nur in pathologisch zustande gekommenen
Höhlen der Niere, in weiten Kelchen oder im ausgedehnten Becken;
sie sind ihrer Form nach ganz unregelmäßig.
Häufig sind Nierenbecken- bzw. Ureterstein mit freien Steinen in
weiten Kelchen kombiniert. Der Stein mit nach abwärts gekehrtem
Sporn liegt im Nierenbecken, die anderen sind an der Peripherie ver-
teilt. In unklaren Fällen dient die Röntgenaufnahme bei eingeführtem
Ureterkatheter mit Mandrin dem besseren Verständnis. Bei der Re-
konstruktion der anatomischen Verhältnisse unterstützt die auf der
Platte oft gut sichtbare Begrenzungslinie der Niere.
Kleine Steine können dem Nachweis entgehen; bei vielfachen
Steinen differieren die verschiedenen Aufnahmen oft in kleinen Details.
Ein einmaliger negativer Befund berechtigt also nicht zur sicheren
Ausschließung von Stein.
Als Operationen bei Nierenstein gelten zurzeit die Nephrektomie
und die Nephro- bzw. Pyelolithotomie. Die Auswahl der Fälle zur
Exstirpation der Steinniere ist nicht schwierig und aus der Beschaffen-
heit des Sekretes der betreffenden Niere zu machen. Die Nephrotomie,
die heute meistgeübte Operation, schädigt das Parenchym durch aus-
gedehnte Infarktbildung, gibt Anlaß zu schweren primären und Spät-
blutungen. Die Pyelotomie, der diese üblen Folgen nicht anhaften,
ist als Eingriff weit geringer; entgegen der geläufigen Ansicht lassen
sich mit derselben recht große Steine leicht entfernen. Nur die stark
verzweigten Exemplare oder isolierte Steine in den oberen Kelchen
erheischen den Nierenschnitt. Die Operationsmethode soll bei Nieren-
stein dem Einzelfalle angepaßt sein; in der Regel läßt sich aus dem
Röntgenbilde und der Harnanalyse die anzuwendende Methode von vorn-
herein bestimmen. Z. übt die Pyelotomie in modifizierter Form: er
eröffnet das Nierenbecken an seiner untersten Kante und verlängert
den Schnitt, wenn nötig, gegen den Ureter, ausnahmsweise auch gegen
den unteren Nierenpol. Nach Entfernung der Steine Drainage des
Nierenbeckens und partielle Naht der Nierenbeckenwunde. Die Ope-
ration wurde in 17 Fällen infizierter Nierensteine ausgeführt; ein
Todesfall, die übrigen sämtlich ohne Fistel geheilt. (Selbstbericht.)
10*
— 148 ——
84) Loewenhardt (Breslau). Zur Dignostik der Hydrone-
phrose (Pyeloskopie). Demonstration.
L. bespricht die oft nicht unerheblichen diagnostischen Schwierig-
keiten, welche die beginnende Hydronephrose bereitet, und weist auf
die Wichtigkeit frühzeitigen Erkennens hin, um durch baldige Beseiti-
gung des Hindernisses vorbeugend gegen die späteren irreparablen
Zustände wirken zu können.
Wenn die ersten Koliken eine eindeutige Lokalisierung auf die
Niere nicht zulassen und auch die genaue Beobachtung des Gesamt-
urins den gewünschten Aufschluß nicht ergibt, weist L. darauf hin,
daß die ausgedehnte Anwendung des Ureterenkatheterismus mit den
schon vorliegenden ganz dünnen Instrumenten auch bei jugendlichen
Individuen weiter führt, weil
1) durch Vergleich der physikalischen Beschaffenheit des beider-
seitigen Harns schon frühzeitig eine Minderwertigkeit der erkrankten
Seite festgestellt werden kann;
Fig. 1. Fig. 2.
2) wenn der Katheter in das Nierenbecken geführt ist, aus der
Art des Abflusses eine beginnende Retention erkannt werden kann.
L. hat schon früher darauf hingewiesen, daß schon bei dislozierten
Nieren durch die, wenn auch geringe, zeitweilige Erschwerung des
Abflusses Konzentrationsverringerungen des Harns auftreten.
Für eine bisher nicht geübte diagnostische Methode zur Er-
kennung des Abflußhindernisses, die Pyeloskopie (s. Fig. 1), zeigte sich
ein besonderer Fall geeignet.
Bei einem Knaben war von anderen Seiten wegen kolikartiger
Anfälle zuerst die katarrhalisch erkrankte Appendix entfernt worden,
dann, als in kurzem eine komplette infizierte Hydronephrose sich ent-
wickelt hatte, deren Entleerung durch Pyelotomie erfolgt, woher seit
6 Monaten eine Fistel bestand. :
— 149 ——
Es wurde zunächst nach Injektion von Collargol durch die Fistel
ein Röntgenbild aufgenommen (s. Fig. 2). Dann konnte L. nach Bor-
säurefüllung eine überraschend deutliche Besichtigung des Nieren-
beckens mit einem ganz dünnen Üystoskop vornehmen, wobei sich nicht
nur die entzündlichen Veränderungen der Schleimhaut in verschiedenen
Stadien präsentierten, sondern auch in die Kelche und die Abgangs-
stelle des Ureters hineingesehen werden konnte. Ein dünnes Ureteren-
cystoskop wurde dann zur Lokalisierung des Hindernisses eingeführt.
Bei der ganz unklaren Anamnese gelang es, auf diesem Wege
sich zu überzeugen, daß der Verschluß des Harnleiters nicht etwa in
der Höhe der Appendix, sondern unweit des Abganges vom Nieren-
becken zu suchen und der Eingriff von dem gewöhnlichen Lumbal-
schnitt aus vorzunehmen war.
Nierenbecken und oberer Teil des Harnleiters, letzterer be-
sonders fest an die hintere Bauchwand geheftet, fanden sich
stark verdickt, sklerosiert und in festen Bindegewebsmassen einge-
bettet.
Die Abknickung in der Höhe des unteren Nierenpoles bei nicht
herabgestiegenem Organ wurde durch einen dicken Bindegewebsstrang
fixiert, während für eine auf der Vorderseite quer verlaufende akzesso-
rische Vene eine besondere ursächliche Bedeutung nicht festgestellt
werden konnte.
L. demonstriert das durch Nephrektomie gewonnene Präparat, zu
der er sich während des Eingriffes entschloß.
Für ein konservatives Verfahren schien der Fall wegen der in
situ vorgefundenen schweren Veränderungen (bei gleichzeitiger
Berücksichtigung der durch Vorbehandlung nicht gänzlich zu heben-
den Infektion des Nierenbeckens) keine besonderen Aussichten zu
bieten. (Selbstbericht.)
Diskussion zu Nr. 83 und 84.
J. Israel (Berlin): Durch die Röntgenphotographie ist die Indi-
kationsstellung zwischen Nephrolithotomie und Pyelolithotomie exakter
geworden, und daher ist die letztere häufiger anwendbar, als man früher
glaubte. Nicht anwendbar hält I. die letztere bei großen Nierenkelch-
steinen. Bei der Pyelolithotomie hat er stets die primäre Naht an-
gewandt und damit gute Resultate gehabt. Diese ist nicht empfehlens-
wert, wenn sich die Niere infolge kurzen Stieles oder Verwachsungen
nicht aus der Wunde luxieren läßt.
In diesen Fällen führt I. die Pyelolithotomie nur dann aus, wenn
es sich um Hufeisenniere handelt, oder wenn die Operation doppel-
seitig gemacht werden muß zur Schonung der Nierensubstanz.
Zondek (Berlin. Eine Nephrotomie ohne Durchschneidung
von Gefäßen ist nicht denkbar. Starkkalibrige Venen müssen stets
durchschnitten werden. Mit der von Z. angegebenen Schnittmethode
hat man bei genauer Kenntnis der Topographie in der Niere die meiste
Aussicht, keine größere Arterie zu durchschneiden. Dies geschieht
zur, 0 a=
um so sicherer, je größer der Höhen- und der dorsoanteriore Durch-
messer des Nierenbeckens ist. Daraus resultiert die Aufgabe: Je
weniger tief das Nierenbecken in die Niere hineinragt, je
kleiner der dorsoanteriore Durchmesser des intrarenalen
Nierenbeckens ist, desto eher wird man an die Pyelotomie
zu denken haben.
Für die Extraktion eines Nierensteines kommt sein Sitz in Be-
tracht. Liegt der Stein im extrarenalen oder auch intrarenalen Teil
des Nierenbeckens, so dürfte er durch die Pyelotomie wohl zu ent-
fernen sein. Ist der Stein im Vergleich zur Inzision besonders groß,
so wird er gewöhnlich zerstückelt werden müssen. Dabei wird man
die Quetschung der Beckenwand zu verhüten suchen; ganz besonders
trifft dies für diejenigen Fälle zu, in denen der Stein seine Ausläufer
in die Kelche entsendet. Hierbei macht Z. darauf aufmerksam,
daB der Hals der oberen Calyx major oft nicht nur eng,
sondern zuweilen sehr eng und sehr lang ist, während der
Hals des unteren Calyx major gewöhnlich sehr weit ist
(8. Z., Topogr. der Niere usw. p. 65—79).
Liegt der Stein in einem Kelch, so dürfte es nicht möglich sein,
aus dem Röntgenbild zu erkennen, ob er in einem Kelch erster, zweiter
oder dritter Ordnung gelegen ist. Die Pyelotomie dürfte hier gewöhn-
= lich nicht zum Ziele führen. Für die Entfernung derartig peripherisch
gelegener Steine hat Z. den Radiärschnitt empfohlen (s. Zentralblatt
für Chirurgie 1907. Nr. 47).
Die Pyelotomie ist zweckmäßig an der von Gefäßen nicht über-
lagerten dorsalen Beckenwand auszuführen. Man könnte daran denken,
in geeigneten Fällen den Radiärschnitt mit der Pyelotomie zu kom-
binieren, jedoch dürfte man den Einschnitt ins Nierenbecken nie direkt
in das Nierenparenchym fortsetzen, da in der Bucht zwischen dor-
saler Beckenwand und dem Nierenparenchym parallel der Längsachse
der Niere die dorsale Nierenarterie verläuft. (Selbstbericht.)
Kapsammer (Wien) glaubt, daß auch bei nicht luxierbarer Niere
die Pyelolithotomie vorzuziehen ist. Er näht auch hier die Wunde,
indem er das Nierenbecken durch Schnitt freilegt. An die reflek-
torischen Koliken der nicht erkrankten Seite glaubt er nicht, sondern
hält kleine Steine für die Ursache derselben.
Tilmann (Köln) gibt einen kasuistischen Beitrag zur Ätiologie
der Hydronephrose bei Wanderniere: Knickung des Harnleiters durch
eine stark ausgebildete akzessorische Arterie infolge Obliteration des
Nierengefäßes.
Küster (Berlin) empfiehlt die Pyelolithotomie, für die er die
Indikation weiter stellt, als Israel.
Kümmell (Hamburg) glaubt, daß die Indikation für die Pyelolitho-
tomie auf solitäre, nicht infizierte Steine beschränkt sei.
Lichtenauer (Stettin).
— 151 —
Gliedmaßen.
85) Evler (Treptow). Über Chromlederstreckverbände.
Mit Chromleder und Stahl lassen sich Verbände ohne Modell,
ohne Polsterung schnell zusammenstellen, wobei am Körper selbst die
Weite der Hülsen, die Länge und Lage der Schienen verstellbar ist.
Scharniere an den Gelenken, Freibleiben großer Flächen, in die Rohre
eingesetzte Spiralen ermöglichen die aktive und passive Mobilisation.
Die Chromlederstreckverbände vereinigen die Vorzüge der fixierenden
Verbände mit denen der Heftpflasterextension.
Dadurch, daß die weichen, schmiegsamen und dabei doch stütz-
kräftigen und zugfesten Chromledermanschetten der Haut glatt an-
liegen, alle Volumenschwankungen derselben mitmachen, umschließen
sie dieselbe auch als schmale Streifen fester und sicherer, als dies
breitere Hülsen aus unnachgiebigem Material tun können; die auf
ihnen befestigten Stahlstäbe treten gewissermaßen an Stelle der ge-
brochenen Knochen; sie sind auch als Strebebogen oder Stützpfeiler
zu verwenden; mit Erfolg wurde so der Schlüsselbeinbruch unter
Ermöglichung freier Beweglichkeit beider Arme behandelt,
das Hüft- und Schultergelenk durch Sperrschienen festgelegt und
die Thrombosenbehandlung der Oberarm- und Oberschenkelvene vor-
genommen.
Im Chromlederstreckverband wird ein zukünftiges Normalverfahren
für die Bruchbehandlung gesehen.
(Vgl. Über Frakturenbehandlung im Chromlederstreckverband:
Archiv für klin. Chirurgie Bd. LXXXV Hit. 4.) (Selbstbericht.)
86) Borchgrevink (Christiania). Ambulatorische Extensions-
behandlung der oberen Extremität.
B. demonstriert ein System von Schienen, die sämtlich so einfach
sind, daß sie sich in der Praxis unter allen Verhältnissen improvisieren
lassen:
Eine Oberarmschiene,
» winkelige Ober-Unterarmschiene,
» Unterarmschiene,
» Hand-Fingerschiene.
Die Eigentümlichkeiten seines Verfahrens sind in der Hauptsache
folgende. Ein hölzernes Brett, das bei rechtwinklig gestelltem Arm
den Ellbogen, bei ausgestrecktem Arm die Finger mit ca. 10 cm über-
ragt und am unteren Ende eine Rolle trägt, bildet den Schienenkörper,
ein am oberen Ende des Brettes befestigter Gummischlauch die für alle
Zwecke ausreichende Kraftquelle. Gespannt übt der Schlauch durch
eine über die Rolle an einen Pfilasterverband zurücklaufende Schnur
den Zug aus.
— 152 ——
Die zwei erstgenannten Schienen finden mittels eines elliptischen
Schulterbügels, der die Achsel und Schultergegend frei läßt, ihren Stütz-
punkt im oberen Rand des Armloches der Weste oder eines Mieders.
Vom Heraufgleiten wird die Weste mittels eines zweiten durch den
Schritt laufenden und mit seinen beiden Enden am Armlochrande
angeknöpften Gummischlauches verhindert.
Die Oberarmschiene wird bei rechtwinklig gestelltem Unter-
arm bei Verletzungen des Schultergelenkes und Frakturen des oberen
Endes und des Schaftes des Humerus verwendet, die winkelige Ober-
Unterarmschiene ausschließlich bei den Brüchen des unteren Hu-
merusendes.
Die Unterarmschiene stützt sich mittels: eines zur Schiene
rechtwinkelig stehenden drehbaren Metallgerüstes und eines an diesem
angeknöpften elastischen Bandes gegen die Vorderfläche des Ober-
armes. Um eine freie Fingerbewegung zu ermöglichen, reicht das mit
einer langgestielten Rolle versehene Brett der Schiene nur bis in die
Hohlhand herab. Die Hand-Fingerschiene, nur aus einem 25 cm
langen, eine langgestielte Rolle tragenden Brett gebildet, wird mittels
Pflastertouren am Unterarm befestigt.
. Verfügt man nur über Pflaster und eine Rolle, so können alle
die erwähnten Schienen leicht improvisiert werden. Der Schulterbügel
der Oberarm- und der Ober-Unterarmschiene läßt sich einfach aus
Rohr, einem Zweig oder Faßreif oder aus zusammengelegten Holz-
spänen verfertigen und an das durchlöcherte Brett anknüpfen. Dem
Brett der Unterarmschiene gibt man ein oberes hölzernes Querstück,
das durch ein rings um den Oberarm manschettenförmig angelegtes
Taschentuch gesteckt wird. Anstatt der Gummischläuche lassen sich
vorläufig elastische Hosenträger oder Strumpfbänder verwenden.
Während der letzten 6 Jahre hat B. u. a. in der chirurgischen
Poliklinik des Reichshospitals zu COhristiania systematisch alle die mit
nennenswerter Verschiebung erscheinenden Brüche der oberen Extremi-
tät ambulatorisch mit Extension behandelt. Die Resultate sind frei-
lich nicht immer ideal, aber weit besser als sie mittels Gipsverbänden
erreicht werden können. Besonders bekommt man mittels der
winkeligen Ober- Unterarmschiene durchaus funktionell vollkommene
Resultate bei den gefürchteten suprakondylären Brüchen des Humerus.
(Eine ausführliche Darstellung wird in einer deutschen Monographie er-
scheinen. Die Schienen werden von der Firma A. Schaerer in Bern
geliefert.) (Selbstbericht.)
87) Klapp (Berlin). Die Behandlung von Schlüsselbein-
brüchen mit Hebelextension.
Es erscheint zweckmäßig, auch die Schlüsselbeinbrüche mit Ex-
tension zu behandeln. Eine genügende Extensionswirkung wird erzielt,
wenn man den im Ellbogengelenk rechtwinkelig gebeugten zugehörigen
Arm so weit nach außen rotiert, daß der Unterarm in die frontale
— 1535 ——
Ebene geführt wird. Die Außenrotation des Armes überträgt sich auf
den Schultergürtel, und unter Vermittlung des Lig. acromio-claviculare
wird ein Extensionszug am Schlüsselbein ausgeübt. Die Stellung wird
durch Gipsverband festgehalten.
Unter dieser Hebelextension wird die Dislokation redressiert.
Dieselbe Behandlung eignet sich auch für die Luxationen der
Clavicula. (Selbstbericht.)
88) Hoeusner. Extensionsschiene für den Vorderarmbruch.
Die Schiene des Vortr. besteht aus einem zweifingerbreiten, flachen
Aluminiumstab, welcher an der Vorderseite des spitzwinklig gebeugten
Armes bis über die Fingerspitzen hinausläuft und am Ober- und
Unterarm durch je eine mit Filz gepolsterte und mit Schnallenriemen
fixierte rinnenförmige Platte aus Aluminiumblech befestigt wird. Am
vorderen Ende trägt der Stab eine Extensionsrolle; an der Hand-
gelenksgegend kann er plantarwärts abgebogen und vermöge eines
steifgehenden Scharnieres ulnar- oder radialwärts festgestellt werden.
Um die Handwurzel wird eine Filzmanschette geschnürt, an welcher
drei feste Litzen angenäht sind. Letztere enden mit drei Spiralfedern,
welche über die Endrolle geleitet und an Krampen, die an der Unter-
seite der Vorderarmplatte angebracht sind, eingehakt werden. Auch
zur Behandlung von Brüchen der Elibogengegend sowie von Finger-
brüchen sind die Schienen brauchbar. . (Selbstbericht.)
89) H. Krönlein (Zürich). Über das Zuppinger’sche
Extensionsverfahren bei Frakturen des Ober- und Unter-
schenkels.
K. demonstriert zwei Phantome, welche in überzeugender Weise
die Wirkung der Zuppinger’schen automatischen Extensionslagerungs-
apparate für Ober- und Unterschenkelfrakturen veranschaulichen. Er
weist im übrigen auf die guten Erfahrungen hin, welche mit diesen
Apparaten seit mehr als 2 Jahren in seiner Klinik erreicht worden
sind und auf zwei im Druck erscheinende Arbeiten seiner Assistenten
Dr. Henschen und Dr. Wettstein, welche diese Erfahrungen in
extenso mitteilen werden. (Selbstbericht.)
90) P. Manasse (Berlin). Demonstration eines Apparates
zur Anlegung fester Verbände an der unteren Extremität.
Der Apparat ermöglicht die Korrektur fehlerhafter Stellung des
Beines und die Erhaltung der korrigierten Stellung ohne jegliche
Assistenz. Er besteht aus einer Beckenstütze und einer Stange, auf
welche mit Leinengurten überspannte Träger für den Ober- und Unter-
schenkel und ein Fußstück gebracht werden. Das Fußstück ist hoch
und niedrig verstellbar, sowie um die vertikale Achse drehbar und in
— 154 —
dem Kugelgelenk einer horizontalen Spindel festzustellen. Durch
Drehen einer Schraubenmutter an der Spindel läßt sich das Fußstück
auch in der horizontalen (Längs-) Richtung verschieben, wodurch der
Ausgleich jeder Dislokation in schonender und zuverlässiger Weise
geschieht. Nach Beendigung des festen Verbandes ist das Bein leicht
aus dem Apparate zu entfernen. Letzterer kann an jedem Tische an-
gebracht werden und ist gut transportabel. (Alleinverfertiger: G.
Kunze jr., Berlin N., Lindowerstr. 18/19.) (Selbstbericht.)
91) Lampe (Bromberg). Extensions- und Abduktionsapparat
für die untere Extremität.
L. demonstriert einen Extensions- und Abduktionsapparat für die
untere Extremität; derselbe ist leicht an jedem Krankenbett seitlich
anzubringen, und zwar freischwebend; er ermöglicht hierdurch den
Transport des Kranken in seinem Bett bei extendiertem und abduziertem
Bein, was besonders für die Kontrolle der Stellung der Fragmente
bei Oberschenkelbruch im Röntgenkabinett wertvoll ist. Der Apparat
wird von dem Medizinischen Warenhause Berlin zum Preise von
50 Mk. geliefert. (Selbstbericht.)
Diskussion zu Nr. 85—91.
Fraenkel (Berlin) demonstriert Gipsverbände bei Fußwurzel-
tuberkulose, die dadurch abnehmbar gemacht sind, daß der bekannte
Gehbügel sich um ein seitliches Scharnier aufklappen läßt. Die Ver-
bände werden, nachdem sie fest geworden sind, vorn und hinten auf-
geschnitten und lassen sich dann leicht abnehmen und wieder anlegen.
Bardenheuer (Köln) macht darauf aufmerksam, daß es sehr
wichtig ist, auch die seitlichen Dislokationen durch die Extension
durch Seitenzüge auszugleichen. Er glaubt, daß dies bei der einfachen
Heftpflasterextension besser möglich sei als bei den hier demonstrierten
Schienen. Lichtenauer (Stettin).
Wullstein (Halle a. 8.). Der Gipsverband bei Frakturen ist der
Extension überlegen, wenn er in gut reponierter Stellung angelegt wird.
Auch W. hat einen Apparat konstruiert, der es ermöglicht, alle
entzündlichen Prozesse an der oberen und unteren Extremität und
ebenso alle Frakturen der Extremitätenknochen unabhängig und frei
von jeder Assistenz einzugipsen, wobei die Dislokation der letzteren
durch einfachen leichten Schraubenzug korrigiert wird, und zwar unter
völliger Muskelerschlaffung und unter gleichzeitiger Kontrolle durch
den Röntgenapparat.
Beim Anlegen des Gipsverbandes an die untere Extremität und
das Becken befindet sich der Pat. beim Eingipsen des Fußes und
Unterschenkels in horizontaler Lage, beim Eingipsen des Oberschenkels
und Beckens dagegen in vertikaler Stellung. Dieser gerade für die
— '15 ——
genaue Adaption des Verbandes an das Becken notwendige Lage-
wechsel wird leicht durch Umlegen des Apparates bewirkt.
(Selbstbericht.)
Borchgrevink: Bei Vorderarmbrüchen ist eine Querextension
nicht ausführbar.
Krönlein: Bei der Zuppinger’schen Schiene läßt sich auch
eine seitliche Extension anbringen. Die Zeiten des Gipsverbandes
sind für die größte Anzahl der Frakturen vorüber.
Lichtenauer (Stettin).
ea
92) H. Küttner (Breslau). Zur Prognose der traumatischen
Luxationen.
M. H.! Es gilt heute als feststehender Satz, der in fast allen
Lehrbüchern vertreten wird, daß die einfache traumatische Luxation,
rechtzeitig erkannt und kunstgerecht reponiert, ein gutes funktionelles
Endresultat ergibt. Ich hatte nun bei gelegentlichen Untersuchungen
an Pat. aller Kreise einen anderen Eindruck gewonnen und habe
deshalb Herrn Oberarzt Dr. Schulz veranlaßt, bei der häufigsten
und günstigst beurteilten der traumatischen Luxationen, der Luxatio
humeri, systematische Nachforschungen anzustellen. Zur Verfügung
stand das Material der orthopädischen Abteilung meiner Klinik, in
welcher während der letzten 5 Jahre 160 frische Schulterluxationen
behandelt worden sind.
Von diesen 160 Fällen war ein Teil durch Knochenab-
sprengungen und Frakturen kompliziert; sie scheiden aus,
weil es uns auf die Feststellung des funktionellen Endresultates bei
der einfachen Luxation ankommt. Zahlreiche Pat. waren infolge der
Eigenart des Breslauer Materials nicht erreichbar, so daß für die
Nachuntersuchung die erheblich kleinere, aber für die Beantwortung
unserer Frage vollkommen ausreichende Zahl von 54 reinen un-
komplizierten Luxationen übrig bleibt. Bei allen diesen Pat.
ist das Fehlen jeder Knochenverletzung durch das Röntgenbild sicher-
gestellt, eine absichtliche Verschleierung des Resultates kann mit Be-
stimmtheit ausgeschlossen werden, da sämtliche hier berücksichtigte
Pat. außerhalb der Begutachtung der Klinik standen und über das
rein wissenschaftliche Interesse unserer Feststellungen orientiert waren.
Überhaupt sind alle Fehlerquellen nach Möglichkeit ausgeschaltet
worden. Daß es sich bei 88% der Fälle um Männer und in der
überwiegenden Mehrzal um die rechte Extremität gehandelt hat, ist
von untergeordnetem Interesse, wichtiger ist, daß 63% der Pat. das
50. Lebensjahr überschritten hatten. Drei Viertel der Verletzungen
waren vordere, 22% untere und 4% hintere Luxationen.
Es hat sich nun herausgestellt, daß von den 54 Verletzten nur
7=13% eine volle Brauchbarkeit der Extremität wiedererlangt haben,
ohne jede Herabsetzung der groben Kraft und ohne jede Beeinträch-
-— 156° —
tigung der Beweglichkeit. Bei 14 Pat. = 26 % war die Bewegungs-
fähigkeit zwar eine gute, die mit dem Dynamometer gemessene Kraft
aber um die Hälfte und mehr herabgesetzt. Alle übrigen 61 % der
Verletzten haben Bewegungsstörungen zurückbehalten. Am günstigsten
nach dieser Richtung waren noch 4 Pat. gestellt, bei denen nur die
Außenrotation, diese allerdings bis zu 40°, beschränkt war. Erheb-
licher beeinträchtigt zeigten sich 32 % der Verletzten, durch eine zum
Teil hochgradige Behinderung der Vorwärtsaufwärtshebung, und nicht
weniger als 48 %, fast die Hälfte der Gesamtzahl, konnte den Arm
seitaufwärts nicht über die Horizontale erheben, eine Bewegungsstörung,
welche für sich allein in der Unfallpraxis mit 26 bzw. 22 % vergütet
zu werden pflegt. Ein wesentlicher Unterschied zwischen aktiver und
passiver Beweglichkeit konnte nicht festgestellt werden. Mit Einzel-
heiten, m. H., will ich Sie nicht behelligen, nur bemerken, daß die
grobe Kraft bei ®/, aller Verletzten bedeutend herabgesetzt war, und
daß Krepitieren im Gelenk bei 28% der Fälle nachgewiesen werden
konnte. Ein Drittel der Pat. klagte über nennenswerte rheumatische
Beschwerden, zwei Verletzte hatten eine Lähmung des N. axillaris
zurückbehalten, und bei zwei weiteren Kranken wiederholte sich die
Luxation, um einmal habituell zu werden.
Somit hat sich das ebenso überraschende wie deprimierende Re-
sultat ergeben, daß bei einfachen, durch keine Knochenverletzung
komplizierten, kunstgerecht behandelten Schulterluxationen ein wirk-
lich guter Erfolg nur in 13%, ein befriedigender nur in
weiteren 22% der Fälle erzielt worden ist. Bei fast zwei
Dritteln der Verletzten war das Resultat nicht befriedigend,
es blieb eine Erwerbsbeschränkung zurück, welcheim Durch-
schnitt mit etwa 20—30%, bei einzelnen Verletzten gar mit
50% und mehr zu bewerten war.
Wir sind dann den Ursachen dieser mangelhaften Erfolge nach-
gegangen. Gröbere anatomische Veränderungen, etwa wie die Machol-
sche Myositis ossificans bei der Ellbogenluxation, ließen sich in
unseren Fällen nicht nachweisen; offenbar ist es die Vernarbung und
Verschrumpfung durch die schwere Weichteilverletzung des Gelenkes
und seiner Umgebung, welche die Bewegungsstörungen verursacht.
In manchen Fällen ist auch eine Arthritis deformans in Ausbildung
begriffen gewesen. Von Bedeutung ist das Alter, aber ausschlag-
gebend ist es nicht; denn fast die Hälfte der Pat., bei denen ein
gutes Resultat erzielt wurde, hatte das 60. Jahr überschritten, während
auf der anderen Seite gerade bei einem Teil der jüngsten Leute sehr
schwere Bewegungsstörungen beobachtet worden sind. Den Eindruck
der Mala voluntas haben wir durchaus nicht gehabt. Die Form der
Verrenkung ist bedeutungslos, wenn man von der seltenen hinteren
Luxation absieht, die in den wenigen beobachteten Fällen ein schlechtes
Endresultat ergab. Keinen Einfluß scheint ferner die Schwierigkeit
der Reposition zu haben; selbst die Länge der Zeit zwischen Unfall
und Einrenkung ist nicht ausschlaggebend; denn es wurde ein be-
— 157 0 ——
friedigender Erfolg sogar in zwei Fällen erzielt, bei denen die Repo-
sition erst 4 Wochen nach dem Trauma stattfand.
Das Endergebnis ist um so unbefriedigender, als die Mehrzahl
der Pat. nach allen Regeln der Kunst in der orthopädischen
Abteilung der Klinik nachbehandelt worden ist. Die Fixierung
dauerte durchschnittlich nur 8 Tage, dann wurde 2—3 Monate lang
massiert, geturnt und an medico-mechanischen Apparaten geübt, und
doch sind die Erfolge im allgemeinen bei diesen Kranken nicht viel
besser gewesen als bei denen, welche sich bald der Nachbehandlung
entzogen. Ob bei noch kürzerer Fixierung und Beginn mit Übungen
und Massage schon am ersten oder zweiten Tage nach der Verletzung
das Resultat besser sein wird, ohne daß sich Nachteile ergeben, ver-
mag ich noch nicht zu entscheiden ; in einer Reihe von Fällen haben
wir den Eindruck gehabt. Jedenfalls geht aus unseren Nachunter-
suchungen hervor, daß die einfache Schulterluxation eine in
ihren Folgen recht ernst zu nehmende Verletzung ist, und
daß die Anschauung, eine richtig erkannte und kunstgerecht reponierte
Luxation gebe stets ein gutes Endresultat, aufgegeben werden muß.
(Selbstbericht.)
93) J. Dollinger (Budapest). Erfahrungen über die opera-
tive Behandlung veralteter Elibogenverrenkungen.
D. referiert über jene Erfahrungen, die er mit der operativen
Behandlung von 34 veralteten Verrenkungen des Ellbogengelenkes
machte. Solche, die seit länger als 3 Wochen bestanden, können
selbst in Narkose nur ausnahmsweise ohne operativen Eingriff einge-
renkt werden. Verschiedene anatomische- Veränderungen verhindern
die Einrenkung; von diesen erwähnt D. einige aus seiner eigenen Er-
fahrung. Solche späte Versuche können zu schweren Läsionen führen.
In letzter Zeit schritt D. darum in sämtlichen seit länger als seit
3 Wochen bestehenden Ellbogenverrenkungen sofort zur Arthrotomie.
Er dringt an der Außenseite des Gelenkes zwischen dem M. extensor
carpi radialis und dem lateralen Kopfe des M. triceps brachii in das
Gelenk und entscheidet erst nach Inspektion desselben, ob es auf
blutigem Wege reponiert oder ob es reseziert werden soll. Indikation
zur Resektion bildeten: Totaler Mangel des Knorpelüberzuges, Ab-
lösung desselben während der Einrenkungsversuche, Erweichung des
Humerusepiphysenendes, die bei veralteten Verrenkungen ziemlich
häufig vorkommt, Veränderungen der Gestalt der Trochlea oder des
Capitulum humeri infolge von Bruch und schiefer Anheilung oder
durch Druckatrophie, Bruch des Processus coronoideus ulnae usw.
Wegen dieser Veränderungen resezierte D. in 14 Fällen. Es wurde
nur die Trochlea und das Capitulum humeri reseziert und das Epi-
physenende des Humerus der Olecranonzange angepaßt. Die Epikon-
dylen bleiben intakt. Der Epicondylus externus wird wohl vor der
Resektion mit dem äußeren Seitenbande von seiner Basis mit dem
Meißel abgetrennt, nachher aber wieder an seine ursprüngliche Stelle
— 158 —
genäht. Von den 14 Fällen sind 9 p. p. i., 4 mit etwas Eiterung ge-
heilt, 1 Pat. starb leider an Pyämie. Von 11 Kranken bekam D.
jetzt, 2—7 Jahre nach der Operation, brauchbare Daten über den
Zustand ihres Gelenkes. 6 von ihnen haben steife Gelenke, 5 beweg-
liche. In 2 Fällen macht die Beweglichkeit 40—50 Grad aus, in
zweien 85 Grad, und ein Gelenk kann vollkommen gebeugt und ge-
streckt werden.
In 20 Fällen gestatteten die anatomischen Verhältnisse die Repo-
sition. Seit 1902 versuchte D. bei sämtlichen Fällen die Reposition,
ohne die Seitenbänder zu durchtrennen oder sie von ihrem Ansatz ab-
zulösen. Das gelang nur in 3 Fällen, deren Verrenkung in 2 Fällen
seit 1 Monat und in einem seit 3 Monaten bestand. In den übrigen
Fällen mußte das äußere Seitenband getrennt werden. Gewöhnlich
wurde es samt dem Epicondylus abgelöst. Das innere Seitenband
konnte in sämtlichen Fällen belassen werden. Der Einschnitt ist, wie
bei der Resektion, an der Außenseite. Zuerst entfernt D. die nar-
bigen Gewebereste, die die Incisura Olecrani ausfüllen, und jenen
Callussporn, der sich an der hinteren Seite des Humerus gewöhnlich
vorfindet und manchmal den M. triceps an den Knochen heftet.
Dann befreit er die Trochlea von den Verwachsungen und versucht
es, bei den nicht sehr veralteten Fällen, das Gelenk mittels Hyperex-
tension und Zug zu reponieren. Dieser Versuch soll selbst in jüngeren
Fällen nicht forciert werden; denn wenn dabei der Knorpel abgelöst
wird, so leidet darunter später die Beweglichkeit des Gelenkes. Kann
das Gelenk ohne Durchschneidung des äußeren Seitenbandes nicht
reponiert werden, so löst D. es samt dem Epicondylus ab, knickt den
Arm in dem Ellbogengelenk gegen die ulnare Seite nach einwärts,
so daß die ulnare Seite des Vorderarmes und die innere Seite des
Oberarmes nebeneinander zu liegen kommen, schiebt die Gelenksenden
durch die Wunde heraus, befreit sie von allen Verwachsungen und
hebelt dann den Vorderarm von innen her auf den Oberarm, was
gewöhnlich leicht geschieht. Naht des Epicondylus, der Fascien und
der Haut, Drainage, zirkulärer Gipsverband in rechtwinkliger Stellung
für 8 Tage, dann Beginn der mechanischen Behandlung, die leider
nicht regelmäßig durchgeführt werden konnte.
D. erhielt von 12 Kranken brauchbare Angaben über die spätere
Funktion ihres reponierten Gelenkes. Sie wurden vor I—9 Jahren
operiert.
3 von ihnen haben derzeit steife Gelenke. Alle 3 waren kompli-
zierte Fälle. Die Gelenke der übrigen 9 sind beweglich. 2 Pat.
beugen ihr Ellbogengelenk vollkommen und strecken es bis 135 Grad,
die übrigen 7 besitzen eine Beweglichkeit zwischen 90—135.
D. spricht sich auf Grund dieser Erfahrungen entschieden für
die Reposition aus und rät, bei veralteten Ellbogenverrenkungen
nur dann zu resezieren, wenn der Zustand der Gelenksenden bei der
inspizierenden Arthrotomie keine gute Funktion hoffen läßt.
(Selbstbericht.)
— 159 ——
Diskussion.
Bardenheuer (Köln) empfiehlt Extension und frühzeitige Mobili-
sation bei Schulterverrenkungen. Er macht auf die Häufigkeit von
Knochenabsprengungen aufmerksam.
Wohlgemuth (Berlin) macht auf die häufige Absprengung des
Tuberculum majus aufmerksam, die sogar bei Subluxationen vor-
kommen.
Bunge (Bonn) berichtet über 40 Fälle von blutiger Reposition
von Ellbogenverrenkungen aus der Königsberger Klinik. Er warnt
vor Resektionen, empfiehlt Außen- und Innenschnitt und gründliche
Entfernung aller Bewegungshindernisse. Lichtenauer (Stettin).
94) Stieda (Königsberg). Über Coxa valga adolescentium.
Diejenige Form der Coxa valga, welche der Coxa vara adoles-
centium entspricht, ist bis jetzt noch nicht sicher nachgewiesen. 8.
berichtet über zwei einschlägige Fälle aus der Königsberger chirur-
gischen Klinik, in denen die Diagnose durch das Röntgenbild sicher-
gestellt wurde. In einem Falle handelte es sich um eine doppelseitige
Erscheinung, in dem anderen bestand auf der einen Seite Coxa vara,
auf der anderen Seite Coxa valga. Klinisch bestand Außenrotation
und beschränkte Flexion, ungleiche Länge der Beine. Bei der
Flexion ging der Oberschenkel in Abduktion und Außenrotation; in
Streckstellung war in dem ersten Falle eine Beschränkung der seit-
lichen Bewegung nicht nachweisbar. Ausschlaggebend für die Diagnose
ist das Röntgenbild, welches unter den nötigen Kautelen (Mittelstellung
zwischen Außen- und Innenrotation) aufgenommen werden muß, da
sonst Täuschungen durch die Projektion entstehen. Die Vergrößerung
des Schenkelhalsneigungswinkels ist auf Muskelzug zurückzuführen.
Die Behandlung bestand in Schonung, Massage und Bewegungen und
erzielte einen befriedigenden Erfolg. (Selbstbericht.)
Diskussion.
Sprengel (Braunschweig) glaubt, daß sowohl Coxa vara als auch
Coxa valga traumatischen Ursprunges sei.
Drehmann (Breslau) hat seinen Fall von traumatischer Coxa
valga beschrieben. Außerdem hat er zwei Fälle von Coxa valga bei
juveniler Muskelatrophie beobachtet.
Hofmeister (Stuttgart) macht darauf aufmerksam, daß man das
Bild der Coxa valga durch Stellung des Oberschenkelhalses bei der
Röntgenaufnahme willkürlich hervorrufen könne Es sei daher bei
der Diagnose dieser Erkrankung durch Röntgenaufnahme Vorsicht
geboten. Lichtenauer (Stettin).
— 160 ——
95) Goebel (Breslau. Kongenitales Femursarkom, geheilt
durch operative und Röntgenstrahlenbehandlung.
Die Literatur über wirklich kongenitale, d. h. bei der Geburt
schon nachweisbare maligne Tumoren ist schon ziemlich angewachsen,
wenn man auch die gemischten Formen berücksichtigt. Nimmt man
aber nur die einfachen Formen, d. h. echte Sarkome und Karzinome
heraus, so wird die Zahl eine recht beschränkte, und besonders, wenn
man die Sarkome der Knochen allein ins Auge faßt. Von letzteren
fand Vortr. kaum 7—8 in der Literatur verzeichnet (Paul, Billroth,
King, Levis, Manderli, Körte, Holmes, Lochwood).
Die Beobachtung des Vortr. betraf ein 3wöchiges Kind, bei-
dem am Tage nach der Geburt ein Knötchen an der Innenseite des
rechten Kniegelenkes bemerkt wurde. Dasselbe wuchs bis Damenfaust-
größe an und zeigte bei der Aufnahme in das Augustahospital außen
und innen vom unteren Femurende je einen apfelgroßen Tumor unter
verschieblicher Haut, in der Kniekehle aber eine mehr diffuse Infiltra-
tion mit geröteter, adhärenter, Pseudofluktuation darbietender Haut.
29. Mai 1907: Inzision an der vorderen, inneren Seite des Ober-
schenkels, Entfernung eines großen Tumorstückes. Tumor geht in
. die Weichteile diffus hinein. Naht der Wunde. Röntgenbestrahlung:
31. Mai: 6 Minuten; 1. Juni: 3 Minuten; 3. Juni: 6 Minuten (harte
Röhre, Einschaltung eines Zinnfilters zum Schutze der Haut). Bildung
von runden Nekrosen auf der Kuppe des äußeren Tumors und in der
Kniekehle. Von diesen Nekrosen aus am 11. Juni Auskratzung des
ganzen Tumors so sorgfältig wie möglich. Erneute Bestrahlung am
14. und 16. Juni je 10 Minuten, am 18., 20. und 24. Juni je 5, am
25. Juni 6 Minuten lang. Befund am 29. Oktober 1907: Keine Spur
Tumor nachweisbar. Glatte Narbe (Demonstration des Bildes vor
Einleitung der Behandlung und des jetzigen. Rechtes Knie kann
nur wenig über den rechten Winkel gestreckt werden. Rechtes Füß-
chen kleiner und zierlicher als das linke (Hypoplasie nach Förster-
ling). Allgemeinbefinden ausgezeichnet.
Briefliche Anfrage Anfang April erweist Wohlbefinden, kein
Rezidiv.
Mikroskopisch: Spindelzellensarkom. Nach den ersten drei Rönt-
genbestrahlungen zeigt der von neuem entfernte Tumor Chromolyse
des Kernes, stärkere Färbbarkeit des Protoplasmas, teilweise Nekrose
und leukocytäre Infiltration.
Vortr. streift die Wichtigkeit des Falles für die Frage der Tumor-
genese. Gerade die Sarkome des Femur werden ja so oft mit Trauma
in Verbindung gebracht. Es ist aber daran zu erinnern, daß z. B.
nach Bardeleben die Mehrzahl der Sarkome des Femur an dem
Condylus internus sitzen, ebenso wie unser angeborener, sicher nicht
traumatischer Tumor.
Die günstige therapeutische Beeinflussung des Tumors entspricht
den Erfahrungen anderer Autoren, insbesondere Kienböck’s, nach
—— 161 ——
denen gerade weiche, rasch wachsende Sarkome leichter durch Röntgen-
strahlen zum Verschwinden gebracht werden. Vielleicht hat die opera-
tive und Röntgenbehandlung insofern eine besondere Wirkung, als
erstere eine Durchfeuchtung des Geschwulstgewebes, eine Durchsetzung
mit Leukocyten usw. bewerkstelligt, die das Gewebe für die Bestrah-
lung gewissermaßen sensibilisieren. (Selbstbericht.)
96) J. Ludloff (Breslau). Osteochondritis dissecans des Knie-
gelenkes.
L. bespricht an der Hand zweier selbst operierter Fälle die Frage
der »Östeochondritis dissecans« am Knie.
Beide Fälle zeigten im Röntgenbild am Condylus medialis gegen-
über der Ansatzstelle des Ligamentum cruciatum posterius einen
ca. dattelkerngroßen und -förmigen ausgesprochenen dichten Knochen-
schatten gebenden Körper, der in einer Knochenmulde lag; im Fall I
im rechten Knie allein, in Fall II in beiden Knien.
In Fall I zeigte sich bei der Operation der Knorpel darüber voll-
ständig intakt, in'Fall II war ein Teil des Körpers gelöst und als
»Öorpus liberum« im Gelenk.
Bei der Durchsicht der Literatur stellt sich heraus, daß in der
überwiegenden Mehrzahl aller genau eruierten Fälle der Körper immer
am »Condylus medialis« liegt oder dorther stammt, in der Nähe der
Insertion des »Ligamentum cruciatum posterius« und fast immer die-
selbe Gestalt hat (cf. Grashey, Atlas chirurg. pathol. Röntgenbilder,
Bd. OH. Fig. 84 und 89).
Verf. erklärt diese Prädilektionsstelle für die Entstehung freier
Gelenkkörper aus der Gefäßversorgung durch die » Arteria genu media«.
Dieses unpaare Gefäßstämmchen tritt durch die hintere Wand der Ge-
lenkkapsel zwischen den beiden Kreuzbändern hindurch und verbreitet
sich auf dem »Ligamentum cruciatum posterius« in der Richtung nach
der lateralen Kante des »Condylus medialis«, in dessen lateralsten
Teil es mit kleinen Endzweigen eintritt und die Insertionsstelle des
Bandes versorgt. Bei starker Überstreckung des Knies und zugleich
Innenrotation des Unterschenkels wird das »Ligamentum cruciatum
posterius« und die hintere Kapselwand stark gespannt. Es ist dann
leicht möglich, daß dieses Gefäß abreißt bzw. geschädigt wird, beson-
ders wenn das Gelenk noch belastet wird, so daß die »Eminentia
intercondyloidea media« auch noch gegen diese Stelle drückt. Infolge
dieser Gefäßschädigung wird dann immer derselbe Bezirk des Knochens
in seiner Ernährung geschädigt, stirbt ab und löst sich dann allmäh-
lich los, wobei sich auch der darüber liegende Knorpel disseziert.
Durch weitere geringe Traumen wird dann dieses dissezierte Stück ins
Gelenk als freier Gelenkkörper hineingeschafft.
So lassen sich die scheinbar widersprechenden Auffassungen
König’s und Barth’s gut miteinander vereinigen; denn wir haben
Chirurgen-Kongreß 1908. 11
ee. 62
eine »Osteochondritis dissecans« auf traumatischer Basis durch Schädi-
gung des ernährenden Gefäßes vor uns. (Selbstbericht.)
Diskussion.
H. Küttner (Breslau): Im Anschluß an die Ausführungen des
Herrn Ludloff, welche den sicheren Beweis für die Richtigkeit der
König’schen Anschauungen erbringen, möchte ich hier eine Gelenk-
maus demonstrieren, wie sie in dieser Größe wohl nur sehr selten
beobachtet wird; ich habe sie aus einem Kniegelenk mit schwerer
Arthritis deform. entfernt. Betrachtet man die fingerlange Gelenkmaus
genauer, so erkennt man sehr deutlich, daß aus dem großen Körper
durch Demarkationslinien mehrere kleine Teile ausgelöst werden. Es
spielen auch bei der Arthritis deformans dissezierende Pro-
zesse eine Rolle. (Selbstbericht.)
97) w. Müller (Rostock).
M. demonstriert zwei Kniegelenke eines Hundes, bei welchem es
nach mehrfachen negativen Versuchen Herrn Dr. Becker gelungen
ist, wohl zum erstenmal eine typische, bleibende Gelenkmaus — 7 Mo-
nate nach dem Versuch — zu erhalten. B. war bei seinen Versuchen
ähnlich wie frühere Experimentatoren vorgegangen, hatte Gelenkstück-
chen, aus Knochen und Knorpel bestehend, mittels Hohlmeißel her-
ausgelöst. Interessant ist, daß im erstoperierten Gelenk eine typische
Arthritis deformans sich entwickelt hat, in dem anderen fehlt diese,
aber die Gelenkmaus ist mobil und mit glatter Oberfläche sowohl im
Röntgenbilde wie im Präparat deutlichst zu sehen. (Selbstbericht.)
98) Muskat (Berlin). Behandlung des fixierten Plattfußes.
Da die Gipsverbände und die vom Autor 1906 auf dem Chirur-
kongreß empfohlenen Heftpflasterverbände für den Pat. im Stadium
der Kontraktur des Plattfußes manche Mängel aufweisen, hat M. die
Hyperämie als Behandlungsmittel angewendet und mit gutem Erfolge
durchgeführt. Durch heiße Luft und Anlegung einer Staubinde ge-
lingt es oft schon in einer Sitzung von 1/,stündiger Dauer, die Span-
nung der Muskeln zu beseitigen und den Fuß aus der Pronation in
die notwendige Supinationsstellung überzuführen. Die Weiterbehand-
lung ist die übliche. Zweckmäßig wird während der Behandlung die
Rückseite der Fußspitze auf die Kante eines Schemels gelegt, um den
Fuß aus der Abduktion in Adduktionsstellung zu bringen.
(Selbstbericht.)
99) O. v. Frisch berichtet über die Erfolge, welche in der v. Eisels-
berg’schen Klinik mit der Gleich’schen Plattfußoperation gewonnen
wurden. Die Methode wurde in den letzten 5 Jahren 18mal durch-
weg bei schweren Plattfüßen angewendet, und zwar in jener von
— 163 ——
Brenner angegebenen Modifikation. 15 der Operierten konnten nach
mehreren Jahren nachuntersucht werden, wobei sich in 2/, der Fälle
vollkommene Heilung ergab.
Dabei fiel auf, daß sich die Deformität spontan zurückgebildet
und das Fußgewölbe deutlich gehoben hatte. Redner glaubt, daß
diese reparatorischen Vorgänge mit den veränderten statischen Ver-
hältnissen und der gleichfalls durch die Operation bedingten Ver-
lagerung des hinteren Ansatzpunktes (Tuber calcanei) der kurzen Fuß-
muskeln in ursächlichen Zusammenhang zu bringen ist.
(Selbstbericht.)
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