Skip to main content

Full text of "Zentralblatt für Chirurgie 35.1908, Hefte 27-52"

See other formats


Google 


Über dieses Buch 


Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Regalen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im 
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfügbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde. 


Das Buch hat das Urheberrecht überdauert und kann nun Öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch, 
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann 
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles 
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist. 


Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei — eine Erin- 
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat. 


Nutzungsrichtlinien 


Google ist stolz, mit Bibliotheken in partnerschaftlicher Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse 
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nichtsdestotrotz ist diese 
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch 
kommerzielle Parteien zu verhindern. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen. 


Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien: 


+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche für Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese 
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden. 


+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen 
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen 
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials für diese Zwecke und können Ihnen 
unter Umständen helfen. 


+ Beibehaltung von Google-Markenelementen Das "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über 
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht. 


+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sıe sich Ihrer Verantwortung bewusst sein, 
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA 
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist 
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig 
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der 
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben. 


Über Google Buchsuche 


Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google 
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser Welt zu entdecken, und unterstützt Autoren und Verleger dabei, neue Zielgruppen zu erreichen. 


Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter|http: //books.google.comldurchsuchen. 





ANNEX 
AG LIBRARY 
/, a y I, 


012314 


Cornell Auiwersitp Library 


BOUGHT WITH THE INCOME 
FROM THE 


SAGE ENDOWMENT FUND 


THE GIFT OF 


Henru W. Saone 


ı8g91 










1 Fu 
a EIN, une ee 





3513-1 


Pan D a Ds ra d ——— a u 
wi - 


The date shows“ Gas this volume was taken. 
To renew this book cop the call No. and give to 
the librarian. 


HOME USE RULES. 


All Books. subject to Recall. 
® Books not used for 
instruction or research 
are returnable 'within 
4 weeks. 

S Volumes of periodi- 
cals and of pamphlets 
are held in the library 
as much as possible. 
For special purposes 
they are given out for 
a limited time. 

Borrowers should 
not use, their library 
pi for the bene- 

t of other persons. 

Books not needed 

during recess periods - 

f should be returned to 
- thelibrary,or arrange- 

ments made for their 
return during borrow- 
er’sabsence,if wanted. 

Books needed by 
more than gne person 
areheld on the reserve 
list. 

Books of special 
value and gift books, 
when the giver wishes 
it, are not allowed -to 
circulate, 

Readers are asked 
to report all cases of 
books marked or muti- 
lated. 


Do not deface books by marks and writing. - 





IVERSITY LIBRARY 


RTL 








Digitized by Google 





Digitized by Google 


Zentralblatt 


für 


CHIRURGIE 


herausgegeben Be 


von 


K. GARRE F. KÖNIG E. RICHTER 


in Bonn in Jena in Breslau 


— nn 


Fünfunddreißigster Jahrgang 
Nr. 27—52 





LEIPZIG 
Verlag von Johann Ambrosius Barth 
1908 
T 


Aare 


Zentralblatt für Chirurgie 


herausgegeben von 


K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER, 











in Bonn,- in Berlin, in Breslau. 
35. Jahrgang. 
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG. 
Inhalt. 


I. C. Helbing, Zur Technik der Gaumenspaltenoperation. — II. Lotheissen, Ein Vorschlag 
zur Operation tiefsitzender Ösophagusdivertikel. (Originalmitteilungen.) 

1) Kolle und Wassermann, Pathologische Mikroorganismen. — 2) Eichhorst, Handbuch der 
speziellen Pathologie und Therapie innerer Krankheiten. — 8) Mueller, Die Empfindungen in den 
inneren Organen. — 4) Journal de chirurgie. — 5) Aichel, 6) Wieting und Hamadi, 7) Babler, 
8) Lexer, Zur'Geschwulstlehre. — 9) Dreyer, Eiterprüfung mit Millon’s Reagens. — 10) Looser, 
Rachitis u. Osteomalakie. — 11) Championniöre, Knochenbrüche. — 12) Karewski, Zur Röntgen- 
untersuchung. — 13) Caminiti, Verpflanzung von Muskellappen. — 14) Wolf, Zur osmotischen 
Spannung. des Venenblutes. — 15) Fichera, Zur Stauungsbehandlung. — 16) Forster, 17) Siemer- 
ling, Hirngeschwüiste. — 18) Bönninghaus, Ohrenheilkunde. — 19) Dieulaf6 und Herpin, Stö- 
rungen durch den Weisheitszahn. — 20) Blumenfeldt, Zeitschrift für Laryngologie, Rhinologie und 
ihre Grenzgebiete. — 21) Eckstein, Halsrippen und Skoliose. — 22) Berry, Das Saugverfahren bei 
tuberkulösen Halsdräsen. — 23) Garrd, Basedow’sche Krankheit. — 24) Geis, Die Epithelkörper- 
chen. — 25) Hildebrand, Zur Speiseröhrenchirurgie. — 26) Beck, Chirurgische Krankheiten der 
Brust. — 27) Le. Conte, Lungenzerreißung. — 28) Dawbarn, Brustkrebs. 

29) Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins. — 80) Cheatle, 31) Groyer, Zur Krebslehre. — 
33) Rosenkranz, Fulgurationsbehandlung. — 38) Jogiches, Angiombehandlung. — 84) Gardiner, 
Behandlung mit Röntgenstrahlen und hochfrequenten Strömen. — 35) Proskurjakow, Photo- 
therapie. — 86) Morso und Mandelbaum, Zur Behandlung eitriger Prozesse. — 37) Anzilotti, Zur 
Pseudarthrosenbehandlung. — 38) Ottenberg, Bluttransfusion. — 39) Forgue und Roger, Gum- 
möse Nekrose des Schädelknochens. — 40) Dobrowolsky, Fibroma molle der Schädelweichteile. 
— 41) Apelt, Hirnpunktion. — 42) Allen, Status epilepticus, Hirnpunktion. — 48) Küttner, Zur 
Chirurgie des Gehirns und Rückenmarks. 





I. 


Zur Technik der Gaumenspaltenoperation. 
Vorläufige Mitteilung. 


Von 


Dr. med. Carl Helbing, 
Assistenten und derzeitigem Leiter der Kgl. Universitäts-Poliklinik 
für orthopädische Chirurgie zu Berlin. 


ei 38 Gaumenspaltenoperationen, die ich im Laufe der letzten 

6 Jahre ausgeführt habe, hat sich mir die v. Langenbeck’sche 
Methode so ausgezeichnet bewährt, daß ich nicht verstehe, warum 
noch immer andere, viel kompliziertere und schwierigere Operations- 
verfahren angegeben werden (z. B. die Methoden nach Lane). Ich 
glaube, daß vielfach die Mißerfolge daran schuld sind, die aber nicht 
der Methode, sondern wohl der mangelhaften Technik zuzuschreiben sind. 


27 


810 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 


Als einen großen Fortschritt in der Technik der Gaumenspalten- 
operation betrachte ich die von Julius Wolff eingeführte Zweizeitig- 
keit der Operation. Die Vorteile dieses Operationsverfahrens liegen 
in folgenden Punkten: 

Erstens erfolgt der eingreifendere Teil der Operation, d. i. die 
Ablösung der Lappen, der immer mit einem gewissen Blutverlust ver- 
bunden ist, 4—5 Tage vor der eigentlichen Naht, so daß kleinen 
Kindern während dieser Zeit wieder Gelegenheit zur Erholung ge- 
geben ist. 

Zweitens haben die abgelösten Lappen, welche unmittelbar nach 
der Ablösung in ihrer Ernährung oft geschädigt und anämisch sind, 
Zeit, sich zu erholen, so daß selbst bei einer ganz schmalen vorderen 
Brücke die Gefahr einer partiellen Lappennekrose, die bei gleich- 
zeitiger Naht von mir beobachtet wurde, fast ausgeschlossen ist. 

Drittens werden die Lappen für die Naht besser präpariert da- 
durch, daß sie in ihrem Dickenvolumen zunehmen und die Wund- 
flächen nach der Anfrischung dadurch breiter sind. 

.  Viertens endlich ist bei dem zweiten Teile der Operation, bei der 
Anfrischung und der Naht, die Blutung eine so minimale, daß die 
absolut notwendige Exaktheit der Naht viel leichter durchzuführen ist. 
. Die Leistungsfähigkeit der zweizeitigen Öperationsmethode wird 
am besten durch meine ÖOperationsresultate illustriert. 

. In 38 Fällen gelang es mir 26mal, d. i. in 68,4%, durch eine 
einmalige Operation einen vollkommenen Verschluß der Spalte zu er- 
zielen (v. Eiselsberg und v. Mikulicz haben 30%, Kappeler und 
Bunge 50%, Julius Wolff 60% primäre Nahtheilung). Dabei sind 
auch die Fälle, bei welchen der Processus alveolaris in die Spalte mit 
einbezogen war, und bei welchen nach Bunge >»das Öperieren in 
einer Sitzung wegen Gefährdung der Lappen von vornherein aus- 
geschlossen ist«, in einer einmaligen Sitzung geschlossen worden. 

Auch in diesen Fällen bleibt, wenn man nur die Ablösung der 
Lappen der Naht um einige Tage vorausschickt, der Lappen, dessen 
vordere Brücke oft auf einer Seite nur einige Millimeter breit ist und 
auf dem Alveolarfortsatz selbst zu liegen kommt, so gut ernährt, daß 
die Naht in der ganzen Ausdehnung der Spalte ohne Gefahr einer par- 
tiellen Lappennekrose unternommen werden kann. 

Immerhin gibt es jedoch Fälle, die der gewöhnlichen chirurgischen 
Therapie nach der v. Langenbeck’schen Methode deshalb so schwer 
zugänglich sind, weil ein Mißverhältnis besteht zwischen der kolossalen 
Breite der Spalte und den schmalen Gaumenüberzügen, so daß diese 
beiden letzteren zusammengenommen kaum breiter sind als die Spalte 
selbst. Die vorhandenen Gaumenplattenreste sind in solchen Fällen 
nahezu vertikal gestellt. Nach der Ablösung flottieren die Gaumen- 
überzüge als schmale Lappen und können sich nur schlecht nach ihrer 
Vereinigung durch Naht an die Gaumenplatten anlegen. Aus den 
seitlichen Inzisionen sind dann große Löcher geworden. In solchen 
Fällen ist die Gefahr eine sehr große, daB die seitlichen Löcher per- 


O 
ar Weiten 

yon abno breite, oJ enepar Schon 
suche z Voraebni oaot er Piste] bzw. der Spalte 
unt men hatte err Prof Schr der und Ich Sind Jetzt dabe; 
die Me thode der ta Dorärer Tschm lerung des berkieg fron. 
tale 1 chmesger b ktiseh Uszy auen, 8 Scheint als op bereit, 
in ganz } Yzer Zeit ur. 2 bis Ochen, Eine bet Achtlien, Ver 
Schmäl« des Obe eferg Sich erzielen läg 

Ich bin Überzen 6 daß auf diese 
Fiste] die früher Ver nlassun zu Einer 
Qur Unter ühilfe,, © einer einfa 
ol atg Ohne Naht Chließen läßt und 
Solche 


Aarzı D heissen ten 
br 
Ne Uns in den gi ir Seiner 
em aber 
z ' 


le 
O 
Digitized by Go g 


812 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 


röhre. Diese selbst ist gleichsam nur seitlich eingepflanzt. Bei der 
durch Osophagogastrostomie geschaffenen neuen Verbindung wird nun 
der Magen auch nur an die Seitenwand des Osophagus angelegt; es 
wird trotzdem das Divertikel die direkte Fortsetzung des Osophagus 
bilden. Man müßte also, um den gewünschten Erfolg zu haben, daß 
die Speisen nun anstandslos in den Magen gelangen, den Ösophagus 
unterhalb der neuen Anastomose durch Nähte verengen oder noch die 
Girard’sche Einstülpung anschließen, was die Operation aber gewiß 
wesentlich kompliziert. 

Da die Exstirpation eines tiefsitzenden Divertikels aber wegen 
der Möglichkeit einer Fistelbildung höchst gefährlich ist, erscheint es 
mir als ein geeigneter Ausweg aus diesen Schwierigkeiten, die neue 
Verbindung nicht mit der Speiseröhre, sondern mit dem 
Divertikel selbst herzustellen und so die von der Natur herbei- 
geführten Verhältnisse auszunützen. 

In der pneumatischen Kammer kann es gewiß nicht schwieriger 
sein, diese Anastomose herzustellen als die Sauerbruch’sche. Nun 
besitzt aber nicht jeder eine solche Kammer oder auch nur Überdruck- 
apparate, welche die Ausführung einer derartigen transpleuralen Opera- 
tion gestatten. Und selbst dann bedarf es noch der Vorübung am 
Tier. In solchen Fällen könnte die Anastomose auf abdomi- 
nalem Weg ausgeführt werden (Marsipogastrostomia transpleuralis 
und abdominalis)t. 5 

Die Zahl der echten Osophagusdivertikel ist nicht groß. Starck? 
hat seinerzeit 28 Fälle zusammengestellt, von denen freilich ein 
Teil aus längst vergangenen Tagen stammt und nur nach den (oft 
ungenauen) Angaben der Beschreiber eingereiht werden konnte. Die 
meisten bilden zufällige Befunde bei alten Leuten oder machten, auch 
wenn sie diagnostiziert waren, so erträgliche Beschwerden, daß eine 
operative Therapie hier nicht indiziert gewesen wäre. 

Für die Operation kämen wohl nur jene Fälle in Betracht, bei 
denen die Beschwerden bedeutend sind, und die Nahrungsaufnahme 
nicht genügend ist, um den Körper im Gleichgewicht zu erhalten, wo 
also Abmagerung eintritt. Das sind auch die leichter zu erkennenden 
Fälle, bei denen das Divertikel schon größeren Umfang besitzt. Wir 
finden schon eine Reihe solcher Divertikel beschrieben, die ganz auf 
dem Zwerchfell aufruhten. 


»Schon de Guise (1833) sagt von einem solchen Divertikel, daß 
es »par s& forme, sa position, sa direction et sa distension com- 
Boa l’orifice supérieur de l'estomac et empêchait l’entree 
ibre des alimens«. Es muß also wohl dicht auf dem Zwerchfell auf- 
gelegen haben. Der Pat. hatte seit 15 Jahren Schlingbeschwerden. 
Mintz (Deutsche med. Wochenschrift 1893), 49jähriger Mann, Diver- 
tikel 200 ccm groß, Grund bei 40 cm von der Zahnreihe Reich- 


1 ö uapoınos, der Beutel. 
2 Die Divertikel der Speiseröhre, Leipzig, F. C. W. Vogel, 1900. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 813 


mann (Wiener klin. Wochenschrift 1893), 44jähriger Mann, Divertikel 
100 ccm groß, nach links gelegen, Grund bei 42 cm. Kelling (Mün- 
chener med. Wochenschrift 1894), 41jähriger Mann, Sack 300 ccm groß, 
Eingang 6 cm über der Cardia, Grund bei 44cm. Reitzenstein 
(Münchener med. Wochenschrift 1898), 50jährige Frau, Sack 300 ccm 
groß, nach rechts gelegen, Grund bei 46—48 cm. Landauer (Zen- 
tralblatt für innere Medizin 1899), 5ljähriger Mann, Grund des 
Sackes bei 42 cm. Mintz (Wiener med. Wochenschrift 1903), 57jährige 
Frau. Diagnose mit Röntgenstrahlen bestätigt. Grund bei 46 cm. 
Sonde kam niemals in den Magen. Tod an Inanition. Operation 
(d. h. Gastrostomie) wurde verweigert, ebenso die Obduktion. « 


Aus dieser kleinen Zusammenstellung geht hervor, daß solche 
Divertikel gerade in einem Alter beobachtet werden, wo man ganz 
gut auch einen größeren Eingriff wagen darf, wenn man davon Dauer- 
heilung erhoffen kann. Andererseits sieht man aber auch, wie selten 
diese tiefsitzenden großen Divertikel sind. Ich konnte daher die 
Marsipogastrostomie nicht ausprobieren, ehe ich sie zur Prüfung mit- 
teile, da ich vielleicht niemals einen derartigen Fall zu Gesicht be- 
komme. Vor 1!/, Jahren glaubte ich schon bei einem älteren Manne 
mit sehr tief in den Thorax reichendem Grenzdivertikel die passende 
Gelegenheit gekommen; die genaue Untersuchung zeigte aber, daß 
eine abdominale Anastomose nicht möglich war. Der Pat. lehnte über- 
dies jeden Eingriff ab. 

Für geeignete Fälle, wie die oben angeführten, würde sich der 
Gang der Operation (die ich nach Leichenversuchen als verhältnis- 
mäßig leicht ausführbar ansehen muß) folgendermaßen gestalten: Der 
Hautschnitt geht vom Proc. xyphoid. entlang dem linken Rippenbogen 
zur Spitze der 10. Rippe. Die Muskeln werden durchtrennt und die 
Aufklappung des Rippenbogens nach den Angaben Marwedel’s? 
ausgeführt. Cardia und Zwerchfell sind so leicht zu erreichen. Da 
man bei den Sondierungen fast immer nur in das Divertikel gelangt, 
läßt sich leicht eine Bougie in den Sack einführen, der Finger kann 
sie tasten, und vielleicht läßt sich das Zwerchfell sogar ein wenig vor- 
bauchen. Das Diaphragma wird nun inzidiert, der Sack, wenn er 
frei ist, sofort vorgezogen, ist er verwachsen, etwas losgelöst und sein 
Fundus vorgezogen und sogleich mit ein paar Nähten am Zwerchfell 
fixiert. Dann wird eine entsprechende Inzision am Magen gemacht 
und sodann die Anastomose durch Naht hergestellt. Die Nahtlinie 
kann man event. noch (wie Sauerbruch für den Thorax angibt) mit 
Lugol’scher Lösung betupfen. Danach wird aber eine Magen- 
falte ringsherum aufgehoben und direkt am Peritonealüber- 
zug des Zwerchfells angenäht, so daß die Anastomose völlig 
überdeckt wird. 

Besser wird es vielleicht sein, den Murphyknopf an- 
zuwenden, da wir, insbesondere nach Sauerbruch’s Angaben, wissen, 


3 Zentralblatt für Chirurgie 1903. Nr. 36. 


814 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 


daß der Ösophagus für Nähte nicht geeignet ist, um so weniger also 
der Divertikelsack. Mit einer Sonde läßt sich die eine Hälfte des 
Knopfes leicht in den Sack bringen, der nur gerade so viel geschlitzt 





Rippenbogen aufgeklappt, Divertikelsack im Zwerchfell fixiert vor Beendigung 


der Anastomose. 


wird, daß der verbindende Knopfteil durchtreten kann. In den Magen- 
zipfel muß er direkt eingefügt werden oder von einer zweiten Inzisions- 


Fig. 2. 


—— Divertikel 
Oesophagus 


Zwerchfeil 


—— Magen 


Schematischer Frontalschnitt, zeigt die fertige Ana- 
stomose mit Knopf und deckender Magenfalte. 


stelle aus, die dann 
durch Naht geschlossen 
wird. Daß der Knopf 
in den Magen fällt, tut 
wohl nicht viel; wir 
wissen ja, daß dies bei 
Gastroenterostomien 
öfters der Fall ist, und 
daß der Knopf bei Kar- 
zinom bis zum Exitus 
ohne Störung getragen 
wird. Ob der resorbier- 
bare Galalithknopf hier 
geeignet ist, läßt sich 
nach den bisher damit 
gemachten Erfahrun- 
gen noch nicht sicher 
sagen. 


Der Gebrauch des Knopfes scheint mir besonders für jene 
Fälle wichtig zu sein, wo man den Divertikelsack nicht gut 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. s15 


frei bringt, wo also die Anastomose quasi im Zwerchfell liegt; hier 
wäre Naht ganz ausgeschlossen. 

Genaue Untersuchung vor der Operation halte ich für unerläß- 
lich. Die Osophagoskopie wird feststellen, ob der Sack oder die 
Speiseröhre karzinomatös degeneriert ist, wie das ja vorkommt. Hier 
wäre die Anastomose wohl kaum erfolgreich. Auch Ulzerationen am 
Boden des Divertikels wären ungünstig, da sie die Möglichkeit der 
Anastomose in Frage stellen können. Durch Untersuchung mit Röntgen- 
strahlen (Wismutbrei) kann man feststellen, ob das Divertikel rechts 
oder links vom ÖOsophagus liegt, und insbesondere, ob der Fundus 
tatsächlich auf dem Zwerchfell aufruht; event. ist diese Untersuchung 
mehrmals zu wiederholen, da der Stand des Fundus wechseln kann. 
Bychowski fand z. B. den Eingang des Divertikels bei 22 cm, der 
Grund des Sackes stand 14—1”7 cm tiefer. Dieser Fall wäre also viel- 
leicht auf abdominalem Wege nicht mehr zu operieren gewesen. 

Wien, im Mai 1908. 





1) W. Kolle und A. Wassermann. Handbuch der patho- 
genen Mikroorganismen. Zweiter Ergänzungsband. 1. Heft. 
Jens, Gustav Fischer, 1907.) 

Das erste Heft des zweiten Ergänzungsbandes enthält zunächst 
Nachträge zu dem früheren Aufsatz von Gotschlich über die Mor- 
phologie und Biologie der Bakterien. Am Ende dieses Kapitels findet 
sich ein sehr ausführliches, über 460 Nummern verfügendes Literatur- 
verzeichnis. 

Daran schließt sich ein Kapitel über Pest von Dieudonné, dem 
ein Aufsatz von Scheller über Diphtherie folgt. In diesem Kapitel 
werden im Anschluß an die von Beck, Wernicke und Gotschlich 
bereits im Handbuch niedergelegten Erfahrungen hauptsächlich die 
neuesten Tatsachen der jüngsten Diphtherieforschung zusammengestellt. 

Den Schluß des Heftes bildet eine Darstellung des Gelbfiebers 
von Otto. Dieser Darstellung sind neben einer Reihe interessanter 
Textbilder zwei sehr schöne farbige Tafeln beigegeben, auf denen uns 
die betreffende Mücke in ihren verschiedenen Lebensstadien, sowie 


Organe von Gelbfieberkranken vor Augen geführt werden. 
Silberberg (Breslau). 





2) H. Eichhorst. Handbuch der speziellen Pathologie und 
Therapie innerer Krankheiten. Bd. III. 
Wien, Urban & Schwarzenberg, 1%7. 

Der vorliegende III. Band der 6. Auflage des bekannten Werkes 
ist ebenso wie die vorhergehenden Bände stark erweitert; er umfaßt 
auf 1132 Seiten die Krankheiten der Nerven, der Muskeln und der 
Haut. Auch die Abbildungen sind zahlreicher, 324 Holzschnitte gegen 
297 der vorigen Auflage. Dabei ist ein Teil der alten Bilder fallen 
gelassen bzw. durch neue, anschaulichere, ersetzt. 


816 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 


Unverändert ist kaum ein größerer Abschnitt geblieben. Einige 
Abschnitte haben naturgemäß bedeutendere Erweiterungen erfahren, so 
z. B. die über Lähmungen der peripherischen Nerven, Neuritis, Dia- 
gnostik der Rückenmarks- und Gebirnkrankheiten, Syringomyelie, Tabes, 
Hirnabszeß, Hirngeschwülste, Epilepsie, Tetanie u. a. m. 

Das Werk kann auch dem Chirurgen empfohlen werden, besonders 
dem, der in manchen Fragen der Grenzgebiete sich allein seine Dia- 
gnose stellen muß. E. Moser (Zittau). 





3) L. R. Mueller. Über die Empfindungen in unseren 
inneren Organen. 
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie. Bd. XVIII. Hft. 4.) 

Nach den bekannten Untersuchungen von Lennander, welche 
vielfach Bestätigung von anderen Forschern erfuhren, sind die meisten 
inneren Organe: Magen, Darm, Leber, Milz, Lungen, Gehirn gegen 
äußere Einwirkungen wie gegen die Schärfe des Messers, die Spitze 
der Nadel, die Hitze des Thermokauters und das Quetschen der 
Pinzette unempfindlich. M. kann diese Erfahrungen nur bestätigen, 
macht aber energisch Front gegen die Versuche, diese Beobachtungen 
auch für die Erklärung der spontanen in den genannten Organen auf- 
tretenden Schmerzen zu verwerten. Seine Beweisführung gipfelt in 
dem Satz, daß es durchaus nicht angängig sei, einem Organ, das gegen 
chemische und mechanische Reize nicht sensibel ist, deshalb über- 
haupt jede Schmerzempfindlichkeit abzusprechen; er kommt zu dem 
Resultat, daß diese Organe in den sympathischen Nervenfasern schmerz- 
leitende Bahnen besitzen. Aus klinischen Erfahrungen und physio- 
logischen Deduktionen,, bei denen die bekannten Head’schen Unter- 
suchungen ausgiebig mit herangezogen wurden, schließt M., daß andere 
Reize als die grobmechanischen und thermischen sehr wohl Schmerzen 
in den inneren Organen erregen können; solche Reize sind vor allem 
Störungen der Blutzufuhr in Form von Ischämie, übermäßig starke 
Kontraktionen der Muskulatur im Magen und Darm, abnormer Inhalt 
und abnorme Füllungszustände. 

M. geht die einzelnen Organe durch und weist in überzeugender 
Weise die Richtigkeit seiner Ansichten nach. Beim Gehirn suchte 
man, nachdem die Unempfindlichkeit der Gehirnsubstanz selbst gegen 
mechanische Eingriffe festgestellt war, alle Kopfschmerzen als » Dura- 
schmerzen« zu erklären. Diese Hypothese erlitt einen schweren Schlag, 
als sich herausstellte, daß auch die Dura in weiten Bezirken un- 
empfindlich für mechanische Reize ist. M. legt dar, daß das Gehirn 
selbst auf chemische Noxen (Alkohol, Kohlenoxyd, Nikotin, Bakterien- 
gifte), auf Störungen der Blutzirkulation (Angiospasmus, Embolie), auf 
geistige Überanstrengung und unangenehme seelische Erregungen hin 
mit heftigen Schmerzen reagieren kann. Für das Herz stellt er 
fest, daß zwar dem Herzmuskel sowohl als auch seinem serösen Über- 
zug jede Empfindlichkeit für mechanische und Entzündungsreize ab- 
geht, daß dagegen das Myokard gegen ischämische Störungen ungemein 


& 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 817 


sensibel ist. Für den Magen und Darm zeigt M. unter anderem die 
Unzulänglichkeit der Hypothesen von Lennander und Wilms für 
die Erklärung der Colica saturnina und der tabischen Krisen, ebenso 
für Gallen- und Nierensteinkoliken, für die Schmerzen bei Erkrankungen 
der Nieren, einerlei, ob sie entzündlicher, degenerativer oder ischämischer 
Natur sind. In ähnlicher Weise wird die Empfindlichkeit der Leber, 
der weiblichen Beckenorgane, der Blase konstatiert. 

Danach ist das sympathische Nervensystem mit seinen Verbindungs- 
ästen nach dem Rückenmark nicht nur dazu da, seelische Erregungen, 
welche im Zentralnervensystem vor sich gehen, auf die Vasomotoren, 
auf die Schweißdrüsen, auf den Magen, Darm und auf die Geschlechts- 
organe überzuleiten, der Sympathicus vermittelt auch, getreu seinem 


Namen, Empfindungen aus den inneren Organen nach dem Gehirn. 
Haeckel (Stettin). 





4) Journal de Chirurgie, monatliche, kritische Revue, heraus- 


gegeben von mehreren Professoren in Paris. Preis jährl. 34 Fr. 
Paris, Masson & Co., 1908. 

Seit April dieses Jahres erscheint diese chirurgische Zeitschrift, 
die, analog dem Zentralblatt für Chirurgie, über die den Chirurgen 
interessierenden Erscheinungen der neuesten Literatur berichtet. Von 
Zeit zu Zeit soll ein Übersichtsreferat Platz finden. Regelmäßig wird 
eine Übersicht gebracht über die chirurgischen und allgemein medizi- 
nischen Zeitschriften, über chirurgische Kongresse; eingehende Referate 
über die wichtigsten Artikel der gesamten Literatur, zum Teil auch 
illustriert, werden monatlich gebracht. 

Die erste vorliegende Nummer zeichnet sich aus durch klare, ein- 
gehende Referate. Die Ausstattung ist gut. Stocker (Bonn). 





5) O. Aichel. Eine neue Hypothese über Ursachen und 
Wesen bösartiger Geschwülste. 
(Santiago de Chile 1908. 36 8.) 

Eine ausführliche, klar geschriebene Analyse aller bisherigen 
Hypothesen über Krebsätiologie führt den Verf. zu dem Ergebnis, 
daß die Hypothesen, mögen sie sich auf allgemeine oder lokale, äußere 
oder innere irritative Einflüsse, auf die somatische Zelle beziehen, 
mögen angeborene Ursachen oder ontogenetischer wie phylogenetischer 
Atavismus ins Feld geführt werden, mögen lebende Mikroorganismen 
irgendwelcher Art oder gar Körperzellen artfremder Tiere der Ver- 
anlassung des Übels beschuldigt werden, daß diese Hypothesen den 
wissenschaftlichen Forderungen nicht haben entsprechen können, nicht 
weil wir nicht genügend vorgeschritten wären, um den Beweis liefern 
zu können, sondern weil wir so weit vorgeschritten sind, daß sie in 
sich falsch sind. 

Die Kräfte, welche die somatische Zelle eine bösartige Geschwulst 
liefern lassen, sucht Verf. in der Vereinigung eines Leukocyten mit 

27** 


s 


818 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 


irgend einer der anderen Arten somatischer Zellen, die er im Gegen- 
satz zu den Leukocyten als fixe somatische Zellen bezeichnet. 
»Denken wir uns, daß ein Leukocyt mit irgend einer somatischen Zelle 
sich durch Amphimixis vereinige, so haben wir in der Verbindung 
ihrer Vererbungseinheiten das der Karzinom- oder Sarkomzelle bis 
ins kleinste entsprechende Bild. Daß die Konjugation dieser stamm- 
verwandten Zellen den allgemeinen Gesetzen der Amphimixis ent- 
sprechend vor sich gehen muß, ist selbstverständlich, also nach Re- 
duktion der beiderseitigen Chromosomen. So läßt die Sarkomzelle 
den Charakter des Bindegewebes, die Myosarkomzelle den der Muskel- 
zelle, das Gliosarkom den der Gliazelle usw. erkennen. Dagegen er- 
wirbt durch die Amphimixis mit einem Leukocyten irgend eine der 
fixen somatischen Zellen die Vererbungseinheiten der Leukocyten, 
die Vielgestaltigkeit des Kernes (Fragmentierung), die pluripolaren 
Mitosen finden ihre Erklärung, die Fähigkeit, andere Gewebe auf- 
zulösen, die Kraft nach Verschleppung durch die Blutbahn weiter zu 
Ieben, und eben diese Lebensäußerungen irgendwo im Körper fort- 
setzen zu können, ergeben sich von selbst, kurz, die maligne Zelle ist 
eben da mit allen ihren Eigentümlichkeiten.« 

Ref. möchte dieser kurzen Inhaltsangabe des sicher lesenswerten 
Aufsatzes doch sein Bedenken über eine solche, jeder tatsächlichen 
Unterlage entbehrende Hypothese anfügen. Beweise fehlen ganz. Wie 
soll eine Zelle des Mesenchyms mit einer Epidermiszelle in Kopu- 
lation treten? Das widerspricht ganz der Lehre von der Spezifizität 
der Zellen, die gerade in neuester Zeit immer neue Belege erfährt. 
Und das schrankenlose Wuchern, die Haupteigenschaft der malignen 
Geschwulstzelle, ist doch wohl keine den Leukocyten innewohnende 
Fähigkeit! Eher das Gegenteil! Auch scheint dem Ref. der Aus- 
druck Amphimixis nicht glücklich gewählt; Weismann, der ihn wohl 
geprägt hat, versteht darunter jedenfalls ganz etwas anderes als Verf. 

Goebel (Breslau.) 





6) Wieting und Hamadi. Über die physiologische und 
pathologische Melaninpigmentierung und den epithelialen 
Ursprung der Melanoblastome. Ein primäres Melanoblastom 


der Gallenblase. 
(Beiträge zur path. Anatomie u. allgem. Pathologie 1907. Bd. XLII.) 

Verff. haben einen Fall von primärem Melanom der Gallenblase 
mit zahlreichen Metastasen beobachtet. Sie beschreiben ihn ausführlich. 
Dieser gegen die Regeln der herrschenden Ansicht verstoßende Befund 
veranlaßte sie, ausgedehnte Untersuchungen an menschlichem und 
tierischem Material über melanotische Geschwülste und über Pigment- 
bilder überhaupt anzustellen. Alle basalen Epithelzellen können Pigment 
bilden, es ist nicht nötig besondere Melanoblasten anzunehmen. Ebenso 
wie die ektodermalen können auch die entodermalen Epithel- bzw. 
Endothelzellen Pigment bilden. Das Mesoderm ist bei der Pigment- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 819 


bildung nicht beteiligt. Die dunkelfarbigen Rassen neigen nicht mehr 
zu melanotischen Geschwülsten — gut- und bösartigen — wie die 
hellfarbigen. Müller (Dresden). 





7) Babler. Malignant degeneration of warts and moles. 
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. April 18.) 

Es wird allgemein zuwenig beachtet, daß Warzen-Muttermäler 
sehr bösartig degenerieren können. Namentlich chronischer Reiz trägt 
zur Entartung bei. Deshalb sollen derartige Gebilde frühzeitig durch 
Ausschneiden entfernt werden. Atzen und Ausbrennen ist zu ver- 
werfen. Sobald diese Gebilde anfangen schnell zu wachsen, sind sie 
schon bösartige Geschwülste und als solche zu behandeln. 18 Kranken- 
geschichten, zum Teil mit Abbildungen. Trapp (Bückeburg). 





8) Lexer. Über die Behandlung der flachen Hautkrebse. 
(Therapie der Gegenwart 1908. Nr. 1.) 

An der Hand in der Literatur niedergelegter und eigener Er- 
fahrungen kommt L. zu dem Resultat, daß sich für die Röntgenbehand- 
lung nur der Basalzellenkrebs eignet, und auch dieser nur dann, wenn 
keinerlei Drüsenschwellungen vorhanden sind. 

Bei der Zweifelhaftigkeit der Resultate, welche die Röntgenbe- 
handlung der flachen Hautkrebse gibt, ist L. dafür, alle noch ope- 
rablen Fälle zu operieren. Alle inoperablen Formen rät er zu bestrahlen, 
besonders da, wo hohes Alter und körperliche Hinfälligkeit gegen einen 
Eingriff sprechen. 

Die Operation nennt L. nur dann eine erhebliche, wenn man 
plastische Deckungen mit gestielten Hautlappen nötig hat. Wo es 
irgend geht, sucht L. mit ungestielten Cutislappen auszukommen, die 
am besten dem Arm entnommen werden, damit der Pat. nicht zu 
liegen braucht. Diese Art der Operation, mit örtlicher Anästhesie aus- 
geführt, ist gefahrlos und gibt gute kosmetische Resultate. L. zieht 
dieselbe der noch unsicheren Röntgenbehandlung vor. 

Silberberg (Breslau). 


9) L. Dreyer. Zur Prüfung des Eiters mit Millon’s Rea- 
gens. Aus der Breslauer chir. Klinik (Prof. Dr. Küttner). 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 14.) 

D. hat 41 Eiterproben von durch die gewöhnlichen Eitererreger 
hervorgerufenen Erkrankungen und 32 Eiterproben von rein tuber- 
kulösen Krankheitsfällen untersucht, in letzteren stets das von Müller 
als charakteristisch angegebene Verhalten des Eitertropfens in Millon’s 
Lösung von Quecksilber in Salpetersäure, die etwas salpetrige Säure 
enthält, gefunden: Der Tropfen nicht zu zähen Eiters bildete ein 
festes, zusammenhängendes Häutchen von zäher Konsistenz, nahm beim 
Versuch, ihn mittels einer Platinöse unterzutauchen oder anzuheben, 
eine erbsen- bzw. bohnenförmige Gestalt an und ließ sich fast mühelos 


% 





820 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 


im ganzen aus der Flüssigkeit herausheben. Dagegen bildete der 
Tropfen von dem durch die gewöhnlichen Eitererreger erzeugten Eiter 
eine zerfließliche, flache Scheibe, die beim Versuche, sie anzuheben oder 
unterzutauchen, sofort in einzelne Trümmer zerfiel. Die Rotfärbung 
des Reagens selbst trat beim gewöhnlichen Eiter nicht regelmäßig auf. 
Mischinfizierter tuberkulöser Eiter zeigte das Verhalten des gewöhn- 
lichen Eiters. Kramer (Glogau). 





10) Looser. Über Spätrachitis und die Beziehungen zwischen 
Rachitis und Osteomalakie. 
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie. Bd. XVIII. Hft. 4.) 

L. hat am amputierten, sehr stark verkrümmten Unterschenkel 
eines idiotischen jungen Mannes, der zahlreiche Spontanfrakturen er- 
litten hatte und klinisch eine sehr große Ahnlichkeit mit Osteoma- 
lakie darbot, dessen Skelett sich aber später vollkommen konsolidiert 
hat, eingehende histologische Untersuchungen vorgenommen. Er fand 
Kalklosbleiben des neugebildeten Knochens (osteoide Säume) und 
Schwund der vorläufigen Verkalkungszone an den Epiphysenknorpeln 
sowie die sonstigen rachitischen Knorpelveränderungen, einen Unter- 
schied von dem Bilde der gewöhnlichen Rachitis aber insofern, als, 
abgesehen von den sehr hochgradigen Knorpelveränderungen, die wohl 
durch das sehr lange Bestehen der Erkrankung zu erklären sind, die 
Atrophie des alten Knochens ungewöhnlich stark in den Vordergrund 
trat und die Osteophytenbildung im verbreiterten Periost und im 
Markraume nur eine sehr mäßige war. 

Unter ausführlicher Berücksichtigung der Literatur und früherer 
eigener Studien über Osteomalakie kommt L. zu dem Resultat, daß 
Spätrachitis und juvenile Osteomalakie eine einheitliche, untrennbare 
Krankheitsgruppe bilden, in der rachitische Knorpelveränderungen 
niemals fehlen, und bei der die Atrophie der Knochen eines der her- 
vorragendsten Symptome bildet; bei beiden Affektionen ist die Mit- 
wirkung eines Entkalkungsprozesses auszuschließen, bei beiden sind 
zwei große Prinzipien, ein regressives und progressives oder repara- 
torisches, zu erkennen. Die regressiven Erscheinungen kennzeichnen 
sich durch die Hemmung aller aktiven Vorgänge der Knochenbildung 
und des Knochenwachstums: durch die Hemmung der Kalkablagerung 
in den Knochen und in den Knorpeln der Wachstumszone (osteoiden 
Säumen, Schwund der präparatorischen Verkalkungszone), die Hemmung 
der Apposition von lamellösen Knochen (Knochenatrophie), weiter 
durch die Hemmung des Wachstums der Epiphysenscheiben (ver- 
ringertes Längenwachstum der Knochen) und die Hemmung der Mark- 
raumbildung, infolge welcher der sich bildende Knorpel ungenügend 
und unregelmäßig eingeschmolzen wird (sog. rachitische Knorpel- 
wucherung). Demgegenüber wirkt ein progressiver, als reparatorischer 
anzusehender Prozeß in der Bildung von geflechtartigem Knochen im 
Periost und im fibrösen Mark, der durch mechanische Reizwirkungen 
lokal gesteigert sein kann. Dieser reparatorische Vorgang ist bei der 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 821 


kindlichen Rachitis ein sehr lebhafter, bei der Spätrachitis mäßig, bei 
der Osteomalakie tritt er noch stärker zurück, und bei der senilen 
Osteomalakie fehlt er fast ganz. 

Rachitis und Osteomalakie ist für L. eine identische Affektion, 
die das menschliche Skelett in jedem Lebensalter betreffen kann, die 
aber die erste und im gewissen Grade auch noch die zweite Periode 
des lebhaftesten Knochenwachstums am häufigsten betrifft, und deren 
klinische und anatomische Erscheinungen durch die verschiedenen 
physiologischen Verhältnisse der einzelnen Lebensalter modifiziert sind. 
Die grundsätzliche Trennung von Rachitis und Osteomalakie Virchow'’s, 
nach welchem bei der Osteomalakie Festes weich, bei der Rachitis 


das Weiche nicht fest wird, sei also fallen zu lassen. 
Haeckel (Stettin). 





11) L. Championniöre. New ideas on fractures, of the 
utmost importance to the medical profession and to the lay 
public in connexion with their responsibilities and possible 
legal liabilities. 
(Brit. med. journ. 1908. März 28.) 

Der Pariser Chirurg entwickelt hier seine bekannten Lehren über 
Knochenbrüche und ihre Heilung. Unser Ziel ist funktionelle Heilung. 
Dazu ist die Wiederherstellung der anatomischen Form nicht immer 
notwendig. Böntgenaufnahmen sind ein gutes Hilfsmittel bei Er- 
kennung und Heilung von Knochenbrüchen, aber sie wollen sehr vor- 
sichtig und fachkundig ausgelegt werden. Theorie und mathematische 
Überlegungen spielen eine sehr untergeordnete Rolle gegenüber der 
allein entscheidenden klinischen Erfahrung. Eine Umwälzung ist nötig 
auf dem Gebiete der Knochenbruchheilung, besonders in der Frage 
der Fixation. Selbst bei Heilung in guter anatomischer Stellung kann 
später durch zu frühe Belastung eines weichen Callus eine Stellungs- 
änderung eintreten, ohne daß die Behandlung daran schuld zu sein 
braucht, eine Tatsache, die forensische Bedeutung gewinnen kann. 
Richter und andere Laien nehmen fälschlich an, ein Knochenbruch 
müßte nach festen, unveränderlichen Gesetzen behandelt werden. Über 
diesen Irrtum muß das Laienpublikum aufgeklärt werden, wie einige 
Rechtsfälle uns lehren. Zu diesen vermeidlichen festen Normen ge- 
hören z. B. die Einrichtung eines Knochenbruches, die Fixation, die 
Notwendigkeit der Röntgenaufnahme. Es wäre wichtiger, das Publi- 
kum über die Irrlehre von den festen unverletzlichen Vorschriften auf- 


zuklären als sie in sog. »ersten Hilfeleistungen« zu unterrichten. 
Weber (Dresden). 





12) F. Karewski. Kann der Arzt für Unterlassung einer 
Röntgenuntersuchung verantwortlich gemacht werden? 
(Therapie der Gegenwart 1908. Nr. 3.) 

Verf. weist darauf hin, wie häufig die Röntgenuntersuchung nach 
einer Verletzung eine zwingende Notwendigkeit zur Stellung der Diagnose 


822 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 


und für eine sachgemäße Therapie sowie für eine Kritik des End- 
resultates sein kann. Er erinnert dabei besonders an jene Verletzungen, 
denen man bei der starken Schwellung des betreffenden Gliedes nicht 
ansehen kann, ob eine Fraktur oder Luxation oder beides vorliegt. 
In solchen Fällen ist sofort zu durchleuchten (ein vorhandenes Hämatom 
hindert dabei nicht!), da sonst die beste Zeit zur Korrektion des ver- 
letzten Gliedes versäumt werden und später ein unnötig großer Ein- 
griff oder Funktionsbeeinträchtigung resultieren kann. Für solche 
Dinge ist der Arzt verantwortlich, weil er die kraft seines Amtes von 
ihm zu verlangende Sorgfalt außer acht gelassen hat. Das gilt auch, 
wo bei Unfallverletzten durch Unterlassung einer Röntgenuntersuchung 
eine falsche Auffassung von angeblichen Funktionsstörungen eintritt. 

: Selbst die mehr oder minder große Fertigkeit in der Ausübung 
der Röntgenuntersuchung mahnt zur Vorsicht. Bei Frakturen ist es 
ratsam, stets in mehreren Achsen zu durchleuchten. 

In weiterer Hinsicht kann der Arzt sich Unannehmlichkeiten aus- 
setzen bei der Behandlung der Fremdkörper. Hier tritt auch das 
Röntgenverfahren in seine Rechte, einmal, um festzustellen, ob der 
Fremdkörper überhaupt da ist, und dann event. Falles zur Bestimmung 
des Ortes. Vor jeder Fremdkörperoperation ist zu durchleuchten und 
im Anschluß an die Durchleuchtung sofort zu operieren, da sonst ein 
Ortswechsel stattfinden kann. 

Eine Reihe markanter Beispiele sind der sehr zu beherzigenden 
Abhandlung beigegeben. Silberberg (Breslau), 





13) R. Caminiti. Ricerche ed experimenti sui trapianti mus- 
colari. 
(Policlinico 1908. Vol. XV. 4.) 

Verf. betont die noch schwankenden Ansichten über Möglichkeit 
und Erfolge der Muskellappenverpflanzungen, wie sie bisher von Gluck, 
Helferich, Salvia, Lapurro, Rydigyier ausgeführt wurden. Er 
versuchte daher selbst die Transplantation von Muskellappen, indem 
er einen Muskelbauch entfernte und den entsprechenden Muskel eines 
anderen Tieres in den entstandenen Defekt einpflanzte. In 20 Experi- 
menten an Hunden wurde 11mal ein positives Resultat erzielt, indem 
der transplantierte Muskel in wenigen Tagen ausheilte. Dieses außer- 
ordentlich günstige Ergebnis führt C. darauf zurück, daß er neben pein- 
lichster Asepsis vor allem auf die Gefäß- und Nervenversorgung der zu 
transplantierenden Muskelbäuche Rücksicht nahm. Autonome Muskeln 
mit selbständigen Gefäßen und Nerven wie der Biceps brachii eignen sich 
nicht zur Transplantation, da die Blutzufuhr nach der Verpflanzung 
gestört ist und daher leicht ischämische Nekrose eintritt. Von 
weiterer Bedeutung für das Gelingen der Operation erscheint auch 
exakte Blutstillung und schräge oder noch besser treppenförmige 
Schnittführung durch den Muskelbauch, wodurch eine bessere An- 
passung der Stücke möglich werden soll. Die transplantierten Mukeln 
erholen sich rasch und zeigen elektrische und spontane Erregbarkeit; 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 823 


histologisch läßt sich jedoch lediglich Regeneration durch Binde- 
gewebe nachweisen, das die Muskelwunden und traumatischen Muskel- 
substanzverluste ersetzt. Strauss (Nürnberg). 





14) Wolf. The increase of the osmotic pressure of venous 
blood after the closure of the afferent artery. 
. (Univ. of Pennsylvania med. bull. 1908. April.) 

. W. schließt aus Experimenten an Hunden, daß die osmotische 
Spannung des Venenblutes regelmäßig durch Unterbrechung der 
arteriellen Blutzufuhr vermehrt wird, daß diese Zunahme unmittelbar 
nach der Unterbrechung beginnt und in wenigen Minuten ihren Höhe- 
punkt erreicht. Der Verlauf dieser Drucksteigerung geht also dem 
Auftreten und dem Maximum der Hyperämie, welche auf eine künst- 
liche vorübergehende Blutleere folgt, vollkommen parallel. Das Re- 
sultat dieser Experimente steht in Übereinstimmung mit der Rolle des 
arteriellen Blutstromes, die Gewebe auszuwaschen; wird letzteres ver- 
hindert, so daß die Abfallstoffe, durch die Anämie vermehrt, nicht be- 
seitigt, vielmehr aufgespeichert werden, so muß der osmotische Druck 


des Venenblutes nach Wiederherstellung der Zirkulation vermehrt sein. 
Mohr (Bielefeld). 





15) G. Fichera. Ancora sul meccanismo d'azione dell’ ipere- 
mia de stasi nelle infezioni. 
(Policlinico 1908 sez. chirurgica. Vol. XV, 1 und 2.) 

F. kommt zu folgenden Ergebnissen: Tieren, denen er tödliche 
Dosen virulenter Bakterien in Körpergegenden einspritzte, die gestaut 
waren, verendeten nicht. Das Transsudat von Organen, die infolge 
Stauungshyperämie ödematös wurden, [besitzt kein erhöhtes bakteri- 
zides Vermögen. Pathogene Keime, welche in Bezirke eingespritzt 
wurden, die sich im Zustande der Stauung und einer, wenn auch leich- 
ten serösen Durchtränkung befanden, blieben örtlich lokalisiert. Der 
Eintritt der Septhämie wird verhindert, da der Ubertritt der Bakterien 
in den Kreislauf mechanisch gehemmt ist. In dem infizierten und 
gestauten Gewebe treten zahlreiche Wanderzellen, intensive Phago- 
cytose und rasche Neubildung des Bindegewebes auf. Der Zeitraum, 
innerhalb dessen die Bier’sche Methode zur Behandlung von akuten 
Infektionen wirksam angewandt werden kann, ist beschränkt. Die 
Stauungshyperämie ist ohne Einfluß auf Bakteriengifte. Sie wandelt 
Bakterienprodukte weder um noch neutralisiert sie sie. Sie gewährt 
somit keinen Schutz gegen toxische Infektionen. 

Bevenstorf (Hamburg). 





16) Forster. Schwierigkeiten in der Diagnostik der Hirn- 
tumoren. 
(Berliner klin. Wochenschrift 1908. Nr. 19.) 
Bericht über drei Fälle, wo Herdsymptome vorhanden waren, aber 
trotzdem besondere Schwierigkeiten für die Beurteilung vorlagen. 


824 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 


1) Die Benommenheit des Pat. machte die Untersuchung des 
Lagegefühls und des Tastvermögens unmöglich, doch konnte bei den 
Allgemeinerscheinungen und der doppelseitigen Stauungspapille kein 
Zweifel an der Diagnose Hirngeschwulst und an seiner Lage in der 
linken Hemisphäre bestehen. Bei der Operation (Prof. Köhler) fand 
man, wie zuvor angenommen, die Geschwulst in der Gegend der 
hinteren Zentralwindung und des unteren Scheitelläppchens; sie war 
fünfmarkstückgroß, scharf gegen die Umgebung abgesetzt. Stumpfe 
Auslösung. Später Rezidiv und Tod. 

2) Bei der Diagnose Acusticusgeschwulst war es schwer zu be- 
stimmen, ob der Sitz rechts oder links, wo die Operation also vorzu- 
nehmen war. Da mehr für den rechtsseitigen Sitz sprach, wurde 
hier die Operation (Prof. Bier) vorgenommen und die Geschwulst 
gefunden. Tod. Bei der Sektion stellte sich heraus, daß noch eine 
zweite Greschwulst neben der exstirpierten vorhanden war. 

3) Der Fall ist ein Beispiel für die bekannte Schwierigkeit, die 
Differentialdiagnose zwischen Hydrocephalus und Geschwulst zu stellen. 
Konstante Herdsymptome sprechen gegen Hydrocephalus, jedoch mit 
der Ausnahme, daß solche Herdsymptome, die durch Druck auf basal 
verlaufende Hirnnerven vorgetäuscht werden, ebensogut von Hydro- 
cephalus abhängig sein können, wie von der Geschwulst. 

Bei der von Prof. Hildebrand vorgenommenen Operation fand 
man keine Geschwulst, auf die man gerechnet hatte, doch hatte der 
Eingriff den Erfolg, daß die subjektiven Beschwerden schwanden und 
eine weitere Abnahme der Sehschärfe nicht eintrat. 

Langemak (Erfurt). 





17) E. Siemerling. Zur Symptomatologie und Therapie der 


Kleinhirntumoren. 
(Berliner klin. Wochenschrift 1908. Nr. 13 u. 14.) 

Die durch ausführliche Wiedergabe der Krankengeschichten mit- 
geteilten sieben Beobachtungen bilden einen sehr lesenswerten Beitrag 
für die Diagnose der Kleinhirngeschwülste. Die von Oppenheim zu- 
erst hervorgehobene Areflexie der Cornea hält Verf. für ein wichtiges 
Symptom für die Diagnose der Seite, auf welcher die Geschwulst in 
der hinteren Schädelgrube ihren Sitz hat. Ob das von Babinski be- 
schriebene Symptom der Adiadokokinesis konstant oder pathognomo- 
nisch sein wird, müssen weitere Erfahrungen lehren. Die übrigen 
Symptome gaben im allgemeinen eine Bestätigung der von anderen 
Forschern gemachten Beobachtungen, doch hebt S. mit Recht hervor, 
daß das Fehlen einzelner Symptome durchaus nicht für die Diagnose 
ausschlaggebend ist, daß man auf ein wechselndes Vorkommen und 
schwankendes Verhalten gefaßt sein muß und der ganze Verlauf des 
Leidens, die Aufeinanderfolge der Symptome und ihre Gruppierung 
maßgebend ist. 

Lumbalpunktionen wurden in allen Fällen, bei einzelnen mehrfach 
gemacht, ohne daß bedenkliche Erscheinungen gesehen wurden, und 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 825 


empfiehlt Verf. die Operation sowie die Seitenventrikelpunktion bei 
nötiger Vorsicht zur Entlastung des Druckes bei Kleinhirngeschwülsten. 
Die Ventrikelpunktion ist namentlich da am Platze, wo die Lumbal- 
punktion in ihrer Wirkung versagt; sie wird unter Umständen dazu 
dienen können, den Pat. in einen operationsfähigen Zustand zu ver- 
setzen. Bei sicherer Diagnose der Seite sollte, um der drohenden 
Erblindung vorzubeugen, eine Palliativtrepanation vorgenommen werden. 
Langemak (Erfurt). 


18) Bönninghaus. Lehrbuch der Ohrenheilkunde Mit 


139 Textabbildungen und 1 Taf. farbiger Trommelfellbilder. 
Berlin, S. Karger, 1908. 

Ein neues Lehrbuch der Ohrenheilkunde darf bei der nun ein- 
mal nicht zu leugnenden Uberproduktion wohl nur dann auf Erfolg 
rechnen, wenn es dem Verf. gelingt, seinem Werk ein durchaus indi- 
viduelles Gepräge zu geben. Das ist aber nur möglich, wenn der 
betr. Autor auf bestimmtem Gebiete mit bahnbrechend gearbeitet hat. 
Es ist keine Frage, daß es dem Verf. des vorliegenden Lehrbuches 
gelungen ist, ein eigenartiges Werk zu schaffen. Dazu trägt die kurze, 
prägnante, überaus klare Darstellungsweise ungemein viel bei. Be- 
sonderem Interesse dürften die Kapitel über Schalleitung und überhaupt 
über die Physiologie des Ohres begegnen, Gebiete, auf denen Verf. be- 
kanntlich durch seine Untersuchungen über das Ohr des Zahnwales 
seine besonderen Verdienste hat. Nicht minder anschaulich und durch 
klare, halbschematische Federzeichnungen erläutert, präsentieren sich 
die Kapitel über Folgezustände der Mittelohreiterung,. die verschie- 
denen Formen der Meningitis und ihre Heilbarkeit, Extraduralabszeß, 
Sinusthrombose und besonders über den Hirnabszeß. Auch die Be- 
deutung der Laabyrintheiterung und der Wert der funktionellen Prü- 
fung für die Diagnose derselben ist gebührend gewürdigt. Während 
sehr richtiger Weise die Technik der operativen Eingriffe im wesent- 
lichen den Spezialwerken überlassen bleibt, haben die zerebralen Hör- 
störungen, die Taubstummheit und die Begutachtung von Ohrenkrank- 
heiten eine etwas eingehendere Besprechung gefunden, als sie ihnen 
sonst im Rahmen kurzer Lehrbücher zuteil zu werden pflegt. Es ist 
wohl kein Zweifel, daß sich das Werk, zumal es auch bezüglich seines 
Umfanges die Mitte zwischen Kompendium und großem Lehrbuch hält, 
viele Freunde erwerben wird. Engelhardt (Kassel). 





19) Dieulaf6 et Herpin. Les accidents de la dent de sagesse. 
(Revue de chir. XXVII. année. Nr. 10.) 

Zum Verständnis der vielfachen Störungen, welche mit der Ent- 
wicklung und dem Durchbruch der Weisheitszähne verknüpft sind, 
bringen die Verff. zunächst eine ausführliche Darstellung der in Be- 
tracht kommenden normalen Vorgänge. Während die Ersatzzähne 
des Milchgebisses einfach die Stelle der Milchzähne einnehmen, ist die 
Entwicklung der drei groBen Backenzähne an das Längen- und Breiten- 


826 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 


wachstum des Zahnbogens gebunden, das ausschließlich in dem hinter 
dem zweiten Prämolar gelegenen Abschnitt vor sich geht. Nach viel- 
fachen Messungen, welche die Verff. vorgenommen haben, hat diese 
Strecke bei einem einjährigen Kinde am Unterkiefer 0,5 cm, am Ober- 
kiefer.0,6 cm Länge, beim Erwachsenen an beiden Kiefern aber 3,5 cm. 
Am Unterkiefer setzt sich die Alveolarrinne noch auf die Innenseite 
des aufsteigenden Astes fort, wobei sie sich etwas nach hinten und 
oben erhebt. In diesem Teil entwickelt sich der Weisheitszahn und 
erweitert die hier schmale Rinne, indem er ihre innere Lamelle vor- 
wölbt. Da er sich senkrecht zum Verlauf der Rinne erhebt, so stößt 
seine Krone mit ihrem vorderen Rande gegen den zweiten Molar. 
Das beim Durchbruch stark anschwellende Zahnfleisch wird an dieser 
Stelle eingeklemmt; nach dem Durchbruch bildet es eine Tasche, in 
der Mikroben und Speisereste stagnieren und, unterstützt durch den 
Reiz der Kaubewegungen, zu Entzündungen Anlaß geben, die die be- 
nachbarten Weichteile, Knochen und Lymphdrüsen ergreifen können. 
So entstehen Phlegmonen, die nach der Wange oder dem Halse durch- 
brechen und das Leben gefährden. Am Unterkiefer sind die Schmerzen 
wegen der Nachbarschaft des Canalis alveolaris stets viel heftiger als 
am Öberkiefer, wo der Weisheitszahn sich in der Tuberositas anlegt, 
mit der Längenzunahme des Zahnbogens nach unten rückt und nur 
selten Störungen bei seinem Durchbruch verursacht. Im Unterkiefer 
kommt es dagegen sehr oft zu Verlagerungen des Weisheitszahnes; 
bald bleibt er im Knochen eingeschlossen, oder er liegt verdreht oder 
verkehrt, zuweilen zwischen den Wurzeln oder in der Pulpahöhle des 
zweiten Molars oder in einer Cyste eingeschlossen. Mitunter bricht 
er nach der Haut oder der Incisura mandibulae durch. 

Als Beläge für alle diese Störungen führen Verff. eine Reihe 
eigener und fremder Beobachtungen an; je nach dem Grade unter- 
scheiden sie eine leichte, mittlere oder schwere Form. Die höheren 
Rassen haben darunter viel mehr zu leiden, weil der Skeletteil des 
Unterkiefers kleiner ist als bei den niederen Rassen, der Alveolarteil 
sich also nicht so weit ausdehnen kann. Wegen dieser Raumbeengung 
wird der dritte Molar bei den höheren Rassen oft gar nicht mehr 
angelegt. | 

In der Mehrzahl der Fälle überwiegen die mechanischen Ursachen 
bei den vom Weisheitszahn ausgehenden Krankheitserscheinungen. 
Die Infektion tritt erst sekundär hinzu, kann aber auch schon das 
Zahnsäckchen von dem entzündeten Zahnfleisch aus oder auf dem 
Blutwege befallen. Die Theorie Moty’s (s. dieses Blatt 1901, p. 1165), 
welcher epitheliale Einschlüsse zwischen den Wurzeln der Weisheits- 
zähne, die auf verschiedene Reize hin wuchern, für alle Störungen 
verantwortlich macht, kann nach Ansicht der Verff. nur für besondere 
Fälle gelten. 

Die Behandlung richtet sich nach den allgemeinen chirurgischen 
Grundsätzen; oft wird man den Weisheitszahn opfern müssen. Die 
prophylaktische Extraktion des ersten Molars ist zu verwerfen, da sich 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 827 


Störungen von seiten des Weisheitszahnes dann noch gar nicht voraus- 
sehen lassen. Gutzeit (Neidenburg). 





20) Zeitschrift für Laryngologie, Rhinologie und ihre Grenz- 
gebiete. Herausgegeben von Dr. !Felix Blumenfeldt 
(Wiesbaden). 
Würzburg, Curt Kabitzsch, 1908. 

Die neue Zeitschrift tritt mit alten und neugegründeten in Wett- 
bewerb, und manchem möchten Bedenken auftauchen, ob gerade der 
jetzige Zeitpunkt für die Herausgabe günstig gewählt sei, da eben 
jetzt auch die Zeitschrift für Ohrenheilkunde ihr Absatzgebiet durch 
Aufnahme der Krankheiten der oberen Luftwege erweiterte und sich 
der wertvollen Mitarbeiterschaft Killian’s zu erfreuen hat. Indessen 
ist es dem Herausgeber gelungen, sich einen Stab von zum Teil hervor- 
ragenden Mitarbeitern zu sichern und so eine Garantie dafür zu bieten, 
daß das Ziel, das er sich gesteckt, auch wirklich erreicht werde. Be- 
sonders sei betont, daß die neue Zeitschrift außer der Tracheo- und 
Bronchoskopie, die sie als selbstverständlichen Bestandteil des Spezial- 
gebietes betrachtet; als Grenzgebiete vornehmlich die Osophagoskopie, 
die äußere Chirurgie des Halses, die Erkrankungen der Lunge und 
Haut, soweit sie das Spezialfach berühren, und die Pathologie und 
Therapie der Stimme fördern will. So zählen denn auch hervorragende 
Chirurgen (Gluck) und Interne (v. Noorden) zu ihren ständigen 
Mitarbeitern. Auf dem Gebiete der Ösophagoskopie hat sich der 
Herausgeber der Teilnahme von Starck in Karlsruhe zu erfreuen, der 
in einem sehr lesenswerten Aufsatz die eminenten Vorteile der öso- 
phagoskopischen Behandlung der Fremdkörper der Speiseröhre gegen- 
über der chirurgischen betont und, wie nebenher bemerkt sei, in der 
Wiederempfehlung des Münzenfängers durch Friedrich einen bedeuten- 
den Rückschritt sieht. Erst bei Versagen der Ösophagoskopie, die 
unbedingt der erste Eingriff bei Fremdkörpern in der Speiseröhre sein 
soll, tritt die chirurgische Behandlung in ihre Rechte. Auf dem gleich 
hohen Niveau stehen die meisten der übrigen Beiträge, die zum Teil 
durch ganz vorzügliche Tafeln illustriert sind. Man darf der weiteren 
Entwicklung der Zeitschrift mit Spannung entgegensehen. 

Engelhardt (Kassel). 





21) G. Eckstein. Anatomische Untersuchungen über den 
Zusammenhang zwischen den Halsrippen und Skoliosen. 
(Prager med. Wochenschrift 1908. Nr. 17.) 

Verf. hat ein Material von 46 Fällen von Halsrippen zusammen- 
gestellt. Er ist der Ansicht im Gegensatze zu Garr&, daß Halsrippen 
allein für die Entstehung hochgradiger cervicodorsaler Skoliosen nicht 
beschuldigt werden können, sondern daß andere ätiologische Momente 
für die Erklärung dieser Form von Skoliose herangezogen werden 
müssen. A. Hofmann (Karlsruhe). 





828 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 


22) Berry. The Bier-Klapp suction method as an aid to 
treatment in suppurative conditions of the neck. 
(Albany med. annals 1908. Mai.) 

B. empfiehlt auf Grund einiger Fälle das Klapp’sche Saugver- 
fahren zur Vor- und Nachbehandlung bei der Operation vereiterter 
und perforierter tuberkulöser Halsdrüsen. Durch die Vorbehandlung 
gelingt es, die Mischinfektion rasch zu beseitigen; die Grenzen zwischen 
erkranktem und gesundem Gewebe werden deutlicher, die Wunde 
kann eventuell sofort wieder geschlossen und hierdurch eine ent- 
stellende Narbenbildung vermieden werden. In der Nachbehandlung 
nach der Operation wird durch die Saugbehandlung die Ausheilung 


beschleunigt. Drei von B. mitgeteilte Fälle illustrieren das Gesagte. 
Mohr (Bielefeld). 





23) Garre. La strumectomie dans la maladie de Basedow. 
Les résultats éloignés. 
(Presse méd. 1908. Nr. 17.) 

Die Operationsresultate haben sich gebessert, weil die Pat. früher 
zur Operation kommen. Verf. verwirft die Resektion des Ganglion cervi- 
cale des Sympathicus, welche er zweimal ausgeführt hat, weil technisch 
schwieriger und gefährlicher. Gefäßunterbindung (acht Fälle), ver- 
wendet er nur bei stark vaskulären Kröpfen und frischen Fällen, bei 
denen das Resultat oft auffallend gut ist. Seine Methode der Wahl 
ist die Hemistrumektomie (30mal) in Athernarkose. In einem Falle 
sah er Besserung nach Radiumbehandlung. Jede Operation ist kontra- 
indiziert bei schwer myokarditischen Erscheinungen. 

Der unmittelbare Erfolg der Operationen zeigt sich in der Ab- 
nahme der Pulsfrequenz. Die Kranken fühlen sich viel ruhiger. Am 
geringsten beeinflußt wurde der Exophthalmus. 

Dauerresultate: Unter mehr als 120 Nachuntersuchten aus den 
letzten 5 Jahren war der Exophthalmus in einem Drittel der Fälle 
ganz geschwunden, in einem Viertel wie vor der Operation, in der 
Hälfte/nur noch Spuren. 

Die Tachykardie dauerte weiter in vier Fällen. Bei zwei Drittel 
blieb die Pulszahl unter 92. 

Zwei Drittel der Nachuntersuchten haben noch nervöse Störungen. 
Gewichtszunahmen und Besserung des Allgemeinbefindens bei der 
Hälfte. G. berechnet für sich 16% Heilungen. Die Ansichten, was 
unter Heilung zu verstehen ist, sind sehr verschieden, was daraus zu 
ersehen ist, daß die Ziffern anderer Autoren zwischen 8—72% 
schwanken. Ein großer Teil von G.’s Kranken ist so gebessert, daß 
sie ihren Beruf wieder aufnehmen konnten. Er hat nur einen Todes- 
fall, und zwar während der Operation erlebt, bei gleichzeitiger hyper- 
trophischer Thymus. Es bestehen sicher Beziehungen zwischen Thymus 


und Basedow, welcher Art läßt sich heute noch nicht sagen. 
Deetz (Homburg v.d. H.). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 829 


24) Geis. The parathyroid glands. 
(Annals of surgery 1908. April.) 

Die etwa !/, Zoll langen, gelbbraunen, nierenförmigen Neben- 
schilddrüsen (Epithelkörperchen) besitzen einen Hilus, in den die Art. 
parathyreoidea eintritt. Das Gewebe setzt sich aus unregelmäßigen, 
epithelartigen Zellen zusammen, welche säulenartig angeordnet sind 
und von Bindegewebe durchzogen werden, das seinen Ausgangspunkt 
von einer dünnen Kapsel nimmt. Es werden gewöhnlich vier Drüsen 
— auf jeder Seite der Schilddrüse zwei —, und zwar eine obere und 
eine untere, angetroffen; sie sitzen an der hinteren Fläche der Schild- 
drüsenkapsel fest an. Die obere, mehr nach außen liegende, liegt 
an der Cartilago cricoidea, die untere, mehr nach innen liegende, oft 
unterhalb des unteren Schilddrüsenpoles; sie ist oft schwer zu finden. 
Die Art. parathyreoidea superior entspringt entweder direkt aus der 
unteren Schilddrüsenarterie oder aus einer Anastomose zwischen oberer 
und unterer. Die aus der Art. thyreoidea inferior abgehende untere 
Nebenschilddrüsenarterie ist, wie an schönen Abbildungen erläutert 
wird, ein erkennbarer, direkt von der unteren Schilddrüsenarterie ab- 
gehender Zweig. 

Sowohl die Exstirpation sämtlicher Nebenschilddrüsen, wie die 
Unterbindung der sie versorgenden Gefäße ruft Tetanie und Tod 
hervor. " 

Operativ soll man deswegen bei Exstirpation der Schilddrüse 
folgendermaßen vorgehen: Nach Durchtrennung von Haut, Platysma 
und den Mm. sternohyoidei wird die obere Spitze der Schilddrüse 
vorgezogen und die Art. thyreoidea superior unterbunden. Nachdem 
man hiernach die Drüse noch weiter vorgezogen hat, sieht man die 
Art. parathyreoidea, und distal von ihr unterbindet man die untere 
Schilddrüsenarterie.e Man kann auch dort, wo die unteren Schild- 
drüsenarterien eintreten, eine Klemmzange quer durch die Schilddrüse 
legen und dann distal abtrennen. Auf beide Weisen wird die Art. 
parathyreoidea erhalten. Herhold (Brandenburg). 


25) O. Hildebrand. Beitrag zur Chirurgie des unteren Öso- 
phagusabschnittes. 
(Berliner klin. Wochenschrift 1908. Nr. 12.) 

Verf. erbringt an der Hand einer kurzen Schilderung der Ana- 
tomie der Speiseröhre den Nachweis, daß unserem chirurgischen Können 
Grenzen gesetzt sind, und begründet seine Ansicht, daB die Versuche, 
das Karzinom des unteren Ösophagusabschnittes operativ zu entfernen, 
aussichtslos sind; die Gastrostomie bietet für das Leben der Pat. bis 
jetzt sehr viel mehr als die Resektion der Speiseröhre. Eher gerecht- 
fertigt erscheint die Operation bei dem sehr selten vorkommenden 
tiefen Divertikel des Osophagus. 

Bei Fremdkörpern von rundlicher Form, die nur kurze Zeit in 
der Speiseröhre verweilten, genügt bei hochsitzenden die Osophago- 
tomie, bei tiefsitzenden die Gastrotomie. 





830 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 


Die Entfernung von Fremdkörpern, die längere Zeit in der Speise- 
röhre verweilten, gelingt nur, wenn man Ösophagotomie und Gastro- 
tomie macht und bimanuell arbeitet, manchmal aber auch dann erst 
nach Verkleinerung des Fremdkörpers mit Hilfe des Durchglühens 
oder des Zertrümmerns durch Zange. 

Vor jeder Ösophagotomie soll prinzipiell die Gastrostomie gemacht 
werden, weil dadurch die Aussichten für die primäre Heilung außer- 
ordentlich wachsen. Langemak (Erfurt). 





26) C. Beck. Surgical diseases of the chest. 371 S. 
Philadelphia, P. Blakiston’s son & Co., 1907. 

Der bekannte Neuyorker Chirurg will, wie er im Vorwort sagt, 
seinen Landsleuten, die sich allzusehr auf die Vervollkommnung der 
Bauchchirurgie beschränkt haben, auch die Krankheiten des Brust- 
korbes mehr ans Herz legen. Das Buch bringt eine Menge schöner 
Illustrationen, die zum Teil anderen, meist amerikanischen Werken, 
entlehnt sind. Die Darstellung ist für einen Chirurgen von Fach 
etwas kurz. Verf. selbst betont, daß er mit Rücksicht auf den All- 
gemeinpraktiker mehr Raum auf die Besprechung der Diagnose als 
der operativen Technik verwandt hat. 

Die Darstellung der Skoliose ist äußerst kurz fortgekommen, die 

° Krankheiten der Wirbelsäule fehlen ganz, dafür ist eine sehr lesens- 
werte Abhandlung mit Abbildungen, betreffend subphrenische Abszesse, 
gegeben. 

Die Diagnose durch Röntgenstrahlen wird, der ganzen Richtung 
des Verf.s entsprechend, ausführlich besprochen, dagegen kommt das 
Sauerbruch’sche Verfahren entschieden zu kurz weg. Wenn Verf 
im Anfang als die drei Revolutionen in der Brustchirurgie die Ein- 
führung der Bakteriologie, der Asepsis und der Röntgenstrahlen feiert, 
so mag das für das ganze große Gebiet der Chirurgie stimmen, für 
die Chirurgie des Brustkorbes ist Sauerbruch’s Idee entschieden 
das Epochemachendste in der letzten Zeit gewesen. Auch eine Dar- 
stellung und Gegenüberstellung von Unter- und Überdruckverfahren 
wäre sicher erwünscht gewesen. Goebel (Breslau). 


27) Le Conte. Rupture of the lung without costal injury. 
(Annals of surgery 1908. März.) 

Bei Lungenberstung nach Trauma (Überfahren usw.) tritt eine 
tympanitische Dämpfung über den Lungen infolge Pneumothorax ein; 
wenn in solchen Fällen kein Rippenbruch vorhanden ist, kann es 
zweifelhaft werden, ob es sich nicht um ein Eindringen von Bauch- 
inhalt durch das zerrissene Zwerchfell in die Brusthöhle handeln kann. 
In einem derartigen Falle hatte Verf. die Laparotomie gemacht und 
war dann, als die Eingeweide und das Zwerchfell normal angetroffen 
wurden, erst auf die richtige Diagnose geführt worden. Differential- 
diagnostisch kommt in Betracht, daß bei Eindringen von Bauchinhalt 
in die Brusthöhle der tympanitische Ton nicht, wie es beim Pneumo- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 


831 
thorax der Fall ist, bis in die Lungenspitze hinaufreicht; zweitens 
kommt nur hierbei Erbrechen vor, während es beim Pneumothorax 
fehlt. 

Bezüglich der Behandlung des traumatischen Pneumothorax nach 
Lungenquetschung ohne Rippenbruch. soll nach Verf. rein sympto- 
matisch verfahren werden. Nur wenn Dyspnoe und Puls sehr zu- 
nehmen, kann mit einer Spritze die Luft abgesaugt werden; hierzu 
darf aber nur eine dünne Nadel genommen werden, da sonst leicht 
Hautemphysem eintreten kann. Auch eine Thorakotomie mit nach- 
folgender Einführung eines Drains kann in Frage kommen. 

Herhold (Brandenburg). 


28) Dawbarn. Studies in technique of cancer of the breast 
operation. 
(Annals of surgery 1908. März.) 

D. bespricht zunächst kurz jene Fälle, in welchen ein in der 
Brustdrüse sitzender und von starrem Bindegewebe umgebener, sehr 
kleiner Eiterherd Karzinom vortäuschte und zur Amputation der 
Mamma führte. Sodann schildert er, wie er bei Brustkrebs operiert. 
Er beginnt stets mit der Aus- 
räumung der Achselhöhle, da 
dieses nicht nur verhindert, daß 
Krebskeime in das Blut- und 
Lymphsystem gelangen, sondern 


auch einen geringeren Blutverlust 
bei dem nachfolgenden Aus- 
schneiden der Mamma, des großen 
und des kleinen Brustmuskels 
bedingt, da die diese Muskeln 


5 DDAN 4 N 
mE er N N N 








ZUR N 


\ | 4 7 
gg NN fe 
l 


versorgenden Blutgefäße leicht in 
der Achselhöhle durchschnitten ` 
und unterbunden werden können. 
Während der Operation legt D. 
ferner um beide Beine in der 
Nähe des Rumpfes elastische Bin- 
den derartig an, daß der Puls F í 
weich wird. Die Blutung pflegt | 
dann aus den durchschnittenen 

Muskelästen viel geringer zu sein, bei Abnahme der elastischen Binde 
nach vollendeter Operation wird sie zwar wieder etwas stärker, sie 
kann aber durch Auflegen von in heißes, gekochtes Wasser getauchten 
Kompressen leicht gestillt werden. Ferner wird durch diese elastische 
Umschnürung ein Reservevorrat von Blut bei schwächlichen und 
anämischen Personen geschaffen. Endlich bildet Verf. aus dem M. del- 
toideus durch einen rechteckigen Schnitt einen Muskellappen (D) und 
vernäht ihn mit einem am Schlüsselbein gelassenen Stumpf der Cla- 
vicularportion des M. pectoralis major (P). Auf diese Weise wird 


832 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 


das Heben, die Adduktion und Flexion des Oberarmes nach der Ope- 
ration erleichtert. 

Den Arm fixiert D. nach beendigter Operation nicht am Brust- 
korbe, sondern in einer Stellung nach oben und rückwärts, so daß 
die Hand im Nacken liegt. Hierdurch wird es der Pat. ebenfalls 
möglich, später ihre Hand schneller, z. B. zum Haarmachen, wieder 
zu gebrauchen. Herhold (Brandenburg). 


Kleinere Mitteilungen. 


29) Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins. 


171. Sitzung vom 11. Mai 1908. 
Vorsitzender: Herr Bessel-Hagen. 


1) Herr A. Dietrich: a. Über die granulomartige Form des Lymph- 
drüsensarkoms. 

An der Hand einiger Fälle wird die eigentümliche Erkrankung der Lymph- 
drüsen besprochen, die unter dem Namen der Hodgkin’schen Krankheit im 
engeren Sinne (Kundrat, Paltauf) bekannt und deren Genese vielfach um- 
stritten ist. Früher der Pseudoleukämie zugereiht, wurde sie von Sternberg 
als eine eigentümliche Form der Lymphdrüsentuberkulose aufgefaßt, von anderen 
als eine Infektionskrankheit ‚ohne einheitliche Atiologie (malignes Granulom von 
Benda). Es kommen aber Übergänge in echte sarkomatöse Wucherung vor, und 
D. zeigte in seinen Fällen, daß solche Übergänge ohne jede Anderung im ganzen 
histologischen Aufbau erfolgen. Aber auch bei den anscheinend rein auf die 
Lymphdrüsen selbst beschränkten Fällen ließen sich Einbrüche von charakteristi- 
schem großzelligen Gewebe in Lymphgefäße und Venen feststellen. Daher ist 
D. geneigt, die ganze Erkrankung auch dann, wenn kein Übergreifen auf andere 
Gewebe und Organe ohne weiteres erkennbar ist, als eine eigentümliche Sarkoma- 
tose anzusehen und schlägt den Namen der granulomartigen Form des Lymph- 
drüsensarkoms vor. 

b. Ein Fall von Akromegalie. 

Demonstration der Präparate eines typischen Falles, an dem besonders die 
Konochenveränderungen ausgeprägt waren, starker Schwund der Corticalis mit Auf- 
treibung der Gelenkenden, Gelenkveränderungen wie bei Arthritis deformans, groß- 
artige rachitisähnliche Umwälzungen an den Knochen-Knorpelgrenzen der Rippen. 
Mäßige Hyperplasie der Hypophyse. 

2) Herr Schäfer: Überintermittierende, mit plastischer Operation 
behandelte Hydronephrose. 

8. stellt einen Soldaten im 2. Dienstjahre vor, den er wegen intermittierender 
Hydronephrose operiert hat. Die mächtige Geschwulst war vorn, dicht neben dem 
Nabel, zum Vorschein gekommen. Stürmische Nierenblutungen hatten die Ope- 
ration dringend gemacht. Es fand sich Descensus und Querlagerung der hyper- 
trophischen rechten Niere. Der Harnleiter verlief in der vorderen Wand des 
Sackes und endigte unweit des Ansatzes des Sackes an die Niere. Es lag also 
eine Kombination von Wanderniere und falschem Harnleiteransatz vor. Der Harn- 
leiter wurde, soweit er in der Wand des Sackes verlief, gespalten, die Schleim- 
hautränder mit den Schnitträndern des Sackes vernäht, so daß die Harnleiter- 
mündung an die tiefste Stelle des Sackes zu liegen kam, der Sack reseziert, die 
Nierenbeckenwunde durch Zweietagennaht ohne Drainage geschlossen und schließ- 
lich die Niere an der 12. Rippe befestigt. Heilung ohne Fistel. 

3) Herr Bessel-Hagen: a. Heilung einer tuberkulösen Lungen- 
kaverne durch Operation. 

Die Versuche, auf operativem Wege tuberkulöse Lungenerkrankungen zu heilen, 
haben seither zu starken Enttäuschungen und zur Anschauung geführt, daß man 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 833 


die größeren Eingriffe, die Pneumektomie und auch die Pneumotomie, vermeiden 
sollte. Trotzdem ist nicht jede Operation an der tuberkulösen Lunge zu verwörfen. 
Es erscheint nur fraglich, ob es gelingen wird, die diagnostischen Schwierigkeiten 
zu überwinden und die günstigen Fälle herauszufinden. B.-H. erachtet die In- 
dikation zur Operation dort als zwingend, wo von einer Lungenkaverne aus tuber- 
kulöse Fistelgänge über den Bereich der Lunge hinaus in die Thoraxwand ein- 
gedrungen sind. Zur Gruppe dieser Fälle, von denen einzelne anscheinend mit 
gutem Erfolg operiert worden sind, gehört auch der Pat., den er vorstellt. 


Angeblich war derselbe nur zweimal »an Husten« erkrankt; im August 1906 
bildete sich im oberen Teile der Brustbeingegend, langsam wachsend, ein kleiner 
Abszeß und gleichzeitig über der rechten Clavicula eine geringe Infiltration, die 
in der Tiefe hinter der Clavicula verschwand. Es lag die Annahme nahe, daß 
der Sitz der Tuberkulose, um die es sich handeln mußte, hinter der Brustwand 
zu suchen sei. 


Die Operation, welche im Oktober 1906 von B.-H. ausgeführt wurde, begann 
mit einem "j -Schnitt, Von der Abszeßhöhle aus verliefen Fistelgänge nach rechts 
hin bis in die Schichten des M. pectoralis major, auf der linken Seite um das 
Sternum herum in die Tiefe. Nach ihrer Exstirpation wurde unter Erhaltung 
einer die Sternoclaviculargelenke verbindenden Knochenspange der obere Teil des 
Sternum mit den Rippenansätzen entfernt und dahinter eine zweite, etwas größere 
Abszeßhöhle freigelegt, von welcher wiederum verschiedene Fistelgänge ausgingen, _ 
nach oben in die infiltrierte Supraclaviculargegend hinein, nach hinten zur Wirbel- 
säule und nach rechts unterhalb der 1. Rippe zur Lunge hin. Alle tuberkulös 
erkrankten Teile, gegen die Wirbelsäule hin auch zwei tuberkulös erkrankte Bron- 
chialdrüsen, wurden exstirpiert. Daß diese Drüsen nur zum Teil tuberkulös waren, 
erschien günstig. Im weiteren Verlaufe der Operation mußte der Verfolgung des 
zur rechten Lunge hin verlaufenden Fistelganges zunächst die Resektion eines 
größeren Stückes der 1. Rippe und die Unterbindung der Vasa mammaria int. 
vorausgeschickt werden. Dann folgte die vorsichtige Spaltung der den Fistelgang 
deckenden Weichteilschicht bis zu einer ziemlich großen Lungenkaverne hin, die 
eine dünne, eitrig-trübe Flüssigkeit enthielt. Daß die Wandungen und auch das 
Gewebe vor der Kaverne der Lunge angehörten, konnte mit Sicherheit erkannt 
werden. Übrigens fanden sich an den Wandungen der Kaverne nur wenige Un- 
ebenheiten, nur einzelne käsige Bröckelchen und wenig, was auf eine weitergehende 
tuberkulöse Infiltration hätte deuten können. Vorsichtig wurde mit dem scharfen 
Löffel entfernt, was verdächtig erschien. 

Die Heilung nach dieser, öfters von Hustenstößen unterbrochenen Operation 
wurde durch Tamponade der Lungenhöhle mit Jodoformgaze erzielt. Das Resultat 
ist ein tadelloses und voraussichtlich auch ein gutes Dauerresultat. Der Ernährungs- 
zustand des Pat. ist ein vorzüglicher. An den Lungen sind jetzt keinerlei patho- 
logische Erscheinungen mehr nachzuweisen; und auch auf Röntgenphotographien 
sind nur diejenigen Erscheinungen sichtbar, die auf Veränderungen des knöchernen 
Thorax zurückzuführen sind. (Demonstration.) 

Daß es sich hier um eine tuberkulöse Kaverne handelte, hat die mikroskopische 
Untersuchung erwiesen. Nun haben zweifellos in diesem Falle verschiedene gün- 
stige Momente einen Einfluß aut die Operation ausgeübt. Doch muß immerhin 
eine solche Beobachtung ermutigen, unter bestimmten, günstig erscheinenden Vor- 
aussetzungen bis in die Lungenkaverne hinein vorzudringen und so eine Heilung 
anzustreben. 


b. Die diffuse Myelomatose des Rumpfskelettes. 

Über diese seltene Erkrankung, deren klinische Erscheinungen leicht zu Täu- 
schungen und infolgedessen zu einer fehlerhaften Therapie Anlaß geben, berichtet 
B.-H. im Anschluß an eine Beobachtung, die er soeben gemacht hat. 

Sie betrifft einen 52jährigen Herrn, der zur Operation eines Nierensteines aus 
dem Auslande nach Berlin gekommen war. Wie er angab, hatte er mehrfach an 
Nierensteinkoliken gelitten; auch sollte im Sommer v. J. ein starker Eiweißgehalt 


834 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 


und im Februar d. J. eine Eiterbeimengung im Urin beobachtet worden sein. 
Der Zustand des Kranken war jammervoll. Auffällig war von vornherein, daß 
das Krankheitsbild mehr, als an die Folgen eines Nierensteines, an eine schwere 
Erkrankung der Wirbelsäule erinnerte. 

Für die Beurteilung des Krankheitsfalles kam nun dem Vortr. ein ebenso 
interessanter wie ungewöhnlicher Urinbefund zu Hilfe. Es gelang dem Krankenhaus- 
chemiker Dr. Beckström, festzustellen, daß im Urin weder Serumalbumin noch 
Serumglobulin vorhanden war, wohl aber jener merkwürdige Harnkörper, der als 
Bence-Jones’scher Eiweißkörper beschrieben worden ist. Derselbe ist 
vorzugsweise dadurch ausgezeichnet, daß er sich beim Erwärmen auf 45—60° aus- 
scheidet, bei weiterem Erhitzen auf 100° wieder löst und bei der Abkühlung von 
neuem ausfällt, daß ihn dann Siedehitze wieder zur Lösung und Erkalten wiederum 
zum Ausscheiden bringt. 

Von diesem Harnkörper hat nun der Kranke während der ganzen Zeit der 
Beobachtung nicht weniger als 32—35 g täglich ausgeschieden. Daraus war zu 
entnehmen, daß nicht eine gewöbnliche renale Albuminurie vorlag, sondern offenbar 
eine schwere Knochenmarkerkrankung; denn wo dieser Harnkörper gefunden wurde, 
ist fast in jedem Fall eine schwere Störung im Aufbau des Knochensystems nach- 
gewiesen worden. Hiermit stimmte auch der weitere Verlauf überein, eine wech- 
selnde Druckempfindlichkeit an mehreren Stellen der Wirbelsäule, das Auftreten 
unerträglicher neuralgiformer Schmerzen in der Brust und in den beiden Rumpf- 
seiten, dann das erste Erscheinen einer geringen, aber mehrfachen Deformation 
der Wirbelsäule, und gleichzeitig mit diesen otienbar rasch fortschreitenden Um- 
wandlungen das Einsetzen einer Fiebertemperatur von 39° und mehr. 


Einen in diagnostischer Hinsicht wertvollen Befund ergaben zwei von Dr. Max 
Cohn angefertigte Röntgenbilder insofern, als sie die Rumpfknochen, die Wirbel 
und die Rippen stark durchscheinend, ähnlich wie bei diffus sich ausbreitenden 
Einschmelzungsvorgängen in der Spongiosa, zeigten. 

Weiterhin erschien für die Deutung der pathologischen Veränderungen wichtig 
die Beschränkung der Krankheit auf die Knochen des Rumpfes, der völlig negative 
Befund hinsichtlich solcher Veränderungen, wie sie im Röntgenbilde bei Knochen- 
entzündungen und bei der Mehrzahl der Tumoren sichtbar werden, ferner das 
Fehlen sämtlicher Lymphdrüsenschwellungen und andererseits das Bestehen einer 
geringen Milzvergrößerung und nur mäßiger Blutveränderungen. 

Es lag daher nahe, die Krankheitserscheinungen auf Myelome zu beziehen, 
gleichzeitig aber auch diejenigen Formen des Myeloms auszuschließen, die in um- 
schriebenen Knoten auftreten und mit Lymphdrüsenschwellungen einhergehen. Die 
Annahme, daß es sich um die weniger häufige Form des echten Myeloms, um 
eine diffuse hyperplastische Wucherung der Markzellen mit diffus tortschreitender 
Einschmelzung der Spongiosa handle, ähnlich wie sie Abrikossoff als diffuse 
Myelomatose beschrieben hat, wurde bestätigt, als der Kranke vor 2 Tagen unter 
den |Erscheinungen einer rapide fortschreitenden Kachexie der Krankheit erlag. 
Die Knochen des Rumpfes zeigten sich weich und äußerst fragil, bei Druck 
knisternd, gefüllt mit einer gleichartigen, dunkelroten Markmasse. Eine genauere 
pathologisch-anatomische Untersuchung soll noch vorgenommen werden. 

Für die Diagnose der Erkrankung glaubt B.-H. dem Nachweise des Bence- 
Jones’schen Eiweißkörpers einen besonderen Wert beilegen zu sollen. Er weist 
darauf hin, daß sein Vorkommen außerordentlich leicht übersehen werden kann, 
da die chemische Untersuchung große Sorgfalt erfordert. Oft mögen aus diesem 
Grunde Myelome des Rumpfskelettes verkannt worden sein. 


Diskussion: Herr Max Cohn demonstriert zwei Röntgenbilder eines Pat., 
bei dem auch eine disseminierte Erkrankung des Knochenmarkes anzunehmen ist 
Im Gegensatz zu dem Falle des Herrn Bessel-Hagen ist aber ein relativ gut- 
artiger Prozeß zu konstatieren; es scheint sich um eine bindegewebige Umwand- 
lung des Knochenmarkes mit Zugrundegehen der Knochensubstanz im Sinne der 
Ostitis fibrosa zu handeln. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 835 


4) Herr Fischer: Thrombose der Gallengangkapillaren. 

Verstopfung der Gallengangkapillaren durch Gallenthromben, wie sie Eppinger 
bei toxischem Ikterus (Phosphorvergiftung) und bei cyanotischem Ikterus nach- 
gewiesen hat, mußte bei einem tödlich endenden Falle von schwerem Ikterus als 
Todesursache angesehen werden. 

Es handelte sich um einen 29jährigen Arbeiter, der seit 3 Jahren an wechseln- 
dem Ikterus litt; bisweilen traten kolikartige Schmerzen in der Lebergegend auf; 
Gallensteine konnten im Stuhl nicht nachgewiesen werden. 

Nach dem klinischen Bilde war eine Cholecystitis nicht mit Sicherheit auszu- 
schließen; vielmehr war in der Tiefe eine kleine Resistenz zu fühlen. Bei der 
Laparotomie wurde die Steine enthaltende Gallenblase und der Ductus cysticus 
entfernt. Dagegen zeigten der Ductus hepaticus und Choledochus freie Durch- 
gängigkeit. Trotzdem nahm die Verfärbung an Intensität bis zur Braunfärbung 
der Haut zu; auch traten cholämische Blutungen auf. Am 8. Tage p. op. erlag 
Pat. seinem Leiden. 

Bei der Obduktion fand sich die oben angegebene Verstopfung der Gallen- 
gangkapillaren. Die Atiologie für diesen Krankheitsfall ist leider nicht geklärt. 

5) Herr Bessel-Hagen: Zur Pathologie der Hirschsprung’schen 
Krankheit. 

B.-H. stellt einen 6jährigen Knaben vor, den er trotz seines äußerst elenden All- 
gemeinzustandes durch Operation geheilt hat. Der Knabe bot das typische Krank- 
heitsbild dar. Nach dem Ergebnis verschiedener, nach Einführung einer Kuhn’schen 
Spiraldarmsonde hergestellter Röntgenplatten mußte es sich in diesem Fall um 
eine stark verlängerte und dilatierte Flexura sigmoidea handeln. Wie sich dann 
bei der Operation zeigte, nahmen die Schenkel dieser bis zur Dicke eines Mannes- 
armes aufgeblähten und stark hypertrophisch gewordenen Darmschlinge etwa 3/4 
des ganzen Bauchraumes ein; zugleich aber waren sie unter Bildung eines Vol- 
vulus derart gelagert, daß der zuführende Schenkel vom Colon desc. aus in das 
kleine Becken hinab, dann zur anderen Bauchseite hinüber, und der abfübrende 
Schenkel von dort und von der Oberbauchgegend her an der Hinterwand des 
Beckens abwärts verlief, also zwischen Beckenwand und zuführendem Schenkel 
eingeengt war. Jede Füllung und Dehnung des zuführenden Schenkels mußte so 
zu einem temporären Darmverschluß führen. Die ganze Schlinge wurde nun nach 
Aufdrehung des Volvulus vor die Bauchwand gelagert, mit der Bauchwunde ver- 
näht und nach einigen Tagen abgetragen, so daß nunmehr ein Anus praeter- 
naturalis vorhanden war. Nach einiger Zeit wurde dann der Sporn beseitigt und 
die Darmöffnung durch eine plastische Operation wiederum geschlossen. 

B.-H. betont die Wichtigkeit und Bedeutung der mechanischen Hindernisse 
für das Zustandekommen der Hirschsprung’schen Krankheit und demgemäß 
auch die Wichtigkeit chirurgischen Eingreifens. Für die Reihe derjenigen Fälle, 
zu denen der besprochene gehört, wo bei kongenitaler Anlage einer abnormen 
Schlingenbildung sekundär mechanische Hindernisse eine wichtige Rolle spielen, 
ist jedenfalls eine interne Behandlung zwecklos und oft auch gefahrbringend. Doch 
soll unter Rücksichtnahme auf den geschwächten Allgemeinzustand des Kranken 
der Operation zunächst eine längere Vorbehandlung mit Darmspülungen voraus- 
gehen und beim Operieren selbst der Wagemut nicht zu weit führen. Für die 
Mehrzahl der Fälle wird bei vorsichtigem Vorgehen die zweizeitig ausgeführte 
Resektion der allzusehr verlängerten und erweiterten Schlinge das beste Verfahren 
darstellen, während die übrigen Operationsmethoden entweder Unzureichendes leisten 
oder zu schwierig und eingreifend sind. Der vorgestellte Fall einer solchen Re- 
sektion ist der achte, der geglückt und geheilt ist. Richard Wolff (Berlin). 


30) L. Cheatle. Observations on the incidence and spread of cancer. 
(Brit. med. journ. 1908. Februar 22.) 

Von 56 Hautkrebsen der Hand, die C. sammelte, betrafen 54 den Handrücken 

und von diesen wieder 28 den Bereich des zweiten Metacarpus, 22 den dritten 


836 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 


und vierten. Diese Tatsache widerspricht der Lehre vom Zusammenhang zwischen 
Trauma und Neubildung; denn die Hautkrebse der Hand entsteben eben nicht am 
Orte gehäufter Außenreize, sondern in dem Bereich des Handrückens, in welchem 
die Hautnerven kutan werden. In diesem Zusammenhang mit der Nervenver- 
sorgung der Haut sieht C. auf Grund Head’scher Experimente eine wichtige Be- 
ziehung für die Entstehung von Hautkrebsen. Unter Beifügung erläuternder Ab- 
bildungen beschreibt er noch einige Fälle von Gesichtskrebs, wo seiner Meinung 
nach ein Zusammenhang besteht zwischen Krebsausbreitung und dem Bereich des 
Nervus auricularis magnus. Weber (Dresden). 


31) Groyer. On the thymus gland treatment of cancer. 
(Annals of surgery 1908. April.) 

Verf. hat 16 Fälle inoperabler Krebsgeschwülste (meistens Rezidive) mit Thymus- 
drüsenextrakt behandelt. In allen Fällen, mit Ausnahme von dreien, wurde eine 
temporäre Verkleinerung der Geschwulst und der Drüsen beobachtet, auch be- 
fanden sich die Erkrankten wohler und verloren ihr kachektisches Aussehen. Alle 
erlagen jedoch schließlich der Krebskrankheit, ohne daß .eine deutliche Verlänge- 
rung des Lebens sichtbar geworden wäre. Im Gegenteil trat in einigen Fällen 
der Tod trotz Wohlbefindens und besseren Aussehens scheinbar schneller ein, was 
von @. auf die Bildung eines Toxins infolge der Thymusanwendung bezogen wird. 
In den Fällen, in welchen das Karzinom im Digestionsapparat saß, wurde keine 
Verkleinerung des Tumors erzielt. 

Trotz dieser zweifelhaften Erfolge rät Verf. doch, bei inoperablen Krebsfällen 
Thymus zu verabreichen. Herhold (Brandenburg). 


32) Rosenkranz. Die Fulgurationsbehandlung der Krebse nach 


Keating-Hart. 
(Berliner klin. Wochenschrift 1908. Nr. 20.) 

Nach Beschreibung der Instrumentariums und der Technik werden die Resul- 
tate der Behandlungsmethode besprochen auf Grund der Eindrücke, die der Verf. 
beim Erfinder der Methode gehabt hat. Es sind danach in vielen Fällen zunächst 
Resultate erzielt, die man mit keiner anderen Methode zuwege gebracht hätte. 

1) Unter den Haut-, insbesondere den Gesichtskrebsen, sind selbst schwere, 
weit fortgeschrittene Fälle, bei denen zum Teil der unterliegende Knochen bereits 
mitergriffen war, die zum Teil mehrmals radikal operiert und zum Teil ohne Er- 
folg mit Strahlen behandelt waren, der Heilung zugeführt worden. In den leich- 
teren Fällen hat die Methode den Vorzug der Schnelligkeit und Gründlichkeit. 
Die Epithelisierung der Wunden ist eine rasche, der kosmetische Erfolg oft er- 
staunlich. (Abbildungen.) 

2) Geschwülste unter den äußeren Bedeckungen, also hauptsächlich Brustkrebse. 
Obwohl es sich meist um ulzerierte, weit vorgeschrittene Geschwülste mit zum 
Teil ebenfalls ulzerierten großen Drüsenmetastasen handelte, konnten doch die 
Pat. in vielen Fällen in gutem Zustand erhalten werden, und wenn auch Rezi- 
dive nicht immer ausblieben, so zeigten dieselben einen gutartigen Charakter, so 
= bei erneuter Behandlung auch in diesen Fällen noch Heilung erwartet werden 

ann. 

3) Mit den Erfolgen bei den Geschwülsten der Schleimhäute ist Keating- 
Hart bis jetzt weniger zufrieden, doch reichen die meisten in eine Zeit zurück, 
in der er die elektrische Behandlung noch nicht hinreichend durch chirurgisches 
Vorgehen wirksam machte. Trotzdem sind einige beachtenswerte Resultate zu 
verzeichnen. 

Bei den verzweifelten Fällen von Uteruskarzinom, die von Keating-Hart 
behandelt wurden, wurden im wesentlichen nur palliative Erfolge erzielt. Doch 
= die Beseitigung der Schmerzen, der Jauchung und der Blutung schon ein großer 

winn. 

Wenn auch die kurze seit Beginn der Behandlung verflossene Zeit zur Vor- 
sicht bei der Beurteilung mahnt, so ist doch die gewissenhafte Nachprüfung eine 


Zentralblatt für Chrirugie. Nr. 27. 837 


Pflicht, und zwar eine streng den Absichten des Autors entsprechende, da eine 
unexakte und inkonsequente Anwendung die Methode in Mißkredit bringen könnte. 
Langemak (Erfurt). 


33) M. O. Jogiches. Zur Behandlung der Angiome mittels Elektrolyse. 
(Russki Wratsch 1908. Nr. 9.) 

Die Behandlung ist in folgenden Fällen angezeigt: 1) bei oberflächlichen An- 
giomen des Gesichtes; 2) bei Angiomen der Schleimhäute, und 3) bei tief unter 
der Haut liegenden, nicht scharf begrenzten Angiomen. 

Verf. behandelte 1906-1907 89 Angiome; über das erzielte gute Resultat geben 
vier Paar Bilder (je eines vor und nach der Behandlung) Zeugnis ab. 

E. Gückel (Wel. Bubny, Poltawa). 


34) F. Gardiner. Some experiences with X ray and high-frequency 
treatment. 
(Scottish med. and surg. journ 1908. Februar.) 

G. bringt eine Zusammenstellung der von ihm mit Röntgenbestrahlung und 
hochfrequenten Strömen behandelten Fälle von Lungentuberkulose, Drüsentuber- 
kulose, Skrofuloderma, Bauchfelltuberkulose, Lupus und Kehlkopftuberkulose. Das 
Ergebnis bei zehn Fällen von Lungenphthise lehrt ihn, daß die Behandlung zwar 
ein nützliches, aber kein spezifisches Hilfsmittel ist. Bei neun Drüsentuberkulosen 
glaubt er die guten Erfolge andrer bestätigen zu können. Solange kein Eiter 
nachweisbar ist, wird man BRöntgenbestrahlung mit Erfolg anwenden. Tritt keine 
Heilung ein, so ist das Leiden doch durch Verkleinerung der Operation zugänglicher 
geworden. Ahnlich günstige Erfolge hatte G. bei drei Fällen von Skrofuloderma, 
zwei von Bauchfelltuberkulose, sechs von Lupus. Sein Bericht über Behandlung 
von Rheumatismus, Lumbago, Ichias, Neuralgien, Ataxie, Schlaflosigkeit, Ulcus 
rodens, Brustkrebs, Hauterkrankungen eignet sich nicht zur Wiedergabe, sondern 
muß in der Urschrift eingesehen werden. Weber (Dresden). 


35) 8. F. Proskurjakow. Über die Resultate der vierjährigen Tätig- 
keit des phototherapeutischen Kabinetts im Petersburger Palinkin- 


stadtkrankenhause. 
(Russki Wratsch 1908. Nr. 8 u. 9.) 

Es wurden 73 Pat. mit Lupus und 3 mit Hautepitheliom behandelt; die Zahl 
der Sitzungen erreichte 15871. Schlußfolgerungen: Der Lupus wird vollständig 
ausgeheilt. Bei optisch genauer Einstellung können die Sitzungen von 1 Stunde 
bis zu 3/4, ja selbst 1/, Stunde abgekürzt werden. Bei größeren Exulzerationen 
müssen dieselben zuerst mit anderen Mitteln (z. B. Argentum nitricum) gebessert 
werden. In einigen Fällen wird mit der Zeit die Wirkung des Lichtes schwächer; 
dann erweisen sich Unterbrechungen der Behandlung nützlich. Nach Finsen ist 
vorzüglich heilbar die Dacryocystitis chronica tuberculosa. Das Ulcus rodens läßt 
sich nach Finsen ebenfalls heilen, doch sind Rezidive nicht ausgeschlossen. — . 
Besonders leicht und rasch heilen frische Fälle des Lupus. 

E. Gückel (Wel. Bubny, Poltawa). 


36) Morso und Mandelbaum (München). Neue Gesichtspunkte bei der 


Behandlung eitriger Prozesse. 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 18.) 

In einer kurzen Notiz teilen die Verff. zu dem von E. Müller und Peiser 
auf dem diesjährigen deutschen Chirurgenkongreß gehaltenen Vortrage über die 
Behandlung eitriger Prozesse durch Einbringung von Menschenserum in den Eiter- 
herd mit, daß sie schwere eitrige Kolicystiden bei Mädchen mit Einläufen von 
frischem, unverdünntem Rinderblutserum in die Blase erfolgreich behandelt haben. 
Es trat meist sehr starke »Bakteriozidie« ein. — Anstoß zu den Versuchen gab 
die Beobachtung, daß der Zusatz von Serum zum Cystitisharn im Reagenzglase 
die Leukocyten binnen kürzester Zeit zu lebhafter Phagocytose veranlaßt. 

Kramer (Glogau). 


8385 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 


37) G. Anzilotti. Sopra alcune sostanze atte a favorire l'osteogenesi 


nel ritardo di consolidazione delle fratture. 
(Arch. di ortopedia 1908. Hft. 1.) 

Die Erfolge von Almerini und Colla mit Injektionen von Gelatine bei 
Pseudarthrosen, Osteotomien, Osteomalakie haben A. ermutigt diese Gelatineinjek- 
tionen in einem Falle von Pseudarthrose des Unterschenkels bei einem 26 Jahre 
alten Manne zu machen. 15 Injektionen genügten, um die Pseudarthrose fest zu 
machen, aber es wurden doch noch weitere 15 Injektionen zugefügt, um eines 
definitiven Resultates sicher zu sein. Bei einem 41 Jahre alten Syphilitiker mit 
Pseudarthrose des Unterschenkels schlug die Methode fehl. — Experimente an 
Kaninchen mit Gelatine unter Beimischung von Kalksalzen (Chlorkalzium) hatten 
ein noch besseres Resultat als Gelatine für sich allein. 

E. Fischer (Straßburg i. E.). 


38) Ottenberg. Transfusion and arterial anastomosis. 
(Annals of surgery 1908. April.) 

Die Transfusion von Blut in das Gefäßsystem ist gegen Ende des 19. Jahr- 
hunderts stark diskreditiert worden. Der Grund lag in den verschiedenen Miß- 
erfolgen, die man bei dem Versuch hatte, einem Menschen Blut von einem Tier 
oder defibriniertes Blut in die Blutadern einzulassen. Heute weiß man, daß es 
gefahrlos ist, wenn Blut derselben Spezies in das Blutgefäßsystem übergeführt 
wird. O. glaubt, daß mit den großen technischen Fortschritten, die in der Chirurgie 
mit der Gefäßnaht und den Gefäßanastomosen erzielt sind, die Transfusion wieder 
eine Stelle in der Chirurgie erlangen werde. 

Er machte die Transfusion von Mensch zu Mensch in zwei Fällen. Im ersten 
Falle wurde einem an perniziöser Anämie leidenden jungen Mädchen von einem 
anderen gesunden Mädchen Blut transfundiert, im zweiten Fall einem an Magen- 
karzinom leidenden und durch Blutbrechen erschöpften Manne von seiner Frau. 
Beide Male wurde das zentrale durchschnittene Ende der Art. radialis des Gebers 
mit dem zentralen Ende der durchschnittenen Armvene des Empfängers verbunden, 
im ersten Falle floß das Blut 27 Minuten, im zweiten 17 Minuten lang in die Vene 
ein. Es trat sofort nach dem Überleiten des Blutes eine Erhöhung des Blut- 
druckes, des Hämoglobingebaltes und der Zahl der roten Blutkörperchen ein. 
Beide Pat. fühlten sich stärker und wohler. Leider konnte aber der Tod nicht 
aufgehalten werden; das Mädchen erlag nach einigen Tagen der perniziösen Anämie, 
da die Blutungen aus dem Uterus nicht nachließen, der Mann starb nach der 
wegen Magenkarzinom ausgeführten Laparotomie. 

Die Personen, von welchen das Blut entnommen wurde, zeigten keine wesent- 
lichen Störungen; die Frau des Mannes hatte nicht einmal eine Verminderung 
des Blutgehaltes noch der roten Blutkörperchen, während diese beiden Momente 
bei dem jungen Mädchen vorübergehend vorhanden waren. Das letztere war auch 
nach der Blutentnahme 2 Tage etwas schwach. 

Was die Technik der temporären Blutgefäßanastomose betrifft, so wurde über 
das zentrale durchschnittene Ende der Art. radialis ein dünner silberner Ring 
geführt und über diesen das Ende umgekrempelt, so daß die Intima nach außen 
lag und in ihrer umgekrempelten Lage durch einige feine Silknähte fixiert wurde. 
Nun wurde über dieses Ende das zentrale Ende der Vene herübergestreift und 
durch dünnen, ringförmig umgelegten Silberdraht gehalten; Intima lag so auf 
Intima. Nach der vollendeten Transfusion wurde die Gefäßanastomose durch- 
schnitten und beide Gefäßenden unterbunden. Die Operation wurde beidemal 
unter örtlicher Betäubung ausgeführt. Herhold (Brandenburg). 


39) E. Forgue et P. Roger. L’intervention chirurgicale dans la 
syphilis necrotisante de la voûte cranienne. 
(Arch. prov. de chir. 1907. Nr. 11.) 
Verff. vertreten den Standpunkt, bei schwerer gummöser Knochennekrose des 
Schädeldaches, bei der nicht in kurzer Zeit durch interne Behandlung eine wesent- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 839 


liche Besserung zu erzielen ist, sich nicht mit den bisher üblichen partiellen Ein- 
griffen — Sequesterextraktion, Schabung usw. — abzugeben, sondern frühzeitig den 
erkrankten Knochen mittels ausgedehnter Resektion zu entfernen. Sie empfehlen, 
stets den Knochen des Schädeldaches in ganzer Dicke zu entfernen und berichten 
über drei sehr ausgedehnte Resektionen mit vollständigem Erfolg. In einem Fall 
haben sie fast das ganze knöcherne Schädeldach ohne späteren Schaden für den 
Betreffenden entfernt. Müller (Dresden). 


40) Dobrowolsky. Zur Kasuistik des Fibroma molle. (Aus der IL. 
chirurg. Abteilung der medizinischen Kriegsakademie in Petersburg). 
(Münchener med. Wochenschrift. 1908. Nr. 16.) 

Fall von seit 8 Jahren hinter und über der rechten Ohrmuschel entwickeltem 
weichen Fibrom, das, einem Teil des Schläfen- und Hinterhauptbeines aufsitzend 
und in das Innere der Ohrmuschel eindringend, sackartig bis fast zum Gürtel 
herabhängt. Die Haut der Geschwulst ist verdünnt, zum Teil behaart und ge- 
schwürig. Vollständige Entfernung der gleichmäßig elastisch weichen Geschwulst. 

Kramer (Glogau). 


41) Apelt. Erwiderung auf die Arbeit von Dr. K. Pollack: » Weitere 
Beiträge zur Hirnpunktion.« 

(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie. Bd. XVIII. Hft. 4.) 

Pollack hatte eine Arbeit von A. als Beweis dafür angeführt, daß noch oft 
durch Unterlassen der Hirnpunktion die Aussichten für eine richtige Diagnose 
bzw. Erhaltung des Lebens versäumt würden. A. verwahrt sich gegen diesen Vor- 
wurf, da sieben seiner Fälle einer Zeit entstammen, in der die Methode der Hirn- 
punktion noch nicht publiziert war; im Gegenteil werde in der Abteilung Nonne's 
der diagnostische Wert der Hirnpunktion sehr hoch geschätzt. Zwei Fälle von 
Hämatom, ein subdurales, ein extradurales, wurden so richtig erkannt. An 
zwei anderen Fällen wird gezeigt, wie auch der negative Ausfall der Punktion von 
Wert sei, während weitere Fälle von unterlassener Punktion beweisen, wie wert- 


vollen Aufschluß die Punktion hätte geben können. Haeckel (Stettin). 
42) R. C. Allen. A case of status epilepticus: lumbal puncture: re- 
covery. 


(Brit. med. journ. 1908. April 11.) 

Bei einem 28jährigen Mädchen, das im Laufe von 8 Stunden 36 schwere epi- 
leptische Anfälle durchmachte und anscheinend sterbend war, brachte die Lumbal- 
punktion mit Entleerung von 84 ccm Liquor in der überraschendsten Weise un- 
mittelbar Besserung. Die Kranke wurde geheilt entlassen. Über den weiteren 
Verlauf ist nichts bekannt. Weher (Dresden). 


43) Küttner. Beiträge zur Chirurgie des Gehirns und Rückenmarks. 
(Berliner klin. Wochenschrift 1908. Nr. 12—14.) 

Eine Anzahl von interessanten Fällen aus den Gebieten der Gehirn- und 
Rückenmarkchirurgie werden unter Mitteilung der Krankengeschichten mit Illu- 
strationen geschildert. Hier können nur die Fälle und das Resultat der operativen 
Eingriffe kurz aufgeführt werden. 

Angeborene Mißbildungen: 

1) Cephalocele occipitalis inf. Heilung ohne lokale und allgemeine Störung. 

2) Spina bifida der oberen Brustwirbelsäule. Tod infolge Kompression der 
Medulla oblongata durch ein Sarkom des Plexus chorioideus ventriculi quarti. 

3) Spina bifida occulta mit Defekt des unteren Kreuzbeinabschnittes und des 
Steißbeines; nicht operiert. 

4) Spina bifida occulta des Kreuzbeines mit Geschwulstbildung; Operation 
abgelehnt, deshalb mit Urinal entlassen. 

Verletzungen: 

5) Spätblutung bei Fractura baseos cranii. 9 Tage nach der Verletzung 
Rückkehr zu normalen Verhältnissen und glatter Verlauf. 


840 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 


6) Bruch dreier Halswirbel.e Rein motorische Lähmung beider Arme durch 
intramedulläre Blutung. Vollkommene Heilung. 

7) Isolierte Fraktur des Dornfortsatzes vom 4. Lendenwirbel durch Muskelzug. 
Heilung. 

8) Trophoneurotische Gangrän des rechten Fußes und Wirbelfraktur. Ampu- 
tation. Heilung. 

Entzündliche Erkrankungen: 

9) Akuter Gehirnabszeß nach Fractura cranii complicata. Eröffnung. Heilung. 

10) Akuter traumatischer Gehirnabszeß, enormer Gehirnverfall. Heilung bis 
auf zurückgehende spastische Paresen. 

11) Chronischer Gehirnabszeß des linken Stirnlappens, eine linksseitige Klein- 
hirngeschwulst vortäuschend. Tod nach Freilegung der linken Kleinhirnhemisphäre 
infolge Schluckpneumonie. 

12, Eitrige Meningitis mit Gasbildung. Trepanation. Tod. 

13) Angeborene symmetrische Lähmungen und Deformitäten (Fötale Poliomye- 
litis?). Orthopädische Behandlung begonnen. 

14) Myelitis und Myositis ossificans nach Masern. 

Geschwülste und Cysten: 

15) Erfolgreiche Exstirpation eines Rundzellsarkoms des linken Stirnhirns. 

16) Rundzellensarkom der vorderen Zentralwindung. Exstirpation. Tod. 

17) Craniectomia probatoria bei Gehirngeschwulst. Glatter Verlauf. 

18) Palliativtrepanation bei nicht lokalisierbarer Hirngeschwulst. Fast völlige 
Wiederherstellung. 

19) Cyste der Hirnoberfläche nach Depressionsfraktur. Allgemeine traumatische 
Epilepsie. Operation. Glatter Verlauf. 

20) Laminectomia probatoria (Gliomatose des Rückenmarkes?). Glatter Verlauf. 

21) Rückenmarkspsammon. Operation. Heilung. 

22) Fibrom der Cauda equina. Operation. Heilung. 

Technik: 

Die Infektion der Hirnsubstanz läßt sich am sichersten fernhalten, wenn die 
Wunde vollkommen durch Naht geschlossen wird. Der Nahtverschluß wird er- 
leichtert durch die Entfernung des Knochenlappens, die bei bösartigen Geschwülsten 
schon der späteren Druckentlastung halber anzeigt ist. 

Bei aseptischen Operationen an Kopf und Hals operiert K. nur mit einem 
vollkommen desinfizierten, steril angezogenen und mit Handschuhen armierten 
Narkotiseur. — Die Verschiebung der Abdecktücher wird dadurch verhütet, daß 
sie mit Knopfnähten am Öperationsfeld befestigt werden. 

Der Knochenlappen wird nach Anlegung von Bohrlöchern umschnitten, der 
Borchard’sche Pflug bei dicken Knochen zu Hilfe genommen. 

Soll durch eine Palliativtrepanation eine dauernde Druckentlastung herbei- 
geführt werden, so eignet sich die Trepanationsöffnung über den Kleinhirnhemi- 
sphären (Krause) am meisten, weil 

1) die hintere Schädelgrube in erster Linie von der Entlastung betroffen wird. 
(Rettung der Sehkraft), 

2) der Weichteillappen, welcher die Trepanationslücke deckt, ein besonders 
dicker ist, 

3) die Druckentlastung hier besonders wirksam ist, weil hier sehr große liquor- 
führende subarachnoideale Räume gelegen sind und geöffnet werden. 

Bei Rückenmarksgeschwülsten operiert K. stets einseitig, entfernt immer die 
Wirbelbögen mit Luer’scher Zange, tamponiert niemals und drainiert nur aus- 
nahmsweise, operiert in horizontaler Lage oder leichter Beckenhochlagerung, kom- 
primiert bei stärkerem Liquorabfluß den Duralsack von oben her mit einem kleinen 
. Stieltupfer. Langemak (Erfurt). 


Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 
. an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden. 


Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med -Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau. 
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. 


Zentralblatt für Chirurgie 


herausgegeben von 


K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER, 











in Bonn, in Berlin, in Breslau. 
35. Jahrgang. 
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG. 
Nr. 28. Sonnabend, den 11. Juli 1908. 
Inhalt. 


L A. Peiser, Über das Panaritium der »Melker«. — II. C. Ritter, Ein einfaches Mittel gegen 
Erbrechen beim Atherrausch. (Originalmitteilungen.) 

1) Hirsch, Atherrausch. — 2) v. Brunn, Hautdesinfektion. — 3) Lohnstein, Chronische Ure- 
thritis. — 4) Asch, Urethrotomia interna. — 5) Wossidlo, Erkrankungen des Colliculus seminalis. 
— 6) Englisch, Harnröhrenepitheliom. — 7) Englisch, Leukoplasie und Malakoplakie. — 8) Thelen, 
Chromocystoskopie. — 9) Bandler und Fischel, Funktionsprüfung der Nieren. — 10) Reitter, 
Urämie. — 11) Frank, Stauungsbehandlung in der Urologie. — 12) Wildholz, Nierentuberkulose. 
— 13) Zuckerkandl, Tuberkulöse Pyonephrose. — 14) Kümmell, 15) Holzknecht und Kienböck, 
Nephrolithiasis. — 16) Küster, 17) v. Eiselsberg, Nierengeschwülste. — 18) v. Neugebauer, Herma- 
phroditismus, 

A. Nast-Kolb, Beitrag zur Frage der Sensibilität der Bauchorgane. (Originalmitteilung.) 

19) Sammelbericht über Röntgenbehandlung. — 20) Ruckert, Sanitätsdienst im Hottentotten- 
feldzug. — 21) Thiriar, 22) van Gehuchten, 23) Bordet, Hundswut. — 24) Kuhn, Tetanus. — 
25) Hohmeier, Marmorek’s Antituberkuloseserum. — 26) Schlagintweit, Technik des Verweil- 
katheters. — 27) Lewin, Harnröhrengeschwülste. — 28) Bergmann, Prostatahypertrophie — 
29) Lichtenstern, 30) Pauchet, Bilasengeschwülste. — 31) Lenk, Harnleiterkatheterismus. — 
82) Suter, Funktionelle Nierendiagnostik. — 83) Albrecht, Nierendystopie. — 34) Kretschmer, 
= Kotzenberg, 36) Haynes, Nierenblutung. — 37) Lichtenstern, 38) Wildholz, Nierentuber- 

080. 





I. 
Aus der Breslauer chirurg. Klinik. Direktor: Prof. Dr. Küttner. 


Über das Panaritium der „Melker“. 
i Von 


Dr. Alfred Peiser, 
Assistent der Klinik. 


n unserer Zeit der sozial-politischen und hygienischen Fürsorge ver- 
dient jede Krankheit Interesse, die man als eine Gewerbekrankheit 
bezeichnen kann. Hierher möchte ich eine bestimmte Art des Pana- 
ritiums rechnen, wie ich sie in den letzten Jahren mehrfach in unserer 
Poliklinik zu beobachten Gelegenheit hatte. Es handelt sich um ein 
Panaritium, das sich häufig bei den mit Melken und Reinigen der 
Kühe in großen Meiereien und auf Gutshöfen beschäftigten Melkern 
findet. 
Die Pat., die zur Beobachtung kamen, hatten eine ganz auf- 
fallend starke Schwielenbildung in der Hohlhand und der Beugeseite, 
zum Teil sogar eine gewisse Beugekontraktur der Finger. Die 


28 


842 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 


Schwielen bekommen nun hier und da tiefe Risse, und im Grunde 
dieser Fissuren bilden sich Hauterweichungen und kleine Entzündungs- 
herde, die dauernd gereizt werden durch das fortwährende beim Melken 
erfolgende Eindringen feinster Härchen vom Euter der Kühe. 
Allmählich kommt es zur Bildung einer kleinen Wundfläche, in welche 
diese Härchen geradezu hineingerieben werden. Die meist recht in- 
dolenten Pat. beachten diese Wunden zunächst nicht, sie ziehen sich 
oft die kleinen Härchen, die, von heller Farbe, meist nur 2—3 mm lang 
und so fein sind, daß man sie nur bei sehr scharfem Zusehen bemerkt, 
selbst heraus, und so kommt es zuweilen zu spontaner Heilung. Es 
ist jedoch gewöhnlich keine Dauerheilung, die Wunden brechen wieder 
auf, heilen dann wohl wieder zu, um bald wieder aufzubrechen, und 
dieses Spiel wiederholt sich so lange, als die kleinen Härchen nicht 
aus der Wunde entfernt werden. 

Diese Krankheit der Melker kann man als ein chronisches 
Panaritium bezeichnen. Pathologisch-anatomisch erscheint es als 
eine mehr oder weniger tiefgreifende Entzündung der Haut mit Granu- 
lationsbildung in der Wunde, wie wir sie von den Fremdkörpergranu- 
lationen beim Herauseitern von Seidenfäden kennen. Die Entzündung 
ist teils mehr flächenhaft, teils in die Tiefe gehend. Im letzteren Falle 
bekommt man das Bild von Fisteln, in die man mit der Sonde unter 
der Haut zentimetertief eindringen kann. 

Diese chronischen Panaritien, die allerdings oft akute Exazerbationen 
aufweisen, erfordern zur dauernden Heilung eine bestimmte Therapie, 
und zwar die sorgfältigste Entfernung der als Fremdkörper 
wirkenden und natürlich niemals aseptisch einheilenden Härchen 
durch Exkochleation mit dem scharfen Löffel. Ich führe als Beispiel 
kurz folgenden Fall an: 


R. W., Melker, 21 Jahre alt. Allenthalben finden sich an der Beugeseite 
der Finger und der Hohlhand und an der Streckseite der Daumen dicke Schwielen 
mit tiefen Einrissen. Am rechten Mittelfinger in Höhe der Falte zwischen Mittel- 
und Grundglied findet sich eine sehr druckempfindliche, gerötete Stelle, in deren 
Zentrum ein etwa linsengroßer, schmierigbelegter Granulationspfropf sitzt. Bei der 
Exkochleation mit dem scharfen Löffel entleeren sich eine Menge schlaffer Granu- 
lationen, untermischt mit teils in größerer Menge zusammengeballten, teils einzeln 
liegenden, feinen, weißgrauen Härchen. Nach gründlicher Entfernung der Granu- 
lationen bleibt eine über pflaumenkerngroße Hauttasche zurück. Tamponade mit 
Jodoformgaze, später Schwarzsalbe.. Nach 8 Tagen geheilt entlassen. 


Auffallend war, daß nur männliche Pat. zur Beobachtung kamen. 
Im übrigen ist die Krankheit den Schweizer Arzten, und wahrscheinlich 
auch wohl vielen Landärzten bei uns, wohlbekannt. In unserer 
deutschen Literatur konnte ich jedoch keinerlei Bericht über dieselbe 
finden. Sie verdient unsere Aufmerksamkeit nicht nur in praktischer 
Beziehung wegen der bestimmten Therapie, die zu ihrer Heilung er- 
forderlich ist, sondern, wie ich glaube, auch in hygienischer Hinsicht; 
denn wenn schon der Forderung der Sauberkeit der Hände bei Ent- 
nahme der Milch meist nicht in entsprechender Weise Genüge ge- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 843 


leistet wird, so wird das bei wunden und infizierten Fingern noch weit 
weniger der Fall sein, und darin liegt eine Gefahr, die vielleicht das 
Interesse der Hygieniker wachruft. 


II. 


Aus der chirurgischen Klinik und Poliklinik zu Greifswald. 
Direktor Prof. Dr. Payr. 


Ein einfaches Mittel gegen Erbrechen beim Ätherrausch. 
Von 
Prof. Dr. Carl Ritter. 


D: Atherrausch hat vor den lokalanästhetischen Methoden ‘den 
großen Vorzug, daß er das Öperationsgebiet nicht kompliziert, 
keiner Vorbereitung bedarf und vor allem Zeit spart. Gerade der 
letztere Vorteil ist im poliklinischen Betriebe sehr wichtig. Ich 
mache seit längerer Zeit vom Atherrausch ausgiebigen Gebrauch und 
war bisher stets sehr damit zufrieden. Ich war daher höchst über- 
rascht, als ich vor einigen Monaten erfuhr, daß die Pat. selbst gar 
nicht so sehr davon begeistert waren. So schön die Narkose selbst, 
so unangenehm die Folgen, besonders das Schwindelgefühl und das 
Brechen. Und in der Tat stellte sich bei genauer Nachforschung 
heraus, daB fast sämtliche Pat. nach dem Atherrausch oder kurz- 
dauernder Athernarkose gebrochen hatten. 

Diese Tatsache war mir neu. Denn aus der Klinik wußte ich 
mich nicht zu erinnern, jemals Erbrechen nach Atherrausch oder gar 
besonders häufig gesehen zu haben. Der Unterschied beruht aber 
wohl darauf, daß die Pat. in der Klinik wohl vorbereitet, ohne ge- 
gessen zu haben, zur Operation kommen. In der Poliklinik und auch 
zur Operation pflegt aber wenigstens der pommersche Pat. stets nur 
mit mächtig vollgepfropften Magen zu erscheinen. 

Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß dies Erbrechen zerebralen 
Ursprunges und als Reizerscheinung durch das Gift des Athers auf- 
zufassen ist. _ 

Um dem Übelstand abzuhelfen, benutzte ich daher zunächst das 
Mittel, das wir bei schweren Vergiftungen durch Chloroform stets 
anzuwenden pflegen, die Tieflagerung des Kopfes. 

Aber die Tieflagerung des Kopfes schlug bei meinen Pat. voll- 
kommen fehl. Sie brachen danach genau so wie früher. Auch länge- 
res Liegenlassen und Tieflagerung des ganzen Oberkörpers nützten 
nichts. Ich hatte aber beobachtet, daß das Erbrechen gewöhnlich erst 


ı Die Wirkung dieses Mittels wurde bekanntlich von Nelaton 1861 bei 
Mäusen entdeckt, die er zu Tode chloroformiert hatte und die er dann, weil er 
sie sezieren wollte, am Schwanz hochhielt. Die Tiere kamen wieder zum Leben, 
und N&laton zog daraus den richtigen Schluß, daß die stärkere Blutfülle im 
Gehirn die Ursache war. 


28* 


844 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 


dann anfıng, wenn die Pat. sich aus dieser Lage erhoben und fort- 
gehen wollten. Offenbar war also das Mittel von nicht ungünstigem 
Einfluß, sondern war nur nicht genügend stark oder hielt nicht ge- 
nügend lange vor. 

Deshalb versuchte ich die Blutfülle durch eine Stauung am Halse 
zu verstärken. 

Dies Mittel erwies sich nun als ganz ausgezeichnet. Ich verfüge 
zurzeit über 62 Fälle. Abgesehen von einem Falle, in dem es sich 
um eine länger dauernde Athernarkose von 20 Minuten handelte, der 
also eigentlich gar nicht hierher gehört, habe ich nicht in einem 
einzigen Falle von Atherrausch oder kurz dauernder Ather- 
narkose Erbrechen seitdem gesehen. Die Pat. haben auch 
zu Hause nicht mehr gebrochen. 

Wir legen die Stauungsbinde in der bekannten Weise, aber sehr 
fest an, unmittelbar nach Beendigung der Operation. Es ist dabei 
recht auffallend, wie schnell gewöhnlich die Pat. aus der Narkose er- 
wachen. Die Stauungsbinde wird für 1/),—1 Stunde hinterher getragen; 
am besten liegen die Pat. dabei. Doch ist das nicht unbedingt nötig. 

Die praktische Verwertbarkeit der Methode geht wohl aus der 
Zahl der Beobachtungen zur Genüge hervor. 

Es dürfte sich übrigens wohl lohnen, das Mittel auch einmal beim 
Erbrechen aus anderer Ursache, z. B. beim unstillbaren Erbrechen der 
Schwangeren oder bei Reizzuständen im Gehirn zu versuchen. 

Wie man sich die Wirkung der Hyperämie in diesem Falle zu 
denken hat, ist nicht ganz sicher. Bei der Tuberkulose des Gesichtes, 
bei der ich die Stauung am Halse vor 10 Jahren zuerst angewendet 
habe, sowie bei den akut entzündlichen Erkrankungen des Schädels 
und bei einigen Fällen von Geisteskrankheiten, bei denen dann später 
Bier das Mittel verwandte, wirkt die Stauung wohl in gleicher Weise 
wie sonst an den Extremitäten. 

Später hat Bier das Mittel auch angewandt, um die unangeneh- 
men Folgen der Lumbalanästhesie zu vermeiden. Seine Ansicht, daß 
die Stauung dabei so wirkt, daß infolge des höheren Druckes im Ge- 
hirn der Liquor cerebrospinalis mit seinem Kokain zurückgedrückt 
und dadurch von den höheren Teilen des Rückenmarks und vom 
Gehirn abgehalten wird, ist durch neuere Versuche von anderer Seite 
bestätigt. = 

Eine solche Annahme ist für die Wirkung beim Atherrausch aber 
nicht gut möglich, da der Ather in der Hauptsache auf das Gehirn 
wirkt. 

Ich halte die Wirkung der Stauung am Halse beim Atherrausch 
für eine direkte auf das Gehirn, und zwar in entgiftendem Sinne. Ob 
das so aufzufassen ist, daß das Gift schneller in hyperämischem Zu- 
stand aus dem Gehirn fortgeschafft wird, oder daß das Gehirn durch 
das Gift dann nicht mehr so stark geschädigt werden kann, muß ich 
dahingestellt lassen. 

Für meine Ansicht spricht jedenfalls folgender Versuch: 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 845 


Wenn man einen Menschen, der schon eine starke Stauung am Halse trägt, 
mit Chloroform narkotisieren will, so gelingt es oft sehr lange nicht. Ich habe bei 
einem Jungen 10—15 Minuten gewartet und keine Narkose erzielen können. Als 
ich die Stauungsbinde fortnahm, verfiel er sofort, fast momentan, in tiefen Schlaf. 


Hier haben wir also den umgekehrten Fall wie in den oben mit- 
geteilten Beobachtungen und auch er beweist, daß das anämische Ge- 
hirn für Narkotika leichter angreifbar ist als das hyperämische. 


In ähnlicher Weise habe ich vor kurzem die Stauungsbinde bei einem Hunde 
angewandt, den ich bei meinen Sensibilitätsversuchen durch subkutane und intre- 
muskuläre Injektion von Kokain in schwerster Weise vergiftet hatte. Es traten 
allgemeine Krämpfe auf, und die Atmung setzte aus. Alle anderen Mittel, die 
ich versuchte, künstliche Atmung, Hochhalten an den Hinterbeinen schlug fehl. 
— Amylnitrit, das übrigens bekanntlich sehr starke Hyperämie des Gesichtes 
macht, hatte ich nicht zur Stelle. — Ich verwandte stärksten Grad der Stauung 
am Hals. Das Tier wurde, nachdem es für kurze Zeit noch an den Hinter- 
beinen hochgehalten war, für die Nacht hingelegt. 

Am anderen Morgen, als ich dachte, daß das Tier längst tot sei, lief es ge- 
sund und munter umher. 


Wir sind also offenbar imstande, durch eine Stauungshyperämie 
am Halse die Schädlichkeit von Giften für das Gehirn zu verringern. 
Damit gewinnt dies Mittel eine allgemeinere Bedeutung, über die ich 
demnächst weitere Beobachtungen hoffe bringen zú können. 





1) M. Hirsch. Der Ätherrausch. 
Wien, Franz Deuticke, 1908. 

Die kleine, 49 Seiten starke Abhandlung enthält in klarer Schilde- 
rung das praktisch Wichtigste über den Atherrausch. Das Büchlein 
kann jedem, der sich rasch über diesen Gegenstand informieren will, 
warm empfohlen werden. Müller (Dresden). 


2) M. v. Brunn. Über neuere Bestrebungen zur Verbesse- 
rung und Vereinfachung der Hautdesinfektion. (Aus der 


Tübinger chirurg. Klinik.) Prof. v. Brunn. 
(Münchener med. Wochenschrift. 1908. Nr. 17.) 

Die Frage aufwerfend, ob es zweckmäßig sei, zur Erzielung eines 
doch immer unvollkommenen Desinfektionseffektes einen so großen, 
verwickelten Apparat in Bewegung zu setzen, wie ihn die zahlreichen 
üblichen Hautdesinfektionsmethoden fordern, sucht Verf. nachzuweisen, 
daß die Verwendung des reinen 96 %igen Alkohols als einzigen Des- 
infektionsmittels das zweckmäßigste Verfahren darstelle. Er bestreitet 
zwar nicht, daß der Alkohol in der für die Desinfektion praktisch in 
Betracht kommenden Zeit eine Abtötung der Handbakterien nicht zu 
leisten vermöge, mißt aber dafür seiner schrumpfenden Wirkung durch 
die bei vorher unterlassener mechanischer Hautreinigung die Bakte- 
rien in ihren Schlupfwinkeln festgelegt werden, einen um so höheren 
Wert bei. Um nun diese Alkoholwirkung möglichst lange zu erhalten, ist 


846 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 


es notwendig, jede Aufweichung der Haut zu vermeiden. Verf. glaubt, 
daß dies — eventuell nach Anwendung von Gaudanin oder eines steri- 
len Fettes — durch sterile Gummihandschuhe, die innen reichlich 
mit Talkum eingepudert sind, erreicht wird. Die in der Brunn’schen 
Klinik mit solcher Händebehandlung gemachten, auch bei bakteriologi- 
scher Prüfung bestätigten Erfahrungen waren bisher durchaus günstige. 
Selbstverständlich ist es, daß der Chirurg seine Hände durch Fern- 
halten jeder Beschmutzung, durch gründliche Reinigung nach dieser 
sorgfältig pflege und über Nacht eingefettet halte, vor der Alkohol- 


anwendung aber jede Aufweichung der Haut vermeide. 
Kramer (Glogau). 





3) Lohnstein. Erfahrungen über eine neue Behandlungs 
methode der chronischen Urethritis. 
(Zeitschrift für Urologie Bd. I. Hit. 11.) 

Die neue Methode besteht in einer Ausschabung der Harnröhre, 
die L. mit einer in einem katheterartigen Metallinstrument gedeckt 
liegenden Doppelcurette ausführt. Das Instrument kann zugleich zum 
Ausmessen der Harnröhre gebraucht werden. 

Die Behandlung geschieht in mehreren Sitzungen in Intervallen 
von 8—14 Tagen; dazwischen wird mit Höllenstein und übermangan- 
saurem Kali gespült. Zur Ausführung gehört eine gewisse Routine, 
da sonst leicht Blutungen auftreten. 

Als Operation der Wahl hat L. seine neue Methode dann an- 
gewandt, wenn 1) die Kaliberuntersuchung der Harnröhre, ausgeführt 
mit der Doppelcurette, auf Infiltrate von besonderer Kürze in der 
Gegend des Bulbus hinwies; 2) in Fällen von Hämospermie mit Schmerz- 
empfindung während des Beischlafes, die meistens auf Wucherungen 
in der Gegend des Caput gallinaginis zurückzuführen sind, und hat 
gute Erfahrungen damit gemacht. 

Im übrigen hat er die Methode erst ausgeführt, nachdem die 
üblichen Behandlungsmethoden versagt und die Ausmessung des 
Harnröhrenkalibers alsdann die Abwesenheit von Infiltraten ergeben 
hatte. Es sind besonders einige bestimmt charakterisierte Gruppen 
von chronischer Urethritis, deren Beschreibung sich nicht im kurzen 
Referat wiedergeben läßt, in denen die Ausschabung Aussicht auf 
Erfolg hat. 

Zum Schluß wird noch ein Instrument, das aus einer Kombination 
des Goldschmidt’schen Irrigationsendoskops mit einer Curette be- 
steht, beschrieben, welches die Ausschabung unter Leitung des Auges 
gestattet. Fehre (Dresden). 





4) Asch (Straßburg). Die Urethrotomia interna und die Aus- 
schabung der Strikturen in urethroskopischer Beleuchtung. 
(Zeitschrift für Urologie Bd. II. Hft. 3.) 

Durch dieKontrollierung des Heilungsverlaufes nach Durchtrennung 
von Strikturen der Harnröhre konnte A. relativ frühzeitig das Ent- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 847 


stehen von Rezidiven erkennen; das Rezidiv ist nach ihm bedingt durch 
wucherndes Narbengewebe, das bei der Urethrotomia externa an der 
oberen Wand, bei der Urethrotomia interna an der unteren Harnröhren- 
wand, bei der Urethrektomia im Schnittbereich Leisten und hahnen- 
kammartige Wülste bildet. Verf. war nun imstande, durch wieder- 
holtes Ausschaben dieser harten, schwieligen Stellen im Urethroskop 
die Rezidive so günstig zu beeinflussen, daß er neuerdings Strikturen 
von vornherein erfolgreich mit Ausschabung angeht. — Die Urethro- 
tomie und Einlegung einer Dauersonde ist aber unerläßlich bei retro- 
strikturalen Entzündungen und Infektionen. Bei tuberkulösen strik- 


turierenden Prozessen hat das Verfahren der Ausschabung keinen Erfolg. 
Kroemer (Berlin). 





5) Wossidlo (Berlin. Die Erkrankungen des Colliculus 
seminalis und ihre Beziehungen zu nervösen und ander- 
weitigen Störungen in der Urogenitalsphäre und zur sexuellen 
Neurasthenie. 
(Zeitschrift für Urologie Bd. II. Hft. 3.) 

Verf. lenkt das Augenmerk der Urologen wieder auf eine in der 
neueren Literatur fast unbekannte Reihe von Veränderungen des 
Colliculus seminalis die in der Regel nach chronischer Gonorrhöe, 
selten nach Masturbation, Exzessen in venere usw. auftreten, meist in 
akuter Hyperämie, Schwellung, Infiltraten, Cysten- oder Schwielen- 
bildung im Caput gallinaginis bestehen und zu lästigen Empfindungen 
in der Pars posterior (Kitzel, Druck, Hitzegefühl, Schmerz) beim 
Sitzen, bei der Miktion und Kohabitation, zu Erektionen und Pollutionen, 
sowie zur Spermatorrhöe und zu blutigen Ejakulationen führen. Zur 
Diagnose und Behandlung empfiehlt W. das von ihm verbesserte, 
modifizierte Urethroskop Loewenhard’s. Die Behandlung besteht in 
Atzungen des Colliculus mit Jodtinktur, 10-20 iger Argentum nitri- 
cum-Lösung oder mit dem Lapisstift, schließlich in Stichelungen mit dem 
Galvanokauter. Polypen wurden mit heißer Schlinge abgetragen. 
Besonders disponiert sind unter den Gonorrhoikern Reiter und Rad- 
fahrer. — Akute gonorrhoische Prozesse sind natürlich Kontrain- 
dikation gegen jede Urethroskopia posterior. Kroemer (Berlin). 





6) Englisch. Das Epitheliom der männlichen Harnröhre. 
(Folia urologica Bd. I. Nr. 1.) 

Auf Grund von 48 Fällen obiger Krankheit, unter denen. drei selbst 
beobachtete sind, kommt E. zu folgenden Ergebnissen: 

Die Epitheliome der männlichen Harnröhre sind an sich selten, 
bleiben jedoch manchmal durch Verwechslung mit periurethralen Ab- 
szessen unerkannt. Das Alter von 40—60 Jahren wird am häufigsten 
betroffen. 

Die Ursachen pflegen lange zurückzuliegen. Fast die Hälfte der 
Fälle schließt sich an Urethritis gonorrhoica an. Daneben seien 


848 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 


Trauma und embryonale Verlagerung und zunächst gutartige Neu- 
bildung genannt. 

Den Ausgangspunkt bildet proliferierendes Harnröhrenepithel. Als 
Hauptsitz kommt dieselbe Gegend wie bei Strikturen in Betracht (also 
von dem Winkel zwischen dem hängenden Teil des Gliedes und dem 
Hodensacke bis zum Anfange des prostatischen Teiles). 

Die wichtigsten Krankheitszeichen sind: Harnbeschwerden, wie 
bei sonstigen Hindernissen, spontane Blutungen, jauchig werdender 
Ausfluß, harte Schwellung der Inguinaldrüsen, Kachexie. Die genauere 
Untersuchung ergibt einen fühlbaren Knoten der Harnröhrenwand und 
bei Sondierung einen elastischen Widerstand. Endoskopisch findet 
man eine zerfallende Geschwulst. 

Die Behandlung besteht in einer möglichst radikalen Operation. 
Einschnitte und Auslöffeln waren ohne Erfolg, günstiger die Erfolge 
der Amputatio penis. Nach den Erfolgen der Emaskulation soll man 
nicht vor den eingreifendsten Operationen zurückschrecken, da auch 
die Exzision der Harnröhre nicht vor Rezidiven schützt. 

Die Kasuistik ist anhangsweise kurz beigefügt... Von E.’s drei 
eigenen Fällen sind nur zwei genauer beschrieben. Sie traten beide 
lange Jahre nach einem Tripper auf und waren bereits so weit vor- 
geschritten, daß sie nicht mehr radikal operiert werden konnten. Sie 
gingen marantisch zugrunde. Sein dritter nur kurz erwähnter Fall 
zeichnete sich durch massenhafte Leukoplakie des vorderen Teiles der 
Harnröhre aus. Fehre (Dresden). 





7) Englisch. Über Leukoplasie und Malakoplakie. 
(Zeitschrift für Urologie Bd. I. Hft. 8 u. 9.) 

Die Arbeit bringt eine Zusammenfassung der bisher erschienenen 
Veröffentlichungen über diese beiden anscheinend eng zusammen- 
gehörigen Krankheiten, die mit zwölf verschiedenen Namen bezeichnet 
werden: Pachydermie, Leukoplakia, Leukoplasia allgemein, Psoriasis 
membranae mucosae, Leukokeratosis, Maculae luteae, Plaques opalines, 
Epitheltrübungen, Cholesteatom, Xerosis, Metaplasie, Malakoplakia. 
Eine eigene Beobachtung von Leukoplasie der Harnröhre bei Lithiasis 
urethrae und die fremde Kasuistik sind beigefügt. 

Das Wesen der Leukoplasie besteht in einer Wucherung des 
Epithels der Schleimhaut mit Vermehrung, öfters auch Verhornung 
der oberflächlichen Schichten und kleinzelliger Infiltration der Um- 
gebung. Sie kommt an allen Teilen der ableitenden Harnwege vor, 
am eichtesten aber auf Pflasterepithel; 9 Fälle der oberen Harnwege 
(Nierenbecken und Ureter), 27 der Blase, 14 der Harnröhre sind von 
E. in der Literatur gefunden worden. Hauptsächlich schlechte Er- 
nährung und Tuberkulose, aber auch andere Erkrankungen, wie Gicht, 
Rheumatismus, bestimmte Ohrerkrankungen werden als disponierend 
angeschuldigt. Die Hauptursache ist aber ein entzündlicher Vorgang 
chemischer oder mechanischer Art; obenan stehen Blennorrhöe, Steine, 
auch häufige Höllensteininjektionen. Die Erkrankung kann zugleich 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 849 


an mehreren Stellen, ja sogar über das ganze System ausgebreitet sein, 
sie ist beim Mann häufiger als beim Weibe beobachtet worden, kommt 
in jedem Alter vor, wenn auch die oberen Harnwege mehr im jugend- 
lichen (20—40 Jahre) und die Harnröhre mehr im höheren Alter 
(50—60 Jahre) befallen werden. Die Flecken, die als Verdickung der 
Schleimhaut erscheinen, sind bis fünffrankstückgroß, von verschiedener 
Form und meist weißlicher Farbe. Eine Hauptstütze der Diagnose 
bildet die Endoskopie, der Harnbefund ist nicht charakteristisch. Der 
Verlauf ist von sehr langer Dauer; ob eine Ausheilung ohne operativen 
Eingriff stattfindet ist nicht sichergestellt. Bezüglich der Behandlung 
hat sich ergeben, daß Trinkkuren und Einspritzungen ätzender und 
adstringierender Substanzen nicht zur vollständigen Heilung führen, 
aber die Begleiterscheinungen bessern. Unzuverlässig ist das Auskratzen 
ohne Eröffnung der Blase, günstiger lauten die Erfolge bei Aus- 
löffelung mit hohem Blasenschnitt, am günstigsten bei vollständiger 
Entfernung der erkrankten Teile durch Thermokautor oder Exzision. 
Von Malakoplakie sind bisher 18 Fälle beobachtet worden; davon 
nur zwei am Liebenden, die übrigen sind Sektionsbefunde. Auch für 
sie ist herabgesetzter Allgemeinzustand disponierend; Cystitis scheint 
stets dabei zu sein. Das Wesen der Erkrankung besteht in Vorragung 
der Blasenschleimhaut, zusammengesetzt aus einer Masse großer Zellen, 
eingelagert in ein spärliches Gerüst mit ausgedehnten Kapillaren und 
gewisse Eisenreaktion gebende Einschlüsse enthaltend neben Bakterien. 
Der Sitz ist fast ausschließlich die Blase, meist das Trigonum; die 
Flecken sind rundlich oder oval, von kaum sichtbarem Knötchen an 
bis zu 10 mm Ausdehnung, von gelblicher oder grauweißer Farbe 
mit einer Delle an der Spitze, welche in Ulzeration übergehen kann. 
Es handelt sich um einen entzündlichen Vorgang, der sich der Leuko- 
plasie nähert, mit der er wiederholt beobachtet wurde. Das Bild ist 
noch nicht genügend geklärt. Fehre (Dresden). 


8) Thelen (Köln). Über den diagnostischen Wert der Chromo- 
cystoskopie bei chirurgischen Nierenerkrankungen. 
(Zeitschrift für Urologie Bd. II. Hft. 2.) 

Verf. injiziert 20 ccm einer 0,4%igen Indigokarmin-Kochsalzlösung 
und beurteilt aus dem Sekretionstypus (Beginn und Konzentrations- 
stärke des sezernierten Indigokarmins) die Funktionsfähigkeit beider 
Nieren. Die Resultate stimmten mit den vergleichenden kryoskopischen 
Bestimmungen und den Phloridzinproben (quantitativer Zuckernachweis!) 
größtenteils überein. T. hält die Methode für eine wertvolle Unter- 
stützung des Harnleiterkatheterismus und der funktionellen Diagnostik. 
Die kranke Niere sondert später als die gesunde den Farbstoff ab. 
Statt der normalerweise eintretenden dunkelblauen Färbung kommt 
ein ungefärbter oder nur grünlich gefärbter Harnleiterstrahl. Fehlen 
der Sekretion auf einer Seite spricht für Harnleiterverschluß oder 
Fehlen der einen Niere. »Die Chromocystoskopie markiert die Harn- 
leitermündungen und bildet also eine Schule für den Harnleiter 

IREA 


850 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 


katheterismus.« Sie erlaubt dem Praktiker und dem Chirurgen die- 
selben diagnostischen Schlüsse auf die Funktion der Nieren, wie die 
Kryoskopie und die Phloridzinprobe, deren Ergebnisse auch nicht 
immer einwandsfrei sind, und deren Ausführung für den Praktiker zu 
zeitraubend ist. Die Chromocystoskopie stellt dagegen ein sehr ein- 
faches Verfahren dar. — Kurze anschauliche Kranken- und Operations- 
berichte erläutern die obigen Gesichtspunkte. Kroemer (Berlin). 





9) Bandler und Fischel (Prag). Die Funktionsprüfung der 
Niere (Phloridzin) bei Quecksilberzylindroidurie und der 
Ablauf der Nylander’schen Reaktionen in Quecksilber- 
zuckerharnen. 
(Zeitschrift für Urologie. Bd. II. Nr. 1.) 

Verff. vermochten durch sorgfältige Versuche (Phloridzininjektionen 
mit nachfolgender qualitativ-quantitativer Bestimmung der Zuckeraus- 
scheidung) bei normalen und luetischen Personen nachzuweisen, daß 
die Einverleibung von Quecksilbermengen, wie sie bei den gangbaren 
Behandlungsmethoden üblich sind, eine vorübergehende hochgradige 
Zylindroidurie und Zylindrurie herbeiführt, aber eine ernstere funk- 
tonelle Störung der Nieren nicht hervorruft. Die von Bechstein 
stammende Behauptung, daß quecksilberhaltige Harne von Syphilitikern 
trotz der Anwesenheit von Zucker die Nylander’sche Wismutprobe 
nicht geben, wird als zu Unrecht bestehend nachgewiesen. 

Es wäre wünschenswert, ähnliche funktionelle Nierenuntersu- 
chungen an Operateuren anzustellen, welche auf Sublimatdesinfektion 
unangenehm reagieren. Kroemer (Berlin). 





10) Reitter. Die Indikationen für den Aderlaß mit nach- 
folgender Kochsalzinfusion in der Therapie der urämischen 
Störungen. 86 S. 

Wien, Franz Deuticke, 1%7. 

R. kommt auf Grund eines reichen klinischen Materials — in der 
Arbeit sind nur Musterbeispiele angeführt — zu dem Ergebnis, daß 
alle Nephrosen mit urämischen Störungen sich durch Aderlaß mit 
nachfolgender Infusion günstig, wenn auch nicht in gleicher Stärke, 
beeinflussen lassen. 

Bei den urämischen Störungen der akuten Nephrosen sind In- 
fusion und Aderlaß ein wirksames Heilmittel, das auch das Grund- 
leiden günstig beeinflußt und daher unbedingt indiziert ist. 

Bei den urämischen Störungen der chronischen Nephrosen ist die 
günstige Wirkung abhängig von dem Grade der anatomischen Nieren- 
schädigung; der Erfolg hängt von der Quantität und Qualität des 
spezifischen Epithels ab. Bei nur geringer Atrophie des Nieren- 
parenchyms ist der Erfolg gut, aber von kurzer Dauer. Bei akuten 
Nachschüben dieser Formen ist bei Ausbruch urämischer Erschei- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 851 


nungen Aderlaß und Infusion indiziert. Bei ausgeprägten Atrophien 
des Parenchyns ist der Erfolg so gering und so rasch vorübergehend, 
daß der Eingriff nicht indiziert ist; nur symptomatisch zur Milderung 
einer urämischen Erscheinung, wie z. B. des Kopfschmerzes, kann er 
hier im Einzelfall ausnahmsweise vorgenommen werden. 

Die allgemein gültigen Kontraindikationen des Aderlasses: schwer 
geschädigtes Herz, hochgradige Arteriosklerose, besonders der Hirn- 
arterien, weitgehende Zerstörung des Lungengewebes, schwere Blut- 
verluste, abnorme Blutzusammensetzung, gelten auch für alle Nephrosen. 

Fehre (Dresden). 





11)E. R. W. Frank. Über Anwendung der Bier’schen Stau- 
ung in der Urologie. | 
(Med. Klinik 1908. p. 787.) 
Auf Grund eigener Erfahrungen (Krankengeschichten) befürwortet 
F. lebhaft die Stauung bei Gelenkentzündungen nach Tripper (baldige 
Schmerzlinderung und Abschwellung der Gelenke!) sowie die Saug- 
behandlung bei tuberkulöser und nichttuberkulöser Fistelbildung, bei 
Tuberkulose der männlichen Geschlechtsteile, bei Bubonen (erhebliche 
Abkürzung der Krankheitsdauer, Wegfall größerer chirurgischer Ein- 
griffe und ihrer oft üblen Folgeerscheinungen, insbesondere Narben- 
bildung [Entstellung, Lymphstauung usw.]). Eine vom Kranken selbst 
zu handhabende Saugglocke mit Spritze für das Schröpfverfahren am 
Hoden wird empfohlen. (Abbildung.) Georg Schmidt (Berlin). 





12) Wildholz (Bern). Experimentell erzeugte, aszendierende 
Nierentuberkulose. 
(Zeitschrift für Urologie. Bd. VI. Nr. 1.) 

Bisher war es nur gelungen, eine aufsteigende Nierentuberkulose zu 
erzeugen, wenn der Urinstrom unterbrochen wurde, so durch Harn- 
leiterunterbindung mit tuberkelbazillenhaltigem Faden (Baumgarten), 
oder durch nachfolgende Injektion von Tuberkelbazillen in den unter- 
bundenen Harnleiter (Albaran, Bernard und Salomon). 

W. spritzte Kaninchen von der mit stumpfer Kanüle durch- 
stochenen Blase aus Perlsuchtbazillen in den Harnleiter einer Seite 
und sah in den meisten der Versuchsfälle Tuberkulose des Nieren- 
beckens und der Niere in der Markzone danach entstehen. Durch 
vergleichende Tuscheinjektionen kam W. zu der Überzeugung, daß 
das injizierte Virus jedesmal sofort ins Nierenbecken gelangte, dort 
haften blieb und retrograd die Niere infizierte. Bei einer zweiten Ver- 
suchsserie brachte er die Bakterienaufschwemmung in die Blase, welche 
er für 10—15 Minuten unter einen Füllungsdruck von 2 cm Queck- 
silber setzte. Auch hierdurch erzielte er Aszension der Tuberkelbazillen 
bzw. des infizierten Blaseninhaltes in das Nierenbecken und retrograde 
Niereninfektion. Die tuberkulösen Veränderungen saßen im Nieren- 
becken in der subepithelialen Nierenschicht und folgten den die 

* 


852 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 


Gefäße begleitenden Bindegewebszügen bis tief in die Markschicht hinein. 
Die Beteiligung der Harnleiterlymphbahnen bei der Ausdehnung des 
Prozesses glaubt W. ganz ausschließen zu können. 

Die Versuche sind eine ernste Mahnung, bei pathologisch affı- 
zierten Blasen nur mäßige Auffüllungen vorzunehmen, um eine Rück- 
stauung des Urins in das Nierenbecken, von welcher sich Ref. in 


pathologischen Fällen wiederholt überzeugen mußte, zu vermeiden. 
Kroemer (Berlin). 





13) O. Zuckerkandl (Wien). Die geschlossene tuberkulöse 
. Pyonephrose. 
, (Zeitschrift für Urologie. Bd. VI. Nr. 1.) 

Z. bringt in vorliegendem Aufsatz die Beschreibung von drei 
interessanten Fällen, in welchen bei erwiesener Tuberkulose der Blase 
nur eine Niere vorhanden zu sein schien. Nur diese war zu tasten, 
nur der betreffende Harnleiter sondierbar und sezernierend. Zur 
klaren Diagnosenstellung wurden beide Nieren in einer Sitzung frei- 
gelegt. Dabei ergab sich jedesmal der Hauptherd der Erkrankung 
in der nicht sezernierenden Niere. Die Tuberkulose hatte zu schwie- 
liger Verödung und Schwund des Nierenparenchyms geführt. Das 
Nierenbecken war durch eine vom Hilus ausgehende Fettwucherung 
verschlossen. Die Veränderung kann offenbar latent, ohne örtliche 
Symptome, zustande kommen. Demnach kann es sich in jedem als 
Solitärniere imponierenden Falle um einseitige Nierensklerose handeln. 
Die Diagnose ist dabei sehr erschwert, zuweilen ohne Freilegung 
beider Nieren unmöglich. Trotz der geringfügigen örtlichen Sym- 
ptome ist eine solche Niere eine stete Gefahr für den Pat., da bestän- 
dig neue miliare Prozesse von den älteren Herden ausgehen und die 
Nachbarschaft gefährden können. Die operative Entfernung der 
sklerotischen Niere bietet auch bei tuberkulöser Infektion der ander- 
seitigen funktionierenden Niere günstige Aussichten für die Besserung 
des Allgemeinleidens. Kroemer (Berlin). 





14) Kümmell (Hamburg-Eppendorf). Diagnostik und Thera- 
pie der Nephrolithiasis. 
(Zeitschrift für Urologie Bd. II. Hft.3 u. 4.) 

Nach einer kurzen historischen Einleitung über die Geschichte 
der Nierensteinkrankheit geht K. zunächst auf die Symptomatologie 
und Diagnose der Nierensteine ein. Von ätiologischen Faktoren 
werden Traumen, schwere Rückenmarksverletzungen, Fremdkörperreiz 
(Parasiten, Bakterien, Pilze) angeführt. Das Prädilektionsalter scheint 
zwischen dem 22. und 45. Lebensjahre zu liegen. Frauen sind in 39% 
aller beobachteten Fälle beteiligt; unter den an Harnleitersteinen 
Leidenden befanden sich sogar */, weibliche Pat. Praktisch unter- 
scheidet K. nicht zwischen primären und sekundären, d. i. durch ent- 
zündliche Prozesse verursachten Steinen, sondern er trennt die asep- 
tischen von den mit Infektion einhergehenden Fällen. Der Ausgang 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 853 


der Erkrankung in Nierenverödung ist selten, der in Pyonephrose die 
Regel. Von den gewöhnlich angeführten Symptomen sind weder der 
Schmerz, der Steinabgang, die Blutung noch die Anurie sichere Er- 
kennungszeichen der Nephrolithiasis. Die Nierensteindiagnose ist im 
wesentlichen eine Ausschließungsdiagnose. Verwechslungen mit Appen- 
dicitis, Gallensteinen und Nierenerkrankungen anderer Art sind keine 
Seltenheit. Großen Wert legt K. auf ein gutes Röntgenbild. Von 
101 bei der Operation entfernten Steinen konnten 91 im Röntgenbild 
nachgewiesen werden. Vorzügliches Plattenmaterial, gute, weiche 
Röhren bei 3 Minuten-Exposition, bestimmte Lagerung und Vor- 
bereitung der Pat. sind erforderlich zur Erreichung befriedigender 
Bilder. Neben Übersichtsbildern werden Detailaufnahmen mit Kom- 
pressionsblenden angefertigt. Erst wenn die Wirbelkörper und der 
Psoasschatten klar hervortreten, wird die Aufnahme als zuverlässig 
angesehen. 

Ist die Diagnose der Nephrolithiasis so gut wie gesichert, so setzt 
die Feststellung der fraglichen Nierensuffizienz oder -Insuffizienz ein. 
Die genaue Urinuntersuchung in bakteriologischer, physikalischer und 
chemischer Beziehung geht voran. Die Cystoskopie, der Harnleiter- 
katheterismus und die funktionelle Nierendiagnostik (Bestimmung der 
Urate, der Molekularkonzentration, des Phloridzindiabetes) müssen 
unterstützt werden durch die Kryoskopie des Blutes. Auf letztere 
legt Verf. im Gegensatz zu Israel und Rovsing den größten 
Wert. — Sinkt der Gefrierpunkt des Blutes d auf — 0,6 oder 
darunter, so hält K. die Nephrektomie für lebensgefährlich und daher 
unstatthaft, weil die zweite Niere gleichfalls insuffiziert sein müsse. 
In solchen Fällen ist bei dringender Indikation nur die Nephrotomie 
am Platze. — Die Pyelotomie wird von K. wegen der Neigung zu 
langwieriger Fistelbildung nicht bevorzugt. Die Entfernung der kranken 
Niere darf nur dann vorgenommen werden, wenn man sich von dem 
Vorhandensein einer funktionstüchtigen anderseitigen Niere überzeugt 
hat. Anurie spricht fast stets für doppelseitige Erkrankung, die sog. 
reflektorische Anurie konnte K. nie beobachten. Bei 101 Pat. wurden 
wegen Nephrolithiasis (einschließlich von acht sekundären Nephrek- 
tomien) 109 Operationen ausgeführt. 51 aseptische oder leicht infi- 
zierte Nierensteine wurden durch Nephrotomie entfernt ohne Todes- 
fall. Von 44 schwer infizierten Fällen starben dagegen 3, bei welchen 
nur die Nephrotomie vorgenommen worden war. 20 Nephrektomien 
bei infizierter Niere verliefen ohne Todesfall. 

Je frühzeitiger der Eingriff vorgenommen wird, um so günstiger 
ist der Verlauf. — Die erzielten Resultate (bei 95 nicht Anurischen 
eine Gesamtmortalität von 3,1%) sind erstaunlich günstig. Das 
interessante Referat K.’s schließt mit intimeren Details der Technik, 
welche zur Vermeidung der Blutung nach Nephrotomie und Drainage 
des Nierenbekens dienen sollen. Die Freilegung beider Nieren ist 
nicht selten notwendig, wenn die Diagnose uns im Stiche läßt und die 
zuerst freigelegte Niere keine Steine enthält. Die letzteren sind erst 


854 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 


nach Ausführung des Sektionsschnittes mit Sicherheit zu tasten. Die 
Durchgängigkeit des Harnleiters bis in die Blase ist am Schlusse der 
Operation in jedem Falle zu prüfen. Kroemer (Berlin). 





15) @. Holzknecht und R. Kienböck (Wien). Radiologische 


Diagnostik der Nephrolithiasis. 
(Zeitschrift für Urologie Bd. DH. Hft 5.) 

Der vorliegende Aufsatz der beiden Wiener Röntgenologen 
beleuchtet alle Schwierigkeiten der röntgenologischen Nierenstein- 
diagnostik. Verff. empfehlen individualisierendes Vorgehen, in der 
Regel Aufnahmen in Rückenlage mit der Kompressionsblende nach 
Albers-Schönberg bzw. mit dem H.-K.’schen Zylinder oder dem 
Robinsohn’schen Faszikelrohr. Die Röhre wird in 40 cm Fokus- 
distanz von der möglichst frischen Platte angebracht. Das Licht 
muß kräftig, aber weich bis mittelweich sein. 3—6 Minuten Exposi- 
tionszeit genügen. Als Entwickler benutzen Verff. eine Kombination 
von Metol und Hydrochinon. Standentwicklung ist unpraktisch. — 
Die Platten werden im elektrischen Schaukasten, event. mit dem Opern- 
glas im finsteren Zimmer betrachtet. Jenach dem Ausfall unterscheiden 
Verff.: a. brillantes Bild (Wirbel, Rippen, Psoas und Nierenkontur 
sind klar gezeichnet); b. gute Aufnahme (zeigt alle Einzelnheiten, aber 
weniger kontrastreich); c. schlechte, unbrauchbare Aufnahmen (mit 
unklarer Zeichnung). Die brillanten Bilder zeigen sogar die Knochen- 
struktur in den Skeletteilen. Bis auf Steine, welche aus reiner Harn- 
säure bestehen, erweisen sich ziemlich alle anderen als röntgenoopak 
und erscheinen also auf der Platte. Die Versager schätzen die 
Verff. auf etwa 2%. Diese Versager betreffen Fälle, in welchen vor- 
handene Steine im Röntgenbild nicht nachzuweisen waren oder in 
welchen trotz Steinschatten auf der Platte — bei der Operation Steine 
nicht gefunden wurden. — Einer Literaturübersicht über die Statistiken 
anderer Beobachter lassen die Verff. eine Auswahl von Röntgenbildern 
aus ihrer eigenen Sammlung folgen, auf welchen alle Einzelnheiten und 
Details mit Hilfe zugehöriger Konturskizzen leicht zu erkennen sind. 
Die intrarenalen Steine markieren sich seitlich von den Nierenwirbeln 
innerhalb der Nierenkontur oder an ihrem Rand als runde, ovale, 
dreieckige, gelappte oder geweihartig verzweigte Schatten, während 
Harnleitersteine schmal und länglich sind. Bei starker respiratorischer 
Verschieblichkeit ist der Steinschatten doppelt konturiert. Besteht 
der geringste Zweifel über die.Natur eines Schattens, so sind wieder- 
holte Aufnahmen nach Abführen erforderlich, und zwar in mehreren 
Richtungen, event. stereoskopische Aufnahmen oder das Doppelplatten- 
verfahren. 

Falsche Schatten werden dann verschwinden. Der Schluß ent- 
hält eine Zusammenstellung aller Momente, welche differentialdia- 
gnostisch in Betracht kommen können (Fremdkörper- Narben, Kot- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 855 


ballen, knochenhaltige Dermoide, Prostatasteine, Phlebolithen usw.). 
— Näheres in dem lesenswerten Original. Kroemer (Berlin). 





16) Küster (Charlottenburg). Diagnostik und Therapie der 
Nierentumoren. 
(Zeitschrift für Urologie Bd. II. Hft. 1.) 

K. bringt zunächst eine Zusammenstellung der älteren diagnosti- 
schen Maßnahmen zur Feststellung einer Nierengeschwulst und warnt 
vor der Neigung, sie zu vernachlässigen und einzig durch die moderne 
Funktionsprüfung sich leiten zu lassen. Die letztere, insbesondere die 
Phloridzinprobe, muß freilich stets den Ausschlag geben bei der Indi- 
kationsstellung für oder gegen die Operation. K. fordert weiterhin 
eine genaue Erforschung der pathologisch-anatomischen Unterschiede 
und das Studium des verschiedenartigen klinischen Verlaufes der ein- 
zelnen Geschwulstformen. Epinephrome, Epinephroide und Sarkome 
sind z. B. sehr verschieden in ihrer Entstehung, Form, Wachstumsart 
und Prognose. Daher ist es nicht angängig, in Sammelstatistiken alle 
Neubildungen als Krebs der Niere zusammenzufassen. Erkennung 
der Geschwülste im ersten Entwicklungsstadium ist das erstrebenswerte 
Ziel. Die Therapie besteht in der Nephrektomie nur in Ausnahme- 
fällen (kleine Geschwulst der zweiten Niere) in der Keilexzision. Das 
retroperitoneale Operationsverfahren ist nur bei ganz beweglicher Niere 
am Platze; bei vorgeschrittenen Neubildungen empfiehlt sich trans- 
peritoneales Vorgehen, Entfernung der Niere mit Fettkapsel, Neben- 
niere und den Lymphdrüsen derselben Seite, wenn möglich mit vor- 
gängiger Unterbindung der Nierengefäße. Die Lumbalanästhesie ist 
namentlich für geschwächte Individuen empfehlenswert. Geschwülste, 
die bereits metastasiert haben und schwer beweglich sind, sollen nicht 
mehr operiert werden. Auch hier ist das transperitoneale Vorgehen 
als Probelaparotomie vorteilhaft. Kroemer (Berlin). 





17) v. Eiselsberg (Wien). Diagnose und Therapie der Nieren- 
tumoren. 
(Zeitschrift für Urologie. Bd. IL. Nr. 1.) 

v. E. faBt als Nierengeschwülste Karzinome, Sarkome, Hyper- 
nephrome und embryonale Drüsengeschwülste zusammen. Das Streben 
des modernen Chirurgen muß auf möglichst frühzeitige Diagnosen- 
stellung gerichtet sein. In der Anamnese sind Traumen, Symptome 
von Steinbildung besonders wichtig. Die Inspektion belehrt über die 
Ausbreitung der Geschwulst (Venektasien, Drüseninfektion, Beinödem, 
Pigmentierungen, Epheliden). Die Röntgenuntersuchung weist wenig- 
stens die Kontur der Niere nach. Die Suche nach Metastasen 
(Mamma!), die lokale Untersuchung und Tastung (Aufblähung des 
Dickdarmes) auch vom Mastdarm bzw. von der Scheide her wird uns über 
manches Aufschluß geben. Die Cystoskopie, die Harnleitersondierung 


856 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 


liefert den Harn jeder Seite getrennt zur chemischen und funktio- 
nellen Diagnosenstellung. — Neben der Kryoskopie, deren Wert in 
letzter Zeit angefochten worden ist, scheint besonders die Phloridzin- 
probe im Sinne Kapsammer’s wichtig. — Die Therapie kann nur 
in der Nephrektomie bestehen (Ausnahmen machen Hufeisennieren 
und doppelseitige Geschwülste). v. E. wählt mit Vorliebe den lum- 
balen Operationsweg, öffnet aber das Peritoneum, um vom Bauch aus die 
andere Niere zu tasten. Von 20 Operierten verlor er primär 7 (Mor- 
talität — 35%). Davon entfallen 3 Todesfälle auf 6 transperitoneale 
Operationen, für welche v. E. allerdings die schweren Fälle auswählt. 
Von den zunächst überlebenden 13 Pat. sind nur noch 5 am Leben. 
Die übrigen starben innerhalb 2 bis 34 Monaten nach der Operation. 

Wegen dieser ernsten Diagnose hält v. E. es für geboten, bei 
unsicherer Diagnose und begründetem Verdacht auf Neubildung die 


Niere freizulegen und eventuell durch Sektionsschnitt zu eröffnen. 
Kroemer (Berlin). 





18) F. L. v. Neugebauer (Warschau). Hermaphroditismus 
beim Menschen. 
Leipzig, Werner Klinckhardt, 1908. 

Der unermüdliche Sammler und Forscher, dessen Namen durch 
seine fleißigen Studien über den Hermaphroditismus und »Erreur de 
sexe« wohlbekannt ist, hat uns in vorliegendem, 748 Seiten um- 
fassenden Werk ein »Encheiridion« geschaffen, welches einen Mark- 
stein in der Erforschung der sexuellen Zwischenstufen darstellt. — 
Die Wichtigkeit dieses, mit zahlreichen Abbildungen versehenen Stan- 
dardwerkes geht weit über die Grenzen des medizinischen Interesses 
hinaus. Lehrer und Seelsorger, Juristen und Psychologen werden in 
dem Buche erwünschte Belehrung finden. 

Der wissenschaftliche Pathologe, wie der praktische Arzt und der 
Operateur findet in der Fülle der reichen Kasuistik und in den klaren 
zusammenfassenden Schlußkapiteln bei jedem zweifelhaften Falle sicher 
analoge Erfahrungen früherer Beobachter, so daß er sehr wohl im- 
stande sein dürfte, seinen eigenen Fall richtig zu werten und richtig 
sozial zu beraten. Als besonders wertvoll erscheinen mir neben dem 
wohlgelungenen Eingangskapitel über die historische Entwicklung der 
Anschauungen vom Zwittertum die wissenschaftlichen Auseinander- 
setzungen über die Entwicklung des normalen und pathologischen Ge- 
schlechtsapparates, bei deren Schilderung er sich an Kollmann, 
Nagel und Bayer anlehnt, und das gründliche Eingehen auf den 
psychischen Zustand und die soziale Stellung der Hermaphroditen. — 
Die Stellung einer anatomischen Diagnose über den Bau und die 
eventuell vorhandene oder fehlende Funktion dieses oder jenes soma- 
tischen Geschlechtscharakters ist oft weniger wichtig, als die psychische 
Wertung der seelischen Zwitternatur. Die vom Verf. gesammelten Fälle, 
in welchen Hermaphroditen infolge der fehlerhaften Beurteilung von 
seiten der Arzte und Erzieher durch Selbstmord ihren seelischen Leiden 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 857 


ein Ende zu machen suchten, sind eine ernste Mahnung für die Ärzte 
und für den Staat, der auch diesen Individuen gegenüber die Pflicht 
hat, ihnen ein menschenwürdiges Dasein voll Befriedigung zu garan- 
tieren. Hoffen wir, daß diese Lücke in der Gesetzgebung, welche auf 
Hermaphroditen bisher nicht Rücksicht nimmt, bald ausgefüllt sein 
wird. 

In diesem Sinne verfolgt Neugebauer’s Werk neben seiner 
praktisch-medizinischen Bedeutung einen für die gesamte Gesellschafts- 
ordnung wichtigen Aufklärungsdienst und muß auch in dieser Hin- 
sicht als verdienstvolles Unternehmen genannt werden. 

Der klare und nie ermüdende Stil des Verf.s, seine anschauliche 
Darstellungsweise sind zu bekannt, als daß ich weitere Worte darüber 
machen dürfte. Das Werk spricht für sich selbst und wird wohl bald 
in keiner Bibliothek fehlen. Wer auf dem einschlägigen Gebiet arbei- 
ten will, wird dem Verf. für seinen eminenten Fleiß Dank wissen. 

Kroemer (Berlin). 


Kleinere Mitteilungen. 


Aus der chirurg. Abteilung des Katharinenhospitals in Stuttgart. 
Direktor: Prof. Dr. Steinthal. 


Beitrag zur Frage der Sensibilität der Bauchorgane. 
Von 


Dr. A. Nast-Kolb, 
Oberarzt der Abteilung. 


n der Nr. 20 dieses Zentralblattes teilt Ritter seine Erfahrungen über die Sensi- 
bilität der Bauchorgane am Tiere mit. Er will diese Ergebnisse zwar nicht ohne 
weiteres auf die Sensibilität des Menschen übertragen, neigt aber, auch nach seinen 
persönlichen Erfahrungen bei Operationen, der Ansicht zu, daß die Bauchorgane 
Schmerzempfindung besitzen. Für einen besonderen Prüfstein hält er die Unter- 
bindung von Gefäßen in der Bauchhöhle. Demgegenüber möchte ich die Beob- 
achtungen mitteilen, die ich anläßlich von Hernienoperationen und Laparotomien 
teils als Assistent an der Heidelberger Klinik, teils am Katharinenhospital in 
Stuttgart an nicht narkotisierten Pat. habe sammeln können. Bei diesen Ope- 
rationen wurde die Eröffnung der Bauchhöhle bzw. des Bruchsackes in lokaler 
Anästhesie mit Novokain vorgenommen, ohne jede Narkose, nur nach voraus- 
geschickter Morphiuminjektion von 0,01 bis höchstens 0,015 Morphium. Bei den 
Operationen der Hernien mußte ich mehrmals größere Netzpartien abbinden und 
abtragen. Sowohl Unterbindung wie Durchschneidung des Netzes verursachten 
keine Schmerzen. Zweimal habe ich bei eingeklemmten Brüchen mit Gangrän des 
Darmes Darmresektionen von 15—20 cm Länge gemacht. Die Unterbindung und 
Durchtrennung des Mesenteriums war vollkommen schmerzlos. Das eine Mal wurde 
die zirkuläre Darmnaht ausgeführt, das zweite Mal nach Verschluß der Darmlumina 
eine seitliche Anastomose mittels Murphyknopfes angelegt. Die Manipulationen am 
Darm: Durchtrennung, Naht, Druck beim Vereinigen des Knopfes, haben keinerlei 
Schmerzen ausgelöst. 
Ebenso wie der Darm ist meiner Ansicht nach auch der Magen unempfindlich. 
Bei mehreren Gastrostomien habe ich den Magen eröffnet und eine Witzel’sche 
Fistel angelegt, ebenfalls nach Durchtrennung der Bauchdecken unter lokaler 
Novokainanästhesie. Auch diese Eingriffe am Magen waren zweifellos schmerzfrei. 


858 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 


Dagegen löst jeder Zug am Mesenterium, am Peritoneum, am Bruchsack, am 
Darm oder am Magen sofort die heftigsten Schmerzen aus. Ebenso ist das Zurück- 
bringen von Magen oder Darm in die Bauchhöhle, sobald man einige Gewalt an- 
wenden muß, wohl wegen der unvermeidlichen Zerrungen am Mesenterium und 
wegen des Druckes auf parietales Peritoneum recht schmerzhaft. 

Daß die Schmerzlosigkeit der Eingeweide bei den Operationen der Novokain- 
wirkung zuzuschreiben ist, scheint mir, beim Menschen wenigstens, nicht wahr- 
scheinlich; denn dann müßte sich die Anästhesie auch auf das Peritoneum parie- 
tale erstrecken, was aber nicht der Fall ist. Ebenso ist auch die vorausgeschickte 
Morphiumdosis zu gering, um die Anästhesie der Eingeweide zu erklären. 

Erfahrungen an Tieren in dieser Hinsicht besitze ich nicht, für den Menschen 
aber fand ich die Tatsache, in Übereinstimmung mit Lennander’s Ansichten, be- 
stätigt, daß operative Eingriffe am Netz, Magen und Darm schmerzlos sind. Ob 
die Durchtrennung mit dem Thermokauter weh tut, weiß ich nicht. Ich habe 
keine Gelegenheit gehabt, ihn zu benutzen. 

Damit soll aber nun durchaus nicht behauptet werden, daß unsere inneren 
Organe überbaupt keine Empfindung besäßen. Müller (Grenzgebiete der Medizin 
und Chirurgie 1908 p. 600) hat in sehr einleuchtender Weise dargetan, daß unter 
gewissen Umständen doch in inneren Organen Schmerzempfindungen ausgelöst 
werden können. Ob freilich seine Erklärung der Schmerzen innerer Organe als 
Schutzvorrichtung im Kampfe ums Dasein für alle Fälle ausreicht, lasse ich dahin- 
gestellt. Mir scheint diese teleologische Auffassung doch etwas zu weitgehend. 

Ein Punkt bedarf, glaube ich, bei der Prüfung der Schmerzempfindung am 
Menschen größerer Berücksichtigung, als er bisher gefunden hat. Je mehr man 
sich mit dem lokalen Anästhesierungsverfahren beschäftigt, um so häufiger fällt 
auf, eine wie große Verschiedenheit bei einzelnen Individuen in bezug auf Schmerz- 
empfindung besteht. Aber nicht nur einzelne Individuen, sondern auch ganze 
Bevölkerungsklassen und Rassen lassen in dieser Hinsicht, was übrigens allgemein 
bekannt ist, große Unterschiede erkennen. Wer abwechselnd mit mehr ländlicher 
oder städtischer Bevölkerung oder mit verschiedenen Volksstämmen bat arbeiten 
müssen, wird die Beobachtung der verschiedenen Toleranz gegen Schmerzempfindung 
bestätigt gefunden haben. Ich möchte deshalb auf diese Unterschiede bei der 
Beurteilung der Schmerzempfindung während der Operation am nicht narkoti- 
sierten Menschen noch besonders hinweisen. 


19) Sammelbericht über Röntgenbehandlung von chirurgischen und 
Hautkrankheiten von März 1907—1908. 
(8. Zentralbl. f. Chir. 1905, Nr. 11; 1906, Nr. 16; 1907, Nr. 22.) 


Die Forschung auf dem Gebiete der Röntgenologie ist auch im verflossenen 
Jahr eifrig fortgesetzt worden. Eine große Anzahl von Mitteilungen über physi- 
kalische Vorgänge in den verschiedenen Apparatteilen, über technische Neuerungen, 
Anderungen, Verbesserungen finden wir in den einschlägigen Zeitschriften des 
In- und Auslandes, und eine fast unübersehbare Kasuistik in diagnostischer und 
therapeutischer Hinsicht ist in diesen enthalten. Große Anregung und Befruchtung 
bat die uns hier näher angehende Röntgentherapie erfahren durch den Wettkampf 
mit den anderen Zweigen der >»Aktinotherapie«, wie Müller alle Zweige der Be- 
strahlungsbehandlung gemeinsam bezeichnet wissen will. Der Wettbewerb führte 
Physiker und Techniker in gemeinsamer Arbeit mit Arzten zur Erforschung der tech- 
nischen Möglichkeiten und der biologischen Wirkungsweise zusammen. Solchen An- 
regungen verdankt namentlich die Lupusbebandlung mancherlei Fortschritte. Rein 
aus technisch-physikalischen Überlegungen ging ein Verfahren hervor, dessen Grund- 
lagen zwar schon 1905 in der Med. Klinik Hft. 21 und 22 veröffentlicht, dessen 
praktische Verwendung aber erst im letzten Jahr erprobt wurde. Es handelt sich 
um die Homogenbestrahlung nach Dessauer. Er wurde angeregt durch eine 
Arbeit von Perthes über Absorption der Strahlen in verschiedenen Tiefen des 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 859 


Gewebes (Fortschritte VIII). Durch theoretische Erwägungen kam er dahin, daß 
bei starker Penetrationskraft der Strahlen der ganze Körper bomogen durchstrahlt 
wird, wenn er in so großer Entfernung von der Strahlenquelle sich befindet, daß 
kürzere Strecken keinen wesentlichen Unterschied in der Stärke der Bestrahlung 
machen. Technisch hat Dessauer es nun verstanden, eine Apparatanordnung zu 
bauen, daß so harte Röhren, wie sie bisher noch nicht in der Heilkunde üblich 
waren, über 200 Stunden lang ohne Anderung des Vakuums dauernd betrieben 
werden können. Da die chemische Wirksamkeit so harter Strahlen sehr gering 
ist — in etwa 100 Stunden wird 1H. (Holzknecht’sche Einheit) erzielt, müssen 
die Kranken tagelang der tatsächlich homogenen Behandlung ausgesetzt werden, 
was für sie aber ohne Belästigung geschieht; denn sie liegen oder halten sich auf 
in einem Zimmer, in dem die Röhren unter der Decke, für sie gar nicht bemerk- 
bar, angebracht sind. So sind sie dauernd deren Strahlung ausgesetzt. Über die 
biologische und therapeutische Wirkung ist bisher noch nichts mitgeteilt, doch 
sind Versuche an verschiedenen Stellen im Gange. Ich habe absichtlich diese 
Technik etwas weitläufiger besprochen, da sie für die Therapie, wenn sie praktisch 
das hält, was sie theoretisch verspricht, eine ganz außerordentlich wichtige Neue- 
rung bedeutet und weite Perspektiven eröffnet auf Behandlung mancher Leiden, 
die heute für die Röntgentherapie noch ganz unzugänglich sind. 

Die Arbeiten Dessauer’s seien den Lesern hiermit bestens empfohlen! (Mit 
anderen zusammengestellt in Heilende Strahlen Bd. II von Dessauer, Würzburg, 
Curt Kabitzsch, 1908.) Nach dem Studium dieser Arbeit sieht man, daß die 
heutige Röntgentherapie fast nur mit Oberflächenbestrahlung arbeitet und dem- 
gemäß nur die bisherigen beschränkten Erfolge erzielen kann. Aber trotzdem 
muß man sich des Erreichten freuen; ist doch durch die wunderbaren Strahlen 
mancher Schmerz gelindert, viel Entstellung beseitigt und eine ganze Anzahl von 
Leben teilweise um Jahre verlängert worden! — Eine auch im vergangenen Jahre 
noch ungelöst gebliebene Frage ist die nach einem absolut zuverlässigen und hand- 
lichen Meß- und Dosierungsapparat für den praktischen Gebrauch des Rönt- 
genotherapeuten. Die verschiedenen im In- und Ausland eingesetzten Komissionen 
haben noch kein endgültiges Urteil abgeben können. Die in den Vorjahren ge- 
brauchten, teilweise mit Begeisterung aufgenommenen Quantimeter, Dosimeter, 
Radiometer sind zwar zum Teil wissenschaftlich zuverlässig, wie z. B. das Quanti- 
meter von Kienböck, das Fällungsradiometer von G. Schwarz (s. u.), aber sie 
sind noch nicht handlich genug, oder zu teuer. Viel gebraucht und anscheinend 
bewährt ist das Radiometer von Sabourand und Noiré, während der älteste 
Meßapparat von Holzknecht nur noch wenig mehr gebraucht zu werden scheint. 
Inzwischen ist das Fällungsradiometer von G. Schwarz erschienen. Es beruht 
darauf, daß Röntgenstrablen aus einer bestimmten Mischung von Sublimat und 
Ammoniumoxalat Kalomel ausfällen, das die klare Mischung trübt. Die Menge 
und damit die Trübung ist proportional der Menge der Röntgenstrahlen. Der 
ganze Apparat ist recht praktisch angeordnet und scheint auch nicht allzu schwierig 
und kompliziert in der Handhabung zu sein, er ist aber leider recht kostspielig 
und daher für den praktischen Gebrauch noch nicht recht zugänglich. Seine An- 
gaben sollen zuverlässig sein. (Genaue Veröffentlichung in Fortschritte XI, 2.) 
Das gleiche gilt von dem Kienböck’schen Quantimeter. Manche Röntgenologen 
ziehen den wenig zuverlässigen Meßapparaten die Erfahrung vor und gehen von 
bekannter Leistung der Röhren aus (Albers-Schönberg nimmt als Grundlage 
z. B. die »Handröhre«e), auch Levy-Dorn mißt nach Erfahrungsgrundsätzen. 
Allerdings ist für Veröffentlichungen und Wiederholung von Versuchen zahlen- 
mäßig genaue Angabe erwünscht, die aber wie bisher nach primärer Stromstärke, 
Unterbrecher, Röhrenabstand usw. überhaupt gänzlich unbrauchbar waren. Die 
Angabe der Millamp£rezahl im sekundären Stromkreis ist schon eher verwendbar 
und wird zahlreicher gemacht als früher. Alban Köhler berichtet über gün- 
stige Erfahrungen mit seiner Thermometerröhre. — Eine Übersicht über die bis- 
her üblichen Meßverfahren gibt Kassabian (Amer. quarterly of Roentgenology). 
Die Versuche von Guilleminot und Butcher, die Strahlung von Radium 


860 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 


bekannter Stärke als Vergleichsobjekt heranzuziehen, und von Bergonie, die elektro- 
statischen Eigenschaften der Röntgenröhre im Betriebe dazu heranzuziehen, seien 
der Vollständigkeit halber kurz erwäbnt. 


Daß Schutzeinrichtungen bei jeglichem Röntgenbetriebe nötig sind, daß nament- 
lich der Arzt auch vor Sekundärstrahlen sich hüten soll, ist nun ein allgemein 
anerkanntes und auch wohl ziemlich durchgeführtes Erfordernis. Blendenkästen, 
Röhrenschutzkappen aus röntgendichten Stoffen, fahrbare Bleiglasscheiben und 
ähnliche Einrichtungen sind ihrer Handlichkeit wegen, und da sie Arzt und Kranken 
meist gleichzeitig schützen, sehr beliebt. In allen neueingerichteten Röntgen- 
stationen größerer Krankenhäuser findet man Schutzhäuschen für das Personal. 
Dessauer filtriert seine äußerst harten Strahlen bei der Homogenbestrahlung 
durch Bleiglas, um auch den letzten Rest weicher Strahlen auszuschalten. Bei Be- 
handlung tiefliegender Prozesse, besonders der langdauernden der Leukämie, wer- 
den Filter auf den Körper des Kranken mit Nutzen verwandt. v.Jaksch hat 
sich mit Vorteil eines 0,02 mm starken Silberblechs, Pfahler des schon früher 
von ihm verwandten und empfohlenen Sohlleders bedient, während Bazy durch 
eine 4—b cm dicke Watteschicht im Trichter seiner Blende die zu weichen Strahlen 
ausschalten will. 

Sucht man so die für manche Gewebe zu wirksamen Strahlen auszuschalten, 
so hat man andererseits nötig, die Empfänglichkeit anderer zu erhöhen, damit sie 
überhaupt einer Strahlenwirkung zugänglich werden. Eosinlösung (2%ig), Chinin. 
bisulfuric. dienen manchen Röntgenologen zur »Sensibilisierung « der Gewebe, 
während die Kompression ein allgemein anerkanntes Mittel ist, um durch Besei- 
tigung des die Strahlen stark absorbierenden Blutes auf tiefere Schichten kräftiger 
einzuwirken. 

Für Behandlung der meisten Krankheiten wurden mittelstarke Röhren an- 
gewandt. 

Daß volle Dosen bis zur Reaktion bei bösartigen Geschwülsten zur Heilung 
erforderlich sind, wird allgemein anerkannt, ebenso daß zu geringe Gaben häufig 
ein stärkeres Wuchern der Geschwulstelemente veranlassen. Diese Gewebsreizung 
wird wieder nutzbringend angewandt bei Behandlung von Haarkrankheiten, da 
durch den gesetzten Gewebsreiz ein stärkeres bzw. neues Wachsen der Haare ein- 
treten soll (Newcomet). 

Sehr zahlreiche Versuche an Tieren und Pflanzen aller Art, Untersuchungen 
an behandelten Kranken sind vorgenommen, um die biologische Wirkung der 
Röntgenstrahlen unserem Verständnis noch näher zu bringen als bisher. Lossen 
hat eine größere Arbeit über Röntgen- und Becquerelstrahlen geliefert (Wiener 
Klinik 1907, Urban & Schwarzenberg). Schmidt konnte an Amphibien durch 
Bestrahlung ihrer Eier und Larven schwere Schädigungen an Gehirn und Rücken- 
mark hervorbringen. Hasebroek setzte verschiedene Arten von Schmetterlings- 
raupen und Puppen den Strahlen aus und konnte beim kleinen Fuchs, wenn die 
Puppen kurz vor oder nach dem Übergangsstadium aus der Raupe bestrahlt wur- 
den, Fehler in der Schuppenbildung erzeugen. Auf trächtige Tiere wirken die 
Röntgenstrahlen sehr leicht ein, töten die Frucht ab oder hemmen ihre Entwick- 
lung unter Erzeugung von allerlei Mißbildungen (Triboudeau und Belley). Daß 
Cholin dabei eine Rolle spielt, konnten v. Hippel und Pagenstecher nach- 
weisen, die durch Cholineinspritzungen gleiche Schädigungen erzeugten wie durch 
Bestrahlung. Mit der Einwirkung auf Drüsengewebe beschäftigten sich Stern 
und Halberstädter: Die Bürzeldrüse der Ente wird durch längere und öftere 
Bestrahlung verödet. An Pflanzen experimentierten Schwarz und Guilleminot. 
Sie fanden, daß keimende Pflanzen (Bohnen, Hafer) durch geringe Strahlengaben 
angeregt, durch stärkere gehemmt und abgetötet werden. 

Daß das Keimgewebe besonders empfindlich ist gegen die Röntgenstrahlen, 
wurde durch Bergoni6 und Triboudeau von neuem bestätigt, die Tierversuche 
anstellten und auch an menschlichen Ovarien und Hoden Untersuchungen machten. 
Das Keimgewebe des Hodens wird allein beeinflußt, während das Zwischengewebe 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 861 


gesund bleibt. Beim Ovarium dagegen schwindet nicht nur das Follikelgewebe, 
sondern auch die Marksubstanz nach genügend langer Bestrahlung. 

Die Veränderungen, welche die Bestrahlung im Blut erzeugt, sind wegen der 
großen Wichtigkeit für die Behandlung der Leukämie und durch die Behandlung 
zahlreicher derartiger Kranker oft und eingehend untersucht. Eine umfangreiche 
Arbeit der Art von Tatarski ist in der Zeitschrift f. Elektrologie u. Röntgen- 
kunde veröffentlicht. Auch die Lossen’sche Arbeit (s. o.) befaßt sich eingehend 
mit diesem Kapitel. Eine chemische Einwirkung auf das Hämoglobin findet nach 
Bordier, wenigstens in vitro, nicht statt. Dagegen ist die Beeinflussung der 
weißen Blutzellen in vivo um so stärker, wie Schmidt und G&öronne von neuem 
durch größere Versuchsreihen bewiesen haben. Sie nehmen sowohl eine direkte 
Schädigung der Leukocyten selbst, als auch eine solche ihrer Bildungsstätten durch 
Leukotoxine an. Das Leukotoxin bildet immer noch einen Streitpunkt bei ver- 
schiedenen Forschern. Im allgemeinen scheinen die meisten ein solches anzu- 
nehmen. Die obenerwähnten Untersucher wollen sein Vorhandensein dadurch be- 
weisen, daß bei den der Nieren beraubten Tieren die Leukocytenzahl schneller sinkt 
ale bei den Kontrolltieren. Durch die Nieren wird das Gift bei letzteren aus- 
geschieden und wirkt daher langsamer und später. Schwere Beeinträchtigung der 
Nieren bei behandelten Leukämikern wie bei gesunden Versuchstieren beobachteten 
Barthin und Scott-Warthin. Sie konnten auch den anatomischen Nachweis 
führen, während Price selbst bei vorbandener Albuminurie obne Schaden lange 
und kräftig bestrahlt hat. — Durch längere und starke Bestrahlung wird die Milz 
in myeloides Gewebe verwandelt (Ziegler, Zeitschrift f. Elektrologie u. Röntgen- 
kunde 1907, Hft. 3). — Die schon im vergangenen Jahre mehrfach vorgenommenen 
Stoffwechselversuche, namentlich an Leukämikern und Basedowkranken, sind mehr- 
fach fortgeführt. Quadrone sah bei Leukämikern nach der Bestrahlung Phos- 
phorsäure und Harnstoff vermehrt ausgeschieden, die N-Vermehrung konnten auch 
Edsall und Lommel feststellen, bei den Kranken Lommel’s ging sie nach 
Aufhören der Bestrahlung zunächst weiter, schlug dann um in N-Retention. 
Rosenbaum hält die vermehrte N-Ausscheidung für unabhängig von der Leuko- 
cytenzerstörung. — Daß im Körper gewisse Stoffe durch Zerfall krankhafter Ge- 
webe erzeugt werden, nimmt Hall-Edwards an, der beobachtete, daß bei 
Bestrahlung von Lupusherden auch ganz entfernt liegende, sorgfältig mit Blei 
geschützte Stellen ausheilten. Er meint, daß durch Zerstörung und Aufsaugung 
des Lupusgewebes sich im Blut Opsonine bilden, die dann, weiter transportiert, 
an den entfernt gelegenen Krankheitsherden ihre Wirkung äußern. Auch Mac- 
Culloch ist der Ansicht, daß Opsonine durch Aufsaugung der bestrahlten tuber- 
kulösen Lymphdrüsen sich entwickeln. Bei Lupus, der überhaupt nicht auf Röntgen- 
strahlen reagiert, wendet Hall-Edwards deshalb Tuberkulin an, um ihn durch 
Erhöhung des Opsoninwertes der Bestrahlung zugänglich zu machen, wie auch 
MacCulloch zuerst die jüngsten und leichtest zerfallenden Drüsen bestrahlt, um 
durch deren schnelle Aufsaugung rasch den Opsoningehalt zu steigern und durch 
ihn auf die älteren, widerstandsfähigeren Drüsen zu wirken. 

Heile erklärt sich die Einwirkung der Röntgenstrahlen auf tuberkulöse Ge- 
lenke durch Fermentbildung. Das Ferment stammt aus den Leukocyten und macht 
den Eiter leichter aufsaugbar. Die Leukocytenzufuhr wird gesteigert durch Stau- 
ung und Tuberkulin, und wenn die gestauten Gelenke bestrahlt werden, tritt 
schnellere Wirkung ein durch den Zerfall der zahlreicheren weißen Blutzellen. 
Ahnlich legt Heile sich die Einwirkung der Strahlen auf regionäre, nicht mit 
behandelte Drüsen zurecht, die er bei Behandlung eines Zungenkrebses aus- 
heilen sah. 

Schädigungen durch Röntgenstrahlen wurden nur wenige mitgeteilt. Sie sind 
durch die allgemeine Anwendung der Schutzmaßregeln sehr selten geworden und 
baben nur in ganz wenigen Fällen die Haut betroffen. Hochsinger teilt zwei 
derartige Vorkommnisse mit. Er warnt vor frühzeitiger Transplantation bei 
Röntgengeschwüren, da selbst lange Zeit nach der Verbrennung und bei gutem 

Aussehen der Geschwürsfläche das Zerfallsstadium noch nicht beendigt zu sein 


862 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 


braucht. Daß 33—35% der Fälle stärkere Reaktion zeigen, wie Ronzoni mit- 
teilt, ist ungewöhnlich. Nicholson empfiehlt zur Behandlung der Dermatitis 
Jodolpräzipitat, welches, auf die Haut gestreut und mit Borlint bedeckt, den 
Schmerz lindert und Heilung berbeiführt. Dunham fand ungepflegte, vernach- 
lässigte Haut empfindlicher gegen Röntgenstrahlen als gut gepflegte; nach Heile 
ist die Haut über gestauten Gelenken besonders gegen die Strahlen empfindlich. 
Über Schädigungen des Gesamtkörpers in Intoxikationsform wird mehrfach be- 
richtet, namentlich nach schnellem Zerfall von Geschwülsten. (Ronzoni, Mara- 
gliano und Bertolotti wollen bisher nicht bekannte schädliche Folgen der 
Bestrahlung beobachtet haben. Ersterer sah danach septische und peritonitische 
Erscheinungen (Art der Krankheit fehlt. Bef.), auch Verschlimmerung von Rheu- 
matismus und trockene Pleuritis. Ebenso teilt Maragliano mit, daß nach Be- 
strahlung sich Pleuritis entwickelte. Nach Bestrahlung des Kopfes und der Lenden- 
wirbelsäule konnte Bertolotti Veränderungen der Zerebrospinalflüssigkeit nach- 
weisen, während Martini bei Behandlung von Sarkomen mit Röntgenstrahlen 
zweimal neben anderen Schädigungen Paraplegie erlebte. Im Rückenmark des 
einen Kranken fanden sich schwere, ala »Leukomyelie« bezeichnete Veränderungen, 
die Maragliano Leukotoxinen durch Zerfall des Lymphosarkoms zuschreibt. 
Negro hatte akute tödliche Myelitis nach raschem Zerfall eines bestrahlten 
Lymphosarkoms zu verzeichnen. 


Über Röntgenbehandlung folgender hier interessierender Krankheiten liegen 
Berichte vor: 


1) Allgemeinerkrankungen: Leukämie, myeloide und lymphatische, Pseudo- 
leukämie. 

2) Bösartige Geschwülste: Hautkrebse (Cancroide, Epitheliome), Krebse aller 
anderen Organe, Sarkome. 

3) Gutartige Geschwülste: Myome, Keloide, venerische Bubonen. 
E=. 4) Gelenkerkrankungen: Rheumatismus, Arthritis deformans. 

6) Prostatahypertrophie. 

6) Tuberkulose der Gelenke, Drüsen, des Bauchfells, der Nieren. 

7) Nervenkrankheiten, Basedow’sche Krankheit. 

8) Hautkrankheiten einschließlich Lupus. 


Die leukämischen Erkrankungen waren sehr häufig Gegenstand der Röntgen- 
behandlung. Alle Berichterstatter sind sich darüber klar, daß diese Behandlung 
nur eine symptomatische ist; ebenso herrscht aber allgemeine Einigkeit darüber, 
daß sie zurzeit die beste Behandlung dieser Erkrankungsformen genannt werden 
muß. Mit keinem anderen Mittel lassen sich auch nur annähernd günstige Erfolge 
erzielen. Die theoretischen Grundlagen für diese Behandlung sind teilweise im 
vorhergehenden mit besprochen, teils schon aus den früheren Sammelberichten 
bekannt. Eine umfangreiche und sehr sorgfältige Arbeit über dieses Gebiet 
stammt von Decastello und Kienböck (Fortschritte 1907, Nr. 6). Sie bringen 
in derselben auch eine Anzahl sehr genau und mit allen Erfordernissen beobach- 
teter und behandelter eigener Fälle. Da diese Arbeit die gesamte über dieses 
Gebiet bisher aufgekommene Literatur berücksichtigt, und die Endergebnisse 
anderer Forscher in ihr mitvereinigt sind, sollen hier die Schlüsse von Decastello 
und Kienböck ausführlicher hergesetzt sein. Sie fanden folgendes: 


1) Myeloide Leukämie. In etwa 90% der Fälle wird die Krankheit über- 
raschend schnell im Sinne einer Besserung beeinflußt. Diese Besserung ist subjektiv 
und objektiv. Milzschwellung schwindet, der Blutbefund bessert sich, nähert sich 
dem normalen. Die Besserung kann den Eindruck völliger Heilung machen. Selbst 
weit vorgeschrittene Erkrankungen können sich noch so günstig gestalten. Durch 
Dauerbehandlung können manche Kranke lange Zeit in gutem Zustand erhalten 
werden, während bei anderen trotz sorgfältigster Behandlung doch manchmal in 
kürzester Zeit unter schneller Verschlechterung des Blutbefundes das Ende eintritt. 
Nur ganz vereinzelte Fälle waren der Röntgenbehandlung völlig unzugänglich. 
'Vereinzelt beobachtete man die Umwandlung einer myeloiden Leukämie in eine 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 863 


Iymphatische. Die Lebensdauer wird durch die Röntgenbehandlung wahrscheinlich 
absolut verlängert, jedenfalls wird das kachektische Stadium abgekürzt. 

2) Lymphatische Leukämie. Nur etwa 70% der Fälle lassen eine günstige 
Einwirkung der Röntgenstrahlen erkennen. Es gelingt zwar in vielen Fällen, die 
Drüsen durch die Bestrahlung zu verkleinern und das Verhältnis der Blutkörperchen 
zu bessern, aber die eigentliche Erholung bleibt aus, namentlich dann, wenn schon 
bei Beginn der Behandlung Anämie bestand. 

Bei Kranken mit normaler absoluter Zahl der roten Blutzellen gelingt es, oft 
jahrelang diese auf gleicher Höhe zu halten. Die Lebensdauer wird bei der lym- 
phatischen Leukämie mehr beeinflußt als bei der myeloiden. Die Prognose der 
Röntgenotherapie hängt bei beiden Formen der Krankheit ab von der Raschheit 
des Verlaufes der Krankheit zur Zeit des Beginnes der Behandlung. Je rascher 
der Verlauf, desto schlechter die Prognose. Dabei ist es einerlei, ob die Krankheit 
von vornherein die Neigung zu raschem Verlauf zeigte oder sie erst während ihres 
Bestehens annahm. 

Die höchst interessanten Einzelheiten des Verlaufes und der Behandlung, 
namentlich der Kranken der Verff., muß in dem sehr lesenswerten Original nach- 
gesehen werden. In ihm ist auch die reichhaltige Literatur — es dürfte wohl 
kaum eine Publikation innerhalb der Weltliteratur fehlen — enthalten. 

Die Röntgenbehandlung bösartiger Geschwülste ist im Berichtsjahr fleißig 
weiter geübt worden. Die schon früher bekannten Ergebnisse sind in dieser Zeit 
nur bestätigt worden. Mit unseren heutigen, bekanntlich fast nur in den Ober- 
flächenlagen wirksamen Verfahren sind heilbar die Hautkrebse (Cancroide, Epithe- 
liome); tiefer liegende Krebse können gelegentlich heilen, es ist auf ihre endgültige 
Heilung aber nicht sicher zu rechnen, und sie sind deshalb, solange operabel, 
dem Chirurgen zu überlassen, während die inoperablen in jedem Falle mit Röntgen- 
strahlen zu behandeln sind. Die läßt meistens örtliche Besserung neben Hebung 
des Allgemeinbefindens erreichen, so daß bei richtiger Durchführung bzw. Wieder- 
holung der Kur den unglücklichen Kranken oft lange Zeit noch ein erträgliches 
Dasein geschenkt wird. Sarkome reagieren sehr verschieden auf Röntgenbestrahlung, 
öfters heilen sie in überraschend kurzer Zeit und kehren nicht wieder. Bei Be- 
handlung bösartiger Geschwülste muß man kräftige Bestrahlungsgaben verabreichen, 
die eine deutliche Reaktion erzeugen; zu geringe Gaben zerstören das Geschwulst- 
gewebe nicht, sondern regen es eher zu schnellerem und vermehrtem Wachstum 
an. Schirmer kommt in seinem kritischen Sammelbericht über die Röntgen- 
behandlung bösartiger Geschwülste an der Hand reichlichen Materials (325 Arbeiten) 
etwa zu den obigen Resultaten. Auch Böclödre trug auf dem französischen Chirurgen- 
Kongreß etwa in obigem Sinne vor, nur ist er in mancher Hinsicht optimistischer. 
Dagegen wollen Senn und Lexer von der Röntgenotherapie bösartiger Neubildung 
überhaupt nichts wissen. 

Im einzelnen liegt reichliches kasuistisches Material vor. Hautkrebs ist viel 
behandelt, jedenfalls noch mehr Fälle als berichtet sind. Alle Beobachter heben 
die Schnelligkeit, Bequemlichkeit und die guten kosmetischen Ergebnisse des Ver- 
fahrens hervor. Von früher behandelten Fällen wurde schon 2- und mehrjährige 
Heildauer berichtet. Vom Brustkrebs ist weniger berichtet als in den Vorjahren. 
Die Behandlung wirkte, von vereinzelten Fällen abgesehen, die über 2 Jahre rück- 
fallfrei sind (Bookwall, Belot) nur pallistivv. Johnston hält den Brustkrebs, 
wenn sehr frühzeitig der Röntgenbehandlung zugeführt, durch sie allein für radikal 
heilbar. Die postoperative Bestrahlung zur Verhütung eines Rückfalls ist zwar 
mehrfach empfohlen, positive Ergebnisse sind aber nirgends mitgeteilt. Krebse 
der Unterleibsorgane haben Rudis-Jicinsky und Comas-Prio erfolgreich 
behandelt. Bei dem Kranken der ersteren lag Karzinom der Bauchorgane (Aus- 
gangsstelle nicht erwähnt. Ref.) vor, das auf energische Röntgenbestrahlung zurück- 
ging und schon mehrere Jahre verschwunden geblieben ist. Die anderen beiden 
Autoren hatten Krebsmassen im kleinen Becken, die bei Entfernung der krebsigen 
Gebärmutter zurückgelassen werden mußten, zuerst durch die Bauchwunde 3 Wochen 
lang, nach deren Schluß von der Scheide aus bestrahlt, teilen jetzt mehrjähriges 


864 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 


Freibleiben mit. Gray hatte guten Erfolg nach operiertem und rückfälligem 
Blasenkrebs. 

Daß manche Sarkome schnell und günstig durch die Röntgenotherapie be- 
einflußt werden, geht aus Arbeiten von Schwarz, Elischer und Engel hervor. 
Eine große Mediastinalgeschwulst ging unter Bestrahlung so rasch zurück, daß 
schon nach einer Sitzung subjektiv und objektiv Besserung eintrat (Schwarz), 
während Elischer und Engel bei zwei früher erfolgreich wegen Mediastinal- 
geschwulst bestrablten Kranken, die sich aber zu bald der Behandlung entzogen 
hatten, zunächst wieder Teilerfolge erzielten, den Tod aber nicht abwenden konnten. 
Sehr wichtig sind ihre Sektionsergebnisse, die bewiesen, daß das Sarkomgewebe 
trotz der tiefen Lage völlig zerstört und durch Bindegewebe ersetzt wird. Bei 
beiden Fällen wäre voraussichtlich bei längerer Behandlung Radikalheilung erzielt 
worden. Schirmer erklärt in seiner angeführten Arbeit, daß Sarkom ein 
günstigeres Objekt für die Röntgenbehandlung ist als Karizmom. Auch bei Lympho- 
sorkomen wurde rascher Zerfall berichtet, der jedoch, wie schon oben mitgeteilt, 
in einigen Fällen schwere Allgemeinschäden erzeugte. 

Über Behandlung gutartiger Geschwülste liegen nur spärliche Berichte vor. 
Laquerritre hat bei älteren Frauen Uterusmyome erfolgreich bestrahlt, bei 
Jüngeren aber tritt die Menopause zu langsam ein. Es handelt sich also wohl um 
indirekte Wirkung durch Schädigung der Ovarien. Über die Röntgenbehandlung 
der Keloide trug Siewers in der Leipziger medizinischen Gesellschaft vor. Er 
bestrahlte sie sowohl von vornherein unter sorgfältigem Schutz des Gesunden und 
dann bis zu starker Reaktion, oder in der 3. Woche nach der chirurgischen Ent- 
fernung der Narbe mit geringen Dosen. Letzteres Verfahren ist bequemer und 
rascher, dabei ebenso sicher. Auch Belot und Boggs haben gute Erfahrungen 
mit der ersteren Art des Vorgehens gemacht. Nach Herxheimer's Vorgang sind 
im verflossenen Jahr mehr Bubonen bestrahlt. Bassueur ist von den Erfolgen 
so begeistert, daß er behauptet, die Röntgenbehandlung werde alle anderen ver- 
drängen. Er wendet sie, im Gegensatz zu Herxheimer, in allen Stadien an. 
Reines und Maragliano hatten auch gute Erfolge. Ersterer bestrablt die frei- 
gelegten Drüsen. Pini rühmt die schnelle Wirkung der Röntgenotherapie, die 
schon nach drei Sitzungen eintreten soll, während manchmal schon nach einer die 
Schmerzen schwinden. 

Rheumatismus und Arthritis deformans haben Edsall und Sharpe 
erfolgreich behandelt. Die Kranke des letzteren war 2 Jahre vergeblich mit allen 
erdenklichen Mitteln behandelt, um schon nach wenigen Bestrahlungen schmerz- 
frei zu werden. Scholz dagegen hatte keinen Erfolg bei vorgenannten Krank- 
heiten, und Ronzoni sah sogar Rheumatismus sich unter der Bestrahlung ver- 
schlimmern. (Die Erkrankung war wohl zu frisch! Ref.) 

Prostatahypertrophie ist nur wenig behandelt. Tansard und Feig 
stellen auf Grund ihrer Erfahrungen folgende Indikationen auf: Die Röntgenbe- 
handlung ist anzuwenden 1) bei jugendlichen Prostatikern, 2) bei fehlender Re- 
tention, 3) bei Retention und ausschließlichem Kathetergebrauch, wenn die 
Kranken nicht auf sehr rasch wirkende Therapie angewiesen sind, 4) bei infizierter 
Blase, 5) bei sehr alten, 6) bei nierenkranken Prostatikern. Lomneau dagegen 
will sie nur angewandt wissen bei absoluter Kontraindikation jeglichen chirurgischen 
Eingriffe. Haenisch hat gute Erfahrungen gemacht, wenn auch nicht so ver- 
blüffende Erfolge gesehen wie sie von anderer Seite früher berichtet wurden. Er 
schreibt das dem Umstande zu, daß er nur Prostatiker ohne Retention bestrahlte. 
Er bespricht die Technik genauer und warnt vor zu starken Dosen. Lassueur 
behandelte abwechselnd vom Mastdarm und vom Damm aus und ist mit diesem 
Verfahren sehr zufrieden. 

Chirurgische Tuberkulose scheint in manchen Fällen ein recht dank- 
bares Feld für die Röntgenbehandlung zu sein. Tuberkulöse Gelenke haben 
Edsall und Scholz mit gutem Erfolg bestrahlt. Heile benutzt zur Be- 
schleunigung der Wirkung die Stauung und Tuberkulininjektionen. Spina ventosa 
ist ebenfalls von Scholz durch Bestrahlung schnell geheilt, ein Erfolg, den 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 865 


Lefer als Scheinerfolg bezeichnet, hervorgerufen durch Schrumpfungen der Gra- 
nulationen. Tuberkulöse Drüsenschwellungen reagieren recht gut auf 
Röntgenstrahlen, je jünger sie sind desto besser. McCulloch wendet fast nur 
noch diese Behandlung an und sah neben dem Schrumpfen der Drüsen schnelle 
Hebung des Allgemeinbefindens, das er dem Freiwerden von Opsoninen durch die 
Aufsaugung des Drüsenmaterials zuschreibt. Er bestrahlt deshalb auch vom Rand 
der Drüsenpakete nach der Mitte, um zuerst die jüngsten zu treffen. Auch 
Russell, Boggs, Maragliano, Feldstein sind von der guten Wirkung der 
Röntgenisieruug überzeugt, und alle Berichterstatter rühmen namentlich den guten 
kosmetischen Erfolg. 

Eine eingehende Studie über Röntgenbehandlung der Bauchfelltuberkulose 
veröffentlicht Bircher (Die chronische Bauchfelltuberkulose, ihre Behandlung mit 
Röntgenstrahlen. Aarau 1907. Verl. von Sauerländer). Fischl und Mara- 
gliano machen ebenfalls ermutigende Mitteilungen über die Behandlung dieser 
Erkrankung. 

Ganz überraschend klingen die Mitteilungen Bircher’s über seine Erfolge der 
Röntgenbehandlung der Nierentuberkulose. Zwei Kranke, die vorher vergeblich 
nach den üblichen Methoden behandelt waren, wurden nach längerer Röntgenkur 
subjektiv und objektiv gebessert und wieder leistungsfähig. Die eine Kranke be- 
kam nach 21/; Jahren einen Rückfall, der ebenfalls durch Bestrahlung schnell be- 
seitigt wurde, während die andere schon 3 Jahre gesund und rückfallsfrei ist. 
(Münchener med. Wochenschrift 1907.) 

Neuritis, Neuralgien und Syringomyelie waren mehrfach Gegenstand 
der Röntgenotherapie. Gregor brachte einen Fall von sehr hartnäckiger, ver- 
alteter Trigeminusneuralgie durch sie zur Heilung. Die Schmerzen verringerten 
sich nach der Bestrahlung, auch nach ihrem Aussetzen gingen sie noch weiter 
zurück, um schließlich ganz aufzuhören. Freund (Wien) sah Ischiasschmerzen 
schon nach der zweiten Sitzung aufhören; Gramegna und Ronzoni behandelten 
Kranke mit Springomyelie mit bestem Erfolg. Sie erklären bei diesen Fällen 
die Wirkung durch Schwund von Gliawucherungen im Rückenmark. Syringo- 
ınyelie durch Höhlenbildung wird natürlich nicht beeinflußt. Couroe empfiehlt 
nach Nervenresektion wegen Neuralgie Nachbehandlung mit Röntgenstrahlen. 

Basedow’sche Krankheit hat Freund (Danzig) erfolgreich behandelt und 
teilt die genauen Krankengeschichten mit (Münchener med. Wochenschrift 1907), 
während De la Camp bei drei Fällen keinen Erfolg hatte. Die von mehreren 
Seiten beobachtete N-Retention nach der Bestrahlung erklärt er als zufällig, da 
sie auch bei anderweitiger Heilung der Basedow-Krankheit einzutreten pflegt. 

Die Röntgenbehandlung der Hautkrankheiten ist so allseitig anerkannt 
und verbreitet, daß sie hier nicht mehr ausführlicher behandelt zu werden braucht. 
Nur einige den Chirurgen ganz besonders interessierende Hautkrankheiten seien 
etwas näher betrachtet. Zunächst der Lupus. Einzelne Röntgenologen berichten 
über äußerst günstige Heilerfolge bei dieser Crux medicorum. Nach van Allen 
sollen 87 % der mit Röntgen behandelten Fälle ausheilen. Wills hatte unter 
87 Fällen 20 volle Heilungen, 15 erhebliche, 20 teilweise Besserungen und nur 
5 nicht gebesserte Fälle, während 5.rückfällig wurden und 14 Fälle als früh- 
zeitig ausgeblieben nicht weiter in Betracht kommen. 

Gottschalk, Freund (Wien), Görl hatten sehr gute und schnelle Heilungen 
zu verzeichnen. Nach Hall Edwards lassen sich auch die gegen Röntgen- 
strahlen unempfindlichen Lupusformen durch entsprechende Vorbereitung (Eosin- 
anwendung) empfindlich machen. Wills hält die Röntgenbehandlung für besser 
als Finsenlicht. Der Wettstreit zwischen den Anhängern des ultravioletten und 
des Röntgenlichtes ist auf der ganzen Linie in vollem Gange. Viele erkennen die 
Überlegenheit des einen oder anderen Verfahrens bei gewissen Formen an und 
verwenden beide von Fall zu Fall. Auch andere Behandlungsmethoden werden 
mit den aktinotherapeutischen kombiniert. Im ganzen verdankt diesem Wettstreit 
und der Wirksamkeit der Verfahren wohl die Lupusbehandlung die größere Auf- 
merksamkeit, die ihr seit einiger Zeit auch von weiteren Kreisen gezollt wird. — 


866 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 


Außer Lupus wäre noch Mycosis fungoides zu nennen, für welche die Rönt- 
genbehandlung das souveräne Verfahren ist. Namentlich wirkt sie verhältnis- 
mäßig schnell und soll nach Herxheimer und Hübner die Erreger der Krank- 
heit zerstören. Unter die chirurgisch interessanten Hautkrankheiten ist auch noch 
das Ulcus cruris varicosum zu rechnen, von dessen günstiger Beeinflussung 
Graeve sehr begeistert ist. Auch der Berichterstatter selbst hat mit seiner Rönt- 
genbehandlung recht günstige Erfahrungen gemacht. Das Ekzem in der Umgebung 
heilte rasch ab, die Infiltration und die Spannung schwanden und damit auch der 
Schmerz, und das vorher sehr widerspenstige Geschwür überhäutete sich rasch 
unter einfachen Pulververbänden. Die Kranke ist bei gleicher Lebensweise wie 
früher über 1 Jahr rückfalls- und beschwerdefrei. 

Ich glaube diesen Sammelbericht nicht besser schließen zu können als mit den 
Worten Bacelli’s, die Maragliano auf dem internationalen Kongreß für Physio- 
therapie in Rom auf die Röntgentherapie anwandte: Unsere Kunst und Wissen- 
schaft ist auf dem Wege zu einer stetigen Vervollkommnung. Wir müssen halten, 
was wir haben, jedoch auch nicht verzweifeln mehr erreichen zu können, ohne je 
das Unmögliche zu verlangen. Trapp (Bückeburg). 


20) Ruckert. Sanitätsdienst im Feeldzuge gegen die Hottentotten. 
(Deutsche militärärztl. Zeitschrift 1908. Hft. 6.) 


R. schildert, nachdem er die von Mannschaften und Offizieren erduldeten 
Strapazen besprochen hat, die Schwierigkeiten, welche den Sanitätsoffizieren für den 
Verband und den Transport der Verwundeten im Feldzuge gegen die Hottentotten 
erwuchsen. In dem Gefechte bei Tella, in welchem von vier Sanitätsoffizieren 
ein Stabsarzt fiel und ein Oberarzt schwer verwundet wurde, hatte R. 34 Ver- 
wundete zu versorgen, von welchen nur zwei (ein Bauchschuß und ein Becken- 
schuß) ihren Verletzungen erlagen. Die übrigen, welche meist Extremitätenschüsse 
hatten, heilten verhältnismäßig schnell und gut aus. Eine Kniegelenksdurch- 
bohrung war nach einigen Monaten so gut verheilt, daß der Betreffende dienst- 
fähig wurde. Beim Verbande spielten das Verbandpäckchen und durch Gras ge- 
polsterte und aus Flußröhricht nach Art unserer Strohschienen hergestellte Schienen 
die Hauptrolle. Daß die Wunden ohne Eiterung in den meisten Fällen heilten, 
wird neben der Kleinheit der Projektile dem trockenen, beißen Klima zugeschrieben. 

Herhold (Brandenburg). 


21) Thirier. Un cas de rage humaine. 
(Bull. de l’'acad. Roy. de méd. de Belge 1907. Dezember.) 

22) van Gehuchten. Un cas de rage humaine évoluant cliniquement 
comme une poliomyélite antérieure aiguë ascendante ou comme une 
paralysie ascendente de Landry. 

(Ibid. 1908. Januar.) 


1) T. bekam am 16. September 1907 einen 37 Jahre alten Mann in Behand- 
lung, der 6 Wochen vorher von einem Schäferhund in die Unterlippe gebissen 
worden war. Man hatte ihn damals sofort mit Serum antirabique sehr intensiv 
behandelt. T. konnte ihm einreden, er habe die Wasserscheu gar nicht, sondern 
einen Fremdkörper im Rachen, den man operieren werde. Dies beruhigte, und 
erst einige Stunden vor dem Tode trat lebhafte Unruhe auf. Der Kranke wollte 
u. a. sich die Zunge ausreißen, um Luft zu bekommen. Die Sektion ergab die 
gewöhnlichen Verhältnisse. T. ist sehr für milde Behandlung, er verwirft die 
Zwangsjacke, sein Kranker habe nie versucht zu beißen, gute Worte hätten besser 
gewirkt als alle Zwangsmaßregeln. 

Anschließend an diesen Fall wird berichtet 

2) van G.'s Fall betrifft einen 47 Jahre alten Mann, der von seinem eigenen 
Hund ins Gesicht gebissen war. 36 Tage nachher meinte er, er werde wütend 
und sah so seinen Tod voraus. Der Fall verlief vollständig unter dem Bilde der 
oben angeführten Poliomyelitis bzw. der Landry’schen Paralyse, so daß der Verf. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 867 


gar nicht an eigentliche Rabies canina dachte, bis die Erscheinungen der Wasser- 
scheu zu charakteristisch wurden. Die klinischen Symptome waren so frappant, 
daß Verf. allen Ernstes die Frage aufwirft, ob nicht die Landry’schen Paralysen 
»Spätfälle«e der Hundswut sein könnten! Auch van G. redet zur Bekämpfung der 
Wut dem Maulkorbgesetz das Wort. E. Fischer (Straßburg i. E.). 


23) Bordet. Statistiques du traitement antirabique et du service des 
diagnostics rabiques à l'Institut Pasteur du Brabant. 
(Ibid. 1907. Dezember.) 

B. kann über die Leistungen obigen Instituts nur Vorzügliches mitteilen, die 
Resultate sind vorzüglich. Aber an beide Mitteilungen von T. und B. schließt 
sich eine interessante Diskussion an, die dahin ausklingt, daß angesichts der vielen 
Fälle von Wut in Belgien man doch wohl zu dem allerdings drakonischen Maul- 
korbgesetz, wie es in Deutschland und England gehandhabt werde, seine Zuflucht 
nehmen müsse. Es wird eine Kommission ernannt, diese Frage zu studieren. 

E. Fischer (Straßburg i. E.). 


24) F. Kuhn (Kassel). Die postoperativen Tetanusfälle von Zacharias 
— Fälle von Catguttetanus. 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 12.) 


Die von Zacharias beschriebenen Fälle (s. Ref. in d. Bl. 1908) von Tetanus 
nach gynäkologischen Operationen sind nach K. nicht auf Luftinfektion, sondern 
auf die Verwendung von tetanussporenhaltigem Catgut zurückzuführen. Die Kon- 
trolluntersuchungen Zacharias’ bewiesen durchaus nicht die Keimfreiheit des 
benutzten Catgut, da jeder einzelne Catgutfaden verschiedenen Ursprunges sei, 
jeder der geprüften wohl tetanuskeimfrei, einer der gebrauchten aber keimbaltig 
gewesen sein könne. Kramer (Glogau). 


25) Hohmeier. Die Behandlung chirurgischer Tuberkulose mit dem 
Antituberkuloseserum von Marmorek. (Aus der chirurg. Abteilung 
des städt. Krankenhauses Altona. Prof. Fritz König.) 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 15.) 


Die an 14 genau beschriebenen Fällen angestellten Versuche ergaben keinerlei 
schwerere Störungen oder Schädigungen des Organismus durch Einverleibung des 
Serums subkutan oder vom Mastdarm aus. H. hält es für möglich, daß bei ganz 
leichten Fällen von Knochentuberkulose das Marmorekserum bei daneben durch- 
geführter antituberkulöser Kur den Heilungsprozeß beschleunigen kann. Eine sichere 
Wirkung auf ganz frische und leichtere tuberkulöse Knochen- oder Gelenkerkran- 
kungen vermag er dem Serum nicht zuzusprechen, glaubt indes eine Einwirkung 
desselben auf die Granulationen beobachtet zu haben, die, vor der Behandlung 
grau und schlaff, nachher frischrotes Aussehen annahmen. Bei mittelschweren 
Erkrankungen von Knochentuberkulose wurde ein Heilerfolg nicht erzielt, wenn 
auch ein Teil der in dem einen Falle bestehenden, hartnäckigen Fisteln sich schloß, 
ebenso irgend ein Einfluß bei den schweren Formen nicht gesehen. In zwei dieser 
Fälle war das Serum auch nicht imstande, das Aufflackern alter, längst schlum- 
mernder tuberkulöser Herde zu verhüten. Auch in der Folgezeit war weder eine 
Besserung noch eine Hebung des Allgemeinzustandes als Folge der Serumbehand- 
lung feststellbar. Kramer (Glogau). 


26) Schlagintweit (München). Verbesserung der Technik des Ver- 
weilkatheters. 
(Zeitschrift für Urologie Bd. II. Hft. 4.) 


Verf. braucht eine in sinnreicher Weise modifizierte Methode zur Anwendung 
des Verweilkatheters, die dem Kranken freie Beweglichkeit im Bett gestattet und 
auf Enten sowie Urinale verzichten läßt. Der Dauerkatheter wird mittels T-Rohr- 


868 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 


verbindungsstück mit einem ableitenden langen Schlauch, der in das Sammel- 
getäß unter dem Bett führt, mit einer am Kopfende oberhalb des Kranken be- 
festigten Schlauchleitung verbunden, die frei mit dem Katheter bzw. indirekt mit 
dem Urinstrom kommuniziert und für gewöhnlich Luft zuführt. Die Luft treibt 
den Urin Tropfen für Tropfen in das ableitende Rohr. Dadurch wird die Heber- 
wirkung, die zuweilen unangenehme Tenesmen hervorruft, vermieden. Der Luft- 
zuführungsschlauch kann nach Belieben zum Einguß von Spülflüssigkeit in die Blase 
benutzt werden. Kroemer (Berlin). 


27) Lewin (Berlin). Zur Diagnostik und Therapie der Tumoren der 
Urethra posterior. 
(Zeitschrift für Urologie Bd. UI. Hft. 4.) 

L. führt bei Hämaturien, für die man mit anderen Untersuchungsmethoden 
keine Ursache findet, ferner bei vielen sogenannten nervösen Störungen der Sexual- 
sphäre (geschlechtliche Reizbarkeit, vorzeitige Ejakulation) bei Männern mit sonst 
gesundem Nervensystem, bei denen auch Prostatitis und Spermatocystitis auszu- 
schließen ist, die Urethroscopia posterior aus. Er benutzte dabei mit bestem Er- 
folg das Irrigationscystoskop von H. Goldschmidt. Dreimal fand er als Ursache 
der Blutungen Papillome in der Pars posterior urethrae, die er mit der Dittel- 
schen Zange abtragen konnte. Dabei wurde unbeabsichtigt offenbar in einem 
Falle ein Partikelchen der Geschwulst in die Blase verschleppt. Der betreffende 
Pat. erschien nach 3/4 Jahren mit multiplen Papillomen der Blase, die durch Sectio 
alta entfernt werden mußten. Dauernde Kontrolle der Blase. 

Kroemer (Berlin). 


28) Bergmann (Gotha). Kasuistische Beiträge zur operativen Be- 
handlung der Prostatahyperthrophie. 
(Zeitschrift für Urologie Bd. II. Hft. 5.) 

Verf. möchte bei dem täglich wachsenden Interesse für die radikalen Operations- 
methoden noch einmal feststellen, was die bisherigen, weniger eingreifenden Ver- 
fahren geleistet haben. Als solche bezeichnet er die Bottini’schen Inzisionen 
und die perineale intrakapsuläre Verkleinerung der Prostata. Von 57 Pat. (beob- 
achtet in der urologischen Station des Krankenhauses Dresden-Friedrichstadt) mit 
Prostatahypertrophie wurden 16 operativ behandelt. Die Bottini’schen Inzisionen 
(1 median, 2 seitlich) wurden ausgeführt unter Novokainanästhesie, bei 10 Pat. 
(3 davon sind primär, 1 weiterer durch wiederholten Bottini von ihrer Harn- 
retention) geheilt. Die Harnorgane eines an Magenkrebs verstorbenen Operierten 
zeigen im Bild die klaffenden Schnitte. — Die Bottini’sche Operation eignet 
sich in der Hauptsache bei isolierter Hypertrophie des Mittellappens. Ist die 
Harnröhre durch Vergrößerung der Seitenlappen seitlich komprimiert, so empfiehlt 
sich die perineale Verkleinerung, die 7mal ausgeführt wurde. Vier Operierte sind 
dauernd geheilt, zwei starben an interkurrenten Krankheiten. Einer behielt noch 
Residualharn und mußte durch nachfolgende Bottini-Inzision geheilt werden. Unter 
solchen Umständen glaubt B. also auf die Radikalverfahren verzichten zu können. 
Er warnt vor Kokainanästhesie (1 Todesfall). Kroemer (Berlin). 


29) Lichtenstern (Wien). Bericht über zwei operierte Fälle papillärer 
Geschwülste der Blase. 
(Zeitschrift für Urologie Bd. DI. Hft. 2.) 

L. bringt zwei Belegfälle für die zweifelhafte Prognose der sogenannten gut- 
artigen Blasenpapillome, die zunächst als einfache Fibroepitheliome imponieren, 
später aber im Rezidiv bösartige Eigenschaften annehmen können. 

Fall I. 42jähriger Mann, operiert im Mai 1906 wegen multipler Papillomatose 
der Blase (Sectio alta). Die Papillome waren histologisch durchaus gutartig. Im 
Juli desselben Jahres erscheint Pat. mit einem Rezidivtumor der Blase und einem 
Impfrezidiv in der Bauchnarbe. Beide Neubildungen zeigen das Bild des alveolären 
Karzinoms. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 869 


Fall I. 61jähriger Mann, operiert wegen gut gestielten Solitärpapilloms von 
histologisch durchaus gutartigem Bau, kommt 4 Jahre später mit rezidivierenden 
Blasenpapillomen und einem Infiltrat der Bauchmuskelwand. — Die Rezidive 
sollen schon 1 Jahr bestanden haben. Rezidivoperation. Die Papillome sind 
bösartig. Das Infiltrat in der Muskelschicht zeigt den Bau des alveolären Karzi- 
noms und Bildung von echtem Knochengewebe. 

Diese Beobachtungen mahnen, wie Ref. meint, zur Vorsicht bei der Operation 
von Papillomen; letztere müssen mit einem Bezirk Blasenwand entfernt und die 
Bauchwunde vor Implantationsmöglichkeit geschützt werden. 

Kroemer (Berlin). 


30) V. Pauchet. Cancer infiltré de la vescie. Cystectomie totale. 
Abouchement des uretöres dans l’intestin. 
(Arch. prov. de chir. 1907. Nr. 12.) 

P. hat bei einer 70jährigen Frau wegen ausgedehnten Karzinoms des Blasen- 
grundes die totale Blasenexstirpation vorgenommen und die Operation folgender- 
maßen ausgeführt. Isolierung und Durchschneidung der beiden Harnleiter; Ein- 
pflanzung des rechten in den Blind-, des linken in den Mastdarm. Unterbindung 
beider Hypogastricae, Exstirpation der Blase, die sich leicht ausführen ließ. Pat. 
erlag am 5. Tage einer Pneumonie. Die Einpflanzung der Harnleiter in den Darm 
führt P. derart aus, daß er parallel der Längsrichtung zwei kleine Inzisionen macht. 
Durch die eine führt er den am Anfangsteil gespaltenen Harnleiter in den Darm 
so weit ein, daß seine Spitze von der zweiten Inzisionsstelle aus durch Nähte 
fixiert werden konnte. Wegen der damit gegebenen Gefahr der aufsteigenden 
Pyelonephrose hält er bei Frauen die vaginale Einpflanzung für besser und gibt 
eine Beschreibung eines derartigen Vorgehens. Müller (Dresden). 


31) Lenk (Wien). Zur Asepsis des Ureterenkatheterismus. 
(Zeitschrift für Urologie Bd. II. Hit. 3.) 

L. versieht die Harnleiterkatheter mit einem schützenden Zwirnstrumpf, steckt 
sie mit einem passenden Ansatzröhrchen in den auswechselbaren Doppelboden des 
Schimmelbusch’schen Dampfsterilisators und desinfiziert Katheter mit Hülle 
im strömenden Wasserdampf. Im Augenblick der Verwendung stülpt man den 
Zwirnstrumpf über das Führungsrohr des fertig desinfizierten Harnleitercystoskops, 
bringt die Spitze des Katheters durch die gut abschließende Diehtungsmuffe und 
kann nun den Katheter durch die Zwirnhülle hindurch vorschieben, ohne ihn zu 
berühren. Dadurch wird auch eine eventuell vorkommende Berührung des Apparates 
mit dem Kopfhaar und den Kleidern des Arztes unschädlich. Die Asepsis bleibt 
allerdings nur so lange gewahrt, als die Hülle sich trocken erhält. Dringt Blasen- 
inhalt neben dem Katheter hervor, so ist die feuchte Hülle kein Schutz mehr. 
Die Firma Leiter, Wien, liefert die Zwirnstrümpfe, die nach Meinung des Ref. 
ein gutes Mittel zur Isolierung der Katheter bei der Sterilisation sind. Sie ver- 
hindern das Aneinanderkleben der Katheter. Kroemer (Berlin). 


32) Suter (Basel. Wert des Indigokarmins zur funktionellen Nieren- 
diagnostik. 
(Zeitschrift für Urologie Bd. II. Hit. 5.) 

S. berichtet über seine mit der Völker-Joseph’schen Indigokarminmethode 
gewonnenen Erfahrungen. Zur Injektion diente eine 4xige Aufschwemmung des 
Farbstoffes in einer Menge von 4ccm. Von 26 Fällen mit gesunden Nieren 
zeigten bei der Cystoskopie 20 gleichzeitige Farbsekretion, 6 ungleichzeitige; die 
Differenz betrug dreimal 1—2, einmal 4, zweimal 5 Minuten. Die größte Mehrzahl 
der zweimal 26 Nieren, nämlich 40, arbeiteten schon nach 10 Minuten Beobachtungs- 
zeit. Ahnlich verhielten sich die gesunden Nieren bei Erkrankung der anderseitigen 
Niere. Dagegen gaben von 48 kranken Nieren, die zur Operation kamen, 26 keine 
Farbreaktion (Ursache: Tuberkulose, Pyonephrose, Hydronephrose, Cystenniere). 


870 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 


Bei 21 einseitig Erkrankten, die nicht zur Operation kamen, gaben die kranken 
Nieren neunmal keine Farbe, achtmal vor der 15. Minute, viermal nach 15 Minuten. 
Von 15 doppelseitig Erkrankten starben sieben im urämischen Koma, drei gaben 
keine Farbreaktion, drei andere erst nach 20 Minuten. Ausgenommen sind hierbei 
neun Fälle mit Nephritis.. Sechs von diesen zeigten normale Farbausscheidung, 
einmal war verspätet träge Reaktion, einmal negativer Befund zu konstatieren. 
Demnach scheiden also gesunde Nieren in der Regel gleichzeitig meist 10 Minuten 
nach der Injektion die Farbe aus. Nieren, die erst nach 15 Minuten oder später 
im Vergleich zum Schwesterorgan schwache Farbreaktion geben, sind als funktionell 
schwach (krank) zu bezeichnen. Nieren, die keine Farbe ausscheiden, sind schwer 
krank — funktionstot. Kroemer (Berlin). 


33) P. Albrecht (Wien). Über kongenitale Nierendystopie. 
(Zeitschrift für Urologie Bd. II. Hft. 5.) 


A. berichtet über zwei Beckennieren, die durch Nephrektomie entfernt wurden. 
Fall I betrifft einen 30jährigen Kaufmann, der mit ileusähnlichen Beschwerden 
zur Klinik kam. Als Ursache der Verstopfung fand sich eine linksseitige, auf der 
Beckenschaufel liegende Geschwulst, die nach dem lokalen und dem Urinbefund 
als verschobene linke Niere angesprochen wurde; letztere war am normalen Ort 
nicht zu tasten. Da nach dem Verlauf eine Pyonephrose vorlag, wurde die ver- 
lagerte Niere entfernt. Bestätigung der Diagnose bei der Operation. Fall II: 
35jähriger Mann, erkrankt mit Störungen der Urinentleerung. Zuletzt Symptome 
von Pyelitis. Die Differentialdiagnose (Harnleiterkatheterismus) ergibt rechts 
normalen Urin, links eitrigen Harn mit reichlichem Sediment und zahlreichen 
Tuberkelbazillen. Die linke Niere wird zunächst vergeblich am normalen Ort bei 
der Operation gesucht; sie findet sich im Becken und wird entfernt. Nach den 
beigegebenen Illustrationen handelt es sich um eine typische, dreikantige Klumpen- 
niere. Das geteilte Nierenbecken, sowie Ein- und Austrittsstellen der Gefáße, be- 
finden sich an der Vorderseite. A. bespricht die Schwierigkeiten der Differential- 
diagnose und weist dabei auf die von ihm beobachtete Darmanomalie (Fehlen des 
S romanum) und auf die Pulsation des Blasentrigonums hin. Fehldiagnosen 
werden sich nicht ganz vermeiden lassen. Normale dystope Nieren sollen nicht 
entfernt werden, sondern nur verlagerte, kranke Nieren sind zu exstirpieren. 

Kroemer (Berlin). 


34) H. L. Kretschmer (Chicago). Beitrag zur Frage der »essentiellen 
Nierenblutung. 
(Zeitschrift für Urologie Bd. I. Hft. 6.) 


Bei einem Pat. mit einer 2 Monate andauernden, nachweislich auf die eine 
Niere beschränkten Hämaturie ohne sonstige klinische Zeichen einer krankhaften 
Veränderung der Niere brachte die Dekapsulation den Prozeß zunächst zum Still- 
stand. Als nach Ömonatiger Pause die Blutungen erneut und in anhaltender 
schwerer Form auftraten, mußte zur Lebensrettung die Nephrektomie gemacht 
werden, worauf der Harnbefund anscheinend endgültig zur Norm zurückkehrte. 
Die mikroskopische Untersuchung eines bei der ersten Operation entnommenen 
Gewebsstückes zeigte jedoch bereits proliferative Veränderungen der Malpighi- 
schen Körperchen und die Neigung zu Blutungen in die Bowman'sche Kapsel. 
Nach der zweiten Operation zeigte sich eine wesentliche Steigerung der früheren 
Veränderungen, die nun als Nephritis bezeichnet werden. Die Veränderungen sind 
genau beschrieben und abgebildet. 

Auf Grund von 129 Fällen renaler Blutung aus der Literatur kommt K. zu 
folgenden Schlüssen: 

1) Zur Annahme einer Hämaturie aus einer anatomisch unveränderten Niere 
muß eine Blutung aus einem anderen Abschnitt als aus dem Nierenparenchym 
ausgeschlossen sein und eine mikroskopische Untersuchung der vermeintlich unver- 
änderten Niere vorliegen. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 871 


2) Schon geringe pathologische Veränderungen im Nierenparenchym können 
wesentliche Blutungen zur Folge haben. Der gegenwärtige Stand der Mikroskopie 
gestattet noch nicht in jedem Falle, aus dem Grade der Veränderungen Folgerungen 
bezüglich der Schwere der Blutung zu ziehen. 

3) In manchen Fällen essentieller Nierenblutung bewährt sich sowohl die De- 
kapsulation als auch die Nephrotomie als endgültig heilsamer Eingriff. In anderen, 
und zwar auch bei solchen mit scheinbar geringfügigen Veränderungen, ist der 
Erfolg kein nachhaltiger, so daß später die Nephrektomie notwendig wird. 

4) Dem klinischen Symptom der Nierenblutung entsprechen in den einzelnen 
Fällen durchaus verschiedene anatomische und mikroskopische Bilder der Nieren- 
parenchymveränderung. Fahre (Dresden). 


35) Kotzenberg (Hamburg-Eppendorf). Über Nierenblutungen. 
(Zeitschrift für Urologie Bd. H. Hft. 2.) 


Verf. berichtet über 13 Operationsgeschichten jener wichtigen Fälle, in welchen 
schwere Nierenblutungen auf dem Boden entzündlicher Veränderungen in der 
Glomerulischicht teils einseitig, teils doppelseitig eintreten und schließlich gelegent- 
lich aus Indicatio vitalis zur Operation zwingen. — Massenblutungen, welche sonst 
wohl für Tuberkulose, Nephrolithiasis oder Geschwülste pathognomonisch sind, kom- 
men also auch als sogenannte essentielle Nierenblutungen vor, wie man denn auch 
von einer renalen Hämopbilie gesprochen hat. Unter 400 Operationen, welche in 
.der Abteilung Kümmell’s ausgeführt wurden, konnte zwölfmal eine greifbare 
pathologische Veränderung der blutenden Niere nicht konstatiert werden. Vier- 
mal mußte aus Indicatio vitalis die Nephrektomie vorgenommen werden, sechsmal 
genügte die Nephrotomie (in einem Falle doppelseitig), in zwei Fällen wurde die 
Enthülsung ausgeführt. Elf Pat. verließen gebessert oder geheilt die Anstalt, nur 
einer starb auf dem Operstionstisch an Verblutung. 

Als Ursache dieser Blutungen, die mit den Hämorrhagien bei akuten In- 
fektionskrankheiten nichts zu tun haben, schuldigt Verf. eben beginnende 
nephritische Prozesse an, welche sich in der Rinde im Bereich der Glomeruli- 
kapillarschlingen abspielen und vielleicht auf toxische Einwirkung zurückzuführen 
sind. — Da eine Differentialdiagnose zwischen Geschwulst und nephritischer 
Blutung nur durch Operation gestellt werden kann, so empfiehlt Verf. die Nephro- 
tomie mit Entfernung eines Nierenstückchens zur mikroskopischen Untersuchung. 
Die Prognose ist bei der Doppelseitigkeit des ätiologischen Prozesses stets ernst. 

Kroemer (Berlin). 


36) Haynes. Unilateral renal hematuria due to pyelitis cystica. 
(Annals of surgery 1908. März.) 

Ein älterer Mann, der nie venerisch krank gewesen war, litt seit einigen Jahren 
an häufigem Urindrang und Schmerzen in der linken Nierengegend. Innerhalb des 
letzten Jahres hatte er einige Male Blut im Urin gehabt. Durch die Röntgen- 
untersuchung wurde festgestellt, daß die linke Niere vergrößert war, im cysto- 
skopischen Bilde war die Umgebung des linken Harmleiters entzündet. Im Urin 
fand man Spuren von Eiweiß, rote und weiße Blutkörperchen. Die linke Niere 
wurde durch Lendenschnitt freigelegt und vergrößert angetroffen, ein Stein war 
nirgends nachzuweisen, wohl aber nach durchschnittener Niere eine starke wuchernde 
Entzündung der Schleimhaut des Nierenbeckens. H. exstirpierte die linke Niere; 
hiernach schwanden! alle Krankheitssymptome. Verf. weist darauf hin, daß in den 
meisten Fällen sogenannter idiopathischer Nierenblutung an den Nieren Ver- 
änderungen angetroffen werden; in den seltenen Fällen, wo das nicht der Fall ist, 
handelt es sich um eine sogenannte Angioneurosis. Was speziell die durch Ent- 
zündungen der Nierenbeckenschleimhaut hervorgerufenen Blutungen anbetrifft, so 
sollen sie nach H. zunächst medikamentös, wenn dies nicht hilft durch Ausspülungen 


872 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 


des Nierenbeckens mit schwachen Antisepticis behandelt werden. Wenn aber die 
Blutung aus einer Niere gar nicht nachläßt, mag sie nun Jurch eine Angioneurosis 
oder eine Pyelitis cystica bedingt sein, so hält er die Exstirpation der Niere, vor- 
ausgesetzt, daß die andere Niere gesund ist, für gerechtfertigt. 

Herhold (Brandenburg). 


37) Lichtenstern (Wien). Die Resultate der operativen Behandlung 
der Nierentuberkulose. 
(Zeitschrift für Urologie Bd. II. Hft. 3.) 


L. suchte der Frage der Dauerheilung nach der Exstirpation tuberkulöser 
Nieren näher zu treten durch die Untersuchung des Urins scheinbar geheilter Per- 
sonen auf den Gehalt an Tuberkelbazillen. Von 45 durch Zuckerkandl Ope- 
rierten erlagen sechs dem Eingriff (primäre Mortalität = 13,3%). Die übrigen er- 
freuen sich eines guten Gesundheitszustandes. Verf. konnte 17 von ihnen zu wieder- 
holten Kontrolluntersuchungen des Urins herenziehen. Es wurde nach 2—3stün- 
digem Sedimentieren 1 ccm des Sedimentes intraperitoneal bei Meerschweinchen 
injiziert; die Sektion der letzteren nach bestimmter Beobachtungszeit ergab über- 
raschenderweise sehr verschiedene Resultate; a. 7 von den untersuchten Urinen 
zeigten dauernd negativen Keimgehalt; b. bei 3 war der Befund zunächst positiv, 
später negativ; c. bei den 7 letzten Fällen waren stets Tuberkelbazillen nach weis- 
bar. Gruppe e. enthält zwar Fälle mit restierender Cystitis, aber ohne spezifischen 
Charakter. Bei Gruppe b. heilt die tuberkulöse Cystitis unter der Beobachtung. 
Bei Gruppe a. bestehen noch tuberkulöse Prozesse der Blase oder des Harnleiter- 
stumpfes trotz scheinbarer völliger Heilung. Von allen 17 Urinen konnten nur 3 
mit den Färbemethoden als bazillenhaltig nachgewiesen werden. Erst wenn der 
Urin im Tierversuch sich als frei von Tuberkelbazillen erweist, kann man demnach 
von Heilung der Nierentuberkulose sprechen. Kroemer (Berlin). 


38) Wwildholz (Bern). Klinisches über Nierentuberkulose. 
(Zeitschrift über Urologie Bd. II. Hft. 3.) 


W. hält die Nierentuberkulose für einen Prüfstein auf die Brauchbarkeit der 
modernen funktionell-diagnostischen Untersuchungsmethoden: »Kryoskopie, Chromo- 
cystoskopie, Urinseparatione. Die Kryoskopie des Blutes nahm er bei % Kranken 
vor. Sieben von 21 mit doppelseitiger Nierentuberkulose Behafteten hatten einen 
Gefrierpunkt von — 0,58 bis —0,67°, 13 andere trotz der Doppelseitigkeit des 
Prozesses — 0,53 bis —0,56°. Dagegen war bei vier einseitig Erkrankten 
d= —.0,6° bis —0,7°. Da die gesunde Niere gut funktionierte, wurde bei allen 
vier Pat. die Nephrektomie mit gutem Erfolg ausgeführt. Die Indigokarminprobe 
dient zur raschen Orientierung über die Lokalisation. Zur genaueren Bestimmung 
der Ausdehnung des Prozesses genügt sie nicht. Vermißt man aber 40—60 Minuten 
nach der Injektion jede Spur von Indigofarbstoff im Urin, so liegt meist ein 
doppelseitiger NierenprozeßB vor. Die vergleichende Untersuchung der Harne- 
beider Nieren auf den Gefrierpunkt / und Albumen, Eiter usw. lieferte weniger 
gute Resultate als die Bestimmung der Valenzwerte, d.h. ./>< Urinmenge. War 
der Valenzwert der zweiten Niere ein guter, so wurde die Nephrektomie trotz 
Albuminurie und d-Erniedrigung ausgeführt. Von 121 Kranken kamen 72 zur 
Nephrektomie, 62 bei W. mit 4,8% Mortalität. Eine exstirpierte Niere bot das 
Bild einer reinen Nierenbeckentuberkulose. Kroemer (Berlin). 





Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden. 


Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau. 
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. 





Zentralblatt für Chirurgie 


herausgegeben von 


K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER, 








in Bonn, in Berlin, in Breslau. 
35. Jahrgang. 
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG. 
Nr. 29. Sonnabend, den 18. Juli 1908. 
Inhalt. 


1) Rosenfeld, Prophylaxe der Verkrüppelung. — 2) Rauenbusch, Spondylitis tuberculosa. — 
8) Haudek, Schiefhals. — 4) Rebattu und Rheuter, Wirbeisäulenmißgestaltung. — 5) Eckstein, 
6) Gerson, 7) Möhring, Skoliose. — 8) Böcker, Ellbogenverletzungen. — 9) Kaefer, Vorderarm- 
brüche. — 10) Cramer, Angeborene Supinationsstörungen. — 11) Hornung, Syndaktylie. — 
12) Fränkel, Der normale und der gestörte Gang. — 13) Schoemaker, Die Trochanter-Spinalinie. 
— 14) Ghillini, 15) Graetzer, 16) Drehmann, Angeborene Hüftverrenkung. — 17) Zuelzer, Genu 
varum infantile. — 18) Alsberg, Apophysitis tibialis adolescentium. — 19) Lehr, 20) Saxl, Klump- 
fuß. — 91) Mayer, Plattfußbeschwerden. — 22) Haglund, 23) Blencke, Calcaneussporn. — 34) Tau- 
bert, Überzählige Carpalia und Tarsalia und Sesambeine. — 25) Lengfellner, Schuhwerk. 

L H. Teske, Beitrag zur Atiologie des angeborenen Schulterblatthochstandes. — IL C. Bayer, 
Ein osteoplastischer Chopart. (Originalmitteilungen.) 

26) Deutscher Orthopädenkongreß. — 27) Gaugele, Pott’scher Buckel. — 28) Gottstein, Sko- 
liose. — 29) Renvall, Familiär auftretende Extremitätenmißbildungen. — 80) Holding, 81) Weber, 
82) Bazy, Armnervenverletzungen. — 83) Zander, Angeborene Schulterverrenkung. — 84) Alsberg, 
Erbsenbeinbruch. — 85) Hohmann, Klumphand und Klumpfuß. — 86) Hiller, Schnellender Finger. 
— 87) Thrap-Meyer, Resektion der Symphysis sacro-iliaca. — 38) Nyrop Ejnar, Prothese bei 
Hüftexartikulation. — 89) Becher, Kompensatorische Hüftverrenkung. — 40) Ehebold, 41) Bade, 
43) Deutschländer, Angeborene Hüftverrenkung. — 48) Guradze, Oberschenkelosteotomie. — 
44) Höring, Tendinitis ossificans traumatica. — 45) Troemner und Preiser, Frühfrakturen als 
Initialsymptom bei Tabes. — 46) Haglund, 47) Lilienfeld, 48) Gaugele, Os tibiale. — 49) Nieny, 
Plattfuß. — 50) Ebbinghaus, Bruch des Stieda’schen Sprungbeinfortsatzes. — 51) Lehr, Plan- 
tare Fersenbeinexostose. 

Orthopädischer Kurs in Berck. 

Berichtigung. 





1) L. Rosenfeld. Prophylaxe der Verkrüppelung. 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.) 


Der in der Literatur der Krüppelfürsorge wohlbekannte Verf. 
schildert den Wert der Prophylaxe bei denjenigen Erkrankungen, die 
zur Verkrüppelung führen, besonders bei der Tuberkulose der Knochen 
und Gelenke, bei der Rachitis und bei anderen Konstitutionskrankheiten. 
Bei Rückgratsverkrümmungen soll möglichst frühzeitig ärztliche Be- 
handlung erstrebt werden. Man soll skoliotische Kinder als Externe 
den Krüppelanstalten zuweisen. Der Wahl des Berufes soll ärztliche 
Untersuchung vorausgehen. Die Ziele der Prophylaxe lassen sich 
unter zwei Gesichtspunkten zusammenfassen: 1) Anteilnahme und Mit- 
arbeit an einer Reihe von Bestrebungen der sozialen Medizin, die 
somit gewissermaßen die Grenzgebiete der orthopädischen Chirurgie 
bilden: an der Wohnungsfürsorge und Wohnungspflege, dem Ausbau 
der bestehenden Kranken- und Unfallversicherungsgesetze, der Förderung 


29 


874 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 


der Säuglingsheime und Milchküchen, an den verschiedenen Arbeits- 
gebieten der Schulgesundheitspflege, an der Fürsorge für Tuberkulöse 
in Heilstätten, See- und Walderholungsheimen. 2) Ausbau der Krüppel- 
anstalten dahin, daß neben der Behandlung, Erziehung und Versorgung 
auch der Verhütung des Krüppeltums Rechnung getragen wird. Im 
Anschluß an die Krüppelanstalten sollen Ambulatorien oder Polikliniken 
errichtet werden. Ferner sollen Erholungsstätten, Landkolonien, Sol-, 
Thermal-, Stahlbäderabteilungen und Seeheime geschaffen werden. 

J. Riedinger (Würzburg). 





2) Rauenbusch. Die Spondylitis tuberculosa im Röntgen- 
bilde. Archiv und Atlas der normalen und pathologischen 
Anatomie in typischen Röntgenbildern. Bd. XVII. 22 Röntgen- 


bilder. 
Hamburg, Lucas Gräfe & Sillem, 1908. 

R. zeigt an Röntgenbildern aus der Hoffa’schen Klinik, was die 
Röntgenphotographie zur Deutung der pathologischen Anatomie der 
Spondylitis leisten kann. Die Bilder zeigen in hervorragender Weise 
die Ausdehnung der Erkrankung und das Vorhandensein von Senkungs- 
abszessen. Auf den die Spondylitis der Brustwirbelsäule betreffenden 
Tafeln sind diese deutlich zu sehen. Besonders wertvoll sind die Tafeln 
durch Beigabe von Umrißzeichnungen, welche die Deutung des Be- 
fundes sehr erleichtern. Wertvoll sind ferner die zur Differential- 
diagnose herangezogenen Fälle von angeborenen Mißbildungen, Torsions- 
erscheinungen bei Skoliose und Spondylitis ankylopoetica; wichtig die 
Darstellung der normalen Halswirbelsäule. Im Text wird die Auf- 
nahmetechnik geschildert und außerdem kurz auf Statistik, Heilungs- 
aussichten und die rationelle Therapie eingegangen. 

Auffallend ist der ständig wiederkehrende Druckfehler: Spondilitis. 

Drehmann (Breslau). 





3) M. Haudek. Zur operativen Behandlung des musku- 
lären Schiefhalses. 
(Zeitschrift für orthpäd. Chirurgie Bd. XX.) 

Verf. empfiehlt die von Lange angegebene Methode der Durch- 
trennung ‚des Kopfnickers an seinem Ansatz am Processus mastoideus 
nicht allein wegen des kosmetischen Effektes, sondern auch wegen des 
Vorteiles der kürzeren Dauer der Operation und der einfacheren 
Operationsverhältnisse sowie der Erleichterung des Redressements der 
Halsskoliose. J. Riedinger (Würzburg). 





4) J. Rebattu et J. Rheuter. Etude sur les deviations de 
la colonne vertebrale. 
(Province med. 1908. Nr. 15.) 

Das Untersuchungsmaterial der Verff. erstreckt sich auf 170 Fälle 

von Deviationen der Wirbelsäule, meistens dem vorgerückten Alter an- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 875 


gehörend. Sie gelangen zu folgenden Schlüssen: Vom klinischen 
Standpunkt aus muß man streng zwischen reinen Skoliosen und 
Kyphosen unterscheiden. Die letzteren können sich mit einer leichten 
Skoliose vergesellschaften, aber diese Deviation ist immer sekundärer 
Natur. Kyphosen sowohl als Kyphoskoliosen lassen sich einteilen in 
allmählich entstehende, welche leichte Formen darstellen und durch 
senile Osteomalakie bedingt sind; zweitens in rasch eintretende Er- 
krankungen, deren Pathogenose eine verschiedenartige sein kann. Die 
Skoliosen entwickeln sich in frühester Jugend, und zwar in kurzer 
Zeit. Der Atiologie nach scheint es sich gleichfalls um eine Art 
Osteomalakie zu handeln. A. Hofmann (Karlsruhe). 





5) G. Eckstein (Prag). Anatomische Untersuchungen über 


den Zusammenhang zwischen Halsrippen und Skoliosen. 
(Zeitschrift für orthopåd. Chirurgie Bd. XX.) 

Verf. hat in zwei Fällen das Zusammentreffen von Halsrippen 
und Skoliose gefunden, ohne daß ein Zusammenhang beider Zustände 
angenommen werden konnte. In zwei Fällen fand er Haisrippen 
ohne Skoliose. Verf. untersuchte nun im deutschen anatomischen In- 
stitut in Prag sämtliche Skelette und auf Halsrippen Bezug habende 
Präparate. Unter 35 Fällen fand er einen Befund, der den Be- 
dingungen entsprach, unter denen scheinbar Halsrippen mit Skoliose 
zu verlaufen pflegen, und trotzdem konnte er in keinem derselben eine 
Skoliose nachweisen. Somit gelangte Verf. zu der für die Auffassung 
von der Entstehung der Skoliose sehr wichtigen Tatsache, daß 
Halsrippen allein nicht beschuldigt werden, sondern daß andere ätio- 
logische Momente (Rachitis, Heredität, Mißbildungen usw.) für die Er- 
klärung herangezogen werden müssen. J. Riedinger (Würzburg). 





6) K. Gerson. Skoliosenbehandlung im Hause. 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX ) 

Verf. schildert das Tagespensum eines skoliotischen Kindes, das 
aus der Behandlung vorläufig entlassen ist: frühmorgens aktive Re- 
dression, nach der Schule vor Tisch Seitenlagerung auf einem schiefen 
Brett mit Extension an einem Arm (dem Arm der konkaven Seite), 
nach dem Mittagessen Übung an einem Sandsack, nach Beendigung 
der Schularbeiten Liegen auf der konkaven Seite bei aufgestütztem 
Ellbogen. J. Riedinger (Würzburg. 





7) P. Möhring. Der tragbare Heilapparat bei der Skoliose. 
Ein Rückblick und Versuch einer Vereinheitlichung. 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.) 

Ein guter Stützapparat muß nicht nur jeden Grad der Redression 
erhalten, sondern auch selbst weiter redressieren können, ohne zu sehr 
zu belästigen. Die Zeit des Hessingkorsettes ist nach Ansicht des 

999 


876 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 


Verf.s vorüber, und der starre Panzer kommt nicht mehr in Frage. 
Demgegenüber empfiehlt Verf. einen Stützapparat mit folgenden 
Eigenschaften: Starke redressierende und Stützkraft, Vermeidung 
jeden überflüssigen und schädlichen Druckes, Erhaltung größtmöglicher 
Bewegungsfreiheit, Ermöglichung des Luftzutrittes, Leichtigkeit, Halt- 
barkeit, Billigkeit und überaus einfache Handhabung. Der Apparat 
läßt sich anwenden bei Skoliose, Kyphose, Tuberkulose und anderen 
Erkrankungen. Er besteht aus Beckengürtel, zwei Rückenstäben, 
Achselstücken, vorderem wagerechten Stab, Gummigurten. Eine Kopf- 
stütze ist in den meisten Fällen entbehrlich, wenn es sich nicht um 
eine Erkrankung der Halswirbelsäule handelt. Unter Mithilfe der 
Redressionsbehandlung werden wenigstens mittelschwere Fälle wirklich 
geheilt. J. Riedinger (Würzburg). 


8) W. Böcker. Zur Beurteilung von Unfallverletzungen 


im Bereiche des kindlichen Ellbogengelenks. 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.) 

Verf. betont die Wichtigkeit der Kenntnis der normalen Anatomie 
des kindlichen Ellbogengelenkes für die Diagnose der Frakturen 
unter Hinweis auf die hierüber veröffentlichten Arbeiten und weiter- 
hin die Wichtigkeit der röntgenographischen Aufnahme von mindestens 
zwei Seiten. Zur Erläuterung des letzten Punktes wird ein Beispiel 
aus der Praxis angeführt. In zweifelhaften Fällen darf auch eine 
Röntgenaufnahme der gesunden Seite nicht versäumt werden. Im 
Alter von 11—13 Jahren sind die Verhältnisse am kompliziertesten. 
Im Anschluß an diese Erörterungen berichtet Verf. über den Bruch 
des Epicondylus internus bei einem l1jährigen Mädchen, der in der 
Deutung Schwierigkeit bereitet hatte. J. Riedinger (Würzburg). 





9) N. Kaefer (Odessa). Zur Behandlung der Vorderarm- 
brüche. 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 19.) 

K. verwendet als Stütze für die Extension des Vorderarmes das 
freie Ende eines an jeden Operationstisch anbringbaren Beinhalters, 
dessen nach oben gerichtetes freies Ende von dem Arm in der Ell- 
beuge umfaßt wird. Der Verband wird aus einer Gipsstärkenbinden- 
longuette hergestellt, die auf die mit Vaseline bestrichene Streck- 
seite des Vorderarmes aufgelegt, glatt und faltenlos angestrichen und 
mit einer den senkrechten Eisenstab in den Verband hineinnehmenden 
Mullbinde festgewickelt wird, während ein Assistent den Gegenzug an 
der Hand ausübt. Bei dem typischen Radiusbruch erhält die Schiene 
Pistolenform. Zum Schluß wird noch eine nasse Stärkebinde angelegt 
und der Eisenstab herausgezogen. Der Verband ist für Massage und 
Übungen leicht abnehmbar. Kramer (Glogau). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 877 


10) K. Cramer. Über kongenitale Supinationsstörungen. 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.) 

Verf. bespricht die einzelnen Ursachen der Behinderung der Su- 
pination des Vorderarmes mit Ausschluß des traumatischen, nämlich 
den totalen oder partiellen Defekt eines Vorderarmknochens, die an- 
geborene Luxation des Radiusköpfchens ohne oder mit Verbildung des 
Radius, Verwachsung mit dem Humerus, Verwachsung beider Vorder- 
armknochen miteinander und rachitische Verkrümmungen der Vorder- 
armknochen. Drei kasuistische Mitteilungen betreffen: 1) partiellen 
Radiusdefekt, 2) Verwachsung beider Vorderarmknochen, 3) rachitische 
Deformität. J. Riedinger (Würzburg). 





11) H. Hornung. Eine neue unblutige Methode zur Be- 
handlung der Syndaktylie beim Neugeborenen. 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.) 

Nach Besprechung der operativen Methoden, die nicht immer gute 
Resultate geben, empfiehlt Verf. einen nach Angabe Spitzy’s her- 
gestellten kleinen Apparat, der sich praktisch gut bewährt hat. Der 
Apparat besteht aus zwei dreiseitigen Prismen oder Keilen, die durch 
Schrauben einander bis zur Berührung zweier Längskanten genähert 
werden können. Nach der Anlegung des Apparates zwischen zwei 
Fingern kommt es bei allmählich stärkerem Anziehen der Schrauben 
zu einer Furchung, dann zu einer Schwimmhautbildung, schließlich 
zur Trennung. In einem Falle verliefen bis zur Trennung 14 Tage. 
Das Resultat war ein vorzügliches. J. Riedinger (Würzburg). 





12) J. Fränkel. Kinematographische Untersuchungen des 
normalen Ganges und einiger Gangstörungen. 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.) 

Der Kinematograph hat besonders deshalb für die Medizin einen 
Wert, weil er eine zusammengesetzte Bewegung in einzelne Phasen 
zerlegt und diese getrennt mit genügender Deutlichkeit erkennen läßt. 
Die analytische Verwendung des Kinematographen ist bisher nur von 
neurologischer Seite geübt worden. Der Zweck der vorliegenden Arbeit 
ist, die Methode im Dienste der Orthopädie zu erproben. Die Auf- 
nahmen wurden in der Hoffa’schen Klink gemacht und betreffen 
den normalen Gang, den Gang bei Luxatio coxae congenita, Coxa 
vara, Coxitis und bei Lähmungen. An der Hand von Abbildungen 


werden einige belehrende Erläuterungen hierzu gegeben. , 
J. Riedinger (Würzburg). 





13) J. Schoemaker (im Haag). Die Trochanter-Spinalinie als 
diagnostisches Hilfsmittel. 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XIX. Hft. 3 u. 4.) 
Zur Bestimmung des Trochanterstandes zieht S. bei Rückenlage 
des Pat. eine gerade Linie von der Spitze des Trochanters am Rande 


878 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 


der Spina ant. sup. entlang bis zur Mittellinie (Trochanter-Spinalinie). 
Bei normalen Menschen schneiden sich die Linien etwa in der Höhe 
des Nabels in der Mittellinie des Körpers. Ist ein Trochanter in die 
Höhe gerückt, so ist die Kreuzungsstelle der Linie dieser Seite in der 
Mittellinie des Körpers nach unten verschoben, und zwar um eine 
Strecke, die etwa dreimal so lang ist als die Strecke der Verschiebung 
der Trochanterspitze nach oben. Auf kleinere Unterschiede kann 
wegen der Leichtigkeit ungenauer Messung kein Wert gelegt werden. 
Die Messung kommt hauptsächlich bei einseitigem Hochstand des 
Trochanters in Betracht. Die Verschiebung nach hinten läßt sich 
nicht messen. Für die Praxis kann der Einfluß dieser Verschiebung 
vernachlässigt werden. Bei den Verschiebungen der Trochanterspitze 
nach innen und unten macht sich fast nur die nach innen auf den 
Verlauf der Trochanter-Spinalinie geltend. Verf. zieht die Linie durch 
eine kratzende Bewegung des Mittelfingers oder markiert sie durch 
Anlegung eines Bindfadens. Bei einseitigem Hochstand wird der Ab- 
stand der beiden Kreuzungspunkte in der Mittellinie des Körpers 
gemessen. Die Zahl wird durch 3 dividiert, und man hat dann un- 
gefähr das Maß der Verschiebung des Trochanter in die Höhe. Bei 
Schenkelhalsbruch, Luxatio iliaca und Coxa vara endet die Linie 
unterhalb des Nabels. Bei Coxa valga dagegen geht sie steil in die 
Höhe bis zum Brustbein. J. Riedinger (Würzburg). 





14) Ghillini (Bologna). Experimentelle und angeborene Hüft- 


gelenksverrenkung. 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XIX. Hft. 3 u. 4.) 

Seit etwa 15 Jahren paarte G. Kaninchen, bei denen er einseitige 
oder doppelseitige Hüftverrenkung vorgenommen hatte, um Nach- 
kommen mit gleicher Deformität zu erhalten. Die Resultate waren 
in bezug auf die Vererbung natürlich negativ, jedoch für die patho- 
logische Anatomie dieser Deformität von Bedeutung. Verf. fand ähn- 
liche Veränderungen wie beim Menschen, aber auch Abweichungen, 
die sich daraus erklären, daß ursprünglich normale anatomische Ver- 
hältnisse vorlagen und die Deformität zu den erworbenen, traumatischen 
zu zählen ist. In manchen Fällen war z. B. der obere Abschnitt des 
Femur atrophisch, der untere dagegen kompensatorisch verdickt. In 
anderen Fällen war der Pfannenboden nicht verdickt, sondern ver- 
dünnt usw. Bei allen Experimenten erzielte Verf. Anteversion des 
Kopfes. Er erinnert daran, daß er einer der ersten war, der nach 
der Reposition des Kopfes bei Anteversion Fixation des Oberschenkels 
in Innenrotation empfahl. Er hält sich auch heute noch für berechtigt, 
zu erklären, daß es unmöglich ist, eine wahre, richtige Restitutio ad 
integrum im anatomischen Sinne zu erreichen. 

Nach den Ausführungen des Verf.s zeigen die Experimente, wie 
man den Oberschenkel nach der Reposition fixieren muß und wie man 
eine Nearthrose bilden kann, die das normale Gelenk ersetzt. Nie 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 879 


sollen außerdem eine Bekräftigung der Theorien der mechanischen 
Entstehung der Deformität sein. J. Riedinger (Würzburg). 





15) G. Graetzer. Zur Ätiologie der angeborenen Hüftgelenks- 


verrenkung. 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.) 

: Verf. kann der Theorie Drehmann’s, der die Verrenkung über dem 
oberen Pfannenrand auf das längere Fortbestehen der ursprünglichen 
Coxa valga zurückführt, nur soweit folgen, als sie in der Coxa valga 
eine Vorstufe der Verrenkung erblickt. Die Ursache der Verrenkung 
sieht er in der Fortwirkung der die Adduktion im fötalen Leben be- 
hindernden Kraft, die nur als Zugwirkung amniotischer Verwachsungen 
gedacht werden kann. J. Riedinger (Würzburg). 


16) G. Drohmann. Weitere Beiträge zur unblutigen Be- 


handlung der angeborenen Hüftverrenkung. 
` (Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.) 

Verf. schildert in anschaulicher, fesselnder Weise seine Er- 
fahrungen, die in der Hoffa’schen Klinik beginnen, in der v. Mi- 
kulicz’schen Klinik fortgesetzt und schließlich in eigener Praxis ge- 
gemacht wurden. Infolge der Behandlung von 600 Fällen hat Verf. 
ein sicheres Urteil über den Wert der Lorenz’schen unblutigen Be- 
handlung der kongenital verrenkten Hüften gewonnen. Er kann mit 
großer Befriedigung auf seine Endresultate zurückblicken; denn die 
unblutige Methode hat mehr geleistet, als erwartet wurde. Bei den 
sich noch vielfach widersprechenden Meinungen über die zweckmäßigste 
Art des Vorgehens bei der Reposition der Verrenkung muß es für 
jeden Orthopäden von größtem Interesse sein, ein so abgeklärtes 
Urteil zu vernehmen, wie es D. abzugeben in der Lage ist. Für den 
noch weniger Erfahrenen muß besonders die Schilderung der Methode 
der Einrenkung und der bei der Einrenkung stattfindenden Vorgänge 
von Wert sein, da die Schilderung einfach ist und einen direkten 
Weg zeigt. Nach der Einleitung werden folgende Kapitel abgehandelt: 
Kritik der unblutigen Methode, Statistik und Atiologie, Selbstheilungs- 
fälle, erster Nachweis und bestes Alter zur Einrenkung (Ende des 
2. Lebensjahres), Ursachen der Mißerfolge, Unglücksfälle und Ver- 
meidung derselben, Methode der Einrenkung, »rechtwinklige Flexions- 
abduktion«, bei schlechteren Pfannenverhältnissen »überrechtwinklige 
Flexionsabduktion«, Heilungsvorgänge, Behandlung der primär schlecht 
geheilten Fälle, Endresultate (bei einseitiger Verrenkung sind 93,26% 
funktionell normal und 90,38% anatomisch normal geheilt; bei doppelsei- 
tiger Verrenkung beträgt der Prozentsatz der guten Heilungen 82%, der 
beiderseits anatomisch normal Geheilten 71,4% ; der Berechnung liegen 
132 Endresultate der Privatpraxis zugrunde), ferner Schlußbemerkungen 
und tabellarische Übersicht. Die Altersgrenze bei einseitiger Ver- 


880 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 


renkung wird auf 10, bei doppelseitiger auf etwa 6 Jahre angegeben. 

Doppelseitige Verrenkungen werden in einer Sitzung eingerenkt. Vor- 

bereitende permanente Extension wird nur bei älteren Fällen angewandt. 
d. Riedinger (Würzburg). 





17) R. Zuelzer. Betrachtung über die Behandlung des Genu 
varum infantile, mit besonderer Berücksichtigung des O-Bein- 


korrektionsapparates. 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.) 

Verf. hat nach dem Prinzip seines X-Beinkorrektionsapparates auch 
einen Apparat für O-Beine konstruiert (s. Zentralblatt für Chirurgie 
1907, p. 1255). Das Kind wird auf ein Brett so gelagert, daß mit 
Hilfe von Gummibinden einige Stunden lang ein korrigierender Zug 
einwirkt. Die Füßchen werden durch einen weichgepolsterten, schlitten- 
artig verschieblichen Klotz auseinander gehalten. Bei guter Fixation 
läßt sich eine kräftige Wirkung erzielen. Die Behandlung wird in 
der Familie durchgeführt. Bei Klump- oder Plattfuß wird durch 
senkrecht gestellte, giebeldachähnlich zueinander geneigte Bretter der 
Fuß entweder in Pronations- oder in Supinationslage gebracht. 

J. Riedinger (Würzburg). 





18) A. Alsberg. Beitrag und kritische Bemerkungen zur Apo- 


physitis tibialis adolescentium. 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.) 

Anknüpfend an die Mitteilungen von Ludloff, Schlatter und 
anderen Autoren teilt Verf. zwei eigene Beobachtungen mit. Die Er- 
krankung tritt im Wachstumsalter, fast nur bei Knaben im Alter von 
12—14 Jahren, auf und wird häufig mit einer Fraktur oder Infraktion 
verwechselt. Sie entsteht allmählich. Im Röntgenbild zeigen sich 
Unregelmäßigkeiten in der Form des zungenförmigen Fortsatzes und 
in der Breite der Knorpelfuge zwischen Fortsatz und Diaphyse. Das 
rechte Bein ist häufiger befallen. Oft tritt das Leiden symmetrisch 
auf. Die Pathologie des Prozesses harrt noch der Aufklärung. Verf. 
wählt den Namen »Apophysitis tibialis adolescentium« statt »inkom- 
plette Abrißfraktur«. Die letztere Bezeichnung ist zu beanstanden. 

J. Riedinger (Würzburg). 





19) H. Lehr. Über eine Verdickung des Taluskörpers als 


Ursache von Klumpfußrezidiven. 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie.) 

Als Ursache mancher rezidivierender Fälle von Klumpfuß läßt 
sich die im Verhältnis zur Knöchelgabel zu große Ausdehnung des 
Talus nachweisen. Von Schanz wird in solchen Fällen der Talus 
durch schichtweises Abtragen von der äußeren Seite mit Messer oder 
Meißel operativ verkleinert. Oft ist auch die Durchschneidung des 
Lig. deltoideum, sowie die subkutane Einkerbung der Fascia plantaris 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 8841 


an mehreren Stellen geboten. Der Oberschenkel wird bei leichter 


Beugestellung des Kniegelenkes in den Verband mit einbegriffen. 
J. Riedinger (Würzburg). 





20) A. Saxl (Wien). Supramalleoläre Infraktion der Fibula, 
ein Hilfsmittel beim modellierenden Redressement des Klump- 


fußes. 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XIX. Hft.3 u. 4.) 

Nach kurzem Hinweis auf die wichtigsten Punkte des Lorenz- 
schen modellierenden (nicht forcierten) Redressements weist Verf. auf 
die Schwierigkeit in manchen Fällen hin, das Fersenbein in über- 
korrigierte Stellung zu bringen. In solchen hartnäckigen Fällen wird 
von Lorenz zu dem Redressement des Fußes noch eine Infraktion 
der Fibula knapp oberhalb des Knöchels hinzugefügt. Dieser para- 
artikuläre Eingriff gestattet, dem Fersenbein den erwünschten Grad 
von Pronation zu geben. Er darf nur als Schlußakt in ausgewählten 
Fällen zur Anwendung kommen.” Frühzeitige Knochenschädigung ge- 
stattet nicht das Redressement fortzusetzen. Die Infraktion kann 
instrumentell durch den Osteoklasten oder auch manuell auf dem 
dreieckigen Keil ausgeführt werden. Bei der Anlegung des Verbandes 
darf man nicht zu stark pronieren lassen. J. Riedinger (Würzburg). 





21) E. Mayer. Beiträge zur Entstehung und Symptomatologie 
der Plattfußbeschwerden. 
(Zeitschrift für ortbopäd. Chirurgie Bd. XX.) 
Unter Benützung des Hebelgesetzes formuliert Verf. mathematisch 
die in Funktionsstörungen bestehenden Folgen des Mißverhältnisses 
zwischen Körperlast und Trag- oder Zugfähigkeit. Auch die Lokali- 


sation der Schmerzen läßt eine Berechnung zu. 
J. Riedinger (Würzburg). 


22) P. Haglund (Stockholm). Über den sogenannten Cal- 


caneussporn. 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XIX. Hft.3 u. 4.) 

Chrysospathes hält den spornartigen Knochenauswuchs der 
unteren hinteren Fläche des Fersenbeines für eine Abnormität, ver- 
ursacht durch Bänder- und Muskelzug (s. Zentralblatt für Chirurgie 
1907, p. 1255). Der Ausgangspunkt soll die Epiphyse am hinteren 
Abschnitt des Calcaneus sein. H. bestreitet dies auf Grund eines 
Studiums von 17 Röntgenbildern und gibt an, daß der Sporn vom 
Korpuskern des Calcaneus ausgeht und auf einen osteoarthritisartigen 
Prozeß zurückzuführen ist. Die Gründe für diese Annahme werden 
näher erörtert. J. Riedinger (Würzburg). 


—. 


882 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 


23) A. Blencke. Bemerkungen über den »Calcaneussporn«. 
‚Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.) 

Verf. hat anatomische und röntgenologische Untersuchungen über 
die Epiphyse am hinteren Abschnitt des Calcaneus angestellt und 
faßt das bisher schon Bekannte hierüber zusammen. Mit der Dia- 
gnose eines Knochenbruches sollen wir vorsichtig sein. Die Möglichkeit 
eines solchen ist andererseits nicht abzustreiten. Im allgemeinen ist 
der Calcaneussporn, die zackenartige Verlängerung des Tuberculum 
majus calcanei, nicht sehr häufig zu beobachten. Er kann schmerzlos 
verlaufen, spontan schmerzhaft werden oder nach einem Trauma Be- 
schwerden verursachen. Zuweilen ist er Begleiterscheinung des Platt- 
fußes. Er kann ferner bedingt sein durch Gonorrhöe, Arthritis und 
Arteriosklerose, sogar durch Tuberkulose. An einem Calcaneus können 
auch mehrere Fortsätze auftreten. Der Sporn wird einseitig und 
doppelseitig beobachtet. Nur in der Minderzahl der Fälle handelt es 
sich um eine Verlängerung der Calcaneusepiphyse, wie schon Chryso- 
spathes nachgewiesen hat. Meist*sind es Knochengebilde, die sich 
in späteren Jahren entwickeln. Bei der röntgenologischen Unter- 
suchung von 673 Füßen wurde der Sporn in 19 Fällen gefunden 
(2,8%). Die Vielgestaltigkeit des Leidens wird an zahlreichen Röntgen- 
bildern veranschaulicht. Einige charakteristische Krankengeschichten 
werden ausführlicher mitgeteilt. Durch gute Beobachtungen und er- 
schöpfende Benutzung der Literatur bildet die Arbeit einen wichtigen 
Beitrag zum Verständnis der erwähnten Veränderungen. 

J. Riedinger (Würzburg). 


24) Taubert. Überzählige Carpalia und Tarsalia, und Sesam- 


beine im Röntgenbilde. 
Med. Wochenschrift 1908. p. 702, 751, 794.) 

T. bezweckt, die chirurgische Differentialdiagnose bei Verdacht 
auf Knochenbruch u. dgl. zu erleichtern durch klare Abgrenzung der 
inkonstanten Skelettstücke (Varietäten) — meist überzählige Hand- 
und Fußwurzelknochen —, der knorpelig-knöchernen Sesambeine, der 
bindegewebigen Sesamoide, endlich aller möglichen ähnlichen Gebilde 
anderer Herkunft (Pseudosesamoide.. An der Hand der einschlägigen 
anatomischen und röntgenologischen und eigenen Erfahrungen sowie 
unter Beigabe von Skelettskizzen und Röntgenabbildungen werden die 
in Betracht kommenden Körperabschnitte übersichtlich besprochen. 

Georg Schmidt (Berlin). 


25) K. Lengfellner. Die wissenschaftlichen Prinzipien bei 
Herstellung von Schuhwerk mit Berücksichtigung von Jugend- 
Ä und Militärschuhwerk. 
‚Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.' 
Das Ideal eines Schuhwerkes kann nur in dem Schuhwerk liegen, 
das nach Maß unter Benützung eines eigenen Leisten hergestellt ist. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 883 


Der Leisten muß nach einem Gipsabdruck gemacht werden, dessen 
Technik Verf. beschreibt. Das Negativ wird mit einer Masse aus 
Gips und Leim ausgegossen. Der Ausguß wird entsprechend model- 
liert und kann als Leisten benutzt werden. Die bisher üblichen sog. 
orthopädischen Leisten sind zu verwerfen, weil der Fuß in Schuhen, 
die nach solchen Leisten hergestellt sind, keinen Halt hat. Verf. legt 
den Kern der Schuhfrage in die richtige Anlage eines Leistengewölbes,. 
Um das Verfahren der Anfertigung eines Leistens zu vereinfachen, 
genügt es auch, die gewöhnlichen Maße zu nehmen und das Sohlen- 
und Schuhgewölbemaß durch den einfachen Gipsbreiabdruck zu er- 
halten, den Verf. schon früher beschrieben hat. Nach dem Gipsbrei- 
modell wird der Leisten geformt. Wichtig ist bequemes Ballen- und 
Zehenmaß, sowie der Bau der Fersenpartie und des Absatzes. Letz- 
terer soll breit und niedrig sein. Auf Kosten der Verlängerung des 
Schuhes kann man vorn eine gefällige halbrunde Form wählen. Der 
Schuh muß sich auch nach der Achse des Fußes richten. Die meisten 
Füße haben eine gerade Achse. Kinder sollen von der ersten Kind- 
heit an zweckmäßiges Schuhwerk bekommen. Das Militärschuhwerk 


entspricht den Anforderungen an ein gutes Schuhwerk nicht. _ 
J. Riedinger (Würzburg). 


Kleinere Mitteilungen. 
I. 
Aus Dr. Teske’s chirurg.-orthop. Privatklinik in Plauen. 


Beitrag zur Ätiologie 
des angeborenen Schulterblatthochstandes. 
Von 
Dr. Hilmar Teske. 


on dem 1863 zuerst durch Eulenburg beschriebenen, aber erst durch die Ab- 

handlung von Sprengel (1891) bekannt gewordenen Schulterblatthochstande 
konnte Ehrhardt 1904 schon 92 Fälle zusammenstellen, von denen 88 als an- 
geborene, 4 als erworbene beschrieben wurden. Zu ersteren kommen jetzt noch 
die Fälle von Graetzer, Bassenge, Sipari u. a. zu letzteren der Fall von 
Cohn. Wie sehr sich übrigens bei genauer Betrachtung die Grenze zwischen an- 
geborenem und sog. erworbenem Schulterblatthochstand verwischt, zeigt der letzt- 
genannte Fall; auch in verschiedenen anderen Fällen ist die Unterscheidung nur 
eine willkürliche (Ehrhardt). n 

Trotz der reichlichen Literatur bedarf die Atiologie des vorliegenden Krank- 
heitsbildes noch mancher Aufklärung. Am meisten fanden die Erklärungen An- 
erkennung, welche die Ursache sehen 

1) in rein mechanischer Störung, 

2) in erworbener Störung der Entwicklungsmechanik. 

Die erste, von Sprengel aufgestellte Erklärung erklärt den Schulterblatt- 
hochstand bekanntlich als intra-uterine Belastungsdeformität infolge zu geringer 
Fruchtwassermenge. Fälle von erworbener Störung der Entwicklungsmechanik 
— kompliziert durch Defekte des Radius, der Rippen, knöcherne oder bandartige 


2 


884 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 


Verbindung des oberen Skapularwinkels mit den Halswirbeln u. a. —, bei denen 
intra-uterine Belastungsanomalien (Ehrhardt) und amniotische Verwachsungen 
(Graetzer) als Ursache des Schulterblatthochstandes angesehen wurde, sind in 
größerer Anzahl beschrieben. Als bestimmt in diese Kategorie gehörigen, weil 
nach jeder Richtung hin untersucht, will ich hier kurz den Fall von Graetzer 
anführen, der bei einem angeborenen doppelseitigen Schulterblatthochstande Schief- 
hals, Muskeldefekte, Rippendefekte und röntgenologisch Spaltbildungen der Wirbel- 
säule usw. fand und als Ursache der Deformitäten amniotische Verwachsungen an- 
nahm. 

Die beiden genannten Erklärungsarten für die abgehandelte Schulterblatt- 
anomalie brachten aber noch nicht volle Klarbeit in das Krankheitsbild. 

Eine bisher nicht beschriebene Atiologie weist der Fall von Cohn auf, inso- 
fern als dabei meines Erachtens der Schulterblatthochstand auf eine kongenitale 
Mißbildung zurückgeführt werden muß: Bei einem jetzt 1öjährigen Mädchen soll 
seit dem 11. Lebensjahre ein Hochstand der rechten Schulter aufgetreten sein, der 
jetzt etwa 5 cm beträgt. Bei der Röntgenuntersuchung fand sich zwischen 6. und 
7. Halswirbel ein längliches dreieckiges Wirbelrudiment, dessen Spitze nach links 


vr 





gerichtet war. Wenn nun beide M. levatores gleich lang sind, folgert C., muß das 
rechte Schulterblatt um die Höhe des eingesprengten Wirbelkeils in die Höhe ge- 
zogen werden. Warum der Hochstand erst im 11. Lebensjahre bemerkbar wurde, 
das erklärt er analog der Böhm'schen Skoliosentheorie. 

Ich bin nun in der Lage einen Fall von angeborenem Schulterblatthochstand 
zu veröffentlichen, der es fraglich erscheinen läßt, ob in dem Falle von Cohn 
seine mechanische Erklärung der Levatorwirkung zutrifft. 

Ein 3jähriges, gut entwickeltes Mädchen wird mir wegen Schulterblatthoch- 
standes zugeführt; in seiner Familie sollen keine Mißbildungen vorgekommen sein. 
Die Mutter hat zwei Frühgeburten und vier normale Geburten durchgemacht. Bei 
der 7. Schwangerschaft will sie sehr durch einen Hängebauch gelitten baben. Über 
die Menge des Fruchtwassers bei der Geburt weiß sie nichts anzugeben. Das 
Kind schien bei der Geburt normal entwickelt, nur fiel es auf, daß es »keinen 
Halse hatte. Als es 1/2 Jahr alt war, wurde rechtsseitiger Schulterhochstand und 
linksseitiger Schiefhals bemerkt. 

Bei der Untersuchung fand sich rechtsseitiger Schiefhals, Gesichtsskoliose, linkes 
Ohr bedeutend kleiner als das rechte. In der rechten Oberschlüsselbeingrube findet 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 885 


man hinten oben einen knöchernen Vorsprung, der sich als innerer oberer 
Winkel der Scapula herausstellt. Letztere steht etwa 4 cm höher als die linke und 
reicht vom 6. Halswirbel bis zum 4. Brustwirbel etwa. Sie ist etwas kleiner als 
links, ihr unterer Winkel steht nur wenig vom Thorax ab. Der rechte Arm 
kann nur um 110° erhoben werden, bei weiterer Hebung verhakt sich anscheinend 
der nach vorn umgebogene obere innere Winkel des Schulterblattes an der 1. Rippe. 
Die elektrische Untersuchung der Schulterblattmuskeln ergibt keine Defekte. 

Das Röntgenbild zeigt beiderseitige 7. Halsrippe; der innere obere Winkel des 
rechten Schulterblattes ragt etwa fingerbreit über den Schlüsselbeinschatten her- 
vor. Die fünf rechten obersten Rippen bilden hinten keine gleichweiten Zwischen- 
rippenräume, sondern sind in unregelmäßiger Krümmung kranialwärts ausgebogen; 
auf der linken Körperseite sind sie normal. Die 5. rechte Rippe teilt sich etwa in 
der Schulterblattlinie gabelförmig. Die obere Branche steigt über die 4. Rippe in 
die Höhe und halbiert den 3. Interkostalraum, während die 4. Rippe den weiten 
Zwischenraum zwischen den Branchen der Gabel halbiert. Zwischen 8. und 9. Brust- 
wirbel ist ein kurzes dreieckiges Wirbelrudiment eingeschoben, gut von der Höhe 
der ihm anliegenden Brustwirbel. Die Basis des Keils liegt nach rechts, die Spitze 
reicht nach links bis etwa zur Medianlinie. Die Halswirbelsäule zeigt eine leichte 
Cervicalskoliose. Einer Behandlung entzog sich der kleine Pat. 

Der Fall von Cohn und der meinige haben das überzählige Wirbelrudiment 
gemeinsam. Im erstgenannten Falle saß es zwischen 6. und 7. Halswirbel, so daß 
C. (s. 0.) an durch Levatorwirkung bedingten Schulterblatthochstand denken konnte. 
Gegen diese Folgerung kann man einwenden, daß die beiden Mm. levatores nicht 
die gleich langen, starren Branchen eines Meßzirkels sind, sondern elastische, kon- 
traktile Schläuche. Jedenfalls lehrt mein Fall, daß die Ansicht Cohn’s, der an- 
geborene Schulterblatthochstand beruhe auf Wirbelanomalien, die zwischen 5. Hals- 
wirbel und dem Brustwirbel lokalisiert sind, der durch eine Horizontale durch die 
obere Kante des Schulterblattes der normalen Seite gekennzeichnet ist, nicht ver- 
allgemeinert werden darf. 

Wenn man beide Fälle gemeinsam betrachtet, wird man zu der Ansicht 
kommen, daß bei ihnen der Schulterblatthochstand als kongenitale Mißbildung 
entstanden ist, neben welcher noch andere kongenitale Mißbildungen (Wirbelrudi- 
mente usw.) in variabler Zahl bestehen können. Die Sick’schen Fälle (zit. bei 
Ehrhardt) von Schulterblatthochstand bei mehreren Gliedern einer Familie ge- 
hören gleichfalls in das Gebiet der kongenitalen Mißbildung. 

Bezüglich der Atiologie des Schulterblatthochstandes haben wir also genau 
beschriebene Fälle, die in zwei Klassen zerfallen: 

1) Durch erworbene Störung der Entwicklungsmechanik (Hemmungs- 

mißbildung) entstandene, 

2) als kongenital angelegte Mißbildung entstandene. 

Zu der ersten Klasse würde der Fall von Graetzer, zu der zweiten der 
von Cohn, der meinige, die Fälle von Sick gebören. 

Weitere Beobachtungen werden die Atiologie des Schulterblattbochstandes nur 
dann fördern können, wenn neben Anwendung aller Untersuchungsmethoden das 
Röntgenbild klar ergibt, ob der untersuchte Fall einer dieser beiden Klassen an- 
gehört bzw. dieses ausschließen läßt, was dann für die Sprengel'sche Theorie 
hinsichtlich dieses Falles sprechen könnte. 


Literatur. n 

Bassenge, Deutsche med. Wochenschrift 1907. Nr. 25. p. 1025. Böhm, Fort- 
schritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XI. Hft. 1. Derselbe, Berliner 
med. Gesellschaft 23. Oktober 1907. Allgemeine med. Zentralzeitung 1907. Nr. 44. 
Cohn, Diese Zeitschrift 1907. Nr. 32. Derselbe, Berliner med. Gesellschaft 
10. Juli 1907. Münchener med. Wochenschrift 1907. Nr. 29. Graetzer, Mittei- 
lungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie 1907. III. Supplement. 
Ehrhardt, Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVI. Hft. 2. Sipari, referiert 
Zentralblatt für Orthopädie 1908. Nr. 3. 


886 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 


II. 
Ein osteoplastischer Chopart. 


Von 


Prof. Dr. Carl Bayer in Prag. 


Vera man die Reihe von Modifikationen der Chopart’'schen Enukleation, 
die aus der Anpassung zur Verfügung stehender Weich- und Knochenteile den 
Verhältnissen bisher hervorgegangen sind, so findet man, daß Neues kaum mehr 
geboten werden kann. Auch ist es nicht der Mühe wert kleine Abänderungen 
eingebürgerter Modifikationen mitzuteilen, da sie im Notfalle förmlich selbstverständ- 
lich sind, ohne alle Berechtigung weiterer Ansprüche. Und doch drängt es mich, 
über eine Abänderung des typischen Chopart zu berichten, die mir die Ausführung 
der Operation in einem Fall ermöglicht hat, wo sie unausführbar schien. Wie alle 
Modifikatoren zwang auch mich die Not, und hatte auch ich wie sie den lebhaften 
Wunsch zugleich, die Vorzüge einer Enukleation nach Chopart nicht ohne 
weiteres aufzugeben: Caries metatarso-tarsea mit fungüser Weichteilerkrankung und 


Fig. 1. Fig. 2. 





zahlreichen Fisteln an Dorsum und Planta, so daß nur der Metatarsus V gesunde 
dorsale, äußere und plantare Deckung hatte. Auf den ersten Blick schien als 
einzig berechtigter Eingriff ein Pirogoft möglich; doch lehrte mich genaueres Stu- 
dium der Verhältnisse, daß sich ein Chopart wohl ausführen ließe, wenn es gelänge 
die Haut der Gegend des Metatarsus V, event. mit einem Teile dieses Knochens 
zur Deckung auszunützen, ohne eine plantare Narbe zu setzen. Das war nur dann 
möglich, wenn es gelang, die zur Verfügung stehende Deckung durch eine atypische 
Schnittführung so zu einem Lappen zu gestalten, daß er sich nicht bloß einwärts, 
sondern zugleich und hauptsächlich aufwärts schlagen ließ. Dank dem Tiefstand 
des äußeren Fußrandes konnte diese Aufgabe durch den in Fig. 1 skizzierten 
Ovalärschnitt leicht gelöst werden. Mit diesem war zugleich auch alles kranke 
Gewebe radikal entfernt. 

Die Operation wurde am 1. Mai l. J. an einem 32 Jahre alten Manne im 
Spitale der Barmherzigen Brüder ausgeführt. Nach erfolgter Enukleation im 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 887 


Chopart’schen Gelenke wurde der Metatarsus V schräg durchsägt, so daß die ganze 
Tuberositas quinti im Zusammenhange mit dem Lappen blieb; dann wurden die 
Gelenkknorpel von Talus und Calcaneus abgesägt. Jetzt ließ sich das Wundoval 
als Lappen behandeln, der, aufwärts geschlagen, mit seinem Tuberositasknochen- 
deckel der Sägefläche des Talus und Calcaneus sehr gut sich anschmiegte. Die 
lineär vernähte Wunde verlief vorn innen. Die Planta war frei, die Vorzüge eines 
Chopart waren gerettet. 

Mag auch dem Knochendeckel bei dieser Art der Schnittführung keine Wich- 
tigkeit zugeschrieben werden, so ganz wertlos scheint er mir nicht zu sein. Erstens 
füllt er eine sonst unvermeidliche hohle Stelle im Lappen natürlich aus und ge- 
staltet seine Wundfläche glatt. Zweitens kann er vielleicht bei tadelloser Anhei- 
lung an den Calcaneus einen natürlichen Schutz bieten gegen spätere Exostosen- 
bildungen, wie sie nach Chopart’scher Enukleation nicht selten vorkommen. Die 
Erhaltung der Ansatzstelle des M. peroneus brevis, dessen halbe Funktion als 
Strecker des Fußes nicht ganz zu unterschätzen ist, kommt endlich sogar mit Rück- 
sicht auf das sog. Renversement sehr in Betracht. — Durch Annähen des Sehnen- 
stumpfes des M. tibialis anticus, event. der Stümpfe aller Extensoren (Larger) an 
den oberen Rand des Knochendeckels, könnte diese Gegenwirkung noch wesentlich 
erhöht und zugleich der Neigung des Chopartstumpfes zur Valgusstellung wirksam 
gesteuert werden. 

Die Skizze (Fig. 2), nach dem Röntgenbild des prima geheilten Stumpfes an- 
gefertigt, zeigt die Lage des Knochendeckels. Der Stumpf ist von guter Form, 
beim Anschlagen auf die Sohlenfläche und Ferse schmerzfrei, aktiv streckfähig. 

Ich bin der Meinung, daß diese Chopartmodifikation mit den bisher ein- 
gebürgerten (cf. H. Petersen, Deutsche Chirurgie Liefg. 29a p. 187 u. ff.) ganz 
gut konkurrieren kann. 


26) VII. Kongreßder Deutschen Gesellschaft für orthopädische Chirurgie. 
Berlin, 24. und 25. April 1908. 


Vorsitzender: Schulthess (Zürich), Referent Drehmann (Breslau). 


I. Projektionsvorträge. Abendsitzung am 24. April. 

1) Schultze (Duisburg): Zur Behandlung der Deformitäten der 
unteren Extremität. 

a. Die unblutigen Methoden, die Osteoklase und das Redressement force, 
kommen bei Behandlung der Deformitäten in erster Linie in Frage. 

b. Die Reduktionsapparate sind durch die Osteoklase und das Redressement 
überholt worden. 

c. Der Indikationenkreis soll möglichst weit gesteckt werden. Erreicht wird 
dies durch die entsprechenden Hilfsmittel. 

d. Die Hilfsmittel bestehen in bestimmten maschinellen Vorrichtungen, welche 
in Verbindung mit der manuellen Methode oder ohne dieselbe zur Anwendung 
gelangen. 

e. Die Maschine muß ein Präzisionsapparat sein, welcher sicherer und exakter 
arbeitet als die Hand. Durch Verbindung mit der manuellen Methode wird der 
Wert der Maschine erhöht. 

f. Um eine Vollkorrektur zu erreichen, ist eine absolute Mobilisation und Über- 
korrektur erforderlich. 

g. Der Beckenfixator entspricht den an ihn gestellten Forderungen, sein Wert 
wächst durch die Verbindung einer nach jeder Richtung beweglichen Extensions- 
vorrichtung. 

h. Bei Flexionskontrakturen der Hüfte, bei Luxatio congenita, paralytica und 
destructiva leistete der Beckenfixator gute Dienste, ebenso bei rachitischer Ver- 
krümmung des Oberschenkels. 

i. Der Osteoklast I wirkt durch seine vielseitige Konstruktion präziser als die 
bisher gebräuchlichen Apparate. Indiziert ist er für die Korrektur des Genu varum 
und valgum, des Pes equino-varus, Pes cavus und valgus. 


888 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 


k. Ein für die Korrektur des Klump- und Hohlfußes nicht zu entbehrender 
Apparat ist der Osteoklast II. 

Derselbe verbindet die maschinelle und manuelle Methode. Letzteres ist nur 
möglich geworden durch die Einlage der Gummikissen. 

Jeder Widerstand wird durch den Apparat ganz allmählich und schonend 
beseitigt, -so daß die schwersten und hartnäckigsten Deformitäten der Füße keine 
Kontraindikation bedeuten. 

Die Unterschenkelgamasche sowie der Fersenzug sind unentbehrlich und von 
erhöhter Bedeutung durch die regulierbare Zugvorrichtung. 

l. Die durch den Osteoklasten I und II begründete Behandlung des Klump- 
fußes bedeutet ein neues Verfahren, welches darin gipfelt, daß das manuelle Re- 
dressement durch die Kraft der Maschine einen höheren Wert erhält, und zwar 
durch exakte, präzise Wirkung. 

m. Der Plattfußosteoklast ist ebenso wirksam und garantiert in Verbindung 
mit dem zentrifugal wirkenden Fersenzug eine volle Rekonstruktion des Gewölbes. 

Auch bier ist das manuelle, verbunden mit dem maschinellen Redressement 
von ausschlaggebender Bedeutung. 

n. Jeder Klumpfuß sowie jeder Plattfuß ist zu rekonstruieren. Die unblutige 
Methode ist hier allein die Methode der Wahl. Die blutige Behandlung zerstört 
den anatomischen Aufbau. 

Die Indikation für die blutige Behandlung der Pedes equino-vari und valgi 
ist durch die Verbesserung der modernen Technik vollkommen ausgeschaltet. 

Nach meiner Auffassung ist die blutige Behandlung des Pes varus und valgus 
ein Kunstfehler. (Selbstbericht.) 


2) Joachimsthal (Berlin: Die angeborene Hüftluxation als Teil- 
erscheinung anderer angeborener Anomalien. 

Kombination mit Caput obstipum, Knieluxation, Klumpfuß u. dgl. Die Pro- 
gnose dieser Luxationen ist nicht schlechter als die der unkomplizierten. 


Diskussion. Bade /Hannover) beobachtete am 2. Lebenstage Knie- und 
Hüftluxation kombiniert. Die letztere wurde bald reponiert und war schon nach 
2 Tagen nicht mehr zu reluxieren. 


3) Guradze (Wiesbaden): Erfolge der Oberschenkelosteotomie. 

Nach Besprechung der für die Oberschenkelosteotomie in Betracht kommenden 
Gesichtspunkte demonstiert der Vortr. an der Hand einer großen Anzahl von 
Photographien und Röntgenaufnahmen die Erfolge dieser Operation. Die behan- 
delten Fälle gehörten zu den Krankheitsgruppen: 1) der Coxa vara, 2) der Beuge- 
kontraktur nach tuberkulöser Koxitis, 3; der Oberschenkelverkürzung, 4) der Folge- 
erscheinung traumatischer Hüftgelenksluxation, 5) des Genu valgum, 6) des Genu 
varum. (Selbstbericht.) 


Diskussion. Müller Stuttgart) begrüßt es, daß im Gegensatz zum Vor- 
trag von Schultze auch die blutigen Methoden gebührend hervorgehoben werden. 


Lorenz (Wien) empfieblt die subkutane Methode der Osteotomie mit be- 
sonders konstruiertem schmalen Meißel. 


Gocht (Halle) ist für Keilresektion bei rezidirierendem Klumpfuß. 


Bade (Hannover) empfiehlt stumpfes Vorgehen nach Inzision der Haut an 
der Außenseite des Klumpfußes. 


Drehmann (Breslau) verwirft einen prinzipiellen Standpunkt, ob blutig oder 
unblutig vorzugehen ist. Die Entscheidung ist von Fall zu Fall zu treffen. Beide 
Methoden muß der Orthopäde genügend beherrschen. Er warnt vor der Keil- 
resektion bei kindlichen Klumpfüßen, da er infolge ungleichen Wachstums bei 
einem vor 15 Jahren operierten Fall eine das Gehen sehr erschwerende höchstgradige 
Plano-valgusdeformität beobachtete. Die blutigen Methoden sind bei rachitischen 
Verbiegungen älterer Kinder und zur Korrektur koxitischer Deformitäten viel 
schonender. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 889 


4) A. Schanz (Dresden): Korrektionsresultate an schweren Sko- 
liosen. 

Vortr. demonstriert zuerst eine Serie von Bildern, welche das mittels Re- 
dressements im Jahre 1902 erzielte Korrektionsresultat an einer schweren Skoliose 
und die Erhaltung des Resultates bis jetzt (1908) zeigen. 

Obgleich das Redressement sehr gute Korrektionsresultate ergibt, und obgleich 
diese Resultate als Dauererfolge erhalten werden können, so ist S. doch schon 
lange zu der von ihm auch wiederholt ausgesprochenen Überzeugung gekommen, 
daß das Redressement nicht das letzte in der Behandlung der schweren Skoliosen 
sein kann. Die Korrektur muß auch ohne so forcierte Mittel erreicht 
werden können. Es handelt sich nur darum, Druck und Zug in ge- 
eigneter Richtung, genügender Stärke und "Dauer an die Wirbel- 
säule heran zu bringen. Die Schwierigkeit, welcher derartige Versuche be- 
gegnen, liegt in der auf der Wirbelsäule liegenden Rumpflast. Die Wirbelsäule 
setzt infolge dieser Belastung dem Druck, welcher durch Vermittlung ‘der Rippen 
an sie heran gebracht werden muß, einen so großen Widerstand entgegen, daß 
die druckvermittelnden Rippen eher unbeabsichtigte Veränderungen eingehen und 
dadurch die aufgewendete Kraft konsumieren, ehe die Wirbelsäule nachgibt. 

Wenn diese Rechnung richtig ist, so muß Korrektionsdruck der be- 
zeichneten Art leistungsfähig werden, wenn die Belastung der 
Wirbelsäule aufgehoben wird. 

Auf diese Voraussetzungen gründen sich neue Versuche des Vortr. Er hat 
einen portativen Apparat konstruiert, welcher die Wirbelsäule kräftig extendiert 
und dabei einen detorquierenden Druck ausübt. Dazu kommt ein gut fixierendes, 
kräftig redressierendes und extendierendes Gipsbett. Außerdem ist nur Massage 
zur Anwendung gekommen. 

Die demonstrierten Bilder zeigen gute Resultate. 

S. schließt mit dem Hinweise darauf, daß die Korrektur der schweren 
Deformitäten die Frageist, vorderen Lösung die Skoliosenforschung 
steht. Er fordert auf, sich dessen bewußt zu bleiben und sich weder durch Miß- 
erfolge noch durch die in der Skoliosenbehandlung immer wieder vorkommenden 
Seitensprünge von der ruhig auf die Lösung dieses Problems gerichteten Fort- 
arbeit abbringen zu lassen. (Selbstbericht.) 


6) Cramer (Köln): Über Rückgratsverkrümmungen bei lumbo- 
sakralen Assimilationswirbeln. 

Demonstration einer Reihe von Becken, deren Kreuzbeine angeborene Ano- 
malien zeigen, sog. Assimilationsbecken. Diese müssen zur Skoliose führen. 

Diskussion. Boehm (Berlin) weist auf seine diesbezüglichen Mitteilungen 
zur Atiologie der Skoliose hin. 


6) Schulthess (Zürich): Eine Form von Berufsskoliose. 
Skoliose bei italienischen Gondelführern. 


II. Hauptsitzung am 25. April. 
a. Vormittagssitzung. 


1) Otto Fischer (Leipzig): Über die Wirkung der Muskeln. 

Da, wie Redner hervorhob, die Wirkungsweise eines Muskels sich nicht mit 
wenigen Worten beschreiben läßt, sondern man vielmehr über einen jeden Muskel 
eine Monographie schreiben müßte, um das Thema in nur einigermaßen er- 
schöpfender Weise zu behandeln, so mußte sich der Vortrag auf die Hervorhebung 
einiger Punkte beschränken, welche bei der Beurteilung der Muskeltätigkeit viel- 
fach nicht in genügendem Maße berücksichtigt worden sind und deren Außeracht- 
lassung in der Regel zu falschen Vorstellungen über die Tätigkeit der Muskeln führen 
muß, und auch tatsächlich geführt hat. Als ein erster derartiger Punkt wurde die 
zweiseitige Kraftentfaltung eines Muskels angeführt. Ein Muskel zieht stets mit 
einer Kraft am Ansatz in der Richtung nach dem Ursprung hin und einer gleich 
großen Kraft am Ursprung in der Richtung nach dem Ansatz hin. Daher wird 


890 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 


in der Regel nicht nur der Ansatz, sondern auch der Ursprungskörperteil durch 
den Muskel in Bewegung gesetzt. Als zweite bemerkenswerte Tatsache wurde 
hervorgehoben, daß ein Muskel bei seiner Kontraktion in erster Linie die Körper- 
teile selbst in Bewegung zu setzen sucht, und demnach die Wirkung auf die Ge- 
lenke erst eine sekundäre Erscheinung ist. Der Muskel sucht im allgemeinen einen 
jeden in seinen Wirkungsbereich fallenden Körperteil zu drehen, indem er auf 
denselben mit einem Kräftepaar einwirkt. Hat man für einen Muskel die Körper- 
paare für alle ihm unterstellten Köperteile bestimmt, so hat man damit seine Tätig- 
keit nur gekennzeichnet, so weit sich dieselbe auf die Hervorrufung und Sicherung 
einer Ruhehaltung und Gleichgewichtsstellung bezieht. Aufdie bewegende Wir- 
kung übten dagegen außerdem die Massen der einzelnen Körperteile, die Massen- 
verteilung innerhalb eines jeden derselben und noch andere Momente, wie die 
Arten der Gelenkverbindungen, bestimmte Bedingungen für die Beweglichkeit einen 
maßgebenden Einfluß. Aus der Tatsache, daß ein Muskel in erster Linie die 
Körperteile zu drehen sucht, folgt dann weiter, daß er in der Regel auch auf Ge- 
lenke einwirkt, über die er gar nicht hinwegzieht, eine Tatsache, welche bisber 
nur wenig bekannt und selten richtig verstanden worden ist. 

Als weiterer, speziell für die Methodik der orthopädischen Chirurgie wichtiger 
Punkt wurde hervorgehoben, daß für die Wirkung eines Muskels nur dasjenige 
Stück desselben maßgebend ist, welches sich ungehindert von einem Körperteil zum 
benachbarten zu erstrecken vermag. Es ist daher im Prinzip durchaus möglich, 
einen Muskel betreffs seiner Wirkungsart vollkommen durch einen anderen zu er- 
setzen, wenn man nur durch geeignete Mittel, wie Verlegen der Endsehne und 
Erzeugen künstlicher Bandschlingen, das maßgebende Stück des zu ersetzenden 
Muskels oder bei mehrgelenkigen Muskeln deren maßgebende Stücke richtig 
herstellt. 

In einem zweiten Teile des Vortrages wurde auf die unter dem Einfluß der 
Muskeln eintretenden Bewegungen des menschlischen Körpers eingegangen. Es 
wurde dabei hervorgehoben, daß es im wesentlichen zweierlei Aufgaben sind, welche 
dabei in Frage kommen und für die Praxis Bedeutung besitzen. Die eine Gruppe 
von Aufgaben nimmt die Spannung des Muskels als gegeben an und fragt nach 
den bei der Kontraktion eintretenden Gliederbewegungen. Die andere Gruppe 
von Aufgaben setzt dagegen die Bewegungen als bekannt voraus und fragt nach 
den Muskeln und den Muskelspannungen, welche zur Hervorbringung dieser Be- 
wegungen erforderlich sind. Für beide Arten von Problemen wurden Beispiele 
angeführt. | (Selbstbericht.) 


Diskussion: Lange München) betont die Wichtigkeit der Muskelwirkung 
der Sehnenüberpflanzung. Die Ursache der Mißerfolge sind häufig Verwachsungen 
der Sehne, deshalb Umlagerung mit Fettschicht. 

J. Riedinger (Würzburg) weist auf die Bedeutung der Ergebnisse exakter 
Forschung auch für die Orthopädie hin, die in vielfacher Hinsicht angewandte 
Wissenschaft ist. Ferner berührt er die Frage der Muskelwirkung beim Zustande- 
kommen von Muskelzerreißungen 

Fränkl (Berlin) betont die Wichtigkeit der Kinematographie zur Beurteilung 
der Muskelwirkung. 

Joachimsthal (Berlin) weist auf die selbstregulatorischen Vorgänge am 
Muskel bei Anderung der Gelenkfunktion hin, wie er sie früher am Wadenmuskel 
beschrieben hat. - 

Muskat (Berlin) weist auf die Funktionsänderung hin, welche bei der Über- 
pflanzung mit Muskelspaltung entsteht. 

Vulpius (Heidelberg) betont die Wichtigkeit, welche der Verlauf der End- 
sehne bei der Muskelwirkung spielt und empfiehlt deshalb die Verpflanzung auf 
die Sehne gegenüber der periostalen Methode. Die Lange’'schen Verwachsungen 
werden dadurch ebenfalls vermieden. 

Schulthess (Zürich) empfiehlt, die Bewegungsphysiologie in den Lehrplan der 
Orthopädie aufzunehmen. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 891 


2) Böcker (Berlin): Über Myositis ossificans traumatica. 

Vorstellung eines Falles traumatischer Muskelverknöcherung nach blutiger 
Reposition einer veralteten Ellbogenluxation. Atiologisch kommt Periost und 
Muskelbindegewebe in Betracht. 

Diskussion. Bardenheuer (Köln) führt die Verknöcherung auf Periost- 
verlagerung zurück und glaubt durch seine Extensionsbehandlung derartige Ver- 
lagerung vermeiden zu können. 

Drehmann (Breslau) glaubt auf Grund histologischer Untersuchungen das 
Perimysium als callusbildend ansehen zu müssen. Er sieht ein Analogon in dem 
knöchernen Callus bei Rippenknorpelbrüchen. 

Wullstein (Halle) beobachtete Entstehung aus dem Muskel allein, in anderen 
Fällen sind wohl beide beteiligt; er rät, mit frühzeitiger Massage vorsichtig zu 
sein. Außerdem demonstriert er eine Myositis ossificans bei Syringomyelie an 
einem Amputationspräpareat. 

Machol (Bonn) betont die Wichtigkeit der Röntgendurchleuchtung zur Stellung 
der Prognose. 

3) J. Riedinger (Würzburg): Über Veränderungen an Kaninchen- 
extremitäten nach Durchschneidung des Intermediärknorpels. 

Der Vortr. hat die Frage, ob nach traumatischen Epipbysenlösungen Wachs- 
tumsstörungen auftreten oder nicht, experimentell untersucht, indem er bei 
Kaninchen die Knorpelfuge am unteren Ende der Ulna auf blutigem Wege durch- 
trennte und die Kaninchen in verschiedenen Zeiten behufs röntgenologischer und 
mikroskopischer Untersuchung tötete. In den meisten Fällen ging der Schnitt 
durch die Verkalkungszone; die Verletzung heilte unter Knorpelwucherung und 
Callusbildung. Am 28. Tage zeigten sich mikroskopisch keine Veränderungen 
mehr. Die Ossifikation ist keine regelmäßige, sondern, ähnlich wie bei der Rachitis, 
eine ungleichmäßige. Die Verbiegungen der Knochen waren den rachitischen eben- 
falls ähnlich. Wachstumsstörungen waren insofern vorhanden, als während der 
Dauer der Heilung und der unregelmäßigen Ossifikation das endochondrale 
Knochenwachstum sistierte. Dieser Ausfall ist an den schnell wachsenden Kanin- 
chenknochen von bleibendem Einfluß, wie Präparate vom 360. und 510. Tage er- 
kennen ließen. An ausgewachsenen Knochen ist an exostosen- oder spindelförmi- 
gen Verdickungen der Übergang zur normalen Tätigkeit des Intermediärknorpels 
zu erkennen. Nach Heilung der Verletzung wächst der Knochen wieder mehr in 
gerader Richtung, was wieder einen Vergleich mit den Wachstumsverhältnissen 
rachitischer Knochen zuläßt. 

Sehr gefährdet ist der Intermediärknorpel bei Verletzung der Epiphyse, da es 
zu Atrophie der Epiphyse und zu brückenförmiger Verbindung mit der Dia- 
physe kommen kann. Bei teilweiser Zerstörung des Knorpels tritt Degeneration 
desselben und frühzeitige Verknöcherung ein. Bei derartigen Störungen kommt 
es zu starker Verkrümmung, Verkürzung und Verdickung der Knochen. — Die 
Ergebnisse der Experimente lassen erkennen, daß Wachstumsstörungen nach Epi- 
physentrennungen beim Menschen nicht zu befürchten sind, solange der Inter- 
mediärknorpel nicht Bedingungen ausgesetzt ist, die ihn zur Degeneration oder zur 
Atrophie bringen, wie Entzündung, stärkere Verletzung des Knorpels, Verletzung 
der Epiphyse und Verschiebung. Die Trennungsstelle liegt beim kindlichen 
Knochen ebenfalls nicht im Knorpel selbst, sondern an der Grenze der Diaphyse 
in der jüngsten Knochenschicht. ‘Selbstbericht.) 

Diskussion. Lorenz (Wien) teilt mit, daß er mit der Epiphyseolyse am 
Femur keine Wachstumsstörungen beobachtet hat. Da jedoch die Möglichkeit 
einer solchen Störung vorliegt, hat er die Methode verlassen. Vom intraartikulären 
Redressement ist ebenfalls abzusehen, obwohl dieses die Krümmung direkt im 
Scheitelpunkt angreift, wegen der Gefahr des Rezidivs und Bändererschlaffung. 

Gocht (Halle. Ein Fall von Osteomalakie bei einem 40jährigen 
Manne. 

Der schon 9 Jahre kranke Mann wurde bisher als Rheumatiker und Gichtiker 
behandelt, bis durch die Untersuchung am 6. Februar 1908 festgestellt wurde, 


892 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 


daß eine osteomalakische Erkrankung den Beschwerden zugrunde lag. Beide 
Schenkelköpfe waren von den Schenkelbälsen gelöst und die Beckeneingangsfigur 
zu einer herzförmigen beiderseitig eingedrückt. Knochenstruktur ganz verwischt. 
— In Narkose wurden am 12. Februar die Beine in größtmögliche Speizstellung 
überführt und im Gipsverband fixiert. Vom 7. März an zwei Schienenhülsen- 
apparate mit Beckenteil. Außerdem erhielt Pat., der heute schon schmerzfrei ist 
und stundenlang geben kann, hohe Dosen von Phosphor. (Selbstbericht.) 

Diskussion. Alsberg (Kassel) beobachtete Osteomalakie bei einem Manne 
nach Trauma mit hochgradiger Phosphaturie und letalem Ausgange. 

Schulthess ‚Zürich: fand als erstes Symptom Erhöhung der Muskelreflexe 
an den Beinen, empfiehlt frühzeitige Phosphorbehandlung. 

6) Werndorff (Wien): Über Ostitis fibrosa Recklingshausen. 

10jähriger Knabe mit multiplen Knochendeformitäten. Tumorbildung und 
Chondrodysplasie, mebrkammerige Cysten. Histologisch Riesenzellensarkome und 
fibröses Gewebe. 

Diskussion. Joachimsthal ‘Berlin demonstriert ein Röntgenbild mit 
Cystenbildung im Oberschenkel und konsekutiver Coxa valga. Lues ange- 
nommen. s 

6) v. Aberle (Wien: Uber einen eigentümlichen Knochen- und 
Gelenkprozeß. 

v. A. berichtet über einen eigentümlichen Knochen- und Gelenkprezeß, den er 
an einem 40jährigen Pat. beobachtete. Wie das Röntgenbild zeigte, war das ganze 
untere Ende der Elle spontan, ohne jede Eiterung spurlos verschwunden. Vor 
15 Jahren hatte sich der gleiche Prozeß am rechten Elibogengelenk abgespielt. 
Obgleich Syphilis als Grund der Affektion nicht auszuschließen, trotzdem Bild 
dafür nicht beweisend ist, dürfte es sich um den äußerst seltenen Fall von Knochen- 
schwund infolge einer Ernährungsstörung von seiten des Nervensystems ohne 
nachweisbares Rückenmarksleiden handeln, wie solche Störungen bei Lepra, 
Syringomyelie und Tabes vorkommen. Die Annahme wird umso wahrscheinlicher, 
als der französische Autor Gasne einen ähnlichen Fall beobachtet hat, bei wel- 
chem die ganze Handwurzel und die unteren Enden beider Vorderarmknochen 
epurlos verschwunden waren. (Selbstbericht.) 

7) Chrysospathes (Athen): Beitrag zu den intra-uterin entstehen- 
den Frakturen und Knochenverbiegungen. 

Nach Beschreibung eines mit obigen Knochendeformitäten behafteten, durch 
Röntgenstrahlen untersuchten Säuglings versucht Verf. seinen Fall unter die bis- 
her bekannten fötalen Knochenerkrankungen unterzubringen. — Zugleich und auf 
Grund dieses seines Falles sucht er zu eruieren, inwieweit die Nomenklatur der in 
Frage kommenden Erkrankung, bzw. Erkrankungen, berechtigt ist. — 

(Selbstbericht.) 

8) Cramer {Köln:: Über Heilung von Wunden des Gelenkknorpels. 

C. studierte an experimentell ezeugten Gelenkwunden bei 3—4 Monate alten 
Kaninchen die aseptische Heilung der Knorpelwunden. Wenn durch die Ver- 
letzung zu gleicher Zeit der Markraum mitgetroffen ist, so wuchert aus diesem 
Bindegewebe herein und füllt den Defekt, wenn aber die Knorpelverletzung ohne 
gleichzeitige Verletzung des Knochens zustande kommt, so kommt es zu keiner 
Vereinigung, die Wundflächen klaffen. Am Knorpel ist keine Veränderung, keine 
Regeneration, nie Karyokinesen, kein Knorpelcallus. 

9) Heusner ‘Barmen): Über einige neue Schienen und Verbände. 

Demonstration neuer Schienen zum Ersatz des Gipsverbandes (Aluminium- 
schiene mit Matratzengurt überzogen). 

10) Evler (Treptow a. R.): Uber die Verwendbarkeit des Chrom- 
lederszu orthopädischen Apparaten, insbesondere zu Schienenhülsenstreck- 
verbänden, welche unmittelbar dem Körper an- und nachzupassen sind. 

Nochmalige Empfehlung des Chromleders zu Apparatezwecken. 

Demonstration einer erwachsenen Pat. mit angeborener Hüftluxation, welche 
einen Chromlederstützverband trägt. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 893 


11) Foerster (Breslau): Über eine neue Methode der Behandlung 
spastischer Lähmungen mittels Resektion der hinteren Wurzeln. 

F. faßte auf Grund neurologischer Erfahrung über die Hemmungswirkung der 
Pyramidenbahnen auf die motorische Kraft den Plan, spastische Lähmungen durch 
Resektion der hinteren Wurzeln zu beeinflussen. An der reflektorischen Erreg- 
barkeit beteiligen sich mehrere Wurzeln, es genügt, eine oder zwei auszuschalten, 
um eine Herabsetzung der spastischen Kontraktur zu erreichen. 

Die theoretischen Erwägungen wurden durch die Operation bestätigt. Sofort 
nach der Operation waren die Spasmen verschwunden, wenn es auch noch einer 
lange Zeit durchgeführten Übungstherapie bedurfte, um das Gehen einzuüben. 

Zwei vorgestellte Fälle zeigten ein gutes Resultat. 

Diskussion. Tietze (Breslau) führte auf Veranlassung Förster’s die Ope- 
ration aus. 

Die Technik ist schwer, und die Operation selbst vorläufig noch ein sehr 
schwerer Eingriff. Einige Fälle endeten letal 

Neben der Operation ist der funktionelle Erfolg auf ausgedehnte Übungs- 
therapie zurückzuführen. 

b. Nachmittagssitzung. 

12) Karch (Aachen): Die heutige Technik der plastischen Sehnen- 
operationen. 

K. demonstriert Instrumente zur Erleichterung der Sehnenverkürzung, empfiehlt 
ferner die Verbindung der Sehnenverpflanzung mit der Curettage der Gelenke, 
besonders am Fuß. 

13) Bade (Hannover): Zur Technik der Arthrodesenoperationen. 

Die Festigkeit soll für die einzelnen Gelenke verschieden sein, Fuß und 
Hüfte sollen federnde Bewegung haben, dagegen Knie und Schulter ganz fest sein. 
Abtragung des Knorpels mit Messer und Knochenschaber, keine Naht, Fixation 
3—5 Monate in Gipsverband. 

14) Hermann (Potsdam): Demonstration eines Meßapparates der Bein- 
längen. 

15) Muskat (Berlin) demonstriert eine neue Methode, Fußabdrücke herzu- 
stellen. 

16) Gocht (Halle: Weitere pathologisch-anatomische Unter- 
suchungen aus dem Bereiche des kongenital verrenkten Hüft- 
gelenkes. 

An der Hand von Abbildungen aus dem Grundriß zum Studium der 
Geburtshilfe von Bumm werden die normalen Haltungen der Frucht im Uterus 
besprochen und an Wachsmodellen die Verbiegungsmöglichkeiten im Bereiche des 
Hüftgelenkes bei verschiedenen Haltungen. Außerdem wird ein Präparat demon- 
striert, welches von einem vierjährigen Kinde mit rechtsseitiger Hüftluxation 
stammt. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind in folgenden Schlußsätzen 
niedergelegt: 

a. Die gewöhnliche Haltung des Fötus in utero ist charakterisiert durch 
Flexion, Außenrotation und geringe Adduktion der Hüftgelenke. 

b. jede gewaltsame Forcierung dieser Normalbaltung müßte (bei tatsächlich 
zugegebener Druckmöglichkeit) zu einer Retroversion des oberen Femur- 
endes führen. 

c. Bei fehlerhafter forcierter Einwärtsrotation des Hüftgelenkes 
resultiert eine Anteversion des oberen Femurendes. 

d. Die auf Verdrehung im Schenkelschaft beruhende Anteversion müßte als 
intra-uterin und primär entstanden angesehen werden, gegenüber den sekundär 
intra-vitam entstandenen Verdrehungen im Bereiche des Schenkelkopfes und Halses. 

e. Bei starker Anteversion des oberen Femurteiles muß es unter Umständen 
zu einer Retroversion des Schenkelhalses und Kopfes kommen. 

f. Die frübzeitig im 3.—4. Monat entstehenden Hüftluxationen neigen am 
meisten zur Nearthrosenbildung ; je später die Luxation entsteht, um so mehr 
wird eine Nearthrosenbildung vereitelt. 


894 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 


Übereinstimmend mit früheren Resultaten ergibt sich, daß auch bei dem vor- 
liegenden Präparat 

g. das Lig. ileo-femor. sup. stark verkürzt und sehr kräftig ist; 

h. dasselbe Lig. ileo-femor. sup. bei fast allen energischen Hüftgelenks- 
bewegungen stark angespannt wird; 

i. dasselbe Band bei den ultra-physiologischen Bewegungen dem Schenkelkopf 
als verankertes Führungsband dient; 

k. die annähernd rechtwinklige Beugestellung des Hüftgelenkes zur 
Entspannung der ganzen Hüftkapsel, ganz besonders der vorderen Partien, führt. 
In dieser Haltung und Enthaltung wird also das Kapselinnere und die vordere 
untere Pfannentasche am geeignetsten sein, den Schenkelkopf wieder aufzunehmen 
und in die eigentliche Primärspanne eintreten zu lassen. 

l. Die Auswärtsrotation bei starker Abduktionsstellung stellt sich 
auch bei diesem reinen Kapselpräparat als die natürlichste zur Retention des 
wieder eingerenkten Schenkelkopfes her. Jede Einwärtsrotation hebelt und schiebt 
den Kopf vom Pfannengrunde. ‚Selbstbericht.) 


17, Ludloff ‘Breslau: Zur blutigen Reposition der angeborenen 
Hüftluxation. 


L. spricht über die Erfahrung mit einer neuen Modifikation der bluti- 
gen Einrenkung der angeborenen Hüftluxation. 

Da in einzelnen Fällen die souveräne Lorenz’sche unblutige Repositions- 
methode versagt und es unmöglich ist, den Kopf richtig in die Pfanne einzustel- 
len, hat Verf. für solche Fälle fulgende Operationsmethode ersonnen und einige 
Male praktisch ausgeführt. 

Wenn der Versuch der unblutigen Reposition nicht geglückt ist, wird das 
betreffende Bein in hochgradiger Abduktion und Hyperextension einige Wochen 
eingegipst, darauf nach genügender aseptischer Vorbereitung in dieser Stellung 
operiert: 

Zirka 12 cm langer Schnitt von unten vom Poupart’schen Bande an in der 
Achse des Oberschenkels am lateralen Rande des »Adductor magnus«, stumpf in 
die Tiefe bis zur »Incisura acetabuli«, Eröffnung der Gelenkkapsel an dieser Stelle. 
Man sieht dann von vorn in die Pfanne hinein und hat dieselbe in ganzer Aus- 
dehnung ungemein übersichtlich vor sich. 

Bei Repositionsmanövern sah man dann in diesen Fällen, daß der Kopf von 
hinten nicht in die Pfanne treten konnte, weil die Verbindung zwischen dem 
oberen Kapselrecessus und der übrigen Kapselhöhle kaum erbsengroß war. Bei 
allen Versuchen wurde die Kapsel und der »Limbus castilaginus«e mit in die 
Pfanne vorgetrieben; der Kopf konnte aber nicht durch den »Isthmus« hindurch- 
treten. Es wurde nun der Isthmus durch Einkerben des Limbus erweitert und 
der deformierte Kopf mit dem Knochenhaken in die Pfanne hineingezogen, darauf 
die Wunde exakt vollständig geschlossen, ohne Drainage oder Tamponade, und ein 
Gipsverband in dieser primären Lorenz’schen Abduktionsstellung angelegt. 

Weder am reponierten Kopf noch an der Pfanne wurden irgendwelche ver- 
bessernde operative Maßnahmen vorgenommen, sondern beide vollständig intakt 
gelassen. 

Die Fälle sind alle reaktionslos per primam geheilt. 

Das Endresultat muß noch abgewartet werden, vorläufig stehen die Köpfe in 
der Pfanne. 

Die Vorzüge dieser Operationsmethode gegen die von hinten oben sucht der 
Verf. in 

1) vollständiger Übersichtlichkeit und Zugänglichkeit der Pfanne, 

2) Schonung aller Kapsel-, Bänder- und Weichteile, welche für die Retention 
und spätere Funktion wichtig sind, 

3) in dem fast unblutigen Verfahren, denn nach dem Hauptschnitt fließt kaum 
noch Blut, da man stumpf zwischen den Muskeln in die Tiefe geht und alle 
größeren Gefäße und Nerven lateral und dorsal von dem Schnitt bleiben. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 895 


Diese größere Übersichtlichkeit der Pfanne bei vorderem Schnitt im Gegen- 
satz zu dem Arbeiten in der Tiefe bei den Schnitten von hinten und oben ist ge- 
eignet, noch neue Aufschlüsse über die Repositions- und Retentionshindernisse zu 
geben; so wurde z. B. an einem Präparat die Einkrempelung des Limbus am 
hinteren und oberen Pfannenrand konstatiert. 

Es braucht nicht hervorgehoben zu werden, daß bei diesem anatomischen Be- 
fund jede genügende Retention ausgeschlossen wird und diese Einkrempelung viel- 
leicht die Ursache für manche hartnäckigen Reluxationen ist. (Selbstbericht.) 


18) Fröhlich (Nancyj: Was aus einigen geheilten angeboren Hütt- 
luxationen werden kann. 

Unter 240 Fällen waren 10 mit späterer Verschlechterung des anfänglich 
guten Resultates; und zwar stellte sich ein: Coxa vara in 4, totaler Schwund des 
Schenkelhalses in 2, Coxitis tuberculose in 2 Fällen, traumatische Luxation und 
Poliomyelitis ant. je einmal. 


Diskussion. Wullstein Halle) stellt eine erwachsene Pat. vor, welcher 
er im Alter von 9 Jahren eine doppelseitige Hüftluxation reponierte. Das funk- 
tionelle Resultat ist normal, dagegen durch das Röntgenbild eine beiderseitige 
Coxa vara festzustellen. 


19) Becher (Münster); berichtet über drei Fälle von pathologischen Hüft- 
luxationen, die durch ihre Seltenheit, die Schwere der Krankheit und das erreichte 
günstige funktionelle Resultat bemerkenswert sind. Ermöglicht wurde die Repo- 
sition auf unblutigem Wege durch die vorhergehende permanente Gewichts- 
extension, wie sie Vortr. veröffentlicht hat. Es handelt sich um folgende Fälle, 

a. 16jähriger, 171 cm großer junger Mann, der das Bild einer traumatischen 
Verrenkung bot: Rechtes Bein stark verkürzt, auf das äußerste nach innen rotiert 
und adduziert, so daß die Ferse nach vorn und außen stand und Pat. nur mit 
Krücke gehen konnte. Die Atiologie ist nicht klar; die Luxation bestand seit 
ca. 13 Jahren, angeborene Luxation ist ausgeschlossen. Pat. ist auf dem Wege 
völliger anatomischer und funktioneller Wiederherstellung. 

b. 6jähriges Mädchen. Rechtsseitige, seit 11/, Jahren bestehende Luxatio 
coxae infolge multipler Gelenkvereiterungen. Es gelang leicht, das Kopffragment 
einzurenken, wobei starkes Reiben und Knirschen im Gelenk entstand. Beweg- 
liches Gelenk, schmerzfreier Gang, leicht verkürztes Bein. 

c. 6jähriges Mädchen mit rechtsseitiger Hüftluxation durch Narbenzug infolge 
von Verbrennung vor 4 Jahren. Das Bein stand in fast rechtwinkliger Flexions- 
und Adduktionskontraktur. Einrenkung gelang, doch erfolgte Reluxation nach 
vorn und oben. Das funktionelle Resultat ist sehr zufriedenstellend. Verletzte 
geht mit etwas steifer Hüfte, leicht verkürztem Bein, zeigt aber das Trendelen- 
burg’sche Phänomen nicht mehr. | 


20) A. Lorenz {Wien): Grundsätze der Behandlung veralteter trau- 
matischer Hüftgelenksverrenkungen. 

Die blutige Reposition irreponibler traumatischer Hüftverrenkungen ist eine 
eminent lebensgefährliche Operation, welche nur in vereinzelten Fällen rezenter 
Luxation bei noch jugendlichen Individuen vollständig befriedigende Resultate 
aufzuweisen hat. Für den Fall der als unbedingt nötig erkannten blutigen Rapo- 
sition sollte die übliche Methode der Skelettierung des oberen Femurendes dureh 
die Methode der absoluten Muskelschonung ersetzt werden. Noch besser sollte 
die Indikation zur blutigen Reposition vollständig fallen gelassen 
werden. An ihre Stelle hat im Falle des Mißlingens der anatomischen Repo- 
sition die Pseudoreposition, d. h. die Transposition des Schenkelkopfes in laterale 
Apposition oder noch besser in subspinale Stellung zu treten. Die subspinale 
Transposition erfolgt, wie die anatomische Reposition, durch Umwandlung der 
Luxatio iliaca in eine Luxatio obturatoria und durch Verlagerung des Schenkel- 
‚kopfes vom Foramen obturatum über den unteren Pfannenrand in die Pfanne bzw. 
auf die Pfannengegend. Durch Druckschwund interponierter Weichteile kann die 
subspinale Transposition sekundär zur anatomischen Reposition werden. Die 


896 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 


unblutige Therapie hat auch in der veralteten traumatischen Luxation den unbe- 
dingten Vorzug vor der blutigen. Mitteilung eines einschlägigen Falles. 
(Selbstbericht.) 


21) Deutschländer (Hamburg): Zur Frage des traumatischen Platt- 
fußes. 

Vortr. berichtet auf Grund von 14 Beobachtungen über Funktionsstörungen 
des Fußes, die bisher unter den Begriff des traumatischen Plattfußes subsummiert 
wurden, denen aber nach Ansicht des Vortr. eine Sonderstellung zukommt. Das 
Wesentliche dieser Funktionsstörungen besteht darin, daß nach einem meist gering- 
fügigen Trauma des Fußes schwere Behinderungen des Gehaktes und plattfußähn- 
liche Beschwerden auftreten, die aber im Gegensatz zum traumatischen Einfluß 
oft jahrelang unverändert bestehen, ohne daß eine Veränderung des Fußgewölbes 
eintritt. Wie die Röntgenuntersuchung ergab, handelte es sich dabei um Brüche 
des Chopart'schen Gelenkes, die teils am Naviculare, teils am Processus anterior 
calcanei lokalisiert waren. Derartige Brüche, die übrigens häufiger vorkommen, 
ale man bisher annimmt, werden vielfach verkannt und geben bei längerem Be- 
stande in der Regel zu einer chronischen deformierenden traumatischen Entzündung 
des Chopart'schen Gelenkes Anlaß. Diese Gelenkerkrankung ist es nun, auf die 
die Beschwerden und Funktionsstörungen des Fußes zurückzuführen sind, nicht 
aber die supponierte Nachgiebigkeit des Fußgewölbes, die übrigens niemals er- 
wiesen werden konnte, und aus diesem Grunde sind derartige Zustände auch nicht 
in die Gruppe des Plattfußes einzubeziehen. Auch die Prognose und Therapie 
wird ausschließlich von der Arthritis deformans beherrscht. Therapeutisch haben 
daher nicht die Grundsätze der Plattfußbehandlung, sondern die der chronischen 
deformierenden Gelenkentzündung zur Anwendung zu kommen (Mobilisation, Gym- 
nastik, Massage, Heißluftbehandlung u. a.). In zwei Fällen wurde die künstliche 
Verödung des Chopart’schen Gelenkes mittels Arthrodese mit gutem Erfolg aus- 
geführt, Die Chopart’schen Gelenkbrüche und ihre Folgezustände verdienen be- 
sonders aus Rücksicht auf unser Versicherungswesen größere Beachtung, 

(Selbstbericht.) 


22) J. Riedinger (Würzburg): Demonstration eines neuen Redressions- 
apparates zur Behandlung des Klumpfußes und anderer Deformitäten 
der unteren Extremitäten. 


23) H. Riedel (Linz a. d. Donau). Zur operativen Behandlung des 
Hallux valgus. 

Die Ätiologie des Hallux valgus ist bis jetzt noch nicht sichergestellt. Man 
kann zwei Typen des Hallux valgus unterscheiden, den angeborenen und den er- 
worbenen, die beide mit oder ohne Plattfuß kombiniert vorkommen. 

Die für schwere Fälle von Hallux valgus bis jetzt angegebenen Operations- 
methoden sind sehr zahlreich, ein Beweis, daß keine derselben vollkommen be- 
friedigende Resultate ergibt. 

Da das Wesen des Hallux valgus nicht nur in der abnormen Zehenstellung, 
sondern auch ganz besonders in der Adduktionsstellung des Metatarsus I beruht, 
erscheint ein einfaches Verfahren indiziert, welches gleichzeitig beide Abnormitäten 
beseitigt. Dies bewirkt die vom Vortr. im Verein mit Primararzt Dr. A. Bremer 
ersonnene Öperationsmethode, welche darin besteht, daß ein Keil mit lateraler 
Basis aus dem ersten Keilbein ausgeschlagen wird. 

Es wurde danach zwar erst ein Fall doppelseitig und mit dem besten Dauer- 
erfolg operiert, doch erscheint die Methode rationell und wird den Kollegen zur 
Weiterprüfung und Übung empfohlen. (Selbstbericht.) 

24) S. Kofman (Odessa): Erfahrungen über die Behandlung des 
spondylitischen Buckels nach Calot. 

K. hebt die Vorzüge der Behandlung der Pott’schen Krankheit nach Calot, 
die Einfachheit, die absolute Ungefährlichkeit und Sicherheit der Wirkung hervor. 
Er schildert das Wesen der Methode, die hauptsächlich in der zarten, allmählichen 
Einwirkung auf den Gibbus besteht. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 897 


K. hat Calot in Berck s. M. besucht und hatte reichliche Gelegenheit, Ein- 
sicht in die Wirkung der Methode zu gewinnen. Er selbst wendet die Methode 
seit einem Jahr an; er hatte sie in 31 Fällen erprobt, von denen neun in bezug 
auf den Gibbus als geheilt zu betrachten sind. Statt des Gibbus resultiert eine Delle. 
Es werden zwei photographische Bilder einer 14 Jahre alten Pat. mit einem 4 Jahre 
datierenden Gibbus vor der Behandlung und nach Abschluß derselben ohne Gibbus 
demonstriert. Die Calot’sche Methode ist als die alleinherrschende der nächsten 
Zukunft zu betrachten. (Selbstbericht.) 


25) A. Codivilla (Bologna): Uber Pseudarthrosenbehandlung mit- 
tels Muskel-Periost-Knochenlappen nach den italienischen Me- 
thoden. 

Bei einer erheblichen Anzahl von Fällen von Pseudarthrosen und breiten 
Knochendiskontinuitäten, die ich zu behandeln Gelegenheit hatte, habe ich je 
nach den speziellen Indikationen des einzelnen Falles die verschiedenen bis jetzt 
angegebenen Methoden angewendet. Wiesen die Enden der Knochensegmente 
Zeichen einer ungenügenden formativen Vitalität auf, so habe ich die Bildung 
plastischer Lappen aus dem diskontinuierlichen Knochen oder die Überpflanzung 
von Knochen ohne nutritiven Lappen für unangezeigt gehalten. 

Hingegen haben sich freie Periostüberpflanzungen aus einem gesunden Knochen, 
der Transport eines nahen normalen Knochens, eines mit Hautlappen versehenen 
Knochens nach Reichel oder eines mit provisorischen Muskellappen ausgestatteten 
Knochenstückes aus einer entfernten Körpergegend bestens bewährt. 

Letzteres Vorgehen hat dem Reichel’schen gegenüber folgende Vorzüge: 
Es gestattet die Bildung eines mit viel reichlicheren Gefäß- und Nervenverbin- 
dungen ausgestatteten Lappens, der dem Knochen eine größere Oberfläche zur 
Gewinnung neuer nutritiver Verbindungen bietet, und es hat auch ein weit größeres 
Anwendungsgebiet. 

Ich gestatte mir, die Radiogramme zweier einschlägiger Fälle zu demonstrieren: 

In einem derselben wurde der Muskellappen dem äußeren Skapularrand ent- 
nommen. Es handelte sich um eine bedeutende Diskontinuität des Humerus; der 
Muskellappen wurde 20 Tage nach der Operation getrennt. 

Im zweiten Falle handelte es sich um eine angeborene tibio-fibulare Pseud- 
arthrose; der Lappen für die fibulare Pseudarthrose wurde aus der Fibula der 
gesunden Seite gebildet. Die Trennung des Muskels geschah nach 25 Tagen. 

Die tibiale Pseudarthrose wurde mit periostalen Überpflanzungen versorgt. 
Die radiographische Untersuchung läßt zweifellos die Vitalität der überpflanzten 
Elemente erkennen. (Selbstbericht.) 


26) Chlumsky (Krakau): Über den schlechten Einfluß der schwedi- 
schen Gymnastik und ähnlicher Lockerungsverfahren auf die Sko- 
liose. 

C. zeigt Photographien von zwei Pat., bei welchen anscheinend nach schwe- 
discher einseitiger Gymnastik und dem Klapp’schen Kriechverfahren eine bedeu- 
tende Zunahme einer vorher kaum bemerkbaren Skoliose eintrat. 


IH. Sitzung zur Frage der Krüppelfürsorge. 

Getrennt von der wissenschaftlichen Sitzung wurde eine Sitzung zur Krüppel- 
frage abgehalten, zu welcher die Vertreter der einzelnen Bundesstaaten und die 
Leiter der größeren Krüppelanstalten eingeladen waren. Verbunden war mit 
dieser Sitzung eine Ausstellung von Plänen, Apparaten und Arbeitserzeugnissen 
aus Krüppelanstalten, welche von Anstalten des In- und Auslandes reichlich be- 
schickt war. 

Auf dem vorigen Kongreß waren Biesalski und Rosenfeld mit dem Re- 
ferat über die Krüppelfrage betraut worden. 


1) Biesalski (Berlin) hält das einleitende Referat über die amtliche Zählung 
jugendlicher Krüppel in Deutschland, welche auf eine Eingabe der Deutschen 
Zentrale für Jugendfürsorge veranstaltet worden ist. Es wurde in sämtlichen 
Bundesstaaten gezählt. Dazu sind fast 1/, Million Zählkarten von dem Bureau des 


898 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 


Berlin-Brandenburgischen Krüppel-Heil- und Fürsorge-Vereins, in welchem die 
technischen Arbeiten geleistet wurden, versandt worden. Die Bearbeitung hat 
2 Jahre gedauert. 

Es sind in Deutschland ohne Bayern, Baden und Hessen, welche eine Zählung 
nach anderen Gesichtspunkten veranstaltet haben, 75000 Krüppel unter 15 Jahren 
gezählt worden. Davon sind 42000 nach ärztlichem Urteil der Behandlung und 
Erziehung in einem Krüppelheim bedürftig. 

Der Bearbeitung der Statistik hat der Vortr. eine neue Begriffsbestimmung 
des Wortes »Krüppel« zugrunde gelegt: >»Ein Krüppel ist ein in der Bewegung 
seines Rumpfes oder seiner Gliedmaßen aus angeborener oder erworbener Ursache 
behinderter Kranker, bei welchem die Wechselwirkung zwischen dem Grade seines 
Gebrechens und der Lebenshaltung seiner Umgebung eine so ungünstige ist, daß 
die ihm verbliebenen geistigen und körperlichen Kräfte zur höchstmöglichen wirt- 
schaftlichen Selbständigkeit nur in einer Anstalt entwickelt werden können, welche 
über die eigens für diesen Zweck notwendige Vielheit ärztlicher und pädagogischer 
Einwirkungen gleichzeitig verfügt.< Darin ist zugleich der Begriff Krüppelheim 
definiert, und es kann nunmehr verhindert werden, daß die öffentliche Fürsorge 
Kindern zuteil wird, welche deren gar nicht bedürfen. Der Zweck aller Krüppel- 
fürsorge ist, die Krüppelkinder erwerbsfähig, sie aus Almosenempfängern zu 
Steuerzahlern zu machen und die öffentliche Armenpflege zu entlasten. Vor allem 
muß betont werden, daß der Krüppel ein Kranker ist, und daß nur solche Krüppel- 
fürsorge Anspruch auf diesen Namen hat, welche in allererster Reihe sich der viel- 
fachen Möglichkeiten bedient, die in neuerer Zeit in der Orthopädie geschaffen 
sind zur Heilung krüppelhafter Gebrechen. 

Zweitens müssen Krüppelheime sich des Unterrichts der Schwachbefähigten 
annehmen, der vielfach mit dem Krüppelgebrechen zusammen vorkommt. 

Als Ersatz für das Wort »Krüppel«, das für die meisten Menschen einen 
grausigen Beigeschmack hat, schlägt B. das Wort »Hilfling« vor. 

Über 9000 Kinder haben selbst Aufnahme in ein Heim gewünscht. Es sind 
aber nur 2826 Betten in 32 Krüppelheimen in Deutschland vorhanden für etwa 
50000 heimbedürftige Krüppel des jugendlichen Alters. Im vorschulpflichtigen 
Alter gibt es in Deutschland 13000 Kinder, auf welche ärztlich und pädagogisch 
eingewirkt werden kann, ein Hinweis darauf, daß die Vorbeugung des Krüppel- 
tums (Ambulatorien, Beratungsstellen) eine wichtige Aufgabe ist. 

Die Zählkarten werden ihren Heimatländern durch die Regierungen zu- 
gestellt werden, so daß ohne weiteres die praktische Krüppelfürsorge mit dem 
Staat in amtliche Berührung kommt. Daraus wird, zumal jetzt jede Landschaft 
unanfechtbare Mindestzahlen hat, ein Aufschwung der Krüppelfürsorge resultieren. 
Schon jetzt sind, weil die Erhebung der Statistik in den weitesten Kreisen des 
Reiches bei Behörden sowohl wie in den Familien das Vorhandensein und die 
reichen Aussichten einer geordneten Krüppelfürsorge bekannt gemacht hat, zwölf 
neue Krüppelheime im Bau begriffen oder geplant. Dazu gehört die Berliner 
Anstalt, welche im Verlauf von einem Jahre 100 Betten belegt hat. 

(Selbstbericht.) 


2) L. Rosenfeld (Nürnberg): Bisherige Krüppelfürsorge und ratio- 
nelle Hilfe ans dem heutigen Standpunkt der Orthopädie. 

Kurzer Überblick über die Entwicklung und Art der bisherigen Krüppelfürsorge 
und Krüppelanstalt, was geleistet und was nicht geleistet wurde. Aus der geschicht- 
lichen Entwicklung ergeben sich eine Reihe von feststehenden Forderungen: 1) ärzt- 
liche Hilfe, 2) entsprechende pädagogische Förderung, 3) Versorgung der Krüppel, 
4) Maßnahmen zur Verhütung des Krüppeltums. Mit diesen Forderungen ist auch 
die Art der Organisation und rationellen Hilfe gegeben. Die Organisation muß 
in erster Linie eine dem Standpunkt der Orthopädie entsprechende ärztliche Be- 
handlung gewährleisten. Hierzu ist notwendig eine orthopädische Klinik mit 
allen Errungenschaften unserer heutigen Therapie; ein der Klinik angegliedertes 
Ambulatorium. Wünschenswert sind eine Reihe von Hilfseinrichtungen: Beratungs- 
stellen, Landkolonien, Walderholungsheime, Sol- und Seebäderabteilungen, Kli- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 899 


mato- und Heliotherapie. Kurze Zusammenfassung der Forderungen des Unter- 
richte, der Versorgung, der Verhütung. 

Betrachtung über die Möglichkeit, die anzustrebenden Ziele zu erreichen. Not- 
wendigkeit, eine dem Bedürfnis entsprechende Anzahl von Krüppelanstalten einzu- 
richten. Staatliche, provinziale, kommunale, Privatanstalten? Anlehnung dieser 
Anstalten an Universitätsinstitute? Notwendigkeit, Lehrstühle für orthopädische 
Chirurgie zu schaffen! Eimpfiehlt sich Anlage der Fürsorgeeinrichtungen in der 
Stadt oder auf dem Lande? 

Behandlung der wichtigsten Forderung: Zusammenfassung aller Kräfte, speziell 
der Orthopäden und Arzte. 

Diskussion. Lange (München) teilt seine persönlichen Erfahrungen in der 
Krüppelfürsorge mit. 

Vulpius (Heidelberg) berichtet über die Ergebnisse der Krüppelstatistik in 

en. 

v. Aberle (Wien) über Krüppelfürsorge in Österreich-Ungarn. 

Bade über das Krüppelheim in Hannover. 

Schlee über das Krüppelheim in Braunschweig. 

Witteck (Graz) spricht über Bandagistenkurpfuscherei und Krüppelfürsorge. 


27) K. Gaugele. Das Redressement alter Pott’scher Buckel. 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XIX. Hft. 3 und 4.) 

Verf. beschreibt die Konstruktion eines orthopädischen Tisches, der das An- 
legen von Verbänden in horizontaler Lage des Pat. unter Extension und Pelotten- 
druck gestattet. Die Wirkung der Verbände wird an einigen Beispielen gezeigt. 

d. Riedinger (Würzburg.) 


28) J. F. Gottstein. Zur Redressement- und Verbandtechnik bei 
schweren Skoliosen. 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.) 

Verf. hat seit dem Jahre 1903 etwa 120 schwere Skoliosen mittels des for- 
cierten Redressements behandelt. Er redressierte zuerst nach Schanz in dem 
Engelmann’schen Streckrahmen, dann nach Wullstein unter Abänderung 
einiger Vorrichtungen des Wullstein’schen Apparates. Verf. gibt auch einige 
Abweichungen in der Technik des Verbandes an und demonstriert an drei Fällen 


die Leistungsfähigkeit der Methode. d. Riedinger (Würzburg). 
29) Renvall. Zur Kenntnis der kongenitalen, familiär auftretenden 
Extremitätenmißbildungen. 


(Archiv f. Anatomie u. Physiologie 1908.) 


R. konnte in 4 Generationen einer Familie 9 Mißbildungen gleichen bzw. 
ähnlichen Typus nachweisen, die 5 männliche und 4 weibliche Personen betrafen. 
8mal fand sich ein kongenital gekrümmter kleiner Finger (6 rechts, 2 links, 1 un- 
bestimmt). Bei dem 9., vom Verf. nicht selbst gesehenen Mitgliede, soll die eine 
Hand die Form eines Fischschwanzes haben. Bei dem einzigen — männlichen — 
Erkrankten der 4. Generation lag außer dem links gekrümmten Finger eine rechte 
Spalthand und Hypospadie vor, während seine ebenfalls belastete Mutter neben 
der Fingerdeformität eine fixierte Dorsalflexion des 4. rechten Metatarsophalangeal- 
gelenkes aufwies. Einer der 3 erkrankten Brüder dieser Mutter zeigte Finger- 
verkrümmung nur an der anderen Hand. Defekt der Ulna und der 3 ulnaren Finger. 
Verf. ist geneigt als Ursache der gehäuften Mißbildungen ein Vitium primae for- 
mationis anzunehmen. Interessant ist, daß die Deformität meist durch die weib- 
lichen Mitglieder vererbt wurde und männliche Nachkommen betraf. 

Vorderbrügge (Danzig). 


900 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 


30) Holding. Observations made in 300 cases of severe traumatisms. 
(Albany med. annals 1908. Mai.) 

H. beobachtete unter 300 aufeinander folgenden Fällen schweren Traumas 
18 von traumatischer Neuritis des N. circumflexus humeri nach Schultergelenks- 
schädigungen. Die hauptsächlichen Symptome sind: Schmerzen in der Schulter- 
gegend, behinderte Abduktion des Armes, Muskelatrophie des M. deltoideus, Infra- 
spinatus, Teres minor und manchmal auch des Supraspinatus, atrophische Ostitis 
im gleichen Bereiche mit ausgesprochener Druckempfindlichkeit des Knochens und 
behinderter Beweglichkeit des Schultergelenkes, und trophische Hautstörungen. 
Deutliche Entartungsreaktion fehlte in H.'s Fällen; im Röntgenbilde war die 
Knochenatrophie deutlich. Mohr (Bielefeld). 


31) Weber (Dortmund). Über subkutane totale Zerreißung des Plexus 
brachialis ohne Verletzung der Knochen. 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 21.) 

Die schwere Verletzung wurde von W. 7 Wochen nach dem Automobilunfall 
entdeckt, als dessen Folge von dem behandelnden Arzt neben einer Commotio 
cerebri nur ein Bruch im linken Ellbogengelenk und am linken Radius nachge- 
wiesen worden war, obwohl 8 Tage nach der Verletzung heftige Schmerzen auf- 
getreten waren und sich auch das Gefühl erloschen gezeigt hatte. Es be- 
stand vollständige atrophische Lähmung des linken Armes und der Schultergegend 
und hinter dem Schlüsselbein eine abnorm druckemkfindliche Resistenz, in der bei der 
von Vogel ausgeführten Operation die in Narbenmasse eingebetteten zerrissenen 
Nervenbündel des Plexus brachialis gefunden wurden. Resektion derselben und 
Nervennaht. 10 Monate später zeigte sich die Sensibilitätsstörung erheblich ver- 
mindert, der Biceps schwach innervierbar. Kramer (Glogau). 


32) Basy. Troubles trophiques et moteurs survenant trois mois après 
une suture nerveuse et guéris par l'électricité statique. 
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris. Bd. XXXIII. p. 589.) 

Es handelte sich um eine ganz plötzlich wieder auftretende Lähmung des 
Medianus nach Naht mit vollem Erfolg. An der Nahtstelle fühlte man eine kleine, sehr 
schmerzhafte Geschwulst (Neurom?), die nach drei Sitzungen bei Anwendung des 
elektrischen Stromes verschwunden war, zugleich mit den Lähmungserscheinungen 

Kaehler (Duisburg-M.). 


33) P. Zander. Ein Fall von kongenitaler Luxation des Humerus. 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.) 

Den wenigen einwandsfreien Fällen der Literatur fügt Verf. einen Fall hinzu, 
bei dem die stereoskopische Röntgenuntersuchung Aufschluß über die Verhältnisse 
bei der Deformität gab, und der noch dadurch interessant ist, daß gleichzeitig 
Schulterblatthochstand auf derselben Seite besteht. Verf. nimmt an, daß es sich 
um eine Hemmungsbildung handelt. Die Deformität wurde bei einem 13 Jahre alten 
Mädchen beobachet. Die Funktion des Armes war eine verhältnismäßig gute. 

d. Riedinger (Würzburg). 


34) A. Alsberg. Isolierte Fraktur des Erbsenbeines. 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.) 

Die Verletzung entstand bei einem Manne, welcher in die Speichen eines 
Rades eingegriffen hatte, um das Rad herum zu drehen. Das Röntgenbild ergab 
einen durch das Erbsenbein verlaufenden Bruchspalt mit unwesentlicher Ver- 
schiebung der Bruchstücke. Die Verletzung war entstanden während die Hand 
aus starker Pronation und Radialflexion in Supination, Volar- und Ulnarflexion 
überging, und zwar wahrscheinlich durch Kontraktion des M. flexor carpi ulnaris. 
Einen zweiten Fall fand Verf. in der Literatur nicht. 

J. Biedinger (Würzburg). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 901 


35) G. Hohmann. Zur Ätiologie und Pathologie von Klumphand und 


Klumpfuß. 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XIX. Hft. 3 und 4.) 

Verf. berichtet ausführlich über drei aus dem Krankenmaterial von Prof. 
Lange in München stammende Fälle von doppelseitiger Klumphand mit doppel- 
seitigem Klumpfuß und sonstigen Gelenkkontrakturen. Ein vierter Fall wird nur 
kurz erwähnt. Im Nachtrag werden zwei weitere Fälle angeführt. Die Ent- 
stehung der Deformitäten wird auf Raumbeschränkung im Uterus zurückgeführt. 
Für diese Auffassung ergeben sich aus den Krankengeschichten verschiedene An- 
haltspunkte (Fruchtwassermangel, Steißgeburt, gleichzeitiges Vorkommen analoger 
Deformierungsprozesse, zwanglose Rekonstruierung der intra-uterinen Haltung, 
sonstige pathologische Veränderungen). Der Arbeit sind auch einige Bemerkungen 
über die Therapie beigefügt, außerdem 19 Abbildungen. 

J. Riedinger (Würzburg). 


36) A. Hiller. Über den »schnellenden Finger«. 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.) 

Verf. gibt eine genauere Beschreibung des Krankheitsbildes auf Grund der 
bisherigen Erfahrungen und einer eigenen Beobachtung. Letztere betrifft eine 
14 Jahre alte Pat. mit schnellenden Daumen. An der Sehne des Flexor profundus 
wurde beiderseits eine erbsengroße Verdickung gefunden. Die operative Freilegung 
des Knotens rechts ergab spindelförmige Auftreibung sowohl der Sehne als der 
Sehnenscheide Nach Resektion der Sehne im Bereich des Knotens wurde das 
Leiden geheilt. Der histologische Befund an der exstirpierten Sehnenscheide ergab 
Knorpel-Sehnen- und Muskelgewebe, außerdem fibröses und Granulationsgewebe. 

d. Riedinger (Würzburg). 


37) Thrap-Meyer. Et tilfaelde af resectio symphysis sacro-iliaca. 
(Norsk Mag. for Laegevid. 1%8. Nr. 4 und 5.) 

Bei einem 19jährigen Manne, der in New York eine Lungenentzündung durch- 
machte, entstand am Ende der zweiten Krankheitswoche Druckbrand über dem 
Kreuzbein, später außerdem über der linken Schulterblattgräte und über beiden 
Darmbeinkämmen. Das Kreuzbeingeschwür wurde mehrfach operiert. Trotz un- 
aufhörlicher Durchfälle erfreute Pat. sich eines guten Appetites. 

In mehreren Sitzungen, die der elende Zustand des Kranken und eine schwere 
Nachblutung erforderlich machten, wurde zunächst ein 6 cm breites Stück des 
Os sacrum oberhalb des For. ischiadicum maj. abgemeißelt und in den Nachope- 
rationen die Resectio der Symphysis sacro-ilaca vervollständigt. Mit Beseitigung 
der Abszeßhöhle schloß sich die Fistel allmählich. Pat. ist so weit wiederherge- 
stellt und gut auf den Beinen, daß er daran denkt, wieder zu arbeiten. 

Bevenstorf (Hamburg). 


38) Nyrop Ejnar. Eine Prothese bei Exartikulationen im Hüftgelenke. 
(Zeitschrift für die orthopäd. Chirurgie Bd. XIX. Heft 3 u. 4.) 

Verf. beschreibt eine Prothese aus Holz für das Hüftgelenk, konstruiert nach 
dem Prinzip des Ernst Nyrop’schen künstlichen Kniegelenkes. Dieses Prinzip 
beruht darauf, daß das Gewicht des Körpers nicht auf dem Holzzapfen des Ge- 
lenkes ruht, was sich in der Weise erreichen läßt, daß die Holzzapfen etwas kleiner 
sind als das Zapfenloch. Das Körpergewicht wird direkt auf den Gelenkkopf der 
Hülse übertragen. Das Hüftgelenk sitzt an natürlicher Stelle, was das Sitzen nicht 
behindert und dem Pat. erlaubt, sich mit großer Leichtigkeit zu bewegen. 

J. Biedinger (Würzburg). 


39) Becher. Uber kompensatorische Hüftgelenksverrenkung. 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.) 
Infolge hochgradiger Kontraktur des rechten Hüftgelenkes nach Koxitis war 
8 bei einem 49 Jahre alten Mann allmählich zu Spreizstellung der Beine und im 


902 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 


weiteren Verlauf zu einer Verrenkung des linken Oberschenkels nach hinten ge- 

kommen. Verf. nahm rechts die schiefe subtrochantere Osteotomie vor. Links 

wurde durch Extension die Verrenkung eingerichtet. Nach der a 

der Beine verwechselte Pat. längere Zeit links und rechts. Ein noch besseres Re- 

sultat erzielte Verf. bei einem 9jährigen Mädchen mit den gleichen Veränderungen. 
J. Biedinger (Würzburg). 


o 
40) R. Ehebold. Unsere Erfahrungen mit der angeborenen Hüftge- 
lenksverrenkung. 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.) 

Verf. berichtet über die Erfahrungen, die er mit Gocht zusammen bei der 
Untersuchung und Behandlung von 152 Fällen von angeborener Hüftgelenksver- 
renkung in einem Zeitraume von 5 Jahren gemacht hat. Im ganzen wurden 102 
Fälle eingerenkt, 7 davon blutig. Bei einseitiger Verrenkung wurden 77%, bei 
doppelseitiger Verrenkung 61% Heilungen erzielt. Die Kinder standen in einem 
Alter von 10 Monaten bis zu 12 Jahren. Extensionsbehandlung vor der Einren- 
kung wird nicht mehr angewandt. In schweren Fällen werden zwischen den ein- 
zelnen Repositionsakten manuelle Traktionen vorgenommen. 

Im einzelnen teilt Verf. auf Grund seiner Erfahrungen seine Ansichten mit 
über Atiologie, pathologische Anatomie, Anamnese, Heredität, Symptome Dia- 
gnose, Komplikationen, Behandlung, Retention, blutige Reposition und Resultate. 
Von Interesse ist besonders die Schilderung der Technik der Reposition, die sich 
an die Technik der Lorenz'schen Methode anlehnt. Bei voller Wahrung des 
Lorenz’schen Prinzips wird auf einige Abweichungen aufmerksam gemacht. In 
der Reihe der Arbeiten, welche nach längerer Zeit Rechenschaft ablegen, wie sich 
die Lorenz’sche Methode ausgestaltet und was sie geleistet hat, verdient auch 
die vorliegende als beachtenswerter a hervorgehoben zu werden. 

J. Riedinger (Würzburg). 


41) P. Bade. Mitteilungen aus dem Gebiete der angeborenen Hüft- 


verrenkung. 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.) 

1) Doppelseitige Hüftverrenkung, 2 Tage nach der Geburt eingerenkt, kom- 
biniert mit doppelseitigen Knieverrenkungen und Hakenfüßen. Reposition aller 
Verrenkungen. Nachbehandlung mittels Schienen. Anscheinend Heilung bei der 
Entlassung nach einigen Wochen. 

2) Doppelseitige Hüftverrenkung, kompliziert durch doppelseitige Klumpfüße 
bei einem 4 Jahre alten Mädchen. Heilung. 

3) Angeborene oder paralytische Hüftverrenkung mit der Fähigkeit des Selbst- 
reponierens. Die Deformität wurde bei einem 7 Jahre alten Mädchen am linken 
Bein, wo auch Klumpfuß vorhanden war, beobachtet. Der paralytische Klumpfuß 
wurde durch Redressement und Sehnennaht, die Verrenkung durch Fixation in 
reponierter Stellung während der Dauer von 6 Monaten geheilt. 

J. Riedinger (Würzburg). 


42) C. Deutschländer. Die blutige Reposition der angeborenen Hüft- 
verrenkungen. 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.) 

Verf. berechnet, daß im Durchschnitt etwa 60—80% der angeborenen Hüft- 
verrenkungen durch die unblutige Reposition anatomisch geheilt werden können. 
Es bleiben deshalb stets Fälle für die blutige Operation übrig, für die Verf. ein 
Wort einlegen will. Mit einer besseren Entwicklung der Technik und einer 
besseren Kenntnis der anatomischen Verhältnisse müssen auch die Resultate besser 
werden. Verf. schildert die Schwierigkeiten der Operation und die Mittel zu ihrer 
Beseitigung. Er operiert von dem von Hoffa angegebenen Schnitt aus. Seine 
Erfahrungen erstrecken sich auf zehn Operationen, denen unblutige Behandlung 
vorausgegangen war. Die Krankengeschichten werden ausführlich mitgeteilt. 
Meist war das Mißlingen der unblutigen Behandlung auf mangelhafte Entfaltung 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 903 


des Kapselschlauches und auf Verwachsungen zurückzuführen. Von den operierten 
sieben Kindern im Alter von 3—12 Jahren starb eines. Von zehn operierten Ge- 
lenken zeigten später sechs gute (nicht völlige) Beweglichkeit und gute Funktion, 
geringe Verkürzung nur ein Fall. Vier Gelenke wurden ankylotisch. 

í J. Biedinger (Würzburg). 


43) P. Guradze. Erfolge der Oberschenkelosteotomie. 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.) 

Verf. berichtet ausführlich über sieben Krankengeschichten, die zeigen, daß 
auch bei schweren Verkrümmungen der unteren Extremitäten gute Erfolge durch 
Osteotomie erzielt werden können. 2 Fälle betrafen rachitische Coxa vara, 1 Fall 
Ankylose und Kontraktur des Hüftgelenkes, 1 Fall veraltete Hüftverrenkung, 1 Fall 
starke rachitischo Verkrümmung eines Oberschenkels, 1 Fall hochgradige Genua 
valga und 1 Fall Genu varum. In den meisten Fällen ist der Verf. mit der 
lineären Osteotomie ausgekommen bei möglichst extraartikulärer Operation. Zur 
Nachbehandlung dient der von Gocht angegebene Zuggipsverband. 

J. Riedinger (Würzburg). 


44) Höring. Über Tendinitis ossificans traumatica. (Aus der chirurgi- 
schen Abteilung des Katharinenhospitals in Stuttgart. Prof. Steinthal.) 
(Münchener med. Wochenschrift 1907. Nr. 13.) 

Der 56jährige Pat. hatte einen heftigen Stoß gegen die linke, einen schwä- 
cheren gegen die rechte Achillessehne durch eine Schreibtischkante erlitten, wo- 
durch sich eine Tendinitis entwickelte, die das Gehen immer schmerzhafter machte. 
Die Röntgenaufnahme ergab in der verdickten Sehne linkerseits eingelagerte 
Knochensubstanz in der Form eines Kleinfingers, rechterseits zwei Verknöcherungs- 
herde von Bohnen- bzw. Erbsengröße, in anderen Sehnen dagegen nichts derartiges, 
so daß das Trauma als Ursache der Ossifikation anzusehen war. Operative Ent- 
fernung des linksseitigen, aus wirklichen Knochen gebildeten Herdes. Pat. wurde 
durch die Operation geheilt und arbeitsfähig. Die Ossifikation in der rechten 
Achillessehne bereitet ihm bisher keine Beschwerden und ist nicht weiter fortge- 
schritten. Kramer (Glogau). 


45) Troemner und Preiser. Frühfrakturen als Tabesinitialsymptom. 
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie. Bd. XVIII. Hft. 5.) 

Durch unbedeutendes Ausrutschen mit dem Fuß zog sich ein 39jähriger Mann 
einen schweren Zertrümmerungsbruch des Talus, Naviculare, einiger Keilbeine und 
Metatarsen zu; er ging mit dem Fuße noch 5 Wochen lang herum; später traten 
Knochenbildungen im Bindegewebe des Unterschenkels auf, und erst 1 Jahr nach 
dieser Fraktur zeigten sich echte tabische Symptome, und zwar so, daß sie am 
verletzten Bein stärker ausgeprägt waren als am gesunden. Es gehörte also dieser 
Fall zu jenen, in denen lange Zeit vor Manifestwerden einer Tabes eine abnorme 
Knochenbrüchigkeit sich bemerkbar macht, und mahnt daran, bei allen Frakturen 
aus unzureichender Ursache im mittleren Lebensalter bei auffallender Schmerz- 
unempfindlichkeit an die Möglichkeit tabischer Genese zu denken. 

Haeckel (Stettin). 


46) P. Haglund (Stockholm). Zur Frage des Os tibiale externum. 
Erwiderung an Dr. A. Lilienfeld anläBlich seines Aufsatzes »Über 
die sog. Tarsalia usw.« 

(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XIX. Hft. 3 und 4.) 

47) A. Lilienfeld (Leipzig). Antwort auf die »Erwiderung« des Herrn 
Haglund. 

(Ibid.) 

Polemik über die Frage: Fraktur oder akzessorisches Skelettstück? (Siehe 
Zentralblatt f. Chir. 1907 p. 327 und p. 1245.) d. Riedinger (Würzburg). 


904 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 


48) K. Gaugele. Die ursächlichen Beziehungen des Os tibiale und 


der Frakturen des Os naviculare zum Pes valgus. 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XIX. Hft. 3 u. 4.) 

Verf. berichtet über zwei Pat. im Alter von 12 Jahren, die mit Knickfuß be- 
haftet waren und an der Spitze des Os naviculare Schmerzen empfanden. Röntgen- 
strahlen klärten die Fälle auf. Es handelte sich um akzessorische Knochen. In 
bezug auf die Erklärung schließt sich Verf. den Ausführungen Lilienfeld’s an, 
der die Annahme einer Fraktur zurückweist. Die Schmerzen führt Verf. auf eine 
Periostitis infolge von Insulten von außen her zurück. Verf. berichtet ferner über 
die Differentialdiagnose zwischen dem Befund bei Os tibiale einerseits, Trauma 
und Plattfuß andererseits. d. Biedinger (Würzburg). 


49) K. Nieny. Studien über das Schuhwerk der Plattfüßigen. 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.) 

Verf. legt das Hauptgewicht auf gutes Schuhwerk und schildert eingehend, 
wie ein solches beschaffen sein muß. Ferner bespricht er die Vor- und Nachteile 
der üblichen Einlagen. Es ist verfehlt, auf eine bestimmte Art Stiefel oder Ein- 
lagen zu schwören, da die Füße und die Beschwerden sehr mannigfaltig sind. 
Verf. gibt schließlich einige Anleitungen, wie man die eine oder die andere Art 
verordnen soll. J. Biedinger (Würzburg). 


50) H. Ebbinghaus. Der Bruch des Stieda’schen Fortsatzes des 
Sprungbeines. 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.) 

Verf. beobachtete die Verletzung bei einem Manne von 35 und einem von 
21 Jahren und erläutert Symptomatologie, Mechanismus, Therapie und Prognose 
der Fraktur. Er faßt folgendermaßen kurz zusammen: Gerade so wie bei forcierter 
Pronation, Supination und Dorsalflexion des Fußes typische Brüche an den 
Malleolen und dem Talushalse entstehen können, so kann auch bei Forcierung der 
Streckung ein typischer Bruch entstehen, und zwar betrifft dieser den hinteren 
sogenannten Stieda’schen Fortsatz des Talus. Obwohl diese Fraktur aus den 
klinischen Symptomen allein genügend sicher disgnostiert werden kann, so ist 
das souveräne Diagnostikum die Röntgenographie. 

d. Riedinger (Würzburg). 


51) H. Lehr. Uber die plantare Exostose des Fersenbeines. 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XIX. Hft. 3 u. 4.) 

Verf. sammelte die Literatur über die zuerst von Plettner beschriebene 
plantare Exostose des Fersenbeines und berichtet zusammenfassend über zahlreiche 
Beobachtungen in der Schanz’schen Heilanstalt in Dresden. Trauma als direkte 
Ursache der Erscheinung schließt Verf. aus; er verweist das Krankbeitsbild in den 
breiten Rahmen der Plattfußbeschwerden. Uber die Entstehung ist Sicheres noch 
nicht bekannt. Verf. bespricht weiter die wichtigsten Punkte der Diagnose und 
der Therapie. Bei der Operation muß die Fascia plantaris möglichst geschont 
werden. J. Biedinger (Würzburg). 


Vom 17. bis 24. August finden in Berck orthopädische Kurse 
für französische und ausländische Ärzte statt. Redaktion. 


Berichtigung: Nr. 25 p. 764, Zeile 5 v. oben lies 2,4 statt 24. Nr. 26 p. 799, 
Zeile 3 u. 4 v. oben lies Osteome statt Sarkome. 





Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden. 





Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau. 
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. 


Zentralblatt für Chirurgie 


herausgegeben von 


K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER, 


in Bonn, in Berlin, in Breslau. 
35. Jahrgang. 
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG. 





Nr. 30. Sonnabend, den 25. Juli 1908. 





Inhalt. 


I. H. Kolaczek, Über Antifermentbehandlung eitriger Prozesse ohne Inzision. — ILL. Renner, 
Zur Behandlung von Verbrennungen. (Originalmitteilungen.) 

1) Jäger, Frühzeitige Chirurgie. — 2) Kutner, Grenzgebiete in der Medizin. — 8) Klemen- 
siewiez, Entzündung. — 4) Blumenthal und Hamm, Koli- und Parakoliinfektionen. — 5) Jeru- 
salem, Nachbehandlung Laparotomierter. — 6) Jeanbran und Anglada, 7) Klemm, 8) Linde- 
mann, 9) Mohr, 10) Lilienthal, Appendicitis. — 11) Aderholdt und Silberstein, Hernien als 
Unfallfolgen. — 12) Hausmann, Tastung des Magens. — 13) Riehl, 14) Loening u. Stieda, Gastro- 
skopie. — 15) Simin, 16) Moynihan, Gastroenterostomie. — 17) Bogoljuboff, Darmunterbindung. 
— 18) Shiels, Kolik. — 19) Mauclaire und Jacoulet, Darminfarkt. — 20) Pennington, Erkran- 
kungen der Flexura sigmoidea. — 21) Schreiber, Rekto-Romanoskopie. — 22) Berg, Mastdarm- 
krebs. — 28) Ladenburger, Talma’sche Operation. — 24) Mayo, Pankrestitis, 

C. Goebel, Zur Antifermentbehandlung nach Ed. Müller. (Originalmitteilung.) 

25) Schulz, Zur Operation der Fettleibigkeit. — 26) Fuld, Desinfektion von Magenschläuchen. 
— 27) Neuhaus, Fremdkörper in Speiseröhre und Magen. — 28) Littig, 29) Braun, Magen-Darm- 
verletzungen. — 30) Heppe, 31) Bauer, 82) Massoulard, Appendicitis. — 88) Grossmann, 
84) Corner, 85) Krumm, 36) Esehenbach, Herniologisches. — 87) Clairmont, Magengeschwür. 
— 88) Paglieri, Luetische Magengeschwulst. — 39) Tuffier, Gastroenterostomie. — 40) Bull u. Bery, 
Volvulus des ganzen Dünndarmes. — 41) Petermann, Dickdarmkrebs. — 42) Lookhart Mummery, 
48) Spence, Erkrankungen der Flexura sigmoidea. — 44) Potherat, Mastdarmgeschwulst. — 
45) Mayo Robson, Bauchgeschwülste. — 46) Depage, 47) Bircher, Zur Milzchirurgie. — 48) Brunzl, 
Lebertuberkulose. — 49) Lieblein, Talma-Drummond’sche Operation. — 50) Dreesmann, 
51) Arnsperger, 52) Fink, 53) Schemmel, 54) Volmer, Zur Chirurgie der Gallenwege. — 55) Wat- 
son, 56) Strauss, 57) Rindfleisch, 58) Hall, Pankreasleiden. 





I. 
Aus derTübinger chirurg.Klinik. Direktor: StaatsratProf.v.Bruns, 


Über Antifermentbehandlung eitriger Prozesse 
ohne Inzision. 
Von 


Dr. Hans Kolaczek, 
Assistent der Klinik. 


n Nr. 26 dieser Zeitschrift hat A. Peiser über die Antiferment- 

behandlung eitriger Prozesse ohne Inzision berichtet. Schon vor 
11/, Jahren haben Eduard Müller und ich gemeinsam die theoretischen 
Grundlagen dieser neuen Behandlungsmethode festgestellt und als haupt- 
sächliches Gebiet für ihre Anwendung eitrige abszedierende Prozesse 
im Gegensatz zu mehr phlegmonösen betrachtet. Einschlägige Experi- 
mente an Hunden wurden damals aus äußeren Gründen (meinen Fort- 
gang von Breslau) nicht fortgesetzt und eine diesbezügliche Publikation 
aufgeschoben. 

30 


906 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 


Auf dem diesjährigen Chirurgenkongreß haben dann E. Müller 
und A. Peiser über die ersten therapeutischen Versuche mit Anti- 
ferment am Menschen berichtet, E. Müller über die von ihm und 
mir festgesetzten theoretisch-experimentellen Grundlagen, A. Peiser 
über die ersten praktischen Versuche in der Klinik. Nach dieser 
Darstellung wurden die Abszesse inzidiert, der Eiter ausgedrückt und 
ausgetupft, Antifermentserum in die Abszeßhöhle gebracht, ein Drain- 
rohr eingeführt und ein trockener aseptischer Verband darüber angelegt. 

In den vorausgegangenen theoretischen Erwägungen haben E. 
Müller und ich die Antifermentbehandlung heißer Eiterungen in 
bewußten Gegensatz zu der Jodoformbehandlung kalter Abszesse ge- 
bracht. Bei dieser beruht, wie zuerst von Heile festgestellt, die Jodo- 
formwirkung auf der massenhaften Heranziehung von polynukleären 
Leukocyten, also proteolytischen Fermentträgern, die die unlöslichen 
Eiweißkörper des Abszeßinhaltes verdauen und der Resorption zu- 
gänglich machen. Bei heißen Abszessen dagegen stehen alsbald im 
Vordergrunde die Eiterkörperchen, das sind durch ihr Absterben schon 
intravital fermentativ höchst wirksame Leukocyten. Diese besorgen 
die rapide eitrige Gewebseinschmelzung sowie das »Eiterfieber«, beides 
Prozesse, denen bisher nach dem alten Grundsatz » Ubi pus, ibi evacua« 
nur durch Inzision, Ablassen des Eiters und Drainage gesteuert 
werden konnte. 

Ist nun tatsächlich bei der Antifermentbehandlung heißer Ab- 
szesse das Antiferment das Wirksame, so konnte das mit der Sicher- 
heit des Experimentes nur bewiesen werden, wenn man die übliche 
chirurgische Behandlung, Inzision und Drainage, fortließ und sich nur 
der Punktion und Antifermentserum-Injektion bediente. Demge- 
mäß haben auch E. Müller und ich bei unseren ersten derartigen 
Tierversuchen nur die Punktion und Injektion angewandt. Auch in 
zahlreichen Hundeversuchen, mit denen ich seit 3 Monaten beschäftigt 
bin, habe ich das Experiment auschließlich in dieser »reinen« Form 
angestellt. Mit5% iger Argentum-nitricum-Lösung, mit Terpentinöl und 
einer 4%igen Aleuronataufschwemmung habe ich »aseptische«, mit 
Kokkeneiter und 24stündigen Staphylokokkus-Bouillonkulturen »sep- 
tische« Eiterungen hervorgerufen, teilweise auch beide Mittel kombiniert. 
Sowohl große subkutane Abszesse als auch Gelenkeiterungen wurden 
so durch Injektionen hervorgerufen, meist an zwei symmetrischen Stellen 
desselben Tieres. Durch Punktion und Injektionen von Antiferment- 
serum gelang es mir, auf der so behandelten Seite den Abszeß früher 
zum Abheilen zu bringen als auf der anderen Seite, die unbehandelt 
blieb oder mit Inzision oder nur mit Punktion (ohne nachfolgende In- 
jektion) behandelt wurde. Auch ausgedehnte Hautgangrän, zu der 
besonders Silbernitrateiterungen leicht führen, wurde auf der behandelten 
Seite vermieden. Trotz dieser günstigen Eindrücke, die ich so von 
der Antifermentbehandlung gewann, wird meines Erachtens im Ver- 
such am Hunde (außer dem Affen das einzige Tier, das für derartige 
Antifermentversuche in Frage kommt) die Frage über die Wirksam- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 907 


keit der Antifermentbehandlung von Eiterungen nicht entschieden 
werden können, und zwar aus folgenden Gründen: 1) wegen der ge- 
ringen Disposition der Hunde für Infektionen und eitrige Prozesse, 
2) wegen der enormen »Heilhaut« der Hunde, durch die auch ge- 
waltige Abszesse, die die halbe Zirkumferenz des Thorax einnehmen, 
binnen kurzer Zeit spontan zur Ausheilung kommen, 3) wegen der 
sehr viel geringeren proteolytischen Kraft des Hundeeiters im Vergleich 
zum menschlichen, die wohl zum Teil auf einer stärkeren Beteiligung 
des Serums gegenüber den zelligen Elementen, vor allem aber auf 
einem sehr viel geringeren Gehalt des einzelnen Leukocyten an pro- 
teolytischem Ferment beruht. 

Das entscheidende Wort über die Wirksamkeit der Antiferment- 
behandlung in »reiner« Form, durch Punktion und Injektion von 
heißen Abszessen, wird also erst der Versuch am Menschen sprechen, 
zu dem ich leider bisher noch nicht genügend Gelegenheit hatte. Die 
ersten diesbezüglichen Mitteilungen von A. Peiser scheinen indes 
den gehegten Erwartungen ganz zu entsprechen. 


II. 


Aus dem Werksspital der Österr. Alpinen Montangesellschaft 
in Donavitz bei Leoben. 


Zur Behandlung von Verbrennungen. 
Von 


Dr. Leopold Renner, Chefarzt. 


[e möchte im folgenden ein Pulver zur Behandlung von Verbren- 
nungen zur Prüfung empfehlen, das sich mir im Laufe einiger Jahre 
bei vielen Hunderten von Verbrennungen sehr gut bewährt hat. Das 
Pulver besteht aus 1 Teile Bismuthum subnitr. auf 2 Teile Kaolin. 
pulv. Mit diesem Pulver verbinde ich jede noch halbwegs frische 
Verbrennung ohne Unterschied des Grades der Verbrennung. 

Die Wunden werden zuerst gründlich gereinigt, dann wird haufen- 
weise das Wismutpulver aufgestreut, darüber legt man in einfacher 
Lage sterile hydrophile Gaze; den Schluß bildet sterile Zellstoffwatte 
in dicker Lage. Das Ganze wird mit einer Binde fixiert. Der Ver- 
band muß täglich erneuert werden, insolange lebhafte Sekretion be- 
steht, wobei lokale, bei ausgedehnten Verbrennungen Vollbäder ver- 
abreicht werden. Die Hauptwirkung des Pulvers ist die vorzügliche 
Eintrocknung bei fast vollständig zu vermeidender Infektion. 

Infolge der starken Eintrocknung wird bei oberflächlichen Ver- 
brennungen die Blasenbildung beschränkt (bereits entstandene Blasen 
werden abgetragen), bei tiefen Brandwunden kommt es zum trockenen 
schwarzen Brandschorf. Die Abstoßung dieser trockenen Brandschorfe 
wird, wie schon erwähnt, durch eingeschaltete Bäder beschleunigt. 

30* 


908 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 


Die Pat. haben weniger Schmerzen, geringeres Fieber, leiden nicht so 
sehr durch die Sekretion. 

Bei Brandwunden 1. und 2. Grades ist oft schon nach 1—2 Ver- 
bänden die Wunde mit einer dicken, festen Kruste bedeckt, die eine 
vorzügliche Decke gibt für die Epidermisierung. Beginnt sich die 
Kruste abzustoßen, oder vermutet man unter ihr die bereits vollzogene 
Heilung, so genügt ein Verband mit Borlanolin, durch 24 Stunden 
appliziert, um die Kruste zu entfernen. 

Ich glaube auch bei dieser Art Behandlung seltener keloidartige 
Narben gesehen zu haben. 

Bei sehr ausgedehnten Verbrennungen kommt, wenn auch recht 
selten, einmal ein Pat. vor, der das Pulver auf die Dauer nicht ver- 
trägt. In solchen Fällen tritt ziemliche Unruhe auf bei gleichzeitigem 
Auftreten eines urticariaähnlichen Ausschlages, verbunden mit Jucken. 
In solchen Fällen habe ich das Pulver weggelassen, ein Bad gegeben 
und die Wunden nur mit hydrophiler Gaze und Zellstoff verbunden, 
worauf sofort Besserung eintritt; und am folgenden Tage ist die Sache 
behoben. 

Gegenüber den Wismutbinden nach v. Bardeleben hat das 
Wismut-Kaolinpulver die Vorteile der größeren Billigkeit, leichteren 
Verbandwechsels, größerer Desinfektionskraft, stärkerer Sekretvermin- 


derung. 





1) K. Jäger. Beiträge zur frühzeitlichen Chirurgie. 
Wiesbaden, C. W. Kreidel, 1907. 

Dem Werke ist ein Atlas mit zahlreichen photographischen und 
röntgenographischen Aufnahmen beigegeben, die an Güte wirklich 
nichts zu wünschen übrig lassen. 

Verf. hat die Objekte zu seinen Studien dem prähistorischen und 
mittelalterlichen Knochenmaterial der anthropologisch-prähistorischen 
Sammlung des bayerischen Staates zu München entnommen; das früh- 
mittelalterliche Material stammt aus den Össuarien zu Chammünster, 
Greding und Aidenbach. Anhangsweise wird das altperuanische 
Schädelmaterial der Münchener Sammlung behandelt. Die einzelnen 
Präparate sind zum Teil sehr genau beschrieben; diese Bemerkungen 
zusammen mit den vorzüglichen Abbildungen geben uns ziemlich be- 
stimmte Hinweise auf das chirurgische Können in jenen fernen Zeiten. 

Eine ganze Reihe schwerer Schädelbrüche mit großen Zer- 
trümmerungen, aber mit allen Zeichen weit vorgeschrittener Heilungs- 
prozesse beweisen uns, daß man zu jener Zeit, als man noch nicht 
der überaus aktiven Therapie des indikationslosen Trepanierens 
huldigte, sehr schöne Erfolge erzielte. Zahlreiche tadellos geheilte 
Extremitätenbrüche können wohl nur mit Kunsthilfe zu so gutem 
Resultat gelangt sein. An vielen Knochen sind noch heute die Ver- 
änderungen, welche Rachitis, Osteomyelitis, Arthritis deformans, Tuber- 
kulose an ihnen hervorbrachten, deutlich zu diagnostizieren. Syphilitische 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 909 


Prozesse finden sich nur an Knochen von Fundstellen, wo Vermischung 
mit Skeletten späterer Zeit sicher vorgekommen ist. Charakteristische 
Bilder ergeben die Knochen, die von Schußverletzungen betroffen 
wurden, in denen noch die bronzenen Pfeilspitzen usw. stecken, von 
denen dann eine traumatische Osteomyelitis mit Nekrosen ihren Aus- 
gang genommen hat. 

Aus der Sammlung altperuanischer prähistorischer (präkolumbischer) 
Schädel ist einer zu erwähnen, an dem eine trepanierende Operation 
nach perforierender Schädelfraktur durch Hieb ausgeführt wurde. Alle 
übrigen Schädel, elf an der Zahl, weisen die sicheren Zeichen frischer 
und alter, teilweise sehr gut verheilter Lues auf. 

Ein Literaturverzeichnis von 47 Nummern ist beigegeben. 

Das Werk, dessen Preis nur 10 Mark beträgt, dürfte manchem 


Freunde der Geschichte der Chirurgie sehr willkommen sein. 
W. v. Brunn (Rostock). 





2) Grenzgebiete in der Medizin. 14 Vorträge anläßlich der 
Eröffnung des Kaiserin-Friedrich-Hauses für den ärztlichen 


Fortbildungsverein. Redigiert von Prof. R. Kutner. 447 S. 
Jena, &. Fischer, 1908. 

Es war ein glücklicher Gedanke des Zentralkomitees für das ärzt- 
liche Fortbildungswesen in Preußen, die anläßlich der Eröffnung des 
Kaiserin-Friedrich-Hauses von hervorragenden Vertretern ihres Faches 
gehaltenen Vorträge durch Herausgabe in Buchform einem weiteren 
Kreise der Arzte zugängig zu machen. Im besonderen wird es der 
Praktiker, dem die Zeit zu eingehenderen Literaturstudien meist fehlt, 
angenehm empfinden, in kurzer, prägnanter Form über die Leistungen 
sowohl der Medizin wie der Chirurgie auf dem nicht mehr kleinen 
Felde der sogenannten Grenzgebiete und die daraus sich ergebende 
moderne Indikationsstellung orientiert zu werden. Für den Chirurgen 
von Fach bieten die Vorträge über die Appendicitis und über den 
Ileus usw., besonderes Interesse dadurch, daß sie die Anschauungen 
zweier namhafter Interner wiedergeben, wenn er denselben auch nicht 
immer zustimmen wird (z. B. der Opiumbehandlung bei Appendicitis!). 

‘Von einer Besprechung der einzelnen Vorträge darf Abstand ge- 
nommen werden, da sie für den Chirurgen wesentlich Neues nicht ent- 
halten; die Themata sind folgende: 1) Medikamentöse und mechano- 
hydrotherapeutische Behandlung von Respirations- und Zirkulations- 
störungen von Prof. Bäumler. 2) Gehirn und Auge von Prof. 
v. Michel. 3) Die Behandlung der septischen Infektion von Prof. 
Lexer. 4) Die Verhütung der Infektionskrankheiten auf Grundlage 
der neueren Erfahrungen von Geh.-Rat Gaffky. 5) Experimentelle 
Karzinomstudien an Mäusen von Prof. Ehrlich. 6) Über den heutigen 
Stand der Therapie der Nervenkrankheiten von Prof. Edinger. 7) Die 
chirurgische und interne Behandlung der Appendicitis von Prof. Rumpf. 
8) Der Ausbau der klinischen Untersuchungsmethoden von Prof. 


910 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 


Friedr. Müller. 9) Die wichtigsten Indikationen zu chirurgischen 
Eingriffen bei Erkrankungen des Darmes von Prof. Curschmann. 
10) Der Einfluß der bakteriologischen Forschungsergebnisse auf die 
Anschauungen in der allgemeinen Pathologie von Prof. v. Baumgarten. 
11) Die interne und chirurgische Behandlung der Gallensteinkrankheit 
von Prof. Kehr. 12) Das Wesen und die Behandlung der Neuralgie 
von Prof. Bardenheuer. 13) Übung. Gymnastik und Massage bei 
der Behandlung von Knochen- und Gelenkerkrankungen von weil. 
Prof. Hoffa. 14) Die mechanische Behandlung der Nervenkrankheiten 
von Frenkel-Heiden. Boerner (Rastatt). 





3) Klemensiewicz. Die Entzündung. 
Jena, Gustav Fischer, 1908. 

Die bisher in das Gebiet der pathologischen Physiologie und der 
Morphologie gestellte Lehre von der Entzündung aus neuen, chemisch- 
physikalischen und biologisch-experimentellen Gesichtspunkten zu er- 
klären, wenigstens so weit noch offene Fragen zu beantworten sind, 
ist die Aufgabe des K.’schen Werkes. Die bisherigen Entzündungs- 
theorien haben trotz aller Förderung und Erweiterung unserer Kennt- 
nis nicht alle Fragen befriedigend zu lösen vermocht. Das Ergebnis 
der morphologischen Forschung läßt sich dahin zusammenfassen, daß 
die Entzündung durch ein Agens entsteht, das neben der direkten 
Einwirkung auf die Gewebe zu einer wesentlichen Schädigung der 
Gefäßwände führt. Es kommt dadurch zum Austritt flüssiger und 
geformter Bestandteile aus den Gefäßen in deren Umgebung und 
gleichzeitig zu einer Reaktion des noch lebensfähigen Gewebes im 
Entzündungsherde. Diese Gewebsreaktion äußert sich teils in bio- 
logischen, progressiven, teils in nekrobiotischen Erscheinungen. Im 
Hinblick auf die allgemeinen Erscheinungen und die Ursachen ist die 
Entzündung nach dem heutigen Stand unserer Kenntnis als eine 
körperfremden Substanzen gegenüber auftretende biologische Reaktion 
des tierischen Gewebes aufzufassen, zu deren Hervorbringung die 
durch chemische Energien bewirkte Funktionsstörung der Blutgefäß- 
wand die wesentlichste Ursache darstellt. Nach den Untersuchungen 
des Verf.s kommen für Emigration: und Diapedese körperlicher Ele- 
mente nicht ausschließlich chemotaktische Einflüsse in Betracht; beide 
Erscheinungen sind vielmehr die Folgen der im entzündlichen Blut- 
strome herrschenden Gesetze der Verteilung der Blutbestandteile nach 
ihrem spezifischen Gewichte. Quantitativ maßgebend für den Durch- 
tritt flüssiger und fester Blutbestandteile ist die Differenz zwischen 
Blut- und Gewebedruck. Die Hyperämie ist die Folge der durch 
chemische Energien bedingten völligen Lähmung der kontraktilen Ele- 
mente der Gefäßwand, keine Reizerscheinung. Zur Zeit des hyper- 
ämischen Kreislaufes ist der Druck überall im entzündeten Gefäß- 
gebiet über die Norm erhöht. Diese mit Druckerhöhung eiuhergehende 
Hyperämie führt bei gleichzeitig erhöhter Permeabilität der Gefäßwand 
zu vermehrter Transsudation, die ihrerseits zur Ursache des erhöhten 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 911 


Gewebedruckes wird. Infolge des vermehrten extravaskulären Druckes 
tritt eine Stauung im Venengebiet ein, die schließlich in Stase über- 
geht. Die entzündliche Rötung ist als eine kongestive, also aktive 
Hyperämie aufzufassen, niemals, wenigstens nicht im Anfange des 
Prozesses, als eine passive, durch Stauung bedingte venöse Hyper- 
ämie. Von den älteren Theorien über die Bildung der Lymphe und 
des Transsudates genügt die Filtrationstheorie vollkommen, um die 
meisten Erscheinungen des entzündlichen Blutstromes und der Trans- 
sudation in befriedigender Weise zu erklären; für schwache Entzün- 
dungsgrade mag der osmotischen Theorie einige Bedeutung einzuräumen 
sein, aber alle auf eine sekretorische Tätigkeit der Kapillarwand zu 
beziehenden Hypothesen für die Transsudation sind abzulehnen. Die 
Eiterung ist als eine physiologische Reaktion des Organismus aufzu- 
fassen, die an gewisse Anderungen der normalen Bedingungen des 
Blutstromes gebunden ist; wie erwähnt, werden diese Anderungen durch 
Stoffe hervorgerufen, die die normale Funktion der Gefäßwand auf- 
heben und ihre Durchlässigkeit erhöhen. Bei der entzündlichen Histo- 
lyse schließlich entstehen aller Wahrscheinlichkeit nach gleichzeitig 
Lysine, die für die Resorption toter Gewebselemente von Wichtig- 
keit sind. 

Aus der Fülle neuer Anschauungen und aus der Betrachtung 
alter aus neuen Gesichtspunkten, die das Studium des Werkes un- 
gemein lohnend machen, glaubte ich diese Sätze hervorheben zu sollen. 
Die neue biologische und chemisch-physikalische Untersuchungsmethodik 
hat an dem von Cohnheim geschaffenen modernen Entzündungs- 
begriff nichts zu ändern vermocht; sie ist aber geeignet, eine Wand- 
lung unserer Ansichten über Wesen und Bedeutung des vielseitigen 
Symptomenkomplexes der Entzündung herbeizuführen. Man wird am 
Ende des gedanken- und anregungsreichen Werkes dem Verf. bei- 
pflichten, wenn er aus den Fortschritten der chemisch-physikalischen 
und biologischen Methoden noch reiche Ernte für die Pathologie er- 
hofft und prophezeit. W. Goebel (Köln). 


4) Blumenthal und Hamm. Bakteriologisches und Klini- 
sches über Koli- und Parakolininfektionen. 
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie. Bd. XVII. Hft. 4.) 

Verff. haben sehr eingehende biologische und kulturelle Studien 
an Kolibakterien vom Menschen angestellt, die sie im ersten Teil der 
Arbeit schildern; sie kommen zu dem Resultat, daß wir es mit einer 
Fülle von Varietäten bei der Koligruppe zu tun haben, daß sich 
einmal im Darm bei normalen Menschen neben Bakterien, die dem 
klassischen Typus des Bacterium coli entsprechen, auch andere, teilweise 
sich weit von ihnen entfernende Arten finden, daß andererseits in 
pathologischen Prozessen neben Arten, die sich vom Bacterium coli deut- 
lich unterscheiden, auch Bakterien gefunden werden, die sich durch 
keine unserer zahlreichen kulturellen Methoden von ihm abgrenzen 
lassen. Die Agglutination kann nur sehr selten zur Aufklärung der 


912 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 


Ätiologie der Kolibazillosen einen sicheren Anhaltspunkt geben und 
leistet noch weniger für die Trennung der Kolistämme untereinander. 

Im zweiten Teil der Arbeit befassen Verff. sich mit der patho- 
logischen Bedeutung der Koligruppe für den Menschen an der Hand 
von elf Beobachtungen bei Erkrankungen der Gallen- und Harnwege. 
Sie konnten teils aus den Krankheitsprozessen, teils aus dem strö- 
menden Blut, in einem Fall auch aus dem Schweiß und Sputum 
Bakterien der Koligruppe züchten. Da es sich um Mikroorganismen 
handelt, die die normalen Schleimhäute des Menschen bewohnen und 
sich im geschädigten Gewebe leicht sekundär ansiedeln, so dürfen 
als sicher im ätiologischen Zusammenhang mit der Erkrankung nur 
diejenigen bezeichnet werden, deren Züchtung aus dem kreisenden 
Blute gelang. 

Betreffs des klinischen Verlaufes dieser Kolisepthämien sei als 
charakteristisch hervorgehoben, daß sie sich durch intermittierendes 
Fieber auszeichnen, bei dem tiefe, nicht selten sogar subnormale 
Temperaturen abwechseln mit steilem Temperaturanstieg und heftigem 
Schüttelfrost. — Der Leukocytenzählung scheint für den Unterschied 
zwischen Kolibazillose und typhusähnlicher Erkrankung eine gewisse 
Bedeutung zuzukommen, insofern nur bei ersterer die Leukocyten ver- 
mehrt sind. — Von Interesse ist ein Fall, in dem sich der intra- 
uterine Übergang der Kolibakterien von der Mutter auf das Kind nach- 
weisen ließ. — Die häufige Entstehung von Pyelonephritis in der 
Schwangerschaft ist wahrscheinlich in der Mehrzahl durch Aufsteigen 


von der Blase, seltener als hämotogene Infektionen aufzufassen. 
Haeckel (Stettin). 





5) M. Jerusalem. Einiges über Nachbehandlung Laparo- 
tomierter. (Aus der chirurg. Abt. des k. k. Krankenhauses 
Wieden. Prof. Dr. Schnitzler.) 

(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 21.) 

J. hat gegen die postoperativen Verwachsungsbeschwerden Laparo- 
tomierter mit Erfolg die Bier’sche Saugglocke angewandt, die an- 
fangs täglich, später jeden 2. oder 3. Tag 20—30 Minuten lang an 
der Stelle der Narbe aufgesetzt wurde. Nach 6—22 Sitzungen schwand 
die Schmerzhaftigkeit meist vollkommen, ebenso eine vorhandene Re- 
sistenz, wurden derbe Narben weicher, Verstopfung wesentlich ge- 
bessert. Auch postoperative Fisteln zeigten mehrfach Neigung zu 
Heilung. 

Ob die günstige Wirkung der Saugbehandlung außer durch Hyper- 
ämie auch durch mechanischen Zug an Bauchdecken und Bauch- 
inhalt (wie ihn J. bei Leichenversuchen nachweisen konnte) zu er- 


klären ist, vermag Verf. nicht bestimmt zu sagen. 
Kramer (Glogau). 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 913 


6) Jeanbran et Anglada (Montpellier). Rapports du trau- 
matisme avec l’appendicite etc. 
(Bull. et mem. de la soc. de chir. de Paris T. XXXIII. p. 326.) 

Verff. kommen in ihrer Arbeit zu dem Resultat, daß ein Trauma 
eine Appendicitis nicht veranlassen könne, daß immer eine versteckte 
oder chronische Erkrankung des Wurmes durch das Trauma zum Auf- 
flackern oder zur Verschlimmerung gebracht werde. In der sich an- 
schließenden Diskussion (p. 344 ff.) schließt sich ein Teil der Redner 
dieser Ansicht an, während andere davor warnen, a priori die Mög- 
lichkeit eines direkt die Appendicitis veranlassenden Traumas abzu- 
lehnen. Man solle ruhig zugeben, daß man bei dieser Frage zum großen 


Teil noch sagen müsse: »Nous ne savons rien, ou à peu prös rien.« 
Kaehler (Duisburg-M.). 





T) P. Klemm. Die Bedeutung des Kotsteines für die Ent- 
stehung und den Verlauf der akuten Appendicitis. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXV. Hft. 4.) 

K. glaubt, daß bei dem Perforationsprozeß an einem kotstein- 
haltigen und kotsteinlosen Wurmfortsatz anatomisch und pathogene- 
tisch kein prinzipieller Unterschied besteht. In beiden Fällen entsteht 
durch die akute Verschwellung der Schleimhaut, die Verf. schon in 
seinen früheren Arbeiten als maßgebenden Faktor betont hat, eine 
primäre akute Enge der Wurmfortsatzlichtung. Der Stein kann ja 
möglicherweise den ersten Reiz abgeben, der zur Schwellung führt, da 
aber sofort Sekretstauung eintritt, so ist es unmöglich, daß die harte 
Wand des Konkrementes mechanisch die Schleimhaut zur Gangränes- 
zierung bringt. Diese erfolgt durch die Einsperrung des Sekretes 
hinter der verschwollenen Schleimhaut und die dadurch bedingte 
UÜberdehnung der Wand des kleinen Organes. Bei der Anwesenheit 
von Kotsteinen sind aber die Vorgänge, die sich an die Verschwellung 
und die Sekretstauung anschließen, verhängnisvoller als bei steinlosem 
Wurmfortsatz. Die Stufenleiter der Erscheinungen, die zur Gangrän 
führt, wird schneller durchlaufen. E. Siegel (Frankfurt a. M.). 





8) Lindemann. Die chronische Blinddarmentzündung. 
(Zeitschrift für ärztliche Fortbildung 1908. Nr. 8.) 

Während die Diagnose der akuten Appendicitis im allgemeinen 
keine Schwierigkeiten macht, ist sie bei der chronischen Appendicitis 
oft nicht leicht zu stellen. Die Verwechslung mit der Colica mucosa 
liegt um so näher, als sie sich mit Appendicitis kombinieren kann. 
Verf. beobachtete ferner einen Fall, in dem zwei steinharte Drüsen 
im Gekröse des unteren Dünndarmabschnittes ohne nachweisbare Tu- 
berkulose eine Appendicitis vortäuschten, und einen zweiten, bei dem 
der Wurmfortsatz exstirpiert worden war, jedoch erst die Entfernung 
der rechten, wenig veränderten, aber druckempfindlichen Adnexe Hei- 
lung brachte. 

307% 


914 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 


Bei der chronisch schleichenden, kaum gefahrbringenden Appen- 
dicitis empfiehlt L., mit der Abtragung des Wurmes zurückhaltend 
zu sein, zumal er den Eindruck hat, daß die Operation oft bessere 
Erfolge zeitigt, wenn ihr eine rationelle innere Behandlung voran- 
gegangen ist. Gutzeit (Neidenburg). 





9) H. Mohr (Bielefeld). Diagnostische Schwierigkeiten und 


Differentialdiagnose bei Appendicitis. 
(Sammlung klin. Vorträge 479/480.) 

M. bespricht sehr eingehend die diagnostischen und differential- 
diagnostischen Schwierigkeiten bei der Appendicitis und die Ur- 
sachen der häufigen Fehldiagnosen. Er weist im einzelnen nach, 
warum kein einziges der sog. klassischen Symptome der Appendicitis, 
für sich allein genommen, für Appendicitis kennzeichnend und ein- 
deutig ist, nur eine genaue Beobachtung der im Einzelfall in Erschei- 
nung tretenden Veränderungen die Diagnose ermöglicht. Ebenso 
werden die verschiedenen Möglichkeiten, welche bei der Differential- 
diagnose der Appendicitis im einzelnen in Betracht kommen, sorg- 
fältig erwogen, wobei M. drei Hauptgruppen aufstellt: 1) Die Appen- 
dicitis wird mit Erkrankung eines anderen Organes der Leibeshöhle 
verwechselt oder umgekehrt. 2) Erkrankungen in den der Leibeshöhle 
angrenzenden Organen und Geweben (Retroperitonealraum — Bauch- 
decken) sowie Höhlen (Brustorgane) werden für Appendicitis gehalten, 
seltener auch umgekehrt. 3) Das Krankheitsbild der Appendicitis 
wird durch nervöse Erkrankungen vorgetäuscht (seltener umgekehrt) — 
Pseudoappendicitis im engeren Sinne. Die Darstellung zeigt, wie 
mannigfaltig die Art, wie groß die Zahl der differentialdiagnostisch 
in Frage kommenden Erkrankungen ist, und wie schwierig die Dia- 
gnose sein kann. Ihre sehr genaue Besprechung durch M. kann 
daher nur als dankenswert bezeichnet werden. Kramer (Glogau). 





10) Lilienthal. A point in the technic of appendicectomy. 
(Amer. journ. of surg. 1908. April.) 

Empfehlung, bei Beginn der Operation einen lang zu lassenden 
Faden um die Basis des Mesenteriolum zu legen, damit man den 
vorher hervorgeholten Blinddarm gleich versenkt, wodurch Chok usw. 
vermieden werden kann. Der so an der Basis fixierte Wurm kann 
dann leicht von Verwachsungen usw. isoliert und exstirpiert werden, 
ohne daß die Därme unnötig entblößt oder durch Gaze abgedeckt 
werden müssen. Goebel (Breslau). 


11) C. Aderholdt und A. Silberstein. Hernien als Unfall- 
folgen. 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.) 
20 ausführliche Mitteilungen aus den Akten von Berufsgenossen- 
schaften zeigen, auf welch unsicherem Boden diese Frage der Praxis 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 915 


und der Rechtsprechung sich noch bewegt. Nach der Überzeugung 
der Verff. sind Hernien »aus Überanstrengung« in das Gebiet der 
Fabel zu verweisen. J. Riedinger (Würzburg). 





12) Hausmann. Meine Methode der Palpation normaler 
Magenteile und ihre Ergebnisse. 
(St. Petersburger med. Wochenschrift 1908. Nr. 16.) 
Zur Palpation empfiehlt Verf. als seine Methode, die Hand steil 
zu stellen, eventuell Krallenhand anzuwenden. Der normale Pylorus 
sei so in 18%, die große Kurvatur in 25% zu fühlen gewesen. Falls 


Flüssigkeit im Magen, beobachtete er ein exspiratorisches Gurren. 
Deetz (Homburg v. d. H.). 





13) M. Riehl. Die direkte Besichtigung der Magenschleimhaut. 
(Aus der Kgl. medizinischen Poliklinik in München (Prof- 
R. May.) 

(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 17.) 


14) Loening und Stieda. Über Gastroskopie. (Aus der medi- 


zinischen und chirurgischen Klinik zu Halle a. S.) 
(Ibid. Nr. 19.) 

Das von R. konstruierte Gastroskop wird nach Kokainisierung 
des Rachens durch ein Ösophagusrohr in den Magen eingeführt, beide 
Instrumente sodann durch eine Gummivorrichtung rasch miteinander 
verbunden und durch das am oralen Ende des Osophagusrohres an- 
gebrachte Seitenröhrchen der Magen mit Wasser angefüllt.e Durch 
diese Methode der Weasserauffüllung wird ermöglicht, die Magen- 
schleimhaut bis zum Pylorus abzuleuchten und ihre Färbung und 
Faltenbildung, selbst die Bewegung der Magenwände zu sehen. R. 
vermochte so auch ein Karzinom an der kleinen Kurvatur sichtbar 
zu machen. — L.’s und S.’s Magenspiegel hat Säbelscheidenform und 
ermöglicht, ein optisches Instrument durch sein Inneres in den Magen 
einzuführen; letzteres ist nach einem neuen Prinzip in den Zeiss’schen 
Werkstätten hergestellt. In dem Griff und dem äußeren Rohr liegt 
die Luft- bzw. Wasserleitung; das Aufblasen des Magens mit Luft 
hat sich den Verff. geeigneter als die Besichtigung unter Wasser er- 
wiesen. 

Weitere genauere Mitteilungen werden in beiden Arbeiten ange- 
kündigt. Kramer (Glogau). 





15) A. N. Simin. Eine neue Methode der Anlegung von 
Gastroenteroanastomose. 
(Russki Wratsch 1908. Nr. 11.) 
S. erprobte an Hunden eine neue Methode: man bildet aus der 
Vorderwand des Magens näher zum Pylorus eine schräge Falte, legt 
zwei Darmklemmen an (Fig. 1), durchschneidet dazwischen die Falte 


+ 


916 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 


und schiebt die Klemmen auseinander (Fig. IH). Die Wunde wird 
oben vernäht bis zum Ende des so gebildeten Zipfels und letzterer 





mit dem Darm vereinigt (Fig. II). Dank dieser Methode wird die 


Bildung des Circulus vitiosus vermieden. 
E. Gückel (Wel. Bubny, Poltawa). 





16) Moynihan. The direction of the jejunum in the ope- 
ration of gastro-enterostomy. 
(Annals of surgery 1908. April.) 

M. erörtert die Frage, in welcher Richtung bei der hinteren 
Gastroenterostomie das Jejunum an den Magen genäht werden soll, 
indem er dabei annimmt, daß die hintere Gastroenterostomie mit An- 
bringen der Anastomosenöffnung in möglichster Nähe der duodeno- 
jejunalen Flexur als die beste Methode zu gelten hat. Was nun die 
Linie anbetrifft, in welcher die Vereinigung zwischen Magen und 
Darm stattfinden soll, so hat Verf. eine Zeitlang nach der von 
Mayo angebenen Weise das Jejunum in einer nach abwärts und 
links verlaufenden Linie mit dem Magen vereinigt. Er bekam hier- 
nach des öfteren den üblen Circulus vitiosus und entdeckte gelegent- 
lich einiger Obduktionen, daß sich nach Anwendung dieser Methode 
das Jejunum um seine Längsachse gedreht hatte. Seit jener Zeit näht 
er nun das Jejunum in rein vertikaler Linie an den Magen an und 
hat seit jener Zeit keine üblen Folgen nach der Operation eintreten 
sehen. Er meint, daß die Lage des Jejunum nach dem Abgange vom 
Duodenum eine wechselnde je nach der Lage des Körpers sei, daß sie 
bald nach links, bald mehr nach rechts liege und sich daraus die Vor- 
teile des vertikalen Annähens erklären lassen. Im übrigen meint er, 
man soll sich nicht zu fest an eine Richtungslinie binden; das Jeju- 
num soll so nahe als möglich der Duodenalflexur und in einer Linie 
angenäht werden, welche eine möglichst direkte Annäherung an den 


Magen ohne Drehung um die Längsachse erlaubt. 
Herhold (Brandenburg). 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 917 


17) Bogoljuboff. Über Unterbindung des Darmes. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXV. Nr. 4.) 

Die Darmausschaltung durch eine Enteroanastomose hat den 
Nachteil, daß in der ausgeschalteten Partie trotzdem Kotansamm- 
lungen stattfinden können. Man hat deswegen verschiedene Methoden 
ersonnen, um den ausgeschalteten Darm künstlich zu verengern und 
dadurch dem Darminhalt die gewünschte Richtung zu geben. Aber 
alle Verfahren, Darmunterbindung, Ecrasement usw. erreichten das 
erstrebte Ziel nicht. Die Frage der künstlichen Strikturbildung im 
ausgeschalteten Darmstück ist deswegen bisher ungelöst geblieben. 
Verf. erreichte aber ein günstiges Resultat durch ein mehr biologisches 
Verfahren, indem er im Tierexperiment einen Streifen aus der Apo- 
neurose des Musc. rectus ausschnitt und mit diesem den Darm oberhalb 
der Anastomose abschnürte, nachdem er das Mesenterium durchlöchert 
hatte. Ein Catgutfaden wurde noch über dem Aponeurosestreifen 
angelegt, und außerdem wurde die Unterbindungsstelle mit Lembert- 
nähten, welche an die Darmwände oberhalb der Abschnürungsstelle 
angelegt waren, umnäht. Im Gegensatz zu Seidenfäden, die beim 
Hunde bekanntermaßen durchschneiden, zeigte der Aponeurosestreifen 
nie eine Neigung hierzu; auch wurde die Schleimhaut an der Ab- 
schnürungsstelle nicht nekrotisch. Die Lichtung des Darmes blieb 
dauernd verengt. Das autoplastische Verfahren scheint also zu er- 
reichen, was mit dem Fremdkörper bisher nicht gelang. 

E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


18) G. F. Shiels. An original observation as to the nature 
of colic; and remarks concerning its diagnostic value. 
(Amer. journ. of surg. 1908. April.) 

In einer Umfrage über die Definition des Begriffes Kolik bei 
amerikanischen Chirurgen vermißt Verf. stets die Angabe, daß Kolik 
ohne Gegenwart von Bauchfell nicht auftreten kann. Er definiert 
den Kolikschmerz als eine charakteristische, akute, spastische peri- 
toneale Schmerzwelle (Wave), meistens, doch nicht immer, begleitet 
von den Anstrengungen eines Eingeweidehohlorgans mit glatten Muskel- 
fasern, sich von einem irritierenden Inhalt oder einer Verstopfung 
(Obstruktion) zu befreien. Diese Hohlorgane sind stets bedeckt mit 
oder in naher Beziehung zum Peritoneum. Verf. wendet sich dann 
gegen die bekannten Lennander’schen Ansichten von der Schmerz- 
losigkeit des viszeralen, vom Vagus oder Sympathicus mit Nerven- 
fasern versehenen Bauchfells. Er glaubt, daß bei Lennander’s 
Experimenten stets das Kokain, mit dem die Bauchwand anästhesiert 
war, als »Inhibitory agent« auftrat. Einen Beweis, bzw. einen Gegen- 
beweis gegen Lennander bringt S. aber in keiner Hinsicht. Er stellt 
einfach Behauptungen auf. Und wenn er meint, daß die Koliken, 
die in einem seiner Fälle durch eine zurückgelassene, ganz in das 
große Netz eingeschlagene Gazekompresse hervorgerufen wurden, nicht 
nach Lennander erklärt werden könnten, da die Kompresse weder 


918 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 


andere Eingeweide noch Parietalperitoneum berührte, so irrt er sich, 
da sehr wohl Zugwirkung am Mesokolon, event. entzündliche Ver- 


änderungen am seitlichen Bauchfell usw. die Ursache sein konnten. 
Goebel (Breslau). 


—— a = u 


19) Mauclaire et Jacoulet. L'infarctus hémorragique de 
l'intestin par oblitération veineuse ou artérielle. 
(Arch. génér. de Chirurgie Bd. II. Nr. 3 und 4.) 

Verff. bringen eine ausführliche Darstellung des Intestinalinfarktes, 
der durch arterielle oder venöse oder arterielle und venöse Thrombose 
entstehen kann. Atiologisch kommt für den arteriellen Infarkt Em- 
bolie vom Herzen oder der Aorta in Betracht; bei venösem Infarkt 
müssen Störungen im Bereich der Pfortader, allgemein septische Er- 
krankungen, sowie entzündliche oder neoplastische Veränderungen an 
Darm und Gekröse berücksichtigt werden. Die klinischen Erschei- 
nungen lassen deutlich zwei Phasen erkennen, indem zunächst heftige 
Schmerzen, blutiges Erbrechen, Darmblutungen oder profuse Diarrhöen 
auftreten. Später kommt es zum paralytischen Ileus und seinen Folge- 
erscheinungen. Therapeutisch kommt die Resektion des infarcierten 
Darmabschnittes in Frage, da diese Operation allein die sehr schlechte 
Prognose bessern kann, und spontane Heilung nur ganz ausnahms- 
weise eintritt. 

Eine Übersicht über 56 Fälle und ausführliche Literaturangaben 
beschlieBen die Arbeit. Strauss (Nürnberg). 





20) J. R. Pennington (Chicago). The sigmoidal factor in pelvic 
diseases. 
(New York med. journ. 1908. Mai 23.) 

Periodische Füllung und Entleerung, d. h. normale Funktion der 
Flexura sigmoidea, ist äußerst wichtig für Uterus und Adnexe, und 
Störungen dieser Funktion, wie sie durch Verwachsungen infolge von 
Sigmoiditis und Perisigmoiditis nicht selten sind (B. Robinson fand 
Verwachsungen der Flexur in 80% bei Männern und in 85% bei 
Frauen), können zu dauernden Lageveränderungen des Uterus mit all 
ihren bekannten Folgeerscheinungen führen. In vielen Fällen konnte 
P. nur solche Symptome nachweisen, die sich direkt auf die Geschlechts- 
organe bezogen, und stellte Veränderungen an der Flexur erst durch 
sorgfältige klinische und insbesondere romanoskopische Untersuchung 
fest. Er rät infolgedessen, alle Fälle von Lageveränderungen des 
Uterus und unklaren Erscheinungen seitens der Beckenorgane auf 
Erkrankungen der Flexur zu untersuchen und eventuell zu be- 
handeln. 

Wenn allgemein roborierende und Stuhlgang regelnde Maßnahmen, 
Massage usw. nicht zum Ziel führen, so soll man nicht zulange 
zögern und operativ die Verwachsungen in Angriff nehmen. P. geht 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 919 


in schweren Fällen so weit, die Flexura sigmoidea zu resezieren oder 
wenigstens eine Anastomose zwischen ihren Schenkeln anzulegen. 
H. Bucholz (Boston). 


21) J. Schreiber. Der Wert der Rekto-Romanoskopie für 
die Erkennung und Behandlung der tiefsitzenden Darm- 


erkrankungen. 
(Sammlung zwangloser Abhandlungen aus dem Gebiete der Verdauungs- und Stoff- 
wechselkrankheiten.) 

Verf. gibt uns in der obengenannten Arbeit einen Überblick 
über den Wert und die Leistungsfähigkeit der von ihm besonders ge- 
pflegten und vervollkommneten Rekto-Romanoskopie. An der Hand 
von einzelnen Krankengeschichten erläutert er, wie die direkte Be- 
trachtung der erkrankten Stellen uns Auskunft gibt über Art und 
Sitz der Erkrankung, wie diese Untersuchungsmethode uns instand 
setzt, unsere Tastungsbefunde zu ergänzen, zu bestätigen und zu 
modifizieren. Karzinom, Polypen und einzelne Partien der Darm- 
schleimhaut können wir uns einstellen und unsere Befunde durch 
mikroskopische Untersuchung vertiefen. Auch für die Therapie leistet 
die Rekto-Romanoskopie mancherlei. Wir können die erkrankte 
Schleimhautpartie unserer Therapie direkt zugänglich machen, können 
Polypen, die die Lichtung einengen, durch das Endoskop operativ 
entfernen, ein Verfahren, mit dem man um so eher auskommen kann, 
als es sich bei den gestielten Polypen meistens um gutartige Ge- 
schwülste handelt. Zur Technik der Rekto-Romanoskopie gibt S. aus 
seiner reichen Erfahrung wertvolle Winke. Er hat ein Rektoskop 
konstruiert, das verhältnismäßig einfach in der Handhabung ist und 
vollständig ausreicht; es wird von der Firma Reiniger, Gebbert & 
Schall, Erlangen-Berlin, hergestellt und in den Handel gebracht. 
Der äußerst instruktiven Arbeit sind ausgezeichnete farbige Bilder 


von einigen besonders wichtigen Erkrankungen beigegeben. 
L. Simon (Mannheim). 


22) J. Berg. Über den Wert der »kombinierten Methode« 


bei der Behandlung des Mastdarmkrebses. 
(Nord. med. arch. 1907. Abt.I. Hft.3u.4) 
(Vortrag in der VII. Versammlung des Nord. chirurg. Vereins. 1907. August.) 

Verf. erstattet zunächst einen summarischen Bericht über seine 
seit 1890 operierten Fälle von Mastdarmkrebs. In sechs Fällen ist 
Kolostomie wegen Rezidivs gemacht worden. 108 Fälle sind radikal 
operiert worden mit 12,9% Mortalität. Kolostomie ist in 48 Fällen 
gemacht worden mit 14,6%, Amputation oder Resektion ohne Hilfs- 
schnitt mit 5,3%, sowie Amputation oder Resektion mit Sakralschnitt 
mit 9%, kombinierte Operation in 12 Fällen mit 50% Mortalität. 
Verf. bemerkt unter anderem folgendes: Die kombinierte Methode 
verdient eine häufigere Anwendung als die einer »Notoperation«; denn 
sie gewährt bei der Operation gewisser Fälle von hochsitzendem Mast- 





920 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30, 


darmkrebs bestimmte Vorteile vor den reinen, perinealen und sakralen 
Methoden. Diese Vorteile sind: 

a. Mit Laparotomie beginnend, gibt sie uns in der Regel sogleich 
Gewißheit über die Operabilität des Falles. 

b. In Fällen, wo die Karzinominfiltration im Beckenboden liegt, 
ermöglicht sie die Trennung des Bauchfells in der Fossa Douglasi 
unter Kontrolle des Auges und eine Dissektion von oben nach unten 
mit der Möglichkeit, die umliegenden Organe zu schützen. 

c. Sie ermöglicht unter guter Kontrolle die Aufsuchung und Ent- 
fernung hoch oben im Mesosigmoideum gelegener Infiltrationen und 
kranker Drüsen, und 

d. sie setzt uns in den Stand, unter Kontrolle des Auges im 
ersten Stadium der Operation die großen Arterienstämme aufzusuchen 
und zu unterbinden und gewährleistet demnach eine relativ blutfreie 
Operation. 

Die große Mortalität, welche die kombinierte Methode bisher 
aufzuweisen gehabt hat, wie andererseits die guten direkten und in- 
direkten Resultate, die die einfachen, interglutealen Methoden in 
Tausenden von Fällen aufzuweisen gegeben haben, gestatten uns nur 
unter besonderen Gründen in einzelnen Fällen dieselben aufzugeben, 
um eine langwierigere und eingreifendere Operation mit zwei Operations- 
feldern auszuführen. 

Bei der Wahl unter den verschiedenen Verfahren, nach denen 
die kombinierte Methode durchgeführt worden ist, gilt es vor allem, 
nicht schablonenmäßig, sondern mit gewissenhafter Individualisierung, 
je nach der Eigenart des Falles zuwege zu gehen. — Abdominosakral 
oder rein abdominal wird die Operation selbstredend in allen den 
Fällen, wo die Operabilität von Anfang an zweifelhaft ist, oder wo 
die kombinierte Methode auf Grund der hohen Lage der Geschwulst 
gewählt wird. Andererseits ist es klar: solange die sakrale Methode 
als Hauptmethode für Mastdarmkrebs in der Höhe des Beckenbodens 
und darüber angesehen werden muß, solange werden wir auch in 
einigen Fällen den sakroabdominalen Weg gehen. Es gilt in solchen 
Fällen, wo man vor oder nach Eröffnung des Peritoneums bei Ab- 
lösung des Colon pelvin. und der Flexur auf unvorhergesehene Hinder- 
nisse stößt, ohne Zögern das untere Operationsfeld aufzugeben und 
zur Laparotomie überzugehen, um entweder von dort aus die Operation 
zu vollenden oder auch, wenn bei der Laparotomie der Fall sich als 
inoperabel herausstellt, bevor schwererer Schaden entstanden ist, das 
Ganze mit einer Kolostomie abzuschließen. 

Dem Vorbilde Qu&nu’s mit Anlegung terminaler Kolostomie 
zu folgen, halte ich für unberechtigt in Fällen, wo das Darmende gut 
ernährt ist und ohne Spannung entweder in den belassenen Sphinkter 
(Amputation) oder zu dem unteren Teile des Mastdarmes (Resektion) 
herabgezogen werden kann. Ist man wiederum über dies oder jenes 
im unklaren, so muß der Vorteil eines normal funktionierenden Afters 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 921 


ohne Bedenken geopfert werden. Die Pat. müssen daher stets auf 
die Eventualität eines permanenten Kunstafters vorbereitet werden. 
Einar Key (Stockholm). 


23) H. Ladenburger. Die Talma’sche Operation. 
(Würzburger Abhandlungen Bd. VIII. Hft. 7.) 

‚. Nachdem L. in der vorliegenden Arbeit einen kurzen historischen 
Überblick über die Entwicklung der Talma’schen Operation ge- 
geben hat, bespricht er zunächst die anatomischen Verhältnisse, vor 
allem die ' Anastomosen der Pfortader mit der oberen und unteren 
Hohlvene. Indiziert ist die Eröffnung neuer Seitenbahnen für das 
gestaute Blut der Pfortader bei Ascites und Blutungen, die infolge 
von Pfortaderstauungen eintreten. Die Stauungen in der Pfortader 
können einmal Folgen sein von Stenosierung und Thrombosierung 
des Stammes der Vena portae durch entzündliche Verwachsungen 
und Geschwülste, dann aber, und diese Fälle sind wohl die meisten, 
durch cirrhotische Prozesse in der Leber. L. kommt zu dem Schlusse, 
daß die Talma’sche Operation indiziert ist bei Verengerungen des Pfort- 
aderstammes und bei Erkrankungen der Pfortaderverzweigung in der 
Leber; dazu gehören: die Lebercirrhose, und zwar die atrophische 
und hypertrophische Form mit Ikterus und Mischformen, dann die 
Cirrhose cardiaque, wenn auch hier der Erfolg sehr zweifelhaft ist, 
dann die Zuckergußleber und Pick’sche perikarditische Pseudoleber- 
cirrhose; doch komme bei diesen letzten Erkrankungen zunächst die 
Kardiolyse in Betracht, die Talma’sche Operation in zweiter Linie. 

Bei dem dritten Stadium der Banti’schen Krankheit empfiehlt 
L., die Milzexstirpation mit der Omentopexie zu verbinden. Verf. 
betont jedoch ausdrücklich, daB durch die Talma’sche Operation 
nur die Blutungen verhindert, der Ascites beseitigt wird, daß ein 
heilender Einfluß auf den Krankheitspsozeß nicht ausgeübt wird. 

In dem zweiten Teil der ausführlichen Arbeit bespricht L. die 
verschiedenen Methoden der Talma’schen Operation. Von den aus- 
giebigen Tamponaden und Drainagen der Bauchhöhle, wie sie vor 
allem von Ito, Omi, Drummond und Morison angegeben sind, 
um ausgedehntere Verwachsungen zu erzielen, hat man bei uns wenig 
Gebrauch gemacht. Im allgemeinen werden in Deutschland die extra- 
und intraperitonealen Methoden der Omentopexie ausgeführt. Bei der 
intraperitonealen Methode, die L. besonders empfiehlt, wird der Bauch 
in der Mittellinie durch einen kleinen Schnitt eröffnet, das Netz durch 
einige Knopfnähte in den Bauchfellschlitz eingenäht und die Bauch- 
decken durch Etagennähte vereinigt. Bei der extraperitonealen Me- 
thode, die von Narath empfohlen wird, wird das Netz in einer sub- 
kutanen Tasche befestigt, nachdem das Bauchfell wieder so weit 
geschlossen ist, daß der Netzzipfel ohne Kompression durchtreten 
kann. In bezug auf die Vaskularisation seien beide Methoden gleich 
gut, die intraperitoneale habe den Vorteil, daß man meistens einen 
Bauchbruch vermeiden kann, was bei der extraperitonealen nicht 


922 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 


möglich sei. Wenn L. jedoch sagt, die intraperitoneale Methode sei 
auch deshalb zu bevorzugen, weil man sie in Lokalanästhesie aus- 
führen könne, während man bei der extraperitonealen unbedingt All- 
gemeinnarkose brauche, so kann ich dem nicht beistimmen; denn wir 
haben hier zweimal die extraperitoneale Methode in Schleick’scher 
Lokalanästhesie ausgeführt, ohne daß die Pat. allzuviel über Schmerzen 
geklagt hätten. 

L. stellt dann noch die Statistiken der Talma’schen Operation 
von Öttinger, Bunge, Montprofit und Wite zusammen; die Er- 
folge schwanken sehr, im allgemeinen geben Verf. 30—50 % Heilungen 
an. Zum Schlusse gibt L. die Krankengeschichten von fünf eigenen 
Fällen, bei denen er die intraperitoneale Methode anwandte Ein 
länger dauernder Erfolg konnte nur in einem Fall erzielt werden; 
die übrigen vier Pat. gingen bald nach der Operation an interkurrieren- 
den Erkrankungen, die mit der Operation nichts zu tun hatten, zu- 
grunde. 

Ein Literaturverzeichnis von 40 Nummern und eine dankenswerte 
Fortführung der Bunge’schen Kasuistik vervollständigen die lesens- 
werte Arbeit. L. Simon (Mannheim). 





24) Mayo. Pancreatitis resulting from gallstone disease. 
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. April 11.) 

Unter 2200 von ihm und seinem Bruder ausgeführten Operationen 
an den Gallenwegen fanden sie 141mal Erkrankung des Pankreas 
(6,1%). Da sie im ganzen 168 Fälle von Pankreaserkrankungen über- 
haupt in dieser Zeit zu behandeln hatten, sind 81% der Fälle durch 
Gallensteine veranlaßt. M. gebt auf die anatomischen, funktionellen 
und entwicklungsgeschichtlichen Zusammenhänge zwischen Gallenwegen 
und Pankreas ein und bespricht dann die akuten Entzündungen unter 
besonderer Berücksichtigung der Fettnekrose. Die chronische Ent- 
zündung der Bauchspeicheldrüse ist außerordentlich häufig bei Er- 
krankung der Gallenwege; hauptsächlich das »Infektionsdreieck« am 
Pankreas ist betroffen. Von den beiden Formen, der interlobulären 
und interacinären, findet sich die erstere, ungefährlichere, öfters. Eine 
besondere Wichtigkeit für Umbildung und Verbrennung der Koble- 
hydrate schreibt M. den »Langerhans’schen Inseln« zu. Die Diagnose 
gründet sich neben dem Allgemeinbefinden, das bei der chronischen 
Form weit hinfälliger ist als bei einfacher Gallenwegaffektion, auf den 
lokalen Befund, der bei mageren Kranken oft eine Geschwulstbildung 
nachweist. Die Untersuchung der Stühle sollte nie versäumt werden. 
Therapeutisch soll man bei Operation von Gallensteinen stets aufs 
sorgfältigste die Gallenwege von Konkrementen frei machen und 


namentlich den Gallengang sondieren und erweitern. 
Trapp (Bückeburg). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 923 


Kleinere Mitteilungen. 


Aus dem Augusta-Hospital in Breslau. Dirigierender Arzt: 
Privatdozent Dr. Goebel. 


Zur Antifermentbehandlung nach Eduard Müller. 


Von 
Carl Goebel. 


Di Publikation von Peiser (dieses Zentralblatt Nr. 26) veranlaßt mich, einen 
Fallvonmetastatischer@elenkentzündung beiOsteomyelitis hierkurz 
zu erwähnen, der durch die Antifermentbehandlung (Punktion und Injektion) 
günstig beeinflußt ist. 

Herr Kollege Müller bat mir eine Anzahl zugeschmolzener Fläschchen mit 
seinem Antiferment (Ascites Dr. Müller, mit Chloroform konserviert; von E.Merck- 
Darmstadt) zur Verfügung gestellt, mittels dessen ich einige Fälle mit gutem Er- 
folge behandelt habe. Ich erwähne hier nur eine günstige Beeinflussung einer 
Sekundärinfektion bei tuberkulösem Lymphdrüsengeschwür des Halses. 

Es lag nun nahe, das Antiferment auch durch Punktion einem Eiterherd 
einzuverleiben, wie das Peiser nach der erwähnten Publikation ja getan hat. 
Ich habe diese Injektion bei einem metastatischen Ellbogengelenkserguß mit 
ausgezeichnetem Erfolg gemacht. 

O. W., 13jähriges Mädchen, wird dem Hospital am 22. Mai cr. in äußerst 
desolatem Zustande (anämisch, Gesicht wachsbleich, gedunsen, so daß man an 
Amyloid denken mußte) mit mehreren, stinkendes Sekret liefernden Fisteln der 
linken Hüftgelenksgegend und einer Verkürzung des Beines um etwa 10 cm über- 
wiesen. Es handelte sich um eine seit Oktober 1907 datierende Osteomyelitis mit 
Durchbruch ins Hüftgelenk, Sequestration des Femurkopfes usw. 

Am rechten Ellbogengelenk bestand exzessive Schmerzhaftigkeit, Schwellung, 
Fluktuation neben dem ÖOlecranon, mäßige Extensionsbeschränkung (Fixierung in 
der Bonnet’schen Stellung). Es wurde sofort Bier’sche Stauung angewandt, 
ohne daß eine Wirkung eintrat. Am 4. Juni machte ich Sequestrotomie am Ober- 
schenkel, punktierte gleichzeitig das Ellbogengelenk, wobei wenig trübes Serum 
aspiriert wurde, und injizierte eine Flasche des Antifermente. Am folgenden Tage 
war mit einem Schlage absolute Schmerzlosigkeit des Gelenkes vorhanden. Dieselbe 
hielt bis heute (3. Juli) an, die Schwellung (deutliches Fluktuationsgefühl neben 
dem Ölecranon) verschwand vollkommen, und die Beweglichkeit wurde wieder 
derart, daß jetzt nur eine geringe Flexionsbehinderung (ungefähr 10°) gegenüber 
der rechten Seite besteht. Fieber war bei der Aufnahme bis zu 38,4° vorhanden, 
fiel dann ab, trat aber nach der Sequestrotomie in geringem Maße (37,7—37,1°) 
wieder auf. 

Daß es sich im Gelenk sicher um eine Metastase handelte, beweist das Be- 
stehen einer zweiten Metastase auf der linken Schulterhöhe (Acromion?). Wenn 
der Fall auch nicht eine schwere Metastase im Gelenk darstellte, so ermuntert die 
prompte Reaktion auf die Injektion des Müller’schen Mittels doch zu weiteren 
Versuchen. 


25) Schulz. Eine operative Behandlung der Fettleibigkeit. ° 
(Mitteilungen a. d. Grenzgebieten d. Medizin u. Chirurgie Bd. XVIII. Hft. 5.) 
Nach dem Vorgange von Demars und Marx exstirpierte S. bei zwei Frauen 
eine mächtige fetthaltige Bauchfalte, die bis auf den Oberschenkel herabreichte; 
das Gewicht derselben betrug in dem einen Falle 2,75 kg, in dem anderen 4,56 kg. 
Es empfiehlt sich, nach Anlegen des querelliptischen großen Hautschnittes und 
Vertiefung desselben durch das Fettpolster bis auf die Bauchaponeurose das Fı'‘ 


924 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 


von der Aponeurose einfach abzureißen, da beim Abschneiden Fett auf der Apo- 
neurose sitzen bleiben würde, das durch späteres Schmelzen den Wundverlauf 
kompliziert. Haeckel (Stettin). 


26) Fuld. Eine Methode zur Desinfektion von Magenschläuchen in 
der täglichen Praxis. 
(Berliner klin. Wochenschrift 1907. Nr. 20.) 


Das Ergebnis der vom Verf. angestellten Versuche ist die Tatsache, daß die 
Erwärmung der Magenschläuche in 50xigem Glyzerin auf ca. 70° während je 
20 Minuten genügt zur sicheren Abtötung der pathogenen Keime. Das Verfahren 
ist bequem und greift die Schläuche nicht unnütz an. Dieselben können in der 
bezeichneten Lösung aufbewahrt werden, ohne vor dem Gebrauch einer Abspülung 
zu bedürfen. Die Firma F. & M. Lautenschläger hat einen Sterilisator für 
Magenschläuche hergestellt. Der kleine Apparat wird, mit 50xigem Glyzerin 
gefüllt, in den gewöhnlichen Sterilisator gehängt. Langemak (Erfurt). 


27) Neuhaus Fremdkörper im Magen und in der Speiseröhre. 
(v. Langenbeck's Archiv Bd. LXXXVI. Hft. 1.) 


Unter den vier Fällen, die N. publiziert, betreffen zwei Fremdkörper, die aus 
der Speiseröhre, und zwei solche, die aus dem Magen extrahiert werden mußten. 
Besonders die aus der Speiseröhre entfernten beanspruchen ein größeres Interesse, 
da bei dem einen Falle die Extraktion nur durch ein kombiniertes Verfahren, 
Eröffnung des Magens und der Speiseröhre, zum Ziele führte, und bei dem anderen 
Pat. durch eine sekundäre Blutung aus der Carotis und operative Verletzung des 
Ductus thoracicus seltenere Komplikationen entstanden. Verf. warnt davor, spitze 
Fremdkörper aus der Speiseröhre in den Magen stoßen zu wollen, wie dies in dem 
einen Falle vergeblich mit der Schlundsonde versucht worden war. Der Sondierung 
ist als souveränes Mittel die schräge Röntgendurchleuchtung und -Photographie 
vorzuziehen. Auch die Ösophagoskopie hat nach den Literaturausweisen nicht 
immer Erfolg gebracht, und sie ist bei Entzündung der Speiseröhre ganz zu ver- 
meiden. Um Speiseröhrenfisteln nach der Naht zu verhindern, ist es am besten, 
in den ersten Tagen nicht zu sondieren, auch keine Dauersonde einzulegen, son- 
dern vorerst rektal zu vernähen. Am ratsamsten ist es, prinzipiell bei solchen 
Fällen eine Gastrostomie anzulegen. Man vermeidet so alles, was eine Entzündung 
m Ösophagus begünstigen kann. Nur wenn die Extraktion ohne Schädigungen 
gelungen ist, mag man ohne Magenfistel auszukommen suchen. Die bei dem einen 
seiner Pat. am 13. Tage nach der Operation entstandene Carotisblutung glaubt N. 
durch eine Drucknekrose erklären zu müssen, die durch Anwendung des stumpfen 
Hakens bei der Operation entstanden sein mag. E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


28) Littig. Intestinal perforation by abdominal contusion; operation; 
recovery. 
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. Nr. 7.) 


Klassischer Fall von stumpfer Bauchverletzung. 

Ein Mann in mittlerem Lebensalter bekommt einen Hufschlag links oberhalb 
des Nabels; alsbald Erbrechen und überaus heftige Leibschmerzen. Die behandeln- 
den Arzte stellten die Diagnose auf Darmperforation und zogen L. zu, der 9 Stun- 
„den nach dem Anfall eintraf. 

In dieser Zeit bestand auch eine harte Kontraktur der Bauchmuskulatur linker- 
seits. Laparotomie, Perforation an der Grenze von Jejunum und Ileum, die einen 
Finger in die Darmlichtung einzuführen gestatten würde; die Offnung ist durch 
vorgefallene Schleimhaut fest verschlossen. UÜbernähung der gerade gegenüber dem 
Mesenterialansatz gelegenen Wunde; Bauchnaht; Drainage. 

Heilung, obwohl bereits umschriebene fibrinös- -eitrige Peritonitis bestanden 
hatte. W. v. Brunn (Rostock). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 925 


29) W. Braun. Uber penetrierende Verletzungen des Magen-Darm- 
traktus. 
(Berliner klin. Wochenschrift 1908. Nr. 2.) 

Sieben Fälle, von denen sechs durch sofortige Operation geheilt werden 
konnten. 

1) Pfählungsverletzung des Mastdarmes. Laparotomie. Übernähung der Per- 
forationsstelle.. Heilung. 

.„ 2) Bauchstich; Dünndarmschlinge vorgefallen; acht Wunden im Dünndarm. 
Übernähung, Spülung. Heilung. 

3) Bauchstich; Netzvorfall, keine Darmverletzung. Heilung. 

4) Schußverletzung (9 mm -Jagdgewehr),; Dünndarm achtmal durchlöchert. 
Heilung durch Bauchdeckenphlegmone verzögert. 

6) Teschingschuß; zwei Löcher im Colon transversum. Heilung. 

6) Schuß aus Browningpistole in die rechte Nierengegend; zwei Löcher im 
Magen, vier im Duodenum, Durchschuß der Leber. UÜbernähung der Darm- und 
Magenwunden mit Netztransplantation, Exstirpation der rechten Niere, Tamponade 
der Leberwunden. Heilung. 

7) Einschuß unter der Herzspitze (Browningpistole); Kugel im 1. Lendenwirbel: 
Lähmung des linken Beines, Hämatothorax, Loch im Diaphragma, zwei Löcher 
im Magen. Tod. 

Die Verletzten kamen alle 1/,—11/3 Stunden nach dem Trauma zur Aufnahme. 
Verf. steht auf dem wohl jetzt allgemein anerkannten Standpunkte, daß Bauch- 
schüsse und andere penetrierende Bauchverletzungen im Frieden unter günstigen 
Bedingungen prinzipiell operative Behandlung verlangen. Bei der Indikations- 
stellung darf man keinen Unterschied zwischen leichten und schweren Initial- 
symptomen, bekannter oder unbekannter Stich- oder Schußrichtung machen. 

Die Prognose hängt von der Frühzeitigkeit des Eingriffes ab. 

Langemak (Erfurt). 


30) Heppe. Die Appendicitis im Kanton Aargau, besonders ihr en- 
demisches Auftreten und epidemisches Aufflackern. 20 8. 
Aarau, H. R. Sauerländer & Co., 1907. 

H, hat sich im Auftrage Bircher’s der dankenswerten Aufgabe unterzogen, 
die in den Jahren 1888—1905 in der kantonalen Krankenanstalt, sowie die in den 
Jahren 1902 - 1905 von sämtlichen Arzten des Kantons beobachteten Appendicitis- 
fälle hinsichtlich der Atiologie, sowie gehäuften und periodischen Vorkommens 
zu durchforschen. Die Ergebnisse decken sich bezüglich der dauernd zunehmenden 
Zahl, die Verf. auf bessere Diegnosenstellung zurückführt, der Bevorzugung des 
männlichen Geschlechtes und des 10.- 30 Lebensjahres mit den Erfahrungen anderer 
Autoren. Mehrfach konnte ein gehäuftes Auftreten in einzelnen Familien, beson- 
ders unter Geschwistern, beobachtet werden, ein Beweis für eine hier und da vor- 
kommende familiäre Anlage. Verwertbare Anhaltspunkte für einen Zusammenhang 
der Appendicitis mit Anginen oder Influenza ergaben sich aus dem Material nicht. 
Dagegen war sehr ausgesprochen das gehäufte Auftreten der Erkrankung in den 
Sommer- und Wintermonaten im Verhältnis zum Frühjahr und Herbst, eine Be- 
obachtung, die wir auch bei Stricker und Schroth finden, für die vielleicht 
gehäufte Anginen im Winter und zahlreichere Darmkatarrhe im Sommer als Er- 
klärung dienen könnten — was aber aus dem vorliegenden Material nicht hervor- 
geht. Sehr interessant ist das endemische Auftreten der Appendicitis in einzelnen 
Orten, für welches Verf. gar keine Erklärung gefunden hat, das aber so eklatant 
ist, daß man von Appendicitisherden sprechen kann; während 42.5% sämtlicher 
Gemeinden fast ganz frei bleiben, finden sich in 32,5% der Gemeinden 1—650%/ 
aller Erkrankungsfälle, und in 2,5% der Gemeinden, den Appendicitisherden, steigt 
die Zahl der Erkrankungen auf 32,50/! Auf einer beigefügten Karte hat Verf. 
diese eigentümlichen Zahlenverhältnisse sehr übersichtlich zur Anschauung gebracht. 

Vorderbrügge (Danzig). 


“ 


926 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 


31) F. Bauer. Om den akute appendiciten frän praktisk synpunkt. 
(Allm. ‚svenska läkarmötets förhandl. Sundsvall 1907.) 

Verf. gibt eine Übersicht über Vorkommen, Diagnostik und Behandlung der 
Appendicitis unter praktischem Gesichtspunkt an der Hand von 900 Fällen aus 
dem Krankenhaus in Malmö, behandelt von Dezember 1896 bis Juli 1907. Vor 
1904 betrug die Mortalität 9%, seit 1904 3,9%. 369 Fälle von akuter Appen- 
dicitis ohne hochgradige Peritonitis ergaben O0% Mortalität, 11 akute Appendiciten 
ohne hochgradige Peritonitis mit besonders hervortretenden septischen Symptomen 
27%, 155 akute Appendiciten mit begrenzter Peritonitis 4%, 189 akute Appendiciten 
mit nicht begrenzter Peritonitis 22% Mortalität. 176 Fälle von chronischen Ap- 
pendiciten wurden à froid operiert und gaben 2 Todesfälle. Von den akuten 
Appendiciten mit nicht begrenzter Peritonitis wurden 92 Fälle während der ersten 
36 Stunden nach der Erkrankung mit 6,5% Mortalität und 96 Fälle später mit 
37% Mortalität operiert. — Verf. betont, daß die Behandlung von Appendiciten 
von der Tatsache beherrscht wird, daß es nicht möglich ist, mit voller Sicherheit 
in jedem einzelnen Falle nach den klinischen Symptomen die pathologisch-anato- 
mischen Veränderungen im und um den Wurm zu beurteilen. Verf. ist ein An- 
hänger der Frühoperation. Auch bei begrenzter Peritonitis muß der Wurm gleich- 
zeitig mit der Entleerung des Abszesses entfernt werden. 

Einar Key (Stockholm). 


32) Massoulard. Tuberculose des ganglions iléo-cæcaux. Ablation 
de ces ganglions et appendicectomie. Intégrité de l’appendice. 
Guérison. 

(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXIII. p. 507 ff.) 

Es waren anscheinend typische akute Appendicitisanfälle, und zwar der erste 
11/g Jahre vor der Operation vorhergegangen. Der Wurm fand sich bei der Ope- 
ration völlig gesund, was die genaue mikroskopische Untersuchung bestätigte. 
Dagegen bestand im Ileocoecalwinkel ein Drüsenpaket unter chronisch entzünd- 
lichem Bauchfell von deutlich tuberkulösem Bau. — In der ausgiebigen Dis- 
kussion, die hier nicht referiert werden kann, wird eine Anzahl gleichartiger bzw. 
ähnlicher Fälle angeführt. Es wird darauf hingewiesen, daß eine akute Steigerung 
der chronischen genuinen Lymphadenitis, die ihren Ausgangspunkt durchaus nicht 
immer im Wurme zu haben braucht, durch peritoneale Reizung sehr wohl einen 
typischen Appendicitisanfall vortäuschen kann. Kachler (Duisburg-M.). 


33) E. Grossmann. Über die operative Behandlung der Hernien im 


Kindesalter. (Aus Dr. Christ’s Kinderhospital in Frankfurt a. M.) 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 19.) 

Wenn die konservative Behandlung eines Nabel- oder Leistenbruches im Kindes- 
alter keinen sichtbaren Erfolg hat, oder wenn die Kinder unter ihrem Zustande — 
durch Auftreten von Ekzemen, Verwachsungen des Bruchinhaltes mit dem Bruch- 
sacke, von Verdauungsstörungen — leiden, soll nach G.'s auf reichlichen Erfah- 
rungen fußendem Urteil die Radikaloperation des Bruches vorgenommen werden, 
die als relativ ungefährlich anzusehen ist. Meist genügt die einfache Unterbindung 
und Versenkung des Bruchsackes mit nachfolgender Kanalnaht; nur bei großen 
Brüchen und starkem Klaffen der Muskulatur ist die Bassini’sche Methode nötig. 
Unter den 111 Bruchoperationen des obengenannten Hospitals befanden sich 1% 
wegen Leisten-, 21 wegen Nabelbrüchen; von ersteren waren 11 doppelseitig. 
28 Kinder standen innerhalb des 1. Lebensjahres, davon 10 im Alter von 3 Mo- 
naten (35% Säuglinge). In 4 Fällen handelte es sich gleichzeitig um Einklemmung. 
10Omal lag der Wurmfortsatz im Bruchsacke, zuweilen mit ihm verwachsen. — In 
allen Fällen ist glatte Heilung eingetreten, niemals eine Wundstörung, geschweige 
denn ein Todesfall erfolgt. Bei der N achbehandlung wurde mit großem Nutzen 
in bezug auf Trockenbleiben des Wundverbandes ein Urinfänger benutzt, der nach 
G.’s Angaben konstruiert ist. — Über die Spätresultate der 111 Radikaloperationen 
wird nichts gesagt. Kramer (Glogau). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 927 


34) E. M. Corner. The treatment of gangrene in strangulated hernia 
at St. Thomas Hospital. 
(Lancet 1908. Juni 13.) 

Die Mortalität der komplizierten eingeklemmten Brüche betrug: bei Leisten- 
brüchen 37%, bei Schenkelbrüchen 66%, bei Nabel- und Bauchbrüchen 80%. 

Von 216 eingeklemmten Leistenbrüchen bestand bei 8 Gangrän = 3,6%, bei 
133 eingeklemmten Schenkelbrüchen fand sich Gangrän in 13 Fällen = 9x und 
bei 46 Nabel- und Bauchbrüchen in 10 Fällen = 21,7%. 

Was die Operationsverfahren angeht, so ergab möglichst frühzeitige und aus- 
giebige Resektion mit nachfolgender End-zu-End-Vereinigung die besten Re- 
sultate. 

Resektion mit nachfolgendem Kunstafter ergab 90% Mortalität. 

Die Invagination brandiger oder brandverdächtiger Stellen (zwei Fälle) ergab 
gute Resultate, doch will Verf. diese Methode nur für leichte Fälle aufbewahrt 
wissen. H. Ebbinghaus (Dortmund). 


35) Krumm. Uber die Brucheinklemmung des Wurmfortsatzes. 
(Ärztl. Mitteilungen aus und für Baden 1908. Nr. 7.) 

Wenn ein Wurmfortsatz in einen Bruchsack hineingerät, so kann er Anlaß 
zu verschiedenen Erkrankungen geben; er kann sich entzünden und eine Appen- 
dicitis mit all ihren Komplikationen im Bruchsacke zur Folge haben, oder er 
kann eingeklemmt werden und auf diese Weise der Gangrän anheimfallen. Beide 
Erkrankungsarten sind beobachtet worden, Verf. glaubt, daß die Einklemmung 
die häufigere ist; er unterscheidet dabei die Fälle, bei denen neben dem Wurm- 
fortsatz noch Darmschlingen oder Netz im Bruchsacke liegen, von denen, in wel- 
chen der isolierte Wurm den einzigen Bruchinhalt bildet. Ein Fall der ersten 
Gruppe wird kurz mitgeteilt: Hier hatte der Wurm den mit eingeklemmten Darm 
geschützt, war aber selbst der Gangrän verfallen. Interessanter sind die beiden 
von K. operierten Fälle reiner Wurmfortsatzeinklemmung, Schenkelbrüche bei 
älteren Frauen. Bei der einen Pat. war der Bruch nach anstrengender Feldarbeit 
in gebückter Stellung entstanden und hatte in 9 Tagen zu Einklemmungserschei- 
nungen ohne Störung der Darmpassage geführt; es fand sich als einziger Bruch- 
inhalt die Spitze des Wurmes, 2 cm lang, mit deutlicher Schnürfurche, anämisch, 
aber nicht gangränös. Nach Erweiterung des Bruchringes wurde er vorgezogen 
und abgetragen. Glatte Heilung. Im zweiten Falle waren die Erscheinungen 
stürmischer, aber auch die Darmpassage frei; hier lag nur der mittlere Teil des 
Wurmes, dunkelrot verfärbt, im Bruchsack, Ansatz und Spitze konnten erst nach 
Eröffnung der Bauchhöhle zu Gesicht gebracht werden, der periphere Teil war 
gelbgrün verfärbt, schwappend — also retrograde Inkarzeration. Auch hier wurde 
durch Abtragung des Wurmes und Tamponade Heilung erzielt. Als hauptsäch- 
lichstes Symptom isolierter Wurmfortsatzeinklemmung will K. Einklemmungs- 
erscheinungen ohne Störung der Darmpassage ansehen; bei der Differentialdiagnose 
gegen Hernienappendicitis ist zu verwerten, daß diese in 62 Fällen stets bei 
Männern in Leistenbrüchen beobachtet wurde, während die Einklemmungen von 
22 Fällen 19mal Schenkelbrüche bei Frauen betrafen. 

Vorderbrügge (Danzig). 


36) M. Eschenbach. Zur chirurgischen Behandlung der Nabelhernien. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVL Hft. 1.) 

Verf. berichtet über 65 Fälle von Nabelbrüchen aus der Rotter’schen Klinik. 
Nach den Erfahrungen, die daselbst mit mehreren Methoden gemacht wurden, 
empfiehlt er für große Brüche die quere Raffung, die ohne komplizierte Technik 
verhältnismäßig rasch ausführbar ist und gute Resultate liefert. Vor dem Silber- 
draht warnt er wegen des Durchschneidens der Fäden und späterer Abszeßhildnne. 
Die Operationsmortaliät war bei den freien Hernien günstig, sehr hoch ^ i 
bei den eingeklemmten. Von 29 solcher Pat. starben 13. Von den I” ` 


928 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 


mit Querraffung behandelt worden waren, bekam bisher nur einer ein Rezidiv. 
Taxisversuche dürfen nur sehr vorsichtig ausgeführt werden. Was die Indikations- 
stellung zur Operation anlangt, so ist in Anbetracht des sicheren Wachstums der 
Nabelbrüche und der Gefahren der Operation sehr großer Brüche anzuraten, den 
chirurgischen Eingriff vorzunehmen, solange die Brüche noch klein sind. In diesem 
Stadium ist der Eingriff bei nicht eingeklemmten Nabelbrüchen ungefährlich. 

E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


37) P. Clairmont. Uber das experimentell erzeugte Ulcus ventriculi 
und seine Heilung durch die Gastroenterostomie. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVI. Nr.1.) 

Fibich hatte Experimente veröffentlicht, auf Grund deren er den Beweis 
erbracht zu haben glaubt, daß man bei Hunden im pylorischen Teil des Magens 
durch Unterbindung der Gefäßstämme, Exzision von Schleimhautstücken und Ver- 
ätzung des Schleimhautgrundes ein Geschwür erzeugen könne, und daß dieses Ge- 
schwür durch eine QGastroenterostomie eklatant beeinflußt würde. C., der zur 
Prüfung des Einflusses der Magen-Darmfistel auf das Magengeschwür analoge Ver- 
suche vornahm, konstatiert, daß man nach Fibich’s Verfahren ein Geschwür 
erhält, das nicht mit dem Ulcus pepticum des Menschen verglichen werden könne, 
da es stets ein ausgeprägtes physiologisches Heilbestreben zeige. Er fand, daß derartig 
erzeugte Geschwüre sich im allgemeinen überhäuten, im pylorischen Teil oft lang- 
samer als im kardialen. Eine gleichzeitig oder einige Tage nachher ausgeführte 
Gastroenterostomie beeinflußte die Überbäutung des Substanzenverlustes nicht. C. 
hält die Annahme Fibich’s für unhaltbar, daß ein Nagengeschwür sich nach 
der Gastroenterostomie wie ein frisch gesetzter Schleimhautdefekt verhalte und in 
wenigen Tagen zur Ausheilung komme. Für die Beurteilung der ganzen Frage 
bleiben deswegen nach wie vor die klinischen Erfahrungen ausschlaggebend. 

E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


38) L. Paglieri. Su di un caso di tumore gastrico d’origine luetica. 
(Gazz. degli ospedali e delle clin. 1908. Nr. 56.) 


Bei einem 58 Jahre alten, schnell und stark abgemagerten Manne mit grau- 
blasser Haut und starken Magenbeschwerden wird in der epigastrischen Gegend 
eine halbhohlhandgroße Verhärtung mit einer mandelgroßen Geschwulst in der 
Mitte gefühlt. Es besteht motorische Insuffizienz des Magens, und Salzsäure fehlt 
im Magensafte. Nach Ablehnung der Operation durch den Pat. wird trotz völlig 
negativer Anamnese in bezug auf Lues und ohne Befunde in dieser Richtung Jod- 
kali verabreicht und nach eingetretener Besserung durch eine Hg-Kur in 3 Mo- 
naten völlige Heilung von Beschwerden und Geschwulst erzielt. 

Dreyer (Köln). 


39) Tuffer. Gastro-enterostomie post. réparée spontanément. Ulcère 
gastrique consécutif. 
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXIII. p. 463.) 

Bei einem Manne mit ausgesprochener Magendehnung und bei der Operation 
gefundenen ausgedehnten Verwachsungen des pylorischen Teiles mit Gallenblase 
und Duodenum legte T. eine Gastroenterostomie post. retrocol. an mit zunächst 
ausgezeichnetem Erfolge. 9 Jahre später machten unstillbare Magenblutungen 
eine Relaparotomie notwendig. Dabei fand sich nun, daß die früher angelegte 
Verbindung zwischen Magen und Darm wieder aufgehoben war: die Darmschlinge 
ging in das Mesocolon transv. hinein, es fehlte dann aber jede direkte Verbindung 
mit dem Magen, nur dünne Verlötungen waren zu sehen. Ein Geschwür im prä- 
pylorischen Teil, das die Blutung hervorgerufen hatte, wurde exzidiert, und man 
konnte sich bei dieser Gelegenheit von dem vollständig normalen Zustand der 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 929 


Magenwand in den übrigen Teilen überzeugen. Der Operationserfolg war wieder 
ein ausgezeichneter. T. vergleicht diesen spontanen Verschluß mit ähnlichen Vor- 
kommnissen, dem spontanen Verschluß von Stercoral- und vesico-vaginalen 
Fisteln. In der Diskussion (Reynier, Oménu, Hartmann) wird darauf hin- 
gewiesen, daß das Ereignis nur dann eintreten kann, wenn der Pylorus wieder 
wegsam wird, daß dann aber auch der Magen Neigung zeigt, normale Dimensionen 
anzunehmen. Kaehler (Duisburg-M.). 


40) P. Bull und J. Bery. Volvulus af hela tunntarmen. 


(Verhandlungen in der VII. Versammlung des Nord. chiurg. Vereins 1907. Aug. 
(Nord. med. Arkiv 1907. Tillägshefte.) 


B. berichtet über einen operierten Fall von: Volvulus des ganzen Dünndarmes 
bei einem 29jährigen Manne. Als charakteristische Anhaltspunkte für die Dia- 
gnose während der Laparotomie wird folgendes hervorgehoben: Ascites, stark ge- 
dehnte, häufig auch ödematöse und coyanotische Darmschlingen, sowie in der 
Ileocoecalgegend eine kollabierte Dünndarmschlinge, entsprechend dem untersten 
Teile dep Ileum und unter einem scharfen Rande des Mesenterium liegend, auf 
aon anderer Seite man das untere Ende der stark ausgedehnten Dünndärme 

ndet. 

B. berichtete über zwei Fälle von totalem Dünndarmvolvulus. In einem Falle 
hatte der Volvulus mit intermittierenden Symptomen seit 5 Jahren bestanden. 
Verf. betonte, daß die Ileussymptome in diesen Fällen nicht direkt vom Volvuylus 
herrühren, sondern infolge gelegentlicher Komplikationen oder sekundär zustoßender 
Unzuträglichkeiten entstehen; denn der Fortbestand der Drehung scheint die 
Neigung zu Ileus allmählich zu steigern. Die Gekrösveränderungen in diesen 
Fällen, wie gleichfalls das klinische Bild mit seinen intermittierenden Ileusanfällen 
erinnert stark an das wohlbekannte Bild von chronischem Volvulus der Flexura 
sigmoidea mit fibröser Mesosigmoiditis. Auch hier finden sich gewöhnlich die 
stärksten Veränderungen in Form einer querlaufenden, sehnenglänzenden Narbe in 
der Serosa an der schmalen Wurzel des Mesenterium. Von diesem Bande strahlen 
radiäre Streifen aus, gegen die Darmanheftung zu schmäler werdend, ohne im all- 
gemeinen an den Darm heranzureichen. Außerdem ist das Mesenterium in seinem 
ganzen Umfange verdickt, zuweilen an der Oberfläche gleichsam in Falten gelegt 
und allmählich der Breite nach einschrumpfend. Alle diese Veränderungen scheinen 
am besten zu erklären zu sein durch eine fortbestehende (oder oft wiederholte) 
Drehung der Därme um ihre Radix mesenterii. Daß sekundäre inflammatorische 
Reize vom angespannten Darm (und zwar speziell in der Form von Divertikuliten) 
hinzukommen können, will Verf. nicht in Abrede stellen, aber sie spielen sicher 
nicht die Rolle, die man ihnen zuschreibt. Es sind nicht nur die Mesenterialver- 
änderungen, die Verf. in dieser mehr mechanischen Weise für am besten erklärt 
hält, sondern auch die Verwachsungen alten Datums, die man so häufig in dies- 
bezüglichen Berichten erwähnt findet. Es sind Verwachsungen, welche die durch 
den Volvulus angespannten Därme an andere Eingeweide oder die Bauchwand 
anheften. Verf. meint nämlich, daß eine äußerst wichtige und vermutlich ge- 
wöhnliche Veranlassung der chronisch ausgebreiteten gefäßlosen Verwachsungen 
von Därmen und benachbarten Teilen Risse in der Serose sind, hervorgerufen 
durch wiederholten Wechsel zwischen exzessiver Ausdehnung und Zusammenfallen 
der Darmschlinge, wie man es am häufigsten bei chronischem Volvulus findet, 
vermutlich aber nicht selten auch bei chronischer Verstopfung aus anderen Ur- 
sachen. Verf. meint, eine abnorme Lage der Übergangsstelle zwischen Dünn- und 
Dickdarm möge die Ursache des Ausbleibens der sonderbaren Festlötung gewesen 
sein, die in einem gewissen Stadium der normalen Darm- und Mesenterial- 
entwicklung zwischen dem erwähnten Teil des Darmkanals und der hinteren 
Bauchwand stattfindet und die, einmal gebildet, den Blind- und aufsteigenden 
Dickdarm mehr oder weniger fest an die rechte Seite des Bauches bindet. 

Einar Key (Stockholm). 


930 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 


41) J. Petermann. Erfahrungen und Erfolge bei der operativen Be- 
handlung des Dickdarmkrebses. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVI Nr. 1.) 

Bei 115 Fällen von Dickdarmkrebs in der Abteilung von Rotter überwog 
das männliche Geschlecht. Die größte Zahl der Fälle betraf die tiefer gelegenen 
Abschnitte des Dickdarmes. Als Ursache für die Geschwulstbildung wurde einige 
Male Trauma angegeben, das aber wohl nur eine nebensächliche Rolle spielte. 
Operabel wer nur die Hälfte der Fälle. Die Entscheidung, ob die Geschwulst 
radikal zu entfernen sei, konnte oft erst bei der Operation getroffen werden, zumal 
Größe und Beweglichkeit der Geschwulst durch die Bauchdecken hindurch nicht 
immer richtig zu beurteilen sind. Der Ansicht von Boas, daß zur Operation 
sich am besten die Fälle mit weit zurückliegender Krankheitsentwicklung eignen, 
tritt Verf. zugunsten eines frühzeitigen Eingriffes entgegen. Die Arzte müssen 
nach seiner Meinung mit den Symptomen des Dickdarmkrebses vertrauter werden 
und die Fälle frühzeitiger dem Chirurgen überweisen. Eventuell muß eine zeitige 
Probelaparotomie gemacht werden. 40% aller Fälle kamen mit Ileuserscheinungen 
in Behandlung. Von diesen starb mehr als die Hälfte im Anschluß an die Ope- 
ration. Als Regel wird jetzt betrachtet, daß im Ileus nur eine Fistel ‘angelegt, 
aber keine Resektion vorgenommen wird. Auch die Enteroanastomose bei hoch- 
sitzendem Karzinom ist beim Darmverschluß zu vermeiden. Als palliativer Ein- 
griff lieferte sie sonst befriedigende Resultate. Die Radikaloperation wurde in 
52 Fällen ausgeführt. Die Resektion der Geschwulst mit primärer zirkulärer 
Naht wurde dabei in fünf Fällen vorgenommen. Im ganzen erlebte man mit dieser 
primären zirkulären Naht jedoch wenig Freude. Eher befriedigte in einigen Fällen 
die nach Resektion und blindem Verschluß der Enden vorgenommene seitliche 
Apposition der Darmenden, ein Eingriff, der aber nur für wenig Fälle geeignet 
ist. Die Resektion der Geschwulst mit folgender Enteroanastomose wird bei allen 
Geschwülsten der Blinddarmgegend sowie des rechten Kolonwinkels und des An- 
fangsteiles des Colon transversum als Methode der Wahl betrachtet. Für die übrigen 
Fälle ist das zweizeitige, besonders durch v. Mikulicz ausgebildete Verfahren 
empfehlenswert und von Rotter mit gutem Erfolg angewendet worden. Es setzt 
die Mortalität der Dickdarmoperationen wesentlich herab; seine Nachteile sind die 
lange Behandlungsdauer, die Beschwerden bei Anlegung der Spornquetsche, die 
lange Dauer des Kunstafters und die später auftretenden, allerdings sich meist 
spontan schließenden Kotfisteln. Was die Dauererfolge betrifft, so leben von 
22 Pat. 7= 31% länger als 3 Jahre nach der Operation rezidivfrei. Drei der 
Operierten sind schon länger als 7 Jahre ohne Rückfall geblieben. 

E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


42) 5. P. Lookhart Mummery. A new method of restorning the con- 
tinuity of the bowel in cases of excision of a growth low down in the 
sigmoid flexure. 

(Lancet 1908. Mai 16.) 

Verf. nähte in einem Falle von ausgedehnter Exstirpation der Flexura sigmoidea, 
bei dem End-zu-End-Vereinigung völlig ausgeschlossen war, das proximale Ende 
des Darmes um ein Glasrohr und invaginierte dieses Ende dadurch, daß er das 
Glasrohr durch das rektale Ende aus dem After herausleitete in letzteres. So er- 
zielte er eine Vereinigung ohne Naht, die wegen der erheblichen Spannung niemals 
gehalten hätte. Außerdem wurde als erheblicher Vorteil empfunden, daß der 
Darm frei entleert werden konnte, ohne Furcht vor der Verunreinigung des 
Bauchfells, da Darm und Glasrohr in luftdichter Kontinuität verbunden waren. 

Bei der Entlassung des Pat. ergab die Sigmoidoskopie eine feine weiße Narbe, 
ohne Andeutung einer Striktur an der Stelle. 

Dem Verfahren gebührt sicherlich in geeigneten Fällen Nachahmung, und es 
dürfte manchmal einen erwünschten Ersatz für den stets unerwünschten Kunstafter 
abgeben. H. Ebbinghaus (Dortmund). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 931 


43) T. B. Spence. Angulation of the sigmoid. 
(New York med. journ. 1908. Mai 2.) 

S. beschreibt einen von ihm operierten Fall von Ileus durch Knickung 
der Flexura sigmoidea an mehreren Stellen. Pat. litt seit 2 Jahren unter starkem 
Gewichtsverlust, an Schmerzen in der linken Seite und Unregelmäßigkeit des 
Stuhlganges.. Da es nicht möglich war, die aufgerichtete Flexur in korrigierter 
Stellung zu erhalten, und da S. nicht wagte, das verkürzte Mesosigmoid zu 
trennen, wie von anderer Seite empfohlen worden ist, so entschloß er sich zur 
Resektion der Flexura sigmoidea. 

S. macht auf die leichte Verwechslung mit dem Volvulus aufmerksam. 

H. Bucholz (Boston). 
44) Potherat. Tumeur villeuse du rectum. 
(Bull. et mem. de la soc. de chir. de Paris T. XXXIII. p. 624.) 

Bei der relativen Seltenheit dieser (von Esmarch als »villöse Polypen« be- 
zeichneten) Erkrankung ist die Erwähnung dieses Falles berechtigt. Es handelte 
sich um eine Geschwulst von der Größe einer Mandarine, die mit ziemlich breiter 
Basis in der Ampulle saß. Die Exstirpation geschah ohne Schwierigkeit, der 
histologische Bau zeigte keine Abweichung von sonst erhobenen Befunden. 

Kaehler (Duisburg-M.). 


45) A. W. Mayo Robson. An address on some abdominal tumours 


simulating malignant disease, and their treatment. 
(Brit. med. journ. 1908. Februar 22.) 

Weit mehr als an anderen Körperteilen und viel verhängnisvoller werden ent- 
zündliche Schwellungen im Bauch mit bösartigen Geschwülsten verwechselt. R. 
berichtet über fünf Fälle im Laufe von 12 Jahren, in denen er 1—3 Jahre nach 
Anlegung eines Kunstafters wegen vermeintlich inoperablen Mastdarm- oder Flexur- 
karzinoms mit Ileuserscheinungen den angelegten After wieder schließen konnte, 
weil die primäre Geschwulst vollständig geschwunden war. Das gleiche kommt 
zuweilen beim Colon ascendens und transversum vor. Dafür gibt R. lehrreiche 
Beispiele aus seiner Erfahrung, in denen eine Enteroanastomosis, ausgeführt wegen 
Unmöglichkeit einer Radikaloperation, zur dauernden und völligen Heilung führte. 
Wahrscheinlich handelt es sich in solchen Fällen um eine chronische, infiltrierende 
Kolitis mit Kotstauung in Schleimhauttaschen. Solche chronische Entzündungen 
kommen auch am Blinddarm vor und werden als Karzinome entfernt. In ähnlicher 
Weise kann auch die Gastrostomie beim vermeintlichen Krebs der Speiseröhre 
zur Dauerheilung führen. Wie für diese Fehldiagnosen erwähnt R. auch eine Reihe 
lehrreicher Beispiele, in denen anscheinend bösartige Neubildungen des Magens 
nach der Gastroenterostomie völlig verschwanden. R. warnt vor allzu schnell ge- 
stellter Prognose! Weiter berichtet er aus seiner reichen Erfahrung über eine 
große Reihe von Fällen, in denen Gummata, chronische Eiterungen, Gallensteine, 
verkalkte Echinokokken, Cirrhose fälschlich für bösartige Neubildungen gehalten 
wurden und teils mit, teils ohne Operation völlig und dauernd heilten. Eine 
besonders große Rolle bei diesen Verwechslungsdiagnosen spielt die chronische 
Entzündung im Pankreaskopf. Alle diese Möglichkeiten irrtümlicher Diagnose 
geben uns Veranlassung genug, die Probelaparotomie viel öfter zu fordern als 
üblich ist. Die Arbeit des bekannten Chirurgen hat ihren besonderen Wert da- 
durch, daß sie eine so große Zahl von Beispielen irrtümlicher Diagnosenstellung 
aus der Erfahrung eines einzigen Operateurs bringt. Weber (Dresden). 


46) Depage. A propos de l’incision dans la splenectomie. 
(Ann. de la soc. belge de chir. 1908. April.) 

D. machte in einem nicht näher beschriebenen Fall von Splenektomie die 
Schnittführung in Anlehnung an den Kehr’schen Wellenschnitt; während aber 
bei diesem der erste und dritte Teil senkrecht und der mittelste Teil wagerecht 
verlaufen, beginnt D. mit einem Schrägschnitt am Rippenbogen, verlängert den- 
selben senkrecht durch den Rectus nach unten und setzt hierauf den dritten Teil 


932 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 


des Schnittes wieder parallel dem ersten nach außen. Verf. lobt sehr die außer- 
ordentlich gute Übersicht, die er durch diesen Z-förmigen Schnitt erhielt. 
Vorderbrügge (Danzig). 


s 
47) E. Bircher. Ein Beitrag zur Chirurgie der nichtparasitären Milz- 
cysten. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCII. p. 323.) 


B. berichtet über einen in der Kantonalen Krankenanstalt zu Aarau bei einer 
34jährigen Frau operierten Fall von Milzcyste. Dieselbe hatte 3/, Jahre vor ihrer 
Aufnahme in der Schwangerschaft Odem am rechten Bein und Schmerzen in der 
rechten Unterbauchgegend gehabt, was sich nach der Entbindung besserte. Jetzt 
war sie vor 8 Tagen plötzlich mit Leibschmerzen und Erbrechen erkrankt, rasch 
abgemagert und von Kräften gekommen. Sie zeigte Fieber, eine mannskopfgroße, 
teils cystische, teils elastische Geschwulst im Bauche rechts unten, übrigens auch Al- 
buminurie. Laparotomie unter der Diagnose Pankreascyste oder Eierstocksgeschwulst. 
Die Geschwulst ist unschwer als cystisch und der Milz angehörig erkennbar; 
mittels Trokar wird eine dunkelbraune flockige dicke Masse, gemischt mit fetzigen 
eiterigen Massen, entleert. Dann folgt Luxation der Milz, deren Stiel manns- 
daumendick ist, mit pulsierenden Gefäßen, und um 360° achsengedreht, weiter die 
Resektion des Cystensackes, nachdem an seiner Basis das normale Milzgewebe 
durch eine Reihe von Knopfnähten umstochen ist. Abtragung der Cystenwand 
unter geringer Blutung; der verbleibende Milzstumpf bzw. basale Rest der 
Cystenwand ist derbfibrös, trabekelartig gezeichnet (Abbildung). Retorsion des 
Milzstieles, Reposition der Milz, Bauchnaht. Der Operation folgten bald ileusartige 
Erscheinungen, unter denen nach mehreren Tagen der Tod eintrat. Die Sektion 
ergab (außer akuter, hämorrhagischer Nephritis), daß die reponierte Milz durch 
Druck eine Dünndarmschlinge verlegt hatte. Der Stiel der Milz war 32 cm lang. 

B. hält für denkbar, daß die Cystenbildung einen ursächlichen Zusammenhang 
mit der Gravidität hatte. Die anatomische Ursache derselben mag eine Infarkt- 
bildung mit nachfolgender Verflüssigung gewesen sein. Der ungewöhnlich lange 
Stiel der Milz erlaubte deren auffällige Dislokation nach rechts in die lleocoecal- 
gegend. 

Im Anschluß an seinen Fall bringt B. eine gut orientierende Allgemein- 
besprechung über die Milzcysten, deren Anatomie, Atiologie usw. Auch hat er 
die bisher veröffentlichten Fälle operierter Milzcysten gesammelt und stellt sie — im 
ganzen 33 — tabellarisch zusammen. Die am häufigsten ausgeführte Operation (15 Fälle) 
ist die Splenektomie, die wohl als sicherste und beste Therapie anzuerkennen ist. 
Auch in B.’s Falle, wo man der Pat. den unveränderten Milzrest erhalten wollte, 
wäre durch Splenektomie der tödliche Ausgang wohl vermeidbar gewesen. 

Zum Schluß Literaturverzeichnis von 57 Nummern. 

Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


48) V. Brunzl. Über einen durch Operation geheilten Fall von groß- 
knotiger Lebertuberkulose. (Aus der chir. Abteilung des k. k. Kranken- 
hauses Wieden in Wien. Prof. J. Schnitzler.) 
(Münchener med. Wochenschrift 1%8. Nr. 9.) 


Der 21jährige, erblich nicht belastete, früher an Kniegelenks- und Hüftgelenks- 
entzündung sowie an Lymphomata colli erkrankt gewesene Pat. wurde wegen seit 
über 1 Jahr bestehender, nur vorübergehend gebesserter, schließlich andauernder 
und jeglicher operativen Therapie trotzender Schmerzen in der vergrößerten, am 
freien Rande höckerigen Leber operiert. Eine längere Jodkur hatte nach dem 
Probebauchschnitt, der harte, kreidige Geschwülste im rechten Leberlappen ergeben 
und vorübergehende Linderung gebracht hatte, nur kurze Zeit Erfolg gehabt; 
dann traten — bei gleichzeitigen auf Tuberkulose verdächtigen Lungenerscheinun- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 933 


gen — erneut heftige Leberschmerzen auf, die auch durch eine antisyphilitische 
Behandlung nicht gemildert wurden. Deshalb Operation und stückweise Auslösung 
einer ca. mannskopfgroßen Geschwulst mit nachfolgender Tamponade mittels in 
Adrenalinlösung (30 Tropfen : 10 ccm physiologischer Kochsalzlösung) getränkter 
Gaze; die Blutung war beträchtlich, so daß Kochsalzinfusionen nötig wurden. Nach 
Abstoßung eines Lebersequesters langsame Heilung; Pat. noch 1 Jahr nach der 
Operation frei von Beschwerden. Die Untersuchung — siehe die genaue Be- 
schreibung im Original — ergab u. a. Epitheloidzellherde mit Riesenzellen, aller- 
dings ohne Tuberkelbazillen, bei reichlicher Bindegewebsentwicklung, die für Lues 
verdächtig erschien. Kramer (Glogau). 


49) Lieblein. Klinische Beiträge zur Talma-Drummond’schen 
Operation. 
(Mitteilungen a. d. Grenzgebieten d. Medizin u. Chirurgie Bd. XVIII. Hft. 5.) 


L. berichtet über die Erfahrungen der Wölfler’schen Klinik; in 15 Fällen 
wurde bei Lebercirrhose operativ eingegriffen. 

Dreimal bestand der Eingriff lediglich in einer Probelaparotomie, weil ent- 
weder das Netz so geschrumpft war, daß seine Befestigung an der vorderen Bauch- 
wand unmöglich war, oder bereits zahlreiche Verwachsungen zwischen Netz, Leber 
oder Milz mit der vorderen Bauchwand vorhanden und die Kollateralen in der 
vorderen Bauchwand schon stark ausgeprägt waren. 

In zwölf Fällen wurde die Talma’sche Operation ausgeführt, und zwar: 

1) Dreimal Befestigung des Netzes an die vordere Bauchwand und supra- 
pubische Drainage; 

2) einmal Festlegung eines Netzzipfels zwischen Zwerchfell und Leber, eines 
anderen Zipfels am Peritoneum parietale der vorderen Bauchwand, gleichzeitig 
suprapubischer Schnitt zur Entleerung des Ascites; 

3) in vier Fällen die intraperitoneale Befestigung des Netzes an der vorderen 
Bauchwand ohne suprapubische Drainage; 

4) in einem Falle Befestigung des Netzes in einer Tasche, die durch Abpräpa- 
rieren des Peritoneum parietale von der vorderen Bauchwand geschaffen wurde; 

6) in drei Fällen die Operation nach Narath, extraperitoneale Befestigung 
des Netzes in einer Tasche, die durch Abpräparieren der Bauchhaut gewonnen 
wurde; in einem derselben sah man sich jedoch genötigt, nachträglich die typische 
intraperitoneale Befestigung des Netzes auszuführen. 

Von diesen Pat. starben vier an der Operation: zwei mit suprapubischer Drai- 
nage an Peritonitis — diese Methode wird daher verworfen, zwei an Auseinander- 
platzen der Bauchnaht am 12. bzw. 14. Tage nach der Operation. — Da nun noch 
ein Fall 3 Tage nach der Entlassung an kruppöser Pneumonie zugrunde ging, 
bleiben sieben Fälle übrig zur Beurteilung des Wertes der Operation. Von diesen 
war bei zweien ein Erfolg überhaupt nicht aufzuweisen, bei zweien ein vorüber- 
gehender, dagegen ein eklatanter Erfolg bei dreien, hier ergab die Nachunter- 
suchung nach 22, bzw. 18, bzw. 13 Monaten Ausgebliebensein des Ascites und 
Arbeitsefähigkeit. Dies wäre also auf zwölf Fälle Talma’scher Operation ein 
Heilungsprozent von 25%, das ungefähr mit den anderseitig gemachten Erfah. 
rungen übereinstimmt. 

Worauf es beruht, daß die Operation bald sehr günstig, bald gar nicht wirkt, 
ist noch nicht klar zu erkennen; es scheint aber, daß der auf Lues hepatis be- 
ruhende Ascites nicht günstig für die Operation ist, daß ferner wohl in manchen 
Fällen der Ascites bei Cirrhose nicht auf Stauung, sondern auf daneben bestehender 
chronischer Peritonitis beruht. 

Wenn demnach die Erfolge noch nicht glänzende zu nennen sind, so ermutigen 
sie doch zum Fortschreiten auf dem begonnenen Weg operativer Versuche. Von 
denselben erscheint die Narath’sche Methode der Netzbefestigung als die leistungs- 
fähigste. Haeckel (Stettin). 


934 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 


50) Dreesmann. Beitrag zur Kenntnis der kongenitalen Anomalien 
der Gallenwege. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCH. p. 401.) 


D. begegnete folgenden zwei seltenen Anomalien der Gallenwege: 1) Hoch- 
gradige Erweiterung des Choledochus. 24jährige Frau, die seit ihrer 
Geburt wiederholt an schweren Kolikanfällen unter Auftreten von Ikterus gelitten 
hatte. Auch bei der Krankenhausaufnahme bestand intensiver Ikterus, Fieber und eine 
faustgroße, sehr druckempfindliche Geschwulst unter der Leber, die als Echinokokkus 
angesprochen wurde. Bei der Laparotomie fand man eine erweiterte Gallenblase und 
eine bei weitem erheblichere, cystenartige, bis an Wirbelsäule und Zwerchfell 
reichende Dilatation des Choledochus. Beide Organe entleerten bei Punktion bzw. In- 
zision schleimig-eiterige Flüssigkeit und wurden drainiert. Hierauf folgte Abfieberung 
und Hebung des Befindens, doch wich der Ikterus nicht, und fand aus dem er- 
weiterten Choledochus dauernd GallenflußB von 1—1!/, Liter täglich statt. D. 
versuchte deshalb nach ca. 3 Monaten durch eine zweite Operation, den Gallenfluß 
ins Duodenum zu leiten, indem er dieses mit dem Choledochus mittels eines Drains 
anastamosierte. Der Verlauf war anfünglich gut, doch trat am 3. Tage der Tod 
durch Herzkollaps ein. Bei der Sektion fand sich die kolossale Choledochusdila- 
tation wieder vor, wobei aber die Einmündung des Cystiticus in den Choledochus 
und vom Choledochus in den Darm frei war. D. fand fünf Fälle in der Literatur, 
die seinem sehr ähnlich sind, auch sämtlich Frauen betreffen. Die Entstehung 
dieser gewaltigen Dilatationen, die, wie die klinischen Daten lehren, erst im Lauf 
langer Jahre zustande kommen, möchte D. durch die Annahme einer angeborenen 
Schwäche bzw. übergroßen Nachgiebigkeit der Choledochuswand erklären, die bei 
Eintritt eines erstmaligen katarrhalischen Ikterus zunächst eine geringe, aber 
dauernde Dehnung des Gallenganges hinterläßt. Diese Dehnung nimmt bei 
späteren Ikterusanfällen zu, und ist weiter zu vermuten, daß sich eine klappenartige 
Wandfaltung mit Gallenstauung einstellt, ähnlich den anatomischen Verhältnissen 
bei Hydronephrosen. Der klinische Verlauf dieser Fälle ist stets so gleichmäßig, 
daß für den, der damit bekannt ist, die Diagnose der Choledochusdilatation un- 
schwer gelingen muß; die bisherigen Operationsversuche haben noch keine Erfolge 
gehabt. D. schlägt folgenden Heilplan vor. Da eine gewöhnliche Choledocho- 
Duodenostomie die Gefahr einer Infektion der Choledochuscyste bringen würde, 
soll das Duodenum vom Magen abgetrennt, die Abtrennungsstelle beiderseits ge- 
näht werden, dazu Gastroenterostomie und breite Anastomose zwischen Chole- 
dochuscyste und Duodenum. Die Operationen können zweizeitig gemacht werden. 
2) Doppelbildung des CUysticus. Eine solche fand D. gelegentlich einer 
Cholecystektomie. Die beiden Cystici, keinerlei Unterschiede zeigend, vereinigten 
sich oberhalb des Choledochus. Das Vorkommen dieser Mißbildung ist bereits 
bekannt. Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


51) L. Arnsperger. Diagnose und Therapie der akuten Cholcystitis. 
(Med. Klinik 1908. p. 353.) 

Die Heidelberger chirurgische Klinik ist mit Kehr der Ansicht, daß jedem 
Gallensteinanfall eine bakterielle Infektion und Sekretstauung in der Gallenblase 
oder in den Gallengängen zugrunde liegt. Auffällig häufig trat der »erste Anfall« 
in der Wochenbetts-, einige Male schon in der Schwangerschaftszeit auf (Lagever- 
änderung der Unterleibsteile und Abflußbehinderung der Galle durch die ver- 
größerte Gebärmutter?). Die Diagnose wird noch oft verfehlt; unter 36 Fällen akuter 
Cholecystitis, die 1904—1907 in Heidelberg zur Operation kamen, wurden 28 v.H. 
mit falscher Diagnose (meist akute Wurmfortsatzentzündung) eingeliefert. Der 
akute schwere Anfall ist zunächst mit Bettruhe, warmen Umschlägen oder Eis- 
blase, etwas Morphium, vorsichtigen Kamillen- oder Öleingüssen, flüssiger Kost, 
Kochsalzwassereinläufen in den Mastdarm oder unter die Haut zu behandeln. Es 
muß im akuten Anfall operiert werden: 1) wenn die Heftigkeit oder das Fort- 
schreiten der Erkrankung (schwere peritonitische oder cholangitisch-septische An- 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 935 


zeichen) das Leben bedroht, 2}; wenn das Leiden nach 4—G6tägiger innerlicher Be- 
handlung nicht deutlich zurückgeht. Die zweckmäßigste Operation im Anfall ist 
die Cystektomie, gegebenenfalls mit Hepaticusdrainage. Fast bei allen Fällen läuft 
trotz der Abbindung des Cysticus nach einigen Tagen Galle in den Verband, wohl 
weil der Cysticusstumpf abschwillt und sich der Faden dadurch lockert. Von den 
obigen 36 Operierten starben 24 v.H., darunter 3 von 12 Cholecystostomierten, 
1 von 12 Cholecystektomierten, 3 von 6 Kranken, bei welchen Cholecystektomie 
und Hepaticusdrainage ausgeführt worden war. Georg Schmidt (Berlin). 


52) F. Fink. 400 Gallensteinkranke des Jahres 1906. 
(Med. Klinik 1908. p. 410.) 

Im wesentlichen zahlenmäßige Abwertung der an 400 in Karlsbad innerlich 
behandelten Gallensteinkranken gemachten klinischen Beobachtungen. Es wird 
auch den Chirurgen interessieren, zu hören, daß die Kur einen guten Erfolg bei 
88,71 v. H., einen teilweisen Erfolg bei 8,53 v. H. (zusammen Erfolg bei 97,25 v. 
H.), keinen Erfolg bei 2,74 v. H. erzielte. Georg Schmidt (Berlin). 


53) Schemmel. Ein kleiner Beitrag zur Gallensteinchirurgie. 
(Med. Klinik 1908. p. 630.) 

Auf Grund eines eigenen Erfolges wird Kehr’s Vorschlag empfohlen, lippen- 
förmige Gallenfisteln durch Ablösung der Gallenblase von der Bauchwand und Ver- 
nähung des angefrischten Gallenblasenloches zu schließen. 

In das Hepaticusdrain wird ein Auge eingeschnitten, das der Lichtung des 
Choledochus gegenüber zu liegen kommt, so daß die Galle auch nach dem Darme 
zu abfließen kann. Nach Abtragung der Gallenblase können mit Vorteil zur 
Deckung von Defekten im verengten und gespaltenen Hepaticus die Lappen des 
aufgeschnittenen Cysticusstumpfes verwendet werden. Krankengeschichte. 

Georg Schmidt (Berlin). 


54) A. Volmer. Ein Adenofibrom in der Wand des Ductus chole- 


dochus. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVI. Hft. 1.) 

Der vorliegende Fall ist durch seine Seltenheit bemerkenswert. Bei der Ope- 
ration eines Choledochusverschlusses fand man als Ursache ein Adenofibrom in der 
Wandung dieses Gallenganges. Der Choledochus wurde bis ins Duodenum hinein 
gespalten und dann in der Ausdehnung der Geschwulst reseziert. Das obere Ende 
wurde alsdann mit dem unteren und dem Duodenum vereinigt. Leider ging Pat. 
zugrunde. Die Choledochusresektion ist bisher nur viermal ausgeführt worden, 
von Kehr, Doyen und Rotter. E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


55) C. Watson. The clinical value of the pancreatic reaction in the 
urine, based on over 250 analyses. 
(Brit. med. journ. 1908. April 11.) 

Die 250 Untersuchungen der 1904 von Cammidge angegebenen Pankreas- 
reaktion des Urins erstrecken sich auf 120 Fälle der verschiedensten Erkrankungen. 
Sie beweisen, daß in der Tat Pankreaserkrankungen in einer bestimmten und be- 
deutungsvollen Beziehung zur Reaktion stehen, und daß die Probe ein Hilfsmittel 
zur Erkennung von Pankreasveränderungen darstellt, aber nur im Verein mit der 
ganzen übrigen Symptomatologie. Weber (Dresden). 


56) Strauss. Die Erkrankungen und Verletzungen der Bauchspeichel- 
drüse in der Armee von 1894 bis 1904. 
(Deutsche militärärztl. Zeitschrift 1908. Hft. 8.) 
Innerhalb des Zeitraumes von 1894-1904 fand S. in den Armee-Sanitäts- 
berichten die nachfolgenden Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse bei Soldaten. 
Fünf Pankreascysten, von welchen zwei mit Erfolg operiert wurden und drei die 


936 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 


Operation verweigerten. Sieben Pankreaskarzinome und ein Sarkom, von welchen 
letzteres mit zahlreicher Metastasenbildung rasch tödlich endigte. Chronische Ent- 
zündung kam einmal, hämorrbagische zweimal vor; letztere beiden Fälle wurden 
leider ohne Erfolg operiert. Bei ausgedehnter Unterleibstuberkulose wurde in einem 
Falle auch die Bauchspeicheldrüse von zahlreichen miliaren Knötchen durchsetzt 
angetroffen. Endlich sind noch drei Sektionen erwähnt, bei welchen durch Magen- 
und Darmgeschwüre das Pankreas schwer geschädigt war. Pankreasverletzungen 
beobachtet man in der Armee häufiger, innerhalb der 10 Jahre kamen drei Fälle zur 
Beobachtung, von denen zwei tödlich endigten. Die Diagnose der Pankreasver- 
letzungen ist sehr schwer vor der Laparotomie zu stellen. 
Herhold (Brandenburg). 


67) W. Rindfleisch. Kasuistischer Beitrag zur Kenntnis der Stein- 
bildung im Pankreas. 
(Mitteilungen a. d. Grenzgebieten der Medizin u. Chirurgie Bd. XVIII. Hft. 5.) 


Zwei Fälle aus der Lichtheim’schen Klinik, in denen die Autopsie Vor- 
handensein von Pankreassteinen ergab, ohne daß im Leben die Diagnose darauf 
gestellt worden war. R. erörtert die Schwierigkeit der Diagnose, die hauptsächlich 
darauf beruht, daß einmal in dem komplizierten Verdauungsmechanismus sämt- 
liche Rollen doppelt besetzt sind, und deshalb auch der Ausfall der wichtigsten 
Verdauungsdrüse unter Umständen ohne deutlichen Einfluß auf den Ablauf der 
Darmverdauung bleiben kann, also die allgemeinen Pankreaserscheinungen völlig 
fehlen können, daß sodann die speziellen Steinsymptome, besonders die Schmerzen, 
fehlen können oder, wenn vorhanden, schwer von den so viel häufigeren Bauch- 
koliken anderen Ursprunges zu unterscheiden sind. Retrospektiv kommt R. bei 
genauer Analyse aller Symptome zu dem Resultat, daß die Fehldiagnose in beiden 
Fällen unvermeidlich war, und so wird es uns in der Pankreaspathologie noch 
häufiger gehen. Haeckel (Stettin). 


68) Hall. Cyst of the pancreas. 
(Surgery, gynecology and obstetrics 1908. VI. 4.) 


Bei einer 42jährigen Frau hatte sich zufällig 10 Jahre früher eine kleine Ge- 
schwulst gefunden, die sehr langsam wuchs. Während vor Existenz der Geschwulst 
zahlreiche Wochenbetten fieberfrei verlaufen waren, hatte Pat. seitdem stets 4 bis 
5 Wochen lang Fieber, und nach der letzten Entbindung erholte sie sich überhaupt 
nicht mehr, sondern kam in einen Zustand chronischer Sepsis, der sie aufs äußerste 
herunterbrachte. Gleichzeitig war die Geschwulst stark gewachsen, hatte zur Zeit 
der Operation die Größe des Uterus im 3. Monat. Sie lag mitten im Leibe, reichte 
ca. 10 cm über den Nabel und hatte keinen Zusammenhang mit dem Uterus, 
fluktuierte und wurde für ein septisch infiziertes Kystom gehalten. Bei der Operation 
fand sich ihre gesamte Oberfläche mit der Bauchwand verwachsen, ihre Farbe war 
leberbraun. Nach Punktion entleerte sich schokoladebraune, stinkende Flüssigkeit. 
Während der vordere Teil der Geschwulst sich verhältnismäßig leicht ablösen ließ, 
bereiteten die tiefen Lagen durch die oft dünne und sehr zerreißliche Wand große 
Schwierigkeit. Schließlich fand man, daß die Geschwulst retroperitonealen Ursprung 
hatte und vom Pankreas ausging. Die Kranke erholte sich nur sehr langsam. — 
H. hält die Cyste für eine Retentionscyste des Pankreas, die durch irgend eine 
Ursache, vielleicht im Zusammenhang mit den Wochenbetten, infiziert wurde. 
Ungewöhnlich ist das sehr langsame Wachstum. Trapp (Bückeburg). 





Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdruoke wolle man 
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden. 





Für die Redaktion verantwortlich: Geb. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau. 
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. 


Zentralblatt für Chirurgie 


herausgegeben von 


K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER, 


in Bonn, in Berlin, in Breslau. 
35. Jahrgang. 
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG. 





Nr. 31. | Sonnabend, den 1. August 1908. 





Inhalt. 


P. Sick, Zur Behandlung septischer und pyämischer Allgemeininfektion. (Original-Mitteilung.) 

1) Leser, Allgemeine Chirurgie. — 2) Lerda, Präventivimpfung gegen chirurgische Infektionen. 
— 3) Schwarz, Traumatische Neurose eine epidemische Volkserkrankung. — 4) Ehrhardt, Gummi- 
. zusatz zum Lumbalanästhetikum. — 5) Hermann, Gehirn und Schädel. — 6) Jianu, Lumbal- 
punktion bei Schädelbrüchen. — 7) Knapp, Hirngeschwülste — 8) Yonge, Nervenresektion bei 
Heufieber. — 9) Meyer, Angina ulcero-membranosa. — 10) Massabuau, Speicheldrüsengeschwülste 
— 11) Klemm, Basedow’sche Krankheit. — 12) Fraenkel, Kehlkopfverknöcherung. — 13) Vaquez, 
Gaseinspritzungen bei Pleuritis. 

De Witt Stetten, Zur Frage der sog. »Madelung’schen Deformität« des Handgelenkes, mit 
besonderer Rücksicht auf eine umgekehrte Form derselben. (Originalmitteilung.) 

14) Hochenegg, Klinischer Jahresbericht. — 15) Tetsuo Miyata, Skalpierung. — 16) Kaplan, 
17) Barker, Otogene Meningitis. — 18) Thomas u. Cushing, Gehirncyste. — 19) Koch, 20) Morris, 
21) Garrö, Verbesserung von Gesichtsformen. — 22) Bogoljuboff, Adenoma adamantinum. — 
23) Levinger, Behaarter Rachenpolyp. — 24) Gorochow, Spina bifida. — 25) Wirschubski, Spon- 
dylitis typhosa. — 26) Dobromyssloff, Geschwülste der Carotisdrüse. — 27) Severeanu u. Jianu, 
Unterbindung des Ductus thoracicus. — 28) Hinrichs, Thymusschwellung. — 29) Delore und 
Chalier, 30) Cook, Kröpfe. — 31) Kan, Kehlkopfluftsäcke. — 32) Hansberg, Membranbildung des 
Kehlkopfes. — 33) Bloch, Gonorrhoische Entzündung eines Kehlkopfgelenkes. — 34) Möller, Kehl- 
kopftuberkulose. — 85) Jacson, 386) Markuson, 87) Ingals, Fremdkörper in den Luftwegen. — 
88) Vidal, Überdruckapparat. — 39) Delorme, Lungenschußwunden. 

F. Franke, Zu der vorläufigen Mitteilung von Stabsarzt Dr. Momburg: »Künstliche Blut- 
leere der unteren Körperhälfte« in Nr. 23 d. Bl. 

Berichtigung. 





Aus der chirurgischen Abteilung des Diakonissenkrankenhauses 
in Leipzig. Chefarzt Dr. P. Sick. 


Zur Behandlung 
septischer und pyämischer Allgemeininfektion. 
Von 
P. Sick. 


or Jahresfrist hatte ich Veranlassung an der Hand einiger schwerster 

Phlegmonefälle! davor zu warnen, daß bei solchen ja glücklicher- 
weise seltenen stürmisch verlaufenden Prozessen durch Bier’sche 
Stauung die letzten Stunden versäumt werden, in denen durch die 
alte radikale Therapie breitester Freilegung, eventuell Exzision oder 
Amputation der Herde noch Heilung erzwungen werden kann. In 
solchen Fällen tritt aber auch die Allgemeininfektion so frühzeitig 


1 Grenzgebiete für Bier'sche Stauung. Deutsche med. Wochenschrift 1907. 
Nr. 25. p. 997 ff. 


31 


938 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 


in den Vordergrund des Bildes, daß neben dem chirurgischen Vor- 
gehen die Bekämpfung der Blutinfektion oder schon in den Lungen, 
Nieren lokalisierter Herde erforderlich wird. Außer den längst be- 
währten Kochsalzeinläufen (intravenös, subkutan, protrahiert ins Rektum) 
besitzen wir immer noch kein zuverlässiges Mittel, zumal wenn es 
gegen verschiedene Infektionen wirksam sein soll. Erst kürzlich hatte 
ich wieder Gelegenheit, die Unwirksamkeit des Streptokokkenserums, 
der Nukleinpräparate, des Collargols an einem Manne zu erproben, 
der eine 7Twöchige Streptokokkensepsis und Pyämie, ausgehend von 
einer Handphlegmone, überstand. Das Ausbleiben der Reaktion in 
manchen Fällen bakteriologisch bekannter Infektion dürfte doch 
mehr beweisen, als eine Anzahl scheinbar durch Collargol und ähn- 
liches Gebeilte, die sich klinisch ebenso schweren ohne Blutantiseptika 
Geheilten an die Seite stellen. Die neueste Errungenschaft in der 
Bekämpfung eitriger Prozesse, die Antifermentbehandlung nach 
Eduard Müller und A. Peiser-Breslau, eignet sich offenbar ähn- 
lich wie die Bier’sche Stauung bis auf weiteres auch nur für leichtere 
zur Abszeßbildung neigende Herderkrankungen. Hier leisten sie ge- 
wiß beide konservativ vorzügliches. 

Dagegen habe ich im letzten Jahr in dem Jodipin, einer 
chemischen Verbindung des Jodes mit Sesamöl, das von E. Merck, 
Darmstadt, in verschiedener Konzentration hergestellt wird und bis- 
her wesentlich als reizloser und sehr wirksamer Ersatz für Jodkalium 
Verwendung fand, ein Mittel kennen gelernt, das stets eine Reaktion 
in günstigem Sinne gerade bei den schwersten septischen Infektionen 
herbeiführte. In allen Fällen trat mit der Herabsetzung der Tem- 
peratur eine auffallend rasche Hebung des Allgemeinbefindens ein. 
Direkt ausschlaggebend erschien das Jodipin zumal in einem Falle 
schwerster Sepsis, der lokal außer dem schmutzigen streptokokken- 
haltigen Belag der kleinen auswärts genähten Armwunde keine Reak- 
tion zeigte, dagegen Ikterus, euphorische Delirien, große Infiltrate 
beider Lungen mit Streptokokken im Auswurf. Collargol blieb ohne 
Einfluß. Aber nach 3maligen Subkutangaben von 25 %igem Jodipin, 
einmal 10 ccm, zweimal 5 ccm, war das Befinden in 3 Tagen zur 
Norm zurückgekehrt. Die Verdichtungen in den Lungen hellten sich 
sehr rasch auf und waren nach 10 Tagen nicht mehr nachweisbar. 
Nicht uninteressant sind auch Fälle, bei denen die lokale schwere 
Phlegmone zunächst trotz energischer Inzisionen noch Fortschritte 
macht und doch unter der Jodipinwirkung das Allgemeinbefinden 
schon eine entscheidende Wendung erkennen läßt. Die Erfahrungen, 
die wir bisher naturgemäß nur an verhältnismäßig wenigen Kranken 
haben erproben können, wobei außer Phlegmone auch Puerperalsepsis?, 


3 Hier erwies sich auch die Kombination von Jodipin mit größeren Antipyrin- 
gaben, welch letztere Curschmann empfiehlt, nützlich. Jedenfalls aber ist nicht auf 
die Anwendung von Kochsalzeinläufen mit und ohne Zusatz von Alkohol und 
anderen Reizmitteln zu verzichten, es sei denn, um an einigen Kranken die reine 
Judipinwirkung herauszustellen. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 939 


Anthrax, postoperative Pneumonie (nach Magenoperationen) mit Erfolg 
in den Versuchskreis gezogen wurden, wird Herr Dr. Elsässer nächstens 
in Bruns’ Beiträgen zur klinischen Chirurgie ausführlich veröffentlichen. 
Wir sind meist mit 2 bis 4 Einspritzungen, das erstemal 1O ccm, dann 
nach 12 bis 24 Stunden je nach Bedarf 5 ccm 25 giges Jodipin sub- 
kutan in Brust oder Oberschenkel, ausgekommen, doch sind öfter 
auch weit größere Mengen im Laufe von Wochen gegeben worden, 
ohne daß Intoxikationsandeutungen sich zeigten. Dabei ist das Jod 
schon nach wenig Stunden im Urin nachweisbar, und die Ausscheidung 
läßt sich monatelang verfolgen. Untersuchungen über die Beeinflussung 
der Blutzusammensetzung durch Jodipin stehen noch aus. Wahrschein- 
lich handelt es sich um eine Mobilisierung der Antikörper unter seiner 
Wirkung, nicht um direkte Antisepsis. 

Die vorstehenden kurzen Ausführungen bezwecken nicht, das 
Jodipin als Spezifikum gegen akute pyämische und septische Prozesse 
hinzustellen, sondern diejenigen, die bei diesen Erkrankungen von den 
bisherigen Hilfsmitteln nicht befriedigt sind, zur Nachprüfung aufzu- 
fordern, um die spärliche Erfahrung eines einzelnen zu verbreitern. 
Danach erscheint das Jodipin geeignet, das kleine Gebiet der Casus 
infausti noch um etwas zu verringern. 





1) E. Leser. Allgemeine Chirurgie in 50 Vorlesungen. 2. um- 
gearbeitete Auflage. 772 Seiten mit 240 teils farbigen Ab- 
bildungen im Text. 

Jena, Gustav Fischer, 1908. 

Der günstigen Meinung, welcher der Ref. bei Besprechung des 
Werkes nach seinem Erscheinen Ausdruck gab (Zentralblatt für Chi- 
rurgie 1906, p. 6), hat die Verbreitung, welche es in der Studenten- 
und Arztewelt gefunden hat, recht gegeben. Knapp nach 2 Jahren folgt 
der ersten Auflage die zweite. Der aufmerksame Leser wird finden, daß 
den Ausstellungen, an denen es von seiten der Kritik seinerzeit nicht ganz 
gefehlt hat, die aber zum großen Teil nur äußere Mängel, Fehler in 
der Anordnung des Stoffes usw., auch einiges Vergessene betrafen, 
vom Verf. mit Sorgfalt Rechnung getragen ist — es handelte sich ja 
auch um keinerlei Grundfragen, und die vom Ref. bei der ersten Be- 
sprechung gekennzeichnete Eigenart der Darstellung, welche den 
Schwerpunkt auf den soliden Unterbau Volkmann’scher Lehre 
gründete, ist in keiner Weise dadurch beeinträchtigt, der didaktische 
Wert aber noch gesteigert worden, ohne daß der Umfang allzusehr 
vermehrt zu werden brauchte. Doch erkennt man in den Ande- 
rungen unschwer, wie sich auch Verf. dem Fluß, in welchen Probleme 
der allgemeinen Chirurgie neuerdings geraten sind, im Anschluß an 
andere Forscher nicht hat entziehen können. Vor allem spielt die 
Bier’sche Hyperämielehre auf dem Gebiete der Behandlungserfolge 
eine immer mehr hervortretende Rolle. Auch der Wunsch nach 

31* 


940 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 


weiterer Ausgestaltung der Bibliographie ist jetzt in einem eigenen 
Kapitel erfüllt, worin »dem jungen Arzte Winke gegeben werden, wie 
er sich der Literatur gegenüber zu verhalten habe«. Die L.’sche all- 
gemeine Chirurgie ist auf dem besten Wege, sich einzubürgern, was 
im Wettkampf in der heutigen erfolgreichen Literatur auf gleichem 
Gebiet sicherlich nicht wenig bedeutet. Herm. Frank (Berlin). 





2) @. Lerda. Über die Prophylaxis der chirurgischen In- 


fektionen vermittels präventiver Impfungen. 
(v. Langenbeck's Archiv Bd. LXXXV. Hft. 4.) 

L. ist der Ansicht, daB wir auch mit der besten Asepsis die in- 
fektiösen Keime nicht immer vom Operationsgebiete fernhalten können. 
Er glaubt deswegen, daß ein Fortschritt in der Vermeidung von In- 
fektionen nicht durch Erfindung neuer antiseptischer Maßnahmen zu 
erzielen sei, sondern meint, daß das Ziel dadurch zu erstreben sei, 
daß man den Organismus gegen die Infektion mit den gewöhnlichen 
Eitererregern immunisiert. Es ist ihm selbst im Tierexperiment ge- 
lungen, durch Injektion von Gemischen aus sterilisierten Kulturen 
verschiedenartiger Staphylo- und Streptokokkenkulturen oder Einver- 
leibung von Endotoxinen derselben eine beträchtliche Immunität gegen 
diese Keime zu erzielen. Auch an Menschen hat Verf. einschlägige 
Versuche gemacht und kommt auf Grund seiner Beobachtungen zu 
dem Schluß, daß am besten Suspensionen von Bakterienleibern anzu- 
wenden seien. Obschon seine Versuche noch zu spärlich sind, um 
allgemeine Schlußfolgerungen zu gestatten, hält er es doch für ge- 
rechtfertigt, daß sich die Wissenschaft eifrig damit beschäftigt, zu 
eruieren, wie man den individuellen Widerstand gegen die häufigsten 
spezifischen Erreger der Sepsis erhöhen kann. 

E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


3) Schwarz. Die traumatische Neurose eine epidemische 
Volkserkrankung. 
(St. Petersburger med. Wochenschrift 1908. Nr. 18.) 

In seinem Vortrag berichtet Verf. über einige Kranke, bei welchen 
sich an eine geringfügige Verletzung eine schwere traumatische Neu- 
rose anschloß, die in Heilung ausging. Er schließt eine Erörterung 
der Frage an, wieso in Deutschland die Unfallneurosen so schlechte 
Prognose abgeben. Den Grund sieht er in unserer Unfallgesetzgebung. 
In etwas optimistischer Auffassung kommt er zum Schluß, daB bei 
einer Anderung unseres Unfallgesetzes, bei welcher die Segnungen für 
die wirklich Geschädigten erhalten blieben, die üblen Folgen vermieden 
würden, die traumatische Neurose in der Geschichte der Medizin als 
ein Beispiel übrig bleiben werde, wie durch staatliches Gesetz eine 
psychisch nervöse Epidemie zustande kommen könne. 

Deetz (Homburg v.d. H.). 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 941 


4) E. Ehrhardt (München). Über die Verwendung von 
Gummi als Zusatz zum Anästhetikum bei Lumbalanästhesie. 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 19.) 

E. hat zunächst an Kaninchen Versuche angestellt, bei denen 
eine von der Firma Merck gelieferte einwandsfreie Lösung von Gummi- 
arabikum mit einer 1%igen Lösung von Tropakokain benutzt wurde. 
Die Vorteile des Zusatzes von Gummi — 5—10—15% — bestanden 
in der Verminderung der toxischen Allgemeinerscheinungen infolge 
verlangsamter Resorption des Anästhetikums und weniger unmittelbaren 
Kontaktes desselben mit den nervösen Zentralorganen, sowie in der 
Verlängerung der anästhesierenden Wirkung. Auch bei Kälbern 
wurden diese Ergebnisse bestätigt; nur die Versuche mit 10% hoher 
Gummikonzentration nahmen einen eigenartigen Verlauf. Nach- 
dem in Beckentieflagerung die Punktion und Injektion vorgenommen 
war, trat Anästhesie der hinteren Extremitäten auf; beim Wechsel der 
Lagerung sprang die Anästhesie auf vordere Extremitäten, Hals und 
Kopf über, Bauch und Brust freilassend. Erst bei der darauffolgenden 
Flachlagerung trat Anästhesie auch dieser Region ein, so daß also 
totale Unempfindlichkeit bestand. — Die daraufhin mit Gilmer an 
Menschen gemachten Versuche ergaben im Anfang in bezug auf die 
Dosierung große Überraschungen, worüber noch gesondert berichtet 
werden soll. E. schildert nur einige in den gynäkologischen Kliniken 
ausgeführte Lumbalanästhesien mit Tropakokain-Gummilösung (0,4 bis 
1 ccm 5—10%iger Tropakokainlösung mit 1,5—2 cem 15 % iger Gummi- 
lösung, mit Liquor auf 10 ccm verdünnt), welche z. T. sehr günstig 
verliefen; die Anästhesie trat rasch auf, war meist total und dauerte 
etwa 1 Stunde. Mehrfach klagten die Pat. 1—2 Tage lang über 
Kopfschmerzen, einige hatten auch Temperatursteigerungen, aber 
niemals motorische Störungen. Die bei einer Demonstration am letzten 
Chirurgenkongreß vorgenommene Lumbalanästhesie hatte eine Meningitis 
zur Folge. 

Als Ergebnis seiner Beobachtungen empfiehlt E. die Verwendung 
eines 3%igen Gummizusatzes zu 1%iger Tropakokainlösung und die 
Vermeidung des Auskochens der Nadeln und Spritze in Sodalösung, 
die reizende Niederschläge in der Gummilösung veranlaßt. 

Kramer (Glogau). 


5) F. Hermann, a. o. Prof. der Anatomie an der Universität 
Erlangen. Gehirn und Schädel. Eine topographisch-anato- 
mische Studie in photographischer Darstellung. Mit 69 zum 
Teil mehrfarbigen Lichtdrucktafeln. 60 Mk. 
Jena, @. Fischer, 1908. 
Durch den hier angezeigten Atlas von H. ist die topographisch- 
anatomische Literatur um ein prachtvolles Werk bereichert worden. 
Auf 69 künstlerisch vorzüglich ausgeführten Tafeln erhalten wir 


942 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 


genaue, in natürlicher Größe gehaltene Darstellungen von der Lage des 
Gehirns und seiner Teile zu der Oberfläche des Schädels und damit 
Anschauungsbilder, die wissenschaftlich wie praktisch von größtem 
Werte sind. Die 69 Tafeln sind in sechs Gruppen geordnet: 1) Pro- 
jektion von oben (23 Tafeln); 2) Projektion von vorn (12 Tafeln); 
3) Projektion von hinten (15 Tafeln); 4) Projektion von lateral (12 Tafeln); 
5) Projektion der Gehirmventrikel auf das Schädelgewölbe (4 Tafeln); 
6) Verhältnis des Krönlein’schen Liniensystems zu dem Schädel- 
gewölbe, dem Großhirnrelief und dem Medianschnitte des Gehirns 
(3 Tafeln). Wo verschiedene Gebilde, wie Gehirnfurchen, Gefäße, 
Schädelnähte, auf demselben Bilde gleichzeitig dargestellt sind, ist 
von der Anwendung verschiedener Farben Gebrauch gemacht worden, 
so daß die Bilder ohne weiteres übersichtlich und verständlich sind. 
Die Methoden, die bei der Herstellung der Präparate, der photo- 
graphischen Originalaufnahmen und bei der Vervielfältigung ange- 
wendet wurden, zeugen von der großen Gewissenhaftigkeit, mit der 
H. zu Werke gegangen ist, und die zugleich eine Gewähr für die 
sachliche Zuverlässigkeit der Darstellungen bietet. In Anbetracht des 
Gebotenen ist der Preis als niedrig zu bezeichnen. 
E. Gaupp (Freiburg i. B.). 


6) I. Jianu (Bukarest). Einige Betrachtungen über die Lum- 


balpunktion bei Schädelbrüchen. 
(Spitalul 1908. Nr. 8.) 

Die Lumbalpunktion‘ spielt eine wichtige Rolle in der Diagnose 
der Schädelbrüche; ist die hierbei entleerte Flüssigkeit blutig tingiert, 
so kann fast mit Sicherheit ein Bruch des knöchernen Schädelgerüstes 
angenommen werden. Es kann aber vorkommen, daß man bei der 
einen Punktion eine klare, bei einer anderen eine blutige Flüssigkeit 
erhält, und hat der Verf. die Beobachtung gemacht, daß hierbei die 
Haltung des Pat. eine ausschlaggebende Rolle spielt, indem man 
positive Resultate hauptsächlich bei in sitzender Haltung vorgenom- 
menen Punktionen erhält. Auch ist es von Wichtigkeit, hierbei eine 
größere Menge zerebrospinaler Flüssigkeit (etwa 30 ccm) abfließen zu 
lassen, da die ersten Portionen, falls es sich um kleinere Mengen 
handelt, oft vollkommen klar sind. 

Eine weitere Vorsichtsmaßregel ist die, bei Vornahme mehrerer 
Punktionen dieselben von unten nach oben zu verschieben, damit nicht 
durch eine akzidentelle, der vorhergehenden Punktion zuzuschreibende 
Blutung eine Rotfärbung der Punktionsflüssigkeit bewirkt wird und 
dies zu Trugschlüssen Veranlassung gibt. E. Toff (Braila). 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 943 


7) A.Knapp (Halle). Fortschritte in der Diagnostik der Hirn- 
tumoren, aus der Kgl. Universitätsklinik für psychische und 
Nervenkrankheiten in Göttingen (Prof. Dr. Cramer). 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 19 u. 20.) 

K. geht davon aus, daß im Gegensatz zu den einer genauen 
Lokaldiagnose und einem operativen Eingriff am ehesten zugänglichen, 
im Bereiche der Gehirnzentren sitzenden Geschwülsten, deren Ent- 
fernung auch den Verlust des betreffenden Zentrums mit sich bringt, 
die in stummen oder indifferenten Gehirnprovinzen sich ausbreitenden 
Geschwülste für den Chirurgen ungleich verlockender sein müßten, da 
ihre Beseitigung keine dauernden Ausfallserscheinungen zur Folge hätte. 
In Anbetracht dessen, daß die Lokaldiagnose dieser Art von Gehirn- 
geschwülsten nur auf Grund von Fernsymptomen geschehen kann, be- 
zeichnet es K. als die Aufgabe des Neurologen, eine Gesetzmäßigkeit 
in der Gruppierung dieser F'ernsymptome nachzuweisen, gibt aller- 
dings zu, daß gerade bei deren Berücksichtigung die diagnostischen 
Fehlerquellen besonders zahlreich sein werden. Für die Geschwülste 
des Schläfenlappens hat er diesen Weg bereits mit Erfolg betreten, 
indem er — in einer früheren Arbeit — auf die Bedeutung der im 
Verlauf des Leidens auftretenden transitorischen Störungen im Oculo- 
motoriusgebiet, besonders von Ptosis und Mydiasis aufmerksam ge- 
macht, freilich nicht verschweigend, daß auch zuweilen Scheitellappen- 
erkrankungen mit ÖOculomotoriussymptomen einhergehen. — K. be- 
spricht sodann die verschiedenen Methoden für die Lokaldiagnose von 
Gehirngeschwülsten, die Verwertung von Schalleitungsveränderungen 
im Schädel, die er bei dicht unter dem Schädeldach sitzenden, durch 
Verkalkungen einen deutlichen Konsistenzunterschied gegenüber dem 
übrigen Schädelinhalt aufweisenden Herden nachweisen konnte, den 
Wert der Röntgenuntersuchung, die allerdings meist nur bei Mit- 
beteiligung der Knochen und bei Verkalkungen Aufschlüsse über den 
Sitz der Geschwulst geben würde, und schließlich die explorative 
Hirnpunktion nach Durchbohrung des unversehrten Schädels. Mit 
dieser letzteren Methode wurden in der letzten Zeit in der Hallenser 
Nervenklinik allein fünf Geschwulstfälle sicher erkannt und dadurch 
der Operation zugänglich gemacht. Das von K. dabei angewandte 
Verfahren, die Anwendung mehrfacher Punktionen zur Feststellung 
der Ausdehnung der Geschwulst, die Vermeidung von Gefäßverletzungen 
usw. werden vom Verf. ausführlich besprochen. Punktiert soll nur 
dann werden, wenn entschiedene lokaldiagnostische Anhaltspunkte 
durch die klinische Untersuchung gewonnen wurden. In der genannten 
Klinik wird die auf Grund der Punktionen erweiterte und modifizierte 
Diagnose dem Chirurgen schriftlich begründet mitgeteilt, während der 
Operation durch fortgesetzte, von pathologischen Anatomen im Opera- 
tionssaal selbst vorgenommene Untersuchungen der Charakter der 
exzidierten Gewebsstücke festgestellt, bis allseitig im gesunden Ge- 
webe operiert wird. Kramer (Glogau). 





944 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 


8) E.S. Yonge. The treatment of intractable hay fever 


and paroxysmal coryza by resection of the nasal nerve. 
(Lancet 1908. Juni 13.) 

Verf. empfiehlt in verzweifelten Fällen von Heufieber und nasalen 
Neurosen die Resektion des nasalen Astes des V. Nerven, die er in 
der Augenhöhle am Foramen ethmoidale anterius vornimmt. Die Er- 
folge, die Verf. den Pat. anfangs nur sehr vorsichtig in Aussicht zu 
stellen wagte, waren überraschend gute. Auch das dritte Symptom 
der Trias (Heufieber, intermittierende Coryza sind die beiden ersten), 
das Asthma, schwand, ein Beweis mehr, daß dieses als reine Reflex- 
neurose aufgefaßt werden muß. Nachuntersuchungen ergaben am 
Nasenseptum, an der Conjunctiva und an der Augenlid- bzw. Nasen- 
spitzenhaut verringerte Empfindung, doch keineswegs völlige An- 
ästhesie. 

Die folgende, der Arbeit entnommene Tabelle zeigt die Symptome 
des Heufiebers zusammen mit der Verteilung der nasalen Nerven. 










Symptome des Heuflebers. 
die die Irritationsreflexe des nasalen 
Nerven darstellen 


Zweige des nasalen Nerven Verteilung der Zweige 


Innerer Ast | Yorderer Teil des Septum a ne eb Ale 
Äußerer Ast Vorderer Teil der Außen-|[ od. geheilt durch Kauterisation 
wand der Nasenhöhle d.vorderen Nasenhöhlenpartien 


Infratrochlearer Ast |Caruncula lacrimalis, Con-|Jucken am inneren Canthus, Kon- 
junctiva, Tränensack,]| gestion d. Conjunctiva, Tränen- 
aut der Augenlider träufeln, Rötung u. Schwellung 

der Augenlider 


Ast zum Frontalsinus et d. Sinus fron-|Stirnkopfschmerz 
talis 
Vorderer Ast Nasenflügel und -Spitze |Rötung der Nasenflügel u. -Spitze 
Lange Ciliarnerven Ciliarmuskel 
hotophobi 
Ast zum Ciliarganglion| Iris, Cornea IP ae 


H. Ebbinghaus (Dortmund). 


9) A. Meyer (Berlin. Angina ulcero -membranosa sive 


necrotica und ihre Erreger (Plant-Vincent'sche Angina). 
(Sammlung klin. Vorträge Nr. 476/477.) 

Unter Berücksichtigung der umfangreichen Literatur und der an 
30 eigenen Fällen gesammelten Erfahrungen schildert M. die nekro- 
tische Angina, die von Bergener zuerst beobachtet, dann v. Strümpell 
ausführlich beschrieben und deren spezifische Infektion durch den 
Spindelbazillus und eine Spirochäte zuerst von Plaut erkannt worden 
ist; die Reinzüchtung dieser auch bei Stomatitis von Bernhein nach- 
gewiesenen Bakterien gelang Lewkowicz bzw. Mühlens, während 
Vincent erst etwas später über seine diesbezl. Versuche berichtet und 
eine Schilderung der Krankheit gegeben hat, wobei er auch die Rolle 
der »Symbiose fusospirillaire« bei anders gearteten Affektionen in Mund 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 945 


und Rachen usw. näher berücksichtigte. Die meist einseitig an einer 
Mandel auftretende, selten (M. beobachtete es zweimal) auf die Gaumen- 
bögen übergreifende Affektion beginnt bei Kindern ziemlich akut, bei 
Erwachsenen gewöhnlich schleichend und zeigt einen gutartigen Ver- 
lauf, der mit den schweren Veränderungen an den Mandeln, der 
Drüsenschwellung und dem Foetor ex ore kontrastiert. Solange die 
Krankheit fortschreitet, überwiegen die Spindelbazillen und Spiro- 
chäten absolut im Abstrich, um erst bei Nachlassen der Erscheinungen 
die Begleitbakterien (Strepto- und Staphylokokken, Diphtheriebazillen 
usw.) mehr hervortreten zu lassen. M. schildert eingehend die bak- 
teriologischen Befunde, das Vorkommen der Krankheit, ihr sporadisches 
und gruppenweises Auftreten, ihr klinisches Bild, die Affektionen, bei 
denen gleichfalls die Symbiose fusospirillaire gefunden wird (Hospital- 
brand, Stomacace, Stomatitis mercurialis, die Noma usw.), die Kom- 
plikationen und Diagnose, zu deren Sicherung die mikroskopische 
Untersuchung notwendig ist, um bei der Besprechung der Differential- 
diagnose den Unterschied im klinischen Bild und Verlauf namentlich 
gegenüber der Diphtherie näher zu beleuchten. Auch auf die Unter- 
scheidung gegen den harten Schanker der Mandel wird hingewiesen. 
— In therapeutischer Beziehung empfiehlt M. vor allem die örtliche 
Behandlung mit Weasserstoffsuperoxyd. 

Der die Literatur sorgfältig berücksichtigende Vortrag darf be- 
sonders willkommen geheißen werden. Kramer (Glogau). 





10) Massabuau. la structure histologique et l’origine em- 


bryonnaire des tumeurs mixtes des glandes salivaires. 
(Revue de chir. XXVII. ann. Nr. 10 u. 12.) 

So wenig Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Klinik und 
Behandlung der gemischten Geschwülste der Speicheldrüsen bestehen, 
so strittig ist noch ihre Struktur und Genese. Die epithelial-drüsige, 
hauptsächlich in Frankreich von Malherbe und Berger vertretene 
und die in Deutschland verbreitete endotheliale Auffassung stehen sich 
schroff und unvermittelt gegenüber. Demgemäß scheiden sich auch 
die Ansichten über die Genese dieser Geschwülste. 

M. hat nun sehr sorgfältig vier gemischte Geschwülste der Parotis, 
eine der Submaxillaris und eine der Gaumensegeldrüsen untersucht 
und in seinen Fällen stets nachweisen können, daß die Zellhaufen 
sowie die wirklichen und scheinbaren Drüsen (Zellhaufen mit zentraler 
Degeneration) sicher aus Epithelzellen bestehen. Selbst einzelne, an 
der Peripherie der zusammenhängenden Zellmassen isoliert gelegene 
Zellen lassen sich in dünnen, gut gefärbten Schnitten durch ihren 
chromatinreichen Kern und ihr reichliches, scharf begrenztes, nach 
van Gieson orange gefärbtes Protoplasma stets noch als Epithelzellen 
erkennen und dürfen daher nicht als Bindegewebszellen, die zu den 
komplexen Zellhaufen überleiten, angesehen werden. Ein Gleiches 
gilt von den Zellhaufen, die sich in Lymphspalten oder -gefäßen finden. 


81*+* 


946 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 


Die typischen Acini und Ausführungsgänge lassen selbstverständlich 
gar keinen Zweifel an ihrer epithelialen Abkunft zu. 

Die Annahme der Entstehung der gemischten Speicheldrüsen- 
geschwülste aus dem Drüsengewebe selbst hält M. indes nicht für 
genügend, um ihren komplizierten Aufbau zu erklären. Die zunächst 
sehr bestechende Ableitung vom Kiemenapparat (Cuneo, Veau) läßt 
bei den gemischten Geschwülsten der Lippen-, Wangen- und Gaumen- 
segeldrüsen im Stich und erklärt auch nicht die drüsigen und adeno- 
matösen Formationen der Geschwülste. 

M. schließt sich deshalb der Ansicht Wilms’ an, welcher die 
Geschwülste auf ektomesodermale, zunächst latent bleibende Ab- 
sprengungen bei der embryonalen Anlage der Speicheldrüsen zurück- 
führt. Sie gilt auch für andere drüsige Organe (Niere, Hoden, Eierstock, 
Schilddrüse und Pankreas); und erklärt am besten die verschiedenen 
Anordnungen des Epithels, das sich natürlich in derselben Richtung 
differenzieren kann wie im Drüsenkeim selbst. Ebenso ist die Poly- 
morphie des Geschwulststromas bei Zugrundelegung embryonalen 
Bindegewebes ohne weiteres verständlich. 

M. hält es nicht für ausgeschlossen, daß derartige embryonale 
latente Speicheldrüsenkeime in embryonalen oder fertigen Speicheldrüsen 
aufgefunden werden, womit die Theorie Wilms’ exakt bewiesen wäre. 

Gutzeit {Neidenburg). 


11) P. Klemm. Die operative Therapie des Morbus 
Basedowii. 
(v. Langenbeck's Archiv Bd. LXXXVI. Hft. 1.) 

K. ist es vornehmlich daran gelegen, den Begriff der Basedow- 
schen Krankheit festzustellen und besonders gegen die Struma vas- 
culosa und (die sog. Formes frustes abzugrenzen. Nach seiner Ansicht 
wird dem Basedow durch die vaskulösen Symptome sein eigenartiges 
Gepräge verliehen. Er konnte die letzteren bei seinen sämtlichen 
Fällen konstatieren, insofern er immer Vergrößerung, Pulsation, 
Schlängelung der Gefäße und vielfach auch Pulsation der ganzen 
Drüse vorfand. In einer Reihe von Fällen fanden sich diese Ver- 
änderungen des Gefäßsystems nur an einzelnen Arterien, bei den 
schwersten Pat. aber auch an allen. Jedoch nicht nur an der Schild- 
drüse treten beim Basedow vaskulöse Störungen auf, sondern auch in 
den übrigen Körperabschnitten, und die Schwere der Erkrankung hat 
ihren Gradmesser im allgemeinen in der Ex- und Intensität der vas- 
kulösen Zeichen. 

Verf. hat 32 Fälle operiert und bei allen durch Exzision der 
erkrankten Schilddrüsenhälfte Heilung von der Operation erzielt. War 
die ganze Drüse erkrankt, so wurden die Gefäße der bleibenden Hälfte 
unterbunden. Der Eingriff wurde stets ohne Allgemeinnarkose aus- 
geführt. Eine Beziehung zwischen der Größe des Kropfes und 
Schwere der Erscheinungen bestand nicht. Es gab schwere Fälle mit 
kleinem Kropf und umgekehrt. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 947 


K. sieht die Basedowerkrankung als eine Vergiftung an, die 
durch toxische in der Schilddrüse gebildete Substanzen hervorgerufen 
wird. Der Anschauung anderer Autoren, daß eine Veränderung des 
Greefäßnervensystems das Primäre sei, kann er nicht beitreten. Wahr- 
scheinlich haben diese toxischen, in ihrer Natur noch unbekannten 
Stoffe eine elektive Wirkung auf die Gefäße; daß sie am meisten auf 
die Schilddrüsengefäße Einfluß ausüben, ist aus der stärkeren Kon- 
zentration am Ort des Entstehens zu erklären. 

Von einer Heilung des Basedowleidens spricht K. dann, wenn die 
Zeichen der krankhaften Vaskularität geschwunden sind und der 
Kranke sein psychisches Gleichgewicht so weit wiedergefunden hat, daß 
er den Anforderungen des Lebens gerecht werden kann. Auf der 
Höhe eines Anfalles zu operieren, wurde vermieden. Bei solchen 
Fällen wurde durch kühle Halbbäder zum Eingriffe vorbereitet. Von 
27 Pat., die weiter beobachtet werden konnten, liegt bei 25 ein gutes 
Dauerresultat vor. Bezüglich der Indikationsstellung zum Eingriff 
äußert sich K. dahin, daß derselbe vorgeschlagen werden darf, sobald 
die Diagnose gestellt ist. = E. Biegel (Frankfurt a. M.) 


12) Fraenkel. Über die Verknöcherung des menschlichen 
Kehlkopfes. 
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII. Hft. 3.) 

Auf Grund der Untersuchungen an nahezu 500 Kehlköpfen aller 
Lebensalter von Chievitz, Scheier, Bergeat und F. lassen sich 
bezüglich der Ossifikation des Kehlkopfes folgende Gesetze aufstellen: 

Die Ossifikation des Kehlkopfes ist ein durchaus normaler physio- 
logischer Vorgang, der seinen Anfang nimmt um die Zeit, wo das 
übrige Skelett im Abschluß seines Wachstums begriffen ist. 

Die ersten Kalkdepots fand man fast ausnahmslos beim männ- 
lichen wie beim weiblichen Geschlecht in den unteren Abschnitten des 
hinteren Randes des Schildknorpels, bald im Unterhorn selbst, bald 
in den an dieses oben angrenzenden Teilen. 

Unterschiede in der Ausbreitung der Verknöcherung bei den 
beiden Geschlechtern konnte Verf. erst in den höheren Dezennien 
nachweisen, in den jüngeren Jahren fehlen sie. 

Den von Chievitz und namentlich von Scheier als für die 
Össifikation des männlichen Schildknorpels charakteristisch bezeich- 
neten, von der Mitte des unteren Randes nach aufwärts laufenden 
Knochenzapfen fand auch F., doch scheint dieser in weniger ausge- 
sprochener Form auch beim Weibe vorzukommen. Nach dem fünften 
Dezennium kann die Verknöcherungszone in der ganzen Höhe der 
Platte nach vorn rücken, jedoch ohne ganz den vorderen medialen 
Teil der Platte zu befallen (»Ossifikation in breiter Front« nach F.); 
oder der Prozeß verläuft so, daß in den untersten Teilen des Schild- 
knorpels die Knochenbildung am weitesten gediehen ist, während nach 
oben zu der Kalkgehalt abnimmt (»terrassenförmige Verknöcherüng 
der Schildknorpelplatte« nach F.). Beide Typen hält Verf. als durch- 


948 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 


aus charakteristisch für den sich am weiblichen Kehlkopf abspielenden 
Ossifikationsvorgang. 

Ein medianer im Schildknorpelwinkel gelegener Knochen kommt 
bei beiden Geschlechtern vor. 

Später als am Schildknorpel setzt am Ringknorpel die Verknö- 
cherung ein, und zwar gilt das gleichmäßig für beide Geschlechter. 
Bei weitem am häufigsten werden die ersten Kalkherde am oberen 
Rande der Ringplatte entsprechend der Artikulation mit den Gieß- 
beckenknorpeln angetroffen, auch totale Ossifikation des Ringknorpels 
kommt vor, indes viel weniger häufig als am Schildknorpel; beim 
Weib ist sie sehr selten. 

Der Gießbeckenknorpel verkalkt und verknöchert zuletzt; meist 
erst nach dem dritten Dezennium. 

Viel später als die Kehlkopfknorpel ossifizieren die Luftröhren- 
knorpel. 

Zusammenfassend ist zu bemerken, daß mit zunehmendem Alter 
die Ossifikation der Kehlkopf- und Luftröhrenknorpel stärker aus- 
geprägt ist; doch gestattet der Grad der Ossifikation keinen sicheren 
Schluß auf das Alter. 

Chronischer Katarrh, spezifische Entzündungen, z. B. bei Phthi- 
sikern, endlich Konstitutionsanomalien können als begünstigende Fak- 
toren nicht bezeichnet werden. 

Herzfehler und Lues scheinen die Ossifikation eher zu hemmen. 

Nach einer besonderen Ursache der Ossifikation zu suchen, er- 
scheint zwecklos; sie ist ein physiologischer Vorgang. 

Gaugele (Zwickau). 


13) Vaquez. Traitement des &panchements pleuraux réci- 


divants par les injections gazeuses. 
(Acad. de méd. Séance du 26. Mai 1908.) 


Bei rezidivierenden pleuralen Ergüssen erzielt man gute Erfolge 
durch Einleiten von Gasen in die Pleurahöhle nach vorgenommener 
Punktion und Entleerung der vorhandenen Flüssigkeit. In manchen 
Fällen hat die Gasinjektion kurative, in anderen nur palliative Wir- 
kung. Verf. nimmt an, daß es sich da um eine Druckwirkung handelt, 
indem der eingeleitete gasförmige Körper einen neuerlichen Erguß 
von Flüssigkeit verhindert. Es ist also von Vorteil, solche Gase zu 
injizieren, die einer sehr langsamen Resorption unterliegen, und ist 
hierzu am geeignetsten der Stickstoff. Man spritzt hiervon etwa die 
Hälfte soviel als die durch Punktion entleerte Flüssigkeitsmenge be- 
trägt ein, also ein Stickstoffvolumen für zwei pleuraler Flüssigkeit. 

E. Toff (Braila). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 949 


Kleinere Mitteilungen. 


Zur Frage der sog. „Madelung’schen Deformität“ 
des Handgelenkes, mit besonderer Rücksicht auf eine 
umgekehrte Form derselben. 


Vorläufige Mitteilung. 


Von 


Dr. De Witt Stetten in Neuyork, 


Assistent Visiting Surgeon am Deutschen Hospital. 


° Hierzu 2 Röntgenogramme und 2 Photographien. 


m letzten Jahre ist das Interesse für die merkwürdige Deformität des Hand- 

gelenkes, welche Madelung .l; im Jahre 1878 auf dem VII. deutschen Chirurgen- 
kongreß zuerst beschrieb, und die seitdem nach ihm benannt ist, wieder rege geworden. 
Viele Fälle sind gesammelt und mehrere wichtige Beiträge kürzlich geliefert wor- 
den, vor allem von Pels-Leusden (2), Estor (3), Siegrist (4) und Franke (5), 
aber es herrscht immer noch keine Übereinstimmung, weder in bezug auf die Atio- 
‚ logie noch auf die Pathogenese dieser Erkrankung, so daß man noch im Zweifel 
ist, was eigentlich unter einer »Madelung’schen Deformität« verstanden wird. 

Diese Gründe haben mich veranlaßt, den folgenden Fall, der das genaue 
Gegenteil des gewöhnlichen Typus darstellt, kurz zu beschreiben. Ich bin der 
Ansicht, daß er, gerade weil er atypisch ist, besonderes Licht auf diesen rätsel- 
haften Zustand wirft. 

Marie H., 12 Jahre alt, ohne Erbfehler, keine Rachitis, noch Unfall. Vor 
5 Monaten bemerkte die Mutter zuerst eine Verbiegung des linken Handgelenkes, 
welche sich allmählich entwickelte. Vor ein paar Wochen trat eine ähnliche Affek- 
tion des, rechten Vorderarmes auf, aber nicht in dem Maße als auf der anderen 
Seite. Uber Funktionsstörung beklagt sich Pat. selbst nicht. 

Sie ist ein gut entwickeltes, gesundes Kind, ohne Merkmale von rachitischer 
oder anderer Difformität, außer an beiden Handgelenken und Vorderarmen, haupt- 
sächlich links. Es besteht eine scheinbare Luxatio posterior der Handgelenke, 
mit den Händen in Ulnaradduktion. Der Processus styloideus der Ulna ragt auf 
der Ulnarfläche bedeutend vor. Von der Seite betrachtet, gleicht der Zustand 
sehr der Gabeldeformität einer Colles’schen Fraktur. Beim Palpieren fühlt man 
deutlich eine Krümmung des unteren Radiusendes mit der Konvexität nach vorn 
und zur radialen Seite. Am linken Arme ist der Radius 2,75 cm, am rechten 
2 cm kürzer als die Ulna. Aktive und passive Bewegungen sind gleich und schmerz- 
los. Linker Arm: Dorsalflexion und Ulnaradduktion der Hand sind sehr über die 
Norm erhöht, während Volarflexion und Radialadduktion sehr behindert sind, ja 
die letztere fast gänzlich aufgehoben ist. Rechter Arm: Funktionsänderung gering. 
Nur eine Behinderung der Radialadduktion. Pronation ist nur ein wenig erschwert, 
hauptsächlich auf der linken Seite, Supination dagegen mehr; links ist sie nur 1/3 
der Norm. 

Mit den Röntgenstrahlen läßt sich eine leichte Verbiegung der Ulna, mit der 
Konvexität nach hinten gerichtet, nachweisen. Es besteht eine bedeutende Krüm- 
mung des unteren Drittels des Radius, konvex vorn und auf der radialen Seite. 
Wenn die Hand proniert wird, sieht man die Gelenkfläche des Radius ulnarwärts 
gedreht; und die erste Reihe der Karpalknochen bildet einen scharfen Winkel mit 
dem Os lunatum an der Spitze anstatt des leichten Bogens des normalen Gelenkes. 
Dieser Knochen ragt zwischen die distalen Enden beider Vorderarmknochen keil- 
förmig hinein, doch scheinen Ossa naviculare et lunatum im normalen Verhältnis 


950 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 


zur Radiusgelenkfläche zu stehen. Die Radiusepiphyse hat sich dem Ulnsende 
genähert, so daß sie, links, das letztere etwas überdacht. 

Die Epiphysenlinie des Radius ist etwas unregelmäßig, und direkt über der- 
selben, an der Ulnarseite, besteht eine unbestimmte, durchsichtigere Zone, oberhalb 
welcher, links, ein kleiner dornartiger Fortsatz ulnarwärts vorspringt. (Exostose?) 


Fig. 1. 








Radio-ulnare Aufnahme mit der Hand in Halbpronations- und Dorsalflexions- 
stellung. Links. 


Bei der radio-ulnaren Aufnahme sieht man die untere Gelenkfläche des Radius 
nach hinten gerichtet. Der Carpus ist dieser Bewegung gefolgt, so daß das Ulnar- 
köpfchen anscheinend frei auf der Volarfläche des Gelenkes liegt. All diese Ver- 
änderungen sind ausgeprägter auf der linken Seite. 


Fig 2. 











- 
nn = o a « ~ = : En 


Aufnahme in Pronationsstellung der Hand. Links, 


Dieser Fall zeigt also alle Merkmale, welche augenblicklich als charakteristisch 
für eine »Madelung’sche Deformität« angesehen werden, mit dem Unterschiede: 

1) daß die untere Radiusgelenkfläiche nach hinten anstatt nach vorn ge- 
richtet ist, 


Zentralblatt für Chirurgie. 


Nr. 31. 951 


2) daß eine scheinbare Subluxation der Hand dorsalwärts anstatt volarwärts 


besteht, und - 

3) daß eine Luxatio anterior 
des unteren Ulnarendes im Radio- 
ulnargelenk anstatt einer Luxatio 
posterior, wie in den typischen 
Fällen, vorhanden ist. 

Nur ein anderer ähnlicher 
Fall erscheint in der Literatur. 
Er ist von Kirmisson ;6) be- 
schrieben worden und gleicht 
meinem auf das genaueste, nur 
daß seine Pat. Zeichen von Ra- 
chitis hatte. 

Zum Schluß möchte ich die 
Aufmerksamkeit auf das Folgende 
lenken: Dieser Fall ist, überein- 
stimmend mit der Mehrzahl der 
Chirurgen, welche eine » Made- 
lung'sche Deformität« nicht als 
eine wirkliche, sondern als eine 
scheinbare Luxation des Carpus 
ansehen, bedingt durch die Ver 
krümmung des unteren Radius- 
endes und eine Drehung der Ge- 
lenkfläche. Der Carpus behält 
seine normalen Verhältnisse zum 
Radius bei, aber die Ulna ist 
im unteren Radio-ulnargelenk 
luxiert. Die Krankheit tritt spon- 
tan in der Wachstumsperiode auf, 





entwickelt sich allmählich und ist höchstwahrscheinlich bedingt durch eine un- 





regelmäßige Ossifikation des unteren Endes der Radiusdiaphyse. Es ist kein Grund 
vorhanden, diese Krankheit kongenitaler Belastung, Entzündungsprozessen, Trauma 


952 ‚Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 


oder Rachitis zuzuschreiben, doch mögen diese anscheinend ähnliche Deformationen 
hervorrufen. 

Es bestehen zwei bestimmte Formen, analog dem Genu valgum und Genu 
varum : 

a. Die Fälle, in welchen die untere Gelenkfläche des Radius nach vorn und 
ulnarwärts gedreht, die Ulna nach hinten luxiert ist, und anscheinend eine Sub- 
luxatio anterior der Hand besteht. Dies sind die gewöhnlichen Fülle. 

b. Die, welche Kirmisson’s und meinem Fall entsprechen, in welchen die 
Gelenkfläche nach hinten und zur Ulna gedreht ist, mit Luxatio posterior des 
Ulnaendes und Subluxationsstellung der Hand nach hinten. 

Therapeutisch kommt nur die Osteotomie des Radius nach vollendetem Wachs- 
tum in Betracht, falls die Funktionshindernisse und die kosmetischen Erfordernisse 
Anlaß dazu geben. 

Eine ausführliche Beschreibung des obigen Falles mit einem kritischen Über- 
blick der Literatur wird binnen kurzem erscheinen. 


Literatur. 


1) Madelung, Verhandlungen der deutschen Gesellschaft für Chirurgie 1878. 
Bd. VII. p. 259 — 276. 

2) Pels-Leusden, Deutsche med. Wochenschrift 1907. Bd. XXXIII. p. 372 
bis 374. 

3) E. Estor, Revue de chirurgie 1907. Bd. XX VII. p. 145 168, 317—348. 

4) H. Siegrist, Deutsche Zeitschrift f. Chirurgie 1908. Bd. XCI. p. 524—586. 

5) Franke, Deutsche Zeitschrift f. Chirurgie 1908. Bd. XCII. p. 156— 180. 

6) E. Kirmisson, Les difformites acquises de l’apparail locomoteur pendant 
l'enfance et l'adolescence. Paris, 1902. p. 367— 372. 


14) Hochenegg. Jahresbericht der II. chirurgischen Klinik zu Wien. 
1906. j 
Wien, Urban & Schwarzenberg, 1907. 


Gleich seinem Vorgänger bringt der Jahresbericht für das Jahr 1906 der 
II. chirurgischen Klinik in Wien eine Fülle interessanter Mitteilungen. Hervor- 
hebung verdient H.'s Einleitung, in der er eine Frage anschneidet, die auch andere 
klinisch lehrtätige Chirurgen beschäftigt oder noch beschäftigen wird, die er- 
schreckende und in Zunahme begriffene qualitative Einschränkung des Lehrmate- 
rials. Zu einer verhältnismäßig großen Zahl von Bauchoperationen an H.’'s Klinik 
steht die Extremitäten- und Verletzungschirurgie in einem erstaunlichen Mißver- 
hältnis. Auch in anderer Beziehung ist das Material als überaus lückenhaft und 
unzureichend zu bezeichnen. So konnte H. im ganzen Berichtsjahre keine Tracheo- 
tomie, keine Trepanation, keine regelrechte Empycmoperation, keinen Fall von 
Hirnerschütterung, von Hirndruck, keinen Schädelbruch, keine frische Wirbel- 
säulenverletzung, keine Nierenverletzung, nur eine Thoraxschußwunde usf. zeigen; 
der Mangel an Extremitätenchirurgie erlaubte nicht einmal die Demonstration 
der gewöhnlichsten Amputationen und Resektionen am Lebenden. Das vorhan- 
dene operative Material ist zudem zu einförmig; es besteht aus Fällen, deren 
Operation gewagt erscheint oder zur chirurgischen Alltäglichkeit geworden ist. 
Die Ursachen liegen in der jedes Bedürfnis deckenden Versorgung der Provinz 
und der Großstadtperipherie mit Fachchirurgen, in der großen Zahl neu entstan- 
dener Ambulatorien und in der Absorbierung eines großen Materialteiles durch 
Orthopäden, Laryngologen, Otiater, Urologen und Gynäkologen, deren Gebiete 
zusehends gewachsen sind. Die nicht nur im Interesse der kommenden Arzte- 
generation dringend nötige Abhilfe glaubt Verf. zum Teil durch die obligatorische 
Überführung aller Verletzungen in die Kliniken schaffen zu können. Die frühere 
Popularität der Kliniken, in denen im Gegensatz zu kleineren Krankenhäusern der 
Kranke sich die klinische Vorstellung gefallen lassen muß, und in denen die Aus- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 053 


führung operativer Eingriffe auch dem lernenden Chirurgen überlassen werden soll, 
hat gelitten; sie wäre durch Herabsetzung der Pflegesätze und Aufbesserung der 
Verpflegung, durch Schaffen von Freibetten für die chirurgische Kinderabteilung 
u. dgl. zu heben. — Im wissenschaftlichen Teile des Jahresberichtes finden sich 
von H. und seinen Mitarbeitern 16 zum Teil sehr interessante Vorträge und De- 
monstrationen; die Arbeiten sind schon an anderen Stellen veröffentlicht worden, 
es sei hier nur auf sie hingewiesen. Der umfangreichste Teil des Bandes, der 
etwa 180 Seiten umfassende, mit großem Fleiß ausgearbeitete ärztliche Bericht, 
bringt in übersichtlicher Anordnung eine Fülle kasuistischer Mitteilungen, die 
durch eine Anzahl klarer Abbildungen ergänzt werden. W. Goebel (Köln). 


15) Tetsuo Miyata. Beiträge zum Kapitel der totalen Skalpierung. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXV. Hft. 4.) 
M. erweitert die bisherige Kasuistik von totalen Skalpierungen um drei neue 
Fälle, darunter einen selbst behandelten, der durch Transplantationen geheilt wurde. 
E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


16) J. B. Kaplan. Zur Kasuistik der otogenen Meningitiden. 
(Russki Wratsch 1908. Nr. 11.) 

Die 19jährige Pat. litt seit 4 Jahren an rechtsseitiger eitriger Otitis media. 
Vor 2 Tagen — nach Angina — hat sich der Ohrfluß verstärkt. Meningitis, 
Parese des rechten Facialis und Abducens; Blick nach links gerichtet. Probe- 
punktion des Rückenmarkskanals ergibt trübe Flüssigkeit mit viel Eiterkörperchen, 
hauptsächlich vielkernigen Leukocyten und Diplokokken. Tod nach 3 Tagen. 
Sektion: rechtsseitige Otitis media, eitrige Meningitis an der Schädelbasis; Eiter 
hauptsächlich in der linken Felsenbeingegend. Nach Prof. Werchowski, in 
dessen Klinik der Fall beobachtet wurde, ist der nach links gerichtete Blick der 
Pat. ein Zeichen, daß auf derselben Seite mehr Eiter als rechts vorhanden war. 
Er sah schon früher einen solchen Fall. Das Symptom verdient nachgeprüft zu 
werden. E. Gückel (Wel. Bubny, Poltawa). 


17) Barker. On the possible use of lumbar puncture in the treatment 
of otitic meningitis. 
(Proceedings of the royal soc. of med. 1908. April.) 

Auf Grund der guten Erfolge, welche Lenhartz mit der Lumbalpunktion 
bei Zerebrospinalmeningitis hatte, tritt B. für häufig wiederholte Spinalpunktion 
bei eitriger Meningitis im Anschluß an Ohrerkrankungen ein. Von drei Pat. 
konnte er zwei durchbringen. Bei dem ersten Kranken war trotz Radikaloperation 
die Entzündung nach dem Wirbelkanal fortgekrochen und hatte schwer eitrige 
Spinalmeningitis veranlaßt (Mikrokokkus catarrhalis). B. hat 14mal punktiert, 
jedesmal 10—12 ccm abgelassen. Bei dem zweiten Kranken fand sich ein Abszeß 
hinter dem Gehörgang (Pseudodiphtheriebazillen), gleichfalls 14 Punktionen. Ein 
16jähriges Mädchen, bei dem es sich um eine Streptokokkeninfektion handelte und 
ausgedehnte Karies des Schläfenbeins bestand, ging nach 14 Tagen zugrunde. 

Von der Einspritzung einer antiseptischen Flüssigkeit in den Wirbelkanal ver- 
spricht B. sich nichts. Deetz (Homburg v. d. H.). 


18) Thomas and Cushing. Removal of a subcortical cystic tumor at 
a second-stage operation without anesthesia. 
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. Nr. 11.) 

Genaue Kranken- und Operationsgeschichte des von T. untersuchten und von 
C. operierten Pat., eines 32jährigen Lehrers und Farmers. 

Mit 9 Jahren hatte er eine leichte Kopfverletzung erlitten, 1892 einen Bruch 
der Nasenbeine. l 

1895 Beginn der Anfälle mit unbehaglichen Gefühlsempfindungen im Kopf 
und linker Körperseite, etwa alle Monate einmal. Die Anfälle nahmen an Zahl 


054 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 


und Schwere zu, Bewußtlosigkeit stellte sich dabei ein, die Sehkraft verminderte 
sich stark, Schwäche in den Extremitäten linkerseits machte sich bemerkbar. 

In fünf Etappen, zwischen dem 22. November 1906 und dem 26. März 1907, 
wurde mit großem osteoplastischem Lappen die Gegend der Rolands’schen 
Furche freigelegt und schließlich, nachdem das Hirn freigelegt worden war, ohne 
daß man objektiv etwas gefunden hätte, beim fünften Eingriff in das Hirn einge- 
gangen, ohne daß der bei Bewußtsein befindliche Pat. Schmerzen davon gespürt 
hätte. 1 cm unter der Rinde des Gyrus postcentralis, nahe dem Sinus sagittalis kam 
man auf eine Cyste von 5 cm Durchmesser mit klarem Inhalt, die enukleiert 
wurde. 

Pat. genas, hatte bis zum 6. Mai 1907 keinen Anfall mehr gehabt, seine Mus- 
kulatur linkerseits hatte er gut in der Gewalt. 

Zahlreiche Abbildungen, besonders auch der durch Faradisation bestimmten 
lokomotorischen Zonen. W. v. Brunn (Rostock). 


19) F. Koch. Moderne Operationen zur narbenlosen Verbesserung 
der Nasenform. 
(Therapeutische Monatshefte 1908. Nr. 21.) 

Zur Beseitigung von Nasenhöckern macht K. die Nase durch ein Lokal- 
anästhetikum unempfindlich und löst den Höcker, vom Nasenseptum ausgehend, 
von innen her aus seiner Verbindung aus und befreit ihn vom Periost. Eine von 
ihm zu diesem Zweck konstruierte Fräse beseitigt den Höcker durch rotierende 
und schneidende Bewegungen. 

Zur Beseitigung der Sattelnase setzt K. Paraffinstücke vom Innem der Nase 
aus auf. Die Form dieser Prothese wird erhalten, indem man zunächst ein Nega- 
tiv der Nase in Gips bildet, von diesem ein Positiv macht, welches sterilisiert wird 
und durch Aufgießen des Paraffins die neue Nasenform bekommt. Dieses Stück 
wird abgelöst und eingelegt. 

Nach den der Arbeit beigegebenen Abbildungen sind die Resultate K.'s als 
glänzend zu bezeichnen. Silberberg (Breslau). 


20) Morris. Partial resection of upper and lower maxillae for con- 
genital deformity of the face. | 
(Annals of surgery 1908. Februar.) 

M. behandelte eine junge Dame, deren eine Gesichtshälfte stark bypertrophisch 
war und sehr entstellend wirkte. Die Hypertrophie war durch die rechten Ge- 
sichtsknochen bedingt; infolgedessen meißelte M. nach vorhergegangener Tracheo- 
tomie des Kehlkopfes und Tamponade des Schlundes von Inzisionen der inneren 
Wunde aus Stücke vom Oberkiefer und vom harten Gaumen fort, entfernte den 
Vomer auf der einen Seite und lockerte das rechte Nasenbein, um es tiefer zu 
drücken. In einer zweiten Operationssitzung entfernte er ein großes Stück aus 
dem rechten Unterkiefer und vernähte dann beide Unterkieferhälften mit Silber- 
drabt. Endlich wurden noch, um die abstehenden Ohren anliegend zu machen, 
aus dem hinteren Teil ovale Hautknorpelstücke geschnitten und der Defekt ver- 
näht. Wie die beigegebenen Photographien zeigen, war eine erhebliche Ver- 
schönerung des Gesichtes eingetreten. Herhold (Brandenburg). 


21) Garre. Fall von Mikrognathie. 
Sitzungsbericht der Niederrhein. Gesellschaft für Natur- und Heilkunde zu Bonn 1%7. 


Demonstration eines Mannes mit so hochgradiger Mikrognathie, daß er infolge 
Luftmangels Erstickungsanfälle bekommt und die Aufnahme fester Nahrung be- 
hindert ist. Operation nach v. Eiselsberg und v. Mikulicz mit stufenförmiger 
Durchsägung der horizontaler Unterkieferäste und nachfolgender Naht der ausein- 
andergezogenen Fragmente, ist wegen der Dünnheit des Knochens unmöglich. 
G. wollte den Unterkiefer median spalten, zunächst einen Elfenbeinstift einlegen, 
da die Wunde nicht aseptisch zu halten ist. Später sollte derselbe durch ein vom 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 955 


Wundboden her implantiertes Rippenstück, der Krümmung wegen am besten dem 
Angulus entlehnt, ersetzt werden. 

Nach gütiger Mitteilung G.’s war nach Durchtrennung des Kiefers die Spannung 
sehr groß. Es wurde daher zunächst ein Elfenbeinzapfen, dann eine zahnärztliche 
Prothese mit Schraube eingelegt. Gegen den 29. Mai ist der Zustand recht ge- 
bessert. Die Kochenimplantation ist noch aufgeschoben. 

Deetz (Homburg v. d. H.). 
22) Bogoljuboff. Adenoma adamantinum. 
(Chiurgia Bd. XXIII. Nr. 135 [Russisch).) 

Beschreibung eines einschlägigen Falles. Die 27jährige Frau litt seit 2 Jahren 
an einer Geschwulst des linken Oberkiefers. Resektion nach prophylaktischer 
Tracheotomie. 

Die mikroskopischen Präparate bestätigten die Diagnose, wie aus fünf bei- 
gegebenen recht instruktiven Zeichnungen hervorgeht. Verf. betont besonders, 
daß er in einigen Präparaten die Herausbildung cystenartiger Hohlräume aus 
mehrschichtigen Komplexen epithelialer Zellen nachweisen kann. An jenen Stellen 
will er den rgang des Adenoma adamantinum in das Adenoma adamantinum 
cysticum direkt beobachten. Verf. schließt daraus auf die gleichartige Genese 
der soliden, gutartigen Epithelialgeschwülste und der vielkammerigen Cysten 
des Kiefers, welch letztere aus den ersteren hervorgehen. 

Oettingen (Berlin). 


23) Levinger (München). Ein kongenitaler behaarter Rachenpolyp. 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 19.) 

Die Geschwulst, die seit der Geburt des Kindes Atem- und schließlich auch 
Schluckbeschwerden verursachte, hatte mit dem Stiel eine Länge von 6 cm, eine 
Breite von 1!/, cm und keulenförmige Gestalt. Die Oberfläche entsprach äußerer 
Haut mit zahlreichen Härchen. Das 61/, Monate alte Kind war sonst normal ent- 
wickelt. Heilung durch Abtragung des Polypen mit der kalten Schlinge. 

Kramer (Glogau). 


24) D. G. Gorochow. Zur Kasuistik der Spina bifida Drei Fälle 
mit Einschluß des Rückenmarks im Bruchsack. 
(Praktitscheski Wratsch 1908. Nr. 15—17.) 

Im Moskauer Sophienkinderhospital wurden innerhalb der letzten 7 Jahre 
etwa 16 Fälle von Spina bifida beobachtet. Drei Fälle enthielten als Inhalt im 
Bruchsack das Ende des Rückenmarks. Sie betrafen zwei Knaben und ein Mädchen 
im Alter von 3—10 Monaten. Die Geschwulst war apfel- bis orangengroß, von 
angiomatös und narbig veränderter Haut bedeckt. Das darin befindliche Rücken- 
mark war 3,5 bzw. 6 cm lang und wurde — wie die ebenfalls vorgefallenen Nerven- 
bündel — möglichst nahe am Sack abgeschnitten und reponiert. In Fall1 wurde 
die quer zur Längsachse des Körpers liegende Öffnung im Kreuzbein durch einen 
unterhalb derselben entnommenen Periostknochenlappen und darüber durch einen 
Muskellappen aus dem Latissimus dorsi verschlossen. Heilung; nach 101/, Monaten 
gesund; die vorher vorhandene Urininkontinenz hat sich gebessert. — In 
Fall 2 wurde der Bruchsack durch Übereinanderlegung der Ränder geschlossen; 
darüber wurden von beiden Seiten Muskellappen — links mit dem Periost — 
geschoben und vernäht. Am 5. Tage Tod an Sepsis. — In Fall 3 wurde das 
große (3><2 cm) Loch durch zwei Lappen zu 2/3 geschlossen; rechts wurde ein 
Periostknochenlappen über dem Foramen ischiad. maj., links ein Periostknorpel- 
lappen dicht am Defekt entnommen und über dem Loche vernäht. Heilung. — 
Acht Zeichnungen erläutern die Technik der Operation und zeigen den Zustand 
vor derselben (in Fall 1 auch nachher): E. Gückel (Wel. Bubny, Poltawa). 


25) A. M. Wirschubski. Zur Kasuistik der Spondylitis typhosa. 
(Praktitscheski Wratsch 1908. Nr. 17.) 
Pat., 18 Jahre alt, Arbeiter, erkrankte 2 Monate nach überstandenem Abdo- 
minaltyphus an starken Schmerzen in der rechten Lendengegend. Rücken nach 


956 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 


hinten rechts verkrümmt. Während der 9. oder 10. Woche Abendtemperatur bis 
39°C, sonst normal. Behandlung mit Kompressen, Bädern und Salizylpräparaten 
erfolglos; nach Anlegen eines Gipskorsetts trat — 4 Monate nach Beginn der 
Krankheit — Heilung ein. E. Gtickel (Wel. Bubny, Poltawa). 


26) Dobromyssloff. Zur Pathologie und Therapie der Tumoren des 


Glomus caroticum. 
(Chiurgia 1908. Nr. 135 [Russisch].) 

Ausführliche Behandlung der Anatomie und Histologie des Glomus. Die Ge- 
schwülste sind selten. Seit 1891 sind 19 Fälle beschrieben worden, die D. in 
statistischer Tabelle geordnet hat. D. hat zwei Fälle beobachtet, von denen er 
einen selbst operierte. Einmal handelte es sich offenbar um ein Peritheliom — 
Verf. stand nur das Präparat zur Verfügung. Im anderen Falle lag eine klein- 
apfelgroße Geschwulst vor, die, im linken seitlichen Halsdreieck liegend, bis an 
den Proc. mastoideus heranreichte. Die Exstirpation war verhältnismäßig leicht. 
Nach Abbindung der zahlreichen Gefäße, die in die mit fester Kapsel umgebene 
Geschwulst eintraten, ließ diese sich bequem entfernen, zumal sie nicht wie ge- 
wöhnlich hinter, sondern vor der Karotidenteilung lag. Daher kam es auch nicht 
zu der gewöhnlich notwendigen Unterbindung der Carotis. 

Die mikroskopische Untersuchung ergab zunächst das ausgesprochene Bild des 
Spindelzellensarkoms. Dennoch gestattete die Anordnung zahlreicher epitheloider 
Zellkomplexe in der Umgebung schlingenartig gebogener Kapillaren die Annahme, 
daß es sich in jenem Fall um eine bösartige Neubildung des Glomus handelte. 

Diese Geschwülste wachsen langsam. Das männliche Geschlecht scheint prä- 
disponiert, der Beginn des Wachstums liegt meist in den Pubertätsjahren, und be- 
sonders häufig ist die linke Seite getroffen. Solange die Kapsel der Geschwulst 
unversehrt ist, scheint die Bösartigkeit nicht groß, daher oft ein gleichbleibender 
Status über zehn und mehr Jahre. Wird aber die Kapsel erst durchbrochen, so 
tritt die feste Umwachsung der Karotiden ein, das Vordringen in das Nachbar- 
gewebe usw. Mit diesem Augenblick wird die Bösartigkeit groß. 

Prognose und Indikation ergeben sich hieraus von selber. 

Oettingen (Berlin). 
27) C. Severeanu und I. Jianu (Bukarest). Versuche zur Behandlung 
der Neubildungen durch lymphatische Stase: die Ligatur des Bogens 
des Ductus thoracicus und die Ligatur der Pecquet’schen Zisterne. 
(Revista de chir. 1908. Juni.) 

Verff. haben die Unterbindung des Ductus thoracicus an jener Stelle, wo er 
sich in die V. subclavia ergießt, vorgenommen und hierdurch in sehr günstiger 
Weise die Schmerzen, welche ein großes, nicht operables Sarkom der Bauchhöhle 
bewirkte, beeinflußt. Auch das Allgemeinbefinden und der Appetit besserten 
sich. In drei Fällen von inoperablem Karzinom des Gebärmutterhalses wurde die 
beiderseitige Unterbindung der Artt. hypogastricae und der Cisterna chyli 
gemacht, und der Erfolg war der, daß die Sekretion, die Blutung und der 
üble Geruch auffallend abnahmen bzw. ganz verschwanden. Der Allgemeinzustand 
wurde ebenfalls besser, und die Kranken verloren ihr kachektisches Aussehen. 

S. und J. nehmen sich vor, in Zukunft in Fällen von nicht operablen Gebär- 
mutterkrebsen nur die Cisterna chyli und nicht auch die hypogastrischen Arterien 
zu unterbinden, um den Einfluß der reinen lymphatischen Stase auf das Neu- 
gebilde zu studieren. E. Toff (Braila). 


28) W. Hinrichs (Ratzeburg). Behinderung der Atmung und der 
Nahrungsaufnahme durch eine zu große Thymus bei einem 10 Wochen 
alten Kinde. Operation. Heilung. 

Inaug. Diss., Leipzig. 

Beschreibung eines Falles, der die in der Überschrift angekündigte Eigen- 
tümlichkeiten zeigte. Partielle Resektion brachte Heilung. Stocker (Bonn). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 957 


29) Delore et Chalier. Contribution à la chirurgie thyroidienne (goitres 
et strumites). 
(Revue de chir. XXVII. ann. Nr. 10.) 


Verff. berichten ihre Beobachtungen an 61 gutartigen Kröpfen und 12 Ent- 
zündungen in Schilddrüsen oder Kröpfen, welche sie in der Klinik Poncet’s 
operiert haben. 

Bei den Kröpfen handelte es sich in der Mehrzahl der Fälle um Cysten oder 
Knoten, die 42mal innerhalb der Drüse, 11mal subkapsulär (»&nucl&ation massive«) 
enukleiert wurden. Nur 7mal wurde wegen diffuser Kröpfe die Resektion oder 
partielle Thyroidektomie ausgeführt. Ein von zahlreichen Knoten durchsetzter 
Kropf mit hochgradigem Infantilismus wurde teilweise exstirpiert, wonach sich der 
Zustand schnell besserte. Fast die Hälfte der Cysten enthielt Blut, das sich ent- 
weder allmählich in mehreren Schüben oder ganz plötzlich in die Cyste infolge 
eines Traumas, einer Infektion, der Menstruation oder Schwangerschaft ergießt 
und die schwersten Druckerscheinungen verursachen kann. Nicht selten vereitert 
der blutige Inhalt, gibt aber wohl kaum zur Bildung eines Fibroms Veranlassung, 
wie einige Autoren behaupten; wenigstens konnten die Verff. in einem äußerst 
schnell gewachsenen Fibrom von vorangegangenen Blutungen nichts feststellen. 

Am häufigsten erfordern die Kröpfe, welche die Nachbarorgane komprimieren, 
die Operation. Ganz besonders bedürfen der chirurgischen Hilfe jene teilweise 
retrosternal oder gänzlich mediastinal gelagerten Kröpfe, welche zu schweren Herz- 
und Lungenstörungen führen und gewöhnlich lange Zeit unter falscher Diagnose 
innerlich behandelt sind (»forme me&dicale«). Auch nervöse und psychische Störungen 
bilden eine dringende Indikation. . 

Fast bei allen Operationen wandten Verff. Atberbetäubung an, die sie mit 
10 ccm Chloräthyl einleiteten. Die Lokalanästhesie ist bei hinfälligen und kachek- 
tischen Kranken oder bei Herz- und Atmungsstörungen angezeigt. Die Tracheo- 
tomie darf nur im äußersten Notfall ausgeführt werden. Die oft sehr heftigen 
Blutungen bei Enukleationen stillen Verf. an dem vorgestülpten Geschwulstbett 
durch Poncet’s »suture h&mostatique«. Im übrigen sahen sie, abgesehen von 
einem tödlich verlaufenen Fall von Empyem, keine Komplikationen bei oder nach 
der Operation eintreten, beobachteten auch niemals ein Rezidiv. 

Die akuten Entzündungen entwickelten sich unter zwölf Fällen 10mal in einem 
bereits vorher bestehenden Kropf. Die Eiterungen heilen selbst nach breiter Er- 
öffnung zuweilen nicht aus, so daß die sekundäre Ausschälung des Eitersackes sofort 
oder à froid notwendig wird. In einem Falle wurde sie primär mit bestem Er- 
folge ausgeführt. 

Bei mehreren Kranken haben die Verff. wegen Poncet’s entzündlicher 
Tuberkulose, d. h. bei diffusen oder knotigen Hypertrophien, die durch den Tuberkel- 
bazillus oder seine Toxine verursacht sind, ohne daß es zu spezifisch tuberkulösen 
Gewebsveränderungen kommt, eingegriffen. Gutzeit (Neidenburg). 


30) Cook. The X-ray and high frequency treatment of exophthalmic 
goiter. 
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. Nr. 10.) 


Verf. hat in fünf Fällen sehr befriedigende Resultate gehabt, wo er Morbus 
Basedow mit Röntgenstrahlen und Strömen hoher Frequenz behandelte. Letztere 
wirken stark beruhigend auf das Nervensystem, der Appetit wird angeregt, das 
Körpergewicht hebt sich. Die Röntgenstrahlen wirken auf den Kropf energisch 
ein: anfangs beobachtet man Verkleinerung der Drüse, dann wieder Anschwellung 
unter Umständen über das Maß der früheren Größe hinaus und unmittelbar danach 
die definitive Abschwellung. In zwei Fällen ging auch der Exophthalmus sehr 
stark zurück, ebenso die Tachykardie. Das Allgemeinbefinden besserte sich er- 
heblich, der Schlaf wurde günstig beeinflußt. W. v. Brunn (Rostock). 


958 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 


31) Kan. Über einen Fall von kongenitalen Larynxluftsäcken bei einem 


Kinde von 16 Tagen. 
(Zeitschrift für Laryngologie, Rhinologie und ihre Grenzgebiete Bd. I. Hft. 1.) 

Die für stereoskopische Besichtigung angefertigte Photographie gibt ein vor- 
zügliches Bild der beschriebenen Mißbildung, die zu häufigen cyanotischen Anfällen 
und in einem derselben zum Tode des Kindes geführt hatte. Anatomisch fand 
sich eine mangelhafte Entwicklung des Aryknorpel, scheidenförmige Lichtung des 
Kehlkopfes ohne die charakteristischen Prominenzen der wahren und falschen Stimm- 
bänder, und der Stelle der Sinus pyriformes entsprechend zwei nach oben und 
medialwärts sich erstreckende Wölbungen, die mit Schleimhaut ausgekleidete Luft- 
säcke darstellte, von denen aber unentschieden gelassen werden mußte, ob sie 
direkt mit dem Kehlkopfinnern kommunizierten. Interessante Darstellung der ver- 

schiedenen Formen der bei Affen so häufig zu beobachtenden Laryngokelen. 

Engelhardt (Kassel). 


32) Hansberg. Uber angeborene Membranbildung des Kehlkopfes. 
(Zeitschrift für Laryngologie, Rhinologie und ihre Grenzgebiete Bd. I. Hft. 1.) 
Angeborene, aber nur einseitig entwickelte Membran des Kehlkopfes bei einem 
Neugeborenen, bei dem nach 4 Monaten wegen hochgradiger Dyspnoe zuerst die 
Tracheotomie, dann die Laryngotomie mit sehr günstigem Erfolg ausgeführt wurde. 
Die dicke, derbe Membran inserierte unterhalb der vorderen Kommissur, und ver- 
lief dem rechten Stimmband eine kurze Strecke adhärent, nach hinten oben, um kurz 
vor dem Aryknorpel in der Höhe des Taschenbandes zu endigen. 
Engelhardt (Kassel). 


33) B. Bloch (Prag). Ein Fall von gonorrhoischer Miterkrankung 
eines Kehlkopfgelenkes. 
(Prager med. Wochenschrift 1908. Nr. 16.) 

Der außergewöhnlich seltene Fall betraf einen 19jährigen Pat., der eine 8 Tage 
alte Gonorrhöe hatte. Es bestand eine Arthritis des rechten Handgelenkes gonor- 
rboischer Natur und eine ebensolche im Gelenke des linken Aryknorpels. Die 
Gegend des Aryknorpels war in eine kugelige, kleinhaselnußgroße Geschwulst ver- 
wandelt. Die Abheilung der Arygelenksentzündung beanspruchte 4 Wochen. In 
der gleichen Zeit war auch die Handgelenksentzündung verbeilt. 

A. Hofmann (Karlsruhe). 


34) 8. Möller. Über Epiglottisamputation bei der Kehlkopftuberkulose. 
(Zeitschrift für Laryngologie, Rhinologie und ihre Grenzgebiete Bd. I. Hft. 1.) 

Empfehlung der Epiglottisamputation in geeigneten Fällen; die endolaryngeale 
Behandlung wurde dadurch erheblich erleichtert, die Schluckschmerzen hörten auf, 
das Allgemeinbefinden hob sich. Die Operation dürfte übrigens doch häufiger, 
wenigstens als Teilamputation, ausgeführt werden, als Verf. annimmt. 

Engelhardt (Kassel). 
35) Jacson. Tracheo-bronchoscopy. 
(Annals of surgery 1908. März.) 

Verf. beschreibt sechs interessante Fälle von Fremdkörpern im Bronchus, die 
alle mittels Bronchoskop und Zange entfernt wurden. Besonders interessant sind 
zwei Fälle, in welchen sich einmal eine Schalnadel, das andere Mal eine Schlips- 
nadel im Bronchus quer gestellt hatten. Die ziemlich große Schalnadel hatte sich 
dabei mit der Spitze in den Bronchus gebohrt und konnte nur extrahiert werden, 
nachdem sie durch die eingeführte Zange zerbrochen war. J. schlägt vor, stets 
bei diesen Operationen große Rundbrillen zu tragen, da dem Operateur sonst 
Kokainteilchen oder infektiöser Schleim aus dem Bronchus ins Auge spritzt. 

Herhold (Brandenburg). 


36) Markuson. Uber Fremdkörper in den Luftwegen der Kinder. 
(Chirurgia 1908. Nr. 135. [Russisch.)) 
Unter Berücksichtigung der gesamten Literatur wird eine Statistik über die 
in den letzten 20 Jahren im Olga-Hospital zu Moskau beobachteten Fälle gegeben. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 959 


Das Thema kann statistisch von verschiedenen Seiten beleuchtet werden. Einige 
Zahlen seien genannt: In den Jahren 1887—1907 wurden rund 50 Fälle beobachtet. 
Für Rußland charakteristisch ist, daß es sich in 43 Fällen (86%) um Aspiration 
von Sonnenblumensamen handelte 19 Kinder waren noch nicht 2 Jahre alt, 
46 Kinder noch nicht 6 Jahre. 14 Kinder wurdefi am 1. Tage, bzw. sofort in das 
Hospital gebracht, davon zeigte die Hälfte Erscheinungen der akuten Asphyxie; 
die übrigen litten an leichten Stenosenerscheinungen. Von den 50 Pat. wurden 
5 ohne Operation geheilt, 45 operiert. Von letzteren starben 9, und zwar 6 davon, 
obgleich der Fremdkörper in der Operation entfernt worden war. 

Verf. vergleicht den Wert der Tracheotomie mit dem der bronchoskopischen 
Methoden und kommt zum Schluß, daß die intralaryngealen diagnostischen und 
operativen Methoden außerordentlich wertvoll wären, aber eine erstklassige spezia- 
listische Ausbildung verlangten. Deshalb sind sie aber neben der Tracheotomie 
nicht zu verwerfen, sondern im Gegenteil eifrig zu üben. Die Prognose kann 
dadurch noch um ein Bedeutendes gebessert werden. Oettingen (Berlin). 


37) Ingals. Removal of a pin from lung by upper bronchoscopy. 
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. Nr. 10.) 


Mühsame Entfernung eines zylindrischen Stückes Radiergummi mit hindurch- 
gesteckter Stecknadel aus dem rechten Bronchus. Der Gummi maß 1,2 cm in 
der Länge und 7 mm im Durchmesser, die Nadel war 3cm lang. Der Pat. war 
ein 10 Jahre alter Knabe. Verf. operierte in Narkose. Vor 3 Tagen hatte Pat. 
den Fremdkörper aspiriert. Heilung. W. vr. Brunn (Rostock). 


38) Vidal. Appareil à hyperpression pour les interventions thora- 
ciques. 
(Ann. de la soc. belge de chir. 1908. April.) 


Der auf dem Brauer’schen Überdruckprinzip beruhende Apparat ist in fol- 
gender Weise zusammengesetzt. Durch einen gewöhnlichen Blasebalg wird Luft 
in ein Rohr getrieben, welches sich an seinem Ende in drei Röhrchen teilt, die 
nach Art einer Panflöte nebeneinander, eins jedesmal l mm kürzer wie das nächste, 
angebracht sind. Diese Panflöte taucht in ein offenes Gefäß mit Wasser so ein, 
daß die aus der Öffnung des kürzesten Röhrchens austretende Luft, um aus dem 
Gefäß entweichen zu können, den Druck einer Wassersäule von 10cm Höhe zu 
überwinden hat. Dieses ist der Druck, unter dem die Luft in dem System stehen 
soll. Erhöht sich dieser Druck, wie es bei der Blasebalgtätigkeit leicht möglich 
ist, so tritt auch Luft aus dem zweiten und bei weiterer Erhöhung auch aus dem 
dritten Röhrchen aus, was einen sehr schnellen Ausgleich zur Folge hat. Tritt 
eine Druckerniedrigung ein, so wird diese durch eine andere Vorrichtung ausge- 
glichen; von dem Hauptrohr zweigt ein Seitenast ab, der in eine 15—20 Liter hal- 
tende Flasche führt; diese kommuniziert durch eine seitlich dicht über dem Boden 
befindliche kurze Röhre mit einem etwas kleineren offenen Gefäß. In dieses 
wird Wasser eingelassen, das sich nach dem Gesetz der kommunizierenden Röhren 
in beiden Gefäßen verteilt; dabei bleibt in der größeren Flasche über dem Wasser- 
spiegel eine normalerweise unter 10cm Druck stehende Luftmenge enthalten. Geht 
nun der Druck unter 10cm herunter, so wird diese Luftmenge durch das Wasser 
in das Hauptrohr hineingepreßt und hier der Druck erhöht. Am Hauptrohr sind 
noch einige weitere Abzweigungen angebracht; durch die eine kann die Luft durch 
Einschalten eines Hahnes über Chloroform geleitet und mit Chloroformdämpfen 
gesättigt werden. Eine weitere führt zu einem Manometer, die letzte endlich steht 
mit einer Gummikanüle in Verbindung, die in den Kehlkopf eingeführt wird, oder 
neuerdings endigt sie in zwei ovalen Platten, die, ähnlich wie beim Mayer’ schen 
Apparat, durch Kompression der Lippen einen Abschluß der Lungenluft gegen die 
Atmosphäre bewirken. Von dem letztbeschriebenen Luft zuführenden Rohre zweigt 
noch ein in einen Gummiballon führendes Röhrchen ab, welches das event. Er- 
brochene aufnehmen soll. 


960 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 


Den Hauptwert des mehrfach mit gutem Erfolg erprobten Apparates sieht 
Verf. in seiner Einfachheit, Wohlfeilheit und leichten Transportierbarkeit. 
Vorderbrügge (Danzig). 


39) Delorme. Traitemant . des blessures de poumon compliquées 


d’hemorragies graves. 
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXIII. p. 5% ff.) 

An der Hand zweier, von Ombredunne und Duval operierter Fälle von 
Lungenschußwunden (deren zweiter, wenigstens nach der Krankengeschichte zu 
urteilen, zweifellos bei exspektativem Verfahren wohl auch zur Heilung gekommen 
wäre Ref.) bespricht D. eingehend die Indikationen zu direkten Eingriffen bei 
penetrierenden Lungenschußwunden. Er möchte mehr als bisher dem aktiven Vor- 
gehen dabei das Wort reden. Sowohl bei primärem als bei sekundärem Hämato- 
thorax, der irgendwie bedrohlich durch Kompression oder den Blutverlust wirkt 
— bei stärkerer Hämoptöe ebenfalls, — soll das Verhalten des Chirurgen möglichst 
aktiv sein. In der anschließenden Diskussion werden zahlreiche Ansichten auf 
Grund reicher Kasuistik laut, die im Original nachgelesen werden müssen. 

Kaehler (Duisburg-M.). 





Zu der vorläufigen Mitteilung von Stabsarzt 
Dr. Momburg: „Künstliche Blutleere der 


unteren Körperhälfte“ in Nr. 23. d. Bl. 
Von 
Prof. Felix Franke in Braunschweig. 

Bei der Bedeutung der ron Momburg angeschnitlenen Frage der künstlichen 
Blutleere der unteren Körperhälfte halte ich es im Hinblick darauf, daß wahr- 
scheinlich andere die Versuche Momburg's wiederholen oder xu modifizieren 
suchen, für geboten, auf meine in einem Falle mit der elastischen Umschnürung 
1590 gemachte Erfahrung hinzuweisen. 

Ich hatte, wie ich in Nr. 45, Jahrgang 1897 d. Bl., mitgeteilt habe (Die Ampu- 
tatio colli femoris als Ersatz der Exartieulatio coxae [Darmblutung nach elastischer 
Umschnürung des Leibes]), um die Kompression der Aorta sicher zu erhalten, eine 
Pelotie unter die Martin'sche Binde gelegt und dazu in Ermangelung eines besseren 
in der Eile eine porxellanene Nadeldose benutzt. Die Blutstllung nun war eine 
vollkommene, es kam aber nach der Abnahme der Binde zu reichlichen, anfangs 
etwas blutigen Durchfällen, die allerdings keinen vollen Tag anhielten; sonst zeigte 
sich kein Schaden. 

Da der betreffende Pat. sehr mager war, besteht die Möglichkeit, daß nicht die 
elastische Umschnürung an sich, sondern der Druck der Eingeweide gegen den scharfen 
Rand der Nadeldose die Blutung verursacht hat. Ja, nach den günstigen Erfahrungen 
Momburg’s mi der einfachen Umschnürung ist das sogar sehr wahrscheinlich. 

Meine und namentlich Momburg’s Erfahrungen fordern zu weiteren Ver- 
suchen auf. Falls die einfache Umschnürung bei gut genährten Personen versagen 
sollte, empfiehlt es sich, den Versuch unter Benutzung einer Pelotie mit stumpfen 
Rändern zu wiederholen, in ähnlicher Weise, wie es schon v. Esmarch in seinem 
Handbuch der kriegschirurgischen Technik (3. Aufl. 1885, p. 213) vorgeschlagen hat. 





Berichtigung. Im Aufsatz: »Beitrag zur Ätiologie des angeborenen Schulter- 
blatthochstandes« in Nr. 29, p. 884, 3.Z. v. u. muß es heißen: Als es 1/3 Jahr alt 
war, wurde rechtsseitiger Schulterblatthochstand und rechtsseitiger Schiefhals 
bemerkt. 





Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden. 





Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau. 
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. 


Zentralblatt für Chirurgie 


herausgegeben von 


K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER, 








in Bonn, in Berlin, in Breslau. 
35. Jahrgang. 
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG. 
Nr. 32. Sonnabend, den 8. August 1908. 
Inhalt. 


A. Schanz, Jodpinselungen zur Erzielung schmaler Narben. (Originalmitteilung.) 

1) Bonney, 2) Wideröe, Zur Krebsfrage. — 3) Pochhammer, 4) Zupnik, Lokaler Tetanus. — 
5) Poenaru-Caplescu, Knochenbruchbehandlung. — 6) Miller, Knochen- und Gelenktuberkulose. 
— 7) Cornil und Coudray, Muskelstarre. — 8) v. Oppel, Arterio-venöse Aneurysmen. — 9) Wet- 
terer, Dosimster. — 10) Blum, Röntgenschadenersatzprozeß. — 11) Cohn, Händedesinfektion. — 
12) Clark, Kohlenasche zur Wundbehandlung. — 13) Frangenheim, Stauungshyperämie. — 
14) Corbellini, Leistenbrüche. — 15) Girgolaff, Anwendung isolierter Netzstücke in der Bauch- 
chirurgie. — 16) Capek, Darmanastomosenbildung. — 17) Patel, Sigmoiditis und Perisigmoiditis. 
— 18) Petrivalsky, Hirschsprung’sche Krankheit. — 19) Riedel, Cholecystitis. — 20) Jianu, 
Cavo-meseraische Anastomose. — 21) Magnuson, Operative Knochenverlängerung. — 22) Aglave 
und Retterer, 23) Riedinger, 24) Landwehr, 25) Friedel, Phlebektasien und Venenthrombosen. 

Schwenk, Isolierte Fraktur des Processus coronoideus ulnae. (Originalmitteilung.) 

26) Williams, Röntgenbehandlung des Krebses. — 27) Burr, Tetanus. — 28) Wood, Epilepsie. 
— 29) Flemming, Filariasis. — 80) Hashimoto und So, Pseudarthrosen nach Schußverletzungen. 
— 31) Turner, Pseudarthrosenbehandlung. — 82) Young, Multiple Exostosen. — 83) Titoff, Knochen- 
echinokokken. — 34) Weljaminow, Polyarthritis thyreotoxica. — 85) Guthrie, Transplantation von 
Blutgefäßen. — 86) Biesalski, 37) Kohl und Müller, 38) Forssell, 89) Stein, Zur Röntgentechnik. 
— 40) Kienböck, Hautreaktion nach Röntgenuntersuchungen. — 41) Gross u. Barthélmy, Steri- 
lisation von Gummihandschuhen. — 42) Erhardt, Gummizusatz zum Anästhetikum. — 43) Reg- 
nier, Salzwasser gegen offene Tuberkulose — 44) Prawdoljuboff, Zwerchfellverletzungen. — 
45) Eisendraht, 46) Vogel, Appendicitis. — 47) Ssisemski, Retroperitoneale Eiterungen. — 48) Port, 
Nabel- und Bauchbrüche. — 49) Weimann, Magengeschwür. — 50) Eschbaum, Viermalige Magen- 
operation. — 51) Einhorn, Schließungsunfähigkeit des Pylorus. — 52) Voeckler, Krebs des Wurm- 
fortsatzes. — 53) Tesson, 54) Rosow, Darmverschluß. — 55) Wilson, Krebs der Flex. sigmoidea, 
— 56) Burkhardt, Ruptur des Mastdarmes. — 57) Paryski, Totalexstirpation von Netz und Milz. 
— 58) Hardouin, Pankreascyste. — 59) Schirokogorow, Pankreassarkom. — 60) Miller, Gan- 
glionneurom. — 61) Koerber, Schulterblattexstirpation. — 62) Stieda, Zur Pathologie der Schulter- 
gelenkschleimbeutel. — 68) Pförringer, Angeborene Verbildungen. — 64) Plagemann, Osteo- 
myelitis der Synchondrosis sacroiliaca. — 65) Riedinger, Derangement im Hüftgelenk. — 66) Rauen- 
busch, Unterschenkelpseudarthrose. — 67) Riedinger, Hackenfuß. — 68) Landwehr, 69) Nippold, 
70) Blecher, Kahnbeinbruch. — 71) Hirsch, Metatarsus varus. — 72) Schmitter, Metatarsalgie. 
— 78) Soubbotitch, Verrenkung des Metatarsus. — 74) Massando, Mal perforant. — 75) Pfeiffer, 
76) Gocht, 77) Russ, 78) Ghiulamila, Zur chirurgischen Technik. — 79) Mayer, Chloroformtropf- 
apparat. — 80) Bockenheimer, Leuchtender Hirnspatel. — 81) Schanz, Waschtisch. 





Jodpinselungen zur Erzielung schmaler Narben. 
Von 
A. Schanz in Dresden. 


aß Operationswunden mit Hinterlassung denkbar geringster Narben 

heilen möchten, ist ein berechtigter Wunsch unserer Pat. Man 
sollte meinen, daß unser Streben nach einem reizlosen Wundverlauf 
diesem Wunsche denkbar weit entgegenkommt. Das ist aber nicht 
der Fall. Gewiß hinterläßt eine Operationswunde bei aseptischem 
Verlauf eine viel geringere Narbe als eine Wunde, welche unter 
Eiterung heilt. Aber die ganz reizlose Wunde, welche den asepti- 


82 `; 


962 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 


schen Operateur zufriedenstellt, gibt sehr häufig nicht die schmale 
Narbe, welche unser Pat. wünscht und welche wir erwarten. Wenn 
man aus einer solchen Wunde nach 8, nach 10 und 12, ja nach 
14 Tagen die Nähte entfernt, so sieht man sehr häufig die obersten 
Schichten der Haut, welche ganz exakt zusammengelegt waren, ein 
wenig voneinander weichen. Es entsteht ein kleiner, keilförmiger Spalt, 
der sich von der Tiefe heraus füllt, und wir erhalten nicht eine strich- 
förmige Narbe, sondern eine von der Breite dieses Spaltes — einen 
ein paar Millimeter breiten Narbenstreifen. 

Läßt man die Nähte länger liegen, so erhält man zwar die strich- 
förmige Narbe, aber man bekommt dafür große Stichnarben. 

Wenn man auf diese Erscheinungen bei der Heilung von Haut- 
wunden achtet, so wird man bemerken, daß oftmals Wunden, die uns 
in ihrem Aussehen nicht vollständig befriedigen, weil sie leichte Reiz- 
erscheinungen zeigen, günstigere Narbenbildung geben. Wir sehen an 
solchen Wunden, deren Reizung natürlich nicht so weit gehen darf, 
daß Sekretion entsteht, sehr rasche Verklebung bis zu den äußersten 
Rändern und als Narbe einen Strich, der aussieht, als ob er von 
einem Nadelriß herrühre. 

Heute, wo wir die Hyperämie kennen und als Heilmittel zu 
schätzen wissen, kann uns diese Differenz in der Heilung der ganz 
reizlosen und der leicht gereizten Wunde nicht überraschen. Ich kann 
darauf verzichten, darzulegen, wie und warum die durch die Reizung 
hyperämisierten Wundränder rascher verkleben müssen als die ganz 
reizlosen der ideal aseptischen Wunde. 

Die Schlußfolgerung aus diesem Verhalten ist sehr einfach ge- 
zogen. Wenn es uns darauf ankommt, denkbar schmale 
Narben zu erhalten, so müssen wir die Ränder ideal asep- 
tischer Wunden in einen leichten Reizzustand versetzen. 
Ein ausgezeichnetes Mittel zu diesem Zweck haben wir in unserer 
Jodtinktur. Pinselt man damit vor der Entfernung der Nähte die 
Wunde ein- oder mehreremal, so verkleben die Hautränder rasch so 
fest miteinander, daß jenes Klaffen mit seiner Verbreiterung der Narbe 
nicht eintritt. 

Seit Jahren übe ich diese Jodpinselungen. Ich nehme dieselben 
3—5 Tage nach der Operation vor. Bei kleinen, an gut ernährten 
Partien liegenden Wunden begnüge ich mich mit einer einmaligen 
Pinselung. Bei größeren Wunden und an weniger gut ernährten 
Stellen wiederhole ich die Pinselungen an 2—5 aufeinander folgenden 
Tagen. 

Der Einfluß dieser einfachen Manipulation auf die Narbenbildung 
ist ein deutlich sichtbarer in dem gewünschten Sinne. 


———— 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 963 


1) V. Bonney. The connective tissue in carcinome and in 


certain inflammatory states, that precede its ouset. 
(Lancet 1908. Mai 16., 23. u. 30.) 

Eine umfassende, aber zu einem kurzen Referat wenig geeignete 
Arbeit über das Verhalten des Bindegewebes bei Karzinom. 

Nach kurzem Uberblick über die einschlägige Literatur sowie über 
die von ihm angewandte Färbetechnik geht Verf. auf seine Unter- 
suchungen über das Gebiet über; das Verhalten der Lymphocyten, der 
Plasmazellen, der Endothelien, der Leukocyten, der festen Bindegewebs- 
zellen, der Mastzellen, der Riesenzellen, des fibrösen und des Elastin- 
gewebes wird in bezug auf das Entstehen und die Ausbreitung des 
Karzinoms geschildert. Sodann werden die Karzinome der Vulva, der 
Zunge, der Lippe, der Haut, der Brust, der Eingeweide, der Speise- 
röhre einzeln in ihrem Verhalten zum Bindegewebe eingehend be- 
sprochen. 

Den Schluß der sehr interessanten Arbeit bilden folgende Kapitel: 
Das Bindegewebe in seinem Verhalten zur Ausdehnung des primären 
Karzinoms; das Bindegewebe in seinem Verhalten zu den durch- 
wucherten Lymphgefäßen; das Bindegewebe in seinem Verhalten zu 
metastatischen Knoten; die Veränderungen in den Lymphdrüsen bei 
Karzinom; die Frage der Spezifität der Bindegewebsveränderungen, 
die dem Krebs vorausgehen, bzw. ihn begleiten. Im ganzen sind als 
Beläge 28 Zeichnungen mikroskopischer Bilder in der Arbeit enthalten. 

Als interessantestes Ergebnis dürfte wohl der Satz gelten, »daß 
kein histologischer Beweis dafür erbracht werden kann, daß von seiten 
des umliegenden Bindegewebes gegenüber der Krebszelle Schutzmaß- 
regeln auftreten«. H. Ebbinghaus (Dortmund). 


2) S. Wideröe. Hämolyse som diagnosticum vid kancer. 
(Nord. kirurg. förenings VII möto 1907. Nord. med. Arkives 1907. Tillägshäfte.) 


Verf. hat nach Kelling’s Methode mit Serum von 50 verschiedenen 
Pat. hämolytische Untersuchungen gemacht. Er hat nur Gelegenheit 
gehabt, seine Versuche mit Hühnerblutkörperchen zu machen. Von 
den 50 hämolytischen Untersuchungen sind 25 mit Serum von an Krebs 
oder Sarkom leidenden Pat., die übrigen 25 mit Serum von an anderen 
Krankheiten leidenden Pat. vorgenommen worden. Von den ersten 
25 wurde in zehn Fällen Hämolyse unter 30% erhalten, von den 
übrigen 15 trat in neun Fällen Hämolyse von 30—50% ein, in sechs 
Fällen von 50—85%. Von den zehn negativen waren in sechs Fällen 
die Pat. sehr kachektisch. Die Diagnose war sichergestellt durch 
Sektion, Operation oder längere klinische Beobachtung. Von den 
übrigen 25 Untersuchungen wurde in 22 Fällen Hämolyse unter 3%, 
in zwei Fällen zwischen 30 und 50% und in einem Falle über 50% 
gefunden. Von diesen drei mit Hämolyse über 30% waren zwei mit 
Serum von an maligner Blutkrankheit leidenden Pat., einer mit Serum 
von einem Pat. mit kruppöser Pneumonie vorgenommen. Unter den 

32* 


964 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 


22 Fällen mit negativer Hämolyse waren zwei Fälle von gutartigen 
Geschwülsten und zwei Fälle von Syphilis. Verf. betont außerdem, 
daß bei gutartigen Geschwülsten und Syphilis keine Hämolyse gefunden 
wurde, und daß bei kruppöser Pneumonie gesteigerte Hämolyse vor- 
handen ist. Ob dies auf dem fieberhaften Zustande beruht oder etwas 
für kruppöse Pneumonie Charakteristisches ist, bleibt dahingestellt. 
Bei auf Tuberkulose beruhenden fieberhaften Zuständen fehlt vermehrte 
Hämolyse. Verf. bemerkt, daß das Hämolysin, das sich in Krebsserum 
findet, nicht nach der Seitenkettentheorie Ehrlich’s zusammengesetzt, 
daß es vielmehr mutmaßlich dem von Bord und Kultmann in Krebs- 
blut und Krebsgewebe nachgewiesenen Hämolysin verwandt ist. Verf. 
betont, daß, wenn es sich bestätigen sollte, daß das Krebshämolysin 
nicht nach Ehrlich zusammengesetzt ist, Kelling’s Theorie vom 
Tierzellenparasitismus eine wertvolle Stütze verloren habe. Dahingegen 
wird auf die Bedeutung der Methode als Diagnostikum bei Krebs 
aufmerksam gemacht. Einar Key (Stockholm). 





3) Pochhammer. Der lokale Tetanus und seine Entstehung. 
(Deutsche med. Wochenschrift 1908. Nr. 16.) 

P. hat umfassende experimentelle Studien in dieser Hinsicht 
angestellt. Nach ihm beruht die lokale Muskelstarre beim Tetanus 
auf einer Intoxikation der peripheren Nerven. Das Tetanustoxin wird 
in der Substanz der Markscheiden der Nervenfasern abgelagert und 
gebunden (chemische Affinität). Das Zustandekommen des Tetanus 
ist durch Störung der Isolierung zwischen sensiblen und motorischen 
Nervenfasern in den gemischten peripherischen Nervenbahnen infolge 
Veränderung der Marksubstanz durch das Tetanustoxin zu erklären. 
Die Substanzen der Markscheide wirken, in der Blutbahn kreisend, 
antitoxisch. Nach Ausbruch des Starrkrampfes ist ein Nutzen von 
der Antitoxinbehandlung nicht zu erwarten. Der Wert aller Serum- 
therapie beruht in der Prophylaxe. Borchard (Posen). 





4) Zupnik. Bemerkungen zu Pochhammer’s Aufsatz: 
»Der lokale Tetanus und seine Entstehung.« 
(Deutsche med. Wochenschrift 1908. Nr. 26.) 

Z. verweist auf seine Publikation in der Deutschen med. Wochen- 
schrift und die daselbst mitgeteilten Versuche. Hiernach sind bereits 
im Jahre 1905 die jetzt erhobenen Hypothesen und Einwände Poch- 
hammer’s widerlegt. Borchard (Posen). 





5) Poenaru- Caplescu (Bukarest). Die Knochennaht und 
der Gipsapparat in der Behandlung der Beinbrüche. 
(Revista de chir. 1908. Juni.) 

Nach einer kurzen historischen Übersicht der Frage beschreibt 
P.-C. die in der Abteilung von Th. Jonnescu übliche Behandlungs- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 965 


methode der Beinbrüche. Im groBen und ganzen besteht dieselbe 
darin, daß aus zehn- bis zwölffachen Organtistreifen, die mit Gips 
imprägniert sind, drei Leisten zugeschnitten werden, von denen die 
eine, vom mittleren Drittel des Beines beginnend, über die hintere 
Fläche, den Absatz und die Sohle läuft, über den Zehen umbiegt 
und bis auf den Fußrücken hinübergreift. Eine zweite Organtinleiste 
umfaßt beide Seitenteile des Beines und geht wie ein Steigbügel über 
die Fußsohle.e Anfangs mit Binden und nach Erhärtung des Gipses 
mit Diachylonstreifen werden diese Leisten nach vorgenommener 
Adaptierung der gebrochenen Teile befestigt, und das Bein bleibt nun 
durch dieselben genügend befestigt. Das Glied kann auf diese Weise 
in seiner ganzen Ausdehnung beobachtet, offene Wunden können be- 
quem verbunden, und durch die Diachylonstreifen kann der Verband 
fester angezogen oder gelockert werden, je nachdem es die stattge- 
habte An- oder Abschwellung verlangt. Nach 25—30 Tagen wird 
der Verband abgenommen und mit Massage, Bädern und Mechano- 
therapie begonnen. 

Der angegebene Verband ist der modifizierte Maisonneuve’sche 
Apparat der Beinbrüche. Eine weitere Neuerung ist die, daß die 
Koaptierung der Knochenfragmente, falls dieselbe sehr schmerzhaft 
ist, unter Spinalanästhesie vorgenommen wird. Bei komplizierten 
Brüchen oder bei solchen, bei denen die Teile nur schwer oder gar 
nicht in der richtigen Lage gehalten werden können, werden die 
Jacoöl’schen Klammern angewendet und, wie die beigegebenen 
Röntgenographien zeigen, sehr gute Resultate erzielt. 

E. Toff (Braila). 





6) Miller. Opsonic therapie in tuberculosis of bones and 
joints. 
(Univ. of Pennsylvania med. bull. 1908. Mai.) 

Die Beurteilung des praktischen Wertes der Opsoninbehandlung 
der Knochen- und Gelenktuberkulose ergibt sich aus folgenden Tat- 
sachen: Die ÖOpsonintherapie gewährleistet bisher keine vollständige 
Heilung. Trotzdem kann sie im Beginn der Erkrankung mit Vorteil 
mit den sonstigen gebräuchlichen Behandlungsmethoden kombiniert 
werden. Tuberkulöse Abszeßbildung muß nach Eröffnung des Ab- 
szesses mit Opsoninen nachbehandelt werden. Gute Erfolge wurden 
auch bei der Behandlung tuberkulöser Fisteln erzielt, zumal wenn 
gleichzeitig Bakterienprodukte der Mischinfektion verwendet wurden. 

Mohr (Bielefeld). 





7) Cornil et Coudray. Osteomes musculaires. Hyperostose 
consécutive à l’ablation du périoste. Etude expérimentale 
et histologique. 

(Rev. de chir. XXVII. ann. Nr. 12.) 

Die Verff. haben bei 3—4 Monate alten Hunden 1 cm lange und 
5—6 mm breite Knochenhautläppchen, die unter sorgfältiger Schonung 


966 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 


der osteogenen Schicht von der Innenfläche des Schienbeines abgelöst 
wurden, sorgfältig ausgebreitet in die vordere Unterschenkelmuskulatur 
versenkt. Die darauffolgende Knochenbildung haben sie an Präparaten 
vom 2.—37. Tage genau studiert; sie ist frühestens am 8. Tage zu 
bemerken und beginnt in dem jungen Bindegewebe, das den Knochen- 
hautlappen umgibt. Vom 10. Tage ab finden sich typische OÖssifi- 
kationsbilder mit osteoiden und knorpeligen Zwischenstufen. Nirgends 
waren Beziehungen zwischen dem neugebildeten Knochen und den 
Muskelfasern bzw. ihren Zerfalls-, Degenerations- oder Umwandlungs- 
produkten aufzufinden, die auf ihre Beteiligung an der Knochenbildung 
schließen ließen. Sie waren vielmehr stets durch Bindegewebe von den 
Knochenbälkchen getrennt. Ganz denselben Befund konnten die Verff. 
an zwei von Muskelgewebe umschlossenen und einer periostalen trauma- 
tischen Knochenbildung vom Menschen erheben. Sicherlich gibt es 
nun viele Knochenbildungen im Muskel, die unabhängig vom Skelett 
und der Knochenhaut entstehen infolge eines einzigen oder wieder- 
holten Reizes. Auf Grund ihrer eigenen Erfahrungen gelangen die 
Verff. zu der auch sonst im Gegensatze zu Bremig und Grawitz 
(ds. Bl. 1898, p. 82) vertretenen Ansicht, daß in diesen Fällen allein 


das Bindegewebe des Muskels als Knochenbildner in Betracht kommt. 
Gutzeit (Neidenburg). 





8) W. A. v. Oppel. Zur operativen Behandlung der arterio- 


venösen Aneurysmen. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVI. Hft. 1.) 

Verf. hält es für wichtig, daß bei den arterio-venösen Aneurysmen 
vor der Operation die Intensität der kollateralen Blutzirkulation nach 
Korotkow festgestellt und danach der Operationsplan bestimmt wird. 
Die Kenntnis dieser Intensität läßt die Gefahren berechnen, die einer 
Extremität durch Unterbindung der Arterie oder bei Resektion eines 
Stückes derselben drohen. Trotz dieser Vorsorge kann es aber ge- 
schehen, daß die Extremität brandig wird, weil event. das arterielle 
Blut durch den aneurysmatischen Sack von den Venen abgefangen 
werden kann, ein Umstand, der anscheinend bisher nicht bekannt war. 
v. ©. hat das bei einem Fall erlebt, bei dem er zur Rettung des be- 
treffenden Armes in 9 Stunden drei Operationen in Chloroformnarkose 
ausführen mußte. 

Als das wesentlichste Prinzip der gefahrlosen Behandlung des 
Aneurysma sieht er die Trennung des arteriellen Blutes von dem 
venösen an. Danach ist die Methode von Hunter, die Unterbindung 
der zuführenden Arterie, als ungeeignet anzusehen, wenn auch oft 
genug bei ihr eine glückliche Verkettung von Umständen die Gangrän 
verhütet hat. Die moderne Chirurgie ist immer mehr bestrebt, das 
Aneurysma durch ganze oder partielle Exzision des Sackes zu heilen. 
In neuester Zeit ist man sogar wiederholt bestrebt gewesen, die nor- 
male Blutbahn durch Naht der Arterie wiederherzustellen. Verf. ist 
der Ansicht, daß dieses letztere Verfahren nur dann anzuwenden sei, 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 967 


wenn man nach der obenerwähnten Methode von Korotkow durch 
die Voruntersuchung feststellt, daß die arteriellen Kollateralen nicht 
ausreichend sind. Man darf aber nicht außer acht lassen, daß z. B. 
bei der A. carotis communis eine derartige Prüfung nicht möglich ist, 
und daß man bei ihr infolgedessen bezüglich des Ausganges der Ope- 
ration stets in einer gewissen Unsicherheit bleiben wird. Hier wäre 


also in der Tat die Naht der Arterie das sicherste Verfahren. 
E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


9) J. Wetterer. Einiges über Dosimeter. 
(Archiv f. phys. Medizin u. med. Technik Bd. III. Hft. 1.) 

Holzknecht’s Chromoradiometer, Sabourand-Noiré’s Radio- 
mètre und Bordier’s Chromoradiometer beruhen auf der Farben- 
änderung gewisser Salze — bei letzteren beiden Bariumcyanür — 
durch die Röntgenstrahlen. Bei allen dreien werden Reagenzpastillen 
gleichzeitig mit der zu bestrahlenden Partie exponiert. Die Pastillen 
dürfen nicht auf die zu bestrahlende Partie gelegt werden, da sie zu- 
viel Strahlung absorbieren, müssen aber andererseits doch möglichst 
noch in der kräftigsten Strahlung liegen, um Fehler zu vermeiden. 
Nach der Exposition werden die Pastillen mit Testskalen verglichen. 
Die Unterscheidung der Grade bei H. ist im Anfang schwierig; bei 
S.-N. gibt es nur zwei Testfarben, so daß man geringere oder größere 
Dosen nicht beurteilen kann. Außerdem soll zur Erzielung zuver- 
lässiger Funktion die Fokushautdistanz hier 15 cm betragen, die 
Pastille in halber Distanz sein. Dadurch wird die Handhabung sehr 
erschwert. Auch muß das Vergleichen sehr rasch geschehen, da die 
Farbe im Tageslicht zurückgeht. Schließlich wird auch durch Wärme- 
strahlung eine gewisse Färbung erzeugt. Das B.’sche Instrument ist 
eigentlich nur das durch Einfügung mehrerer Testfarben verbesserte 
S.-N.’sche und ist leicht abzulesen. Nur sollen die beiden niedrigsten 
Dosen nicht ganz exakt angezeigt werden. 

Das Kienböck’sche Quantimeter beruht auf der Wirkung der 
R.-Strahlen auf photographische Schichten. Es werden Streifen photo- 
graphischen Papiers direkt auf die zu bestrahlende Stelle aufgelegt, 
nachher in einer bestimmten Lösung bestimmte Zeit (jetzt 20 Se- 
kunden) entwickelt und fixiert, dann mit einer Normalskala verglichen. 
Auch die Tiefendose kann man durch Mitbenutzung von Aluminium- 
treppchen ziemlich exakt bestimmen. Ein Mangel der sonst sehr 
exakten Methode ist, daß man nicht sofort die bereits erreichte Dosis 
ablesen kann. Deshalb benutzen viele nebenbei ein »offenes« Dosi- 
meter (H. oder 8... Wenn man die Wirkung der Röhre ungefähr 
kennt, kann man aber auch die Bestrahlung nach einiger Zeit unter- 
brechen, den Streifen rasch entwickeln und nachher, wenn nötig, die 
Bestrahlung mit einem neuen Streifen fortsetzen. 

Bei der Freund’schen Methode wird eine Jodoformlösung durch 
Bestrahlung rot gefärbt, außerdem Jod ausgeschieden. Die Färbung 
wird mit Testlösungen verglichen. Sie ist aber ebensowenig wie ihre 


968 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 


Verbesserung durch Bordier und Gelimard exakt. Am günstigsten 
spricht sich Verf. über das Fällungsradiometer von Schwarz aus. 
Hier wird durch die Bestrahlung aus einer klaren Lösung Kalomel 
ausgeschieden, der Grad der Trübung an drei Teströhrchen abgelesen. 
Der Umschlag soll plötzlich und exakt stattfinden. Zur Messung 
höherer Dosen nimmt man besser neue Röhrchen, die man immer nur 
bis zum Eintritt der Trübung bestrahlt. Die einzelnen erreichten 
»Kalome« werden addiert. 

Der Vorzug besteht also in Vermeidung aller Farbennuancen 
und sofortiger Ablesungsmöglichkeit. Benner (Breslau). 





10) Blum. Ein Röntgenschadenersatzprozeß. 
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII. Hft. 3.) 

Verf. gibt dem Praktiker Winke, wie er sich bei einer eventuellen 
Schädigung des Pat. durch Röntgenstrahlen zu verhalten hat. Vor 
allem soll er bei solchen Prozessen, die allmählich immer zahlreicher 
werden, einen in Röntgensachen wirklich kompetenten Sachverständigen 
herbeiziehen, da in nicht wenig Fällen Arzte wegen Fahrlässigkeit 
verurteilt worden sind auf Grund »sachunverständiger Sachverständigen- 
gutachten«. Gaugele (Zwickau). 





11) Cohn. Überblick über die Leistungen auf dem Gebiete 


der Händedesinfektion. 
Dissertation. Berlin, S$. Karger, 1907. 

In fleiBigem Bemühen hat Verf. die meisten der üblichen Des- 
infektionsmethoden mit ihren zahlreichen Anderungen und Vorschlägen 
zu Anderungen in Form eines kurzen Überblickes aus der Literatur 
zusammengestellt. Am Schluß findet sich eine kurze Besprechung der 
Handschuhfrage. Die geschickt angelegte Arbeit ist nicht ganz voll- 
ständig, kann es bei dem Umfange von 33 Seiten auch nicht sein. 
Wer sich mit der Händedesinfektionsfrage beschäftigen will, findet 
aber in der O.’schen Dissertation mit ihrem etwa 150 Nummern um- 
fassenden, allerdings auch nicht lückenlosen Literaturverzeichnis ein 
brauchbares Hilfsmittel. W. Goebel (Köln). 





12) Clark. The use of anthracite coal ash as a surgical 
dressing. 
(Journ. of the amer. med assoc. 1908. Nr. 11.) 
Empfehlung der Anthracitkohlenasche zur Wundbehandlung in 
Notfällen, bei stark eiternden Wunden, besonders auch bei Beinge- 
schwüren. W. v. Brunn (Rostock). 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 969 


13) P. Frangenheim. Die Wirkung der Stauungshyperämie 
im Tierexperiment. (Aus der Königsberger chirurgischen 
Universitäts-Klinik.) 

(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 24.) 

Nach dem Ergebnis der von F. vorgenommenen Versuche wirkt 
im Tierexperiment die Stauungshyperämie nicht oder wenigstens nicht 
in nennenswerter Weise bakterizid, und gelingt es nicht, durch früh- 
zeitige oder sofortige Stauung zu verhüten, daß Knochenmarkeiterungen 
ausschließlich — durch stärkere Eiterung in der Markhöhle, größere 


Sequester und Totenladen usw. — und Gelenkeiterungen in dem 
größeren Teil der Fälle — durch Ausbreitung der Eiterung, Durch- 
bruch in die Umgebung usw. — ungünstig beeinflußt werden. Eine 


charakteristische Eigenschaft der Stauungshyperämie, die bei der 
Stauung und Saugung zu beobachten ist, ist die vermehrte Eiter- 
bildung und die Hinterlassung von Infiltration in der Umgebung der 
Eiterherde. Kramer (Glogau). 


14) J. Corbellini. La guérison radicale des hernies inguinales. 
(Revue de chir. XXVII. ann. Nr. 7.) 

C. hält es für verfehlt, indirekte (intrainguinale oder vordere) 
und direkte (retroinguinale oder hintere) Leistenbrüche mittlerer Größe 
nach ein und derselben Methode zu operieren. Weder für die Frei- 
legung und Abtragung des Sackes noch für die Wiederherstellung 
der Wände des Leistenkanales ist es nötig, die Fascie des Obliquus 
externus zu spalten. 

Bei den indirekten Brüchen verstärkt Verf. die vordere Wand, 
schützt den inneren und verengert den äußeren Leistenring durch 
Nähte, welche durch die Externusfascie hindurch Obliquus internus 
und Transversus vor dem Samenstrang am Leistenbande befestigen 
und beim Knüpfen die Aponeurose des Obliquus externus falten. 

Bei den direkten Brüchen werden zur Wiederherstellung der 
hinteren Wand und zum Schutze der äußeren Leistenöffnung Nähte 
gelegt, die zunächst Obliquus externus und internus und Transversus 
fassen und hinter dem Samenstrange hinab durch das Leistenband 
gehen. Darauf wird das obere Fadenende eingefädelt, wieder durch 
den Einstich der Externusfascie hindurch und hinter ihr und dem 
Samenstrange hinab nochmals durch das Leistenband, wenige Milli- 
meter vom ersten Ausstich, geführt und nun erst mit dem unteren 
Ende geknüpft. Die vordere Wand und die innere Leistenöffnung 
bleiben unberührt. Der äußere Leistenring wird durch mediale Pfeiler- 
nähte so weit wie nötig verkleinert. Gutzeit (Neidenburg). 


'15) S. S. Girgolaff. Experimentelle Ergebnisse zur Frage 
der Anwendung isolierter Netzstücke in der Bauchchirurgie. 
(Russ. Archiv f. Chirurgie 1907. [Russisch.)) 

Die Hauptergebnisse der umfangreichen Arbeit sind in der Polemik 
-zwischen G. (cf. d. Zentralbl. 1906 Nr. 46 und 1907 Nr. 5) und 


324+ 


970 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 


Springer (1907 Nr. 49) bereits erwähnt worden. Hier bringt G. die 
Literatur, die an 58 Tieren ausgeführten Versuche und eine Aus- 
einandersetzung mit Springer. 

Die überpflanzten Netzstücke verkleben in wenigen Stunden, meist 

mittels fibrinösen Exsudates, und zeigen in 48 Stunden kapilläre Gefäß- 
beziehungen zur Unterlage. Die Netzpfropfung bietet »gewisse, wenn 
auch nicht absolute Garantie« gegen Verwachsungen, die nur am Dünn- 
darme sich nicht vermeiden lassen. 
Die »Plastik« ist also verwendbar zur Herstellung des serösen 
Überzuges, zur Sicherung von Nähten, zur Naht parenchymatöser 
Organe (Leber, Milz, wobei das Netz als Tampon eingenäht wird). 
In Fällen, wo eine Perforation schon besteht‘oder droht, wo aus- 
gedehnte Schädigungen vorliegen, empfiehlt es sich, nicht isoliertes 
Netz zu verwenden. V. E. Mertens (Kiel). 


16) E. Capek. Fine weitere Modifikation der Technik der 


Cauterium-Darmanastomosen resp. Gastroenterostomien. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVI. Hft. 2.) 

Für die Anlegung von Darmanastomosen sind im Laufe der Jabre 
zahlreiche Methoden angegeben worden. Vor allem war man in letzter 
Zeit bestrebt, ein Verfahren zu ersinnen, bei welchem die Anastomosen- 
bildung völlig aseptisch verläuft, d. h. man will die Darmwand nur 
zur Nekrose bringen, damit die Eröffnung der aneinander genähten 
Darmlichtungen erst einige Zeit nach der Operation eintrete und so 
eine Berührung des Operationsfeldes mit Darminhalt völlig vermieden 
werde. Keine der bisherigen derartigen Methoden hat sich aber bisher 
allgemeine Anerkennung verschafft, hauptsächlich weil das Eintreten 
einer Kommunikation nie ganz sicher war. Verf. glaubt nun ein ganz 
sicheres Verfahren gefunden zu haben, das er empfehlen möchte. Er 
näht die Darmschlingen mit einer fortlaufenden Seromuscularisnaht 
aneinander, dann werden beiderseits Serosa und Muscularis bis auf 
die Schleimhaut inzidiert, die Ränder etwas auseinander gezogen und 
darauf die Schleimhaut verschorft. Durch den inneren und durch den 
äußeren Rand der verschorften Schleimhaut wird je eine Reihe von 
Knopfnähten gelegt, die den Rand der Serosa und Muscularis mit- 
fassen. Dadurch werden die verschorften Schleimhäute einander ge- 
nähert. Darüber wird wieder eine Seromuscularisnaht mit Lembert- 
schen Nähten gelegt. Wichtig ist für die Verschorfung, daß nach 
der Inzision eine exakte Blutstillung mit heißen Tupfern, event. mit 
Ligaturen größerer Gefäße erfolgt. Der Paquelin ist zum Kauterisieren 
ganz ungeeignet. C. hat deshalb Glühbrenner von dreieckiger Gestalt 
konstruiert, die auf einmal die Verschorfung erledigen, und zwar 
in 20—25 Sekunden. Am besten bewährt sich ihm ein Glühdraht 
von 3,8 mm Durchmesser. Die Anastomose ist jeweils schon nach 
24 Stunden hergestellt gewesen. Das Verfahren ist ihm bei sämtlichen 
Versuchstieren geglückt und ist nach des Verf.s Ansicht auch bei 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 971 


Darmresektionen mit Vereinigung der Darmschlingen side to side an- 
wendbar. E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


17) M. Patel. Sigmoiditis et perisigmoiditis, affections in- 
flammatoires simple de I'S iliaque. 
(Revue de chir. XXVII. ann. Nr. 10 u. 12.) 

Außer dem Geschwür, der spezifischen (dysenterischen, syphiliti- 
schen und tuberkulösen) und der sekundären Entzündung der Flexur 
über eigenen oder Mastdarmverengerungen und außer der sekundären 
symptomatischen Perisigmoiditis, die durch Übergreifen krankhafter 
Vorgänge der Nachbarschaft entsteht, gibt es eine primäre, einfach ent- 
zündliche Sigmo- und Perisigmoiditis, die zuerst von Mayer im Jahre 
1897 genauer studiert ist, und zu der die Klinik Jaboulay’s, aus 
welcher auch diese Arbeit stammt, mit am frühesten einschlägige Be- 
obachtungen mitgeteilt hat (Regnier, These de Lyon, 1897/98). 


P. hat noch mehrere neue und die in der Literatur niedergelegten 
Fälle dazu verwertet, um in einer ausführlichen Abhandlung ein voll- 
ständiges Bild dieser Krankheit zu geben und ihre Stellung in der 
Pathologie und Klinik der Dickdarmkrankheiten genau zu fixieren. 


Das Sigma unterscheidet sich in seiner anatomischen Anordnung 
und physiologischen Aufgabe ganz wesentlich von den übrigen Teilen 
des Dickdarmes. Die ungleiche Länge seines Gekröses, seine wech- 
selnde Lichtung geben zu häufigen Lageveränderungen, Knickungen, 
Erweiterungen, Aussackungen und Kotstauungen Veranlassung, be- 
sonders da der Kot sich schon normalerweise längere Zeit im Sigma, 
dem »Regulator der Defäkation«, aufhält. Bei habitueller Kotstockung 
kommt es zu Dehnungsgeschwüren und kleinen Einrissen der Schleim- 
haut, welche Eingangspforten für die Infektion bilden, und zur Ent- 
stehung von Divertikeln, die so zahlreich sein können, daß sie die 
ganze Flexur besetzen; wie P. betont, spielen sie die weitaus wich- 
tigste Rolle in der Atiologie der Sigmoiditis. In ihrer Höhlung 
fangen sich kleine Fremdkörper, sie bilden die besten Schlupfwinkel 
für den infektiösen Darminhalt; wird das Divertikel durch Schleim- 
hautödem nach der Darmlichtung zu abgeschlossen und der Druck 
in ihm auf diese Weise gesteigert, so ist es bis zum divertikulären 
Abszeß und der Perforation nicht mehr weit. Divertikel und Wurm- 
fortsatz spielen somit eine ähnliche Rolle, und die Divertikulitis steht 
in demselben Verhältnis zur Sigmo- und Perisigmoiditis, wie die Ap- 
pendicitis zur Typhlitis. Daß die Divertikelentzündung nicht so häufig 
ist wie die des Wurmfortsatzes, liegt wohl daran, daß der feste Kot 
der Flexur nicht so leicht in das enge Divertikel eindringt, wie der 
flüssige des Blinddarmes in den Wurm. Für gewisse Formen von 
Sigmoiditis nach allgemeinen Infektionskrankheiten (Wochenbettfieber, 
Scharlach, Influenza) ist wahrscheinlich der Follikelreichtum der Flexur 
nicht ohne Bedeutung. 


972 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32, 


Die Sigmoiditis kann auf die Wand beschränkt bleiben oder zum 
perisigmoiditischen Abszeß und zu allgemeiner Peritonitis führen. 
Hiernach teilt sie P. ein in: 

a. akute, nicht eitrige Sigmoiditis, 

b. eitrige Perisigmoiditis, 

c. chronische Sigmo- und Perisigmoiditis, zu welchen auch die 
subakute Perisigmoiditis und die entzündlichen Verengerungen ge- 
hören, 

d. Sigmoiditis mit allgemeiner Peritonitis. 

Verf. erörtert eingehend die klinischen Erscheinungen, den ana- 
tomischen Befund und die Differentialdiagnose und Behandlung jeder 
Form. Die Anfälle der akuten Sigmoiditis sind meist weniger stür- 
misch als die der Epityphlitis und klingen nach reichlicher Stuhl- 
entleerung sofort ab. Der perisigmoiditische Abszeß liegt, wenn er 
von der Bauchfelloberfläche des fixierten Teiles der Flexur ausgeht, 
über dem Leistenband; entstammt er dem beweglichen Teile, so findet 
er sich am äußeren Rande des linken Rectus unterhalb des Nabels. 
Entwickelt er sich zwischen den Blättern des Mesosigma, so kann er 
sich weithin bis zum Zwerchfell subperitoneal ausdehnen und sich 
nach der Lendengegend bzw. dem Petit’schen Dreieck senken und 
hier am besten zugänglich sein, während die vorderen Abszesse durch 
den Schnitt nach Roux bzw. Jalaguier zu eröffnen und unter Um- 
ständen noch nach der Lendengegend hin zu drainieren sind. Durch- 
brüche des Eiters nach der Blase und dem Darme sind auch beob- 
achtet. Die Perforationsperitonitis führt meist schnell zu tödlichem 
Kollaps. 

Hervorzuheben ist noch, daß die Diagnose oft recht schwierig 
sein kann, da Beckenaffektionen, Blinddarmentzündung und der Krebs 
der Flexur wenigstens eine Zeitlang ganz ähnliche Erscheinungen wie 
die Sigmoiditis veranlassen können. 

Mit einem Literaturverzeichnis von 128 Nummern schließt die 
gründliche Arbeit. Gutzeit (Neidenburg). 


18) J. Petrivalsky. Zur Hirschsprung'’schen Krankheit. 
(v. Langenbeck’s Archiv. Bd. LXXXVI. Hft. 2.) 

P. bespricht die Differenzen, welche bei den verschiedenen Autoren 
über die Atiologie der Hirschsprung’schen Krankheit bestehen. 
Während die einen eine kongenitale Anomalie annehmen, sehen andere 
als Grundlage des Leidens mechanische Hindernisse, Formverände- 
rungen der Flexur oder eine idiopatische Dilatation an. Verf. hatte 
Gelegenheit einen einschlägigen Fall zu beobachten, und da die 
Operation tödlich verlief, durch eingehende Autopsie genauere Studien 
an den Präparaten zu machen. Er kommt auf Grund seiner Beob- 
achtung und anatomisch-histologischer Arbeit zu dem Schluß, daß 
das echte Megakolon, die eigentliche Hirschsprung’sche Krankheit, 
eine angeborene Entwicklungsstörung ist, welche nicht nur den Dick- 
darm, sondern den ganzen Verdauungskanal, einschließlich der Drüsen- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32, 973 


organe betrifft. In seinem Falle war der Darmkanal im Vergleich zu 
der Körpergröße um die Hälfte kürzer als gewöhnlich, das Mesenterium 
war histogenetisch geschwächt, das heißt nicht hinreichend mit Elastika 
ausgerüstet. Diese histogenetische Anomolie des Mesenterium und 
der Darmwand sieht Verf. als das Charakteristische des Megakolon an. 
Die klinischen Erscheinungen, die Dilatation des Darmes, die Hyper- 
trophie der Darmmuskulatur und die Hyperplasie des interstitiellen 
Bindegewebes der Darmwand sind nur Folgeerscheinungen, die ihrer- 
seits durch die Intensität und den Umfang der histogenetischen Störung 
bedingt werden. 

Im Gegensatz zu diesen Fällen gibt es noch eine symptomatische 
Megakolie, welche nie den mikroskopischen Befund der angeborenen 
aufweist. Ihre Ursache ist vornehmlich in Veränderungen an der Flexura 
sigmoidea zu suchen, die ja auch bisher bekannt waren, wie die ab- 
norme Länge derselben, Schlingenbildung, engere Insertion des Me- 
sosigmoideum usw. 

Derartige Veränderungen können durch einen Ventilverschluß 
leicht dem Megakolon ähnliche Erscheinungen, auch eine Dilatation und 
Hypertrophie der Darmwand herbeiführen. P. glaubt, daß seine Ein- 
teilung in zwei Gruppen das Verständnis für die Hirschsprung’sche 
Krankheit wesentlich zu fördern geeignet ist. 

E. Siegel (Frankfurt a. M... 


19) Riedel. Die Frühoperation der akuten schweren Chole- 
cystitis. 
'Deutsche med. Wochenschrift 1908. Nr. 22.) 

In seiner ausführlichen, äußerst interessanten Mitteilung weist R. 
darauf hin, wie früher zahlreiche Kranke mit akuter schwerer Chole- 
cystitis und nachfolgender Perforation überhaupt nicht bis in die Spi- 
täler gelangt sind. Erst seit der Zeit, wo entzündliche Prozesse im Bauche 
dem Chirurgen überwiesen werden, erweist sich die Cholecystitis acuta 
als ein schweres, das Leben bedrohendes Leiden. Deshalb sollte die 
prall gespannte Gallenblase entfernt werden, bevor sie platzt oder 
bevor ein kleines im Blasenbalse oder Ductus cysticus steckendes 
Konkrement in den Choledochus hineingeworfen wird. Bei gutem 
Allgemeinzustand und bei sicherer Diagnose ist auch bei leichter Chole- 
cystitis zu operieren, weil jeden Tag eine schwere Cholecystitis ein- 
setzen kann. Borchard (Posen). t &; 


20) I. Jianu (Bukarest. Note über die cavo-meseraische 
Anastomose. 
(Spitalul 1908. Nr. 9.) 

Die Ligatur der V. cava inferior unterhalb der Nierenvenen 
bewirkt ein außerordentlich großes chronisches Odem der unteren Ex- 
tremitäten infolge Behinderung des venösen Abflusses; die Ligatur 
oberhalb der Nierenvenen bewirkt den Tod infolge von Nierendegene- 
ration. Beides kann verhütet werden, falls man die Cava mit der 


974 ` Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 


V. mesenterica superior seitlich anastomosiert. Diese Operation wird 
derart ausgeführt, daß nach präventiver Blutstillung die beiden Venen- 
stimme aneinander gelegt und mit Oatgut Nr. O0 in der Ausdehnung 
von etwa 1 cm zusammengenäht werden. In die gegenüberliegenden 
Venenwände werden nun zwei Fensterchen geschnitten, dieselben mit 
penetrierender Naht vereinigt und darüber mit dem von der ersten 
Naht übrig gebliebenen Catgutende eine weitere Konsolidierungsnaht 
ausgeführt. Nach Entfernung der provisorischen Ligatur geht der 
Blutstrom von der Oava inferior in die Mesenterica superior. 

Diese experimentellen Venenanastomosen könnten bei unabweislicher 
Ligatur der Pfortader, bei Behinderung der Leberzirkulation, statt der 
Talma’schen Operation, oder bei Hindernissen in der Zirkulation der 


Mesenterialvenen zu therapeutischen Zwecken herangezogen werden. 
E. Toff Braila.. 


21) Magnuson. Lengthening shortened bones of the leg by 
operation. 
(Univ. of Pennsylvania med. bull. 1908. Mai.) 


Experimente an Hunden über operative Verlängerung der langen 
Röhrenknochen des Beines. Die Verlängerung wurde dadurch erzielt, 
daß der Knochen längs gespalten und auf die Endpunkte des Spaltes 
quere Trennungen auf einander gegenüberliegenden Seiten des Knochens 
gesetzt wurden. Unter Extension in der Längsrichtung wurden dann 
die Knochenenden durch besonders konstruierte Elfenbeinschrauben 
miteinander verschraubt. An der Tibia des Hundes betrug die so 
erzielte Verlängerung !/,—1!/;, cm. Das Elfenbein fand sich, wenn 
keine Eiterung eingetreten war, stets nach 3 Monaten resorbiert; es 
verursacht keine Nekrosen und stößt sich bei aseptischem Verlauf 
nicht aus. Für praktische Zwecke empfiehlt sich als beste Operations- 
stelle das untere Drittel des Oberschenkels. Nach den Tierexperimen- 
ten zu schließen, läßt sich beim Menschen eine Verlängerung bis zu 


5 cm ohne Schädigung der Blutgefäße und Nerven erzielen. 
Mohr (Bielefeld). 


22) Alglave et Retterer. Du mecanisme de la phlebectasie. 
(Compt. rend. de la soc. de biologie 1907. p. 373,446.) 

Verff. versuchen die noch in manchen Punkten dunkle Atiologie 
der Varicen teils aus dem histologischen Befunde, teils aus der funktio- 
nellen Inanspruchnahme der Beinvenen zu erklären. Sie wenden sich 
gegen die Annahme, daß primäre Klappenerkrankungen, das Gewicht 
der Blutsäule oder chronische Gefäßwandentzündungen die Ursache 
der Bildung von Venenerweiterungen seien. In keinem Stadium be- 
obachte man Atrophie der Gefäßhäute oder der Elastika. Die Venen- 
wände seien von Anfang an hypertrophisch. An der Hypertrophie 
nähmen später auch die Klappen teil und würden dadurch starr und 
insuffizient. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 975 


A. und R. nehmen an, daß der Anprall der großen Blutmenge, 
welche von den tieferen Beinvenen brüsk in die oberflächlichen Blut- 
adern entleert würde, die Ursache sei, die primär eine Hypertrophie 
der Gefäßwände und sekundär Venenerweiterung bewirke. Dafür 
spreche insbesondere, daß die den Varicen benachbarten Venen, welche 
im übrigen eine gesunde Beschaffenheit ihrer Häute aufwiesen, eben- 
falls hypertrophische Wände besäßen. Revenstorf (Hamburg). 





23) Riedinger. Hypertrophie der Wadenmuskulatur im An- 


schluß an Venenthrombose nach Typhus. 
(Archiv für Orthopädie, Mechanotherapie und Unfallchirurgie Bd.VI. Hft.2 u. 3.) 


24) Landwehr. Pseudohypertrophia musculorum nach Venen- 
thrombose. 
(Ibid.) 

Beide Verff. führen die Ursache einer Ernährungsstörung in Fällen 
von GefäßverschluB auf ein Versagen der Kollateralbahnen zurück, 
die bei gesunden Individuen prompt und dauernd den Ausgleich be- 
werkstelligen. Es verwirklicht sich auch die Bier’sche Annahme, wo- 
nach bei hochgradiger Stauung der Erfolg der Muskelhypertrophie nicht 
eine Erhöhung, sondern eine Verminderung der Leistungsfähigkeit ist. 
Der Prozeß ergreift nach und nach die proximal gelegenen Muskel- 
partien und zeigt dabei die Formen einer Atrophie und später Hyper- 
trophie, die wohl im Sinne einer Pseudohypertrophie aufzufassen ist. 
Hinsichtlich der Entstehungsweise wird auf die Erklärung von Ribbert 
hingewiesen, nach welcher der Zug an den Muskelfasern infolge Er- 
weiterung der Gefäße eine intrazelluläre Entspannung zur Folge hat, 
die ihrerseits durch Auslösung von Wachstumsenergie Neubildung von 
Muskelsubstanz herbeiführen kann. Hartmann (Kassel). 





25) G. Friedel. Operative Behandlung der Varicen, Ele- 


phantiasis und Ulcus cruris. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVI. Hft. 1.) 

In Fällen von Varicen, bei welchen man wegen Ausdehnung des 
Leidens die Exstirpation der Venenstränge nicht mehr ausführen 
kann, empfiehlt Verf. ein von Rindfleisch ersonnenes Verfahren, 
die Anlegung spiraliger Schnitte um den Unterschenkel herum. Nach 
Resektion eines Stückes der Vena saphena magna zeichnet man sich 
durch Einritzen in die Haut den Verlauf der Spiralen an. Sind 
Unterschenkelgeschwüre vorhanden, so müssen sie zwischen die Win- 
dungen der Spiralen zu liegen kommen. Eventuell kann die Blut- 
zufuhr zu diesen Geschwüren noch durch seitliche Schnitte in Längs- 
richtung gehemmt werden. Alle Varicen müssen durchschnitten 
werden, womöglich mehrere Male. Deshalb muß der Spiralschnitt 
unter dem Knie beginnen und event. bis auf den Fußrücken verlaufen. 


976 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 


Es wurden bis zu fünf Spiralwindungen angelegt. Die durch- 
schnittenen Venen werden unterbunden oder umstochen. Die Schnitte- 
werden tamponiert und sollen per secundam intentionem heilen. Es 
soll eine feste tief einschneidende lineäre Narbe erzielt werden, damit 
sich keine neuen Venenerweiterungen bilden. Die Operation setzt 
den Druck in den Venen wesentlich herab, und durch die ausgiebige 
Eröffnung der Lymph- und Gefäßspalten kommt es zu einer enormen 
Entfaltung des Öperationsgebietes, infolgedessen zu Rückgang der 
entzündlichen Erscheinungen und Verdünnung der angeschwollenen 
Beine. Eine Reihe von Krankengeschichten beweist die Erfolge, 


welche mit dem Eingriff erzielt worden sind. 
E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


Kleinere Mitteilungen. 


Aus der chirurg. Abteilung des städtischen Krankenhauses Wenzel 
Hancke zu Breslau. Leitender Arzt: Primärarzt Dr. Heintze. 


Isolierte Fraktur des Processus coronoideus ulnae. 
Von 


Sekundärarzt Dr. Schwenk. 


win L., 21 Jahre alt, kehrte am 26. März 1908 von einer Radtour er- 
müdet heim. Beim Absteigen vom Rade kam er zu Fall. Er fiel bei gestrecktem 
rechten Arm mit leicht dorsal flektierter Hand auf den steinernen Boden und 
erlitt so eine Stauchung des Vorderarmes in der Richtung seiner Längsachse bei 
Feststellung seiner beiden Hauptgelenke. Er hatte zunächst nicht den Ein- 
druck, daß er sich verletzt hätte. Erst nach einer Stunde traten zunehmende 
Schmerzen bei jeder Bewegung im rechten Ellbogengelenk auf, die den Pat. zu uns 
führten. 

Pat. hält den Vorderarm zum Oberarm ca. im rechten Winkel gebeugt, und 
zwar in Mittelstellung. — Bewegungsversuchen setzt er heftigen Widerstand ent- 
gegen, jede Bewegung ist schmerzhaft. Die Schmerzhaftigkeit ist konzentriert bei 
Druck auf die Beugeseite des Ellbogengelenkes; ganz deutlich läßt sie sich lokali- 
sieren auf den Gelenkteil der Ulna. Aktive Bewegungen sind nur in geringem 
Grade ausführbar, passiv wegen der großen Schmerzen nicht weiter zu forcieren. 
Das Olecranon liegt in der Condylenlinie. Die Gelenkgegend zeigt normale Kon- 
turen, doch ist sie rechts mehr ausgefüllt wie links. Ein größerer Erguß ist nicht 
zu konstatieren. Die bei dem Versuch, die Bewegung des Vorderarmes zu ver- 
mehren, besonders) heftig exazerbierenden Schmerzen lassen bei Berücksichtigung 
des fixen Schmerzpunktes im Gelenk an eine Verletzung des Proc. coronoideus 
ulnae mit Abreißung des Musc. brach. int. denken. Die Röntgenaufnahme 
bestätigt die Diagnose der Fraktur. Der Proc. coronoideus ulnae ist an seiner 
Spitze abgebrochen, die Spitze liegt frei im Gelenk (s. das Röntgenbild). — 
Ein Gipsverband in Flexionsstellung von ca. 60° blieb 14 Tage liegen. Nach 
Abnahme des Verbandes war die Beweglichkeit fast momentan eine vollständige, 
nur die Streckung des Armes war in geringem Grade behindert. Nach weiteren 
10 Tagen war absolute Heilung erreicht. Allerdings machten sich jetzt gelegent- 
lich seitens des abgesprengten Stückes Corpus mobile-Beschwerden geltend, indem 
bei plötzlich ausgeführter Beugung der Vorderarm mitten in der Bewegung »stehen 
bliebe. Das läßt sich nur so erklären, daß die Heilung ligamentös erfolgt ist. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 977 


Auffallend sind in unserem Falle die geringen Beschwerden direkt nach der 
»Stauchung«. 

Für die (meist indirekte) Entstehung dieser Stauchungs- oder Kompressions- 
fraktur scheint es gleichgültig, ob der Vorder- zum Oberarm in mehr oder weniger 
Streck- oder Beugestellung sich befindet, wenn nur die Hauptgelenke festgestellt sind. 





Bekanntlich ist die Fraktur des Proc. coronoideus sehr selten isoliert, häufiger 
in Verbindung mit Luxation des Vorderarmes nach hinten gefunden worden. Der 
Fall interessiert daher an sich, ferner durch die sichere Kenntnis seiner Ent- 
stehungsweise, seine genaue röntgenographische Beobachtung und den durchaus 
günstigen Ausgang im Gegensatz zu den Fällen mit komplizierender Luxation. 

Zur Literatur sei verwiesen neben den Lehrbüchern auf die Arbeiten von 
Urlich, Beck u.a. 


26) Williams. Report of hundred and seven cases of cancer treated 
with the Roentgen ray, with comments thereon. 
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. Nr. 8.) 


Die Fälle des Verf.s betreffen zur Hälfte Cancroide (53, davon 52 geheilt.. 
Hatte die Neubildung tiefere Gewebe ergriffen, wurde das Resultat erheblich 
schlechter. 

Drei Pat. mit unoperiertem Carcinoma mammae ergaben ein sehr schlechtes 
Resultat; von 15 Karzinomrezidiven der Mamma wurden die meisten erheblich 
gebessert, zwei sind seit 21/, Jahren geheilt und rezidivfrei geblieben. 

W. v. Brunn (Rostock). 


271) Burr. Delirium during and after tetanus. 
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. Nr. 11.) 

Delirium während oder nach Ausbruch des Tetanus ist nach Verf.s Ansicht 
sehr selten. 

Verf. beobachtete drei Fälle dieser Art bei Männern zwischen 26 und 33 Jahren. 

In einem Falle, der tödlich endete und mit hohen Temperaturen verlief, war 
weder Potatorium vorhanden noch waren Medikamente irgendwelcher Art gegeben 
worden. Auch scheint Antitoxin nicht verabreicht worden zu sein. Das Delirium 
dürfte hier eine Folge des schnellen Kräfteverfalles bei dem hohen Fieber ge- 
wesen sein. Die Sektion klärte ebenfalls den Zusammenhang nicht auf. 


978 Zentralblatt für Chirargie. Nr. 32. 


Im zweiten Falle können die vorher verabreichten Medikamente (Brom, 
Chloral) den Ausbruch verschuldet baben. Es wurde Antitoxin gegeben und trotz 
der Schwere des Falles (10 Tage Inkubation) Heilung erreicht. Im ersten Falle 
konnte über die Inkubation nichts eruiert werden. 

Der dritte Fall war leicht und ging ebenfalls in Heilung aus. Hier handelte 
es sich um einen Potator. W. v. Brunn (Rostock). 


28) Wood. Operative procedure as a therapeutic measure in the cure 
of epilepsy. 
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. Nr. 9.) 

W. berichtet aus seiner Praxis über drei Fälle von Epilepsie, weibliche Per- 
sonen betreffend, die seit 20 bzw. 10 und 7 Jahren epileptisch waren und trotz 
sorgfältiger ärztlicher Behandlung alle paar Monate ihre Anfälle hatten. 

Im ersten Falle kam es nach schwerer Verbrennung während eines Anfalles 
zur Amputation eines Armes; im zweiten hatte Pat. sich durch Sturz aus dem 
Fenster eine Handverletzung zugezogen, die operativ behandelt werden mußte. 
Fall 3 wurde wegen tuberkulöser HalsIymphome operiert; alle drei in Narkose. 

Die |Fälle konnten 8 bzw. 4 und 3 Jahre beobachtet werden und blieben 
ganz anfallsfrei ohne Medikation. W. v. Brunn (Rostock‘. 


29) Flomming. Case of filariasis with abscess. 
(Bristol med.-chir. journ. 1908. Juni.) 


Bei dem 30jährigen Pat., der sich längere Zeit in Deutsch-Südwestafrika auf- 
gehalten hatte, entwickelte sich subakut eine Schwellung an den langen Rücken- 
muskeln in Höhe der Lendenwirbel. Im Blute wurde Filaria festgestellt. Die 
Inzision der Schwellung ergab, daß ein Abszeß in den tiefsten Muskelschichten 
vorlag; im Abszeßinhalt konnte Filaria nicht nachgewiesen werden, was bei dem 
längeren Bestehen des Abszesses vor der Inzision (66 Tage) nicht zu verwundern 
war. Mohr (Bielefeld). 


30) Hashimoto und So. Über Pseudarthrosenbehandlung nach Schuß- 
verletzungen. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVI. Hft. 2.) 


In sieben Fällen von Pseudarthrose, die Verff. im japanisch-russischen Kriege 
im Tokyo-Shibuya-Lazarett beobachteten, war nach ihrer Meinung unvorsichtige 
Exstirpation der Knochenstücke die Ursache falscher Gelenkbildung. Bei Eiterung 
von Schußwunden sollte man nur für guten Abfluß des Sekretes sorgen und die 
Splitter nicht entfernen, da man mit ihnen nur zu leicht Periostgewebe abreißt, 
das für die Knochenneubildung von größter Wichtigkeit ist. Verf. geben eine 
kurze Krankengeschichte ihrer sieben operierten Fälle und besprechen die ver- 
schiedenen Methoden allgemeiner und lokaler nichtoperativer, wie operativer Thera- 
pie, die bisher gehandhabt werden. Sie selbst haben fünf Fälle nach Mangoldt 
mit ungestielten Periost-Knochenlappen und zwei Fälle nach Hahn durch Ein- 
fügung der durchsägten Fibula in das obere Fragment der Tibia meist mit sehr 
gutem Erfolg behandelt. E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


31) @. J. Turner. Über Klopfung als Mittel zur Beschleunigung der 
Heilung von Knochenbrüchen und als Heilmittel bei Pseudarthrosen. 
(Russki Wratsch 1908. Nr. 15.) 

T. wandte in je zwei Fällen von Pseudarthrose und von nicht heilenden 
Knochenbrüchen die Klopfung der Bruchgegend mit dem Perkussionshammer an, 
wozu im Gipsverband ein Fenster gemacht wird. Darauf trat in allen Fällen rasch 
Heilung ein. — In der Literatur fand er eine Notiz von Schäffer, der bei 


Pseudarthrosen auch klopft, aber mit der Hand. 
E. Glickel (Wel. Bubny, Poltawa). 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 979 


32) Young. Case of multiple exostoses in a rachitic subject. 
(Glasgow med. journ. 1908. März.) 


Pat., jetzt 33 Jahre alt, hatte in seiner Kindheit so schwere Rachitis, daß er 
erst nach dem 6. Jahre gehen lernte. Mit 14 Jahren bekam er Genua valga, und 
mit 21 Jahren bemerkte er die erste Exostose, die sich an den Rippen entwickelte. 
Allmählich bildeten sich noch an vielen anderen Stellen seines Skeletts Exosto- 
sen aus. W. y. Brunn (Rostock). 


33) Titoff. Über den Echinokokkus der Knochen. 
(Chirurgia 1908. Nr. 135 [Russisch).) 


Im Verhältnis zu den Erkrankungen an Echinokokkus überhaupt ist der 
Knochen selten zu nennen. T. hat 77 Fälle zusammengestellt. Sein mitgeteilter 
Fall hat insofern Interesse, als die Pat. angab, vor 6 Jahren zum erstenmal im 
linken Schulterblatt eine nußgroße Geschwulst gefühlt zu haben, die ganz all- 
mählich anwuchs. Bei der Aufnahme in das Hospital war die Blase mannskopf- 
groß. Die Entfernung des Echinokokkus bot keine Schwierigkeiten; die am 
Schulterblatt haftenden Teile wurden mittels breiten Meißels herausgehoben. Hei- 
lung p. p. Oettingen (Berlin). 


34) N. A. Weljaminow. Polyarthritis chronica progressiva thyreotoxica. 
(Russki Wratsch 1908. Nr. 18—20.) 


Unter obigem Namen scheidet W. eine Form des sogenannten chronischen 
Gelenkrheumatismus in eine besondere Gruppe aus. Von etwa zehn beobachteten 
Fällen werden zwei ausführlich beschrieben. Im ersten — mit Pocken in der 
Anamnese — wurde Pat. 4 Jahre lang erfolglos wegen ihres Gelenkleidens be- 
handelt. Es begann von den Fingergelenken, ergriff nach und nach alle Gelenke 
der oberen, dann auch der unteren Extremitäten — symmetrische Polyarthritis. 
Gleichzeitig hysterische Erscheinungen, Muskelatrophie, toxische Affektion des 
Rückenmarks im Bereich der unteren Hals- und oberen Brustwirbel. Röntgeno- 
skopisch wurde eine Struma endothoracica entdeckt. Nun erklärte W. sich die 
Krankheit so: Struma — Dysthyreosis — Rückenmarksintoxikation — trophoneu- 
rotische Polyarthritis. Eine eingeleitete Thyreoidinbehandlung ergab glänzenden 
Erfolg, — beinahe vollständige Heilung. — Zweiter Fall: Abdominaltyphus in der 
Anamnese, Kropf, Affektion der Tarsal- und Fußgelenke, die aber spontan zurück- 
ging; darauf wurden Ellbogen- und Handgelenke befallen, Muskelatrophie wenig 
ausgeprägt, keine deutlichen Symptome von Rückenmarksaffektion, bloß solche der 
Beben Nerven. Thyreoidinbehandlung 1 Monat lang — geringe Besserung; 

trumektomie — nun rasche Besserung: nach einem Monat hat die Beweglichkeit 
im rechten Ellbogen um 42° zugenommen. 

Auf Grund dieser Fälle, sowie des Studiums der — ziemlich kärglichen — 
Literatur schließt W., daß außer Hypo- und Hyperthyreosis (bzw. Thyreodismus) 
besonders die Dysthyreosis (bzw. Thyreodismus) in der Atiologie vieler Fälle von 
Polyarthritis chron. progressiva eine Hauptrolle spielt. Er bringt u.a. drei Fälle 
von Polyarthritis, die mehrere Wochen nach Scharlach auftrat; zur Zeit der Beob- 
achtung dachte er an neurogenen Ursprung des Leidens; jetzt ist er überzeugt, 
daß es sich auch hier um Affektion der Schilddrüse handelte. Weitere Einzelnheiten 
müssen in der hochinteressanten Arbeit nachgelesen werden. Betrefis der Thyreoidin- 
behandlung fand W., daß die gewöhnliche Dosis — bis 0,9 pro die — oft nicht 
vertragen wird. Er beginnt mit 0,05 und geht selten über 0,3 pro die; nach 
8—12 Tagen wird die Behandlung für etwa 8-10 Tage unterbrochen. 

E. Gtüickel (Wel. Bubny, Poltawa.. 


35) Guthrie. Further results on heterotransplantation of blood vessels. 
(Amer. journ. of phys. 1908. März.) 

In zwei Fällen transplantierte Q. Stücke der Abdominalaorta von Katzen 

zwischen die Schnittenden der Carotis beim Hunde; beidemal war die Blutzirku- 


980 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 


lation nach 7—8 Monaten vollkommen. Die nachträgliche Untersuchung des ein- 
gepflanzten Stückes ergab, daß seine Lichtung frei, der Durchmesser stark! ver- 
größert, die Wandung verdickt war. Die Intima war glatt und glänzend. 
Mohr (Bielefeld'‘. 
36) Biesalski. Die Neueinrichtung des Röntgenhauses (am Urban in 
Berlin). 
Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII. Hit. 3.) 

Es wurde auf Betreiben der Professoren Fränkel und Körte am Urban ein 
eigenes Gebäude für den Röntgenbetrieb errichtet. Verf. empfiehlt vor allem, 
nicht — wie früher — kleine Zimmer, sondern möglichst große Säle zu schaffen, 
da sie eine weit größere Ubersichtlichkeit und Schnelligkeit des Betriebes mit 
einem geringeren Personal gewährleisten. Auf den üblichen roten Anstrich wurde 
verzichtet, das Zimmer vielmehr hellgrau gestrichen. Die gesamte Einrichtung 
ist von der Firma Reiniger, Gebbert & Schall geliefert. Im Erdgeschoß 
befindet sich der Untersuchungsraum nebst einer Dunkelkammer, mit allen not- 
wendigen und modernen Ausrüstungen versehen. Im Obergeschoß ist das Zimmer 
für die Therapie und ein Schwesternzimmer, im Kellergeschoß sind Arbeitsräume, 
eine Dunkelkammer und Plattenarchiv. Gaugele (Zwickau). 


37) Aus der Röntgentechnik. 
(Fortschritte auf dem (Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII. Hft. 3.) 

1) Die Firma Max Kohl, Werkstätten für Präzisionsmechanik und Elektro- 
technik in Chemnitz, Adorferstraße Nr. 20, stellt eine Universalblende her mit 
Einrichtung für stereoskopische Aufnahmen und mit Schutzkasten für die Röntgen- 
röhre. Der Apparat soll sowohl für Durchleuchtungen als auch für röntgeno- 
graphische Aufnahmen verwendet werden können und soll in der Handhabung 
bequem sein. 

Der Schutzkasten für Röntgenröhren besitzt eine Stellvorrichtung für Beleuch- 
tung von oben, von der Seite und von binten. 

2) Die Firma C. H. F. Müller in Hamburg bringt einen neuen Röntgenröhren- 
typ, die Zentralröhre, in den Handel. Der Ingenieur der Firma, C. F. Rodde, 
glaubt in der Zentralröhre die Röhre der Zukunft gefunden zu haben. Sie stellt 
eine Spezialröhre für allseitige Bestrahlungen und für Moment- und Fernaufnahmen 
dar. Die Röhre wird nur in einer Größe von 200 mm Kugeldurchmesser, in zwei 
Ausführungen, und zwar mit massiver Kupferantikathode und mit Wasserkühlung, 
fabriziert. In Vorbereitung sind Röhren mit Iridiumantikathoden, über welche 
demnächst berichtet werden soll. Gaugele (Zwickau). 


38) Forssell. Eine Vorrichtung zur Röntgenographie mit Kompression 
und Orthodiagraphierung in unmittelbarem Anschluß an die Durch- 


leuchtung. 
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII. Hit. 2.) 

Verf. hat an dem Durchleuchtungsapparat von Holzknecht einige Verände- 
rungen angebracht. Der Zweck dieser war, wie in der Überschrift schon an- 
gedeutet ist, den Apparat zur Röntgenaufnahme mit Kompression einzurichten und 
die Orthodiagraphie unmittelbar an die Durchleuchtung anzuschließen. Durch 
seine Anderungen ist eine Fixierung des Fluoreszenzschirmes auch in sagittaler 
Richtung ermöglicht, so daß er zur Plattenstütze, auch bei Kompression und zum 
Orthodiagraphieren, gebraucht werden kann. Durch die Fixierung des Schirmes 
erhält dieser auch bei kräftiger Kompression eine vollkommen sichere Lage, im 
Gegensatz zu den Apparaten anderer. Die Einzelheiten sind im Original nachzu- 
lesen. Gaugele (Zwickau). 


39) Stein. Uber plastische Röntgenogramme. 
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII. Hft. 2.) 
Ein weiterer Beitrag und Nachprüfung der Technik der plastischen Röntgeno- 
gramme von Alexander, der immer noch nicht ganz den Schleier von seinem 
Verfahren gelüftet hat. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 981 


Wie Alexander, so erreichte auch S. die plastischen Röntgenogramme bei 
gleichzeitigem Zusammenkopieren von Negativ und Diapositiv. Der Arbeit sind 
einige hübsche plastische Röntgenogramme beigefügt. Gaugele (Zwickau). 


40) R. Kienböck. Über Hautreaktion nach diagnostischen Unter- 
2 suchungen. 
(Archiv f. phys. Medizin u. med. Technik Bd. III. Hft. 2.) 

Verf. hat schon früher 14 Fälle zusammengestellt und spricht sich nach seinen 
Erfahrungen dahin aus, daß nicht eine Überempfindlichkeit der Haut, sondern 
Überexposition die Schuld tragen. An der Hand von vier Fällen macht er klar, 
welch große Dosen manchmal bei solchen Untersuchungen oder Aufnahmen zu- 
stande kommen. Oft wirken mehrere an sich nicht schädliche Faktoren zusammen: 
Geringe Fokushautdistanz, intensives Licht, lange Exposition. 

Bei einem Falle trat nach drei Brustwirbelaufnahmen innerhalb 6 Tagen eine 
Ulzeration am Bauch von einjähriger Dauer ein. In einem anderen Falle kam es 
nach zwei Nierenaufnahmen zu kurzdauernder Exkoriation, ferner nach 5 bis 
6 Schultergelenkaufnahmen zu 10 wöchiger Ulzeration. In einem eigenen Falle 
des Verf.s entstand nach Durchleuchtung und Aufnahmen der linken Schläfen- 
gegend eine vorübergehende Epilation derselben. K. berechnet die gegebene Dose 
auf etwa 10x. Zur Vermeidung von Hautreaktionen muß man, wenn intensives 
Licht und lange Belichtung nötig ist, durch Milliamp£eremeter und K.'s Minuten- 
tabellen ungefähr die resultierende Dose berechnen oder sein Quantimeter oder 
ein offenes Dosimeter (Holzknecht oder Sabourand-Noire) anwenden. 

Benner (Breslau). 


41) G. Gross et M. Barthölmy. Sterilisation des gants de caoutchouc 
par les vapeurs de formol. 
(Province med. 1908. Nr. 21.) 

Verff. haben die Sterilisation der Gummihandschuhe nach der Analogie der 
Kathetersterilisation mit Formoldämpfen vorgenommen. Bakterielle Versuche 
haben ergeben, daß der Formaldampf des nicht erwärmten Formalins imstande 
ist, die mit infektiösem Material befleckten Gummihandschuhe vollkomınen keim- 
frei zu machen. Seit 1 Jahre operiert G. mit auf diese Art sterilisierten Hand- 
schuhen und hat keine Nachteile gesehen. Die Handschuhe werden vor dem Ge- 
brauche tüchtig gereinigt, kommen dann in eine 1 «ige Sodalösung 1/, Stunde 
lang, werden dann abgewaschen und getrocknet. Schließlich werden sie in einen 
Behälter getan, der mit der kalten Formalinlösung beschickt ist. Das Innere der 
Handschuhe wird zweckmäßig mit Gaze ausgestopft, damit der Formoldampf 
auch leicht und überall hindringen kann. A. Hofmann (Karlsruhe). 


42) E. Erhardt. Über Verwendung von Gummi als Zusatz zum 


Anästhetikum bei Lumbalanästhesie. 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 26.) 

In Ergänzung seiner Arbeit der Münchener med. Wochenschrift (s. Ref. in d. 
Bl. Nr. 31) teilt E. mit, daß der am Schluß erwähnte Fall von Meningeslreizung 
nach Tropakokain- Gummi-Lumbalanästhesie zur Heilung gelangt ist; Schuld an 
dem Eintreten der leichten Meningitis habe aber nicht der Gummizusatz zur In- 
jektionsflüssigkeit, sondern die Verwendung einer in Sodalösung ausgekochten 
Nadel und Spritze gehabt. Die von E. seit der Demonstration auf dem Chirurgen- 
kongreß in Berlin ausgeführten 21 Tropakokain - Gummianästhesien sind sämtlich 
gut verlaufen; ein 3x iger Gummizusatz zu der auf 10 ccm mit Liquor verdünnten 
Lösung genügte, um Totalanästhesie herbeizuführen. Schwere Erschütterungen 
des Körpers sind während der Operation zu vermeiden, da durch Druckschwan- 
kungen Erbrechen und Kopfweh eintreten; eine rasche Bewegung kann die An- 
ästhesie völlig beenden. Kramer (Glogau). 


982 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 


43) Regnier. Traitement par l'eau salée de tuberculoses externes 
avec guérison. 
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris. Bd. XXXIII. p. 352.) 

R. berichtet von günstigen Erfolgen, die er bei offener chirurgischer Tuber- 
kulose (besonders Weichteilfungus und fungöser Synovitis) mit Salzbädern erzielt hat. 
Er benutzte Salze von Salies-Salins und Kreuznach, und zwar 40 g auf 1 Liter 
gekochten Wassers, ein Verfahren, das vor ihm schon Louvel angewendet hat. 
Je nachdem wurden Irrigationen oder Verbände unter wasserdichtem Stoff mit 
der Lösung appliziert. Die Resultate sollen selbst bei verzweifelten Fällen mit 
vielfachen Fisteln günstig sein. (Vgl. dazu die ähnlichen Angaben von Bins- 
berger, Ref. im Zentralblatt 1907, p. 1167.) Bei späterer Gelegenheit íp. 362) 
stellt R. einen Fall vor, bei dem eine tuberkulöse Ostitis des Brustbeins unter 
Chlorhydratammonisk-Umschlägen geheilt wurde. Kaehler (Duisburg-M.) 


44) Prawdoljuboff. Zur Kasuistik der Zwerchfellverletzungen. 
(Chirurgia 1908. Nr. 36. [Russisch.)) 

Beschreibung dreier einschlägiger Fälle. Jedesmal hatte es sich um Stich- 
verletzungen der linken Seite gehandelt, in allen drei Fällen lag die Außenwunde 
in einem Interkostalraum, und zweimal war das Netz in einem Klumpen von etwa 
Hühnereigröße vorgefallen. 

An der Hand der drei geheilten Fälle stellt P. gewisse Normen auf, die für 
ihn bei der Behandlung der transpleuralen Zwerchfellverletzungen Regel geworden 
sind. Zunächst erweitert er jedesmal die Wunde; in den meisten Fällen scheint 
eine Rippenresektion vorhergehen zu müssen. Wird die Zwerchfellwunde dem 
Auge sichtbar, so tritt die Frage an einen heran, ob die Organe des Bauches 
unverletzt sind. Der Vorfall des Netzes gibt dafür nach keiner Richtung Hin- 
weise. Im dritten Falle konnte P. nach Erweiterung der Wunde, Resektion des 
vorgefallenen Netzes und Erweiterung der Zwerchfellwunde feststellen, daß das 
Colon transversum verletzt war. Die Wunde wurde transpleural und transdia- 
phragmal genäht. Im Anschluß an diesen Vorgang warnt P. davor, in jedem 
Falle die Verletzungen an Unterleibsorganen durch das Zwerchfell hindurch zu 
nähen. Nur wenn einwandsfrei nachgewiesen werden kann, daß weiter keine Ver- 


letzungen an Bauchorganen vorliegen, darf auf die Laparotomie verzichtet werden. 
Oettingen (Berlin). 


45) Eisendraht. Subphrenic abscess as a complication of appen- 
dicitis. 
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. Nr. 10.) 

Verf. erörtert die verschiedenen Wege, auf denen es bei normal und bei ab- 
norm gelagertem Wurm zu subphrenischen Abszessen kommen kann und illustriert 
seine Ausführungen einmal durch fünf Fälle seiner Beobachtung und ferner durch 
eine Reihe von Zeichnyngen. 

Lateral und medial vom Colon ascendens kann die Ausbreitung der Eiterung 
erfolgen, oder auch vorn über das Querkolon und die Vorderfläche des Magens 
hinweg zum linken Leberlappen oder zur Milz, oder endlich durch das Foramen 
Winslowi auf die Hinterfläche des Magens; vom rückwärts hochgeschlagenen Wurm 
aus kann die Eiterung zwischen rechter Niere und Leber aufwärts wandern. 

Besprechung der Symptome, Diagnose und der Therapie. Letztere muß ope- 
rativ sein. Seit Elsberg's Statistik (1901: 50 operierte Fälle) hat E. noch 34 Fälle 
einschließlich seiner 5 eigenen Beobachtungen sammeln können, deren Mortalität 
25% betrug. Eine Statistik der nicht operierten Fälle existiert nicht, Verf. schätzt 
deren Mortalität auf 80—85%. 

E. operiert am liebsten transthorakisch mit Resektion der 10. Rippe, ohne 
Eröffnung der Pleurahöhle. Seine Ausführungen basieren im ganzen auf 106 Fällen, 
einschließlich seiner 5 eigenen Beoobachtungen. W. v. Brunn (Rostock). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 983 


46) K. Vogel. Trauma und Appendicitis. 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr.‘ 23.) 

In der Mehrzahl der bisher beschriebenen Fälle von traumatischer Appendicitis 
war der Wurmfortsatz bei Eintritt des Traumas schon erkrankt gewesen, indem 
entweder ein oder mehrere typische Anfälle vorangegangen waren oder chronische, 
selbst ganz symptomlose Veränderungen bestanden hatten. Letzterer Kategorie ge- 
hört wahrscheinlich V.’s Fall an, bei dem der Wurm durch eine starke plötzliche 
Körperbewegung des Pat. vollständig quer durchgerissen und es danach zu akuter 
exsudativer Appendicitis gekommen war; nach Ablauf dieser wurde die Operation 
ausgeführt. Der relativ gutartige Verlauf trotz der totalen Durchtrennung des 
Fortsatzes mit Dislokation der Fragmente, deren zentrales an der Rißstelle ob- 
literiert gefunden wurde, spricht dafür, daß das Trauma einen schon erkrankten 
Wurm getroffen hatte. Kramer (Glogau). 


47) Ssisemski. Zur Atiologie retroperitonealer Eiterungen. 
‘Chirurgia 1908. Nr. 135.) 

Das Gebiet retroperitonealer Eiterungen, heißer und; kalter Abszesse, ver- 
eiternder Hämatome usw. ist ein weitumfassendes. Fast noch größer ist das 
Gebiet, das von verschluckten Fremdkörpern handelt, von ihrem Schicksal, das im 
günstigsten Fall in einem Wiedererbrechen oder im Abgang auf natürlichen Wegen 
besteht, im ungünstigeren in einem Ileus oder in Perforation mit nachfolgender 
allgemeiner oder umschriebener Peritonitis. Zu den größten Seltenheiten gehört 
es aber, wenn ein verschluckter Fremdkörper einen rein retroperitonealen Abszeß 
erzeugt; denn zum Zustandekommen dieses Bildes muß der Fremdkörper ganz 
besonders gestaltet sein. 

Ein 6jähriger Knabe wurde mit den Erscheinungen einer schweren Eiterung 
in der rechten Leistengegend aufgenommen. Da alle in Frage kommenden Er- 
krankungen (Spondylitis, Appendicitis, Karies, Trauma, Entozoen usw.) ausgeschlossen 
werden konnten, wurde operiert mit der Diagnose: Abszeß auf unbekannter Grund- 
lage. Schnitt parallel dem Lig. Pouparti. Retroperitoneal wurde eine große Menge 
nicht riechenden, aber auch nicht käsigen Eiters entleert, und eine Gegenöffnung 
über dem Darmbeinkamm angelegt. Beim vierten Verbandwechsel erschien ein 
Stahlnagel von fast 2cm Länge, der konisch zulief und an seiner 2 mm breiten 
Basis keinen Kopf trug. Der Vater des Knaben erinnerte sich, vor 2 Wochen mit 
solchen Nägeln an einem Kumt Leder befestigt zu haben. Aus der Form des 
Nagels, der im Original abgebildet ist, kann man ersehen, daß er in jeder Weise 
für Perforation geeignet war; konischer Bau, feinste Spitze und breite Basis, an 
der die treibende Gewalt angreifen und ohne Hindernis das Objekt fortschieben 
konnte. Oettingen (Berlin). 


48) K. Port (Nürnberg). Die Graser’sche Operation großer Nabel- 
und Bauchbrüche. 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 23.) 

Unter den sieben von P. operierten Pat. ist einer am nächsten Tage an Em- 
bolie gestorben, zwei sind durch Einreißen der Naht mit Zerfetzung der Musku- 
latur gestört gewesen, bei den übrigen war der Verlauf ein völlig glatter. Bei 
drei dieser Pat. liegt die Operation über 1 Jahr zurück, und ist die Bauchwand 
vollständig fest geblieben. Wesentlich für das Gelingen der Operation ist nach 
P. das ausgiebige Freilegen des Operationsfeldes; der Querschnitt muß über die 
lateralen Ränder der Recti hinausreichen, die Fascienblätter sollen nach oben und 
unten bis zu der Stelle, wo die auseinander gewichenen Muskeln wieder beieinander 
liegen, lospräpariert, beim Knüpfen der Nähte zuerst die durch die festen Inskrip- 
tionen gelegten geknotet, bei den anderen Muskelnähten die hintere Fascie mit- 
gefaßt werden. Vorherige gründliche Darmentleerung ist notwendig, damit die 
Verkleinerung des Bauchraumes gut vertragen wird. — P. hält die Methode 
Graser’s für eine wertvolle Bereicherung unserer Technik bei den großen 
Brüchen mit weit auseinander gewichenen Muskeln. Kramer (Glogau). 


984 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 


49) H. Weimann (Tapian). Über einen Fall von Heilung eines per- 
forierten Magengeschwüres durch einfache Eröffnung eines intraperi- 
tonealen Abszesses. 

(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 24.) 


Der betreffende Pat. hatte schon seit 11 Jahren an Magenbeschwerden, die 
auf ein Geschwür zurückgeführt wurden, gelitten, so daß sich vor der Perforation 
des letzteren schon feste Verwachsungen zwischen Magen und Bauchwand usw. 
gebildet hatten, Der entstandene Abszeß lag der vorderen Magenwand an, in der 
die Perforationstelle bei der Eröffnung des Eiterherdes gefunden wurde. Heilung 
ohne Stenosenerscheinungen. Kramer (Glogau). 


50) O. Eschbaum. Viermalige Magenoperation infolge Verwechslung 
von gastrischen Krisen mit Pylorusstenose. (Aus der medizinischen 
Klinik in Bonn. Prof. Schultze.) 

(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 23.) 


Die vier Operationen — Gastroenterostomie und Enteroanastomosen — waren 
von vier verschiedenen Chirurgen in den letzten 4 Jahren vor Aufnahme des 
37jährigen Kranken in die Bonner medizinische Klinik wegen plötzlich mit Er- 
brechen aufgetretener Magenschmerzen gemacht worden. In der inneren Klinik 
wurde anamnestisch festgestellt, daß Pat. schon seit Jahren anfallsweise an reißen- 
den Schmerzen in den Beinen gelitten hatte; die weitere Untersuchung ergab bei 
Fehlen aller auf frühere Lues hinweisenden Residuen das Bestehen von Tabes mit 
zeitweise sich einstellenden heftigen gastrischen Krisen. Kramer (Glogau). 


51) Einhorn. Ein Fall von Verengerung und Schließunfähigkeit des 
Pylorus. 
(Deutsche med. Wochenschrift 1908. Nr. 23.) 


Die obigen Fälle, von denen E. ein neues, durch Gastroenterostomia posterior 
geheiltes Beispiel mitteilt, sind dadurch charakterisiert, daß kleinere Mengen von 
Galle stets im Mageninhalt nachweisbar sind. Es weist dies auf eine Rigidität des 
Pförtners hin, weswegen derselbe nie vollkommen schließfähig ist. Diese Aflektion 
hat E. sowohl bei gut- wie bösartigen Erkrankungen des Pförtners beobachtet. 

Borchard (Posen). 


52) T. Voeckler. Über den primären Krebs des Wurmfortsatzes. 
(v. Langenbeck's Archiv Bd. LXXXVI. Hft. 2.) 


Verf. hat zwei Fälle von Wurmfortsatzkarzinom beobachtet, die in vorliegender 
Arbeit beschrieben werden. Im Anschluß daran bespricht er die Literatur, die 
über den Wurmfortsatzkrebs bisher veröffentlicht wurde; die Zahl der Einzel- 
berichte ist eine noch geringe, obschon wahrscheinlich das Leiden häufiger ist. Es 
bleibt jedoch vielfach unbeachtet, weil manchmal erst die mikroskopische Unter- 
suchung den Charakter des anscheinend nur entzündlichen Prozesses aufklärt. 
Meist fand man solide, alveoläre Krebsformen, wenngleich auch Zylinderzellen- 
und Gallertkrebse vorkommen. Nach allen bisherigen Untersuchungen besitzt der 
Wurmforsatzkrebs eine relative Gutartigkeit. Bei seinem zweiten Falle fand V., 
daß auch der Blinddarm karzinomatös erkrankt war. Aber da lediglich die Serosa- 
seite die Veränderung aufwies, die Schleimhaut aber völlig unverändert war, so 
ist anzunehmen, daß die Wucherung von dem ganz in einer karzinomatösen Ge- 
schwulst aufgegangenen Wurm aus entstanden ist. V. glaubt deswegen, daß eine 
Reihe von Blinddarmkarzinomen primäre Wurmkrebse sind und darum der Append- 
ektomierte glücklich zu preisen sei, der nun auch noch die Aussicht weniger 
besitzt, ein Blinddarmkarzinom im Alter zu akquirieren. 

E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 985 


53) Tesson. Occlusion intestinal par torsion de la totalité de lin- 
testin grêle et de son mésentère. 
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXIII. p.578.) 

Bei einem Pat., dem im zweiten akuten Appendicitisanfall vor 7 Monaten der 
Processus vermiformis entfernt worden war, waren öfter plötzliche, vorübergehende 
Schmerzen im Leibe geblieben. Eines Abends traten außerordentlich heftige 
Schmerzen ein mit sehr rasch auftretenden Erscheinungen völligen Darmverschlusses. 
Erst 44 Stunden nach Beginn der Erkrankung konnte laparotomiert werden: die 
Blinddarmgegend war frei, der ganze Dünndarm mit seinem Mesenterium im Sinne 
des Uhrzeigers gedreht; außerdem fanden sich zwei Stränge zwischen dem Scheitel 
der betroffenen Schlingen und der zugehörigen Mesenterialfläche. Zurückdrehung, 
Durchtrennen der Stränge. Heilung. — Ausführliche epikritische Bemerkungen 
Deilbet’s. Kaehler (Duisburg-M.). 


54) W. N. Rosow (Smolensk). Zur Anatomie und Therapie des akuten 
Darmverschlusses. 
(Russ. Archiv f. Chirurgie 1907. [Russisch.)) 


Von den 59 Fällen aus einer 8jährigen Periode wurden 58 operiert: 
Volvulus der Flexura sigmoidea 5 geheilt, 4 tot, 


> der Dünndärme 5 > 10 > 

> des gesamten Dünndarmes und halben Kolon 0 > 1 > 
Strangulationen 1 > 5 > 
Invaginationen 2 > 2 > 
Obturationen 6 > 7 > 
2 Infarkte (?) (tot) und 1 Enterospasmus |?) 1 > 2 > 
Unklare Fälle 2 > B > 


22 geheilt, 36 tot. 

Die Erfahrungen sprachen auch hier durchweg gegen interne Behandlung; u. a. 
wurde mit Atropin keinmal etwas erreicht. 

Bezüglich der Technik ist erwähnenswert, daß >»sehr ofte die Punktion des 
geblähten und kotgefüllten Darmes während der Operation gemacht wurde mit 
dem Erfolge ganz wesentlicher Erleichterung der Arbeit. Die Öffnung erfolgte 
durch Trokar mit seitlichem Ansatz oder Messer. 

Von den 10 Darmresektionen, die zum größten Teil unter sehr schwierigen 
Verhältnissen gemacht wurden, brachten 5 Heilung. 4mal wurde das S romanum 
(1mal wegen rezidivierendem Volvulus) fixiert mit Nähten, die das Mesosigmoideum 
an die seitliche oder vordere Bauchwand hefteten. Die Fäden wurden nach außen 
geleitet und über Bäuschen geknotet. Der Schluß der Bauchwunde erfolgte häufig 
mit durchgreifenden Seidenfäden. 

Die meisten Operationen wurden von L. J. Spasokukozki ausgeführt. 

V. E. Mertens (Kiel). 


55) Wilson. Case of carcinoma of the sigmoid, complicated by double 
pyosalpinx. 
(Intercol. med. journ. of Australasia 1908. April 20.) 


Bei der 32 jährigen Pat. wurde wegen doppelseitiger eitriger Adnexerkrankung 
mit ausgedehnten Verwachsungen operiert. Bei der Auslösung der linksseitigen, 
stark mit Mastdarm und Flexura sigmoidea verwachsenen Eitertube wurde die 
Lichtung der Flexur eröffnet, und es zeigte sich eine infiltrierende, weiche, z. T. 
ulzerierte Geschwulstbildung. Resektion der Flexur und des Mastdarmes auf 17 cm 
Länge, Vereinigung der Darmenden mit dem Murphyknopf, schließlich linksseitige 
inguinale Kolostomie. Der Knopf ging durch die Öffnung einer bereits vor der 
Laparotomie ausgefübrten hinteren Kolpotomie am 11. Tage ab, es blieb eine 
Rekto-Vaginalfistel. Ein Mastdarmrohr wurde durch die Kolostomiewunde nach 
außen geleitet, am Ende mit einem weiten Gummifingerling versehen, dieser auf- 


986 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 


geblasen und nun das Rohr so weit abwärts gezogen, daß die Lichtung der Flexur 
unterhalb des künstlichen Afters verschlossen war und sämtlicher Stuhl durch 
letzteren abging. Bei dieser Behandlung heilte die Rekto-Vaginalfistel aus. Nach 
3 Monaten Heilung der Kolostomiewunde, normale Stuhlentleerung. Nach 17 Mo- 
naten kein Rezidiv. Mohr (Bielefeld). 


56) L. Burkhardt. Über Berstungsrupturen des Rektums. (Aus der 


chir. Universitätsklin. zu Würzburg Prof. Enderlen). 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr 24.) 

Während in den bisher bekannt gewordenen Fällen von Berstungsrupturen 
des Mastdarmes zumeist pathologische Veränderungen desselben vorlagen, war 
die von B. beobachtete, bei einem jungen Menschen mit gesundem Mastdarm 
während der Defäkation entstanden. Pat. war 12 Stunden später kollabiert, die 
Bauchwand gespannt, der Unterleib aufgetrieben, druckempfindlich, Puls 140, 
Temperatur 37,7°. Oberhalb der Ampulle, ventral gelegen, fand sich eine für die 
Fingerkuppe gerade noch erreichbare schmerzhafte Vertiefung, die sich wie ein 
Divertikel anfühlte und Blutspuren am Finger zurückließ. Bei der Laparotomie ent- 
leert sich 1/2 Liter Biter, aus der Excavatio recto-vesicalis ziemlich reichlich breiiger 
Kot, der in sie durch einen 2 cm langen schrägen Riß der vorderen Mastdarm- 
wand etwa 2 cm oberhalb der Umschlagsstelle des Bauchfells hineingelangt war. 
Anlegung eines Anus praeternaturalis iliacus, Tamponade und Drainage an der für 
die exakte Naht schwer zugänglichen Rißstelle. Guter Verlauf; 31/, Wochen später 
Schluß des künstlichen Afters. Heilung. 

Der mitgeteilte Fall ist, soweit aus der Literatur ersichtlich, der erste von 
intraperitonealer Mastdarmruptur, der durchgekommen ist. 

Kramer (Glogau). 


57) Paryski. Totalexstirpation von Netz und Milz wegen Echino- 


kokkus. Heilung. 
(Chirurgia 1908. Nr. 136. [Russisch.]) 

Der Fall ist durch die Schwere des operativen Eingriffes mit Ausgang in 
Heilung von Interesse. Eine 25jährige Armenierin stellte sich wegen einer schmerz- 
haften Geschwulst im linken Hypochondrium zur Operation ein. Der Leib war 
hoch aufgetrieben und mit Flüssigkeit gefüllt. Die Diagnose lautete: bösartige 
Geschwulst des linken Eierstockes oder der Milz. Operation in Narkose. Nach 
Eröffnung der Leibeshöhle stürzte eine Unmenge klarer Flüssigkeit hervor. Es 
wurde das Netz sichtbar, das in ganzer Ausdehnung mit kleinen Erhebungen von 
Senfkorn- bis Haselnußgröße besät war. Bei näherem Zusehen stellte sich heraus, 
daß es sich um Tausende von Echinokokkenblasen bandelte. Bei weiterer Orien- 
tierung zeigte sich, daß der hintere Pol der Milz von einer sehr großen, die Mitte 
der Milz von mehreren kleineren Blasen eingenommen war. Verf. beschloß, alles 
Erkrankte zu entfernen, was unter sorgfältigster Anlegung doppelter Ligaturen 
verhältnismäßig leicht gelang. Verwachsungen, die die Milz an ihrer Rückfläche 
zeigte, ließen sich ebenfalls ohne erhebliche Blutung lösen. Schluß der Bauch- 
höhle mit Etagennaht. 

Der Heilungsverlauf wurde durch Temperaturen nicht kompliziert. Das nach 
totaler Netzexstirpation gefürchtete blutige Erbrechen trat nur einmal, am 11. Tage, 
auf. Es wurde mit innerlichen Gaben von Argentum nitricum erfolgreich bekämpft. 
Nach 4 Wochen konnte Pat. geheilt entlassen werden. Nach 1/ Jahre war sie 
gesund und mit schwerer Feldarbeit beschäftigt. Oettingen (Berlin). 


58) Hardouin. Quelques remarques sur le traitement des kystes glandu- 
laires du pancréas à propos d'une observation personnelle. 
(Revue de chir. XVII. ann, Nr. 5.) 


Dem Rate Siraud’s, jede Pankreascyste von vornherein auf lumbalem Wege 
freizulegen, kann sich Verf. nicht anschließen. Dazu ist in der Mehrzahl der 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 987 


Fälle die Diagnose vor der Operation zuwenig bestimmt. Der Zugang ist mühe- 
voll und genügt gar nicht, falls die Cyste exstirpiert werden soll und kann. Un- 
bedingt zu empfehlen ist aber ein Schnitt in der Lendengegend zur Drainage, weil 
er jede Verhaltung und dadurch auch die sekundäre Infektion des Cysteninhaltes 
verhindert. H. heilte auf diese Weise eine sehr große, traumatisch entstandene 
Cyste, die er von einem medianen Bauchschnitt aus freigelegt und entleert hatte, 
in 3 Monaten. Nur ein kleiner Teil ihrer vorderen Wand wurde reseziert, dann 
die Oystenwunde vollständig, die Bauchwunde bis auf eine Drainöffnung geschlossen. 
Um die Absonderung der Sackwand schneller zum Versiegen zu bringen, spritzte 
H. durch die hinteren Drains Jodtinktur ein. Gutzeit (Neidenburg). 


59) J. J. Schirokogorow. Primäres Pankreassarkom. 
(Russki Wratsch 1908. Nr. 21.) 

Mann von 57 Jahren leidet seit 3 Jahren an Schmerzen in den Unterextremi- 
täten, die im letzten Sommer jede Arbeit unmöglich machten. Von Zeit zu Zeit 
Erbrechen, die letzten 5 Tage Temperatursteigerung, Pneumonie links; am Tage 
vor dem Tode Lähmung der linken Gesichtshälfte.e Diagnose: Tabes dorsalis. — 
Doch zeigte die Sektion sarkomatöse Entartung des ganzen Pankreas mit Metae- 
stasen in der linken Lunge, im Magen, Dünndarm, Nieren und in den Ganglia 
spinalia lumbalia et sacralia. Mikroskopisch erwies sich die Geschwulst als Sarcoma 
parviglobocellulare; im Pankreas waren von den normalen Bestandteilen bloß die 
Langerhans’schen Drüsen vertreten, nie Diabetessymptome vorhanden. 

E. Gückel (Wel. Bubny, Poltawa). 


60) J. W. Miller. Ein Fall von metastasierendem Ganglionneurom. 
(Virchow’s Archiv Bd. CXCI. p. 411.) 

Verf. beschreibt eine Geschwulst, die von den medial von der Niere liegenden 
sympathischen Ganglien, vielleicht vom Ganglion coeliacum ausgegangen war. Die 
Geschwulst war fest mit dem Nierenhilus verwachsen, ohne in die Niere einzu- 
dringen oder den Harnleiter zu verlegen. Die abgeplattete Nebenniere lag dem 
oberen Pole der Geschwulst auf. Die Struktur derselben war grobfaserig, an ein 
Fibromyom des Uterus erinnernd, die Farbe gelblichweiß, die Konsistenz derb. 
Medial von der Geschwulst lagen vier erbsen- bis bohnengroße Gebilde, die ihrem 
Aussehen nach dem Hauptknoten völlig entsprachen und als Lymphknotenmeta- 
stasen imponierten. Durch die Färbemethode von Ramön y Cajal-Levaditi 
wurden in sämtlichen Geschwülsten Nervenelemente nachgewiesen. An die eigene 
Beobachtung schließt sich eine kurze Literaturübersicht über die bekannten Fälle 
von Ganglionneuromen an. Doering (Göttingen). 


61) Koerber. Zur Kasuistik der Totalexstirpation der Scapula bei 
akuter infektiöser Osteomyelitis, zugleich ein Beitrag zur Frühdiagnostik 
derselben. 

(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXV. Hit. 4.) 

K. beschreibt einen Fall von akuter infektiöser Osteomyelitis des Schulter- 
blattes, bei der wegen der großen Ausdehnung des Abszessses und der drohenden 
Allgemeininfektion die Totalexstirpation des Knochens vorgenommen und ein 
völliges Heilresultat erzielt wurde. Die Ursache der Erkrankung war eine fieber- 
bafte Angina und ein gleichzeitiges Trauma, nämlich schwerer Fall auf die Schulter. 
Wie in den meisten Fällen war bei der vorliegenden Krankengeschichte die Spina 
scapulae die zuerst ergriffene Stelle und auch der Abszeß zuerst in der Fossa sub- 
scapularis lokalisiert. Findet man auf der dorsalen Seite des Schulterblattes einen 
Abszeß, so handelt es sich meist um den Durchbruch eines subskapulären verborgenen 
Eiterherdes. Für die Frühdiagnose macht Verf. auf zwei bisher nicht bekannte 
Symptome aufmerksam. Man kann nämlich bei leicht abduziertem Arm und 
fixiertem Schulterblatt dort Fluktuation fühlen, wo der durch den Eiterstock ge- 
spannte Musculus subscapularis über den Ansatz des Proc. glenoidalis heraufzieht. 


988 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 


Ferner ist die Außenrotation des Oberarmes enorm schmerzhaft, während die anderen 
Bewegungen, sofern sie nicht brüsk und zu weitgehend ausgeführt werden, keinen 
Schmerz auslösen. Die Erklärung ist die, daß gerade bei der Außenrotation der 
M. subscapularis in besondere Spannung versetzt wird. Bei der Operation des be- 
schriebenen Falles wurde die Cavitas glenoidalis erhalten, und das Schultergelenk blieb 
uneröffet, ein Verfahren, das sich bei jugendlichen Individuen und dort, wo kein 
Durchbruch in das Gelenk vorhanden ist, sehr empfiehlt. 
E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


62) Stieda. Zur Pathologie der Schultergelenkschleimbeutel. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXV. Hit. 4.) 


8. beschreibt acht Fälle von akuten Entzündungen der Schultergelenksschleim- 
beutel. Es konnte in allen Fällen ein Schatten im Röntgenbild nachgewiesen 
werden, der im weiteren Verlauf der Krankheit verschwand oder wenigstens bis 
auf kleine Reste zurück ging. Verf. möchte diese eigenartige Schattenbildung als 
eine gichtische Entzündung auffassen, obschon sich anderweitige Zeichen dieses 
Leidens nicht fanden. Entsprechend der angenommenen Atiologie der Erkrankung 
wurden anfangs Narkotika, Umschläge, Einwicklungen und Tinctura colchici ver- 
abreicht, später Massage und Bewegungstherapie verordnet. 

E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


63) Pförringer. Zur Kasuistik der angeborenen Verbildungen. 
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII. Hft. 3.) 

Verf. beschreibt mehrere Mißbildungen: 

1) Fehlen beider Daumen bei einem 22jährigen Kaufmann, der die Hände mit 
merkwürdiger Geschicklichkeit gebraucht, so daß der Fingerverlust nur wenig 
empfunden wurde. Mißbildungen in der Familie nicht vorhanden. Im Röntgen- 
bilde fiel vor allem auf, daß das Kahnbein auffallend klein war. Das Os multan- 
gulum majus fehlte vollkommen. 

2) Bei einem 40jährigen Arzte zeigte das Röntgenogramm eine Verwachsung 
beider Vorderarmknochen vom Capitulum bis zur Tuberositas radii. Die funktio- 
nelle Störung war gering. Der Vater und ein verstorbener Bruder hatten die- 
selbe Mißbildung besessen. 

3) In einem dritten Falle handelte es sich um ein 11/,jähriges Kind, mit steifem 
und verkürztem rechten Arm. Das Röntgenbild zeigt, daß Humerus und Radius 
zu einem einzigen Knochen verschmolzen waren. 

Zu einem Urteil bezüglich der Atiologie läßt sich Verf. nicht herbei. 

Gaugele (Zwickau). 


64) Plagemann. Intraartikuläre umschriebene akute Osteomyelitis der 
Synchondrosis sacroiliaca. Operative Heilung mit guter Funktion. 
(Deutsche med. Wochenschrift 1908. Nr. 22.) 

Der Fall ist ein Analogon zu den von Müller mitgeteilten rein intraartiku- 
lären herdförmigen Östeomyelitiden. Das Wesentliche ist das Überwiegen der 
Gelenkerscheinungen gegenüber den im klinischen Bilde mehr latent bleibenden 
kleineren Osteomyelitisherden. 

Im vorliegenden Falle war der Prozeß noch im Gelenk eingeschlossen, so daß 
es sich also gewissermaßen um eine Frühoperation gehandelt hat. Daher der gute 
funktionelle Erfolg. Borchard (Posen). 


65) J. Riedinger. Haltungsanomalie und Derangement im Hüftgelenk. 
(Archiv f. phys. Medizin u. med. Technik Bd. III. Hft. 2.) 

Bei einem kräftigen Mann entstand durch eine im Liegen ausgeführte kräftige 
Streckung, Abduktion und Außenrotation im Hüftgelenk eine schmerzhafte Affek- 
tion dieses, welche sekundär zu einer Haltungsanomalie führte, die an die Wert- 
heim-Salomon’sche Attitude hanchée erinnerte. Aus den Symptomen: leichte 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 989 


Beweglichkeitsbeschränkung, Schmerz nur bei forcierter Streckung und bei Druck 
unterhalb und etwas nach innen von der Mitte des Lig. Pouparti, negativer 
Röntgenbefund u. a. kam R. schließlich zu der Diagnose einer intraartikulären 
Verletzung im Bereiche des unteren vorderen Abschnittes des Hüftgelenkes; jeden- 
falls handelte es sich um Loslösung von Gewebeteilen innerhalb der Gelenkhöhle 
mit oder ohne Herausquetschung aus der Fossa acetabuli. 

Benner (Breslau). 


66) Rauenbusch. Ein Beitrag zur Behandlung der angeborenen Unter- 


schenkelpseudarthrose. 
(Deutsche med. Wochenschrift 1908. Nr. 22.) 

Nachdem bei direkter Anfrischung eine Konsolidation nicht eingetreten war, 
wurde durch die Methode nach Codivilla (Überpflanzung einer Periostknochen- 
manschette vom gesunden Bein) in 7 Wochen völlige feste Verheilung erzielt. 
Borchard (Posen). 
67) J. Riedinger. Hackenfuß nach Spitzfuß. 

(Archiv f. phys. Medizin u. med. Technik Bd. II. Hft. 2.) 

Im Anschluß an eine kurze Erwähnung der Fälle von Entstehung eines Pes 
calcaneus nach Durchtrennung der Achillessebne bringt Verf. einen neuen (dritten 
Fall der Literatur) Fall von Umwandlung eines spastisch-paralytischen Spitzfußes 
in einen spastisch-paralytischen Hackenfuß. Nach einer Durchschneidung beider 
Achillessehnen wegen Little war die neue Deformität entstanden. Verf. schließt 
eine kurze Besprechung der Ursachen an. Auch dieser Fall zeigt, daß an Stelle 
der einfachen Tenotomie die Bayer’sche Plastik zu treten hat. 

Benner (Breslau). 


68) H. Landwehr. Ein Fall von Fractura ossis navicularis pedis. 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XIX. Hft.3 u. 4.) 

Der Fall betrifft ein 161/3 Jahre altes Mädchen. Nach anfänglicher Besserung 
traten starke Beschwerden auf, weshalb etwa 51/;, Monate nach der Verletzung 
(Sturz von der Treppe) die abgebrochene Tuberositas ossis navicularis operativ 
entfernt, die Spongiosa des Kahnbeines mit dem scharfen Löffel ausgekratzt und 
der Fuß in Adduktions-Supinationsstellung eingegipst wurde. Die Nachbehand- 
lung bestand in der Anlegung einer Plattfußsohle mit seitlichen Schienen. Der 
Erfolg war ein guter. — Die Verletzung ist wahrscheinlich als Abrißbruch zu 
deuten. J. Riedinger (Würzburg). 


69) ©. Nippold. Über Subluxationsfrakturen des Os naviculare pedis. 


(Aus der chir. Universitätspoliklinik Jena.) 
(Archiv f. phys. Medizin u. med. Technik Bd. III. Hft. 1.) 

Mitteilung zweier Fälle, die beide durch Fall auf den plantarflektierten Fuß 
mit Einwirkung einer Gewalt in der Längsrichtung entstanden waren. Verf. zieht 
zum Vergleiche Paublan’s Bild von dem Herausschneppern eines Kirschkernes 
zwischen zwei komprimierenden Fingern heran. Er hat im Anschluß an diese 
beiden Fälle schon in einer Dissertation 1907 (bei Oraz & Gerlach, Freiberg i. S.) 
40 Fälle aus der Literatur zusammengestellt, um zu zeigen, daß diese Verletzung 
lange nicht so selten, wie nach den Lehrbüchern anzunehmen, sei. Die Diagnose 
ist im Anfang ohne Röntgen kaum zu stellen. Die Reposition gelingt meist nicht; 
dann kommt partielle oder totale Kahnbeinresektion in Betracht und gibt gute 
Resultate. Sonst benutzt man vorteilhaft eine plantare Gipsschiene und stark ge- 
polsterten, fest komprimierenden Verband. Benner (Breslau). 


70) Blecher. Das Os tibiale externum und seine klinische Bedeutung, 
zugleich ein Beitrag zu den Brüchen des Kahnbeinhöckers. 
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII. Hft. 2.) 

Verf. berichtet über drei Fälle von Os tibiale; auch er tritt der Ansicht 

Haglund’s entgegen, daß es sich um Absprengungen handelt. In seinen zwei 


990 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 


Fällen waren jedesmal Schmerzen über dem stark vorspringenden Kahnbein vor- 
handen, die unter feuchten Verbänden bald wieder verschwanden. Plattfußbildung 
war nicht vorhanden. 


Seine Erklärung über die Entstehung der Schmerzen und die Bedeutung der 
Plattfußbildung lasse ich wörtlich folgen: 

»Wenn wir dazu die anatomischen Verhältnisse betrachten, so liegt das Os 
tibiale externum, wenn es klein und rudimentär ist, abgewandert — wie am rechten 
Fuß von Momberg's Fall — als Sesambein in der Sehne des M. tibialis posticus 
oder dem Lig. calcaneo-naviculare als kleine Verknöcherung auf — in beiden 
Fällen ist es äußerlich nicht sichtbar und verändert auch — was wesentlich ist — 
nicht die Ansatzpunkte der Sehne des Tibialis posticus: Ausgeprägte Tibialia 
externa stehen dagegen mit dem Kahnbein seltener durch Gelenkflächen, meist 
durch Gleitflächen, zwischen denen ein Schleimbeutel liegt, in Verbindung und 
bilden für einen Teil der Sehne, der sonst an dem Kahnbeinhöcker sich inseriert, 
den Ansatzpunkt. In diesem Falle sind die Ansatzverhältnisse der Sehne ent- 
schieden nicht so günstig, als wenn das Tibiale externum ganz fehlt oder nur ver- 
kümmert ist; das verhältnismäßig einzeln liegende und durch Band und Gelenk- 
verbindungen wenig befestigte Tibiale externum wird durch Zerrungen, wie sie z.B. 
beim Umknicken des Fußes vorkommen, nicht so festen Widerstand entgegen- 
setzen können, wie die übrigen Ansatzpunkte der Sehne bzw. das Kahnbein selbst, 
und daher wohl leichter bei derartigen sonst unerheblichen Gewalteinwirkungen 
Lockerungen seiner Befestigungen erfahren. Die in die nähere Umgebung des 
Tibiale lokalisierten Schmerzen finden dann durch derartige kleine, sonst symptomlos 
bleibende Verletzungen ihre Erklärung; das Reiben in unserem zweiten Falle muß 
wohl auf eine Entzündung des Schleimbeutels zwischen Kahnbein und Tibiale 
externum bezogen werden. 

Bei der wesentlichen Bedeutung, die der M. tibialis posticus ferner für die 
Erhaltung des Fußgewölbes hat, muß natürlich jede Schädigung seiner Leistungs- 
fähigkeit, wie sie z. B. die Lockerung seiner Ansatzpunkte herbeiführt, begünstigend 
auf die Entstehung des Plattfußes einwirken. Es ist daher leicht verständlich, 
daß ein ausgebildetes Tibiale externum bei stärkerer Inanspruchnahme des Fußes 
oder geringfügigen Verstauchungen neben den oben geschilderten Beschwerden 
dort, wo auch sonst Neigung zur Plattfußbildung vorhanden ist, diese wesentlich 
fördern kann.< 

Die neueren Arbeiten von Lilienfeld und Ref. scheinen dem Verf. noch 
nicht bekannt gewesen zu sein. Gaugele (Zwickau). 


71) K. Hirsch. Kasuistischer Beitrag zum Metatarsus varus con- 
genitus. 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XIX. Hft.3 u. 4.) 
Verf. berichtet über einen 18 Jahre alten Arbeiter, der beiderseits die zuerst 
von Cramer beschriebene Deformität zeigt. Kombiniert ist der Fall mit Tarsus 
valgus (Valgität des Talus und Calcaneus). J». Biedinger (Würzburg). 


72) Schmitter. Metatarsalgia. 
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. Nr. 9.) 


Im ersten der zwei beschriebenen Fälle bestand bei Hallux valgus eine Ver- 
lagerung der zweiten Zehe nach oben, der Schuh drückte auf die zweite Zehe, und 
dieser Druck erzeugte den Schmerz im Mittelfuß. Im zweiten Falle bestand 
Hammerzehe an der zweiten, dritten und vierten Zehe, die vierte Zehe ragte vor 
und war dem Schuhdruck besonders ausgesetzt. Auch hier war der Schmerz im 
Mittelfuß lokalisiert. 

Exartikulation der zweiten bzw. vierten Zehe in diesen zwei Fällen führte zur 
Heilung. W. v. Brunn (Rostock). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 991 


73) Soubbotitch. Luxation du métatarse en dehors. 
(Bull. et mém de la soc. de chir. de Paris T. XXXIT. p. 323.) 


S. hat diese verhältnismäßig seltene Verletzung der in der Überschrift ge- 
nannten Gesellschaft übermittelt, weshalb sie hier erwähnt sei. Pat. ließ sich an 
einer Mauer herunter; als er den Boden mit dem linken Vorfuß berührte, 
machte er eine scharfe Wendung nach rechts, wobei er einen, jede weitere Be- 
wegung hemmenden Schmerz im Fuß verspürte. Es resultierte die erwähnte Ver- 
letzung, und zwar verbunden mit Bruch des II. Metatarsus und vollständiger Dre- 
hung des Cuneiforme I um seine Längsachse. Auf diesen letzteren Umstand führt 
8. die Unmöglichkeit der Reposition zurück. 14 Monate später ging Pat. so gut, 
wie man nach blutiger Reposition kaum hätte hoffen können. Instruktives Rönt- 
genogramm. Kaehler (Duisburg-M.). 


74) Messando. Sullo odiramento dei nervi plantari come preteso 
metodo di cura dell’ ulcera perforante del piede. 
(Gazz. degli ospedali e delle clin. 1908. Nr. 68.) 


Verf. hat in drei Fällen von Malum perforans die Nervendehnung am Tibialis 
posticus bzw. dem inneren und äußeren Plantarnerven ausgeführt. Nach 2, 5 und 
9 Monaten waren sämtliche Geschwüre, die nach dem Eingriffe heilten, wieder 
aufgebrochen. Dreyer (Köln). 


75) R. Pfeiffer. Aus der orthopädischen Werkstatt. 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XII.) 

1) Bei Knickfuß empfiehlt sich zuweilen die Anbringung einer Feder an der 
Innenseite des Stiefels. Die Feder läuft vom Absatz nach oben und endet in 
einer Lederschleife.. Die Feder gibt dem Leder des Stiefelschaftes und damit dem 
inneren Knöchel einen Halt. 

2) Die Beely’sche Schiene zur Behandlung des Genu valgum hat Verf. auch 
für das Genu varum verwendbar gemacht. Das Nähere geht aus der Abbildung 
hervor. 

3) Verf. empfiehlt zur Behandlung der Spondylitis cervicalis eine Leder- 
krawatte, die bei beweglichem Kinn einen federnden Druck nach oben ausübt, 
ferner eine >»Kinnschleuder« zur Fixation des Kinnes im Reklinationsbett. Außer- 
dem zeigt er, wie man durch drehrunde Riemen die Schultern im Reklinations- 
bett gut fixieren kann. J». Biedinger (Würzburg). 


76) H. Gocht. Einige technische Neuerungen. 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.) 

1) Ein Gipsbindentisch zur Aufbewahrung von fertigen Gipsbinden und zu 
ihrer weiteren Präparierung vor der Verbandanlegung. 

2) Eine Schulter-Armschiene. Die Schiene wurde dazu verwendet, um den 
Arm nach der Arthrodese des Schultergelenkes in elevierter (annähernd horizon- 
taler) Stellung festzustellen. Sie ist auch zu empfehlen für Entzündungszustände 
des Schultergelenkes, wenn Kontrakturzustände verhindert werden sollen, sowie 
für Nachbehandlung nach Operationen und Verletzungen. Sie ist nach dem Prinzip 
des Middeldorpf’schen Triangels konstruiert. 

3) Plattfußeinlagen aus Walkleder (sc. »Hornhaute«). 


77) Russ. The magnesite splint. A new permanent surgical dressing. 
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. Nr. 8.) 

Verf. empfiehlt statt des Gipsverbandes einen Verband mit Magnesit, der den 
großen Vorteil hat, die Röntgenstrahlen leicht durchdringen zu lassen. Von ver- 
schiedenen Firmen kann man gutes Material erhalten, in Deutschland von der 
Concordia, Chemische Fabrik auf Aktien in Staßfurt. 


992 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 


Die Herstellung von Magnesitbinden ist wie die von Gipsbinden. Zum Ge- 
brauche legt man die Binde in Wasser mit Zusatz von Chlorbarium; Kochsalz oder 
Alaun darf man keinesfalls zufügen. Die Dicke des Verbandes betrage etwa nur 
zwei Bindenlagen. Der Verband ist sehr leicht, weil man weniger Magnesit braucht 


als Gips. W. v. Brunn (Rostock). 
78) J. D. Ghiulamila (Bukarest). Über einige einfache und praktische 
Gipsextensionsverbände. 


(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XX.) 


Um Extension am Hüftgelenk ausüben zu können, legt Verf. in geeigneten 
Fällen nach entsprechender Polsterung mehrere Zirkeltouren einer Gipsbinde um 
den unteren Abschnitt des Oberschenkels, ebenso um den unteren Abschnitt des 
Unterschenkels. In die Zirkeltouren werden die Enden von Bändern aufgenommen, 
die in üblicher Weise zur Ermöglichung der Extension nach unten um den Fuß 
herumgeschlungen und in der Mitte durch ein Brettchen auseinander gehalten 
werden. Wie bei der Heftpflasterextension geht eine Schnur zum Fußende des 
Bettes, verläuft dann um Rollen und ist am Ende mit einem Gewicht versehen. 

Extension am Kniegelenk erfordert Eingipsen des Beckens, Oberschenkels, 
Unterschenkels und Fußes. Der Verband wird am Knie geteilt. Der obere Teil 
dient zur Fixation und Kontraextension, der untere als Angriffspunkt für die Ex- 
tension. 

Zur Streckung der Wirbelsäule wird das Becken durch einen gürtelförmigen 
Gipsverband fixiert und nach unten gezogen. Die Extension greift mit Hilfe 
einer Schlinge am Kopf an. 

Die Verbände müssen beim Anlegen gut an den Körper anmodelliert werden. 

J. Biedinger (Würzburg). 


os 79) Mayer. New chloroform dropper. 
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. Nr. 8.) 
Ein Chloroformtropfapparat, auch für Ather ver- 
wendbar. Die Tropfenzahl läßt sich von 2 pro Minute 
an nach Gutdünken regulieren. Die Kappe B dient 
zum Verschluß des Apparates beim Neufällen. (Siehe 
nebenstehende Figur.) W. v. Brunn (Rostock). 


80) Bockenheimer. Leuchtender Hirnspatel. 
(Zeitschrift für ärztl. Fortbildung 1907. Nr. 7.) 
Der Spatel ist aus Glas; an seinem Ende befindet 
sich die elektrische, infolge eines besonderen Glas- 
schliffes sehr stark wirkende Lichtquelle. Der Spatel 
ist auskochbar und kann auch in jeder für andere 
Zwecke geeigneten Form von den Fabrikanten L. und 
F. Löwenstein hergestellt werden. 
Gutzeit (Neidenburg). 


81) A. Schanz. Ein Waschtisch für ortho- 
pädische Operationszimmer. 
(Zeitschrift f. orthopäd. Chirurgie Bd. XIX. Hft.3 u. 4.) 
Es Verf. beschreibt einen Waschtisch, dessen Abfluß- 

rohre sich nicht mehr durch Gipsbröckel verstopfen 
können. J» Riedinger (Würzburg). 












Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
bandlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden. 


Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau. 
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. 


Zentralblatt für Chirurgie 


. herausgegeben von 


K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER, 


in Bonn, in Berlin, in Breslau. 
35. Jahrgang. 
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG. 





Nr. 33, Sonnabend, den 15. August 1908. 





Inhalt. 


G. Preiser, Uber pathologische Gelenkflächeninkongruenz. (Originalmitteilung.) 

ı) Fasiani, Einfluß der Bier’schen Stauung auf Granulationsgewebe. — 2) Casoni, Cytolo- 
gische Blutuntersuchungen bei Esmarch’scher Blutleere. — 8) Schmidt, Betäubungsverfahren im 
Kriege. — 4) Hawk, Diurese nach Athernarkose. — 5) Faure, Die chirurgischen Krankheiten der 
Haut und des Unterhautzellgewebes. — 6) Peyser, Schädelbasisbruch. — 7) Huther, Nebenhöhlen- 
erkrankungen im Röntgenbilde. — 8) Soubeyran und Rives, Parotitis.. — 9) Brunk, Zungen- 
abszesse. — 10) Teleky, Phosphornekrose. — 11) Stumpf, Bolusbehandlung bei Diphtherie. — 
12) Wolf, Tracheotomie. — 13) Seidel, Chondrotomie bei Spitzentuberkulose. — 14) Paryski, 
Echinokokkus der Prostata. — 15) Bierhoff, 16) Li Virghi, Prostatahypertrophie. — 17) Lang, 
Prostatektomie. — 18) Berg, Blasensteine. — 19) Kusnetzki, Zur Untersuchung der Nierenfunk- 
tion. — 20) v. Haberer, Verlagerung der Nebenniere in die Niere. 

21) Haga, 22) Franz, Kriegserfahrungen. — 23) Cushing, Schädelbrüche. — 24) Kudeck, Zur 
Physiologie des Gyrus supramarginalis. — 25) Panegrossi, Geschwülste des Corpus callosum. — 
26) Lecöne, Parotisgeschwülste. — 37) Quercioli, Bruch des Atlas. — 28) Piazza, Raynaud- 
sche und Basedow’sche Krankheit. — 29) Geraud, Cystenkropf, mit der Speiseröhre kommuni- 
zierend. — 80) Oeken, Zerreißung des Ductus thoracicus. — 31) Schütte, Lungennaht bei Schuß- 
verletzung. — 32) Siegel, Operative Heilung einer Lungenkaverne. — 83) Trendelenburg, Opera- 
tion der Embolie der Lungenarterie. — 34) Bayha, Herznaht. — 85) Delore und Ballivet, Rücken- 
schmerz bei Brustkrebs. — 86) Muchanoff, Brustdrüsenfibrome. — 87) Tourneux, Diverticulitis 
paraurethralis. — 83) Rohdenburg, Prostatasteine. — 39) Tödenat, Prostatatuberkulose. — 40) Gun- 
derren und Jervell, 41) MacGowan, Prostatektomie. — 42) Schönwerth, Blasenzerreißung. — 
48) Kraus, Blasenwaschung. — 44) Sénéchal, Blasensteine. — 45) Sottile, Blasensarkom. — 
46) de Graeuwe, Blasenexstirpation. — 47) Weisswanger, Nierenabszeß. 





Aus dem orthopädischen Institut von Dr. Stein und Dr. Preiser 
in Hamburg. 


Über pathologische Gelenkflächeninkongruenz. 
Vorläufige Mitteilung. 
Von 
Dr. Georg Preiser. 


E folgenden Zeilen möchte ich die Aufmerksamkeit weiterer Kreise 
auf eine pathologische Gelenkflächeninkongruenz lenken, deren Vor- 
handensein für den Ablauf von Gelenkverletzungen von einschnei- 
dender Bedeutung ist, und die meines Erachtens — da sie sich bei allen 
Fällen monartikuläreridiopathischer Arthritis deformans findet 
— die Ursache derselben ist. Diese monartikuläre Arthritis deformans, 
die man, wenn sie an der Hüfte auftritt, dort Malum coxae senile 


33 


994 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 


nennt, die aber auch an jedem anderen Gelenk auftreten kann, nie 
mit Knochenatrophie, stets aber mit Knorpeldegeneration, Kapsel- 
wucherung (Lipoma arborescens), Randosteophytenbildung einhergeht, 
diese Arthritis deformans kann meines Erachtens nur auftreten 
als sekundäre Folge eines statischen Mißverhältnisses der 
Gelenkkomponenten; nicht zu verwechseln ist diese »statische« 
Arthritis deformans mit der meist polyartikulären Arthritis deformans 
progressiva, die man als Konstitutions- oder Infektionskrankheit auf- 
zufassen hat und die mit Knochenatrophie und wirklicher Ankylosen- 
bildung einhergeht. 

Die Anatomen unterscheiden kongruente und inkongrente Ge- 
lenke: z. B. sind Hüfte, die Symphysis sacroiliaca kongruente, Knie 
und Schulter inkongruente Gelenke. Von dieser physiologischen 
Inkongruenz soll hier nicht die Rede sein, sondern von einer patho- 
logischen, die ich wiederum einteilen möchte in eine anatomische 
und eine habituell-funktionelle Gelenkflächeninkongruenz. 
Letztere entsteht, wenn an einem a priori kongruenten Gelenk, z. B. 
der Hüfte, durch habituelle Rotationsänderung ein Teil der über- 
knorpelten Kopffläche dauernd außer Artikulation gesetzt wird; das 
kann z. B. der Fall sein, wenn eine frontale oder eine laterale Varia- 
tion der Hüftpfannenstellung vorliegt, ein häufiges Vorkommnis, wie 
ich in meinen Arbeiten a) Die Arthritis deformans coxae und die 
Variation der Hüftpfannenstellung, Leipzig 1907 bei C. F. W. Vogel, 
und b) Über die Arthritis deformans coxae, ihre Beziehungen zur 
Roser- Nelaton’schen Linie und über den Trochanterhochstand 
Hüftgesunder infolge anormaler Pfannenstellungen, Deutsche Zeit- 
schrift für Chirurgie Bd. LXXXIX, Hft. 5 u. 6, nachweisen konnte. 
Eine anatomische Gelenkflächeninkongruenz entsteht z. B. dann an 
der Hüfte, wenn bei einer Schenkelhalsfraktur das distale Kopf- 
fragmentende derartig verdreht wird, daß ein Teil seiner Knorpel- 
fläche außer Artikulation gerät. 


Ist dies nun — sei es auf anatomischer Basis, sei es durch funk- 
tionelle Rotationsänderungen — geschehen, so geht schließlich die 
nichtbenutzte überknorpelte Kopffläche zugrunde, und der Kopf zeigt 
später die für Arthritis deformans charakteristischen Veränderungen 
(Knorpelauffaserung, Schlifflächen, Randosteophyten, subchondrale 
Cystenbildung usw.). 

Aber auch wenn ein Trauma ein derart inkongruentes Gelenk 
trifft, so wird der Verlauf ein schwererer sein, da an ihm leichter die 
nun ungeschützt liegende Knorpelfläche verwundet werden kann, und 
auch die Kapsel einem Trauma durch Fältelung und Verdrehungen 
anormale Verhältnisse darbietet. 

Da ich in meinen früheren Arbeiten versucht habe, das Entstehen 
des Malum coxae senile auf eine Gelenkflächeninkongruenz der Hüfte 
zurückzuführen, beschränke ich mich hier auf eine Untersuchung einiger 
anderer größerer Gelenke. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 995 


a. Die Gelenkflächeninkongruenz des Knies im Röntgen- 
bilde. 


Nach Albert haben wir die ganze Unterextremität, Fuß, Unter-, 
Oberschenkel und Becken als statische Einheit zu betrachten, so daß, 
wenn diese Einheit irgendwo gestört ist (Fraktur, pathologische Tro- 
chanterhochstände infolge anormaler Pfannenstellung, Genu valgum 
oder varum oder Pedes plano-valgi usw.), die Statik sämtlicher 
Gelenke der Einheit gestört wird. 

Ist nun die Statik normal, so Fig. 1. 
gehen am Kniegelenk im Röntgen- 
bilde die Konturen des Femur bei 
ventrodorsaler Aufnahme direkt in 


die der Tibia über (Fig. la). Ist u 

jedoch die Statik irgendwo gestört, G 

so ragt der laterale Tibiacon- 

dylusschatten seitlich unter 

dem des lateralen Femur con- 

dylus frei hervor, bis 11/, und 

2 cm auf der Platte gemessen 

(Fig. 1b). Diese anatomische Gelenk- 

flächeninkongruenz ist wahrschein- & h 

lich die Folge einer Außenrotation, 

da sie sich bei allen valgierend und damit ja auch außenrotierend 
auf die Unterextremität wirkenden Einflüssen findet. Da ich sie bisher 
bei allen unseren Fällen von monartikulärer idiopathischer Arthritis 
deformans genus (auch manchen doppelseitigen) sah, d. h. bei 28 Fällen 
in 5 Jahren, so stehe ich nicht an, in dieser Gelenkflächeninkongruenz 
die Ursache dieser Form der Arthritis deformans zu sehen, die mit 
Kapselverdickungen, Knorpelauffaserungen, Krepitation, schließlich 
Zuspitzung der Gelenkkondylen im Röntgenbild usw. einhergeht, und 
die man bisher oft irrtümlicherweise auf klimatische Einflüsse zurück- 
zuführen geneigt war: »Hamburger Knie« (sie kommt anderswo unter 
abgeänderter Lokalbezeichnung ebenso vor!). 


Genau nun, wie sich bei alten Schenkelhalsbrüchen infolge der 
veränderten Statik später stets eine Arthritis deformans einstellt, da 
der außer Artikulation befindliche Teil der überknorpelten Kopffläche 
atrophiert und die Arthritis deformans einleitet, genau so atrophiert 
am Knie der außer Artikulation befindliche Teil der Tibiaknorpelfläche 
und leitet so eine Arthritis deformans ein. Es bedarf also zur Aus- 
lösung derselben nicht erst eines Traumas. Wohl aber verschlimmert 
— wie bekannt — jedes Trauma die einmal bestehende Arthritis 
deformans. Trifft jedoch ein Trauma ein noch nicht erkranktes, aber 
bereits inkongruentes Gelenk, so bietet dieses in dem frei unter dem 
Femurcondylus hervorragenden Teil der überknorpelten Tibiafläche 
eine viel leichter verwundbare Angriffsfläche, wie ein kongruentes 
Gelenk; auch der laterale Meniscus liegt ungeschützter. 


33* 


996 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 


Haben wir also einen Pat. mit Arthritis deformans-Beschwerden 
(Schmerzen bei längerem Stehen und Gehen, auch nachts, schwerem 
»Ingangkommen«, Krepitation usw.), so zeigt das Röntgenbild in 
initialen Fällen stets die oben beschriebene Inkongruenz. Solange es 
sich erst um Kapselveränderungen und Knorpeldegeneration handelt, 
so ist diese Inkongruenz der einzige Röntgenbefund. Bei längerem 
Bestehen der Erkrankung kommt dann die Randosteophytenbildung 
hinzu, die eigentümliche bekannte »Ecken«bildung und Zuspitzung der 
seitlichen Kondylenrundung (Fig. 2). 


Fig 2. Fig. 3. 





Alsdann hat man neben der Behandlung der Arthritis deformans 
des Knies (Massage, Pendeln, Heißluft, Heißwasser usw.) vor allem 
auch den Ort zu ermitteln, an dem die Statik der Unterextremität 
gestört ist, z. B. durch pathologische Trochanterhochstände (s. meine 
oben zitierten Arbeiten), Pedes valgi oder plano-valgi usw., und diese 
ebenfalls zu korrigieren. 


b. Die Gelenkflächeninkongruenz des Ellbogens. 
Nach den Anschauungen der meisten Autoren, z. B. auch Fischer’s 
(Deutsche med. Wochenschrift 1907, Nr. 33), sind auch an der Ober- 
extremität »statische« Einflüsse für die Gestaltung des Armes maß- 
gebend. Bei der idiopathischen Arthritis deformans cubiti findet sich 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 997 


ein der beschriebenen Kniegelenksflächeninkongruenz ganz analoges 
laterales Hervorragen der überknorpelten Gelenkfläche 
des Radiusköpfchens (Fig. 3). Auch am Ellbogen treten — mutatis 
mutandis natürlich — beim Fortschreiten der Arthritis deformans 
dieselben Veränderungen an den einzelnen Gelenkkomponenten ein, 
wie am Knie, wie denn auch ein inkongruenter Ellbogen einem Trauma 
gegenüber ein viel gefährdeteres Gelenk darstellt. Denn auch bei 
ihm liegt ein Teil der Radiusknorpelfläche fast subkutan frei von 
Muskulatur und dem deckenden Humerusknochen des kongruenten 
Ellbogens. 

Für alles Weitere, auch bezüglich der praktisch überaus wich- 
tigen Folgen der Inkongruenz im Schultergelenk, verweise ich 
vor allem auf die demnächst erscheinende ausführliche Arbeit in den 
Fortschritten auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII, 
Hft. 5. 





1) Fasiani. Dell’ influenza della stasi alla Bier sullo sviluppo 


del tessuto di granulazione. 
(Giorn. della R. Accad. di med. di Torino 1908. Nr. 3—5.) 

Verf. untersuchte experimentell den Einfluß der Bier’schen 
Stauung auf das Granulationsgewebe, indem er an Kaninchenohren 
Haut- oder Unterhautzellgewebe umfassende Substanzverluste setzte 
und nach Granulationsbildung durch elastische Umschnürungen ar- 
terielle Hyperämie bewirkte. Die mikroskopische Untersuchung der 
4—11 Tage alten Granulationen ergab, daß unter dem Einfluß der 
Hyperämie der Substanzverlust rascher ersetzt wird. Es bildet sich 
bald junges, gefäßreiches Bindegewebe, über das vom Wundrande her 
das Epithel hinwegziehen kann. Reichlichere Leukocytenauswanderung 
wurde nicht beobachtet, dagegen will Verf. unter dem Einfluß der 
Hyperämie auch bei ausgewachsenen Tieren ein bemerkenswertes 
Längenwachstum beobachtet haben. Strauss (Nürnberg). 





2) Casoni. Ricerche sperimentale sulle modificazioni della 
crase sanguigna nell’ emostasi preventiva degli arti col metodo 


di Esmarch-Silvestri. 
(Policlinico, sez. chir. 1908 Nr. 5.) 


Nach einer kurzen historischen Übersicht über die Entwicklung 
der Esmarch’schen Blutleere und die zahlreichen experimentellen 
Untersuchungen, die sich an diese Methode anschlossen , weist Verf. 
darauf hin, daß eine cytologische Blutuntersuchung nach der Esmarch- 
schen Blutleere bisher noch nicht vorgenommen wurde. Diese Lücke 
sollen seine Untersuchungen ausfüllen, da er Kaninchenextremitäten 11/, 
bis 2 Stunden lang mit der Esmarch’schen Binde blutleer machte. 
Stets trat eine Parese auf, die 2—3 Tage andauerte und im Lauf‘ 


998 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 


von 1—2 Wochen allmählich verschwand. Der Blutbefund ergab 
schon nach wenigen Minuten eine Leukocytose infolge Vermehrung 
der vorhandenen Leukocyten; nach einiger Zeit wurden diese durch 
jugendliche, aus dem Knochenmark stammende Zellen ersetzt. Auch 
die Erythrocyten, unter denen sich viele Normoblasten fanden, zeigten 
eine Vermehrung, während der Hämoglobingehalt des Blutes ver- 
mindert war. Temperatur und Ernährungszustand ließen keine Ver- 
änderung erkennen. Die genannten Veränderungen erklärt der Autor 
aus der Vasoparalyse der Knochenmarksgefäße infolge der elastischen 
Umschnürung, nach deren Aufhebung die Gefäße des Knochenmarkes 
einen Überfluß ihres Blut- und Zellvorrates abgeben. 
‚Strauss (Nürnberg). 


3) G. Schmidt. Bedarf die Kriegs- und Friedens-Sanitäts- 
ausrüstung hinsichtlich des Betäubungsverfahrens einer Än- 


derung? 
(Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1908. Hft. 11.) 
(Bericht über die Verhandlungen des wissenschaftlichen Senats bei der Kaiser- 
Wilhelm-Akademie am 21. April 1908.) 

Die Ergebnisse dieser Verhandlungen waren in kurzem folgende: 
1) Die örtliche Betäubung ist für die Hilfeleistung unmittelbar bei 
der fechtenden Truppe sowie auf den Truppenverbandplätzen gar 
nicht, auf Hauptverbandplätzen wohl nur unter besonders günstigen 
äußeren Bedingungen angebracht. Bier empfiehlt, statt der Schleich- 
schen Lösung die 0,5 ige Novokainlösung subkutan unter die Haut 
zu spritzen. 2) Wünschenswert ist für alle Sanitätseinrichtungen die 
Betäubung durch Ather. .3) Gegen die Lumbalbetäubung im Felde 
sprachen Üzerny, v. Eiselsberg, A. Köhler, Rehn, dafür Küster, 
Sonnenburg, Bier. Herhold (Brandenburg). 





4) Hawk. On the diuresis following ether narkosis. 

. (Journ. of med. research 1%08. Nr. 2.) 

Athernarkose ruft jedesmal Diurese hervor. Die Urinmenge ist 
um 5,7, 6,8, 12,9 und 24,8% vermehrt, je nachdem die Narkose 1/2, 
1, 2 und 41/, Stunden dauert. Die Vermehrung der Tagesmenge des 
Urins betrug 3,1—20,7 %. Die Beeinflussung des Urins wird geringer 
bei häufiger Anwendung des Betäubungsmittels. Bei einem Versuchs- 
tiere hatte die erste Narkose Vermehrung der Urinausscheidung um 
9,1% zur Folge, die vierte Ätheranwendung von gleicher Dauer nur noch 
um 6,7%. Am Tage nach der Narkose ist stets ein Gewichtsverlust des 
Versuchstieres zu beobachten, der zwischen 1,1 und 2% schwankt. An- 
ästhesierung mittels Ather an drei aufeinander folgenden Tagen hatte 
einen Gewichtsverlust von 6,5% zur Folge. Das spezifische Gewicht 


des Harns ist erhöht, die Reaktion entweder sauer oder amphoter. 
Revenstorf (Hamburg). 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 999 


5) J. L. Faure. Die chirurgischen Krankheiten der Haut 
und des Unterhautzellgewebes. 153 Seiten mit 8 Abbildungen. 
Übersetzt von Dr. W. Goebel in Köln. 

Stuttgart, Ferdinand Enke, 1908. 

Wie der Übersetzer W. Goebel in seinem Vorwort richtig sagt, 
finden wir in dem vorliegenden Buche, das einen Teil des großen 
französischen Handbuches der Chirurgie von le Dentu und Delbet 
bildet, wohl kaum etwas, das nicht in den einschlägigen deutschen Lehr- 
und Handbüchern zu finden wäre. Aber da wir gewöhnlich in den deutschen 
Werken die zahlreichen Einzelheiten des chirurgisch-dermatologischen 
Grenzgebietes sehr zerstreut finden, ist die kurze zusammenfassende 
deutsche Bearbeitung des französischen Buches nur zu begrüßen. Die 
chirurgischen Erkrankungen der Haut und des Unterhautzellgewebes 
werden der Reihe nach besprochen, wobei neben Atiologie und Patho- 
logie auch der Therdfie ein breiter Platz eingeräumt wird, so daß 
der Praktiker in theoretischer und praktischer Hinsicht ein handliches 
Hilfsmittel hat, das ihm zeitraubendes Suchen in größeren Werken 
erspart. 

Erfreulicherweise werden auch die neueren Behandlungsmethoden, 
wie die Behandlung der Furunkeln mit Hyperämie und Behandlung 
verschiedener Hautkrankheiten mit Röntgenstrahlen besprochen. 


Das Buch ist jedem Praktiker zu empfehlen. 
L. Simon (Mannheim). 





6) Peyser. Zum Nachweis der Basisfraktur. 
(Deutsche med. Wochenschrift 1908. Nr. 18.) 
Bei Ohrerscheinungen nach Schädelverletzungen empfiehlt sich, 
falls der Zustand des Pat. es gestattet, die Röntgenaufnahme in 
occipito-frontaler oder fronto-occipitaler Richtung zu machen. Der 


positive Befund kann für die Begutachtung wichtig werden. 
Borchard (Posen). 





7) A. Huther. Die entzündlichen Nebenhöhlenerkrankungen 


der Nase im Röntgenbilde. Mit 20 photographischen Tafeln. 
Wien, Urban & Schwarzenberg, 1908. 

Auf 20 ausgewählten, ganz vorzüglichen Tafeln legt Verf. seine 
mit der Röntgenphotographie bei Nebenhöhlenerkrankungen gemachten 
Erfahrungen nieder. Die Röntgendiagnose der Nebenhöhleneiterungen, 
an die sich so große Hoffnungen geknüpft haben, erfährt, so hoch sie 
auch vom Verf. eingeschätzt wird, doch durch seine Ausführungen 
eine erhebliche Einschränkung ihrer Wertschätzung. Ihre Vorzüge 
sind, daß kein ernsterer Erkrankungsherd sich dem Nachweis auf 
der Röntgenplatte entzieht. Der Mangel ist, daß sich einmal die Ver- 
schleierung des Bildes auch bei Erkrankungen der Schleimhaut ohne 
abnormen Inhalt der Höhle findet, und dann, daß sie nicht ver- 
schwindet, wenn die Höhle durch Punktion entleert wird. Diese Ver- 


1000 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 


schleierungen bezieht Verf. auf überstandene ausgeheilte Nebenhöhlen- 
entzündungen, die Veränderungen an Periost und Knochen hinterlassen 
haben. Daraus ergibt sich, daß bei Deutung der Röntgenphotographie 
große Vorsicht nötig ist, und dieselbe nur zur Ergänzung der auf 
klinischem Wege gestellten Diagnose herangezogen werden darf. Die 
Resultate der Durchleuchtung stimmen im allgemeinen, wenigstens 
bezüglich der Kieferhöhle, mit denen der Röntgenphotographie überein. 
Die Darstellung der Keilbeinhöhle ist bis jetzt noch nicht einwandsfrei 
gelungen. | B Engelhardt (Kassel. 

8) Soubeyran et Rives. Les parotidites post-opératoires. 

(Arch. génér. de chirurgie II. 1908. Hft. 5.) 

Verff. geben auf Grund einer 90 Fälle umfassenden Literatur- 
übersicht eine Schilderung der Symptomatologie und Pathogenese der 
postoperativen Parotitis, die vorzugsweise beimgweiblichen Geschlecht 
und nach Bauchoperationen beobachtet wird und fast in der Hälfte 
aller Fälle doppelseitig auftritt. Es gibt eine katarrhalische, kanali- 
kuläre (Entleerung von Eiter durch den Ductus Stenonianus) und eine 
phlegmonöse Form, welch letztere zu den schwersten Komplikationen 
führt. Klinisch kennzeichnet sich die postoperative Parotitis meist 
innerhalb der 1. Woche durch Fieber und Schwellung der Wangen. 
Die Dauer schwankt zwischen 3 und 21 Tagen. Prognostisch kommen 
wesentlich die Komplikationen in Betracht (Facialisparalyse, Carotis- 
ulzeration, Sepsis). In 35 von 75 geheilten Fällen hatte exspektative 
Therapie Erfolg. Für die Atiologie und Pathogenese kommt die 
Jahreszeit (Winter), der Zustand der Zähne, die Art der Operation 
(Ovariotomie) in Betracht. Wesentlich für die Entstehung der Par- 
otitis erscheint jedoch der anormale Zustand der Mundhöhle: geringe 
Speichelsekretion, Trockenhät der Mundhöhle, der einen Locus 
minoris resistentiae für die Speicheldrüse schafft. i 

Strauss (Nürnberg). 





9) Brunk. Über Operation von tiefliegenden Zungen- 
abszessen. 
(Deutsche med. Wochenschrift 1908. Nr. 23.) 
Bei tiefliegenden Abszessen im hinteren Teile der Zunge, deren 
genaue Lokalisation oft schwierig ist, empfiehlt B. die Freilegung des 
M. hyoglossus und stumpfes Auseinanderdrängen der Fasern, und zwar 


sowohl bei lateral wie medial gelegenen Zungenabszessen. 
Borchard (Posen). 


10) Dora Teleky. Zur Therapie der Phosphornekrose. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVI. Hft. 2.) 
In der v. Eiselsberg’schen Klinik wurden eine Reihe von Fällen 
mit Phosphornekrose ohne bestimmtes Prinzip, ganz individuell be- 
handelt. Die Schlüsse, die sich aus diesen Beobachtungen ergaben, 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 1001 


sind jedenfalls beherzigenswert. Schmerzen und Eiterung geben keine 
Veranlassung zu frühzeitigem Eingriff. Durch Spaltung von Abszessen 
und Ausschabungen konnte man den Zustand des Pat. bis zur Locke- 
rung des Sequesters leidlich gestalten. Die Grenze des Erkrankten 
ist frühzeitig nicht zu erkennen, ein Umstand, der ebenso gegen Früh- 
operation spricht, wie die in einzelnen Fällen sich aufdrängende Be- 
obachtung, daß durch die Operation ein neues Aufflackern des Krank- 
heitsprozesses angeregt wurde. Bei den Frühresektionen mußten die 
Pat. länger im Krankenhause bleiben als bei der einfachen Sequestro- 
tomie, zumal man erst von einer Heilung sprechen kann, wenn der 
neugebildete Knochen zu einer Wiederherstellung der Funktion führt, 
was natürlich längere Zeit in Anspruch nimmt. Auch war ferner das 
kosmetische Resultat wie das funktionelle bei den exspektativ behan- 
delten Pat. besser als bei denen mit Frühresektion. Was die An- 
wendung der sofort nach. der Frühresektion eingelegten Prothese 
anbelangt, so wurde bei einer derartig behandelten Pat. ein Mißerfolg 
erzielt, der schwerwiegende Einwände gegen diese Therapie nicht von 
der Hand weisen läßt, zumal oft noch nachträglich Sägenekrosen am 
Unterkiefer entstehen, die ebenso wie die Lockerung der restierenden 
Zähne vielfach die Befestigung erschweren. Trotz aller Fortschritte 
der chirurgischen Technik wird deshalb für die Phosphornekrose das 
alte exspektative Verfahren empfohlen. Erwähnt sei noch, daß in 
der Arbeit ein seltener Fall beschrieben ist, in dem die Nekrose durch 
innere Darreichung von Phosphorpräparaten gegen Osteomalakie ver- 
ursacht wurde. E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


11) Stumpf (Würzburg). Über Bolusbehandlung bei Diph- 
therie. 
(Münchener med. Wochenschrift 1%8. Nr. 22.) 

S. hat die von ihm bei schweren akuten Brechdurchfällen und 
gewissen Vergiftungsenteritiden bewährt gefundene Bolusbehandlung 
auch auf die Diphtherie ausgedehnt. Pat. erhält von einer Bolus- 
aufschwemmung (1:2 Wasser) alle 5 Minuten 1 Teelöffel bis 1/, Kinder- 
löffel, event. auch Nasenspülungen mit ihr. Schon nach kurzer Zeit 
verschwindet der üble Geruch, sinkt das Fieber und die Pulszabl, gehen 
Drüsenschwellungen zurück, der diphtherische Belag zerklüftet sich, bald 
wird die glänzend rote Schleimhaut darunter sichtbar; nach 36 bis 
48 Stunden soll vollständige Heilung erreicht sein. In den vom Verf. 
so behandelten 15 Fällen, die Kinder im Alter von 1!),—11 Jahren 
betrafen, handelte es sich um ziemlich schwere Rachenaffektionen, und 
erfolgte volle Genesung, in einem der Fälle allerdings nach Auftreten 
von Lähmungserscheinungen; ein weiterer Pat. starb plötzlich an 
Herzschwäche. 

S. empfiehlt wärmstens seine Methode unter Ausschluß aller 
anderer Verfahren (Seruminjektionen oder Pyocyanaseaufstäubungen). 

Kramer (Glogau). 


83** 


1002 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 


12) Wolf. Über die Endresultate der Tracheotomie. 
(Deutsche med. Wochenschrift 1%8. Nr. 17.) 

Die Verfechter der Intubation machen der Tracheotomie den 
Vorwurf der narbigen Stenosen und der Schädigung der tieferen 
Luftwege. Die Erfahrungen der Leipziger Klinik sprechen durchaus 
gegen die Berechtigung derartiger Vorwürfe, da in den Jahren 1895 
bis 1906 überhaupt keine narbige Stenose nach Tracheotomie beobachtet 


wurde, die einer dilatierenden oder blutigen Behandlung bedurft hätte. 
Borchard (Posen). 





13) H. Seidel. Über Chondrotomie der 1. Rippe bei be- 
ginnender Spitzentuberkulose. (Aus der I. äußeren Abteilung 


des Krankenhauses Dresden-Friedrichstadt.) 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 25.) 

Unter Bericht über zwei Fälle von Resektion an dem 1. und 
2. Rippenknorpel bei Lungenspitzentuberkulose mit Ausgang in Heilung 
und auf Grund von Leichenversuchen, die S. im pathologisch-anato- 
mischen Institut von Schmorl gemacht hat, sucht Verf. nachzuweisen, 
daß die künstliche Gelenkbildung an der 1. Rippe eine verhältnis- 
mäßig einfache und ungefährliche Operation, und die Resektion auch 
der knöchernen Rippe, wie sie Kausch und S. in dem ersten der 
beiden Fälle ausgeführt, nicht richtig ist, weil leicht neuralgische 
Schmerzen, eine Wiederannäherung der beiden Rippenstümpfe und 
dadurch eine Wiederverengerung der oberen Thoraxapertur die Folge 
sein können. Auch wird die Operation durch Fortnahme zu großer 
Rippenstücke erschwert, und genügt, wie die Selbsthilfe der Natur 
durch Gelenkbildung am 1. Rippenknorpel zeigt, die Herstellung einer 
schmalen Lücke in ihm. Für diese (Chondrotomie) empfiehlt S. die 
Anwendung einer von ihm angegebenen Zange, event. auch eines 
feinen Meißels oder scharfen Löffels und die Anwendung des Knorpel- 
schnittes in der Richtung von außen unten nach innen oben — in 
welcher Richtung auch die von der Natur gebildeten Gelenke ver- 
laufen —, etwa 1/, cm vor der Knorpel-Knochengrenze, mit Inter- 
position eines kleinen Muskellappens aus dem Pectoralis zwischen die 
beiden Knorpelschnittflächen, um die Pseudarthrosenbildung zu sichern. 
Die Operation wird von einem Hautlappenschnitt mit lateraler Basis 
aus gemacht, dessen Konvexität am Brustbeinrande liegt, und der 
oben am oberen Rande des Schlüsselbeines, unten auf der 2. Rippe 
sich abgrenzt. Kramer (Glogau). 





14) Paryski. Echinokokkus der Prostata. 
(Chirurgia. Bd. XXIII. Nr. 136. [Russisch.)) 

Im Jahre 1884 sammelte Nicaise 35 einschlägige Fälle, konnte 
aber nur zwei davon als notorische Echinokokken der Prostata aner- 
kennen. Der Fall P.’s ist angeblich einwandsfrei. Ein 29jähriger Kosak 
klagte über Schmerzen in Blase und Darm, sowie erschwerte Miktion. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33, 1003 


Im Mastdarm war eine elastische Geschwulst zwischen Blase und 
Vorderwand des Mastdarmes deutlich fühlbar. Ein Katheter ließ sich 
leicht einführen, der Urin war normal. 

In der Annahme, daß es sich um einen abgekapselten AbszeB 
handelte, der ohne Temperaturen einherging, wurde die Probepunktion 
vorgenommen. Die aspirierte wasserklare Flüssigkeit ließ an der Dia- 
gnose Echinokokkus der Prostata keinen Zweifel übrig. Durch prä- 
rektalen Schnitt wurde in die Tiefe gegangen, zunächst die Kapsel 
eröffnet und die Flüssigkeit abgelassen, dann die Kapsel selbst ent- 
fernt, was leicht gelang. Oettingen (Berlin). 


15) E. Bierhoff (New York). The palliative treatment of 
prostatic hypertrophy. 
(New York med. journ. 1908. April 18.) 

B. weist entgegen übereifrigen Verfechtern der rein operativen 
Behandlung darauf hin, daß auch die palliativen Methoden, unter der 
Voraussetzung einer zweckmäßigen Indikation, ihre großen Vorzüge 
besitzen. Nach B.’s Ansicht ist die richtige Statistik noch nicht ge- 
schrieben, da in den Statistiken viele Fälle als geheilt aufgezählt 
werden, deren Operation eine zu kurze Zeit zurückliegt. 

Behufs Aufstellung der Indikation unterscheidet er drei Stadien. 

Im ersten, dem Kongestionsstadium, mit gesteigertem Urindrang, 
Tenesmus, Brennen, aber mit der Möglichkeit völliger Blasenentleerung 
führen Enthaltung von langem Sitzen, Fahren, Reiten, Vermeidung 
von Exzessen im Essen und Trinken, Regelung des Stuhlganges, Schutz 
vor Kälte und Hitze und andere allgemeine Verordnungen oft zum 
Ziel. Bei Urinverhaltung gibt B. ein heißes Sitzbad, greift aber bald 
zum Katheter, wenn sich der Erfolg nicht rasch einstellt. 

Im zweiten Stadium der Blaseninsuffizienz finden sich die ge- 
nannten Symptome gesteigert. Dazu kommt die Unfähigkeit die Blase 
völlig zu entleeren, was durch die cystoskopisch leicht nachweisbaren 
Veränderungen der Blase erklärt wird. 

Hier kann regelmäßiger Katheterismus (eventuell in Intervallen) 
mit Blasenspülung die Pat. oft jahrelang hinhalten. 

Auch im dritten Stadium der vollständigen Retention erreicht B. 
durch Katheterismus, eventuell Verweilkatheter (täglich gewechselt mit 
Blasenspülung), oft eine bedeutende Erleichterung. Bei schweren Kom- 
plikationen, akuter Retention, Hämorrhagien, starker Cystitis, Pye- 
litis usw., Bettruhe mit Verweilkatheter. H. Bucholz (Boston). 





16) G. Li Virghi. Azione del massagio nella ipertrofia della 
prostata. 
(Giorn. internaz. della soienze med. 1908. Faso. 8.) 
Verf. sah nach Massage der Prostrata nicht bloB das Volumen 
derselben bei Hypertrophie zurückgehen, sondern auch Retentions- 


1004 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 


erscheinungen der Blase verschwinden und rät, diese Methode vor 
einem chirurgischen Eingriff zu versuchen, besonders in Verbindung 
mit Bougierungen der Harnröhre. Dreyer (Köln). 


17) Lang. Zweizeitige Prostatektomie unter Lokalanästhesie. 
(Deutsche med. Wochenschrift 1908. Nr. 22.) 

L. hält den Gebrauch des Katheters bei Prostatahypertrophie 
für kontraindiziert. An Stelle des Katheterismus hat prinzipiell die 
transvesikale Prostatektomie zu treten. Bei sehr dekrepiden Leuten 
kann der erste Akt — die Sectio alta — sehr wohl in Lokalanästhesie 
mit 1%iger Kokainlösung und der zweite Akt — die Ausschälung der 
Prostata — ohne jede Anästhesierung ausgeführt werden. 

Borchard (Posen). 





18) J. Berg. Über die Bedeutung der Röntgenographie für 
die Diagnose und Behandlung der Blasensteine. 
(Nord. med. ark. 1907. Abt. I. Hft. 3 u. 4.) 

Die Röntgenographie gewährt in der Regel eine vollstängere Dia- 
gnose bei Blasenstein als irgend eines unserer bisher gebräuchlichen 
Hilfsmittel und muß also, wo es angängig ist, vor Sonde und Cystoskop 
zur Anwendung kommen. Der große Wert der älteren Untersuchungs- 
mittel bleibt natürlich unbestritten. — Die Röntgenplatte gewährt oft 
sichereren Aufschluß als das Cystoskop über Vorkommen, Anzahl, 
Größe und Gestalt der Steine. Auch über die chemische Zusammen- 
setzung der Steine, sofern dadurch eine verschiedene Durchlässigkeit 
für Röntgenstrahlen bedingt wird, gewährt sie in Verbindung mit der 
Harnuntersuchung wertvolle Aufschlüsse. Die Deutung des Bildes 
erfordert allerdings einen geübten Blick und ein geübtes Urteil, da 
Verwechslungen mit Phlebolithen, Prostatasteinen und Kotresten 
leicht möglich sind. 

Über die Topographie der Steine in der Blase gewährt Röntgen 
Aufschlüsse, die uns oft in den Stand setzen, ohne Hilfe des Oysto- 
skops, demnach auch in Fällen, wo dieses Instrument sich nicht ein- 
führen läßt, wichtige Schlüsse über die Freiheit oder Gebundenheit 
der Steine oder des Steins zu ziehen. Hierbei ist die wiederholte 
photographische Aufnahme, eventuell nach Füllung der Blase mit 
Sauerstoff, von großer Bedeutung. Da die Kenntnis der Beweglichkeit 
des Steines oder seiner festen Lagerung in einem Divertikel das wich- 
tigste Moment ist bei der Wahl zwischen Zertrümmerung und Schnitt- 
operation, gewährt die Röntgenplatte häufig ein gutes Mittel, die für Zer- 
trümmerung günstigen Fälle von denjenigen zu scheiden, wo der Schnitt 
vorzuziehen ist. — Da der Stein bei Prostatahypertrophie ohne Cystitis 
in der Regel sehr unbedeutende Symptome abgibt und außerdem der 
Steinsonde leicht entgeht, sollte die Röntgenaufnahme des Beckens 
häufiger bei Prostatismus angewandt werden. — So liegt die Bedeutung 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 1005 


der Röntgenographie für die Entdeckung des echten Divertikelsteines 
(wie gleichfalls des Steines im Harnleiterende und der Prostata) klar 
zutage, und ihr häufiger Gebrauch auf dem betreffenden Gebiet der 
Pathologie ist sicherlich geeignet, nicht nur unsere Kenntnis von . 
diesen Steinen zu erweitern, sondern vielleicht auch auf unsere Therapie 
— Resektion des Divertikels — einzuwirken. 

Einar Key (Stockholm). 





19) D. P. Kusnetzki. Die experimentelle Polyurie als Mittel 


zur Untersuchung der Nierenfunktion. 
(Russki Wratsch 1908. Nr. 12.) 

K. prüfte in Prof. Fedorow’s Klinik die Polyurie an 19 Pat. 
(16 Frauen, 3 Männer) 22mal. Im Gegensatz zu Albarran führte 
er in beide Harnleiter Katheter ein, um die Nieren in gleiche Umstände 
zu setzen. Neben den Kathetern floß meist ziemlich viel Harn vorbei 
(in zwei Fällen 108,0 bzw. 194,0). Verf. bringt 14 Diagramme und 
kommt zu folgenden Schlüssen: Die Methode ist theoretisch hoch- 
interessant, kann aber allein nicht alle klinischen Aufgaben lösen, ist 
schwierig, erfordert viel Zeit und wird daher nicht in die alltägliche 
Praxis der klinischen Untersuchung aufgenommen werden. Man muß 
beide Harnleiter gleichzeitig katheterisieren; bei Ausfluß des Harns 
neben den Kathetern muß die Untersuchung wiederholt werden; dieser 
AusflußB kommt sogar bei Katheter Nr. 8 vor. Zuweilen gibt die 
kranke Niere größere Schwankungen als die gesunde, was zu falschen 
Schlüssen führen kann. Bei Männern ist die Methode besonders 
schwierig. Sie ist nur in den schweren Fällen, wo die übrigen leichteren 
Untersuchungsmethoden im Stiche lassen, angezeigt. 

E. Gückel (Wel. Bubny, Poltawa). 





20) H. v. Haberer. Experimentelle Verlagerung der Neben- 
niere in die Niere. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVI. Hft. 2.) 

Verf. ging darauf aus, zu versuchen, ob es durch Verpflanzung 
von Nebennieren in die Niere gelingen könne, Grawitz’sche Ge- 
schwulst zu erzeugen. Die Bestrebung, die Nebenniere in die Niere 
zu transplantieren, ist aus einer Reihe von literarischen Arbeiten be- 
kannt; aber die Versuche sind meist nur in wenig befriedigender 
Weise gelungen. Vor allem schlug die Verpflanzung der Marksub- 
stanz völlig fehl, und Schmieden konstatierte, daß sich die transplan- 
tierte Nebennierensubstanz höchstens 1 Jahr erhält. v. H. glaubte 
deshalb das Transplantationsverfahren dahin ändern zu sollen, daß 
die Nebenniere einen Teil ihrer Zirkulation durch Erhaltung ihres 
Gefäßstieles beibehielt. Es wurde deswegen stets bei seinen Experi- 
menten ein Stück Nebenniere am Gefäßstiele in einen durch Resek- 
tion gewonnenen Raum in der Niere eingefügt und die Niere darüber 
vernäht. Die Versuche wurden an 86 Tieren, Kaninchen, Katzen und 


1006 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 


Hunden ausgeführt. In mehr als der Hälfte der Fälle wurde damit 
nun in der Tat auch ein Erfolg erzielt. Auch die Erhaltung der 
Marksubstanz gelang im Gegensatz zu den in dieser Richtung völlig 
resultatlosen Versuchen bei gefäßloser Transplantation bei den Ex- 
perimenten des Verf.s in völlig einwandsfreier Weise dort, wo der Ver- 
such überhaupt geglückt war. Die erfolgreichen Versuche lehrten, 
daß ein großer Teil der überpflanzten Nebenniere zugrunde gehen 
kann, daß aber von dem erhaltenen Rest sich eine neue Nebenniere 
durch regenerative Hypertrophie auszubilden vermag. Auch eine 
längere Beobachtungsdauer zeigte, daß eine einmal erhalten gebliebene 
Nebenniere nicht mehr zugrunde geht. Bei der Regeneration voll- 
zieht sich häufig ein völliger Gewebsumbau mit adenomähnlichen Bil- 
dungen der Rinde und Markversprengung, Durchbruch durch die Kap- 
sel und Eindringen des Gewebes nach der Niere, wie nach der Ober- 
fläche zu. Daß sich eine Geschwulstbildung in Zukunft ergeben könne, 
wagt v. H. nicht zu hoffen. — Als beiläufigen, aber immerhin wichtigen 
Nebenbefund ergaben die Versuche, daß man bei Hunden wenigstens 
das Vorkommen akzessorischer Nebennieren überschätzt hat. Jeden- 
falls sind sie nicht imstande, nach Exstirpation der Nebennieren das 
Hauptorgan zu ersetzen. Bezüglich der Funktion ist zu bemerken, 
daß die Nebenniere sich als sehr wichtig für den Bestand des Orga- 
nismus erwies, und daß eine beträchtliche Reduktion des Organs nicht 
ertragen wird. Andere lebenswichtige Organe, wie z. B. die Nieren, 
sind in dieser Hinsicht besser gestellt. Selbst nach einseitiger Neben- 
nierenexstirpation trat starker Gewichtsverlust bei den Tieren ein, und 
in einigen Fällen waren sogar schwerere Erscheinungen, wie Krämpfe, 
Gleichgewichtsstörungen, Kräfteverfall, vorübergehend zu beobachten. 
Die Rindensubstanz allein kann für die Funktion nicht genügen, selbst 
wenn sie in beträchtlichem Maße vorhanden ist. Erhaltenbleiben der 
Marksubstanz ist unbedingt für den Organismus erforderlich. In jedem 
Fall von zu großem Ausfall von Nebennierensubstanz kommt es zu 
einem typischen Symptomenkomplex, der mit dem Tode des Versuchs- 
tieres endet. Längere Intervalle zwischen der Schädigung der einen 
Nebenniere durch Transplantation und Eingriffe an der zweiten Neben- 
niere gestalten die Versuchsresultate ungünstiger als wenn man die 
Eingriffe rasch hintereinander ausführt. Auch bewährte sich diese 
Versuchsanordnung nur dann, wenn zuerst das eine Organ transplan- 
tiert, dann das zweite exstirpiert wurde. Bei umgekehrtem Vorgehen 
starb das Versuchstier sehr bald. 

Es ist jedenfalls ratsam, die interessanten Versuche des Verf.s, 
welche einigermaßen Licht in das dunkle Gebiet der Nebennieren- 


funktion und -Pathologie bringen, im Original nachzulesen. 
E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 1007 


Kleinere Mitteilungen. 


21) Haga. Einiges aus den eigenen Erfahrungen im japanisch-russi- 
schen Kriege 1904/1905. 
(Deutsche militärärztl. Zeitschrift 1908. Hft. 10.) 

Verf., der als Divisionsarzt der japanischen Armee (unserem Korpsgeneralarzt 
entsprechend) den japanisch-russischen Feldzug mitmachte, hat in einem Vortrage 
seine in taktischer und chirurgischer Beziehung gemachten Erfahrungen besprochen. 
Chirurgisch interessiert folgendes. Auf dem Hauptverbandplatze wurde meistens 
nur verbunden und wenig operiert, ausgeführt wurden Blutstillungen und Tracheo- 
tomien. H. glaubt, daß auch die Tracheotomie bei dem modernen kleinkalibrigen 
Gewehr nicht mehr so häufig notwendig wird als früher. Nach dem Sitz der 
Wunden in Prozenten berechnet, befinden sich unter den direkt durch Gewehrfeuer 
Gefallenen: 

Kopf und Hals 54,02% 
Rumpf 44,45% 
obere Extremität 0,66% 
untere Extremität 0,86%. 
Den Verletzungen durch Artilleriefeuer erlagen direkt auf dem Schlachtfelde: 
Kopf und Hals 59,09% 
Rumpf 34,55% 
obere Extremität 0,45% 
untere Extremität 5,91%. 

Das Verhältnis der Toten zu den Verwundeten betrug 21,2 : 78,8%. Der 

Verlust betrug: 
durch Handfeuerwaffen 98,67% 
durch Artilleriegeschosse 9,67% 
durch Hiebwaffen 0,16%. 

Bei Schädelverletzungen müssen alle Fragmente ausnahmslos entfernt werden, 
nur nicht die in die Tiefe gedrungenen Splitter. Die Wunden sind offen zu halten, 
wodurch am besten der Entwicklung von Hirnabszessen vorgebeugt wird, denen 
die Verwundeten meist erliegen. Perforierende Streifschüsse bieten die meiste 
Aussicht auf Genesung. Einige Verwundete, bei denen durch Röntgenuntersuchung 
nachgewiesen wurde, daß das Geschoß im Gehirn stecken blieb, kamen mit dem 
Leben davon. Laparotomien wurden nicht gemacht, weil man es einerseits nicht 
wollte, andererseits auch die Zeit fehlte. Bei konservativer Behandlung sind viele 
mit dem Leben davongekommen, obwohl peritonitische Erscheinungen oft genug 
deutlich erkennbar waren. Herhold (Brandenburg). 


22) Franz. Erfahrungen aus dem südwestafrikanischen Feldzuge. 
(Deutsche militärärztl. Zeitschrift 1908. Hft. 12.) 

Von Sanitäteformationen kamen in Südwestafrika während des Feldzuges 
17 Feldlazarette zur Verwendung, von welchen 15 etabliert waren; die meisten 
wurden und blieben stationär, einige wurden in der Nähe des Gefechtsfeldes vor- 
übergehend als Hauptverbandplätze verwandt, im ganzen jedoch nur dreimal, da 
die Eigenart des Nahgefechts das Einrichten von Verbandplätzen verbot. Während 
des Feldzuges fielen von 174 Arzten 5, und 7 wurden verwundet, 7,4%. In Ge- 
fechten gefallen bzw. den erlittenen Verwundungen crlegen sind 644, an Krank- 
heiten gestorben 649 Mann. In den 31 Hauptgefechten sind von 9266 Gefechts- 
teilnehmern, Offizieren und Mannschaften, verwundet und gefallen 700 = 7,5%. 
Von 167 Fällen (erschöpfende Zahlen können noch nicht gebracht werden) der 
Gefallenen oder kurz nach dem Gefecht Verstorbenen hatten Kopfschüsse 49 = 29%, 
Brustschüsse 42 = 25,1%, Bauchschüsse 35 = 20,9%. Die Heilung der Wunden 
waren im allgemeinen eine günstige, was vom Verf. dem Einfluß der trockenen 
heißen Luft zugeschrieben wird. Herhold (Brandenburg). 


1008 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 


23) Cushing. Subtemporal decompressive operations for the intra- 


cranial complications associated with bursting fractures of the skull. 
(Annals of surgery 1908. Mai.) 

C. hat in den letzten 3 Jahren in allen Fällen von Schädelbasisbruch, die mit 
Gehirndruckerscheinungen verbunden waren, eine Trepanationsöffnung in der 
Schläfengegend durch Aussägen eines 4!/s cm im Durchmesser großen, kreisrunden 
Knochenstückes (bis auf die Dura) angelegt. Er schreibt es dieser Operation zu, 
daß er von seinen letzten 15 Pat. nur zwei verloren hat. Die Wahl des Schläfen- 
knochens hält er deshalb für die günstigste, weil die stumpf auseinander geschobenen 
Muskeln sich über den Defekt legen und einen Gehirnvorfall zurückhalten, und 
weil Bluteansammlungen bei Schädelbasisbrüchen meist in der Schläfenlappengegend 
angetroffen werden. Herhold (Brandenburg). 


24) Kudeck. Zur Physiologie des Gyrus supramarginalis. 
(Deutsche med. Wochenschrift 1908. Nr. 17.) 

Ein 17jähriger Pat. hatte durch einen Balken einen Schlag auf die rechte 
Seite des Kopfes erlitten. Im Anschluß daran entwickelte sich nach 8 Wochen 
eine typische Jackson’sche Epilepsie. Bei der Operation wurde die Gehirn- 
masse durch den Meißel in 1!/; cm Ausdehnung verletzt. Es fand sich der Wand 
im Sulcus Rolandi angelagert ein graubraunes Knötchen als Rest eines alten Blut- 
ergusses. Dasselbe wurde nicht exstirpiert, die Dura vernäht. Nach der Opera- 
tion bestand eine ganz leichte Facialisparese, leichte Störung der taktilen Sensi- 
bilität, des Temperatursinnes, geringfügige Herabsetzung der rohen Kraft im linken 
Unterarm und der linken Hand. Dagegen ist der stereognostische Sinn voll- 
kommen gestört. Da der Ausfall des stereognostischen Erkennungsvermögens auf 
die Gehirnverletzung bei der Operation bezogen werden mußte, so zieht K. den 
Schluß, daß der stereognostische Sinn und das Muskelgefühl des Unterarmes und 
der Hand im Gyrus supramarginalis der Großhirnrinde ihren Perzeptionssitz haben. 
Zum Beweise zieht er den fast gleichen Fall von Starr und McCosh heran. 

Borchard (Posen). 


25) Panegrossi. Contributo clinico ed anatomo-patologico allo studio 
dei tumori del corpo calloso. 
(Policlinico, sez. med. 1908. Nr. 5.) 

Bei einem ö3jährigen, bis dahin völlig gesunden Manne ohne neuropathische 
Belastung trat inmitten voller Gesundheit nach einem Alkohol- und Tanzexzeß 
psychische Verwirrtheit ein, der ein Stadium des Stupors folgte. Die Unter- 
suchung ergab, abgesehen von psychischen Störungen, keine pathologischen Er- 
scheinungen von seiten der Gesichts- und Extremitätennerven, Pat. konnte nicht 
ohne Unterstützung stehen und sich in kleinen Schritten vorwärts bewegen. Die 
Kniereflexe waren etwas erhöht, an der oberen Extremität war lediglich der 
Bicepsreflex auslösbar. Baginsky war nachweisbar, die Pupillen reagierten auf 
Lichteinfall. Nach einer geringen Besserung des Stupors kam es unter Puls- und 
Temperaturanstieg zum Tode, 5 Wochen nach Beginn der Erkrankung. Die Au- 
topsie ergab ein kartoffelgroßes Gliosarkom des Corpus callosum, dessen zwei 
vordere Drittel bereits zerstört waren. 

Eine ausführliche Berücksichtigung der Literatur und kritische Würdigung des 
klinischen und autoptischen Befundes ergänzen die interessante Mitteilung. 
Strauss (Nürnberg). 


26) Lecöne. Adenomes et kystes de la parotide. 
(Revue de chir. XXVII. ann. Nr. 1.) 

Im Vergleich zu den Mischgeschwülsten werden die wahren Adenome und 
Cysten der Ohrspeicheldrüse selten beobachtet. L. berichtet über vier Fälle aus 
der Klinik Terrier’s: ein cystisches Adenom und drei Cysten; sie wurden sämt- 
lich exstirpiert. Die Adenome sind klinisch und grob anatomisch den Misch- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 1009 


geschwülsten zum Verwechseln ähnlich; nur die histologische Untersuchung genügt 
zur Unterscheidung, was in der Literatur nicht genügend berücksichtigt ist. Sie 
gehen entweder von den Drüsenacini oder, wie in L.’s Fall, von den Ausführungs- 
gängen aus. 

Bei der ersten Cyste wurde ein mehrschichtiges, fimmerndes Zylinderepithel 
gefunden, das auf einer Schicht Iymphoiden Gewebes auflag, dann folgte eine dicke 
Lage Bindegewebe, das noch Reste von Parotisgewebe umschloß. In der zweiten 
Cyste war die fibröse Bindegewebskapsel nur stellenweise von mehrschichtigem 
kubischen Epithel vom Charakter des Stratum Malpighi bekleidet, während im 
dritten Fall ein geschichtetes Plattenepithel gleichmäßig die Innenwand der Cyste 
auskleidete. Seinen Fällen stellt L. den Fall G. Sultan’s (Deutsche Zeitschrift 
für Chirurgie 1898 Bd. XLVIII p. 143! als den bestbeobachteten an die Seite. 

Diese Cysten haben, abgesehen von ihrer Lage in der Parotis, nichts mit 
ihr zu tun, sondern sind branchiogenen Ursprunges und scharf zu trennen von 
den Erweichungsherden in Mischgeschwülsten und den angeborenen cystischen 
Lymphangiomen. Daß Cysten aus der Parotis selbst hervorgehen, ist bisher 
nicht erwiesen, aber auch nicht als unmöglich hinzustellen. 

Gutzeit (Neidenburg). 


27) Quercioli. Considerazioni cliniche su di un caso di frattura iso- 
lata comminuta simmetrica dello atlante senza lesioni midollari in 
seguito a caduta sul capo. 

(Policlinico, sez. chir. 1908. Nr. 6.) 


Ein 60jähriger Arbeiter stürzte von einem ÖOlivenbaume, fiel mit dem Kopf 
auf und verlor das Bewußtsein. Nach 1/3 Stunde konnte er sich erheben; es be- 
standen jedoch Schmerzen im Nacken; der nach vorn gefallene Kopf konnte nicht 
gehoben und gedreht werden, Sprache und Schluckakt waren behindert. Da auch 
das Husten unmöglich war, kam es zu einer Bronchopneumonie, an der Pat. 
13 Tage nach dem Unfalle zugrunde ging. 

Die Autopsie ergab einen symmetrischen Bruch des Atlas, der in vier Teile 
zerfallen -waren. Das Rückenmark war nicht geschädigt, dagegen waren beide 
Hypoglossi blutig imbibiert und degeneriert. Schädelbasis und Epistropheus waren 
ohne Verletzung. 

Eine ausführliche, exakte Darstellung des Mechanismus der Verletzung be- 
schließt die Arbeit. Strauss (Nürnberg). 


28) Piazza. Morbo di Raynaud e malattia di Basedow. 
(Policlinico, sez. med. 1908. Nr. 5.) 

Ausführliche Krankengeschichte einer 22jährigen, neuropathisch schwer be- 
lasteten Arbeiterin, die, seit 12 Jahren fast ununterbrochen krank, die Erschei- 
nungen einer typischen Basedow’schen und Raynaud'schen Erkrankung (Zehen- 
und Fingerspitzen, Wange und Nase) zeigte. 

Der Verf. läßt den ursächlichen Zusammenhang beider Erkrankungsformen 
unentschieden. Strauss (Nürnberg). 


29) Géraud. Goitre kystique multilobulaire du lobe droit communi- 
quant avec l’®sophage et simulant un goître cancereux, 
(Arch. de med. et de pharm. militaires 1908. Mai.) 

Ein Mann, der seit langen Jahren an Kropf litt, verschluckte beim Mittag- 
essen eine Fischgräte und spuckte beim dadurch hervorgerufenen Husten Blut aus. 
Seit jener Zeit verspürte er Schmerzen im Kropf und litt an starkem Foetor ex 
ore. Die Kropfgeschwulst wurde exstirpiert, sie bestand aus zahlreichen kleinen 
Cysten, der zurückgelassene Stiel war fest mit Schildknorpel und Speiseröhre ver- 
wachsen. In dem zurückgelassenen Stiel entdeckte man eine Fischgräte, die in 
einer mit stinkenden Massen angefüllten Tasche lag. Mikroskopisch wurden in 
ihnen Speiseteile angetroffen. Offenbar war die verschluckte Gräte durch die 


1010 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 


Speiseröhre in die Schilddrüse gelangt, und es war zu einer feinen, zwischen Kropf 
und Speiseröhre bestehenden Fistel gekommen. Nach der Operation verlor sich 
der Foetor ex ore; Heilung. Herhold (Brandenburg). 


30) Oeken (Castrop i. W.). Ein Fall von Zerreißung des Ductus 


thoracicus infolge Brustquetschung. 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 22.) 

Der Fall ist hauptsächlich deswegen bemerkenswert, weil sich außer einer 
verhältnismäßig geringen Weichteilverletzung keinerlei Verletzung des knöchernen 
Brustkorbes und der übrigen Brustorgane fand. Am 4. Tage nach dem Unfalle, 
bei welchem der 20jährige Pat. durch aus geringer Höhe niedergefallene Stein- 
massen fast vollständig verschüttet worden war, traten die ersten Beschwerden auf, 
die sich rasch zu schwerer Atemnot steigerten und eine 4 Liter milchiger Flüssig- 
keit ergebende Punktion der rechten Pleurahöhle notwendig machten; der Eingriff 
mußte mit gleichem Ergebnis alle 48 Stunden, im ganzen noch viermal, wieder- 
holt werden. Pat. litt infolgedessen an starkem Durstgefühl und wurde sehr un- 
ruhig; Tod 14 Tage nach der Verletzung. — Bei der Obduktion fand sich der 
Riß in der Pleura mediastinalis direkt oberhalb des Zwerchfellansatzes; aus der 
Öffnung entleerte sich Chylus. OÖ. nimmt an, daß an der zerrissenen Stelle eine 
abnorme Erweiterung und Vorwölbung des Milchsaftganges bestanden und dem- 
nach eine pathologische Ruptur vorgelegen habe. 

Verf. empfiehlt in bezug auf die Behandlung nach rascher Wiederansammlung 
des durch die Punktion als chylös erkannten Ergusses breite Eröffnung der Brust- 
wand und event. später die Naht oder feste Tamponade des Pieurarisses. 

Kramer (Glogau). 


3l) Schütte. Ein Fall von Lungennaht wegen schwerer Blutung nach 
Schußverletzung. (Aus dem evang. Krankenhause Gelsenkirchen.) 
. (Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 26.) 

S. war in der glücklichen Lage, bereits 12—15 Minuten nach einem Selbst- 
mordversuch, bei dem sich ein 21jähriger Mann zwei Kugeln in den Kopf und 
eine in die linke Brust geschossen hatte, zur Stillung der inneren Blutung in dieser 
operativ vorgehen zu können. Er bildete — ohne Narkose wegen des schweren 
Kollapses — einen großen, hufeisenförmigen Rippenweichteillappen vom 3. bis 
5. Interkostalraum mit der Basis nach dem Brustbein und mit der konvexen Seite 
bis zur vorderen Axillarlinie, klappte ibn auf, erfaßte rasch die Lunge, zog sie 
vor — enormer Blutstrom aus der Pleurahöhle — und brachte durch tiefgreifende 
Catgutkreuznähte der vorderen und hinteren Lungenwunde die Blutung zum Still- 
stand; Tampon in die Brusthöhle an der durch Kleiderfetzen verunreinigten Ein- 
schußstelle, Nähte, Kochsalzinfusion und Kampfereinspritzungen. — Nach 12 Stun- 
den legte S., nachdem der Puls bei dem Pat. kräftig geworden, nach Rippen- 
resektion vom 8. Interkostalraum der hinteren Axillarlinie aus ein Gummidrain 
durch die Brusthöhle und entfernte aus dem Gehirn nach Aufmeißelung der 
Schädelschußwunden ein Geschoß und einen Knochensplitter. — Allmähliche Auf- 
hellung des Sensorium. Schwinden einer linksseitigen Facialislähmung und einer 
Sprachstörung, langsame Heilung der Brusthöhlenwunde nach reichlicher eitriger 
Absonderung, deren Retention noch eine zweite Rippenresektion notwendig ge- 
macht hatte. Schließlich vollständige Wiederherstellung des Pat. 

Kramer (Glogau). 


32) E. Siegel (Frankfurt a. M.). Totale Brustbeinresektion und ope- 


rative Heilung einer Lungenkaverne. 
(Münchener med. Wochenschrift 1%08. Nr. 25.) 
Es handelte sich bei der 26jährigen Pat. um eine Erkrankung der rechten 
Lungenspitze und einen fast die ganze Vorderfläche des Corpus sterni einnehmen- 
den tuberkulösen Abszeß, bei dessen Eröffnung fast aus allen Interkostalräumen 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 1011 


rechts und links hervorschießende Granulationen gefunden wurden. Es wurde 
deshalb die Totalresektion des Brustbeines (zum Teil mit der Gigli’schen Säge) 
ausgeführt; nach dieser fand sich der ganze Herzbeutel und die Lamelle über den 
großen Gefäßen mit tuberkulösen Granulationen bedeckt und in Höhe des durch- 
trennten Gelenkes zwischen Korpus und Manubrium an der rechten Pleura eine 
kleine, dicht neben der Vena caya superior in die Lungenspitze führende Öffnung, 
durch die der primäre tuberkulöse Herd in der Lunge aufs vordere Mediastinum 
und die Hinterwand des Brustbeines übergegriffen hatte. Es wurden nun nach 
Abtragung des Manubrium sterni bis auf eine schmale Spange zwischen beiden 
Schlüsselbeinen die Knorpel der ersten zwei Rippen durchtrennt, die walnußgroße 
Kaverne eröffnet, ausgeräumt und tamponiert, die große Wunde teilweise durch 
Nähte verschlossen. Anfangs starke Atemnot und Fieber mit reichlicher Wund- 
sekretion; dann — unter konsequenter Anwendung der Saugglocke — schließlich 
vollständige Heilung ohne Regeneration des Brustbeines, so daß sich die Haut an 
der Operationsstelle bei der Inspiration stark einzieht und die Pulsation des rechten 
Ventrikels und der Aorta deutlich sichtbar sind. Die Kaverne in der rechten 
Lungenspitze ist (durch die Mitte 1906 ausgeführte Operation) völlig ausgeheilt. 

Der bemerkenswerte Fall gibt Verf. Veranlassung, die bisherigen Fälle von 
Totalresektion des Brustbeines und die Indikationen zur operativen Behandlung 
von Lungenkavernen zu besprechen; er verlangt, daß die Kaverne der einzige 
tuberkulöse Herd in der betreffenden Lunge ist und das ihr benachbarte Knochen- 
gerüst, um eine Retraktion und Schrumpfung zu ermöglichen, bei der Operation 
mitentfernt werde. (Daß ausnahmsweise auch die bloße Inzision, Ausräumung und 
Jodoformapplikation genügen kann, hat Ref. in einem von ihm vor 15 Jahren be- 
handelten Falle beobachtet, in welchem eine kleine Kaverne der rechten Lungen- 
spitze in die Fossa supraclavicularis unter Bildung eines tuberkulösen Abszesses 
in dieser durchgebrochen war; die Ausräumung desselben und der mit ihr kom- 
munizierenden Kaverne brachte für mehrere Jahre Heilung.) 

Kramer (Glogau). 


33) Trendelenburg. Zur Operation der Embolie der Lungenarterie. 
(Deutsche med. Wochenschrift 1908. Nr. 27.) 


Dem kürzlich von Sievers veröffentlichten Falle schließt T. einen zweiten 
ebenfalls in der Leipziger Klinik genau nach seiner Methode operierten Fall an 
der in recht schwerem Allgemeinzustande zur Operation kam. Es gelang, vier 
große Emboli zu entfernen, die in Abbildung beigegeben sind. Man ist erstaunt 
über die Größe der extrahierteıf Stücke. Nach dem Erwachen war die Atmung 
nahezu ganz ruhig und frei geworden, der Puls blieb frequent. Am nächsten 
Morgen verschlechterte sich der Allgemeinzustand, und nach 37 Stunden trat der 
Tod ein. Bei der Sektion fand sich eine Nachblutung aus der nicht genügend 
unterbundenen Mammaria interna und ein Embolus im linken Aste der Pulmonalis. 
Letzteres ist so zu erklären, daß bei den Extraktionsmanövern die Zange immer 
in den rechten Ast der Pulmonalis hineingelangte. T. weist auf die Notwendigkeit 
der methodischen Absuchung der beiden Aste hin. Im übrigen beweist auch 
dieser Fall die Möglichkeit und Ausführbarkeit der Methode. 


Borchard (Posen). 

34) Bayha. Ein Fall von Herznaht. 
(Med. Korrespondenzblatt d. Württembergischen ärztl. Landesvereins 1908. Juni 13.) 

24 jähriger Mann mit Stichverletzung des Herzens. Einstich unter der fünften 
Rippe, zwei Querfinger breit neben dem Brustbein; hochgradige Anämie und starke 
Vergrößerung der Herzdämpfung, namentlich nach rechts. 2—3 Stunden nach ‚der 
Verletzung Erweiterung der Wunde, aus der bei jedem Atemzug ein mächtiger 
Strahl Blutes hervorquoll; Resektion der fünften Rippe in 8cm Länge und des 
sechsten Rippenknorpels. Pleuraraum mit Blut ausgefüllt, im Herzbeutel nahe 
seinem unteren Rande ein schlitzförmiges Loch. Spaltung des Herzbeutels nach 
oben, worauf in der Mitte des rechten Ventrikels eine schlitzförmige, ca. 1 cm 
breite, querverlaufende, ziemlich stark blutende Herzwunde sichtbar wurde. Stillung 


1012 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 


der Blutung durch drei tiefgreifende Nähte. Ausspülung des Herzbeutels mit 
Kochsalzlösung und Schluß desselben ohne Drainage. Ausspülung der Pleurahöhle 
mit Salzlösung, Drainage derselben von der hinteren Axillarlinie aus nach Resektion 
eines kleinen Stückes der neunten Rippe. Exakter Schluß der Hautwunde in der 
Herzgegend mit kleinem Drain im äußeren Wundwinkel. Heilung der Herzwunde 
per pr., im weiteren Verlauf Pleuraempyem, das nach Eröffnung nur langsam 
ausheilte. Schließlich Heilung. Bei einer Nachuntersuchung nach 7 Monaten war 
die Herzaktion regelmäßig, die Herzdämpfung nicht vergrößert, die Töne rein. 
Mohr (Bielefeld). 


35) Delore et Ballivet. De la douleur dorsale dans le cancer du 
sein. 
(Revue de chir. XXVIL. ann. Nr. 2.) 

Bei vier Brustkrebskranken, die über heftige Schmerzen zwischen den Schul- 
tern, an der Schulterblattspitze und an den Brustwirbeln klagten, ohne daß die 
Wirbel oder die Pleuren Metastasen aufwiesen, fanden die Verff. die subskapu- 
lären Lymphknoten am äußeren Schulterblattrande besonders stark krebsig infil- 
triert und vergrößert. Nach 'ihrer Entfernung schwanden die Schmerzen und 
kehrten nicht mehr wieder, womit erwiesen war, daß der Druck der Drüsen auf 
die Nn. subscapulares und die zum Teres major und minor und Latissimus ziehen- 
den Zweige in dem ‘engen Raume zwischen M. subscapularis und dem äußeren 
Schulterblattrand einerseits und dem Latissimus, Teres major und minor anderer- 
seits die Ursache des Schmerzes bildete. Charakteristisch ist, daß irgendwelche 
schmerzhaften Druckpunkte auch an den Wirbeln fehlen. 

Gutzeit (Neidenburg). 


36) Muchanoff. Zur Kasuistik der 


Mammafibrome. 
(Chirurgia 1908. Nr. 36. [Russisch. )) 

Kasuistischer Beitrag zur Vergröße- 
rung der Brustdrüsen durch Gewichtszug, 
Die 24jährige Pat. war hereditär luetisch 
belastet und bot verschiedene Symptome 
von Lues III. Täglich wiederholten sich 
3—4 epileptiforme Anfälle, — Pat. ist 
vollkommene Idiotin. 

Die Mammae boten ein originelles 
Bıld: die rechte hing bis in die rechte 
Kniegegend, die linke bis unter die In- 
guinalfalte herab. Das Gewicht der rechten 
betrug über 3,5 kg, das der linken 2,7 kg. 
In beiden Mammae lag eine Anzahl 
bis apfelgroßer, harter Geschwülste, die 
als Fibrome angesprochen wurden. Die 
Axillardrüsen beiderseits waren gesund. 

Die Amputation der Brüste wurde 
in Narkose vorgenommen und die Pat. 
nach 1 Woche geheilt entlassen. Die 
mikroskopische Untersuchung bestätigte 
die auf Fibrome der Mammae gestellte 
Diagnose. 

Im vorliegenden Falle konnte es sich 
weder um Elephantiasis noch um hyper- 
trophische Prozesse handeln; die Gewebe 
der entfernten Brüste waren bis auf den 
Einschluß der Fibrome vollständig nor- 
mal, insbesondere ließ das lymphatische System keinerlei Besonderheiten erkennen. 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 1013 


Das Wachstum der Brüste hatte erst vor 3 Jahren mit dem (sehr verspäteten 
Eintritt der Pubertätsanzeichen begonnen. Kurz nach dem Eintritt des Wachs- 
tums hatte auch die allmähliche Senkung der Brüste begonnen, die anscheinend 
noch nicht zum Stillstand gekommen war. Jedenfalls waren sie in letzter Zeit 
immer noch in fortschreitendem Wachstum begriffen. Oettingen (Berlin). 


37) J. P. Tourneux, Sur une diverticulite para-uretrale. 
(Province méd. 1908. Nr. 21.) 

Es handelte sich um ein para-urethrales Divertikel von 3 cm Länge beij 
einem 25jährigen Manne, das wegen seiner entzündlichen Reizerscheinungen ex- 
zidiert werden mußte. Die Öffnung des Blindsackes erfolgte in die Harnröhre. 
Der Gang selbst lag im subkutanen Gewebe und war mit ektodermalem Epithel 
ausgekleidet. A. Hofmann (Karlsruhe). 


38) Rohdenburg. Prostatic calculi. 
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. Nr. 9.) 

Prostatasteine kommen meist bei jungen Leuten zwischen 23 und 30 Jahren 
vor und können sehr erhebliche Beschwerden verursachen. Es kann sich eine 
schwere Cystitis entwickeln mit heftigem Brennen nach der Miktion und Gefühl 
von Schwere und Schwellung am Damm. Die Steine sind von bräunlicher oder 
auch tiefblauer Farbe und zeigen deutliche Schichtung. 

Verf. berichtet über zwei Fälle. Im ersteren handelte es sich um zahlreiche 
kleinere und größer Konkremente, die beim Einführen eines Metallbougie deutliches 
Krepitationsgeränsch gaben. Da operative Behandlung abgelehnt wurde, hat Verf. 
durch Massage allmählich die Steine in die Harnröhre gedrückt und auf diesem 
Wege beseitigt. Im anderen Falle wurde ein großer Prostatastein unter sehr 
heftigen Schmerzen spontan entleert. Die Cystitis wurde in auch sonst üblicher 
Weise behandelt, und beide Pat. geheilt. W. v. Brunn (Rostock). 


39) Tödenat. Traitement de la tuberculose de la prostate. 
(Province méd. 1908. Nr. 18.) 

Verf. besitzt zebn Fälle von Tuberkulose der Prostata, die er konservativ be- 
handelte. Fünf davon sind ca. 6 Jahre lang beobachtet und vollständig genesen. 
Es handelte sich nur um kleine Herde in der Prostata. 2mal hat Verf. eine aus- 
gedehnte Ausschabung der Prostata vorgenommen. Ein solcher Pat. ist seit 5 Jahren 
geheilt, der andere erlag einer Lungenentzündung. Einmal hat Verf. die Prostata- 
stomie ausgeführt. Der Pat. war ein Jahr später noch mit schmerzhaftem und 
häufigem Harndrang behaftet. Verf. plädiert für die Curettage als chirurgischer 
Intervention. A. Hofmann (Karlsruhe). 


40) A. Gunderren und H. Jervell. Prostatectomi, dess indikationer, 
Udförelse og resultater. 
(Nord. kirurg. förenings VII mote 1907. Nord. med. ark. 1907. Tillägshäfte.) 

G. befürwortet die Operation nach Young. Auf Grund der guten Resultate 
von Radikaloperation und der sehr geringen Mortalität bei Pat., die nicht infiziert 
sind, müssen die Indikationen in hohem Grade erweitert werden. Wenn Harn- 
beschwerden in hohem Grade das Wohlbefinden des Pat. stören, wenn die Menge 
des Residualharns beträchtlich ist, wenn akute Retention ein- oder mehreremal 
aufgetreten ist, liegt hinreichende Indikation für eine Operation vor. Die Statistik 
des Verf.s umfaßt 40 Fälle. In den ersten Fällen wurde ein Längsschnitt in der 
Raphe gemacht und die Prostata mit Fergusson’s Depressor herabgedrückt. 
Die übrigen Fälle sind nach Young's Methode operiert worden. Das Durch- 
schnittsalter ist 68 Jahre, der älteste Pat. 86, der jüngste 52 Jahre. Kein Pat. 
starb infolge der Operation. 16 Pat. hatten bei der Aufnahme eine leichte 
Cystitis oder waren frei von Infektion. Alle diese wurden frei von ihren Harn- 
beschwerden. In 10 Fällen bestand bedeutende Cystitis. Auch alle diese wurden 


1014 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 


gesund. 14 Fälle waren besonders schwer durch ernste Komplikationen. Alle 
überlebten die Operation. Vier sind 2—8 Monate später gestorben. Alle bis auf 
einen konnten wieder normal urinieren. 

J. befürwortet suprapubische Prostatektomie. Nur Fälle mit Bronchitis, vor- 
geschrittener Cystopyelitis, Cystitis mit starker Zersetzung und ausgesprochenen 
Blasentenesmen, wie auch mit kleiner harter Prostata, und wo Verdacht auf Pro- 
statakrebs vorliegt, eignen sich mehr für perineale Prostatektomie. Verf. stellt 
folgende Indikationen auf: 1) Pat. mit chronischer unvollständiger Harnretention, die 
trotz kürzerem Dauerkatheterismus oder wiederholter Katheterbehandlung Residual- 
urin von 150 ccm oder darüber behalten, müssen mit Prostatektomie behandelt 
werden. 2) chronische komplette Blasenretention, welche trotz kontinuierlicher 
Drainage und Katheter a demeure nicht schwinden will, indiziert Prostatektomie. 
Blasenparese, Cystitis und Pyelitis kontraindizieren den Eingriff nicht, wenn der 
Zustand des Pat. im ganzen genommen einen Eingriff zuläßt. 3) akute Retentionen 
indizieren nicht Prostatektomie, nur dann, wenn sie in chronische Retentionen mit 
einem Residualharn von 150 ccm und darüber übergehen. 

Diskussion. Rovsing warnt vor Prostatektomie als Normalmethode. Es 
ist eine gefährliche Operation, die ein wichtiges Organ opfert, aber nicht mit 
Sicherheit die einzige vorliegende Indikation — Hebung der Retention — erfüllen 
kann. Er befürwortet suprapubische Cystostomie. 

Lendorf :Saxtorph) betont, daß man hinsichtlich der Prostatektomie indivi- 
dualisieren müsse. Bei Hypertrophie des mittleren Lappens ist suprapubische 
Operation indiziert (bei Infektion wird auch Drainage nach dem Damm gemacht), 
bei Hypertrophie der Seitenlappen oder diffuser Hypertrophie dagegen perineale 
Prostatektomie ohne Eröffnung der Harnröhre. 

Bödtker hat 11 Pat. operiert; danach drei Todesfälle, eine Besserung und 
sieben Heilungen. Er betont 1) daß Bottini’s Operation ganz verlassen werden 
müsse, weil ebenso gefährlich wie die Prostatektomie aber weniger erfolgreich; 
2) daß suprapubische Cystostomie eine Seltenheit werden wird, nur eine letzte Zu- 
flucht in einigen wenigen Ausnahmefällen; 3) daß die Prostatektomie mehr und 
mehr die Normalmethode werden wird in allen Fällen, in welchen der Katheter 
der Hand des Pat. überlassen werden muß oder in welchen Katheterisation Schwierig- 
keiten bietet. Verf. bevorzugt perineale Operation. 

Borchgrevink hat 16 Prostatektomien gemacht, alle perineal. In fünf Fällen 
war die Operation durch Komplikationen erzwungen. Alle diese starben binnen 
3 Tagen bis 4 Monaten nach der Operation. Von den übrigen Pat. starb einer an 
Blutung, neun wurden gesund, einer leidet an Inkontinenz. 

Cappelen hat 17 Prostatektomien gemacht, eine suprapubisch, die übrigen 
nach Young. Kein Pat. ist infolge der Operation gestorben. Verf. bevorzugt 
die perineale Methode. 

Tscherning hat 12 Pat. operiert, worunter einer mit Krebs. Von den elf 
Fällen mit Prostatahypertrophie starben zwei. Einer bekam eine kleine Fistel 
über der Symphyse. Ein Pat. hatte etwas Residualharn. Verf. bestreitet, daß 
Prostatakrebs nicht durch suprapubische Operation exstirpiert werden könne. 

Rovsing betont, es sei unbekannt, ob die Prostata von Einfluß sei auf den 
Organismus, abgesehen von der Potenz. Vielleicht haben sie eine innere lebenswich- 
tige Sekretion. Dafür spricht, daß eine Prostatektomie leichter vertragen wird und 
besser wirkt, je älter der Pat. ist, je länger er mit seiner Hypertrophie gegangen 
und je größer die Geschwulst ist. Bevor wir Tausende von Pat. operieren, müssen 

wir vorerst untersuchen, welche Bedeutung die Prostata hat. 
| Einar Key (Stockholm). 


41) MacGowan. Enuresis following prostatectomy. 
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. Nr. 7.) 


Verf., Chirurg in Los Angelos, Kalifornien, hat wegen Stenosen der Harn- 
wege über 250 Operationen ausgeführt, davon 176 Prostatektomien. 11mal hat er 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 1015 


danach Enuresis auftreten sehen und gibt hier seine Erfahrungen über die Ur- 
sachen dieses Folgezustandes und dessen Heilungsmöglichkeiten bekannt. 

Die Operation selbst führt er je nach Lage der Verhältnisse perineal oder 
suprapubisch aus. 

Die erste Ursache für Inkontinenz nach Prostatektomie kann dadurch gegeben 
sein, daß durch längeres Bestehen ungewöhnlich großer Vorsteherdrüsen die 
Muskelbündel des Detrusor auseinander gedrängt und überdehnt worden waren. 
In diesen Fällen — Verf. beobachtete deren vier mit Drüsen im Gewicht von 160 
bis 300g — ist Geduld am Platze; schließlich pflegt nach Monaten der Operierte 
wieder Gewalt über seine Blasenmuskulatur zu bekommen. 

Zweitens kann es vorkommen, daß die Prostata beim Versuche der Exstir- 
pation sich als so steinhart erweist, daß man nach vergeblichen Versuchen der 
Entfernung den Fall als inoperabel aufgeben möchte. Hier gelingt es indessen, 
eventuell zugleich von oben und von unten, in der Regel (zwei eigene Fälle) doch 
einen Kanal zu graben und mit dem Thermokauter auszubrennen, der zur Heilung 
des Zustandes genügt. Die Untersuchung der Gewebsstücke von diesen zwei Fällen 
ergab nur fibröses Gewebe, nicht etwa Karzinom. 

Endlich kommt es bisweilen nach Exstirpation kleiner harter Drüsen, wo ein 
starker Kontraktionszustand des Blasenhalses bei geringer Kapazität der Blase be- 
steht, zu Inkontinenz. Verf. brachte zwei Fälle dieser Kategorie dadurch zur 
Heilung, daß er den halben Umfang des Blasenhalses mit dem umgebenden Narben- 
gewebe entfernte. 

Endlich kann es sich ereignen, daß alle diese drei Ursachen nicht zutreffen, 
daß nicht etwa neues Prostatagewebe sich gebildet hat und dennoch Inkontinenz 
weiter besteht. 

In solchen Fällen soll man auf das sorgfältigste mit dem Endoskop Harnröhre 
und Blase absuchen; man findet dann häufig (in allen drei Fällen des Verf.s) kleine 
drüsige Gebilde in der Wand der hinteren Harnröhre oder Blase, oft flottierend, 
die man eventuell unter Zuhilfenahme der Sectio alta entfernen muß. Die drei 
Fälle des Verf.s wurden so zur Heilung gebracht. W. v. Brunn (Rostock). 


42) A. Schönwerth. Über subkutane extraperitoneale Blasenrupturen. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXV. Hft. 4.) 

Verf. beschreibt einen Fall von extraperitonealem Blasenriß, der in der Blase 
nicht gefunden wurde. Pat., ein widerstandsunfähiger Potator, starb. Für derartige 
Fälle, bei welchen man den Riß nicht entdeckt, empfiehlt S. neben der Tamponade 
des prävesikalen Raumes und Einlegung eines Verweilkatheters die Inzision des 
Dammes und Freilegung des unteren Teiles der hinteren Blasenwand durch Ein- 
gehen zwischen Blase und Mastdarm. Die Abflußverhältnisss werden dadurch 
bessere, und eventuell wird auch der Blasenriß zugänglich. 

E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


43) ©. Kraus (Karlsbad). Uber Blasenwaschung. 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 23.) 

Der beschriebene Apparat »Plyst« ermöglicht es, Blase und Harnröhre unter 
den Kautelen einer einwandsfreien Asepsis auf das rascheste und bequemste zu 
reinigen. Er besteht aus einem Nelatonkatheter mit einem zweiten, T-förmig an- 
gesetzten Schenkel, der mittels einer Metallkanüle an den Irrigatorschlauch ange- 
steckt und durch einen doppelt wirkenden Quetschhahn abwechselnd derartig ab- 
gesperrt wird, daß einmal die Verbindung Irrigator — Blase, das anderemal jene 
Blase — Abfluß hergestellt ist. Weitere Einzelheiten und Abbildungen des von 
H. Reiner in Wien angefertigten Apparates siehe im Original. 

Kramer (Glogau). 
44) M. Sénéchal. Calcul vésical, cystite calculeuse, consécutifs au 
passage d'un fil de ligature à travers la paroi de la vessie. 
(Gaz. des hôpitaux 1908. Nr. 50.) 


14 Monate nach einer abdominalen Totalexstirpation wegen Karzinom stieß 
sich durch die Scheide ein Faden ab. Ungefähr zu gleicher Zeit begann die Pat. 


1016 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 


über Blasenbeschwerden zu klagen, die auf Cystitis zurückgeführt wurden. Bald 
darauf entleerte sie beim Urinieren unter heftigen Schmerzen einen länglichen 
Stein, der einen Seidenfaden einschloß, dessen eines Ende frei heraushing. Es 
zeigte sich, daß es einer der Fäden war, mit-denen die Scheide geschlossen worden 
war. Die cystitischen Erscheinungen schwanden bald — es war nie Blut im 
Urin —, auch war- zur Zeit dieses Ereignisses kein nachweisbares Rezidiv vor- 
handen. Erst 1/, Jahr später fand sich das Rezidiv, und zwar an der hinteren 
Scheidenwand. Der Faden, der offenbar von der Scheide aus infiziert wurde, ist 
also durch die bis zu dem Augenblick unversehrte Blasenwand hindurchgewandert. 
V. E. Mortens (Kiel). 


45) Sottile. Sarcoma della vescica urinaria in un bambino ai 6 mesi. 
(Gazz degli ospedali e delle chir. 1908. Nr. 65.) 

Bei einem 6 Monate alten Knaben tritt plötzlich Harnverhaltung ein. Aus 
der bis zam Nabel reichenden Blase wird blutiger Urin entleert. Bei der Sectio 
alta wird eine glatte, rote, ziemlich weiche Geschwulst von der Größe einer Man- 
darine, die die ganze hintere Blasenwand einnimmt, gefunden, die nicht entfern- 
bar erscheint. Es handelt sich um ein kleinzelliges, gefäßreiches Sarkom mit spär- 
lichem Zwischengewebe. 

Die Sarkome kommen hauptsächlich bei männlichen Kindern, und zwar meist 
in den ersten 5 Lebensjahren vor. Sie sind die häufigste Form der Blasengeschwülste 
im jugendlichen Alter. Dreyer (Köln). 


46) de Graeuwe. A propos de l’extirpation totale de la vessie. 
(Ann. de la soc. belge de chir. 1908. April.) 

An der Hand zweier Fälle berichtet Verf. über Verhoogen’s Operations- 
verfahren. Nach Freilegung der Harnleiter werden dieselben dicht oberhalb der 
Blase durchtrennt und einzeln in die Hinterwand des Blinddarmes eingepflanzt. 
Letzterer wird ausgeschaltet und nach Vernähung der beiden Enden in sich eine 
Cöcalfistel nach außen, eventuell unter Benutzung des Wurmfortsatzes, angelegt. 
Zwischen Ileum und Kolon wird die Darmpassage durch Anastamose oder Im- 
plantation wieder hergestellt. Die Exstirpation der Blase beschließt die Operation. 
Die beiden Fälle verliefen tödlich; bei der ersten unter ungünstigen Verhältnissen 
(schwere Kachexie) operierten 68jährigen Frau funktionierte die eine Harnleiter- 
einnähung nicht. Tod am 2. Tage. Bei der zweiten Pat. hatte man nach Aus- 
sehen und Palpationsbefund die eine Niere für nicht mehr funktionsfähig gehalten 
und ihren Harnleiter abgebunden; auch hier fand sich bei der Sektion enorme 
Ausdehnung des Harnleiters und Nierenbeckens mit einem ganz kleinen Restchen 
Nierensubstanz. Wegen der großen Infektionsgefahr will Verhoogen die Ope- 
ration in Zukunft zweizeitig machen. 1) Exstirpation der Blase, Abbinden der 
Harnleiter und Einpflanzen derselben in die Hinterwand des Blinddarmes (extra- 
peritoneal). 2) Laparotomie: Ausschalten des Blinddarmes, Einnähen desselben in 
die Bauchwand mit Fistelbildung. Ileum-Kolonanastomose. 


Vorderbrügge (Danzig). 


AT) F. Weisswanger (Dresden. Nierenabszeß nach Gonorrhöe, 
Nephrotomie, Heilung. 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 18.) 

Interessant ist in dem mitgeteilten Falle die lange Latenzzeit der nach 6 Jahren 
noch virulenten Gonokokken; wahrscheinlich war es durch Kompression des Harn- 
leiters infolge vorausgegangener Schwangerschaft und durch Knickung desselben 
infolge Beweglichkeit der rechten Niere zu Urin- und Eiterstauung in dieser ge- 
kommen, in der sich ein großer Abszeß entwickelte. Kramer (Glogau!. 


Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden. 





Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Broslan. 
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. 


Zentralblatt für Chirurgie 


herausgegeben von 


K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER, 








in Bonn, in Berlin, in Breslau. 
35. Jahrgang. 
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG. 
Nr. 34. Sonnabend, den 22. August 1908. 
Inhalt. 


1) v. Lichtenberg, Postoperative Lungenkomplikationen. — 2) Allen, Erysipel. — 3) Teller, 
Dekubitus. — 4) Whiteford, Resektion der Mamma. — 5) Bireher, Bauchfelltuberkulose — 
6) Braun, Appendicitis. — 7) Borsz6eky, Magen- und Duodenalgeschwür. — 8) Laffer, Akute 
Magendehnung und arteriomesenterischer Ileus. — 9) Daneel, Der Murphyknopf. — 10) Dendchau, 
Gastroenterostomie. — 11) Lynch, Intussuszeption der Flexura sigmoidea. — 12) Föderl, Kolo- 
stomie. — 13) Noetzel, Pankreatitis. 

14) Kraemer, Konjunktivalreaktion bei Tuberkulose. — 15) Roith, Verschiedene Anästhe- 
sierungsverfahren. — 16) Bergoni6, Blitzbehandlung des Krebses. — 17) Grosse, Thiosinamin- 
vergiftung. — 18) Fells, Mundkrebs. — 19) Cousins, Odontom. — 20) Fritsch, Adamantinom. — 
21) Paul, Zungenkrebs. — 22) Makkas, Extraktion verschluckter Gebisse. — 23) Bergeat, Brust- 
wandresektion bei veraltetem Eınpyem. — 24) Hoffmann, Brustwandresektion mit Plastik auf die 
Lunge. — 25) v. Saar, Bösartige Brustdrüsengeschwulst. — 26) Crone, Bauchwunde. — 27) Lerda, 
238) Dubujaboux, Darmperforation. — 29) Smith, Pneumokokkenperitonitis. — 80) Barnard, Sub- 
phrenischer Abszeß. — 81) Mollard-Chattot, 32) Martini und Pietro, Ascites. — 83) Wakefleld, 
84) Hoke, 35) Gebele, Appendicitis. — 36) Gebele, Entzündung des Meckel’schen Divertikels. — 
37) Kopylow, 38) Levy, 39) Lindenstein, 40) Cranwell, Herniologisches. — 41) Dawson, Magen- 
krankheiten. — 42) Jonnesco und Grossman, Linitis plastica. — 43) Moynihan, Gastroentero- 
stomie. — 44) Peiser, Wringverschluß des Darmes. — 45) Sick, Brucheinklemmung mit Volvulus. 
— 46) Glies, Unterbindung der Vena portae. — 47) Mack, Cholecystotomie. 

V. Baracz, Zur Darmanastomose mittels elastischer Ligatur der Schleimhäute. 





1) A. v. Lichtenberg. Allgemeinbetrachtungen über die 
Einteilung und Verhütungsmöglichkeit der postoperativen 
Lungenkomplikationen. 

(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVIL p. 354.) 

Verf. schlägt vor, die postoperativen Lungenkomplikationen in 
zwei Hauptgruppen, die pneumonischen und die grobembolischen, ein- 
zuteilen. Die ersteren sind entweder postnarkotisch (Narkose-Aspirations- 
Retentionspneumonien) oder hypostatischer oder embolisch-infektiöser 
Natur. Unter allen Ursachen für postoperative Pneumonien steht die 
Narkosenschädigung obenan. Es muß daher Aufgabe sein, die In- 
halationsnarkose nach Möglichkeit einzuschränken. Am besten wird 
sie durch Lokolanästhesie ersetzt, deren Anwendungsgebiet bei ge- 
nügender persönlicher Technik und Erfahrung sich immer mehr aus- 
dehnen läßt. Durch die Lumbalanästhesie läßt sich die Narkosenzahl 
weiter verringern, wenngleich man diese Methode nicht so uneinge- 
schränkt wie die Lokalanästhesie empfehlen kann. 

Ist die Inhalationsnarkose einmal kontraindiziert, so sind Chloro- 
form und Äther in gleicher Weise zu verwerfen. Außer den allge- 


34 


1018 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 


mein bekannten Vorsichtsmaßregeln zur Verhütung von postnarkotischen 

Lungenerkrankungen empfiehlt Verf. vor allem die Anwendung von 

narkotischen Hilfsmitteln, besonders von Skopolamin-Morphium. 
Reich (Tübingen). 





2) B. Allon (New York). Treatment of erysipelas. 
(New York med. journ. 1908. Juli 11.) 

A. konnte das Fortschreiten des Erysipels dadurch aufhalten, daB 
er 6—7 mm von der Demarkationslinie entfernt einen Streifen reiner 
Karbolsäure aufpinselte.e Nach Weißwerden der Haut wäscht er den 
Überschuß mit 95 %igem Alkohol ab. Wenn der durch das Aufpinseln 
verursachte Schmerz, der gewöhnlich nur einige Minuten dauert, länger 
anhalten sollte, dann empfiehlt A., mit Alkohol getränkte Gaze auf- 
zulegen. In der Nähe der Augen und an anderen Stellen, wo sich 
die Karbolsäure nicht gut anwenden läßt, streicht er Unguentum 
hydrargyri ammoniatum auf, das 2% Karbolsäure enthält. 

Die Heilung schien günstig beeinflußt zu werden; nur in einem 
unter zwölf Fällen ging die Rötung ein Stück über die Zone hinaus. 

H. Bucholz (Boston). 





3) R. Teller (Gießen). Zur Behandlung des Dekubitus. 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 19.) 

T. rühmt, neben der Anwendung von feuchten Verbänden (essig- 
saure Tonerde oder Wasserstoffsuperoxyd) auf den Grund des Dekubital- 
geschwürs und von Lessar’scher Paste auf die Umgebung, die Massage 
der Wundränder, durch die eine stärkere Blutfüllung dieser und da- 
durch raschere Heilungstendenz erzeugt wird. Außerdem läßt T. 
warme Vollbäder auf einem über die Badewanne ausgespannten Bade- 
tuch anwenden. Kramer (Glogau). 





4) C. H. Whiteford. Plastic resection of the breast and 


its bearing on the preliminary incision of breast tumours. 
(Brit. med. journ. 1908. Juni 6.) 

Aus kosmetischen und psychischen Gründen empfiehlt W. bei 
gutartigen Geschwülsten der Brustdrüse und bei Probeausschnitten 
verdächtiger Knoten eine von Collins Warren verbesserte Methode 
der retromammären Exzisione Die Mamma wird durch Schnitt am 
Außenrand der Drüse, wenn nötig, verlängert zur vorderen Achselfalte, 
abgehoben, die Geschwulst aber nicht ausgeschält, sondern mit einem 
Keil der Drüse selbst entfernt. Diese keilförmige Lücke läßt sich 
durch Nahtreihen viel besser schließen, als die unregelmäßige, buch- 


tige Höhle bei der Aushülsung. Die Narbe ist kaum sichtbar. 
Weber (Dresden). 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 1019 


5) E. Bircher. Die chronische Bauchfelltuberkulose. Ihre 


Behandlung mit Röntgenstrahlen. 188 Seiten. 
Aarau, H; R. Sauerländer & Co., 1907. 

Im Rahmen eines ausführlichen Referates orientiert uns Verf. 
zunächst über die pathologische Anatomie und Symptomatologie der 
Bauchfelltuberkulose. Aus seinen Zusammenstellungen von Statistiken 
sei erwähnt, daß sie nur selten der alleinige Sitz des krankmachenden 
Agens ist, daß ferner bei etwa 90% aller Bauchfelltuberkulosen auch 
schon eine Lungenaffektion vorliegt, und daß die Pathogenese bei 
Frauen drastisch durch die in 40% (nach Cummins) gleichzeitig ge- 
fundene Adnextuberkulose beleuchtet wird. — Der folgende Teil ist 
der Therapie gewidmet. B. bespricht die konservative Methode mit 
ihren Resultaten, dann die zur operativen Therapie überleitende Punktion, 
endlich die Operation in ihren verschiedenen Wandlungen und ihre 
Erfolge. Der erste Überschwang nach Aufkommen der operativen 
Richtung ist bald einer Reaktion gewichen; doch glaubt Verf., daß 
wir heute sichere Indikationen für die Operation haben. 


Eine von ihm gegebene Zusammenstellung der Resultate von über 
100 Autoren bei Operationen ergibt zwar Heilungsprozentzahlen, 
schwankend zwischen 30 und 95%. Das erklärt sich leicht daraus, 
daß die Indikationen natürlich ganz verschieden gestellt und die Stati- 
stiken nach verschiedenen Gesichtspunkten abgefaßt worden sind. Es 
erweist sich aber doch, daß bei der ascitösen Form die operative 
Therapie der konservativen weit überlegen ist, daß beide bei der ad- 
häsiven Form etwa gleichwertig sind. Die Dauerresultate bei Operation 
berechnet Verf., ähnlich König, auf 27%, die Operationssterblichkeit 
auf 3%. Zur Berechnung der Dauerresultate bei konservativer Therapie 
fehlt eine vergleichbare größere Statistik. Bei der Würdigung der 
verschiedenen Erklärungsversuche einer Heilung spricht Verf. dem 
Licht eine größere Rolle zu und kommt schließlich zu der Ansicht, 
daß eine Summe von biologischen und physiologisch-chemischen Faktoren 
den Effekt hervorbringen: 

Der durch Luft, Licht, mechanische Irritation hervorgerufene Reiz 
möge eine Hyperämie mit entzündlicher Reaktion hervorrufen, aus 
welcher das oftmals bakterizide Serum resultiert. Auch die von 
Gelpke aufgegriffene Theorie, nach welcher sowohl der spontan ent- 
standene wie der postoperative Ascites bakterizid wirkt, daher erst ab- 
gelassen werden soll, wenn er abgenutzt ist, wird eingehend besprochen. 


Nach den erfolgreichen Versuchen mit Röntgenstrahlen bei Lupus 
wurden in der Aarauer Anstalt seit 1897 auch Bauchfelltuberkulosen, 
im ganzen 26 Fälle, so behandelt, und zwar durchschnittlich täglich 
3—4 Wochen lang 15—30 Minuten mit harten bis mittelharten Röhren, 
in Röhrendistanz von 25—30 cm bestrahlt. Zuerst wurden nur erfolglos 
Laparotomierte so behandelt, dann solche, die zur Operation zu schwach 
waren, und nachdem gerade dabei eklatante Resultate erzielt waren, 
wurden eine Anzahl Pat. ohne Auslese bestrahlt. Von der ersten 


34* 


1020 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34, 


Gruppe wurden 50% geheilt, 25% gebessert, es starben 25%. In der 
zweiten und dritten sind einschließlich der Nachträge 64,2% geheilt, 
7,1% gebessert, 7,1% ungeheilt, 21,4% gestorben. Einzelne Fälle, 
besonders auch die tödlich geendeten, werden einer kritischen Be- 
sprechung unterzogen. Verf. kommt zu folgenden Schlüssen: die 
Röntgentherapie ist ein außerordentlich wertvolles Hilfsmittel bei der 
Bekämpfung der Bauchfelltuberkulose Primär sollen mit Röntgen- 
strahlen nur behandelt werden: adhäsive oder plastische Formen mit 
wenig Aussicht auf Operationserfolg, hochgradig kachektische Fälle, 
solche, die Operation verweigern, endlich milder verlaufende Fälle. 
Sekundär ist Röntgentherapie anzuwenden bei allen Fällen, in welchen 
das postoperative Exsudat nach 14 Tagen nicht geschwunden ist, 
ferner bei Versagen der Operation oder späterem Rezidiv. 

Die Theorie der Röntgenwirkung wird kurz besprochen, und neben 
einer biochemischen Wirkung auf die Produkte der Tuberkulose auch 
einer virulenzherabsetzenden, wenn nicht sogar zerstörenden Wirkung 
der Strahlen auf die Bazillen großer Wert beigelegt. Wenn Verf. das 
als experimentell genügend nachgewiesene Tatsache hinstellt, wird er 
wohl manchen Widerspruch finden. 

Interessant ist, daß durch Bestrahlung kein neuer Ascites erzeugt 
wird, daß also das durch Operation erzeugte bakterizide Serum (cf. oben) 
mindestens nicht der einzige und bedeutendste Heilfaktor sein kann. 

Im Schlußteile bespricht Verf. alle 99 eigenen Fälle von Bauch- 
felltuberkulose in bezug auf Pathologie und Therapie und teilt die im 
Aarauer Spitale übliche Operationsweise mit: Langsames Ablassen 
des Ascites, Ausspülen mit vielen Litern heißen sterilen Wassers (nicht 
NaCl). Ein kleiner Wasserrest bleibt darin. Das Wasser reizt ziemlich 
stark und verschlechtert dadurch die Heilungstendenz der Wunde, 
welche daher in drei Etagen genäht wird. Ein Vergleich gespülter 
mit ungespülten Fällen fällt zugunsten ersterer aus. 

Das Resultat der nur diätetisch-medikamentösen Therapie gegen- 
über der operativen stellte sich folgendermaßen: 


Se 
| Gebeilt | Gebessert [Ungevessert] Gestorben 


32 Fälle nicht operiert 31% 19% 6% 44% 
59 Fälle operiert 45,7% 22% 6,7% 25% 








Den Schluß bilden Krankengeschichten und ein Literaturverzeichnis 
von 448 Arbeiten. Renner (Breslau). 


——— 0 


6) Braun. Appendicitisoperation und Militärdienstfähigkeit. 
(Deutsche militärärztl. Zeitschrift 1908. Hft. 9.) 

Verf. ist als Assistent Riedel’s (Jena) eifriger Verfechter der 
Frühoperation bei Appendicitis. Um diese zu ermöglichen, schlägt er 
vor, die Mannschaften gelegentlich zu ermahnen, sich bei Beschwerden 
in der Unterbauchgegend sofort krank zu melden (ob dann nicht 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 1021 


einige Fälle von Hysterie mit unterlaufen würden? Ref.), und die 
Erkrankten sogleich der äußeren Station zu überweisen. Um die nicht 
genähten Leute dem Dienste zu erhalten, solle bei ihnen 8—-12 Wochen 
nach der Heilung eine Korrektur der Narbe mit nachfolgender schicht- 
weiser Naht der Bauchdecken vorgenommen werden. 

Herhold (Brandenburg). 





7) Borszöky. Die chirurgische Behandlung des peptischen 
Magen- und Duodenalgeschwürs und seiner :Komplikationen 
und die damit erreichten Endresultate. 

(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 56.) 

Zu obigem Thema liefert Verf. auf Grund von 34 eigenen Fällen 
und eigenen Tierversuchen eine Studie, die infolge ausgedehnter 
Literaturbenutzung über die bezüglichen Fragen gut orientiert. 

Gegenüber den zahlreichen und verschieden motivierten Vorschlägen, 
das offene, unkomplizierte Magengeschwür operativ mit Gastroenter- 
ostomie, Exzision, Kauterisation, Ausschabung usw. zu behandeln, ver- 
tritt Verf. den Standpunkt, daß alle diese Operationen die Krankheits- 
ursache nicht beheben und als chirurgische Übergriffe zu betrachten 
sind, da die unmittelbare Operationsmortalität der Gesamtmortalität 
des intern behandelten Magengeschwürs etwa gleichkommt und die 
Eindresultate zweifelhaft sind. Das unkomplizierte Geschwür gehört 
dem Internisten, der bei konsequenter Behandlung ganz erfreuliche 
Erfolge erzielt. — Das perforierte Geschwür dagegen ist sofort zu 
operieren. Der Chok wird am besten durch die Operation selbst be- 
kämpft. Uber die technische Seite der Versorgung der Perforation 
und der Behandlung der Peritonitis äußert sich Verf. nur referierend; 
drei eigene Fälle endeten sämtlich tödlich. 

Bei Geschwürsblutungen kommt ein chirurgischer Eingriff nur dann 
in Betracht, wenn eine interne Behandlung erfolglos geblieben ist. 
Den Zeitpunkt zur Operation bestimmt allein der Kräftezustand der 
Pat., sowie der Umstand, ob außer dem Bluterbrechen gleichzeitig eine 
andere, der inneren Behandlung trotzende Komplikation des Geschwürs, 
eine Pylorusstenose oder perigastritische Verwachsungen vorhanden sind. 

Beim kallösen Geschwür ist die Gastroenterostomie das Normal- 
verfahren und bringt etwa die Hälfte der Fälle zur Heilung. Unter 
fünf Fällen erreichte Verf. Amal vollkommene Heilung, 1mal Besserung. 

Der Erfolg dieser Operationen wird häufig gestört durch den Ver- 
schluß der Anastomosenöffnung oder durch peptische J ejunalgeschwüre, 
die weit häufiger sind, als man gemeinhin annimmt, auch bei chirurgi- 
scher Behandlung eine recht zweifelhafte Prognose ergeben und am 
besten durch eine konsequente, gegen die Hyperchlorhydrie gerichtete 
innere Nachbehandlung nach der Operation vermieden werden. 

Alle anderen Operationsmethoden gegen das kallöse Geschwür 
sind zu gefährlich, schwierig und ebenfalls unsicher. Geschwürs- 
exzision ist nur bei Karzinomverdacht angezeigt. 


1022 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 84. 

Im Gegensatz zum offenen Geschwür soll jede narbige Stenose 
operativ behandelt werden, gleichgültig, ob Magendilatation und moto- 
rische Insuffizienz schon vorhanden sind oder nicht. Hierbei kommt 
ausschließlich die Gastroenterostomie in Betracht; bei Sanduhrmagen 
ist die Gastroanastomose, bei kleinem Pylorusmagen die Gastroentero- 
stomie, bei Cardiastenose die perorale oder retrograde Bougierung 
angezeigt. Auch für das seltene peptische Duodenalgeschwür ist die 
Gastroenterostomie Operation der Wahl, mit der höchstens die Jejuno- 
stomie konkurrieren kann. 

Weiterhin gibt Verf. eine nach Indikationen und Operationen ge- 
ordnete Übersicht seiner operativ behandelten Fälle von gutartigen 
Magenleiden nach dem Gesichtspunkt der unmittelbaren und dauernden 
Erfolge. Dabei ergab sich insgesamt eine unmittelbare Sterblichkeit 
von 16,6% und dauernde Heilung in 80% der Fälle. Wie Nach- 
untersuchungen erwiesen, wird durch die Gastroenterostomie sowohl 
die Superazidität als die motorische Insuffizienz meist dauernd günstig 
beeinflußt. 

Interessant sind die Ergebnisse zahlreicher Hundeversuche, aus 
denen hervorgeht: 1) daß der Mageninhalt nicht ausschließlich durch 
die Anastomosenöffnung, sondern selbst bei Pylorusstenose auch durch 
den Pylorus weiterbefördert wird; 2) daß die Gastroenterostomie auf 
Magenblutungen bei nicht verengtem Pylorus keine, bei Pylorusstenose 
keine unbedingt verläßliche blutstillende Wirkung ausübt und 3) daß 
man durch längere Salzsäurezufuhr nach Gastroenterostomie künstlich 
peptische Jejunalgeschwüre erzeugen kann, jedoch nicht konstant, so 
daß man für die Entstehung dieser Geschwüre außer der Hyper- 
chlorhydrie auch noch andere Ursachen als mitwirkend annehmen muß. 

Beich (Tübingen). 


8) Laffer. Acute dilatation of the stomach and arterio- 
mesenteric ileus. 
(Annals of surgery 1908. März u. April.) 

L. bespricht jene ominösen Fälle von meistens nach vorher- 
gegangenen Operationen eintretenden akuten Magendehnungen, die 
bei unzweckmäßiger Behandlung unter dem Bilde des Circulus vitiosus 
zum Tode führen. Er hat mit großem Fleiß die Literatur über diese 
Krankheit nachgesehen und findet, daß sich zwei Gruppen von Autoren 
in ihrer Ansicht bezüglich der Atiologie der akuten Magendilatation 
gegenüberstehen. Die einen meinen, daß dieses Leiden primär eintritt, 
die anderen, daß es sekundär auf eine Knickung des Duodenum folgt. 
Diese Knickung soll dadurch zustande kommen, daß sich die Dünn- 
därme bei Gastroptose oder bei Schwächezuständen ins kleine Becken 
senken und dadurch einen Zug am Mesenterium ausüben, durch welches 
das Duodenum hindurchtritt. Auf diese Weise wird das Duodenum 
gedrückt, und es kommt zur Dilatation des oberhalb der Knickung 
gelegenen Teiles und des Magens (Mesenteric ileus). Verf. kann sich 
dieser letzteren Ansicht nach gründlichem Studium der Krankheit nicht 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 1023 


anschließen, er glaubt vielmehr, daß die akute Magendilatation meistens 
‘ primär durch lähmende Einwirkung von Noxen (Chloroform, Chok usw.) 
auf die Magennerven oder die Zentren im Gehirn bzw. im Sympathicus 
eintritt. Bestärkt wurde er in seiner Ansicht dadurch, daß bei 120 
aus der Literatur bekannt gewordenen obduzierten Fällen von akuter 
Magendilatation nur 27mal dieser Typus des gastro-mesenterischen 
Ileus angetroffen wurde. Nicht zu leugnen ist nach L.’s Ansicht, daß 
sich der dilatierte Magen senkt und dann auf das Duodenum drückt. 

Aus der Literatur hat Verf. 217 Fälle akuter Magendilatation 
sammeln können; die Sterblichkeit derselben war eine verhältnismäßig 
hohe, 63,5%. Im Anschluß an Operationen trat die akute Magen- 
dilatation in 38,2% der Fälle ein. Unter diesen Operationen handelte 
es sich in 69% der Fälle um Laparotomien. Die hervorstechendsten 
Symptome waren Erbrechen, Ausdehnung des Epigastriums, Magen- 
plätschern, Verstopfung, Kollaps. Differentialdiagnostisch können Ver- 
wechslungen mit Peritonitis, hohem Ileus, Pankreascysten vorkommen. 
Bezüglich der Behandlung soll prophylaktisch der Entstehung dadurch 
vorgebeugt werden, daß keine kopiösen Mahlzeiten an den Tagen vor 
der Operation und nach der Operation eingenommen werden, und daß 
ein rauhes Hantieren mit den Eingeweiden oder eine Abkühlung der- 
selben während der Operation vermieden wird. Ist die Dilatation ein- 
getreten, so ist der Magen sofort wiederholt mit dem Magenschlauch 
auszuhebern, selbst wenn Pat. schon moribund ist. Stimulantien und 
Kochsalzeinläufe in den Darm sind nötig. Endlich wird empfohlen, 
den Pat. nicht die Rücken- sondern die Bauchlage einnehmen zu lassen. 

Herhold (Brandenburg). 





9) P. Daneel. Beitrag zur Anwendung des Murphyknopfes 
| bei der Magen-Darmanastomose. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 513.) 

An der Hand des schon mehrfach publizierten Materiales der 
Heidelberger Klinik untersucht D. die Vor- und Nachteile des Murphy- 
knopfes. 

Als Vorzüge werden angeführt: 1) Die Abkürzung der Operations- 
dauer, 2) die Vereinfachung der Technik, 3) die gute unmittelbare 
Funktion der Fistel, deren Festigkeit in den ersten Tagen größer, 
später etwas geringer ist als bei Nahtanastomose. Es sind unter einer 
Serie von 193 Gastroenterostomien mit Knopf 7 Fälle verzeichnet, bei 
denen nicht auf die Narkose zu beziehendes und durch Magenspülung 
beseitigtes Erbrechen auftrat, das meist auf einer Knickung oder Ver- 
legung des abführenden Darmschenkels beruht und ebenso auch bei 
Nahtanastomosen vorkommt. 

Circulus vitiosus kam unter 333 einfachen Gastroenterostomien 
zweimal vor und scheint nach der Literatur bei der Nahtvereinigung 
noch häufiger zu sein. 

Unter den Nachteilen der Knopfanwendung sind zunächst Fieber 
bei der Knopflösung und leichtere Darmstörungen bei der Knopf- 


1024 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 


wanderung zu verzeichnen. Zu ernsteren Komplikationen kann die 
Retention des Knopfes im Magen-Darmkanal führen, die im ganzen 
siebenmal bei Autopsien festgestellt wurde, während Knopfabgang in 
nicht ganz ?/, der Fälle beobachtet wurde. Der Knopfabgang erfolgte 
durchschnittlich am 15. Tage, am häufigsten am 13. und 14. Tage, 
bei Resektionen meist einige Tage später. 

Von ernsten Komplikationen werden aufgeführt: 

1) Knopfeinkeilung und Retention desselben im Darme, herbei- 
geführt durch peritonitische Stränge, Verwachsungen usw. (3 eigene 
Fälle, davon 2 tot, 1 durch Relaparotomie geheilt). 2) Knopfdekubitus 
und Perforation: 5 eigene Fälle, sämtlich gestorben. Ein Vergleich 
mit Perforation bei Nahtanastomose zeigt, daß letztere keine größere 
Sicherheit in bezug auf Suffizienz der Anastomose gewährt. 3) Darm- 
einklemmung und Darmverschlingung (3 Fälle). 4) Sekundäre Fistel- 
verengerung, über die jedoch keine vergleichbaren Zahlen vorliegen. 

Verf. kommt zum Schluß, daß Naht und Knopf ihre eigenen In- 
dikationen haben, und zwar soll man den Knopf anwenden: 

1) Bei der Gastroenterostomie kachektischer und heruntergekom- 
mener Pat. (Karzinom). 

2) Bei der Resektion nach Billroth HI wegen Abkürzung der 
an sich schon langen Operation. 

Die Naht soll ausgeführt werden: 

1) Wo es bei der Operation weniger auf Eile ankommt (gutartige 
Stenosen). 

2) Bei allen Resektionen, ausgenommen Billroth I. 

3) Bei allen auch unter nur geringer Spannung stehenden An- 
astomosen, also besonders der Wölfler'schen Gastroenterostomia 
anterior. Reich (Tübingen). 





10) Denöcheau. Les suites réelles de la gastro-entérostomie 
au cours de l’ulcere d’estomac et de ses complications. 
(Arch. générales de chir. 1907. Oktober u. 1908. April.) 

Verf. versucht als Internist einen Beitrag zu dem aktuellen Streit 
über den wirklichen Wert der Gastroenterostomie bei Magengeschwür 
zu liefern, wobei er sich auf insgesamt 109 selbst beobachtete und 
jahrelang untersuchte Fälle stützt. Nach einer eingehenden, den Rah- 
men eines Referates weit überschreitenden Schilderung der unmittel- 
baren Operationsfolgen und der durch die Anastomose bedingten Nach- 
erscheinungen kommt Verf. zum Schluß, daß die Operation in den 
meisten Fällen sofort und auch dauernd einen günstigen Einfluß aus- 
übt; in den wenigen Fällen, in denen kein gutes Resultat erzielt wird, 
hängt dies nicht von der Operationsmethode ab, sondern in erster 
Linie von dem Zustand der Magenschleimhaut, der Art und dem Sitze 
des Geschwürs und der Art der Stenose. Des weiteren muß für die 
ungenügenden Resultate die nicht ausreichende diätetische Behandlung 
der Operierten verantwortlich gemacht werden, da nach der Gastro- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 1025 


enteroanastomose noch monatelang ein exaktes diätetisches Regime 
nötig ist, das erst den vollen Erfolg der Operation garantiert. 
nn Strauss (Nürnberg). 
11) I. M. Lynch (New York). Intussusception of the sigmoid. 
(New York med. journ. 1908. Juni 6.) 

L. nimmt an, daß die Intussuszeption der Flexur, d. h. des Teiles 
derselben zwischen Gabelung der Iliaca communis und der Umschlags- 
falte des Bauchfells, häufiger die Ursache von Verstopfung, Hämor- 
rhoiden usw. ist, als man gewöhnlich glaubt. Für die Entstehung 
macht er ein abnorm langes Mesosigmoid verantwortlich, wozu außer- 
dem noch eines der Momente treten muß, das auch sonst eine In- 
tussuszeption des Darmes veranlassen kann. Bei längerem Bestehen 
finden sich nebenbei Sigmoiditis und Perisigmoiditis.. Symptome sind 
Gefühl von nicht beendigtem Stuhlgang, Schmerzen, Abgang von 
Schleim und Membranen, Allgemeinerscheinungen wie Kopfschmerz, 
Schwindel, Symptome, die nach Schwere des Falles sehr wechseln. 
Konstant ist das erste Symptom, das in Knie-Ellbogenlage meist ver- 
schwindet. In schweren Fällen kann es infolge von Stauungen oder 
Ulzerationen zu Blutungen kommen. 

Die Therapie besteht in Anheftung der Flexur an die Fascia 
transversalis (nicht an das Bauchfell. Wenn allgemeine Gründe eine 
Laparotomie kontraindizieren, muß man versuchen, durch diätetische 
Vorschriften, Sorgen für regelmäßigen Stuhl durch Ol- und Wasser- 
einläufe usw. der Verschlimmerung des Leidens vorzubeugen. Heilung 


ist durch palliative Behandlung nur selten zu erzielen. 
H. Bucholz (Boston). 


12) O. Föderl. Über Kolostomie. 
(Zeitschrift für Heilkunde 1907. Bd. XX VII.) 

Ist die Kolostomie nur der Vorakt anderer Eingriffe (wie Kolon- 
spülungen, Flexur- und Mastdarmresektionen usw.) oder Verlegenheits- 
operation, so kann die Fistel gewöhnlich zweizeitig angelegt werden. 
Anders, wenn sie bei plötzlich und stürmisch einsetzenden Störungen 
der Dickdarmpassage zur Dringlichkeitsoperstion wird, wobei die 
schwere Beteiligung des Allgemeinbefindens einen radikalen Eingriff 
meist nicht mehr gestattet. Die Gefahren der Peritonitis und der 
Allgemeinfektion von der Darmlichtung aus fordern, namentlich wenn 
schon dynamische Ileuserscheinungen drohen, die einzeitige Fistel- 
bildung. Um die dabei naherückenden Gefahren der Peritonitis und 
der fortschreitenden Bauchdeckenphlegmone infolge Ausfließens von 
hochvirulentem Darminhalt auszuschalten, hat F. das Witzel’sche 
Prinzip der Schrägfistelbildung auf die Kolostomie übertragen, wobei 
der Darm erst nach der Kanalbildung eröffnet wird: Ein starker, 
kurzer Trokar wird mit einem langen Schlauch am seitlichen Abfluß- 
rohr und vor diesem mit einem Gummiring armiert, auf den sich vor- 
wölbenden Blinddarm gedrückt, mit Lembertnähten überdacht, wobei 

344% 


1026 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 84. 


die erste Naht den Gummiring zur Fixation mitfaßt. Nach Bildung 
eines ca. 4 cm langen blinden Kanals wird mit dem erst jetzt ein- 
gesetzten Trokarstachel der Darm eröffnet; Umsäumung der Wunde 
mit Peritoneum. Verf. hat nach dieser Methode bisher neun Kolo- 
und zwei Ileostomien ausgeführt. 

Die Fistel genügt zum Ablassen von Gasen und dünnflüssigem, 
event. durch Spülungen verdünntem Kot. Die Schrägfistel schließt 
anfangs dicht und schützt damit vor der Bauchdeckenphlegmone. Bei 
Insuffizienz oder zwecks Dilatierung des Fistelkanals wird der Trokar 
nach Lösung der Fixationsnaht durch Drainröhren ersetzt. Die Fistel 
schließt sich später entweder spontan oder nach einfacher Ränder- 
exzision und Schleimhautinvertierung. 

Verf. legt eine solche temporäre Schrägfistel am Blinddarm bei 
appendico-peritonitischer Darmparalyse an; in Fällen, wo die Paralyse 
noch nicht manifest ist, begnügt man sich mit der Kanalbildung, in- 
dem der Darm dann erst im Bedarfsfalle eröffnet wird. 

In ähnlicher Weise kann man eine schräge Ileostomiefistel an- 
legen, und zwar hier in typischer Weise nach Witzel mit einem 
Gummirohr. Je mehr die Gefahr der Kotinfektion des Bauchfells 
und der Laparotomiewunde verringert werden kann, um so mehr steigt 
die Bedeutung der Enterostomie nicht allein zur temporären Behand- 
lung bestimmter Ileusformen, sondern auch zur Vermeidung und Be- 
handlung der enterogenen Sepsis. R. Henschen (Tübingen). 


13) W. Nootzel. Zur Therapie der Pankreatitis. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 734.) 


Unter Mitteilung von neun Fällen von akuter Pankreatitis, je 
einem Fall von Pankreascirrhose und subkutaner, stumpfer Verletzung 
bespricht Verf. die Operationstechnik und die Indikationen zur opera- 
tiven Therapie, wobei er zu folgenden Aufstellungen gelangt: 

Die akute Pankreatitis muß prinzipiell chirurgisch behandelt wer- 
den mittels einer sobald als möglich auszuführenden Laparotomie und 
Tamponade des Pankreasherdes nach Bunge. Dem gewöhnlichen Weg 
durch das Lig. gastrocolicum kann man auf besondere Indikation hin 
noch eine stumpfe Durchtrennung des Mesokolon hinzufügen. Die 
freie Bauchhöhle ist nach Rehn auszuspülen und zu drainieren. Bei 
der so rasch und so schonend als möglich auszuführenden Laparotomie 
muß die Beschaffenheit der Gallengänge in jedem Falle genau fest- 
gestellt werden. Bei gleichzeitig bestehender Cholelithiasis ist, wenn 
es der Kräftezustand der Operierten gestattet, der dringendsten durch 
den Befund an den Gallenwegen gegebenen Indikation zu genügen, 
also event. die Cholecystostomie auszuführen. Gestattet der Allgemein- 
zustand dagegen einen Eingriff an den gleichzeitig erkrankten Gallen- 
wegen nicht, so soll man nach Heilung der Pankreatitis eine Gallenstein- 
operation vorschlagen. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 1027 


Bei Operationen wegen längere Zeit bestehender Cholelithiasis 
empfiehlt es sich, auch wenn gar keine Symptome von Pankreatitis 
bestanden haben, eine sichere Orientierung über den Zustand des 
Pankreas durchzuführen. 

Trifft man bei einer wegen akuter peritonitischer Symptome ohne 
sichere Diagnose ausgeführten Laparotomie keinen positiven Befund 
in der Bauchhöhle, so ist gleichfalls zu raten, das Pankreas durch 
stumpfe Durchtrennung des Lig. gastrocolicum freizulegen und zu 
besichtigen. 

Jedenfalls darf eine Pankreatitis erst dann als Ursache einer 
peritonitischen Erkrankung ausgeschlossen werden, wenn eine proba- 
torische Freilegung des Organes seine Integrität ergeben hat. 

Beich (Tübingen). 


Kleinere Mitteilungen. 


14) E. Kraemer. Die Verwendbarkeit der Konjunktivalreaktion zur 
Diagnose chirurgischer Tuberkulose. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVIL p. 581.) 

Bei einem Material von 116 chirurgischen Fällen wurde die Konjunktivalreaktion 
mit einer 2% igen Alttuberkulinlösung auf ihren diagnostischen Wert nachgeprüft, 

Unter der Voraussetzung, daß die Reaktion in keinem Falle mit allgemeiner 
Schwäche höheren Grades und auch in keinem Falle mit irgendwelchen Verände- 
rungen der Conjunctiva angewendet werden kann, ergab sie in 93% bei sicher 
tuberkulösen Fällen ein positives Resultat und in sicher nicht tuberkulösen Fällen 
in 97% einen negativen Ausfall. 

Unter den genannten Voraussetzungen glaubt daher Verf. den Schluß ziehen 
zu können, daß ein positiver Ausfall die Anwesenheit irgend eines tuberkulösen 
Herdes im Körper wahrscheinlich, der negative Ausfall sehr unwahrscheinlich 
mache. Eine Wiederholung der Reaktion am gleichen Auge hat nur bei gleich- 
mäßig negativem Ergebnis eine affirmative diagnostische Bedeutung. Im ganzen 
neigt Verf. zur Ansicht, daß die Reaktion in unklaren chirurgischen Fällen unter 


Umständen die Diagnose erleichtern kann. Reich (Tübingen). 
15) O. Roith. Zur Indikationsstellung für die verschiedenen Anästhe- 
sierungsverfahren. 


(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 246.) 

Verf. gibt eine Übersicht über die in der Heidelberger Klinik im Laufe eines 
Jabres ausgeführten allgemeinen Narkosen (1011), die lumbalen (100) und lokalen 
(222) Anästhesien mit ihren Erfolgen und Nachteilen und leitet daraus die zweck- 
mäßigste Indikationsstellung für die Art der Schmerzbetäubung ab, wobei als 
oberster Grundsatz gilt, den Schmerz ganz auszuschalten und möglichst wenig zu 
schaden. Einen großen Teil der Mißerfolge bei den einzelnen Methoden schreibt 
Verf. einer schablonenmäßigen Anwendung des einen oder anderen Verfahrens 
ohne individuelle Indikationsstellung zu. 

Zunächst ist die Allgemeinnarkose, die mit Chloroform, Billroth-Mischung 
oder Atherrausch und Athertropfnarkose ausgeführt wurde, immer noch das beste 
und allgemein brauchbare Verfahren. Hier wie bei der lokalen und lumbalen 
Anästhesie ist es rationell, die Erregbarkeit zuvor durch Sedativa herabzusetzen, 
wozu Morphium, am besten mit Atropin oder Skopolamin, sowie besonders auch 
Veronal sich eignet. 

Diese Kombinationen sind nicht durch die Zufuhr verschiedener Gifte gefähr- 
licher, sondern durch quantitative und zeitliche Beschränkung des Verbrauchs an 


1028 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 


Narkotikum ungefährlicher und zugleich für den Pat. angenehmer, dem die Er- 
regung vor der Operation und ein großer Teil der postnarkotischen Beschwerden 
und Komplikationen erspart wird. Die Allgemeinnarkose ist stets angezeigt bei 
Kindern und den meisten Laparotomien. 

Für die Lokalanästhesie wird ein immer größeres Anwendungsgebiet angestrebt, 
was durch Ausbildung der persönlichen Technik und kombinierte Anwendung der 
Sedativa in großem Umfange gelungen ist, so daß Operationen an Kopf und Hals, an 
Mamma und Rippen, Probelaparotomien und Gastroenterostomien, Operationen an 
Genitalien und Damm, sowie alle Bruchoperationen, soweit nicht zu starke Ver- 
wachsungen vorliegen, unter dieser Methode ausgeführt werden. Dem Verf. er- 
scheint auch die Kombination von Lokalanästhesie mit Allgemeinnarkose, z. B. zu 
größeren Laparotomien, als zweckmäßig. 

Demgegenüber erfährt die Lumbalanästhesie, obgleich schwere Unglücksfälle 
nicht vorkommen, eine sehr beschränkte Wertschätzung, da sie nicht nur in 52x 
der Fälle unbefriedigende Anästhesien ergab, sondern auch recht häufig unan- 
genehme Neben- und Nachwirkungen aufwies. Angewandt wurde zur Lumbal- 
anästhesie in dem in Betracht gezogenen Zeitraum Atropin und zuletzt Tropakokain. 
Es besteht der Grundsatz, nichts in Lumbalanästhesie zu operieren, wozu lokale 
Anästhesie ausreicht. Somit verbleiben der Lumbalanästhesie in der Hauptsache 
nur verwachsene Hernien und größere Operationen an der unteren Extremität. 
Für die Operation des Mastdarmkrebses ist die Methode nicht geeignet. 

Reich (Tübingen). 


16) J. Bergoniö6. La fulguration (m6öthode de Keating-Hart pour 
le traitement du cancer). 
(Journ. de méd. de Bordeaux 1908. Ñr. 26.) 


In einer lesenswerten Arbeit bespricht B. zunächst die Geschichte und Me- 
thode der Fulguration, um dann seine eigenen, mit der Blitzbehandlung gewonnenen 
Resultate mitzuteilen. Die Zahl der behandelten Fälle beträgt zebn, darunter neun 
Karzinome und ein Spindelzellensarkom; fast ausschließlich handelte es sich um 
Pat., die von Chirurgen als inoperal bezeichnet worden waren. Im Hinblick 
hierauf müssen die Erfolge B.'s ausgezeichnete genannt werden, wenn auch die 
Beobachtungszeit nur in zwei Fällen mehr als 11/, Jahr beträgt. B. konnte die 
Angabe Keating-Hart's, daß es nicht notwendig sei, die Geschwulstmassen 
radikal mit dem Messer zu entfernen, da die nachfolgende kräftige Fulguration 
die zurückgelassenen Geschwulstzellen der Nekrobiose überliefere, voll bestätigen. 
Zehn, meist gute ALORE unterstützen die Angaben B.’s in überzeugender 
Weise. Boerner (Rastatt). 


17) P. Grosse (Leipzig). Ein Fall von Vergiftung nach Gebrauch von 
Thiosinamin. 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 17.) 

Die Vergiftungserscheinungen, welche in Herzschwäche, Fieber, Anurie, Verfall 
der körperlichen und geistigen Kräfte bestanden, traten erst nach der sechsten 
Injektion von 2,3 ccm Fibrolysin (= 0,2 Thiosinamin) auf und gingen nur ganz 
allmählich zurück. : Kramer (Glogau). 

18) A. Fells. Remarks on cancer of the mouth in southern India 
with an analysis of 209 operations. 
(Brit. med. journ. 1908. Juni 6.) 

Unter den poliklinischen Kranken des London Missionary Society's Hospital 
zu Neyoor in Südindien fanden sich im Laufe von 2 Jahren 399 Fälle von bös- 
artigen Neubildungen, unter diesen 377 Krebse. Davon entfielen auf die Mund- 
höhle 92% und nur 8% auf die übrigen Organe. Fast immer beginnt das Mund- 
höhlencancroid in der Wangenschleimhaut gegenüber den unteren Molaren. Diese 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 1029 


Vorliebe für die Mundhöhlenschleimhaut erklärt sich aus der allgemein verbreiteten 
Sitte, eine Mischung von Betelnüssen, Betelblättern, Tabak und gelöschtem Kalk 
zu kauen. Genau da, wo die Kaumasse der Wange anliegt, beginnt das Geschwür. 
Von den 209 Operierten starben nur 6 am Eingriff selbst; Dauerergebnisse lassen 
sich bei der Art der Bevölkerung nicht feststellen. Die Arbeit ist eine Stütze 
für die Lehre von der Reiztheorie bei Entstehung bösartiger Geschwülste. 
Weber (Dresden). 


19) J. W. Cousins. A case of compound follicular odontoma. 
(Brit. med. journ. 1908. Juni 6.) 


An der Hand eines von ihm operierten Falles gibt C. eine Beschreibung der 
am Menschen seltenen Geschwulstform des Odontoma. In seinem Fall entfernte er 
innerhalb 6 Jahren durch drei Operationen über 100 Dentikel und erreichte Dauer- 
heilung. Das Odontoma entwickelt sich geschwulstartig aus dem Ganzen oder aus 
Teilen eines Zahnkeimes. Ein zusammengesetztes Odontom entsteht durch eine sehr 
frühzeitig einsetzende Entartung eines ganzen molaren Zahnkeimes, die schließlich 
einer knochenharten Masse entspricht mit kleinen Stückchen aus Zahngewebe und 
Knochen als Inhalt. Die Diagnose, die oft erst nach Probeeinschnitt möglich ist, 
kann sehr wichtig sein, weil zur Heilung einer solchen knochenharten Geschwulst 
am Kiefer die Resektion unnötig ist. Spaltung und Ausräumung genügt. 

Weber (Dresden). 


20) K. Fritsch. Zur Kenntnis des Adamantinoma solidum et cysticum 
des Unterkiefers. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 193.) 


Die aus der Küttner’schen Klinik stammende Beobachtung betrifft eine 
Pat. mit einer großen, nach dem Röntgenbefund mehrfach cystischen Geschwulst 
der einen Unterkieferhälfte, bei der durch halbseitige Unterkieferexstirpation mit 
Einfügung einer Immediatprothese Heilung und ein gutes funktionelles Resultat 
erreicht wurde. 

Die zentrale Unterkiefergeschwulst zeigte auf dem Durchschnitt größere 
und kleinere Cysten mit serösem Inhalt und einem Zahn. Mikroskopisch fanden 
sich in einem kernarmen Bindegewebe Epithelzellenstränge, deren Rand von Zylin- 
derzellen, deren Zentrum von netzartigem Gewebe gebildet wurde. 

Wie Brennecke nimmt Verf. an, daß die Geschwulst von paradentären 
Schmelzresten ausging und ein Ademantinom darstellt, in welchem teils die 
Cystenbildung, teils das Vorkommen solider Geschwulstmassen überwiegt. Dem- 
entsprechend ist zwischen soliden und cystischen Adamantinomen zu unterscheiden. 

Reich (Tübingen). 


21) F. T. Paul. Three years’ experience of Butlin’s operation for 
cancer of the tongue. 
(Brit. med. journ. 1908. Juni 6.) 

Die Arbeit ist eine starke Empfehlung der von P. nach Butlin benannten 
Exzision der primären Geschwulst an Zunge, Gaumen, Mundboden, Wangen, 
Lippen, Rachen mit nachfolgender Ausräumung der beiden vorderen Halsdreiecke. 
Unter 35 Fällen dieser Operation waren zwei Todesfälle an Sepsis, 17 Dauer- 
heilungen und 5 Rückfälle. Die übrigen Pat. waren an anderen Krankheiten ge- 
storben oder nicht aufzufinden. Weber (Dresden). 


22) Makkas. Ein neues Instrument zur ösophagoskopischen Extrak- 
tion verschluckter Gebisse. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 41.) 


Die Anwendung ösophagoskopischer Fremdkörperextraktion erführt eine ge- 
wisse Einschränkung durch jene Fälle, bei welchen, wie in drei eigenen Beob- 


1030 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 


achtungen aus der Garr&’scen Klinik und neun fremden Fällen, die Extraktion 
mit Hilfe des Ösophagoskops unmöglich ist. 

Der nächstliegende Versuch, in solchen Fällen den eingekeilten Fremdkörper 
zu zerkleinern, hat mehrere Methoden und Instrumente entstehen lassen, gilt aber 
mit Recht als gefährlich und technisch sehr schwierig. So ist beispielsweise die 
galvanokaustische Zerstückelung nach Kilian nur diesem selbst einmal gelungen. 

Verf. hat nun nach dem Typus der Beißzangen ein Instrument konstruiert, 
das nach Versuchen nicht nur Gebißplatten, sondern auch Knochen zerschneidet. 
Allerdings läßt es sich bei seiner Kürze nur im Hals- und obersten Brustteil an- 
wenden und gestattet bei seiner Dicke nicht die Kontrolle des Auges. 

Das Instrument ist zu beziehen von F. A. Eschbaum in Bonn. 

Reich (Tübingen). 


23) E. Bergest. Über Thoraxresektion bei großen, veralteten Empy- 
emen. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 373.) 


Die sehr umfangreiche Arbeit bespricht zur Einleitung die 9%) Empyemer- 
krankungen, die in den letzten 15 Jahren in der II. chirurgischen Abteilung (Dr. 
Sick) des Hamburg-Eppendorfer Krankenhauses zur Beobachtung und Operation 
kamen. Unter den % Fällen befanden sich 21 veraltete Empyeme, von denen 
11 metapneumonisch, 4 tuberkulös, 4 idiopathisch und 1 posttraumatisch waren 
und 19 Männer, 2 Weiber betrafen. 

Die an diesem Material gemachten Erfahrungen gehen dahin, daß in den 
weitaus meisten Fällen alte Empyeme und Empyemfisteln nur durch die Schede’sche 
Thoraxresektion zur Ausheilung gebracht werden können. Die Resektion muß in 
möglichst großem Umfange gemacht werden, um den Erfolg zu sichern, da mehrere 
kleine Eingriffe nur die Heilungsdauer verlängern. Doch macht es die Größe des 
erforderlichen Eingriffes und der Zustand der Pat. meist nötig, die Radikalopera- 
tion mehrzeitig auszuführen; 8mal wurde in 2, 5mal in 3 und je 2mal in 4 und 
5 Sitzungen operiert. Als Kontraindikation ist nur sehr schlechter Allgemeinzustand 
oder fortgeschrittene Amyloiddegeneration anzusehen. Veraltete, ausgedehnte tuber- 
kulöse Empyeme sollten ebenfalls operiert werden, wenn der Zustand der anderen 
Lunge und des Allgemeinbefindens es zuläßt. Bei Kindern soll die Thoraxresektion 
möglichst bald vorgenommen werden, da vollständige Regeneration der knöchernen 
Teile zu erwarten ist. 

Die Kombination der Schede’schen Thoraxresektion mit der Delorme’'schen 
Dekortikation ist in jedem Falle, wo die Pleura pulmonalis schwartig verdickt ist, 
zu versuchen und in günstigen Fällen auszuführen. Neun diesbezügliche Erfahrungen 
ließen es zweckmäßig erscheinen, zuerst an einem kleinen Fenster in der Schwarte 
die Probe auf die Ausdehnungsfähigkeit der Lunge zu machen, bevor man den 
Pat. dem zwar sehr rationellen, aber auch sehr eingreifenden Verfahren unterwirft. 
Unter Umständen genügt schon eine Umschneidung der Schwarte an der Grenze 
der Höhle. Vor Inangriffnahme der Operation ist eine möglichst genaue Orientierung 
über die intrathorakischen Verhältnisse unter Zuhilfenahme aller zur Verfügung 
stehenden Untersuchungsmethoden unbedingt erforderlich. 

Der Sche de’sche U-Schnitt hat sich vor allen anderen Modifikationen bewährt. 
Großer Wert ist auf die Narkose zu legen, zu der man nicht reinen Ather ver- 
wenden soll und für die ‚sich neuerdings der Roth-Dräger’sche Apparat als sehr 
brauchbar erwiesen hat. 

Die unmittelbaren Heilungsresultate stellen sich folgendermaßen dar: 

Vollständig geheilt 13 
Mit Fistel entlassen 4 
Gestorben 4. 

Die mit Fistel Entlassenen wurden laut Mitteilung später noch geheilt, so daß 
17 Heilungen 4 Todesfällen gegenüber stehen (81:19). Speziell auf die 7 tuber- 
kulösen Empyeme kommen 29% Todesfälle und 71% Heilungen. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 1031 


Verf. führt sodann die Statistik von Vosswinkel weiter und bespricht 
135 Fälle von operierten veralteten Empyemen. Endausgang war: 56,5 % geheilt. 
18,8% gebessert, 1,5% ungeheilt, 23,2% gestorben. Die tuberkulösen Empyeme 
für sich ergaben eine Mortalität von 43% und Heilung in 57%. Weitaus die 
meisten Fälle (90) wurden nach dem Schede’schen Verfahren operiert, das sich 
somit als das am meisten verbreitete und zugleich erfolgreichste erwies. 

Zum Schluß beschreibt Verf. eine Reihe von interessanten Querschnitten des 
Thorax bei serösem und eitrigem Erguß und nach ausgedehnten Rippenresektionen, 
welche vor allem die Schrumpfungs- und Verdrängungserscheinungen zur An- 
schauung bringen. Reich (Tübingen). 


24) A. Hoffmann. Beitrag zur Brustwandresektion mit Plastik auf 
die freigelegte Lunge. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 182.) 


Küttner hat in zwei Fällen wegen Rippenchondrom und einer nach Mamma- 
exstirpation aufgetretenen krebsverdächtigen Infiltration eine ausgedehnte Resektion 
der Brustwand in der Sauerbruch’schen Kammer vorgenommen und die Defekte 
durch Hautweichteillappen aus der nächsten Umgebung gedeckt, die auf die freie 
Lungenoberfläche gelegt wurden. Außer der möglichst dicht gelegten Hautnaht 
wurden im ersten Falle die Muskelstümpfe zum Teil durch Naht vereinigt, im zweiten 
Falle die Pleura parietalis an die extrakostale Muskulatur befestigt. Beide Pat. 
kamen, nachdem im ersten Falle eine leichte entzündliche Reaktion der Pleura 
mit nachfolgender spontaner Lösung der Verwachsungen zwischen Lungen und 
Lappen, im zweiten Fall eine exsudative Pleuritis abgelaufen war, zur Heilung. 

Beich (Tübingen). 


25) v. Saar. Ein sehr junger maligner Mammatumor. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 231.) 


Bei einer 48jährigen Frau, jenseits des Klimakteriums, die nie geboren hatte, 
` fanden sich in der Mamma Involutionsveränderungen, Cystenbildung und eine 
Geschwulst, die wegen ihres Eindringens in fremdes Gewebe (Fettgewebe und 
Eindoneurium), sowie wegen ihrer morphologischen Eigenschaften als Karzinom 
bezeichnet werden mußte, und deren Begrenzung nach dem normalen Parenchym 
eine unscharfe war. Eigentümlich im histologischen Bilde war eine mächtige 
Wucherung des elastischen Gewebes im Bereich des Karzinoms, die stellenweise 
bis zum Untergang der epithelislen Gebilde führte und mehrfach Regenerations- 
erscheinungen aufwies. Durch diesen Antagonismus zwischen epithelialer Neu- 
bildung und Hypertrophie der elastischen Elemente kann demnach in beschränktem 
Maße eine spontane Heilung bösartiger Prozesse an einzelnen Stellen angestrebt 
werden. Der Arbeit sind Mikrophotogramme nach Lumière beigegeben. 
Reich (Tübingen). 


26) Crone. Fall von Bauchverletzung mit Darmvorfall. 
(Deutsche militärärztl. Zeitschrift 1908. Hft. 10.) 


Ein Kanonier erhielt mit einem großen Taschenmesser einen Stich in den 
Leib, die vorgefallenen Därme wurden, da sich der Vorgang auf der Landstraße 
abgespielt hatte und nur Verbandpäckchen zur Verfügung standen, mit einigen 
Sublimatmullkompressen und darüber Watte bedeckt, und der Mann mittels Fahr- 
bahre ins Lazarett gebracht. Der Transport dauerte etwa nur 1/4 Stunde. Im 
Lazarett wurde am Dünndarm eine 1,5 cm lange, am Dickdarm zwei 1,5 bzw. 
2,5 cm lange Wunden vernäht. Der vorgefallene Darm, und zwar etwa 1—1,5 m 
Dünndarm und 40 cm Dickdarm, wurde dann reponiert und die Bauchhöhle schicht- 
weise geschlossen bis auf eine für einen Gazestreifen bestimmte Öffnung im unteren 
Wundwinkel. Ohne daß peritonitische Reizerscheinungen eintraten, heilte die Wunde 
innerhalb 2 Monaten aus. Der Mann wurde später wegen geringfügiger Unterleibs- 
beschwerden dienstunfähig. Herhold (Brandenburg). 


1032 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 84. 


27) G. Lerda. Sulle rotture sottecutanee dell’ intestino. 
(Arch. internat. de chirurgie Vol. IV. Fasc. 1.) 


Unter den vier klinischen Beobachtungen des Verf.s ist wegen des verhältnis- 
mäßig unbedeutenden Traumas die Krankengeschichte des dritten Falles erwähnens- 
wert. 54jähriger Mann, der einen kleinen, rechtsseitigen, durch ein Bruchband 
nicht geschützten Leistenbruch hat, fällt, während er beide Hände in den Taschen 
trägt, auf den Bauch. Trotz sofortiger heftiger Schmerzen im Leib arbeitet er 
noch 1 Stunde weiter. 12 Stunden später Laparotomie. Etwa 1 m oberhalb der 
Bauhin’schen Klappe findet sich eine Platzruptur des Dünndarmes. Das Loch 
nimmt 2/3 des Umfanges der Darmschlinge ein und korrespondiert nach seiner 
Lage mit dem Eingange zum Bruchsacke. Verschluß durch doppelte Lembertnaht. 
Tod an Peritonitis nach 8 Stunden. 

Auf Grund seiner klinischen Beobachtungen und auf Grund von Experimenten, 
die teils an Tieren, teils an Leichen ausgeführt wurden, kommt L. zu dem Schluß, 
daß eine umschriebene Gewalteinwirkung, die den Bauch trifft, sowohl eine Hernie 
wie eine Platzruptur des Dünndarmes erzeugen kann. Eine durch ein Trauma 
getroffene Darmschlinge platzt dann, wenn die Vermehrung des intraintestinalen 
Druckes durch den Gegendruck der Nachbarorgane ausgeglichen wird. Das ist 
der Fall, wenn Lücken in der Bauchwand — z. B. Bruchpforten — vorhanden 
sind. Charakteristisch für diese Entstehungsart ist das Fehlen von Ekchymosen und 
Zerreißungen des Peritoneum parietale. Außerdem spielen bei der Entstehung 
einer Platzruptur des Darmes die verschiedene Füllung und wechselnde Beweglich- 
keit der einzelnen Darmabschnitte, sowie der Spannungsgrad der Bauchwand eine 
Rolle. 

Die klinischen Zeichen der Darmverletzung sind manchmal unsicher. Die 
Reizung des Bauchfells ist um so stärker, je weiter abwärts die Zerreißung loka- 
lisiert ist. Pulsveränderung, Schmerzhaftigkeit und Härte des Leibes können 
anfangs fehlen. Die Prognose ist um so günstiger, je früher eingegriffen wird. 

Bevenstorf (Hamburg). 


28) Dubujaboux. Perforation intestinale au 9 jour d’une typhoide. 
Dilatation aigue postop@ratoire de l’estomac et de l’intestin. 
(Arch. de méd. et de pharm. militaires 1908. April.) 

Ein wegen Typhus ins Lazarett aufgenommener Soldat bekam am 9. Krank- 
heitstag einen heftigen Schmerz in der rechten Bauchhälfte, die Temperatur stieg, 
und Erbrechen trat ein. Bei der Laparotomie wurde 35 cm oberhalb der Bauhin- 
schen Klappe eine Perforation im aufsteigenden Kolon angetroffen, die vernäht 
wurde. Auswaschen der Bauchhöhle mit heißer Kochsalzlösung und Drainage der- 
selben. Nach der Operation wurde andauerndes Erbrechen und Stuhlverhaltung 
beobachtet; 15 Tage hindurch wurden Magenausspülungen gemacht und Klistiere 
verabfolgt; während der ganzen Zeit wurde der Körper nur durch künstliches 
Serum (subkutan) ernährt. Der Kranke kam mit dem Leben davon. 

Verf. weist darauf hin, daß bei eingetretener Perforation so schnell als mög- 
lich operiert werden muß; aber auch die Fälle, welche erst relativ spät in Be- 
handlung kommen (24 Stunden), sollen noch operiert werden. Verf. verfügt über 
sechs Fälle einschließlich des eben geschilderten, welche in französischen Laza- 
retten operiert wurden; zwei wurden geheilt, vier starben. 

Herhold (Brandenburg). 


29) A. Smith. Primary pneumococcic peritonitis. 
(Brit. med. journ. 1908. Mai 30.) 

Bericht über zwei Fälle, Mädchen von 8 und 4 Jahren, die unter undeutlichen 
Zeichen einer Pneumonie erkrankten, gleichzeitig mit schweren peritonealen Er- 
scheinungen. Nach einer wenig ausgeprägten Krise gingen die abdominalen Sym- 
ptome weiter. Beide Pat. wurden nach Entleerung großer Mengen Eiters geheilt. 
Der Eiter enthielt Pneumokokken in Reinkultur. Die Fälle, gelten S. als eine 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 1033 


Bestätigung für die Lehre von der Infektion des Bauchfelles auf dem Blut- bzw. 
Lymphwege. Weber (Dresden). 


30) H. L. Barnard. An address on surgical aspects of subphrenic 
abscess. 
(Brit. med. journ. 1908. Februar 22.) 


B. berichtet aus dem’ London Hospital über Studien und Erfahrungen an 
76 Fällen von subphrenischem Abszeß, im Laufe von 8 Jahren beobachtet, in einer 
sehr lesenswerten, ausführlichen Arbeit. Aus dem Inhalt, der sich zu einem Ge- 
samtreferat nicht eignet, sei folgendes hervorgehoben. Die Anatomie, Pathologie 
und Symptomatologie wird eingehend besprochen mit manchen neuen Gesichts- 
punkten. Unter den Ursachen zur Abszeßbildung in den 76 Fällen steht obenan 
das Ulcus ventriculi und duodeni 26 mal, die Appendicitis 12 mal, vereiterte Echino- 
kokkencysten 8mal und tropische Leberabszesse 6mal; alle übrigen Ursachen treten 
mit ein bis drei Vertretern ganz zurück. 

Die Probepunktion ist nur erlaubt, wenn alles zur nachfolgenden Operation 
bereit ist. In diesem Fall ist sie aber auch das einzig sichere Mittel, den Eiter 
aufzusuchen und verdient — auf dem Operationstisch! — ausgedehnte Anwendung. 
Die Operationsmethoden teilt B. ein in »vordere« und >»hintere«, in thorakale und 
abdominale, die thorakalen wieder in vordere, hintere, in transpleurale, subpleurale; 
die abdominalen in mediane, hypochondrale, lumbale.. Wenn irgend möglich, soll 
man den »hinteren« Methoden den Vorzug geben wegen der besseren Abflußbe- 
dingungen. Sie gaben in 26 Fällen 27 x; die 43 »vorderen« 39,5% Sterblichkeit. 

Im ganzen stellte sich die Sterblichkeit bei 76 Fällen auf 474%. Alle 
12 Nichtoperierten starben! Von 64 Pat. mit 73 Operationen starben 24 = 37,5 x. 
B.'s Untersuchung an den 36 Todesfällen ergab Unvermeidbarkeit des tödlichen 
Ausganges 12mal, Vermeidbarkeit 24mal. In der Hälfte der vermeidbaren Todes- 
fälle war die Krankheit überhaupt nicht erkannt worden, in der anderen Hälfte 
fehlte es an genügender Einzelkenntnis über Ort und Art des Abzesses während 
der Planung und Ausführung der Operation. Weber (Dresden). 


31) Mollard-Chattot. Évacuation spontanée de lascite par l’ombilic. 
(Lyon méd. 1908. Nr. 22.) 


Mitteilung von zwei Fällen von Lebercirrhose, in denen der reichliche Ascites 
zu einer Perforation des Nabels führte, obwohl die seröse Flüssigkeit mehrfach 
durch Punktion entleert worden war. In dem einen Fall wurde die Fistelbildung 
durch Gangrän des Nabels vorbereitet, in dem anderen wurde die stark verdünnte 
Haut beim Aufstehen plötzlich durchbrochen, ohne daß entzündliche Erscheinungen 
eine Rolle gespielt hätten. In beiden Fällen trat nach 6 bzw. 7 Tagen der Tod 
durch Erschöpfung ein. Besprechung der französischen Litteratur. 

Boerner (Rastatt). 


32) Martini e Pietro. Sopra un interessantissimo caso di ascite filante 
prodotta da tumore peritoneale. 
(Giorn. della R. Accad. di med. di Torino 1908. Nr. 3—5.) 


Ein 36jähriger Mann war wegen Ascites und wiederholter Pleursexsudationen 
4 Jahre lang in Beobachtung und Behandlung. Wiederholte Punktionen hatten 
fadenziehende Flüssigkeit ergeben und waren von zeitweiser Besserung gefolgt, so 
daß eine tuberkulöse Polyserositis angenommen wurde. Die Laparotomie ergab 
eine miliare Karzinomatose des parietalen und viszeralen Bauchfells, die durch 
eingehende mikroskopische Untersuchung exstirpierter Knoten sichergestellt wurde. 

Nach der Laparotomie und Entleerung des Exsudates verschwanden alle Sym- 
ptome, so daß Verff. eine bereits 1 Jahr andauernde Heilung der so gutartig ver- 
laufenen Karzinomatose annehmen. Strauss (Nürnberg). 


1034 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 


33) Wakefleld. Oxyuris vermicularis found in the vermiform appendix. 
(Journ. amer. med. assoc. Bd. L. p. 23.) 

Der Fall wird wegen der Seltenheit des Befundes mitgeteilt. Es lagen am 
Ende des sonst wenig veränderten Wurmfortsatzes 5 bis 6 Oxyuren zusammen und 
hatten etwa 1, der Dicke der Wandung durchbohrt. W. hält die Perforation der 
Appendix durch sie für wahrscheinlich. Ref. konnte kürzlich bei einem von anderer 
Seite operativ entfernten Wurmfortsatz gleichen Befund beobachten. Auch bier 
zeigte die Appendix nur sehr wenig Veränderung. Die Würmer, sechs an der Zahl, 
lagen in der Mitte und hatten sich anscheinend in die Schleimhaut eingebohrt. 

Trapp (Bückeburg). 


34) E. Hoke. Ein Fall von Perityphlitis typhosa. (Aus der medizi- 
nischen Universitätsklinik in Prag. Prof. R. v. Jaksch.) 
"Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 26.) 

Die betreffende Pat., eine Krankenpflegerin, bot im Verlaufe eines wohl durch 
Kontaktinfektion erworbenen Darmtyphus typische Erscheinungen einer Appen- 
dicitis, die mit dem Typhus verschwanden, um später wieder zu rezidivieren und 
dadurch die Appendektomie zu veranlassen. Die Kranke hatte 3 Wochen vorher 
kurze Zeit auch an einer Angina gelitten, so daß diese gleichfalls als ätiologisches 
Moment in Betracht kam. Kramer Glogau). 


35) Gebele. Zur Prognose und Behandlung der Peri- und Para- 
appendicitis. 
(Deutsche med. Wochenschrift 1908. Nr. 21.) 

Jede peri- und paraappendicitische Geschwulst, die sich nicht innerhalb des 
Intermediärstadiums ganz oder fast ganz zurückbildet, ist gewöhnlich eitriger und 
deshalb zweifelhatter Natur. Sie wird am besten am Ende des Intermediär- bzw. 
am Anfang des Spätstadiums operiert. Es wurden in der Münchener Klinik 
87 Geschwülste im Spätstadium operiert mit 4,6% Mortalität. In der Regel wird 
radikal vorgegangen und der Wurmfortsatz entfernt, wenn er ohne besondere 
Schwierigkeiten zu erreichen ist. Sonst wird er sekundär exstirpiert.) 

Borchard (Posen). 


36) Gebele. Zur Kasuistik der Entzündung des Meckel’schen Diver- 
tikels. (Aus der chirurgischen Klinik München. Prof. v. Angerer.) 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 23.) 

Fall von diffuser eitriger Peritonitis infolge Perforation des entzündeten 
Meckel’schen Divertikels bei gleichzeitig vorhandener chronischer Appendicitis 
und im Anschluß daran Auftreten von Volvulus des Dünndarmes um eine fixierte 
Ileumschlinge. Bei der Operation wurde das Divertikel exstirpiert, ebenso der 
Wurmfortsatz entfernt. Der makro- und mikroskopische Befund an ersterem ist 
genau beschrieben. Heilung. Kramer (Glogau). 


37) N. W. Kopylow. Uber inkarzerierte Hernien. 
(Russ. Archiv für Chirurgie 1907. [Russisch.') 

Von 75 Fällen verlor K. 42%. Diese Zahl ist ihm ein Ausdruck für die 
traurigen, rückständigen Verkehrsverhältnisse Rußlands; mußten doch manche Pat. 
auf elenden Wegen bis zu 100 Werst weit gefahren werden, um den Arzt zu er- 
reichen. Bei sechs Kranken bestand die Einklemmung über 10 Tage! Ein Pat. 
mit einem 1 Monat eingeklemmten Netzbruch kam durch; bei den übrigen bildete 
gangränöser Darm den Bruchinhalt (12 Tage — geheilt; 16, 13, 11, 13 Tage — tot;. 

In 50 Fällen war der Bruchinhalt reponibel. Von ihnen endeten 11—22% 
tödlich, während von den 25 Kranken mit gangränösem Inkarzeratum 20—80% 
starben. 

In einem Falle lagerte K. die verdächtige Schlinge nach außen, reponierte sie, 
als ihr Aussehen nach 24 Stunden normal war, in die Bauchhöhle und tamponierte. 
Pat. ging an Peritonitis zugrunde. V. E. Mertens (Kiel). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 1035 


38) R. Levy. Uber kongenitale Bauchmuskeldefekte und Hernia 
ventralis incarcerata. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 201.) 

Verf. beschreibt aus der Küttner'schen Klinik einen rechts sehr hochgradig, 
links weniger ausgebildeten Bauchbruch bei einem 70 Jahre alten Manne, bei dem 
außerdem ein doppelseitiger Leistenbruch und Hochstand beider Hoden zu kon- 
statieren waren. Der Bauchbruch war vom Pat. im 18. Jahre erstmals beobachtet 
worden und hatte sich mit dem Alter erheblich vergrößert, aber den Träger bis 
zuletzt in seinem Beruf als Maurer nicht wesentlich belästigt. Einklemmungs- 
erscheinungen, die früher schon öfter vorgekommen waren, zwangen den Pat. die 
Klinik aufzusuchen, wo die Reposition leicht gelang. 

Die Brüche saßen im Bereich des Musc. obliquus enternus und beruhten auf 
einem Defekt der Recti unterhalb des Nabels, der oberen Hälften der Obliqui ex- 
terni und vielleicht von Teilen des Obliquus internus und transversus. Auf der 
Seite der geringeren Vorwölbung fühlte man deutlich einen Bruchspalt, in dem 
Darmschlingen eingeklemmt waren. 

Bezüglich der Atiologie glaubt Verf. eine stationär gewordene progressive 
Muskelatrophie und spinale wie periphere Lähmungen ausschließen zu können, 
so daß zur Erklärung nur die Annahme angeborener Bauchmuskeldefekte übrig 
bleibt, deren intra-uterine Genese allerdings noch völlig dunkel ist. 

Beich (Tübingen). 


39) Lindenstein. Zur Lehre von der Hernia epigastrica. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 293.) 

Im Nürnberger Krankenhause kamen in den letzten 5 Jahren 13 Hernien der 
Lines alba zur Beobachtung, während im gleichen Zeitraum insgesamt 13634 Pat. 
aufgenommen und 850 Hernien überzeugt operiert wurden. Frauen und Kinder 
sind selten betroffen, dagegen meist Männer im kräftigen Alter, die der arbeitenden 
Klasse angehören. 

Aus der Anatomie der Linea alba erklärt es sich unschwer, daß die Brüche meist 
oberhalb des Nabels, am häufigsten dicht über dem Nabel und genau in der Mittel- 
linie sitzen und die Lücke eine rhombische Gestalt hat. Die eigentlichen Hernien 
enthalten meist Netz und sind klinisch von den properitonealen Lipomen, auf 
deren Grundlage sie auch häufig entstehen, nicht zu unterscheiden. Die epigastri- 
schen Hernien entstehen weder durch Trauma noch infolge rascher Abmagerung, 
sondern auf Grundlage einer angeborenen Schwäche der Bauchwand und der Fascie, 
weshalb sie auch häufig mit anderen Hernien (unter 13 Fällen ö5mal) kombiniert sind. 

Sie können jahrelang bestehen, ohne Beschwerden zu machen. Treten sie in 
Erscheinung, so tun sie es entweder plötzlich unter Einklemmungserscheinungen, 
oder, was viel häufiger ist, unter allmählicher Steigerung der Symptome. Letztere 
gleichen denen bei allen möglichen Magen-Darmerkrankungen und werden recht 
häufig mißdeutet. Charakteristisch ist, daß die Intensität der Schmerzanfälle mit 
dem Lagewechsel sich ändert. 

Die operative Therapie ist eine.überaus dankbare und in allen Fällen angezeigt, 
wo Beschwerden bestehen. Während man früher sich meist mit einer einfachen 
Schichtnaht der Bauchdecken wie bei medianen Laparotomien begnügte, wendet 
Verf. neuerdings die Graser’sche Methode mit Hautfascienquerschnitt und Muskel- 
plastik aus dem Rectus an. 

In zehn von zwölf nachuntersuchten Fällen waren die Operierten rezidiv- und 
beschwerdenfrei geblieben, zwei Pat. hatten Rezidive der Hernie, aber ohne Be- 
schwerden. Reich (Tübingen). 


40) Cranwell (Buenos-Ayres). Diagnostic et traitement de la hernie 
diaphragmatique (forme chronique). 
(Revue de chir. XXVII. année. Nr. 1.) 
C. beobachtete einen falschen traumatischen Zwerchfellbruch bei einem 24jährigen 
Italiener, der einen Dolchstich in den achten linken Interkostalraum in der vorderen 


1036 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 


Achsellinie erhalten hatte. Die Verbreiterung der linken Brustkorbseite an der 
Basis, ihre geringere Beteiligung an der Atmung, Darmgeräusche daselbst und 
tympanitischer Schall, der sich bei tiefer. Inspiration weiter nach oben ausbreitete, 
zugleich heftiger Schmerz, der das Gesicht zum Risus sardonicus verzerrte, und 
die Empfindung des Kranken, als ob die Baucheingeweide in die Höhe gezogen 
würden, endlich die Verlagerung des Herzens nach rechts stellten die Diagnose 
sicher. Auf dem Röntgenschirm sah man zudem einen dunklen Schatten von 3 cm 
Breite und 10 cm Länge im unteren vorderen Teil der linken Brusthöhle. 

Bei der Operation, die transpleural unter Bildung eines breiten, oben gestielten 
Brustwandlappens mit Resektion von je 12cm der achten und neunten Rippe aus- 
geführt wurde, fand sich das Querkolon mit dem großen Netz in der Brusthöhle. 
Letzteres war an den Rändern des Zwerchfellspaltes und unter dem Herzbeutel 
angewachsen, so daß die Reposition erst nach seiner Resektion gelang. Die sorg- 
fältige Naht der Zwerchfellücke und der vollständige Verschluß der Brustfell- und 
Hautwunde führten zu reaktionsloser Dauerheilung. 

Den Weg durch die Pleura hält Verf. in allen Fällen (frischen, chronischen 
und eingeklemmten) für den weitaus besten, weil er die genaueste Untersuchung 
und Versorgung der in die Brusthöhle vorgefallenen Eingeweide und die bequemste 
Zugänglichkeit zum Zwerchfell gewährt. Zudem läßt sich bei den nötigen Ein- 
griffen am Zwerchfell der operative Pneumothorax auch auf dem Bauchwege nicht 
vermeiden und ist wenigstens bei chronischen Hernien wegen eingetretener Ver- 
wachsungen, die den weiteren Kollaps der bereits komprimierten Lunge verhindern, 
nicht zu fürchten. Gutzeit (Neidenburg). 


41) B. Dawson. An address on the diagnosis and operative treatment 
of diseases of the stomach. 
(Brit. med. journ. 1908. Mai 9.) 


D. entwickelt als Interner seine Ansichten über Magenoperationen. Das Leben 
nur verlängert zu haben, ist an sich noch kein Maßstab für die Berechtigung einer 
Operation, z. B. einer Gastrostomie bei bösartiger Stenose. Das verlängerte Leben 
muß auch unter bessere Bedingungen gebracht worden sein, wenn der Eingriff 
berechtigt sein soll. So ist die Gastrostomie bei bösartiger Stenose nur berechtigt 
bei unstillbarem Durst infolge der Verengerung; solche Fälle von Unfähigkeit auch 
nur Wasser zu schlucken sind aber selten. Unter 34 Fällen gab der Durst nur einmal 
Anzeige zur Operation. 

Die Gastroenterostomie ist beim Karzinom nur berechtigt bei Pylorusstenose, 
und auch hier nur dann, wenn die Magenwandung noch genügend motorische 
Kraft hat. In allen anderen Fällen von Magenkrebs, auch nach gemachter Probe- 
laparotomie, ist die Gastroenterostomie unberechtigt. 

Die beim Geschwür, das unter genügend lange fortgesetzter innerer Behandlung 
nicht beschwerdefrei wird, so segensreiche Gastroenterostomie wirkt dadurch, daß 
die Fistel ein Notauslaß ist bei Krampfzuständen des Pylorus, bei Überfüllung des 
Magens, und daß durch den Rückfluß von Galle und Pankreassaft die Azidität 
herabgesetzt wird. Die Fistel wirkt — soviel steht heute fest — nicht einfach 
drainierend, sondern nur als Austreibungsort für die motorischen Kräfte des 
Magens, wenn der Pylorus dauernd oder zeitweise verlegt ist. Darum läßt sie 
im Stich bei der einfachen Atonie und Erweiterung des Magens. 

Die Nachuntersuchung von 60 Fällen von Gastroenterostomie bei Geschwür 
hatte befriedigende Ergebnisse, zuweilen völlige Beschwerdefreiheit, meist sehr 
wesentliche Besserung, selten gar keine Beeinflussung. 

D. ist ein unbedingter Gegner jeder Operation bei akuten Blutungen, ebenso 
bei der Erweiterung ohne Stenose. Denn bei letzterer bedarf die Fistelbildung 
genau so gut wie der Weg durch den Pylorus der in solchen Fällen eben fehlenden 
motorischen Kraft. Auch die Alkalisierung des Mageninhalts von der Fistel aus 
kann nichts nützen, da eine Hyperazidität nur sehr selten besteht. 

Weber (Dresden). 








Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 1037 


42) Jonnesco et Grossman. Contribution à l’etude de la linite 
plastique. 
(Revue de chir. XXVIII. année. Nr. 1.) 

In dem von den Verff. beobachteten Falle des in seiner Ätiologie noch strittigen 
Leidens handelte es sich um totale Sklerose des Magens bei einem 42jährigen 
Manne. Die Magenwand war bis zu 1,8 cm dick und knirschte beim Schneiden. 
Das ganze Organ war nur 15 cm lang, 41/, cm breit und 3—5 cm dick und faßte 
knapp 40 ccm; der Pylorus war gänzlich unwegsam. Die Gastrostomie blieb deshalb 
ohne Nutzen, erst die Jejunostomie machte eine regelmäßige Ernährung möglich, 
doch war der Kranke so schwach, daß er den Verschluß des künstlichen Magen- 
mundes, der wegen Andauung der umgebenden Haut erforderlich wurde, nur noch 
2 Tage überlebte. Die Verff. bemerken selbst, daß nur die Totalexstirpation des 
Magens mit Kardiojejuno- oder -duodenostomie zweckmäßig gewesen wäre. 

Die Hauptveränderungen fanden sich in der Submucosa und bestanden in einer 
chronischen diffusen Entzündung des Bindegewebes mit Vermehrung der elastischen 
Fasern, welche die glatten Muskelzellen vielfach erdrückten. Sekundär war noch 
eine Streptokokkeninfektion hinzugetreten, die auch die benachbarten Lymphknoten 
ergriffen hatte. Das Bauchfell war unbeteiligt, von einer Geschwulstbildung nichts 
zu finden. € Gutzeit (Neidenburg). 


43) B. G. A. Moynihan. An address on gastro-enterostomie and 
after. 
(Brit. med. journ. 1908. Mai 9.) 5 

Der sehr erfahrene Chirurg aus Leeds gibt hier eine wertvolle Übersicht über 
die Dauererfolge in 255 Fällen von Gastroenterostomie. Die erste Gruppe — Ge- 
schwürsperforation — enthält unter 9 Fällen 2 Todesfälle, die zweite — akute 
Blutung — unter 26 Fällen 3 Todesfälle, die dritte — chronisches Geschwür — 
unter 205 Fällen 2 Todesfälle, die vierte — Sanduhrmagen — unter 15 Fällen 
3 Todesfälle, im ganzen also 3,5% Sterblichkeit. Die Nachuntersuchung über den 
augenblicklichen Zustand bei 231 Operierten ergibt Heilung in 198 Fällen, Besse- 
rung in 8, keine Besserung in 12, zweifelhafte Beurteilung in 9 und keinen neue- 
sten Bericht in 4 Fällen. 

M. faßt die Schlüsse aus seiner umfangreichen Arbeit selbst in folgende Worte: 
Die Gastroenterostomie wirkt am besten bei einem mechanischen Hindernis für 
den Durchgang von Mageninhalt. Ist der Pylorus frei, so bleibt die neue Fistel 
als Austrittsstelle unbenutzt, wahrscheinlich weil sie bei der motorischen Tätigkeit 
des Magens so gestreckt wird, daß ihre Lichtung praktisch verschwindet. Ein Ge- 
schwür an der kleinen Kurvatur in der Nähe der Cardia soll, wenn irgend möglich, 
exzidiert werden; eine Fistel ist hier zwecklos oder schädlich. Unter keinen Um- 
ständen soll man eine Gastroenterostomie ausführen, wenn kein deutlich nachweis- 
bares organisches Leiden vorliegt. Der Circulus vitiosus ist eine Folge leichter 
mechanischer Abflußhindernisse, erzeugt durch fehlerhafte Technik. Er kann fast 
mit Sicherheit vermieden werden, wenn man die zuführende Schlinge ganz kurz 
nimmt (>»no loop method«), jede Drehung um ihre Längsachse meidet und sie senk- 
recht an die hintere Magenwand anheftet. Weber (Dresden). 


44) A. Peiser. Über den sog. Wringverschluß des Darmes. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 211.) 


ln der Küttner’schen Klinik wurde eine 43 Jahre alte Frau beobachtet, die 
nach 12tägiger Krankheit unter der Diagnose eines tiefsitzenden Obturations- 
verschlusses des Darmes unbekannter Atiologie zur Operation kam. 

Bei der Laparotomie fand sich ca. 80 om oberhalb der Ileocoecalklappe in der 
rechten Unterbauchgegend eine Drehung eines kurzen Dünndarmstückes um cs. 
90° um seine eigene Längsachse. Der Darm war durch sein aufgerolltes Mesenterium 
verdeckt und in seiner Lage durch eine frische Fibrinschicht festgelegt. Am Über- 


1038 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 


gang des zuführenden, stark gebläbten Darmschenkels in die gedrehte Partie war 
der Darm geknickt. Es bedurfte nur eines geringen Zuges, um den Darm frei 
zu machen. Rasche Heilung. 

Während nun Wilms für den Wringverschluß die Knickung als primär, die 
spiralige Drehung des Darmes um seine Längsachse als sekundär auffaßt, glaubt 
Verf., daß in seinem Falle die Darmdrehung primär war und die Knickung des 
zuführenden Schenkels sekundär infolge der starken Blähung erfolgte, mithin die 
beiden Hauptmomente dieser Art von Darmverschluß in verschiedener Reihenfolge 
eintreten können. 

Der Wringverschluß des Darmes ist bisher nur in drei, zudem mehrfach an- 
gezweifelten Fällen bei Kindern beschrieben. Diese Seltenheit erklärt sich zum 
Teil daraus, daß der Verschluß sich sehr leicht lösen läßt und daher öfter über- 
sehen werden mag, wenn die Aufsuchung des Hindernisses bei Dleusoperationen 
nicht unter ausgiebiger Darmeventration und Kontrolle des Auges erfolgt. Darin 
liegt vielleicht eine Erklärung für manchen auch operativ nicht aufgeklärten 
Tleusfall. Reich (Tübingen). 


45) P. Sick. Über Brucheinklemmung mit Volvulus und primäre 
Enterostomie. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 336.) 


Verf. teilt zwei Fälle von Brucheinklemmung mit Volvulus mit, um zu zeigen, 
wie leicht man mehrfachen Darmverschluß übersehen kann. Im ersten Falle handelte 
es sich um einen eingeklemmten gangränösen Leistenbruch, der mit Resektion be- 
handelt wurde, aber an einer vermutlich vom brandigen Bruchsack ausgehenden 
Peritonitis starb. Die oralwärts zunehmende Lähmung und Cyanose des in den 
Bruch führenden Darmschenkels führte zur Entdeckung einer höher gelegenen 
Störung, die vermutungsweise in einem während der Operation unbemerkt gelösten 
Volvulus bestand. 

Der zweite Fall betraf eine Frau, die schon öfter leichte Volvulusanfälle ge- 
habt hatte. Bei der Laparotomie fand sich ein Volvulus des größten Teiles des 
Dünndarmes und eine leicht lösbare Einklemmung des unteren Ileums in einem 
obturatorischen Bruch mit Gangrän des Schnürringes. Es wurde dabei der bisher 
einzigartige Befund erhoben, daß beide Darmschlingen, die aus dem Bruchring 
herausführten, gleichmäßig kollabiert waren, und darin ein Anhaltspunkt erblickt, 
daß noch ein höher gelegener Darmverschluß vorlag. Nach S. konnte der Volvulus 
nur nach der Brucheinklemmung entstanden sein, und zwar bei der reflektorisch 
vermehrten Peristaltik des Darmes, durch die er sich aus dem Schnürring be- 
freien wollte. 

Derartige Fixationen des ausgespannten Mesenteriums scheinen in der Ätiologie 
des Volvulus eine große Rolle zu spielen, gehen aber beim gewöhnlichen Volvulus- 
mechanismus verloren, bei dem sie sich lösen, so daß schließlich der ganze Dünn- 
darm bis zum Blinddarm in die Verschlingung einbezogen erscheint. 

Den glücklichen Ausgang des zweiten Falles schreibt Verf. vor allem der 
primären Anlegung einer Darmfistel zu, durch welche einerseits der Darminhalt 
reichlich abgeleitet, andererseits Kochsalzlösung in großer Menge in den Darm 
gegossen wurde. Die Fistel schloß sich nach Entfernung des Rohres spontan. 


Überhaupt hat sich dem Verf. sowohl beim mechanischen als beim dynamischen 
Ileus die primäre Enterostomie sehr bewährt, während die sekundäre Anlegung der 
Darmfistel sowohl technisch schwieriger als im Erfolg zweifelhafter ist. Man soll 
das Drainrohr in eine möglichst tiefe Dünndarmschlinge noch im Bereich der 
Darmlähmung mit doppelter Tabaksbeutelnaht einnähen und die Fistel in einem 
Wundwinkel am parietalen Bauchfell fixieren. Sofort kann man mit Kochsalz- 
eingießungen beginnen. Inanition und Enteritis hat S. nicht beobachtet und widerrät 
die Anlegung mehrfacher Fisteln. Reich (Tübingen). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 1039 


46) Gies. Ligation of portal vein for hemorrhage during operation 
on hydatid cyst of the liver. 
(Journ. of the amer. med. assoc. Bd. L. Nr. 26.) 

Bei der Operation präsentierte sich hinter dem Netz eine große Geschwulst, 
deren anscheinend derbfibröse Wand angestochen wurde. Es blutete sofort sehr 
heftig. Die genauere Untersuchung ergab, daß die vermeintliche Cystenwandstelle 
eine über 1 cm starke Vene, wie sich später herausstellte, die Pfortader, war. Da 
die Naht nicht hielt, doppelseitige Unterbindung. Der Echinokokkus wurde drai- 
niert. Die Heilung verlief ungestört. Es traten keine Störungen in der Ernährung, 
der Blutbildung oder im Urinbefund auf. Die Kranke gewann im Gegenteil an 
Gewicht, gutem Aussehen und Körperkraft. G. erklärt den geringen Einfluß der 
Unterbindung mit schon vorher bestehendem Hindernis im Strom der Pfortader 
durch Druck der Geschwulst. Beim Bauchschnitt fand man schon starke Haut- 
venen (Caput Medusae-ähnlich), die jedenfalls auch Kollateralen waren. 

Trapp (Bückeburg). 


47) W. Maek, Die Cholecystostomien der Heidelberger chirurgischen 
Klinik 1901-1906. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 536.) 

Die obengenannten 139 nachuntersuchten Cholecystostomien sollen vor allem 
dieser Operationsmethode ihren, wenn auch durch die Ektomie beschränkten, In- 
dikationskreis retten. 

Die primäre Mortalität der Cholecystostomie betrug bei einfachen Operationen 
3,1%, bei mit Choledochusoperationen komplizierten Fällen 5,1%, wobei aber nur 
zwei- oder dreimal der Methode selbst die Schuld zugeschrieben werden konnte. 

9% der Operierten waren Frauen, meist ausgangs der 30er Jahre. Bei der 
Nachuntersuchung war die Arbeitsfähigkeit nur in 67,9% eine volle oder wesentlich 
gebesserte. Beschwerden von seiten anderer Organe fehlten nur bei 46,7%, und 
nur 19% waren völlig beschwerdefrei und gänzlich gesund. Fisteln mit schleimig- 
eitriger Sekretion bestanden in 2,9% der Fälle, und in 2,4% hatten sich nach- 
träglich Steine aus der Fistel entleert. Brüche, d. h. Spaltbildungen der Fascie, 
in oder neben der Narbe, den Stichkanälen entsprechend, mit oder ohne Ektasie, 
fanden sich in 20,4% aller Fälle, bei Männern öfter als bei Weibern. Ob die 
Bauchwand durchgreifend oder in Etagen genäht worden war, erwies sich in dieser 
Beziehung als gleichgültig. 

Im Gegensatze zu obigen Zahlen waren 57,7% der Pat. in bezug auf ihr 
Gallensteinleiden oder die Erkrankung der Gallenausführungsgänge vollständig ge- 
heilt worden. Nachträgliche Schmerzanfälle waren in 34,3%, Verwachsungs- 
beschwerden in 18,2%, möglicherweise echte Steinrezidive in 12,9% der Fälle zu 
verzeichnen. 

Verf. empfiehlt, die Fixation der Gallenblase zu vermeiden, wenn stärkere 
Reizzustände bestehen, möglichst den Kehr’schen Wellenschnitt anzuwenden, 
durch Heftpflasterverband und Vorsicht beim Verbandwechsel der Bruchbildung 
entgegenzuwirken, und glaubt, daß auch in Zukunft bei unveränderter Gallen- 
blasenwand, bei Solitärsteinen oder weniger festen Steinen die Cholecystostomie 
mit Vorteil ausgeführt werden wird. Beich (Tübingen). 





Zur Darmanastomose 
mittels elastischer Ligatur der Schleimhäute. 
Vorläufige Mitteilung. 
Von 
Prof. Dr. R. v. Baracz in Lemberg. 


Dr. Franx Kuhn (Kassel) gibt in Nr. 25 d. Blattes (vom 20. Juni 1908) ein 
neues Verfahren der Darmanastomose an, welches darin besteht, daß die freigelegten 


1040 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 


Schleimhäute der beiden zu vereinigenden Darmabschnitte rermiltels Gummifäden 
aufeinander genäht werden, welche später die Darmwände durchschneiden sollen. 
Er hält es für das durchsichtigste und reinlichste, rascheste und zuverlässigste aller 
Anastomosenverfahren. 

Da ich ein ganz ähnliches Verfahren gelegentlich der im Jahre 1904 angestellten 
Versuche an Hunden mit der MceGraw'schen Methode! der Gastro- bzw. Entero- 
enteroanastomose (elastische Ligatur) anwandte, möge es mir gestattet sein, über 
dasselbe kurz zu berichten. 

Von der Voraussetzung ausgehend, daß die die ganze Magen- bzw. Darmwand 
durchsetzende elastische Ligatur hier und da zur Infektion der Perilonealhöhle 
führen könnte, versuchte ich diese Gefahr dadurch zu umgehen, daß ich die 
Moe Graw'sche Ligalur nicht durch die ganze Dicke der Magen- bxw. Darmwand 
anlegte, sondern nur durch die bloßgelegte Mucosa führte nach vorheriger Aneinander- 
nähung der xu verbindenden Darmteile. 

Der Gang der Operation war kurz folgender. Annäherung des Jejunum an 
den Magen (bzw. beider zu verbindenden Darmabschnüte), Anlegung einiger Lem- 
bert’schen Darmnähte, longitudinale Einschnitte au beiden Seiten der Lembert- 
schen Naht durch Serosa und Muscularis hindurch bis zur Submucosa. Stumpfe 
Bloßlegung der peritonealen Seite der Mucosa so, daß dieselbe sich vorbuchtet. An- 
einandernähung der inneren Wundränder der Serosa und Muscularis mit fort- 
laufender Naht. Dann Durchführung eines ca. Imm dicken runden Gummifadens 
mittels einer geraden Nadel von einem Wundrand zum anderen durch die ganze 
Dicke der beiden Schleimhautiülste, straffes Anziehen der Fadenenden, Kreuzung 
derselben knapp bei der Schleimhaut und Zusammenbinden mittels eines dicken, 
festen Seidenfadens. Abtragung der beiden Enden der elastischen Ligatur oberhalb 
dieser Seidenligatur. Naht der äußeren Wundlippen, Anlegung einiger Lembert- 
scher Nähte. 

Die Erfolge sowohl des Me Graw'schen Verfahrens wie auch meiner Modifika- 
tion desselben waren in den wenigen Versuchen ausgezeichnet, und die Anastomosen- 
öffnungen erwiesen sich bei den Autopsien der Tiere ideal. Ich veröffentlichte die 
Ergebnisse meiner Versuche nicht, da ich im ganzen nur sechs Versuche anstellte, 
welche einen Teil einer größeren experimentellen Arbeit bilden sollten, die ich aus 
Zeitmangel unterbrechen mußte. 

Der Unterschied meines Vorgehens von dem Kuhn'schen beruht wesentlich 
darin, daß ich nicht Doppelfäden aus dünnerem Gummi, nur dickeren runden 
(aus Amerika gebrachten) Einzelfaden wie MeGraw anwende, daß ich diese Naht 
nicht zweimal, nur einmal in der ganzen Lünge der prolabierenden Schleimhaut 
anlege, daß ich die Gummienden nicht knote, nur mü einem Seidenfaden zusammen- 
binde, und daß ich rund herum noch einige Lembert’sche Nähte anlege. In beiden 
Verfahren fällt der ligierte Schleimhautteil binnen wenigen Tagen der Usur anheinm, 
wodurch sich eine breite Kommunikation beider Darmteile bildet. 

Meine wenigen Versuche gewinnen an Wert, da sie mit geringer Modifikation 
von anderer Seite am lebenden Menschen mit bestem Erfolg ausgeführt wurden. Die 
Einzelheiten meines Vorgehens werden später anderenorts ausführlich mitgeteilt. 

Lemberg den 21. Juni 1908. 


1 Th. A. MeGraw, Upon the use of the elastic ligature in the sur- 
gery of the intestines. Journ. of the amer. med. assoc., Chicago 1891. 
Nr. 20. p. 685—694. 

Vgl. ferner R. v. Bargcxz: Beobachtungen über die chirurgische 
Technik in den Vereinigten Staaten Amerikas. Wiener med. Wochen- 
schrift 1904. Nr. 13 und ff. 





Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden. 

Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau. 
Druck von Breitko pf & Härtel in Leipzig. 


Zentralblatt für Chirurgie 


herausgegeben von 


K. GARRÈ, F. KÖNIG, E. RICHTER, 








in Bonn, in Berlin, in Breslau. 
35. Jahrgang. 
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG. 
Nr. 35. Sonnabend, den 29. August 1908. 
Inhalt. 


1) Kostlivy, Die entzündlichen Leukocytosen. — 2) Tisenhausen, Transplantation von Embryo- 
nalgewebe. — 8) de Keating-Hart, Blitzbehandlung des Krebses. — 4) Peters, Cystopurin. — 
5) Kümmell, Die Chirurgie des Harnapparates. — 6) Hirsch, Fremdkörper der Harnblase. — 
7) Goldmann, Zur Autoplastik der Harnröhre. — 8) Porter, Prostatachirurgie. — 9) Allard, Die 
sekretorischen Leistungen beider Nieren. — 10) Karaffa-Korbutt, Funktion der Harnleiter bei 
Veränderung ihrer Lichtung. — 11) Thomas, 12) Herzen, Zur Diagnose von Nierenleiden. — 
18) Bevan und Smith, Nierensteine. — 14) Mariani, Nephropexie. — 15) Landau, Altersverände- 
rungen des Venensystems der Nebennieren. — 16) Blondi, Zur Behandlung des Urogenitalapparates. 

17) Chitrowo, Das hämorrhagische Sarkom. — 18) Kopylow, Hautmyom mit Übergang in 
Sarkom. — 19) de Besche, Mehrfache Krebse. — 20) Protopopow, Pneumonien nach Operationen. 
— 21) Bazy, Die Ophthalmoreaktion in der Chirurgie. — 28) Allard u. Gross, Alkaptanurie und 
Ochronose. — 283) Martini, Hauthorn der Glans penis. — 24) Terrier und Dujarier, Priapismus. 
— 25) Höresco, Angeborene Harnröhrenenge. — 26) Roith, Harnröhrenstein. — 27) Lilienthal, 
Prostatektomie. — 28) Lee Leedham-Green, Blasenvorfall. — 29) Riddell, Blasenektopie.. — 
30) Hagentorn, Blasenschuß. — 81) Frohnstein, 32) Renaud und Driout, Fremdkörper in der 
Blase. — 88) Cassanello, Blasenadenom. — 34) Olsen, Harnleiterriß. — 35) Wassiljew, Vor. 
letzungen und Fisteln der Harnleiter. — 86) Ball, Harnleiterstein. — 37) Ventura, Phimose, Er- 
weiterung der Harnleiter und Hydronephrose. — 88) Boari, Harnleitereinpflanzung in die Blase. 
— 89) Delbet, Harnleitereinpflanzung in den Mastdarm. — 40) Carrel, Akute Arterienverkalkung 
nach Nierentransplantation. — 41) Nov6-Josserand und Ballivet, 42) Griffiths, Nierenverletzung. 
— 48) Barling, Wanderniere. — 44) Wischnewski, Angeborene Nierenverlagerung. — 46) Kap- 
sammer, Nephrotomie. — 46) Gardini, 47) Nicolich, 48) Badin, Nierensteine. — 49) Hagen-Torn, 
Nieren- und retroperitoneale Geschwülste. — 50) Bazy, Intermittierende Hydronephrose. — 51) Bre- 
wer, Nieren- und Harnleiteroperationen. — 52) Shober, Nierentuberkulose. — 58) Doran, Cystische 
Nebennierenentartung. — 54) Horsley, Perinephritischer Abszeß. — 55) Samurawkin, Neben- 
hodenechinokokkus. 

Wullstein, Dauerkatheterismus der Harnleiter. (Originalmitteilung.) 

Naturforscherversammlung. 

Berichtigung. 





1) Kostlivy. Über das Wesen und die klinische Bedeu- 


tung der entzündlichen Leukocytosen. 
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XVII. Hft. 4.) 


K. hat an der böhmischen chirurgischen Klinik zu Prag in 225 
Fällen entzündlicher Erkrankung sorgfältig den Verlauf der Leukocyten- 
zahl und das Blutbild studiert, und zwar bei folgenden Affektionen: 
1) Entzündungen der Haut und des Unterhautzellgewebes, 41 Fälle. 
2) Akute und chronische Osteomyelitis, Perityphlitis, komplizierte Frak- 
turen, 33 Fälle. 3) akute Gelenkempyeme, 6 Fälle. 4) Erkrankungen 
des Gehirns und seiner Häute, 5 Fälle. 5) Erkrankungen der Pleura- 
höhle, 8 Fälle. 6) tiefe, umschriebene, nicht spezifische Abszesse, 
8 Fälle. 7) Cholecystitis, Pericholecystitis, Gallenblasempyem, 14 Fälle. 
8) Pyelophlebitis, 3 Fälle. 9) Appendicitis acuta abscedens, 29 Fälle. 


35 


1042 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 


10) diffuse Peritontis, 10 Fälle. 11) Appendicitis chronica; Tuber- 
culosis coeci, 71 Fälle. 

Auf Grund seiner Untersuchungen kommt K. zu folgenden 
Schlüssen: 

1) Die polynukleäre, neutrophile Leukocytose ist eine Überkom- 
pensation der Abnahme der Leukocyten, die durch den Verbrauch der- 
selben zur Bildung der für die Paralysierung der Infektion nötigen 
Antikörper entstanden ist (Isohypercytose). 

2) Der erhöhte Verbrauch bedingt in der Folge auch eine erhöhte 
Proliferation durch Reizung des leukopoetischen Apparates; dadurch 
kommt eine Abstoßung von jüngeren und endlich jüngsten unreifen 
Zellen mit geringster Antikörpervalenz zustande (Anisohypercytose). 

3) Genügt auch das noch nicht zur Überwindung der. Infektion, 
dann muß auch trotz maximalster Leistung des leukopoetischen Appa- 
rates die relative Leukocytenzahl absinken; dabei werden immer 
jüngere Elemente verbraucht und immer jüngere — in Ermangelung 
von reiferen — in den Kreislauf gebracht (Anisonormo-, Anisohypo- 
cytose). 
4) Leukocytenzahl und neutrophiles Blutbild gestatten uns also, 
insbesondere bei systematischer Untersuchung, einen Rückschluß auf 
Toxizität und Virulenz der Infektion einerseits, auf die Resistenzfähig- 
keit des Organismus andererseits. Die Leukocytose ist also haupt- 
sächlich nur im prognostischen Sinne verwertbar, ihre diagnostische 
Bedeutung kommt erst in zweiter Reihe in Betracht — am wenigsten 
Wert kann ihr leider gerade in den zweifelhaften Fällen zugemessen 
werden. Auch sei sie als diagnostisches Hilfsmittel immer nur im 
Verein mit allen anderen klinischen Untersuchungsmethoden berück- 
sichtigt. Haeckel (Stettin). 





2) M. Tisenhausen. Zur Frage von der Transplantation 
des Embryonalgewebes. 
(Russki Wratsch 1908. Nr. 25.) 

In einer vorläufigen Mitteilung berichtet T. über seine auf Ver- 
anlassung von Prof. Kischensky in Odessa ausgeführten Experimente 
zur Lösung folgender Fragen: 1) In welchem Alter wächst das trans- 
plantierte Embryonalgewebe am besten? 2) Welche Gewebe bilden 
den besten Boden für Transplantation? 3) Wie lange dauert das 
Wachstum des transplantierten Gewebes, und was ist dessen endliches 
Schicksal? — Erwachsenen Hühnern wurden 147 Transplantationen 
in die vordere Augenkammer (49), in Kamm und Bartanhängsel (37), 
in die hintere Augenkammer, Kopfhirn, Bauchhöhle, Netz, vordere 
Bauchwand, Brustmuskel und Milz gemacht. Milz, Gehirn und hintere 
‚Kammer erwiesen sich als ungeeignet; am besten gelangen die Trans- 
plantationen in den Brustmuskel; gut waren die Resultate im Netz, 
in der Bauchwand und Bauchhöhle; weniger günstig, hauptsächlich 
aber weniger standhaft war das Wachstum in Kamm und Bartanhängsel. 
Von unbebrüteten und 1—8 Tage lang bebrüteten Embryonen wachsen 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 1043 


am besten Embryonen von 5 Tagen, unbebrütete und eintägige 
wuchsen gar nicht. Am meisten energisch war das Wachstum nach 
2—3 Wochen; nach 6 Monaten hatte es ganz aufgehört, doch waren 
die Stücke in einigen Fällen nach 1°/, Jahren noch nicht resorbiert. 
Manche Hühner sind für Transplantationen besonders geeignet. Er- 
wachsene Hühner leiden nicht nach solchen Operationen; junge 
Hühnchen (von 2—3 Wochen) gehen zuweilen zugrunde; bei ihnen sind 
die Transplantationen erfolgreich, doch ist nach 1—2 Monaten ge- 
wöhnlich wieder alles resorbiert. Die transplantierten Embryonalgewebe 
machen ihre normale Entwicklung durch. Die Gewebe mit einfacher 
Funktion differenzieren sich am leichtesten und bleiben am längsten 
erhalten, besonders die einfachen mesodermalen Gewebe. Die Gewebe 
mit höher differenzierter Funktion wachsen schwer und gehen bald 
zugrunde: glatte Muskeln, Drüsen- und Flimmerepithel. Selten wuchsen 
die Linse, Pigmentepithel der Netzhaut, Elemente des Zentralnerven- 
systems. T. sah die Bildung von embryonalen Speiseröhren, einmal 
einer Luftröhre, des Dickdarmes; von Teilen des Kopf- und Rücken- 
markes, des Auges. In manchen Fällen fand er zwischen diesen 
Bildungen ein sarkomartiges, mit zahlreichen Pigmentzellen durchsetztes 
Gewebe und sieht es als Produkt der embryonalen Uvea an. — 
6 Figuren zeigen die interessantesten Befunde. 
E. Güickel (Wel. Bubny, Poltawa). 





3) de Keating-Hart. La fulguration des cancers. 
(Arch. intern. de chirurgie Vol. IV. Fasc. 1.) 

Die Blitzanwendung ist eine elektro-chirurgische Behandlungs- 
methode des Krebses. Sie besteht darin, daß Funken von großer 
Frequenz und hoher Spannung durch Geschwulstmassen geschickt, 
und daß dann die zerstörten Neubildungen mit dem Messer abge- 
tragen werden. Die Verbindung der therapeutischen Anwendung der 
Elektrizität mit chirurgischer Behandlung ist das Eigentümliche der 
de K.-H.’schen Methode. 

Man bedient sich eines der üblichen Apparate für Hochfrequenz 
und eines Wehnelt- bzw. Turbinenunterbrechers. Die Funkenlänge 
muß mindestens 40 cm betragen. Verf. bevorzugt die unipolare 
Funkenanwendung, wenngleich sie weniger zerstörend wirkt als die 
bipolare, und benutzt besondere, durch Luftstrom gekühlte Elek- 
troden, denen er jede gewünschte Länge geben kann. Der Pat. liegt 
auf einem hölzernen Operationstisch. 

Ist die Haut unversehrt, so spaltet man zunächst das Gewebe, 
um die Geschwulst freizulegen. Die Operation selbst umfaßt drei 
Zeiten: 1) elektrische Behandlung; 2) Anwendung des Messers; 3) aber- 
malige Blitzbehandlung. Der Nutzen der elektrischen Vorbehandlung 
ist ein mehrfacher. Die vasokonstriktorische Wirkung des Funkens 
vermindert die parenchymatöse Blutung; es gelingt bei der nach- 
folgenden chirurgischen Behandlung leichter, die Grenze zwischen 

35* 


1044 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 


gesundem Gewebe und Neubildung zu finden, und die Gefahr der 
Wiedereinimpfung des Krankheitsstoffes auf die Wundfläche wird 
vermindert. 


Auf die zweite Phase, den chirurgischen Eingriff, legt Verf. großen 
Wert. Man behandelt die Neubildung wie eine gutartige Geschwulst, 
d. h. man exstirpiert sie an ihren sichtbaren Grenzen. Gründliche 
Untersuchung des gesunden Gewebes ist erforderlich, um keines der 
vielfach zahlreichen, zerstreut und entfernt liegenden Geschwulst- 
knötchen zu übersehen. Durch Abänderung des ursprünglichen Ver- 
fahrens wurde erreicht, daß oftmals nur eine einzige Sitzung nötig 
war, um völlige Heilung zu erzielen. 

Der wichtigste Teil der, Behandlung ist die zweite Anwendung 
des elektrischen Funkens. Uber die Dauer dieser dritten Phase, die 
anzuwendende Funkenlänge usw., entscheidet persönliche Erfahrung. 


Die Wirkung des elektrischen Stromes ist im wesentlichen vier- 
facher Art: Blutstillung, Zerstörung der Geschwulstmassen, Odem- 
bildung, Reaktion des gesunden Gewebes. Die blutstillende Wirkung 
erstreckt sich nur auf Kapillarblutungen, die aufhören, wenn die Elek- 
trode über die Wundfläche gleitet. Größere Gefäße sind zu unter- 
binden. Ein trockener, übelriechender Schorf bildet sich, wenn längere 
Zeit eine bestimmte Stelle von dem Funken getroffen wird. Dieser 
unerwünschte Nebeneffekt ist die Folge der Hitzewirkung der Funken 
und wird durch Weiterführen der Elektrode leicht vermieden. Die 
Hitzewirkung ist, wie die Wirkung der Funken überhaupt, um so 
größer, je mehr die Elektrode dem Körper genähert wird. 

Im Laufe von 24 Stunden durchtränkt sich das Gewebe mit einem 
sehr reichlichen, blutig gefärbten Serum, das aus der Wunde abfließt 
und nach Verlauf einiger Tage durch ein serös-eitriges Exsudat ersetzt 
wird. Mikroskopisch führt diese Flüssigkeit zahlreiche polynukleäre 
Leukocyten. Das Absondern des serösen Transsudates aus der Wunde 
scheint ein Zeichen günstiger Reaktion zu sein, das Ausbleiben der- 
selben eine ungünstige Prognose zu geben. 


Die Reaktion des Gewebes ist teils eine lokale, teils eine allge- 
meine. Die lokale Wirkung gibt sich in einer erstaunlichen Vernarbungs- 
fähigkeit kund, die Fernwirkung in dem vorläufigen Verschwinden 
unerträglicher Kreuzschmerzen, in der Vernarbung nicht behandelter 
Hautgeschwüre, in dem Verschwinden von Drüsenschwellungen und 
anderem. Diese regressiven Veränderungen der Metastasen bedeuten 
indes nur einen vorübergehenden, keinen dauernden Wachstumsstill- 
stand. Insbesondere darf beim Zungenkrebs, für welchen sich die 
Blitzbehandlung besonders gut eignet, die Beobachtung des Ver- 
schwindens der Infiltrationen nicht dazu führen, in der Nachbehand- 
lungszeit weniger sorgfältig nach Metastasen zu suchen. 

Ist die Wunde zum zweiten Male beblitzt, so wird sie teilweise 
geschlossen und drainiert. Der Verband muß, weil er durchtränkt 
ist, am folgenden, spätestens am 2. Tage nach der Operation erneuert 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 1045 


werden. Nach Abfallen der Schorfe tritt rasche Vernarbung ein. 
Rezidive werden von neuem beblitzt.. 

Eine ausreichende Erklärung für die Wirkung der Blitzbehandlung 
ist bislang nicht zu geben, da weder die Annahme einer elektiven 
Zerstörung der Geschwulstzellen, noch das Auftreten der serösen 
Grewebsdurchtränkung, noch die lebhafte Transsudation genügen, die 
Dauerheilungen verständlich zu machen. Die erhöhte Neigung zur 
Narbenbildung ist jedenfalls sehr bemerkenswert. 

Die Darstellung der Methodik und ihrer Erfolge wird durch die 
Mitteilung von elf Beobachtungen an Kranken und durch eine Anzahl 
von Photogrammen erläutert. Bevenstorf (Hamburg). 


4) Peters. Über den praktisch-therapeutischen Wert des 
Cystopurins. 
(Deutsche Ärzte-Zeitung 1908. Nr. 9.) 

Cystopurin ist ein Salz des Urotropins, das sowohl wegen der 
sichereren und schnelleren Wirkung, als des Fehlens unangenehmer 
Nebenerscheinungen diesem vorzuziehen ist. Es gibt dem Harn eine 
saure Reaktion, hat eine deutliche diuretische Wirkung und wird auch 
bei längerer Verabfolgung gut vertragen. Es hat sich bei den ver- 
schiedensten infektiösen Prozessen der Harnwege, auch bei akuter 
und chronischer Gonorrhöe, sehr gut ‚bewährt. Es wurde in der 
Menge von 2—6 g pro die verordnet. Neugebauer (Mährisch-Ostrau). 





5) Kümmell. Entwicklung und Fortschritte der Chirurgie 
des Harnapparates in den letzten Dezennien bis zur Gegen- 


wart. 
(Zeitschrift für ärztliche Fortbildung 1908. Nr. 8.) 


6) Hirsch. Über den radiographischen Nachweis von Fremd- 


körpern der Harnblase. 
(Ibid. Nr. 11.) 

K.’s Abhandlung beschäftigt sich vor allem mit den zahlreichen 
diagnostischen Methoden, welche die Chirurgie des Harnapparates in 
den letzten Dezennien so wesentlich gefördert haben. Schon allein 
wegen des umfangreichen, selten in einer Hand vereinigten Materiales 
(z. B. mehr als 2000 kryoskopisch untersuchte Fälle, 110 Eingriffe 
wegen Nierensteinen, 90 wegen Nierentuberkulose, 14 Fälle einseitiger 
entzündlicher Nierenblutung) hat sie Anspruch auf allgemeines In- 
teresse. 

Die Angabe K.’s, in der Blase befindliche Stücke elastischer 
Katheter, Gummiteile und ähnliches seien für Röntgenstrahlen durch- 
gängig und auf der Platte nicht sichtbar, berichtigt H. auf Grund 
eigener Untersuchungen dahin, daß englische und Nelatonkatheter 
vollkommen sicher nachweisbar sind. Gutzeit (Neidenburg). 





1046 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 


7) E. Goldmann. Zur Autoplastik der Harnröhre. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVI. p. 1.) 

» Die Arbeit beschäftigt sich mit der Blutversorgung der Harnröhre 
als einer Grundbedingung für den Erfolg autoplastischer Harnröhren- 
operationen. Neuere anatomische Untersuchungen, sowie eigene In- 
jektionsversuche des Verf.s ergaben im wesentlichen, daß die Harnröhre 
sowohl von vorn wie auch von hinten her reichlich mit Blut versorgt 
wird aus den Artt. bulbosa, bulbourethralis, urethralis, dorsalis penis 
und profunda penis. Es kommt also darauf an, wenigstens eine der 
Hauptzufuhrquellen bei der Operation zu schonen, und auch die 
Albuginea, deren Verlegung die Zirkulationsverhältnisse erheblich 
verschlechtert, unversehrt zu lassen. 

Im übrigen weist Verf. u. a. noch auf die Dehnbarkeit der Harn- 
röhre als einen wichtigen Faktor bei der Autoplastik hin. Diese hängt 
von der Entwicklung des Organes ab und ist dementsprechend bei 
Kindern und Mißbildungen relativ geringer als bei Erwachsenen. 

Reich (Tübingen). 





8) Porter. Surgery of the prostate. 
(Journ. of the amer. med. assoc. Bd. L. Nr. 21.) 

Eine Studie, ob die frühzeitige Prostatektomie Vorteile bietet. 
Auf Grund des Studiums von im ganzen 450 Fällen kommt Verf. zu 
dem Schluß, daß die meisten Todesfälle nicht der Operation zur Last 
zu legen sind. Den durch die Krankheit selbst verursachten Zuständen 
(Oystitis, Pyelitis usw.) waren von 33 Gesamttodesfällen 15 zuzu- 
schreiben, 8 der Operation als solcher in Form von Sepsis, Erschöpfung, 
Schädigung durch die Narkose, die 10 übrigen anderen Krankheiten, 
die mit der Prostatahypertrophie nicht zusammenhingen. P. zieht 
dann noch die übrigen, durch die Operation gesetzten möglichen Nach- 
teile unter Mitteilung von Resultaten verschiedener Chirurgen in Be- 
tracht und kommt zu dem Schluß, daß hauptsächlich die sekundären, 
durch die Hypertrophie bedingten Veränderungen die schlechten Er- 
folge veranlassen, während die Prostatektomie an sich nur 2% Todes- 
fälle bedingt. Sie ist daher frühzeitig, vor Eintreten der sekundären 
Veränderungen auszuführen, zumal auch die Gefahr bösartiger Ver- 
änderung droht und oft schon bei scheinbar nur hypertrophischer 
Drüse eingetreten ist. Trapp (Bückeburg). 





9) Allard. Vergleichende Untersuchungen über die sekre- 
torischen Leistungen beider Nieren. 
(Mitteilungen a. d. Grenzgebieten d. Medizin u. Chirurgie Bd. XVIII. Hft. 5.) 

Man hat bisher meist mit Harnleiterkatheterismus versucht, fest- 
zustellen, wie die Sekretionswege beider Nieren sich zueinander ver- 
halten. Allein auf diesem Wege ist eine endgültige Entscheidung 
nicht zu erwarten; der Fehlerquellen sind zu viele: es ist nicht sicher, 
ob aller Urin durch den Katheterismus entleert wird; man weiß nicht, 
wieviel neben dem Katheter in die Blase gelangt; die Lichtung des 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 1047 


Katheters kann sich verstopfen, die Schleimhaut oder Gerinnsel des 
Harnleiters können das Auge des Katheters verlegen; dazu kommt die 
Empfindlichkeit des Harnleiters gegen mechanische Einflüsse, die 
reflektorische Anurie, Oligurie und Polyurie, so daß manche den Wert 
der >funktionellen Nierendiagnostik« ganz ablehnen und einen Vorteil 
nur sehen in der Möglichkeit des getrennten Auffangens der Sekrete 
beider Nieren, bei der der Nachweis irgend eines pathologischen Be- 
standteiles mehr wert ist als die quantitative Analyse der einzelnen 
Harnbestandteile. 

A. kam zu einwandsfreien Resultaten durch Beobachtung eines 
Mannes mit angeborener Blasenektopie, bei dem der Urin aus jeder 
Harnleitermündung isoliert aufgefangen werden konnte, ohne sie irgend- 
wie zu reizen. Er fand, daß die beiden Nieren in gleichen Zeitab- 
schnitten bei richtiger Rückenlage und gewöhnlicher normaler Diurese 
ungefähr gleiche Urinmengen von ungefähr gleicher Zusammensetzung 
sezernieren. Bei stärkerer Diurese kommen Abweichungen vor. Appli- 
kation einer Eisblase in der Gegend der einen Niere erwies sich 
als ganz gleichgültig, ebenso die Anwendung des faradischen oder 
galvanischen Stromes; dagegen fand A. die interessante Tatsache, daß 
in der Seitenlage des Körpers eine erhebliche Sekretionsdifferenz auf- 


tritt, indem die »oben« liegende Niere weniger sezerniert. 
Haeckel (Stettin). 





10) K. W. Karaffa-Korbutt. Zur Frage von der Funktion 
der Harnleiter bei Veränderung ihrer Lichtung. 
(Wratschebnaja Gazeta 1908. Nr. 17 u. 18. [Russisch.)) 

Experimentelle Studie aus Prof. Fedorow’s Klinik. Verf. experi- 
mentierte an Hunden mit exstrophierter Harnblase. Bei Pyeloektasie 
ist die Zahl der Ausscheidungen aus dem betreffenden Harnleiter 
etwas geringer als aus dem normalen, die Quantität des Harns bei 
jeder Ausscheidung etwas vergrößert. — Bei Stenose des Harnleiters 
sind die Zeiträume zwischen den Entleerungen sehr verlängert, die 
Quantität des Harns sehr vergrößert und die Energie der Entleerung 
etwas vermindert; einige Enntleerungen sind von 1—2 nachfolgenden 
kleinen Stößen begleitet. — Bei Atonie des Harnleiters fließt der Urin 
kontinuierlich wellenförmig ab. E. G@tickel (Wel. Bubny, Poltawa). 





11) Thomas. Diagnosis of renal disease and sufficiency. 
(Annals of surgery 1908. April.) 

Verf. bespricht einige von ihm ausgeführte Nierenoperationen. 
Um die Nierenfunktion vor der Operation festzustellen, verfährt er 
folgendermaßen. Vor der Prüfung bekommt Pat. eine ganz bestimmte 
Diät, bestehend aus 1/, Liter Milch, einem Brötchen und zwei weich ge- 
kochten Eiern. Dann folgt eine genaue cystoskopische Besichtigung 
der Blase, worauf nötigenfalls beide Harnleiter katheterisiert werden. 
Die erste der aus diesen letzteren aufgefangenen Urinproben dient zur 


1048 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 


mikroskopischen Untersuchung, die zweite zur Bestimmung des Ge- 
frierpunktes des Harns und des Harnstofigehaltes, die dritte zur Be- 
stimmung des auf Phloridzin projizierten Zuckers. Von der Bestim- 
mung des Blutgefrierpunktes (Kryoskopie) hält Verf. nicht viel. 
Herhold (Brandenburg). 





12) P. A. Herzen. Zur Frage von der Diagnose der Nieren- 
krankheiten. 
(Wratschebnaja Gazeta 1908. Nr. 17. [Russisch.]) 

Für die gewöhnliche Praxis und für Krankenhäuser mit beschränk- 
ten Mitteln ist die Harnleiterkatheterisation zu teuer und zu schwierig. 
H. begnügte sich mit der Separation des Harns (mit dem Luys’schen 
Separateur) und erzielte in etwa 50 Fällen vollständig befriedigende 
Resultate. Nur muß die Separation vorschriftsmäßig geschehen. 
Nötigenfalls wurde die Cystoskopie und die Chromocystoskopie 
(Indigokarmin subkutan) zu Hilfe genommen, ebenso die künstliche 
Polyurie, die quantitative Analyse des Harnstoffes, des Eiweißes, end- 
lich die mikroskopische Untersuchung des Harns. 

Im ganzen wurden von H. und seinen zwei Kollegen Rosanow 
und Woronkow im alten Katharinenhospital in Moskau 61 Nieren- 
operationen ausgeführt. E. Gtickel (Wel. Bubny, Poltawa). 





13) Bevan and Smith. The diagnosis and treatment of kidney- 


stone. 
(Surgery, gynecology and obstetrics Bd. VL Nr. 6.) 

Eine ziemlich ausführliche Abhandlung, bei welcher die Diagnose 
den breitesten Teil einnimmt. Ganz besonders eingehend wird auch 
die Diagnose mit Hilfe des Röntgenverfahrens berücksichtigt. — Der 
Standpunkt der Verff. in der Behandlung der Nierensteine wird durch 
folgende Zusammenfassung gekennzeichnet: Wenn die Diagnose, die 
durch das Röntgenbild zu einer vollkommen sicheren wird, gestellt ist, 
soll chirurgisch eingegriffen werden, ganz kleine Steine ausgenommen, 
oder wenn andere Leiden den Eingriff verbieten. Bei sonst gesunder 
Niere und vereinzeltem Stein im Nierenbecken soll letzteres allein er- 
öffnet werden; sonst ist der Nierenschnitt zu machen. Bei einseitiger 
Stein- und gesunder anderer Niere ist die primäre Nephrektomie an- 
gezeigt, wenn die Steinniere hochgradig zerstört ist. Bei doppelseitiger 
Erkrankung wächst naturgemäß die Gefahr jeden Eingriffes, die bei 
einseitiger Nephrolithotomie sehr gering ist — nach eigener Erfahrung 
zwischen 3 und 4% Todesfälle durch die Operation an sich (52 Ope- 
rationen.. Der Arbeit sind zahlreiche gute Röntgen- und andere Ab- 
bildungen beigegeben. Trapp (Bückeburg). 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 1049 


14) C. Mariani. Contributo clinico alla nefropessia eseguita 
con processo proprio. Nefropessia periostea per trasfissione. 
(Clinica chirurgica, Milano 1908. 18 S., 1 Taf.) 

Um die operative Befestigung der Wanderniere möglichst wider- 
standsfähig zu gestalten, bildet M. nach subperiostaler Resektion der 
12. Rippe aus dem Periostzylinder eine Art Aufhängeband, das er 
durch den oberen Nierenpol hindurchzieht. Nachdem er schon 1904 
das Verfahren experimentell geprüft hatte, gibt er nunmehr einen Be- 
richt über 19 von ihm nach dieser Methode operierte Fälle. Die 
Technik ist folgende: 1) Winkeliger Lendenschnitt, dessen einer, oberer 
Schenkel der 12. Rippe parallel geht und sie freilegt, während der 
zweite Schenkel von der Spitze dieser Rippe zur Crista ilei geht. 
2) Isolierung der 12. Rippe vom Sacrolumbalisrande bis zur Spitze 
aus allen muskulös-ligamentären Verbindungen und von der Pleura. 
3) Subperiosteale Rippenresektion, wonach der Periostmantel als 
5—8 cm langes Band zurückbleibt. 4) Freilegen der Niere; Durch- 
ziehen von zwei dicken Oatgutfäden durch ihren unteren Pol. 5) Mit 
einer eigens konstruierten »Nierendurchstechungspince« wird das 
Organ zwischen oberem und mittlerem Drittel parallel der Rippe durch- 
bohrt, das Periostband gefaßt und durchgezogen. Fixation des Periosts 
mit Oatgut an Ein- und Austrittsstelle; Annähen des freien Zipfels 
an die Muskulatur des 11. Interkostalraumes. 6) Die zwei am unteren 
Nierenpol durchgelegten Catgutfaden dienen zur Annähung des unteren 
Pols an die Muskeln. Beim Wundschluß wird die Fettkapsel in die 
Muskelnaht einbezogen. 30 Tage Bettruhe bei erhöhtem Bettfußende. 

Die Operation ist nur bei einer Rippenlänge von ca. 10 cm aus- 
führbar; die Pleura läßt sich leicht ablösen. Bei zwei Fällen konnte 
Verf. den Nachweis leisten, daß das Periost nicht nekrotisch wird, 
sowie durch Palpation und Röntgenographie feststellen, daß aus dem 
Periost keine intrarenale Knochenbildung erfolgt. Als Vorteile seiner 
Methode hebt M. hervor: Befestigung in normaler Lage; das Auf- 
hängegewebe ist wenig dehnbar und bildet mit der Niere ein untrenn- 
bares Ganzes; das Organ behält einen physiologischen Grad von Be- 
weglichkeit und erträgt, wie die Urinuntersuchung zeigt, die Anwesen- 


heit des Periosts in seiner Substanz ohne merkliche Störung. 
K. Henschen (Tübingen). 





15) Landau. Altersveränderungen des Venensystems der 
Nebennieren. 
(Petersburger med. Wochenschrift 1908. Nr. 24.) 

Nach Injektion von der Vena suprarenalis her hat L. sehr schöne 
Korrosionspräparate der Venenverteilung in den Nebennieren herge- 
stellt, aus welchen man die sehr starke Gefäßverzweigung im Zustand 
der Gravidität sieht im Gegensatz zur normalen Nebenniere, und die 


ganz geringe Gefäßverzweigung bei der senilen Atrophie. 
Deetz (Homburg v. d. H.). 





36% 


1050 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 


16) Biondi. Intorno ad uno speciale trattamento di infer- 


mita di determinati segmenti dell’ apparato genito-urinario. 
(Morgagni 1908. Nr. 28.) 


Verf. hat bei Injektionen von Chinaterite in das Vas deferens 
dieselbe bis in die Samenblasen, die Prostata, Blase und vordere 
Harnröhre und bei umgekehrter Injektionsrichtung zuweilen bis in den 
ganzen Nebenhoden eindringen sehen. Ebenso konnte er entsprechend 
mit 1/—3°/,igen Lösungen von Silbersalzen, 1—2 % igen Chlorzink- 
und Sublimatlösungen eine spontane oder experimentelle Urethritis und 
Epididymitis bei Hunden heilen. In derselben Weise hat er mit Jod- 
lösungen wie wäßriger und alkoholischen Lösungen (1:1000) von 
Sublimat, Protargol, milchsaurem Silber primäre Tuberkulose der 
Samenblasen, des Hodens und Nebenhodens wie der Blase und Blasen- 
katarrhe behandelt und dauernd geheilt. Bei tuberkulösen Herden 
im Hoden selbst mußte er parenchymatöse Injektionen in dieses Organ 
hinzunehmen. Die Behandlung ist nicht schmerzhaft, geht ohne Ent- 
zündung und Fieber vor sich und erfolgte häufig ambulant. Hoden 
und Nebenhoden werden nach der Behandlung hart und indolent. 
Die Spermatozoen fehlten nach der Behandlung im Sperma nur dort, 
wo sie vorher bereits nicht vorhanden waren — das war in der Mehr- 
zahl der Fälle. Die Spermatogenese konnte auch in diesen Fällen 
histologisch erwiesen werden, doch waren die Ausführungswege verlegt. 
Verf. glaubt das Verfahren auch zur Behandlung einiger Spermatorrhöe- 
formen, der tertiären Hodensyphilis und zur Verhütung der Epididy- 
mitis bei Gonorrhöe empfehlen zu dürfen. Dreyer (Köln). 


Kleinere Mitteilungen. 


17) A. A. Chitrowo. Über die Histogenese des idiopathischen multiplen 
hämorrhagischen Sarkoms (Kaposi). 
(Russki Wratsch 1908. Nr. 26.) 


C. hatte Gelegenheit, zwei Fälle in der Kasaner Klinik zu beobachten. Auf 
Grund der Untersuchung von 17 Geschwulstknoten kommt er zu folgenden Schlüssen: 
die Zellen der Neubildung entwickeln sich aus den Zellen der äußeren Gefäß- 
scheiden, nehmen unter dem Einfluß eines unbekannten Reizes den Charakter von 
Sarkomzellen an, gruppieren sich in typische Sarkomknoten; schwindet dieser Reiz, 
so verlieren die Zellen ihren sarkomatösen Charakter, verwandeln sich in gewöhn- 
liche Fibroblasten, die bei der Rückbildung der Knoten die ihnen in Granulomen 
und chronischen Entzündungen eigentümlichen Veränderungen durchmachen. — 
Die Bildung der Knoten geschieht auf zweierlei Art: das Coriumgewebe wird von 
jungen Bindegewebszellen imbibiert, die sarkomähnlich werden; oder diese Zellen 
verdrängen das Muttergewebe total und schichten sich sarkomähnlich an. Ist die 
erste Art, wie häufig zu beobachten, von Erscheinungen der chronischen Ent- 
zündung begleitet, so trägt die Geschwulst den Charakter eines typischen Granu- 
loms. — Die Geschwulstzellen wachsen in die Gefäßlichtung, zerstören die Gefäß- 
wände und führen so zu den für die Krankheit typischen Blutungen. Die roten 
Blutkörperchen werden von den Sarkomzellen aufgenommen, zerstört und geben 
so zu Pigmentbildung Anlaß. Bei der Rückbildung des Sarkoms zerfasern die 
Geschwulstzellen nach und nach. Diese Zerfaserung kommt in Knoten jeden Alters 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 1051 


vor — in alten und den jungen. — Was die von Zeit zu Zeit bei der Krankheit 
auftretenden Infiltrationen betrifft, so konnte C. bloß zwei Präparate untersuchen 
und stimmt in seinem Befund Scholtz und Bernhardt bei: diese Infiltrationen 
sind entweder Anhäufungen kleinster Knötchen oder ausgedehnte Proliferationen 
der Zellen der äußeren Gefäßscheide. — Zwei Figuren zeigen den mikroskopischen 
Bau der Geschwulst. E. Gückel (Wel. Bubny, Poltawa). 


18) N. W. Kopylow. Hautmyom mit Übergang in ein Sarkom. 
(Russki Wratsch 1908. Nr. 27.) 


Ein 45 Jahre alter Mediziner trug seit Kindheit eine erbsengroße Geschwulst 
an der Brust. Als er 20 Jahre alt war, behandelte er die Geschwulst mit Atz- 
mitteln, worauf sie klein wurde. Vor 5 Jahren fing sie wieder an zu wachsen; 
neue Atzungen halfen nicht; endlich erreichte die Geschwulst die Größe eines 
Hühnereies. Nun exzidierte man dieselbe mit dem Fettgewebe der Umgebung. 
Heilung. — Mikroskopisch bestand die Neubildung aus glattem Muskelgewebe, 
zwischen dem sich eine Zwischensubstanz bildet; aus der letzteren entstehen neue 
spindelförmige und polymorphe Zellen (Sarkomzellen); die Substanz zwischen diesen 
geht in Mucin über. E. Gückel (Wel. Bubny, Poltawa). 


19) A. de Besche. Multiple cancere. 
(Norsk Mag. for Laegevid. 1908. Nr. 6.) 


Unter den mitgeteilten sieben Beobachtungen sind folgende Fälle erwähnens- 
wert. 62jähriger Mann, dem ein Plattenepithelkrebs der Lippe und ein Rezidiv 
derselben entfernt worden waren, litt 2 Jahre später an einem ringförmigen, nicht 
mehr operablen Adenokarzinom des Mastdarmes. — Ein 63jähriger Tagelöhner, 
dem ebenfalls ein Plattenepithelkrebs der Unterlippe exstirpiert war, mußte 
5 Jahre später wegen eines Plattenepithelkrebses des Penis operiert werden. Die 
übrigen Fälle betreffen teils das gleichzeitige Vorkommen von Plattenepithelkrebs 
und Adenokarzinom des Magens, teils mehrfache Neubildungen im Magen-Darm- 
kanal. Revenstorf (Hamburg). 


20) F. J. Protopopow. Zur Frage von den Pneumonien nach 
Operationen. 
(Russki Wratsch 1908. Nr. 22.) 


Während der letzten 17 Jahre wurden in der Moskauer chirurgischen Klinik 
135 postoperative Pneumonien beobachtet: nach 1248 Laparotomien 89 = 7,1%, 
nach 2506 anderen Operationen 46 = 1,8%, 85 Männer, 50 Frauen. Im Alter von 
10—20 Jahren waren 8,8%, 20-30 = 18,6%, 30—40 = 28,9%, 40—50 = 27,4%, 
50—60 = 12,8%, 60—70 = 3,5%. Innerhalb der ersten 4 Tage erkrankten 82, 
4—7 Tage = 19, 8—14 Tage = 18, 14—21 Tage = 16. Die rechte Lunge 40mal, 
die linke 34 mal, beide 61 mal. 15mal handelte es sich um kruppöse Pneumonie, 
120mal um Bronchopneumonie. Von Bakterien fand man Staphylokokken und 
Pneumokokken. Von 135 Pat. starben 35 = 26,8%. 5mal ging die Entzündung 
in Abszeß über (Sektionsbefund). 90mal wurde Chloroform, 25mal Ather und 
Chloroform gegeben; 22mal Kokainanästhesie, 3mal embolisches Lungeninfarkt. 

E. Gtickel (Wel. Bubny Poltawa). 


21) Bazy. De lophtalmo-réaction en chirurgie.. 
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris Bd. XXXIII. p. 911.) 

Die Reaktion wurde an 20 Fällen in Anwendung gebracht. Über Technik und 
genauere Dosierung finden sich keine Angaben. Es wurde das Präparat von 
Calmette verwendet. Im allgemeinen glaubt B. feststellen zu können, daß die 
bei chirurgischen Fällen beobachtete Reaktion nicht so intensiv ist, wie die von 
internistischer Seite beschriebene. Die stärkste Reaktion trat auf bei zwei Nieren- 
tuberkulosen, einer tuberkulösen Pleuritis und einer Hüftgelenkstuberkulose. Das 
Auftreten der Reaktion war einigemal wesentlich verzögert. B. hofft, daß die 


1052 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 


Ophthalmoreaktion in allen den Fällen ein wertvolles Unterstützungsmittel werden 
kann, wo die Diagnose unsicher ist, insbesondere bei allen den Erkrankungen des 
Urogenitalapparates, wo der Verdacht auf Tuberkulose besteht, Anamnese und 
sonstiger Befund aber andersartige Krankheitsursachen wahrscheinlich machen. 
Kaehler (Duisburg-M.). 


22) Allard und Gross. Alkaptanurie und Ochronose. 
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XIX. Hit. 1.) 


Verff. hatten in einem Falle von Alkaptanurie (Ausscheidung von Homogentizin- 
oder Uroleucinsäure im Harn, die zur Schwarzfärbung desselben führt) mit bräun- 
licher Färbung der Finger- und Fußnägel und arthritischen Veränderungen schon 
am Lebenden die Diagnose gestellt, daß es sich um Ochronose handle, jene von 
Virchow beschriebene Erkrankung, bei der es zu einer tiefschwarzen Färbung 
der Gelenk-, Rippen- und Ohrknorpel kommt. Pat. kam später zur Sektion, 
die die gestellte Diagnose vollkommen bestätigte. Es ist demnach der von anderer 
Seite mehrfach bezweifelte Zusammenhang von Ochronose und Alkaptanurie sicher 
erwiesen; beide sind Erscheinungen ein und derselben Stoffwechselerkrankung;; 
die Ablagerung des Farbstoffes in den Gelenkknorpeln führte zu arthritischen Ver- 
änderungen, die daher als Arthritis alkaptanuricg zu bezeichnen sind. 

Haeckel (Stettin). 


23) Martini. Sur la production cornee du gland. 
(Ann. des malad. des org. gen.-urin. Bd. XXVII. Hft. 10.) 

Der 23jährige Kranke, der keinerlei Geschlechtskrankheiten durchgemacht 
hatte, bemerkte seit mehreren Jahren eine harte Schwellung an der Glans penis, 
die ihm beim geschlechtlichen Verkehr mit seiner Frau große Schmerzen bereitete. 
Die Untersuchung ergab, daß die Harnröhrenmündung zu zwei Dritteilen ihres 
Umfanges von einem 1!/3 cm hohen Hauthorn umgeben war, das eine ca. 2!1/, cm 
im Umfange betragende Implantationsbasis hatte. Namentlich rechts vom Meatus 
urinarius ragte ein richtiges Hauthorn empor. Am übrigen Gliede finden sich 
nirgends derartige Bildungen. Vollkommene Exstirpation der nur sehr wenig tief 
ins Gewebe der Glans eindringenden Neubildung. Verf. gibt eine eingehende 
histologische Beschreibung des exstirpierten Gebildes. 

Nach Villeneuve, der 71 Beobachtungen von Hauthörnern zusammengestellt 
hat, fanden sich 35 am Kopf, 12 am Rumpf, 12 am Schenkel, 8 an anderen Teilen 
der unteren Körperhälfte, 3 am Gliede und an der Glans, 1 am Handrücken. 

Paul Wagner (Leipzig). 


24) Terrier et Dujarier. Du priapisme prolongé. 
(Revue de chir. XXVII ann. Nr. 5.) 

Verf. beobachteten einen Fall von idiopathischem Priapismus bei einem 
öljährigen Tagelöhner; Leukämie und nervöse Störungen waren auszuschließen. 
Die Eichel und der Harnröhrenschwellkörper waren schlaff, die Corpora cavernosa 
penis, besonders das rechte, strotzend gefüllt, die Haut leicht gerötet und ödematös. 
Vorübergehend trat Harnverhaltung ein. Wegen der unerträglichen Schmerzen 
wurden die Schwellkörper des Gliedes in ihrem mittleren Drittel eingeschnitten ; 
es entleerte sich schwärzliches Blut von teerartiger Konsistenz ohne Gerinnsel; 
darin waren Kolibazillea nachzuweisen. Die rechte Wunde schloß sich erst nach 
Ausstoßung eines nekrotischen Schwellkörperstückes. Der Penis wurde sofort 
schlaff; normale Erektionen traten nach der Heilung einige Male, aber nur »an- 
deutungsweise« ein. i 

Unter 48 Fällen der Literatur wurde 20mal die idiopathische Form beobachtet. 
Die chirurgische Behandlung beschleunigt nicht nur die Heilung, sondern scheint 
auch ein besseres funktionelles Resultat zu geben. Die Albuginea muß der Blut- 
stillung wegen und zur Vermeidung von Verwachsungen mit der Haut besonders 
genäht werden. Gutzeit (Neidenburg). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr.’35. 1053 


25) P. Höresco. Etude sur les retrecissements cong£nitaux de l’ur&tre 


à propos de la maladie urinaire de J.-J. Rousseau. 
(Ann. des malad. des org. gen.-urin. Bd. XXVI. Hft. 9.) 

Die angeborenen Verengerungen der Harnröhre sind uns namentlich durch 
die Untersuchungen von English, Bazy und Foisy genauer bekannt geworden 
und haben an Interesse durch die Mitteilung von Poncet und Leriche ge- 
wonnen, die nachweisen, daß die Blasenstörungen von J.-J. Rousseau auf eine 
angeborene Harnröhrenverengerung zurückzuführen sind. 

Verf. teilt drei eigene Beobachtungen von angeborener Harnröhrenverengerung 
mit, die Kranke im Alter von 12, 19 und 5 Jahren betrafen, bei denen weder ein 
Trauma noch eine Infektion nachzuweisen war. Bei den beiden ersten Kranken 
saß die Verengerung im Dammabschnitt der Harnröhre, bei dem dritten Kranken 
im Niveau des Blasenhalses selbst. Bei dem ersten Kranken bestanden Symptome 
von Harninkontinenz sowohl nachts als am Tage; bei dem zweiten bestand Dysurie 
mit sehr häufigen Miktionen; bei dem dritten handelte es sich um Anfälle von 
Urinretention mit Dysurie und hypogastrischen Schmerzen. 

Ganz besonderes Interesse bot der Fall des 6jährigen Knaben, weil es sich um 
eine sicher nachgewiesene Klappe des Blasenhalses handelte, und weil dieser Fall 
nach Verf.s Ansicht große Ähnlichkeit mit der Erkrankung J.-J. Rousseau’s 
hatte. Im Gegensatz zu Poncet, der glaubt, daß Rousseau’s angeborene 
Harnröhrenverengerung in der Portio bulbomembranosa gesessen hat, nimmt 
Verf. mit Mercier an, daß der Sitz in der Portio prostatica, in nächster Nähe 
des Blasenhalses gewesen ist, und daß es sich auch hier wahrscheinlich um eine 
Klappenbildung gehandelt hat. 

Die drei Kranken des Verf.s wurden auf operativem Wege vollkommen geheilt. 

Paul Wagner (Leipzig). 


26) O. Roith. Ein Fall von ungewöhnlich großem Divertikelstein der 


Harnröhre. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 267.) 

Bei einem 36 Jahre alten Manne, der von seiten des Harnapparates keine 
früheren Erkrankungen zu berichten wußte, fand sich im serotalen Abschnitte der 
Harnröhre ein Divertikelstein von der Größe einer Billardkugel. Nach der Ana- 
mnese soll an dessen Stelle seit frühester Jugend eine Anschwellung bestanden haben, 
die sich mit dem allgemeinen Wachstum vergrößerte. Das Harnen war vollkommen 
ungestört, und der Katheterismus gelang leicht, es bestand also keine Stenose der 
Harnröhre. Auch hatte Pat. sechs Kinder gezeugt. Wie nun die unter Lokal- 
anästhesie ausgeführte Operation ergab, handelte es sich um ein Divertikel der 
Harnröhre, das durch eine 2 mm breite runde Öffnung mit letzterer in Verbindung 
stand, und. von einem glatten, in drei Fragmente geteilten, 125 g schweren runden 
Stein ausgefüllt war, an dem die Corpora cavernosa penis eine entsprechende Rinne 
hinterlassen hatten. Die Divertikelwand bestand aus Bindegewebe mit glatten 
Muskeln und elastischen Fasern und einem geschichteten, offenbar durch Metaplasie 
entstandenen Plattenepithel. Entzündliche Veränderungen fehlten. Der Stein 
erwies sich bei der chemischen Untersuchung als reiner Phosphatstein. 

Es war demnach wahrscheinlich, daß das Divertikel angeboren und der Stein 
in demselben autochthon entstanden war. Nach der Zusammenstellung von English 
sind bisher 32 Divertikelsteine in der Harnröhre, darunter zehn primäre, be- 
schrieben, so daß obige Beobachtung eine große Rarität darstellt. 

Reich (Tübingen). 


27) H. Lilienthal (New York). Suprapubic prostatectomie in two 
stages. 
(New York med. journ. 1908. Juni 13.) 
L. bat in einzelnen schweren, durch Blutungen, schlechten Allgemeinzustand 
usw. komplizierten Fällen der Prostatektomie 5—10 Tage vorher eine einfache 
Cystostomie vorausgeschickt. Die Vorteile dieses Verfahrens sind nach L.: 


1054 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 


1) Bessere Vermeidung von schweren Blutungen. 2) Herabsetzung des Choks. 
3) Sorgfältige Untersuchung des Blaseninnern, welche bei Blutungen cystoskopisch 
sehr schwierig sein kann. 4) Bessere Behandlungsmöglichkeit schwerer Oystitis 
und dadurch Ausführung der eigentlichen Prostatektomie mit geringerer Sepsis- 
gefahr. 5) Erholung der durch die Retention geschädigten Nieren. 6) Schutz vor 
Infektion des Cavum Retzii. 7) Geringere Gefahr der Eröffnung des Mastdarmes. 
Die Beschreibung der Operationsmethode bringt nichts wesentlich Neues. 
H. Buchholz (Boston). 


28) C. Lee Leedham-Green. Prolapse of the inverted bladder through 
the urethra. 
(Brit. med. journ. 1908. April 25.) 


Ein walnußgroßer Blasenvorfall aus der erweiterten Harnröhre bei einem 
18 Monate alten Mädchen, der beide Harnleitermündungen enthielt und verschie- 
denen Behandlungsmethoden trotzte, heilte nach Einspritzung von Paraffin am 
Blasenhals. Beobachtungsdauer seit der Einspritzung vier Monate. Es folgt eine 
Literaturübersicht über 22 Fälle und kurze Besprechung der Pathologie und The- 
rapie der Erkrankung. Weber (Dresden). 


29) S. Riddell. A case of uretero-trigonal anastomosis for ectopia 
vesicae. 
(Brit. med. journ. 1908. April 25.) 


Erfolgreicher Fall von Einpflanzung des Trigonums mit den Harnleitermün- 
dungen bei Ectopia vesicae in die Flexur bei einem 6jährigen Mädchen. R. rät, 
nicht vor dem 5. Lebensjahr zu operieren. Urinentleerung alle 3—4 Stunden. 

Weber (Dresden). 


30) A. A. Hagentorn. Zur Frage der Schußwunden der Harnblase. 
(Russ. Archiv f. Chirurgie 1907. [Russisch.)) 


Der einzige bisher geheilte Fall von intraperitonealer Schußverletzung der 
Blase, den H. finden konnte, gehört Finkelstein. Er selbst hat folgenden Fall 
operiert: 

Ein 21jähriger Fabrikarbeiter erhielt um 7 Uhr abends von vorn einen Re- 
volverschuß in den Bauch. Er klagte über ständigen Harndrang, Übelkeit und 
Schmerzen im Leibe. Vor 1!/,—2 Stunden habe er zuletzt uriniert. 

In der Mittellinie, dicht unter dem Nabel fand sich die geschwärzte Einschuß- 
öffnung, hinten rechts neben dem Steißbein der Ausschuß. Pat. brach einigemal, 
hatte Singultus. Der Oberbauch war eingezogen; der untere aufgetriebene Teil gab 
gedämpft-typanitischen Schall. Es wurde beginnende Peritonitis und Blasenver- 
letzung angenommen (kein Katheterismus!). 5 Stunden nach der Verletzung Ope- 
ration: im Bauch reichlich trüb-blutige urinöse Flüssigkeit. Eine Dünndarm- 
schlinge war doppelt durchschossen und wurde genäht. In der hinteren Wand 
der Blase, nicht weit vom Scheitel fand H. eine Schußwunde, die er in drei Etagen 
schloß. Die zweite Wunde wurde erst nach Ablösung der Blase von der vorderen 
Bauchwand extraperitoneal rechts in der Tiefe gefunden und doppelt vernäht. 
Spülung der Bauchhöhle und Naht. Am nächsten Tage Verweilkatheter, der am 
12. Tage entfernt wurde, nicht ohne Schwierigkeiten infolge von Inkrustationen. 
Die extraperitoneale Wunde wurde Ausgangspunkt eines Abszesses, nach dessen 
Tamponade alles heilte. V. E. Mertens (Kiel). 


31) B. M. Frohnstein. Zur Kasuistik der Fremdkörper in der Harn- 
blase. 
(Russki Wratsch 1908. Nr. 27.) 


F. fand in der Blase ein 8 cm langes abgerissenes Stück eines Nélatonkatheters. 
Das Interesse des Falles liegt darin, daß trotz 1!/yjährigen Verweilens in der Blase 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 1055 


der Fremdkörper nicht von Harnsalzen inkrustiert wurde und keine Cystitis ver- 
ursachte. F. sieht die Ursache dieser seltenen Erscheinung in der Asepsis des Ka- 
theters und in der Individualität des Harns des Pat. 

E. Gtickel (Wel. Bubny, Poltawa). 


32) F. Renaud und R. Driout. Observation de corps étranger de la 
vessie chez la femme. 
(Ann. des malad. des org. gen.-urin. Bd. XXVI. Hft. 9.) 


Es handelte sich um eine 35 jähr. Frau, die sich angeblich zur Temperaturmessung 
ein Medizinalthermometer in die Harnröhre eingeführt hatte. Sie sei dabei ein- 
geschlafen, und das Instrument sei in die Blase gerutscht. Häufige Miktionen, 
starke Dysurie, weder Eiter noch Blut im Urin. 5 Tage später suchte die Kranke 
ärztliche Hilfe nach. Die Untersuchung ergab, daß das Thermometer quer in der 
Blase lag, und daß seine beiden Enden sich tief in die Blasenschleimhaut einge- 
klemmt hatten. Anbringen einer Seidenfadenschlinge um das dickere Thermometer- 
ende. Einblasen von Luft in die Blase, vorsichtige Traktionen, bis das Thermo- 
meter in die Achse der Harnröhre zu liegen kam. Extraktion durch die erweiterte 
Harnröhre. Das Thermometer war 12 cm lang und hatte 11 mm im Durchmesser. 
Reaktionslose Heilung. Paul Wagner (Leipzig). 


33) RB. Cassanello. Contribution à l'étude anatomo- pathologique et 
clinique de l’adenome vésical. 
(Ann. des malad. des org. gen.-urin. Bd. XXVI. Hft. 9.) 

Genaue klinische und pathologisch-anatomische Beschreibung eines Falles von 
Blasenadenom bei einer 40jährigen Frau. Die Kranke wurde von Prof. Ceci 
(Pisa) mittels hohen Blasenschnittes operiert. Exstirpation der kurzgestielten 
voluminösen Geschwulst, die der Gegend der rechten Harnleitermündung aufsaß. 
Resektion der betreffenden Partie der Blasenschleimhaut; Naht usw. Während der 
Rekonvaleszenz entwickelte sich eine schwere fieberhafte Pyelonephritis der rechten 
Seite. Freilegung der sehr schmerzhaften, stark vergrößerten Niere, deren Rinden- 
und Marksubstanz sich ganz gleichmäßig von kleinen miliaren Abszessen durch- 
setzt zeigte. Exstirpation der Niere und des größten Teiles des Harnleiters. Voll- 
kommene Heilung. Verf. gibt eine genaue pathalogisch-anatomische und histo- 
logische Beschreibung des exstirpierten Blasenadenoms, an dem er drei Zonen 
unterscheidet: eine periphere Zone, die die ganze Neubildung umgibt und zum 
größten Teile aus papillären Bildungen besteht; eine zentrale Zone, die das Ge- 
rüst bildet und aus weichem, lakunärem, vaskularisiertem Gewebe besteht, und 
endlich die Stielzone, die aus gewöhnlichem lockeren Bindegewebe besteht und 
zahlreiche Gefäße enthält. Die klinische Diagnose eines Blasenadenoms ist auch 
mit dem Cystoskop unmöglich, da das Adenom makroskopisch keine besonderen 
Merkmale aufweist, die es von anderen Geschwülsten der Blasenschleimhaut sicher 
unterscheidet. Prognostisch ist das Blasenadenom eine gutartige Geschwulst; die 
Prognose wird außer der Möglichkeit einer bösartigen Degeneration getrübt durch 
die häufigen schweren Blutungen, die das Leben der Kranken bedrohen, und durch 
infektiöse Blasen- und Nierenentzündungen. Die Exstirpation der Geschwulst 
samt ihrer Einpflanzungsstelle kann in vollkommen sicherer Weise und von einem 
hohen Blasenschnitt aus geschehen. Paul Wagner (Leipzig). 


34) A, Olsen. Et tilfaelde av ureter-ruptur. 
(Tidsskrift for den norske Laegefor. 1908. Nr. 11.) 

Fall von Spontanzerreißung des linken Harnleiters bei einem 77jährigen 
Manne, hervorgerufen durch einen durchschlüpfenden Harnleiterstein. Urinreten- 
tion. Weiche Geschwulst links unterhalb des Nabels, die anfangs für ein Blut- 
extravasat gehalten wurde. Mit dem Katheter werden zweimal täglich 300—400 ccm 
Harn entleert. Puls beschleunigt, klein, Temperatur unter 37,5°. Das allmähliche 
Anwachsen der Geschwulst und eine Probepunktion leitete auf die Diagnose Urin- 


1056 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 


infiltration des Beckenbindegewebes. Hautschnitt links neben dem After. Stumpfe 
Eröffnung des linken Cavum ischio-rectale. Drainage. Reichlicher Abfluß einer 
nach Harn riechenden Flüssigkeit. Verkleinerung der Schwellung und allmähliche 
Ausheilung, trotzdem Pat. nicht bewegt werden konnte, im Bette zu bleiben. 
Revenstorf (Hamburg). 


35) M. A. Wassiljew. Zur Heilung der Verletzungen und Fisteln 
der Harnleiter. 
(Russ. Archiv f. Chirurgie 1907. [Russisch.]) 

1) Eine 26jährige Pat. bekam nach der Entbindung eine Harnleiterfistel, die 
links oben im Scheidengewölbe mündete. W. heilte die Kranke folgendermaßen: 
nach Umschneidung der Fistel wurde der zentrale Harnleiterteil 2 cm weit 
samt möglichst viel umgebendem Gewebe freigelegt. Nach Einführung eines Ka- 
theters wurde die Blase vom Uterus abgelöst und nahe der Fistel geöffnet. In 
diese Öffnung wurde der Harnleiter hineingezogen mittels eines Fadens, der durch 
Blase und Harnröhre nach außen geleitet wurde. Darauf wurde der Harnleiter rings 
an die Blase genäht und die Wunde in der Scheide geschlossen. Der Leitfaden 
stieß sich nach 3 Tagen ab. ca 3 Wochen lang zeigte sich noch etwas Urin in der 
Scheide. Ein Jahr darauf war Pat. völlig gesund. — 

W. berichtet noch folgendes: 

2) Gelegentlich einer abdominellen Totalexstirpation durchschnitt er den linken 
Harnleiter nicht weit von der Blase. Da das renale Ende unauffindbar war, wur- 
den in die Gegend, wo es mutmaßlich sein mußte, mehrere Ligaturen gelegt und 
tamponiert. 6 Jahre später war Pat. völlig gesund, ohne jemals die geringsten Er- 
scheinungen von Hydronephrose gehabt zu haben. V. E. Mertens (Kiel). 


36) C. A. Ball. The diagnosis of impacted calculus in the ureter. 
(Brit. med. journ. 1908. April 27.) 

B. berichtet über einen Fall von irrtümlicher Annahme eines Steines im Harn- 
leiter auf Grund einer Urinfistel nach Nephrektomie und mehrfachen röntgenogra- 
phischen Nachweises eines ovalen Schattens in der Linie eines in den Harnleiter 
geschobenen Bougies. Die Operation ergab keinen Stein im Harnleiter, klärte 
auch über den Schatten, der nach der Operation am gleichen Orte geblieben war, 
nicht auf. Weber (Dresden). 


37) Ventura. Uronefrosi ed idrope degli ureteri da fimosi. 
(Morgagni 1908. Nr. 27.) 

Bei einem an Meningitis gestorbenen Kinde fand sich als zufälliger Nebenbefund 
eine doppelseitige Hydronephrose, eine hochgradige Erweiterung beider Harn- 
leiter, eine gedehnte Blase und eine erweiterte Harnröhre. Dabei bestand eine 
Phimose, und die innere Vorhautöffnung lag dem Orificium externum urethrae 
nicht gegenüber. Während des Lebens hatten keine Symptome von seiten der 
Harnröhre vorgelegen. Dreyer (Köln). 


38) Boari. Esiti remoti delle uretero-cisto-neostomie eseguite in Italia 
con il metodo dell’ autore (bottone anastomotico). 
(Morgagni Parte II. Nr. 27.) 

Verf. konnte 12 Harnleiterblasenanastomosen mit Knopfverbindung sammeln, 
darunter 8 in Italien. Von schweren Traumen und Karzinom abgesehen, bei denen 
die Grundkrankheit zum Tode führte, wurden die Fisteln stets mit dauerndem Er- 
folg operiert (5 bis 10 Jahre alte Fälle). In keinem Falle kam es zu einer Nekrose 
des Harnleiterendes. Die Extraktion des Knopfes von der Harnröhre aus, ging 
stets leicht und ohne Narkose vonstatten. Niemals kam es zu einer späteren 
Striktur. Die Vereinigung erfolgte stets primär. Die schnelle und leichte Aus- 
führbarkeit der Methode wird betont. Cystoskopisch zeigte die Harnleitermündung 
keine Gefäße. Dreyer (Köln). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 1057 


39) Delbet. Abouchement des uretères dans le rectum. 
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXIII. p. 721.) 

Im Anschluß an eine Mitteilung von Auvray gibt D. einen Bericht über 
zwei Fälle, wo beide Harnleiter (aus hier weniger interessierenden Indikationen) 
in den Darmkanal eingepflanzt wurden. Im ersten Falle wurde ein befriedigender 
Erfolg erzielt, im zweiten weniger: der Dickdarm hatte sich nicht an die Aufnahme 
des Urins gewöhnt, Pat. mußte tags 20mal, nachts 10mal den Mastdarm entleeren; 
im ersten Falle war das nur 3mal erforderlich. Als Ort der Wahl für die Ein- 
pflanzung gilt die Stelle des Kolon auf der Höhe oder dicht über dem Promon- 
torium. Der Harnleiter wird unter dem etwas abgelösten Bauchfell nach der 
Flexur hingeleitet und diese durch einen möglichst kleinen Schnitt eröffnet. Mit 
Hilfe einer Harnleitersonde, über die man den Harnleiter stülpt, und die ein 
Assistent in der Ampulle abfängt und aus dem After leitet, wird der Harnleiter 
in die seitliche Darmöffnung geführt. Naht in zwei Schichten: die erste Darm- 
schleimhaut und alle Harnleiterschichten, die zweite von beiden nur die äußeren 
Schichten fassend. Nunmehr Naht des Bauchfells, so daß also der Harnleiter voll- 
ständig retroperitoneal liegt. Kaehler (Duisburg-M.). 


40) A. Carrel (New York). Acute:calcification of the arteries in a cat 


with transplanted kidneys. 
(Proceedings of the New York pathol. society Vol. VII. Nr. 5—8.) 

C. exstirpierte einer 1 Jahr alten Katze beide Nieren und setzte ihr die Nieren 
einer 2jährigen Katze ein. Beide Tiere erwiesen sich bei der Operation als völlig 
gesund. Das Versuchstier ging am 36. Tage nach der Operation ein. Bei der 
Sektion fanden sich ausgedehnte Kalkeinlagerungen in der Adventitia der Arterien 
des großen Kreislaufes, besonders in der Aorta, die in ein starres Rohr verwandelt 
war. Im übrigen fanden sich normale Verhältnisse. Die eingepflanzten Nieren 
zeigten normale Größe, Farbe und Konsistenz. (Vorläufige Mitteilung.) 

Erhard Schmidt (Frankfurt a. M.). 


41) Nov6-Josserand et Ballivet. Deux cas d’&epanchements urineux 


traumatiques de la region renale. (Pseudo-hydron&phrose traumatique.) 
(Arch. göner. de Chirurgie 1%8. Nr. 6.) 

Verff. berichten über zwei Fälle traumatischer Pseudohydronephrose, die bei 
Kindern im Anschluß an ein vor einigen Wochen erlittenes Trauma allmählich in 
Erscheinung getreten war. In beiden Fällen war das Trauma nicht allzu heftig 
(Sturz vom Wagen und Fall auf eine Steintreppe).. Nur in dem einen Falle kam 
es zu Dysurie und vorübergehender Hämaturie, während in dem anderen Falle zu- 
nächst alle Symptome fehlten. Als wichtigste klinische Erscheinung trat in beiden 
Fällen eine Geschwulst der seitlichen Bauchgegend auf, die ziemlich rasch an Um- 
fang zunahm und die Operation nötig machte. In dem ersten Falle wurde die 
perineale cystische Geschwulst durch das Peritoneum hindurch eröffnet und urin- 
artiger Inhalt entleert. Es erfolgte Heilung, indem sich die geschaffene Urinfistel 
allmählich schloß. Die mikroskopische Untersuchung der Sackwand ließ keine 
charakteristischen Bestandteile des Nieren- oder Harnleitergewebes erkennen. 

Im zweiten Falle fand sich neben der Pseudohydronephrose noch eine wirk- 
liche Erweiterung des Nierenbeckens. Die geschaffene Fistel entleerte keinen Urin; 
es kam zur septischen Infektion, der Pat. nach 6 Wochen erlag. Die Autopsie 
ergab eine durch eine myxomatöse Geschwulst bedingte Stenose des Harnleiters, 
die zu einer faustgroßen Hydronephrose geführt hatte, neben der noch das peri- 
renale Gewebe cystisch erweitert war. 

Im Anschluß an die beiden ausführlich geschilderten Fälle erörterten Verff. 
unter Berücksichtigung der bisher noch spärlichen Literatur die Symptome der 
Erkrankung (Häufigkeit bei Kindern, lebhafter Schmerz im Augenblick der Ge- 
walteinwirkung, mäßige Hümaturie, rasch wachsende Geschwulst mit urinartigem 
alkalischen Inhalt, die Pathogenese ‘'Berstung eines gesunden oder schon vorher 


1058 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 


hydronephrotisch veränderten Organs), endlich die Therapie. Einfache perirenale 
Urinergüsse können spontan oder nach einfacher Punktion oder Inzision heilen. In 
den seltenen Fällen, in denen Niere oder Harnleiter pathologisch verändert sind, 
muß diese pathologische Veränderung (Hydronephrose oder Stenose) beseitigt 
werden. Strauss (Nürnberg). 


42) C. A. Griffths. Remarks on traumatic rupture of the kidney. 
(Brit. med. journ. 1908. April 25.) 

Bericht über zwei Fälle von Nierenzerreißung, die durch Naht mit Erhaltung der 
Niere geheilt wurden. Im ersten wurde wegen zunehmender Schwäche und steigen- 
der Temperatur die Niere freigelegt und ein Riß genäht, der von der Oberfläche bis 
ins Becken hineinreichte. Im zweiten Falle trennte ein großer Querriß das untere 
Drittel der Niere fast völlig ab. Ein zweiter Riß verlief vertikal, aber keiner 
drang ins Becken ein. Die Nähte hielten nur teilweise in dem brüchigen Gewebe. 
Der Operateur nahm daher die Fettkapsel zu Hilfe und nähte die Niere wie in 
einen Sack ein. Auch hier glatte Heilung. Weber (Dresden). 


43) G. Barling. A clinical lecture on the diagnosis and treatment of 


renal mobility. 
(Brit. med. journ. 1908. April 25.) 

Bei Operationen bietet sich oft Gelegenheit, sich davon zu überzeugen, daß 
beide Nieren auch in normalem Anheftungszustande um etwa 21/2 cm nach unten 
verschiebbar sind. Die klinisch bewegliche Niere ist also nur als Steigerung der 
normalen Beweglichkeit aufzufassen. Die bei Wanderniere so häufigen allgemeinen 
nervösen Erscheinungen können sehr wohl eine unmittelbare Folge der Nieren- 
beweglichkeit sein. An der Hand einer Präparatzeichnung setzt B. auseinander, 
wie nach seiner Auffassung eine nach abwärts sinkende Niere unter Zurücklassung 
der mit dem Ganglion semilunare verbundenen Nebennierenkapsel am ursprüng- 
lichen Orte an diesem Ganglion und den in ihm mündenden Splanchnicusfasern 
zerrt und so auf Hirn und Rückenmark unaufhörliche Reize überträgt, die schließlich 
zur Neurasthenie führen können. 

Zur Beurteilung seiner Heilungsergebnisse durch Operation teilt B. seine über 
100 Fälle in drei Gruppen. Bei der ersten Gruppe, die sich durch Schmerzen, 
Unbehagen, Ziehen, Koliken, kurz durch lokale Erscheinungen auszeichnete, erzielte 
er fast überall völlige Heilung; bei der zweiten Gruppe (örtliche Erscheinungen 
mit Kopfschmerzen, Erschöpfung und Schlaflosigkeit) heilte er die Mehrheit an- 
nähernd ganz durch Operation; bei der dritten Gruppe, die aus Kranken besteht 
mit seelischen Störungen, ist der Erfolg im ganzen unbefriedigend; immerhin teilt 
Verf. einige bemerkenswerte Fälle mit von völliger Heilung nach Annähung der 
Niere. Er operiert mit Vorliebe nach der von Jordan Lloyd angegebenen Me- 
thode und fixiert die Niere hoch oben unter dem Rippenbogen und dicht am 
Quadratus lumborum. Wenn beide Nieren beweglich sind und für die Beschwerden 
verantwortlich gemacht werden können, so näht B. beide in einer Sitzung fest. 
Unter mehr als 100 Fällen hatte er nur einen Todesfall, und zwar an nicht er- 
kannter chronischer Nephritie. Weber (Dresden). 


44) A. W. Wischnewski. Anomalien der Nierengefäße bei angeborener 


Dystopie der Niere. 
(Russ. Archiv f. Chirurgie 1907. [Russisch.)) 

W. fand an einer Leiche die rechte Niere auf der Darmbeinschaufel, die Crista 
nur wenig überragend. Von den 5 Arterien entsprangen 2 aus der Aorta, 3 aus 
der rechten Hypogastrica. Die Zahl der Venenstämme war drei. Die Nebenniere 
lag entfernt in Höhe des 12. Brustwirbels. — 

W. benutzt die Gelegenheit, um auf die chirurgisch nicht unwesentliche Eigen- 
tümlichkeit hinzuweisen, daß angeborener Tiefstand einer Niere anscheinend stets 
mit Vermehrung der Gefäße einhergeht. Die Fünfzahl der Arterien ist schon 
wiederholt beobachtet worden. V. E. Mertens (Kiel). 


© Googe o 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 1059 


45) Kapsammer (Wien). Über Abfluß des gesamten Harnes der ge- 


sunden Niere durch die Nephrotomiefistel der erkrankten. 
(Zeitschrift für Urologie Bd. H. Hft. 2.) 

Abfließen von Harn aus dem Drainagekanal nach Nephrektomie infolge In- 
suffizenz des Harnleiterverschlusses ist des öfteren beobachtet worden. Die in der 
Überschrift dieses Aufsates zu lesende Anomalie stellt dagegen ein Unikum dar. 
Bei einem, 9jährigen Knaben, der an Mixtionsstörungen durch Membranen, Blasen 
und Gerinnsel im Urin litt, war vergeblich die Sectio alta und Reinigung der 
Blase ausgeführt worden. Da sich eine linksseitige Nierengeschwulst entwickelte, 
wurde zunächst linkerseits eine Nephrotomiefistel angelegt, aus der sich zuweilen 
tagelang der gesamte Urin entleerte. Pat. brauchte nicht durch dis Harnröhre zu 
urinieren. Zeichen von Harnverhaltung fehlten. Die Untersuchung der später 
entfernten linken Niere zeigte, daß sie aus einem schlaffen, häutigen Hydrone- 
phrosensack bestand, der unmöglich das aus der Fistel rinnende vollwertige Harn- 
exkret geliefert haben konnte. Der zu einer weiten, starren Röhre umgewandelte 
klaffende linke Harnleiter erklärt die Möglichkeit des abnormen retrograden Urin- 
abflusses. Kroemer (Berlin). 


46) Gardini. Radiografia e radioscopia per la diagnosi di calcoli 
renale. 
(Morgagni Parte II. Nr. 27.) 

Zuweilen gelingt es schon bei der Radioskopie Steine nachzuweisen. Zum 
genaueren Studium von Lage, Form und Größe der Nierensteine ist indes eine 
Plattenaufnahme notwendig. Unter 86 photographierten Fällen wurden 20mal 
Steine gefunden, 4mal blieb die Diagnose ungewiß. Von den 16 zur Operation 
gekommenen Fällen wurden bei dem Eingriff die Steine 14mal entfernt. Einmal 
fand der Operateur die Steine nicht, und die Beschwerden blieben nach der Opera- 
tion. Einmal hielt ein Karzinom von weiterem Suchen nach Steinen ab. Drei Fälle 
illustrieren die Wichtigkeit der Röntgenuntersuchung besonders (zufälliger Stein- 
befund bei einem als Neurastheniker geltenden Mann, 2mal doppelseitige Steine 
bei einseitigen Schmerzen). Dreyer (Köln). 


AT) Nicolich. Sur deux cas de n&phrolithiase aseptique. 
(Ann. des malad. des org. génito-urin. T. XXVI. Nr. 10.) i 
Bis Februar 1908 hat Verf. 21 Kranke mit aseptischer Nephrolithiasis mittels 

Nephrolithotomie behandelt: bei 19 Operierten trat Heilung per pr. intent. ein; 
zwei Operierte sind gestorben, der eine an den Folgen der Operation, der andere 
10 Tage nach dem Eingriff an einer fibrinösen Pneumonie. In dem ersten Falle 
han delte es sich um eine Niere, die von einem anderen Chirurgen bereits enthülst 
und fixiert worden war. Obgleich deutliche Steinsymptome vorlagen und auch 
durch eine Röntgenuntersuchung ein Konkrement sichergestellt war, hatte es der 
betreffende Operateur wunderbarerweise nicht für nötig gehalten, die Nephrotomie 
zu machen. Die Operation an der enthülsten, fixierten Niere war außerordentlich 
schwierig, das Bauchfell und wahrscheinlich auch die Pleura wurden verletzt; 
schwere Blutung. Entfernung eines größeren Konkrementes aus dem Nierenbecken. 
Am 4. Tage kam es zu peritonitischen Erscheinungen, denen die 54jährige Kranke 
rasch erlag. 
j Verf. schließt, daß man sich in Fällen, wo die klassischen Symptome der 

Nephrolithiasis vorliegen, nicht auf die Tastung der freigelegten Niere und nicht 
auf den röntgenographischen Befund, die die Gegenwart eines Steines anscheinend 
ausschließen, verlassen, sondern daß man auf jeden Fall die Niere spalten und 
einen retrograden Katheterismus bis zur Blase vornehmen soll. 

= Paul Wagner (Leipzig). 


48) Badin. Valeur de la pyelotomie dans la nephrolithiase. 

(Thèse de Lyon 1908. — Ann. des malad. des org. genito-urin. T. XXVL Nr. 10.) 
Verf. gibt zunächst eine eingehende Beschreibung der Technik der Pyelolitho- 

tomie, und teilt dann 10 Operationen dieser Art mit, die der Praxis von Rafin 


1060 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 


und von v. Frisch (Wien) entstammen. Bei neun Kranken trat vollkommene 
Heilung ein; in einem Falle mußte einige Stunden nach der Pyelotomie die 
Nephrektomie vorgenommen werden, da es zu einer schweren inneren Blutung im 
Bereiche des Nierenstieles gekommen war. Auch in diesem Falle trat dann Hei- 
lung ein. 

"Nach Verf.s Ansicht soll man in allen Fällen, in denen mittels Röntgenographie 
frühzeitig genug Nierenbeckensteine diagnostiziert worden sind, die einfache und 
wenig eingreifende Pyelotomie machen, die bei richtiger Ausführung keine Fistel 
zurückläßt. 

Die Nephrotomie ist indiziert in den Fällen, wo bereits Infektion vorliegt und 
die Niere breit drainiert werden muß, bei sehr großen und bei sehr zahlreichen 
Steinen, und bei Steinen, die nicht im Nierenbecken liegen. 

Paul Wagner (Leipzig). 


49) Hagen-Torn. Zur Frage der Nierentumoren und retroperitinealen 
Geschwülste. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXV. Hft. 4.) 


H. publiziert einen Fall, bei dem sich bei der Operation eine Geschwulst 
fand, die aus zwei Teilen bestand. Der eine Teil umfaßte die Nebenniere, der 
andere war fest mit der Niere verbunden, und in der Niere selbst fanden sich 
Inseln von demselben Gewebe wie in der Geschwulst. Wahrscheinlich handelte 
es sich sowohl in der Niere wie im Retroperitonealgewebe um zurückgebliebene 
Keime der Embryonalniere. E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


50) Bazy. Hydronéphrose intermittente par malformation du bassinet. 
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXIII. p. 559, 565.) 

Bei der 36jährigen Pat. lagen die ersten kolikartigen Anfälle mit längerer 
Anurie 5 Jahre zurück. Bei der Operation fand sich der Abgang des Harnleiters 
im obersten Winkel eines hoch nach oben gezogenen, stark erweiterten und ver- 
dickten Nierenbeckens. Nephrektomie. Unter Berufung auf Duval und Gregoire 
leugnet B. die Entstehung einer Hydronephrose durch Wanderniere, während 
Delbet gerade den berichteten Fall als Beweismaterial dafür verwenden will: 
die Einmündungsstelle des Harnleiters war durch irgendeine Ursache fixiert, die 
Niere war oder wurde beweglich; so kam die Knickung, die Hydronephrose, zu- 
stande. Kaehler (Duisburg-M.). 


51) Brewer. An analysis of 140 operations on the kidney and ureters. 
(Amer. journ. of the med. sciences 1908. Mai.) 

B. gibt eine ausführliche Analyse seiner 140 Nieren- und Harnleiteroperationen. 
Dieselben verteilen sich auf 48 Nephrektomien mit 2, 48 Nephrotomien und Probe- 
operationen mit 9, 13 Enthülsungen mit 2, 9 Verletzungen mit 1, 15 Nephror- 
rhaphien und 9 Operationen am Harnleiter mit 0 Todesfällen. 

Hinsichtlich der Enthülsung bei chronischer Nephritis hat B. nur zwei Erfolge 
zu verzeichnen; hingegen spricht er sich günstig über die Entkapselung aus bei 
akuten Fällen, speziell in Fällen subakuter septischer Infarkte. — Einen breiten 
Raum widmet er der Besprechung der akuten, einseitigen, hämatogenen Infektion. 
Zum Zustandekommen derselben sind zwei Faktoren nötig: 1) ein septischer Herd 
irgendwo im Körper, der virulente Bakterien an das Blut abgibt; 2) eine ver- 
minderte Widerstandsfähigkeit einer Niere, bedingt durch Trauma, Steine, einen 
verlegten Harnleiter oder einen früheren septischen Prozeß. — Die Erkrankung ist 
daher nicht selten die Folge einer Pneumonie, Tonsillitis, akuter Exantheme, 
Typhus, Furunkel. (In einer Anzahl Fälle gelang es dem Verf., die Erkrankung 
an Tieren experimentell herbeizuführen.) 

Die Symptome sind die allgemeiner schwerer Infektion, Druckempfindlichkeit 
der Nierengegend. Druckempfindlichkeit und Muskelspannung der Gallenblasen- 
und Blinddarmgegend können leicht zu Verwechslungen führen. Nur genaueste 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 1061 


Untersuchung des separierten Urins kann Aufschluß geben. Bei der Operation 
findet man entweder die Niere mit miliaren Abszessen durchsetzt, oder nur einige 
solitäre, kleine Herde. 

Bezüglich der Steindiagnose gibt Verf. zu, auf keinem Gebiete der chirurgi- 
schen Diagnostik so vielen Irrtümern verfallen zu sein als gerade hier. Die Rönt- 
genologie hat ihn recht oft im Stiche gelassen bzw. Trugschlüsse zur Folge gehabt. 
In einem Falle dokumentierte sich der vermeintliche Harnleiterstein als verkalkte 
Appendix epiploica. (Der Indigkarminuntersuchung ist nirgends Erwähnung getan.) 

Levy (Wiesbaden). 


52) J. B. Shober. Nephro-ureterectomy for tuberculosis. 
(Therapeutic gazette 1908. Juni 15.) 

Verf. hat bei einer 33jährigen, hereditär schwer belasteten Kranken die tuber- 
kulöse rechte Niere mitsamt dem ganzen Harnleiter durch eine von E. Reynolds 
angegebene vordere Inzision entfernt. Der ganze Eingriff konnte retroperitoneal 
vorgenommen werden. 7 Wochen später entfernte Verf. bei der Kranken mittels 
Laparotomie die fibromatöse Gebärmutter, beide cystisch entartete Eierstöcke und 
Tuben, sowie den verdickten Wurmfortsatz. Weder makroskopisch noch mikro- 
skopisch konnte in diesen Organen Tuberkulose nachgewiesen werden. Vollkom- 
mene Heilung; rasche Gewichtszunahme. Paul Wagner (Leipzig). 


53) A. H. G. Doran. Cystic tumour of the suprarenal body success- 


fully removed by operation, with notes on cases previously published. 
(Brit. med. journ. 1908. Juni 27.) . 

Im Anschluß an einen eigenen, mit Glück transperitoneal ausgeschälten Fall 
von cystischer Entartung der Nebenniere bespricht Verf. Geschichte, Pathologie 
und Therapie dieser seltenen Geschwulstform, von der er 14 in der Literatur aufge- 
fundene Fälle beschreibt. Die Arbeit faßt alles Wissenswerte über die Krankheits- 
form zusammen. Literaturangabe. Weber (Dresden). 


54) Horsley. Perinephritic abscess following parturition. 
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. Nr. 10.) 

Innerbalb von 2 Jahren operierte Verf. drei Fälle von eitriger Perinephritis, 
entstanden im Anschluß an eine Entbindung. In einem Falle war der perine- 
phritische Prozeß 4—5 Tage, im anderen Falle 4—5 Wochen, im dritten Falle 
6 Wochen nach der Entbindung in Erscheinung getreten. In einem der Fälle war 
leichte puerperale Infektion vom Hausarzt notiert worden, die anderen zwei Fälle 
waren normal verlaufen. Die vaginale Untersuchung bei der Aufnahme in des 
Verf.s Behandlung ergab ganz normale Verhältnisse. 

Heilung der drei Pat. durch Entleerung des Eiters mittels lumbalen Schnittes. 

W. v. Brunn (Rostock). 


.55) Samurawkin (St. Petersburg). Ein seltener Fall von Nebenhoden- 
echinokokkus. 
(Zeitschrift für Urologie Bd. II. Hft. 2.) 

Verf. gibt zunächst eine Übersicht über die spärlichen Literaturangaben über 
Echinokokkenaussaat im männlichen Genitalsystem. Unter 2337 Fällen von multipler 
Echinokokkenbildung fanden sich nur zehn mit dieser Lokalisation der Parasiten, 
meist im Hoden, bzw. in der Prostata oder in den Samenbläschen. Im Neben- 
hoden saß der von Cooper (Davaine) beschriebene Echinokokkus. Dazu kommt 
vorliegende Beobachtung, die von v. Fedoroff an einem 27jährigen, kräftigen 
Bauer gemacht wurde. Pat. hatte sich wegen Anschwellung des linken Hodens 
an das Bezirkskrankenhaus gewandt, wo die Geschwulst durch Punktion entleert 
wurde. Danach entstand eine zunächst serös, später eitrig sezernierende Fistel. 
Im exstirpierten Präparat nahm der vereiterte Echinokokkus den um das Dreifache 


1062 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 


vergrößerten Nebenhoden ein. Letzterer zeigt im übrigen fibröse, schwielige Ent- 
artung, so daß die Annahme des Verf.s berechtigt erscheint, daß der Parasit schon 
längere Zeit bestanden habe. — Pat. wurde geheilt entlassen. 

Kroemer (Berlin). 





In Nr. 21 des Zentralblaties für Chirurgie empfiehlt Cardenal in einer Ors- 
ginalmiteilung den » Dauerkatheterssmus der Ureteren in der chirurgischen Behand- 
lung verschiedener Blasenleiden und der Prostatahypertrophie< und vertritt dabei 
die Ansicht, daß noch nicht versucht ses, in beide Harnlesiter Dauer- 
katheter einzulegen. Diese Annahme kann sch nicht unwidersprochen lassen, 
denn Cardenal hätte seine bibliographische Umschau nur auf den Jahrgang 1907 
des von ihm für seine Publikation gewählten Zentralblattes für Chirurgie auszudehnen 
brauchen und in dem Bericht über die Verhandlungen der deutschen 
Gesellschaft für Chirurgie, 36. Kongreß, abgehalten vom 3.—6. April 
1907 gefunden, daß ich dort auf p. 83—86 in einem Autoreferat ebenso wie in extenso 
im Archiv für klinische Chirurgie Bd. LXXXV in einem »Modifika- 
tionen der Sectio alta« betitellen Vortrag ın der gleichen Weise empfohlen habe, 
die Blase nach Sectio alla für einige Tage vollständig trocken zu legen »durch 
beidersestiges Einlegen eines Ureteren-Dauerkatheilers«, welche durch 
die Urethra nach außen geleitet werden. An der gleichen Stelle rate ich ebenso wie 
Cardenal »in die Ureteren-Dauerkatheter, solange sie liegen, täglich 
1—2mal einige Kubikzentimeter einer IP/onigen Höllensteinlösung 
einlaufen zu lassen«. Wullstein. 





LXXX. Versammlung deutscher Naturforscher 


und Ärzte 
in Köln a. Rh. vom 20. bis 26. September 1908. 
Abteilung: Chirurgie. 
(Gemeinschaftliche Sitzung mü anderen Abteilungen.) 
Angemeldete Vorträge: 
1. Schridde (Freiburg) und Türk (Wien). Über Regeneration des Blutes 
unter normalen und krankhaften Verhältnissen. 
2. Orth (Berlin). Über experimentelle enterogene Tuberkulose. 
3. Bartel und Neumann (Wien). Über Immunisierungsversuche gegen 
Tuberkulose. 
4. Wolf-Eisner (Berlin). Uber die Konjunktivalreaktion. 
5. Hamburger (Wien). Kutan- und Stichreaktion mi Tuberkulin; für 
Carl v. Pirquet. 
6. Uber Röntgentherapie: Referenten: Krause (Jena), Kienböck (Wien), 
Gocht (Halle). 
7. Lauenstein (Hamburg). Zur Frage der Contusio abdominis gravis und 
der Indikationsstellung zur Operation. 
8. Riedel (Jena). Über quere Resektion des Magens. 
9. Clairmont (Wien). Zur Lokalisation des Ulcus ventriculi in ihrer Be- 
deutung fir das operative Fernresultat. 
10. Wilms (Basel). Technik der temporären Kolostomie. 
11. Kausch (Schöneberg). Über zweizeitige Operationen. 
12. Bunge (Bonn). Zur Frage des Wringverschlusses des Darmes. 
13. Kuhn (Kassel). a) Gastroenterostomie und Enteroanastomose mittels Gummi. 
b) Behandlung des Ascites mit Dauerdrainage (Interne einladen !). 
14. A. v. Lichtenberg (Straßburg). Verhalten der Lungen und des Herzens 
nach abdominellen Eingriffen. 
15. Morian (Essen). Über das Karzinom der Papilla Vateri. 
16. Loening und Alex Stieda (Halle). Weitere Beiträge zur Gastroskopie. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 1063 


17. Kudlek (Köln). Lennander’s Theorie über die Schmerzempfindung 
innerer Organe und die Nutzanwendung für die Diagnostik. 
18. Vorschütz (Köln). Zuführung von Alkalien in der chirurgischen Therapie. 
19. Sonnenburg (Berlin). Über Periyphlitis. | 
20. Krabbel (Aachen). Wann soll Appendicitis operiert werden? 
21. Clairmont und H. v. Haberer (Wien). Zur operativen Behandlung des 
Gallensteinleidens, Choleeystostomie oder Cholecystektomie ? 
22. Schulz (Barmen). Beiträge zur Gallensteinchirurgie. Zur Diskussion. 
23. Kuhn (Kassel). a) Außere Gallenblasen-Dünndarmanastomose (bei Chole- 
dochusverschluß, bes Hepatticusdrainage). 
b) Spülungen durch die Gallenwege. 
24. Heyde (Marburg). Die Bedeutung anaerober Bakterien für die Perstonttis 
appendicitischer Entstehung. 
25. Quleke (Straßburg). Zur Frage der Behandlung diffuser Peritonttiden. 
26. Dreesmann (Köln). Diagnose und Behandlung der akuten Pankreatitis. 
27. P. Clairmont (Wien) Die Schemeinklemmung von Brüchen. 
28. Krönlein (Zürich). Prognose und Technik der Nierenexstirpation bei 
Nierenneoplasmen. 
29. Reerink (Freiburg). Über die Wirkung der Cavaunterbindung auf die 
Nieren (experimentelle Untersuchungen). 
30. Graff (Bonn). Über Massenblutungen aus anatomisch wenig veränderten 
Nieren. 
31. Garre (Bonn). Thema vorbehalten. 
32. Freiherr v. Eiselsberg (Wien). Über Tetanus. 
33. Capelle (Bonn). Über Dauerresultate nach Gefäß- und Organtransplan- 
tationen. 
34. Sauerbruch (Marburg). Über Parabiose. 
35. Carl Beck (Neuyork). Hypospadiebehandlung nebst anderen plastischen 
Methoden, welche sich bei der Harnröhre anwenden lassen. 
36. Kausch (Schöneberg). Ein Instrument zur Lumbalpunktion (Druckmesser 
und Injektion). 
37. Kuhn (Kassel). a) Stericatgut. 
b) Tetanus als Testobjekt bei der Calgutsterslisation. 
c) Resorbierbarer Stlberdraht. 
38. Lossen (Köln). Über Bier'sche Stauung und Saugbehandlung. 
39. Feinen (Köln). Über Mastitis. 
40. Zeller (Berlin). Über einige Versuche zur Wiederbelebung von durch 
Verblutung oder Einatmen von Ghften getöteten Tieren. 
41. Fritz Cahen (Köln). Über die Behandlung der Kastration in der Behand- 
lung der Mammakarzinome. 
42. Aenstoots (Köln). Zur Radikaloperation bei chronischen Kieferhöhlen- 
empyemen. 
43. Referenten Kienböck (Wien). 
44. Gocht (Halle). 
45. Luxembourg (Köln). Zur Kasuistik der Röntgenkarzınome. 
Über Lungenchtrurgie. 
46. Referenten Brauer (Marburg). 
47. Friedrich (Marburg). 
48. Zur Diskussion Garre (Bonn). 
49. Zur Diskussion Sauerbruch (Marburg). 
50. Hoffmann und v. d. Velden (Düsseldorf). Die Emphysemoperation. 
51. Tiegel (Dortmund). Ein einfacher Apparat zur Überdrucknarkose (mit 
Demonstrationen). 
52. Kuhn (Kassel). Überdruck an der Lunge: a) Mittels peroraler Intubation 
und Ventilation der Trachea ohne Ventù. 
b) Mittels weicher, halbdurchlässiger Kopfmaske ohne jedes Ventil (mit De- 
monsirationen). 


1064 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 


53. Derselbe: Behandlung der Asphyxie unter peroraler Intubation und Ven- 
tilation der Trachea (mit Demonstrationen). 

54. Gottstein (Breslau). Das Pulsionsdivertikel des Ösophagus. 

55. Glücksmann (Berlin). Extraktion verschluckter Fremdkörper. 

56. Kersting (Aachen). Wann soll der Chirurge den Zahnarzt rufen? 

57. Müller (Rostock). a) Über Operation bei Arthritis deformans. 

b) Demonstrations-, Knochen- und Gelenkpräparale. 

58. Wollenberg (Berlin). Die Attologie der Arthritis deformans im Lichte 
der Experimente. 

59. Biesalski (Berlin). Praktische Folgerungen aus der Statistik jugendlicher 
Krüppel. 

60. Joachimsthal (Berlin). Die frühzeitige Diagnose bei angeborenen Hüft- 
verrenkungen. S 

61. Dreesmann (Köln). Atiologie und Behandlung der angeborenen Hüft- 
verrenkung. 

62. Mayer (Köln). Zur Behandlung schwerer Kinderlähmungen mit Demon- 
strationen. 

63. Silbermark (Wien). Trauma, Gelenktuberkulose, Operationstrauma, All- 
gemeine Tuberkulose. 

64. Lossen (Köln). Über extrakapsuläre Radikalresektion tuberkulöser EU- 
bogen- und Hüfigelenke. 

65. König (Altona). Beobachtungen über Callusbildung bei Frakturen. 

66. Bardenheuer (Köln). Die Versorgung der Nervenenden nach Amputa- 
tionen zur Verhidung der Entstehung der Neurome, sowie zur Heilung der 
bestehenden. 

67. Luxembourg (Köln). Statistik der in den Jahren 1902 bis 1906 im 
Kölner Bürgerhospitale behandelten Oberschenkelbrüche (mit Ausnahme der Schenkel- 
halsfrakturen). , 

68. Feinen (Köln). Über Schenkelhalsbrüche. 

69. Finsterer (Wien). Über die Behandlung der kongenitalen Luxation der 
Patella. 

70. Derselbe. Zur Kenninis der Kompressionsfraktur des Os lunatum. 

71. Vorschütz (Köln). Demonstration einer Unterschenkelschiene. 

72. Kuhn (Kassel). Improvisation stärkster Extensionen zur Behandlung von 
Frakturen in der Praxis bei geringer Assistenz (mit Lichtbildern). 

73. Holländer (Berlin). Über plastische und kosmetische Operationen (mit 
Lächtbildern). 3 

74. Klapp (Berlin). Uber die Narkose bei künstlich verkleinertem Kreislauf. 

75. Marwedel (Aachen). Über die chirurgische Behandlung der Lähmungen 
des Oberarmes. $ 

76. Martin (Köln). Uber sklerosierende Osteomyelitis (Osteite à forme neur- 
algique). . 

77. Witzel (Düsseldorf). Über den Schutz des Peritoneums bes Operationen. 

78. Anschütz (Kiel). Magensaftfluß bei Magenkarzinom. 

79. v. Bramann (Halle). Beitrag zur Hirnchirurgie. 

80. Bardenheuer (Köln) sst bereit, zu einer noch zu vereinbarenden Stunde 
am Krankenbett die Extensionsbehandlung im Bürgerhospital zu demonstrieren. 





Berichtigung. Der Verfasser der in Nr. 33 unter 7 referierten Arbeit heißt 
Kutner, nicht Huther. 





Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdruoke wolle man 
an Prof. BE. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlage- 
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden. 

—— ZZ mn Ő ng 
Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau. 
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. 


Zentralblatt für Chirurgie 


herausgegeben von 


K. GARRÈ, F. KÖNIG, E. RICHTER, 








in Bonn, in Berlin, in Breslau. 
35. Jahrgang. 
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG. 
Nr. 36. Sonnabend, den 5. September 1908. 
Inhalt. 


E. Payr, Über osteoplastischen jErsatz nach Kieferresektion (Kieferdefekten) durch Rippene 
stücke mittels gestielter Brustwandlappen oder freier Transplantation. (Originalmitteilung.) 

1) Netter, Collargol u. Elektrargol. — 9) Bertein u. Worms, Wirbeldiastasen. — 8) Schwartz 
und Dreyfus, Lungenrisse. — 4) Hofbauer, Operative Behandlung chronischer Lungenleiden. — 
5) Heidenhain, Suprarenin-Kochsalzinfusionen bei peritonitischer Blutdrucksenkung. — 6) Hönck, 
7) Sonnenburg und Kothe, Appendicitis. — 8) Monprofit, Gastrektomie. — 9) Finney, Pylorus- 
stenose. — 10) Negrescu, Wasserstoflsuperoxyd bei Afterfissuren und -Ulzerationen. — 11) Delore 
und Chalier, Mastdarmkrebs. — 12) Mathieu, Verengerung der Gallenwege. — 18) Riedel, Chole- 
cystitis und Cholangitis ohne Stein. — 14) Brin, 15) Deaver, Cholecystektomie. 

16) Baradulin, Muskelechinokokkus. — 17) Haeberlin, Sonnenlicht in der Chirurgie. — 
18) Beatson, Stauungsblutung. — 19) Holden, Hirnabszeß. — 20) Mandry, Rhinoplastik. — 21) Dis- 
kussion über Carotisunterbindung. — 22) Jalaguier, Ösophagotomie. — 23) Schultze, Speise- 
röhrenzerreißung. — 24) Venot, Sarkom des N. vagus. — 85) Mintz, Späte Erstickungsanfälle nach 
Kehlkopfexzision. — 26) Nager, Luftröhrenkrebs. — 37) v. Saar, Luftröhrenplastik. — 28) Were- 
kundow, Bauch-Brustkorbverletzung. — 29) Glickman, Brustquetschung. — 80) Marden, Bauch 
schußwunde. — 81) Zinsser, Typhus-Peritonitis. — 32) Richelot, 88) Koppang, Appendicitis. — 
84) Upcott, 35) Johnston, Wurmfortsatzdivertikel. — 36) White, 87) Weber, Krebs des Wurm 
fortsatzes. — 88) Leischner, Partielle Bauchmuskellähmungen. — 89) Pokrowski, Eitrige Ent- 
zündung von Magen und Darm. — 40) Wegele, Polypose des Magens. — 41) Hayem, Magenkrebs. 
— 43) Twerdowski, Gastroenterostomie. — 48) Thorspecken, Magen-Dickdarmifistel. — 4) Fin- 
ney, Hirschsprung’sche Krankheit. — 45) Morton, Mastdarmkrebs. — 46) Stern, Aneurysma 
einer Gekrösarterie. — 47) Mastin, Netzanomalie. — 48) Johnston, Milzcysten. — 49) Nicolle u 
Cassuto, Tropische Milzvergrößerung (Kala-azar). 





Aus der Kgl. chirurgischen Klinik zu Greifswald. 


Über osteoplastischen Ersatz nach Kieferresektion 
(Kieferdefekten) durch Rippenstücke mittels gestielter 
Brustwandlappen oder freier Transplantation. 
Von 


Prof. Dr. E. Payr. 





Mit 2 Abbildungen. 


er funktionell und kosmetisch das möglichste bietende Ersatz 

durch Resektion oder Verletzung verloren gegangener Abschnitte 
des Unterkiefers ist angesichts der durch die verstümmelnde Operation 
bedingten schweren Schädigungen eine ernste und verantwortungsvolle 
Aufgabe für den Chirurgen und seinen auf diesem Gebiet fast unent- 
behrlichen Bundesgenossen, den Zahnarzt. 


36 


1066 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 


Wir haben gerade in den letzten Jahren sehr bemerkenswerte 
technische Fortschritte dem beiderseits fördernden Zusammenarbeiten 
unserer Disziplin und der Zahnheilkunde zu danken. 

Völliger Verzicht auf Verwendung einer Prothese, sowie die Ein- 
legung nach erfolgter Wundheilung (sekundäre Prothese) mußten 
den entschieden besseren Verfahren der Implantationsprothesen, 
sowie der Verwendung von Immediatprothesen mit sekundärem 
Ersatz derselben durch eine zahnärztliche definitive Prothese weichen. 

Denn nur bei Verwendung der letztgenannten Verfahren gelingt 
es, den beiden das spätere funktionelle und kosmetische Resultat 
schwer beeinträchtigenden Faktoren, dem Muskel- und dem Narbenzug, 
erfolgreich entgegenzutreten und dadurch die bei Unterkieferdefekten 
drohenden Kau-, Schluck- und Sprachstörungen wenigstens großenteils 
zu beseitigen. 

Sowohl über die als bleibender Ersatz des resezierten Kiefer- 
stückes gedachten Implantationsprothesen aus verschiedenartigstem 
Material, als speziell über Immediatprothesen, die zurzeit in der 
Frage des plastischen Kieferersatzes an erster Stelle stehen, sind zahl- 
reiche, fast von Fall zu Fall neue Vorschläge enthaltende Mitteilungen 
erschienen (Cl. Martin, Stoppany, Schröder, Fritzsche). Über 
die derzeitigen Gesichtspunkte der Frage von chirurgischer Seite unter- 
richten die Spezialarbeiten von F. König und Heller, sowie die 
treffliche Bearbeitung der Kieferkrankheiten von Perthes. 

Vorerst eine kurze Bemerkung zur Wahl der Implantations- 
prothese. 

Ich habe vor einer Reihe von Jahren in der Grazer chirurgi- 
schen Klinik nach Unterkieferresektionen den Knochendefekt in meh- 
reren Fällen unmittelbar durch verschieden geartete Magnesium- 
prothesen ersetzt. Ich verwendete entweder aus Magnesiumblech 
gefertigte Schienen (Schraubenbefestigung) oder noch einfacher einen 
0,5 cm starken Magnesiumdraht, der, entsprechend gebogen, in je ein 
Bohrloch (Zentralkanal) der Resektionsstümpfe versenkt oder in ein 
seichtes Bohrloch im Tuberculum articulare bei halbseitiger Exartiku- 
lation eingelegt wurde. Heute würde ich einen ebensolchen Draht 
verwenden, der einen der Cavitas glenoidalis entsprechenden Metall- 
knopf tragen würde. Für den Ersatz eines resezierten Mittelstückes 
verwendete ich eine aus einem Magnesiumdraht und zwei demselben 
an den Enden aufgesetzten Klammern gefertigte Schiene, gleichfalls 
durch Metalldraht oder Schrauben nach Anlegung von Bohrlöchern 
an den Resektionsstümpfen zu befestigen. 

Diese Prothesen, besonders in Form des kräftigen Metalldrahtes, 
haben den Vorteil, sich leicht adaptieren zu lassen, die Stellung der 
Resektionsstümpfe günstig zu beeinflussen, wenig Raum zu bean- 
spruchen und deshalb einen möglichst exakten Abschluß der Mund- 
höhle zu begünstigen. Das Magnesiummetall verfällt einem völligen 
Resorptionsprozeß, in seiner Umgebung jedoch bildet sich eine bei 
Verwendung so bedeutender Mengen erhebliche bindegewebige, resi- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 1067 


stente Narbe. In einem solchen mit einfacher Drahtprothese behan- 
delten Falle war schon nach 10 Tagen ein völlig wasserdichter Ab- 
schluß des ÖOperationsgebietes gegen die Mundhöhle erzielt. Die 
Blechplattenprothesen haben den Nachteil, durch ihre etwas scharfe 
Kante gelegentlich an der Schleimhaut noch sekundär durch Druck 
Dekubitus zu erzeugen. 

In den meisten solcher Art operierten Fällen wurde nach längerer 
Zeit (”—10 Wochen) die Magnesiumprothese entfernt und durch ein 
zahnärztliches Ersatzstück substituiert (hatte also nur die Rolle einer 
Immediatprothese gespielt). In einem Falle heilte die Magnesium- 
prothese fistellos ein, wurde völlig resorbiert, und bildete sich an ihrer 
Stelle eine derbe, funktionell und kosmetisch genügende Narbe. Darin 
wäre vielleicht ein gewisser Vorteil der Verwendung von Magnesium 
für den erwähnten Zweck gegeben. Allein wir leben in einer Zeit, 
in der wir den zur Pflicht gewordenen Ersatz verloren gegangener 
Teile nicht durch Einheilung von Fremdkörpern, sondern, wenn irgend 
möglich, durch lebendes und daher funktionell viel höher 
wertiges Gewebe erstreben. Es ist angesichts der Tatsache, daß 
wir in einer Ara der Plastik und Transplantation leben, merk- 
würdig, daß wir bisher nur ganz vereinzelte Versuche einer osteo- 
plastischen Deckung gesetzter Unterkieferdefekte zu ver- 
zeichnen haben. Bardenheuer und Krause verwendeten gestielte 
Periost-Knochenspangen benachbarter Kieferpartien, Wölfler mit 
negativem Erfolg eine an einem Hautlappen hängende Spange aus 
der Clavicula, Bardenheuer einen Haut-Periost-Knochenlappen aus 
der Stirn. Sykoff transplantierte frei einen einer benachbarten 
Unterkieferpartie entnommenen Knochenspan. Mancherlei mag noch 
versucht, mancherlei vorgeschlagen oder beabsichtigt sein (Sykoff, 
Lexer, Garre) — es ist eine Tatsache, daß kein osteoplastisches Ver- 
fahren bisher technisch in entsprechender Weise für die ver- 
schiedenen Anforderungen ausgearbeitet und systematisch 
in Anwendung gebracht worden ist. 

Seit Jahren mit dem Gedanken eines möglichst vollwertigen 
osteoplastischen Unterkieferersatzes beschäftigt, habe ich vor etwa 
4 oder 5 Jahren periostbekleidete Rippenstücke als zweckmäßiges 
Material für eine Knochenplastik in Erwägung gezogen. Außeren 
Gründen ist es zuzuschreiben, daß dieser Heilplan erst im letzten 
Jahre seiner Realisierung zugeführt werden konnte. 

Man kann denselben in zweierlei Weise zur Ausführung bringen. 

1) Osteoplastik mittels eines in einem Brustwandlappen 
befindlichen entsprechend großen Rippenstückes. 

Obwohl, meinem Operationsplan entsprechend, wahrscheinlich ein 
zungenförmiger, breiter, ein völlig mit Periost bekleidetes Rippenstück 
tragender Haut-Muskellappen verwendbar ist — Mandry verwendete 
kürzlich erfolgreich einen ein Stück Schlüsselbein enthaltenden Haut- 
lappen für Rhinoplastik —, halte ich doch den Vorschlag meines 
Assistenten, Dr. Heller, ein entsprechend langes Rippenstück mit 


1068 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 


völliger Periostbekleidung zu resezieren, durch eine kleine Inzisions- 
öffnung in der Regio infraclavicularis mit hautwärts sehender 
Konkavität zwischen Haut und Fascie zu schieben und daselbst 
fest einheilen zu lassen, für eine Verbesserung. 

Es entwickeln sich da sehr gute Gefäßverbindungen zwischen Mus- 
kelfascie und Beinhaut der Rippen. 

Dieser Eingriff ist die der Kieferresektion und dem plastischen 
Ersatze zirka 2—3 Wochen vorausgehende »Voroperation«. An- 
gesichts des nachfolgenden größeren Eingriffes ist dieselbe, wenn irgend 
tunlich, unter Lokal- beziehungsweise Leitungsanästhesie (N. inter- 
costalis) auszuführen. 


Fig. 1. Fig. 2. 





Fig. 1 und 2 stellen den Ersatz eines mäßig großen Defektes eines horizontalen 
Kieferastes dar. Bei J wurde eine an anderer Stelle am Thorax samt Periost re- 
sezierte Rippe R zwischen Haut und Fascie eingeschoben. Nach erfolgter Ein- 
heilung und Resektion des kranken Unterkieferstückes wird der das Rippenstück 
tragende Haut-Fascienlappen L emporgeschlagen, die Rippe R in den Kieferdefekt 
zwischen K und X, eingepaßt, der Hautlappen eventuell zur Deckung eines Haut- 
oder Schleimhautdefektes verwendet, sonst nach Anheilung der Rippe zurückge- 
schlagen und zur Deckung des Defektes D verwendet. xy stellt den Haut-Weich- 
teilschnitt dar, mit dem man für die Resektion auszukommen trachtet. 


Drängt die Resektion des Kiefertumors, so muß diese natürlich 
ausgeführt werden, gleichzeitig die Rippe an der Stelle des später 
emporzuschlagenden Haut-Fascienlappens eingeheilt und inzwischen 
durch ein anderes Verfahren die Dislokation der Kieferstümpfe 
bekämpft werden. Gegebenenfalls kommt von vornherein das unter 
2 angegebene Verfahren zur Verwendung. Hat die Sache Zeit, 
so führt man in der zweiten Sitzung die Entfernung des kranken 
Kieferstückes aus und ersetzt Knochen- und Weichteildefekt 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 1069 


durch einen langen und breiten zungenförmigen Haut-Fascien-, die 
Rippe und ihr Periost enthaltenden Lappen (s. Fig. 1 und 2). Das 
reichlich gewonnene Hautmaterial erweist sich dabei ungemein nützlich. 
Um eine Entstellung des Gesichtes tunlichst zu vermeiden, trachtet 
man bei der Resektion mit einem Schnitt am Kieferrande auszu- 
kommen (s. Fig. 1 z—y). 

2) Eine zweite Art des osteoplastischen Kieferersatzes wird 
durch die freie Transplantation eines periostbekleideten 
Rippenstückes in den Defekt erzielt. 

In der ersten Sitzung wird die Unterkieferresektion ausgeführt, 
sowie Maßnahmen zur Verhütung einer Dislokation der Kieferstümpfe 
getroffen. — Es handelt sich hauptsächlich darum, für die ungestielt 
zu transplantierende Rippe ein aseptisches Feld zu schaffen; ein 
solches ist ja Grundbedingung für das Gelingen einer freien Knochen- 
transplantation. Vor allem also ist durch exakte Schleimhautnaht, 
oder gegebenenfalls durch Hautlappenplastik die Mundhöhle gegen den 
Kieferdefekt vollständig abzuschließen. — Als Verfahren zur Ver- 
hütung der störenden Wirkungen von Muskel- und Narbenzug kommen 
in Betracht: 

A. Zahnärztliche Maßnahmen, allerdings nur bei teilweise erhal- 
tenem Zahnbestand und entsprechender Ausdehnung des resezierten 
Stückes möglich. Als solche sind die schiefe Ebene nach Sauer, 
der Drahtschienenverband desselben Autors, eventuell Brückenarbeiten, 
sowie die Krone von ÖOber- und Unterkieferzähnen überdachende 
Doppelschienen in Erwägung zu ziehen. — Da gilt es für den Zahn- 
arzt und Techniker, sein Bestes zu leisten! 

B. Weniger zu empfehlen sind hier aus beliebigem Materiale her- 
gestellte Implantationsprothesen, da es nur in einem relativ kleinen 
Teile der Fälle angesichts der bei der Resektion erfolgenden Infektion 
der Wunde gelingt, den Fremdkörper dauernd aseptisch und fistellos 
einzuheilen. Natürlich gibt es auch da einen Ausweg, indem man 
nach entsprechend langer Zeit (4—6 Wochen) die Implantationsprothese 
(Abschluß gegen die Mundhöhle läßt sich wohl meist erzielen) entfernt, 
das in ihrer Umgebung gebildete Granulationsgewebe exzidiert und 
nun sogleich oder nach einigen Tagen das periostbekleidete Rippen- 
stück transplantiert. 

Der erstgenannte Weg ist sicherer, er garantiert viel eher ein 
völlig aseptisches Operationsfeld für die freie Rippenüberpflanzung. 

Die überpflanzten Rippenstücke werden durch Einfalzung, Ver- 
zapfung oder Knochennaht mit den Kieferstümpfen verbunden. Je 
einfacher und ohne Verwendung von fremdem Materiale dies 
geschieht, um so besser. 

Für den Fall einer halbseitigen Exartikulation kommt der Ersatz 
durch einen nahe der Wirbelsäule gelegenen Rippenabschnitt samt 
Köpfchen in Erwägung. 

Auch andere Knochenteile, Spina scapulae, Darmbein lassen sich 
vielleicht zur Transplantation verwenden; der allseitig mit zu über- 


1070 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 


tragende Periostmantel der Rippen stellt uns dies Material über 
jedes andere. Für ein fehlendes Mittelstück des Unterkiefers 
käme ein medianer Haut-Muskellappen mit einem Stück des Manu- 
brium sterni samt Periost als ohne Voroperation zu entnehmender Er- 
satz in Betracht. 

Durch Rippenstücke lassen sich Unterkieferdefekte plastisch vor- 
aussichtlich ersetzen bei Mikrognathie, Verletzungen, Phosphornekrose, 
Tuberkulose und Aktinomykose, primären und sekundären Tumoren. 

Unter Umständen könnte das Verfahren auch für Oberkiefer- 
defekte in Frage kommen. 

Wir haben im vergangenen Sommersemester drei Fälle, zwei 
davon nach der ersten, einen nach der zweiten Methode mit gutem 
Erfolg operiert. Herr Dr. Heller, schon früher auf diesem Gebiete 
tätig, hat sich um die technische Vervollkommnung meines Heilplanes 
sehr verdient gemacht und wird in einer ausführlicheren Arbeit ein- 
mal über die von uns gemachten Erfahrungen, die Indikationsstellung 
im Spezialfalle, sowie vor allem über die zahlreichen, keineswegs un- 
wesentlichen technischen Einzelheiten berichten. 

Es gelingt mittels dieses Verfahrens der osteoplastische Ersatz auch 
nach sehr ausgedehnten Unterkieferresektionen (samt deckenden Weich- 
teilen) — selbst unter recht ungünstigen Verhältnissen. — Die mehr- 
fachen Eingriffe, die Entnahme einer Rippe samt Periostmantel von 
demselben Individuum, die Bildung gewaltiger Haut-Fascienlappen 
stellen angesichts der relativen Einfachheit der Prothesenmethodik 
schwere Opfer zur Erzielung eines Knochenersatzes dar. Wir hoffen, 
daß unsere Resultate sie berechtigt erscheinen lassen. 


Greifswald, 30. Juli 1908. 





1) A. Netter (Paris). L'argent colloïdal dans les maladies 


infectieuses. 
(Presse méd. 1908. Nr. 50.) 

Verf. weist auf die guten Resultate, die man mit Collargol bei 
verschiedenen infektiösen Krankheiten erzielen kann, hin und hebt 
hervor, daß der Vergleich, den einige Autoren zwischen diesem Prä- 
parat und dem auf elektrischem Wege hergestellten Elektrargol oder 
Ultrargol anstellen, wertlos ist. Das auf chemischem Wege hergestellte 
Collargol enthält 87% Silber in kolloidalem Zustand, während das 
Elektrargel nur 1—4 mg per Kubikzentimeter hiervon enthält. 
Letzteres Präparat ist also sehr schwach, was namentlich, wenn es 
sich darum handelt, eine bakterizide Wirkung auszuüben, sehr in Be- 
tracht kommt. Auch darf nicht vergessen werden, daß das Collargol 
relativ leicht löslich ist und mit Leichtigkeit 5&%ige Lösung gibt, 
während die Elektrargollösungen nur eine Konzentration von 0,025% 
besitzen. E. Toff (Braila). 








Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 86. 1071 


2) Bertein et Worms. Le diastasis vertebral. 
(Revue de chir. XXVII. ann. Nr. 2.) 

Unter Wirbeldiastase ist die vollständige oder beinahe vollständige 
ZerreiBung der Bandmassen zu verstehen, welche zwei benachbarte 
Wirbel verbinden, ohne daß eine Verschiebung der sich entsprechenden 
Knochenteile gegeneinander stattgefunden hat. Die Wirbel stehen 
also wie früher genau übereinander. Immer entstehen dabei schwere, 
sehr oft tödliche Verletzungen des Rückenmarkes infolge Überdehnung 
des Markes im Augenblicke der Verletzung. Diese wird meist durch 
Fall auf den nach vorn, seltener rückwärts gebeugten Kopf oder 
ausnahmsweise auf den hinteren Teil des Rumpfes veranlaßt; sie kann. 
übrigens auch bei der Extraktion des Kindes an den Füßen zustande 
kommen. Prädilektionsstelle ist die untere Halswirbelsäule meist 
zwischen 5. und 6., seltener zwischen 6. und 7. Wirbel. Eine Diastase 
in der Rücken- und Lendengegend oder zwischen 1. und 2. Hals- 
wirbel ist nur ganz vereinzelt beobachtet worden. 

Da die Verletzung am häufigsten in Beugestellung der Wirbel- 
säule erfolgt, so sind die Bänder zwischen den Dorn-, Gelenk- und 
Querfortsätzen und den Wirbelbögen meist gänzlich zerrissen, aber 
auch das vordere und hintere Längsband ist durchtrennt, die Band- 
scheibe halbiert oder vom oberen Wirbel abgelöst oder in den Wirbel- 
kanal verschoben, wo sie das Mark komprimiert. Letzteres zeigt 
Blutungen, Erweichungen und Zerreißungen seiner Häute mit oft 
ausgebreiteten Blutergüssen aus den duralen Venen und der Art. 
vertebralis. 

Der Eigenart der Verletzung entspricht ein ganz charakteristischer 
Symptomenkomplex. Der Betroffene behält das Bewußtsein, kann 
aufstehen und noch einige Schritte gehen, muß sich aber bald setzen, 
da ihm die Beine »einschlafen« und er sie nicht mehr bewegen kann. 
Oft sind auch die Arme schlaff gelähmt, die Sensibilität und die Re- 
flexe im Gebiet der Lähmung sind aufgehoben. An der Wirbelsäule 
ist weder eine Dislokation noch ein besonders auffälliger Schmerzpunkt 
nachzuweisen, Kopf und Hals bleiben frei beweglich. Unter zu- 
nehmender Dyspnoe, Benommenheit und Hyperthermie (bis 42°). tritt 
in 2—3 Tagen der Tod ein. 

Außer einer typisch verlaufenen eigenen Beobachtung haben die 
Verff. noch 28 Fälle aus der Literatur zusammengestellt. 

Gutzeit (Neidenburg). 





3) Schwartz et Dreyfus. Des ruptures du poumon sans 
fractures de còôte. 
(Revue de chir. XXVII. ann. Nr. 5.) 

An der Hand eines selbst beobachteten und von 29 Fällen der 
Literatur werden die Symptome, Anatomie und Entstehung jener 
Verletzungen besprochen. Jugendliches Alter und elastischer Brust- 
korb bilden die Vorbedingung für ihr Zustandekommen. Das Zell- 


1072 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 


gewebsemphysem erscheint regelmäßig zuerst an der Basis des Halses, 
wohin die aus den zerrissenen Bronchien ausgetretene Luft durch das 
mediastinale Bindegewebe hindurch gelangt. Die Zerreißung des 
Lungengewebes wird dadurch bewirkt, daß die in den Hohlräumen 
der Lunge befindliche Luft so stark und so plötzlich komprimiert wird, 
daß sie nicht mehr auf den natürlichen Wegen entweichen kann 
(Dionis und S6jour). Bei Verwachsungen der Brustfellblätter können 
auch starke Verschiebungen der Brustwand gegen die kompressible 
Lunge Zerreißungen der letzteren veranlassen (Peyrot), bei gesunden 
Pleuren wird das aber kaum möglich sein. Krankhaft veränderte 
Lungen zerrissen leichter als gesunde. Daß das Lungengewebe nur 
berste, wenn gleichzeitig mit der Kompression reflektorischer Glottis- 
schluß eintritt (Gosselin), bestreiten die Verf. Die Prognose ist 
meist ernst; in leichten Fällen droht die Infektion, in schweren führt 
zudem der begleitende Hämopneumothorax meist zum Tode, wie auch 
in dem berichteten Fall. !Als Folgen der Verletzung fanden sich 
ferner große Blutergüsse unter der linken Pleura visceralis und eine 
feine 1 cm lange, opaleszierende Narbe im mittleren Teil ihres unteren 
Bandes. Das Rippenfell wies nur fibrinöse Beschläge und subpleurale 
Blutungen auf, war aber nirgends verletzt. Die Rippen waren unver- 
sehrt, nur die ersten beiden rechten Rippenknorpelbrustbeingelenke 
waren verrenkt, ohne daß die dahinter liegende Pleura und Lunge 
verletzt waren. Gutzeit (Neidenburg). 





4) Hofbauer. Wann ist bei chronischen Lungenleiden (Em- 
physem, Tuberkulose) operative Behandlung indiziert? 
(Mitteilungen a. d. Grenzgebieten d. Medizin u. Chirurgie Bd. XIX. Hit. 5.) 
Auf Grund physiologischer Betrachtungen kommt !'H. zu dem 
Resultat, daß bei Tuberkulose operative Behandlung nur am Platze 
ist, wenn die Rippenknorpel verknöchert sind; handelt es sich nur um 
mangelhafte Längenentwicklung der oberen Knochenknorpelringe ohne 
Verknöcherung, so kommt man ohne Operation durch entsprechende 
Atemgymnastik zum Ziel. Bei Emphysem ist jede Operation unnötig, 
weil durch Förderung der Atembewegungen des Zwerchfelles eine 
völlig genügende, weitgehende Besserung des Gaswechsels und der 
Luftaustreibung erreicht werden kann. Haeckel (Stettin). 





5) Heidenhain. Über Behandlung der peritonitischen Blut- 
drucksenkung mit intravenösen Suprarenin - Kochsalzinfu- 
sionen. 

(Mitteilungen a. d. Grenzgebieten d. Medizin u.{Chirurgie Bd. XVIII. Hft. 5.) 

Nachdem es gelungen ist, das eine Hauptsymptom schwerer Peri- 
tonitis, das Erbrechen infolge Stauung des Darminhaltes, durch Entero- 
stomie zu überwinden, hat H. mit großem Erfolge die Bekämpfung 
des zweiten schweren Symptoms, der peritonitischen Blutdrucksenkung, 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 1073 


begonnen. Eine [sehr wesentliche Rolle spielten dabei die Unter- 
suchungsresultate von Romberg und Paessler. Während man bis- 
her annahm, daß bei den verschiedensten Infektionskrankheiten das 
Weich- und Leerwerden des Pulses im Verein mit Blutleere der Haut 
und gewisser Oyanose im Gesicht Folge einer durch die Infektion 
erzeugten Herzschwäche sei, wiesen genannte Autoren nach, daß das 
Herz dabei unbeteiligt ist, daß vielmehr die Senkung des arteriellen 
Blutdruckes Folge der Lähmung des Vasomotorenzentrums im ver- 
längerten Mark sei. Dieser Vasomotorenlähmung zu begegnen, ist nun das 
Adrenalin ein ausgezeichnetes Mittel. H. verabreichte in jedem Falle 
schwerer Peritonitis mit Pulsschwäche, welche nicht anders zu über- 
winden war, intravenös 800—1000 cem Kochsalzlösung mit 6, höchstens 
8 Tropfen Suprareninlösung (1: 1000) und sah, daß der Puls sich in 
auffallendster Weise hob; mehr wie drei Infusionen waren meist nicht 
nötig, in der Regel genügten zwei. Auch in Fällen, welche zu elend 
zur Operation waren, machte H. diese Infusionen und sah eine so 
bedeutende Besserung der Kreislaufverhältnisse, daß dann die Ope- 
ration gewagt werden konnte. Die Hebung des Blutdruckes ließ sich 
am besten mit dem Tonometer v. Recklinghausen’s nachweisen. 
Unter dieser Behandlung starben von 20 schweren Peritonitiden sieben, 
oder 35%. Die Resultate sind so ermutigend, daß sie dringend zur 
Nachprüfung zu empfehlen sind. Haeckel (Stettin). 





6) Hönck. Kritische Bemerkungen zu der von Prof.;Kretz 
verfochtenen Anschauung über die Ätiologie der Eptyphlitis: 
über den Zusammenhang von Influenza und Epityphlitis. 
(Mitteilungen a. d. Grenzgebieten d. Medizin u. Chirurgie Bd. XIX. Hft. 1.) 

Umgekehrt wie Kretz ist H. der Ansicht, daß in der Regel die 
Appendicitis das Primäre, eine Affektion der Rachenorgane nur ihre 
Folge sei. Wenn die zeitliche Aufeinanderfolge dem zu widersprechen 
scheine, so sei vor der Rachenentzündung eine latent verlaufene Appen- 
dicitis vorausgegangen. Die durch Wurmfortsatzentzündungen hervor- 
gerufenen Schmerzen entstehen in der Rückwand der Bauchhöhle 
innerhalb der Mesenterialwurzel; hier kommt es zu Entzündungen der 
Lymphgefäße und Drüsen und zu Reizungen der sympathischen 
Ganglien. Die Folge davon sei, daß häufig bei einer Appendicitis die 
Schmerzen nicht im Bauche, sondern im Rücken empfunden werden. 
Deshalb seien viele klinisch als Influenza angesprochene Fälle nichts 
weiter als Appendicitiden. Haeckel (Stettin). 





7) Sonnenburg und Kothe. Die Rizinusbehandlung der 
akuten Appendicitis. 
(Mitteilungen a. d. Grenzgebieten d. Medizin u. Chirurgie Bd. XIX. Hft.1.) 
Verff. empfehlen Rizinusbehandlung bei leichten , Formen der 
Appendicitis, d. h. bei einfachem Schleimhautkatarrh des Wurmfort- 


gH** 


1074 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 


satzes, bei dem es nur darauf ankommt, den zurückgehaltenen Inhalt 
aus dem Wurme zu entfernen. Als leichte Formen, also geeignet für 
Rizinusbehandlung, sind aufzufassen diejenigen Fälle, in denen die 
Temperatur sich um 37,5°, die Pulsfrequenz um 92, die Leukocyten- 
zahl um 15000 herum bewegt. Unter den im letzten Jahre auf- 
genommenen Fällen frischer Appendicitis wurden 150 für leichte 
diagnostiziert; von ihnen heilten 144 unter Rizinusbehandlung, sechs 
mußten, da keine Besserung erfolgte, am Tage nach der Aufnahme 
operiert werden. Alle wurden geheilt, ein Beweis, daß nie durch das 
Abwarten der günstige Zeitpunkt für die Operation versäumt wurde. 
Die Rizinusbehandlung ist also zugleich eine Probe für den Charakter 
des Anfalles und zugleich eine Bestätigung der Diagnose auf den 
pathologisch-anatomischen Zustand des Wurmfortsatzes. Tritt nicht 
sofort Besserung auf Rizinus ein, so handelt es sich eben nicht um 
Appendicitis simplex; die Diagnose war eine falsche. 

Man könnte einwenden, die leichteren Fälle von katarrhalischer 
Appendicitis heilten auch bei indifferenter Behandlung; das ist richtig ; 
allein unter Rizinusbehandlung klingt der Anfall schneller ab. 

Die Rizinusbehandlung ist eine chirurgische und eignet sich nicht 
für die Hauspraxis, da die sorgfältigste Überwachung nötig und die 
Bereitschaft zur sofortigen Operation selbstverständlich ist. 

Bei Diagnose auf Appendicitis gangraenosa bzw. perforativa 
tritt die Frühoperation in ihre Rechte. Wie wenig dieselbe von den 
Verff. vernachlässigt wurde, zeigt der Umstand, daß die Zahl derselben 
sich bei ihnen stark vermehrt hat, im letzten Jahre 44% aller im 
Frühstadium eingelieferten Appendicitisfälle gegen 32% der früheren 
Jahre. Besonders betont wird der Wert der Leukocytenbeobachtung 
für die Verfeinerung der anatomischen Diagnose, aber nur in Ver- 
bindung mit Berücksichtigung aller übrigen lokalen und allgemeinen 
Symptome. Als weitere Verfeinerung der Diagnose kommt nun noch 
die Rizinusbehandlung hinzu. Haeckel (Stettin. 


8) Monprofit. La gastrectomie. Histoire et méthodes opéra- 
toires. Avec 50 figures dans le texte. 
Paris, Jules Rousset, 1908. 

Im ersten geschichtlichen Teil gibt M. eine Übersicht über die 
Resektionen wegen Krebs vom ersten Fall P&ean’s im Jahre 1879 
bis zu den 1905 veröffentlichten. Es werden weiter die topographische 
Anatomie des Magens, speziell des Pylorus, weiter der Arterien und 
Lymphdrüsen besprochen. Verf. weist auf die Wichtigkeit weiter 
Resektionen an der kleinen Kurvatur hin, da hier die Lymphdrüsen 
dem Magen am nächsten liegen und am leichtesten erkranken. 

Es wird weiter ausführlich die Technik besprochen. Auf Magen- 
spülungen vor der Operation verzichtet M. Den nicht ganz daran 
gewöhnten strengen sie unnötigerweise an. Von der Mobilisation des 
Duodenums erwartet er, daß sie die Sterblichkeitsziffer der Resektionen 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 1075 


hochdrückt. Er bevorzugt die II. Billroth’sche Methode mit hinterer 
Yförmiger Anastomose.e Hat man Mühe mit der Duodenalnaht, so 
hat M. gelegentlich das Duodenum einfach unterbunden und die über 
der Ligatur liegende Schleimhaut mit Schere und Thermokauter ent- 
fernt. Knopf wendet er nie an. Zweizeitig sollte nur bei bedroh- 
licher Schwäche der Kranken operiert werden. 

Weiter geht M. dann auf die atypischen Resektionsmethoden ein 
und gibt veranschaulichende Skizzen von Lappendeckung nach Re- 
sektion der kleinen Kurvatur mit gleichzeitiger Exzision eines Teiles 
der hinteren Magenwand, weiter mit gleichzeitiger Magenwand- und 
teilweiser Pylorusresektion. 

M. hat unter 30 Resektionen sechs Todesfälle gehabt, also un- 
gefähr 20%. Zweimal war die Anastomose nach Kocher undicht 
geworden. Wegen gutartiger Stenose hat er zweimal reseziert. Wenn 
möglich, ist die typische, annuläre Resektion atypischen Operations- 
methoden vorzuziehen. Eine Resektion hat er wegen plastischer Linitis 
ausgeführt in der Annahme einer Neubildung. In der Tat erlag die 
Kranke ein Jahr später einem Epitheliom. 

Bei zu ausgedehnten Verwachsungen soll man die Operation nicht 
zu weit treiben, ebenso bei zu schwachen Personen davon Abstand 
nehmen oder zweizeitig operieren. Gastroenterostomisierte läßt M. 
am Tage nach der Operation aufstehen, zunächst nur !/, Stunde. 
Nach 5—6 Tagen aber sollen die Operierten den größten Teil des 
Tages außer Bett sein. 

Dem etwas weitläufig verfaßten Werk sind 31 noch nicht ver- 


öffentlichte Krankengeschichten beigegeben. 
E. Moser (Zittau). 





9) Finney. The choice of operation in pyloric stenosis. 
(Amer. journ. of the med. sciences 1908. März.) 

F. wendet die von ihm angegebene Operation »Gastroduodeno- 
stomie« in allen Fällen an, in denen es sich um gutartige Stenosen 
handelt. Als Vorzüge gegenüber der Gastroenterostomie hebt er 
hauptsächlich hervor 1) leichtere Technik, 2) Fehlen des Ulcus pep- 
ticum des Duodenum, 3) kein Circulus vitiosus, keine Knickungen, 


4) keine Spornbildung. F.’s Resultate sind durchaus befriedigend. 
Levy (Wiesbaden). 





10) Negrescu. Die Behandlung der Analfissuren und Ulzera- 


tionen mittels Wasserstoffsuperoxyd. 
(Revista stiintzelor med. 1908. April.) 

Verf. hat in mehreren hartnäckigen Fällen von Fissuren und 
Ulzerationen des Afters gute Erfolge mit Umschlägen und Waschungen 
von Wasserstoffsuperoxyd in diluierten Lösungen erzielt. Das Mittel 
wirkt heilend, entzündungswidrig und lindert auch das Jucken, welches 
mit den erwähnten Krankheiten fast immer in Verbindung steht. Es 
bat auch den Vorzug, ungiftig zu sein. Statt die Lösungen in der 


1076 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 


Apotheke bereiten zu lassen, ist es vorzuziehen, sich dieselben selbst 
herzustellen, wofür sich die im Handel befindlichen konzentrierten 
Präparate von Hydrogenium peroxydatum sehr gut eignen. 

E. Toff (Braila). 


11) Delore et Chalier. De lextirpation périnéale des cancers 
de lanus et du rectum. Considérations basées sur 19 obser- 
vations personnelles. 

(Revue de chir. XXVII ann. Nr. 5.) 

Die aus der Klinik Poncet’s stammende Arbeit ist eine Emp- 
fehlung der coccygo-perinealen Methode, für welche eine genaue, in 
sieben Zeiten eingeteilte Ausführungsanweisung gegeben wird. Den 
Hauptwert legen die Verff. darauf, daß der Mastdarm in seiner Scheide 
bis zum Douglas ausgelöst, und daß die Auslösung hinten in der Kreuz- 
beinhöhlung begonnen wird. Die Zugänglichkeit genügt selbst für 
Krebse, die an der Grenze von Mastdarm und Flexur liegen, und es 
entsteht keine so große und leicht zu infizierende Wundhöhle wie bei 
der sakralen Methode; die Ableitung der Wundsekrete ist trotzdem 
hinreichend gesichert. Gutzeit (Neidenburg). 
12) Mathieu. Retrecissements non ne&oplasiques des voies 

biliaires principales. 
(Revue de chir. XX VII ann. Nr. 1 u. 2.) 

Es gibt angeborene und erworbene Verengerungen der Haupt- 
gallenwege. 

Die angeborenen sitzen vorzugsweise im unteren, an und für sich 
engeren Abschnitt des Choledochus, während der darüber gelegene 
Teil zu einer großen cystischen Geschwulst ausgedehnt ist. Fehler- 
hafte Einmündung in den Darm, eine Klappe oder ein fibröses 
Knötchen können sie verursachen. Meist handelt es sich um eine 
fötale Gallengangsentzündung, die ihre Entstehung einer Toxininfektion 
mütterlichen Ursprunges (Nabelvene, Leber, Gallenwege) verdankt und 
in der faltenreichen Schleimhaut des fötalen Choledochus leicht zu 
Verwachsungen und Strikturen führt. Die Kinder kommen ikterisch 
zur Welt, sterben bald,wenn ein vollkommener Verschluß besteht, können 
aber eine noch durchgängige Verengerung trotz des Ikterus, der dann 
gewöhnlich anfallsweise unter Schmerzen zunimmt, längere Zeit über- 
leben. Oder die Gelbsucht tritt erst in den ersten Lebensjahren, ja 
sogar in der Jugend auf, ähnlich wie eine Harnverhaltung infolge von 
Tripperstriktur nach längst überstandenem Tripper. Seltener sind die 
Fälle, wo die Gallenwege von außen durch eine abnorm verlaufende 
Art. gastroduodenalis, cystica, Pankreascysten, angeborene Nieren- 
geschwülste oder peritonitische Stränge komprimiert werden. Diffe- 
rentialdiagnostisch sind noch Geburtstraumen der Gallenwege, Syphilis 
und die sehr seltene fötale Gallensteinbildung zu berücksichtigen. 

Die erworbenen Verengerungen sind entzündlicher oder trau- 
matischer Natur. Von den Entzündungsvorgängen spielt die Chole- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 1077 


lithiasis die wichtigste Rolle, wenn auch zugegeben werden muß, daß 
einmal typhöse, tuberkulöse oder syphilitische Geschwüre zu narbigen 
Verengerungen führen können. Als Traumen kommen eigentlich nur 
operative Eingriffe an den großen Gallengängen in Betracht, sei es, 
daß ein Teil der Wand exzidiert oder ein von vornherein enger Gang 
nur eingeschnitten wurde. 

Die palliative Behandlung (Hepato-, Hepatico- oder Choledocho- 
stomie) ist möglichst auf Notfälle zu beschränken. Als Radikalbehand- 
lung stehen die Resektion der verengten Stelle oder ihre plastische 
Erweiterung durch Längsschnitt mit querer Vernähung oder mit Netz- 
oder Mageneinpflanzung zur Verfügung. Sehr oft wird nur die Anastomose 
zwischen dem über der Verengerung gelegenen Gallengangsabschnitt 
und dem Duodenum zum Ziele führen. Ein Fall von postoperativer 
Choledochusstriktur, der mit Netzplastik vergeblich behandelt, durch 
terminolaterale Hepaticoduodenostomie aber glücklich geheilt wurde, 
wird ausführlich unter genauer Angabe des operativen Vorganges be- 
richtet. Gutzeit (Neidenburg!. 





13) Riedel. Über Cholecystitis und Cholangitis sine con- 


cremento. 
(Mitteilungen a. d. Grenzgebieten d. Medizin u. Chirurgie Bd. XIX. Hft. 1.) 

Die ganz wenigen, bisher beschriebenen Gallenblasenentzündungen 
ohne Stein sind streng genommen keine solchen gewesen, da es sich bei 
ihnen doch um Konkremente gehandelt hat. R. dagegen beschreibt sieben 
Fälle reiner Gallenblasenentzündung ohne Konkremente; daß diese 
Erkrankung häufiger ist als man denkt, geht daraus hervor, daß R. 
in den letzten 3 Jahren unter 300 Pat. mit Gallensteinen bzw. Ver- 
dacht auf dieselben vier Fälle bloßer Gallenblasenentzündung beob- 
achtet hat. 

Die Krankheit kann die verschiedensten Grade erreichen, von 
ganz leichten Fällen bis zu rasch, durch Perforation in die freie 
Bauchhöhle tödlich verlaufenden. Zwei dieser Fälle starben trotz 
Operation, die einmal in Exstirpation der Gallenblase, das andere 
Mal in Cholecystostomie bestand. Bei der Autopsie fanden sich im 
ersten zahlreiche kleine Leberabszesse, Eiter in den Gallengängen, 
Choledochus durch Zugrundegehen der Schleimhaut vollständig ob- 
literiert, so daß überhaupt keine Galle mehr in den Darm gelangen 
konnte; im anderen Fall ergab die Sektion einen zweifaustgroßen 
Leberabszeß und altes Ulcus duodeni. Die übrigen fünf Fälle heilten 
nach der Operation; bei drei derselben war die Galle steril, in den 
anderen ließ sich Bacterium coli darin nachweisen. Da Schmerzen in 
der Gallenblasengegend und später Ikterus die Hauptsymptome sind, 
so wird die Diagnose meist auf Gallensteine lauten. Könnte man 
das Leiden sicher erkennen, so wäre die Therapie einfach: leichte, 
aseptische Fälle müßten konservativ, schwerere mit Drainage der 
Gallenblase, sehr schwere mit Exstirpation derselben behandelt werden, 


1078 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 


(Die Arbeit ist versehentlich vom Autor nicht selbst korrigiert, deshalb 
verschiedene Druckfehler.) Haeckel (Stettin). 


14) Brin (Angers). Le drainage des voies biliaires principales 
avec cholécystectomie. 
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXIII. p. 633.) 

Lejars bespricht vier Fälle von B. und fügt drei eigene hinzu. 
Die einfache Cholecystektomie mit Unterbindung des Ductus hepaticus 
will er für die Fälle bewahrt wissen, wo eine große, nur Schleim 
haltende Gallenblase mit isoliertem großen Schlußstein gefunden wird 
ohne entzündliche Erscheinungen. In allen anderen Fällen hat die 
Drainage der großen Gallenwege zu erfolgen. Lejars spricht sich 
dafür aus, das Drain eher zu entfernen, als es Kehr im allgemeinen 
anrät, warnt aber andererseits doch wieder vor zu großer Eile. 

Kaehler (Duisburg-M.). 


15) Deaver. Some of the reasons why cholecystectomie should 
not be performed as frequently as is advocated by many 


surgeons. 
(Amer. journ. of the med. sciences 1908. April.) 

Verf. wendet sich energisch gegen die viel zu oft ausgeführte 
Cholecystektomie. Er erblickt in der Gallenblase ein äußerst wert- 
volles Organ zur Drainage der Gallengänge und der Leber selbst bei 
septischen Prozessen. Wenn auch viele Cholecystektomien den Pat. 
keinen Schaden bringen, so spricht Verf. sich doch dagegen aus, an- 
scheinend gesunde Blasen, oder wenigstens solche, die durch Drainage 
der Heilung zugeführt werden können, primär zu exstirpieren. Gallen- 
steinrezidive nach COholecystostomien hat er in seiner großen Praxis 
nur äußerst selten gesehen und mißt ihnen keine Bedeutung zu. Zur 
Entfernung der Gallenblase entschließt sich D. nur bei folgendem 
Befunde: 1) Hydrops mit absolutem Verschluß des Oysticus, 2) chro- 
nisches Empyem, 3) Gangrän der Gallenblase, 4) Perforation, 5) Neu- 
bildungen, 6) wenn viele kleine Steine in die Schleimhaut eingebettet 
sind, 7) bei Schrumpfungen der Gallenblase. Levy (Wiesbaden). 


Kleinere Mitteilungen. 


16) G. J. Baradulin. Muskelechinokokkus. 
(Russ. Archiv für Chirurgie 1907. [Russisch.)) 

Nach zwei von B. zitierten Statistiken ist die Muskulatur relativ selten vom 
Echinokokkus befallen, nämlich in 4,6% (Neisser) oder 1,9% (Marquet). 

1) 28jähriger Schlosser hatte seit 5 Monaten Beschwerden im Rücken, teils 
Schmerzen, die namentlich nachts stärker wurden. Hinten rechts von der Mittel- 
linie eine vier Querfinger breite elastische Geschwulst in Höhe des Schulterblattes 
von der Spina bis zum Angulus scapulae. Unter lokaler Anästhesie 12 com langer 
Schnitt (Baradulin): im M. longissimus dorsi wurde eine viele Tochterblasen 
enthaltende Echinokokkuscyste gefunden, die sich im ganzen entfernen ließ, 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 1079 


2) 38jähriger Mann bemerkte vor 13 Monaten eine nußgroße, unter der Haut 
verschiebliche Geschwulst an der Innenseite des rechten Oberschenkels im oberen 
Drittel. Jetzt war die Geschwulst kindskopfgroß und hinderte am Gehen. Es 
gelang, sie aus der Masse der Adduktoren herauszuschälen. Zirka 40 Tochterblasen 
wurden gezählt. 

3) 28jährige Kranke, die seit 11/s Jahren’ eine Geschwulst auf der rechten 
Schulter hat. Sie reichte vom äußeren Ende des Schlüsselbeins bis an den Hals, 
und vom Schlüsselbein nach hinten unter das Schulterblatt, und hinderte erheblich. 
Bei stumpfem Vorgehen durch den Cucullaris wurden zwei Echinokokkusblasen 
entfernt. 

In allen drei Fällen waren die Geschwülste vor dem Eingriffe punktiert wor- 
den, wobei jedesmal die Charakteristika der Echinokokkenflüssigkeit, Mangel von 
Albumen, Scolices oder Chlornatriumkristalle im Rückstand gefunden wurden. 

V. E. Mertens (Kiel). 


17) K. Haeberlin (Nauheim). Über therapeutische Verwendung des 


Sonnenlichtes in der Chirurgie. 
(Wiener klin. Rundschau 1908. Nr. 22.) 

Nach allgemeiner Einleitung bringt Verf. das bisher bekannte Tatsachenmaterial 
über den Einfluß der Insolation auf Geschwüre, tuberkulöse Eiterungen und Neu- 
bildungen. Diese Wirkung ist auf Hyperämie und Bakterizidie zurückzuführen 
und bedarf genauer Dosierung, da zu starke Bestrahlung Erythema solare erzeugt. 
Verf. hat eigene günstige Erfahrungen bei granulierenden Wunden, Brandwunden, 
appendicitischen Fisteln und Beingeschwüren, ferner bei Mischinfektion mit Pyo- 
cyaneus. Schmieden (Berlin). 


18) G. Th. Beatson. Traumatic asphyxia. 
(Scott. med. and surg. journ. 1908. Juni.) 

B. teilt unter Wiedergabe eines vorzüglichen Aquarells einen Fall von Stauungs- 
blutung nach Perthes mit. Der 24jährige Bergmann war von einem niederfahren- 
den Grubenkorb so getroffen worden, daß Brust und Schultern ihm gewaltsam 
mehrere Minuten lang vornüber beckenwärts gepreßt wurden. Vom Nacken und 
Schlüsselbein ab nach oben war er blaurot geschwollen, mit Blutungen in Binde- 
haut und Mundboden. B. schließt sich der Ansicht an, daß es sich nicht nur um 
Blutaustritte, sondern vor allem um eine Stasis durch Überdehnung der Gefäße 
handelt. Bemerkenswert an dem Fall ist eine zunehmende Verschlechterung der 
Sehschärfe infolge von Atrophie des Opticus, so daß die Sehprognose sehr schlecht 
gestellt werden mußte. Weber (Dresden). 


19) Holden. Case of brain abscess. 
(Journ. amer. med. assoc. Bd. L. Nr. 23.) 

Nach mildem Mittelohrkatarrh entwickelte sich bei 35 jährigem Mann all- 
gemeines Zurückgehen des ganzen Körpers, Lichtscheu, Ruhelosigkeit mit geringem 
Fieber und undeutlicher Druckempfindlichkeit 11/, cm hinter und über dem äußeren 
Gehörgang. Nach Freilegung der Mastoideuszellen fand man sie mit Granulationen 
erfüllt, einen epiduralen Abszeß 4 cm hinter dem äußeren Gehörgang. Durch 
Drainage wurde er zur Heilung gebracht, aber während dieser Zeit traten Wort- 
blindheit und andere Zeichen weiterer Eiterung im Gehirn auf, und nach Eröffnung 
der alten Wunde fand man mit der Hohlsonde einen neuen Abszeß nach Spaltung 
der Dura etwa 1!/, cm unter der Hirnrinde. Nach seiner Entleerung (Gummi- 
rohrdrainage) trat vollkommene Heilung im Laufe von 3 Wochen ein. 

Trapp (Bückeburg). 


20) Mandry. Rhinoplastik mittels direkter Einpflanzung eines Haut- 
periostknochenlappens aus der Schlüsselbein-Schultergegend. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 222.) 

Bei einer Lupuskranken mit Defekt der ganzen häutigen und knorpeligen Nase 
und narbiger Veränderung der angrenzenden Wangenpartien hat Verf. eine origi- 


1080 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 


nelle neue Methode von Nasenplastik angewandt, deren Details aus dem Original 
mit seinen Abbildungen zu ersehen sind. 

Dieselbe besteht im wesentlichen in der direkten Einpflanzung einer hautunter- 
fütterten Schlüsselbeinspauge mit Schulterbrücke in den Nasendefekt, und führte 
in dem mitgeteilten Falle, wie Photographien zeigen, ohne Störung die Heilung 
zu einem guten kosmetischen Resltat. Die M.'sche Methode hat gegenüber den 
Plastiken aus den Wangen und der Stirne den Vorteil des Wegfalls neuer ent- 
stellender Narben und gegenüber den bisherigen italienischen Methoden den Vor- 
zug des Ausbleibens von Funktionsstörungen am Ort der Lappenentnahme und 
von geringer Belästigung für den Kranken, gegenüber beiden Methoden ver- 
hältnismäßige Kürze und Einfachheit voraus. Reich (Tübingen). 


21) Discussion sur la ligature des carotides. 
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris Bd. XXXIII. p. 1095 ff.) 


Im Anschluß an einen Fall von unglücklichem Ausgang bei Unterbindung der 
Carotis entspinnt sich in der oben genannten Gesellschaft eine ausgiebige Dis- 
kussion über diesen Punkt, aus welcher einige Ausführungen hier angegeben werden 
mögen. 

Lejars meint, die Unterbindung der Carotis habe unter den Einflüssen der 
modernen Technik fast alle Gefahren verloren. Man tue aber gut daran, doch 
noch in vereinzelten Fällen auf einen unvorhergesehenen Ausgang zu rechnen, da 
selbst bei genauester und sorgfältigster Untersuchung die Unzulänglichkeit der 
anastomotischen Wege sich unserer Beurteilung entzieht. 

Guinard betont auf Grund langjähriger Beschäftigung mit dieser Frage, daß 
unmittelbare Schädigungen des Gehirns nicht auftreten, vorausgesetzt, daß der 
Kollateralkreislauf genügend ausgebildet ist; die Späterscheinungen von seiten des 
Gehirns beruhen auf fortschreitender Thrombose bzw. Embolie und diese wiederum 
auf Infektion und Arteriosklerose. Unterbindet man die rechte Carotis commuuis 
und macht eine Injektion in die linke, so dringt die Flüssigkeit augenblicklich 
durch die Kollateralen (Lingualis, facialis usw.) in die Carotis der anderen Seite. 
Wenn aber z. B. bei einem Aneurysma der seitlichen Halsgegend zuerst die A. 
subelavia und dann erst die Carotis unterbunden werde, so liege die Möglichkeit 
einer Eınbolie aus dem Aneurysmasacke vor, die bei umgekehrter Reihenfolge der 
Ligaturen vermieden wäre, und damit der unglückliche Ausgang. 

Moty hat bei spontan perforiertem retrotonsillären Abszeß mit schwerster 
Blutung die Carotis unterbunden und trotz starker Anämie vollen Erfolg gehabt 

Hartmann berichtet von einer Thrombose der Carotis interna bis zur A. foss. 
Sylv., die bei absolut aseptischem Heiluugsverlauf ohne vorhandene Arteriosklerose 
entstand und zu Erweichungsherden führte. 

Morestin hat bei einer Operation anfangs die stark atheromatöse Carotis 
interna nur auf der Sonde gehabt, nachher aber nur die Externa unterbunden. 
Die Autopsie ergab, daß in die Lichtung der Carotis int. atheromatöse Plaques 
hineinragten, die zu Embolie Veranlassung gegeben hatten. 

Quenu macht den Vorschlag, gegebenenlalles und bei technischer Möglich- 
keit eine arterielle Anastomose zwischen Carotis externa und interna End zu End 
oder seitlich anzulegen. 

Jordan’s Methode zur vorherigen Orientierung über eventuelle Zirkulations- 
störungen (Chirurgenkongreß 1907) wird nur kurz erwähnt, gar nicht die prophylak- 
tische Digitalkompression zur Erweiterung des Kallateralkreislaufes. 

Kaehler (Duisburg-M.) 


22) Jalaguier. ÖOesophagotomie sous oesophagoskopie pour retrecisse- 
ment cicatriciel rebelle à la dilatation. 
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXIII. p. 653.) 


Bei der Abneigung, die im allgemeinen unter deutschen Chirurgen (conf, 
König) gegen die Oesophagotomia interna unter Leitung des Auges im Ösopha- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 1081 


goskop besteht, ıst es wohl berechtigt, auf diesen Fall hinzuweisen, der in J.'s 
Abteilung zur Beobachtung kam, dort von Guiser operiert wurde und sich frü- 
heren Operationen desselben anschließt (conf. dieses Zentralbl. 1907, p. 830). Bei 
einer doppelten, ringförmigen Verätzungsstenose der Speiseröhre trotzte die untere 
jahrelangen Bougierungsversuchen. Mehrere seichte Einschnitte mit dem Maison- 
neuve’schen Ösophagotom in Narkose brachten völlige Heilung. G. hat bisher 
sechs Fälle dieser Art behandelt: ein Mißerfolg, ein Todesfall infolge nachträg- 
licher zu frühzeitiger Bougierung. (G. berichtet in späteren Sitzungen noch über 
zwei günstig beeinflußte Fälle.) Kaehler (Duisburg-M.). 


23) Schultze (NewYork). A case of traumatic rupture of the cardiac 
orifice of the esophagus, probably caused by violent vomiting. 
(Proc. of the New-York pathological soc. Vol. VIL 5—8.) 

Bei einem chronischen Alkoholisten war wegen plötzlicher Schmerzen im Epi- 
gastrium und Erbrechen großer Blutmengen eine Probelaparotomie (mit negativem 
Erfolg) gemacht worden. Bei der Sektion fand sich ein etwa 5 cm langer, frischer 
Riß in der Speiseröhre, nahe der Cardia, den S. mit dem heftigen Erbrechen in 
Zusammenhang bringt. In der linken Pleurahböhle war reichlich Blut mit Magen- 
inhalt; das Mediastinum zeigte Emphysem. 

Erhard Schmidt (Frankfurt a. M.). 


24) Venot (Bordeaux). Tumeur primitive du pneumogastrique (fibro- 
sarcome). Resection du pneumogastrique. Gu6rison. 
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris Bd. XXXIIL p. 679.) 

Die außerordentliche Seltenheit der primären Vagusgeschwülste (V. konnte 
nur einen, noch dazu zweifelhaften Fall auffinden in Revista clinica de los hospital. 
Madrid 1891.) rechtfertigt die genauere Wiedergabe dieses Falles. 1895 drang 
dem Pat. eine rikochettierende Schrotkugel in den vorderen seitlichen Halsteil. 
1896 bemerkte er dicht über dem Schlüsselbein eine erbsengroße Geschwulst. 
6 Jahre lang geringes Wachstum, nach einem weiteren Jahre stärkeres Wachsen 
und Rauhwerden der Stimme. Allmählich weitere Beschwerden: Schmerzen im 
linken Ohr und der entsprechenden Brusthälfte, anfallsweise nadelstichartige 
Schmerzen in der Herzgegend und Palpitationen. — Die nunmehr hühnereigroße 
Geschwulst von glatter Oberfläche und gleichmäßiger Härte lag dicht über dem 
Schlüsselbein, hinter dem lateralen Rande des Kopfnickers und von diesem gut 
abgrenzbar, der Carotis dicht auf, seitlich wenig, von oben nach unten gar nicht 
verschieblich. Das linke Stimmband völlig unbeweglich in Kadaverstellung. Die 
den Kranken am meisten belästigenden Herzbeschwerden waren rein subjektiver 
Natur: Töne rein, Puls 88—90. Respiration normal. Bei der Operation fand man 
eine Geschwulst, die in einer dünnen, glattwandigen, verschieblichen Kapsel einge- 
bettet war und sich leicht auslösen ließ. Im Moment der mit starkem Zug ver- 
bundenen Hervorhebung der Geschwulst heftiger Glottiskrampf. Durchschneidung 
des auf das Doppelte des Normalen verdickten Vagus ober- und unterhalb der 
Geschwulst, worauf die Atmung sofort regulär wurde. Die Folgen der Operation 
waren: Atmung, Pulsspannung und -frequenz blieben völlig unbeeinflußt, die 
Schmerzen schwanden, ebenso die subjektiven Herzbeschwerden, die Stimmband- 
lähmung blieb. Die histologische Untersuchung ergab ein gleichmäßig gebautes 
Fibrom, in dessen Pole je ein Nervenstrang hineinzieht, der sich im Geschwulst- 
gewebe verliert. Der oben erwähnte Fremdkörper wurde nicht gefunden, auch 
kein Zusammenhang desselben mit der Erkrankung konstatiert. 

Kaehler (Duisburg-M.). 
25) W. M. Mintz. Zur Frage von den späten Erstickungsanfällen 
noch totaler Kehlkopfexzision. 
(Russki Wratsch 1908. Nr. 28.) 


In 3 Fällen unter seinen 13 Kehlkopfexzisionen sah M. einige Zeit: nachher 
schwere Erstickungsanfälle, die nach Aushusten von Blutgerinnseln schwanden. Im 


1082 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 


ersten Falle kam das 41/2 Jahre nach der Operation vor und dauerte 2 Tage lang; 
im zweiten nach 27 Tagen und dauerte 5 Tage, im dritten nach 21 Tagen und 
dauerte 24 Tage. M. nähte in seinen Fällen die äußere Schicht der Luftröhre 
mit der Haut zusammen; an der Luftröhre bleibt also zwischen äußerer Schicht 
und Schleimhaut eine blutende Wundfläche. Das herabfließende Blut füllt die 
Bronchien, und so bilden sich in denselben die Gerinnsel; im ersten Falle war das 
größte 5 cm lang und 1'!/;—2 cm dick. M. wundert sich, in der Literatur keine 
ähnlichen Befunde nach einfacher Tracheotomie gefunden zu haben. — 
Gückel (Wel. Bubny, Poltawa). 


26) F. R. Nager. Uber das primäre Trachealkarzinom. 
(Archiv für Laryngologie und Rhinologie 1907. Bd. XX.) 

Seit Bruns’ zusammenfassender Darstellung in Heymann’s Handbuch vom 
Jahre 1898, führt Verf. noch sieben Fälle an, denen er einen achten anreiht. Der 
öljährige Mann kam mit Husten, Atemnot usw.; er bot die Zeichen einer diffusen 
Bronchitis, linksseitige Recurrenslähmung, Zurückbleiben der linken Seite bei der 
Atmung. Eine direkte Endoskopie war nicht mehr möglich. Die Autopsie zeigte 
einen Plattenepithelkrebs, der den linken Hauptbronchus verlegte. Verf. glaubt das 
Plattenepithelkarzinom als eine versprengte (nicht metaplasierte) Geschwulst auffassen 
zu müssen. Denn einmal erfolge in der Gegend der Bifurkation die Trennung von 
Lungenanlage und Vorderdarm, und ferner kämen gerade in der Umgebung 
solcher Abschnürungen leicht Versprengungen vor. Außerdem lag, wie oft beim 
Luftröhrenkrebs, noch eine Mißbildung vor, und zwar hier eine muskuläre Cir- 
rhose im rechten Unterlappen (zahlreiche Bündel glatter Muskulatur durch schmale 
und breite Bindegewebssepten getrennt). F. Alexander (Frankfurt a. M.). 


27) Frhr. v. Saar. Über Tracheoplastik. 
(Festschrift f. Chiari 1907. Wien.) 

Nach einer kritischen Übersicht über die verschiedenen Methoden (Dermato- 
Chondro-Osteoplastik usw.) berichtet Verf. über einen von v. Eiselsberg operierten 
Fall von karzinomatös degeneriertem Kropf. Pat. kam bereits tracheotomiert in 
die Klinik. Erste Operation am 11. Januar: Exstirpation der Geschwulst, Resektion 
von ca. 4cm Luftröhre, Vernähung derselben über einer Kanüle, Gipsverband 
in stark gebeugter Kopfstellung. Zweite Operation am 19. Februar: Bildung des 
Haut-Periost-Knochenlappens aus dem Brustbein und Versehen desselben auf beiden 
Seiten mit Haut. Drittens Einlegung des Lappens in die Luftröhrenlücke am 
5. März, nachdem ein Ende Januar zur provisorischen Verkleinerung eingefügtes 
Zelloidinplättchen wieder entfernt worden war. Später Verschorfung einiger Luft- 
durchlassender Stellen mit dem Paquelin. Am 7. Mai mit Pelotte geheilt ent- 
lassen. Drei Jahre später mußte wegen eines Rezidivs wieder operiert und eine 
tiefere Tracheotomie mit Dauerkanüle angelegt werden, weil die Geschwulst sich 
als inoperabel erwies. Immerhin war das Resultat der Kombination der >»idealen« 
Resektion mit der osteoplastischen als ein funktionell günstiges zu bezeichnen 
gewesen. F. Alexander (Frankfurt a. M.). 


28) P. A. Werekundow. Ein seltener Fall von Verletzung des Brust- 
korbes und der Bauches. 
(Wratschebnaja Gazeta. 1908. Nr. 19 [Russisch.]) 

Ein Soldat geriet beim Abspringen von einem hohen Zaun anf sein Gewehr, 
wobei das Bajonett über dem linken Lig. Pouparti eindrang, in den Bauchwand- 
muskeln bis zum Rippenbogen, weiter durch die Lunge und Pleura ging und am 
Winkel des linken Schulterblattes die Haut durchstach. Pat. zog das Bajonett 
heraus, konnte auch noch mehrere Schritte gehen. Hautemphysem an der linken 
Seite von Brust, Hals und Gesicht; Blut im Auswurf; kein Husten, Puls 102. 
Allgemeinzustand gut. Abwartende Behandlung. Die beiden Wunden heilten 
glatt; keine Symptome von seiten der Bauchorgane; leichtes Pleuraexsudat, das 
rasch resorbiert wurde. Nach 3 Wochen gesund entlassen. 

Glückel (Wel. Bubny, Poltava). 


p=- -~ 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 1083 


29) F. S. Glickman. Brustkontusion, kompliziert durch Pneumo- 
und Hämothorax. | 
(Wratschebnaja Gazeta. 1908. Nr. 19. [Russisch.]) 


Ein Soldat fiel auf der Straße, wobei sein Seitengewehr sich mit der Spitze 
in den Hoden einrannte und Pat. mit der linken Brustseite auf den Griff aufstieß. 
Er verlor für kurze Zeit das Bewußtsein und kam mit starken Schmerzen und 
Dyspnoe ins Lazarett. Keine Haut- und Rippenverletzung;; vollständiger linkssei- 
tiger Pneumothorax. Nach 11/, Tagen Symptome eines Pleuraexsudates, das bald 
die ganze Pleura einnahm. Probepunktion, Blut in der Spritze. Blutiger Aus- 
wurf, Pneumoniesymptome. Nach und nach schwand der Hämothorax, und Pat. 
konnte nach 40 Tagen geheilt entlassen werden. — Es handelte sich also um Lun- 
genzerreißung mit nachfolgender leichter Pneumonie; der Bluterguß in der Pleura 
blieb aseptisch und wurde ohne weitere Komplikation resorbiert. 

Gückel (Wel. Bubny, Poltawa). 


30) Marden. Case report of plastic repair in old gunshot wound of 
the abdomen. 
(Surgery, gynecology and obstetrics Vol. VI. Nr. 6.) 


Es handelt sich um eine Kotfistel bei einem 22jährigen Manne dicht oberhalb der 
Spina ant. sup. dextra infolge eines Schusses durch die rechte Beckenhälfte. Der 
Verschluß war früher vergeblich versucht. Es wurde sofort bis in die Bauchhöhle 
eingedrungen, das verwachsene Netz abgebunden; die Darmfistel ging vom Grunde 
des Blinddarmes aus, der tief im Becken so fest verlötet war, daß die Fistel unter 
Belassung in dieser Lage geschlossen werden mußte. Der Verschluß des untersten 
Wundwinkels war dabei wegen sehr zerreißlichen Gewebes sehr schwierig. Zur 
Verstärkung dieser Stelle wurde der Wurmfortsatz an seinem Ansatz gedreht und 
samt seinem Mesenterium über die schwache Stelle genäht. Zum Schluß der 
weit klaffenden Bauchwunde mußte eine Hautmuskelplastik gemacht werden, in- 
dem durch einen flachen Bogenschnitt in der seitlichen Bauchwand Haut und 
Muskulatur der Länge nach losgelöst wurden, während sie am Becken und Rippen- 
bogen sitzen blieben, der Lappen wurde dann nach innen verzogen. Glatte Hei- 
lung in 4 Wochen. Trapp (Bückeburg). 


31) Zinsser (New York) A case of peritoneal infection by bacillus 
typhosus without intestinal perforation. 
(Proceedings of the New York path. soc. VII. Nr. 5—8.) 

Bei einer an Typhus abdominalis erkrankten 50jährigen Frau traten plötzlich 
in der 4. Woche Symptome auf, die auf eine Perforation schließen ließen. Bei 
der Laparotomie fand sich eine frische umschriebene Peritonitis mit Typhus- 
bazillen in Reinkultur, ohne daß eine Perforationsstelle hätte gefunden werden 
können. Z. nimmt an, daß vom Boden einer tiefen Ulzeration aus Keime durch 


die noch übrigen Schichten hindurchgewandert seien. 
Erhard Schmidt (Frankfurt a. M.). 


32) L. J. Richelot. Sur l’appendicite chronique. 
(Bull. de l’acad. de méd. 1908. Nr. 19.) 

Kolitis findet man in vielen Fällen als Folge von Blinddarmentzündung. R 
hat zum Beweis dessen zwei Beobachtungen. 

1) Ein junger Offizier leidet seit 6 Jahren an einer Enteritis mucosa et mem- 
branaces. Alle Hilfe war vergeblich. Der Kranke kam sehr herunter, wurde 
kachektisch. Wegen Empfindlichkeit des McBurney’'schen Punktes mit vorüber- 
gehendem Fieber wurde der Wurmfortsatz aufgesucht und entfernt. Er enthielt 
einen Kotstein und Zeichen von Entzündung. Sofortige und dauernde Heilung. 

2) Eine 53jährige Frau leidet seit 3 Jahren an einer Enteritis mucosa et 
membranacea. Es bestehen nach jeder Mahlzeit starke Schmerzen in der Gallen- 


1084 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 


blasengegend und Herzgrube, die das Essen ganz verleiden. Eine unbestimmte 
Druckschmerzhaftigkeit in der Ileocoecalgegend wird Veranlassung zu einem Ope- 
rationsversuch. Der Wurmfortsatz ist injiziert und mit Eiter gefüllt. Sofortige 
und dauernde Heilung. Neugebauer (Mährisch-Ostrau). 


33) N. Koppang. Om punktioner av den appendicitiske abscess 
gjennem bugbedaekningerne i terapeutisk oiemed. 
(Tidskrift for den norske laegeforening 1908. Nr. 11.) 


Die Behandlung der Ileocoecalabszesse mittels Punktion ist von Lenhartz 
angegeben. Lenhartz benutzt eine 20 ccm fassende Luer’sche Spritze und eine 
6—9 cm lange, 1 mm dicke Kanüle. Nach gründlicher Desinfektion der Haut wird 
innerhalb des Gebietes der fühlbaren Resistenz auf dem höchsten und empfindlich- 
sten Punkte der Geschwulst möglichst lateral eingestochen. Nach Entleerung von 
Gas und Eiter wird die kleine Stichöffnung mit einem Zinkpflaster verschlossen. 

Nach dieser Methode behandelte K. einen 14jährigen Knaben, der nach 
10tägiger Krankheit einen hühnereigroßen Abszeß in der linken Dleocoecalgegend 
aufwies. Durch Punktion wurden 32 ccm stinkender Eiter entleert. Rasche Besse- 
rung. Bevenstorf (Hamburg). 


34) Upcott. False diverticula of the appendix. 
(Surgery, gynecology and obstetrics 1908. VI, 5.) 


35) Johnston. Diverticulum of the vermiform appendix. 
(Ibid. 6.) 

U. beschreibt näher zwei derartige Wurmfortsätze und analysiert dann die 
Entstehung der falschen Divertikel. Der Wurm hat im Vergleich zu seiner Lich- 
tung eine sehr starke Muscularis, die im Fall einer Verlegung der Mündung einen 
sehr starken Druck auf den Inhalt des Darmteiles ausüben kann. Nachgiebigere 
Stellen in der Wandung werden daher ein Verdrängen der Schleimhaut ermög- 
lichen. Solche nachgiebigere Stellen sind die Eintrittsstellen von Lymph- und 
Blutgefäßen. An Hand der mikroskopischen Schnitte weist U. sie nach und sucht so 
seine Behauptung zu beweisen. Er streift dann noch die Beziehung falscher Diver- 
tikel und der dünneren Stellen der Wandung zur Perforation. Entzündliche Vor- 
gänge begünstigen die Nachgiebigkeit der Gefäßdurchtrittsstellen. 

J. beschreibt einen Fall, der nach der obigen Bezeichnung auch ein falscher 
Anhang zu sein scheint. Trapp (Bückeburg). 


36) White. Primary colloid carcinoma of the vermiform appendix. 
(Am. journ. of the med. sciences 1908. Mai.) 


Gelegentlich der Autopsie einer an Deus verstorbenen 75jährigen Frau wurde 
ein Colloidkrebs des Wurmfortsatzes gefunden, der mit dem Ileus in keinem ur- 
sächlichen Zusammenhang stand und nie Erscheinungen gemacht hatte. 

Levy (Wiesbaden). 


37) F. K. Weber. Zur Frage des primären Karzinoms der Appendix. 
(Russ. Archiv für Chirurgie 1908. [Russisch.)) 


Wie stets in diesen Fällen — abgesehen von dem Beyer’s, — wurde auch 
hier die Diagnose erst nach der Operation gestellt. 

Der 43jährige Mann erkrankte 1901 zuerst an Appendicitis. Die Anfälle 
wiederholten sich 5—6mal jährlich, bis im Frühjahr 1904 wegen eines großen 
Abszesses in der Coecalgegend operiert werden mußte. Bei dieser Gelegenheit war 
der Wurm in Verwachsungen eingebettet. Seitdem keine Anfälle mehr, wohl aber 
zeitweise dumpfer Schmerz am Blinddarm. Februar 1906 wurde eine rechtsseitige 
trockene Pleuritis überstanden. April 1906 kam Pat. wegen einer Narbenhernie 
und klagte über die erwähnten Schmerzen. Im Hinblick auf die Pleuritis hielt 
W. die höckerige, gänseeigroße Geschwulst für tuberkulös. Nach Überwindung 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 1085 


vieler Verwachsungen gelang es, den stark verdickten Wurm samt einem Stück 
des gedehnten Blinddarmes zu resezieren. Trotzdem vom vorderen Umfang des 
Blinddarmes und von der Bauhin’schen Klappe Stücke entfernt wurden, gelang die 
Naht ohne Stenosierung. Pat. wurde nach glatter Heilung in 3 Wochen ent- 
lassen. 
Die Geschwulst hatte am Übergang in den Blinddarm einen Durchmesser von 
5 cm, war hier scharf abgegrenzt und erwies sich mikroskopisch als Adenokar- 
zinom. 
W. betont, wie ungeheuer selten diese übrigens sehr »gutartigen« Karzinome 
sind, wenn man bedenkt, welche Unzahl von Wurmfortsätzen entfernt werden. 
V. E. Mertens (Kiel). 


38) Leischner. Die Bedeutung der partiellen Bauchmuskellähmungen 
für die Chirurgie. 
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie. Bd. XVII. Hft. 5.) 
Bei jeinem 2jährigen Mädchen bestanden nach abgelaufener Poliomyelitis 
anterior acuta Atrophien und Lähmungen an der rechten oberen und unteren Extre- 
mität, und außerdem in der linken Bauchhälfte zwei umschriebene apfel- bzw. 
walnußgroße Vorwölbungen, die große Ähnlichkeit mit seitlichen Bauchwand- 
brüchen hatten. Es werden die wenigen in der Literatur niedergelegten ähnlichen 
Fälle besprochen, auch solche, die auf [Basis von Neuritiden bei Erwachsenen ent- 
standen. Die Kenntnis dieser Pseudohernia ventralis |lateralis infolge partieller 
Bauchmuskellähmung ist von Wichtigkeit, weil sie, für echte Hernien gehalten, 
schon Anlaß zu unnötigen Operationen gegeben haben. Haeckel (Stettin). 


39) M. M. Pokrowski. Zur Frage von der eitrigen Entzündung des 
Magens und des Darmes. 
(Russki Wratsch 1908. Nr. 24 und 28.) 

P. sah einen Fall von eitriger Gastritis bei einem vor 5 Tagen erkrankten 
Mann. Erbrechen nur einmal; Diarrhöen, Tod 10 Tage nach Beginn der Er- 
krankung. 2 Tage vor dem Tode wurde der Bauch schmerzlos, am Tage vor dem 
Tode — Perforation der Magenwand und Peritonitis. Klinische Diagnose: Abdo- 
minaltyphus! Sektion: eitrige Infiltration der Wände des ganzen Magens; Serosa 
und Mucosa intakt, nur an einer Stelle der kleinen Kurvatur ist die Infiltration 
stärker und die Schleimhaut nekrotisch. Perforation dicht am Pylorus. Öso- 
phagus und Duodenum nicht ergriffen. Angina, Streptokokken im Eiter. 

Seltener als der Magen findet sich der Darm eitrig entzündet. In der Lite- 
ratur fand P. bloß 15 Fälle, davon 8 aus Rußland. Er selbst sah auch einen Fall, 
Ein Mann, 28 Jahre alt, starb nach 31/2 Monate langer Krankheit (Ascites, Ödem 
an den Beinen, sechs Punktionen des Unterleibes). Sektion: atrophische Leber- 
cirrhose, Dickdarm mit der Leberpforte verwachsen, die Subserosa des Darmes an 
dieser Stelle dicht und reichlich mit Eiterzellen infiltriert. Mucosa und Serosa 
gut erhalten. Keine Peritonitis. Akute Angina. — 

Gückel (Wel. Bubny, Poltawa). 


40) Wegele. Uber Polyposis ventriculi (Polyadenome gastrique). 
(Mitteilungen a. d. Grenzgebieten d. Medizin u. Chirurgie Bd. XIX. Hft. 1.) 

So häufig Polyposis im Darm beobachtet worden ist, so selten im Magen; den 
wenigen bisher publizierten Fällen fügt W. einen neuen hinzu. In der Annahme 
eines Karzinoms wurde operiert. Man fühlte jedoch nach Eröffnung des Bauches 
keine Geschwulst, machte daher einen Schnitt in den Magen und fand die gesamte 
Oberfläche der Magenschleimheit von einer Menge zottenförmiger größerer und 
kleiner, weicher Polypen besetzt. Gastroenterostomie. 11/2 Jahr später war Pat. 
noch am Leben, doch war das Körpergewicht stetig gesunken. Mikroskopisch 
zeigten die Geschwülste den Charakter eines Adenoms, das an einigen Stellen den 
Verdacht auf Übergang in Adenokarzinom wach werden ließ. 

Haeckel (Stettin). 


1086 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 


41) S. Hayem. De la frequence de l’ulcero cancer de l’estomac. 
(Bull. de l’acad. de med. 1908. Nr. 15.) 

Wegen der großen Verschiedenheit der Ansichten über die Beziehungen des 
Magenkrebses zum Magengeschwüre hat H. 94 Fälle daraufhin untersucht und 
gefunden, daß man mehr als ein Fünftel der Karzinome ätiologich auf Geschwür 
beziehen müsse. Dieser Krebs sitzt stets »präpylorisch« an der kleinen Kurvatur; 
er trifft, wie auch schon andere gefunden, fast ausschließlich Männer. 

Neugebauer (Mährisch-Ostrau). 


42) S. J. Twerdowski. Zur Frage von der Bedeutung der Gastro- 
enterostomie bei Pylorusstenose. 
(Wratschebnaja Gazeta 1908. Nr. 27. [Russisch.)) 

T. operierte 30 Pat.: 24 mit bösartiger Magengeschwulst, 6 mit gutartiger 
Stenose. 29mal wurde die Anastomose nach Hacker — ohne Braun — ange- 
legt, mit günstigem Ausgang; einmal — Krebsgeschwür der hinteren Wand — 
nach Wölfler, Tod an septischer Peritonitis. Die Anastomose wurde 14mal 
mittels Murphyknopf, 16mal mit dreizeitiger Naht angelegt. Zweimal trat nach 
15 bzw. 7 Monaten wieder Erbrechen auf; eine operative Erweiterung der Ana- 
stomosenöffnung durch 4-5 cm langen Schnitt und Naht senkrecht zur Schnitt- 
linie; das Erbrechen hörte dann in beiden Fällen auf; beide Fälle waren mit 
Murphyknopf operiert. Gückel (Weil. Bubny, Poltawa). 


43) Thorspecken. Ein Beitrag zur Pathologie der Magen-Kolonfistel. 
(Mitteilungen a. d. Grenzgebieten d. Medizin u. Chirurgie Bd. XIX. Hft. 1.) 


T. veröffentlicht aus der Göttinger medizinischen Klinik einen Fall von Magen- 
Dickdarmfistel. Ein 18jähriges Mädchen mit Lungen- und Hauttuberkulose bekam 
nach längerem Voraufgehen von Leibschmerzen Koterbrechen, das mehrere Wochen 
bis zum Tode anbielt; ganz unabhängig davon erfolgte ohne Beschwerden ziemlich 
regelmäßig Stuhlgang; im Leibe waren viele gurrende Geräusche zu hören, Darm- 
peristaltik aber war nur ein einziges Mal sichtbar. Bei der Autopsie fand sich 
stenosierende Darmtuberkulose im Colon transversum; vor der Stenose starke Er- 
weiterung und hochgradige Zerstörung der Schleimhaut mit fistulösem Durchbruch 
in den Magen und subphrenischem Abszeß; von diesem gleichfalls Durchbruch in 
den Magen. Hochgradige Fettleber, eingedickte Galle in der Gallenblase, keine 
Spur von Galle in den Gallengängen. 

Dieser Fall ist in doppelter Hinsicht bemerkenswert: einmal, weil ein ähnliches 
Vorkommen von tuberkulösen Geschwüren an der linken Flexur nicht beschrieben 
ist und noch weniger natürlich eine durch diese bedingte Fistelbildung; sodann, 
weil sowohl Stuhl wie Erbrochenes völlig acholisch waren, und trotzdem kein 
Ikterus bestand, im Urin Urobilin nicht nachgewiesen werden konnte. Diese 
Acholie ohne Ikterus ist schwer zu erklären; manche Autoren halten völliges Ver- 
siegen der Gallensekretion für bisher nicht erwiesen. Der auffällige pathologisch- 
anatomische Befund der Leber läßt im vorliegenden Falle die Erklärung für di 
gestörte Funktion vermuten; die mikroskopische Untersuchung der Leber zeigte 
außergewöhnlich hochgradige Verfettung des ganzen Leberparenchyms. Überall 
sind die Zellen vollständig von Fettropfen ausgefüllt, zwischen denen nur die 
Gefäßendothelien, Gallengänge mit gut erhaltenem Epithel und größere Gefäße 
. sichtbar sind. Auch einzelne normale Leberzellen sind nicht zu finden. Zwischen 
den Lobulis liegen miliare Tuberkel. Haeckel (Stettin). 


44) Finney. Congenital idopathic dilatation of the colon. 
(Surgery, gynecology and obstetrics Bd. VI. Nr. 6.) 

Beschreibung eines Schulfalles von Hirschsprung’scher Krankheit bei einem 
9jähr. jüdischen Knaben. Probelaparotomie. F. legte zunächst eine Darmfistel an, von 
der aus der Darm durchgespült wurde. Nach 6 Monaten ergab die zweite Laparo- 
tomie, daß der ganze Darm nebst Mesenterium bedeutend kleiner und dünnwandiger 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 1087 


geworden war, während sich das Allgemeinbefinden sehr gehoben hatte. Es wurde 
nun eine seitliche Kolo-Kolostomie: gemacht, 5 Monate später die noch zurückgelas- 
sene ausgeschaltete Schlinge entfernt und die Darmfistel geschlossen. Der Knabe er- 
holte sich derart, daß er schon vor der letzten Operation völlig normal entwickelt 
war. Zuletzt erinnerte nur die verbreiterte untere Öffnung des Brustkastens noch 
an die überstandene Krankheit. — F. knüpft an diesen Fall eine eingehende 
Studie der Krankheit mit gutem Literaturbericht. Trapp (Bückeburg). 


45) ©. A. Morton. A clinical lecture on a consecutive series of 
34 cases of excision of a portion of the rectum for carcinoma. 
(Brit. med. journ. 1908. Mai 2.) 


M. berichtet über 34 Fälle von Mastdarmresektionen wegen Krebs mit einer 
Sterblichkeit von 13%; von den letzten 18 Operierten starb keiner. Von 19 Nach- 
untersuchten lebten 8 ohne Rückfall, 10 rezidivierten. M. setzt die Grenzen der 
Operabilität erheblich weiter als gewöhnlich geschieht. So gelten ihm Anheftung 
an der Prostata oder am Kreuzbein nicht als Gegenanzeige. Die Resektion des 
Mastdarmes mit nachfolgender Naht konnte er 12mal ausführen, aber stets gab 
ein Teil oder die ganze Naht nach: nie erfolgte unmittelbar völlige Heilung. 
Trotzdem stellte sich später in vielen Fällen freier Darmdurchgang wieder her, in 
anderen Fällen allerdings nur mit Fistelbeigabe. Der eine Fall, in dem Verf. die 
Durchziehmethode anwandte, mißglückte durch Nekrose des durch den After ge- 
zogenen Darmendes. Weber (Dresden). 


46) K. Stern. Operation eines Aneurysma embolomycoticum einer 
Mesenterialarterie. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 315.) 


Verf. beschreibt aus der Rehn’schen Abteilung einen Fall von embolomyko- 
tischem Aneurysma der Art. mesenterica superior bei einem 20jährigen Manne mit 
rekurrierender Endokarditis und Streptokokkensepsis. Man fühlte rechts unterhalb 
des Nabels eine nicht ganz hühnereigroße, bewegliche Geschwulst bei Mangel von 
peritonitischen Symptomen und den sonst für Aneurysmen charakteristischen Er- 
scheinungen. Da Pat. unerträgliche Schmerzen hatte, wurde unter der Wahrschein- 
lichkeitsdiagnose eines mesenterialen Drüsenabszesses laparotomiert. Man inzidierte 
eine kleinapfelgroße Geschwulst im Mesenterium, räumte den aus alten Blut- 
gerinnseln bestehenden Inhalt aus und unterband die in dickem Strahl spritzende 
Art. mesenterica superior. Nach Einführung eines Gazestreifens wurde der Sack 
durch Naht geschlossen und die Bauchwand genäht. Der Darm zeigte völlig nor- 
male Beschaffenheit. Die Wunde heilte reaktionslos, und es trat zunächst eine 
deutliche Besserung mit einer Fieber- und Schmerzpause auf, dann aber kam es 
zu einer Embolie der Art. brachialis und einem neuen embolischen Aneurysma der 
linken Oberbauchgegend. Beim Versuch, dasselbe zu operieren, entstand eine ge- 
waltige Blutung, die zwar nach Gefäßligatur stand, doch erlag Pat. bald darauf 
im Kollaps. . 

Die Sektion ergab neben alten und frischen endokarditischen Auflagerungen 
ein Aneurysma der Art. brachialis infolge Vereiterung eines septischen Thrombus. 
Am mittleren Ast der Art. mesenterica superior, dicht an der Abgangsstelle, saß 
ein apfelgroßes Aneurysma, dessen dünne Wand in die Bauchhöhle perforiert war. 
In einem anderen Aste fand sich ein loser Embolus. Das exstirpierte Aneurysma 
war tadellos ausgeheilt; Darm und Mesenterium waren gut ernährt. 

Es ist dies der erste operativ behandelte Fall eines derartigen Aneurysmas, 
durch welchen der Beweis erbracht ist, daß man in solchen Fällen die Art. mesen- 
terica superior wohl unterbinden darf, ohne die bei plötzlichem Verschluß sonst 
unausbleibliche Darmgangrün befürchten zu müssen, da sich bei dem chronischen 
Verschluß des Gefüßes längst ein Kollateralkreislauf ausgebildet hat, bis das 
Aneurysma als Geschwulst nachweisbar wird. Allerdings kann, wie auch hier, die 


1088 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 


Operation das Schicksal der Pat. nur selten ändern, was bei der Natur des Grund- 
leidens und der bekannten Multiplizität derartiger Embolien leicht erklärlich ist. 
Reich (Tübingen). 


47) Mastin. A unique anomaly of the great omentum. 
(Surgery, gynecology and obstetrics Bd. VI. Nr. 6.) 

Bei einem 26jährigen Neger wurde wegen Schußverletzung des Darmes die 
Laparotomie gemacht. Dabei fand man, daß das große Netz oberhalb des Nabels 
in breiter Fläche mit der vorderen Bauchwand verwachsen und so stark verkürzt 
war, daß eine vollständige Trennung des oberen Teiles vom unteren des Bauches 
dadurch bewirkt wurde. Das Gewebe des Diaphragmas selbst war viel fester, 
dicker und blutreicher als das des normalen Netzes; das präperitoneale Fett ging 
direkt in das Innere des Diaphragmas über; das Peritoneum parietale hing oberhalb 
und unterhalb ohne Unterbrechung mit seinem Bauchfellüberzug zusammen. Seitlich 
lief die Scheidewand beiderseits, ganz ähnlich den Zwerchfellschenkeln, tief herab, 
fest verbunden mit dem gesamten Dickdarm, so daß die Scheidewand hufeisen- 
förmig lückenlos verlief. Magen und Dickdarm lagen dabei völlig normal, ebenso 
alle anderen Baucheingeweide. Irgendweliche Zeichen frischer oder alter Entzündung 
fanden sich nirgends. Die Sektion ließ den genauen Befund leicht erheben. 

Trapp (Bückeburg). 


48) Johnston. Non parasitic cysts of the spleen. 
(Surgery, gynecology and obstetrics Bd. VI. Nr. 6.) 


Bei einer mit Uterusmyomen belasteten 46jährigen Frau fand sich in der 
linken Unterbauchseite eine etwa faustgroße Geschwulst, die bei der zum Zwecke 
der Hysterektomie vollzogenen Laparotomie sich als die frei bewegliche Milz er- 
wies, an deren Hilus eine gänseeigroße, weiße, cystische Geschwulst saß. Sie wurde 
leicht stumpf ausgeschält, die Milz reponiert. Die Geschwulst hatte Eiform, eine 
fast weiße, 0,5—2,5 mm dicke, stark verkalkte Wand und enthielt schleimig- 
gallertiges, mit zerreiblichen, sandigen Bröckeln durchsetztes Material von schmutzig- 
weißer, etwas ins Bräunliche spielender Farbe. Mikroskopisch fand man darin 
neben Cholesterin und Detritus Reste von roten Blutkörperchen und Blutfarbstoff, 
nur am Rande der Wand ein maschenförmiges, im Untergang begriffenes Gewebe. 
Die Wand bestand aus verkalktem Bindegewebe. Die Nierenkapsel ging in die 
Cystenwand über. Die Cyste wurde für ein umgewandeltes Hämatom der Milz 
angesehen. Trapp (Bückeburg). 


49) Nicolle et Cassuto (Tunis). Sur un cas de »Kala-azar« (spleno- 
mégalie tropicale). 
(Bull. de l'acad. de méd. 1907. Nr. 32.) 

Ein 2jähriges Kind französischer Abstammung erkrankt mit gastrointestinalen 
Krankheitserscheinungen, die von unregelmäßigem Fieber begleitet sind. Dazu 
beträchtliche Milzvergrößerung und Kachexie. 

Die mikroskopische Untersuchung des Blutes ließ Malaria ausschließen. Da- 
gegen wies das durch Milzpunktion gewonnene Blut parasitäre Elemente auf, die 
von Leishman und Donovan bei den Indern gefunden worden waren. 

Die Krankheit, die epidemisch werden kann, soll nach Patton auch durch 
Insekten verbreitet werden. Neugebauer (Mährisch-Ostrau). 


Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden. 


Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau, 
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. 


Zentralblatt für Chirurgie 


herausgegeben von 


K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER, 








in Bonn, in Berlin, in Breslau. 
35. Jahrgang. 
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG. 
Nr. 37. Sonnabend, den 12. September 1908. 
Inhalt. 


Wilms, Fixation des Coecum mobile bei Fällen von sogenannter chronischer Appendicitis. 
(Originalmitteilung.) Š 

1) Crile, Die Krebsfrage. — 2) Knox, Wunddrainage. — 3) Vaillard, Zur Tetanusprophylaxe. 
— 4) Leale, Verbrennung bei Kindern. — 5) Couteaud, Lokalanästhesie. — 6) Bangs, Über Tabak 
in der chirurgischen Praxis. — 7) Civatte, Zur Heirat Syphilitischer. — 8) Portillo, Venerische 
Leistendrüsen. — 9) Dubreuilh, Gesichtsepitheliome. — 10) Sabourand, 11) de Beurmann und 
Gougerot, 12) Civatte, 13) v. Zeissl, Dermatologisches. — 14) Meyer, 15) Zalewski, 16) Kramm, 
17) Voss, 18) Hinsberg, Otologisches. — 19) Loewe, 20) Albrecht, 21) Newcomb, 22) Uffenrode, 
23) Albrecht, 24) Hajek, 25) Citelli, 26) Kramm, Zur Chirurgie der Nase und der Nasenneben- 
höhlen. — 87) Andereya, Oberkiefercysten. — 28) Legueu, Parotitis postoperatoria. — 239) Vohsen, 
Bösartige Mandelgeschwülste. — 80) Gluck, Chirurgie des Kehlkopfes und Rachens. — 391) Gutz- 
mann, Stimme und Sprache ohne Kehlkopf. — 32) Elsberg, Pneumothorax. 

88) Silberberg, 834) Lasio, Spinalanästhesiee — 35) Carle, 36) Burgsdorf, 87) Hamel, 
38) Burgsdorf, Zur Syphilisfrage. — 89) Bulkley und Janeway, Epitheliome. — 40) Bodin, 
41) Bonnet, 42) Bodin, 48) Constantin und Levrat, 44) Audry, 45) Spitzer, 46) Nicolas und 
Gauthier, Dermatologisches. — 47) Bönaky, Neurofibromatose. — 48) Herzenberg, Stauungs- 
blutung. — 49) Blan, Meningoencephalitis acuta. — 50) Peabody, Zerebrospinalmeningitis. — 
51) Graves, Hirngeschwulst. — 52) van Fleet, Geschwulst des N. opticus. — 58) Daae, 54) Putsch- 
kowski, 55) Schroeder, 56) Muck, 57) Wittmaack, 58) Cohn, Otologisches. — 59) Cohen, Vier 
Stirnhöhlen. — 60) Kuelbs, Mikulicz’sche Krankheit. 

Berichtigung. 





Fixation des Coecum mobile 
bei Fällen von sog. chronischer Appendieitis. 


Von 


Prof. Wilms in Basel. 


n einer demnächst in der Deutschen med. Wochenschrift erscheinen- 
den Arbeit: »Langes Coecum mobile als Ursache mancher 
Fälle von chronischer Appendicitis« wird darauf hingewiesen, 
daß bei nicht wenigen Fällen dieser Erkrankung auch noch nach der 
Appendektomie die gleichen Schmerzen bestehen bleiben wie vorher. 
Ein Teil dieser Fälle mögen auf Fehldiagnosen beruhen, indem 
z. B. Genitalaffektionen bei Frauen oder neuralgische Zustände im 
Gebiete des N. ileohypogastricus als chronische Appendicitis gedeutet 
wurden; bei anderen beruht aber der Mißerfolg nicht auf einer Fehl- 
diagnose, sondern auf einer unrichtigen Auffassung über die Ursache 
der Schmerzen bei sog. chronischer Appendicitis und damit 
zusammenhängender unrichtiger Therapie. 
37 


1090 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 


Die Schmerzen sind nämlich meiner Ansicht nach in gewissen 
Fällen weder durch Entzündung des Wurmfortsatzes oder Mesen- 
teriolum, noch durch eine Kolitis im Üoecum bedingt, sondern 
nur durch Zerrung eines langen, beweglichen Coecum. Ist ein langes 
Coecum mobile vorhanden, so kann dieses, um nur zwei Haupttypen 
hier herauszuheben, in verschiedener Weise wirken. Einmal kann das 
Coecum an einem relativ zu kurzen Mesenteriolum der Appendix 
die Zerrung ausüben wie Fig. 1 demonstriert. Reseziert man hier den 
Wurmfortsatz und durchtrennt natürlich dabei das Mesenteriolum, so 
kann eine Heilung der Schmerzen eintreten. Ist aber das Mesen- 
teriolum der Appendix lang (Fig. 2), und übt das Coecum dann an 
seinem eigenen retroperitonealen Ansatz (event. bei einem Coecum mobile 
am ganzen Mesenterium) den schmerzhaften Zug aus, so ist mit einer 
Entfernung der Appendix nichts gewonnen. Hier kann nur eine Fixa- 


Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3. 





Fig. 1. Relativ zu kurzes Mesenteriolum der Appendix bei langem Coecum mobile. 
Fig. 2. Langes Mesenteriolum bei langem, beweglichem Coecum. Fig. 3. Retro- 
peritoneale Lagerung des Coecum zur Fixation. 


tion des Coecums von Erfolg begleitet sein. (Näheres siehe in 
obengenannter Arbeit). 


Nebenbei sei erwähnt, daß die Situation eines relativ zu kurzen Mesenteriolum 
wie bei Fig.1. für das Auftreten von Entzündung durch Sekretverhaltung, durch 
Störung der Zirkulation der Appendixwand und des Mesenteriolum von großer 
Wichtigkeit ist. Viele Fälle von Knickungen des Wurmfortsatzes nach Ent- 
zündungen entstehen meiner Ansicht nach dadurch, daß bei solcher Sachlage durch 
Zerrung Schädigungen der Wand der Appendix entstehen und von dort aus Ent- 
zündungen ausgehen, die bei Heilung Adhäsionen in geknickter Stellung des Fort- 
satzes bewirken. In manchen Fällen mag ja die Knickung durch die Entzündung 
allein bedingt werden, aber sicher ist öfters das Primäre eine Lage bei der 
der Appendix durch Zug des Mesenteriolum geknickt ist (Fig. 1). 


Um die Schmerzen bei chronischer Appendicitis zu beseitigen, 
habe ich nun bei etwa 40 Fällen, bei denen die bekannten Symptome 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 1091 


bestanden und bei der Operation keine Reste von Entzündung noch 
abnorme Verwachsungen sich fanden, sondern Coecum und Wurm- 
fortsatz frei beweglich waren und sich leicht vor die Bauchwunde vor- 
legen ließen, den Blinddarm flächenhaft an der hinteren Bauch- 
wand im Bereich der Beckenschaufel zur Verwachsung gebracht, 
und zwar nicht durch Naht, sondern nach folgender Methode: 

Der Haut- und Muskelschnitt kann in gewöhnlicher Weise aus- 
geführt werden; ich lege ihn, wenn die Palpation ein langes Coecum 
erkennen läßt, näher an die Spina ant. superior heran, trenne dann 
in der Länge a—b (Fig. 3) das Peritoneum von der Darmbeinschaufel 
los und gehe stumpf mit dem Finger hinter das Peritoneum, das sich 
leicht, weil es sehr locker adhärent ist, lösen läßt; dann trennt man 
mit der Schere das Peritoneum in der Linie ac durch, die ungefähr der 
hinteren Ansatzlinie des Ooecum entspricht. Die Trennung ist leicht, 
weil man durch Fassen des schon gelösten Peritoneum mit Klemmen 
das Peritoneum vorziehen kann. Man hat jetzt eine große, retro- 
peritoneale Tasche gebildet, deren Weite man übersieht, wenn man 
einen Spatel oder Langenbeck’schen Haken so einsetzt, daß man 
den freien Peritonealzipfel nach vorn gegen das Peritoneum der vor- 
deren Bauchwand gegendrückt. In diese Tasche, die man durch den 
Haken offen hält, wird nun das Coecum mobile hineingeschoben und 
dann der freie Peritonealzipfel in der Gegend der Bauchwunde fixiert. 
Es ist klar, daß durch die jetzt geschaffenen, flächenhaften Adhäsionen 
eine Fixation des Coecum erreicht wird, besser noch wie das Kolon 
sonst mit seinem Mesokolon fixiert ist. 

Die Erfolge meiner eigenen, ziemlich zahlreichen Beobachtungen 
sind gute, selbst bei Pat., denen die früher ausgeführte Appendek- 
tomie keine Heilung gebracht, hat die Coecumfixation die Schmerzen 
beseitigt. 


1) @. W. Crile. The cancer problem. 
(New York med. record 1908. Juni 6.) 


C. bestätigt, daß der Extrakt von Krebszellen aktive Hämolyse 
hervorbringt, was bei gutartigen Geschwülsten nicht der Fall sei. 
Ebenso könne das Blutserum eines Krebskranken Blutkörperchen 
eines gesunden Menschen lösen. Das Blutserum von letzterem löst 
aber im allgemeinen nicht die Blutkörperchen eines Krebskranken. 


In 82% der Fälle bewährte sich dieser Satz. 


Vor der Transfusion, die hier wieder empfohlen wird, um Chok 
und den Folgen starken Blutverlustes bei der Operation vorzubeugen, 
soll stets diese hämolytische Probe vorgenommen werden. Wenn dann 
das Serum des Gesunden auf die Blutkörperchen des Pat. hämolytisch 
wirkt, so sei die Transfusion kontraindiziert, aber im allgemeinen 
seien die Fälle mit solch umgekehrter Hämolyse, die bisher beobachtet 
wurden, inoperabel. 


37* 


1092 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 


Es wird dann noch auf die Möglichkeit, eine Immunität gegen 
Krebs zu schaffen, und auch auf gelungene Immunisierungsversuche 
für Sarkom bei Hunden hingewiesen und schließlich die Weiter- 
erziehung des Publikums für nötig gehalten, damit jeder lerne, die 
Affektionen nicht zu vernachlässigen, welche ein Vorstadium des 
Krebses bilden können. Loewenhardt (Breslau!. 


2) R. W. Knox. Drainage of Wounds. 
(New York med. record 1908. Mai 30.) 

K. hat bei frischen Wunden aller Art gute Erfahrung mit der 
Anwendung feuchter Wärme gemacht. Die Wunden werden offen ge- 
lassen, jede Art Reinigung möglichst vermieden, namentlich die Ränder 
nicht geglättet und die zerfetzten Weichteile in Ruhe gelassen. 

Der Verband wird zweimal in 24 Stunden gewechselt und besteht 
aus dicken Lagen Watte oder Flanelltüchern, die in heißem Wasser 
ausgedrückt und mit Heißwasserbeuteln (40° R) warmgehalten werden. 

Auf Grund ausgedehnter Erfahrung versichert K., daß bei zweck- 
mäßiger Technik eine Wundinfektion zu den allergrößten Seltenheiten 
gehöre, gleichgültig wie schwer die Verletzung und wie schmutzig die 
Wunde sei. Uberfahrungen und Eisenbahnverletzungen schlimmster 
Art wurden mit Erfolg behandelt. 

Hat sich die Wundfläche gereinigt und granuliert, werden halb- 
feuchte Verbände mit Bor-Glyzerin empfohlen. Gelegentlich soll auch 
permanente Irrigation mit Borsäure und dünne Formalinlösung zum 
Desodorieren verwendet werden. 

»Gleich anderen guten Dingen« sei die Idee nicht neu, sondern 
nähere sich »der Leinsamenkompresse zu Großmutters Zeiten«, gewinne 
aber ein modernes Gepräge dadurch, daß die Überwachung durch eine 
reinliche Krankenwärterin und Sterilisierung der Verbandsstoffe emp- 
fohlen wird. 

Wenn auch die Anwendung von Watte und Flanell direkt auf 
die Wunde mehr einem improvisierten Notverband entspricht, ist 
mutatis mutandis der beschriebenen primitiven Methode manches Be- 
achtenswerte zu entnehmen. Seit die Wirkung physikalischer Heil- 
faktoren wieder mehr gewürdigt und auf experimentellem Wege ge- 
prüft worden, hat auch die feuchte Wärmeanwendung, besonders bei 


lokalinfektiösen Prozessen, wieder ihre Bedeutung gewonnen. 
Loewenhardt (Breslau). 


3) Vaillard. Sur les injections preventives de serum anti- 
toxique dans la prophylaxie du tétanos de homme. 
(Bull. de l’acad. de méd. 1908. Nr. 21—26.) 

Der Glaube an die Wirksamkeit der prophylaktischen Serum- 
therapie ist in letzter Zeit erschüttert worden, in Frankreich besonders 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 1093 


durch Reynier und Delbet. V. macht es sich in dem ausführlichen 
Referate zur Aufgabe, ihn wiederherzustellen. 

Das Antitoxin muß Zeit finden können, sich vor der Bildung des 
Toxins im Körper zu verbreiten, und soll demnach mindestens gleich- 
zeitig mit oder unmittelbar nach der Infektion einverleibt werden. Nach 
subkutanen Infektionen kommt die Injektion noch 40 Stunden später 
und darüber zurecht, bei intramuskulären jedoch im selben Falle 
schon zu spät, weil die Phagocytose hier viel weniger entgegenwirken 
kann. 

Eine Hauptstütze für die absolute Verläßlichkeit der Antitoxin- 
prophylaxe sieht V. in den Erfolgen der Tierheilkunde in Frankreich. 
Nach Nocarde hat daselbst von 13124 verletzten oder operierten 
Haustieren nur ein einziges eine leichte, in Heilung ausgegangene 
Erkrankung bekommen, wogegen dort sonst der Starrkrampf nach 
kleinen Verletzungen, Kastrationen u. dgl. gang und gäbe ist. 


Alle Einwürfe von Delbet, Reynier und anderen: daß in Paris 
die Zahl der Erkrankungen nach Einführung der präventiven Injek- 
tionen nicht abgenommen habe, daß der Starrkrampf trotz derselben 
oft zum Ausbruch komme, daß die günstigen Bedingungen der Prophy- 
laxe in der Tierheilkunde der Behandlung des Menschen nicht zu- 
statten komme, und daß endlich das Antitoxin als ein’ andersartiges 
Serum beim Menschen weniger wirksam sei, als beim Pferde, werden 
widerlegt. 

Man hat sich vor Augen zu halten, daß das Antitoxin nicht 
bakterizid wirkt, d. h. die Entwicklung der Tetanuskultur in der 
Wunde nicht im geringsten beeinträchtigt, daß seine Wirkung beim 
Menschen nach einer Woche zu erlöschen beginnt und daß die Durch- 
seuchung des Körpers mit anderen Bakterien (Streptokokken, Prodi- 
giosus, Cholera, Kolibazillen) die Wirkung desselben nicht zur Ent- 
wicklung kommen läßt. 


Jede kleine, oberflächliche, unkomplizierte Wunde soll sofort 
10 ccm, jede größere, gequetschte, mit Knochen- oder Gelenkskompli- 
kationen einhergehende 20—30 ccm Serum erhalten. Diese Gaben 
sind stets nach einer Woche, wenn auch in geringem Maße, so lange 
zu erneuern, als die Wunde infektiös aussieht. Die Verwendung von 
Trockensubstanz als Pulver auf die Wunde ist wirkungslos. 

Die Verletzungsstelle selbst ist sorgfältig von Fremdkörpern und 
Blutgerinnseln zu säubern und mit Antisepticis zu reinigen, ohne 
jedoch die Vitalität der Gewebe zu schädigen. 

An der Diskussion hierüber beteiligen sich Le Dentu, P. Reynier, 


Lucas-Championnière, Léon Labbé. 
Neugebauer (Mäåhrisch-Ostrau). 


1094 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 


4) M. Leale. Some considerations in the management of 


burns and scalds in infants and children. 
(New. York med. record 1908. Mai 9.) 

L. erwähnt, daß dreiviertel aller Fälle von Verbrennungen bei 
Kindern vorkomme, bei denen die Prognose relativ schlecht sei, schon 
weil viel leichter Chok sich einstellt, der nach seiner Ansicht die 
Hälfte aller Todesfälle bedingt, aber gewöhnlich nicht vor 48 Stunden 
nach dem Unfall in Erscheinung tritt. Einer verständigen Therapie 
eröffnet sich daher noch immer ein reiches Feld. Die Anwendung 
permanenter Irrigationen des Dickdarmes mit heißer normaler Salz- 
lösung, die Verordnung von Tinctura opii benzoica, gegen Erbrechen 
kleiner Dosen Atropin mit Opium und eine sorgfältige Beachtung aller 
sonstigen hygienischen Maßnahmen, ferner ein warmes ruhiges gut 
ventiliertes Krankenzimmer sind von größter Wichtigkeit. Neben ab- 
soluter Asepsis der Verbandstoffe wird als bestes Wundreinigungsmittel 
Wasserstoffsuperoxydwasser in warmer, 10—15 Volumen prozentiger 
Lösung und darauf Kochsalzlösung oder 3%ige Borsäurelösung zur 
Irrigation der ganzen Wundfläche empfohlen. 

Zum Verbande steriles Zinköl. Ist der Papillarkörper mit be- 
troffen, Streifen von Gummipapier oder Silberfolie darunter, prinzipiell 
also ein nicht adhärentes und nicht reizendes Material bei häufigem 
Verbandwechsel. 

Die Empfehlung eines häufigen Verbandwechsels wird als direktes 
Axiom jedenfalls nicht allgemeine Anerkennung finden. 

Loewenhardt (Breslau). 





5) Couteaud. L’anesthesie local et les nouveaux anesthe- 


siques locaux. 
(Bull. de l’acad. de med. 1908. Nr. 26.) 

Dieser Bericht O.’s, der von P. Reclus referiert wird, ist eine 
Lobhymne auf die Infiltrationsanästhesie mit Stovain, welche um so 
weniger verständlich ist, als die Nachteile dieses Mittels (geringere 
analgesierende Kraft, kürzere Dauer der Analgesie, schmerzhafte 
Empfindung bei der Injektion) zugegeben werden. Nur die gefäß- 
erweiternde Wirkung wird im Gegensatz zu H. Braun (stets Brown 
geschrieben) bestritten. 

Zur Beseitigung der Schwächen dieses Mittels wird eine Mischung 
desselben mit Kokain empfohlen, ein Verfahren, das Hackenbruch 
in einer anderen Variation schon vor Jahren angegeben hat. So wie 
dieser scheinen auch die anderen Fortschritte auf diesem Gebiete in 
Deutschland den Verff. unbekannt zu sein, wie die Leitungsanästhesie, 
der Zusatz von Adrenalin usf. 

Die Spinalanalgesie wird völlig verworfen, was bei der Einge- 
nommenheit für Stovain nicht wundernehmen kann. 

Neugebauer (Mährisch-Ostrau). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 1095 


6) L. B. Bangs. Some observations on the effects of tobacco 
in surgical practice. 
(New York med. record 1908. März 14.) 

B. konstatierte mehrfach bei Operierten eine Reihe von beun- 
ruhigenden Symptomen, die sich schließlich als Tabaksabstinenz- 
erscheinungen herausstellten und nach der Verordnung dieses Genuß- 
mittels wieder verschwanden. Sogar direkte Erscheinungen von schwerem 
Chok wurden bei Entziehung beobachtet; große Reizbarkeit, Ruhe- 
losigkeit, schlechter Puls, Depressionszustände, Schlaflosigkeit zeigten 
sich häufiger. Verf. gibt daher den Rat, daß, wenn der Körper und 
besonders das Herz an dieses Stimulans gewöhnt sei, an die Folgen 
plötzlicher Entziehung auch in chirurgischen Fällen zu denkensei. Alko- 
holika und andere Stärkungsmittel bieten keinen genügenden Ersatz 
bei manchem Öperierten, man muß individualisieren und darf nicht, 
wie meist üblich, einem Öperierten plötzlich den Tabak entziehen. 
Loewenhardt (Breslau). 





7) Civatte. A quelles conditions peut-on autoriser le mariage 
des syphilitiques? 
(Ann de dermat. et de syph. 1%7. p. 734.) 

Verf. hat obige Frage an eine Reihe bekannter Syphilidologen 
gerichtet und veröffentlicht deren Antworten. Mit Ausnahme von 
Mibelli und teilweise auch Pospelow gestatten alle die Heirat, wenn 
genügend Zeit nach der Infektion verstrichen und lange und energisch 
genug behandelt ist. Über den Wert und die Wirksamkeit der Queck- 
silberkuren herrscht bei keinem ein Zweifel. Auf Jodbehandlung wird 
wenig oder kein Wert gelegt. Mit Ausnahme von Watraszewski 
verlangen alle noch vor der Heirat eine Behandlung. 

Klingmüller (Kiel). 





8) Portillo. Exposiciön de un nuevo tratamiento abortivo 


de la adenitis inguinal venérea. 
(Revista de med. y cir. präct. de Madrid 1908. Januar 7.) 

P. empfiehlt zur Abortivbehandlung der Bubonen das folgende 
Verfahren: 1) Entfernung der Schamhaare. 2) Desinfektion der ganzen 
Leistengegend mit Wasser und Seife. 3) Bedeckung der Schwellung 
mit einem Stück hydrophiler Watte, das den Krankheitsherd allseitig 
um ca. 1—1!1/, cm überragt. 4) Bedeckung der Watte mit einem 
noch etwas größeren Stück Gummipapier. 5) Über das Gummipapier 
kommt wieder eine sehr dicke Wattelage. 6) Befestigung des Ganzen 
mit Binden, die leicht komprimieren sollen. 7) Jetzt wird bei stehen- 
dem Pat. zwischen Haut und erste Wattelage von oben her Äther 
eingegossen, und zwar so viel, daß die unterste Wattelage vollkommen 
durchtränkt ist. — Ist die Erkrankung noch im ersten Beginne, so 
wird die Imprägnierung mit Ather alle 3 Stunden erneuert, ist bereits 
Periadenitis vorhanden, alle 2 Stunden, und besteht schon Fluktua- 


1096 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 


tion, jede Stunde. Das Verfahren soll durchaus sicher sein und in 
allen Stadien der Entzündung in 4 bis höchstens 8 Tagen zu voll- 
kommener Heilung führen. Sein Nachteil aber ist die große Feuer- 
gefährlichkeit. Stein (Wiesbaden). 





9) Dubreuilh. Epitheliomatose d’origine solaire. 
(Ann. de dermatol. et de syph. 1907. S. 387.) 

Verf. teilt die Epitheliome des Gesichts in drei Gruppen: 1) Can- 
croid der Unterlippe, die er als Krebs des Mundes auffaßt; 2) Ulcus 
rodens (Epithelioma baso-cellulare (Krompecher) und 3) Epithelioma 
papillare oder keratoticum (spino-cellulare Krompecher). Die beiden 
letzteren trennt er scharf voneinander: das Ulcus rodens entsteht auf 
gesunder Haut, das andere auf einer präcancerösen oder senilen 
Keratose. Aus einer Zusammenstellung von 432 Fällen seiner Klinik 
zieht Verf. den Schluß, daß die Sonnenstrahlen, natürlich neben dem 
Lebensalter, einen Einfluß auf das Entstehen des Epithelioma pa- 
pillare seu keratoticum haben. 62,5% von Fällen dieser Gruppe 
hatten eine Beschäftigung, die sie den Sonnenstrahlen besonders aus- 
setzte, waren Landleute, während sich unter den Fällen von Ulcus 
rodens nur 35% befanden. D. vergleicht die Veränderungen beim 
Epithelioma papillare seu keratoticum und bei dem Keratoma senile 
mit der chronischen Radiodermitis. Besonders disponiert sind dazu 
Landleute und blonde (pigmentärmere) Menschen. 

Klingmüller (Kiel). 





10) Sabourand. Nouvelles recherches sur les microsporums. 
(Ann. de dermatol. et de syph. 1907. p. 161, 225, 326, 369.) 

Verf. gibt in diesen inhaltsreichen Mitteilungen sehr eingehende 
Beschreibungen des Mikrosporon Audouini und seiner Varietäten, be- 
spricht ausführlich die Pathologie und die Kulturverfahren. Einzel- 
heiten müssen im Original nachgelesen werden. 

Klingmüller (Kiel). 





11) deBeurmann etG@ougerot. Sporotrichoses tuberculoides. 
(Ann. de dermat. et de syph. 1907. p. 497, 603, 655.) 

Im Anschluß an frühere Untersuchungen über Sporotrichose im 
allgemeinen und ihre syphiloide Form im besonderen bringen die Verff. 
jetzt die ausführliche Beschreibung der tuberkuloseähnlichen Sporo- 
trichose mit Abbildungen von Krankheitsfällen und mikroskopischen 
Präparaten. Sie stützen die Spezifität dieser Krankheit durch den 
kulturellen Nachweis von Sporotrichon, welcher ihnen allerdings meist 
nur aus geschwürigen Stellen gelang. Die Kulturen entwickeln sich 
meist bis zum 10. Tag auf Glyzerin-Peptonagar bei Zimmertemperatur. 
Mikroskopisch sind sie schwer zu finden. Verff. stellen zwei Typen 
der Krankheit auf: Sporotrichose gommeuse ulceree disseminee und 
Sporotrichose verruqueuse papillomateuse et lymphangite tuberculo- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 1097 


gommeuse centripdste.e Die Prognose ist günstig, da bisher alle Fälle 
unter innerlicher Jodbehandlung abgeheilt sind. Klingmüller (Kiel). 





12) Civatte. Les opinions d’aujourd’hui sur la nature du lupus 
erythemateux. 
(Ann. de dermatol. et de syph. 1907. p. 263.) 

Verf. hat bei einer Reihe Dermatologen verschiedener Länder 
eine Umfrage über die Atiologie des Lup. erythem. veranstaltet. Er 
teilt die Antworten in folgende Rubriken: 1) Autoren, welche den 
Lup. erythem. für tuberkulöser Natur halten, 2) welche ihn für nicht 
tuberkulös halten und 3) welche für gewisse Fälle die tuberkulöse 
Atiologie zugeben. Klingmiller (Kiel). 


13) M. v. Zeissl (Wien). Die Behandlung der Akne rosacea. 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 20.) 

Neben dem innerlichen Gebrauch von Levurinose hat v. Z. die 
Aufpinselungen von Eisenchlorid sehr bewährt befunden; sie werden 
morgens und abends auf die erkrankten Hautstellen gemacht, die nach 
einigen Tagen sich bildende Kruste mit Wilson’scher Salbe verbunden. - 
Nach Abstoßung der Kruste werden die Pinselungen, wenn nötig, 
wiederholt. Allmählich schwinden die geschlängelten Blutgefäße gänz- 
lich und bekommt die früher rot und unebene Haut ein blasses und 
glattes Aussehen. Kramer (Glogau). 








14) Meyer (Hannover). Exostosen und Hyperostosen des Ge- 
hörganges als Ursache schwerer Mittelohrleiden. 
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. LI. p. 275.) 

Exostosen des Gehörganges können dadurch für ihren Träger 
gefährlich werden, daß sie eine Anhäufung abgestoßener Epidermis- 
massen im Gehörgange zwischen der verengten Stelle und dem Trommel- 
fell verursachen. Wenn diese Retentionsmassen nicht rechtzeitig ent- 
fernt werden, so kann das Mittelohr durch Druckusur des Trommelfells 
eröffnet werden; das Hinzutreten einer Infektion kann dann unter 
Umständen zu schweren, das Leben gefährdenden Erkrankungen führen. 
Zwei Fälle, die M. in der Rostocker Ohrenklinik beobachtete, zeigen 
diese Gefahren aufs deutlichste. Hinsberg (Breslau). 





15) Zalewski. Experimentelle Untersuchungen über die Re- 
sistenzfähigkeit des Trommelfelles. 
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. LII. p. 109.) 

Z. hat durch zahlreiche Leichenversuche festgestellt, wie groß 
die Widerstandsfähigkeit des Trommelfelles unter der Wirkung der 
allmählich wachsenden Luftverdichtung im äußeren Gehörgang ist. 
Bei normalem Trommelfell erfolgt die Ruptur in 66% der untersuchten 
Gehörorgane beim Druck von ein bis zwei Atmosphären, unter einer 

37% 


1098 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 


Atmosphäre reißt die normale Membran in ca. 11%, über zwei Atmo- 
sphären in ca. 23% der Fälle. Pathologische Veränderungen am 
Trommelfell verändern seine Widerstandsfähigkeit, und zwar wird sie 
vermindert durch Narben und entzündliche Prozesse, erhöht durch 
bindegewebige Verdickung, manchmal auch durch Verkalkung. Die 
Widerstandsfähigkeit ist bei Männern und Frauen annähernd gleich 
groß. Mit dem Alter nimmt sie ab, am größten ist sie beim Neu- 
geborenen. 

Auch über den Sitz, die Größe und Form der Perforation er- 
geben die Experimente Z.’s interessante Aufschlüsse. 

Seine Resultate sind für die Begutachtung indirekter Trommelfell- 
rupturen sehr wichtig. Hinsberg (Breslau). 





16) Kramm. Sinusverschluß durch Phlebitis ohne Thrombose 


bei Kindern. 
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. LIII. p. 111.) 

Gelegentlich findet man bei Warzenfortsatzoperationen den Sinus 
durch einen Thrombus vollständig verschlossen, ohne daß vorher 
klinisch die Symptome einer Phlebitis nachweisbar waren. Nach K. 
kann ein Verschluß des Sinus aber auch dadurch zustande kommen, 
daß durch den Druck eines perisinuösen Abszesses die Zirkulation im 
Sinus unterbrochen wird, und daß dann die Wände des Sinus mit- 
einander verkleben. Es fehlt hier demnach die eigentliche Thromben- 
bildung. Nach K. kommen derartige Verschlüsse vorwiegend bei 
Kindern vor. Hinsberg (Breslau). 





17) Voss (Riga). Laßt den Thrombus in Ruhe! 
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. LIL. p. 315.) 

Bei der operativen Behandlung der otitischen Sinusthrombose 
wird von vielen Autoren eine möglichst vollständige Entfernung des 
Thrombus aus dem eröffneten Sinus empfohlen. Meist wird dazu 
der scharfe Löffel verwandt. V. macht darauf aufmerksam, daß dieses 
Verfahren mancherlei Gefahren mit sich bringt und rät deshalb, 
den Thrombus selbst möglichst unberührt zu lassen, und nur durch 
Exzision der Sinuswand im Bereiche der Thrombenbildung für möglichst 
freien Abfluß der Zerfallsprodukte zu sorgen. Hinsberg (Breslan). 





18) Hinsberg. I. Über die Bedeutung des Operationsbefundes 
bei Freilegung der Mittelohrräume für die Diagnose der 
Labyrintheiterung. II. Indikationen zur Eröffnung des eitrig 
erkrankten Labyrinthes. 
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. LII. p. 95.) 
Bei der operativen Freilegung der Mittelohrräume muß stets genau 
darauf geachtet werden, ob die schützende Knochenwand zwischen 
Mittelohr und Labyrinth an irgend einer Stelle durchbrochen ist. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 1099 


Prädilektionsstellen für solche Durchbrüche sind die beiden Fenster, 
das Promontorium und der Wulst des horizontalen Bogenganges. 
Während sich eine Zerstörung in der Gegend des runden Fensters 
kaum dem Auge sichtbar machen läßt, können wir Durchbrüche an 
den anderen genannten Stellen meist exakt nachweisen. Die Diagnose 
»Labyrintheiterung« darf jedoch nicht auf Grund des Operations- 
befundes allein gestellt werden, vielmehr muß stets das Resultat der 
vor jeder Operation vorzunehmenden, exakten Funktionsprüfung be- 
rücksichtigt werden (vgl. Krotoschiner, dieses Zentralblatt 1906, 
p. 1076). 

Durch Kombination beider Methoden können wir dann meist hin- 
reichend sichere Schlüsse auf die Ausbreitung des Prozesses im La- 
byrinthinneren ziehen. Das ist für unser weiteres Vorgehen ausschlag- 
gebend: während wir bei einer eitrigen Erkrankung des ganzen 
Labyrinthes seine Hohlräume möglichst mit eröffnen müssen, wenn wir 
einer postoperativen Meningitis oder anderen Komplikationen vorbeugen 
wollen, ist bei einer umschriebenen Erkrankung einzelner Labyrinth- 
teile, vor allem des horizontalen Bogenganges, eine Eröffnung des 
Labyrinthes zunächst nicht indiziert. Nur wenn der Verlauf nach 
der Mittelohroperation zeigt, daß der Prozeß im Labyrinth weiter 
fortschreitet, ist nachträglich dessen Eröffnung vorzunehmen. 

(Selbstbericht.) 





19) L.Loewe. Zur Chirurgie der Nase. 2. Heft. Mit 9 Tafeln 
und 2 Abbildungen im Text. 
Berlin, Oscar Coblentz, 1907. 

Das vorliegende Heft bildet die Fortsetzung und Ergänzung des 
in diesem Zentralblatt (Bd. XXXII, p. 697) ausführlich besprochenen 
Werkes. Auch die im 2. Heft beschriebenen Operationsmethoden — 
zum Teil neu, zum Teil Modifikationen der vom Verf. früher vor- 
geschlagenen — verfolgen das Ziel, alle Teile der Nase und ihrer 
Nebenhöhlen, sowie der nasalen Schädelbasis möglichst übersichtlich 
freizulegen. Auch sie sind anatomisch gut durchdacht und zur Be- 
seitigung schwerer Veränderungen, vor allem zur Exstirpation bös- 
artiger Geschwülste, wertvoll. Zur Beseitigung von Eiterungen in 
den Nebenhöhlen hält jedoch Ref. auch diese neuen Operationen zum 
großen Teil für zu eingreifend. Hinsberg (Breslau). 


20) H. Albrecht. Beiträge zur Nasenprothese. 
(Klinisches Jahrbuch 1907. Bd. XVII.) 

Verf. gibt eine genaue technische Darstellung der von ihm be- 
nutzten Materialien (besonders Obturatorengummi, Kautschuk, Zelluloid, 
emaillierte Metalle), Modellierung, Befestigung usw. Die beigegebenen 
Abbildungen zeigen ein hervorragend günstiges Resultat, das von keiner 
der plastischen Methoden der operativen Chirurgie bisher erreicht sein 
dürfte. F. Alexander (Frankfurt a. M.). 





1100 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 


21) J. E. Newcomb. Septal hematoma and abscess. 
(New York med. record 1908. März 14.) 

N. sah drei Fälle von Hämatom der Nasenscheidewand, einen 
unbekannter Ursache, zwei nach Trauma. Die Pat. waren 2, 8 und 
18 Jahre alt; zwei Blutergüsse gingen in Eiterung über. Verf. rät 
daher nach der Inzision die Blutgerinnsel sorgfältig auszuwaschen und 
die Wundhöhle antiseptisch zu behandeln. 

Von 14 vom Verf. beobachteten Abszessen der Scheidewand waren 
9 traumatischen Ursprunges; der Zeitraum zwischen dem Trauma und 
den Erscheinungen eines Abszesses lag zwischen 5 und 21 Tagen. 

Die dabei öfter durch Zerstörung der kleinen Knorpel entstehende 
Deformität ist nicht die der gewöhnlichen Sattelnase, sondern die 
Einbuchtung liegt mehr nach der Spitze zu. In manchen Fällen ist 
es schwierig den Zusammenhang zwischen Trauma und Abszeß heraus- 
zufinden; leichte Kontusionen, an die nachher nicht mehr gedacht wird, 
mögen das Hämatom und dann später den Abszeß hervorbringen. Als 
Infektionsquelle können Typhus, Influenza, Erkrankungen der Sinus, 
Insektenlarven in der Nase, Tuberkulose, Syphilis, Zahnkaries, Milz- 
brand, Rotz, Masern, Scharlach, Furunkel und Schnupfen in Betracht 
kommen. Bei Kindern steht die Zeit der ersten Dentition besonders 
bei Skrofulose nicht selten im Zusammenhange mit solchen Eiterungen. 
Auch gewaltsame Tamponade sowie Operationen an der Nase werden 
beschuldigt, ebenso Erysipel. Nach Influenza wurde öfters akute 
Perichondritis beobachtet. Während der Menstruation soll die be- 
kannte Neigung der Influenza, Hämorrhagien hervorzurufen, ebenso 
wie in den Ohren und den Schleimhäuten überhaupt auch Septum- 
Hämatome hervorrufen können. Durchbruch von Zahncysten mit Ver- 
eiterung wurden von Killian und Roe beobachtet. Die Weichteile 
des Septums werden bei genanntem Leiden nicht zerstört, während sie 
bei der Syphilis meist mit dem Knochen zusammen einschmelzen. Der 
Abszeß ist häufig doppelseitig und erfordert zwei Inzisionen. Ver- 
anlassung zur_Infektion gibt sehr häufig gewohnheitsmäßiges Kratzen 
in der Nase mit den Fingernägeln. 

Anatomisch ist zu beachten, daß der Knorpel aus zwei Platten 
besteht, die durch das Trauma auseinander gedrängt werden können. 
Die Blutung breitet sich aber im Perichondrium jeder Seite aus. Bei 
gleichzeitigen Frakturen der Platten kann eine Kommunikation zwischen 
rechts und links eintreten. Loewenhardt (Breslau). 





22) W. Uffenorde. Die Chondrome der Nasenhöhle und 
Mitteilung eines Falles von Enchondrom des Siebbeins mit 
allgemeiner Besprechung der Operationsmethoden für die 
Nasennebenhöhlen. 
(Archiv für Laryngologie und Rhinologie Bd. XX. Hft. 2.) 
Neben einer genauen Literaturübersicht erwähnt U. einen Fall 
von Knorpelgeschwulst des Siebbeins, der ihm wegen Protrusio bulbi 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 1101 


von augenärztlicher Seite überwiesen wurde, und dessen Diagnose durch 
Probeexzision sichergestellt werden konnte Im Anschluß daran ver- 
breitet sich Verf. in kritischer Darstellung über die für jene Gegend 
geeignetsten Operationsmethoden; er gibt der Methode von Michaux- 
Legouest der Jahre 1853/65, die von Moure der Vergessenheit ent- 
rissen wurde, den Vorzug; nur ändert er den Schnitt etwas ab, indem 
er nicht zwischen den Augenbrauen senkrecht, sondern von der Mitte 
der gleichseitigen Augenbraue bogenförmig hinabgeführt wird. Zweifels- 
ohne ist dieses Verfahren für die Siebbeingegend und ihre Umgebung 
sehr geeignet, und eingreifendere Methoden, wie die intermaxillaren 
und palatalen, hier sehr wohl zu entbehren. Am Schluß folgen noch 
einige kritische Bemerkungen über Killian’s Stirnhöblen- und Denker- 
Friedrich-Kretschmann’s Kieferhöhlenoperation. Manches hiervon 
werden sicherlich viele Spezialkollegen unterschreiben, im großen und 
ganzen sind aber wohl doch diese kleinen Abweichungen unwesentliche 
und durch die Eigenart des jeweiligen Falles ein zu strenges Schema- 
tisieren hinderlich. F. Alexander (Frankfurt a. M.). 


mm ln mm nn 


23) W. Albrecht. Die Bedeutung der Röntgenographie für 


die Diagnose der Nebenhöhlenerkrankungen. 
(Archiv für Laryngologie und Rhinologie Bd. XX. Hft. 2.) 


Bekanntlich haben nach mehrfachen fruchtlosen Versuchen Gold- 
mann und Killian vor einigen Jahren zum ersten Male brauchbare 
Röntgenaufnahmen von Nebenhöblenerkrankungen geliefert; und zwar 
wurden dieselben im sagittalen Durchmesser ausgeführt, Stirn und 
Nase fest gegen die Platte gedrückt, die Blende auf die Protuberantia 
occipitalis eingestellt. Diese beiden Autoren kamen zu dem Ergebnis, 
daß das Röntgenverfahren als ein Hilfsmittel für die Diagnose anzu- 
sehen sei. Im Anschluß hieran hat Verf. an 36 Pat. und 16 Leichen 
Aufnahmen gemacht und faßt seine Resultate dahin zusammen, daß 
die Röntgenographie am wertvollsten bei Erkrankungen der vorderen 
Siebbeinzellen, ganz wertlos bei solchen der hinteren Siebbeinzellen 
und der Keilbeinhöhle sei, eine Tatsache, die anatomisch ganz erklärlich 
sein dürfte. Bei Stirnhöhlenaffektionen, speziell einseitigen, ist sie 
ein wichtiger Faktor; jedoch bei beginnender Stirnhöhlenerkrankung 
(Katarrh mit mäßiger Schleimhautschwellung und Infiltration, sowie 
beginnender Eitersekretion) versagte sie. Bei Kieferhöhlenaffektionen 
erschien die Durchleuchtung mittels Röntgenstrahlen wertvoller bei 
Geschwülsten, wie bei Empyemen, wo die bequemere Probepunktion, 
bzw. Probespülung zur Verfügung stehen. Zweifelsohne ist die Rönt- 
genographie der Durchleuchtung überlegen. Immerhin dürfte eine 
exakte endonasale Untersuchung mit Erweiterung durch Kokain usw., 
Rhinoscopia media und posterior auch weiterhin für eine genaue 
Diagnose unerläßlich sein. Technisch ist zu bemerken, daß Verf. im 
Gegensatz zu Goldmann-Killian mittelweiche bis harte Röhren, 


1102 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 87. 


sehr starke Ströme und eine Expositionsdauer von 2,5 bis 3 Minuten 


anwandte, eine Erfahrung, die Ref. übrigens auch gemacht hat. 
F. Alexander (Frankfurt a. M.) 





24) Hajek (Wien). Über Indikationen zur operativen Be- 
‘handlung bei der chronischen Stirnhöhleneiterung. 
(Wiener med. Wochenschrift 1908. Nr. 26.) 

Die meisten akuten Stirnhöhlenentzündungen heilen spontan, 
eventuell nach Lüftung des mittleren Nasenganges, Lufteinpressung, 
Kokainisieren. Bei intensiver Stauung ist die Resektion der mittleren 
Muschel, in seltenen Fällen die einfache Trepanation der Stirnhöhle 
von außen notwendig. 

Bei chronischen Entzündungen der Stirnhöhle wendet H. zunächst 
die endonasale Behandlung mit möglichst ausgiebiger Resektion der 
mittleren Muschel an. In einigen Fällen tritt schon nach kurzer Zeit 
völlige Heilung ein. In vielen Fällen hört der Kopfschmerz bei fort- 
bestehender Eiterung auf; in vielen Fällen bleibt beides bestehen. 
Auch dann wartet H. noch monatelang, bis er sich zu radikalem Vor- 
gehen entschließt, weil er das Auftreten zerebraler Komplikationen bei 
zweckmäßiger endonasaler Behandlung für unwahrscheinlich hält. Bei 
Miterkrankung des Knochens, jedoch oder Verdacht auf zerebrale 
Komplikationen, führt H. primär die Radikaloperation aus. Dazu sah 
er sich bei einem Material von 7—8000 neuen Fällen jährlich nur 
5—7mal genötigt. Erhard Schmidt (Frankfurt a. M.). 





25) Citelli. Über eine neue Behandlungsmethode der chro- 
nischen Stirnhöhleneiterungen. (Experimentelle und histo- 
logische Untersuchungen.) 

(Zeitschrift für Laryngologie, Rhinologie und ihre Grenzgebiete Bd. I. Hft. 2.) 

Auf Grund von drei Tierversuchen glaubt Verf. bewiesen zu 
haben, 1) daß in der gesunden Stirnhöhle Jodoform-Paraffinplomben 
nach Art der Mosetigmischung reaktionslos zur Einheilung gelangen, 
2) daß bei experimentell mit Staphylokokkus aureus erzeugter Stirn- 
höhleneiterung nach Auskratzung und nachfolgender Plombierung Aus- 
heilung erfolgt. Ein Hinunterfließen des Paraffins in die Nase durch 
den Ductus naso-frontalis kann hierbei vermieden werden. Die Ver- 


suche ermuntern nach Ansicht des Verf.s zur Nachprüfung am Menschen. 
Engelhardt (Kassel). 





26) Kramm. Was können wir bei chronischen Eiterungen 
der Stirnhöhle, des Siebbeines und der Keilbeinhöhle mit 
der intranasalen Therapie leisten? 

(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. LII. p. 76.) 

K. betont, daß ein Eingriff von außen her zur Heilung von Stirn- 
höhlen-, Siebbein- und Keilbeinhöhleneiterungen erst dann indiziert 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 1103 


sei, wenn eine sachgemäß durchgeführte intranasale Behandlung nicht 
zum Ziele führe. Die Technik dieser intranasalen Operationen, wie 
Verf. sie auf Grund von Versuchen an der Leiche ausgebildet hat, 
wird genau beschrieben; sie muß im Original nachgelesen werden. 
Häufig führt diese Behandlungsmethode zur Beseitigung aller 
Beschwerden. Wenn nicht, ist ein Eingriff von außen notwendig, 
doch ist auch dann nach K.’s Ansicht die vorherige intranasale Be- 
handlung nicht unnütz, da sie die Verhältnisse für die Operation 
günstiger gestaltet. Hinsberg (Breslau). 





27) Andereya. Zur Diagnose und Behandlung der Ober- 
kiefercysten. 
(Archiv für Laryngologie und Rhinologie Bd. XX. Hft. 2.) 

Verf. erörtert hier vor allem die periodontalen Oysten, die infolge 
einer Periodontitis chronica von den erbsengroßen Neubildungen an 
Zahnwurzeln entstehen und mit Flüssigkeit gefüllte und mit geschichtetem 
Pflasterepithel ausgekleidete Hohlräume darstellen. Ihre Entwicklung 
‘ erfolgt meist nach dem Antrum und später nach außen, seltener nach 
dem Nasenboden oder der lateralen Nasenwand hin. Da das Cysten- 
epithel dem Mundschleimhautepithel identisch ist, wie Partsch betont, 
so besteht die rationelle Behandlung darin, durch Entfernung der 
vorderen Wand die breite Verbindung zwischen Cyste und Mund- 
schleimhaut zu schaffen; durch Verwachsung der Schleimhäute beider 
werde die Ausheilung erreicht. Die genaue Kenntnis dieser Ver- 
hältnisse sei noch nicht genügend verbreitet, denn einer der sechs 
Fälle des Verf.s wurde unter der Diagnose Sarkom von chirurgischer 
Seite der Oberkieferresektion unterzogen. | 

F. Alexander (Frankfurt a. M.). 


28) Legueu. Sur les parotidites postope£ratoires. 
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris Bd. XXXIII. p. 1044.) 

Im Anschluß an einen von Morestin vorgestellten Fall, der 
durch regelmäßige Ausstreichung des Ductus stenonianus zur Aus- 
heilung gekommen war, bespricht L. die Atiologie dieser Erkrankung. 

Er setzte mehrere Tage lang Hunde unter den Einfluß von 
Atropin und konnte danach leicht postoperative Parotitiden erzielen. 
Beim Menschen wirkt ebenso die häufig vor Operationen notwendige 
Entziehung fester Nahrung und dadurch bedingte Unterdrückung 
des Kauaktes, ferner die durch Abführungen und Blutverlust ver- 
ursachte Wasserverarmung des Organismus. Hunde, denen einige 
Zeit Flüssigkeiten entzogen wurden, bekamen denn auch Parotitiden 
nach einem Aderlaß. Zum Beweis zieht Verf. andere Formen der 
Parotitis heran bei langdauernder Appendicitis, bei Magengeschwür, bei 
Extra-uterin-Schwangerschaft. Daß die postoperativen Parotitiden ge- 
rade nach Laparotomien, nach Operationen an den Organen des Beckens 
vorkommen, liegt also nicht an diesen Operationen selbst, sondern an 
den sie begleitenden Nebenumständen, bzw. den notwendigen Vor- 


1104 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37, 


bereitungen. (Daß die Parotissekretion, ohne direkt zu Entzündung 
zu führen, nach Bauchoperationen fast regelmäßig stockt, wies schon 
Pawlow im Tierexperiment nach. Ref.) Kaehler (Duisburg-M.). 





29) Vohsen. Operation bösartiger Mandelgeschwülste. 
(Zeitschrift für Laryngologie, Rhinologie und ihre Grenzgebiete Bd.I. Hft. 2.) 

Verf. beschreibt eine Methode, die in gewissen Fällen die von 
Küster und Mikulicz zur Entfernung bösartiger Mandelgeschwülste 
angegebene zu ersetzen geeignet ist. Da sie sicherlich berufen ist, 
die Normalmethode für bösartige Mandelgeschwülste zu werden, die 
nicht auf die Gegend zwischen Ober- und Unterkiefer übergreifen, 
und auch zur Entfernung von Geschwülsten am Zungengrund und 
Kehlkopfeingang sowie im Cavum pharyngis geeignet erscheint, so sei 
sie hier ausführlicher wiedergegeben. Statt der Resektion des auf- 
steigenden Kieferastes mit der nachfolgenden unvermeidlichen Durch- 
schneidung der Mm. stylohyoideus, geniohyoideus und des N. hypo- 
glossus erfolgt die Verschiebung des zwischen 2. und 3. Molaris schräg 
durchsägten Unterkiefersegments mit der unverletzten Fascia parotideo- 
masseterica nach außen, oben und vorn. Das Operationsfeld liegt 
dann zwischen dem verschobenen Unterkiefersegment und dem vor- 
deren Rande des Kopfnickers, der zusammen mit dem M. biventer, 
stylohyoideus und dem N. hypoglossus nach hinten gezogen wird. 
Unterbunden wird nur die A. alveolaris inf. und die V. facialis post. 
und ihre Anastomose mit der Facialis ant.; die Maxillaris ext. ist 
gleich bei Beginn der Operation am vorderen Masseterrand aufgesucht 
und nach vorn verschoben. Den Beschluß macht eine exakte Rachen- 
und Kiefernaht. Das Endresultat war ein sehr gutes. 

Engelhardt (Kassel). 





30) Gluck. Die Chirurgie im Dienste der Laryngologie. 

(Zeitschrift für Laryngologie, Rhinologie und ihre Grenzgebiete Bd.I. Hft. 2.) 
Zusammenfassende, äußerst interessante Darstellung der Entwick- 
lung der modernen Chirurgie des Kehlkopfes und des Rachens und 
Schilderung der vom Verf. geübten Operationsmethoden, ihrer Indika- 
tionen und ihrer Resultate. Es sei hier nur ganz kurz auf die Resultate 
eingegangen, die Verf. bei einem Material von 300 Fällen gehabt 
hat, und die allerdings geradezu verblüffend genannt werden müssen. 
Wenn G. für die Laryngofissur, für die Hemilaryngektomie und ebenso 
für die einfache unkomplizierte Larynxexstirpation O% Mortalität heraus- 
rechnet, und seine Statistik inklusive der eingreifendsten Operationen 
am Rachen, Kehlkopf und Speiseröhre nur eine Gesamtmortalität von 
13% aufweist, so dürften diese Erfolge einzig dastehen. Weniger all- 
gemeiner Zustimmung dürfte sich vielleicht die vom Verf. in geeigneten 
Fällen, nach gründlichster Erwägung, empfohlene Methode der chirur- 
gischen Behandlung der Kehlkopftuberkulose erfreuen. Ist doch die 
Kehlkopftuberkulose nicht weniger als Ilmal Gegenstand des radikal- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 1105 


sten Eingriffes, der früher nur auf Grund falscher Diagnose ausgeführt 
worden war,, nämlich der Totalexstirpation, geworden. Es wäre von 
größtem Interesse, die genauen Krankengeschichten mit Schilderung 
des Lungenbefundes zu erfahren, da Verf., der an 24 Pat. äußere 
Eingriffe ausführte, wohl die größte Erfahrung auf diesem Gebiete 
besitzt und so die Erfahrung anderer wirksam zu ergänzen vermöchte. 
Die Tracheotomie hat aber in Übereinstimmung mit anderen Autoren 
(Henrici, Hinsberg u. a.) als »sicherste Schweigekur« günstige Er- 
folge ergeben. Als neue Operationsmethode empfiehlt Verf. nochmals 
bei Bronchostenosen verschiedenster Herkunft die Ausschaltung der 
oberen Luftwege durch Anlegung einer Lungenfistel. 
Engelhardt (Kassel). 





31) Gutzmann. Stimme und Sprache ohne Kehlkopf. 
(Zeitschrift für Laryngologie, Rhinologie und ihre Grenzgebiete Bd.I. Hft. 2.) 
Verf. gibt eine lichtvolle Darstellung der verschiedenen Be- 
dingungen, unter denen bei Ausschaltung des Kehlkopfes eine Sprache 
zustande kommt, und entwickelt des weiteren anschaulich, wie die 
Pseudo- oder Rachenstimme entsteht, und wie er bei laryngektomierten 
Pat. vorzugehen pflegt, um diese Rachenstimme auszubilden. 
Engelhardt (Kassel). 





32) C. A. Elsberg. Pneumothorax and posture; the im- 
portance of the abdominal posture in operations on the 


pleura and lungs. 
(New York med. record 1908. Mai 23.) 

E. meint, daß die Apparate von Sauerbruch und Brauer nur 
eine beschränkte Ausbreitung gefunden hätten, weil sie zu kompliziert 
und teuer sind. Er hat daher Versuche unternommen, um auf anderem 
Wege die Gefahren des Pneumothorax bei Operationen zu vermindern, 
und kam zu dem Resultat, daß auf dem Bauch liegende Hunde eine 
breite Offnung einer Pleura sehr gut vertrugen, während Umlagerung 
auf den Rücken sofort schwere Dyspnoe und Asphyxie hervorrief. 

Zur Erklärung dieses großen Unterschiedes der Stellung, meint 
E., müsse man sich vorstellen, daß bei Bauchlage das Herz an der 
vorderen Brustwand liegt und so das vordere Mediastinum schütze, 
während in der Rückenlage bei forcierten Atembewegungen sehr leicht 
ein Durchbruch des vorderen Brustseptums und ein doppelter Pneumo- 
thorax entstände. 

E. will das auch dadurch bewiesen haben, daß nach vorheriger 
Anheftung des Pericardiums an die vordere Brustwand auch in 
Rückenlage der einseitige Pneumothorax nicht verhängnisvoll wurde, 
während umgekehrt nach Anheftung des Perikards an die hintere 
Brustwand auch in der Bauchlage sofort schwere Erscheinungen ein- 
traten, sowie die Pleura eröffnet wurde, die aber sofort verschwanden, 
nachdem die Anheftungsnaht gelöst war und das Herz auf das Brust- 
bein fallen konnte. 


1106 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 


Auf Grund dieser Versuche wurde nun eine ganze Reihe von 
Pat. mit Empyem, zwei mit Leberabszessen, drei mit subphrenischen 
Abszessen und einer mit bronchiektatischer Kaverne der linken Lunge, 
alles Fälle, bei denen die Pleura geöffnet werden mußte, in Bauch- 
lage ohne erhebliche Störungen operiert. 

Außer in einem Falle, blieb auch bei Empyem die gewöhnliche 
Atemstörung und der Husten nach Eröffnung vollständig fort. 

Loewenhardt (Breslau). 


Kleinere Mitteilungen. 


33) J. W. Silberberg. Weitere Beobachtungen über Lumbalanästhesie. 
(Russ. Archiv f. Chirurgie 1908. [Russisch.)) 


S. ist nach wie vor ein Anhänger der Methode, die er auch bei Magen- und 
Gallenblasenoperationen anwandte. Er stützt sich zurzeit auf 916 Fälle, die ihn 
zu der Überzeugung gebracht haben, daß die Lumbalanästhesie zwar die anderen 
Anästhesierungsverfahren nicht verdrängen kann, wohl aber eine wertvolle Er- 
gänzung jener ist. 

Einen Todesfall hat S. erlebt: Ein 56jähriger arteriosklerotischer Gewohnheits- 
säufer wurde stark cyanotisch in trunkenem Zustande mit eingeklemmtem Bruch 
eingeliefert. Aus der im zweiten Lumbointervertebralspatium eingestochenen Nadel 
flossen 5 cem Liquor in schwachem Strahl ab. 11/sccm einer 5 % igen Novokain- 
lösung wurden mit Liquor gemischt injiziert. Pat. wurde für 5 Minuten unter 
einem Winkel von 45° gelagert, worauf vollkommene Anästhesie der Leistengegend 
eintrat. Die Operation verlief glatt. Bei der Hautnaht erbrach Pat. plötzlich, die 
Blutung stand, unter Aussetzen der Atmung trat starke Cyanose ein, die Pupillen 
erweiterten sich maximal, Stuhlabgang. In 25 Minuten war Pat. trotz aller Be- 
mühungen tot. — Die gerichtliche Sektion ergab: Im Sinus long. reichlich dunkles 
flüssiges Blut. Hyperämie der ödematösen Pia. Die Ventrikel enthielten wenig, 
leicht gerötete Flüssigkeit. Gefäße des nach Alkohol riechenden Gehirns stark 
gefüllt. Atherom der Herzklappen und der Aorta. Herzmuskel in brauner Atrophie. 
Die Lungen waren hyperämisch und stark Ödematös. Auf der Visceralpleura 
einzelne Petechien. Die Obduzenten nahmen als Todesursache Lungenödem an. 

S. bedauert, daß in dem Protokolle keine Notizen über das Rückenmark, 
über den Kehlkopf und die Bronchien sich finden. Er denkt daran, daß 
die Asphyxie infolge Aspiration eingetreten sein könnte. Der Kranke hatte auch 
schon vor der Operation erbrochen. Ein zwingender Beweis dafür, daß der Tod 
der Lumbalanästhesie zur Last zu legen sei, ließ sich also nicht erbringen. 

V. E. Mertens (Kiel). 


34) G. Lasio (Mailand). La rachi-anestesia nella chirurgia delle vie 
genito-urinarie. 
(Clinica chirurgica 1907. Nr. 9.) 

L. hat zur Feststellung der Spinalanalgesie bei Operationen der Urogenital- 
sphäre 52 einschlägige Eingriffe gemacht. 

Technik und Instrumentarium der Anästhesierung schlossen sich fast ganz der 
Bier’schen Methode an. Doch spricht Verf. sich für Platinnadeln mit kurzem 
Schnabel aus, weil es möglich ist, daß durch die lang und spitz zugeschliffenen 
Nadeln nur ein Teil der Injektionsflüssigkeit zur Wirksamkeit kommt, während 
der andere sich im epiduralen Raum wirkungslos verliert. L. kocht in physio- 
logischer Kochsalzlösung und wäscht in Stovain nach. Die Punktion erfolgt im 
Reitsitz des Pat. auf dem Operationstisch in der Mittellinie meist zwischen 3. und 
4. Lendenwirbel, seltener zwischen 4. und 5. L. verwendet 6 «ige Stovainlösung 
in destilliertem Wasser mit einem Zusatz von 4 mg Milchsäure auf 2 ccm Lösung. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 1107 


Es handelte sich um 2 Nephrektomien, 3 Lithotripsien, 2 suprapubische Cysto- 
tomien wegen Blasenstein, 1 wegen einer Geschwulst, 16 Prostatektomien nach 
Freyer, 9 perineale Prostatektomien, 4 transversale Perineotomien wegen Pro- 
stataabszessen und -geschwülsten, 1 Orchidektomie, 1 Resectio epididymidis, 4 Radikal- 
operationen der Hydrokele,! 9 Resektionen des Plexus pampiniformis mit einer 
Radikaloperation nach Bassini. Hierbei genügten fast immer 4—5 cg Stovain, 
die nach 5—7, spätestens nach 20 Minuten zu wirken begannen. Die Dauer der 
Anästhesie erstreckte sich bis zu einer Stunde. L. möchte dem Umstande, daß 
er die Pat. möglichst lange in Beckenhochlagerung erhält, viel Bedeutung zumessen. 
Ernstere oder gar bedrohliche Vorfälle konnte L. nicht registrieren. In vier 
Fällen war die gewünschte Anästhesie nicht oder so unvollständig eingetreten, daß 
zur Verabreichung von Ather geschritten werden mußte. 

Von besonderem Interesse sind die Funktionen der Blasenmuskulatur. Alle 
Pat. L.’s hatten irgendeinen dysurischen Zustand von wechselnder Schwere und 
Dauer, alle verließen aber geheilt die Anstalt. Ein Todesfall trat ein unter den 
Erscheinungen schweren Kollapses und von Hämorrhagien nach einer Freyer- 
schen Prostatektomie. Die Autopsie ergab ein Fibrosarkom des Kleinhirns und 
der Meningen, in dessen Innern eine mächtige Hämorrhagie stattgefunden hatte. L. 
urteilt, daß die Spinalanalgesie für die Urogenitalchirurgie nebst unbestreitbaren 
Vorteilen gewisse Nachteile aufweist: eine Unbeständigkeit der Wirkung, welche 
eventuell zwei Gifte einwirken läßt (Stovain und Ather); Möglichkeit der Infek- 
tion besonders gefährlicher Organsysteme, auch auf dem Wege des Kreislaufs von 
septischen Herden im Harntrakt; die gefäßerweiternde Wirkung des Stovains. 

J. Sternberg (Wien). 


35) Carle. Notes sur l’influence comparée des générateurs dans 
l’heredo-syphilis. 
(Ann. de dermat. et de syph 1908. p. 93.) 

Verf. teilt drei Fälle mit, wo Männer kurz nach der Infektion gesunde Kinder 
zeugten und ihre Frauen nicht ansteckten. Die lesenswerten Mitteilungen bringen 
manches Interessante. Verf. schließt sich der allgemeinen Ansicht an, daß die 
Syphilis der Väter weniger gefährlich sei für die Nachkommenschaft als die der 
Mütter. Klingmäller (Kiel). 


36) Burgsdorf. De la transmission hereditaire de la syphilis à la 
troisième generation (Keratite interstitielle comme symptome de la 
syphilis héréditaire à la troisième génération). 

(Ann. de dermat. et de syph. 1908. p. 18.) 

Bei einem 5!/, Jahre alten Mädchen bestand eine mehr als 2 Jahre alte 
Keratitis parenchymatosa. Pat. war sehr klein und schwach entwickelt und zeigte 
von sonstigen verdächtigen ‚Erscheinungen eine säbelscheidenartige Veränderung 
der rechten Tibia. Durch eine Einreibungskur wurde sowohl die Keratitis geheilt, 
wie auch das Allgemeinbefinden in kurzer Zeit wesentlich gebessert. Verf. stellte 
fest, daß der Vater des Kindes offenbar an einer hereditären Lues gelitten hatte 
und deshalb von Kindheit an in Behandlung gewesen war. ' 

`- Klingmiller (Kiel). 


37) Hamel. Traitement des syphilides par les injections mercurielles 
locales. 
(Ann. de dermat. et de syph. 1908. p. 280.) 

Verf. berichtet über günstige Erfahrungen mit Einspritzungen von löslichen 
Hg-salzen (Hg cyanat. 1: 2000) unter die syphilitischen Herde. Diese örtliche Be- 
handlung empfiehlt Verf. besonders für ulzeröse Prozesse. Sie soll die allgemeine 
Behandlung nicht ersetzen, sondern unterstützen. Klingmüller (Kiel). 


1108 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 


38) W. F. Burgsdorf. Ein Fall von Syphilisreinfektion mit Kon- 


statierung der Schaudinn’schen Spirochäte. 
(Russki Wratsch 1908. Nr. 13.) 

Ein Student erkrankte vor 2 Jahren zum erstenmal an Syphilis (Sklerose im 
Sulcus coronarius, später Roseola.. Er unterwarf sich einer dreifachen Injektions- 
kur. 1 Monat nach Beendigung derselben — neue Infektion — wieder Sklerose 
im Sulcus coronarius. Die Untersuchung des nach Bier gewonnenen Saftes aus 
dieser Sklerose zeigte zahlreiche Spirochäten. Später erschien eine Roseola. Es 
war hier also zweifellos eine Syphilisreinfektion 2 Jahre nach der ersten Er- 
krankung entstanden. E. Gückel (Wel. Bubny, Poltawa). 


39) L. D. Bulkley and H.H. Janeway. A study of 400 cases of 


epithelioma, in private practice, with remarks on treatment and results. 
(New York med. record 1908. März 21.) 

B. und J. berichten aus der 35jährigen Privatpraxis des ersten Autors über 
417 Fälle von Epitheliom unter 15000 Hautkranken. Darunter befanden sich 
doppelt soviel Männer wie Frauen. Einigermaßen überraschend ist die fast gleich- 
mäßige Häufigkeit vom 30. bis 70. Lebensjahre in der Tabelle. Die absolut größte 
Anzahl befand sich im Alter von 35—40 Jahren; der jüngste Pat. war 19, der 
älteste 92 Jahre alt. 128 Fälle kamen auf die Nase, 94 auf die Wange; 32 Er- 
krankungen der Unterlippe betrafen nur Männer, dagegen acht Fälle von Paget 
der Brust nur Frauen. 26mal wurden mehrfache Affektionen festgestellt, darunter 
ein Mann mit ungefähr einem Dutzend Stellen am Kopf. Die Dauer der Er- 
krankung betrug bis zu 20 Jahren, dagegen bei 47 Pat. 6 Monate und darunter. 
Es ist aber dabei zu bemerken, daß gewöhnlich erst ein fortgeschrittenerer Zu- 
stand, also eine Ulzeration oder Wucherung, zur Beobachtung seitens des Kranken 
führt, wo der eigentliche Beginn schon viel weiter zurückliegen mag. 38 Fälle 
wurden operiert, 53 mit Röntgenstrahlen behandelt, davon 29 Fälle 3 Monate lang 
und. darunter, die übrigen länger, bis zu einem Jahr und darüber. 

Unter verschiedenen Lokalbehandlungen gab die Arsenikpaste hin und wieder 
gute Dauerresultate.. Die Ausschabung, in 59 Fällen angewendet, erwies sich als 
sehr brauchbar, erforderte jedoch Nachbehandlung, besonders zweckmäßig mit 
Ausfüllung der Wunde durch Pyrogallussäurepulver und Watteverband.. Wenn 
auch die in früheren Jahren angewendete kaustische Behandlung hin und wieder 
zu Heilungen führte, wurden manche Mißerfolge und auch Verschlimmerungen 
dabei beobachtet; ganz besonders ist vor dem Höllensteinstift zu warnen. Als das 
beste und sicherste Mittel bat sich unbedingt die richtige Anwendung der Röntgen- 
strahlen herausgestellt, während Radium durchaus nicht so befriedigend wirkte. 
In einzelnen Fällen bleibt die operative Entfernung notwendig. 

Loewenhardt (Breslau). 


40) Bodin. Sur un nouveau champignon du favus (Achorion gypseum). 
(Ann. de dermatol. et de syph. 1907. p. 585.) 

Verf. züchtete aus einem Fall einen eigenartigen Favuspilz (Achorion gypseum), 
der noch nicht beschrieben ist und den er selbst bei mehreren hundert Fällen von 
Favus beim Menschen noch nicht gesehen hat. Er gibt eine genaue Beschreibung 
des Aussehens der Kulturen, der morphologischen Eigentümlichkeiten und Inoku- 
lationsversuche. Klingmüäller (Kiel). 


41) Bonnet. Un cas de sporotrichose. 
(Ann. de dermat. et de syph. 1907. p. 680.) 

Beschreibung eines Falles von Sporotrichose mit zwei syphilisäbnlichen Ul- 
zerationen, zwei kalten Abszessen, kleinen ulzerierten und nichtulzerierten Gummen, 
welche teils wie skrofulöse, teils wie ekthymatöse aussahen. Die mikroskopische 
Untersuchung des Eiters ergab keine einwandsfreien Befunde, während die Kul- 
turen immer angingen. Heilung durch Jodkali innerlich. 

Klingmüller (Kiel. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 1109 


42) Bodin. Botryomycose du sillon retro-auriculaire. 
(Ann. de dermat. et de syph. 1908. p. 28.) 

Auf einer Kratzwunde entstand in 18 Tagen eine gestielte, elastische, schmerz- 
lose, haselnußgroße Geschwulst (14—15 zu 8—10 mm) mit unregelmäßiger Ober- 
fläche, bedeckt mit einer bräunlichen Kruste, stellenweise eingerissen und aus den 
Spalten Eiter sezernierend. Bakteriologisch fanden sich gewöhnliche Staphylo- 
kokken, histologisch gefäßreiches Bindegewebe mit sehr reichlicher leukocytärer 
Infiltration. Klingmtiller (Kiel). 


43) Constantin et Levrat. Sur un nouveau cas de dyskératose pseudo- 
folliculaire de Darier. 
(Ann. de dermat. et de syph. 1907. p. 337.) 
Verf. geben die genaue Krankengeschichte und histologische Untersuchung 


eines Falles von sogenannter Darier’scher Psorospermose. 
Klingmüller (Kiel). 


44) Audry. Sur un cas de Xeroderma pigmentosum de Kaposi sans 
pigmentation. 
(Ann. de dermat. et de syph. 1907. p. 199.) 
Der 24jährige Pat. (Landwirt) zeigt alle Charakteristika des Xeroderm, nur 
fehlen die sonst vorhandenen Pigmentierungen. Er kam wegen eines inoperablen 
Epithelioms der Unterlippe in die Klinik. Klingmiüller (Kiel). 


45) Spitzer. Association de lupus érythémateux et de lupus tuber- 
culeux. 
(Ann. de dermat. et de syph. 1907. p. 189.) 
Gleichzeitiges Vorkommen bei demselben Fall im Gesicht. Die histologische 
Untersuchung (Tuberkelbazillen im lupösen Gewebe) bestätigte die klinische Dia- 
gnose. Klingmiller (Kiel). 


46) Nicolas et Gauthier. Üuti-reaction et ophthalmo-reaction dans 
diverses dermatoses d’origine tuberculeuse ou non. 
(Ann. de dermat. et de syph. 1907. p. 706.) 

Verff. prüften an 67 Fällen von Hautkrankheiten die Kutanreaktion. Der 
negative Ausfall scheint ihnen wertvoller zu sein, ebenso wie bei der Ophthalmo- 
reaktion, die sie bei 19 Hautkranken anstellten. An 13 Kranken prüften sie zuerst 
die Ophthalmoreaktion und 12 Tage später die Kutanreaktion,; dabei versagte die 
erste in einem Falle von Lupus vulgaris, während die letztere positiv war. Verff. 
ziehen die Kutanreaktion vor, weil die Ophthalmoreaktion für den Kranken lästiger 
ist und Komplikationen verursachen kann. Klingmüller (Kiel). 


47) Benaky. Neurofibromatose généralisée avec molluscum pendulum 
de lą moitié gauche de la face et ptosis du pavillon de l'oreille 
atrophie du membre supérieur gauche et syndactylie. 

(Ann. de dermat. et de syph. 1907. p. 728.) 

Das Wesentliche dieser kasuistischen Mitteilung ist im Titel enthalten. Einen 


ähnlichen Fall hat Verf. bereits in den Annales 1904 p. 977 veröffentlicht. 
Klingmäller (Kiel). 


48) R. L. Herzenberg. Stauungsblutung nach schwerer Rumpf- 
kompression. 
(Russisches Archiv für Chirurgie 1907. [Russisch.)) 
Es handelt sich hier um den ersten in der russischen Literatur niedergelegten 
Fall, dem H. zur Aufklärung nichts hinzufügen kann. 
Ein 1ö5jähriger Junge wurde beim Kohlenräumen durch große Massen Kohle 
derart verschüttet, daß nur der Kopf frei blieb. Er lag ca. 20 Minuten um Hilfe 


1110 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 87. 


rufend da. Nach seiner Befreiung fiel er in Ohnmacht und blutete beim Erwachen 
stark aus der Nase. Er atmete schwer und klagte über Schmerzen in der Brust und 
der linken Schulter. Am anderen Morgen war das Gesicht — zumal links — ge- 
dunsen. An den Lidern und um die Augen — besonders links — reichliche Blut- 
austritte. Zusammenhängende Ekchymose der Conjunctivae bulbi bis in die Um- 
schlagsfalten. Ekchymosen an der Unterlippe, dem Kinn und der linken Thoraxhälfte, 
hier in Gestalt kleiner Punkte. Subkutanes Thoraxemphysem trotz Mangels eines 
Rippenbruchs. Blutung am Hinterhaupt. Auf der linken Zungenhälfte stecknadel- 
kopfgroße Ekchymosen, die auf der Mundschleimhaut entsprechend dem linken 
Oberkiefer die Gestalt von Flecken hatten. Die Atmung war oberflächlich und 
mühsam; links hinten waren feuchte Rasselgeräusche zu hören. Augenhintergrund 
normal. Drei Petechien auf dem weichen Gaumen links; Ekchymosen auf dem 
linken Trommelfell; Schwellung der Nasenschleimhaut. (Der Kehlkopf scheint 
frei gewesen zu sein; wenigstens wird er hier nicht erwähnt. Ref.) Im Auswurf 
zeigten sich in den nächsten Tagen einige Blutgerinnsel. 
Pat. wurde bedeutend gebessert nach 20 Tagen entlassen. 
V. E. Mertens (Kiel). 


49) Blan (Görlitz). Kasuistischer Beitrag zur Meningoencephalitis acuta. 
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. LII. p. 129.) 


Bei einem 23/,jährigen Kinde, das von B. auf Grund unklarer Hirnsymptome, 
die im Anschluß an eine Otitis media eintraten, operiert wurde, fand sich bei der 
Sektion eine enorme Erweiterung der Ventrikel, die von wasserklarem Liquor 
angefüllt waren. Keine Spur einer eitrigen oder tuberkulösen Meningitis. B. faßt 
die Erkrankung als Meningitis serosa auf. Hinsberg (Breslau). 


50) @. L. Peabody. Preliminary report of a case of cerebrospinal 
meningitis of streptococcus. Origin apparently cured by subdural in- 
jection of anti-streptococcus serum. 

(New York med. record 1908. März 14.) 


P. beschreibt einen Fall von Zerebrospinalmeningitis bei einem 37 jährigen 
Mann mit Symptomen von Sepsis. Bei der Lumbalpunktion fanden sich Strepto- 
kokken. Daraufhin entschloß sich P., Antistreptokokkenserum 4 Tage hintereinander 
in Menge von je 10 ccm an Stelle einer durch Lumbalpunktion jedes Mal entleerten 
Quantität Zerebrospinalflüssigkeit subdural zu injizieren. Nachdem in Pausen von 
je einem Tage diese Methode noch 2mal wiederholt war und schon bei der aller- 
ersten Einspritzung ein Temperaturabfall, sowie Nachlaßfder Kopfschmerzen und 
Nackenstarre festzustellen war, konnte Pat. in 14 Tagen herumgehen und genas. 

Loewenhardt (Breslau). 


51) W. W. Graves. A clinical study of a case of brain tumor: opera- 
tion; complete recovery. 
(New York med. record 1908. Mai 23.) ` 


G. beschreibt einen mit völligem Erfolg operierten Fall von Hirngeschwulst, 
bei dem die gewöhnlichen Symptome von Kopfschmerzen, Neuritis optica usw. 
fehlten. Dagegen zeigte sich bei der 50jährigen Pat. Jackson’sche Epilepsie mit 
nachfolgenden Erschöpfungszuständen, Paralyse der rechten Extremitäten und 
Symptome von Aphasie. Es wurde eine hühnereigroße Cyste in der Gegend der 
Fossa Rolandi entfernt. 


Während der ersten 24 Stunden nach der Operation beklagte sich Pat. über 
heftige Schmerzen im rechten Arm. An den Fingerspitzen trat zuerst Hyperämie, 
dann Ischämie, schließlich Bildung von Blasen auf, die zwar nach einigen Tagen 
schrumpften, doch blieben aber noch monatelang unangenehme Empfindungen in 
dieser Extremität zurück. Loewenhardt (Breslau). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 1111 


52) F. van Fleet. An intradural tumor of the optic nerve removed 
by the Krönlein method. 
(New York med. record 1908. Juni 27.) 


van F. beschreibt eine Geschwulst des N. opticus, die in der Augenhöhle saß 
und den Augapfel hervortrieb. Das 14jährige Kind wurde nach der Krönlein- 
schen Methode mit gutem Erfolg operiert. (Temporäre Knochenresektion an der 
Außenseite, Durchschneidung des N. opticus und Ausräumug der Geschwulst.) 

Die als bösartig erklärte Geschwulst des N. opticus scheint ein Gliom ge- 
wesen zu sein. Bewegungen der Lider und des (natürlich ohne Sehvermögen) er- 
haltenen Augapfels blieben später normal. Loewenhardt (Breslau:. 


53) Daae (Christiania). Primäre Ohrdiphtherie. 
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. LII. p. 249.) 


D. beobachtete bei einem 11jährigen Knaben eine sehr schwer verlaufende, 
anscheinend durch Sinusphlebitis komplizierte Otitis med. acuta, als deren Erreger 
bakteriologische Diphtheriebazillen festgestellt wurden. Auffallend ist, daß ander- 
weitige diphtherische Erkrankungen, vor allem im Rachen, nicht vorausgegangen 
waren, und daß auch im Rachensekret keine Diphtheriebazillen gefunden wurden. 
Heilung nach Aufmeißelung des Warzenfortsatzes. Hinsberg (Breslau). 


54) A. M. Putschkowski. Zur Kasuistik der Pseudomastoiditis. 
(Russki Wratsch 1908. Nr. 22.) 


In der Literatur fand P. nur einen Fall beschrieben: von Monnier — Revue 
hebdom. de laryngologie, d'otologie et de rhinologie 1902. Einen ähnlichen Fall 
beobachtete P. bei einem 24 Jahre alten Soldaten nach Abdominaltyphus. Schwellung 
und Schmerzhaftigkeit der rechtsseitigen Submaxillar- und Halsdrüsen, Ohrmuschel 
nach vorn verdrängt, Abszeß hinter derselben, Eiter aus dem Gehörgang. Trommel- 
fell gesund, Gehör normal. Bei genauerem Zusehen fand man 2—3 mm vom 
Trommelfell eine Spalte an der hinteren unteren Wand des Gehörganges, aus 
welcher der Eiter hervorquoll. Schnitt nach Wilde; eine Sonde gelangt aus dem 
Abszeß in den Spalt im Gehörgang. Rasche Heilung. Es handelte sich also um 
Eiterung der Halsiymphdrüsen (Parotis intakt) mit Durchbruch ins Ohr, die eine 
Mastoiditis vortäuschte. E. Gückel (Wel. Bubny, Poltawa). 


55) Schroeder. Ein weiterer Fall von otogener, eitriger Sinusphlebitis 
mit fieberfreiem Verlauf. 
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. LII. p. 357.) 

Das Eintreten einer Infektion des Sinus im Gefolge von Ohreiterung wird fast 
stets durch hohe Temperatursteigerungen, meist von pyämischem Typus, angezeigt. 
In dem von S. mitgeteilten Falle fehlte Fieber während der klinischen Beobachtung 
vollständig, trotzdem man bei der Operation die Lichtung des Sinus in der Aus- 
dehnung von ca. 1!/s cm von Eiter erfüllt fand. Der infizierte Bezirk war zentral- 
und peripherwärts durch solide Thromben gegen den Kreislauf abgeschlossen. 
Nach der Operation (Freilegung der Mittelohrräume, Spaltung des Sinus) erfolgte 
glatte Heilung. Hinsberg (Breslau). 


56) Muck. Ein geheilter, mit Stauungshyperämie (durch Saugwirkung 
vom Gehörgang aus) behandelter Fall von beiderseitiger Mittelohr- 
tuberkulose. 

(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. LIII. p. 132.) 

Daß es sich in dem von M. beschriebenen Falle wirklich um Tuberkulose 
handelte, wurde wiederholt durch Probeexzision festgestellt. Die durch die Tuber- 


kulose gesetzten ausgedehnten Defekte vernarbten vollständig. 
Hinsberg ‘Breslau’. 


1112 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 


57) Wittmaack. Ein neuer Wundsperrer für Mastoidoperationen. 
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. LIII. p. 234.) 

Der von W. angegebene Wundsperrer besteht aus vier miteinander verbundenen 
Haken, die durch Schraubenwirkung gespreizt werden können. Er legt, wie Ref. 
auf Grund vielfacher Erfahrung bestätigen kann, das Operationsgebiet ausgezeichnet 
frei, stillt die Blutung aus den gespannten Weichteilen fast vollständig und spart 
zwei Assistentenhände. Zur exakten Beleuchtung der tieferen Teile der Operations- 
höhle läßt sich ein kleines elektrisches Lämpchen am Sperrhaken anbringen. 

Hinsberg (Breslau). 


58) G. Cohn. Adenoide Vegetationen und Schwerhörigkeit. 
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. LII. p. 246.) 

C. fand bei der Untersuchung von 1573 Schulkindern 315 mal, d. h. in 18 % 
der Fälle, Schwerhörigkeit. Die Hörstörung war in ca. 60% durch eine ver- 
größerte Rachenmandel verursacht, eine Zahl, die die ja schon längst bekannten 
Gefahren der Rachenmandelhyperplasie für Hörvermögen deutlich genug beweist. 

Hinsberg (Breslau). 


59) Cohen. Four frontal sinuses. 
(Journ. amer. med. assoc. Bd. L. Nr. 23.) 

Bei einem Leichenschädel wurden vier Sinus frontales gefunden, von denen 
die überzähligen hinter den regelmäßig vorhandenen lagen und durch besondere 
Ausführungsgänge mit der Nase verbunden waren. Sie waren durch eine lückenlose 
knöcherne Scheidewand von den normalen getrennt. C. weist auf die Schwierigkeit 
der Diagnose und Therapie bei Erkrankung solch abnorm gebildeter Stirnhöhlen hin. 
Von anderen Anomalien fand er noch: gänzlichen Mangel der Stirnhöhle; nur eine 
mit einem Ausführungsgang; drei Höhlen, von denen zwei durch eine senkrechte 
Scheidewand getrennt waren und einen gemeinsamen Ausführungsgang hatten. 

Trapp (Bückeburg). 


60) Kuelbs. Uber Mikulicz’sche Krankheit. 
(Mitteilungen ans den Grenzgebieten der Medizin u. Chirurgie Bd. XVII. Hft. 5.) 

Bei einem 21jährigen Manne traten Schwellungen beider Parotiden, der Sub- 
maxillar- und Tränendrüsen bei normalem Blutbefund auf. Unter Jodnatrium- 
behandlung besserte sich der Zustand wesentlich in 6 Monaten. Nach weiteren 
6 Monaten vergiftete sich der Kranke mit Lysol, so daß die Speichel- und Tränen- 
drüsen mikroskopisch untersucht werden konnten. Es fand sich in ihnen diffuse 
oder herdförmige Leukocyteninfiltration, Epitheldegeneration, riesenzellenähnliche 
Gebilde, erhebliche Bindegewebsentwicklung, keine Käseherde. Die Iymphatischen 
Apparate zeigten keine Veränderung, mit Ausnahme einer einzigen Halsdrüse. 
Es bestanden also keine Beziehungen zur Pseudoleukämie, von der nach K. einst- 
weilen das Bild der Mikulicz’schen Krankheit abzusondern ist. 

Erwähnt wird noch ein weiterer Fall von chronischer Schwellung der Parotiden, 
welche unter Einfluß eines Erysipels erheblich zurückging, dann aber wiederkehrte. 

Haekel (Stettin). 


Berichtigungen. In dem Artikel von De Witt Stetten: »Zur Frage der sog. 
Madelung’schen Deformität usw.< in Nr. 31, p. 952, Zeile 9 und 10 von oben 
muß es statt mit »Luxatio posterior des Ulnaendes«e »Luxatio anterior des 
Ulnaendes«< heißen. 


In Nr. 35 dieses Zentralblattes (Beilage) p. 2 und 24 muß es A. Peiser statt 
A. Preiser, Breslau, heißen. 





Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden. 


Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Bat Prof. Dr. E. Richter in Breslau. 
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. 





Zentralblatt für Chirurgie 


herausgegeben von 


K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER, 








in Bonn, in Berlin, in Breslau. 
35. Jahrgang. 
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG. 
Nr. 38. Sonnabend, den 19. September 1908. 
Inhalt. 


1) Laewen, Verhalten röntgenisierter Tiere gegen bakterielle Infektionen. — 2) Burkhardt, 
Einwirkung von Sauerstoff auf Wunden und Infektionen. — 3) Milner, Knochencysten, Chondrome, 
fibröse Ostitis. — 4) Painter, Chronische Gelenkentzündung. — 5) Klapp, Sehnenscheidenphleg- 
mone. — 6) Gouteaud, Schlüsselbeinbruch. — 7) Montaudon, Mondbeinverrenkung. — 8) Pers, 
Ischias. — 9) Henschen, Extensionsbehandlung von Knochenbrüchen. — 10) Stich, Fußgelenks- 
tuberkulose. — 11) Abbot, Hypertrophie von Synovialzotten des Knies. — 12) Brandes, Fersen- 
beinbruch. — 13) Lengfeliner, Knickfuß. — 14) Sick, Eingewachsener Nagel. 

Reismann, Bemerkung zu der in Nr. 15 p. 470 dieses Zentralblattes von Dr. Hoffmann in 
Schweidnitz mitgeteilten Fußverletzung. (Original-Mitteilung.) 

15) Kaehler, Scharlachsalbe zur Epithelisierung von Wundflächen. — 16) Ritter, Knochen- 
echinokokken. — 17) Borchard, Knochensarkome. — 18) Lissowskaja, Gonokokken in Knochen- 
herden. — 19) Baetzner, Gonorrhoische Gelenkentzündung. — 20) Lexer, Gelenktransplantation. 
— 21) Dreesmann, Chronische Polyarthritis bei Kindern. — 22) Gaudiani, Sehnenscheiden- 
geschwülste. — 23) Mason, 24) Buchanan, Mit Knochenbruch komplizierte Schulterverrenkung. 
— 235) Marjantschik, 26) und 27) Martini, Behandlung von Knochenbrüchen. — 28) Blecher, 
Schädigung des N. medianus bei Radiusbrüchen. — 89) Zehn, Ellbogengelenksbrüche. — 30) Förster, 
Sehnenverleizungen. — 81) Ohly, Verrenkung des Mondbeines. — 32) Ely, Kahnbeinbrüche. — 
88) Siemon, Verrenkung des Mittelfingers. — 84) Nicolas, Durand und Moutot, Dactylitis syphi- 
litica. — 85) Albee, Arthritis deformans der Hüfte. — 86) Abbot, Angeborene Hüftverrenkung. — 
37) Franck, Oberschenkelhalsbrüche. — 38) Fortunet-Regnault, Geschoß im Oberschenkel. — 
89) Wieting, Arteriovenöse Intubation bei angiosklerotischer Gangrän. — 40) Nabarro, Eiterung 
der Bursa praepatellaris. — 41) Thomas, Kniescheibenbruch. — 42) Mensik, Genu valgum. — 
43) Bayer, Unterschenkelgeschwülste. — 44) Reismann, 45) Kirchner, Talusluxation oder Luxatio 
pedis sub talo? — 46) Bowlby, Tuberkulose der Hüfte. — 47) Ohse, Fußwurzeltuberkulose. — 
48) Kirsch, Seidenplastik der Peroneussehne. — 49) Finsterer, Kahnbeinbruch. 

IL Internationaler Kongreß für Chirurgie. 





1) Laewen. Experimentelle Untersuchungen über das Ver- 
halten röntgenisierter Tiere gegen bakterielle Infektionen 
unter besonderer Berücksichtigung der Bildung spezifischer 
Antikörper. 
(Mitteilungen a. d. Grenzgebieten d. Chirurgie u. Medizin Bd. XIX. Hft. 1.) 

Während man auf Grund der bisher vorliegenden Untersuchungen 
glaubte, daß die Röntgenstrahlen bei ihrer Einwirkung auf den Tier- 
körper durch Auflösung von Leukocyten bakterienfeindliche Stoffe 
ins Blutplasma übertreten lassen und zu einer Resistenzsteigerung der 
bestrahlten Tiere gegen die eingeführten Bakterien führen, zeigen die 
zahlreichen Experimente, welche L. an Kaninchen, weißen Mäusen, 
Meerschweinchen und Ratten vornahm, das Gegenteil. Auch nach 
lange ausgedehnten Röntgenbestrahlungen und nach einer dadurch 
bewirkten Zerstörung eines erheblichen Teiles der Leukocyten gelang 


38 


1114 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 


es nicht, die bakterizide Kraft des Serums der Tiere irgendwie zu 
verändern. Bei der Auflösung der Leukocyten durch die Röntgen- 
strahlen im Blute und in künstlich geschaffenen Anhäufungen werden 
keine bakteriziden Endoenzyme frei, die sich in ihrer Wirkung zu der 
der Serumalexine addieren könnten. Dementsprechend erwies sich die 
Resistenz ausgiebig röntgenisierter Tiere gegen verschiedene Bakterien 
immer herabgesetzt. Wenn die Bestrahlung nicht zulange ausgedehnt 
war, folgte auf die Infektion mit geeigneten Bakterien in der Regel 
noch eine relative Leukocytose, die in einer Vermehrung der poly- 
morphkernigen Leukocyten bestand. Nur bei vorhergehender sehr aus- 
gedehnter Röntgenisierung fielen die Leukocytenzahlen nach der In- 
fektion ziemlich rasch zum Nullwert ab. 

Auf die Normalagglutinine zeigten die Röntgenstrahlen keine 
Wirkung; dagegen hemmten sie die Bildung der spezifischen, auf die 
Infektion hin gebildeten Agglutinine und wahrscheinlich, wenn auch 
in geringerem Grade, der spezifischen Bakteriolysine. Bei einigen 
Tieren blieb die Agglutininbildung ganz aus. Man darf aus den Ver- 
suchen schließen, daß als Bildungsstätte der spezifischen Agglutinine 
die blutbereitenden Organe und in ihnen die mit der Leukocytenbildung 
in Zusammenhang stehenden Zellgruppen anzusehen sind. 

Haeckel (Stettin). 





2) L. Burkhardt. Untersuchungen über die Einwirkung 
reinen Sauerstoffs auf Wunden und Infektionen. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIII. p. 182.) 

B. hat zahlreiche bakteriologische und Tierversuche zwecks 
Prüfung der zuerst von Thiriar {hervorgehobenen Wirksamkeit des 
Sauerstoffs auf Wunden und Infektionen angestellt, die sowohl durch 
die Art ihrer Anordnung als ihre Resultate von Interesse sind. Zur 
Orientierung darüber diene die Wiedergabe der von B. gelieferten Zu- 
sammenfassung seiner Arbeit nebst kurzen erläuternden Zusätzen: 

1) Die Berührung mit reinem Sauerstoff ruft auf Wunden eine 
starke Gefäßinjektion hervor, es entsteht ein Zustand arterieller 
Hyperämie. Die Wunden bleiben feuchter, die Granulationsgewebs- 
bildung wird befördert. (Technik: Wundanlegung an Kaninchenohren, 
die, in ein mit Gummimanschette abschließendes Glasgefäß gesteckt, 
einem übergeführten Sauerstoffstrom ausgesetzt wurden.) 

2) Kulturen fakultativ aerober Bakterien bleiben auf künstlichen 
Nährböden bei Züchtung in reiner konzentrierter Sauerstoffatmosphäre 
in ihrem Wachstum erheblich zurück, werden aber nicht abgetötet. 
(Auch die Virulenz unter Sauerstoff gezüchteter Kulturen ist kaum 
vermindert. — Injektion von Kulturen mit und ohne Sauerstoffzüchtung 
beim Kaninchen.) 

3) Im Tierkörper scheint auch die Zufuhr von sehr reichlich 
Sauerstoff zum Infektionsherd das Wachstum der Bakterien nicht 
nennenswert zu hemmen; ebensowenig ist dies bei Allgemeininfektion 
der Fall, wenn man den ganzen Körper des Versuchstieres mit Sauer- 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1115 


stoff überschwemmt. Indes sprechen Tierversuche dafür, daß eine, 
wenn auch wohl nur geringe Virulenzminderung der Bakteriengifte 
erfolgt. (Den zu infizierenden Tieren wurde mehrere Tage lang täg- 
lich mehrmals Sauerstoff intravenös, subkutan und intraperitoneal in- 
fundiert, so daß sie Sauerstoff sogar im Überfluß in den Geweben 
hatten. Die Giftstärke der Kokkentoxine und Proteine nach Kultur- 
züchtung unter Sauerstoff geschah mittels Einverleibung von mit den 
betreffenden Präparaten gefüllten Kapillarröhrchen beim Versuchs- 
tiere. 

i Am Bauchfell wird durch die Berührung mit reinem Sauerstoff 
ein Zustand leicht entzündlicher Reizung erzeugt. Es entsteht eine 
ziemlich bedeutende Hyperleukocytose, besonders bei gleichzeitiger 
Anwesenheit von Flüssigkeiten in der Bauchhöhle; die Resorption in 
der Bauchhöhle wird verlangsamt. (Bei den zahlreichen Versuchen 
B.’s am Bauchfell wurde den Tieren Sauerstoff bis zu ziemlich stark 
meteoristischer Auftreibung des Bauches infundiert. Das Verfahren 
wurde auch bei Tieren mit artefizieller septischer und tuberkulöser 
Peritonitis angewandt. Bei letzterer schien ein günstiger Einfluß der 
Sauerstoffzufuhr konstatierbar.) 

5) Mehr als der gewöhnliche Sauerstoff scheint Ozon imstande zu 
sein, Infektionen besonders in Körperhöhlen, die sich leicht mit dem 
Gase füllen lassen, zu bekämpfen. (Die Umwandlung des infizierten 
Tieren in die Bauchhöhle infundierten Sauerstoffes in Ozon geschah 
mittels bis zu 3/, Stunden lang fortgesetzter Röntgenbelichtung.) | 

Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


3) R. Milner. Historisches und Kritisches über Knochen- 
cysten, Chondrome, fibröse Ostitis und ähnliche Leiden. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIII. p. 828.) 

Die sehr fleißige, umfangreiche Arbeit eignet sich zu einem Refe- 
rate nicht, da sie selbst mehr den Charakter eines kritischen Sammel- 
referates hat. Ganz kurz sei angeführt, daß nach M.’s Darlegungen 
Entstehung wirklicher Cysten aus Geschwülsten, insbesondere Chon- 
dromen, niemals bewiesen ist, daß auch Virchow’s bekannter Fall 
nichts mit Chondrom zu tun hat. Bislang erscheint die Herleitung 
der Knochencysten aus einer fibrösen Ostitis ungleich wahrscheinlicher, 
doch ist die Geschwulsttheorie der Knochencysten auch nicht ganz 
abzulehnen und noch weniger die traumatische Entstehung derselben. 

Das der Arbeit angehängte Literaturverzeichnis weist 146 Num- 
mern auf. Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 





4) C. F. Painter (Boston). The plan of operative surgery 
in the treatment of chronic arthritis. 
(Amer. journ. of orthop. surg. 1908. April.) 
Die genauere Einteilung der chronischen Gelenkentzündung, welche 
namentlich in den letzten Jahren auf Grund sorgfältiger Studien und 


38t 


1116 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 


nicht zum mindesten infolge der röntgenologischen Forschung Platz 
gegriffen hat, hat auch die Therapie vielfach beeinflußt. Unter dem 
Schutze der Asepsis — und Gelenkeröffnungen verlangen die denkbar 
sorgfältigste — wagen wir heutzutage mehr als früher. Immerhin dürfte 
der Standpunkt P.’s vielen Chirurgen wenigstens in Deutschland zu 
radikal sein. Bei den infektiösen Formen, u. a. auch bei gonor- 
rhoischen, eröffnet er das Gelenk breit, spült mit heißer Kochsalz- 
lösung aus und näht sorgfältig wieder zusammen. Hypertrophische 
Villi sucht er um so mehr zu entfernen, weil sie oft infektiöses Ma- 
terial enthalten. Hyperplastische Periostwucherungen entfernt er 
nach Ablauf des akut entzündlichen Stadiums. 

Bei den atrophischen und hypertrophischen Formen operiert er, 
wenn Größe der Villi oder des Gelenkergusses bzw. Periostwucherungen 
oder freie Gelenkkörper eine spezielle Indikation dazu geben. 

Bei vorhandenen Deformitäten räumt er den gewaltsamen Mani- 
pulationen in Narkose ein breites Feld ein, greift aber in schweren 
Fällen, namentlich wenn das Allgemeinbefinden stärker in Mitleiden- 
schaft gezogen wird, zu Osteotomie, Exzision und ähnlichen Maßnahmen. 
Bei hypertrophischen und atrophischen Formen macht er häufig von 
Apparaten Gebrauch. 

Leider sind dem Bericht keine Krankengeschichten beigefügt, so 
daß es nicht möglich ist, sich ein genaues Bild über die Resultate 
P.’s zu machen. Wir sind bei vielen infektiösen Prozessen an den 
Extremitäten, namentlich seit Bier, vorsichtiger mit breiten Inzisionen 
geworden, so daß ich eine so allgemeine Empfehlung einer radikalen 
Therapie nicht ohne weiteres als einen Fortschritt betrachten möchte. 

H. Buchholz (Boston). 





5) R. Klapp. Die Behandlung der Sehnenscheidenphlegmone. 
(Berliner klin. Wochenschrift 1908. Nr. 15.) 

Während man früher die ergiebige Spaltung der Sehnenscheide 
als das beste Mittel ansah, die Sehne zu erhalten, dann tamponierte 
oder drainierte, auch die Sehnenscheide mit antiseptischen Mitteln 
ausspülte, ist nach Bier’s Vorschlägen für die Behandlung akuter 
Entzündungen ein Umschwung eingetreten. Durch Stehenlassen von 
Hautbrücken zwischen den kleinen Inzisionen, durch Verzicht auf 
Tamponade und Drainage unter Anwendung der Dauerstauung wird 
dem Austrocknen und dem Absterben der Sehne vorgebeugt. 

Die Erfolge dieser Methode, die K. an dem Bonner und Berliner 
Material erprobte, waren geradezu glänzende im Vergleich zu den 
früheren Resultaten. Die Anzahl der Mißerfolge war von etwa 80 bis 
90% auf etwa 30% herabgedrückt. Weit über die Hälfte der Sehnen 
konnte gerettet werden. 

K. suchte nun zu erforschen, ob die guten Resultate der Bier- 
schen Methode auf die Stauung oder auf die physiologische Behand- 
lung zurückzuführen seien. Er eröffnete daher die Sehne niemals von 
der Beugeseite, sondern stets von der Seitenfläche des Fingers; der 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1117 


Hautschnitt hatte nicht ganz die volle Länge der entsprechenden 
Phalange (Blutleere, Atherrausch.,. Das Sehnenscheidenfach wurde 
lang eingeschnitten, eine Hohlsonde durch die Sehnenscheide gegen 
die andere Seite des Fingers geführt und von außen mit gleichlangem 
Schnitt eingeschnitten. — War das an allen Phalangen ausgeführt, so 
wurde noch an den mittleren drei Fingern von der Handfläche aus 
in schräger Ebene auf das zentrale Ende der Sehnenscheide einge- 
schnitten und ebenfalls nach der anderen Seite geöffnet. An den 
langen Scheiden der Beugesehnen von Daumen und kleinem Finger 
wurden je nach Bedarf noch 1—2paarige Schnitte von der Länge 
der vorigen angebracht. Die Sehnenscheide wurde schließlich mit 
warmer physiologischer Kochsalzlösung sehr reichlich ausgespült, die 
Wunden weiterhin mit Salbenlappen bedeckt. Eventuell Alkoholverband 
für Hand und Arm. Horizontale Lagerung des Armes im Bett. Täg- 
licher Verbandwechsel. In den ersten 2—3 Tagen ein halbstündiges 
Bad in physiologischer Kochsalzlösung, darin Bewegungsübungen, die 
auch sonst vom ersten Tage an ausgeführt werden. Nach Versiegen 
der Eiterung und Abklingen der Entzündungserscheinungen Heißluft- 
behandlung. 

Ergebnisse: 1) 15 Fälle von reiner Sehnenscheidenphlegmone: 
Geheilt 14, teilweise nekrotisch 1 Fall. 

2) 2 Fälle von subkutanem Panaritium, bei welchen infolge von 
Hautnekrose die Sehne längere Zeit freilag: Geheilt 1 Fall, teilweise 
nekrotisch 1 Fall. 

3) 6 Fälle von Panaritium tendinos., kompliziert mit Knochen- 
veränderungen: Geheilt 2 Fälle, teilweise oder ganz nekrotisch 4 Fälle. 

4) 1 Fall, septisch 12 Tage nach Infektion aufgenommen. Tod. 

Auf Grund dieser Ergebnisse glaubt K., daB es auch allein mit 
der systematisch durchgearbeiteten physiologischen Behandlung gelingt, 
ebenso gute Resultate zu erzielen wie mit der Stauung, doch bleibt 
abzuwarten, ob sich durch Hinzufügung der Stauung nicht die Resultate 
noch weiter verbessern lassen. Langemak (Erfurt). 


6) Gouteaud. Traitement esthetique des fractures de la 
clavicule par la position. 
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXIII. p. 644.) 

Besonders bei Frakturen im äußeren Drittel des Schlüsselbeines 
wird folgendes Verfahren empfohlen (das dem alten Hippokratischen 
die Grundidee entlehnt): Der Kranke liegt in horizontaler Rückenlage 
am äußersten Rande des Bettes der erkrankten Seite, der Arm hängt 
senkrecht herab. Nach einigen Tagen kann der Unterarm rechtwinkelig 
flektiert auf eine Unterlage gelegt werden. Die Schultermuskulatur 
erschlafft, das Gewicht des Armes zieht das laterale Frakturende zur 
Seite und dorsalwärts. Nachteile sind die doch immerhin recht un- 
bequeme Lage und die Nötigung zur Bettruhe. Die kosmetischen 


und funktionellen Resultate sollen ausgezeichnet sein. 
Kaehler (Duisburg-M.). 





1118 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 


7) Montaudon. Die Theorie der verschiedenen Mecha- 


nismen der Lunatumluxation. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 9.) 

Nach einigen statistischen Ausführungen über die Verletzungen 
im Bereich des Handgelenkes überhaupt und über die Verrenkung 
des Mondbeines im besonderen bringt die Arbeit an der Hand von 
instruktiven Röntgenpausen sechs Fälle, von denen einer die seltene 
Form der dorsalen, alle anderen die gewöhnliche der volaren Ver- 
renkung des Mondbeines wiedergeben. 

Mit Unterstützung von Zuppinger studierte Verf. die Mecha- 
nismen dieser Verrenkungen, worüber Näheres im Original nachzu- 
sehen ist. 

Im ganzen kommt die Arbeit zu dem Schluß, daß die Mondbein- 
verrenkung fast stets eine volare, nur ganz selten eine dorsale ist. 
Die volare kommt in der Regel durch Dorsalhyperflexion der Hand, 
nur ausnahmsweise, wie in einem Falle des Verf.s, durch Volarhyper- 
flexion zustande. 

Die gewöhnliche volare Verrenkung erfolgt in der Regel bei 
ulnar-dorsaler Hyperflexion der Hand als direkte zweizeitige Ver- 
renkung; sie wird durch dorsale Verschiebung des Caput ossis capi- 
tati eingeleitet, indem die volaren Bindenzüge zwischen Lunatum und 
Radium nicht zerreißen. Es kann aber auch zu einem einzeitigen 
direkten Austritt des Mondbeines durch Druck der benachbarten 
Knochen kommen, wenn alle Verbindungen des Mondbeines zerrissen 
sind. Reich (Tübingen). 


8) Pers. Über chirurgische Behandlung der Ischias. 
(Deutsche med. Wochenschrift 1908. Nr. 29.) 

P.’s Methode beruht auf der Lösung des Ischiadicus bis hinauf 
zum Foramen ischiadicum aus allen etwaigen Verwachsungen. Er 
schreibt die Ischias einer Perineuritis oder den durch dieselbe be- 
dingten Verwachsungen zu. Eine Lösung des erkrankten Nerven, 
Sprengung der Verwachsungen mache die Schmerzen aufhören. Bei 
langer Dauer, beim Versagen der anderen Behandlungsmethoden soll 
operiert werden. Das Resultat ist beinahe in allen Fällen als ein 
Dauerresultat zu betrachten. Die 4,8% Rezidive bei 49 Operationen 
sind vorläufig nur einer mangelhaften Lösung zuzuschreiben. 

Borchard (Posen). 








9) K. Henschen. Die Extensionsbehandlung der Ober- und 
Unterschenkelbrüche auf physiologisch-mechanischer Grund- 
lage. 

(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 616.) 


In der vorliegenden, auf Zuppinger’s Ideen sich aufbauenden 
Arbeit bringt Verf. neue Prinzipien in der Frakturlehre und -Behandlung 
zum Ausdruck, die berufen sein dürften, die bisher geläufige Anschau- 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1119 


ung und Praxis gründlich zu reformieren und an Stelle der auch heute 
noch keineswegs idealen Resultate eine anatomische und funktionelle 
Reparation der gebrochenen Gliedmaßen zu setzen. 

Wesentlich in der neuen Behandlungsmethode ist die Semiflexions- 
lage, d. h. die durch Beugung der Gelenke erzielte Abspannung aller 
Muskeln der Extremität auf eine mittlere Gleichgewichtslage, ein Prin- 
zip, das, von Pott bereits inauguriert, infolge technischer Schwierig- 
keiten sich in der Praxis nicht lange halten konnte und der älteren, 
bis heute ausschließlich angewandten Frakturbehandlung in extremer 
Streckstellung weichen mußte. 

Wie eine eingehende, im Referat schwer wiederzugebende Wür- 
digung der bisher zu sehr vernachlässigten mechanisch-physiologischen 
Verhältnisse der Muskeln und des Bindegewebsapparates in ihrer Be- 
ziehung zur Knochenbruchlehre zeigt, wird die Verschiebung der Bruch- 
stücke hauptsächlich durch die elastische Zugkraft der Muskeln be- 
wirkt und erhalten. Um diese soweit als möglich zu vermindern, muß 
das Glied in eine mittlere neutrale, der Ruhelage annähernd gleich- 
kommende Stellung gebracht werden, in der sich die Spannungen aller 
Muskeln das Gleichgewicht halten, was nur bei einer korrelaten Win- 
kelstellung aller zwischengeschalteten Gelenke erreichbar ist. Der 
durch die Lage allein nicht zu beseitigende Rest von elastischer 
Spannung muß durch Extensionskraft beseitigt werden. Ist die Ge- 
samtmuskelspannung schon durch die Lage auf die Hälfte und mehr 
herabgesetzt, so läßt sich der Rest sehr leicht und mit geringer Kraft 
überwinden und zur Ausschaltung des interfragmentalen Druckes etwas 
überkompensieren, während der Extension in extremer Streckstellung 
die gesamte Muskelspannung entgegensteht, die, wenn überhaupt, dann 
nur durch enorm hohe Kraft sich ausgleichen läßt. 

Durch eine physiologisch wirksame Extension wird die Schädigung 
der Muskulatur, soweit wie möglich, eingeschränkt. Da die neue 
Methode nicht nur eine wirksame Extension möglich macht, sondern 
auch durch Verzicht auf eine starre Immobilisation ein aktives Muskel- 
spiel in mäßigen Grenzen gestattet, das alle passive Massage an Wirk- 
samkeit weit übertrifft, so begünstigt sie die Zirkulation und die Abfuhr 
des Abbaumaterials, gibt den reparativen Vorgängen eine funktionelle 
Richtung, verhindert Luxusproduktion von Knochen und Bindegewebe, 
beschränkt die Atrophie der Muskeln sowohl wie der Knochen und 
verleiht dem gesamten Bindegewebsapparat denjenigen Grad von 
Spannung, der zu seiner Erhaltung in ursprünglicher Ausdehnung und 
Verschieblichkeit erforderlich ist. 

Praktische Methoden, die den skizzierten Anschauungen Rechnung 
tragen, stammen von Mojsisovics (Aquilibrialmethode), Middeldorpf 
(Hebelschwebe), Loorinser (zugverhindernde Semiflexion) und von 
Hennequin. Den Mängeln, welche diesen Methoden noch anhaften, 
hat Zuppinger abgeholfen durch automatische Apparate zur Perma- 
nentextension, die für Knochenbrüche an Ober- und Unterschenkel 
je eine eigene Konstruktion besitzen. Wesentlich an diesen ist die 


1120 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 


Semiflexion sämtlicher Gelenke und die rein automatische Extension, 
bedingt durch die leicht regulierbare Wirkung der Schwere des 
Unterschenkels und des Oberschenkelteiles des Apparates, während 
die Rumpfschwere die Gegenextension besorgt. Die nähere Konstruk- 
tion der Apparate sowie die Technik ihrer Anwendung ist aus dem 
Original zu ersehen, das hierfür gute Abbildungen besitzt. 

Die Apparate wurden in der Züricher Klinik an 35 teils offenen, 
teils subkutanen Brüchen des Unterschenkels und 13 des Oberschenkels 
auf ihre Leistungsfähigkeit geprüft und haben sich nach den bei- 
gegebenen Übersichten über die anatomischen und funktionellen Resul- 
tate (röntgenologische Nachuntersuchungen) sehr gut bewährt. Bei 
richtiger Technik ist Dekubitus ausgeschlossen. Dauernde Gelenkver- 
steifungen wurden ebensowenig beobachtet wie Schädigungen des Knie- 
gelenkbandapparates durch die Extension. 

Eine technisch noch etwas einfachere Anwendungsform des gleichen 
Prinzips gibt Verf. in seiner Hängemattenextension an, wobei der ge- 
beugte Oberschenkel in einer Rinne liegt und der durch Beugung im 
Kniegelenk horizontal gestellte Unterschenkel mit einem Gewichtszug 
extendiert und in einer improvisierten Hängemattenvorrichtung suspen- 
diert wird. 

Weitere Erfahrungen werden zurzeit in der Züricher und Tübinger 
Klinik gesammelt. Reich (Tübingen). 





10) Stich. Über die Erfolge der operativen Behandlung der 


Fußgelenkstuberkulose. 
(Deutsche med. Wochenschrift 1908. Nr.’28.) 

Garrd ist immer mehr ein Anhänger der operativen Therapie 
geworden; er hält sich prinzipiell nicht mit konservativen Maßnahmen 
auf, sondern operiert, wenn ein nachgewiesener Knochenherd entfernt 
werden kann, bevor er in das Gelenk durchbricht. Ist eine Gelenk- 
erkrankung bereits vorhanden, so kann man in frischen Fällen ohne 
Fisteln bei gutem Allgemeinbefinden und jugendlichem Alter dann 
konservative Maßnahmen versuchen, wenn das Röntgenbild keine aus- 
gedehnteren Knochenzerstörungen aufweist. In allen anderen Fällen 
wird konservativ operiert, sofern nicht allgemeine Kontraindikationen 
vorliegen. Die streng konservative Behandlung führte kaum beim 
vierten Teile zum Ziele. 77% mußten operiert werden. Die typische 
Resektion des Sprunggelenkes ist die Methode der Wahl. S. hat 
durch Nachuntersuchungen an der Hand von Röntgenbildern die 

erzeugung gewonnen, daß der Verlust des Talus nach der Re- 
sektion durch Veränderungen des Calcaneus und anderer Knochen 
zu einem großen Teile wieder ausgeglichen wird. 
Borchard (Posen). 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1121 


11) Abbot. Hypertrophy of the synovial fringes of the knee 
joint. 
(Journ. amer. med. assoc. Bd. I. Nr. 21.) 

Zur Beseitigung der Wucherung synovialer Zotten in der Gegend 
der Kniescheibe hat A. folgendes Vorgehen erprobt gefunden: Beider- 
seits von der Kniescheibe wird durch 5 cm langen Schnitt und Ab- 
präparieren die Kapsel des Gelenkes freigelegt. In der Mitte des 
Schnittes wird sie zipfelförmig hochgehalten, mit passendem Instrument 
(Klemme) in der Längsachse des Gliedes eine Falte abgehoben, 
zwischen der Klemme und dem Gelenk diese Falte abgenäht, dann 
zwischen Klemme und Naht abgetragen. Die feine Schnittlinie, die 
innen von doppelter Synovialis gesäumt ist, wird noch einmal mit 
feiner Naht übernäht, die Wunde versorgt und das Glied gestreckt 
auf eine Schiene gelagert. — Durch sein Vorgehen zieht A. die 
Synovialzotten aus dem Bereich des Gelenkes, in welches sie sich ein- 
klemmen, heraus, ohne die Kapsel zu eröffnen. Er will sehr gute Er- 
folge gehabt haben. — Das angegebene Verfahren erscheint einer 
Nachprüfung wert. Trapp (Bückeburg). 





12) Brandes. Über die Behandlung der Kompressionsfrak- 


turen des Calcaneus. 
(Inaug.-Diss., Berlin, 1908.) 

Die Erfolge der üblichen unblutigen Behandlungsmethoden der 
Calcaneusbrüche mit Ruhe und Gipsverbänden sind, wie Verf. an der 
Hand von 15 im Hildesheimer Krankenhaus (Med.-Rat. Dr. Becker) 
beobachteten Fällen darlegt, nicht befriedigend; die zurückbleibende, 
meist hochgradige Plattfußform, die Schmerzen beim Gehen usw. und 
leichte Ermüdbarkeit bedingen meist eine beträchtliche Einschränkung 
der Erwerbsfähigkeit. Der Hauptgrund hierfür ist die Schwierigkeit 
bzw. Unmöglichkeit, die Bruchstücke — es handelt sich meist um 
Zertrümmerungsfrakturen — zu reponieren und die Bruchflächen 
richtig aneinander zu halten. Um dies zu erreichen, ist Becker in 
zwei Fällen blutig vorgegangen, die beide schwere Kompressionsbrüche 
mit Splitterung betrafen. Nach Resorption des Blutergusses (am 10. 
bzw. 14. Tage) wurde von einem kleinen Einschnitt an der medialen 
Fußseite ein Elevatorium an der unteren Fläche der Knochen entlang 
quer durch den Fuß geführt und dicht unterhalb des äußeren Knöchels 
nach Anlegung eines kleinen Hautschnittes durchgestoßen. Durch 
kräftigen Zug an den beiden Enden des Elevatoriums nach oben 
wurde überraschend leicht eine gute Wiederherstellung des Fuß- 
gewölbes erreicht. Um diese zu erhalten, wurde nun von hinten unten 
nach vorn oben in der Mittelebene des Fersenbeines ein Drillbohrer 
durch Haut und Knochen bis in die Nähe des Fersenbein-Würfel- 
beingelenkes — die Entfernung wird vorher am Röntgenbild gemessen 
und am Bohrer markiert — eingetrieben und liegen gelassen. Nun 
wird das Elevatorium entfernt, die Wunden vernäht. Entfernung des 

3g+* 


1122 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 


Bohrers nach 6 Wochen. In dem ersten Falle ragten noch einige 
Knochenstücke in die Planta hinein, welche nach 6 Wochen bei noch 
liegendem Bohrer abgemeißelt wurden. Das anatomische und funk- 
tionelle Resultat war in beiden Fällen ein vorzügliches. B. will nur 
die schweren Kompressionsbrüche der operativen Behandlung zuge- 
wiesen haben. Vorderbrügge (Danzig). 


13) K. Lengfellner (Berlin). Die Behandlung des Knickfußes 


mit Einlagen und orthopädischen Apparaten. 
(Wiener klin. Rundschau 1908. Nr. 18.) 

L. ergänzt die Hoffa’sche Lehre vom Knickfuß in dem Sinne, 
daß er seine Beziehungen zum Fußgewölbe erörtert und feststellt, 
daß es auch einen fixierten Knickfuß geben kann. Er kann mit Platt- 
fuß und Genu valgum kombiniert sein, und alle drei Deformitäten 
können für sich das primäre Leiden sein. Verf. bespricht dann die 
Therapie des Knickfußes als Deformität für sich und dann in seiner 
Verbindung mit Plattfuß und Genu valgum. Als Drittes folgt die 
Besprechung des traumatischen Knickfußes. An der Hand einer Reihe 
von Abbildungen gibt L. spezielle Anweisungen für die Therapie. 

Schmieden (Bonn). 


14) P. Sick. Zur Radikaloperation des Unguis incarnatus. 
(Zeitschrift für ärztl. Fortbildung 1908. Nr. 12.) 

S. rollt den Nagel, ohne ihn zu spalten, ab und exzidiert den 

erkrankten Nagelfalz samt dem anstoßenden Teil des Nagelbettes und 





der zugehörigen Matrixecke in Form eines nach unten und außen ge- 
richteten Keiles (s. Fig.). Die Wundflächen werden sofort oder nach 
anfänglicher Tamponade aufeinander geklappt, was die Heilung wesent- 
lich beschleunigt. Gutzeit (Neidenburg). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1123 


Kleinere Mitteilungen. 


Bemerkung zu der 
in Nr. 15 p. 470 ds. Zentralblattes von Dr. Hoffmann 
in Schweidnitz mitgeteilten Fußverletzung. 


Von 
Geh. San.-Rat Dr. Reismann in Haspe. 


(gee die Natur der Verletzung, das eingeschlagene Heilverfahren und schließliche 
Korrektur der nach der Reposition verbliebenen Valgusstellung des Fußes sind 
keinerlei Einwendungen zu machen. 

Nur möchte ich ein Bedenken dagegen aussprechen, daß der Fall bezeichnet 
wird als »Pronationsluxation« des Fußes. Diese Bezeichnung dürfte nicht 
geeignet sein, die Lehre über das immerhin schwierige Kapitel der Fußverletzungen 
zu klären. 

Wir bezeichnen als »Pronationsluxation«e doch diejenige Fußverletzung, die 
vor sich geht im Pronationsgelenk des Fußes, die Luxation unterhalb des 
Talus, d.h. die Verschiebung des Tarsus, des Os naviculare, cuboideum und cal- 
caneus mitsamt dem Vorfuße nach hinten und außen im Gegensatze zu der 
Supinationsluxation, bei der die Verschiebung des Tarsus nach hinten und innen 
stattfindet. 

Mit dem Pronationsgelenke hat also die in Betracht kommende Verletzung 
nichts zu tun, die Verletzung fand statt im Beugegelenke des Fußes, der Articu- 
latio talo-cruralis, also über dem Talus. 

Daß die Verletzung zustande kam unter starker Pronation, der Drehung des 
Fußes nach außen, berechtigt nicht, sie als Pronationsluxation zu bezeichnen. 

Auch konnte diese starke Drehung des Fußes um mehr als 100° nach außen 
unmöglich allein auf die Pronationsbewegung bezogen werden; denn bei einer 
solchen Bewegung des Fußes nach außen über 20—25° findet durch Anstemmung 
des Processus anterior calcanei an den Taluskörper eine so hochgradige Knochen- 
hemmung statt, daß eine weitere Außendrehung unmöglich wird. Diese konnte 
nur erfolgen unter gleichzeitiger Drehung des Talus mit dem ganzen Fuß in der 
Malleolengabel unter Erhaltung der festen Verbindung des Talus mit dem Cal- 
caneus. Begünstigt und ermöglicht wurde nun diese starke Drehung durch den 
Abbruch des Malleolus internus. 

Der Vorgang der Verletzung erklärt sich dann wohl in folgender Weise. Die 
Frau glitt mit dem rechten Fuße aus, der linke Fuß geriet dabei in Pronations- 
lage, sie kam zum Fallen, d. h. sie knickte im Hüft- und Kniegelenke ein und fiel 
mit dem ganzen Körpergewicht auf den unter ihr befindlichen Fuß, bzw. den 
unteren Teil des Unterschenkels, und zwar auf die äußere Seite desselben. Diese 
wurde von den Tubera ischii mit einem Fallgewicht von 100 Kilo getroffen. Es 
kam zunächst zum Abbruch des Malleolus internus. Aber damit war der Fallstoß 
nicht erschöpft. Es wurde die Gelenkfläche der Tibia nach innen von der Rolle 
des Talus zum großen Teil abgestoßen, und dies konnte, da der Malleolus externus 
dabei standhielt, nur erfolgen unter einer eintretenden Diastase der Tibia gegen 
die Fibula bzw. der beiden Malleolen, wie sie sich bei der Operation herausstellte 
und die Anwendung der Drahtverbindung notwendig machte. 

Die Verletzung konnte also nur bezeichnet werden: als partielle Luxatio pedis 
supratalea mit Fractura malleoli interni. 

In dem Falle Hoffmann hatte also bei dem Verletzungsvorgange das Talo- 
tarsalgelenk standgehalten. Ganz anders lag die Sache in dem schönen Gegen- 
stück, welches in den vorhergehenden Seiten derselben Herr Dr. Franz Link, 
Karlsbad, uns bringt. In diesem Falle hatte das Talocruralgelenk standgehalten, 
und die Verletzung vollzog sich unterhalb des Talus im Talotarsalgelenk als 


1124 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 88, 


Luxatio pedis sub talo, wie sie auch vom Verf. aufgefaßt und beschrieben ist, und 
zwar als Luxatio pedis sub talo supinatorie. In dieser Hinsicht, also in den 
Gegensätzen zwischen Fußverletzungen oberhalb und solchen unterhalb des 
Talus, nehmen beide mitgeteilten Fälle im hohen Maße das Interesse des Chi- 
rurgen in Anspruch. Beide Verletzungen legen auch ein Zeugnis ab über die un- 
gemein große Festigkeit, mit der der Talus im Fußskelett eingefügt ist. Denn 
auch in dem Falle Hoffmann blieb der Talus unbehelligt an seiner Stelle, und 
das gestörte Lageverhältnis des Talus gegen die Tibia beruhte lediglich auf 
Verschiebung der Tibia gegen die Talusrolle, was auch aus dem im übrigen mit 
sehr mangelhaften Schattenkontrasten versehenen Röntgenbilde unzweifelhaft hervor- 
geht. Diese Festigkeit des Talus darf bei Beurteilungen von Fußverletzungen, 
namentlich von Luxationen, niemals außer acht gelassen werden. Das Weitere 
hierüber siehe meine Ausführung in »Talusluxation oder Luxatio pedis sub talo?« 
in Bd. XCIII, p. 218 u. f. der Deutschen Zeitschrift für Chirurgie 1908. 


15) M. Kaehler. Epithelisierung von Wundflächen unter Scharlach- 
salbe (nach Fischer-Schmieden). 
(Med. Klinik 1908. p. 837.) 


K.verwandte Scharlachsalbe (in etwas weicherer Konsistenz als vonSchmieden 
angegeben und ohne Bedeckung durch wasserdichten Stoff) bei Defekt nach Brust- 
drüsenkarzinom -Exstirpation, auf Transplantations- Entnahmestellen, bei Ulcus 
varicosum des Unterschenkels usw. Es bildete sich auffallend schnell eine wider- 
standsfähige Oberhaut. Auch stärker absondernde Wundflächen werden einigermaßen 
günstig beeinflußt. Georg Schmidt (Berlin). 


16) C. Ritter. Zur Diagnose der Knochenechinokokken. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIL. p. 166.) 


R. beobachtete und operierte zwei Fälle von Knochenechinokokkus, in denen 
das Röntgenbild so charakteristisch war, daß in dem einen Falle daraufhin die 
Wahrscheinlichkeitsdiagnose richtig gestellt werden konnte — in Fall 2 wurde das 
Röntgenogramm erst nach erfolgter Operation fertig gemacht, so daß es nicht 
mehr diagnostisch verwertet werden konnte. In beiden Fällen zeigten sich die 
befallenen Knochen (einmal der Oberschenkel, das zweitemal das Schlüsselbein) 
— dem klinischen Tastbefund entsprechend — aufgetrieben, die sich scharf ab- 
hebende Corticalis sehr dünn, die Markhöble fächerig, wie wenn »große Hohl- 
räume {Cysten; im Knochen lägen«. Sonst gaben beide Fälle wenig oder keine 
Anhaltspunkte zur Diagnose. Der Pat. mit Oberschenkelerkrankung litt bereits 
seit 14 Jahren an Schmerzen im Knie bzw. Oberschenkel. In zwei Krankenhäusern 
wurde an ihm außer den neuralgischen Beschwerden nichts Besonderes nachge- 
wiesen. Die Operation räumte durch Aufmeißelung und Ausschabung des spindelig 
verdickten Knochens dicke gelbliche eitrige Flüssigkeit, untermischt mit teils er- 
haltenen, teils zerfallenen kleinen und kleinsten Bläschen, heraus. Dicht über den 
Kniekondylen zerbrach die stark verdünnte Knochenschale. Die Heilung erfolgte 
sehr langsam im Verlauf mehrerer Monate unter Oberschenkelverkürzung um 
7,6 cm und starker Einschränkung der Kniebeugefähigkeit, aber mit leidlicher 
Gehfähigkeit und starker Gewichtszunahme. Im zweiten Fall (Echinokokkus des 
Schlüsselbeines) lagen bei dem 58jährigen geschwächten Pat. ober- und unterhalb 
des Knochens gegen faustgroße, teigig konsistente, etwas fluktuierende Geschwülste 
vor, die angeblich seit 8 Jahren nach einem Bruche des Knochens entstanden 
waren. In der oberen Geschwulst waren zahlreiche, bis haselnußgroße bewegliche 
Knochenstücke fühlbar; eine Probepunktion ergab einen atheromartigen Brei. 
Bei der Operation ließ sich der obere Geschwulstsack bis an den Knochen heran 
gut auslösen; als er von letzterer gelöst wurde, entleerten sich gewaltige Atherom- 
massen aus in den Knochen führenden Löchern. Nach operativer Vergrößerung 
letzterer gelangt man in die Höhle der unteren Geschwulst. Bei der Operation 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1125 


wird die richtige Diagnose gemutmaßt, die sich bei sorgfältiger Durchmusterung 
des » Atherombreies« durch Auffindung einiger kleiner klarer Echinokokkusbläschen 
bestätigt. Das Mikroskop zeigt den Brei nur aus Cholestearinmassen, Fettropfen 
und Echinokokkusmembrantrümmern bestehend; die gefühlten Knochenstückchen 
waren Sequester des Schlüsselbeines; die Balgmembran, deren Bau näher be- 
schrieben und abgebildet wird (Spindel- und Riesenzellen), stellt das veränderte 
Schlüsselbeinperiost dar. Zur Nachbehandlung der ausgeräumten Höhle tat die 
Benutzung von Sauggläsern gute Dienste; sie brachte noch zahlreiche Blasen zu- 
tage und führte rasch zu guter Granulationsbildung. Auch erholte sich Pat. rasch, 
eine vor der Operation bestehende Eosinophilie des Blutes ging zurück, ebenso 
Schwäche und Schmerzen im Arm und eine erhebliche, mit der Erkrankung an- 
scheinend im Zusammenhange stehende Sehschwäche. Die Knochenhöble soll später 
plombiert werden. 

Die Röntgenbilder beider Fälle, auf die es bei der Mitteilung wesentlich an- 
kommt, sind beigegeben (die Deutlichkeit ihrer Reproduktion ist mäßig). 

Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


17) Borchard. Zur Frage der konservativen Operationsmethoden bei 
den Sarkomen der langen Röhrenknochen. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCII. p.1.) 


Der Artikel bringt die Ausarbeitung eines von B. auf der vorjährigen Natur- 
forscherversammlung gehaltenen Vortrages, über den der Autor in unserem Blatte 
1907, p. 1327, selbst ein Referat geliefert bat. Es genüge, aui dieses zu verweisen 
und zu bemerken, daß die Arbeit die Krankengeschichten der von B. behandelten 
Fälle sowie zum Schluß ein Literaturverzeichnis von 37 Nummern bringt. 

Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


18) 8. N. Lissowskaja.” Allgemeine gonorrhoische Infektionen mit 
multiplen Knochenherden. 
(Russ. Archiv für Chir. 1907. [Russisch.]) 

Die Verf. berichtet über einen jährigen Bauernsohn, der vor 3 Wochen mit 
Fieber akut erkrankte. 

Es fanden sich 1) ein Abszeß am unteren Ende der rechten Fibula, deren Mark 
nicht vereitert war; 2) eine Fistel am oberen Ende der linken Tibia, deren Mark 
weithin vereitert war; 3) ein Abszeß auf dem linken Fußrücken, wo der fünfte 
Metatarsalknochen teilweise entfernt werden mußte; 4) ein Abszeß auf dem linken 
Handrücken und 5) einer im Bereich des rechten Schulterblattes und des Halses, 
die oberflächlich nur in den Weichteilen waren. Von Tibia und Fibula stießen 
sich Sequester ab, der Metatarsalknochen kam vollständig heraus, worauf alles 
heilte. 

Im Eiter fanden sich Gonokokken, die auf Hydrokelenagar gezüchtet werden 
konnten. Auch im Präputium und in der Harnröhre des Kindes wurden die 
Kokken gefunden. Über die Infektionsquelle war nichts zu eruieren. 

V. E. Mertens (Kiel). 


19) W. Baetzner. Zur Behandlung der Arthritis gonorrhoica der 
groBen Gelenke mittels Stauungshyperämie. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIII. p. 46.) 

Die Mitteilung ist sehr beachtenswert, da sie, aus der Klinik von Bier her- 
vorgegangen, über die in derselben seit 1904 (zunächst noch unter v. Bergmann’s 
Direktion) gesammelten einschlägigen Erfahrungen berichtet und zugleich die Be- 
handlung der gonorrhoischen Gelenkentzündungen mittels Stauung in maßgeblicher 
Weise nach Seite der Technik und ihrer klinischen Wirksamkeit hin bespricht. In 
der Berichtszeit kamen im ganzen 40 Fälle von gonorrhoischer Entzündung großer 
Gelenke zur Behandlung. Davon standen 13 Fälle im Frühstadium (3.—6. Krank- 
heitstag). Meist waren es schwere phlegmonöse Formen. Die Behandlung um- 


1126 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 


faßte 8 Tage bis 6 Wochen. Alle Gelenke sind mit unbeschränkter Funktion aus- 
geheilt. Die übrigen 27 Fälle gelangten erst 10 Tage bis 21 Wochen alt in Be- 
handlung. Die Dauer der letzteren erstreckte sich über einen Zeitraum von 
6 Tagen bis 3 Monaten. 12 Fälle sind mit voller Funktion ausgeheilt, 9 mit ge- 
ringer Bewegungsbeschränkung, 6 mit einer größeren Einbuße an Funktion, aber 
Ankylosen sind nie eingetreten. 

Die Behandlung, deren Technik als bekannt vorauszusetzen ist, ist nicht zu 
früh auszusetzen und nicht eher, als die Entzündungserscheinungen abzuklingen 
beginnen. Ein Merkmal hierfür ist, daß keine »heiße« Stauung mehr erreichbar 
ist. Die Wirksamkeit des Verfahrens zeigt sich in erster Linie durch Linderung 
der Schmerzen, die auch bald zu gutem Schlafe verhilft. Ferner werden durch 
sie die Gelenke frühzeitig mobilisierbar, zu welchem Zwecke in der Weiterbehand- 
lung die Heißluftbehandlung und Massage mit Erfolg mit heranzuziehen sind. Der 
ganze Verlauf der Erkrankung wird durch die Stauungsbehandlung milder gemacht 
und abgekürzt. Die funktionellen Endresultate sind bei ihr wesentlich günstiger 
als bei der früheren Behandlungsmethode mittels Immobilisation. Die Methode 
ist einfach, technisch nicht schwierig, billig und sehr wohl ambulant durchführbar. 

Die klinischen Details des Berichtmaterials sind aus einer tabellarischen Über- 
sicht und den beigefügten kurzen Krankengeschichten ersichtlich. Zum Schluß 
steht ein 12 Nummern führendes Literaturverzeichnis. 

Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


20) E. Lexer. Uber Gelenktransplantation. 
(Med. Klinik 1908. p. 817.) 

L. bevorzugte beim Beweglichmachen knöchern versteifter Gelenke die freie 
Verpflanzung von Gelenkknorpel in das künftige Gelenk, derart, daß zwei Gelenk- 
knorpelscheiben, die demselben Kranken aus der Kniescheibenfläche des Ober- 
schenkelknochens oder aus amputierten Gliedern entnommen wurden, je eine 
Trennungsfläche des verknöcherten Gelenkes bekleideten. 

Bei Gelenküberpflanzungen handelte es sich entweder nur um den Ersatz von 
halben Gelenken oder um den Ersatz beider mit Gelenkknorpel bekleideten Epi- 
physen oder schließlich um die Verpflanzung von Gelenken mit ihrer Kapsel. Das 
erstere Verfahren ist vollkommen geglückt bei einem vor 8 Monaten operierten 
Manne: Sein wegen myelogenen Sarkoms reseziertes oberes Schienbeinende wurde 
durch ein entsprechendes Tibiastück ersetzt, das samt Knochenhaut und Gelenk- 
knorpel dem gleichzeitig amputierten Bein eines an Altersbrand leidenden Mannes 
entnommen war. Nach glatter Heilung wurde schließlich eine aktive und passive 
Beugungsfähigkeit fast bis zum rechten Winkel erzielt. In gleicher Weise wurde 
bei anderen Kranken die obere Hälfte des Oberarmknochens, die untere Hälfte 
der Elle, der Grundgliedknochen am vierten Finger mit Erfolg ersetzt. 

Nach dem zweiten Verfahren wurde das rechtwinkelig verwachsene Kniegelenk 
eines Mädchens durch Epiphysenstücke samt Kreuzbändern aus dem gleichzeitig am- 
putierten Beine eines an Altersbrand Leidenden ersetzt. Die Kniescheibe, die nicht 
mit Weichteilen unterfüttert worden war, heilte fest und wurde nach 3 Monaten 
entfernt; dabei zeigte sich, daß die Epiphysenscheiben richtig angewachsen und 
makro- und mikroskopisch normal und nicht abgestorben waren. In weiteren 
4 Monaten wurde passive Beweglichkeit bis zu 45° erreicht. — Ganz ähnlich ge- 
staltete sich Kniegelenksoperation und Verlauf bei einem zweiten Mädchen. — Um 
aber noch größere Beweglichkeit zu erzielen, eröffnete L. bei dem ersten Mädchen 
das Kniegelenk nochmals und nähte ein Stück der Tunica vaginalis einer gleich- 
zeitig operierten Hydrokele mit der Wundfläche auf die des Lappens. In späteren 
Fällen wird diese Serosaverpflanzung z. B. auch durch Netzstücke sogleich bei der 
ersten Operation vorzunehmen sein. Für weitere Mobilisierung kommen auch noch 
Muskelverpflanzungen in Frage. 

Das dritte Verfahren kam zur Anwendung bei der Verwachsung eines kind- 
lichen Kniegelenks, das durch ein mit der ganzen Kapsel und den Knorpelfugen 
versebenes Kniegelenk eines völlig gelähmten, stark atrophischen und erheblich 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1127 


verkürzten Beines eines anderen Kindes ersetzt wurde. Des letzteren Knie wurde 
versteift. Über das Endergebnis der Verpflanzung wird später berichtet werden. 

Die Gelenkverpflanzung ist da am Platze, wo schwere Zerstörungen der Ge- 
lenkvorrichtung durch Krankheiten, besonders durch Tuberkulose und Eiterung 
oder durch Verletzungen mit oder ohne Kontrakturstellung zur knöchernen Ver- 
steifung geführt haben, oder wo durch Verletzungen wichtiger Gelenke ein Schlotter- 
gelenk veranlaßt worden ist, oder schließlich, wo wegen Geschwülsten im Gelenk 
oder in den Gelenkenden der Knochen größere Resektionen mit Fortfall des 
halben oder ganzen Gelenkes nötig werden. Lange Behandlungsdauer, reichliches 
Amputationsmaterial, unter Umständen mehrfache Operationen, sind erforderlich. 

Georg Schmidt (Berlin). 


21) Dreesmann. Über chronische Polyarthritis im Kindesalter. 
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie. Bd. XVII. Hft. 5.) 


Beschreibung eines ldjährigen Mädchens, das im Alter von 6 Jahren plötzlich 
Schwellung der Gelenke bekam, die zu Ankylosen in ungünstigen Stellungen 
führten. Es kam zu knöchernen Ankylosen sämtlicher Gelenke mit Ausnahme 
der Kiefer-, Finger- und Zehengelenke. Mit diesen Gelenkveränderungen sind 
starke Knochenverbiegungen an den Extremitäten und an der Wirbelsäule kom- 
biniert. Diese Kombination ist äußerst selten; nur ein Fall ähnlicher Art konnte 
von D. in der Literatur gefunden werden; doch begann in diesem das Leiden mit 
Knochenveränderungen, denen die Gelenkerkrankung erst folgte. Atiologisch muß 
man an irgend eine Infektion denken. Das Leiden schien still zu stehen ; wenig- 
stens war während des Jahres, in welchem D. seine Pat. verfolgen konnte, kein 
Fortschreiten zu sehen. Haeckel (Stettin). 


22) Gaudiani. Dei tumori a mieloplassi delle guaine tendinee. 
(Policlinico, sez. chir. 1908. Nr. 6.) 


Bei einem 43jährigen Manne wurde seit 12 Jahren eine nußgroße Geschwulst 
an der Beugeseite des rechten Ringfingers beobachtet, die langsam wuchs und als 
Myelom der Schnenscheide betrachtet und exstirpiert wurde. Die histologische 
Untersuchung ergab dichtes, maschenbildendes Bindegewebe mit zahlreichen kleinen 
Rund- und Spindelzellen, polynukleäre und Riesenzellen, zahlreiche Hämorrhagien 
und sklerosierte dickwandige Gefäße. Die Riesenzellen waren durch Konglome- 
ration von Rundzellen entstanden. Verf. kommt auf Grund dieser Befunde zum 
Schlusse, daß es sich bei diesen sogenannten Myelomen nicht um besonders charak- 
terisierte Geschwülste handelt, sondern um gutartige Riesenzellenfibrosarkome, 
analog der Epulis, Strauss (Nürnberg). 


23) Mason. The treatment of dislocation of the shoulder-joint com- 
plicated by fracture of the upper extremity of the humers. 
(Annals of surgery 1908. Mai.) 


M. beschreibt zunächst einen Fall von doppelseitiger Schulterverrenkung, in 
dem rechts außer der Verrenkung der Kopf im chirurgischen Halse abgebrochen 
war. Nach Eröffnung des vorderen Schultergelenkes wurde der abgebrochene Kopf 
vermittels eines Elevatoriums an seine richtige Stelle gebracht, da auf andere 
Weise eine Einrenkung nicht gelingen wollte. Das Gelenk wurde 4 Wochen ruhig 
gestellt und durch diese Art der Behandlung ein sehr gutes funktionelles Resultat 
erreicht. — Aus der Literatur stellte Verf. 64 Fälle (einschließlich seinem eigenen, 
von Bruch des Oberarmkopfes und Verrenkung desselben zusammen. In 23 durch 
Arthrotomie behandelten Fällen wurde 14mal = 70%, in 21 mit Resektion behan- 
delten 9 mal = 42% ein gutes Resultat erreicht. Verf. hält die Gelenkeröffnung 
mit Hereinhebelung des verrenkten und abgebrochenen Kopfes in die Pianne für 
die beste Behandlungsmethode. Peinlichste Asepsis ist bei dieser Operation not- 
wendig. Herhold (Brandenburg). 


1128 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 


24) Buchanan. Fracture through the anatomical neck of the humerus 
with dislocation of the head. 
(Annals of surgery 1908. Mai.) 

Verf. beschreibt kurz 44 Fälle von Brüchen des anatomischen Halses des 
Oberarmknochens. 29mal war die Ursache angegeben, darunter 22mal Fall auf 
die Hand. Verf. stellt sich das Zustandekommen dieses Bruches folgendermaßen 
vor: Durch den Fall auf die Hand findet zunächst eine Verrenkung des Oberarm- 
knochens nach unten statt, so daß der Kopf unterhalb des Proc. coracoid. und 
der Gelenkpfanne liegt. Wirkt jetzt die Gewalt weiter, so drückt der scharfe Proc. 
glenoid. auf den Kopf und durchschneidet ibn. Die beste Behandlung dieser Fraktur 
besteht nach B. in der Exstirpation des abgetrennten Kopfes, da eine Adaption und 
künstliche Fixierung desselben am Schaft schwierig ist und ungenügende Resultate 
liefert. Herhold (Brandenburg). 


25) L. P. Marjantschik. Zur Behandlung der Frakturen der oberen 
und unteren Extremitäten. 
(Russ. Archiv für Chirurgie 1907. [Russisch.]) 

Auch M. klagt, daß auf dem Gebiete chirurgischer Hilfeleistung im letzten 
Kriege auf russischer Seite »nicht einmal den primitivsten Forderungen Genüge 
geleistete sei. Er selbst leitete eine Abteilung des Lazaretts der Stadt Kiew auf 
der Station Mandjuria der Ostchinesischen Bahn. 

Er berichtet über 56 Kranke, die ihm wegen Frakturen zugingen. Vier kamen 
1/2 Stunde nach der Verwundung, die meisten — 19 — zwischen dem 21. und 
40. Tage; die längste Frist waren 141 Tage. Die Gliedmaßen befanden sich natür- 
lich in allen Stadien der Zerstörung bis zur Gangrän, so daß 43 Eingriffe nötig 
waren. Die eigentliche Frakturbehandlung wurde nach Wolkowitsch gehand- 
habt (vgl. Deutsche Zeitschrift f. Chirurgie Bd. LXIII und dieses Zentralblatt 1902, 
p. 555 und 892). Es handelt sich dabei um Gips-Kartonschienen und einen Geh- 
apparat für die untere Extremität, die es gestatten, die Fragmente zu fixieren, zu- 
gleich aber den Pat. früh aus dem Bett zu bringen, zu bewegen und zu massieren. 
M. empfiehlt das Verfahren eindringlich, nicht ohne bei der Verurteilung anderer 
Methoden etwas zu weit zu gehen. V. E. Mertens (Kiel). 


26) E. Martini. Über einen neuen Apparat für die Frakturen des 
Schenkels. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIII. p. 230.) 


27) Derselbe. Über einen neuen Apparat für die Behandlung der 


Frakturen des Armes. 
(Ibid. p. 389.) 

Die beiden Arbeiten sind vom Verf. in der medizinischen Akademie zu Turin 
gehaltene Vorträge, von Dr. Kühl (Turin) übersetzt. Sie behandeln von ihm in 
der chirurgischen Abteilung des Turiner Stadthospitales (Vorstand: Prof. Dr. 
M. Anglesio) konstruierte Verbandapparate für Frakturen des Femur bzw. Hu- 
merus, die auf Einwirkung von Extension berechnet sind. Die Apparate bestehen 
aus zwei ringförmigen, mit kurzen Schienchen armierten Bandagenstücken, von 
denen das eine oberhalb, das andere unterhalb der Bruchstelle an die Extremität 
mittels eines Gipsringes (»Muffe«) befestigt wird. (Am Arme wird die Schulter 
und der Ellbogen, am Beine das Fußgelenk mit in die Verbandfixierung binein- 
&enommen). Oberer und unterer Bandagenring werden durch zwei seitlich an- 
gebrachte Eisenstäbe, an den Bandagenschienen in Schraubengewinden laufend, 
miteinander derart in Verbindung gesetzt, daß mittels Benutzung der Schrauben- 
gewinde die Eisenstäbe die Bandagenringe und damit die Bruchstücke auseinander 
drängen. Photogramme von Pat., denen die Apparate angelegt sind, veranschau- 
lichen die Methode, der der Verf. mannigfache Vorzüge nachrühmt (Anlegbarkeit 
schon in den ersten Tagen nach der Verletzung, Möglichkeit, durch die Schrauben- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1129 


wirkung eine allmählich zunehmende Distraktion auszuüben, Zugänglichbleiben der 
Bruchstelle für Beobachtung, event. Massage, Brauchbarkeit besonders für kom- 
plizierte Brüche usw... Doch werden exakte Berichte über mit diesen Apparaten 
erzielte Resultate nicht mitgeteilt. Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


28) Blecher. Die Schädigung des Nervus medianus als Komplikation 
des typischen Radiusbruches. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIII. p. 34.) 


In einer eigenen einschlägigen Beobachtung B.’s, betreffend einen 23jährigen 
Kaufmann, handelt es sich um eine »>primäre« Medianusschädigung nach Radius- 
bruch, entstanden durch 4—5 m hohen Sturz von einem Wagen auf den vorge- 
streckten linken Arm. Die Hand war sehr stark dorsalwärts, die schräg ab- 
gebrochene Radiusepiphyse stark nach radial und nach der Beugeseite verschoben, 
auch der Proc. styl. ulnae abgebrochen. Reposition des Knochens, Verband 
nach Lexer. Bei der ersten Revision in den nächsten Tagen zeigte sich 
bereits behinderte Beugung des zweiten und dritten Fingers, verminderte Oppo- 
sition und Adduktion des Daumens, ferner Gefühllosigkeit an der Spitze des 
Mittel- und Zeigefingers. Behandlung mit Bädern, Massage, Faradisation. Lang- 
same Besserung im Verlaufe von (6) Monaten mit Rückbleib leichter Atrophie des 
Daumenballens und leichter Gefühlsänderung der Fingerspitzen. — Dem eigenen 
Fall stellt B. aus der Literatur neun Parallelfälle zur Seite. Das gesammelte 
Material zeigt, daß nach dem typischen Radiusbruch Medianusstörungen sowohl 
alsbald dem Bruch folgend »primär« eintreten können, als auch im späteren Ver- 
laufe der Bruchheilung »sekundär«. Im ersteren Falle ist anzunehmen, daß der 
Nerv gleich bei der Verletzung geschädigt wurde, sei es durch direkten Druck 
durch ein verlagertes Bruchstück sei es durch Überdehnung. Bei der sekundären 
Schädigung wird dagegen der Nerv erst durch den raumbeengenden Knochencallus 
gestört, der ihn drückt oder überdehnt, ähnlich einer über den Steg gespannten 
Geigensaite. Die zweite Art der Nervenschädigung ist die häufigere. Die Pro- 
gnose der primären Schädigung ist unsicher, sie ist nicht immer von völliger Re- 
generation gefolgt. In diesen Fällen ist ein operativer Eingriff zwecks Revision 
des Nerven usw. angezeigt, sonst nicht. Bei den sekundären Nervenschädigungen 
durch Callus ist operative Behandlung (Abmeißelung des Callus) häufiger ratsam 
und gibt erfahrungsgemäß völlig befriedigende Resultate. 

Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


29) Zehn. Die späteren Schicksale einiger Frakturen im Bereiche des 
Ellbogengelenkes. 
(Rostock 1907. 58 S.) 


Der Arbeit liegen 18 Fälle aus dem Becker’schen Krankenhause in Hildes- 
heim zugrunde, von denen 6 suprakondyläre Frakturen waren, während 12 die 
Kondylen und Epikondylen betrafen; 10 waren blutig, 8 unblutig behandelt. Auf 
Grund anatomischer Betrachtungen und der gemachten klinischen Erfahrungen 
fordert Z. bei den suprakondylären Brüchen den blutigen Eingriff, wenn mehr- 
fache Repositionsversuche nicht zum Ziele führten; es ist dann häufig der Hume- 
russchaft so durch den M. brach. int. durchgespießt, daß dieser sich wie eine 
Schlinge um das Bruchstück legt und die Einrichtung unmöglich macht. Eine 
zweite Indikation ergibt sich, wenn nach der Heilung des Bruches die Beuge- 
muskulatur in den Callus eingewachsen ist und dadurch eine ganz erhebliche Funk- 
tionsbeschränkung vorliegt. Bei den Brüchen im Bereich der Kondylen und Epi- 
kondylen können 1) funktionelle, 2) kosmetische Rücksichten die Operation indi- 
zieren. Nicht selten beobachtet man nach anscheinend leichten Brüchen schwerste 
Funktionsbehinderungen, die, wie uns Röntgenaufnahmen zeigen, von Einklem- 
mungen abgerissener Bruchstücke im Gelenk herrühren; hier kann natürlich nur 
die operative Reposition der eingeklemmten Knochenstücke in Betracht kommen, 
ein sehr dankbarer Eingriff. Ist ein Epicondylus abgerissen, ohne eingeklemmt 


1130 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 


zu werden, wie es beim E. medialis öfter passiert, so heilt er unter der Einwirkung 
des Muskelzuges nicht an seiner normalen Stelle an, und die Folge ist eine Valgus- 
oder Varusstellung des Ellbogens ohne nennenswerte Funktionsbehinderung; hier 
würde man also nur aus kosmetischen Rücksichten operieren. Z. warnt im übrigen 
davor, die eingeklemmten Stücke zu exstirpieren, um die Muskelansätze zu schonen. 
nur die sorgfältige Annähung an normaler Stelle verhindert spätere Deformitäten. 
— Die Krankengeschichten sind ausführlich wiedergegeben. 
Vorderbrügge (Danzig). 


30) ©. Förster. Drei Fälle von isolierten Sehnenverletzungen. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 720.) 

Verf. beschreibt folgende drei für die Statik und Kinetik der Fingerbewegun- 
gen interessante Fälle von isolierten Sehnenverletzungen. 

1) Eine Durchschneidung der Sebne des langen Zeigefingerstreckers, woraus 
eine unvollkommene Streckung der Mittelphalanx und eine Hyperextension des End- 
gliedes resultiert und folgt, daß die Streckung der Mittelphalanx nicht allein von 
den Interossei besorgt wird. 

2) Eine subkutane Zerreißung der Sehne des Extensor pollicis longus: unmög- 
lich war die vollkommene Streckung in ihrer Verbindung mit Adduktion, so daß 
die intendierte Endstellung etwa der normalen Ruhestellung entsprach. Die opera- 
tive Vereinigung des distalen Sehnenendes mit der Sehne des Extensor pollicis 
brevis erzielte die Geradstellung der Endphalanx. 

3) Eine perkutane Durchschneidung der Sehne des Extensor pollicis longus, 
welche die typischen Lähmungserscheinungen wie im ersten Fall zur Folge hatte, 
wozu als ungewöhnliche Beschränkung hinzukam, daß die Endphalanx von keiner 
Stellung aus ganz gestreckt werden konnte. Die Sehnennaht führte zur Heilung 
mit vollkommener Funktion. Reich (Tübingen). 


31) A. Ohly. Luxation des Os lunatum. Pathologische Anatomie 


und blutige Reposition desselben. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIII. p. 208.) 

O. bringt zwei operierte Fälle von Mondbeinverrenkung aus dem Wiesbadener 
Diakonissenhause, von denen namentlich der erste anatomisch genau beschrieben 
ist. Er betrifft einen 23jährigen Mann, der erst 45 Tage nach seiner Verletzung 
zugegangen war. Die Verletzung war durch Fall auf die Vola manus bei ausge- 
strecktem Arm entstanden. Die vorhanden gewesene Schwellung war zurück- 
gegangen, zurückgeblieben aber Beugestellung der Finger mit Schmerzen bei Be- 
wegung, Kraftherabsetzung, etwas Ulnarflexion der Hand. In der Tiefe der Handfläche 
der verrenkte Knochen fühlbar, und zwar, wie Röntgen zeigt, so gelegen, daß seine 
distale konkave Fläche distal radialwärts blickt. Auch liegt infolge einer Drehung des 
Knochens um 120° sein dorsales Horn ulnar, sein volares radialwärts. Längsschnitt 
in die Vola, Beiseiteziebung der Beugesehnen und des N. medianus radialwärts. 
Man findet einen Längsriß in dem tiefen volaren Bandapparat, entsprechend dem 
Lig. lunato-triquetrum. Freilegung des Mondbeines auf der ulnaren Seite, Ein- 
kerbung der Verbindungen nach dem Dorsum, wonach die Reposition unter 
Dorsalflexion, Druck auf das Mondbein und nachfolgender Beugung gelingt. Naht, 
gute Heilung, gutes Endresultat, gute Beweglichkeit, normale Lage des Mond- 
beines im Röntgenbild. Von besonderem Interesse ist die Drehung, die der 
Knochen in diesem Falle erfahren hat. O. bringt sie mit der Eigenbewegung 
welche der Knochen bei Handgelenksbewegungen und Traumen macht, in Zu- 
sammenhang. Fall 2 ist einfacher und nur kurz beschrieben. Ein Arbeiter erhält 
einen starken Stoß gegen die Hand, die stark dorsal flektiert wird. Sofortige 
Krankenhausaufnahme mit der entstandenen völligen Verrenkung des Mondbeines, 
das dicht unter der dem Platzen nahen Haut vor den Sehnen liegt. Exzision des 
Knochens, glatte Heilung, gutes funktionelles Resultat. Zum Schluß gibt O. kurze 
Notizen über die Therapie der Verletzung (unblutige und blutige Reposition bzw. 
Exstirpation des Knochens) und die damit erzielten Resultate. Literaturverzeichnis 
von 16 Nummern. Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1131 


32) L. W. Ely. Report of nine cases of fracture of the carpal scaphoid. 
(New York med. record 1908. 9. Mai.) 

E. berichtet 9 Fälle von Kahnbeinbruch und betont die häufige Verwechslung 
mit Verstauchungen des Handgelenks. Bei Komplikation mit Verschiebung des 
Semilunarknorpels ist besondere Sorgfalt in der Behandlung und exakte Korrektion 
nötig. Diagnostisch sind dann die Schmerzen bei Extension der Finger, besonders 
des Mittelfingers, wichtig. Die Prognose ist im allgemeinen gut, Behandlung in 
einfachen Fällen bestand nur in Immobilisierung der Hand. 

Loewenhardt (Breslau). 


33) G.Siemon. Isolierte offene Luxation des vierten rechten Mittelhand- 


grundgelenkes. 
(Med. Klinik 1908. p. 835.) 

Durch doppelte stoßende Gewalt wurde der 4. Finger stark überstreckt. Der 
Knochen des Grundgliedes trat durch die Haut in die Hohlhand. Beugesehnen 
unverletzt. Nach Reinigung Rücklagerung und glatte Heilung, obwohl die verletzte 
Hand mit lehmiger Walderde vollkommen bedeckt war. 

Georg Schmidt (Berlin). 


34) Nicolas, Durand et Moutot. Dactylite syphilitique & forme de 
~ tumeur des gafînes avec recidive d’apparence sarcomateuse. 
(Ann. de dermatol. et de syph. 1908. p. 208.) 

Unter Dactylitis eyphilitica verstehen auch die Verff. »alle spezifischen Er- 
krankungen der Finger mit Ausnahme des Primäraffektes und der sekundären Er- 
scheinungen«. Sie heben die Schwierigkeit der Diagnostik hervor, weil bei dieser 
Affektion sehr häufig die Syphilis ihre gewöhnliche Physiognomie verliere und 
andere Krankheiten nachahme. In dieser Hinsicht ist der mitgeteilte Fall be- 
sonders lehrreich. Ein 29 jähriger Pat., der sich vor 4 Jahren infiziert hatte, kommt 
mit einer Schwellung der ersten Phalanx des linken Zeigefingers und einem Ulcus 
auf der Beugeseite zur Behandlung. Tuberkulose wurde ausgeschlossen, weil 
Röntgendurchleuchtung keine Knochenveränderungen zeigte. Chirurgischer Ein- 
griff zeigt, daß der Prozeß bis auf die Sehnenscheiden der Beuger reicht. Exzision 
Mikroskopische Untersuchung: Myelom der Sehnenscheiden. Die Wunde heilt 
nicht, dafür entwickelt sich eine Geschwulst, die die ganze Phalanx einnimmt, und 
aus dem alten Geschwür ein viel größeres, 6 cm im Durchmesser. Diagnose: Sar- 
kom. Vor der Radikaloperation Versuch mit Hg. und Jod, rasche Heilung. 

Klingmüller (Kiel). 
35) Albee. Arthritis deformans of the hip. 
(Journ. amer. med. assoc. Bd. L. Nr. 24.) 

Um eine sichere und feste Anklose im Hüftgelenk mit Abduktion zu er- 

zielen, meißelte A. die obere Hälfte des Oberschenkelkopfes in einer Linie parallel 





zum Verlauf des Schenkelhalses mit breitem Meißel ab und eine entsprechende 
Nische aus der Pfanne, so daß bei Abduktion des Beines die beiden Flächen sich 


1132 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 


glatt aufeinander legten und leicht knöchern verbanden. Der Mann wurde arbeits- 

fähig. — A. empfiehlt die Operation bei solchen Kranken, bei welchen die knöcherne 

Ankylose von selbst und in verkehrter Stellung des Gelenkes einzutreten droht. 
Trapp (Bückeburg). 


36) E. G. Abbot. A report of thirty-one cases of congenital Disloca- 
tion of the hip joint reduced by manipulation. 
(New York med. record 1908. März 23.) 

A. gibt kurze Krankengeschichte von 31 Fällen nach Lorenz behandelter ange- 
borener Hüftverrenkung. 99 Fälle waren einseitig, zwei doppelseitig. Das Alter variierte 
von 2—3 Jahren. Der Gipsverband wurde prinzipiell bis unter das Knie verlängert. 
In drei Fällen ging der Reduktion Gewichtsextension voraus. Prognostische Schlüsse 
aus den Röntgenaufnahmen haben sich dem Verf. oft als trügerisch erwiesen. 
Resultate: 22 vollständige Wiederherstellungen, zwei Mißerfolge, neunmal »anterior 
position« (die doppelseitigen Fälle doppelt gerechnet). Die gewiß berechtigte Auf- 
forderung, möglichst frühzeitig zu operieren, sowie die Mitteilung, daß die zuletzt 
behandelten Fälle wegen größerer Erfahrung des Verf.s bessere Resultate suf- 
weisen, schließt die Abhandlung. Loewenhardt (Breslau). 


37) E. Franck. Zur Beurteilung der Oberschenkelhalsbrüche. 
(Med. Klinik 1907. p. 996.) 

Zwei Fälle von Oberschenkelhalsbruch. Der verhältnismäßig unbedeutende 
Unfall hatte zunächst keine gröberen Gebrauchsstörungen zur Folge. Erst nach 
und nach entwickelte sich ein klinisches Krankheitsbild, das nach mancherlei ärzt- 
lichen Irrungen (Annahme von Neurasthenie, Rheumatismus usw.) durch die Röntgen- 
aufnahme richtig gedeutet wurde. Letztere ist deshalb bei allen, auch den un- 
bedeutendsten Verletzungen, welche den Beckengürtel betreffen, frühzeitig vorzu- 
nehmen. Georg Schmidt (Berlin). 


38) Fortunet-Regnault. Balle de fusil à aiguille ayant séjourné 38 
ans dans le fémur. 
(Lyon méd. 1908. Nr. 26.) 

Ein französischer Soldat erhielt am 18. August 1870 einen Schuß mit dem 
Zündnadelgewehr in den linken Oberschenkel; ein Versuch, das Geschoß zu ent- 
fernen war vergeblich. Das dauernde Bestehen eitrig sezernierender Fisteln führte 
schließlich eine derartige Verschlechterung des Allgemeinbefindens (Zeichen von 
Amyloid!) herbei, daß noch nach 38 Jahren die Amputation am Oberschenkel 
ausgeführt werden mußte. Das kaum deformierte Geschoß fand sich im Condylus 
int. femoris. Boerner (Rastatt). 


39) Wieting. Die angiosklerotische Gangrän und ihre operative Be- 
handlung durch arteriovenöse Intubation. 
(Deutsche med. Wochenschrift 1908. Nr. 28.) 

W. publiziert den ersten erfolgreich operierten Fall. Es handelt sich um einen 
40jährigen Mann, bei dem vor Jahren schon ein Bein wegen Gangrän amputiert 
war, und bei dem Gangrän am anderen Beine drohte. Durch Intubation der Art. 
femoralis unterhalb des Abganges der Art. profunda in die Vene schwanden alle 
drohenden Erscheinungen. W. hält trotz aller Gefahren und Bedenken unter be- 
stimmten Vorbedingungen die Operation für berechtigt. Bei dem großen Interesse, 
das der Fall beanspruchen kann, bei den vielen technischen Einzelnheiten mag 
dieser kurze Hinweis auf die leicht zugängliche Originalarbeit genügen. 

Borchard (Posen). 


40) D. N. Nabarro. A note of three cases of suppurating bursa 
patellae due to the pneumococcus. 
(Lancet 1908. August 1.) 
Verf. beschreibt kurz drei Fälle von reiner Pneumokokkeneiterung der Bursa 
praepatellaris. Die Infektion geschah teils auf direktem Wege durch eine Nadel- 
verletzung, teils hämatogen. 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1133 


Eiterungen dieses Kokkus an dieser Stelle sind nach Verf. bislang sehr selten 
beobachtet bzw. beschrieben. H. Ebbinghaus (Dortmund). 


41) L. Thomas. Fracture of the patella treated by mobilizing the 


lower fragment. 
(Brit. med. journ. 1908. Mai 16.) 

Knöcherne Heilung eines fast 1 Jahr alten Kniescheibenbruches mit 4 cm-Dia- 
stase mit gutem funktionellen Ergebnis durch Abmeißelung des Tuberositas tibiae. 
Nur so gelang es, die Diastase zu überwinden und die Bruchstücke zu vernähen. 
Die fibrösen Anheftungen des Lig. patellae an der medialen Seite müssen dabei 
sorgfältig geschont werden. Weber (Dresden). 


42) J. Mensik. Über einen Fall von angeborenem Genu valgum. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 609.) 

Ein bei einem 19jährigen Mann an der Wölfler’schen Klinik beobachtetes 
Genu valgum mit einem Außenwinkel von 142° war laut Anamnese und durch 
Ausschluß der gewöhnlichen ätiologischen Ursachen, insbesondere der Rachitie, 
als angeboren zu betrachten, und beansprucht, wie drei sonst noch publizierte 
Fälle, diese Atiologie die Küstner’sche Erklärung, daß als Ursache eine lang- 
dauernde intra-uterine Belastung der befallenen Extremität im Sinne der Über- 
streckung im Kniegelenk anzunehmen sei. 

Keilosteotomie mit Knochennaht ergab ein funktionell wie kosmetisch gutes 
Resultat. Reich (Tübingen). 


43) C. Bayer. Zur Berechtigung konservierender Operationsversuche 


bei unheilbaren Unterschenkelgeschwüren. 
(Arch. intern, de chir. 1908. Nr. 1.) 

In einem Falle von Unterschenkelgeschwür, das sich wegen seiner Größe weder 
für die plastische Deckung noch für die von Rydygier eingeführte sogenannte 
osteodermatoplastische Fußamputation, die quere Knochenresektion oder die Ver- 
schmächtigung der Tibia durch Ausmeißelung (B.) eignete, operierte B., statt die 
Amputation des Beines auszuführen, mit Erfolg nach einem Verfahren, das als 
eine glückliche Modifikation der osteo-dermatoplastischen Methode Rydygier’s 
bezeichnet werden muß. Zur Deckung des vorwiegend seitlich hoch ausgreifenden 
Unterschenkelgeschwürs schien der bei der Amputation des Fußes nach Pirogoff 
resultierende Plantarlappen allein nicht ausreichend. Es wurde deshalb aus dem 
Fußrücken ein großer, bis zu den Zehen reichender, alle Weichteile umfassender 
Lappen präpariert, am Malleolus internus gestielt und lateral derart gedreht, daß 
er sowohl vorn wie seitlich über das Geschwür gebreitet werden konnte. Für den 
im Bereich des Sprunggelenkes vorn dadurch entstandenen Hautdefekt erwies sich 
der eigentliche Plantarlappen Rydygier’s vollkommen ausreichend. Der Verlauf 
war, abgesehen von einer Randnekrose beider Lappen, nach wochenlanger Be- 
handlung im ganzen glücklich. Die gleichzeitig bestehende Kniegelenkskontraktur 
wurde durch Hautinzisionen, langsame Dehnung, Transplantation und schließlich 
durch eine im Kniestück artikulierte, mit einer Kniekappe versehene Doppelschiene 
behandelt, die mit einem artikulierenden Pirogoff-Schuh verbunden ist. Pat. kann 
damit vorzüglich gehen. Bevenstorf (Hamburg). 


44) Reismann. Talusluxation oder Luxatio pedis sub talo? 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIII. p. 218.) 
45) Kirchner. Talusluxation oder Luxatio pedis sub talo? Entgegnung 
auf eben genannten Aufsatz. 
(ibid. p. 501.) 

Das seinerzeit von K. genau beschriebene Fußverrenkungspräparat aus Göt- 
tingen (cf. unser Blatt, laufender Jahrgang p. 286) hat nun auoh R. eingehend 
untersucht; er interpretiert es seinerseits als Luxatio sub talo, nicht als Luxatio 


1134 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 


tali, wie es K. getan hatte. K. erwidert in seinem Artikel und hält seine Auf- 
fassung R.'s Kritik gegenüber aufrecht. Dadurch, daß R. seiner Beschreibung 
zwei Abbildungen des Präparates beigibt, gewinnt dieselbe an Interesse und An- 
schaulichkeit. Bezüglich der Details muß Ref., dem übrigens R.’s Auffassung als. 
die richtigere erscheint, auf die Originalien verweisen. 

Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


46) A. A. Bowlby. An address on nine hundred cases of tuberculous 
disease of the hip. 
(Brit. med. journ. 1908. Juni 20.) 


Das Alexandra-Hospital in London wurde 1867 gegründet, mit dem Zweck 
koxitiskranke Kinder unter 12 Jahren ohne Operation, nur durch gute Pflege, 
günstige Lebensbedingungen, Ruhe, Extension zu behandeln, und zwar ohne Rück- 
sicht auf die Dauer der Behandlung. In den 21 Jahren seiner Leitung beoachtete- 
B. %0 solcher Koxitiskinder mit einer Sterblichkeit von weniger als 4%, während 
‚von 1867 bis 1879 384 Fälle mit 26% Sterblichkeit behandelt wurden. Seine große 

Erfahrung hat ihn gelehrt, daß kein Fall von kindlicher Koxitis unheilbar ist. 
Eine Resektion der kranken Hüfte hat er in keinem einzigen Falle ausgeführt, 
sondern ist mit Ruhe, Extension und allgemeinen Maßnahmen, wie insbesondere 
Freiluftbehandlung, zum Ziel gekommen. Gehschienen verwirft Verf. Auffallend: 
ist, daß unter allen Fällen nur etwa zehn mit Drüsentuberkulose behaftet ge-- 
wesen sind. Die überaus günstigen Heilungsergebnisse, die B. auf 96% berechnet, 
führt er auf zwei Umstände zurück: aseptische Behandlung der Abszesse und Vor- 
rang der allgemeinen Behandluug eines Kindes vor der des Krankheitsherdes. 
Einspritzungen von Jodoform hat er als nutzlos aufgegeben. Die Hauptstelle in 
der Allgemeinbehandlung nimmt die Freiluftkur ein, die in schweren Fällen Tag 
und Nacht durchgeführt wird mit hervorragendem Erfolg. 

Die Prognose steht im geraden Verhältnis zum Lebensalter, in dem das Leiden 
begonnen hatte;-unter den 33 Todesfällen waren 24 Kinder, bei denen die Koxtis- 
vor dem 6. Lebensjahr eingesetzt hatte. Ankylosen in Flexionsstellungen sind mit. 
Osteotomie sehr günstig zu beeinflussen, nur darf die Operation nicht zu früh vor- 
genommen werden. 

Von den gemeinhin üblichen Anzeigen von Gelenkresektion bei der Tuber- 
kulose (Nekrose, Sequestration, ausgedehnte Karies, Beckenabszeß, dauernde Eite- 
rung, pathologische Luxation) erkennt Verf. keine einzige an. Exzision des Ober- 
schenkelkopfes ist in der Behandlung der Koxitistuberkulose vollkommen unnötig, 
vorausgesetzt, daß der Kranke unter günstige Bedingungen gebracht werden kann.. 

Weber (Dresden). 


47) Ohse. Über Dauererfolge bei Behandlung der Fußwurzeltuber- 
kulose durch Resektion mit vorderem und hinterem Querschnitt. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 275.) 


Zur Resektion wegen Fußwurzeltuberkulose wird in der Straßburger Klinik 
entweder ein vorderer Querschnitt mit Bildung eines dorsalen Hautsehnenlappens 
oder ein hinterer Querschnitt von einem Knöchel zum anderen geführt und auf 
die Wiedervereinigung der Sehnen prinzipiell verzichtet. Derartig sind von 1894 
bis 1906 115 Fälle operiert worden. In 47% der Fälle handelte es sich um 
primär ossale, in 49% um synoviale Tuberkulose, bei 4% ließ sich diese Fest- 
stellung nicht treffen. Bei einfachen Knochenherden stand der Calcaneus an erster- 
Stelle, bei multiplen war meist der Talus mitbeteiligt. 


In 30% der Fälle wurde nach ausgedehnten atypischen Resektionen die sekun- 
däre Amputation notwendig, und zwar mit steigendem Alter der Pat. in zunehmen- 
der Häufigkeit, z. B. bei einem Alter von 41—50 Jahren in 67% der Fälle, sowie 
bei synovialer Form häufiger als bei ursprünglich ossaler. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1135 


Durch die Operation und während der Wundheilung kam kein Todesfall vor, 
im ganzen dagegen waren bei der Nachuntersuchung 19% der Resezierten ge- 
storben, meist an Tuberkulose anderer Organe. 

Im ganzen konnten 48 nicht mehr in Behandlung stehende Resezierte nach- 
untersucht werden mit einer Beobachtungsdauer von 1—12 Jahren. Bei 42 von 
diesen war der Prozeß völlig ausgeheilt, bei 5 bestanden noch unwesentliche 
Residuen, 1 Pat. hatte ein schweres Rezidiv. Knochenankylose der Resektionsstelle 
war 15mal (3mal in leichter Spitzfußstellung), bindegewebige Vereinigung 19mal und 
ein Schlottergelenk 4mal zu verzeichnen. Von letzteren abgesehen, ist die Art der 
Vereinigung in bezug auf die Gehfähigkeit ziemlich gleichgültig; diese war bei 
unbeschuhtem Fyße 16mal sehr gut, 2imal gut, 3mal mäßig und 8mal schlecht. 
Die Leistungsfähigkeit war von der Ausdehnung der Resektion nicht wesentlich 
abhängig, wohl aber vom Alter, insofern in höherem Alter auch bei völliger Aus- 
heilung die Funktion doch schlecht wird. 

Die Indikationsstellung, nach der operiert wurde, ging dahin, die primäre 
Amputation nur bei schlechtem Allgemeinzustand und zu großer Ausdehnung des 
Prozesses auszuführen. In den ersten 5 Lebensjahren wurde prinzipiell konservativ 
behandelt und in der zweiten Hälfte des ersten Dezenniums nur ausnahmsweise 
reseziert, wenn einfache Eingriffe ohne Erfolg geblieben waren. Im mittleren und 
höheren Alter wurde auf konservative Behandlungsversuche meist vorweg ver- 
zichtet. Anderweitige tuberkulöse Erkrankungen gelten nicht ohne weiteres als 
Gegenindikation für die Resektion, maßgebend war nur der Allgemeinzustand; auch 
wurde eine obere Altersgrenze nicht respektiert. Allein aus den Nachuntersuchungen 
ergab sich doch die Lehre, bei alten Leuten nicht mehr zu resezieren. 

Reich (Tübingen). 


48) E. Kirsch (Magdeburg). Peroneusersatz durch Seidenplastik. 
(Münchener med. Wochenschrift 1%08. Nr. 23.) 


Die 14jährige Pat. hatte sich 10 Jahre vorher eine Durchschneidung der links- 
seitigen Peroneussehnen zugezogen, die nicht vereinigt worden waren. Gegen die 
entstandene Varusstellung des Fußes hatte später die Sehnennaht nicht zum Erfolg 
geführt. K. beseitigte zuerst die Kontraktur durch Tenotomie des Tibialis posticus 
und der Achillessehne und stellte in einer zweiten Operation die Funktion der 
Peronei wieder her. Da nirgends mehr eine Spur einer zusammenhängenden Sehne 
zu finden war, entschloß K. sich zur Vornahme der Heteroplastik mit Seide nach 
Lange's Methode, indem er eine 25 cm lange Fadenschlinge durch die Gewebe 
vom Gastrocnemius bis zum Cuboideum hindurchzog und knotete. Vollständige 


Heilung mit guter Funktion unter Apparatbehandlung, Gymnastik, Faradisation usw. 
Kramer (Glogan). 


49) Finsterer. Ein Fall von isolierter Fraktur des Os navicularg 
pedis. 
(Mitteilungen des Vereins der Ärzte in Steiermark 1908. Nr. 4.) 

Dem in hockender Stellung arbeitenden Bergmanne fiel ein schwerer Stein 
auf die Außenseite des linken Fußes. Er ging nach Hause, machte Umschläge 
blieb aber auf. Nach 8 Wochen Wiederaufnahme der Arbeit, die wegen bald ein- 
tretender Schmerzen wieder aufgegeben werden mußte. Nach 5 Monaten klinische 
Behandlung. Als charakteristische Symptome fanden sich Vorspringen der Tube- 
rositas navicularis, Verkürzung des inneren Fußrandes um 1 cm und eine er- 
höhte Schmerzhaftigkeit bei Kompression im Sinne der Längsachse des Fußes. 
Außerdem war das Fußgewölbe eingesunken. Eine Plattfußeinlage machte den 
Verletzten wieder voll arbeitsfähig. Für die Behandlung in frischen Fällen emp- 
fiehlt F. einen Extensionsverband am Vorfuß nach manueller Reposition. 

Vorderbrügge (Danzig). 


1136 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 


II. Internationaler Kongreß für Chirurgie 


in Brüssel vom 21. bis 25. September 1908. 
Tagesordnung: 
I. Natur des Krebses. Referent Roswell Park (Buffalo). 
2) Pathogenese und Behandlung des Epithelialkrebses. Referent Delbet (Paris). 
3) Behandlung des Lippenkrebses. Referent v. Bonsdorff (Helsingfors). 
4) Behandlung des Krebses der Mundhöhle (Zunge usw.). Referent Collins 
Warren (Boston). 
5) Behandlung des Krebses der Nasenhöhle, des Rachens und Kehlkopfes. Re- 
ferent Gluck (Berlin). 
6) Behandlung des Krebses der Speiseröhre, der Leber, Gallenwege und des Bauch- 
fells. Referent Czerny (Heidelberg). 
7) Chirurgie der Leber: 
a. Steine. Referent Kehr (Halberstadt). 
b. Entzündungen: 
1. Cirrhose. Referent Koch (Groningen). 
2. Cholangitis. Referenten Quenu (Paris), Duval (Paris). 
3. Abszeß. Referenten Legrand (Alexandrien), Voronoff (Kairo). 
4. Geschwülste. Referent Payr (Greifswald). 
8) Behandlung des Magen- und Pankreaskrebses. Referent Oxer ny (Heidelberg). 
9) Behandlung des Krebses des Dünndarmes, Dickdarmes, Mastdarmes und Afters. 
Referent Voelcker (Heidelberg). 
10) Behandlung des Brustkrebses. Referent Halsted (Baltimore). 


II. Anästhesie: 
a. Allgemeine. Referent Vallas (Lyon). 
b. Medullare. Referent Rehn (Frankfurt). 
c. Lokale. Referent MacArthur (Chicago). 
12) Hernien: 
1. bei Erwachsenen: 
Leistenhernien. Referent Alessandri (Rom). 
Schenkelhernien. Referent Hildebrand (Berlin). 
Nabelhernien. Referent Fraenkel (Wien). 
2.bei Kindern. Referent Lorthioir (Brüssel). 
3. Operatives Verfahren und Endresultate. Referent Kalliontzis (Athen). 
4. Atiologie der Hernien. Referent Forgue (Montpellier). 
Behandlung des Hautkrebses. Referent Morestin (Paris). 
Krebs der Nebennieren. Referent Tavel (Bern). 
13) Chirurgie der Wirbelsäule: - 
a. Verletzungen. Referent de Quervain (Chaux-de-Fonds). 
b. Tumoren. Referenten Berard (Lyon), Krause (Berlin). 
14) Behandlung des Krebses der Harnwege und der männlichen Geschlechtsorgane. 
Referent Leguen (Paris). 
Röntgen- und Radiumbehandlung des Krebses. Referent Sequeira (London). 
15) Behandlung des inoperablen Krebses. Referent Morris (London). 
Projektionsabend. Referent Krause (Berlin). 
16) Behandlung des Krebses der weiblichen Geschlechtsorgane. Ref. Faure (Paris). 
17) Endresultate der operativen Behandlung des Krebses. Referent Dollinger 
(Budapest). 
Delegierter für Deutschland und bereit auf die den Kongreß bexüglichen Fragen 
Auskunft zu erteilen ıst Prof. Sonnenburg in Berlin W., Hiükgistr. 3. 


Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 


an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden. 


Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau, 
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. 


Zentralblatt für Chirurgie 


herausgegeben von 


K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER, ` 











in Bonn, in Berlin, in Breslau. 
35. Jahrgang. 
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG. 
Nr. 39. Sonnabend, den 26. September 1908. 
Inhalt. 


1) Schnitzler, Zur Klinik der Karzinome. — 2) Wells, Starrkrampfepidemie. — 3) Malis, 
Kutandiagnose der Tuberkulose. — 4) Walton, Zustände des Nervensystems in akuten chirurgischen 
Krankheiten. — 5) Sternberg, Ambulatorische Operationen. — 6) Landouzy, Leukoplasien des 
Mundes. — 7) Solleri, Rückenmarksverletzung. — 8) und 9) Iselin, Tetanie nach Parathyreoid- 
ektomie. — 10) Whitla, Atiologie der Tuberkulose. — 11) Schwab, Vorbereitung zur Laparotomie. 
— 12) Federmann, Peritonitis. — 13) Battle, 14) Runge, 15) Christel, Appendicitis. — 16) Murray, 
Hernien. — 17) Gray, Die Bewegungen des Magens. — 18) Roith, Die physiologische Bedeutung 
der einzelnen Dickdarmabschnitte. — 19) Erdmann, Nieren- und Harnleitersteine, Appendicitis 
vortäuschend. — 20) Liek, Kollateralkreislauf der Niere. — 21) Thomson, Renale Koliinvasion. 

22) Blecher, Behandlung mit künstlicher Hyperämie. — 28) Dieulafoy, Simulation chirurgi- 
scher Leiden. — 234) Clairmont, Hyperalgetische Zone nach Schußverletzungen. — 25) Herschel, 
Kühlapparat für Warzenfortsatzentzündungen. — 26) Rister, Nasen-Rachenpolypen. — 27) Ostwalt, 
Kokain-Alkoholeinspritzungen gegen Gesichtsschmerz und Gesichtskrampf. — 28) Spisharny, 
Nervenplastik des Facialis. — 29) König, Knochenersatz bei Exartikulationen des Unterkiefers. — 
30) Paterson, Spina bifida. — 31) Hinrichs, Thymushypertrophie. — 32) Grünberg, Jodkali gegen 
Tuberkulose der oberen Luftwege. — 83) Sievers, Embolie der Lungenarterie. — 84) Goodman 
und Wachsmann, Lungenemphysem. — 85) Wisshaupt, Hypertrophie der Brustdrüse. — 36) Thé- 
venot und Alamatrine, Fibroadenokystom der Brustdrüse. — 37) Marchetti, Subkutane Darm- 
zerquetschung. — 38) Wilcox, Jodoformeinreibungen gegen Bauchfelltuberkulose. — 89) Klauber, 
40) Weber, Appendicitis. — 41) Fiaschi, Bauchfellfreie Hernien. — 42) Keimer, Brucheinklem- 
mung. — 48) Fischel, Motilität des Magens. — 44) Thelemann, Postoperative Magen-Darmblutungen. 
— 45) Voeckler, 46) Beeker, Ileus. — 47) Schmidt, Mesenterium ileocolicum commune. — 
48) Oppel, Kotfistel. — 49) Schilling, Mastdarmvorfall. — 50) Goebel, Mastdarmstrikturen. — 
51) Exner, Mastdarmsarkom. — 52) Lotsch, 55) Watkins, Milzzerreißung. — 54) Bircher, Milz- 
cysten. — 55) Couteaud, Gashaltiger Leberabszeß. — 56) Michaux, Epitheliom der Gallenblase- 
— 57) Ashhurst, Perforation der Gallenblase. — 58) Flörcken, Fadenrezidiv nach Gallenstein- 
operationen. — 59) Dreifuss, 60) Mauclaire, Zur Pankreaschirurgie. — 61) Vittone, Heißwasser- 
apparat. 





1) J. Schnitzler. Zur Klinik der Karzinome. 
(Med. Klinik 1908. p. 973.) 

S. weist auf gewisse häufig vorkommende Abweichungen von dem 
angeblich typischen Bilde’ des Karzinoms hin. So ist für dessen Dia- 
gnose durchaus nicht das Vorhandensein von Krebskachexie erforder- 
lich. Praktisch wichtig sind ferner die entfernten Karzinomsymptome. 
Das Auftreten sehr hoher Lymphdrüsen der seitlichen Halsgegend bei 
älteren Leuten weist in erster Linie auf Epitheliome im Rachen hin. 
Beim Magenkrebs sind Lymphdrüsenknoten über dem Schlüsselbeine 
zumeist der linken Seite nicht eben häufig, Achseldrüsenschwellungen 
sehr selten, aber immerhin zu beachten, die Metastasierung im Dou- 
glas’schen Raume nicht genügend bekannt. Auch in Eingeweide-, 
insbesondere Netzbrüchen kommen Krebsmetastasen vor. Cystische Um- 
wandlungen der Eiterungen in den Metastasen, entzündliche Vorgänge 


39 


1138 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 


in der Umgebung des Krebsherdes (Perisigmoiditis beim Karzinom 
der Flexur, pseudokarzinomatöse Infiltration des Mastdarmes usw.). 
— Bie Annahme, daß jedes Karzinom unaufhaltsam wachse, besteht 
nicht mehr zu Recht. Die Krebserkrankung verläuft an ein und dem- 
selben Körperteile ganz außerordentlich verschieden. Auch für die 
früheste Operation läßt sich ein Dauer- und Allgemeinerfolg nicht 
vorhersagen, da die Krankheitskeime bereits generalisiert sein können. 
Welche Ursachen sie zur Entwicklung bringen, ist unbekannt. Auf- 
regungen jeder Art können das Entstehen eines Krebses und ganz 
besonders das Hervortreten bis dahin schlummernder Metastasen be- 


günstigen. Die parasitäre Karzinomtheorie ist erledigt. 
Georg Schmidt (Berlin). 





2) H. G. Wells. Die alljährliche Starrkrampfepidemie in 


den Vereinigten Staaten. 
(Med. Klinik 1908. p. 879.) | 

Am nordamerikanischen Unabhängigkeitsfeste (4. Juli), an welchem 
viel Feuerwerk abgebrannt und aus Revolvern und wohlfeilen Pistolen 
Millionen von Platzpatronen verschossen werden, kamen im Jahre 1903 
unter 4500 Unfällen 415 meist tödliche Starrkrampferkrankungen vor. 
Vor den üblen Folgen dieses SchieBunfuges wurde seitdem öffentlich ge- 
warnt; die Zahl der Unfälle stieg indessen weiter an; immerhin 
nahmen die Starrkrampferkrankungen ab. 

750 Platzpatronen jeder Art, wie sie auf dem Markte erhältlich 
sind, wurden während verschiedener Jahre von W. und anderen auf 
das Vorhandensein von Tetanusbazillen in den Papierpfröpfen mit dem 
Züchtungs- und Impfverfahren untersucht, immer ergebnislos. Sehr 
oft wurden nicht krankmachende Bazillen gefunden, die in Form und 
Wachstum denen des Starrkrampfes glichen. Näheres ist über die 
Art dieser Untersuchungen nicht gesagt. 

W. führt die Tetanusinfektion auf die Verunreinigung des ver- 
wundeten Körperteiles, insbesondere der Hand, mit Straßenkot zurück 
und empfiehlt gründliche Desinfektion in Allgemeinbetäubung sowie 
Antitoxinprophylaxe. Letztere hat die Zahl der Starrkrampferkran- 
kungen nach Platzpatronenschußverletzungen von Jahr zu Jahr ein- 
geschränkt und ist auch bei offenen Knochenbrüchen, Nagelverletzungen 
u. dgl. angebracht. Heilend wirkt das Serum kaum, höchstens in Form 
der subduralen Einspritzung. 

Die einschlägige nordamerikanische Literatur ist angeführt. — 
Daß in Deutschland das häufige Vorkommen von Tetanusbazillen in 
der Fließpappe, die für Militärplatzpatronen (Schjerning) oder für 
Schrotpatronen (Ref.) verwandt wird, erwiesen worden ist, wird von 
W. nicht erwähnt. Georg Schmidt (Berlin). 








Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 89, 1139 


3) J. Malis. Die Kutandiagnose der Tuberkulose bei chirur- 


gischen Leiden. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirargie Bd. XCIL. p. 252.) 


M. hat in der Wilms’schen Klinik zu Basel die kutane Tuber- 
kulinreaktion nach v. Pirquet bei chirurgischen Kranken einer ein- 
gehenden Prüfung unterzogen. Die Technik des Verfahrens besteht 
darin, daß 2 Tropfen des 25 %igen Alttuberkulin auf die Haut 
ähnlich wie bei der Vaccination verimpft werden, wobei zur Kontrolle 
noch eine Skarifikation ohne Tuberkulinapplikation hinzugefügt wird. 
Die Operation wird in der Morgenstunde vorgenommen, damit in den 
folgenden Stunden die Erscheinungen der Reaktion beobachtet werden 
können. Bei zweifellos tuberkulösen Kranken beschreibt M. vier ver- 
schiedene Reaktionsformen: 1) eine rasch eintretende und sehr lebhafte 
Reaktion. Sie beginnt schon nach 6 Stunden, erreicht ihren Höhe- 
punkt nach 48 Stunden, diese Akme hält sich auf gleicher Höhe, um 
am 5. oder 6. Tage wieder abzufallen. Man beobachtet erst eine 
Quaddel mit rotem Saum, dann eine Papel mit bohnengroßer zen- 
traler Abhebung, an deren Basis graugelbe, miliar-vesikulöse Er- 
hebungen zerstreut sind. Zum Schluß Abblassung, Eintrocknung, Ab- 
schuppung. Diese Form wurde 24mal beobachtet und betraf die 
kräftigsten Individuen, die meist an einer lokalen Erkrankung litten. 
Von den geimpften Kindern zeigte die Hälfte diese Reaktion. 2) Eine 
ebenso rasch eintretende, mittelstarke und länger andauernde Reaktion. 
Beginn nach ca. 6 Stunden, Höhepunkt nach 48 Stunden, Akme 2 bis 
3 Tage lang, sehr langsamer und allmählicher Abfall. Lokalerschei- 
nungen ähnlich, doch schwächer wie bei Form 1. Diese Reaktion 
zeigten 22 Tuberkulöse, 31 % aller Tuberkulösen. Es handelte sich 
um weniger widerstandsfähige Individuen als bei Gruppe 1. 3) Eine 
rasch eintretende, schwach ausgeprägte und schnell ablaufende Reak- 
tion. Sie tritt nach 6 Stunden ein, erreicht den Höhepunkt nach 
24 Stunden und verschwindet im Laufe der nächsten 1—2 Tage. 
Bildung einer blassen Quaddel mit schwachrotem Entzündungshof. 
Diese Reaktion entspricht etwa der bei Lungentuberkulösen beschrie- 
benen »Schnellreaktion«. Sie wurde bei 11 Pat. notiert, welche sämtlich 
schwächlich und heruntergekommen, mangelhaft widerstandsfähig er- 
schienen. Mehr als die Hälfte (6) hatten Lungenaffektionen. 4) Eine 
sehr langsam eintretende, ebenso langsam ablaufende und schwach 
ausgeprägte Reaktion. Blasse Quaddelbildung nach ca. 24 Stunden, 
Höhepunkt nach 48 Stunden, der 3—4 Tage anhält, um allmählich 
zu verschwinden. Die Reaktion ist bereits als »Spätreaktion« bei 
Phthisikern beschrieben. In seinem Material beobachtete sie M. 
13mal (18,3% aller untersuchten Tuberkulösen. Ein Tuberkulöser 
zeigte gar keine Reaktion. Von Suspekten zeigten 10 (50%) gar 
keine Reaktion, die übrigen 10 eine solche in verschiedener In- 
tensität. Von 15 klinisch Gesunden zeigten 6 keine Reaktion, die 
anderen aber die »Spätreaktione.. Nach diesen Resultaten ergibt 


39* 


1140 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 


sich, daß der klinische Wert der Methode noch nicht gesichert 
ist. Art und Entstehungsweise der Spätreaktion bei klinisch Ge- 
sunden ist noch nicht völlig aufgeklärt. Es scheint aber, daß die 
Stärke der Reaktion mit dem Fortschreiten der Tuberkulose immer 
mehr abnimmt, bis sie, wie das bei den schwersten Tuberkulösen der 
Fall ist, endlich ganz erlischt. Auch reagieren, wie sich gezeigt hat, 
die chirurgisch Tuberkulösen im allgemeinen viel heftiger als die 
Lungentuberkulösen. Sie zeigen regelmäßig eine Reaktion, die bei 
Phthisikern selten und ungewöhnlich stark ist. Die Prognose erscheint 
daher bei ihnen günstiger, was ja auch der Fall ist. Zu bemerken 
ist noch, daß an Stellen, wo Heißluft appliziert wird, und an Stellen 
unterhalb einer angelegten Bier’schen Stauungsbinde die Reaktion an 
Eintrittsschnelligkeit und Intensität verstärkt wird. 
Meinhard Schmidt (Cuxhaven!. 


4) A. J. Walton. A consideration of the state of the auto- 
nomic nervous system in acute surgical conditions. 
(Lancet 1908. Juli 11.) 

Verf. beleuchtet hauptsächlich zwei Zustände des Nervensystems 
in akuten chirurgischen Krankheiten: die Veränderungen der vaso- 
motorischen Zentren mit nachfolgender Gefäßalteration, und die Ver- 
änderungen des örtlichen Nervensystems der Baucheingeweide nach 
Laparotomien. Die Anästhesie betreffend, ist an Kurven praktisch 
dargetan, daß bei Ather der Blutdruck in guter Höhe gehalten wird, 
während er bei Chloroform ständig sinkt; die spinale Analgesie hat an 
sich nicht die geringste Wirkung auf den Blutdruck. Einen erheb- 
lichen Einfluß auf die Entstehung des Choks übt der Blutverlust aus; 
der Umstand, daß bei Schädelverletzungen bzw. -operationen sich stets 
ein höherer Grad von Chok zeigt, als bei entsprechend großen Eingriffen 
an anderen Körperstellen, ist mit den meist hier viel erheblicheren 
Blutverlusten zu erklären. 

Die Behandlung der Zustände ist eine präventive und eine kura- 
tive. Verf. warnt insbesondere — und nach Ref.s Ansicht mit vollstem 
Rechte — vor zweierlei: 1) vor dem starken Abführen vor Darm- 
operationen und 2) vor dem langen Fasten vor den Operationen. Er 
gibt 8 Stunden vor der Operation ein größtmögliches Frühstück, 5 und 
3 Stunden vor der Operation je eine Tasse Beaf-Tea.. Während der 
Operation ist die Körperwärme auf möglichster Norm zu halten, nicht 
zu niedrig, aber vor allem auch nicht so hoch, daß Schweißausbruch 
eintritt; gegen plötzliches Sinken des Blutdruckes ist der Crile’sche 
Gummianzug zu empfehlen. Bei der Behandlung des Choks mit 
Droguen warnt Verf., wie an Tabellen dargetan, vor der Anwendung 
von Strychnin, Äther, Alkohol, Digitalis, Strophantus (wie ist es mit 
Kampfer? Ref.), die nach anfänglicher Stimulation nur zur Paralyse 
der Nervenzentren führen. Anders ist es mit Ergotin und Morphium ; 
sie mindern fraglos den Grad des Choks, jedoch vermögen sie nicht 
in dem Grade zu nützen wie die Nebennierenpräparate Sie hält 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 1141 


Verf. für das Beste zur Kräftigung der autonomischen Nervenzentren. 
Er verwendet am liebsten das Adrenalin mit physiologischer Na0l- 
Lösung 1:160000, und zwar läßt er diese Lösung in der Menge von 
1 Pint (ca. 550—600 g) pro Stunde kontinuierlich in den Mastdarm 
einlaufen; graphische Blutdruckkurven illustrieren die enorme Wirk- 
samkeit dieser Maßnahme. 

Während der Operation und auch nachher sollte der Blutdruck 
häufig kontrolliert werden, damit sein Niedergang nicht erst plötzlich 
im Momente der Gefahr gemerkt wird. In die größeren Nerven- 
stämme ist vor der Durchschneidung eine kleine Menge 2—4 % iger 
Kokainlösung zu injizieren. 

Bei Störungen im abdominellen Nervensystem empfiehlt Verf. 
folgendes Verfahren: In Fällen akuter Paralyse infolge irgendeiner 
Toxinwirkung innerhalb des Bauchfells sollte der Darm während der 
diesbezüglichen Operation ausgiebig drainiertt werden. Bei allen 
anderen Veränderungen ist keine Operation am Platze, und da dann 
der Zustand auf einer Erschöpfung des Nervenzentrums beruht, so ist 
jeder Versuch der Stimulation nur bedenklich. Unmittelbar nach der 
Operation sollte 1/100 g (= ca. 1/, mg) Eserinsalicylat injiziert werden, 
was alle 4 Stunden bis sechsmal wiederholt wird. Falls kein Stuhl 
eintritt, ist am nächsten Tage ein Terpentinklysma zu verabfolgen. 
Da beim Menschen Erschöpfung stets zuerst im Nervensystem auftritt, 
so sollte die Behandlung der Symptome sich stets zuerst darauf er- 
strecken, die örtlichen Organe zu stimulieren, so daß sie allein zu 
funktionieren vermögen bis zu der Zeit, wo die Zentren wieder im- 
stande sind, die Kontrolle der Funktion zu übernehmen. 

Ebbinghaus (Dortmund). 





5) J. Sternberg. Das Gebiet der ambulatorischen Opera- 
tionen. 
(Med. Klinik 1908. p. 895.) 

Verf. erwägt die Zulässigkeit einer ambulatorisch auszuführenden 
Operation (nach den Gesichtspunkten der Transportfähigkeit des 
Kranken und der Art des Transportes, der Nachbehandlung, Pflege, 
Ruhe, Schonung) und die einzelnen Stufen einer ambulatorischen 
Operation (vorherige Stuhlregelung, allgemeine Körperreinigung, Rei- 
nigung des Operationsfeldes, Betäubungsverfahren, Blutstillung, ruhig- 
stellender und schützender Verband, Beseitigung des Nachschmerzes). 
Zu letzterem Zwecke wird häufig Orthoform und Anästhesin in die 
Wundhöhle und auf die Nahtlinie gestreut, später Morphium gegeben. 

Ambulatorisch sind die meisten Operationen an den leicht fort- 
zuschaffenden Kindern auszuführen, ferner zahlreiche Ohren-, Nasen-, 
Kehlkopf-, Augenoperationen, endlich viele chirurgische Eingriffe an 
Leuten, die daheim ein wenig Pflege und Ruhe haben. Zwei Schranken 
grenzen das Gebiet ein: Die chirurgische Technik und die sozialen 
Verhältnisse. Georg Schmidt (Berlin). 





1142 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 


6) Landouzy. Valeur semiologique des leucoplasies des 


joues et de commissures, dites »Plaques des tumeurs«. 
(Bull. de l’acad. de med. 1908. Nr. 25.) 

Diese weißen, perlmutter- oder zwiebelschalenartig glänzenden 
Streifen, die sich, vom Mundwinkel angefangen, in der Höhe und 
Richtung des Zahnreihenschlusses von der Wangenschleimhaut nach 
rückwärts ziehen und mit dem Rauchen ätiologisch in Zusammenhang 
gebracht werden, sind ausnahmslos untrügerische Zeichen für Syphilis. 
Sie finden sich auch bei Nichtrauchern. Das Rauchen spielt dabei 
nur eine fördernde Rolle. — Mehrere Krankengeschichten und Ab- 
bildungen. Neugebauer (Mährisch-Ostrau). 


7) Solieri. Transversaler Schnitt des Rückenmarkes, bedingt 


durch eine Schnittwaffe, in der Höhe des 3. Rückenwirbels. 
(Mitteilungen a. d. Grenzgebieten d. Medizin u. Chirurgie Bd. XIX. Hft. 1.) 

Einem 36jährigen Manne war ein Messerstich durch den 3. Brust- 
wirbelbogen beigebracht worden mit Erscheinungen der Rückenmarks- 
durchtrennung. Es wurde sofort das Rückenmark freigelegt und voll- 
kommene, glatte Durchschneidung des Rückenmarkes konstatiert. Die 
beiden Enden waren 2,5 cm auseinander gewichen, ließen sich jedoch 
mit Catgut zusammennähen. Es erfolgte Heilung per primam, allein 
die Leitung im Rückenmarke stellte sich nicht wieder her. 3 Monate 
später Tod durch Dekubitus und Infektion der Harnwege. 

S. vergleicht die in seinem Falle beobachteten Folgen der Rücken- 
marksdurchschneidung mit den Fällen anderer Autoren und zeigt, daß 
die sehr verschiedenen Angaben darauf beruhen, daß von den beiden 
Enden des durchtrennten Rückenmarkes Degenerationsprozesse aus- 
gehen; infolge davon müssen die Erscheinungen verschiedene sein, je 
nachdem man bald nach der Verletzung oder erst später den Fall 
beschreibt; denn es gesellen sich auch die degenerativen Symptome 
hinzu, welche nicht der reinen Markdurchtrennung an sich zukommen. 
Ferner werden durch Bahnen des Sympathicus vikariierend Innerva- 
tionen geleistet von Organen, die gelähmt sein sollten. 

Als direkt abhängig von der Rückenmarksdurchtrennung ist zu 
betrachten: 1) die schlaffe motorische und sensible Lähmung; 2) die 
dauernde Vernichtung der Sehnenreflexe; 3) der Dekubitus. — Dazu 
können sich mit verschiedener Intensität und in verschiedener Grup- 
pierung, je nach der Beobachtungsperiode und der Mitwirkung ana- 
tomischer oder physio-pathologischer Veränderungen, folgende Sym- 
ptome gesellen: 1) Die anfangs erhaltenen Hautreflexe können später 
fehlen. 2) Klonische, spontane oder reflektorische Kontraktionen der 
Glieder, in der Periode der auf- und absteigenden Entartungsprozesse 
im Rückenmarke. 3) Parästhesien in den unteren Gliedmaßen, durch 
den Sympathicus geleitet; schmerzhafte Parästhesien im Brustkorb 
und in den oberen Gliedmaßen durch Reizung der Zellkerne im zen- 
tralen Segment vor Einsetzen der Entartung. 4) Priapismus und ge- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. "1143 


steigerte Dermographie in der Initialperiode; später Schwinden dieser 
Erscheinungen. 5) Anfangs Mastdarm- und Blasenlähmung mit Re- 
tention; dann fast normale Mastdarm- und Blasenfunktion mit Emp- 
findung des Entleerungsbedürfnisses durch vikariierende Sympathicus- 
funktion und lokale Reflexe. Später Stuhl- und Harninkontinenz 
durch Degeneration im distalen Rückenmarkssegment. 

Wenn auch in den meisten Fällen, ebenso wie im vorliegenden, 
die Naht des durchtrennten Rückenmarkes ohne Erfolg für die Wieder- 
herstellung der Nervenbahnen war, so zeigen die Fälle von Stewart 
und Fowler, daß bisweilen doch danach die Nervenfasern sich regene- 
rieren können, was nach dem Fallenlassen der Neuronentheorie und 
der Erkenntnis, daß der distale Teil des Achsenzylinders durch die 
wuchernden Zellen des Neurilemms und der Schwann’schen Scheide 
wiederhergestellt wird, verständlich ist. Haeckel (Stettin). 





8) H. Iselin. Tetanie jugendlicher Ratten nach Parathyreoid- 
ektomie. Steigerung der tetanischen Reaktionsfähigkeit jugend- 


licherRatten beiNachkommen parathyreoidektomierter Ratten. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIII. p. 397.) 


9) Derselbe. Wachstumshemmung infolge von Parathyreoid- 
ektomie bei Ratten. Ein Beitrag zur Kenntnis der Epithel- 


körperchenfunktion bei jungen Ratten. (Vorläufige Mitteilung.) 
(Ibid. p. 494.) 

Die Tierversuche, über deren Ergebnis hier berichtet wird, stam- 
men aus der Baseler chirurg. Klinik (Prof. Wilms). 

Die erste Arbeit behandelt die Folgen der Exstirpation der Epi- 
thelkörperchen (Glandulae parathyreoideae) bei jungen Tieren, worüber 
bisher noch wenig gearbeitet ist; die Nebenschilddrüschen wurden mit 
Schere und Pinzette unter bester Schonung der Schilddrüse exstirpiert, 
wobei 5—12 Wochen alte gefleckte Ratten zur Untersuchung dienten. 
Die sieben gesunden Versuchstiere bekamen nach der doppelseitigen 
Exzision der Epithelkörperchen sämtlich eine akute, innerhalb 2 Tagen 
tödlich verlaufende Tetanie — mithin sind die jugendlichen Ratten 
viel empfindlicher gegen die Schädigungen dieses Drüsenapparates als 
die erwachsenen. Noch viel empfindlicher zeigten sich junge Ratten, , 
die von parathyreoidektomierten Eltern stammten. Diese Tiere über- 
lebten die Operation durchschnittlich nur 4 Stunden und gingen unter 
epilepsieartiger, foudroyanter Tetanie zugrunde. Für die Menschen 
haben die Parathyreoidektomieversuche bei jungen Tieren Interesse 
im Hinblick auf die bekanntlich bösartige Kindertetanie, und auch die 
veränderte Reaktion junger, von parathyreoidektomierten Eltern ab- 
stammender Tiere auf die Operation hat klinische Bedeutung für die 
Nachkommenschaft kachektisch gewordener strumektomierter Frauen. 

Die zweite Arbeit betrifft die Körperentwicklung junger Ratten, 
die die Parathyreoidektomie überlebten. Von weißen Ratten überlebte 


1144 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 


fast die Hälfte diesen Eingriff, viel empfindlicher (vgl. den Bericht 
über die erste Arbeit) ist die gefleckte Ratte. Wird eine solche aber 
nur einseitig der Operation unterzogen und ihr gleichzeitig eine Ein- 
pflanzung fremder Epithelkörperchen in die Milz gemacht, so kann 
sie sich von der eingetretenen Tetanie erholen, wird aber hin und 
wieder rückfällig und gerät in eine chronische Form der Tetanie, die 
sich durch Apathie, Zittern beim Aufheben an der Nackenhaut und 
fast fortdauernde Masseterkrämpfe äußert. Durch letztere entstehen 
Ernährungsstörungen und Abbrüche der Zähne, gefolgt von Alveolar- 
periostitis und Zahnfistelbildungen. Außerdem bekommen diese Tiere 
ein struppiges Fell und leiden an ihrer ganzen Körperentwicklung Not, 
indem sie ungenügend an Gewicht zunehmen und im Wachstum zurück- 
bleiben. J. hatte Gelegenheit, sieben solcher Tiere zu beobachten 
(Sektion steht noch aus), worüber Näheres mitgeteilt wird. Eine Ge- 
wichtstabelle, betreffend die Entwicklung dieser Tiere, denen ent- 
sprechend jedesmal ein nicht operiertes Kontrolltier beobachtet ist, 
dazu Photogramme operierter und nicht operierter Tiere, endlich ein 
Röntgenbilderpaar — wieder von Versuchs- und Kontrolltier — zeigen 
deutlich die durch die Epithelkörperchenexstirpation verursachte Ent- 
wicklungsstörung, welche für den Menschen in Sachen des kongeni- 
talen Myxödems und der Thyreoaplasie Bedeutung hat. 
Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


10) W. Whitla. The etiology of pulmonary tuberculosis. 
(Lancet 1908. Juli 18.) 

Die übersichtlich zusammengestellten Ergebnisse der neuen Tuber- 
kuloseforschung unter Heranziehung der Arbeiten aller auf diesem so 
überaus wichtigen Gebiete tätigen Autoren. Verf.s Resultate gipfeln 
in den Sätzen: Die alimentäre Infektionsart der Lungentuberkulose 
spielt eine überaus wichtigere Rolle wie Entstehungsmodus der Krank- 
heit durch Inhalation. Eine prinzipielle Verschiedenheit der Menschen- 
und Rindertuberkulosebazillen besteht nicht. 

Die interessante und eingehende Arbeit kann nur zur Lektüre 
empfohlen werden, wennschon sie prinzipiell Neues nicht bringt. 

H. Ebbinghaus (Dortmund). 


11) M. Schwab. Die Vorbereitung der Kranken zur Laparo- 


tomie. 
(Med. Klinik 1908. p. 863.) 

Die operative Prophylaxe verfügt über keine spezifischen Mittel. 
Daher muß allgemein dem Kräfteverfall, der aufgeregten Herztätigkeit, 
ungenügenden Nahrungsaufnahme, fehlenden Nervenentspannung ent- 
gegen gearbeitet werden durch reichliche und kräftige Ernährung, 
Einschränkung des bisher vor der Operation üblichen reichlichen Ab- 
führens, Schlaf- und Beruhigungsmittel (Veronal, Digitalis, Morphium- 
Skopolamin usw.) Von den wirksamen Desinfektionsweisen ist die 
kürzeste die beste (Benzin-Joddesinfektion). Schonende Einleitung und 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39, 1145 


zweckmäßige Durchführung der Inhalationsnarkose. Vernünftige Mund- 
pflege. Georg Schmidt (Berlin). 





12) Federmann. Über die Beurteilung und Behandlung der 
akuten Peritonitis. 
(Berliner klin. Wochenschrift 1908. Nr. 28.) 

Die Aussichten der Operation sind um so günstiger, je früher der 
Eingriff erfolgt. Nur wenn wir in jedem Stadium des Verlaufes das 
anatomische Bild in seiner bisherigen und weiteren möglichen Ent- 
wicklung vor Augen haben, erlangen wir einen Standpunkt für unser 
therapeutisches Handeln. — Die Schwere der Entzündung hängt von 
der Intensität der Infektion und von der Reaktionskraft des Orga- 
nismus ab. Man sollte nur zwischen begrenzter und fortschreitender 
Peritonitis unterscheiden; die Unterschiede beider Formen sind nur 
gradueller Natur. In den ersten 24—48 Stunden ist in der größten 
Mehrzahl aller Peritonitiden das Exsudat ein freies (diffuses) und be- 
findet sich lose zwischen den Därmen; erst sekundär kommt es durch 
Ablagerung von Fibrin zu Verklebungen (intraperitonealer Abszeß). 
Aus dieser Genese erklärt sich ungezwungen die mannigfaltige Lokali- 
sation der Abszesse. Zwischen dem Abszeß und der völlig unbe- 
grenzten, freien Peritonitis gibt es zahllose Übergänge. Zwei Gruppen 
von fortschreitender Peritonitis lassen sich trennen; die exsudative 
und die trockene; die letztere stellt die allerschwerste Form dar, die 
peritoneale Sepsis. In ihr Gebiet gehört die größte Zahl der post- 
operativen Peritonitiden. Die Symptomatologie, die eingehend ge- 
schildert ist, kann als bekannt übergangen werden. Die rationelle 
Therapie der akuten Peritonitis kann nur die operative sein; sie bietet 
aber nur im Frühstadium günstige Aussichten. Eine Peritonitis be- 
findet sich solange im Frühstadium, als die Widerstandskraft des 
Organismus einen bestimmten Grenzwert noch nicht überschritten hat. 
Die Dauer des Frühstadiums schwankt je nach der Dignität der 
Infektion. Als Höchstgrenze für die Ausführung einer Frühoperation 
nimmt F. 36 Stunden nach Beginn der ersten erheblichen Krankheits- 
erscheinungen an; bei Magen-Darmperforationen muß innerhalb der 
ersten 12 Stunden operiert werden, wenn Erfolg erwartet werden soll. 

Der operative Eingriff hat zwei Hauptaufgaben: 1) den Ausgangs- 
punkt der Infektion zu beseitigen; 2) vorhandenes entzündliches Exsudat 
zu entleeren und durch die dauernde Ableitung nach außen die weitere 
Resorption von Giftstoffen ins Blut zu verhindern. Kleine Schnitte, 
die bis auf ein kleines Drainloch geschlossen werden, sind ausreichend. 

Bei der diffusen gonorrhoischen Peritonitis, die einer spontanen 
Ausheilung fähig ist, ist die Frühoperation unnötig. Ihre Erkennung 
ist oft nicht leicht, da sie stürmisch einsetzt und schwere Erschei- 
nungen macht. 

Eine besondere Stellung nimmt die Appendicitis ein. Bei der 
Appendicitis simplex hält F. eine Frühoperation für überflüssig, bei 
der Appendicitis destructiva (gangr. perfor.) mit eitriger Peritonitis 

39** 


1146 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 


soll stets in den ersten 36 Stunden operiert werden. Fälle, welche 
später in chirurgische Behandlung kommen, müssen individuell behan- 
delt werden; ein prinzipieller Standpunkt läßt sich für die im Inter- 
mediärstadium befindlichen Fälle nicht formulieren. Verf. macht sein 
Handeln von der Blutuntersuchung abhängig: bei 20000 Leukocyten 
und darüber operiert er, bei 15000 oder darunter wartet er ab. 

Das beste Mittel, um den Organismus widerstandsfähig zu machen, 
wenn abgewartet werden muß, sind permanente Kochsalzinfusionen in 
den Mastdarm, mehrere Liter am Tage. Opium ist zu verwerfen. 

Ist ein Abszeß deutlich nachweisbar, so soll er geöffnet werden; 
der Wurmfortsatz ist dann in der Regel nicht entfernbar. 

Langemak (Erfurt). 





13) w. H. Battle. The necessity for the removal of the 


appendix after perityphlitic abscess. 
(Lancet 1908. Juli 11.) 

Verf. vertritt folgenden Standpunkt: Die Behandlung des perity- 
phlitischen Abszesses wird am sichersten in zwei Stadien vorgenommen: 
1) die Entleerung des Eiters und die Drainage des Abszesses; 2) die 
Entfernung des Wurmfortsatzes. Die Ansicht derer, die glauben, daß 
der Wurmfortsatz durch seine Eiterungen obliteriere, erweist sich für 
einen bedeutenden Prozentsatz der Fälle als irrig. Die Schnittführung 
Verf.s durch die Rectusscheide mit stumpfer Retraktion des Rectus 
medialwärts erwies sich zwecks Vermeidung späterer Hernien als die 
beste. H. Ebbinghaus (Dortmund). 


14) Runge. Appendicitis während der Schwangerschaft, 
Geburt und Wochenbett. 
(Berliner klin. Wochenschrift. 1908. Nr. 27.) 

Die Appendicitis während der Schwangerschaft ist eine seltene 
Erkrankung. Der Einfluß der Schwangerschaft auf den Verlauf einer 
Appendicitis ist kein ungünstiger; da jedoch der Wurmfortsatz mit 
dem Blinddarm durch die Schwangerschaft in die freie Bauchhöhle 
verlagert wird, kann die Entzündung verhängnisvoller als sonst werden. 
Es ist nicht erwiesen, daß die Schwangerschaft zur Rezidivierung einer 
Appendicitis prädisponiere. Viel ungünstiger ist der Einfluß der Appen- 
dicitis auf die Schwangerschaft: in 54,5% wurde dieselbe frühzeitig 
unterbrochen, und zwar zumeist wenige Tage nach dem ersten Anfall. 
Die Mütter sind noch mehr gefährdet als die Früchte; von den ope- 
rierten Fällen starben 45%, von den nichtoperierten 24%. — Obwohl 
die Adnexentzündungen meist doppelseitig sind, kommen Verwechs- 
lungen von rechtsseitiger Adnexerkrankung und Appendicitis nicht 
selten vor. In verdächtigen Fällen ist stets eine gleichzeitige Messung 
der Temperatur in der Achselhöhle und dem Mastdarm vorzunehmen; 
zeigen sich hierbei erhebliche Unterschiede, von 1,0—2,6°, so spricht 
dies also für Appendicitis. — Die Komplikation von Schwangerschaft 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 1147 


und Appendicitis ist immer eine sehr ernste. Je früher eingegriffen 
wird, um so besser die Prognose. Die Schwangerschaft wegen einer 
Appendicitis zu unterbrechen, wäre unbedingt falsch. Der Eintritt 
der Geburtstätigkeit des Uterus verschlechtert die Prognose der Appen- 
dicitis um ein bedeutendes. Selbst wenn schon Symptome einer 
allgemeinen Peritonitis vorhanden sind, muß noch operiert werden. 
Daneben gebe man bis zur Operation Morphium in kleinen Dosen, 
um das Eintreten eines Aborts oder einer Frühgeburt zu verhindern. 
Tritt die Unterbrechung der Schwangerschaft doch ein, so gestaltet 
sich die Prognose um so günstiger, ein je längerer Zeitraum zwischen 
Operation und Geburt bzw. Abort verstreicht. 

Besteht eine Appendicitis beim Eintritt einer Geburt, so ist 
sofortige Operation angezeigt. Die Prognose ist auch hier ernst. Die 
Indikationen zur Vornahme der Appendektomie im Wochenbett sind 
die gleichen wie außerhalb desselben. Langemak (Erfurt). 


15) Christel. Zur Diagnose der Appendicitis im Bruchsack. 
(Straßburger med. Zeitung 1908. Hft. 5.) 

©. berechnet, daß in 8-9% der Schenkelbrüche der Wurmfortsatz 
als Inhalt vorkommt. Häufig gibt er zu Störungen des Befindens 
Veranlassung, da er sich leicht entzündet, wenn er den alleinigen 
Bruchinhalt bildet. An den Druckstellen der Bruchpforte kann sich 
ausgesprochene Atrophie aller Schichten des Wurmes ausbilden. Meist 
kommt es dann infolge Entzündung zu sekundärer Einklemmung. 

Für die primäre Einklemmung kann nicht der Umstand geltend 
gemacht werden, daß die Entzündung an der Schnürfurche scharf ab- 
setzt. Denn es ist sehr gut denkbar, daß die Entzündung nur an 
dem im Bruchsack gelegenen und somit vielen Schädigungen aus- 
gesetzten Teile sich abspielt. Solch entzündeter Wurmfortsatz kann 
natürlich nach einer Reposition des Bruches auch intraabdominell aus- 
heilen. 

Für eine primäre Einklemmung dürfte nur sprechen: klares oder 
wenig getrübtes Bruchwasser, nicht verwachsener Wurm, feste Ein- 
schnürung, Stauungsfärbung des Organes ohne nekrobiotische Ver- 
änderung, Schlingenbruch des Wurmes ohne Verwachsungen, Mangel 
chronischer Entzündung und Veränderungen in der Schnürfurche in- 
folge Druckes. 

Zur Differentialdiagnose ist der Anamnese eine große Bedeu- 
tung zuzusprechen. Wiederholte Schmerz- oder Schwellungsanfälle, 
Schmerzen in gewissen Stellungen, oder gar entzündliche, phlegmonöse 
Prozesse mit Eiterentleerungen werden für eine Appendicitis im Bruch- 
sack zu verwerten sein. 


C. hat in einem Falle die Wahrscheinlichkeitsdiagnose auf Appendicitis im 
Bruchsack richtig gestellt. Bei einer 47jährigen Frau, die seit 4 Tagen Stuhl- und 
Windsperre hatte, und bei der sich schon früher Eiter aus dem Bruch entleert 
hatte, fand sich im verdickten Bruchsack ein etwa 3 om langes Stück des Wurmes, 

+ 


1148 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 


an der Spitze perforiert. Außerdem kam noch ein dunkel-blaurotes, gut finger- 
kuppengroßes Darmstück zum Vorschein. Nach Abtragung des Wurmes und Re- 
position der Schlinge trat Heilung ein. 

Der abgeschnürte Darm und der eingeklemmte Processus zeigten deutliche 
Unterschiede. Bei ersterem sah man nur akute Schädigungen. Bei letzterem konnte 
man erkennen, daß es sich um eine chronische Entzündung gehandelt hatte. 

E. Moser (Zittau). 





16) R. W. Murray. Hernia its cause and treatment. 99 S. 
London, J. & A. Churchill, 1908. 

Nach M. sind die Hernien alle kongenital angelegt. Der kon- 
genital angelegte Bruchsack ist für Atiologie und Operation der Brüche 
das Wichtigste. Bei Kindern wird in 11% aller Fälle die Tunica 
vaginalis offen gefunden. Der Typus des vollkommen von der Tunica 
vaginalis getrennten Sackes ist also auch angeboren. 

M. hat an Leichen Unteruchungen anstellen lassen, ob sich bei 
Leuten, die keine Hernie haben, noch nicht obliterierte Teile des 
Proc. vagin. testis finden. In der Tat fand Raw unter 200 Leichen 
in 47 Fällen einen derartigen Bruchsack; an diesen 47 Leichen waren 
68 Divertikel. In einem Falle war ein Leisten- und Schenkeldivertikel 
auf beiden Seiten. Meistens war der nicht obliterierte Teil des Proc. 
vagin. ungefähr 1 Zoll lang; die Offnung nach dem inneren Leisten- 
ring war meist äußerst klein. 

Der Befund eines Bruchsackes in der Leistengegend beweist also 
noch nicht, daß der Träger desselben wirklich einen Bruch hat. 

Ob nun eine Hernie zustande kommt, hängt einmal von der Weite 
des inneren Leistenringes und von der Beschaffenheit der Muskulatur 
ab, die mit dem Poupart’schen Band zusammen einen sphinkterartigen 
Verschluß des Kanales bildet. Bei enger Öffnung und guter Musku- 
latur ist die Wahrscheinlichkeit einer Bruchbildung gering, und um- 
gekehrt. Daß in der Pubertät so viele Leistenbrüche entstehen, kommt 
daher, daß in dieser Zeit die Muskulatur oft überanstrengt wird und 
nachgibt. 

Die Nagetiere leiden bei offenem und weitem Leistenkanal nicht 
an Hernien, weil die Muskeln den Kanal gut schließen. Bei Pferden 
nehmen die Tierärzte ohne weiteres an, daß Hernien sich nur in einem 
schon vorhandenen Bruchsack ausbilden. Die operative Abbindung 
und Entfernung des Bruchsackes gibt bei Hengsten gute Erfolge. 

Direkte Hernien sollen in 55% doppelt vorkommen. Auch hier 
spielen präformierte Lücken und Ausstülpungen des Bauchfelles eine 
Rolle. Nabelbrüche müssen auch von der Geburt an als Peritoneal- 
ausstülpungen angelegt sein, selbst wenn sie erst später, nach Ent- 
bindungen u. dgl., zur Beobachtung kommen. 

Von den oben erwähnten 68 Peritonealausstülpungen an 200 Lei- 
chen waren nicht weniger als 58 den Schenkelbrüchen entsprechend, 
14 davon bilateral. Die spätere Entwicklung der Schenkelbrüche aus 
den präformierten Divertikeln wird durch die seitliche Entwicklung 
des Beckens und durch Schwangerschaft begünstigt. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 1149 


Bei Flaschenkindern wählt M. zur Operation möglichst den 3. Monat. 
Handelt es sich um Brustkinder, so wartet er bis zum Alter von 
8 Monaten. Bis dahin wird ein Bruchband getragen. Im Einzelfalle 
kann natürlich davon abgewichen werden. 


Bei der Operation kindlicher Leistenhernien unterbindet und exstir- 
piert M. nur den Bruchsack möglichst hoch und näht dann die Apo- 
neurose. Die Beziehungen des Bruchsackes kindlicher Brüche zur 
Tun. vagin. werden eingehend besprochen. Bei Unvollständigkeit des 
Descensus und der Entwicklung des Hodens hat M. diesen oft abge- 
tragen, bisweilen auch in den Bauch versenkt. 


Wenn nur für gründliche Entfernung des Bruchsackes Sorge ge- 
tragen wird, dann hat man mit allen Operationsverfahren gleich guten 
Erfolg. M. selbst legt in Trendelenburg’scher Hochlagerung den 
Bruchsackhals frei, der meistens verdickt ist, befestigt und unterbindet ihn. 
Dann wird die durchschnittene Aponeurose unter Ubereinandernähen 
der Wundränder wieder vereinigt, derartig, daß sie gerade über dem 
unterbundenen Bruchsack doppelt liegen. Die Stelle des äußeren 
Leistenringes wird besonders mit einer Naht gesichert.. Bei Isolierung 
des Bruchsackes soll der Genitocruralnervr nicht beschädigt werden, 
da sonst der Cremaster gelähmt wird und der Hoden herabhängt. 

Nach 2 Wochen läßt M. die Operierten aufstehen und nimmt 
— wohl im Widerspruch mit vielen anderen Chirurgen — an, daß 
eine Bassinioperation die Kranken viel länger ans Bett fesselt. 

Rückfälle will er bei Leuten unter 40 Jahren nicht, bei solchen 
über 40 an 2 von 31 Operierten gesehen haben. 

Bei großen Brüchen älterer Personen hat M. den Versuch ge- 
macht, den Bruchinhalt mittels eines eingenähten Polsters zurück- 
zuhalten, hat aber keine ermutigenden Erfolge zu verzeichnen. 


Bei Schenkelbrüchen wird außer der möglichst hohen Abbindung 
des Bruchsackes das umgebende Fett sorgfältig entfernt. Bei Nabel- 
brüchen wird die Aponeurose zusammen mit dem Bauchfell mit einigen 
Matratzennähten von oben nach unten übereinander genäht, nachdem 
das Bauchfell grundsätzlich eröffnet ist. 

Eine Nachfrage bei Arzten verschiedener Länder der Welt hat 
ergeben, daß Hernien bei allen Völkern weit verbreitet sind. In 
einigen Gegenden kommen Schenkelbrüche seltener vor. 

Zum Schluß sind M.’s operative Resultate der letzten 3 Jahre 
kurz zusammengestellt. 

Das kleine Buch ist sehr lesenswert, selbst wenn man in manchem 
anderer Ansicht ist.als der Verf. Eine Reihe guter Bilder erläutern 
den Text. E. Moser (Zittau). 


ni mn 


1150 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 


17) H. M. W. Gray. Motor functions of the stomach (a) in 
normal cases, (b) after gastroenterostomy, as demonstrated 
by X-rays. 

(Lancet 1908. Juli 25.) 

Die X-Strahlenbeobachtung des Magens nach Wismutmahlzeiten ist 
nach Verf. als die wahrscheinlich beste Methode für das Studium seiner 
Motilität zu betrachten. Der Röntgenschirm gibt die brauchbarsten 
Beobachtungsresultate, und auch eine Zeichnung mit dem Orthoradio- 
graphen ist dem Röntgenogramm vorzuziehen. Die Momentphoto- 
graphie wird nach ihrer röntgenographischen Vervollkommnung wahr- 
scheinlich die besten Resultate zu geben imstande sein. 14 sehr 
interessante Röntgenogramme und Zeichnungen illustrieren die Beob- 
achtungen Verf.s, der zu folgenden Schlüssen kommt: 1) der Magen 
ist in seiner natürlichen Form nicht von der allgemein angenommenen 
Gestalt; 2) der Magen ist ein aus zwei Abteilungen, und zwar aus 
einem kardialen und einem pylorischen Teil bestehendes Organ; die 
Grenze zwischen beiden wird durch einen physiologischen Spinkter ge- 
bildet; 3) die beiden Magenteile arbeiten zum großen Teil unabhängig 
voneinander; 4) während der Verdauung behält die kardiale Portion 
in großer Ausdehnung ihre Sackform, wobei nur ihr distaler Teil 
sichtbare Peristaltik aufweist; im Gegensatz dazu ist die pylorische 
Portion von tubulärer Form und zeigt während der Zeit starke peri- 
staltische Wogen in ihrer gesamten Ausdehnung; 5) um die physio- 
logischen Verhältnisse möglichst aufrecht zu erhalten, bzw. wieder 
herzustellen, sollte die künstliche Gastroenteroanastomose im pylorischen 
Rohr angelegt werden. Das, was Murphy u. a. als zweckmäßig 
auf Grund ihrer Erfahrung empfehlen, vermag Verf. durch exakte, 
direkte Beobachtung zu bekräftigen und als rationell zu beweisen; 
6) Verf. bezweifelt sehr, daß bei nicht vorhandener aktueller Striktur 
des Pylorus der Mageninhalt eher durch den Pylorus zu gehen neigt, 
als durch eine laterale Anastomose der Pars pylorica. Diese Annahme 
ist zwar weit verbreitet, erhält jedoch durch Verf.s Beobachtungen 
keine Stütze. 

Verf. verwandte zu seinen Versuchen das reine Bismuth. carbon. 
Irgendwelche nachteiligen Folgen des Salzes, das natürlich in großen 
Quantitäten genommen werden muß, sind nicht beobachtet. Verun- 
reinigungen des Salzes haben indessen anderwärts zu Vergiftungs- 
erscheinungen geführt. H. Ebbinghaus (Dortmund). 


18) Roith. Die physiologische Bedeutung der einzelnen Dick- 

darmabschnitte, zugleich ein Beitrag zur Lehre von der Anti- 
peristaltik. | 

(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XIX. Hft. 1.) 

Experimente und röntgenologische Untersuchungen an Tieren haben 

bewiesen, daß die verschiedenen Abschnitte des Dickdarmes sich in 

bezug auf ihre Funktion sehr verschieden verhalten; im Coecum, Colon 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 1151 


ascendens und proximalen Teil des Colon transversum, finden antiperi- 
staltische Bewegungen statt, um den Darminhalt lange Zeit festzuhalten 
bis zu genügender Einwirkung. Der distale Teil des Colon transversum 
und Colon descendens dienen zum raschen Weitertransport des einge- 
dickten Kotes, und sind frei von antiperistaltischen Bewegungen, 
während solche wieder im Colon sigmoideum vorzukommen scheinen. 
R. machte es sich nun zur Aufgabe, diese Tatsachen am Menschen 
nachzuprüfen, teils durch Untersuchung der Füllungszustände in 
Leichen, teils am Lebenden, bei denen Darmausschaltungen im Bereich 
des Dickdarmes ausgeführt worden waren. Er kann die Ergebnisse 
der Tierexperimente nur bestätigen. Für die Praxis ergibt sich daraus 
der Hinweis, daß man für die Ausschaltung des Blinddarmes haupt- 
sächlich die Anastomose zwischen Deum und Mitte des Colon trans- 
versum wählen soll. Die Anlegung einer Kolostomie soll, wenn es sich 
hauptsächlich um Stauung im aufsteigenden Dickdarmschenkel und 
Querkolon handelt, in der Gegend des Blinddarmes erfolgen. Der 
dauernde Kunstafter soll in der Nähe der linken Flexur oder am ab- 
steigenden Dickdarm angelegt werden. Haeckel (Stettin). 





19) J. F. Erdmann. Renal and ureteral calculi complicating 
or simulating appendicitis. 
(New York med. record 1908. März 14.) 

E. bespricht die diagnostischen Schwierigkeiten, die sich bei der 
Unterscheidung zwischen gewissen Fällen von Appendicitis, die ohne 
typischen akuten Anfall zur Beobachtung kommen, und Steinen in den 
oberen Harnwegen ergeben können. Wenn der Stein im Beckenteil 
des Harnleiters liegt oder im Hilus, kann sogar ein reflektorischer 
Schmerz auf Druck an dem McBurney’schen Punkte ausgelöst wer- 
den. Dagegen folgt dem plötzlichen Entfernen der tastenden Hand 
(Blumenberg’s Symptom) nicht der Schmerz wie bei Appendicitis 
nach dem Nabel hin, sondern nach dem Leistenkanal zu, der Richtung 
des Harnleiters entsprechend. Auch bei Husten und tiefer Inspiration 
sollen Steinleiden gewöhnlich nicht schmerzen. Häufig gibt eine exakte 
Urinanalyse Aufschluß. In der Anamnese muß besonders jede Magen- 
Darmstörung als für den Wurmfortsatz sprechend angesehen werden. 
Empfindungen im Gebiet des Genitocruralis, in den Genitalien, der 
Harnröhre, der inneren Oberfläche der Hüfte und des Oberschenkels, 
besonders aber gelegentlicher Harndrang sprechen für Stein, Tem- 
peraturerhöhung für Appendicitis. Bei der Oystoskopie ist bei Stein- 
leiden meist eine Schwellung der betreffenden Harnleitermündung 
bemerkbar. Röntgenographie und Gebrauch eines Harnleiterkatheters 
mit wachsüberzogener Spitze, an der man einen Steineindruck erkennen 
kann, müssen zur Hilfe herangezogen werden. 

Bei Steinen im Beckenteil des Harnleiters zieht Verf. einen trans- 
peritonealen Eingriff zur Lokalisierung vor, entfernt aber den Stein 
durch einen anschließenden kleinen extraperitonealen Schnitt vom 


1152 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 


äußeren Rande der ersten Inzision ausgehend. Bei hohem Sitz folgt 
E. in der Schnittrichtung den Angaben von Israel, untersucht aber 
auch hierbei, ‚vorausgesetzt, daß die Harnorgane nicht infiziert sind, 
durch eine Öffnung im Bauchfell jedesmal den Wurm. 
Drei instruktive Fälle von Komplikationen der Appendicitis mit 
Steinleiden vervollständigen die Abhandlung. 
Loewenhardt (Breslau). 


20) E. Liek. Experimentelles über Kollateralkreislauf der 
Niere. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCILL. p. 101.) 

Für die Frage nach der Möglichkeit der Wirksamkeit der Ede- 
bohls’schen Nierenenthülsung bei Morbus Brightii, desgleichen der der 
Talma’schen Operation nachgeahmten Netzeinhüllung der enthülsten 
Niere (»Epiplonephroplastik«) sind die Verhältnisse des Kollateral- 
kreislaufes der Niere von fundamentaler Wichtigkeit; denn nur in 
dem Falle, daß, wie Edebohls und seine Anhänger annehmen, von 
den Nierenkapselgefäßen aus eine Ernährung des Nierengewebes statt- 
finden kann, kann von der Möglichkeit einer Wirksamkeit der Opera- 
tionen die Rede sein. Zahlreiche sorgfältige, von L. an Kaninchen 
und Katzen zum Studium der Nierenblutzirkulation ausgeführte Ver- 
suche setzen L. instand, zu diesen Fragen ein wohlbegründetes Ur- 
teil abzugeben, das aber, kurz gesagt, zuungunsten der fraglichen 
Operationen und deren hypothetischer Grundlage ausgefallen ist. 

L. berichtet zunächst über Vorversuche, die ein Bild von der 
Art und Ausdehnung der normalerweise vorhandenen Nierenkollateralen 
geben. Entweder wurden lebenden Tieren beide Gefäße einer Niere 
doppelt unterbunden und durchschnitten — dann ergab nach ver- 
schieden langer Zeit die anatomische Untersuchung, wieviel von solchen 
Nieren nekrotisch geworden war —, der nicht nekrotisch gewordene 
Anteil verdankt seine Erhaltung den Kollateralen. Oder man inji- 
ziert am eben getöteten Tiere — wieder nach Unterbindung der 
Nierengefäße — Farbstofflösungen in die Aorta; dann sind die in 
der Niere zu findenden injizierten Gefäßbezirke durch die Kollateral- 
gefäße gefüllt. L.’s Resultate gehen dahin, daß außer den großen 
Nierengefäßen im Nierenhilus eine Reihe kleinerer Gefäße eindringen, 
die teils sich von Gefäßen des Harnleiters abzweigen, teils aber Ast- 
chen der Nierenarterie selbst sind, die diese vor ihrer Verzweigung 
am Hilus abgibt. Allerdings treten auch von außen, d.h. von der 
Fettkapsel aus, Astchen nach der Niere; aber stets sind die Hilus- 
kollateralen viel stärker als die Kapselkollateralen, und ob die Kapsel- 
kollateralen der Regel nach mit den Hiluskollateralen anastomosieren, 
ist sehr zweifelhaft. Jedenfalls erhält aber die Capsula propria vom 
Hilus aus mehr und größere Gefäße als von der Fettkapsel aus. 

Tierversuche verschiedener Autoren zur Prüfung, ob mittels ein- 
facher Nierenenthülsung ein ausgiebiger Kollateralkreislauf zu er- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 1153 


reichen ist, haben mit wenigen Ausnahmen ein negatives Resultat er- 
geben. Auch L. hatte bei acht Tieren ein gleiches Resultat, er geht 
aber auf diese Versuche nicht näher ein. Dagegen berichtet er ein- 
gehend über den Verlauf der Versuche mit der »Epiplonephroplastik«. 
Die Versuchstechnik besteht darin, daß die lumbal freigelegte Niere 
zunächst enthülst wird. Dann wird das Bauchfell eröffnet, das Netz 
um die nackte Niere herumgelegt und das Ganze in die freie Bauch- 
höhle versenkt. Von den Nierengefäßen wurden bald beide, bald nur 
die Vene unterbunden — teils gleichzeitig mit der Netzplastik, teils 
verschieden lange Zeit später. Einem Teil der Tiere wurde dann 
späterhin noch die unverletzte Niere exstirpiert. Die Versuche er- 
gaben, daß die Netzeinhüllung der enthülsten Niere allerdings die 
Folgen der Gefäßunterbindung für das Organ etwas weniger schwer 
gestaltet, es werden bei dem Verfahren kleinere Teile des Organes 
nekrotisch; L. hat aber nicht gefunden, daß dies auf Bildung neuer 
Gefäßbahnen bzw. Verbindungen zwischen Netz- und Nierengefäßen 
beruht, niemals hat er auch nur einen Glomerulus von den Kapsel- 
kollateralen aus injiziert gefunden. Seinen Befunden widersprechende 
Ansichten anderer Experimentatoren unterzieht L. genauer Kritik und 
führt aus, daß es andere Gründe sind, worauf es beruht, daß tatsäch- 
lich die Epiplonephroplastik günstig wirkt. Er findet sie darin, daß 
das umhüllende Netz die Niere oder wenigstens Teile derselben länger 
lebensfähig erhält, auch ohne direkte Zuführung von Blut, etwa durch 
Osmose. Während der Zeit, wo die Niere auf diesem Wege vor dem 
schnellen Absterben geschützt wird, könnten sich die unversehrten Hilus- 
kollateralen genügend erweitern, um wenigstens einige Teile des Or- 
gans zu erhalten. Daß sich neue Gefäßversorgungen der Niere vom 
Netze bzw. der von diesem gebildeten neuen Kapsel herstellen, be- 
streitet L. entschieden. Wenn auch die Ergebnisse der Tierexperi- 
mente nicht ohne weiteres auf den Menschen übertragbar sind, be- 
zweifelt Verf. doch die Nützlichkeit der gegen die chronische Ne- 
phritis bei diesem empfohlenen Operationen. 
Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


21) W. H. Thomson. Acute invasion of the kidneys by the 
bacillus coli. 
(New York med. record 1908. März 21. 

T. macht darauf aufmerksam, daß nicht nur einige Fälle von 
‚chronischer Nierenerkrankung ihren Ursprung wiederholten leichten In- 
fektionen vom Nahrungskanal aus verdanken, sondern daß auch ein 
‚ganz besonderer Typus einer akuten fieberhaften Nierenerkrankung 
von einer Invasion mit Bacillus coli herrühre. Der Beginn setzt 
plötzlich mit Schüttelfrösten, eventuell mit Delirium und schweren 
zerebralen Symptomen unter hohem Fieber ein; sehr schlechtes All- 
gemeinbefinden ist gewöhnlich zu beobachten, Koma kann folgen. Vor 
allem sei daher eine Gastroenteritis bei bestehender chronischer 


1154 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 


Nephritis zu fürchten, weil hier die genannte Infektion ganz besonders 
nachteilig wirke. Zu beachten ist dabei die anfängliche Oligurie. 
Den gewöhnlichsten Anlaß zur renalen Koliinvasion geben die 
späteren Stadien des Typhus, in denen vermutlich der Darm besonders 
leicht durchgängig ist. Auch chronische ulzerative Kolitis gibt eine 
günstige Infektionsgelegenheit ab, ebenso Darmstörungen bei Influenza. 
Bei der Sektion findet man die Nieren ganz mit Koliherden durchsetzt. 
Diagnostisch ist wichtig gegenüber anderen Nierenerkrankungen: der 
weiche Puls, Mangel an Odemen und Fehlen von Konvulsionen, da- 
gegen häufiges Delirium oder so tiefes Koma, daß dann die vom Verf. 
erprobte Medikation durch den Mastdarm appliziert werden muß, 
nämlich zweistündlich ein Klistier von 120 g halbprozentiger Lösung 
von Urotropin mit !/,% Natron benzoicum; letzteres soll die Reiz- 
wirkung des Urotropins auf die Harnorgane verhindern. Heiße 
Kochsalzklistiere oder Infusionen gegen die Oligurie sind wiederholt 
anzuwenden. In allen Fällen, wo der Pat. schlucken kann, ist vorher 
0,6 Kalomel gleichzeitig mit einem anderen starken Abführmittel (irgend 
eine Komposition mit Jalappe) zu verabreichen und die Wirkung ab- 
zuwarten. Loewenhardt (Breslau'. 


Kleinere Mitteilungen. 


22) Blecher. Über die Behandlung akut entzündlicher Erkrankungen 
mit künstlicher Hyperämie (auf Grund von 500 Fällen). 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIII. p. 402.) 


B. hat seine Erfahrungen in dem Garnisonlazarett Straßburg i. E. gesammelt, 
in welchem er im Berichtsjahre 1906/07 alle auf die äußere Station in Zugang ge- 
kommenen entzündlichen Erkrankungen nach Bier behandelte, mit Ausnahme 
der ganz leichten Fälle. In Anwendung kam das Verfahren mit Sauggläsern nur 
in einem Teile der behandelten Furunkel, sonst wurde die Staubinde benutzt, die, 
vormittags angelegt, bis zum anderen Morgen liegen blieb, um dann für einige 
Stunden abgelegt zu werden. Meist wurden die dünnen Binden gebraucht, nur 
am Oberschenkel dickere Sorten. Für Stauung am Halse wurde die Binde mit 
einer Tour einer Mullbinde unterfüttert, am Oberarm wurde die Binde bei Ell- 
bogenbeugung angelegt, sonst wird sie, da der Unterarm meist gebeugt getragen 
wird, leicht zu fest. Die vorhandenen Wunden wurden täglich in einfacher Weise 
verbunden, daneben von meist halbstündigen heißen Seifenbädern ein ausgiebiger 
Gebrauch gemacht. B. sieht den Hauptvorteil der Hyperämiebehandlung darin, 
daß sie es erlaubt, ohne große Inzisionen und ohne Tamponade auszukommen. 
Sie bewirkt auch ein rasches Nachlassen der Schmerzen, eine rasche Ausstoßung 
der nekrotischen Teile, schnelles Aufhören der Eiterung und kürzt so die Heilungs- 
dauer ab. Die gleichsam ausspülende Wirkung der Stauung infolge des durch sie 
erzeugten Odems ersetzt die Tamponade. Das Endresultat ist eine erfreulich kleine 
Narbe und selteneres Auftreten von Gelenkversteifung, also auch ein funktionell 
besseres Resultat. Nebenbei wird auch erheblich an Verbandstoffen gespart. 

Nach der allgemeinen Besprechung geht B. die einzelnen Erkrankungen durch. 
Unter den behandelten 123 Furunkeln sind besonders 9 Oberlippen- und 13 Gesichts- 
furunkel bemerkenswert, bei denen durchgehends die Staubehandlung (am Halse) 
ohne Inzision sehr zufriedenstellend wirkte. Ebenso befriedigte bei Leistendrüsen- 
und anderen Drüsenentzündungen die Saugglasbehandlung, wo teils nur Stich- 
inzisionen, teils gar keine Einschnitte erforderlich waren. Betrefis der — im ganzen 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 1155 


105 — in Behandlung gekommenen Panaritien, die auch sämtlich mit Staubinde ver- 
sorgt wurden, interessieren besonders die 16 ossalen Panaritien am Nagelglied. In 
der Hälfte der Fälle gelang Heilung ohne Sequesterbildung. Von 7 Sehnenscheiden- 
panaritien, die mit kleinen, die Sehnenbänder schonenden seitlichen Einschnitten 
behandelt wurden, sind wenigstens 3 mit völliger Beweglichkeit ausgeheilt. Hier 
ist die seröse Durchtränkung der Gewebe infolge der Stauung von Bedeutung, da 
sie einer Austrocknung der Sehne entgegenwirkt. Bei drei Fällen von Osteomyelitis 
war der Behandlungserfolg mäßig, B. glaubt, daß die Gefäße des Knochens und 
Knochenmarkes nicht sicher durch die Staubinde beeinflußt werden können. De- 
gegen ist wieder Günstiges von dem Stauverfahren bei eitrigen Bursitiden (zehn 
präpatellare Fälle) zu sagen, wo Schwellung und Schmerzen rasch zurückgehen 
und Eiterentleerung durch kleine Stichinzision gelingt. Auch heilten mehrere Ge- 
lenkeiterungen (Fingergelenke, ein Ellbogengelenk) mit völliger Beweglichkeit aus. 
Mangelhafte Erfolge finden sich durchgehends nur bei Streptokokkeneiterungen, 
bei denen es leicht auch zu sekundärem Erysipel kommt. Doch ist hervorzuheben, 
daß, wie überhaupt, so auch bei den Streptokokkeneiterungen unter der Stau- 
behandlung niemals allgemeine Sepsis beobachtet ist. B. sieht hierin eine mecha- 
nische Wirkung der Staubinde, die durch Absperrung der Blut- und Lymph- 
gefäße eine große Bedeutung für die Verhütung einer Allgemeininfektion hat. 
Zum Schluß teilt B. noch 66 Fälle frischer Verletzungen mit, in denen nach 
aseptischer Wundversorgung prophylaktisch gestaut wurde. Wennschon in sieben. 
Fällen eine Wundvereiterung nicht vermieden wurde, glaubt B. doch, daß das 
Verfahren nicht nutzlos gewesen ist. Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


23) Dieulafoy. Escarres multiples et recidivantes depuis deux ans et 
demi aux deux bras et au pied. Amputation du bras gauche. Dis- 
cussion sur la nature de ces escarres. Pathomimie. 

(Bull. de l’acad. méd. 1908. Nr. 23.) 


D. behandelt die interessante Geschichte eines 30jährigen Simulanten, welcher 
sich durch 21/2 Jahre mittels Wiener Atzpaste zuerst am linken, dann am rechten 
Arme und am Fuße künstlich Hautgangrän erzeugte, ohne daß irgendeine eigen- 
nützige oder gewinnsüchtige Absicht ersichtlich war. Der körperlich und geistig 
sonst völlig gesunde Pat. wanderte von Arzt zu Arzt, von Klinik zu Klinik und 
war vorerst den verschiedentlichsten konservativen Behandlungsmethoden unter- 
worfen worden. Schließlich führte ihm ein Chirurg die blutige Dehnung des 
Plexus axillaris aus, und als dies auch erfolglos blieb, die Amputation des linken 
Oberarmes (!). 

Da er nicht zu bewegen war, in Krankenhausbeobachtung zu bleiben oder die 
Art der Entstehung der Geschwüre zu Hause beobachten zu lassen, war ein Er- 
tappen auf der Tat ausgeschlossen. Auch die Möglichkeit eines chemischen Nach- 
weises war durch sorgfältige Entfernung der Reste des Atzmittels verhindert 
worden. Schließlich gestand er D. die Wahrheit nach dem Vorhalt, daß er bisher 
als Kranker betrachtet werde, bei weiterem Leugnen jedoch als Betrüger gelten müsse, 
dessen sich die Gesellschaft entledigen werde. Er gab nun an, daß er unter stetigem, 
inneren Zwange gehandelt habe, »wie eine Maschine«, ohne zu wissen warum. 
Er vergleicht den Zwang mit dem eines Morphinisten und glaubt, daß, wenn es 
zur Fortsetzung der Simulation nötig gewesen wäre, er sich auch das Bein hätte 
abnehmen lassen. Jetzt sei er für seine Heilung sehr dankbar. 

D. nennt diese Krankheit nach einem Vorschlage von P. Bourget Patho- 
mimie (wıueouc: = simulieren). Neugebauer (Mährisch-Ostrau). 


24) Clairmont. Zur Kenntnis der hyperalgetischen Zone nach Schuß- 
verletzungen. 
(Mitteilungen a. d. Grenzgebieten d. Medizin u. Chirurgie Bd. XIX. Hit. 1.) 


In einem Falle der v. Eiselsberg’schen Klinik konnte 3 Wochen nach einem 
Schuß in die rechte Schläfe und bei Sitz des Geechosses im hintersten Teile der 


1156 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 


rechten Augenhöhle eine symmetrische hyperalgetische Zone des Halses und der 
Brust beobachtet werden, die mit Weahrscheinlichkeit auf eine Verletzung der 
Radix sympathica des Ganglion ciliare zurückzuführen war. 

In einem zweiten Falle wurde nach leichter Commotio cerebri eine einseitige 
parästhetische und hyperästhetische Zone am Scheitel gefunden. 

Diese Beobachtungen sind eine Bereicherung unserer Kenntnis der zuerst von 
Wilms festgestellten, später von Vorschütz u. a. bestätigten Erfahrungen. 
Warum bei einseitiger Sympathicusverletzung die hyperalgetischen Zonen bald 
einseitig, bald doppelseitig sind, ist unklar. 

Der Arbeit beigegeben ist eine sehr instruktive Zusammenstellung der bisher 
beobachteten Fälle in figürlichen Skizzen, so daß man mit einem Blicke das Gesetz- 
mäßige dieser Hyperalgesien: Freibleiben des Trigeminusgebietes, erkennen kann. 

Haeckel (Stettin). 


25) K. Herschel. Ein Kühlapparat und seine Verwendung bei akuten 
Warzenfortsatzentzündungen. 
(Med. Klinik 1908. p. 829.) 

H. führt Leitungswasser durch eine von Eis umgebene Schlangenröhre, von 
da zu einer sich der Ohrmuschel anschmiegenden und durch Bänder befestigten 
Bleihohlplatte und schließlich durch ein Endrohr ab (Abbildung). Die gleich- 
mäßige Kälte schränkt die Blutüberfüllung im entzündeten Warzenfortsatz ein und 
lindert die Schmerzen; die Knocheneiterung, die bei jeder schweren akuten Mittel- 
ohrentzündung vorhanden ist, heilt aus, sofern nicht bereits durch Eiterverhaltung 
Knochenmasse zerstört ist. 21 Kranke wurden so behandelt. Der eine ging an 
Miliartuberkulose ein, doch hatte sich, wie das Präparat ergab, das örtliche Leiden 
gebessert. 17 andere heilten ohne Operation aus. Dreien wurde der Warzenfort- 
satz aufgemeißelt. 

Der Kühler paßt auch für Hoden- und Brustwarzenentzündungen. 

Georg Schmidt (Berlin). 


26) R. Rister. Über operative Methoden der Entfernung von Fibromen 
des Nasen-Rachenraumes. 
(Russisches Archiv für Chirurgie 1907. [Russisch.)) 

R. verficht den Standpunkt, Pat. mit diesen Geschwülsten bis zu dem kri- 
tischen Alter, in dem diese Neubildungen sich spontan zurückzubilden pflegen, 
hinzuhalten mit Methoden, die möglichst geringe Verletzungen bedingen. Zu 
denen rechnet er naturgemäß die, die auf natürlichem Wege, d. h. durch Mund 
und Nase vorgehen. 

Ein 23jähriger Bauer kam mit einem Fibrom, das zum rechten Nasenloch 
hervorragte und den weichen Gaumen stark nach unten drängte. Die Nasen- 
wurzel war verbreitert, das rechte Auge beiseite gedrängt. Es gelang du Bou- 
cher (Für die Richtigkeit der Schreibweise dieses Namens kann Ref. nicht ein- 
stehen, da der Autor ihn mit russischen Lettern so geschrieben hat, wie er aus- 
gesprochen wird) nach »prophylaktischer temporärer (!) Ligatur beider externen 
Carotiden« die ganze Geschwulst teils mit Unterstützung von der Nase her durch 
den Mund zu entfernen. Die Blutung stand nach ihrer Entfernung. 

vV. E. Mertens (Kiel). 


27) Ostwalt. Quatre années de pratique des injections profondes 
d’alcool cocaine dans les nevralgies et dans lhemispasme facial. 
(Bull. de l’acad. de med. 1908. Nr. 16.) 

Verf. hat in 152 Fällen von Gesichtsschmerz gegen 2000 Einspritzungen von 
Kokainalkohol mit großem Erfolg ausgeführt. Nur in 8% dieser Fälle widerstand 
das Leiden dieser Behandlung. Auch in 20 Fällen von halbseitigem Gesichts- 
krampf und bei zahlreichen Neuralgien der peripheren Nerven haben sich diese 
Einspritzungen bewährt. Neugebauer (Mährisch-Ostrau). 


Zentralblatt für Chirurgie Nr. 39. 1157 


28) J. K. Spisharny. Zur Frage von der Nervenplastik bei Facialis- 
lähmung. 
(Russki Wratsch 1908. Nr. 25.) 


Pat. erhielt am 20. August 1906 mehrere Schußwunden, u. a. eine 3 bis 3,5 cm 
unter dem rechten inneren Augenwinkel mit Verletzung des rechten Ohres und 
Facialis. Im November fand man das Geschoß hinter dem rechten Ohr unter der 
Haut und entfernte es. Vollständige Lähmung des rechten Gesichtsnerven. 14. De- 
zember 1906 Operation. Schnitt am vorderen Rand des Kopfnickers, man findet 
den Facialis am Eintritt in die Parotis, dann den N. accessorius; letzterer wird durch- 
schnitten, ersterer bloß längs gespalten und das zentrale Ende des Accessorius in 
die Spalte hineingelegt und die Nervenscheiden vernäht. Vom 10. Januar begann 
man mit der Elektrisation. März 1908: Funktion der Facialis wieder hergestellt, das 
Auge wird gut geschlossen, alle Bewegungen des Gesichts sind möglich, nur die 
Stirnmuskeln arbeiten in begrenztem Maße. Auch das Platysma myoides wird 
gut kontrahiert. — In der Literatur sind jetzt 77 Fälle beschrieben. — 

Gückel (Wel. Bubny, Poltawa). 


29) F. König. Weitere Erfahrungen über Kieferersatz bei Exartiku- 
lationen des Unterkiefers. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIII. p. 237.) 


Die Arbeit knüpft an eine frühere desselben Verf.s an, über die wir in unserem 
Blatte 1907 p. 1022 referierten. Die Pat., über welche damals berichtet wurde, 
und bei der für die eine exartikulierte Unterkieferhälfte eine im Kiefergelenk 
artikulierende, an dem Unterkieferstumpf durch Anklammerung an Zähnen be- 
festige Metallprothese hergestellt war, befindet sich gut, und ihre Prothese funk- 
tioniert nach wie vor tadellos. 

In einem zweiten Falle, 20jähriger Mann, wurde nach einseitiger Unterkiefer- 
exartikulation wegen Spindelzellensarkoms vom Zahnarzt Roloff in ähnlicher 
Weise für eine Prothese gesorgt: unmittelbar nach der Operation provisorische 
Hartgummiprothese, später definitive Prothese, wobei nur zu bemerken, daß die 
provisorische Hartgummischiene nicht direkt mit Draht an den frisch durchsägten 
Kieferstumpf befestigt ist; vielmehr wurde schon vor der Operation ein Klammer- 
gerüst für die Zähne im zu konservierenden Kieferstumpf konstruiert, mit einer 
Goldgabel zur Aufnahme der Hartgummiprothese, die dann mit dieser Goldgabel 
durch Draht verbunden wird. 

Noch interessanter ist das neue und sicher einen weiteren Fortschritt dar- 
stellende Verfahren, das K. in einem dritten, eine 68jährige, zahnlose Frau be- 
treffenden Fall anwandte. Bei dieser wurde an die Kieferexartikulation sofort die 
Implantation einer elfenbeinernen Prothese gefügt, die unten mit einem nagel- 
oder stiftartigen Fortsatz in die Markhöhle des Kieferstumpfes eingespießt wurde, 
während sie oben mit ihrem gelenkkopfartigen Ende in die Kiefergelenkpfanne 
gesetzt und in ganzer Länge durch die genähte Mundhöhlenschleimhautwunde be- 
deckt wurde. Es erfolgte gute Heilung, in der 2. Woche allerdings leichte ent- 
zündliche Schwellung der Schleimhautwunde, die aber auf eine kleine Inzision und 
Behandlung mit Saugung und Hyperämisierung (warme Breiumschläge) zurückging. 
Das Verfahren, das K. der Einlegung von Eifenbeinstiften bei Frakturen nach- 
gebildet hat, hat sich also völlig bewährt. Der künstliche Kiefer funktionierte 
vom 1. Tage nach der Operation an bis zu dem nach !/, Jahr an Herzschwäche 
erfolgten Tode der Frau vortrefflich, das Kinn stand in der Mitte, von einem Ein- 
fallen der Wange war nichts bemerkbar (cf. Photogramme). Die natürlich schon 
vor der Operation fertiggestellte Elfenbeinprothese war auf Grund einer Röntgen- 
aufnahme geformt — von drei angefertigten Stücken wurde das passendste aus- 
gewählt. K. glaubt, daß solche Prothesen vom Kieferperiost arrodiert werden, 
daß neuer Knochen in sie hineinwächst, daß sie mitbin wirklich einheilen und zu 
dauernden Schienen werden können, und empfiehlt bei zahnlosem Munde diese Ver- 
senkung eines Elfenbeinersatzes als Normalverfahren bei der. Unterkieferexartikula- 


1158 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 


tion. — Die Unterbindung der Carotis externa hat K. stets ausgeführt, in dem 
letzten Falle hat er in die Kiefergelenkhöhle Muskulatur eingeschlagen, zum Schutze 
des Gelenkknorpels. Außer den Photogrammen der behandelten Frau sind auch 
solche der Elfenbeinprothese der Arbeit beigegeben. 

Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


30) P. Paterson. The treatment of spina bifida by drainage of cerebral 
subdural space. 
(Lancet 1908. August 15.) 

Verf. operierte ein ca. 2 Monate altes Kind mit großer Meningomyelokele 
zunächst in der typischen Weise, indem er den Sack exstirpierte. Der Erfolg war 
unbefriedigend, die Zerebrospinalflüssigkeit sickerte binnen kurzer Zeit aus den 
Stichkanälen hervor. Nunmehr trepanierte P. das rechte Scheitelbein und klappte 
einen Duralappen auf und um, den er über die Knochenkante an das Perikranium 
enheftete; primärer Verschluß der Wunde. Nach erheblichem Ödem in der Wund- 
gegend, das einige Tage währte, primäre Heilung und Aufhören jeglicher Flüssig- 
keitsabsonderung im Rücken. Leider litt das Kind auch noch an Hydrocephalus, 
der ständig zunahm. Zu dem Zweck eröffnete P. auch noch die linke Schädel- 
seite, um von hier aus mit Hilfe einiger durch die Hirnsubstanz vor den motori- 
schen Zentren in die linken Hirnventrikel durchgeführten Seidenfäden eine stän- 
dige Ventrikeldrainage in das perikranielle Gewebe einzuleiten. 

Das Kind starb, örtlich gebessert, nach 3 Wochen; insbesondere die Spina 
bifida war in bestem Zustande mit Heilungs- und Ossifikationsneigung. Die Ope- 
ration stand nach Verf. nicht mit dem Tode in Zusammenhang. 

H. Ebbinghaus (Dortmund). 


31) W. Hinrichs. Behinderung der Atmung und der Nahrungs- 
aufnahme durch eine zu große Thymus bei einem 10 Wochen alten 
Kinde. Operation. Heilung. 

(Berliner klin. Wochenschrift 1907. Nr. 17.) 

Die Diagnose wurde vor der Operation gestellt. Längsschnitt über der Mitte 
der Incisura jugularis. Nach stumpfer Ablösung der Thymus von der Kapsel wird 
ein ca. 2mandel großes Stück entfernt, danach ruhige Atmung, weshalb der Rest 
der Drüse zurückgelassen wird. Dieses Vorgehen ist nach Verf. zu empfehlen, 
der auf Grund der von anderen Autoren gemachten Erfahrungen (Wiedergabe der 
Krankengeschichten von sieben Fällen) noch folgende Ratschläge für Thymusopera- 
tionen gibt: Möglichste Schonung des Thymusgewebes; zunächst soll man versuchen 
die Thymus in ihrer Kapsel vorzuziehen und festzunähen (Ektopexie). Wo dies 
nicht ausreicht, Eröffnung der Kapsel und sparsame Enukleation von Gewebe. 
Erweist sich auch dies Vorgehen als unzulänglich, soll man durch Resektion eines 
Teiles des Brustbeines günstigere räumliche Verhältnisse zur Entfaltung des 
Thymusgewebes schaffen, nicht die ganze Drüse entfernen. 

Langemak (Erfurt). 


32) Grünberg. Über den günstigen Einfluß des innerlichen Gebrauches 


von Jodkali auf die Tuberkulose der oberen Luftwege. 
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. LIII. p. 346.) 

G. teilt eine Reihe von Fällen aus der Körner’schen Klinik in Rostock mit 
bei denen auf Grund des makroskopischen Befundes und der histologischen Uuter- 
suchung exzidierter Stückchen Schleimhauttuberkulose diagnostiziert wurde, und 
bei denen die Anwendung von Jodkali neben schonender Lokalbehandlung Heilung 
berbeiführte. Wenn nun auch einzelne Fälle von Schleimhautlupus spontan aus- 
heilen können, und wenn auch andererseits Jodkali keineswegs alle Fälle von 
Schleimhauttuberkulose günstig beeinflußt, so hält G. doch das Jod für ein wich- 
tiges Hilfsmittel bei der Behandlung der genannten Erkrankung. 

Hinsberg (Breslau). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 1159 


33) R. Sievers. Ein Fall von Embolie der Lungenarterie, nach der 


Methode von Trendelenburg operiert. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIII. p. 282.) 

S. hatte Gelegenheit, in der Leipziger Klinik die von Trendelenburg zur 
Entfernung von Embolis aus der Lungenarterie erdachte Operation beim Lebenden, 
einer 48jährigen Frau, zur Ausführung zu bringen, wobei er sich genau an die von 
Trendelenburg in d. Ztbl. 1908 p. 92 beschriebene Methode hielt. Die glückliche 
programmäßige Vollendung dieser neuen imponierenden Kunstleistung der Chirurgie 
verdient von jedem Fachmann im Original studiert zu werden. Die Kranke hatte 
eine entzündliche Unterleibserkrankung (Perityphlitis oder Gallensteinaffektion ?) 
nebst Pneumonie durchgemacht und wurde als Rekonvaleszentin von der Embolie 
betroffen. Der sofort herbeigerufene Arzt konnte 20 Minuten später mit der Ope- 
ration beginnen, durch die er aus dem linken Pulmonalisaste zwei fingerdicke und 
21 bzw. 15 cm lange Blutgerinnsel entfernen konnte. Atmung und Herzaktion 
wurde wiederhergestellt, waren aber beschleunigt und blieben ungenügend, so daß 
Pat. nach 15 Stunden freilich unterlag. Eine völlige Sektion durfte nicht gemacht 
werden; doch ergab eine Revision der Wundgegend auch einige Emboli der rechten 
Pulmonalisverzweigung, die mutmaßlich der Grund der voraufgegangenen rechts- 
seitigen Lungenentzündung bzw. Infarzierung gewesen sind. Die Operation hatte 
ohne Sauerbruch’schen bzw. Brauer’schen Apparat stattgefunden und einen 
linksseitigen Pneumothorax bewirkt, der aber bei der Leichenuntersuchung bereits 
ganz geschwunden befunden wurde. Demnach sind die genannten Apparate für 
Trendelenburg’s Operation auch nicht notwendig, unentbehrlich aber für sie 
ist natürlich die Gegenwart sachkundiger Krankenpflege, die, sofort die Situation 
bei von Embolie betroffenen Kranken erkennend, den Arzt alarmieren kann, die 
stete Dienstbereitschaft eines für die Operation eingeübten Chirurgen und endlich 
ein für die Aufgabe ausreichendes und aseptisch gehaltenes Instrumentarium. 

Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


34) C. Goodman and S. Wachsmann. The surgical treatment of al- 


veolar pulmonary emphysema. 
(New York med. record 1908. Mai 16.) 

W. bespricht die operative Behandlung des auf Thoraxdilatation beruhenden 
alveolären Emphysems. 

Auf den Zusammenhang gewisser Lungenkrankheiten mit primären Rippen- 
knorpelanomalien machte vor 50 Jahren bekanntlich Freund speziell für Tuber- 
kulose aufmerksam. Zuletzt wurden auf der Dresdener Naturforscherverseammlung 
1907 von Pässler und Seidel und von Stieda den beiden bisher bekannt ge- 
wordenen Fällen von Freund'scher Operation bei Lungenemphysem zwei neue 
Fälle hinzugefügt. 

Verf. fügt nach einem kurzen Resümee den bisherigen (Fall Kraus; Fall 
Mohr-Bramann-Haasler) vier neue eigene Fälle hinzu. Schließlich wird noch 
der von M. Cohn in der Berliner klin. Wochenschrift 1908 Nr. 10 beschriebene 
neunte Fall erwähnt. 

Zur Vermeidung von Rezidiven, die in den ersten operierten Fällen vom Verf. 
beobachtet wurden, wird eine Plastik des stehengebliebenen Perichondriums der 
resezierten Knorpel empfohlen, indem dasselbe über den Rippenstumpf gezogen 
und dort befestigt wird. Loewenhardt (Breslau). _ 


35) F. Wisshaupt. Ein Fall von Hypertrophie der Brustdrüse in der 
Gravidität. 
(Prager med. Wochenschrift 1908. Nr. 26.) 

W. berichtet über einen Fall von Hypertrophie beider Brustdrüsen in der 
Schwangerschaft. Die betreffende Frau war zum dritten Male schwanger. In der 
zweiten Schwangerschaft nahm die Hypertrophie bereits solche Dimensionen an, 
daß im 7. Monate die Einleitung der Frühgeburt vorgenommen werden mußte. 


1160 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 


W. entschloß sich diesmal im 4. Monate zur Amputation beider Brüste; die 
rechte wog 5700 g, die linke 6500 g. Heilverlauf normal. Pat. wurde von einem 
lebenden Kind entbunden. A. Hofmann (Karlsruhe). 


36) Thövenot et Alamatrine. Contribution à l’etude de la maladie 


kystique de Reclus. 
(Province méd. 1908. Nr. 25.) 

Die Reclus’sche Geschwulst, d. h. das doppelseitig auftretende Fibroadeno- 
kystom der Brustdrüse, von dem Reclus über 160 Fälle beobachtet hat, halten 
Verff. für eine Geschwulst rein entzündlicher Natur. Die Proliferation der Drüsen- 
zellen hat keinen bösartigen Charakter. T. hat zwei Fälle mit gutem Erfolg ope- 
riert. Einer ist seit 7 Jahren geheilt. A. Hofmann (Karlsruhe). 


37) L. Marchetti (Mailand). Un caso di rottura totale sottocutanea 
dell’ intestino per contusione addominale. 
(Clinica chirurgica 1907. Nr. 9.) 

Auf 69 Darmverletzungen, welche durch Bauchkontusionen entstanden sind, 
entfielen nach Cahier 1902 nur zwei mit totaler Zerreißung des Darmes, so daß 
die Publikation einer neuen Beobachtung gerechtfertigt erscheint. 

18jähriger Deichgräber wird in einem engen Graben von abrutschender Erd- 
masse auf der linken Bauchhälfte getroffen, während der Rücken an die harte 
Wand angepreßt wird. Sofort ins Krankenhaus geschafft, zeigt er folgenden Be- 
fund: Kollapserscheinungen nebst Perforationssymptomen in der linken Bauchseite 
ohne eine äußere Verletzung. Nach Koffein- und Kochsalzinfusionen wird 11/3 Stunden 
nach dem Trauma der Leib links von der Medianlinie in lokaler Anästhesie er- 
öffnet. Mäßige Blutaustritte im Unterhautzellgewebe, die tieferen Muskelpartien 
teilweise gequetscht. In der Bauchhöhle wenig geronnenes Blut, kein Kot, keine 
Exsudation; auf den ersten Blick auch keine Veränderung der Darmschlingen bis 
auf leichte Rötung; das große Netz anscheinend normal. Erst in der Fossa iliaca 
sinistra erscheint plötzlich ein vollkommen abgelöster Ileumstumpf, an einem 
längsgerissenen Mesenterium hängend, mit ringsum überquellender Schleimhaut. 
Etwa 15 cm höher oben findet sich nach längerem Suchen der andere Stumpf, von 
gleichem Aussehen. Einzelne kleine Gekrösgefäße bluten, einige Klümpchen und’ 
Tropfen Blutes werden entfernt; kein Kot oder Nahrungsbrei. Vereinigung der 
Darmenden mit einem Knopfe termino-terminal. Ein kleinerer oberflächlicher 
Einriß am Ileum, 6 cm abwärts der Rißstelle, wird noch übernäht. — Tod nach 
43 Stunden. Nähte intakt. Akute diffuse septische Peritonitis. 

M. mißt der besonderen Situation des Verunglückten beim Zustandekommen 
der Verletzung die Hauptschuld bei. Für die rasche Ausbreitung des Prozesses 
ist auch zu bedenken, daß die Darmenden sehr auseinander gerissen waren und 
also große Partien des Bauchfelles infizieren konnten. J. Sternberg (Wien). 


38) Ss. F. Wilcox. Inunction of jodoform in tuberculous peritonitis. 
'New York med. record 1908. Mai 2.) 

W. führt drei Fälle von Peritonealtuberkulose an, welche er erfolgreich mit 
Jodoformeinreibungen auf die Bauchhaut behandelt haben will. Eine 10xige 
ätherische Lösung des Mittels wird etwa mit der vierfachen Menge Olivenöl oder 
Lebertran vermischt und früh und abends längere Zeit eingerieben. In dieser 
Ferm soll das Medikament von der Haut absorbiert werden können. 

Loewenhardt (Breslau). 


39) O. Klauber. Fortschritte in der Perityphlitis- und Peritonitis- 
behandlung. 
(Med. Klinik 1908. p. 1056.) 


Die allgemeine Erniedrigung der Sterblichkeitszahl bei den Operationen des 
Lübecker Allgemeinen Krankenhauses (Roth) erklärt sich aus der Zunahme der 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 1161 


Eingriffe am Wurmfortsatz, deren Aussichten immer bessere geworden sind. Das 
beruht auf Abänderungen der Indikationen und der Technik. Die Appendicitis 
ist in jedem Krankheitsabschnitt unbedingt sofort, und zwar möglichst gründlich 
zu operieren. Auch im Spätstadium und bei ausgedehnter Erkrankung der Bauch- 
höhle gewährleistet den bestmöglichen Erfolg nur der gründliche Eingriff: Ent- 
fernung des Wurmfortsatzes, Durchmusterung der Bauchhöhle — ohne Scheu vor 
der etwaigen Lösung von Verklebungen —, Eröffnung aller Eiterherde, Ableitung 
der Absonderungen durch an den richtigen Stellen angelegte zweckmäßige Drainage 
— durch mit Gaze umwickelte starrwandige durchlochte Gummidrains. Dieses 
Verfahren im Verein mit sorgfältiger Nachbehandlung drückte die Sterblichkeit 
der im Spätstadium zur Operation kommenden Kranken von 23 auf 4 vom Hundert, 
die der an Bauchfellentzündung Leidenden von 57 auf 5 vom Hundert herab. Trotz 
gründlichen Operierene sind auch die Fernergebnisse besser: Die Einschnitte wurden 
bis auf ein kleines Löchelchen zur Primaheilung gebracht, und Fisteln blieben nie 
zurück. Georg Schmidt (Berlin). 


40) F. Weber. Appendicitis und Gravidität. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIII. p. 292.) 

W., Dozent an der medizinischen Akademie in St. Petersburg, berichtet über 
fünf Fälle von Appendicitis bei Schwangeren aus eigener Beobachtung, die sämtlich 
operiert wurden. In zwei dieser Fälle hatten die im 3. Monate schwangeren Frauen 
leichtere subakute Entzündungsanfälle, die zunächst exspektativ behandelt wurden. 
Dann nach ca. 2-3 Wochen Appendektomie, im Intervall, die ohne die Schwanger- 
schaft zu unterbrechen glatt heilte. Die drei übrigen Pat., Schwangere von 3, 5 
und 6 Schwangerschaftsmonaten betreffend, hatten eitrige Appendicitiden und 
wurden im Anfall operiert. Nur einmal fand sich der Abszeß nebst dem brandigen, 
perforierten und kotsteinhaltigen Wurm an normaler Stelle. — Die betreffende 
Kranke befand sich die ersten Tage bedenklich, doch heilte die zunächst stark 
eiternde Wunde, und wurde die Schwangerschaft ausgetragen, ein zurückgebliebener 
Narbenbauchbruch wurde durch Operation beseitigt. Im nächsten Falle wurde in 
der Nierengegend ein extraperitonealer Abszeß eröffnet, nachdem ein Bauchhöhlen- 
schnitt in der Blinddarmgegend außer leichten Verwachsungen am Blinddarm 
nichts ergeben hatte. Glatte Heilung ohne Unterbrechung der Schwangerschaft. 
Im letzten Falle fand sich ein sehr hoch gelegener Abszeß, gut von Därmen und 
Netz eingekapselt, dessen Situs dadurch erklärt wird, daß der hoch steigende Uterus 
den Blinddarm mit nach oben genommen hatte. Nach Appendektomie und Gaze- 
drainage Heilung, doch erfolgte in der Nacht nach der Operation eine verfrühte 
Entbindung. Den Fällen von Schwangerschaftsappendicitis ist noch ein Fall von 
Appendicitis puerperalis hinzugefügt, der, 2 Wochen nach der Entbindung ein- 
getreten, bei konservativer Behandlung genesen ist. 

Der Mitteilung der eigenen Kasuistik hat W. eine Allgemeinbesprechung der 
Schwangerschaftsappendicitis unter Verwertung der einschlägigen Literatur (Ver- 
zeichnis derselben von 36 Nummern zum Schluß der Arbeit) voraufgeschickt, aus 
der manches Interessante zu entnehmen ist. Im ganzen ist die Appendicitis bei 
Schwangeren selten, so daß in der letzten statistischen Arbeit über sie nur 104 Fälle 
vorliegen. Teils werden chronisch appendicitisch kranke Frauen selten schwanger, 
teils übt eine Gravidität durch die Hyperämie der Bauchorgane eine Art Schutz 
gegen Wurmfortsatzerkrankung aus. Andererseits könnte allerdings die häufige 
Stuhlträgheit der Schwangeren zu Appendicitis prädisponieren. Im allgemeinen 
sind auch speziell die schwereren Appendicitisformen selten. Verursachung von 
Abort oder Frühgeburt durch Appendicitis, wobei Zerrung vorhandener Ver- 
wachsungen, auf die Genitalien übergehende Eiterung oder pyämische Infektion 
mit Mitbeteiligung des Placentarkreislaufes von Bedeutung sind, kommt vor, braucht 
aber nicht notwendig einzutreten, und ist über die Häufigkeit dieses Ereignisses 
nichts Sicheres statistisch feststehend. Jedenfalls verwirft W. den von McArthur 
aufgestellten Grundsatz, vor etwaigen Operationen stets einen künstlichen Abort 
einzuleiten. Die Diagnose und Differentialdiagnose wird nicht immer leicht, die 


1162 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 


Prognose stets als ernst anzusehen sein. Therapeutisch lehnt W. den Standpunkt, 
in jedem Fall von Appendicitis bei Schwangerschaft eine Frühoperation zu fordern, 
ab. Nur da, wo mit Wahrscheinlichkeit eine akut eitrige Entzündung anzunehmen 
ist, soll ohne Zeitverlust operiert werden. Liegen leichtere, subakute Fälle vor, 
so soll deren Rückgang abgewartet, dann aber im Intervallstadium bei noch be- 
stehender Schwangerschaft appendektomiert werden. 

Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


41) Fiaschi. The radical treatment of sliding hernia. 
(Australasian med. Gazette 1907. November 20.) 


Sliding Hernia wird der Vorfall von Eingeweiden oder Eingeweideteilen ge- 
nannt, die keinen peritonealen Überzug haben. Nach Bull und Coley kam bei 
der Bassini’schen Methode auf acht derartige Fälle ein Rezidiv, während sonst 
bei 1076 Bassinioperationen die Zahl der Rückfälle 0,55% betrug. Wahrscheinlich 
ist die Zahl der Rezidive aber noch größer. Bei drei rezidivierenden Hernien 
nach Radikaloperation wurden bei der nochmaligen Operation die Bedingungen 
dieser bruchsacklosen Hernien gefunden. 

Die Operation derartiger Hernien muß nach F. darin bestehen, die betreffenden 
Organe an die Bauchwand zu befestigen. Er benutzt dazu McBurney’s winkelige 
»gridiron« Inzision. Die Entblößung der parietalen Wand von Bauchfell braucht 
nicht weit ausgedehnt zu werden, noch nicht halb soweit, als es nach Lenormant 
zur Befestigung des vorgefallenen Mastdarmes notwendig ist. Nach unten zu läuft 
der Schnitt in den zur Bassini'schen Operation notwendigen aus. F. hat auf 
diese Weise mit Erfolg operiert. 

Bei einem 55jährigen Mann mit vorübergehend eingeklemmtem linksseitigen 
Leistenbruch fand sich ein Teil des vorgefallenen Colon descendens ohne Bruch- 
sack. Außer Bassini wurde noch oberhalb die laterale Oberfläche des Dick- 
darmes an Fascie und Muskulatur der Bauchwand angenäht. 

E. Moser (Zittau). 


42) P. Keimer. Zur Behandlung der inkarzerierten Hernien, speziell 
bei Gangrän und Gangränverdacht. 
Inaug.-Disse., Rostock, 1908. 


Unter 106 Inkarzerationen der Rostocker Klinik war Gangrän des Darmes in 
45 Fällen eingetreten = 42%; 33mal bei Schenkel- und 11mal bei Leistenbrüchen., 
30 Fälle entfielen auf Frauen, 15 auf Männer. Bei Schenkelbrüchen trat die Gan- 
grän also Smal so oft ein. 

Zum Tode führten von den gangränösen Brüchen 19 = 42%. Bei Kindern 
fehlten Fälle von Darmbrand ganz; im 8. Jahrzehnt dagegen kam Brand in 70% 
der Fälle vor mit 80% Mortalität. Nach Übernähung wurde 3mal die Radikal- 
operation angeschlossen, ohne Todesfall. Überhaupt sind mit der Übernähung 
günstige Erfahrungen gemacht worden. — Unter vier Vorlagerungen führte einer 
zum Tode. Dagegen endeten vier Fälle von künstlichem After alle tödlich, bei 
allen war der After aber als Ultima ratio angelegt worden. 

Die primäre Darmresektion wurde 27mal, also in 60% der Gangränfälle, aus- 
geführt mit 11 Todesfällen = 40%. Neue Fälle erforderten Nachoperationen (Anus 
praeternaturalis, Enteroanastomose). 

Die Operationen wurden in Narkose oder Lumbalanästhesie vorgenommen. 

E. Moser (Zittau). 


43) L. Fischel. Kurzer Beitrag zum Kapitel der Motilität des Magens. 
(Prager med. Wochenschrift 1908. Nr. 22.) 

F. sucht durch zwei Fälle die Beobachtung zu erhärten, daß der Speisebrei in 
bezug auf die Motilität des Magens durchaus keine homogene Masse darstellt, 
sondern daß seine Komponenten ungleich schnell weiter befördert werden. Ferner 
sucht F. nachzuweisen, daß die Aziditätsbestimmung mit Rücksicht auf die schicht- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 1163 


weise Ablagerung des Speisebreies keine einheitliche sein kann, wie Koritschan 
annimmt, sondern daß z. B. bei ein und demselben Probefrühstück, das in vier 
gesonderten Ausheberungen entleert wurde, die Azidität in jedem von diesen vier 
Proben ganz erheblich variierte. A. Hofmann (Karlsruhe). 


44) Thelemann. Beitrag zu den postoperativen Magen-Darmblutungen. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCII. p. 80.) 

T. beobachtete in zwei eigenen Fällen sehr erhebliche postoperative Darm- 
blutungen. In Fall 1 hatte er einem 30jährigen Unteroffizier wegen eitriger Blind- 
darmentzündung den fest verklebten und perforierten Wurmfortsatz exstirpiert, 
wobei das Netz in keiner Weise beteiligt war. Durchaus regelrechter Wundverlauf, 
bis sich am 13. Tage unter heftigem Stuhldrang blutige Stühle einstellten, die mit 
einer kurzen Unterbrechung bis zum 18. Tage anhielten. Es bestand zeitweise 
quälender Stuhldrang, die Stühle waren sehr zahlreich, ganz wie bei Ruhr. Puls 
und Kräftezustand wurden aber nur wenig beeinflußt, und Pat., der früher nie an 
Darmblutungen gelitten hatte, genas völlig. In Fall 2 war Pat., ein Landmann, 
dessen Alter nicht angegeben ist, wegen Peritonitiserscheinungen 19 Stunden nach 
Erleiden eines Hufschlages gegen den Bauch laparotomiert worden. Aus der Bauch- 
höhle hatte sich überall hin verbreitete eitrige kotvermischte Flüssigkeit entleert, 
am Colon descendens war eine quere Zerreißung durch die vordere Hälfte des 
Darmes gefunden, welche nach Abtragung vorgefallener Schleimhautränder durch 
Naht geschlossen war unter Bildung eines kleinen Hämatomes. Ausgiebige Drainage, 
Zusammenziehung der Bauchwunde mit Silberdraht. Der stark kollabierte Mann 
erholte sich unter täglicher Anwendung von Kochsalzinjektionen, erlitt aber eben- 
falls am 13. Tage Darmblutungen, und zwar schwerster Art. Er hatte zwei manns- 
faustgroße frische Blutgerinnsel ohne Kotbeimengung entleert und war fast bis 
zur Pulslosigkeit kollabiert. Behandlung mit Kochsalzinjektionen und Einspritzung 
Merck’scher Gelatinelösung. Die nächsten 3 Tage wiederholten sich noch Blutungen 
in geringerem Grade, der Endausgang war auch in diesem Falle gut. Der Sitz 
der Blutung kann bei ihm nur in unmittelbarer Nähe der genähten Darmwunde 
gesessen haben. 

Seine Fälle unter Berücksichtigung der einschlägigen Literatur epikritisch 
besprechend, erklärt T. dieselben nach v. Eiselsberg durch Annahme von auf- 
steigenden Thrombosen in venösen oder auch arteriellen Gefäßen nahe der Opera- 
tionsstelle, gefolgt von Embolien in Darmgefäße, die zu Darmulzeration Anlaß 
gaben. Meinhard Schmidt (Cuxhaven!. 


45) T. Voeckler. Eine seltene Form innerer Inkarzeration. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIII. p. 381.) 

Interessante Beobachtung aus dem städtischen Krankenhause Magdeburg-Alt- 
stadt (Direktor Dr. Habs). Die Laparotomie einer 63jährigen Frau wegen Ileus 
ergab Einklemmung von zwei Dünndarmschlingen in einer von einer Tube ge- 
bildeten Schlinge. Die betreffende Tube war stark in die Länge gezogen, der 
linken Seite angehörig, aber mitsamt dem ihr entsprechenden Eierstock, der in 
eine fast kindskopfgroße Dermoidcyste verwandelt war, nach rechts herüberge- 
schlagen, wo die Cyste mit der Hinterfläche des breiten Mutterbandes und mit der 
Beckenwand verwachsen war. Extraktion der kaum veränderten Darmschlingen, 
Ovariotomie, Heilung. V. hebt das sehr seltene Vorkommen von durch Tuben 
bewirkten Einklemmungen vor, sowie auch den Umstand, daß hier eine »schlaffe« 
Darmeinklemmung vorlag, was bei innerer Einklemmung sehr ungewöhnlich ist. 

Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


46) Becker. Über den Strangulationsileus (»über dem Bande). 
(Med. Klinik 1908. p. 826.) 
Geschichte einer akuten, mit Erfolg operierten Dünndarmabschnürung über 
einem Netzstrange (Abb.). Mehrere Monate vorher waren zwei Anfälle von Schmerzen 
in der Magengegend und Erbrechen aufgetreten. Vermutlich waren dieses die 


1164 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 


ersten Erscheinungen einer nach schleichend und unbemerkt abgelaufener Wurm- 
fortsatzentzündung zurückgebliebenen Netzstrangverwachsung. Der Strang, der breit 
und beweglich vom Netz herkam, setzte sich nach hinten ohne besondere Eigen- 
tümlichkeit spitzwinkelig an der Darmwand, an der dem Gekrösansatze gegenüber- 
liegenden Stelle an. Hier war das Gekröse auffällig verkürzt und verdickt, der 
Darm so der Wirbelsäule beträchtlich genähert. Georg Schmidt (Berlin). 


47) E. Schmidt. Über die Entstehung eines Mesenterium ileocolicum 
commune. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIII. p. 198.) 


S. beschreibt aus dem hygienischen Institut in Posen, pathologisch-anatomische 
Abteilung, zwei Sektionsbefunde. Der erste betrifft einen 18jährigen Mann, der, 
in bereits nicht mehr operationsfähigem Zustand im Krankenhause aufgenommen, 
an Ileus gestorben war. Die Obduktion ergab eine Achsendrehung des Blinddarmes 
um 360°, dadurch ermöglicht, daß das Colon ascendens zusammen mit dem Ileum 
an einem gemeinsamen Mesenterium saß. Außerdem fanden sich zahlreiche ab- 
norme Verwachsungen des Dickdarmes unter sich und mit den Nachbarorganen ; 
und zwar verläuft das Kolon von der Pylorusgegend des Magens an hinter diesem 
und dicht vor der hinteren Bauchwand über die linke Niere hinweg unter Bildung 
kleiner Schlängelungen, als wäre es durch Narben verschnürt. Auf Grund dieser 
Befunde nimmt S. eine fötale Peritonitis an, die den Darm vorzeitig festlegte, seine 
freie Entfaltung hinderte und zur Bildung des gemeinsamen Mesenteriums Anlaß 
gab. Der zweite Fall betrifft ein einjähriges Mädchen, das, den größten Teil seines 
Lebens im Krankenhause verbringend, das klinische Bild der Pylorusstenose, be- 
ziehentlich übermäßiges Erbrechen nach jeder Mahlzeit gezeigt hatte. Bei der Sektion 
zeigte sich der Pylorus auch in der Tat unwegsam, aber nicht durch Muskelhyper- 
trophie usw., sondern durch Druck eines Darmes von außen. Der Blinddarm war 
am Übergange in das Colon ascendens nach oben geknickt. und lag mächtig auf- 
gebläht auf dem Pylorus, diesen zusammendrückend. Starke Darmmuskelhypertrophie 
oberhalb der Knickungsstelle sprach für langes Bestehen dieser Dislokation. Dabei 
war der geknickte Blind-Dickdarm abnorm beweglich und auch abnorm lang. Denn 
wenn er der normalen Lage genähert wurde, reichte er noch 4 cm weit unter das 
rechte Poupart’sche Band hinab. Auch die Flexura coli sinistra und das Colon 
sigmoideum sind schlingenartig stark verlängert. Das auch in diesem Falle vor- 
handene gemeinsame Mesenterium ileo-colicum will S. nun auf die zu große Länge 
des Dickdarmes zurückführen. Er nimmt an, daß die letztere imstande ist, die 
Verwachsung des Mesokolon, bzw. die retroperitoneale Befestigung des Colon 
ascendens an richtiger Stelle zu hemmen, was für Erhaltung des Mesenteriums in 
überabnormer Länge ausschlaggebend ist. Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


48) W. A. Oppel. Über die operative Heilung äußerer Kotfisteln. 
(Russisches Archiv für Chirurgie 1907. [Russisch.)) 


O. bespricht die Frage nach verschiedenen Richtungen und führt im ganzen 
neun Fälle an, die sämtlich anzuführen sich hier erübrigt. 

Einen Beweis dafür, wie fest die Bauhin'sche Klappe schließen kann, bringt 
folgender Fall S. P. Fedorow’s, dem nach O. einzigen in der Literatur be- 
kannten, in dem am Menschen die Monprofit’sche Operation ausgeführt wurde. 
Wegen Karzinom wurden das halbe Querkolon, Colon descendens und ein Stück 
der Flexur entfernt, Das Querkolon wurde geschlossen, sodann eine Ileumschlinge 
durchtrennt und die beiden Enden getrennt voneinander in die Flexur eingepflanzt. 
Die Folge war, daß das Colon ascendens sich füllte und bei steigender Dehnung 
die Verschlußstelle des Querkolon nachgab und zum Ausgangspunkt einer Perito- 
nitis wurde. Aus dem Blinddarm in das Ileum hatte nichts übertreten können. 

Für Fisteln im Bereiche des Ileum empfiehlt O., gestützt auf die Versuche 
von S. R. Mirotwórzew, die Anwendung künstlicher Klappen. Er macht eine 
Ileokolostomie, durchschneidet aber nicht den zwischen der Anastomose und dem 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 1165 


auszuschaltenden Bezirk liegenden Ileumteil, sondern bildet in ihm eine >»Klappe«. 
Über die Technik ist kein Wort gesagt, doch scheint aus einer (stark schema- 
tischen) Zeichnung hervorzugehen, daß es sich um eine Strikturbildung durch 
Einschnürung handelt. Durch die Autopsie konnte O. nachweisen, daß diese 
Stelle für Kot absolut undurchgängig gewesen war. V. E. Mertens (Kiel). 


49) F. Schilling. Eingeweideprolaps infolge erhöhten Innendruckes. 
(Med. Klinik 1908. p. 903.) 

Ein Mann, der wiederholt an Blutungen aus äußeren und inneren Hämorrhoiden 
gelitten hatte und derzeit verstopft war, sprang 4 Stufen einer Treppe herab. Dabei 
empfand er einen heftigen Schmerz und hatte sich einen ‚nicht unbedeutenden 
Mastdarmvorfall zugezogen. Die Rücklagerung gelang unschwer. 

Die gesteigerte Bauchpresse vermag nur auf entsprechend vorbereitetem Ge- 
biet einen Mastdarmbruch hervorzurufen. Georg Schmidt (Berlin). 


50) C. Goebel. Über Rektumstrikturen. 
(Med. Klinik 1908. p. 1014.) 

1) Mastdarmverengerung bei einem jungen Mädchen, bei der die mikrosko- 
pische Untersuchung und das Forschen nach Spirochäten im Stiche ließ und erst 
die Feststellung des gleichen Leidens auf luetischer Grundlage bei der Mutter 
Klarheit brachte. 2) Tuberkulöse Mastdarmstenose ohne Fistel durch submuköse 
Entwicklung tuberkulösen Granulationsgewebee mit nachheriger Verkäsung; 
teilweiser Ausheilung und narbiger Schrumpfung. 3) Echte tuberkulöse Trichter- 
stenose des Mastdarmes ohne reichliche Durchfälle. 4) Ausgiebige Stenose des Mast- 
darmes unbekannter Ursache, geheilt durch Kolostomie ohne Anwendung von 
Spülungen. 5) Mastdarmverengerung nach gynäkologischer Operation; Kreuzbein- 
resektion, Längsschnitt in den freigelegten Mastdarm, quere Vernähung, Wegfall 
der Beschwerden. 

Für die Spülbehandlung der Proctitis ulcerosa wird ein dickes doppelläufiges 
Rohr (H. Haertel-Breslau) empfohlen. Georg Schmidt (Berlin). 


51) A. Exner. Über nichtmelanotische Sarkome des Mastdarmes, 
(Med. Klinik 1908. p. 858.) 

In den Hochenegg’schen Kliniken wurden in den Jahren 1900—1906 unter 
500 bösartigen Mastdarmgeschwülsten 6 Sarkome, darunter 2 Melanosarkome beob- 
achtet. Ein Drittel der Mastdarmsarkome sind nicht melanotisch., Kranken- 
geschichten zweier mit günstigem Ergebnis Operierter; das eine Mal konnte der 
Erfolg noch nach 1 Jahr bestätigt werden, obgleich die ganze Darmwand von 
der Geschwulst durchsetzt war (Abbildung des operativ gewonnenen Präparates). 
Es waren Kleinrundzellensarkome. 

Von Hämorrhoidalknoten können Sarkome ausgehen; in zwei Fällen von Myo- 
sarkom des Mastdarmes (Krankengeschichten, Abbildungen des Spindelzellengewebes) 
gelang die Operation; freilich starb der eine Kranke bereits nach mehreren Mo- 
naten am Rückfall. Georg Schmidt (Berlin). 


52) Lotsch. Die subkutane Milzzerreißung und ihre Behandlung. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIII. p. 90.) 

L. berichtet über vier in einem (!) Jahre (1907) im Krankenhaus (Magdeburg- 
Altstadt) beobachtete Milzzerreißungen, von denen zwei durch Laparotomie und 
Milzexstirpation geheilt wurden. Ein dritter Pat., durch Eisenbahnwagenpuffer 
verletzt, die auch Rippenbrüche veranlaßt hatten, ist ebenfalls splenektomiert, starb 
aber an Herzschwäche, und ebenso starb der vierte Kranke, der die Operation ver- 
weigert hatte, und zwar an Blutungen aus einem geplatzten Aneurysma der Dick- 
darmwand, das wahrscheinlich auch durch das erlittene Bauchtrauma veranlaßt war. 
Als hervorstechendstes Symptom der Milzzerreißung erwies sich eine hochgradige 
Anämie. Berücksichtigung der Anamnese, dazu Krämpfe der Bauchmuskeln, Dämp- 


1166 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 


fung in der Milzgegend, das bildet — neben der Anamnese — ein eine richtige 
Diagnose sehr wohl gestattendes Bild. Die Operation läßt sich sehr rasch aus- 
führen, L. brauchte in den zwei von ihm selbst versorgten Fällen bis zur Ab- 
klemmung des Milzstielee, mit welcher die operative Hauptaufgabe erledigt ist, 
nur 10 bzw. sogar nur 5 Minuten. Der Schnitt werde am Außenrande des linken 
M. rectus bzw. durch dessen Substanz hindurchgeführt. Bestätigte sich die Dia- 
gnose durch den Befund des Bilutergusses in der Bauchhöhle und durch Tastung 
von Rissen in der Milz, so ist es zweckmäßig, einen ausgiebigen Querschnitt im 
8. Interkostalraum hinzuzufügen, wobei die Knorpel der 9. und 10. Rippe unter 
sorgfältiger Schonung der Pleura zu resezieren sind. 

L. geht kurz auf die Statistik der Milzzerreißungen ein. Sie lehrt, daß als 
einzig rationelle Behandlung die sofortige Laparotomie anzusehen und die Splen- 
ektomie der Splenorrhaphie und Tamponade vorzuziehen ist, besonders weil meistens 
Risse am Milzhilus vorhanden sind, welche mit Naht und Tampon nicht sicher 
versorgbar sind. Die Blutbildung wird durch die Milzentfernung nur vorüber- 
gehend gestört; der eine Genesene L.’s hatte bereite nach 14 Tagen normalen 
Hämoglobingehalt und normale Erythrocytenzahl; ebenso fand L. bei seinen Re- 
konvaleszenten weder Lymphdrüsenschwellungen noch Druckempfindlichkeit der 
langen Röhrenknochen. Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


53) V. E. Watkins. Traumatic rupture of the spleen with report 
of a case. 
(New York med. record 1908. März 14.) 
W. berichtet über einen Fall von traumatischer Milzruptur, die mit Erfolg 
- durch Laparotomie und Tamponade behandelt wurde. Von der Splenektomie 
wurde nach Angabe wegen schlechten Allgemeinbefindens auf dem Operationstisch 
abgesehen, um den Eingriff möglichst abzukürzen. Loewenhardt (Breslau). 


54) E. Bircher. Die Chirurgie der nichtparasitären Milzcysten. 
(Med. Klinik 1908. p. 999.) 

An der Hand einiger 50 veröffentlichten Fällen wird das pathologische und 
klinische Krankheitsbild besprochen. Es wurde 833mal operiert, meist mit gutem 
Erfolge. Das Verfahren der Wahl ist die Resektion der Cyste oder die völlige 
Entfernung der Milz mit der Cyste. Der letztgenannte Eingriff ist bei einiger 
Vorsicht technisch einfach, wurde 15mal vorgenommen und führte stets zu voller 
Heilung, ohne daß das Fehlen der Milz nachträglich Beschwerden machte. Litera- 
turverzeichnis. Georg Schmidt (Berlin). . 


55) Couteaud. Sur un cas curieux d'’abcès gazeux du foie compliqué 
d’hepatoptose. 
(Bull. de l’acad. de med. 1908. Nr. 24.) 


Ein Referat Le Dentu’s über obige Beobachtung, einen 59jährigen Tropen- 
offizier betreffend, der 2 Jahre durch Schmerzen in der rechten Schulter geplagt 
war. Fieber, Druckschmerzhaftigkeit der von früher her herabgesunkenen Leber 
und blutiger Auswurf führten schließlich zur Diagnose, die durch Probepunktion 
bestätigt wurde. Peripleurale Eröffnung von hinten durch den 11. Interkostalraum 
bei verwachsenen Pleuren. 

Der eitrige Inhalt war mit Gas gemischt, das von einer Kommunikation des 
Abszesses mit einem Bronchus herrührte. Heilung. 

Le Dentu bemerkt hierzu, daß der Gasgehalt der Leberabszesse auch idio- 
pathisch auftreten könne und führt hierfür einige Beispiele eigener Beobachtung an. 

Neugebauer (Mährisch-Ostrau). 


56) Michaux. Volumineux £pithelioma de la vesicule biliaire. 
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXIII. p. 658 ff.) 


Es handelte sich um eine mannskopfgroße Geschwulst, die vor der Operation 
als vom Eierstock ausgehend angesprochen war. Um sie auszulösen, mußte ein 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 1167 


Leberstück reseziert s Verwachsungen mit Netz, großer Kurvatur, Duodenum und 
Colon transversum gelöst werden. Das Mikroskop brachte die oben angegebene 
Diagnose. Pat. überstand die Operation gut. Kaehler (Duisburg-M.). 


57) Ashhurst. Perforation of the gall-bladder during typhoid fever; 
cholecystectomy; recovery. 
(Amer. journ. ot the med. sciences 1908. April.) 


Ausführliche Krankengeschichte zweier Fälle von Perforation der Gallenblase 
bei Typhus, Beide Fälle wurden laparotomiert, davon der eine mit Erfolg. Literatur- 
zusammenstellung. Levy (Wiesbaden). 


58) H. Flörcken. Das Fadenrezidiv nach Gallensteinoperationen. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIII. p. 310.) 


In der Würzburger Klinik (Prof. Enderlen) kam eine früher von Schön- 
born wegen Empyem und Steinen cholecystotomierte Kranke zu erneuter Opera- 
tion, welche diesmal in Ektomie bestand. In der exstirpierten Gallenblase befanden 
sich außer zwei freien Gallensteinen, die wahrscheinlich bei der früheren Operation 
zurückgelassen waren, drei Konkremente, in welchen Fäden — offenbar den Fixa- 
tionsnähten bei der früheren Operation entsprechend — enthalten waren. Die 
Konkremente bestanden aus gemischtem Cholesterinpigmentkalk. F. stellt die in 
der Literatur sonst beschriebenen Fälle von Gallensteinbildung um Fäden zu- 
sammen, es sind deren nur sieben. Atiologisch weist er darauf hin, daß die durch 
ihre Einnähung verringerte Beweglichkeit der Gallenblase die Steinbildung be- 
günstigen wird, daß ferner die die Fäden umgebende kapilläre Flüssigkeitsschicht 
die Bakterienansiedlung erleichtern, und daß wahrscheinlich auch die Luschka- 
schen Gänge der Gallenblasenschleimhaut von Bedeutung für die Konkrement- 
bildung sein werden. Im übrigen, meint er, würden die Fadenrezidive der Chole- 
lithiasis bald genug verschwinden, wenn entweder nur Catgut zu Blasennaht ge- 
nommen wird oder nur lang gelassene Fäden benutzt und später extrahiert werden 
würden. Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


59) A. Dreifuss. Beiträge zur Pankreaschirurgie. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIIL p. 432.) 


D. publiziert drei von Alsberg im jüdischen Krankenhaus in Hamburg mit 
glücklichem Erfolg operativ behandelte Fälle von Pankreasaffektionen. 

Fall I betrifft die subkutane Verletzung des Pankreas bei einem 19jährigen 
Malergehilfen, der, auf dem Fahrrad sitzend, in voller Fahrt mit der Magengegend 
gegen eine Wagendeichsel geprellt war. 42 Stunden nach dem Unfalle mußte 
laparotomiert werden, da bei schlechtem Befinden eine beginnende Peritonitis in- 
folge innerer Verletzung vorhanden zu sein schien. Es fanden sich in den Tiefen 
der Bauchhöhle Blutmassen, im Netz zahlreiche Fettnekrosen, Ödem und Fett- 
nekrosen im Lig. gastro-colicum, und links in diesem auch ein Loch, durch welches 
zwei Finger in den Winslow’schen Sack gelangen. Ausräumung von Blutgerinnseln 
aus letzterem, Vorliegen einer zerquetschten Stelle im Pankreas. Die noch nicht 
stehende Blutung wird durch provisorische Tamponade gestillt, dann der Herd und 
die Höhle mit Gazestreifen drainiert. Nach bald eintretender Besserung und einer 
reichlichen Absonderung, in der nekrotische Gewebsfetzen und Pankreassaft mit 
entleert wurden, völlige Genesung, wobei die Fistel binnen 56 Tagen nach der 
Operation sich schloß. D. hält diesen Fall für den ersten, bei dem bei isolierter 
subkutaner Pankreasverletzung mit Erfolg operiert ist. 

Fall II ist bezeichnet als »Pancreatitis haemorrhagica acuta mit Ausgang in 
Erweichung; Platzen des Exsudates in die freie Bauchhöhle; zweimalige Laparo- 
tomie; Heilung«e. Pat., 15 Jahre alt, hatte die letzten Jahre öfter Magenschmerzer 
und war jetzt, nach einer starken Abendmahlzeit, nachts mit sehr starken Leib- 
schmerzen erkrankt. Unter Wahrscheinlichkeitsdiagnose auf Appendicitis Laparo- 
tomie mittels Schrägschnittes rechts am 2. Tage. Entleerung blutig-serösen Exsudates.. 


1168 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 


der Wurm zeigt sich gesund. Oben in der Bauchhöhle findet sich blutige Imbibition 
des Lig. gastro-colicum, auch Fettnekrosen. Stumpfes Durchgehen durch das genannte 
Ligament, Einritzung des Bauchfellüberzuges des hämorrhagisch infiltrierten Pan- 
kreas, Einlegung eines Gazedrains. Wenig befriedigender Verlauf, Magen- und Leib- 
schmerzen, Unruhe, peritonitische Symptome mit nachweisbarer Flüssigkeitsansamm- 
lung im Bauche, weshalb 18 Tage nach der Operation zum zweiten Male laparo- 
tomiert wurde. Entleerung reichlicher rötlich-schleimiger Flüssigkeit, Spülung und 
Austupfen der Bauchhöhle. Links neben und hinter dem Magen, von woher be- 
sonders viel Flüssigkeit hervorquoll, findet sich im Bauchfell ein 5markstückgroßes 
Loch, welches in eine große, zerfetzte, jene Flüssigkeit entleerende Höhle führt, 
Gazedrainage derselben. Hiernach allmähliche Besserung unter reichlicher Ent- 
leerung von nicht eitrigem Sekret, in welchem die Pankreasfermente nachgewiesen 
wurden, und welches nach Darreichung antidiabetischer Diät mit Natr. bicarbon. 
an Quantität abnahm. Fistelschluß nach 85 Tagen, völlige Wiederherstellung ohne 
Diabetes mit starker Gewichtszunahme. 

Fali III, »akute Pankreasnekrose mit Ausgang in Abszedierung; retroperito- 
neale Eröffnung, Heilung«, betrifft eine 48jährige Frau, die jahrelang an Gallen- 
steinkoliken gelitten hatte. Jetzt hatte sich unmittelbar nach angestrengtem Heben 
ein besonders heftiger Schmerzanfall und darauf rechts in Bauch- und Lenden- 
gegend eine mannskopfgroße, kaum druckempfindliche Geschwulst eingestellt. Durch 
Lendenschnitt, sowie durch Eröffnung der Bauchhöhle wird festgestellt, daß die 
Geschwulst extraperitoneal sitzt und mit der Niere nichts zu tun hat. Ihre Eröff- 
nung entleert viel stinkenden Eiter aus einer weiten, glattwandigen, nekrotische 
Gewebsfetzen enthaltenden Höhle. Danach Heilung unter Entleerung reichlichen 
Sekretes, in welchem ein diastatisches und tryptisches Ferment nachgewiesen ist. 
Fistelschluß nach 126 Tagen; starke Gewichtszunahme. 

Außer den Krankheitsberichten bringt D. klinische Allgemeinbesprechungen 
über die interessierenden Pankreasaffektionen und ein 33 Nummern enthaltendes 
Literaturverzeichnis. Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


60) Mauclaire. Un cas de pancreatectomie partielle pour epithelioma 
de la tête du pancréas. 
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXIII. p.871.) 

Die Geschwulst saß am unteren Rande des Pankreaskopfes und wurde durch 
das Lig. gastro-colicum hindurch angegangen. Die Auslösung gelang verhältnis- 
mäßig leicht; die Geschwulst hatte die Größe einer halben Mandarine. Eine 
Cholecystostomie wurde der Sicherheit halber angefügt. Nach Entfernung des 
Tampons auf der Pankreaswunde ging die Galle wieder den natürlichen Weg. 
Die histologische Untersuchung ließ ein Epitheliom erkennen. Pat. ging an Ka- 
chexie 21/, Monate später zugrunde. Kaehler (Duisburg-M.). 


61) Vittone. L’idropolitermo-Vittone. 
(Giorn. della R. Accad. di med. di Torino 1908. Nr. 3—5.) 

Verf. beschreibt einen neu konstruierten Heißwasserapparat, der gleichzeitig 
als Instrumenten- und Verbandstoffsterilisator sowie als Inhalationsapparat und 
Thermostat angewendet werden kann und endlich auch die Herstellung von sterili- 
siertem Wasser gestattet. 

Der kompendiöse Apparat wird von Janetti & Cie. in Turin in den Handel 
gebracht und dürfte sich für die Bedürfnisse des praktischen Arztes und der 
Sprechstunde empfehlen, wenn der nicht erwähnte Preis nicht zu hoch ist. 

Strauss (Nürnberg). 

Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 


an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden. 





Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau. 
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. 


Zentralblatt für Chirurgie 


herausgegeben von 


K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER, 











in Bonn, in Berlin, in Breslau. 
35. Jahrgang. 
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG. 
Nr. 40. Sonnabend, den 3. Oktober 1908. 
Inhalt. 


J. Gobiet, Fixation der Wanderniere und Wanderleber mit Magnesiumplatten. (Original- 
mitteilung.) 

1) Parlavecchio, Aleukämische Lymphadenie. — 2) Prinzle, Melanotische Hautgeschwulst, 
— 8) Tomkinson, Hauttuberkulose. — 4) Fagge, Gelenkbrüche. — 5) Beck, Osteoarthritis defor- 
mans endemica. — 6) Mayrhofer, Ausfüllung kleinerer Knochenhöhlen. — 7) Delbet u. Moequot, 
Gaseintritt in Venen. — 8) Merlel und Rougean, Arterienunterbindungen. — 9) Mumford, 
Psychische Endresultate größerer Operationen. — 10) Struthers, Novokain bei Lokalanästhesie. 


V 
— 11) Schur und Wiesel, Chromaffines Gewebe bei Narkotisierten. — 12) Petrivalsky, 18) Win- 
ternitz, Gaumenspalte. — 14) Kuhn, Perorale Intubation. — 15) Crile, Basedow. — 16) Palermo, 
Geschwülste der männlichen Brustdrüse. 


17) XX. italienischer Chirurgenkongreß. — 18) Don, Purpura haemorrhagica, verbunden mit 
angioneurotischem Ödem. — 19) Dighton, Myositis ossificans progressiva. — 20) Buchanan, Zur 
Nachbehandlung von Osteotomien. — 21) Selig, Radium gegen Geschwülste. — 322) Jelínek, Nar- 


kose mit peroraler Intubation. — 38) Jerie, Tetanus. — 24) Vasek, Behandlung mit Stauungs- 
hyperämie. — 25) Drew, Kopfverletzungen bei Kindern. — 26) Gobiet, Zur Hirnchirurgie — 
37) Tansini, Gesichtsschmerz. — 28) Rethi, Kieferhöhleneiterung. — 29) Perrier, Oberkiefertuber- 
kulose. — 80) Kirstein, Unterkieferankylose. — 31) Legg, Adenome des Gaumens. — 82) Wester- 
gaard, Nervenschädigungen bei Drüsenexstirpationen. — 33) Guisez, Speiseröhrenverengerung. — 
84) Cernezzi, Brust-Zwerchfellwunde. — 85) Thompson, Lungenembolien. 

Brauer, Berichtigung. 


Druckfehlerberichtigung. 





Aus dem gewerkschaftlichen Krankenhaus in Orlau. 


Fixation der Wanderniere und Wanderleber 
mit Magnesiumplatten. 
Von 


Dr. Josef Gobiet, 
Chir. Ordinarius. 


ie immer wieder auftauchenden neuen Vorschläge für die Fixation 

der Wanderniere sind ein Beweis dafür, daß keine der bisherigen 
Methoden völlig befriedigt. Eine sichere Fixation der Niere an an- 
nähernd normaler Stelle scheitert an der Unsicherheit der Naht. Legt 
man die Naht durch das Nierenparenchym, so schneidet dieselbe beim 
geringsten Zuge durch. Legt man die Naht, wie es zumeist geübt wird, 
nur durch die abgelöste Capsula propria, so reißt dieselbe bei dem 
Versuche, die Niere halbwegs an ihren normalen Standort hinter die 
Rippen zu bringen, gewöhnlich bis auf eine schmale Gewebsbrücke 

40 


1170 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 


durch. Man beendet die Operation mit einem Gefühle der Unsicher- 
heit bezüglich der Haltbarkeit der Fixation und begnügt sich, um 
einen stärkeren Zug zu vermeiden, die Niere an einem viel tieferen 
Punkte zu fixieren, als es ursprünglich beabsichtigt war. Diese Un- 
sicherheit der Naht führte dazu, daß von einigen (Riedel) außer der 
Naht eine ausgiebige Tamponade, von anderen (Senn) die Tamponade 
allein ausgeführt wurde. Diese Verfahren erfordern eine ungewöhnlich 
lange Bettruhe, nach Riedel 10—12 Wochen. Ahnliche Schwierig- 
keiten treten uns noch in erhöhtem Maß entgegen bei der Fixation 
der Wanderleber. Auch hier schneiden die durch das Parenchym 
gelegten Nähte leicht durch, die durch die dünne Leberkapsel gelegten 
Nähte sind wohl nicht imstande, ein so schweres Organ auf längere 
Zeit in sicherer Fixation zu erhalten. 

Es ist Payr’s Verdienst, die resorbierbaren Magnesiumplatten 
zur Naht von parenchymatösen Organen eingeführt zu haben. Die- 
selben haben sich bei einer Reihe von Fällen zur Lebernaht nach 
Resektion oder Verletzungen bestens bewährt. 

Ich ging in zwei Fällen von Wanderniere und in einem Falle 
von totaler Wanderleber in der Weise vor, daß ich das betreffende 
Organ zwischen Magnesiumplatten und Rippen mittels Silberdraht 
fixierte. Die Methode erwies sich als leicht und rasch ausführbar. 
Der momentane Effekt der Fixation war ein guter, wie bei keiner der 
anderen von mir versuchten Methoden. Auch der Dauererfolg scheint 
mir, bisher allerdings infolge Kürze der Beobachtungszeit nur auf 
Grund theoretischer Erwägung, vielversprechend zu sein. Hervor- 
zuheben ist auch die Kürze der Bettruhe, da die Pat. bereits nach 
8—10 Tagen das Bett verlassen. Aus diesen Gründen erscheint mir 
die Veröffentlichung der Methode geboten. 

Bei der Fixation der Niere ging ich folgendermaßen vor: Haut- 
schnitt längs des unteren Randes der 12. Rippe, nach vorn zu schräg 
gegen den Darmbeinkamm abbiegend. Isolierung der 12. Rippe von 
Muskulatur und Pleura. In der Mitte der Rippe werden in einem 
Abstande von 3 cm zwei Löcher gebohrt, wobei ein unter die Rippe 
geschobenes Raspatorium die Pleura vor Verletzung schützt. Frei- 
legung und Luxation der Niere. Abstreifen und teilweise Resektion 
der Fettkapsel. Eine Ablösung der Capsula propria ist unnötig. An 
der Vorderfläche der Niere wird an der Grenze zwischen mittlerem 
und unterem Drittel eine 4 cm lange, 1 cm breite, 1 mm dicke Magne- 
siumplattei, welche nahe ihren Breitseiten durchlöchert ist, schräg zur 
Längsachse der Niere angelegt. Nun wird ein mittelstarker Silber- 
draht mit geraden, stumpfen Nadeln (Kusnizoff’sche Nadel) doppelt 
armiert durch Magnesiumplatte, ganze Dicke der Niere und das 
korrespondierende Bohrloch der Rippe durchgeführt und über der 
Rippe zusammengedreht, wobei man darauf zu achten hat, daß die 
Niere zwischen Rippe und Magnesiumplatte nicht zu stark gedrückt 


1 Erhältlich bei C. W. Rohrbeck’s Nachfolger, Wien I., Kärnthnerstraße 59. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 1171 


werde. Sorgfältige Blutstillung. Naht der Muskeln und Fascien mit 
Catgut. Völlige Hautnaht ohne Drainage. Die Heilung erfolgte in 
beiden Fällen per primam. Die Pat. verließen nach 8 und 10 Tagen 
das Bett. 

In einem Falle von totaler Wanderleber führte ich die Operation 
folgendermaßen aus: Längsschnitt am rechten Rectusrande, in Nabel- 
höhe beginnend, nach oben mehrere Zentimeter über den Rippenbogen 
verlaufend. Ablösen der Weichteile nach beiden Seiten vom Rippen- 
bogen. 2—3 cm vom freien Rande des Rippenbogen entfernt, werden 
vier Bohrlöcher im Rippenbogen angelegt. Der Abstand zwischen je 
zwei Bohrlöchern beträgt &cm. Nunmehr werden zwei 5 cm lange, 
2cm breite, 1 mm dicke, nahe ihrer Breitseite durchlöcherte Magnesium- 
platten an der Unterfläche der Leber angelegt, einige Zentimeter vom 
freien Leeberrande entfernt, die eine Platte nahe der Gallenblase, die 
zweite nach außen in einiger Entfernung von der ersten. Nun wird 
ein starker, mit stumpfer Nadel doppelt armierter Silberdraht durch 
Magnesiumplatten, ganze Dicke der Leber und korrespondierende 
Bohrlöcher des Rippenbogens durchgeführt. Die Drähte werden über 
dem Rippenbogen zusammengedreht, jedoch erst bis beide Nähte an- 
gelegt sind. Ich habe in meinem Falle, da ich nur schwachen Silber- 
draht zur Verfügung hatte, welcher mir beim Knoten zerriß, starkes 
Catgut verwendet. Jedoch empfehle ich, der Sicherheit wegen prin- 
zipiell mit Silberdraht die Naht auszuführen. Bauchnaht in drei 
Etagen. Die Heilung erfolgte reaktionslos. 

Nach gleicher Methode kann man auch eine Wandermilz am linken 
Rippenbogen fixieren. 

Die Vorteile meiner Methode sind folgende: Die Naht durchsetzt 
die ganze Dicke des Organes, ohne daß, dank dem Durchleiten des 
Drahtes durch die Magnesiumplatte einerseits, die durchbohrte Rippe 
andererseits, das Parenchym einreißt. Man kann ungestraft einen be- 
liebig starken Zug ausüben, um das Organ an seinen normalen Stand- 
ort hinaufzuziehen, wie es wohl bei keiner der anderen Methoden 
möglich ist. Die Lage, die ich erzielte, war daher auch eine ideale. 
Die Niere überragte nur mit dem unteren Pole die 12. Rippe, die 
Leber war nur in der Ausdehnung eines Querfingers unterhalb des 
Rippenbogens sichtbar. Der Dauererfolg dürfte ebenfalls ein guter 
sein. Nach den Untersuchungen Payr’s hat das Magnesiummetall 
die Eigenschaft, eine außerordentlich lebhafte Bindegewebsproliferation 
zu erzeugen. Es dürfte daher nach Ablauf mehrerer Wochen, wo die 
Magnesiumplatte infolge Resorption ihre Haltbarkeit zu verlieren be- 
ginnt, eine genügend feste Narbenbildung um das fixierte Organ statt- 
gefunden haben. Sollte diese Narbe zur Fixation nicht genügen, so 
ist zur Sicherheit die Silberdrahtschlinge da, welche das Organ dauernd 
an den Rippen aufhängt. 

Auf Grund dieser Ausführungen glaube ich die Methode zur 
Nachprüfung empfehlen zu können. 


40* 


1172 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 


1) @. Parlavecchio. Ein Fall aleukämischer Lymphadenie 


von endotheliomatöser Natur. 
(v. Langenbeck's Archiv Bd. LXXXVI. Hft. 3.) 

P. gibt einen ausführlichen kritischen Bericht über den heutigen 
Stand unserer Kenntnisse über die Lymphadenien. Er teilt sie ein 
in aleukämisch regionäre Lymphknotenleiden, in aleukämisch regionär- 
systemische Lymphknotenerkrankungen und in leukämisch-systemische 
Prozesse. Diese Einteilung hält er heute für die passendste, nur das 
Lymphknotenendotheliom will nicht in sein Schema sich recht einfügen, 
ebensowenig wie es sich bisher in andere Einteilungsprinzipien gefügt 
hat. Weiterhin beschreibt Verf. auf das genaueste die Kranken- 
geschichte und "mikroskopischen Präparate eines Falles, bei dem die 
anatomische Untersuchung eine Wucherung der Endothelien ergab. 
Wahrscheinlich war dieses Endotheliom aus der Auskleidung der 
Lymphbahnen und -Räume entstanden, wie dies aus der Lage der 
ausgebildeten und besonders der ganz jungen, beginnenden Nester 
hervorging. Atiologisch muß man bei einem solchen Prozeß an In- 
fektion denken, an zirkulierende Keime, die imstande sind, Prolifera- 
tionserscheinungen in den zunächst getroffenen Zellelementen und 
entzündliche Reaktionserscheinungen in den nächst gelegenen Follikeln 
und Marksträngen zu erregen. Ein leukämischer Befund fehlte in 
dem Falle. E. Siegel (Frankfurt a. M.). 





2) Prinzie.. A method of operation in cases of melanotic 


tumours of the skin. 
(Edinb. med. journ. 1908. Juni.) 

Die von der Haut (Naevis) ausgehenden melanotischen Geschwülste 
sind nicht immer Sarkome, wie man sie früher stets bezeichnete, son- 
dern auch sehr häufig Karzinome. Beide Arten melanotischer Neu- 
bildungen haben die Neigung, nicht nur in den regionären Lymph- 
drüsen, sondern auch im Verlaufe der Lymphgefäße metastatische 
Geschwülste zu erzeugen. Gerade letzterer Punkt ist wenig beachtet, 
und doch hängt von der radikalen Entfernung sämtlicher Drüsen 
mitsamt dem umgebenden Gewebe der Erfolg ab, wie Verf. an zwei 
Fällen zeigt. In beiden exzidierte er die primäre Geschwulst weit im 
Gesunden, führte den Schnitt (es handelte sich um ein Melanosarkom 
des Oberarmes sowie des Oberschenkels) bis zur Achsel bzw. zur 
Leistengegend, und entfernte die mit der Primärgeschwulst zusammen- 
hängenden Lymphstränge und Drüsen, sowie das umgebende Fett- 
und Fasciengewebe. Die erste Pat., ein zur Zeit der Operation 17 Jahre 
altes Mädchen, ist seit 91/, Jahren gesund, der zweite Pat., ein 
30jähriger Mann, wurde im Oktober 1906 operiert und hatte bei der 
Nachuntersuchung im Februar 1908 kein Rezidiv, befand sich vielmehr 
sehr wohl. Verf. empfiehlt daher sein Verfahren bei den melanoti- 
schen Geschwülsten der Haut. Jenckel (Göttingen). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 1173 


3) Tomkinson. X-Rays in the treatment of cutaneous tuber- 
culosis. 
(Practitioner 1908. Juni.) 

Bei Lupus vulgaris und Tuberculosis verrucosa hat Verf. mit 
gutem Erfolge die Röntgenstrahlen angewandt. Sein Verfahren ist 
folgendes: Die Bestrahlung erfolgt zuerst 3—5 Minuten lang auf eine 
kleine Partie der erkrankten Haut; nach einigen Tagen wird die ganze 
Fläche 3—4 Tage hindurch 5 Minuten lang bestrahlt. Dann wird 
Unna’s Salizylkreosotpflaster aufgelegt oder, wenn dies nicht ver- 
tragen wird, vorher die Fläche mit einer 10—20%igen Kokainlösung 
eingepinselt. Nach 10 Tagen wird die Einpinselung mit Kokain 
wiederholt, die Haut getrocknet und dann mit folgender Flüssigkeit 
eingerieben: 

Rp.: Acid. carbolici 50% 
Acid. lactici 15% 
Acid. salicylici 15% 
Alcoh. absolut. 20%. 
Einige Minuten später kommt folgende Lösung zur Verwendung: 
Rp.: Acid. carbolici 80% 
Alcoh. absolut. 20%. 

Bei sehr ausgedehnten Erkrankungen kann auch der Thermokauter 
mit gutem Erfolg angewandt werden. Nach der Kauterisation wird 
die Wundfläche mit sterilem Lint, das in Karbolöl (1:30) getaucht 
ist, bedeckt, und hinterher ein Läppchen mit einer 20%igen wäßrigen 
Lösung von Ichthyol aufgelegt, bis völlige Heilung erfolgt ist. Dann 
wird wieder die Bestrahlung (kurze Exposition 3—5 Minuten lang) 
eingeleitet. Nach 3—4 Monaten wird diese Behandlung für längere 
Zeit ausgesetzt, später nötigenfalls wiederholt. Jenckel (Göttingen). 





4) Fagge. The importance of accurate diagnosis and the 


treatment of fractures in the vicinity of joints. 
(Practitioner 1908. April.) 

Vor der planlosen, schematischen Deuchleuchtung eines jeden 
Knochenbruches mittels Röntgenstrahlen ohne vorherige genaue Unter- 
suchung und Stellung der bestimmten Diagnose warnt Verf. ganz 
entschieden und will die X-Strahlen nur dann angewandt wissen, wenn 
die Diagnose zweifelhaft ist, sowie zur Kontrolle, ob die angestellten 
Repositionsversuche von Erfolg gekrönt waren und eine einigermaßen 
gute axiale Vereinigung garantierten, oder nicht. Auf keinen Fall 
soll man bei Mißlingen der Repositionsversuche oder zu schlechter 
Stellung der Bruchstücke bei den Gelenkbrüchen allzulange mit einem 
operativen Eingriff warten, da die nötige Korrektion durch die Ope- 
ration bald nach der Verletzung leichter sei und auch ein besseres 
funktionelles Resultat erzielt werden könne als späterhin, wo Ver- 
wachsungen beständen und die Kontraktion der Muskulatur hindere. 


1174 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 


Bei alten, mit starker Verschiebung komplizierten Gelenkbrüchen 
(Schulter, Ellbogen) hält Verf. die Resektion für das beste Verfahren 
und hat gute Resultate davon gesehen. Jenckel (Göttingen). 





5) E. Beck. Über Osteoarthritis deformans endemica im 


Transbaikalgebiet. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVI. Hft. 3.) 

Verf. konnte als Militärarzt im Transbaikalgebiet feststellen, daB 
dort endemisch eine Krankheit vorkommt, die durch Gelenkverdickung, 
Knarren, Bewegungsbeschränkung und Flexionsstellung, zuweilen durch 
Wachstumshemmung des Skelettes charakterisiert ist. Fälle von ein- 
seitiger Erkrankung kommen selten vor, meistens sind mehrere Gelenke 
befallen, in allererster Linie die Interphalangealgelenke, die Elibogen-, 
dann die Knie-, Hand- und Fußgelenke.. Das Leiden verläuft 
schleichend, fortschreitend, hier und da durch einen Stillstand unter- 
brochen. Umzug in eine gesunde Gegend kann weiteres Fortschreiten 
des Prozesses verhüten. Die Röntgenaufnahmen sprechen dafür, daß 
es sich um eine Knochenerweichung handelt, um einen der Arthritis 
deformans ähnlichen, aber nicht gleichartigen Prozeß. Die Ursache 
des Leidens ist mit Wahrscheinlichkeit in der Beschaffenheit des Trink- 
wassers zu suchen. Betroffen ist am meisten das jugendliche Älter 
von 8—13 Jahren. E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


6) B. Mayrhofer. Wesentliche Vereinfachung der Technik 
der Ausfüllung kleinerer Knochenhöhlen. (Mosetig’s 


Knochenplombe.) 
(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Nr. 10.) 

Verf. hat die Mosetig’sche Plombe seit einigen Jahren auch 
zur Ausfüllung bei Zahnwurzelresektionen benutzt, damit aber nicht 
viel Anklang gefunden, seiner Meinung nach, weil die schwierige 
Technik viele Mißerfolge zeitigte. Er gibt jetzt eine etwas anders 
zusammengesetzte Masse an, die man einfach mit einem erwärmten 
Spatel einstreichen oder mit gewöhnlicher, erwärmter Spritze einführen 
kann, und glaubt, daß diese Methode auch für größere Knochenhöhlen 
verwendbar ist. Das Rezept lautet: Jodoformii 10, Olei Sesami 15, 
Cetacei 30. Renner (Breslau!. 





7) Delbet et Mocquot. Recherches expérimentales sur les 


injections de gaz dans les veines. 
(Revue de chir. XXVII. ann. Nr. 3.) 

Gelangt Gas auf venösem Wege in die Blutbahn, so kann nur 
diejenige Menge mechanisch gefährlich werden, die noch frei, d. h. 
nicht gebunden von den roten Blutkörperchen bzw. gelöst im Blut- 
plama, ins Herz und die Lungen eintritt. Diese Menge wird um so 
größer sein, je schneller das Gas eindringt und je geringer die zwischen 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 1175 


Eintrittsstelle und Herz befindliche Blutmasse ist, d. h. je näher dem 
Herzen das Gas in die Venenbahn gelangt. Bei gleichbleibender 
Eintrittsstelle kann die Blutmasse proportional dem Körpergewicht. 
angenommen werden. Hiernach haben die Verff. in einer Reihe interes-. 
santer Versuche am Hunde die »gefährliche Geschwindigkeit« bestimmt. 
Für Luft beträgt sie beim Eintritt des Gases in die Vena saphena 
5—6 ccm pro Minute und Kilogramm Tier, beim Eintritt in die Vena 
jugularis genügen schon 2,2 ccm, um den Tod herbeizuführen. Zuerst 
stockt die Atmung, dann steht das Herz still. Je mehr die Geschwin- 
digkeit gesteigert wird, desto schneller folgen sich Atmungs- und 
Herzlähmung; schließlich treten sie gleichzeitig ein. Künstliche At- 
mung kann den Tod nicht aufhalten. Wird die Geschwindigkeit unter 
die Gefahrgrenze vermindert, so werden Atmung und Herztätigkeit 
beschleunigt; wahrscheinlich gibt das Blut das überflüssige Gas in den 
Alveolen ab. Die Lunge wirkt gewissermaßen als Regulator, und 
zwar so prompt, daß z. B. mit Chloroform gesättigter Sauerstoff, in. 
die Venenbahn injiziert, nicht die geringste Betäubung verursacht. 
Der leicht vom Blut gelöste und gebundene, ungiftige Sauerstoff allein 
wird erklärlicherweise erst gefährlich, wenn er mit 3—4mal größerer 
Geschwindigkeit als die Luft eindringt. 

Bei der Versuchsanordnung ist zu berücksichtigen, daß das Gas 
unter einem Überdruck von einigen Kubikzentimeter Wasser in die 
Blutbahn geleitet wird, sonst fließt Blut in die Kanüle. Am un- 
betäubten Tier gelangt infolge des Pressens bei Abwehrbewegungen 
die Luft nicht in gleichmäßigem Strom in den Brustkorb und wird 
oft in die Gekrös- und Wirbelvenen gedrückt, so daß die hinteren 
Gliedmaßen vorübergehend gelähmt werden. Um vergleichbare Werte 
zu erhalten, müssen somit die Versuche am narkotisierten Tier ange- 
stellt werden. Auch muß das Gas wegen seiner großen Ausdehnungs- 
fähigkeit bei der Erwärmung stets in der gleichen Temperatur ver- 
wendet werden; die Verff. haben es auf 20° vorgewärmt. 

Der Mechanismus des Todes ist noch nicht geklärt; zweifellos 
hat die Dehnung der rechten Herzkammer nicht unwesentlichen Anteil 
an ihm. Fängt doch das Herz nach Punktion der rechten Kammer 
wieder an zu schlagen. Die Erscheinungen sind denen bei plötzlicher 
Dekompression des Tierkörpers recht ähnlich; nur findet sich hier 
freies Gas in allen Gefäßen, nach der Injektion nur im rechten 
Herzen und in dem der Injektionsstelle entsprechenden Teil des 
Venensystems. 

Aus ihren Versuchen ziehen Verff. den Schluß, daß die wenigen 
Kubikzentimeter Luft, die z. B. bei der Anastomosierung von Saphena 
und Femoralis in die Venenbahn gelangen, ganz ungefährlich sind. 
Tatsächlich haben sie diese Operation 16mal am Menschen ohne jeden 
Zwischenfall ausgeführt. Die Einführung von Sauerstoff in eine Vene 
möglichst entfernt vom Herzen empfehlen sie bei Asphyxien durch 
Kohlenoxydvergiftung, Fremdkörper, Lungentuberkulose, retrosternalem 
Kropf und bei asphyktischen Neugeborenen. Beim Erwachsenen von 


1176 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 


60 kg Körpergewicht würden 33 ccm in der Minute genügen, um den 
Sauerstoffbedarf zu decken, was einer Geschwindigkeit von weniger 
als 2ccm pro Kilogramm und Minute entspräche. Diese ist, wenn 
die Ergebnisse am Hund auf den Menschen übertragbar sind, bei 
freien Luftwegen (z. B. CO-Vergiftung) ganz ungefährlich. Größere 
Vorsicht ist geboten, wenn durch eine mechanische Unterbrechung 
der Atmung die Gasausscheidung durch die Lunge ausgeschaltet ist. 
Bei der Chloroformsynkope ist die Sauerstoffeinspritzung nutzlos, da 
das Herz bereits still steht. Gutzeit (Neidenburg). 


8) Meriel et Rougean. Les ligatures d’arteres a l’amphi- 
theätre. 
Paris, A. Maloine, 1908. 

Nach ähnlichem Grundsatz und Methode wie bei uns im Berg- 
mann-Rochs werden die Unterbindungen der wichtigsten Gefäße 
des Körpers besprochen. Selbstverständlich ist das Buch trotzdem 
gänzlich unabhängig geschrieben und wahrt seinen eigenen Charakter. 
Die Verff. geben zunächst einen kurzen Überblick über die Anatomie 
des betreffenden Körperteiles und präzisieren dann die Lage des 
Gefäßes bzw. die Schnittrichtung zur Unterbindung nach bestimmten 
konstanten Linien, die sich aus der topographischen Anatomie des 
betreffenden Körperteiles ergeben. Nach einem einleitenden Kapitel 
allgemeinen Inhalts über Gefäßunterbindungen werden in zwei großen 
Abschnitten die Unterbindungen der Gefäße der oberen Rumpfhälfte, 
sowie der unteren Extremität besprochen. Es fehlt merkwürdigerweise 
die Unterbindung der Art. mammaria und vertebralis. Zum Schluß 
jedes Absatzes sind die Gefäßanomalien ausführlich beschrieben. 

Coste (Breslau). 





9) Mumford. Psychical end-results following major surgical 
operations. 
(Annals of surgery 1908. Juni.) 

Eine medizinisch-sozialistische Studie. 

Verf. hat festgestellt, daß nach größerer Operation eine Anzahl 
Pat., die im anatomischen und chirurgischen Sinne als geheilt zu be- 
trachten waren, nachher allerhand allgemeine Klagen hatten, sich 
schwach und unlustig fühlten, kurz im psychischen Sinne nach M. 
Fehloperationen repräsentierten. Von 39 operierten Männern, nach 
deren Schicksal er sich später brieflich erkundigte, hörte er von 7, 
daß sie nicht recht arbeitsfähig und schwach seien. Alle 7 waren 
wegen eines Leidens an den Genitalorganen operiert (Varikokele, Hydro- 
kele usw.), ohne aber daß irgend eine verstümmelnde Operation, z. B. 
Fortnahme eines Hodens, ausgeführt wäre. Von 91 radikal operierten 
und geheilten Frauen hatten 30 dauernd Klagen, fühlten sich matt usw. 
2/, von diesen 30 waren ebenfalls solche, die eine Operation an den 
Genitalorganen durchgemacht hatten; dies eine !1/; war wegen anderer 
Leiden operiert. Diese psychische Invalidität tritt nun nach M. nur 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 1177 


bei den Hospitalpatienten ein, während sie bei den Pat. der Privat- 
praxis nicht beobachtet wird. Verf. meint, daß man die wegen 
schwerer Leiden Operierten auch nach der Entlassung aus dem Ho- 
spital durch Assistenzärzte oder ärztlich geschultes Unterpersonal be- 
obachten und besuchen lassen solle; er verspricht sich davon, daß 
eine Anzahl psychisch Invalider hierdurch wieder ganz gesunden 
würde. Ferner soll nach ihm der Chirurg bereits im Hospitale psy- 
chisch als Arzt auf seinen Klienten dauernd einzuwirken suchen. 
Herhold (Brandenburg). 





10) Struthers, The value of novocain as a local anaesthetic 
for subcutaneous use. 
(Edinb. med. journ. 1908. Februar.) 

Zur Infiltrationsanästhesie empfiehlt Verf. das Novokain in einer - 
1—2%igen Lösung mit event. Zusatz von 2—4 Tropfen Adrenalin. 
Bis 10 g können ohne Schädigung injiziert werden; Novokain ist 
deshalb dem Kokain bei weitem vorzuziehen. Wenn jedoch Verf. 
behauptet, daß es das Eukain wegen schnellerer Wirkung übertreffe, 
da Novokain nach 15 Minuten, Eukain jedoch erst nach Verlauf einer 


1/, Stunde völlige Anästhesie hervorrufe, so irrt Verf. (Ref.). 
dJenckel (Göttingen). 





11) H. Schur und J. Wiesel. Über das Verhalten des 
chromaffinen Gewebes bei der Narkose. (Aus dem Institut 
für experimentelle Pathologie und der Prosektur des Kaiser 
Franz-Hospital in Wien.) 
(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Nr. 8.) 

Während tiefer Narkose verschwindet das Adrenalin aus den 
chromaffinen Zellen und tritt in vermehrter Menge ins Blut. W. fand 
bei Status lymphaticus auffallende Hypoplasie des chromaffinen Ge- 
webes, so daß sich diese bei Narkose wohl zu rasch erschöpfen. Viel- 
leicht bietet das einen Fingerzeig zur Aufklärung der häufigen Todes- 
fälle in der Narkose bei Status lymphaticus. Renner (Breslau). 





12) J, Petrivalsky. Die kongenitale Gaumenspalte. 
(Časopis lékařů českých 1908. p. 85.) 

Der Autor verwendet zum Verschluß des Defektes folgende Naht: 
Er legt zuerst eine Reihe adaptierender Nähte, die 1 cm voneinander 
entfernt sind und außer dem Schleimhautrande auch die Submucosa 
und einen Teil der Muskulatur, insofern sie überhaupt vorhanden ist, 
einschließen; dazwischen legt er, um eine Spannung zu verhüten, eine 
Reihe von Stütznähten, die ebenfalls 1 cm voneinander entfernt sind, 
die ganze Dicke der Lappenwand umfassen und etwas weiter vom 
Wundrand entfernt sind als die Adaptierungsnähte. — Zur Füllung 
des Defektes benutzt er das plastische Verfahren nach Langenbeck; 

40*+* 


1178 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 


er modifiziert es aber, indem er die vollständige Diszision verläßt, 
dafür aber nach oberflächlicher Inzision die Muskulatur auf stumpfem 
Wege schräg zerteilt. Der Hamulus pterygoideus und die an dem- 
selben vorbeigehenden Muskeln werden nicht durchtrennt. 

6. Mühlstein (Prag). 


13) A. Winternitz. Operation der Gaumenspalte mittels 
Plattennaht. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVI Nr.3.) 

W. glaubt, daß die Erfolge der Uranoplastik von dem Zeitpunkte 
des Eingriffes, der möglichst frühzeitig stattfinden soll, und von einer 
zweckentsprechenden Technik abhängig sind. Früher hat er die zwei- 
zeitige Operation nach J. Wolff ausgeführt, sie dann aber aus ver- 
schiedenen Gründen zugunsten der einzeitigen Methode aufgegeben. 
Er beginnt nicht mit der medialen Anfrischung, sondern mit der Ab- 
lösung nach Entspannungsschnitt. Das Involucrum wird unter Digital- 
kompression emporgehoben, bis an den medialen Spaltrand vom Knochen 
gelöst und, falls er mit dem Vomer verwachsen ist, auch der muco- 
periostale Überzug der entgegengesetzten Vomerfläche zum Lappen ge- 
nommen. Die Schonung der Arteria palatina major hält W. nicht 
für erforderlich. Sie wurde stets durchtrennt, ohne daß eine ungünstige 
Beeinflussung der Heilung eintrat. Zur Naht benutzt Verf. kleine 
Plättchen aus Aluminium oder Silber, die, erst auf der einen Seite 
angelegt, nach Anlegung sämtlicher Nähte dann auch auf der anderen 
eingeführt werden. Durch diese Plättchen wird nicht nur eine Ent- 
lastung der Knopfnähte, sondern auch eine breitere Berührung der 
Lappenränder erzielt. Die Seitentaschen werden nicht tamponiert; die 
Platten werden am 5., die Nähte am 8.—10. Tage entfernt. Die 
besten Erfolge wurden bei Kindern unter 2 Jahren erzielt. Doch hält 
es Verf. für richtig, erst in der zweiten Hälfte des 2. Lebensjahres 
zu operieren, da die Kinder im 1. Lebensjahre dem Eingriffe nicht 
immer gewachsen sind. Die besseren Erfolge in diesem Lebensalter 
sind dem postoperativen Verhalten zuzuschreiben, das bei älteren 
Kindern kein so ruhiges ist. Im ganzen ist W. mit den Gesamt- 
resultaten sehr zufrieden gewesen. E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


14) F. Kuhn. Einführung in die perorale Intubation. 
(Med. Klinik 1908. p. 1107.) 

K. stellt die Grundbegriffe seines Verfahrens für die Anfänger 
und praktische Ausführungswinke für den Vorgeschrittenen zusammen. 
Unter den Anzeigen für die perorale Intubation nimmt die Asphyxie 
jeder Art den breitesten Raum ein; daran schließen sich vor allem 
die Operationen im Mund-, Rachen-, Kehlkopfgebiete. Das Instru- 
mentarium muß allererster Güte sein; wie es fortlaufend geprüft wird, 
ist näher auseinandergesetzt. Das Verfahren wird am Phantom und 
an der Leiche, dann am Lebenden vorgeübt. Seine — völlig harm- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 1179 


lose — Ausführung ist beschrieben. Gesamtliteratur für die perorale 
Intubation und ihre technischen Unterlagen. 
Georg Schmidt (Berlin). 





15) Crile. Surgical aspects of Graves’ disease with refer- 


ence to the psychic factor. 
(Annals of surgery 1908. Juni.) 

Nach C. kann die Graves’sche (Basedow) Krankheit durch 
psychische Aufregung vor der Operation so verschlimmert werden, daß 
trotz glatt verlaufender Operation nachträglich der Tod eintritt. Verf. 
beobachtete zwei an Basedo w’scher Krankheit leidende Hunde; wenn 
er einen solchen Hund aufregte und durch die Peitsche in andauernder 
Furcht hielt, so verschlimmerten sich die Krankheitserscheinungen, 
der Puls wurde sehr hoch, die Glieder zitterten, die Temperatur stieg, 
Durchfälle traten ein. Ein ähnliches Bild konnte Verf. hervorrufen, 
wenn er dem an Basedow leidenden Hunde Thyreoidextrakt subkutan 
injizierte. Verf. hält von den ihm überwiesenen Basedowkranken daher 
jede Aufregung fern; gleich bei der Aufnahme verschafft er sich die 
Zusage der Kranken, daß sie entweder mit Medikamenten oder mit 
Operation behandelt werden. Durch Einatmen flüchtiger Ole, welche 
zunächst für die Kranken als Medikament gelten, werden sie an die 
Narkosenmaske gewöhnt. Der Tag der Operation wird ihnen nicht 
mitgeteilt, am Abend vor der Operation erhalten sie Brom, am Morgen 
der Operation Morphium; dann wird ihnen die nun bereits gewohnt 
gewordene Maske zur Narkose mit Ather vorgehalten. 23 auf diese 
Weise operierte Fälle sind sehr günstig verlaufen. 

Herhold (Brandenburg). 





16) N. Palermo. I tumori della mammella maschile. 
(Studio critico chlinico. Palermo, Brangi 1907. 389 S.) 

P.’s Buch ist im wesentlichen eine kompilatorische Arbeit, enthält 
aber eine fleißige und übersichtliche Zusammenstellung der gesamten 
Literatur nicht ohne kritisches Urteil, und ist deshalb dem, der über 
dieses Thema arbeitet, zu empfehlen. P. hat eine Statistik von 751 
einschlägigen Geschwülsten, darunter 649 Karzinome, zusammengestellt 
und dieselbe um einige eigene Beobachtungen bereichert (2 Adeno- 
fifrrome und 8 Karzinome). Nach einer kritischen Einleitung über die 
Geschwülste der männlichen Brustdrüsen überhaupt bespricht er nach- 
einander das Adenom, Karzinom, Fibrom, Lipom, Enchondrom, Angiom, 
Myxom, Sarkom und Myom. Dem Karzinom mit seiner Pathogenese, 
Diagnose, Prognose und Therapie ist der breiteste Raum im Buche 
gegeben. 437 Nummern Literaturverzeichnis beschließen das Werk. 

A. Most (Breslau). 


1150 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 


Kleinere Mitteilungen. 


17) Bericht über den XX. italienischen Chirurgenkongreß vom 27. bis 
29. Oktober 1907 in Rom. 


(Arch. ed atti della societä italiana di chirurgia 1908. p. 727.) 
Rom, Bertero & Co., 1908. 


1) Allgemeine Chirurgie und chirurgische Pathologie. 

Lusena: Sulle affezioni precarcinomatose e sulla diagnosi pre- 
coce del carcinoma nelle sue sedi più communi. Redner faßt alles das 
kritisch zusammen, was wir über die verschiedenen prädisponierenden Momente 
des Karzinoms wissen — wie Erblichkeit, Leukoplakie bei Karzinom der Mund- 
höhle usw. — und bespricht die Initialsymptome der wichtigsten und häufigsten 
Krebse, ohne wesentlich neue eigene Momente zu bringen. Er betont die früh- 
zeitige Operation als das zurzeit einzige Heilung versprechende Mittel und erörtert 
den Wert der Probeexzision. 

In der Diskussion wurde u. a. die Bedeutung entsprechender Hinweise an 
die praktischen Arzte und entsprechender Belehrung der Laien betont. 


Fischera berichtet über eine große Zahl von Experimenten, die er an 
48 Hunden ausgeführt hat, um den Einfluß funktioneller Faktoren auf 
die Regeneration der Gewebe zu studieren. Er setzte Wunden verschiedener 
Art — einfache Schnittwunden bis zu Resektion größerer Gewebspartien — an 
verschiedenen Organen, die entweder in dauernder oder rhythmischer Bewegung sind, 
wie Pleura, Lunge, Zwerchfell, oder an solchen Organen, bei welchen Bewegung 
mit Ruhe wechselt, bei denen er das Maß der Bewegung abstufen und bei denen 
er auch den (trophischen usw.) Einfluß der Nervendurchschneidung studieren konnte, 
wie bei der Extremitätenmuskulatur. — Das Resultat von 120 derartigen Regene- 
rations- und Narbenuntersuchungen war kurz folgendes: Die Regeneration der Ge- 
webe folgt auch hier den allgemeinen Gesetzen der Physiologie und Pathologie, 
hingegen betrachtet der Autor den mechanischen und funktionellen Ein- 
fluß als einen trophischen und formativen Reiz. Das Funktionieren des 
verletzten Organes regt die jugendlichen Zellelemente in der Narbe zur produk- 
tiven Tätigkeit an. Dieser Einfluß zeigt sich deutlich bei der Bildung des elasti- 
schen Gewebes. 


Chiarolanza berichtet über neuere Untersuchungen über die An- 
wesenheit von Eiterkörperchen im Blute, welche Cesaris Demel als 
spezifisches Diagnostikum für die Anwesenheit einer eitrigen Entzündung im Körper 
angesehen hat. 100 eigene klinische Untersuchungen an Gesunden und Kranken 
führten C. zu dem Schluß, daß besagtem Symptom der spezifische Charakter fehle, 
da die sog. Eiterkörperchen bei Eiterung manchmal fehlen, andererseits auch bei 
Gesunden (während der Verdauung) vorkommen können. 

Anzilotti, Cassanello, Bernardi treten in der Diskussion hingegen für 
den Wert der Demel’schen Methode ein. 


Caminiti und Isaia berichten über Untersuchungen mit Streptothrix. 
Ersterer über eine 5 Jahre alte Kultur, die im Tierexperiment noch virulent wirkt, 
letzterer über eine aus Trinkwasser isolierte Form, welche beim Tiere Granulome 
hervorruft. 


2) Chirurgie des Nervensystems. 

Maragliano berichtet über seine Erfahrungen bei Kraniektomien, die 
er im verflossenen Jahr ausgeführt wegen Neubildungen, Traumen, Epilepsie. Er 
empfiehlt die temporäre Blutstillung nach Heidenhain. Die Radiographie leistet 
in der Diagnose der Hirngeschwülste noch nichts. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 1181 


Falcone hat durch Injektion vom Subdural- und Subarachnoidealraum in 
überraschender Weise kommunizierende Lymphbahnen darstellen können, 
die durch den Knochen zur Schleimhaut des Sinus frontalis ziehen und 
dort ein demonstrables Netz füllen. Er wird diesen für die Pathologie wichtigen 
Befunden noch nachgehen und dieselben später ausführlich publizieren. 


Dalla Vedova berichtet eingehend über einen sehr interessanten Fall von 
subduralem Sarkom am unteren Hals- und oberen Brustmarke, das 
er nach Resektion des 7. cervicalen und 1.—3. dorsalen Wirbelbogens radikal ent- 
fernen und wodurch er den Kranken von seinen schweren Symptomen heilen konnte. 
V. beschreibt ausführlich die nervösen Symptome und stellt eine Statistik von 
88 Rückenmarksgeschwülsten aus der Literatur zusammen. 


Codivilla spricht über die chirurgische Behandlung der Wurzel- 
paralysen am Plexus brachialis. Er hat sie zweimal operativ angegriffen. 
In dem einen Falle handelte es sich um eine Lähmung im Gebiete der 5. Wurzel 
im Anschluß an eine Halswirbelfraktur. Diese Wurzel war außerhalb des Wirbel- 
kanales verdickt, hyperämisch, innerhalb desselben abgeplattet, weiß. Abtragung 
des Wirbelquerfortsatzes und Befreiung der Wurzel gab Heilung der Lähmung 
innerhalb 10 Tagen. — Im anderen Falle hatte das 1jährige Kind eine Geburts- 
paralyse des Plexus. C. exzidierte eine Narbe und führte eine Nervenplastik aus. 
In der kurzen Beobachtungszeit noch kein Erfolg. 


Virnicchi berichtet über klinische und histologische Untersuchungen 
bei Nervennaht. Das klinische Material umfaßt acht Fälle. Einmal hat er 
den N. medianus mit dem N. cubitalis mit bestem Erfolge vereinigt, auch hat er 
wiederholt bei Defekten zwischen die Stümpfe Catgut eingepflanzt und war mit 
dem Erfolge zufrieden. 


3) Chirurgie an Kopf und Hals. 

Righetti hat an Hunden und Kaninchen Untersuchungen über die Vor- 
gänge nach Resektionen an den Speicheldrüsen angestellt und gefunden, 
daß der Teil des Drüsenrestes, der mit dem Ausführungsgang in Zusammenhang 
bleibt, rasch hypertrophiert, während die von ihm getrennten Drüsenteile der 
bindegewebigen Atrophie anheimfallen und die erhaltenen Epithelinseln cystisch 
entarten. 


Niosi stellt ein großes Teratom des Halses vor, das Ceci bei einem 
6monatigen Kind exstirpiertee Mikroskopisch fanden sich die verschiedensten 
Arten der Gewebe vor; vor allem war Nervengewebe embryonalen Charakters vor- 
handen. 


Scalone: Kritischer und experimenteller Beitrag zur Funktion 
und Transplantation der Thymus. Beim Tiere ruft die Exstirpation der 
Thymus vorübergebende Störungen in der Ernährung und Widerstandsfähigkeit 
(gegen Infektionen) hervor. Die Funktion der Thymus besteht nach S. vornehm- 
lich in der Regelung der Entwicklung und des Wachstums des Organismus, viel- 
leicht auch in einer antitoxischen Wirkung. Übergepflanzte Thymusstücke atro- 
phieren: 


4) Chirurgie der Brust. 

Pandolfini demonstriert zwei Fälle von Endotheliom der Mamma, 
ein Lymphendotheliom und ein Hämangioendotheliom. — Ceci erwiderte, daß er 
solche Fälle für nicht allzu selten halte, da früher manche hierher gehörige Ge- 
schwulst für ein Sarkom angesprochen wurde. 


Jacobellini bespricht an der Hand von drei Fällen die Extraktion der 
Fremdkörper aus der Speiseröhre und empfiehlt den Kirmisson’schen 
Haken mehr als den Gräfe’schen Münzenfänger. 

In der Diskussion erwähnten Biagi und Schiassi je einen interessanten 
Fall. Ersterer extrehierte einen 6 cm langen Nagel, der von der Speise- 


1182 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 


röhre aus in das Mediastinum vorgedrungen war, mittels der hinteren 
Mediastinotomie mit Resektion der 2.—5. rechten Rippe. Heilung. S. führte 
die analoge Operation (Resektion der 4.—7. Rippe hinten links) aus, um eben- 
falls einen Nagel zu extrahieren, der aber mit der nach oben gerichteten Spitze 
in einem Bronchus der Lunge steckte. Es gelang ihm, den Hauptbronchus 
ohne Verletzung per Pleura zu finden, zu isolieren, zu eröffnen und so den Nagel 
zu extrahieren. Heilung. 


Fasano berichtet über einen Fall von penetrierender Zwerchfell- 
und Leberverletzung. Die abnorm hohe Einstichöffnung befand sich im linken 
5. Interkostalraum unterhalb der Mammilla. Die Lunge war trotzdem nicht ver- 
letzt. F. ging nach Rippenresektion transpleural vor und versorgte so die Leber- 
wunde durch Naht; um diese zu tamponieren, befestigte er die Wundränder des 
Zwerchfells an die äußere Wunde. Heilung. — F. bespricht eingehend die ein- 
schlägige Literatur und vor allem den besten Operationsweg. Je nach der Art 
des Falles solle man transpleural oder abdominal vorgehen, ersteres besonders bei 
rechtsseitigen, letzteres bei linksseitigen Wunden. — De Gaetano empfiehlt die 
Thorako-Laparotomie und primäre Naht der Wunden. 


5) Bauchchirurgie. 

Tusini: Enterotopia epitheliale e carcinoma. T. berichtet über einen 
Fall von Adenokystom der Flexura sigmoidea und geht dann auf die 
Genese der Geschwulst ein. Diese sei vom embryologischen Standpunkte deshalb 
bemerkenswert, weil hier zum ersten Male beim Menschen nahe Beziehungen zwi- 
schen den lIymphoiden Zellen der Follikelapparate des Darmes und dem Epithel 
der Schleimhaut erwiesen seien. Weiterhin handelte es sich um ein jugendliches 
weibliches Individuum. 

Durante bezweifelte in der Diskussion die Möglichkeit einer Umwandlung 
von Epithelien in Lymphfollikel. 


Ferrarini teilt im Anschluß an einen eigentümlichen Fall von Spleno- 
adenopathia chronica interessante eingehende bakteriologische Untersuchungen 
ausführlich mit. Die exstirpierten submaxillaren Lymphdrüsen konnten klinisch 
und pathologisch-anatomisch als tuberkulös gelten. Sie enthielten aber keine Tu- 
berkelbazillen, sondern eine Varietät des Bacillus subtilis. Derselbe fand sich 
auch konstant im Blute der Kranken; er selbst und seine Toxine riefen beim 
Versuchstiere charakteristische Erkrankungen hervor, die zum Tode führten. Die 
Pat. wies allmählich eine Schwellung aller peripheren Drüsengruppen und eine 
Milzschwellung auf, so daß F. wohl mit Recht annimmt, daß das Ganze ein ein- 
heitliches Krankheitsbild darstellt, dem jener Bazillus zugrunde liege. 


Betagh referiert die vorläufigen Resultate experimenteller Untersuchungen 
am Hund über den Einfluß der Gastroenterostomie auf die Sekretion 
des Pankreas und der ausgeschalteten Duodeno-Jejunalschleimhaut. 
Bei unkomplizierter Gastroenterostomie war kein Unterschied zu finden, während 
in den Fällen, in welchen der Übertritt der Magensäfte zum Duodenum durch 
stenosierende Operationen oder Resektion des Pylorus erschwert oder verhindert 
wurde, die physiologische Wirkung der gedachten Sekrete in geringerem oder 
höherem Grade gestört war. 


Cosentino: Überpflanzungsversuche der Schleimhaut des Magen- 
Darmkanaleszwischen Blätter des Bauchfellsundin parenchymatöse 
Organe (Leber, Pankreas). C. konstatierte reaktive Veränderungen am neuen 
Mutterboden (Auswanderungen von Zellen, Bindegewebswucherungen). Das über- 
pflanzte Epithel verfiel größtenteils einer Nekrobiose, einzelne Elemente erbielten 
sich jedoch, nahmen eine niedrige zylindrische Form an und umschlossen c'ystisch e 
Räume, deren Größe von der eines Hirsekorns bis zu der einer Erbse schwankte. 


Mattöli: Fünf Fälle von Darmausschaltung; dreimal wegen eines 
widernatürlichen Afters, in einem vierten Falle wegen Tuberkulose des Blinddarmes. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 1183 


Hier wurde zunächst der unterste Teil des Deum (der zuführende Darmschenkel) 
reseziert und ins Querkolon gepflanzt und nach mehreren Wochen der Blinddarm 
exstirpiert und der (abfübrende) Kolonschenkel blind verschlossen. Heilung. Im 
fünften Falle handelte es sich um mehrfache Stenose des Dickdarmes. Einpflanzung 
des unteren Ileum in den untersten Abschnitt der Flexur brachte Heilung. 


Tarsia in Curia hat in bislang etwa 40 Experimenten am Hund eine Darm- 
schlinge in Ausdehnung bis zu 18cm vom Mesenterium getrennt und 
so die Ernährung derselben unterbrochen; alsdann hat er sie mit Netz sorg- 
fältig umhüllt, um so dessen Wirkung auf die Gefäßneubildung und 
Ernährung zu prüfen. Die Tiere gingen nicht zugrunde, ihre Darmfunktion 
war gut, obwohl der isolierte Darmabschnitt allmählich der Nekrose anheimfiel. 


Stinelli untersuchte experimentell den Einfluß der temporären Unter- 
brechung der Zirkulation an der Milz. Er konnte ohne Schaden die Ge- 
fäße 20 Minuten abklemmen. 


6) Nierenchirurgie. p 

Taddei hat gemeinschaftlich mit Torrini Uberpflanzungsversuche der 
Nebenniere in die Niere ausgeführt, und zwar von Kaninchen und Kaninchen- 
fötus und Meerschweinchen und Meerschweinchenfötus in die Niere von Kaninchen. 
Die überpflanzten Organe verschwanden stets, und zwar die Marksubstanz und die 
Zona reticularis am schnellsten, während die Zona glomerulosa und fascicularis 
sich am längsten, bis zu 300 Tagen, hielten. Die Reaktion von seiten der Niere 
war äußerst gering. 

Alessandri. Beitrag zur Nierenchirurgie. 

An der Hand von 67 eigenen Beobachtungen bespricht A. eingehend die ein- 
schlägigen Fragen. Er betont den Wert der Röntgenstrahlen für die Diagnose 
der Steinniere. Die Harnseparatoren wirken nicht sicher, daher empfiehlt A. den 
Harnleiterkatheterismus, zumal den der kranken Seite, mit nicht zu dünnem Ka- 
theter. Bei der funktionellen Diagnose leistet die Kryoskopie das meiste, doch 
wagt A. nicht, auf diese allein einen Operationsplan zu bauen. — Auf die inter- 
essanteren Details kann hier nicht eingegangen werden. Das Material setzt sich 
zusammen aus 12 Fällen von entzündlichen Prozessen, 3 Fisteln, 7 essentiellen 
Neuralgien, 1 Trauma, 11 Fällen von Nephrolithiasis, 7 Tuberkulosen, 4 Neubil- 
dungen, 1 Nierencyste, 18 Senkungen, 3 Erkrankungen des Harnleiters. 


Burci demonstriert ein durch Operation gewonnenes Nierenpräparat, bei 
dem das Organ durch ein Septum in zwei Teile geteilt ist, deren jeder 
ein eigenes Nierenbecken und einen eigenen Harnleiter besitzt, welch 
letztere sich erst kurz vor der Blase zu einem Kanale vereinigen. Der obere 
Nierenteil zeigt eine Pyonephrose, der untere ist gesund. Die Pat. 
wurde geheilt. 


Cassanello referiert als Beitrag zur Entstehung, Diagnose und The- 
rapie der polycystischen Degeneration der Nieren über zwei eigene 
Beobachtungen. In dem einen Falle, bei einer jungen Dame, bestand das doppel- 
seitige Leiden seit frühester Kindheit und war mit Nephroptose kombiniert. Nephro- 
pexie erzielte eine 5 Jahre beobachtete Besserung. — Der zweite Fall war einseitig 
und ebenfalls mit Ptose kombiniert und schien erst seit wenigen Jahren zu be- 
stehen. Nephropexie; Besserung. — C. bespricht eingehend die verschiedenen 
Theorien über die Genese, die Diagnose und die Therapie, die äußerst vorsichtig 
sein müsse. 


Parlavecchio bespricht und demonstriert einen Fall von unilateraler 
polycystischer Entartung der Niere, den er durch Nephrektomie geheilt 
hat, nachdem er sich vom gesunden Zustande der anderen Niere überzeugt hat. 
Das Präparat zeigte interstitielle Nephritis mit Retentionscysten. Pat. bat aller- 
dings 4 Monate nach der Operation leichte Schmerzen auf der anderen Seite. — 
Auch P. bespricht die Pathologie und Therapie dieses Leidens. 


1184 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 


Cappelli hat bei einer abdominellen Uterusexstirpation wegen Karzinom 
etwa 8 cm vom rechten Harnleiter und etwa 1/, der Blasenwand resezieren 
müssen. Um die Einpflanzung des Harnleiterstumpfes zu ermöglichen, mobili- 
sierte er die rechte Niere. Schräge Ureterocystoneostomia extraperitonealis. 
Heilung. 


Leotta: Pathologisch-anatomische Beobachtungen über dasHyper- 
nephrom. L. gibt eine umfassende und gründliche, auf eingehender Berück- 
sichtigung der Literatur (ö Seiten Literaturverzeichnis) basierende Schilderung 
dieses Leidens an der Hand von zwei eigenen Beobachtungen. Diese sind dadurch 
bemerkenswert, daß in keinem dieser Fälle Hämaturie bestand, obgleich in 
dem einen derselben die Geschwulst in Haselnußgröße in das Nierenbecken hinein- 
ragte. 

Diskussion zu den Vorträgen über die Nierenchirurgie, besonders 
zu dem Referat Alessandri’s, 

Zur Diagnose der Nierenfunktion sprach Leotta, welcher der Kryoskopie 
nur einen sehr geringen Wert beimißt. — Auch Ferrarini verhält sich der Kryo- 
skopie gegenüber zurückhaltend. — Biondi ist auf Grund seiner großen, über 
100 Fälle umfassenden Erfahrung gegenüber den diagnostischen Hilfsmitteln sehr 
skeptisch, legt aber dem Luys’schen Separator große Bedeutung bei, und wo 
dieser nicht anwendbar, rät er zu Cystotomia suprapubica und Untersuchung des 
Urins auf diesem Wege. — Auch Taddei spricht für das Luys’sche und Dalla 
Vedova’sche Instrument und geht auf die Schwierigkeiten des Harnleiterkathe- 
terismus bei cystischen Komplikationen ein. — Giordano betont, daß man alle 
zu Gebote stehenden Untersuchungsmethoden heranziehen müsse. — Maragliano 
hat beobachtet, daß mitunter bis '/4 des Urins neben dem Harnleiterkatheter ab- 
fließen kann. — Caminiti sprach noch über die Pathogenese der polycystischen 
Nierendegeneration, und Tusini berichtet über einen Fall von Pyonephrose mit 
Schwangerschaft, welch letztere er durch Nephrostomie bis zum 7. Monate auf- 
halten konnte. In einem Schlußwort präzisiert Alessandri nochmals seinen oben 
angedeuteten Standpunkt, besonders den diagnostischen Hilfsmitteln gegenüber. 


Ceci: Klinischer Beitrag zu den Cysten der Nebenniere. CO. be- 
schreibt zwei Fälle, die er operierte.e Bei dem einen wurde abgesackte rechts- 
seitige Peritonealtuberkulose vorher diagnostiziert, die Cyste exstirpiert und Heilung 
erzielt. Der zweite Fall war kombiniert mit Basedow und hochgradiger Abmage- 
rung. Auch hier Exstirpation der enormen Cyste. Tod später im Kollaps. In 
beiden Fällen wurde bei der Autopsie keine Nebennierenkapsel gefunden. Die 
Cystenwand enthielt jedoch Nebennierengewebe. 


7) Geschlechtsteile. 

Pascale bespricht zehn Fälle epithelialer Geschwülste des Penis 
vom pathologisch-anatomischen und klinisch-chirurgischen Standpunkt aus. In der 
chirurgischen Therapie ist er sehr weit, bis zur >»Emasculazione totale« gegangen. 

In der Diskussion bespricht u. a. Tusini ein ÖOperationsverfahren bei 
Vulvakarzinom, das ebenfalls auf die totale Exzision der äußeren Genitalien 
und der beiderseitigen Leistendrüsen im Zusammenhang hinausläuft. 


Marcozzi: In Rücksicht auf die Radikaloperationen bei Hydrokele hat M. 
an Hunden Experimente ausgeführt, um die Veränderungen des Hodens nach 
Entfernung der Tunica vaginalis parietalis zu untersuchen. Es ergab 
sich regelmäßig eine parenchymatöse Degeneration des Organes, hervor- 
gerufen durch den Druck der neugebildeten Bindegewebskapsel. 


Anzilotti: Beiträge zur Pathologie des Hodens. Drei Fälle werden 
referiert: 1) eine nekrosierende, eitrige Hoden- und Nebenhodenent- 
zündung bei einem Prostatiker, hervorgerufen lediglich durch Bacillus 
pyocyaneus, der sich als hochvirulent erwies und auch im Urin gefunden wurde; 
2) ein doppelseitiges Kystom (eine echte Proliferationscyste) des Nebenhoden- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 1185 


kopfes, ausgehend von den Tubuli; 3) eine Art Teratom, eine angeborene, rasch 
wachsende Geschwulst, die lediglich Elemente des Ento- und Mesoderms, Cysten 
verschiedener Struktur, mit bindegewebiger Wandung, Knorpeleinlagerungen und 
rudimentäre Drüsen enthielt. Ein sarkomatöser Knoten fand sich auch. A. geht 
auf die verschiedenen Theorien der Genese ein. 


Betagh bespricht zunächst die pathologische Anatomie der Peri- 
orchitis chronica (»pachivaginalite«), bei der er bedeutsame Entwicklung des 
Bindegewebes und interstitielle Hämorrhagien, zumal ins Rete testis, und de- 
generative Prozesse des Organes gesehen hat. Alsdann geht er auf die 
Veränderungen bei Retentio testis ein, welche ebenfalls auf Atrophie 
der verschiedenen Elemente des Organes und Wucherung mit hyaliner De- 
generation des Zwischengewebes hinausläuft. Schließlich beschreibt B. 
zwei Fälle von Torsion des Samenstranges, die mit hämorrhagischem 
Infarkt und Nekrose des Hodens einhergingen und durch dessen Exstirpation 
geheilt wurden. 


Biondi: Experimentelle und klinische Beobachtungen über In- 
jektionen in das Vas deferens. B. schlägt diese Injektionen zu therapeu- 
tischen Zwecken vor. Er hat sie an Leiche und Versuchstier ausprobiert. Die 
injizierte Lösung dringt zentralwärts über die Samenbläschen in Prostata und 
Blase vor. Das klinische Beobachtungsmaterial bezieht sich vorläufig auf zehn Tu- 
berkulosen und drei Gonorrhöen. Die Erfolge waren sehr gut. Bei infektiöser 
Hodenentzündung wurde die zentrifugale Injektion in den Samenstrang mit solcher 
in den Hoden kombiniert (cf. d. Zentralbl. 1908 Nr. 35 p. 1060). 


Nasuti (Napoli) beschreibt den seltenen Fall eines Perithelioms des Eier- 
stockes und geht auf die Genese und Histologie dieser Geschwülste ein. 


8) Chirurgie der Extremitäten. 

.. Galeazzi: Klinische und experimentelle Untersuchungen überdie 
Überpflanzung desIntermediärknorpels. G. berichtet über drei klinische 
Fälle. Zweimal hat er wegen Manus valga den Knorpel des peripheren Ulnaendes 
in das periphere Radiusende verpflanzt, aber das rasche Verschwinden desselben 
radiologisch festgestellt. Trotzdem war das funktionelle Resultat ein gutes. In 
einem dritten Falle hat G. an Stelle eines größeren Radiusdefektes ein Stück 
Metatarsus mit Epiphyse transplantiert. Hier heilte nicht allein der Knochen 
ein, sondern es schien sogar der Epiphysenknorpel zu funktionieren. — Zur Klä- 
rung hat G. noch Tierexperimente ausgeführt. Bei diesen ossifizierte der Inter- 
mediärknorpel rasch und starb dann ab; nur selten erhielt sich seine Funktion in 
sehr beschränktem Maße. 


Secchi: Beitrag zur unblutigen Behandlung der angeborenen 
Hüftgelenksluxation mittels der italienischen Methode. Gestützt auf 
eine Erfahrung an 164 unblutig behandelten Fällen bespricht S. ausführlich die 
verschiedenen Verfahren, verweist besonders auf das Paci’s und kommt zu dem 
Schluß, daß in der größeren Anzahl der Fälle auf diesem Weg eine Heilung mög- 
lich, stets aber eine wirkliche Besserung zu erzielen sei. 


Leotta stellt einen Fall Weir-Mitchell’scher Krankheit, Erythro- 
melalgie, vor, welcher mit Gangrän der linken großen Zehe kombiniert war, 
Nach Amputation derselben schritt die Gangrän auf das Grundgelenk der 2. Zehe 
über, so daß nach weiteren 8 Monaten L. die alte Amputationswunde und den 
neuen Gangränherd energisch auskratzen mußte. Zugleich nahm er aber eine 
Dehnung der beiden Nn. plantares hinter dem Malleolus vor. Jetzt erfolgte 
rasche Heilung innerhalb 22 Tagen, die noch im Januar 1908 bestand. L. emp- 
fiehlt daher in ähnlichen Fällen die Nervendehnung und rät, mit den Ampu- 
tationen vorsichtig zu sein. Die mikroskopische Untersuchung der exstirpierten 
Teile zeigte hochgradige Verdickung und Yung der Arterien. L. bespricht 
eingehend das ganze Krankheitsbild. 


1186 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 


De Gaetano zeigt ein 1155 g schweres Teratom des Cavum sacro- 
coccygeum, das bei einem 3jährigen Kind exstirpiert wurde. Er bespricht 
Histologie und Atiologie dieser Geschwülste und nimmt für seinen Fall eine dop- 
pelte Keimanlage an. 


Anhang. Angemeldete, aber nicht gehaltene Vorträge. 
1) Perez: Artrosinovite cronica sieross vegetante poliarticolare. 
P. teilt einen einschlägigen Fall mit, bei dem er die Arthrektomie am Kniegelenk 
mit gutem Erfolge gemacht hat. Die Pathologie dieses Leidens wird genau be- 
sprochen. 


2) Isaja: Dellatubercolosiparenchimaledellalingua. Beschreibung 
eines als Tumor imponierenden tuberkulösen Granuloms der Zunge. Exzision. Hei- 
lung. Genaue Beschreibung des histologischen Befundes und eingehende Berück- 
sichtigung der Literatur. Nur 19 analoge Fälle sind bekannt. 


3) Cosentino: Sulla tubercolosi del collo dell’ utero. Einschlägiger 
Fall, geheilt durch Amputation des Uterushalses. Genaues Literaturstudium. 
A. Most Breslau). 


18) A. Don. Case of Henoch’s purpura associated with angio- 
neurotic oedema. 
(Practitioner 1908. Juni.) 


Kasuistischer Beitrag zu dem Kapitel der Purpura haemorrhagica, verbunden 
mit angioneurotischem Odem. Bei dem 1ijährigen Knaben bestand außer einer 
Purpura an den Beinen und Ödem des Gesichtes als Hauptsymptom der Erkran- 
kung eine starke Schmerzhaftigkeit der rechten Seite des Leibes im Bereiche des 
Colon ascendens, sowie im Epigastrium, verbunden mit Fieber und Erbrechen. Da 
starke Verstopfung vorhanden war, wurde Kalomel verordnet, wonach reichliche 
Entleerung des Darmes und Verminderung der Leibschmerzen auftrat. Die Pur- 
pura war sehr wechselnd, trat bald hier und dort am Körper auf, verschwand nach 
wenigen Tagen, um dann an anderen Körperstellen wieder zu erscheinen. Pat. starb 
im Alter von 41 Jahren nach starken Blutungen (Zahnfleisch, Nase, Ohren, Nägeln). 
D. glaubt, daß die Erkrankung des Kolon das Primäre gewesen ist, wodurch die 
Anämie, das Erbrechen und die Intestinalberschwerden bedingt wurden; durch 
Resorption der Darmtoxine, sowie durch sekundäre bakterielle Infektion sei das 

dem und die Purpura entstanden. Jenckel (Göttingen). 


19) A. Dighton. Progressive ossifying myositis in a boy aet. eleven. 
(Edinb. med. journ. 1908. April.) 


Beschreibung eines Falles von Myositis ossificans bei einem 11 jährigen Knaben, 
der aus gesunder Familie stammte und nach der Angabe der Mutter im Alter von 
5 Jahren nach Masern, Bronchitis und Keuchhusten die jetzige Krankheit erwarb. 
Dieselbe begann mit Steifheit der Muskeln, in denen sich nach und nach harte 
Massen bildeten. Betroffen waren hauptsächlich die Oberarmmuskeln beiderseits, 
Biceps, Triceps, Coracobrachialis, Anconeus. Der Biceps war fast völlig in eine 
knochenharte Masse umgewandelt. Von den Beinmuskeln waren die Adductoren 
besonders, die Extensoren und Flexoren in geringerem Maße affiziert. Linkerseits 
war der pathologische Prozeß stärker ausgesprochen als rechterseits. 

Typisch ist der Fall insofern, als ein männliches Individuum betroffen war, die 
Erkrankung in der Jugend begann und vollkommen symmetrisch auftrat. Unge- 
wöhnlich ist, daß trotz des langen Bestehens des Leidens die Rückenmuskeln, der 
Latissimus dorsi sowie der Trapezius gesund blieben. Ein Röntgenbild vom Ober- 
arm zeigt die Knochenbildung und Kalkablagerung besonders im Biceps sehr 
instruktiv. Jenckel (Göttingen). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 1187 


20) Buchanan. The ambulatory treatment of fractures as applied 


to osteotomy. 
(Practitioner 1908. April.) 

Zur Erzielung eines guten funktionellen Resultates nach einer Osteotomie, hält 
Verf. eine möglichst baldige ambulante Behandlung für das Beste. Daher rät er 
ganz entschieden dazu, bei einer Osteotomie des Oberschenkels wegen Genu valgum 
nach Macewen nach Ablauf der Schwellung — etwa am 4. Tage — das Bein 
einzugipsen. Pat. können bald (gewöhnlich nach 6 Tagen p. op.) aufstehen und 
guerst mit Hilfe einer Krücke, später eines Stockes herumgehen. Die meisten 
Pat. verließen dann die Klinik auf 14 Tage. Nach 5—6 Wochen entfernt man den 
Verband und die Nähte. Mit den erzielten Resultaten der 19 Fälle ist Verf. sehr 
zufrieden. Eine Übersichtstafel über die Heilungsdauer ist der Arbeit beigefügt. 

Jenckel (Göttingen!. 


21) A. Selig. Die Behandlung inoperabler Geschwülste mit Radium. 
(Med. Klinik 1908. p. 1149.) 

Sechs inoperable Krebsfälle (zwei des Ductus cysticus und choledochus, vier des 
Magens) wurden mit Hilfe einer 5 mg Radiumbromid enthaltenden Kapsel der Ein- 
wirkung von 1200000 Emanationseinheiten ausgesetzt. Die Geschwulstmassen 
bildeten sich nicht zurück und verloren höchstens etwas an Härte. Dagegen ließen 
jedesmal die Schmerzen bedeutend nach. Alle Kranke starben. Bei fünf wurden 
Haut und Neubildung mikroskopisch untersucht. In der bestrahlten Haut fand 
sich allgemeiner Schwund des Papillarkörpers, Epitbels und Unterhautfettgewebes, 
mehr oder minder tief greifende Nekrose mit Abhebung des Epithels und Schorf- 
bildung, starke Gefäßfüllung und Blutaustritt, im Krebsgewebe manchmal eitrige 
Einschmelzung neben Zellzerfall. Es wird daher davor gewarnt, noch bestehende 
operative Heilungsaussichten durch nutzlose Radiumbehandlung zu vereiteln. 

@eorg Schmidt (Berlin). 


22) J. Jelinek. Die Narkose mit peroraler Intubation. 
(Casopis lékařů českých 1907. p. 1169.) 

Im Brünner Kinderspital wurde die perorale Intubation angewendet: 4mal 
bei plastischer Operation der Palatoschisis, 3mal bei Cheiloschisis, 6mal bei Opera- 
tionen an der Nase, 1mal bei Resektion des Unterkiefers, 2mal bei Epulis sarco- 
matosa und 4mal bei der Exstirpation großer Halslymphome. Unangenehme 
Komplikationen wurden niemals beobachtet; nur einmal machte die Entfernung 
des im Kehlkopf durch einen Krampf der Stimmbänder eingeklemmten Tubus 
einige Schwierigkeiten, die durch Anwendung größerer Kraft überwunden werden 
mußten; die Folgen bestanden nur in einer schnell vorübergehenden Heiserkeit. 
Eine tiefere Narkose hätte diese üble Folge verhüten können. 

6. Mühlstein (Prag). 


23) J. Jerie. Die Serotherapie des Tetanus. 
(Casopis lékařů českých 1907. p. 1027.) 

Der Autor beschreibt zunächst vier Fälle von postoperativem Tetanus aus der 
Klinik Pawlik, bei denen durchweg die Serotherapie eingeschlagen wurde, und 
zwar im ersten Falle nur subkutan (80 ccm), in den übrigen Fällen auch intra- 
spinal (10—20 ccm). Pat. 1 starb, Pat. 2 und 3 genasen, Pat. 4 starb an einer 
interkurrenten Pneumonie und Meningitis. Infolge dieses günstigen Resultates der 
intraspinalen Injektionen und der widersprechenden Angaben in der Literatur 
stellte J. Versuche an jungen Ziegen an und gelangte zu folgenden Ergebnissen: 
1) Die intraspinale Injektion des Antitetanusserums schließt bei aseptischem Vor- 
gehen keine Gefahr in sich. 2) Das Antitetanusserum ist bei intraspinaler An- 
wendung wirksamer als bei subkutaner, indem ein Effekt, bestehend in einem pro- 
trahierten Verlauf der Erkrankung, selbst dann erzielt wird, wenn die Injektion 
erst 48 Stunden nach dem Auftreten der ersten Tetanussymptome vorgenommen 
wurde. 


1188 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 


Auf Grund dieser Erfahrungen, sowie jener Erfahrungen, welche durch prophy- 
laktische Seruminjektionen beim Menschen an einer großen Anzahl von Fällen 
gesammelt wurden, stellt der Autor folgende Sätze auf: 

1) Das Antitetanusserum (der Autor benutzte das Serum von Roux) ist ein 
ausgezeichnetes Prophylaktikum. 

2) Die Anwendung des Serums als Heilmittel bei ausgebrochenem Tetanus hat 
noch keine befriedigenden Resultate geliefert. Die subkutane Injektion allein ge- 
nügt nicht; die intrazerebrale Injektion ist direkt gefährlich; bei intraspinaler In- 
jektion ist der Effekt zwar ein unsicherer, aber doch ein offenkundiger. 

Schließlich empfieblt der Autor eine Kombination der subkutanen (80 ccm) 
und intraspinalen (20 ccm) Injektionen. &. Mühlstein (Prag). 


24) B. Vaßek. Die Therapie einiger chirurgischer Erkrankungen mittels 
passiver Hyperämie nach Bier. 


(Casopis lekafü ceskych 1908. p. 885.) 

Der Autor sammelte an 126 Fällen der Klinik Kukula folgende Erfahrungen: 
1) Beginnende Infektionen können durch die Bier’sche Methode kupiert werden; 
gequetschte, verunreinigte, infizierte Wunden heilen sehr günstig. 2) Entwickelte 
Infektionen heilen, wenn sie umschrieben sind, verhältnismäßig schnell nach kleiner 
Inzision. 3) Bei entwickelter Sehnenphlegmone begünstigt die passive Hyperämie 
nach Vornahme großer Inzisionen die Erhaltung der Sehnen; sie erleichtert den 
Eiterabfluß ohne Mulldrains. 4) Bei gonorrhoischer Monarthritis wirkt sie als 
promptes Analgetikum und begünstigt so die Wiederherstellung der Funktion. 
5) Beim Fungus bewährt sich die passive Hyperämie speziell bei den chronischen 
Formen, die nicht zum Zerfall neigen; bei Neigung zum Zerfalle muß erst operiert 
und dann gestaut werden. 6. Mühlstein (Prag). 


25) D. Drow. Injuries to the head in young children. 
‘Practitioner 1908. April.) 

Daß im frühesten Kindesalter Brüche des Schädeldaches nach Traumen öfter 
vorkommen, als man erwartet, zeigt Verf. an der Hand von drei interessanten 
Beobachtungen. Bei einem 8 Tage alten Kinde, das mittels Zange zur Welt kam, 
ließ sich im Bereich des linken Stirnbeines eine deutliche Depression nachweisen, 
die sich nach Freilegung des Knochens mittels Elevatorium nicht heben ließ. Erst 
nach Durchschneidung und mehrfacher Einkerbung des Knochens unter Schonung 
der Dura gelang die Hebung. Heilung. Der zweite Fall betraf ein 6 Wochen 
altes Kind, das aus dem Bett auf den Kopf gestürzt war. Im Bereiche des rechten 
Scheitelbeines war eine mächtige Schwellung vorhanden, die beim Schreien des 
Kindes deutlich pulsierte (Cephalhydrokele). Durch Tastung ließ sich im Knochen 
ein horizontal verlaufender klaffender Spalt feststellen, der später noch an Weite 
zugenommen hatte. Durch diesen Spalt drängte sich, wie die Operation zeigte, 
Gehirn nach außen vor. Der Vorfall wurde abgetragen, die Knochen mittels 
Silberdrahtes fest vereinigt. Heilung. Beim dritten Kinde, das im Alter von 
18 Monaten von einem Stuhl berab auf den Schädel gefallen war, trat 6 Wochen 
später eine große, fluktuierende Schwellung des rechten Scheitelbeines auf. Bei 
der Operation zeigte sich nach Entfernung einer großen Menge geronnenen und 
flüssigen Blutes eine feine Fissur im rechten Scheitelbein, aber keine Depression ; 
Hautnaht, Heilung. Verf. meint, daß man viel häufiger Brüche des kindlichen 
Schädels würde feststellen können, wenn alle Fälle von Hämatombildung einer 
Operation unterzogen würden, was jedoch bekanntlich gewöhnlich nicht nötig wäre. 

Jenckel (Göttingen). 


26) J. Gobiet. Beiträge zur Hirnchirurgie. Aus dem Gewerkschafts- 
krankenhause Orlau. 
(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Nr. 4.) 
1) Wunde des Scheitelbeines mit Impression und Zertrümmerung der Gehirn- 
substanz.. Heilung per granulationem nach Ausräumung in etwa 8 Wochen. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 1189 


Weitere 8 Wochen später Kopfschmerzen, Schwindel, klonische Krämpfe in Hand 
und Fuß. lebhafte Pulsation des Schädeldefektes. Bei Operation fand sich 
eine Cyste, die exstirpiert wurde. Deckung durch einen Knochenperiostlappen 
aus der Tibia, der teilweise nekrotisch wurde. Trotzdem konnte Pat. 3 Monate 
beschwerdefrei arbeiten. Dann Entfernung des Lappens wegen zunehmender 
Eiterung und schon 2 Tage später Einsetzen epileptischer Anfälle, die nach 
Deckung des Defektes durch Plastik nach Durante-v. Hacker wieder prompt 
schwanden. Noch 13/, Jahre später konnte Anhalten der Heilung konstatiert 
werden. Verf. wendet sich auf Grund seines und anderer Fälle gegen die War- 
nung Kocher’s vor dem Verschlusse traumatischer Schädeldefekte. Für die Plastik 
empfiehlt er warm die Durante-v. Hacker’sche Methode. 

2) Sechs Jahre nach Kopfverletzung epileptischer Anfall. 3 Jahre später 
neuer schwerer Anfall. Da eine druckempfindliche Narbe und Knochenverdickung, 
auch im Röntgenbilde, konstatiert wurde, Abtragung des verdickten Knochens 
und Entleerung einer Flüssigkeitsansammlung unter der Dura. Beaktionslose 
Heilung mit sofortigem Aufhören von Kopfschmerzen, Schwindel. Wegen zu kurzer 
Beobachtungszeit kann von Dauererfolg noch nicht gesprochen werden. 

3) Bei einem 82jährigen Manne wurde eine Geschwulst der Sprachregion 
diagnostiziert, bei der Operation aber nicht gefunden. Die Sektion ergab ein 
echtes, auf der Innenseite der Dura sitzendes Cholesteatom der anderen Seite. Be- 
sprechung der seltenen Lokalisation und des kollateralen Sitzes der Hemiplegie. 

4) Fall von extraduralem Hämatom nach Verletzung des Sinus longitudinalis 
durch einen Knochensplitter, der den Sinus teilweise tamponierte. Nach seiner 
Entfernung sehr heftige Blutung, die nur durch Tamponade gestillt werden konnte. 
Heilung. Verf. machte bei der Schwierigkeit bzw. Unmöglichkeit einer Naht des 
Sinus auf den Vorschlag Revenstorff’s aufmerksam, die Dura beiderseits zu 
fassen und über der Sinuswunde fest zusammenzuziehen. 

6) Im Anschluß an Influenza Mittelohrentzündung, die schon in 4 Wochen zur 
Zerstörung des Proc. mast. und schließlich zu Abszeß des Schläfenlappens führte. 
Nach Operation trat Heilung ein, die auch Bestand hatte. 

Renner (Breslau). 


27) Tansini. Sulla cura della nevralgia facciale. 
(Rendiconti del R. istituto lombard. di science e lett. 1907.) 


Verf. führt bei Trigeminusneuralgie außer der möglichst ausgedehnten Extrak- 
tion der Nerven eine weit zentralwärts gehende Kauterisation des Nervenbettes 
und Nervenstumpfes aus, um so eine Wiedervereinigung des Nervenastes tunlichst 
zu vermeiden und in der Hoffnung, einen aszendierenden degenerativen Prozeß 
hervorzurufen. Während T. früher häufig Rezidive erlebte, hat er in 17 so operierten 
Fällen stets eine Dauerheilung erzielt, die 11/,—9 Jahre beobachtet wurde. 

A. Most (Breslau). 


28) L. Rethi. Die Radikaloperation der Kieferhöhleneiterungen von 
der Nase her. 
(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Nr. 5.) 


R. versucht zunächst Spülungen durch das natürliche Ostium oder ein vor- 
handenes Ostium sccessorium, oder bohrt nach Extraktion schlechter Zähne die 
Kieferhöhle an. Führt dies nicht zum Ziele — nach seinen Erfahrungen in fast 
50% —, so legt er eine breite Kommunikation zwischen Kiefer- und Nasenhöble 
durch Abtragung der inneren Kieferhöhlenwand im Bereiche des unteren und mitt- 
leren Nasenganges an. Auskratzungen, Spülungen — auch vom Kranken selbst — 
sowie Trockenbehandlung können dann leicht vorgenommen werden. R. kriti- 
siert die zahlreichen anderen angegebenen Methoden, die entweder zu kleine Öff- 
nungen setzen oder einen unverhältnismäßig großen Eingriff bedeuten, wie die 
Luc-Caldwell’sche Operation. Auch ist seine Methode in wenigen Minuten in 
Lokalanästhesie auszuführen. Deformitäten der Nasenscheidewände müssen even- 


1190 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 


tuell vorher beseitigt werden. In 50 Fällen erzielte R. 42 vollkommene Heilungen, 
8 Besserungen der subjektiren Beschwerden ohne völliges Aufhören der Eiterung. 
Nie wurde eine nachträgliche Eröffnung von außen her nötig. 
Renner :Breslau). 
29) C. Perrier. Ein Fall von tumorartiger Tuberkulose des Ober- 
kiefers. 
(Med. Klinik 1907. p. 1151.) 

Bei einer an Fußknochentuberkulose leidenden älteren Frau trat eine An- 
schwellung des Oberkiefers und des Gaumens auf, deren Eigenart trotz mikro- 
skopischer Untersuchung eines zur Probe ausgeschnittenen Gewebsstückchens nicht 
gesichert werden konnte. Resektion des Oberkiefers. Die harte, die Oberkiefer- 
höhle ausfüllende Geschwulst erwies sich als »tumorartige Tuberkulose«, in deren 
Bindegewebe zerstreut kleine typische Tuberkel mit Riesenzellen eingelagert waren 
und deren Randzone Verkäsungsherde mit Tuberkelbazillen enthielt. Wahrschein- 
lich ist die Neubildung von der Schleimhaut ausgegangen. 

Erkrankungen des Oberkiefers bei Leuten, die an mehrfacher Knochentuber- 
kulose leiden, müssen daher den Verdacht wachrufen, ebenfalls tuberkulösen Ur- 
SPrunge8 zu sein. Georg Schmidt (Berlin). 


30) F. Kirstein. Über Ankylosis mandibulae. 
(Med. Klinik 1908. p. 1103.) 

Der Begriff »Ankylosis mandibulae« ist mit Ausschluß muskulärer, narbiger 
usw. Kieferklemme (Kontraktur) zu begrenzen auf die festen knöchernen oder 
fibrösen Verwachsungen des Unterkiefergelenkes. Entstehung, klinischer Verlauf, 
Behandlung und Ausgänge sind an der Hand eines nach Sturz auf den Unterkiefer 
entstandenen hochgradigen und mit Erfolg resezierten Falles beschrieben (Abbil- 
dungen). Die Durchmeißelung der verknöcherten Gelenksstelle ist nicht ungefährlich, 
obwohl ein durch die Operation oder im Anschluß daran erfolgter Todesfall bisher 
nicht mitgeteilt worden ist; dem Verf. leistete hierbei der für die Radikaloperation 
von Mittelohrentzündungen angegebene Stacke’sche Tutor gute Dienste Auch 
operative dauernde Facialislähmung ist nicht bekannt. Zur Verhütung von Rück- 
fällen wurde auch hier Helferich’s Muskeleinpflanzung zwischen Schädel und 
Resektionsfläche angewendet. Die Operation führt zu schönen Erfolgen. 

Georg Schmidt (Berlin). 


31) Legg. The so-called adenomata of the palate. 
(Practitioner 1908. März.) 

Die im Bereiche der weichen oder der hinteren Partie des harten Gaumens 
vorkommenden, gewöhnlich langsam wachsenden Adenome haben klinisch und 
histologisch große Ahnlichkeit mit den Speicheldrüsengeschwülsten; sie stellen 
kleinere und größere, von einer Kapsel umgebene, meist weiche, gelbweißlich 
ausehende Geschwülste dar, die, ohne zu einer Anschwellung der regionären 
Lymphdrüsen zu führen, in gleichem Prozentsatz bei Männern und Frauen 
beobachtet werden können. Sechs Fälle werden beschrieben. Die Operation ist 
einfach. Gewöhnlich kommt man mit der Inzision der Kapsel und stumpfer 
Enukleation der Geschwulst zum Ziel; manchmal muß der scharfe Löffel zu 
Hilfe genommen oder die Geschwulst in toto exzidiert werden. Sämtliche sechs 
Pat. wurden geheilt. Die mikroskopische Untersuchung der Geschwulst im Fall 1 
ergab, daß ein Teil des Stromas, das durchaus wie dasjenige einer Speichel- 
drüse aussah, karzinomatösen Charakter zeigte. Diese Pat. ist seit 17 Jahren gesund 
geblieben. Neun Mikrophotogramme sind der Arbeit beigefügt. 

Jenckel (Göttingen). 


32) M. Westergaard. Über Nervenläsionen bei Drüsenexstirpationen 


am Halse. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVI. Hft. 3.) 
W. ist der Ansicht, daß man die Nervenverletzungen, welche bei Halsdrüsen- 
operationen vorkommen, in ihrer Häufigkeit und Bewertung unterschätzt hat. Er 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 1191 


veröffentlicht zwei Fälle, die in die Klinik aufgenommen wurden wegen heftiger 
Schultergelenksschmerzen. Als Atiologie dieser Beschwerden kam in beiden Fällen 
eine Durchtrennung des N. accessorius in Betracht, die bei Gelegenheit früherer 
Drüsenexstirpation am Halse verursacht worden war. Die Ursache dieser Schmerz- 
empfindung kann eine Verwachsung der Nervenstümpfe mit der Narbe sein; in 
höherem Maße sind sie aber wohl durch das Hängen der Schulter veranlaßt, wie 
auch die eingeleiteten therapeutischen Maßnahmen erwiesen. Wahrscheinlich be- 
dingt übrigens die Durchschneidung des N. accessorius allein keine Cuctllaris- 
parese, so daß anzunehmen ist, daß mindestens bei dem einen der publizierten 
Fälle eine Verletzung sämtlicher motorischer Nerven des Cucullaris, sowohl des 
Accessorius wie des Astes vom dritten Cervicalnerven, vorlag. W. gibt zum Schluß 
noch Vorschriften über die Anlegung des Schnittes zur Vermeidung derartiger 
Nervenläsionen. E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


33) Guisez. De la cure des retrecissements cicatriciels à forme grave 
par l’oesophagoscopie (&tude basee sur 20 observations personnelles). 
(Revue de chir. XXVII ann. Nr. 3.) 

G. hat 17 erworbene und zwei angeborene narbige Verengerungen der Speise- 
röhre, die mit den gewöhnlichen Mitteln nicht zu erweitern waren, Ösophago- 
skopisch behandelt. Bei 13 Kranken war bereits eine Magenfistel angelegt. 14 mal 
wurde die narbige Stelle unter ösophagoskopischer Einstellung mit dem Ösophago- 
tom ein- oder mehrmals eingekerbt und unter Leitung des Auges bougiert. Drei 
von diesen Pat. starben: einer (Nr. 14) nach der Entlassung an unbekannter Ur- 
sache, ein zweiter infolge Perforation der Speiseröhre und Pneumothorax; Verf. 
hatte hier wegen Ungebärdigkeit des Pat. ohne Anwendung des Spiegels bougiert. 
Der dritte Todesfall betraf eine sehr lange, starr infiltrierte und unnachgiebige 
Striktur; nach der blutigen Erweiterung und Dehnung kam es zu rechtsseitigem 
Pleuraempyem. Solche Verengerungen sind auch mit dem Spiegel nicht zu über- 
sehen und daher zur endoskopischen Behandlung ungeeignet. 

Sein Instrumentarium und die Ausführung der Osophagoskopie und -tomie ist 
gefährlich. Gewöhnlich handelt es sich um mehrere Verengerungen, von denen 
die stärkste am meisten magenwärts gelegen ist. Das eingeführte Rohr muß die 
engste der oberen Strikturen noch gerade passieren können. Die über der untersten 
Enge befindliche Tasche muß sorgfältigst mittels Aspirator und Stieltupfer entleert 
werden, worauf die oft stark nach einer Seite verzogene kleine Lichtung sich ein- 
stellen läßt. Oft liegt sie in einer Falte oder Narbe verborgen und verrät sich 
nur durch das Austreten kleiner Schleimmengen bei den Atem- oder den peri- 
staltischen Bewegungen der Speiseröhre. Die kurzen klappenförmigen Verenge- 
rungen eignen sich am besten für die endoskopischo Behandlung, selbst wenn 
sie nur noch von einer Fadenbougie passiert werden. Gutzeit (Neidenburg). 


34) Cernezzi. Contributo alla cura delle ferite toraco-diaframmatiche. 
(Società Milanese di medicina e biologia. Milano, F. Fossati, 1907.) 

Der 7jährige Knabe wurde eine Stunde nach der Verletzung — Stich mit dem 
Brotmesser — eingeliefert und sofort operiert. Aus đer Wunde im VI. linken 
Interkostalraum, einwärts von der Mammilla, drang Netz. Der Allgemeinzustand 
war leidlich, doch bestand Dyspnoe und Cyanose. C. drang zunächst durch die 
Thoraxwunde vor. Da jedoch Allgemeinzustand und Cyanose trotz Herabziehens 
der Lunge bedenklicher wurden, entschloß er sich zur Laparotomie. So gelang es, 
das Netz zu reponieren und die weit klaffende Zwerchfellwunde zu schließen. Eine 
blutende Leberwunde wurde ebenfalls genäht. Die Dyspnoe verschwand sofort. 
Glatte Heilung. — Im Anschluß an diesen Fall erörtert C. die Frage des opera- 
tiven Vorgehens und kommt zu dem Schlusse, daß der abdominale Weg prinzipiell 
vorzuziehen sei; denn er bietet bessere Übersicht, verringert die Gefahr des Pneumo- 
thorax und gestattet die gleichzeitige Versorgung von Verletzungen der Bauch- 
organe, die unter 65 Zwerchfellwunden sich 53mal fanden. In gewissen Fällen 
wird allerdings auch der transpleurale Weg indiziert sein {bei Verletzungen der 


1192 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 


Lunge oder des Perikards, in unklaren Fällen u. dgl. — wohl auch meist bei 
rechtsseitigen Verletzungen. Der Ref.). A. Most (Breslau). 


35) Thompson. Occluding pulmonary embolism. 
(Annals of surgery 1908. Mai.) 

Nach T. ist die Häufigkeit der Lungenembolien nach Operationen größer als 
man im allgemeinen annimmt. Besonders treten sie nach Becken- und Bauch- 
opergtionen deswegen auf, weil diese Operationen eben häufiger als andere ge- 
macht werden. Von 22 aus der Literatur gesammelten Fällen verliefen 20 tödlich; 
14 waren im Anschluß an Operationen aufgetreten. In den 22 Fällen trat die 
Embolie viermal plötzlich ein, in den übrigen schwankte die Zeit des Eintretens 
von 5 Minuten bis zu 12 Stunden. Um das Eintreten dieser unglücklichen Ereig- 
nisse zu verhüten, schlägt T. vor, alle in der Umgebung einer Geschwulst liegen- 
den varikösen Venen mitzuentfernen oder zu unterbinden. 

Herhold (Brandenburg). 





Berichtigung. 

1) Zu Zentralblatt für Chirurgie 1908 Nr. 35 (Beilage) p. 96 Brauer (Marburg): 
Die therapeutische Bedeutung des künstlichen Pneumothorax. 

Durch mein eigenes Verschulden — ich war in jenen Wochen durch klinische 
Arbeit sowie Lehrtätigkeit übermäßig belastet — ging leider der Redaktion der von 
mir eingeforderte Selbstbericht über meinen Vortrag nicht zu. So ist es gekommen, 
daß das Referat einige Punkte bringt, die ich richtig stellen möchte: 

Der künstliche Pneumothorax kommt hauptsächlich bei schweren einseitigen, 
einen freien Pleuraspali bietenden Lungenphthisen nutzbringend in Frage. Bei 
Bronchiektasien berechtigen meine Erfahrungen noch nicht zu einem abschließenden 
Urteil. Bei inoperabler ausgedehnter Lungengangrän war der Erfolg ein negativer. 
Bei einer schweren, langdauernden Lungenblutung stand zwar die Blutung, der Pat. 
ging aber doch an der Aspiration, die schon vor Anlegung des Pneumothorazx er- 
folgt war, zugrunde. 

2) Zu Zentralblatt für Chirurgie 1908 Nr. 35 (Beilage) 9.105 Friedrich 
(Marburg): Die operative Beeinflussung einseiliger kavernöser Lungenphthise durch 
kostoplastische Pneumolysis. 

In diesem Autoreferat ist nach Zeile 3 einzuschieben: 

sund infolge einer von Brauer ihm entwickelten Idee«. 

Wie Friedrich am Schluß seines Referates selbst zum Ausdruck bringt, 
handelt es sich für ihn um den »Gang der Operation«. 

Diese Erklärung scheint mir nach meinen Erfahrungen, die ich machte, not- 
wendig, um kein Mißverständnis darüber aufkommen zu lassen, daß ich es gewesen 
bin, der auf Grund der Vorarbeiten von Quincke, Carl Spengler und Turban 
sowie eigener Beobachtungen die Idee der großen exitrapleuralen Thorakoplastik (von 
Friedrich als kostoplastische Pnreumolysis bezeichnet) gefaßt, entwickelt und zur 
Ausführung in Vorschlag gebracht hat. Ich habe die drei ersten von Friedrich 
operierten Fälle mit der ausdrücklichen Erklärung überwiesen, daß es notwendig sei, 
durch eine radikale, extrapleurale Thorakoplastik einen Lungen- 
kollaps zu bewirken, welcher gleich ausgedehnt sei, wie der Lungen- 
kollaps bei wohlgelungenem kompletten Pneumothoraz. Der von Carl 
Spengler gewählte Ausdruck »extrapleurale Thorakoplastik« ist eindeutig klar und 
kann eine Veranlassung zu Mißverständnissen nicht geben. 

L. Brauer (Marburg a. L.). 


Druckfehlerberichtigung. Auf p. 43 der Beilage zu Nr. 35 d. Blattes soll 
es in der 7. Zeile statt v. Krafft (Innsbruck) richtig v. Gra ff (Innsbruck) heißen. 


Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdruoke wolle man 
an Prof. B. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden. 


Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau. 
Druck von Breitkopf 4 Härtel in Leipzig. 


Zentralblatt für Chirurgie 


herausgegeben von 


K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER, 


in Bonn, in Berlin, in Breslau. 
35. Jahrgang. 
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG. 





Nr. 41. Sonnabend, den 10. Oktober 1908. 








Inhalt. 


Momburg, Zur Blutieere der unteren Körperhälfte. (Originalmitteilung.) 

1) Morris, Intima der Gefäße und Bauchfell. — 2) Levin und Larkin, 3) Ward, Trans- 
plantation von Bilutgefäßen. — 4) Sonnenburg und Mühsam, Verbandiehre. — 5) Roger, 
Posttyphöse eitrige Mastitis. — 6) Bull, Appendicitis. — 7) Battle, Schenkelbruch. — 8) Thomson, 
Divertikelbildungen im Nahrungskanal. — 9) Rodmann, Magengeschwüre und Krebs. — 10) Dufour 
u. Fredet, Hypertrophische Pylorusstenose. — 11) Nicolaysen, Dünndarmtuberkulose. — 12) Frat- 
tini, Mesenterialthrombosen. — 13) Mummery, Colitis chronica. — 14) Edmunds, Darmanasto- 
mose bei Intussuszeption. — 15) Monks, Durchspülung des Darmes. — 16) Don, Hämorrhoidal- 
operation. — 17) Terrier u. Auvray, Zur Chirurgie der Leber und Gallenwege. — 18) Mousarrat, 
Cholecystitis. 


\Y r 

19) Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins. — 30) Beck, Basedow. — 21) Cernicky, Brust- 
muskel- und Rippendefekt. — 22) Morison, Empyem. — 23) Razzaboni, Brustdrüsengeschwulst 
beim Manne. — 24) Jaworski und Lapinski, Tastung des Wurmfortsatzes und Blinddarmes. — 
35) Willis, Appendektomie. — 26) Luxardo, Hernia inguinalis vesico-pubica. — 27) Martinelli, 
Beidseitiger Schenkelbruch der Blase. — 28) Heller, Retrograde Darmeinklemmung. — 29) Howitt 
u. Corner, Massenreduktion. — 30) Konried, Pseudogeschwulst des Magens. — 81) Bunts, Hyper- 
trophische Pylorusstenose. — 82) Monprofit und Kieffer, Gastrostomie bei Speiserðhrengeschwür. 


, 

— 83) Thomson, 34) Roberts, 35) Petrivalsky, Magen- und Duodenalgeschwür. — 36) Montprofit, 
Gastroenterostomie. — 37) Beatson, Intussuszeption. — 38) Johnston, 39) Summers, Splenektomie. 
— 40) Bérard und Cavalllon, Leberechinokokken. — 41) Lobingier, Gangrän der Gallenblase. — 
42) Bachrach, Operationen an den Gallenwegen. — 43) Edgecombe, Pankreatitis bei Mumps. — 
44) Musumeci, Gekröscysten. — 45) Heyrovsky, Cystische retroperitoneale Geschwulst, 





Zur Blutleere der unteren Körperhälfte. 
Von 
Stabsarzt Dr. Momburg in Spandau. 


D; Veröffentlichungen von Franke (Nr. 31 ds. Bl.) und Rimann 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIV, Nr. 9) veranlassen 
mich, einige Punkte zu besprechen, um Fehler zu verhüten, welche 
den Wert des Verfahrens schädigen könnten. 

Rimann schreibt, daß der Schlauch in drei Touren so fest als 
möglich umgelegt wurde, und daß unmittelbar nachher die Pulsation 
in der A. femoralis nicht mehr zu fühlen war. Diese Ausdrucksweise 
kann den Anschein erwecken, daß der Schlauch dreimal in der Taille 
umgelegt wurde, ohne daß nach jeder Tour der Puls in der A. fe- 
moralis kontrolliert wurde. Der Schlauch soll nur so oft umgelegt 
werden, bis der Puls in der A. femoralis verschwunden ist. Jede 
weitere Umlegung ist überflüssig und erhöht nur zwecklog und in ge- 
führlicher Weise den Druck. 


41 


1194 Zentralblatt für Chirurgie Nr. 41. 


Bei der Lösung des Schlauches beobachtete auch ich wie Ri- 
mann eine Dikrotie des Pulses, welche ca. 10 Minuten anhielt. Es 
war der Fall, bei dem der Schlauch 43 Minuten lag. Im zweiten 
Falle war der Puls nach Lösung des Schlauches ca. 1/, Minute lang 
kaum fühlbar, wurde dann aber schnell wieder normal. Ich möchte 
doch raten, die untere Körperhälfte nach Anlegung von abschnüren- 
den Binden an Ober- und Unterschenkel sukzessive wieder in den 
Kreislauf einzuschalten. 

Meiner Ansicht und Erfahrung nach wird die Methode in keinem 
Falle, auch nicht bei muskelstarken Personen, im Stiche lassen. 
Es wird vielleicht nur eine häufigere Umlegung des Schlauches nötig 
sein. Ich bin bisher mit höchstens vier Touren ausgekommen. Zu 
meinen zwei Fällen kann ich einen dritten hinzufügen, bei dem der 
Schlauch 30 Minuten lang ohne jede Schädigung lag. Es handelte 
sich um eine Eisenbahnverletzung (Abfahren beider Beine). Auch in 
diesem Falle war der Schlauch ohne Narkose angelegt, wie bei meinen 
ersten zwei Versuchen. Der Pat. klagte, wie auch die beiden anderen, 
über den heftigen Druckschmerz, der genau derselbe zu sein scheint, 
wie bei der Abschnürung der Extremitäten. Dieser Schmerz ließe 
sich in gegebenen Fällen (hochsitzende Verletzungen der A. femoralis, 
der A. iliacae, starke Blutungen bei Atonia uteri oder Extra-uterin- 
Gravidität) durch Morphium bekämpfen. 

Wir können auch am Becken eine fast absolute Blutleere er- 
zielen, wenn erst die beiden Beine durch Umlegung einer Gummi- 
binde von den Zehen aufwärts gänzlich blutleer gemacht werden, wie 
bei der Blutleere Esmarch’s. Nach Umlegung des Schlauches in 
der Taille wird die Gummibinde von den Beinen gelöst. Jetzt wird 
der Pat. so gelagert, daß die Beine tief, der Körper hoch liegt. Hier- 
durch fließt Blut aus dem Becken in die blutleeren Extremitäten, 
dessen Rückfluß durch Anlegung von abschnürenden Binden an beiden 
Oberschenkeln verhindert wird. Diesen Vorschlag mache ich auf 
Grund einer Erfahrung bei einer Revision eines wegen Tuberkulose 
resezierten Hüftgelenkes, welche ziemlich blutig verlief. Durch diese 
Methode wäre dem anämischen Knaben der starke Blutverlust erspart 
worden. 

Entgegen dem Vorschlage Franke’s, welcher ja nichts Neues 
bietet, möchte ich vor der Anwendung einer Pelotte warnen, welche 
zwecklos und gefährlich ist und die absolute Sicherheit der Methode 
beeinträchtigt. 


1) Morris. The serous coat of blood vessels compared with 
the peritoneum. 
(Annals of surgery 1908. Juli.) 
Verf. vergleicht die Intima der Gefäße wegen ihrer ein plastisches 
Exsudat liefernden Eigenschaft mit dem Bauchfell. Wenn Intima an 
Intima gebracht wird, wie es z. B. durch die Unterbindung eines 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1195 


Gefäßes oder die von Matas angegebene innere Naht des Aneurysma- 
sackes geschieht, so tritt eine Verklebung der aneinander liegenden 
Flächen ein. Auch bei der Arteriennaht spielt die Intima eine ähn- 
liche Rolle. Antiseptika üben einen ungünstigen Einfluß insofern auf 
die Intima aus, als dadurch das Endothel derselben zerstört und eine 
die Verklebung hervorrufende Wucherung verhindert oder stark beein- 
trächtigt wird; auch mangelhafte Asepsis schädigt in dieser Weise die 
Intima. Daher ist bei allen Arteriennähten absolute Asepsis und 
Absehen von der Anwendung irgend eines Antiseptikums notwendig. 
Herhold (Brandenburg). 





2) I. Levin and J. H. Larkin. Transplantation of devi- 
talized arterial segments. 
(Proceedings of the soc. for exper. biol. and med. 1908. Juli.) 

Verff. prüften die Frage, ob die Wiedervereinigung von Schlag- 
adern und die Vermeidung von Thrombenbildung abhängig ist von der 
Verwendung lebender Zwischenstücke, oder ob auch tote Gefäß- 
segmente mit Erfolg eingepflanzt werden können. Sie pflanzten in 
einem Falle ein 1 Zoll langes Teilstück einer Hundeaorta, das mit 
4%igem Formalin gehärtet war, in die Bauchschlagader eines anderen 
Hundes. Während der Beobachtungszeit von 10 Tagen normaler Puls 
in beiden Femoralarterien. Am 11. Tage wurde die Einpflanzungs- 
stelle untersucht. Die Nähte hatten gehalten, das Zwischenstück war 
frei von Gerinnselbildung. Der Erfolg der Gefäßnaht scheint somit 
von der Verwendung lebenden Materials nicht abhängig zu sein. Bei 
anderen Überpflanzungsversuchen bildeten sich allerdings organisierte 
Thromben mit zahlreichen Durchgangsöffnungen. Die Technik des 
Einnähens gehärteter oder gekochter Arterienstücke ist recht schwierig. 

Bevenstorf (Hamburg). 





3) W. Ward. Histological changes in transplantated blood 
vessels. 
(Proceedings of the soc. for exper. biol. and med. 1908. Juli.) 

Ein Segment einer Kaninchenaorta wurde in die Carotis eines 
Hundes nach dem Karel’schen Verfahren eingenäht und das Gefäß 
nach 70 Tagen histologisch untersucht. Die Funktion der etwas er- 
weiterten Schlagader war eine vorzügliche gewesen. Bei mikroskopi- 
scher Betrachtung indes erwies sich, daß der normale Bau des trans- 
plantierten Gefäßes fast völlig zerstört war. Die Intima war durch 
eine Lage von hyalinem Fibrin ersetzt worden. Muskelfibrillen fehlten 
teils ganz, teils war ihre Zahl erheblich reduziert. Die Zwischenräume 
der einzelnen Schichten waren der Sitz kleinster Blutungen. Fibröses 
Gewebe war an Stelle der zerstörten Zellkomplexe getreten. Die 
auffallendste Tatsache aber blieb, daß das elastische Gewebe aus dem 
transplantierten Stück völlig verschwunden war. 

Resorption des elastischen Gewebes tritt bei Transplantation auf 
Angehörige der gleichen Spezies nicht ein. Je weiter dagegen die 

41* 


1196 Zentralblatt für Chirurgie Nr. 41. 


Tiere im System auseinander stehen, um so rascher und um so mehr 
verschwindet das elastische Gewebe aus dem überpflanzten Gefäßrohr. 
Katzenaorta auf den Hund transplantiert, zeigt schon nach 20 Tagen 
eine erkennbare Verminderung ihrer Elastika. Der Resorptionsprozeß 
geht langsam vor sich. Die mechanische Funktion des Gefäßes wird 
nicht beeinträchtigt, da fibröses Gewebe an die Stelle der zerstörten 
Schichten tritt. Reveustorf (Hamburg). 


4) Sonnenburg und Mühsam. Kompendium der Verband- 
lehre. 2. Auflage. 94 S. 87 Abbildungen. 
Bibliothek v. Coler-Schjerning Bd. XV. 

In der vorliegenden 2. Auflage ist die Verbandlehre von der 
Operationslehre derselben Verff., mannigfachen Wünschen entsprechend, 
getrennt worden. Die Einteilung ist im wesentlichen dieselbe geblie- 
ben; einige Kapitel, wie Wund- und Extensionsverbände, haben dan- 
kenswerte Erweiterungen erfahren, besonders das Bardenheuer’sche 
Extensionsverfahren ist, seiner Bedeutung entsprechend, in der neuen 
Auflage eingehend beschrieben. Neu ist das Kapitel »Dauerverbände«, 
in welchem wir den Schleich’schen Peptonpastenverband bei Fuß- 
geschwüren und den Zinkleimverband finden. Hier hätte vielleicht 
auch der Hoffa’sche Heftpflasterverband bei Fußdistorsionen erwähnt 
werden können. Die instruktiven Abbildungen sind um einige vermehrt. 
Die übersichtliche Anordnung des Stoffes, die knappe, aber leicht 
verständliche Schreibweise sind Vorzüge, die das Büchlein für Stu- 
dierende und Praktiker besonders empfehlenswert machen. 

Vorderbrügge (Danzig). 


5) H. Roger. Mammite suppuree post-typhique. 
(Gaz. des höpitaux 1907. Nr. 58.) 

Die eitrige Mastitis ist eine sehr seltene Komplikation des Ty- 
phus. Sie entwickelt sich gewöhnlich erst beim Abklingen der Krank- 
heit mit dem Eintritt in die Rekonvaleszenz. Die Krankheit verläuft 
in der Regel fieberlos oder mit unbedeutender Temperatursteigerung 
bis 38°. Doch sind auch Temperaturen bis 40° beobachtet. Die 
Behandlung ist eine operative. Nach Eröffnung des Abszesses erfolgt 
baldige Genesung. Die posttyphöse Mastitis ist nicht einheitlicher 
Atiologie. Statt des Eberth’schen Bazillus wurden in einigen Fällen 
Staphylokokken gefunden. Bevenstorf (Hamburg). 


6) P. Bull. Erfaringer og Bemerkinger om akut Appendicit 
og dens kliniske Behandling. 14b S. 
Christiania 1908. 

Nach der Statistik B.’s verliefen diejenigen Operationen, die vor 
Ablauf von 24 Stunden oder nach dem 7. Krankheitstage ausgeführt 
wurden, recht günstig, während die Operation am 3. Tage sich als be- 
sonders gefährlich erwies: Der ungünstige Ausgang der letztgenannten 
Fälle sei indes nicht der Operation zur Last zu legen, sondern dem 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1197 


Umstande, daß der Entzündungsprozeß sich hatte ausbreiten können. 
Die Behandlung der allgemeinen serös-eitrigen Peritonitis, einer der 
frühesten Komplikationen der Appendicitis, ist recht aussichtsvoll, wenn 
sie am ersten Krankheitstage operiert wird. Die Gefahren, die das 
Leben des Pat. bei der Abszeßspaltung bedrohen, entspringen teils 
aus der versteckten Lage des Eiters, teils aus der Wirkung der Nar- 
kose auf den heruntergekommenen Kranken. 

B. ist Anhänger der Frühoperation, die innerhalb der ersten 
24—36 Stunden vorgenommen wird. Treten schwerere Erscheinungen 
auf, so ist auch beim ersten Anfall sofort zu operieren. 

Sind zwei oder mehr Anfälle bereits vorangegangen, so ist die 
operative Entfernung des Wurmfortsatzes unter allen Umständen ge- 
boten, um so mehr, je kürzer der Abstand zwischen den Anfällen 
war. Die Appendektomie ist ferner indiziert, wenn Symptome einer 
chronischen Entzündung des Wurmes oder Neigung zu Stuhlbeschwer- 
den bestehen bleiben. Kinder, die bekanntlich über dem eigentlichen 
Anfalle vorhergehende leichte Beschwerden oft nicht klagen, sind 
stets baldigst zu operieren. 

Nach Ablauf von 36 Stunden ist die Operation indiziert, wenn 
die Symptome sich allmählich oder plötzlich verschlimmern, und wenn 
Peritonitis oder Abszeßbildung eintritt. Exspektative Behandlung ist 
gerechtfertigt, wenn keine gegenwärtige Lebensgefahr besteht, oder 
wenn Kontraindikationen vorliegen. Gegen eine abwartende Haltung 
ist ebenfalls nichts einzuwenden, wenn die Symptome offenbar in 
Rückgang begriffen sind oder der Anfall leicht war; ferner bei all- 
gemeiner Peritonitis und versteckt liegenden Abszessen, wenn der 
Kräftezustand des Pat. eine Operation nicht zuläßt. 

Außer bei ganz leichter Erkrankung empfiehlt es sich nicht, die 
Operation im Intervall vor Ablauf von 6—8 Wochen nach dem An- 
falle vorzunehmen. Nach einem schwereren Anfalle warte man ein 
halbes Jahr. 

Als Operationsmethode bevorzugt B. in unkomplizierten Fällen 
und bei lateral gelegenen Abszessen den Kreuzschnitt, in den übrigen 
Fällen der besseren Ubersicht halber den pararektalen Längsschnitt. 
Beckenabszesse werden vom Mastdarm aus nach voraufgegangener 
Probepunktion eröffnet. Die Entleerung hochsitzender Senkungs- 
abszesse vom Darm her führt bei Anwendung scharfer Instrumente 
leicht zu Nebenverletzungen und stärkeren Blutungen. Um diese zu 
vermeiden, wendet B. eine verbesserte Reynier’sche Zange an. Die 
Modifikation besteht darin, daß die scharfe Spitze keinen Teil des 
Instrumentes bildet, sondern von den Löffeln nur mechanisch fest- 
gehalten und nach Perforation der vorderen Darmwand mittels eines 
Seidenfadens herausgezogen wird, während man die geschaffene Off- 
nung mit der Zange stumpf erweitert. Revenstorf (Hamburg). 


1198 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 


7) Battle. The radical cure of femoral hernia. 
(Edinburgh med. journ. 1908. Juni.) 

Zur Beseitigung des Schenkelbruches schlägt Verf. vor, die 
Aponeurose des Obliquus externus vom Annulus inguin. ext. aus 
parallel zum Lig. Pouparti nach außen und oben hin zu spalten, 
nachdem der Schenkelbruch durch vertikalen Schnitt freigelegt, der 
Bruchinhalt reponiert und der Bruchsack nach unten gezogen und 
möglichst hoch oben durch Seidenfaden abgebunden und abgetragen 
ist. Dieser Faden bleibt absichtlich lang. Durch die Inzision vom 
Leistenring aus werden zwei Lappen gebildet, ein oberer und ein 
unterer. Das Prinzip der B.’schen Operation besteht nun darin, den 
oberen Lappen (Aponeurose des Obliquus externus) hinter dem unteren 
nach dem Schenkelkanal zu bringen und daselbst mit der hinteren 
Schicht und dem Musculus pectineus durch Naht zu vereinigen, so 
daß ein starker Verschluß des Kanals gebildet wird. Der untere 
Lappen wird dann von den im Leistenkanal liegenden Gebilden iso- 
liert, so daß das Lig. Pouparti, speziell der Teil, der den Kanal 
kreuzt, gut übersichtlich wird. Dann wird durch eine Offnung in der 
Fascia transversalis der Bruchsackhals nach oben durchgezogen und 
nun durch Seidennähte die Aponeurose des Obl. externus vom oberen 
Lappen mit der Fascia pectinea, dem hinteren Teil des Schenkel- 
kanals, dem Lig. Gimbernati und Pouparti, sowie mit der Hinterfläche 
des unteren Lappens verbunden, wobei die Öffnung in der Fascia 
transversalis mitsamt dem in ihr liegenden Bruchsackhals ebenfalls 
durch Nähte fixiert und geschlossen wird. Leider kann man aus den 
vom Verf. selbst angefertigten, dem Text beigefügten schlechten 
Skizzen absolut kein klares Bild von der Lage der einzelnen Gebilde 
erhalten. Verf. hat nach dieser Methode 81 Pat. (14 weibliche, 67 
männliche) operiert und angeblich kein Rezidiv erlebt. 

Jenckel (Göttingen). 





8) A. Thomson. Diverticule of the alimentary tract, with 
particular reference to those met with in the ileum result- 


ing from an accessory pancreas and from tuberculosis. 
(Edinburgh med. journ, 1908. April.) 

Divertikel des Rachens, der Speiseröhre, des unteren Teiles vom 
Ileum und der Flexura sigmoidea sind ziemlich häufig, selten die- 
jenigen des Magens, Duodenum, Jejunum, Wurmfortsatzes und Mast- 
darmes. Im Blind- und aufsteigenden Dickdarm sind Divertikel, so- 
weit Verf. feststellen konnte, überhaupt noch nicht beobachtet. 

Die Einteilung in wahre und falsche Divertikel, je nach dem Be- 
stehen der Wandung aus allen drei bzw. nur zwei Schichten, verwirft 
Verf. Er unterscheidet 1) angeborene, 2) erworbene Divertikel. Im 
Magen und Duodenum kommen Divertikel vor, die zum Pankreas und 
seiner Bildung Beziehung haben; im Duodenum dicht oberhalb der 
Papilla Vateri sind ebenfalls Divertikel beobachtet, die mit der Ent- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1199 


wicklung der Leber und des Pankreas in Beziehung stehen und in 
überzähligen Bauchfelltaschen während der Fötalperiode entstehen. 


Im Anschluß an die Beschreibung des Sitzes der Divertikel im Bereich der 
verschiedenen erwähnten Abschnitte des Nahrungskanals teilt T. zwei seltene Beob- 
achtungen mit. Zuerst ein erworbenes Divertikel des unteren Ileumabschnittes, 
das durch eine umschriebene tuberkulöse Infiltration der Darmwand und Zer- 
störung der Ringmuskulatur entstanden war und durch die in seiner Nachbarschaft 
eingetretenen entzündlichen Verwachsungen kolikartige Schmerzen in der rechten 
Seite des Leibes hervorgerufen hatte. Der zweite Fall betrifft ein Divertikel des 
unteren Ileumendes, hervorgerufen durch einen versprengten Pankreaskeim, der 
die Kuppe der fingerförmigen Ausstülpung bildete. Mikroskopisch ließ sich nach- 
weisen, daß ein Teil des Pankreasgewebes innerhalb der Längsmuskulatur des Di- 
vertikels gelegen war und die Ringmuskulatur ersetzte; das andere, histologisch 
wie ein Alveolarkarzinom gebaute Pankreasgewebe lag außerhalb der Längs- 
muskulatur im subserösen Fettgewebe und bildete die Kuppe des Divertikels 
Drei Abbildungen sind der Arbeit beigefügt. Jenckel (Göttingen). 


9) Rodmann. How frequently do gastric ulcers become 


carcinomata. 
(Annals of surgery 1908. Juni.) 

R. glaubt, daß sich der Magenkrebs in 50% der Fälle auf dem 
Boden eines Geschwürs entwickelt. Innerhalb der letzten 2 Jahre 
hat er neun Pat. operiert, bei welchen zweifellos festzustellen war, daß 
sich das Karzinom aus einem vorhergegangenen Geschwür entwickelt 
hatte. In einigen Fällen waren nur Geschwürssymptome vorhanden, so 
daß die Diagnose auf Karzinom erst während der Operation gestellt 
wurde; in anderen Fällen waren die Symptome des Geschwürs all- 
mählich in die des Korzinoms übergegangen, indem der Schmerz 
dauernd wurde, das erbrochene Blut eine dunklere Farbe annahm, 
das Erbrechen häufiger eintrat usw., oder sich Krebskachexie entwickelte. 
Das wichtigste Zeichen für den Übergang zum Karzinom ist nach R. 
die rapide Abnahme des Salzsäuregehalts. In zweifelhaften Fällen 


soll man nicht zulange mit der Laparotomie warten. 
Herhold (Brandenburg). 


10) Dufour et Fredet. La stenose hypertrophique du py- 
lore chez le nourisson et son traitement chirurgical. 
(Revue de chir. XXVIII ann. Nr. 2.) 

Die Verff. empfehlen als die Methode der Wahl die submuköse 
Pyloroplastik. Der Längsschnitt wird nur durch Serosa und die 
starre verdickte Muscularis geführt; bei der queren Vernähung gibt 
die meist stark gefaltete Schleimhaut, auch ohne daß sie durchschnitten 
wird, leicht nach. Blutung oder Infektion sind nicht zu fürchten, da 
die Magenlichtung nicht eröffnet wird; die Dauer der Operation ist 
wesentlich kürzer. Bewirkt ein Schnitt nicht die genügende Erwei- 
terung des Pförtners, so wird ein zweiter in möglichst großer Ent- 
fernung vom ersten angelegt. 


1200 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 


Die Methode wurde in zwei Fällen mit bestem Erfolg ausgeführt, 
in dem einen mit doppelter Plastik; eine kleine rautenförmige Stelle 
im zweiten Schnitt mußte offen gelassen werden, was weder die Wund- 
heilung noch das Resultat beeinträchtigte. Ein dritter, in sehr elendem 
Zustande mit Durchschneidung der Schleimhaut operierter Knabe er- 
lag einer reichlichen Magenblutung, da die Nähte wiederholt durch- 
schnitten. 

Begegnet die Ausführung der Pyloroplastik Schwierigkeiten, oder 
hat sie nicht den gewünschten Erfolg, so tritt die Gastroenterostomie 
in ihr Recht. Pylorektomie und Jejunostomie sind gänzlich verlassen, 
die Dehnung nach Loreta ist an den zarten Geweben des Säuglings 
ein viel zu rohes Verfahren. Die Gesamtsterblichkeit der bis De- 
zember 1907 operierten 135 Fälle, welche am Schlusse der Arbeit 
übersichtlich zusammengestellt sind, beträgt 48,88%. 

Auf :’die charakteristischen Erscheinungen der hypertrophischen 
Pylorusstenose (Bevorzugung des männlichen Geschlechtes; freies Inter- 
vall nach der Geburt; explosives, stets gallenfreies Erbrechen in der 
Zeit der rapiden Abmagerung nach jeder Nahrungsaufnahme, dann 
nur morgens und abends; Fehlen von Darmstörungen; Peristaltik ; 
Geschwulst) und die Differentialdiagnose gegenüber der angeborenen 
Atresie und dem Spasmus wird genauer eingegangen. In Frankreich 
ist übrigens das Vorkommen des Leidens noch bis vor wenigen Jahren 
stark in Zweifel gezogen worden. Gutzeit (Neidenburg). 





11) J. Nicolaysen. Den strikturerende 'Tyndttarmtuberkulose 
og dens kirurgiske Behandling. 65 S. 12 Abbildungen. 
Christiania 1908. 

Die Strikturbildung kündigt sich entweder mit einem Anfalle von 
Ileus an, der mehrere Tage dauern kann, oder mit anfallsweise auf- 
tretenden Leibschmerzen, die von Verstopfung oder Durchfällen, 
Meteorismus und Erbrechen begleitet sind. Die Zwischenräume der 
Anfälle werden allmählich kürzer. König’s Syndrom und 'Noth- 
nagel’s Darmsteifung sind charakteristische Zeichen der Stenosen- 
bildung. 

Schwierig ıst die$jUnterscheidung der tuberkulösen Darmstriktur 
von der disseminierten ulzerösen Form der Darmtuberkulose. Während 
des Anfalles ist der geblähte Darm, der oberhalb der Stenose liegt, 
als feste, bis faustgroße Geschwulst fühlbar. Bauchmassage kann 
Kolikanfälle auslösen. Manche Kranke bekommen ihren Anfall auf 
Abführmittel oder Einläufe. Bei bejahrten Kranken nehmen die An- 
fälle allmählich an Häufigkeit und Intensität ab, wenn Atrophie des 
zuführenden Darmteiles eintritt. | 

Während des Anfalles beobachtet man Plätschergeräusch, Meteo- 
rismus, sichtbare Peristaltik und das Vorhandensein einer oder meh- 
rerer Geschwülste im Leibe. Während der anfallsfreien Zeit deutet 
das Vorhandensein kleiner, sehr beweglicher Geschwülste im kleinen 


Zentralblatt für Chirurgie Nr. 41. 1201 


Becken auf Darmtuberkulose. Fieber ist selten. Doch kommt auch 
fieberhafte tuberkulöse Appendicitis vor. Bei Stenose des Duodenum 
und des Anfangsteiles des Jejunum treten Symptome von seiten des 
Magens in den Vordergrund. Fühlt man während des Anfalles 
mehrere Geschwülste, so ist der Darm an mehreren Stellen verengt. 
Meist wird die Diagnose der mehrfachen Verengerung erst bei der 
Operation sichergestellt. Die tuberkulöse Natur der Darmerkrankung 
ist zu vermuten, wenn Tuberkulose anderer Organe vorliegt, oder wenn 
bei einem Pat., der das 50. Lebensjahr überschritten hat, die mit 
chronischer Diarrhöe einhergehende Erkrankung im Dünndarme lokali- 
siert ist. 

Als Behandlungsmethode kommt in erster Linie die Darmresektion 
in Betracht, insbesondere für die zu Metastasenbildung und starker 
Narbenretraktion neigende hypertrophische Form der Darmtuberkulose. 
Erkrankte Mesenterialdrüsen werden mit fortgenommen. Bei fibrösen 
Strikturen ist auch die Enteroanastomose am Platze. Den Hautschnitt 
legt man am besten, dicht oberhalb des Poupart’schen Bandes be- 
ginnend, entlang dem rechten Rectusrande. 

Unter 110 Fällen von strikturierender Darmtuberkulose wurden 
47 mit Resektion, 49 mit Enteroanastomose, 6 mit Pyloroplastik, 1 mit 
Ennterostomie und 7 mit einfacher Laparotomie behandelt. Die Darm- 
resektion weist eine Mortalität von 19,1%, die Enteroanastomose eine 
solche von 20,4% auf. Berücksichtigt man aber die Todesfälle, die 
im Laufe des auf die Operation folgenden Jahres eintreten, so steigt 
die letztere Zahl auf 34,7%. 

Die höhere Sterblichkeit nach der Enteroanastomose erklärt sich 
daraus, daß diese Operation hauptsächlich angewandt wird in Fällen 
mit zahlreichen Strikturen und bei schwächlichen, an klinisch nach- 
weisbarer Tuberkulose der Lungen leidenden Kranken. 

Unter 52 Fällen von multipler Verengerung wurde 20mal die 
Resektion ausgeführt mit nur 1 Todesfall, 32mal die Anastomosen- 
bildung mit 14 Todesfällen. 

Unter der Gesamtzahl von 49 Fällen, bei denen die Enteroana- 
stomose gemacht wurde, starben 10 unmittelbar nach der Operation, 
7 später, darunter 3 infolge Perforation eines tuberkulösen Darm- 
geschwüres. 

Aus den Mitteilungen N.’s geht hervor, daß die Darmresektion, 
wenn sie auch nicht gegen Rezidive und Reinfektion von seiten der 


Lunge schützt, der Enteroanastomose vorzuziehen ist. 
Bevenstorf (Hamburg). 





12) G. Frattini (Padua, Klinik Bassini). Sugli effetti dell’ oc- 
clusione delle radici enteriche della vena porta. 
(Clinica chirurgica 1907. Nr. 9.) 

F. weist darauf hin, daß man — seit den Untersuchungen Neutra’s 

— einige sichere Fälle von Mesenterialthrombose kennt, in welchen 

die Annahme der Möglichkeit eines erfolgreichen chirurgischen Ein- 
a1r* 


1202 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 


greifens gerechtfertigt erscheint. Zur Orientierung auf diesem Ge- 
biete unternahm er eine Anzahl von Versuchen an Hunden. Er zog 
eine mittlere Dünndarmschlinge vor und unterband alle erreichbaren pri- 
mären Venen, wobei er bemüht war, einen Kollateralkreislauf zu ver- 
hindern. 

Von zehn Tieren gingen sechs an den Folgen des Eingriffes zu- 
grunde. Die Därme zeigten keine wesentlichen Veränderungen, auch 
nicht im histologischen Bilde, außerhalb der Zone direkt vom Eingriff 
abhängiger Erscheinungen. Diese letzteren steigern sich von Hyperämie 
verschiedenen Grades bis zu Extravasationen in den drei Schichten, ja bis 
zur Mortifikation, in den Zotten. Interessant ist es, zu konstatieren, daß 
das Epithel der Zotten zum größten Teil im Zerfall ist, während in 
den tieferen Partien, am Grunde der Drüsen, die Ernährung des 
Epithels noch eine so gute ist, daß die Zellen kaum pathologische 
Veränderungen aufweisen. Im Zentrum des Prozesses der Infarzierung 
ist das Gewebe scheinbar vollständig nekrotisch. Doch zeigt auch hier 
noch die genauere histologische Untersuchung erhaltene epitheliale Ele- 
mente am Grunde der Drüsen, sogar noch Mitosen. In den Muskel- 
schichten fand F. ansehnliche Bündel unveränderter Fasern. 

Die vier anderen Hunde erholten sich auffallend schnell von den 
unmittelbaren Folgen der Operation. Nach 4—16 Tagen erfolgte die 
Obduktion. Als wichtigstes Ergebnis sei die Bildung umfangreicher 
Verwachsungen des großen Netzes um den Darm hervorgehoben, die 
so innig waren, daß in einem Falle die Gefäßneubildungen bis in die 
Submucosa reichten. In den Muskelschichten schien eine Kompen- 
sation der Schäden nicht nur durch Bindegewebe, sondern durch Hyper- 
trophie und Karyokinese eine wahre Neubildung der erhaltenen Muskel- 
bündel einzutreten. Das lymphoide Gewebe der Zotten, die Solitär- 
follikel und die Peyer’schen Plaques wiesen viele Mitosen auf. Die 
Formen der Schleimhaut, der Zotten und Drüsen waren um so un- 
deutlicher, je näher sie dem Zentrum des Prozesses lagen; doch gab 
es zahllose Karyokinesen in den Epithelien, besonders im Drüsen- 
grunde. Auch die extravasierten Blutzellen waren meistens gut er- 
halten. In dem ältesten Falle war das Epithel vollkommen wieder- 
hergestellt; die Mitosen halten sich innerhalb der normalen Grenzen; 
Zotten und Drüsen erscheinen in ihren gewöhnlichen morphologischen 
Details, nur meint F. gewisse Unregelmäßigkeiten in ihrem reziproken 
Verhalten, in der Lage zu- und nebeneinander beobachten zu können. 
In der Darmwand herrscht hier das Bindegewebe vor; die erhaltenen 
.‚Muskelbündel halten keine einheitliche Richtung ein; die Fasern, 
meistens normal groß und normal geformt, erscheinen hier und da 
hypertrophisch. 

Der Verschluß der Grekrösvenen verursacht also — auch wenn 
er plötzlich eintritt — nicht notwendigerweise den Tod des Tieres, 
sondern es kann infolge Zusammenwirkens spontaner Erscheinungen 
zur Heilung kommen, wenigstens in bezug auf die direkten Konse- 
quenzen der Kreislaufsstörung. Insbesondere zeigen die Darmepithelien 


Zentralblatt für Chirurgie, Nr. 41. 1203 


eine ganz auffallende Resistenz gegenüber Veränderungen ihrer Unter- 

lagen, die im Verein mit anderen günstigen Umständen, wie Ver- 

wachsungen im peritonealen Bereich, ihre Regeneration einleiten und 

erzielen können. J. Sternberg (Wien). 

13) Mummery. Chronic colitis and its surgical treatment, 
(Practitioner 1908. April.) 

Im Gegensatz zu Nothnagel, der die chronische Kolitis für eine 
nervöse Erkrankung, eine Neurose mit sekundären Darmsymptomen 
ohne lokale Ursache auffaßt, versteht M. unter einer Colitis chronica 
mucosa ein Symptom, das zahlreiche Ursachen haben kann. So kann 
sie entstehen infolge chronischer Entzündung des Kolon, speziell der 
Flexura sigmoidea; wie Verf. mittels Sigmoidoskops feststellen konnte, 
so kommt sie öfter als Folgeerscheinung bei chronischer Appendicitis 
vor, wie statistisch nachgewiesen wurde. Auch Karzinom des Kolon, 
sowie Verwachsungen und sonstige Entzündungen in der Nachbarschaft 
des Dickdarmes können eine Colitis chronia mucosa hervorrufen. Die 
Neurose ist die Folgeerscheinung, nicht die Ursache der Erkrankung. 

Betreffs der Therapie stellt sich Verf. auf den Standpunkt, daß 
man nicht zulange mit der chirurgischen Behandlung des Leidens 
warten soll, sobald die interne versagt. Von der Anlegung einer 
rechtsseitigen inguinalen Kolostomie will M. nichts wissen, gibt vielmehr 
der von Keatly empfohlenen Appendikostomie bei weitem den Vorzug, 
da deren Offnung wasser- und luftdicht schließe, und durch Einführung 
eines Katheters eine genügende Spülung des Darmes mit adstringieren- 
den oder antiseptischen Flüssigkeiten ermöglicht werde Außerdem 
könne die Fistelöffnung mittels Thermokauters leicht und sicher später 
wieder geschlossen werden. Verf. hat diese Operation bei einem Arbeiter 
ausgeführt, der sich nach derselben äußerst wohl fühlte und seine 
Arbeiten wieder voll und ganz verrichten konnte. Die von Arbuthnot 
Lane empfohlene Ileosigmoidostomie, sowie die später von demselben 
Autor bei Colitis mucosa angewandte Resektion des Kolon vom Blind- 
darm bis zur Pars pelvinea recti wird mit Recht verworfen, da der 
große und gefährliche Eingriff in gar keinem Verhältnis zur Schwere 
der Erkrankung steht. 

Neben der Colitis chronica mucosa und Colitis membranacea führt 
M. noch die Colitis chronica ulcerosa und Colitis ulcerosa follicularis 
an, die beide sich graduell von der Colitis mucosa bzw. membranacea 
chronica unterscheiden und mit heftigen Diarrhöen sowie starken 
Blutungen einherzugehen pflegen. = 

Die Geschwüre haben bei oberflächlicher Betrachtung Ahnlichkeit 
mit dysenterischen Geschwüren, sind aber doch völlig verschieden von 
ihnen. Vielfach liegen sie ringförmig im Darm, manchmal sind sie 
derartig ausgedehnt vorhanden, daß gar keine normale Schleimhaut 
mehr besteht. Perforationen, lokale Abszeßbildung, allgemeine Peri- 
tonitis suppurativa sind nicht seltene Folgeerscheinungen dieser Colitis 
ulcerosa. In einzelnen Fällen kann durch lokale Irrigationen bei 

* 


1204 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 


völliger Bettruhe (Wasserstoffsuperoxyd, später Olivenöl) Heilung er- 
zielt werden; die meisten Pat. erliegen jedoch ihrem schweren Leiden. 
Verf. rät auch bei derartig schweren Erkrankungen nicht zulange mit 
der Operation zu warten, entweder die Appendikostomie oder aber die 
Kolostomie zu machen und den Darm von den Fistel- bzw. Darm- 
öffnungen auszuspülen. Jenekel (Göttingen). 





14) A. Edmunds. A new method of intestinal anastomosis, 
suitable for cases of gangrenous intussusception. 
(Practitioner 1908. März.) 

Die Statistiken zeigen, daß die Prognose der Invagination eine 
durchaus gute ist, sobald die Desinvagination ohne Ruptur des Darmes 
vollzogen werden kann. Die Fälle jedoch, in denen die Intussuszeption 
so fest war oder so lange bestand, daß ein Teil des Darmes der Gangrän 
verfiel; geben eine sehr schlechte Prognose, mindestens 9% Mortalität, 
und nur wenige Publikationen sind vorhanden, die über eine Heilung 
nach Resektion der gangränösen Darmpartie berichten. Man muß 
eben bedenken, daß es meist ganz kleine Kinder sind, die von diesem 
Leiden. befallen werden, nicht etwa widerstandsfähige, kräftige Er- 
wachsene, für die eine Laparotomie kein so erheblicher Eingriff ist. 

Die beste Behandlungsart wäre die Resektion des gangränösen 
Darmstückes und Anastomose der beiden Darmenden; das Alter der 
Pat. verbietet jedoch gewöhnlich ein derartiges eingreifendes Verfahren, 
Barker schlug vor, einen Längsschnitt in dem gesunden Abschnitte 
des Intussuscipiens zu machen, die invaginierte Partie aus dieser Off- 
nung herauszuziehen, abzutragen, die Darmenden nach Maunsell’s 
Methode zu vereinigen und durch die Offnung zu reponieren, danach 
letztere durch Nähte zu schließen. Eine andere Methode unterstützt 
das Naturverfahren, die Invagination wird noch etwas vollständiger 
gemacht und die Verklebungen zwischen den einzelnen Serosaflächen 
durch einige Nähte noch verstärkt, so daß die gangränöse Partie inner- 
halb der Darmlichtung sich spontan abstoßen kann. 

Verf. schlägt vor, die invaginierte Partie nach außen vor die 
Bauchwand zu lagern, die Resektion des gangränösen Stückes dann 
schnell auszuführen, in jede Darmöffnung eine Tube (Paul’s Tube) 
zu schieben, um die Bauchwunde vor jeder Verunreinigung mit Darm- 
inhalt zu schützen, dann eine von ihm konstruierte Anastomosenzange 
zwischen Tube und Darmwand in beide Darmschenkel hineinzuschieben 
und die Zange, deren Branchen in einer Entfernung von 3—4 cm 
unterhalb der Darmöffnung erst parallel miteinander verlaufen, dann 
fest zu schließen, um auf diese Weise, genau wie bei der Dupuytren- 
schen Klemme, zwischen beiden Darmschenkeln eine Anastomose her- 
zustellen, die etwa 4 cm vom Kunstafter entfernt gelegen ist. Die 
Zange bleibt 8 Tage liegen; inzwischen hat sich die Anastomose ge- 
bildet; der Kunstafter wird später durch Vernähung der Öffnungen 
und Versenkung der Darmenden beseitigt. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1205 


Verf. hat nach diesem Verfahren ein 10 Wochen altes Kind 
operiert, das leider 5 Wochen später infolge anderweitiger, der Ope- 
ration nicht zur Last zu legender Umstände starb. Er empfiehlt diese 
Methode nicht nur für die gangränöse Invagination, sondern auch für 


Anastomosenzange. Modifizierte Paul’s Tube. 





Die für die 
Zange be- 
stimmte Rinne. 






j FPauis Tilbe 


Ir EEE 
- 


BESSERE 5: 


 Bahchwand 


> 
> 
- 


4Anastomose 





~ a, Bauchwand, 

b. Darmschlingen, 

o. Anastomose, 

d. Darmsporn, 

e. die beiden nach außen führenden Darm- 
öffnungen. 


eingeklemmte brandige Brüche, wenn die betreffenden Pat. zu schwach 
sind, um eine sofortige intestinale Anastomose auszuhalten, oder aber 
die Umgebung usw. einen derartig großen Eingriff verbietet. 

Jenekel (Göttingen). 


1206 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 


15) Monks. Experiments in flushing the intestinal canal 
with salt solution through multiple enterotomy openings. 
(Annals of surgery 1908. Juni.) 

M. versuchte an’. Tieren den ganzen Darmkanal in einzelnen 
Abschnitten mit Kochsalzlösung zu durchspülen. Er legte zu diesem 
Zweck in einer möglichst hohen Darmschlinge des Jejunum eine Öff- 
nung an, führte durch diese nach unten (distal) ein langes Glasrohr 
und füllte den Darm bei Katzen bis zur Blinddarmklappe; dann 
machte er unmittelbar vor derselben eine zweite Einterostemieöffnung, 
durch welche die Lösung [mit Fäkalien ausfloß. Die obere Offnung 
wurde nun vernäht und in die untere nach dem Dickdarm zu das 
Glasrohr eingeführt. Nachdem wieder Salzlösung hineingelassen war, 
floß diese durch ein in den 'After eingeführtes Glasrohr mit Fäkalien 
wieder ab. Von 15 Katzen überlebten diesen Eingriff 10. Dann 
wurde das Verfahren an menschlichen Leichen erprobt; hier war meist 
noch eine dritte Enterostomie [am unteren /Darme nötig; außerdem 
hinderte der dicke Darminhalt des Dickdarmes etwas die Durchspülung, 
sie gelang aber schließlich auch. Endlich hat Verf. nun diese Aus- 
spülung des ganzen Darmes bei einem 8jährigen Kinde gemacht, das 
an schwerer septischer Peritonitis litt; der Erfolg war ein günstiger, 
das Kind kam mit dem Leben davon. In diesem letzteren Falle waren 
nur zwei Öffnungen, am proximalen und distalen Ende des Jejunum, 
angelegt, durch welche es gelang den ganzen Darm bis zum After 
auszuspülen. Bei diesen Maßnahmen ist sehr zu beachten, daß kein 
Darminhalt in die Bauchhöhle gelangt, was sich durch allseitige Ab- 
deckung erreichen läßt. Verf. will diese gründliche Auswaschung des 
Darmes zur Befreiung von toxischen Stoffen nur in verzweifelten 
Fällen angewandt wissen, in welchen die einfache Einterostomie nicht 
genügen würde. Ob sie bei Erwachsenen ebenso wie bei dem ope- 
rierten Kinde gelingt, kann er mit Bestimmtheit noch nicht sagen. ° 

Herhold (Brandenburg). 


16) A. Don. An easy method of excising piles. 
(Edinb. med. journ. 1908. Juni.) 

Zur Beseitigung der Hämorrhoidalknoten empfiehlt Verf. folgende 
Methode, die ohne Assistenz in Lokalanästhesie auszuführen ist. Die 
notwendigen Instrumente sind sechs Arterienklemmen, sechs Doppel- 
pinnen bzw. Stifte (harelip pins), ein gut abgemessener Kork, Catgut- 
nähte und Ligaturen. Der Kork wird fingerhutförmig zugeschnitten 
und mit einem Stock zum Anfassen versehen, außerdem mit Gaze 
überzogen. Der Sphinkter wird zuerst dilatiert, dann die Hämorrhoidal- 
knoten mit der Klemme gefaßt und vorgezogen; zuerst zieht man die 
oberen Knoten mittels der Klemme nach oben, bis normale Schleim- 
haut überall sichtbar ist und schiebt nun die eine Kante des Korkes 
in den Mastdarm hinein; dann werden die unteren Knoten ganz nach 
unten gezogen und auf diese Weise ermöglicht, daß der ganze Kork 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1207 


in den After gelangt und nach innen von den Hämorrhoiden im 
Mastdarm zu liegen kommt. Mit Hilfe der Pinnen werden nun die 
Knoten von außen her an den Kork geheftet; dann legt Verf. nach 
innen von den Knoten zirkulär um die auf dem Kork liegende Darm- 
schleimhaut einen dünnen Gummischlauch herum und schnürt damit 
die Gefäße ab. Dann submuköse Ausschälung der peripher von den 
Pinnen liegenden Knoten mit dem Messer, wobei man achtgeben muß, 
stets weit genug von der äußeren Haut, sowie der normalen Schleim- 
haut zu bleiben. Der Gummischlauch wird daraufhin abgenommen, 
einzelne blutende Gefäße gefaßt und unterbunden und zuletzt eine 
Catgutnaht für die Schleimhaut angelegt. Diese Nähte sollen die 
Schleimhaut, ein wenig von der Submucosa und nach außen die 
Haut mitfassen. Ein Gazestreifen, event. mit Jodoform, wird in die 
Afteröffnung eingeführt. Eine Verletzung des Sphinkters ist bei 
dieser einfachen Methode ganz ausgeschlossen. Jenckel (Göttingen). 





17) F. Terrier et M. Auvray. Chirurgie du foie et des 
voies biliaires.. Echinococcose hydatique commune. Kystes 
alveolaires. — Suppurations hépatiques. Abces tuberculeux 
intra-hepatique. Abces de lactinomycose. — 366 p. Avec 
47 figures dans le texte. 
Paris, Félix Alcan, 1907. 

Echinococcose hydatique commune. Verff. bringen eine 
eingebende Schilderung der Leberechinokokken nebst Komplikationen 
und Therapie. Je nach der Lage handelt es sich um inferiore Oysten, 
und zwar postero-inferiore, die sich nach Art der Nierengeschwülste 
entwickeln, und antero-inferiore, die sich in die Bauchhöhle entwickeln. 
Die postero-superioren Uysten entwickeln sich oft weit in die Brust- 
höhle hinein, die antero-superioren wölben die vordere Bauchwand vor. 
Pathologische Anatomie und Diagnostik wird besprochen. Die Früh- 
diagnose soll man nach Dieulafoy stellen können aus einer Reihe 
von Symptomen, nämlich Schmerz in der rechten Schulter, Auftreten 
von Urtikaria, Ekel vor fetten Speisen und rechtsseitige Pleuritis. 
Es folgen dann die Symptome und Komplikationen. 

Die Eosinophilie ist kein sicheres diagnostisches Zeichen für 
Echinokokkus, da sie bei allen möglichen Parasiten, sogar Tänien und 
Askariden, vorhanden sein kann. Ebenso ist sie häufig nach Über- 
stehen von Infektionskrankheiten, dann bei Lymphosarkomen und 
Lymphadenomen. Die Eosinophilie schwindet außerdem unter dem 
Einfluß plötzlicher Temperaturerhöhung. Das Bestehenbleiben von 
Eosinophilie nach Operation einer Oyste sollte aber den Verdacht auf 
das Vorhandensein weiterer Cysten erwecken. Bei Perforation in die 
Bronchien ist stets schwer zu entscheiden, ob die Cyste in der Lieber 
oder in der Lunge ihren Sitz hat. 

Nach einem historischen Rückblick auf die früheren Operations- 
methoden besprechen Verff. ausführlich die jetzt üblichen Verfahren 


1208 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 


und veranschaulichen sie an Abbildungen, so z. B. die Freilegung der 
oberen Leberoberfläche mit Rippenknorpelresektion, das transpleurale 
und parapleurale (Siraud) Vorgehen durch das Zwerchfell hindurch. 
Will man die Cyste nach der Ausräumung nicht drainieren, sondern 
nähen, so soll man sorgfältig auf Cysten fahnden, die der Hauptcyste 
benachbart liegen. Das Vorkommen derselben scheint nicht so selten 
zu sein, als man früher annahm. Man benötigt deshalb große Schnitte. 
Auch können trotz aller Sorgfalt in der Cystenhöhle selbst genügend 
Keime zu einer weiteren Infektion zurückbleiben. Es muß erst die 
Erfahrung lehren, ob man bei alten Cysten, bei denen Tochterblasen 
nebenan liegen können, besger die Einnähung oder den vollständigen 
Verschluß macht. Im allgemeinen ist der Verschluß durch Naht als 
die bessere Operation anzusehen. Empfohlen wird das Verfahren 
nach Dévé mit vorhergehender Punktion des Sackes. Der feine 
Trokar bleibt im Sack; ein Ausfließen von Flüssigkeit soll dadurch 
ganz vermieden werden. Bei der Enukleation soll man sich bewußt 
sein, daß die COysten sehr häufig der Vena cava benachbart liegen, 
und daß heftige venöse Blutungen bei der Operation schon vor- 
gekommen sind. 

Die Punktion ist heutzutage aufgegeben. Selbst die Probepunktion 
auf dem ÖOperationstische durch die Bauchdecken hindurch muß ver- 
mieden werden. Sollte man sich ausnahmsweise einmal zur Punktion 
entschließen, so soll man nach dem Vorschlage von Hanot die Oyste 
möglichst ganz entleeren und eine nicht toxische Dose von Sublimat 
einfüllen. Vor Vereiterung schützt aber das Einfüllen antiseptischer 
Flüssigkeit nicht. 

Die Sterblichkeit nach der »Marsupialisation«, der Eröffnung und 
Einnähung in die Bauchwand, ist keine geringe. Auch in späteren 
Jahren bilden sich danach öfters Fisteln und besonders große Hernien 
aus. Es sollte dieses Vorgehen deshalb nur angewendet werden, wenn 
Naht und Versenkung kontraindiziert ist. Stets sollte es dann ein- 
zeitig und mit möglichst weiter Resektion der Wandungen vorgenommen 
werden. Die Größe der Cyste bildet ebensowenig einen Gegengrund 
gegen den Verschluß durch Naht, wie die Anwesenheit von Gallen- 
fisteln, die man vernähen kann. Unter 125 Fällen von Vegas und 
Cranwell von Versenkung der genähten Cyste trat bei 32 Vereiterung 
ein, und mußte bei diesen die sekundäre Drainage angelegt werden. 
In diesen 32 Fällen trat aber Heilung ein. Nur zwei starben ohne 
Drainage. 

T.’s und A.s eigene Zusammenstellung von 58 Fällen von Naht 
ohne Drainage ergibt 57 Heilungen und 1 Todesfall = 1,72% Mor- 
talität. Demnach ist diese Methode, und zwar die einfache Naht, 
wenn sie anwendbar ist, als die Methode der Wahl zu erklären. Ein 
Antiseptikum ist dabei nicht in dem Hohlraume zurückzulassen. 

Von Enukleationen konnten Verff. 14 Fälle zusammenstellen, mit 
1 Todesfall, 2 mäßigen (Fistelbildung, langdauernde Heilung) und 
11 guten Resultaten. Von 53 Fällen — teils Exstirpation, teils Re- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1209 


sektion, teils Enukleation — waren 49 Heilungen zu verzeichnen und 
4 Todesfälle (= 7,54%). Bei mehreren Cysten ist es besser, jede 
einzelne von außen zu eröffnen, da jede einzelne infiziert sein kann. 

Kystes alveolaires du foie (Echinococcose bavaro-tyrolienne). 
Verff. besprechen den multilokulären Echinokokkus, den Dev& als den 
bayrisch-tiroler Typus bezeichnet hat, weil er in diesen Gegenden am 
häufigsten vorkommt und zuerst beschrieben worden ist. Die Patho- 
logie wird ausführlich besprochen, besonders die Unterscheidung gegen 
den gewöhnlichen Echinokokkus, weiter die Symptomatologie, Diagnose 
und Behandlung. 

Suppurations hépatiques. Mit der pathologischen Anatomie 
wird Ausbreitung und Durchbruchsmöglichkeit der Abszesse ausführ- 
lich erörtert. Fast 2/, aller spontanen Durchbrüche vollziehen sich 
in die Respirationsorgane, und zwar meistens in die Bronchien. Der 
Durchbruch in die Gallenwege ist selten; auf 30 Perforationsfälle 
kommt nur ein solcher. Von den Europäern, die in den Tropen 
dysenterische Leberabszesse bekommen, erkranken 40% daran in den 
ersten 3 Jahren. Wenn die Frauen weniger befallen werden, so liegt 
das daran, daß sie im Alkoholgenuß u. dgl. mäßiger sind. Die Grippe 
kann einmal latente Leberabszesse wieder aufflackern lassen, dann 
auch allein Lebereiterungen auslösen. 

Von den Symptomen wird peritonitischem Reiben über der Leber 
der größte diagnostische Wert zugesprochen. Verff. unterscheiden 
eine akute, subakute und chronische Hepatitis. Letztere hat eine 
Dauer von mehreren Monaten; der Abszeß erreicht oft bedeutende 
Größe. Sie kann sich plötzlich aus dem chronischen Stadium heraus 
zu einer akuten Hepatitis entwickeln. Eine larvierte Hepatitis kann 
unter einer Peritonitis oder Pleuritis oder anderen Erkrankung ver- 
steckt sein. 

Von 34 Durchbrüchen in die Bronchien endeten 14 tödlich; 
20 kamen zur Heilung. 

In diagnostischer Beziehung sind Verwechslungen mit mancherlei 
Krankheiten möglich, besonders sind sie vorgekommen mit Leberkrebs, 
mit hypertrophischer Cirrhose, mit Lebergummi u. a. m. 

Einer positiven Probepunktion soll stets die Operation unmittelbar 
angeschlossen werden. Gewöhnlich hinterläßt eine Leberpunktion 
keinerlei wahrnehmbare Spuren. Trotz Probepunktion kann aber ein 
Abszeß übersehen werden; auch birgt die Punktion immer die Gefahr 
der Blutung in sich. Deshalb aber stets eine Probeinzision zu machen, 
hieße die Gefahr der Punktion übertreiben. Man wird jedoch die 
Inzision ausführen, wenn man nach ergebnislosen Punktionen doch 
noch den Verdacht auf Leberabszeß hat. 

Besteht Leukocytose, so ist sie differentialdiagnostisch für Abszeß 
verwertbar. Sie ist aber nicht konstant bei Abszeß. 

Als Operation der Wahl hat die Befestigung der Leber in die 
Bauchwunde mit sofortiger Eröffnung zu gelten. Die Durchschneidung 
oder Resektion von Rippenknorpeln soll man beim Abszeß möglichst 


1210 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 


vermeiden wegen der leicht möglichen und leicht fortschreitenden In- 
fektion. Auch beim transpleuralen Vorgehen empfiehlt es sich, die 
Leberoberfläche an das Zwerchfell anzunähen, falls sie nicht damit 
verwachsen ist. Gallenflüsse, mögen sie bald oder erst später nach 
der Operation auftreten, sind immer eine ernste Komplikation. 

Es werden dann Operationsverfahren beschrieben, die nur die 
Punktionsöffnung erweitern, von denen besonders das nach Patrick 
Manson zu nennen ist. 

Es empfiehlt sich, Europäer, die in den Tropen einen Leberabszeß 
überstanden haben, nach ihrer Heimat zurückzuschicken, da sie sonst 
leicht wieder erkranken. 

Abcès tuberculeux intrahepatique et p6rihepatite tuber- 
culeuse. Der tuberkulöse Leberabszeß betrifft meistens Kinder. Von 
zehn Fällen Lesimple’s betreffen sieben Kinder von 2, 4, 7, 12 und 
13 Jahren. Sehr häufig sitzt der Abszeß gleichzeitig intra- und peri- 
hepatisch. Bei Kindern handelt es sich meist nur um einen Abszeß. 
Doch kommen mehrere vor, besonders bei Erwachsenen, auch ohne 
Zusammenhang untereinander. 

Ein tuberkulöser Abszeß äußert sich zunächst in unbestimmten Magen- 
störungen, bei weiterem Wachstum in Schmerzen infolge der Perihepatitis 
und schließlich in einer Pleuritis diaphragmatica. Die einfache Punk- 
tion mit nachfolgenden Injektionen verwerfen Verff., raten vielmehr, 
den Abszeß weit zu eröffnen. Bei entsprechendem Sitze, jedenfalls also 
beim subphrenischen Abszeß, wird eine Resektion der Brustwand nötig 
sein. Fisteln, die mit Bronchien in Verbindung stehen, braucht man 
nicht nachzugehen, da sie nach weiter Eröffnung der Abszesse von 
selbst heilen. 

Von sieben Fällen tuberkulöser Abszesse sind vier geheilt, drei 
gestorben. 

Abc2s de l’actinomycose. Die Leber wird vom Darmkanale, 
meist vom Blinddarm und dessen Umgebung her, infiziert, weiter von 
der Lunge, von der Niere, dann vom Darm und von weiter her ver- 
mittels der Pfortader. Bei vielen Fällen aus der Literatur, die als 
primäre Leberaktinomykosen beschrieben sind, hat es sich um sekun- 
däre Infektionen gehandelt. Mit Aribaud unterscheiden Verff. eine 
hepatische Form, bei der Symptome und klinische Anzeichen auf die 
Leber hinweisen, am häufigsten bei primärer Aktinomykose, weiter eine 
gastrische und intestinale Form mit dementsprechenden Störungen, 
und eine pyämische Form mit Abszessen in allen möglichen Organen. 

Chirurgische Eingriffe sind ebenso wie Darreichen von Jodkali 
bis jetzt erfolglos geblieben. Trotzdem wird man in gegebenem Falle 
von beiden Gebrauch machen. Die sieben Fälle, in denen bis jetzt 


chirurgisch vorgegangen ist, sind zusammengestellt. 
E. Moser (Zittau). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1211 


18) Mousarrat. Cholecystitis. 
(Practitioner 1908. Juni.) 


Die größte Mehrzahl der Fälle von Cholecystitis ist ausgezeichnet 
durch die Anwesenheit von Steinen in der Gallenblase, gerade so wie 
ein kleinerer Prozentsatz von Appendicitisfällen Kotsteine im Processus 
vermiformis nachweisen läßt. Genau so wie bei letzteren niemand den 
Kotstein als die Ursache der Appendicitis ansieht, ist es auch ein 
Fehler, die Konkrementbildung innerhalb der Gallenblase als Ursache 
der Cholecystitis zu betrachten. In beiden Fällen spielt jedoch die 
Anwesenheit des Konkrements eine sehr wichtige Rolle für den Ent- 
zündungsprozeß. Die erste Ursache der Cholecystitis ist die bakterielle 
Entzündung, die ihrerseits die Konkrementbildung im Gefolge hat; 
durch beide entsteht die chronische Cholecystitis, die sich durch An- 
fälle von mehr oder weniger akutem Typ auszeichnet. Man unter- 
scheidet die akute katarrhalische, die eitrige und die gangränöse Ent- 
zündung der Gallenblase. Die klinischen Unterscheidungsmerkmale 
werden an der Hand mehrerer Krankengeschichten besprochen, auch 
die Differentialdiagnose zwischen akuter Cholecystitis und Appendicitis, 
Ileus, Durchbruch eines Magengeschwürs, intermittierender Hydro- 
nephrose auseinandergesetzt. Die Operation ist in jedem Fall indi- 
ziert bei dem Empyem, der gangränösen Entzündung sowie bei Per- 
forationen der Gallenblase. Zweifelhaft kann man sein, ob in jedem 
Falle von akuter Cholecystitis operiert werden soll; es richtet sich 
dies sehr nach der Schwere der klinischen Erscheinungen. Bei chro- 
nischer Cholecystitis mit öfter sich wiederholenden Anfällen rät M. 
sehr zur Operation. 

Sobald der Ductus cysticus stenosiert oder die Blasenwand stark 
verändert ist, führt Verf. die Oystektomie aus, sonst stets die Oysto- 
stomie und Drainage. Jenckel (Göttingen). 


Kleinere Mitteilungen. 


19) Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins. 


172. Sitzung am 15. Juni 1908. 
Vorsitzender: Herr Bier. 


Herr Bier. Die Operation großer Halstumoren unter Lokal- 
anästhesie, 

B. berichtet über seine Erfahrungen über die Operation großer Halstumoren, 
die er unter Lokalanästhesie ausgeführt hat. Er bedient sich dazu der Hackenbruch- 
schen Umspritzung mit Braun’scher Lösung (0,öxige Novokainlösung mit Supra- 
reninzusatz). B. verwendet am Halse bis 80 ccm der 1/a&xigen Novokainlösung. Er 
setzt dieser Menge niemals über 8 Tropfen Suprarenin zu, um Ernährungsstörungen 
zu vermeiden. Zunächst wird der Tumor subkutan umspritzt, dann subfasical 
und schließlich in der Tiefe. Will man wirklich tadellose Anästhesien haben, so 
sind folgende Punkte zu beherzigen: 1) Man muß mit der Spritze gut unter die 
Fascie und in die Tiefe gehen, ohne dabei die großen Gefäße zu verletzen. 2) Man 
muß nach der Einspritzung genügend lange warten, mindestens eine Viertelstunde, 
Inzwischen kann man eine andere Operation ausführen. 3) Bei ängstlichen Pat. 
kombiniert man die Anästhesie mit dem Skopomorphin-Dämmerschlaf. 


1212 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 


Schon die Strumektomie läßt sich unter diesem Verfahren viel schmerzloser 
ausführen als unter anderen Methoden der Lokalanästhesie, besonders bei Basedow- 
kranken. Aber B. hat auch große Karzinomgeschwülste des Halses und partielle 
und totale Exstirpationen des Kehlkopfes darunter sehr gut ausführen können. 
Im letzteren Falle muß man außerdem die Schleimhaut des Kehlkopfes vorher 
anästhesieren. 

Die Methode eignet sich für kompakte Geschwülste, selbst wenn sie stark ver- 
wachsen sind, auch wenn z. B. der Stamm der Vena jugularis interna mit entfernt 
werden muß. Dagegen eignet sie sich nicht für Geschwülste, die über den ganzen 
Hals zerstreut sind, wie das bei tuberkulösen Lymphomen häufig der Fall ist. 


Diskussion: Herr Hildebrand erwähnt, daß er bei seinen zahlreichen 
unter Lokalanästhesie ausgeführten Kropfoperationen beim Herauswälzen der Tu- 
moren stets eine starke Wirkung auf Kehlkopf und Trachea in Gestalt einer erheb- 
lichen Atemnot beobachtet hat; sonst war die Operation an und für sich wenig 
schmerzhaft, nur beim Abbinden der Arterien wurde in der Regel über Schmerz 
geklagt. H. fragt, was Bier in der Beziehung für Erfahrungen bei seiner Methode 
gemacht hat. Herr Bier erwidert, daß er nur geringe Wirkungen auf die 
Atmung gehabt hat, und auch die Abbindung der Arterien sei gewöhnlich nicht 
schmerzhaft gewesen. 


Herr Rumpel. Über kindliche Blasentumoren. 


Bei den im frühesten Kindesalter beobachteten Geschwülsten der Harnblase 
handelt es sich meist um Sarkome oder Myxome bzw. ihre Mischformen. Da sie 
am häufigsten innerhalb des 1. und 2., seltener des 3. Lebensjahres auftreten, ist 
man geneigt, sie als kongenitalen Ursprunges anzusehen. Charakteristisch ist ihr 
Ausgangspunkt, der stets unterhalb der Schleimhaut gelegen ist, sowie ihr Sitz in 
der Gegend des Biasenhalses. Hierdurch erklären sich die Symptome, deren 
Mittelpunkt die Harnverhaltung bilde. Die Hämaturie pflegt zu fehlen. Hat 
sich die Geschwulstbildung noch nicht über die Grenze der Blase ausgedehnt, so 
kann mit Erfolg operiert werden. 

Um einen solchen Fall handelt es sich bei dem 3jährigen Knaben, der demon- 
striert wird. Das Kind wurde mit den Zeichen der paradoxen Dysurie eingeliefert. 
Die Blase stand in Nabelhöhe; ein Stein war nicht nachzuweisen. Cystoskopisch 
sah man multiple, kugelige, gestielte, submukös gelegene Tumoren von Haselnuß- 
bis Kirschgröße, die auf den Blasenhals beschränkt waren. (Demonstration cysto- 
skopischer Zeichnungen.) R. hat die Tumoren nach Eröffnung der Blase von oben 
her exstirpiert. Naht. Dauerkatheter. Heilung vorübergehend durch Fistelbildung 
gestört. Zurzeit (3 Monate nach der Operation) befindet sich der Knabe gut und 
kann spontan ohne Beschwerden seinen Harn entleeren. Mikroskopische Diagnose: 
Myxofibrom. (Demonstration) Die Prognose bei den Myxofibromen ist besser 
wie die der reinen Myxome und der Sarkome. 


Diskussion: Herr E.R. W. Frank. F. bespricht ein von ihm bei einem 
10jährigen Mädchen beobachtetes gutartiges Papillom der Blase, die im jugend- 
lichen Alter relativ seltener sind. Es bestand seit 11/ Jahren Bettnässen, quälender 
Harndrang, zeitweise Urinretention; die Cystoskopie ergab, abgesehen von einer 
Cystitis, das Vorhandensein eines gestielten Papilloms von Haselnußgröße im 
Trigonum Lieut. unterhalb des Lig. interuretericum, das vom Urin zeitweise in 
den inneren Blasenmund hineingespült wurde und Retention verursachte. In der 
Umgebung war eine bmarkstückgroße Partie der Schleimhaut mit kleinen papillo- 
matösen Wucherungen bedeckt. Atzung des Tumors mit 5 und 10. xiger Resorcinlösung 
mittels endovesikalen Atzkatheters unter Leitung des Cystoskops — innerhalb 14 Tagen 
dreimal. Nach Abgang der Atzschorfe wurde durch Cystoskopie festgestellt, daß nur 
noch eine bräunlich pigmentierte Narbe vorbanden war; auch diese verschwand im 
. Laufe der nächsten Monate. Demonstration einer photographischen Aufnahme 
der Tumoren. F. empfiehlt die Methode für gutartige Geschwülste von geringerer 
Ausdehnung; sie ist schmerzlos und ambulant ausführbar. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1213 


Herr K. Schultze. Klinische Beobachtungen nach Fulgurations- 
behandlung maligner Tumoren. 

Trotz erst 3monatiger Beobachtungszeit soll die Frage über den Wert der 
Fulguration als Mittel gegen den Krebs erörtert werden, da die bisherigen Er- 
fahrungen an der Kgl. Chirurgischen Klinik keineswegs ermutigende sind, und es 
wünschenswert ist, die Erfahrungen anderer Autoren zu hören. Als Palliativum 
hat die Fulguration zweifellos ihren Wert vor allen bei jauchigen und schmerzen- 
den Tumoren, doch scheint ein Heilmittel gegen den Krebs in ihr nicht gefunden 
zu sein. 8. berichtet über die der Fulguration unterzogenen Fälle von Brustkrebs, 
da diese zeitlich am längsten zurückliegen, und konstatiert, daß bei allen nach 
mehr oder weniger kurzer Zeit Rezidive von zum Teil erschreckender Bösartigkeit 
eingetreten sind. Die Fulguration wurde stets im Anschluß an eine möglichst 
radikale Operation in einer Dauer von 30—-60 Minuten angeschlossen und teilweise 
nach einigen Tagen wiederholt. S. hofft, daß andere Beobachter vielleicht über 
bessere Resultate werden berichten können; die Erfahrungen der Chirurgischen 
Klinik seien jedenfalls nicht ermutigend und kämen einem fast kompletten Miß- 
erfolg gleich. 


Herr Sticker. Unterschiede zwischen Sarkomen und infektiösen 
Granulomen. 

Sticker hat alkalische Serumplatten mit Sarkombrei geimpft und beobachtet, 
daß an den Stellen, wo Rundzellensarkom aufgelegen, muldenartige Vertiefungen 
in der Platte entstanden, daß also das Rundzellensarkom ein proteolyti- 
sches Ferment enthielt. 

Da in den Lymphzellen diese Fermente fehlen, die Leukocyten aber sich durch 
den Besitz ihrer spezifischen Granula charakterisieren, können mit Hilfe der bio- 
logischen und histologischen Untersuchung die Rundzellensarkome von in- 
fektiösen Granulomen unterschieden werden. 

Diskussion: Herr Sonnenburg bemerkt, daß er auch gute Erfolge ge- 
sehen habe; Herr Borchardt u.a. haben keine günstigen Erfahrungen gemacht. 


Herr Hofbauer: Antifermenttherapie des Karzinoms. 

Grundlage der neuen Behandlungsmethode bildet die durch die Untersuchungen 
von Petry, Neuberg, Blumenthal u. a. begründete Lehre von dem gestei- 
gerten Fermentgehalt des Karzinomgewebes gegenüber normalen Geweben. Daher 
mußte die Verwendung derartiger Substanzen versucht werden, welche die mo- 
derne Biochemie als fermenthemmend erkannt hat; dies sind die artfremden Sera, 
das Arsen, Chinin, die Tierkohle. 

Außerdem wurde in Betracht gezogen, daß die intrazellulären Fermente zu- 
nächst nicht in aktiver Form vorhanden sind, sondern in einer Vorstufe, welche 
erst durch das Hinzutreten eines Aktivators in die wirksame Form übergeführt 
wird. Dieser Aktivator ist das Lecithin, welches auch bei anderen Ferment- 
prozessen eine wichtige Rolle spielt, sich außerdem bei allen rasch wachsenden 
Geweben in vermehrter Menge nachweisen läßt und beispielsweise bei der Kobragift- 
hämolyse nach den Angaben der Ehrlich’schen Schule eine führende Komponente 
der Giftwirkung darstellt. Es mußte also darauf hinauskommen, das Lecithin zu 
neutralisieren; und diesbezüglich kennen wir das Rinderserum (Weil) und das 
Cholesterin als seine Antagonisten. 

Somit kamen meritorisch in Betracht: Rinderserum, Atoxyl, Chinin. lactic., 
Cholesterin und cholesterinhaltige Sera (Hydrokeleninhalt), Tierkohle. 

Bisher wurden 15 Fälle in diesem Sinne behandelt; 6 davon werden als Bei- 
spiele vorgestellt, an welchen ein eklatantes Zurückgehen bzw. in 2 Fällen ein Ver- 
schwinden des Tumors konstatiert werden konnte. Eine Beeinflussung des Kar- 
zinomgewebes ist damit nachgewiesen; ob es damit auch Dauerheilungen geben 
wird, muß die Zukunft lehren. Die vorgestellten Fälle betreffen ein primäres 
Schleimhautkarzinom der Unterlippe, zwei Rezidivtumoren nach Mammaexstirpation, 
einen operablen und einen inoperablen Mammatumor und ein ulzerierendes tief- 
greifendes Cancroid des Nasenflügels. 


1214 Zentralblatt für Chirurgie Nr. 41. 


In der Diskussion bemerken Herr Körte u. a., daß sie keine Heilresultate 
an den vorgestellten Fällen bemerkt haben, und warnen davor, zu frühzeitig mit 
derartigen therapeutischen Versuchen an die Öffentlichkeit zu treten; man solle 
nach Jahresfrist wieder über die Fälle berichten. Herr Bergell widerspricht den 
von Herrn Hofbauer gegebenen theoretischen Ausführungen. Herr Bier weist 
ebenfalls darauf hin, daß man schon bei den verschiedensten nicht chirurgischen 
Behandlungsmethoden des Karzinoms Stillstände und anscheinende Besserungen 
beobachtet habe, die keinen Bestand hatten. Immerhin seien die Einwirkungen 
der antifermentativen Therapie bemerkenswert; die Fälle würden weiter genau 
kontrolliert werden. 


HerrSchmieden. Zur Therapieder Hirschsprung’schen Krankheit, 

S. berichtet über die Erfahrungen an drei Fällen von Hirschsprung’scher 
Krankheit. Die Therapie muß im wesentlichen eine chirurgische sein; von der 
internen Medikation läßt sich, da das Leiden als ein angeborenes anzusehen ist, 
nur eine symptomatische Besserung erwarten. Im ersten Falle, bei einem kleinen 
Kinde, führte die Eröffnung des Kolon mit Entfernung großer harter Kotmassen 
zur Heilung, weitere Nachrichten fehlen; der zweite Pat. kam mit einem von 
anderer Hand angelegten Anus praeternat. zur Beobachtung; er ging über den 
Versuchen, diesen zu schließen, zugrunde, trotzdem nur ein kurzer offener, gerader 
Weg zum After führte, der Darm hatte jede Fähigkeit zur Kontraktion verloren. 
‘Ein dritter Pat. wird vorgestellt; er war im Ileus operiert, die gewaltige Flex. 
sigmoidea wurde durch eine große Anastomose ausgeschaltet, welche ihre Fuß- 
punkte miteinander vereinigte; seit 3/4 Jahren besteht volle Heilung. Aus der 
Literatur ergibt sich, daß bei der Hirschsprung’schen Krankheit bzw. ihren 
Komplikationen folgende Operationen, z. T. kombiniert, zur Anwendung gekommen 
sind: 1) die Probelaparotomie, 2) Laparotomie mit Reposition des Volvulus, 3) Kolo- 
pexie, 4) Koloplikatio, 5) Anus praeternat., 6) Kolotomie, 7) Enteroanastomose, 
8) Resektion der Stenose, 9) Resektion des ganzen Dickdarmes. S. betrachtet die 
Anlegung einer Anastomose, die alles Kranke, besonders auch eine eventuelle 
Knickungsstelle ausschaltet, als die ideale Operation; als Vorbedingung hierfür 
muß aber der Darm absolut entleert werden; dann übersieht man die Verhältnisse 
und ist nicht mehr zu Notoperationen (Anus praeternat.) gezwungen; zur vollen 
Entleerung des Darmes hat sich der von Klapp angegebene Aspirationsapparat 
bewährt. Ein Anus praeternat. soll nur für desolate Fälle vorbehalten werden 
oder als Voroperation für spätere Radikalbehandlung. Es besteht die große Ge- 
fahr, daß man einen solchen Anus praeternat. nicht wieder zum Verschluß bringen 
kann. S. zeigt Röntgenbilder, welche den mit Bismutöl gefüllten ektatischen 
Darm zeigen und im Anschluß daran einige ebenso angefertigte Bilder von Sand- 
uhrmagen. 

Diskussion: Herr Bessel-Hagen verteidigt unter Hinweis auf den in der 
Sitzung vom 11. Mai 1908 besprochenen, von ihm glücklich operierten Fall 
Hirschsprung’scher Krankheit bei einem 6jährigen Knaben die zweizeitig 
ausgeführte Resektion der verlängerten Schlinge unter Anlegung eines Anus 
praeternat., der nach Beseitigung des Sporns durch eine plastische Operation ge- 
schlossen wurde. 


Herr Fränkel. Zur Behandlung der Knöchelbrüche. 

Die dauernden Schädigungen nach Knöchelbrüchen, die noch immer durchaus 
nicht selten sind, lassen sich durch eine prophylaktische Behandlung, die zugleich 
einfach und für den Verletzten bequem ist, vermeiden. Bei den Brüchen ohne 
Dislokation legen wir nur über die oberen zwei Drittel des Unterschenkels einen 
sich dem Condylus int. tibiae aufs beste anschmiegenden Gipsverband an, der über 
dem Schienbein besonders sorgfältig unterpolstert sein muß. In den Verband 
wird dann ein Gehbügel derart eingegipst, daß der Fuß bei der Belastung frei 
darin schwebt. Zur Erleichterung des Gehens laufen kreuzförmig angeordnete 
Gummizüge vom Vorfuß zu dem oberen Teil des Gipsverbandes und sorgen 
dafür, daß der Fuß in rechtwinkeliger Stellung elastisch fixiert steht. Ein solcher 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1215 


Verband gestattet vom ersten Tage freie Bewegungen und Massage, namentlich 
Heißluftmassage, er läßt keine Versteifungen im Fußgelenke aufkommen und ver- 
hütet, wenn er lange genug getragen wird, mit Sicherheit das Entstehen von Be- 
lastungsdeformitäten, namentlich den traumatischen Pes valgus. 

Auch bei Knöchelbrüchen mit Dislokation ist die ambulante Behandlung leicht 
ausführbar und völlig gefahrlos, wenn man sich dabei eines kleinen Hilfsmittels 
bedient, das man noch nicht gebraucht zu haben scheint. Beim Anlegen des Gips- 
verbandes wird streng nach den bekannten Vorschriften — genaueste Reposition 
und häufige Kontrolle der Stellung — verfahren, doch gipst man jeweils über den 
Verband zweckmäßig einen Gehbügel an. Die Gipssohle wird dadurch vor Be- 
schädigung geschützt, und die Entlastung des gebrochenen Gliedes ist absolut ge- 
wahrt. Ist nach genügend vorgeschrittener Callusproduktion eine Fixation der 
Bruchstelle nicht mehr nötig, so wird der untere Teil des Gipsverbandes über den 
Knöcheln abgeschnitten; an dem übrigen Verbande wird nichts geändert, und die 
weitere Behandlung erfolgt dann wie bei den Brüchen ohne Dislokation. Demon- 
stration von solchen Verbänden. 


Herr Bätzner. Die Resultate der Stauungsbehandlung gonor- 
rhoischer Gelenkentzündungen. 

B. demonstriert die guten Erfolge, welche die Stauungsbehandlung bei gonor- 
rhoischen Gelenkentzündungen hat, an einer Reihe mit vorzüglichem funktionellen 
Resultat ausgeheilter Gelenkentzündungen besonders der oberen Extremität, welche 
er in der Poliklinik der chirurgischen Klinik beobachtet hat. Die Technik war 
die schon früher von Bier geübte. 


Herr zur Verth. Über Filariasis. 

z. V. weist auf die Wichtigkeit der Tatsache hin, daß die Filaria sanguinis, die 
übrigens nicht ausschließlich im Blute lebt, die Larve von makroskopisch großen, 
meist um 5 cm langen, in den Blutbahnen, Lymphbahnen oder im Bindegewebe 
lebenden Rundwürmern ist. Er teilt für klinische Zwecke ein in die Gruppe 

1) der Filaria Loa mit ihrer Larve Filaria diurna, 

2) der Filaria Bancrofti mit ihrer Larve Filaria nocturna 

3) der Filaria perstans mit der Larve gleichen Namens. 

Der ersteren fällt das unter dem Namen Kamerun-Beulen (Calabar-Swellings) 
bekannte Krankheitsbild zur Last. Ein Fall solcher wandernder oder plötzlich 
auftauchender und innerhalb weniger Tage verschwindender Beulen wird vorgestellt. 
Die Krankheit begann mit mehrwöchigem hohen Fieber in Togo, dem nach etwa 
3/, Jahren halbgänseeigroße Schwellungen an den Handgelenken folgten. Sie wan- 
derten zum Ellbogen und zurück zum Handgelenk und sind rechts jetzt noch deut- 
lich erkennbar. Seit einigen Wochen treten abends gegen 11 Uhr etwa zweimal 
wöchentlich, oft an zwei Abenden hintereinander, an derselben Stelle ungefähr 
halbgänseeigroße Beulen an den verschiedensten Körperteilen auf. Einmal sah der 
Kranke in solcher Schwellung den geschlängelten Wurm für kurze Zeit sich unter 
der Haut bewegen. Der Nachweis von Mikrofilarien (Larven) im Blute gelang 
nicht; doch besteht die für Entozoen charakteristische Eosinophilie (etwa 50%). 
Therapie: Entfernung des Wurmes, sobald er sich zeigte. Hilfsmittel zum Fest- 
halten unter der Haut, Ring von Kollodium, Schröpfkopf, Klapp’sche Sauger. 

Weiterhin wird ein Fall der häufigsten Folgeerscheinung der Filaria Bancrofti, 
der Elephantiasis des Beines, vorgestellt. Sie begann im Jahre 1905 in Duala mit 
fünftägigem Fieber und starker Schwellung und Rötung des rechten Unterschenkel». 
Es folgten jährlich etwa drei Fieberschübe von 3tägiger Dauer, bei denen unter 
Rötung die inzwischen zurückgegangene und abgeblaßte Schwellung wieder zu- 
nahm. Seit 1906 Abklingen des Prozesses. Keine Mikrofilarien!, doch Eosinophilie 
von 48%. Behandlung: außer örtlichen Einwirkungen Atoxyleinspritzungen (wö- 
chentlich 0,4 subkutan). 


ı Nachweis von Mikrofilarien ist nachträglich gelungen. 


1216 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 


Die Filaria perstans wird meist, nach englischen Autoren stets, als harmloser 
Schmarotzer gefunden. 

Die Larve bedarf zur Entwicklung eines Zwischenwirtes (Mücke, Bremse, 
Zecke). Der Nachweis der Eosinophilie bei Elephantiasis ist ein neuer Beweis 
für die filarielle Natur der endemischen Elephantiasis. R. Wolff (Berlin). 


20) C. Beck. Partial thyroidectomy combined with Roentgen treat- 
ment in Basedow’s disease. 
(Separatabdruck aus Post-Graduate 25. anniversary volume 1908.) 


B. empfiehlt die Röntgenbehandlung des Morbus Basedow, weil sie eine all- 
mähliche Verkleinerung der Schilddrüse hberbeiführt und dadurch gestattet, in 
schweren Fällen nur den am meisten vergrößerten Lappen zu entfernen und so 
Über- und Unterthyreoidosis zu vermeiden. Zum Beweise berichtet er über 15 in 
den letzten 4 Jahren von ihm so behandelte Fälle. In einem Falle eines 17jährigen 
Mädchens mit geringem Exophthalmus und großer Drüse trat, obwohl operativ 
nur der am meisten vergrößerte Lappen entfernt war, Dyspnoe und stertoröse 
Atmung als Zeichen einer Intoxikation ein. Sechs Bestrahlungen nach der Ope- 
ration erzielten völlige Heilung, die bis jetzt beinahe 1 Jahr dauerte. Von zwei 
jungen Frauen mit sehr mäßiger Vergrößerung der Schilddrüse, jedoch starkem 
Exophthalmus, wurde eine völlig geheilt, bei der anderen blieb der Exophthalmus. 
Bei einem 11jährigen Jungen mit weichem, kindsfaustgroßem Kropf, beträchtlichem 
Exophthalmus, Puls von 170 in der Minute erreichte B. Abnahme des Exophthal- 
mus bis auf eine Spur, im übrigen normalen Zustand. Ein Fall mit harter Ge- 
schwulst gab keinen Erfolg. 

B. bestrahlt durch sein tubulares Diaphragma, unter Gebrauch hoher Energie und 
weicher Röhren, 5 Minuten lang jeden 2. Tag während der ersten Woche, jeden 
3. Tag während der folgenden Wochen bis zu deutlicher Verkleinerung der Drüse 
oder Eintritt einer Dermatitis. Wenn letztere verschwunden ist, wird wieder be- 
strahlt, zweimal in der Woche, bis zur vollkommenen Verkleinerung der Drüse 
oder neuen Reaktion. Daneben wird Fowler’sche Arseniklösung verabreicht (außer 
bei dem oben genannten 11jährigen Jungen). 

Die Schlußsätze lauten: 

1) Leichte Vergrößerung der Schilddrüse bei Morbus Basedow soll mit der 
Böntgendiaphragmamethode in kurzen Zwischenräumen behandelt werden. 

2) Großer Basedowkropf soll nach der kombinierten Methode behandelt wer- 
den: der größere Lappen wird unter lokaler Anästhesie ohne Anwendung von 
Antisepticis entfernt, der andere Lappen wird bestrahlt, sobald die Reaktion nach 
der Operation vorüber ist. 

3) In vorgeschrittenen Fällen von Morbus Basedow, wo schwere Symptome 
den sofortigen Eingriff untersagen, soll Röntgenbehandlung der Operation voraus- 
gehen bis Besserung erreicht ist. Kranepuhl (Kassel). 


V 
21) L. Cernicky. Kongenitaler Defekt der Brustmuskeln und der 
, Rippen. 
(Casopis lékařů českých 1908. p. 635.) 

Der publizierte Fall bot folgende Anomalien dar: 1) einen Defekt im Skelette 
des Brustkorbes an typischer Stelle, d. h. im vorderen Anteil der 2. und 3. Rippe 
rechts. Die Haut stülpte sich hier beim Husten in Form eines Sackes vor, der in 
einem Zentrum einen Spalt besaß, durch welchen sich ein zweites Säckchen, 
wahrscheinlich die Pleura, vorstülpte. (Hernia thoracalis.) 2) Einen Totaldefekt beider 
Brustmuskeln, an deren Stellen eine Hautduplikatur vorhanden war. 3) Eine Atrophie 
der Haut im Bereiche des Defektes, vorwiegend infolge Mangels an subkutanem 
Fettgewebe, und eine ungenügende Entwicklung der Härchen an der rechten Brust- 
hälfte und in der Achselhöhle. 4) Eine Hypoplasie des rechten Schultergürtels 
und Hochstand des rechten Schulterblattes.. 5) Eine Verkürzung des rechten 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1217 


Humerus und Hypoplasie der ganzen rechten ÖOberextremität. In psychischer 
Beziehung war Pat. normal, Heredität war nicht vorhanden. Der Kranke kommt 
seiner Beschäftigung — er ist Kutscher — ordentlich nach, nur mußte er seine 
linke Hand zur Arbeit einüben, da die rechte zu schwach ist. 

6. Mühlstein (Prag). 


22) A. Morison. Remarks on empyema based on a series of one 
hundred consecutive cases. 
(Edinburgh med. journ. 1908. März.) 

Auf Grund von 100 Empyemfällen, die Verf. mit gutem Erfolg operierte und 
nachbehandelte, kommt er zu folgenden Schlüssen: Die Rippenresektion ist im 
allgemeinen zu vermeiden, da sie meist unnötig ist und zu Deformitäten Veran- 
lassung gibt. Nur bei veralteten Empyemfällen kommt man ohne Rippenresek- 
tion nicht aus. Am besten werden die Pat. bei der Operation nicht auf die ge- 
sunde Seite, sondern auf den Rücken gelagert, und zwar so, daß die kranke Seite 
den Rand des Operationstisches überragt, so daß man schräg von unten heran- 
kommen kann. Für die Inzision wählt M. am liebsten den 6. Interkostalraum in 
der hinteren Axillarlinie.e Nach der Probepunktion wird die Haut zuerst vertikal 
durchtrennt, dann ein horizontaler Schnitt am oberen Rand der 7. Rippe durch 
die Muskulatur bis in die Pleurahöhle hinein angelegt und ein 5cm langes und 
1/2 cm im Durchmesser haltendes, nur im untersten Drittel gefenstertes Gummi- 
drain angelegt. Eine Ausspülung der Höhle wird, da gefährlich, verworfen. Als 
Narkotikum soll Chloroform, bei kleineren Kindern lokale Anästhesie angewandt 
werden. Als Ursache des Empyems wurde gefunden: 91mal Pneumonie (Pneumo- 
kokken), 4mal eine Pleuritis, 3mal Tuberkulose, je Imal Osteomyelitis der Rippen 
und intraabdominale Entzündung. Großes Gewicht wird auf die Nachbehandlung 
gelegt (häufiger Verbandwechsel während der ersten Tage). . 

Sobald Pat. das Bett verlassen kann, wird mit gymnastischen Übungen — 
Turnen am Reck, Trapez, Barren, Spielen von Blasinstrumenten usw. — begonnen, 
um die Wiederausdehnung der Lunge zu beschleunigen. Bei vier alten Empyemen 
mußte eine ausgedehnte Rippenresektion ausgeführt werden; die Fälle heilten 
sämtlich mit starker Deformierung. Jenckel (Göttingen). 


23) G. Razzaboni (Bologna). Tumore misto della mammella osservato 


in un uomo. 
(Clinica chirurgica 1907. Nr. 10.) 

Ein 22jáhriger Mann bemerkte seit 2 Jahren eine wachsende Geschwulst in 
der rechten Brust. Es besteht eine über hühnereigroße Auftreibung der Gegend 
unter normaler Haut. Warze und Warzenhof ganz normal in Aussehen. Die 
Geschwulst ist auf dem Pectoralis verschieblich, an die Warze leicht fixiert, leicht 
gelappt, weich elastisch ohne Fluktuation. Keinerlei Schmerzen, keine tastbaren 
regionären Drüsen. Die Exstirpation ergibt ein Fibro-Adeno-Myxomyom. 

J. Sternberg (Wien). 


24) Jaworski und Lapinski. Klinische Untersuchungen von 800 Fällen 
in bezug auf die Palpation des Wurmfortsatzes, des Blinddarmes und 


der zugehörigen Druckpunkte. 
(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Hft. 6.) 

Während die Mehrzahl der Autoren den Wurmfortsatz nicht für tastbar halten, 
konnten Verff. in 51,5% bei Männern, bei welchen der Wurm als gesund anzu- 
sehen war, diesen doch tasten. Es sind allerdings gewisse Bedingungen bzw. 
Kunstgriffe nötig: 1) Der Wurm muß auf der Aponeurose des Ileopsoas liegen 
und quer oder schief nach unten parallel zum Muskel verlaufen, weil er sonst 
meist durch den Blinddarm verdeckt ist. 2) Die Bauchdecken dürfen nicht zu 
dick und nicht gespannt sein. 3) Der Ileopsoas muß während der Untersuchung 
durch aktives Anheben des gestreckten Beines gespannt werden. 4) Der rechte 


1218 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 


Zeigefinger muß quer zum Verlauf des Ileopsoas aufgelegt werden, bis man den 
scharfen, steifen Rand des Muskels fühlt, dann hin- und hergeschoben werden. 

Von 412 tastbaren Wurmfortsätzen waren 270 schmerzhaft, davon 23 sogar 
sehr schmerzhaft. Danach kann man weder aus der Tastbarkeit noch der Dicke 
oder Schmerzhaftigkeit des Wurmes einen sicheren Schluß auf anatomische Ver- 
änderungen desselben ziehen. 

Der M. Burney’sche Punkt war in 26,5% schmerzhaft; dies fällt aber nicht 
mit der Druckempfindlichkeit des Wurmes zusammen. Auch ein symmetrischer 
Punkt links war öfter schmerzhaft, ebenso der Lenzmann’sche Druckpunkt und 
sein symmetrischer Punkt links. 

In 60 weiteren Fällen fand sich in der Ileocoecalgegend mehr als ein walzen- 
förmiger Strang. 

Der Blinddarm war in 55 % palpabel, und davon in 30,6 % schmerzhaft; oft 
strahlten die Schmerzen weit entfernt aus. Benner (Breslau). 


25) Willis. The treatment of the appendix stump after appendec- 
tomy. 
(Annals of surgery 1908. Juli.) 


W. hat an 125 namhafte Chirurgen die Frage gerichtet, wie sie den Wurm- 
fortsatzstumpf nach der Amputation desselben versorgen, indem er sieben Fragen 
auf den betreffenden Fragebogen schrieb. 105 antworteten. Von diesen gaben 
bezüglich der ersten Frage, ob sie den Stumpf quetschen oder unterbinden, 48 
an, daß sie quetschen und unterbinden, 29 unterbinden ohne Quetschung, 13 
quetschen, aber unterbinden nicht, 7 quetschen weder noch unterbinden sie. Die 
2. Frage lautete: »Wird der Wurm mit dem Messer oder dem Thermokauter 
durchtrennt?«e Mit dem Thermokauter hatten nur 11 Operateure die Durch- 
trennung vorgenommen. 38 betupften den mit dem Messer Uurchschnittenen 
Stumpf mit reiner Karbolsäure, 15 mit Karbolsäure und Alkohol, 4 kauterisierten 
den durchschnittenen Stumpf, 10 ätzten den Stumpf mit anderen chemischen 
Mitteln, 28 desinfizierten ihn überhaupt nicht besonders. 

Die dritte Frage handelte über die Einstülpung des Stumpfes. 77 Chirurgen 
stülpten den Stumpf stets ein, und zwar 66 nach Unterbindung, 11 ohne solche, 
11 stülpten ihn nur gelegentlich in den Blinddarm ein, 11 überhaupt nicht. Die 
letzten Fragen bezogen sich darauf, ob durch das Nichteinstülpen schädliche 
Folgen beobachtet wurden. 23 Chirurgen gaben an, daß sie bei nicht eingestülptem 
Wurmrest nachteilige Folgen, besonders Blinddarmfisteln, erlebt hätten. 

Nach des Verf.s Ansicht können bei nicht eingestülptem Stumpf nicht allein 
Kotfisteln, sondern auch schwere Verstopfungserscheinungen auftreten. 

Herhold (Brandenburg). 


26) A. Luxardo (Treviglio). Dell’ ernia inguinale obliquo-interna o 
vescico-pubica. 
(Clinica chirurgica Bd. XIV. Nr. 7.) 


L. bringt einen der zu den selteneren Formen gerechneten Fälle von 
Hernia inguinalis obliqua interna (vesico-pubica) zur Kenntnis. 46jähriger Mann 
hat seit 7 Jahren, nach einer plötzlichen gewaltigen Anstrengung, eine langsam 
wachsende Geschwulst in der rechten Leistenbeuge. Seit einiger Zeit ist sie 
schmerzhaft. Es besteht seitdem auch häufiger quälender Harndrang bei klarem 
Urin. Bei der Operation zeigt sich, daß der Samenstrang weit außen und hinter 
der Geschwulst verläuft, diese zwischen dem Urachus und der Plica umbilicalis 
zum Vorschein kommt, ohne den äußeren Leistenring zu berühren. Den Inhalt 
bildete nur ein Teil der Harnblase, aber nicht in Form eines Divertikels. Radikal- 
operation nach Bassini. Glatte Heilung. 

L. legt besonders Gewicht auf die strikte Abgrenzung der Hernia obliqua 
interna von den direkten Hernien gegenüber jenen Autoren, welche diese Sonder- 
stellung nicht akzeptieren. J. Sternberg (Wien). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1219 


27) Martinelli. Ernia crurale bilaterale della vescica. 
(Gazz. degli ospedali 1908. Nr. 98.) 


Bei einer 47jährigen Frau, die seit 13 Jahren an einem rechtsseitigen und 
später auch linksseitigen schmerzhaften Leistenbruch leidet, findet man bei der 
Operation beiderseits in den Bruchpforten die wie eine Vesica bicornis ausgezogene 
Blase. Der zuerst auf der linken Seite vorgenommene Eingriff hatte zur Ver- 
letzung der Blase mit Austritt von Urin geführt. Durch doppelte Naht wurde 
ein voller Erfolg erzielt. Dreyer (Köln). 


23) E. Heller. Weiterer Beitrag zur Kenntnis der retrograden Darm- 
inkarzeration. 
(Med. Klinik 1908. p. 1268.) 


Die retrograde Darmeinklemmung kann erfolgen einmal dadurch, daß zwei 
Darmschlingen unabhängig voneinander vorfallen, wobei das Mesenterium der Ver- 
bindungsschlinge freibleibt, oder dadurch, daß das Mittelstück einer im Bruchsack 
liegenden Darmschlinge wieder in die Leibeshöhle zurücktritt, wobei das zugehörige 
Mesenterium zum zweiten Male durch die Bruchpforte geht. Von der letzteren 
Art, der echten retrograden Inkarzeration, operierte H. neuerdings einen Fall, der 
sich noch dadurch auszeichnete, daß die eine der im Schenkelbruchsacke liegenden 
zwei Schlingen unter dem umgeschlagenen Mesenterium der Verbindungsschlinge 
nochmals durchgetreten und mit ihrer Spitze in einer Bruchsackausbuchtung ein 
zweites Mal eingeklemmt war (Zeichnungen). Es wurden 40 cm von der brandigen 
Zwischenschlinge und 60 cm der zuführenden Schlinge, deren Gekröse keilförmige 
Infarkte enthielt, reseziert und die Darmöffnungen nach außen geleitet. Die schon 
sehr elende Kranke starb bald an allgemeiner Bauchfellentzündung. An der Leiche 
wurden die Verhältnisse nachgeprüft und die Länge der Darmschlingen und des 
Mesenteriums fortlaufend gemessen. Die Rückstülpung der Zwischenschlinge war 
wohl durch Taxisversuche erfolgt. 

Retrograde Darmeinklemmung setzt voraus eine weite Bruchpforte, verlängertes 
Mesenterium und eine von vornherein nicht zu feste Einklemmung. Diese Be- 
dingungen finden sich bei großen, lange bestehenden Brüchen nicht selten vereinigt. 
Die Rücklagerung ist ein Kunsterzeugnis und wird begünstigt durch verschiedene 
Beschaffenheit des Gekröses der einzelnen Darmabschnitte. Nach erfolgter Ver- 
lagerung entwickeln sich infolge der vermehrten Raumbeengung und nachträg- 
lichen Schwellung die Bedingungen für das Brandigwerden der Zwischenschlinge. 
Sie wird endgültig stranguliert beim zweiten Durchtritt durch die Bruchpforte 
hauptsächlich am Gekröse. Die doppelte Mesenterialstrangulation erklärt den 
äußerst raschen Verlauf der Gangrän des in der Bauchhöhle liegenden Darmteiles. 

Georg Schmidt (Berlin). 


29) Howitt and Corner. The reduction en masse of strangulated and 
non-strangulated herniae. 
(Annals of surgery 1908. April.) 

Bericht über 137 Fälle von Scheinreduktion eingeklemmter Brüche; 86 % 
Männer und 14% Frauen. In 50% der Fälle war die Reposition durch Arzte, in 
den übrigen Fällen von den Pat. selbst hervorgerufen. In den akuten Fällen war 
meist Dünndarm, in den subakuten und chronischen meistens Dickdarm und Blase 
im Bruchsack. Wenn nach der Reposition eines eingeklemmten und reponierten 
Bruches die Verstopfungserscheinungen fortbestehen, so soll sofort die Laparotomie 
gemacht werden. Herhold (Brandenburg). 


30) Konried. Fall von Pseudotumor des Magens. 
(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Heft 6.) 


Ziemlich große Resistenz der Magengegend, freie Salzsäure kaum in Spuren, 
häufiges Erbrechen, Schmerzen, rapide Abmagerung, kachektisches Aussehen. Auch 


1220 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 


bei Durchleuchtung nach Wismutmahlzeit mußte eine Geschwulst der Pylorus- 
gegend angenommen werden, die auf die Leber überging. Dennoch Besserung 
des Zustandes unter symptomatischer Behandlung, Dampfkompressen, Condurange, 
HCI, Diät. Nach 1 Jahre schien die Resistenz kleiner, aber schmerzhafter zu sein, 
bei röntgenologischer Untersuchung fand sich kein Anzeichen einer raumverengenden 
Bildung mehr. K. hält das Ganze für eine chronische Chole- und Pericholecystitis 
mit Verwachsungen der Pars pylorica. Renner (Breslau). 


31) Bunts. Infantile hypertrophy stenosis of pylorus. 
(Annals of surgery 1908. Juni.) 


Zu 89 aus der Literatur von Thompson gesammelten Fällen der oben ge- 
nannten Krankheit fügt B. noch 25 hinzu. Von diesen 114 heilten 53, 61 starben, 
diese Sterblichkeit von 55% verteilt sich folgendermaßen: 


Fälle | Gereint | Gestorben | Mortalität 











Dehnung 27| 13 14 | 51,8% 
Gastroenterostomie 69 32 37 53,6% 
Pyloroplastik 17 8 9 55% 

Pylorektomie 1 0 1 100% 


B. zieht folgende Schlüsse: 

1) Die angeborene und infantile Pylorusstenose haben klinisch eine verschiedene 
Bedeutung. 

2) Die angeborene Stenose muß möglichst frühzeitig operiert werden. 

8) Die infantile Stenose entwickelt sich nach der Geburt und ist einer Besserung 
durch Medikamente zugänglich; tritt die Besserung jedoch nicht bald ein, so soll 
operiert werden. 

4) Die infantile und angeborene Form ist klinisch nicht sicher zu unterscheiden. 

b) In geeigneten Fällen bietet die Pyloroplastik die besten Operationsresultate 
und sollte die Operation der Wahl sein. 

6) In den letzten Jahren hat sich die Sterblichkeit der Operation nicht wesent- 
lich gebessert. : Herhold (Brandenburg). 





32) A. Monprofit et Kieffer (d'Angers). Sur un cas de gastrostomie 
pour ulcere de l’oesophage. 
(Ann. de chir. gastro-intestinale Nr. 1.) 

Wie aus der Überschrift hervorgeht, wurde bei einem Speiseröhrengeschwür 
mit Stenosenerscheinungen eine Gastrostomie gemacht. Die Pat. wurde ein Jahr 
durch die Magenfistel ernährt; danach war das Geschwür ausgeheilt, und Pat. kann 
wieder Nahrung von oben zu sich nehmen. Simon (Mannheim). 


33) A. Thomson. Deaths from gastric and duodenal ulcer after 
| operations for other conditions. 
(Edinb. med. journ. 1908. Februar.) 


Mitteilung von drei Fällen, bei denen nach anderweitigen Operationen (Resectio 
maxillae sup. wegen Sarkoms und zwei suprapubischen Prostatektomien) infolge 
von Magen- bzw. Duodenalblutungen der Tod eintrat. In keinem der Fälle waren 
irgendwelche Erscheinungen vorhergegangen, die den Verdacht auf Geschwürs- 
bildung im Magen-Darmkanal hätten aufkommen lassen. Verf. meint, daß dem 
Erbrechen nach der Narkose eine Hauptrolle für die Entstehung derartiger Magen- 
Darmblutungen zugeschrieben werden müsse. Infolge der großen Anstrengungen 
beim Erbrechen nach der Operation manifestiere sich ein vorher latentes Geschwür. 

Jenckel (Göttingen). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1221 


34) Roberts. Gastric and duodenal ulcers secondary to wounds of 
the urinary bladder. 
(Annals of surgery 1908. Juni.) 


Verf. beschreibt zunächst zwei von ihm operierte Fälle, in welchen sich nach 
nicht ganz aseptisch verlaufenen Blasenoperationen Blutbrechen und schwere Anämie 
einstellten und die Autopsie das Vorhandensein eines Magengeschwürs in dem 
einen, eines Duodenalgeschwürs in dem anderen Falle ergab. Er hat dann aus der 
Literatur noch 14 Fälle gesammelt, in welchen nach Blasen- und Nierenoperation 
Hämatemesis auftrat. 7 mal wurde in der Gesamtzahl der 16 Fälle (mit den zweien 
des Verf.s) ein Magen- bzw. Duodenalgeschwür angetroffen. R. glaubt, daß diese 
Erkrankungen des Magens bzw. Darmes die Folgen von Thromben oder Embolien 
bei septischen oder toxämischen Zuständen sind, und daß gerade bei Operationen 
am Harnapparat in den zitierten Fällen ein septisches und ein urämisches Toxin 
vorhanden gewesen sei. 


Um derartige Schädigungen, d. h. das Eintreten von Hämatemesis infolge einer 
Affektion des Magens-oder Duodenum zu verhüten, sollen gerade bei Operationen 
am Harnapparat alle Blutgefäße schonend behandelt und peinlichste Asepsis be- 
obachtet werden. Ist die Hämatemesis einmal ausgebrochen, so kommt aus- 
schließlich rektale Ernährung für die ersten 48 Stunden in Betracht; ferner Magen- 
spülungen mit heißer Kochsalzlösung oder 1’/wiger Höllensteinlösung, Exzitantien, 
Ergotin subkutan, zuguterletzt, wenn es der Zustand erlaubt, die Gastroentero- 
stomie oder die Unterbindung des die Blutung unterhaltenden Blutgefäßes. 

Herhold (Brandenburg). 


35) J. Petrivalsky. Beitrag zur Kenntnis des Duodenalgeschwürs. 
(Časopis lékařů českých 1908. p. 664.) 

Der Bericht erstreckt sich auf sieben Fälle von Duodenalgeschwür aus der 
Klinik Kukula in Prag. Alle betrafen Männer. Die Sekretion und die Azidität 
des Magensaftes war entweder normal oder erhöht, die Motilität des Magens ent- 
weder normal oder herabgesetzt. Am konstantesten war die Hypersekretion, worin 
ein differentialdiagnostisches Kriterium gegenüber dem Magengeschwür liegen dürfte. 

Bei vier Fällen wurde die |Gastroenteroanastomose nach Woelfler mit der 
Modifikation nach Peterson durchgeführt. Ein Pat. starb im Kollaps, drei Pat. 
wurden geheilt. Bei keinem entstand ein Circulus vitiosus, wohl aber bei einem 
an der Anastomosenstelle ein peptisches Jejunalgeschwür, das in die vordere 
Bauchwand unter dem Knorpel der neunten Rippe perforierte; es wurde exstirpiert. 
Die Anastomose wurde plastisch korrigiert und durch eine Enteroanastomose nach 
Braun geschützt. Zwei Pat. starben unoperiert infolge Perforation bzw. Ver- 
blutung. Der siebente Pat., der gleichzeitig an Mastdarmkrebs litt, starb ebenfalls 
infolge Perforation, nachdem eine Operation des Karzinoms nach Kraske vor- 
genommen worden war. 6. Mühlstein (Prag). 


36) A. Montprofit. Etude sur quatre-vingt-dix opérations de gastro- 
entérostomie en Y antérieure. 
(Ann. de chir. gastrosintestingle. Nr. 1.) 
In der kurzen Abhandlung über die Gastroenterostomie in Ypsilonform geht 
M. nicht näher auf die Technik ein, sondern verweist auf seine früheren Veröffent- 
lichungen. Er berichtet nur über die 90 Operationen, die er nach dieser Methode 
ausführte, und zwar 38 mal bei gutartigen und 52mal bei bösartigen Stenosen des 
Pylorus. Er kommt zu dem Schlusse, daß die Methode Hervorragendes leiste und 
in allen Fällen empfohlen werden könne, wo eine hintere Gastroenterostomie 


schwierig oder nicht möglich oder gar schon ohne Erfolg ausgeführt sei. 
Simon (Mannheim‘. 


1222 Zentralblatt für Chirurgie Nr. 41. 


37) G. T. Boatson. Two successful cases of acute intussusception, 
including that of the vermiform appendix, with remark on treatment. 
(Edinb. med. journ. 1908. August.) 


Wie wichtig bei der Invagination des Darmes die frühzeitige Diagnose und 
möglichst baldige operative Behandlung ist, wird von Verf. an zwei Kranken- 
geschichten erläutert. In beiden Fällen gelang die Reduktion der invaginierten 
Partie und damit die Heilung der Kinder, obwohl bei dem ersten Pat. — einem 
9 Monate alten Knaben — die Intussuszeption bis zur Flexura hepatica, in letzterem 
Falle sogar bis zur Flexura sigmoidea herabreichte. Interessant war, daß bei der 
Lösung der Invagination im Fall 1 sich der Proc. vermiformis in seiner Spitze 
als gangränös erwies; wahrscheinlich hatte die Invaginatio ileocoecalis zu einer 
Abschnürung des Mesenteriolum des Wurmfortsatzes geführt und dadurch die be- 
ginnende Gangrän hervorgerufen. 


Verf. konnte als auffälligen Befund bei beiden Operationen eine völlige Leere 
des Dünndarmes, der stark kollabiert erschien, konstatieren und glaubt, daß dieser 
Zustand des Darmes in Zusammenhang mit der Entstehung der Invagination zu 
bringen sei. Bedenken wir jedoch, daß beiden Kindern zum erstenmal in ihrem 
Leben Abführmittel per os verabfolgt waren, im Verlauf deren Wirkung sich die 
Erscheinungen der Darminvagination erst einstellten, so erscheint der Zustand des 
Dünndarmes weniger auffallend, und als Ursache der Intussuszeption ist doch wohl 
die durch die Abführmittel stark vermehrte Peristaltik anzusehen (Ref.). 

Jenckel (Göttingen). 


38) Johnston. Splenectomy. 
‚Annals of surgery 1908. Juli.) 


Große Statistik über 708 literarisch gesammelte Fälle von Milzexstirpation 
mit einer Gesamtmortalität von 27,4%. Die erschöpfende Sammlung Bessel- 
Hagen’s vom Jahre 1900 ist bei der Zusammenstellung mit benutzt worden. Die 
Ursachen, weswegen die Milz exstirpiert wurde, sind tabellarisch zusammengestellt, 
und es werden die einzelnen Gruppen kurz besprochen. Die 1. Gruppe umfaßt 
74 Fälle idiopathischer Milzvergrößerung mit 28,3% Mortalität. 2) Milzvergröße- 
rung und Wandermilz: 60 Fälle mit 6 tödlichen Ausgängen. 3) Wandermilz mit 
Stieldrehung: 27 Fälle mit 8 Todesfällen. 4) Malariamilz: 61 mit 13,1% Morta- 
lität. 5) Malaria- und Wandermilz: 40 mit 2 Todesfällen; 12, bei denen außer- 
dem noch Stieldrehung vorhanden war, mit 2 Todesfällen. 6) Banti’sche Krank- 
heit: 61 Fälle mit 12% Todesfällen. 7) Cysten: 42 mit 7 Todesfällen. 8) Splen- 
ektomien bei Leukämie: 49 mit 87,7% Mortalität. 9) Sarkome: 9 mit 3 Todesfällen. 
10) Abszesse: 2 mit 1 Todesfall. 11) Milzexstirpationen wegen traumatischer Ver- 
jetzung der Milz: 150 Fälle mit 34% Mortalität. 

Verf. weist am Schluß auf die schlechte Prognose hin, welche Milzexstirpationen 
bei Leukämie haben. Herhold (Brandenburg). 


39) Summers. Splenectomy in Banti’s disease, followed by oedema 


of the large intestine with localised necrosis of its wall. 
(Annals of surgery 1908. Juni.) 


8 Tage nach einer wegen Banti’s Krankheit ausgeführten Milzexstirpation 
traten bei dem Operierten Erscheinungen von Peritonitis auf. Bei der sofort vor- 
genommenen Laparotomie zeigte sich an der Flexura sigmoidea eine 3 Zoll große 
perforierte nekrotische Stelle ; dieselbe wurde eingestülpt und übernäht. Der Kranke 
genas. Bei der Operation zeigte sich, daß in der Vena mesenterica superior ein 
Thrombus saß, der im Zusammenuhange mit dem in der unterbundenen Vena sple- 
nica befindlichen Thrombus stand. Verf. weist auf die Seltenheit dieser durch 
Operation entstandenen Thrombose hin. Herhold (Brandenburg). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1223 


40) L. Bérard et P. Cavaillon. Coliques hépatiques, ictère et cholér- 
ragie dans les kystes hydatiques du foie. 
q (Extrait du bull. méd. 1907. Februar 23.) 

Verff. beschreiben drei Fälle von Leberechinokokkus, die mit Ikterus und, 
nach der Einnähung des Sackes, mit Cholerrhagien einhergingen. Die Punktion 
ergab im ersten Fall 8 Liter trüber, grüner Flüssigkeit. Die Cyste, die von der 
Gallenblase bis zur Wirbelsäule reichte, war wegen der großen Ausdehnung nicht 
zu exstirpieren. 30 Stunden nach der Operation trat aus dem Cystenrest eine 
starke Blutung ein, die auf Tamponade stand. Als nach 4 Tagen die Tamponade 
entfern wurde, entleerte sich blutig-gallige Flüssigkeit und darin Schorfe. Der 
Gallenfluß hielt 21 Tage an, wobei die Kranke sehr abkam. 

Im zweiten Falle trat der Gallenfluß nach Inzision eines Abszesses in der 
Uiacalgegend ein. Sie hielt 20—25 Tage an. 

Im dritten Falle handelte es sich auch um eine bis zur Wirbelsäule reichende 
Cyste. Beim Verbandwechsel am übernächsten Tage nach der Operation trat der 
Gallenfluß auf, und 19 Tage nach der Operation plötzlich der Tod. Bei der Ob- 
duktion fand sich eine kleine Eiteransammlung im rechten subphrenischen Raunıe. 
In die Cyste hinein mündete ein Gallengang zweiter Ordnung. Die Gallenblase 
stand gar nicht mehr im Zusammenhange mit den Gallenwegen. 

Der Ikterus kann entstehen durch Kompression der Gallenwege, durch Infek- 
tion und durch Zusammenhang der Cyste mit den Gallenwegen. Die Infektion 
kann einmal die Cyste selbst betreffen und dann die Gallenwege als aufsteigende 
Angiocholitis. Eindringen von Hydatiden in die Gallenwege löst außer dem Ikterus 
noch Koliken aus. 

Die Eröffnung der Gallengänge in die Cyste kann ohne Operation erfolgen. 
Der Gallenfluß kann aber auch erst bei der Operation entstehen durch Aufhebung 
des auf den Gallenwegen lastenden Druckes. Der später einsetzende Gallenfluß 
ist auf Nekrose der Wand [oder auf Trauma (z. B. Drain) zurückzuführen. Die 
Prognose hängt ab von der Größe des offenen Gallenweges, erkenntlich an der 
Menge der ausfließenden Galle, und von dem Zustande der großen Gallenwege, 
erkenntlich an der Farbe des Stuhles. Schädigungen der Gallenwege sind jeden- 
falls sowohl für den Ikterus wie für den postoperativen Gallenfluß verantwortlich 
zu machen. E. Moser (Zittau). 


41) Lobingier. Gangrene of the gall bladder. 
(Annals of surgery 1908. Juli.) 

Als man bei einem scheinbar an eitriger Gallenblasenentzündung leidenden 
Pat. den M. rectus gespalten hatte, traf man auf eine gangränöse, mit Gas gefüllte, 
von der Peritonealhöhle abgegrenzte Gallenblase. Die Ränder derselben waren 
emphysematös; im Cysticus saß ein Stein. Exstirpation der Blase, Drainrohr, teil- 
weise Naht der Bauchhöhlenwand, Heilung. 

Eine bakteriologische Untersuchung des Gallenblaseninhaltes wurde leider nicht 
gemacht. Herhold (Brandenburg). 


42) R. Bachrach. Über die Resultate unserer Operationen an den 


Gallenwegen. 
(Med. Klinik 1908. p. 1099.) 

153 Operationen zumeist aus Hochenegg’s, zum kleinsten Teil aus Lorenz’ 
klinischer und poliklinischer Tätigkeit. Darunter 58 Cholecystektomien (2 Todes- 
fälle). (Wenn möglich, wird Gallenblase und Ductus cysticus uneröffnet entfernt.) 
Die Gallenblasenexstirpation ist das Normalverfahren. Sie wurde in der letzten Zeit 
fast regelmäßig ausgeführt und ist nur da zu unterlassen, wo sie eine unmittelbare 
Gefahr für den Kranken bringen würde. — Daraus werden auch die im ganzen 
recht günstigen Ergebnisse abgeleitet. Echte Rückfälle wurden eigentlich niemals 
beobachtet. Zahlreichere Opfer (6 unter 13 Fällen) forderte die sonst sehr emp- 
fehlenswerte und technisch nicht schwierige Mobilisierung des Duodenums, wohl 
deshalb, weil sie nur bei schon recht vorgeschrittenen Krankheitszuständen nötig 


1224 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 


ud 


wird. Von 118 über den Dauererfolg befragten Kranken wurden 79 verwertbare 
Auskünfte erlangt. Davon erfreuten sich 69 Operierte dauernder voller Heilung. 
Nur bei 2 lag vielleicht ein Rückfall vor. Georg Schmidt (Berlin). 


43) Edgecombe. Metastatic affection of the pancreas in mumps. 
(Practitioner 1908. Februar.) 

Bei einer leicht verlaufenden Mumpsepidemie von 33 Fällen, die Verf. in einer 
Knabenschule beobachtete, zeigten 5 Fälle eine metastatische Entzündung des Pan- 
kreas, die durch Erbrechen, Schmerzen und Spannung der Bauchmuskeln, beson- 
ders im Epigastrium, und Verstopfung sich klinisch äußerte. In 4 Fällen bestand 
Fieber. Eine deutliche Schwellung in der Gegend des Pankreas konnte bei zwei 
Knaben gefühlt werden. Im Urin war eine deutliche »Pankreasreaktion«, die auf 
eine akute Entzündung dieses Organs hinwies, zu erkennen. Azeton und Acet- 
essigsäure waren in großen Mengen vorhanden, Zucker fehlte. 

Jenckel (Göttingen). 


44) A. Musumeci (Catania). Cisti linfatica del mesentere. 
(Clinica chirurgica 1907. Nr. 10.) 

M. teilt einen Fall einer glücklich operierten, sehr großen Lymphcyste des 
Mesenteriums mit, der dadurch interessant ist, daß bei dem Träger der linke, 
kaum haselnußgroße Hoden, der früher häufig durch den weit offenen Leistenring 
in den Bauch geschlüpft und wieder in den Hodensack gesunken war, seit 1 Jahr 
im Bauch verblieben ist, wodurch die Fehldiagnose auf Sarkom eines Becken- 
hodens gestellt worden war. Für die Cyste selbst fehlt jede Atiologie. 

J. Sternberg (Wien). 


45) H. Heyrovsky. Ein Beitrag zur Kasuistik der cystischen retro- 


peritonealen Tumoren. (Aus der II. chir. Klinik Wien.) 
(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Hit. 6.) 

Bald nach einem heftigen Stoß gegen den Bauch Konstatierung einer Ge- 
schwulst unter dem rechten Rippenbogen. Nach einer Kolik Aufhören der Schmerzen. 
Die Geschwulst wurde verchieden gedeutet; nach 4 Jahren hielt man sie für eine 
bösartige Nierengeschwulst und riet zur Operation. Nach 10 Jahren Störung des 
Allgemeinbefindens. Die damals mannskopfgroße Geschwulst wurde von Hochen- 
egg als Hydronephrose operiert, entpuppte sich aber als Cyste mit gelatinösem, 
teils rotbraunem Inhalt und wurde als Pankreascyste gedeutet. 2 Jahre nachher 
entleerten sich aus der Fistel geschwulstartige Massen, später trat eine Perforation 
des infizierten Sackes nach der Niere ein, so daß 5 Jahre nach der ersten Operation 
eine kindskopfgroße, retroperitoneale Geschwulst — der Cystenrest — und die Niere 
entfernt werden mußten. Danach rasche Erholung, aber 4 Jahre später nach 
neuerlichem leichten Trauma hohes Fieber, Bauchschmerzen, rapides Wachstum einer 
Resistenz, aus der sich bei Inzision hämorrhagischer Eiter entleerte. Damals fanden 
sich schon Knötchen im Netz, die im nächsten Jahre konfluierten. Nach neuer- 
licher Laparotomie mit Entleerung freier Gallertmassen Perforationsperitonitis. 

Außer gallertigen Geschwulstmassen fand sich eine breitbasige ebensolche Ge- 
schwulst in der Flexura sigmoidea, die, bei der zweiten Operation entfernt, sich 
als papilläres, in Gallertkarzinom entartetes Kystom erwies, das als aus verspreng- 
ten Keimen der Urogenitalanlage entstanden aufgefaßt wurde. Die Geschwulst 
der Flexur wird als Metastase angesehen. Andere Fälle cystischer retroperitonealer 
Geschwülste aus der Literatur werden zitiert und die Ansichten der verschiedenen 
Autoren über die Genese besprochen. Renner (Breslau). 





Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 
au Prof. E. Richier in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden. 

ZZ FR m m ne 


Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau. 
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. 


Zentralblatt für Chirurgie 


herausgegeben von 


K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER, 


in Bonn, in Berlin, in Breslau. 
35. Jahrgang. 
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG. 





Nr. 42. Sonnabend, den 17. Oktober 1908. 








Inhalt. 
C. Hübscher, Die Behandlung des kontrakten Plattfußes im Schlafe. (Originalmitteilung.) 
1) Groedel, Orthoröntgenographie. — 2) Klingelfuß, Zur Röntgenstrahlentechnik. — 3) Mar- 
tinl, Wirkung der Röntgenstrahlen auf bösartige Geschwülste.. — 4) Wossidlo, Zur Lumbal- 


, 

anästhesie. — 5) Leser, Spezielle Chirurgie. — 6) Petrivalsky, Phimose. — 7) Bayer, 8) Moyni- 
han, Prostatachirurgie. — 9) Goodlee, Tuberkulose der Harn- und Geschlechtsorgane. — 10) Knorr, 
Cystoskopie und Urethroskopie beim Weibe. — 11) Mayo, Blasengeschwülste. — 12) Pavone, 
13) Uteau, Anurie. — 14) Mori, 15) Barile, Varikokele. 

I. P. Hackenbruch, Operationsschleier mit Metallstützgestell. — Il. K. Vogel, Zur Technik 
des Gipsverbandes. (Originalmitteilungen.) 

16) Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins. — 17) Försterling, Zur röntgenologischen Technik. 
— 18) Bircher, Knochengeschwülste im Röntgenogramm. — 19) Novak, Hämatolymphangiom. — 
20) Swetschnikow, Kavernöse Angiome. — 21) McLeod, Bakterienvaccine. — 22) Hans, Intussus- 
zeption der Harnröhre. — 23) Murtry, Harnröhrenkrebs. — 24) Stopezanski, Plastische Indura- 
tion des Penis. — 25) Man, 26) Lasio, 27) Walker, Zur Prostatachirurgie. — 28) Wilms, Blasen- 
ektopie. — 29) Necker und Paschkis, Konjunktivalreaktion in der Urologie. — 30) Grekow, 
Nieren- und Blasentuberkulose. — 31) Miles, Intermittierende Hydronephrose. — 32) Külz, Anurie. 
— 33) Winter, Torsion des Samenstranges. — 84) Horand, Hydrocele tuberculosa. — 35) Kopy- 
loff, 36) Rawling, 37) Conforti, Bauch- und Leistenhoden. — 38) Thibierge, Kraurosis vulvae. 
— 39) Butler und Long, Vulvovaginitis. — 40) Berkofsky, Gefäßunterbindung bei Puerperal- 
pyämie. — 41) Puech und Massabuau, Mischgeschwülste des Collum uteri. — 42) Lucio, Solide 
Eierstocksgeschwülste. — 43) Briggs, Akutes Becken-Bauchödem. — 44) Makrowski, Leber- 
abszesse. — 45) Outerbridge, Pankreascyste. — 46) Stockton und Wiliams, Pankreatitis. 





Die Behandlung des kontrakten Plattfußes im Schlafe. 
Von 


Dr. C. Hübscher, 
Dozent für Orthopädie in Basel. 


ekanntlich kann man dem kontrakten Plattfuß, der reflek- 
torischen Pronationskontraktur, auf die verschiedenste Weise beikom- 
men. Bettruhe und feuchtwarme Umschläge genügen in den leichtesten 
Fällen; lokale Narkose des Talonavikulargelenkes durch Kokainein- 
spritzen nach Lorenz oder allgemeine Narkosen lösen den Reflex- 
krampf und gestatten ein Eingipsen des Fußes in Supinationsstellung. 
Daneben verwenden wir noch die Gibney’schen Heftpflasterverbände 
auf Empfehlung von Drenkhahn und Muskat. Wie zu erwarten 
stand, wird als neueste Behandlung Hyperämie und Stauung nach Bier 
gerühmt (Muskat, Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft f. Chir., 
XXXVII. Kongreß). 
Nach meinen Erfahrungen verschwindet der reflektorische Muskel- 
spasmus ohne Ausnahme während des natürlichen Schlafes, um 


42 


1226 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 


sich beim ersten Bewegungs- oder Stehversuch mit gleicher Sicherheit 
wieder einzustellen. Gelingt es uns, während der Nachtruhe den Fuß 
in volle Supination zu bringen, ohne den Pat. dabei aufzuwecken, so 
haben wir gewonnenes Spiel. Diese nächtliche Arbeit leistet uns eine 
Vorrichtung, welche nichts anderes ist, als der etwas vereinfachte 
Klumpfußverband nach Finck!, der hier selbstverständlich umgekehrt 
auf Supinationszug angelegt wird. 

Nach der nebenstehenden Zeichnung ist die Herstellung und die 
Anlegung des leicht zu improvisierenden Verbandes wohl sofort ver- 
ständlich: ein Fußbrettchen aus Lindenholz wird durch Annageln der 
entsprechenden Gurte zur anschnallbaren Sandale vervollständigt. 
Die drei elastischen Züge aus ca. 7 mm dickem Kautschukrohr werden 
durch die etwas engeren Löcher des Brettchens durchgezwängt und 
halten hier selbsttätig. Oben sind die Schläuche 
mittels kleiner Ringe in einen Korsetthaken ein- 
gehängt, der durch einen spiraligen Heftpflaster- 
streifen (Beiersdorf’s Leukoplast Nr. 536) am 
inneren Tibiaknorren anbandagiert ist. Durch 
Nachziehen der unteren Schlauchenden durch 
die engen Löcher kann die Kraft der beiden 
inneren Schläuche gegen den äußeren Antago- 
nisten so abgestimmt werden, daß ein kräftiger 
Supinationszug entsteht, ohne daß dabei der 
leiseste Schmerz ausgelöst wird. Der äußere 
Pronationszügel verhindert ein Abhebeln des 
Brettchens. Sobald der Pat. sich zur Ruhe 
begeben hat, wird das Fußbrettchen angeschnallt 
und der Zug in Aktion gesetzt. 

Das Bild, das uns am nächsten Morgen 
erwartet, ist ein überraschend erfreuliches, so- 
wohl für den Arzt als noch mehr für den 
Pat. Der Fuß, der oft monatelang eine Quelle 
scheußlicher Schmerzen war, wird nun ohne 
jede Anstrengung aktiv supiniert und wieder 
proniert. Wir sind dann sofort imstande, unter Korrektion des Valgus- 
winkels den Gipsabguß für die definitive Lange’sche Zelluloideinlage 
herzustellen. Während der wenigen Tage bis zur Fertigstellung der 
Einlage wird der Supinationsverband nachts weiter getragen; tags- 
über marschiert der Pat. mit einer provisorischen Einlage herum, 
wobei noch auf Sohle und Absatz des Stiefels außen Keile aus Kork- 
linoleum genagelt werden, um den Fuß sicher in Supination auftreten 
zu lassen. 

Zusammenfassend möchte ich diese Behandlung des kontrakten 
Plattfußes im Schlafe aus folgenden Gründen empfehlen: 








— 


ı Julius Finck, Zeitschrift für orthopädische Chirurgie Bd. XIII. p. 395. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1227 


1) Der nächtliche Zugverband arbeitet in der denkbar schonendsten 
und einfachsten Weise ohne Zeitverlust für den Pat. 

2) Die vielfach angewandte, wochen- und monatelange Immobili- 
sierung der Füße im Gipsverband wird umgangen. 

3) Der gleiche Verband kann als portativer Widerstandsapparat 
zur täglichen Gymnastik verwendet werden. 

4) In diagnostischer Hinsicht gibt uns der nächtliche elastische 
Zug sofort sicheren Aufschluß: Füße, welche am folgenden Tage nicht 
supiniert sind, erweisen sich dadurch als keine reinen kontrakten Füße; 
sie müssen, weil schon durch Verwachsungen fixiert, in Narkose redres- 
siert werden. 

5) Stellt diese Behandlungsmethode ein interessantes physiologi- 
sches Experiment dar, das uns zeigt, daß im Schlafe nicht nur das 
Seelenorgan ruht, sondern daB auch der Reflexbogen unterbrochen ist. 


1) Groedel. Die Orthoröntgenographie. Anleitung zum Ar- 
beiten mit parallelen Röntgenstrahlen. Mit 32 Abbildungen. 
München 1908. 

Verf. beschreibt im großen und ganzen nur die Technik der 
Orthoröntgenographie. Zunächst erwähnt er ihre Geschichte und den 
Horizontalorthodiagraphen von Moritz. Bequemer und mindestens 
wissenschaftlich ebenso wertvoll ist das Verfahren der Vertikalortho- 
diagraphie. Den besten Apparat hat hier Levy-Dorn geschaffen; 
die anderen sind zum Teil wertlos. Es folgt eine genaue Beschreibung 
des Apparates und seiner Anwendung, ferner der vom Verf. selbst 
angegebenen Röhrenhalter und seiner Vorrichtung zum Zentrieren der 
Röhre. 

Die Ausmessung des Herzorthodiagramms kann nie ganz exakt 
sein. Als Maße sind folgende drei von Moritz angegebenen wichtig: 

1) Der Medianabstand links. Größter Abstand des linken Herz- 
schattenrandes von der Mittellinie. — 2) Der Medianabstand rechts. 
Größter Abstand des rechten Herzschattenrandes von der Mittellinie. 
— 3) Der Längsdurchmesser. Die größte Entfernung des linken Herz- 
schattenrandes von dem Venenvorhofwinkel. 

Den von Dietlen veröffentlichten Normalmaßen für Horizontal- 
orthodiagramme des Herzens fügt Verf. eine Tabelle von Normal- 
maßen des vertikalen Herzorthodiagramms bei, die er an einer großen 
Reihe von herzgesunden Individuen gewonnen hat und deshalb als 
Durchschnittswerte aufstellen kann. 

Ein neues Kapitel befaßt sich mit der Lungenorthodiagraphie und 
der Orthodiagraphie der Baucheingeweide. — Am Schluß erwähnt 
Verf. noch die orthophotographischen und teleröntgenographischen 
Verfahren von Albers-Schönberg und Köhler. Er selbst be- 
richtet über Fernaufnahmen von 1—2 Sekunden und Nahaufnahmen 
von 1/1o—t/2 Sekunde Dauer. 

Seine zusammenfassenden Ausführungen lasse ich wörtlich folgen: 


42* 


1228 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 


»Die Orthodiagraphie ist ein technisch exakt ausgebautes Ver- 
fahren, welches uns gestattet, das Herzschattenbild mit parallelen 
Strahlen aufzuzeichnen. Die Orthodiagraphie ist nicht schwer zu er- 
lernen, unsere Resultate werden aber um so zuverlässiger, je mehr 
Übung wir haben. Bei den verschwindend geringen Unkosten der 
einzelnen Aufnahmen sind wir in der Lage, die Orthodiagraphie ebenso- 
oft wie etwa die Perkussion zu wiederholen und so unseren Befund 
stets wieder zu kontrollieren. Die Herzgröße kann mittels der Ortho- 
diagraphie einwandsfrei festgestellt werden. Ebenso kann die Form 
des Herzschattens und die Gestalt der einzelnen Herzbogen, der bis 
jetzt vernachlässigte, aber wohl wichtigste Punkt der Herz-Röntgen- 
diagnostik, bei geeigneter Technik mit Leichtigkeit festgestellt werden. 
Dabei hat die Orthodiagraphie den photographischen Methoden gegen- 
über den Vorzug der Möglichkeit, die Pulsationen der einzelnen Herz- 
abschnitte gleichzeitig zu beobachten. 

Die orthophotographischen Verfahren sind technisch schwierig. 
Unter ihnen hat die Immelmann’sche Methode der Orthodiagraphie 
gegenüber keinen Vorteil, da sie nicht objektiver wie diese ist. 

Die Spaltaufnahmen nach Albers-Schönberg und Haenisch 
ergeben einwandsfreie Resultate und sind als Kontrolle der Ortho- 
diagraphie sehr wertvoll, ohne diese infolge der Umständlichkeit und 
Kostspieligkeit ihrer Herstellung ersetzen zu können. 

Die Köhler’sche Teleröntgenographie ist der beste und dabei 
einfachste Ersatz der Orthodiagraphie. Auch die Fernaufnahmen sind 
wertvoll als Kontrolle der Orthodiagraphie, besonders nachdem ihre 
Herstellung nun bei kürzerer Expositionszeit möglich ist. Aber auch 
sie können aus den ebenerwähnten Gründen niemals die Orthodia- 
graphie ganz ersetzen. Außerdem erscheint mir die Orthodiagraphie 
für die Beobachtung der Herzformen vorläufig noch geeigneter zu sein. 
Der besondere Wert der Fernaufnahmen liegt in ihrer korrekten Pro- 
jektion, was besonders für die Aufnahmen im schrägen oder queren 
Durchmesser gilt.« 7 @augele (Zwickau). 


2) Klingelfuss. Präzisierung des Begriffes »Momentauf- 
nahmen« in der Röntgenstrahlentechnik. | 
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XI. Hft. 4.) 

Verf. weist darauf hin, daß der Kürzung der Expositionszeit 
vorläufig in der Dauer einer Einzelentladung eine untere Grenze ge- 
setzt bleiben wird. 

Um eine Vergleichsbasis für die sog. Momentaufnahmen zu ge- 
winnen, empfiehlt er, statt der Zeit des .Stromschlusses die Anzahl 
der Unterbrechungen und die aufgewendete Magnetisierungsstromstärke 
zu „beobachten. 

Objekte, die in 1/3 Sekunden effektiver Expositionszeit die 
photographische Platte hinreichend schwärzen, würden mit fünf ein- 
zelnen »Schlägen«, solche, die fünfmal ‚durchlässiger sind, mit einem 
»Schlage« durchleuchtet sein, falls die aufgewendete Stromstärke in 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1229 


beiden Fällen gleichgroß ist, wobei dann zu beachten wäre, daß sich: 
die einzelnen Schläge nicht schneller folgen, als der zeitliche Ver- 
lauf einer Entladung zuläßt. 

Wollte man Aufnahmen machen, deren Expositionsdauer kürzer 
ist, als der zeitliche Verlauf des einzelnen »Schlages«, so müßte man, 
wie das in der optischen Photographentechnik üblich ist, einen Moment- 
verschluß vor die X-Strahlenröhre bringen, der nur einen Teil 
der Strahlung des einfachen Schlages durchläßt. Dabei würde man 
auf eine neue Schwierigkeit stoßen, nämlich auf das zeitlich richtige 
Zusammentreffen der Blendenöffnung mit dem Verlauf der Hauptphase 
der X-Strahlen; denn wie Verf. an der Aufnahme der durch den 
einfachen Schlag« hervorgerufenen X-Strahlen durch eine Spaltblende 
auf eine bewegte photographische Platte zeigt, ist die Entladung 
einer einmaligen Unterbrechung nicht kontinuierlich, sondern mehr- 
fach zwischen Null und einem Maximum schwingend. 
- Gaugele (Zwickau). 





3) Martini. Über die durch die Röntgenstrahlenbehandlung 
hervorgerufenen histologischen Veränderungen maligner Ge- 
 schwülste. 
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII. Hft.-4.) 

Verf. hat an einem großen Material Untersuchungen im oben an- 
gegebenen Sinne ausgeführt, und zwar in der Weise, daß er Pat. 
klinisch sorgfältig beobachtete und die mikroskopische Untersuchung der 
Geschwülste mehrmals, und zwar immer vor und nach Abschluß der 
Behandlung vornahm. Seine Fälle betrafen Mammakarzinome, Krebs- 
metastasen in Lymphknoten, Ulcus rodens der Wange, fungösen Krebs 
der Nase, malignes Lymphosarkom der Brustwand und des Schien- 
beines, Myxosarkome des Oberschenkels und Beckens, Enchondrome 
der Rippen, bösartige Geschwulst der Unterkieferdrüse, Adenokarzinome 
des Hodens; zum Teil handelte es sich um Rezidive. 

Als Indikation gilt dem Verf. die Inoperabilität der Geschwülste 
oder aber, wenn kosmetische Gründe vorliegen, wie bei Gesichts- 
geschwülsten. Aber auch hier darf nicht vergessen werden, daß man, 
wenn nach einigen Bestrahlungen keine Besserung eintritt, die. wert- 
volle Zeit für die Operation nicht vorübergehen lassen darf. Anderer- 
seits erklärt Verf. es als die Pflicht des Arztes, die von einer un- 
operierbaren Geschwulst Befallenen einer Höntgenbeatraulung zu unter- 
werfen. 

Der klinische Erfolg war ein derartiger, daß bei der Art der 
jeweiligen Erkrankung und ihrer Ausbreitung von keiner anderen Be- 
handlung bessere Resultate zu erwarten waren. Bei den Brustdrüsen- 
krebsen fiel der Nachlaß der Schmerzen und der deutliche Rückgang 
der Geschwulstknoten aüf; die Wangenepitheliome heilten radikal mit 
schöner Narbe aus, das maligne Lymphom zeigte einen überraschenden 
Schwund, das Sarkom der Brustwand verschwand nach 11—12 Sitzungen 


1230 [Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 


vollkommen, das Myxosarkom des Oberschenkels und Beckens ließ nur 
eine Besserung des Allgemeinbefundes erkennen. 

Das Osteosarkom wurde überhaupt nicht gebessert, ebensowenig 
das Enchondrom der Halswirbel, während bei dem Sarkom des Unter- 
kiefers und des Hodens eine Abnahme der Geschwulst und Nachlaß 
der Schmerzen eintrat. 

Diese Unterschiede in den Erfolgen finden in der Verschiedenheit 
der Form und des histologischen Baues der Geschwulstelemente mehr 
als in der Ausdehnung der Geschwulst ihre Erklärung. Wie bekannt, 
können die bindegewebigen Geschwülste verschiedene Form und einen 
komplizierten Bau annehmen, so daß verschiedene Kombinationen von 
Sarkomgewebe mit anderen, ebenfalls mesenchymalen Geweben unter 
Bildung von Mischgeschwülsten: Fibrosarkom, Liposarkom, Myxo- 
sarkom, Chondrosarkom, Osteosarkom usw., zustande kommen können. 
Aus dem obengenannten geht nun hervor, daß aus weniger hoch 
entwickelten, aber stark wuchernden Zellen und wenig Stroma be- 
stehende Geschwülste die für die zerstörende Einwirkung der Röntgen- 
strahlen am meisten empfindlichen Neubildungen darstellen; daher 
sind die medullär gebauten, aus unreifen, dem embryonalen Binde- 
gewebe ähnlichen Geweben bestehenden Geschwülste leichter zugänglich 
für die Beeinflussung durch Röntgenstrahlen als Mischgeschwülste, 
die zwar auch aus Bindesubstanz bestehen, in denen diese aber älter 
und stärker ausdifferenziert ist. 

Besonders sind die Osteosarkome und Chondrosarkome für die 
Röntgenstrahleneinwirkung schwer zugänglich, weil die knöcherne Hülle 
ein von den Strahlen schwer durchdringbares Gewebe darstellt. 

Aber nicht nur das Parenchym, sondern auch das Stroma und 
die Umgebung einer Geschwulst werden histologisch verändert. Be- 
sonders an Stellen großer Zerstörung des Parenchyms finden sich 
auch stärkere Degenerationserscheinungen des Stroma, an Stelle des 
Parenchyms tritt sklerotisch aussehendes, geschrumpftes Bindegewebe; 
die Gefäße findet man häufig thrombosiert und ihre Wandungen 
hyalin entartet. 

Aus seinen histologischen Untersuchungen gewann Verf. den Ein- 
druck, daß in Geschwulstzellen keine besonderen charakteristischen, 
d.h. von den gewöhnlichen Degenerationsformen verschiedene Rück- 
gangserscheinungen vorkommen; er fand alle möglichen Stadien von 
Rückmetamorphose, von der trüben Schwellung und von der hya- 
linen, schleimigen, vakuolären Entartung des Protoplasma mit mehr 
oder weniger weitgehender Veränderung des Kernes bis zu den ver- 
schiedenen Formen von Nekrobiose, von Nekrose, von Cytolyse und 
Histolyse. 

Die Röntgenstrahlen stellen also ein physisches Agens dar, das 
in den Zellen verschiedene Verwandlungen bedingen kann, so daß die 
Zellen mehr oder weniger verändert oder ganz zerstört werden. 

Gaugele (Zwickau). 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1231 


4) E. Wossidlo. Experimentelle Untersuchungen über Ver- 
änderungen der Nissl’schen Granula bei der Lumbal- 
anästhesie. 

(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVI. Hft. 4.) 

Verf. konnte durch seine Versuche an Kaninchen die Resultate 
van Lier’s bestätigen. Auch er fand, daß alle zur Lumbalanästhesie 
angewendeten Mittel, Novokain, Stovain, Alypin und Tropakokain, 
Veränderungen an dem Zelleib der Ganglienzellen des Rückenmarkes 
hervorrufen, daß diese Erscheinungen aber wieder rasch verschwinden. 

In den Ganglienzellen der Medulla oblongata konnte er dagegen 
bei seinen Todesfällen keine pathologischen Prozesse auffinden. Was 
die einzelnen erprobten Mittel anlangt, so empfiehlt W. als das beste 
das Tropakokain. Das Alypin hatte in den Experimenten eine zu 
hohe Mortalität, das Novokain schädigt die sensiblen Gebiete lange, 
und ebenso hat das Stovain den Nachteil, daß es reizend wirkt und 
länger dauernde Schädigungen setzt. Was ferner die Wirkungsweise 
der in den Rückgratskanal injizierten Mittel anlangt, so kann dieselbe 
eine verschiedenartige sein. Erstens wirkt die Leitungsunterbrechung 
auf die Funktion der Zelle, ferner übt das auf dem Lymphweg oder 
entlang den Nervenfasern vorgedrungene Mittel seinen Einfluß, und 
schließlich kann eine Odemisierung durch die Injektion selbst ein- 
treten. Die Nisslkörper sieht W. als Produkte einer normal funk- 
tionierenden Ganglienzelle an. Unterbrechung der Funktion führt 
einen Zerfall herbei, während der Wiedereintritt der normalen Funk- 
tion eine Neuproduktion der Granula hervorruft. Die Spannungs- 
verhältnisse mögen dabei eine Rolle spielen. 

E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


5) E. Leser. Die spezielle Chirurgie in 60 Vorlesungen. 
1279 S. mit 410 teils farbigen Abbildungen im Text. 8. ver- 


mehrte und verbesserte Auflage. 
Jena, Gustav Fischer, 1908. 

In bereits gewohntem Zeitzwischenraum, 2 Jahre nach der voran- 
gehenden Auflage, erscheint die L.’sche spezielle Chirurgie von neuem; 
der lebhafte Wettbewerb auf dem Büchermarkt hat ihrer wohlbegrün- 
deten Beliebtheit also keinen Abbruch getan. Nach den wiederholten 
Besprechungen in dieser Zeitschrift genügt die Feststellung, daB das 
rastlose Schaffen der neueren Chirurgie auch im Buche seinen Nieder- 
schlag gefunden hat, zum Teil in gebotener Zurückhaltung, wie bei 
den Operationen im Luftdrucksunterschiedverfahren, oder in etwas 
breiterer Ausführung, wie in der Harnleiterchirurgie. Um so mehr 
fällt auf, daß der Verf. den chirurgischen Eingriffen am Ohr und 
Felsenbein immer noch, man möchte fast sagen, ängstlich aus dem 
Wege geht. Bei aller Würdigung der von ihm hervorgehobenen 
Beweggründe für seine Ablehnung ist es doch kaum angängig, dem 
Schüler wie dem Arzte dies wichtige Kapitel vorzuenthalten, dessen 


1232 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 


Kenntnis und Anwendung ja unter Umständen auch dem auf sich 
allein gestellten Arzt der Drang des Augenblickes aufzwingen kann, 
und die Kritik wird nicht müde werden können, diese Forderung zu 
erheben. 

Bei dieser Gelegenheit mag auch das Fehlen der Besprechung 
der Meningitis serosa, auf welche man immer mehr aufmerksam wird, 
bemerkt werden. 

Auch einige Röntgenbilder, deren Undeutlichkeit der Verf. selbst 
bedauert, könnten wohl wiederum leicht durch bessere ersetzt werden, 
da sie eigentlich ziemlich alltägige Vorkommnisse darstellen. Eine 
sehr annehmbare Neuerung besteht darin, daß die einzelnen zusammen- 
gehörigen Abschnitte innerhalb der Vorlesung noch durch im Druck 
herausgehobene Überschriften zusammengefaßt werden, obwohl der 
Vorlesungston allerdings damit unterbrochen wird. Jedenfalls kann 
man auch als Kritiker den Erfolg des Buches anerkennen. 

Herm. Frank (Berlin). 


6) J. Petrivalsky. Zur Therapie der Phimose. 
(Časopis lékařů českých 1907. p. 1055.) 

Der Autor gibt eine neue Methode der Phimosenoperation an, 
die er als plastische Exzison bezeichnet. Bei gespannter Vorhaut 
spaltet er den Präputialring beiderseits durch je einen 1 cm langen 
Schnitt, der beide Vorhautblätter durchtrennt, und exzidiert die obere 
Partie des Ringes zwischen den beiden seitlichen Schnitten. Dann 
bildet er aus dem dorsalen äußeren Vorhautblatt wiederum durch 
zwei seitliche, 1 cm lange Schnitte einen Lappen, spaltet das innere 
Blatt, etwa der Mitte des Hautlappens entsprechend, je nach Bedarf 
eventuell bis zum Sulcus coronarius, zieht das Präputium vollständig 
über die Glans zurück und schlägt nun den Hautlappen zwischen die 
auseinander weichenden Schenkel des Schnittes im inneren Vorhaut- 
blatt. Die durch die Inzision des inneren Vorhautblattes entstandenen 
zwei Läppchen werden nach außen umgebogen und in die Winkel 
seitwärts vom äußeren Lappen eingepflanzt; die noch offenen Wund- 
ränder werden durch Nähte geschlossen. 

Die Vorteile dieser Methode sind folgende: Die Eichel bleibt 
nicht dauernd unbedeckt, die Vorhautöffnung wird infolge der Ein- 
pflanzung der äußeren Haut in das innere Vorhautblatt elastischer; 
der kosmetische Effekt ist ein guter, es resultieren keine überflüssigen 
Lappen; die Methode ist bei allen Formen der Phimose und in jedem 
Alter ausführbar. (Sechs Abbildungen.) 6. Mühlstein (Prag). 





7) C. Bayer. Prostatadehnung. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVI Nr. 3.) 
B. glaubt, daß, analog der Sphinkterendehnung bei Krampf- 
zuständen des Afters, die Dehnung der Prostata in einzelnen Fällen 
von chronischer Prostatitis und Prostatahypertrophie ihre Berechtigung 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42, 1233 


habe, und zwar dann, wenn der Krampf vor und nach dem Urinieren das 
hervorstechendste Symptom bildet, schwere Komplikationen wie früher, 
jauchige Cystitis, Abszesse aber fehlen. Er hat einen lithotryptor- 
ähnlichen Apparat konstruiert, mit dem die Dehnung leicht und bei 
Vorsicht gefahrlos gelingt. Mit ihm kann bei Cystitis auch eine Blasen- 
spülung ausgeführt werden. Von acht Fällen, die mit Dilatation be- 
handelt wurden, hatten nur drei keinen Erfolg; die übrigen Pat. da- 
gegen waren mit dem Resultat der Behandlung zufrieden. 
E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


8) Moynihan. A clinical lecture on suprapubic prostatectomy. 
(Practitioner 1908. Juni.) 

M. hat 100mal die suprapubische Prostatektomie nach Freyer 
ausgeführt und ist mit den Erfolgen sehr zufrieden. Von 15 Pat. 
mit Karzinom der Prostata starben 3, von 85 Pat. mit einfacher 
Hypertrophie der Vorsteherdrüse starben 6 nach der Operation; dem- 
nach hatte M. eine Mortalität von 8%. 

2 Pat. gingen an Lungenembolie, 2 an Harnverhaltung, 2 an Chok 
(beides Karzinome), 2 an Nierenentzündung und Erschöpfung zugrunde. 

Zur Sicherung des Cavum Retzii sowie zum besseren Arbeiten in 
der Tiefe der Blase näht Verf. nach der Inzision der Harnblase 
letztere mit der Bauchwand mittels durchgreifender Nähte zusammen 
und läßt die Fäden lang, um später beim Spülen der Harnblase leichter 
die Wunde auseinander ziehen zu können. 

Die Entfernung der Prostata wird in der Weise ausgeführt, wie 
sie von Freyer angegeben ist, nur daß sich Verf. beim Entgegen- 
drängen der Prostata vom Mastdarm aus die dazu benutzte Hand 
durch Überziehen eines sterilen Gummihandschuhes schützt. Die Pars 
prostatica urethrae wird stets mit entfernt, meist auch ein Teil der 
Pars membranacea; irgendwelche Störungen hat Verf. niemals danach 
beobachtet. Sobald die Prostatektomie ausgeführt ist, soll die Blase 
mit einer 1%igen Karbollösung ausgespült werden, bei bestehender 
Cystitis 20—30 Minuten lang, bis die Flüssigkeit klar ist. 

Vor dem Einführen eines Drains in die Blase wird gewarnt, 
da durch das Liegenbleiben eines auch noch so kleinen Gummirohres 
die Blasenschleimhaut gereizt und die Heilung hinausgeschoben werde. 
Verf. verkleinert die Bauchwunde durch je eine Naht am oberen und 
unteren Ende und läßt im übrigen die Wunde offen und durch Granu- 
lation verheilen. Vom 2. Tage an wird die Blase täglich durch einen 
von oben her eingeführten weichen Gummischlauch mit einer 1%igen 
Karbollösung ausgespült. 

Seitdem Verf. die Drainage fortläßt, hat er viel schnellere Heilung 
beobachten können. Während sich früher die Wunde durchschnittlich 
in 26 Tagen schloß, heilte bei den letzten 50 Operationen ohne Drai- 
nage der Bauchschnitt innerhalb 14 Tagen. Sobald die Pat. sich von 
der Operation erholt haben, sollen sie sich im Bett aufsetzen und 
später möglichst bald herumzugehen versuchen. 

42*r% 


1234 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 


Bei der Prostatektomie stellen sich gewöhnlich dann Schwierig- 
keiten ein, wenn eine bösartige Neubildung vorliegt und das Organ 
in eine kleine harte Geschwulst verwandelt ist, die sich nicht aus- 
schälen läßt, sondern exzidiert werden muß. Überhaupt ist der Ver- 
dacht auf Bösartigkeit gerechtfertigt, sobald eine kleine harte Partie 
in dem sonst weichen und vergrößerten Organ nachgewiesen werden 
kann, die der Ausschälung große Schwierigkeiten entgegensetzt oder 
dieselbe unmöglich macht. Jenckel (Göttingen). 


9) R. J. Goodlee. Prognosis in relation to treatment of 
tuberculosis of the genito-urinary organs. The Bradshaw 
lecture. 64 S., 2 Abbildungen. 

London, J. Bale Sons, 1907. 

Verf. ist der Chirurg des University College Hospital in London, 
einer der führenden englischen Chirurgen. Ich füge dies bei, weil 
die in seinem Vortrage niedergelegten Ansichten zum Teil erheblich 
von denen, die zurzeit in Deutschland in Geltung sind, abweichen. 

Der Vortrag wurde vor dem Royal College of Surgeons gehalten 
und ist veranlaßt durch Stiftung eines Dr. Bradshaw, zu dessen 
Gedächtnis G. mit kurzen biographischen Notizen über den Stifter 
beginnt, der ein Original gewesen zu sein scheint. Was das eigent- 
liche Thema betrifft, so betrachtet er zunächst die Resistenz des Kör- 
pers gegen Tuberkulose im allgemeinen, geht kurz auf die historische 
Entwicklung der Behandlung der Knochen- und Gelenktuberkulose 
ein, reiht daran eine Zahl von Krankengeschichten, von geheilten Pat., 
die an Urogenitaltuberkulose gelitten hatten, und die durch möglichst 
konservative Methoden geheilt wurden. 

Bei Nebennierentuberkulose operiert G. nicht. Die meisten Nieren- 
tuberkulosen entstehen, seiner Auffassung nach, von der Blase auf- 
steigend; nur sehr selten hämatogen. Die Indikation für die Nephrek- 
tomie zieht er äußerst eng. Er unterwirft ihr nur die Phthisis renalis 
und Pyelitis bei Verschluß des Harnleiters, da die Niere dann doch 
außer Kurs gesetzt ist; sonst inzidiert und drainiert er bei Pyelitis. 
Sind kleinere tuberkulöse Herde in der Niere, so reseziert er sie nach 
Möglichkeit. Er wendet die Nephrektomie so selten an, weil man nie 
wisse, ob nicht die andere Niere auch schon erkrankt sei. Von den 
ganzen Methoden, die wir unter dem Begriffe der funktionellen Nieren- 
diagnostik zusammenfassen, ist in dem Vortrage nirgends die Rede. 

Bei Besprechung der Harnleitertuberkulose erklärt G. sich für 
Resektion, es sei denn, daß sowieso nephrektomiert werden muß. 
Dann soll möglichst viel von dem Harnleiter weggenommen, keinesfalls 
aber eine partielle Blasenresektion angeschlossen werden. Für die 
Behandlung der Blasentuberkulose empfiehlt Verf. Injektionen von 
Argentum nitricum. Bei Hodentuberkulose exstirpiert er den Hoden 
nur, wenn er ganz zerstört oder stark schmerzhaft ist. Sonst reseziert 
er nur unter Entfernung des Nebenhodens. Bei Prostatatuberkulose 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1235 


inzidiert er vom Damme, wenn es zur ÄAbszedierung kommt. Bei der 
Tubentuberkulose zieht er die Laparotomie der vaginalen Methode 
vor. Zum Schluß geht er noch auf die in England jetzt so häufige 
Behandlung mit bakteriellen Vaccinen nach Bestimmung des opsoni- 
schen Index ein, die technisch zu umständlich und zuviel Fehlern 
unterworfen sei. Deetz (Homburg v. d. H.). 


10) R. Knorr. Die Cystoskopie und Urethroskopie beim 
Weibe. 145 Abbildungen, 3 Tafeln. 286 Seiten. 
Wien, Urban & Schwarzenberg, 1908. 

Verf. hat in seinen seit Jahren abgehaltenen und viel besuchten 
Unterrichtskursen das Bedürfnis gefühlt, nach einem Buche, das den 
modernen Stand der gynäkologischen Cystoskopie mit Einschluß der 
funktionellen Nierendiagnostik und der Urethroskopie in kurzer zu- 
sammenfassender Darstellung an der Hand von zahlreichen Abbildungen 
schildert und die technischen Schwierigkeiten dem Anfänger nach 
Möglichkeit erleichtert. 

Der Hauptteil des Buches wird dementsprechend von technischen 
und diagnostischen Ausführungen in Anspruch genommen, der dritte, 
wesentlich kürzere Teil behandelt die klinische Seite des Gebietes. 
Die Ausführungen sind klar und präzis, die Abbildungen sehr zahl- 
reich und instruktiv. Die Literaturangaben sind sehr spärlich und 
geben manchem Autor Grund zu gerechter Beschwerde Das Buch 
erfüllt seinen Zweck in durchaus entsprechender Weise; es sei hier 
aber der Ort, darauf hinzuweisen, daß der Bedarf an Lehrbüchern der 
gleichen Art jetzt auf lange hinaus gedeckt ist, denn erst vor kurzem 
ist Stöckel’s gleichnamiges Buch und Zangemeister’s Atlas er- 
schienen. Desgleichen haben alle Neuauflagen der gynäkologischen 
Lehrbücher die entsprechenden Kapitel durchgehend neu bearbeitet 
oder neu entstehen lassen. Zudem ist das speziell für die weibliche 
Cystoskopie Charakteristische überaus beschränkt, fast nur die Ver- 
änderungen der Blase bei gynäkologischen Erkrankungen betreffend ; 
alle wichtigen Grundzüge sind bei beiden Geschlechtern die gleichen 
und in den großen allgemeinen Lehrbüchern von Nitze und Casper 
aufs ausführlichste behandelt. 

Man muß also die Bedürfnisfrage für die Zukunft entschieden 
verneinen. Willi Hirt (Breslau). 





11) Mayo. Transperitoneal removal of tumors of the bladder. 
(Annals of surgery 1908. Juli.) 

M. ist verschiedentlich nicht mit der extraperitonealen Blasen- 
eröffnung zufrieden gewesen, wenn es sich um radikale Blasenresek- 
tionen, z. B. wegen Karzinom handelte. Er sah nicht allein baldige 
Rezidive, sondern es wurde auch das Cavum Retzii in den Prozeß 
hineingezogen. M. bat deswegen in der letzten Zeit in fünf Fällen 
von Blasengeschwülsten die transperitoneale Eröffnung der Blase vor- 
genommen und ist mit dem Operationsresultat sehr zufrieden gewesen, 

k 


1236 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 


da alle Operierten genasen. Der Gang der Operation ist folgender: 
Trendelenburg’sche Lage, Eröffnung der Bauchhöhle oberhalb des 
Schambeins, Zurückhalten der Eingeweide durch Gazekompressen, 
Hineinziehen der Blase in die Wunde und Eröffnen derselben durch 
einen 2 Zoll langen Schnitt. Man kann jetzt ohne Rücksicht auf das 
Bauchfell so viel von der Blase fortnehmen als notwendig ist. Die 
Blasenwunde wird dann durch durchgreifende Catgutnähte geschlossen, 
darüber kommt eine feste Naht des Bauchfells mit Silk oder Seide, 
dann Schluß der Bauchhöhle. Die ersten Tage wird die Blase regel- 
mäßig durch den Katheter entleert. Herhold (Brandenburg). 


12) Pavone. Dell’ intervento chirurgico e dell’ utilita del 


cateterismo degli ureteri nell’ anuria calcolosa. 
(I. Cong. d. Soc. ital. di Urologica 1908.) 

Gelegentlich, nicht immer, konnte P. an Urämie Leidende infolge 
von Harnleiterverstopfung durch Operation noch retten. Am 3., 4. 
und 5. Tag der Anurie hat er durch den Harnleiterkatheter ver- 
stopfende Steine gelockert und zurückgeschoben. Letztere wurden 
ausgestoßen, und die Anurie war beseitigt. Zuweilen konnte durch 
Injektion einer Adrenalin-Kokainlösung in den Harnleiter der Krampf 
mit gleichem Erfolge beseitigt werden. Nach Beseitigung des Hinder- 
nisses auf einer Seite sah P. cystoskopisch Urin aus beiden Harn- 
leitern fließen, so daß die Reflexanurie als zweifellos vorkommend er- 
achtet werden muß. Der Harnleiterkatheterismus hat für die Dia- 
gnose die doppelte Bedeutung, die Seite des Hindernisses und seine 
Beschaffenheit (Stein, Narbe, Falte) festzustellen. Wenn der Stein 
durch die Sonde nicht fortzubewegen ist, so soll man zur Nephro- 
tomie schreiten, die der vitalen Indikation genügt und durch Hem- 
mung des Harnleiterkrampfes gelegentlich noch die Ausstoßung des 
Steines herbeiführt. Erst bei Fehlschlagen dieser Hoffnung soll se- 
kundär die Ureterotomie angeschlossen werden. Wird zu spät bei 
Anurie eingegriffen, so droht, vom tödlichen Ausgang abgesehen, auch 
noch die Gefahr der Funktionsstörung der Niere. Dreyer iKöln\. 


13) Uteau. Traitement de l’anurie. 
(Revue de chir. XXVIII ann. Nr. 3 u. 4.) 

Eine umfassende Abhandlung über den Gegenstand, aus der 
folgendes hervorgehoben sei: 

U. unterscheidet Anurien aus rein mechanischer oder anatomischer 
Ursache, rein reflektorische Anurien und gemischte Formen, bei denen 
die anatomischen Veränderungen des Harnapparates allein die Anurie 
nicht erklären und die Mitwirkung eines Reflexvorganges angenommen 
werden muß. Bei der Anurie aus rein mechanischer oder anatomischer 
Ursache gibt es vier Möglichkeiten: 1) Anurie der anatomisch einzigen 
Niere. 2) Anurie der allein noch funktionierenden Niere. 3) Auf 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1237 


beiden Seiten sind die ausführenden Wege verschlossen. 4) Das Paren- 
chym beider Nieren ist völlig zerstört. 

Die häufigste Ursache der mechanischen Anurie ist ein Stein oder 
eine Geschwulst im Becken. Doch muß z.B. bei sehr kleinem oder 
unebenem Stein noch eine reflektorische Zusammenziehung der Harn- 
leitermuskulatur oder eine reflektorische Hemmung der Nierenabsonde- 
rung hinzutreten, um Anurie zu bewirken (gemischte Form). 

Die Behandlung ist für beide Fälle gleich und kann nur chirurgisch 
sein, da selbst erfolgreiche Heilmittel nicht die Krankheitsursache be- 
seitigen können. Die retroperitoneale Ureterostomie ist schwierig, lang- 
dauernd, oft erfolglos und somit als dringliche Operation an wenig 
widerstandsfähigen Kranken unbrauchbar. Dasselbe gilt von der trans- 
peritonealen Ureterotomie. Zunächst ist der Harnleiterkatheterismus 
auszuführen. U. vergleicht ihn mit dem großen Einlauf beim Ileus; 
er klärt auch die Diagnose und ist, wenn er nicht hilft, wenigstens 
unschädlich. Die Nephrostomie ist ohne Zögern anzuschließen. Sie 
entspricht dem Kunstafter ohne Darmverschluß und ist die Methode 
der Wahl. Selbst in eiligen Fällen vermeidet U. dabei den Thermo- 
kauter; er zerstört kostbares Nierengewebe, und die Blutung, gegen 
welche er prophylaktisch empfohlen wird, schadet gar nichts. Bei 
Beckengeschwülsten soll zunächst auch nur die Anurie durch die 
aus bekämpft werden, ehe die Radikaloperation in Frage 

ommt. 

Bei der rein reflektorischen Anurie kann der Reflex von jedem 
Abschnitt des Harnapparates ausgehen, aber auch außerhalb desselben 
seinen Ursprung haben (Anurie bei Wanderniere, nach Traumen, Höllen- 
steineinträufelungen, Bruchoperationen). 

58 im Auszug mitgeteilte Fälle der Literatur veranschaulichen die 
verschiedenen Arten von Anurie. Gutzeit (Neidenburg). 


14) A. Mori (Piombino). Metodi e processi operatori per la 
cura del varicocele. 
(Clinica chirurgica 1907. Nr. 10.) 

M. stellt in einer sehr ausführlichen und überaus fleißigen Arbeit 
aus zahlreichen, zum Teil kaum gekannten Spezialpublikationen, zu- 
meist in italienischer, französischer und englischer Sprache, die Me- 
thoden der Varikokelenbehandlung, durch viele gute Skizzen erläutert 
und kritisch verglichen, zusammen und schließt daran eine eigene neue 
Operationsmethode. Es erfolgt eine Suspension des Hodens nahe am 
Leistenring in sehr interessanter Weise behufs Erleichterung und Re- 
gelung des venösen Rückflusses im Plexus pampiniformis. Die Me- 
thode gehört zur Gruppe der am Kremaster auszuführenden Eingriffe 
und schließt sich den von den Landsleuten des Autors Carta und 
Barile und von Vince vorgeschlagenen an. 

M. eröffnet in Kokainanästhesie die Haut über dem Leistenkanal, 
legt stumpf den Samenstrang bloß und hebt ihn hervor, bis der Hoden 


1238 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 


im Operationsfeld erscheint. Nun wird ringsum der Kremaster und 
die Tunica fibrosa in der Hälfte ihrer Länge durchschnitten, der 
obere Stumpf fixiert, der untere manschettenförmig nach abwärts ge- 
stülpt. Jetzt können allenfalls besonders weite Venenstücke unter- 
bunden oder reseziert werden. Hierauf wird der obere Kremaster- 
stumpf an die Umstülpungsstelle des unteren schirmförmigen Stumpfes 
mit Catgut genäht, die Manschette des Kremaster wieder zurück 
hinaufgestülpt und kreisförmig an die obere Hälfte genäht. Es ist 
also eine Invagination der oberen Hälfte des Kremaster und ‚der 
Tunica in die untere erfolgt, der Kremaster verkürzt, der Hoden im 
Hodensack gehoben. M. meint, daß sein Vorschlag alle Koeffizienten 
der Varikokele — die Gefäßveränderung, die Hodensenkung, die Er- 
schlaffung und Dehnung von Kremaster und Tunica vaginalis com- 
munis — trifft; außerdem vermeidet er die Nachteile mancher anderen 
Methode, welche eine Torsion oder Knickung der Venen unvermeid- 
lich machen. Die doppelte Muskelhülle verstärkt vielmehr den Rück- 
fluß im Venengebiel. Auch die schließliche Inguinalektopie des Hodens 
infolge gewisser anderer Methoden ist unmöglich. M. ist mit den 
bisher erzielten Resultaten vollkommen zufrieden. 
J. Sternberg (Wien). 


15) ©. Barile (Florenz). Un nuovo processo per la cura ra- 


dicale del varicocele. 
(Clinica chirurgica 1907. Nr. 7.) 

B. gründet seine neue Methode der Varikokelenoperation auf den 
Gedanken, daß nur die Sicherung der regelmäßigen Venenentleerung 
des Plexus pampiniformis ein Rezidiv verhütet. Diese Funktion hat 
der Kremaster. Ist er erschlafft oder ausgedehnt, so soll er auf mög- 
lichst natürliche Weise unterstützt werden, d.h. mit Hilfe derselben 
Muskeln, denen er entstammt, also aus dem Obliquus internus und 
transversus. B. spaltet deshalb nach Eröffnung der Aponeurose des 
Obliquus externus nahe am Leistenring vier quer oder mäßig schräg 
verlaufende Muskelbündel stumpf aus den genannten Muskeln ab, 
näht die oberen zwei auf die vordere, die unteren zwei, nachdem sie 
in der Mitte durchschnitten wurden, mit ihren vier freien Enden an 
die hintere Wand der Tunica vaginalis communis, nahe am oberen 
Pol des Hodens, an. Bei sehr großen Varikokelen erfolgt gleich- 
zeitig die Resektion der erweiterten Venen. J. Sternberg (Wien). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1239 


l. 
Operationsschleier mit Metallstützgestell. 
Von 


Dr. P. Hackenbruch, 


dirigierender Arzt am St. Josef-Hospital zu Wiesbaden. 


s kann jetzt keinem Zweifel mehr unterliegen, daß unsere Operationsresultate 
durch die Verwendung von Schleiern, welche, der Forderung von Mikulicz 
Rechnung tragend, die gesetzte Wunde gegen die Tröpfcheninfektion aus Mund 
und Nase des Chirurgen und seiner Gehilfen schützen, in außerordentlicher Weise 
günstig beeinflußt werden. 
Wenn trotzdem die Verwendung von Operationsschleiern noch keine allge- 
meine geworden ist, so liegt der Grund dazu wohl darin, daß die bis jetzt emp- 
fohlenen Schleiervorrichtungen für den Operateur und seine Gehilfen immerhin 





Metallstützgestell des Operationsschleiers.. Metallgestell des Operationsschleiers. 
Vorderansicht. Seitenansicht. 


eine mehr oder weniger große Unbequemlichkeit in sich tragen. Auch der durch 
seine Einfachheit sich auszeichnende, von Witzel empfohlene Operationsschleier, 
welcher ähnlich dem orientalischen Frauenschleier nur die Augenpartie des Ge- 
sichtes frei läßt, hat für seinen Träger hauptsächlich den Nachteil, daß bei länger 
dauernden Operationen und insbesondere im Sommer das Gesicht und der Kopf 
bald recht unangenehm warm werden, weil die Exspirationsluft schlechten Ab- 
zug hat. R 

Um diesem Übelstande möglichst abzuhelfen, konstruierte ich mir ein Metall- 
stützgestell für einen Operationsschleier, wodurch eine bessere Luftzirkulation 


1240 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 


gewonnen wurde, während der Schutz für die Operationswunde der gleiche bleibt. 
Nach vielfachen Versuchen und Anderungen erwies sich als praktisch im Gebrauch 
der jetzt kurz zu beschreibende Operationsschleier. 

Das Stützgestell des Mullschleiers besteht aus einem den Kopf zirkulär um- 
fassenden, für verschiedene Kopfweiten veränderlichen und durch Schraubenkopf 
feststellbaren Metallring (Fig. 1 und 2), an welchem beiderseits in der Schläfen- 
gegend ein das Gesicht und Kinn umrahmender Metallbogen durch drehbares 
Scharniergelenk so angebracht ist, daß dieser Metallbogen wie das Visier eines 
Ritterhelmes in die Höhe geschlagen werden kann; der Gesichtsmetallbügel ist 
ebenfalls durch eine einfache Schiebervorrichtung verlängerbar. An der Vorder- 
seite des Stirnteiles des Kopfreifens befinden sich drei flache, kleine, nach oben 
gerichtete Häkchen, in welche ein einschichtiger, engmaschiger, umsäumter Mull- 
schleier von gut !/;m Länge und beigefügtem Schnittmuster (Fig. 3) mit seiner 


Fig. 3. Fig. 4. 


Stirnteil 


Nackenteil 





Schnittmuster des Kopfteiles des Opera- Der Kopfschleier ist aufgelegt, der Ge- 
tionsschleiers. sichtsschleier hängt am Gesichtsbügel her- 
unter. 


schmalen oberen Seite eingehängt und zwei- bis dreimal um den Stirnteil umge- 
schlagen wird; dadurch entsteht an dem Stirnband ein Gazewulst, der beim auf- 
gesetzten Schleier die Stirn berührt und den sich entwickelnden Stirnschweiß auf- 
saugt. Der über den Kopf zurückgeworfene einschichtige Schleier bedeckt Kopf 
und Nacken reichlich (Fig. 4). 

Der Gesichtsteil des Operationsschleiers, welcher aus einer zweifachen Schicht 
engmaschigen, umsäumten Mulls besteht, hat ein ähnliches, aber entsprechend 
kleineres Schnittmuster. Dieser zum Verdecken von Mund und Nase dienende 
Mullschleier wird in zwei, am unteren Bogen des Gesichtsbügels befindliche kleine 
flache Häkchen eingehängt und ebenfalls mehrmals um den unteren Bogenteil 
herumgeschlagen, so daß er serviettenförmig herunterhängt (Fig. 4. Etwa 6 cm 
unterhalb des Stirnreifens befindet sich an dem Gesichtsbügel zu beiden Seiten je 
ein flaches, nach oben gerichtetes Häkchen, in welches die in die Höhe geschlagene 
Breitseite des Gesichtsschleiers so eingehängt wird, daß der freie Rand des 
Schleiers, über den Nasenrücken hinwegziehend, Nase und Mund bedeckt. Die 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr.42. 1241 


Art der Befestigung zeigt am besten Fig. 5, worauf die linke Seite des Schleiers 
eingehakt und die rechte Seite zum Einhaken emporgehoben dargestellt ist, während 
Fig. 6 den fertig zum Gebrauch angelegten Schleier illustriert. 

Auf Grund sehr zahlreicher Verwendung stört der fertig aufgesetzte Schleier 
in keiner Weise beim Operieren und hat gegenüber dem bis jetzt von uns ge- 
brauchten Witzel'schen Schleier den großen Vorteil, daß er nicht so warm 
macht, weil die Exspirationsluft zu beiden Seiten des Metallgesichtsbügels un- 
behindert entweichen kann, während durch die zweifache vorgespannte Gazelage 
alle eventuell dem Munde des Sprechenden entfallenden Tröpfchen aufgefangen 
werden. Es läßt sich natürlich dieser Schleier auch in drei- oder mehrfacher 
Schicht benutzen, was in dem Falle zuweilen nötig ist, wenn Operateur oder 
Gehilfe operieren bzw. assistieren müssen in einer Zeit, in welcher sie selbst an 


Fig. 5. Fig. 6. 





Der Kopfschleier ist aufgelegt, der Ge- Operationsschleier fertig zum Gebrauch. 
sichtsschleier ist links eingehakt und wird 
rechts zum Einhaken emporgehoben. 


Schnupfen, Husten oder Angina leiden. Ein weiterer Vorteil unseres Operations- 
schleiers besteht darin, daß er die Ohröffnungen frei läßt. 

Wie schon kurz gesagt, ist der Kopfteil des Metallstützgestelles durch einen 
einfachen Mechanismus leicht verstellbar für verschiedene Kopfweiten; desgleichen 
kann auch der Gesichtsbügel je nach Bedürfnis verlängert oder verkürzt werden, 
so daß auch für Bärte verschiedener Länge die nötige Schutzhülle ermöglicht ist. 

Der Operationsschleier ist. zu haben bei P. A. Stoss Nachf., Wiesbaden, 
Taunusstraße 2, zum Preise von 6 Æ. 


Literatur. 
Schuchardt, Kopfklammer. Zentralblatt für Chirurgie 1900. Nr. 15. 
F. Wenzel, Die Verwendung von Gazeschleiern bei aseptischen Operationen. 
Zentralblatt für Chirurgie 1902. Nr. 19. 
. O. Witzel, Chirurgische Hygiene, Aseptik und Antiseptik. Deutsche Klinik 
1903. Urban & Schwarzenberg. 


1242 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 


lI. 
Aus dem Krankenhause der Barmherzigen Brüder in Dortmund. 


Zur Technik des Gipsverbandes. 
Vorläufige Mitteilung. 


Von 


Dr. K. Vogel, 


Privatdozent für Chirurgie, dirig. Arzt. 


I pflege mein sehr großes Frakturmaterial im allgemeinen nach den Grund- 
sätzen Bardenheuer’s zu behandeln. Nur für den Unterschenkel weiche ich 
insofern von seinen Vorschriften ab, als ich möglichst bald einen Gipsverband an- 
lege und die Pat. aufstehen lasse, meist schon nach 8—14 Tagen. Ich bin zur 
Benutzung des Gipsverbandes zuerst gezwungen worden durch die hohen Anforde- 
rungen, die die schulgerechte Bardenheuer’sche Methode an das Hilfspersonal, 
besonders das ärztliche, stellt, Anforderungen, denen ich aus Mangel an Kräften 
nicht immer genügen konnte. Ich glaube aber auch, daß die Nachteile des Gips- 
verbandes, die Fixation der Gelenke und Atrophie der Muskeln, wenig hervortreten 
bei normalem Verlauf, wo er nicht lange zu liegen braucht, und daß sie in hohem 
Grade aufgewogen werden durch die Möglichkeit, den Pat. bald aufstehen zu 
lassen. 

Sei dem wie ihm wolle, zweifellos wird wohl mancher Unfallchirurg noch 
vom Gipsverband Gebrauch machen. Daher möchte ich eine Modifikation des- 
selben mitteilen, die, wie ich glaube, gerade für Unterschenkelfrakturen empfehlens- 
wert ist. Dieselbe hat den Zweck, den Verband zu erleichtern. 

Ich habe mich früher schon mit dieser Aufgabe beschäftigt, speziell als Assi- 
stent von Herrn Geheimrat Schede in Bonn, wo wir eine große Anzahl von 
Kindern mit angeborener Hüftgelenksverrenkung behandelten und diese sich 
mit den für ihre schwachen Kräfte allzu schweren Gipsverbänden herumschleppen 
sahen. 

Seit 1 Jahre bin ich, nach Rücksprache mit verschiedenen Chemikern, der 
Frage praktisch nähergetreten und habe sehr ausgedehnte Versuche mit den ver- 
schiedensten Modifikationen des Gipsverbandes gemacht, die ich speziell bei Unter- 
schenkelverbänden erprobte. 

Die Versuche sind noch nicht abgeschlossen, die Resultate noch nicht ideal, 
aber meines Erachtens immerhin wert, mitgeteilt und eventuell nachgeprüft zu 
werden. = 

Die Erleichterung des Gipsverbandes darf nicht auf Kosten seiner Festigkeit, 
Dauerhaftigkeit und Billigkeit erreicht werden. Ebenso muß die bequeme 
Art der Herstellung und die schnelle Erhärtung gewahrt bleiben. 

Ich ging nun von dem Gedanken aus, die Porosität zu erhöhen, die der ge- 
wöhnliche Gipsverband ja schon in ziemlich erheblichem Grade besitzt, und zwar 
dadurch, daß ich Chemikalien zusetzte, die im Moment, wo die Binde ins Wasser 
getaucht wird, Kohlensäure entwickelten. Es ist klar, daß bei gleichmäßiger 
Verteilung jener Agenzien im Gipspulver bzw. in der Binde die beim Naßwerden 
sich entwickelnde Kohlensäure die Gipsmasse schaumig auftreibt. 

So einfach der Gedanke ist, zeigten sich bei der Ausführung doch Schwierig- 
keiten, die zum Teil auch jetzt noch nicht ganz beseitigt sind. 

Erstens leidet durch die verstärkte Porosierung des Verbandes die Bindung 
seiner Teile untereinander: er wird bröckelig. Weiter wirkt natürlich die in der 
Binde sich entwickelnde Kohlensäure dem Eindringen des Wassers in jene ent- 
gegen, da sie nach außen drängt. Die Durchtränkung der Binde ist also er- 
schwert. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1243 


Dem ersteren Nachteil habe ich dadurch zu begegnen gesucht, daß ich billige 
Klebemittel in Pulverform zusetzte, stieß dabei aber auf die Schwierigkeit, daß 
jetzt der Verband sehr langsam trocknete, so daß er bei irgend notwendiger 
Stellungskorrektur kaum zu gebrauchen war. Zwischen diesen beiden Fehlern: 
mangelhafte Kohäsion auf der einen und zu langsames Trocknen auf der anderen 
Seite, habe ich lange hin- und herlaviert. Auf meine vielen Versuche will ich hier 
nicht eingehen. Das zeitige Resultat derselben ist folgendes: 

Um die Kohlensäure zu entwickeln, bringe ich sog. »konzentrierten Alaun« 
und Kreide im Verhältnis ihrer Atomgewichte zusammen. Auf den »konzen- 
trierten Alaun« wurde ich von einem alten Chemiker, den ich an Fractura cruris 
behandelte, aufmerksam gemacht. Es ist chemisch Aluminiumsulfat Al, (SO,s; 
jene Bezeichnung ist in der Technik, wo das Präparat zum Gerben usw. gebraucht 
wird, üblich, chemisch ist sie inkorrekt. Das Salz kristallisiert mit 18 Molekülen 
Kristallwasser. Kreide ist kohlensaurer Kalk. 

Die Gleichung lautet demnach: 


A1 (S 043 + 18H20 + 3 Ca C 0O; = 3 Ca S0, + 2 A1 (0 H) + 15H00 + 3C 02. 


Das Wesentliche an dieser Umsetzung ist also, daß die Schwefelsäure sich mit 
dem Kalk zu Gips (CaSO,) verbindet und die Kohlensäure frei wird. Dieser 
Prozeß geht in dem Moment vor sich‘, wo das Gemisch ins Wasser kommt. 

Die Gleichung liefert also nicht nur Kohlensäure, sondern auch Gips. Letzterer 
entsteht jedoch in zu geringer Menge, als daß mit jener Mischung allein ein fester 
Verband erzielt werden könnte. Derselbe unterscheidet sich nicht wesentlich von 
einem einfachen Kleisterbindenverband, vor allem trocknet er sehr langsam. 

Ich habe daher jenes Pulvergemisch gewöhnlichem Gips zugesetzt, so 
daß dieser den eigentlichen Verband herstellt, jenes nur dem Zweck der Kohlen- 
säureentwicklung dient. 

Als Binde- bzw. Klebemittel habe ich Traganth, Gelatine, Leim, Amylum und 
Gummiarabikum verwandt. 

Der Leim bewährte sich recht gut, kann aber nur schwer genügend fein pul- 
verisiert werden. Am meisten zufrieden bin ich vorläufig mit Amylum und Gummi- 
arabikum gewesen. 

Demnach ist mein Rezept zurzeit folgendes: 


Rp. Gummi arab....... 10,0 
Awmyl. 20.004.008. 20,0 
Cretae alb. subtill. pulv. 27,0 
Alum. sulf. ....... 60,0 


Die Pulver müssen gut gemischt und vor allem möglichst fein zerkleinert 
werden, da sonst der Verband nicht fest wird. 

Jenes Gemisch wird nun dem gewöhnlichen Gips zugesetzt und mit ihm innig 
vermengt, und zwar empfehle ich ein Verhältnis von 1 (Gemisch) : 5 (Gips). 

Die Herstellung der Binden sowohl wie das Anlegen des Verbandes geschieht 
genau wie bei gewöhnlichem Gips. Es ist ratsam, die Binden nicht allzu dick 
noch allzu breit zu nehmen, da das Eindringen des Wassers in die Tiefe schon 
durch die nach außen strömende Kohlensäure erschwert wird. 

Das Gipswasser bedeckt sich bald mit Schaum; es geht natürlich viel Kohlen- 
säure verloren, doch merkt man beim Verstreichen mit der Hand deutlich ein 
Knistern im Verband, zum Zeichen, daß noch genügend Gas vorhanden ist. 

Beim Abwickeln der Binde stellen sich die tieferen Teile oft noch als trocken 
heraus, sie müssen dann — am besten durch Ausdrücken eines nassen Watte- 
bausches — nachträglich benetzt werden. 

Diese etwas umständlichere Applikation ist noch ein kleiner Nachteil des Ver- 
fahrens. Ich hoffe, denselben noch ausgleichen zu können. 

Ich habe nun bei vielen Pat. den gewöhnlichen Gipsverband und diese Modi- 
fikation desselben abwechselnd angelegt, ohne daß sie von der Anderung Kenntnis 
hatten; alle haben auf Befragen prompt erklärt, daß dieser Verband wesentlich 
leichter sei. Der exakte Beweis, etwa durch die Wage, ist sehr schwer, da 


1244 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 


zuviel Momente die Rechnung beeinflussen. Die Gewichte können jedenfalls nur 
unter Berücksichtigung der Volumverhältnisse verglichen werden; diese sind aber 
sehr schwer festzustellen. 

Die Angabe sämtlicher Pat., daß die Methode den Verband erleichtere, dürfte 
wohl als Beweis genügen. 

Dieselbe ist zweifellos noch verbesserungsbedürftig, aber meines Erachtens 
auch verbesserungsfähig. Das Prinzip, Kohlensäure, gewissermaßen in statu nas- 
cendi, wirken zu lassen und dieselbe durch jene chemische Umsetzung, die gleich- 
zeitig Gips liefert, zu erhalten, ist jedenfalls richtig. Einzelheiten der Anwendung 
können modifiziert werden. 


16) Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins. 
173. Sitzung am 13. Juli 1908. 
Vorsitzender: Herr Hermes. 


1) Herr Hermes: a. Magenvolvulus bei Sanduhrmagen. 

Der Fall betraf eine 70jährige Frau, welche seit 30 Jahren an Magenbeschwerden 
litt; sie konnte sich nie recht satt essen, ohne Magenschmerzen zu bekommen, die 
wieder erst nach zeitweise täglichem Erbrechen sistierten. Vor 10 Jahren hatte 
sie einen Anfall von heftigen Magenschmerzen, die ohne ärztliche Behandlung bei 
6wöchiger Bettruhe unter Massage schwanden. Im Januar 1907 erkrankte sie an 
heftigen Leibschmerzen mit Fieber und Ileuserscheinungen; sie wurde in kolla- 
biertem Zustand ins Krankenhaus gebracht; sie zeigt unterhalb des Nabels, in der 
Mitte des Leibes, eine kugelige Auftreibung, die eine Einfurchung besitzt, so daß 
man den Eindruck nebeneinander liegender, hochgradig geblähter Darmschlingen 
hat; in den seitlichen Partien ist der Leib flach, leicht eindrückbar; durch Magen- 
spülung wurde 1 Liter bräunlicher, leicht übelriechender Flüssigkeit entleert; die 
Konfiguration des Tumors war danach derart, daß man ihn für einen stark ge- 
senkten, dilatierten Magen halten konnte. Die Laparotomie ergab einen cysten- 
artigen, magenähnlichen Tumor, der nach unten bis ins Becken ragte; hinter ihm 
Jagen kontrahierte Darmschlingen,; an seinem oberen Rande, nach dem Zwerchfell 
zu, verlief das durch das Lig. gastrocolicum mit dem Tumor verbundene Quer- 
kolon. Nach Herabziehen des Querkolons und Hochdrängung des Tumors erkennt 
man, daß es sich um einen Sanuduhrmagen handelt, dessen pylorischer Teil sich 
um seine Achse in isoperistaltischer Richtung gedreht hatte und durch einen 12 cm 
langen und 5cm breiten Schlitz im Mesocolon transversum hindurchgetreten war. 
In der Umrandung dieses Schlitzes waren sehnenartig glänzende Faserzüge zu 
sehen; am Magen waren narbige Veränderungen oder Verwachsungen nicht zu 
konstatieren. Der kardiale Teil des Magens zeigte eine normal aussehende, etwas 
verdickte Wand, während der pylorische, erheblich größere, die Zeichen starker 
Stauung aufwies; die Stenose zwischen den beiden Magenteilen war für den ein- 
stülpenden Finger gerade passierbar. 

Wegen des hochgradigen Kollapszustandes wurde schnell eine Witzelfistel an. 
pylorischen Teil angelegt, diese in der Wunde fixiert, die Bauchwand mit durch- 
greifenden Nähten geschlossen. Die Pat. erholte sich unter Kampfer und Koch- 
salzinfusion schnell aus dem Kollapszustand; es erfolgten bald Stuhlgang und Winde, 
Die Ernährung fand zunächst durch Nährklistiere und die Magenfistel statt, aus 
der sich anfangs noch reichliche Mengen Mageninhalts entleerten. Nach 8 Tagen 
Entfernung des Katheters aus der Magenfistel, worauf sie sich schnell schloß. 
Dann wurde die Ernährung per os so gut vertragen, daß von den Nährklistieren 
Abstand genommen werden konnte. Allmählich trat der frühere Zustand wieder 
ein; die Pat. wurde mit regelmäßigen Magenspülungen behandelt und in leidlichem 
Kräftezustand in eine Siechenanstalt entlassen. 

Der geschilderte Fall ist der erste von Volvulus eines Sanduhrmagens; er 
unterscheidet sich von den beiden bisher bekannten Fällen von Volvulus des ganzen 
Magens durch das Fehlen jeder Adhäsionsbildung, die bei diesen für den Volvulus 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1245 


verantwortlich gemacht werden. Hier war der gedrehte Magen durch einen Schlitz 
im Mesocolon transversum hindurchgetreten. 

b. H. schildert die Anlage des Operationsgebäudes des Rudolf 
Virchow-Krankenhauses und demonstriert es am Schluß der Sitzung im 
einzelnen. 


2) Herr Gumbel: a. Über Wirbelbrüche. 
G. berichtet über geheilte Fälle folgender Verletzungen: 


a. Bruch des Dornfortsatzes des 4. Lendenwirbels, der durch Fall gegen 
eine Wagendeichsel entstanden war. 

3. Bruch der Querfortsätze des 3. Lendenwirbels. Der Pat. war aus 6 m 
Höhe herabgesprungen, beim Auftreffen auf der Erde infolge der Wucht des Sturzes 
mit dem Oberkörper vornüber gefallen. Der isolierte Bruch der beiden Quer- 
fortsätze kann nur durch Muskelzug entstanden sein. Heftpflasterverband. Nach 
5 Wochen war Pat. beschwerdefrei. 

y. Bogenbruch des Epistropheus, entstanden durch Fall auf das Gesäß 
aus Höhe von drei Stockwerken. Commotio cerebri; keine motorischen und sen- 
siblen Lähmungen. Die Wahrscheinlichkeitsdiagnose wurde gestellt auf Grund 
der lokalen Schmerzhaftigkeit, der Diastase zwischen Atlas und Epistropheusdorn 
Beschränkung der Rotation des Kopfes, Das Röntgenbild ergab Bruch des Bogens 
beiderseits zwischen den Gelenkfortsätzen. Behandlung mit Extension in Glisson- 
scher Schwinge. Jetzt (nach 10 Monaten) besteht nur noch eine geringe Beschrän- 
kung der Drehbewegung. 

b. Retrocoecale Bauchfelltasche. 

Der über 10 cm lange Wurmfortsatz liegt, mit der Spitze nach oben gerichtet, 
in einer retrocoecalen Bauchfelltasche, mit dem Peritoneum verwachsen. Ein Mes- 
enteriolum fehlt; die Art. appendicularis ist etwa l5 cm lang, entspringt abnorm 
hoch aus der Art. ileocolica und tritt nach ihrem Verlauf im Mesenterium des 
Ileum in das retrokolische Bindegewebe ein, um sich dicht am Processus vermi- 
formis in typischer Weise zu teilen. Dieses Verhalten spricht für embryonales 
Zustandekommen der Lageanomalie, die wohl als Hernia processus vermiformis in 
recussu retrocoecali aufzufassen ist. Auch die übrigen pericoecalen Bauchfelltaschen, 
namentlich der Recessus ileoappendicularis, sind sehr tief und weit. 


3) Herr Levy-Dorn: Erfahrungen über Röntgentherapie und 
-Diagnose. 

L. hat einem Pat., der an starker Hyperhidrosis der Hände und Füße litt, 
die eine Hand mit mäßigen Dosen bestrahlt. Unter nicht nennenswerter Reaktion 
der Haut trat nach ca. 14 Tagen Trockenheit auf, die bis jetzt, d. h. 6 Wochen, 
anhält. Ein Vergleich mit der nicht behandelten, permanent feuchten Hand zeigt 
deutlich den Erfolg der Bestrahlung, deren Erfolg bei Hyperhidrosis noch von 
vielen bezweifelt wird. 

Der zweite vorgestellte Pat. leidet an myelogener Leukämie; er wird schon 
13/4 Jahr durch intermittierende Röntgenbehandlung über Wasser gehalten, so daß 
er seinem schweren Beruf als Gärtner meist nachgehen konnte. Die Kurve der 
Zahl der weißen Blutkörperchen wies auffallenderweise die niedrigsten Werte auf, 
wenn es dem Pat. am schlechtesten ging. Man hat den Eindruck, als ob der An- 
stieg der Blutkörpermengen eine heilsame Reaktion darstellt, die im Übermaß 
allerdings wie das Fieber schaden wird. Man sollte daher die Röntgentherapie 
bei Leukämie nicht in der Absicht treiben, die Blutkörperchenmengen möglichst 
herabzudrücken, sondern das Allgemeinbefinden zu heben. Bei dem Pat. stand 
auch sonst das Allgemeinbefinden und die günstige Wirkung der Strahlen darauf 
wenig im Einklange mit anderen Symptomen, wie Milztumor, Kopfschmerz, blu- 
tigem Stuhl. Häufig angewandte kleine Röntgendosen brachten ihm während der 
schlechten Zeiten großen Nutzen. N. empfiehlt diese Form der Bestrahlung all- 
gemein bei Leukämie. 

L. demonstriert weiter Bilder von einem Pat. mit Ösophaguskarzinom und 
Divertikel in der Höhe der Thoraxapertur; ob ein Divertikel vorlag, war vor 


1246 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 


Anwendung der Röntgenstrahlen zweifelhaft; außerdem gelang die Sondierung erst 
nach genauer Feststellung der Lage des Tumors durch das Röntgenbild. 

Es folgten dann Bilder von einem Falle von Myositis ossificans im M. brachialis 
int.; dieselbe war aufgetreten im Anschluß an eine schwere Luxation des Ellbogens, 
die vor 8 Wochen eingerenkt und mit Kontraktur geheilt war. Die Sagittalauf- 
nahme ließ Absprengungen des Condylus vermuten, das Seitenbild zeigt die typische 
Myositis: unregelmäßig schbattierte und geformte Knochenmassen im Verlaufe des 
M. brachialis int., getrennt von der Diaphyse des Humerus, im Bereiche desselben 
breiter, nach der Ulna zu schmäler. 

Zum Schluß zeigt L., wie man sich mit primitiven Mitteln ein Modell her- 
stellen kann, das alles, was für das Verständnis der verschiedenen Lokalisations- 
manöver mittels Röntgenstrahlen zu wissen nötig ist, erläutert. Veranlaßt wurde 
er dazu durch häufige Anfragen über Anwendung und Sinn einiger Einrichtungen 
bei dem neuesten Lokalisationsapparate, dem Radiostereometer nach Gillet, dem 
Röntgentiefenmesser nach Fürstenau. Er erörtert insbesondere den Zweck der 
sog. seitlichen Konstanten. 


4) Herr Günther: Behandlung von Kniescheibenbrüchen. 

Von elf in der I. chirurg. Abteilung des Virchow-Krankenhauses beobachteten 
Kniescheibenbrüchen, von denen acht operiert wurden, werden fünf vorgestellt. 
Bei der Operation wurde so vorgegangen, daß mit vom Condylus zum Condylus 
femoris geführtem Schnitt das Gelenk eröffnet und mit durch Gaze geschütztem 
Finger von Blutcoagulis befreit wurde. Dann wurden eine Seidenknochennaht und 
über ihr mehrere Catgutperiostnähte angelegt. Nach Schluß vorhandener seit- 
licher Risse mit Catgut wurde die Hautwunde vollkommen vernäht. Alle Fälle 
heilten per primam. Entlassen wurden alle Operierten in solchem Zustande, daß 
sie sicher und ohne Unterstützung durch Stock, Kniekappe oder irgendwelchen 
portativen Apparat gehen konnten. Freilich zeigten alle noch Beschränkungen der 
Beweglichkeit im Knie im Sinne der Beugung. Diese wurde dann noch weiter- 
hin gebessert, ja nach längerer Zeit vollkommen gehoben, wie sich an den De- 
monstrierten zeigen ließ. Unter diesen befanden sich zwei mit dem sehr seltenen 
Vorkommen der Fraktur im 10. und im 70. Lebensjahre. Beide waren operiert, 
der Greis erst, nachdem durch unblutige Behandlung ein schlechtes Resultat er- 
zielt war. 


5) Herr Pincus: Essentielle Hämaturie. 

P. stellt einen geheilten Fall von Massenblutungen aus beiden Nieren vor bei 
einer 37jährigen Pat. 1898 litt sie im Anschluß an einen Fall an einer rechts- 
seitigen Kniegelenksentzündung. 5 Monate lang Behandlung mit Gipsverbänden. 
Mehrfach Punktion von Blut und Eiter. 1904 erkrankte sie an Gelenkrheuma- 
tismus mit hohem Fieber. 1906 ohne nachweisbare Ursache plötzliches Auftreten 
von Nierenblutungen ohne Schmerzen. Aufnahme in ein Krankenhaus; nach wenigen 
Tagen Operation. Nephrotomie der linken Niere. Heilung. Weihnachten 1907 
fällt Pat. eine Kellertreppe hinunter und zieht sich dabei eine Kontusion beider 
Lendengegenden zu. Am 1. Januar 1908 plötzliches Wiederauftreten von blutigem 
Urin, ohne Schmerzen; am 4. Februar Aufnahme ins Krankenhaus. Die kräftige, 
gut genährte Pat. befand sich in keineswegs anämischem Zustande. Die linke 
Niere war palpatorisch nicht nachweisbar, die rechte etwa zur Hälfte ihres Vo- 
lumens abtastbar, auf Druck etwas schmerzhaft. Beide Ureterendruckpunkte stark 
empfindlich; Urin fast schwarz; im Sediment Erythrocyten, wenig Leukocyten. 
Cystoskopische Untersuchung ergibt, daß aus beiden Ureteren Blut fließt. Im 
März 1908 ist nur der Morgenurin noch ganz dunkel, am Tage ist er oft von heller 
Fleischwasserfarbe; im Sediment granulierte Zylinder; Albumen 1/20/00. 

14. Mai 1%8: Plötzliches Aufhören der Blutung. 

Im Anschluß an diesen Fall bespricht P. jenes seltene Krankheitsbild, welches 
in der Regel mit Massenblutungen und Koliken verläuft, und bei welchem früher 
nie materielle Veränderungen nachgewiesen wurden. Daher stammte der Name: 
essentielle Hämaturie. Die Theorien der renalen Hämophilie und der Angio- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1247 


neurose hält P. nicht für bewiesen. Er schließt sich denjenigen an, die die Ur- 
sache dieser Blutungen in einem chronisch entzündlichen Prozeß suchen. 

Die Diagnose läßt sich erst nach Ausschluß der Tuberkulose, der Steinkrank- 
heit und des Neoplasmas stellen, in vielen Fällen überhaupt nicht mit Sicherheit. 

Die Therapie kann eine exspektative sein bei gesicherter Diagnose und nicht 
zu starker Alteration des Allgemeinbefindens durch den Blutverlust; jedoch ist der 
rechte Zeitpunkt für eine probeweise Freilegung mit nachfolgender Spaltung des 
Nierenparenchyms nicht zu verfehlen. Der heilende Einfluß der Nephrotomie ist 
erwiesen. Bei lebensgefährlichen Blutungen kommt event. die Nephrektomie in 
Betracht. Bei Doppelseitigkeit der Erkrankung liegen noch keine chirurgischen 
Resultate vor. R. Wolff (Berlin). 


17) Försterling. Ein neues Universalblendenstativ mit Schutzkasten. 
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII. Hft. 4.) 


Beschreibung eines Stativs mit Blendenvorrichtung und Schutzkasten über die 
auf dem Groedel’schen Röhrenhalter fixierte Röhre. Seine Vorzüge beschreibt 
Verf. also: 

1) Absoluter Schutz der Umgebung und der zu untersuchenden bzw. zu be- 
handelnden Person gegen unbeabsichtigte Bestrahlung. 

2) Große Stabilität der ganzen Vorzichtung; diese ist dabei weder an einen 
Tisch noch an eine bestimmte Stelle des Zimmers gebunden. 

3) Leichteste Handhabung bei der Einstellung; es ist möglich, dem Kasten 
jede beliebige Höhen- bzw. Winkelstellung wiederzugeben, die er bei etwaigen 
früheren Aufnahmen gehabt hat; d. h. man kann Aufnahmen stets unter denselben 
Bedingungen wiederholen. | 

4) Man kann sowohl große Übersichts-, wie Blenden- bzw. Kompressionsaufnahmen 
damit machen, ohne den Pat. umlagern zu müssen oder die Röhre zu verwechseln. 

5) Ist der Apparat geeignet zu therapeutischen Bestrahlungen jeder Art, sowobl 
größerer Flächen, wie kleinerer Stellen. Auch bei Erkrankungen in den Körper- 
öffnungen (Mund, Mastdarm, Scheide) ist er anwendbar. 

6) Vermöge des selbstzentrierenden Röhrenhalters braucht jede Röhre nur 
einmal zentriert zu werden; bei jeder späteren Benutzung ist sie stets dann sofort 
eingestellt. 

-7) Ist er trotz seiner Vielseitigkeit verhältnismäßig billig (ca. 300 Mk.). 

Er dürfte mithin sämtlichen Anforderungen entsprechen, die man billiger- 
weise an einen solchen Universalapparat stellen kann. 

Hergestellt wird das Stativ von der Firma Reiniger, Gebbert & Schall 
in Erlangen. Gaugele (Zwickau!. 


18) Bircher. Knochentumoren im Röntgenogramme. 
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII. Hft. 4.) 


Der erste Teil enthält eine Schilderung der Röntgengeschichte der Knochen- 
geschwülste und erwähnt vor allem die Verdienste von Rumpel. Daran an- 
schließend berichtet Verf. über einige Fälle aus dem Kantonkrankenhause zu 
Aarau. 

Fall 1. 11jähriger Knabe aus gesunder Familie. Seit der Geburt Verdickung 
des rechten Unterschenkels am Fußgelenk, speziell des äußeren Knöchels. Röntgen- 
bild: Auftreibung der Tibia und Fibula mit Trübung der Knochensubstanz. Ope- 
ration und mikroskopische Untersuchung: Enchondrosis ossificans. 

Fall 2. 21jährige Fabrikarbeiterin aus gesunder Familie mit Vorwölbung der 
linken Wange durch faustgroße Oberkiefergeschwulst. Röntgenbild: die Geschwulst 
ist vor allem durch Verdeckung der normalerweise sichtbaren Knochen erkenntlich. 
Operation und Diagnose: Myxofibrosarkom. Heilung. 

Fall 3, 8jähriger Knabe aus mit Tuberkulose belasteter Familie zeigt längere 
Zeit geschwollenes Knie mit starken Schmerzen beim Gehen. Winkelstellung des 
Knies. Röntgenbild: Bruch des Femur in der Epiphysenlinie des distalen Endes, 


1248 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 


in eine rarefizierte Partie übergehend. Operation und Amputation; Sarkom. Tod 
an Metastasen in der Wirbelsäule und in der Lunge. 


Fall 4. 20jähriger Landwirt aus gesunder Familie mit einer seit 12 Wochen 
bestehenden, rasch wuchernden Geschwulst in der linken Kniekehle. Pat. kann 
nicht mehr gehen, hat starke Schmerzen. Kein Trauma. Röntgenbild: deutliche 
Geschwulstbildung. Operation und Amputation: kleinzelliges Rundzellensarkom. 


Fall 5. 64jähriger Mann. Vor 20 Jahren Geschwulst am linken Knie; seit 
2 Jahren Wucherungen in der Kniegegend mit Durchbruch nach außen. Auf dem 
Röntgenbild unregelmäßige, den Knochen durchsetzende Massen. Operation und 
Amputation: Spindelzellensarkom mit Össifikation. 


Fall 6. 58jähriger Mann. Oktober 1906 Sturz auf die linke Hand. Im De- 
zember Geschwulstbildung des Vorderarmes mit starker allgemeiner Abmagerung. 
Spindelförmige, kleinhöckerige Geschwulst mit Trübung des unteren Speichenendes 
auf dem Röntgenbild. Amputation verweigert. Resektion von Radius und Ulna 
auf 12 cm. Exzision eines Knotens unter dem Kinn. Diagnose: Großzelliges 
Rundzellensarkom, vom periostalen Bindegewebe ausgehend. Später Exartikulation 
am Ellbogen. Rezidive. Tod. 


Fall 7. 46jähriger Knecht mit Schwellung am linken Arm. Röntgenogramm: 
vollkommene charakteristische Trübung der Knochen und Weichteile im Ellbogen- 
gelenk mit Verrenkung der Vorderarmknochen. Resectio cubiti. Diagnose: Fibro- 
myxo-osteosarcoma periostale. Heilung. 


Fall 8. 38jähriger Mann mit Geschwulst auf der linken Schulter, Röntgen- 
bild: Zerstörung am Oberarmkopf. Exartikulation des Armes: Kleinzelliges Rund- 
zellensarkom. Tod an Metastasen. 


Fall 9. 29jähriges Dienstmädchen mit Beckengeschwulst, wie das Röntgen- 
bild zeigt, hervorgehend aus der Articulatio sacroiliaca; Laparotomie: Riesenzellen- 
sarkom. Tod. 


Die Bedeutung der Röntgenographie der Knochengeschwülste faßt B. in fol- 
genden Sätzen zusammen: 

1) Dieselbe setzt uns in den Stand, mit ziemlicher Sicherheit zu entscheiden, 
ob eine vom Knochen ausgehende Geschwulst oder eine andere Krankheit vor- 
handen sei. Sie erklärt uns die Diagnose. 

2) Läßt sie uns den Umfang der Erkrankung am Knochen erkennen, wie weit 
das Wachstum im Knochen vorgeschritten ist, wie die Geschwulst sich ausgebreitet 
hat. Dadurch ebnet sie uns den Weg, den wir bei der Operation einzuschlagen 
gedenken, ob wir mit konservativer oder radikaler Operation vorgehen müssen. 
Sie gibt uns scharfe Operationsindikation. 

3) In vielen Fällen läßt sie uns den Ausgangspunkt der Geschwulst erkennen 
und auch ihre Wachstumsrichtung. Sie klärt uns oft über Verhältnisse auf, die 
uns makroskopisch dunkel bleiben. Sie unterstützt daher auch die pathologisch- 
anatomische Untersuchung. Gaugele (Zwickau). 


19) J. Novak. Ein Fall von Hämatolymphangiom. 
(v. Langenbeck's Archiv Bd. LXXXVI. Hft. 4.) 


Bei einem jährigen Kinde wurde eine Geschwulst an der unteren Extremität 
gefunden und operiert, die, subkutan entwickelt, vorwiegend aus gefäßreichem 
Bindegewebe bestand und in ihrer Ausbreitung dem Verlaufe der Vena saphena 
magna folgte. Sie griff auf Haut, Periost und Muskulatur über. Das hervor- 
stechendste Merkmal war eine ausgedehnte Entwicklung von Blut- und Lymph- 
gefäßen. Die Wandung der Arterien und Venen wies eine starke Verdickung auf. 
An den Venen bestanden ferner noch andere zartere Stellen mit aus Endothel 
und Fibroblasten aufgebauten Auswüchsen, die durch ihre Verästelung die Venen- 
lichtung zum Teil in einen kavernösen Hohlraum verwandelten. Verf. möchte die 
Geschwulst als Hämatolymphangioma mixtum fibroendotheliale bezeichnen. 


E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1249 


20) W. Swetschnikow. Uber die Entstehung und das Wachstum 
multipler kavernöser Angiome. 
(Russ. Archiv für Chirurgie 1908. [Russisch.)) 

50 Angiome von Erbsen- bis Hühnereigröße fanden sich außen am Körper 
eines 13jährigen Jungen. Die subkutanen Geschwülste ließen sich unter der Haut 
und gegen die Haut verschieben. Die größten lagen auf der Brust. An den be- 
sonders zahlreichen Geschwülsten der Volarflächen der Vorderarme war der enge 
Zusammenhang mit den Venen !Basilica, Cephalica) besonders deutlich nachzu- 
weisen. Bei der Sektion sah man den Eintritt dicker Venen in die Knoten. Außer 
den subkutanen wurden noch gefunden ein Angiom im vorderen Mediastinum, 
zwei unter der Pleura costalis rechts, eins in der rechten Hälfte der Zunge, eins 
im rechten Sinus pyriformis des Kehlkopfes, zahlreiche in der Leber. Auffallend 
war eine starke Erweiterung der Venen fern von den Angiomen, so z. B. in der 
Milz, die kein einziges Kavernom enthielt. 

S., der unter Leitung von A. J. Moisejew gearbeitet hat, kommt zu der 
Ansicht, daß Anomalien in der Entwicklung des Venensystems zugrunde liegen, 
die zur Dilatation vieler Venen Anlaß geben, in deren Verlauf an einzelnen Stellen 
exzessive Erweiterung und durch Konfluenz Bildung kavernöser Gefäßgeschwülste 
stattfindet. V. E. Mertens (Kiel. 


21) McLeod. The bacterial vaccines in relation to the ordinary pyo- 


genic processes. 
(Buffalo med. journ. 1908. Juli.) 

Verf. hat bei zahlreichen chirurgischen Affektionen die Vaccinebehandlung 
nach Wright mit Erfolg verwendet. Eine Anzahl von Fällen (27) schwerer, hart- 
náckiger Furunkulose und Karbunkelbildung (5), verursacht durch Staphylokokkus 
albus und aureus, wurde durch ausschließliche Behandlung mit Mischvaccine dieser 
Kokkenarten größtenteils sehr rasch geheilt oder gebessert, nachdem die bisherige 
Behandlung erfolglos gewesen war. Durch die gleiche Vaccineart wurden mehrereFälle 
von jahrelang ohne Erfolg behandelter Sykosis zur Heilung gebracht. Auch einige 
Aknefälle, bei denen sich aus den Pusteln Staphylokokkus albus isolieren ließ, 
kamen durch die entsprechende Vaccine prompt zur Heilung. Bei durch Staphylo- 
kokken veranlaßten Erkrankungen wurde stets die von dem betreffenden Pat. selbst 
gewonnene Vaccine angewendet; Phlegmonen, Osteomyelitis, Erysipelas usw. wurden 
günstig beeinflußt, ebenso in zwei Fällen operierte Thoraxempyeme nach In- 
fluenza; hier wurden die im Eiter gefundenen Pseudodiphtheriebazillen der Pat. 
zur Vaccina benutzt und rasches Versiegen der vorher profusen Eiterung erzielt. 
Nach Verf.s Erfahrungen ist eine Stammvaccine nur bei Staphylokokkenerkran- 
kungen zu empfehlen, bei Streptokokkenschädigung wertlos, ausgenommen beim 
Erysipel. Mohr (Bielefeld). 


22) H. Hans. Intussusceptio urethrae. 
(Med. Klinik 1908. p. 902.) 

Durch Fall auf den Damm wurde die Harnröhre kreisförmig abgerissen. Hinter 
der sich bildenden Striktur entstand eine ampullenförmige Erweiterung der Pars 
membranacea, die durch starken Urindruck schließlich sich nach vorn zu einstülpte. 
Wie sich bei der Urethrotomia externa zeigte, wurde die Intussuszeption durch 
Katheterismus im ganzen ins Blaseninnere vorgeschoben. (Abbildungen) Der 
»Polyp« wurde an seinem »Ansatz« abgetragen, der Kranke nach 18 Tagen mit 
für dicksten Katheter durchgängiger Harnröhre entlassen. 

Georg Schmidt (Berlin). 


23) Murtry. Primary carcinoma of the female urethra. 
(Annals of surgery 1908. Juni.) 


Verf. konnte nur 27 Fälle von primärem Krebs der weiblichen Harnröhre aus 
der Literatur zusammenstellen. Er selbst operierte zwei Fälle durch völliges Aus“ 


1250 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 


schälen der Harnröhre bis zum Schließmuskel der Blase; die Art der Operation 
selbst ist nicht angegeben. Die eine Pat. heilte gut, die andere bekam sehr bald 
ein Rezidiv und starb. Die Frühdiagnose des primären Harnröhrenkarzinoms ist 
schwierig, da gutartige Karunkeln und Syphilis ähnliche Erscheinungen hervor- 
rufen. Herhold (Brandenburg). 


24) J. Stopezanski. Über plastische Induration des Penis. (Aus der 
Krakauer dermatologischen Klinik.) 
(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Nr. 10.) 


Mitteilung eines Falles, bei dem bei der Aussichtslosigkeit interner oder lo- 
kaler Therapie die zwar auch nicht sicheren Erfolg versprechende Exstirpation des 
Knotens vorgenommen wurde. Nach genauer histologischer Untersuchung kommt 
S. zu dem Schluß, daß die Ursache entzündliche Veränderungen rings um die 
Dorsalgefäße sein können, auch wenn an anderen Arterien sklerotische Ver- 
änderungen fehlen. Literatur. Renner (Breslau). 


25) H. Man. Über Prostataanomalien. 
(St. Petersburger med. Wochenschrift 1908. Nr. 26.) 


In einem Vortrage wird eine Literaturübersicht über die bisher beobachteten 
Mißbildungen der Prostata, die versprengten Prostatakeime und Retentionscysten 
der Drüse gegeben. 

Ein 18jähriger Mann mit totalem Defekt der Vorsteherdrüss und Samen- 
bläschen und ein Pat. mit einer cystischen Geschwulst im Bindegewebe zwischen 
Blase und Mastdarm werden vorgestellt. M. ist der Ansicht, daß letztere Ge- 
schwulst aus Überresten des Wolff’schen Körpers hervorgegangen sei. 

Besprechung der Differentialdiagnose. Deetz (Homburg v. d. H.). 


26) G. Lasio (Mailand). Contributo allo studio della prostatite acuta 
parenchimatosa. 
(Clinica chirurgica 1908. Nr. 10.) 


L. hatte an einem reichen Krankenmaterial Gelegenheit, Fälle von akuter 
parenchymatöser Prostatitis zu beobachten, die von dem von Thompson und 
Segond fixierten klassischen Bild erheblich abwichen und ihm demnach auch 
andere therapeutische und speziell operative Indikationen ergaben. Es handelte 
sich im ganzen um 13 Fälle, Individuen zwischen 15 und 60 Jahren. Bezüglich 
der Atiologie war zweimal fehlerhafter Katheterismus, einmal Influenza, zweimal 
Prostatahypertrophie, dreimal akute Gonorrhöe, einmal Cystitis bei habitueller 
Koprostase, einmal tuberkulöse Cystitis und vorgeschrittene Lungenphthise zu kon- 
statieren, für drei Fälle fehlte die Erklärung — ein Vorkommnis, das in Publika- 
tıonen v. Frisch’s, Hinrichsen’s u. a. Analogien findet. Mit Rücksicht auf 
die Resultate neuerer Untersucher, daß die Drüse permanent bei allen Leuten 
Mikroorganismen, und zwar zum Teil ernst pathogene, enthält, dürften sich solche 
Fälle, wie auch die der »idiopathischen« Prostatititen der Rad- und Motorrad- 
fahrer, nach Erkältungen u. ä. erklären lassen. 

In den zwei Fällen mit Hypertrophie, 56 und 60 Jahre alt, hatte der Abszeß 
enorme Dimensionen angenommen und die Drüsensubstanz fast vollständig er- 
weicht, bis auf eine harte, fibröse Rindenschicht. Erst die Operation deckte bei 
dem einen Pat. den Zustand auf, bei dem anderen der spontane Durchbruch in 
die Blase. 

In dem Falle des Phthisikers waren die ätiologischen Verhältnisse nicht klar. 
L. möchte eher eine spezifische Cystitis annehmen. Ein Übergreifen von der 
Blase nimmt er auch in dem Falle mit habitueller Koprostase (löjähriger Knabe 
mit Malaria) an. Eine metastatische Prostatitis stellt der eine Fall mit Influenza 
vor. Zwei weitere nach ungeschicktem und unreinem Katheterismus boten be- 
sonders schwere Zerstörungen der Drüse. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1251 


L. hebt besonders hervor, daß viele seiner Fälle im Beginn ohne ernstere 
Erscheinungen blieben: Kein Fieber noch Schüttelfrost; allgemeines Wohlbefinden; 
keine Schmerzen, weder im Damme noch im After; Kot- und Harnentleerung frei. 
In den meisten Fällen bot aber die objektive Untersuchung eine Veränderung des 
Umfanges der Prostata oder andererseits krasses Mißverhältnis zwischen Größe 
der Prostata und Intensität der Blasenstörungen. Auch konnte gewöhnlich die 
Prostatamassage die Diagnose festigen. Die Entleerungsstörung ist in solchen 
Fällen gewiß durch den entzündlichen Zustand der Schleimhaut bedingt; sie wird 
also je nach der Bildung der Abszesse zeitlich wechseln. 

In zwei Fällen, in welchen die Einschmelzung des Gewebes über die Grenzen 
der Drüse gegriffen hatte, in dem einen aufwärts ins Beckenzellgewebe, auf den 
Damm, wo also eine rasch fortschreitende und umfangreiche Phlegmone, bzw. 
eine Verjauchung des Dammes und des Penis bzw. Hodensackes drohte, glaubt 
L., durch den rechtzeitigen Eingriff — Bloßlegung und Eröffnung des Abszesses 
nach transversaler Perineotomie in Medullaranästhesie — schwerere Folgen, Ste- 
nosen usw. abgewendet zu haben. 

Sämtliche Operierte verließen übrigens das Krankenhaus gesund, nicht nur 
von der lokalen Eiterung, sondern auch von den sekundären Ernährungsstörungen 
befreit. J. Sternberg (Wien). 


27) T. Walker. The radical treatment of cancer of the prostate. 
(Practitioner 1908. Februar.) 

Übersichtliche, die Literatur in ausgiebiger Weise berücksichtigende Arbeit, 
in der die verschiedenen Operationsmethoden zur radikalen Beseitigung des Prostata- 
karzinoms auseinandergesetzt werden. Verf. hat selbst zweimal ein Prostatakarzinom 
durch die suprapubische Methode nach Freyer entfernt. Das häufigere Verfahren 
ist das perineale. Die von Young (Baltimore) angegebene Radikaloperation, be- 
stehend in der totalen Entfernung der Prostata mitsamt des Pars membranacea 
urethra und dem Trigonum Lieutaudi bis zur Einmündungsstelle des Harnleiters, 
Entfernung der Samenblasen, Resektion der Vasa deferentia, Vernähung der Blase 
und Anastomose des vorderen Teiles der Blase mit der Harnröhre wird genau 
beschrieben und durch vier beigefügte Photogramme illustriert. Von den auf diese 
Weise von Young operierten Pat. waren zwei nach 12 bzw. 13 Monaten voll- 
kommen gesund, ein Pat. starb 6 Wochen nach der Operation an septischer Pyelo- 
nephritis, der letzte 12 Monate nach der Operation infolge einer Litholapaxie. 

Jenckel (Göttingen). 


28) Wilms. Zur Technik der Beckenkompression bei Operation der 
Blasenektopie nach Trendelenburg. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIII. p. 321.) 

Das von Trendelenburg angegebene Beckenkompressorium war bekanntlich 
auf Anlegung gegen die Weichteilhautdecke der Darmbeine hin berechnet und 
führte leicht zu Dekubitus. Um diesem Ubelstand abzuhelfen, hat W. ein Kom- 
pressorium konstruiert, das, aus einem federnden Metallbügel bestehend, in mit 
Nägeln armierte Platten ausläuft. Die Nägel greifen die Knochenflächen an und 
können mittels Schrauben deren Zusammendrängung bewirken. Abbildung des 
Apparates, der in der Klinik, ohne Nekrose zu bewirken, bereits mit Erfolg pro- 
biert ist. Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


29) F. Necker und R. Paschkis. Die diagnostische Verwertbarkeit 
der Konjunktivalreaktion in der Urologie. (Aus der chirurgischen 
Abteilung des Rothschildspitals in Wien.) 

(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Nr. 10.) 

Zunächst versuchten Verff. die Reaktion an 40 chirurgischen Fällen, von denen 
17 klinisch tuberkulös oder stark verdächtig waren. löınal fiel die Probe positiv, 
2mal negativ aus; von letzteren erwies bei einem die Laparotomie die Richtigkeit 


1252 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 


der klinischen Diagnose: Tuberculosa peritonei, im anderen wurden bei der Sektion 
keine tuberkulösen Veränderungen gefunden. Von 23 klinisch Unverdächtigen 
reagierten 3 positiv, und bei zweien fanden sich auch nachträglich Lungenver- 
dichtungen. 

Urologische Kranke kamen 42 zur Untersuchung. Von 15 klinisch verdächtigen 
reagierten 6, die 9 negativen waren auch im Tierversuch, welcher immer nebenbei 
angestellt wurde, bazillenfrei. Von 23 klinisch unverdächtigen reagierten 3. 

Einige diagnostisch besonders schwierige Fälle werden kurz mitgeteilt. Verff. 
kommen zu dem Schlusse, daß die Reaktion zwar nicht als sicheres diagnostisches 
Mittel bei Urogenitaltuberkulose zu betrachten sei, doch die Diagnose wesentlich 
stützen könne, wo Bazillennachweis im Sediment, eventuell sogar im Tierversuche 
mißlingt. 

Verff. benutzten zuerst Alttuberkulin, ziehen aber jetzt das’ sicher dosierte, 
weniger reizende Tuberkulintest des Institut Pasteur de Lille vor. 

Renuer (Breslau). 


30) J. J. Grekow. Uber Nieren- und Blasentuberkulose. 
(Russ. Archiv für Chirurgie 1908. |Russisch.)) 

G. tritt dem Rovsing’schen Vorschlag des doppelseitigen Explorativschnitttes 
zur Abtastung der Nieren entgegen. Er empfiehlt den Kocher’schen Schnitt 
auf der vermutlich kranken Seite. Von diesem Schnitt aus könne man die andere 
Niere gut abtasten, ohne das Bauchfell in Gefahr zu bringen. In den drei hier 
mitgeteilten Fällen von Nephrektomie hat ihn das Verfahren vollauf befriedigt. 
| V. E. Mertens (Kiel). 


31) A. Miles. Plastic operation on the renal pelvis for intermittend 
` hydronephrosis. 
(Edinb. med. journ. 1908. Februar.) 

Durch schrägen Abgang des Harnleiters vom Nierenbecken und dadurch zeit- 
weise bedingten ventilartigen Verschluß entstand bei einer 2djährigen Pat. eine 
linksseitige Hydronephrose. Verf. fand bei der Freilegung der Niere den unteren 
Pol sackartig erweitert und die Wandung stark verdünnt. Nach Eröffnung des 
Nierenbeckens erwies sich die Offnung des Harnleiters von bindegewebigen Massen 
umgeben, die zum Teil die Lichtung klappenartig verschlossen. Nach Spaltung 
der Harnleitermündung wurden die bindegewebigen Ränder mittels Schere exzidiert 
und über einem in den Harnleiter geführten und nach auBen geleiteten Katheter 
das Nierenbecken mittels Seide vernäbt. Der größte Teil des sehr verdünnten 
unteren Nierenpoles wurde dann ebenfalls exzidiert und die Offnung durch Seiden- 
nähte in drei Etagen (Czerny-Lembert) geschlossen. 15 Monate bestand eine 
Nierenbeckenfistel. Die Beschwerden hörten mit dem Tage der Operation auf. 

Jenckel (Göttingen). 


32) Külz. Über einen Fall von Nephrotomie bei Anurie nach Schwarz- 


wasserfieber. 
(Archiv für Schiffs- und Tropenhygiene 1908. Nr. 15.) 

Der Fall betrifft einen Eisenbahningenieur, der bereits 2 Jahre früher ein 
sehr schweres Schwarzwasserfieber überstanden hatte. 48 Stunden nach Eintritt 
der Anurie Aufnahme ins Krankenhaus. Wegen der Hoffnungslosigkeit seines 
Zustandes willigt Pat. in die ihm vorgeschlagene Nephrotomie, die 31/, Tage nach 
Beginn der Anurie jn Chloroformnarkose vorgenommen wird. Schnitt durch das 
mittlere Drittel der intensiv dunkelrot, fast blaurot gefärbten, an das Kolorit der 
Milz erinnernden Niere, bis ins Becken. Das Parenchym des sehr hyperämischen, 
nicht unerheblich blutenden Organs ist von auffallend schwammig-brüchiger Kon- 
sistenz. Tamponade. 3 Stunden nach der Operation wurden 30 ccm Blut aus der 
Blase entleert. 8 Stunden später starke Durchfeuchtung des Verbandes mit ik- 
terischem Urin. 24 Stunden nach der Operation trat der Tod ein unter den 
gleichen Erscheinungen wie sonst bei Anurie nach Schwarzwasserfieber. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1253 


Verf. hebt hervor, daß trotz des Mißlingens der bisher bekannt gewordenen, 
allerdings wenig zahlreichen Fälle angesichts der völligen Aussichtslosigkeit der 
nichtoperativen Behandlung weitere chirurgische Versuche durchaus berechtigt 
sind. Er empfiehlt, in späteren Fällen statt der bisher vergeblichen Versuche mit 
einseitiger Kapselspaltung und Nephrotomie die gleichzeitige beiderseitige chirur- 
gische Inangriffnahme der Nieren anzuwenden. Revenstorf (Hamburg). 


33) F. Winter (Suderode).. Ein Fall von Torsion des Samenstranges. 
(Inaug.-Diss., Leipzig, 1908.) 

Pat. erkrankte, nachdem er vorher hier und da Schmerzen von 2—3 Stunden 
Dauer im Unterleib gehabt hatte, plötzlich an Erbrechen, ziehenden Schmerzen 
im Hoden und schmerzbafter Verdickung des Hodens. Bei der Operation, die in 
Detorsion und Orchidopexie bestand, fand man ein abnorm langes Mesorchium. 
Verf. rät, gestützt auf den glücklichen Ausgang in diesem Falle, bei jeder Torsion 
zum Versuch der Erhaltung des Hodens. Stocker (Bonn). 


34) R. Horand. Hydrocèle vaginale d’origine tuberculeuse. 
| p (Lyon méd. 1908. Nr. 18.) 

Die Hydrokele des Hodens ist in einer gewissen Zahl von Fällen auch dann 
eine tuberkulöse, wenn lokale oder allgemeine Zeichen für Tuberkulose fehlen. 
H. berichtet über fünf Fälle dieser Art; bei dreien unter ihnen wurde die tuber- 
kulöse Natur des Leidens durch Serumdiagnostik sichergestellt, bei zweien durch 
andere Umstände wenigstens sehr wahrscheinlich gemacht. 

l Boerner (Rastatt). 


35) N. W. Kopyloff. Die Behandlung des Kryptorchismus. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXV. Hft. 4.) 

Verf. hat in kurzer Zeit eine größere Reihe von Fällen von Kryptorchismus 
beobachtet und operiert. Das Verfahren war im ganzen das von Schüller, Riedel 
und Czerny, nur mit etwas veränderter Technik. Der Hoden wurde nämlich 
nach Lösung des Samenstranges durch eine Naht fixiert, die durch Hodensubstanz 
und Hodensack auf beiden Seiten der Raphe hindurch ging. Der Funiculus wurde 
dann auch noch durch Nähte am Leistenring und Eingang in den Hodensack fixiert, 
um das Hinaufziehen des Hodens zu verhindern. Bei einer Reihe von Fällen blieb 
der Hode im Fundus, bei einigen kam er später etwas nach oben zu liegen, machte 
aber keine Beschwerden mehr. Jedenfalls war das Resultat stets ein zufrieden- 
stellendes. Vielfach waren mit dem Kryptorchismus Hernien, Hydrokelen oder 
eine Geschwulst verbunden E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


36) Rawling. The surgical treatment of the incompletely descended 


testis. 
(Practitioner 1908. August.) 

Bericht über 120 Fälle, die wegen unvollkommenen Descensus testiculi einer 
Operation unterworfen waren. 23 Pat. befanden sich zwischen dem 1. und 10. Lebens- 
jahre, 64 zwischen dem 10. und 20., und 33 waren über 20 Jahre alt. 

Mit dem üblichen Operationsverfahren, den Hoden aus seinen Verbindungen 
zu lösen, nach unten herunterzuziehen und mit dem Hodensack an der tiefsten 
Stelle zu vernähen, ist R. wenig zufrieden. Von 40 Pat. hatten nur 4 bei dieser 
Behandlung ein gutes Resultat; meistens zog sich der Hoden wieder nach oben 
zurück. Auch mit der zweiten Methode, den Hoden im Leistenkanal zu lassen 
und die Hernie allein zu beseitigen, ist Verf. nicht einverstanden, da leicht eine 
bösartige Umwandlung, . eine Torsion und eine Infektion dieses Bauchbodens ein- 
treten könne. Verf. empfiehlt vielmehr bei einseitiger Infektion die Entfernung 
des Hodens, die er bei 50 Pat. ausführte. 

Bei doppelseitigem unvollkommenen Descensus rät Verf. davon ab, beiderseits 
den Hoden nach der Bauchhöhle hin zu schieben und die Bruchpforte zu schließen, 
da bekanntlich die Bauchhoden ihre Fähigkeit, Samen zu produzieren, verlören, 
während 40% der inguinal, pubisch und puboserotal liegenden Hoden weiter 


1254 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 


funktionierten. Bei doppelseitigem Kryptorchismus ist die Operation, wenn irgend 
möglich, vor der Pubertätszeit auszuführen; man kann bei genügend langem Samen- 
strang den Hoden an das Skrotum zu nähen versuchen oder soll, wenn dies nicht 
geht, den Hoden im Leistenkanal liegen lassen und nur die Hernie beseitigen. 
Jenckel (Göttingen). 


37) Conforti. Contributo all’ istologia del testicolo in retenzione. 
(Morgagni 1908. Nr. 7.) 

Verf. hat bei acht untersuchten Leistenhoden fünfmal durch den ganzen 
Hoden verbreitete, meist in Knotenform vereinigte, seltener zerstreut liegende, 
jugendlichen Hodenkanälchen gleichende, mit follikulärem Epithel ausgestattete, 
mit sehr kleiner oder gar keiner Lichtung versehene Gänge gefunden. Dazwischen 
fanden sich auch weiter entwickelte Kanäle, die eine Zwischenstufe zwischen den 
obigen und den wohlausgebildeten, mit Sertoli’schen Stützzellen und Spermato- 
gonien versehenen Gängen darstellen. Konzentrisch geschichtete, hyalin aus- 
sehende, runde Körperchen wurden extrakanalikulär zweimal gefunden und schienen 
keine Beziehung zum Epithel zu haben, sondern von den Basalmembranen aus- 
zugehen. Die interstitiellen Zellen schwankten in den untersuchten Fällen sowohl 
nach Zahl wie Lagerung außerordentlich. Ihre Vermehrung darf nicht als eine 
Art Kompensationshypertrophie aufgefaßt werden, sondern beruht wohl auf einer 
Entwicklungshemmung. Dreyer (Köln). 


38) Thibierge. Etude clinique sur le kraurosis vulvae. 
(Ann. de dermatol. et de syph. 1908. p. 1.) 

Verf. faßt seine Beobachtungen folgendermaßen zusammen: Die Kraurosis 
vulvae ist charakterisiert durch eine mehr oder weniger beträchtliche Zusammen- 
ziehung des Orificium vulvae, durch Atrophie und Glätte der Vulvarschleimhaut 
mit Verlust ibrer Elastizität. Ihr geht voraus ein Zustand von kürzerer oder 
längerer Dauer, wo allein die Atrophie und Glätte der Vulvarschleimhaut be- 
stehen. Die Kraurosis ist die Folge der Involution der Gewebe, die dem Orificium 
vulvae benachbart sind, und ist verknüpft mit der Unterdrückung der Funktion 
der Ovarien. 

Unter 94 Frauen jeden Alters fand Verf. sie zwölfmal. Zum Schlusse bringt 
er kurz 16 eigene Beobachtungen. Klingmüller (Kiel). 


39) Butler and Long. The vaccine treatment of gonorrhoeal vulvo- 
vaginitis in children. 
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. Nr. 10.) 

Die Verff. haben zwölf kleine Mädchen von 1!/ Jahren bis zu 12 Jahren mit 
gonorrhoischer Vulvovaginitis nach dem Wright'schen Verfahren behandelt. Der 
Erfolg war, daß in vier Fällen innerhalb 10 Tagen bis zu 3 Wochen jegliche Ab- 
sonderung verschwand und keine Gonokokken mehr nachweisbar waren. In fünf 
weiteren Fällen gelang es nach längerer Zeit, den Fluor und die Gonokokken zu 
beseitigen; nur drei Fälle blieben ungeheilt. 

Diesen zwölf Fällen stellen die Verff. zwölf andere gegenüber, welche in bisher 
üblicher Weise mit antigonorrhoischen Mitteln äußerlich behandelt worden waren; 
von diesen ist nur bei dreien die Absonderung verschwunden, aber nur einer dieser 
Pat. hat keine Gonokokken mehr. 

Es scheint also die Wright’sche Methode einen wesentlichen Fortschritt 
auch in der Behandlung derartiger Krankheitsfälle zu bedeuten. 

W. v. Brunn (Rostock). 


40) Berkofsky. Zur Unterbindung der Venae spermaticae bei puer- 
peraler Pyämie. 
(Deutsche med. Wochenschrift 1908. Nr. 17.) 
In drei Fällen wurde mit alleiniger Unterbindung der Vena spermatica ein 
günstiger Erfolg erzielt. Die transperitonale Unterbindung der Spermatikalvenen 
kann als ein ungefährlicher Eingriff bezeichnet werden. Borchard (Posen). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1255 


41) Puech et Massabuau. Les tumeurs mixtes du col de l'utérus. 
(Province méd. 1908. Nr. 19.) 

Die Mischgeschwülste des Uterushalses sind selten. Verff. haben in der Lite- 
ratur 15 Fälle gefunden, denen sie einen neuen hinzufügen. Es handelte sich um 
ein Chondromyxoadenofibrom der Cervix, das gestielt in die Scheide hineinragte. 
Die Geschwulst wurde exstirpiert, da die Einwilligung zur Uterusexstirpation ver- 
weigert wurde. Verff. raten wegen der Möglichkeit der bösartigen Umwandlung 
solcher Mischgeschwülste zu radikalem Vorgehen. A. Hofmann (Karlsruhe). 


42) B. A. Lucio (Pisa). Sopra alcuni casi di tumori solidi dell’ ovaio. 
(Clinica chirurgica 1907. Nr. 9.) 

Mit Rücksicht auf die relative Seltenheit der soliden Eierstocksgeschwülste 
(1,5%) gewinnt die Mitteilung L.'s über sechs solche Fälle, ein Peritheliom, ein 
Sarkom und vier Fibrome, an Bedeutung. Die sorgfältigen histologischen Unter- 
suchungen und Folgerungen speziell für die Fibrome seien dem Spezialforscher 
besonders empfohlen. J. Sternberg (Wien). 


43) Briggs. Fulminating pelvic-abdominal edema simulating ruptured 
tubal pregnancy. 
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. Nr. 7.) 

Zwei eigene Beobachtungen dieses bisher nur wenig bekannten Leidens, von 
dem bisher nur zwei Fälle (Jocet und Legueu) publiziert worden sind. 

Die Pat., beides Damen in mittleren Jahren, erkrankten plötzlich mit allen 
Symptomen des Tubenrisses.. Das Becken erwies sich bei der Untersuchung mit 
fluktuierenden Massen ausgefüllt. 

Bei der Operation ergab sich beide Male das gleiche Bild: massenhafte seröse 
Exsudation unter die Serosa der Beckeneingeweide, im zweiten Fall auch unter 
die Serosa der Bauchdecken mit Erguß in die freie Becken-Bauchhöhle. 

Die erste Pat. genas danach, die zweite starb. Auch die Autopsie vermochte 
durchaus keine Ursache für diese merkwürdige Erkrankung aufzudecken. 

Wahrscheinlich ist sie angioneurotischen Ursprunges. 


W. v. Brin (Rostock). 
44) P. Makrowski. Über Leberabszesse. 
(Russ. Archiv für Chirurgie 1908. [Russisch.]) 

1) Ein 40jähriger Ingenieur erkrankte am 31. Dezember an Appendicitis mit 
heftigen Schmerzen und Frösten. Am 21. Januar stand er auf eigene Hand auf 
und bekam einen sehr schweren Schüttelfrost. Da Fieber und Fröste anhielten, 
kam er am 24. Januar in die Klinik von Prof. Spisharny. 

Er klagte über Schmerzen im Epigastrium und rechts am Rippenbogen. Bei 
Lagewechsel und linker Seitenlage Schüttelfrost. Kein Ikterus. Der Leib war 
leicht aufgetrieben, spannte sich bei jeder Berührung besonders rechts. Die Haupt- 
schmerzen wurden in der Gallenblasengegend geklagt; die Leber war nicht, die 
Milz deutlich vergrößert. 

Während Ötägiger Beobachtung und symptomatischer Behandlung besserten 
sich die Schmerzen und ließ die Leibesspannung nach, während das Fieber 
anhielt. 

30. Januar Operation (J. P. Alexinski). Durch einen Längsschnitt am äußeren 
Rectusrand wurde zunächst eine Vergrößerung der derben, scharfrandigen Leber 
festgestellt. Durch einen zweiten Schnitt wurde der in Verwachsungen eingebettete 
Wurm freigelegt und reseziert. Beide Wunden heilten glatt, während Fieber und 
Fröste anhielten. Am 6. Februar begann Pat. über Schmerzen in der Lebergegend 
bei tiefem Atmen und Druck zu klagen. 

9, Februar Operation. Resektion der 9. Rippe am r. Angulus scapulae. Probe- 
punktion negativ, auch vier weitere in den nächsten Tagen. 

20. Februar Operation. Öffnung der Pleura an der Stelle der alten Rippen- 
resektion, wobei Pneumothorax entstand, der mit Potain abgesogen wurde, nach- 
dem das Zwerchfell an die Pleurawunde fixiert war. Tamponade. 


1256 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 


23. Februar Operation. Schnitt durch das Zwerchfell, von dem aus die Leber 
(und Niere) ohne Befund abgetastet wurde. Tamponade nach beiden Seiten. Viel- 
fache Punktionen blieben resultatlos. Endlich wurde am 6. April eine erweichte 
Stelle in der Leber stumpf geöffnet, wobei zwei Eßlöflel dicken Eiters sich ent- 
leerten. Von jetzt ab besserte sich das Allgemeinbefinden und sank die Tempe- 
ratur. 

Pat. wurde am 14. April entlassen, das Krankenlager zog sich aber bis in den 
Juni hin. | 

2) Seit 2 Jahren litt der jetzt 21jährige Student an häufigen Durchfällen mit 
Schmerzen und aufgetriebenem Leib. Im September 1906 gesellte sich zu Durch- 
fällen das Gefühl der Schwere im Epigastrium. Ende Oktober fing das Allgemein- 
befinden an schlecht zu werden, hin und wieder hatte Pat. Schüttelfrost. Zu be- 
ständigen dumpfen Schmerzen im Epigastrium gesellten sich allmählich Fieber und 
Fröste. Der Leberrand war in ganzer Ausdehnung schmerzhaft und zeitweise pal- 
pabel (?). Pat. war nie ikterisch. Der Schnittpunkt des Rippenbogens und 
äußeren Rectusrandes war intensiv schmerzhaft. Die Lungen waren normal und 
verschieblich. Ä | 

29. Dezember Operation (J. K. Spisharny). Schnitt am äußeren Rectus- 
rand. Ein Bauchdeckenabszeß hing durch eine Fistel mit einem intraperitonealen 
Abszeß zusammen und dieser wieder mit einem dritten in der Tiefe mehr zur 
Mittellinie hin. Drainage. Zunächst Besserung. Vom 27. Dezember ab wurden 
von der ersten Wunde aus noch mehrere kleine Abszesse eröffnet. Eine links- 
seitige Pneumonie mit rechtsseitigem Empyem führte am 4. Januar zum Tode. 

Die Autopsie lehrte, daß die Operationswunden in der Leber lagen. Außer- 
dem fanden sich noch »viele« unberührte Abszesse hauptsächlich im linken, aber 
auch im rechten Leberlappen. Die Gallenwege wurden frei gefunden. Woher 
die Abszesse stammten, blieb unaufgeklärt. V. E. Mertens (Kiel). 


45) Outerbridge. Calcified pancreatic cyst. 
(Univ. of Pennsylvania med. bull. 1908. Juli.) 


Die Pat., die seit 12 Jahren an Diabetes und in den letzten Jahren an Leber- 
koliken litt, bemerkte seit 4 Jahren eine zunehmende Schwellung in der Magen- 
gegend. Bei der Operation wurde retroperitoneal, hinter Magen und Querkolon, 
eine steinharte, kokosnußgroße, nur wenig bewegliche Geschwulst gefunden, welche 
die Stelle des Pankreas einnahm. Die Inzision der Geschwulst ergab, daß es sich 
um eine Cyste mit verkalkten, fest mit der Umgebung verwachsenen Wänden und 
mit dermoidcystenähnlichem Inhalte handelte. Drainage der Cyste, Entfernung 
eines taubeneigroßen Steines aus der Gallenblase. Cholecystostomie. Tod nach 
16 Tagen an Azetonurie. Mohr (Bielefeld). 


46) Stockton and Williams. Acute pancreatitis. 
(Buffalo med. journ. 1908. Juli.) 


Verff. berichten über vier sämtlich tödlich geendete Fälle von akuter hämor- 
rhagischer Pankreatitis mit Autopsiebefund und exakter histologischer und bak- 
teriologischer Untersuchung. Von den beiden operierten Fällen ist der eine dadurch 
bemerkenswert, daß die Pankreatitis sekundär durch Perforation eines Duodenal- 
geschwüres verursacht wurde; bei der Operation fand man nach Durchtrennung 
ausgedehnter Verwachsungen in der Gegend des verhärteten Pankreas einen Abszeß, 
dessen Ursprung erst bei der Autopsie klar wurde, nämlich Perforation eines dicht 
an der Ausmündungsstelle des Pankreas gelegenen Duodenalgeschwüres. 

Mohr (Bielefeld). 


Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden. 


Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau, 
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. 


Zentralblatt für Chirurgie 


herausgegeben von 


K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER, 


in Bonn, in Berlin, in Breslau. 
35. Jahrgang. 
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG. 





Nr. 43. Sonnabend, den 24. Oktober 1908. 





Inhalt. 


H. Jselin, Behandlung akut eitriger Entzündungen mit heißer Luft. (Originalmitteilung.) 

1) Nielot und Romary, Verletzungen durch Jagdfeuerwaffen. — 2) Crile, Chirurgischer Chok. 
— 8) Strasser, Muskel- und Gelenkmechanik. — 4) Hoffa und Wollenberg, Arthritis deformans 
und chronischer Gelenkrheumatismus. — 5) Alamartine, Hypertrophierende Knochengelenkent- 
zündungen tuberkulösen Ursprungs. — 6) Titus, Gonorrhoische Gelenkentzündung. — 7) Gara, 
Fibrolysin bei Ankylosen. — 8) Ritter, Sehnennaht. — 9) Nerking, Narkose und Lezithin. — 
10) De Witt Stetten, Narkose. — 11) Spielmeyer, 12) Chaput, Luinbaranästhesie. — 18) Schül- 
ler, Die diploötischen Venenkanäle des Schädels. — 14) Sajous, Der hypophyseo-suprarenale 
Nervenapparat. — 15) Wischnewski, Stirnhöhlenoperation. — 16) Witzel, 17) Lerda und Ma- 
rangoli, Zur Alveolar- und Zahnchirurgie. — 18) Reinmöller, Empyem des Antrum Highmori. — 
19) Schönstadt, Plastische Technik nach Oberkieferresektion. — 20) Nicolaysen, Radiusbruch. 
— 21) Lange, Kniebrüche. — 22) Tietze, Fersenbeinbrüche. — 23) Lenormant, Verrenkungen im 
Lisfranc’schen Gelenk. 

D. Hellin, Die Behandlung von Abszessen. (Originalmitteilung ) 

24) Peltesohn, Zur operativen Behandlung von Knochenbrüchen. — 25) v. Khautz jun., 
Muskelschwielen. — 26) Lorenz, Myositis fibrosa. — 27) Porcile, Muskelangiome. — 28) Spitzy, 
29) Taylor, 30) Osterhans, Nervenplastik. — 31) Lop, Anästhesierungsapparat. — 82) Dönitz, 
33) Holzbach, Zur Anästhesierungsfrage. — 34) Courmont und Cade, Kleinhirngeschwulst, — 
35) de Renzi, Hirncysticercus und Leberechinokokken. — 86) Anton und v. Bramann, Hydro- 
cephalus. — 87) Hajek, 38) Kellner, Kieferhöhlenempyem. — 39) Kahler, Cholesteatome der 
Nebenhöhlen. — 40) Barret und Orr, Unterbindung der Carotis ext. wegen Nasenbluten. — 
41) Alessandri, Konservative Chirurgie bei Knochen- und Gelenkleiden. — 42) Oppel, Zur Nerven- 
chirurgie. — 43) Anglada, Doppelseitige Schulterverrenkung. — 44) Bovero, Der Processus supra- 
condyloideus humeri. — 45) Villars und Canaguler, Intramuskuläres Lipom. — 46) Thon, Trau- 
matische Ulnarislähmung. — 47) Waechter, Epiphysenbruch des Radius. — 48) Guzzi, Trauma- 
tisches Handödem. — 49) Bull, Verrenkung des Os capitatum. — 50) Reismann, 51) Vogel, 
Narbenkontraktur der Hand. — 52) Kofmann, Bruch der Phalangen. — 53) Hintz, Sarkom einer 
Phalanx. — 54) Bruce, Hüftleiden und Ischias. — 55) Gillette, Unterbindung der A. iliaca com- 
munis. — 56) Binnie, 57) Abbe, 58) Blake, Aneurysmorrhaphie. — 59) Morävek, Kniescheiben- 
sarkom. — 60) Schwarz, Fibromatöse Verdickung der Achillessehne. — 61) Niosi, Syphilitische 
Erkrankung von subkutanem Gewebe des Oberschenkels. — 62) Znojemsky, Fersenbeinbrüche. 

Berichtigung. 





Aus der chirurgischen Klinik und Poliklinik in Basel, 
Direktor: Prof. Dr. Wilms. 


Behandlung akut eitriger Entzündungen 
mit heißer Luft. 


Von 


Dr. Hans Jselin, 
I. Assistenzarzt. 


eit Bier die Hyperämie als Heilmittel wissenschaftlich und prak- 
tisch zu Ehren gebracht hat, ist das Interesse für die Behandlung 
der entzündlichen Prozesse rege geworden. Bier brauchte zur Heilung 
entzündlicher Krankheiten ausschließlich die passive Hyperämie, die 


45 


1258 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 


Stauung. Die aktive Hyperämie hält er dafür ungeeignet und will 
sie nur bei chronischen Vorgängen zur Unterstützung der Resorption 
angewendet wissen (vgl. Die Hyperämie als Heilmittel, bei Vogel, 
4907 p. 422, ferner p. 158, 163, 164 und 250). Klapp! benutzt die 
heiße Luft erst, »wenn die Eiterung versiegt und die Entzündung ab- 
geklungen ist, zur Erhöhung der Mobilisierung«. Ullmann? und auch 
Bier ließen mit Erfolg heiße Luft auf oberflächliche Geschwüre ein- 
wirken. Zur Bekämpfung phlegmonöser Entzündungen ist 
das alte Volksheilmittel Wärme bisher als heiße Luft noch 
nicht systematisch verwendet worden. Die vortrefflichen Tier- 
versuche Schäffer's? haben uns Mut gemacht, die Heilwirkung der 
Wärme bei eitrigen frischen Entzündungen zu erproben. Die 
heiße Luft wurde gewählt, weil die Haut dabei am wenigsten leidet, 
und weil dieses Mittel am besten den chirurgischen Anforderungen 
an reinliche Wundpflege gerecht wird. Schäffer behandelte künstlich 
erzeugte subkutane Entzündungen am Tier; er gab den heißen Um- 
schlägen den Vorzug. Unsere Erfahrungen am Menschen rechtfertigen 
die Wahl der heißen Luft. 

Der Heißlufttherapie, dem sog. »Heizen«, geht immer der chirur- 
gische Eingriff voran: In Bromäthernarkose und bei Blutleere wird 
der Abszeß gespalten, der Ursprung der Eiterung klargelegt, Eiter 
und nekrotisches gelöstes Gewebe werden mit physiologischer Koch- 
salzlösung ausgespült und die Eiterhöhle wird mit Jodoformgaze, die 
2 Tage liegen bleibt, ausgelegt. Bei den eitrigen Sehnenscheiden- 
phlegmonen legen wir die Schnitte von Klapp! an. Das Heizen 
beginnt am Tage nach der Operation. 

Seit einem halben Jahre werden in der chirurgischen Poliklinik 
alle phlegmonösen Erkrankungen der oberen Glieder mit heißer Luft 
behandelt. Selbst auswärtige Kranke unterziehen sich gern der 
etwas zeitraubenden Kur, weil, wie sie sagen, die heiße Luft die 
Schmerzen nimmt. Erstaunlich war für uns die Verkürzung der 
Heilungszeit; die Eiterung hörte nach einigen Tagen auf, die Wunden 
reinigten sich rascher und schlossen sich schneller als ohne dieses 
Mittel. | 
Die Anwendung ist folgende: als Wärmequellen dienen uns die 
billigen Bier’schen Holzheizkästen. 2—3 Stunden täglich 2mal wirkt 
die Wärme ein. Die Kastentemperatur beträgt in halber Höhe | bis 
110° ©. Innerhalb dieser Grenzen bleibt der Wärmegrad an der 
Haut ziemlich unabhänig von der Kastentemperatur; fast immer zeigte 
das Thermometer 44—47° C., gleichgültig, ob es in einer Digitalfalte, 
oder auf der bloßen Haut oder unter dünnem trockenen oder feuchten 
Mullverband lag. Die rasche Blutzirkulation und die Schweiß- 


1 Klapp, Die Behandlung der Sehinenscheidenphlegmone. Berliner klin. 
Wochenschrift 1908. Nr. 15. | 

2 Ullmann, Wiener klin. Wochenschrift 1901. 

3 Jean Schäffer, Der Einfluß unserer therapeutischen Maßnahmen auf die 
Entzündung. (Aus der Breslauer Hautklinik.) Stuttgart, Enke, 1907. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 1259 


verdunstung scheinen schädliche Temperaturerhöhungen zu verhüten. 
Den konstanten Wärmegrad von 46° C an der Haut hat auch Wilms* 
1898 bei »seiner forcierten Wärmebehandlung von Gelenkerkrankungen 
mittels einfachen Wärmeapparates« gefunden. Schäffer hält 46° für 
die wirksamste Temperatur. Daß die Hyperämie erwärmend in die Tiefe 
wirkt, haben die Temperaturmessungen in der menschlichen Harnröhre 
bei Wärmeanwendung auf den Damm von Wilms und auch Quincke 
bewiesen; Steigerung bis zu 3° konnte festgestellt werden. — Die Wir- 
kung der heißen Luft äußert sich in bekannter Weise auf der Haut. 
Die geheizten Stellen werden ödematös. Genähte Wunden schwitzen 
klares Serum durch die Nahtlücken aus. Die künstliche Schwellung 
verschwindet meist über Nacht, die Rötung noch schneller. 

Unsere Erfahrungen sollen an anderer Stelle ausführlich ver- 
öffentlicht werden, sie seien hier nur angedeutet: Entzündete Weich- 
teilverletzungen wurden mit Erfolg geheizt; vernachlässigte durch- 
gehende Fingerverletzungen, Fälle, in denen wir früher sofort amputiert 
hatten, konnten konservativ behandelt werden. Tiefe Hohlhandphleg- 
monen (drei Beobachtungen) heilten binnen 12—15 Tagen, tiefe 
Panaritien des ganzen Fingers mit teilweiser Nekrose der Sehnen- 
scheide (5 Fälle) in 8—14 Tagen ohne Schädigung der Sehne. 
Bei drei eitrigen Sehnenscheidenphlegmonen mit Eiterung bis 
in die Hohlhand blieben die Sebnen mit ganzer Bewegungsfähigkeit 
erhalten. Diese Ergebnisse haben die fatale Prognose der eitrigen 
Sehnenscheidenphlegmonen gebessert und die Behandlung eitriger Ent- 
zündungen überhaupt zu einer erfreulicheren gemacht. Wir empfehlen 
dieses Verfahren genauer Prüfung. 





1) Niclot et Romary. Les blessures par armes de chasse 


et l'infection. Contribution expérimentale. 
(Revue de chir. XXVII. ann. Nr. 6.) 

Die Jagdfeuerwaffen unterscheiden sich von denen des Heeres 
wesentlich durch Tragweite und Geschosse. Deshalb unterliegen auch 
die von ihnen gesetzten Verletzungen und die sie begleitenden Infek- 
tionen z. T. anderen Bedingungen. Wie die Verff. in einer Reihe von 
Kultur- und Schießversuchen unter wechselnden Anordnungen fest- 
stellten, können sich Bakterien an der Oberfläche des Bleies und der 
Schwarzpulverkörner nicht allzu lange lebend erhalten und nur schlecht 
vermehren. Beim Schrot spielt auch die Legierung, die Politur und 
die Oberflächenadhärenz für die Haftung der Mikrobenleiber eine wich- 
tige Rolle. Die Vorladung ist je nach dem Material (Filz, Wolle, 
Fett, Wachs, Kautschuk, Papier- oder Stoffreste) in wechselndem 
Grade keimreich. Nach Schüssen auf sterilisierte Sandsäcke erwiesen 
sich die mit einer bestimmten Bakterienart beschickten Bleikörner fast 
immer keimfrei, die getroffenen Stellen des Sackes infiziert, ein Er- 


— 


4 Wilms, Deutsche med. Wochenschrift 1898. Nr. 23. 
45* 


1260 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 


gebnis, das die Verff. weniger dem »Abwischen« des Bleies an der 
Sackwand als dem Umstande zuschreiben, daß Blei und seine Legie- 
rungen an und für sich bakterientötend wirken. Die mittleren Körner 
eines auf eine Paraffintafel abgegebenen Schrotschusses sind weit 
keimärmer als die seitwärts gestreuten, welche oft Luftkeime mitreißen. 
Die lebendige Kraft und die Stichflamme der Pulvergase wirken eben 
mehr auf die zentralen Körner. Von infiziertem Schwarzpulver können 
nur einzelne unvollständig verbrannte Körner bei Nahschüssen noch 
Keime in die Wunde tragen, da die Verbrennungstemperatur mehr 
als 120° beträgt. Die Vorladung wird bei dieser Temperatur nur 
äußerlich sterilisiert (»geröstet«), so daB ihr meist keimreiches Material, 
wenn es ganz oder teilweise in der Wunde stecken bleibt, regelmäßig 
Infektionen bewirkt. 

In Schußkanälen durch Gelatinezylinder werden im ganzen Ver- 
laufe, besonders aber am Eingange, Keime abgesetzt. 

Diese experimentellen Ergebnisse werden am lebenden Objekt 
durch mitgerissene Kleider- und Hautfetzen, die Zertrümmerung des 
Gewebes und die Art der Wundversorgung wesentlich abgeändert. 
Auch scheinen hier die Anaeroben (malignes Odem) als Infektions- 
erreger vorzuherrschen. Tetanusinfektionen sind die Verff. in ihrem 
Beobachtungsgebiete — Süd-Algier und Sahara — nicht begegnet. 

Gutzeit (Neidenburg). 


2) G. Crile (Cleveland). Surgical shock. 
(Boston med. and surg. journ. 1908. Juni 25.) 

C., dem wir schon verschiedene ausgezeichnete experimentelle 
und klinische Studien über das Wesen und die Bekämpfung des 
chirurgischen Choks verdanken, legt hier in einem in der Harvey- 
Gesellschaft in Neuyork gehaltenen Vortrage den Unterschied und die 
Beziehungen zwischen Hämorrhagie und Chok dar und knüpft daran 
allgemeine und spezielle Vorschläge seiner Verhütung und Behandlung. 

Wenn sich die Hämorrhagie nicht sonst klinisch sicher bemerk- 
bar macht, so gibt oft die Blutuntersuchung Aufschluß darüber, ob 
wir es mit einer Hämorrhagie oder mit einem Chok, den C. eine 
intravaskuläre Hämorrhagie nennt, zu tun haben. Bei einer echten 
oder extravaskulären Hämorrhagie findet man in klinischen Unter- 
suchungen kurze Zeit nach Beginn Sinken des Hämoglobins und der 
roten Blutkörperchen und sofort, meist vor Eintritt jener Veränderung, 
Steigen der Leukocytenzahl, während beim Chok diese Blutbestand- 
teile keine oder keine nennenswerte Veränderung zeigen. 

C. warnt bei der Besprechung der mannigfachen psychischen Mo- 
mente vor übertriebener Vorbereitung der Pat., die er ebenso verwirft 
wie zu nachlässige. Er erinnert an die allgemein bekannte, aber selbst 
in den besten Kliniken nur zu oft vernachlässigte Forderung, vor Be- 
ginn der Operation möglichst alles von dem Pat. fernzuhalten, was 
ihn unnötig aufregt. Der taktvollen Einleitung und sorgfältigen Durch- 
führung der Narkose widmet er beherzigenswerte Worte. 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 1261 


Was die Beziehungen der Hämorrhagie zum Chok anlangt, so 
hebt C. die wohlbekannte Tatsache hervor, daß Kinder wie alte Leute 
auf Blutverlust gern mit schwerem Chok reagieren, sowie daß Pat., 
die viel Blut verloren haben, in größerer Chokgefahr schweben, und 
knüpft die Forderung an, in diesen Fällen die Vorsichtsmaßregeln zu 
verschärfen. 

Hinsichtlich der chirurgischen Technik widmete er den einzelnen 
Körperteilen besondere Betrachtungen, aus denen Folgendes hervor- 
gehoben sei. Bei Gehirnoperationen narkotisiert er im Gegensatz zu 
Horsley, der Chloroform verwendet, nur mit Ather, wenn auch die 
venöse Blutung beim Chloroform etwas geringer sein mag. Schonendste 
Eröffnung des Schädels, wenn möglich nicht mit Hammer und Meißel, 
sowie möglichst zarte Berührung des Gehirns erscheinen ihm wichtige, 
oft nicht genügend gewürdigte Gesichtspunkte. 

Im Anschluß an die Erwägung, daß gesteigerter Hirndruck auf 
den intrakraniellen Blutdruck hemmend wirkt, event. so stark, daß 
letzterer für die Ernährung der lebenswichtigen Zentra nicht mehr 
ausreicht, sucht ©. in Fällen von Hirngeschwülsten usw. alles mit be- 
sonderer Vorsicht zu vermeiden, was diesen Druck weiter vermindern 
kann. 

C. erwähnt vier Fälle von Hirndruck, in denen im Beginn der 
Narkose die Atmung aussetzte; in zwei von diesen Fällen gelang es 
ihm unter gleichzeitiger künstlicher Atmung die Trepanation rasch 
genug auszuführen, worauf die Atmung spontan wieder begann. (Ref. 
hat zwei ganz gleiche Fälle in der chirurgischen Klinik in Breslau 
erlebt.) 

Bei Operationen am Mund, Gesicht und Hals sind Blutverlust, 
Narkosenzufälle und Reflexe, welche die Herztätigkeit hemmen, die 
hauptsächlichsten zum Chok führenden Umstände, die sich jedoch alle 
bei genügender Vorsicht vermeiden lassen. Bei Operationen am Kehl- 
kopf, Rachen und Nasen-Rachenraum gibt Verf. vorher Atropin und 
setzt außerdem die Reflexe durch Kokainisieren der Schleimhäute 
herab. 

Eine große Rolle spielt der Chok bei Operationen in der Brust- 
höhle, wo Überfüllung der großen Venenstämme, ja akute Herzerwei- 
terung die Folge unzweckmäßigen Vorgehens sein können. U. nimmt 
an, daß ein Teil der üblen Zufälle, die man durch Verdrängung oder 
Verlagerung der großen Gefäße und des Herzens zu erklären suchte, 
so eine bessere Erklärung finden. (Nach Ansicht des Ref. kann sich 
vielleicht aus der exakteren Beobachtung, die das Operieren in der 
Sauerbruch’schen Kammer oder in Überdruckapparaten erlaubt, 
eine Entscheidung über diese Frage gewinnen lassen.) 

Bei Operationen am Bauch, von denen namentlich die wegen 
eiternder Prozesse vorgenommenen eine große Chokgefahr involvieren, 
vermeide man nach Möglichkeit Narkosen selbst mit Ather und suche 
mit Stickoxyd auszukommen event. durch Morphium eine wesentliche 
Ersparnis des Narkotikums zu erzielen. 


1262 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 


Bei Chokgefahr durch Amputationen legt C. vorher den Plexus 
frei und kokainisiert ihn. Im traumatischen Chok operiert er nur 
dann unmittelbar nach der Einlieferung des Pat., wenn die Operation 
mit lokaler oder spinaler Anästhesie vorgenommen werden kann; an- 
dernfalls wartet er erst die Reaktion ab. 

Zum Schluß bespricht C. die Wirkung der direkten Bluttrans- 
fusion auf den Blutdruck; während er unmittelbar nach einer solchen 
Transfusion eine Erhöhung des Druckes um 15 bis 120 mm Hg fest- 
stellen konnte, erreichte er durch venöse Kochsalzinfusion niemals 
mehr als wenige Millimeter. Dabei warnt er aber vor sogenannter 
Übertransfusion, die im Tierversuch die schwersten Störungen, wie 
Lungenödem, hervorrief. Andererseits stellte er fest, daß Tiere nach 
einer Bluttransfusion Chok hervorrufende Maßnahmen weit besser ver- 
trugen. 

C. warnt vor Bluttransfusion in Fällen von schweren organischen 
Herzveränderungen, da das Herz dann der zugemuteten Mehrarbeit 
nicht Herr wird, empfiehlt sie aber in Fällen von Chok bei sonst ge- 
sundem Herzen aufs wärmste, ganz besonders wenn Blutverlust die 
Ursache des Choks ist. H. Bucholz (Boston). 





3) H. Strasser. Lehrbuch der Muskel- und Gelenkmechanik. 
I. Band: Allgemeiner Teil. Mit 100 Textfiguren. 
Berlin, Julius Springer, 1908. 

Das vorliegende Buch hat zum Gegenstand die Mechanik des 
menschlichen Stütz- und Bewegungsapparates. Auf diesen paßt ganz 
besonders der Vergleich mit einer Maschine, welche wunderbar kunst- 
voll gebaut ist und den mannigfaltigsten Aufgaben zu genügen ver- 
mag. Während die Erforschung der Vorgänge, durch welche in den 
Muskelfasern die mechanische Triebkraft erzeugt wird, wesentlich in 
das Gebiet der Physiologie fällt, geschieht die Erforschung des 
Maschinenbaues mit anatomischen Methoden. Die Einführung in die 
Maschinenlehre des Körpers muß eine der Aufgaben des anatomischen 
Unterrichtes und der Tätigkeit auf dem Seziersaale sein. Das vor- 
liegende Lehrbuch soll im wesentlichen ein Hilfsbuch für den ana- 
tomischen Unterricht sein. 

Das Werk zerfällt in einen allgemeinen und einen speziellen Teil. 
Letzterer soll sich besonders eng an den praktischen anatomischen 
Unterricht angliedern und eine spezielle Anleitung sein zum Studium 
der mechanischen Verhältnisse der Muskeln und Gelenke bei der Prä- 
paration. Im allgemeinen Teile, der jetzt vorliegt, werden die wich- 
tigeren allgemeinen mechanischen Probleme, die sich in der Muskel- 
und Gelenkmechanik darbieten, klar formuliert und im vollen Umfang 
und Zusammenhang erläutert. 

Von besonderer Wichtigkeit ist der erste Abschnitt, der den 
Mediziner in die Grundbegriffe der theoretischen Mechanik einführen 
soll. Gerade mit diesem Abschnitt füllt Verf. eine Lücke in der 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 1263 


medizinischen Literatur aus, da bis jetzt ein kurzer Leitfaden fehlt, 
der den Mediziner über die Grundprinzipien der Mechanik aufklärt, 
und in dem das Hauptgewicht nicht auf die Zusammenstellung von 
Formeln, sondern auf die Gewinnung richtiger elementarer Vorstel- 
lungen über das mechanische Geschehen und auf die Schulung des 
räumlichen Vorstellungsvermögens gelegt ist. 

Der zweite Hauptabschnitt behandelt die allgemeinen mechanischen 
Verbältnisse des Skeletts und der Muskeln, der dritte führt den Leser 
in die allgemeinen Probleme der Gelenk- und Muskelmechanik ein. 
Hier werden an einzelnen Beispielen Untersuchungen über das Gleich- 
gewicht der Kräfte im Ruhezustande des Gelenkapparates aus dem 
Gebiete der Statik und bei Bewegungen der Glieder untereinander 
aus dem Gebiete der Kinetik und Dynamik vorgeführt. 

Ein ausführliches Literaturverzeichnis von Werken über theore- 
tische und technische Mechanik, über Anatomie und Physiologie und 
Muskel- und Gelenkmechanik beschließt das lehrreiche Werk, dessen 
zweiter spezieller Teil besonders für den Chirurgen des Bewegungs- 
apparates von großer Wichtigkeit sein wird. Drehmann (Berlin). 





4) A. Hoffa und A. Wollenberg. Arthritis deformans und 

sogenannter chronischer Gelenkrheumatismus. Eine röntgeno- 

logische und anatomische Studie. Mit 178 Abbild. 299 S. 
Stuttgart, Ferdinand Enke, 1908. 


Das vorliegende Werk, dessen Herausgabe H. nicht mehr erleben 
sollte, berichtet über Studien, welche dieser gemeinschaftlich mit seinem 
Assistenten W. unternahm, um das unklare Gebiet der chronischen 
Gelenkkrankheiten, die gewöhnlich unter der Rubrik des chronischen 
Gelenkrheumatismus zusammengeworfen werden, zu klären. 

In der Einleitung stellen die Autoren eine Einteilung der Gelenk- 
krankheiten auf im Vergleich zu der Einteilung früherer Autoren. 
Die weiteren Ausführungen sollen zeigen, daß die Osteoarthritis 
deformans einerseits und die Polyarthritis chronica primitiva progres- 
siva, sowie der sekundäre chronische Gelenkrheumatismus andererseits 
voneinander in klinischer wie anatomischer Beziehung streng zu trennen 
sind. In der weiteren Ausführung werden die drei Krankheitsbilder 
unter Darstellung zahlreicher Krankengeschichten, Röntgenbefunde 
und anatomischer Untersuchungen genau präzigiert. Der anatomische 
Teil stellt die Habilitationsschrift W.’s dar. 

Die Arthritis deformans, die nur eine kurze Besprechung erfährt, 
da später aus der Feder W.’s eine ausführliche Veröffentlichung er- 
folgen soll, zeigt im Röntgenbild außer Deformationen, die sich rein 
mechanisch durch Belastung eines für seine Aufgabe nicht genügend 
tragfähigen Knochens erklären lassen, noch Gestaltsveränderungen 
durch aktive Knochenneubildung. Die nach Sauerstoffeinblasung her- 
gestellten Röntgenbilder zeigen, daß eine Kapselschrumpfung mit Ver- 


1264 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 


ödung der Gelenkhöhle nicht nachweisbar ist. Die Synovialis scheint 
nur mäßig verdickt und mit geringgradigen Wucherungen versehen. 
Die anatomischen Untersuchungen bestätigen diesen Befund, ebenso 
die ausführlichen mikroskopischen Untersuchungen der Synovialis. Die 
letzteren zeigen, daB prinzipielle Unterschiede im anatomischen Bilde 
der Synovialis zwischen Arthritis deformans und Arthritis traumatica 
nicht vorliegen. Atiologisch unterscheiden Verff. eine spontane, eine 
reaktive im Senium, nach Traumen oder Entzündungen und eine neuro- 
gene Arthritis deformans. 

- Therapeutisch interessieren uns einige Resektionen des Schenkel- 
kopfes bei deformierender Arthritis des Hüftgelenkes und die Exstir- 
pation subpatellarer Fettzotten am Kniegelenk. Die Erfolge des 
letzteren Eingriffes sind aus den Krankengeschichten nicht zu erkennen. 

Die primäre chronische progressive Polyarthritis, ein progredienter 
Prozeß, der häufig schon im frühen Alter beginnt und außer den 
Gelenken auch Sehnenscheiden und Schleimbeutel ergreift, von 
unbekannter Atiologie, zeigt im Röntgenbilde keine Knochendeforma- 
tionen, sondern im Vordergrunde stehen Atrophie, Kapselschrumpfung 
und Kontraktur. Erst in späteren Stadien kommt es durch Hinzu- 
treten von Arthritis deformans zu Wucherungen. 

Die dritte Gruppe, der sekundäre chronische Gelenkrheumatismus, 
der sich nach einem akuten Stadium entwickelt, zeigt fast die gleichen 
Röntgenbefunde, nur daß die Ankylosierungsprozesse und Synostose 
ganzer Skelettabschnitte eine größere Rolle spielen, dafür aber der 
Ernährungszustand der Knochen eher eine Besserung erfährt. 

Ein großes Kapitel behandelt die Anatomie der chronischen pro- 
gressiven Polyarthritiden. Einer ausführlichen Übersicht der in der 
Literatur niedergelegten Befunde folgt eine breite Darlegung der 
eigenen makroskopischen und mikroskopischen Befunde, auf deren 
Wiedergabe hier nicht näher eingegangen werden kann. Der Befund 
erinnert an die Bilder, die wir bei der infektiösen Arthritis finden. 

Wir hoffen, daß das Buch eine Anregung geben möge, besonders 
auf dem Gebiete der Atiologie dieser Gelenkerkrankungen weiter zu 
forschen, damit wir in die Lage kommen, prophylaktisch gegen dieses 
schwere Leiden etwas zu erreichen, gegen das unsere Therapie so gut 
wie aussichtslos ist. Drehmann (Breslau). 


5) Alamartine. Osteo-arthropathies hypertrophiantes d’ori- 
gine tuberculeuse. Lè ròle de la tuberculose dans le syndrome 
de P. Marie. 

(Revue de chir. XXVII. ann. Nr. 6.) 

Die aus der Klinik Poncet’s hervorgegangene Arbeit erbringt 
den Nachweis, daß eine ziemlich große Zahl hypertrophierender 
Knochengelenkentzündungen unter der von P. Marie beschriebenen 
Form, mit und ohne Trommelschlägelfinger, auf Tuberkulose zurück- 
zuführen sind. Ebenso wie beim Rheumatismus tuberculosus Pon cet’s 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 1265 


handelt es sich nur um eine Toxinwirkung der Tuberkelbazillen; die 
typischen tuberkulösen Gewebsbildungen, -zerstörungen und -ver- 
käsungen fehlen regelmäßig. Rarefizierende Prozesse im Mark rufen 
eine entzündliche Wucherung der subperiostalen Knochenschichten mit 
starker Osteophytenbildung hervor. Dazu kommen Veränderungen der 
Gelenkflächen von einfacher Knorpelerosion bis zur Synostose. Das 
Röntgenbild läßt das Fortschreiten und die verschiedenen Stadien der 
Krankheit gut erkennen. 

Nach A.’s Schätzung sind in mindestens 25% aller Fälle andere 
Organe tuberkulös erkrankt; auf latente Tuberkulose ist bisher nur 
sehr selten gefahndet. 

Auch klinisch gleichen sich der tuberkulöse Rheumatismus und 
die P. Marie’sche Krankheit insofern, als bei beiden subakute, von 
schmerzhaften Gelenkschwellungen begleitete Anfälle zu beobachten 
sind. 

In manchen Fällen von frühzeitiger P. Marie’scher Krankheit 
scheint erbliche Tuberkulose (Heredo-dystrophie tuberculeuse) eine 
Rolle zu spielen. 

Literaturverzeichnis von 59 Nummern. Gutzeit (Neidenburg). 





6) E. C. Titus. An improved treatment of gonorrheal 


arthritis (so-called gonorrheal rheumatism). 
(New York med. record 1908. Juli 25.) 

T. fand, daß statische Elektrizität auf gonorrhoische Prozesse 
günstig wirkt. | 

Er führt in Simslage eine eigens konstruierte Vakuumröhre in den 
Mastdarm ein und steigert den Strom ganz allmählich. Die Beband- 
lung muß ganz schmerzlos sein und eher wohltuend wirken. Es soll 
ein direkter bakterizider Effekt auf die tiefsitzenden Gonokokken 
durch die Entwicklung von Sauerstoff- und Salpetersäureanhydrid (in 
statu nascendi) in den Geweben stattfinden; außerdem befördern die 
Stromwellen die Zirkulation in den erkrankten Partien und wirken 
u. a. als Massage. 

Verf. gibt an, daß die günstigen Erfolge, die man mit der 
Influenzmaschine im allgemeinen auf infektiöse Prozesse ausüben kann, 
den meisten Ärzten noch ganz unbekannt sei. Er habe selbst eine 
große Reihe von überzeugenden Experimenten darüber angestellt. 

Die Behandlung vom Mastdarm geht von der Annahme aus, daß 
aus Mitbeteiligung von Prostata und Samenblase die meisten gonor- 
rhoischen Allgemeininfektionen und speziell die Nachschübe für den 
gonorrhoischen Gelenkrheumatismus herzuleiten seien. 

Die behandelten Erfolge erscheinen um so mystischer, als Verf. 
selbst die »aktinische Wirkung der Vakuumtube in die Gewebe nur 
auf eine Tiefe von 2—6 mm« abschätzt. Loewenhardt (Breslau). 





43+* 


1266 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 


7) 8. Gara. Die Behandlung der schweren Ankylosen der 
Gelenke mit Fibrolysin. 
(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Nr. 12.) 

Bei einer Anzahl bis dahin vergeblich und sehr lange behandelter 
Ankylosen gelang es G. durch tägliche Fibrolysininjektionen, im 
Durchschnitt etwa nach 20, leicht, ausgiebige Exkursionen mit den 
Gelenken zu machen. Da die Mobilisierungen immerhin schmerzhaft 
sind, gibt er gern !/, Stunde vorher Aspirin. Die Injektionen allein 
machen natürlich nicht die Gelenke mobil, sondern ermöglichen nur 
durch Erweichung des Bindegewebes die Mobilisation. 


Renner (Breslau). 





8) C. Ritter. Eine neue Methode der Sehnennaht. 
(Med. Klinik 1908. p. 1191.) 

Ein Stück einer Arterie oder Vene desselben Menschen wird als 
Schaltstück zwischen die beiden angefrischten Sehnenstümpfe eingefügt 
und mit ihnen vernäht. Beiderseits ragen die Sehnenstümpfe etwas 
in das Rohr hinein. Der Zwischenraum zwischen ihnen und dem 
umgebenden Gefäßrohr wird, besonders nach Operationen unter Blut- 
leere, sich nachher alsbald mit Blut füllen. Demnach wird eine Ver- 
bindung durch lebendes Gewebe hergestellt; die Länge des Spaltes 
zwischen den Sehnenstümpfen spielt keine Rolle, da man das Ersatz- 
gefäßrohr beliebig lang anwenden kann; auch der verschiedenen Breite 
der Sehne läßt sich ein Gefäßrohr — z. B. von der Breite einer 
Vena saphena — nach Bedarf anpassen, indem es einmal, dank seiner 
Elastizität, zusammenschnurrt, und das andere Mal künstlich dadurch 
verbreitert werden kann, daß man die Gefäßwand spiralig aufschneidet, 
so über die Sehne stülpt und alsdann die Spiralschnitte durch feinste 
Nähte vereinigt (Abbildungen. Das Verfahren bewährte sich bei 


einer veralteten Sehnenverletzung (Krankengeschichte). 
Georg Schmidt (Berlin). 





9) Nerking. Narkose und Lezithin. (Aus der biochemischen 
Abteilung des Instituts für experimentelle Therapie zu Düssel- 
dorf.) Vorläufige Mitteilung. 

(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 33.) 

Die Wirkung der Narkotika auf den Organismus besteht nach 
_ der heut geltenden Lehre darin, daß sie von den Lipoiden bzw. dem 
Lezithin des Zentralnervensystems aufgenommen werden und damit 
gewissermaßen eine feste Lösung bilden. Es drängt sich nun die 
Frage auf, ob es möglich ist, diese Verankerung dadurch aufzuheben, 
daß man den narkotisierten Tieren andere Lezithine intravenös ein- 
spritzt. Nach den Versuchen N.’s scheint es tatsächlich zu gelingen, 
dadurch die Narkose abzukürzen. Näheres will N. später mitteilen; 
für jetzt sich mit der kurzen Erwähnung nur die Priorität auf diesem 
Arbeitsfelde sichern! Kramer (Glogau). 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 1267 


10) De Witt Stetten (New York). The modern administra- 
tion of general anaesthesia in mouth, nose and pharynx 
surgery. 

(New York med. journ. 1908. Juli 18.) 

S. empfiehlt die Intubationsmethode, deren Technik er eingehend 
beschreibt. 15 Minuten vor Beginn der Narkose gibt er 0,01 Mor- 
phium mit !/; mg Atropin. Die Narkose wird mit Chloroform oder 
einer Chloroformmischung eingeleitet. Wenn sie einigermaßen tief 
ist, werden die Nasenhöhlen und der Rachen mit 4%iger Kokain- 
lösung mit 1:5000 Adrenalin betupft. S. legt größten Wert auf diese 
Manipulation, um völlige Trockenheit und Beseitigung aller Reflexe 
in Nase und Rachen zu erzielen, und führt das Fehlschlagen seiner 
ersten Versuche direkt auf die Unterlassung des Kokainisierens zurück. 
Zur Intubation verwendet er zwei Nelatonkatheter mit seitlicher und 
endständiger Öffnung an dem konischen Ende. Weite Nr. 25 bis 27 
Charrière. Die gut eingefetteten Katheter werden so weit eingeführt, 
daß die seitliche Offnung dem Kehlkopfeingange gegenüber zu liegen 
kommt. Die Entfernung vom Naseneingange beträgt bei Erwachsenen 
17 cm. Darauf wird die Zunge vorgezogen und fixiert und der hin- 
tere Teil von Mund und Rachen fest mit Gaze ausgestopft. Bei 
Nasenoperationen führt S. zwei Katheter in den durch Sperre weit 
geöffneten Mund ein und fixiert sie jederseits in derselben Höhe. 
Darauf stopft er Gaze in den hinteren Teil des Mundes und den 
Nasen-Rachenraum. Bei Operationen im Rachen wendet er die von 
Kuhn warm empfohlene Intubation des Kehlkopfes an, für die er 
sich ein sehr einfaches handliches Instrument konstruiert hat. 8. 
schließt sich der Meinung Kuhn’s an, daß diese Methode, mit Über- 
druck kombiniert, die komplizierteren Apparate verdrängen wird. Für 
die Narkose selbst verwendet er meist einen kleinen Trichter, bedient 
sich aber gelegentlich auch eines Sauerstoffapparates. Er bevorzugt 
das Chloroform, weil die Narkose im ganzen ruhiger ist, und warnt 


speziell vor Ather bei gleichzeitiger Verwendung des Paquelin. 
H. Bucholz (Boston). 





11) W. Spielmeyer (Freiburg). Veränderungen des Nerven- 


systems nach Stovainanästhesie. 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 31.) 

Während in mehreren anderen Fällen die von S. auf Krönig’s 
Veranlassung vorgenommene Untersuchung des Rückenmarks von Pat., 
bei denen einige Zeit vor ihrem Tode die Stovain-Lumbalanästhesie 
(0,05—0,07 bzw. 0,1—0,12 Stovain) angewandt worden war, keine 
Veränderungen ergeben hatte, fanden sich solche in auffallender Art 
bei vier Fällen, die hohe Stovaindosen erhalten hatten. Eine dieser 
Pat. war 40 Stunden nach der Lumbalanästhesie unter schweren 
Atmungsstörungen und Koma zugrunde gegangen; außer chromolyti- 
schen Vorgängen zeigte das Rückenmark Schwellung und Abrundung 


* 


1268 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 


der Zellkörper, Auflösung der Kernmembran und Zerfall der Kern- 
körperchen als Folge der durch das Stovain hervorgerufenen Atmungs- 
lähmung. In den drei übrigen Fällen, in denen der Tod an Karzinose 
oder Peritonitis usw. 2—8 Tage nach der Operation erfolgt war, 
waren an den großen polygonalen motorischen Zellen des Rücken- 
marks, d. h. des Vorderhorns, Auftreibung und Abrundung, vom Kern 
nach der Peripherie fortschreitende Chromolyse, Verlagerung des 
Kernes, Fältelung oder Auflösung der Kernkapsel nachweisbar. Daß 
diese Veränderungen der motorischen Zellen, die den Zellaffektionen 
in den zugehörigen Nervenkernen nach Zerstörung der Achsenzylinder 
entsprechen, auf die Stovainwirkung zurückzuführen waren, bewiesen 
die Versuche an Tieren, die nach intraduralen Stovaininjektionen 
analoge Veränderungen, selbst (Hunde und Affen) Degenerationen in 
den hinteren Wurzeln und Hintersträngen erkennen ließen. 

Kramer (Glogau). 





12) Chaput. De la rachistovainisation. 
(Presse med. 1907. Nr. 94.) 

©. ist begeisterter Anhänger der Rückenmarksanästhesie mit 
Stovakokain, d. i. eine Mischung von 3 Teilen Stovain mit 1 Teil 
Kokain; er injiziert davon 4 ccm in einer 2%igen Lösung, das sind 
0,08 Stovakokain, und hat damit vollständige Anästhesie selbst bei 
Operationen am Kopf und den oberen Gliedmaßen erzielt. Uble Zu- 
fälle will er niemals gehabt haben und erklärt die bisher beobachteten 
für Fehler der Technik oder als Folgen der nicht beachteten Kontra- 
indikationen oder als Zufälle, die nicht der Rückenmarksanästhesie 
zur Last zu legen seien. 

Verf. hält für nötig, vorher 10 bis 20 ccm Rückenmarksflüssigkeit 
zu entleeren, und gibt bei nervösen Personen 1 Stunde vorher !/, mg 
Skopolamin. Bei drohendem Kollaps gibt er Koffein, und gegen nach- 
trägliche Kopfschmerzen hilft ihm sicher die Entleerung von 10 bis 
20 ccm Rückenmarksflüssigkeit. Fehre (Dresden). 


13) Schüller. Die röntgenographische Darstellung der diplo&- 


tischen Venenkanäle des Schädels. 

(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII. Hft. 4.) 

Dupuytren hat gelegentlich eines Experimentes am Hunde- 
schädel zufällig die Existenz großer Venenkanäle in der spongiösen 
Substanz des Schädels entdeckt; diese Kanäle führen einen großen 
Teil des Gehirnblutes ab, so daß der Sinus longitudinalis meist eine 
relativ enge Lichtung aufweist. Auch beim Menschen ist die Diplo& 
des Schädels von einem Netz größerer Venenkanäle durchzogen, deren 
genaue Beschreibung wir Breschet verdanken. Nach ihm entspringen 
die Venen der Diplo& aus dem spongiösen Gewebe der Hirnschädel- 
knochen mit großen Zweigen, die sich plötzlich bilden. Die Knochen- 
kanäle, in welchen diese Venen eingeschlossen sind, verlaufen meist 
näher der inneren Tafel als der äußeren; bisweilen sind sie in einer 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43, 1269 


kleinen Strecke nach der Hirnhöhle zu oder nach außen offen. Man 
findet sie leichter an Schädeln, die eine größere Dicke haben, und wo 
die Diploö stärker entwickelt ist. Es scheint, daß die Schädel des 
weiblichen Geschlechtes sie öfters darbieten als die der Männer. Auch 
sonst ist die Stärke der diploätischen Venen, ihre Länge und die An- 
zahl ihrer Zweige zahlreichen Verschiedenheiten unterworfen. Sie 
endigen entweder an der inneren oder an der äußeren Oberfläche des 
Schädelknochens in jenen Venen, die in ihrer Nähe vorbeiziehen. Die 
am skelettierten Schädel erkennbaren Knochenlöcher über dem Hinter- 
hauptloch, über der Schläfengegend und unter dem Augenbrauenbogen 
verraten das Vorhandensein und den Durchmesser der diploätischen 
Kanäle. An der Innenfläche des Schädels begegnet man ihren Off- 
nungen meist an der Furche der Arteria meningea media. Die 
Kanäle treten häufig an den Suturen von einem Knochen auf den 
anderen über. Noch öfter jedoch hören die Kanäle, wenn sie an die 
Nähte gelangen, plötzlich auf und bilden eine Art Blindsack. Am 
unbeständigsten und unregelmäßigsten sind die diploätischen Venen 
des Stirnbeines; die des Scheitelbeines zeigen öfters gegen das Tuber 
parietale zu Erweiterungen, die wie Varicen aussehen. 

Die physiologische Bedeutung des diploötischen Venensystems 
wurde schon von Breschet erkannt und entsprechend gewürdigt. Diese 
Venen stellen die Kollateralen der intrakraniell gelegenen Venensinus 
dar. Wenn in diesen letzteren irgendein Hindernis des Blutabflusses 
besteht, wie z. B. Verstopfung der Lichtung durch Thrombose oder 
Kompression von außen, so können die diploetischen Venen in reich- 
lichem Maße zum Ausgleich der Zirkulationsstörung im Inneren des 
Schädels beitragen. Auf Grund einiger vom Verf. gesammelter Be- 
obachtungen erscheint es sogar, daß bei Aktivierung eines derartigen 
Kollateralkreislaufes eine beträchtliche Erweiterung der diploetischen 
Venen eintreten kann, ähnlich wie wir dies an anderen Körperstellen 
so häufig beobachten, z. B. beim Caput medusae der Bauchwand, Zur 
Annahme einer derartigen Erweiterung wurde Verf. veranlaßt durch 
die Beobachtung einzelner abnorm weiter Brechet’scher Kanäle in 
dem folgenden Falle: 

Ein 43jähriger Schneider erkrankte im September 1907 an Jackson-Epilepsie; 
ım weiteren Verlaufe stellte sich eine Parese der rechten unteren Extremität ein. 
Das Röntgenbild ergab das Vorhandensein eines außerordentlich breiten Breschet- 
schen Kanales (s. Fig). Bei der Operation ergab sich der Scheitelknochen als: 
sehr dick; es fand sich eine nußgroße Geschwulst, ein Gliom, die offenbar einen 
Druck auf den Sinus longitudinalis ausgeübt hatte, wodurch die Erweiterung der 
Vena diploötica zustande kam. Ein ähnlicher Fall fand sich bei einem 26jährigen 
Bauer, auch dieser wurde operiert; hier war die Blutung aus dem Knochen noch 
stärker, so daß Pat. daran starb. 

Zusammenfassend gibt Verf. an: die diploötischen Venen des 
Schädels (Breschet’sche Venen) können mit Hilfe der Röntgenographie 
schon beim Lebenden dargestellt werden. 

Bei Vorhandensein eines drucksteigernden Prozesses (Hirn- 
geschwulst) im Schädel scheint eine Erweiterung von diploetischen 


1270 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 


Venen zustande kommen zu können, so zwar, daß sie einen beträcht- 
lichen Teil des sonst durch die Sinus durae matris fließenden Hirn- 
blutes nach außen fördern. 

Der Nachweis einer derartig. erweiterten Vene ist von diagnosti- 
scher Bedeutung, weil ihr Ausgangspunkt zusammenfallen kann mit 
dem Sitze der intrakraniellen Geschwulst und somit direkt auf letzteren 
hinweist. í Gaugele (Zwickau). 





14) C. E. de M. Sajous. Les sécrétions internes. L'appareil 
nerveux-hypophyseo-surrenal. 
(Gaz. des hôpitaux 1908. Nr. 29.) 

»Die Hypophysis stellt ein Zentrum dar, das mit Hilfe des N. hypo- 
physeo-suprarenalis die Funktionen der Nebennieren regelt und sekun- 
där der Fixation des Sauerstoffes der eingeatmeten Luft an das Blut 
und der Regulation der organischen Verbrennungen vorsteht.« Daß 
all dieses mit Hilfe des Splanchnicus vor sich geht, hat S. schon früher 
ausgesprochen (vgl. Zentralblatt 1908 Nr. 6), hier gibt er eine Schil- 
derung des ganzen nervösen Apparates (Nerf hypophyseo-surrenal). Die 
Bahn beginnt im Lobus post. der Hypophysis cerebri, verläuft im In- 
fundibulum, Tuber cinereum, Boden des 3. Ventrikels weiter durch 
Medulla oblongata ins Rückenmark. Unterhalb des Austrittspunktes 
der 3. Dorsalwurzel verlassen die Fasern das Rückenmark, verlaufen 
im Sympathicus, beteiligen sich am N. splanchnicus major und enden 
in den Plexus suprarenales. on V. E. Mertens (Kiel). 

u 
15) A. W. Wischnewski. Zur Technik der osteoplastischen 
Radikaloperation der Stirnhöhle. 
(Russ. Archiv für Chirurgie 1908. [Russisch.)) 

Die zahlreichen bisher geübten Methoden haben W. nicht befrie- 
digt. . Er hat daher an der Leiche ein weiteres Verfahren aus- 
gebildet. 

Der Schnitt beginnt am Processus zygomaticus des Stirnbeines in 
Höhe etwa des äußeren Endes der Augenbraue, zieht im Bogen (auf 
Grund der Zeichnung geschätzt ca. zwei Querfinger oberhalb der 
Braue) zum Nasenansatz und dann lateralwärts ein kleines Stück am 
inneren Lidwinkel vorbei. Das Periost wird kopfwärts etwas ab- 
geschoben und dann mit einer (kleinen Farabeuf’schen) Säge die 
vordere Wand des Sinus frontalis samt dem Arcus superciliaris und 
einem Stück des Proc. zygom. flach abgesägt, so daß sie, am Periost 
hängend, nach unten geklappt werden kann. Gegen Ende des Sägens 
muß man darauf achten, daß man mit dem Instrument hauptsächlich 
an den Seiten, weniger in der Mitte arbeitet, weil man sonst gelegent- 
lich — aber selten — mit den dort liegenden Gefäßen in Konflikt 
geraten kann. Nach Ausräumung des Sinus wird in die Nase drainiert, 
der Deckel aber aufgeklappt und angenäht. 

Die feine Narbe, die in Stirnfalten gelegt werden kann, hält W. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 1271 


für weniger entstellend, als die eingesunkene Stirn nach Anwendung 
anderer Methoden. V. E. Mertens (Kiel). 


16) K. Witzel. Entwicklung der Kiefer und der Zähne beim 


Menschen. 
(Zentralstelle für Zahnhygiene 1907.) 

Das vorliegende Werk ist kein Lehrbuch im gewöhnlichen Sinne 
des Wortes, sondern ein Atlas von 75 Tafeln mit beigefügtem Text 
in deutscher, französischer und englischer Sprache. Die ersten 
10 Tafeln bringen die zum Verständnis der komplizierten Vorgänge 
bei der Entwicklung der Zähne und Kiefer notwendigen Zeichnungen 
In objektiver Form, ohne jede Replik des Verf.s, werden uns die be- 
kannten Bilder zur Entwicklungsgeschichte der Kiefer nach Kölliker, 
Binodi, Albrecht und Röse vorgeführt. Tafel 11—34 sind muster- 
hafte Photogramme aus der großen Schädelsammlung des Verf.s, an 
denen die Entwicklung der Zähne und der Kiefer von der frühesten 
Embryonalzeit an bis zum höchsten Greisenalter (Schädel einer 105- 
jährigen Frau) demonstriert wird. Tafel 35 ist ein instruktives Nerven- 
präparat, aus dem ersichtlich ist, wie nahe die Wurzelspitze der un- 
teren zweiten Prämolaren dem Hauptstamm des Nerv. mandibularis 
liegt, und wie schwer bei einer Wurzelspitzenresektion eine Verletzung 
dieses Nerven zu vermeiden ist. Weiter ersieht man aus diesem Prä- 
parat an der Lagerung des unteren Weisheitszahnes, wie leicht bei 
der verhältnismäßig häufigen Retention dieses Zahnes eine Druck- 
neuralgie des Trigeminus entstehen kann. Die folgenden Tafeln 
bringen ausgezeichnete Röntgenogramme von Schädeln der verschie- 
denen Altersstufen, an denen insbesondere die Beziehung der bleiben- 
den Zähne zum Milchgebiß, die Anatomie der Wurzelbildung sowie 
das Verhältnis der unteren Zähne zum Canalis mandibularis studiert 
werden kann. Auf Tafel 59 sehen wir, wie ausnahmsweise bei der 
Wurzelbildung eines retinierten Molaren die noch nicht verkalkten 
Teile des Zahnsäckchens den Canalis mandibularis zangenförmig um- 
fassen, so daß dieser später durch die fertig entwickelte Wurzel hin- 
durchgeht. In einem solchen von Röse beschriebenen Falle wurden 
bei der Extraktion des Zahnes Nerv. und Arter. mandibularis, die 
durch ein Foramen in der distalen Wurzel des Weisheitszahnes ver- 
liefen, zerrissen. Eine profuse Blutung, sowie eine dauernde Anästhesie 
im ganzen Bereich des Nerven waren die Folge. Die letzten 3 Tafeln 
sind Röntgenogramme des Schädels von lebenden, eines 8jährigen 
Mädchens, eines 1l1jährigen Knaben und des Gesichtsschädels des 
Verf.s. 

Das ganze Werk ist mit großem Geschick und großem Fleiß zu- 
sammengestellt. Die musterhafte Sammlung von Photo- und Röntgeno- 
grammen wird dem Buche einen dauernden Platz in jedem zahnärzt- 
lichen Lehrinstitut sichern. Boennecken (Prag). 


1272 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 


17) Lerda e Marangoli. La pratica delle injezioni anestetiche 


perineurali nella chirurgia alveolare e dentaria. 
(Stomatologia 1908. Nr. 4.) 

Verff. empfehlen, gestützt auf ihre klinische Erfahrung und auf 
Leichenversuche, für schwierige oder multiple Zahnextraktionen, sowie 
für Operationen am Alveolarfortsatz die perineurale Anästhesierung 
der entsprechenden Nervenstämme vor ihrem Eintritt in den Kiefer- 
knochen. Behufs Analgesie des Oberkiefers führen sie eine lange 
Hohlnadel von der Mundhöhle aus »in den Sulcus, der das Ende des 
Alveolarfortsatzes des Oberkiefers von der Prominenz des Hamulus 
des Processus pterygoideus trennt, etwa !/, cm medial vom Alveolar- 
fortsatz und hinter dem letzten Molaren« ein und nach einigen tasten- 
den Versuchen in die Fossa spheno-maxillaris. Sie injizieren 4—6 ccm 
einer 0,5%igen Kokainlösung, der Adrenalin beigefügt ist. 

Die Analgesierung des Unterkiefers nach L. und M. deckt sich 
übrigens vollkommen mit dem Verfahren H. Braun’s (conf. dessen 
bekanntes Buch) zur perineuralen Injektion des N. alveolaris inf. und 
lingualis, nur daß jene Autoren die 0,5%ige Kokainlösung in den 
oben bezeichneten größeren Mengen (4—6 ccm) anwenden. Dabei 


haben sie allerdings mitunter leichtere Kokainvergiftungen erlebt. 
A. Most (Breslau). 





18) Reinmöller. Das dentale Empyem des Antrum Highmori. 


44 Seiten. 28 Abbildungen und 4 Tafeln. 
Rostock, @. B. Leopold, 1908. 

Unter Änfügung von 20 selbstbeobachteten Fällen stellt R. den 
Satz auf, daß das dentale Empyem der Highmorshöhle weit häufiger 
sei, als man bisher annahm. Röntgenverfahren und Untersuchung 
der Zähne mit dem Induktionsstrom erleichtern die Diagnose wesent- 
lich, indem das Röntgenbild die Granulationsherde über den Wurzeln 
als Schatten erkennen läßt, der Induktionsstrom Aufschluß gibt, ob 
die Pulpa noch lebt. 

Verf. bespricht des näheren die Diagnose und warnt davor, im 
Konservieren schlechter Zähne zu weit zu gehen. 

Als Therapie für das akute Empyem empfiehlt sich Spülung von 
der Alveole aus. Für die Behandlung des chronischen Empyems kommt 
entweder die Cooper’sche Methode, d.h. Eröffnung der Highmors- 
höhle durch eine Zahnalveole, oder die Desault’sche in Betracht, 
die die Höhle von der facialen Wand aus freilegt. Verf. operiert 
immer in Lokalanästhesie (Novokain - Suprarenin). Gegen den Nach- 
schmerz gibt er Pyramidon 0,1—0,3 mit Dionin 0,01—0,03. Als 
Mundspülflüssigkeit empfiehlt er 1/,%igen Thymolspiritus oder Koch- 
salzlösung. 

Ein Schlußkapitel ist der Nachbehandlung und Prothesenanferti- 
gung gewidmet. Deetz (Homburg v. d. H.). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 1273 


19) Schönstadt. Zur plastischen Technik nach Oberkiefer- 
resektion. 
(Zeitschrift für ärztliche Fortbildung 1908. Nr. 14.) 

Um das Herabsinken des Auges der operierten Seite und die 
hierdurch bedingte Entstellung und Sehstörung (Doppelbilder) zu ver- 
hindern, mobilisiert S. die mittlere Nasenmuschel durch Einknicken an 
ihrem Ansatz und befestigt sie mit dem freien Rand am Periost des 
Stumpfes des Jochbogens. Die dem Augapfel zugekehrte Fläche wird 
durch Abpräparieren der Schleimhaut wund gemacht und gibt ihm 
eine gute knöcherne Stütze. 

Sollte die mittlere Muschel geopfert werden müssen, so empfiehlt 
es sich, einen Lappen der Nasenscheidewand in ähnlicher Weise zu 
verwenden. Gutzeit (Neidenburg). 





20) J. Nicolaysen. Fractura radii hos börn. 
(Norsk mag. for laegevid. 1908. Nr. 8.) 

Die Bajonettstellung der Hand ist bei Kindern selten deutlich 
ausgeprägt und gehört nicht zu den regelmäßigen Befunden des 
typischen Radiusbruches. Die Knochenverletzung besteht in der Regel 
in einer queren Infraktion mit dorsaler Verschiebung des unteren 
Bruchstückes. 

Sowohl die Fraktur wie die Epiphysenlösung der Speiche zeigen 
große Neigung, die nach eingetretener Konsolidation der Bruchflächen 
zurückgebliebenen Dislokationen nachträglich wieder auszugleichen. Bei 
einem 12jährigen Knaben, bei dem sich, wie das Röntgenogramm zeigte, 
eine vollständige Reposition nicht erreichen ließ, stellte N. 6 Monate 
später ein ideales Heilungsresultat fest. Diese Tatsache ist wichtig 
für die Beurteilung von Behandlungsmethoden auf Grund von Röntgen- 
bildern. Man beachte die Frakturlinie, die nicht vor Ablauf von 
4—6 Wochen nach der Knochenheilung zu verschwinden pflegt. Nur 
Röntgenbilder, welche die Frakturlinie noch zeigen, können zur Be- 
urteilung der Resultate einer Behandlungsmethode dienen. Die auf 
späteren Bildern sichtbaren Veränderungen demonstrieren die Natur- 
heilung. Revenstorf (Hamburg). 





21) Lange. Strain-fractures of the knee. 
(Annals of surgery 1908. April.) 

Abrißfrakturen kommen an den Knochen des Kniegelenkes in- 
folge der vielen starken Bänder nicht selten vor. Abgesehen von dem 
durch Spannung des Lig. patellae hervorgerufenen Kniescheibenbruch 
können folgende Zerrungen Rißbrüche an den Kondylen des Gelenkes 
hervorrufen: 1) Hyperextension solche der Kreuzbänder und der seitlichen 
Bänder. 2) Seitliche entweder von innen nach außen oder umgekehrt 
wirkende Zerrung solche der inneren oder äußeren Seitenbandansätze. 
3) Aus- oder einwärts rotierender Zug. Verf. vermochte an der Leiche 
an einem über die Tischkante gewaltsam gestreckten Knie eine Fraktur 


1274 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 


in der Epiphysenlinie des Oberschenkels hervorzurufen. Die Rißbrüche 
werden nach Einführung der Röntgendurchleuchtung häufiger als sonst 
erkannt. | Herhold (Brandenburg). 


22) Tietze. Beiträge zur Kenntnis des Entstehungsmecha- 
nismus und der wirtschaftlichen Folgen von Fersenbein- 
brüchen. 

(Archiv f. Orthopädie, Mechanotherapie u. Unfallchirurgie Bd. IV. Hit. 4.) 

In dieser Arbeit stellt Verf. einen Rißbruch des Fersenbeines, 
wie er in den landläufigen Abhandlungen so häufig beschrieben ist, 
mit anderen Autoren entschieden in Abrede und kann auch den Be- 
fund von isolierten Brüchen seitlicher Fortsätze nicht bestätigen. Es 
lag vielmehr stets ein Kompressionsbruch des Fersenbeines vor, dessen 
Zustandekommen nicht allein auf Rechnung einer Belastung von oben 
zu setzen ist, sondern es spielen auch der Bodendruck, der Band- 
apparat und die Spaltrichtung des Knochens eine entscheidende Rolle. 
Die Bruchform wechselt in hohem Grade je nach der Richtung der 
einwirkenden Gewalt. 

Während früher die wirtschaftlichen Folgen der Fersenbeinbrüche, 
die in den meisten Fällen mit ausgesprochenem Plattfuß, Verdickung 
der Ansatzstelle der Achillessehne, einer Verbreiterung des Fersen- 
beines bei gleichzeitiger Höhenabnahme verheilen, äußerst ungünstig 
hingestellt wurden, hat sich die Statistik dieser Brüche in den letzten 
Jahren bei einer zielbewußten mediko-mechanischen Behandlung doch 
ganz wesentlich gebessert, und die Zahlen von T., die trotz aller 
Mängel und subjektiven Schwächen einer Statistik die wirtschaftlichen 
Folgen der Fersenbeinbrüche in einem ganz anderen Licht erscheinen 
lassen, sprechen eine deutliche Sprache. Hartmann (Kassel). 


23) Lonormant. L'intervention chirurgicale dans les luxations 
irréductibles et anciennes de l'articulation de Lisfranc. 
(Arch. génér. de chirurgie II. 1908. Nr. 6.) 

Im Anschluß an einen selbst beobachteten und genau beschriebenen 
Fall von Verrenkung im Lisfranc’schen Gelenk gibt Verf. eine Über- 
sicht über diese verhältnismäßig seltene Verletzung, von der er ins- 
gesamt 96 Fälle — darunter 50 Totalverrenkungen — aus der Literatur 
zusammenstellt. Bei den totalen und auch partiellen Verrenkungen 
handelt es sich fast durchweg um dorsale Verschiebungen. Die Ver- 
letzung kommt meist durch ein direktes Trauma zustande; in dem 
Falle des Verf.s handelte es sich um eine indirekte Gewalteinwirkung, 
indem dem Verletzten ein Balken auf die Vorderfläche des in Knie 
und Hüfte gebeugten Beines fiel, ohne den auf ebenem Boden stehen- 
den Fuß zu treffen. Des weiteren betont L., daß die Verrenkung 
selten durch einen Bruch kompliziert ist. Für die Therapie kommt 
möglichst baldige Reposition in Frage, zu der Narkose nötig ist. Ver- 
hältnismäßig oft ist auch in Narkose die Reposition unmöglich, indem 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 1275 


Anterpusition von Sehnen oder Knochenpartikeln dieselbe hindert. Die 
blutige Reposition ist in diesen Fällen ohne Schwierigkeit und gibt 
gute Resultate. Bei veralteten Verrenkungen ist infolge Verknöcherung 
des Bandapparates und Veränderungen der Gelenkflächen auch die 
blutige Reposition schwierig, so daß nicht immer gute Resultate erzielt 


werden. Strauss (Nürnberg). 


Kleinere Mitteilungen. 


Die Behandlung von Abszessen. 
Von 


Dionys Hellin in Warschau. 


eit einiger Zeit behandle ich Abszesse mit minimalen Inzisionen ohne 
Tamponade oder Drainage. Sammelt sich wieder Eiter, so soll uns das 
nicht zu größeren Inzisionen verleiten. Vielmehr wird der Eiter, wie bei der 
ersten Inzision, sanft, schmerzlos für den Pat., ausgedrückt, event. die Inzision, 
wenn ihre Ränder verklebt sind, mit Sonde erweitert. In der Regel genügt eine 
einzige Inzision. Vom Ausdrücken des Eiters, das früher so verpönt war, habe ich 
niemals Schaden gesehen. Bier’sche Hyperämisierung wurde dabei in keiner Form 
angewandt. Diese Methode der Behandlung hat den Vorteil vor der bis jetzt üblichen 
(abgesehen von der Bier’schen), daß die Heilungsdauer unvergleichlich abgekürzt 
wird, daß man dem Kranken die mit dem jedesmaligen Einführen von Gazedrains 
verbundenen Schmerzen erspart, und die Narben danach minimal sind. Der Übergang 
von Ausscheidung eitriger Flüssigkeit in serös-eitrige bzw. blutig-seröse vollzieht sich 
hier sehr rasch. Ich habe auch bemerkt, daß Gummidrains viel weniger die Heilung 
verzögern als Gazedrains. Es folgt aus dem Gesagten, daß die günstigen Erfolge 
bei Behandlung von Abszessen nach der Bier’schen Methode vor allem den kleinen 
Schnitten und dem Weglassen von Tampons zu verdanken sind. Man erinnere sich 
nur, wie oft eitrige Gonitiden durch mehrfach wiederholte Punktionen heilen (wobei 
gewöhnlich die rein eitrige Flüssigkeit durch eine Eiter und Synovia, endlich nur 
reine Synovia enthaltende ersetzt wird). Ich bin überzeugt, daß diese Methode sich 
recht bald viele Freunde unter den Arzten, nicht weniger auch unter den Pat. er- 
werben wird. Die Zahl der von mir auf diese Weise hintereinander ohne Auswahl 
behandelten Fälle (eine große Serie von Furunkeln und Karbunkeln nicht mit- 
gerechnet) beträgt 26, darunter: n 
1 Mastitis puerperalis Beide sehr groß, mit multiplen, mitein- 
x ander kommunizierenden Herden, heil- 
1 Mastitis bei einer nicht stillenden { ten nach einer einzigen kleinen, etwa 
Frau 1cm langen Inzision in 11 bzw.12Tagen. 
2 Abszesse des Femur traumatischen Ursprungs 
1 Abszeß des Femur nach Masern (Heilungs- | Jeder Abszeß nahm, der Länge 
dauer 5 Tage) nach, beinahe die Hälfte des 
1 Abszeß des Femur unbekannter (wahrschein- | Femur ein. 
lich tuberkulöser) Natur) 
1 Abszeß des Unterschenkels, auf das Femur hinübergreifend. 
1 großer Abszeß des Vorderarmes nach Panaritium (Heilungsdauer 11 Tage). 
3 Abszesse der Achselhöhle (Heilungsdauer 4—11 Tage). 
1 Abszeß in der Elibogengegend. 
4 Panaritien mit Komplikationen (ca. 11 Tage). 
2 große Abszesse des Gesichtes, 
3 Abszesse des Halses, 
1 Abszeß der Parotisgegend, 


heilten im Laufe von 8—10 Tagen. 
1 Abszeß binter dem Ohr, | 


1276 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 


3 Fälle von Karies des Unterkiefers, die gleichzeitig in Behandlung waren, 
heilten nach Weglassen von Tampons im Laufe von 2 Wochen; vordem wurde 
Tamponade lange Zeit hindurch vergeblich angewendet. Einem von diesen Pat., 
einem 72jährigen Greis, habe ich durch die erweiterte Fistelöffnung Sequester des 
Unterkiefers, etwa 1/53 der linken Unterkieferhälfte entsprechend, extrahiert. 


24) Peltesohn. Beiträge zur operativen Behandlung der Knochen- 


brüche und ihrer Folgen. 
(Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVI. Hft. 3 u. 4.) . 

In ungefähr 15 Jahren wurden in der Körte’schen Abteilung am Urban 
etwa 5000 Frakturen behandelt. Bei einer kritischen Sichtung dieses Materiales, 
die Verf. nach den einzelnen Körperregionen, d.h. Extremitätenabschnitten, vor- 
nimmt, kommt er zu dem Schluß, daß die Ursachen, welche operative Maßnahmen 
bei Knochenbrüchen erfordern, nämlich deforme Heilung und Pseudarthrosen- 
bildung, zu den seltenen Ausnahmen gehören. Nur die suprakondylären Oberarm- 
brüche trotzen in verhältnismäßig größerer Anzahl der Behandlung mit Verbänden. 
Die häufigste Ursache für Pseudarthrosenbildung sind allgemein somatische Stö- 
rungen und lokale Schädigungen durch Muskelinterposition, Verhakungen, Gelenk- 
brüche usw. Außerdem ist bei komplizierten Brüchen leicht eine Verzögerung der 
Knochenkonsolidation möglich, da die Sorge für Erhaltung des Lebens meist in 
den Vordergrund tritt und infolgedessen die Maßnahmen für zweckmäßige Stellung 
der Fragmente nicht immer anwendbar sind. Die einzelnen Maßregeln, die zur 
Fixation der Bruchenden dienen können, finden eingehende Besprechung, besonders 
die Drahtnaht, die Verwendung des Stiftes und die perkutane Nagelung, die Ver- 
einigung der Knochen mit und ohne Anfrischung. Für komplizierte Brüche wird 
die Naht so lange als erlaubt angesehen, als sie nicht die Übersicht und den Zu- 
gang zum Blut sowie den Abfluß der Sekrete hindert. Wenn man einmal operativ 
vorgeht, so soll man auf ein gutes anatomisches Resultat hinzielen, da nur dadurch 
Mißerfolge vermieden werden, namentlich bei den artikulären und paraartikulären 
Frakturen. Die Fixation ist durchaus erforderlich, weil ohne sie die Fragmente 
oft wieder auseinandertreten, und weil nur bei genügender Befestigung der Knochen- 
enden aneinander frühzeitige Bewegung eingeleitet werden kann. Die Indikation 
zum operativen Eingriff wurde bei deformer Heilung erst dann als gegeben ange- 
sehen, wenn durch sie Funktionsstörungen hervorgerufen worden waren. Bei Pseud- 
arthrosen dagegen wurde operiert, wenn der Zustand schon ein langdauernder war und 
einfache Mittel schon angewendet worden waren, bzw. wenn das Röntgenbild eine 
lokale Ursache, wie Dislokation der Fragmente oder Muskelinterposition, erwies. 
Bei Verzögerung der Konsolidation soll man unter den heutigen Verhältnissen 
überhaupt nicht zu lange warten, da die endgültige Verknöcherung sich um so 
länger hinausschiebt, je später man operiert. Bezüglich des primären operativen 
Eingriffes steht Körte auf dem Standpunkte, daß er nur in Ausnahmefällen ge- 
rechtfertigt ist, da die Infektionsgefahr selbst bei bester Asepsis keine geringe ist, 
und es noch zweifelhaft erscheinen muß, ob die Heilresultate besser sind und die 
Behandlungsdauer kürzer ist als bei nicht operativer Therapie. 

E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


25) A. v. Khautz jun. Über angiomatöse Muskelschwielen. (Aus der 
zweiten chirurgischen Abteilung der Rudolf-Stiftung.) 
(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Nr. 3.) 

Mitteilung zweier Fälle, bei welchen klinisch und grobonatomisch der Schwielen- 
charakter im Vordergrunde stand, weshalb Verf. obigen Namen wählte. Beide 
machten erst nach einem Trauma Erscheinungen und wurden durch Exstirpation 
geheilt. Histologisch lagen im ersten Falle eine gefäßreiche Muskelschwiele, im 
zweiten von Schwielengewebe umgebene typische Kavernomherde vor. 

Benner (Breslau). 


Zentralblatt für Cihrurgie. Nr. 43. 1277 


26) H. Lorenz. Über eine eigenartige Form von Myositis fibrosa 
progrediens. 
(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Nr. 14.) 


Ein 31jähriger Tagelöhner hatte vor 11 Jahren im Anschluß an Erkältung 
und Fieber eine Schwellung im Nacken — angeblich Furunkel — bekommen, die 
nach Eiterdurchbruch heilte. Es bildete sich aber eine zunehmende Steifheit des 
Nackens, derentwegen Pat. 3 Jahte später schon einmal in der Grazer Klinik war. 
Aus einem — histologisch nicht untersuchten — probeexzidierten grau erscheinenden 
Stückchen eines Nackenmuskels wurde damals die Diagnose auf Myositis cervicalis 
gestellt. Wegen weiterer Verschlimmerung kam Pat. 8 Jahre später wieder in die 
Klinik. Damals bestand eine über einen größeren Teil der Skelettmuskulatur 
ausgebreitete symmetrische Muskelveränderung, teils Atrophie, teils Hypertrophie, 
ohne Störungen des Nervensystems. Da die Stellung des Kopfes am meisten 
störte, wurden die Kopfnicker durchtrennt, mit nur geringem Erfolge. Das histo- 
logische Bild zeigte sehnige Bindegewebslängsbündel, dazwischen noch erhaltene 
Muskelfasern mit auffallender Kernvermehrung. 

Alles in allem scheint dem Verf. das Krankheitsbild weder auf die progressive 
Dystrophie noch auf spastische Kontraktur infolge Accessoriusreizung durch Spon- 
dylitis und nachfolgende fibröse Degeneration gut zu passen. Er denkt daher an 
eine angeborene Prädisposition zu Muskelerkrankung, kombiniert mit Spondylitis, 
vielleicht gleichzeitiger Accessoriusreizung. Renner (Breslau). 


27) Porcile., Di un caso di angiomi muscolari multiple. 
(Policlinico, sez. chir. XV, 7. 1908.) 


Bei einem 1i1jährigen Mädchen entwickelte sich im Anschluß an einen Fall 
auf die Schulter eine fluktuierende Geschwulst, die zunächst als Abszeß gedeutet 
wurde. Die Untersuehung ergab eine Geschwulst, welche die Fossa infraspinata 
des Schulterblattes ausfüllte und von teilweise normaler Haut bedeckt war. Teil- 
weise fanden sich auch in der bedeckenden und umgebenden Haut zahlreiche Ven- 
ektasien. Des weiteren fand sich eine walnußgroße Geschwulst im Bereiche des 
Triceps des Oberarmes und ein haselnußgroßer Knoten im Supinator longus des 
Vorderarmes. Die drei Geschwülste ließen sich ohne Schwierigkeiten entfernen, 
da sie, besonders die letzterwähnte, von dem umgebenden Muskelgewebe ziemlich 
gut abgegrenzt waren. Die pathologisch-anatomische Untersuchung ergab Muskel- 
angiome von venösem bzw. arteriellem Typus. Beachtenswert erscheint, daß die 
eine Geschwulst deutlich lipomatösen Charakter zeigte; weiterhin betont der Verf. 
die Verdickung der Gefäßwand, die Hyperplasie des Bindegewebes und die Atrophie 
der Muskelfasern, die zum Teil Segmentation und Fettdegeneration zeigten. 

Eine Übersicht über Genese, Vorkommen, Symptomatologie, Therapie und 
Prognose der Muskelangiome ergänzt die Arbeit. Die Prognose der Geschwülste 
dürfte von dem Autor wohl zu günstig beurteilt werden, da vielfach die wuchern- 
den Angiome durch die Muskelzerstörungen schwere funktionelle Schädigungen 
bedingen. (Der Ref.) Strauss (Nürnberg). 


28) H, Spitey. Zur Frage der Behandlung von Lähmungen mittels 
Nervenplastik, (Aus der chirurgisch-orthopädischen Abteilung der 
Universitäts-Kinderklinik in Graz.) 

(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 27.) 


S. berichtet z. T. in genaueren Krankengeschichten über eine ziemlich große Zahl 
von Nervenplastiken an den Extremitätennerven, die wegen Lähmung verschiedener 
Atiologie entweder durch Einpflanzung des peripheren Teiles in einen in der Nähe 
befindlichen gesunden Nerven (periphere Implantation) oder durch Verbindung des 
ganzen oder eines Teiles des zentralen Stumpfes eines gesunden Nerven mit dem 
in situ gelassenen gelähmten (zentrale Implantation) operativ angegriffen wurden. 
Die meisten Plastiken betrafen den gelähmten Peroneus, der mit dem unversehrten 


1278 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 


N. tibialis vereinigt wurde, und ergaben mit beiden Methoden gute Resultate. 
Auch die bei Lähmungen des N. tibialis 'ausgeführten Einpflanzungen waren von 
günstigem Erfolge, wenn die Kraft des Ersatznerven durch die Lähmung nicht 
gelitten hatte. Dagegen war bisher das Resultat der am gelähmten Obturatorius 
vorgenommenen Plastiken (Einpflanzung in den N. cruralis) wohl wegen des Miß- 
verhältnisses der beiden Nervenquerschnitte nicht befriedigend. 

Ein ausgezeichnetes Feld für Nervenplastiken boten die Lähmungen der oberen 
Extremität, bei denen, wenn sie zentraler Natur bind, immer eine partielle zentrale 
Einpflanzung eines benachbarten Nerven in den gelähmten vorzuziehen ist. So 
war bei Einpflanzung des N. medianus in den gelähmten N. radialis der Erfolg 
in mehreren Fällen ein vollkommener. — S. beschreibt sodann noch genauer die 
Technik und erwähnt, daß er zur Isolierung und zum Schutze vor dem Erdrücken 
und Durchwachsen der Nahtstelle durch Narbengewebe der Umgebung die Naht- 
stellen mit in Formalin gehärteten Hundearterien umhüllt und damit gute Erfolge 
erzielt hat. Die anfänglich auftretenden Ausfallserscheinungen im Gebiete des 
kraftspendenden Nerven schwinden bei teilweisen, nicht zu weit gehenden Abspal- 
tungen wieder. Auch die Zuckungen in dem einen Muskelgebiete bei Innervierung 
des anderen wurden von den Pat. bald durch Selbstregulierung zu überwinden 
gelernt. Kramer (Glogau). 


29) Taylor. Nerve-bridging. 
(Journ. of the amer. med. assoc. Vol. L. Nr. 13.) 

Infolge von Anwendung von Kunsthilfe bei der Geburt hatte die zur Zeit 
der Operation 1 Jahr alte Pat. eine totale Lähmung des linken Armes. 

Der Plexus brachialis wurde in großer Ausdehnung freigelegt. Die tiefe 
Halsfascie war mit dem ganz narbig veränderten Plexus eng verwachsen. Die 
Fascie wurde abgetrennt, der Plexus, soweit er narbig war, en masse reseziert, 
die Wurzeln des Plexus bis zu den Intervertebrallöchern verfolgt. Die beiden 
Schnittflächen der einzelnen Nervenenden, die nach der Resektion nur bis 2 cm 
einander genähert werden konnten, wurden durch Chromcatgutfäden verbunden 
und das Ganze von Cargilemembran umgeben. Nach etwa 8 Monaten zeigten sich 
die ersten Anfänge von Bewegung; allmähliche Besserung, nach 28!1/, Monaten 
vollkommene Sensibilität, nach 341/, Monaten dauernder Gebrauch des Armes beim 
Spielen, Essen usw. W. v. Brunn (Rostock). 


30) K. Osterhans. Nerve anastomosis in infantile paralysis. 
(New York med. record 1908. Juli 11.) 

O. betont, daß ein großer Teil der Deformitäten nach Kinderlähmungen durch 
frühzeitige Behandlung der akuten Stadien der Krankheit verhindert werden kann; 
namentlich kommt Fixation des Gliedes in richtiger Lage nach Abklingen der 
akuten Symptome in Betracht, während später die bekannten Operationen not- 
wendig werden. 

Mit ganz besonderem Vorteil hat auch Verf. von Nervenanastomosen Gebrauch 
gemacht und publiziert die Krankengeschichte eines 10jährigen Knaben mit rechts- 
seitigem Talipes equinovarus, bei dem die Lähmung der Peronei durch End-zu-End- 
Vereinigungen eines zentralen Bündels aus dem N. popliteus int. mit einem peri- 
pheren Bündel aus dem N. popliteus ext. und umgekehrt erfolgreich behandelt 
wurde. Gleichzeitig wurde der M. tibialis ant., die Achillessehne und die Plantar- 
fascie subkutan durchtrennt. 

Massage und Elektrizität vervollständigten die Heilung. 

Loewenhardt (Breslau). 


31) Lop. Appareil pratique pour donner en même temps le chloro- 
forme et l'oxygène. 
(Presse méd. 1907. Nr. 94.) 
Rings um den unteren dem Gesicht aufliegenden Rand einer Chloroformmaske 
läuft eine Röhre, die mit mehreren nach dem Innern der Maske zu mündenden 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 1279 


Öffnungen versehen ist. Durch Anschluß dieser Röhre an einen Behälter mit 
Sauerstoff wird letzterer zugeleitet, während das Ohloroform von außen auf die 





Maske getropft wird. Der Apparat kann leicht von jedem Instrumentenmacher 
hergestellt werden. Fehre (Dresden). 


32) Dönitz. Über Verwendung von Gummi als Zusatz zum Anästhe- 
tikum bei Lumbalanästhesie. (Aus der chirurgischen Universitätsklinik 
zu Berlin. Prof. Bier.) 

(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 32.) 


D. berichtet über den in bezug auf zu kurze Dauer der Anästhesie und aut 
den Eintritt der eitrigen Meningitis höchst unglücklichen Verlauf des von Er- 
hardt während des letzten Deutschen Chirurgenkongresses unter Gummianästhesie 
operierten Fall und weist die Behauptung, daß die Auskochung der Spritzen usw. 
in Sodalösung die Schuld getragen, energisch zurück, da die Spritzen usw. mit 
steriler Kochsalzlösung nach dem Kochen sorgfältig ausgespritzt worden waren. 
Auch in einer von Klapp ausgeführten Lumbalanästhesie mit Gelatine-Kokain- 
lösung trat eine aseptische Meningitis auf, wie sie auch von Erhardt in einem 
weiteren Falle beobachtet worden ist. In beiden Fällen Erhardt’s war die In- 
kongruenz zwischen Puls (langsam, voll) und Temperatur (erhöht) auffällig. 

In einem Nachwort bleibt Erhardt bei seiner Behauptung von der Schäd- 
lichkeit der Soda und beruft sich auf seine mit der Gummianästhesie gemachten 
Erfahrungen. Kramer (Glogau). 


33) E. Holzbach. Der Wert der Rückenmarksanästhesie für die 
gynäkologischen Bauchoperationen. (Aus der Tübinger Universitäts- 
Frauenklinik. Prof. Dr. Sellheim.) 

(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 28.) 


Für die Technik der Lumbalanästhesie verlangt H., die Punktionsspritze mit 
einem Gummischlauch zu armieren, damit jede Verschiebung der Nadel während 
der Injektion vermieden werde, dem Präparat Suprarenin erst im Moment der Be- 
nutzung zuzusetzen und nach beendeter Injektion jeden Lagewechsel der Pat. lang- 
sam vorzunehmen. In bezug auf den Wert der Lumbalanästhesie äußert er sich 
auf Grund der zahlreichen Erfahrungen, besonders aus der Sellheim’schen 
Klinik, dahin, daß die Methode bei aufmerksamer Handhabung der Inhalations- 
narkose in vielen Punkten so wesentlich überlegen ist, daß die jetzt ihr noch an- 
haftenden Unbequemlichkeiten gern dafür in Kauf zu nehmen seien. Unter den 
letzten 250 von im ganzen 1000 Fällen wurden nur in 9 ein völliges Versagen der 


1280 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 


Anästhesie, in 7 ein unbefriedigender, durch Würgen und Brechen gestörter Ver- 
lauf, in 41 ein Nichtausreichen der Anästhesie, die durch die Inhalstionsnarkose 
ergänzt werden mußte, verzeichnet. An Nacherscheinungen wurden in 3 Fällen 
eigenartige trophische Störungen (Infiltrat und Nekrose in der Glutäalgegend), in 
einigen anderen Blasenbildung im Gebiete des M. peroneus bzw. an einem Finger, 
in der Hälfte der Fälle eine transitorische Albuminurie (nach Stovainisierung ins 
Rückenmark) beobachtet. Heftige Kopf- und Nackenschmerzen der Operierten 
kommen Dank der verbesserten Technik nicht mehr vor. — Erwähnt sei noch, 
daß, um die Pat. während der Operation unter Lumbalanästhesie in ein schläfriges 
Stadium zu versetzen, kleine Dosen von Skopolamin-Morphin vorher gegeben wurden. 
Kramer (Glogau). 


34) P. Courmont et A. Cade. Maladie de Recklinghausen et tumeur 
du cervelet. 
(Lyon méd. 1908. Nr. 27.) 

Bei einer 28jährigen Frau mit Recklinghausen’scher Krankheit traten 
17 Jahre nach Feststellung der ersten Geschwulst deutliche Zeichen einer Klein- 
hirngeschwulst auf (Hinterhauptskopfschmerz, ausgesprochene Gleichgewichtsstö- 
rungen. doppelseitige Stauungepapille, zerebrales Erbrechen). Da der Sitz der Ge- 
schwulst, ob rechts oder links, nicht mit Sicherheit diagnostiziert werden konnte, 
wurde von einem operativen Eingriff abgesehen, und die Kranke ging unter ge- 
häuften epileptiformen Krämpfen zugrunde. Bei der Sektion fand sich neben dem 
für Recklinghausen’sche Krankheit typischen Befund ein Sarkom der rechten 
Kleinhirnhemisphäre. Verff. erörtern die Beziehungen zwischen der Neurofibro- 
matose und der Kleinhirngeschwulst; sie kommen zu der Ansicht, daß es sich um 
eine bösartige Generalisation der Grundkrankheit auf das Gehirn handelte. Der- 
artige Fälle sind nur einigemal bisher beschrieben worden. 

Boerner (Rastatt). 


35) De Renzi. Nuove applicazioni curative. Cisticerco cerebrale ed 
echinococco del fegato. 
(Nuova revista clinico-terapeutica 1908, Nr. 6.) 

Ausführlicher Bericht über zwei Fälle von Echinokokkeninvasion. In einem 
Falle fand sich bei einem 38jährigen Manne neben zahlreichen Hautechinokokken 
das klassische Bild eines Gehirncysticercus, das monatelang bestand. In dem anderen 
Falle waren die Erscheinungen eines Leberechinokokkus deutlich. In beiden Fällen 
ergab die Blutuntersuchung eine auffallende Eosinphilie, die R. auf die Anwesen- 
heit der Echinokokkuscysten zurückführt. Von besonderer Bedeutung erscheinen 
die Erfolge der eingeschlagenen Therapie. Durch innerliche Darreichung von 
Extractum filicis mar., über dessen Verwendung leider keine exakten Angaben 
gemacht werden, gelang es, die Hautechinokokken und die Symptome des Gehirn- 
cysticercus zum Verschwinden zu bringen, so daß in den 2 der Kur folgenden 
Jahren keine Störung beobachtet werden konnte. Bei dem Leberechinokokkus 
verschwand Eosinophilie und Leberschwellung im Laufe von 20 Tagen. R. emp- 
fiehlt daher auf Grund dieser und weniger analoger Fälle den ätherischen Extrakt 
des Filix mas. zur Behandlung der Echinokokken. Strauss (Nürnberg). 


36) Anton und v. Bramann (Halle a. 8... Balkenstich bei Hydro- 
cephalien, Tumoren und bei Epilepsie. 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 32.) 

Die Ursachen und Wirkungen der vermehrten Flüssigkeitsansammlung in den 
Gehirnhöhlen des Näheren besprechend und die geringen, weil zu kurzdauernden 
Erfolge der Ventrikel- und Lumbalpunktionen hervorhebend, machen Verff. den 
Vorschlag, eine freie Kommunikation der Ventrikelflüssigkeit mit dem Subdural- 
raum des Gehirns und Rückenmarks, wie sie für die ungestörte Ernährung und 
für die gleichmäßige Funktion der Nervenkomplexe des Gehirns notwendig ist, 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 1281 


durch operative Öffnung des Balkens so herzustellen, daß dieser neue Weg dau- 
ernd erhalten bleibt. Zu diesem Zweck soll von einer kleinen Trepanations- oder 
Bohrlochöffnung aus seitlich der Mittellinie in der Querebene der rechten präzen- 
tralen Furche mit einer, an der Falx entlang geführten, gebogenen Kanüle mit 
stumpfer Spitze, — um die Balkenarterie nicht zu verletzen —, der Stich und die 
Erweiterung desselben gemacht werden. Vier sehr eingehend mitgeteilte Kranken- 
geschichten von drei Fällen von Hydrocephalus internus und ein Fall von Menin- 
gitis serosa, in denen in der angegebenen Weise vorgegangen und nach der Er- 
öffnung des Balkens mit Entleerung von Liquor die Dura wieder genäht, der 
Haut-Knochenlappen zurückgeschlagen und die Kopfwunde geschlossen worden 
war, beweisen, daß die Operation gut durchführbar, von den Pat. ohne Nachteil 
ertragen und von subjektiver und objektiver Besserung der Hirndruckerscheinungen 
gefolgt war. 

Verff. empfehlen den Balkenstich bei Hydrocephalus, bei Geschwülsten mit 
Hydrocephalus und Stauungsneuritis (Fall 3), bei Hypertrophie des Gehirns von 
Epileptikern und »Pseudotumoren«, d. h. den anderen mit Raumbeengung des 
Gehirns einhergehenden Erkrankungen (Meningitis serosa usw.). 

Kramer (Glogau!. 


37) M. Hajek. Ein Beitrag zur Kenntnis des dentalen Empyems der: 
Kieferhöhle auf Grund meiner Beobachtungen der letzten 10 Jahre. 
(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Nr. 16.) 

Verf. ist zwar mit der Mehrzahl der Rhinologen der Ansicht, daß die meisten 
Kieferhöblenempyeme nasalen Ursprunges sind, zeigt aber an instruktiven Fällen, 
daß die dentalen viel häufiger sind, als man annimmt. Er fand unter 250 Empyemen 
20 dentale. Die von ihm mitgeteilten Fälle erläutern sehr gut, wie schwer es oft 
ist, den dentalen Ursprung zu erkennen, und er selbst ist sicher, noch viele Fälle 
übersehen zu haben. Die Röntgenuntersuchung wird häufig Aufschluß geben 
können. H. teilt die Formen des dentalen Empyems ein in solche bei akut und 
solche bei chronisch entzündlichen Veränderungen der Zahnwurzel und der Alveolar- 
umgebung. Manchmal ist weder ein Wurzelabszeß, noch ein Granulom, noch ein 
breiter Durchbruch vorhanden, und man muß dann annehmen, daß die putriden 
Stoffe der Pulpa durch die Wurzelspitze die Kieferhöhle erreicht haben. Auch 
hinter gut sitzenden Füllungen finden sich manchmal eitergefüllte Wurzelkanäle. 
Literatur. Benner (Breslau). 


38) E. Kellner. Beitrag zur Klinik der mit Knochennekrose einher- 
gehenden Kieferhöhleneiterungen. 
(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Nr. 16.) 

Knochennekrose kann entweder durch Übergreifen der Entzündung von der 
Schleimhaut der Kieferhöhle auf Periost und Knochen entstehen, oder bei Osteo- 
myelitis des Oberkiefers, oder fortgeleitet vom Alveolarfortsatze. Die mediale und 
die faciale Wand werden von der Nekrose bzw. Perforation bevorzugt. Verf. 
bringt acht Fälle. Alle wurden durch breite Eröffnung nach Luc-Caldwell 
vollkommen und dauernd geheilt. Renner (Breslau). 


39) O. Kahler. Zur Frage der Genese der Cholesteatome der Neben- 
höhlen. 
(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Nr. 16.) 

Daß neben der sekundären, meist durch Eiterung bedingten Entstehung von 
Nebenhöblencholesteatomen auch eine primäre, epidermoidale vorkommt, zeigt 
Verf. an einem von ihm operierten Falle von Cholesteatom des Stirnbeines. Neben 
der Stirnhöhle, die keinen pathologischen Inhalt, nur mikroskopisch chronisch ent- 
zündliche Schleimhaut aufwies, fand sich eine 6: 5:3 cm große, mit gelber Flüssig- 
keit und rötlich grauen krümligen Massen gefüllte Höhle, an einigen Stellen mit 
geschichtetem Pflasterepithel ausgekleidet. Eine Entstehung aus einem abgeschlos- 


1282 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 


senen Teile der Stirnhöhle oder einer verlagerten Siebbeinzelle glaubt Verf. aus- 
schließen zu können. Außerdem soll der Befund von elastischen Fasern in der 
Wand für die epidermoidale Entstehung sprechen. 

Acht Fälle von echten Stirn- und Kisferhöblencholestaktoinen werden angeführt. 
Literatur. Renner (Breslau). 


40) Barret and Orr. Two cases of epistaxis, in which ligation of 
external carotid artery became necessary. 
(Intercol. med. journ. of Australasia 1908. Juni 20.) 


Zwei Fälle von Nasenbluten, das schließlich, nachdem alle anderen Mittel 
ohne nachhaltigen Erfolg geblieben waren, die Unterbindung der Carotis ext. not- 
wendig machte, worauf die Blutung prompt stand. Es handelte sich um jüngere 
Männer ohne nachweisbare Hämophilie oder sonstige in Betracht kommende Er- 
krankungen, bei denen die Blutung nach Entfernung eines Nasenpolypen, bzw. 
Kauterisation vergrößerter Nasenmuscheln ohne besondere Gelegenheitsursache 
einige Tage nach der Operation einsetzte. Wahrscheinlich handelte es sich in 
beiden Fällen um Ulzeration der Blutgefäße. Mohr (Bielefeld). 


41) Alessandri. Contributo alla chirurgia conservativa delle ossa e 
delle articolazioni. 
(Bull. della R. accad. med. di Roma Anno XXXII. p. 371—397.) 


In diesem lesenswerten Artikel berichtet A. über seine Erfahrungen aus dem 
Kapitel der Extremitätenchirurgie. Zunächst handelt er die Tuberkulose ab. Er 
geht hierbei in seinen konservativen Bestrebungen sehr weit, kann aber trotzdem 
von ausgezeichneten Erfolgen sprechen. Unkomplizierte Fälle (33 Kranken- 
geschichten) behandelt er mit Injektionen von 1%iger Jod-Jodkalilösung nach Du - 
rante (cf. dieses Zentralblatt 1906 p. 38) in den Krankheitsherd sowohl wie allge- 
mein (in Nates oder Bauchwand), eine Behandlung, die sich besonders für reine 
Knochenherde eignet. Dabei wendet er die üblichen Kontentivverbände an. Fort- 
geschrittene Fälle (ebenfalls 33 Krankengeschichten) reseziert er und hat auf diese 
Weise, besonders am Fuß, selbst verzweifelte Fälle geheilt. Auch bei Geschwülsten, 
sei es myelogenen oder periostalen Sarkomen, geht er konservativ mit Resektion vor. 
Alsdann berichtet A. über einige Fälle von Frakturen, weiterhin über fünf Pseud- 
arthrosen, zum Teil mit starker Dislokation, die er durch Knochennaht zur Hei- 
lung gebracht, zum Teil mit Resektion der Fragmente. A. Most (Breslau). 


42) W. A. Oppel. Die operative Behandlung der Folgen von par- 
tiellen Schußverletzungen peripherer Nervenstämme. 
(Russ. Archiv f. Chirurgie 1908. [Russisch.)) 


Auf Grund deutscher (Henle), japanischer und russischer (zum Teil persön- 
licher) Erfahrungen bespricht O. die operativen Maßnahmen und redet besonders 
der Neurolyse das Wort. Er betont, wie wichtig es ist, dem aus fibröser oder 
knöcherner Haft befreiten Nerven ein neues Bett zu schaffen, das ihn gegen wieder- 
holte narbige Umstrickung schützt. 


Beachtenswert — wie O. mit Recht hervorhebt — ist der folgende Fall. Wegen 


unerträglicher Beschwerden mußte O. aus einem N. medianus 4 cm resezieren. 
Sowohl den zentralen als auch den peripheren Medianusstumpf implantierte er 
seitlich dem N. ulnuris. Unmittelbar nach der Operation konnte Pat. die Finger 
bewegen! Nach einigen Monaten stellte sich eine Neuritis des Ulnaris ein, die O. 
dazu zwang, den Medianus wieder abzutrennen; dabei wurde das zentrale Medianus- 
ende noch um 10 cm gekürzt. Auch nach dieser Operation keine Motilitäts- 
störungen! Es ist also erwiesen, daß höher hinauf Anastomosen motorischer 
Nerven vorhanden gewesen sein müssen, an deren Vorhandensein wir noch nicht 
genügend gewöhnt sind. V. E. Mertens (Kiel). 


Mn nn Er Be nn, a EEE in aa: 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 1283 


43) Anglada. Luxations doubles simultandes scapulo-humerales. 
(Arch. internat. de chir. 1908. II, 6.) 

Eine 5öjährige, fettleibige Frau fiel bei einem Sturze von der Treppe auf beide 
vorgestreckte Hände, wodurch es zu einer doppelseitigen symmetrischen Oberarm- 
verrenkung kam, die sich in Narkose leicht reponieren ließ. Die kasuistische Be- 
sonderheit des Falles veranlaßte den Verf.,, eine Zusammenstellung der bisher in 
der Literatur bekannten Tatsachen über die verhältnismäßig seltenen doppelseitigen 
Verrenkungen zu versuchen und durch ausführliche Literaturangaben zu ergänzen. 

Strauss (Nürnberg). 


44) Bovero. Di alcune modalità poco note del »processus supra- 


condyloideus humeri internus«. 
(Giorn. della R. accad. di med. di Torino Anno LXXIJ, 6.) 

Nach einer kurzen Zusammenstellung der bisher beobachteten und beschriebenen 
Varietäten des Processus supracondyloideus humeri bringt Verf. die ausführliche 
Beschreibung von zwei weiteren Varietäten, die er im Laufe einer 32 Fälle um- 
fassenden Arbeit fand. Die Darstellung der Besonderheiten der Fälle würde den 
Rahmen eines Referates überschreiten. 

Ausführliche Literaturangaben ergänzen die Arbeit. Strauss (Nürnberg). 


45) F. Villars et P. Canaguier. Sur un cas de lipome intra-muscu- 
laire du brachial antérieur. 
(Journ. de méd. de Bordeaux 1908. Nr. 33.) 

Intramuskuläre Lipome sind bisher nur selten beschrieben worden. Ihre Dia- 
gnose kann große Schwierigkeiten bieten, ganz besonders die Differentialdiagnose 
gegen kalten Abszeß und Sarkom; Fluktuation, Veränderungen der Haut, Drüsen- 
schwellungen, Tuberkulose anderer Organe werden für Abszeß, rapides Wachstum 
und ungleichmößige Konsistenz für Sarkom sprechen. Verff. beobachteten ein 
Lipom des linken M. brachial. int., welches durch seinen seltenen Sitz, sein schnelles 
Wachstum im Anschluß an ein Trauma und seine Größe (Umfang 25 cm) ganz be- 
sonders bemerkenswert ist. Boerner (Rastatt). 


46) Thon. Volare, mit typischer Radiusfraktur komplizierte Ulna- 
luxation. — Ulnarislähmung. (Aus der chirurgischen Universitätsklinik 
zu Gießen. Prof. Poppert.) 

(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 29.) 

Pat. war zu Fall gekommen, wobei er auf dem Terrazzoboden mit beiden Füßen 
gleichzeitig nach vorn rutschte und nach hinten auf die rückwärts ausgestreckte, 
stark dorsalflektierte linke Hand fiel; als er schon zu Boden lag, rutschte er infolge 
des Schwunges noch ein wenig weiter nach vorwärts, so daß die linke Hand zum 
zweiten Male noch stärker dorsalflektiert wurde. Hierbei war, nachdem vorher 
der typische Radiusbruch entstanden, ermöglicht durch ein volares Ausweichen des 
Ulnaköpfchens, eine hochgradige dorsale und proximale Verschiebung des distalen 
Radiusfragmentes eingetreten. Obwohl die trotz mehrfacher Frakturierung des 
letzteren gelungene Einrichtung bald vorgenommen worden, war doch, wohl durch 
eine Quetschung gegen das weit nach unten herausgetretene Ulnaköpfchen, eine 
Lähmung des M. ulnaris erfolgt, die nicht mehr behoben werden konnte. 

Kramer (Glogau). 


47) Waechter. Arrest of growth at the lower end of the radius 
after separation of its epiphysis. 
(Annals of surgery 1908. Juli.) 
Ein 11jähriges Kind erlitt durch Fall einen Epiphysenbruch am unteren Ende 
des linken Radius. 2 Jahre nach der im übrigen guten funktionellen Heilung be- 
merkten die Eltern, daß die Beweglichkeit im Handgelenk abnahm, und daß die 


1284 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 


Hand schief stand. W. konstatierte eine ulnare Abduktionsstellungjder Hand, die, 
wie das Röntgenbild nachwies, durch ein verschiedenes Wachstum der beiden 
Unterarmknochen bedingt war. Das untere Ende des Radius war im! Längen- 
wachstum infolge der verknöcherten Epiphysenlinie zurückgeblieben. Die ver- 
knöcherte, mit Zerstörung des Gelenkknorpels einhergehende Verknöcherung der 
Epipbysenlinie war eine Folge des erlittenen Bruches. 

Herhold (Brandenburg). 


48) R. Guzzi (Mailand). Caso singolare di edema traumatico alla 
mano destra. 
(Clinica chirurgica 1907. Nr. 9.) 

G. bringt einen ungewöhnlichen Fall von hartem Ödem der rechten Hand im 
Anschluß an ein Trauma zur Kenntnis: Ein 20jähriger Bauer geriet vor 6 Jahren 
mit dem rechten Zeigefinger in ein Zahnradgetriebe und verlor die zweite und 
dritte Phalanx, worauf nach einigen Tagen auch die Grundphalanx exartikuliert 
wurde. Monatelang blieben Unempfindlichkeit und Schwäche im ganzen Arm zurück. 
Gleich nach Wiederaufnahme der Arbeit stellte sich ein bedeutendes Ödem der 
Hand mit unerträglichen Schmerzen ein, die erst nach absoluter Ruhe und Massage 
nach mehreren Monaten schwanden. Diesen wechselnden Zustand ertrug Pat. durch 
4 Jahre, bis sich das Odem mit den argen Schmerzen, besonders entsprechend dem 
zweiten Metacarpus, dauernd erhielt und jeder Behandlung widerstand. Es wurde 
ein Teil des Metacarpus reseziert; das Odem und die Schmerzen schwanden rasch, 
und Pat. konnte 1!/2 Jahr lang alle Arbeiten verrichten. Da stieß er die Dorsal- 
seite der Hand heftig an eine Mauer an; am nächsten Tage waren Schmerzen und 
Ödem wiedergekehrt und erreichten in wenigen Tagen enorme Dimensionen. Nun 
wurde der Rest des zweiten Metacarpus reseziert. Unter Lichtbädern und Massage 
schwanden alle Erscheinungen innerhalb weniger Wochen, so daß wieder ein Jahr 
lang verhältnismäßiges Wohlbefinden blieb, einzelne Intervalle mit Ödem und 
Schmerzen abgerechnet. Allmählich kehrten beide ungemein heftig wieder. Die 
Schmerzen wurden nun als konstante, zeitweilig bis in die Schulter ausstrahlende 
angegeben, die jede Berührung und Bewegung der Hand unmöglich machten. Das 
Ödem betrifft gleichmäßig die ganze Hand, von der Radiocarpalfuge angefangen, 
bei normaler Hautfarbe und Temperatur. Die Haut ist trocken, die Nägel sind 
normal. Die Schwellung ist kaum eindrückbar, die entstandene Delle verschwindet 
sofort, die Konsistenz ist eher elastisch zu nennen. Druck enorm schmerzhaft. 
Pulsqualitäten der Radiales gleich. Reflexe rechts gesteigert. Fingerbeweglich- 
keit durch das Ödem behindert und schmerzhaft. Druck auf die Nervenstämme 
und Muskeln des rechten Armes sehr schmerzhaft. Die taktile Empfindlichkeit ist 
wesentlich herabgesetzt am ganzen Unterarm und an der Hand. Die elektrische 
Untersuchung ergibt keinen Unterschied. — Lichtbäder, Massage, sowie Extensio- 
nen des Armes im Rossi-Schede’schen Rahmen ließen das Odem noch einmal 
völlig verschwinden. Aber nach 3 Monaten wieder der alte Zustand; außerdem war 
die Haut cyanotisch, glänzend. Thiosinamin hatte keinerlei Wirkung. Nun.wurde 
ein Versuch mit blutiger Dehnung der drei Nervenstämme gemacht. Nach wenigen 
Stunden war das Odem verschwunden, die entsetzlichen Schmerzen blieben. Nach 
26 Tagen wurde wegen des neuerlichen Odems eine zweite blutige Dehnung aus- 
geführt. Diesmal schwanden beide Erscheinungen für 6 Tage; eine dritte Deh- 
nung des Ulnaris und Radialis wurde mit einer Resektion im Medianus verbunden, 
dessen Gebiet die ärgsten Schmerzen anzugehören schienen. Mit dem neuerlichen 
Zurückgehen des Ödems hatte sich aber diesmal eine progressive Unterempfind- 
lichkeit des ganzen Armes eingestellt, die vom Ellbogen abwärts in vollständige 
Anästhesie überging. Dabei Entartungsreaktion im Medianus- und Ulnarisgebiet. 
Nach wenigen Wochen mußte wegen des kolossalen Ödems, der blassen, glänzend 
gespannten Haut mit Dehnungsgeschwüren am Handrücken und Vorderarm und 
vor allem wegen der unerträglichen kontinuierlichen Schmerzen zur Amputation 
im mittleren Drittel des Oberarmes geschritten werden. — G. will die Differential- 
diagnose zwischen neurotrophischem (neuritischem), hysterischem, syringomyelitischem 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 1285 


und »traumatischem« Ödem dahin entscheiden, daß es sich um ein »traumatisches« 

Ödemjan einem hysterischen Subjekt gehandelt hat. — G. macht schließlich auf 

dielganz auffallende Wirkung der blutigen Dehnung auf das Ödem aufmerksam, 

die vielleicht in echten neurotrophischen Fällen mit Erfolg versucht werden könnte. 
J. Sternberg (Wien). 


49) P. Bull. Luxatio dorsalis ossis magni carpi. 
(Norsk mag. for. laegevid. 1908. Nr. 8.) 


Bemerkenswerter Fall von dorsaler Verrenkung des Kopfbeins ohne Fraktur 
des Os naviculare und ohne gleichzeitige Verrenkung des Os lunatum. In den ersten 
4—5 Wochen starke Schmerzen und Parästhesien der rechten Hand. Diese, von 
der Kompression des N. medianus und N. ulnaris herrübrenden Symptome gehen 
imYLaufe von 6 Monaten völlig zurück, während eigentümliche trophische Störungen 
an den Fingernägeln und an der Hand bestehen bleiben. Nach mehr als einem 
halben Jahre auffallende Besserung des funktionellen Ergebnisses. Die Beweg- 
lichkeit der Finger und die Kraft des Handgelenkes nimmt zu. Doch blieb der 
Daumen wegen seiner ausgeprägten Extensionsstellung wenig brauchbar. Mit 
Rücksicht auf das immerhin nicht ungünstige Heilungsresultat wurde von einem 
operativen Eingriff Abstand genommen. 

Die Verletzung war durch Fall in den Schiffsraum, wahrscheinlich infolge 
Hyperextension der Hand entstanden. Die Symptome der dorsalen Verrenkung 
des Os capitatum sind abnorme Stellung der Hand, Formveränderung des Hand- 
gelenkes, funktionelle Beeinträchtigung der Hand- und der Fingerbewegungen und 
nervöse Störungen im Gebiete des Medianus, seltener des Ulnaris. Diagnostisch 
wichtig sind die Parästhesien im Medianus- und Ulnarisgebiete sowie die Ver- 
kürzung des Handgelenkes, die 0,5—1,0 cm beträgt. In frischen Fällen versuche 
man die Reposition des verrenkten Handwurzelknochens in Narkose durch Hyper- 
extension, Zug und direkten Druck. Meist mißglückt die Reposition oder gelingt 
nur unvollständig. In diesen Fällen entferne man das Os lunatum durch einen 
volaren Schnitt längs der Sehne des Palmaris longus. 

Bevenstorf (Hamburg). 


50) Reismann (Haspe). Hochgradige Narbenkontraktur sämtlicher 
Finger der rechten Hand in Beugestellung. 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 28.) 


51) K. Vogel. Zur Therapie der Narbenkontraktur der Hand. 
(Ibid. Nr. 33.) 

Die durch Verbrennung entstandene Beugekontraktur wurde von R. zunächst 
durch zahlreiche quere Einschnitte der Finger bis auf die Sehnen mit nachfolgender 
Streckung und Fixierung der letzteren in Streckstellung zu beseitigen gesucht. Da 
ein Rezidiv erfolgte, wurde der Eingriff wiederholt, sodann das Narbengebiet in 
der Hohlhand umschnitten, unterminiert, der nach Streckung entstandene Defekt 
durch dem Oberschenkel entnommene Thiersch'sche Lappen gedeckt. Zur Mo- 
bilisiefung der Finger und Erhaltung ihrer Streckstellung benutzt R. einen zweck- 
mäßigen, mit Gummizügen versehenen Apparat. — Das Resultat der Behandlung 
war schließlich, auch in bezug auf die Funktion der Finger, ein sehr gutes und 
seit 2 Jahren andauernd günstigster Art. 

V. empfiehlt unter Hinweis auf einen Fall von Kontraktur nach Maschinen- 
verletzung, in dem er nach Ausschneidung der Schwiele die Haut des unbrauchbar 
und hinderlich gewordenen Zeigefingers in den Defekt eingenäht hatte, dieses Ver- 
fahren auch dann, wenn ein Finger nicht ganz unbrauchbar geworden sei. Er hält 
das R.’sche Verfahren für zu mühevoll und unsicher im Erfolge, nicht vor Rezi- 
diven schützend, während das von ihm angewandte letztere ausschließe und für 
den Pat. mit wenig Unbequemlichkeiten verbunden sei. Die vorhergehende Be- 
handlung der zu operierenden Hand im Heißluftkasten wird von V. erneut gerühmt. 

Kramer (Glogau). 


1286 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 


52) 8. Kofmann (Odessa). Kasuistischer Beitrag zur Frage der Finger- 
frakturbehandlung. 
(Archiv für Orthopädie, Mechanotherapie und Unfallchirurgie Bd. VI. Hft. 4.) 

K. erzielte ein gutes Heilungsresultat bei Bruch der Grundphalanx des rechten 
Mittel- und Zeigefingers, dessen Fragmente einen dorsalwärts offenen Winkel bil- 
deten, indem er die mit steriler Gaze umwickelten Finger mitsamt den übrigen in 
die Hohlhand einschlug und auf einem Wattebausch, der auf die hervorspringenden 
Fragmente einen Druck ausüben sollte, einen Verband anlegte. 

Hartmann (Kassel). 


53) A. Hints. Ein Fall von Riesenzellensarkom an der Grundphalanx 
des rechten Ringfingers. (Aus der Wiener dermatologischen Klinik 
und dem pathologischen Institute.) 

(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Nr. 15.) 

Ein Jahr nach Beginn der Geschwulst wurde sie entfernt. Sie war pflaumen- 
groß, von normaler Haut überzogen, anscheinend weder mit dieser noch der 
Unterlage verwachsen, aber auf der Strecksehne reitend und sich mit ihr bewe- 
gend. Bei der Operation erwies sie sich mit der Sehne verwachsen und vom 
Periost ausgehend, von dessen derbfibrösen Schichten sie sich mikroskopisch aber 
deutlich abgrenzte. Es war ein polymorphzelliges Riesenzellensarkom vom Cha- 
rakter der Epuliden, mit dem es die relative Gutartigkeit gemeinsam hatte. 

Renner (Breslau). 


54) I. Bruce. The relation between sciatica and disease of the hip- 
joint. 
(Practitioner 1908. April.) 

Die von William Bruce im Jahre 1903 auf Grund klinischer Untersuchungen 
ausgesprochene Vermutung (Sciatica, an inquiry as to its real nature and rational 
treatment. Lancet 1903 August), daß als Ursache für ischiadische Beschwerden 
eine Hüftgelenkserkrankung (Gicht, Arthritis deformans) vielfach nachgewiesen 
werden könne, sucht Verf. durch fünf Krankengeschichten zu stützen. 

In sämtlichen Fällen handelte es. sich um Personen mit typischen ischiadischen 
Beschwerden, ohne daß klinisch am Hüftgelenk der affizierten Seite irgendein 
pathologischer Prozeß nachgewiesen werden konnte. Erst durch die Durchleuchtung 
mit Röntgenstrablen wurden mehr oder weniger starke Veränderungen (Arthritis 
deformans im Bereiche des Schenkelkopfes und der Pfanne) festgestellt, die in dem 
ersten Fall eine Hüftresektion nötig machten. In ähnlicher Weise, wie bei einer 
Coxitis tuberculosa Schmerzen im Kniegelenk durch Zweige des N. obturatorius, 
bzw. bei Schmerzen an der Vorderseite des Knies durch Aste des N. cruralis aus- 
gelöst werden können, ist es auch bei einer Arthritis deformans der Hüfte möglich, 
daß Schmerzen in der Glutäalgegend auftreten, die für ischiadische gehalten und 
dementsprechend behandelt werden. Dem Verf. liegt es fern, zu behaupten, daß 
in allen Fällen von Ischias Veränderungen am Hüftgelenk nachgewiesen werden 
können, bzw. daß in allen Fällen von Arthritis deformans der Hüfte auch ischie- 
dische Beschwerden vorhanden sind; er rät vielmehr, mit der Diagnose »Ischias« 
vorsichtig zu sein und niemals die Durchleuchtung der Hüfte derartiger Kranker 
zu unterlassen. Jenckel (Göttingen). 


55) Gillette. Ligation of the left common iliac artery. 
(Annals of surgery 1908. Juli.) 

Wegen eines Aneurysmas der linken A. ischiadica, das in der Gesäßgegend 
pulsierend fühlbar war, machte G. die Unterbindung der linken A. iliaca int. 
7 Monate pulsierte das Aneurysma nicht, dann macht es sich wieder bemerkbar, 
und G@. unterband jetzt die Iliaca ext., nachdem er vergeblich versucht hatte, das 
direkt zuführende Gefäß zu finden. Als auch jetzt die Pulsation fortbestand, unter- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 1287 


band er die linke Iliaca comm. dicht unter der Aorta und exstirpierte dann den 
Aneurysmasack. Es trat Gangrän des Beines ein, das dicht oberhalb des Knies 
amputiert werden mußte; dann erfolgte Heilung. 

Aus der Literatur sammelte G. 80 Fälle von Unterbindung der A. iliaca comm.; 
56 = 70% endeten tödlich infolge der Operation. Gangrän trat bei den letzten 
21 Fällen in 331/3% ein, während sie in den vorher publizierten Fällen etwas 
häufiger war. Verf. hält die Operation doch für sehr gefährlich, und ist sie nach 
ihm nur im äußersten Notfalle auszuführen. Herhold (Brandenburg). 


56) Binnie. Aneurysmorrhaphy. 
(Annals of surgery 1908. Juli.) 

Verf. vergleicht das Entstehen von Aneurysmen mit dem Hervorwölben der 
Wand an brüchig gewordenen Stellen von pneumatischen Automobilreifen und 
erläutert die Ahnlichkeit an Zeichnungen. Sodann schildert er die Operation eines 
falschen Kniekehlenaneurysmas, in dessen Höhle das erweiterte, eine 3/, Zoll breite 
Öffnung zeigende Arterienrohr lag. B. spaltete dieses wahre Aneurysma und ver- 
nähte nach Matras die im Grunde liegenden Arterienöffnungen mit Jodcatgut. 
Darauf verkleinerte er den übrigen Teil des Sackes durch Raffnähte und nähte 
die Haut bis auf eine kleine, für ein dünnes Drainrohr bestimmte Öffnung darüber 
zu. Das Aneurysma wurde auf diese Weise geheilt. Herhold (Brandenburg). 


57) Abbe. Aneurysmorrhaphy. 
(Annals of surgery 1908. Juli.) 

Es handelt sich um den selten Fall eines Aneurysma der Glutaea superior, 
das auf den N. ischiadicus drückte und andauernd heftige Schmerzen verursachte. 
A. unterband zunächst die A. iliaca ext. und spaltete nach Auseinanderziehen der 
Gesäßmuskeln den freigelegten, nicht mehr pulsierenden Aneurysmasack. Aus der 
in der Tiefe des Sackes befindliche Öffnung der A. glut. superior blutete es, durch 
Fingerdruck ließ sich diese Blutung beherrschen. Nunmehr wurde die erste Naht 
des Sackes mit feinem Chromcatgut oberhalb der Fingerspitze und dann tabaks- 
beutelartig um die Öffnung der A. glut. herumgelegt und nach Aufheben des 
Fingers schnell zugezogen. Dann wurde die Innenfläche des ganzen Sackes durch 
innere Nähte aneinander genäht, so daß eine völlige Verödung desselben die Folge 
war. Beim Lösen der Unterbindung der A. iliaca externa blutete es nicht mehr. 
Die Wunde wurde geschlossen, und es trat völlige Genesung ein. 

Herhold (Brandenburg). 
58) Blake. Aneurysmorrhaphy. 
(Annals of surgery 1908. Juli.) 

Es handelte sich in dem vorliegenden Falle um ein Aneurysma der A. poplitea. 
Nach Spaltung des Sackes unter Esmarch’scher Blutleere sah man die mit dem 
Sack kommunizierende Öffnung an der oberen Hälfte desselben etwas seitlich der 
Inzision. Es wurde diese Öffnung durch Chromcatgutnähte verschlossen, der Sack 
durch Nähte vereint und außerdem der Sicherheit halber die Arterie am proxi- 
malen Ende des Sackes unterbunden, während das distale Ende offen blieb. Nach 
Lösung des Gummischlauches war eine Blutung nicht vorhanden. Ungestörte Hei- 
lung. Herhold (Brandenburg). 


59) A. Morávek. Patellarsarkom. 


(Časopis lékařů českých 1907. p. 1003.) 

Bei einem 30jährigen Manne, der über 10 Monate an stechenden Schmerzen 
litt, im Knie entwickelte sich nach einem Sturz auf dieses Knie eine langsam 
wachsende Geschwulst. Da dieselbe auf dem Röntgenogramm gut abgegrenzt war, 
wurde nur eine Exstirpation der Kniescheibe vorgenommen und der Defekt in der 
Gelenkkapsel durch einen Lappen aus dem M. vastus internus gedeckt. Der Er- 
folg war in funktioneller Hinsicht sehr befriedigend, da Pat. fast den ganzen Tag 
ohne Beschwerden stehen kann; die Extension ist normal, die Flexion nur wenig 
behindert. Die histologische Untersuchung ergab ein Sarcoma gigantocellulare. 

G. Mühlstein (Prag). 


1288 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 


60) Schwarz. Ein Fall von fibromatöser Verdickung der Achilles- 
sehne. (Aus der kgl. chir. Klinik der Universität Halle a. S. Prof. 
v. Bramann.) 

(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 23.) 

In S.'s Fall lag eine traumatische Entstehung der Tendinitis achillea vor, in 
deren Verlauf es zu einer beträchtlichen, gut fingerbreit oberhalb der Sehnen- 
ansatzstelle beginnenden und 2 cm nach oben reichenden Verdickung der Sehne ge- 
kommen war; Dorsalflexion und Abrollen des Fußes waren stark behindert, so 
daß Pat. mit auswärts gedrehtem Fuße ging und stets hinkte. Die Exstirpation 
der Geschwulst ergab ein Fibrom mit lockerer Anordnung der Fasern. S. nimmt 
an, daß bei dem Pat. eine gewisse Disposition der Sehnen zu Erkrankung vor- 
gelegen habe; Pat. selbst behauptete zu Rheumatismus zu neigen, übrigens schlecht 
sitzendes Schuhwerk nie getragen zu haben. Kramer (Glogau). 


61) Niosi. Par la diagnosi di una non comune lesione sifilitica gom- 


mosa sottocutanea dell’ arto inferiore. 
(Clinica moderna 1907. Hft. 16.) 

Bei einem 25 Jahre alten Manne findet sich eine halbweiche, an den Rändern 
härtere, nicht scharf begrenzte, große, flache Geschwulst im Subkutangewebe und 
der Aponeurose der unteren Hälfte der vorderen und seitlichen Teile des linken 
Oberschenkals, die auf die vordere und innere Seite des Knies übergreift. Die 
seit 6 Jahren bestehende und in ibren erweichten Teilen mehrfach punktierte Ge- 
schwulst wurde in der irrtümlichen Annahme eines Sarkoms inzidiert, wobei sich 
eine blutige Flüssigkeit entleerte und elastisch harte, weißgelbliche Granulationen 
mit nekrotisierender und leicht blutender Oberfläche vorgefunden wurden. Unter 
Jodoformbehandlung und fünf Kalomelinjektionen erfolgte schnelle und dauernde 
Heilung, wobei der anämische Pat. sich gleichzeitig sehr erholte. Zwei nachträg- 
lich gefundene Hautulzerationen heilten gleichfalls unter der Hg-Behandlung. Die 
Anamnese war völlig negativ. Dreyer (Köln!. 


62) J. Znojemsky. Frakturen des Calcaneus. 
(Casopis lékařů českých 1908. p. 511.) 

Z. stellt aus der Klinik Kukula’s in Prag 17 Fälle von Fersenbeinbrüchen 
zusammen. Nur einmal (Fall I) lag ein echter Rißbruch des Tuber calcanei vor, 
beim Sprung aus der Höhe auf die Fußspitzen durch Kontraktion der Waden- 
muskeln entstanden. Die Bruchlinie verlief parallel mit der architektonischen 
Struktur der Spongiosa. Im Fall II verlief die Bruchlinie vertikal, aber außer 
diesem Rißquerbruch des Tuber war noch ein Bruch des Korpus vorhanden. Atio- 
ogie: Sturz auf eine feste Unterlage und reflektorische Kontraktion der Waden- 
muskulatur. Fall III betraf einen Bruch des Korpus; Fall IV—VI waren Frak- 
turen des Processus anterior, und alle übrigen Fälle waren Kompressivbrüche. 
Sämtliche Fälle sind durch Röntgenogramme erläutert. In therapeutischer Be- 
ziehung empfiehlt Z. folgenden Vorgang: Entsprechend der anatomischen Form 
des Bruches wird so redressiert, daß eventuelle Kontrakturen vermieden werden; 
dann Gipsverband für 2-3 Wochen, der durch einen Verband aus Wasserglas 
ersetzt wird. Jetzt wird massiert, gebadet und elektrisiert, wobei aber der Kranke 
mindestens 6 Wochen liegen muß. Bei starker Dislokation der Bruchstücke werden 
dieselben operativ miteinander vereinigt, event. werden sie exstirpiert. 

G. Mühlstein (Prag). 


Berichtigung. In Nr. 40 p. 1191, Ref. 33, Z. 13 u. 14 muß es statt »ist ge- 
fährlich« heißen: »beschreibt Verf. ausführlich«. 





Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden. 


Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau, 
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. 


Zentralblatt für Chirurgie 


herausgegeben von 


K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER, 


in Bonn, in Berlin, in Breslau. 
35. Jahrgang. 
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG. 





Nr. 44. Sonnabend, den 31. Oktober 1908. 








Inhalt. 

L A. Grossich, Eine neue Sterilisierungsmethode der Haut bei Operationen. — II. F. Franke, 
Zur Erklärung des postoperativen spastischen Darmverschlusses. (Originalmitteilungen.) 

1) Wederhake, Desinfektion der Hände und der Haut. — 2) Fiessler und Iwase, Sterilisa 
tion der Gummihandschuhe. — 8) Knox, Wunddrainage. — 4) Muskat, Wanderung von Fremd« 
körpern. — 5) Haeberlin, Nadelextraktion. — 6) Norris, Das Netz. — 7) Stirling, Zur Bauch- 
höhlendrainage. — 8) Kauffmann, 9) Walko, 10) Broca und Barbet, 11) Duvergey, Appendi- 
citis. — 12) Chavannaz, 183) Hackenbruch, 14) Takata, 15) Mauclaire, 16) Menge, Hernio- 
logisches. — 17) Scudder, 18) Luis y Yague, Pylorusstenose. — 19) Jeanneret, Gastrostomie. — 
20) Campo, 21) Rivas y Rivas, Gastroenterostomie. — 22) Parker, Darmstenosen. — 23) Gant, 
Chronische Diarrhöe. — 24) Beach, Mastdarmstriktur. 

H. Eggenberger, Wismutvergiftung durch Injektionsbehandlung nach Beck. (Originalmit- 
teilung.) 

85) Dollinger, Behandlung tuberkulöser Fisteln nach Beck. — 26) Armeesanitätsbericht. — 
37) Neudörfer, Bauchschuß. — 28) Baradulin, Postoperativer Ileus. — 29) Mauclaire, Chylus- 
artiger Ascites. — 30) Mc Guire, 31) Lamari, Peritonitis. — 82) Brüning, 33) Frascella, 84) Mül- 
der, 35) Clark, Appendicitis. — 86) Pohlman, Blinddarm-Duodenalkanal durch den Wurm. — 
87) McLean, Cystenbildung im Wurm. — 88) Simon, Perforiertes Meckel’sches Divertikel. — 
89) Nast-Kolb, 40) Sarshezki, 41) Arnaud, Herniologisches. — 42) Finsterer, Hydrokele mulie- 
bris. — 43) Rubritius, Bauchdeckengeschwulst nach Bruchoperation. — 44) Hunter, Pylorus- 
‚stenose. — 45) Manges, Magensarkome. — 46) Luther, Enteroptosis. — 47) Zaaljer, Purpura und 
Darminvagination. — 48) Boese, Tuberkulose der Flexur. — 49) Hirschman, Mesosigmoidopexie. 
— 50) Mershejewski, Hämorrhoiden. — 51) v. Herczel, Mastdarmkrebs. 

Erklärung. 





I. 


Eine neue Sterilisierungsmethode der Haut 
bei Operationen. 


Vorläufige Mitteilung. 
Von 
Dr. Antonio Grossich, 
Primärchirurg am städtischen Hospital in Fiume. 
(Aus dem Italienischen übersetzt.) 


T Tnter den 1600—1800 Kranken, die jährlich in die chirurgische Ab- 

teilung des Fiumaner Krankenhauses aufgenommen werden, befinden 
sich wenigstens 5—600 Verletzte, von diesen wieder etwa 3- 400 mit 
‚offenen Wunden. Jeder Spitalschirurg weiß, wie schwer eine asep- 
tische Versorgung solcher Wunden ist, besonders wenn dieselben die 
behaarte Kopfhaut, den Hals, die Achselhöhle, das Scrotum, die Finger 
oder die Zehen betreffen, und wenn der Verletzte, oft mitten in der 
Nacht hereingebracht, stark blutet. 


44 


1290 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 


In einem solchen Falle, vor ca. 1 Jahre, dem Gedanken folgend, 
daß viele Operateure und ich selber nach der regelrechten Reinigung 
der Haut vor den Operationen die Schnittstelle mit Jodtinktur be- 
streichen, bestrich ich die, eine offene, eingerissene, breite Wunde 
umgebende Haut mit Jodtinktur allein, ohne irgend eine Waschung, 
nähte dann die Wunde vollkommen zu, bestrich noch einmal die 
Nähte mit der Tinktur und legte dann den gewöhnlichen sterilen 
Verband an. Es trat Heilung per primam ein. Eine zweite, dann 
eine dritte, eine zehnte in der gleichen Weise versorgte Wunde heilte 
ebenso schön. Seitdem haben sowohl ich als meine Assistenten die 
Methode allgemein angewendet, d. h. nach der trockenen Rasierung 
der Haare einfach mit Jodtinktur bestrichen, die Bestreichung dann 
wiederholt, nachdem die Wunde genäht wurde, und der Erfolg war 
immer eine reine Prima intentio, ohne die geringste Spur von 
. Rötung, Schwellung, Eiterung oder Temperaturerhöhung. Dieser 
Erfolg war konstant, selbst wenn die Wunden mitunter manche 
Stunden, sogar Tage unversorgt geblieben waren; die reinste Heilung 
trat immer ein, wenn die Wunden nur kein Zeichen einer 
schon bestehenden Entzündung, wie Rötung oder Schwel- 
lung, darboten. Zu bemerken ist noch, daß die Verletzten fast 
alle aus dem Hafen oder aus den Fabriken kamen, wo ca. 20000 
Arbeiter aller Nationalitäten und Rassen beschäftigt sind, meist Leute, 
die nicht als sehr rein zu bezeichnen sind. 

Durch diese Erfolge ermutigt, wendete ich die Methode nicht. 
mehr allein bei Wunden, sondern auch bei kleineren Operationen, bei 
Atheromen, Hydrokelen usw. an. Nun stellte sich die merkwürdige, ja 
paradoxe Tatsache ein, daß, wenn der Pat. unmittelbar vor der Ope- 
ration ein Seifenbad genommen hatte oder sonst mit Seife und Wasser 
gereinigt wurde und erst dann mit Jodtinktur bestrichen, nicht mehr 
allemal eine wirklich glatte Heilung eintrat. Hier und da eiterten 
die Nähte oder diastasierten die Wundränder, oft kam es zu wahrer 
Eiterung. Wenn aber jede Waschung unterblieb und nach der trockenen 
Rasierung der Haare die Haut des Operationsfeldes weit und breit 
mit Jodtinktur bestrichen wurde, so blieb auch bei diesen Ope- 
rationen die perfekteste Prima intentio nie aus. 

Diese paradoxe Tatsache fand eine Erklärung durch die mikro- 
skopische Untersuchung kleiner, vor dem Beginne der Operation exzi- 
dierter Hautstückchen. Bekanntlich bildet die oberflächliche Schicht 
der Epidermis kein absolut kompaktes Gewebe; schmale Interzellular- 
räume sind bei Alkoholhärtung stets deutlich nachweisbar, daher der 
Name: Stratum disjunctum Ranvier; nun bedingt das Wachs- 
tum der basalen Schicht eine Lockerung der oberflächlicheren Zellen, 
indem dieselben auf eine größere Fläche verteilt und gedehnt werden; 
es entstehen dadurch Einrisse, welche die sogenannte horizontale Ab- 
schuppung der Epidermis verursachen. Dieser Prozeß geht ununter- 
brochen vor sich, aber selbstverständlich nicht in der Weise, daß der 
Einriß plötzlich entsteht und die somit gebildete Schuppe auf einmal 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1291 


den Zusammenhang mit der Epidermis verliert, sondern allmählich; 
so befinden sich unter den noch nicht fertigen Schuppen Kapillar- 
räume, welche sowohl mit den Interzellularräumen als mit der Luft 
kommunizieren und die stets Fett, Schweiß und selbstverständlich auch 
Bakterien enthalten. 

Die mikroskopische Untersuchung der mit Jod behandelten Haut- 
stückchen zeigte nun, daß das Jod alle diese Spalten und sämtliche 
Interzellularräume sowie die Lymphbahnen imbibiert; diese Tatsache 
ist übrigens nicht neu, und wir sehen in unseren Beobachtungen bloß 
eine Bestätigung der Angaben anderer Autoren, auf welche wir hier 
nicht eingehen können. Dieses Penetrationsvermögen kommt dem Jod 
in alkoholischer Lösung fast spezifisch zu; Wasser oder wäßrige 
Lösung dringen nur unvollständig und bloß in die oberflächlichsten 
Schichten ein. Der Grund des hohen Penetrationsvermögens der 
Jodtinktur ist ein mehrfacher: erstens löst dieselbe als eine alko- 
holische Tinktur das Fett, welches sich immer in den Kapillarräumen 
befindet, und wird von diesen letzteren geradezu absorbiert. Anderer- 
seits kommt dem Jod selbst ein besonderes Penetrationsvermögen zu, 
indem es sich mit den Fettsäuren der Haut chemisch verbindet und 
diese Verbindung besonders rasch resorbierbar ist (siehe die Arbeiten 
von Mering, E. Fischer, Kast u. a. A.) 

Der Grund, warum die mit Seife und Wasser gewaschene Haut 
durch die Jodtinktur schwerer zu desinfizieren ist als die nicht ge- 
waschene und trockene, ist nun sehr klar: 

Wasser, und noch mehr eine Seifenlösung, bringt erstens die 
Epidermiszellen zur Aufquellung und verstopft schon dadurch den 
Eintritt der Kapillarspalten; zweitens aber werden viele Kapillarräume 
durch eine Seifenlösung gefüllt, welche für das Eindringen der alko- 
holischen Lösung dann ein Hindernis bildet. Mikroskopische Partikel 
von Seife können auch durch sehr langes Waschen mit Wasser nicht 
entfernt werden; diese Partikel bilden aber für vorhandene Keime 
eine Hülle, die sie vor der Wirkung der Antiseptika schützt und 
welche von dem durch das Wasser, das in den Spalten zurückbleibt, 
stark verdünnten Alkohol nicht so leicht gelöst wird. 

In meiner Abteilung werden nun die Kranken womöglich am Tage 
vor der Operation gebadet, sie bekommen frische Wäsche, und vor der 
Operation werden sie nur noch mit der Jodtinktur in der später zu 
beschreibenden Weise bestrichen. Nach dieser Prozedur habe ich bis 
jetzt 59 freie Leistenhernien, zwei Schenkelhernien und drei inkar- 
zerierte Leistenhernien operiert, und alle genasen ohne die geringste 
Störung. Von diesen Fällen betraf einer einen 65jährigen Mann mit 
inkarzerierter Hernie, der bereits aphonisch und pulslos ins Spital ge- 
bracht wurde; ein anderer betraf einen 7ÖOjährigen Mann mit einer 
inkarzerierten großen Scrotalhernie, der ebenso kollabiert war wie der 
erste; beide kamen direkt zur Operation, sie wurden trocken rasiert 
und mit Jodtinktur bestrichen ; bei dem zweiten war der Darm schon 
verfärbt, aber noch glänzend, so daß er reponiert werden konnte; 


44* 


1292 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 


beide Kranken genasen, wie gesagt, ohne die geringste Störung; die 
Temperatur blieb stets normal, die Wunde heilte per primam. 

Außer diesen Fällen wurden nach dieser Sterilisierungsmethode 
noch mehrere Drüsenpakete, ein kindskopfgroßer Halstumor, Sarkom, 
bei einem Manne, und dieser Tage ein mannsfaustgroßes Angiom des 
Halses bei einem 35tägigen Säugling nach tiefer Unterbindung der 
Carotis und der Jugularis exstirpiert; es wurden dann mehrere Mamma- 
exstirpationen nach Kocher, mehrere Amputationen an den Extremi- 
täten, Laparotomien wegen Stichwunden des Abdomen, wegen eines 
Coecaltumors, mit Exstirpation des Coecum, eine Gastroenteroanasto- 
mose, eine transvesikale Prostataexstirpation, Laparotomie bei Extra- 
uterin-Schwangerschaft, bei Ovarialkystomen, bei Ileus und andere 
Operationen ausgeführt. 

Ich habe so die Überzeugung gewonnen, daß die Jodtinktur 
besser als irgend ein anderes Verfahren die Haut sterilisiert, und daß 
von seiten des Pat. während der Operation jede Infektionsgefahr ganz 
ausgeschlossen ist. Desto skrupulöser muß also die Reinigung der 
Hände der Operateure und der Assistenten, die Überwachung der 
Sterilisation der Instrumente, der Tupfer, Gaze usw. stattfinden; denn 
eine eventuelle Infektion würde heute doppelt lasten. 

Mein Verfahren möchte ich folgendermaßen rekapitulieren: 

1) Der Pat. wird nackt auf den Tisch gelegt und das Operations- 
feld breit mit Jodtinktur bestrichen. Das geschieht mit einem Tupfer, 
der mit einer Pinzette gefaßt und auf welchen Jodtinktur — 10 bis 
12%ig — gegossen wird. Haare wurden schon früher trocken rasiert. 

2) Über den ganzen Körper des Pat. wird ein mit entsprechender 
Öffnung versehenes Leinentuch, das bis zum Boden reicht, gelegt. Die 
Ränder der Öffnung werden an der angrenzenden Haut um das Ope- 
rationsfeld mit kleinen Klemmen befestigt. 

3) Nachdem Pat. narkotisiert worden, wird das Operationsfeld ein 
zweites Mal mit Jodtinktur bestrichen. | 

4) Nach Vollendung der Operation wird die Nahtreihe mit Jod- 
tinktur bestrichen und der Verband aus steriler Gaze angelegt. 

Am 7. Tage werden die Nähte, die braun und steif erscheinen, 
entfernt; nach weiteren 24 Stunden verläßt gewöhnlich der Operierte 
das Haus. Wenn der Verband aus irgend einem Grunde vor dem 
7. Tage gewechselt wird, so wird die Nahtreihe bei der Gelegenheit 
wieder mit Jod bepinselt. 

Von der Anwendung des Jods, selbst wenn ein Drittel des 
Körpers bestrichen wurde, konnte ich nie einen Nachteil konstatieren. 
Die Haut exfoliiert sich, indem sich eine dünne braune Lamelle los- 
löst, Und darunter zeigt sie nicht die geringste Abnormität. Wenn 
die Ränder der Operationswunde recht aneinander adaptiert wurden, 
so verwachsen dieselben so schön, daß man die Narbe und die Naht- 
löcher kaum erkennt. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1293 


II. 
Zur Erklärung des postoperativen spastischen 
Darmverschlusses. 
Von 


Prof. Felix Franke in Braunschweig. 


E der Diskussion, die sich an den Vortrag Bunge’s über den post- 
operativen spastischen Darmverschluß am 4. Sitzungstage des dies- 
jährigen Chirurgenkongresses anschloß, hob Heidenhain mit Recht 
hervor, daß eine genügende Erklärung dieses eigentümlichen Vorganges 
bisher fehle. Und auch die von den einzelnen Rednern in der Dis- 
kussion versuchten Erklärungen haben wohl niemand recht befriedigt. 
Sie konnten wohl für diesen oder jenen Fall passen, ließen aber bei 
anderen Fällen im Stiche. So können Gerinnselbildung im Gekröse 
(Payr), Reizung durch einen Spulwurm (Küster), Darmgeschwüre 
(Wilms) und andere mechanische Momente doch schwerlich z. B. zur 
Erklärung der Tatsache genügen, daß der spastische Darmverschluß 
von Gynäkologen häufiger beobachtet wird als von Chirurgen, obgleich 
diese sich bei Bauchoperationen ohne Zweifel häufiger in mechanisch 
reizender Weise mit dem Darme befassen müssen. 

Meiner Ansicht nach ist das Leiden in der Hauptsache ein rein 
nervöses, und ich möchte es als traumatische Darmneurose be- 
zeichnen. 

Diese meine Ansicht, die ich Herrn Kollegen Heidenhain gegen- 
über schon auf dem Kongreß privatim geäußert habe — an der Dis- 
kussion habe ich mich nicht beteiligen wollen, um sie nicht noch 
länger auszudehnen —, stützt sich auf folgende Gründe und Erwä- 
gungen. 

Es ist jetzt zur Genüge bekannt, daß die glatte Muskulatur nicht 
nur der Atmungsorgane, sondern auch der Verdauungsorgane bei 
manchen Personen zu krampfhaften Kontraktionen neigt. Neben dem 
Stimmritzenkrampf kennen wir einen Speiseröhrenkrampf, einen Cardio- 
und Pylorospasmus, und in neuerer Zeit haben sich nun auch die 
Beobachtungen von Fällen von Enterospasmus gemehrt. Langemak 
hat schon im 5. Bande des Zentralblattes für die Grenzgebiete eine 
Reihe solcher Fälle zusammengestellt. In den leichten Formen das. 
Bild der von Fleiner 1893 zuerst, später von Westphalen, Albu, 
neuerdings von Kisch beschriebenen spastischen Obstipation bietend,, 
steigern sich die schweren Fälle bis zum völligen Darmverschluß, zum. 
spastischen Ileus, und zwar ohne jede nachweisbare mechanische Reizung, 
wie etwa durch einen Gallenstein, Spulwurm o. dgl. oder durch ein Ge- 
schwür. Wenngleich meistens weibliche Personen von nicht ganz normalem 
Nervensystem betroffen sind, neurotische, hysterische, neurasthenische 
oder solche, die blaß oder schlecht genährt sind, gibt es auch solche 





1294 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 


selbst männlichen Geschlechts, deren Nervensystem oder Gesundheits- 
zustand sonst nichts zu wünschen übrig läßt. 


Es handelt sich in allen diesen Fällen ganz ohne Zweifel um 
erhöhte Empfindlichkeit und Reizbarkeit der Darmnerven. Kommt 
es nun schon ohne jede mechanische Einwirkung zu solchen unter 
Umständen recht lästigen, ja gefährlichen Krampfzuständen, so wird 
man schon einfach vom theoretischen Standpunkt aus ohne weiteres 
zugeben müssen, daB ihr Auftreten nach Bauchoperationen infolge der 
dabei stattfindenden mechanischen Reizung der Därme, mag sie auch 
manchmal nur in einfachem Anfassen bestehen, leicht begreiflich er- 
scheint. Man wird aber auch die Möglichkeit ihrer Entstehung allein 
schon durch psychische Einwirkung bei dazu disponierten Personen zu- 
gestehen müssen. Wir hätten dann also zu unterscheiden eine Ent- 
stehung durch rein körperliches (mechanisches) und durch geistiges, 
psychisches Trauma. 


Es wird nun niemand leugnen wollen, daß gerade Bauchopera- 
tionen nicht nur als ein körperliches, sondern gerade auch als psy- 
chisches Trauma, und zwar mitunter recht schwerer Art, aufzufassen 
sind. Selbst nach leichten Operationen hat man mitunter Gelegenheit, 
zu seinem Verdrusse diesen schädlichen Einfluß gerade der Bauch- 
operation auf das Allgemeinbefinden und namentlich die Energie 
und die Psyche der Operierten zu beobachten. Daß das häufiger 
bei Frauen vorkommt, kann nicht weiter auffallen, ist doch deren 
Nervensystem namentlich auf psychischem Gebiete viel empfindlicher 
als das der Männer. 


Wenn nun dieser traumatische Einfluß der Bauchoperation sich 
einmal am Darm äußert, darf das nach dem eben Besprochenen gar 
nicht wunderbar erscheinen, um so weniger, als die Darmfunktionen 
für nicht wenige Menschen ein steter Gegenstand der Beschäftigung 
und Besorgnis sind, aber gerade nach Bauchoperationen es auch werden 
können durch die Sorge des Arztes und der Pflegeperson um sie. 


Auf diese Weise ist ohne Zuhilfenahme eines zufälligen Zu- 
sammentreffens das Auftreten des spastischen Deus erklärlich auch in 
Fällen, in denen bei der Operation der Darm gar nicht berührt ist, 
z. B. nach Nierenoperationen. Ich selbst habe den Spasmus nach 
einer Annähung der Wandermilz beobachtet, bei der ein Darm so 
gut wie gar nicht berührt, das Mesenterium oder Mesokolon gar nicht 
gezerrt wurde, eine Embolie in diese ausgeschlossen werden konnte, 
Kotverhaltung oder Reizung des Darmes durch harte Kotballen oder 
Darmwürmer nicht vorlag. Es handelte sich aber um eine durch 
jahrelange Beschwerden sehr angegriffene, abgemagerte, nervöse Frau, 
bei der Hysterie nicht sicher ausgeschlossen werden konnte. 


Um ein zufälliges Zusammentreffen dagegen handelte es sich in 
einem anderen Falle, in dem der spastische Verschluß des Colon 
transversum, den ich bei einer Gastroenterostomie fand, schon vor 
der Operation aufgetreten war und nach ihr ohne weiteres Zutun 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1295 


wieder verschwand. Aber auch hier betraf die Erkrankung eine 
schwächliche, zarte, nebenbei junge Frau. 

Von meinem Standpunkte aus kann ich also die von den 
verschiedenen Autoren angeschuldigten mechanischen Mo- 
mente nur als Gelegenheitsursachen bezeichnen. Auf eine 
direkte Ursache des postoperativen Enterospasmus muß ich aber 
nun hinweisen, auf die meines Wissens bisher nicht oder nicht 
genügend aufmerksam gemacht ist und die mich hauptsächlich an- 
geregt hat, diesen Artikel zu schreiben. Ich meine den Ileus durch 
medikamentöse Einwirkung. Diese Art der Entstehung habe ich 
in diesem Sommer bei zwei kräftigen Männern im Anschluß an die 
Exstirpation des Proc. vermiformis beobachtet. 

Schon seit etwa 20 Jahren habe ich Belladonna gegen die ver- 
schiedenen Krampfzustände der glatten Muskulatur mit Erfolg an- 
gewandt, so auch, wie gegen Gallenblasenkrampf, gegen den der Darm- 
muskulatur, z. B. u. a. vor 17 Jahren bei einer 11 Tage anhaltenden, 
nach normaler Entbindung aufgetretenen Darmlähmung, und auch 
schon lange, bevor vor einigen Jahren die so vielfache Empfehlung 
des Mittels gegen den Ileus und für die Nachbehandlung bei Laparo- 
tomien einsetzte, zu gleichem Zwecke. Seit einigen Jahren habe ich 
fast regelmäßig nach Laparotomien, besonders solchen, nach denen 
ich Darmverklebungen oder Darmparese, wenn auch vorübergehende, 
befürchten mußte, Physostigmin subkutan einspritzen lassen, 0,0005 
bis 0,001 g 2—3mal täglich, manchmal sogleich, bisweilen erst am 
2.. oder 3. Tage. 

In den erwähnten zwei Fällen von Appendektomie sprach nun 
alles für, nichts gegen die Annahme, daß die in zu großer Dosis 
und zu lange fortgesetzte Behandlung mit Physostigmin als Ursache 
für den mit Bestimmtheit anzunehmenden Darmspasmus anzusehen 
war, der beidemal auch bald schwand, nachdem das Mittel ausge- 
setzt wari. 

Jedenfalls lehren die beiden Fälle, daß man mit der Dosierung 
des Physostigmins, das in geeigneten Fällen von ausgezeichneter 
Wirkung ist, vorsichtig sein muß, und daß es nötig ist, beim Auf- 
treten eines spastischen Ileus nach Bauchoperationen die Möglickeit 
seiner Entstehung durch arzneiliche Einwirkung im Auge zu behalten, 
mag nun in dem betreffenden Falle Physostigmin oder Atropin (Bella- 
donna) angewandt sein. 


1 Anm. Auf meinen Wunsch sind die zwei ausführlichen Krankengeschichten 
als zu umfangreich für das Zentralblatt fortgeblieben. Die darin niedergelegten 
Erfahrungen scheinen nur so gedeutet werden zu können, wie vom Verf. ge- 
schehen. Richter. 


1296 Zentrulblatt für Chirurgie. Nr. 44. 


1) Wederhake. Desinfektion der Hände und der Haut 
mittels Jodtetrachlorkohlenstoff und Dermagummit. 
(Med. Klinik 1908. p. 1302.) 

Desinfektion der Hände mit einer Lösung von Paraffin in Jod- 
tetrachlorkobhlenstoff befriedigte nicht. Dagegen wurde mit Jodtetra- 
chlorkohlenstoff (Benzinoform), der viel billiger wie Ather und nicht 
feuergefährlich ist, der das Fett löst, die Luft aus den Hautporen 
verdrängt, die Keime aus ihnen herausschwemmt und den zurück- 
bleibenden Rest durch die Jodwirkung schädigt, eine durchschnittliche 
Keimverminderung von 95% erzielt. Der Rest der Keime wird durch 
einen Handüberzug festgebannt. Chirol, Schleich’s Wachsüberzug, 
Menge’s Paraffinxylol, Haegler’s Guttaperchaüberzug, Döderlein’s 
Gaudanin bewährten sich nicht. Auch mit Chirosoter erhielt W. nicht 
eindeutige Ergebnisse. — Der Überzug soll sehr elastisch und dünn- 
flüssig sein, daß er sich bis in die feinsten Hautporen erstreckt und 
darin bei mechanischen Insulten festhaftet; er soll beim Trocknen 
eine lückenlose Decke bilden, die Haut nicht beschädigen und nach 
der Operation wieder leicht entfernt werden können. Dies leistet der 
nicht teure Dermagummit (4 g besten Parakautschuks werden in 100 g 
Tetrachlorkohlenstoff gelöst; dazu wird langsam eine Lösung von 
0,4 Jod. pur. in 100 Tetrachlorkohlenstoff hinzugefügt). 

Die Desinfektion ist leicht auszuführen und erfordert kein warmes 
Wasser. 

Die Hände werden mittels rauhen Tupfers oder keimfreier Bürste 
3 Minuten lang in 300-500 ccm 1°/ igem Tetrachlorkohlenstoff ab- 
gerieben. Dann wird in die Händehaut ein wenig Dermagummitlösung 
eingerieben. Sollte die Lösung noch ein wenig kleben, so wird Talk 
oder ausgeglühtes Kaolinpulver oder Reispuder auf die Hände auf- 
gestreut. Nach der Operation wird der Kautschuküberzug mit einem 
mit Tetrachlorkohlenstoff getränkten Tupfer entfernt. — In gleicher 
Weise wird das ÖOperationsgebiet vorbereitet; Einpuderung ist hier 
überflüssig. — An offener Flamme zersetzt sich der Tetrachlorkohlen- 
stoff und reizt zum Husten. — Dermagummit ist an sich steril und 
wird steril von der Fabrik geliefert, läßt sich aber auch unbegrenzt 
oft im strömenden Dampf unter Druck sterilisieren. 

Die mehrfach so desinfizierte Hand bleibt dauernd jodiert und 
leicht gelb verfärbt. 

Das Verfahren bewährte sich bei Desinfektionsversuchen im Paul- 
Sarwey’schen Kasten, bei zahlreichen Operationen mit Versenkung 
von Seidennähten, bei der bakteriologischen Prüfung der operierenden 
Hände. Georg Schmidt (Berlin). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1297 


2) A. Fiessler und Y. Iwase. Zur Sterilisation und Ver- 
wendung der Gummihandschuhe. (Aus den Universitäts- 


Frauenkliniken in Tübingen und München.) 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 33.) 


Nachdem sich herausgestellt hat, daß es unmöglich ist, ohne 
schwere Schädigung der Haut die Hände völlig keimfrei zu machen, 
scheint dies auch für die Gummihandschuhe zuzutreffen. Denn die 
Versuche der Verff. ergaben, daß nicht bloß die chemischen und 
mechanischen Methoden zur Sterilisierung der Handschuhe nicht aug- 
reichen, sondern auch durch 30 Minuten lange Einwirkung von ge- 
spanntem Dampf von 0,7 Atmosphären Überdruck nur die vegetativen 
Bakterienformen an den Innen- und Außenflächen der Handschuhe 
abgetötet werden, die Methode für Sporen keine volle Sicherheit ge- 
währt. Trotzdem wird das Verfahren — Eintauchen der gewaschenen 
Handschuhe in Aufschwemmungen von Talk in Alkohol, sorgfältige 
horizontale Lagerung (unter Vermeiden von Pressen und Knicken) auf 
Sieben im Dampftopfe mit rascher Trocknung (zur Wiederherstellung 
der Elastizität, Durchsichtigkeit und Festigkeit) nach der Einwirkung 
des Dampfes, auch von Döderlein in einem Nachwort der Arbeit 
wärmstens empfohlen. Zur Sterilisation und zum Aufbewahren der 
Handschuhe hat sich ein Apparat der Firma F. G. Küster, bzw. 
ein von Brodnitz oder Lautenschläger konstruierter als beson- 
ders zweckmäßig erwiesen. Kramer (Glogau). 


3) R. W. Knox. Drainage of wounds. 
(New York med. record 1908. Mai 30.) 

K. hat bei frischen Wunden aller Art gute Erfahrung mit der 
Anwendung feuchter Wärme gemacht. Die Wunden werden offen 
gelassen, jede Art Reinigung möglichst vermieden, namentlich die 
Ränder nicht geglättet und die zerfetzten Weichteile in Ruhe ge- 
lassen. 

Der Verband wird zweimal in 24 Stunden gewechselt und be- 
steht aus dicken Lagen Watte oder Flanelltüchern, die in heißem 
Wasser ausgedrückt und mit Heißwasserbeuteln (40° R) warmgehalten 
werden. 

Auf Grund ausgedehnter Erfahrung versichert K., daB bei zweck- 
mäßiger Technik eine Wundinfektion zu den allergrößten Seltenheiten 
gehöre, gleichgültig, wie schwer die Verletzung und wie schmutzig die 
Wunde sei. Überfahrungen und Eisenbahnverletzungen schlimmster 
Art wurden mit Erfolg behandelt. 

Hat sich die Wundfläche gereinigt und granuliert, werden halb- 
feuchte Verbände mit Borglyzerin empfohlen. Gelegentlich soll auch 
permanente Irrigation mit Borsäure und dünne Formalinlösung zum 
Desodorieren verwendet werden. 

»Gleich anderen guten Dingen« sei die Idee nicht neu, sondern 
nähere sich »der Leinsamenkompresse zu Großmutters Zeiten«, sie 

44+% 


1298 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 


‚gewinnt aber ein modernes Gepräge dadurch, daß die Überwachung 
durch eine reinliche Krankenwärterin und Sterilisierung der Verband- 
stoffe empfohlen wird. 

Wenn auch die Anwendung von Watte und Flanell direkt auf 
die Wunde mehr einem improvisierten Notverband entspricht, ist mu- 
tatis mutandis der beschriebenen primitiven Methode manches Be- 
achtenswerte zu entnehmen. Seit die Wirkung physikalischer Heil- 
faktoren wieder mehr gewürdigt und auf experimentellem Wege 
geprüft wurden, hat auch die feuchte Wärmeanwendung, besonders 
bei lokalinfektiösen Prozessen, wieder ihre Bedeutung gewonnen. 

Loewenhardt (Breslau). 





4) G. Muskat. Über Wanderung von Fremdkörpern. 
(Med. Klinik 1908. p. 1373.) 

Fall mit der Rückseite des Oberarmes auf ein Nadelkissen; gleich 
darauf stechende Schmerzen an der Speichenseite des Unterarmes. 
Röntgenbild und Einschnitt weisen eine 4,5 cm lange Nadel neben 
dem oberen Drittel des Radius nach. — Die Nadel drang wahrschein- 
lich mit großer Gewalt durch die Weichteile des gebeugten Ober- 
armes bis unter die Sehne des Streckmuskels. Bei der darauf ein- 
tretenden reflektorischen Streckung des einen Halt suchenden Armes 
wurde die Sehne gespannt und von ihr die Nadel nach dem Vorder- 
arme getrieben, wie ein Pfeil von einer gespannten Sehne vorwärts 
geschleudert wird. 

M. verbrachte Nadeln in die Bauchhöhle oder in die Schenkel- 
muskeln von weißen Mäusen und Kaninchen und stellte nach einiger 
Zeit mittels Röntgendurchleuchtung oder Einschnittes den Verbleib 
der Fremdkörper fest. Von zwölf Versuchsreihen waren bei dreien 
Wanderungen nachzuweisen, einmal von der Bauchhöhle durch das 
Gekröse und den Darm hindurch, einmal vom Schenkel in die Becken- 
muskeln. Beim dritten der Tiere war eine Nadel in einem Schenkel 
um 3 cm nach dem Becken zu gewandert, eine andere Nadel im an- 
deren Schenkel aber liegen geblieben. 

Durch Eiterungen und durch Knochen wird die Wanderung der 
Nadel gehemmt. Dagegen wandern Fremdkörper leicht, welche in der 
Richtung der Muskelfasern eines größeren Muskels liegen. 

Georg Schmidt (Berlin). 





5) Haeberlin (Nauheim). Zur Technik der Nadelextraktion. 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 32.) 


Zur topographischen Bestimmung des Fremdkörpers empfiehlt 
sich, wie auch H. erprobt fand, die Durchleuchtung vor dem Schirm 
in vielen Ebenen, wobei das Glied um die Längs- und sagittale Achse 
gedreht, flektiert und gestreckt wird. Der Hautschnitt erfolgt nach 
solcher Feststellung der Lage der Nadel senkrecht zu ihrer Längsachse. 

Kramer (Glogau). 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1299 


6) Norris. The omentum: its anatomy, histology, and 


physiologie, in health and disease. 
(University of Pennsylvania med. bulletin 1908. Juni.) 

N. berichtet über anatomische, histologische und physiologische 
Studien am Netz von Tieren und einer Anzahl von Präparaten vom 
Menschen, die bei Operationen oder Sektionen gewonnen wurden. 
N.’s Tierversuche über die physiologische Bedeutung des Netzes be- 
schäftigten sich hauptsächlich mit der Frage, ob eine Leukocyten- 
neubildung im Netz vor sich geht, und ob nach Splenektomie das 
Netz teilweise die Funktion der Milz übernimmt. Schlüsse: Das 
Netz ist eine hochdifferenzierte seröse Membran. Die sog. Stomata 
sind tatsächlich Offnungen, in welche Lymphgefäße ausmünden; diese 
Öffnungen vermehren sich an Zahl infolge von entzündlichen Reizen 
und spielen eine bedeutende Rolle in der Lymphzirkulation der Bauch- 
höhle. Das Netz ist sehr reich an Lymphgefäßen; die kleineren Ka- 
pillaren proliferieren sehr rasch auf entzündliche Reize hin. Es hat 
keine eigene Fähigkeit, sich zu bewegen. Der eigentliche Zweck der 
Fettbildung im Netz ist der, eine schützende Wand aus Blut- und 
Lymphgefäßen zu bilden. Übermäßige Fettbildung ist sekundärer 
Natur und in Analogie zu stellen mit der exzessiven Fettbildung in 
anderen Körperteilen, woselbst sich normalerweise Fett findet. Die 
Hauptfunktion des Netzes besteht in Leukocytenbildung; zu dieser 
Ansicht führen weniger physiologische als histologische Studien. (7 Ab- 
bildungen.) Mohr (Bielefeld). 





7) Stirling. The question of drainage after abdominal sec- 
tion for perforative and suppurating conditions. 
(Intercolonial med. journ. of Australasia 1908. Juli 20.) 

Verf. verwirft bei der operativen Behandlung der Peritonitis jede 
Spülung, auch mit den permanenten Kochsalzeinläufen in den Mast- 
darm nach Murphy hat er schlechte Erfahrungen gemacht. In letzter 
Zeit ist er dazu übergegangen, auch bei allgemeiner Peritonitis, wenn 
der primäre Infektionsherd durch andere Maßnahmen völlig abge- 
schlossen werden konnte, überhaupt nicht mehr zu drainieren, sondern 
nach möglichster Trockenlegung des Bauchfells durch Austupfen die 
Bauchwunde völlig zu schließen und den Kranken sofort in die sog. 
Fowler’sche Lage zu bringen. Einige mit Erfolg behandelte Fälle 
von Geschwürsperforation (Naht), Uterusperforation mit allgemeiner 
Peritonitis (krimineller Abort) und Appendicitis perforativa mit allge- 
meiner Peritonitis werden mitgeteilt. Mohr (Bielefeld). 

8) R. Kauffmann. L’appendice dans la scarlatine. 
Thèse de Paris, @. Steinheil, 1908. 

Der Wurmfortsatz, der ein bedeutendes lymphatisches Gewebe 
enthält, ist immer im Laufe des Scharlachs der Sitz eines mehr oder 
weniger intensiven Entzündungsprozesses, und verschiedene Symptome 

x 


1300 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 


sind auf denselben zurückzuführen. So z. B. das Erbrechen und 'son- 
stige gastrointestinale Erscheinungen, die namentlich bei bösartigem 
Scharlach deutlich ausgeprägt sind. Da kommt es aber auch mitunter 
zur Entwicklung einer wahren Appendicitis; und zwar kann dieselbe 
sich in jedem Stadium der Krankheit entwickeln, oder auch nach voll- 
ständigem Abfalle des Fiebers auftreten. 

Bei der Nekropsie findet man Verwachsungen zwischen Wurm- 
fortsatz und Blinddarm, Entzündungen der Schleimhaut, kleine hämor- 
rhagische Herde in derselben und eine deutliche Schwellung der 
Lymphdrüsen im Mesoappendix. Ist im Laufe eines Scharlachs 
Appendicitis zur Entwicklung gelangt, so behandelt man dieselbe nach 
bekannten Prinzipien, geradeso als ob die Krankheit allein aufgetreten 
wäre. Bei schweren Scharlachfällen ist es von Vorteil, dem Auftreten 
einer Entzündung des Wurmfortsatzes vorzubeugen, einerseits durch 
strenge Diät, die ja bei Scharlach ohnehin beobachtet wird, und dann 
durch Auflegen einer Eisblase auf die Gegend des Wurms. Auch in 
der Rekonvaleszenz der Scarlatina ist eine genaue Beobachtung der 
Darmfunktion von Wichtigkeit. E. Toff (Braila). 


9) K. Walko. Die larvierten Formen der chronischen Ap- 
pendicitis. 
(Prager med. Wochenschrift 1908. Nr. 30.) 

Verf. hat ca. 150 Fälle von chronischer Appendicitis beobachtet, 
die meist operativ behandelt wurden. 

Er steht auf dem Standpunkte, daß die chronische Appendicitis 
sich nicht im Anschluß an akute Anfälle zu entwickeln braucht, son- 
dern daß sie ganz schleichend und latent auftreten kann. Was die 
Schmerzempfindung bezüglich der Diagnose für eine Bedeutung hat, 
erhellt daraus, daß die chronische Appendicitis oft gar keine Schmerzen 
macht, daß andererseits Schmerzen in der Nabel- und Magengegend 
empfunden werden, ja, daß über Rücken- und Kreuzsschmerzen, über 
Schmerz über dem Brustbein, sowie über Gürtelgefühl geklagt wird, 
daß ferner Schmerz im rechten Hoden und in der Gegend der Flexura 
sigmoidea auftritt. Von differential-diagnostischem Wert ist, daß dys- 
peptische Beschwerden im Verlauf einer chronischen Appendicitis auf- 
treten. Solche Kranke gelten’ oft als Hysteriker und Neurastheniker, 
bis sie mit einem Schlage durch eine Operation von ihrem Leiden 
befreit sind. Auffallend ist das wechselnde Verhalten der Funktion 
des Magens. Die Intensität der gastrischen Symptome entspricht 
weder bezüglich der subjektiven Beschwerden, noch nach den objek- 
tiven Erscheinungen der Schwere des krankhaften Prozesses im Wurm. 
Die Ursache erblickt Verf. in toxischen und mechanischen Einflüssen, 
derart, daß sie sich durch Reflexvorgänge in der Darminnervation gel- 
tend machen. Eine gesonderte Besprechung widmet Verf. denjenigen 
Fällen von Appendicitis, die mit Magengeschwür vergesellschaftet sind. 
Er faßt zwei Möglichkeiten ins Auge, einmal toxische Einflüsse von 


nn aaO lilii a 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1301 


seiten der im Blut kreisenden Bakteriengifte, dann eine fortgeleitete 
Thrombophlebitis im Mesenterium, wie sie Payr durch seine Versuche 
zeigt. Was die Erkrankung des übrigen Darmkanals anbelangt, so ist 
eine Appendicitis oft hinter einer hartnäckigen Verstopfung, sei sie 
nun atonisch oder spastisch, versteckt. Desgleichen tritt die Erkran- 
kung unter dem Bild einer schweren Enteritis auf. Zur Appendicitis 
larvata rechnet Verf. ferner jene Fälle, bei denen durch eine ver- 
schleppte Perforation eine diffuse adhäsive Peritonitis eingetreten ist. 
Mannigfaltige Adhäsionsbildungen und Pseudotumoren gehören in diese 
Reihe. 

Der Krankheitsverlauf der chronischen Appendicitis wird aber 
auch oft vorgetäuscht durch einen nervösen Symptomenkomplex, den 
schon Nothnagel als Pseudoappendicitis bezeichnet hat. Zu einer 
Verwechslung mit Appendicitis können ferner folgende Erkrankungen 
Anlaß geben: rechtsseitige Hodenneuralgie, Kryptorchismus, Harn- 
röhrenstriktur, Blasen- und Gallensteine und Entzündungen des Nieren- 
beckens und des Psoas. Sehr innige Beziehungen bestehen zwischen 
der Appendicitis und den Erkrankungen der weiblichen Adnexe. Als 
Folgeerscheinung der Appendicitis sind besonders Thrombosen der 
benachbarten Venen mit nachfolgender Lungenembolie und sonstige 
pyämische Lokalistion zu fürchten. Auch die retrograde Thrombose 
im Pfortadergebiet mit folgender Darmgangrän erwähnt Verf. 

Die Tatsache, daß von den verschiedensten Organen des Bauches 
ausgehende Reize immer zu denselben Erscheinungen führen, wie: 
Dyspepsie, Sekretions- und Motilitätsstörungen, faßt Verf. als Beweis 
dafür auf, daß alle vom Bauch ausgehenden Erregungen durch den 
Vagus oder durch den Sympathicus dem nervösen Zentralorgan zu- 
geführt werden und von da aus je nach Art und Dauer des Reizes 
als steigender oder hemmender Impuls zu dem Magen zurück gehen. 

Bei vielen Fällen wird sich auch eine Kombination der nervös 
reflektorischen und der toxischen Vorgänge finden, wozu noch ein 
drittes Moment, das der durch Verwachsung bedingten mechanischen 
Reizung, hinzukommt. 

Auf Grund seiner Beobachtungen gelangt Verf. zu dem Resultate, 
daß die Appendektomie das rationellste Verfahren ist. In ca. 75% 
der Fälle kehrten die sekretorischen wie motorischen Störungen des 
Magens zur Norm zurück, in 25% war die Operation nur von vorüber- 
gehendem Erfolg oder blieb ganz ohne Einfluß, wobei eine schwere 
Magenatonie, ein Magengeschwür und ein chronischer Dickdarm- 
katarrh nicht als unbedingte Folgeerscheinungen einer chronischen 
Appendicitis gelten müssen. A. Hofmann (Karlsruhe). 


10) A. Broca et F. Barbet (Paris). Résultats éloignés de la 
resection de l’appendice au cours de l’appendicite chronique. 
(Presse med. 1908. Nr. 64.) 

.Verff. weisen auf die indirekten günstigen Veränderungen hin, 
welche durch die Entfernung des Wurmfortsatzes bei chronischer 


1302 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 


Appendicitis erzielt werden. Namentlich bei Kindern ist in den 
meisten Fällen die Anderung im Allgemeinzustand eine auffallende. 
Kinder, die früher sich schlecht nährten, oft erbrachen, appetitlos 
waren, unregelmäßigen, ungenügenden Stuhl hatten, blaß waren und 
in der Entwicklung zurückblieben, sind 20—30 Tage nach der Ope- 
ration kaum wiederzuerkennen; die Schmerzen sind verschwunden; es 
stellt sich förmlicher Heißhunger ein, der Stuhlgang ist regelmäßig, 
und das Körpergewicht nimmt rasch zu. Nur in seltenen Fällen, und 
hauptsächlich, wenn außer der Appendicitis noch andere Darmverän- 
derungen bestanden hatten, dauern die denselben zuzuschreibenden 
Symptome auch nach der Operation durch einige Zeit fort. So ist 
es hauptsächlich in jenen Fällen, in welchen eine schleimig-membra- 
nöse Enteritis besteht. Doch auch auf diese Erkrankung übt die 
Appendektomie eine günstige Wirkung aus, und von sieben von den 
Verff. unter derartigen Umständen operierten Pat. hat nur ein ein- 
ziger einige Zeit nach der Operation Symptome von Enteritis zurück- 
behalten. 

Aus diesen Beobachtungen ist also der Schluß zu ziehen, daß 
bei Bestehen einer chronischen Appendicitis operativ eingegriffen 
werden soll, ohne das Auftreten von akuten Verschlimmerungen ab- 
zuwarten. 

37 Krankengeschichten, betreffend die von den Verff. operierten 
Fälle, illustrieren das Gesagte. E. Toff (Braila). 


11) Duvergey. Les adherences douloureuses consécutives à 


l’appendicectomie. 
(Province med. 1908. Nr. 32.) 

Verf. macht darauf aufmerksam, daß die Literatur über diejenigen 
schmerzhaften Zustände, welche nach einer Appendektomie auftreten, 
noch sehr spärlich ist. Er hat zahlreiche Fälle beobachtet, bei welchen 
nach Entfernung des Wurms die Beschwerden in derselben Stärke wie 
vorher andauerten. Er unterscheidet zwei Kategorien. Bei der einen 
treten die Schmerzen allmählich einige Zeit nach der Operation auf, 
nachdem zunächst die Beschwerden behoben zu sein schienen. Die 
andere Art von Kranken klagt ohne Unterbrechung über dieselben 
Beschwerden, so daß die Operation in diesem Falle auch nicht vor- 
übergehend Erleichterung verschafft hat. Die Art des Schmerzes 
wechselt vom leisesten Stich bis zu den quälendsten kolikartigen An- 
fällen. Als Ursache spricht Verf. Verwachsungen an, die meistens 
vom Netz ausgehen und sich nach der Bauchwand zu mit Einbeziehung 
des Blinddarmes oder benachbarter Darmschlingen hin erstrecken. Die 
Verwachsungen selbst verdanken ihre Entstehungen immer einer In- 
fektion, sei es des Operationsfeldes, sei es von seiten eitriger Prozesse 
im Wurme selbst. Als einziges Mittel zur Beseitigung der Beschwerden 
empfiehlt Verf. die Relaparotomie mit Durchtrennung der Verwachsungen. 

A. Hofmann (Karlsruhe). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1303 


12) M. G. Chavannaz. Cure radicale de la hernie inguinale. 


Technique et résultats personnels. 
(Journ. de méd. de Bordeaux 1908. Nr. 29.) 


C. lagert den Samenstrang ganz in die Tiefe der Wunde und 
läßt ihn durch eine enge Öffnung im unteren Winkel dicht über dem 
Schambein heraustreten. Im übrigen werden Muskulatur und Fascie 
wie bei der Methode von Bassini, aber vor dem Samenstrang, an 
das Lig. Pouparti genäht; das Besondere in dem Vorgehen C.'s 
besteht jedoch darin, daß er zur Sicherung der mit Catgut aus- 
zuführenden Etagennaht zunächst drei durchgreifende Silberdrahtnähte 
legt. C. hatte unter 68 nach dieser Methode operierten Fällen zwei 
Rezidive. Die ÖOperationsdauer soll zwischen 7(!) und 20 Minuten 
schwanken. Boerner (Rastatt). 





13) Hackenbruch (Wiesbaden). Zur Radikaloperation der 


Leistenbrüche. Fascienknopfnähte. 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 32.) 

Zur weiteren Verbesserung der Resultate der Radikaloperation 
empfiehlt H. neben der Anwendung strengster Asepsis (Gummihand- 
schuhe, Gesichtsschleier), und Versorgung des Bruchsacktrichters im 
Sinne der lateralen Verlagerung nach Kocher die auch von Girard 
bewährt befundene Benutzung eines aponeurotischen Lappens zur Ver- 
stärkung der Kanalnaht und die Verwendung von alleinigen Fascien- 
knopfnähten — mit Jodcatgut — bei letzterer. Er operiert folgender- 
maßen: Freilegung der Aponeurose des M. oblig. abdom. ext., Spal- 
tung vom Scheitel der äußeren Bruchpforte bis über die Gegend des 
inneren Leistenringes hinaus, Ablösung des lateralen Teiles von der 
Unterlage und Umschlagen dieses aponeurotischen Lappens; Ablösung 
der Muskelplatte des M. obliq. int. und transv. abdom. vom Bruch- 
sackhals, Isolierung des Bruchsackes, Abbindung (Jodcatgut) und Ver- 
lagerung des Bruchsackstumpfes nach oben. Nach Verschiebung des 
Samenstrangbündels über den medialen Teil der Aponeurose des M. 
oblig. abdom. ext. wird der freie mediale Schnittrand desselben mit 
dem Leistenbande bis auf eine kleine Lücke für den Samenstrang 
durch einzelne Knopfnähte verschlossen, letzterer auf die Nahtreihe 
gelegt und über ihn der laterale aponeurotische Lappen hinweg ge- 
schlagen und auf der medialen Fläche der Aponeurose befestigt, so 
daß der Samenstrang zwischen diese beiden Fascienblätter zu liegen 
kommt. Schluß der Hautwunde durch Michelklammern, Gazedurana- 
pflasterverband; Entfernung der Klammern nach 6—7 Tagen; 3 Wochen 
lange Bettruhe. 

Die von H. erreichten sehr günstigen Resultate bestätigen somit 
die vorber schon von Girard, Graser, Halstedt bezüglich des 
Wertes der Verstärkung der Kanalnaht durch Fascienverdoppelung 
ausgesprochenen Ansichten. Kramer (Glogau). 


1304 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 


14) Takata. Eine Modifikation der Verlagerungsmethode bei 
der Kocher’schen Bruchoperation. (Aus der chirurgischen 


Universitätsklinik in Marburg.) 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 33.) 

Die von Prof. Friedrich geübte Modifikation besteht darin, daß 
der Bruchsack nur an seiner Durchtrittsstelle zwischen den Schenkeln 
des Obliquus von einem kleinen Hautschnitte freigelegt, nicht am 
inneren Leistenring abgetragen, sondern zwischen der Muskulatur der 
vorderen Bauchwand und dem sie auskleidenden parietalen Bauchfell 
weit in die Höhe geschoben und seine Kuppe schließlich, wie bei 
Kocher, durch einen sehr kleinen Schlitz nach außen hindurchgeführt 
und, event. nach teilweiser Abtragung des zu langen Bruchsackes, 
in der Höhe des Bauchwandschlitzes angenäht wird. Durch straffes 
Anziehen wird das Bauchfell der abdominalen Bruchsacköffnung so- 
mit unter das parietale Bauchfell verlagert, außerdem auch das laterale 
Ende der hinteren Leistenkanalwand gegen die vordere Wand an- 
gepreßt und hierdurch ein solider, glatter Abschluß der abdominalen 
Leistenpforte hergestellt. — Eine Reihe von schematischen Zeich- 
nungen veranschaulichen die Methode Kocher’s und die seit über 
10 Jahren bewährt befundene Friedrich’sche Modifikation, die sich 
durch Geschwindigkeit der Ausführung, durch Berücksichtigung des 
Bauchwandmuskelapparates, durch Verwendung von nur wenigen 
Nähten und durch Schaffung geringer äußerer Narbenbildung aus- 
zeichnet und sehr gute Dauererfolge gibt. Ihre Gegenanzeige findet 
sie bei verwachsenen Brüchen und starker Bruchsackwandverdickung ; 


hier gebührt der Bassini’schen Methode der Vorzug. 
Kramer (Glogau). 





15) Mauclaire. Embolies pulmonaires apres la cure radicale 


des hernies inguinales. 
(Arch. de génér. de chir. II. Nr. 6. 1908.) 

Verf. schildert auf Grund von 50 in der Literatur angegebenen 
Fällen Atiologie, Symptome und Therapie der Lungenembolien, die 
im Anschluß an die Radikaloperation freier Leistenbrüche beobachtet 
werden. M. betont, daß diese Komplikation mit der Operation in 
Verbindung zu setzen ist. Genetisch kommen lokale (Infektion, Schä- 
digung der benachbarten Venen) und allgemeine Ursachen (Allgemein- 
infektion, Blutalteration, Herzerkrankungen, Veränderungen des Venen- 
systems, zu frühzeitiges Aufstehen) in Frage. 

Die Behandlung soll im wesentlichen eine prophylaktische sein: 
Vermeiden der angegebenen ätiologischen Momente In schweren 
Fällen erscheint die Unterbindung der V. femoralis oder iliaca an- 
gezeigt. Die Versuche Trendelenburg’s, den verstopfenden Pfropf 
aus der Arteria pulmonalis zu extrahieren, hält M. für recht beachtens- 
wert. Strauss (Nürnberg). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1305 


16) Menge (Heidelberg). Zur Radikaloperation von Nabel- 
brüchen und von epigastrischen und subumbilikalen Hernien 
der Linea alba durch quere Fascienspaltung und Muskel- 
aushülsung. 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 27.) 

Zu dem kürzlich von Port veröffentlichten Aufsatz über die 
Graser’sche Operation großer Nabel- und Bauchbrüche bemerkt M., 
daß diese Methode, dem Pfannenstiel’schen Verfahren angepaßt, 
für die im Titel bezeichneten Fälle zuerst von ihm angegeben worden 
sei (Zentralblatt für Gynäkologie 1903 Nr. 13) und auch für kleine 
Nabelbrüche, hier einen unbedeutenden Eingriff darstellend, sich vor- 
züglich eigne, wie sie ebenfalls bei Fällen von sehr weitgehender 
Diastase der Mm. recti mit ausgezeichnetem Erfolg anwendbar sei. 

M. empfiehlt die Bezeichnung »Radikaloperation mit querer Fas- 
cienspaltung und Muskelaushülsung«, die in einem Nachwort auch 
Graser unter Anerkennung der Priorität von Pfannenstiel und M. 
annimmt. 

Ref. hat bereits im Jahre 1895 (s. Archiv für klin. Chirurgie 
Bd. LO Hft. 1) einen durch Exstirpation eines kopfgroßen Desmoids 
der Bauchwand entstandenen enormen Defekt in dieser durch Aus- 
hülsung und Verschiebung der Mm. recti mit andauerndem Erfolge 
gedeckt. Kramer (Glogau). 





17) Scudder (Boston). Stenosis pylori infantum. 
(Boston med. and surg. journ. 1908. August 6.) 

Unter Veröffentlichung von fünf von ihm in den letzten Jahren 
operierten Fällen gibt S. eine klare Darstellung des Krankheitsbildes 
der angeborenen Pylorusstenose, aus der ich folgendes hervorheben 
möchte. Die Symptome sind außerordentlich charakteristisch. Das bei 
der Geburt meist ganz gesunde Kind fängt am 3. oder 4. Tage nach 
der Geburt an zu erbrechen. Form und Geruch des Erbrechens unter- 
scheiden sich wesentlich von dem durch einfache Indigestionen hervor- 
gerufenen, es ist stürmisch und hartnäckig, der Geruch ist nicht unan- 
genehm; eine Diätveränderung vermag keinen Einfluß auszuüben, dagegen 
wird es durch die Quantität der eingenommenen Nahrung wesentlich 
beeinflußt. Die Salzsäure ist selten vermehrt, Blut oder Milchsäure 
finden sich nicht. Der Stuhl behält seine mekoniumartige Beschaffen- 
heit bei, nach der Mahlzeit tritt meist eine auffallende Magensteifung 
auf. Der Pylorus ist oft als harte Geschwulst durch die Bauchdecken 
‘ hindurch fühlbar. Diese Geschwulst wird gebildet durch die enorme 
Verdickung der Schleimhautfalten sowie der Muskulatur des Pylorus. 
Die Prognose ist bei interner Therapie absolut schlecht, doch auch 
bei operativer noch schlecht genug. S. fand unter 135 Fällen aus 
der Literatur eine Sterblichkeit von 49%. Unter allen für die Ope- 
ration vorgeschlagenen Methoden kommt nach S.’s Ansicht nur die 
hintere Gastroenterostomie in Frage. S. bereitet das Kind durch Ein- 


1306 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 


läufe mit Kognak und Kochsalz vor. Ferner sorgt er für möglichst 
gute Warmhaltung des Kindes während und nach der Operation und 
gibt wenige Stunden danach bereits etwas Wasser oder Muttermilch. 
Seine fünf operierten Fälle sind alle geheilt, ohne Störungen zu hinter- 
lassen. H. Bucholz (Boston). 





18) Luis y Yague. Periodos clinicos secretorios y mötricos 


de los dilatados gastricos per estenosis benignas. 
(Rev. de med. y cirurg. pract. de Madrid 1908. Nr. 1031. Juni 21.) 

1) Die motorische und sekretorische Funktion des Magens bei 
den gutartigen Stenosen durchläuft in den meisten Fällen verschiedene, 
gut voneinander abgrenzbare Perioden. Die Perioden der motorischen 
Funktion sind: a. übermäßige Motilität; b. geschwächte Motilität; 
c. Lähmung. Die Perioden der sekretorischen Funktion sind: a. Hyper- 
chlorhydrie mit Hyperacidität; b. Hypochlorhydrie mit Hyperacidität. 
Die verschiedenen Perioden der Motilität sind fast konstant zu treffen 
in allen Fällen, in denen nicht operativ eingegriffen wird. Die se- 
kretorischen Perioden sind nicht ganz so konstant zu finden. Die 
Erfolge der Gatroenterostomie sind sehr verschieden; in den Fällen 
der übermäßigen Motilität pflegt die Evakuation des Mageninhaltes 
gleichmäßig und dauernd zu werden, aber es treten leicht Störungen 
der Sekretion (Hyperchlorhydrie) auf; in den Fällen geschwächter 
Motilität sind die Resultate weniger vollkommen, und oft treten Ver- 
dauungsstörungen, besonders Diarrhöen auf. Stein (Wiesbaden). 





19) T. Jeanneret. Recherches experimentales sur un nou- 


veau procédé de gastrostomie. 
Diss., Bern, 1907. 

Tavel beschrieb in einer vorläufigen Mitteilung (s. Originalmit- 
teilung, d. Zentralbl. 1906 p. 634) eine neue Methode der Gastrostomie 
und verwies auf J.’s zu erscheinende Arbeit. 

J. gibt zuerst eine kurze historische Entwicklung der Magenfistel- 
operation und streift die Vor- und Nachteile der einzelnen Verfahren. 
Er hebt sodann hervor, daß allen jetzt gebräuchlichen Verfahren ge- 
wisse Mängel anhaften, die in der einschlägigen Literatur zum Teil 
nirgends erwähnt werden, gerade weil es noch keiner Methode gelang, 
sie zu beheben. 1) Bei allen geübten Verfahren wird der Magen an 
die vordere Bauchwand fixiert; Störungen und Beschwerden, ähnlich 
wie bei der Hernia epigastrica, sind die Folge. 2) Stets wird ein Teil 
der Magenwand selbst zur Bildung des Fistelganges benutzt; bei dem 
meist vorhandenen geschrumpften Zustande des Magens ist dies nicht 
nur mit operationstechnischen Schwierigkeiten, sondern auch mit 
späteren funktionellen Nachteilen verknüpft. 3) Die Enge der erzielten 
Fistel gestattet nur eine sehr einseitige Ernährungsweise. 4) Die ge- 
bräuchlichsten Methoden schaffen eine Fistel, die nicht mit Schleim- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1307 


haut, sondern entweder mit Serosa (Witzel, Fontan, Kader) oder 
mit Wundgranulationen (Marwedel) ausgekleidet ist; darin liegt die 
stete Gefahr der Verengerung und Atresie. J. beschreibt sodann aus- 
führlich die Operationstechnik der neuen Methode Tavel’s, der aus 
einer ausgeschalteten, mit ihrem Mesenterium im Zusammenhang ge- 
bliebenen Dünndarmschlinge einen Fistelkanal bildet (s. die erwähnte 
Originalmitteilung. Es folgen die Berichte über Tierexperimente 
(7 Hunde), deren interessante Einzelheiten im Original nachzulesen 
sind. Verf. kommt zu folgenden Hauptergebnissen: 1) Eine durch 
eine ausgeschaltete Darmschlinge hergestellte Magenfistel hat keine 
Neigung zur Verengerung und Atresie. 2) Die Peristaltik behält in 
einer umgedrehten Darmschlinge ihre ursprüngliche Richtung und 
wiedersetzt sich dem Herausfließen des Mageninhaltes, wenn die 
Schleimhaut genügend gereizt wird (durch längeres Verweilen der 
Sonde). 3) Ein schräger Verlauf des Fistelkanales auf der vorderen 
Magenwand verhindert das Austreten von Mageninhalt. 4) Eine Magen- 
fistel, die beide Ursachen der Undurchlässigkeit, zentripetale Peristaltik 
und schrägen Verlauf, vereinigt, ist unter allen Umständen schluß- 
fähig. 5) Die zur Magenfistel umgewandelte Darmschlinge kann in 
ihre äußere Öffnung eingeführte Nahrung aktiv dem Magen zuführen. 
— Verf. glaubt, daß die anfangs erwähnten, den früheren Methoden 
der Gastrostomie anhaftenden Mängel durch das Vorgehen Tavel’s 
vermieden werden. Seine Nachteile bestehen in schwierigerer Technik 
und längerer Operationsdauer; er erfordert daher immer relativ guten 
Allgemeinzustand des Pat. — Im Anschluß wird über zwei von Tavel 
nach seiner Methode operierte Fälle berichtet (Fall 1 schon bei Tavel 
erwähnt). Beide Male war ein voller Erfolg zu verzeichnen. 
E. D. Schumacher (Zürich). 


20) Campo. Quimismo del estómago despues de la gastro- 
enterostomia. 
(Revue de med. y cirurg. pract. de Madrid 1908. Nr. 1029.) 

Die Gastroenterostomie ist absolut indiziert bei gutartiger oder 
bösartiger Verengerung des Pylorus. Der Chemismus des Magens 
pflegt im ersteren Falle Hyperchlorhydrie, im letzteren Hypochlor- 
hydrie durch Degeneration der Drüsen zu zeigen. Die Totalazidität 
ist höher als es dem Salzsäuregehalt entspricht (Milchsäure). Sie 
muß mit Probefrühstück vor der Operation genau bestimmt werden. 
In der großen Mehrzahl der Fälle ist der Gehalt an Salzsäure vor 
der Operation der gleiche; in einigen Ausnahmefällen ist er nach der 
Operation erhöht. Dagegen pflegt die Totalazidität vermindert zu 
sein. Die neuerlichen Mitteilungen von Katzenstein über die Ver- 
minderung der Azidität nach Gastroenterostomie widersprechen in 
der von diesem Autor angegebenen Begründung bzw. Theorie den 
Resultaten der Klinik und sind daher sehr anfechtbar. 

Stein (Wiesbaden). 


— on. nn 


1308 ‚Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 


21) Rivas y Rivas. Resultados tardios de la gastroentero- 
stomia. 
(Rev. de med. y cirurg. pract. de Madrid 1908. Nr. 1031.) 

Man muß unter den Gastroenterostomierten drei Gruppen unter- 
scheiden: a. Entleerung des Magens innerhalb 1/3 bis 4 Stunden; 
b. innerhalb 4—8 Stunden, c. später als nach 8 Stunden. Die Opera- 
tion der Gastroenterostomie löst ein mechanisches Problem, hat aber 
keinen Einfluß auf die Schädigungen der Funktion oder Sekretion. 
Daher müssen die Operierten einer innerlich-medizinischen Therapie 
unterworfen werden. Die Resultate der Operation sind gut bei 
geschwürigen Prozessen am Pylorus; sie sind schlecht bei Geschwüren 
fern vom Pylorus, da die Gastroenterostomie weder die Schmerzen, 
noch die Blutungen, noch die Sekretionsanomalien beeinflußt. Bei 
jedem Pat. ist die Leber genau zu untersuchen, denn sie ist oft 
atrophisch, und diese Atrophie steht möglicherweise mit den nach 
Gastroenterostomie häufig beobachteten Diarrhöen in ursächlichem 
Zusammenhang, entweder durch Insuffizienz der Leberfunktion oder 
durch Zirkulationsstörungen. Stein (Wiesbaden). 


22) Parker. Intestinal anastomosis without open [incisions 


by means of basting stitches. 
(Bulletin of the Johns Hopkins hospital 1908. Mai.) 

Der Darm wird beiderseits neben der zu resezierenden Partie mit 
einfacher Darmklemme abgeschlossen und das Zwischenstück entfernt. 
Dann wird jedes Ende übernäht, ohne Knoten, vielmehr wird der 
Verschluß durch straffes Anspannen der beiden Fadenenden erzielt. 
Dann werden die zwei Darmenden nach Abnahme der Klemmen 
gegeneinander gelegt und durch Lembertnähte vereinigt; zum Schluß 
wird jeder der zwei gespannt gehaltenen Verschlußfäden an einem 
Ende herausgezogen und die Lembertnähte geknotet. 

An 15 Hunden untersuchte Verf. die Brauchbarkeit der Methode. 
Die ersten drei Tiere gingen an Ileus zugrunde, weil es zu keiner 
Öffnung der Darmlichtungen gskommen war; es waren kleine Hunde 
gewesen. | 

Nun wurden große Hunde genommen; von diesen 12 ging einer 
noch an Ileus infolge Striktur der Operationsstelle zugrunde, die 
anderen 11 blieben am Leben; die Passage hatte sich wieder ein- 
gestellt. — 8 Abbildungen. | W. v. Brunn (Rostock). 


23) S. G. Gant (New York). Local and clinical treatment 
of chronic diarrhoea. 
(New York med. journ. 1908. August 15.) 

G. bekämpft die chronische Diarrhöe, die er auf ulzeröse Pro- 
zesse im Dickdarme zurückführt, hervorgerufen durch Tuberkulose, 
Gonorrhöe, Lues u. a., prinzipiell mit Ausspülungen und hält jede 
interne Therapie für unnütz. Er legt großen Wert darauf, daß die 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1309 


Spülflüssigkeit auch alle erkrankten Partien sicher erreicht. Zu diesem 
Zwecke führt er das Darmrohr unter Leitung des Rektoskops so hoch 
wie möglich in den Darm ein. Wenn nach einigen Wochen kein 
Erfolg erzielt worden ist, so legt er einen Anus coecalis an. Da in 
einer Reihe von Fällen diese Methode nicht genügend war, weil die 
Erkrankung sich bis in das Ileum hinauf erstreckte, so führt Verf. 
jetzt prinzipiell zwei Katheter in den künstlichen After ein, einen in 
das Kolon, den anderen in das Ileum. Durch Herstellung einer Falte 
nach Art der Kader’schen Gastrostomie verhindert er das Austreten 
von Darminhalt. Zur Spülung verwendet G. heißes oder kaltes Wasser, 
Lösungen von Argentum nitricum, Formaldehyd usw. Bei sehr übel- 
riechenden Stühlen spült er mit 1—2%iger Lösung von Ichthyol. 
Treten nach der Spülung starke Koliken auf, so legt er heiße Um- 
schläge auf den Leib, oder er bringt zum Schluß 20 ccm Wismut mit 
120 ccm warmen Ols in den Darm. 

Übrigens erweitert G. die Indikationsstellung für diese Methode, 
indem er sie auch für schwere Autointoxikationen, Ptomainvergiftung, 
Kinderdiarrhöen, ja für längere Zeit notwendige künstliche Ernährung 
in Vorschlag bringt. H. Bucholz (Boston). 


24) Beach. The treatment of choice of stricture of the 


rectum. 
(Pacific med. journ. 1908. August.) 

Nach B.’s Erfahrungen hat keine der chirurgischen Behandlungs- 
methoden, die das Syphilom des Mastdarmes direkt auzugreifen suchen, 
dauernden Erfolg, sie verschlimmern sogar eher den Zustand. Die 
Methode der Wahl ist die permanente Kolostomie, welche die exak- 
teste Durchspülung der Erkrankungsstelle erlaubt. 

Mohr (Bielefeld). 


Kleinere Mitteilungen. 


Aus der chirurgischen Universitätsklinik zu Basel. 
Direktor: Prof. Dr. Wilms. 


Wismutvergiftung durch Injektionsbehandlung 
nach Beck. 
Von 


Dr. Hans Eggenberger, 


Assistenzarzt. 


n Nr. 18 des »Zentralblattes für Chirurgie« 1908 (p. 555) teilte Beck eine neue 
Methode zur Diagnose und Behandlung von Fistelgängen mit. Er hatte durch 
Injektion von Bismuth. subnitric. 1 : Vaselini albi 2 Empyemböhlen und Höhlen 
von spondylitischen Abszessen rasch zur Heilung gebracht. 
Wir injizierten nach seiner Methode verschiedene Fisteln mit gutem Erfolg; 
ein Fall aber zeigte uns, daß diese Behandlung doch besondere Aufmerksamkeit 
verlangt. 


1310 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 


Bei einem 7jährigen Knaben mit spondylitischem Abszeß im Abdomen, der 
. früher mehrfach punktiert worden war und angefangen hatte zu fisteln, wurden 
30 g Wismutvaselin injiziert. Man ließ die Injektionsmasse in der Höhle. Es floß 
nur wenig davon durch die Fistel nach außen ab. Nach 6 Wochen wurde der 
Appetit des Pat. allmählich schlechter; Übelkeit und Erbrechen traten auf. Der 
Puls stieg rasch bis 120 und 130. Diese Symptome blieben zunächst unerklärt. 
Bald bemerkte man aber eine der merkuriellen ähnliche Stomatitis mit schwarz- 
braunen Belägen und Geschwüren an Zahnfleisch und Lippen. Da Quecksilber- 
vergiftung ausgeschlossen war, wurde die Annahme einer Wismutintoxikation nahe- 
liegend. Die Abszeßhöhle wurde breit eröffnet und ausgespült. Die Intoxikations- 
erscheinungen nahmen dessenungeachtet an Intensität zu, indem sich Nystagmus, 
Trismus, klonische und tonische Krämpfe der Gesichts- und Extremitätenmusku- 
latur einstellten. Pat. zeigte das Bild einer toxischen Hirnrindenreizung, wie z. B. 
bei Urämie. Er wurde benommen, die Atmung stertorös, beschleunigt und das 
Gesicht cyanotisch.. Wenige Tage nach Ausräumung der Abszeßhöhle trat der 
Exitus ein. Diarrhöe war nie vorhanden. Die Farbe des Stuhles war durch das 
seit mehreren Wochen regelmäßig eingenommene Ferrum oxydatum saccharatum 
stets grau. 

Bei der Autopsie fanden sich außer einer deutlichen Hyperämie keine anato- 
mischen Veränderungen am Zentralnervensystem. Ausgeprägt waren aber solche 
im Verdauungstraktus. Es fanden sich 1) kleine punktförmige Blutungen in der 
Magenschleimhaut; 2) die Dünndarmfollikel waren gerötet und geschwollen; an der 
Valvula Bauhini war ein grünbraunes, zirkuläres Geschwür, das 2—3 cm weit auf 
die benachbarten Partien des Coecum übergriff. Die übrige Dickdarmschleimhaut 
war geschwollen und hyperämisch. 


Nach Hans Meyer und Steinfeld (Dorpat) können solche Darmverände- 
rungen bei Säugetieren experimentell erzeugt werden durch subkutane Injektion 
von löslichen Wismutpräparaten. Das Wismut wird in den Darm ausgeschieden 
und ist als Schwefelverbindung in den braunen Dickdarmgeschwüren wieder zu 
erkennen. In unserem Falle wurde von Dr. Gigon in dem abgekratzten braunen 
Zahnfleischbelag Wismut nachgewiesen. 

R. Kobert (Lehrbuch der Intoxikationen) nimmt an, daß sich aus dem sonst 
unlöslichen Bismuth. subnitric., namentlich wenn es als Salbe appliziert wird, auf 
Wundflächen lösliche Albuminate bilden, die sehr giftig sind. Für lösliche Doppel- 
salze von Bismut beträgt die kleinste tödliche Dosis bei subkutaner Injektion 6 mg 
pro Kilogramm Hund und Katze. 

Die ersten Wismutvergiftungen bei Wundverbänden wurden schon vor 20 Jahren 
von Pott, Kerner, Kocher, Riedel usw. beobachtet. 

Dreesmann stellte die bis 1901 bekannten Fälle im Archiv für experimentelle 
Pathologie und Pharmakolologie zusammen. In neuerer Zeit wurden akute und 
subakute Bismutvergiftungen veröffentlicht von Mahne nach Injektion in Abszeß- 
höhle (Berliner klin. Wochenschrift 1905 p. 232) und Bennecke nach interner Dar- 
reichung (Münchener med. Wochenschrift 1905 p. 945). 

Man muß sich demnach auch bei der Wismuttherapie nach Beck stets bewußt 
sein, daß man es mit einer unter Umständen sehr giftigen Substanz zu tun hat. 


25) B. Dollinger. Behandlung tuberkulöser Fisteln nach dem Beck- 
schen Verfahren. 
(Orvosi Hetilap 1908. Nr. 35.) 

Verf. hat in 16 Fällen das Beck’sche Verfahren angewendet; es gelang in 
vier Fällen mittels 2—8 Injektionen volle Heilung zu erzielen, in 12 Fällen, die 
noch in weiterer Behandlung sind, konnte bereits nach 3—4 Injektionen eine Bes- 
serung, Verminderung des Sekretes, lebhafte Granulation konstatiert werden. 

P. Steiner (Klausenburg). 


n n O 


O -e EEE 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1311 


26) Sanitätsbericht über die Kgl. preußische Armee, das XII. und 
XIX. (1. und 2. Kgl. sächsische) und das XII. (Kgl. württem- 
bergische) Armeekorps, sowie über die Kaiser]. ostasiatische Besatzungs- 
brigade und über das Kaiserl. ostasiatische Detachement für den Be- 
richtszeitraum vom 1. Oktober 1905 bis 30. September 1906. Bearbeitet 
von der Medizinalabteilung des Kgl. preußischen Kriegsministeriums. 
Mit 31 Karten, 9 graphischen Darstellungen und 1 Zeichnung. VII und 
415 8. 
Berlin, E. S. Mittler & Sohn, 1908. 


Bei einer Durchschnittsiststärke von 531735 Mann traten in Revier- und La- 
zarettbehandlung 314807 Leute = 59,2% der Kopfstärke ein, d. h. 3,8% weniger 
als im Vorjahre. Diese Abnahme war durch eine Verminderung der Krankheiten 
der äußeren Bedeckungen (Panaritium, Zellgewebsentzündung, Furunkel usw.) mit 
bedingt. Es starben, wie in den beiden Vorjahren, von 1000 Mann 2. Von den 
Krankheitsgruppen weisen die Krankheiten der äußeren Bedeckungen und die 
mechanischen Verletzungen den höchsten Zugang auf (13,36 und 13,02% der Kopf- 
stärke gegenüber z. B. 8,29, 7,71 und 1,27 bei den Krankheiten des Ernährungs-, 
Atmungs-, Kreislaufsgebietes). 

Zu 2 aus dem Vorjahr übernommenen Wundstarrkrampffällen traten 3 weitere 
hinzu; 2 führten zum Tode, imal war die Erkrankung von einer kleinen, durch 
einen vorstehenden Stiefelnagel hervorgerufenen Wunde an der Fußsohle aus- 
. gegangen; im Stiefel und Fußlappen des Erkrankten wurden durch Impfung auf 
Mäuse Tetanusbazillen nachgewiesen. Das Heilserum bewährte sich. 

Über Ored&’sche Silbersalze, Collargoleinspritzungen und Aronson’sches 
Serum bei Eiterungen usw. wird günstig berichtet. 

Bei einem schwerkranken Typhösen wurden das Leben im höchsten Grade 
gefährdende Blutungen aus Nase, Zahnfleisch, Lunge, Magen und Darm durch 
Einspritzung von 0,001 Adrenalin unter die Haut zum Stehen gebracht. Die Ein- 
spritzung wurde vorsichtshalber an den 2 nächsten Tagen wiederholt. Der Kranke 
genas. 

Erfolge der Bier’schen Stauung bei 2 Fällen von Kniegelenks- und 1 Falle 
von Fußwurzeltuberkulose werden besonders erwähnt. 

Besserungen, zum Teil auffallender Art, tuberkulöser Bauchfellentzündung 
nach dem Bauchschnitt wurden mehrfach beobachtet. 

8 Kropfkranke erhielten Thyreoidin und Antithyreoidintabletten Möbius, davon 
7 ohne jeden Erfolg; 16 operierte wurden sämtlich dienstfähig. 

1039 (0,2% der Kopfstärke) Fälle von Unterleibsbrüchen wurden behandelt, 
81 Bruchoperationen, bei den Leistenbrüchen meist nach Bassini, ausgeführt. 
Dazu kommen 30 Erkrankungen an eingeklemmtem Bruch mit 8 Operationen, von 
denen 7 Dienstfähigkeit erzielten. Von 10 Operationen wegen Darmverschlusses 
führten 5 zur Heilung. 

1666mal trat Blinddarmentzündung auf. Auffallend ist, daß noch »am ge- 
bräuchlichsten in den meisten Lazaretten die Opiumbehandlung« war. Trotzdem 
sind die Blinddarmoperationen von 124 ım Jahre 1902/03 auf 407 im Jahre 1905/06 
angestiegen. 402 Operationsfälle sind ausführlich zusammengestellt (p. 92—95); 
davon starben 53 = 13,2% (im Vorjahre 17,3%); 349 wurden gesund (= 86,8%; 
im Vorjahre 82,7%), darunter 225 auch dienstfähig (= 64,5% der Geheilten; im 
Vorjahre 63,3%; oder = 56% der Operierten).. Von 207 Operierten, bei welchen 
vor dem Eingriff in der Umgebung des Wurmfortsatzes Bauchfellentzündung oder 
Eiterung nicht bestand, starben 6. — Die Zahl der Blinddarmoperationen stieg 
seit 1902/03 um 232,2%, die der Blinddarmerkrankungen nur um 62,4%. Es ent- 
fallen auf 42 Operationen während der ersten 24 Stunden 3 Todesfälle (= 7,1%); 
auf 65 während der zweiten 24 Stunden 6 (= 9,2%), auf 101 Operationen während 
des 3.—7. Tages 34 (= 33,7%, auf 61 Operstionen in der 2. und 3. Woche 
8 (13,1%), auf 133 Operationen in späterer Zeit 2 (= 1,5%). Auf die zahlreichen 


1312 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 


sonstigen chirurgisch lehrreichen Einzelheiten dieser sorgfältigen Berichterstattung 
über Appendicitisbehandlung sei besonders deshalb hingewiesen, weil sich darin 
die Ergebnisse vieler Ärzte unter den verschiedensten äußeren Bedingungen wider- 
spiegeln und damit eine allgemeine Übersicht über die gegenwärtigen durchschnitt- 
lichen Ausgänge bei dieser Krankheitsart gewonnen wird. 

Erfolge der Bier’schen Stauung bei Tripperrbeumatismus, bei Nebenhoden- 
entzündung nach Tripper und bei weichem Schanker werden erwähnt. 

An Panaritium erkrankten im Durchschnitt der Jahre 1881-1886 2,52, im 
Jahre 1905 06 0,82% der Kopfstärke (= 4379 Mann). Über das hierbei vielfach an- 
gewandte Bier’sche Stauungs- und Saugverfahren widersprechen sich die Ansichten 
erheblich. Die lobenden Urteile rühmen die Kleinheit der erforderlichen Einschnitte, 
die günstigen Narben, das schnelle Nachlassen des Schmerzes, die Abkürzung der 
Heilungszeit. — Ahnlich wird über das Bier’sche Verfahren bei den sonstigen 
Zellgewebsentzündungen geurteilt, deren Zahl (= 6,13% der Kopfstärke) gegenüber 
1881-1886 (4,74%) gestiegen ist. 

Die Furunkelbehandlung nach Bier findet Anerkennung. 

Einmal mußte eine Paraffiingeschwulst vom Nasenrücken entfernt werden; die 
zur Ausgleichung einer nach Verletzung entstandenen Sattelnase früher eingespritzte 
Masse hatte eine unförmliche Anschwellung der Nase erzeugt. 

Unter den 35355 Erkrankungen der Bewegungswerkzeuge befanden sich allein 
12964 Fälle von »Fußgeschwulst« (= Schwellfuß, meist Mittelfußknochenbruch). 
Unter den 69235 mechanischen Verletzungen erscheinen zahlreiche Zerreißungen 
usw. der Baucheingeweide sowie 2973 Knochenbrüche, auf deren Zusammenstellung 
nach Körperstelle, Behandlungsart, Krankheitsdauer usw. verwiesen sei. Dasselbe 
gilt für die Einzelheiten der 278 Schuß- und der 15075 Hieb-, Schnitt-, Stich-, 
Riß-, Quetsch- und Bißwunden. 

Über die neueren Betäubungsverfahren liegen noch keine ausgedehnteren Mit- 
teilungen vor. 

In einer Operationsliste sind Anzeigen, Art und Ausgänge von 1147 größeren 
Operationen verzeichnet. Georg Schmidt (Berlin). 


27) A. Neudörfer. Penetrierende Schußverletzung des Abdomens durch 
eine Exerzierpatrone. (Aus der I. chir. Abteilung der Rudolfstiftung.) 
(Wiener klin. Wochenschrift 1907. Nr. 4.) 


Der Holzpfropfen der Patrone war in der linken Leistengegend eingedrungen ; 
hier war Netz vorgefallen. Das Lig. gastrocol. war zerrissen, im Querkolon fand 
sich ein erbsengroßes Loch; endlich fand sich als Quelle nicht unbeträchtlicher 
Blutung ein Schlitz im Mesocolon transv. Außerdem bestanden mehrere Sugille- 
tionen der Darmwand. Der Rest des Pfropfens fand sich in der Bursa omentalis. 
Für den Fall, daß infolge der starken Ablösung des Querkolons dieses gangranös 
werden sollte, wurde durch Annähen und Abtamponieren für Durchbruch nach 
außen gesorgt. 2 Tage nach der Verletzung wurde Tetanusantitoxin prophylaktisch 
subkutan injiziert. Der Verlauf war ganz glatt. Renner (Breslau). 


28) Œ. I. Baradulin. Zur Frage des postoperativen Ileus. 
(Russ. Archiv für Chirurgie [Russisch.]) 


B. bespricht den eigenartigen Symptomenkomplex und betont die Schwierig- 
keiten der Differentialdiagnose gegenüber der Peritonitis. Als unterscheidende 
Merkmale findet er schließlich: beim paralytischen Ileus haben alle Autoren einen 
ruhigen, vollen und regelmäßigen Puls beobachtet, doch kann auch durch Intoxi- 
kation zuletzt die Qualität des Pulses beträchtlich leiden. Weniger Wert hat das 
Verhalten von Schmerz und kotigem Erbrechen, da beide beobachtet werden; nur 
pflegt jener geringer zu sein, und dieses ist sehr selten. Therapeutisch werden 
Eingüsse, subkutane Kochsalzinfusionen, Magenspülungen, Wärme auf den Leib, 
elektrische Klysmata empfohlen. (Vor kurzem erzählte ein Kollege aus Amerika 
dem Ref. folgenden Fall: er hatte eine Pat., die nach Ovariotomie eine schwere 


| a. „Ba 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1313 


Darmparalyse bekam. Kein Mittel half. Da griff er zu einem alten Verfahren: 
er machte einen Aufguß von Zigarrenspitzen [1:8] und goß der Kranken davon 
100 ccm in den Mastdarm. Fast momentan kam die Peristaltik in Gang, während 
die Kranke, trotzdem die Flüssigkeit sofort ablief, alle Zeichen einer schweren 
Vergiftung bot. Sie kam durch.) 


B. hat folgenden Fall: nach einer einfachen Appendektomie begann der Leib 
am 4. Tage sich zu blähen. Trotz aller Mittel (u. a. Belladonna) nahm die Blähung 
zu. Am 10. Tage kamen zuerst etwas Gase, aber erst vom 12. Tage ab gelang 
es, regelmäßige Entleerungen zu erzielen. Die ganze Zeit über war der Leib 
unempfindlich, es wurde nicht erbrochen, der Puls blieb unter 100. 


V. E. Mertens (Kiel). 


29) Mauclaire. Deux cas d’ascite chyliforme. 
(Archives gener. de chir. 1998. II, 7.) 


M. berichtet kurz über einen Fall von chylusartigem Ascites, der bei einem 
44jährigen Manne durch Metastasen in Netz- und Lymphdrüsen bedingt war. 
Es bandelte sich um Zylinderepitheliome, die sekundär von einem exstirpierten 
Brustkrebs ausgegangen waren. Nach dreimaliger Punktion des Ascites wurde 
eine Probelaparotomie gemacht, um die Ascitesflüssigkeit möglichst vollständig zu 
entfernen. Der Kranke starb 3 Tage nach der Operation. In einem zweiten Falle 
bestand bei einem 8jährigen Kinde eine fibrinös-käsige Bauchfelltuberkulose, die 
zu einer Spontanperforation des Nabels führte. Aus der entstehenden Fistel ent- 
leert sich eine weißliche, milchige Flüssigkeit. 

Nach einer mehr tabellarischen Übersicht über Häufigkeit und Genese des 
chylusartigen Ascites kommt Verf. zum Schluß, daß therapeutisch nur bei tuber- 
kulöser Basis die Laparotomie indiziert sei, um einen möglichst vollständigen Ab- 
fluß des Exsudats zu erzielen oder Drüsenkonglomerate zu entfernen, die den 
Ductus thoracicus oder die Cisterna chyli komprimieren. Bei Karzinomatose des 
Bauchfells ist dagegen die Laparotomie kontraindiziert. Strauss (Nürnberg). 


30) McGuire. Treatment of diffuse suppurative peritonitis. 
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. Nr. 13.) 


Verf. behandelt seine Fälle von diffuser eitriger Peritonitis jetzt folgender- 
maßen: Operation an der Stelle des Ursprunges der Eiterung, Inzision über dem 
Schambein und Drainage der Beckenhöhle durch diese Inzisionsöffnung; Erhöhung 
des Kopfendes der Bettstelle, und zwar recht erheblichen Grades, dauernde Irri- 
gation des Mastdarmes mit Kochsalzlösung unter geringem Druck; Morphium in 
kleinen, Spartein in großen Dosen; keine Abführmittel, nur Klysmen; bei Er- 
brechen keine Nahrung durch den Mund. 


Unter den letzten 500 Appendicitispatienten seiner Privatpraxis waren 24 Fälle 
mit diffuser eitriger Peritonitis; von den nach alter Methode behandelten 6 starben 
5; von den nach diesen neuen Prinzipien behandelten 18 starb nur einer. 


W. v. Brunn (Rostock). 


31) A. Lamari. Infezione diplococcica nella peritonite tubercolare. 
(Nuova Rivista clinico-terapeutica 1908. XI, 6.) 


Bei einem 17jährigen Jungen, der jahrelang an tuberkulöser Peritonitis ge- 
litten hatte, fanden sich die Erscheinungen der Pneumokokkenperitonitis der 
Kinder. Die Laparotomie ergab 8 Liter dicken gelben Eiters und eine miliare 
Peritonealtuberkulose. Die bakteriologische Untersuchung ließ den Fränkel- 
schen Diplokokkus und den `Koch'’schen Bazillus erkennen. Verf. schließt, daß 
die Vereiterung tuberkulöser Herde stets durch Mischinfektion zustande kommt, 
daß die tuberkulöse Peritonitis zur Pneumokokkeninfektion prädisponiert, und daß 
endlich diese Infektion die miliare Ausbreitung der Tuberkulose begünstigt. 


Strauss (Nürnberg). 


1314 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 


32) F. Brüning. Über Appendicitis nach Trauma. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVI. Hft. 4.) 


B. beschreibt einen Fall von Appendicitis traumatica, entstanden durch Sturz 
auf der Treppe, bei dem wahrscheinlich eine starką Anspannung der Bauchdecken 
zu einer vorübergehenden Einklemmung des Wurmfortsatzes im Leistenringe und 
diese zu einer Entzündung führte. In der aus der Literatur vom Verf. gegebenen 
Zusammenstellung der Veröffentlichungen über traumatische Appendicitis überwiegt 
die Meinung, daß nur ein vorher schon veränderter Wurmfortsatz durch Trauma 
entzündlich erkranken kann. Verf. bespricht den Mechanismus, wie bei vorhan- 
denem Abszeß, chronischer und akuter latenter Entzündung eine Appendicitis zu- 
stande kommen kann. Nach seiner und Aschoff’s Ansicht spielt in der Ent- 
stehung der traumatischen Appendicitis die reflektorische Darmlähmung eine große 
Rolle. Der Fall des Verf.s, wie einige andere sprechen aber dafür, daß es auch 
eine traumatische Appendicitis bei gesundem Wurmfortsatz gibt. Das klinische 
Bild der traumatischen Appendicitis ist immer ein besonders schweres. Von 
34 Pat. starben 19. Der anatomische Befund ist gewöhnlich nur eindeutig für 
Trauma sprechend, wenn die Operation sehr zeitig vorgenommen wird. Als Gut- 
achter soll man daran festhalten, daß eine traumatische Appendicitis nur anzu- 
nehmen ist, wenn direkt im Anschluß an den Unfall Erscheinungen aufgetreten 
sind, die auf eine Appendicitis hindeuten, und welche andauern bis zum Manifest- 
werden der Entzündung. E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


33) Frascella. Un caso di appendicite acuta paragastrica perforata con 

peritonite purulenta diffusa: intervento e guarigione. Contributo ana- 

tomo-patologico, patogenetico e clinico alle dislocazioni appendicolari. 
(Policlinico, sez. chir. 1908. XV, 7.) 

Verf. zählt kurz die verschiedenen Regionen der Bauchhöhle auf, in denen 
bisher ein erkrankter Wurmfortsatz gefunden wurde, und berichtet dann ausführlich 
über einen selbst beobachteten Fall, der bisher in der Literatur nur drei Analoga 
haben soll. 

Bei einem 11jährigen Jungen, der seit 2 Tagen plötzlich schwer erkrankt 
war, fand sich bei der Laparotomie eine sero-fibrinöse eitrige Peritonitis; der 
Blinddarm lag im oberen Teile der Fossa iliaca dextra, der sehr lange Wurm- 
fortsatz lag auf seiner Vorder- und Innenseite und erstreckte sich mit einem gut 
entwickelten Mesenterium bis zum Lig. gastro-colicum, mit dem er an der großen 
Kurvatur fest verwachsen war. Die Exstirpation des 15 cm langen gangränösen 
Wurmfortsatzes brachte Heilung. 

Des weiteren versucht F. den Nachweis, daß die lange vor der akuten Ent- 
zündung bestehende chronische Epiploitis die vor der akuten Erkrankung be- 
stehenden Symptome: Appetitlosigkeit, Stuhlträgheit, zeitweises Stechen in der 
Magengegend, verursachten. Strauss (Nürnberg). 


34) P. Müller. Ein mit Pelveoperitonitis, Ikterus und Albuminurie 
komplizierter Fall von Appendicitis (Drainage der von der Regio analis 
her eröffneten Beckenhöhle — Ligatur der arrodierten A. iliaca ext. 
vom Riedel’schen Zickzackschnitt aus). 
(Med. Klinik 1908. p. 1306.) 

M. beobachtete das gleichzeitige Einsetzen von Ikterus und Albuminurie mit 
verhältnismäßig schnellem Verlauf und günstigem Ausgang unter 50 operativ be- 
handelten Fällen von Appendicitis siebenmal. Es kann sich handeln um Spät- 
ikterus bei pyämischer Pfortaderthrombose mit schlechtester Prognose, um Früh- 
ikterus als Teilerscheinung einer septischen, durch Streptokokken verursachten 
Allgemeininfektion mit raschestem Verlauf und und tödlichem Ausgang oder mit 
schweren Zuständen und Übergang in Genesung erst nach längerer Zeit, endlich 
um leichte Anfälle, welche entweder gleich nach der Operation auftreten oder mit 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1315 


Albuminurie verbunden sind. Letztere sind wohl verursacht durch die Aufssugung 
von Toxinen, die in der Leber und in den Nieren eine schnell vorübergebende 
parenchymatöse Veränderung setzen. 

Im vorliegenden Falle war wohl der Bauchfellüberzug der Arteria iliaca ext. 
beim Einführen eines Gazestreifen mit der Kornzange verletzt worden. Die Eite- 
rung hatte nun Zutritt zur Gefäßwand. 

Vom Riedel’schen Zickzackschnitt aus lassen sich dieses Gefäß, aber auch 
die spermatischen und hypogastrischen Venen sehr leicht unterbinden. 

Als Gegenöffnung in der Becken-Bauchhöhle wird an Stelle des Einschnittes 
vom Mastdarm- oder Scheideninnern her die paraanale und pararektale Inzision 
empfohlen. Dauerbäder verminderten die Eiterung aus der Becken-Bauchhöhle 
schnell und kürzten den Heilungsverlauf ab. Georg Schmidt (Berlin). 


35) Clark. The Gould stitch. 
(Univ. of Pennsylvania med. bull. 1908. Juni.) 


Verf. empfiehlt auf Grund zahlreicher Fälle die von Gould angegebene Art 
von Matratzennaht (cf. dieses Blatt 1904, p. 13564) als sicherste Methode zum Ver- 
schluß des Wurmfortsatzstumpfes nach Appendektomie, ebenso zur Aponeurosennaht 
beim Verschluß von Hernienöffnungen und Laparotomiewunden. 

Mohr (Bielefeld). 


36) Pohlman. The appendix forming a duodenal-cecal canal. 
(Journ. of the amer. med. assoc. 1X8. Nr. 12.) 

Bei der Obduktion eines an Lungentuberkulose verstorbenen Negers fand sich 
eine chronische adhäsive Peritonitis; der Wurmfortsatz war mit seiner Spitze mit 
dem tief herabhängenden transversalen Teile des Duodenums verwachsen und kom- 
munizierte mit dessen Lichtung. Der Wurm, nicht verdickt und ohne sonstige 
sichtbare Veränderung, von 4 cm Länge, hatte eine Lichtung von ca. 2 mm Weite, 
war mit kotigem Material gefüllt und bildete einen nach dem Blinddarm und 
Duodenum offenen Kanal. W. v. Brunn (Rostock). 


7) McLean (Kiautschou). Über Oystenbildung aus Resten des Pro- 
cessus vermiformis. | 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 33.) 

Den von Klemm mitgeteilten drei Fällen reiht Verfasser einen weiteren 
an, in welchem sich bei wiederholten schweren appendicitischen Anfällen bei 
der Operation die Auslösung des gegen das kleine Becken fest verlöteten Wurms 
als unmöglich erwiesen hatte, deshalb die Durchtrennung mit Einstülpung des 
oralen Endes des Wurmes in den Blinddarm vorgenommen worden, und es in 
kurzer Zeit unter neuen Anfällen zur Bildung einer fast faustgroßen, dann all- 
mählich sich verkleinernden Cyste in dem distalen Stumpf gekommen war. Bei 
ihrer Operation platzte die gut walnußgroße Geschwulst und entleerte dicke, 
schleimige Flüssigkeit und wurde exstirpiert. Heilung. Kramer (Glogau). 


= 838) L. Simon. Perforation eines Meckel’schen Divertikels. 
(Med. Klinik 1908. p. 1345.) 


Erfolgreiche Abtragung des Divertikels und Darmnaht 18 Stunden nach Be- 
ginn der Erkrankung, 5 Stunden nach dem Durchbruch. Es bestand weder eine 
Verwachsung des Divertikels, noch hatte irgendwelche Knickung oder Drehung 
‚die Entzündung des Darmanhanges verursacht. Fremdkörper fanden sich nicht, 
ebensowenig Anhaltspunkte für Typhus oder Tuberkulose. Wahrscheinlich war 
demnach eine Infektion von den Bakterien des Darminhaltes ausgegangen. Infolge 
sehr starker Faltung und Schwellung der Darmschleimhaut an der Stelle des Durch- 
bruches nach dem blinden Ende des Divertikels, einer Art von Selbstschutz, war 
durch das 4 mm Durchmesser besitzende Loch nur verhältnismäßig wenig Darm- 
inhalt in die Bauchhöhle geflossen. Georg Schmidt (Berlin). 


1316 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 


39) Nast-Kolb. Die Operation von Leisten- und Schenkelhernien in 
lokaler Anästhesie. (Aus der chirurg. Klinik zu Heidelberg. Prof. 
Narath.) 

(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 33.) 


Die Lokalanästhesie mit 1%iger Novokain-Suprareninlösung wird in der Heidel- 
berger Klinik nicht bei Kindern, dagegen fast immer bei Erwachsenen, und be- 
sonders bei alten Leuten, mit eingeklemmten und freien, nicht verwachsenen Brüchen 
jeder Größe (unter Anwendung der Bassini’schen oder Ferrari’schen Methode 
bei Leistenbrüchen!, event. nach Morphin-Skopolamininjektion, benutzt. Die Technik 
der Einspritzung findet in der Arbeit genaue Beschreibung. Behutsames Ope- 
rieren ohne Zerrung der Gewebe ist zur Vermeidung von Schmerzen notwendig. 
Die Wundheilung wurde durch den Einfluß des Lokalanästhetikums nicht gestört. 
Nachschmerzen, oft. recht heftiger Art, erforderten Morphiumdarreichung. Post- 
operative Lungenaffektionen kamen auch nach der Operation unter lokaler An- 
ästhesie zur Beobachtung. Kramer (Glogau). 


40) K. A. Sarshezki. Die Dauerresultate der radikal operierten Leisten- 
brüche der akademischen chirurgischen Klinik (St. Petersburg) von 1895 
bis 1906. Experimentelle Prüfung der anatomischen Grundlagen der 
Bassini’schen Operation. 
(Russ. Archiv für Chirurgie 1908. [Russisch.)) 


Die Arbeit stammt aus der Klinik von Weljaminoff und handelt haupt- 
sächlich von den Methoden Bassini’s und Kocher's. Es ist die Kocher'sche 
Verlagerungsmethode in einer Modifikation von Prof. W. A. Tih)i(e)le Nach 
Isolierung des Bruchsackes wird die vordere Wand des Leistenkanales mit der 
Schere aufgeschlitzt, der Bruchsack noch weiter frei gemacht, gedreht und durch 
eine Öffnung in der Aponeurose des M. obliquus ext. möglichst stramm nach 
außen und oben gezogen und mit einer Naht befestigt. Nach der Naht der Apo- 
neurose wurde der Bruchsack anfangs mit einigen Nähten darauf befestigt, später 
aber exstirpiert. 

Bei der Revision wurde als Rezidiv eines Leistenbruches eine herniöse Vor- 
wölbung im Bereiche der Operationsstelle beobachtet, >in der man nach Form und 
Größe einen bereits wieder entstandenen Peritonealsack annehmen konnte«. 

Als Minimalfrist zwischen Operation und Revision bestimmt S. auf Grund 
seiner Literaturstudien 2 Jahre, eine Frist, die er selbst aber nicht eingehalten hat. 

Operiert wurden an 150 — 139 männlichen, 11 weiblichen — Kranken 169 Brüche. 
Es entfallen auf die modifizierte Kocher’sche Methode 116, von denen 71,5% 
per primam heilten, während 28,2% (meist »tiefe«) Eiterung aufwiesen {die 2'/;mal 
so oft dort vorkam, wo der Sack daringelassen war. Keine Todesfälle, Bettruhe 
durchschnittlich 14 Tage. 

Nach Bassini wurden 37 Brüche operiert, von denen 83,7% per primam 
heilten, 16,2% (6 Fälle) per secundam (davon 3 gleich bei der Operation tam- 
poniert). Keine Todesfälle, Bettruhe durchschnittlich 17 Tage. 

Nachuntersucht wurden 76 nach Kocher Öperierte, wobei 21 = 27,6% Re- 
zidive gefunden wurden. Von den per primam geheilten Fällen hatten 25% Re- 
zidive, von den übrigen 42,1%. Die Frist zwischen Operation und Revision betrug 
bei 12 Fällen weniger als 2 Jahre, sonst 2—11 Jahre. 

Von den nach Bassini Operierten wurden 18 revidiert; davon hatte 1 ein 
Rezidiv (= 5,5%), der per secundam geheilt wer. Die Frist betrug in 15 Fällen 
weniger als 2 Jahre, in den übrigen 2—6 Jahre. ' 

S. kommt bei voller Würdigung der großen Ungleichheit der Vergleichs- 
objekte zu dem Schluß, daß dem Bassini'schen Verfahren doch wohl der Vorzug 
vor dem modifizierten Kocher’schen gebührt, und zwar weil die Fixierung der 
Muskeln an das Poupart'sche Band einen besseren Schutz gegen Rezidive zu geben 
scheint als die einfache Beseitigung des überschüssigen Bauchfells. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1317 


Um zu prüfen, ob die Muskeln wirklich mit dem Poupart’schen Bande ver- 
wachsen, hat S. elf Tierversuche (Hunde! angestellt und mikroskopische Unter- 
suchungen gemacht. Danach verwachsen Muskel und Band durch eine feine binde- 
gewebige Narbe. Das Bindegewebe schiebt sich zwischen die Muskelbündel bzw. 
Fasern, auch zwischen die Fasern des Bandes, wo es durch die Nadel verletzt 
wurde. Die nächstliegenden Muskelfasern degenerieren und zerfallen, nehmen Kalk 
auf und gehen schließlich in der Narbe auf. Die weiterliegende Muskulatur bleibt 
unverändert, abgesehen von vereinzelten Bindegewebszügen, die sich zwischen die 
Fasern schieben. Nach 2—3 Monaten war die Vernarbung beim Hunde vollendet. 

V. E. Mertens (Kiel). 


41) L. Arnaud. Les cystocèles crurales chez l'homme. 
(Province méd. 1908. Nr. 29.) 

Selten schon bei der Frau, ist die Cystokele im Schenkelkanal beim Manne 
ganz außerordentlich selten. Verf. kennt nur drei Veröffentlichungen, von Sorel, 
Schonen und v. Aue. Der vorstehende Fall betraf einen 64jährigen Mann, der 
schon 18 Jahre lang einen Schenkelbruch hatte. Ohne äußeren Anlaß traten Ein- 
klemmungserscheinungen auf. Bei der Operation fand sich ein kleiner Bruchsack, 
nach dessen Ofnung man eine freie Blinddarmschlinge zu Gesicht bekam. Erat 
dann widmete man einer blauverfärbten fast ebenso großen Masse, wie sie der 
Bruchsack darstellte, seine Aufmerksamkeit: Dieselbe gab sich als die eingeklemmte 
Harnblase zu erkennen. Reposition der Cystokele nach Erweiterung des Bruch- 
ringes; Abtragung des Bruchsackes, Pfeilernaht. Heilung in 14 Tagen. 

Die bisherigen Beobachtungen der cruralen Cystokele beim Manne betrafen 
immer die rechte Seite. Verf. führt folgende Gründe dafür an: Die angeborene 
größere Weite des rechten Schenkelringes im Gegensatze zum linken und die 
asymmetrische Lage der Blase, die im gefüllten Zustande sich mehr nach der 
rechten Seite zu neigt. A. Hofmann (Karlsruhe). 


42) H. Finsterer. Ein Beitrag zur Kenntnis der Hydrokele muliebris. 
(Aus der Grazer chirurgischen Klinik.) 
(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Nr. 15.) 


Wenn schon die Hydrokele muliebris nicht allzu häufig ist (89 Fälle), so stellt 
Verf.s Fall von doppelseitiger Hydrokele mit Vereiterung ein Unikum dar. Es 
handelte sich um eine 57jährige Frau, die nach wiederholten Traumen der Leisten- 
gegenden beiderseits allmählich zunehmende Anschwellungen bekam. Nach Influeuza 
traten Schmerzen und Rötung auf. Die vom Arzte zuerst auf Lymphadenitis, dann 
auf Hernia incarc. gestellte Diagnose wurde in der Klinik berichtigt, Probepunk- 
tion, dann Inzision gemacht. Atiologie, Pathologie, und vor allem die Differential- 
diagnose werden erschöpfend besprochen. Bei der Operation ist charakteristisch 
die Lage des Lig. rotundum an der Hinterseite der Hernie, von ihr nur sehr 
schwer zu trennen. — Literatur. Benner (Breslau). 


43) H. Rubritius. Chronisch entzündlicher Bauchdeckentumor nach 
Hernienoperation. 
(Prager med. Wochenschrift 1908. Nr. 31.) 


Im Anschluß an die von Schloffer auf dem letzten Chirurgenkongreß er- 
wähnten Fälle von chronischen Geschwülsten der Bauchdecken nach Bauchopers- 
tionen, berichtet R. über einen Fall eines eingeklemmten Leistenbruches, bei dem 
4 Wochen nach der vorgenommenen Radikaloperation sich eine Beule in der 
rechten Unterbauchgegend bemerkbar machte, die innerhalb 3 Wochen zu einer 
faustgroßen Geschwulst heranwuchs. Sie war mit dem Netz und Dünndarm- 
schlingen verwachsen und stellte eine schwielige Masse dar, in deren Zentrum 
eine Eiterhöhle mit einem Seidenfaden lag. R. hält letzteren für den Urheber 
der Geschwulst und rät, bei Bauchoperationen nur resorbierbares Nahtmaterial zu 
benutzen. Die Tatsache, daß die Geschwulst von der Operationsnarbe aus weit 


, 


1318 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 


entfernt liegt, erklärt sich R. so, daß der Bruchsackstumpf nach der Abbindung 
sehr weit zurückschlüpfen kann und so den von der Wunde entfernten Sitz der 
Geschwulst verursacht. A. Hofmann (Karlsruhe). 


44) Hunter. A case of hypertrophic stenosis of the pylorus in an 


infant 8 weeks old. 
(Glasgow med. journ. 1908. Juli.) 

Den 1. Lebensmonat war der Knabe ganz gesund und gedieh aufs beste. Dann 
fing er an zu erbrechen und magerte trotz verschiedenster diätetischer Maßnahmen 
schnell ab. In verfallenem Zustande kam das Kind ins Hospital und starb dort 
8 Tage später. 

Die Obduktion ergab keine besondere Dilatation des Magens (31/3 : 13/4 Zoll), 
aber eine kolossale Hypertrophie des Pylorus, und zwar sowohl der zirkulären wie 
der Längsmuskulatur. Die Veränderung war in 3 cm Länge ausgeprägt, der äußere 
Umfang des fest kontrahierten Sphinkters betrug 6 cm. Ein Metallkatheter Nr. 10 
konnte nur mit Druck hindurchgeführt werden. W. v. Brunn (Rostock). 


45) Manges. Primary sarcoma of the stomach. Report of three cases. 
(Mt. Sinai hospital reports Vol. V. 1907.) 

Die drei vom Verf. ausführlich beschriebenen Fälle betrafen einen Mann von 
48 Jahren, eine ebensoalte Frau und ein 19 Jahre altes Mädchen. Im ersten und 
dritten Falle lag ein Lymphosarkom vor, im zweiten ein Myosarkom. Die ältere 
Frau starb, weil inoperabel, unoperiert. Der Mann starb im Anschluß an die 
ausgeführte Gastroenterostomie; das Mädchen wurde laparotomiert wegen akuter 
Blutung aus der Geschwulst in die freie Bauchhöhle, erlag aber auch bald dem 
Eingriff. W. v. Brunn (Rostock). 


46) Luther. Review of cases of various types of enteroptosis. 
(Univ. of Pensylvania med. bull. 1908. Juli.) 

L. teilt die Krankengeschichten von 35 von Clark operierten Fällen von 
Enteroptosis mit. Bestimmte Indikationen für den chirurgischen Eingriff bei 
Enteroptose lassen sich bisher nicht aufstellen, nur so viel läßt sich sagen, daß 
die bestehenden Symptome direkt durch die Enteroptose verursacht sein müssen, 
wenn die Operation Aussicht auf Erfolg haben soll. In fünf Fällen mit starker 
Erschlaffung der Bauchwand nach Geburten wurde die Webster’sche Operation 
(teilweise Resektion der Bauchwand) mit zwei Besserungen und zwei Heilungen 
ausgeführt. Die Methode gibt gute Resultate, falls die Diastase nicht bereits so 
lange besteht, daß die Bauchorgane weit unter ihre normale Lage gesunken sind, 
in letzterem Falle muß gleichzeitig mit der Webster’schen Operation eine 
Hebung des Querkolons durch Annähung des Netzes an die Bauchwand vor- 
genommen werden: fünf Fälle, eine Heilung, zwei vorübergehende Besserungen 
mit Rückfall nach einer Geburt bzw. einem Fall, ein Mißerfolg. In einem Falle 
trat Besserung nach Aufhängung der Leber und des Querkolons ein. Bei neun 
Pat. wurde das Querkolon vermittels des Lig. gastrocolicum am Peritoneum parie- 
tale aufgehängt: vier Heilungen, vier Besserungen, ein Todesfall an Peritonitis. 
Vier Fälle von Aufbängung des Querkolons, Magens und der einen Niere: eine 
Besserung, 1 Heilung, von den beiden anderen fehlt Nachricht. Bei einem Pat. 
mit extremer Senkung des Querkolons mit Kotstase und den Symptomen eines 
unvollständigen Ileus wurde, nachdem die Aufhängung von Rezidiv gefolgt war, 
das Querkolon reseziert, und die Darmenden wurden durch End-zu-End-Anasto- 
mose vereinigt; völlige Heilung, auch der nervösen Allgemeinerscheinungen. In 
den letzten 12 Fällen handelte es sich um Ptosis der Flexura sigmoidea; 10mal 
Aufhängung der Flexur an der seitlichen oder vorderen Bauchwand vermittels 
des Mesosigmoideum; 2mal wurde außerdem eine Gegeninzision in der linken 
Flanke angelegt, durch welche die Aufhängenähte angezogen wurden; in zwei 
Fällen mußte die Flexur, um Knickungen zu vermeiden, in der Mittellinie der 
vorderen Bauchwand fixiert werden; drei Heilungen, fünf Besserungen, ein Miß- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1319 


erfolg, imal kein Bericht. In den beiden letzten Fällen wurde außer der Auf- 
hängung der Flexur die Webster’sche Operation ausgeführt: eine Heilung, eine 
Besserung. Mohr (Bielefeld). 


47) Zaaijer. Purpura en Darminvaginatie. 
(Nederl. Tijdschrift v. Geneeskunde 1908. Nr. 7.) 

Z. sah in zwei Fällen im Anschluß an eine Purpurseruption Darminvagina- 
tion auftreten. Er ist der Ansicht, daß die Purpura ein prädisponierendes Mo- 
ment für die Entstehung der Invagination ist. Die Blutungen in die Darmschleim- 
haut können, wie ein Polyp, den Anfang einer Invagination bilden, oder Blutungen 
in die Darmwand können eine lokale Paralyse geben. Möglich ist es auch, daß 
Blutungen in dem Gebiete des N. splanchnicus lokale Lähmungen oder Erregungen 
verursachen. Embolien in den Arterien verursachen lokale Ischämien der Darm- 
wand. E. H. van Lier (Amsterdam). 


48) I. Boese. Uber den strikturierenden tuberkulösen Tumor der 
Flexura sigmoidea. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVI. Hft. 4.) 

Verf. veröffentlicht die Krankengeschichte eines Pat., bei dem aus den ileus- 
ähnlichen Erscheinungen und der Fühlbarkeit einer Geschwulst ein Karzinom der 
Flexura sigmoidea diagnostiziert wurde. Die Darmresektion, die mit Genesung 
des Kranken endete, ergab durch histologische Untersuchung und Tuberkelbazillen- 
nachweis im Schnitt, daß es sich um eine tuberkulöse Geschwulst handelte. B. 
bespricht die verschiedenartigen nicht krebsigen Geschwülste, die in letzter Zeit 
an der Flexur beobachtet wurden, und die Graser’schen Divertikel, die nicht 
selten den Ausgang für entzündliche Geschwülste der Flexur bilden. 

E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


49) Hirschman. Mesosigmoidopexie, with report of two cases. 
(Pacific med. journ. 1908. August.) 

Verf. berichtet über zwei Fälle von Vorfall des Mastdarmes und der Flexur 
dritten Grades, die nach Versagen der gewöhnlichen operativen Maßnahmen 
durch Mesosigmoidopexie völlig geheilt wurden. Schnitt links von der Mittellinie 
parallel dem Leistenband; das stark verlängerte Mesenterium der Flexur wurde 
auf beiden Seiten skarifiziert. Beginnend an der Mesenterialwurzel, wurden die 
beiden gegenüber liegenden Außenflächen des Mesosigmoids durch drei Reihen 
unterbrochener Catgutnähte zusammengefaltet. Um Knickung der Flexur zu ver- 
meiden, wurde das longitudinale Muskelband der Flexura sigmoidea zusammen 
mit !/gcm Serosa und Muskularis beiderseits vom Bande durch quere, unter- 
brochene Catgutnähte eingestülpt; auf diese Weise wurde eine Art von Spange 
festen Muskelgewebes gebildet, welches die Kurve der Flexur gestrekter machte. 
Hierauf Schluß des Leibes, Reposition und Resektion der Rektokele sowie der 
vorgefallenen Afterschleimhaut. Die Nachuntersuchung nach 6 bzw. 18 Monaten 
ergab bei beiden Pat. völlige Heilung mit normaler Darmfunktion. 

Mohr (Bielefeld!. 


50) J. S. Mershejewski. Zur Operation der Hämorrhoiden nach 
Whitehead. 
(Russ. Archiv f. Chirurgie 1908. !Russisch.)) 

M. bricht eine Lanze zugunsten der Whitehead’schen Operation, die im 
Jahre 1906/07 von P. B. Butz 52mal ausgeführt wurde. Von diesen Pat. konnte 
M. 15 nach längstens 1 Jahr untersuchen. 

Er fand die Resultate sehr gut. Ein einziges Mal war es zu einem geringen 
linksseitigen Vorfalle der Mastdarmschleimbaut gekommen. In einem zweiten Falle 
drängte sich die Schleimhaut etwas vor. Ein Pat. endlich beklagte sich, daß er 
die Winde nicht halten könne, während der Sphinkter sonst kräftig war. Bei allen. 
diesen Kranken war der Sphinkter instrumentell gedehnt worden. 

V. E. Mertens (Kiel). 


1320 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 


51) v. Herezel. Radikaloperation des Mastdarmkrebses auf sakralem 


Wege und Enderfolge seiner Operationen. 
(Orvosi Hetilap 1908. Nr. 26.) 

Verf. bespricht in diesem Vortrage die Radikaloperation des Mastdarmkrebses 
und befürwortet die möglichst frühzeitige Operation. Er ist ein Anhänger der 
Amputationsmethode, da die Resektion eine größere operative Mortalität zur Folge 
hat. Die Anlegung eines Kunstafters hält er als Voroperation für unnötig, da 
wir anstatt einer Operation später dann noch zwei (Exstirpation des Krebses und 
Schließen des Kunstafters) auszuführen hätten, was für die herabgekommenen 
Kranken nicht indifferent ist. In letzter Zeit führt Verf. die Operation nach 
Kocher aus mittels Resektion des Steißbeines und Durchschneidung des Lig. 
tuberoso- und spınoso-sacrum; er hält die Resektion des Kreuzbeines für über- 
flüssig. Bei Eröffnung des Douglas’schen Raumes zieht er die Bauchfellnaht der 
Tamponade vor, da wir so die Infektion eher vermeiden können. Verf. operierte 
82 Fälle von Mastdarmkrebs; in 7 Fällen wurden auch Teile der Prostata, in 2 die 
Samenblasen, in 2 Teile der Blase, in 3 die Gebärmutter exstirpiert. Operative 
Mortalität hatte Verf. in 12 Fällen, d. i. in 14,6%; und zwar war die Todesursache: 
Chok in 4 Fällen; Lungenkomplikation in 3 Fällen (Pneumonie in 2, Embolie in 
1 Falle); Meningitis cerebrospinalis in 1 Fall infolge von Lumbalanästhesie am 
10. Tage nach der Operation; Nephritis aposthematosa in 1 Falle; Sepsis bzw. Peri- 
tonitis in 3 Fällen. Somit hatte Verf. Sepsis in 25% seiner operativen Todesfälle 
als Todesursache (Krönlein 38,5%). Verf. berichtet in seiner Arbeit auch über 
die Spätresultate seiner Operationen, welche er seit 1893 auf sakralem Wege in 59, 
auf coccygealem in 21, auf sakroabdominalem Wege in 2 Fällen ausführte. Zur 
Beurteilung der Dauerheilung kann Verf., nach dem Volkmann’schen Triennium 
gerechnet, 64 Pat. verwerten. Von diesen starben infolge der Operation 8, binnen 
3 Jahren infolge von Rezidiv 15, das weitere Los unbekannt bei 7 Fällen. Wenn 
wir nur die bekannten 57 Fälle in Betracht ziehen, so blieben über 3 Jahre rezidiv- 
frei 34, d. i. 59,7%. Wenn wir alle seither Verstorbenen, auch die an inter- 
kurrenter Krankheit Gestorbenen als Rezidivtode berechnen, ist die Zahl der Über- 
lebenden, welche als definitiv geheilt betrachtet werden können, 24 = 42,1%. Wenn 
wir die uns unbekannten 7 Fälle als Rezidivtodesfälle betrachten, beträgt die Ra- 
dikalheilung 63,2%, die Zahl der definitiv geheilten Überlebenden 37,0%. Ziehen 
wir nur die die Operation Überstehenden in Betracht, so ist die Radikalheilung 69,4%, 
die Zahl der Überlebenden, definitiv Geheilten 48,9% (bei Hochenegg 25%). 
Von diesen sind bereits 11 über 10 Jahre, 6 über 6 Jahre, 7 über 4 Jahre rezidivfrei. 

P. Steiner (Klausenburg). 


Erklärung. 
Marburg den 14. Oktober 1908. 

Ich erkenne vollkommen die Verdienste Brauer's um die Indikationsstellung 
und den energischen Ausbau der von Quincke, C. Spengler und Turban in- 
augurierten exirapleuralen Thorakoplastik zur Behandlung der Lungentuberkulose 
an. Ich habe eine besondere Betonung dieser Dinge in den Referaten nicht für 
nötig gehalten, da ich dieses in den ausführlichen Arbeiten glaube getan zu haben. 
Es kam mir zunächst wesentlich darauf an, die chirurgisch-technischen Gesichts- 
punkte und den weiteren Verlauf derartiger Fälle hervorzuheben. 

P. L. Friedrich. 


Die vorstehenden Ausführungen regeln in sachlicher Weise die uns beschäftigende 
Frage. Ich schließe mich denselben daher an. Ich habe stets anerkannt, daß nur 
eine richtige chirurgische Technik den Weg, den ich in Vorschlag brachte, auch 
gangbar machen kann. L. Brauer. 


Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden. 


Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau. 
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. 


Zentralblatt für Chirurgie 


herausgegeben von 


K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER, 











in Bonn, in Berlin, in Breslau. 
35. Jahrgang. 
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG. 
Nr. 45. Sonnabend, den 7. November 1908. 
Inhalt. 


R. v. Rydygier, Zum osteoplastischen Ersatz nach Unterkieferresektion. (Originalmitteilung.) 

1) Martin, 2) Bullrich, Echinokokken. — 8) Bertelli, Lebersarkome. — 4) Ssuslow, Anatomie 
der Gallenwege. — 5) Cotte, 6) Mongour, 7) Pop-Avramescu, Gallensteine. — 8) Fowler, Harn- 
röhrensteine. — 9) Cardenal, Prostatahypertrophie. — 10) Fenwick, Prostata- und Blasenkrebs. 
— 11) Marro, Blasen-Harnleiteranastomose. — 12) v. Karaffa Korbutt, Harnleiteratonie.. — 
13) Lardennois, Nierenverletzungen. — 14) v. Illyés, Nierentuberkulose. — 15) Perez Grande, 
Nierenenthülsung. — 16) Israel, Verschmolzene Nieren. — 17) Langlois, Überpflanzung beider 
Nieren. — 18) Exalto, Hodenretention. — 19) Gregoire, Hodenkrebs. — 20) Quénu und Duval, 
Kolpohysterektomie. 

I. W. Volkmar, Ein Fall von Verletzung des Ductus hepaticus bei der Cystektomie. — 
I. L. Buerger, Eine modifizierte Crile’sche Transfusionskanüle. (Originalmitteilungen.) 

21) II. internationaler Chirurgenkongreß. — 22) Elsberg, Leberabszeß. — 23) Ribera, 24) Arce, 
Echinokokken. — 25) Steinthal, Gallensteine. — 26) Michailow, Cysten der Vesicula prostatica. 
— 27) Andre, Strikturen der Pars prostat. urethrae. — 28) Bonneau, Prostatasteine. — 29) Schaff- 
roth, 80) Lasio, 81) Cadini, Prostatahypertrophie. — 82) Muir, Blasenzerreißung. — 33) Li Virghi, 
Blasenperforation durch Stein. — 84) Ferria, Blasengeschwüre. — 35) Coen und Lilla, Harn- 
separator. — 36) Kutner, 37) Berg, Zur Nierendiagnostik. — 38) Hamilton, Blasendrainage. — 
89) Levin, Pyurie. — 40) Loumeau, 41) Alessandri, Nierentuberkulose. — 43) Berg, Hyper- 
nephrom. — 43) Damski, Cyste der Samenbläschen. — 44) Beardsley, Epididymitis und Orchitis. 
— 45) Mohr, Hydrokele. — 46) Viscontini, Leukoplakie und Karzinom der Vulva. 

Berichtigung. 





Zum osteoplastischen Ersatz 
nach Unterkieferresektion. 


Von 


Ludw. R. v. Rydygier. 


P seiner interessanten Mitteilung in Nr. 36 dies. Zentralblattes über 
osteoplastischen Ersatz nach Kieferresektion erwähnt Payr auch 
das Verfahren, wonach eine an einem Hautlappen hängende Spange 
aus der Clavicula zur Plastik verwendet wird und das Wölfler (cf. 
21. deutschen Chirurgenkongreß) mit negativem Erfolg einmal ange- 
wendet hat. Ich habe dasselbe Verfahren unabhängig von Wölfler 
schon im Jahre 1892 ausgeführt und sehe nicht ein, weshalb es 
weniger empfehlenswert sein sollte, wie der Ersatz durch Rippenstücke. 
Ich glaube im Gegenteil, daß es bequemer ist, den Ersatz aus der 
näherliegenden und festeren Clavicula zu nehmen, als aus der ent- 
fernteren Rippe. Der Erfolg wird gewiß ebenso sicher sein, wenn 
man nur die schon damals! von mir anempfohlene Technik befolgt. 


1 Przegląd lekarski 1892. 


1322 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 


Ich erlaube mir, dieselbe unter Vorlage der damals verfertigten Zeich- 
nung nochmals ganz kurz zu skizzieren: Es wird über und zwei 
Querfinger breit unter der Clavicula ein entsprechend breiter, mit oberer 
Ernährungsbrücke versehener Hautlappen gebildet, der jedoch nur bis 
an den unteren Rand der Clavicula freipräpariert wird; die Vorder- 
fläche der Clavicula bleibt mit seiner Basis genau vereinigt, und man 
muß sich ja hüten, während des Abtrennens des zum Ersatz be- 
stimmten Stückes aus der vorderen Hälfte der Clavicula die ver- 
hältnismäßig lockere Verbindung zwischen Haut und Knochen zu 
lösen. Der untere Teil des Hautlappens wird um die abgelöste 
Knochenspange von unten her herumgeschlagen (cf. Abb.), der Defekt 





mit einem entsprechenden Hautlappen bedeckt, und man wartet 8 bis 
12 Tage ab, bis der umhüllende Hautlappen fest mit der Knochen- 
spange verwachsen ist. Daraufhin kann man die so präparierte Knochen- 
spange ohne Gefahr des Absterbens an einen genügend langen Haut- 
lappen in den Unterkieferdefekt einpflanzen. Im übrigen verfährt man 
nach den allgemein gültigen Regeln. 

Obgleich schon 16 Jahre seit der Ausführung und Veröffentlichung 
meiner ersten nach diesem Verfahren ausgeführten Operation verflossen 
sind, hatte ich nicht Gelegenheit, sie noch einmal auszuführen; nichts- 
destoweniger glaube ich das Verfahren entschieden empfehlen zu dürfen ; 
bei entsprechend günstigen Verhältnissen sogar vor dem Ersatz aus 
der Rippe. 


1) Martin. Kystes hydatiques de la rate. 
(Arch. génér. de chirurgie II, 7.) 

Verf. gibt auf Grund von sechs bisher unveröffentlichten und 

83 aus der Literatur gesammelten Fällen eine Ubersicht über den 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1323 


Echinokokkus der Milz, die in 0,3% aller Fälle von Echinokokkus- 
erkrankung betroffen sein soll. Die Genese der Invasion — Venen- 
system oder Lymphgefäße — ist noch nicht sichergestellt. Patho- 
logisch-anatomisch finden sich einfache und mehrfache Cysten, die 
entweder der Milz oberflächlich aufsitzen oder kavernenartig im Milz- 
parenchym lokalisiert sind. Die an der Oberfläche gelegenen Cysten 
bedingen eine Reihe genau bezeichneter Veränderungen der Um- 
gebung. 

Die Cysten entwickeln sich zuweilen, ohne irgendwelche subjek- 
tive Erscheinungen zu machen; in anderen Fällen werden tabesartige 
Krisen, Angina pectoris, blitzartige Zuckungen in der linken Schulter 
und vor allem Unfähigkeit, in links gebeugter Stellung zu sitzen oder 
zu liegen, beschrieben. Eine Reihe weiterer subjektiver Erscheinungen 
sind durch die verschiedene Art der Ausbreitung der Uyste bedingt. 
Objektiv ergibt die Perkussion zuweilen Hydatidenschwirren, das jedoch 
seltener nachweisbar ist als bei Lieberechinokokken; die Blutunter- 
suchung ergab in einzelnen Fällen Eosinophilie. 

In seltenen Fällen kommt es zur Vereiterung der Oyste und zum 
Durchbruch in die Pleura- oder Bauchhöhle. 

Die Zusammenstellung der bisher verwendeten therapeutischen 
Methoden läßt für die nicht vereiterten Cysten die Splenektomie als 
die Idealmethode erscheinen; vereiterte und verwachsene Cystensäcke 
sollen eröffnet und drainiert werden. Strauss (Nürnberg). 


nn u —— 


2) Bullrich. La naturaleza de la eosinofilia en los quistes 
| hidaticos. 
(Revista de la sociedad med. Argentina Bd. XVI. Nr. 89.) 

Nach Erörterung aller bisher in der Literatur niedergelegten An- 
schauungen über das Zustandekommen der Eosinophilie bei der Echino- 
kokkenerkrankung spricht B. seine Meinung dahin aus, daß die Eosino- 
philie eine Reflexerscheinung ist, die in einer durch die Toxine der 
Echinokokkencyste im Knochenmark ausgelösten Reizwirkung ihre Ur- 
sache hat. Stein (Wiesbaden). 


3) Bertelli. Contributo allo studio dei sarcomi primitivi 


del fegato. 
(Policlinico. Sez. chir. 1908. XV. 6 u. 7.) 
.. In einer umfangreichen, sehr fleißigen Arbeit gibt Verf. eine 
Übersicht über die bisher beobachteten und in der Literatur nieder- 
gelegten primären Lebersarkome, deren Kasuistik durch die genaue 
Beschreibung von zwei weiteren Fällen Bereichert wird. Die Zusammen- 
stellung der einzelnen Besonderheiten dieser Erkrankung würde den 
Rahmen eines Referates überschreiten; Ref. begnügt sich daher, 
darauf hinzuweisen, daß das makroskopische und mikroskopische Bild 
der Geschwulstbildung in der Regel ein recht verschiedenartiges ist, 


45* 


1324 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 


so daß eine genaue Klassifizierung — Endotheliom, Peritheliom — nicht 
statthaft erscheint. Das klinische Bild läßt keine für die Erkrankung 
charakteristischen Symptome erkennen, so daß die Diagnose im Leben 
nicht mit Sicherheit gestellt werden kann. Die Therapie erwies sich 
bisher in allen Fällen als machtlos. Strauss (Nürnberg). 


4) K. Ssuslow. Beiträge zur chirurgischen Anatomie der 
Gallenwege des Menschen. 
(Russ. Archiv für Chirurgie 1907. [Russisch.)) 

S., Anatom, bringt ein durch Studien an 145 Objekten (131 Lei- 
chen, 14 Präparate) gewonnenes, sehr reiches Material. 

Von den Ergebnissen sei einiges mitgeteilt. 

1) Die Kuppe der Gallenblase fand sich 67mal in der Mammillar- 
linie, 17mal außen, 16mal innen von ihr. 

2) 6mal hatte die Gallenblase ein eigenes Gekröse, je  34mal 
wurde ein Lig. cystico-colicum bezw. cystico-duodenale gefunden. 

3) S. steht auf dem Standpunkte, daß die Sondierung des Oysticus 
bei richtiger Technik in der Mehrzahl der Fälle gelingt (86 gegen 34). 
(In 13 Fällen gelang die Sondierung gar nicht, in 7 Fällen bei breiter 
Eröffnung der Blase, in 14 Fällen nach Freipräparieren des Ductus). 
Die von S. empfohlene Technik: der linke Zeigefinger geht in das 
Foramen Winslowi hinter den Ductus cysticus, der linke Daumen wird 
auf den Ductus gelegt. Während die mit der rechten Hand geführte 
Sonde, auf die Krümmung des Blasenhalses genau achtend, in den 
Ductus vorsichtig eindringt, bemühen sich die beiden Finger der linken 
die Heister’schen Falten möglichst auszugleichen, den Ductus »wie 
einen Handschuhfinger«e auf die Sonde zu ziehen. Bei diesem Ver- 
fahren hat S. 3mal geringe Verletzungen der Schleimhaut gesetzt. 

4) Das Lig. hepato-duodenale war 1—6 cm lang, in der großen 
Mehrzahl (33,6%) 3,50—4 cm. 

5) Das Foramen Winslowi war 19mal von 120 verschlossen. 

6) Das untere Ende des Choledochus ist weiter von der Median- 
linie entfernt als das obere. 

7) Der mit dem Pankreas in Berührung stehende Teil des Chole- 
dochus war 1—3,5 cm lang, meist 2,5—3 cm (in 39 von 111 Fällen). 
S. scheint nicht beobachtet zu haben, daß der Oholedochus von Pan- 
kreassubstanz ganz umgeben war. 

8) Die Pars intraparietalis des Choledochus betrug 0,4—1,5 cm. 
In 84 von 95 Fällen war die in der Duodenalwand gelegene Strecke 
0,5—1,0 cm lang. 

9) Die Mündung ins Duodenum lag 49mal in der Mitte, 50mal 
tiefer, 14mal höher als die Mitte des absteigenden Teiles. 

V. E. Mertens (Kiel). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1325 


5) G. Cotte. Traitement chirurgical de la lithiase biliaire 
et de ses complications. 472 S. 
Lyon-Paris, A. Maloine, 1098. 

Das vorliegende Buch ist eine Darstellung der modernen Gallen- 
steinchirurgie auf Grund der neuesten Publikationen maßgebender 
Operateure Frankreichs und des Auslandes. Unveröffentlichte Fälle 
Poncet’s und einiger anderer französischer Chirurgen sind dabei 
mitverwertet worden. 

Im ersten Teile bespricht Verf. zunächst die allgemeinen In- 
dikationen für ein operatives Vorgehen; die Mortalität beträgt bei 
interner Behandlung 6—8%, während die ÖOperationsmortalität un- 
komplizierter Fälle nur 3% ist; die medikamentöse Behandlung soll 
daher nicht zulange ausgedehnt werden, wenn sie auch in vielen 
Fällen zunächst versucht werden kann. Hieran schließen sich die 
besonderen Indikationen und die Operationsmethoden bei der Lithiasis 
der Gallenblase und des Ductus cysticus; die beiden heute nur 
noch in Betracht kommenden Operationen sind die Cholecystostomie 
und die Cholecystektomie mit Drainage; die erstere verliert augen- 
scheinlich an Terrain, wenn sie auch in bestimmten Fällen, wie z. B. 
bei schlechtem Allgemeinzustand, den Vorzug verdient; radikales 
Operieren und damit gute Dauerresultate gewährleistet aber nur die 
Entfernung der Gallenblase; technisch wird die subseröse Ausschälung 
der Gallenblase warm empfohlen. Bei der Cholelithiasis der Gallen- 
gänge ist Cholecystektomie mit Hepaticusdrainage die Operation der 
Wahl, event. in Verbindung mit Hepatopexie, die die Drainage er- 
leichter. Der große Wert der Mobilisierung des Duodenums wird 
hervorgehoben. Im Gegensatz zu Kehr wird die Operation des akuten 
Choledochusverschlusses empfohlen. 

Nach einigen Betrachtungen über die intrahepatische Lithiasis 
und ihre chirurgische Behandlung folgen die unmittelbaren Resultate 
der Operation und die Dauerresultate; zum Schluß finden sich einige 
allgemeine technische Regeln. 

Im zweiten Teil bespricht ©. die Komplikationen der Chole- 
lithiasis (Leberabszeß, Fistelbildungen usw.); hier beanspruchen die 
Ausführungen über Cholelithiasis und Appendicitis, sowie Pankreatitis 
besonderes Interesse. 

Im dritten Teile sind die Beziehungen zwischen der Gallenstein- 
krankheit und dem Karzinom erörtert; die Drüsenmetastasen längs 
dem Ductus choledochus, sowie der Sitz des Karzinoms an der Gallen- 
blase, Fundus oder Hals, ist in den bisherigen Arbeiten nicht genügend 
berücksichtigt; das Leberbett ist beim Krebs der Gallenblase stets zu 
resezieren, da die Gefahren der Operation dadurch nicht erhöht 
werden. 

Den vierten Teil bilden die Statistiken von Bramann, Schede, 
Rotgans, Koerte, Kehr, Mayo Robson, Quénu, Terrier und 
vielen anderen. Am Schluß folgt ein reiches Literaturverzeichnis. 
Die Abbildungen, 17 im Text und 4 Tafeln, sind gut. 


1326 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 


Der Wert des Buches liegt in der zusammenfassenden Darstellung 
der heutigen Gallensteinchirurgie in Deutschland, Frankreich, England 
Amerika, und von diesem Gesichtspunkt aus darf die Arbeit des Verf. 
auch das Interesse des deutschen Chirurgen in Anspruch nehmen, 
dem sie im ganzen nicht viel Neues bringt. Boerner (Rastatt). 





6) C. Mongour. Du moment de lintervention chirurgielle 
dans la lithiase biliaire. 
(Journ. de méd. de Bordeaux 1908. Nr. 36.) 

M. gibt in kurzen Sätzen eine Zusammenfassung seines ausführ- 
lichen Referates auf dem Kongreß für innere Medizin in Genf. Hier- 
nach ist die Gallensteinkrankheit im allgemeinen ein gutartiges Leiden, 
und da die Operation noch immer eine Mortalität von 2% habe, ohne 
mit Sicherheit vor Rezidiven zu schützen, so müsse der chirurgische 
Eingriff auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben. Als solche betrachtet 
M. bei der Lithiasis der Gallenblase wiederholte, heftige Koliken, das 
Vorhandensein einer Infektion der steinhaltigen Gallenblase (Ref. nicht 
verständlich, da nach der herrschenden Anschauung die klinischen 
Erscheinungen des Gallensteinleidens fast stets auf einer Infektion 
beruhen), schließlich eine Allgemeininfektion, als deren Ausgangspunkt 
die Gallenblase vermutet wird. 

Unter den verschiedenen Formen der Cholelithiasis der Gallengänge 
kommt nur die Lithiasis des Ductus choledochus mit chronischem Ikterus 
für die Operation in Frage; und zwar ist letztere indiziert, wenn der 
Ikterus metapigmentär wird, oder wenn bestimmte entzündliche Kompli- 
kationen vorliegen. 

Eine Kontraindikation bilden Schwangerschaft, Arteriosklerose, 
Erkrankungen des Herzens, Diabetes, Alter über 65 Jahre. 

Im übrigen hält M. die Frage noch nicht für genügend geklärt, 
um definitive Grundsätze aufstellen zu können. 

Boerner (Rastatt). 





1) A. E. Pop-Avramescu. Die Cholecystektomie bei 
Gallensteinen. 
Inaug.-Diss., Bukarest. 1908. 

Verf. bespricht die in der Klinik von Th. Jonescu üblichen 
chirurgischen Behandlungsmethoden der Gallensteine und beschreibt 
eine neue Behandlungsart, die er auf Grund mehrerer am Hund an- 
gestellter Experimente empfiehlt. Sie besteht darin, daB die Gallen- 
blase, falls sie starke Verwachsungen mit der Umgebung hat, nur 
eröffnet, gereinigt und vernäht wird, während man andererseits den 
Ductus cysticus doppelt unterbindet und durchschneidet, die Gallen- 
blase also ausschaltet, aber nicht entfernt. Dieselbe verkleinert sich, 
und der Gallenabfluß geschieht weiter, ohne daß das Tier irgend- 
welche Beschwerden darbietet. Die Operation ist in den Fällen, wo 
der Ductus choledochus undurchgängig ist, kontraindiziert und durch 
die Cholecystostomie zu ersetzen. E. Toff (Braila). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1327 


8) H. A. Fowler. Autochthonous urethral calculi. Report 
of a case. 
(New York med. record 1%8. August 1.) 

F. gibt eine übersichtliche Abhandlung über die Harnröhren- 
steine, für die er, wenn sie primär in der Harnröhre gebildet sind, 
die Termini »autochton«, wenn außerhalb entstanden »heterochthon«, 
wenn nach dem Hineingelangen in die Harnröhre durch neue Ablage- 
rungen vergrößert, »amphiochthon« vorschlägt. Wenn die ursprüng- 
liche Herkunft aus der Blase festzustellen ist, soll die Bezeichnung 
» Vesiko-urethralsteine« gewählt werden; wächst ein solcher Stein nach- 
träglich in der Harnröhre, so spricht F. von Vesiko-urethral-urethral- 
steinen. 

Die Bildung der primären Harnröhrensteine hinter Strikturen, in 
angeborenen oder erworbenen Divertikeln, nach Trauma usw., werden 
erörtert und mit instruktiven Beispielen aus der Literatur belegt. 

Schließlich folgt die Beschreibung eines eigenen Falles von großem 
primärem Stein der hinteren Harnröhre, der durch Dammschnitt ent- 
fernt wurde. 

Die Bildung des Konkrementes schloß sich an eine vor langen 
Jahren erlittene Harnröhrenverletzung an, die, mit Urethrotomie er- 
folgreich behandelt, später zu Abszeßbildung Veranlassung gegeben 
hatte. Die Länge dieses Steines, der zum Teil im Blasenhalse, zum 
Teil in der hinteren Harnröhre lag, betrug 7!/, cm; derselbe wog 
106 g und bestand ausschließlich aus Phosphaten. 

Loewenhardt (Breslau). 


9) Cardenal. Un nuevo procedimiento para el tratamiento 
de la hipertrofia de la prostata. 
(Revista de med. y cirurg. pract. de Madrid 1908. Nr. 1030.) 

C. gibt folgendes Verfahren zur Operation der Prostatahyper- 
trophie an, das in 16 Tagen zur Heilung führen soll: Füllung der 
Blase mit 250 g Borsäurelösung. 10—12 cm langer Schnitt in die 
Medianlinie. Freilegung der Blase und Fixation derselben seitlich 
der Mittellinie mit zwei Seidenfäden. Eröffnung der Blase in einer 
Ausdehnung von 7—8 cm. Entleerung des Blaseninhaltes durch den 
schon vorher eingeführten und mit einer Naht fixierten Katheter. 
Einführung von zwei Harnleiterkathetern, die ein flötenschnabelartiges 
Ende haben und möglichst bis zum Nierenbecken vorgeschoben werden, 
während ihre hinteren Enden sich außerhalb der Bauchhöhle befinden. 
Halbmondförmige Inzision der Blasenschleimhaut oberhalb der Pro- 
statageschwulst und Ausschälung der Prostata mit den Fingern der 
linken Hand, wozu zuerst der Zeigefinger, dann die anderen Finger 
benutzt werden. Für die rechte Hälfte der Drüse muß zuweilen die 
rechte Hand zu Hilfe genommen werden. Tamponade. Durchleitung 
der beiden Harnleiterkatheter durch die Harnröhre. Schluß der Wunde 
bis auf eine genügende Öffnung zur Durchleitung der Tamponade bzw. 
eines Drains. | Stein (Wiesbaden). 


1328 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 


10) H. Fenwick. The value of bilateral ureterostomy (short- 
circuiting of the urine) in advanced cancer of the bladder 


or prostate. 
(Brit. med. journ. 1908. Juli 4.) 

F. empfiehlt bei inoperablen Fällen von Blasengeschwülsten zur 
Milderung der Beschwerden die doppelseitige Ureterostomie in der 
Lendengegend. Sie ist viel einfacher als die Einpflanzung in den 
Darm. Außerdem dient ihm die Ureterostomie als Einleitung zur 
Entfernung der ganzen krebsig entarteten Blase, wofür er drei Bei- 
spiele bringt. Weber (Dresden). 


11) Marro. Vescico-uretero-anastomosi. 
(Gazz. degli osped. e delli clin. 1908. Nr. 103.) 
(Accad. di med. di Torino. Sitzung vom 26. Juli 1908.) 

M. faßt mit einer Naht das freie Ende des Harnleiters und durch- 
bohrt mit der Nadel die Blasenwand. Durch starken Zug wird die 
Muskulatur der Blase auseinander gedrängt, und der Harnleiter dringt 
in dieselbe ein. Sehr schnell tritt die Verklebung von Harnleiter und 
Blase ein, und der erstere besitzt auch das natürliche Ventil. 

Dreyer (Köln). 


12) v. Karaffa Korbutt. Zur Frage über die Entstehung 


und die ätiologische Bedeutung der Ureterenatonie. 
(Folia urologica Bd. II. Hft. 2.) 

Verf. lenkt in dankenswerter Weise die Aufmerksamkeit auf ein 
noch wenig erforschtes Gebiet, das der Atonie der Harnleiter. Woher 
kommt es, daß man hin und wieder Erweiterung des Nierenbeckens, 
ja sogar Hydronephrose findet bei völlig frei durchgängigem Harnleiter, 
völlig frei sowohl für Flüssigkeit als für Katheter. Solche Fälle, wie 
sie besonders Feodorow beschrieben hat, erklärt Verf. durch die 
Atonie des Harnleiters, die sich in mangelhaften, unter Umständen 
ganz fehlenden peristaltischen Bewegungen äußert; pathologisch-ana- 
tomisch findet sich Wucherung von Bindegewebe, das schließlich die 
muskulären Elemente völlig verdrängt und ersetzt. Die Ansichten des 
Verf.s werden durch sechs gut gelungene Figuren und mikroskopische 
Schnitte erläutert. Willi Hirt (Breslau). 


13) G. Lardennois. Contribution à l'étude des contusions, 


déchirures et ruptures du rein. 
Thèse de Paris, Q. Steinheil, 1908. 

Sehr fleißige Arbeit mit vier eigenen Beobachtungen und einem 
wohl ziemlich vollständigen Literaturverzeichnis von 767 Nummern. 
Die Schlußfolgerungen des Verf.s sind folgende: Die Nierenkontusionen 
sind im allgemeinen gutartiger Natur. Schwere Nierenzerreißungen 
können auch nach einem leichten Trauma entstehen. Die Hämaturie 
ist das diagnostische Anzeichen einer Nierenkontusion; das perineale 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1329 


Hämatom bemißt ihre Schwere. Ein beträchtliches Hämatom, sich 
selbst überlassen, kann zu schweren Komplikationen führen, die unter 
Umständen das Leben des Verletzten bedrohen, jedenfalls aber un- 
günstig auf die verletzte Niere einwirken. Komplizierende Verletzungen 
verschlechtern die Diagnose beträchtlich, dürfen den Operateur aber 
niemals entmutigen. Ein operatives Eingreifen bei Nierenzerreißungen 
ist unter zwei Bedingungen notwendig: einmal, wenn rasch die Zeichen 
schwerer Anämie infolge innerer Blutung auftreten; befürchtet man 
hier die Verletzung eines anderen Bauchorganes derselben Seite, so 
macht man die seitliche Laparotomie; fernerhin muB eingegriffen 
werden, wenn sich ein beträchtliches Hämatom gebildet hat, das eine 
von der Spina ant. sup. oss. ilei zum Nabel gezogene Linie überschreitet; 
in diesen Fällen ist der lumbale Weg bequemer und sicherer. Die 
Nephrektomie ist nur dann angezeigt, wenn die Niere vollkommen zer- 
trümmert oder wenn der Nierenstiel abgerissen ist. Im allgemeinen 
besteht der operative Eingriff in der Entfernung der Blutgerinnsel, in 
der Freilegung der verletzten Niere und in der Oatgutnaht und leichten 
Tamponade der verletzten Stelle. Paul Wagner (Leipzig). 





14) G. v. Illy&s. Über die Nierentuberkulose. 
(Folia urologica Bd. II. Hft. 1.) 

Verf. steht auf dem Standpunkte, daß die hämatogene Infektion 
bei der Nierentuberkulose die weitaus häufigere Art der Infektion 
gegenüber der aszendierenden Form darstelle, der man früher die 
größte Bedeutung beilegte; dieser Standpunkt ist heute wobl All- 
gemeingut geworden. Unter den Formen der Tuberkulose hat Verf. 
am häufigsten die kavernöse angetroffen. Ob spontane Heilungen 
wirklich immer nur scheinbare und nicht dauernde sind, wie Verf. 
angibt, darüber ist wohl sehr schwer eine sichere Auskunft zu erlangen, 
da die dauernd geheilten Fälle eben nicht zur Operation oder Sektion 
gelangen werden. In der ungünstigen Beurteilung der Harnseparatoren 
bei der Diagnosestellung kann Ref. dem Verf. nur völlig beipflichten, 
besonders wenn es sich um geschwürige Prozesse in der Blase handelt. 
Uber die Bedeutung des Bazillenbefundes in positiver oder negativer 
Hinsicht wäre die Ansicht des Verf.s zu hören nicht unerwünscht 
gewesen. 

Der Satz: »Die im Urin der anderen Niere auffindbaren Eiweiß- 
und Nierenbestandteile kontraindizieren nicht bei guter Funktion die 
Entfernung der kranken Niere«, dürfte noch immer debattiert werden 
können. Willi Hirt (Breslau). 





15) Perez Grande. La decorticación renal. 
(Revista de med. y cirurg. pract. de Madrid Nr. 1034—1039.) 

In einer sehr ausführlichen Arbeit bespricht P. auf Grund sämt- 
licher bisher in der Literatur publizierter Fälle unter Beifügung neuer 
eigener Beobachtungen die Frage der Indikation der operativen Ent- 

45** 


1330 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 


hülsung der Niere bei nephritischen Prozessen. Er kommt zu folgen- 
den Ergebnissen: Die Enthülsung bewirkt eine Entlastung des Organes 
und erzeugt einen komplementären Kreislauf zwischen Nierenparenchym 
und umgebenden Geweben. Die Operation ist bei der akuten Nephritis 
indiziert, aber stets in Verbindung mit der Nephrotomie, da dann der 
gewünschte Erfolg beschleunigt wird. Bei der chronischen Nephritis 
ist die Operation durch keine andere Medikation zu ersetzen und soll 
ausgeführt werden, sobald die Diagnose gestellt ist, ohne erst mit 
internen Mitteln Zeit zu verlieren. Bei den Nierenblutungen besteht 
gleichfalls Indikation, selbstredend in Verbindung mit der Nephro- 
tomie. Bei Nierenschmerzen unbestimmbaren Ursprunges kann die 
Enthülsung gleichfalls Hilfe bringen, doch ist hier mehr zur Nephro- 
tomie zu raten, die die Sicherung der Diagnose bewirkt. Die von 
anderen Autoren angegebene Indikation bei hysterischer Anurie wird 
von P. nicht anerkannt. Dagegen tritt er für die Operation ein 
in Fällen von puerperaler Anurie, sowie bei der Eklampsie der 
Schwangeren; hier soll die Operation möglichst frühzeitig vorgenommen 
werden, da sie dann leichter ist und auch eher gestattet wird; sie 


kann event. mit der Nephrotomie verbunden werden. 
Stein (Wiesbaden). 


16) J. Israel. Diagnosen und Operationen bei verschmolzenen 
Nieren. 
(Folia urologia Bd. I. Hft. 6.) 

Hufeisennieren finden sich in 0,1% der Sektionen, andere For- 
men der Nierenverschmelzung sind noch viel seltener. I. ist unter 
ca. 800 Nierenoperationen siebenmal verschmolzenen Nieren begegnet, 
d. h. in 0,8%; davon waren fünf Hufeisennieren, zwei einseitig ver- 
schmolzene Langnieren. Der Häufigkeitsunterschied zwischen den 
Sektions- und ÖOperationsbefunden liegt in der Prädisposition miß- 
gebildeter Nieren zur Erkrankung. Diese Erkrankung entsteht häufig 
in den Jugendjahren. Bei Hufeisennieren liegt entweder das ganze 
oder das halbe Organ weiter unten und median als normale Nieren. 
Eine scharfe Grenze zwischen beiden Nieren ist selten erkennbar. Die 
Nierenbecken liegen meistens in der Konkavität des Hufeisens, seltener 
an der Vorderfläche des Organes. Der Harnleiter zieht über die 
Vorderfläche des Organes hinab. Bisweilen hat das Verbindungs- 
stück ‘eine eigene Gefäßversorgung. Eine sichere Diagnose der Huf- 
eisenniere ist nur durch Tastung zu erbringen. Die röntgenographische 
Darstellung des Harnleiterverlaufes ist besonders bei einseitigen Lang- 
nieren wertvoll. 

Eine auffallend mediane Lage einer Nierengeschwulst oder eines 
Nierensteines ist für die Diagnose der Hufeisenniere nur verwertbar, 
wenn auszuschließen ist, daß es sich um Geschwulst oder Stein in 
einer verlagerten Niere handelt. Die Erkennung einer Hufeisenniere 
während der Operation ergibt sich aus dem Verlaufe des Harnleiters 
über die Vorderfläche des Organes. Obwohl beide Hälften einer Huf- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1331 


eisenniere durch einen einzigen, rechts- oder linksseitigen extraperi- 
tonealen Schrägschnitt zur Ansicht gebracht werden können, erfordern 
Operationen an beiden Hälften einen doppelseitigen Lumboabdominal- 
schnitt. Die Unregelmäßigkeit der Gefäßversorgung vermindert die 
Sicherheit der Stielkompression zum Zwecke blutleeren Operierens am 
Nierenparenchym. Deshalb ist bei Steinen in mißbildeten Nieren die 
Nephrotomie wenn möglich durch die Pyelotomie zu ersetzen. Nach 
Resektion einer Nierenhälfte ist die Wunde zu drainieren, weil die 
Trennungsfläche der Nieren bisweilen einige Zeit Urin absondert. 
Die von I. an sieben verschmolzenen Nieren ausgeführten elf 
Operationen: zwei Nephrotomien, zwei primäre Nephrektomien, eine 
sekundäre Nephrektomie, zwei Pyelolithotomien, zwei Nephrolitho- 
tomien, zwei Enthülsungen, sind: sämtlich geglückt. 
Willi Hirt (Breslau). 





17) Langlois. La transplantation en masse des deux reins. 
3 Abbildungen. 
(Presse méd. 1908. Nr. 17.) 

Nach kurzer Anführung der bisher mit der Niere vorgenom- 
menen Transplantationsversuche werden ausführlich die Versuche von 
Guthrie und Carrel beschrieben. 

In einem Stück (Transplantation en masse) wurden beide Nieren 
mit den Nierengefäßen samt einem Ausschnitt aus Aorta und Vena 
cava, und mit beiden Harnleitern einschließlich eines Stückes Blasen- 
wand entfernt und einem gleichen, entsprechend vorbereiteten Tier 
eingepflanzt. Die Technik wird genau beschrieben. 

Von 14 so operierten Katzen starben 5 sogleich (3 an Chok 
und 2 an Nahtinsuffizienz). Von den 9 Überlebenden starben 3 in 
den ersten 8 Tagen, 4 gegen den 15. Tag, und 2 lebten 30 und 
35 Tage. In allen Fällen war die Nierenfunktion wieder hergestellt, 
Albuminurie war selten und vorübergehend. Der Tod konnte immer 
anderen Ursachen als einer ungenügenden Nierenfunktion zugeschrieben 
werden. Fehre (Dresden). 


18) Exalto. De behandeling van den onvolkomen afgedaalden 
Testikel. 
(Nederl. Tijdschrift voor Geneeskunde 1908. Nr. 8.) 

Auf Grund einer Beobachtung von 29 Fällen von Descensus 
incompletus kommt E. zu nachstehenden Schlüssen: 

1) Das Bestehen einer Hodenretention allein gibt keine Indikation 
zur Operation. 

2) Schmerzbeschwerden geben den Verdacht auf einen Bruch, 
auch wenn dieser klinisch nicht nachgewiesen werden kann. 

3) Ein solcher Bruch muß nach Bassini operiert werden. 

4) Der Hoden muß in das Skrotum reponiert werden, wenn das 
bequem geht. 

5) Wenn es nicht gelingt, so ist er präperitoneal zu lagern. 

& 


1332 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 


6) Komplizierte Methoden zur Erhaltung des Hodens im Skrotum 


sind zu verwerfen. 


7) Semikastration ist nicht gestattet. 
E. H. van Lier (Amsterdam). 


19) Gregoire. Considerations sur létat des ganglions dans 
le cancer du testicule. 
(Archives générales de chirurgie II. 7.) 

Verf. versucht im Anschluß an einige selbst beobachtete und an 
weiter aus der Literatur gesammelte Fälle einige Angaben über die 
maligne Entartung der Lymphdrüsen beim Hodenkarzinom zu ge- 
winnen. Die Lymphdrüsen finden sich in 91% aller Fälle von bös- 
artiger Hodengeschwulst erkrankt, ohne daß Inspektion und Tastung 
irgendwelchen sicheren Nachweis erbringen lassen. 

Der Beginn der malignen Drüsenentartung läßt sich niemals mit 
absoluter Sicherheit feststellen, im allgemeinen beginnt sie 6—8 Monate 
nach dem Beginn der Hodenerkrankung. Die Größe der primären 
Geschwulst gibt keinerlei Anhaltspunkte für die Beurteilung des 
Zustandes der Drüsen. Man sollte daher bei jeder malignen Hoden- 
erkrankung an die Kastration die probatorische Freilegung der 


inguinalen und abdominalen Lymphdrüsen anschließen. 
Strauss (Nürnberg). 





20) Quónu et Duval. Technique opératoire de la colpo- 


hystérectomie totale par voie combinée périnéo-abdominale. 
(Revue de chir. XXVIII. année. Nr. 6.) 

Das an 10 Abbildungen erläuterte Verfahren ist im Prinzip das 
gleiche wie die kombinierte Mastdarmexstirpation. Der Introitus wird 
mitten durch das Frenulum, dann entlang der Innenseite der kleinen 
Lippen und unterhalb der Harnröhrenmündung kreisförmig umschnit- 
ten, darauf die Scheide so weit ausgelöst, daß ihr Eingang durch 
eine doppelte fortlaufende Naht geschlossen werden kann. Ist man 
bis zum Douglas, der Plica vesico-uterina und der Basis der breiten 
Mutterbänder gelangt, so wird die Vulvawunde nach Einlegen eines 
mit vier Gazedochten umstopften Drains verkleinert und die Operation 
in üblicher Weise auf abdominellem Wege beendet. 

Zum Abschluß gegen die Beckenwunde vernähen die Verff. nicht 
nur die Wundränder der breiten Mutterbänder und des Douglas und 
Blasen-Bauchfelles miteinander, sondern lagern, gewissermaßen als 
zweite Etage, das ausgebreitete Colon pelvinum über den Becken- 
eingang, wo es an der hinteren Blasenwand und den Seiten des 
Beckens durch Nähte befestigt wird. Gutzeit (Neidenburg). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1333 


Kleinere Mitteilungen. 


Il. 
Aus der Privatklinik des Prof. Kehr in Halberstadt. 


Ein Fall von Verletzung des Ductus hepaticus 
bei der Cystektomie. 


Von 


W. Volkmar, 


Assistenzarzt der Klinik. 


ehr hat auf dem I, internationalen Chirurgenkongreß in Brüssel mit einigen 

Worten einen Fall erwähnt, dessen Anamnese, Operation und Heilungsverlauf 
hier etwas ausführlicher mitgeteilt werden sollen. 

Die Krankengeschichte ist kurz folgende: 

J. B., 57jährige Frau, hat seit dem 41. Jahre Gallensteinkoliken. Mehrmals 
wurde dabei Ikterus beobachtet und starkes Anschwellen der Gallenblase. Men- 
struation und Gravidität verstärkten die Anfälle. Seit Februar 1908 trat Fieber 
hinzu, Schüttelfrost und Erbrechen. Schmerzen waren stets scharf rechts lokali- 
siert. Obstipation. In letzter Zeit Gewichtsabnahme. Befund: Starkes Fettpolster 
der Bauchdecken, Leib sehr aufgetrieben, große Druckempfindlichkeit der Gallen- 
blasengegend. Urin frei von pathologischen Bestandteilen. 

Diagnose: Empyem der Gallenblase. 

Operation 24. Januar 1908: Wellenschnitt. Steine und Eiter enthaltende 
Gallenblase mit Netz verwachsen, wird gelöst, der Cysticus freigelegt. Derselbe 
ist auf ca. 8 cm Länge sehr fest mit dem Hepaticus verwachsen, so daß die Cystik- 
ektomie große Schwierigkeiten macht. Schließlich gelingt es, Gallenblase samt 
Cysticus zu entfernen. Cysticus wird unterbunden, doch sammelt sich in der Tiefe 
des Operationsterrains immer wieder Galle an, die aus einem Gange herausläuft. 

Es handelt sich also entweder um einen akzessorischen Cysticus, oder es ist 
ein Stück Hepaticus mit reseziert, vielleicht von einem akzessorischen Ast. Die 
Verhältnisse sind so zart, das Operationsterrain liegt so tief, daß eine Klarlegung 
durch Sondierung nicht gut möglich ist. Außerdem drängt die Schwäche der 
Pat. zur Beendigung der Operation (Dauer 35 Minuten). Das fragliche Gebilde 
wird mit einem Faden umgangen und verschlossen. 

Am 6. Tage nach der Operation tritt allmählich immer stärker werdender 
Ikterus auf, die Stühle bleiben acholisch, ein Beweis dafür, daß der Ductus hepa- 
ticus selbst unterbunden ist. 

Am 9. Tage wird die Tamponade gewechselt und die Ligatur vom Hepaticus 
gelöst. 

Nunmehr wird aus diesem der Gallenfluß sehr profus, der Stuhlgang bleibt 
scholisch. 

Da der Gallenfluß die Frau sehr schwächt, indiziert sich eine nochmalige 
Operation, um die Galle wieder dem Darm zuzuführen. 

11. August 1908 IL Operation. Freilegung der Hepaticusfistel ohne Eröffnung 
der Bauchhöhle. Präparation des Lig. hepato-duodenale; die Arteria hepatica 
wird freigemacht, ebenso der Ductus choledochus. Er ist gänsekielstark und wird 
durchtrennt. Die Papille ist sondierbar. Choledochus wird nun weiter duodenal- 
wärts auf eine Länge von 1 cm freigelegt. 

Nunmehr wird die hintere Schleimhautleiste vom Hepaticus und Choledochus 
mit Catgut vereinigt. Dann folgt Anheftung der vorderen Choledochuswand an 
die Leber dicht oberhalb der Hepaticusfistel, so daß die Galle direkt in den Chole- 


1334 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 


dochus abfließt. Feiner Tampon von Xeroformgaze. Dauer der Operation 40 Mi- 
nuten. 

Schon am 25. August ist der Stuhlgang minimal gefärbt. 

Vom 28. August an findet ein tägliches Einfübren eines langen, dünnen, ent- 
sprechend gebogenen Laminariastiftes in den Choledochus bis ins Duodenum hin 
statt. 
1. September. Stuhlgang normal getärbt. 

17. September vollständig geheilt entlassen. 

Epikrise: Ruge hat huf dem Chirurgenkongreß 1908 gezeigt, daß Cysticus 
und Hepaticus in ca. 33% der Fälle dicht nebeneinander verlaufen. Eine Ver- 
letzung des Ductus hepaticus ist in solchen Fällen leicht möglich, auch bei sorg- 
fältigster Präparation (s. Fig. 1). 


Fig. 1. 





Oysticus mit Hepaticus so eng verwachsen, 
daß bei der Cystikektomie das Stück des 
Hepaticus von 1—2 reseziert wird. 


Fig. 2. 
4 





Vereinigung des Hepaticus mit 
dem Choledochus durch Naht. 


Das herausgeschnittene Präparat. 


Bei wenig ausgedehnten Verletzungen genügt die einfachste Tamponade, bei 
größeren wird man eine Hepaticusplastik machen, analog der Pyloroplastik nsch 
Heinecke-Mikulicz. Bei ganz ausgedehnten Verletzungen muß man plastische 
Verfahren anwenden. 

Das Verfahren von Verhoogen ist gewiß sehr einfach (ds. Zentralblatt 1908 
Nr. 26 p. 790), kann aber leicht zu Strikturen führen; denn es setzt einen Binde- 
gewebsgang an Stelle eines mit Schleimhaut ausgekleideten. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1335 


In dem geschilderten Falle ist der abgetrennte Hepaticus unterbunden wor- 
den, weil man daran denken mußte, daß entweder ein akzessorischer Cysticus oder 
ein gedoppelter Choledochus vorliegen könne. In beiden Fällen wäre eine zweite 
Operation unnötig gewesen Da aber vom 5. Tage an immer mehr zunehmender 
Ikterus auftrat, mußte der Hauptast des Hepaticus unterbunden sein. Unter diesen 
Verhältnissen war eine erneute Freilegung des Operationsfeldes geboten. 

Bei der Nachbehandlung hat die Erweiterung des Ductus choledochus und 
der Papille mit Laminariastiften gute Dienste geleistet. Der Gang wurde durch- 
gängig, die Galle lief duodenalwärts, und es trat schließlich vollständige Hei- 
lung ein. 

Fig. 2 zeigt das Präparat, 

Fig. 3 die ausgeführte plastische Operation. 


II. 


Aus der Il. chirurg. Abteilung des Mt. Sinai Hospitals in Neuyork. 
Direktor: Dr. H. Lilienthal. 


Eine modifizierte Crile’sche Transfusionskanüle. 
Von 
Dr. med. Leo Buerger in Neuyork. 


er Gebrauch der Crile’schen Transfusionskanüle ist zuweilen mit einer Schwie- 

rigkeit verbunden, sowohl beim Umstülpen der Vene, als auch beim Ineinander- 
schieben von Vene in Arterie. Dank dem verhältnismäßig kleinen Lumen und 
der unnachgiebigen Wandung der Arterie gelingt es manchmal erst nach längerem 
Manövrieren, sie über die Vene zu schieben. Verf. hat das Crile’sche Instrument 
nach einigen Richtungen hin modifiziert, wodurch er das Operationsverfahren zu 
erleichtern glaubt. 

Diese veränderte Transfusionskanüle besteht aus einem Ringe, welcher die 
Gestalt eines abgeschnittenen Kegels hat und von einem ziemlich festen Griffe 
getragen wird. Kanüle und Griff sind aus einem und demselben Stück Neusilber 
gearbeitet. Wie aus der Abbildung ersichtlich, ist die Kanüle der Länge nach 
gespalten, wodurch es nun möglich wird, ihren Durchmesser auf die Dauer zu ver- 
ändern oder auch vorübergehend zu vermindern, je nach Bedarf. Das Metall der 
Wandung ist möglichst dünn beschaffen, damit der Unterschied zwischen äußerem 
und innerem Umfang ein minimaler sei. An zwei Stellen ist die Kanüle ring- 
formig verdickt: die obere Verdickung liegt dicht an der Spitze, wodurch der zum 
Empfang der Arterie bestimmte Teil möglichst klein wird; die andere Verdickung 
befindet sich weiter unten. 





Technisches Verfahren: Nachdem die Vene völlig freigelegt und ihre Adven- 
titia abpräpariert worden ist, werden drei feine Leitfäden angelegt und das Gefäß 
durch die Kanüle gezogen, wobei die Leitfäden erst durch den Spalt gehen und 
alsdann in das Lumen der Kanüle eintreten. Die Vene wird nun umgestülpt und 
hinter der zweiten Verdickung unterbunden. Dann wird die Arterie mittels Pin- 
zetten oder Fäden darübergezogen und hinter der oberen Verdickung unter- 
bunden. Ä 
Die Vorteile des modifizierten Instruments sind folgende: erstens hat man an 
dem Griff einen festen Halt; zweitens wird das Ineinanderschieben durch die 
kegelförmige Gestalt und das Fehlen einer Verdickung an der Spitze erleichtert; 


1336 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 


drittens wird durch den Spalt eine Veränderung im Durchmesser der Kanüle er- 
möglicht, so daß man mit zwei Kanülen in allen Fällen auskommen kann; viertens 
endlich gestaltet sich das Einziehen der Vene in die Kanüle ganz leicht. 


21) II. internationaler Chirurgenkongreß in Brüssel. 
Referent: Heinz Wohlgemuth, Berlin. 


Der internationale Chirurgenkongreß hätte mit Fug und Recht »Internationaler 
Krebskongreß« heißen können; denn von den 5 Sitzungstagen sind nicht weniger 
als 2 volle und 3 halbe den Diskussionen über das Karzinom gewidmet, und die 
dem Kongreß angegliederte Ausstellung ist eine Krebsausstellung in optima forma. 
Die Einführungsrede Czerny's, der dem Kongreß präsidierte, war ein genereller 
und höchst bemerkenswerter Ausblick auf das, was wir in der Erkenntnis des 
Karzinoms und seiner Therapie bisher geleistet haben und was wir vielleicht noch 
erreichen können. Czerny legt den allergrößten Wert darauf, daß der Glaube 
an die Heilbarkeit des Krebses möglichst weit im Publikum verbreitet werde, 
damit wir die Möglichkeit haben, die Karzinome frühzeitig zu operieren und damit 
auch zu heilen. Denn bei den in den späteren Stadien zur Operation gelangenden 
Karzinomen sind wir an der Grenze unseres chirurgischen Handelns angekommen. 
Wir können nichts mehr fortnehmen. Wenn wir aber mit anderen Behandlungs- 
methoden das Karzinom angreifen wollen, so sind wir vorläufig wenigstens noch 
nicht imstande, stolz auf die Erfolge zu sein. Die Aussicht auf ein Serum, so sehr 
sie zu erhoffen ist, ist doch verfrüht, solange wir nicht die Ursachen des Karzi- 
noms kennen. Die Fulguration kann natürlich nur die Fälle heilen, die auch auf 
operativem Wege mit Röntgen- oder Radiotherapie zu heilen sind, wobei Czerny 
allerdings der Meinung ist, daß die Beblitzung in 30 Minuten das vollbringt, was 
die Röntgen- oder Radiumbehandlung erst in 3 Monaten zustande bringt. Wie 
die letzteren, tötet sie nicht die Krebszellen, sondern beeinflußt sie nur. Ein 
kurzer Ausblick auf die Atiologie des Karzinoms entwickelt gewissermaßen ein 
parasitäres Bekenntnis Czerny’s. Die bei’ Tieren nicht, selten beobachteten spon- 
tanen Rückbildungen des Karzinoms lassen ihm die Aussicht auf ein Serum als 
Wahrscheinlichkeit gelten. Auf der anderen Seite geben uns die Erfolge der 
Röntgenbehandlung und der Radiotherapie zu denken und lassen den Chemismus 
im pathologischen Sinne für die Atiologie des Karzinoms nicht von der Hand 
weisen. Auch ist der endemische Faktor, die Häufigkeit und besondere Intensität 
der Krebse in verschiedenen Ländern, die Erblichkeit, die Akquisition, die Um- 
formung aus chronischen Entzündungen noch nicht genügend aufgeklärt. Aber 
wenn Czerny, indem er auf das Heidelberger Institut für Krebsforschung zu 
sprechen kommt, in dem freien Herumlaufen der Pat. mit offenen Krebsen eine 
Gefahr sieht und ihre Isolierung für notwendig hält, so klingt hier der Grundton 
seines Bekenntnisses, der Glaube an die Infektiosität, wieder durch. Zunächst 
aber hält Czerny es für notwendig, daß eine große internationale Verständigung, 
eine allgemeine und genaue Unterredung über die Verbreitung, Intensität und die 
therapeutischen Erfolge des Karzinoms in allen Ländern über alle die berührten 
wichtigen Fragen durch Bildung von Landeskomites eingeleitet wird, ehe wir es 
unternehmen können, Schlußfolgerungen über die Ursache und die Art der Be- 
kämpfung des Karzinoms zu ziehen. 


Nach diesen Einleitungen stellt sich Roswell Park (Buffalo), dem das Referat 
über die Natur des Krebses anvertraut ist, auf den Standpunkt der unbe- 
dingten Kontagiosität des Karzinoms. Der Krebs, sagt er, wird von einem von 
außen kommenden Agens erzeugt, sein Beginn, seine Entwicklung sind die einer 
chronischen Infektionskrankheit, seine Zellen verbreiten sich wie ein infektiöses 
Agens, als wären sie selbst ein solches. Daher muß das Karzinom wie eine kon- 
tagiöse Krankheit behandelt werden, mit den sorgfältigsten hygienischen Maß- 
nahmen, besonders wenn es ulzeriert ist. Wir können zwar annehmen, daß der 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1337 


Krebs im Anfang eine durchaus lokale Infektion ist, die sich mehr oder weniger 
schnell ausbreitet, bei den verschiedenen Individuen allerdings außerordentlich 
wechselnd in der Form und Intensität der Neubildung. Wenn wir das Karzinom 
erkennen können, solange es noch absolut lokal ist, dann muß es, wenn wir die 
Fortnahme weit im Gesunden machen, als eine heilbare Krankheit angesehen 
werden. Aber leider ist der Beginn des Krebses nicht immer gleich sichtbar und 
fühlbar, nichts unterscheidet ihn oft von anderen infektiösen Schädigungen, keine 
eigene Symptomatologie läßt sein erstes Auftreten vermuten. Wenn aber seine 
Zeichen sicher sind, dann ist es oft zum radikalen Eingriff zu spät. Darum sind 
unsere therapeutischen Maßnahmen auch noch so häufig nutzlos. 

Roswell Park schließt seine Ausführungen mit dem Wunsche und der 
Hoffnung, daß die sorgfältigen Forschungen uns noch einmal ein Mittel an die 
Hand geben werden, die parasitäre Neubildung zu zerstören, ihre Keime zu ver- 
nichten, ohne daß wir gezwungen sind, einen großen verstümmelnden Eingriff zu 
machen. 

Mit diesen Anschauungen ist Herr Sticker (Berlin) nicht ganz im Einklang. 
Der Parasit sei eben noch nicht gefunden. Wir werden vielleicht auch nie von 
dem, sondern von den Parasiten des Karzinoms sprechen müssen, weil wir wohl 
an der Annahme festhalten müssen, daß man nicht von dem, sondern von den 
Karzinomen reden wird. Auf alle Fälle ist die Immunität gegen Karzinom keine 
gewöhnliche im Sinne der Infektionskrankheiten, und daher ist wohl jede Aussicht 
auf ein Serum illusorisch. 

Es ist zu verstehen, daß über dies Thema, bei dem es sich ja bis auf weiteres 
nur um Hypothesen handeln kann, sich keine Diskussion im weiteren Umfang 
anschloß, aber eine stille Hoffnung vieler ist es doch sicher gewesen, daß die ge- 
waltigen Anstrengungen, die seit Jahren zur Erforschung der Krebskrankheit ge- 
macht werden, sich auf diesem Kongreß schon in einigen hoffnungsschimmernden 
Ausblicken kenntlich gemacht haben würden. 


Es wurden nun die Karzinome der einzelnen Organe behandelt. Herr v. Bons- 
dorff (Helsingfors), der das Referat über Lippenkrebs hatte, gibt seine Erfah- 
rungen in folgenden Schlüssen kund. Vor der Exzision des Lippenkrebses ist eine 
vollständige doppelseitige Ausräumung der Submaxillar- und Submentaldrüsen und 
auch der tiefen die Halsgefäße entlang führenden Drüsengruppen bis zum Schlüssel- 
bein herunter, nötigenfalls auch der supraclavicularen Drüsen zu machen. Auch 
die supramaxillaren Drüsen samt allem auf dem Unterkiefer befindlichen Fett- 
gewebe sind zu entfernen. Hat B. doch noch 9 Jahre nach bloßer Exstirpation 
der Geschwulst ein Drüsenrezidiv auftreten sehen. So vorgehend wird man in 
80% der Fälle eine dauernde Heilung erzielen können. Denn innere Metastasen 
sind selten. Auffällig ist nur ein scheinbarer Zusammenhang zwischen Lippen- 
und Magenkrebs, wie er bei neun Pat. beobachtet ist, die ohne lokales Rezidiv 
gestorben sind. 

Einen weit. weniger radikalen Standpunkt nimmt Herr Ribera y Sans 
(Madrid) ein. Er unterscheidet die Karzinome, bei denen man mit einer keilför- 
migen Exzision auskommt, von denen, die eine submaxillare Ausräumung notwendig 
machen, und anderen, die größere Plastiken verlangen. Für die Unterlippe will 
er mit dem Verfahren von Guarnerio und Creus stets auskommen. Von den 
ätiologischen Momenten kennt er als sicher nur das physische und chemische 
Trauma, den Einfluß des Tabaks und die Verbrennung durch die Zigarette. 

Herr Dollinger (Budapest) dagegen, sowie Morestin (Paris) stehen ganz 
auf dem Standpunkte v. Bonsdorff’s. Morestin besonders legt nachdrücklich 
Wert auf die sorgfältigste Entfernung aller submentalen Drüsen, auch der lateralen. 
In einem breiten Trapezoid unschneidet er die Geschwulst, so daß der Schnitt 
ihm die weiteste Möglichkeit zur Exstirpation der Drüsen gibt. 


Über die Behandlung des Mund- und Zungenkrebses spricht zuerst 
Herr Collins Warren (Boston). 172 Fälle, die er im Massachusetts Genern! 
Hospital behandelt hat, bewiesen ihm die Notwendigkeit der Fortnahme einer À< 


1338 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 


beider Seiten der Drüsenkette des vorderen cervicalen Dreiecks. Er geht also 
selbst hier nicht soweit wie v. Bonsdorff. Aber seine Resultate sind nicht gerade 
hervorragend. 16 Operierte sind mehr als 3 Jahre rezidivfrei geblieben. Dollinger 
sieht die Resultate der chirurgischen Behandlung des Krebses der Organe der 
Mundhöhle, ausgenommen der Lippe, sogar als ganz kläglich an; ihm ist kein 
Fall am Leben geblieben. Deshalb wollen auch Morestin (Paris) und Bastia- 
nelli (Rom) gleich beim kleinsten Karzinom der Mundhöhle eine ausgedehnte 
Freilegung beider Seiten; aber da ihre Resultate auch nicht gerade glänzend 
sind, bemerkt Czerny in einem Schlußwort, daß, da auch bei den meist ausge- 
dehnten Operationen die Resultate beim Karzinom der Mundhöble so wenig 
ermutigend sind, er sich wohl kaum zu einer so eingreifenden Operation ent- 
schließen würde. 


Über die chirurgische Behandlung des Kehlkopf- und Rachenkrebses 
spricht zunächst Herr Gluck (Berlin). Er stellt eine Reihe seiner Pat. und seiner 
glänzenden Resultate von Kehlkopfexstirpation und nachfolgender Plastik mit oder 
ohne Prothese vor und betont besonders, daß ihm jetzt die Fortnahme der ganzen Partie 
en bloc mit Muskulatur, Drüsen, sogar der Vena jugularis, die Resultate außer- 
ordentlich verbessert hat. Erst zum Schluß pflanzt er jetzt nach Abtrennung der 
exstirpierten Massen den Luftröhrenstumpf in die Haut ein, und nimmt seine 
Zuflucht zur präventiven Einpflanzung nur in den Fällen von schwerer Dyspnoe. 
Die relativ geringe Gefahr seiner Operationsmethode hat ihn ermutigt, sie auch 
bei Tuberkulose anzuwenden. Die Mortalität der großen Operationen am Kehlkopf 
hat bis vor kurzem 54% betragen, jetzt zeigen seine halbseitigen Exstirpationen 
0% Mortalität, seine totalen 9%. Gluck demonstriert ferner seine Gummitrichter- 
prothese, die er jetzt auch in den Fällen von Karzinom oder Verschluß des Brust- 
teiles der Speiseröhre anwendet, um die Speiseröhre mit dem Magen zu verbinden 
und ein dem Normalen analoges Schlucken zu ermöglichen. Gluck schweift dann 
noch zu dem Versuch einer durch Lungenfistel retrograd ermöglichten Atmung 
ab, bei Fällen von Stenose oder Ausschaltung der normalen oberen Atmungswege. — 
Für die Entfernung der bösartigen Geschwülste im Cavum pharyngo-nasale 
hält Herr Durand (Lyon) eine systematische Pharyngeotomie für notwendig mit 
einem ganzen knöchernen Block des Oberkiefers und Jochbeines, den er nach 
gelungener Pharyngeotomie wieder reponiert. 


Die Speiseröhrenkarzinome, deren chirurgische Behandlung bisher so 
traurige Erfolge aufzuweisen hat, hält Herr Czerny (Heildelberg) doch immer noch 
für exstirpierbar und heilbar, solange sie lokal beschränkt sind, und die Erfolge 
Gluck’s mit seiner Operationsmethode lassen ihn auch auf eine bessere Zeit ihrer 
chirurgischen Behandlung, selbst des Brustteiles, hoffen. Er warnt eindringlichst 
vor zu langer Sondenbehandlung, bis am Ende der Kranke nicht mehr kräftig 
genug ist, die Operation auszuhalten, nicht einmal eine Gastrostomie. Vielmehr 
soll beizeiten überlegt werden, ob der Fall sich vielleicht für eine Exstirpation 
eignet, besonders da ja die Speiseröhrenkrebse nicht sehr zu Metastasen neigen. 
Sowie bei Sondenbehandlung Schmerzen und Blutungen auftreten, soll man die 
Sondenbehandlung aussetzen und operieren. Hier hofft Herr Kümmell (Ham- 
burg) von der Roux’schen Transplantation des Dünndarmes noch viel Gutes. Er 
hat sich von ihrer Ausführbarkeit überzeugen können. Wenn man, wie er es getan, 
den Darm im antiperistaltischen Sinn einpflanzt, so schwinden die anfangs auf- 
tretenden Schwierigkeiten des Schluckaktes in kurzer Zeit; der Darm gewöhnt 
sich scheinbar an den umgekehrten Weg der Fortbewegung der Speisen. 

Trotz der großen Umsicht der KongreßBleitung und der Zurückhaltung, mit 
der nur einige wenige wichtige aktuelle Themata zur Besprechung kommen, muß 
ein Teil der Ref. aus Zeitmangel auf eine längere Besprechung des ihnen über- 
antworteten Themas verzichten, sich damit begnügen, nur die letzten Schlüsse der 
Erfahrungen und Beobachtungen zu geben, andere beschränken sich auf die Auf- 
zählung ihrer Fälle und deren Mortalität bzw. Heilungen. Es würde im Rahmen 
unseres Referates zu weit führen, alle diese Einzelbemerkungen zu erwähnen. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1339 


Der 2. Tag des Kongresses war der Leber und der Gallenblase gewidmet. 
Zunächst gab Herr Kehr (Halberstadt) seine reichen Erfahrungen auf diesem 
Gebiete an der Hand von höchst instruktiven Zeichnungen, Präparaten, Tabellen 
usw. kund. Seine Ausführungen gipfelten in den Schlüssen: Nicht alle Gallen- 
steine sind operativ zu entfernen. Unter 4000 Fällen fand er bei 2700 keine 
Indikation zu chirurgischem Eingriff, hat bei diesen vielmehr eine Kur verordnet, 
die auf Beseitigung der entzündlichen Vorgänge im Gallensystem und auf eine 
Zurückführung der Steine in das Stadium der Latenz hinzielte. Die Beobachtung 
der nicht operierten Gallensteinkranken hat ihm die Überzeugung gebracht, daß 
die Cholelithiasis in 80% der Fälle zur Latenz neigt, und daß bei richtiger interner 
Behandlung anfänglich recht stürmische und schwere Erscheinungen oft einer 
dauernden Gesundheit Platz machen. Wie die Ursache der Gallensteinkrankheit 
verschieden aufgefaßt wird, so wird auch die Frage der Heilbarkeit von denen, die 
in der Gallensteinkrankheit eine Konstitutionsanomalie sehen, verneint, von denen, 
die die Ursachen der Konkrementbildung in einer Erkrankung der Gallenblasen- 
schleimhaut suchen, bejaht. K. persönlich verwirft die Theorie der Konstitutions- 
anomalie und steht durchaus auf dem Boden der Infektionstheorie; denn bei An- 
nahme der ersteren müßte einmal viel häufiger Steinbildung in den Lebergängen 
und im Choledochus beobachtet werden als es der Fall ist, und dann müßten die 
Rezidive nach Gallensteinoperationen viel häufiger vorkommen, als wir sie beob- 
achten. Gewiß haben wir bei Erhaltung der Gallenblase und nach Choledochoto- 
mien mit Naht Rezidive, aber wir können fast immer nachweisen, daß diese auf 
einem Zurücklassen von Steinen beruhen. Die Steine entstehen eben nur in der 
Gallenblase, und an sich harmlos, machen sie sich erst bemerkbar beim Hinzutreten 
von Stauung der Galle und Infektion. Eine Restitutio ad integrum einer einmal 
so erkrankten Gallenblase ist schwer möglich; daher kommt auch für K., wenn er 
einmal operiert, nur die Entfernung der Gallenblase in Betracht. Nicht etwa 
wegen Gefahr der Entwicklung eines Karzinoms, deren Wahrscheinlichkeit nach 
seinen Berechnungen ca. 0,0001 % ist; denn ist einmal ein Karzinom da, das 
Beschwerden verursacht, so ist es unserer Radikalbehandlung unzugänglich. So stellt 
K. schließlich folgende Leitsätze für die Behandlung der Gallensteinkrankheit auf: 
In vielen Fällen können wir durch Ruhekuren, Alkalien, heiße Umschläge usw. 
die entzündlichen Prozesse beseitigen, ein Latenzstadium herbeiführen, ja einen 
dauernden Erfolg, wenn auch bezweifelt werden muß, daß eine Ausstoßung sämt- 
licher Steine erfolgen kann. Aber das ist auch nicht der Sinn des internen Ver- 
fahrens, sondern daß sie sich ruhig verhalten. Die Riedel’schen Frühoperationen 
sind ganz zu verwerfen. Der akute Choledochusverschluß ist bis auf wenige Aus- 
nahmen intern zu behandeln. Treten cholangitische Erscheinungen auf, zieht sich 
der Ikterus unter Kräfteverfall in die Länge, so kommt eine Operation in Betracht. 
Auch häufige Koliken, die Kräfte und Lebensgenuß beeinträchtigen, können zur 
Operation Veranlassung geben. Fälle mit Ikterus und häufigem Abgang von Steinen 
gehören dem Internen, Hydrops, Empyem, pericholecystitische Erscheinungen dem 
Chirurgen. Doch mit der vergeblichen internen Behandlung des chronischen Chole- 
dochusverschlusses soll man nicht zu lange fortfahren. Kranke mit chronischem 
Ikterus, der nicht auf Stein im Choledochus und unheilbaren Lebererkrankungen 
beruht, müssen spätestens 3 Monate nach Beginn des Ikterus operiert werden, da 
nicht selten statt des vermuteten Karzinoms des Pankreaskopfes die heilbare 
Pankreatitis chronica interstitialis gefunden wird. Die Folgezustände der Chole- 
lithiasis, die eitrige Cholangitis, der Leberabszeß, die Perforationsperitonitis usw. 
muß man natürlich so schnell wie möglich operieren. Bei Diabetes, Arterio- 
sklerose, chronischer Nephritis, Lungen- und Herzerkrankung soll man möglichst 
von einer Operation der Gallensteine absehen. 


Was nun die Operationsmethoden anlangt, so ist K. ein entschiedener Gegner 
der Cystendyse, schränkt die Cystostomie möglichst ein, macht nur die Ektomie 
und statt der Choledochotomie mit Naht die Hepaticusdrainage mit sorgfältiger 
guter Tamponade. s 

Natürlich werden die Ansichten und Hypothesen Kehr’s nicht allgemein an- 


1340 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 


erkannt. Was zunächst die Ätiologie der Gallensteine betrifft, so wirft Bakes 
(Trebitsch) darauf ein Licht, indem er über die Beobachtung eines echten Rezidivs 
selbst nach Ektomie und Hepaticusdrainage berichtet. Was die Entstehung der 
Cholecystitis anlangt, so glaubt Fink (Karlsbad, daß zuerst eine Stauung im 
(allensystem stattgefunden hat, zu der dann ein Infekt gekommen ist. Die aus- 
gedehnteste Diskussion dreht sich natürlich um die Behandlung der Gallensteine, 
insonders um das Vorgehen bei Cholecystitis. Auf der einen Seite Cystendyse 
und Cystostomie, wenigstens bedingt, zu denen sich Fédoroff (Petersburg), Stein - 
thal (Stuttgart), Alessandri (Rom), Delagénière (Le Mans) bekennen, auf der 
anderen Ektomie, die Haasler (Halle) wegen des Verdachtes schon auf eventuelles 
Karzinom, gemacht wissen will. Zur Riedel’schen Frühoperation raten doch 
noch Moynihan (Leeds) und Hartmann (Paris, Delagenitre (Le Mans) 
schneidet vom Fundus der Gallenblase aus von innen her sämtliche Gallenwege 
auf in den Fällen von älterer Lithiasis mit Verwachsungen, in denen man auf 
zahlreiche und kleine Steine stößt, und in solchen, wo der Choledochus nicht leicht 
und sicher erkannt werden kann. Man kann dann wieder nähen und drainieren, 
Cystostomie mit Hepaticusdrainage, Ektomie machen oder die Blase sich selbst 
überlassen und nur ein Drain einlegen. So verfocht jeder sein Prinzip. Den 
wohl richtigsten Standpunkt nahm zum Schluß der ganzen Diskussion Czerny 
ein, der in der Lösung dieser Frage eine gute Routine immer noch für besser 
hält als das beste Prinzip. 


Diesen Gallensteindiskussionen schlossen sich solche über die entzündlichen 
Erscheinungen der Leber an. Für die Cirrhose und ihre chirurgische 
Therapie stellte zunächst als Ref. Herr Koch (Groningen) folgende Leitsätze 
auf: Es ist klinisch und experimentell erwiesen, daß Heilung der Blutstauung 
bei Verschluß und Verengerung der Vena portae durch Omentopexie erreicht 
wird. Auch bei der atrophbischen Lebercirrhose können Ascites und Blutungen 
aus dem Magen-Darmkanal durch Omentopexie beseitigt werden. Die Opera- 
tion soll in frühen Stadien der Krankheit gemacht werden, da sie bei weit 
fortgeschrittenen Fällen gefährlich ist. Eine Heilung der Stauungserscheinungen 
ist in ca. 30% zu erreichen; dabei scheint es ziemlich gleich zu sein, ob eine 
intra- oder extraperitoneale Omentopexie gemacht wird. Die Krankheit der Leber 
wird durch diese Operation wenig beeinflußt. Wo die Talma’sche Operation 
keine Heilung bringt, ist von einer Splenopexie noch ein Resultat zu erwarten. 
Die Eck’sche Fistel ist zu widerraten; denn der dadurch bedingte Ausfall der 
Leberfunktion bedeutet doch den sicheren Tod. Bei der hypertrophischen Cir- 
rhose ist die Cholecystostomie mit oder ohne Hepato- oder Omentopexie zu emp- 
fehlen. Wenn sehr hochgradige Störungen der Leberfunktion vorhanden sind 
(Ikterus, Urobilinurie), dann soll man nicht mehr operieren. Peugniez (Amiens) 
hat bei den vaskulären Cirrhosen nach Splenektomie stets eine Verkleinerung der 
Leber beobachtet und ein Verschwinden des Ascites. Einen seiner Pat. konnte 
er Jahre hindurch noch weiter beobachten. Dieselben guten Resultate will 
Kümmell (Hamburg) aber auch mit einfacher breiter Eröffnung und sorgfältiger 
etwas »brüsker« Reinigung der Bauchhöhle gesehen haben, wie sie ihm die Omento- 
pexie gegeben hat. 


Die Angiocholiten, oder wie wir sie nennen, die Cholangiten behandelte 
Herr Duval (Paris) im Auftrage von Qu&nu. Nach Beleuchtung ihres mikro- 
skopischen Ursprunges, bei den primären Cholangiten durch den Eberth'schen, 
Escherich’schen Influenza-Cholerabazillus, Pneumokokkus usw., ihres Weges, der 
z.B., was den Eberth’schen Bazillus anlangt, stets ein vasogener ist, während 
man vor einigen Jahren noch die häufigste Art der Ansteckung der Leber durch 
aufsteigende Infektion annehmen zu müssen glaubte, kommt D. auf die Therapie 
und stellt kein Prinzip auf, sondern steht auf einem Standpunkt, der die Frage 
Cholecystostomie, Ektomie, Hepaticusdrainage je nach dem Fall individualisiert 
wissen will. Herr Haasler Halle) möchte die Leber mehr noch als durch Hepaticus- 
drainage entlasten, indem er eine Kanüle durch irgendeinen großen Gallengang 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1341 


ın die Leber führt und regelmäßige Spülungen der Leber macht. — Der Leber- 
abszeß veranlaßt nur eine kleine Diskussion durch Herrn Le Dentu (Paris) und 
Herrn Giordano (Venedig). Dagegen weckten die Lebergeschwülste eine 
angeregte und ausführliche Besprechung. Zunächst stellt Herr Payr (Greifswald) 
die Indikationen für die chirurgische Behandlung der Lebergeschwülste auf: Große 
Beschwerden, fortschreitendes Wachstum, die Gefahr bösartiger Degeneration 
rechtfertigen die Resektion gutartiger Lebergeschwülste. Nicht parasitäre Cysten 
sollen ausgeschält, nicht drainiert werden. Infektiöse Granulationsgeschwülste, 
wie Gummata, herdförmige Tuberkulose, Aktinomykose, bedürfen nicht immer der 
Resektion. Bei den Gummigeschwülsten hält P. die Probelaparotomie für ein 
Heilverfahren; er hat oft Verkleinerung danach gesehen und vergleicht den Ein- 
griff der Probelaparotomie bei Tuberkulose des Bauchfells. Die Resektion könnte 
beim Sitz des Gummis in dem Lappen eines Hepar lobatum angebracht sein. Die 
Aktinomykose ist stets eine Metastase, meist vom Blinddarm oder Wurm. Beim 
Grallenblasenkarzinom sind, selbst wenn keine Verwachsung mit der Leber zu sehen 
ist, diese überhaupt nicht mitbeteiligt zu sein scheint, dennoch oft weit in die 
Leber hinein die Keime verbreitet; daher macht P. beim kleinsten Karzinom 
der Gallenblase stets eine Keilexzision der Leber, um die portalen Drüsen mit zu 
entfernen. Er nimmt einen innigen Zusammenhang zwischen Gallensteinen und 
dem Karzinom der Gallenblase an; denn er hat gefunden, daß 2—3% aller Gallen- 
steinkranken ein Karzinom der Gallenblase bekommen. Von sekundären Ge- 
schwülsten dürften nur die »übergreifenden«, nicht die metastatischen mit Aus- 
nahme vielleicht der solitären Hypernephromknoten Gegenstand einer Resektion 
sein; dagegen sollte der Echinokokkus durch Resektion entfernt werden. Nachdem 
P. noch einiges über die Blutstillung gesagt, schließt er mit der Resignation, daß 
wir zur Heilung von Lebergeschwülsten chirurgisch bisher herzlich wenig beitragen 
können. Herr Haasler (Halle) glaubt nicht an irgendeinen Dauererfolg bei Re- 
sektion einer Lebergeschwulst und Herr Sonnenburg (Berlin) sowie Herr Ri- 
bera y Sans (Madrid) sprechen sich durchaus gegen die Resektion der Echino- 


kokken aus. Mit Eröffnung, Auskratzung und Drainage kann man immer noch 
auskommen. 


Die Chirurgie des Magenkarzinoms wurde von Herrn Czerny (Heidelberg) 
eingeleitet, der dringend zur Einschränkung der Indikationen riet auf die Fälle, in 
denen das Karzinom noch lokal geblieben ist. In noch weit größerem Maße 
empfiehlt er Zurückhaltung mit der Operation des Pankreaskarzinoms. Sind die 
Beschwerden natürlich sehr groß, dann ist der Versuch einer radikalen Operation 
oder einer palliativen gerechtfertigt. Dem gegenüber ist Herr Hartmann (Paris) 
unbedingter Anhänger der totalen Entfernung des Magens en bloc mit allen 
Drüsen, ebenso Herr Delag&nidre (Le Mans), der nur einen kleinen Kragen an 
der Speiseröhre hängen läßt zur Anastomose mit dem Jejunum. Dazu Fortnahme 
aller Drüsen der Umgegend bis zum Lig. hepatogastricum und die Speiseröhre 
hinauf, so hoch man kommt. Herr Monprofit (Angers) empfiehlt für die Fälle 
von totaler Verstopfung des Choledochus bei Magen- und Pankreaskarzinom die 
Einpflanzung der Gallenblase in das Jejunum und, sollte sich dies nicht glatt 
machen lassen, die Durchtrennung des Darmes, Einpflanzung des abführenden 
Endes in die Gallenblase, des zuführenden in die Wand des abführenden Schenkels. 


Das Referat über die Karzinome des Dünn-, Dick- und Mastdarmes 
übernimmt für den verhinderten Herrn Völker (Heidelberg) Herr Czerny. Was 
die so schwer zu diagnostizierenden Karzinome des Dünndarmes anlangt, so glaubt 
er, daß die bisher sehr schlechten Resultate der Resektion besser werden mit 
weiterer Verbreitung der zweizeitigen Operation. Bei allen chronischen Darm- 
leiden älterer Personen ist mit Vorsicht die Diagnose Karzinom zu erwägen. Für 
die Operation der Mastdarmkarzinome ist das kombinierte Vorgehen (abdomino- 
perineale Amputation, abdomino-coccoygeale Resektion) die Methode der Zukunft. 
Bei Frauen hat sie heute schon nur ca. 15% Mortalität und 40—560% Dauer- 
erfolge, während sie beim Manne leider noch 40—50% Mortalität aufweist. Herr 


1342 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 


Tixier (Lyon) weist darauf hin, daß eine voraufgehende Exstirpation des Uterus 
die Operation des Mastarmkarzinoms sehr erleichtert. Herr Depage (Brüssel) 
rühmt dasselbe von der Bauchlage. Herrn Bachrach (Wien) haben seine Er- 
fahrungen gelehrt, daß in allen Fällen vor der Operation eine sorgfältige Cysto- 
skopie notwendig is. An der Wiener Klinik v. Hochenegg war es nötig, 
16mal die miterkrankte Prostata, 7mal den Uterus mitzuentfernen. Da Hochen- 
egg die kombinierte Methode nur für die Fälle aufspart, in denen er durch das 
Kreuzbein nicht auskommen kann, rühmt er ihre Erfolge nicht. 


Eine sehr ausgedehnte Besprechung fand die Chirurgie des Brustdrüsen- 
karzinoms. Herr Depage (Brüssel) baut seine ÖOperationsmethode auf der 
Theorie Handley’s — der Propagation auf dem Lymphwege — auf und nimmt 
die entferntesten Drüsen fort. Er macht einen Schnitt senkrecht vom Schlüssel- 
bein bis 2 Finger breit unterhalb des Proc. xiphoideus, quer von der Mittellinie 
bis zur Axillarlinie.e Entfernung der gesamten Muskulatur, eingeschlossen die 
oberen Teile des Serratus und des Oblig. abd. ext. Herr Mauclaire (Paris) hat 
weniger Lokalrezidive, seitdem er die ganze große Wunde mit heißer Luft ver- 
schorft. Herr Le Dentu (Paris) hält die Fälle, in denen schon supraklavikuläre 
Drüsen ergriffen sind, für vollkommen aussichtslos, ihm schließen sich Steinthal 
(Stuttgart) u. a. an. Herr Jonnesco (Bukarest) hat sehr gute Resultate: Von 64 
sind noch 34 nach 3 Jahren rezidivfrei. Er nimmt erst die Achsel- und pekto- 
ralen Drüsen fort und dann die Mamma, alles natürlich en bloc. Schließlich be- 
merkt Herr Czerny, daß er sich nie entschließen konnte, in allen Fällen die 
ganz großen Operationen zu machen. Er bezweifelt auch die Nützlichkeit des Ge- 
neralisierens. Herr Korteweg (Leyden) macht auf eine sehr interessante Beob- 
achtung aufmerksam, die er an der alten Billroth'schen Klinik gemacht hat. Um 
in der Diagnose sicher zu sein, ließ man zurzeit die Frauen mit einer Geschwulst 
in der Brustdrüse warten, bis das Karzinom als solches manifest war, entweder 
durch Verwachsung mit der Haut oder Achseldrüsenschwellung oder Ulzeration. 
Da hat sich nun statistisch vergleichend herausgestellt, daß die Fälle um so länger 
rezidivfrei blieben, je später sie operiert wurden. Daraus folgt, daß nicht die Früh- 
operation, sondern die Natur des Karzinoms bestimmend ist für das Resultat. Bei 
den bösartigen kann man machen was man will, sie führen doch den Tod herbei. 
Fazit: Eine Einigung, ob Frühoperation, ob breite Fortnahme nach Halsted und 
noch über ihn hinaus, ob von Fall zu Fall zu individualisieren, ob die großen Ope- 
rationen ganz zu unterlassen seien, ist nicht erzielt worden. 


Die Frage der Anästhesie, die die Karzinomdebatten nun unterbrach, hat 
Neues und Interessantes gebracht. Herr Vallas (Lyon) ist ein überzeugter An- 
hänger der Athylchlorid-Athernarkose. Chloroform, zu gefährlich, darf nur 
dann angewendet werden, wenn Ather nicht angebracht ist. Für die Athernarkose 
bricht auch noch eine Lanze Herr Bergalonne (Genf). Eine Athylchlorid- 
Sauerstoffnarkose beschreibt Herr Lotheissen (Wien); Herr Kümmell 
(Hamburg) rühmt die Humanität der Skopolamin-Morphium-Ather-Sauer- 
stoffnarkose, bei der Herr Walther (Paris) 2mal sehr üble Zufälle, Tetanus 
mit vollkommenem Opisthotonus gesehen hat. Nun beschreibt des längeren Herr 
Jonnesco (Bukarest) eine als Allgemeinnarkose angesprochene Cervical- 
Medulläranästhesie mit Stovain-Strychnin und beruhigte die doch wohl bei 
vielen aufsteigenden stillen Sorgen, in diese Gegend ein derartiges Mittel einzu- 
spritzen, mit der in vieler Erfahrung gewonnenen Überzeugung der absoluten Un- 
gefährlichkeit. Die Probe aber, die später von ihm im Hospital St. Jean an einem 
Kinde gemacht wurde, mißglückte dermaßen, daß man wohl bis auf weiteres von 
dieser Anästhesie absehen wird. Das Kind bekam sofort nach der Injektion die 
besorgniserregendsten tetanischen Zustände. Gegen die Lumbalanästhesie über- 
haupt führte Herr Rehn (Frankfurt a. M.) einige schwere Bedenken an. An Ta- 
feln zeigte er schwere Veränderungen im Rückenmark nach Lumbalanästhesie, die 
er bei Tieren gemacht hat, und die ihn zu den Forderungen veranlassen, daß sie 
niemals gemacht werden darf, wenn man mit Lokalanästhesie oder Atherrausch 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1343 


auskommen kann. Nie ohne Einwilligung und Verständigung des Pat., nie bei 
Kindern und jungen Personen. Die Lumbalanästhesie darf nie die Anästhesie der 
Wahl sein. Auf der anderen Seite findet sie eine Reihe von Vorkämpfern: Son- 
nenburg (Berlin), der gegen den Kollaps intravenös Epirenal gibt, Zahrad- 
nitzki (Deutsch-Brod, Kümmell (Hamburg) und viele andere. Die lokale 
Anästhesie wurden von den Herren McArthur (Chicago), Moty (Paris), 
v. Hintz (Neumarkt) besprochen. Zum Schluß sagt Herr Wohlgemuth 
(Berlin), daß alle Enqueten, Statistiken über die relative Gefährlichkeit oder Un- 
gefährlichkeit der verschiedenen Narkotika und Methoden den Nagel nicht auf den 
Kopf treffen. Die Narkosenfrage sei eine Frage des Narkotiseurs, nicht des Nar- 
kotikums. Bei geeigneter Durchbildung der- Studierenden in der Narkose und 
Anästhesie, bei Ausbildung von Arzten, die sich in den großen Krankenhäusern 
und Kliniken nur mit der Narkose beschäftigen und für jeden einzelnen Fall nach 
eingehender Beobachtung des Pat. die Methode der Schmerzlosigkeit wählen, 
braucht es keine Zufälle mehr zu geben. Generell wird es niemals ein Narkotikum 
oder eine Anästhesie geben, die bei vollkommener Wirkung auch absolut ungefähr- 
lich ist. Herr Czerny stimmt den Ausführungen Wohlgemuth’s bei. 


Die Hernien riefen 27 Diskutierende in die Reihen. Die Ätiologie blieb 
noch umstritten. Während Herr William Sheen (Cardiff) die traumatische Ent- 
stehung bei Erwachsenen zugibt, d. h. klinisch, nicht pathologisch, aber doch nur 
als große Seltenheit, glaubt Herr Ribera y Sans (Madrid), daß die Hernie des 
Kindes stets angeboren, die des Erwachsenen stets erworben, und daß die Hypo- 
these des präformierten Sackes nicht bewiesen ist. Die Besprechung der einzelnen 
Hernien ist im wesentlichen eine Diskussion über das Operationsverfahren; wir 
wollen hier nur die Stichworte erwähnen. 

Das beste Operationsverfahren der Leistenbrüche ist nach Herrn Ales- 
sandri (Rom) das Bassini’sche. Herr Jonnesco (Bukarest) hält es für den 
springenden Punkt, die Infektion zu vermeiden; nur wo sieerfolgt, treten Rezidive 
ein. Daher näht er grundsätzlich mit Silberdraht und vermeidet versenkte Fäden. 
Herr Lucas-Championnitdre macht in besonders schweren Fällen die Kastration, 
um einen doppelten Schutz durch Übereinanderlegen der Bauchwand zu ermög- 
lichen. Herr Vanvers (Lille) zieht den Bruchsack nach Anlegung einer provi- 
sorischen Tabaksbeutelnaht soweit wie möglich heraus, um ihn so hoch es geht, 
definitiv zuzunähen, ohne ihn abzutragen. Er hält das für unnötig. Herr Czerny 
glaubt aus dem Umstande, daß sich an der Diskussion kein deutscher Chirurg 
beteiligt hat, schließen zu können, daß wir wissen, daß kleine Hernien mit allen 
Methoden geheilt werden können, große mit allen Methoden Rezidive geben. 

Die Schenkelbrüche besprach Herr Hildebrandt (Berlin), dem sich 
Herr Bérard (Lyon) mit Beschreibung eines kombinierten cruralen und ingui- 
nalen Verfahrens und Muskelverschlusses der Bruchpforten anschließt. 

Die Brüche der Kinder wurden besonders von Herrn Lorthioir (Brüssel) 
behandelt, der auf dem Standpunkte fußt, daß jeder Bruch bei Kindern operiert 
werden muß, jede Bandage kontraindiziert ist. In bezug auf das Operations- 
verfahren hält er ein Unterbinden des so hoch wie möglich abgetragenen Sackes 
sowie eine Wiederherstellung des Leistenkanales für unnötig, jeden Verband sogar 
für schädlich. Dieses etwas radikale Vorgehen bekämpfen energisch Ribera y 
Sans (Madrid), Lucas-Championnidre und Broca (Paris), die mit noch an- 
deren der Ansicht sind, daß Lorthioir viel zu früh operiert. Vor dem 7. Le- 
bensjahre sei eine Operation nicht nötig. In bezug auf die Dauerresultate der 
Bruchoperationen haben die Herren Kalliontzis (Athen), Legueu (Paris), Pe- 
trowitsch (Nisch), Lameris (Utrecht), Verhoef (Brügge), Ribera y Sans 
(Madrid) einstimmig dem Bassini’schen Verfahren den Vorzug gegeben. 


Es folgte nun die Rückenmarkschirurgie. Zunächst sprach Herr 
de Quervain (La Chaux-de-Fonds) über Rückenmarksverletzung. Nach 
längerem Eingehen auf die Pathologie der Verletzung stellt er für die chirurgische 
Therapie die Sätze auf: Blutungen, extra- oder intradurale, geben keinen Anlaß 


1344 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 


zu Eingriffen. Ein solcher ist angezeigt bei Störungen, die auf einen Bogenbruch 
hinweisen, bei Schußverletzungen, wenn das Geschoß im Wirbelkanale sitzt, und 
zwar als Frühoperation. Wenn hier die Frühoperation nicht vorgenommen wurde 
und die nervösen Störungen nicht spontan zurückgingen, oder wenn bei partieller 
Schädigung nach anfänglicher Besserung eine nachträgliche Verschlimmerung ein- 
tritt, ist auch eine Spätoperation angezeigt. Bei Totalläsion, wo bisher jede Ope- 
ration als unstatthaft galt, würde man wohl, wenn sich die Erfolge der von den 
Amerikanern Stewart und Harte ausgeführten Rückenmarksnaht bestätigen 
würden, eine solche versuchen dürfen. Sehr zur Zurückhaltung mahnen Sonnen- 
burg (Berlin, Hildebrandt (Berlin) und Czerny. Einmal richte man kaum 
viel aus mit der Operation, schade dann aber noch mit der Laminektomie, die die 
Festigkeit der Wirbelsäule nicht unbedenklich störe. 


Die Geschwülste der Wirbelsäule wurden von Herrn B&rard (Lyon), 
wenn sie noch primitiv, solitär, ohne Deformation der Wirbelsäule und ohne 
schlaffe Lähmung mit ungefährer Lokalisation erscheinen, einer sofortigen Opera- 
tion für notwendig erachtet. Stets sollte die Dura eröffnet werden, wenn nicht 
die Geschwulst schon vorher gefunden wird. Die Geschwulst mit von Anfang an 
medullärem Verlaufe soll man nur bei sehr genauer Lokalisation operieren. Auch 
wenn die Diagnose schwankt zwischen Geschwulst, Meningitis oder Syringomyelie 
ist die explorative Laminektomie angebracht. So sind schon viele meningeale 
Cysten gebessert oder geheilt worden. Herr F. Krause (Berlin) berichtet über 
28 Fälle. Er legt ebenfalls besonderen Nachdruck auf die Eröffnung der Dura. 
So hat er bei drei Nachoperationen, wo vorher die Eröffnung unterlassen wurde, 
2mal eine intradurale Geschwulst exstirpiert. 


Den Schluß der Krebsdebatten und zugleich den Schluß des Kongresses bil- 
dete der Krebs der Harnwege und der Genitalorgane sowie die 
Röntgentherapie. Über die Erkrankungen beim männlichen Geschlecht refe- 
rierte zunächst Herr Legueu (Paris). Die ernstesten krebsartigen Erkrankungen 
sind nach seiner Meinung die der Prostata, Harnröhre und Blase. Sehr schwer 
ist eine Frühdiagnose. Hat man die Geschwulst erkannt, so ist ihre Verbreitung 
auch schon sehr ausgedehnt, und jede Operation würde ungenügend ausfallen. 
Auch nach den ausgedehntesten Resektionen der Blasenwand hat L. in kurzer Zeit 
ein Rezidiv bekommen. Auch eine Dauerheilung bei Nierenkarzinom zu erreichen, 
gelingt nur selten, häufiger bei Krebs des Hodens und Penis. Frühe Operationen 
und Fortnahme en bloc geben die besten Resultate. Sonderbar und an die Be- 
merkungen Korteweg’s über das Mammakarzinom erinnernd sind aber zwei Be- 
obachtungen Legueu’s, Fälle, in denen er nur die Niere entfernen konnte, die 
ganzen Drüsenmassen aber zurücklassen mußte und trotzdem gerade hier die län- 
gere Heilungsdauer hatte. Die Sarkome des Penis und Hodens haben aber jäm- 
merliche Aussichten auf Heilung. Herr Rovsing (Kopenhagen), Ribera y Sans 
(Madrid), Dollinger (Budapest) berichten über ihre Statistiken. 


Beim Karzinom der weiblichen Genitalorgane drehte es sich wesentlich 
um die Frage der vaginalen oder abdominellen Operation. Herr Faure (Paris) 
bevorzugt die abdominelle Methode nach Wertheim mit präventiver Unterbin- 
dung der Art. hypogastrica. In komplizierten Fällen mit wenig beweglichem 
Uterus empfiehlt er das vagino-abdominelle Vorgehen, indem er von unten be- 
ginnt. Ihm schließt sich im wesentlichen Herr Jacobs (Brüssel) und Herr 
Wertheim (Wien) an. Letzterer hat 200 Präparate ausgestellt und gibt eine 
Statistik seiner Fälle, die mit 59% Rezidivfreiheit nach jähriger Kontrolle ab- 
schließt. Herr Rouffart (Brüssel) bezweifelt, daß auf vaginalem Wege alle Drüsen 
entfernt werden können, während Herr Czerny der Fortnahme sämtlicher Drüsen 
als systematischer Operation keinen besonderen Wert beilegen kann. Ein Antrag 
von Rouffart, Jacobs und anderen, der Kongreß wolle beschließen, daß in 
einer allgemeinen großen Statistik für eine Beurteilung der Heilung eine jährige 
Rezidivfreiheit verlangt werde, jeder vorher auch ohne sichere Todesursache ein- 
getretene Tod als durch Rezidiv bedingt anzusprechen sei, wurde abgelehnt, da 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1345 


hierzu ein internationales Krebskomitee vorhanden, und dieser Kongreß kein 
Krebskongreß sei. 


Die Behandlung des Krebses mit Röntgen- und Radiumstrahlen 
hat Herr Sequeira (London) in vielen Fällen mit gutem, in anderen ohne Erfolg 
versucht; aber ein abschließendes Urteil über den Wert der Röntgenstrahlen bei 
systematischer Anwendung nach Operation der Karzinome zu geben, ist ihm noch 
nicht möglich. Herr Tuffier (Paris) faßt die Wirkung der Röntgen- und Radium- 
strahlen als eine enorme Kongestion in das das Karzinom umgebende Bindegewebe 
auf, in der die Krebszellen gewissermaßen ertränkt werden. Nach Beblitzung 
sieht man oft eine Granulationsfläche erscheinen, die keine Spur von Krehszellen 
mehr zeigt. Aber alle diese Behandlungsmethoden sind T. durch oberflächliche 
Bildung einer scheinbar guten Narbe nichts anderes als eine »cache-mistre«; unten 
wuchert das Karzinom ruhig weiter. Wenn man also irgendeine Aussicht hat, 
radikal zu operieren, unterbleibe jene Behandlung. Bleibt aber nichts anderes 
übrig, dann Radium. Glänzende Resultate mit Radium hat Herr Abbe (Neuyork) 
bei Cancroiden erzielt. Die von ihm gezeigten Photographien und Moulagen waren 
von höchstem Interesse. Er bestrahlte mit 100 mg 1!1/,—1!/5 Stunde durchschnitt- 
lich. Er wendet die Radiumtherapie auch bei Leukoplakie und bei Struma an. 
Hier führt er die kleine Tube in einen 2 cm tiefen Einschnitt ein. Herr Mo- 
restin (Paris) spricht über die Behandlung der Hautkrebse, Herr De Keating- 
Heart (Marseille) über die guten Resultate, die er mit der Fulguration auch 
bei inoperablen Mastdarmkarzinomen erzielt hat. Herr Sticker (Berlin) gibt zu, 
daß wir mit der Radiumbestrahlung, der Fulguration, Sero- und Fermenttherapie 
eine spezifische Wirkung auf das Karzinom ausüben können. Bei letzterer hat vor 
allen das Trypsin einen Einfluß. Auch die Wirkung fremdartigen Blutes ist nicht 
zu leugnen, aber üble Erscheinungen der Serumkrankheit, der Fermentation treten 
auf, die vorläufig die Therapie einschränken. Herr Czerny schöpft aus den Ver- 
suchen von Sanfelice noch eine Hoffnung auf ein Antitoxin. Bisher hat er bei 
der Behandlung der inoperablen Karzinome bzw. der Rezidive von der mit der 
Operation verbundenen Beblitzung Resultate gesehen, wie sie ihm keine andere 
Behandlungsmethode gegeben hat. Vielleicht wirkt hier also doch noch etwas an- 
deres als die Verbrennung. 


Hiermit endigten die Verhandlungen, die der Präsident in seinem Schlußwort 
als ein Friedenswerk von weittragender Bedeutung charakterisierte. 


nn mn nn 


22) Elsberg. Solitary abscess of the liver. 
(Mt. Sinai hospital reports Vol. V. 1907.) 


In den letzten 5 Jahren kamen 18 Fälle von solitärem Leberabszeß zur Ope- 
ration; davon 13 mit Heilung. 

Die Ursache war in 1 Falle Kugelschuß, imal Cholelithiasis, imal Colitis 
chronica, 1mal Appendicitis, Imal Osteomyelitis tibiae, 2mal Hämorrhoiden, 2mal 
Febris intermittens, 3mal Diarrhöe; in 6 Fällen war eine besondere Ursache nicht 
nachzuweisen. 

Amöbendysenterie im gemäßigten Klima als Ursache des Leberabszesses 
scheint eine nicht so gute Prognose zu geben, als wenn andere Bakterien zur Ent- 
stehung eines Leberabszesses Veranlassung geben. W. v. Brunu (Rostock). 


23) Ribera. Quistes hidaticos. 
(Revista de med. y cir. pract. de Madrid 1908. Nr. 1029.) 


Mitteilung einer Statistik von 117 selbst operierten Fällen von Echinokokkus- 
cysten. Es handelt sich um 21 Fälle, in denen die Erkrankung an äußeren Körper- 
teilen statthatte; 2 Fälle von Lungenechinokokkus; 3mal war die Pleura der Aus- 
gangspunkt; 91 Fälle waren intraabdominal; davon waren 77 Leberfälle, 4 Milz- 
fälle, 1 Pankreasfall, 3 Nierenfälle, 6 Peritonealfälle.e Von den 77 Leberfällen 


1346 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 


waren 64 intrahepatische. Resultate der Operationen: Bei den 21 äußeren Fällen 
20 Heilungen und 1 Todesfall. Die 4 Thoraxfälle gingen alle in Heilung aus. Die 
intraabdominalen Fälle (ausgenommen die Leberfälle) wurden alle geheilt; von den 
77 Leberfällen endeten 10 tödlich, die übrigen wurden geheilt. 

Stein (Wiesbaden). 


24) Arce. L'opération de Posadas dans -le traitement des kystes 
hydatiques. 
(Revista de la sociedad méd. Argentina Bd. XI. Nr. 88.) 


Unter Beibringung der Krankengeschichten von elf Fällen tritt A. für die von 
Posadas angegebene Operation der Echinokokkuscysten ein, die in primärer Naht 
ohne Drainage nach Entleerung der Cyste besteht. Er hat nur einmal eine Eite- 
rung nachfolgen sehen. Abweichend von dem ursprünglichen Vorgehen von Posadas 
rät A. nur noch, eine Spülung der Cyste mit Formollösung zur Verhütung eines 
Rezidivs vorzunehmen. Seine Fälle betreffen einen Lungenechinokokkus und zehn 
Leberechinokokken. Stein (Wiesbaden). 


25) Steinthal. Die chirurgische Behandlung der Gallensteinkrankheit. 


(Med. Korrespondenzblatt des württembergischen ärztl. Landesvereins 1908. 5. und 
12. September.) 


Der Arbeit liegen 100 operativ behandelte Fälle von Cholecystitis zugrunde. 
S. sah mehrfach eine akute infektiöse Cholecystitis sich an Influenza oder Darm- 
katarrh anschließen. Die Indikationen zur Operation deckten sich mit denjenigen 
der meisten anderen Öperateure. Die verschiedenen Eingriffe waren: Cysto- 
stomien 54, Cystektomien 22, Operationen am Choledochus 8, Lösungen von Ver- 
wachsungen 4, Probelaparotomien 3, Inzision pericholecystitischer Abszesse 2, je 
einmal teilweise Cystektomie, und Cystostomie mit Fixation der Pendelleber. Der 
Operation primär erlagen 17 Kranke; je 3 an Pneumonie, Darmverletzung und 
Cholangitis septica, je 2 an Peritonitis, cholämischer Nachblutung und Leber- 
abszeß. Für die Beurteilung der Dauerresultate kamen 72 Fälle in Frage: 1) ge- 
ringer oder gar kein Erfolg 15; 2) völlig arbeitsfähig, aber nicht beschwerdefrei 7; 
3) völlige Beschwerdefreiheit oder nur gelegentlich unwesentliche Beschwerden in 
der Narbe 50. S. sah nur einen Fall, der vielleicht als echtes Gallensteinrezidiv 
nach der Operation aufzufassen war: nach Cholecystektomie und Entfernung eines 
größeren Steines aus dem Choledochus traten 1 Jahr später wieder die Zeichen 
eines Choledochussteines auf; bei der zweiten Operation, 2 Jahre nach der ersten, 
fand sich im Choledochus zähverbackener Gallengries; seither andauerndes Wohl- 
befinden. In 3 Fällen wurde zunächst nur die Cholecystostomie ausgeführt, 
zwecks Ableitung des infektiösen Inhaltes, und die Choledochotomie erst später 
angeschlossen, nachdem sich die Kranken genügend gekräftigt hatten. Die Dauer- 
erfolge waren nach der Cystostomie und nach der Cystektomie ungefähr die 
gleichen; S. erhält daher die Gallenblase, wenn es möglich ist. 


Mohr (Bielefeld). 


36) N. A. Michailow. Un cyste de la vésicule prostatique. 
(Ann. des malad. des org. gén.-urin. 1908. XXVI, 13.) 


Die Fälle von Cysten der Vesicula prostatica sind wahrscheinlich nicht so 
selten, wie man nach den bisherigen Angaben der Literatur glauben sollte. Bei 
regelmäßiger Anwendung des Endoskops hat Verf. in den letzten Monaten sieben 
Fälle dieser Art beobachtet; den einen Fall, der einen 28jährigen Kranken betrifft, 
teilt er ausführlich mit. Im Endoskop erscheinen diese Cysten als rundliche, un- 
durchsichtige Gebilde mit flüssigem Inhalte; sie verdecken den Sinus pocularis. 
Die klinischen Erscheinungen bestanden in Störungen der Miktion, Schmerzen 
bei der Ejakulation und in nervösen Störungen. Operative Abtragung der Cyste; 
Heilung. Bedeutende Besserung der Beschwerden. Paul Wagner (Leipzig). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1347 


27) Andre. Deux cas de rétrécissement de lurèthre prostatique. 
(Ann. des malad. des org. gén.-urin. 1908. XXVI, 14.) 

Entzündliche Verengerungen der Pars prostatica der Harnröhre sind selten. 
Unter einer sehr großen Anzabl von Harnröhrenkranken hat Verf. bisher nur zwei 
hierhergehörige Fälle beobachtet. Beide Fälle kamen innerhalb weniger Tage zur 
Beobachtung. Der eine Fall — 72jähriger Prostatiker — zeichnete sich noch 
ganz besonders durch die Hartnäckigkeit zum Rezidivieren aus. Trotz Urethro- 
tomia interna und trotzdem der Kranke seitdem täglich dreimal bougiert wurde, 
kam es wieder zu einer beträchtlichen Verengerung. Wahrscheinlich handelt es 
sich in diesem Falle um eine chronisch sklerosierende Entzündung des prostatischen 
Teiles der Harnröhre. Paul Wagner (Leipzig). 


28) R. Bonneau. Lithiase prostatique. 
(Ann. des malad. des org. gén.-urin. 1908. XXVI, 14.) 

Mitteilung eines Falles von Lithiasis prostatica, der von seinen ersten An- 
fängen an beobachtet werden konnte. Ein 24jähriger Kranker, der mehrfache 
Gonorrhöen durchgemacht hatte, ließ sich vom Verf. daraufhin untersuchen, ob 
er nun völlig geheilt sei. Die Dreigläserprobe ergab im ersten Glase ganz wenige 
kurze Fäden; sonst alles normal. Nach der Massage der sonst vollkommen gesund 
erscheinenden Prostata entleerte Pat. beträchtliche Quantitäten weißer, opaker, 
lamellöser Konkretionen von 1—4 mm Breite und 1/2—1 mm Dicke. Nach einer 
methodisch alle 4—5, später alle 8 Tage vorgenommenen Massagekur der Prostata 
wurde die Ausscheidung dieser Konkretion immer geringer; ihre Beschaffenheit 
änderte sich unter dieser Behandlung. Die in den ersten Stadien der Krankheit 
entleerten Konkretionen bestanden aus einem organisierten, mit phosphorsaurem 
Kalk imprägnierten Stroma. Unter der Massagehandlung verschwanden die Kalk- 
ablagerungen allmählich mehr und mehr, um schließlich vollkommen aufzuhören. 

Paul Wagner (Leipzig). 


29) P. Schaffroth. Beitrag zur Behandlung der Prostatahypertrophie 
mit parenchymatösen Jodinjektionen. 
Inaug.-Diss., Basel, 1905. 

S, berichtet über 27 Fälle von Prostatahypertrophie, die in der kantonalen 
Krankenanstalt Aarau (H. Bircher) mit Jodinjektionen vom Mastdarm aus nach 
Heine behandelt wurden. Als Spritze wurde eine graduierte Punktionsspritze 
mit geradem Ansatz von 8—10 cm Länge benutzt, als Injektionsflüssigkeit reine 
alkoholische Jodtinktur, von der bis zu 3 ccm pro dosi eingespritzt wurden. Die 
heilende Wirkung soll auf Nekrose und nachfolgender bindegewebiger Schrumpfung 
des Prostatagewebes beruhen. 

Auf Grund der erzielten Resultate — 36,67% geheilt, 33,33% gebessert, 6,67% 
vor Abschluß der Behandlung ausgeschieden, 23,33% während der Behandlung 
gestorben, darunter ein Fall infolge der Injektionen — glaubt S. die Methode 
empfehlen zu können. Ob sich dieser Auffassung viele Chirurgen im Hinblick 
auf die Gefahr einer Verletzung des Plexus prostaticus mit ihren Folgen — der 
Todesfall war bei S. hierdurch bedingt — und trotz der immer besseren Erfolge 
der Prostatektomie anschließen werden, erscheint sehr zweifelhaft. 

Boerner (Rastatt). 


30) @. B. Lasio. Contributo alla cura radicale dell’ ipertrofia pro- 


statica. 
(I. Kongreß d. Soc. It. di Urologia. 10.—17. April 1908.) 
(Morgagni II. 1908. Nr. 35.) 

Gegenüber einer früheren Statistik L.'s mit 20% Mortalität beträgt in seiner 
neueren die Mortalität nur noch 8%. Von den überlebenden 65 Fällen wurden 
80 geheilt, 19 gebessert, 5 blieben ungeheilt. Erfolge sind besonders zu er- 
zielen, solange keine stärkere Blasendehnung vorliegt. Nach der perinealen Ope- 


1348 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 


ration blieben zweimal Fisteln bestehen, und mehrmals kamen nicht sehr schwere 
Orchioepididymitiden vor. Inkontinenz, die zuweilen der Operation folgte, ver- 
schwand schließlich immer wieder. Die sexuelle Funktion wurde stets aufgehoben, 
bis auf einen Fall, bei dem indes die Ejakulation gleichfalls verschwunden war. 
Die Heilungsdauer betrug 2—9 Wochen, im Mittel 20 Tage. Die Todesfälle traten 
15, 20 Tage und länger nach der Operation an Sepsis, Urämie und Herz- oder 
Niereninsuffizienz ein. Bei 21 Fällen mit transvesikaler Prostatektomie betrug die 
Mortalität 19%. Die Operation wurde nach Freyer, mit Jodoformgazetamponade 
nach Nicolich und mit dem Drainagerohr nach Guyon-P&rier ausgeführt. 
Blutungen oder septische Beckenentzündungen kamen niemals vor. Die Heilungs- 
dauer betrug 1—2 Monate und darüber. Etwaige Fisteln haben sich stets spontan 
geschlossen. Nur bei einem Kranken ist eine persistierende Inkontinenz auf- 
getreten. Auch hier wurden die besten Resultate bei fehlender Sepsis und fehlender 
Blasendehnung erreicht. Die gewöhnlich unschwierige Operation kann bei sehr 
großem Mittellappen und gleichzeitiger Entzündung der Drüse und ihrer Um- 
gebung recht schwer werden. In solchen Fällen zieht L. den perinealen Weg vor. 
Nach seiner Ansicht wird letztere Operation überhaupt besser vertragen, gibt 
bessere unmittelbare Resultate und ist bei hohem Alter, bestehender Sepsis und 
leichter Intoxikation mit geringeren Gefahren verbunden. Bei jüngeren Pat. mit 
großen Fibroadenomen gibt dagegen die Freyer’sche Operation vollständigere 
und mehr dauernde Resultate. Auch die partielle Prostatektomie nach Ruggi 
und die Bottini’sche Operation finden bei weniger starken Hypertrophien ihre 
Indikationen. Doch sind ihre Resultate nicht immer andauernd. 
Dreyer (Köln). 


31) U. Cadini. Prostatectomia perineale e prostatectomia transvescicale. 
(I. Kongreß d. Soc. It. di Urologia. 14.—17. April 1908.) 
(Morgagni II. 1908. Nr. 35.) 


C. hat in den letzten 3 Jahren 228 Prostatiker behandelt. Von 105 Kranken 
mit akuter Retention wurden 25 operiert, und von diesen starben 4, von den 
nichtoperierten 80 starben 10. Von 18 Pat. mit chronischer kompleter Retention 
wurden 5 operiert, und von diesen starben 2; von den nichtoperierten 13 starben 5. 
Die schweren Komplikationen, die gerade in dieser Gruppe häufig vorhanden sind, 
erklären die große Zahl der Todesfälle. Von 55 Kranken mit inkompleter Re- 
tention wurden 17 ohne Todesfall operiert, und von den übrigen 38 starben 5. 
Diese Fälle eignen sich also am meisten für die Operation, zumal da auch sie 
schließlich Komplikationen und Gefahren zu gewärtigen haben. Von 50 Pat mit 
Blasendehnung wurden 13 operiert, und von diesen starb einer, während von den 
Nichtoperierten 19 starben. Auch hier tritt die Uberlegenheit der operativen 
Resultate deutlich zutage. Septische Pyelonephritiden, starke Atheromatose, 
Emphysem mit starkem Bronchialkatarrh oder akute Fieberzustände kontraindi- 
zieren die Operation. Das Alter der Operierten betrug 53—76 Jahre. Nach 
Freyer wurde 47 mal operiert mit 6 Todesfällen, perineal 13mal mit 1 Todesfall. 
Die hohe Operation wird als leichter, kürzer, aber gefährlicher, die perineale als 
länger, schwieriger und mit größerem Blutverlust verbunden hingestellt. Die 
Heilungsdauer ist kürzer bei der Freyer’schen Operation. Doch ist strengere 
Überwachung bei der Nachbehandlung nötig. Die funktionellen Resultate sind bei 
der hohen Operation stets sehr gute: der Urin wird ganz entleert und bleibt klar. 
Bei der perinealen Operation, deren Heilung um 1/; länger währt, blieb niemals 
eine perineale Fistel, zweimal jedoch Inkontinenz zurück. Bei der Freyer’schen 
Operationen blieben die Erektionen fast immer erhalten, dagegen erfolgte meist 
keine Ejakulation mehr. 

Die hohe Operation soll bei jüngeren Männern und weicheren Drüsen, die 
perineale bei älteren, schwächeren Leuten mit schweren, septischen Komplikationen 
und ganz besonders bei sehr harten, fibrösen Prostatatumoren angewandt werden. 

Dreyer (Köln). 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1349 


32) Muir. An unusual case of rupture of the bladder: subsequent 
prostatectomy. 
(Brit. med. journ. 1908. Juli 4.) 


Ein 60jähriger Mann, seit einigen Tagen mit beginnenden Prostatabeschwer- 
den erkrankt, erleidet plötzlich beim Urinlassen einen heftigen Schmerz. Nach 
2 Tagen, ohne daß der mit Katheter gewonnene Urin Abweichungen zeigt, Auf- 
treten einer prävesikalen Phlegmone. Suprapubische Inzision, Entleerung von 
Urin aus dem Spatium praevesicale; keine Öffnung in der Blasenwand zu finden. 
Da sich eine Urinfistel herstellt, die allen Urin entleert, wird eine suprapubische 
Prostatektomie 1/4 Jahr später ausgeführt, ohne daß man auch diesmal die Öffnung 
in der derben und gesunden Blasenwand findet. Heilung von allen Beschwerden. 
Bemerkenswert an dem Falle ist das frühe Auftreten einer Ruptur nach Prostata- 
erscheinungen, die Entleerung völlig normalen Urins und die Unmöglichkeit, die 
bestehende vermutlich tief im Blasenhals liegende Berstungsruptur zu finden. 

Weber (Dresden). 


33) G. Li Virghi. Perforazione extraperitoneale spontanea della vescica 
per calcolo. 
(Giorn. internaz. della scienze med. 1908. Fasc. 16.) 


Bei einem ?1jährigen Manne, der vor 3 Jahren durch Sectio alta und vor 
2 Jahren durch Litholapaxie von einem Blasenstein befreit wurde, bildet sich, 
nachdem längere Zeit wieder ein Stein und heftige Cystitis festgestellt waren, 
unter den Zeichen einer Urinphlegmone an der Bauchwand eine Fistel, die links 
seitlich in die Blase führt, in der mit dem Metallinstrument eine rauhe, mit Salzen 
imprägnierte Öffnung gefühlt wird. Der Fall einer extraperitonealen Blasenruptur 


infolge eines Blasensteines ist bisher nicht beschrieben worden. 
Dreyer (Köln). 


34) Ferria. Sull’ ulccra semplice della vescica. 
(I. Kongreß d. Soc. It. di Urologia 1908.) 
(Morgagni II. 1908. Nr. 38.) 


Bei zwei Frauen, die über gesteigerten Harndrang, wiederholte Blasenblutungen 
und Schmerzen hinter der Symphyse klagten, die namentlich beim Urinieren und 
bei Druck sich verstärkten, wurden bei klarem, nur einige Flocken ohne Tuberkel- 
bazillen enthaltenden Urin Geschwüre an der vorderen Blasenwand gefunden, die 
4—ő cm vom Orificium internum entfernt saßen, die Größe eines 1—2 Centesimo- 
stückes hatten und einen aufgeworfenen Rand und grauen Grund aufwiesen. Bei 
einer Frau war das Geschwür mit einer Phosphatborke inkrustiert. Das Geschwür 
wurde mit Atzungen durch das Luys’sche Endoskop bei einer Frau geheilt und 
bei der zweiten wesentlich gebessert. Dreyer (Köln). 


35) G. Coen e P. Lilla. Sul valore del separatore di Luys applicato 
nella donna. 
(Gazz. degli osped. e delle clin. 1908. Nr. 104.) 


Verf. konnte in 11 Fällen bei der Frau den Wert der Urinseparation mit dem 
Luys’schen Instrument nachweisen. Es handelte sich um Pyelitiden, Pyonephrosen, 
Steinnieren, Steinniere und Geschwulst. Nur bei Schwangeren gelang die Trennung 
der Urine nicht und konnte erst nach Ablauf der Schwangerschaft erzielt werden. 
Die Operationsresultate bzw. die Cystoskopie bestätigten die Schlüsse, welche aus der 
Verschiedenheit der Urine in Menge, Eiweißgehalt, Reaktion, Sediment und Zucker- 
reaktion nach Phloridzineinspritzung gezogen waren. Bemerkenswert war die mehr- 
fach gemachte Beobachtung einer Anurie nach Einlegen des Instrumentes, während 
eine Verminderung in der Ausscheidung des Harnstofies, wie anderweitig mitgeteilt 
ist, nie festgestellt werden konnte. Dreyer (Köln). 


1350 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 


36) R. Kutner. Eine neue Methode, den Harn jeder einzelnen Niere 


getrennt aufzufangen. {Vorläufige Mitteilung.) 
(Zeitschrift für ärztliche Fortbildung 1908. Nr. 17.) 

An der Spitze des Blasenspiegels münden zwei Kanäle, und zwar trichterför- 
mig nach innen ein Zentralkanal und ihn überall umgrenzend ein peripherer Ring- 
kanal. Die Harnleitermündung wird mit der Spitze des Instruments so bedeckt, 
daß der austretende Harn durch den Zentralkanal abfließen kann. Die umgebende 
Blasenwand wird mittels Luftpumpe an den peripheren Ringkanal angesogen, und 
so ein sicherer Abschluß nach der Blase zu geschaffen. 

Das Verfahren hat sich am Lebenden (zunächst bei Frauen) bereits gut be- 
währt. Eine Infektion des Harnleiters oder der Niere oder ein Vorbeifließen des 
Urins wie beim Harnleiterkatheterismus ist ausgeschlossen. 

Gutzeit (Neidenburg). 


37) G. Berg. Zum gegenwärtigen Standpunkt der Nierendiagnostik 
und Nierentherapie. 
(Med. Klinik 1908. p. 1333.) 

Krankheitsgeschichte einer operierten tuberkulösen Pyonephrose. — Die Er- 
gebnisse der gleich bedeutenden Untersuchungsverfahren, der Ohromocystoskopie 
und der Phloridzinprobe, stimmen bei schweren Nierenveränderungen überein, 
weichen aber bei leichteren Erkrankungen öfter voneinander ab. Eine Störung 
der Nierentätigkeit durch Phloridzin- oder Methylenblauverabreichung konnte B. 
nicht feststellen. Die Bestimmung des Harnstoffes und der Chloride bringt nur 
vergleichsweise verwertbare Ergebnisse. Dagegen leistete mehrfach die Ophthalmo- 
reaktion wertvolle Dienste. Nicht völlig zuverlässig erwies sich die Prüfung der 
molekularen Dichte des Harns und des Blutes. Der Harmleiterkatheterismus 
wird lebhaft empfohlen. 

Von 8 nicht operierten, an Harntuberkulose Leidenden starben 6 im Laufe 
von 1—2 Jahren; vom 7. fehlt eine Nachricht; die 8. Kranke lebt. 2 Kranke wurden 
operiert und leben. Die Frühzeichen des Leidens und die Behandlungsgrundsätze 
sind erörtert. Georg Schmidt (Berlin). 


38) Hamilton. An apparatus for the intermittent postoperative drainage 
of the bladder. 


(Journ. of the amer. med. assoc. Vol. L. Nr. 12.) 

Beschreibung und Abbildung eines Apparates, der dazu dienen soll, bei supra- 
pubischer und perinealer Cystostomie sowie auch bei Empyemen eine Entleerung 
der betreffenden Hohlräume zu bewerkstelligen. Es ist im wesentlichen das Prinzip 
der Wasserstrahlluftpumpe. Dem Verf. hat sich der Aparat gut bewährt. 

W. v. Brunn (Rostock). 


39) I. Levin (New York). Renal pyuria without apparent lesions in 
the kidney. 
(New York med. journ. 1908. Juli 18.) 

L. beschreibt zwei Fälle von Pyurie, bei denen er die Nephrotomie aus- 
führte, aber nicht, wie er erwartet hatte, Abszesse oder Ulzerationen im Nieren- 
becken fand, sondern nur eine vergrößerte Stauungsniere. Er nähte die Nieren 
mittels durchgreifender Nähte. Beide Fälle wurden geheilt. L. ist der Ansicht, 
daß es sich um einseitige Nephritis gehandelt habe. Er schließt aus dem Befunde, 
daß Leukocyten aus den Kapillaren direkt in die Nierenkanälchen übertreten 
können. H. Bucholz (Boston). 


40) E. Loumeau. Tuberculose rénale primitive à formes clinique et 
anatomique très particulières. 
(Ann. des malad. des org. gén.-urin. 1908. XXVI, 13.) 


Sehr interessante Krankengeschichte einer 33jährigen Frau, die vor 5 Jahren 
an Lungentuberkulose mit Bluthusten erkrankte, der sich dann 1 Jahr später 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1351 


heftigste, paroxysmusartige Schmerzen der rechten Seite anschlossen, die auf die 
rechte Niere als Ausgangspunkt hinwiesen, um so mehr, als der Urin Tuberkel- 
bazillen enthielt. Während die Lungenerscheinungen allmählich zurückgingen, 
steigerten sich die Schmerzen zu einer unerträglichen Höhe. Sie traten ganz un- 
regelmäßig auf, im Durchschnitt alle 14 Tage und hielten 1—4 Stunden an. In 
den Zeiten zwischen den Schmerzanfällen vollkommene Euphorie. Urin niemals 
bluthaltig. Da die Untersuchung eine normale Funktion der linken Niere ergab, 
wurde die rechte Niere exstirpiert. Heilung. Vollkommenes Ausbleiben der 
Schmerzanfälle. Anatomisch fand sich an dem exstirpierten Organ eine diffuse 
Sklerose; die disseminierten tuberkellösen Herde waren von einem Bindegewebs- 
wall umgeben, so daß man von einer beginnenden Heilung der Nierentuberkulose 
hätte sprechen können (sklerosierende oder atrophische Form der Nierentuber- 
kulose). Die eigentümlichen paroxysmusartigen Schmerzanfälle — forme doulou- 
reuse paroxystique de la tuberculose renale — erklärt Verf. durch zeitweise auf- 
tretende Kongestionen in der von einer festen, unnachgiebigen Bindegewebskapsel 
eingehüllten Niere. Paul Wagner (Leipzig). 


41) Alessandri. Può la tubercolosi renale guarire colla sola nefro- 
tomia? 
(Bull. della R. accad. med. di Roma anno XXXII. p. 360.) 

Nachdem A. die im Titel gestellte Frage an der Hand der Literatur be- 
sprochen hat, referiert er folgenden Fall: 32jähriger Mann mit linksseitiger Pyo- 
nephrose wird mit Nephrotomie behandelt. Nach anfänglicher Besserung allmäh- 
liche Verschlechterung des lokalen und allgemeinen Befindens und Beginn von 
Symptomen rechtsseitiger Pyonephrose. Daher erneute Erweiterung und Revision 
der linksseitigen Wunde und sofortige rechtsseitige Nephrotomie, wo Tuberkulose 
nachgewiesen wurde. Rasche lokale Heilung und Hebung des Allgemeinbefindens. 
A. bespricht die Bedeutung pyogener Komplikationen bei Tuberkulose und die 
Möglichkeit einer Spontanheilung der letzteren, wofern die komplizierenden Eite- 
rungen beseitigt werden. Er tritt daher für die konservative Therapie bei Tuber- 
kulose wichtiger Organe ein, die man nicht leichten Mutes opfern solle. 

A. Most (Breslau). 


42) Berg. Malignant hypernephroma of the kidney — its clinical 
course, diagnosis and treatment. 
(Mount Sinai hospital reports Vol. V. 1907.) 

Von 1898 bis Januar 1907 wurden im Hospital 21 Fälle von Hypernephroma 
renis behandelt; da im ganzen 25 Nierengeschwülste behandelt wurden, machten 
die Hypernephrome 87,5% aller Nierengeschwülste aus. 14 Fälle betrafen Männer, 
7 Frauen, alles Erwachsene vom 2.—5. Dezennium des Lebens. 

Das erste Symptom war in der Mehrzahl der Fälle heftiger Schmerz in der 
befallenen Körperseite, später kam es zu Hämaturie; doch werden auch Fälle 
beobachtet, in denen weder das eine noch das andere eintritt, sondern wo Pat. nur 
wegen zunehmenden Kräfteverfalls zum Arzt kommt. In der Hälfte aller Fälle ist 
eine fühlbare Geschwulst vorhanden. 

Metastasen treten vor allem in den Lungen auf; ferner wurden sie beobachtet 
im Mesenterium des Dünndarmes, in Lunge und Leber, in den Eierstöcken, den 
Knochen. 

Die Diagnose ergibt sich aus den Symptomen; doch versäume man niemals, 
in Fällen von Kräfteverfall ohne erkennbare Ursache den Harn auf rote Blut- 
körperchen zu untersuchen und durch Harnleiterkatheterismus die befallene Seite 
sicherzustellen. 

Die Behandlung ist, wenn noch möglich, operativ. Die Resultate sind sehr 
wenig ermutigend. Nur einer von den 20 operierten Pat. lebte noch 2 Jahre nach 
der Operation frei von Rezidiv oder Metastase. Vier starben unmittelbar nach 
der Operation, alle anderen sehr bald oder doch relativ kurze Zeit nachher an 
Rezidiven oder Metastasen. W. v. Brunn (Rostock). 


1352 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 


43) A. Damski. Cas d'un kyste des vesicules seminales. 
(Ann. des malad. des org. genito-urin. Bd. XXVI. Hft. 13.) 


45jähriger Mann mit außerordentlich großer, von den Samenbläschen aus- 
gehender Cyste, die als große, glatte, ziemlich harte Geschwulst im linken Hypo- 
gastrium und auch vom Mastdarm aus unmittelbar oberhalb der normalen, eher 
etwas verkleinerten Prostata zu fühlen war. Keinerlei Symptome von seiten des 
Urogenitalapparates; dagegen starkes Hemmnis bei der Stuhlentleerung und kolik- 
artige Schmerzen im direkten Anschluß an dieselbe. Mastdarm und Blase ohne 
Besonderheiten. Punktionen der Cyste vom Mastdarm aus brachten nur vorüber- 
gehenden Erfolg. Weitere Untersuchungen machten es wahrscheinlich, daß es sich 
um eine vom Becken ausgehende bösartige Geschwulst handelte, die durch Kom- 
pression zu Stauung und cystöser Dehnung der Samenblasen geführt hatte. Er- 
öffnung der Cyste vom Mastdarm aus brachte vorübergehend Besserung. Wegen 
beginnender Darmverschlußerscheinungen Anlegen eines Kunstafters. Nochmalige 
Punktion der Oyste. Die trübe, schleimige Flüssigkeit riecht deutlich nach Sperma 
und enthält normal gebildete Spermatozoen. Der Kranke verließ gebessert das 
Hospital, Paul Wagner (Leipzig). 


44) Beardsley. Epididymitis and orchitis complicating typhoid. 
(Journ. of the amer. med. assoc. Vol. L. Nr. 13.) 


Vier Fälle von Epididymitis und Orchitis im unmittelbaren Zusammenhang 
mit Typhus, und zwar in der Regel alsbald nach der Entfieberung; in zwei Fällen 
bestand zugleich Phlebitis in den Oberschenkelhautvenen. In allen Fällen spon- 
taner Rückgang der Schwellung; doch war noch nach Monaten eine Verhärtung 
in der Epididymis zu fühlen. W. v. Brunn (Rostock). 


45) H. Mohr (Bielefeld). Bemerkungen zur Behandlung der Hydrokele. 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 32.) 


Nach dem Vorgang anderer Chirurgen hat M. in zwei Fällen umfangreicher 
Hydrokele Adrenalineinspritzungen (2 ccm einer Lösung 1 : 5000) in den entleerten 
Sack vorgenommen, danach zwar keine völlige Heilung, aber wesentliche Verlang- 
samung der Wiederansammlung der Flüssigkeit, geringe Schmerzhaftigkeit und 
Reaktion beobachtet. In zwei weiteren Fällen operierte Verf. nach der Klapp- 
schen Methode unter regionärer Anästhesie und ambulant. Der gespaltene Hydro- 
kelensack wurde aus der Hautwunde hervorgekrempelt und durch feine Seidennähte 
zusammengerafft. Heilung ohne irgendwelche Komplikationen (Hämatombildung 
im Hodensack, Funktionsstörungen des Hodens). Kramer (Glogau). 


46) C. Viscontini. Due casi di epitelioma primitivo della vulva. 
(Gazz. degli ospedall e delle clin. 1908. Nr. 107.) 


Der eine der beiden beobachteten Fälle von primärem Karzinom der Vulva, 


ein Cancroid, ging von einer ausgedehnten Leukoplakie der Vulva aus. 
Dreyer (Köln). 


Berichtigung. In Nr. 42 p. 1237, Ref. 13, Z. 17 v. o. muß es statt >sohne 
Darmverschluß« heißen »beim Darmverschluß«. 





Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden. 


aaue Te 
Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau. 


Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. 





Zentralblatt für Chirurgie 


herausgegeben von 


K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER, 











in Bonn, in Berlin, in Breslau. 
85. Jahrgang. 
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG. 
Nr. 46. Sonnabend, den 14. November 1908. 
Inhalt. 


1) Haeberlin, Tumor und Diathese. — 2) Antico, 3) Pfahler, Wirkung von Röntgenstrablen. 
— 4) Paton und Lindsay, Chloroformspätwirkung. — 5) Kraupa, Synthetisches Suprarenin. — 
6) Quadrio, 7) Vautrin, 8) Desjardins, Zur Pankreaschirurgie. — 9) Suter, Harnröhrendivertikel. 
— 10) Cholzoff, Harnröhrenresektion. — 11) Alexander, Zur Prostatachirurgie. — 13) Kusnetzky, 
Experimentelle Polyurie. — 13) Seelig, Phloridzinglykosurie und Indigkarmininjektionen. — 
14) Martini, Zur Chirurgie des Hodens. — 15) Cullen, Adenomyom des Uterus. 

16) Naturforscherversammlung: a. Sauerbruch und Heyde, Künstliche Vereinigung von Warm- 
blütern. — b. Fabian, Blutuntersuchungen zu chirurgischer Diagnostik. — c. Esser, Blut- und 
Knochenmarksveränderungen bei Ernährungsschäden. — d. Stich, Gefäß- und Organtransplanta- 
tionen. — e. Fischer und Schmieden, Gefäßoperationen. —- f. Capelle, Gefäß- und Organtrans- 
plantationen. — g. Ribbert, Schilddrüsentransplantation. — h. Ribbert, Regenerationsfähigkeit 
epithelialer Gewebe. — i. v. Lichtenberg und Müller, Postoperatives Verhalten der Lungen und 
des Herzens. — k. Wright, Vaccinetherapie. — 1. Kleinsorgen, Fett als Heilmittel. — m. Zeller, 
Wiederbelebung. — n. Kienböck, o. Gocht, Wirkung von Röntgenstrahlen. — p. Zur Verth, 
Narkose bei künstlich verkleinertem Kreislauf. — q. Kausch, Instrument zur Lumbalpunktion. — 
r. Kuhn, Sterilcatgut. — s. Kuznitzky, Bubonenbehandlung. 

17) Leary, Seruminjektionen bei Blutungen. — 18) Andre, Chloroform. — 18) Barker, 20) Har- 
douin, Spinalanästhesie. — 21) Henls, Tetanus. — 22) Haret, 23) Geyser, Wirkung von Röntgen- 
strahlen. — 24) Wickham und Degrais, Radium gegen Hauttuberkulose. — 25) McLaren, Leber- 
syphilis. — 26) Parlavecchio, Gallenblasensarkom. — 27) Gerschuni, 28) Goblet, Pankreas- 
verletzungen. — 29) Fasano, 30) Magenau, Pankreatitis. — 31) Hasbrouck, Netzcyste. — 32) Ehler, 
Mesenterialdermoid. — 33) Heller, Mißbildung des Penis. — 34) Kaufmann, Harnröhrenendoskop. 
— 35) Olivier und Clunet, Harnröhrenepitheliom. — 36) Jooss, Prostatamassage. — 37) Frank, 
Cystoskop. — 38) Eising, Prävesikaler Abszeß. — 39) Ruppauner, Cystitis emphysematosa. — 
40) Brongersma, Cysten in der Harnblase. — 41) Hagner, Hämaturie. — 42) Walsh, Nieren- 
tuberkulose. — 43) Kay, Fibrolipom des Beckens. — 44) Ransohoff, Thrombose von Samenstrang- 
venen. — 45) Schmeel, Metastasierendes Hodenteratom. — 46) Crowe und Wynn, Vaccinebehand- 
lung puerperaler Sepsis. — 47) Arnavielche, 48) Wendler, Blitzverletzungen. — 49) Scheel, 
Schrapnellverletzungen. — 50) Friedrich, Reflexlichtbeleuchtung. — 51) Bryant, Knochenbohrer. 





1) C. Haeberlin (Nauheim). Tumor und Diathese. 
(Frankfurter Zeitschrift für Pathologie Bd. II. Hft.2 u. 3.) 

In der sehr lesenswerten Arbeit weist H. zunächst auf die von 
dem kürzlich verstorbenen Eugen Albrecht immer wieder betonte 
Notwendigkeit hin, über die Gesetze des normalen Wachstum Klar- 
heit zu gewinnen, bevor wir an die Erklärung der Geschwülste heran- 
gehen. Selbst die Entdeckung eines spezifischen parasitären Erregers 
würde unsere Erkenntnis von dem Wesen der Geschwülste nicht 
wesentlich fördern; denn nicht der Parasit baut die Geschwulst auf, 
sondern der Körper, vielleicht unter dem Einfluß eines Parasiten. 
Wir kennen heute noch nicht die Momente, welche die verschiedene 
Struktur der Lepraknoten und des Tuberkels bedingen, trotzdem uns 
die Erreger so gut bekannt sind. 

46 


1354 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 


Entwicklungsmechanische und biologische Gesichtspunkte ver- 
dienen bei der Behandlung des Geschwulstproblems mehr Beachtung, 
als bakteriologische. 

Im folgenden werden dann sehr interessante, bisher noch zu 
wenig beachtete Analogien und Ahnlichkeiten zwischen Geschwulst- 
bildungen und Stoffwechselerkrankungen aufgestellt und beleuchtet. 
Es können nur einige Vergleichsmomente kurz erwähnt werden. 

Lipom und pathologische Fettsucht: die Fettaufspeicherung kann 
nicht durch luxurierende Nahrungsaufnahme allein erklärt werden. 
Die Fettzelle hat ihre spezifische Fähigkeit, Brennmaterial für den 
Körperhaushalt abzugeben, verloren. 

Wachstum und Alter: Mit dem Abnehmen vitaler Funktionen 
im Alter geht eine Zunahme der Geschwulstbildungen und Stoff- 
wechselerkrankungen einher. Die Geschwulstbildung findet statt, da 
gewisse Hemmungen (v. Dungern, Werner) weggefallen sind, die 
es bisher der Zelle unmöglich machten, zu geschwulstartigem Wachstum 
vorzuschreiten. 

Beim Diabetes fällt in leichten Fällen die glykogene Funktion 
der Leberzelle, in schweren die Fähigkeit der gesamten Körperzellen, 
die Dextrose zu verbrennen, aus. 

Geschwulstbildung und Stoffwechselerkrankung müssen also aus 
ähnlichen Vorgängen, nämlich dem Ausfall gewisser Zellfunktionen, 
erklärt werden. Hierfür spricht auch ihre häufige Kombination bei 
demselben Individuum und in manchen Familien. Trappe (Breslau). 





2) Antico. Ricerche intorno all azione dei raggi Röntgen 
sul sisterna neuro-musculare. 
(Nuova Rivista clinico-terapeutica 1908. XI, 8.) 

Zur Ergänzung der Arbeit Imperato’s untersucht A. den Einfluß 
der Röntgenstrahlen auf die Reflexerregbarkeit und die verschiedenen 
Grefühlsqualitäten. Es fand sich, daß die Röntgenbestrahlung die 
Muskelreflexerregbarkeit viel weniger beeinflußt als die willkürliche 
Muskulatur, was Verf. damit erklärt, daß die willkürliche Muskulatur 
wesentlich von Nerven beeinflußt wird, die vor allem durch die Röntgen- 
strahlen erregt werden. Von viel größerer Bedeutung sind die genannten 
Strahlen für die Sensibilität, die eben auch eine nervöse Funktion ist. 
Die Intensität der Wirkung richtet sich nach der Art der Applikation 
der Strahlen. Den stärksten Einfluß hat die Bestrahlung des Großhirns, 
die dagegen für die Muskelreflexerregbarkeit fast ohne Wirkung ist; in 
zweiter Linie kommt die Bestrahlung der Haut, während die Bestrah- 
lung des Rückenmarkes ohne jeden Einfluß auf die Sensibilität ist. 
Bezüglich der Wirkung auf die einzelnen Gefühlsqualitäten muß er- 
wähnt werden, daß vorzugsweise die taktile Sensibilität gesteigert 
wird; an zweiter Stelle wird die Schmerzempfindung, dann die Muskel- 
sensibilität und das Gefühl der Schwere beeinflußt, die Temperatur- 
empfindung ließ keinen deutlichen Einfluß erkennen, was Verf. auf 
die Schwierigkeiten der Messung zurückführt. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1355 


Die Gesamtergebnisse seiner und Imperato’s Untersuchungen 
faßt A. dahin zusammen, daß durch die Röntgenstrahlen eine Funk- 
tionsbesserung des Nervengewebes zustande kommt, die therapeutisch 
wohl verwertet werden könne. Strauss (Nürnberg). 


3) @. E. Pfahler. The treatment of sarcoma by means of 


the Roentgen rays. 
(Therapeutic gazette 1908. Juli 15.) 

Mitteilung von 29 mittels Röntgenstrahlen behandelten Sarkom- 
fällen. 15 Kranke sind genesen (?). 

Verf. will auch bei operativen Fällen im Anschluß an die Ope- 
ration eine Röntgenbehandlung eingeleitet wissen. Die Zahl der 
Röntgenbestrahlungen richtet sich nach der Eigentümlichkeit des 
Falles; im Durchschnitt werden 20 Sitzungen genügen. In inoperablen 
Fällen, oder wenn die Kranken einen operativen Eingriff verweigern, 
gibt die Röntgenbehandlung unzweifelhaft die größten Aussichten auf 
Genesung: 25—50% (!. Macht die Genesung unter der Röntgen- 
behandlung nur sehr langsame Fortschritte, so kann man zur Unter- 
stützung noch Injektionen mit Coley’s Toxinen machen. Vorbedingung 
für ein günstiges Resultat ist eine gute Technik. (Nach den in Deutsch- 
land gemachten Erfahrungen können wir den Optimismus des Verf.s 
keineswegs teilen. a Paul Wagner (Leipzig). 

4) N. Paton and D. Lindsay. On the action of chloroform 


administered by different channels. 
(Brit. med. journ. 1908. Juli 25.) 

Die Verff. versuchten die Frage der Spätgiftwirkung des Chloro- 
forms im Tierexperiment zu lösen durch ausgedehnte Stoffwechsel- 
versuche. Schwere Giftwirkung zeigte sich besonders nach Einver- 
leibung vom Magen und vom Unterhautfettgewebe aus, während sie 
nach Einatmung ganz gering war. Die Ursache für diesen großen 
Unterschied fanden Verff. in der überaus schnellen Ausscheidung des 
Chloroforms aus dem Blute nach der Einatmung gegenüber der Aus- 
scheidungszeit bei Einverleibung des Chloroforms vom Magen oder vom 
Unterhautfettgewebe aus. Die Dosis spielt dabei eine nur geringe 
Rolle. So erklärt sich die Seltenheit der Spätgiftwirkung des Chloro- 
forms bei der üblichen Narkose. Weber {Dresden). 


5) E. Kraupa. Untersuchung über das synthetische Supra- 
renin. : 
(Med. Klinik 1908. p. 1374.) 

K. träufelte das Höchster synthetische Suprarenin in den Binde- 
hautsack Gesunder, spritzte es unter die Haut, um Blutleere des Unter- 
hautzellgewebes zu erzielen, untersuchte das Verhalten des Mittels im 
Vergleiche mit dem anderer Mittel gegenüber der Sterilisation, bei 

46* 


1356 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 


längerem Offenstehen der Lösung, und prüfte endlich ihre Keimfreiheit. 
Ihre Wirksamkeit wird auch durch !/,stündiges Kochen nicht ver- 
mindert. Nach Btägigem ÖOffenstehenlassen wurde schwache Ver- 
färbung, aber keine Abnahme der anämisierenden Kraft bemerkt. 
Das Mittel ist ferner, ebenso wie die anderen erprobten Nebennieren- 
erzeugnisse, keimfrei, wobei überdies ein Zusatz eines Antiseptikums 
keimhemmende Wirkung entfaltet, die aber nur dann hinreicht, wenn 
die Zahl der etwa in die Lösung gelangten Keime gering ist. 
Somit unterscheidet sich das synthetische Suprarenin von den durch 
Organauszug gewonnenen Stoffen nur durch den geringeren Preis. 
Georg Schmidt (Berlin). 


6) R. G. Quadrio. Contributo alla studio clinico del car- 
cinome primitivo della testa del pancreas. 
(Malpighi, Gaz. med. di Roma 1908. August 1.) 

Aus dieser, auf dem Material der Baccelli’schen Klinik fußen- 
den, die Semiologie und Diagnostik des Pankreaskarzinoms behandelnden 
Studie seien folgende Punkte herausgehoben: Der Pankreaskopf ist 
in ca. 80% der Fälle betroffen; die Verschiedenheit des Sitzes der 
Neubildung bedingt Verschiedenheiten des klinischen Bildes. Charakte- 
ristisch sind meist andauernde, seltener zeitweise neuralgiforme Schmerz- 
anfälle, die am meisten tabischen Krisen ähneln und in gleicher Weise 
keiner anderen Bauchgeschwulst eigen sind. Kompression des Pylorus 
führt zu Stenosenerscheinungen des Magens, solche des Dünndarmes 
zu unvollständigem Darmverschluß mit meist deutlichem Meteorismus, 
Kompression der V. cava et portae zu Ascites, Odem der Beine, Er- 
weiterung der Subkutanvenen. 

Diagnostische Leitkriterien sind: schneller, ununterbrochener und 
sich verschlimmernder Krankheitsverlauf; frühzeitige und auffallende 
Anämie; Kachexie; Hypothermie; Dilatation der Gallenblase ohne 
Lebervergrößerung (dabei infolge Choledochuskompression universeller, 
meist sehr hochgradiger Ikterus, der nur fehlt, wenn der Choledochus 
an der Drüse vorbei-, nicht durch sie hindurchläuft); rapide Abnahme 
der Muskelkraft; Symptome fehlender Pankreaswirkung: Steatorrhöe 
(während normalerweise 95% der eingeführten Nahrungsfette ausgenutzt 
werden, fällt der Ausnutzungswert — namentlich bei gleichzeitiger 
Gallenretention — auf 60—40%); Hyposteatolyse (der Gehalt des 
Kotes an Neutralfetten sinkt unter 75%, den Normalwert, in zwei 
Fällen des Verf.s auf 50—40%); quantitative Bestimmung der Aus- 
nutzungswerte der Eiweißkörper und Kohlehydrate führt dagegen zu 
keinem konstanten und eindeutigen Resultat; alimentäre, seltener 
spontane Glykosurie (in letzterem Fall ist meist der größte Teil der 
'Drüse zerstört oder das Karzinom mit Sklerose oder Cirrhose im 
Restteile des Organes kombiniert); Löwi’sche Reaktion (Mydriasis 
pupillae nach Einträufelung von Adrenalin in den Bindehautsack). 
Alle übrigen Symptome sind wechselnd und inkonstant. 

K. Henschen (Tübingen). 





Zentralblatt für Chirargie. Nr. 46. 1357 


7) Vautrin. Traitement de la pancréatite chronique com- 


pligee d’obliteration du choledoque. 
(Revue de chir. XXVIII. année. Nr. 5.) 


Wohl häufig, aber durchaus nicht immer ist die chronische Pan- 
kreasentzündung eine Folge der Gallensteinkrankheit. Sitzt der Stein 
in der Ampulle, so ist die Stauung im pankreatischen Gange die 
leicht begreifliche Ursache der gleichzeitig vorhandenen Bauchspeichel- 
drüsenentzündung, besonders wenn zugleich der Dünndarm verlegt 
oder verengt ist. Bei Steinbildung in den oberen Gallenwegen ent- 
steht die Pankreasentzündung mehr mittelbar, indem durch die Acholie 
des Darmes die Virulenz der Darmflora gesteigert wird. Sehr oft 
werden aber die Ausführungsgänge beider Drüsen unabhängig von- 
einander vom Darm aufsteigend infiziert mit qualitativ (Steinbildung, 
Sklerose) und quantitativ verschiedenem Erfolge. Das überwiegende 
Befallensein des Pankreaskopfes ist der beste Beweis für die Häufigkeit 
dieser aufsteigenden Infektion. Daneben kann sie aber auch auf dem 
Blutwege, z. B. bei Typhus, akuten Exanthemen, Parotitis, Pyämie, 
Östeomyelitis oder nach vorausgegangenen Verletzungen der Drüse, 
sowie durch Fortleitung von der näheren und weiteren Umgebung 
(Ulcus ventriculi und duodeni, subhepatische und peripankreatische 
Exsudate und Lymphdrüsenschwellungen) vermittelt werden. 

Die chirurgische Behandlung wird je nach der Ursache und dem 
Stadium (entzündliche Schwellung oder Schrumpfung) verschieden sein. 
Der gleichzeitig erforderliche Eingriff am Gallensystem beeinflußt die 
Pankreasentzündung um so günstiger, wenn er mit Drainage des He- 
paticus bzw. Choledochus und des Raumes unter der Leber verbunden 
ist und je näher dem Pankreas er vorgenommen wird. In Fällen rein 
entzündlicher Schwellung genügt oft die einfache Laparotomie. Anders, 
wenn der intrapankreatische Teil des Choledochus von dem narbig ge- 
schrumpften Pankreasgewebe komprimiert wird. Die Entzündung und der 
Ikterus gehen dann oft nur nach Ablösung des Duodenum und Pankreas- 
kopfes und Drainage des so geschaffenen Raumes zurück. Wesentlich 
früher wird der Choledochus wegsam, wenn noch der ihn einzwängende 
Pankreasring an der Hinterseite mit dem Thermokauter in der Ver- 
laufsrichtung des Gallenganges gespalten wird; er ist etwa 3—4 mm 
dick und bei vorgeschrittener Sklerose sehr gefäßarm. Unter Um- 
ständen muß sogar zur Hepatiko- bzw. Choledochoenterostomie ge- 
griffen werden. Gutzeit (Neidenburg‘. 


8) Desjardins. Technique de la pancreatectomie. 
(Revue de chir. XXVII. annee. Nr. 6.) 
Zu einer gänzlichen Ausrottung der Bauchspeicheldrüse hält sich 
D. nach dem heutigen Stande der physiologischen Bewertung des Or- 
ganes nicht für berechtigt. Die öfter in Frage kommende Abtragung 
des ganzen Kopfes ist, weil die auch das Duodenum ernährenden Artt. 
pancreatico-duodenales dabei unterbunden werden, von Gangrän des 


1358 . Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 


Duodenum gefolgt und daher ohne Duodenektomie nicht statthaft. 
Letztere ist auch wegen der Miterkrankung der retroduodenalen Lymph- 
drüsen bei vielen Pankreasleiden, besonders beim Krebs, nicht zu 
umgehen. 

Für die gleichzeitige Exstirpation von Duodenum und Bauch- 
speicheldrüse hat nun D. bis in alle Einzelheiten ein Verfahren aus- 
gearbeitet, das er wiederholt an der Leiche ausführte und an der Hand 
von acht erläuternden Abbildungen eingehend beschreibt. Das Bauchfell 
wird 2cm vom rechten Rande des absteigenden Duodenum und ihm 
parallel eingeschnitten; alsdann werden Duodenum und Pankreas 
stumpf von der Unterlage (Pfortader und Hohlvene!) bis fast zur 
Mittellinie abgelöst, worauf sie sich vor die Bauchwunde ziehen und 
genau untersuchen lassen. Das Duodenum wird zwischen je zwei 
Klemmen am Pylorus und am Anfangsteil des Jejunum, der Chole- 
dochus, wenn erweitert, tief unten, sonst am Cysticus abgetragen. Das 
Pankreas wird im Körper (nicht im Halse) nur wenig rechts von der 
Mittellinie durchtrennt, um die von ihm und dem Duodenum abge- 
lösten Vasa mesenterica sup. und die Art. colica media sicher zu 
schonen. Zur Blutstillung am Pankreas genügen nach vorheriger 
Unterbindung der Hauptgefäße — Artt. pancreatico-duodenalis sup. et 
infer., Aste der Art. splenica und gastroepiploica dextra — Massen- 
ligaturen, wenn nötig nach Anlegung einer Quetschklemme Die 
Schnittfläche des Jejunum wird terminal durch Knopfanastomose mit 
dem Magen verbunden; etwas unterhalb dieser Verbindung werden 
pankreatischer Gang und Choledochus, wenn sie weit genug sind, 
mittels Boari’scher Knöpfe dem Jejunum seitlich in gleicher Höhe 
eingepflanzt. 

Ist der Ausführungsgang des Pankreas zu eng, um eine Anasto- 
mose zu gestatten, so durchtrennt D. 30 cm unterhalb der ersten 
Schnittstelle das Jejunum nochmals. Das rechte Ende des auf diese 
Weise ausgeschalteten Darmstückes verbindet er mit der Gallenblase, 
das linke wird auf den Pankreasstumpf gezogen und mit seinem Rande 
durch fortlaufende Naht an ihn fixiert, während das anale Ende des 
zweiten Jejunumschnittes terminal mit dem Magen und seitlich mit 
der Mitte des ausgeschalteten Stückes anastomosiert wird. Auf diese 
Weise mischen sich Pankreassaft und Galle, bevor sie in den Darm 
gelangen. Unter Umständen ist es ratsam, zunächst eine Y-förmige 
Gastrojejunostomie zu machen und den Rest der einzeitig etwas lang- 
währenden Operation in einer zweiten Sitzung zu erledigen. 

Gutzeit (Neidenburg). 


9) F. Suter. Ein Beitrag zur Histologie und Genese der 
kongenitalen Divertikel der männlichen Harnröhre. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVII. Hft. 1.) 
S. hatte Gelegenheit, ein kongenitales Divertikel der männlichen 
Harnröhre zu operieren und mikroskopisch zu untersuchen. Er ist 
auf Grund seines Befundes wie der aus der Literatur gesammelten 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1359 


Fälle der Ansicht, daß die angeborenen Harnröhrendivertikel sich 
durch ihren histologischen Bau in der Wand auszeichnen. Die letztere 
ist mit einer epidermoidalen Innenhaut ausgekleidet und besitzt 
keinerlei spongiöses Gewebe. Eine Kritik der histologischen Befunde 
ergibt ferner, daß es sich bei ihnen nicht um einfache Ausstülpungen 
der Harnröhrenwand handelt, sondern daß sie als mit der Harnröhre 
kommunizierende epidermoidale Taschen aufzufassen sind. Was die 
Atiologie und Genese dieser Divertikel anlangt, so muß wohl das ab- 
norme Bestehenbleiben eines mit der Harnröhre kommunizierenden 
Teiles der Genitalrinne angenommen werden. Dieser Teil wächst sich 
zu einer Tasche mit epidermoidaler Auskleidung aus. Durch die An- 
sammlung von Urin in ihr werden früher oder später Beschwerden 
verursacht, die, wie in dem Falle des Verf.s, operative Beseitigung 
verlangen. E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


10) Cholzoff (Petersburg). Die Radikalbehandlung der Harn- 


röhrenverengerungen durch Resektion der verengten Stelle. 
(Zeitschrift für Urologie Bd. II. Hft. 7.) 

Verf. empfiehlt die chirurgische Behandlung der Harnröhren- 
strikturen, »da die Palliativbehandlung die Kranken zu sogenannten 
ewigen Pat. macht«. Er selbst hat elf Fälle operativ behandelt; bei 
fünf von diesen handelte es sich um traumatische Strikturen, bei sechs 
um solche gonorrhoischen Ursprungs. Bei zwei Kranken mußte die 
Operation 2mal ausgeführt werden. — C., der früher nach Resektion 
der Striktur die Zirkulärnaht über einem eingeschobenen Dauerkatheter 
ausführte, stellt jetzt durch Anlegung einer zentralen Harnröhrenfistel 
mit Dauerkatheter die Zirkulärnaht ruhig und erzielt so glatte 
Primärheilung. Von der Resektionsstelle aus wird eine Sonde in den 
zentralen Harnröhrenabschnitt geführt und auf dem Sondenknopf die 
Urethrotomia externa zur Einlegung des Katheters vorgenommen. Bei 
Resektion der Pars membranacea wird der Katheter über den Damm 
in die Blase gelegt. Von elf Operierten wurden acht primär geheilt. 
Nach der Operation bleibt der Dauerkatheter bis zu 2 Wochen liegen, 
dann beginnt vorsichtigste Bougiebehandlung. Unvorsichtiges starkes 
Bougieren verdirbt den Operationserfolg. Zwei Rezidivoperationen 
brachten vollen Erfolg. Die bisher beobachteten Dauerresultate 
sind gut. Das Verfahren ist kontraindiziert bei alten dekrepiden 


Leuten, bei mehrfachen Strikturen und eitriger Urethritis. 
Kroemer (Berlin). 





11) Alexander. Contribution to the surgery of the prostate. 
(Annals of surgery 1908. August.) 

Verf. bespricht die Behandlung der nach Prostataexstirpation 
zurückgebliebenen Harnröhren-Mastdarmfistel und der Harnblasen- 
inkontinenz. Die Methode der Operation der Harnröhren-Mastdarm- 
fistel weicht von der bei uns üblichen nicht wesentlich ab. Bezüglich 
der zurückgebliebenen Harnblaseninkontinenz unterscheidet Verf. vier 


1360 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 


Grade: 1) andauerndes Harnträufeln, 2) häufiger Urindrang, 3) zeit- 
weiliges Harnträufeln, 4) Harnträufeln nur im Stehen. Das Leiden ist 
bedingt durch eine Verletzung der Fasern des M. sphincter; es tritt 
besonders dann ein, wenn das Dach der Urethra prostatica verletzt 
ist. A.’s Behandlungsmethode dieser Inkontinenz ist eine palliative, 
sie besteht in Folgendem. Die Blase wird mittels Katheter mit warmer 
Salzlösung so weit angefüllt, daß Pat. es eben noch ertragen kann, 
und dann die Öffnung des Katheters mit dem Finger verschlossen. 
Nach einigen Minuten wird der Katheter entfernt. Es wird Pat. jetzt 
angehalten, das Wasser noch weiter in der Blase zu lassen, was erst 
nach an den folgenden Tagen in derselben Weise vorgenommenen Spü- 
lungen in geringem Grade gelingt. Es wird zunächst in liegender Stel- 
lung, später im Stehen geübt, immer wird Pat. suggestiv dabei zu 
beeinflussen versucht. Hat er eine gewisse willkürliche Kontrolle er- 
langt, so muß er den Strahl beim Urinieren recht häufig unterbrechen. 
Die Behandlung ist mithin eine Übungstherapie. 
Herhold (Brandenburg). 





12) P. Kusnetzky (St. Petersburg). Über experimentelle Poly- 

| urie. 

(Zeitschrift für Urologie Bd. II. Hft. 6.) 

K. bringt in vorliegendem Aufsatze die Ergebnisse seiner an 
18 Fällen angestellten Nachuntersuchungen der von Albarran in- 
augurierten Funktionsprüfung der Nieren. Letzterer stellte bekanntlich 
fest, daB die Ausscheidungskurven für kranke Nieren bei veränderter 
Wasserzufuhr oder bei künstlichem Diabetes viel geringere Schwan- 
kungen aufweisen als die gesunder Organe, d. h. nur die gesunde 
Niere besitzt eine breite Akkommodationsfähigkeit bei Steigerung der 
Aufgaben, während die kranke eine deutliche Trägheit (Torpor renalis) 
aufweist. K. führte in beide Harnleiter Katheter ein und kontrollierte 
gleichzeitig durch einen Blasenkatheter die neben den Harnleiter- 
kathetern abfließenden Urinmengen. Bei Männern mißlang die kor- 
rekte Versuchsanordnung stets. Nur bei elf Frauen war das Vorbei- 
fließen des Harns zu vermeiden. In diesen elf von 18 Fällen gab 
die experimentelle Polyurie zehnmal richtige Werte im Sinne des 
Albarran’schen Gesetzes. Einmal zeigte die kranke Niere (Ren mo- 
bile) die größere Schwankung. Die schwierige und für die Praxis 
unbrauchbare Methode lieferte also weniger gute oder doch nicht 
bessere Resultate als die gleichzeitig für dieselben Fälle angestellte 
Phloridzinprobe. K. empfiehlt daher die experimentelle Polyurie nur 
für die schwierigen Fälle, in welchen die anderen einfachen Methoden 
im Stiche lassen. Kroemer Berlin). 


Zentralblatt für Chirurgie. _ Nr. 46. 1361 


13) A. Seelig (Königsberg i. Pr... Bemerkungen über die Be- 
einflussung der Phloridzinglykosurie durch subktane Indig- 
karmininjektionen. 

(Zeitschrift für Urologie Bd. II. Hft. 7.) 

S., der ebenso wie Kapsammer beobachtet hatte, daß zuweilen 
bei Kombination von Phloridzin- mit Indigkarmininjektionen die Zucker- 
ausscheidung ausblieb, während Phloridzin allein bei demselben Pat. 
sofort Zuckerausscheidung hervorrief, suchte die hemmenden Ursachen 
im Tierexperiment festzustellen. Die bei Kaninchen vorgenommenen 
zahlreichen Experimente ergaben die gleichen, vom Menschen her be- 
kannten, wechselnden Resultate, bei gleicher Versuchsanordnung bald 
blauen Urin ohne Zuckergehalt, bald blauen zuckerhaltigen Urin, ohne 
daß die Untersuchung der Nieren eine Aufklärung geben konnte. 
Nahrung, Urinreaktion, Stärke der Diurese spielten keine Rolle. Im 
Reagensglase konnte eine direkte gegenseitige Beeinflussung beider 
Medikamente bzw. des Farbstoffes und des Zuckers nicht nachgewiesen 
werden. — Bei der Kombination beider Versuche empfiehlt es sich, 
das Phloridzin früher als das Indigkarmin zu injizieren, wenn man 
seiner Wirkung sicher sein will. S. glaubt, daß Phloridzin an der 
gleichen Stelle im Nierenapparat zur Wirkung gelangt als das Indig- 
karmin — nämlich in den gewundenen Kanälchen. 

Kroemer (Berlin). 





14) E. Martini (Turin). Experimenteller Beitrag zum Studium 


der Chirurgie des Hodens. 
(Zeitschrift für Urologie Bd. II. Hft. 4—8.) 

M. stellte sich zunächst zur Aufgabe die Erforschung der physio- 
logischen Bedingungen, unter welchen die Durchgängigkeit der Samen- 
ausfuhrwege ermöglicht wird, wenn das Vas deferens oder der Neben- 
hoden eine Kontinuitätstrennung erlitten haben. Die Enden des 
durchschnittenen Vas deferens wurden bei Hunden wieder vereinigt, 
und zwar End-zu-End. Diese Termino-Terminalanastomose übte Verf. 
nach drei Methoden: 

a. mittels gewöhnlicher Zirkulärnaht, 

b. mittels Naht und Einlegung eines 3 cm langen Magnesium- 
stützfadens, 

c. mittels Naht und Einlegung eines 7 cm langen Silberstütz- 
fadens, der 3cm weit von der Naht durch die Wand des Vas de- 
ferens hervortrat und unter der Haut befestigt wurde. 

Während das Verfahren a und b eine Obliteration nicht verhin- 
dern konnte, erzielte M. durch den Silberstützfaden in der Lichtung 
des Vas deferens, wenn der letztere erst am 10. Tage nach der Ope- 
ration entfernt wurde, eine Restitutio ad integrum mit offenem Kanal. 

In einer folgenden Versuchsreihe erstrebte M. eine Einpflanzung 
des Vas deferens in den Nebenhoden (Vaso-Epididymostomie) und in 
den Hoden selbst (Vaso-Didymostomie). Das gespaltene Vas deferens 


40** 


1362 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 


wurde in das Parenchym des Nebenhodens versenkt und mit Albu- 
ginea gedeckt (Termino-Lateralanastomose). Ebenso versuchte M. die 
Einpflanzung des Vas deferens in das Rete testis nach Resektion des 
Nebenhodens (Verfahren nach Bogolyubow), endlich die Adaption 
des Vas deferens nach Scaduto an die Spitzen der Ausführkegel 
ohne Verletzung des Rete testis. Die Kontrolluntersuchungen am 
später herausgenommenen Organ erstreckten sich — neben der Fest- 
stellung von Spermatozoen im Vas deferens — auf die mikroskopische 
Serienuntersuchung der Einpflanzungsstelle. Verwertet wurden bei 
der Beurteilung nur einwandsfreie Fälle, so z. B. von neun Fällen 
versuchter Vaso-Epididymostomie nur sechs. Von letzteren zeigte nur 
ein einziger eine wahre, funktionierende Anastomose. Die Einpflanzung 
des Vas deferens in den Hoden verursachte stets einen Verschluß des 
Ganges, verbunden mit schweren Veränderung der Samenzellen in- 
folge der Verletzung trophoneurotischer Fasern. Der Versuch einer 
Anastomose hat also nur Aussicht bei möglichst geringem Operations- 
trauma und bei unversehrtem Hoden. 

Drittens stellte M. eine Versuchsreihe an, welche nach Durch- 
trennung des Vas deferens der einen Seite den Samenprodukten des 
abgelösten Hodens durch Hoden und Vas deferens der anderen, ge- 
sunden Seite Abfluß zu schaffen bezweckte, und zwar 

a. durch Anastomose zwischen den medialen Flächen beider Hoden 
(Intertestikularanastomose), 

b. durch Verbindung des Mediastinum testis des abgelösten Ho- 
dens mit der Basis der Lobuli auf der Seite der unversehrten Aus- 
fuhrwege (Synorchidie). 

Im Gegensatz zu früheren Experimentatoren konnte M. in keinem 
Fall eine Durchgängigkeit der Anfrischungsstelle für die Samen- 
produkte erzielen, da durch beiderseitige Wucherung des interstitiellen 
Bindegewebes ein die Tubuli trennendes Septum entstand. Der an- 
gepflanzte Hoden zeigte meist Stauung und Abtötung der Samen- 
produkte oder entzündliche Veränderungen mit Ausgang in Atrophie. 

Die Intertestikularanastomose erwies sich als weniger gewebs- 
schädigend wie die Einpflanzung des vom Nebenhoden befreiten Or- 
ganes mit dem eröffneten Rete testis an die Basis der Lobuli. Diese 
Synorchidie schädigte das Hodengewebe beider Seiten. 

Verf. rät daher für Operationen am Menschen: 

1) bei Durchtrennung des Vas deferens die Termino-Terminalnaht 
mit stützendem Silberfaden auszuführen, 


2) bei Obliteration des Nebenhodenschwanzes das Vas deferens 
an die gesunde Nebenhodenpartie anzupflanzen, 


3) bei der Notwendigkeit, den ganzen Nebenhoden zu entfernen, . 


auf die Vaso-Didymostomie bzw. auf die Synorchidie zu verzichten, 
da Durchgängigkeit der Samenausfuhrwege nicht zu erzielen sei und 
event. noch der gesunde Hoden Schaden leide. 


In einer vierten Versuchsreihe studierte M. den Einfluß, den 


o Aa 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1363 


Schädigungen des Vas deferens, der Tunica vaginalis, der Arterien- 
und Nervenversorgung auf die Hodensubstanz ausüben. 

Alle Versuche wurden an ausgewachsenen Hunden ausgeführt, 
die möglichst unter normalen Bedingungen in Kontakt mit Hündinnen 
gehalten wurden. Wie oben erwähnt, wurden alle Fälle mit Störungen 
der Rekonvaleszenz bei der Beurteilung der Resultate ausgeschaltet. 

Die isolierte Unterbindung des Vas deferens führt zum Schwund 
der Lichtung, zu Samenstauung und Epitheldegeneration im Hoden, 
die vom Zentrum nach der Peripherie fortschreitett. Nach 6—8 Mo- 
naten ist der Hoden atrophisch, und die bei der Stauung erst ver- 
größerte Drüse schrumpft unter die Norm zusammen. Der Neben- 
hoden macht die gleichen Veränderungen durch. Die Epithelgebilde 
entarten, das interstitielle Stroma wird relativ und absolut vermehrt, 
wenn die lymphatische Resorption eintritt. 

Resektion des Vas deferens mit Unterbindung beider Gangenden, 
Unterbindung der A. spermatica und Zerstörung der Nerven macht 
raschere und weiter gehende Atrophie des Hodens als die einfache 
Unterbindung des Vas deferens. 

Resektion des Nebenhodens bewirkt rasche Atrophie des Hodens 
bei Hyperplasie des interstitiellen Hodengewebes. 

Die Unterbindung der A. spermatica und die Resektion der grö- 
beren Nervenfasern (alle Nervenfasern isoliert zu zerstören, ist nicht 
möglich) ist nur von einer vorübergehenden Schädigung des samen- 
bereitenden Hodenparenchyms gefolgt, von der sich das Organ rasch 
erholt. Das interstitielle Gewebe bleibt dauernd hyperplastisch. 

Die Schädigung der Hüllen des Samenstranges hat keinen Einfluß 
auf die Hodensubstanz, solange die Heilung nicht durch Eiterungs- 
vorgänge kompliziert wird. 

Die Inzision der Tunica vaginalis testis mit Reiben beider Blätter, 
die Exzision der Tunica vaginalis parietalis, vor allem aber die Extra- 
version der Vaginalhülle schädigt die Hodensubstanz, weil durch Ver- 
ödung des Vaginalraumes der Hoden fixiert und bei Schrumpfung der 
Kapsel gedrosselt wird. Allein die Störung ist nur vorübergehend. 
Nach kurzer Zeit erholt sich das Parenchym, und die Spermatogenese 
setzt wieder ein. Dauernde Atrophie tritt aber ein, wenn eine In- 
fektion sich hinzugesellt. 

M., der allenthalben auf die Literatur erschöpfend eingeht und 
ähnliche Experimente anderer Forscher referiert, fügt seiner fleißigen 
und lesenswerten Arbeit ein reiches Literaturverzeichnis bei. Die wich- 
tigen Organbefunde sind durch klare Bilder mikroskopischer Präparate 
illustriert. Kroemer (Berlin). 





15) T. S. Cullen (Baltimore). Adenomyoma of the uterus. 
Philadelphia and London, W. B. Saunders & Co., 1908. 

Der bekannte Autor, dessen Gründlichkeit und reiche Erfahrung 
durch seine Arbeiten über den ÜUteruskrebs aufs beste illustriert 
worden sind, bringt in vorliegendem Band eine musterhafte Studie 

8 


1364 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 


über die Adenomyome der weiblichen Genitalien. Seit dem Jahre 
1894 hat er mehr als 90 Geschwülste untersucht, die nach ihrer Zu- 
sarmmensetzung aus Adenomschläuchen vom Charakter der Uterus- 
schleimhaut in inniger Mischung mit Myomgewebe als » Adenomyome« 
bezeichnet werden mußten. Die letzteren verhielteu sich zur Gesamt- 
zahl der beobachteten Myome wie 5,7: 100. Die klinische Diagnose 
war nur bei bestimmten Symptomen zu stellen möglich gewesen. 

Nach dem anatomischen Bau unterscheidet C.: 

1) Intramurale Adenomyome. Dieselben bewirken nur eine zwei- 
bis dreifache Vergrößerung des Uterus, dessen Form dabei erhalten 
bleibt. Charakteristisch sind allseitige Verwachsungen der Geschwulst 
mit den Nachbarorganen. Die intramuralen Adenomyome enthalten 
reichlich cystische Räume, die mit altem Blut erfüllt sind und mit 
dem Cavum uteri kommunizieren. Mit dem begleitenden adenoiden 
Gewebe dringen die Adenomgebilde in das Myom vor, indem sie sich 
baumförmig verzweigen. 

2) Subperitoneale und intraligamentäre Adenomyome. Dieselben 
zeichnen sich durch den Reichtum an Cysten aus, welch letztere enorme 
Größe annehmen können. 

3) Submuköse Adenomyome. Bei dieser Entwicklung bleiben die 
Adenompartien engkalibrig, weil der gesteigerte intra-uterine Druck 
die cystische Dilatation hindert. 

Von den gewöhnlichen Korpusgeschwülsten sind die Adenomyome 
der Cervix zu trennen. Die in den letzteren sich findenden Adenom- 
schläuche enthalten Oervixepithel und typischen Schleiminhalt. Der 
bindegewebige Anteil der Geschwulst ist dicht gefügt und hart. 

Die Untersuchung von Tuben und Ovarien, die bei 45 von 
den operativ gewonnenen Geschwülsten durchgeführt werden konnte, 
lieferte keine wesentlichen Ergebnisse. 30mal zeigten die Organe die 
von dem Myom hervorgerufenen Entzündungserscheinungen in Form 
von ein- oder doppelseitigen Adhäsionsmembranen. 

Unter den klinischen Symptomen erwähnt C. außer der Ver- 
längerung der pathologisch verstärkten Menstruation Druckempfind- 
lichkeit des Uterus während der Menses, verursacht durch die Kon- 
gestion zu dem Schleimhautgewebe in der Geschwulst, ferner Schmer- 
zen im Kreuz und in den Schenkeln. Wie umschriebene Myome 
wirkt auch das Adenomyom als Fremdkörper, kann aber wegen seiner 
diffusen Entwicklung nicht an die Schleimhaut- bzw. Serosaoberfläche 
geboren werden; daher die dauernden Schmerzen. Das Alter der 
betroffenen Pat. schwankte zwischen 30 und 60 Jahren. Schwanger- 
schaft wird offenbar durch die Adenomyombildung nicht gehindert. 
Bei der bimanuellen Untersuchung findet sich ein stark vergrößerter 
und verdickter Uterus ohne isolierte höckrige Auswüchse, aber mit 
zahlreichen Verwachsungen in der Peripherie. Die Schleimhaut des 
Cavum uteri ist sehr dick, aber von normaler Struktur. — In einem 
besonderen Kapitel bespricht O. die Differentialdiagnose der Adeno- 
myome und ihre Abgrenzung von anderen Blutungsursachen (Polypen, 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1365 


Venektasie, chronischer Metritis und Endometritis, umschriebenen 
Kugelmyomen, bösartigen Neubildungen, Entzündungen, Abort oder 
ektopischer Schwangerschaft). 

Die Therapie kann wegen der Verwachsungen nur in der abdo- 
minalen Geschwulstexstirpation bestehen, wobei die Eierstöcke geschont 
werden sollen. 

Die Prognose ist günstig, da die Neubildung histologisch gut- 
artig ist. 

Im Gegensatz zu den Adenomyomen des runden Mutterbandes, 
die nur geringe Größe (3—4 cm Durchmesser) erreichen, am Leisten- 
ring liegen und als Abkömmlinge des Müller’schen Ganges gedeutet 
werden müssen, sind die Adenomyome des Uterus sekundär entstanden 
durch Einfließen der Schleimhaut in die Muskelinterstitien. Der 
Schleimhautursprung der adenoiden Schläuche ist bewiesen durch den 
Zusammenhang mit der Schleimhaut des Uterusinnern, durch den 
Gehalt der Cysten an Blut, durch die gelegentliche Einmündung der 
Schläuche in das Cavum uteri, endlich durch die Fähigkeit des Ge- 
webes, eine Decidua zu bilden, wie auch ein typisches Adenokarzinom 
sich daraus entwickeln kann. 55 Fälle wurden in Serienschnitte zer- 
legt. Adenokarzinom im Adenomyom fand sich zweimal, desgleichen 
sechsmal ein vom Myom unabhängiges, begleitendes Oervixkarzinom. 

Die Ausstattung des Werkes ist elegant und vornehm, die Illu- 


strationen sind sehr klar und von vollendeter künstlerischer Ausführung. 
Kroemer (Berlin). 


Kleinere Mitteilungen. 


16) 80. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Köln 
im September 1908. 


Abteilung für Chirurgie und kombinierte Sitzung der chirurgisehen 
und internen Abteilung. 


Berichterstatter: GOEBEL, Köln. 


a. Sauerbruch berichtet über die von ihm gemeinsam mit Heyde, vor- 
genommenen Versuche, Warmblüter künstlich zu vereinigen. Es ist 
ihm gelungen, Kaninchen von demselben Wurf, von gleichem Geschlecht und von 
Jugendlichem Alter so zur Vereinigung zu bringen, daß sie gewissermaßen ein 
Organismus geworden sind. Die Technik dieser Versuche und die Art der ana- 
tomischen Vereinigung ist von beiden bereits in Nr. 4 1908 der Münchener med. 
Wochenschrift ausführlich beschrieben. S. demonstriert zwei in »Parabiosee lebende 
Kaninchenpaare. Außerdem eine ganze Reihe Präparate, aus denen die Art der 
Vereinigung (Kommunikation der Bauchhöhlen der Tiere) deutlich hervorgeht. 
Weiter berichtet er über Versuche, daß nach doppelseitiger Nierenexstirpation, 
bei dem einen Tiere die Nieren des anderen bis zu einem gewissen Grade kompen- 
satorisch eintreten. Die Tiere leben länger, als die Kontrolltiere. Stets finden 
sich bei beiden vereinigten Tieren subpleurale Blutungen in der Lunge und venöse 
Stauungen und Schwellung der Schleimhaut des Magen-Darmkanals. 

Bei Unterbindung einer Dünndarmschlinge bei dem einen Tiere, zeigte das 
andere starke Temperatursteigerung, die S. auf Resorption bezieht. 

Schließlich berichtet S. darüber, daß das eine von zwei künstlich vereinigten 
Tieren verkümmert, während das andere sich kräftig entwickelt. Die Erklärung 


1366 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 


hierfür kann man vielleicht darin finden, daß das eine Tier dem anderen Nahrungs- 
stoffe wegnimmt; eine Giftwirkung ist ihm unwahrscheinlicher. 
(Selbstbericht.) 


b. Fabian (Bonn): Die Bedeutung der Blutuntersuchung für die 
chirurgische Diagnostik. 

Ohne auf die bakteriologische Blutuntersuchung und Blutkörperchenzählung 
einzugehen, weist F. zunächst kurz auf die bisherigen Beziehungen zwischen Chir- 
urgie und Hämatologie hin: Mikulicz’sche und Banti’sche Krankheit, Milz- 
exstirpation bei Leukämie und bei Pseudoleukaemia infantum. 

Die morphologische Blutuntersuchung besitzt eine ganz besondere diagnostische 
Bedeutung bei Erkrankungen des lIymphatischen und hämatopoetischen Systems, 
wenn sie sich, wie gar nicht selten im Frühstadium, klinisch als isolierte Ge- 
schwülste präsentieren. Hier vermag sie oft schon zeitig zwischen echter Pseudo- 
leukämie, Hodgkin'scher Krankheit (malignem Granulom), Tuberkulose des 
lymphatischen Systems und Lymphosarkom zu differenzieren. 

Bei vier Fällen von Lymphdrüsenschwellung unklaren Ursprungs konnte auf 
diese Weise dreimal die Diagnose einer echten Iymphatischen Pseudoleukämie 
gestellt werden auf Grund des Befundes einer relativen Lymphocytose; zweimal 
waren auch große Lymphocyten im Blute. 

In einem Falle (13jähriger Knabe mit linksseitigen, isolierten Halslymphomen; 
außer dem Blutbefunde keine Zeichen einer generalisierten Affektion) wurden die 
Lymphome exstirpiert; sofortiger Rückgang der Blutveränderung, aber nach 
6 Wochen Rezidiv und Verschlechterung des Blutbildes. 

Außer bei diesen sog. Systemaffektionen ist die Blutanalyse angezeigt bei 
allen auf Echinokokkus verdächtigen Fällen wegen der dabei vorhandenen Eosino- 
philie. (Selbstbericht.) 


c. Esser (Bonn): Blut- und Knochenmarksveränderungen bei Er- 
nährungsschäden. 

Vortr. berichtet erstens über experimentell bei jungen Ziegen durch Dar- 
reichung von hoch- und zu lange sterilisierter Milch erzielte Knochenmarks- und 
Blutveränderungen, die auffallend mit den bei der Barlow’schen Krankheit oder 
Osteotabes infantum gefundenen übereinstimmen: Schwund des Zellmarkes und 
Ersatz desselben durch gallertig degeneriertes Fasermark, Verschmälerung der 
Knorpelwucherungszone und mangelhafte Bildung schmaler Knochenbälkchen vor- 
nehmlich durch Verminderung der Apposition infolge kümmerlicher und spärlicher 
Entwicklung von Osteoblasten, Blutungen in das Knochenmark, und am Blute 
Zeichen der Anämie mit fast völligem Schwund der polynukleären Zellen und 
Auftreten von Myeloblasten. 

Ferner gelang es E., bei Ziegen durch quantitativ fehlerhafte Ernährung, 
speziell durch übermäßige Eiweißzufuhr, an der endochondralen Ossifikationsgrenze 
Veränderungen hervorzurufen, die den bei Rachitis beobachteten entsprechen: er- 
hebliche Knorpelwucherung, mangelhafte provisorische Verkalkung, unregelmäßiges 
Vordringen zellreichen, hyperämischen Markes in den Knorpel und Liegenbleiben 
großblasigen Zellknorpels im Mark mit Übergang in osteoide Substanz. Hierbei 
fand sich im Blut neben einer geringen Anämie eine Hyperleukocytose. 

(Selbstbericht.) 


d. Stich (Bonn): Über biologische Veränderungen nach Gefäß-und 
Organtransplantationen. 

Die histologischen Verhältnisse bei einfachen zirkulären Gefäßnähten decken 
sich auch bei langer Beobachtungsdauer (über 1 Jahr) mit den von Jakobsthal 
für kleinere Gefäßwunden gefundenen Veränderungen. 

Vom gleichen Tier oder einem anderen Tier der gleichen Spezies überpflanzte 
Arterien heilen histologisch unverändert ein, ebenso Arterien vom getöteten Tier 
der gleichen Spezies. Dagegen gehen Gefäße artfremder Tiere (Katze, Kaninchen, 
Mensch), auf die Hundecarotis überpflanzt, in allen ihren Schichten zugrunde und 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1367 


werden durch ein Bindegewebe ersetzt, in dem sich bald elastische Fasern ent- 
wickeln. 

Venen des gleichen Tieres heilen leicht in resezierte Arterien ein. Infolge 
starker Vermehrung der elastischen Elemente in der Intima der Vene bleibt auch 
nach Jahr und Tag Aneurysmabildung aus. Media und Adventitia der Vene ver- 
änderten sich nur wenig. Übrigens steht die Neubildung elastischer Elemente 
lange nicht im Einklang mit dem durch den Verlust der Arterie bedingten Aus- 
fall dieses Gewebes. 

An exstirpierten und später an anderer Stelle im Körper mittels Gefäßnaht 
reimplantierten Schilddrüsen und einer Niere konnte Vortr. tadellose histologische 
Einheilung konstatieren. (Selbstbericht.) 


e. Fischer (Frankfurt) und Schmieden (Berlin) haben eine Reihe von Ge- 
fäßoperationen vorgenommen und die mikroskopischen Veränderungen fest- 
gestellt, welche die durch freie Plastik verlagerte Vene unter den neuen Druck- 
verhältnissen durchmacht, sowie wie sich die Vene verändert, wenn eine Arterie 
auf eine Vene gepflanzt, der Blutstrom auf dieses Weise umgedreht ist. Es ent- 
stehen Verdickungen der Wand im Sinne der Anpassung in gewissem Grade, 
auch eine Verdickung der Intima. Erweiterung oder gar Aneurysmenbildung 


entsteht nicht. (Selbstbericht.) 
f. W. Capelle (Bonn): Über Dauerresultatenach Gefäß-und Organ- 
transplantationen. 


C. berichtet über die Erfolge, die an der Klinik Garr? mit der Gefäßnaht 
erzielt worden sind. | 

Nachdem Arterienstücke, in Kontinuitätsdefekte anderer Arterien des gleichen 
Tieres implantiert, nach 40 Tagen glatt eingeheilt waren, wurden Implantations- 
versuche mit Arterienmatrial vom toten Tier der gleichen Spezies und mit leben- 
dem Arterienmaterial einer anderen Tierspezies — an Hunden — vorgenommen. 

1/a—11/a Stunde post mortem herausgenommene und eingesetzte Arterienstücke 
waren nach 4, 5 und 11 Tagen frisch und funktionsfähig. Heteroplastisches Arterien- 
material wies dagegen nach 50 Tagen und früher mikroskopisch hochgradige 
degenerative Veränderungen auf, war aber funktionell intakt und für den Blut- 
strom durchlässig. Die Versuche, Venen als Ersatz für arterielle Defekte heran- 
zuziehen, waren sehr erfolgreich. In die Carotides communes eingepflanzte Venae 
jJugulares externae neigten selbst nach 409 Tagen nicht zu aneurysmatischen De- 
generationen; ihre Wand hatte sich durch Dickerwerden dem arteriellen Blutdruck 
angepaßt. Die Venen zeigten sich als ein vollgültiges Ersatzmaterial für Defekte 
auch größerer Arterienrohre und lassen sich den experimentellen Ergebnissen zu- 
folge auch für die Chirurgie am Menschen durchaus empfehlen (z. B. bei Aneurysma- 
exstirpationen, Entfernung maligner Tumoren, die auf große Gefäße übergegriffen 
haben usw.). 

Bei den Verpflanzungen ganzer Organe mittels Gefäßnaht dienten Schilddrüse 
und neuerdings Nieren als Implantationsobjekte. 

Schilddrüsen: Abgesehen von dem künstlich eingesetzten Organ wurde dem 
Versuchstier a priori alles andere Schilddrüsengewebe genommen. Der Hund 
blieb munter und gesund; als ihm dann nach 245 Tagen das implantierte Organ 
wieder entfernt wurde, trat prompt Tetanie ein und führte innerhalb von 3 Wochen 
zum Tode. Die überpflanzten Drüsen erwiesen sich nach Jahr und Tag als vol] 
erhaltene gesunde Organe, mikroskopisch so gut wie nicht verändert. 

Nieren: Die Nierentransplantationen stehen noch im Anfange der Entwicklung. 
Die Beobachtungsdauer beträgt bis jetzt 6 Tage bzw. 3 Wochen. Bei zwei positiv 
ausgefallenen Versuchen blieben die Nieren lebend und funktionsfähig. Die Urin- 
absonderung ging weiter und war besonders gut an einer in den Hals eingepflanzten 
Niere zu beobachten. Die produzierte Flüssigkeit erwies sich chemisch als regulärer 
Urin. (Der Vortrag erscheint andernorts ausführlicher). (Selbstbericht.) 


Diskussion: Ernst Unger (Berlin): Aus einer großen Reihe von Trans- 
plantationsversuchen zum Teil mit Gontermann, Berlin, hebe ich hervor: 


1368 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 


1) Die Einpflanzung einer entfernten Niere an der alten Stelle ist technisch 
kaum ausführbar. 

2) Die Einpflanzung der Niere mit ihren Gefäßen am Halse gelingt leichter, 
führt am Tiere nur wegen der eintretenden Verunreinigungen der Wunde nicht 
zu Dauerresultaten. 

3) Die Einheilung einer entfernten Niere an die Iliacagefäße ist das zweck- 
mäßigste; es gelingt, die Funktion der Niere hier zu erhalten. 

4) Die Wiederholung der Versuche von Carrel und Guthrie, beide Nieren 
zugleich mit Ureteren und Harnblase einzupflanzen (bei Katzen) ist uns noch nicht 
eindeutig gelungen. (Selbstbericht.) 

g. Ribbert (Bonn) sprach: 

1: Über den günstigsten Ort für die Schilddrüsentransplantation. 
Nach Untersuchungen von Carraro im Bonner pathologischen Institut ist nicht 
die Milz, oder das Knochenmark, sondern die Subcutis am besten geeignet. Man 
verpflanzt am besten platte Scheiben der Schilddrüse. 

2: Über die Alterotransplantation der Schilddrüse. Die Verpflanzung 
des Gewebes von Ratten, Meerschweinchen und Hunden auf Kaninchen versagte 
stets. Einmal gelang dagegen die Übertragung menschlichen Schilddrüsengewebes 
in die Hundemilz. Nach 7 Tagen war das verpflanzte Stück völlig eingeheilt. 

h. 3) Uber die Regenerationsfähigkeit epithelialer Organe. Die Re- 
generation der Speicheldrüse ist sehr unvollkommen. Es bildet sich nur in relativ 
geringer Menge ein aus verzweigten Kanälen bestehendes, aber niemals wieder 
funktionsfähig werdendes Gewebe. (Selbstbericht.) 


i. v. Lichtenberg (Kronburg) (gemeinsam mit Leo Müller- Heidelberg) 
spricht über das postoperative Verhalten der Lungen und des Herzens. 
Retrospektive Statistiken geben nur relative Morbiditätswerte. Um absolute Werte 
zu gewinnen, wurden 100 Bauchfälle der Heidelberger chirurgischen Klinik vor 
und nach der Operation genau auf den Zustand der Lungen und des Herzens 
untersucht. Der systolische und diastolische Blutdruck wurde mit dem Tonometer 
v. Recklinghausen’s bestimmt. Nach tabellarischer Demonstration der durch 
diese Untersuchungen gewonnenen Zahlen werden die wichtigsten Resultate in 
folgende Schlußsätze zusammengefaßt: Postoperative Lungenkomplikationen im 
absoluten Sinne kommen ungemein viel häufiger vor, als man es auf Grund der 
vorhandenen retrospektiven Statistiken annehmen konnte (diese Untersuchungen 
stellten in 35% die physikalischen Befunde einer pneumonischen Lungenkomplika- 
tion fest), da sie in vielen Fällen vollkommen unbemerkt verlaufen können. 
Kurzdauernde geringe Temperatursteigerungen nach aseptischen Operationen 
werden vielfach durch solche »okkulte«e Lungenkomplikationen verursacht. Die 
Lungenkomplikationen treten meistens im unmittelbaren Anschluß an die Opera- 
tion auf und sind am 2., 3. und 4. Tage nach derselben physikalisch nachweisbar. 
Das Anästhesierungsverfahren übt keinerlei Einfluß auf die Zahl der Lungen- 
komplikationen aus. Die meisten Lungenkomplikationen sind embolischer Natur. 
Herzfehler haben scheinbar ätiologisch weniger Bedeutung wie relativ gering- 
gradige Veränderungen des Myokards und der Gefäße. Eine Veränderung der 
Verschieblichkeit der Lungengrenzen in den ersten Tagen nach der Operation’ 
erlaubt bedingte Schlüsse auf das Vorhandensein einer »okkulten Lungenkomplika- 
tion zu zieheu. (Selbstbericht.) 


k. Der Vortrag von Prof. Wright (London) beschäftigte sich mit den Prin- 
zipien und der Anwendung der Vaccinetherapie. Bekanntlich fand 
W. in den phagocythosebefördernden Kräften des Serums, den Opsoninen, einen 
neuen Indikator für die Widerstandskraft des Körpers gegenüber bakteriellen 
Infektionskrankheiten. Durch eine ingeniös ersonnene Methode gelang es ihm 
ferner, diese opsonische Kraft, von der er nachwies, daß sie der allgemeinen 
antibakteriellen Widerstandskraft parallel läuft, zu messen; als Ausdruck dafür 
gewann er den sog. opsonischen Index. Endlich ergab die wiederholte Kontrolle 
dieses opsonischen Index mit seinen größeren oder geringeren Werten ein Bild 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1369 


des entsprechenden Schwankens der Gesamtimmunität des Körpers und damit ein 
unvergleichliches diagnostisches Hilfsmittel. 

Die praktische Aufgabe strebte jedoch noch nach anderen Zielen; die Im- 
munität des Körpers mußte unabhängig von der bakteriellen Krankheit willkürlich 
gesteigert werden, um dann als Heilfaktor gegen die Krankheit wirken zu können. 
Dies Ziel erreichte W. auf dem Wege der Vaccinetherapie; er gewann die Erreger 
durch Züchtung, wenn möglich aus dem kranken Organismus selbst, und stellte 
sich durch eine Aufschwemmung der abgetöteten Bakterien ein sog. Vaccin her. 
Durch steigende subkutane Jnjektionen dieses Vaccins erreichte er dann unter 
ständiger Kontrolle des opsonischen Index ein langsames Ansteigen des letzteren, 
ein ebensolches der Gesamtimmunkräfte und klinisch eine Besserung wie Heilung 
des Prozesses selbst. Trotzdem die bakteriellen Vaccine nun abgetötete Er- 
reger enthalten, sind sie keineswegs indifferent für den kranken Organismus — 
die Immunitätsreaktionen mit Fieber, die vielfach den Injektionen folgen, zeigen 
das zur Genüge. So war denn ein großer Teil des W.'schen Vortrages den 
genaueren Indikationen seiner Vaccinetherapie gewidmet und der Festlegung ihrer 
Grenzen, damit einerseits keine übergroßen Hoffnungen bei ungeeigneten Fällen 
an die Vaccinetherapie geknüpft würden, die zu Enttäuschungen führen müßten, 
andererseits aber forderte er zu eingehender Nachprüfung seiner Resultate auf und 
zur Anwendung der Vaccinetherapie in den geeigneten Fällen. Hier erwartet 
W. dann eine volle Bestätigung der guten Resultate, die er bisher an seinem 
großen Londoner Materiale durch die Vaccinetherapie erzielte. 

(Selbstbericht.) 


l. Kleinsorgen (Elberfeld): Fett als Heilmittelin Chirurgie, innerer 
Medizin und Zahnheilkunde. 

Autor führt aus, daß die Rolle, die das Fett als chemischer Körper spiele, 
sehr indifferenter und neutraler Natur sei, und daß daher bei der bisher in der 
Medizin vorherrschend gewesenen chemisch medikamentösen Richtung nicht zu 
verwerten gewesen wäre, daß man einem Körper von so hervorragenden physika- 
lischen Eigenschaften die genügende Beachtung gezollt. In einer Zeitepoche je- 
doch, wie der jetzigen, wo die physikalisch-diätetische Heilmethode, wo die Hyper- 
ämie als Heilmittel den ihnen gebührenden Platz in der offiziellen Heilkunde 
eingenommen hätten, sei es an der Zeit, auch ein Heilmittel par excellence, wie es 
der Fettstoff in seinen verschiedenen Formen darstelle, zu würdigen uud ihm statt 
seiner sekundären Rolle, die es bisher hauptsächlich als Vehikel für Salben, Pasten, 
Linimente usw. gespielt, eine primäre zuzuweisen. Es werden dann nach einer 
einleitend naturphilosophischen Betrachtung des Fettes die physikalischen Eigen- 
schaften und Wirkungen desselben, wie sie uns in der Natur vor Augen treten, 
kurz berührt und aus diesen Erscheinungen heraus die Direktiven für ein thera- 
peutisches Handeln entwickelt. 

Es wird des Fettes als schützenden, einhüllenden und einbettenden Stoffes 
gedacht, ferner seiner Weichheit, Zartheit, Nachgiebigkeit und seines aseptischen 
Charakters und insofern als eines idealen Schutzstoffes für gereiztes und offen- 
liegenden Gewebes und als eines geeigneten Schutzmittels bei der Händedesinfektion. 

Als einer weiteren und wohl der wichtigsten Eigenschaft wird die Hyperämie 
und heilende Stauungswärme befördernde gedacht, die in der mannigfachsten 
Weise variiert werden kann, wie Fetteinreibungen und Massage, Auflegen von 
kleineren oder größeren fettdurchtränkten Stoffen in jeder Stärke und vor allem 
durch entsprechendes Temperieren des Fettstoffes. Die heilende Zellaktivität kann 
so bis zu jeder gewünschten Grenze gesteigert und der Gebrauch von sog. reizenden 
Salben überflüssig gemacht werden. In dieser Form stelle die Fett- oder Oltherapie 
eine willkommene ungefährliche, in der täglichen Praxis zu verwertende Ergänzung 
der Bier’schen Heilmethoden dar. 

Weiterhin wird des Fettes als konservierenden Stoffes für die Haut, Haare, 
Nägel und besonders noch für die Zähne gedacht, seine lösende Eigenschaft für 
harten Darminhalt, für Steinbildungen usw. wird hervorgehoben, seine Bewertung 
als aktiven Wärmebildners in der Ernährungsfrage, seine schmerzstillenden ın' 


1370 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 


beruhigenden Eigenschaften nicht nur infolge der hyperämisierenden Eigenschaft, 
sondern auch der Charaktereigenschaften des Fettstoffes als solchen gewürdigt. 

Schließlich werden noch die speziellen Indikationen für die drei Disziplinen 
der Chirurgie, innere Medizin und Zahnheilkunde besprochen. 

Neben den schon bekannten Anwendungsformen, wie z. B. bei Magen- und 
Darmgeschwüren, bei Gallensteinen usw., wird einer häufigeren mehr kausalen 
Anwendung der reinen ungemischten Fettstoffe in der Wundbehandlung und vor 
allem einem ausgiebigeren Gebrauch zur Erzeugung von Hyperämie und heilender 
Stauungswärme speziell für die Hauspraxis das Wort geredet. 

Als neue Anwendungsformen werden in Vorschlag gebracht und zur Prüfung 
anempfohlen: Benutzung von Ol-Ganz- und Teilbädern bei Verbrennungen, rheu- 
matischen Leiden, Entzündungen aller Art usw., ferner Inhalation von Oldämpfen 
(reines Vaselinöl) bei Krankheitsprozessen der Atmungsorgane, dann Öleinläufe bei 
Katarrhen und Geschwüren der Blase, der Genitalsphäre, zur leichteren Lösung 
und Entfernungen von Blasensteinen, weiterhin event. Verwendung von Ölsprays 
in der Wundbehandlung, schließlich Fetteinreibung als aseptischer Handschutz für 
den Operateur. (Selbstbericht.) 


m. O. Zeller (Berlin): Zur Frage der Wiederbelebung. 

Redner hat, angeregt durch die Erfolge Kuliabko's bei der Wiederbelebung 
auch menschlicher Herzen, frisch getötete Tiere (d. h. Tiere, deren Reflexe er- 
loschen waren, deren Atmung und Herzschlag zum Stillstand gekommen war) 
durch Speisung der Kranzarterien mit sauerstoffhaltiger Nährflüssigkeit wieder 
zu beleben versucht. Von komplizierten Methoden, den physiologischen Versuch 
am ausgeschnittenen Herzen in situ nachzuahmen, ist er zu der einfachen zentri- 
petalen intraarteriellen Infusion von einer Carotis oder Brachialis her unter ge- 
nügendem Sauerstoffdruck übergegangen, einem Verfahren, das den Vorteil der 
gleichzeitigen Durchströmung des Herzens und der nervösen Zentralorgane hat, 
aber den Nachteil, das Durchströmungsgebiet auch auf unwichtige Teile auszu- 
dehnen und so die Menge der erforderlichen Durchströmungsflüssigkeit stark zu 
steigern. Man kann dem durch Abschnüren der oberen Extremitäten und Kom- 
pression der Bauchaorta teilweise abhelfen. 

Auch stellte sich die Notwendigkeit heraus, auf Transfusion gleichartigen 
Blutes — für den Menschen kommt nur Menschenblut oder das höherer Menschen- 
affen in Frage — zurückzugreifen, und zwar unter Vermeidung der mit derselben 
bisher verbundenen Gefahren. Der Gefahr der Überdehnung des rechten Herzens 
und der Rückstauung des venösen Blutes nach den nervösen Zentralorganen be- 
gegnet die zentripetale arterielle Transfusion, den Bedenken gegen die Anwendung 
defibrinierten Blutes die Benutzung ganzen Blutes, das durch, den physiologischen 
Antithrombinen ähnlich wirkende, Antithrombine flüssig erhalten ist. Verwendet 
ist bisher das Blut peptonisierter Blutspender — die intravenöse Injektion von 
Pepton hemmt die Gerinnung, die Beifügung von Pepton zum ausströmenden 
Blut aber nicht — und mit Hirudin, das als wahres Antithrombin das Fibrin- 
ferment unschädlich macht, gemischtes Blut. Die Peptoninjektion wirkt in ziem- 
lich hohem Grade giftig auf die Herztätigkeit, das Blut peptonisierter Tiere aber 
ist für andere ungiftig. Hirudininjektion zeigt keine schädlichen Wirkungen auf 
Herz- und Nierentätigkeit. — 

Die Herztätigkeit wurde in den Versuchen durch den Gad’schen Blutdruck- 
und Pulsschreiber genau kontrolliert, der auch die Atemschwankungen erkennen 
läßt. — 

Wiederbelebung nach Entblutung. 

Nach unbedingt und ausnahmslos tödlichen Blutungen, also von mehr als ?/3 
der Blutmenge (Schramm, Maydl), gelang mehrmals die Erhaltung des Hundes 
durch intravenöse Transfusion von Peptonblut. 

Wurde nach weitmöglichster Entblutung das Gefäßsystem noch durch Koch- 
salzinfusionen ausgespült, bis der Herzschlag völlig erloschen war, so gelang durch 
zentripetale arterielle Transfusion die Wiederbelebung meist prompt, außer wenn 
durch zu profuse Kochsalzinfusionen nach Stillstand (es Herzens das rechte Herz 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1371 


überdehnt war, oder wenn die Vita minima bei winzigen Pulserhebungen zu lange 
gewährt hatte. 

Für die dauernde Erhaltung der Tiere hatte Peptonblut die günstigsten 
Ergebnisse. 

Bei reichlicher Verwendung von defibriniertem Blute traten zuweilen Blutungen 
in die Luftwege, den Darm und die Bauchhöhle auf. — Letzteres besonders auch, 
wenn das Gefäßsystem überfüllt ward und dann Thoraxkompressionen gemacht 
waren. — 


Wiederbelebung durch Chloroform vergifteter Hunde. 

Vergiftung durch Einblasung sehr dichter Chloroformdämpfe oder durch intra- 
venöse Injektion von Chloroform, da reichliche Chloroformierung mit gewöhnlicher 
Maske meist zu Atemstillstand führt, während das Herz noch sehr lange weiter 
schlägt. — 

Intravenöse Infusion von O-haltiger Salzlösung brachte nur geringe Herzaktion 
wieder. — 

Zentripetale arterielle Durchströmung mit O-haltiger Locke’scher Flüssigkeit 
machte Wiederkehr des Herzschlages und der Atmung, aber nur für kurze Zeit. 

Zentripetale arterielle Transfusion von Hirudinblut blieb nahezu wirkungslos, 
wenn nach Aufhören der Atmung das Herz noch sehr lange geschlagen hatte, 
das Tier also schließlich erstickt war, wirkte dagegen, wenn Versuchsfebler ver- 
mieden waren, meist prompt und sicher bei plötzlichem Herzstillstand, also dem 
bisher gefürchtetsten Zufalle.. — Durch Kontrollversuche wurde festgestellt, daß 
unter gleichen Verhältnissen die üblichen Wiederbelebungsmethoden erfolglos 
blieben. — 

Die demonstrierten Pulskurven zeigen die Wiederkehr normalen Pulses und 
Blutdruckes. Manche der Tiere standen nach Beendigung des Versuches auf. — 

Viele Tiere sind infolge ungünstiger äußerer Verhältnisse noch nachträglich 
eingegangen. — 

Bei Chloroformtod des Menschen würde das Verfahren wohl zu spät kommen, 
könnte aber versucht werden, nachdem während der Vorbereitungen die üblichen 
Mittel angewandt sind. — Vielleicht ist aber ein Erfolg zu erhoffen z. B. bei Tod 
während der Naht von Herzwunden oder bei der Trendelenburg'schen Ex- 
traktion von Emboli aus der Lungenarterie. (Selbstbericht.) 


n. Kienböck (Wien): Erstattet das Referat über den heutigen Stand der 
Röntgentherapie. Er hebt unter anderem den wachstumshemmenden und zerstö- 
renden Einfluß der Röntgenstrahlen hervor, der sich bei sehr radiosensiblen Sarkomen 
durch die ganze Dicke des Körpers erstreckt, bei den weniger empfindlichen 
Karzinomen nur bis zur Tiefe weniger Zentimeter; doch dürfte die Dessauer- 
Holzknecht’sche Homogenbestrahlung eine bessere Tiefenwirkung hervorbringen. 
Bei etwa 2000 mit den Sabourand-Noire&’schen Radiometer applizierten Voll- 
dosen hat K. nach der ersten Bestrahlung nie Dermatitis auftreten gesehen; 
dagegen einige Male, wenn nach 14 Tagen abermals eine Volldose gegeben wurde; 
es handelte sich auch hier nur um Radiodermatitis 2., nie 3. Grades. K. hält 
dieses Dosimeter für das Beste; er verwendet sein »Quantimeter« nur zur Er- 
gänzung, nie allein. Das neue von Strauss konstruierte Radiometer ist seinem 
Apparat nachgebildet, doch wahrscheinlich unverläßlich. Daß es Fälle von Idio- 
synkrasie für Röntgenlicht gebe, ist an konkreten Fällen noch immer nicht erwiesen 
worden. (Selbstbericht.) 


o. H. Gocht (Halle a. S): Die Schädigungen, welche durch die 
Röntgenstrahlen hervorgerufen werden, die Vermeidung und Be- 
handlung, schließlich die forensische Bedeutung derselben. 

Schlüsse: 

1) Nur unter Verantwortung des Arztes darf die Röntgenuntersuchung und 
Röntgentherapie in Anwendung kommen. 

2) Der Arzt, welcher mit Röntgenstrahlen arbeitet, muß die dem heutigen 
Stande dieser Spezialwissenschaft entsprechenden prophylaktischen Maßnahmen 


1372 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 


kennen, er muß die Dosierungsfrage genau studieren und stets die unumgänglich 
notwendige Vorsicht nach allen Richtungen hin anwenden. . 

3; Der Arzt soll seine Pat. darüber aufklären, daß trotz aller Vorsicht Uber- 
dosierungen vorkommen, zumal wenn eine gewisse Reaktion 1. oder 2. Grades 
absichtlich hervorgerufen und unterhalten werden muß. 

4) Da es gelegentlich dem Arzt als gravierend ausgelegt worden ist, wenn er 
während der Behandlung das Röntgenzimmer verläßt, so muß ausdrücklich kon- 
statiert werden, daß hieraus besonderes Verschulden nicht hergeleitet werden 
darf. Unsere heutigen Apparate und Röhren arbeiten bei den kurzen Expositions- 
zeiten, die wir im allgemeinen auch für die Röntgentherapie brauchen, genügend 
gleichmäßig. 

5) Bei Anklagen, vermeintliche oder wirkliche Röntgenschädigungen betreffend, 
ist es dringend zu befürworten, daß zur Begutachtung Arzte herangezogen werden, 
die selbst anerkannte Röntgenfachleute sind. Jedenfalls müssen die betreffenden 
Gutachter mit der Wirkungsweise der Röntgenstrahlen und mit den biologischen 
Eigenschaften derselben aufs genaueste möglichst aus eigener Erfahrung vertraut sein. 

6) Und zum Schlusse soll noch besonders betont werden, daß bei dem heutigen 
Stande der Röntgentechnik Röntgenschädigungen bei Pat. zu den Seltenheiten 
gehören und immer mehr gehören werden. Die Hauptleidtragenden, die zum 
großen Teil dauernd und schwer durch Röntgenstrahlen Geschädigten sind nicht 
die Pat., sondern die um den Ausbau der Röntgenkunde hochverdienten Ingenieure 
und Arzte. (Selbstbericht.) 

Diskussion. 

Luxembourg (Köln): Vorstellung eines Falles von Berufsrönt- 
genkarzinom. 

Schwester B., seit Juni 1898 im Kölner Bürgerhospital als Röntgenschwester 
mit der Röntgenaufnahme und Plattenentwickelung beschäftigt. 

Die karzinomatöse Degeneration der an beiden Händen trotz Salben- und 
sonstiger Behandlung auftretenden Geschwüre (pathologisch-anatomische Diagnose: 
Plattenepithelkarzinom mit starker Verhornung) machte im Laufe der Jahre 1%7 
und 1908 die Amputation des linken Vorderarmes an der Grenze des oberen und 
mittleren Drittels und die Exartikulation des rechten Daumens im Metakarpopha- 
langealgelenk erforderlich. 

Der Fall ist als relativ gutartig zu bezeichnen, da vor, während und nach 
der Behandlung regionäre Lymphdrüsenmetastasen palpatorisch nicht nachzu- 
weisen waren. 

Was die Therapie der Röntgenkarzinome der Extremitäten anbelangt, so bin 
ich auf Grund der bei diesem Falle gemachten Beobachtungen, zumal im Hinblick 
auf die mehrfach notwendig gewordenen Nachoperationen, der Ansicht: es ist 
möglichst frühzeitig und vor allem ausgiebig im Gesunden, speziell im Bereiche 
gesunder Haut, zu amputieren bzw. zu exartikulieren. (Selbstbericht). 


p. Zur Verth (Berlin): Über die Narkose bei künstlich verkleiner- 


: tem Kreislauf. 


Die Beobachtung, daß ausgeblutete Menschen leicht zu narkotisieren sind, 
veranlaßte Klapp, die Menge des frei im Körper kreisenden Blutes durch Ab- 
schnürung der Extremitäten einzuschränken. Ziegner’s durch Klapp’s Mit- 
teilungen veranlaßte Experimente ergaben, daß Kaninchen, denen die beiden 
hinteren Extremitäten abgeschnürt sind, schneller in Narkose fallen und besonders 
schneller erwachen als gleichschwere Kontrolltiere. Redner sah beim Menschen 
keine Schädigung von Abschnürungen der Extremitäten und erzielte durch die 
Abschnürung beider Beine die Möglichkeit, jeden Menschen mit Athertropfnarkose 
einzuschläfern. Auffällig war besonders schnelles Erwachen nach Lösung der 
Umschnürungen, das gleichzeitig mit dem Aufhören der Narkose erfolgte. Redner 
erwartet besonders bei Narkosezufällen eine starke Anregung des Atemzentrums 
durch das in Überschuß kohlensäurehaltige Blut, das aus den Extremitäten nach 
schneller Lösung der Umschnürung dem Kreislauf zugeführt wird. 

(Selbstbericht.) 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1373 


Diskussıe n: Anschütz (Kiel) hat sich in etwa 50 Fällen der Abschnürung 
der unteren Extremitäten, in einigen wenigen Fällen auch der der oberen Extremi- 
täten bedient und leidlich gute Erfolge gesehen; jedenfalls hat er weniger vom 
Narkotikum gebraucht als sonst. Er fürchtet indessen die Gefahr der Nachblutung 
und möchte deshalb das Verfahren bei intestinalen Operationen nicht anwenden; 
für Schädel- und Halsoperationen eignet es sich am meisten. 


Ritter (Greifswald) gebraucht die Kopfstauung zur Verhinderung des Er- 
brechens nach der Athernarkose und bittet um Nachprüfung des anspruchslosen 
Verfahrens, das ihm gute Dienste leistet. 


In seinem Schlußwort betont zur Verth, das es sich bei Klapp’s und 
seinem Vorgehen um alles andere als um eine Stauung handele; die Extremität 
wird zur Einschränkung der im Körper kreisenden Blutmenge abgeschnürt und 
so eine Art Reservevorrat an Blut geschaffen. Nachblutungen hat zur Verth nie 
gesehen. Goebel (Köln). 


q. W. Kausch (Berlin-Schöneberg): Ein Instrument zur lumbalen 
Punktion, Injektion und Druckmessung und ein Verfahren der 
letzteren. 

K. demonstriert ein von ihm konstruiertes Instrument, das zur Lumbalpunktion, 
Injektion und Druckmessung dient. An der gebräuchlichen Lumbalpunktionsnadel 
befinden sich zwei seitlich abgebogene Ausflußröhren, jede mit einem Hahne ver- 
sehen. Die eine hat eine enge Mündung, aus ihr tropft beim Einstich der Liquor, 
und es wird so erkannt, daß die Nadel richtig innerhalb der Rückenmarkshüllen 
liegt. Durch diese Röhre kann auch Liquor angesaugt und Flüssigkeit eingespritzt 
werden. Die andere Röhre besitzt eine weitere Mündung, auf die die Rekord- 
spritze paßt. Sie dient zur Injektion und zur Druckmessung. 

Zu letzterem Zwecke wird an die Mündung ein Gummischlauch von beliebiger 
Länge, für gewöhnlich 20 bis 40 cm, bei sehr hohem zu erwartendem Druck ein 
längerer angesetzt. Am anderen Ende des Gummischlauches befindet sich ein 
Glasrohr von 20 cm Länge, das in der Mitte eine zirkuläre Marke besitzt. Die 
Weite des Glasrohres ist beliebig. Schlauch und Glasrohr werden bis zur Marke 
mit steriler Kochsalzlösung gefüllt, das Glasrohr wird senkrecht gehalten in solcher 
Höhe, daß die Marke dem zu erwartendem Druck entspricht. Wird nun der 
Hahn geöffnet, so wird die Flüssigkeit im Glasrohre steigen oder fallen. Das 
Glasrohr wird so bewegt, daß der Flüssigkeitsspiegel sich genau an der Marke 
befindet und still steht. Alsdann entspricht die Höhendifferenz zwischen der Ein- 
stichstelle des Trokars und der Marke dem zerobrospinalen Drucke. Diese Druck- 
messungsmethode hat den großen Vorteil, daß dabei kein Liquor verloren geht, 
wie bei allen bisher üblichen Methoden; es wird also der tatsächlich bestehende 
Druck gemessen. Man ist ferner vollständig unabhängig von der Weite des Glas- 
rohres und des Gummischlauches. (Selbstbericht.) 


r. Kuhn (Kassel): Sterilcatgut. 

Redner verbreitet sich des näheren über sein Sterilcatgut, und legt die handels- 
fertigen Proben des neuen Präparates vor. 

Das Wesentliche an diesem neuen Präparat ist die von dem Verf. eingerich- 
tete und kontrollierte, mittels besonderer Spezialmaschinen sich voll ziehende 
Fabrikation des Rohfadens nach aseptischen Grundsätzen, und zwar dies 
vom Darme des frischen Schlachttieres ab bis zur Verpackung. Bei dieser 
Fabrikation ist auf »händeloses« Manipulieren ähnlich wie in der Praxis des 
Chirurgen der Hauptwert gelegt. 

Die Vorkehrungen des Autors zwingen die Bearbeiter zur selbstverständ- 
lichen Einhaltung aseptischer Regeln und Grundsätze, da diese in der Anlage des 
Verf. gewissermaßen automatisch zur Verwirklichung kommen. Nur durch grobe 
Nachlässigkeiten, die durch gewissenhafte Kontrolle beseitigt werden, sind Fehler 
möglich. 

In einer bestimmten Phase der Bearbeitung ist eine gründliche und zuver- 


1374 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 


lässige Desinfektion des Rohdarmfadens vor dem Drehen desselben eingeschaltet. 
Eine Neuinfektion wird bei der Weiterbearbeitung unmöglich gemacht. 

Auf diese Weise entsteht ein mit einem reizlosen Dauerantiseptikum in allen 
Schichten durchsetzter, absolut in allen Schichten keimfreier Faden. 

In den Handel kommt der Faden in zwei Verpackungen: 

1) in der oben geschilderten Form als Sterilrohcatgut-Kuhn, zur Weiterbear- 
beitung, und 

2) als Sterilcatgut-Kuhn gebrauchsfertig, nachdem der Faden samt Verpackung 
noch eine zuverlässige Endsterilisation erfahren hat. (Selbstbericht.) 


s. Kuznitzky (Köln): Die ambulante Behandlung der Bubonen. 

K. behandelt Bubonen seit 11 Jahren ausschließlich durch galvanokaustische 
Punktion. Fluktuation wird nicht abgewartet, sondern der Bubo wird punktiert, 
sobald Pat. Schmerzen in der Leiste empfindet. K. führt die Punktion unter 
Chloräthylanästhesie mit dem Middeldorpf-Brenner für Stromstärke von ca. 
50 Ampère aus, indem er an der am meisten empfindlichen Stelle mit den fast 
zur Weißglut erhitzten Brennerende ca. 2—2i/, cm tief eingeht. Die Pat. fühlen 
sich, selbst wenn noch kein Eiter austritt, sofort erleichtert und können ihrem 
Berufe weiter nachgehen. Die Punktionsstelle wird mit impermeablem, reizlosem 
Pflaster geschlossen (Zinkoxydparaplast z. B.. Darüber kommt als Verband das 
sehr einfache Bubo-Gürtelsuspensorium (bei Kühne, Sierus, Neumann, Köln). 

Vor dem Schlafengehen macht Pat. ca. 1 Stunde lang täglich warme Breium- 
schläge über das Pflaster, bis nach einigen Tagen der Eiter reichlich fließt. Nach 
durchschnittlich 2—3 Wochen versiegt die Eiterung. Das kosmetische Resultat 
ist sehr zufriedenstellend, da die Narben völlig unauffällig sind. Fistelbildungen, 
die etwa noch nachträglich eine Spaltung mit dem Messer erforderlich gemacht 
hätten, wurden niemals beobachtet. (Selbstbericht.) 

(Fortsetzung folgt.) 


17) T. Leary (Boston). The use of fresh animal sera in hemorrhagic 


conditions. 
(Boston med. and surg. journ. 1908. Juli 16.) 

In einer größeren Reihe von Fällen bekämpfte L. schwere Blutungen (Ikterus, 
Hämophilie, Purpura, Uterus-, postoperative Blutungen, Typhus, Blutungen bei 
Neugeborenen) durch subkutane Injektionen von Kaninchenblutserum mit sehr 
gutem Erfolg. Verschiedentlich konnte er eine auffällig stimulierende Wirkung 
des Serums feststellen. L. gewinnt das Serum durch Punktion des Herzens; nach 
Absetzen des Blutkoagulums im Thermostaten zentrifugiert er das Serum und er- 
hält es nach 2 Stunden in gebrauchsfertigem Zustande. Die Kaninchen konnte er 
nach 2—3 Wochen wieder benutzen. L. erlebte bei seinen Injektionen niemals 
ernstere Störungen, einigemal konnte er ähnliche Exantheme beobachten, wie sie 
auch nach Injektionen von Diphtherieheilserum beschrieben worden sind. L. be- 
absichtigt zu weiteren Versuchen, die er im City- und Carney-Hospital in Boston 
anstellt, größere Mengen des Serums herzustellen. H. Bucholz (Boston). 


18) Andre. Sur la nature du dépot constanté dans quelques flacons 
de chloroforme. 
(Arch. de méd. et de pharm. militaires 1908. Juli.) 

In einigen mit Chloroform gefüllten Flaschen zeigte sich ein schwacher Nieder- 
schlag, der aus kleinen glänzenden Plättchen und zarten Flocken bestand. Eine 
genauere Untersuchung ergab, daß die Plättchen von dem Kitt herrührten, mit 
dem der Stöpsel der Flasche verkittet war, während die Flocken aus buttersaurem 
Kalium bestanden, das sich unter dem Einfluß des Chloroforms aus dem Glyzerin 
des Kittes bildete. Die Reinheit des Chloroforms wurde durch diesen Niederschlag 
nicht beeinträchtigt, und war es zur Narkose ebenso gut brauchbar wie ungetrübtes. 

Herhold (Brandenburg). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1375 


19) A. E. Barker. A third report on clinical experiences with spinal 


analgesia: with a third. series of one hundred cases. 
(Brit. med. journ. 1908. August 22.) 

Seinen 200 Fällen von Lumbalanästhesie (Zentralblatt 1907, Nr. 29 und 1908, 
Nr. 16) fügt B. hier ein weiteres Hundert an, so daß er nun über 300 solcher 
Fälle, im gleichen Krankenhause vom gleichen Chirurgen behandelt, verfügt. 
Grundsätze und Technik sind die gleichen geblieben und an oben erwähnten Orten 
einzusehen. Nur hat B. die Operationsgrenze etwas mehr nach oben verschoben. 
Die wenigen nicht ganz gelungenen Anästhesien gehören diesen schwierigen Fällen 
an. Die bei abdominalen Fällen mit hochreichender Gefühllosigkeit zuweilen vor- 
kommenden Fälle von Blässe und Ohnmachtsanwandlungen bezieht Verf. auf eine 
Gehirnblutleere, die eine Folge der durch Bauchmuskelerschlaffung eintretenden 
prallen Füllung der Bauchvenen ist. Kein Todesfall war auf Rechnung der Me- 
thode selbst zu setzen. Dagegen erlebte Verf. unter den aufdiese 300 folgenden Fällen 
zwei in sehr schlechtem Zustand Operierte, die bald nach dem Eingriff erlagen. 
Das eine war ein Probebauchschnitt bei sehr weit vorgeschrittenem Magenkrebs, 
das andere ein akuter Darmverschluß durch Kolonkrebs. Verf. ist geneigt, den 
tödlichen Ausgang in diesen beiden Fällen zunächst und hauptsächlich auf den 
schweren Krankheitszustand zu beziehen und erst in zweiter Linie auf die An- 
ästhesie. 

Die Technik hat sich bei jedem 100 verbessert: beim ersten mußte 14mal, 
beim zweiten 6mal, beim dritten 3mal mit Chloroform nachgeholfen werden. 2mal 
im letzten 100 mißlang die Punktion überhaupt: alte Männer mit unregelmäßigen 
Dornfortsätzen, der eine taub und nicht imstande die gewünschte Lage einzunehmen. 

Weber (Dresden). 


20) Hardouin. Les cas de mort après la rachistovainisation. 
(Arch. génér. de chir. 1908. II, 8.) 

Verf. berichtet kurz über einen Todesfall, den er bei seiner zehnten Spinal- 
analgesie mit Stovain erlebte und den er auf die Stovainverwendung zurückführt. 
Bei einem 59jährigen, sonst völlig gesunden Arbeiter wurde ein seit 20 Stunden 
eingeklemmter Bruch operiert. Die subarachnoideale Injektion von 0,07 g Stovain 
(Billon) ergab keine Besonderheiten, 3 Minuten später kollabierte der in leichter 
Beckenhochlagerung liegende Pat. während der Vorbereitung zur Operation. Atem- 
not, Würgbewegungen, Unruhe und leichenblaßes Gesicht werden durch Koffein- 
und Atherinjektionen nicht gemildert. Es wird rasch die Operation beendet, wäh- 
rend deren Pat. pulslos wird. Nach 1/4 Stunde ist kein Herzton zu hören, nur 
zeitweise erfolgt ein oberflächlicher Atmungszug. Die erst jetzt vorgenommene 
künstliche Atmung ist ohne Erfolg. Nach 20 Minuten tritt der Tod ein. 

Eine kritische Übersicht über 15 weitere Todesfälle bei der Rachistovainisation 
führt den Verf. zum Schluß, daß Stovain gefährlicher ist als Tropakokain, und daß 
die Spinalanalgesie überhaupt nicht so gefahrlos ist, als viele Autoren angeben. 
Sie ist daher nur ausnahmsweise und mit besonderen Vorsichtsmaßregeln im gut 
eingerichteten Hospitale zu verwenden. Eine Kontraindikation, die bisher noch 
nicht aufgestellt wurde, bilden alle Fälle von Darmverschluß, da unter den 15 
angeführten Todesfällen es sich 5mal um Brucheinklemmung und 1mal um Vol- 
vulus gehandelt habe. Strauss (Nürnberg). 


21) Henls. Un cas de tétanos traité par les ponctions lombaires et 


les injections intrarachidiennes de serum antitetanique. Gu£rison. 
(Arch. de méd. et de pharm. militaires 1908. August.) 

Der Tetanus war bei dem betreffenden Soldaten im Anschluß an eine Kopf- 
verletzung ausgebrochen. Nachdem durch eine subkutane Injektion von 100 cem 
Antitetanusserum und Chloralbydrat kein Erfolg gesehen war, wurde das Serum 
intralumbal eingespritzt. Hiernach ließen die Krämpfe nach, die Temperatur 
sank; nach 2 Tagen wurde noch eine zweite intralumbale Injektion gemacht, und 
nunmehr hörten die Krämpfe ganz auf, nach und nach trat Heilung ein. 

Herhold (Brandenburg). 


1376 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 


22) G. Haret. Les rayons X font-ils naitre le cancer? 
(Presse méd. 1908. Nr. 14.) 

Ein an beiden Händen mit Lupus behafteter Kranker bekam an der einen 
niemals mit Röntgenstrahlen behandelten Hand ein Epitheliom, wäbrend die andere 
bestrahlte Seite davon frei blieb. 

H. will ein auf einer bestrahlten Haut entstandenes Karzinom nicht als durch 
Röntgenstrahlen verursacht bezeichnet wissen, da den letzteren eine derartige spe- 
zifische Kraft nicht innewohnt; dieselben wirken ebenso, wie jeder andere andau- 
ernde Reiz, von dem wir wissen, daß er eine ursächliche Rolle bei der Entwick- 
lung von Krebsen bilden kann. Auf dem französischen Chirurgenkongreß 1907 hat 
Beclere über einen Kranken berichtet, dessen auf einer Röntgendermatitis ent- 
standenes Karzinom durch Röntgenstrahlen geheilt wurde. Fehre (Dresden). 


23) Geyser. Using the X-ray without burning. 
‘Journ. of the amer. med. assoc. Vol. L. Nr. 13.) 
Empfehlung der »Cornelltube« zu therapeutischen Zwecken. Diese Röhre ist 
aus Bleiglas angefertigt und besitzt nur ein Fenster aus Flintglas, das auf die zu 





bestrahlende Hautpartie aufgesetzt wird (oberste Stelle der Skizze. Nur hier 
können Röntgenstrahlen austreten. W. v. Brunn (Rostock). 


24) Wickham et Degrais. Action thérapeutique du radium dans_ la 


tuberculose cutanée. 
(Presse méd. 1908. Nr. 16.) 

Die Radiumbehandlung der verschiedenen Hauttuberkuloseformen, die einzeln 
besprochen werden, gab gute und schnelle Resultate mit glatten Narben. Kräftige 
Tiefen- und Breitenwirkung und langdauernde sorgfältige Überwachung der Pat. 
sind unumgänglich notwendig, da sich leicht Rückfälle einstellen. Die Behandlung 
selbst dauert/meist nur 2—3 Tage. Vergleiche zwischen den bisherigen Behand- 
lungsarten und der Radiumbehandlung halten Verff. für verfrüht. Beide haben ihre 
Vorteile und Nachteile; aber das Radium wird sich zweifellos seinen Platz be- 
haupten. Die Versuche der Verff. mit Einspritzungen von radioaktiven Lösungen 
haben ermutigende Erfolge gehabt. Die Erscheinungen gingen zurück oder 
schwanden ganz, ohne zu rezidivieren. Eine Kombination der Injektionen mit 
Bestrahlung kann vielleicht in manchen Fällen angebracht sein. 

Fehre (Dresden). 
25 McLaren. Note on syphilis of the liver. 
(Annals of surgery 1908. August.) 


An der Leber kommen drei typische Erscheinungen tertiärer Lues vor: 


1) milchartige, weiße, kleine Flecke von unregelmäßiger Gestalt; 2: einzelne Gummi- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1377 


knoten; 3) mehrfache Gummiknoten. Wenn auch die Behandlung zunächst eine 
interne mit Jodkali sein muß, so werden doch sehr große Knoten, die sich schwer 
resorbieren, dem Messer anheimfallen können. 

MecL. beschreibt drei Fälle, in welchen die Knoten mit dem Thermokauter 
aus dem Lebergewebe herausgeschnitten und die Leberwundflächen durch Catgut 
vereinigt wurden. Alle drei Fälle verliefen günstig. Aus der Literatur sind elf 
derartige Operationen bekannt geworden mit zwei Todesfällen — 12,5%. 

| Herhold (Brandenburg). 


26) G. Ferlavecchio. Über einen Fall von primärem Sarkom einer 


empyematösen Gallenblase. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVII. Hft. 2.) 

Die Zahl der Fälle von primärem Sarkom der Gallenblase beträgt nur sechs, 
einschließlich eines vom Verf. selbst beobachteten und ausführlich beschriebenen 
Falles. Die Kranken gehörten alle dem höheren Lebensalter an. Die richtige 
Diagnose ist nie vor dem Eingriff gestellt worden. Vermutungsweise läßt sich 
vielleicht ein Sarkom annehmen, wenn sich die Geschwulst unbestimmt und 
schmerzlos entfaltet, eine ansehnliche Größe erreicht und das Allgemeinbefinden 
stark beeinflußt. E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


27) B. E. Gerschuni. Über die subkutanen isolierten Verletzungen 


des Pankreas. 
(Russ. Archiv für Chirurgie 1908. [Russisch.)) 

Zu 19 bekannten Fällen fügt G. den 20., von J. J. Grekow operierten. 

Eine 43jährige Frau bekam abends einen Stoß mit einem Holzscheit gegen den 
Leib. Am anderen Morgen Erbrechen; nachmittags bei 64 Pulsen intensive Schmerz- 
haftigkeit der Oberbauchgegend, deren Muskeln bretthart gespannt waren, besonders 
rechts vom Nabel. Das aufgetriebene Epigastrium durch eine tiefe Furche ober- 
halb des Nabels vom übrigen Bauche getrennt. Keine Spuren der Gewalteinwirkung 
auf der Haut. Wegen zunehmender Schmerzen wurde (24 Stunden nach der Ver- 
letzung) operiert; es fanden sich ausgedehnte Blutungen im Netz und Mesokolon, 
auf dem Colon transversum und der großen Kurvatur des Magens, in der Radix 
mesenterii und dem Mesoileum. Blutungen an der Leberpforte. Netz, Bauchfell 
und Darmserosa waren übersät mit kleinen und größeren weißlichgrauen Plaques. 
Daraufhin wurde das Pankreas aufgesucht und ein querer, schwarz erscheinender 
Riß in der Nähe seines Kopfes gefunden. In der Umgebung stand dunkelbraune 
Flüssigkeit, nach deren Entfernung aus der Tiefe helles Blut quoll. Tamponade, 
Die Wunde eiterte mäßig, die Plaques vermehrten sich. Am 7. Tag erschien zum 
ersten Male Zucker im Hara. Am 9. Tage starb Pat. unter den Zeichen stetig 
zunehmender Schwäche, 

Bei der Sektion fand man massenhafte Herde der Fettgewebsnekrose; auch 
im retro- und präperitonealen Fett längs dem Bauchschnitt. Zwischen Magen und 
hinterer Bauchwand lag ein mit der Wundhöhle nicht zusammenhängender Abszeß 
von Apfelgröße, in seinem dicken, grünlich-gelben Eiter schwammen Klümpchen 
nekrotischen, verseiften Fettes bis zu Erbsengröße. In der Substanz des Pankreas 
waren die stecknadelkopfgroßen Herde im Schwanzteile besonders zahlreich. Zirka 
3cm vom Kopf entfernt ein 7 mm tiefer Querriß mit schmutzig-graugelblichen 
Rändern. In der Nähe des Risses war die Substanz der Drüse grau. 

G. bespricht die Schwierigkeiten der Diagnose bzw. deren Unmöglichkeit und 
macht besonders auf den beschriebenen Kontraktionszustand des Epigastrium auf- 
merksam, der möglicherweise in Zukunft einen wertvollen Fingerzeig abgeben 
könnte. V. E. Mertens (Kiel). 


28) J. Gobiet. Über Schußverletzungen des Pankreas. 
(Wiener klin. Wochenschrift 1907. Nr. 4.) 


18 bisher veröffentlichten Fällen reiht Verf. einen neuen an, der 18 Stunden 
nach der Verletzung zur Operation kam. Außer der stark gequetschten Schuß- 


1378 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 


wunde in der Mitte des Pankreaskörpers fanden sich Ein- und Ausschuß am linken 
Leberlappen und ein Loch im kleinen Netz. Alle Wunden wurden tamponiert, 
außerdem die Bursa omentalis und der Raum zwischen Magen und Leber. Ver- 
lauf verhältnismäßig glatt, leichte Pneumonie, etwas Ikterus, nach 9 Tagen Ent- 
leerung massenhaften Pankreassekretes mit Fettnekrosen. Nach 5 Wochen völlige 
Heilung. 

Von den bekannten 19 Fällen sind 6 nicht operierte tödlich geendet, von den 
13 operierten 7 geheilt. Die Erforschung der Todesursache zeigt, daß 1) die kom- 
plizierenden Verletzungen anderer wichtiger Organe, 2) der Austritt von Pankreas- 
sekret die Verletzung so gefährlich machen. Daher ist die erste Bedingung mög- 
lichst rasche Laparotomie, wo Verdacht auf penetrierende Bauchverletzung be- 
steht. Da die Pankreasschußwunden auffallend wenig bluten, muß man sorgfältig 
suchen. Die Naht am Pankreas ist schwierig, außerdem genügt die Tamponade 
fast immer. Naht ohne Tamponade ist unzureichend. — Literatur. 

Benner (Breslau). 


29) Fasano. Contributo clinico alla conoscenza delle pancreatite 


suppurante. 
Policlinico, sez. chir. 1908. XV, 8.) 

Ein 13jähriges Mädchen klagte seit 1 Monate über zeitweise heftige Schmer- 
zen in der Magengegend, die von Druckgefühl, Ubelkeit, Erbrechen und heftigem 
Stuhlgang gefolgt waren. Der Stuhlgang bedingte nicht immer nachfolgende 
Entleerungen, dagegen stellten sich im anfallsfreien Intervall häufige Diarrhöen 
ein. Schließlich kam es im Anschluß an einen Anfall zur völligen Stuhlverhaltung. 
In der Klinik mußte ein akuter Okklusionsileus angenommen werden. Objektiv 
konnten Darmsteifungen, die von rechts nach links verliefen, und eine kuglige 
Geschwulst in der Oberbauchgegend, die den Eindruck einer Flüssigkeitscyste 
machte, nachgewiesen werden. Es wurde eine retroperitoneal gelegene Cyste als 
Ursache des Ileus angenommen. Die erst nach 3 Tagen vorgenommene Opera- 
tion ergab beginnende Peritonitis und eine große Geschwulst unter dem gespann- 
ten Lig. gastro-colicum. Bei der Inzision der Geschwulst entleerten sich 4 Liter 
jauchiger mit nekrotischen Fetzen vermischter Flüssigkeit. 4 Tage nach der Ope- 
ration ging Pat. zugrunde. Die Obduktion ergab als Ausgangspunkt der schein- 
baren Geschwulst das nekrotische Pankreas. 

Eine ausführliche Darstellung der Atiologie, Genese, Symptomatologie und 
Diagnose der akuten Pankreaseiterungen ergänzt die beachtenswerte Kasuistik, die 
den Verf. mahnt, auch nur beim geringsten Verdacht auf Pankreaseiterung mög- 
lichst rasch chirurgisch vorzugehen. Im berichteten Falle war die Verzögerung 
des Eingriffs durch die anfangs versagte Binwilligung der Eltern zur Operation 
bedingt. Strauss (Nürnberg). 


30) Magenau. Ein Fall von akuter hämorrhagischer Pankreatitis bei 


Cholelithiasis. 
(Med. Korrespondenzblatt d. württemb. ärztl. Landesvereins 1908. August 15.) 

Es handelte sich um einen fettleibigen Mann, der nach dem Mittagessen akut 
unter den Erscheinungen einer Perforation eines Ulcus ventriculi oder duodeni 
erkrankte. Die 7 Stunden nach Beginn der Erkrankung ausgeführte Laparotomie 
ergab: Gallenblase mit Steinen gefüllt; in der Oberbauchgegend ein stark hämor- 
rhagisches, seröses Exsudat; Pankreas dunkelrot verfärbt und vergrößert, derb; 
Fettgewebsnekrose in der Umgebung. Ausgedehnte Tamponade und Drainage; 
3 Tage später Tod. K 

Nach dem Sektionsbefunde war folgende Aiologie der Erkrankung wahrschein- 
lich: Oberhalb der Papille fanden sich vier kleine Gallensteine, welche den nach 
dem Mittagessen sehr reichlichen Sekretstrom der Bauchspeicheldrüse in die viel- 
leicht vorher schon durch ein altes Gallensteinleiden chronisch geschädigte Drüse 
zurückstauten und so die totale Nekrose des Pankreas, die bei der Sektion ge- 
funden wurde, verursachten. Mohr (Bielefeld). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1379 


31) Hasbrouck. Enormous endotheliomatous cyst of the great omentum. 
(Annals of surgery 1908. August.) 

Bei einer Ö0jährigen Frau, die an Unterleibsschwellung litt, hatte man die 
Diagnose auf Ovarialkystom gestellt, während die Laparotomie ergab, daß es sich 
um eine Gekröscyste handelte. Dieselbe ging zwischen Magen und Colon trans- 
versum vom Netz aus; sie war nicht gestielt und wog, mit Flüssigkeit gefüllt, 
40 Pfund. Bei der Operation wurde eine gewisse Menge Flüssigkeit vor der Ex- 
stirpation durch Punktion abgelassen. Im Innern der aufgeschnittenen Cyste lag 
ein großes Blutgerinnsel; das Gewebe bestand vorwiegend aus Epithelzellen, die 
sich säulenförmig um die Gefäße gruppierten, von welchen sie auszugehen schienen; 
das zwischen den Zellen liegende fibröse Gewebe war sehr blutreich. Die mikro- 
skopische Diagnose lautete auf Epithelioma. Pat. wurde geheilt. Bei 19 aus der 
Literatur gesammelten Fällen betrug die Mortalität der operierten Netzcysten 6%. 
Verf. weist auf die Schwierigkeit hin, vor der Laparotomie eine sichere Diagnose 
zu stellen. Herhold (Brandenburg). 


32) F. Ehler. Multiples Dermoid des Mesenterium. 
(Casopis l&kafü ceskych 1908. p. 177.) 

Die 22jährige Frau bekam vor 2 Jahren einen Fußtritt gegen den Bauch. 
Eine Woche später tastete sie an der verletzten Stelle eine Beule, die an Größe 
stetig zunahm. In der linken Bauchhälfte fand sich eine ovale, vom Poupart- 
schen Bande bis zum Rippenbogen, von der Linea alba bis in die Lendengegend 
reichende, glatte, elastische fluktuierende, nicht druckschmerzhafte, gegen die Unter- 
lage und bei Respiration mäßig bewegliche Geschwulst. Die Diagnose wurde auf 
retroperitoneale Cyste genitalen Ursprunges gestellt. Bei der Operation fand man 
im Mesenterium des Colon descendens eine mannskopfgroße Cyste, an deren oberem 
Pol in der Nierengegend drei weitere, kleinere, kleeblattartig zusammenhängende 
Cysten vorhanden waren. Sie wurden sämtlich exstirpiert. Die Wand hatte einen 
schleimhautartigen Charakter: geschichtetes Pflasterepithel, spärliche Submucosa 
mit längs- und querverlaufenden Bindegewebsbündeln und zahlreichen, dünnwan- 
digen Gefäßen. Den Inhalt der Cysten bildete eine schmierige, gekochtem Reis- 
brei ähnelnde Masse. — Heilung. 

Der Autor glaubt, daß es sich um retroperitoneale Gebilde handle, die zwischen 
die Mesenterialblätter hineingewachsen sind, und daß das Trauma den Anstoß 
zum Wachstum der embryonal angelegten Keime gegeben habe. 

6. Mühlstein (Prag). 


33) Heller (Charlottenburg). Zwei seltene Mißbildungen des Penis. 
(Zeitschrift für Urologie Bd. II. Hft. 7.) 

H. beschreibt zunächst einen normalen 22jährigen Mann mit Diphallus par- 
tialis. Der 6cm lange Schaft des Penis erwies sich bis zur Eichel als ganz nor- 
mal. Solange das Präputium die Glans bedeckte, war die Anomalie nicht merklich. 
Wurde mit einiger Mühe die Vorhaut zurückgestreift, so präsentierten sich zwei 
ziemlich gleichmäßig entwickelte Eicheln, von denen jede ein blind endigendes 
Orificium externum zeigte. Die eigentliche Harnröhre endete unter dem rechten 
Orificium externum hypospadisch. Störungen bestanden nicht, auch keine sonstigen 
Anomalien. 

H. unterscheidet neben dem partiellen Diphallus noch einen totalen. Dabei 
können beide Glieder nebeneinander völlig getrennt oder mit der Wurzel konver- 
gierend, oder übereinander angelegt sein. Jedenfalls hat der Diphallus nichts zu 
tun mit der sogenannten Verdoppelung der Harnröhre. H. beschreibt eine ein- 
schlägige Beobachtung. In einem normal gebildeten Penis fand sich unter der 
Harnröhre eine Fistelöffnung in der Haut, von welcher aus ein dünner Gang 15 cm 
lang zu sondieren war. Bei sexueller Erregung des Trägers entleerte sich daraus 
klebrige Flüssigkeit. H. erklärte diese Bildung als den verlagerten Ausführungs- 
gang einer dritten Cowper’schen Drüse. Mikrosköpische Belege stehen noch aus. 

Kroemer (Berlin). 


1380 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 


34) R. Kaufmann (Frankfurt). Eine verbesserte Lupenvorrichtung zur 
endoskopischen Untersuchung der Harnröhre. 
(Zeitschrift für Urologie Bd. IL. Hft. 6.) 


Die bisher zur Vergrößerung der Schleimhautbilder an den Handgriffen des 
Endoskops angebrachten Lupen ermöglichen nur dem emmetropen oder hyperme- 
tropen Auge des Beobachters, klare Bilder zu gewinnen. K. konstruierte daher ein 
verschiebbares Lupensystem zweier Linsen, die auf dem Endoskop eine Einstellung 
des Bildes für jedes Auge entsprechend seiner Refraktionsanomalie gestatten. Er 
empfiehlt gleichzeitig das Einfetten der Lupe mit Glyzerin oder »Brillenglanz«, um 
das Beschlagen der Linsen zu vermeiden. Kroemer (Berlin). 


35) Olivier et Clunet. Epithelioma primitif de l’ur&thre d’origine 
| glandulaire. 
(Bull. et mem. de la soc. anat. de Paris 1907. Nr. 10.) 


Ein 52jähriger Mann litt seit 2 Jahren an Harnbeschwerden; schließlich kam 
es zum völligen Verschluß durch im Orifictum externum erkennbare Geschwulst- 
massen und zur Fistelbildung an der unteren Fläche. 

Die histologische Diagnose der exstirpierten Geschwulst lautete Karzinom, von 
dem eine genaue Beschreibung gegeben wird. 

Die Leistendrüsen waren nur entzündlich vergrößert. 

Neugebauer (Mährisch-Ostrau). 


36) K. Jooss (München). Selbstmassage der Prostata. 
(Zeitschrift für Urologie Bd. II. Hft. 6.) 


J. beschreibt einen von Stiefenhofer-München konstruierten Massage- 
apparat, der aus einem 32 cm langen Mittelstück, »dem sogenannten Schaft« und 
einem fingerförmigen Fortsatz, dem Massage-Ansatzstück, besteht. Während der 
Schaft fixiert wird, kann der in den Mastdarm eingeführte Massagefinger durch 
einen Hebelarn vom Pat. selbst in Bewegung gesetzt werden und streichende, 
drückende usw. Motionen ausüben. Die Fingeransätze können je nach dem Fall 
verschieden lang gemacht und ausgewechselt werden. Ob der Apparat den Finger 
des Arztes ersetzen wird, scheint auch dem Verf. zweifelhaft. 

Kroemer (Berlin). 


37) R. W. Frank (Berlin). Ein verbessertes Cystoskop. 
(Zeitschrift für Urologie Bd. Il. Hft. 6.) 


F., der es sich zur Aufgabe gestellt hatte, die mit dem Gebrauche der Nitze- 
Cystoskope verbundenen Schwierigkeiten zu beseitigen, bringt nunmehr eine Be- 
schreibung seiner bildaufrichtenden Instrumente. Bekanntlich ist das Operieren 
mit dem Nitze-Cystoskop auch für den Geübten nicht immer leicht, weil man in 
dem Gesichtsfelde die Verhältnisse der Blasenwand nicht aufrecht, sondern im 
Spiegelbilde sieht, d. h. horizontale Gegenstände vertikal und umgekehrt. F. ist 
es nun gelungen, durch Einsetzen eines bildaufrichtenden Prismenapparates in den 
Cystoskoptrichter die Bildversohiebung zu korrigieren. Man sieht in seinem In- 
strument die Gegenstände so, wie sie in Wirklichkeit liegen. Durch Verbesserung 
der Linsen und Erweiterung des Gesichtswinkels ist gleichzeitig für möglichste 
Klarheit der Bilder gesorgt. Auch die Kontaktzange ist in sinnreicher Weise ab- 
geändert, so daß der störende Kurzschluß vermieden wird. Endlich bringt F. eine 
elegante Verpackung des gesamten Apparates in einer Metallhülse, die zum Trans- 
port wie zur Formalindesinfektion in gleicher Weise geeignet ist. Das ganze 
gleicht einem Fernrohr. Wer, wie der Ref., in der Lage gewesen ist, das neue 
Orthocystoskop zu prüfen, wird zugeben, daß nicht leicht etwas Vollkommeneres 
auf diesem Gebiete geleistet werden kann. Instrumente, Zubehörteile und Ver- 
packung werden von der Firma Georg Härtel, Berlin, Karlstr. 19 geliefert. 

Kroemer (Berlin). 


Demenz BE E 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1381 


38) Eising. Prevesical abscess. 
(Annals of surgery 1908. August.) 

Der prävesikale Raum, das Cavum Retzii, wird vorn vom Os pubis und der 
Fascia transversalis, hinten von der aus dem Becken aufsteigenden und die vordere 
und seitliche Blasenwand bedeckenden Fascie begrenzt. Der Raum reicht gewöhn- 
lich bis zur Plica Douglasi, in seltenen Fällen bis zum Nabel; von der Plica Dou- 
glasi steigen als seitliche Säulen Bänder zur Symphyse herab. Im prävesikalen 
Raume liegen Lymplıdrüsen, die ihren Zufluß teils von der Blasenschleimhaut, 
teils von der hinteren Harnröhrenwand erhalten. Verf. hat aus der Literatur eine 
Anzahl von Fällen gesammelt, in denen es zur Abszeßbildung im Cavum Retzii 
kam; die Fälle, die ganz kurz beschrieben werden, sind in folgende Gruppen ge- 
teilt: I. Infektion des Raumes von der Harnröhre und Prostata; II. Infektion in- 
folge Perforation der vorderen Blasenwand; III. Infektion von benachbarter Drüsen- 
entzündung; IV. Infektion von den weiblichen Genitalorganen; V. infolge Osteo- 
myelitis des Schambeines; VI. ausgehend von Erkrankungen des Nahrungskanals; 
VII. nach Appendicitis. Ein Fall, in dem die Abszeßbildung nach Verletzung der 
Harnröhrenwand beim Katheterisieren eintrat, wurde von E. selbst mit günstigem 
Ausgang operiert. Herhold (Brandenburg). 


39) E. Ruppauner. Zur Frage der Cystitis emphysematosa. 
(Frankfurter Zeitschrift für Pathologie Bd. Il. Hft.2 u. 3.) 

Emphysem der Blasenschleimhaut, wohl zu unterscheiden von Fäulnisemphysem, 
ist beim Menschen auf dem Sektionstische selten, noch seltener im Leben beob- 
achtet worden. 

R. beschreibt einen neuen Sektionsfall. Er nimmt eine enge Verwandtschaft 
aller chronischen Schleimhautemphyseme an: Colpititis emphysematosa und Pneu- 
matosis cystoides intestini der Menschen und des häufigen Intestinalemphysems der 
Schweine. Für letztere hat A. Jaeger durch sehr genaue Untersuchungen den 
spezifischen Erreger und das von diesem produzierte Gas nachweisen können 
(Archiv f. wissensch. u. prakt. Tierheilkunde Bd. XXXII, 1906). Für den Menschen 


st der Erreger bi sher noch nicht erkannt. Trappe (Breslau). 
40) Brongersma (Amsterdam). Über zwei Fälle von Cysten in der 
Harnblase. 


(Zeitschrift für Urologie Bd. II. Hft. 6.) 

Verf. beschreibt eine walnußgroße cystische Geschwulst der Blase, die 1/s cm 
vor und seitlich von der linken Harnleitermündung saß, im cystoskopischen Bilde 
durch ihre Transparenz als Oyste sich manifestierte und klinisch die bekannten 
Fremdkörpererscheinungen gemacht hatte (Unterbrechung des Harnstrahles wäh- 
rend der Miktion, Schmerzen, Cystitis). Eine Kommunikation der Cyste mit 
dem Harnleiter bestand nicht. Der Inhalt war kristallklar, glyzerinartig. Die 
Wand der mit Plattenepithel ausgekleideten Cyste zeigte die Schichten der 
Blasenwand. B. hält seinen Fall für eine Retentionscyste einer Harnblasen- 
drüse und führt noch fünf analoge Fälle aus der Literatur an. Diese Bildungen 
sind viel seltener als die cystischen Erweiterangen des Harnleiterendes, die im 
cystoskopischen Befund genau das gleiche Bild geben, ätiologisch aber auf ange- 
borene Harnleiterstenose mit und ohne Verlagerung des Harnleitermundes, sowie 
auf erworbene Stenosierung (Steine oder Blutgerinnsel im Harnleiter nach Trau- 
men) zurückzuführen sind. Das Harnleiterende wölbt sich als kugelig-cystische 
Geschwulst in die Blase vor, oder die Steine stülpen eine seitliche Wandpartie als 
Harnleiterhernie in die Blase vor. 

B. beschreibt einen durch Steine verursachten analogen Fall, der durch Ex- 
stirpation der Niere und des Harnleiters geheilt wurde. Kroemer (Berlin). 


41) Hagner. Symptomles hematuria. 
(Annals of surgery 1908. August.) 


; H. berichtet über drei Fälle von Blutharnen, bei welchen im Urin keine patho- 
logischen Formelemente, abgesehen von den roten Blutkörperchen, vorhanden 


1382 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 


waren. Die cystoskopische Untersuchung ergab, daß die Blase gesund war; die 
Harnleiter zeigten beim Katheterismus keine Verstopfung, in zwei Fällen entleerte 
sich das Blut aus dem rechten, im dritten aus dem linken Harnleiter. Das Merk- 
würdige dieser drei Fäle war, daß 24 bzw. 48 Stunden nach dem Harnleiter- 
katheterismus das Bluten aufhörte und nicht wiederkam, was um so bemerkens- 
werter ist, als die Blutung in einem Falle seit 35 Jahren bestand. 

Herhold (Brandenburg). 


42) Waleh. The kidneys in tuberculosis. 
(Third annual report of the Henry Phipps institute 1906.) 

Verf. hat in 101 Fällen von Lungentuberkulose die Nieren pathologisch-anato- 
misch bzw. bakteriologisch untersucht und andererseits auch in 44 Fällen nicht 
tuberkulöser Affektionen die mikroskopische Untersuchung der Nieren ausgeführt, 

Abgesehen vom Vorhandensein von Tuberkeln in vielen Fällen der ersten 
Kategorie hat er irgend etwas für Tuberkulose Spezifisches an Gewebsverände- 
rungen nicht gefunden. Außer hämorrhagischer Nephritis und Glomerulonephritis 
hat er alle Formen von Nephritis beobachtet. Am häufigsten fand sich in Fällen 
von Lungentuberkulose (in 77%) chronische, lokalisierte, interstitielle Nephritis. 
Diese Veränderung wird natürlich auch bei Nichttuberkulösen gefunden. Chro- 
nische allgemeine interstitielle Nephritis dagegen scheint bei Lungentuberkulösen 
so gut wie gar nicht vorzukommen. Chronische parenchymatöse Nephritis fand 
sich in 34% der Fälle. Tuberkel waren in 43% der Lungentuberkulosefälle vor- 
handen. 

Das Gewicht der Nieren kommt im allgemeinen für die Diagnosenstellung 
gar nicht in Betracht. 

Durch das Tierexperiment konnten in 82,5% der Lungentuberkulosefälle im 
Urin Tuberkelbazillen nachgewiesen werden (Meerschweinchen). Mikroskopisch 
fanden sich Tuberkelbazillen in 75% der Fälle Bisweilen fanden sich Tuberkel- 
bazillen im Urin, Tuberkel in der Niere, und doch erkrankten die mit dem Urin 
infizierten Meerschweinchen nicht. Bisweilen fanden sich infektionstüchtige Tu- 
berkelbazillen im Urin, und doch waren die Nieren frei von Tuberkulose. Odem 
fand man in 37% der Fälle, meist bei akuter parenchymatöser Nephritis. Albumin 
wurde in 51% der Fälle nachgewiesen, meist bei akuter parenchymatöser Nephritis 
Zylinder und Eiterzellen waren in 25—66% der Fälle vorhanden, je nach der Sorg- 
falt des Untersuchers. 

Die Art der im Einzelfalle vorliegenden Nephritisform kann man nur an- 
nähernd bestimmen. Die gewöhnlichsten klinischen Symptome, die bei bestehender 
Lungentuberkulose auf Nierenaffektion hindeuten, sind die Befunde von hyalinen 
und granulierten Zylindern im Harn. W. v. Brunn (Rostock). 


43) Kay. Case of rare pelvic tumour in a child of four years. 
(Glasgow med. journ. 1908. August.) 

Ein 4jähriger Knabe erkrankte aus voller Gesundheit heraus mit Leibschmerzen 
und Unmöglichkeit, den Urin zu entleeren. Nach Entleerung der prall gefüllten 
Blase durch den Katheter fand sich eine große, harte Beckengeschwulst, die vom 
Kreuzbein ausging und Mastdarm und Blase nach vorn verschoben hatte. Zu- 
nächst wurde ein Sarkom angenommen, der Fall als inoperabel betrachtet und 
dauernd katheterisiert. Schließlich entschloß Verf. sich zum Eingriffe. Zuerst, 
nach Eröffnung der Bauchhöhle, fand er bei völlig mit Katheter entleerter Blase 
ein großes, prall mit Harn gefülltes Divertikel, dessen Abfluß durch die Geschwulst 
verhindert wurde. Die Geschwulst, von über Orangengröße, ließ sich nach Spal- 
tung des hinteren parietalen Bauchfells leicht bloßlegen und wurde in zwei 
Stücken entfernt. Sie erwies sich als ein von der Vorderfläche des Kreuzbeines 
gewachsenes Fibrolipom. Die Wunden wurden ohne jede Drainage geschlossen, 
und noch nach über 2 Jahren ist der Knabe völlig gesund. 

Eine Geschwulst von gleicher Größe und histologischer Zusammensetzung hat 
Verf. kürzlich aus der Achselhöhle eines 4 Jabre alten Knaben entfernt. 

W. v. Brunn (Rostock!. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1383 


44) Ransohoff. Venous thrombosis and hydrocele of the inguinal 
canal. 
(Annals of surgery 1908. August.) 

Drei Fälle von Thrombose einer Vene des Samenstranges innerhalb des 
Leistenkanales. Klinisch äußerte sich die Krankheit in einer zylindrischen An- 
schwellung am oberen Ende des Samenstranges, die sich in den Leistenkanal er- 
streckte; 2mal war eine leichte Entzündung des Nebenhodens eingetreten. Alle 
Krankheitserscheinungen schwanden nach 2—3 Wochen völlig unter Behandlung 
mit Bettruhe und Umschlägen. Als Ursache wurde einmal Überanstrengung beim 
Tennis, das andere Mal langdauerndes Golfspiel, das dritte Mal endlich Druck des 
Bruchbandes angegeben. Die Krankheit ist zuweilen mit Hydrokelen des Samen- 
stranges kompliziert; auch beim weiblichen Geschlecht kann eine Thrombose an 
einer der Venen des Lig. rotundum z. B. durch Trauma vorkommen. 

Herhold (Brandenburg). 


45) W. Schmeel. Über ein Hodenteratom mit makroskopisch blasen- 


molenähnlichen intravaskulären Metastasen. 
(Frankfurter Zeitschrift für Pathologie Bd. II. Hft 2 u. 3.) 

Die Neubildung war innerhalb eines halben Jahres langsam gewachsen und 
wurde unter der Diagnose »Hodentuberkulose« exstirpiert. Kurz darauf traten 
Drüsenmetastasen auf, die im Verlauf eines weiteren halben Jahres zum Tode 
führten. 

Bei der Sektion fanden sich im Gefäßsystem (Vena cava, Valvula tricuspidalis, 
A. pulmonalis) zahlreiche frei flottierende, zottige Fäden mit Sekundärzöttchen, 
also chorioepitheliomartige Bildungen, die Schlagenhaufer vom Epithelüberzuge 
fötaler Eihüllen oder deren Rudimenten ableitete. 5 

Mikroskopisch aber fehlte der für das Chorioepitheliom charakteristische Über- 
zug von Langhans’scher Schicht und Syncytium. 

Die Zotten und Träubchen bestehen aus Epithelschläuchen und Cysten in 
myxomatösem Grundgewebe und sind von einem Endothel überzogen, das viel- 
leicht dem Endothel der Gefäßwand entstammt. Trappe (Breslau). 


46) Crowe and Wynn. A case of streptococcic puerperal infection 


treated with a vaccine. 
(Brit. med. journ. 1908. August 8.) 

Fall von puerperaler Sepsis durch Mischinfektion von Kolibazillen und Strepto- 
kokken, der erfolgreich mit Koli- und Streptokokkenvaccine, von der Kranken selbst 
gewonnen, behandelt wurde, nach Feststellung des opsonischen Index. Temperatur- 
kurve ist beigegeben. Weber (Dresden). 


47) Arnavielche. Relation d’accidents causés par la foudre dans les 


alpes. 
(Arch. de méd. et de pharm. militaires 1908. August.) 

Acht Soldaten befanden sich teilweise auf dem Boden liegend, teils auf einer 
steinernen Bank sitzend in einer Kapelle, als der Blitz in die Glocke derselben 
schlug und durch eine von dieser auf den Fußboden gehende eiserne Kette in 
das Innere drang. Sechs Leute hatten mehr oder weniger schwere Hautverbren- 
nungen erlitten, während die Kleider bis auf ein kleines, in der Nähe der Hosen- 
tasche befindliches Loch unversehrt waren. Außerdem waren bei diesen sechs 
Leuten die unteren Gliedmaßen etwa 24 Stunden gelähmt; es bestand an ihnen 
ein Gefühl von Ameisenkriechen und leichte Empfindungsstörungen. Bei allen 
sechs Leuten wurde die Dienstfähigkeit erhalten. Herhold (Brandenburg). 


48) Wendler. Über Blitzverletzungen. 
(Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1908. Hft. 17.) 
Am 10. Juni 1907 schlug der Blitz in eine Abteilung von etwa 40 Mann Feld- 
artillerie; ein Mann wurde getötet, sechs niedergeworfen und verletzt. Bei allen 
Leuten waren die Kleider zerfetzt und verbrannt; bei den sechs Verletzten, die 


1384 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 


mit dem Leben davon kamen, wurde eine meist schnell vorübergehende Bewußt- 
losigkeit, motorische Lähmung oder Schwäche einzelner Gliedmaßen und Verbren- 
nungen am Körper beobachtet. Die motorische Lähmung und Schwäche der 
Glieder dauerte nur 24 Stunden. Herhold (Brandenburg). 


49) Scheel. Uber Schrapnellverletzungen. 
(Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1908. Hft. 15.) 

Auf dem Artilleriedepot Wilhelmshafen explodierten am 21. September 1907 
20 mit Bleiantimonkugeln gefüllte 15 cm-Stahlschrapnells. Von den 14 anwesenden 
Arbeitern wurden fünf sofort getötet, drei schwer und drei leicht verwundet. Die 
Getöteten wiesen ausgedehnte Verbrennungen, aufgerissene Körperhöhlen, Knochen- 
zerfetzungen, Abreißen ganzer Gliedmaßen auf. Die Schwerverletzten erlitten eben- 
falls ausgedehntere Verbrennungen, Weichteilzerreißungen und Knochenbrüche, 
während bei den Leichtverletzten geringere Verbrennungen und Kontusionen vor- 
handen waren. Von den Schwerverletzten starb einer. Die Verbrennungen wurden 
durch die bei der Explosion des Schrapnells entstehenden Gase und Flammen be- 
dingt. Herhold (Brandenburg). 


50) P. L. Friedrich. Die elektrische Reflexlichtbeleuchtung im Dienste 


des chirurgischen Unterrichts. 
(Klinisches Jahrbuch Bd. XIX. 1908.) 

F. beschreibt die Beleuchtungsanlage, die im Hörsaal der chirurgischen Uni- 
versitätsklinik zu Marburg neu angelegt wurde. Diese neue Anlage, die nach dem 
Krönig-Siedentop’schen Prinzip konstruiert ist, dient nicht nur zur Beleuch- 
tung des Operationsfeldes, sondern erstrebt auch eine intensive Lichtgebung für 
Operations- und Demonstrationsfeld ohne einseitigen Lichteinfall und Ausnutzung 
der Belichtung für alle im Raum zuschauenden Hörer an. 

Das Licht einer mit einem Strom von 30 Ampere gespeisten Scheinwerfer- 
bogenlampe, die in einem Vorraum angebracht ist, fällt auf einen Metallspiegel 
und wird von diesem durch eine Öffnung in der Wand auf ein System von sieben 
Verteilerspiegeln geworfen, die das Licht wieder auf 7 im Raum verteilte Be- 
leuchtungsspiegel weitergeben. Diese letzteren reflektieren das Licht auf das 
Operations- und Demonstrationsfeld, das einen Durchmesser von 60 cm hat. Durch 
eine sinnreiche Anordnung der Spiegel wird eine intensive Beleuchtung in Hori- 
zontalrichtung auch für Operationen und Demonstrationen in Steinschnittlage 
gesichert. 

Ein Wasserkasten zwischen Scheinwerfer und Wanddurchtrittsöffnung trägt 
zur Abküblung des Lichtes bei, eine Rauchglasplatte ermöglicht, wenn erwünscht, 
eine Dämpfung des Lichtes. 

Die Anlage hat sich sehr bewährt, Kosten waren 1478 Mark. Ein Bild und 
mehrere Pläne veranschaulichen die Anlage. L. Simon (Mannheim). 


32) Bryant. A new motor for bone surgery. 
(Annals of surgery 1908. August.) 

Der von B. empfohlene Knochenbohrer hat große Ahnlichkeit mit der Sudek- 
schen Fräse. Seine Eigenschaften sind folgende: 3/9 Pferdekraft, 15000 Um- 
drehungen in der Minute, Durchmesser 21/, Zoll, Länge des Griffes 91/, Zoll. Der 
Motor ist äußerst leicht und kann zur Bildung von osteoplastischen Lappen sowohl 
wie zum Herstellen von Trepanlöchern gebraucht werden. Hergestellt wird er 
von der Internationalen Instrumentenkompagnie in Cambridge, Mass. 

Herhold (Brandenburg). 





Originalmitteilungen, Monograpbien undSonderdrucke wolle man 
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden. 





Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau. 
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. 


Zentralblatt für Chirurgie 


herausgegeben von 


K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER, 


in Bonn, in Berlin, in Breslau. 
35. Jahrgang. 
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG. 








Nr. 47. Sonnabend, den 21. November 1908. 
Inhalt. 

1) Guyot, Bakteriohämoagglutinine. — 2) Rostowzew, Tetanus. — 3) Meissner, Alkohol- 

esinfektion. — 4) Escomel, Aseptische Konservierung der Verbandmittel. — 5) v. Bayer, Ein- 


heilung von Fremdkörpern. — 6) Faslani, 7) Frangenheim, 8) Waterhouse, Hyperämiebehand- 
lung. — 9) Hartwell, Schädelverletzungen. — 10) Custodis, Verletzungen der A. meningea media. 
— 11) Oppenheim, Zur Gehirnchirurgie. — 12) Kanasayi, Topographische Anatomie der Pars 
mastoidea. — 13) Onodi, Das Gehirn und die Nebenhöhlen der Nase, — 14) Halle, Septumresek- 
tion. — 15) Hopmann, Verkürzung und Verlagerung des Vomer. — 16) Sturmann, Kieferhöhlen- 
eröffnung. — 17) Leroux, 18) Kapp, Paraffinplastik. — 19) Cheatle, Ergrauen der Haare. — 
20) Gemoiu, Zur Behandlung der Gesichtslähmung. — 21) Brandt, Chirurgie für Zahnärzte — 

II. E. Ruttin, Zur Chirurgie des Schläfenbeins. — II. M. Katzenstein, Einfacher Apparat zur 
künstlichen Atmung bei eröffnetem Thorax. (Originalmitteilungen.) 

232) Naturforscherversammlung. — a. Wrede, Ostitis fibrosa cystica am Schädel. — b. Sickinger, 
Trigeminusneuralgie. — c. Witzel, Kieferprothesen. — d. Brauer, e. Friedrich, Lungenchirurgie. 
f. Hoffmann und v. d. Velden, Zur Emphysenoperation. — g. Kuhn, Überdruck an der Lunge. 
h. Einthoven, i. Hoffmann, Elektrokardiogramm. — 28) Heinrichsen, Hyperämiebehandlung. — 
24) Herzenberg, Stauungsblutung nach Rumpfkompression. — 25) Veil, Teratom am Kopfe. — 
26) Reiher, Schädelbruch. —. 87) Lop, Transplantation von Kaninchenperiost. — 28) Flaschi, 
Syphilitische Schädelnekrose. — 289) Peabody, Streptokokkenmeningitis. — 80) Tilmann, Epilepsie 
nach Trauma. — 81) Chalier, Trepanation gegen Gesichtsneuralgie. — 32) Young, Hydrocephalus. 
— 88) Schapiro, Hirnbrüche. — 84) Andrassy und Seitz, 35) Graves, 86) Mills und Frazier, 
87) v. Orzechowski, Hirngeschwülste. — 88) Stumme, Akromegalie und Hypophyse. — 39) Reclus, 
Exophthalmus pulsatilis.. — 40) Dionisio, Otorrhõe. — 41) Schroeder, Sinusphlebitis. 





1) Guyot. Sulla emoagglutinazione batterica (batterio- 
emoagglutinazione). 
(Policlinico, sez. med. 1908. XV, 7.) 

Auf Grund ausgedehnter, in Tabellenform mitgeteilter Versuche 
über Bakteriohämoagglutinine kommt G. zu nachstehenden Schlüssen: 

Zahlreiche Stämme von Bakterium coli agglutinieren die roten 
Blutkörperchen verschiedener Tierarten. 

Die Erythrocyten verschiedener Individuen derselben Art werden 
von den gleichen Bakterien in gleicher Weise agglutiniert. 

Die Hämoagglutination beruht nicht auf Sekretions- oder Exkre- 
tionsprodukten der Bakterien, sondern ist an den Bakterienleib ge- 
bunden, der die agglutinierende Kraft auch nach dem Absterben der 
Bakterien noch behält. 

Die Reaktion des Kulturmediums hat keinen Einfluß auf die In- 
tensität der Hämoagglutination, die jedoch durch Natur und Zusam- 
mensetzung des Nährbodens beeinflußt wird. 

Das Hämoagglutinationsvermögen ist voraussichtlich eine allgemeine 
Eigenschaft aller Bakterien. Strauss (Nürnberg). 


47 


1386 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 


2) Rostowzew. Das Kernig’sche Symptom bei Tetanus. 
(Berliner klin. Wochenschrift 1%08. Nr. 36 u. 37.) 

Verf. beobachtete das Kernig’sche Symptom — die Flexions- 
kontraktur des Kniegelenkes — bei Tetanus bereits im Frühstadium 
der Krankheit neben anderen Frühsymptomen. Es kann daher — wie 
Verf. an seinen Beobachtungen zeigt — von großer Bedeutung in 
diagnostischer Beziehung sein; doch findet sich das Symptom auch in 
den Spätstadien. 

Die Ausführungen über Pathogenese und Wesen dieses Symptoms 
bringen R. zu dem Schluß, daß die Flexionskontraktur des Knie- 
gelenkes durch folgende drei Ursachen hervorgerufen werde: Intra- 
kranielle Drucksteigerung, erhöhte Reizbarkeit der Wurzeln der Rücken- 
marksnerven infolge des sie umgebenden Exsudats und Verkürzung 
infolge von Hypertonie der Flexionsmuskeln des Unterschenkels. 

Langemak (Erfurt). 


3) Meissner. Über Hautdesinfektion nur mit Alkohol. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVIII. p. 191.) 

Spielt die Anwendung des Alkohols schon in der Desinfektions- 
methode nach Fürbringer und Ahlfeld und mit Seifenspiritus eine 
Rolle, so ist seine alleinige Anwendung zur Hautdesinfektion, nach- 
dem der Vorgang Reinicke’s wenig Nachahmung gefunden hatte, 
neuerdings wieder von Schumburg in Aufnahme gebracht worden. 
Seine Eignung zur Hautdesinfektion verdankt der Alkohol weniger 
seiner schwach antiseptischen oder fettlösenden Wirkung, als vielmehr 
mechanisch-physikalischen Eigenschaften, unter denen die gerbende, 
härtende Wirkung an erster Stelle steht. 

Verf. hat an der v. Bruns’schen Klinik ausgedehnte bakterio- 
logische Untersuchungen bei bloßer Alkoholdesinfektion des Operations- 
feldes und der Tageshand angestellt, indem von ersterem vor Beginn 
der Operation, nach dem Hautschnitt und am Schluß der Operation, 
von letzterer vor Beginn und nach Schluß der Operation nach Ab- 
nahme der Gummihandschuhe abgeimpft wurde. Näheres über die 
Technik der Untersuchungen ist aus dem Original zu ersehen. Zum 
Vergleiche wurden analoge Versuche mit der Ahlfeld’schen Methode 
angestellt. 

Im ganzen ergab sich, daß die Verwendung von hochprozentigem 
Alkohol die Keimabgabefähigkeit der Haut nicht in dem Maße herab- 
setzt, wie diejenigen Methoden, welche nach der Desinfektion einen 
Überzug auf der Haut anbringen, aber die Wirkung ist doch eine 
so starke und für die Operationsdauer zuverlässige, daß sie den prak- 
tischen Bedürfnissen in vollstem Umfange genügt. 

Von allen Desinfektionsmethoden, welche auf physikalisch-chemi- 
scher Einwirkung beruhen, ist die Desinfektion nur mit Alkohol (96 % ig) 
bakteriologisch die beste; da sie die Desinfektion mit einem Mittel in 
einem Akt vereinigt, die einfachste; da keinerlei Hautreizungen auch 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1387 


bei wiederholter Desinfektion entstehen, die schonendste; und da sie 
nur 5 Minuten dauert, die am raschesten ausführbare.i 

Die praktische Ausführung gestaltet sich derart, daß Hand oder 
Operationsgebiet 5 Minuten mit in Alkohol getauchten sterilen Gaze- 
bäuschen abgerieben und jede Anwendung von Wasser, Seife, Des- 
infizientien usw. unterlassen wird, abgesehen davon, daß grob verun- 
unreinigte Hände zuvor in gewöhnlicher Weise gewaschen und ab- 
getrocknet werden. 

Der gebrauchte 96 %ige Alkohol kann durch Sedimentierung und 
Destillation wieder gebrauchsfähig gemacht werden; außerdem eignet 
sich ebensogut der überall zu beschaffende gewöhnliche Brennspiritus, 
so daß das Verfahren zugleich den Vorzug der Billigkeit besitzt. 

Die alleinige Alkoholdesinfektion ist daher nicht bloß dem Klini- 
ker, sondern vor allem auch dem Praktiker und Kriegschirurgen aufs 
angelegentlichste zu empfehlen. Reich (Tübingen). 





4) Escomel. Dispositif pour réaliser la conservation asep- 


tique des objets de pansements. 
(Presse méd. 1908. Nr. 22.) 

E. empfiehlt (ähnlich dem Janet’schen Verfahren der Katheter- 
sterilisation mit Trioxymethylen), zum Gebrauch in der Sprechstunde 
die Verbandmittel in einem Glasgefäß aufzubewahren, in dessen Deckel 
ein mit Formaldehyd getränkter Wattetampon befestigt ist. Bakterio- 
logische Versuche ergaben die Abtötung der auf Petrischälchen aus- 
gesäten Kulturen in diesen Gefäßen. Fehre (Freiberg). 





5) H. v. Bayer. Fremdkörper im Organismus. 'Einheilung. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVIII. p. 1.) 

Das sich mehrende Bedürfnis der Chirurgie, körperfremde Mate- 
rialien zu therapeutischen Zwecken dem Organismus zu dauerndem 
oder vorübergehendem Verweilen einzuverleiben, hat den Verf. ver- 
anlaßt, in einer großen Versuchsreihe das Verhalten der Gewebe zu 
Fremdkörpern zu studieren. 

Die Arbeit, die mit zahlreichen sehr guten Abbildungen aus- 
gestattet ist und viele recht interessante histologische Beobachtungen 
bringt, eignet sich bei ihrer Fülle von Einzelfeststellungen nicht zu 
einem kurzen Referate; vielmehr muß sich dieses auf eine kurze In- 
haltsübersicht beschränken. 

Ganz allgemein ist zu bemerken, daß es in bezug auf die Wir- 
kung im Organismus weder chemisch noch physikalisch in strengem 
Sinn indifferente Fremdkörper gibt. Die meist an Kaninchen an- 
gestellten Versuche beschäftigen sich zunächst mit den Unterschieden 
im Verhalten des Organismus gegen Fremdkörper, die sich aus den 
physikalischen Eigenschaften (Gewicht, Größe, Dichtigkeit, Härte, Poro- 
sität, Oberflächenbeschaffenheit, Bewegung usw.) ergeben. 


47* 


1388 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 


Sodann werden die aus den chemischen Eigentümlichkeiten der 
Fremdkörper (Elfenbein, Hartgummi, Horn, die verschiedenen Metalle) 
und der Eigenart der einzelnen Körpergewebe und -Höhlen hervor- 
gehenden Verschiedenheiten der Reaktion untersucht und schließlich 
der Einfluß des allgemeinen Zustandes der Gewebe (Hunger usw.) 
berücksichtigt. | 

52 Thesen am Schluß der Arbeit erleichtern eine Orientierung. 

Reich (Tübingen). 


6) Fasiani. Sull’ emigrazione dei leucociti nella stasi alla 


Bier. 
(Giorn. della R. accad. di med. di Torino 1908. LXXI, 7 u. 8.) 

Verf. konnte in experimentellen Untersuchungen über die Granu- 
lationsbildung bei der Bier’schen Stauung die von einzelnen Autoren 
betonte Leukocytenanhäufung nicht beobachten und stellte daher eine 
Reihe weiterer Tierversuche an, um die verschiedenen Ansichten der 
einzelnen Autoren, die kurz angeführt werden, zu klären. Es wurde 
daher in das Kaninchenohr subkutan Catgut, aseptische und mit Aleu- 
ronat imbibierte Seide eingeführt und dann das Ohr durch eine 
Gummischlinge 2—3 Stunden gestaut. Es fand sich in drei Unter- 
suchungsreihen keine stärkere Anhäufung von Leukocyten in dem ge- 
stauten Ohr, ebenso fand keine erheblichere Gewebseinschmelzung 
statt. Verf. kommt daher zum Schluß, daß die Bier’sche Stauung 
keine stärkere Leukocytose bedinge, und daß der raschere und gün- 
stigere Ablauf infektiös entzündliche Prozesse nicht auf die reichlichere 
Leukocytose zurückzuführen sei. Dagegen sei es sicher, daß die re- 
generativen Prozesse unter der Stauungsbinde viel rascher zustande 
kommen. | 

Die verschiedenen Angaben anderer Experimentatoren erklärt F. 
aus einer verschiedenen Dosierung und Verwendung der Methode. 

Strauss (Nürnberg). 


7) P. Frangenheim. Die Wirkung der Bindenstauung im 


Tierexperiment. 
(v. Langenbeck’'s Archiv Bd. LXXX VL. Hft. 2.) 

Verf. hat bei Kaninchen teils in den Unterschenkel, teils in das 
Knochenmark und in das Kniegelenk Bakterien injiziert und sofort 
oder nach kurzer Frist nach der Infektion die eine Seite gestaut, 
während die andere nicht gestaut wurde. Bei den Gelenkeiterungen 
wurde immer nur ein Gelenk infiziert und gestaut, dagegen das infi- 
zierte Kontrolltier nicht gestaut. Verf. fand überall auf der gestauten 
Seite vermehrte Eiterung gegenüber der nicht gestauten und konnte 
durch Stauung die Entzündung nie zur Rückbildung bringen. 

E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1389 


8) Waterhouse. An address on Prof. Bier’s treatment by 


means of induced hyperaemia. 
(Brit. med. journ. 1908. Juli 18.) 

Die Arbeit ist eine Lobpreisung der Hyperämiebehandlung nach 
Bier und hat ihren Wert hauptsächlich darin, daß sie englischen Ur- 
sprungs ist. Denn man hat sich in England der Bier’schen Methode 
gegenüber, wie Verf. am Schluß selbst betont, bisher weniger zugäng- 
lich gezeigt, als sie verdient. W. wendet sie seit 12 Jahren an und 
erklärt die Erfolge bei der Gelenktuberkulose für allen anderen Me- 
thoden überlegen. Allerdings verbindet er mit der Stauungsbinde 
stets die Jodoformeinspritzung, so daß seine Ergebnisse nicht restlos 
auf die Stauung zu beziehen sind. Zu der für eine erfolgreiche Be- 
handlung so notwendigen Frühdiagnose besitzen wir im Koch’schen 
Tuberkulin ein Mittel, das in 99% der Fälle verläßlich ist. Unter 
Hinweis auf 20 Beispiele aus einer sehr großen Zahl von Fällen rühmt 
Verf. die großen Vorzüge der Methode. Neue Beobachtungen bringt 
er nicht. Weber (Dresden). 


e M IMMM 


9) Hartwell. The question of operation for non penetrating 
intracranial trauma. 
(Annals of surgery 1908. Juli.) 

Verf. teilt mit Bezug auf den therapeutischen Standpunkt die 
nicht penetrierenden Schädelverletzungen in vier Gruppen. Gruppe I 
enthält die Fälle, in denen es sich um eine Gehirnerschütterung 
handelt, die sich nach und nach bessert; Gruppe II betrifft Schädel- 
zertrümmerungen schwerster Art mit starker Gehirnverletzung, bei 
denen der Tod sehr bald eintritt. In diesen beiden Gruppen ist von 
einer Operation Abstand zu nehmen. Gruppe III betrifft die Fälle, 
in denen es sich um Depressionsfrakturen oder Blutungen im Innern 
des Schädels handelt; hier muß auf alle Fälle operiert werden. 
Gruppe IV enthält die Grenzfälle, bei denen die Indikation schwer zu 
stellen ist. Hierher gehören besonders die Fälle, in welchen allge- 
meine Gehirndruckerhöhung infolge Blutüberfüllung der Gefäße und 
Odem des Gehirns ohne sonstige lokale Erscheinungen vorhanden 
sind. Zwei Erkrankungen dieser letzten Gruppe, in welchen die 
Trepanation, auch ohne daß ein lokaler Herd gefunden wurde, zur 
Beseitigung der Krankheitssymptome (Erbrechen, Kopfschmerzen, Kon- 
vulsionen) führte, werden näher beschrieben. Auf die Schwierigkeit 
einer exakten Diagnose bezüglich des Sitzes der Gehirnläsion wird 
hingewiesen und ein Fall geschildert, wo man eine Beteiligung der 
linken motorischen Region annahm, während die Autopsie einen Blut- 
erguß in der rechten zeigte. Herhold (Brandenburg). 


1390 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 


10) Custodis. Die Verletzung der Arteria meningea media. 
(Bibliothek von Coler-Schjerning Bd. XXVI. VIII. u. 200 S.) 
Berlin, August Hirschwald, 1908. 

Unter Berücksichtigung von 153 operativ behandelten Fällen der 
letzten 25 Jahre wird eine übersichtliche und umfassende Darstellung 
der Symptome, Diagnose, Prognose und Behandlung der Verletzungen 
der Arteria meningea media gegeben. Die Erfolge sind seit der Sta- 
tistik Wiesmann’s (1884) etwas besser geworden. 79,63 : 73,5% Hei- 
lungen; eine schlechtere Prognose geben immer noch die mit Schädel- 
grundbrüchen einhergehenden Blutungen. Gefordert wird ein aktiveres 
Vorgehen, da eine moderne Trepanation bei richtiger Ausführung 
nicht viel schaden kann. Bekanntlich können auch ohne Bruch der 
Schädelknochen Zerreißungen der Arterie zustande kommen. Zu 
empfehlen ist die osteoplastische, temporäre Resektion an den Tre- 
panationsstellen Krönlein’s. Das verletzte Gefäß muß natürlich, 
auch wenn es nicht mehr bluten sollte, unterbunden werden; nim 
Notfalle darf man sich mit der Tamponade begnügen. 

Zwei selbst beobachtete Fälle, die 1/, bzw. 17 Stunden nach der 
Verletzung operiert wurden und zur Heilung kamen, werden genauer 
geschildert. Glimm (Hamburg). 





Il) H. Oppenheim. Zur Gehirnchirurgie. 
(Berliner klin. Wochenschrift 1908. Nr. 28.) 

In Form eines offenen Briefes an Fedor Krause schildert Verf. 
die Schwierigkeit und die Verantwortung der vom Nervenarzt gefor- 
derten Diagnose, zumal wenn bei dem schon im Stadium der Be- 
nommenheit befindlichen Pat. eine genaue Untersuchung nicht an- 
zustellen ist. 

{s} „ Außerst wichtig ist daher, aus einer genauen und überzeugenden 
Krankengeschichte des erstbehandelnden Arztes die für die Ortsbestim- 
mungen notwendigen Herderscheinungen erkennen zu können, da manche 
Erscheinungen nur periodisch oder anfallsweise auftreten. Einige ge- 
meinsam beobachtete Fälle, die zum Teil schon veröffentlicht sind, 
illustrieren kurz die oft unüberwindlichen Schwierigkeiten der Dia- 
gnose. Die Erfolge in einzelnen Fällen sind nur als Ausnahmeerfolge 
anzusehen; dem Wissen und Können sind noch enge Grenzen gezogen. 

Die Erfolge werden aber besser werden, wenn die Pat. rechtzeitig 
in klinische Beobachtung kommen, damit Art und Reihenfolge der 
Entwicklung bestimmt werden kann. O. sieht in der Hirnpunktion 
ein willkommenes Hilfsmittel in der speziellen Diagnostik der Hirn- 
geschwülste, die bei richtiger Anwendung gute Dienste leistete und 
manchen Fall der operativen Radikalbehandlung zugänglich machen 
kann, der dieser sonst entgehen würde. Langemak (Erfurt). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1391 


12)H. E. Kanasayi. Beitrag zur topographisch-chirurgischen 

Anatomie der Pars mastoidea. Mit 40 Tafeln nach photo- 

graphischen Aufnahmen der Präparate in natürlicher Größe. 
Wien, A. Hölder, 1908. 

Die anatomischen Untersuchungen des Verf.s sind insofern be- 
merkenswert, als sie sich auf ein außerordentlich großes Material 
(ca. 4000 Schädel) erstrecken. Es fragt sich nur, ob die Neuheit der 
Ergebnisse ganz die aufgewendete Mühe und Arbeit lohnt. Die 
Untersuchungen des Verf.s erstrecken sich auf folgende Einzelheiten: 
Größe und Form des Processus mastoideus, katamastoideale und 
anamastoideale Schädel, Crista supramastoidea und Torus supra- 
mastoideus, Incisura mastoidea, Apex simplex und duplex, Processus 
mastoideus duplex, Fissura mastoidea-squamosa, Foramen occipito- 
mastoideum, Processus paramastoideus und endlich Dehiszenz des Pro- 
cessus mastoideus und Os tympanicum. Des weiteren werden in 
Sagittal- und Frontalschnitten die topographisch-anatomischen Ver- 
hältnisse des Warzenfortsatzes zu dem Sinus und Gehirn dargestellt. 
Leider lassen stellenweise gerade hier die Reproduktionen, die sonst 


durchaus auf der Höhe stehen, etwas zu wünschen übrig. 
Engelhardt (Kassel). 





13) Onodi. Das Gehirn und die Nebenhöhlen der Nase. 
Mit 63 Tafeln nach photographischen Aufnahmen. 
Wien, A. Hölder, 1908. 

Der unermüdliche Forscher gibt in diesem seinem neuesten Werke 
die Resultate mühevoller topographisch-anatomischer Untersuchungen, 
deren Ergebnisse, den explorativen Gehirnpunktionen und chirurgischen 
Eingriffen bei durch Nebenhöhleneiterungen hervorgerufenen Hirn- 
komplikationen zugute kommen sollen. Auf 61 Tafeln, in Sagittal- 
und Frontalschnitten und in natürlicher Größe, sind die Lageverhält- 
nisse der Nebenhöhlen zu den einzelnen Teilen des Gehirns dargestellt. 
Die Umrisse der Stirnhöhle sind auf das Stirnhirn projiziert, so daß 
man mit einem Blick die räumlichen Beziehungen zu den einzelnen 
Stirnwindungen, in erster Linie dem Gyrus frontalis sup. erkennen 
kann. Ebenso anschaulich ist das Verhältnis der Siebbeinzellen zur 
unteren Fläche des Stirnlappens, der Keilbeinhöhle zu Tuber cinereum 
und Schläfenlappen, und die verschiedenen Abweichungen vom nor- 
malen Verhalten dargestellt. Besonders eingehend hat Verf. die 
Entfernung der seitlichen Gehirnventrikel, der Gehirnganglien, der 
Capsula interna, der Zentralwindungen und der Insel von der Stirn- 
höhle, von ihrer hinteren Wand und vom Polus frontalis des Stirn- 
lappens studiert und die nötigen praktischen Schlußfolgerungen daraus 
gezogen. Durch Entfernung der Knochenwandung der einzelnen 
Nebenhöhlen und Erhaltung der Schleimhaut bei blasenförmiger Ge- 
stalt wirken einzelne Bilder besonders anschaulich. Ein genaues Stu- 
dium des Atlas, der die Präparate in natürlicher Größe bei ausge- 


1392 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 


zeichneten photographischen Aufnahmen reproduziert, muß jeden, der 
in die Lage kommt, rhinogene Hirnkomplikationen behandeln zu müs- 
sen, dringend empfohlen werden. Engelhardt (Kassel). 





14) Halle. Die submuköse Septumresektion. 
(Zeitschrift für Laryngologie, Rhinologie u. ihrer Grenzgebiete Bd. IL Hft. 3.) 
Verf. tritt auf Grund seines Materials von 500 Septumresektionen 
für diese die physiologisch bedeutsamen Teile der Nase in idealster 
Weise erhaltende Operation ein und schildert eingehend seine von 
den anderen Autoren etwas abweichende Technik. Interessant sind 
seine Versuche, die bisweilen beobachtete abnorme Beweglichkeit des 
Septums durch freie Implantation passend zurechtgeschnittener Knor- 
pel- und Knochenstückchen zwischen die Schleimhautblätter zu ver- 
mindern und so eine nachträgliche Konsolidierung des neugebildeten 
Septums zu begünstigen. Engelhardt (Kassel). 


15) Hopmann. Verkürzung und Verlagerung des Vomer. 
(Zeitschrift für Laryngologie, Rhinologie u. ihrer Grenzgebiete Bd. I. Hft. 3.) 
Durch mit Hilfe einer besonderen Technik hergestellte Moulagen 
der Choanen und des Epipharynx hat Verf. nachweisen können, daß 
besonders bei Ozaena eine Verlagerung des Vomer vorkommen kann, 
und daß das Septum verhornt, der Nasen-Rachenraum vertieft ist. 
Unter Verlagerung versteht Verf. eine Anomalie, »bei der der Vomer 
verkürzt und mit seinem hinteren Rand und den Alae nicht an nor- 
maler Stelle, sondern vor derselben angelagert ist, so daß es nicht 
zur Bildung regulärer Choanen kommt«. Diese bei Ozaena zu beob- 
achtenden Septumverkürzungen sind offenkundige Ergebnisse einer 
Wachtumsstörung konjunktivaler Natur, die wiederum ihren Grund 
in schwächenden Krankheiten der Mutter, besonders Syphilis und 
Tuberkulose, haben kann. Engelhardt (Kassel). 


16) Sturmann. Die intranasale Eröffnung der Kieferhöhle. 
(Berliner klin. Wochenschrift 1908. Nr. 27.) 

Das Verfahren des Verf.s hält die Mitte zwischen den kleinen 
und großen Operationen und gestattet, die für jede Art der Erkran- 
kung passende Behandlung anzuwenden (Lokalanästhesie). 

Durch die Haut des Naseneinganges senkrechter Einschnitt auf 
die Apertura pyriformis. Abhebelung der Weichteile und des Periost 
von der facialen Fläche des Maxillare und Abhebelung der Nasen- 
schleimhaut von der nasalen Knochenwand. Nach Einführung eines 
langen Nasenspiegels Einschlagen der Apertur möglichst hoch oben 
und tief unten mit dem Meißel, Entfernung des Knochenstückes mit 
der Knochenzange, Erweiterung der Öffnung nach Belieben durch 
Fortnahme von den beiden Wänden. Nach Spülung der Höhle mit 
Wasserstoffsuperoxyd Tamponade mit Jodoformgaze. Wo nötig, Aus- 
schabung. Die gute Übersicht erleichtert die Nachbehandlung. Die 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1393 


Beobachtungszeiten sind noch zu kurz, um ein Urteil über die End- 
ergebnisse fällen zu können. Langemak (Erfurt). 


———————— 


17T) R. Leroux. Linclusion de la paraffine à 78° en pro- 


these nasale. 
(Presse méd. 1908. Nr. 8.) 


Zur Vermeidung der dem weichen Paraffin (Vaselin) oder dem 
durch Hitze verflüssigten Hartparaffin anhaftenden Gefahren und 
Mängel benutzt L. auf kaltem Weg ein Paraffin mit einem Schmelz- 
punkt von 78°, und zwar injiziert er es nicht, wie andere, mittels be- 
sonderer, kräftig wirkender Hebelspritzen, sondern bringt es durch 
einen gewöhnlichen Kieferhöhlentrokar, dessen Mandrin als Spritzen- 
stempel wirkt, an die gewünschte Stelle. Durch ein feines Skalpell 
und einen schmalen biegsamen Spatel formt er sich vorher subkutan 
die zur Aufnahme des Paraffins nötige Höhle. Durch diese »Inklusion« 
vermeidet er auch auffällige Narben, die der Einpflanzung von Paraffin- 
blöcken oder -platten nach Broeckaert oder Eckstein anhaften. 

Fehre (Dresden). 





18) Kapp. Gesichtsumformungen durch Paraffinprothesen. 
(Fortschritte der Medizin 1908. Nr. 12.) 

Verf. will die Paraffinbehandlung mehr als dies bislang geschieht, 
zu kosmetischen Zwecken angewandt wissen. Von den üblichen Me- 
thoden zieht er die Stein’sche vor; bei dem Gebrauche der Stein- 
schen Spritze und des leicht knetbaren Paraffins kann man letzteres 
in mehreren, beliebig zu wiederholenden Sitzungen injizieren, was für 
die Umformung von großem Nutzen ist. 

Die Gefahr der Embolie wird bei Injektion nicht flüssigen Paraf- 
fins vermieden; von den im Anschluß an die Injektionen vorkommen- 
den Schwellungen und Hautrötungen teleangiektatischen Charakters 
sind erstere zu umgehen, wenn man stark mit Venen durchsetzte 
Partien nicht injiziert und die Injektionen nicht unter zu großem 
Druck macht. Bei fest auf der Unterlage sitzenden Narben, starken 
Bindegewebsstörungen älterer Leute u. a. verwendet Verf. als Vorkur 
Thiosinaminpflaster oder macht Fibrolysininjektionen. 

Bei sensiblen Pat. ist Athylchlorid als das zweckmäßigste An- 
ästhetikum im Gebrauch. Kronacher (München). 


19) L. Cheatle. On the mental nerve area and its relation 
to the greyness of hair. 
(Brit. med. journ. 1908. Juli 4.) 

Der N. mentalis ist der einzige Nerv, dessen Hautbezirk völlig 
mit Haar sich bedecken kann und der andererseits an den Grenzen 
sehr wenig Bezirke abgibt an benachbarte, in sein Gebiet reichende 
Nerven. Er ist also gegebenenfalls sehr geeignet, um Auftreten und 
Ausbreitung des Ergrauens der Haare zu studieren. Das Ergebnis 

> 474% 


1394 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 


der Beobachtungen C.’s, das er durch einige treffende Abbildungen 
stützt, ist, daß das Ergrauen des Bartes sich oft ganz scharf an die 
Grenzen hält, die dem Hautbezirk des Nerven entsprechen. Er hält 
demnach in vielen Fällen eine trophoneurotische Ursache für gegeben. 
Weber (Dresden). 





20) V. Gomoiu (Bukarest). Eine neue Operation zur Be- 


handlung der Gesichtslähmung. 
(Spitalul 1908. Nr. 15.) 

In Fällen von unheilbarer Gesichtslähmung, dort, wo eine Hei- 
lung mit den üblichen Mitteln nicht erzielt werden kann, ist eine 
neuroplastische oder muskuloplastische Operation angezeigt. Da die 
nervösen Anastomosen nicht jene günstigen Resultate ergeben haben, 
die man anfangs von denselben erwartet hatte, schlägt Verf. eine 
neue Muskelplastik vor, für welche ein Bündel des Kopfnickers in 
Verwendung gezogen wird. Hierzu wird ein Einschnitt längs des 
vorderen Randes dieses Muskels ausgeführt, das betreffende Bündel 
von der übrigen Muskelmasse abgelöst und in der notwendigen Länge 
abgeschnitten, dann unter Benützung derselben Hautwunde, ein Kanal 
bis zum Mundwinkel präpariert, in welchen man das erwähnte Muskel- 
bündel einführt und mit einigen, die Mundschleimhaut - nicht durch- 
bohrenden Nähten fixiert. Wenn auf diese Weise eine vollständige 
Beweglichkeit der Gesichtsmuskeln nicht zu erzielen ist, so erreicht 
man doch eine erhöhte Gesichtsstatik, durch welche die Lähmung viel 
weniger in Erscheinung tritt. G. hat seine Operation bis nun am 
Menschen nicht ausgeführt, sondern nur an der Leiche und an Tieren, 
er empfiehlt aber dieselbe zur Ausführung in einschlägigen Fällen 
und ist sicher, daß gute Erfolge zu erzielen sind. E. Toff (Braila). 





21) L. Brandt. Chirurgie für Zahnärzte. 
Berlin, August Hirschwald, 1908. 

Das soeben in erster Auflage erschienene Buch des durch seine 
Gaumenprothesen auch in chirurgischen Kreisen seit langem wohl be- 
kannten Verf. bildet einen Markstein in der Entwicklung der Zahn- 
heilkunde insofern, als es sich die rühmliche Aufgabe stellt, dieser 
Kunst den ihr gebührenden Platz einer chirurgischen Disziplin zu ge- 
winnen. Es ist das Ergebnis der seit Jahren von B. eifrig verfolgten 
Bestrebungen, den Zahnärzten chirurgisches Denken zu lehren; die 
ersten Kapitel über die Wunde und ihre Behandlung, über Antisepsis 
und Asepsis, über Infektion und Entzündung führen den lernenden 
Zahnarzt in diesem Sinne in seine Disziplin ein. In den weiteren Ka- 
piteln werden die eigentlichen Zahn-, Kiefer- und Mundkrankheiten 
unter Beigabe guter Abbildungen nach Fällen aus der umfangreichen 
klinischen Praxis des Verf. besprochen; die technischen Fragen sind 
hier nicht berührt. In diesen Kapiteln gewinnt auch der praktische 
Arzt, welcher nicht speziell Zahnarzt ist, eine gute Übersicht über dies 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1395 


Spezialgebiet der Medizin und die häufigen Wechselbeziehungen zwi- 
schen Zahnerkrankungen und lokalen und allgemeinen Leiden der 
verschiedensten Art. Dem Chirurgen speziell kann das Werk gute 
Dienste leisten zur Information über die Prothesen nach Operationen, 
deren sich die moderne Mund-, Kiefer- und Nasenchirurgie mit immer 
größerem Nutzen bedient; für den Zahnarzt sind die für ihn/wichtigen 
Operationen kurz erläutert. 

Der Hirschwald’sche Verlag hat dem Buch in zahlreichen in- 
struktiven Abbildungen eine gute Ausstattung gegeben. 

Richard Wolff (Berlin). 


Kleinere Mitteilungen. 
I. 


Aus der k. k. Universitäts-Ohrenklinik in Wien. 
Direktor: Prof. Urbantschitsch. 


Zur Chirurgie des Schläfenbeins. 
Von 


Dr. Erich Ruttin, 


Assistenten der Klinik. 


n der otologischen und chirurgischen Literatur sind zahlreiche Fälle von aus- 
| ee Entfernung der Felsenbeinpyramide bekannt!. Allein in fast allen 
Fällen handelte es sich um Entfernung der schon durch den Krankheitsprozeß 
(Caries, Nekrose oder maligne Tumoren) fragmentierten und aus der Umgebung 
gelösten Pyramide. Die Entfernung der losgelösten Pyramidenstücke ist natürlich 
eine leichte und im Verlaufe der Operation selbstverständliche. Die Gefährlichkeit 
der Operation ist eine minimale, selbst wenn dabei die Carotis oder der Bulbus 
freigelegt wird. 

Es scheint jedoch, daß man vor der ausgedehnten Resektion der Pyramide 
zur Beherrschung tiefer Extraduralabszesse, zur Entfernung von Acusticustumoren 
usw. häufig zurückschreckt, und daß die Ursache dieser Scheu die Furcht vor 
Nebenverletzungen der angrenzenden Gebilde (Carotis, Bulbus, Sinus, Sinus petrosus, 
Dura der mittleren und hinteren Schädelgrube, Facialis, Vagus, Accessorius, Me- 
dulla oblongata) bildet. , 

Auf Anregung des Herrn Prof. Kümmell in Heidelberg möchte ich hier 
einen Fall mitteilen, über den ich bereits in Heidelberg auf der Versammlung der 
Deutschen otologischen Gesellschaft berichtet habe. 

R. W., 62 Jahre alt, wurde am 22. April 1908 in die k. k. Universitäts-Ohren- 
klinik in Wien (Prof. Urbantschitsch) aufgenommen. Bis vor 4 Monaten war 
Pat. gesund. Vor 4 Monaten erkrankte sie an Influenza, an die sich eine links- 
seitige akute Otitis anschloß. Pat. wurde damals einige Tage nach Beginn der 
akuten Otitis mit den Erscheinungen einer akuten Mastoiditis in die Klinik sauf- 
‚genommen, jedoch, da die Symptome wieder zurückgingen, auf ihren Wunsch bald 
wieder entlassen. In der Zwischenzeit wurde sie unregelmäßig ambulatorisch be- 
handelt. 8 Tage vor ihrer Aufnahme traten Schwellung hinter dem Ohre, Er- 
brechen und heftige Kopfschmerzen auf. 

Otoskopischer Befund: Linkes Ohr: Die hintere obere Gehörgangswand so 
stark verengt, daß der Gehörgang nur mehr einen schmalen Spalt darstellt, aus 


1 Literatur siehe bei: Heyer, Deutsche Zeitschrift für Chirurgie 1899. Bd. L. 


* 


1396 Zentralblatt für Chirurgie, Nr. 47. 


dem dicker, nicht fötider Eiter quillt. Nach Auseinanderdrängen des Spaltes 
findet man in der Tiefe eine weiche Granulation. Die Regio mast. ist geschwollen, 
die Haut daselbst ödematös und druckempfindlich. Schmerzen im Ohre. Heftige 
Kopfschmerzen. Erbrechen. Kein Fieber. Kein Nystagums, etwas »Schwindel«, 
Auf dem linken Ohre ist sie anscheinend taub. Weber im Kopf. Rinne negativ 
(anscheinend hinübergehört). c und C,, es-+. Laute Sprache mit Hörschlauch nicht 
gehört. Kalorische Reaktion schwach, aber deutlich. 

Operation: Typischer Hautschnitt durch das stark infiltrierte subkutane Ge- 
webe. Es quillt sofort reichlich dünnflüssiger Eiter hervor. In der Corticalis des 
Warzenfortsatzes finden sich zwei Fisteln: eine etwa linsengroße, etwa 1 cm über 
der Warzenfortsatzspitze in der hinteren unteren Gehörgangswand gelegen, die: 
andere, etwa 2cm lang, fast 1 cm breit im Beginne des Sinus transversus, über 
denselben nach rückwärts verlaufend. Diese Fisteln sind vollständig mit schwam- 
migen Granulationen erfüllt. In der ersten fühlt man mit der Sonde in der Tiefe 
rauhen Knochen, in der zweiten die Sinuswand. 

Aufmeißelung des Warzenfortsatzes, |dessen Struktur nicht deutlich zu er- 
kennen ist, da das ganze Innere desselben zerstört ist und zahlreiche kleinere und 
einen etwa haselnußgroßen Sequester enthält. Dieser Seqnester deutet pneumatische- 
Struktur an. Freilegung aer Dura der mittleren und hinteren Schädelgrube- 
in großer Ausdehnung. Die Dura der mittleren Schädelgrube ist mit Granu- 
lationen bedeckt {und verfärbt, jedoch wird nach vorn gesunde Dura er- 
reicht, nachdem die Totalaufmeißelung angeschlossen worden war. Jetzt sieht 
man auch im vorderen Abhang der Prominenz des horizontalen Bogenganges- 
zwischen ovalem Fenster und der Höhe der Prominenz eine etwa stecknadelkopf- 
große verfärbte Stelle; es scheint eine Fistel, die mit einer pilzförmigen Granu- 
lation verschlossen ist, zu sein. Verfolgung des Sinus nach aufwärts und der Dura 
der hinteren Schädelgrube hinter dem Sinus bis ins Normale. Verfolgung des Sinus: 
nach abwärts bis in die Nähe des Bulbus venae jugularis. Der Sinus ist allent- 
halben mit Granulationen bedeckt. Bei der Verfolgung des Sinus nach unten: 
gegen den Bulbus findet sich ein Durchbruch an der vorderen unteren Gehörgangs- 
wand, an der Grenze zwischen Gehörgangswand und Trommelhöhlenboden, so daß ich 
wegen dieser und der obenerwähnten Fistel in der hinteren unteren Gehörgangs- 
wand resezieren mußte. Dies gelang mir erst, nachdem ich den oarotischen Kanal 
mit dem Meißel eröffnet hatte. Dabei erfolgte eine ganz unbedeutende venöse- 
Blutung, die mich am Operieren nicht im mindesten hinderte. 

Die Fisteln führten in eine unter dem Gehörgang gelegene, mit schwammigen. 
Granulationen erfüllte Abszeßhöhle. Bei der erwähnten Resektion der Gehörgangs- 
wände und der Ausräumung dieser Abszeßhöhle mußte der ‚Facialis geopfert. 
werden. 

In diesem Stadium der Operation liegt die Dura der hinteren Schädelgrube 
in einem etwa 3 cm langen und 11/2 cm breiten, medial vom Sinus gelegenen und’ 
ihm parallelen Streifen frei. Sie ist mit Granulationen bedeckt und verfärbt. 
Nach vorn kann man auch durch Lüften der Dura nichts Gesundes erreichen, 
sondern es quillt sogar von vorn her ein Tröpfchen Eiter zwischen Knochen und’ 
Dura hervor. Da die Funktionsprüfung mit großer Wahrscheinlichkeit Taubheit 
ergeben hatte und die Operation eine Fistel aufdeckte, wollte ich durch die- 
Labyrinthoperation nach Neumann den tiefen Extraduralabszeß, der gegen die- 
Spitze zu liegen mußte, erreichen : doch beim Versuche, retrolabyrinthär zu meißeln, 
begann die Pyramide wegen der ausgedehnten Resektion des umgebenden Knochens: 
zu federn. Es blieb mir daher nichts übrig, als den Versuch zu machen, die Pyramide in: 
toto zu entfernen. Stumpfe Ablösung der Dura der mittleren und hinteren Schädel- 
grube bis zur Pyramidenspitze mit einem, dem Freer’schen Raspatorium ähnlichen. 
Instrument (Fig. 1). Durchtrennung der Nerven im inneren Gehörgang. Abhebung 
des Ganglion Gasseri aus der Impressio trigemini. Bei der Ablösung der Dura an 
der Stelle des Saccus endolymphaticus reißt die Dura hier ein, und es fließt klarer - 
Liquor ab. Extraktionsversuch der ganzen Pyramide gelingt nicht. Versuche, 
die Pyramide mit der Kugelzange zu fassen und mit dem Meißel zu verkleinern,, 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1397 


erfolglos. Geringe venöse Blutung. Tamponade. Aussetzen der Narkose wegen 
schlechten Pulses. Sistieren der Narkose. Im Erwachen Entfernung der Tampo- 
nade. Durchtrennung eines Durastranges in der Nähe des Saccus endolymphaticus, 
durch den die Pyramide noch festgehalten wird. Unter rotierenden Bewegungen 
um die Längsachse der Pyramide gelingt es jetzt leicht und ohne weitere Neben- 
verletzungen, die Pyramide in toto zu extrahieren (Fig. 2). Keine Veränderung im 
Zustand und Puls der Pat. Keine Blutung. Im Wundgebiete sieht man nun den 
Trichter, der die Pyramide enthielt. Im Grunde desselben liegt der ganze intra- 
kranielle Teil der Carotis lebhaft pulsierend frei. An der hinteren Wand des 
Trichters sieht man gegen die Spitze zu die schmutzig verfärbte pachymeningitisch 
veränderte Dura, den Stumpf der Nerven des inneren Gehörganges und eine etwa 
1 cm lange Öffnung in der Dura, entsprechend der Stelle des Saccus endolympha- 
ticus, durch die das mit normaler Pia bedeckte Kleinhirn sichtbar ist. 





a. Ansicht der Breitseite. 
b. Seitenansicht. 





2a. Ansicht der in einem Stück entfernten Pyramide von der medialen Seite. 
a = Apertura externa aquaeductus vestibuli. 
b = Fossa bulbi jugularis. 
m = Meatus auditorius internus. 
f = Facialis. 
p = Pyramidenspitze. 
2b. Ansicht von der lateralen Seite. 


f = Facialis. 

of = Ovales Fenster. 

bg = Horizontaler Bogengangswulst. 

fi = Fistel im horizontalen Bogengangswulst. 
rf = Rundes Fenster. 

pr = Promontorium. 

c = Canaalis caroticus. 


1398 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 


Am nächsten Tage war die Pat. sehr schwach, doch befand sie sich wohl, 
sprach mit den Angehörigen ganz ruhig und vernünftig. Außer der Facialparalyse 
war nichts Abnormes zu bemerken. Puls 60, schwach, kein Fieber. Keine Be- 
schwerden. Am 3. Tage wurde sie bewußtlos und kam unter den Zeichen zu- 
nehmender Herzschwäche ad exitum. 

Obduktionsbefund (Dozent Dr. Bartel): Hyperämie des Gehirns. Pachy- 
meningitis externa der hinteren Schädelgrube in der Nähe der Pyramidenspitze. 
Multiple kleine Blutungen an der Durainnenfläche. Hochgradige Fettdegeneration 
des Herzens, Fettentartung der Leber und Nieren. Atrophie der Milz. Emphysem 
der Lunge mit beginnender Lobulärpneumonie im Unterlappen. Hirsekorngroße 
Follikel im Dickdarm. Marasmus senilis. Nach Leptomeningitis und Zeichen von 
Verletzungen des Vagus und der Medulla oblongata wurde geforscht, doch konnte 
nichts dergleichen festgestellt werden. 

In der Literatur konnte ich nur einen Fall finden, der in ähnlicher Weise 
operiert wurde. Es ist dies der von Bircher mitgeteilte Fall (Zentralblatt für 
Chirurgie 1893, Nr. 22, p. 483 ff.). 

Bircher hat in diesem mit Phlebitis des Sinus transversus, petrosus inferior 
und cavernosus kombinierten Falle von tiefem Extraduralabszeß den Eiterherd 
durch stückweise Entfernung der Pyramide freigelegt. Dabei wurde der carotische 
Kanal aufgebrochen, aber seine untere Wand stehen gelassen. Der Facialis wurde 
geopfert. Die Pat. wurde nach mehrmonsatiger Dauer geheilt. 

In meinem Falle gelang es nicht, wieim Bircher’schen, die Pyramide zu zer- 
stückeln, und es mußte daher die Extraktion in toto vorgenommen werden. Trotz- 
dem kamen mit Ausnahme des Durarisses in der Gegend des Saccus endolympha- 
ticus?2 keine Nebenverletzungen vor. 

Der Fall zeigt, daß die Gefahr der gefürchteten Carotisblutung und der übrigen 
Nebenverletzungen keine so große ist, daß die Otochirurgie vor dem carotischen 
Kanal halt machen müsse. 

Erwähnt sei noch, daß diese oder eine ähnliche Methode sich auch für die 
Entfernung von Acusticustumoren eignen dürfte. Tatsächlich hat auch Kümmel 
schon vor Jahren einen ähnlichen Vorschlag gemacht und auch neuerdings Ba- 
rany einen ähnlichen Weg an der Leiche versucht. 


II. 


Einfacher Apparat zur künstlichen Atmung 
bei eröffnetem Thorax‘. 
Von 
Dr. M. Katzenstein in Berlin. 


ür die Chirurgen, die nicht in der Lage sind, sich einen der verschiedenen 

teuren Apparate für Operationen nach Eröffnung des Thorax zuzulegen, möchte 
ich im folgenden einen von mir improvisierten Apparat beschreiben, den ich nach 
vielfacher Prüfung an der Leiche, einmal am Menschen mit gutem Erfolg an- 
gewandt habe. 


2 Dieser Einriß der Dura ist offenbar in diesem Falle auf die für die Ab- 
lösung ungünstige sehr tiefe Apertura ext. aquaeductus vestibuli zurückzuführen. 
Wie ich mich später durch Versuche an der Leiche überzeugte, gelingt die Ab- 
hebung der Dura der hinteren Schädelgrube meist auch an dieser Stelle ohne 
Verletzung. 

1 Nach einer auf der Freien Vereinigung der Chirurgen Berlins am 9. März 
1908 gehaltenen Demonstration, bei der eine der Leiche entnommene Lunge künst- 
lich geatmet wurde. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1399 


Das nicht neue, von Physiologen vielfach benutzte Prinzip beruht auf der 
Eigenschaft der Lunge, vermöge ihrer Elastizität nach Eröffnung des Thorax zu 
kollabieren. Es bedarf daher lediglich einer von uns ausgeführten künstlichen 
Aufblähung der Lunge, die zweckmäßigerweise durch einen Blasebalg erfolgt, um die 
künstliche Atmung (Inspiration und Exspiration) bei eröffnetem Thorax auszuführen. 
Die Zuführung dieser Inspirationsluft in die Lunge kann entweder durch eine 
Tracheotomiewunde, einfacher aber durch die ausgezeichnete Tubage von Kuhn 
erfolgen. 

Die Anordnung des Apparates erhellt wohl vollkommen aus beifolgender 
Zeichnung. Seine Anwendung geschieht in folgender Weise: 


Trichter zur Narkose. 


ehlkopf eingeführt. 


Tubagerohr (Kuhn) 


wird in den 





a. Exspirationsluft. b. T-Rohr. 


Vor jeder Operation, bei der event. der Thorax eröffnet wird, wird das Tubagerohr 
in bekannter Weise in den Kehlkopf eingeführt, alsdann die Mundhöhle tamponiert. 
Die Narkose erfolgt durch den Trichter, der vermittels eines T-Rohres an das 
Tubagerohr befestigt ist. In dieser Phase der Operation ist der Blasebalg nicht 
an das dritte Ende des T-Rohres angeschlossen, dieses wird vielmehr durch ein 
kurzes, mit Klemme versehenes Gummirohr verschlossen. Im Moment, wo die 
Lunge nach Eröffnung des Thorax kollabiert, wird der Blasebalg angeschlossen 
und durch leichten Druck desselben die Lunge inspiratorisch aufgebläht. Durch 
Nachlassen des Blasebalges kollabiert die Lunge wieder, die Exspirationsluft kann 
durch das kleine Ventil«@ nach außen gelangen. Alsdann folgt wieder die Inspira- 
tion usw. Wie ich bei dem einen Falle, den ich beobachtete, sehen konnte, schließt 
sich die andere Lunge dem Tempo der künstlichen Inspiration vollkommen an, 
und der den Blasebalg bedienende Gehilfe hat es in der Hand, nach Aufforderung 
die Inspiration so kräftig zu gestalten, daß die Lunge in die Wunde hinein sich 
vordrängt. 

Der Preis des Apparates beträgt ungefähr 35 .4 inkl. Tubagerohr. Der Ap- 
parat kann von jedem Arzte zusammengestellt werden. 


1400 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 


22) 80. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Köln 
im September 1908. 


Abteilung für Chirurgie und kombinierte Sitzung der chirurgisehen 
und internen Abteilung. 


Berichterstatter: GOEBEL, Köln. 
(Fortsetzung.) 


a. Wrede (Königsberg i. Pr.): Zwei Fälle von Ostitis fibrosa cystica 
am Schädel. 

Ein 28jähriger, kräftiger Tischler hat seit dem 6. Lebensjahr eine flache An- 
schwellung der rechten Stirn- und Schläfengegend, verbunden mit einer Verlagerung 
des Augapfels. Plötzlich stellen sich Kopfschmerzen und zunehmende Sehstörungen 
ein. Bei der Operation findet sich eine Ostitis fibrosa cystica des Stirn- und Keil- 
beins. Möglichst ausgedehnte Resektion der erkrankten Knochenabschnitte,. 
Deckung des Defektes durch freie Knochenplastik. Heilung unter Wiederher- 
stellung der normalen Sehschärfe. 

Ein 6jähriges, blasses, schwächliches Mädchen fiel vor 1 Jahr vom Wagen. 
4 Wochen später entstand unter frühzeitig einsetzender Facialisparalyse oberhalb 
und vor dem linken Ohr eine langsam wachsende Anschwellung. Das Röntgen- 
bild zeigt einen nach außen und nach der Schädelhöhle vorspringenden kugligen, 
apfelgroßen Schatten in der Schläfengegend. Operation und histologische Unter- 
suchung erweisen diese Geschwulst als eine Ostitis fibrosa cystica. Noch in Be- 
handlung. (Selbstbericht.) 


b. Alois Sickinger (Brünn-Wien): Die Trigeminusneuralgie vom 
zahnärztlichen Standpunkte, 

S. begründet durch Beispiele, wie häufig durch selbst einfache Eingriffe vom 
Zahnarzte dieses schwere Leiden geheilt wird. Er behauptet, daß einerseits von 
den Chirurgen der Zahnarzt viel zu wenig beratschlagt wird, anderseits der Zahn- 
arzt oft die notwendige skrupulöse Untersuchung und Behandlung der Zähne 
unterläßt und lieber den Pat. an den Chirurgen weißt. 

Die chirurgische Operation mit Ausschluß der Krause’sche Ganglion Gasseri- 
Methode bezeichnet S. als weder schwer noch gefährlich und will daher, wenn 
nicht sicherer Erfolg vom Zahnarzt erwartet werden kann, bzw. nicht nach dessen Be- 
handlung gleich eintritt, lieber mit der chirurgischen Operation nicht gezögert wissen. 
Er macht darauf aufmerksam, daß bei hysterischen Pat. dieses Leiden schwer in die 
Wagschale fällt und deshalb oft ganz belanglose zahnärztliche Eingriffe Heilung durch 
Suggestion erzielen. Auch ganz abnorme Fälle kommen vor, die lehrreich sind. So 
leidet ein 31jähriger sehr kräftiger Mann seit 2 Jahren an regelmäßig auftretenden 
Schmerzen des linken 1. Trigeminusastes. Er wird chirurgisch operiert, nachdem alle 
Mittel versagten. Der Schmerz sistiert 4 Tage und beginnt von Neuem in fast 
gleicher Intensität. Erst jetzt sucht Pat. den Zahnarzt auf Rat des Chirurgen auf. 
Er wird von 8. zahnärztlich behandelt. Die Plombierung linderte die Schmerzen 
nicht. Selbst die Extraktion des linken oberen IL. Mahlzahnes half wenig; erst die 
Extraktion auch des II. oberen linken Mahlzahnes brachte die Erlösung. Da der 
Fall ganz jung ist, will S. seine Schlüsse erst nach längerer Zeit ziehen. Er bittet 
um Einsendung der gemachten Erfahrungen nach Brünn nicht allein von den be- 
teiligten Spezial-, sondern auch von den allgemein praktischen Arzten. 

(Selbstbericht.! 


c. K. Witzel (Dortmund): Die Errungenschaften auf dem Gebiete 
der chirurgischen Prothetik. 

Einleitend betonte W. wichtige, zu beachtende Punkte vor der Operation. 
Wenn irgend auf einem Gebiete der Zahnheilkunde es nötig sei, daß Zahnarzt und 
Chirurg von vornherein zusammenarbeiteten, so sei es auf dem Gebiete der Prothe- 
tik. Der Zahnarzt, als Prothetiker, sei berufen, durch seine Kunst das zu ersetzen, 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1401 


was der Chirurg als pathologisch lege artis habe entfernen müssen. Die Brauch- 
barkeit einer Prothese würde in hohem Grade gesichert, wenn Chirurg und Zahn- 
arzt sich vor jeder Operation verständigt hätten; dies sei um so mehr geboten, 
weil diese Arbeiten sich nicht schablonenhaft herstellen lassen, sondern individuell 
von Fall zu Fall durchgedacht werden müssen. Bei den Oberkieferresektionen 
seien z. B. alle Wangenschnitte, durch deren Vernarbung eine Verzerrung des 
Gesichts herbeigeführt wird, zu vermeiden. An der Hand von Lichtbildern be- 
sprach W. die verschiedenen Arten von Prothesen nach Resektionen des Unter- 
kiefers, die Grundsätze der Berliner Schule — v. Bergmann-Sauer, der Lyoner 
— Ollier, Claude-Martin. In der Sammlung waren die Drahtverbände für 
Unterkieferresektionen nach Sauer, Bönnecken, Hahl, Partsch, Stoppany, 
Schröder (Greifswald-Berlin, Groth (München), Eichler und eine Reihe von 
W. angegebener Verbesserungen, erst als Phantoma:beit, dann die Modelle und 
Apparate, wie sie für Pat. ausgeführt worden sind. Darin besteht ein Haupt- 
vorzug der W.'schen Sammlung, daß wir nicht allein die Phantomarbeiten darin 
finden, wodurch W. zum Ziele gelangt ist, sondern vielmehr immer die Fälle auch, 
wo diese Arbeiten praktisch ausgeführt worden sind. So z. B. die Prothese mit 
einseitigem Qleitgelenke nach ausgeführter einseitiger Exartikulation, wo Pat. erst 
nach Monaten in zahnärztliche Behandlung kam, ferner die Prothese mit Gleit- 
gelenk nach Exartikulation des ganzen Unterkiefers. Sehr interessant sind die 
Modelle von dem Kiefer der Emma B.; hier ist an den drei Modellen die Wirkung 
des Gleitgelenkes auf das zurückgelassene Periost deutlich zu erkennen; es hat sich 
ein formgerechter Unterkieferknochen wieder gebildet. 

W. sagt in seinem Schlußworte wie der Operateur sich an der Leiche übt, 
dann die Versuche bei Tieren ausführt, den Erfolg abwaıtet, um gegebenenfalls 
die Operation beim Menschen auszuführen; ebenso sind die Zahnärzte gezwungen, 
Phantomarbeiten zu machen, dieselben auf ihre Vorteile gegenüber der bisher ver- 
öffentlichten Verbänden zu prüfen, um sie später zu verwerten. 

Wir müssen Herrn Geheimrat Partsch dankbar sein, daß er den Studenten 
der Zahnheilkunde Gelegenheit gibt, auch solchen Operationen beiwohnen zu können. 

(Selbstbericht.) 


d. L. Brauer: Die chirurgische Behandlung der Lungenkrankheiten. 

Der Ref. bespricht vom Standpunkte des inneren Mediziners die neueren Be- 
strebungen auf dem Gebiete der Lungenchirurgie, hierbei die prinzipiellen Fragen 
besonders hervorhebend. 

Die operativen Eingriffe, welche zur Heilung anatomischer oder funktioneller 
Lungenkrankheiten möglich sind, lassen sich nach den folgenden Gesichtspunkten 
einteilen: 

1) Operationen, welche in das Lungengewebe hineinführen, daselbst Krankheits- 
berde aufsuchen und dieselben nach außen drainieren. 

2) Resektion größerer Lungenteile oder ganzer Lungenlappen. 

3) Methoden, deren gemeinsames Ziel es ist, die Lungen zum Kollaps bzw. 
zur Kompression zu bringen. 

4) Operationen, die zu dem Zweck am Brustkorb vorgenommen werden, um 
den Atemtypus zu ändern, also eine rein funktionelle Beeinflussung der Lungen- 
arbeit zu schaffen. 

Die unter 1) genannten Operationen sind die bislang am meisten geübten, 
sie kommen bei Lungengangrän, Abszeß usw. in Anwendung. Die drei weiteren 
Methoden haben in den letzten Jahren an Umfang gewonnen. 

Noch rein im Stadium des Tierexperimentes liegt dann ferner der Versuch, 
kranke Abschnitte der Lungen nicht auf dem üblichen Wege der Durchdringung 
des atmenden Parenchyms zu drainieren, sondern eine Drainage der großen Bron- 
chien am Hilus zu versuchen. (Gemeinsame Arbeit des Ref. mit Sauerbruch.) 
Gleichfalle im Stadium des Tierversuches befinden sich die Bemühungen von Bruns 
und Sauerbruch, die Verödung ganzer Lungenlappen dadurch zu erzielen, daß 
durch Unterbindung eines Hauptastes der Pulmonalarterie die Ernährung des be- 


1402 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 


treffenden Lungenabschnittes auf diejenigen geringen Blutmengen beschränkt wird, 
die ihm durch die Bronchialarterie zuströmen. 

Die Lungenkrankheiten sind und bleiben der Hauptsache nach Prozesse, die 
von dem internen Mediziner zu behandeln und zu beurteilen sind. Nur dort, wo 
trotz aller der inneren Medizin zu Gebote stehenden Mittel der Erfolg ausbleibt, 
sollte der Gedanke an ein chirurgisches Eingreifen aufkommen. Bei der Gefähr- 
lichkeit vieler Lungenoperationen ist die sorgfältigste Kontrolle der Diagnose unter 
Zuhilfenahme aller modernen Untersuchungsmethoden unbedingt notwendig. Für 
die Umgrenzung und Tiefenlokalisation eines Krankheitsherdes ist außer der klini- 
schen Untersuchung stets auch die Röntgenphotographie, womöglich die Stereo- 
radiographie heranzuziehen. Besonders die Beurteilung der Pleuraadhäsionen stößt, 
wie angeführte Beispiele erneut bestätigen, häufig auf beträchtliche Schwierigkeiten. 

Die seither übliche Methode der Lungensektion gibt oft ungenügende räum- 
liche Vorstellungen von der Ausdehnung und Lagerung der Krankheitsherde. 
Man sollte die Lungen tunlichst in situ nach bestimmter Methode fixieren, wie 
dieses zuerst von Schmorl dann von Beneke und B. durchgeführt wurde. (De- 
monstration derartiger Präparate.) 

Die unter 1) genannten herderöffnenden Maßnahmen gehören in das Arbeits- 
gebiet des Chirurgen. Der Ref. lehnt daher die Besprechung dieser Fragen, sowie 
das Eingehen auf sonstige chirurgische Dinge ab. Das Gleiche gilt für die Fragen 
der Lungenresektionen. 

Ausführlicher werden die Ursachen bei Dyspnoe bei breit offenem und bei 
geschlossenem Pneumothorax dargelegt. Das Studium dieser Fragen ist für die 
richtige Beurteilung der Indikation, der Wirkung und der Nebenwirkung vieler 
Lungenoperationen von ausschlaggebender Bedeutung. 

An der Hand der eigenen Erfahrungen gelangen die unter 3) und 4) aufge- 
führten Operationen zu eingehenderer Besprechung. 

Ref. vertritt im Gegensatz zu anderen seit langem den Standpunkt, daß bei 
richtiger Indikation und zweckmäßigem Vorgehen bestimmte Fälle von Lungen- 
tuberkulose ein besonders günstiges Objekt chirurgischer Therapie darstellen. Am 
meisten kommt in Frage, bei vorwiegend einseitiger, ausgedehnter schwerer Lungen- 
tuberkulose die kranke Lunge durch Kollaps ruhig zu stellen. Voraussetzung des 
Erfolges ist der Mangel anderweitiger schwerer tuberkulöser Komplikationen. 

Der Lungenkollapsläßt sich bei freiem Pleuraspalt durch Anlegung eines 
künstlichen Pneumothorax erzielen (Forlanini, Murphy); bei Obliteration des. 
Pleuraraumes ist eine mehr oder weniger ausgedehnte extrapleurale Thorakoplastik 
hierzu nötig (Quincke, C. Spengler, Turban). 

Zur eigenen Beobachtung kamen im Laufe der letzten Jahre 48 Fälle, bei 
denen ein künstlicher Pneumothorax erzielt wurde. Ferner konnte Ref. sieben 
Fälle, bei denen er die Indikation der extrapleuralen Plastik stellte, beobachten. 
Über die hierbei gesammelten Erfahrungen wurde andernorts mehrfach be- 
richtet. Der Vortr. hebt heute besonders eine Gruppe von Kranken hervor, welche 
lange vor sowie nach Anlegung des Pneumothorax sorgsamster klimatischer und 
hygienisch-diätetischer Behandlung unterworfen waren, da an einem unter diesen 
Bedingungen beobachteten Krankenmateriale am ungetrübtesten der Wert des Ein- 
griffes zutage tritt. 

Die Erfolge, die der Lungenkollaps durch Pneumothorax bei wesentlich ein- 
seitiger Phthise brachte, ließ schon seit Jahren mit Küttner, Anschütz und 
mehreren Lungenspezialisten eingehend den Gedanken erwägen, dort, wo ausge- 
dehnte Schwarten die Anlegung eines Pneumothorax hinderten, eine möglichst 
große extrapleurale Thorakoplastik den Kranken zu empfehlen. 

Es müßte das Ziel einer solchen Operation sein, die kranke Lunge möglichst 
radikal zusammenfallen zu lassen und daher mit der Operation möglichst hoch am 
Thorax heraufzugehen; denn sollte der Eingriff nützen, so müßte die Lunge nach 
Entfernung der Rippen tunlichst in gleicher Weise zum Kollaps kommen, wie bei 
wohlgelungenem Pneumothorax. Dieses Postulat ergab sich als etwas selbstver- 
ständliches aus vielfachen klinischen und radioskopischen Studien. Die bekannten 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1403 


Mitteilungen der vorgenannten Autoren, sowie die Erfahrungen und literarischen 
Berichte über ausgedehnte Rippenresektionen bei großen Empyemresthöhlen ließen 
das gesteckte Ziel durchaus erreichbar erscheinen, so daß Ref. einigen Davoser 
Kranken, bei denen der Versuch, einen Pneumothorax anzulegen, mißlungen war 
und bei denen der überaus bedrohliche Krankheitsverlauf die Lungenkollapstherapie 
dringend indizierte, den Rat geben konnte, zum Zweck einer ausgedehnten Thorako- 
plastik nach Marburg zu kommen. Die technische Bearbeitung und Ausführung 
der Operation wurde dann von Friedrich übernommen. Ref. möchte empfehlen, 
an der von C. Spengler gewählten Bezeichnung »extrapleurale Thorakoplastik« 
als völlig eindeutig festzuhalten. 

Pneumothorax und Plastik haben, wie gesagt, das gleiche Ziel und im all- 
gemeinen auch den gleichen Endeffekt. Ihre Differenz besteht im wesentlichen 
in den Nebenwirkungen; wegen vieler Einzelheiten muß auf die ausführliche Dar- 
stellung verwiesen werden. 

Im geschlossenen Pneumothorax gestaltet sich der Lungenkollaps je nach dem 
Vorhandensein von Adhäsionen und je nach der Größe des angewandten Druckes 
verschieden, ist auch in diesen Grenzen willkürlich zu variieren. Ein völliger 
Lungenkollaps, wie er bei gut gelungenem Pneumothorax erreicht wird, tritt selbst 
bei ausgedehntester Plastik nicht ein, da die Spitzenpartie unter der ersten Rippe 
und unter der Clavicula ausgespannt bleibt. Die Lunge im Pneumothoraxraum 
ist durch entsprechende Regulierung des Druckes nahezu völlig ruhig zu stellen; 
nach der Plastik führt dieselbe immer noch ziemlich ausgiebige Bewegungen aus. 
Der entstellende Eingriff der großen Plastik sollte nur dort in Anwendung ge- 
zogen werden, wo die Pneumothoraxtherapie technisch nicht möglich ist, zumal 
der Plastik weit größere das Leben unmittelbar gefährdende Nebenwirkungen eigen 
sind. Mikroskopische Präparate phthisischer Lungen, die längere Zeit unter der 
Einwirkung eines Pneumothorax standen, zeigen stark vermehrte Bindegewebs- 
wucherung und anderweitige Zeichen guter Heilungstendenz (genauere Beschreibung 
durch Dr. Graetz, Beiträge zur Klinik der Tuberkulose Bd. X). 

Auch zur Behandlung der therapeutisch so überaus undankbaren Bronchiekta- 
sien sind Lungenkollapsmethoden seit langem versucht worden. Daneben wurde 
vielfach die Eröffnung und Drainage der Herde empfohlen. 

Ref. betont nachdrücklichst, daß es von größter Bedeutung ist, zunächst 
generell zu entscheiden, ob Lungenkollapsmethoden bei den multiplen chroni- 
schen Bronchiektasien überhaupt Nutzen schaffen oder nicht. Erst in zweiter 
Linie steht dann die Frage, auf welchem der technisch möglichen Wege der 
Kollaps zu erstreben ist (Pneumothorax- oder plastische Methoden). 

Von den Operationen der letzten Gruppe (Anderung des Atemtypus durch 
kleinere Eingriffe am Thorax) verdient die Freund'sche Emphysemoperation ein- 
gehende Beachtung, wenn auch das Urteil über den Wert der Operation noch 
nicht abgeschlossen sein dürfte. 

Dagegen dürfte die Durchtrennung des ersten Rippenknorpels zur Mobili- 
sierung der oberen Thoraxapertur bei beginnender Phthise eher ablehnend zu 
beurteilen sein. Der Eingriff ist als rein vorbeugende Maßnahme leidlich gut be- 
gründet, hierfür aber wohl zu different. Als heilender Eingriff bei bereits vor- 
handener Erkrankung ist der Eingriff nicht ratsam. (Selbstbericht.) 


e. Friedrich (Marburg) hat, einer Aufforderung Bardenheuer’s folgend, 
das Referat zur Lungenchirurgie übernommen, trotz der Bedenken wegen der 
Kürze der Aufeinanderfolge seiner Referate (s. Chirurgenkongreß 1907) und wegen 
der Kürze der Zeit, welche seit dem Auftauchen neuer Heilvorschläge, der Mög- 
lichkeit ihrer Prüfung erst verstrichen ist. 

F. gruppiert den Stoff in 1) Eingriffe, welche in die Lunge selbst eindringen 
(intrapulmonale), 2) solche, welche von der Pleura aus die kranke Lunge 
heilend beeinflussen (intrapleurale Pneumothoraxtherapien und ähnliche) und 
3) solche, welche unter voller Erhaltung der Pleura costalis nur durch Operationen 
an der Brustwand auf eine Erkrankung der Lunge einwirken sollen, extrapleurale, 
thorakale Operatioren. Da die Zeit der Sitzung bereits sehr vorgerückt ist, 


1404 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 


beleuchtet er nur in kurzen Umrissen den gegenwärtigen Stand des intrapulmonalen 
Vorgehens bei Abszeß, Gangrän, Fistelbildung, traumatischer Ruptur, 
Blutung; ebenso von Aktinomykose und Echinokokkus. Für die Tuber- 
kulose lehnt F. intrapulmonale Eingriffe (Kaverneneröffnung usw.) in der bisher 
geübten Form wegen zu geringer Erfolge als kaum gerechtfertigt ab. 

Er bekennt sich erneut als Verfechter des Nutzens des Druckdifferenzverfahrens 
(nach Sauerbruch oder Brauer) und empfiehlt, um ihm mehr Eingang zu ver- 
schaffen — auf Grund der von ihm gemachten und 1907 ausgesprochenen Er- 
fahrungen, daß es keineswegs auf peinliches Einhalten einer ganz bestimmten 
Druckhöhe ankomme, daß bei Schwankungen zwischen 4 und 7—8 dauernd 
ohne Symptome des Pneumothorax operiert werden könne, — die Umgestaltung 
eines beliebigen Raumes im Operationshause in ein Druckdifferenzoperationszimmer, 
was mit nicht zu großen Unkosten verbunden sei (Näheres siehe F.’s Vortrag in 
Münchener med. Wochenschrift). Namentlich für Verletzungen, plastische Opera- 
tionen, Probethorakotomien, Tumorinangriffnahme glaubt F. den großen Wert des 
Verfahrens erneut betonen zu müssen, während er bei den entzündlichen Erkran- 
kungen (Abszeß und Gangrän) nicht von der Überlegenheit des Verfahrens für 
die definitiven Erfolgsziffern überzeugt ist. Auch wie 1907 nimmt er heute gern 
den Vorwurf auf sich, noch nicht in endgültiger Weise sich über den Wert der 
Methode äußern zu können. Dazu sei die Zeit noch zu kurz und die Zahl der 
Fälle gegenüber den über 10 Jahre ausgedehnten lungenchirurgischen Erfahrungen 
anderer Operateure doch noch zu gering. 

Hinsichtlich der intrapleuralen Therapie, des durch Stickstoffeinlassung in die 
Pleura bewirkten »Lungenkollapses« (Brauer), »Lungenkompression« (A. Schmidt) 
bei Tuberkulose verweist er auf die gegensätzlichen Erfahrungen beider bei Tuber- 
kulose, auf ihre Pneumothorax-therapeutischen Ideen bei Bronchiektasien, Aspira- 
tionspneumonien und fötiden Bronchitiden. — 

Von den thorakalen, extrapleuralen Operationsverfahren erörtert F. besonders 
den Freund'schen Vorschlag für die Behandlung der knöchernen Thoraxstarre beim 
Lungenemphysem, die Sprengung der ersten Rippe bei Tuberkulose, 
die ausgedehnte Brustwandentknochung bei fortgeschrittener einseitiger 
Phthise, wie er sie an Fällen ausgeübt und methodisch ausgebaut hat, die ihm von 
Prof. Brauer nach Versagen der Pneumothoraxtherapie zwecks operativer Volum- 
einengung der Lunge zugeführt waren. Die bisherigen Erfahrungen an drei Fällen 
(der erste operiert Oktober 1%7) von Lungenemphysem veranlassen F. zu 
folgender Stellungnahme: Die Zahl der zur Operation geeigneten Fälle von Lungen- 
emphysem mit ausgesprochenen Beschwerden durch Thoraxstarre 
scheint keine große zu sein. Bei sechs ihm zugeführten Fällen ergab sich bei ge- 
wissenhafter Prüfung nur für drei die Indikation. 2) Der Eingriff ist für den 
Fachchirurgen kein schwieriger, erfordert aber sicher das Beherrschen peinlicher 
chirurgischer Technik, wenn der Eingriff so ausgeführt werden soll, wie er, um 
einen mechanischen Dauererfolg zu garantieren, ausgeführt werden muß. 
3) Es muß nämlich, ohne die von Freund geforderte Rücksichtnahme auf den an 
sich beim Emphysematiker hypertrophischen Musc. triangularis sterni, nicht nur 
die Durchtrennung der Rippenknorpel oder die Fortnahme kleiner Knorpelstücke 
gemacht werden, sondern in größerer Ausdehnung (4—6 cm) muß Knorpel und 
Rippenknochen abgetragen und ganz besonders das retrokostale Perichondrium 
und Periost bis auf mm peinlichst entfernt werden. Nur nach solchem Vor- 
gehen erreichte F. einen bisher bleibenden mechanischen Effekt für 
die Respirationsphasen. Die Fälle mit spärlicher Knorpelfortnahme zeigten 
in kürzester Frist wieder ein ganz enges Aneinanderrücken der Rippenenden und 
bald durch Narbenbildung des Nachbargewebes solche Konsolidierung, daß eine 
mechanische Nachwirkung der Operation für die Atmungstätigkeit nicht mehr 
plausibel ist. Einzelheiten über seine Fälle hat F. in den »Sitzungsberichten der 
Gesellschaft zur Förderung der gesamten Naturwissenschaften in Marburg« vom 
7. Juli 1908 gegeben. 

Die Sprengung der ersten Rippe bei beginnender Spitzentuberkulose für die 


JP 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1405 


Praxis zu akzeptieren, haben sich Prof. Brauer und F. bisher aus im Vortrag 
erörterten Gründen nicht entschließen können. Zum Schluß gibt F. Bericht über 
weiter gewonnene Erfahrungen an Fällen progredienter, einseitiger kaver- 
nöser Lungenphthise, welche er, in Anlehnung an Brauer’s Erfolge mit der 
Pneumothoraxtherapie und, seiner Intention folgend, mit ausgedehnter Brust- 
wandmobilisierung, Brustwandentknochung behandelt hat. Unter Hin- 
weis auf die von ihm hierfür ausgearbeitete Methodik des Vorgehens, wie F. sie 
am Chirurgenkongreß 1908 geschildert und in mehreren Publikationen inzwischen 
begründet und weiter ausgebaut hat, ist er in der Lage, jetzt über sechs durch die 
Operation hervorragend gebesserte Fälle (Nachlaß des Sputums, des Hustens, Ab- 
fall des Fiebers, Körpergewichtszunahme, subjektive Besserung) zu berichten. Von 
Fällen jedoch, welche bei strenger Einhaltung seiner Indikationsstellung (— noch 
leidlicher Ernährungszustand, keine aktiven Lungenprozesse der anderen Seite, 
keine manifeste Tuberkulose anderer Organe, namentlich Larynx und Darm; wäh- 
rend große Sputummengen, anhaltendes Fieber, keine Kontraindikation darstellen —) 
besser unoperiert geblieben wären, wurden der eine durch operativen Pneumothorax, 
der andere durch schwere akute hämorrhagische Nephritis im Verlauf kompliziert 
und endeten schließlich tödlich. Der erstere hatte gleichzeitig andersseitige Ka- 
vernenbildung, sowie Kehlkopftuberkulose, der zweite bei extremstem Ernäherungs- 
rückgang und »galoppierender« Phthise schwere Ileocoecal- und Kolontuberkulose, 
Derlei Fälle sind absolut von der Operation auszuschließen. Da die Operation in 
F.’s Fällen bis jetzt maximal 10 Monate zurückliegt, ist hinsichtlich des definitiven 
Endergebnisses noch entsprechende Reserve geboten. Doch ermutigt das bisher 
Erreichte zu kritischer Weiterarbeit auf dem eingeschlagenen Wege. 
(Selbstbericht.) 


Diskussion: Garrö& (Bonn) spricht über die Behandlung der Bronchiektasien 
auf operativem Wege und stellt eine vor 5/, Jahren operierte Pat. vor, bei der er 
ein neues Verfahren eingeschlagen hat, um einen ganzen mit Bronchiektasien durch- 
setzten Unterlappen auszuschalten und zu atelektasieren. 

Resektion der 6.—9. Rippe inkl. in ganzer Länge, Inzision der Pleura auf 
ca. 20 cm Länge, Ablösung des Lappens aus seinen Verwachsungen mit dem 
Zwerchfell, dem Herzbeutel und der Brustwand; Annähen des unteren Lungenrandes 
auf der Höhe der sechsten Rippe und Tamponade zwischen Zwcrchfellkuppe, 
Herzbeutel und Lungenbasis. Die Höhle granuliert zu. Der Komplementärraum 
verödet, das Herz rückt nach links. Der linke untere Lungenlappen ist dauernd 
außer Funktion gesetzt. Der fötide Auswurf ist verschwunden, das Heilresultat 
ist wegen chronischer Bronchitis (bzw. B.-Ektasien?) der anderen Seite kein voll- 
kommenes. (Selbstbericht.) 


f. Hoffmann und v. d.. Velden (Düsseldorf): Zur Emphysemoperation. 

V. berichtet über fünf nach Freund operierte Fälle von starrdilatiertem 
Thorax. Er betont, daß die Indikation allein in der Thoraxstarre liege, nicht im 
Emphysem oder im Asthma. Er empfiehlt die Anwendung kleiner Hautschnitte- 
auf den Knorpeln, die mit der Luer’'schen Zange 2—3 cm breit reseziert werden. 
Das hintere Perichondrium muß unbedingt mit entfernt werden. Nicht nur die 
klinischen Erfolge waren gut, auch klinisch experimentelle Untersuchungen am 
Respirations- und Zirkulationstraktus zeigten in absoluten Zahlen eine deutliche 
Besserung. (Selbstbericht.) 

Stieda (Halle) empfiehlt neben sonstigen operationstechnischen Mitteilungen. 
zur Freund’schen Operation großen Hautschnitt und einseitige Operation. 

Goebel (Köln). 

v. Muralt (Davos). Ich habe an sechs Fällen von einseitiger oder vorwiegend 
einseitiger, progredienter Lungentuberkulose mit schlechter Prognose die Pneumo- 
thoraxtherapie nach der Methode von Brauer versucht. In einem Falle konnten 
wegen ausgedehnter Verwachsungen die Pleurablätter nicht getrennt werden, in, 
einem zweiten Falle entstand wegen Verwachsungen nur ein ganz kleiner Pneumo- 
thorax. An diesem Pat. wurde nachher von Friedrich mit bestem Erfolge die 


1406 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 


große Thorakoplastik ausgeführt. Bei den übrigen vier Fällen gelang es, einen 
großen Pneumothorax zu erzielen. Der zuerst operierte Fall, eine galoppierende 
Phthise, geht schon seiner vollen Genesung entgegen, der Pneumothorax wird jetzt 
nicht mehr unterhalten. Die übrigen drei stehen noch nicht lange unter der 
Therapie, sie haben aber sämtlich das Fieber verloren, an Gewicht zugenommen, 
haben viel weniger Auswurf und fühlen sich viel besser als vor der Operation. 
(Selbstbericht.) 

Sauerbruch (Marburg). Die Erleichterung, die die Anwendung des Druck- 
differenzverfahrens bei den Operationen von Lungenverletzungen und Lungen- 
tumoren bietet, ist mehrfach anerkannt worden (Friedrich, Küttner). Eine 
ganze Reihe Chirurgen aber mißt den Wert des Verfahrens nach seiner Verwend- 
barkeit bei Lungengangrän- und Lungenabszeßoperationen. Es wird darauf hin- 
gewiesen, daß man diese Operationen auch ohne Hilfsapparate vornehmen könne, 
da es dabei gar nicht zu einem Pneumothorax komme. Es muß unbedingt zuge- 
geben werden, daß das Verfahren für diese Prozesse eine sehr geringe Bedeutung 
hat, und zur Ausschaltung des Pneumothorax überhaupt keine. Den einzigen Vor- 
teil, den es bietet, ist der, daß durch den im Bronchialsystem herrschenden Über- 
druck, während der Operation eine Aspiration aus dem Wundgebiet verhindert wird. 

Dann schlägt S. eine Modifikation der Freund’schen Operation bei Emphysem 
vor. Er glaubt, daß die »Sprengung des Thorax« ausgiebiger dadurch erreicht 
werden kann, daß die Rippen nicht am Sternalansatz, sondern auf der Höhe ihrer 
Biegung, also in der Axillarhöhle durchtrennt werden. Daß nach der Durch- 
trennung der Rippenkuppe eine größere Mobilisation des Thorax erreicht werden 
kann, als durch Zerschneiden der Rippenknorpel am Sternalansatz, ergibt sich aus 
physikalischen Gründen; auch diese Tatsache konnte S. feststellen. 

Kausch (Schöneberg) nimmt gegenüber dem ablehnenden Standpunkte der 
beiden Ref. die Freund'sche Operation wegen beginnender Lungenphthise, die 
Resektion des ersten Rippenknorpels, in Schutz. Der Widerspruch zwischen der 
bisherigen Behandlungsmethode, der Ruhigstellung der erkrankten Lungenspitze 
und der neuen, die auf bessere Durchlüftung herauskommt, bleibt zwar bestehen. 
K. weist auf eine im Erscheinen begriffene gemeinsame Arbeit seiner Assistenten 
Harrass und v. Hart hin, die wichtige Aufklärung über den Thorax phthisicus 
gibt. Danach muß unterschieden werden zwischen sekundärer Veränderung des 
ersten Rippenknorpels (Kürze oder Verknöcherung) und primärer. Bei der ersteren 
besteht eine primäre Skoliose der ganzen oberen Thoraxapertur, einschließlich der 


Wirbelsäule. Bei der letzteren ist die Freund’'sche Operation angezeigt, bei 


ersterer anscheinend nicht. 

Keinesfalls stellt die Operation einen schweren Eingriff dar, wie Brauer be- 
hauptet. Gegenüber den heute besprochenen schweren Eingriffen bei Tuberkulose 
ist er geradezu ein leichter. Die beiden Fälle von Kausch, dessen zweiter Fall 
beidseitig operiert wurde, sind jedenfalls sehr erheblich gebessert worden, der 
erste Fall sogar geheilt. Ein definitives Urteil über den Wert der Operation 
läßt sich heute noch nicht geben, dazu sind die Erfahrungen noch viel zu gering. 

Dann bemerkt K., daß er seit längerer Zeit größere tuberkulöse Empyeme 
mit Mobilisierung der Thoraxwand über dem Empyem behandelt, das Empyem 
selbst alsdann genau wie einen kalten Abszeß. (Selbstbericht.) 


g. Kuhn (Kassel. Überdruck an der Lunge. 

a. mittels peroraler Intubation der Luftwege mit und ohne Ventil. b. Mittels 
weicher halbdurchlässiger Kopfmaske ohne jedes Ventil (mit Demonstrationen). 

a. Zunächst betont Verf., daß er die höchste Anerkennung für die Verdienste 
von Brauer und Sauerbruch um die Thoraxchirurgie und ihrer Systeme habe. 
Beider Verfahren basieren auf dem seinerzeit von Mikulicz inauguriertem Pro- 

mm. 

Nachdem aber inzwischen eine auch von Mikulicz noch nicht gekannte Me- 
thode, die der peroralen Intubation, klinische Gestalt angenommen und an s0 
vielen Kliniken praktisch mit Erfolg angewandt werde, sei es an der Zeit. auch, 
dieser nach der genannten Richtung hin näher zu treten. 


FR 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1407 


Mindestens müsse der Vortragende entschieden dagegen Einspruch erheben, 
das Verfahren, ohne es näher zu kennen oder nur einigermaßen probiert zu haben, 
für die genannten Zwecke verurteilen zu wollen, oder davor, entgegen den Er- 
fahrungen unserer besten Kliniken, als etwas Gefährlichem zu warnen. 

Wenn das Intubationsrohr schulgerecht einliegt, ist es ein barmloses Instru- 
ment, und es ist unschwer und auf verschiedene Weise möglich, einen Überdruck 
in der Lunge herzustellen. Die Wege sind folgende: 

1) Bei gut abgedichteten Luftwegen strömt aus einem sich selbst regu- 
lierenden Reservoir von konstantem Druck, der nicht über 8—10 cm Wasser ist, 
eine sauerstoffhaltige Druckluft in den Tubus; ein kleines Ventil reguliert den Abfiuß. 

2) Einen zweiten Weg beschritt Schmieden: bei kaum abgedichteten Wegen 
führt er aus einer Sauerstoffpumpe mit Brat’schem Reduktionsventil einen Gas- 
strom von gewissem Druck in den Tubus. Dieser Strom hat höheren Druck und 
arbeitet mit einem gewissen Verlust; die Abfuhr wird durch das, dem Kuhn’schen 
ähnliche Brat’sche Ventil reguliert. 

3) Der dritte Weg wurde vom Vortr. neuerdings im Zentralblatt für Chirurgie 
1908, Nr. 26 beschrieben: er arbeitet mit noch weniger oder keiner Abdichtung 
und mit noch höherem Verlust an Gas, indem er weder die Mund- und Luftwege 
dichtet, noch die Zufuhr in den Tubus luftdicht macht; sein Vorschlag beruht auf 
einer Art Luftpuffung. 

Man sieht aus dieser Zusammenstellung, daß lediglich die Abdichtung und 
der Druck differiert. Sonst gelingt es auf jedem der beschriebenen Wege, Uber- 
druck in der Lunge auf dem Wege der Intubation zu erzielen. j 

Welcher Weg nun für den Menschen und klinisch der beste, wird die Zukunft 
lehren. 

Er liegt nach Ansicht des Vortr. in der Mitte und arbeitet womöglich mit 
keinerlei Ventilen. 

Feststeht unzweifelhaft: daß es nicht schwer ist, mittels Intubation Druck- 
erhöhung in klinisch brauchbarer Weise zu erzielen; daß es ferner nicht schwer 
ist, die Frage der Kohlensäureabfuhr und Chloroformzufuhr zu lösen; daß endlich 
das Tubageverfahren für die genannten Zwecke das einfachste und das mit den 
geringsten Aufwänden arbeitende, und somit dasjenige, das nicht zu teuer und 
überall anzuwenden ist. z 

b. Redner demonstriert seine »weichee Maske für das Uberdruckverfahren. 
Zur Füllung der Maske dient ein Morell’scher Luftkompressor, der direkt mit 
einem Elektromotor gekuppelt ist und leicht jede Regulierung erlaubt. : 

(Selbstbericht.) 


h. W. Einthoven (Leyden). Über das Elektrokardiogramm. 

Das in unserem Körper klopfende Herz entwickelt bei jeder Zusammenziehung 
einen elektrischen Strom, der nach allen Teilen unseres Organismus, z. B. nach 
unseren Händen und Füßen, hingeleitet wird. Man braucht nur ein geeignetes 
elektrisches Meßinstrument mit den beiden Händen oder mit einer Hand und 
einem Fuße einer Person zu verbinden, um bei jedem Schlag ihres Herzens einen 
Ausschlag des Instrumentes zu beobachten. 

Registriert man die Ausschläge des Meßinstrumentes, so bekommt man den 
Aktionsstrom des Herzens in der Form einer Kurve, die Elektrokardiogramm 
' genannt wird. In dieser Kurve unterscheidet man eine Spitze der Vorkammer- 
und vier Spitzen der Kammerkontraktion. Aus der Form, der Größe und den 
zeitlichen Verhältnissen dieser Spitzen kann man viele Einzelheiten erkennen über 
die Weise, wie das Herz seine Aufgabe vollbringt. 

Dies wird vom Vortr. mittels einer Anzahl an die Wand projizierter Dia- 
positivbilder näher erläutert. 

Das Elektrokardiogramm des Hundes, obgleich in der Form nicht ganz mit 
dem des Menschen übereinstimmend, weist doch keine prinzipiellen Unterschiede ` 
mit demselben auf. Es ist namentlich geeignet, verschiedene Fragen zu beleuchten, 
deren Lösung bis jetzt mittels der bekannten mechanischen Untersuchungsmethoden 
Schwierigkeiten dargeboten hat. So zeigt die Kurve des Aktionsstromes des Her- 


1408 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 


zens unzweideutig, daß Vagusreizung die Vorkammersystole direkt, die Kammer- 
systole jedoch nur indirekt beeinflußt. Blutentziehung und Chloroform- 
narkose haben ganz bestimmte Veränderungen in der Form des Elektrokardio- 
gramms zur Folge, die leicht und deutlich konstatiert werden können. Man darf 
sogar die Hoffnung hegen, daß vielleicht später, wenn die Registrierung des Elektro- 
kardiogramms allgemeiner angewandt werden sollte, dieselbe auch eine praktische 
Bedeutung für den Chirurgen bekommen wird, der vor oder such 
während der Narkose seiner Pat. sich über ihre Herztätigkeit zu 
unterrichten wünscht. 

Im normalen menschlichen Elektrokardiogramm ist der Einfluß der Atem- 
bewegung en auf die Form der Kurve ersichtlich, und macht sich namentlich die 
durch Körperanstrengung gesteigerte Herzfrequenz recht deutlich 
geltend. Nach Körperanstrengung ist die Vorkammerspitze bedeutend vergrößert, 
was auf eine Zunahme der Kraft der Vorkammerkontraktionen hinweist, während 
man aus der eigentümlichen Veränderung, die das Kammerelektrogramm zu gleicher 
Zeit erfährt, den Schluß ziehen darf, daß die Tätigkeit der linken Kammer dabei 
mehr zugenommen hat als die der rechten. 

Unter verschiedenen pathologischen Verhältnissen treten ganz spezielle 
Formveränderungen des Elektrokardiogramms auf, so daß man oft aus der Form 
der Kurve die Natur des Herzleidens erkennen kann. In gleicher Weise 
kann der Grad des Leidens beurteilt werden, wodurch man also in den Stand ge- 
setzt wird, den durch Heilmittel ausgeübten Einfluß Schritt für Schritt zu studieren. 
* Das physiologische Laboratorium in Leyden ist mittels elektrischer Leitungs- 
drähte mit dem dortigen Universitäts-Krankenhause verbunden, wodurch es mög- 
lich ist, die Kranken in dem 1,5 km entfernten Spitale mit dem im Laboratorium 
fest aufgestellten elektrischen Meßinstrument zu untersuchen. 

Der Vortr. zeigt eine große Anzahl von Kurven, die man auf diese Weise 
von den Aktionsströmen des menschlichen Herzens erhält, und die man mit Recht 
»Telekardiogramme« nennen darf. Es zeigen sich typische Formen vom Elektro- 
kardiogramm bei Hypertrophie des rechten Herzens durch Mitralis- 
insuffizienz, Hypertrophie des linken Herzens durch Aortainsuffi- 
zienz, Hypertrophie der linken Vorkammer durch Mitralstenose 
und ferner noch bei vielen anderen Abweichungen, von denen wir 
nur noch die Myodegeneratio cordis und die kongenitalen Herz- 
fehler nennen. 

Da der Aktionstrom der Vorkammern im Elektrokardiogramm fast immer sehr 
deutlich von dem Aktionsstrom der Kammern unterschieden werden kann, lassen 
die Kurven das Verhältnis zwischen Vorkammer- und Kammerkontraktion in einer 
Weise erkennen, welche an Bestimmtheit und Genauigkeit die gewöhnlichen mecha- 
nischen Registriermethoden weit übertrifft. Herzblock- und Allorbythmiezustände 
werden im Telekardiogramm mit sehr befriedigender Schärfe und Entschiedenheit 
wiedergegeben. 

Sehr merkwürdig sind auch die elektrischen Erscheinungen, die bei einer so- 
genannten Extrasystole eintreten. Der Aktionsstrom bekommt dabei eine Form, 
die stark von dem gewöhnlichen Elektrokardiogramm abweicht, was darauf hin- 
weist, daß der Ursprung und die Fortpflanzung der Kontraktionswelle in den 
Kammern während einer Extrasystole nicht mit denen einer normalen Herzkon- 
traktion übereinstimmen. Ferner hat der Augenblick, in welchem die Extrasystole 
sich ‘entwickelt, im Zusammenhang mit der Form und der Größe des arteriellen 
Pulses auf die Bedeutung dieser unzeitigen Herzwirkung neues Licht geworfen. 

Die Untersuchung des mechanischen Kardiogramms ist nicht selten 
mit unüberwindlichen Schwierigkeiten verbunden, während die Ausmessung und 
Analyse dieser Kurve oft eine reiche Quelle fehlerhafter Erklärungen darstellt. 
- Dagegen geht die Registrierung des Elektrokardiogramms — wenn die erforder- 
lichen Apparate einmal richtig aufgestellt sind — leicht und schnell. 
Die Methode erfordert keine besondere Geschicklichkeit des Beol;achters, ergibt. 
ein vollkommen sicheres und zuverlässiges Resultat und knüpft an eine Genauig- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1409 


keit, die wenig zu wünschen übrig läßt, den großen Vorteil, daß man durch die- 
selbe in den Stand gesetzt wird, absolute Maße zu benutzen. Überhaupt ist der 
Schluß gerechtfertigt, daß die elektrische Untersuchungsmethode des Herzens mit 
Vorteil angewandt werden kann, die jetzt in der Klinik üblichen me- 
chanischen Untersuchungsmethoden zu ergänzen. (Näheres siehe in der 
Abhandlung von Prof. Dr. Einthoven in Pflüger’s Archiv Bd. CXXII, p. 517, 
August 1908.) (Selbstbericht.) 


i. A. Hoffmann (Düsseldorf. Über das menschliche Elektrokardio- 
gramm. 

Die von Einthoven und Kraus mitgeteilten Untersuchungsergebnisse werden 
durch die Untersuchungen des Vortr. in vielen Punkten bestätigt. Er hatte Ge- 
legenheit, Versuche an einem Menschen mit freiliegendem Herzen zu machen und 
sich davon zu überzeugen, daß bei jedem Menschen Untersuchungen mit verschie- 
denen Polrichtungen gemacht werden müssen. Er wählte als oberen Ableitungs- 
punkt stets den rechten Arm und dann als unteren vergleichsweise 1) den linken 
Arm, 2) das linke Bein, 3) die Vorderfläche des Thorax in der Höhe der sechsten 
linken Rippe und 4) die hintere Axillarlinie in derselben Höhe. Von diesen Punkten 
erhält man Kurven verschiedenen Charakters. Bei dem Menschen mit freiliegen- 
dem Herzen konnten die Kurven 3 und 4 direkt von der nur mit dünner Haut- 
und Muskelschicht bedeckten Herzwand abgeleitet werden. Die so erhaltenen 
Kurven stimmten sehr wohl mit den am unversehrten Menschen in derselben Weise 
erhaltenen überein, sie zeigten von der Vorderfläche ein Vorwiegen des Gipfels S, 
von der Hinterfläche ein Vorwiegen des Gipfels R. Es ist dieses merkwürdig, da 
nach den Angaben der Vorredner man gerade das Umgekehrte erwarten sollte. 

Thierversuche am Katzenherzen ließen daran zweifeln, daß die Auffassung 
richtig sei, da die Welle R vorwiegend dem rechten und die Welle S dem linken 
Ventrikel angehören; es scheint sich eher umgekehrt zu verhalten. Diese Un- 
sicherheit beweist uns, daß das Kammerelektrokardiogramm in seiner Gestalt 
noch nicht eindeutig aufzufassen ist und Veränderungen der Gestalt keine unbe- 
dingten Rückschlüsse zulassen; jedenfalls ist die Insuffizienz des Herzens aus dem 
Elektrokardiogramm nicht einfach zu erkennen, da bei Fällen von Insuffizienz des 
Herzens ganz normale Elektrokardiogramme gefunden werden können. Es bedarf 
noch grundlegender Studien, um die Methode für die Klinik nach dieser Richtung 
hin brauchbar zu machen; andererseits ist aber zu bemerken, daß dem Studium 
der Irregularität des Herzens schon jetzt reiche Forderungen aus der Methode er- 
wachsen. 

An Hand der vorgezeigten und projizierten Elektrokardiogramme zeigt sich, 
daß in scheinbar regelmäßigem Rhythmus ganz abnorme Systolen nahezu an nor- 
maler Stelle eingeschaltet sind. Auf keine andere Weise war die Abnormität dieser 
Systolen festzustellen, außer durch das Elektrokardiogramm. Es handelt sich um 
Extrasystolen, die um wenige Hundertstel-Sekunden zu früh eintraten. Auch die 
am freiliegenden Herzen und bei einigen anderen Fällen aufgenommenen Elektro- 
kardiogramme wurden demonstriert. 


(Fortsetzung folgt.) 


23) K. Heinrichsen. Über die Behandlung akuter und subakuter 
Eiterungen mit Stauungshyperämie nach Bier. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVII. Hft. 1.) 


Verf. schildert im einzelnen die Art der Behandlung und die Resultate der 
Stauungshyperämie bei verschiedenen akuten und subakuten Eiterungen, die ihm 
in der von Bier angewendeten Technik vielfach gute Dienste geleistet hat. Er 
zieht besonders auch die mit Bier’s Verfahren verbundenen kleinen Inzisionen 
vor. Die wesentliche Grundlage des Erfolges ist, wie das Bier schon betont hat, 
die richtige Dosierung der Stauung und die genügende Beaufsichtigung der Pat. 


1410 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 


»Jeder Assistenten- und Schwesternwechsel kann die guten Resultate verschlech- 
tern.e Die Tamponade der Wunden ist natürlich unzulässig. Die Tatsache, daß 
bei der Stauungshyperämie die Temperatur nicht gleich abfällt, soll keine Ver- 
anlassung zu sofortiger Vergrößerung der Einschnitte geben. H. hat das Ver- 
fahren auch prophylaktisch bei frischen infektionsverdächtigen Verletzungen ange- 
wendet und war mit dem Erfolg zufrieden. Auch bei einigen Fällen von akut 
und subakut verlaufendem Gelenkrheumatismus hat es sich ihm bewährt. Beson- 
deres Interesse dürfte auch der Abschnitt über die Sehnenscheidenphlegmonen 
bieten. E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


24) R. L. Herzenberg. Stauungsblutung nach schwerer Rumpf- 
kompression. 
(Russ. Archiv für Chirurgie 1907. [Russisch.)) 

Es handelt sich hier um den ersten in der russischen Literatur niedergelegten 
Fall, dem H. zur Aufklärung nichts hinzufügen kann. 

Ein 1djähriger Junge wurde beim Kohlenräumen durch große Massen Kohle 
derart verschüttet, daß nur der Kopf freiblieb. Er lag ca. 20 Minuten um Hilfe 
rufend da. Nach seiner Befreiung fiel er in Ohnmacht und blutete beim Erwachen 
stark aus der Nase. Er atmete schwer und klagte über Schmerzen in der Brust 
und der linken Schulter. Am anderen Morgen war das Gesicht — zumal links — 
gedunsen. An den Lidern und um die Augen — besonders links — reichliche 
Blutaustritte. Zusammenhängende Ekchymosen der Conjunctivae bulbi bis in die 
Umschlagsfalten. Ekchymosen an der Unterlippe, dem Kinn und der linken 
Thoraxhälfte, hier in Gestalt kleiner Punkte. Subkutanes Thoraxemphysem trotz 
Mangels eines Rippenbruches. Blutung am Hinterhaupt. Auf der linken Zungen- 
hälfte stecknadelkopfgroße Ekchymosen, die auf der Mundschleimhaut, entsprechend 
dem linken Oberkiefer, die Gestalt von Flecken hatten. Die Atmung war ober- 
flächlich und mühsam; links hinten waren feuchte Rasselgeräusche zu hören. 
Augenhintergrund normal. Drei Petechien auf dem weichen Gaumen links; 
Ekchymosen auf dem linken Trommelfell; Schwellung der Nasenschleimhaut. (Der 
Kehlkopf scheint frei gewesen zu sein; wenigstens wird er hier nicht erwähnt. 
Ref.) Im Auswurf zeigten sich in den nächsten Tagen einige Blutgerinnsel. 

Pat. wurde bedeutend gebessert nach 20 Tagen entlassen. 

V. E. Mertens (Kiel). 


25) W. Veil. Uber ein Teratom am Kopfe eines Kindes. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVIII. p. 550.) 

Ein 18 Tage altes, sonst normales Kind trug über dem linken Ohr eine dem 
Schädel aufliegende, zur Hälfte von Haut bedeckte Geschwulst, die mehrere zapfen- 
artige Vorragungen und deutliche Eigenbewegungen aufwies. Der Schädelknochen 
darunter war verdickt, nicht perforiert. Abtragung der Geschwulst mit dem 
Meißel, wobei sich im Knochen ein Zahm fand. 

Die nähere Untersuchung ergab, daß die aus Bestandteilen aller drei Keim- 
blätter zusammengesetzte Geschwulst sich nicht eigentlich geschwulstartig, sondern 
organmäßig entwickelt hatte, wenngleich keine ausgebildeten fötalen Organe sich 
vorfanden. Es handelte sich demnach um ein Teratom, für das eine heterochthone 
Entstehung wahrscheinlich war. Reich (Tübingen). 


26) Reiher. Ein Fall von Trauma des Hinterkopfes. 
(St. Petersburger med. Wochenschrift 1908. Nr. 29.) 

Interessante Geschichte eines Kranken, dem ein Baumstamm auf den Kopf ge- 
fallen war, wodurch eine Berstungsfraktur des Schädels in vier fast gleiche Teile, 
dem Quénu-Tisson’schen Typus entsprechend, entstand. Die Blutung durch 
Zerreißung des Längssinus stand auf Tamponade. 

Genaue Schilderung der durch die Commotio cerebri verursachten Ausfalls- 
erscheinungen und psychischen Veränderungen, die z. T. unter dem Bilde der 
Seelenblindheit verliefen. Deetz (Arolsen). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1411 


27) Lop (Marseille). Greffe periostique animale. 
(Gaz. des höpitaux 1908. Nr. 80.) 

Durch Schlag mit einem Werkstück erlitt ein 60jähriger Arbeiter eine aus- 
gedehnte Zerstörung der Kopfschwarte. Trotz aller Bemühungen kam es zu Eite- 
rung und Verlust des Periosts auf dem rechten Parietale und Occipitale über 
10 cm. Mehrfache Auskratzungen blieben erfolglos. Schließlich kratzte L. noch- 
mals aus, desinfizierte intensiv und bedeckte den nackten Knochen mit dem Periost, 
das ganz frisch vom Schädel eines Kaninchens abgezogen war, das im Augenblick 


der Operation getötet wurde. In weniger als 20 Tagen war alles heil. 
v. E. Mertens (Kiel). 


28) Fiaschi. Case of extensive syphilitic necrosis of the skull. 
(Australasian med. gaz. 1908. Juni 20.) 

Pat., ein Mann von 46 Jahren, der 20 Jahre vorher an Syphilis erkrankt ge- 
wesen war, war schon vor 2 Jahren vom Verf. wegen einer nicht tuberkulösen 
Ostitis mit Nekrose am rechten Humerus operativ behandelt und geheilt worden. 

1 Jahr später erlitt er an der Stirn eine Verletzung durch einen Eisensplitter, 
es kam zu Schwellung und heftigen Schmerzen, zu Ulzeration und starker Eiterung; 
auch heftige Kopfschmerzen stellten sich ein. 

Bei der Operation ergab sich, daß der weitaus größte Teil der Stirnbein- 
schuppe nekrotisch war, und daß diese Nekrose sich unmittelbar in beide Orbitae 
fortsetzte. Ein Versuch, den kranken Knochen im Gesunden in toto auszumeißeln, 
scheiterte an der abnormen Härte des gesunden Knochens. Verf. sägte deshalb 
innerhalb der Nekrose, entfernte so den größten Teil des kranken Knochengewebes 
und erweiterte die gewaltige Öffnung bis tief in beide Orbitae hinein vermittels 
Knochenbeißzangen. Blutung gab es fast gar nicht, die Sinus waren mit der 
Dura überall bereits abgehoben. 

Bald granulierte die große Wundhöhle; bei der Publikation war die Haut- 
wunde noch nicht geschlossen, 9 Wochen nach dem Eingriff. 

W. v. Brunn (Rostock). 


29) G. L. Peabody. Preliminary report of a case of cerebrospinal 
meningitis of streptococcus. Origin apparently cured by subdural in- 
jection of anti-streptococcus serum. 

(New York med. record 1908. März 14.) 

P. beschreibt einen Fall von Zerebrospinalmeningitis bei einem 37jährigen 
Manne mit Symptomen von Sepsis. Bei der Lumbalpunktion fanden sich Strepto- 
kokken. Daraufhin entschloß sich P., Antistreptokokkenserum 4 Tage hinterein- 
ander in Mengen von je 10 ccm an Stelle einer durch Lumbalpunktion jedesmal 
entleerten Quantität Zerebrospinalflüssigkeit subdutal zu injizieren. Nachdem in 
Pausen von je einem Tage diese Methode noch 2mal wiederholt war und schon bei 
der allerersten Einspritzung ein Temperaturabfallen sowie Nachlaß der Kopf- 
schmerzen und Nackenstarre festzustellen war, konnte Pat. in 14 Tagen herum- 
gehen und genas. Loewenhardt (Breslau). 


30) Tilmann. Anatomische Befunde bei Epilepsie nach Trauma. 
(Med. Klinik 1908. p. 1442.) 

In jedem Falle von Epilepsie, bei dem eine Schädelverletzung vorliegt, muß 
die Ursache der Epilepsie durch Operation beseitigt werden. T. erlebte bei 
26 Schädelaufmeißelungen keinen Todesfall am Operationschok. Das Gehirn ver- 
trägt Spülungen mit körperwarmer physiologischer Kochsalzlösung ausgezeichnet. 
Am besten operiert man unter trockener Asepsis und mit angewärmten Tupfern. 
Zweizeitig geht T. nur dann vor, wenn die Blutung bei der Freilegung des Ge- 
hirns zu groß ist. 

Die bei den sieben Operationen der letzten Jahre erhobenen Befunde sind 
ausführlich mitgeteilt (Krankengeschichten). Bei drei Leuten, die unmittelbar nach 


1412 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 


dem Unfall an Hirnreizung erkrankten, fanden sich im Zentralgebiete Narben der 
weichen Hirnhaut, die nicht mit der Dura, dagegen sämtlich mit dem unterliegenden 
Teile der Hirnrinde verwachsen waren, mit dem sie entfernt wurden. Narben der 
Zentralrinde, zumal mit Piaverwachsungen, lösen anscheinend besonders schnell und 
leicht Epilepsie aus. Liegt der Verletzungsherd weiter ab, oder bestehen nur Ver- 
wachsungen zwischen weicher und harter Hirnhaut, so treten die Anfälle erst nach 
längerer Zeit ein. Die Operation war stets erfolgreich. 

In einer verhältnismäßig großen Zahl von Epilepsiefällen leiten Traumen das 
Krankheitsbild ein. Für jeden Anfall ist der primäre Reiz der Auslösung in die 
Hirnrinde zu verlegen. Georg Schmidt (Berlin). 


31) A. Chalier. Le traitement des névralgies faciales par la trepa- 
nation de la zone sensitivo-motrice du coté opposé. 
(Gaz. des hôpitaux 1908. Nr. 106.) 

Seit 3 Jahren litt der 49jährige Pat. an linksseitiger Trigeminusneuralgie, vor 
1 Jahr war der dritte Ast reseziert mit 10 Monate anhaltendem Erfolge. Dann 
stellten sich wahre Schmerzparoxysmen ein, ausstrahlend in Schläfe und Nacken. 
Sprechen, Kauen, Schlucken lösten heftigste Anfälle aus, bei denen das Gesicht 
verzerrt wurde. 

Jaboulay stellte die Diagnose: Tic douloureux de la face ou névralgie épi- 
leptique spasmodique, und machte folgende Operation. Es wurde sorgfältig die 
Lage des Sulcus Rolandi der rechten, also entgegengesetzten, Seite bestimmt und 
ihm entsprechend ein 7—8 cm langes, 2 cm breites Stück aus dem Schädeldach 
entfernt. In die Dura machte Jaboulay drei kleine Schnitte, aus denen der 
Liquor langsam hervorsickerte. Die Haut wurde über der Lücke genäht. Der 
Erfolg war glänzend, Pat. wurde 8 Tage nach der Operation (4. Juli 1908) geheilt 
entlassen. 

Die Begründung dieses Vorgehens ist im Original einzusehen. 

V. E. Mertens (Kiel). 


32) Young. -Case of marked hydrocephalus in a child aged 3 years 
(operated on at age of 6 days for a large lumbo-sacral spina bifida). 
(Glasgow med. journ. 1908. August.) 

Verf. entfernte einem 6 Tage alten Kind eine Spina bifida lumbo -sacralis 
unter sorgfältiger Schonung der in der Sackwand verlaufenden Nerven. Es trat 
Heilung per primam ein; zur Zeit der Operation war sonst, speziell am Kopfe, 
nichts Abnormes zu entdecken. 5 Monate später begann sich ein Hydrocephalus 
zu entwickeln und wuchs in weiteren 5 Monaten zu erheblicher Größe. 

Abgesehen von Beseitigung von sehr starker Phimose mit Balanitis wurde 
therapeutisch nichts unternommen. 

Eine weitere Ausbildung des Hydrocephalus kam nicht zustande, eher eine 
Besserung des Zustandes. Am Ende des 3. Lebensjahres ist die vordere weit 
klaffende Fontanelle fast geschlossen, die Nähte ebenfalls verwachsen; das Kind 
ist ganz intelligent, kann allein stehen, aber noch nicht gehen, Stuhl und Urin 
werden zu gewissen Zeiten spontan entleert, das Kind beschmutzt sich fast nie 
mehr. Die Narbe am Rücken ist fest und hart. 

Die Familienanamnese ist ohne Belang. 

Die Spina bifida und der Hydrocephalus sind sicher beide kongenital angelegt. 

W. v. Brunn (Rostock). 


33) L. B. Schapiro. Zur Diagnose und Heilung der sog. Zerebral- 
hernien. 
(Russ. Archiv für Chirurgie 1908. [Russisch.]) 
1) Ein 8jähriger Junge kam mit einer bei der Geburt ganz kleinen, jetzt 
mandarinengroßen Geschwulst auf dem Nasenrücken zwischen den Lidwinkeln. Sie 
war etwa 4 cm breit, 3cm hoch. Die Haut über ihr war normal und etwas ver- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47.. 1413 


schieblich.. Sie fluktuierte nicht und war eine Spur seitlich beweglich. Auf 
Druck keine Hirnerscheinungen. Im übrigen war das Kind körperlich und geistig 
gesund. 

Durch einen Längsschnitt wurde die Geschwulst freigelegt bis an den glatten 
Rand des Knochendefektes, der durch den Geschwulststiel völlig ausgefüllt wurde. 
Der Stiel wurde ohne Ligatur im Knochenniveau glatt durchtrennt und die Blu- 
tung mit dem Thermokauter gestillt. Eine Lichtung enthielt er nicht. Der ca. 
21/, cm im Durchmesser haltende, ungefähr kreisförmige Knochendefekt wurde 
durch ein mit dem Periost nach innen gerichtetes Periosiknochenplättchen von 
lij mm Dicke gedeckt, das nicht angenäht wurde. Heilung p. p. i. 

Mikroskopisch bestand die derbe Geschwulst hauptsächlich aus fibrösem Ge- 
webe, in dem embryonales Muskelgewehe, Iymphoide Zellen, große Kerne ohne 
Protoplasma verstreut waren. 


2) Das völlig gesunde 12jährige Mädchen trug 3 cm über der Nasenwurzel 
mitten auf der Stirn eine 2 cm breite, 11/.—2 cm hohe Geschwulst, die von dünner 
bläulicher Haut bedeckt war. In Ruhe pulsierte sie nicht, wohl aber beim 
Schreien, wobei sich auch ihre Spannung vermehrte. Druck blieb ohne Hirn- 
erscheinungen. Rundum war deutlich ein Knochenrand zu fühlen. Die Operation er- 
gab, daß es sich um ein Angiom handelte, dessen Gefäße mit der Diplo& des 
Stirnbeines zusammenhingen, und das den Knochen usuriert hatte, so daß eine 
»shöchstens 1—1!/; mm« tiefe Delle entstanden war, die ähnlich wie im vorigen 
Falle mit Knochenplättchen gedeckt wurde. (Welchen Zweck die Plastik hier 
hatte, ist aus dem Bericht nicht ersichtlich. Ref.) V. E. Mertens (Kiel). 


84) Andrassy und Seitz. Bericht über die im Jahre 1907 vorgenom- 
menen Eingriffe. (Aus dem Bezirkskrankenhause Böblingen.) 
(Med. Korrespondenzblatt d. württemberg. ärztl. Landesvereins 1908. Aug. 22 u. 29.) 


Bemerkenswert ist folgender Fall von Gliosarkom des Kleinhirns. Vor 5 Jahren 
Sturz auf den Kopf aus 5 m Höhe, seither zeitweilig Anfälle von Kopfschmerzen. 
Stauungspapille, niedriger Puls, Erbrechen sprechen für Druckerhöhung in der 
Schädelhöhle, Parese des rechten Facialis, Schwindelanfälle und Druckempfindlich- 
keit des rechten Hinterhauptes für Lokalisation im Kleinhirn. Daher Freilegung 
der rechten Kleinhirnhälfte, Dura prall gespannt, nach Spaltung derselben drängt 
das Kleinhirn stark vor, eine Geschwulst wird nicht gefunden. Schluß der Wunde, 
Heilung p. p., zunächst wesentliche Besserung im Befinden, nach 18 Tagen Tod 
in einem Anfalle von Atemnot. Die Sektion ergibt in der rechten Kleinhirnhemi- 
sphäre mitten in der weißen Substanz eine mandelgroße, nicht abgekapselte Ge- 
schwulst von derselben Resistenz wie die Hirnmasse. Mikroskopisch: Gliosarkom. 

Mohr (Bielefeld). 


35) W. W. Graves. A clinical study of a case of brain tumor: ope- 
ration; complete recovery. 
(New York med. record 1908. Mai 23.) 


G. beschreibt einen mit völligem Erfolg operierten Fall von Hirngeschwulst, 
bei dem die gewöhnlichen Symptome von Kopfschmerzen, Neuritis optica usw. 
fehlten. Dagegen zeigte sich bei der 50jährigen Pat. Jackson’sche Epilepsie mit 
nachfolgenden Erschöpfungszuständen, Paralyse der rechten Extremitäten und 
Symptome von Aphasie. Es wurde eine hühnereigroße Cyste in der Gegend der 
Fossa Rolandi entfernt. 

Während der ersten 24 Stunden nach der Operation beklagte sich Pat. über 
heftige Schmerzen im rechten Arm. An den Fingerspitzen trat zuerst Hyperämie, 
dann Ischämie, schließlich Bildung von Blasen auf, die zwar nach einigen Tagen 
schrumpften. Doch blieben aber noch monatelang unangenehme Empfindungen in 
dieser Extremität zurück. Loewenhardt (Breslau). 


1414 -Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 


36) Mills and Frazier. A brain tumor, localized and completely 
removed. 
(Univ. of Pennsylvania med. bull. 1908. August.) 


Der von den Verff. beobachtete und operierte Fall von Hirngeschwulst ist be- 
merkenswert durch die schnelle Entwicklung des Symptomenbildes, das bestimmt 
auf den Krankheitssitz an der Grenze des Schläfen- und Hinterhauptslappens hin- 
wies, und durch den völligen Erfolg des chirurgischen Eingriffes. Bei der 45jäh- 
rigen Frau entwickelte sich innerhalb 2 Monaten eine linksseitige, laterale, homo- 
nyme Hemianopsie und beginnende Neuritis optica; in den nächsten Wochen traten 
Anfälle von Schwindel, Erbrechen und Kopfschmerzen, sowie eine Parese des 
linken Armes hinzu, ferner Hemiataxie und Hypästhesie der linken Extremitäten. 
4 Monate nach Beginn der Erscheinungen wurde operiert; nach Bildung eines 
großen, die rechte Parieto-Occipitalgegend umfassenden Haut-Knochenlappens und 
Freilegung des Hirns wurde eine nahe der Oberfläche liegende, 8:4 cm große, mit 
seröser Flüssigkeit gefüllte Cyste unschwierig ausgeschält. Bis auf einen dünnen 
Drain Schluß der Wunde, glatte Heilung. Die mikroskopische Untersuchung be- 
stätigte die Diagnose einer einfachen, serösen Cyste. Sämtliche Erscheinungen 
gingen in den nächsten Wochen erheblich zurück und waren nach 3 Wochen bis 
auf die Hemianopsie fast geschwunden. 3 Monate später war Pat. bis auf eine 
geringfügige Hemianopsie gesund. F. hält nach seinen Erfahrungen etwa 20% der 
Hirngeschwülste für operabel. Mohr (Bielefeld). 


37) K. v. Orzechowski. Ein Fall von Mißbildung des Lateral- 
recessus. Ein Fall zur Onkologie des Kleinhirnbrückenwinkels. 
(Arbeiten a. d. neurologischen Institut an der Wiener Universität 1908. Bd. XIV.) 


Verf. beschreibt uns in der obengenannten Arbeit einen äußerst interessanten 
Fall, wie er sonst nirgends in der Literatur gefunden werden konnte. Bei der 
Autopsie einer 60 Jahre alten Frau, die seit 25 Jahren an tabischen Beschwerden 
gelitten hatte und in den letzten Tagen des Lebens Symptome einer Geschwulst 
des Kleinhirnbrückenwinkels darbot, wurde bei der Obduktion neben kleinen 
Aneurysmen der Art. vertebralis und basilaris eine Cyste von der Größe einer 
Nuß im Kleinhirnbrückenwinkel festgestellt. Die histologische Untersuchung ergab, 
daß eine Stelle der sonst gliösen Cystenwand aus einer Geschwulst mit der Struktur 
des zentralen Nervengewebes bestand. Sie war an die Pia des Kleinhirns ange- 
heftet, ohne daß die solide Geschwulstpartie, noch die von letzterer ausgehende 
Cyste mit dem Zentralnervensystem in direktem Zusammenhang stand. Die Ge- 
schwulst wies innige Beziehungen zum Plexus chorioideus auf, der durch einen 
Hohlgang in der Geschwulst ins Innere der Cyste gelangte. Die Geschwulstmasse 
grenzte sich stellenweise gegen die Plexuszotten durch typisches Ependym ab. 
Daneben lag eine zweite, kleinere, hauptsächlich aus verflochtenen Markfasern 
bestehende Geschwulst in der medialen Recessuswand, bzw. im ponto-bulbären 
Körper. In beiden Geschwülsten fanden sich in der Adventitia der Gefäße kleine, 
rundliche, homogene Körperchen (»fuchsinophilee Körperchen, welche chemisch 
durch Eisen- und Fibrinreaktion und ausgesprochene Affinität zu den sauren Farb- 
stoffen charakterisiert waren). Im Stamm wurde neben ziemlich vielen, kleinen, 
frischen Erweichungen ein sklerotischer Plaque gefunden. 

Außerdem fanden sich am Rückenmark außer der starken Hinterstrangssklerose 
mehrere piale Neurome, zu den typischen wahren Neuromen gehörend, die aus 
Nervenfasern vom peripheren Charakter bestehen, wenig faserige Grundsubstanz 
und wenig Kerne aufweisen, so daß an ihrem Aufbau vorherrschend das nervöse 
Faserelement beteiligt ist. 

In der eigentlichen nervösen Rückenmarkssubstanz fehlten die Neurome voll- 
kommen. Sie sind durch Auswachsen der Vorderwurzelfasern, und zwar aus jener 
Strecke des intramedullären Verlaufes der letzteren entstanden, die peripher von 
dem Abblassungsstreifen liegt. Die Verteilung der Mehrzahl der pialen Fasern 
deckt sich zugleich mit der Lokalisation der Hinterwurzelaffektion in den lumbo- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1415 


sakralen Segmenten. Daneben wurden aber auch Neurome in den dorsalen und 
cervikalen Partien gefunden, weit von den Segmenten mit der hinteren, radikulären . 
Schädigung, hier allerdings weniger an Zahl. Die extramedullären Vorderwurzeln 
haben keine Zeichen der Degeneration, noch der Atrophie, noch der Regeneration 
dargeboten und waren bis auf einige Neurome ganz unversehrt. 

Verf. bespricht in außerordentlich gründlicher Weise den mikroskopischen 
Befund der Serienschnitte der Geschwulst. Bezüglich der beiden Geschwülste am 
Kleinhirnbrückenwinkel ist er der Ansicht, daß sie embryonaler Herkunft sind, 
und zwar daß sie von der Wand des Recessus lateralis ausgehen. Er kommt 
weiterhin auf die Entwicklungsgeschichte und die anatomischen Verhältnisse des 
Lateralrecessus zu sprechen und gelangt zu dem Schluß, daß in dem Gebiete des 
Hinter- und Nachhirns in den Resten der sekundären Rautenlippe ein Gebilde 
vorhanden ist, welches seinem Werdegang entsprechend mit großer Wahrschein- 
lichkeit den Ausgangspunkt einer großen Anzahl von Geschwülsten des IV. Ven- 
trikels, des Kleinhirnbrückenwinkels,. der Brücke und des Trigeminus bildet. Für 
die Geschwülste schlägt O. die Bezeichnung »Geschwulst des Lateralrecessus« vor. 

Weiterhin betrachtet Verf. die verschiedenen Arten der Rückenmarksneurome 
und rechnet seinen Fall unter die pialen Markfasern von den Hinterwurzeln, welche 
bei der Tabes entschieden häufiger vorkommen als im normalen Rückenmark und 
ein häufiges Degenerationszeichen des tabischen Rückenmarkes darstellen. 

Der interessanten Arbeit sind neben einem ausführlichen Literaturverzeichnis 
mehrere Zeichnungen makroskopischer und mikroskopischer Bilder beigegeben, die 
das Verständnis der Arbeit wesentlich erleichtern. L. Simon (Mannheim). 


38) E. Stumme. Akromegalie und Hypophyse. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVII. Hft. 2.) 


Die vorliegende Arbeit enthält ausführlich alle Details der Krankengeschichte 
der von Hochenegg auf dem Chirurgenkongreß 1908 vorgestellten Pat. (vgl. 
dieses Zentralblatt 1908, Nr. 35, Beilage p. 72). E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


39) P. Reclus. Sur une observation d’exophthalmos pulsatile. 
(Gaz. des hôpitaux 1908. Nr. 85.) 

Die syphilitische Pat. erkrankte im Februar 1906. Sie litt unter heftigen 
Kopfschmerzen, und man bemerkte, daß das linke Auge mehr vorstand und am 
inneren Winkel durch eine unregelmäßige, pulsierende Schwellung gehoben wurde. 
Bald wurde Pat. nachts durch ein lautes, brausend dröhnendes Geräusch in ihrem 
Kopf geweckt. In Kürze bildete sich ein erhebliches Odem des oberen Lides aus, 
das durch einen Gefäßknäuel gehoben wurde. Dies alles, wie das sehr starke 
Conjunctivalödem, war in lebhafter Pulsation. Die Geräusche, über die Pat. klagte, 
waren an jeder beliebigen Stelle des Schädels deutlich zu hören. 

Von einem Eingriff wurde mit Rücksicht auf den Allgemeinzustand (Albumen, 
Zucker) abgesehen. Es wurde symptomatisch behandelt und täglich durch »einige 
Minuten« digitale Kompression der Carotis communis geübt. Der Exophthalmus 
wurde geringer, ebenso die Geräusche. Die Besserung war aber nur vorübergehend. 
Pat. wurde ins Hospital aufgenommen und einer Gelatineinjektionsbehandlung 
(intramuskulär) unterworfen. Von Ende August 1906 bis Ende Mai 1907 wurden 
81 Injektionen & 80 cg Gelatine gemacht. Da bekam Pat. plötzlich eine totale 
Ophthalmoplegie rechts samt Ptose. Das Auge erblindete fast vollständig, es fand 
sich eine Retinitis. 

Im Dezember 1907 wurden die Injektionen wieder aufgenommen. Nach der 
vierten -rötete sich plötzlich das obere Lid des linken Auges unter Schmerzen. 
Nach Eisapplikation Besserung und Abschwellen, worauf sich zeigte, daß die 
Pulsation verschwunden war, ebenso die Chemosis. Es blieben nur die intra- 
kraniellen Geräusche noch und Anfälle von Kopfschmerzen, als deren Ursache 
linksseitiges Glaukom gefunden wurde. Am 19. März 1908 entschloß R. sich end- 
lich zur Unterbindung der Carotis, worauf auch die Geräusche schwanden. Das 
Aufhören der Pulsation sieht R. als Erfolg der Gelatinebehandlung an. 


1416 Zentralblatt für Chirurgie Nr. 47. 


Um den 17. April stellten sich heftigste Schmerzen in der rechten Hälfte des 
Kopfes und im rechten Bulbus ein. Pat. klagte, es sei genau so, wie seinerzeit 
beim Entstehen des linksseitigen Exophthalmus. Am 2. Mai starb Pat. plötzlich 
unter den Erscheiungen einer Ventrikelblutung. 

Sektion: Die Diagnose auf linksseitiges Aneurysma arterio-venosum im Sinus 
cavernosus bestätigte sich durchaus. Die Carotis hatte hier ein 4—b mm langes 
Loch. Die Arterie war bis an die Ligaturstelle, wo ein 2cm langes Gerinnsel 
lag, leer. 

Rechts fand sich entgegen aller Vermutung ebenfalls ein solches Aneurysma, 
ein mit frischen Gerinnseln gefüllter Sack. Durch das arrodierte Gehirn hatte die 
Perforation stattgefunden, die zur tödlichen Blutung in die Ventrikel führte. 

Die großen Sinus im Schädel waren dilatiert, und durch den hohen Druck, 
der hier herrschte, so nimmt R. an, wurden die im Sinus cavernosus verlaufenden 
Nerven derart beeinflußt, daß es zur Ophthalmoplegie kam. (Es wäre sehr zu 
wünschen, daß Verf. in Zukunft die Lektüre seiner Publikationen dadurch er- 
leichtert, daß er rechts und links weniger oft verwechselt. Ref.) 

V. E. Mertens (Kiel). 


40) Dionisio. Sulla presenza di corpusculi nerastri nel pus delle 
otorroe croniche curate colla fototerapia. 
(Giorn. della R. accad. di med. di Turino 1908. Nr. 6.) 


Bei der erfolgreichen Behandlung chronischer Otorrhöen mit ultravioletten 
Strahlen von bestimmter Wellenlänge konnte Verf. in dem ausgeschiedenen Sekret 
schwarze Körperchen beobachten, die sich jedoch nur dann fanden, wenn die Ei- 
terung durch Knochencaries bedingt war. Die mikroskopische Untersuchung ergab, 
daß es sich mit allergrößter Wahrscheinlichkeit um pulverförmige nekrotische 
Knochenpartikelchen handelte, die infolge der erfolgreichen Bestrahlung ohne jeden 
chirurgischen Eingriff zur Ausscheidung kamen. Verf. kommt daher zum Schluß, 
daß die Bestrahlung, die er auch bei Ozaena mit vielem Erfolg verwendete, die 
Ausscheidung der cariösen Knochen begünstigt. Strauss (Nürnberg). 


41) Schroeder. Ein weiterer Fall von otogener, eitriger Sinusphlebitis 
mit fieberfreiem Verlauf. 
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. LII. p. 357.) 

Das Eintreten einer Infektion des Sinus im Gefolge von Ohreiterung wird fast 
stets durch hohe Temperatursteigerungen, meist von pyämischem Typus, angezeigt. 
In dem von S. mitgeteilten Falle fehlte Fieber während der klinischen Beobach- 
tung vollständig, trotzdem man bei der Operation die Lichtung des Sinus in der 
Ausdehnung von ca. 1!/, cm von Eiter erfüllt fand. Der infizierte Bezirk war 
zentral- und peripherwärts durch solide Thromben gegen den Kreislauf abge- 
schlossen. Nach der Operation (Freilegung der Mittelohrräume, Spaltung des 
Sinus) erfolgte glatte Heilung. Hinsberg (Breslau). 





Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden. 





Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau, 
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. 


Zentralblatt für Chirurgie 


herausgegeben von 


K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER, 


in Bonn, in Berlin, in Breslau. 
35. Jahrgang. 
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG. 





Nr. 48. Sonnabend, den 28. November 1908. 





Inhalt. 

E. Becker, Extension am quer durchbohrten Knochen. (Originalmitteilung.) 

1) Wullstein und Wilms, Chirurgie. — 2) Rote Kreuz-Bericht über die Hilfstätigkeit im ruse 
sisch-japanischen Kriege. — 3) Bainbridge, Sauerstoff in der Chirurgie — 4) Bernardi, Blut- 
veränderung infolge von Knochenbrüchen. — 5) Köhler, Unfallverletzte. — 6) König, Der Unfall- 
arzt gegenüber traumatischen Knochengelenkentzündungen. — 7) Debove, Tabes und Chirurgie. 
— 8) Findlay, Rachitis. — 9) Arce, 10) Poncet, Gelenktuberkulose. — 11) Clarke, Ganglion. — 
12) Olliete, Befestigung des Oberarmes am Schulterblatt. — 13) Lusk, Suprakondylärer Oberarm- 
bruch. — 14) Jones, Ischämische Paralyse. — 15) le Damany, 16) le Damany, Castex u. Veron, 
17) Bade, Angeborene Hüftverrenkung. — 18) Montandon, Ober- und Unterschenkelbrüche — 
19) Meissner, Bruch der Oberschenkelkondylen. — 20) v. Frisch, 21) Staffel, Plattfuß. — 22) Mayo, 
Hallux valgus. 

23) Naturforscherversammlung: a. Kuhn, Überdruck an der Lunge. — b. Lauenstein, Bauch- 
kontusion. — c. Guleke, Eitrige Bauchfellentzündung. — d. Krabbel, e. Wilms, Appendicitis. — 
f. Weiswange, Appendektomie bei gynäkologischen Laparotomien. — g. Clairmont, Schein- 
einklemmung von Brüchen. — h. Löning und Stieda, Gastroskopie. — i. Anschütz, Magensaft- 
fluß. — k. Clairmont, Magengeschwür. — 1. Wilms, Temporäre Kolostomie. — m. Heller, Hirsch- 
eprung’sche Krankheit. — n. Morian, Krebs der Vater’schen Papille. 

24) Jones, Altägyptische Knochenbrüche. — 25) Isaja, Ellbogengelenksankylosen. — 26) Stetten, 
Radialislähmung bei Verschiebung des Radiusköpfchens. — 27) Sherren, Neuritis ulnaris bei 
Krankheit des Ellbogengelenks. — 28) Stamm, Radiusdefekt. — 29) Würth v. Würthenau, 
Trommlerlähmung. — 80) Berg, Phlebosklerose der Venen. — 31) v. Brunn, Schnellende Hüfte. 
— 32) Blanc, Pseudokoxitis. — 33) Urechila, Hüfttuberkulose mit Bronchien kommunizierend. — 
834) Angel, Hüftankylose. — 35) Manolescu, Echinokokkus der Sakrolumbalmuskulatur. — 36) Bett- 
mann, Kniescheibenbruch. — 37) Pech, Knieverletzungen. — 38) Hashimoto und Saito, Ampu- 
tationsstümpfe. — 39) Berger, Narbenkrebs des Fersenbeins. — 40) Roith, Luxatio pedis sub talo. 
— 41) Nast-Kolb, Mittelfuubrüche. — 42) van Dam, Hammerzehen. — 43) Fränkel, Gehgipsver- 
bände. — 44) Kaufmann, Ofliziersgamasche als Universalschiene. — 45) Martin, 46) Ortiz de 
la Torre, Arteriennaht. — 47) M’Gregor, Extremitätengangrän. 

Hoffmann, Erwiderung. — Cernezzi, Zu Gobiet’s Mitteilung in Nr. 40 d. BI. 





Aus dem städtischen Krankenhause zu Hildesheim. 


Extension am quer durchbohrten Knochen. 
Von 


Medizinalrat Dr. Ernst Becker, 
Oberarzt. 


or etwa Jahresfrist hat Steinmann! (Bern), um die gelegentlich 
bei der gewöhnlichen Heftpflasterextension eintretenden Mißstände 
(Reizung der Haut, Ekzem, Zirkulationsstörung durch Schnürung, 
ischämische Muskellähmung, Dekubitus, Gangrän) zu verhüten, eine 
neue Extensionsmethode empfohlen, die er kurz als Nagelextension 
bezeichnet. Er nimmt zwei sehr spitze, schlanke, vernickelte Stahl- 








1 Steinmann, Zentralblatt für Chirurgie 1907. p. 938 ff. 
48 


1418 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 


nägel von 6—8 cm Länge mit breitem Kopf und schlägt sie beider- 
seits am oberen Rande der Femurkondylen, mit der Spitze schräg ab- 
wärts gegen den jenseitigen Condylus gerichtet, mittels Hammers ein. 
An die etwa 1 cm aus der Haut hervorragenden Kopfenden der Nägel 
hängt er mittels Schnur oder Draht Gewichte an, deren Nachinnen- 
rutschen zur Vermeidung von Druck auf die Haut durch eine Rinne 
oder einen besonderen Anhängeapparat verhindert wird. Da die Nägel 
nach seiner Ansicht infolge einer gewissen Druckatrophie des Knochens 
sich nach einiger Zeit lockern, so müssen sie, wie gesagt, schräg ein- 
geschlagen werden. Im übrigen rühmt er der Methode nach, daß sie 
einfacher und rascher als die Heftpflasterextension besorgt werden 
könne, die sofortige Anwendung großer und besser wirkender Ge- 
wichte erlaube, für den Kranken selbst beim stärksten Zuge schmerz- 
los sei und jegliche Reizung der Haut, Zirkulationsstörungen, Deku- 
bitus usw. vollkommen ausschließe; sie gestatte die sofortige Aufnahme 
der gymnastischen Behandlung und sei bei komplizierten Frakturen 
in gleicher Weise verwendbar wie bei unkomplizierten. 

Wilms? bestätigt an der Hand einer einschlägigen Beobachtung 
diese Vorteile, warnt nur vor der Anwendung zu großer Gewichte, 
weil er dabei eine beträchtliche Diastase der Bruchenden beobachtete, 
ein Moment, auf das beiläufig Steinmann in seiner Publikation 
bereits aufmerksam gemacht hatte. Wilms verwendet außerdem statt 
der Steinmann’schen runden, schmale, meißelartig geformte Nägel, 
die sich sehr leicht mit den breiten Seiten nach auf- und abwärts 
einschlagen und so fixieren ließen, daß eine Lockerung »so gut wie 
ausgeschlossen« sein soll. 

Ich glaube nun nicht, daß durch besondere Gestaltung der Nägel 
sich eine Lockerung wird verhüten lassen. Denn ich weiß aus meinen 
Beobachtungen bei den nach meiner Methode? behandelten Fersenbein- 
brüchen, wobei die Bruchstücke auf einen Bohrer aufgespießt werden, 
daß dieser Bohrer sich nach 5—6 Wochen lockert und dann ganz von 
selbst herausfällt, ohne daB überhaupt jemals eine Extension auf ihn 
eingewirkt hat. Bedenkt man ferner, daß der eingetriebene Nagel 
sich um die Corticalis als Hypomochlion dreht, so kann sein freies 
Ende in der weitmaschigen Spongiosa gar keinen festen Halt finden. 
Außerdem ist bekanntlich auch die Spongiosa gerade im Bereiche der 
Femurkondylen, wie man auf jeder Röntgenplatte sehen kann, außer- 
ordentlich dünn, so daß auch aus diesem Grunde eine Lockerung 
hervorgerufen wird. Je stärker also der Gewichtszug ist, desto eher 
muß der Nagel sich lockern. 


2 Wilms, Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCII. p. 260. 

3 a. a. O. p. 940, Absatz 4. 

4 Becker, Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII. p. 575 und 
V. Brandes, Uber die Behandlung der Kompressionsfrakturen des Calcaneus. 
Inaug.-Diss., Berlin 1908. 

5 Merkel, Handbuch der topographischen Anatomie 1907. Bd. III. p. 696. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1419 


Diesen offenbar nicht gleichgültigen Mangel der an sich guten 
Methode habe ich durch folgendes Verfahren beseitigen können. Ich 
ließ mir durch meinen Maschinenmeister einen 20 cm langen und 
4 mm dicken Stahlstab schneiden und an beiden Seiten mit Gewinden 
versehen. Das eine Ende wurde außerdem von zwei Seiten abgeplattet 
und mit kurzer Spitze versehen, während das andere Ende eine Ein- 
kerbung und Abflachung erhielt, so daß es in den Borchardt’schen 
elektrischen Trepanationsapparat hineinpaßte, den mir seinerzeit die 
Firma Hirschmann geliefert hatte (Fig. 1). Beide Enden des Stahl- 
stabes konnten durch Messinghülsen mit entsprechendem Gewinde 
kaschiert werden. In die Hülsen griffen Karabinerhaken mit alten 
ausrangierten elektrischen Klingelschnüren, an denen die Extension 
ausgeübt wurde. Zwei kreisförmige Scheiben aus Weißblech bilden 
den Abschluß gegen den Verband (Fig. 2). 


Fig. 1. 








Zuerst benutzte ich diese Methode bei einem Chauffeur, der Stückbrüche 
beider Oberschenkel auf der Grenze zwischen mittlerem und unterem Drittel da- 
durch erlitten hatte, daß bei einem Automobilunglück ihm beide Beine zwischen 
einen Chausseebaum und den Kraftwagen gequetscht waren. Nachdem mit der 
gewöhnlichen Extensionsmethode nach Heusner es binnen 14 Tagen nicht ge- 
lungen war, ein befriedigendes Resultat zu erzielen, ging ich folgendermaßen vor. 

In Lumbalanästhesie mit Tropakokain wurde der Stahlbohrer etwa drei Quer- 
finger breit oberhalb des Gelenkspaltes, um mit Sicherheit die Gelenkkapsel und 
die Fossa intercondylica zu vermeiden, an der Außenseite des Oberschenkels auf 
die Haut aufgesetzt und die Richtung, welche er nehmen sollte, vorher ganz genau 
festgelegt, während ein Assistent mit aller Kraft am Unterschenkel zog und ein 
anderer den Oberschenkel fixierte, so daß die Dislokation der Bruchstücke beseitigt 
war. Auf Kommando wurde dann der Strom angestellt, und in wenigen Sekunden 
fuhr der Bohrer quer durch Haut und Knochen hindurch, ohne die geringste Er- 
schütterung oder Dislokation des unteren Bruchstückes hervorzurufen. Nach Lösung 
des Bobrers vom elektrischen Apparate lag er absolut fest und unbeweglich im 
Knochen. Um beide vorstehenden Enden wurde ein Streifen Vioformgaze gerollt 
und diese durch einige Achtertouren einer Gazebinde über der Streckseite des 
Knies fixiert. Dann wurden die beiden Weißblechscheiben darübergeschoben und 


48* 


1420 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 


die Hülsen aufgeschraubt. Der Unterschenkel wurde in eine Volkmann'sche 
Schiene gelagert, die Karabinerhaken mit Extensionsschnüren eingehängt, und in 
wenigen Minuten war der ganze Extensionsverband fertig, so daß sofort die Ge- 
wichte angehängt werden konnten. In den nächsten Tagen wurden, da der Kranke 
noch über Schmerzen an den Bruchstellen klagte, Gipshülsen um die Oberschenkel 


gelegt. 
In einem zweiten Falle, der ein sehr korpulentes 20jähriges Mädchen mit 


sehr fleischigem Oberschenkel und Spiralbruch in der Mitte des Femur betraf, 
legte ich sofort einen Gipsverband um das Becken und den gebrochenen Ober- 
schenkel bis hinab zu der Stelle, wo der Bohrer lag, so daß dadurch das obere 
Bruchstück sofort ruhiggestellt war. Diese Kranke hatte nicht die geringsten 
Schmerzen. Ich glaube, daß dieses in manchen Fällen wohl zu emptehlen ist. 

Sobald die Konsolidation einigermaßen eingeleitet ist, entfernt 
man den Gipsverband und beginnt mit Massage. Ist die Fraktur 
fest, so zieht man den Bohrer mit einer Zange heraus, was sehr leicht 
und schmerzlos gelingt, da er sich im Laufe der Wochen gelockert 
hat. Die Bohrlöcher der Haut, die meistens etwas entzündlich ge- 
rötet sind, heilen unter Wundverband in kurzem. 

Auf Grund meiner Erfahrungen kann ich mich dahin aussprechen, 
daß das geschilderte Verfahren die Vorzüge des Steinmann’schen 
teilt, ihm aber durch Sicherheit und Exaktheit überlegen ist. Da der 
Bohrer die Knochencorticalis an zwei Stellen durchbohrt, so kann 
eine Hebelwirkung wie bei der Nagelextension niemals eintreten. 
Ferner hat man in den beiden überstehenden Enden des Stahlstabes 
eine vorzügliche Handhabe, um eine Rotation des unteren Bruch- 
stückes um die Längsachse zu verhüten. Da der Zug direkt am 
Knochen ausgeübt wird, so gebraucht man selbstverständlich sehr 
viel weniger Gewichte als bei der Heftpflasterextension, die zunächst 
doch an Haut und Muskulatur angreift und erst indirekt am Knochen. 
Damit hängt zusammen, daß ein Schlotterkniegelenk unmöglich ent- 
stehen kann. 

Gegenüber dem Einschlagen von Nägeln ist schließlich als be- 
sonderer Vorzug zu erwähnen, daß bei der elektrischen Bohrung 
jegliche Erschütterung oder Verschiebung der Bruchstücke, 
sowie etwaige Splitterung gänzlich ausgeschlossen ist. Die Führung 
des Bohrers ist wegen der rapiden Schnelligkeit, mit der sie erfolgt, 
eine absolut sichere. 

Welchen Umfang man künftig dieser Methode einräumen wird, 
kann erst durch weitere Erfahrungen festgestellt werden; ob sie z. B. 
nach Hüftgelenksresektionen, bei allen Arten von Oberschenkel- 
brüchen (Steinmann scheint das anzunehmen), bei Unterschenkel- 
brüchen (wenn man die Malleolen durchbohrt) ratsam ist, steht noch 
dahin. 

Vorläufig glaube ich, daß sie besonders empfohlen werden kann 
bei komplizierten Oberschenkelbrüchen, die häufige Verband- 
wechsel erheischen, bei subkutanen Komminutivbrüchen des Femur, 
sowie bei sehr korpulenten Menschen, bei denen die Anlegung 
von Verbänden am Oberschenkel ihre Schwierigkeiten hat. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1421 


. 


1) Wullstein und Wilms. Lehrbuch der Chirurigie. I. Bd. 
Jena, Gustav Fischer, 1908. 

Eine Anzahl unserer jüngeren Chirurgen hat sich zusammengetan, 
um für die Studierenden eine kurze, praktisch gehaltene und leicht 
verständliche Darstellung des Lehrgebietes der Chirurgie zu schaffen. 
Als Vorbild hat den Autoren das bekannte v. Mering’sche Lehrbuch 
der inneren Medizin gedient, das sich seit Jahren bewährt hat. 

Der allgemeinen Chirurgie sind nur wenige Kapitel besonders 
gewidmet, das übrige soll in den Abschnitten der speziellen Chirurgie 
eingeflochten werden. Der II. Band wird zeigen, ob dies in aus- 
reichender Weise der Fall sein wird. Am I. Band haben mitgearbeitet 
die Herren Schloffer, Tilmann, Preysing (Otologie, Rhinologie 
und Laryngologie), Wilms, Küttner, de Quervain, Sauerbruch, 
Perthes, J. Riedinger. Die Darstellung ist fast durchweg eine 
gute, wenn auch nicht ganz gleichmäßige in allen Abschnitten. Der 
Text ist sehr reich und vorzüglich illustriert (326 zum Teil farbige 
Abbildungen). Das ist für ein chirurgisches Lehrbuch von grund- 
legender Bedeutung; es liefert den Studierenden präzise Erinnerungs- 
bilder, an die sich das Verständnis heftet. Die Verlagsbuchhandlung 
hat in Anbetracht des niedrigen Preises (10 Mk.) wieder Großes ge- 
leistet. 

Das vorzügliche Lehrbuch wird bei den Studierenden bald beliebt 
werden, besonders wenn erst in einer II. Auflage einige Ungleichheiten 
ausgemerzt sind. Garrd (Bonn). 


2) Beiträge zur Kriegsheilkunde aus der Hilfstätigkeit der 
deutschen Vereine vom Roten Kreuz während des russisch- 
japanischen Krieges 1904—1905. Hrsg. vom Zentralkomitee 
der deutschen Vereine vom Roten Kreuz in Berlin. XXXI 


und 431 S., 17 Tafeln, 122 Abbild. im Text. 42 Mk. 

| Leipzig, W. Engelmann, 1908. . 

Dieses großartig ausgestattete Werk ist nicht für Arzte allein 
geschrieben, sondern wendet sich auch an nichtärztliche Leser, wie 
schon daraus sich ergibt, daß die medizinischen Fachausdrücke ent- 
weder im Text selbst deutsch gegeben oder in einem beigefügten 
alphabetisch geordneten Namenverzeichnis in Übersetzung mitgeteilt 
werden. Immerhin nehmen den größten Raum des Buches medi- 
zinische Dinge ein, die aber zu einem großen Teil unsere Leser 
schon kennen, da, wenn auch weniger ausführlich, die chirurgischen 
Führer der zwei ausgesandten Expeditionen, die Herren Borchardt 
und Henle, bereits über besonders Wertvolles ihrer Erfahrungen 
auf kriegschirurgischem Gebiet andererseits berichtet haben, worüber 
dann in diesem Zentralblatt an verschiedenen Stellen, zum Teil durch 
die Herren selbst, referiert worden ist. Neu ist ein allgemeiner zu- 
sammenfassender Bericht über die Hilfstätigkeit des deutschen Roten 


1422 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 


Kreuzes während des russisch-japanischen Krieges, neu sind die Be- 
richte über das gesamte ungemein reiche Einrichtungsmaterial, das 
die Expeditionen mit sich führten und aus dem sie ihre Lazarette 
aufbauen und einrichten, auch Eisenbahnzüge für Verwundete und 
Kranke ausrüsten konnten; neu ein großer Abschnitt über die inneren 
Krankheiten bei den Russen, die im Charbiner Lazarett Aufnahme 
fanden und dort Gelegenheit gaben, an ihnen Studien mit allen Hilfs- 
mitteln der modernsten Klinik zu machen, neu eine große Anzahl 
mehr oder weniger ausführlicher Krankengeschichten, neu endlich eine 
sehr große Zahl trefflicher photographischer und röntgenographischer 
Abbildungen, die einen reichen kriegschirurgischen Atlas darstellen. 

Es ist bekannt, daß beide Expeditionen den Schlachtfeldern fern 
bleiben mußten, frische Verletzungen also nicht zu ihrer Beobachtung 
kamen, ebenso, daß die Zahl der durch sie behandelten Schuß- 
verletzungen nur eine verhältnismäßig kleine war, in Oharbin 272, in 
Tokio 276 Verletzte betrug. Jenes Moment fällt nicht sehr ins Ge- 
wicht; denn den primären Charakter der Wunden durch die modernen 
Schußwaffen kennen wir aus anderen Kämpfen und wissen durch an- 
dere Berichte über den großen asiatischen Krieg, daß hierin Ande- 
rungen nicht zur Beobachtung kamen. Dagegen gestatteten die gut 
eingerichteten Laazarette, jede zukommende Verletzung, bzw. deren 
Folgen, auf das genaueste nach jeder Richtung hin zu untersuchen, 
sie nach den neuesten therapeutischen Grundsätzen zu behandeln und 
ihren Verlauf bis zu ihrem Ende oder wenigstens so lange zu beob- 
achten, bis ihre Entlassung gar keine Gefahr mehr bot. 

Einzelne Erfahrungen mögen hier Platz finden, so die, daß 
Borchardt keinen Fall beobachtet hat, wo bei Verletzungen durch 
Infanterievollmantelgeschosse, auch wenn die Projektile im Kör- 
per stecken geblieben, deformiert, Querschläger waren, neben ihnen 
andere Fremdkörper bzw. Teile der Kleidung gefunden wurden. Anders 
bei den Schrapnellwunden, bei denen häufig die Kugel im Körper 
zurückblieb, nicht selten Kleiderfetzen mitgerissen waren und sich weit 
häufiger als bei den Gewehrschußwunden eine Neigung zu Infektionen 
zeigte, wie übrigens auch bei Wunden durch artilleristische Geschosse 
und Handgranaten. Leider kamen 40% aller in Charbin — frühestens 
10 Tage nach ihrer Verwundung — eintreffenden Verletzten mit in- 
fizierten Wunden daselbst an, unter ihnen namentlich solche, die man, 
seien es Schuß- oder Amputationswunden, primär durch Naht 
verschlossen hatte. Die zur Beobachtung kommenden Brustschüsse 
verliefen oft unter geringen Symptomen gut, selbst solche, die beide 
Lungen betrafen oder durch Schrapnellkugeln erzeugt waren; aber 
aus unbekannten Gründen entwickelten sich später bei einer Anzahl 
von ihnen Pneumonien, die auch wohl einen tödlichen Ausgang nah- 
men. Spezielle Erwähnung verdient ein Fall, wo bei einem am 
21. Februar durch ein zwischen der 10. und 11. Rippe eingedrungenes 
Geschoß verwundeten und am 2. Mai gestorbenen Soldaten bei der 
Sektion zufällig eine ausgeheilte quere Durchschießung der Aorta 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1423 


gefunden wurde. Die Wunden des Gefäßrohres waren vollkommen 
fest geschlossen. 

Noch später als das russische Lazarett erhielt das in Tokio etab- 
lierte und bald nach jeder Richtung gut ausgerüstete seine Ver- 
wundeten. Hier war es dann aber auch möglich, die Erfolge der 
notwendig werdenden Operationen lange Zeit hindurch zu beobachten, 
da die durchschnittliche Behandlungsdauer der Pat. 72 Tage dauerte. 
Die Desinfektion beschränkt sich allein auf die Anwendung von Seifen- 
spiritus, ohne Wasseranwendung; und daß dieses einfache, also für 
den Kriegschirurgen besonders geeignete Verfahren sich wohl bewährte, 
ergibt der Erfolg: von den 276 behandelnden Verletzten, bei denen 
195 Operationen gemacht wurden, ist nur einer gestorben. Die lange 
Dauer des Lazarettaufenthaltes erklärt sich übrigens zum großen Teil 
aus der auch bei den japanischen Verletzten stark hervortretenden 
Sucht nach hohen Renten und den Widerständen, die sie zu ihrer 
Wiederherstellung notwendigen Übungen entgegenstellten. Uber die 
operativen Heilversuche bei Nervenschußverletzungen hat Henle schon 
früher berichtet; sie sind unseren Lesern bekannt. Die übrige Sta- 
tistik enthält eine große Anzahl interessanter Beobachtungen, so daß 
das Studium des Originals dringend zu empfehlen ist. Leider wird 
der hohe Preis der erwünschten Verbreitung des Buches nicht gün- 
stig sein. Richter (Breslau). 


3) Bainbridge. Oxygen in medicine and surgery — a con- 
tribution, with report of cases. 
(New York state journ. of med. 1908. Juni.) 

Nach sehr ausführlichem Referat über die Publikationen über die 
Verwendungsmöglichkeiten des Sauerstoffes in der Medizin berichtet 
B. über die Erfahrungen, die er mit Sauerstoffinjektionen in die Bauch- 
höhle bei Laparotomien und im Tierversuche gewonnen hat. 

Der Sauerstoff (89%) wurde durch Passieren einer Flasche voll 
heißen Wassers vorgewärmt und durch eine lange Glaskanüle am 
Schluß der Laparotomie in die Bauchhöhle eingeführt. Er wurde 
den bekannten Stahlflaschen, worin er in komprimiertem Zustande 
sich befand, direkt entnommen. 

Man muß sich in acht nehmen, bei der Infusion kein Emphysem 
der Gewebe zu erzeugen. Die Menge des zur Verwendung kommen- 
den Sauerstoffes wird am besten so bestimmt, daß man vor der Ope- 
ration den Bauchumfang mißt und nachher so viel OÖ einströmen läßt, 
daß das ursprüngliche Umfangsmaß beinahe erreicht wird; in Fällen 
von Chok, bei Blutungen, lasse man so viel einströmen, daß die Leber- 
dämpfung gerade verschwindet. 

Bei solchem Vorgehen war die Cyanose geringer, die Wundflächen 
röter, Puls und Atmung besser, die Leibschmerzen geringer, Übelsein 
und Erbrechen seltener, der Appetit besser, die Darmtätigkeit reger 
als bei den Operationen ohne Sauerstoffinjektion; der Blutdruck wurde 
nicht nennenswert verändert. 


1424 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 


Die Erfahrungen, die B. an 16 Pat. machte, beschreibt er dann 
im einzelnen. Es handelt sich um Operationen wegen tuberkulöser 
Peritonitis, gutartigen und bösartigen Geschwülsten des weiblichen 
Geschlechtsapparates, Lebercirrhose, Appendicitis. Besonders deutlich 
traten die Vorzüge des Verfahrens in die Erscheinung bei einer 
Karzinompatientin, die zweimal ohne und zweimal mit Sauerstoff- 
injektion laparotomiert worden war. 

Die Experimente B.’s an Katzen (Injektion von 200, 300 bzw. 
400 ccm Sauerstoff unter 60—200 mm Wasserdruck bewiesen, daß 
nach 36 Stunden stets aller Sauerstoff resorbiert war, bisweilen schon 
nach 24 und 18 Stunden. Der intraabdominale Druck hatte wenig 
Einfluß auf die Geschwindigkeit der Resorption. Puls und Atmung 
wurden ein wenig beschleunigt, der Blutdruck stieg etwas; auffallend 
war das schnelle Aufwachen aus der Narkose; nahm Verf. statt des 
Sauerstoffes Luft, so wachten die Tiere erst viel später auf; sonst 
war der Einfluß ähnlich wie bei Sauerstoff. Wenn Verf. den Sauer- 
stoff unter hohem Druck einströmen ließ (1500—1800 mm Wasser), so 
kam es zu starkem Anstieg des Blutdruckes, Beschleunigung von Re- 
spiration und Herztätigkeit und dann schnell zum Tode. In solchen 
Fällen waren auch mikroskopisch gar keine Veränderungen an den 
Organen zu sehen. 

Von besonderem Interesse war der Einfluß der Sauerstoffinjektion 
auf die Ausbildung von Verklebungen. Verf. skarifizierte zunächst 
das parietale und viszerale Bauchfell an zahlreichen Stellen und schloß 
die Bauchwunde nach Injektion von 200—300 ccm Sauerstoff. Ferner 
heftete er nach Skarifikation dieser Darmteile ein 9 cm langes Stück 
Dünndarm durch zwei Seidennähte an das Querkolon und schloß die 
Bauchwunde nach Sauerstoffinjektion. 

In Parallelversuchen führte er die gleichen operativen Maßnahmen 
aus, aber ohne Sauerstoffanwendung. Der Erfolg war, daß nach Sauer- 
stoffinjektion höchstens einzelne spinnwebfeine Verklebungen sich vor- 
fanden, in den anderen Fällen aber umfangreiche zahlreiche breite 
Verklebungen und feste Verwachsungen in kurzer Zeit sich ausge- 
bildet hatten. Die Ursache kann sein einmal das mechanische 
Moment des Auseinanderhaltens der verletzten Bauchfellflächen durch 
den Sauerstoff, ferner eine erhöhte Wachstumsenergie des Serosaendo- 
thels unter dem Einfluß des Sauerstoffes oder endlich der Umstand, 
daß die Darmbewegung durch Sauerstoff kräftig angeregt wird und 
dadurch für die Bildung von Verklebungen ungünstige Verhältnisse 
geschaffen werden. W. v. Brunn (Rostock). 





4) GŒ. Bernardi. Di alcune modificazioni citologiche nel 
sangue dei fratturati. (Istituto di patologia chirurgica della 
università di Pisa.) 14 Doppeltabellen, I kolor. Tafel. 
Pisa, F. Mariotti, 1907. 

Die sehr fleißige, die Untersuchungen von über 1000 Blutpräpa- 
raten verwertende Arbeit füllt eine Lücke in unseren Kenntnissen von 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1425 


der Pathobiologie der Knochenbrüche. Die traumatische Schädi- 
gung eines Organes, welches die zellbildende Keimstätte der roten 
und der weißen granulierten Blutzellen ist, muß, wenn ein größerer 
Abschnitt geschädigt ist, zu einer bestimmten, wohl nur graduell 
verschiedenen Umänderung des Blutcytogrammes führen. 

Nach einem Überblick über die qualitativen und quantitativen 
Änderungen des morphologischen Blutbildes unter normalen und 
pathologischen Verhältnissen, wobei er sich in der Streitfrage der 
Abstammung der weißen Blutkörperchen zu Ehrlich’s dualistischer 
Lehre bekennt, berichtet B. über seine an verschiedenaltrigen Indivi- 
duen, die die verschiedensten subkutanen oder offenen Diaphysenbrüche 
aufwiesen, vorgenommenen Untersuchungen; zur Kontrolle wurde 
jeweilen ein gleichaltriges gesundes Individuum hämatologisch unter- 
sucht. 

Die roten Blutkörperchen zeigen bei Subkutanbrüchen keinen 
auffälligen quantitativen Unterschied; anders im qualitativen Verhalten: 
bei Kindern treten neben in Teilung begriffenen weißen noch spärliche 
kernhaltige rote Blutkörperchen auf; bei Erwachsenen beobachtet man 
zuweilen Polychromasie. 

Wichtiger ist das Verhalten der Leukocyten. Bei allen Knochen- 
brüchen kommt es zu einer Vermehrung der absoluten Leukocyten- 
gesamtzahl proportional dem Alter, dem hämatologischen Wert 
des Knochens und der Schwere der Verletzung; die Leukocytenzahl 
wird um so größer, je näher das Knochenmark noch seiner größten 
physiologischen Aktivität, d. i. der Fötalzeit, steht. Das Maximum der 
Leukocytose tritt nicht unmittelbar nach der Verletzung, sondern erst 
in 10—15 Tagen auf; sie verschwindet wieder unter verschiedenen 
Schwankungen mit Annäherung der Heilung. Die Hyperleukocytose 
erscheint bei Kindern früher als bei Erwachsenen, bei letzteren bei 
offenen Frakturen und etwaigen Nebenverletzungen früher als bei 
Subkutanbrüchen. 

Die prozentualische Leukocytenformel erfährt immer bemerkeus- 
werte Abänderungen, die graduell vom Alter, der Wichtigkeit des 
gebrochenen Knochens und der Ausdehnung des Bruches abhängig 
ist. Sie bleibt annähernd normal bei Brüchen kleiner Knochen (Knie- 
scheibe usw.), erfährt unwesentliche Modifikationen bei Radius-, größere 
bei Unterschenkel-, die größten bei Oberschenkelbrüchen. Bei Kindern 
sind alle myeloiden Elemente auf Kosten der lymphocytären, die von 
43—33% (normal) auf 27—14% fallen, vermehrt. — Im Blute der 
Frakturierten existiert eine bescheidene, weder der Schwere der Ver- 
letzung noch dem Werte des Knochens, noch dem Alter proportionale 
Zahl von Myelocyten, neutrophil oder eosinophil granuliert, wobei 
letztere überwiegen. Die bei Kindern wahrscheinlich intensivere 
Knochenmarksreaktion dürfte wahrscheinlich dadurch verdeckt sein, 
daß die Myelocyten sich rasch in Polynukleäre umwandeln und als 
solche ins Blut eintreten. — Die Neutrophilen, die großen Mono- 
aukleären und die Übergangsformen sind immer beträchtlich vermehr‘ 

| 48° * 


1426 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 


auf Kosten der Lymphocyten. — Die Eosinophilen neigen in den 
ersten Tagen der Fraktur zur Verminderung oder bleiben normal, 
nehmen dann rasch zu; ihre Vermehrung zeigt einen glatten afebrilen 
Heilverlauf an. Mangel, auffallende Spärlichkeit oder sukzessives 
Verschwinden der kreisenden Eosinophilen ist ein prognostisch schlech- 
tes Zeichen und deutet auf schwere Komplikationen. 

Die Steigerung der extrazellulären Jodreaktion des Blutes an den 
Blutplättchen, die bei Knochenbrüchen klinisch wie experimentell 
nachgewiesen ist, scheint dem Verf. unbekannt zu sein; wenigstens ist 
sie nicht angeführt oder gar nachgeprüft. 

Auf der kolorierten Tafel sind eigenartige Erythrocytenbefunde 
reproduziert, wie sie B. tierexperimentell bei Tauben und Kaninchen 
mit Knochenbrüchen erheben konnte: in zahlreichen roten Blut- 
körperchen trat eine oft sehr reichlich differenzierte chromatische 
Substanz auf, in granulärer oder häufiger noch filamentärer Anord- 
nung; Einzelheiten darüber sind im Original einzusehen. 

K. Henschen (Tübingen). 


5) A. Köhler. Über die ärztliche Untersuchung der Unfall- 


verletzten. 5 
(Charité-Annalen XXXII. Jahrg.) 

Aus seiner reichen Erfahrung gibt K. einige praktische Winke 
für die ärztliche Untersuchung der Unfallverletzten. Nachdem er die 
eigentümliche Vertrauensstellung des Arztes sowohl dem Pat. als wie 
der Genossenschaft gegenüber und das fast immer völlig unbegründete, 
von außen in ihn hineingetragene Mißtrauen des Arbeiters gegen den 
Arzt besprochen hat, wendet sich Verf. der Untersuchung selbst zu. 
Mit Recht fordert er vom Arzte ein strenges Unterscheiden zwischen 
dem subjektiven und objektiven Befund, ein Punkt, der nach Ansicht 
des Ref. immer wieder vernachlässigt wird. Schwierig kann die Be- 
urteilung angeblich sensibler Störungen und Schmerzen werden, be- 
sonders wenn noch nicht objektive Veränderungen erwartet werden 
können. Die Simulation des Romberg’schen Phänomens, von Muskel- 
lähmungen und Gelenksteifigkeiten läßt sich durch gewisse Kunstgriffe 
meist entlarven. Boerner (Rastatt). 


6) König. Die traumatische Knochengelenkentzündung in 


ihrer Bedeutung für das Gutachten des Unfallarztes. 
(Berliner klin. Wochenschrift 1908, Nr. 37.) 

Die Frage nach dem tatsächlichen Zusammenhange zwischen 
Gewalteinwirkung und Knochengelenkentzündung in präziserer Weise, 
als dies in der Regel geschieht, zu beantworten, ist der Zweck der 
Ausführungen des Verf.s. 

Die Zahl der Fälle, die der Gewalteinwirkung allein ihre Ent- 
stehung verdanken, ist gering. In der Regel handelt es sich um spe- 
zifische Erkrankungen, die durch stumpfe Gewalt, direkt oder indirekt, 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1427 


hervorgerufen wurden, ohne daß Brüche oder Verrenkungen entstanden. 
Da es ein objektives Zeichen dafür, daß eine Entzündung eine trauma- 
tische ist, in der Regel nicht gibt, ist die Anamnese von großer 
Bedeutung, zumal wenn das Trauma und der Eintritt der Gelenk- 
entzündung zeitlich weit auseinander liegen. 


1) Die akute Knochengelenkentzündung. 

Als direkte und einzige Folgen der Gewalteinwirkung kommen 
in Betracht: der Bluterguß und der traumatische Hydrops (aseptische 
traumatische Gelenkergüsse). Bei allen übrigen hat die Gewalt nur 
den Boden präpariert für die Niederlassung einer anderweitigen Ent- 
zündungsursache (Gonokokken, Staphylo-Streptokokken, Typhusbazillen, 
Bakterium coli, Pneumokokken usw.). Es entsteht der für die Begut- 
achter am häufigsten in Betracht kommende traumatisch septische 
oder traumatisch infektiöse Erguß. 

Für die Begutachtung sind folgende Sätze maßgebend: 

a. Eine Knochengelenkentzündung ist mit an Gewißheit grenzender 
Wahrscheinlichkeit als traumatische zu betrachten, wenn sie in direk- 
tem Anschluß an eine Gewalteinwirkung aufgetreten ist. 

Der Nachweis eines als Ausgangspunkt für Infektion anzusehenden 
anderweiten Eiterherdes erhöht die Sicherheit der Diagnose einer 
traumatisch septischen Erkrankung (eitrige Angina, Furunkel usw.). 

b. Auch wenn im Verlaufe von einigen Wochen, nachdem die 
Gewalt eingewirkt hatte, eine Knochenentzündung an der getroffenen 
Stelle entsteht, ist man noch berechtigt, den Zusammenhang zwischen 
Gewalt und Entzündung mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen. 

c. Es kann aber auch längere Zeit nach dem Stattfinden einer 
Gewalteinwirkung am Knochen erhebliche Schwellung und ein AbszeBß 
auftreten. 

d. Unter denselben Verhältnissen bricht erst nach wandelbarer 
Zeit ein vorhandener Knochenherd in das Gelenk durch und ruft erst 
jetzt eine traumatische Entzündung des Gelenkes hervor. 

e. Es kann jedoch eine ursächliche Beziehung zwischen Trauma 
und Knochengelenkentzündung in letzterem Falle nur dann mit Wahr- 
scheinlichkeit angenommen werden, wenn vollkommen einwandsfrei 
erwiesen ist, daß von dem Moment des Unfalles bis zu dem Auftreten 
schwerer Entzündungserscheinungen, Schmerz, Schwellung, event. lokale 
leichte Entzündungserscheinungen mit ‘oder ohne Fieber, oder wenn 
Funktionsstörungen vorhanden waren. 

Ein Zusammenhang ist unbedingt zu verwerfen, wenn solche Sym- 
ptome in der Zwischenzeit fehlen. 


2) Traumatische Tuberkulose des Knochengelenkappa- 
rates. 
K. konnte unter 566 tuberkulösen Erkrankungen des Hüftgelenkes 
86 als traumatische ermitteln. In 36 Fällen entstand die Erkrankung 
direkt im Anschluß an die Gewalteinwirkung. Unter 720 Kniegelenk- 
erkrankungen entstanden 129 nach Gewalteinwirkung. 
* 


1428 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 


Für den Begutachter sind folgende zusammenfassende Sätze 
wichtig: 

a. Sowohl der Tierversuch als auch die Erfahrung am Menschen 
haben bewiesen, daß sich die große Mehrzahl der traumatischen Tu- 
berkulosen alsbald nach dem Stattfinden des Traumas entwickelt. Die 
Kenntnis des klinischen Verlaufes dieser Fälle lehrt uns, daß sie 
bereits in den ersten 14 Tagen nach der Verletzung auftreten. Immer- 
hin dürfen wir aber auch den Zeitraum, bis zu welchem große Wahr- 
scheinlichkeit für den Zusammenhang spricht, auf etwa 2 Monate, 
und wenn man bedenkt, daß sich manche Formen sehr langsam ent- 
wickeln, bis sie der Kranke bemerkt, auf 3 Monate bestimmen. 


b. Bei allen später auftretenden Erkrankungen muß, um die 
Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhanges zuzugeben, nachgewiesen 
werden, daß bis zum Offenkundigwerden der Erkrankung von dem 
Moment des Unfalles an krankhafte Erscheinungen (Schmerz, Schwel- 
lung, Funktionsstörunug) vorhanden waren. 


Ist dies nicht der Fall, so ist unseres Erachtens die Erkrankung 
nicht als ein Betriebsunfall anzuerkennen. Es wird dann auch öfter 
möglich. sein, direkt nachzuweisen, daß andere im Wesen der tuber- 
kulösen Erkrankung gelegene Verhältnisse die Entstehung derselben 
erklären. Langemak (Erfurt). 


7) Debove /Paris). Tabes et chirurgie. 
(Presse méd. 1908. Nr, 59.) 

Die Tabes zeigt sich unter sehr verschiedenen Formen, und oft 
sind die Erscheinungen derart, daß die Grundkrankheit verkannt wird. 
Dies hat namentlich dann sehr unliebsame Folgen, wenn man eine 
chirurgische Krankheit annimmt und demgemäß einen chirurgischen 
Eingriff macht. Nicht nur, daß derselbe auf das Leiden gar keinen 
Einfluß ausübt, sondern die Heilung der Operationswunde ist eine sehr 
langwierige und kann in manchen Fällen auch ganz ausbleiben. Es 
ist dies namentlich mit Bezug auf tabische Gelenkerkrankungen in 
Betracht zu ziehen. Es sind da oft Resektionen mit den schlech- 
testen Folgen vorgenommen und die Tabes erst dann erkannt worden, 
als es zu spät war. Ja, es sind Fälle bekannt — und Verf. zitiert 
solche aus eigener Beobachtung —, wo die Operation nicht nur lokal 
nichts genutzt, sondern auch auf die Grundkrankheit einen verschlim- 
mernden Einfluß ausgeübt hat. 

Eine 48jährige Tabikerin erkrankte an einer Arthritis des rechten 
Knies. Es wurde die Resektion desselben vorgenommen und das Bein 
in einem Gipsverband immobilisiert. Bald darauf traten schwere 
gastrische und laryngeale Krisen auf, häufige Ohnmachten verschlim- 
merten den Zustand, und Pat. starb am 25. Tage nach der Ope- 
ration. Die Untersuchung des resezierten Knies zeigte auch nicht die 


geringste Spur von knöcherner oder bindegewebiger Vereinigung der 
Knochen. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1429 


In anderen Fällen wurde wegen gastrischer tabischer Krisen die 
Gastroenterostomie vorgenommen, da Pylorusstenose diagnostiziert 
wurde. In einem anderen ähnlichen Falle wurden Leberkrämpfe an- 
genommen und die Gallenblase reseziertt. Als die Schmerzen hierauf 
nicht besser wurden, machte man eine Nephropexie, indem man glaubte, 
daß es sich um Wanderniere handle. In ähnlicher Weise wurde bei 
Blasenkrisen der Steinschnitt vorgenommen. 

Aus diesen Erfahrungen soll die Lehre gezogen werden, daß man 
bei Vorhandensein von osteoartikulären Erkrankungen, sowie auch bei 
verschiedenen Krisen der Viszeralorgane an die Möglichkeit des Be- 
stehens von Tabes denken und den Kranken einer dementsprechenden 
Untersuchung unterwerfen soll. E. Toff (Braila). 


8) L. Findlay. The etiology of rickets: a clinical and ex- 
perimental study. 
(Brit. med. journ. 1908. Juli 4.) 

Die Erfahrung lehrt, daß Tiere, die zu Zwecken des Experiments 
in Käfigen gehalten werden, sehr häufig rachitisch werden. Vergleiche 
zwischen Hunden, die bei völlig gleicher Fütterung, Reinlichkeit und 
anderen äußeren Bedingungen im engen Käfig gefangen gehalten 
wurden, und solchen, die ein gewisses Maß von freier Bewegung 
hatten, haben F. überzeugt, daß Mangel an Muskelübung mit Sicher- 
heit zur Rachitis führt. F. überträgt diese Schlußfolgerungen auf 
menschliche Verhältnisse und versucht nachzuweisen, daß das Gleiche 
auch für die menschliche Rachitis zutrifft, und daß alle anderen, so 
zahlreichen wie unbefriedigenden Theorien der Rachitis nicht den 
Kern treffen. Einige seiner Argumente mögen hier angeführt werden: 
die Rachitis ist eine Krankheit der gemäßigten Zone und in den 
Tropen und Subtropen so gut wie unbekannt, weil das Klima hier ein 
Leben außer dem Hause bei viel Bewegung gestattet. Sobald aber 
z. B. Neger- oder Italienerkinder in die engen Verhältnisse einer 
Großstadt, wie Neuyork, geraten, werden sie massenweise rachitisch. 
Ferner: die Rachitis ist eine Erkrankung der Wintermonate, wo in 
unserem Klima die Bewegungsfreiheit noch mehr eingeschränkt ist; 
sie ist im wesentlichen eine Krankheit der städtischen Bevölkerung 
und der geringeren. Volksklassen: aus dem gleichen Grunde! 

In welcher Weise dieser Mangel an Bewegungsfreiheit und 
Muskelübung wirkt, um Rachitis zu erzeugen, ist bisher nicht zu er- 
klären. Daß sie aber eine nicht mehr zu übersehende ursächliche 
Bedeutung für die Rachitis hat, ist für F. erwiesen. Prophylaxe und 
Therapie ergeben sich daraus von selbst. Weber&(Dresden). 


9) Arce. Tuberculosis articular. 
(Revista de la sociedad med. Argentina Bd. XV. Nr. 87.) 
In einer sehr ausgedehnten Arbeit, welche die gesamte Patho- 
logie und Therapie der Gelenktuberkulosen behandelt, kommt A. zu 


1430 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 


nachstehenden Ergebnissen: Die rationelle Behandlung der Gelenk- 
tuberkulose hat in der Mehrzahl der Fälle in der Arthrotomie mit 
nachfolgender Synovektomie bzw. Arthrektomie zu bestehen. Es muB 
stets große Sorgfalt auf die Erhaltung der Funktion gelegt werden; 
die »Arthrodiaphysektomie« kann in schweren Fällen zumeist die Am- 
putation ersetzen. Massage und Mobilisation müssen der operativen 
Behandlung alsbald nachfolgen. Man kann eine Heilung der Knie- 
gelenktuberkulose mit erhaltener Funktion des Gelenkes auch nach 
der Synovektomie erreichen. 

Die Arbeit ist durch vorzüglich ausgeführte röntgenographische 
Tafeln illustriert und ist in ihren von unseren modernen Prinzipien 
abweichenden Forderungen von Interesse. Stein (Wiesbaden). 





10) M. A. Poncet. Pathogénie du rhumatisme tuberculeux. 
(Lyon méd. 1908. Nr. 33 u. 34.) 

In der sehr lesenswerten Arbeit tritt P. dafür ein, daB es sich 
bei dem Gelenkrheumatismus Tuberkulöser nicht um ein zufälliges 
Zusammentreffen zweier verschiedener Krankheiten handle, sondern 
um eine tuberkulöse Gelenkentzündung, die aber dadurch ausgezeichnet 
sei, daß spezifische Gewebsveränderungen, meist auch spezifische bak- 
teriologische Wirkungen der Gelenkflüssigkeit fehlen. Für seine An- 
schauung führt P. unter anderem folgende Punkte ins Feld: 

1) Die große Häufigkeit derartiger Gelenkentzündungen bei Tuber- 
kulösen. 

2) Aus der anscheinend rheumatischen Gelenkerkrankung entsteht 
zuweilen ein Fungus. 

3) Es bestehen gewisse Beziehungen zwischen dem tuberkulösen 
Hauptleiden und dem Auftreten der Gelenkentzündungen. 

4) Auch nach Injektionen von Koch’schem Tuberkulin beob- 
achtet man leichte Gelenkentzündungen (Arthralgien). 

P. nimmt an, daß es sich um eine Toxinwirkung des Tuberkel- 
bazillus handelt, deren nähere Umstände wir noch nicht genügend 
kennen. 

Einzelheiten müssen im Original nachgelesen werden. 

Boerner (Rastatt). 





11) Clarke. The pathogenesis of ganglia. 
(Surgery, gynecology and obstetrics Vol. VII. Nr. 1.) 

Eine sehr umfangreiche und sorgfältige Studie über den Gegen- 
stand unter Entwicklung der historischen Entwicklung der Theorie 
über die Überbeine und der Entwicklungsgeschichte. Eine Anzahl 
von Krankengeschichten wird beigebracht, aus denen Ü. seine Erfah- 
rungen geschöpft hat. Er hat sowohl die normalen Synovialbäute 
eingehend makroskopisch und mikroskopisch untersucht, wie speziell 
die Verhältnisse bei den Überbeinen. Er kommt nach seinen Unter- 
suchungen zu dem Ergebnis, daß Überbeine sehr selten als Aus- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48, 1431 


stülpungen (Hernien) der Synovialmembran entstehen. Häufiger sind 
sie ausgedehnte regelmäßige oder akzessorische Schleimbeutel, am 
häufigsten Cysten im lockeren, den Sehnen und Gelenken benachbarten 
Bindegewebe, das aus unbekannter Ursache cystisch degeneriert ist. 
Trapp (Bückeburg). 





12) Olliete. Fijación escäpulohumeral del hümero sin artro- 
desis. 
(II. Spanischer Chirurgenkongreß.) 
(Revista de med. y cirurg. pract. de Madrid 1908. Nr. 1036.) 

O. gibt ein Verfahren an, welches den Zweck hat, bei Lähmung 
des Deltoides den Humerus gegen das Schulterblatt zu fixieren, obne 
eine Arthrodese vornehmen zu müssen. Es kann dann mit Hilfe der 
noch unversehrten Muskeln eine Pendelbewegung des Armes im Schulter- 
gelenk stattfinden. Das Verfahren ist folgendes: 1) Freilegung des 
langen Kopfes der Bicepssehne im Sulcus intertubercularis und Durch- 
schneidung desselben möglichst nahe seinem Ansatzpunkt am Schulter- 
blatt. 2) Durchbohrung des Humeruskopfes von außen unten nach 
oben innen. 3) Herstellung einer Periost-Knochenbrücke zwischen 
Cavitas glenoidalis und Proc. glenoidalis. 4) Verlängerung der durch- 
schnittenen Bicepssehne mit Hilfe einer Seidensehne nach Lange; 
Einführung dieser Seidensehne in den in den Oberarmkopf gebohrten 
Kanal, Durchführung durch denselben und Umschlingung der in der 
Cavitas glenoidalis gebildeten Knochenbrücke; darauf Zurückführung 
der Sehne durch den Kanal im Humeruskopf in umgekehrter Rich- 
tung wie das erstemal und Vereinigung des Endes der Seidensehne 
mit deren Anfang in der Muskulatur des Biceps. 5) Freilegung der 
Insertionen der Akromioclavicularportion des M. trapezius, Verlänge- 
rung derselben mit Seidenfäden nach Lange und Befestigung dieses 
verlängerten Trapezius an der Ansatzstelle des Deltoides. 

zo Stein (Wiesbaden). 
13) Lusk. Reduction of supracondyloid fracture of humerus. 
(Annals of surgery 1908. September.) 

Verf. weist darauf hin, daß bei suprakondylärem Bruche des 
Oberarmes das untere kleine Bruchstück an einem vom größeren 
oberen Bruchstück ausgehenden Knochenhautlappen hängt. Bei for- 
cierter Streckung des Unterarmes schwingt an diesem erschlafften 
Periostlappen das untere Bruchstück nach hinten und kann jetzt durch 
forcierte Beugung wieder nach vorn in die normale Lage zum oberen 
Bruchstück gebracht werden. Der Arm wird dann in dieser forcierten 
Beugestellung, nachdem ein Gazebausch in die Ellbeuge gebracht und 
Unterarm und Oberarm mit Flanellbinden eingewickelt sind, ein- 
gegipst. Verf. hat vier Fälle in dieser Weise mit, wie er durch 


Röntgenbilder nachweist, sehr gutem Resultat behandelt. 
Herhold (Brandenburg). 


1432 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 


14) R. Jones. On a simple method of dealing with Volk- 


mann’s ischemic paralysis. 
(Amer. journ. of orthop. and surg. 1908. Nr. 4.) 

Verf. berichtet über 24 Fälle von ischämischer Paralyse. Er hat 
keinen Pat. über 14 Jahre. In 19 Fällen lag eine Fraktur zugrunde. 
Seine Behandlungsmethode besteht darin, daß er die kontrahierten 
Fingerglieder in Flexionsstellung des Handgelenkes und des Metacarpo- 
phalangealgelenkes extendiert und jeden einzelnen Finger isoliert schient. 
Einige Wochen später wird dann bei gebeugtem Handgelenk die Ex- 
tension aller Finger vorgenommen und mittels Schienen fixiert. In 
einer dritten Sitzung wird das Handgelenk extendiert und in einer 
vierten in Überkorrektion fixiert. Das Resultat dieser Behandlung 
besteht darin, daß keine Neigung zum Rückfalle zurückbleibt, daß die 
Zirkulation zur Norm zurückkehrt und, falls die Schädigung der Nerven 
nicht zu stark war, die normale Gestalt wieder erlangt wird. Von 
der Durchtrennung und Verlängerung der Sehnen hält Verf. nichts. 

A. Hofmann (Karlsruhe). 





15) P. lo Damany. La luxation congenitale de la hanche, 


influences étiologiques, étude anthropologique. 
(Revue de chir. XXVII. ann. Nr. 5u. 6.) 

Die Arbeit bringt eingehende anthropologische Studien über die 
angeborene Hüftgelenksausrenkung. Einseitig ist sie oft mit gleich- 
seitigen oder gekreuzten Asymmetrien des Gesichts oder Schädels ver- 
bunden. In einem großen Prozentsatz läßt sich eine starke familiäre 
Belastung mit demselben Leiden oder anderen Mißbildungen (Klump- 
fuß, Hasenscharte, überzählige Finger und Zehen, Angiome, Schief- 
hals) nachweisen. 

Das wichtigste Ergebnis von D.’s Nachforschungen ist aber, daß 
bei den höheren Rassen die angeborene Hüftluxation in weit größerer 
Zahl beobachtet wird als bei den niederen. Am häufigsten ist sie 
beim weißen Weibe (5 : 1000; beim weißen Manne 1,5: 1000), ganz 
selten bei der schwarzen Rasse zu finden. Bei der gelben Rasse 
(Anam, Tonking) tritt sie etwa 5—1lOmal weniger als in Frankreich, 
aber etwa 10mal so oft als bei den Negern in Madagaskar und im 
Sudan auf. Eine ähnliche Bevorzugung der weißen Rasse soll keine 
andere angeborene Mißbildung erkennen lassen. 

Neben dem Keimfehler spielt also eine besondere anthropologische 
Veranlagung, die vielleicht in der stärkeren Flexionslage der Hüfte 
des Fötus der höheren Rassen begründet ist, eine wichtige Rolle in 
der Atiologie des Leidens. D. legt ihm deshalb den Namen »anthro- 
pologische Verrenkung« bei. Gutzeit (Neidenburg). 


C 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1433 


16) P. le Damany, E. Castex et F. Veron. Le traitement ra- 
tionnel des luxations congénitales de la hanche, remarques, 
documents cliniques. 

(Revue de chir. XXVIII ann. Nr. 4.) 

Mit den rein immobilisierenden Methoden läßt sich kaum mehr 
als die Hälfte der behandelten Fälle heilen, wenn man unter Heilung 
die vollkommene anatomische Wiederherstellung des Hüftgelenkes ver- 
steht. D. verwendet deshalb nach der Einrenkung und dem ersten, 
das Hüftgelenk in der Lorenz’schen Lage (Flexion, Abduktion, Ein- 
wärtsdrehung) feststellenden Verband einen aus Beckengürtel und 
gelenkig mit ihm verbundener Oberschenkelschiene zusammengesetzten 
Apparat; er gestattet gewisse Bewegungen, verhindert aber jede Stel- 
lung, die zu einer Wiederausrenkung führen könnte, d. h. zu starke 
Verminderung der Flexion und Abduktion. Außerdem besorgt er die 
Zurückdrehung des antevertierten Schenkelhalses bei Kindern, die 
noch jung genug dazu sind. Die Bewegungen beeinflussen die Wieder- 
bildung und Vertiefung der Pfanne sowie die Beseitigung etwaiger 
Fehler des Kopfes außerordentlich günstig und beschleunigen dadurch 
lie anatomische und funktionelle Wiederherstellung des Gelenkes. 
Durch Vergrößerung des Winkels zwischen Gürtel und Schiene wird 
die Beweglichkeit der Hüfte immer mehr dem normalen Ausschlage 
genähert. Eine Nachbehandlung mit Massage, Bewegungen und 
Gymnastik wird überflüssig. 

In 50 Fällen, die die Verff. nach dieser Methode behandelten, 
erzielten sie 40 vollständige Heilungen, drei ohne Beseitigung oder 
sogar mit Vermehrung der Anteversion des Schenkelhalses, vier hohe 
Repositionen, zwei Transpositionen und einen Mißerfolg. 

Eine Grenze auch für dieses Verfahren bilden jene veralteten 
Fälle, die sich überhaupt nicht mehr einrenken lassen. Die Arthro- 
tomie nützt nach D.’s Erfahrungen dann auch nicht mehr. 

War bei älteren Kindern die Detorsion des Schenkelhalses nicht 
mehr zu erreichen, so wartet D. bis zu 2 Jahren, da in dieser Zeit 
die Streckung des Hüftgelenkes trotz Weiterbestehens der Anteversion 
noch vollständig werden kann. Eine Osteotomie ist dazu nur aus- 
nahmsweise nötig. Gutzeit (Neidenburg). 


a 





17) P. Bade. Zur Frage der angeborenen Hüftverrenkung, 
insbesondere kritische Bemerkungen zu der Arbeit von 
Deutschländer: »Die blutige Reposition der angeborenen 
Hüftverrenkung«. 
‘(Archiv für Orthopädie, Mechanotherapie u. Unfallchirurgie Bd. VII. Hft. 3.) 

Deutschländer hat in der Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie 
eine Arbeit publiziert, in der er sieben Fälle von angeborener Hüft- 
verrenkung — fünf doppelseitige und zwei einseitige — der blutigen 
Behandlung unterworfen hat. Da nun diese blutige Reposition jen- 
seits der Altersgrenzen auch bei Deutschländer nicht ein einziges 

48r+* 


1434 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 


Heilresultat gezeitigt hat, geht Verf. an der Hand der sorgfältig ge- 
führten Krankengeschichten alle Fälle einzeln durch und kommt 
bei seiner kritischen Durchsicht zu dem Schluß, daß das Ver- 
sagen der unblutigen Behandlung dieser jugendlichen Fälle durchaus 
nicht den anatomischen Verhältnissen, als vielmehr seiner angewandten 
und noch nicht genügend durchgearbeiteten Methode zur Last zu 
legen ist. In den meisten Fällen hätte ganz sicher ohne blutige 


Operation ein gutes Resultat erzielt werden können. 
Hartmann (Kassel). 





18) Montandon. Le traitement des fractures diaphysaires 
de la cuisse et de la jambe. 
(Arch. generales de chir. 1908. II, 8.) 

Verf. versucht die Wirkungsweise der Zuppinger’'schen Exten- 
sionsapparate zu erklären und geht davon aus, daß die von Barden- 
heuer empfohlene permanente Extension das Weber’sche Gesetz von 
der Verlängerung der Muskelsubstanz durch Zug nicht berücksichtigt. 
Dagegen beruhen die Zuppinger’schen Theorien und Apparate, die 
nicht am Krankenbette, sondern am Schreibtisch konstruiert wurden, 
ausschließlich auf physiologischen Tatsachen. Die Dislokation der 
Bruchenden ist im wesentlichen durch die passive Elastizität der Mus- 
keln bedingt, die weniger durch Zug an sich bekämpft werden kann 
als dadurch, daß der Zug in einer Stellung angreift, in der die Mus- 
keln am meisten erschlafft sind. Diese Stellung ist für die untere 
Extremität die halbe Beugung im Hüft-, Knie- und Fußgelenk und 
wird durch die Zuppinger’schen Apparate ohne weiteres bedingt. 
Diesen theoretischen Voraussetzungen entsprechen die klinischen Tat- 
sachen, indem die in der Krönlein’schen Klinik in Zürich mit den 
Apparaten erhaltenen Resultate bei Ober- und Unterschenkelbrüchen 
besser sind als die mit sonstigen Extensionsmethoden erzielten Erfolge. 

Eine genaue Schilderung der Verwendung der Apparate ergänzt 
die Arbeit, deren sonstiger Inhalt mit den Ausführungen Krönlein’s 
(Chirurgenkongreß 1908) und Henschen’s (Beitr. zur klin. Chirurgie 
Bd. LVII) übereinstimmt. Strauss (Nürnberg). 
19) Meissner. Die Frakturen beider Femurkondylen. 

(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVIII. p. 216.) 

An der Hand von fünf Fällen aus der v. Bruns'schen Klinik, 
die in guten Röntgenbildern wiedergegeben sind, und 21 aus der Lite- 
ratur zusammengestellten Beobachtungen bespricht Verf. die Frakturen 
beider Femurkondylen, die sog. T- und Y-Brüche des unteren Femur- 
endes. 

Diese bilden ein seltenes Vorkommnis und waren zwölfmal durch 
Fall auf das Knie, zweimal durch Fall auf die Füße und anders- 
artige Kompression in der Längsrichtung, viermal durch direkte Ge- 
neu entstanden, während in sechs Fällen genauere Angaben 

ehlen. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1435 


Der Entstehungsmechanismus ist bei direkter Gewalteinwirkung 
ein von Fall zu Fall wechselnder, weist aber bei den indirekten Brüchen, 
zu denen die durch Fall auf Knie und Fuß verursachten Brüche ge- 
hören, gewisse Gesetzmäßigkeiten auf. Beim häufigsten Entstehungs- 
vorgang, dem Fall aufs Knie, handelt es sich nicht um eine Keil- 
wirkung der Kniescheibe, wie 14 eigene Leichenversuche des Verf.s 
und solche von Markuse beweisen, schon deshalb nicht, weil bei 
direkter Gewalteinwirkung auf die Kniescheibe diese selbst stets in 
Trümmer geht; vielmehr läßt sich experimentell eine Kondylenfraktur 
dadurch erzeugen, daß eine Gewalt die Tuberositas tibiae bei flek- 
tiertem Kniegelenk trifft. In analoger Weise kann es auch beim 
Lebenden durch Fall auf die Tuberositas tibiae oder auf den Fuß 
zum Kondylenbruch kommen, wobei in erster Linie die Stauchung in 
der Längsachse des Oberschenkels wirksam ist und sekundär sich eine 
Torsion hinzugesellen kann. Der interkondyläre Längsbruch ist dabei 
primär, der suprakondyläre Querbruch sekundär. 

Für das Zustandekommen der Brüche beider Oberschenkelkondylen 
bildet das jugendliche und weit mehr noch das höhere Lebensalter eine 
Prädisposition, insofern die Mehrzahl der Beobachtungen Individuen 
über 50 Jahre betraf. Der suprakondyläre Bruch liegt entweder am 
Schaftansatz der Kondylen oder reicht, besonders wenn Torsion mit 
im Spiele war, in schrägem Verlauf etwas höher hinauf. Die inter- 
kondyläre Bruchlinie pflegt ziemlich median zu verlaufen. In der Regel 
ist das obere Bruchstück nach vorn, das untere bei gleichzeitiger 
Drehung um eine Frontalachse nach hinten verschoben. Zugleich trifft 
man meist eine seitliche Verschiebung eines oder beider Kondylen. 

Durch die regelmäßige Beteiligung des Kniegelenkes erhalten diese 
Brüche einen besonders schweren Charakter und geben auch in funk- 
tioneller Hinsicht eine ungünstige Prognose mit Rücksicht auf die zu 
erwartende deformierende Gelenkentzündung. 

Im ganzen hat die Therapie bisher keine sehr glänzenden Erfolge 
aufzuweisen. Das gegebene Behandlungsverfahren ist die Extension, 
die in ihrer von Zuppinger inaugurierten Modifikation (automatische 
Extension in Semiflexionslage) in Zukunft bessere Erfolge zu ver- 
sprechen scheint. Reich (Tübingen). 





20) O. v. Frisch. Die Gleich’sche Operation und ihre Be- 
deutung in der Therapie des PlattfuBes. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX VII. Hft. 2.) 

Verf. steht auf dem Standpunkte, daß Operationen bei Platt- 
füßen nur unternommen werden sollen, wenn es sich um schwere Fälle 
handelt und andere Korrektionsmethoden erfolglos erprobt wurden. 
In der v. Eiselsberg’schen Klinik wurden 18 Fälle nach Gleich 
operiert. Von den vor mehr als 2 Jahren behandelten Fällen sind 
zehn geheilt und können einen schweren Beruf ausüben. Drei Fälle 
sind gebessert und zwei sind ungeheilt geblieben. Der Eingriff wurde 
ohne Keilexzision in der von Brenner modifizierten Art ausgeführt, 


1436 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 


daß der schräg durchmeißelte Fersenhöcker nach unten, innen und 
vorn disloziert wurde. Es wird ein Schnitt hinter dem Malleolus int. 
gemacht, der Calcaneus schräg durchgeschlagen, dann auch das Periost 
an der Innenseite durchtrennt, damit eine genügende Verschieblichkeit 
eintritt. Das Fragment wird nach seiner Dislokation durch einen 
Nagel von der Ferse aus an den Körper des Fersenbeines angeheftet. 
Der Nagel wird nach 14 Tagen durch ein Fenster in dem nach dem 
Eingriff angelegten Gipsverband entfernt. Nach 3 Wochen darf Pat. 
in einem neuen, die Ferse entlastenden Gipsverband umhergehen; nach 
6 Wochen darf der letztere ganz entfernt werden. Nun wird Massage 
und Bewegung zur Kräftigung der Muskeln und Stärkung der Sehnen 
und des Gelenkes angewendet. Die Rekonvaleszenz ist in den ersten 
Monaten nicht immer beschwerdefrei, doch nehmen die durch die 
ungewohnte Belastung erzeugten Schmerzen dauernd ab. Sehr auf- 
fällig war bei den nachuntersuchten Fällen, daß sich im Laufe der 
Zeit eine ausgeprägte Fußwölbung herausgebildet hatte, die durchaus 
spontan entstanden war. Diese eigenartige Selbstheilung hat sicher 
ihre Ursache in der ÖOperationsmethode, die den vorderen Teil des 
Gewölbebogens entlastet und jene Druckkomponente verringert, die 
als Seitenschub im Sinne einer Abflachung des Fußgewölbes wirkt. 
Wichtig ist wohl auch dabei die Verlagerung eines Teiles der kurzen 
Fußmuskeln und des Lig. plantare longum in ihrem Punctum fixum 
nach abwärts. Daß die Fälle nicht alle einwandsfrei geheilt sind, 
liegt wohl daran, daß die Methode erst ausgebildet werden mußte. 
Erst weitere Beobachtungen müssen lehren, in welcher Weise und wie 
hochgradig die Verschiebungen vorzunehmen sind. Verf. versucht, diese 
Frage auch auf eine genügende theoretische Grundlage zu stellen. 
Erwähnenswert ist, daß nach der Operation Einlagen oder Schienen 
nicht getragen werden. Verf. empfiehlt zum Schluß die Gleich’sche 
Methode als die einfachste und geeignetste, eine Dauerheilung zu 
schaffen. Sie ist vielen anderen Verfahren, und besonders den nicht 
unbedenklichen Sehnenplastiken, vorzuziehen. 
E.’Siegel (Frankfurt a. M.). 


21) F. Staffel. Einige Bemerkungen über Plattfuß- und 


Valguseinlagen. 
(Archiv für Orthopädie, Mechanotherapie u. Unfallchirurgie Bd. VII. Hft. 1.) 

Verf. unterscheidet in dieser Arbeit 1) Beseitigung der Plattfuß- 
beschwerden, 2) Verhinderung der Ausbildung oder Zunahme eines 
Plattfußes oder Pes valgus. 

Zur Beseitigung der Plattfußbeschwerden gehört oft außerordent- 
lich wenig, meistens nur, das Durchtreten des Schuhs oder Stiefels 
hintanzuhalten, da die normal gewölbte Stiefelsohle an sich schon 
den zu abnormer Senkung neigenden Fuß genügend stützen würde. 
Bei kleinen Kindern verhindert S. demnach das Durchtreten nur 
durch Vorrücken des Absatzes an der Innenseite des Schuhs. Bei 
Erwachsenen verordnet er.eine’ leichte, schmale Spange aus Bandfeder- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1437 


stahl von 1,7 cm Breite und 1,8 mm Dicke, die nur nach der inneren 
Stiefelsohle geformt wird. Verf. kennt keine das Gewölbe wirklich 
haltende Plattfußeinlage, die die elastische Abwicklung des Fußes 
weniger beeinträchtigt als diese feine Spange. 

Soll aber der Pes valgus behandelt werden, so muß der ganze 
innere Fußrand energisch gehoben, d. h. der Fuß auf eine schiefe 
Ebene gebracht werden. Zu diesem Zwecke bedient S. sich des 
leichten und den Verhältnissen anpaßbaren Korkes, der hinwiederum 
auf eine eben beschriebene federnde Spange nach dem Grade der 
Valgität aufgebaut wird, häufig noch in Verbindung mit einem Eisen- 
winkel in der äußeren Fersenkappe, der ein Vordringen des Fußes 
gegen das Oberleder verhindern soll. Hartmann (Kassel). 


22) Mayo. The surgical treatment of bunion. 
(Annals of surgery 1908. August.) 

M. schlägt folgendes Verfahren zur Beseitigung des Hallux valgus 
und der meist damit verbundenen Schleimbeutel- und Gelenkentzün- 
dung zwischen Grundglied der Zehe und I. Metatarsus vor. Freilegen 
des Gelenkes durch einen Lappenschnitt; hufeisenförmiger Schnitt 
durch den Schleimbeutel mit vorderer Basis und Aufklappen der 
Schleimbeutelwand nach vorn. Resektion des Köpfchens des Meta- 
tarsus I und Hineinschlagen des Schleimbeutellappens in die Gelenk- 
wundhöhle. In dieser Lage wird er durch ein paar Oatgutnähte fixiert. 
Er liegt jetzt zwischen dem resezierten Metatarsus I und der Grund- 
phalanx der Zehe, wodurch eine Versteifung des Gelenkes vermieden 
wird. Die Hautwunde wird über dem Gelenk völlig geschlossen. Die 
große Zehe ist jetzt verkürzt, wodurch ein Rezidiv des Hallux valgus 
unmöglich wird, der bekanntlich vorwiegend durch das Beiseitedrücken 
der großen Zehe infolge zu kurzen Schuhes bedingt wird. 

Herhold (Brandenburg). 


Kleinere Mitteilungen. 


23) 80. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Köln 
im September 1908. 


Abteilung für Chirurgie und kombinierte Sitzung der chirurgischen 
und internen Abteilung. 


Berichterstatter: GOEBEL, Köln. 
(Fortsetzung.) 


a. Kuhn (Kassel. Überdruck an der Lunge, 
a. mittels peroraler Intubation der Luftwege mit und obne Ventil; 
b. mittels weicher halbdurchlässiger Kopfmaske ohne jedes Ventil (mit 
Demonstrationen). 

a. Zunächst betont Verf., daß er die höchste Anerkennung für die Verdienste 
von Brauer und Sauerbruch um die Thoraxchirurgie und ihrer Systeme habe. 
Beider Verfahren basieren auf dem seinerzeit von Mikulicz inaugurierten Pro- 
gramm. 


1438 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 


Nachdem aber inzwischen eine auch von Mikulicz noch nicht gekannte Me- 
thode, die der peroralen Intubation, klinische Gestalt angenommen und an so vielen 
Kliniken praktisch mit Erfolg angewandt werde, sei es an der Zeit, dieser ernstlich 
nach der genannten Richtung hin näher zu treten. 

Mindestens müsse der Vortr. entschieden dagegen Einspruch erheben, das 
Verfahren, ohne es näher zu kennen oder nur einigermaßen probiert zu haben, 
für die genannten Zwecke verurteilen zu wollen, oder davor, entgegen den Er- 
fahrungen unserer besten Kliniken, als etwas Gefährlichem zu warnen. 

Wenn das Intubationsrohr schulgerecht einliegt, ist es ein hırmloses Instru- 
ment, und es ist unschwer und auf verschiedene Weise möglich, einen Überdruck 
in der Lunge herzustellen. Die Wege sind folgende: 

1) Einen Weg hat Vortr. seinerzeit in »Zeitschrift für Chirurgie« Bd. LXXVIII 
indem Kuhn-Dräger’schen Apparate gezeigt: beigutabgedichteten Luftwegen 
strömt aus einem sich selbst regulierenden Reservoir von konstantem Druck. der 
nicht über 8—10 cm Wasser ist, eine sauerstoffhaltige Druckluft in den Tubus; 
ein kleines Ventil reguliert den Abfluß. 

2) Einen zweiten Weg beschritt Schmieden: bei kaum abgedichteten Wegen 
führt er aus einer Sauerstoffbombe mit Brat’schem Reduktionsventil einen Gas- 
strom von gewissem Druck in den Tubus; dieser Strom hat höheren Druck und 
arbeitet mit einem gewissen Verlust; die Abfuhr wird durch das dem Kuhn’schen 
ähnliche Brat’sche Ventil reguliert. 

3) Der dritte Weg wurde vom Vortr. neuerdings im Zentralblatt für Chir- 
urgie 1908 Nr. 26 beschrieben: er arbeitet mit noch weniger oder gar keiner Ab- 
dichtung und mit noch höherem Verlust an Gas, indem er weder die Mund- und 
Luftwege dichtet, noch die Zufuhr in den Tubus luftdicht macht; sein Vorschlag 
beruht auf einer Art Luftpuffung. 

Man sieht aus dieser Stellung, daß lediglich die Abdichtung und der Druck 
differiert. Sonst gelingt es auf jedem der beschriebenen Wege, Überdruck in der 
Lunge anf dem Wege der Intubation zu erzielen. 

Welcher Weg nun für den Menschen und klinisch der beste, wird die Zukunft 
lehren: 

er liegt nach Ansicht des Vortr., was Dichtung und Druck anbelangt, in der 
Mitte und arbeitet womöglich mit keinerlei Ventilen. 

Feststeht unzweifelhaft: daß es nicht schwer ist, mittels Intubation Druck- 
erhöhung in klinisch brauchbarer Weise zu erzielen; daß es ferner nicht schwer 
ist, die Frage der Kohlensäureabfuhr und Chloroformzufuhr zu lösen; daß endlich 
das Tubageverfahren für die genannten Zwecke das einfachste und das mit den 
geringsten Aufwänden arbeitende ist, und somit dasjenige, das nicht zu teuer und 
überall anzuwenden ist. Voraussetzung ist aber, daß es verwendet und auch der 
es kritisiert, mit den Prinzipien und der Technik der Tubage vertraut und 
bekannt ist. (Selbstbericht.) 


b. Lauenstein (Hamburg). Zur Frage der Behandlung der Contusio 
abdominis und der Indikation zur Operation. 
L. gelangt zu folgenden Schlußsätzen. 


1) Die Laparotomie bei Contusio abdominis mit Darmverletzung kommt nicht 
nur dann zu spät, wenn schon allgemeine Peritonitis besteht, sondern auch schon, 
wenn bei den ersten Zeichen der Peritonitis operiert wird. 

2) Es liegt im Interesse der an Darmverletzung durch Bauchquetschung Lei- 
denden, daß sie so rasch wie möglich laparotomiert werden, damit die Darmver- 
letzungen sachgemäß behandelt werden. 

3) Die modernen Fortschritte des Krankentransportwesens erleichtern diese 
Bestrebungen. 

4) Die Schwierigkeiten dieser Frage liegen in der Schwierigkeit der Beur- 
teilung, ob der Darm verletzt ist. 

Die äußeren Verletzungen, Abschürfungen und Blutergüsse ergeben ebenso- 
wenig sichere Anhaltspunkte für eine Darmverletzung, wie die Chokwirkungen. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1439 


5) Gasaustritt in den Leib und Fehlen der Leberdämpfung ist eines der weni- 
gen sicheren frühen Zeichen der Darmverletzung. Wo hettige Schmerzen, Auf- 
stoßen, Erbrechen und Unmöglichkeit der spontanen Blasenentleerung bestehen, 
muß Verdacht aufkommen, daß der Darm verletzt worden ist. 

6) Eine schwere Druckgewalteinwirkung auf den mittleren weichen Teil des 
Leibes, sei es von vorn nach hinten, sei es zirkulär, kann immer den Darm ver- 
letzen. 

7) Am Bauch gequetschte Verletzte, die sich frei bewegen können, z. B. gehen, 
oder den Rumpf ohne Hilfe der Hände aus der Wagerechten aufrichten und wieder 
erheben oder liegend die beiden Beine erheben können, haben in der Regel keine 
Darmverletzung; doch kommen Ausnahmen vor. 

8) Die erfahrungsgemäß begründeten Indikationen zum Eingriff bei Milz-, 
Nieren-, Leber- und Blasenverletzung nach schweren Bauchquetschungen werden 
durch diese Ausführungen nicht berührt. 

9) Opiate verschleiern den wirklichen Zustand der Verletzten. 

10) L. hat von 1900—1908 132 Fälle von Bauchquetschung beobachtet. Unter 
ihnen waren 39 Nierenverletzungen, 9 Milz-, 15 Leberzereißungen, 3 mit Blasen-, 
12 mit Darmverletzungen und 54 ohne schwere innere Verletzungen. Von diesen 
12 Darmverletzungen wurden 3 Pat. — operiert nach 4, 1 und 2 Stunden — geheilt. 

11) Da die Entstehung der Darmverletzungen durch indirekte Gewalt noch 
unklar ist, so empfiehlt es sich, auf diese in Zukunft zu achten. 

(Selbstbericht.) 


Diskussion. Anschütz (Kiel) billigt das frühe Operieren. Er weist daraufhin, 
daß bei Wirbelverletzungen mitunter hyperästhesische Zonen an den Bauchdecken 
auftreten, welche mit starker Spannung, Urinretention einhergehen. Sonst keinerlei 
nervöse Störungen. Von 3 Fällen lmal vergebliche Laparotomie. Die Bauch- 
deckenspannung als das wichtigste Frühsymptom kann dann durch Hyperästhesie der 
Bauchdecken wohl infolge von Rückenmarks- oder Wurzelverletzungen ertolgen. 

(Selbstbericht.) 

Storp (Danzig). Hautperforationen sind schwer zu beurteilen, wenn sich schon 
Verklebungen und Abszesse gebildet haben. 

Krabbel (Aachen) hat die Bauchdeckentetanie in einem Falle von Pankreas- 
und Zwerchtellzerreißung vermißt. 

Müller (Rostock) hält es für schwer und unangängig, hier Regeln aufzustellen; 
nur eine größere Kasuistik der typischen Verletzungen kann unsere lückenhafte 
Kenntnis auf diesem Gebiete heben. Goebel (Köln). 


c. Guleke (Straßburg). Zur Frage der Behandlung der diffusen 
eitrigen Peritonitis. 

G. bespricht die Erfolge der operativen Behandlung von 33 Fällen diffuser 
Peritonitis der Straßburger Klinik. Von 20 appendicitischen Peritonitiden wurden 
15 geheilt = 75% Heilungserfolge. Bei sämtlichen Fällen wurden die Bauchwunden 
bis auf die Drainöffnungen vernäht, um den intraperitonealen Druck wieder her- 
zustellen. Spülungen der Bauchhöhle mit Kochsalzlösung wurden nicht angewandt, 
teils aus theoretischen Gründen, teils weil die Zusammenstellung solcher Fälle 
ebenso gute Resultate ergibt, wie bei den mit Spülung behandelten. 

(Selbstbericht.) 


Diskussion: Wilms (Basel) empfiehlt angelegentlich den Gebrauch der 
Spülung, die allein die möglichste Säuberung der Peritonealhöhle bei diffuser 
eitriger Peritonitis gewährleistet. Goebel (Köln). 

Dreesmann (Köln) bemerkt, daß die Peritonitis doch wohl öfter diffus sei, 
als angenommen werde; aber der Charakter dieser Peritonitis ist an verschiedenen 
Stellen des Peritoneum ein verschiedener. Je mebr man sich dem Ursprungsherd 
nähert (ebenso auch an den abhängigen Partien), um so mehr nimmt die Peritonitis 
einen eitrigen Charakter an, während im übrigen Teil der Bauchhöhle nur leich- 
tere Entzündungsgrade der Serosa sich vorfinden. Diese Tatsache muß uns zu 
der Maßnahme führen, den Pat. stets so zu lagern, daB der Ursprungsherd an der 


1440 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 


tiefsten Stelle liegt, also vor allem bei der Appendicitis auf die rechte Seite. Die 
linke Hälfte der Bauchhöhle kann sich dann leichter erholen. Diese Lagerung 
soll gleich im Beginn der Erkrankung, auch vor der Operation eingenommen 
werden. (Selbstbericht.) 


Roth (Lübeck). Die Zahlen aus dem Allgemeinen Krankenhause in 
Lübeck umfassen nur Fälle von diftuser Peritonitis nach Appendicitis, und 
zwar alle Fälle ohne Ausnahme, wie sie uns zugegangen sind. Wir eröffnen 
meist pararektal die Bauchhöhle, nötigenfalls auch links — oft links zu- 
erst —, exstirpieren immer den Wurmitortsatz als die Ursache der Entzündung 
und trennen alle Verklebungen, da wir bei Operationen und Sektionen gelernt 
haben, daß man sonst ott einen Abszeß in der Umgebung oder im kleinen Becken 
übersieht. Gespült wird nicht mehr, da wir keinen Nutzen davon gesehen haben, 
vielmehr die Gefahr besteht, daß die Entzündung dadurch auch in den oberen 
Teil des Bauches unter das Zwerchfell verschleppt wird, wo sie am gefährlichsten 
ist. Auch vieles Tupfen und Wischen erscheint uns zwecklos. Zum Schluß wer- 
den mit Gaze umwickelte Drains in das kleine Becken und neben dem Kolon nach 
oben geschoben; dasselbe geschieht nötigenfalls auch links; dann werden die Wun- 
den in Etagen genäht, damit der Innendruck der Bauchhöhle zur Geltung kommen 
kann, Pat. wird für die nächsten Wochen mit dem Oberkörper hochgelagert da- 
durch, daß Klötze unter das Kopfende des Bettes gestellt werden. Kinzelheiten 
der Behandlung sind in der Veröffentlichung von Dr. Klauber (Med. Klinik 
Nr. 28, 1908) zu finden, der die Zahlen des Herrn Guleke entnommen sind. 

Unsere Resultate der Peritonitisbehandlung haben sich ganz wesentlich ge- 
bessert, seitdem wir die Pat. nicht mehr so spät bekommen und besonders seitdem 
wir an Stelle der Tamponade die Drainage und Naht nach dem Vorgange anderer 
gesetzt haben. (Selbstbericht.) 

Kudlek (Köln) warnt vor den großen gar zu optimistischen Angaben über 
die Heilungsziffern der allgemeinen ditiusen Peritonitis. Er betont, daß die guten 
Heilresultate der Vorredner durch die nicht exakte Definition und Diagnose der 
diffusen Peritonitis zu erklären sind. (Selbstbericht.) 


Guleke betont, daß bei der großen Mehrzahl der Straßburger Fälle zur Kon- 
trolle der Diagnose »diffuse« Peritonitis links eine Gegeninzision gemacht und 
der Fall nur dann als »diffuse« Peritonitis angesprochen wurde, wenn sich hier 
eitriges Exsudat aus der freien Bauchhöhle entleerte. Der Zeitpunkt der Opera- 
tion nach der Perforation ist nach unserem Material bei der appendiıcitischen Peri- 
tonitis nicht ausschlaggebend tür den Erfolg, eher die Virulenz der betreffenden 
Bakterien oder Kokken. Die Besserung der Resultate bezieht sich im wesentlichen 
nur auf die appendicitischen Peritonitiden. Bezüglich der Kochsalzspülung sei er- 
wähnt, daß Verf. dieselben jahrelang an der v. Bergmann’schen Klinik machen 
sah, daß aber die Resultate in der Straßburger Klinik ohne Kochsalzspülung 
wesentlich bessere bei gleicher Schwere des Krankheitsfalles sind. 

(Selbstbericht.) 


d. Krabbel (Aachen): Wann soll Appendicitis operiert werden? 

K. kommt auf Grund seiner Ausführungen zu folgenden Schlußfolgerungen: 

Es gibt ganz leichte Fälle von akuter Blinddarmentzündung, die ım Verlauf 
von 24 Stunden in allen Symptomen abklingen. In diesen Fällen wird nicht 
operiert. 

Gehen die Erscheinungen nach 24 Stunden nicht zurück, treibt der Leib 
stärker auf, ist deutliche Spannung der Bauchdecken vorhanden, wird die Schmerz- 
haftigkeit größer, besteht das Erbrechen fort, ist der Puls frequent, der Tempera- 
tur — die an und für sich von geringerer Bedeutung ist — nicht entsprechend, 
so soll sofort operiert werden. 

In von vornherein schweren Fällen, die mit schlechtem Allgemein- 
befinden, raschem, oberflächlichem Atmen, beschleunigtem Puls und Spannung 
der Bauchdecken auftreten, muß sofort am ersten Tage operiert werden. Der 
Wurmfortsatz ist in der Regel dann durchbrochen oder brandig. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1441 


Vom 3. Tage an wird nur dann operiert, wenn eine Abgrenzung des entzünd- 
lichen Herdes nicht zu konstatieren ist und das Allgemeinbefinden auf eine schwere 
Erkrankung hinweist. Es wird nicht operiert, wenn eine deutlich abgrenzbare 
Resistenz ohne besonderes Fieber besteht, und die linke Seite sich auf Druck voll- 
ständig schmerzfrei erweist. Dann wird abgewartet unter sorgfältigster Beobach- 
tung des Kranken, bis sich ein Abszeß entwickelt hat, der von den Bauchdecken 
oder vom Rektum oder der Vagina ohne Eröffnung der Bauchhöhle zu er- 
reichen ist. 

Bei allgemeiner eitriger Bauchfellentzündung wird dann operiert, wenn man 
dem Pat. noch einen Eingriff, wenn eben möglich in Narkose, zumuten kann. 
Jedem Pat., der einen leichten Anfall überstanden hat, soll dann zur Operation 
im Intervall, a froid, geraten werden, wenn er nach Ablauf der Entzündungs- 
erscheinungen noch dauernd oder auch nur ab und zu Beschwerden hat; zeigen 
sich gar keine Symptome mehr, so ist die Operation nicht indiziert, dem Kranken 
aber ans Herz zu legen, sobald ein neuer Anfall sich einstellen sollte, sich sofort 
am 1., spätestens am 2. Tage operieren zu lassen. Hat ein Kranker einen schweren 
Anfall oder mehrere überstanden, so ist ihm die Operation im schmerzfreien 
Stadium, im Intervall, dringend anzuraten, besonders wenn er gezwungen ist, große 
körperliche Anstrengungen zu machen, eine Seereise zu unternehmen, oder sich 
an Orten aufzuhalten, wo chirurgische Hilfe nicht leicht zu erreichen ist. 

Bei allen Leitsätzen, die bezüglich dieser Krankheit aufgestellt werden, ist 
daran festzuhalten, daß der medizinisch-chirurgische Blick, die Beobachtungsgabe 
und die Erfahrung des Arztes in manchen Fällen für die einzuleitende Behandlung 
ausschlaggebend sein muß; eine Schablone, eine mathematische Formel gibt es 
bier nicht. (Selbstbericht.) 


e. Wilms (Basel): Chronische Appendicitis und Coecum mobile. 
Siehe Originalartikel in Nr. 37 dieses Zentralblattes vom 12. September 1908. 
(Selbstbericht.) 


f. Weiswange (Dresden): Soll der Wurmfortsatz bei gynäkologi- 
schen Laparotomien mit entfernt werden? 

Die Frage, ob der Wurmfortsatz bei gynäkologischen Laparotomien mit ent- 
fernt werden soll, hat in den letzten Jahren eine außerordentlich reiche Literatur 
hervorgerufen. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in England und Frank- 
reich hat man diesem Gegenstande lebhaftes Interesse entgegengebracht. Wer sich 
für diesen Gegenstand interessiert, den verweise ich auf das sehr schöne Sammel- 
referat von Klien in der Monatsschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie (Bd. XXIV, 
Hft.6). Und doch will es mir scheinen, als ob keine Einheit in dieser Beziehung 
bis jetzt erreicht sei. Während eine ganze Reihe von Operateuren auf dem Stand- 
punkte grundsätzlicher Entfernung der Appendix steht, wie Pankow und Krönig, 
halten andere diesen Standpunkt für zuweitgehend und schenken der Frage keine 
größere Bedeutung (z. B. Leopold, Verhandlung der Dresdener gynäkologischen 
Gesellschaft, März 1908\. 

Der Grundton, der durch die Literatur zieht, ist kurz gesagt folgender: In- 
spektion der Appendix bei jeder Laparotomie und Entfernung, wenn dieselbe er- 
krankt ist. 

Leider ist die Sache nicht so einfach. Dieses ist auch in neuer Zeit von ver- 
schiedenen Seiten betont worden. Pankow bat in seinem Vortrage auf dem 
Kongreß der deutschen Gesellschaft für Gynäkologie zu Dresden schon die For- 
derung aufgestellt, jede Appendix grundsätzlich zu entfernen, sofern der Zustand 
der Pat. diesen Eingriff nicht verbietet. Auch ich habe mich seit 7 Jahren ein- 
gehend mit dem Studium der Appendix beschäftigt und dieselbe makroskopisch 
wie mikroskopisch untersucht. Ist die Erkrankung klar, so wird unsere Hand- 
lungsweise natürlich in der Entfernung des Organes zu bestehen haben. 

Nun ist es aber nach meinen Erfahrungen ganz unmöglich, makroskopisch fest- 
zustellen, ob die Appendix gesund ist. 

Ich operiere seit 8 Jahren stets mit einem Chirurgen zusammen und habe sehr 


1442 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 


oft Gelegenheit gehabt, den betreffenden Herren bei vermuteter vollständiger Ge- 
sundbeit der Appendix nachträglich makroskopisch oder mikroskopisch Erkrankung 
des Wurmfortsatzes zu demonstrieren, seien es nun Fremdkörper, wie z. P. die 
Borste einer Zahnbürste (Zentralblatt für Gynäkologie 1903), Oxyuren und ähnliches, 
oder makroskopische mehr oder weniger schwere Störungen, die durch Tastbefund 
und Inspektion nicht nachweisbar waren. Wie unangenehm aber für den Opera- 
teur die Lage werden kann bei nicht Mitentfernung der Appendix, möge Ihnen 
folgender Fall lehren: 

Es handelte sich um eine 38jährige Frau Op. Oa., die an doppelseitiger Adnex- 
erkrankung litt, und nachdem sie jahrelang erfolglos behandelt worden war, zur 
Operation kam. Es wurden bei der Laparotomie am 8. Februar mittels supra- 
symphysären Fascienquerschnitts aus sehr starken Verwachsungen zwei große eitrige 
Tubensäcke entfernt. 

Das rechte Ovarium war noch nicht so zerstört, daß man im Hinblick auf das 
jugendliche Alter der Pat. nicht den Versuch machen konnte, einen größeren Teil 
desselben zurückzulassen. Die makroskopisch keine Veränderung bietende Appendix 
wurde zurückgelassen. Am 3. Tage nach der Operation stellte sich Temperatur- 
erhöhung bis 38,6° ein, die auch in den nächsten Tagen anhielt. Natürlich ver- 
mutete ich eine Infektion. Der Fall erschien mir klar, als ich am 9. Tage einen 
Bauchdeckenabszeß spalten konnte. 

Aber auch jetzt blieb die richtige Erholung aus, trotzdem Temperatur und 
Puls normal waren und die Pat. entlassen werden konnte. 

Am 21. April wurde abermals ein rechtsseitiger Bauchdeckenabszeß von meinem 
Vertreter gespalten, worauf die Frau sich wieder etwas, aber nicht vollkommen 
erholte. Als ich sie Anfang Mai — also 3 Monate nach der Operation — wieder- 
sah, klagte sie über starke Schmerzen im Mastdarm, und ich fühlte per vaginam 
eine diffuse teigige Schwellung am aufsteigenden Schambeinast. Die Schmerzen 
steigerten sich unter Temperaturerhöhung, und es bildete sich in dem rechten 
Wundwinkel eine Schwellung, aus der sich auf Inzision Eiter entleerte. Es handelte 
sich um einen nach unten gehenden Fistelgang, dessen Ursache nicht festzustellen 
war. Ich tamponierte denselben und wartete nun diesen Erfolg ab. Ich dachte 
schon daran, daß vielleicht der zurückgelassene Teil des Ovariums die Ursache 
sein könnte. 

Auch nach diesem Eingriff trat keine Erleichterung ein, es bildeten sich 
mehrere Fisteln in der Nähe der Narbe, aus der sich geringe Mengen Eiter ent- 
leerten, die dann nach Ätzung oder Tamponade ausheilten, um an anderer Stelle 
wieder aufzutreten. 

Vom Mastdarm oder Scheide aus ließ sich außer einer starken Empfindlichkeit 
um den Mastdarm herum ungefähr 10 cm vom Anus entfernt nichts nachweisen, 
kein Infiltrat oder nachweisbare Schwellung. Aber auch jetzt blieb die Erholung 
aus, so daß ich mich zu einer zweiten Laparotomie am 13. Juli entschließen mußte, 
zu der ich nur mit größter Mühe die Erlaubnis erhielt. 

Meine Vermutung, daß die Eiterung von einem zurückgelassenen Ovarien- 
stumpf ausgehen könnte, bestätigte sich nicht, die Peritonealwunde war sehr glatt 
geheilt, und der Befund im Operationsgebiet gab keinen Anbaltspunkt für die 
Eiterung. Dagegen fand sich das Coecum stark verwachsen rechts an der Bauch- 
wand. Ganz allmählich gelang es, die Appendix aus ihren Verwachsungen zu 
lösen; ihr perforiertes Ende ging in die Wunde der vorderen Bauchwand über 
nnd hat hier die Eiterung unterhalten. Es war also während der Rekonvaleszenz 
der Operation eine Appendicitis aufgetreten, deren Symptome durch die Operations- 
folgen falsch gedeutet waren; allerdings wohl ein menschlicher Irrtum: denn wenn 
man die unveränderte Appendix gesehen hat, denkt man gewiß nicht an eitrige 
Appendicitis bei Fieber nach einer Operation wegen eitriger Adnexerkrankung, 
sondern an eine damit zusammenhängende Erkrankung. Auch waren die Sym- 
ptome absolut nicht charakteristisch für eitrige Appendicitis. Der Eiter war nach 
oben durchgebrochen, aber auch nach unten hatte sich derselbe einen Weg in das 
periproktitische Gewebe gebahnt. Neben der alten Narbe hatte sich eine Fistel 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1443 


gebildet, die Eiter sezernierte, und in die man mit der Sonde 16 cm tief nach 
unten hinter das Rektum herumkam. Nach Entfernung der Appendix blieb noch 
eine Fistel zurück, deren Ausheilung außerordentlich mühevoll und langwierig war 
und noch mehrere große Inzisionen erforderte. 

Dieser Fall war für mich so unangenehm und mit einer Reihe von außer- 
ordentlich widrigen Komplikationen von seiten der unverständigen Angehörigen 
verbunden, daß ich es schwer bereut habe, bei dieser Laparotomie die makroskopisch 
nicht veränderte Appendix nicht mit entfernt zu haben. Was hätte ich der Frau 
und auch mir ersparen können! 

Nach meinen Erfahrungen und Beobachtungen kann ich nur den Standpunkt 
der Operateure teilen, die dazu raten, bei gynäkologischen Operationen die Appendix 
grundsätzlich mit zu entfernen. 

Nachteile habe ich durch die Entfernung der Appendix nie gesehen, und auch 
in der Literatur habe ich bei richtiger Technik keine beschrieben gefunden. 

Wenn ich die Grnndsätze unserer Handlungsweise in dieser Frage in einigen 
Leitsätzen zur Diskussion stellen darf, so wären es folgende: 


1) Der Wurmfortsatz ist bei allen gynäkologischen Laparotomien grundsätzlich 
mit zu entfernen, auch wenn er makroskopisch keine Veränderungen zeigt, sofern 
in dem Allgemeinzustande oder in sonstigen Gründen keine Gegenindikation 
besteht. 


2) Wir haben makroskopisch weder in der Inspektion noch Palpation ein dia- 
gnostisch sicheres Mittel, um festzustellen, ob der Wurmfortsatz gesund ist. 


3) Was die Gegenindikationen anbetrifft, so dürfte in der Verlängerung der 
Operation durch Entfernung der Appendix nur ausnahmsweise ein Hinderungs- 
grund liegen. 


Dagegen möchte ich in den Fällen eine Gegenindikation sehen, wo die obli- 
terierte Appendix umgeschlagen, in unschädlichen Adhäsionen verwachsen, auf dem 
Coecum liegt und keinerlei Beschwerde macht. In diesen Fällen rate ich von der 
Entfernung ab, einmal, weil ich bei diesem Zustande den Wurmfortsatz für un- 
schädlich halte, und zweitens, weil die Operation sogar schädlich wirken kann 
durch bisweilen unvermeidliche Verletzungen und Zerrungen des Coecum. 

Auch bei älteren, jenseits des Klimax stehenden Frauen darf eine maskroskopisch 
gesund aussehende Appendix zurückgelassen werden, da hier auch in der Appendix 
schon Rückbildungsvorgänge eingetreten sind und eine spätere Erkrankung kaum 
zu erwarten ist. 


Zwei Einwände, die gegen diese Leitsätze gemacht werden können, möchte ich 
noch kurz erwähnen, 

Die einen halten die Frage noch nicht für spruchreif, da noch nicht bewiesen 
sei, ob die Appendix nicht eine physiologisch wichtige Bedeutung für die Ver- 
dauung habe. Nun, ich glaube, daß wir uns dadurch nicht abschrecken lassen 
brauchen, meine Leitsätze anzunehmen. Aus allen Arbeiten, die über dieses Thema 
erschienen sind, geht doch hervor, daß, wenn die Appendix eine pbysiologische 
Funktion hat, diese höchstwahrscheinlich im Kindesalter bis zur Pubertät liegt. 
Bei dem größten Teil der Laparotomien aber, die wir auszuführen baben, kommt 
dieses Alter nicht in Betracht. Dann aber kann man darin, daß bei grundsätz- 
licher Entfernung der Appendix bei jeder gynäkologischen Laparotomie zweifellos 
eine Reihe gesunder Wurmfortsätze (etwa 40%) mit entfernt werden, eine uner- 
laubte operative Polypragmasie erblicken. Nun, unser ärztliches Streben muß da- 
hin gehen, daß der Pat. das Recht hat, von seinem Arzte nicht nur Befreiung von 
momentaner Gefahr, sondern auch Bewahrung vor später möglichen Leiden zu 
verlangen. Wenn daher eine Frau das Unglück hat, sich einer Laparotomie unter- 
ziehen zu müssen, so hat sie wohl das Recht, zu verlangen, daß wir das Organ, 
das so häufig schwere Gesundheitsschädigungen bringt, mit zu entfernen, um ihr 
eine eventuelle zweite Laparotomie oder schwerere Erlebnisse zu ersparen. 

(Selbstbericht.) 


1444 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 


g. Clairmont (Wien): Scheineinklemmung von Brüchen. 

C. beschreibt als Scheineinklemmung von Brüchen jene Veränderungen, welche 
ein äußerer Bruch unter dem Einfluß eines in der Bauchhöhle sich abspielenden 
mechanischen oder dynamischen Ileus erfährt und die dadurch charakteristisch 
sind, daß sie eine Einklemmung des Bruches vortäuschen, obne daß derselbe, we- 
nigstens in den ersten Stadien, inkarzeriert ist. Eine Durchsicht der Literatur bat 
gezeigt, daß eine große Mannigfaltigkeit in bezug auf den intraabdominellen 
Mechanismus bestehen kann, der die äußere Hernie kompliziert. (Demonstration 
derselben an schematischen Zeichnungen.) (Selbstbericht.) 


h. Löning und Stieda (Halle): Beiträge zur Gastroskopie. 

Die Vortr. geben einen Überblick über die Geschichte der Gastroskopie und 
demonstrieren einen neuen Magenspiegel, der sich von den früheren besonders da- 
durch auszeichnet, daß in den Magen ein halbbiegsamer, halbstarrer Tubus von 
ovalem Querschnitt eingeführt wird, der dann das optische Rohr aufnimmt, 
Es werden nach der Natur gezeichnete Bilder des Pylorus, normale und patho- 
logische (u. a. Stenose, Karzinom), vorgelegt. Die Vortr. hoffen, mit diesem neuen 


Magenspiegel die Schwierigkeiten der Gastroskopie zu verringern. 


(Selbstbericht.) 
Diskussion. Kausch (Schöneberg), der selbst seit längerer Zeit mit der 
Konstruktion eines Gastroskops beschäftigt ist — das Instrument ist aber noch 


nicht publikationsfähig —, hat eine Hauptschwierigkeit darin gefunden, daß man 
mit den gewöhnlichen Beleuchtungsapparaten nicht rückwärts sehen kann. Dies 
scheint auch für das Instrument von Löning und Stieda zu gelten. Bei tief- 
stehendem Magen und hochstehendem Pylorus ist das Rückwärtsschauen notwendig. 
(Selbstbericht.) 


i. Anschütz (Kiel. Die Bedeutung des Magensaftflusses für den 
Chirurgen. 

Der Magensaftfluß ist eine Komplikation bei verschiedenen bekannten Magen- 
krankheiten und tritt manchmal so in den Vordergrund, daß er das Krankbeits- 
bild beherrscht und ein chirurgisches Eingreifen nötig macht oder wenigstens an- 
gezeigt erscheinen läßt. Es werden nur Fälle von Magensaftfluß im engeren Sinne 
des Wortes besprochen (nüchtern reichlich Inhalt, nach Magenentleerung abends 
vorher). Die leichten Fälle haben keine Bedeutung für den Chirurgen, nur die 
schwereren. Magensaftfluß findet sich bei Atonie, benigner und maligner Stenose 
des Pylorus, häufig bei Ulcus ventriculi, fast immer besteht zugleich eine motorische 
Insuffizienz. Das Symptom des Magensaftflusses sollte stets beachtet und auch 
genau beobachtet werden. Es können sonst Überraschungen eintreten, einerseits 
plötzliche Verschlimmerungen infolge von Retention, Dilatation, Tetanie usw., 
andererseits können sich auch ohne Eingriff überraschende Wendungen zum 
Bessern plötzlich einstellen. Die chronische Form kann übersehen werden. Bet 
motorischer Insuffizienz täuscht Saftfluß schwerere Grade von Retention vor. 
Genaue Untersuchung des nüchternen Mageninhaltes ist nötig zur Beurteilung, ob 
ein schwerer Fall vorliegt. Es ist zweckmäßig, die Ernährung per os total zu 
entziehen und Flüssigkeit auf abnormem Wege zuzuführen. Bei schweren Fällen 
scheiden die Kranken durch den Magen mehr aus als künstlich eingeführt wird. 
A. hat schwere Fälle bei gutartiger Stenosis pylori gesehen, die schwersten waren 
zwei Fälle von Pyloruskarzinom. Weit mehr als die rektal und subkutan ein- 
geführte Flüssigkeit verließ den Magen, chronische Fälle dieser Art sind sehr ge- 
fährlich wegen des dauernden Verlustes an Flüssigkeit, an Kochsalz (Strauss), 
ganz abgesehen von der Inanition; es kann oft nur die Gastroenterostomie helfen. 
Die Hypersekretion dauert auch manchmal noch nach der Gatroenterostomie weiter 
an und kann bedrohliche Symptome machen. In einem Falle trat am 8. Tage 
p. op. nach vollem Wohlbefinden starker Saftfluß und Tetanie auf. Bei der 
chronischen Form ist in schweren Fällen (mehr Flüssigkeitsverlust als Zufuhr) 
schnelle Gastroenterostomie indiziert; sonst soll stets erst das Grundleiden intern 
behandelt werden. Rezidive dabei häufig. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1445 


Die akute Form des Magensaftflusses gibt zu schweren Täuschungen bei der 
Indikationsstellung zur Operation und bei der Prognose Anlaß; denn schwere Krank- 
beitsbilder können plötzlich schwinden. Bei gutem Ernährungszustande kann man 
längere Zeit mit der Operation abwarten, bei heruntergekommenen Pat. muß man 
schnell operieren. Sehr gefährlich sind die Fälle, wo postoperativ nach Operation 
am Magen oder auch an anderen Organen der Magensaftfluß eintritt. A. hält es 
für wahrscheinlich, daß Magensaftsfluß bei manchen postoperativen Störungen un- 
klarer Art stark beteiligt ist. Bei manchen Fällen von sogenanntem Circulus 
vitiosus, Myasthenie, akuter Magendilatation spielt die Hypersekretion ebenfalls 
eine große Rolle. Die Fälle von echtem Magensaftfluß sind gar nicht so selten, 
wie man bisher annahm; sie werden häufig übersehen, wenn zugleich stärkere mo- 
torische Insuffizienz besteht. Innerhalb eines Jahres beobachtete A. fünf schwere 
Fälle. (Selbstbericht.) 


k. Clairmont (Wien): Zur Lokalisation des Ulcus ventriculiin 
ihrer Bedeutung für das operative Fernresultat. 

Redner bespricht an der Hand des Materiales der v. Eiselsberg’schen Klinik 
die Frage, ob die Lage des Ulcus rot. im Magen die Wahl des operativen Ein- 
griffes zu beeinflussen imstande sei, und in welcher Weise. Erfahrungen an 
246 Ulcera, die in operative Behandlung kamen, sprechen dafür, daß das Ulcus 
entfernt vom Pylorus, sei es an der kleinen Curvatur, sei es an der großen Cur- 
vatur oder gar an der Cardia, durch die Gastroenterostomie nur wenig günstig be- 
einflußt werde. C. sieht von den mit plastischen Operationen und Resektionen 
behandelten Fällen zunächst ab. Die Gastroenterostomie ergab eine Mortalität 
von 9,2%, in bezug auf das Fernresultat Heilung in 52%, Besserung in 15%. 
Werden die Fälle von dem Gesichtspunkt aus, wo das Ulcus gefunden wurde, ge- 
ordnet, so ergibt sich folgendes: 110 mal lag das Geschwür am Pylorus, 30 mal 
entfernt von demselben. In bezug auf das Fernresultat finden wir in der ersten 
Gruppe 64%, in der zweiten nur 48% erfreuliche Resultate. Ziehen wir zum 
Vergleich jene Fälle heran, in denen ebenfalls Ulcera entfernt vom Pylorus vor- 
lagen, die aber mit Jejunustomie oder Gastroenterostomie und Jejunostomie be- 
handelt wurden, so finden wir in 63% der Folge gute Erfolge in bezug auf das 
Fernresultat. Der Vergleich dieser drei Zahlen zeigt, das für das Ulcus entfernt 
vom Pylorus die Erfolge der Gastroenterostomie nicht als befriedigend angesehen 
werden können, daß diese Operation nicht als Normalverfahren gelten kann, 
sondern an ihre Stelle andere Eingriffe treten müssen, sei es die Jejunostomie 
allein oder die Gastroenterostomie und Jejunostomie, sei es die Exstirpation des 
Geschwüres, die in der v. Eiselsberg’schen Klinik auch mehrmals zur Aus- 
führung kam. 


Diskussion. Kausch (Schöneberg) warnt davor, zu häufig das entfernt 
vom Pylorus, zumal an der kleinen Curvatur sitzende Magengeschwür durch zirku- 
läre Resektion zu entfernen. Die Mortalität würde sonst enorm steigen. 

Clairmont (Schlußwort). Das perforierte Ulcus zur Beurteilung von opera- 
tiven Methoden bzw. der Dauerheilung heranzuziehen, hit C. nicht für angezeigt. 
Viele der Ulcera an der kleinen Curvatur sind kallöse. Der Magen wird bei Ulcus- 
fällen in der v. Eiselsberg’schen Klinik vor der Operation nicht gespült. 

Payr (Greifswald) ist mit dem Erfolge der Gastroenterostomie nicht immer 
zufrieden, namentlich wenn das Geschwür an anderer Stelle als am Pylorus saß. 
Er bevorzugt in solchen Fällen mehr und mehr die Exzision des Ulcus oder die 
Ausschneidung eines Segmentes. Ist das Pankreas mit in den Geschwürsbereich 
einbegriffen, so scheut P. eine brüske Lösung des Magens nicht, selbst auf die 
Gefahr hin, diesen zu eröffnen. Der Magensaft ist bei seiner Hyperazidität nicht 
allzu gefährlich. Goebel (Köln). 

‘ Riedel (Jena) (zugleich an Stelle seines Vortrages, auf den R. verzichtet): 
Ulcera der kleinen Curvatur, sowie der vorderen und hinteren Magenwand machen 
sich, wenn sie in der Pars pylorica des Magens ihren Sitz haben, durch einen 
genau in der Mittellinie befindlichen Schmerz geltend; alle übrigen weiter links 


1446 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 


lokalisierten Ulcera bewirken einen Schmerz, der unter dem linken Rippenbogen 
lokalisiert wird, gelegentlich auch im Rücken. 

Die Behandlung der Ulcera pylori muß eine ganz andere sein als die der 
Ulcera der vorderen und hinteren Magenwand. Dort ist Gastroenterostomie in- 
diziert; hier liegt die Sache weit komplizierter. 

Gastroenterostomie, auch wenn sie gut ausführbar ist, läßt öfter dauernden 
Erfolg vermissen; das gleiche gilt für die einfache Exstirpation des Ulcus mit 
nachfolgender Naht; sie ist nur indiziert bei kleineren Geschwüren, die dicht vor 
der Perforation stehen oder schon perforiert sind. 

Für die meisten Fälle ist die quere Resektion des mittleren Abschnittes vom 
Magen das empfehlenswerte; nötig ist sie, wenn der kardiale Teil zu einem 
so engen Schlauche degeneriert ist, daß technisch Gastroenterostomie unmöglich 
ist; desgleichen ist Gastroenterostomie ausgeschlossen, wenn die Ulcera der vor- 
deren Magenwand die vordere Bauchwand perforiert haben. (Selbstbericht.) 


l. Wilms (Basel): Technik der temporären Kolostomie. 

Zur Darmausschaltung im unteren Teile des Kolon empfiehlt es sich, statt der 
Anlage eines Anus praeternaturelis mit Einnähen beider Darmenden eine seitliche 
Kolonfistel anzulegen und unterhalb dieser Fistel durch Überstreifen einer Haar- 
nadel über das Kolon einen Verschluß herzustellen, der jederzeit ohne besondere 
operative Eingriffe wieder gelöst werden kann. Die Nadel wird nämlich an ihrem 
unteren Ende, nachdem der Dickdarm zwischen ihre Branchen gelagert ist, mit 
einem Faden zusammengebunden; dadurch wird der Darm zugeklemmt. Der 
Faden wird, damit er nicht abrutscht, an dem gebogenen Ende der Nadel fixiert 
und von dort nach außen geleitet. Auch die Nadel selbst wird noch durch einen 
besonderen Faden fixiert, der ebenfalls herausgeleitet wird. Durch Zug an dem 
Faden kann die Nadel jederzeit entfernt werden, und ohne besondere Operation 
schließt sich dann die seitliche Kolostomie von selbst. 

Diese Methode gestattet auch die einzeitige Resektion von Dickdarmkarzinomen ; 
sie verlängert die Operation nur um wenige Minuten, verhindert aber mit Sicher- 
heit, daß die Darmnaht durch Stuhl gefährdet wird. W. hat sogar bei pelvinen 
Formen des Kolonkarzinoms ganz auf die Naht verzichtet und nur durch je vier 
Zügel, die zum Anus herausgeleitet wurden, die beiden Darmenden invaginiert. 
Schädigungen des Darmes durch die Nadel sind trotz einmal 12wöchiger Dauer 
der Kompression nicht erfolgt. W.’s Erfahrungen mit der Methode sind durch- 
weg gute. (Selbstbericht.) 


Diskussion. Anschütz (Kiel). Man kann den Spontanverschluß der 
Kolostomie dadurch beschleunigen, daß man die Darmschlinge mit etwas Spannung 
des Mesenteriums an die Bauchdecke fixiert. Der Darm retrahiert sich schneller, 
zum Verschließen des abführenden Schenkels genügte ein Schwämmchen oder 
Tampon oder Gummitampon. 

Kausch (Schöneberg) hat das Bedenken, daß bei der Methode W.'s der ab- 
führende Schenkel nicht monatelang verschlossen werden kann, wie das bei aus- 
gedehnter Geschwürsbildwng zuweilen notwendig ist; ferner kann man bei dieser 
Methode keine Durchspülungen vornehmen. 


m. A. Heller (Kiel: Über die sog. Hirschsprung’sche Krankheit. 

H. weißt nach, daß, wie durch O. Wandel für den Volvulus des Coecum 
und aufsteigenden Colon eine Bildungsanomalie als prädisponierende Ursache fest- 
gestellt ist, so auch für den Volvulus der Flexura sigmoidea sowohl im erwachsenen 
wie im späteren Kindesalter dieselbe Bildungsanomalie die prädisponierende Ur- 
sache ist, wie schon für das Säuglingsalter durch Hirschsprung erkannt ist, 
Verschiedene Dinge können bei dieser Veranlagung zum Volvulus führen, z. B, 
Abkoickungen bei starker Belastung der unteren Sigmoideumhälfte durch feste 
Kotballen, schrumpfende Bindegewebswucherung des Mesosigmoideum durch ent- 
zündliche Reizungen, plötzliche starke Erhöhung des intraabdominalen Druckes 
und ähnliches. Der schon geprägte Ausdruck »Megakolon congenitum« ist zu 
weit, da auch an anderen Dickdarmabschnitten angeborene abnorme Entwicklung 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1447 


sich findet. H. schlägt deshalb die Bezeichnung »Megasigmoideum con- 
genitume vor. Eine Anzahl vorgelegte Zeichnungen illustrierte sowohl die große 
Mannigfaltigkeit in der Entwicklung des Sigmoideums bei Neugeborenen, wie 
Volvulusfälle beim Erwachsenen. Auf Grund seiner Sektionserfabrungen stimmt 
H. der Ansicht v. Eiselsberg’s u. A. zu, bei bedrohlichen Erscheinungen mög- 
lichst frühzeitig das Sigmoideum zu resezieren. (Selbstbericht.) 


n. Morian (Essen a. d. R.): Über das Karzinom der Vater’schen 
Papille. 

M. erörtert die Pathologie, Symptomatologie und Therapie des Choledochus- 
krebses, beaonders des Karzinoms an der Papille. Er beobachtete im Laufe der 
Jahre vier Fälle; bei einem saß die Geschwulst an der Gabelung des Hepaticus 
und Cysticus, bei den übrigen dreien nahe dem Diverticulum. Melanikterus durch 
Gallenstauung bestand bei allen vieren, dreimal ermöglichte das Courvoisier’'sche 
Zeichen, die Gallenblasenausweitung, eine Wahrscheinlichkeitsdiagnose; einmal 
bestand Gallenblasenschrumpfung, bei der Operation fand sich ein Stein in der 
Blase, statt des vermuteten Choledochussteines aber eine kleine Geschwulst an der 
Papilla Vateri. — Die Kranke mit hochsitzendem Choledochuskrebs verweigerte die 
Operation, bei den drei Papillengeschwülsten wurde zweimal palliativ, einmal 
radikal operiert. Von den beiden Cholecystostomierten starb einer bald, ein zweiter 
erst 16 Monate nach der Operation; die Pat., bei der das Karzinom samt der 
Papille transduodenal exstirpiert wurde, heilte, trotzdem in der 2. Woche nach dem 
Eingriff wiederbolt cholämische Magen- und Darmblutungen ihr Leben bedrohten. 
M. rät, bei Verdacht auf Choledochuskrebs zu operieren, und zwar je nachdem 
die Choledochusresektion oder transduodenal die Exstirpation der Papilla Vateri 
event. zugleich mit Cholecystenterostomie zu machen, wo dies unmöglich, auf die 
Palliativoperationen, besonders die Cystenterostomie, sich zu beschränken. 


(Selbstbericht.) 
(Schluß folgt.) 
24) F. W. Jones. Some lesions from ancient fractures. 
(Brit. med. journ. 1908. August 22.) 

Besprechung einiger in geschichtlicher Beziehung äußerst interessanter Fälle 
— im ganzen waren es über 200 — von alten und geheilten Knochenbrüchen, die 
von Ausgrabungen eines Begräbnisplatzes südlich von Assuan stammten und der 
Zeit von etwa 4000 vor bis 500 nach Christi Geburt angehören. J. verglich sie 
nach ihrer Häufigkeit mit den Statistiken großer moderner Krankenhäuser und 
fand bemerkenswerte Unterschiede: so war kein Kniescheibenbruch vertreten, 
ferner waren alle Knochenbrüche unterhalb der Knie sehr selten. Die interessan- 
ten Unterschiede in der Häufigkeit dieser und jener Fraktur bei den alten Agyp- 
tern und uns erklärt er aus der Verschiedenheit der Lebensbedingungen; es gab 
damals keine Treppen, keine Stockwerke, keine gepflasterten Straßen, keinen oder 
nur geringen Wagenverkehr, keine Maschinen. Die häufigsten Brüche betrafen 
Vorderarm und Schlüsselbein und sind zu erklären als Wirkungen von Schlägen 
mit dem langen Stock (»Naboot«), dem ständigen Begleiter des Nubiers damals 
wie heute. 

Man kannte damals bereits eine Art einfacher Schiene (d. Zentralblatt 1908 
Nr. 23), und es ist erstaunlich, wie vorzüglich die allermeisten Brüche geheilt sind, 
trotz sicherlich ganz ursprünglicher oder überbaupt fehlender Behandlung. Das 
trifft sogar für Oberschenkelbrüche zu. Eine Ausnahme bilden die schon bei den 
alten Agyptern meist schlecht geheilten Schlüsselbeinbrüche. Im allgemeinen war 
die Deformität um so höher, je frischer der Bruch war. Weber (Dresden). 


25) Isaja. Nuovo processo di resezione del gomito. Contributo alla 


cura delle anchilose ossee traumatiche del gomito. 
(Policlinico, sez. chir. 1908. XV, 8 u. 9.) 
Verf. schildert ausführlich die Art und die Erfolge der bisher zur Mobilisie- 
rung des nach einem Trauma versteiften Ellbogengelenkes verwendeten Operations 


1448 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 


methoden. Von all diesen Methoden erschien bisher die Helferich’sche Muskel- 
lappeneinpflanzung die erfolgreichste. Doch bringt auch diese Methode, die, zum 
Teil modifiziert, bisher in zehn Fällen mit teilweisem Erfolg verwendet wurde, noch 
zahlreiche Mängel mit sich, die sich vor allem auf die exakte Bedeckung der neu- 
gebildeten Gelenkflächen und auf die Schwächung des zur Lappenbildung verwen- 
deten Muskels beziehen. All den ausführlich dargelegten und kritisch gesichteten 
Mängeln soll nun das von I. in einem Falle mit recht gutem Erfolge verwendete 
Vorgehen vorbeugen. 

Es handelte sich um einen 30jährigen Mann, bei dem eine Fraktur der distalen 
Humerusepiphyse mit einer gleichzeitigen Verrenkung des Ellbogens nach hinten 
zu einer völligen Versteifung des extendierten Ellbogengelenkes geführt hatte. I. 
bildete einen U-förmigen Hautlappen aus der Rückfläche der Ellbeugengegend (Basis 
am Oberarm‘. Ein analoger Lappen wurde aus der freigelegten Aponeurose ge- 
schnitten, deren Zusammenhang mit der Olecranonspitze erhalten blieb. Sodann 
wurde das Olecranon schräg von unten nach oben durchtrennt, seine Verwachsungen 
mit der Humerusrückfläche gelöst und so das Gelenk von hinten her freigelegt. 
Es folgte die Lösung der Seitenbänder, die von ihrer distalen Insertionsfläche ge- 
trennt wurden, worauf durch forcierte Flexion die Ankylose behoben wurde und 
die beiderseitigen Gelenkenden reseziert werden konnten. Nun wurde das Olecranon 
durch einen Einschnitt in die Aponeurose nach außen gebracht und die Aponeurose 
selbst zwischen den angefrischten Gelenkenden mit Catgut an dem vorderen Kapsel- 
umfang und den Seitenbänderu fixiert. Zum Schluß wurde an der Hinterfläche 
der Ulna eine kleine Grube gebildet, in der die Olecranonspitze vermittels eines 
Nagels fixiert wurde. Exakte Hautnaht vervollständigte die Operation. In der 
Folgezeit wurde der Ellbogen ohne Verbandwechsel abwechselnd je 24 Stunden 
lang in Beugung und Streckung gehalten. Es erfolgte Heilung mit aktiver Beugung 
bis zu 80° und Streckung bis zu 135°. Nach 5 Monaten ergab die Nachunter- 
suchung ein unverändert gutes Resultat. 

Verf. sieht die besonderen Vorzüge dieser Methode in der Schonung und Er- 
haltung des Tricepsansatzes, in dem breiten übersichtlichen Zugang zum Gelenk 
durch den U-förmigen Lappen und in der Schonung der Muskeln, an deren Stelle 
die Aponeurose tritt. Strauss (Nürnberg). 


26) Stetten. Musculo-spiral (radial) paralysis due to dislocations of 
the head of the radius. 


(Annals of surgery 1908. August.) 

S. schildert zunächst einen Fall, in dem durch Schlag mit einer Kurbel gegen 
den rechten Vorderarm bei einem Mann ein Bruch der Ulna und eine Verrenkung 
des Radiusköpfchens nach vorn und außen hervorgerufen wurde. Dabei bestand 
Lähmung des Handgelenkes im Sinne der Streckung, außerdem konnten der Dau- 
men nicht abduziert und die distalen Phalangen der Finger nicht extendiert werden. 
Völlige Anästhesie zeigte ferner der Handrücken bis zum Phalangealgelenk des 
Daumens und bis zu den Metacarpophalangealgelenken der übrigen Finger. Alles 
das wies auf eine Schädigung des N. radialis hin. 3 Monate nach der Verletzung 
wurde das in der Ellbogenbeuge hervorragende Radiusköpfchen freigelegt und re- 
seziert. Es fand sich dabei, daß der N. radialis an der Stelle, wo er sich in den 
sensiblen oberflächlichen und den tieferen interossealen Zweig teilt, eingerissen war; 
doch wurden die Fasern durch loses Bindegewebe noch eben zusammengehalten, 
so daß eine Naht nicht nötig war. Die Wunde wurde ganz geschlossen, und im 
Laufe von Monaten gingen alle motorischen und sensiblen Läbmungserscheinungen 
zurück. Das Ellbogengelenk konnte ebenfalls gut gebeugt und gestreckt werden. 

Verf. hat aus der Literatur festgestellt. daß eine Schädigung des N. radialis 
bei Verrenkung des Radiusköpfchens nach vorn dann einzutreten pflegt, wenn zu- 
gleich die Ulna mit gebrochen ist. Unter 119 derartigen komplizierten Fällen war 
der Radialis in 7,56% so verletzt, daß Lähmungserscheinungen vorhanden waren. 
Durch Experimente an Leichen stellte Verf. fest, daß diese Zerreißung des N. radialis 
erst dann eintritt, wenn bei gebrochener Ulna das Radiusköpfchen nach vorn und 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48, 1449 


außen verdrängt wird. Es wird dann immer die Teilungsstelle des Radialis ge- 
troffen, da diese gerade in direkter anatomischer Beziehung zum humero-radialen 
Gelenke steht. Die Prognose dieser Nervenverletzungen ist im allgemeinen eine 
gute, von zehn operierten Fällen blieben nur bei zweien die Lähmungen bestehen. 
Was die Behandlung anbetrifft, so kann man in frischen Fällen die unblutige Re- 
position des Radiusköpfchens versuchen. In alten Fällen ist die Resektion des 
Köpfchens die Operation der Wahl. Der Nerv braucht nur dann genäht zu werden, 
wenn er ganz durchgerissen ist. Zur Nachbehandlung gehört gewissenhaftes Elek- 
trisieren mit dem galvanischen Strome. Die sorgfältige Arbeit bringt einige recht 
gute anatomische Bilder. Herhold (Brandenburg). 


27) Sherren. Remarks on chronic neuritis of the ulnar nerve, due 


to deformity in the region of the elbow-joint. 
(Edinb. med. journ. 1908. Juni.) 

Verf. berichtet über zwei Fälle von chronischer Neuritis des N. ulnaris, die 
mit einer spindelförmigen Auftreibung des Nerven hinter dem Epicondylus in- 
ternus, einer Valgusstellung des Ellbogens, plötzlich einsetzenden Schmerzen und 
Abmagerung der vom Nerven versorgten Muskeln einherging. Das Leiden bestand 
in beiden Fällen mehrere Jahre lang und wurde von dem ersten Pat. auf eine 
Verletzung der distalen Humerusepiphyse in der Jugend, im zweiten Fall auf eine 
Arthritis cubiti, die sich nach Masern entwickelt haben sollte, zurückgeführt. 

Außer diesen beiden eigenen Beobachtungen und einem ihm mündlich mit- 
geteilten Krankenbericht des Dr. Turney und Dr. Corner konnte S. aus der 
Literatur noch 21 gleiche Fälle zusammenstellen. Unter 19 Pat., deren Geschlecht 
in der Krankengeschichte notiert war, befanden sich 16 Männer; bei 16 von den 
24 Pat. war eine Verletzung des Elibogens (meist Fraktur) voraufgegangen. 

Die spindelförmige Auftreibung des Nerven ist bedingt durch eine interstitielle 
Neuritis, wie durch mikroskopische Untersuchung festgestellt werden konnte. Diese 
Neuritis wird offenbar erzeugt durch die Reizung bzw. den Druck, dem der Nerv 
durch seine Lage bei Cubitus valgus ausgesetzt ist. Auch gibt es Fälle, in denen 
der Nerv bei Bewegungen des Ellbogens über einen nach hinten hin gelegenen 
Vorsprung des Epicondylus medialis gleitet und infolgedessen Schmerzen erzeugt. 

Die Behandlung hängt von der Ursache der Neuritis ab. In den Anfangs- 
stadien kann man versuchen, mit Ruhigstellung und Elektrisieren des Armes zum 
Ziele zu kommen; besteht jedoch eine Deformität, so ist die beste Methode, ent- 
weder den Ellbogen zu resezieren oder für den Nerven ein neues, tieferes Bett 
hinter dem Epicondylus medialis herzustellen, und bei starker fibröser Entartung 
des Nerven letzteren zu resezieren. Verf. resezierte bei seinem ersten Pat. den 
Nerven, im zweiten Fall, einer 40jährigen Frau, den Ellbogen; mit beiden Opera- 
tionen erzielte er sehr zufriedenstellende Resultate. Jenckel (Göttingen). 


28) Stamm. Erworbener partieller Radiusdefekt bei einem hereditär 


luetischen Säugling. 
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII. Hit. 4.) 

Verf. berichtet über ein Kind, dessen Mutter mehrfach abortiert hatte. Gleich 
bei der Geburt zeigte sich eine Schwellung am rechten Vorderarm und eine ab- 
norme Beweglichkeit an der Speiche. Der Arm wurde fixiert; nach 10 Tagen 
ging die Schwellung zurück. Ein Röntgenbild 3 Wochen nach der Geburt zeigte 
das obere Ende der Speiche pilzartig aufgetrieben; eine zweite Aufnahme 11 Wochen 
nach der Geburt ergab nun den merkwürdigen Befund, daß das distale Bruchstück 
vollkommen fehlte, also trotz Kalomelkur vollkommen aufgesogen war. Der Erfolg 
war eine Klumphandstellung. Gaugele (Zwickau). 


29) Würth v. Würthenau. Beitrag zur Trommlerlähmung und deren 


Behandlung. 
(Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1908. Hft. 16.) 
Während die sog. Trommlerlähmung meistens durch Zerreißen der Sehne des 
linken langen Daumenstreckers entsteht, hat W. unter 62 Fällen dieser Erkrankung 


1450 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 


nur dreimal eine Zerreißung der linken langen Daumenbeugesehne finden können. 
Einer dieser letzteren Fälle wurde operiert, er ist in der Arbeit näher beschrieben. 
Daß die Beugesehne seltener zerreißt, liegt daran, daß sie anatomisch günstiger 
liegt als die Strecksehne und bei Bewegungen des Daumens nicht so stark über 
Knochenvorsprünge gezerrt und gerieben wird. Dem Zerreißen der Sehne geht 
immer eine Entzündung derselben vorher, die zur partiellen Nekrose führt. Bei 
einer erheblichen Anstrengung tritt dann der Riß ein. Wenn man daher eine 
frühzeitige Diagnose dieser bei Trommlern eintretenden Entzündung der Sehne 
stellt, so kann man durch Ruhigstellen des Fingers und eine gegen die Entzündung 
gerichtete Behandlung das Zerreißen verhüten. Ist einmal der Riß eingetreten, 
so hilft nur die Sehnennaht; aber auch hierdurch wird die volle Dienstfähigkeit 
des Mannes gewöhnlich nicht herbeigeführt. Herhold (Brandenburg). 


30) Berg. A case of general phlebo-sclerosis, thrombo-phlebitis of 
left common iliac, moist gangrene of left lower extremity; amputation ; 
recovery. 

(Mt. Sinai hospital reports Vol. V. 1907.) 


Ein 23 Jahre alter russischer Schneider ohne syphilitische Symptome oder 
Syphilis in der Anamnese, weder Trinker noch starker Raucher, erkrankte mit 
Schwellung und Schmerzen der beiden Beine und zugleich an linksseitiger totaler 
Hemiplegie 3 Wochen vor der Aufnahme. Die Erscheinungen im gelähmten 
linken Beine wurden schwerer, dabei war der arterielle Puls stets nachzuweisen. 
Die oberflächlichen Venen waren als dicke, harte Stränge sowohl am linken Bein 
als auch am linken Arme leicht zu tasten. 6 Wochen später hatte sich Brand des 
linken Fußes bis zur Mitte des Unterschenkels ausgebildet; es wurde im Ober- 
schenkel amputiert. Pat. genas. Die hemiplegischen Symptome gingen auch mehr 
und mehr zurück. 

Die Untersuchung des amputierten Beines ergab eine Phlebosklerose aller 
Venen mit Thrombosierung; die Arterien zeigten wohl hier und da mikroskopisch 
die ersten Zeichen von Sklerose, waren aber gut durchgängig, ohne Thromben. 

Die Untersuchung des linken Armes mit Röntgenstrablen ließ ebenfalls die 
Venen als dunkle Stränge scharf hervortreten. W. v. Brunn (Rostock). 


31) M. v. Brunn. Über die schnellende Hüfte. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVIII. p. 121.) 


In der v. Bruns’schen Klinik wurde bei einem sonst gesunden, kräftig ent- 
wickelten Mädchen eine Erkrankung der Hüfte beobachtet, die sich im 1. Lebens- 
jahr entwickelt hatte und dadurch ausgezeichnet ist, daß bei jedem Schritt unter 
mäßigen Schmerzen und begleitet von einem ruckartigen, schnappenden Geräusch 
eine Vorwölbung in der Trochantergegend entsteht, welche mit der Entlastung 
des Beines wieder verschwindet. Als Ursache läßt sich durch Tastung das Her- 
übergleiten eines sehnigen Stranges von hinten nach vorn feststellen. Die opera- 
tive Festlegung dieses Stranges in einer Rinne des Trochanters beseitigte das 
Schnappen und das Geräusch. 2 Jahre später trat das gleiche Symptomenbild 
auf der anderen Seite auf. Hier ergab die Operation, daß ein derber Fascien- 
strang über den Trochanter hinübergleitet, von dem er durch eine mächtige 
Schicht lockeren Bindegewebes getrennt ist. Nach Entfernung dieser Bindegewebs- 
schicht und Faltung der Fascie mit Befestigung am Trochanter war auch hier das 
schnappende Geräusch verschwunden. 

Es liegen neun analoge Beobachtungen in der Literatur vor, von denen viel- 
leicht zwei mit willkürlicher Subluxation im Hüftgelenk kombiniert und fünf nicht 
autoptisch sichergestellt waren. Nach autoptischen Befunden ist es wahrschein- 
lich, daß das Fehlen einer Bursa trochanterica, bzw. deren Ersatz durch ein lockeres 
Bindegewebe die Ursache des Phänomens bildet, etwa in dem Sinne, daß der nor- 
male Schleimbeutel die Glutäussehne in einem gewissen Abstande vom Trochanter 
hält, wozu dagegen das lockere Bindegewebe nicht befähigt ist. Es käme dann 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1451 


an Stelle des leichten Gleitens zu einer Hemmung an der hinteren Trochanter- 
kante, die ruckartig überwunden wird. 

Eine konservative Behandlung mit bloßer Ruhigstellung dürfte selten Erfolg 
haben, die Anheftung der Glutäussehne am Trochanter dagegen in allen schwe- 
reren Fällen das gegebene Verfahren darstellen, das in dem mitgeteilten und einem 
Falle von Bayer einen schönen Erfolg aufzuweisen hatte und zugleich für die 
entwickelte Entstehungstheorie spricht. Reich (Tübingen). 


32) Blanc. Sindromes pseudocoxalgicos. 
(Revista de med. y cirurg. pract. de Madrid 1908. Nr. 1033.) 

Im Anschluß an eine Besprechung der Symptomatologie der einzelnen Stadien 
der Koxitis, insbesondere der Stellungsanomalien des Beines, weist B. auf die Not- 
wendigkeit hin, darauf zu achten, daß ganz gleiche fixierte Stellungen der unteren 
Extremität bei ganz verschiedenen Erkrankungen zur Beobachtung gelangen und 
daher bei oberflächlicher Untersuchung zu folgenschweren Fehldiagnosen führen 
können. Er gibt die genaue Krankengeschichte von zwei hierher gehörigen Fällen. 
Im ersten handelte es sich um ein Mädchen, welches das direkte Bild einer Koxitis 
im sog. zweiten Stadium darbot: Unbeweglichkeit des Hüftgelenkes, Bein in starker 
Adduktion und Innenrotation fixiert, hochgradige Atrophie der Muskulatur, starkes 
Hinken. Die Kranke wurde, da man aus äußeren Gründen eine hysterische Kon- 
traktur in Betracht gezogen hatte, in Narkose genau untersucht; dabei ergab sich, 
daß sie einige tiefe Analfissuren, die zum Teil geschwürigen Zerfall zeigten, hatte. 
Dieselben wurden nach forcierter Dehnung des Anus erfolgreich behandelt, und 
bald schwanden alle oben mitgeteilten Symptome von seiten der unteren Extremität. 
Die Muskulatur wurde durch Massage in kurzer Zeit gekräftigt. Im zweiten Falle, 
der ebenfalls ein Mädchen betraf, und der ähnliche Symptome bot wie der erste, 
wurde bei der Untersuchung des Rektum ein großer Abszeß entleert, der offenbar 
vom Wurmfortsatz herrührte, und nach dessen Entleerung gleichfalls Heilung ein- 
trat. Es waren vorher keine anderen Erscheinungen von seiten des Wurmes auf- 
getreten. Stein (Wiesbaden). 


33) C. I. Urechia (Bukarest). Uber einen mit den Bronchien kom- 
munizierenden Fall von Ooxo-Tuberkulose. 
(Spitalul 1908. Nr. 15.) 

Es handelte sich um eine 26jährige Frau, die im Laufe zweier Jahre zuerst 
an dem einen und dann an dem anderen Hüftgelenk einen kalten Abszeß dar- 
geboten hatte. Dieselben brachen spontan durch, und es entwickelten sich mehrere 
Fisteln, von denen zwei bis in die Gesäßgegend reichten und etwa 10 cm von- 
einander entfernt waren. Eines Tages, während mit dem Irrigator Waschungen 
an diesen Fisteln vorgenommen wurden, trat bei der Kranken ein heftiger Er- 
stickungsanfall auf, und sie spuckte eine große Menge von Flüssigkeit aus. Da 
sich diese Erscheinung wiederholte, wurden Einspritzungen mit Methylenblaulösung 
gemacht, und es trat unter ähnlichen Erscheinungen Blauspucken auf. Es konnte 
also gar kein Zweifel mehr bestehen, daß eine fistulöse Verbindung zwischen dem 
Abszeß des Hüftgelenkes und den Bronchien bestand. Die röntgenographische 
Untersuchung ergab auch tatsächlich das Bestehen eines Ganges, der von der 
Lungenbasis in die Bronchien führte, doch konnte auf diese Weise die weitere 
Verbindung desselben mit dem tuberkulösen Abszeß der Hüfte nicht sichtbar 
gemacht werden. E. Toff (Braila). 


34) Angel. Tratamiento de una forma especial de anquilosis viciosa 
de la cadera. 
(Revista de la med. y cirurg. pract. de Madrid 1908. Nr. 1030. 
Mitteilung über eine neue Operation bei Ankylose des Hüftgelenkes mit 
extrem nach innen rotiertem Oberschenkel. 19jähriger Pat., der vor 2 Jahren eine 
Hüftgelenkentzündung, wahrscheinlich gonorrhoischer Natur, durchgemacht hat. 


1452 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48 


Schmerzen sind nicht mehr vorhanden. Das rechte Hüftgelenk ist vollkommen 
ankylotisch, das Bein steht in starker Adduktion und sehr starker Innenrotation. 
Die Operation bestand in der subtrochanteren Osteotomie des Femur nach voraus- 
gegangener Tenotomie am oberen Ende des Tensor fasciae latae und des Sartorius. 
Der Erfolg war ein ausgezeichneter. Stein (Wiesbaden). 


35) D. N. Manolescu (Bukarest). Über einen Fall von Echinokokken- 
cyste der Sakrolumbalmuskulatur. 
(Spitalul 1908. Nr. 14.) 


Die betreffende 2öjährige Frau war seit etwa 1 Jahre krank, während welcher 
Zeit sich in der Sakrolumbalgegend eine etwa kindskopfgroße, schmerzlose Ge- 
schwulst entwickelt hatte. Die Diagnose wurde auf Echinokokkencyste gestellt 
und war hierfür außer den lokalen Erscheinungen auch der Blutbefund charak- 
teristisch, indem 25,4% eosinophile Polynukleare gefunden wurden. Interessant 
ist, daß einerseits gleich nach der Exstirpation des Tumors die Zahl der Eosino- 
philen auf 12% gesunken war, sich aber einige Tage später wieder auf 13,15% 
erhob, was nach Chauffard und Boidin auf eine noch vorhandene, wenn auch 
versteckte Hydatidencyste hindeuten würde, die aber trotz genauester Untersuchung 
nicht gefunden werden konnte. 

Der Fall ist durch den ziemlich seltenen Sitz der Cyste in der Sakrolumbal- 
muskulatur bemerkenswert. E. Toff (Braila. 


36) Bettmann (Leipzig). Über eine Schraubvorrichtung zur Heilung 
des Kniescheibenbruches. 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 36.) 


B. erkennt durchaus an, daß die — besser mit Seide oder Catgut als mit 
Silberdraht ausgeführte — Naht für viele Fälle von Kniescheibenbruch recht be- 
friedigende Resultate gibt. In anderen aber stößt sie auf große Schwierigkeiten, 
besonders wenn die Bruchstücke durch Schrumpfung des Quadriceps schon stärker 
auseinander gewichen sind oder hierzu das Bestreben haben, die Naht infolgedessen, 
vorausgesetzt, daß die Bruchstücke zur Berührung gebracht werden, einen relativ 
starken Zug auszuhalten hat. In zwei veralteten Fällen von Kniescheibenbruch 
mit starker Diastase hat B. deshalb an Stelle der Naht eine Vorrichtung ange- 
wandt, mit deren Hilfe eine feste Vereinigung der Fragmente in unverrückbarer 
Stellung erreicht werden konnte. Sie besteht aus zwei Querstäben, d. h. zwei 
langen Bohransätzen, von denen der eine durch das obere, der andere durch das 
untere Bruchstück mittels eines Drillbohrers oder durch das Lig. patellae sup. und 
inf. derart hindurchgebohrt wird, daß sie parallel zueinander zu stehen kommen 
und mit ihren beiden Enden zu beiden Seiten des Gelenkes durch die Haut her- 
vorragen. Jeder der beiden Stäbe hat nach den Enden zu je ein mit einem 
Schraubengang versehenes Loch. Stellt man die beiden Öffnungen senkrecht zu- 
einander, so läßt sich jederseits durch sie eine Flügelschraube hindurchführen, die 
zur Näherung der Stäbe angezogen wird. Dies geschieht dadurch, daß sich 
zwischen dem Flügel der Schraube und dem Stabe mit einfachen Löchern eine 
über die Schraube übergezogene, kleine, lose Hülse befindet, die sich beim An- 
ziehen der Schraube gegen den Stab und den Flügel stemmt. Auf diese Weise 
gelingt es, die vorher beweglich gemachten und angefrischten Bruchstücke so fest 
gegeneinander zu verschrauben, daß sie direkt ineinander eingepreßt werden und 
zu fester knöcherner Verwachsung gelangen. Nach 14 Tagen ist diese so weit vor- 
geschritten, daß man den Apparat entfernen kann, während schon vorher der Pat. 
mit diesem und einem Verband umherzugehen imstande war. Die Vorrichtung, 
die von A. Schütze in Leipzig, Windmühlenstraße 30, zum Preise von 12 «W an- 
gefertigt ist, ist auch für die Behandlung anderer Pseudarthrosen, wie frischer 
Extremitätenbrüche verwendbar. Kramer (Glogau). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1453 


37) Pech. Du traitement des &panchements traumatiques du genou 
par la ponction, la mobilisation immédiate et la progression des ré- 
sistances. 

(Arcb. de méd. et de pharm. militaires 1908. September.) 


Bei allen Verletzungen des Kniegelenkes ist die Hauptsache, zu verhüten, daß 
eine Atrophie des M. quadriceps eintritt, die durch die Immobilisation des Beines 
und die Kompression des Kniegelenkes bedingt wird. P. verfährt daher folgender- 
maßen. Er punktiert grundsätzlich alle traumatischen Ergüsse, wenn sie nicht 
sehr klein sind; schon 24 Stunden nach der Punktion läßt er Streckübungen des 
Beines im Liegen machen, indem er den Unterschenkel vermittels einer über eine 
Rolle gehenden Schnur mit Gewicht belastet und diese Gewichte heben läßt. Diese 
Ubungen werden dreimal täglich 10 Minuten ausgeführt und zunächst mit 1 kg 
begonnen und bis zu 30 kg gesteigert. Man muß sich dabei nach der Muskulatur 
des Individuums richten; schwächere Personen müssen mit entsprechend leichteren 
Gewichten üben. Vor Ablauf von 20 Tagen läßt Verf. die Kranken nicht auf- 
stehen; dann sollen diese jedoch langsame Gehbewegungen gleich ohne Stock 
machen. Das Bein muß dabei kräftig und langsam aufgesetzt werden, damit die 
Muskulatur weiter gekräftigt wird. Drei auf diese Weise mit gutem Erfolg be- 
handelte Fälle werden näher beschrieben. Schädliche Folgen sind durch diese 
frühzeitigen Bewegungen niemals beobachtet, tritt wirklich ein kleiner Erguß nach- 
träglich auf, so verschwindet er mit der zunehmenden Kräftigung der Quadriceps- 
muskulatur. Herhold (Brandenburg). 


38) Hashimoto und Saito. Erzielung tragfähiger Amputationsstümpfe 
durch Nachbehandlung nach H. Hirsch im japanisch-russischen Kriege 
190408. 

(v. Langenbeck's Archiv Bd. LXXXVI. Hft. 3.) 


Die Verff. konstatieren, daß es im Krieg oft genug notwendig ist, schon auf 
dem Schlachtfeld Amputationen vorzunehmen. Die osteoplastischen Methoden, 
z. B. nach Bier, können dort aber nicht in Betracht kommen, weil sie, als zu kom- 
pliziert, zuviel Zeit erfordern. Die rationelle Methode für die Schlachtfeldampu- 
tation ist der Zirkelschnitt. Um brauchbare Stümpfe zu erzielen, haben Verff. 
das Verfahren von H. Hirsch angewendet, das bekanntermaßen in Massage und 
Tretübungen bestebt, und waren bei ihren sehr zahlreichen Fällen außerordentlich 
zufrieden damit. In 5—6 Monaten wurde damit durchschnittlich ein tragfähiger 
Amputationsstumpf erzielt. E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


39) Berger. Epitheliome du talon développé autour d'un séquestre 
résultant d’une osteomyelite ancienne du calcaneum. Opération de 
Wladimiroff-Mikulicz. 

(Revue de chir. XX VIII. annee. Nr. 6.) - 


Der Krebs hatte sich bei einem 42jährigen Eisenbahnbeamten von der epithe- 
lialen Auskleidung der seit dem 19. Lebensjahre bestehenden fistulösen Totenlade 
aus entwickelt und bildete an der Fersenhaut eine blumenkohlähnliche Geschwulst. 
Die Operation wurde mit den typischen Sägeschnitten ausgeführt, nachdem B. 
sich 2 Tage vorher durch Exstirpation der Geschwulst und des größten Teiles 
des Fersenbeines davon überzeugt hatte, daß sie sich ganz im Gesunden vorneh- 
men ließ. 


Den Abänderungen der ursprünglichen Wladimiroff-Mikulicz’schen Me- 
thode, welche die Herstellung eines Sohlenfußes bezwecken (Verf. bezieht sich auf 
Goldammer, s. ds. Zentralbl. ds. J. p. 286), macht B. zum Vorwurf, daß sie sich 
des Hauptvorzuges des ursprünglichen Verfahrens, ein unverkürztes Glied zu liefern, 
begäben. Gutzeit (Neidenburg). 


1454 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 


40) Roith. Luxatio pedis sub talo nach hinten und außen mit Sub- 
luxation des Cuboids. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVIII. p. 394.) 


Verf. beschreibt eine etwas atypische Luxatio pedis sub talo bei einem Manne, 
dem von hinten außen her eine schwere Steinplatte gegen den Unterschenkel ge- 
faillen war. Nach den drei im Text wiedergegebenen Röntgenogrammen ist der 
ganze Fuß unter dem Talus weg nach hinten und etwas nach außen verschoben; 
das Caput tali ruht auf dem Naviculare; gleichzeitig ist das Cuboid plantarwärts 
gegen den Calcaneus und dieser etwas nach hinten gegen die untere Gelenkfläche 
des Talus verschoben und der äußere Knöchel gebrochen. 

In Narkose gelang die unblutige Reposition der 14 Tage alten Verrenkung 
mit dem Erfolge, daß Pat. nach 14 Tagen ohne Schmerzen auftreten konnte. 

Die Subluxation des Cuboids weist darauf hin, daß derselbe Mechanismus, 
der zur Luxatio pedis sub talo führt, unter Umständen auch eine Verrenkung im 
Chopart’schen Gelenk bewirken kann. Reich (Tübingen). 


41) A. Nast-Kolb. Über indirekte Mittelfußbrüche. (Aus der chirur- 
gischen Abteilung des städt. Katharinenhospitals.. Prof. Steinthal.) 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 35.) 


Daß die bei Soldaten so häufig chronische Fußgeschwulst als Folge der 
Fraktur eines Mittelfußknochens auch im Zivilleben vorkommt, beweisen zwei 
hintereinander vom Verf. bei zwei jugendlichen Dienstmädchen beobachtete Fälle 
von indirektem Mittelfußbruch, dem ein nennenswertes Trauma nicht voraus- 
gegangen war. Die bestehenden Schmerzen und teigige Schwellung des Fuß- 
rückens, der an der Stelle des 2., bzw. 3. Metatarsus stark druckempfindlich war, 
veranlaßten eine Röntgenaufnahme, die die Diagnose einer Fraktur bestätigte. 

Verf. nimmt an, daß diese indirekten Mittelfußbrüche auch ım Zivilleben bei 
Jugendlichen Individuen nicht selten seien. Kramer (Glogau). 


42) J. M. van Dam. Hamerteenen. 
(Nederl. Tijdschrift v. Geneeskunde 1908. Nr. 18.) 


Verf. berichtet über die Resultate, die in der Lanz’'schen Klinik bei der 
Behandlung der Hammerzehen erreicht worden sind. 

Die besten Methoden sind: die Resektion im ersten interphalangealen Gelenk 
oder Exartikulation der Endphalangen. Die Resektion gibt bessere kosmetische 
Resultate. Die Beweglichkeit der operierten Zehen ist bei der Resektion etwas 
besser, doch ist sie auch hier sehr gering. E. H. van Lier (Amsterdam). 


43) J. Fränkel. Die Technik der Gehgipsverbände. (Aus der Kgl. 
chirurgischen Universitätsklinik in Berlin. Prof. Bier.) 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 33.) 

Um sich vom Bandagisten möglichst unabhängig zu machen und mit billigen 
und einfachen Verbänden zum Ziele zu kommen, hat F. es sich angelegen sein 
lassen, die Technik der Gehgipsverbände zu vereinfachen. Bei Knöchelbrüchen 
ohne Verschiebung der Bruchstücke wird der Fuß und das Fußgelenk nicht in 
den mit einem Gehbügel versehenen Gipsverband hineingenommen, sondern durch 
zwei kreuzförmig angeordnete Gummizüge. die vom Vorfuß zum oberen Teile des 
Verbandes laufen, in frei schwebender Stellung fixiert; der Verletzte kann mit sol- 
chem absolut entlastendem Verbande, der Versteifungen des Fußgelenkes verhindert, 
gut gehen. Auch in anderen Fällen, z. B. bei redressierten Plattfüßen, nach Sehnen- 
plastiken usw., ist ein Gehbügelgipsverband sehr vorteilhaft. Um ihn abnehmbar 
zu machen, versah F. den Lorenz’schen Tretbügel mit einem Haspenscharnier- 
gelenk, das ein Auf- und Abklappen des mit dem Gelenk versehenen Schienenteiles 
gestattet (über die genauere Technik dieses Verbandes s. die Arbeit‘. Auch für 
die Fußgelenktuberkulosen verwendet F. solche abnehmbare Gehverbände. Da in 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1455 


der Bier’schen Klinik bei der Behandlung der Gelenktuberkulose auf die Fest- 
stellung des kranken Gelenkes verzichtet wird, wird bei Fungus pedis der Fuß frei 
gelassen; der Verband beginnt erst oberhalb der Knöchel. Ebenso bleibt bei 
Kniegelenkstuberkulose das Knie frei; dementsprechend sind die Schenkel des 
Gehbügels für diesen erst oberhalb des Kniegelenkes angelegten Verband nach 
oben verlängert. Kramer (Glogau!. 


44) Kaufmann. Die neue Offiziersgamasche als Universalschiene. 
(Deutsche militärärztl. Zeitschrift 1908. Hft. 16.) 


K. weist darauf hin, daß sich die neue als Ersatz des langen Stiefels bei der 
Infanterie eingeführte Offhiziersgamasche (aus gelbem steifen Leder) zum Schienen 
von Arm- und Beinbrüchen verwenden lassen werde. Wie die Gamasche an den 
gebrochenen Extremitäten angelegt wird, ist durch verschiedene Photographien 
dargestellt. Herhold (Brandenburg). 


45) E. Martin. Zirkuläre Arteriennaht beim Menschen. 
(Med. Klinik 1908. p. 1455.) 


Offene Verrenkung des Vorderarmes nach hinten und außen mit Zerreißung 
der gesamten Weichteile an der vorderen und medialen Seite der Ellbogenbeuge 
einschließlich der V. und A. brachialis und der sämtlichen ulnaren Kollateralen 
der letzteren. Nach Abschneidung von 3 cm der zerfetzten Schlagader Anlegung 
dreier Haltefäden nach Carrel-Stich, fortlaufende Naht mit feinster gerader 
Darmnadel und feinster Darmseide durch alle Schichten der Gefäßwand. Primäre 
Wundheilung obne wesentliche Kreislaufstörung im Unterarme. Pulskurven von 
der A. radialis des operierten und des gesunden Armes, die für die Wiederher- 
stellung des Zuflusses von der Nahtstelle her sprechen. 

Georg Schmidt (Berlin). 


46) Ortiz de la Torre. Sutura de la arteria iliaca externa. 


II. Spanischer Chirurgenkongreß. 
(Revista de la med. y cirurg. pract. de Madrid 1908. Nr. 1036.) 


Pat., der eine Stichwunde ca. 4 cm oberhalb des Poupart'schen Bandes erhalten 
hatte, wurde zunächst mit Kompression und Ruhe behandelt. Nach 2 Monaten 
hatte sich eine mächtige Geschwulst in der linken Bauchseite entwickelt, in deren 
Bereich laute systolische und diastolische Geräusche hörbar waren. Laparotomie; 
Kompression der Aorta in der Höhe des Abganges der Renales; Entleerung der 
die Geschwulst bildenden großen Gerinnsel und ca. eines Liters Blut; Naht der 
1 cm langen Arterienwunde mit Catgut in drei Etagen. Normaler Verlauf. Heilung. 

Stein (Wiesbaden). 


47) M’Gregor. Gangrene of the extremities after pneumonia, with 
notes of two illustrative cases. 
(Glasgow med. journ. 1908. August.) 


Der erste Fall stammt aus eigener Praxis, der andere aus der des Dr. Knox 
in Glasgow. 

Im ersten Falle handelte es sich um einen 18 Jahre alten Mann, der bis vor 
4 Monaten stets gesund gewesen war. 1 Woche nach dem Beginn einer krupösen 
Pneumonie begann die Gangrän an den Fingern der rechten Hand ohne jegliche 
Schmerzempfindung. An der A. brachialis selbst konnte stets der Puls gefühlt 
werden, nicht aber unterhalb der Teilungsstelle. 3—4 Wochen lang war der Arm 
wie gelähmt, erholte sich aber nachher wieder. Die gangränösen Fingerpartien 
(vgl. drei beigegebene Skizzen) wurden abgetragen und Heilung erzielt. Da Pat. 
im übrigen, abgesehen von seiner Pneumonie, gar keine Krankheitssymptome auf- 


1456 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 


wies, besonders auch nicht von seiten des Herzens, ist mit größter Wahrscheinlich- 
keit anzunehmen, daß es sich bei ihm um eine autochthone Thrombose der 
A. brachialis an der Teilungsstelle gehandelt hat. Bei der Operation — 4 Monate 
nach Beginn der Gangrän — brauchte kein einziges Gefäß unterbunden zu werden. 
Der zweite Fall betrifft ein 4 Jahre altes Mädchen; 4 Wochen nach Beginn 
einer Bronchopneumonie kam es zu Gangrän von den Zehen bis zur Hälfte des 
Unterschenkels.. Durch Amputation wurde sie geheilt, hat ebenfalls keinerlei 
andere Krankheitserscheinungen innerer Organe sonst gezeigt und hat sich später 
sehr gut entwickelt. W. v. Brunn (Rostock). 





Erwiderung 


auf die Bemerkung des Herrn Geh. San.-Rat Dr. Haspe xu dem von 
mir in Nr. 15 d. BU veröffentlichten Beitrag zur Behandlung veralieter 
Pronationsluxationen des Fußes. 


In Nr. 38 beanstandet Herr Geh. San.-Rat Dr. Haspe diese Bezeichnung, weil 
ddie beschriebene Verletzung nicht im Pronations-, sondern im Talorcruralgelenk vor- 
gekommen wäre. 

Da es den Anschein erwecken muß, als hätte ich aus Unkenntnis einen falschen 
Namen gebraucht, so möchte ich nur bemerken, daß die von mir gewählte Bezeich- 
nung doch wohl die allgemein gültige sein muß; wenigstens habe ich in der darauf 
bexüglichen Literatur und ebenso in dem Handbuch der praktischen Chirurgie von 
v. Bergmann, vr. Bruns und v. Mikulicx keine andere als diese gefunden. 
Wilkürliche Anderungen eines Einzelnen dürften aber eher wieder zur früheren 
Verwirrung als zur Klärung auf dem Gebiete dieser Verletzungen führen. 

Da ich verreist war, konnte ich diese Erwiderung erst jetzt einsenden. 

Schierdnitz 10. November 1908. 
' Dr. A. Hoffmann. 


Die Originalmitteilung des Dr. J. Gobiet, in Nr. 40 dieses Zentralblattes er- 
schienen, über » Fixation der Wanderniere und Wanderleber mit Magnesiumplatten«, 
veranlaßt mich, zwei Arbeiten zu erwähnen, die ich unter den Titeln » L'assorbimento 
del magnesio nel parenchima renale — Riforma med. 1904« und »I sostegni di 
magnesio nella legatura iniraepatica mediata — Clinica chirurgica 1905, ref. im 
Zentralblatt für Chirurgie 1905 p. 1056« veröffentlicht habe. 

Die Resultate mehrerer Thierexperimenie über die Resorption des Magnesium 
in der Niere und über die Anwendung von Magnesiumplatten für Leberblutstillung 
habe ich reröffentlicht und habe auch Stützen (Platten. Walzen usw.) für Wander- 
leber empfohlen. Ferner dürfte nach meinen experimentellen Untersuchungen das 
Magnesium dem von Gobiet durch die ganze Niere durchgeführten Suberdraht mit 
Vorteilen zu substiluieren sein. Es freut mich daher, daß Gobiet durch klinische 
Erfahrung meine Ansicht stützt und Magnesiumanwendung für die Nieren- und 
Leberchirurgie empfiehlt. Prof. Dr. Aldo Cernezzi, 

Cittiglio (Italien). 





Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 
an Prof. B. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden. 





Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau. 
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. 


Zentralblatt für Chirurgie 


herausgegeben von i 


K. GARRÈ, F. KÖNIG, E. RICHTER, 





in Bonn, in Berlin, in Breslau. 
35. Jahrgang; 
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG. 
Nr. 49. Sonnabend, den 5. Dezember 1908. 
Inhalt. 


G. Bolognesi, Über Änderungen im Blutserum infolge von Operationen. (Originalmitteilung.) 

1) Van Kaathoven, 2) Bolognesi und Zancanli, 8) Camus, Zur Narkosenfrage. — 4) Leale, 
Verbrennung bei Kindern. — 5) Civatte, Heiratsgestattung Syphilitischer. — 6) Dreysel, Eston- 
präparate. — 7) Reich, Erysipeloid. — 8) Herxheimer, Ekzembehandlung. — 9) Peters, Gesichts- 
und Schädelasymmetrie. — 10) Sicard, Trigeminusneuralgie. — 11) Wahl, Skoliosenbehandlung. — 
12) Poirier und Pique, Die Regio hyothyreoepiglottica. — 13) Fabre und Thövenot, Kropf der 
Neugeborenen. — 14) McLennan, Funktion der Thymus. — 15) Polito, Pleuritisbehandlung. — 
16) d’Este, Chirurgie des Herzens und Herzbeutels. — 17) Parlavecchio, Perikardiektomie. — 
18) Heile, Brustkrebs. 

19) Naturforscherversammlung: a. Reerink, Cavaunterbindung. — b. Graff, Nierenblutungen. 
— c. Krönlein, Nierengeschwülste. — d. Wollenberg, e. Preiser, f. Müller, Arthritis deformans. 
— g. Marwedel, Oberarmlähmung. — h. Mayer, Kinderlähmung. — i. Zur Verth, Schnappendo 
Hüfte. — k. Bade, Angeborene Hüftverrenkung. — l. Finsterer, Angeborene Kniescheibenverren- 
kung. — m. Finsterer, Bruch des Mondbeins. — n. Kuhn, Extensionsapparat. — o. Strauss 
Woasserstrahlluftpumpe für Saugbehandlung. — p. Strauss, Dosimeter für Röntgentherapie. 

20) Ziegner, 21) Mindlin, Zur Narkosenfrage. — 22) Burgsdorf, 23) Carle, Übertragung von 
Syphilis hereditaria. — 24) Hamel, Zur Syphilisbehandlung. — 25) Finkelstein, Arachnoidis ad- 
haesiva cerebralis. — 26) Groves, Exzision des Ganglion Gasseri. — 27) Redard, Gesichtsangiome. 
— 28) Allen, 29) Forster, 30) Traver, Rückenmarksverletzungen. — 31) Wittek, Atlanto-Epi- 
strophealverrenkung. — 82) Burk, Bruch eines Wirbelgelenkfortsatzes. — 83) Preiser, Spondylitis 
cervicalis deformans. — 34) Lovett, Kinderlähmung. — 35) Chevassu, Branchialfisteln. — 36) Brau- 
ser, Gummöse Halslymphome. — 37) Fein, Abtragung der Rachenmandel. — 38) Martino, Man- 
delblutung. — 39) Albrecht, Rachendivertikel. — 40) McLellan und Dunn, Zottencyste der Schild- 
drüse. — 41) u. 42) Capelle, Basedowthymus. — 43) Dunhill, Basedow. — 44) Branham, Tetanie 
nach Thyreoidektomie. — 45) Smoler, Halsverletzung. — 46) Seelig, Speiseröhrenstenose — 
47) Blauel, Fremdkörper in der Speiseröhre. — 48) Patel, Durchtrennung des Zungenbeinschild- 
knorpelbandes. — 48) Meyer, Leukämische Kehlkopfveränderungen. — 50) Llorente, Intubation. 
— 51) Sargnon u. Barlatier, Laryngostomie. — 52) Hutter, Kehlkopfmißbildung. — 58) Harms, 
54) Koschier, Kehlkopfstenosen. — 55) White, 56) Hirsch, Hämangiom des Kehlkopfs. — 57) Krieg, 
Luftröhrengeschwtiste. — 58) Grünberg, Jodkali bei Tuberkulose der oberen Luftwege. — 59) Vi- 
dakovich, 60) Dick, Pleuraempyeme. — 61) Stuckey, Lungenwunde. — 62) Baron, Lungen- 
abszesse. — 68) Gurewitsch, Herzbeutelverwundung. — 64) Ortiz de la Torre, Fremdkörper- 
extraktion aus dem Herzen. 





Aus der chirurgischen Klinik der Kgl. Universität zu Modena. 
Direktor: Prof. V. Remedi. 


Über Änderungen im Blutserum 
infolge von Operationen. 
| Von 
Dr. Giuseppe Bolognesi, 


Assistent. 


Not einiger Zeit wurden in der chirurgischen Klinik in Modena Blut- 
\Duntersuchungen über die Modifikationen angestellt, welche das 
49 


1458 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 


Blut infolge von Operationen! erleidet. Da ich nun im vorigen Jahre 
in Versuchen, die an Tieren angestellt wurden, eine Veränderung der 
Proteinsubstanz des Blutserums bei Infektionen mit Pyogenes com- 
munis? festgestellt habe, hielt ich es für interessant, nachzuforschen, 
ob auch eine einfache, mit peinlicher Sorgfalt aseptisch ausgeführte 
Operation, die also ohne Einwirkung von Mikroben und Anwendung 
von Narkose stattfand, imstande wäre, eine nennenswerte Anderung 
in der Blutmischung herbeizuführen. 

Die Ergebnisse der zu diesem Zweck unternommenen Versuche 
haben alle mit der größten Bestimmtheit bewiesen, daß unsere Ver- 
mutung begründet war. 

Wenn wir Kaninchen in mannigfaltiger Weise operierten (Nephro- 
tomie, Nephrektomie, Hepatotomie, Splenektomie, Laparotomie mit 
Einsenkung von Lappen in die Peritonealhöhle, die aus der Bauch- 
wand erhalten wurden und mit ihr verbunden waren, Verpflanzung 
von Organen usw.) und das Blutserum® des Tieres in verschiedenen 
Zeitabständen von der Operation (3—8 Tage) mit 1,2%/,,iger Salizyl- 
säurelösung in der Proportion von 10:50 behandelten* und jedesmal 
dieses Blutserum mit anderem unter gleichen Umständen von einem 
normalen Kaninchen (von gleichem Gewicht und auf identische Weise 
aufgezogen) entnommenen kontrollierten, so erhielten wir immer eine 
größere Menge von einem Niederschlage (Globulinen?), welcher sich 
mit diesem Reagens bildete. Solche Zunahme war weniger bemerkbar 
in den Untersuchungen, die in größerem Abstande von der Operation 
ausgeführt wurden, und unter den Beobachtungen, die in gleichen 
Zeitperioden gemacht wurden, war sie größer in den wenigen Fällen, 
in welchen die Heilung der Operationswunde per secundam erfolgte®. 

Ich brauche die Wichtigkeit des Befundes nicht hervorzuheben. 
Ich will nur daran erinnern, daß die nach der Chloroformnarkose ® 


1 Bolognesi e Zancani, L'indice opsonico nella cloronarcosi. Clinica 
chirurgica 1908. 

3 Bolognesi, Chemische Veränderungen des Blutserums bei Infektionen mit 
Pyogenes communis. Biochemische Zeitschrift 1907. Bd. VI. p. 149—157. (Ich 
mache dabei darauf aufmerksam, daß auf p. 152 anstatt 1:2000 1,20/% zu setzen ist.) 

Bolognesi, Modificazioni chimiche del siero di sangue nelle infezioni da 
comuni piogeni. Clinica med. 1907. 

3 Ich entnahm das Blut aus der Carotis, sonderte mittels Zentrifuge das Serum 
ab und schritt sofort zu seiner chemischen Untersuchung. 

4 Ich bestimmte den Grad und die Proportionen der Salizyllösung in den 
Studien des vergangenen Jahres über die chemischen Veränderungen des Blut- 
serums in den Infektionen mit gewöhnlichen Eitermikroben. 

5 Es ist bekannt, daß der Verlauf einer Operationswunde beim Kaninchen 
trotz der größten Vorsicht hinsichtlich der Asepsis während der Operation dennoch 
anormal sein kann, da man hierbei nicht in absoluter Weise alle Regeln beob- 
achten kann, die nach der Operation nötig sein würden; man hat alsdann eine 
leichte, meistens auf das subkutane Bindegewebe beschränkte Eiterbildung, d. h. 
eine Heilung per secundam, oder nach der neueren und richtigeren Benennung 
von G. Meyer, einen mykotischen Verlauf der Operationswunde. 

6 Siehe Bolognesi und Zancani in oben zitierter Schrift. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1459 


beobachtete Erhöhung des Index opsonicus des Blutes (welcher, wie 
bekannt, uns gleichzeitig einen Verteidigungsgrad des Organismus 
gegen die Mikroben darstellt, insofern er die Phagocytose der Leuko- 
cyten befördert) nach einer einfachen Operation (aseptische Ausführung 
ohne Narkose) fehlt, wo gerade die gegenwärtigen Ergebnisse eine 
Zunahme in den durch Salizylsäure ausfällbaren Substanzen aufweist. 
Ferner muß auch die Tatsache hervorgehoben werden, daß in den 
Fällen, in welchen nach der Operation Mikroben auftreten und in 
welchen im Menschen’? auch nach der Chloroformnarkose die Erhöhung 
des Index opsonicus fehlen würde, besagter Niederschlag stets reich- 
licher war. 

Fernere Forschungen können festsetzen, ob auch im Menschen 
die beschriebenen Erscheinungen stets vorkommen, und werden im- 
stande sein, die wahre Natur des besagten Niederschlages zu be- 
stimmen. 


1) Van Kaathoven. Twenty-five hundred cases of gas-ether 
anaesthesia without complication. 
(Annals of surgery 1908. September.) 

Verf. sieht auf 2500 unter ihm ausgeführte Athernarkosen zurück, 
bei denen niemals irgendeine Komplikation oder üble Folge auftrat. 
Er ist ein Gegner davon, daß man so tief narkotisiert, bis alle Reflexe 
aufgehoben sind. Nach ihm genügt es zu einer chirurgischen Nar- 
kose, wenn Pat. bewußtlos und Muskelerschlaffung eingetreten ist. 
Um den Pat. in diesem Stadium zu erhalten und das tiefe cyanotische 
Stadium mit erweiterten Pupillen und beschleunigtem Puls zu ver- 
meiden, muß der Narkotiseur seine ganze Aufmerksamkeit anwenden. 
Die besten Resultate hat Verf. gesehen, wenn er vor dem Ather 
Nitrous oxyd (Stickoxydul, Lustgas) bis zum ersten Eintritt der Bewußt- 
losigkeit (3 Minuten) und darauf die offene Tropfmethode mit Äther 
anwandte. 

Statt des Nitrous oxyd kann man auch Morphium und Atropin 
subkutan vor der Verwendung des Athers geben. Das Atropin be- 
schränkt die Schleimsekretion. Bei Potatoren wird vorher außerdem 
noch Nase und Schlund mit 2%iger Eukainlösung besprüht. Bei der 
Anwendung von Ather nach der eben beschriebenen Methode bleibt 
das lästige Erbrechen aus. (Die Vorzüge der Skopolamin-Morphium- 
injektion mit nachfolgender Athertropfnarkose scheinen dem Verf. 
nicht bekannt zu sein. Ref.) Herhold (Brandenburg). 


2) Bolognesi e Zancani. L'indice opsonico nella cloro- 
narcosi. 
(Clinica chirurgica 1908. Nr. 9.) 
Verff. untersuchten bei 19 Individuen mit verschiedenen chirur- 
gischen Leiden die Anderungen des opsonischen Index unter dem 


1 Bolognesi und Zancani, ibid. 
49* 


1460 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 


Einfluß der Chloroformnarkose: letztere führt zu einer unmittelbaren, 

nur vorübergehenden Erhöhung des Index: nach einem ohne Narkose 

vorgenommenen operativen Eingriff bleibt der Index entweder unver- 

ändert oder wird kleiner; in Fällen gestörter (mykotischer), Wund- 

heilung scheint der opsonische Index nicht zuzunehmen; seine Varia- 

tionen stehen meist in keinem Verhältnis zur Menge der Leukocyten. 
K. Henschen (Tübingen). 


3) L. Camus. Dans les anesthesies de courte durée doit- 


on employer la chlorure d'éthyle mélangé à lľoxygėne? 
(Presse méd. 1908. Nr. 28.) 

Auf Grund von Tierversuchen kommt C. zu dem Ergebnis, daB 
es keinen Vorteil bietet, das reine Chloräthyl durch Mischung mit 
Luft oder Sauerstoff zu ersetzen. Reines Chloräthyl ist nicht nur 
einfacher und leichter zu verabfolgen, sondern die Narkose wird auch 
ruhiger. Asphyxie ist bei einiger Aufmerksamkeit nicht zu fürchten; 
Mischungen mit Luft geben auch keine Gewähr dagegen, sondern es 
treten Atmungsstörungen sogar leichter dadurch auf. 

Fehre (Freiberg). 





4) M. Leale. Some considerations in the management of 
burns and scalds in infants and children. 
(New York med. record 1908. Mai 9.) 

L. erwähnt, daß ®/, aller Fälle von Verbrennungen bei Kindern 
vorkommen, bei denen die Prognose relativ schlecht sei, schon weil 
viel leichter Chok sich einstellt, der nach seiner Ansicht die Hälfte 
aller Todesfälle bedingt, aber gewöhnlich nicht vor 48 Stunden nach 
dem Unfall in Erscheinung tritt. Einer verständigen Therapie er- 
öffnet sich daher noch immer ein reiches Feld. Die Anwendung per- 
manenter Irrigationen des Dickdarmes mit heißer normaler Salzlösung, 
die Verordnung von Tinct. opii benzoica, gegen Erbrechen kleine 
Dosen Atropin mit Opium und einer sorgfältige Beachtung aller son- 
stigen hygienischen Maßnahmen, ferner ein warmes, ruhiges, gut ven- 
tiliertes Krankenzimmer sind von größter Wichtigkeit. Neben absoluter 
Asepsis der Verbandstoffe wird als bestes Wundreinigungsmittel Wasser- 
stoffsuperoxydwasser in warmer, 10—15 volumenprozentiger Lösung 
und darauf Kochsalzlösung oder 3%ige Borsäurelösung zur Irrigation 
der ganzen Wundfläche empfohlen. 

Zum Verbande steriles Zinköl. Ist der Papillarkörper mit be- 
troffen, Streifen von Gummipapier oder Silberfolie darunter, prinzipiell 
also ein nicht adhärentes und nicht reizendes Material bei häufigem 
Verbandwechsel. 

Die Empfehlung eines häufigen Verbandwechsels wird als direktes 
Axiom jedenfalls nicht allgemeine Anerkennung finden. 

Loewenhardt (Breslau‘. 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1461 


5) Civatte. A quelles conditions peut-on autoriser le ma- 
riage des syphilitiques? 
(Ann. de dermat. et de syph. 1907. p. 784.) 

Verf. hat obige Frage an eine Reihe bekannter Syphilidologen 
gerichtet und veröffentlicht deren Antworten. Mit Ausnahme von 
Mibelli und teilweise auch Pospelow gestatten alle die Heirat, 
wenn genügend Zeit nach der Infektion verstrichen und lange und 
energisch genug behandelt ist. Uber den Wert und die Wirksamkeit 
der Quecksilberkuren herrscht bei keinem ein Zweifel. Auf Jod- 
behandlung wird wenig oder kein Wert gelegt. Mit Ausnahme von 
Watraszewski verlangen alle noch vor der Heirat eine Behandlung. 

Klingmüller (Kiel). 





6) Dreysel. Die Estonpräparate und ihre therapeutische 
Verwendbarkeit bei Haut- und Geschlechtskrankheiten. 
(Fortschritte der Medizin 1908. Nr. 11.) 

Eston enthält essigsaure Tonerde in fester Form, ist ein weißes, 
sehr feines und trockenes Pulver, völlig ungiftig, in Wasser nahezu 
unlöslich, löslich in alkalischen Flüssigkeiten; daher erklärt sich auch 
seine gute Wirkung bei Zusammentritt mit Blut, Eiter usw. Weitere 
gleichwertige Präparate sind das stärker wirkende Formeston, und 
das milder wirkende Subeston. 

Die Anwendungsweise geschieht in Pulver-, Salben-.und Pflaster- 
form bei Ekzemen der verschiedensten Art, Dermatitiden, Urticaria, 
Herpes zoster, Hyperidrosis, Balanitis, Beingeschwüren, eiternden und 
frischen Schnitten und Quetschwunden. Kronacher (München). 





7) M. Reich. Über das Erysipeloid. (Aus der I. chirurg. 
Abteilung des Wiener allgemeinen Krankenhauses.) 
(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Nr. 11.) 

Das Erysipeloid ist zu wenig beachtet, dabei häufiger, als man 
denkt. Es ist auf unblutigem Wege — Heißluft und Burow — leicht 
zu heilen. Charakteristisch ist die Anamnese: meist handelt es sich 
um kleine Verletzungen bei Leuten, die mit Fleisch oder Wild zu tun 
haben; doch kommt es auch nach anderen Verletzungen vor, so daß 
Verf. die Frage offen läßt, ob die Atiologie eine bakterielle oder che- 
mische (Ptomaine?) ist. Am wichtigsten für die Diagnose sind ferner: 
exquisit starkes Brennen und Jucken und bläulichrote Färbung und 
Schwellung der Haut. Fieber ist selten. Literatur. 

Renner (Breslau). 





8) Herxheimer. Über die Behandlung der Ekzeme mit 
- neuen Teerpräparaten. 
(Berliner klin. Wochenschrift 1908. Nr. 3.) 
Karboterpin, eine Lösung von Steinkohlenteer in Terpinol, be- 
währte sich besonders bei Psoriasis; doch war die Wirkung langsam. 


1462 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 


Es wurde, wie bei Eczema chronicum, konzentriert zweimal täglich 
aufgepinselt und zeigte auch eine Juckreiz lindernde Wirkung. 

Ein das Jucken sehr gut beeinflussendes Teerpräparat ist das 
Succinol; geeignet für Eczema chron., Pruritus und Psoriasis. Das 
Mittel entstammt dem Bernstein. Karbeneol, eine Lösung von Stein- 
kohlenteer in Tetrachlorkohlenstoff, erwies sich von nachhaltiger, wenn 
auch langsam eintretender Wirkung bei Psoriasis. Da Karbeneol von 
allen Teerpräparaten die geringste Zahl von Irritationen auf der Haut 
hervorruft, erscheint es besonders geeignet für die Ekzembehandlung. 
Nachteile des Präparates sind: Schwarzfärbung der Haut, Beschmut- 
zung der Wäsche, langsames Eintrocknen. Langemak (Erfurt). 





9) A. Peters (Rostock). Über Gesichts- und Schädelasym- 
metrien und ihr Verhältnis zum Caput obstipum. 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 34.) 

Die gar nicht seltene Asymmetrie des Gesichts und Schädels 
(Schädelskoliose), die sich in Tieferstehen der einen Orbita, des gleich- 
seitigen Ohres und Nasenflügels, in leichtem Abweichen der Kinnspitze 
in seitlicher Richtung usw. kundtut, findet sich bei gleichzeitig be- 
stehendem Caput obstipum am stärksten entwickelt (sekundäre 
Schädelskoliose). P. berichtet über einige Fälle von erblichem Auf- 
treten solcher Asymmetrie, die hier auf eine fehlerhafte Anlage im 
Keimplasma zurückzuführen sein dürfte, und wirft die Frage auf, ob 
die Einwirkung des Caput obstipum auf die Entstehung der Schädel- 
skoliose für alle Fälle bewiesen sei. Er erinnert dabei an das Vor- 
kommen einer angeborenen Aplasie des Kopfnickers, die auf fehler- 
hafter Keimanlage beruhe, und weist hin auf die einfach ererbte 
angeborene Ptosis (kongenitale Augenmuskelaplasie), auf das Bestehen 
eines Caput obstipum bei der einen der mit deutlicher Gesichts- 
asymmetrie behafteten fünf Schwestern seines einen Falles und auf 
das gleichzeitige Vorkommen anderer verwertbarer Mißbildungen bei 
Caput obstipum. In Anbetracht dessen bezweifelt er für einen Teil 
der Fälle die ursächliche Bedeutung des letzteren für die Schädel- 
skoliose. Kramer (Glogau). 





10) Sicard. Traitement de la névralgie faciale par lalcooli- 
sation locale. 
(Presse méd. 1908. Nr. 37.) 
S. unterscheidet drei Gruppen von Injektionen: 


1) Die periphere Gruppe: in die Austrittsstellen des N. supra- 
orbitalis, infraorbitalis und mentalis. 

2) Die mittlere Gruppe: in die Spongiosa des Ober- und Unter- 
kiefers, in das Foramen mandibulare an der Lingula und in den Ca- 
nalis palatinus. 

3) Die tiefe Gruppe: in das Foramen ovale und Foramen rotundum. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1463 


Die Technik der einzelnen Injektionen wird kurz beschrieben und 
an einigen Abbildungen erläutert. Die erste Bedingung für das Ge- 
lingen ist die richtige Diagnose; wer Migräne mit Trigeminusneuralgie 
verwechselt, kann keinen Erfolg erzielen. Es wird 80 iger Alkohol mit 
feiner Platinnadel injiziert; bei Injektionen in die Spongiosa wird der 
Knochen vorher angebohrt und stets Lokalanästhesie angewandt. Die 
Injektion in das Foramen ovale ist besonders schmerzhaft. Die 
Schmerzen schwinden nach längstens 3 Tagen. 

Uble Zufälle sind selten; Anstechen einer Arterie schadet bei 
Benutzung feiner Nadeln nichts. Bei Injektionen in den N. supra- 
orbitalis und infraorbitalis entsteht oft starkes, 48 Stunden anhaltendes 
Odem. Bei Injektion in das Foramen ovale tritt mitunter Sklerose der 
Mm. pterygoidei ein, die das Mundöffnen beschränken; auch vorüber- 
gehende Lähmung des N. abducens ist beobachtet worden. Bei In- 
jektionen in das Foramen rotundum tritt mitunter Myosis auf. 

Beweis für das Gelingen ist Auftreten von Anästhesie in dem 
betreffenden peripheren Nervengebiet. Wenn der Alkohol statt in 
das Foramen infraorbitale auf die Vorderfläche des Oberkiefers gespritzt _ 
wird, entsteht vorübergehende Lähmung der dort liegenden Facialis- 
äste. Bei Injektion ins Foramen ovale tritt stets halbseitige Lähmung 
der Kaumuskeln auf infolge Degeneration des dieselben versorgenden 
Nerven. Oft bestehen anfangs Parästhesien (unangenehmes Jucken, 
Nadelstiche) in den anästhetischen Zonen. 

Die bereits chirurgisch vorbehandelten Fälle gaben infolge der 
narbigen Veränderungen eine schlechtere Prognose als die nicht 
chirurgisch behandelten. 

S. hat im ganzen 63 Fälle verschiedenster Art mit bestem Er- 
folge behandelt. Die Wirkung hält bis zu 24 Monaten an, aber auch 
schon nach 4—6 Monaten gab es Rückfälle, die dann, von neuem 
hehandelt, immer seltener werden. 

Bei den hartnäckigsten, allen anderen Eingriffen widerstehenden 
Neuralgien beabsichtigt S. nach Spaltung der Weichteile und Resek- 
tion des Jochbogens das Ganglion Gasseri aufzusuchen und Alkohol 
in dieses zu injizieren. Fehre (Freiberg). 





11) K. Wahl (München). Was dürfen wir von der heutigen 
Skoliosenbehandlung erwarten? 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 28.) 

W. beantwortet obige Frage in bezug auf die beweglichen Sko- 
liosen dahin, daß die Resultate ihrer Behandlung durchgehends sehr 
erfreuliche seien, wenn auch die Dauer der letzteren mindestens 3 Mo- 
nate, in manchen Fällen bis 2 Jahre beträgt. Den Angelpunkt der 
Therapie bildet die orthopädische Gymnastik, die intensiv, nicht nur 
täglich, sondern mehrmals am Tage jan orthopädischen Hausturn- 
geräten betrieben werden muß. W. verwendet hierfür einen kombi- 
nierten Apparat, bei dem der Widerstand durch kräftige Gummikabel 
gegeben ist. Bei der fixierten Skoliose benutzt er jetzt für die Nacht 


1464 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 


nach mehrfachen anderen Versuchen ein Reklinationsbett, das aus 
einem gepolsterten Brett mit eingebauten Schiebern besteht und eine 
ähnlich stark redressierende Wirkung wie der Gipsverband ausübt; 
in ihm drückt die ganze Köperlast auf den Rippenbuckel, während 
die eingesunkene Thoraxpartie frei in der Luft schwebt. Außerdem 
bedient sich W. noch eines ganz besonders kräftig wirkenden Turn- 
gerätes, das aus einer Glisson’schen Schwebe und einer am Scheitel 
der Abbiegung der Wirbelsäule seitlich angreifenden Gabel zusammen- 
gesetzt ist (Abbild... Sonst kommen noch leichte orthopädische Stoff- 
korsette mit Schienen zur Anwendung. Die Resultate W.’s waren 
befriedigende; Heilungen wurden aber nicht erzielt. 
Kramer (Glogau). 





12) Poirier et Piquó. Anatomie chirurgicale de la region 
hyo-thyro-épiglottique. 
(Revue de chir. XXVII. année. Nr. 7.) 

Als Regio hyothyreoepiglottica beschreiben Verff. auf Grund von 
40 Leichenuntersuchungen jene dreiseitig-pyramidenförmigen Räume, 
welche symmetrisch zu beiden Seiten des sagittalen und medianen 
Septum subhyoideum gelegen und vorn durch die Membrana hyo- 
thyreoidea, hinten durch die Epiglottis und oben durch die Membrana 
byoepiglottica begrenzt werden. Nach unten schneiden sie mit dem 
Ansatz des Kehldeckels an den Schildknorpel ab, lateralwärts reichen 
sie bis zur Durchtrittsstelle des N. laryngeus superior durch die Mem- 
brana hyothyreoidea. Sie sind ausgefüllt von je einem Fettkörperchen, 
das an der medialen Scheidewand und dem Kehldeckel befestigt, 
sonst aber frei beweglich ist und als Gleitorgan für die Bewegungen 
des Kehlkopfes, Kehldeckels und Zungengrundes angesehen werden muß. 

Chirurgisch wichtig ist die Gegend, weil sich hier mitunter Zell- 
gewebsentzündungen abspielen, die zu Stenosenerscheinungen, Schluck- 
beschwerden und Heiserkeit Veranlassung geben und sich seitlich vom 
Schlund- oder Kehlkopf ausbreiten können. Für die Pharyngotomia 
transversalis (Malgaigne) und transhyoidea (Vallas) bildet sie einen 
Teil des Zugangsweges. Gutzeit (Neidenburg). 





13) J. Fabro et L. Thévenot. Le goitre chez le nouveau-né. 
(Revue de chir. XXVII. ann. Nr. 6.) 

In kropfreichen Gegenden wird der Kropf beim Neugeborenen 
gar nicht so selten angetroffen. Sicherlich haben territoriale Einflüsse 
hierbei eine größere Bedeutung als die Erblichkeit. Das besonders 
beim Fötus reich entwickelte Venennetz der Schilddrüse schafft eine 
größere Neigung; die Stauung durch den Druck der Gebärmutter 
beim Geburtsakt, das Schreien und Pressen des Säuglings fördern 
das Wachstum. Die diffusen parenchymatösen oder Gefäßkröpfe über- 
wiegen; sie schnüren zuweilen in Form eines Ringes Luft- und Speise- 
röhre ein und führen dann zu den » Asphyxies foudroyantes«, die dem 
kaum Geborenen unter heftigsten Erstickungserscheinungen das Leben 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1465 


rauben. Häufiger sind jedoch zwar schwere, aber mit dem Fortbestand 
des Lebens vereinbare Formen mit andauernder oder intermittieren- 
der Atemnot und die gutartigen Kröpfe, die nur unbedeutende oder 
zunächst gar keine Störungen verursachen und daher oft unbemerkt 
bleiben können. 

Für die Diagnose ist zu beachten, daß die Schilddrüse beim Neu- 
geborenen auf dem Schildknorpel oder gar über ihm liegen kann. 

Von chirurgischen Eingriffen ist der Luftröhrenschnitt wegen der 
Gefahr der Blutung und der Bronchopneumonie streng zu verwerfen. 
Die Durchschneidung des Isthmus und die Exothyropexie kommen am 
häufigsten in Frage. Prophylaktisch empfehlen die Verff., Schwangeren 
in kropfbelasteten Gegenden nur gekochtes oder aus kropffreien Ge- 
bieten stammendes Wasser und Jodpräparate zu geben. 
Gutzeit (Neidenburg). 





14) MoLennan. An experimental investigation into the func- 
tion of the thymus gland. 
(Glasgow med. journ. 1908. August.) 

An jungen Kaninchen und Kätzchen hat Verf. die Exstirpation 
der Thymus vorgenommen. Die Kaninchen wurden aus einem etwa 
6 Wochen alten Wurf ausgewählt und die übrigen Tiere als Kontroll- 
tiere betrachtet; die Technik des Vorgehens wird genau beschrieben. 

Auffallend war es, wie schnell die Tiere, die den Eingriff über- 
standen hatten, sich erholten; nach wenigen Tagen bereits begannen 
sie außerordentlich stark zu fressen und erwiesen sich in der Folge- 
zeit als weit widerstandsfähiger gegen Krankheiten (Favus, Enteritis, 
Coceidiosis, Tuberkulose), als die Kontrolltiere. 

Entsprechend der gesteigerten Nahrungsaufnahme wurde das Ge- 
wicht viel höher als das der nicht operierten Tiere. 

Bei mikroskopischer Untersuchung wurde an Milz und Knochen- 
mark — über die Zeit seit der Operation wird nichts gesagt — nichts 
Ungewöhnliches gefunden. Die durch vier Mikrophotogramme illu- 
strierten Befunde an den Wachstumszonen der Knochen lassen auf 
besonders lebhaftes Knochenwachstum schließen. 

Bemerkenswert und anscheinend bisher noch nicht bekannt ist 
der Umstand, daß mit der Fortnahme der Thymus ein Kleinerwerden 
der Schilddrüse Hand in Hand geht; das Organ wird relativ zell- 
reicher, es besteht aus drüsigem Gewebe mit sehr wenig Zwischen- 
gewebe (zwei Mikrophotogramme). 

Analog den Ergebnissen von Blumreich und Jakobi konstatierte 
Verf. andererseits ein Verschwinden der Thymus nach Entfernung der 
Schilddrüse. 

Vier Tiere hatten rachitische Erscheinungen; zwei wurden ihrer 
Thymus beraubt, zwei aber nicht; auf die Rachitis wurde ein Einfluß 
dadurch nicht ausgelöst. 

Verf. hat auch drei Kindern wegen Atmungsbehinderung die 
Thymus exstirpiert, stets mit Erfolg. 

49** 


1466 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 


Man darf aber Milz und Thymus nicht zusammen entfernen, das 
hat stets den Tod der Versuchstiere zur Folge gehabt. 

Ist man bei Morbus Basedow genötigt, die Schilddrüse, wenn 
auch partiell, zu entfernen, so rät Verf., erst auf eine eventuell ver- 
größerte Thymus zu fahnden und sie vorher zu beseitigen. 

W. v. Brunn (Rostock). 





15) Polito. Un caso di pleurite essudativa curato con l’emi- 
esotorace (Scarpa). 
(Nuova Revista clinico-terapeutica 1908. XI, 7.) 

Verf. empfiehlt auf Grund eines an der De Renzi’schen Klinik 
beobachteten Falles die von Scarpa 1906 empfohlene mechanische 
Behandlung der exsudativen Pleuritis. Durch einen besonders kon- 
struierten Apparat — den Hemiexothorax — wird die gesunde 
Thoraxhälfte immobilisiert und dadurch die kranke Seite zur Hyper- 
funktion gezwungen, die wiederum ein rascheres Aufsaugen des Ex- 
sudats bedingt. Die Behandlung wurde in 15 Sitzungen von 20 bis 
90 Minuten Dauer vorgenommen und ergab keine besonderen Stö- 
rungen. Während der Behandlung zeigte sich eine vorübergehende 
Blutdruckherabsetzung und Pulsbeschleunigung. 

Der heilende Einfluß der mechanischen Behandlung zeigte sich 
nicht allein in vermehrter Diurese, sondern ließ sich auch bald durch 
Auskultation und Perkussion, sowie noch exakter durch genau wieder- 


gegebene Messungen der respiratorischen Kapazität feststellen. 
Strauss (Nürnberg). 





16) d’Este (Pavia). La chirurgia del pericardio e del cuore. 
(Dissertazione di libera docenza. 499 S., 33 Fig. u. 1 Tafel.) 
Pavia, Marelli, 1907. 

Diese umfangreiche Habilitationsschrift enthält eine umfassende 
und detaillierte Darstellung alles dessen, was in der Literatur über 
die Chirurgie des Herzbeutels enthalten ist. — Eingehend ist die ein- 
schlägige Anatomie behandelt. Verf. hat an 23 Leichen eigene Unter- 
suchungen, besonders über die Topographie der Vasa mammaria in- 
terna und jene des Mediastinum anticum ausgeführt. Er hat gefunden, 
daß die Größe jenes Teiles des Perikardium, der von den Pleurablättern 
nicht bedeckt ist, das Spatium interpleuricum, außerordentlich wechselt 
und oft sehr klein ist, woraus die wechselnde Gefahr der Pleura- 
eröffnung bei Verletzungen und Operationen erhellt. — In einem 
zweiten Kapitel werden die Tierversuche abgehandelt, zu denen Verf. 
ebenfalls persönliche Beiträge über die Technik der Herznaht liefert, 
die zu abschließenden Resultaten noch nicht geführt haben. Das 
dritte und vierte Kapitel enthält Abhandlungen der chirurgischen Er- 
krankungen des Herzbeutels und des Herzens. Hieran schließt sich 
das Kapitel über die Freilegung des Herzens. Verf. gibt im allge- 
meinen dem Vorgehen nach Farina und Wilms den Vorzug, das 
er eingehend an der Leiche studiert hat. — 18 Seiten Literatur- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1467 


verzeichnis und eine 78 Seiten umfassende tabellarische Übersicht aller 
publizierten Fälle von ausgeführter Herznaht beschließen das Buch. 
A. Most (Breslau). 





17) Parlavecchio. Pericardiectomia sperimentale e sue possi- 


bili applicazioni terapeutiche. 
| (Policlinico, sez. chir. 1908. XV, 8.) | 

P. geht davon aus, daß es noch nicht entschieden ist, ob man 
das Perikard beim Menschen ohne besondere Gefahr in großer Aus- 
dehnung resezieren kann. (Die recht ansehnliche Literatur über Cardio- 
lysis scheint dem Verf. entgangen zu sein, da er angibt, daß der 
Delorme’sche Vorschlag keine Anwendung gefunden habe. Ref.) 
Es werden daher zunächst 18 Fälle aus der Literatur angeführt, bei 
denen die Autopsie als Zufallsbefund einen mehr oder minder voll- 
ständigen Defekt des Perikardium ergab, und die fast alle im Leben 
ohne nennenswerte Beschwerden waren. Des weiteren werden die 
experimentellen Untersuchungen Amerio’s referiert, der bei Kanin- 
chen nach der Wegnahme des Perikards niemals besondere Schädi- 
gungen gesehen haben will. Dieser Annahme glaubt P. entgegentreten 
zu müssen, da er bei sieben Versuchen an Hunden nach der Weg- 
nahme des Perikards trotz Heilung per primam Abmagerung und 
Hypertrophie des linken Ventrikels sah. Ausgiebige Resektionen wur- 
den besser vertragen als solche kleineren Umfanges, die oft zu aus- 
gedehnten Verwachsungen Veranlassung gaben. Die Durchtrennung 
des linksseitigen N. phrenicus verursachte keine Störung der Zwerch- 
fellbewegungen. 

Verf. kommt zu dem Schluß, daß die Perikardektomie nur in 
jenen Fällen vorgenommen werden soll, in denen sie eine lebensrettende 
Operation darstellt. Hier kämen in erster Linie Mediastinalgeschwülste 
in Betracht, die auf den Herzbeutel übergreifen; sodann chronische 
- Entzündungen, die trotz Perikardiocentese und -tomie fortbestehen 
und das Leben gefährden. Die hierbei nicht vermeidbare Pleura- 
infektion schätzt P. gering ein, da eine Pleuritis weniger gefährlich 
und leichter zu bekämpfen sei als eine Perikarditis. 

Für die Operation selbst empfiehlt P., einen möglichst breiten 
Zugang zu schaffen, wozu der Rydygier’sche Lappen- oder ein Tür- 
flügelschnitt in Betracht käme. Die Schonung der linken Pleurahöhle 
läßt sich nicht immer durchführen und sei auch für die meisten Fälle 
ohne besonderen Wert. Der N. phrenicus der linken Seite ist nicht 
unbedingt zu erhalten, da die Resektion desselben keine Störung der 
Zwerchfellbewegung bedingt, dagegen muß jede Verletzung des rechts- 
seitigen Phrenicus und der rechtsseitigen Pleurahöhle vermieden werden, 
um Zwerchfellslähmung und doppelseitigen Pneumothorax auszuschalten. 

Strauss (Nürnberg). 


1468 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 


18) Heile (Wiesbaden). Zur Operation und Nachbehandlung 


des Brustkrebses. 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 30.) 

Statt durch Extension bzw. Suspension des Armes der operierten 
Seite nach Leser sucht H. die Beweglichkeit im Schultergelenk 
durch Verpflanzung des Musc. pectoralis minor auf die bloßgelegten 
Achselgefäße und frühzeitige Bewegungsversuche des freigelassenen 
Armes zu erhalten. Nach Entfernung der Brust mit dem Kocher- 
schen Hautschnitt, der vor der vorderen Achselfalte endet, wird der 
Musc. pectoralis minor, sofern nicht, wie stets der Pectoral. major, 
fortgenommen werden mußte, von seinen Rippenansätzen abgelöst — 
unter Erhaltung seiner Insertion am Processus corocoideus —, über 
die bloßgelegten Achselgefäße ausgebreitet und am M. cucullaris 
und serratus angeheftet. Die Hautnahtlinie kommt breit median von 
den Achselgefäßen zu liegen. Der Arm bleibt außerhalb des zirku- 
lären Verbandes, und wird die Pat. schon am nächsten Tage zu Be- 
wegungsversuchen mit ihm angehalten. — Wenn auch der M. pector. 
minor späterhin atrophiert, so verhindert er doch während der Wund- 
heilung eine Verwachsung der Haut mit den Achselgefäßen und das 
Eintreten von Stauungen. Kramer (Glogau). 


Kleinere Mitteilungen. 


19) 80. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Köln 
im September 1908. 


Abteilung für Chirurgie und kombinierte Sitzung der chirurgischen 
und internen Abteilung. 


Berichterstatter: GOEBEL, Köln. 
(Schluß.) 


a. Reerink (Freiburg). Über die Wirkung der Cavaunterbindungen 
auf die Nieren. (Experimentelle Untersuchungen.) 

R. berichtet über die Resultate einer größeren Anzahl von Experimenten an 
Hunden; er konnte eindeutig feststellen: 

1) Unterbindung der Cava inferior unterhalb der Venae renales wird von 
Hunden jeglichen Alters anstandslos vertragen; irgendwelche besondere Erschei- 
nungen treten danach überhaupt nicht auf. 

2) Unterbindung der Cava inferior nebst Unterbindung einer Vena renalis 
bzw. Unterbindung der Cava zwischen den Einmündungsstellen der Venae renales 
(die Einmündungsstellen können bis zu 2 cm Abstand voneinander haben) sind 
ebenfalls gefahrlos; die »gestaute« Niere schwillt fast sofort auf das Doppelte bis 
Dreifache ihres Volumens an, ohne daß es aber histologisch zu schweren Ver- 
änderungen kommt; aber noch bis nach 3 Wochen erhielt sich das Gewicht der 
normalen zur >gestauten« Niere in mehreren Fällen ca. wie 50 g zu 70 g, obne 
daß stärkere Bindegewebsbildung stattgefunden hatte. Wie die Autopsien zeigten, 
nimmt das Blut hauptsächlich seinen Weg durch die sog. Vena abdominalis, die 
außer Muskelästen Zweige zum Nierenfett und zur Nierenkapsel sendet und mehr- 
fache Verbindungen mit der Vena phrenica eingeht. Die Cava ist dabei unterhalb 
der Unterbindungsstelle nicht thrombosiert, es muß also noch eine Art rück- 
läufigen Transportes zwischen der offen gebliebenen Vena renalis und den weiter 
unten abgehenden Asten, insbesondere der Vena abdominalis, stattfinden. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1469 


3) Auch die brüske Unterbindung der Cava inferior oberhalb beider Venae 
renales wird ertragen, wenn man junge Tiere wählt, den Eingriff im leichten 
Atherrausch (ohne Morphium und Chloroform) vornimmt und aseptisch arbeiten 
kann. Altere Tiere überstehen den Eingriff schwer (von acht Hunden nur zwei, 
und zwar männliche Exemplare, während die weiblichen alle starben), und auch 
bei jungen Hunden genügt Infektion der Bauchwunde, um das Resultat in Frage 
zu stellen. Immerhin blieben bei den genannten Kautelen sechs junge Tiere 
nacheinander am Leben; die Cava zeigt sich dann von der Unterbindungsstelle bis 
zur Teilungsstelle der Dliacae thrombosiert; die Venen des Nierenfettes und der 
Nierenkapsel sind noch nach 3 Wochen prall gefüllt. Anastomosen mit der Vena 
abdominalis lassen sich nicht nachweisen, letztere erscheinen im Gegenteil auf 
beiden Seiten fest obliteriert. Stauungserscheinungen an den hinteren Extremi- 
täten fehlten vollständig. Die Nieren selbst sind zu dieser Zeit makroskopisch 
wieder völlig normal und lassen zunächst auch histologisch keine Besonderheiten 
erkennen. — Injektionsversuche am Kadaver nach Unterbindung der Cava sind 
nach R. wertlos, da sie nicht den geringsten Anhaltspunkt geben, welche 
Bahnen bei diesen starken Stauungen im uropoetischen System wirklich benutzt 
werden. — In mehreren histologischen Präparaten macht es den Eindruck, als ob 
die arteriellen Gefäße vergrößert und vermehrt wären; hierüber sind weitere 
Untersuchungen notwendig, besonders nach längerer Dauer der Unterbindung, da 
diese Tatsache der vermehrten arteriellen Blutzufuhr bei den hochgradigsten venösen 
Stauungen imstande wäre, neue Erklärungen für die physiologische Pathologie im 
Nierensystem zu geben. (Selbstbericht.) 


b. Graff (Bonn): Über Massenblutung aus wenig veränderten 
Nieren. 

Die Quelle der Blutung ist leicht festzustellen, die Ursache sehr viel schwerer, 
zuweilen unmöglich, auch nach Freilegung der blutenden Niere. Wenn auch 
kleinere parenchymatöse oder interstitielle Veränderungen mikroskopisch meist vor- 
handen sind, so stehen sie doch nicht im Einklang mit der Stärke der Blutung. 
In wenigen Fällen ergab aber auch die genaueste Durchforschung der exstirpierten 
Niere ein vollkommen gesundes Organ. Der Kernpunkt der noch unaufgeklärten 
Sache liegt darin, ob die Niere wirklich gesund ist, oder ob nicht die Blutungen ein 
Prodromalsymptom einer beginnenden Nephritis sind. Letzteres ist jedenfalls 
häufiger wie ersteres. Nach kurzem Bericht über einen hierhin gehörigen Fall 
bespricht Vortr. die Therapie, die in der operativen Freilegung der Niere und 
Dekapsulation oder besser Nephrotomie zu bestehen hat. Nephrektomie kommt 
nur in Frage, wenn erstere erfolglos geblieben ist. 

(Der Vortrag erscheint in extenso in den »Folia urologica«.) 

(Selbstbericht.) 


c. Krönlein (Zürich. Über Prognose und Therapie der Nieren- 
tumoren. 

K. hat in den Jahren 1885-1908 25 Kranke mit Nierentumoren operiert und 
dabei immer die totale Nephrektomie ausgeführt, mit Ausnahme eines Falles von 
Nierenechinokokkus, bei dem er durch extraperitoneale breite Eröffnung des 
Tumorsackes schnelle Heilung erzielte. Die Operationsmortalität der 25 Fälle be- 
trägt 8%, von 22 Fällen maligner Tumoren 9%. Bei allen Tumoren wurde die 
Diagnose durch den operativen Befund bestätigt, für gewöhnlich aber ist eine 
differential-diagnostische Unterscheidung der verschiedenen bösartigen Nieren- 
geschülste, der Hypernephrome, Karzinome und Sarkome vor der Operation 
nicht möglich. Es gibt Fälle von polycystischem Nierentumor, bei denen die 
Nephrektomie dem Chirurgen zur Pflicht, die Ablehnung der Operation zur Unter- 
lassangssünde werden kann. In einem noch lebenden Falle besteht eine Dauer- 
heilung von 10 Jahren. Auch nach geglückter Operation ist die Prognose schlecht, da 
Rezidive die Regel sind; die Karzinomrezidive treten früher auf als die der anderen 
Geschwülste. Spätrezidive können bei Hypernephromen noch nach 6, sogar noch 
nach 11 Jahren auftreten; gleichwohl sind Dauerheilungen sicher festgestellt. Bei 


1470 Zentralblatt für Chirurgiö. Nr. 49. 


einem noch lebenden Pat. hat Vortr. durch Exstirpation eines Nierenkarzinoms 
eine Dauerheilung von 23 Jahren beobachtet. Wie schon an anderer Stelle, so 
bekennt sich K. auch hier als Freund der Athernarkose, die er für die Nieren- 
chirurgie für die zweckmäßigste hält; nicht zu empfehlen ist in dieser letzten Be- 
ziehung die Lumbalanästhesiee Als Operationsmethode für die Exstirpation von 
Nierentumoren hat sich K. der retro- oder paraperitoneale Flankenschnitt am 
meisten bewährt. Das Gr&ögoire’sche Radikalverfahren der Exstirpation bös- 
artiger Nierengeschwülste ist zu verwerfen. (Selbstbericht.) 


Diskussion Riedel (Jena) empfiehlt den transperitonealen Schnitt. 
Goebel (Köln). 


d. G.A. Wollenberg: Die Ursache der Arthritis deformans im 
Lichte des Experimenten. 

W. hat auf Grund ven Literaturstudien, von knktomischeh Untersuchungen 
und von klinischen Beobachtungen die Überzeugung gewonnen, daß sämtliche Vor- 
gänge, welche in den ein Gelenk versorgenden Blutgefäßen eine länger dauernde 
Behinderung der arteriellen Zirkulation, eine Stauung im venösen Kreislaufe 
hervorrufen, zur Entstehung der Arthritis deformans die Veranlassung geben 
können. Von dieser Voraussetzung ausgehend, hat W. versucht, durch zeitweise 
Abschneidung der Ernährung an einem an der Bildung eines Gelenkes teilnehmen- 
den Skeletstück Arthritis deformans experimentell beim Tiere zu erzeugen. Zu 
diesem Zwecke wurde bei Hunden die bloßgelegte Patella durch die Gelenkkapsel 
fassende Knopfnähte umnäht. Nach !/s Jahre hatte sich, wie das Röntgenbild und 
die histologische Untersuchung zeigt, eine überaus hochgradige Arthritis deformans 
der Patella mit mächtigen Knochenwucherungen in die Quadricepssehne hinein 
eingestellt. (Demonstration von Röntgenbildern und Mikrophotogrammen.) — Die 
Versuche wurden weiter in mannigfacher Weise variiert. W. verspricht sich von 
denselben nicht nur eine Klärung der Atiologie, sondern auch manchen wichtigen 
Aufschluß in noch strittigen anatomischen Fragen. (Selbstbericht.) 


Diskussion: Müller (Rostock) betont, daß unzweifelhaft in der Störung 
des Gelenkmechanismus ein prädisponierendes Moment für die Entstehung der 
Arthritis deformans liege, deren Atiologie im übrigen noch so viele Rätsel berge. 

Preiser (Hamburg) hebt die schon an anderer Stelle betonte Bedeutung der 
statischen Veränderungen im Skeletsystem für die Atiologie der Arthritis defor- 
mans nochmals hervor. Die Berechtigung seiner Anschauungen wird ihm durch 
die Wirksamkeit der Therapie bestätigt. Goebel (Köln). 


e. Preiser (Hamburg): Über pathologische Gelenkflächeninkon- 
gruenz als Ursache von Arthritis deformans. 

P. macht auf eine pathologische Gelenkflächeninkongruenz aufmerksam, die in 
der Ätiologie der Arthritis deformans die Hauptrolle zu spielen scheint und die er 
einteilt in eine anatomische und funktionell-habituelle Art. An der Hüfte z.B. 
kann durch primäre Variation der Pfannenstellung dauernd ein Teil der Schenkel- 
kopfknorpelfläche außer Artikulation gesetzt und so durch Atrophie der unbenutzten 
Knorpelfläche eine Arthritis deformans eingeleitet werden. An der Hand von 
Lichtbildern geht P. auf die verschiedenen Entstehungsarten und - möglichkeiten 
des Malum coxae senile ein. — Auch am Knie kann es durch statische Störungen, 
wie Plattfüße, Genu valga usw. zu einer pathologischen Gelenkflächeninkonrgruenz 
kommen, indem dann im Röntgenbild der laterale Tibiakondylusschatten teilweise 
frei unter dem Femurschatten hervorragt und so atrophieren und zur Arthritis 
deformans führen kann. — Am Ellbogen entsteht ein teilweises Hervorragen des 
Radiusköpfchens, ganz ähnlich wie am Knie bei der Tibia. P. zeigt auch hier 
Röntgenbilder von Gelenkinkongruenz und daraufhin eingetretene Arthritis defor- 
mans. — Auch an der Schulter ist der Gelenkinkongruenz als Ursache der Ar- 
thritis deformans der Hauptanteil einzuräumen; auch an der Symphysis sacro-iliaca 
und am ersten Metatarsophalangealgelenk. Bei letzterem kann man oft eine Art 
Spornbildung beobachten, die sich aber durch Leichenuntersuchungen als osteo- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1471 


phytäre Knochenbildung nachweisen ließ infolge Arthritis deformans. Man wird 
deshalb mehr wie bisher auf pathologische Gelenkflächeninkongruenz zu achen haben. 
(Selbstbericht.) 


f. W. Müller (Rostock): Operative Behandlung der Arthritis de- 
formans. 

Obgleich wohl die Mehrzahl der Chirurgen eigene Erfahrungen über Operationen 
bei Arthritis deformans zu sammeln in der Lage war, ist die in der Literatur 
niedergelegte Kasuistik relativ klein. Vortr. hat Beobachtungen an 106 Fällen 
klinisch behandelter Arthritis deformans gesammelt. In 27 Fällen erschien operative 
Behandlung angezeigt, die übrigen wurden konservativ-symptomatisch, viele mit 
Injektionen behandelt (Öl). In 18 Fällen wurde reseziert (meist Hüftgelenk), neun- 
mal wurde Arthrektomie bzw. Arthrotomie gemacht. Im ganzen war ja der Er- 
folg hinsichtlich des Verschwindens der subjektiven Symptome, des Schmerzes nach 
fast all diesen Operationen ein guter, die funktionellen Resultate ebenfalls gute. Was 
die Frage der Rezidive betrifft, so wird ziemlich allgemein berichtet, daß solche nicht 
eintreten. Vortr. hat aber 10 Jahre nach einer Arthrektomie mit anfänglich sehr gutem 
Erfolg einschweres Rezidiv (Kniegelenk) beobachtet. Er regt an, gerade die Rezidivfrage 
aufs neue zu prüfen, zumal über gar manche Fälle das Dauerresultst nicht bekannt 
geworden ist. Die sichersten Erfolge ergibt die künstliche Versteifung schwer er- 
krankter Gelenke (Knieresektion); aber die Tatsache, daß auch recht ungründliche 
Operationen nicht selten günstigen Erfolg hatten, ist ohne weiteres nicht recht 
verständlich. Vortr. glaubt, daß durch genauere Untersuchungen der früher Ope- 
rierten vielleicht auch Anhaltspunkte für die noch immer dunkle Atiologie des 
Leidens sich ergeben können, daß letzteres mehr ein sekundärer Vorgang ist, der 
wie zum Trauma, so zu jeder Form der Gelenkentzündung und zu älteren Defor- 
mationen sich hinzugesellen kann; das wird auch von neueren Autoren mehr und 
mehr angenommen (Hoffa-Wollenberg). Es sind nach Ansicht des Vortr. 
keineswegs bloß die weit vorgeschrittenen Fälle, welche wegen der starken Be- 
schwerden zur Operation Anlaß geben, vielmehr stehen die Veränderungen im 
Gelenk öfter im Mißverhältnis zu den subjektiven Beschwerden: Sehr schwere 
Veränderungen, multiple Gelenkmäuse, und keine Beschwerden, ein andermal nur 
geringe Abschleifung, keine Kapselverdickung und sehr heftige Schmerzen. Da 
wir noch weit davon entfernt sind, bestimmte Indikationen für die operative Be- 
handlung der Arthritis deformans zu fixieren, so möchte Vortr. auffordern, die 
Frage an der Hand weiterer Kasuistik aufs neue zu prüfen. (Selbstbericht.) 


g. Marwedel (Aachen): Chirurgische Behandlung von Lähmungen des 
Oberarmes. 

Vortr. hat vor 5 bzw. 4 Jahren dreimal chirurgische Eingriffe am Plexus 
cervicalis vorgenommen zur Beseitigung von Oberarmlähmungen. Im ersten Falle 
(Narbenexzision und Neurolyse des Plexus nach Geburtslähmung) völlige Heilung. 
Im zweiten Falle (einer poliomyelitischen Lähmung) wurde aus dem achten Cervi- 
calnerv ein Streifen abgespalten und absteigend in den fünften und sechsten Cervical- 
nerv eingepflanzt: nach 2 Jahren sehr bedeutende, zum Teil vollkommene Wieder- 
herstellung der Oberarmlähmung ; dagegen blieb partielle Lähmung der Hand 
(Radialis) zurück, die durch Nachoperationen zum Teil korrigiert wurde. Ein 
dritter Pat. starb leider 3 Monate nach seiner geheilten Operationswunde an 
Pneumonie. — Vortr. faßt die bisherigen Ergebnisse der Operationen am Plexus 
zusammen und empfiehlt das bisher nur wenig bearbeitete Gebiet allgemeinerem 
Studium und Interesse. (Selbstbericht.) 


Diskussion: Bardenheuer (Köln) hat 2 Fälle von Lähmungen im Gebiete 
des Plexus cervicalis mit sehr gutem Erfolg operiert und verweist auf seine 
demnächst in der Deutschen Zeitschrift für Chirurgie über das Thema erscheinende 
Arbeit. Die Lähmungen entstehen nach Frakturen und Oberarmluxation, und oft 
sind es sogar viel leichtere Verletzungen, die in ihren Folgeerscheinungen zu Nerven- 
degenerationen führen. Wenn nach anfänglicher Steigerung der galvanischen Tir- 
regbarkeit ein Schwinden der Erregbarkeit zu beobachten ist, wenn Muskelatrop!'' 


1472 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 


eintreten, dann heißt es operieren! Wir waren bisher auf diesem Gebiete viel zu 
konservativ. Der operativ behandelte Nerv wird unter viel günstigere Heilungs- 
bedingungen gestellt. Bei der Operation werden Blut und Gewebsfetzen entfernt 
und so eine Narbenbildung verhindert, die den gerissenen Nervenfibrillen große 
Hindernisse bei ihrer Wiedervereinigung entgegensetzen; die gerissenen Nerven- 
enden können exzidiert und damit glatte Verhältnisse geschaffen werden. Die Zer- 
reißung der Blut- und Lympbgefäße innerhalb der in seiner Kontinuität noch 
nicht zerrissenen Nerven kann zu Entzündungserscheinungen und sekundär zu 
degenerativen Vorgängen im Nerven führen. Aus allen diesen Gründen soll man 
mit dem operativen Eingriff nicht zögern. Goebel (Köln). 


h. ErnstMayer (Köln). ZurBehandlungschwerer Kinderlähmungen 
(mit Demonstrationen). 

Vortr. bespricht die verschiedenen Behandlungsmethoden bei Lähmungen und 
glaubt, daß man auch in den schwersten Fällen mit Sehnenüberpflanzungen, event. 
mit Arthrodese einzelner Gelenke verbunden, ein Resultat erzielen kann. Wichtig 
dabei ist, bei Kontrakturen eine Redression der Deformität — wenn nötig in einer 
besonderen Sitzung — vorzunehmen. Ebenso ist eine nachlässig oder falsch durch- 
geführte Nachbehandlung häufig schuld an einem Mißerfolg. Vortr. eah z. B., wie 
Masseure Kniegelenke, die mit großer Sorgfalt durch eine Quadricepsplastik 
tendinös fixiert waren, mit Gewalt zu beugen versuchten. Die Überpflanzung 
wird meist von Sehne auf Sehne ohne Verlängerung durch Seidenfäden vorge- 
nommen. 

Zur. Demonstration gelangten 4 Pat., die durch Sehnenüberpflanzung wieder 
gehfähig gemacht worden waren, darunter ein 5i/sjähriger imbeziller Knabe mit 
spastischer Lähmung und ein 30jähriger Mann mit spinaler Lähmung, der bis zu 
seinem 27. Lebensjahre auf den Knien gerutscht war. (Selbstbericht.) 


i. Zur Verth (Berlin): Zur Mechanik und Diagnose der schnappen- 
den Hüfte. 

Die schnappende Hüfte entsteht durch das Gleiten eines sehr starken Ver- 
stärkungsstreifens der Fascia lata über den Trochanter major. Dieser Verstärkungs- 
streifen, den Redner mit dem Namen Tractus cristo-femoralis belegt, kommt 
oben von der Crista ossis ilei, geht nach unten zum Teil mit der Sehne des 
Glutaeus maximus an den Trochanter tertius, zum Teil in den Maissiat’schen 
Streifen — Tractus ilio-tibialis — über. An ihm inserieren von hinten die Fasern 
des Gluteus maximus. 

Jeder,der es versteht, seine Muskeln einzeln oder gruppenweise 
zu kontrahieren und zu erschlaffen, ist in der Lage, das Phänomen 
der schnappenden Hüfte zu erzeugen. Den Mechanismus teilt Redner in 
eine vorbereitende und ausführende Phase. Zur Vorbereitung wird das Bein, das 
schnappen soll, zum Standbein gemacht und die gegenüberliegende Seite gesenkt. 
Beide Bewegungen spannen den Tractus cristo-femoralis an. Zur Ausführung wird das 
Becken im Hüftgelenk gegen den Oberschenkel des Beines, das schnappen soll, 
etwas gebeugt und das Becken im Sinne der Verschiebung der Front nach der 
der schnappenden Hüfte entgegengesetzten Seite rotiert. Ist der Glutaeus maxi- 
mus völlig erschlafft, so tritt in diesem Moment das Schnappen ein. Zur Rückkehr 
in die Ausgangsstellung wird nur der Glutaeus maximus kontrahiert. Er treibt 
vor allem den Trochanter major mechanisch unter den Tractus cristo-femoralis 
hindurch in seine Ausgangsstellung zurück. 

Die Diagnose willkürliche Luxation ist nur erlaubt bei Nachweis des Kopfes 
des Hüftbeines außerhalb der Pfanne. (Selbstbericht.) 


k. Bade (Hannover): Demonstration vonelf unblutig behandelten, 
unter schwierigen Umständen zur Heilung gebrachten kongenitalen 
Hüftverrenkungen. 


‚1 Zwei doppelseitige Fälle, kompliziert mit doppelseitiger Coxa vara. Ein- 
zeitig behandelt. Heilung seit 3 Jahren. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1473 


2) Ein doppelseitiger, kompliziert mit doppelseitiger Coxa valga. Zweizeitig 
behandelt. Heilung seit 21/, Jehren. 

3) Drei einseitige, vorher anderwärts erfolglos behandelt, kompliziert durch 
hochgradige Anteversion. Heilung seit 6, 3 und 5 Jahren. 

4) Eine einseitige, 15 Jahre alt. Anatomische und funktionelle Heilung, obwohl 
die Reposition im 13. Jahre stattfand. 

5) Drei einseitige. Trotz hochgradiger Anteversion und sehr schlechter pri- 
märer Stabilität Heilung seit 4, 3 und 2 Jahren. 

6) Ein einseitiger Fall mit Fehlen des knöchernen Kopfes, der sich nachträglich 
im ersten Jahre der Behandlung als unregelmäßiger Knochenkern bildete und jetzt, 
3 Jahre nach der Reposition, als aus drei einzelnen Knochenkernen bestehend 
kenntlich ist. 

In allen Fällen ist das funktionelle Resultat ein sehr gutes, in allen Fällen 
besteht konzentrische Einstellung der Köpfe. B. demonstriert die Fälle, um zu 
zeigen, daß es nicht berechtigt ist, wie kürzlich Deutschländer und Witzel 
verlangten, eine breitere Indikation für die blutige Einrenkung zu stellen. Erst 
dann, wenn eine blutige Behandlung für die bis jetzt unblutig irreponiblen Fälle 
bessere Prognose böte, sei es erlaubt, sie heranzuziehen. Das Mißlingen der un- 
blutigen Behandlung sei bei jugendlichen Fällen, d. h. einseitigen Fällen bis zum 7., 
doppelseitigen bis zum 5. Jahre, in der Regel auf nicht genügende Technik zurück- 
zuführen, nicht aber auf die anatomischen Verhältnisse. (Selbstbericht.) 


l. Finsterer (Graz) berichtet über einen operativ behandelten Fall von kon- 
genitaler permanenter Patellarluxation aus der Klinik Prof. v. Hacker’s 
in Graz, bei dem durch schiefe lineare Osteotomie von hinten unten nach vorn 
oben nach erfolgter Korrektur des Genu valgum eine dauernde Reposition erzielt 
wurde, und schildert eingehend die Vorteile dieser Art der Osteotomie gegenüber 
den bei den sechs Fällen von operierter permanenter Patellarluxation angewandten 
Methoden. (Selbstbericht.) 

Diskussion. E. Hoffmann (Düsseldorf) demonstriert unter Mitteilung der 
genaueren Technik einen 10jährigen Jungen mit operativ geheilter angeborener 
Patellarluxation. 


m. Finsterer {Graz) bespricht an der Hand von vier Beobachtungen und 
13 Fällen der Literatur den Entstehungsmechanismus und das klinische Bild der 
sehr seltenen isolierten Fraktur des Os lunatum und verweist ganz be- 
sonders auf zwei bisher wenig beachtete Symptome: Verkürzung des Abstandes 
des Köpfchens des III. Metacarpus von der Gelenkfläche des Radius, gesteigerte 
Schmerzhaftigkeit beim Einwirken einer Gewalt in der Längsachse des Metacarpus, 
durch welche die Stellung einer Wahrscheinlichkeitsdiagnose ermöglicht wird. 
Die Prognose ist bezüglich der Gelenksfunktion ernst; therapeutisch kann die Ex- 
stirpation des zertrümmerten Os lunatum zur Verhütung einer sekundären Arthritis 
deformans in Betracht kommen, die in einem Falle mit Erfolg ausgeführt wor- 
den war. (Selbstbericht.) 


n. Kuhn (Kassel): Improvisation stärkster Extensionen zur Behand- 
lung von Frakturen usw. in der Praxis bei geringer Assistenz (mit 
Lichtbildern). 

Redner demonstriert an der Hand zahlreicher Lichtbilder zunächst seine Im- 
provisationsapparate und zeigt an vielen Beispielen, wie er mit seinen fünf Stamm- 
teilen (Stange, Rolle, Öse, Klammer und Schräubchen) alle Aufgaben der Geräte- 
behandlung in der Chirurgie und Orthopädie, in der Krankenbeförderung und der 
Krankenpflege löst. Tragapparate und Suspensionsgeräte, Extensionsmaschinen 
und Lagerungsapparate sieht man in bunter Reihe mit kleiner Mühe aus einfachen 
Urstücken ohne Mechaniker vor den Augen erstehen. 

Insbesondere verbreitet sich Redner über die Verwendung dieser seiner Geräte 
zu Kraftzwecken und erörtert ein Verfahren improvisierter forcierter Extension 
mittels derselben zu Zwecken der Lagekorrektur von Frakturen oder Anlegung 
von Gipsverbänden. Das Verfahren setzt jeden Arzt auch bei beschränkter Hilfe 


1474 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 


und beschränkten Mitteln in die Lage, allen einschlägigen Aufgaben vollkommen 
gewachsen zu sein. 

Vor den Augen des Beschauers baut Redner ohne Mechaniker aus seinen 
primitiven Urelementen (einigen Osen und einigen Stangen) eine Winde auf, 
welche Pferdekräfte zu leisten vermag. 

Die Befestigung der Zugseile am Körper des Pat. geschieht mittels Schnüren, 
die über Filz laufen und mit eingegipst werden. Nach Erhärten des Verbandes 
werden sie durch weiteres Drehen der Winde entfernt. (Selbstbericht.) 


. 0. Strauss (Barmen) demonstriert eine für die Saugbehandlung nach Prof. 
Bier dienstbar gemachte Wasserstrahlluftpumpe. Diese stellt eine einfache und 
billige, von jedem Arzt ausnutzbare Energiequelle dar. Sie läßt sich ohne jede 
weitere Vorrichtung an jedem Wasserhahn anbringen. Das Instrument besteht 
aus einem durch eine Düse verengtem Rohr mit seitlichem Ansatz. Verbindet 
man den seitlichen Ansatz durch einen Gummischlauch mit einer Glasglocke, so 
kann man mit diesem einfachen Apparat unter Umgehung von Gummibällen und 
Saugpumpen die Stauungsbehandiung nach Bier in bequemer Weise ausüben. 
Der Arzt ist nicht mehr auf den lästigen Handbetrieb angewiesen, sondern er 
reguliert mit seinem Wasserhahn in exakter Weise den Grad der Luftverdünnung. 
Die Wirkung läßt sich mit diesem Instrument gleichmäßiger und auch kräftiger 
als mit anderen Pumpen gestalten. Der Apparat kann auch für Ansaugung von 
Flüssigkeiten aus Körperhöhlen und zur Aufsaugung von Staub in Kranken- und 
Operationssälen Verwendung finden. 


Bezugsquelle: Emil Jansen, Barmen, Wertherstraße.. (Selbstbericht.) 


p. Strauss (Barmen) beschreibt ein neues Dosimeter für die Röntgentherapie. 
Das Dosimeter ist ein offenes photographisches.. Neben der zu bestrahlenden 
Stelle werden gelbe mit Asbest unterlegte Zelluloidküvetten befestigt. Die Be- 
festigung geschieht mit Kartonhaltern, die mit Leukoplast auf die Haut geheftet 
werden und stets nur einmal gebraucht werden. Die Belichtung des Streifens, der 
in die mit einer Entwicklerlösung gefüllte Küvette geschoben wird, vollzieht sich 
unter den Augen des Arztes und unter Wirkung des Röntgenlichtes selbst. Das 
Reagenspapier macht eine Farbenskala durch. Hat man die gewünschte Dose erreicht, 
so zieht man den Streifen aus der Küvette, fixiert ihn und stellt an einer Standard- 
skala die gegebene Dose fest. Die Streifen lassen sich dauernd aufbewahren. Bei 
diesem Dosimeter entfällt die umständliche Entwicklung in der Dunkelkammer, 
die beim Kienböck’schen Verfahren nötig ist. Es schaltet die Fehlerquellen 
dieses Verfahrens aus und gestatttet die sofortige objektive Ablesung der gege- 
benen Dosen. Auch die Tiefendosen können mit Küvetten, die mit einer Alumi- 
niumskala bedeckt sind, sofort abgelesen werden. Das Verfahren ist äußerst ein- 
fach und nicht mit nennenswerten Kosten verbunden. Das Instrumentarium wird 
von der Firma Reiniger, Gebbert & Schall in Erlangen hergestellt. 


(Selbstbericht.) 


20) H. Ziegner. Welche Vorzüge hat die Narkose bei verkleinertem 
Kreislauf und wie wirkt die von Klapp proponierte Autotransfusion ? 
(Med. Klinik 1908. p. 1577.) 


Nach günstig ausgefallenen Kaninchen- und Affenversuchen hat Z. die Klapp- 
schen Abschnürungen auch an zu narkotisierenden Menschen vorgenommen, die 
meist an Wurmfortsatzentzündung litten. Das Verfahren gestattet, an Chloroform 
zu sparen. Die Kranken erwachten auffallend schnell aus der Betäubung, sobald 
die Binden gelöst waren, klagten über erhöhten Wundschmerz, blieben aber von 
allen weiteren üblen Nachwirkungen der Betäubung völlig verschont; insbesondere 
trat niemals Erbrechen auf. Einmal bestanden bis zum 4. Tage Parästhesien ; 
dauernde Schädlichkeiten verursachte die Gummibinde niemals. 


Georg Schmidt (Berlin). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1475 


21) A. N. Mindlin. Zur Frage von der Athernarkose auf Grund 
von 1700 Beobachtungen. 
(Russki Wratsch 1908. Nr. 33.) 

Die Beobachtungen betreffen das Material der Klinik von Tiling seit 1894. 
Ausführung der Narkose: jede halbe Minute werden 5 ccm aufgegossen, wobei darauf 
geachtet wird, daß Pat. möglichst wenig ohne Maske bleibt. Kinder bekommen die 
Hälfte. Nach Eintritt der Narkose wurde durchschnittlich nur 1,5—2,0 pro Mi- 
nute verbraucht. Das Bewußtsein schwand nach 2—3 Minuten, die Anästhesie 
begann nach 5—6 Minuten. Komplikationen: vorübergehende " Asphyxie 2mal, 
Erbrechen während der Narkose in 19,5%, nachher in 15%. Unvollständige Nar- 
kose Imal, Pneumonie 1mal. Schlußfolgerungen: Die Athernarkose ist in jedem 
Alter verwendbar (außer bei Kindern: in der Zahnungsperiode und bei Affektionen 
der Atmungsorgane. Dem Chloroform wird Vorzug gegeben nur bei akuter 
Rhinitis, akuter und chronischer Bronchitis, bei stark ausgeprägter Lungentuber- 
kulose, endlich bei großen Kröpfen und anderen die Luftröhre zusammenpressenden 
Geschwülsten. — Die Athernarkose übertrifft an Gefahrlosigkeit das Chloroform 
bei weitem. E. Gückel (Spassk, Rjasan). 


22) Burgsdorf. De la transmission hereditaire de la syphilis & la 
troisième génération (kératite interstitielle comme symptome de la 
syphilis héréditaire à la troisième génération). 

(Ann. de dermat. et de syph. 1908. p. 18.) 

Bei einem 5i/a Jahre alten Mädchen bestand eine mehr als 2 Jahre alte Ke- 
ratitis parenchymatosa. Pat. war sehr klein und schwach entwickelt und zeigte 
von sonstigen verdächtigen Erscheinungen eine säbelscheidenartige Veränderung 
der rechten Tibia. Durch eine Einreibungskur wurde sowohl die Keratitis geheilt, 
wie auch das Allgemeinbefinden in kurzer Zeit wesentlich gebessert. Verf. stellte 
fest, daß der Vater des Kindes offenbar an einer bereditären Lues gelitten hatte 
und deshalb von Kindheit an in Behandlung gewesen war. 

Klingmüller (Kiel). 


23) Carle. Notes sur l'influence comparée des générateurs dans l’heredo- 
syphilis. 
n de dermat. et de syph. 1908. p. 93.) 

Verf. teilt drei Fälle mit, wo Männer kurz nach der Infektion gesunde Kinder 
zeugten und ihre Frauen nicht ansteckten. Die lesenswerten Mitteilungen bringen 
manches Interessante. Verf. schließt sich der allgemeinen Ansicht an, daß die 
Syphilis der Väter weniger gefährlich sei für die Nachkommenschaft als die der 
Mütter. Klingmiller (Kiel). 


24) Hamel. Traitement des syphilides par les injections mercurielles 
locales. 
(Ann. de dermatol. et de syph. 1908. p. 280.) 

Verf. berichtet über günstige Erfahrungen mit Einspritzungen von löslichen 
Hg-Salzen (Hg. cyanat. 1:2000) unter die syphilitischen Herde. Diese örtliche Be- 
handlung empfiehlt Verf. besonders für ulzeröse Prozesse. Sie soll die allgemeine 
Behandlung nicht ersetzen, sondern unterstützen. Klingmüller (Kiel). 


25) B. K. Finkelstein. Ein Fall von operativer Heilung der Arach- 
noitis adhaesiva cerebralis. 
(Russki Wratsch 1908. Nr. 37.) 
26jährigəe Frau, IVpara, seit 7 Jahren starke Kopfschmerzen: Jodkali ohne 
Erfolg. Die letzten 5 Monate bedeutend schlechter: Erbrechen, seit 2 Monaten 
täglich; seit 6 Wochen Lähmung des linken Facialis; Gehen unmöglich. Parese 


1476 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 


des linken Abducens; Stauungspapille beiderseits, Visus links ?/g, rechts 0,3. Gehör 
links sehr herabgesetzt. Rachenschleimhaut auf Reiz reflexlos.. Geschmacks- 
empfindung fehlt. Linke Extremitäten paretisch. Diagnose: Geschwulst in der 
linken hinteren Gehirngrube. 18. März 1907 Operation. Hautmuskellappen mit 
unterer Basis; aus dem Knochen wird ein 4Xö5öcm großes Stück ganz entfernt; 
Lappenbildung aus der Dura. Nach Emporheben des Kleinhirns nach oben innen 
findet man eine Cyste im Kleinhirnbrückenwinkel, die bald platzte, und etwa 100 g 
blutig-seröse Flüssigkeit entleerte. Die kontrahierte Cystenwand erschien als 
schmaler dünner Streifen eines losen, spongiösen Gewebes. Mit dem Finger konnte 
man anstandslos die hintere Fläche der Pyramide abtasten. Tampon unter die 
Kleinbirnhemisphäre, Duralappen nicht genäht, Naht des Hautmuskellappens. Blutung 
sehrgering. Operationsdauer 40 Minuten, Chloroformverbrauch8g. Nach 2 Tagen hörte 
das Erbrechen auf, doch begann eine Ophthalmie am linken Auge mit Geschwürs- 
bildung an der Hornhaut. Die Facialislähmung ging nach und nach zurück. Nach 
31/2 Wochen hörte die Absonderung von Zerebrospinalflüssigkeit auf, und konnte 
Pat. wieder gehen. 1 Monat naclı der Operation war V. rechts 0,5. Die Ge- 
schmacksempfindung kehrte wieder, auch das Gehör links wird besser. Status 
1 Jahr nach der Operation; V. rechts 0.6, links 3/.,; das Hornhautgeschwür ging 
1 Monat nach der Operation schon in Heilung über. Keine Kopfschmerzen, kein 
Schwindel. Pat. kann arbeiten und frei gehen, doch ist das linke Bein schwächer 
als das andere. Cornea reagiert auf Berührung. Gefühl in der Region des I. und 
II. Trigeminusastes links etwas schwächer als rechts. Geschmack normal. Pat. hat 
vor 3 Monaten normal geboren. In der ÖOperationsgegend eine kindsfaustgroße 
Hernie, die Pat. nicht beunruhigt. Gückel (Spassk, Rjasan!. 


26) Groves. A case of severe trigeminal neuralgia successfully trated 
by excision of the Gasserian ganglion. 
(Bristol med.-chir. journ. 1908. September.) 


40jährige Pat. mit seit 5 Jahren bestehender schwerer Trigeminusneuralgie. 
Die Operation begann mit Freilegung und temporärer Unterbindung der A. carotis 
communis; trotzdem war nach Bildung des Schläfenlappens und Eröffnung der 
Dura die Blutung so erheblich, daß mit einem Saugapparat ähnlich dem Cath- 
cart’schen Irrigator andauernd das Blut aus der Schädelhöhle entfernt werden mußte. 
Der einzige Vorteil der vorhergehenden Carotisunterbindung war der, daß die A. 
meningea media ohne Blutung durchtrennt werden konnte. Durchtrennung des 
2. und 3. Astes des N. trigeminus. Beim Versuch, das Ganglion selbst auszu- 
lösen, erfolgte eine derartig heftige Blutung, daß die Wunde tamponiert, die 
Carotis definitiv unterbunden und die Operation abgebrochen werden mußte. Pat 
war 71/, Stunden lang bewußtlos. 5 Tage später zweite Operation, bei der die 
Entfernung des Ganglions leicht und ohne Blutung durchgeführt werden konnte. 
Glatte Heilung. 1 Jahr später bestand noch Anästhesie der rechten Wangen-, 
Lippen-, Gaumen- und Zungenhälfte, die Empfindlichkeit der Hornhaut war nur 
vermindert. Die histologische Untersuchung des Ganglion ergab keine patho- 
logischen Veränderungen. Mohr (Bielefeld). 


27) M. P. Redard. De l’electrolyse dans le traitement des angiomes 
et particulierement des angiomes de la region parotidienne. 
(Presse med. 1908. Nr. 19.) 


Verf., der schon wiederholt über dieses Thema berichtet hat, rühmt aufs neue 
die schnelle Wirksamkeit, Unschädlichkeit und einfache Technik. Ein großes 
Angiom der Parotisgegend bei einem 11 Monate alten Kinde wurde durch fünf 
elektrolytische Sitzungen in einigen Monaten geheilt. In gleicher Weise wurden 
große Angiome des Gesichts, der Zunge, der Augenlider, der Orbita schnell, 
dauernd und ohne den geringsten Zwischenfall geheilt. Bei sechs Angiomen der 
Parotisgegend wurde niemals der N. facialis verletzt. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1477 


Als negative Elektrode wird eine der Körperform möglichst angepaßte, mit 
Leder überzogene Metallplatte von Ring-, Halbmond- oder anderer Form benutzt, 
während der positive Pol durch eine oder mehrere feine Nadeln von Platin oder 
Gold gebildet wird. Narkose ist oft nützlich, Lokalanästhesie ist nicht brauchbar. 
Beide Pole sollen, um möglichst lokale Wirkung zu erzielen, einander tunlichst 
genähert werden. Die Nadeln sticht man anfangs am besten in der Peripherie der 
Geschwulst ein, um die zuführenden Gefäße zu veröden. Den Strom läßt man bei 
einer Nadeln mit 10—40 Milliamperes, bei mehreren Nadeln mit 30-60 Milliam- 
peres 3—4 Minuten lang wirken. 

Die Sitzungen sollen in Pausen von 14 Tagen bis zu 1 Monat wiederholt wer- 
den, je nach dem Fortschreiten der Rückbildung. 

Wenn die Haut mit ergrifien ist, macht man am Schluß multiple oberfläch- 
liche Stichelungen mit negativer Nadel bei 10—12 Milliamp£res Strom. 

Zwei Abbildungen. Fehre (Freiberg). 


28) Allen. Injuries of the spinal cord. 
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. Nr. 12.) 


Bericht über 9 Fälle von Verletzung des Rückenmarkes; in 6 Fällen handelte 
es sich um Wirbelbrüche mit Dislokation, einmal um Kugelschuß, einmal um eine 
Wirbelverrenkung, die sich spontan reponiert hatte, einmal um eine Quetschung 
des Rückenmarkes obne jede Schädigung der Wirbelsäule. 

Ausschließlich liegen Fälle vor, die tödlich endigten und obduziert wurden. 
Verf. beschreibt in jedem Fall auch genau die mikroskopischen Veränderungen am 
Rückenmark. 

In 3 Fällen war versucht worden, operativ Besserung herbeizuführen. 

Bei einem Pat., dem durch einen Fall der Körper des 6. Halswirbels sowie 
die Laminae des 5. und 7. Halswirbels zerbrochen worden waren, der aber noch 
1 Stunde weit mit Unterstützung hatte gehen können, bot das Rückenmark das 
Bild der Hämatomyelie. 

Von Interesse ist auch Fall 8, der einen jungen Studenten betrifft. Beim 
Ringen hatte er plötzlich das Gefühl, als ob etwas in ihm zerbrochen wäre; er 
hatte die Symptome der Querschnittsläsion des Rückenmarkes. Nach 14 Tagen 
starb er. Die Obduktion ergab, daß der 7. Halswirbel luxiert gewesen war und 
sich spontan reponiert hatte.. Das Rückenmark war an dieser Stelle stark ge- 
quetscht. 

Endlich ist noch zu erwähnen ein Pat., der 8 Fuß hoch herabgefallen war, 
und zwar aufs Gesicht. Es bestand sofort Lähmung von Blase und Mastdarm, 
unvollständige Lähmung der unteren Extremitäten. Die Lähmungen nahmen zu, 
am 38. Tage starb Pat. Die Wirbelsäule war unversehrt. Aber erstens bestand 
traumatische Myelitis, Degeneration der Nervenzellenkörper und Nervenfasern, 
Rundzelleninfiltration der Neuroglia, Dilatation der Gefäße, miliare Blutungen; 
außerdem Degenerationsprozesse in den Zellkörpern des Vorderhorns, am stärksten 
im Bereiche des 8. Cervicalsegments. 

Sechs Abbildungen. W. v. Bruun Rostock). 


29) E. Forster. Über Verletzungen der Wirbelsäule und des Rücken- 
markes durch kleinkalibrige Geschosse. 


(Beilage zum 21. Jahresbericht über die kantonale Krankenanstalt in Aarau 
[Chefarzt Bircher).) 


1) 4öjähriger Arbeiter schießt sich mit 5mm-Revolver in den Mund; Schuß- 
öffnung in der hinteren Rachenwand. Bewegungen der Halswirbelsäule einge- 
schränkt, namentlich Drehung. Nach einigen Tagen Meningitis, profuse Blutung 
und Tod durch Erstickung. Die Obduktion ergab: das Geschoß ist zwischen Atlas 
und Hinterhaupt hindurchgegangen, hatte ein Stück Atlasbogen herausgeschlagen 
und die „Dura eröffnet; Rückenmark unverletzt; Quelle der Blutung nicht zu 
finden. Infektion vielleicht durch Sondierung. 


1478 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 


2) 15jähriger Schüler erhält aus einer Flobertpistole einen Schuß in den 
Nacken, in Höhe des vierten Halswirbels. Zunächst Ohnmacht, teilweise Lähmung 
der linken Schultermuskulatur, linker Cucullaris schlaff. Keine sensiblen Störungen. 

Röntgenaufnabmen in verschiedenen Ebenen zeigen das Geschoß im Wirbel- 
kanal am oberen Teile des Epistropheuskörpers ein wenig links von der Mittellinie. 
Nach 11 Tagen Geschoß reaktionslos eingeheilt. 

Beweglichkeit der linken Schulter und Händedruck links nur noch leicht 
herabgesetzt. 

Gröbere anatomische Markschädigung also ausgeschlossen. 

3) 15jähriger Schüler erhält aus einer Flobertpistole einen Schuß in die linke 
Halsseite. Sogleich können alle vier Extremitäten nur noch in geringem Grade 
bewegt werden. Kopf und Rumpf frei; keine Blasen- und Mastdarmstörungen, kein 
Priapismus; rechte Pupille weiter, einmal Schwitzen der rechten Gesichtsbälfte; 
geringe Sensibilitätsstörungen an den linken Extremitäten. (Genauer Nervenstatus 
im Original.) 

Röntgenaufnahmen zeigen das Geschoß in Höhe des sechsten Halswirbels, 
etwas links von der Mittellinie. 

Die Erscheinungen gehen schnell zurück. Nach Jahresfrist nur noch leichte 
Lähmungserscheinungen und Sensibilitätsstörungen der linken Hand; daselbst auch 
trophische Störungen; rechte Pupille noch weiter. 

Das Geschoß im Wirbelkanal hat sich gesenkt, sitzt jetzt zwischen sechstem 
und siebentem Halswirbelkörper. 

Trotz der Schwere der anfänglichen Erscheinungen, die aber nicht einem be- 
stimmten Typus von Querschnittsverletzung entsprechen, kann es sich nicht um 
letztere gehandelt haben, sondern nur um eine Kontusion, vielleicht mit multiplen 
Blutungen geringer Art. 

F. kommt zu folgenden Ergebnissen: Ein Geschoß kann durch bloßen Anprall 
an die Wirbelsäule schwere Rückenmarkserscheinungen hervorrufen: es kann 
andererseits (bei kleinem Kaliber) in den Wirbelkanal eindringen und relativ ge- 
ringe Störungen hervorrufen; heilt es im Mark selbst ein, so bleiben wohl immer 
dauernde Störungen zurück. Bei Commotio medullae spinalis können anfangs 
sehr ernste Symptome in kurzer Zeit verschwinden; jedoch kann auch hier einmal 
gelegentlich der Tod eintreten. Wirkliche Zertrümmerung von Nervensubstanz 
schließt eine Restitutio ad integrum wahrscheinlich aus; Kompressionserscheinungen 
weichen nur, wenn das komprimierende Moment dusgeschaltet wird. Exakte Dia- 
gnose ist nicht immer zu stellen. Bei schwerer Schädigung, die nach einigen 
Tagen noch keine Neigung zur Besserung zeigt, dürfte ein operatives Verfahren 
gerechtfertigt sein, das in Entfernung des Geschosses und etwaiger dislozierter 
Knochenstücke bestehen würde. Fehre (Freiberg). 


30) Traver. Puncture of the medulla by a hair pin. 
(Albany med. annals 1908. Oktober.) 

Eigenartiger Fall von Stichverletzung des verlängerten Markes . bei einem 
Sjährigen Mädchen, das sich das Haar mit gewöhnlichen Haarnadeln aufgesteckt 
hatte. Während des Schlafes fiel sie aus dem Bett und klagte zunächst nur über 
Gefühlsstörungen in den Händen; erst bei genauerer Untersuchung fand man im 
‘Nacken an der Haargrenze eine Haarnadel etwa auf 2/3; ihrer Länge eingedrungen; 
dieselbe wurde mit Mühe entfernt und das Kind ins Krankenhaus gebracht. Hier 
wurde vollständige motorische und sensible Paralyse des Körpers vom Nacken 
abwärts festgestellt. Kurz nach Einlieferung starb das Kind. Sektion nicht ge- 
stattet. Mohr (Bielefeld). 


31) A. Wittek (Graz). Ein Fall von Distensionsluxation im Atlanto- 
epistropheal-Gelenk. 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 35.) 


‚Ein l1jähriger, bisher gesunder Knabe erkrankte im Anschluß an eine eitrige 
Periostitis des linken Unterkiefers dentalen Ursprunges an Schmerzen im Hinter- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1479 


kopf und Nacken unter Fieber von 38°, Neigung des Kopfes nach rechts und 
Rotationsbeschränkung. Die Röntgenaufnahme ergab das Bestehen einer Ver- 
renkung des Atlas-Epistropheus-Gelenkes wahrscheinlich infolge eines metastatischen 
Ergusses in das Gelenk zwischen Zahnfortsatz und vorderem Atlasring einer- und 
Zahnfortsatz und Lig. cruciatum andererseits, sowie in die unteren Gelenke zwischen 
Atlas und Epistropheus, wodurch es zu einer Überdehnung der Gelenkkapsel und 
des Bandapparates gekommen sein mußte. Das Tub. ant. hatte sich gegen den 
Rachen hin verschoben, das Tub. post. des Atlas der hinteren Begrenzung des 
Zahnfortsatzes genähert, so daß der Zahn diesem näher stand als jenem; außer 
der Verschiebung nach vorn hatte der Atlas noch eine Drehung um seine frontale 
Achse ausgeführt. Die Behandlung bestand in Stützung des Kopfes durch eine 
Kravatte. Kramer (Glogau). 


32) W. Burk. Über einen Bruch des Gelenkfortsatzes des V. Lenden- 
wirbels. 
= Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVIII. p. 558.) 

Eine 31jährige Pat. wollte in Hockstellung mit extrem vorgebeugtem Rumpf 
eine schwere Platte in ein am Boden befindliches Fach schieben, verspürte plötz- 
lich einen heftigen Schmerz in der Kreuzgegend, der trotz mannigfacher Therapie 
im Verlaufe von 31/3 Jahren nicht schwand und in seiner Ursache verkannt wor- 
den war. 

Die Untersuchung ergab Beckensenkung und leichte Flexion des Beines auf 
der erkrankten Seite, Schonung des Beines, Abflachung der normalen Lenden- 
lordose, Kontraktur der linksseitigen Rückenstrecker, Druckempfindlichkeit des 
V. Lendenwirbeldornfortsatzes, Beschränkung und Schmerzhaftigkeit der Bewegun- 
gen der Lendenwirbelsäule, sonst keine Veränderungen speziell von seiten der 
Wirbelsäule. Die Röntgenuntersuchung entdeckte einen isolierten, senkrecht ver- 
laufenden Bruch des rechten Gelenkfortsatzes des V. Lendenwirbels. Die operative 
Entfernung des Bruchstückes brachte volle Wiederherstellung der Funktion. 

Es handelt sich demnach um einen indirekten Bruch, der durch eine das 
physiologische Maß überschreitende Kombination von Beugung und links konvexer 
Abbiegung der Lendenwirbelsäule entstanden ist und die erste Beobachtung dieser 
Art darstellt. Reich (Tübingen). 


33) G. Preiser. Zur Frage der Atiologie der Spondylitis cervicalis 
deformans. (Aus dem orthop. Institut von Dr. Stein und Dr. Preiser 
in Hamburg.) 

(Münchener med. Wochenschrift 1%08. Nr. 27.) 

Bei dem ö54jährigen Pat., der, früher Luetiker (!), seit 3 Jahren an Schmerzen 
in den Nacken- und Supraspinalmuskeln des Schulterblattes litt, ergab die Röntgen- 
untersuchung eine Deformierung des 4.—6. Halswirbels und an ihrer linken Seite, 
anscheinend der Gegend des Processus articularis entsprechend, eine Knochen- 
spange. Da Pat. als ein eifriger Violinist beim Geigenspiel stets den Kopf nach 
links vorn zu neigen pflegt, glaubt P., auf diesen chronischen. eine »Quetschung 
der Bandscheiben« veranlassenden Insult die Entstehung der erwähnten Deformie- 
rung usw. zurückführen zu können (warum kommt es zu solcher aber nicht bei 
anderen Violinisten? Ref.). Kramer (Glogau). 


34) R. W. Lovett (Boston). The occurence of infantile paralysis in 
Massachusetts in 1907. 
(Boston med. and surg. journ. 1908. Juli 30.) 

L.'s” Arbeit ist das Ergebnis einer Umfrage bei den 6000 Arzten des Staates 
Massachusetts. Er erhielt Bericht über 234 akute Fälle von Poliomyelitis und 
konnte aus dieser Statistik verschiedene interessante Schlüsse ziehen. 18mal trat 
die Erkrankung bei verschiedenen Gliedern einer Familie auf bzw. innerhalb deren 
Freundeskreises. Verschiedentlich ließ sich das Vorkommen im Anschluß an 


1480 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 


Hauptlinien des Straßenbahnverkehrs feststellen. In 52 Fällen hatte ein Trauma, 
meist Fall auf den Kopf stattgefunden. Bei weitem die meisten Fälle kamen im 
Spätsommer vor (im Gegensatz zu Zerebrospinalmeningitis, die im Frühjahre die 
meisten Erkrankungen zeitigte), eine Tatsache, welche L. in Zusammenbang mit der 
in jener Jahreszeit am stärksten grassierenden Gastroenteritis der Kinder bringt. 
Ein namentlich im Verhältnis mit den sonst sebr günstigen hygienischen Bedin- 
gungen in Massachusetts relativ großer Prozentsatz (40%) von Erkrankungen fand 
sich bei Familien, die in dumpfen Wohnungen wohnen. 

In je 2 Fällen waren Varicellen und Masern vorausgegangen, einmal Schar- 
lach; 3 Fälle traten bald (2—3 Wochen) nach der Impfung auf. Nur in 12 Fällen 
wurde kein Fieber beobachtet. Die hauptsächlichsten Begleiterscheinungen waren 
Erbrechen, Schmerzen und Empfindlichkeit. 18 Fälle werden als geheilt bezeichnet. 
Ein Vergleich mit der großen Statistik des Kinderhospitals in Boston (645 Fälle) 
zeigt einen sehr großen Unterschied in der Ausbreitung der Lähmung bei den 
akuten und chronischen Fällen. 

L. ist der Ansicht, daß die Poliomyelitis eine akute Infektionskrankheit ist, 
bezweifelt aber, namentlich auf Grund experimenteller Forschungen, daß es sich 
um einen einheitlichen Infektionserreger handelt. H. Bucholz (Boston). 


35) M. Chevassu. Les kystes branchiaux A structure pharyngo-sali- 
| vaire et en particulier les kystes présternaux. 
(Revue de chir. XXVIII. ann. Nr. 4.) 


Einem 26jährigen Mann entfernte C. eine nicht ganz fünffrankstückgroße, vor 
dem gesunden Manubrium sterni gelegene Cyste; ein Einschnitt im 5. Lebensjahre 
hatte eine nur vorübergehend vernarbende Fistel zurückgelassen. Ein kleiner Fort- 
satz der Geschwulst senkte sich tief in den Raum über der Incisura jugularis. Die 
Wand bestand aus zweischichtigem flimmerndem Zylinderepithel, adenoidem Ge- 
webe mit Keimzentren und Bindegewebe mit glatten Muskelfasern und funktio- 
nierenden Speicheldrüsen (seröse und Schleimdrüsen, Gianuzzi’sche Halbmonde, 
Ausführungsgänge, die in die Sacklichtung münden), zeigte mithin den Aufbau der 
embryonalen Schlundwand. Von der unpaaren Schilddrüsenanlage konnte sie wegen 
ihrer Lage vor dem Brustbein nicht abstammen; auch enthielt sie nirgends Schild- 
drüsengewebe. Dagegen stößt die Herleitung vom Kiemenapparat auf keine 
Schwierigkeiten. Die mediane Lage spricht nicht dagegen, da erhalten gebliebene 
Teile der Kiemengänge mit ihrem unteren oberflächlichen Teile während der Ent- 
wicklung des Kopfnickers und des Schlusses des Brustkorbes immer weiter nach 
der Mittellinie gedrängt werden können. Die Abstammung von einer entodermalen 
Kiemenfurche ist wegen des Flimmerepithels zweifellos, ob von der 2., 3. oder 4, 
ist wegen der Kürze des oberen Fortsatzes nicht zu entscheiden. 

Verf. glaubt, daß sich in derartigen Cysten und Fisteln häufiger Speichel- 
drüsen finden als die wenigen Mitteilungen darüber annehmen lassen, und daß 
ihre Absonderung an der Verhinderung des spontanen Verschlusses der Fisteln 
mitwirkt. Gutzeit (Neidenburg). 


36) H. Brauser.” Zur Frage der gummösen Lymphome des Halses. 
(Berliner klin. Wochenschrift 1908. Nr. 3.) 


Bei einem 48 Jahre alten Mann entwickelte sich 7 Jahre nach luetischer In- 
fektion eine ovale, fast hühnereigroße derbe Geschwulst am hinteren Rande des 
rechten Kopfnickers ohne Entzündungserscheinungen. Eine sofort eingeleitete 
Jodkalibehandlung brachte in wenigen Wochen die Geschwulst zum spurlosen Ver- 
schwinden. 

B. glaubt, daß die Fälle von luetischen Halsdrüsenschwellungen nicht so selten 
sind, wie man bisher annahm, daß zuweilen auch ein Halsgumma unerkannt zum 
Schwinden gebracht wird, weil die Jodkalitherapie bei Halsdrüsenschwellungen so 
sehr beliebt ist. Langemak (Erfurt. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1481 


37) J. Fein. Über die Abtragung der Rachenmandel mit dem bajonett- 
förmigen Adenotom. 
(Medizinische Klinik 1908. p. 1489.) 

F. hat mit dem bajonettförmigen Adenotom (Abbildung) in den letzten 
6 Jahren ungefäbr 2000 Rachenmandeln bei Kindern und Erwachsenen entfernt. 
Man kann mit dem Instrument die Schneide des Ringmessers gut an die vorderen, 
der Nasenscheidewand anliegenden Teile der Rachenmandel anlegen, das Zäpfchen 
stark nach vorn ziehen und die operierende Hand in eine für das kräftige Fest- 
halten des Griffes in für die notwendigen volaren und dorsalen Beugungsbewe- 
gungen günstige Lage bringen. Das richtige Fassen, Ansetzen und Bewegen des 
 Messers sind beschrieben. Es wird von H. Reiner in Wien in drei Größen ge- 

liefert, von denen die mittlere für fast alle Fälle genügt. 

Georg Schmidt (Berlin). 


38) Martino. La sutura de los pilares en las grandes hemorragias 
amigdalianas. 
(Revista med. del Urguay Bd. XI. Nr.3.) 

Nach Operation der Tonsillotomie wegen Hypertrophie bei einem 40jährigen 
Manne war, wahrscheinlich infolge sehr unvorsichtigen Verhaltens des Kranken, 
einige Stunden nach der Operation eine schwere Blutung aufgetreten, die mit den 
gewöhnlichen Mitteln nicht zu bewältigen war; auch das Anlegen von Klemmen 
war erfolglos. Nachdem Pat. mehr als 2 Liter Blut verloren hatte und bereits im 
Zustande des Kollapses sich befand, machte M. die Naht der Gaumenbögen. Der 
Kranke wurde gerettet. M. empfiehlt in solchen Fällen, die ihm vorher noch nicht 
begegnet waren, mit den anderen Methoden nicht lange Zeit zu verlieren, sondern 
gleich, so lange Pat. sich noch in gutem Allgemeinzustande befindet, die Naht 
auszuführen. Stein (Wiesbaden). 


39) P. Albrecht. Über das seitliche Pharynxdivertikel. (Aus der 


II. chir. Klinik in Wien.) 
(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Nr. 16.) 

Ein früher stets gesunder 43jäbriger Mann bekam plötzlich Schluckbeschwerden 
und bemerkte eine nußgroße Geschwulst an der rechten Halsseite. Mit ihrem 
Wachsen trat auch Atemnot ein, dann Fieber. In der Angst fuhr sich der Mann 
mit dem Finger in den Rachen, erbrach darauf schleimig-eitrige Flüssigkeit. Die 
Geschwulst wurde wieder kleiner, Fieber und Atemnot schwanden. Doch blieb 
Pat. seitdem heiser und konnte schlecht schlucken. Laryngoskopisch fand sich 
Vorwölbung der seitlichen Rachenwand und der rechten Vallecula, Kehlkopf 
vertikal gedreht, rechte Hälfte plump und fast unbeweglich. Die Diagnose war 
vermutungsweise zuerst Struma aberrata, dann Lymphocavernoma colli congen. 
Bei der Operation fand sich ein schlaffer, mit Kopfnicker, Submaxillaris, Biventer, 
oberen Zungenbeinmuskeln und den großen Gefäßen verwachsener Sack mit gelb- 
lichem Sekret und krümeligen Massen, innig zusammenhängend mit dem Periost 
des Zungenbeines und unter ihm einen ganz dünnen Fortsatz in die Tiefe sendend. 
Nach dessen Durchschneidung drang zischend Luft in den Rachen. Die Stelle 
war dann nicht mehr zu finden. Tampon, sonst Verschluß, glatte Heilung. Nach 
9 Monaten auch laryngoskopisch normaler Befund. Der Sack war auch in seinem 
Stiel mit geschichtetem Plattenepithel ausgekleidet. Aus dem Fehlen von muaku- 
lären Elementen, ebenso wie an der Stelle, wo der Stiel die Membrana hyothy- 
reoidea durchbohrte (Dreieck, begrenzt vom hinteren Rande des Hyothyreoideus, 
vom vorderen Rande des Constr. plaryngis inferior und vom unteren Zungenbein- 
rande), schließt A., daß es zur Entwicklung eines Divertikels besonders leicht 
dann kommt, wenn sich die Stellen mangelhaften embryonalen Verschlusses an 
Orten der Rachenwand finden, wo Muskulatur fehlt. 

Den beschriebenen Fall fast er auf als entstanden aus einer unvollständigen 
nneren angeborenen Halsfistel im Bereiche des Sinus pyriformis. Sekretstauung, 


1482 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 


> 


dann Pulsion durch Steigerung des Binnendruckes im Rachen, akute Entzündung, 
endlich Traktion infolge der entzündlichen Verwachsungen wirkten befördernd. 
Außer diesem Falle sind nur noch zwei Divertikel im Bereiche des Sinus 
pyriformis beschrieben. 
Hinweis auf die Literatur. Renner (Breslau). 


40) McLellan and Dunn. Case of introcystic papilloma of an acces- 
sory thyroid. 
(Glasgow med. journ. 1908. Juli.) 


Einer Dame von 28 Jahren wurde eine fast faustgroße Geschwulst der linken 
Halsseite exstirpiert, die sich dort innerhalb 4 Jahren entwickelt hatte. 

Sie erwies sich bei der Untersuchung als eine große Cyste, ganz ausgefüllt 
von Zotten, die von der Cystenwand ausgingen. Die ganze Struktur des Gewebes 
bewies seine Entstehung aus Schilddrüsengewebe; kolloide Massen waren reichlich 
vorhanden und Schilddrüsenepithel, zum Teil mit Adenomentwicklung. 

W. y. Brunn (Rostock). 


41) Capelle. Über die Beziehungen der Thymus zum Morbus Basedowi. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVIII. p. 353.) 


Anlaß zur vorliegenden Untersuchung gaben Fälle von Herztod, wie sie nach 
Operation von Basedowkröpfen auch sonst häufig beschrieben sind. Sie betrafen 
drei junge Mädchen. bei welchen an der Garr&’schen Klinik zweimal eine 
typische halbseitige Exstirpation, einmal eine doppelseitige Resektion in Atbher- 
tropfnarkose vorgenommen worden war. Bei allen drei Pat. fehlten organische 
Herzveränderung, alle hatten einen hochfrequenten Puls, zwei waren hochgradig 
nervös, eine hatte eine Spitzenaffektion, eine andere eine Skoliose, die dritte war 
kräftig und sonst gesund. Respiratorische Beschwerden von seiten des Kropfes 
fehlten. 

Bei zwei Fällen setzte am Abend des Operationstages Delirium cordis mit 
Angstgefühl und Jaktationen ein, das 10—20 Stunden nach der Operation zum 
Tode führte. Bei der dritten Pat., dem kräftigen Mädchen, war die Narkose von 
Anfang an durch bronchiale Reizung erschwert und nie ganz tief; bei der schwie- 
rigen Isolierung des unteren Poles erfolgte eine Synkope mit tödlichem Ausgang. 

Die Sektionen ergaben nur unwesentliche pathologische Befunde, gesunde 
Klappen, Dilatation des Ventrikels einmal links, einmal beiderseits, einmal kräf- 
tiges, einmal blaßes Myokard. Auffallend war aber bei allen drei Fällen der Be- 
fund einer hyperplastischen Thymus, die zweimal mit einer Hyperplasie des lym- 
phatischen Apparates vergesellschaftet war. 

Nach einer Ubersicht über die widersprechenden Anschauungen betreffs der 
Beziehungen zwischen Thymus und Basedowstruma gibt Verf. 60 Sektionsproto- 
kolle von an Basedow gestorbenen Individuen mit dem überraschenden Ergebnis, 
daß 79% der Fälle eine Persistenz oder Hyperplasie der Thymus aufwiesen. Näher- 
hin wurde bei Basedowkranken, die an interkurrenten Krankheiten gestorben waren, 
in 44%, bei solchen, die der Krankheit selbst spontan erlagen, in 82% und bei 
solchen, die im Anschluß an eine Kropfoperation verloren wurden, in 95% eine 
T'hymuspersistenz beobachtet. 

Nach all dem kommt der Thymus im Krankheitsbilde des Morbus Basedowi 
eine nicht zu verkennende Bedeutung zu, wenn gleich freilich die pathologische 
Genese dieser Beziehungen noch unklar ist. 

Die Versuche mit Tbymusfütterung bei Morbus Basedowi scheinen darauf 
hinzuweisen, daß die vermutlich sekundäre Hypertrophie oder Reviveszenz der 
Thymus die Basedowsymptome steigert und nicht etwa zur Entgiftung von Basedow- 
produkten bestimmt ist. 

Der Nachweis der Thymus am Lebenden begegnet erheblichen Schwierigkeiten, 
doch dürften von der Röntgenuntersuchung, dem Nachweis des Status Iymphaticus 
und einer event. Probefütterung mit Thymuspräparaten (die aber nicht ganz un- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1483 


gefährlich zu sein scheint!) weitere diagnostische Fortschritte in dieser Richtung 
zu erwarten sein 

Ein gelungener Thymusnachweis bei Morbus Basedowi muß dazu führen, solche 
Pat. von einer Operation auszuschließen, um die Zahl der tödlichen Katastrophen 
zu vermindern. Reich (Tübingen). 


42) Capelle. Ein neuer Beitrag zur Basedowthymus. (Aus der kgl. 
chirurgischen Universitätsklinik zu Bonn Geh.-Rat. Prof. Dr. Garr?.) 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 35.) 


C., der über die Beziehungen der Thymusdrüse zum Morbus Basedow bereits 
vor kurzem einen wertvollen Beitrag geliefert, bringt zu seinen bisher beobachteten 
drei Fällen, in denen nach wohlgelungener Strumektomie wegen Morbus Basedow 
plötzlich Herzkollaps und Tod als Folge des Status thymicus eingetreten war, 
einen neuen Fall von Thymustod nach Operation eines Basedowkropfes. Letzterer 
reichte bei der 16jährigen Kranken nicht retrosternal; doch war über dem Manu- 
brium sterni eine Dämpfung feststellbar, die der Herzdämpfung aufsaß und die 
Grenzen des Manubrium nicht überschritt. Die Operation in Athernarkose war durch 
Verwachsungen des Kropfes etwas erschwert, aber mit geringem Blutverlust ver- 
bunden und bestand in Unterbindung der Art. tbyreoidea sup. und inf. dextra, Resek- 
tion des rechten weichen Strumalappens und Unterbindung der A. thyreoidea sup. 
sinistra. Nach 12stündigem günstigem Zwischenstadium erfolgte plötzlich der töd- 
liche Herzkollaps, und die Autopsie ergab eine vergrößerte Thymusdrüse. 

Der Fall bestätigt die von C. in seiner früheren Abhandlung aufgestellten 
Schlußfolgerungen und ermahnt von neuem, bei Basedow auf einen etwa bestehen- 
den Statusthymicus (Dämpfung über dem oberen Brustbein, blaßrote Hypertrophie der 
Tonsillen, Milz usw.; Nachweis eines Schattens im Röntgenbild des Mediast. ant.) 
vor Vornahme der Strumektomie zu achten und bei Verdacht einer großen Thymus 
von einem Eingriff abzustehen. Kramer (Glogau). 


43) Dunhill. Surgical treatment of exophtalmic goitre. 
(Intercol. med. journ. of Australasia 1908. Juni 20.) 


Z3 D. hat wegen Based ow’scher Krankheit bei 25 Kranken eine teilweise Thyreoid- 
ektomie, stets unter Lokalanästhesie, ausgeführt. Nach seinen Erfahrungen ist 
nach der Operation konstant eine rasch einsetzende Besserung zu erwarten, die 
andauert, sofern eine genügende Menge Drüsengewebes entfernt wurde. Nur in 
einem Falle erlebte D. einen Mißerfolg. Die Operation sollte, nachdem interne 
Behandlung versagte, möglichst rasch vorgenommen werden, nicht als ultimum 
refugium. Jedoch operierte D. auch zwei Pat. mit vorgeschrittener Myokarditis, 
Odemen, sehr starker Drüsenvergrößerung und schlechtem Allgemeinzustand noch 
mit Erfolg. In einer Sitzung sollte nicht zu viel von der vergrößerten Schilddrüse 
entfernt werden, vielmehr hat D. bei sechs seiner Pat. nach einiger Zeit zum 
zweitenmal eine Portion Schilddrüsengewebes entfernt, nachdem die erste Operation 
nur Besserung, kein völliges Schwinden der Beschwerden bewirkt hatte; gewöhn- 
lich wurde zuerst der eine Lappen mit dem Isthmus, in einer zweiten Sitzung die 
Hälfte des anderen Lappens entfernt. Die zweite Operation wurde stets besser 
als die erste ertragen. Unter 32 teilweise Thyreoidektomierten starb einer infolge der 
Operation; es war zu viel in einer Sitzung entfernt und das Schilddrüsengewebe 
zu ausgedehnt gequetscht worden. D. hält die Kompression bzw. Quetschung des 
Schilddrüsengewebes zwecks Blutstillung für gefährlich, da schwere Zustände von 
akutem Thyreoidismus durch größere Mengen stark geschädigten Gewebes zustande 
kommen können. Mohr i{Bielefeld!. 


44) Branham. Tetany following thyreoidectomy cured by the sub- 
cutaneous injection of parathyroid emulsion. 
(Annals of surgery 1908. August.) 


Im Anschluß an eine Kropfexstirpation traten bei einer Pat. anfallew- Hr 
heftige tetanische Krämpfe auf, so daß die Atmung zeitweise aufhört‘ 


1484 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 


liche Atmung gemacht werden mußte. Schilddrüsentabletten wurden ohne Erfolg 
genommen; erst als man aus ihnen, nachdem man sie 10 Minuten zum Desinfi- 
zieren in 10/„iger Sublimatlösung hatte liegen lassen, eine Kochsalzlösung her- 
gestellt und diese nach Filtration subkutan injiziert hatte, trat verhältnismäßig 
schnelle Besserung ein. Eine Schilddrüsentablette enthielt 0,06 g Parathyreoid- 
extrakt, fünf solcher Tabletten wurden zerrieben und mit 400 ccm Kochsalzlösung 
übergossen. Diese ganze Lösung wurde auf einmal subkutan injiziert. Das ex- 
stirpierte Präparat zeigte, daß rechts beide, links aber nur eine Glandula thy- 
reoidea entfernt wurde, so daß links eine zurückgeblieben war. Allem Anschein 
nach war diese jedoch durch operatives Trauma geschädigt; sie erholte sich aber 
wieder, so daß die Kranke schließlich ganz geheilt wurde. 
Herhold (Brandenburg). 


45) F. Smoler. Eine seltene Halsverletzung. 
(Prager med. Wochenschrift 1908. Nr. 27.) 


Die Seltenheit der Speiseröhrenverletzung durch Gewalteinwirkungen von 
außen her veranlaßt Verf. einen Fall mitzuteilen, bei dem ein jähriger Junge 
durch Auffallen auf Glasscherben eine Schnittverletzung der Speiseröhre im Hals- 
teile mit gleichzeitiger Verletzung der Luftröhre erlitt. Letztere war seitlich 
angeschnitten. S. vernähte die Wunde nach ausgeführter Tracheotomie in der 
Mittellinie. Die ebenfalls seitliche Speiseröbrenwunde wurde mit Einlegen eines 
Drains bebandelt. Verf. konnte aus zwei Referaten von dieser Art Verletzung 
55 Fälle zusammenstellen. A. Hofmann (Karlsruhe). 


46) Seelig. A further aid in the diagnosis of oesophageal stenosis. 
(Surgery, gynecology and obstetrics Bd. VII Hft. 3.) 


Die Diagnose eines Speiseröhrendivertikels, das oberhalb einer Striktur lag, 
gelang durch Röntgenaufnahme unter Zuhilfenahme des Wismutverfahrens nur 
teilweise. Erst das Schluckenlassen einer ganz dünnen Goldkette und folgende 
Aufnahme zeigte, daß ein Divertikel vorhanden war. In ihm hatte sich die Kette 
zusammengeballt. Die dünne Kette läßt sich leicht schlucken. 

Trapp (Bückeburg). 


47) Blauel. Über die Entfernung ‚von Gebissen aus der Speiseröhre 
mit Hilfe des Osophagoskops. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVII. p. 138.) 


In den beiden aus der v. Bruns’schen Klinik mitgeteilten Fällen von öso- 
phagoskopischer Extraktion von Gebissen aus der Speiseröhre hatte der eine 
Fremdkörper 2 Tage darin verweilt, hochgradigste Schlingbeschwerden, Dyspnoe, 
Fieber und eine sicher nachweisbare eitrige Wandveränderung, das andere, schon 
35 Tage in der Speiseröhre befindliche Gebiß wesentlich leichtere Symptome, 
Schluckbeschwerden, Druckempfindlichkeit des Halses und mäßige Temperatur- 
steigerung verursacht. In beiden Fällen war eine erfolgreiche ösophagoskopische 
Extraktion erst möglich, nachdem die entzündliche Schleimhautschwellung um den 
Fremdkörper herum durch Adrenalinpinselung stark vermindert worden war. Die 
Rekonvaleszenz des ersten Falles war durch heftige Schmerzen in der Speiseröhre 
und eine Pneumonie kompliziert, der zweite Pat. war andern Tags fieber- und 
beschwerdenfrei. 

Außer diesen eigenen Beobachtungen sind noch zehn erfolgreiche und zehn er- 
folglose Ösophagoskopische Gebißextraktionen aus der Literatur wiedergegeben. 
Für die Diagnose der steckengebliebenen Fremdkörper ist weder die Sonden- 
noch Röntgenuntersuchung verläßlich, sondern allein die Ösophagoskopie. Die 
ösophagoskopische Methode der Extraktion ist in geübter Hand sehr leistungsfähig 
und daher stets vor der Ösophagotomie zu versuchen. Als therapeutisches Mittel 
zar Erleichterung der Extraktion empfiehlt Verf. angelegentlichst die Adrenalin- 
pinselung der geschwellten Schleimhaut. Reich (Tübingen). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1485 


48) M. Patel. Sur le traitement des sections traumatique de la mem- 
brane thyro-hyoidienne. 
(Province med. 1908. Nr. 24.) 


P. empfiehlt für die Naht des durchschnittenen Zungenbeinschildknorpel- 
bandes Nähte, welche das Zungenbein umgreifen und am Schildknorpel ansetzen. 
Die Stichkanäle am Schildknorpel müssen durch den Knorpel hindurchgehen. 
Eine Naht des durchtrennten Bandes selbst hält P. für wertlos. In einem Falle 
hat er zunächst die Naht des Bandes versucht, jedoch ohne Erfolg. Nach wenigen 
Tagen führte er dann die oben genannte Naht mit bestem Erfolge aus. Als Naht- 
material benutzt P. Renntiersehnen. A. Hofmann (Karlsruhe). 


49) Meyer. Über leukämische Veränderungen im Kehlkopf. 
(Zeitschrift für Laryngologie, Rhinologie u. ihre Grenzgebiete Bd. I. Hft. 1.) 


Subglottische Schwellung von blaßgraurötlicher Farbe und harter Beschaffen- 
heit, welche die Lichtung in transversaler Richtung auf 3 mm verlegte und zur 
Tracheotomie nötigte, die aber nach 10 Tagen durch nachfolgende Fasciennekrose 
und Bronchopneumonie zum Tode des Pat. führte. Die Diagnose wurde schon im 
Leben durch Blutuntersuchung bestätigt. Engelhardt (Kassel). 


50) Llorente. La traqueotomia y el entubiamento laringeo en los 
procesos laringeos etc. 
(Rev. de med. y cir. pract. de Madrid 1908. Juni 28.) 


Gestützt auf ca. 8400 Fälle empfiehlt L. die Intubation als der Tracheotomie 
bei weitem überlegen, einerlei, ob es sich um diphtberische oder andersartige Pro- 
zesse handelt. Stein (Wiesbaden). 


51) Sargnon et Barlatier. De la laryngostomie. 10 Abbildungen. 
(Presse méd. 1908. Nr. 22.) 


Über Indikation, Technik und Nachbehandlung der Laryngostomie, die genauer 
beschrieben werden, vgl. das Referat im Zentralblatt für Chirurgie 1907 p. 1494 
über eine Arbeit derselben Verff., das gleiche Thema betreffend. 

Sie zählen 35 ihnen bekannte Laryngostomien auf, darunter 11 eigene Fälle; 
von letzteren wurden 10 geheilt, einer starb an Bronchopneumonie. Von diesen 
11 wurden operiert: 8 wegen Narbenstenosen durch Kanülendruck, 1 wegen 
narbiger Verengerung nach typhöser Erkrankung des Kehlkopfes, 1 wegen Stenose 
nach einem Messerstich und 1 wegen rezidivierender Papillome. 

Gegenindikationen sind akute entzündliche Erscheinungen und Hindernisse an 
den tieferen Luftwegen, z. B. Papillome an der Luftröhre unterhalb der Kanüle. 

Literaturverzeichnis von 34 Nummern. Fehre (Freiberg). 


52) F. Hutter. Ein Beitrag zu den Mißbildungen des Kehlkopfes. 
(Aus dem histol.-bakter. Laboratorium der Wiener allgemeinen Poli- 
klinik.) 
(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Nr. 16.) 

Am Keblkopf eines an akuter Infektion gestorbenen Kindes befand sich ein 
Hohlraum, von der unteren Fläche des Zungenbeinkörpers bis zum unteren Rand 
der Cart. thyr. und von der vorderen Epiglottisfläche bis zu einem Weichteilbündel 
reichend, das das Spatium hyothyr. und den intermediären Spalt des Thyreoids 
überbrückt. Er mündete im Bereiche des Epiglottisstieles in den Kehlkopf. Aus 
Resten epithelialer Auskleidung wurde auf angeborene Anlage geschlossen. Außer- 
dem bestand totale Spaltung der Cart. thyreoidea. Renner (Breslau). 


1486 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 


53) L. Harms. Über eine Modifikation der Schornsteinkanüle zur 
Behandlung narbiger Kehlkopfstenosen. (Aus der Wiener Klinik für 
Kehlkopf- und Nasenkrankheiten.) 

(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Nr. 16.) 


54) H. Koschier. Zur Behandlung der postdiphtherischen Stenosen 
des Larynx und der Trachea. (Aus der laryngol. Abteilung der 
Wiener allgemeinen Poliklinik.) 

(Ibid.) 

H. zieht die Schornsteinkanüle der T-Kanüle vor und sieht den Grund, daß sie 
sich nicht besonderer Beliebtheit erfreut, darin, daß sich manchmal im Winkel 
zwischen den beiden Kanülen ein Sporn von Schleimhautwulst bildet, der schließ- 
lich eine zweite Stenose verursachen kann. In zwei solchen Fällen beginnender 
Spornbildung hat H. deshalb sofort nur mehr das laryngeale, an entsprechender 
Stelle siebartig durchlöcherte Rohr eingeführt, das seinen Zweck vollkommen er- 
füllte und eine Spornbildung nicht eintreten bzw. sich zurückbilden ließ. Er 
empfiehlt diese Methode zur Nachprüfung. 


K. hat aus dem gleichen Grunde wie H. die Schornsteinkanüle ändern lassen, 
aber unter Beibehaltung beider Teile ohne Winkelbildung und zieht sie ebenfalls 
den T-Kanülen vor. Ferner berichtet er über einen Fall vollständigen Kehlkopf- 
verschlusses, den er erfolgreich mit zirkulärer Resektion behandelte. Da außerdem 
infolge Fehlens von Trachealringen eine Partie aspiriert wurde, mußte er eine 
stützende Plastik vornehmen. Er ließ eine Zelluloidplatte in Haut einheilen und 
pflanzte den Lappen dann verkehrt auf den Luftröhrendefekt. Die Platte eiterte 
aber während einer Influenza aus; trotzdem war das Resultat durch narbige Span- 
nung gut. In einem zweiten Falle hat er dann zunächst eine tiefere Tracheotomie 
und Hautnaht der oberen gemacht, dann eine Zelluloidplatte über dem Knorpel- 
defekt unter die Hautränder geschoben und nach erfolgter Einheilung die untere 
Fistel heilen lassen. Da seitdem 5 Jahre ohne neue Stenose vergangen sind, 
kann hier von Dauererfolg gesprochen werden. Renner (Breslau). 


55) H. White. Ein Fall von Hämangiom des Kehlkopfes, behandelt 
mit Laryngofissur. 
(Wiener klin. Wochenschrift 1908. Nr. 16.) 


56) O.Hirsch. Über Haemangioma cavernosum des Kehlkopfes. (Aus 
dem Ambulatorium des Herrn Privatdozenten M. Hajek.) 
(Ibid.) 


Im W.'schen Falle handelte es sich um eine fast kirschgroße Geschwulst, die 
breitbasig in der Interarytänoidalfalte saß. Verf. glaubt, daß es sich um eine 
kongenital angelegte Geschwulst handelte, obwohl histologisch die Entstehung auf 
entzündlicher Basis nicht ausgeschlossen war. Die Entfernung war hier durch 
Beschwerden und drohende Stenose gerechtfertigt und gelang leicht durch 
Laryngofissur. 


H. erwähnt zuerst drei Fälle kleiner, blauroter Geschwülste an den Stimm- 
bändern, bei denen die histologische Untersuchung ergab, daß es sich um gefäß- 
reiche Polypen handelte, stellt dann aus der Literatur die Fälle zusammen, die 
nach sorgfältiger Kritik als Hämangiome angesehen werden dürfen, und schildert 
schließlich einen neuen Fall; hier war das ganze rechte Taschenband von einer 
großen Geschwulst eingenommen, und auch am linken saß eine bohnengroße Ge- 
schwulst. Die Operation schien wegen der Geringfügigkeit der Symptome noch 
nicht angezeigt. Nach der Literatur können größere, breitbasige Hämangiome 
nur durch Laryngofissur ohne Gefahr entfernt werden. 

Beide Autoren machen Literaturangabe. Renner (Breslau). 


‚ Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1487 


57) E. Krieg. Uber die primären Tumoren der Trachea. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVIII. p. 162.) 

Unter Mitteilung eines Falles von Fibrom der Luftröhre aus der v. Bruns- 
schen Klinik führt Verf. die v. Bruns’sche Statistik der primären Luftröhren- 
geschwülste, die bis 1898 reicht und 143 Beobachtungen umfaßt, bis zum Jahre 
1907 weiter unter Beifügung von 53 neuen Mitteilungen, so daß sich folgende 
Gesamtstatistik ergibt: | ` 

a. Gutartige Neubildungen, zusammen 134 Fälle: 

Fibrome 25; Papillome 41; Lipome 4; Chondrome und Osteome 42; Ade- 
nome 6; Lymphome 2; Intratracheale Strumen 14. 
b. Bösartige Neubildungen, zusammen 61 Fälle: 
Sarkome 21; Karzinome 40. 

c. Neubildungen unbekannter Natur: 6 Fälle. 

Die bösartigen Geschwülste machen also ein Drittel der Gesamtzahl aus, und 
die Sarkome sind im Vergleich zu den Karzinomen relativ häufig. Der endo- 
tracheale Weg reicht zwar zur Entfernung der meisten gutartigen Geschwülste 
aus, für alle bösartigen aber ist die Tracheotomie oder Krikotracheotomie der 
bessere Weg zu einer radikalen Exstirpation. Reich (Tübingen). 


58) Grünberg. Über den günstigen Einfluß des innerlichen Gebrauches 


von Jodkali auf die Tuberkulose der oberen Luftwege. 
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. LIII. p. 346.) 

G. teilt eine Reihe von Fällen aus der Körner’schen Klinik in Rostock mit, 
bei denen auf Grund des makroskopischen Befundes und der histologischen Unter- 
suchung exzidierter Stückchen Schleimhauttuberkulose diagnostiziert wurde, und 
bei denen die Anwendung von Jodkali neben schonender Lokalbehandlung Hei- 
lung herbeiführt. Wenn nun auch einzelne Fälle von Schleimhautlupus spontan 
ausheilen können, und wenn auch andererseits Jodkali keineswegs alle Fälle von 
Schleimhauttuberkulose günstig beeinflußt, so hält G. doch das Jod für ein wich- 
tiges Hilfsmittel bei der Behandlung der genannten Erkrankung. 

Hinsberg (Breslau). 


59) Vidakovich. Beiträge zur Behandlung chronischer Pleuraempyeme 


nach der Methode von E. G. Beck. 
(Orvosi Hetilap 1908. Nr. 33.) 

Verf. hat in zwei Fällen von chronischem Pleuraempyem das Beck’sche Ver- 
fahren (dieses Zentralblatt 1908 Nr. 18) mittels Injektion von Bismut-Vaselinpaste 
angewendet und hat nach vergeblicher Anwendung anderer Methoden vollen Heil- 
erfolg erzielt. Gelungene Röntgenogramme zeigen den erzielten Erfolg. 

P. Steiner (Klausenburg). 


60) Staveley Dick. The treatment of chronic empyema by hyper- 
aemia and hypertranssudation. 
(Brit. med. journ. 1908. August 29.) 
Bericht über eine seit über 2 Jahren bestehende Empyemfistel bei 8jährigem 
Knaben, die nach mehrfachen erfolglosen Rippenresektionen durch Hyperämie- . 
behandlung mit Sauggläsern zur Heilung kam. Weber (Dresden). 


61) L. G. Stuckey. Über Lungennaht bei Stich-Schnittwunden. 
(Russki Wratsch 1908. Nr. 35 u. 36.) 

Im Petersburger Obuchowspital wird prinzipiell jede frische Brustwandwunde 
mit Verdacht auf Pleura- und Lungenverletzung erweitert, die Lungenwunde ge- 
näht (die Nähte umgreifen den Grund der Wunde und werden leicht geschnürt); 
wo die Wunde nicht genäht werden kann, macht man die Exteriorisation. Die 
Pleurawunde muß vollständig geschlossen werden mit obligater Pneumopexie. 
Diese Grundsätze bilden die Sehlußfolgerungen der Arbeit. — Im ganzen wurden 
so 25 Fälle behandelt. 19 Männer, 6 Frauen. 9 starben. 22 mal wurde die Lunge 
genäht (2mal Achternaht!; 6mal Pneumopexie. 7mal glatte Heilung. 2 starben 


1488 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 


infolge von Blutverlust (vor der Operation), 3 infolge akuter Septhämie. 10mal 
eiterte die Wunde; davon starb einer an katarrhalischer Pneumonie, 7 andere (3 +) 
bekamen Empyeme, wobei bei den 4 Geheilten die Heilungsdaner 82—173 Tage 
betrug und einem später infolge umschriebener eitriger Pleuritis eine Rippen- 


resektion gemacht werden mußte. — 3mal wurde die Exteriorisation gemacht. — 
2 mal glatte Heilung, im dritten Fall eitrige Pleuritis, Pleurotomie mit Rippen- 
resektion, Heilung. Gilckei (Spassk, Rjasan). 


62) Baron. Über Lungenabszesse bei Säuglingen. 
(Berliner klin. Wochenschrift 1908. Nr. 3.) 

Zu den bisher bekannten sieben Fällen fügt B. einen von ihm behandelten 
achten (5 Wochen altes Kind) hinzu unter kurzer Mitteilung der Krankengeschichten 
aller Fälle dieser seltenen Erkrankung. Nach Rippenresektion Heilung des ca. 
taubeneigroßen, im linken Unterlappen gelegenen Abszesses. 

Die Diagnosenstellung bei Kindern ist sehr schwierig, da charakteristische 
Merkmale, z.B. eitriges Sputum, fast immer fehlen; die akustischen Phänomene 
deuten meistens auf eine dichte Infiltration, nicht auf Höhlenbildung. Die Dia- 
gnose wird deshalb nur durch Zufall zu stellen sein bei Probepunktion, die aber 
nur bei sicheren pleuritischen Verwachsungen erlaubt ist, da die Gefahr der Pleura- 
infektion vorliegt. Die Lungenabszesse liegen meistens im Unterlappen, bei 
Kindern merkwürdig oft nahe der Oberfläche. Langemak (Erfurt). 


63) N. J. Gurewitsch. Ein Fall von isolierter Verwundung des Herz- 


beutels. 
(Russki Wratsch 1908. Nr. 37.) 

18 Jahre alter Jüngling, vor 11/gStunden Dolchstich in den dritten Interkostalraum 
zwei Finger breit links vom Brustbein. Konnte noch 1/ Stunde lang fahren, dann 
Schwäche und ohnmächtiger Zustand. Wunde 2,5 cm lang. Nach Entfernung der 
Blutgerinnsel bedeutende venöse Blutung — bei jeder Herzkontraktion. Lappen- 
bildung — Basis lateral, Resektion der 3., doppelte Durchschneidung der 4. und 
5. Rippe. Wunde im Perikard 2 cm lang; spaltartige Wunde der linken Pleura, 
Lunge nicht atelektatisch. Erweiterung der Perikardwunde, Entfernung des 
Blutes aus dem Herzbeutel; keine weitere Blutung; Herz unversehrt; Tampon in 
den Herzbeutel und in die Winkel des Hautmuskelknochenlappens. Zuerst Ver- 
lauf günstig, nach 11 Tagen plötzlich Verschlimmerung: Dyspnoe, Puls unregel- 
mäßig, dikrotisch. Nach Entfernung des Perikardtampons entleert sich viel blutig- 
seröse Flüssigkeit. Kein neuer Tampon, sofort Herztätigkeit besser, und nun 
glatte Heilung. 1 Jahr später vollständig gesund. Glückel (Spassk, Rjasan). 


64) Ortis de la Torre. Üuerpo extraüo enclavado en el corazon. 
(Rev. de med. y cir. pract. de Madrid 1908. Nr. 1034.) 

Kranker mit Wunde in der Herzgegend. Es entstand hochgradige Atemnot, 
fast Atemstillstand, Dämpfung der ganzen linken Brustseite, Unmöglichkeit, die 
Herzgrenzen zu perkutieren und die Herztöne zu auskultieren. Die Wunde befand 
sich in einer Ausdehnung von 2 cm im 4. Interkostalraum etwas nach innen von 
der Mammillarlinie. Es waren heftige Schmerzen in der Gegend des Proc. xiph. 
vorhanden. Bildung eines Lappens, welcher die Gegend der 4., 5. und 6. Rippe 
in einer Ausdehnung von ca. 10 cm links vom Brustbein umfaßte. Eröffnung des 
Perikards und Entleerung einer Menge von Gerinnseln. Im rechten Herzohr saß 
ein Stück Glas von der Größe 34:12 mm fest, das entfernt wurde. Catgutnaht 
der Herzwunde und des Herzbeutels. Temperatur von 39° am 5. Tage; Entleerung 
von 700 g Flüssigkeit durch Punktion. Heilung der Wunde in weiteren 9 Tagen. 

Stein (Wiesbaden). 


Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrncke wolle man 
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden. 


Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau. 
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. 





Zentralblatt für Chirurgie 


herausgegeben von 


K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER, 


in Bonn, in Berlin, in Breslau. 
35. Jahrgang. 
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG. 





Nr. 50. Sonnabend, den 12. Dezember 1908. 





Inhalt. 


1) Schmidt, Myalgien und Spasmen der Bauchmuskeln. — 2) Cuff, Peritonitis während der 
Schwangerschaft. — 8) Gilliam, Behandlung der Peritonitis. — 4) Busch u. Bibergeil, Verhütung 
peritonealer Verwachsungen. — 5) Brehm, Subphrenische Abszesse. — 6) Oberndorfer, 7) Jean- 
brau und Anglada, 8) Moullin, 9) Kothe, 10) Oppenheim, 11) Pankow, 12) Rendu, 13) Mantle, 
Zur Appendicitisfrage. — 14) Carmichael, 15) Brenner, Herniologisches. — 16) Lieblein, Der 
Galalithdarmknopf. — 17) Lund, Magengeschwür und Magenkrebs. — 18) Moullin, Gastroentero- 
stomie. — 19) Braun, Entzündliche Geschwülste am Darm. — 20) Lesk, Gallensteinileus. — 
21) Hanes, Mastdarmuntersuchung. 

F. Kuhn, Die Abstufang der Resorbierbarkeit ein Wesentliches in der Catgutfrage. (Original- 
mitteilung.) 

22) Stone, Bauchdeckendesmoide. — 23) Sehroeter, 2) Knowling, 25) Reinecke, Bauch- 
verletzungen. — 26) Kempf, Darmberstung. — 27) Hamman, Bauchfellituberkulose. — 28) Alles- 
sandri, Pseudobauchfelltuberkulose. — 29) Porter, Chronische Peritonitis. — 80) Blake, Verhütung 
peritonealer Verwachsungen. — 81) Buhlig, 32) Seelig, 33) Guibal, 34) Mandry, 85) Barkley, 
36) M. v. Brunn, 37) Derlin, Zur Appendicitisfrage. — 38) Tricot, Pseudoappendicitis. — 89) Le- 
tulle, 40) Coons, Krebs des Wurmfortsatzes. — 41) Laroyenne, 42) de Beule, 483) Borelli, 
44) Köppl, Herniologisches. — 45) Solaro, Darmschließer. — 46) Stewart, Fibrolysin gegen Py- 
lorusstenose. — 47) Maylard, 48) Russell, Pylorusverengerung. — 49) Mayo, Blutleere Stellen im 
Duodenum. — 50) Mayo, Duodenalgeschwür. — 51) Stavely, 52) Fischer, 53) v. Khautz jun., 
54) Mc Callum, 55) Kingsford, Ileus. — 56) Canon, Ausschaltung des Dickdarmes. — 57) Strehl, 
Angeborene Retroposition des Dickdarmes. — 58) Brewer, Diverticulitis des Colon sigmoidenm. 
— 59) Burckhardt, Aktinomykose und Krebs des Dickdarms. — 60) Schenck, Dickdarmstenose. 
— 61) Torikata, Mastdarmexstirpation. 





4 


der Bauchmuskeln, welche Erkrankungen der Abdominal- 


organe vortäuschen. 
(Prager med. Wochenschrift 1908. Nr. 41.) 

Myalgien der Bauchmuskeln sind nicht so selten, wie man nach 
ihrer Würdigung in den Lehr- und Handbüchern erwarten sollte. 
In der Regel treten sie beim Anspannen der Bauchmuskeln auf; sie 
können jedoch auch bei völliger Muskelruhe eintreten. Am ehesten 
noch erhält man durch eine vorsichtige, einschmeichelnde Tastung 
Aufschlüsse über den Ursprung der Schmerzen. Ist in diesem Falle 
die Tiefe unempfindlich, so kann man eine Erkrankung der Bauch- 
organe ausschließen, während ein brüskes Vorgehen, das bei einer 
Unempfindlichkeit der Tiefe Schmerzen und krampfhafte Zusammen- 
ziehung der Bauchmuskulatur hervorruft, die Diagnose einer Myalgie 
sichert. 

Die Krämpfe der Bauchmuskeln stehen im umgekehrten Ver- 
hältnis zum Füllungszustande der Eingeweide. Von größter prak- 

50 


1) A. Schmidt (Halle a. S.\.. Über Myalgien und Spasmen 


1490 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 


tischer Bedeutung ist die Erfahrung, daß die reflektorischen Kontrak- 
tionen auf bestimmte Abschnitte der Bauchmuskeln beschränkt sein 
können. S. hat oft bei Magengeschwür und bei Cholecystitis isolierten 
Tonus des obersten Rectussegments gesehen, welcher Vorgang sehr 
leicht eine Geschwulst vorzutäuschen vermag. Ebenso können Kon- 
traktionen des Obliquus abdominis externus Geschwülste vortäuschen. 

S. hält spontane funktionelle Bauchmuskelkrämpfe fast immer 
für hysterisch. Er beschreibt zwei solche Fälle, von denen der eine 


mit tonischen, der andere mit klonischen Krämpfen einherging. 
A. Hofmann (Karlsruhe). 





2) A. Cuff. Clinical notes on some causes of peritonitis 


occurring during the course of pregnancy. 
(Brit. med. journ. 1908. Juli 4.) 

Unter Beibringung einiger Beispiele bespricht C. einige hervor- 
stechende Ursachen für Entstehung einer Peritonitis im Laufe der 
Schwangerschaft. Solche Ursachen sind Appendicitis, Pyelonephritis, 
Bleivergiftung, intrathorakale Veränderungen, Stieltorsionen von Eier- 
stocksgeschwülsten und die sog. »rote Degeneration«. der Uterusmyome 
(Fairbairn). Sie geben vielfach Gelegenheit zu verhängnisvollen Irr- 
tümern. Unter der roten Degeneration der Myome, die Fairbairn 
zuerst beschrieb, versteht man die Umwandlung des Myoms in eine 
weiche, fleischähnliche Masse durch eine aseptische Nekrobiose unter 
dem Einfluß irgendeiner Ernährungsstörung. Es gelang Ü. in einem 
solchen Falle von 6monatiger Schwangerschaft, das Myom aus der 


Uteruswand auszuschälen, ohne die Schwangerschaft zu stören. 
Weber (Dresden). 





3) Gilliam. The adjustable canvas chair as an aid to the 
Murphy-treatment. 
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. Oktober 3.) 

Die Murphy’sche Behandlung der eitrigen Bauchfellentzündung 
besteht darin, daß 1) der Eiter durch bestimmte Lagerung — Ober- 
körper 45° erhöht, Beine wagerecht — in das Becken gesenkt, 2) aus 
diesem durch Drainage über dem Schambein oder vom Scheiden- 
gewölbe aus abgeführt wird; 3) gleichzeitig läßt man dauernd eine 
warme Kochsalzlösung in den Darm einlaufen zur Auswaschung des 
Körpers. Die Mengen dieser Lösung, die man einführt, sind beträcht- 
lich, 6—15 Quarts in 24 Stunden. Das Darmrohr bleibt dauernd 
liegen und hat vorn an der Olive drei Öffnungen, damit Gas abgehen 
kann; durch den Mund wird während dieser Zeit keine Flüssigkeit 
gereicht. Die Flüssigkeitszufuhr wird nur durch Höhenlage des 
Wassergefäßes, nicht durch Verengung des Schlauches reguliert, ge- 
wöhnlich steht es 8—10 cm höher als der After. — Für die halb- 
sitzende Lage hat G. mit gutem Erfolge bei einer sehr schweren Peri- 
tonitis nach kriminellem Abort einen sog. Triumphstuhl angewandt, 
in dessen Sitz eine runde Öffnung geschnitten wurde, die ein Luftkissen 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1491 


teilweise deckte. Dieser Stuhl wurde auf die Seitenbretter des Bettes 
gestellt, unter ihn eine Wanne zum Auffangen von Kot und Urin. 
Die sehr schwer, moribund auf den Operationstisch gekommene Kranke 
genas, trotzdem noch ein schweres Ekzem am Rücken auftrat. 

Trapp (Bückeburg). 





4) M. Busch und E. Bibergeil. Experimentelle Unter- 
suchungen über Verhütung von peritonealen Adhäsionen. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVII. Hft. 1.) 

Verff. haben Versuche an Hunden darüber angestellt, welche 
Mittel man eventuell anwenden könnte, um nach Laparotomien peri- 
toneale Verwachsungen zu verhindern. Zuerst wurden Vorversuche 
unternommen, um überhaupt festzustellen, inwieweit bei Hunden Ver- 
wachsungen nach Bauchschnitt mit oder ohne Eröffnung des Nahrungs- 
kanals entstehen. Es wurde dabei auch wieder die schon bekannte 
Tatsache bestätigt gefunden, daß Anwendung trockener Kompressen 
zum Abtamponieren und Tupfen die Verwachsungen mehr begünstigt 
als der Gebrauch feuchtwarmer Kochsalzkompressen. Als verwachsungs- 
hindernde Mittel scheinen den Verff. vor allem reizlose Fette und 
schleimige Substanzen in Frage zu kommen. Es wurde deshalb reines 
Olivenöl, Paraffin, Lanolin, Gummi arabicum, Agar, Gelatine und 
Fibrolysin in die Bauchhöhle gegossen; auch subkutane Injektion von 
Physostigmin wurde angewendet. Ein Erfolg wurde jedoch mit diesen 
Mitteln nicht erzielt. Einige wurden zu rasch resorbiert, andere, wie 
Lanolin, Paraffin, Öl usw. reizten die Serosa zu stark. Den Beweis 
dafür, daß subkutane Injektionen oder nach der Operation dargereichte 
Laxantien die Verwachsungen verhüten, sehen die Verff. noch nicht 
für erbracht an. E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


5) Brehm. Zur Therapie der subphrenischen Abszesse. 
(Petersburger med. Wochenschrift 1908. Nr. 35.) 

In einem Vortrage wird zunächst eine Übersicht über die anato- 
mischen Verhältnisse gegeben. Wichtig ist das Verhalten des dia- 
phragmatischen, Iymphatischen Apparates. Die Lymphgebiete beider 
Seiten im Bereiche des Peritoneum diaphragmaticum sind selbständig 
und durch das Lig. suspensorium hepatis voneinander getrennt. Es 
bestehen überall Verbindungen mit den Lymphgebieten der Pleurae 
diaphragmaticae. Infolgedessen ist der subphrenische AbszeB fast 
stets einseitig und die Pleurahöhle mit affiziert, und zwar gewisser- 
maßen um einen Grad leichter. Ist z. B. im Subphrenium Jauche, 
so ist in der Pleura trübseröses oder fibrinöses Exsudat. 

Als Atiologie kommen Eiterungen am Wurmfortsatz, Pankreas, 
durchbrechende Magengeschwüre, Leberzerreißungen in Betracht. Als 
Therapie empfiehlt Verf. transpleurale Eröffnung, nachdem man die 
Ränder der Pleura costalis mit dem Zwerchfell vernäht hat, um so 
die Brusthöhle etwas abzuschließen, und dann erst die Inzision durch 
das Zwerchfell zu legen. Deetz (Arolsen). 

50* 


1492 . Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 


6) S. Oberndorfer. Randbemerkungen zur Lehre von der 


Appendicitis. 
(Frankfurter Zeitschrift für Pathologie Bd. IL Hf. 2 u. 3.) 


Über die Ätiologie der Appendicitis besteht trotz der vielfachen 
Bearbeitung, die sie erfahren hat, noch keine völlige Klarheit. O. 
macht auf mehrere Punkte, die noch der Klarstellung bedürfen, auf- 
merksam und nimmt selbst Stellung dazu. Ein prädisponierendes 
Moment für die primäre Erkrankung des Wurmfortsatzes, das aber in 
der letzten Zeit zu wenig beachtet wurde, liegt in mechanischen Ver- 
hältnissen, in der Enge des Wurmfortsatzes. Beweis: weite, trichter- 
förmige Wurmfortsätze werden auf dem Sektionstisch stets gesund be- 
funden, während andererseits ein enges Meckel’sches Divertikel Ent- 
zündungserscheinungen bieten kann, die einer Appendicitis entsprechen. 

Die Bedeutung der Gerlach’schen Klappe für Kot- und Sekret- 
stauung im Wurmfortsatz und nachfolgende Entzündung, die v. Hanse- 
mann sehr hoch anschlägt, wird von O. nur gering geachtet. Auch 
bezweifelt O., daß Kot im Wurmfortsatz an sich Appendicitis ver- 
ursachen kann. 

Über die Bedeutung des Follikelreichtums des Wurms sind die 
Meinungen sehr geteilt. v. Hansemann sieht den Grund in der 
rudimentären Beschaffenheit des Organes: die spezifischen Elemente, 
die Drüsen sind geschwunden, die nicht spezifischen lIymphatischen 
Elemente infolgedessen zusammengerückt.e. Eugen Albrecht weist 
dagegen auf die Größenverschiedenheit des Wurms bei verschiedenen 
Tierarten hin (klein bei Carnivoren, sehr lang bei manchen Herbiveren) 
und sieht darin eine Anpassung an die Lebensweise. Der Follikelreich- 
tum ist dann der Ausdruck des Funktionswechsels: der Wurm hat die 
Rolle des resorbierenden Darmes aufgegeben und dafür die des lympha- 
tischen Organs übernommen. 

Fremdkörper und Parasiten spielen für die Entstehung einer 
Appendicitis nur eine untergeordnete Rolle; Kotsteine bestehen meist 
nicht aus Kot, sondern aus Bakterien und Schleimhautprodukten. 

Am meisten bedarf noch die Bakteriologie der Appendicitis 
weiterer Bearbeitung. Sicher ist, daß in einzelnen Fällen eine Infek- 
tion des Wurmes auf hämatogenem Wege erfolgen kann; doch sind 
diese Fälle selten gegenüber der häufigen Infektion vom Darm aus. 
Schon der fast immer negative Ausfall der Blutuntersuchung und das 
Aufhören aller fieberhaften Symptome nach Exstirpation, des Wurms 
sprechen gegen eine hämatogene und für eine lokale Atiologie der 
Appendicitis. O. verwahrt sich auch gegen die so beliebte Analogie 
zwischen Angina und Appendicitis. Einmal ist der Bau der Mandeln 
ein völlig anderer, als derjenige des Wurms, hier Lücken im Epithel, 
dort lückenloser Epithelüberzug über den Follikeln. Die Tonsillen- 
pfröpfe, die so häufig Ausgangspunkt der Anginen sind, fehlen beim 
Wurmfortsatz. Bei Annahme der Anginatheorie müßte es auch 
wunderbar erscheinen, daß eben nur die Follikel des Wurmfortsatzes, 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1493 


nicht aber die völlig gleich gebauten der anderen Darmabschnitte er- 
kranken. 

Ein anderer wesentlicher Unterschied, als die Weite der Lichtung 
besteht zwischen Dickdarm und Wurm nicht. Darum muß in der 
Enge des Wurms der Grund für die Häufigkeit seiner Erkrankung 
gesehen werden. Infolge einer Stauung tritt eine Lockerung des Ge- 
webes, Untergang von Epithelien ein, und damit ist den Infektions- 
erregern der Eingang in das Gewebe ermöglicht. 

Trappe (Breslau). 





7) Jeanbrau et Anglada. Traumatismes et appendicite. 


Étude pathogénique et médico légale. 
(Rsvue de chir. XXVIL.ann. Nr. 7.) 

Verff. haben trotz ausgiebigen Studiums der einschlägigen Literatur 
keinen Fall finden können, in dem mit Sicherheit ein bis dahin ge- 
sunder Wurm infolge einer Quetschung der Blinddarmgegend entzünd- 
lich erkrankt wäre. Der beweglich zwischen den Darmschlingen wie 
zwischen Luftkissen verborgene Blinddarmanhang kann einer auf ihn 
wirkenden Gewalt leicht ausweichen; wird er dennoch getroffen, so 
tritt eher eine Zerreißung oder Durchbohrung seiner Wand durch in 
ihm befindliche Fremdkörper ein als eine wirkliche Entzündung. Er- 
hebliche Anstrengungen, wie das Heben einer schweren Last, können 
ebensowenig wie der Defäkationsakt oder Darmkontraktionen eine 
Entzündung des gesunden Wurmes hervorrufen. 

Das Trauma kann vielmehr nur bei einer bereits bestehenden 
chronischen Wurmfortsatzentzündung einen akuten -Anfall auslösen, 
indem es Verwachsungen, die eine drohende Perforation hintanhalten 
oder einen Eiterherd abkapseln, zerreißt oder die Schleimhaut gegen 
einen in der Lichtung befindlichen Stein quetscht. Zwischen Trauma 
und Anfall dürfen aber höchstens 48 Stunden verstreichen, damit 
zwischen beiden noch ein ursächlicher Zusammenhang angenommen 
werden kann. War die Wurmfortsatzwand schon stark verdünnt, 
so kann auch ein Trauma, das nur die Umgebung des Blinddarmes 
trifft, eine akute Appendicitis hervorrufen. 

Heilt der traumatisch entstandene Anfall ohne Eingriff, und treten 
später neue Anfälle auf, so dürfen sie nicht mehr dem Trauma zur 
Last gelegt werden. 

Die gerichtlich-medizinischen Folgerungen beziehen sich auf das 
französische Unfallgesetz vom Jahre 1898. Gutzeit (Neidenburg‘. 


8) M. Moullin. An address on the significance of some of 
the symptoms of appendicitis, from the point of view of the 
urgency of operation. 

(Brit. med. journ. 1908. August 29.) 


Der bekannte Chirurg weist hin auf ein allgemeines Vorstadium 
vieler Appendicitisfälle, das große praktische Bedeutung hat, weil es 








1494 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 


die einzige, kurz dauernde und im weiteren Verlaufe nie wieder- 
kehrende Gelegenheit ist zur erfolgreichen inneren Behandlung mit 
Rizinus, Bettruhe, Nahrungsentziehung. Klinisch kennzeichnet sich 
dieses Vorstadium durch allgemeines Unbehagen im Leibe, mit mäßigen 
Schmerzen um den Nabel, Übelkeit, zuweilen Erbrechen, Völle im 
Leib, Appetitlosigkeit. Erst einen oder wenige Tage später setzt der 
akute, schwere Schmerzanfall ein, das Zeichen, daß nun die Entzün- 
dung auf das Peritoneum parietale übergreift und Operation angezeigt 
ist. Während dieses Vorstadiums können bereits schwere Verände- 
rungen am Wurme stattgefunden haben. So erklärt es sich, daß der 
Chirurg oft schon am angeblich ersten Tage der Erkrankung Zer- 
störungen bis zu voller Gangrän vorfinden kann. 

Ein zweiter Punkt, dessen Bedeutung Verf. betont, ist die kutane 
Hyperästhesie mancher Fälle über der rechten Darmbeingrube und 
zuweilen hinten. Es ist dies eine Head’sche Zone, deren Lage zu 
der des Wurmes in gar keiner Beziehung steht. Ihre Bedeutung liegt 
darin, daß sie ein frühes Zeichen ist, daß sie meist nicht länger als 
einige Tage beobachtet wird, daB sie fast immer eine Dehnung der 
Wurmwand anzeigt. Schwindet sie langsam, so bedeutet das eine 
Abschwellung des Wurmes und Neigung zur Heilung; schwindet sie 
plötzlich, so hat ein Durchbruch stattgefunden, und die absolute An- 
zeige zur Operation ist gegeben. Mit dem peritonealen Tiefenschmerz 
hat diese kutane Hyperalgesie nichts zu tun. 

Dem McBurney’schen Schmerzpunkt mißt M. große Bedeutung 
bei. Mehrstündlich gezählte, zunehmende Leukocytenwerte sind ihm 
eine Anzeige zur Operation; ganz niedrige Zahlen bei schwerem Krank- 
heitsbilde lassen fast sicher den tödlichen Ausgang voraussehen. — 
M. ist ein Anhänger der sofortigen Operation in allen Fällen, wo die 
Zeichen einer fortschreitenden Entzündung zu finden sind, ohne Rück- 
sicht auf das angeblich so gefährliche Intermediärstadium. 

Weber (Dresden). 


9) Kothe. Das neutrophile Blutbild im Frühstadium der 


akuten Appendicitis. 
(Berliner klin. Wochenschrift 1908. Nr. 36.) 

K. hat an einem größeren Materiale (Abteilung Sonnenburg) fest- 
zustellen versucht, in welcher Weise sich das neutrophile Blutbild 
bei der akuten Appendicitis verändert und welche Dienste die Arneth- 
sche Methode im Verein mit der Bestimmung der Gesamtzahl der 
Leukocyten uns für die Diagnose und Prognose speziell im Früh- 
stadium der Erkrankung zu leisten imstande ist. 

Das Ergebnis der Untersuchungen ist nun: 

Die Arneth’sche Methode leistet für die Beurteilung und Be- 
handlung der akuten Appendicitis wichtige Dienste, indem sie die 
Diagnose sichert und die Auswahl der Fälle für die operative und 
exspektative Behandlung erleichtert. Das Blutbild soll aber immer 
nur mit den übrigen Symptomen zusammen verwertet werden. Be- 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1495 


stimmte Zahlen als Richtschnur lassen sich danach nicht aufstellen, 
da die Methode sehr subtil und in nicht geringem Grade von dem 
subjektiven Ermessen des einzelnen Beobachters abhängig ist. In 
gewissem Sinne ist die Methode auch für die Prognose verwertbar: 
je weniger das Blut geschädigt ist, um so besser die Prognose. Bei 
methodisch fortgesetzten Untersuchungen erwies sich die Bestimmung 
der Prozentzahl der Neutrophilen besonders wichtig nach den Opera- 
tionen (Fortschreiten bzw. Zurückgehen der Entzündung, Auffinden 
sekundärer Abszesse). Zunehmende Veränderung des Blutbildes nach 
einer Operation weist mit Sicherheit auf Komplikationen hin. Erfolgt 
gleichzeitig ein Absinken der Leukocytenzahl, so ist dies als Signum 
mali ominis aufzufassen. 

Von der Arneth’schen Methode sind noch weitere wertvolle 
Ergebnisse zu erwarten. Langemak (Erfurt). 





2 E. A. Oppenheim. Zur Frage der Obliteration des 
menschlichen Wurmfortsatzes. 
(Frankfurter Zeitschrift für Pathologie Bd. II. Hft. 2 u. 3.) 

Fast der vierte Teil aller durch Sektion gewonnenen Wurmfort- 
sätze ist total oder partiell obliteriert. Zur Erklärung dieser Erschei- 
nung sind im wesentlichen drei Theorien aufgestellt worden: Wölfler, 
Ribbert, Zuckerkandl erblicken in der Obliteration einen Involu- 
tionsvorgang der rudimentären Organe. Eine andere Anschauung 
glaubt äußere Ursachen für die Obliteration verantwortlich machen zu 
müssen; und zwar nimmt Ribbert eine chronische Intoxikation, 
Oberndorfer eine chronische Entzündung an. Aschoff endlich 
führt alle Obliterationen auf einen akuten pseudomembranös nekro- 
tisierenden Prozeß zurück. 

O. hat unveränderte Wurmfortsätze von Erwachsenen und Kin- 
dern, ganz und teilweise obliterierte und auch entzündete Wurmfort- 
sätze unter aller Vorsicht eingebettet und in verschiedenen Schnitt- 
richtungen, Stufen- und Serienschnitten untersucht. Er konnte nach- 
weisen, daß in den obliterierten Wurmfortsätzen lediglich die Schleim- 
haut zugrunde gegangen war, während alle anderen Bestandteile in 
normaler Weise erhalten waren. 

Mit diesen Befunden ist die Annahme einer akuten oder chroni- 
schen Entzündung für alle Fälle unvereinbar, da meistens keinerlei 
Narbengewebe nachzuweisen ist und die Wandschichten keinerlei 
Verwerfung oder andere Zeichen abgelaufener Entzündung zeigen. 

Die Annahme eines einfachen Involutionsvorganges stößt deshalb 
auf Schwierigkeiten, weil nur die Schleimhaut verloren geht, die an- 
deren Darmwandschichten aber erhalten sind. 

O. erklärt sich den Vorgang folgendermaßen: Infolge der Invo- 
lution wird die Lichtung sehr eng, es findet eine Sekretstauung statt, 
die zu ödematöser Durchtränkung und schließlich zum Untergange der 
Schleimhaut führt. Danach kommt es zur Verwachsung der ihrer 
Schleimhaut beraubten Darmwandung. 


1196 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 


Ein analoger Vorgang findet bei der Atresie des involvierenden 
Uterus statt. Trappe (Breslau). 





11) Pankow. Die Differentialdiagnose zwischen Appendicitis 
| und weiblichen Genitalerkrankungen. 
(Med. Klinik 1908. p. 1527.) 

60 von Hundert aller der Freiburger Frauenklinik zugehenden 
Frauen haben in der Geschlechtsreiffe eine Blinddarmentzündung 
durchgemacht. 

An der Hand eigener Erfahrungen werden die unterscheidenden 
Merkmale zwischen Appendicitis und gonorrhoischer, tuberkulöser, 
septisch-saprischer Pyosalpinx, Tubarschwangerschaft, Hämatokele, 
zwischen akuter appendicitischer Perforationsperitonitis und stiel- 
gedrehter Eierstocksgeschwulst, zwischen chronischer Wurmfortsatz- 
entzündung und beweglicher Uterusretroflexion, Oophoritis, Eierstocks- 
senkung, Eindometritis, rechtsseitiger Wanderniere, allgemeiner Entero- 
ptose und endlich Hysterie besprochen. Im letzteren Falle wurden 
einmal erst die runden Mutterbänder verkürzt und später der ganz 
gesunde Wurmfortsatz entfernt, ohne irgendwelchen Dauererfolg. 

Georg Schmidt (Berlin). 


12) H. Rendu. Les lesions hepatiques d’origine ap;’endicu- 
laire et leur retentissement gastrique. 
Inaug.-Diss., Paris, 1908. 

Verf. bespricht in seiner Arbeit den Zusammenhang zwischen den 
schweren Formen der Appendicitis und Schädigungen der Leber. An 
der Hand einer größeren Anzahl von selbst beobachteten Fällen und 
Tierexperimenten weist er darauf hin, daß man zweierlei Schädigungen 
des Lebergewebes in Betracht ziehen müsse, einmal eine direkte Bak- 
terieninfektion, dann aber auch eine Schädigung der Leberzellen durch 
die Toxine. In seiner Arbeit weist R. darauf hin, daB der rechte 
Leberlappen häufiger von den Schädigungen getroffen wird wie der 
linke, eine Behauptung, die er durch Ergebnisse im Tierexperiment, 
durch Phosphorinjektionen in den Processus zu stützen sucht. 

In dem zweiten Teile stellt R. die Behauptung auf, daß die go 
häufig beobachteten Störungen des Magens, auch Erbrechen blutiger 
Massen im Verlaufe einer Appendicitis ebenfalls auf Schädigungen 
der Leber zurückzuführen seien. Eine größere Anzahl von Kranken- 
geschichten und Tierexperimenten werden zum Beweise und Erklärung 
angeführt. L. Simon (Mannheim). 





13) A. Mantle. Mucous colitis and its relationship to appen- 
dicitis and pericolitis, with remarks upon its treatment by 
irrigation (Plombières Bath). 

(Brit. med. journ. 1908. Juli 11.) 

M.’s Arbeit behandelt die Beziehungen zwischen der Colitis mu- 
cosa, die für ihn nur dem Grade nach von der Colitis membranacea 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1497 


und haemorrhagica verschieden ist, und der Appendicitis. Verwechs- 
lungen sind zahlreich: Die Kolitis wird für Appendicitis gehalten und 
umgekehrt. Die Kolitis ist die Hauptursache für fortbestehende Be- 
schwerden trotz der Appendektomie; sie kann sowohl Ursache wie 
Folge einer Appendicitis sein. M. führt Beispiele dafür an. Zur 
Behandlung im chirurgischen Sinne empfiehlt M. die Coecostomie 
oder die Appendikostomie als Mittel zur Ableitung des Stuhles bzw. 
zur Spülung. Die Spülbehandlung ohne operativen Eingriff ist seit 
Jahren besonders ausgebildet worden in Plombieres und Harrogate. 
M. geht des näheren auf die dabei geübte Technik ein. 
Weber (Dresden). 


14) E. S. Carmichael. Some points in the anatomy and 
pathology of the hernial sac. 
(Brit. med. journ. 1908. August 29.) 

Die Erfahrungen an über 300 Bruchoperationen, vorwiegend bei 
Kindern, haben den Verf. überzeugt, daB die Zahl der angeborenen 
Bruchsäcke bei weitem höher ist als man bisher angenommen hat. 
Die Begründung für diese Behauptung muß in der Arbeit selbst ein- 
gesehen werden. Verf. geht sogar so weit, daB er in über 50% aller 
kleinen Kinder, wie sie zufällig gerade zur poliklinischen Beobachtung 
kommen, einen offenen Processus vaginalis annimmt, weil sich in der 
entsprechenden Zahl von Fällen der Samenstrang der einen Seite 
wesentlich verdickt anfühlt im Vergleiche zur anderen. Diese Ver- 
dickung sei fast immer zu deuten als ein offen gebliebener Scheiden- 
fortsatz des Bauchfells. Weber (Dresden). 





15) A. Brenner. Radikaloperation der Nabelbrüche. durch 
Lappendoppelung. 
(v. Langenbeck”s Archiv Bd. LXXXVIL Hft. 1.) 

Verf. beschreibt seine Operationsmethode der Nabelhernien, die 
ziemlich identisch mit der von Wreden ist; doch hat B. dieselbe un- 
abhängig von letzterem ausgeführt. Die Operation wird in folgender 
Weise vorgenommen. Nach einem Längsschnitt über die Höhe des 
Bruches wird der Bruchsack ausgeschält, eröffnet, der Bruchinbhalt 
versorgt und reponiert. Dann wird die Bruchpforte durch eine Bauch- 
fell und Aponeurosenwand fassende Naht meist in querer Richtung 
verschlossen, darauf der Schnitt bis auf die Linea alba vertieft, die 
Fettmasse von der zwischen den Musc. recti liegenden Aponeurose 
abgelöst und der Innenrand des M. rectus beiderseits durch einen 
kleinen Fascienschnitt aufgesucht. Das elliptische Feld, das sich nun 
zwischen den beiden Recti zeigt, soll durch zwei Lappen aus der vor- 
deren Rectusscheide verstärkt und dadurch die Bruchpforte verlegt 
werden. Die Fettlappen werden dann vom Innenrande der geraden 
Bauchmuskeln zurückpräpariert, dann wird jederseits ein halbmond- 
förmiger Lappen aus der vorderen Rectusscheide gebildet. Die Enden 
des Lappenschnittes treffen oben und unten die Mittellinie. Die beiden 


50** 


1498 Zentralblatt für Chirurgie Nr. 50. 


Lappen werden abgelöst und erst der eine nach der entgegengesetzten 
Seite umgeschlagen und mit der Scheide daselbst durch Naht vereinigt. 
Dann wird der andere Lappen ebenfalls umgeklappt und mit der Um- 
schlagslinie des ersten vernäht. Es folgt Drainage und Hautnaht. 
Die doppelte Platte der Rectusscheiden soll für die Zukunft ein 
Hervortreten von Bruchinhalt verhüten. Die Entblößung der Recti 
in der großen Ausdehnung, wie sie die Lappenbildung verursacht, 
bringt keinen Schaden. Als Vorzug der Methode wird angesehen, 
daß sie sich den Verhältnissen des Dickbauches anpaßt und weder vor 
noch nach dem Eingriff eine Entfettungskur erfordert, die doch nicht 
immer durchzuführen ist. Von 26 Operierten sind drei gestorben. 
Alle anderen Fälle sind dauernd geheilt, so daß B. die Methode als 
unbedingt zuverlässig empfehlen kann. Am Schluß folgen die Kranken- 
geschichten. E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


16) V. Lieblein. Der Galalithdarmknopf. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVIII. p. 289.) 

Im Verlaufe von 12 Jahren wurden an der Wölfler’schen 
Klinik an 268 Fällen von Magen-Darmoperationen Erfahrungen über 
die Brauchbarkeit des Murphyknopfes gesammelt. Während dessen 
Verwendung anfänglich eine fast ausschließliche (ausgenommen Dick- 
darmoperationen) gewesen war, führte eine Anzahl von 25 tödlichen 
Knopfunfällen im Laufe der Jahre zu seiner völligen Verdrängung 
durch die Nahtanastomosen. 

Eine Kritik der Todesfälle ergibt, daß zur Gastroenterostomie 
bei hypertrophischer und brüchiger Magenwand die Naht entschieden 
vorzuziehen ist, daß Unfälle bei der vorderen Gastroenterostomie und 
bei bösartigen Grundleiden häufiger sind als bei der hinteren Gastro- 
enterostomie und bei gutartigen Magenaffektionen, weiter, daß die 
chronischen Dünndarmstenosen ein dankbareres Gebiet für die Knopf- 
anwendung abgeben, als die akuten lleusfälle und besonders die gan- 
gränösen Hernien. 

Ursache aller Übelstände ist die Schwere, die enge Lichtung und 
die Nichtresorbierbarkeit des Knopfes. 

Diese Nachteile vermeidet nun der Galalithknopf des Verf.s, der 
aus einer Verbindung des Formaldehyds mit Parakasein nach dem 
Muster des Murphyknopfes konstruiert und völlig resorbierbar ist bis 
auf die Federn aus Neusilber. Der Knopf wird von der Firma 
Schaerer in Bern in drei Größen hergestellt mit einer Lichtung von 
7—11 mm und einem Gewicht von 2—4 g. 

19 Tierversuche und die Anwendung am Menschen bei 19 Gastro- 
enterostomien und 3 Dünndarmresektionen bei brandigen Brüchen 
fielen befriedigend aus. 

Als vornehmliches Anwendungsgebiet bezeichnet Verf die Pylorus- 
stenosen, bei denen eine Abkürzung der Operationsdauer sehr wün- 
schenswert ist und zugleich die Infektionsgefahr verringert. Auszu- 
schließen von der Verwendung des Knopfes sind auch hier Fälle mit 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1499 


stark verdickter, brüchiger Magenwand und gangränöse Hernien. 
Außerdem soll man zur "Sicherheit noch stets eine einfache Über- 
nähung hinzufügen. 

Die Knöpfe werden durch Kochen in Wasser sterilisiert, wobei 
sie etwas erweichen, und in Karbolglyzerin aufbewahrt, worin sie ihre 
brauchbare Konsistenz wieder erhalten und monatelang liegen bleiben 
können. BR Reich (Tübingen). 
17) Lund. The diagnosis at operation between chronic ulcer 

and cancer of the stomach. 
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. August 15.) 

Selbst nach Eröffnung des Magens läßt sich die Diagnose in 
manchen Fällen sehr schwer stellen, besonders wenn es sich um be- 
ginnenden Krebs handelt, dessen operative Behandlung die meisten 
Aussichten bietet. Die vor der Operation gemachten Untersuchungen 
— namentlich die des Magensaftes — sind in solchen Fällen sehr 
wichtig. Verf. legt großen Wert auf das Verhalten der Salzsäure. 
Die Geschwüre, die Zweifel bieten, können sein: 1) verhärtet, meist 
an der kleinen Kurvatur gelegen, aber verschieblich. Diese müssen, 
selbst wenn gutartig, entfernt werden, da Gastroenterostomie keinen 
Erfolg bringt. Am besten ist eine teilweise Gastrektomie. 2) ver- 
härtet mit Sitz am Pylorus. Sie erstrecken sich oft vom Duodenum 
auf diesen, sind mit dem linken Leberlappen und Pankreas verwachsen. 
Sie sind meist gutartig, Gastroenterostomie ist zweckmäßig, Exzision 
schwer und gefährlich. Im ersteren Fall ist das chemische Ver- 
halten des Magensaftes weniger wichtig als im zweiten. 

Trapp (Bückeburg). 


18) M. Moullin. A clinical lecture on gastro-enterostomy 


for non-malignant disease. 
(Brit. med. journ. 1908. Juli 11.) 

Der sehr bewanderte Chirurg gibt uns hier seine Erfahrungen 
über die Gastroenterostomie bei gutartigen Leiden wieder. Er an- 
erkennt als Anzeige zur Operation die gutartige Verengerung durch 
Narbe, fibröse Stenose oder jahrelang bestehenden Krampf, das Magen- 
und Duodenalgeschwür selbst und die Blutung. Im allgemeinen zieht 
er die hintere Gastroenterostomie mit kurzer Schlinge (sog. no-loop 
method) der vorderen oder der Finney’schen Operation vor. Die 
Frage, wo die neue Öffnung angebracht werden soll, beantwortet er 
nach den neueren Forschungen von Cunningham. "Danach besteht 
der Magen aus zwei Teilen, die während der Fortbewegung des In- 
haltes völlig getrennt voneinander arbeiten. Ein sphinkterähnliches 
Band von Muskelfasern erstreckt sich von dem kardialen Ende der 
kleinen Kurvatur quer über den Magen und teilt diesen ein in einen 
annähernd senkrechten, kardialen, links gelegenen Anteil und den quer 
gelegenen, rechten, Pylorusschlauchteil. Meistens kann man diese Tei- 

* 


1500 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 


lung auch bei Operationen zur Darstellung bringen. Daß diese beiden 
Teile tatsächlich voneinander getrennt arbeiten, hat M. gelegentlich 
durch eine besondere Art des Erbrechens nach der Gastroenterostomie 
nachweisen können. Zuweilen erbrechen die Kranken einige Zeit nach 
der Operation, wenn das Narkosebrechen bereits vorüber ist, 2—3 Tage 
lang äußerst sauren Mageninhalt, dem aber niemals Nahrung bei- 
gemengt ist, auch wenn sie erst eine Viertelstunde vorher aufgenommen 
war. Ein Beweis dafür, daß der Magen in zwei voneinander ge- 
trennten Teilen arbeitet. Wenn die Verschwellung der neuen Fistel 
vorüber ist, hört auch dieses Säureerbrechen auf. An der Grenze 
dieser beiden Magenanteile soll die Fistel angelegt werden. — Die 
Ansicht, daß die heilende Wirkung der Gastroenterostomie auf ein 
Geschwür in der Neutralisierung des hyperaziden Mageninhaltes durch 
das Einfließen der alkalischen Säfte des Pankreas und der Leber 
beruht, vermag Verf. nicht zu teilen. Denn seiner Meinung nach 
findet man einige Zeit nach der Operation nur ausnahmsweise im 
Magen Galle, während sie allerdings in den ersten Tagen wegen der 
Verschwellung der Wundränder Gelegenheit hat, länger im Magen 
zu verweilen. 

Wenn jahrelange Unterernährung und hochgradige sekundäre 
Neurasthenie vorhanden sind, kann der Erfolg der Operation begreif- 
licherweise nicht vollkommen sein. Auch nach der Operation ist sorg- 
fältige Lebensweise und Diät unerläßlich, eine Regel, gegen die nur 
zu oft verstoßen wird. Auf diese Weise sind Mißerfolge nach der 
Gastroenterostomie oft zu erklären. Weber (Dresden). 


19) H. Braun. ZEntzündliche Geschwülste am Darm. 


B. machte in dieser Mitteilung unter Hinweis auf einen vor 
8 Jahren auf dem ÜÖhirurgenkongreß gehaltenen Vortrag über ent- 
zündliche Geschwülste des Netzes auf das Vorkommen analoger Pro- 
zesse in der Nähe des Kolon aufmerksam. Diese Geschwülste hängen 
so innig mit der Darmwand zusammen, daß sie bei unserer jetzigen 
geringen Kenntnis dieser entzündlichen Veränderungen für Karzinome 
gehalten und meist auch als solche exstirpiert werden. Um so leichter 
ist diese Verwechslung möglich, da diese Pseudotumoren meist mehr 
oder weniger schnell wachsen, ohne Fieber verlaufen, Stenosenerschei- 
nungen des Darmes veranlassen und zur Kachexie führen können. B. 
teilt die Krankengeschichte eines derart verlaufenen und von ihm be- 
handelten Falles von Tumor des Colon descendens bei einer 64 Jahre 
alten Frau mit; erst die mikroskopische Untersuchung ergab die Dia- 
gnose. Gewiß können aber diese Tumoren auch wieder verschwinden. 
So war B. ein älterer Herr mit Karzinom des Colon ascendens zuge- 


1 Dieser Selbstbericht über einen auf dem letzten Deutschen Chirurgenkongreß 
gehaltenen Vortrag hat zufällig keine Aufnahme in dem allgemeinen Kongreß- 
bericht (cf. Beilage zu Nr. 35 dieser Zeitschrift) gefunden. Auf ihn bezieht sich 
die Diskussion auf p. 136, vor der er hätte stehen sollen. Red. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1501 


schickt worden, der in der rechten Seite des Leibes einen faustgroßen, 
harten, höckerigen Tumor hatte. Die in Aussicht genommene Ope- 
ration wurde von dem Kranken aber entschieden verweigert, und bei 
einer 9 Jahre später vorgenommenen Untersuchung war nichts mehr 
von dem früher vorhandenen Tumor nachweisbar. Diese entzündlichen 
Geschwülste sind es, die vom Arzt für Karzinom erklärt und durch 
Kurpfuscher oder Geheimmittel geheilt werden können. Zur Heilung 
dieser Geschwülste ist wohl nur ausnahmsweise die Darmresektion 
notwendig, sondern es wird genügen, wenn die Diagnose während der 
Operation gestellt wird, die Geschwulstmassen bis in die Nähe der 
Darmwand abzutragen, oder Exzisionen aus ihr zu machen, oder die 
Ennteroanastomose auszuführen. (Selbstbericht.) 


20) R. Lesk. Über Gallensteinileus. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIV. p. 47.) 

Die aus der Prof. Schnitzler unterstellten chirurgischen Abtei- 
lung des k. k. Krankenhauses Wieden in Wien hervorgegangene Ar- 
beit berichtet über die einschlägigen Operationen Schnitzler’s, 
nämlich sechs klinische Fälle, wovon die Hälfte genasen, und fünf 
anderweitig behandelte, welche sämtlich starben. Aus der Literatur 
(45 Nummern zählendes Verzeichnis derselben zum Schluß der Arbeit) 
hat sodann L. alle sonst publizierten Fälle gesammelt und in einer 
Tabelle zusammengestellt, um auf Grund der Ergebnisse dieses Ma- 
teriales eine Allgemeinbesprechung des Gallensteinileus zu liefern. 

Die Krankheit befällt vorzugsweise Frauen in vorgerückten Jahren. 
Die zur Darmpassagestörung führenden Steine scheinen meist nicht 
durch die natürlichen Wege, sondern durch pathologische Kommuni- 
kationen zwischen Gallenblase und Darm in letzteren zu gelangen, ein 
Vorgang, der fast symptomlos zu erfolgen pflegt. Anamnestisch fin- 
den sich aber meist sonstige Hinweise auf Bestehen von Cholelithiasis, 
sowie Angaben über frühere Anfälle von Darmkolik. Das Leiden 
beginnt meist mit einem plötzlichen Leibschmerz, der aber nicht so 
stark zu sein pflegt wie der Initialschmerz bei einem Strangulations- 
ileus. Weiterhin ist ein gewisser Wechsel der Kolik und Ileussym- 
ptome bzw. von deren Heftigkeit charakteristisch, den L. also erklärt. 
Der Gallenstein wirkt passageerschwerend auf den Darminhalt, der 
durch ihn gestaut wird. Folge davon ist vermehrte Peristaltik, durch 
die der Stein auch ein Stück weit darmabwärts gefördert ` und der 
Darminhalt ebenfalls bewegt wird. Unter Erleichterungsgefühl und 
Nachlaß der Darmkrämpfe bleibt aber jetzt der Stein liegen und be- 
wirkt neuerdings Stauung, desgleichen aber auch neue Darmkrämpfe, 
Erbrechen usw. Das Spiel wiederholt sich, bis eine Erschöpfung bzw. 
Lähmung der motorischen Darmkräfte eintritt. Sitz des Ileus bewir- 
kenden Steines ist in der Hälfte der Fälle das untere Ileum; die 
Größe des Steines beträgt meist 2—4 cm. Die Dauer der Ileussym- 
ptome betrug durchschnittlich 2—6 Tage, die Prognose für die Ope- 


1502 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 


ration ist nur in den ersten 4 Tagen günstig. Im ganzen wurden 
von 92 verzeichneten operierten Fällen 42 geheilt, 50 endeten tödlich. 
Bei kleinen Steinen empfiehlt sich die Enterotomie mit Längsschnitt 
und querer Naht (Körte), bei größeren Längsschnitt und Längsnaht. 
Eine Revision der Gallenwege wegen akut entzündlicher Erscheinungen 
kommt bei der Operation nicht in Betracht, dagegen kann, wenn man 
einen fazettierten Stein gefunden hat, eine Revision der Gallenblase 
und der geblähten Darmschlingen erforderlich sein; ebenso kommen 
bei Ulzeration und Perforation am Darm Resektionen, Darmanasto- 
mosierungen in Frage, die aber sehr schlechte Prognose haben. Da 
die sichere Diagnose des Gallensteinileus selten möglich ist (eine Ge- 
schwulst ist bei ihm der Regel nach nicht fühlbar) und Operationen 
an den Gallenwegen selten in Erwägung zu ziehen sind, ist als 
Schnittführung die in der Mittellinie zwischen Nabel und Symphyse 
zumeist zu empfehlen. Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


21) Hanes. A new position for the diagnosis and treatment 
of diseases of the rectum and sigmoid flexure. 
(Journ. amer. med. assoc. 1908. Oktober 3.) 

H. nennt die Lage die »übertriebene Knie-Ellbogenlage«. Der 
Kranke liegt mit den Beinen bis zur Leistenbeuge auf einem Opera- 
tionstisch, der Rumpf hängt senkrecht herunter, und der Oberkörper 
stützt sich mit den Schultern auf zwei Stühle, zwischen denen der 
Kopf frei herabhängt; oder der Kopf ruht auf dem Fußboden auf 
den beiden Vorderarmen, die auf untergeschobene Kissen sich stützen. 
Es ist einleuchtend, daß durch diese Lage der gesamte Bauchinhalt 
gegen das Zwerchfell rückt und so der unterste Abschnitt des Darmes 
gerade gestreckt wird. Gleichzeitig strömt, oft unter hörbarem Ge- 
räusch, wenn man den Mastdarmspiegel einschiebt, Luft in den Darm 
und bringt ihn zur völligen Entfaltung, so daß die Schleimhaut weit- 
hin zu übersehen ist. Das Rektoskop läßt sich leichter und schonen- 
der einführen als bei allen anderen Arten von Lagerung. Eingießun- 
gen sind in erstaunlichen Mengen möglich, ebenso natürlich lokale 
Behandlung, wenn man Spiegel von genügender Weite anwendet. Die 
Lage soll bis zu 20 Minuten ertragen werden. 

Das Verfahren scheint der Nachprüfung wert. 

Trapp (Bückeburg). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1503 


Kleinere Mitteilungen. 
Aus dem Elisabeth-Krankenhaus in Kassel. 


Die Abstufung der Resorbierbarkeit ein Wesentliches 
in der Catgutfrage. 
Von 


Dr. Fr. Kuhn. 


achdem die »Keimfreiheit« des Catgut, auf Grund dessen, was ich in der letzten 

Zeit an verschiedenen Orten mitgeteilt habe, erledigt sein dürfte, und wir in mei- 
nem Sterilcatgut, welches »händefrei«e und >kontaktfrei« hergestellt, und >»vor dem 
Drehen und während desselben zuverlässig desinfiziert (die Desinfektionskörper 
seien noch dahingestellt, Sublimat, Jod, Argentum usw.) wird«, ein im vollsten 
Sinne des Wortes »keimfreies« Präparat haben, benötigt es, eine andere große 
Seite der Catgutfrage zu besprechen, eine klinische Seite, die meines Erachtens 
mindestens nicht weniger wichtig ist als die Sterilität, nämlich 


„die Resorption des Catgut‘. 


Um uns nach dieser Richtung leichter zu verstehen, bitte ich mit mir mehrere 
Catgutfäden verschiedener Zubereitung zur Hand zu nehmen, etwa 

1) ein Sublimatcatgut oder Cumolcatgut (Krönig), 

2) ein Claudius’sches Jodcatgut, 

3) mein Sterilcatgut. 

Von jedem dieser Fäden wollen wir probeweise einige Stücke in der Haut 
eines Operierten vernähen. Bei der Verfolgung der Vorgänge während der nächsten 
Tage muß uns zunächst die verschiedene Dauer der Resorption auffallen: Der 
Faden gewöhnlicher Zubereitung braucht 8—10 Tage bis er aufgelöst worden ist 
bzw. abfällt, der Claudius’sche 15—20 Tage, mein Sterilcatgut 25—40 Tage. 

Ganz entsprechend dieser mehr oder minder raschen Resorption geht die Se- 
kretion im Stichkanal und die, wenn man es so nennen will, Eiterbildung parallel. 
Der weich gewordene Catgutfaden ist von eitrigem Sekret belegt, das sich auch 
auf Druck aus dem Kanal entleert; der ganz ungequollene, unveränderte Jod- 
sterilcatgutfaden dagegen ist ganz trocken geblieben upd reiner wie ein Seiden- 
faden. 

In diesen Unterschieden nun bezüglich Resorption und Sekretion liegt der 
Fingerzeig, wie wir Catgut anzuwenden haben. Nicht ob Catgut oder ob Seide 
ist die Frage. Bei der Wahl des Nahtmaterials gilt es vielmehr zu entscheiden, 
nicht ob wir Catgut anwenden sollen, sondern welches Catgut, d. h. Catgut 
welcher Zubereitung. 

Ich selbst war stets und zu frühestens mit ein überzeugter Anhänger der 
Seide; ich nähte viele Jahre alles, selbst gynäkologische Sachen, nur mit Seide. 

Seitdem ich aber die Catgutfrage näher studiert und die Bedeutung der Unter- 
schiedlichkeit der Resorption kennen gelernt habe und auch die Wege, eine solche 
zu erzielen, seit dieser Zeit weiß ich, daß man auch mit denselben Resultaten alles 
mit Catgut nähen kann. Dabei bleibt der Vorteil, daß der Faden früher ver- 
schwindet. 


Worin besteht nun das Geheimnis bei der Verwendung von Catgut 
und worin der Kunstgriff seiner richtigen Verwendung? 

Er beruht auf folgenden Tatsachen: 

1) Behandelt man einen Rohdarm vom Hammel vor dem Drehen (wie für mein 
Sterilcatgut) mit Jodlösungen und dreht ihn in diesem Zustande zu Catgut, so er- 
hält man ein ganz besonderes, durch und durch gegerbtes, höchst widerstands- 


1504 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 


fähiges Material, das, ähnlich wie Leder, höchst schwer auflösbar und resor- 
bierbar ist. 

Ein solcher Faden bleibt in einer Wunde lange Zeit, eine Reihe von Wochen, 
fast unverändert; er liegt darin wie ein solider Faden von Gummi oder Metall. 
Dementsprechend ist er ganz passiv und greift nicht in die naturgemäßen Hei- 
lungsvorgänge in der Wunde rings um ihn ein. Er reizt durch nichts, macht 
keinerlei Sekretion, provoziert keine Leukocyten, stellt keine Anforderungen hin- 
sichtlich Resorption; er quillt nicht und zerfällt nicht in Einzeldrähte. 

Erst nach Wochen wird er langsam durchscheinender und nimmt ab, dies 
aber ohne Lockerung, von der Peripherie aus, durch Auflösung nach Art eines 
Zuckerbonbons im Munde. 

Alle diese Einzelheiten, mit Ausnahme der letzteren, rücken den Faden dem 
Silberdrahte näher, dessen gutes Einheilen in Wunden bekannt ist. 

2) Ahnlich steht es um den Claudius’schen Catgutfaden; behandelt man 
einen Rohcatgutfaden nach Claudius mit Jod, so entsteht um den Faden gleich- 
sam eine Rinde, sichtlich ungefähr in der Art, wie es soeben vom Sterilcatgut 
geschildert wurde. Dementsprechend zeigt der Faden wenigstens im Beginne ver- 
langsamte Resorption. Diese setzt dann mit einem Mal ein und vollzieht sich 
rasch weiter, wie beim gewöhnlichen Catgut. 

3) Den soeben in 1) und 2) geschilderten Verhältnissen entgegen zeigt ein 
Catgutfaden gewöhnlicher Präparation (Cumolcatgut, Saul’sches Catgut usw.) eine 
rasche Quellung, Lockerung und Erweichung. Der Faden zerfällt in Lamellen, 
entsprechend seiner Entstehung. Diese werden einzeln angefressen. So entsteht 
alsbald ein weiches Gebilde, um dieses eine lebhafte Sekretion. 


Vergleicht man nun die Vorgänge in und an einer Wunde nach einer 
frischen Naht, so ist folgender Unterschied in die Augen springend: 

Der langsam resorbierbare Faden ist, wie ein Seiden- oder Drahtfaden, 
ganz passiv, chemisch inaktiv, reizlos; er ist glasartig massiv, nicht imbibierbar, 
ohne Kranz von Leukocyten; dagegen verwandelt sich der rasch zerfallende 
und rasch lösbare Faden alsbald in einen Klumpen weichen Breies artfremder 
Bestandteile von ziemlicher Masse (z. B. Catgut Nr. 4 hat den Querschnitt der 
Pellen von zwei Frankfurter Würstchen), die chemisch höchst aktiv auftreten, 
resorptionsbedürftig sind, Leukocyten anlocken und andere Reaktionen anslösen. 


Die Schlußfolgerungen aus dem Gesagten ergeben sich von selbst: 

Es ist leicht zu begreifen, daß im Innern einer sich gerade eben zur Heilung 
anschickenden Wunde, also z. B. bei versenkten Nähten, Bruchoperationen usw., 
nichts riskanter ist, als eine derartige Häufung artfremden, toten Tiermaterials. 
In einer solchen Wunde, namentlich zu Beginn der Heilung, muß dieses Material 
höchst störend wirken. Wie anders, wenn der Faden wenigstens die erste Zeit 
sich ganz passiv verhält, chemisch ganz inaktiv, ganz indifferent! 

Andererseits begreift es sich, daß bei oberflächlicher Verwendung, bei ganz 
flachen Hautnähten, namentlich solchen, die von selbst abfallen sollen, ein leicht 
löslicher Faden schon eher angezeigt ist, und daß hier seine störende Wirkung 
event. viel weniger zur Geltung kommt. 

Wir sehen also, welchen Unterschied wir mit unserem Catgut machen müssen: 
Wir müssen es mit Rücksicht auf seine Resorbierbarkeit verwenden, und 
e nachdem diese rascher oder weniger rasch vor sich geht. 

Für tiefere Nähte und für Unterbindungen muß absolut an einem Catgut 
in der Art meines Sterilcatgut, das mit Jod präpariert und schwer löslich 
ist, festgehalten werden, und ihm für alle tieferen Zwecke, Bauchdecken-, 
Bruchoperationen usw., der Vorzug gegeben werden. 

Für oberflächlichere Zwecke kann eher einmal eins, das den seitherigen Arten 
ähnelt, Verwendung finden. Ich habe für diesen Fall neben dem Sterilcatgut noch 
ein solches mit der Beibezeichnung leicht löslich, das mittels Sublimat, im 
übrigen aber wie das andere hergestellt wird, in Anregung gebracht. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1505 


22) Stone. Desmoid tumors of the abdominal wall. 
(Annals of surgery 1908. August.) 

Zu der Pfeiffer’schen Statistik von 400 Fällen der Desmoide der Bauch- 
decken (Beiträge zur klin. Chirurgie 1904), die bis zum Jahre 1904 reicht, hat 8. 
bis heute noch 10 Fälle aus der Literatur gesammelt, die kurz näher beschrieben 
werden. Es wird dann die pathologische Anatomie dieser aus den Aponeurosen 
und Muskelscheiden der Bauchwand hervorgehenden Geschwülste besprochen. Mikro- 
skopisch bestehen sie aus zellarmem Bindegewebe, das zuweilen sarkomatös oder 
myxomatös entartet. Sie kommen meistens beim weiblichen Geschlecht und vor- 
wiegend bei Frauen vor, die geboren haben. Ihr Sitz ist gewöhnlich der rechte 
untere Quadrant des Bauches; sie gehen in erster Linie vom Rectus aus, dann 
folgen der Häufigkeit nach Obliquus externus, Fascia transversalis und Linea alba. 
Die Atiologie ist dunkel. Klinische Symptome machen die Geschwülste besonders 
dann, wenn sie nach innen, nach der Bauchhöhle zu, wachsen, wobei sie dann leicht 
mit Leber-, Netzgeschwülsten usw. verwechselt werden können. Die benachbarten 
Lymphdrüsen schwellen erst dann an, wenn die Geschwulst bösartig geworden ist. 
Wegen der Neigung zu solcher Verwandlung soll möglichst früh operiert werden. 
Die Sterblichkeit beträgt, wenn die Bauchhöhle eröffnet wurde, 3,5%, ohne Er- 
öffnung derselben 1,05%. Rezidive traten ein bei Männern in 68,1%, bei Frauen 
in 90%. Die endgültige Heilung erfolgte nach wiederholter Operation bei Männern 
in 50%, bei Frauen in 21,2%. Herhold (Brandenburg). 


23) P. Schroeter. Ein kasuistischer Beitrag zu den Schußverletzungen 
des Magen-Darmtraktus und den Perforationen chronischer Magen- 


geschwüre. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIV. p. 179.) 

S. berichtet folgende, von ihm im Krankenhause zu Pabianice (Russisch-Polen) 
mit bestem Erfolg operativ versorgte Fälle: 1) 25jähriger Arbeiter, der einen Schuß 
mit Eingang am linken Steißbeinrand erhalten hat. 15 Stunden später wegen 
Zeichen beginnender Peritonitis Laparotomie. Es finden sich drei Darmschuß- 
löcher, eins im Querkolon, zwei im S romanum. Darmnähte, Mikuliczdrainage des 
kleinen Beckens, Heilung. 2) 39jähriger Fabrikarbeiter, wegen Magengeschwür 
im Krankenhause befindlich, wo er plötzlich von Perforationssymptomen befallen 
wird. 5 Stunden später Laparotomie. Nachweis des Magenperforationsloches, für 
einen Finger durchlässig, an der Vorderwand nahe der kleinen Kurvatur bei der 
Cardia. Da Naht unmöglich, einfache Gazetamponade, Reinigung der infizierten 
und mit Mageninhalt verunreinigten Bauchhöhle mit trockenen und feuchten 
Tupfern. Die ersten 9 Tage ausschließliche Klysmenernährung, übrigens glatter 
Heilungsverlauf. 3} 44jähriger Arbeiter mit Schußwunde in der Magengegend, 
3 km per Achse ins Spital gebracht. Laparotomie 8 Stunden nach der Verletzung. 
Ein Schußloch in der Magenvorderwand, nahe der oberen Kurvatur, 8mm im 
Durchmesser haltend; Naht desselben. Anlegung eines Fensters im Lig. gastro- 
colicum, durch welches die Magenhinterwand eventriert wird. Sie zeigt eine 5b mm 
breite Durchlöcherung, die auch vernäht wird. Bauchhöhlenreinigung mit Koch- 
salzsepülung, Gazedrains im oberen Bauchteile. Leichte Störung des Heilungs- 
verlaufes durch linksseitiges seröses, eine Punktion erforderlich machendes Pleura- 
exsudat. Das Geschoß wurde am Rücken links hinten unten zwischen 11. und 
12. Rippe exzidiert. 

Den Krankengeschichten folgt ziemlich ausführliche epikritische Allgemein- 
besprechung mit Anziehung neuerer einschlägiger, besonders kasuistischer Literatur. 

Meinhardt Schmidt (Cuxhaven). 


24) Knowling. Penetrating wound of abdomen, fracture of sacrum; 


abscess; recovery. 
(Brit. med. journ. 1908. Juli 26.) 
Radfahrer erleidet beim Zusammenprallen mit einem Wagen einen heftigen 
Deichselstoß in die rechte Leistengegend und einen starken Bluterguß über dem 


1506 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 


linken Gesäß durch den Sturz. Die vorgefallenen Därme werden zurückgebracht, 
die Wunde wird genäht. Nach Überwindung eines schweren Anfalles von Darm- 
parese mit Koterbrechen entwickelt sich aus dem Bluterguß am Gesäß eine Phleg- 
mone mit Emphysem, deren Eröffnung ein Stück Zeug von 8:7 cm Länge aus 
der Tiefe der Wunde zutage fördert. Für kurze Zeit entleert die Wunde viel 
Darminbhalt neben dem freiliegenden, gebrochenen Kreuzbein. Volle Genesung in 
3 Monaten. Der Fall ist bemerkenswert durch die seltene und erfolgreiche Wan- 
derung des Zeugstückes von der rechten Leistengegend durch die Bauchhöhle hin- 
durch nach hinten in den großen Bluterguß links vom gebrochenen Kreuzbein. 
Weber (Dresden). 


25) Reinecke. Isolierte, quere Mesenterialabreißung bei Kontusion 
des Abdomens. (Aus dem allg. Krankenhause St. Georg in Hamburg.) 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 36.) 


Einem 41jährigen Kutscher war, nachdem er von seinem Wagen gefallen und 
glatt auf den Boden zu liegen gekommen, ein ca. 10 Zentner schwerer Ballen gegen 
das Becken gestürzt; es traten sofort die Erscheinungen einer schweren intra- 
abdominellen Verletzung und Blutung bei linksseitigem Beckenbruch auf. 9 Stunden 
später Laparotomie, bei der sich eine beginnende Gangrän des Ileum, hervor- 
gerufen durch eine ziemlich ausgedehnte, durch Zugwirkung entstandene Abreißung 
des Mesenterium vom Darm ohne Verletzung des letzteren selbst fand. Resektion 
von 54 cm Darm, Einstülpung des kleinen nachbleibenden Ileumstumpfes am 
Blinddarm in diesen und Naht, Einpflanzung des Dünndarms in den aufsteigenden 
Dickdarm oberhalb der Bauhin’schen Klappe; Naht des Mesenterium. — Heilung 
ohne motorische Darmstörungen; normale Stuhlentleerungen und völlige Erholung 
des Pat. zu früherer Arbeitsfähigkeit. Kramer (Glogau). 


26) F. Kempf. Über den Mechanismus der Darmberstung unter der 
Wirkung der Bauchpresse. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIII. p. 524.) 


K. beschreibt einen einschlägigen, im Braunschweiger Krankenhause (Prof. 
Sprengel) beobachteten Fall und erläutert unter Beigabe gut verständlicher 
schematischer Abbildungen das mechanische Zustandekommen der hier eingetre- 
tenen Darmberstung. Ein Ödöjähriger Maurer, behaftet mit einem rechtsseitigen, 
stets mit Bruchband zurückgehaltenen Leistenbruch, hebt sehr schwere Zementsäcke, 
wobei er durch Anheben der Last mit dem rechten Knie nachhilft. Effekt: hef- 
tiger Schmerz am Bruche, dann starke Bauchbeschwerden; 61/, Stunden später 
Laparotomie, bei der 70 cm oberhalb der Bauhin’schen Klappe am konvexen Dünn- 
darmrand eine linsengroße Perforation mit Schleimhautausstülpung, sowie Peri- 
tonitis gefunden wurde. Tod trotz Darmnaht und Bauchhöhlenreinigung usw. 
Der bei der Operation nur von Exsudat gefüllte Bruchsack war zwerchsackförmig, 
indem er aus einem oberen, walnußgroßen und einem ungleich kleineren zylin- 
drischen, unteren Fache bestand, die beide nur durch eine für eine dicke Sonde 
durchgängige Offnung miteinander kommunizierten. Die Abbildungen zeigen, wie 
man sich etwa die Eindrängung des Darmes in den Bruchsack bis zum Platzen 
vorstellen kann. Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


27) Hamman. The statistics of tuberculous peritonitis from the 
clinical records of the Johns Hopkins hospital. 
(Bull. of the Johns Hopkins hospital 1908. September.) 
H. berichtet über 150 Fälle von Peritonitis tuberculosa aus den ersten 
15 Jahren des Bestehens des Hospitals. 
Diese verteilen sich auf folgende Altersklassen: 7 von 1 bis 10 Jahren; 35 von 
10 bis 20 Jahren; 54 von 20 bis 30 Jahren; 28 von 30 bis 40 Jahren; 11 von 
40 bis 50 Jahren; 5 von 50 bis 60 Jahren; 4 von 60 bis 70 Jahren; je 3 von 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1507 


70 bis 80 und von 80 bis 90 Jahren. Es sind also relativ wenig Kinder darunter. 
Über 1/3 der Fälle betrifft das 3. Lebensjahrzehnt. 

Neger werden weit häufiger befallen als Weise; obwohl viel mehr Weise das 
Hospital aufsuchen als Schwarze, befanden sich unter den 147 Kranken, deren 
Hautfarbe vermerkt ist, 77 Neger und nur 70 Weise. 

69 Männer und 81 Frauen setzen die Gesamtziffer zusammen. 

Das erste Symptom war bei 41% aller Pat. der Leibschmerz, in 15% der 
Fälle Anschwellung des Leibes, in 18:5 der Fälle allgemeine Gesundheitsstörungen, 
nur in 2 Fällen das Bemerken einer Geschwulst, in 7 Fällen dysmenorrhoische 
Beschwerden. 

4 Pat. kamen mit appendicitischen, 2 mit cholecystitischen Beschwerden, 6 mit 
Darmverschluß ins Hospital. 

Zur Zeit der Aufnahme, hatten 104 Pat. über Leibschmerzen zu klagen, 
42 über Erbrechen, 51 über Übelsein, 48 hatten Verstopfung, 33 Durchfall, 4 ab- 
wechselnd das eine und das andere. 6 hatten Blut im Stuhl, in einem Falle 
gelang der Tuberkelbazillennachweis im Kot. 47 litten an Husten. 

Bei 62 Pat. ließ sich Flüssigkeit in der Bauchhöhle nachweisen. In 56 Fällen, 
bei denen man gelegentlich der Operation oder Autopsie die Menge derselben 
messen konnte, betrug sie 27mal über 4 Liter, 15mal 1 bis 4 Liter, 14mal weniger 
als 1 Liter. 5ömal ließen sich Geschwulstmassen im Leibe konstatieren; 43mal 
konnte man über die Natur derselben durch Autopsie am Lebenden bzw. am 
Toten Aufschluß gewinnen; 8mal handelte es sich um verklebte Darmschlingen, 
9mal um aufgerolltes Netz, 6mal um abgesackte Flüssigkeit, je Imal um ver- 
größerte Milz bzw. Leber, 18mal um veränderte Beckenorgane. 

103 Pat. wurden operiert bzw. obduziert. Davon fand sich die ascitische 
Form in 35 Fällen, die fibröse in 63 und die eitrige in 5 Fällen. 

Die Zählung der Leukocyten ergab in 70% weniger als 10000, in 83% weniger 
als 15000; die 11 Fälle mit höheren Ziffern betrafen stets Pat. mit schweren 
Komplikationen. Nur in einem einzigen Falle konnte man die tuberkulöse Peri- 
tonitis als primär ansehen. Selten nur war diese eine seröse Membran allein 
erkrankt. 

Ein Fall bietet besonderes Interesse: ein Negerknabe wurde 6mal ins Hospital 
aufgenommen, zuerst wegen tuberkulöser Peritonitis, dann wegen Pleuritis, dann 
wegen Perikarditis. Die Obduktion zeigte eine alte fibröse Peritonitis, Pleuritis 
und Perikarditis; aber der einzige Herd im ganzen Körper war ein kleiner ver- 
kalkter Knoten in einer Lunge. Solche Fälle werden wohl hier und da als mul- 
tiple Serositis bezeichnet, wohl auch einmal als »Zuckergußleber« oder als »peri- 
karditische Pseudocirrhose«. 

Die Prognose ist nicht gut. Geheilt wurden entlassen 16, gebessert 71, un- 
gebessert 15, 48 starben; also 32% unmittelbare Sterblichkeit. Die Fälle der 
gynäkologischen Abteilung gaben die günstigste Ziffer, 10% Mortalität. 

Über 43 der Entlassenen, die operiert worden waren, konnte Nachricht er- 
halten werden. 14 waren gestorben in den ersten 4 Jahren nach der Entlassung; 
7 lebten noch, aber leidend, zum Teil noch über 10 Jahre; 22 lebten noch in 
voller Gesundheit, darunter 2 nach mehr als 10 Jahren, weitere 5 nach mehr als 
5 Jahren. 

Leider ist über den Heilerfolg des operativen Eingriffs sowie über die Pro- 
gnose mit Bezug auf die vorliegende Form der Erkrankung, ob serös, fibrös oder 
eitrig, nichts bemerkt. W. v. Brunn (Rostock). 


28) Allessandri. Pseudotuberculosi peritoneale nell’ uomo de residui 
vegetali. 
(Policlinico. Sez. chir. 1908. XV, 8.) 

Verf. berichtet kurz über die bazillären und nicht bazillären Momente, die zu 
tuberkelartigen Gebilden führen können, und schildert dann ausführlich einen selbst- 
beobachteten Fall, bei dem es durch Aussaat vegetabilischer Substanzen zu einer 
miliaren Pseudotuberkulose des Bauchfells gekommen war. Es handelte sich um 


1508 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 


eine 26jährige Frau, die bereits vor 17 Jahren an Magenleiden behandelt wurde 
und nun wiederum die Erscheinungen eines Magengeschwüres bot. Nach 4 Wochen 
klinischer Beobachtung und Behandlung waren die Symptome der akuten Erkran- 
kung behoben; es bestanden aber noch Störungen, die auf Verwachsungen zwischen 
Dickdarm und Magen hinwiesen und einen operativen Eingriff nötig machten. 
Bei der Laparotomie fanden sich eine Reihe von Verwachsungen zwischen Magen, 
Netz, Milz und Dickdarm, die ohne Schwierigkeit gelöst werden konnten. Dann 
aber sah man auf der Oberfläche der genannten Organe eine Reihe von steck- 
nadelkopf- bis linsengroßen Knötchen, die als Miliartuberkulose — von einem 
tuberkulösen Magengeschwür ausgehend — betrachtet wurden. Die mikroskopische 
Untersuchung ließ jedoch die Struktur des Tuberkels nicht erkennen. Es fanden 
sich lediglich unregelmäßige Riesenzellen, die eigenartige Gebilde umschlossen. 
Die Deutung dieser gelang erst durch den positiven Ausfall der Stärkereaktion. 
Es handelte sich demnach um vegetabilische Substanzen, wahrscheinlich Legumi- 
nosenzellen, die durch ein perforiertes Magengeschwür auf die Bauchfellserosa ge- 
langt waren und hier zu Pseudotuberkulose führten. we 

Verf. betont die diagnostische und therapeutische Bedeutung des Falles, zu 
dem er lediglich vier Analoga aus der Literatur finden konnte. 

Drei Abbildungen und ausführliche Literaturangaben ergänzen die Arbeit. 

Strauss (Nürnberg). 


29) Porter. Chronic peritonitis with complete obstruction. 
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. August 29.) 


Der Kranke war 35 Jahre alt, früher starker Trinker, seit Jahren abstinent, 
Seit Dezember 1906 hatte er mehrere Anfälle von Erbrechen mit Leibschmerzen 
und Verstopfung, die stets schnell vorübergingen. Bei der Aufnahme bestand 
anhaltendes Gallenerbrechen, Gasauftreibung und Stuhlverstopfung. Der Befund 
sprach für Peritonitis. Der Urin war sehr spärlich und hochgestellt, der Darm 
für Inhalt durchgängig (Holzkohlenprobe). Auf Tuberkulin reagie:te er nicht. 
Im Erbrochenen fanden sich Bakterien, die in ihren Eigenschaften cem Typhus- 
bazillus glichen, Agglutinationsprobe positiv. — Bei der Operation fand man bei 
ausgedehnter peritonitischer Verwachsung einander berührender Darmschlingen nur 
wenige nach der Bauchwand ziehende Stränge; der Dünndarm war augenfällig 
verkürzt, in seinem Durchmesser verdickt und fühlte sich an wie mit Regen- 
würmern gefüllt. Nach Einschneiden sah man, daß der ganze Darm von zusammen- 
stoßenden, anscheinend stark hypertrophischen Schleimhautfalten derart angefüllt war, 
daß keine Sonde zwischen diese eingeführt werden konnte. Bei den über den 
ganzen Dünndarm verbreiteten Veränderungen war keinerlei Eingriff möglich, 
daher Schluß der Darm- und Bauchwunde. 72 Stunden später Tod unter Erschei- 
nungen des Darmverschlusses und völliger Anurie. 


Die Sektion ergab etwa folgendes: Der ganze Darm mit Ausnabme des Mast- 
darmes war mit hellgrauen, gleichmäßig verbreiteten, etwa 1,5mm starken Schwielen 
ringsum bedeckt. Diese hatten durch ihre Zusammenziehung den Darm bedeutend 
verkürzt, dadurch die Schleimhautfalten eng aneinander gerückt, so daß sie dicht 
aufeinander stießen und die Lichtung des Darmes völlig ausfüllten. Schnitt man 
in gewisser Entfernung ringförmig die Schwarten durch, so konnte man das Darm- 
rohr zu seiner natürlichen Länge ausziehen, wobei die Schleimhaut ihr regelrechtes 
Aussehen annahm. P. erklärt das Verhalten des Darmes und die Störungen aus 
diesem rein mechanischen Vorgange. Warum die Schwartenbildung fast ausschließ- 
lich das Darmrohr betraf und gerade die Zusammenziebung in der Längsrichtung 
bewirkte, konnte ebensowenig einwandsfrei festgestellt werden, wie die Ursache 
für die Entstehung der chronischen Peritonitis überhaupt. Irgendein dem be- 
schriebenen auch nur entfernt ähnlicher Fall war in der Literatur nicht aufzu- 
finden. Trapp (Bückeburg). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1509 


30) Blake. The use of sterile oil to prevent intraperitoneal adhesions. 
(A clinical and experimental study.) 
(Surgery, gynecology and obstetrics Bd. VI. Hft. 6.) 

Von der theoretischen Erwägung ausgehend, daß das Öl in dünner Schicht 
das ganze Bauchfell überzieht, wenn man es in die Bauchhöhle bringt und dadurch 
die Peritonealflächen voneinander trennt, stellte B. zunächst Versuche an Katzen 
an, wie größere Mengen von Ol in der Bauchhöble vertragen werden. ` Er fand, 
daß bei der Katze 7,5 g steriles Olivenöl ohne irgendwelche Erscheinungen ver- 
tragen wurde. Setzte man künstliche Peritonealreize (Abschaben), so bildeten sich 
bei den nicht mit Öl behandelten Versuchstieren stets Verwachsungen, bei Öl- 
anwendung blieben sie ganz aus oder waren doch sehr viel spärlicher. Bei sieben 
Kranken, bei denen sich Bildung von Verwachsungen erwarten ließ, wurden 4 bis 
11 g steriles Öl in die Bauchhöhle gebracht. Nur einmal wurde eine Schädigung 
des Kranken beobachtet, wahrscheinlich durch ungenügend sterilisiertes Öl. Eine 
Kontrolle der Wirkung beim Menschen hat nicht stattgefunden. Das Öl muß 
mindestens 1 Stunde gekocht werden, um sicher keimfrei zu sein. 

Trapp (Bückeburg). 


31) Buhlig. So called phlebitis of the left leg following a case of 
appendicitis, not operated upon. 
(Surgery, gynecology and obstetrics Bd. VII. Hft. 1.) 

Die erwähnte Komplikation ist bei abwartend behandelter Appendicitis sehr 
selten: bisher ist nur ein Fall in der Literatur beschrieben. 

Der akute Anfall bei dem 26jährigen Manne wurde abwartend, nur mit Bett- 
ruhe und teelöffelweiser Darreichung von Wasser behandelt. Im Anfange wurde 
ein Einlauf, nach Fieberabfall Rizinus gegeben. Am 10. Tage trat zuerst Schmera 
im Rücken auf unter Temperaturanstieg, am nächsten Tage schwoll der Ober- 
schenkel unterhalb der Leiste an, und in den nächsten Tagen verbreitete sich die 
Schwellung, die schließlich die Kniekehle erreichte, durchscheinend, aber nicht 
richtig Ödematös war. Als Pat. aufstand, trat starke Anschwellung der Venen 
bis zum unteren Drittel des Oberschenkels ein. — Verf. knüpft an diesen Fall 
theoretische Erwägungen über die Entstehung dieses Zustandes, den er mit der 
Phlegmasia alba dolens vergleicht. Er hält ihn für eine auf dem Wege der 
Lymphbahnen entstandene Infektion. Daß solche Zustände häufiger nach Opera- 
tion als nach abwartender Behandlung vorkommen, will er dadurch erklären, daß 
bei der Operation Lymphbahnen eröffnet werden, und nie so aseptisch operiert 
werden kann, daß nicht von den schon vorhandenen Keimen oder bei Eröffnung 
des Wurmes austretenden eine Anzahl in die Lymphspalten eindringen kann. 

Trapp (Bückeburg). 


32) Seelig. Haematuria as a complicating factor in appendicitis. 
(Annals of surgery 1%8. September.) 

S. beschreibt drei Fälle, in welchen die Diagnose auf Nierensteinkolik gestellt. 
war, während es sich bei der Operation erwies, daß eine Appendicitis vorlag. Im 
Fall I bestanden Blutharnen und kolikartige Schmerzen rechts; das Röntgenbild 
ergab ein negatives Resultat. Nach Exstirpation des entzündeten Wurmes schwan- 
den alle Erscheinungen; allem Anschein nach lag eine Nephritis vor, die durch 
vom Appendix ausgehende Toxine hervorgerufen war. Im Fall II wurde ebenfalls. 
Hämaturie beobachtet, die Obduktion ergab, daß der Blinddarm direkt nach vorn 
von der Niere und der gangränöse Wurm retrocoecal lag und mit der Niere ver- 
wachsen war. Im Fall III, wo ebenfalls Blutharnen bestand, zeigte das Röntgen- 
bild bei verschiedenen Aufnahmen einen Schatten im Harnleiter, 2 Zoll oberhalb 
der Blasenmündungsstelle, ein Harnleiterkatheter stieß ebenfalls an dieser Stelle 
auf Widerstand. Bei der Operation (Lendenschnitt) fand man, daß der einen 
Kotstein enthaltende Wurm mit dem rechten Harnleiter verwachsen war und ihn. 
knickte. Herhold (Brandenburg). 


’ 


1510 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 


33) P. Guibal. Entero-colite et appendicite. 
(Bull. et mém. de la soc. d'anat. de Paris 1907. Nr. 10.) 


Dieulafoi bestreitet die Möglichkeit, daß eine Kolitis gewöhnlich eine ent- 
zündliche Erkrankung des Wurmfortsatzes zur Folge haben könne; Reclus da- 
gegen sieht nicht ein, warum die Entzündung des Dickdarmes nicht auch auf seinen 
Anhang übergehen könne und verweist auf die Erfahrungen von F. Bernard, der 
unter 1000 Kolitiden 76 Appendicitiden beobachtet hat. G. teilt die Kranken- 
geschichte eines Mannes mit, die diesen ätiologischen Zusammenhang beweist. 

Auch für die Frage, ob eine Blinddarmentzündung eine Kolitis erzeugen könne, 
bringt Verf. zwei Beiträge, welche diese im bejahenden Sinne beantworten. 

Neugebauer (Mährisch-Ostrau). 


34) Mandry. Bericht über ein zweites Hundert Appendicitisoperationen. 
(Med. Korrespondenzblatt des württemb. ärztl. Landesvereins 1908. Oktober 17.) 


Aus M.’s Zusammenfassung seiner Erfahrungen sei folgendes hervorgehoben; 
Abführmittel nach dem neuesten Vorschlage von Sonnenburg sind bedenklich 
und höchstens im Krankenhause, wo ständige Überwachung möglich ist, in ein- 
zelnen Fällen zulässig. Die operative Behandlung der allgemeinen Bauchfell- 
entzündung hat in den letzten Jahren wesentlich bessere Resultate ergeben (bis zu 
80% Heilungen); die rektalen Kochsalzeinläufe sind kein Ersatz für die Operation, 
nach derselben aber von guter Wirkung. An allgemeiner Bauchfellentzündung 
Leidende und Operierte sind sitzend zu lagern. Die Rezidivgefahr ist nach mit 
Abszeßspaltung zur Ausheilung gekommenen Blinddarmentzündungen keine große, 
namentlich wenn sich gleichzeitig ein Kotstein entleert hat; die sekundäre Wurm- 
exstirpation kann deshalb in diesen Fällen auf Kinder und jugendliche Personen 
beschränkt werden. Mohr (Bielefeld). 


35) Barkley. Some observations on acute and chronic appendicitis. 
(Surgery, gynecology and obstetrics Vol. VII. Nr. 1.) 


B. hat 527 Fälle operiert; von diesen waren akut 189, und bei 69 von diesen 
fand sich Eiter. Alle akuten Fälle wurden beim ersten Anfall operiert, 132 vor 
dem 4. Krankheitstage. Chronisch waren 338 Fälle, bei 56 fand man Eiter, bei 
228 lag der Wurm in Verwachsungen eingebettet. Das Alter der Kranken schwankte 
zwischen 5 und 83 Jahren, am häufigsten war die Erkrankung zwischen 15 und 
45 Jahren. Männer waren häufiger als Frauen befallen (359:168\. Die Symptome 
waren sehr wechselnd, besonders die Stärke des Schmerzes, die oft in keinem 
Verhältnis zur Schwere der Erkrankung stand. B. beobachtete zweimal völlige 
Schmerzlosigkeit bei tiefem Druck trotz Gangrän des Wurmfortsatzes. Druck- 
empfindlichkeit der Lendengegend beobachtete er bei Eiterung (60%) oder schwerer 
Erkrankung des Wurmes. Muskelrigidität, besonders die rechtsseitige, ist fast das 
wichtigste Frühsymptom. Puls und Temperatur spielen keine so ausschlaggebende 
Rolle wie die genannten Symptome. Verf. erwähnt dann Komplikationen, wie 
tuberkulöse Peritonitis und Schwangerschaft. Posttyphöse Appendicitis ist nicht 
so selten. B. beobachtete 6 Fälle, alle mit Eiterung. Behandlung: Die einzelnen 
angewandten Verfahren der Baucheröffnung und der Versorgung des Fortsatzes 
selbst sind leider nur mit den Namen der Erfinder genannt, die bei uns meist 
unbekannt sind. B. bevorzugt für die Stumpfversorgung die einfache Abbindung, 
Abtragung und Sterilisation des Stumpfendes. Bei der Baucheröffnung hat er 
zweimal den Lendenschnitt gebraucht und bessere Drainage hierbei beobachtet. 
Von Zwischenfällen nach der Operation erwähnt er Blutung aus dem Stumpf (Tod), 
subphrenischer Abszeß (2 Fälle, 1 Tod), Phlebitis des rechten Beines, Eitersenkung 
in den Hodensack, Abszeß in der linken Darmbeingrube, Ileus (2mal, machte 
Wiederöffnung der Bauchhöhle nötig), akute gelbe Leberatrophie, Tod. Fremd- 
körper fand B. nur 2mal (1 erbsengroßes Stück Lötzinn, 1 Stecknadel). 

Todesfälle hatte er 18 zu verzeichnen, davon 13 bei akuten Fällen. 

Trapp (Bückeburg). 


x 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50, 1511 


36) M. v. Brunn. Weitere Erfahrungen über die Behandlung appendi- 
citischer Abszesse mit Naht. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVIII. p. 250.) 

Verf., der schon früher für die Rehn'sche Methode der Behandlung appendi- 
citischer Eiterungen eingetreten ist, kann jetzt an 78 operierten Fällen die Vor- 
züge dieser Methode gegenüber der ofienen Behandlung (71 Fälle) überzeugend 
nachweisen. 

Die Methode besteht kurz in prinzipieller Entfernung des Wurms, konsequenter 
Lösung aller Verwachsungen, Ausspülung der ganzen Bauchhöhle und Etagennaht 
der Bauchwand bis auf eine Drainlücke. Auf eine Drainage der Abszeßhöhle 
selbst wird, wenn es sich nicht um ganz starre Höhlen handelt, verzichtet und 
nur in den Douglas’schen Raum eine Gummiröhre eingelegt, lediglich mit dem 
Zweck, die überschüssige Spülflüssigkeit abzuleiten; es wird deshalb sobald als 
möglich (am ersten Tage) entfernt. Die Mortalität betrug bei 71 offen behandelten 
Abszessen 15,5%, bei 38 mit Naht behandelten 5,1%. Kottfisteln sind erheblich 
seltener: 7,4% bei offen, 2,6% bei mit Naht behandelten Fällen, davon eine bei 
einem mit Bauchfelltuberkulose komplizierten Falle, und die andere nur ganz 
vorübergehend. Zwar kommt es in fast der Hälfte der Fälle zu Bauchdecken- 
abszessen; jedoch ist der Zustand, wie er durch Eröffnung und Drainage eines 
solchen oberflächlichen Abszesses geschaffen wird, der prinzipiellen Offenhaltung 
der ganzen Wunde bei weitem vorzuziehen. Die Zahl der Douglasabszesse wird 
bei der Methode durch die prinzipielle Ableitung alles infektiösen Materials nach 
dem Douglas nicht vermehrt; bei offener Behandlung entstanden drei Douglas- 
abszesse (zwei inzidiert, einer spontan perforiert), bei Nahtbehandlung ein Douglas- 
abszeß (inzidiert) und zwei Douglasinfiltrate (spontan zurückgebildet). 

Sonstige intra- und extraabdominale Abszesse kommen bei beiden Methoden 
gleicherweise vor, meist bei veralteten Fällen. Die Operation ist um so leichter 
und ungefährlicher, je früher der Abszeß operiert wird. Eine besondere Gefähr- 
lichkeit des sog. Intermediärstadiums ist nach den Erfahrungen der v. Bruns- 
schen Klinik nicht erweislich. 

Im ganzen ist die Behandlung appendicitischer Abszesse mit Naht der offenen 
Behandlung weit überlegen durch ihre Gründlichkeit und den leichten und kurzen 
Heilungsverlauf. Reich (Tübingen). 


37) Derlin. Rückblick auf 100 Operationen wegen Erkrankung der 


Wurmfortsatzes. 
(Deutsche militärärztl. Zeitschrift 1908. Hft. 15.) 

Von den 100 Operationen wurden 22 im Frühstadium mit 2 Todesfällen, 
19 im Intermediärstadium mit 4 und 52 im anfallsfreien Stadium ohne Todesfall 
ausgeführt. Die Operation wurde immer vorgeschlagen, sobald Bauchdecken- 
spannung oder beschleunigter Puls bei mehrmaligem Erbrechen auf eine Beteili- 
gung des Bauchfells hinwies; in den übrigen, leichteren Fällen wurde zunächst 
abgewartet, ob in den folgenden Stunden Besserung eintrat. Sobald die Zahl der 
Leukocyten 25000 übertraf, wurde stets Eiter angetroffen. Von den Operierten 
blieben 69 dienstfähig (ein glänzendes Resultat! Ref... Dienstbeschädigung wurde 
fast immer angenommen, sobald eine Schädigung durch Erkältung, Bajonettstoß 
vor den Bauch usw. als erwiesen angesehen werden konnte. 

Herhold (Brandenburg). 


38) Tricot. Pseudo-appendicite au cours d’un rhumatisme polyarticu- 
laire aigu. 
(Gaz. des höpitaux 1908. Nr. 106.) 
Angeregt durch die einschlägige Mitteilung Küttner’s bringt T. folgenden 
in einem Militärlazarett Algiers 1906 beobachteten Fall: 
Ein 21jähriger Zuave klagte über allgemeine Abgeschlagenheit, Schmerzen 
rechts im Leibe und im Epigastrium. Am 13. Tage wurden die Leibschmerzen 


1512 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 


sehr heftig; am 15. stieß Pat. laute Schreie aus, wenn sein Leib berührt wurde. 
Besonders empfindlich war die Blinddarmgegend. Als Erbrechen auftrat und die 
Peritonealerscheinungen sich steigerten, wurde operiert: in der Bauchhöhle etwas 
klare Flüssigkeit. Das Bauchfell war lebhaft injiziert. Wurm (wird entfernt) und 
Blinddarm frei! Im Bauche nichts Abnormes. 

Das Befinden besserte sich etwas, aber das Fieber stieg, und nach wenigen 
Tagen brach ein akuter Gelenkrheumatismus aus. Ca. 6 Wochen danach wurde 
Pat. entlassen. 

4 Wochen später erkrankte Pat. wieder: Zunächst traten die Leibschmerzen 
auf, dann brach der polyartikuläre Rheumatismus aus. Pat., durch den ersten Fall 
gewitzigt, nahm sofort Salizyl innerlich und äußerlich und genas >»rapid«. 

V. E. Mertens (Kiel). 


39) Letulle. Nouvelle observation de cancer primitiv de l’appendice 
vermiforme du caecum. 
(Bull. et mem. de la soc. d’anat. de Paris 1907. Nr. 10.) 

Bei einem jungen Manne wurde anläßlich einer Blinddarmentzündung der in 
einem Eitersacke schwimmende Wurmfortsatz entfernt. Eingehender histologischer 
Befund, auf Grund dessen ein primärer Zylinderzellenkrebs mit kolloider Degene- 
ration diagnostiziert wurde. Neugebauer (Mährisch-Östrau). 


40) Coons. Primary carcinoma of the appendix. 
(Surgery, gynecology and obstetrics Vol. VII. Nr. 1.) 

21jähriges Mädchen, dessen Vater an Lippenkrebs gestorben war, bei dem 
Schmerzen im Unterleibe bestanden, hatte eine Geschwulst in der rechten Unter- 
bauchgegend, die als Pyosalpinx gedeutet wurde und sich bei Operation auch 
als solche erwies. Der rechte Eierstock wies einen Abszeß auf, die Tube war mit 
Eiter gefüllt und mit dem Wurm verwachsen, so daß letzterer mit entfernt wurde. 
Der Wurmfortsatz war gänsekielstark, an der Spitze schien ein Konkrement zu 
liegen, beim Aufschneiden aber fand sich eine Infiltration an der Wand, deren 
histologische Untersuchung Krebszellen und Wucherung derselben in die Sub- 
mucosa ergab. Der Wurmfortsatz war sonst gesund. Eine 3 Jahre später vor- 
genommene Operation wegen Blutung durch geplatzte Tubarschwangerschaft ergab 
Rückfallsfreiheit. Trapp (Bückeburg). 


41) L. Laroyenne (Lyon). Hernie compliquée d'étranglement rétro- 
grade de l'intestin. 
(Gaz. des hôpitaux 1907. Nr. 24.) 

L. beobachtete in der Abteilung von Tixier folgenden Fall: 

70jähriger, kachektischer Mann, zweifaustgroßer, rechtsseitiger Leistenbruch, 
seit dem Abend vorher eingeklemmt. Im Bruchsacke reichlich zitronengelbe Flüs- 
sigkeit. Außerdem enthielt er den Blinddarm mit dem untersten Teile des Dünn- 
darmes und eine Dünndarmschlinge, die beide frei von Ernährungsstörungen waren. 
Mäßig starke Einschnürung des Bruchringes. Im Leib eine 2 m lange, vollkommen 
gangränöse Verbindungsschlinge und reichlich stinkende Jauche. Von einer Darm- 
resektion wurde Abstand genommen. Man beschränkte sich auf Drainage des 
Leibes. Tod in der folgenden Nacht. L. glaubt, daB eine Drehung der Verbin- 
dungsschlinge um ihre Achse mit Schuld an der Gangrän gewesen sei. 

C. Lauenstein (Hamburg). 


42) F. de Beule (Gand). La hernie étranglée »en W« avec étrangle- 
ment rétrograde de l'intestin. Etude critique et expérimentale. 
(Bull. de l'acad. de méd. de Belgique. Bruxelles, Hayez, 1908. Nr. 7. p. 545.) 

Bemerkenswerte Arbeit, enthaltend zwei neue Beobachtungen über das Thema 


der »zwei Darmschlingen im Brachsackee nebst ausführlicher kritischer Besprechung 
der bisher vorliegenden Literatur und des Ergebnisses von Tierexperimenten. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1513 


Erste Beobachtung: 62jähriger, elender Mann mit rechtsseitigem, kindskopf- 
großem Skrotalbruch. Im Bruchsacke zwei dunkelblaue, ekchymosierte Dünn- 
darmschlingen von 25 cm Länge, >ohne jede Verbindung untereinander«e. Bruch- 
ring durch eine sagittal verwachsene Appendix epiploica in zwei Abteilungen 
geteilt. Im Leib eine 1,50 m lange gangränöse Verbindungsschlinge. Anlegung 
eines Kunstafters. Tod im Kollaps. 

Zweite Beobachtung: 73jährige Frau, rechtsseitiger faustgroßer Schenkelbruch, 
34 Stunden eingeklemmt; empfindliche, tief tympanitische Resistenz in der rechten 
Fossa iliaca. Daraus Wahrscheinlichkeitsdiagnose gestellt auf Inkarzeration von 
zwei Schlingen im Bruchsacke mit retrograder Einklemmung der Verbindungs- 
schlinge im Leibe. Die Diagnose stimmte. Im Bruchsacke zwei Dünndarm- 
schlingen mit vereinzelten Ekchymosen, je 20 und 8 cm lang, und eine 25 cm lange, 
weinfarbene, am Mesenterium mit Ekchymosen versebene, aber lebensfähige Ver- 
bindungsschlinge. Reposition. Verlauf günstig. 

Wegen aller Einzelheiten und besonders der interessanten kritischen Ausfüh- 
rungen sei auf das Original verwiesen. 

Für die retrograde Inkarzeration des Mesenteriums im Bruchringe stellt de B. 
auf Grund seiner ersten klinischen Beobachtung die Teilung des Bruchringes durch 
einen sagittalen Strang in zwei Hälften als Ursache hin. Er nimmt nämlich an, 
daß eine Darmechlinge durch die eine Öffnung in den Bruchsack hinein- und durch 
die andere in den Leib zurücktrete, und daß dabei Repositionsmanöver eine Rolle 
spielen. Allerdings ist, abgesehen davon, daß die Repositionsmanöver in ihrer 
Bedeutung für die »Hernie en W« noch keineswegs hinreichend klargestellt worden 
sind, schwer einzusehen, wie eine auch nur lose eingeklemmte und mäßig geblähte 
Schlinge aus dem Bruchsacke, selbst unter der Einwirkung äußerer Handgriffe, 
durch die zweite, doch sicherlich nicht klaffende Bruchringöffnung in den Leib 
zurücktreten können soll. 

In seinen Hundeexperimenten glaubt Verf. die Bestätigung gefunden zu haben, 
daß die Gangrän der Verbindungsschlinge in allen den Fällen, wo ihr Mesenterium 
nicht abgeschnürt ist, in der Überdebnang der Darmschlinge durch Zersetzung 
des Inhaltes und Gasauftreibung ihre Ursache habe. Wenn de B. an einem Hunde 
1 Stunde lang durch Zug an zwei Dünndarmschlingen eine »Zugarkade« des Mes- 
enteriums der Verbindungsschlinge im Sinne des Ref. hergestellt bzw. unterhalten 
hat, ohne daß an der Darmschlinge Zirkulationsstörungen aufgetreten sind, so sei 
dazu bemerkt, daß die »Zugarkade« des Mesenteriums allein schwerlich die Er- 
nährung der Darmwand gefährdet, daß vielmehr die Abschnürung der Darmwand 
selbst hierfür unerläßliche Vorbedingung sein dürfte. 

C. Lauenstein (Hamburg). 


43) Borelli. Sopra una varietä rara d’ernia crurale. 
(Policlinico. Sez. chir. 1908. XV, 9.) 


Verf. schildert zunächst die Anatomie der sog. Hernia cruralis externa 'Tillaux). 
d. i. jener außerordentlich seltenen und daher auch von einzelnen Autoren negierten 
Varietät, bei der sich der Bruchsack nach außen von der Scheide der Schenkel- 
gefäße entwickelt. Atiologisch muß ein zu schlaffer, schlecht entwickelter Schenkel- 
bogen betont werden, der auch noch gleichzeitig zu anderen Brüchen Veranlassung 
geben kann. Von besonderer Bedeutung erscheint die erwähnte Varietät für die 
Operation, bei der eine Verletzung der großen Schenkelgefäße droht, zumal deren 
Lage vor der Operation oft schwer zu bestimmen ist. Nur bei kleinen Brüchen 
und fettlosen Pat. erscheint es möglich, den Sitz der Hernie vor der Operation zu 
bestimmen; es wird hervorgehoben, daß die äußeren Schenkelbrüche breitbasig 
entspringen und konisch endigen, so daß der Bruch bei vertikaler Haltung deut- 
licher ist als in liegender Stellung, in der die gewöhnlichen Brüche mehr bervor- 
treten. Die schon bei den übrigen Schenkelbrüchen zu beachtenden Anomalien 
der Art. epigastrica und obturatoria erbeischen bei den äußeren Schenkelbrüchen 
ganz besondere Vorsicht, so daß bei eingeklemmten Schenkelbrüchen prinzipiell 
die Einschnürung nach Anlegung von kleinen Einkerbungen stumpf zu beheben ist, 


1514 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 


Zum Schluß wird ein Fall angeführt, der einen Öljährigen Mann mit gleich- 
zeitiger Leisten- und Schenkelhernie betraf. Bei der Operation zeigten sich die 
oben angeführten Lageverhältnisse des Schenkelbruchsackes. Die Artt. epigastrica 
und obturatoria hatten ein gemeinsames Ursprungsgefäß, das parallel zum Arcus 
Fallopii verlief. Strauss (Nürnberg). 


44) Köppl. Beiträge zur Kenntnis und Kasuistik der Hernia ischiadica 
an der Hand des ersten radikal operierten und geheilten Falles. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVIIL p. 314.) 


Eine 42 Jahre alte Frau hatte seit 2 Jahren häufig sich wiederholende Ileus- 
anfälle, die nach Dauer und Intensität in der letzten Zeit zugenommen hatten. Es 
bestanden dabei außer Stuhlverhaltung und Erbrechen Schmerzen in der Unter- 
bauchgegend mit Ausstrahlung in das rechte Bein, weshalb Pat. im freien Stadium 
unter der Diagnose Hernia ischiadica in die Wölfler’sche Klinik kam. 

Man konstatierte eine mannsfaustgroße, pralle, fluktuierende Geschwulst, die 
bei zweimaliger Punktion sanguinolente Flüssigkeit geliefert hatte und als ver- 
mutliche Geschwulst des N. ischiadicus angesprochen wurde. Während der Beob- 
achtung traten wieder leichte Einklemmungs- und neuralgische Erscheinungen auf, 
letztere besonders bei Rückenlage und im Sitzen. Durch den Mastdarm fühlte 
man eine pralle Geschwulst in der Fossa ischiorectalis. Bei der Operation fand 
sich unter dem Glutaeus maximus ein Bruchsack, der außer reichlich blutigem 
Bruchwasser den rechten Eierstock und das abdominale Tubenende enthielt. Der 
Bruchsackhals war eben für einen Finger durchgängig, und als Durchtrittsstelle 
ergab sich das Foramen infrapyriforme. Tube und Eierstock wurden reseziert, der 
Bruchsack nach Abbindung abgetragen und die Bruchpforte durch Vernähung des 
Musc. pyriformis mit dem Lig. sacrospinosum geschlossen. Es erfolgte glatte 
Heilung. 3 

Im Anschluß hieran gibt Verf. eine Ubersicht über die Topographie und 
Varietäten der ischiadischen Brüche und eine Kasuistik von 23 Fällen. 

5mal war der Bruch angeboren; sonst kamen 5mal indirekte Traumen (An- 
strengung in gebückter Stellung), 5mal Zug von Geschwülsten ätiologisch in 
Betracht, während Erschlaffung der Bänder und Muskeln, sowie habituelle Ver- 
stopfung häufiger disponierende Momente bilden. 

Bruchinhalt war meist Dünndarm, außerdem der Eierstock (4mal), die Harn- 
blase (1mal) und Netz (imal). 56% der Fälle kamen in eingeklemmtem Zustand 
in Beobachtung. Die Diagnose stützt sich vor allem auf den Nachweis einer 
Schwellung in der Glutäalgegend und ischiadischer Neuralgien und hat vor allem 
Abszesse und Geschwülste auszuschließen. Immerhin ist sie sehr schwierig und 
wurde nur in den wenigsten Fällen vor der Operation oder Autopsie gestellt. 
Besonderer Wert ist auf rektale und vaginale Untersuchung zu legen. 

Von den 9 eingeklemmten Brüchen endeten 6 tödlich, davon 2 trotz, 1 an 
der Operation und 3 ohne Operation. Von den 4 Pat. mit temporär eingeklemmten 
Brüchen starben 2, 1 wurde gebessert und 1 geheilt. Mit freien Brüchen wurden 
3 operiert, wobei es lmal zu einer Harnfistel und imal zur Heilung kam, während 
in 1 Falle das Resultat unbekannt blieb. 

Bezüglich der Operationsmethode bestehen noch keine Regeln. Schwierigkeiten 
bereitet der Verschluß der Bruchpforte, der sich in jedem einzelnen Falle nach 
der Topographie des Bruches unter Rücksichtnahme auf die austretenden Nerven 
und Gefäße zu richten hat. Der beschriebene Fall ist der erste erfolgreich radikal 
operierte. Reich (Tübingen). 

45) G. Solaro. Ein neuer elastischer Darmschließer. (Aus der chirur- 
gischen Abteilung, Pavillon Ponti, des Ospedale Maggiore, Mailand. 
Prof. B. Rossi.) 

(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 34.) 


Die eine der beiden Zungen des in Form und Größe den üblichen ähnelnden 
Darmschließers ist breit gehalten und fensterartig durchlöchert, in der Mitte eine 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1515 


Fuge aufweisend, in die die zweite schmale Zunge beim Schließen ein- und über 
die Oberfläche der ersteren durchgreift. Die gefensterte Zunge wird mit einem 
Gummischlauch überzogen, der an der Spitze geschlossen ist. Der Abschluß des 
Darmstückes ist ein vollständiger und kräftiger, ohne daß die Darmwand ge- 
quetscht wird. (Bezugsquelle: G. Marelli in Mailand) Kramer (Glogau). 


46) M. B. Stewart. Fibrolysin in cicatricial pyloric obstruction. 
(Brit. med. journ. 1908. August 29.) 

Bericht über einen Fall von Narbenstenose am Pylorus, wahrscheinlich ver- 
bunden mit Perigastritis, dem wegen erfolgloser Behandlung seiner Magenerwei- 
terung und hochgradiger motorischer Störung die Operation vorgeschlagen wurde. 
Wegen Ablehnung Versuch mit Fibrolysineinspritzungen in der Magengegend unter 
gleichzeitiger Massage, die schon nach einer Woche bei täglicher Einspritzung von 
2 ccm deutliche und fortschreitende Besserung brachten. Schnelle Gewichts- 
zunahme, Schwinden aller Symptome, volle Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, 
die bislang — über t/ Jahr — andauert. Weber (Dresden). 


47) E. Maylard. Congenital narrowness of the pyloric orifice a cause 
of chronic gastric disease in the adult, illustrated by twelve additional 


cases. 
(Brit. med. journ. 1908. Juli 11.) 


Bereits 1904 hat Verf. in den »Transactions« und im »Brit. med. journale, 
gestützt auf sieben Fälle, hingewiesen auf das Vorkommen einfacher Pylorusver- 
engerungen ohne Geschwür, Narbe oder Krebs beim Erwachsenen, und sie in ur- 
sächlichen Zusammenhang gebracht mit der angeborenen Pylorusstenose. Es sind 
Fälle, in denen bei der Operation der durch eine Öffnung im Magen in den Pylorus 
eingeführte Finger den Eingang ins Duodenum kaum findet oder, wenn eingeführt, 
wie von einem festschließenden Ring umkrampft wird. Dabei dürfen sich keine 
Anzeichen von innerer Narbe oder äußerer Pylorusverdickung finden. Jenen dort 
beschriebenen Fällen fügt Verf. jetzt zwölf neue hinzu. Alle seine Fälle kamen 
nach langdauernder innerer Behandlung zur Operation in der Annahme eines Ge- 
schwüres oder einer verengernden Narbe oder zum Zweck eines Probebauchschnittes. 
Jedesmal wurde eine Gastroenterostomie angelegt. — Uber die Dauerergebnisse 
ist folgendes zu sagen; Von den sieben Fällen der ersten Reihe konnten sechs 
jahrelang nachbeobachtet werden. Einer erkrankte nach 5 Jahren wiederum unter 
Magenerscheinungen, zwei waren nach 6 Jahren wesentlich gebessert, einer starb 
nach 3 Jahren an anderer Krankheit, war aber dauernd magengesund geblieben, 
zwei waren nach 5 Jahren völlig gesund. Von den zwölf Fällen der zweiten Reihe 
scheiden vier aus wegen zu kurzer Beobachtungszeit. Von den übrigen acht wur- 
den zwei nicht gebessert, vier geheilt und zwei wesentlich gebessert. Warum die 
Operation nicht in allen Fällen den gehegten Erwartungen entsprochen hat, erklärt 
Verf. auf doppelte Weise: Bei älteren Leuten mit jabrzehntelangem Leiden ist die 
Magentätigkeit unheilbar gestört, und zweitens verengert sich in einigen Fällen 
die neue Fistel wegen Nichtgebrauch wieder, ja verschließt sich wohl gar. Wegen 
dieser Fehlerfolge glaubt M., daß man in Zukunft mehr die Pyloroplastik bevor- 
zugen soll! Weber (Dresden). 


49) W. Russell. Remarks of congenital stenosis of the pylorus in 


the adult. 
(Brit. med. journ. 1908. Juli 11.) 


Nach einem kurzen geschichtlichen Uberblick über die Lehre von der angeborenen 
Pylorusstenose weist Verf. hin auf die bemerkenswerte Lücke, die sich in den 
Arbeiten der Internen wie Chirurgen vorfindet über das weitere Schicksal der- 
jenigen Kinder mit angeborener Pylorusstenose, die diese Anomalie ihres Magens 
überwinden. Nach seiner Meinung gibt es nun in der Tat eine Pylorusverengerung 
beim Erwachsenen, die auf angeborene Zustände zurückweist. Er berichtet aus 


1516 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 


den letzten 2 Jahren seiner Tätigkeit über drei solcher Fälle im Alter von 34, 
42 und 51 Jahren. Die Diegnose stützt sich auf Anamnese und Befund einer 
Magenerweiterung bei Pylorusverengerung, freie Salzsäure, Ausschluß von Geschwür, 
Krebs und Narbe. Wenn einmal die Möglichkeit der angeborenen Verengerung 
in solchen Fällen in Erwägung gezogen wird, so ist auch die Möglichkeit der 
Diagnose gegeben. Sie wird sicherlich in Zukunft öfters gestellt werden. Helfen 
diätetische und arzneiliche Maßnahmen nicht, so ist die Operation angezeigt. 
Weber (Dresden!. 


49) Mayo. Anemic spot on the duodenum which may be taken for 
ulcer. 
(Surgery, gynecology and obstetrics Vol. VI. Nr. 6.) 


Bei Vorzieben des Duodenum zur Untersuchung hat M. mehrmals an dem- 
selben weiße, blutlose Stellen dicht unterbalb des Pylorus gesehen. Zweimal hat 
er sie eingeschnitten wegen Verdachtes, es läge ein Geschwür vor. Dabei lernte 
er die wahre Natur erkennen. Er erklärt die Entstehung aus dem Gefäßverlauf; 
wenn das Duodenum angezogen wird, werden dadurch die Gefäße gezerrt und ihre 
Lichtung geschlossen. Trapp (Bückeburg). 


50) W. J. Mayo. Ulcer of the duodenum. 
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. August 15.) 

M. hat schon früher nachgewiesen, daß das Duodenalgeschwür viel häufiger 
ist als man bisher annahm. 3/,, alle Magen- und Duodenalgeschwüre zusammen- 
gerechnet, sitzen im Duodenum. Daß man früher dies nicht wußte, hatte haupt- 
sächlich seine Ursache darin, daß man größtenteils auf die Diagnose bei der Sek- 
tion angewiesen war, deren Genauigkeit durch Leichenerscheinungen beeinträchtigt 
wurde. Erst die Chirurgie enthüllte den wahren Sachverhalt; aber auch am 
Lebenden ist die Differentialdiagnose oft recht schwer, da viele Duodenalgeschwüre 
solche des Pylorus vortäuschen können. Ein absolut sicheres Zeichen für die Lage 
des Pylorus sind die Venen desselben, die ringförmig verlaufen. Verf. geht dann 
noch näher auf die anatomischen Verhältnisse ein. 

1906/07 hat er zusammen mit C. H. Mayo im ganzen 193 Kranke mit Magen- 
und Duodenalgeschwüren operiert, und zwar waren darunter 119 = 61,7% mit 
reinem Duodenal-, 60 = 31% mit reinem Magengeschwür, während bei 14 = 7,3% 
in beiden Organen Geschwüre vorlagen. Von den Operierten haben sich 106 wieder 
vorgestellt. 82% waren geheilt, 9,5% gebessert, 5,7% ungeheilt und ungebessert ; 
die Mortalität infolge der Operation betrug 2.8%. Trapp (Bückeburg). 


51) Stavely. Acute and chronic gastromesenteric ileus, with cure in 
a chronic case by duodeno-jejunostomy. 
(Bull. of the Johns Hopkins hospital 1908. September.) 

Bericht über zwei Fälle, von denen der erste ohne, der zweite mit operativer 
Hilfe zur Heilung kam. 

Im ersten Falle handelte es sich um einen Mann von 30 Jahren, bei dem eine 
Exstirpation des Wurmfortsatzes wegen chronischer Appendicitis, eine Radikal- 
operation eines freien Leistenbruches und die Operation einer Varikokele vor- 
genommen worden war: die Dauer der Operation hatte etwa 1 Stunde betragen. 
Unmittelbar danach begann er zu erbrechen, heftige Leibschmerzen stellten sich 
ein, besonders im Epigastrium, das leicht aufgetrieben erschien; 3 Tage hielt der 
Zustand an, dann hörten die Schmerzen auf, das Erbrechen wurde seltener, , aber 
Pat. verfiel zusehends. Am 4. Tage wollte Verf. eine Magenspülung vornehmen 
lassen, doch scheiterte das am Widerstand des Pat. Am Abend dieses 4. Tages 
förderte ein Einlauf große Gasmengen zutage, ohne aber sonst etwas zu bessern; 
da wurde Pat. auf die rechte Seite gelagert und das Fußende des Bettes erhöht, 


und sofort verschwanden alle jene Symptome. Pat. erbolte sich rasch und ist 
genesen. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1517 


Die zweite Pat. war eine Dame von 36 Jahren. 7 Jahre zuvor hatte sie einen 
Abort gehabt, es war eine Infektion zustande gekommen und ein Beckenabszeß 
entstanden. Von der Scheide aus wurde er durch Punktion entleert, und un- 
mittelbar danach hat Pat. 5 Tage lang große Mengen grünlicher Flüssigkeit er- 
brochen; sie wurde damals geheilt, weiß aber nicht mehr, wodurch. Innerhalb 
der folgenden 7 Jahre hat sie nun ungefähr 20mal Anfälle gehabt. Im Anschluß 
an die Nahrungsaufnahme kam es zu Erbrechen, die Oberbauchgegend wölbte sich 
unter großen Schmerzen vor, stundenlang hielt der Zustand an, das Erbrochene 
schmeckte bitter und hatte grüne Farbe, Pat. wurde durch die Schmerzen mehr- 
mals bewußtlos. 


Bei der Operation fand sich der Magen stark erweitert, ebenso das Duodenum, 
das in seiner ganzen Ausdehnung gut 9cm Durchmesser hatte und einen großen 
U-förmigen Bogen unter der Leber beschrieb. Der Pylorus war für vier Finger 
bequem durchgängig. Die Dilatation hörte genau am Mesenterialansatz, wo die 
Gefäße vorn über den Darm herunterziehen, auf. S. legte nun vor dem Mesen- 
terialansatz eine Anastomose zwischen dem durch seine Erweiterung bequem zu 
erreichenden Duodenum und dem Jejunum, etwa 30 cm distal vom Anfang, an. 
Pat. wurde zunächst 11/3 Tage nur rektal ernährt, allmählich bekam sie etwas 
Salzwasser, dann Eiweißwasser durch den Mund, und erst nach 10 Tagen konsi- 
stentere Nahrung. Sie ist noch 6 Monate nach dem Eingriff ganz gesund und hat 
20 Pfund zugenommen. W. v. Brunn (Rostock). 


52) B. Fischer. Über Ileus durch Entspannungsnähte. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIV. p. 107.) 


F. berichtet über drei Sektionsbefunde, Pat. betreffend, die, von bekannten 
hervorragenden, verschiedenen Chirurgen laparotomiert, an Ileus zugrunde gegangen 
waren, und bei denen die Obduktion zeigte, daß bei den tiefen Entspannungs- 
nähten (mit Silberdraht) Darmschlingen mitgefaßt und eingebunden waren — zur 
nicht geringen Überraschung der Operateure (vgl. eine beigegebene Abbildung). 
F. hält es für möglich, daß dieser bedauernswerte Kunstfehler, von dem bislang 
noch nichts vermeldet ist, vielleicht öfter vorkommen könnte als man dachte. 
Werden gestorbeue Laparotomierte in der gewöhnlichen Weise seziert, daß die 
genähte Operationswunde zunächst durch Lösung der Nähte geöffnet wird, so wird 
die Darmeinnähung leicht übersehen — dagegen kann sie nicht dem Nachweis ent- 
gehen, wenn man, wie F. es tat, den Bauch seitlich von der genähten Wunde 
öffnet und letztere zunächst von ihrer Bauchseite ber untersucht. F. teilt mit, 
daß er bei anderen Laparotomiesektionen auch Nahtanspießungen von Därmen 
gefunden hat ({!). Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


53) v. Khautz jun. Darmstenose durch submuköse Hämatome bei 
Hämophilie. 
(v. Langenbeck's Archiv Bd. LXXXVII. Hit. 3.) 

Verf. veröffentlicht die Krankengeschichte eines 24jährigen Pat., der wegen 
Darmstenose zur Operation kam. Die dominierenden Symptome bestanden in 
einer Blähung des Darmes, in peritonealer Reizung, Fühlbarkeit einer Geschwulst 
und Blutabgang durch den After. Pat. gab selbst an, daß er Bluter sei. Trotz- 
dem mußte man sich bei der lebensgefährdenden Erkrankung zu dem operativen 
Eingriff entschließen. Bei demselben fanden sich im Dünndarm an verschiedenen 
Stellen Blutungen in die Darmwand. Der pathologisch-anatomische Befund bei 
der nach dem Tode erfolgenden Sektion ergab die typischen Zeichen der Hämo- 
philie, vielfache Blutaustritte in die Gewebe und serösen Höhlen, auffallende Zart- 
wandigkeit der Blutgefäße und ausgesprochene Enge der Aorta. Bezüglich eines 
3 Wochen vor der Operation erlittenen Traumas stellt sich v. K. auf den Stand- 
punkt, daß bei der hämophilen Konstitution des Pat. eine selbst unbedeutende 
Verletzung genügt haben mag, um allmählich den schweren, tödlich verlaufenden 
Symptomenkomplex hervorzurufen. E. Siegel (Frankfurt a. M.!. 


1518 Zentralblatt für Chirargie. Nr. 50. 


54) McoCallum. Right meso-jejunal hernia. 
(Bull. of the Johns Hopkins hospital 1908. August.) 

Ein Neger von 41 Jahren erkrankte an heftigen Leibschmerzen, Stuhlverhal- 
tung und Erbrechen und wurde 1 Woche später operiert. 

Bei der Laparotomie fand man in der Bauchhöhle eine allseitig frei beweg- 
liche kugelige Geschwulst, deren Stiel vom Epigastrium herunterkam. Sie bestand 
aus einem großen Dünndarmschlingenkonvolut, das in einer papierdünnen trans- 
parenten Hülle steckte. Nach Hochschlagen des Dickdarmes entdeckte man un- 
gefähr in der Mittellinie die Öffnung, durch welche der Darm in die große Ge- 
kröstasche hineingeschlüpft war, zog ihn heraus, schloß die Öffnung durch Nähte 
und dann die Bauchhöble, da der Darm nirgends verdächtig aussah. 

Pat. hatte nachher noch 9mal spontanen Stuhl, erbrach noch einigemal und 
starb an Herzechwäche tags darauf. 

Die Obduktion zeigte, daß der Sack durch Einstülpung des einen Gekrösblattes 
gebildet worden war; er hatte bei seinem Wachstum die Gekrösblätter auseinander- 
gedrängt und war imstande, den ganzen Dünndarm in sich zu bergen. 

W. v. Brunn (Rostock). 


55) Kingsford. Case of acute intestinal obstruction in a haemophilic. 
(Brit. med. journ. 1908. August 29.) 

Bericht über einen tödlich verlaufenden Ileus durch Intussuszeption des Ileum 
bis 8 cm oberbalb des Blinddarmes bei einem 10jährigen Bluter. Dicht unterhalb 
der Spitze des eingeschobenen Darmstückes mündete ein langes Meckel'sches Diver- 
tikel, dessen blindes Ende nach außen hervorragte. Verf. rechnet den Fall zu 
jenen seltenen Ileusformen, in denen ein Meckel’sches Divertikel die indirekte Ur- 
sache zur Darmeinschiebung abgibt. Weber (Dresden). 


56) Canon. Komplette Ausschaltung des Dickdarmes wegen hart- 
näckiger Darmblutungen bei Syphilis. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIV. p. 85.) 

Der in der Arbeit ausführlich erzählte, vom Verf. operierte Fall ist von diesem 
bereits auf dem Chirurgenkongreß publiziert, und verweisen wir auf das bezügliche 
Referat in unserem Blatte 1908, Kongreßberichtsbeilage p.138. Der Zustand des eine 
Fistel tragenden Pat. ist zwar ein leidlicher, doch lehrt C.’s Operation, ebenso wie 
die spärlichen gleichen Operationen anderer Chirurgen, daß die komplette Dick- 
darmausschaltung, abgesehen von ihren technischen Schwierigkeiten und Gefahren, 
ihrer bedeutenden direkten Folgen wegen ein so schwerer Eingriff ist, daß er 
nur in äußersten Notfällen als erlaubt anzusehen ist. 

Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


57) H. Strehl. Kongenitale Retroposition des Dickdarmes. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVII. Hft. 1.) 

Verf. beschreibt einen Fall, bei dem er bei der Operation die Diagnose einer 
Retroposition des Dickdarmes stellen konnte. Aus der Beschreibung des nachher 
durch die Sektion gewonnenen Präparates ergibt sich, daß die Anomalie jedenfalls 
durch eine falsche Drehung der Nabelschleife erfolgt ist. Dieselbe hat wohl im 
Sinne der Drehung des Uhrzeigers stattgefunden statt umgekehrt. Die Ursache 
für die falsche Drehung der Nabelschleife ist nicht recht ersichtlich; vielleicht ist 
sie in der mächtigen Duodenalschlinge zu suchen. Als einen richtigen Fall von 
Retroposition des Dickdarmes läßt S. nur den Tscherning’schen gelten nicht 
auch den von Clairmont. Die Diagnose wird wohl auch in Zukunft am Kranken- 
bette nicht gelingen, da es erst durch irgendwelche Gelegenheitsursache zu Ileus- 
erscheinungen kommt, die sich in nichts von sonstigen derartigen Symptomen 
unterscheiden. Bei dem Eingriff wird wohl die Form des Duodenum und die des 
Colon transversum auf Entwicklungsstörungen hinweisen. Eine radikale Beseitigung 
der Lageanomalie ist nicht möglich; zur Beseitigung der Stenoseerscheinungen 
kommen nur Anastomose und Anus coecalis in Betracht. 

E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1519 


58) Brewer. Acute diverticulitis of the sigmoid, with operation be- 
fore rupture. 
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. August 15.) 


B. hat schon früher, auf dem amerikanischen Chirurgenkongreß, über Eite- 
rungen in der linken Bauchseite, die er mehrfach auf gangränös gewordene 
Divertikel des S romanum zurückführen konnte, gesprochen. Einer seiner damals 
vorgeführten Pat. erlitt später einen Rückfall, bei dem die Diagnose — das erste- 
mal nach B. — richtig gestellt werden konnte. — Es bandelte sich um einen 
45jährigen Mann; dessen erster Anfall war folgendermaßen verlaufen: Er wurde 
‚während des Essens von heftigstem Schmerz in der linken Unterbauchseite be- 
fallen, der sich zunächst verlor, nachts wiederkehrte und von Übelkeit, Erbrechen 
und großer Körperschwäche begleitet war. Es bestand linksseitige Muskelrigidität, 
und man fühlte in der linken Darmbeingrube eine weiche Masse, die sich bei der 
Operation als Abszeß mit kotigem Inhalt aufklärte.e Er enthielt auch einen Kot- 
stein. In der Flexura sigmoidea fand man eine Öffnung, aus der sich Kot ent- 
leerte. Es entstand zunächst eine Kotfistel, die allmählich ausheilte, so daß in 
6 Wochen volle Heilung eintrat. Der Operierte war dann 5 Jahre und 4 Monate 
beschwerdefrei. — Der zweite Anfall glich vollständig in seinen Erscheinungen 
dem ersten, die Geschwulst saß unterhalb der alten Narbe. Nach Eröffnung der 
Bauchöhle fand man zahlreiche alte Verwachsungen, an der Flexur saß eine etwa 
8—10 cm im Durchmesser große, entzündliche Geschwulst, die aus einem Diver- 
tikel bestand, das mit ödematösem Bauchfell und stark angeschwollenen Appendices 
epiploicas überzogen war. Diese Geschwulst wurde in die Bauchwunde eingestellt 
und gegen die Bauchhöhle abgeschlossen. Nach 48 Stunden entleerte sich Eiter, 
die Wände des Divertikels stießen sich unter Bildung einer kleinen, von selbst 
heilenden Kotfistel ab. Später Sekundärnaht. — Die Symptome, die solche Diver- 
tikel machen, sind ganz zu vergleichen mit denen der Appendicitis in ihren ver- 
schiedenen Graden und dementsprechend zu behandeln. Die sofortige Abtragung 
wird sich nur dann machen lassen, wenn der Stiel des Divertikels schmal genug 
ist. Sonst empfiehlt Verf., wenn Eiterung vorhanden, die bei dem beschriebenen 
Fall ausgeführte Operationsmethode. Trapp (Bückeburg). 


59) Burckhardt. Kombination von Aktinomykose und Adenokarzinom 
des Dickdarmes. 
(Zentralblatt f. Bakteriologie u. Parasitenkunde Abt. I. Bd. XLVI. Hft. 5.) 


Makro- und mikroskopische Beschreibung eines operativ gewonnenen Prä- 
parates, daß die jedenfalls ebenso seltene wie interessante Vergesellschaftung einer 
Darmaktinomykose mit einem beginnenden Adenokarzinom des Colon descendens 
nahe der linken Niere zeigt. Dem färberischen Verhalten des Pilzes, der Form des 
Präparates, den geringen Verwachsungen und dem Fehlen jeglicher Ausbreitungs- 
neigung nach scheint es sich um einen im Erlöschen begriffenen, aber sicheren 
aktinomykotischen Prozeß zu handeln. Die im übrigen ja oft genug resultatlose 
kulturelle Untersuchung des Pilzes hat allerdings nicht stattgefunden. Die Frage, 
ob Karzinom oder Aktinomykose das Primäre gewesen ist, glaubt Verf. unent- 


schieden lassen zu müssen. W. Goebel (Köln). 
60) Schenck. Über die Darstellung von Dickdarmstenose durch das 
Röntgenverfahren. 


(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII. Hft. 5.) 

Verf. kann — anscheinend als einer der ersten — eine Stenosenbildung des 
Darmes am Röntgenbilde demonstrieren. 

Eine 54jährige Pat. hat sich vor 6 Wochen angeblich verhoben und leidet 
seitdem an Schmerzen im Leibe. Appetit und Körpergewicht nahmen ab, Durch- 
fälle und Erbrechen traten auf. Deutlicher Meteorismus. In der linken Seite 
unterhalb des Rippenbogens eine harte, höckrige Geschwulst, die man für Kar- 
zinom hielt, deren Lage man aber nicht genau feststellen konnte. Mit Hilfe der 


1520 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 


Röntgendurchleuchtung nach vorausgegangenen Wismuteinläufen gelang es, den 
genauen Sitz und die Ausdehnung der Geschwulst, ihren zentralen Zerfall und 
ihren primären Ausgangspunkt festzustellen; ferner konnte man deutlich die Ver- 
lagerung des Colon ascendens und transversum diagnostizieren. 

Das beigegebene Röntgenbild zeigt sehr deutlich am Colon descendens zwei 
Verengerungen und zwischen beiden eine kugelige Auftreibung mit einem Hohl- 
raum in der Mitte. 

Pat. wurde nicht operiert, die spätere Sektion ergab »ausgedehntes ulzeröses 
stenosierendes Gallertkarzinom im Colon descendens«. Gaugele (Zwickau!. 


61) R. Torikate. Beitrag zur kombinierten Exstirpation der hoch- 
sitzenden bzw. hoch hinaufreichenden Mastdarmkarzinome bei Männern. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIV. p. 162.) 


Die Arbeit ist aus der Klinik in Kyoto hervorgegangen, aus welcher früher 
schon über drei kombinierte Mastdarmkrebsoperationen bei Männern mit zwei 
Todesfällen berichtet worden ist (vgl. unser Blatt 1904 p. 1079). Seitdem sind in 
genannter Klinik fünf weitere Fälle bei Männern mit kombinierter Methode ex- 
stirpiert, von welchen nur einer an der Operation starb, die übrigen geheilt sind. 
Betreffs der Technik ist von Wichtigkeit, daß an der abdominalen Durchtrennungs- 
stelle des Colon descendens bzw. sigmoideum das orale Darmende stets als Kunst- 
after in die linke Leistengegend eingenäht wurde, währeud das aborale durch Naht 
verschlossen und nach möglichst tiefer Auslösung des Mastdarmes aus dem kleinen 
Becken in dieses versenkt ist, um dann nach Abschluß der Bauchhöhle gegen das 
Becken durch Peritonealuähte («Peritonisation des Beckens«) unten von einem 
Sakral- bzw. Parasakralschnitt aus mitsamt dem zuvor zugenähten After und 
Sphinkter total entfernt zu werden. Die entfernten Darmstücke hatten eine Länge 
von 29-50 cm. Viermal wurde die Operation mit dem Bauchschnitt in Becken- 
hochlagerung begonnen, dann der Eingriff vom Kreuzbein her bei rechter Seiten- 
lage hinzugefügt, und zwar einmal, da der Kranke stark mitgenommen, erst 
1 Woche später. Provisorische Unterbindung der Iliaca int. und sacralis media 
wurde nicht regelmäßig vorgenommen. Am Kunstafter wurde der eingepflanzte 
Darm ca. 4cm lang vor die Bauchdecken vorgenäht und entweder für die ersten 
Tage ganz verschlossen gehalten oder mit einem eingeführten starken Gummirohr 
sicher verbunden. 

T. erklärt, und wohl mit Recht, das in der Kyotoschen Klinik ausgearbeitete 
Verfahren anderen Methoden, insbesondere denjenigen mit Anlegung sakraler After, 
durch Sicherheit der Aseptik für überlegen. Angaben über die Zeitdauer der 
Operationen finden sich leider nicht. Bei dem tödlich verlaufenen Falle trat nach 
anfänglich gutem Verlaufe Peritonitis infolge zu früher Nahtlösung am Kunstafter 
auf. Die genesenen Fälle betreffend, ist zu bemerken, daß bei einem die Nephrek- 
tomie einer an Abszedierungen erkrankten Niere nötig wurde, bei einem anderen 
Fall ist die lange Heilungsdauer ‘Spitalentlassung erst 344 Tage nach der Opera- 
tion) auffallend. Endlich ist bei zwei Geheilten Rezidiv bzw. Metastase sicher 
festgestellt, bei einem als wahrscheinlich zu betrachten. 

Die Arbeit tritt ebenso wie jene vom Jahre 1901 energisch für die kombinierte 
Operationsmethode der hohen Mastdarmkrebse ein und referiert über deren Sta- 
tistik bis zur Jetztzeit. An ihrem Schluß steht ein 33 Nummern zählendes Literatur- 
verzeichnis. Meinhard Schmidt (Cuxhaven!. 


Berichtigung. In Nr. 48 p. 1418 Z. 12 v. u. lies »Corticalis« statt Spongiosa. 





Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden. 





Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau, 
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. 


Zentralblatt für Chirurgie 


herausgegeben von 


K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER, 











in Bonn, in Berlin, in Breslau. 
35. Jahrgang. 
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG. 
Nr. 51. Sonnabend, den 19. Dezember 1908. 
Inhalt. 


1) v. Bardeleben und Haeckel, Atlas der topographischen Anatomie. — 2) v. Kuester, All- 
gemeine Chirurgie. — 8) Müller, Die Stärkekleisterplattee — 4) Müller und Jochmann, Das 
proteolytische Leukocytenferment. — 5) Konradi, Vererbbarkeit erworbener Immunität. — 6) Rov- 
sing, Histologische Geschwulstdiagnose. — 7) Wyss, Krebsentstehung. — 8) Williams, Krebs- 
behandlung. — 9) Saroumian, Multiple Lipome. — 10) v. Waslelewskl und Hirschfeld, Wir- 
kung der Fulguration. — 11) Hartmann, Thiosinamin und Fibrolysin. — 12) Koerner, Otitische 
intrakranielle Erkrankungen. — 18) Ruge, Meningokokkendiagnose. — 14) v. Hippel, Palliativ- 
trepanation. — 15) Kühne und Plagmann, Röntgenuntersuchung bei Otitis media. — 16) Wasser- 
mann, Röntgenverfahren in der Rhinologie und Laryngologie. — 17) Uffenorde, Siebbeinerkran- 
kungen. — 18) Hopmann, Mandeloperationen. — 19) Roberts, Halsrippen. — 20) Lucass, Zur 
Geschichte der Laryngologie. — 21) Rehn, Brustchirurgie. — 22) Simmonds, Herzverkalkung. — 
23) Quénu, Cholecystitis typhica. — 234) Zerfing, 35) Sauve, Pankreaserkrankungen. — 26) Prze- 
walski, Das große Netz. 

H. Eggenberger, Wismutvergiftung durch Injektionsbehandlung nach Beck. (Orig.-Mitteilg.) 

27) Eckermann, Narbenkrebs. — 28) Castellani, Elephantiasis. — 29) Kirschner, Trauma- 
tische Aphasie. — 80) Bouquet, Meningealblutung. — 81) Deane, Sinusthrombose. — 32) Esau, 
Nasenmißbildung. — 33) Hagenbach, Symmetrische Lymphangiome. — 34) Laufer, Implantations- 
krebs. — 35) Braun, Rückenmarksschüsse. — 86) u. 87) Verhandlungen des Vereins deutscher 
und süddeutscher Laryngglogen. — 88) Küttner, Lungenschuß. — 89) McLennan, Mediastinal- 
geschwulst. — 40) Alessandri, Cysticercus der Brustdrüse. — 41) Dehner, Mastopexie. — 42) Knott, 
Lebersarkom. — 48) Hofmeister, Gallensteine. — 44) Stern, Gallenblasen-Nierenbeckenfistel. — 
45) Goldammer, Beckenflecke. — 46) Hinterstoisser, Sakralgeschwulst. 

Berichtigung. 





1) K. v. Bardeleben und H. Haeckel. Atlas der topo- 
graphischen Anatomie des Menschen. 4. verbesserte und 
vermehrte Auflage. Herausgegeben unter Mitwirkung von 
Dr. Fritz Frohse, mit Beiträgen von Prof. Dr. Th. Ziehen. 
208 größtenteils mehrfarbige Holzschnitte, 1 lithographische 
Doppeltafel und erläuternder Text. 
Jena, Gustav Fischer, 1908. 

Die Autoren ruhen nicht auf ihren Lorbeeren aus; diese neue 
Auflage, das 10. bis 12. Tausend des Atlasses umfassend, haben sie 
wieder dadurch verbessert, daß sie in einer Anzahl der Tafeln früher 
schwarz gehaltene Teile gefärbt und dadurch, ohne je grell zu wirken, 
den schnellen Überblick über das Dargestellte erleichtert haben. Neu 
eingefügt sind einige Tafeln, so Nr. 124 mit der Darstellung des von 
der Rückseite freigelegten Mediastinum, drei Tafeln über die vordere 
Bauchwand, eine über die Blinddarmgegend; endlich sind eine Anzahl 
Bilder der Topographie des Fußes durch bessere ersetzt, wobei na- 


türlich auch der Text entsprechend bearbeitet ist. 
61 


1522 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 


Ref. kennt keinen Atlas der topographischen Anatomie, der diesem 
vorzuziehen wäre. Richter (Breslau\. 





2) Freiherr v. Kuester. Grundzüge der allgemeinen Chir- 
urgie und chirurgischen Technik für Arzte und Studierende. 


414 Seiten, 291 Abbildungen. 
Wien, Urban & Schwarzenberg, 1908. 

Die Meinung des Verf.s, daß es heute noch an einem Buche der 
allgemeinen Chirurgie fehlt, welches in knapper Form alles Wichtige 
schildert, die Bedürfnisse des praktischen Arztes vollständig berück- 
sichtigt, auch dem Studenten der klinischen Semester ein Begleiter 
und ein Repetitorium, dem Medizinalpraktikanten ein treuer Helfer in 
der Not sein soll, wird wohl angesichts der vielen Neuerscheinungen 
auf diesem Gebiete nicht von vielen Seiten geteilt werden; im Gegen- 
teil wird man den Mut der Verleger bewundern müssen, noch neue 
Werke auf den Markt zu bringen. 

Ref. wenigstens glaubt, daß der praktische Arzt, dem besonders 
doch geholfen werden soll, sich immer in einem Buche Rat holen wird, 
das er bereits in jungen Jahren kennen und schätzen gelernt hat; die 
Tatsache, daß alle bekannten älteren Lehrbücher in regelmäßigeu 
Zwischenräumen Neuauflagen erleben, beweist dies. 

Nach einer ausführlichen Schilderung der allgemeinen chirurgi- 
schen Technik (p. 1—185) behandelt Verf. die allgemeine chirurgische 
Pathologie und Therapie in fünf Abschnitten: 1) Geschwülste p. 199 
bis 252; 2) Verletzungen der Weichteile, Knochen und Gelenke p. 254 
bis 313; 3) Wundinfektionen und chirurgische Infektionskrankheiten 
p. 314—379; 4) ätiologisch verschiedene, chirurgisch wichtige Erkran- 
kungen p. 386—399; 5) Wundheilung p. 400—405). Das Buch ist 
flott geschrieben, gut ausgestattet und berücksichtigt kritisch alle 
Fortschritte, die uns das letzte Jahrzehnt gebracht hat. Als einen 
Vorzug betrachtet es Ref., daß der Diagnose ein verhältnismäßig 
breiter Raum überall zugewiesen ist; die nicht tuberkulösen Gelenk- 
erkrankungen hätten dagegen — im Vergleich zu der Geschwulstlehre 
— ausführlicher abgehandelt werden können; auch für eine Schilde- 
rung der Bardenheuer’schen Extensionsbehandlung hätte sich Platz 
finden müssen. 

Dem durch seine Mitarbeit an der Zeitschrift für ärztliche Fort- 
bildung in weiteren Kreisen bekannten Verf. wünscht Ref., daß seine 
oben erwähnten Befürchtungen sich als nicht begründet erweisen möchten. 
Lessing (Hamburg). 





3) Müller. Die Stärkekleisterplatte ein einfaches Hilfsmittel 
zum Studium diastatischer Fermentwirkungen. 
(Zentralblatt für innere Medizin 1908. Nr. 16.) 

In Anlehnung an sein Verfahren zum Nachweis eiweißlösender 
Fermente durch die Serumplatte hat Verf. Stärkekleisterplatten zum 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1523 


Studium diastatischer Fermentwirkungen benutzt. Durch die mühelose 
und wenig Materialaufwand erfordernde, dabei recht anschauliche 
Methode ließ sich feststellen, daß im menschlichen Mundspeichel 
weder unter normalen, noch unter krankhaften Bedingungen (Fieber, 
Diabetes, Morbus Basedowii, Magenkrsbs, Magengeschwür, Nieren- 
und Blutkrankheiten u. ä.) gröbere Veränderungen in der diastatischen 
Fermentwirkung auftreten, und weiter, daß der absolute Ptyalingehalt 
unter normalen und anormalen Bedingungen im wesentlichen von der 
Speichelmenge abhängig ist; bei Trockenheit des Mundes, bei Fieber, 
bei Diabetes z. B. ist also der absolute Ptyalingehalt geringer als bei 
reichlicher Speichelsekretion. In gleicher Weise läßt sich natürlich 
die Stärkeplatte zum Studium des Diastasengehaltes des Magen- und 
Darminhaltes, des Urins, des Blutserums, des Eiters, des Sputums, 
der Trans- und Exsudate usw. verwenden. W. Goebel (Köln). 


4) Müller und Jochmann. Zur Kenntnis des proteolyti- 
schen Leukocytenferments und seines Antiferments. 
(Verhandlungen des 24. Kongresses für innere Medizin 1907.) 


Bringt man ein Tröpfchen Eiter oder Blut eines an myelogener 
Leukämie Erkrankten, überhaupt eine Spur einer stark leukocyten- 
haltigen Körperflüssigkeit auf eine erstarrte Hammel- oder Rinder- 
serumplatte (sog. Löfflerplatte), so findet man nach mehrstündigem 
Aufenthalt der Platte im Brutschrank bei 50—60° an der Stelle des 
Tropfens eine Delle. Diese Delle ist die Wirkung eines durch Zerfall 
der gelapptkernigen Leukocyten freiwerdenden eiweißlösenden Fer- 
ments. Das einfache Verfahren kann klinisch zu verschiedenen dia- 
gnostischen Zwecken, u. a. auch zur Unterscheidung von heißem 
Kokkeneiter von tuberkulösem Eiter gebraucht werden, vorausgesetzt, 
daß es sich bei der Tuberkulose noch nicht um eine Mischinfektion 
oder um einen mit Jodoform behandelten Prozeß handelt. Einfacher 
ist allerdings für diesen Zweck die Verwendung von Millon’s Rea- 
gens nach dem von M. in der vorliegenden Arbeit beschriebenen 
Verfahren. Im Körper kreist ein dem proteolytischen Ferment ent- 
gegenwirkendes Antiferment, das bei Körpertemperatur voll wirksam 
ist und die Proteolyse hemmt, bei 50—60° aber unwirksam gemacht 
wird. Außer beim Menschen fanden Verff. das Leukocytenferment 
nur noch bei hochstehenden Affen und beim Hunde. Das Serum- 
plattenverfahren eignet sich unbestreitbar vorzüglich zum Nachweis 
und Studium der beiden Fermente und ihrer Wechselbeziehungen 
und scheint in seinem weiteren Ausbau vollen Ersatz für die bisheri- 
gen umständlichen chemischen Methoden zur Untersuchung der Proteo- 
lyse zu bieten. W. Goebel (Köln). 


51* 


1524 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 


5) Konradi. Ist die erworbene Immunität vererbbar? 
(Zentralblatt für Bakteriologie u. Parasitenkunde I. Abt. Bd. XLVI. Hft. 1.) 
Die Frage ist nicht neu und hat besonders zahlreiche und eifrige 
Bearbeiter gefunden, seitdem die als Träger der Immunität geltenden 
Schutzstoffe bekannt sind. Während alle Untersucher zu der Über- 
zeugung gekommen sind, daß die Nachkommen von Eltern mit er- 
worbener Immunität fast in allen Fällen einen kürzer oder länger 
dauernden Schutz mit zur Welt bringen, war man in der Erklärung 
dieser Erscheinung durchaus uneinig. Tizzoni und ÖOentanni, 
Ribbert u.a. vertraten den Standpunkt, daß bei der paternellen 
Vererbung, bei der Übertragung der erworbenen Immunität durch 
das Sperma die Immunität dauernd ist. Die durch Diffusion im 
Placentarkreislauf oder durch die Milch übertragenen Schutzstofie 
sollten nur zu einer vorübergehenden Festigkeit, jedenfalls zu keinem 
dauernden Schutze der Nachkommen führen. Dem gegenüber standen 
die Untersuchungsergebnisse von Ehrlich und Morgenroth u. a., 
die behaupteten, daB die Nachkommen immunisierter Mütter nur in- 
folge der Mitgabe von Antikörpern durch das Blut und die Milch 
immun seien, daß diese Immunität aber auch nur von beschränkter 
Dauer sei. Bei den Versuchen sowohl über die paternelle Immunität, 
als auch über die Übertragung der Immunität durch Placenta und 
Milch ist die Möglichkeit eines Überganges von Infektionserregern mit 
sekundärer aktiver Immunisierung der Nachkommenschaft nicht aus- 
geschlossen. Zahlreiche zur Umgehung dieser Fehlerquelle angestellte 
Versuche ergaben, daß der Mutter injizierte Antitoxine und die diesen 
in biologischer Hinsicht ähnlichen Agglutinine im fötalen Serum 
nachweisbar waren, und daß auch, wie namentlich aus den Arbeiten 
Ehrlich’s und Wassermann’s, Stäubli’s u. a. hervorgeht, die 
Milch und besonders das Kolostrum so immunisierter Tiere und Men- 
schen Antitoxine und Agglutinine enthalten kann. Im Gegensatze zu 
der v. Behring’schen Schule, die eine unter normalen Verhältnissen 
vor sich gehende placentare Übertragung von Antitoxinen leugnet, 
fand Polano, daß auch die intakte Placenta sowohl bei passiver als 
auch bei aktiver und bei natürlicher Immunität einen regelmäßigen 
Übergang von Antitoxinstoffen von der Mutter auf das Kind gestattet. 
Die durchaus nicht seltenen Widersprüche in den bisherigen Erfah- 
rungen veranlaßten den Verf. zu einer Reihe von Versuchen an 
künstlich mit Hundswutvirus immunisierten Hunden. Das Ergebnis 
war, daß die Nachkommen einer während der Tragzeit immunisierten 
Hündin sich innerhalb gewisser Grenzen als immun erwiesen, daß ihre 
Immunität sogar von längerer Dauer war, als die künstlich erworbene 
aktive anderer Hunde. Aber auch die geraume Zeit vor der Kon- 
zeption erworbene Lyssaimmunität beider Eltern vererbte sich auf die 
Nachkommenschaft, wenn auch nicht regelmäßig. Die Enkel schließ- 
lich ererbten keinerlei Schutz, auch dann nicht, wenn der Vater eine 
aktive Immunität besaß. Für die Art der Übertragung, ob durch die 
Milch oder auf placentarem Wege, geben die Versuche leider keinen 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1525 


Aufschluß, doch neigt Verf. am meisten der Annahme der intra- 
uterinen Übertragung der in Frage kommenden Stoffe zu. Einzelheiten 
der Versuche lassen die Möglichkeit des Schlusses zu, daß die Pro- 
duktion von Antikörpern im jungen Organismus energischer vor sich 
geht als im mütterlichen. W. Goebel (Köln). 


6) T. Rovsing (Kopenhagen). Über die Sicherheit der 
histologischen Geschwulstdiagnose als Basis radikaler chirur- 
gischer Eingriffe. 

(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 38.) 

R. warnt in eindringlichen Worten vor der Überschätzung histo- 
logisch-mikroskopischer Geschwulstdiagnosen und gibt einzelne seiner 
mit diesen gemachten üblen Erfahrungen wieder. Von pathologischen 
Anatomen als gutartig bezeichnete Geschwülste (Papillome, Adenome) 
erwiesen sich klinisch und durch die Operation als Karzinome, und 
umgekehrt wurden gutartige Granulationsgeschwülste mikroskopisch 
als bösartig angesehen. Sehr lehrreich sind in dieser letzteren Be- 
ziehung einige Fälle von Osteomyelitis, in denen der mikroskopiker 
Sarkom diagnostiziert hatte, während sie von dem Kliniker nach dem 
ganzen Krankheitsverlauf und besonders auch nach dem Röntgenbilde 
als Osteomyelitis richtig erkannt worden waren. Kramer (Glogau). 


7) M. O. Wyss. Zur Entstehung primärer Karzinome. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIII. p. 537.) 

W. erklärt zwar, nicht etwa eine neue Karzinomtheorie aufstellen 
zu wollen, indes ist doch, was er bringt, wenigstens ein sehr inter- 
essierender origineller Beitrag zur Karzinomtheorie, insbesondere zu 
derjenigen von Ribbert, der das Karzinom aus Epithelzellen ent- 
stehen läßt, die »ausgeschaltet« werden, um dann auf eigene Faust 
auf Kosten des Körpers schrankenlos weiter zu wachsen. Der Kern 
von W.’s Auseinandersetzungen ist die Annahme, daß diese Ribbert- 
sche Epithelausschaltung unter anderen einerseits durch angiosklero- 
tische Gefäßveränderungen, andererseits durch kleinzellige Bindegewebs- 
infiltrationen geleistet werden kann, indem vorausgesetzt oder als 
leicht verständlich angenommen wird, daß diese beiden pathologischen 
Prozesse durch allmählichen Ausschluß von der normalen Blutzufuhr 
das Epithel »auszuschalten« imstande sind. Nach der Ausschaltung 
aus der normalen Bluternährung ist die Weiterexistenz und das 
Wuchern des Epithels dadurch ermöglicht, daß gerade das Epithel 
eigentümliche biologische Fähigkeiten besitzt, die sich bei der Trans- 
plantation von normalem Epithel beim Menschen, sowie im Tierexperi- 
ment durch die Transplantationsfähigkeit von Karzinomen als vor- 
handen ausweisen. Man muß annehmen, daß die Epithelzellen unter 
abnormen Verhältnissen ähnlich der Eizelle sich lediglich aus Ge- 
websflüssigkeit zu nähren imstande sind. Haben solche abnorme Er- 


1526 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 


nährungsverhältnisse Platz gegriffen, so, nimmt W. weiter an, 
beschränken sich die veränderten Epithelzellen nicht nur auf die sie 
umgebenden Flüssigkeiten, sondern zerstören auch Bindegewebs- und 
andere Zellen und gelangen schließlich zu dem parasitären Wachstum, 
das der Karzinomzelle eigen ist. 

Das erste Karzinom, an dem W. lokale Arteriosklerosen fand, 
war ein Röntgenkarzinom, und gerade das Röntgenkarzinom (sozusagen 
»das erste experimentelle Karzinom, das wir kennen«) war es auch, 
an dem W. zuerst in einer in den Bruns’schen Beiträgen veröffent- 
lichten Arbeit seine Ideen über die Karzinomgenese entwickelte (vgl. 
dieses Blatt 1906, p. 1203). Die in vorliegender Arbeit verwerteten 
neuen histologischen Karzinomuntersuchungen W.’s betreffen 50 exzi- 
dierte kleine Geschwülste, meistenteils karzinomatöser Art, deren 
Flächendurchmesser von 25 mm bis zu Zellhaufen von Bruchteilen von 
Millimetern herabging. Genaueres über die Einzelheiten der mikro- 
skopischen Befundaufnahmen möge im Original eingesehen werden, 
dem auch eine Reihe Abbildungen, die verengenden Gefäßdegenera- 
tionen sowie die kleinzellige Bindegewebsinfiltration darstellend, bei- 
gegeben sind. Dagegen werden betreffs der Häufigkeit der spezifischen 
Befunde W.’s folgende Zahlen auch hier interessieren: Untersuchte 
Karzinome (einschließlich der Röntgenkarzinome) 36. Davon zeigten 
Gefäßveränderungen unter der Geschwulst 27, Infiltration des sub- 
epithelialen Bindegewebes 28, gleichzeitig beide Veränderungen 22, 
irgendeine Veränderung unter dem Epithel, die einen Ausschluß vom 
Blutstrome bedingt haben kann, 33. — Also irgendeinen positiven 
Befund im Sinne W.’s 91% der Fälle, 

Diese Andeutungen über den Inhalt von W.’s Arbeit mögen ge- 
nügen. Dieselbe enthält aber noch mancherlei andere zur Sache ge- 
hörige, interessante Betrachtungen, sowie Bezugnahme auf die neuere 
theoretische Karzinomliteratur, die zum Schluß in einem 94 Nummern 
zählenden Verzeichnis zusammengestellt ist. 

Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


8) Williams. Early treatment of some superficial cancers, 


especially epitheliomas with radium. 
(Journ. amer. med. assoc. 1908. September 12.) 

1) Die Strahlung des Radiums bleibt stets gleichmäßig. Radium 
wirkt sicherer und ist ungefährlicher als Röntgenstrahlen. 2) Die 
y-Strahlen wirken schmerzstillend. Bei ihrer Anwendung muß man 
zur Vermeidung von Verbrennungen die 3-Strahlen ausschalten. 3) Die 
ß-Strablen wirken auf die Epitheliome, Ulcus rodens usw. und sind 
auch bei derartigen Erkrankungen der Schleimhäute im Mund usw. 
anwendbar. 4) Radium soll frühzeitig und kräftig genug angewandt 
werden. Schmerzen entstehen dabei nicht, die Narbe ist äußerst ge- 
ringfügig. 5) Nach operativem Vorgehen soll man Radium nicht an- 
wenden. 6) Die Heilung folgt der Radiumbehandlung schneller als 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1527 


der Röntgenbehandlung. Manchmal heilt Radium noch Neubildungen, 
die vergeblich mit Röntgenstrahlen behandelt waren. 7) Die Rückfälle 
nach Radiumbehandlung sind selten. 8) Sein einziger Nachteil sind 
die großen Anschaffungskosten. Trapp (Bückeburg). 





9) E. Saroumian. Contribution å l'étude des lipomes mul- 


tiples symétriques. 
Thèse de Lausanne 1908. 

S. berichtet über 19 Beobachtungen (18 Männer, 1 Frau) von 
symmetrischen, multiplen Lipomen. Die Anamnese ergab in 15 Fällen 
(14 Männer, 1 Frau) Alkoholismus; in den übrigen 4 Fällen war nicht 
danach geforscht worden. Im Gegensatz hierzu war bei 7 Beob- 
‚achtungen multipler, nicht symmetrischer Lipome nie Alkoholismus 
vorhanden gewesen. S. bemerkt, daß die multiplen symmetrischen 
Lipome meist erst bei Erwachsenen (25—60 Jahre) auftreten, die 
multiplen nicht symmetrischen Fettgeschwülste dagegen oft schon seit 
der Jugend bestehen. Bei Frauen ist das Erscheinen multipler, nicht 
symmetrischer Lipome zur Zeit der Menopause ein häufiges Vor- 
kommnis; bei der Pat. mit mehrfachen symmetrischen Fettgeschwülsten 
waren diese schon einige Jahre vorher aufgetreten. S. räumt dem 
Alkoholismus eine große ätiologische Bedeutung für das Entstehen 
dieser Geschwülste ein. Schumacher (Zürich). 





10) v. Wasielewski und Hirschfeld. Über den Einfluß der 
Fulguration auf die Lebensfähigkeit von Zellen. (Aus dem 


Institut für Krebsforschung in Heidelberg.) 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 37.) 


Gewisse Bakterien (Bakterium typhi, coli, Mikrokokkus neofor- 
mans, Staphylokokkus aureus usw.) und Hefen ertragen die Beblitzung, 
ohne abgetötet zu werden; dagegen werden Amöben und Ciliaten in 
ihren vegetatiren Formen schwerer geschädigt. Die Widerstands- 
fähigkeit der Metazoenzellen gegen die Fulguration wurde an Mäuse- 
krebsgewebe geprüft und durch nachträgliche Verimpfung desselben 
festgestellt, ob die Stücke noch lebensfähig seien. Eine intensive 
Beblitzung 3—4 mm dicker Geschwulstscheiben von Fünfpfennigstück- 
größe wurde 10—15 Minuten lang gut vertragen; bei längerer Be- 
strahlung ging die Transplantationsfähigkeit zurück (Erwärmung und 
Austrocknung wurden durch gleichzeitige CO,-Anwendung auszu- 
schalten gesucht). Durch gleichzeitige CO,-Einwirkung wurde die 
Fulgurationswirkung abgeschwächt; doch nahm auch bei 30 Minuten 
langer Beblitzung die Impfausbeute ab. Kramer (Glogau). 





1528 Zentralblatt für Chirurgie Nr. 51. 


11) K. Hartmann (Koblenz). Thiosinamin bzw. Fibrolysin 
und ihre therapeutische Anwendung. 89 S. 
Bonn, Carl Georgi, 1908. 

In der vorliegenden Arbeit hat Verf. nach einer Einleitung über 
die Eigenschaften und Anwendung des Thiosinamins und Fibrolysins 
alle Veröffentlichungen zusammengestellt, in denen über Anwendungs- 
weise und Erfolge bzw. Mißerfolge bei Thiosinaminbehandlung be- 
richtet wurde. Die Zusammenstellung, die über 230 einzelne Arbeiten 
berücksichtigt, läßt erkennen, daß Thiosinaminpräparate — und Fibro- 
lysin ist eine Vereinigung von 1 Molekül Thiosinamin mit !/, Molekül 
Natr. salicyl. — überall da mit Aussicht auf Erfolg angewendet 
werden können, wo nicht allzu altes, von Entzündungserscheinungen 
freies Narbengewebe erweicht und gedehnt werden soll. Unter den 
24 verschiedenen Krankheitsgebieten, in denen die Anwendung von 
Thiosinamin und Fibrolysin besprochen wird, interessieren am meisten 
die guten Erfolge bei Dupuytren’scher Fingerkontraktur, narbiger 
Kehlkopfstenose, Speiseröhrenstenose, gutartiger Pylorusstenose, Harn- 
röhrenstriktur und in der Gynäkologie. 

Das Fibrolysin wird allgemein in der von E. Merck gebrauchs- 
fertig hergestellten Lösung subkutan angewandt, während das Thio- 
sinamin am meisten in der durch v. Hebra angegebenen 15 %igen 
alkoholischen Lösung injiziert wird. L. Simon (Mannheim). 





12) O. Koerner. Die otitischen Erkrankungen des Hirns, 
der Hirnhäute und der Blutleiter. Nachträge zur III. Auflage. 
Wiesbaden 1908. 

Mit bekannter Genauigkeit hat Verf. die Errungenschaften der 
letzten 5 Jahre in diesem Nachtrag als erfahrener Kliniker und 
Operateur kritisch behandelt. Nichts Wesentliches, was die intra- 
kraniellen Komplikationen betrifft, scheint zu fehlen. Die beschränkte 
diagnostische Bedeutung der Lumbalpunktion wird ausführlich be- 
gründet; im Hinblick auf die geheilten Fälle »erfolggekrönter Opera- 
teure« entwickelt Verf. seine gewiß berechtigten Bedenken und 
nimmt hierfür eine Vorstufe der eitrigen Leptomeningitis an, bei der 
virulente Mikroben sich in den Subarachnoidealräumen vermehren, 
den Liquor überschwemmen und die sie begleitenden toxischen Sub- 
stanzen meningitische Symptome hervorrufen: können, ohne daß die 
Sektion eine Entzündung der weichen Hirnhäute aufdecke. Ein ope- 
rativ geheilter Fall, bei dem Eiter in den Piamaschen gefunden, 
stehe noch aus. Die Östeophlebitispyämie B.’s wird, durch einige 
neuere Beobachtungen gestützt, aufrecht erhalten. Der Notwendigkeit 
der Grunert’schen Bulbusoperation steht B. noch etwas skeptisch 
gegenüber, da der Nachweis fehlt, daß »der Kranke nicht auch durch 
die Sinus jugularis-Operation ohne Freilegung des Bulbus am Leben 
erhalten worden wäre«. So sind überall die wichtigsten Streitfragen 
eingehend berücksichtigt; die Verwertung der Literatur ist geradezu 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1529 


mustergültig; und mit vollem Recht beklagt es K., daß von anderer 
Seite der otologischen Literatur nicht die gleiche Würdigung zuteil 
werde. Schultze’s »Hirnhäuteerkrankungen« und Lenhartz’ »Sep- 
tische Erkrankungen« im Nothnagel’schen Handbuche zeugten von 
einer sehr mangelhaften Berücksichtigung einschlägiger otologischer 
Publikationen. F. Alexander (Frankfurt a. M.). 


— nn [m 


13) Ruge. Zur Erleichterung der Meningokokkendiagnose. 
(Zentralblatt für Bakteriologie u. Parasitenkunde I. Abt. Bd. XLVII. Hft. 5.) 
Wo der mikroskopische Nachweis der Kokken in der Zerebro- 
spinalflüssigkeit nicht gelingt und die oft recht schwierige kulturelle 
Untersuchung nicht angängig ist, kann man sich so helfen, daß man 
6—8 Tropfen der zu untersuchenden verdächtigen Lumbalflüssigkeit 
auf einen zuvor abgeglühten Objektträger bringt. Nach 10—12stün- 
digem Aufenthalt des Präparates bei Zimmertemperatur unter einer 
Petrischale ist die kleine Flüssigkeitsmenge eingetrocknet. Inzwischen 
hat aber eine so starke Anreicherung der etwa vorhandenen Keime 
stattgefunden, daß der mikroskopische Nachweis nunmehr ohne wei- 
teres gelingt. Die gleiche Anreicherung hat Verf. auch bei Strepto- 
kokken beobachtet. W. Goebel (Köln). 


14) E. v. Hippel. Die Palliativtrepanation bei Stauungs- 
papille. 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 37.) 

Nach den von v. H. gemachten statistischen Feststellungen sind 
die Aussichten für das Sehvermögen günstige, wenn in einem relativ 
frühen Stadium, d. h. bei noch brauchbarem Sehvermögen die Palliativ- 
trepanation vorgenommen wird, dagegen ungünstiger, bzw. absolut 
schlechter, wenn zur Zeit der Operation das Sehvermögen schon prak- 
tisch unbrauchbar geworden, bzw. erloschen ist. Die Möglichkeit der 
Spontanheilung der Stauungspapille beim chronischen Hydrocephalus, 
dem sog. Pseudotumor und der Gehirnschwellung spricht nicht gegen 
die Vornahme der Palliativtrepanation, weil diese Krankheiten bisher 
nicht mit Sicherheit differentialdignostisch von Hirngeschwulst zu 
unterscheiden sind, und es vorkommen kann, daß sonst völlige Heilung, 
aber mit Erblindung eintritt. Ob die beim Turmschädel vorkommende 
Stauungspapille durch Trepanation geheilt werden kann, steht noch 
nicht fest. Trotzdem der Eingriff mit Gefahren verknüpft ist, ist er 
entschieden anzuraten, weil, abgesehen von der Besserung des Seh- 
vermögens, oft das Leben verlängert und vor allen Dingen erträglich 
gemacht, sogar nicht selten durch ihn die Krankheit geheilt wird. 

Kramer (Glogau). 


51*+*+ 


1530 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 


15) Kühne und Plagmann. Die Röntgenuntersuchung des 
Processus mastoideus bei Ostitis media. 
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII. Hft. 5.) 

Systematische röntgenographische Untersuchungen des Prozesses 
des Warzenfortsatzes an einer größeren Anzahl von normalen und 
pathologischen Fällen sind in der Literatur nur wenig zu finden. 
Verff. haben nun eine große Anzahl von Fällen mit akuter und chro- 
nischer Mittelohrentzündung ohne besondere Auswahl, mit und ohne 
klinisch nachweisbare Mastoiditis mit Röntgenstrahlen untersucht. 

Da die Schrägaufnahmen oft hochgradige Verzeichnungen geben 
und die stereoskopischen Aufnahmen der Schädelbasis nicht allein 
viel Zeit und Geduld, sondern auch viel Geld kosten, so wurde all- 
mählich ausschließlich die Sagittalaufnahme der ganzen Schädelbasis 
unter Anwendung der Albers-Schönberg’schen Zylinderblende 
ausgeführt. Diese Aufnahme gewährt zugleich das Bild beider 
Warzenfortsätze und beider Felsenbeine Die Fixierung des Kopfes 
geschieht nur durch Sandsäcke. 

Die Resultate, die zugleich durch Aufnahmen am normalen Men- 
schen kontrolliert wurden, waren: 

Während beim Gesunden die Struktur des Warzenfortsatzes auf 
beiden Seiten fast ausnahmslos die gleiche ist, so daß beide entweder 
vorwiegend Hohlräume oder eine kompaktere Knochenstruktur zeigen, 
gibt es unter pathologischen Verhältnissen deutliche Unterschiede 
zwischen den Bildern beider Seiten. — Ein dichter strukturloser 
Knochenschatten auf der kranken Seite spricht nahezu sicher für das 
Bestehen einer Osteosklerose, wie sie sich im Anschluß an chronische 
Mittelohreiterung auszubilden pflegt. 

Bei einseitiger akuter Mittelohreiterung zeigt das Röntgenogramm 
eine diffuse Schleierbildung im Bereiche des Fortsatzes, die nach Ab- 
heilung der Mittelohreiterung bald zurückgeht. Diese Verschleierung 
tritt sowohl bei einfachen Schleimhauterkrankungen in den gesamten 
Mittelohrräumen auf, als auch bei der akuten Ostitis media, bei der 
es bereits zu einer beginnenden Knochenzerstörung im Warzenfortsatz 
gekommen ist. Die Differentialdiagnose zwischen der akuten Ostitis 
media und der akuten Mastoiditis ist also auf Grund des Röntgen- 
bildes nicht zu stellen. Da aber Warzenfortsätze mit ausgesprochener 
Höhlenbildung viel leichter zu Knocheneinschmelzungen neigen, ist das 
Röntgenbild für die prognostische Beurteilung von großem Wert. 

Gaugele (Zwickau i. S.). 


16) Wassermann. Die Bedeutung des Röntgenverfahrens auf 
dem Gebiete der Rhinologie und Laryngologie. 
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrablen Bd. XII. Hit. 5.) 

Selbst dem geübtesten Fachmann unterlaufen bei der Diagnose 
der Nebenhöhlenerkrankungen diagnostische Irrtümer. Selbst bei der 
relativ am einfachsten erkennbaren Erkrankung des Kieferhöhlen- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1531 


empyems versagt selbst die Probepunktion dann, wenn eine zweigeteilte 
Kieferhöhle vorhanden ist. Noch schwieriger ist die Diagnose der 
Stirnhöhleneiterung, namentlich bei Verschluß des Ductus nasofron- 
talis. Das lange Suchen nach eitrigem Sekret ist oft geeignet, das 
Vertrauen zwischen Pat. und Arzt zu stören. Mit Freuden ist es 
daher zu begrüßen, daß Verf. in dem Röntgenverfahren eine ziemlich 
zuverlässige Methode gewonnen hat, uns auf einmal einen Überblick 
über die Nebenhöhlen zu verschaffen und in Kombination mit unseren 
bisherigen Methoden die Diagnose zu sichern, zu vereinfachen und 
insbesondere zu beschleunigen. Die Beobachtungen des Verf.s er- 
strecken sich auf 40 Fälle, die alle durch operative Eingriffe hinsicht- 
lich der Befunddeutung kontrolliert werden konnten. 

Die Aufnahmen wurden ausschließlich im occipitofrontalen Durch- 
messer des Schädels, also von hinten nach vorn her, bewerkstelligt. 

Das Röntgenbild ergibt natürlich nur eine Trübung der Höhlen, 
ohne über die Art der Höhlenausfüllung Aufschluß zu geben; hier 
haben wir zur Unterstützung die bisherigen klinischen Untersuchungs- 
mittel zuzuziehen. 

Ganz besonders wertvoll erscheint das Röntgenverfahren für die 
Diagnose der Siebbeinerkrankungen. Oft tritt äußerlich nur eine 
Kieferhöhleneiterung in den Vordergrund, oder eine Eiterung des 
mittleren Nasenganges, bei denen erst das Röntgenogramm eine iso- 
lierte Erkrankung des Siebbeines ohne Beteiligung .der Stirn- oder 
Kieferhöhle erkennen ließ. 

Nicht nur hinsichtlich der örtlichen Wahl des Eingriffes ist aber 
die Röntgenographie von großer, praktischer Bedeutung, sondern auch 
hinsichtlich der Methode desselben, besonders bei Stirnhöhlenopera- 
tionen, da sie uns über Tiefe und Höhe, Buchten, Septen und Kam- 
merungen der Höhle Aufschluß gibt. 

Das Röntgenogramm ist endlich berufen, auch die Operations- 
resultate zu kontrollieren, da mit dem Nachlaß der klinischen Sym- 
ptome wiederum eine Aufhellung der früher konstatierten Trübungen 
eintritt; nur bei der Kieferhöhleneiterung bleibt eine Verdunkelung 
auch nach Ablauf des Prozesses zurück. 

Auf jeden Fall ist das Röntgenverfahren zuverlässiger als die 
Durchleuchtung mit der elektrischen Glühlampe. 

Technik: Notwendig ist absolute Fixation des Kopfes, am besten 
mit dem von Grashey angegebenen Kopfstücke. Pat. liegt mit dem 
Gesicht auf der teilweise mit Kompressen gepolsterten Platte. Auf 
das Hinterhaupt wird die Kompressionsblende von Albers-Schön- 
berg eingestellt; Pat. muß tiefes Atmen und Schlucken während der 
Aufnahme vermeiden. Halbweiche Röhre. Die der Arbeit beigege- 
benen Photogramme zeigen zum Teil mit überraschender Deutlichkeit 
Eiterungen der Kieferhöhle, der Stirnhöhle, des Siebbeines. 

Gaugele (Zwickau i. 8.). 





1532 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 


17) W. Uffenorde. Die Erkrankungen des Siebbeines. 
Jena, Gustay Fischer, 1907. 

Es läßt sich darüber streiten, ob es zweckmäßig ist, die Spezia- 
lisierung so weit zu treiben, daß man die Erkrankungen eines Neben- 
höhlenkomplexes für sich monographisch darstellt. Die Zersplitterung 
wird dadurch immer größer und zeitigt dann auch Monographien über 
so kleine Gebiete wie z. B. die Erkrankungen der Nasenscheidewand. 
Überdies liegt gerade das Siebbeinlabyrinth so im Zentrum der übrigen 
Nebenhöhlen, und weist so innige Beziehungen mit demselben auf, 
daß es ganz unmöglich sein dürfte, sich strikte an das Thema zu 
halten. Und dieser Gefahr konnte der Verf. auch nicht ausweichen; 
allenthalben finden sich Abschnitte über die anderen Nebenhöhlen, 
speziell die Kieferhöhlen. Sieht man von diesen prinzipiellen Beden- 
ken ab, so verdient die Arbeit des Verf.s doch ein hohes Lob. U. hat 
sich bemüht, in manche Streitfragen Klarheit zu bringen, so besonders 
in die Frage über die Beziehungen zwischen Nebenhöhleneiterung und 
Polypen, er unterscheidet: 1) typisches Empyem ohne Polypenbildung; 
2) typische hyperplastische (polypöse) Entzündung ohne Eiterung, und 
3) Polypenbildung mit sekundärer Eiterung. Bei 1) bestehe meist 
Atrophie, bei 2) Hypertrophie der unteren Muschel. Bei 3) nimmt 
Verf. eine sekundäre Infektion an. Diagnostisch bevorzugt er mit 
Recht die Rhinoscopia media, die er durch Infraktion der mittleren 
Muschel sich erleichtert. Dagegen scheut er im Gegensatze zu zahl- 
reichen anderen Autoren die Entfernung des vorderen Endes der 
mittleren Muschel und geht unseres Erachtens hierin etwas zu weit. 
Eine ausführliche Darstellung ist den Komplikationen des Endokra- 
niums und der Orbita mit ihrem Inhalte gewidmet. Endlich werden 
ausführlich die mannigfachen Beziehungen zu Magenaffektionen der 
verschiedensten Art, Pharyngitis, Laryngitis, Bronchitis, Asthma usw. 
erörtert, und mit vollem Recht betont, wie oft im mittleren Nasengang 
versteckt liegende Veränderungen übersehen werden, und wie vieles 
als vasomotorische, nervöse usw. Sekretion mit Unrecht angesehen 
wird. Therapeutisch wird die Galvanokaustik nur noch angewandt, um 
die operativ hergestellten Offnungen vor hartnäckiger Neigung zur 
Verengerung zu schützen. Sonst bevorzugt Verf. vornehmlich schnei- 
dende Instrumente, Stanzen, Conchotome usw. und wendet mit Recht 
wenig den scharfen Löffel an. Die Grenzen endonasalen Vorgehens 
steckt er nicht so weit wie Kramm und dürfte darin des Beifalls 
der meisten Fachgenossen sicher sein. Naturgemäß ist es nicht zu 
umgehen, daß in dieser Siebbeinmonographie die Operationsmethoden 
von Kiefer- und Stirnhöhle augehandelt werden. Die lateralen Sieb- 
beinzellen, die bekanntlich der Ausheilung von Siebbein- und Stirn- 
höhleneiterung am meisten hindernd im Wege stehen, werden gebührend 
gewürdigt. Recht gelungen erscheint uns das Kapitel über die Ge- 
schwülste; hier bevorzugt Verf. die Methoden von Pr OaS und 
Gussenbauer. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1533 


Im ganzen eine äußerst fleißige Arbeit, die überall das Bemühen 
verrät, kritisch eigene wie fremde Beobachtungen und Publikationen 
zu verwerten. Die Abbildungen sind teils anderen anerkannten 
Werken (besonders Hajek) entlehnt, teils liegen eigene Präparate 


des Verf.s zugrunde. Die Ausstattung ist eine sehr gute. 
F. Alexander (Frankfurt a. M.). 
18) Hopmann. Die Furcht vor Mandeloperationen. 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 38.) 

H. faßt seine Ausführungen in folgenden Sätzen zusammen: 
Gaumenmandeln und alle Wucherungen des lymphatischen Rachen- 
ringes überhaupt, welche Störungen verursachen, müssen gründlich 
beseitigt werden, wenn Dauerheilung erzielt werden soll. Alle in 
Betracht kommenden Mandeln können gründlich in einer Operation 
(bei der die Gaumenbögen sorgfältig zu schonen, die Mandeln mög- 
lichst stumpf herauszuschälen sind), doch nur unter Anwendung all- 
gemeiner Narkose entfernt werden. Diese Operation, sorgsam aus- 
geführt, ist nicht angreifender und gefährlicher als eins der üblichen 
Verfahren zur »Exstirpation«e der Mandeln, welches in der Regel nur 
teilweise Entfernung der Mandeln erreicht oder bezweckt. 

Kramer (Glogau). 


u... 


19) Roberts. The surgical importance of cervical ribs to the 
general practitioner. 
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. Oktober 10.) 

Kurzer Überblick über die Geschichte der Halsrippen. Die Dia- 
gnose ist heute sehr erleichtert durch die Röntgenuntersuchung; man 
findet infolgedessen Halsrippen viel häufiger wie früher. Verf. be- 
spricht dann die verschiedenen Formen der Halsrippen unter ein- 
gehender Würdigung der aus ihrer Lage sich ergebenden anatomischen 
Anomalien der. Weichteile. Abbildungen veranschaulichen diese Ver- 
hältnisse. Die Krankheitserscheinungen treten häufig erst später auf, 
obwohl die Halsrippen stets angeboren sind. Verf. führt dies auf die 
anfängliche größere Elastizität, die später durch Verkalkung von Knor- 
peln schwindet, auf Abmagerung infolge von Krankheiten, Verletzungen, 
die in späterem Alter die Rippe stärker schädigen als in jugendlichem, 
zurück. Die Behandlung kann in ernsteren Fällen mit schweren Stö- 
rungen nur in Entfernung bestehen, während man bei leichteren alle 
möglichen, die Zirkulation und die Tätigkeit der Nerven befördernde 
Mittel anwendet. Trapp (Bückeburg). 





20) Lucass. Geschichte der Laryngologie an der Universität 
Heidelberg seit der Erfindung des Kehlkopfspiegels bis zum 
1. Oktober 1908. Preis 3 Mk. 

Würzburg, Curt Kabitzsch, 1908. 

Verf. gibt in seiner kleinen Monographie sine ira et studio einen 
Überblick über seine vergeblichen, durch die jährlich steigende Kranken- 


1534 = Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 


frequenz wohlbegründeten Bemühungen, der Laryngologie an der Uni- 
versität Heidelberg durch Einrichtung einer stationären Klinik die ihr 
gebührende Stellung zu verschaffen, eine Frage, die jetzt durch Ver- 
einigung der Laryngologie mit der Ohrenheilkunde endgültig gelöst ist. 
Engelhardt (Kassel). 


21) Rehn. Die Fortschritte der Brustchirurgie. 
(Zeitschrift für ärztliche Fortbildung 1908. Nr. 12 u. 13.) 

In einer übersichtlichen Darstellung des jetzigen Standes der 
Brustchirurgie bringt R. nachstehende Erklärung der schweren Folgen 
des einseitigen Pneumothorax: Nicht das Flattern der Mediastinal- 
pleuren, die Verkleinerung des restierenden Lungenvolumens und die 
Hyperämie der kollabierten Lunge, sondern die Verlegung der zur 
gesunden Lunge führenden Luftwege bildet die Hauptgefahr. Zwerch- 
fell und Herzbeutel rücken abwärts. Das vom Lungenhilus zum 
Ziwerchfell herabziehende Lig. pulmonale wird gespannt, die Haupt- 
äste der Lungenschlagader und der Aortenbogen, die die Haupt- 
bronchien innig umschlingen, werden gestreckt und halten den Lungen- 
hilus noch fester, während die Luftröhre mit dem Mediastinum sich 
bei tiefer Inspiration nach der gesunden Seite bewegt. Dadurch wird 
eine Knickung zwischen Luftröhre und Hauptbronchus bewirkt, am 
linken Bronchus, der enger, von der Aorta umschlungen und stärker 
von der Luftröhre abbiegt, noch leichter als am rechten. Durch An- 
ziehen der kollabierten Lunge oder Lagerung des Kranken auf die 
Pneumothoraxseite wird die Knickung der Luftwege aufgehoben 
und der Zugang zur gesunden Lunge wieder frei. 

Gutzeit (Neidenburg). 





22) Simmonds. Über den Nachweis von Verkalkungen am 


Herzen durch das Röntgenverfahren. 
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII. Hft. 6.) 

Deutliche Röntgenbilder von Verkalkungen am Herzen sind bis 
jetzt noch nicht vorhanden. Verf. zeigt uns nun sehr scharfe Bilder 
von derartigen Fällen, allerdings nur von Sektionspräparaten, und 
zwar Fälle von Verkalkung der Coronararterien, der Aortenklappen, 
der Mitralis, weiter Fälle von Kalkablagerung im Herzbeutel nach 
vorausgegangener Entzündung, Fälle von chronischer Sklerose der 
Mitralis und Aorta mit Kalkablagerung usw. 

Die praktische Verwertung solcher Befunde am lebenden Herzen 
scheitert zurzeit noch an der langen Expositionszeit. (Ref. sah vor 
kurzem bei der Sektion einer 80jährigen Frau eine totale Verkalkung 
des Annulus fibrosus in Kleinfingerstärke; es ist zu hoffen, daß in 
Zukunft durch Momentaufnahmen solche Befunde auch am Lebenden 
festgestellt werden können.) Gaugele (Zwickau). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1535 


23) E. Quenu. De la cholecystite typhique au cours et 
pendant la convalescence de la fièvre typhoïde et spéciale- 


ment de son traitement opératoire. Revue critique. 
(Revue de chir. XXVIII ann. Nr. 6.) 


Die Leber ist das Hauptausscheidungsorgan für die Typhusbazillen ; 
Infektionen der Gallenblase beim Typhus sind daher sehr häufig. Sie 
können sowohl im Verlauf wie in der Rekonvaleszenz oder auch erst 
lange Zeit nach überstandener Krankheit, bei chronischen Bazillen- 
trägern, auftreten und nicht selten zur Gallensteinbildung führen bzw. 
ein vorhandenes Gallensteinleiden verschlimmern. Auch die Weil- 
sche Krankheit und viele infektiöse Ikteri ist Q. geneigt, auf den 
Typhuserreger zurückzuführen. Die typhöse Infektion der intrahepa- 
tischen Gallenwege mit oder ohne Abszeßbildung ist seltener. 

Während des Typhus bleibt die Beteiligung des Gallensystems 
infolge des schweren allgemeinen Krankheitszustandes in vielen Fällen 
unbemerkt, zumal Gelbsucht oft fehlt und die geschwürigen Vorgänge 
im Darm im Vordergrunde des Interesses stehen. Geringfügige Gallen- 
blasenerkrankungen während der Genesung sind häufig als leichte 
Typhusrückfälle angesehen worden. In beiden Stadien erfordern die 
eitrigen Entzündungen und die Perforationen der Gallenblase unbe- 
dingt chirurgisches Eingreifen. Die Cholecystostomie ist die Operation 
der Wahl an den schon durch das Grundleiden geschwächten Kran- 
ken. Nur bei Perforationen oder stark brüchiger Blasenwand ist die 
Ektomie am Platze. 

Kritischer Bericht über 44 Fälle der Literatur und kurze Mit- 
teilung einer bisher unveröffentlichten Beobachtung von Cavaillon 
und Leriche. Gutzeit (Neidenburg). 





24) Zerfing. Benign and malignant diseases of the pancreas, 


with report of cases. 
(Southern California practitioner 1908. Mai.) 

Verf. bespricht zuerst die anatomischen Verhältnisse des Aus- 
führungsganges des Pankreas. Nach den Untersuchungen von Opie 
genügte der kleine Gang, Ductus Santorini, der etwa 1 Zoll über 
der Vater’schen Papille ausmündet, wenn er überhaupt vorhanden ist, 
in 30% der untersuchten Fälle, bei denen es zu totalem Verschluß 
des Ductus pancreaticus gekommen war, nicht, um den Pankreassaft 
dem Darme zuzuführen. 

Bei dem Choledochus unterscheidet Z. einen supraduodenalen, 
retroduodenalen, pankreatischen und intraparietalen Teil. Der pan- 
kreatische Teil ist in 62% vollständig von Pankreasgewebe umgeben, 
und in 38% lag er in einer besonderen Grube des Pankreas. 

An die Histologie und Physiologie des Pankreas schließt sich die 
Pathologie. Der Symptomenkomplex der akuten hämorrhagischen 
Pankreatitis wird eingehend besprochen, sowie die Differentialdiagnose 
der chronischen Pankreatitis. 


1536 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 


Zum Schluß bringt Verf. die Krankengeschichten eines Falles 
von chronischer interstitieller Pankreatitis und eines primären Pankreas- 
karzinoms, Deetz (Arolsen). 


25) L. Sauvé. Des pancr&atectomies et specialement de la 


pancreatectomie cephalique. 
(Revue de chir. XX VIII. ann. Nr. 2 u. 3.) 


S. setzt in dieser auf breiter anatomisch-physiologischer wie experi- 
mentell und klinisch chirurgischer Grundlage angelegten Arbeit aus- 
einander, wie die Aufgabe, den Pankreaskopf zu exstirpieren, allein 
durch die Duodenopankreatektomie gelöst werden kann, und beschreibt 
ihre durch 20 Leichenversuche gewonnene Technik an der Hand von 
vier Abbildungen. Abgesehen davon, daß das zurückgelassene Duo- 
denum infolge der für die Amputation des Bauchspeicheldrüsenkopfes 
erforderlichen Durchtrennung seiner ernährenden Gefäße brandig wird, 
bietet die gemeinsame Abtragung von Duodenum und Pankreas den 
großen Vorteil, daß sich das abgelöste »Duodenopankreas« vor die 
Bauchwunde ziehen läßt; hierdurch werden die großen Gefahren der 
Operation (Verletzung der Pfortader, der Vasa mesenterica superiora 
und A. colica dextra) wesentlich leichter gemieden, auch ist die für 
Pankreasoperationen unumgänglich notwendige Asepsis besser zu wah- 
ren, als wenn man in der Tiefe arbeiten muß. 

Ein weiterer Grund für die Berechtigung der Duodenopankreat- 
ektomie ist der, daß die meisten Pankreaskrebse Krebse des Pan- 
kreaskopfes sind und zunächst auf Duodenum und Pylorus und die 
Lymphknoten am oberen und unteren Rande der Bauchspeicheldrüse 
übergreifen. 

Für die chirurgische Behandlung kommt vor allem der tiefgelegene 
Krebs des Pankreaskopfes in Betracht, der durch Druck auf das 
Sonnengeflecht und den Wirsung’schen Gang frühzeitig Schmerzen 
und Kachexie hervorruft. Der Pankreaskrebs in der Nähe der Papilla 
Vateri wird wegen des beständig fortschreitenden Ikterus häufig zu- 
nächst unter falscher Diagnose behandelt, bis die mangelnde Fett- 
spaltung und Verdauung auf eine Insuffizienz der Bauchspeicheldrüse 
hinweisen. Der oberflächliche Krebs des Pankreaskopfes entwickelt 
sich meist so unbemerkt, daß die von ihm befallenen Kranken selten 
rechtzeitig zum Chirurgen kommen. 

S. führt die Operation zweizeitig aus: zuerst die Y-förmige Gastro- 
jejunostomie, nach ihrer Heilung die Duodenopankreatektomie und 
Choledochoenterostomie. Den Pankreasstumpf näht er in die Haut- 
wunde ein, da er die Einpflanzung des Wirsung’schen Ganges in 
den Darm für technisch nicht möglich hält, und die Versenkung der 
ganzen Schnittfläche des Pankreasstumpfes in den Darm, am Tier 
wenigstens, mit Sicherheit akuteste Pankreatitis mit Blutungen ver- 
anlaßt. 

In die Zusammenstellung der bis jetzt ausgeführten Exstirpationen 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1537 


des Pankreas sind auch drei noch nicht veröffentlichte Fälle von 


Tuffier, Duval und Michaux aufgenommen. 
Gutzeit (Neidenburg). 


26) Przewalski. Über das große Netz. 
(Berliner klin. Wochenschrift 1908. Nr. 27.) 

Nach kurzer Mitteilung des bisher über die physiologische 
Funktion des Netzes Bekannten wird als Ergebnis von 40 Tierrer- 
suchen (Netzresektionen mit Unterbindung aller Milzblutgefäße) aus- 
geführt, daß bei 25% eine Umdrehung einer Dünndarmschlinge auf 
180—360° gefunden wurde, der Netzmangel also unter bestimmten 
Bedingungen die Darmtorsion tatsächlich begünstigt. 

Das Netz reguliert die Peristaltik der Dünndärme, indem es 
während peristaltischer Bewegungen der letzteren sie zu einem Kon- 
volut verbindet. Langemak (Erfurt). 


Kleinere Mitteilungen. 


Aus der chirurgischen Universitätsklinik zu Basel. 
Direktor: Prof. Dr. Wilms. 


Wismutvergiftung durch Injektionsbehandlung 
nach Beck. 
Von 


Dr. Hans Eggenberger, 


Assistenzarzt. 
Nachtrag zur Mitteilung in Nr. 44 p. 1309 d. BI. 


ürzlich haben Novak und Gütig (Berliner klin. Wochenschrift 1908 p. 1764) 

einige letal verlaufene Intoxikationen nach Darreichung von Bismuthum sub- 
nitricum zusammengestellt, die nicht als Metallvergiftungen — mit Stomatitis und 
Enteritis —, sondern als Nitritvergiftungen sichergestellt wurden. Deren 
Krankheitsbild war charakterisiert durch das Auftreten einer eigentümlichen fahlen 
Cyanose der Haut und der Schleimhäute, durch raschen, kleinen Puls und die 
Bildung von Methämoglobin im Blute. l 

Nach Kobert sind die drei Hauptsymptome der Nitritvergiftung: 1) zentrale 
Lähmungen, 2) zentrale Reizerscheinungen, 3) Umwandlung des Oxyhämoglobins 
der roten Blutkörperchen in Methämoglobin. In unserem Falle wurde eine Blut- 
untersuchung kurz vor dem Tode versäumt; es fiel aber die fahle Cyanose auf. 
Die zentralen Reizerscheinungen, die bisher in ähnlichen Fällen nie beschrieben 
sind, waren sehr ausgesprochen. Sie begannen mit einzelnen Zuckungen und 
endeten in einem allgemeinen, tonischen Krampfzustande. Der Exitus trat unter 
primärem Atemstillstand ein. — Die Autopsie ergab, wie schon früher (p. 1310) 
bemerkt wurde, eine deutliche Hyperämie des Zentralnervensystems. An mikro- 
skopischen Veränderungen fand man in den Tubuli contorti der Nieren zahlreiche 
hyaline und einige gekörnte Zylinder, in den Tubuli recti einige Desquamationen. 
In der Leber zeigte sich eine geringe Infiltration der Glisson’schen Scheiden mit 
Lymphocyten. In der Milz war stellenweise etwas braunes Pigment. (Prof. 
Hedinger- Basel.) 

Maassen stellte fest, daß verschiedene, besonders in Kinderfäces entbalter 
Bakterien imstande sind, aus Bismuthum subnitricum in erheblichen Mengen Nitr‘ 


1538 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 


zu erzeugen. Die Nitrite wurden in unserem Falle wahrscheinlich durch vom 
Darm her .eingewanderte Bakterien gebildet. 

Gleichzeitig gab sich bei unserem Pat. die Schwermetallvergiftung an der 
Stomatitis und dem Coecalgeschwür deutlich zu erkennen. Es mußte sich also 
hier um eine Kombination von Metall- und Nitritvergiftung handeln. 

Nach externer und subkutaner Applikation treten vorwiegend 
die Wismutmetallvergiftungen auf, wie sie früher beobachtet wurden, 
während nach interner Darreichung die eben beschriebenen Ni- 
tritvergiftungen vorwiegen. Die letzteren nehmen häufiger einen tödlichen 
Verlauf als die ersteren. 

Erich Meyer (Therapeutische Monatshefte 1908 p. 388) empfiehlt, bei der 
Wismutbehandlung stets das Bismuthum subnitricum durch Bismuthum 
carbonicum zu ersetzen, was bei der Injektionsbehandlung nach Beck sehr 
empfohlen werden muß, 


Berichtigungen: Nr. 44 d. Bl., p. 1310, Z. 31 lies: Wismut nicht nachge- 
wiesen, statt Wismut nachgewiesen; daselbst Z. 43: Münchener med. Wochenschrift 
1906, statt 1900. 


27) A. Eckermann. Über Narbenkarzinome. 
(Wiener klin. Rundschau 1908. Nr. 39 u. 40.) 


Verf. bespricht zunächst die Literatur und beschreibt dann mehrere interessante 
Fälle aus der Klinik Trendelenburg’s. In allen fünf Fällen handelte es sich 
um Narbenkarzinome, einmal auf dem Boden einer Narbe nach Frostgangrän. 

Schmieden (Berlin). 


28) A. Castellani. The treatment of elephantiasis. 
(Indian med. gazette 1908. Juni.) 


C. empfiehlt subkutane Injektion von Fibrolysin, die täglich oder zweitägig 
in einer Dosis von 2ccm anzuwenden ist. Die Behandlung wird durch Bettruhe, 
Massage und Druckverband vorbereitet und unterstützt und wenigstens 5—6 Mo- 
nate fortgesetzt. Hat die Spannnng nachgelassen, so werden Streifen der Haut 
und des Unterhautzellgewebes exzidiert. In einigen Fällen wurde ein glänzendes 
Resultat erzielt. Doch ließ sich ein Urteil darüber noch nicht abgeben, ob das 
hartnäckige Leiden wirlich dauernd geheilt war. Revenstorf (Hamburg). 


29) Kirschner. Über zwei Fälle von traumatischer motorischer 
Aphasie. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIV. p. 94.) 


Die beiden Fälle sind in der Greifswalder Klinik Payr’s beobachtet und 
betreffen Männer, die durch Maschinen am Kopfe verletzt waren. Beim Fehlen 
sonstiger schwerer Gehirnerscheinungen war das Symptom einer subcorticalen 
motorischen Aphasie das bemerkenswerteste. Beide Male wurde der Schädel in 
der linken Schläfenbeingegend, wo auch eine Wunde bzw. ein Hämatom vorlag, 
freigelegt, wonach Schädelbrüche mit deprimierten Bruchstücken gefunden und 
letztere entfernt sind. Der entfernte Knochensplitter war im ersten Falle 6 cm 
lang und mit seiner vorderen unteren Spitze etwa 4 mm unter der Tabula externa 
gelegen, derart, daß er über dem hinteren Teil der 3. Stirnwindung und dem 
unteren Teil der Zentralfurche gelegen haben muß. In Fall 2 war das Fragment 
fast Öömarkstückgroß und etwa 1 cm in die Tiefe verlagert; nach Entfernung des 
wichtigsten 2markstückgroßen Splitters kam noch ein mäßiges extradurales Häma- 
tom zur Ausräumung. Der Splitter scheint ebenfalls die untere Stirnwindung und 
oben hinten gerade noch die Zentralfurche gedeckt bzw. gedrückt zu haben. In 
beiden Fällen glatte Wundheilung und allmähliche Rückkehr fast normaler Sprach- 
fähigkeit. In Fall 1, der eine leichtere Störung darbot, nimmt K. nur eine lokale 
Hirnerschütterung mit chokartiger Lähmung der betroffenen Nervensubstanz an, 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1539 


in Fall 2 vielleicht auch Blutung oder noch schwerere Veränderung in der Hirn- 
substanz. 

Betreffs interessanter Einzelheiten (u. a. sog. Telegrammsprachstil bei Rückkehr 
der Sprache) sowie der kurzen Allgemeinbemerkungen zur Sache wird auf das 
Original verwiesen, das übrigens außer Photogrammen zu Fall1 auch ein 13 Num- 
mern zählendes Literaturverzeichnis bringt. Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


30) H. Bouquet. Hemorragie meningee curable chez un enfant. 
(Province med. 1908. Nr. 38.) 

Ein 14jähriger Junge wurde im Anschluß an eine Insolation von den Sym- 
ptomen einer Meningitis befallen. Die lumbale Punktion ergab Blut. Heilung in 
ca. 6 Wochen. 

Verf. glaubt, daß die Insolation eine Hämorrhagie der weichen Hirnhäute 
hervorgerufen hat. A. Hofmann (Karlsruhe). 


31) Deane. Thrombosis of superior, longitudinal and lateral sinuses 
complicated by pregnancy. 
(Journ. amer. med. assoc. 1908. September 19.) 


Die 18jährige Pat. war im 5. Monat schwanger, litt seit Jahren an Ohrenfluß. 
Augenblicklich bestand Fieber, rechtsseitiger Ohrenschmerz und die Zeichen von 
Eiterung in den Mastoideuszellen. — Die Polypen im rechten Gehörgange wurden 
entfernt, das Antram mastoideum eröffnet, dabei ein Teil der hinteren kariösen 
Gehörgangswand fortgenommen. Der absichtlich freigelegte Siuus sigmoideus 
zeigte gangränöse Wand und enthielt Eiter. Von peripherer Blutung nach Ein- 
führung einer Sonde nach hinten selbst bei tiefem Eindringen keine Blutung. Die 
geplante Unterbindung der Jugularis konnte wegen Kollaps der Pat. erst 5 Tage 
später ausgeführt werden. Im weiteren Verlaufe traten hauptsächlich Schüttel- 
fröste, Erbrechen und Kollapserscheinungen hervor. Da den Frösten nie nach- 
weisbare Metastasen an inneren Organen folgten, wurde Fortschreiten der Throm- 
bose auf die anderen Hirnblutleiter angenommen, zumal da vervollständigte 
Unterbindung der rechten Jugularis und Resektion die Fröste nicht beeinflußte. 
D. nahm an, daß die Thrombose auf die Sinus übergegriffen habe, die sich im 
Confluens sinuum vereinigen. Er trepanierte mit dem Meißel 1,5 cm rechts und 
nach unten von der Protuberantia occipitalis, fand den Sinus lateralis dexter zu- 
sammengefallen und verfärbt. Er wurde bis in das Torcular Herophili gespalten, 
eins stumpfe Curette bis zum linken Sinus lateralis vorgeschoben, was obne Blu- 
tung möglich war. Nach Vorschieben der Curette 8cm in den Sinus longit. sup. 
entleerte sich übelriechender Eiter, nach Curettement des linken Sinus lateralis 
ein kräftiger Blutstrom. Darauf Tamponade. In dem weiteren Verlaufe wurde 
noch mehrmals die Curette angewandt, und D. ließ reichlich Blut austreten, um 
Gerinnsel infektiöser Natur fortzuschwemmen. Die häufigen und schweren Kollaps- 
zustände wurden, wie schon vor der letzten Operation, erfolgreich mit Whiskey- 
klistieren, Digitalis, Nitroglyzerin und anderen Analepticis bekämpft. Die Tempe- 
ratur fiel 2 Tage nach der letzten Operation ab, und es trat allmählich Heilung 
und Erholung ein. 4 Monate nach der letzten Operation gebar Pat. ein kräftiges 
und gesundes Kind. Später wurde noch die Radikaloperation der Paukenhöhle 
gemacht. — Eine operative Eröffnung des Confluens sinuum am Lebenden ist 
bisher noch nicht beschrieben. Trapp (Bückeburg). 


32) Esau. Angeborene Mißbildung der Nase (Doggennase) und span- 
genförmige Verknöcherung des knorpligen Septums. 
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII. Hft. 5.) 

Es handelt sich um einen Pat. mit Spaltnase. Im Röntgenogramm sieht man 
vom freien Rande der Ossa nasalis, da wo sich sonst das knorplige Nasengerüst 


ausetzt, eine ziemlich breite Knochenspanne beinahe halbkreisförmig zur Spina 
nasalis inferior sich herunterziehen. 


1540 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 


Im Gegensatz zu manchen anderen, hält Verf. die geschilderte abnorme Nase 
für eine Hemmungsmißbildung unbekannter Ursache, aber wahrscheinlich nicht auf 
amniogenem Wege entstanden. Er kommt zu dieser Ansicht durch den Vergleich 
mit Nasen von Föten in den ersten Lebenswochen. Bei diesen sind die Nasen- 
löcher noch durch ein breites Septum getrennt und stehen weit auseinander. Die 
Nase ist platt und niedrig. Störungen von seiten der Nase liegen nicht vor. 

Gaugele (Zwickau i. S.). 


33) E. Hagenbach. Symmetrische Lymphangiome der Mundspeichel- 
drüsen. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIII. p. 478.) 


Interessante kasuistische Mitteilung aus dem Baseler Kinderspitale, betreffend 
ein 5 Monate altes Kind, das, behaftet mit symmetrischen Geschwülsten der 
Speicheldrüsen, äußerlich an die Mikulicz’sche Krankheit erinnerte. Am größten 
war die Anschwellung der linken Submaxillardrüse, die ebenso wie die übrigen 
Geschwülste schon gleich nach der Geburt bemerkt worden und nicht gewachsen, 
ca. apfelgroß war (s. Photogramm). Beschwerden waren geringfügig, und nur 
zwecks Behebung der Entstellung wurde die Submaxillarisgeschwulst, die bei Probe- 
punktion klare, gelbe, etwas fadenziehende Flüssigkeit ergeben hatte, exstirpiert, 
wobei die Maxillaris externa und der Hypoglossus durchtrennt werden mußten, 
die Blutung übrigens gering war. Verlauf anfänglich gut, später aber traten zu- 
nehmende Diarrhöen und unter Kräfteverfall der Tod ein. Die histologische Be- 
fundaufnahme der operierten Geschwulst (Lymphangiom) und das Sektionsresultat 
werden mitgeteilt, zwei mikroskopische Abbildungen beigefügt. 

Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


34) R. W. Laufer. Über einen sicheren Fall von Implantations- 
karzinom. 
(Prager med. Wochenschrift 1908. Nr. 40.) 


L. beschreibt einen Fall von primärem Karzinom des Zungengrundes ohne 
Beteiligung irgendwelcher Lymphdrüsen. Exstirpation der Geschwulst im Ge- 
sunden, nachdem das Öperationsgebiet durch einen Wangenschnitt zugänglich ge- 
macht worden ist. Nach !/; Jahre Exstirpation einer taubeneigroßen Geschwulst, 
die die ganze Dicke der Wange durchsetzt hat. Verf. nimmt an, daß beim Durch- 
ziehen der primären Geschwulst durch die Wangenwunde sich Krebeszellen abge- 
löst haben, die dann in der frischen Operationswunde sich festsetzten. Verf. kann 
sich das Auftreten der Metastase an einem Orte, der von Lymph- und Blutmeta- 
stasen verschont bleibt, nur durch den Akt einer Implantation erklären. 

A. Hofmann (Karlsruhe). 


35) W. Braun. Beitrag zur Frage der operativen Behandlung der 
Rückenmarksschüsse. Nebst neurologischen Bemerkungen zu einem 
operierten Falle von M. Lewandowsky. 

(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIV. p. 116.) 


Einen eigenen ungewöhnlich interessanten und bedeutsamen Fall von im Juni 
1904 bei einem 13jährigen Knaben vorgenommener Exzision einer im Brustrücken- 
mark eingeheilten 5 mm-Teschingpistolenkugel hat B. bereits auf dem Chirurgen- 
kongreß von 1906 vorgetragen, und verweisen wir diesbezüglich, ebenso wie betreffs 
der schon damals berichteten Resultate bei Geschoßexzisionen aus dem Marke von 
Versuchstieren und betrefis der vom Verf. aufgestellten operativen Indikationen 
bei Rückenmarksschüssen auf sein Referat im Jahrgange 1906 dieses Blattes, Kon- 
greßbeilage p. 60. Die vorliegende Arbeit bringt jetzt die der Bedeutung des 
Falles würdige genaue Wiedergabe der Krankengeschichte, wobei eine gute sche- 
matische Zeichnung des Rückenmarksquerschnittes die topographischen Verhält- 
hältnisse des Geschoßlagers zeigt, eingehende neurologisch-klinische Epikrise der 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1541 


Beobachtung und die detaillierte Berichterstattung über die Tierversuche und deren 
Resultate, desgleichen gründliche Besprechung der Operationsindikationen. Hier- 
über auf das Original verweisend, wollen wir nur berichten, daß der gegenwärtige 
Zustand des Operierten im allgemeinen gut ist. Der Knabe ist stark gewachsen, 
hat männlichen Typus bekommen. Er kann in einem Schienenapparate an zwei 
Stöcken sich leidlich fortbewegen, etwa 50 m weit in 75 Sekunden. Er kann auch 
ohne Stock im Apparat aufrecht, ohne zu schwanken, stehen und Treppen auf- 
und absteigen. Ohne Prothese ist er leistungsunfähig. Der Verlauf des Falles läßt 
schließen, daß im menschlichen Rückenmark die Möglichkeit eines Ersatzes der 
leitenden Bahnen durch einander gegeben ist. Doch wird bei dem Pat. auch nicht 
zum wenigsten seine Jugend es gewesen sein, die das günstige Resultat ermög- 
lichte. 

Zum Schluß der Arbeit steht ein 30 Nummern zählendes Literaturverzeichnis. 

Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


36) Verhandlungen des Vereins deutscher Laryngologen 1908. 
Würzburg, Curt Kabitzsch, 1908. 


Die Verhandlungen des Vereins deutscher Laryngologen enthalten eine 
Fülle chirurgisch interessanten Materials. Erwähnt sei nur ein Vortrag von 
v. Eichborn, Über Anwendung der Fulguration in der Laryngologie, der be- 
sonders die Laryngologen für die neue Behandlungsmethode zu interessieren sucht 
und beweist, daß inoperable Nasen-Rachengeschwülste mit Hilfe dieser Methode 
wenigstens einer zeitweisen Besserung zugänglich sind. Ein Vortrag von Killian 
beschäftigt sich mit der auch chirurgisch wichtigen Diagnose der komplizierten 
Scharlachsinusitis und ein in kurzem Referat nicht wiederzugebender von v. Eicken 
behandelt die Komplikationen bei Erkrankung der Nasennebenhöhlen, die nicht so 
ganz selten sind, wie man vielfach annimmt, und weitere Arbeit erfordert. 

Engelhardt (Kassel). 


37) Verhandlungen des Vereins süddeutscher Laryngologen 1908. 
Würzburg, Cart Kabitzsch, 1908. 


Der Bericht über die Verhandlungen des Vereins süddeutscher Laryngologen, 
der von jetzt ab in dem Verein deutscher Laryngologen aufgeht, wird eingeleitet 
durch einen sehr lesenswerten Aufsatz von Brünings, welcher den Nachweis 
führt, daß für die »syringoskopische« Beleuchtung, d.h. für die Beleuchtung röhren- 
förmiger Organabschnitte, die Außenlampe, event. mit verdeckter Lichtleitung — 
wie bei dem von ihm angegebenen Endoskop — den Vorzug verdient. Die übrigen 
Vorträge bewegen sich größtenteils auf dem Gebiete der Geschwulstbildungen der 
Nasennebenhöhlen und des Nasenrachens, die durch die verfeinerte Untersuchungs- 
technik und frühzeitige Diagnose ein nicht undankbares Arbeitsfeld des Spezial- 
arztes zu werden versprechen. Engelhardt (Kassel). 


38) H. Küttner. Zur Behandlung schwerer Schußverletzungen der 
Lunge mit primärer Naht. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIV. p. 1.) 


Die in der Arbeit enthaltene energische Empfehlung einer interventionistisch- 
operativen Behandlung schwerer Schußverletzungen der Lunge fußt auf dem vor- 
trefflichen Erfolg eines von K. derart versorgten Falles, den derselbe dieses Jahr 
bereits kurz auf dem Chirurgenkongreß in seinem Vortrag »Erfahrungen über 
Operationen bei Unter- und Überdruck« erwähnt hat (vgl. unser Blatt Kongreß- 
bericht 1908 p. 97). K. gibt jetzt die ausführliche Krankengeschichte seines Falles 
nebst Photogramm des Brustkorbes des genesenen Pat. mit seinen Öperations- 
narben. Es handelt sich um den Selbstmordversuch eines 20jährigen Fabrik- 
arbeiters, der sich mit einem 9 mm-Revolver 3 cm unterhalb der Mammillarlinie 
in die linke Brustseite geschossen hatte. Zunehmende Atemnot des von auswärts 
nach Breslau geschafften Mannes infolge fast komplett gewordenen Hämothorax 


1542 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 


mit Cyanose usw. indizierten den in der Sauerbruch’schen Kammer vorgenom- 
menen Eingriff. 12 cm langer Schnitt durch die Axillarlinie auf der 6. Rippe, die 
10 cm lang reseziert wird. Mächtiges Vorstürzen des Blutes, das nach Einsetzung 
der Mikulicz’schen Rippensperre exakt entfernt wird. Die kollabiert gewesene 
Lunge bläht sich unter dem Minusdrucke der Kammer gut auf und gewinnt ihre 
gelbrote Farbe wieder. Lösungen leichter Pleuraverklebungen; zur Sichtbar- 
machung der Lungenschußlöcher bedarf es noch eines Querschnittes auf den schon 
gemachten Schnitt, sowie neuerlicher Resektion von 6 cm der 5. und 6. Rippe 
nebst Unterbindung der Interkostalarterie. Die voluminösen, zerfetzten Lungen- 
löcher am Unterlappen und der Lungenbasis werden mit Seide vernäht, auch eine 
Streifwunde des Zwerchfells mit Nähten geschlossen, die Brustwand über der auf- 
geblähten und die Pleurahöhle völlig füllenden Lunge ohne Drains zugenäht. 
Frappierend guter Erfolg, am 11. Tage Verlassen des Bettes. Ein zunächst wieder 
auftretender, offenbar entzündlicher Erguß ging rasch zurück. 

Zwei gleichzeitig behandelte, weit leichtere Lungenschüsse zeigten eine viel 
verzögertere Rekonvaleszenz. Dem eigenen Falle kann K. nur fünf anderer Autoren, 
die ebenfalls mit Naht operativ behandelt sind, zur Seite stellen. Zwei derselben 
zeichnen sich ebenfalls durch sehr gut verlaufene Heilung aus. 

Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


39) MeLennan. An unusual form of mediastinal tumour. 
(Glasgow med. journ. 1908. Juli.) 

Ein Mädchen von 28 Jahren wurde wegen einer Schwellung am Halse ein- 
geliefert. Die Diagnose wurde auf eine inoperable Mediastinalgeschwulst gestellt; 
Pat. starb und wurde obduziert. 

Die Geschwulst schien von der Thyreoides auszugehen und hatte doppelte 
Struktur; zum größten Teil bestand sie aus Rund- und Spindelzellensarkom, zum 
kleineren aus Adenokarzinom. Beide Geschwulstarten hingen unmittelbar zusam- 


men. Die Metastasen wurden nur von Sarkomgewebe gebildet. 
Ä W. v. Brunn (Rostock). 


40) Alessandri. Cisticercus cellulosae della mammella simulante un 
epitelioma. 
(Bull. della Reale Accad. med. di Roma Anno XXXII.) 

Der seltene Fall betraf eine 49jährige Frau mit einer nußgroßen Geschwulst, 
deren Deckhaut mit ihr verwachsen war und durch sie eingezogen wurde. Außer- 
dem ließ das Vorhandensein von Achseldrüsen die klinische Diagnose »Karzinom« 
als sicher annehmen, die erst nach der Operation richtig gestellt werden konnte. 


Klinisch war es die einzige Lokalisation der Parasiten im Körper’der Kranken. 
A. Most (Breslau). 


41) Dehner (Ludwigshafen). Mastopexie zur Beseitigung der Hänge- 
brust. 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 36.) 

Die Operation wurde durch ein hartnäckiges, jeder Behandlung trotzendes 
und recht schmerzhaftes intertriginöses Ekzem veranlaßt und bestand in Aus- 
schneidung eines großen Stückes der Haut samt Unterhautzellgewebe an der 
oberen Peripherie der hypertrophischen Brustdrüse bis auf die Fascie des M. 
pectoralis major und in Befestigung des Drüsengewebes am Periost der dritten 
Rippe mittels Catgutnähten. Die Operation, beiderseits ausgeführt, hatte vollen 
Erfolg. Kramer (Glogau). 


42) Knott. Primary sarcoma of the liver. 
(Surgery, gynecology and obstetrics Vol. VII. Nr. 3.) 
K. entfernte bei einem 62jährigen Farmer ein Lebersarkom. Der Kranke hatte 
1/a Jahr vor der Operation zuerst Schmerz in der Lebergegend gespürt. Bald darauf 
trat andauernder blutiger Durchfall auf, dem eine Kachexie folgte, die den ungewöhn- 
lich muskelkräftigen Mann unter Verlust von 60 Pfund Körpergewicht (300 Pfund 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1543 


vorher) aufs äußerste herunterbrachte. Es fand sich in der Lebergegend eine 
kindskopfgroße Geschwulst, deren Ursprung nicht feststellbar war. Erst bei der 
Laparotomie wurde sie erkannt, nachdem viele feste Verwachsungen gelöst waren. 
Sie entsprang mit kurzem, dickem Stiel (7,5 >< 2,5 >< 2,5 cm) vom rechten Leber- 
lappen. Der Stiel wurde, wegen des bedenklichen Zustandes des Kranken, abge- 
klemmt, die Geschwulst abgetragen. Die Klemmen blieben 48 Stunden liegen, 
Tamponade. Nach schwerem Kollaps erholte sich der Kranke in 48 Stunden. 
Heilung. Die Geschwulst war ein großzelliges Rundzellensarkom. Bei der Ope- 
ration waren keine Metastasen zu entdecken. 

K. knüpft hieran eine ausführliche Abhandlung über primäre Lebersarkome 
und bringt im Auszug Kranken- und Sektionsgeschichten von allen 74 ihm zu- 
gänglichen Fällen. Reiches Literaturverzeichnis (95 Nummern). Verf. beschreibt 
eine von ihm angegebene Lebernaht. Trapp (Bückeburg). 


43) Hofmeister. Über Gallensteinerkrankung. 
(Med. Korrespondenzblatt des württemberg. ärztl. Landesvereins 1908. Okt. 10.) 


Bericht über 78 Operierte. In sämtlichen Fällen von akuter infektiöser Chole- 
cystitis (14) und chronischer Cholecystitis (44) wurde die Gallenblase exstirpiert; 
bei den 34 Fällen von chronischer Cholecystitis ohne Verschluß wurde außerdem 
wegen Beteiligung der Gallengänge 1lmal die Hepaticusdrainage ausgeführt. Die 
12 Fälle von Steinverschluß des Ductus choledochus wurden sämtlich mit Exstir- 
pation der Gallenblase, Choledochotomie und Hepaticusdrainage behandelt. 9 Pat., 
bei denen außer der Gallensteinoperation auch noch Eingriffe am Magen, an der 
Leber, den Nieren und dem Wurmfortsatz vorgenommen werden mußten, sind 
sämtlich geheilt. Dauerresultate: von den 68 Geheilten sind 64 beschwerdefrei 
geblieben, davon %2 von der Operation an; die übrigen 4, die an jahrelang angeb- 
lich behandelter Cholelithiasis mit ausgedehnten Verwachsungen gelitten hatten, 
behielten auch später Verwachsungsbeschwerden. In 9 Fällen entwickelten sich 
nach der Operation Folgezustände, an welchen die Kranken zugrunde gingen, am 
häufigsten biliäre Leberdegeneration und hämorrhagische Diathese. Hat die biliäre 
Leberdegeneration höhere Grade erreicht, so nützt es dem Pat. nichts mehr, wenn 
die Beseitigung des Choledochusverschlusses gelingt. Dem Zweck einer raschen, 
sicheren und rezidivfreien Heilung genügt am idealsten die Exstirpation der 
Gallenblase, die für H. das Normalverfahren darstellt. Mohr (Bielefeld). 


44) N. Stern. Ein Fall von Perforation eines Gallenblasenabszesses 
in das Nierenbecken. 
(Wratschebnaja Gazeta 1908. Nr. 29. [Russisch.)) 

Eine 64 Jahre alte Frau leidet seit 7 Jahren an Magenschmerzen, die etwa 
8 Tage dauern. Mai 1906 ein schwerer Anfall von Cholelithiasis mit Perichole- 
cystitis. Im Oktober beginnt ein neuer Anfall, zuerst ziemlich leicht, doch am 
2. November stieg die Temperatur bis 39,8°, zeigte 15 Tage lang reine Inter- 
missionen (vom Typus der F. tertiana}, und nahm darauf pyämischen Charakter an; 
starke Schüttelfröste. Von seiten der Leber anfangs nur geringe Schmerzhaftig- 
keit, erst am 20. November fand S. die Gallenblase vergrößert (Empyem der Blase 
und eitrige Pericholecystitis. Operation wird verweigert. Am 30. November 
wurde mit dem Urin viel Eiter entleert (2/5 der ganzen Harnmenge). Reaktion 
auf Gallenpigmente und Hämoglobin positiv. Am 2. Dezember neue starke Ko- 
liken rechts, worauf nach 3 Stunden im Harn viel Gallensteine entleert werden. 
Noch 5 Wochen lang wurde Eiter entleert, darauf vollständige Heilung. 

E. Gückel (Spassk, Rjasan). 


45) Goldammer. Beitrag zur Frage der Beckenflecke. 
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII. Hft. 6.) 
Robinsohn wies vor kurzem auf häufiges Zusammentreffen von Ischias und 
Beckenflecken hin und sieht letztere an als den radiologisch sichtbaren Ausdruck 
einer mit der Ischias vergesellschafteten Beckenschleimbeutelerkrankung, in erster 


1544 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 


Linie der Bursa musculi obturatorii und der Bursa musculi glutaei maximi. Ro- 
binsohn denkt dabei an Bursensteine, Calculi bursarii. 

G. beschreibt 17 Fälle, und zwar sind nur solche in Betracht gezogen, bei 
denen der Nachweis von Ischias in Anamnese und Befund besonders berücksichtigt 
worden sind. Von allen Pat. wurden Blendenaufnahmen des Gesamtbeckeninnern 
aufgenommen. 

Das Bemerkenswerte an diesen 17 Beobachtungen ist zunächst, daß bei keiner 
einzigen trotz genauer darauf gerichteten Beobachtung Ischias festgestellt werden 
konnte. Dagegen bestanden bei zwei Fällen arthritische Veränderungen im Hüft- 
gelenk; und zwar waren dabei einmal Gelenkbeschwerden und Beckenfleckbefund 
gleichseitig, während das andere Mal die kranke Seite nur einen, die andere, ab- 
solut gesunde Seite acht Beckenflecke aufwies. Zu bemerken ist dazu, daß bei einer 
großen Zahl von Aufnahmen wegen chronischer Arthritis des Hüftgelenkes und 
einer kleineren wegen Ischias oder Ischiasverdacht sich keine Beckenflecke fanden. 
Besonders beachtenswert war ein Fall, bei dem klinisch eine die chronische Ar- 
thritis begleitende Schleimbeutelentzündung festgestellt war, obne den geringsten 
röntgenographisch nachweisbaren Schleimbeutelsteinbefund. 

Auffallend ist ferner, daß von den 17 Fällen bei fünf eine steinbildende Dia- 
these mit Sicherheit nachgewiesen wurde, und bei sieben anderen nach den klini- 
schen Erscheinungen der Verdacht auf eine solche nahe lag. 

Von den 17 Pat. waren 15 Männer, nur zwei Frauen; einer befand sich mit 
27 Jahren im 3. Jahrzehnt, 5 im 4., 7 im 5., je einer im 6. und 7., 2 im 8. 

Die Beckenflecke fanden sich 10mal doppelseitig, Dmal nur rechts, 2mal nur 
links. Ihren typischen Sitz bildet der auf dem Beckenbilde kreissegmentförmige 
Raum zwischen der Spin. isch. und der Symphyse, nach außen begrenzt von der 
Pars pubica der Linea terminalis; und zwar liegen sie hier, &®nn multipel vor- 
handen, in der Regel perlschnurartig angeordnet in einem nach außen konvexen 
Bogen. 

Diese Lagerungsverhältnisse sind von großer diagnostischer Bedeutung hin- 
sichtlich der Verwechslung mit Harnleitersteinen. Nach den sehr zahlreichen 
Beckenbildern, die Verf. bei liegender Harnleitersonde gemacht hat, verläuft der 
normale Harnleiter weit mehr medial, als sich die Beckenflecke gewöhnlich finden, 
und zwar liegt er über dem Lig. sacro-spinosum, ungefähr zwischen Kreuzbein und 
Spin. isch., um von dort in nach außen konvexem Bogen weiter zu verlaufen und 
ca. querfingerbreit lateral von der Symphysis sacro-iliaca in den Knochenschatten 
des Darmbeines überzugehen. 

Die Größe der Flecke ist verschieden, bis zu Bohnengröße. Trotz alledem 
ist man oft noch großen Täuschungen ausgesetzt. So wurden in einem Falle ge- 
wöhnliche Phlebolithen trotz Anwendung aller verfeinerten Untersuchungsmethoden 
für Harnleitersteine gehalten und durch Operation entfernt. 

Nach G. handelt es sich bei den Beckenflecken um Venensteine aus phosphor- 
saurem Kalk, nicht aber um Bursensteine. Gaugele (Zwickau i. S.). 


46) H. Hinterstoisser. Über einen kongenitalen, teratoiden Sakral- 


tumor mit Metastasierung. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVII. Hft. 1.) 

Nach Exstirpation einer teratoiden Sakralgeschwulst trat im nächsten Jahre 
schon eine Rezidivgeschwulst auf mit Drüsen im Retroperitonealraum und in den 
Schenkelbeugen. Die histologische Untersuchung des Rezidivs wie der Metastasen 
ergab das Bild eines großzelligen, alveolaren Sarkoms. Neben diesem Falle konnte 
Verf. nur einen einzigen von Metastasierung bei sakraler Mischgeschwulst auffinden, 

E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


Berichtigung. P. 1421 u. 1422 lies Brentano statt Borchardt. 


Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden. 


Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau. 
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. 





Zentralblatt für Chirurgie 


herausgegeben von 


K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER, 














in Bonn, in Berlin, in Breslau. 
35. Jahrgang. 
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG. 
Nr. 52. Sonnabend, den 26. Dezember 1908. 
Inhalt. 


1) v. Felegyhazi, 2) Lookwood, Bier’sche Stauung. — 8) Pavone, Tachiol bei eiterhaltigem 
Urin. — 4) Ransohoff, Prostatektomie. — 5) Onorato, 6) Berg, Blasenkrebs. — 7) Casper, Pye- 
litis. — 8) Kreiss, Plastische Operationen am Nierenbecken. — 9) Delbet und Chevassu, Azoo- 
spermie. — 10) Starr, 11) Coley, Leistenhoden. — 12) Preiser, Gelenkflächeninkongruenz. — 
13) Donato de Francesco, Plastische Umänderung eines Amputationsstumpfes. — 14) Gallois 
und Bosquette, Innere Knochenarchitektur. — 15) Kumaris, Coxa valga. — 16) Jianu, Klappen- 
bildung in Venen. — 17) Bardenheuer, Behandlung der Nerven bei Amputationen. — 18) Mar- 
chal, Fersenbeinbrüche. — 19) Whitmann, Paralytischer Talusfuß. — 20) Igelstein, Pseudofrak- 
turen der Sesambeine des ersten Metatarsophalangealgelenkes. — 21) Martin, Hammerzehe. 

H. Turner, Zur operativen Behandlung veralteter Kniescheibenbrüche mit größerer Diastase 
der Fragmente. (Originalmitteilung.) 

22) Schmidt, Stauungshyperämie. — 28) Brongersma, Prostatektomie. — 24) Liebl, Retro- 
vesikale und retroprostatische Cysten. — 25) Cholzow, 26) Wintermitz, Nierenanomalien. — 
27) Kato und Kotzenberg, Der arterielle Blutdruck bei Nierenerkrankungen und Appendicitis. — 
28) Gage und Beal, Fibrinsteine der Niere. — 29) Gatti, Nierenenthülsung. — 30) Busch, Leonard 
und Wright, Nebennierentransplantation. — 31) Beilby, Hypernephrom. — 82) Pels-Leusden, 
Strangulation des Penis. — 83) Johnston, Hermaphroditismus. — 84) Posner, Azoospermie — 
35) Jianu und Pitulescu, Das Blut bei Gebärmutterkrebs. — 88) Puyol, Eierstockscyste eines 
Kindes. — 87) Putti, Schulterblatthochstand. — 88) Bülow-Hansen, Radiusdefekt. — 39) v. Salis, 
Angeborene Knieverrenkung. — 40) Dockk, Fibuladefekt. — 41) Kilvingston, Fußmißbildung. — 
42) Wette, Zehenverrenkung; Abriß der Streckaponeurose am Mittelfinger. — 43) Wiesel, Periost- 
ablösung am Metatarsus. — 44) Couteaud, Hammerzehe. — 45) Martini, Beinbruchapparat, 





1) E. v. Felegyhazi. Beiträge zur Erklärung der Wirkungs- 
weise der Bier’schen Stauung im Granulationsgewebe fistu- 


löser fungöser Herde. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIL. p. 459.) 


v. F. hat seit 1!/, Jahren in der Klinik von Prof. Makara in 
Klausenburg histologische Untersuchungen tuberkulöser Gewebe, 
Fisteln, Lymphome, Granulationen, an denen die Saug- und Stauungs- 
behandlung durchgeführt wurde, vorgenommen. Die exzidierten und 
fixierten Gewebsstückchen wurden mit Hämatoxylin-Eosin oder Pikro- 
fuchsin, teilweise auch auf Tuberkelbazillen gefärbt. In einigen Fällen 
ist durch Saugen gewonnene Gewebsflüssigkeit ferner auf Blutbestand- 
teile und Bakterien untersucht. Unter Beigabe von fünf mikroskopi- 
schen Abbildungen beschreibt v. F. die Befunde einer Reihe auserlesener 
Fälle, die die Wirkung der Saugbehandlung, der gemeinsamen Saug- 
und Stauungsbehandlung und Stauungsbehandlung allein betreffen und 
zu verschiedenen Zeitpunkten der Behandlung aufgenommen sind. Die 
unmittelbaren Wirkungen des Saugens bestehen in Hyperämie, Trans- 
sudation und Auswanderung von Leukocyten; auch finden sich in dem 

b2 


1546 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 


abgesogenen Sekret von eröffneten kalten Abszessen reichliche pyogene 
Kokken. Nach v. F.’s Ansicht nützt also bei tuberkulösen Fisteln das 
Saugen durch die Entfernung des Eiters und der Gewebstrümmer, so- 
wie durch die Entleerung der auf sekundäre Weise hineingelangten 
Kokken, ist mithin hauptsächlich behufs Vermeidung sekundärer In- 
fektionen wichtig. An den längere Zeit hindurch mit Saug- und 
Stauungsbehandlung versorgten Geweben hebt v. F. als wichtigsten 
Befund die auf Bindegewebsneubildung deutenden Veränderungen her- 
vor. Man findet neugebildete Bindegewebszellenbündel mit Mitosen 
und neugebildeten Blutgefäßen. Letztere sind um einige Tuberkel 
dicht aneinander gelagert und vermehrt, ihre Wand verdickt und die 
Endothelbekleidung geschwollen. Zahlreiche Tuberkel sind von dünnen 
Bindegewebsschichten begrenzt oder eingekapselt. Klinisch entspricht 
diesen Vorgängen eine wahrnehmbare Verhärtung des ganzen Stau- 
ungsgebietes. Es ist also anzunehmen, daß, ähnlich wie bei der Stau- 
ungsinduration der Lunge durch Herzfehler, durch die wiederholte 
passive Hyperämisierung das Bindegewebe vermehrt und sklerosiert 
wird, wobei die Tuberkel durch bindegewebige Einkapselung aus- 
geschaltet, kleine Abszesse zur Obliteration gebracht werden. Bei 
akuten Prozessen liegt die Sache anders. Hier kommt im Staugebiet 
besonders die lokale Leukocytose mit Mobilisierung der durch Phago- 
cytose nützlich werdenden polynukleären Leukocyten in Frage, wie 


v. F. unter Heranziehung der einschlägigen Literatur ausführt. 
Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 





2) Lockwood. Bier’s hyperaemia, or the use of the ela- 
stic bandage in the treatment of diseases. 
(Southern California practitioner 1908. April.) 

L. begründet zunächst das Rationelle der Behandlung, gibt dann 
die Vorschriften über die übliche Art der Anwendung, sowie einige 
Vorsichtsmaßregeln bei der Ausführung. Insonderheit warnt er, die 
Stauung bei Herzkranken, Diabetikern und Arteriosklerotikern zu 
benutzen. Deetz (Arolsen!. 





3) Pavone. Il tachiolo come antisettico dell vie urinarie 


e come mezzo di disinfezione dei cateteri di gomma. 
(I. Congr. delle soc. ital. di urologia 1908.) 
(Morgagni 1908. Nr. 39.) 

Kranke mit eiterhaltigem Urin, die abwechselnd 8 Tage lang 
Urotropin und Tachiol (Silbersalz der Fluorwasserstoffsäure), letzteres 
in der Dosis eines Liters einer !/,,%/pnigen Lösung pro Tag, einnahmen, 
schieden regelmäßig im letzteren Zeitraum weniger Bakterien aus als 
während der Urotropinwoche (1,5 pro die). Das Tachiol wurde nicht 
als Silbersalz, sondern in der Natrium- und Kaliumverbindung aus- 
geschieden. Mit Tachiollösungen (1:5000) konnten Sonden und Ka- 
theter desinfiziert werden, ohne daß die Reste der Lösung eine 
Reizung der Schleimhäute hervorriefen. Dreyer (Köln). 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 1547 


4) Ransohoff. A new and rapid method of perineal drainage 
in suprapubic prostatectomy. 
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. September 12.) 

R. ist im allgemeinen Anhänger der suprapubischen Methode; 
nur in ganz bestimmten Fällen wendet er die perineale an. Um aber 
den Vorteil der Drainage vom Damm aus zu haben, ohne eine Ure- 
throtomie machen zu müssen, führt er nach Entfernung der Prostata 
in den tiefsten Teil der gesetzten sackförmigen Wunde einen sehr 
starken, besonders gekrümmten Trokar ein, während der Zeigefinger 
der linken Hand vom Damm aus, kurz vor dem After, gegendrückt. 
Durch die Trokarhülse wird ein sehr starker, am oberen Ende trichter- 
förmiger Katheter (36 Charriere) eingeführt und am Damme befestigt. 
Auf diese Weise hat man den Vorteil, ohne die Nachteile der Urethro- 
tomie in Kauf nehmen zu müssen. Der Bulbus urethrae läßt sich 
leicht vermeiden; die Fasern des Sphincter ani werden überhaupt nicht 
berührt. Die suprapubische Blasenwunde wird ganz, die Bauchdecken- 
wunde bis auf einen dünnen Drain geschlossen, der als Sicherheits- 
ventil zur Blasenwunde reicht. Trapp (Bückeburg). 


5) Onorato. Sulla cura operativa del cancro della vescica. 


(Accad. med. di Genova. Sitzung vom 27. Juli.) 
(Gazz. degli ospedali e delle clin. 1908. Nr. 116.) 


O. schildert an der Hand eines glücklich operierten Blasenkarzi- 
noms die Technik des eröffnenden Querschnittes mit Abmeißelung 
eines Knochenlappens, der später wieder am Knochen fixiert wird. 
Eine Infektion des Bauchfells wird bei der Blasenexstirpation durch 
Vernähung der parietalen Serosa mit dem visceralen Bauchfell abso- 
lut vermieden, was bei der Frau leicht gelingt. Wegen der Gefahr 
der aufsteigenden Nephritis bei Einpflanzung der Harnleiter in Mast- 
darm oder Haut wird eine sekundäre Anlegung zweier Nierenfisteln 
empfohlen. Dreyer (Köln). 


6) Berg. The radical treatment of carcinoma of the bladder. 
(Annals of surgery 1%08. September.) 

Nach B. treten nach Operationen wegen Blasenkrebs dann Rezi- 
dive auf, wenn erkrankte Lymphdrüsen zurückgelassen werden oder 
wenn das Karzinom der Blase ein sekundäres ist und der nicht ent- 
deckte Herd in der Prostata, der Gebärmutter oder im Mastdarm 
sitzt. Bei jeder derartigen Operation sollen daher die vergrößerten 
Lymphdrüsen mit entfernt werden. Verf. spricht sich gegen den 
radikalen Standpunkt Watson’s aus, der in jedem Falle von Blasen- 
krebs die Blase total entfernt und in beiden Nierengegenden eine 
Nierenfistel anlegt. In geeigneten Fällen ist die Operation der Wahl 
die partielle Resektion der Blase und Einpflanzen des Harnleiters der 
erkrankten Seite in den Scheitel der Blase. Seine Operationstechnik 
ist folgende: Nach Freilegen der Blase wird das Bauchfell nur dann 
eröffnet, wenn es mit erkrankt ist. Die erkrankten Drüsen werden 

52* 


1548 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 


entlang den Gefäßen — Arteria und V. iliaca — gesucht und exstir- 
piert; nach Abschneiden des Harnleiters der erkrankten Seite wird 
das Becken mit Jodoformgaze austamponiert, um Infektionen während 
der Operation zu vermeiden. Nunmehr wird der erkrankte Teil der 
Blase mit dem Thermokauter entfernt und dann der Harnleiter in 
den Blasenscheitel eingepflanzt. Die Blasenwunde wird mit durch- 
greifenden Catgutnähten verschlossen, darüber kommen feine Silknähte, 
welche nur die Muscularis mitfassen. Drainiert wird nur mit Ka- 
theter durch die Harnröhre mit fleißigen Ausspülungen. 
Herhold (Brandenburg). 





7) Casper. Zur Pathologie und Therapie der Pyelitis. 
(Med. Klinik 1908. p. 1521.) 

An der Hand von fünf Fällen, von denen zwei durch Strepto- 
kokken, einer durch Grippeerreger, einer durch Tripperkokken, einer 
durch Colibazillen verursacht waren, werden Erkennung, Heilungsaus- 
sicht und Behandlung der Pyelitis besprochen. In irgendwie zweifel- 
haften Fällen muß der Harn unmittelbar aus dem Nierenbecken auf- 
gefangen werden. Waschungen des letzteren mit Höllensteinlösung 
1:1000 bis 300 sind bei Pyelitiden angebracht, deren Ursache Gono- 
kokken, Coli- oder Eiterbazillen sind, verboten dagegen bei Tuber- 
kulose, Steinbildung (Röntgenaufnahme!), Pyelonephritis; die letztere 
wird durch eine gegenüber der zweiten Niere erkennbare Schwächung 
der Arbeitsleistung erkannt. Mit der Nephrotomie darf zunächst, 
aber nicht zu lange zugewartet werden; die Operation ist wenig ge- 
fährlich und: wirkt fast immer sicher günstig. Einer der obigen 
Streptokokkenfälle wurde mit glänzendem Erfolge nephrotomiert. 

Georg Schmidt (Berlin). 





8) F. Kreiss. Über die plastischen Operationen am Nieren- 
becken und oberen Ureterabschnitt bei den Retentions- 


geschwülsten der Niere. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVIII p. 423.) 

Eine Übersicht über die Stellungnahme der Chirurgen zu den 
konservativen plastischen Operationen in der Therapie der Hydro- 
nephrosen zeigt, daß die meisten Autoren der Berechtigung dieser 
Operationen bedingt zustimmen, eine allgemeinere Anwendung aber 
von einem Ausbau der Technik und einer überzeugenden Statistik 
abhängig machen. Einerseits wird anerkannt, daß die plastischen 
Operationen, weil sie die Harnstauung beseitigen und gleichzeitig die 
Niere erhalten, dem Ideal einer Hydronephrosenoperation entsprechen, 
andererseits wird vor allem die Tatsache betont, daB diese Operationen 
recht langdauernd und schwierig sind, häufig sekundäre Eingriffe not- 
wendig machen und im definitiven Erfolg nicht absolut sicher sind. 
Bei Pyonephrosen dagegen konkurrieren bisher fast ausschließlich die 
Nephrotomie und Nephrektomie. | 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 1549 


Verf. hat nun 102 Fälle von plastischen Operationen am Nieren- 
becken und Harnleiter, inkl. drei Fällen der Schloffer’schen Klinik 
zusammengestellt. Er unterscheidet drei Grundtypen abnormer Pas- 
sageverhältnisse am Nierenbeckenausgang: 1) Veränderungen in Wand 
und Lichtung des Harnleiters und Nierenbeckens bei normaler Lage 
der Niere (die zirkuläre Striktur am Harnleiterursprung bzw. Becken- 
ausgang, Formveränderungen des Nierenbeckens mit Verlegung der 
Abgangsstelle des Harnleiters). 

2) Aus Lageveränderungen von Niere, Nierenbecken und Ureter 
hervorgegangene Verhältnisse. 

3) Formen wie in 1) und 2), die aber durch entzündliche Vor- 
gänge, wie Sklerosierung, Verwachsungen des Nierenbeckens und des 
Harnleiters untereinander und mit der Umgebung zu besonderen 
Typen ausgebildet erscheinen. An schematischen Abbildungen werden 
die verschiedenen Formen dieser Typen erläutert. 

Die zur Beseitigung dieser Hindernisse ausgeführten plastischen 
Operationen zerfallen in fünf Gruppen: 

1) Bei echter Striktur führte Fenger eine Plastik nach Art der 
Heinike-v. Mikulicz’schen Pyloroplastik und Küster eine Resek- 
tion mit Anastomose nach Art der Kocher’schen Gastroduodeno- 
stomie nach Pylorusresektion aus. 

2) Bei Sporn- und Klappenbildung am Orificium pelvicum des 
Harnleiters wurde von Trendelenburg die transpelvische, von Fenger 
die extrapelvische Klappenbildung (Spaltung des Sporns und V-förmige 
Naht) ausgeführt. 

3) Die laterale Anastomose nach Albarran zwischen Harnleiter 
und tiefstem Punkte des Hydronephrosensackes. 

4) Die Pyeloplicatio (nach Art der Gastroplicatio) und die Re- 
sektion des Blindsackes. 

5) Die direkte Vereinigung des Nierensackes mit der Harnblase. 

Was den Zugang zum Nierenbecken betrifft, so wurde unter den 
102 Fällen nur zwölfmal der abdominale, sonst stets der lumbale Weg 
beschritten,; doch hält Verf. den transperitonealen Weg für besser, 
weil er bessere Übersicht gibt und nicht zuvor die Auslösung eines 
großen, meist verwachsenen Nierensackes erfordert. 

Die präliminare Anlegung einer Nephrostomie soll in erster Linie 
vom Inhalt der Geschwulst abhängen in dem Sinne, daß die Nephro- 
stomie bei Pyonephrose und Fällen, in welchen die Funktionsfähigkeit 
der zu operierenden Niere in Frage steht, das einzig korrekte Ver- 
fahren darstellt; sie kann aber bei aseptischen Fällen meist wegfallen. 
Bei leicht infizierten Nieren sind die Erfolge mit und ohne präliminare 
Nephrostomie bisher noch gleich; hier muß vor allem der Allgemein- 
zustand des Pat. entscheiden. Weiteres über die operativen Einzel- 
heiten der Methoden ist aus dem Original zu ersehen. Den Schluß 
der Operation bildet stets die Drainage des Sackes und die Nephro- 
pexie. Weiterhin setzt Verf. die Indikationen zu den einzelnen Ope- 
rationsverfahren auseinander, die wesentlich von den anatomischen 


1550 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 


Verhältnissen abhängig zu machen sind, ohne daß sich allgemein 
gültige Regeln aufstellen ließen. 

Was den Ausgang der 102 an 97 Fällen vorgenommenen Ope- 
rationen betrifft, so sind sieben Todesfälle zu verzeichnen, darunter 
einer an Urämie bei einer Solitärniere. Im übrigen ist der Erfolg, 
der bei plastischen Operationen in der Erhaltung eines brauchbaren 
Organes unter Vermeidung einer Dauerfistel bestehen soll, nur bei 1/3 
der Fälle exakt, d. h. cystoskopisch festgestellt, doch sind auch so- 
genannte klinische Heilungen mit großer Wahrscheinlichkeit als echte 
Heilungen zu betrachten, da der Fortbestand abnormer Verhältnisse 
sich sonst durch Pyurie, Cystitis und Resistenz von Fisteln bemerkbar 
macht. Mit dieser Einschränkung ergab sieh folgende Statistik: 














Orere Mißerfolge Heilung 

Transpelvische Klappenoperationen 10 | 20 % 80% 
Fenger’sche Operation A 26 23% 76,9% 
Reine Uretero-Pyelo-Neostomie 14 28,5% 71,4% 
Pyeloplicatio -9 22,2% 77,7% 
Beckenresektion 6 _ 100% 
Laterale Anastomose 11 36,5 % 63% 
Obige Operationen in Kombination mit 

beckenverengernden Operationen 10 |2 Mißerfolge) 8 Erfolge 


Blasenanastomose | 4 — 100% 


Insgesamt ergaben sich also auf 102 Operationen 6,8% Todes- 
fälle, 68,6% Erfolge und 19,6% Mißerfolge. Die Güte der Resultate 
fordert demnach dazu auf, die plastischen Operationen in geeigneten 
Fällen anzuwenden. Reich (Tübingen). 


9) P. Delbet et M. Chevassu. Les obliterations blennor- 
rhagiques de lépididyme et leur traitement chirurgical. 
(Revue de chir. XXVIII. année. Nr. 5.) 


Nach schwerer oder öfters rückfälliger doppelseitiger gonorrhoischer 
Nebenhodenentzündung tritt in mehr als der Hälfte der Fälle Azoo- 
spermie ein. Sie ist dann als dauernd anzusehen, wenn sie länger als 
1 Jahr nach Ablauf der Entzündung besteht, und ein derber Knoten 
im Nebenhodenschwanze zurückgeblieben ist. Nur wenn dieser später . 
noch verschwinden sollte, ist zu erwarten, daß die Samenwege noch 
einmal gangbar werden. Die pathologische Anatomie gibt die Er- 
klärung hierfür. Es handelt sich bei der Tripperentzündung des 
Nebenhodens um eine peri- und intraepididymäre Lymphangoitis, die 
von der Harnröhre längs der Lymphgefäße des Samenstranges zum 
Nebenhoden fortgeschritten ist. Subepitheliale Leukocytenanhäufungen 
in den Kanälchen führen zur Wucherung oder zur Drucknekrose des 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 1551 


Epithels; die Kanälchen veröden oder werden durch das Narben- 
gewebe in ihrer Umgebung bis zur Undurchgängigkeit eingeengt. 

Da der Hoden fast stets funktionsfähig bleibt, höchstens in einen 
Zustand funktioneller Ruhe gelangt, läßt sich das Hindernis für die 
Samenentleerung operativ durch eine Anastomose zwischen Vas de- 
ferens und dem Nebenhodenkopfe (Spermatokelel) oder dem Media- 
stinum testis umgehen. Wenn möglich, wird nur eine Seitenverbindung 
zwischen Nebenhodenkopf und Vas deferens hergestellt; die obliterierten 
Teile des Nebenhodens sollen nur in frischeren Fällen, in denen man im 
allgemeinen aber nicht operiert, reseziert werden, wenn noch ein Rezidiv 
zu befürchten ist. Da der Hodenscheidenraum meist verödet, ist der 
Zugang von hinten der leichtere. 

Bericht über sieben operierte Fälle. Der funtionelle Erfolg konnte 
in keinem ermittelt werden. Gutzeit (Neidenburg). 





10) Starr. Operation for undescended testicle. 
(Annals of surgery 1908. September.) 

Verf.s Operationsmethode für den Leistenhoden ist folgende. In- 
zision, 1 Zoll lang, über dem äußeren Leistenringe, Befreien des Hodens 
von seinen Verwachsungen und Bohren eines Kanales in den Hodensack 
stumpf mit dem Finger. Nun wird der Samenstrang ausgelöst, wobei 
einige Arterien, mit Ausnahme der das Vas deferens versorgenden, 
geopfert werden können. Bevor nun der Hoden in den Hodensack 
gebracht wird, wird die hintere Faserhaut des Hodens an einen dop- 
pelt geflochtenen Silberdraht mit Catgut genäht. Nun wird von oben 
der Hoden mit diesem Draht in den Boden des Hodensackes versenkt, 
die Enden des Silberdrahtes sind vorher auseinander gebogen und 
werden durch die Haut des Hodensackes nach außen gestoßen und 
hier durch je eine Catgutnaht gehalten. Nach 12 Tagen werden diese 
Nähte entfernt, und nunmehr läßt sich der Silberdraht aus der in 
der Leistenbeuge befindlichen Öffnung herausziehen. Der Hoden ist 
während dieser Zeit fest angewachsen. Herhold (Brandenburg). 


11) Coley. The treatment of the undescended or maldescended 


testis associated with inguinal hernia. 
(Annals of surgery 1908. September.) 

Unter 59235 Fällen von Leistenbruch, die im Hospital for ruptured 
and crippled zu Newyork von 1890—1907 beobachtet wurden, waren 
737 durch nicht herabgestiegenen Hoden kompliziert. C. berichtet 
über seine Erfahrungen bei 126 operierten Leistenhoden, die mit 
Leistenbrüchen verbunden waren. Er unterscheidet den nicht herab- 
gestiegenen (Bauch- und Leistenhoden) von dem schlecht herab- 
gestiegenen (im Damm, am Scarpa’schen Dreieck und der Gegend der 
Spina ilei gelegenen) Hoden. Die Gründe für den nicht richtig herab- 
gestiegenen Hoden sollen nach einigen Autoren an falschen anatomi- 
schen Ansatzpunkten des Lig. gubernaculum liegen; wenn z. B. das 


1552 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 


Hauptbündel desselben statt in den Hodensack zum Damm zieht, so 
würde hieraus eine Ectopia perinealis resultieren. C. selbst ist der 
Ansicht, daß der Hauptgrund, weshalb der Hoden schlecht herab- 
steigt, in einer Verdickung der Tunica propria, besonders der Basement- 
membran derselben liegt. Unter den 739 Fällen war der nicht herab- 
gestiegene Hode bei Kindern unter 14 Jahren 15mal häufiger als über 
dieses Alter hinaus. Verf. schließt daraus, daß ein großer Teil der Hoden 
bis zur Pubertätszeit allmählich herabsteigt, und daß man daher keinen 
Grund hat, eine Operation wegen nicht herabgestiegenen Hodens bei ganz 
jungen Kindern auszuführen, wenn nicht die Hernie dazu zwingt; vor 
dem 8. Lebensjahre sollen diese Operationen daher nicht gemacht 
werden. Andererseits soll kein Fall von doppelten, nicht herab- 
gestiegenen Hoden das Pubertätsalter unoperiert erreichen, da sich 
diese Hoden nicht voll zu entwickeln pflegen, und daher das Eintreten 
der Mannbarkeit ausbleibt; aber auch bei einseitigem, nicht herab- 
gestiegenem Hoden soll operiert werden, da sich derselbe nicht selten 
entzündet und auch zu bösartiger Umwandlung neigt. 

Was die Methode der Operation betrifft, so hat C. das Festnähen 
des Hodens im Hodensack oder am anderen Hoden oder am Ober- 
schenkel ganz verlassen. Er spaltet wie bei der Bassini’schen Ope- 
ration die vordere Wand des Leistenkanals möglichst weit und befreit 
Hoden und Samenstrang von allen Verwachsungen unter Opfern 
einiger Venen, wenn es nötig ist. Er bringt dann den Hoden in den 
Hodensack und näht den Kanal ohne Verlagerung des Samenstranges 
wieder zu. Eine Tabelle über die operierten 128 Fälle ist der Arbeit 
angefügt. Herhold (Brandenburg). 


12) Preiser. Über die praktische Bedeutung einer anatomi- 
schen und habituell-funktionellen Gelenkflächeninkongruenz. 
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII. Hit. 5.) 

Neben der physiologischen Gelenflächeninkongruenz gibt es auch 
eine pathologische, und diese läßt sich wieder einteilen in eine solche 
anatomischer Art und eine funktionell-habitueller Art. Letztere ent- 
steht dann, wenn an einem normalerweise kongruenten Gelenk, z. B. 
der Hüfte, durch pathologische oder habituelle Rotationsänderungen 
ein Teil der überknorpelten Gelenkfläche dauernd außer Artikulation 
gesetzt wird. 

Hüfte: Eine anatomische Gelenkflächeninkongruenz auf trauma- 
tischer Basis erhält man bei Coxa-Valgastellung des Schenkelhals- 
bruches; ein Teil der Gelenkflächen des Kopfes tritt außer Artiku- 
lation, die der normalen Belastung entzogene Knorpelfläche fasert 
auf und bildet den Anfang einer Arthritis deformans; ähnlich verhält 
es sich bei nicht reponierter angeborener oder traumatischer Hüft- 
verrenkung; auch hier sieht man sehr häufig infolge der Nichtinan- 
spruchnahme der Kopfgelenkflächen eine typische Arthritis deformans,. 

Verf. fügt noch die Bilder zweier Fälle bei, wo nach Einschmel- 
zungsprozessen an der Pfanne Gelenkflächeninkongruenzen zustande 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52, 1553 


kamen und eine sekundäre Arthritis deformans hervorbrachten. (Nach 
Tuberkulose und Gonorrhöe.) Eine habituelle, funktionelle Gelenk- 
flächeninkongruenz erhalten wir bei der Rachitis durch eine mehr 
frontale Pfannenstellung mit Einwärtsrotation des Beines; auch hier 
ist eine sekundäre Arthritis deformans häufig die Folge. Noch häu- 
figer und verhängnisvoller ist die Grelenkflächeninkongruenz bei late- 
raler Variation der Pfannenstellung; das gewöhnliche Malum coxae 
senile verdankt dieser Pfannenstellung seine Entstehung. 

Knie: Normalerweise gehen die Konturen der Oberschenkel- 
knorren, wenn geradlinig verlängert, in die Konturen der Tibia gerade 
über. Ist die statische Einheit, z. B. bei stark seitlicher Hüftpfannen- 
stellung oder bei Plattfüßen, gestört, so tritt dadurch Knochengelenks- 
flächeninkongruenz ein, indem der laterale Tibiaschatten den Femur- 
schatten überragt. Eine solche Inkongruenz kann nach des Verf.s 
Ansicht die Ursache bilden für die idiopathische monartikuläre Ar- 
thritis deformans. Diese Gelenkflächeninkongruenz ist also nicht etwa 
funktionell. Die Arthritis deformans hat aber nicht das geringste 
zu tun mit der Hoffa’schen Polyarthritis progressiva destruens. Ein 
Trauma braucht hier nicht mitzuspielen, doch wird durch ein event. 
Trauma das Leiden erschwert und gelöst. 

Ellbogen: Verf. hat ferner bei einigen Fällen »idiopathischer« 
Arthritis deformans cubiti ein der Kniegelenksflächeninkongruenz ganz 
analoges laterales Hervorragen der überknorpelten Gelenkfläche des 
Radiusköpfchens gesehen, und zwar hat er auch bei Pat., die über 
funktionelle Beschwerden und Schmerzen im Ellbogengelenk durch 
schwere Arbeit (z. B. bei Plätterinnen) klagten, denselben Befund, 
nur noch ohne arthritische Veränderungen, wie eckige Zuspitzung ° 
der Humerus- und Ulnakondylenkonturen, erheben können. Bei idio- 
pathischer monartikulärer Arthritis deformans cubiti fand sich dagegen 
bisher regelmäßig diese Gelenflächeninkongruenz, so daß Verf. sie 
auch beim Ellbogengelenk in ätiologische Beziehung zur Arthritis 
deformans setzen möchte. 

Schulter: Auch beim Schultergelenk hat er eine solche Flächen- 
inkongruenz nachweisen können; da ja ein Teil des Oberarmkopfes 
zunächst immer außer Artikulation bleibt, existiert hier eine physio- 
logische Gelenkflächeninkongruenz, die dann eine pathologische wird, 
wenn eine bestimmte Haltung längere Zeit eingenommen wird (so 
beim Tragen des Armes in der Schiene bei irgendwelchen Verletzun- 
gen). Als typisch schildert Verf. das Verschwinden der Rundung 
am unteren Kopfschattenrand, eine Zuspitzung dieses unteren Randes 
und ein Höherrücken desselben. 

Die Schlußbemerkung des Verf. möchte ich wörtlich angeben. 

‚„ In der Deutung der von mir vorstehend beschriebenen Verän- 

derungen, besonders der Gelenkflächeninkongruenz, handelt es sich 

um keine bereits bis auf den letzten Rest eindeutige und jeden Zweifel, 

jede andere Erklärung ausschließende Theorie; aber das klinische 

Bild der beschriebenen Art der Arthritis deformans ist an Hüft- 
52** 


1554 ‚Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 


Knie, Schulter und Ellbogen — mutatis mutandis — so ähnlich und 
dabei doch so grundverschieden von der progressiven polyartikulären 
Form der Arthritis deformans, daß es nahe lag, nach einer mecha- 
nischen, für alle betroffenen Gelenke gültigen Grundlage zu suchen. 
Ob ich diesen Zusammenhang, das allen an monartikulärer »idio- 
pathischer« Arthritis deformans erkrankten Gelenken Gemeinsame in 
der beschriebenen Gelenkflächeninkongrenz gefunden habe, wird die 
weitere Forschung zu entscheiden haben. Ich wollte hiermit nur 
weitere Kollegenkreise gebeten haben, auf diese Gelenkflächeninkon- 


gruenz in Zukunft ihr Augenmerk zu richten.« 
Gaugele (Zwickau). 





13) Donato de Francesco. Verwertung eines alten Ampu- 
tationsstumpfes mittels plastischer Resektion nach Vanghetti 


(Methode A. Keule). 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVII. Hft. 3.) 

Vanghetti hat durch Versuche erwiesen, daß der distale Kno- 
chenansatz eines Muskels oder einer Muskelgruppe durch einen künst- 
lichen Ansatz ersetzt werden kann, sobald dieses mit der Hautdecke 
überzogene Muskel- oder Sehnenende besonders hergerichtet wird, 
derart, daß einer Schnur ein Angriffspunkt geboten wird. Dadurch 
wird die Retraktion und Atrophie der Muskeln vermieden und eine 
willkürliche Kontraktion ermöglicht. Man erhält auf diese Weise 
einen plastischen Motor. Um bei einem Amputationsstumpf dieses 
Ziel zu erreichen, muß man eine Schlinge oder eine Keule bilden. 
Die Schlinge bekommt man dadurch, daß man zwei Muskeln an ihrem 
Ende vernäht. Die Haut wird alsdann durchbohrt und eine beliebige 
Schnur hindurchgezogen, welche das Sehnen- und Muskelende der 
beiden vernähten Gruppen einschließt. Die Keule wird erhalten, wenn 
das Ende des Motors durch ein bereits mit Sehne oder Muskel ver- 
wachsenes oder eingefügtes Knochenstümpfchen verdickt wird. Auf 
diese Weise gestattet die besondere Konformation des Stumpfendes, 
mit einer Schleife oder einem gepolsterten Ring einen Zug oberhalb 
der Keule auszuüben. 

Verf. hat nach den Prinzipien dieser Methode den Vorderarm- 
amputationsstumpf eines 5 Jahre zuvor operierten Mannes plastisch 
umgeändert und nach einer Reihe von Fährlichkeiten, die in der Ar- 
beit näher geschildert sind, ein brauchbares Resultat erzielt, d. h. 
Pat. kann eine von Marelli-Mailand konstruierte, in den Finger- 
gelenken bewegliche Prothese in seinem Handel und in seinen ge- 
wöhnlichen Hantierungen gebrauchen, ein gewiß sehr beträchtlicher 
Fortschritt gegenüber der geringen Brauchbarkeit der sonst üblichen 
Prothesen. E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 1555 


14) E. Gallois und J. Bosquette. Etude sur l’architecture 
intérieure des os et en particulier de lextrémité supérieure 
du fémur. Son rôle dans le remaniement du squelette (frac- 
tures et déformations). 
(Revue de chir. XX VIII. ann. Nr. 4 u. 5.) 

Verff. bedauern, daß die Lehren Julius Wolff’s in Frankreich 
noch nicht die verdiente Beachtung gefunden haben. Die Richtigkeit 
und Bedeutung derselben unter normalen und pathologischen Bedin- 
gungen ihren Landsleuten vor Augen zu führen, ist der Zweck ihrer. 
Arbeit. Insbesondere wird an der Hand von 26 guten Abbildungen 
gezeigt, wie die Form, die Richtung und die Zahl der Zug- und 
Drucklinien sich bei stärkerer Neigung oder Aufrichtung des Ober- 
schenkelhalses, nach schief geheilten Brüchen oder Verkrümmungen 
des Schaftes, bei Arthritis deformans, Paget’scher Krankheit oder 
Ankylose des Hüftgelenkes genau den veränderten statischen Verhält- 
nissen anpassen. Gutzeit (Neidenburg). 





15) J. Kumaris. Fin Beitrag zur Lehre der Coxa valga, 


mit besonderer Berücksichtigung der sog. Coxa valga luxans. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVII. Hft. 3.) 

Eine Einigung über die Coxa valga ist bisher noch nicht erzielt. 
Verf. teilt deshalb die Ergebnisse aus dem einschlägigen Material der 
Kgl. Poliklinik in Berlin mit. Der Atiologie nach unterscheidet K. 
eine Coxa valga traumatica, symptomatica, rachitica und eine rein 
primäre Form, die sowohl bei Neugeborenen wie bei Erwachsenen 
anzutreffen ist. Die angeborene Form hat dieselben Ursachen wie die 
Luxatio coxae congenita. Warum sie erst im vorgeschrittenen Alter 
erkannt wird, ist bisher noch nicht aufgeklärt. Nach Klapp’s An- 
sicht gibt es eine Reihe von Fällen, bei denen die Coxa valga dadurch 
entsteht, daß nicht die ganze Hüftpfanne von dem Kopfe des Femur 
voll ausgenutzt wird, also eine Subluxation besteht. Er hat diese 
Art als Coxa valga luxans bezeichnet. Die Hüftgelenkspfanne ist 
bei diesen Fällen deformiert, hat eine flache Bildung und besonders 
schräge Stellung. Bei solchem Pfannenzustande kann sehr einfach 
bei vorhandenem Collum valgum eine Subluxation des Kopfes nach 
oben hervorgerufen werden, da der letztere keinen normalen Wider- 
stand findet und nach oben herausgehebelt wird, sei es durch Ande- 
rung der Belastungsrichtung oder plötzlich nach einem Trauma. 

Die meisten Fälle dagegen gehören zu einer Gruppe, bei der die 
Pfanne ein gut überhängendes Dach bildet und -ausschließlich ein 
Collum valgum besteht. 

Ahnlich wie bei der Coxa valga luxans findet man auch bei 
hochgradigen Fällen von Coxa vara, daß der Kopf nur mit einem 
kleinen Teile die Pfanne ausfüllt. Man kann auch hier von einer 
Coxa vara luxans sprechen. 

- Zur Symptomatologie der Coxa valga gehört Abduktion, Außen- 


1556 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 


rotation der ganzen Extremität, Adduktionshemmung und Schmerz- 

haftigkeit in der Hüfte. Sicherheit der Diagnose bringt allerdings 

oft erst das Röntgenbild. Therapeutisch kommen bei dem Leiden in 

Frage Extension, Tenotomien, Osteotomie und keilförmige Resektion. 
E. Siegel (Frankfurt a. M.) 


16) I. Jianu (Bukarest). Venöse Klappenbildung zur Be- 


handlung der Varicen der unteren Extremitäten. 
(Revista do chirurgie 1908. August.) 

Die Operation, die Verf. vorschlägt, ist von ihm bis nun nur an 
Tieren, nur in einem einzigen Falle am Menschen vorgenommen worden; 
es bleibt daher noch abzuwarten, ob weitere Erfahrungen die prak- 
tische Verwertbarkeit derselben bestätigen werden. Im großen und 
ganzen handelt es sich darum, im Veneninnern künstliche Klappen 
anzulegen, derart, daß der Blutstrom wohl von der Peripherie gegen 
das Zentrum fließen kann, aber bei Rückstauung durch das selbstän- 
dige Schließen der Klappen zurückgehalten wird. J. schlägt vor, die 
Klappenbildung durch Invagination oder Intussuszeption vorzunehmen, 
wobei erstere ohne Durchschneidung der Vene, einfach durch ent- 
sprechend angelegte Fäden gemacht werden kann. Die in das Innere 
der Lichtung hineinragende Venenfalte übt die Wirkung einer Klappe 
aus. Bei der zweiten Methode ist es das abgeschnittene, untere 
Venenende, das in die Lichtung des oberen Endes ebenfalls durch 
Fäden hineingezogen und hier fixiert wird. E. Toff (Braila). 





17) Bardenheuer. Behandlung der Nerven bei Amputationen 
zur Verhütung der Entstehung von Amputationsneuromen 
und zur Heilung der bestehenden Neurome durch die s0g. 
Neurinkampsis. 
(Zeitschrift für ärztl. Fortbildung 1908. Nr. 19.) 

Die hohe Durchschneidung des Nerven genügt nicht in allen 
Fällen, um die Entstehung eines Neuroms oder die Verwachsung des 
Nervenendes vermittels einer langgestreckten Narbe mit dem” Ampu- 
tationsstumpf oder der Amputationsnarbe, besonders in entzündeten 
Wunden, zu verhindern. 

Aus diesem Grunde schlägt B. das etwas gekürzte Nervenende 
um und vernäht die quere Wundfläche an der wundgemachten Ober- 
fläche oder in einem künstlich gebildeten Schlitz des Nervenstammes. 
Ist das zur Verfügung stehende Nervenende sehr kurz, so wird es 
gespalten und jede Hälfte so umgeschlagen, daß die wunden Flächen 
auseinander liegen. In ähnlicher Weise können zwei dünne, benach- 
barte Nerven untereinander vernäht werden (s. Fig. 1—4). 

Bei zehn Amputationen, in welchen die Nerven derartig versorgt 
waren, trat keine Neuralgie ein; auch fehlten die sonst fast stets 
vorhandenen Schmerzen und abnormen Empfindungen in | den abge- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 1557 


setzten ; Gliedern. Bereits bestehende Amputationsneurome wurden 
durch das Verfahren mit dauerndem Erfolge beseitigt, bei‘ einem 
Syme’schen Stumpf allerdings erst, nachdem nachträglich auch an 


PR, t P E P m m 


© 


ð a 
a c Ema —— ) 
Amba 2 RE t N.tıbigl 


2 c LDeroneus CN 
m —— € za e 






dem N. suralis und peroneus superficialis die Neurinkampsis ausge- 
führt worden war. Es müssen also bei tiefen Amputationen stets 
alle Zweige eines Nervenstammes aufgesucht werden. 

Gutzeit (Neidenburg). 


18) Marchal. Fractures du calcaneum. 
(Soc. med. chirurg. d’Anvers 1908. Januar.) 

Nach einem anatomischen Abriß besonders über die innere Archi- 
tektur des Calcaneus teilt M. die Fersenbeinbrüche ein: 1) in solche 
durch Abreißen. Die Achillessehne reißt entweder passiv oder aktiv 
den Hackenfortsatz ab; 2) In solche von Einkeilung (par pénétration); 
Z. B. werden Kopf und Hals des Calcaneus durch drückende Gewalt 
vom Os cuboid. in den. Körper des Calcaneus hineingedrückt; oder 
das Sustentaculum drückt sich von oben her in den Körper ein; 
3) solche durch Auseinandersprengung, z. B. der Talus wirkt keilartig 
auf den Calcaneus ein und sprengt ihn auseinander. Außer diesen 
den Körper betreffenden, kommen dann Frakturen der Apophyse des 
Calcaneus vor: a. vordere Apophyse zum Os cuboid. hin, b. Bruch 
des Sustentaculum, c. Bruch der Apophysis epitrochlearis.. Durch 
acht Figuren im Text und Röntgenbilder sind die einzelnen Bruch- 
arten erläutert. E. Fischer (Straßburg i. E.). 


19) Whitmann. Further observations on the treatment of 
paralytic talipes calcaneus, by astragalectomy and backward 


displacement of the foot. 

(Ann. of surgery 1908. Februar.) 
Talus-Oalcaneusfuß ist nach W. die häufigste Form des paraly- 
tischen Talusfußes. Der Fuß steht hierbei in Dorsalflexion, das 
Schienbein weicht nach hinten ab, das Fersenbein hat sich aufwärts 


1558 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 


von hinten unten nach vorn oben aufgerichtet, die Wölbung des Fuß- 
gewölbes ist größer als gewöhnlich, die Wadenmuskeln sind atrophisch. 
Beim Gehen wird der Fuß geschleudert, ohne sich abzuwickeln. Um 
diese abnorme Stellung zu beseitigen exstirpiert W. den Talus und 
schiebt dann den Fuß nach rückwärts, damit die Tibia wieder in die 
richtige Projektionsebene kommt. Darauf werden die Peroneussehnen 
durchschnitten und an die Achillessehne genäht, endlich wird letztere 
verkürzt. Nunmehr werden die unteren Flächen der Unterschenkel- 
knochen und die ihnen gegenüberstehenden Knochen des Fußes an- 
gefrischt, damit eine Arthrodesis zustande kommt. Diese Operation 
soll ausgeführt werden, wenn der Gang trotz Stützapparaten schlecht 
bleibt, was besonders der Fall ist, wenn neben der Calcaneusstellung 
auch ein seitliches Abweichen des Fußes stattfindet. Verf. hat die 


Operation bereits 4Omal mit Erfolg ausgeführt. 
E Herhold (Brandenburg). 


20) L. Igelstein. Über die Pseudofrakturen der Sesambeine 


des ersten Metatarsophalangealgelenkes. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIII. p. 505.) 

Unter Mitteilung eines eigenen, in der Lexer’schen Klinik in 
Königsberg beobachteten Falles liefert I. eine Allgemeinbesprechung 
und neue Theorie zur Frage der Fraktur bzw. Pseudofraktur der 
Großzehen-Sesambeine. Nachdem Momburg den Nachweis geliefert 
hat (cf. dieses Blatt 1907 p. 710), daß nicht selten angeborene Zwei- 
und Mehrteilungen der Sesambeine vorkommen, daß bei posttrauma- 
tischen Zehenbeschwerden nicht nur am verletzten Fuße, sondern auch 
am gesunden mit Röntgen diese Sesambeinteilungen sichtbar werden, 
ist (darin ist I. mit Momburg einig) es mehr als fragwürdig, daß 
die Annehmbarkeit wirklicher Sesambeinfrakturen zu Recht besteht. 
Momburg nahm unter diesen Umständen zur Erklärung der Zehen- 
beschwerden eine Entzündung am oder im Grundgelenk der großen 
Zehe an, die durch den Unfall entstanden sei. I. will diese Annahme 
auf Grund genauerer, die Sesambeine betreffender anatomischer Unter- 
suchungen durch die Theorie ersetzen, es handle sich um eine Neur- 
algie feiner Nervenästchen, die, dicht an den Sesamknöchelchen ver- 
laufend, durch Kontusion usw. erkrankt wären. In einleitenden, zur 
Durchsicht zu empfehlenden anatomischen Bemerkungen beschreibt er 
zwei Nervenästchen, den Zweigen des N. plantaris zugehörig, deren 
eines hart am tibialen, das andere hart am fibularen Sesambein ent- 
lang laufen. Auch hebt er hervor, daß der Abductor hallucis sich 
teilweise am medialen Sesambein, der Adductor hallucis sich dagegen 
teilweise am lateralen Sesambein inseriert, woraus sich ergibt, daß bei 
Adduktion und Abduktion der Großzehen deren Sesambeine mit ins 
Spiel gezogen werden müssen. Nun ergibt sich, daß bei den Pat. 
mit Fraktur bzw. Pseudofraktur der Sesambeine Ab- und Adduktion 
der Zehe frei und schmerzlos war — und auch diesen Umstand ver- 
wertet I. gegen die Momburg’sche und zugunsten seiner eigenen 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 1559 


Theorie, außerdem auch gegen die Annehmbarkeit von Frakturen. — 
Außer der Krankengeschichte des eigenen Falles gibt Verf. auch 
Referate der älteren bislang veröffentlichten einschlägigen Fälle — es 
sind deren erst vier. Die spärliche anziehbare Literatur ist zitiert. 
Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


21) E. Martin. Zur Behandlung der Zehenkontrakturen, ins- 


besondere der » Hammerzehe «. 
(Zeitschrift für ärztliche Fortbildung 1908. Nr. 19.) 

Ist die Hammerstellung, wenn nötig unter Zuhilfenahme der sub- 
kutanen oder offenen Durchschneidung der sich spannenden Weich- 
teile, beseitigt, so wird ein schmaler, einer Staubinde entnommener 
Gummistreifen derart durch die Zehen geflochten, daß er an der Ober- 
seite der Hammerzehe und der Unterseite der übrigen Zehen zu liegen 
kommt. Die freien Enden werden in Spiraltouren um Fuß und 
Unterschenkel geführt und mit einer Binde festgewickelt (s. Abbil- 


dungen). 
Das Verfahren läßt sich je nach der vorliegenden Verkrümmung 
in mannigfaltigster Weise abändern. Gutzeit (Neidenburg). 


Kleinere Mitteilungen. 


Aus der orthopädischen Klinik der kaiserl. militär-medizinischen 
Akademie zu St. Petersburg. 


Zur operativen Behandlung 
veralteter Kniescheibenbrüche mit größerer Diastase 
der Fragmente. 
Von 
Prof. H. Turner. 


ei veralteten Patellarfrakturen läßt sich die Kontinuität des Knochens oft des- 

halb nicht wieder herstellen, weil die Bruchstücke nicht genügend aneinander 
gebracht werden können. Um dieser Schwierigkeit aus dem Wege zu gehen, sind 
bekanntlich eine Reihe von ÖOperationsverfahren angegeben worden!, jedoch ohne 
daß die Frage zu einem Abschluß gelangt wäre. 

Die queren Einkerbungen des Quadriceps (Porter) oder seine Verlängerung 
durch V-förmige Durchtrennung haben den Nachteil, die Zugkraft des Muskels 
nicht unwesentlich herabzusetzen. Statt des oberen Fragmentes das untere durch 
Abmeißelung der Tuberositas tibiae zu mobilisieren, nach E. v. Bergmann’s Vor- 
schlag, erwies sich bei stärkerer Retraktion des Quadriceps als unzureichend und 
dürfte unter Umständen die Beweglichkeit des Gelenkes beeinträchtigen. Was 
ferner die osteoplastischen Methoden von Rosenberger, J. Wolff und Hel- 
ferich betrifft, so haben sie wegen ihrer Kompliziertheit, meines Erachtens mit 
Recht, wenig Anklang in praxi gefunden. Andererseits aber die Patellarfraktur 
als solche ganz außer Acht zu lassen und sich, wie es Tenderich empfahl, auf 
die Wiederherstellung des tendinösen Reservestreckapparates zu beschränken, 


t Of. Reichel, Handbuch der praktischen Chirurgie 1907. Bd. V. p. 704. 


1560 Zentralblatt für Chirurgie, Nr. 52. 


scheint uns für die Mehrzahl der operativen Fälle keine genügende Sicherheit 
zu bieten. Wir glauben, dort, wo eine direkte Vereinigung der Bruchstücke un- 
möglich ist, auf eine plastische Überbrückung derselben nicht ohne weiteres ver- 
zichten zu dürfen. Von allgemeiner Bedeutung in diesem Sinne und wegen ihrer 
Einfachheit doppelt interessant ist die Methode von Schanz, welcher den Sar- 
torius nach vorn verlagerte und in Längsrinnen der Patellarfragmente fixierte. Ein 
vorzügliches Resultat erzielte neuerdings auch Rotter?, der die Bruchstücke durch 
einen umgeschiagenen Lappen aus der Aponeurose des Quadriceps vereinigte und 
%/, Jahr später die Unnachgiebigkeit des neugebildeten Fascienstreckbandes kon- 
statieren konnte. — Letzthin ist auch der eigentliche Urheber der klassischen 
Patellarnaht, Lord Lister, mit einer Publikation 3 hervorgetreten, welche den er- 
wähnten Schwierigkeiten Rechnung trägt und in veralteten Fällen zweizeitig zu 
operieren, die Fragmente aber präliminar durch eine Drahtschlinge möglichst ein- 
ander zu nähern empfiehlt. 

Unter solchen Umständen erscheint es mir gerechtfertigt, die Aufmerksamkeit 
auf eine verhältnismäßig einfache und allgemein anwendbare Methode zu lenken, 
welche bei absoluter Schonung der Muskulatur und ohne Schädigung des fibrösen 
Gelenkapparates eine straffe unnachgiebige Verbindung der Bruchstücke auch bei 
größerer Diastase gewährleistet. 

Ich spaltete das dicke Lig. patellae in frontaler Ebene, verlängerte den Lappen, 
soweit erforderlich, nach unten durch Ablösung des Periosts von der Tibia, klappte 
ihn nach oben um, präparierte ihn gegen die Bruchfläche des unteren Fragmentes 
hin los und befestigte ihn mit Seidenknopfnähten unter einer periostalen Brücke 
des oberen Fragmentes, die von zwei Querschnitten aus in einer Breite von 1 bis 
11/2 om geschaffen wurde. Zur Sicherung der Fixation und für die Ernährung des 
Lappens dürfte eine derartige Brückenbildung nicht belanglos sein. Zum Schluß 
raffte ich den insuffizienten Reservestreckapparat mit einigen Nähten zusammen. 

Das Verfahren kam bei einem 53jährigen Pat. zur Anwendung, der sich vor 
2 Monaten eine Patellarfraktur mit 7 cm betragender Diastase der Fragmente und 
vollständigem Verlust der Streckfähigkeit zugezogen hatte. Die im vorliegenden 
Falle besonders schlechten Gewebsverhältnisse hatten mich veranlaßt, von einer 
Spannung des ligamentösen Lappens abzusehen. Der Kranke wurde nach 1 Monat 
geheilt entlassen, nachdem er schon 1 Woche früher das Knie aktiv fast in nor- 
malem Umfange zu strecken vermochte. 


22) K. Schmidt (Leipzig). Über Technik und Wirkung der Stauungs- 


hyperämie und ihre Verwendung in der Praxis. 
(Wiener klin. Rundschau 1908. Nr. 36—39.) 

Der Verf. schildert sehr genau die Technik der Hyperämiebehandlung, wie 
er sie angewendet hat, und die sich nicht von den Bier’schen Vorschriften unter- 
scheidet. Die anfänglichen technischen Schwierigkeiten hält er für leicht über- 
windlich, und er hat sich mit allen Einzelheiten der Behandlung sehr befreundet 
mit Ausnahme der Saugstiefel. Besonders hebt er auch seine guten Erfahrungen 
auf dem Gebiete der akuten Infektionen hervor. >Wer das Glück hat, seine ersten 
Versuche mit der Hyperämie an Mastitiden oder akuten Trippergelenken anstellen 
zu können, wird ein begeisterter Anhänger dieser Methode werden und sich auch 
durch vereinzelte Fehlschläge nicht von ihr abwendig machen lassen.« 

Schmieden (Berlin). 


23) H. Brongersma (Amsterdam). Quelques observations sur la pro- 
statectomie transvesicale. 
(Extrait du bull. de l'assoc. française d’urologie. Evreux 1908.) 
Verf. hat 34 gutartige Hypertrophien und 11 Karzinome der Prostata auf 
transvesikalem Wege operiert; der jüngste Pat. zählte 50, der älteste 87, die Groß- 


2 Deutsche med. Wochenschrift 1908. Nr. 17. 
3 Brit. med. journ. 1908. April 11. 


pA 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 1561 


zahl 65—70 Jahre. Die entfernten Drüsen wogen 15—284 g. Die Diagnose wurde 
mit Kugelbougies, durch Sonden-, Mastdarm- und cystoskopische Untersuchung 
gesichert, die Nierenfunktion mit der Indigokarminprobe allein oder kombiniert 
mit der experimentellen Polyurie nach Albarran geprüft. Präoperative Vor- 
behandlung der Cystitis mit Verweilkatheter und Silbernitratspülungen; die Opera- 
tion selbst geschieht von einem vertikalen Medianschnitt aus nach der allgemein 
üblichen Technik, bei starker Blutung Gazetamponade des Drüsenbettes und der 
Blase, sonst Röhrendrainage; Naht der Bauchwunde in zwei Etagen, wobei zwei 
tiefe Nähte die Blase an der Bauchwand fixieren. In der Nachbehandlungsperiode 
wird die Blase 2mal täglich durch einen durch das Drain eingeführten Nelaton- 
katheter gespült, vom 10. Tage an eine Verweilsonde eingelegt, die weggelassen 
wird, sobald kein Urin oder Spülwasser mehr durch die Wunde fließt; Heilung in 
3—6 Wochen. 

Von den 34 wegen gutartiger Hypertrophie Operierten starben 6 = 17,7% an 
Niereninsuffizienz, Herz- und Lungenaffektionen, Septhämie, Chok. Von den 28 
Geheilten konnten 27 nach 3—8 Monaten gut urinieren, einer, dem die Prostata 
nur teilweise entfernt worden war, behielt eine Retention von 100 ccm; eine 
schwere postoperative Epididymitis machte die Kastration notwendig; in einem 
Falle kam es zur Bildung von Steinen im Prostatabette, die dann spontan aus- 
gestoßen wurden. Fernresultate: in 24 vor 41/, Jahren operierten Fällen normale 
Harnentleerung, in einem Falle eine geringe Strikturierung, in vier Fällen Potentia 
co&undi et ejaculandi. 

Bei der karzinösen Hypertrophie haben von elf Pat. nur fünf die Operation 
überlebt; von diesen letzteren starben zwei 3—6 Monate später an Metastasen, 
einer nach 21 Monaten an Kachexie, zwei sind 6 Monate nach der Operation noch 
wohl. Ursache der sechs Operstionstodesfälle war 3mal Blutung, je imal Sept- 
hämie, Pneumonie, Kachexie; in vier Fällen war die Blase bereits mit ergriffen. 
Die Operation war stets sehr mühsam, mehr ein Herausreißen; immer wurden die 
miterkrankten Ductus ejaculatorii mit entfernt. Sobald die Ausschälung Mühe 
macht, handelt es sich immer um Karzinom. In sieben Fällen wurde die Diagnose 
vor der Operation, in den vier anderen erst histologisch gestellt. Die direkte 
Operationsmortalität ist bei perinealem und transvesikalem Vorgehen gleich hoch, 
letzteres ist einfacher und kürzer dauernd; Mastdarmverletzungen und Incontinentia 
urinae sind bei der Dammoperation häufiger, dagegen der Chok geringer. Bei 
diagnostiziertem Karzinom empfiehlt sich die perineale, bei erst während der Ope- 
ration festgestellter Diagnose eine kombiniert transvesikal-perineale Operation. 

Die Indikationen zur operativen Behandlung der Prostatahypertrophien gibt 
B. folgendermaßen: Im Beginne des Leidens, wenn keine oder eine akute kom- 
plette Retention vorliegt, besteht nur eine bedingte Indikation, da die Prostatiker 
bei bestimmtem Regime lange Jahre bei geringen Beschwerden leben können; bei 
der Häufigkeit des Karzinoms (10—25% der Hypertrophien!) ist es jedoch besser, 
früh zu operieren. Inkomplette chronische Retention mit oder ohne: Dilatation, 
komplette chronische Retention, kleine, harte, noch nicht höckrige, mit fibrösen 
Prostatahypertrophien so leicht zu verwechselnde Karzinome bilden bei ordent- 
lichem Allgemeinbefinden und gesicherter Nierenfunktion eine absolute Indikation. 
Große höckrige Geschwülste und die diffuse prostato-pelvische Karzinomform 
Guyon’s sollen nicht mehr operativ angegangen werden. 

K. Henschen (Tübingen). 


24) W. Liebl. Über retrovesikale und retroprostatische Oysten. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIV. p. 16.) 


Die Arbeit basiert auf einem de Quervain gehörigen Fall, ein retroproste- 
tisches Lymphangioma cysticum bei einem 46jährigen Manne betreffend. Er hatte 
vor 20 Jahren einen ziemlich langwierigen Tripper durchgemacht, ohne Folgen 
davon zurück zu behalten, war jetzt aber vor Monaten an Miktionsbeschwerden, 
Pollakiurie, Tenesmus, später Retentionen erkrankt, die schon häufig den Kathe- 
terismus vernotwendigt hatten. Wegen Urinretentionen wurde Pat. auch von 


1562 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 


de Quervain binnen mehr als 3 Jahren wiederholt behandelt und insbesondere 
vier größeren Operationen unterzogen. Es handelte sich bei letzteren im wesent- 
lichen um Dammeinschnitte, teils mit, teils ohne Eröffnung der übrigens (von 
einem falschen Weg abgesehen) normalen Harnröhre und um Inzisionen und Re- 
sektionen einer sich vorfindenden und hartnäckig rezidivierenden Geschwulst zwi- 
schen Prostata und Mastdarm. Diese Geschwulst war cystös und entleerte bei den 
Eingriffen aus verschiedenen Hohlräumen je 100, aber auch 200—300 ccm meist 
klarer Flüssigkeit. Die mikroskopische Untersuchung von Cystenwandteilen ergab 
Bindegewebe mit Endothel- (nicht Epithel-) Auskleidung. Die Größe der Geschwulst 
wurde bei den verschiedenen Eingriffen ungleich befunden, zuletzt ungefähr halb- 
faustgroß, saß ferner zuerst nur über, später auch unter dem Levator ani, sich 
am Damm als vortretende Wölbung markierend. Die partiellen Exzisionen aus 
der Geschwulst, die Entleerung ihrer Höhlen machten jedesmal auf gewisse Zeit 
die Harnentleerung frei, und ist nach dem letzten Eingriffe, Dezember 1906, Pat 
ohne Beschwerden geblieben, obwohl eine Radikaloperation nicht stattgefunden hat. 

Dem eigenen Falle hat L. sämtliche in der Literatur aufgefundene Parallel- 
fälle, in folgende vier Gruppen geteilt, zur Seite gestellt: 1) Epitheliale Cysten in 
der Prostata, sieben Beobachtungen von Cysten, die vom Prostatagewebe ausgingen, 
vier solche von Cysten des Utriculus prostaticus. 2) Retrovesikale Epithelcysten, 
acht Fälle, retroprostatische und retrovesikale Dermoidcysten, zwei Fälle. 3) Retro- 
vesikale Endothelcysten, ein Fall von Lymphangioma cavernosum cysticum. 4) Echino- 
kokkuscysten; intraperitoneale fünf Fälle, retrovesikale elf Fälle. In der Allge- 
meinbesprechung findet sich das Resultat, daß in allen diesen Fällen das Symptom 
der Miktionsstörung charakteristisch in den Vordergrund tritt, während Schmerzen 
nie beobachtet sind. Die Prognose gestaltet sich nicht sehr günstig. Operativ- 
therapeutisch sind verschiedene Methoden mit nicht immer befriedigenden Resul- 
taten versucht, insbesondere Punktion und Inzision vom Mastdarm oder vom Damm 
aus, aber auch Radikaloperationen, denen in neuerer Zeit der Vorzug gegeben ist. 
Zum Schluß Literaturverzeichnis von 27 Nummern. 

Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


25) B. N. Cholzow. Zur klinischen Diagnose der Nierenanomalien. 
(Russki Wratsch 1908. Nr. 38.) 

54 Jahre alter Mann mit chronischer Lungentuberkulose, Arteriosklerose, 
chronischer parenchymatöser Nephritis, einer faustgroßen Geschwulst in der rechten 
Leistengegend. Cystoskopie: Fehlen der linken Harnleiteröffnung, der linken 
Hälfte des Trigonum Lieutaudii. C. führte in den rechten Harnleiter bis zum 
Nierenbecken einen mit einem Metallmandrin versehenen Katheter ein und fand 
bei Röntgenbeleuchtung, daß er in der Gegend des rechten Ileosakralgelenkes 
endigte. Diagnose: Nierendystopie. Die Sektion zeigte Agenesie der linken und 
Dystopie der rechten Niere. Zwei Figuren zeigen das Röntgenbild und das aus 
der Leiche gewonnene anatomische Präparat. E. Gückel (Spassk, Rjasan). 


26) Wintermitz. A case of sigmoid kidney. 
(Bull. of the Johns Hopkins hospital 1908. August.) . 

Die Nieren eines 5 Monate alten Kindes waren derartig zusammengewachsen, 
daß der untere Pol der normal gelagerten linken Niere durch eine zylindrische 
Masse von Nierenparenchym ununterbrochen mit dem oberen Pole der darunter 
gelagerten rechten Niere zusammenhing; beide Nieren bildeten eine $-förmige 
Masse. Die Blutgefäßversorgung der oberen linken Niere war normal, die der 
rechten Niere anormal. Die Harnleiter mündeten an normaler Stelle in die 
Blase. Näheres im Original. Abbildung. W. v. Brunn (Rostock). 


27) Kato und Kotzenberg. Über das Verhalten des arteriellen Blut- 
druckes bei chirurgischen Nierenerkrankungen und Appendicitis.! 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. LVIII. p. 404.) 

Verff. haben zweimal am Tage während eines längeren Zeitraumes systematisch 
den systolischen Blutdruck bestimmt bei 17 Nierenerkrankungen, darunter 11 ein- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 1563 


seitigen, bei 5 Blinddarmerkrankungen, 2 Bauchhöhlengeschwülsten und einem Falle 
von Gallensteinleiden in der Absicht, eventuell für die Differentialdiagnose wert- 
volle Momente herauszufinden. 

Dabei ergab sich in den Fällen einseitiger Eiterniere Druckerhöhung, die mit 
dem Abklingen des Eiterungsprozesses abfiel. Sodann ließ sich die bekannte Druck- 
erhöhung bei doppelseitigen Nierenerkrankungen bestätigen. Die nicht entzündlichen 
Prozesse der Bauchhöhle hatten keinen Einfluß auf die Blutdruckkurven, dagegen 
fand in den Fällen von akuter oder subakuter Appendicitis eine auffällige Steigerung 
des Blutdruckes bis zu einer Höhe, wie sie selbst bei chronischer Nephritis und 
Arteriosklerose nicht zur Beobachtung kam. 

Wenngleich die skizzierten Resultate noch kein abschließendes Urteil gestatten, 
so regen doch speziell die Ergebnisse bei Appendicitis zu weiterer Nachprüfung 
an, ob die Methode nicht ein Hilfsmittel zur Differentialdiagnose entzündlicher 
Prozesse der Bauchhöhle abgibt. Bei Nierenerkrankungen aber sind praktisch 
verwertbare Resultate nicht zu erwarten. Reich (Tübingen). 


28) Gage and Beal. Fibrinous calculi in the kidney. 
(Annals of surgery 1908. September.) 

Eine Pat., die in jungen Jahren mehrfach an Blutharnen gelitten hatte, er- 
krankte später an Nierensteinkoliken mit zeitweiligem Abgang von kleinen Steinen. 
Cystoskopisch war an der Blase nichts zu sehen; der sowohl aus dem rechten wie 
linken Harnleiter entleerte Urin zeigte Eiweiß und Harnsäurekristalle; da aber 
die Nierensteinkolik stets rechts gewesen war, wurde die rechte Niere freigelegt. 
Sie erwies sich als völlig ausgestopft von über 100 kleinen facettierten Steinen 
und wurde deshalb exstirpiert. Die Untersuchung dieser wie Gummi weichen 
Steine ergab, daß sie aus phosphorsaurem Kalk bestanden; nach der Entkalkung 
zeigte sich ein deutliches, aus Fibrin bestehendes Netzwerk. Verff. nennen diese 
Steine daher Fibrinsteine, und sie glauben, daß sie mit den frühen Hämaturien in 
ursächlichem Zusammenhange stehen. Herhold (Brandenburg). 


29) @. Gatti. Die Nierenentkapselung bei chronischer Nephritis. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXVII. Hft. 3.) 

G. gibt eine Übersicht über die bisherigen Veröffentlichungen, die das Thema 
der Nierenentkapselung bei chronischer Nephritis behandeln. Im einzelnen wird 
referiert über die Resultate des Verfahrens, über die klinischen Beobachtungen 
der Nierenfunktion nach dem Eingriff, über die Widerstandsfähigkeit der Nephri- 
tiker gegenüber der Operation, ferner über die bisher publizierten experimentellen 
Arbeiten und die durch die Entkapselung bewirkten Veränderungen des Nieren- 
gewebes. Im Anschluß daran wird genauer eine eigene Beobachtung des Verf.s 
selbst beschrieben, der bei einem Pat. mit chronischer Glomerulonephritis inter- 
stitialis mit parenchymatösen Veränderungen in zwei Sitzungen beide Nieren ent- 
kapselte. Nach diesen Eingriffen trat eine Besserung des Allgemeinbefindens ein. 
Die Ödeme nahmen ab, das Herzklopfen, die Appetitlosigkeit und die Mattigkeit 
schwanden, so daß Pat. wieder 11/, Jahre lang seine Arbeit verrichten konnte. 
Der Prozeß erwies sich trotz alledem aber als fortschreitend und führte unter 
urämischen Erscheinungen zum Tode. Da sowohl bei der chirurgischen Autopsie 
wie nach dem Tode Stücke der Nieren mikroskopisch untersucht werden konnten, 
ließ sich auch anatomisch das Fortschreiten des nephritischen Prozesses und der 
mangelhafte Erfolg der Operation nachweisen. Es bildete sich um die Nieren 
herum sogar eine sehr dicke, aber gänzlich gefäßarme Kapsel, so daß von einer 
besseren Blutgefäßversorgung der Nieren gar keine Rede sein konnte. 

E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


30) Busch, Leonard and Wright. Further results in suprarenal trans- 
plantation. 
(Journ. of the amer. med. assoc. 1908. August 22.) 


In einer früheren Mitteilung berichteten Verff. über 32 Fälle von Transplan- 
tation einer Nebenniere nach völliger Entfernung der anderen in die Niere des- 


1564 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 


selben Versuchstieres. Nur einmal konnte das Überleben der Nebenniere mit Er- 
haltung der Markzelle sicher nachgewiesen werden. 

Verff. haben jetzt neue Versuche gemacht und bei 30 Tieren die Nebenniere 
anderer Tiere derselben Art in die Schilddrüse, den Hoden und die Nieren ein- 
gepflanzt. Nur die Einpflanzung in die Nieren ergab positive Resultate. Verff. 
beschreiben dann ihre Technik. Zusammenfassung: Nur bei drei Fällen konnte 
ein Weiterfunktionieren und Einheilen der Nebenniere mit voller Erhaltung nach- 
gewiesen werden; bei einigen anderen war wohl ein Bestehen der Funktion, aber 
kein sicherer anatomischer Nachweis des Einheilens nachzuweisen. Die Niere ist 
das geeignetste Organ zur Einpflanzung der Nebenniere. Die längste beobachtete 
Zeit der Einheilung mit guter Funktion ist 247 Tage. Verbesserte Technik ver- 
spricht bessere Ergebnisse. Trapp (Bückeburg). 


31) Beilby. A clinical study of hypernephroma with pathological 
reports. 
(Surgery, gynecology and obstetrics Bd. VII. Nr. 3.) 

Die Studie beruht auf 11 Fällen, bei denen die Geschwulst operativ entfernt 
wurde, und vier zufällig bei der Sektion gefundenen. Die Untersuchungen wurden 
im Bender-Laeboratorium in Albany-N. Y. gemacht. — Zwei von den Geschwäülsten 
nahmen die normale Stelle der Nebenniere ein und wurden bei der Sektion ent- 
deckt, waren nicht bösartig. Die anderen lagen im Nierengewebe. Auch von 
diesen wurden zwei bei der Sektion gefunden, die anderen nach operativer Ent- 
fernung untersucht. Eine nähere Beschreibung sowohl der Sektionsbefunde wie 
der klinischen Fälle ist gegeben; ein eingehendes Referat würde zu weitläufig 
sein. Das Gesamtergebnis kann man zusammenfassen in folgendem: 1) Die Sym- 
ptome der Geschwulst waren in keinem Fall auf die Art derselben zu beziehen; 
sie bestanden in Schmerz, Blutharnen, Geschwulstbildung. Die Schmerzen waren 
nach Ansicht des Verf.s wesentlich auf mechanische Störungen durch Blutgerinnsel 
zurückzuführen, hatten nichts Charakteristisches. Geschwulstbildung wurde selten 
und dann als spätes Symptom beobachtet. In einzelnen Fällen und gerade solchen, 
bei denen die Geschwulst in der Niere selbst lag und das Nierenbecken befallen 
hatte, fehlte die Hämaturie. 2) Die Diagnose ist infolge dieses Verhaltens kaum 
zu stellen. B. schlägt Blutdruckuntersuchungen vor, da bei Vermehrung des 
Nebennierengewebes dessen Steigerung nicht unwahrscheinlich sei. Einzelne Beob- 
schtungen in dieser Hinsicht liegen vor, jedoch sind sie noch ungenügend. 3) Pro- 
gnose. Wenn die Geschwulst zeitig entfernt wird, ist sie gut. Die von B. nach- 
beobachteten operierten Fälle sind sämtlich am Leben und gesund, einer davon 
51/2 Jahre. 4) Metastasen hat er bei seinen Fällen nicht gefunden. 

Trapp (Bückeburg). 


32) Pels-Leusden. Zum Mechanismus der Strangulationen des Penis 
und deren Beseitigung. 
(Berliner klin. Wochenschrift 1908. Nr. 3.) 

Mitteilung eines Falles von Strangulation des Penis durch einen zur Ver- 
hütung der Konzeption übergestülpten Messingring, der 51/3 Stunden gesessen 
hatte. Vom Sulcus coronarius war der Ring an die Peniswurzel gewandert, da 
durch die immer stärker werdende Blutfüllung des distal von dem Ringe gelegenen 
Teiles des Penis ein Druck auf den Ring in perinealer Richtung ausgeübt wurde. 

Zur Entfernung erwies sich die Giglisäge wieder sehr geeignet, die P. bei 
Kupfer, Messing, Gold und Schmiedeeisen mit Erfolg angewandt hat. 

‘  Langemak (Erfort). 
33) Johnston. Hermaphrodism. 
(Surgery, gynecology and obstetrics Bd. VII. Nr. 2.) 

Bei einem 23jährigen Manne, der völlig wie ein kräftig entwickelter Mann 
gebaut war, einen Penis und Scrotum von normaler Größe hatte, aber dessen 
Hoden fehlten, sollte ein rechtsseitiger eigroßer Leistenbruch operiert und dabei 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 1565 


der Versuch gemacht werden, den vermuteten Leistenhoden herabzuziehen. J. fand 
in dem Bruchsack ein strangförmiges Gebilde, umgeben von ausgedehnten Venen. 
Bei Zug an dem vermeintlichen Samenstrange kamen Teile zum Vorschein, die 
sich bei näherer Betrachtung als Fundus uteri mit gut entwickelten Tubenenden 
und Övarien herausstellten. Diese wurden reponiert und der Leistenkanal ge- 
schlossen. J. fübrt dann noch ähnliche Fälle aus der Literatur an. 

Trapp (Bückeburg). 


34) H. L. Posner. Beiträge zur Kenntnis der Azoospermie. 
Inaug.-Diss., Berlin, 1908. 

P. berichtet über 18 neue Fälle, in denen die diagnostische Hodenpunktion 
zur Ermittelung der erloschenen oder noch bestehenden Spermatogenese ausgeführt 
wurde. In 16 Fällen wurden wohlausgebildete Spermatozoen gefunden, in zwei 
Fällen fehlten dieselben. Punktionen an Gesunden (auch an der Leiche) hatten 
stets schon beim ersten Versuch ein positives Ergebnis. 

Zur Punktion verwendet man sterile, dünnste Kanülen und sog. Bier’sche 
Spritzen. Bei einseitiger Epididymitis wird die erkrankte Seite punktiert. Blutung 
tritt dabei nicht auf. 

Die Spermien im Hoden sind bewegungslos. Sie erhalten ihre Beweglichkeit 
erst unter dem Einfluß des Prostata- und Samenblasensekretes. Auch das mikro- 
chemische Verhalten der Punktionsflüssigkeit weicht von dem des Ejakulats ab. 
Sie gibt weder die Florence’sche noch die Barberio’sche Reaktion. 

Im Gegensatz zu der großen Zahl der positiven Fälle bei Azoospermie infolge 
Obliteration der samenleitenden Wege steht das Resultat einer Statistik von sieben 
Fällen, bei denen Gonorrhöe und Nebenhodenentzündung in der Atiologie nicht 
zu ermitteln waren. Unter diesen sieben Fällen wurden nur in einem Falle Samen- 
fäden gefunden. Die Ursache der Azoospermie war in diesen Fällen nicht Ver- 
schluß der Samenkanälchen des Nebenhodens, sondern Schwund des funktionieren- 
den Hodenparenchyms. Bevenstorf (Hamburg). 


35) J. Jianu u. Pitulesou (Bukarest). Die Untersuchung des Blutes in 
Fällen von Gebärmutterkrebs, behandelt mittels Unterbindung des 
Bogens des Ductus thoracicus. 

(Spitalul 1908. Nr. 18.) 

Bekanntlich wurden in der Abteilung von Severeanu einige Fälle von Ge- 
bärmutterkrebs mittels Unterbindung des Ductus thoracicus behandelt, um eine 
lymphatische Stauung hervorzurufen und durch dieselbe auf das Neugebilde ein- 
zuwirken. Die Resultate waren relativ gute, und wird diese Operationsmethode 
noch weiter ausgebildet werden. Anßerdem wurden bei den Operierten Blut- 
untersuchungen vorgenommen und hierbei folgendes gefunden. 

Die Anzahl der roten Blutkörperchen war vor und nach dem Anlegen der 
Ligatur die gleiche und blieb es auch bis zum 20. Tage, an dem die letzten Unter- 
suchungen vorgenommen wurden. Hingegen erfubr die Zahl der weißen Blutzellen 
eine erhebliche und rasche Verminderung; schon 7 Stunden nach der Unterbindung 
war sie in dem einen Falle von 16000 auf 13000 und in dem anderen von 13000 
auf 10500 pro Kubikmillimeter gesunken. In ersterem Falle war der Abfall ein 
stetiger und erreichte am 20. Tage 7000 pro Kubikmillimeter, während im anderen 
Falle das Minimum mit 8000 weißen Blutkörperchen bereits am 8. Tage erreicht 
war, von wann ab eine gleichmäßige Steigerung stattfand, so daß am 20. Tage 
11000 Blutkörperchen gezählt wurden. 

Die kleinen Lymphozyten zeigen während der ersten 24 Stunden nach der 
Unterbindung eine stetige Abnahme ihrer Zahl; es folgt dann wieder eine Zunahme, 
doch nur sehr allmählich, so daß erst nach 13—14 Tagen die ursprüngliche An- 
zahl wieder erreicht ist, ja, dieselbe wird in weiterer Folge sogar bei weitem über- 
stiegen. Die Übergangsformen und eosinophilen polynukleären Zellen zeigen keine 
Anderung ihrer Anzahl, während die neutrophilen zuerst einen Anstieg und dann 
einen Abfall durchmachen. Die großen Mononuklearen nehmen ab, doch trat in 
dem einen Falle später wieder eine leichte Zunahme auf. 


1566 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 


Aus der geringen Anzahl der bis nun operierten Fälle können keine weiteren 
Schlüsse gezogen werden; jedenfalls zeigt der Blutbefund nach der Operation, daß 
wenigstens für eine gewisse Zeit der Erguß der kleinen Lymphocyten in den all- 
gemeinen Blutkreislauf teilweise gehindert wird. E. Toff (Braila). 


36) Puyol. Quiste del ovario en una niña de diez años. 
(Revista méd. del Uruguay Bd. X. Nr. 6.) 

Bei einem 10jährigen Mädchen, das ganz plötzlich unter den Symptomen einer 
schweren Appendicitis erkrankte, ergab die sofort vorgenommene Operation eine 
Ovarialcyste von der Größe eines fötalen Kopfes, die im linken Ovarium saß. Der 
Stiel war zweifach torquiert. Glatte Heilung. Stein (Wiesbaden). 


37) Putti. ` Beitrag zur Atiologie, Pathogenese und Behandlung des 
angeborenen Hochstandes des Schulterblattes. 
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII. Hft. 5.) 

Genaue Beschreibung eines Falles: 

Ein 3jähriges Kind, von luetischem Vater abstammend, zeigt keine Erschei- 
nungen von Lues. P. findet bei ihm eine ziemlich starke Vergrößerung des Schulter- 
blattes, das im übrigen normal ist, ferner die von Kausch beschriebene mangel- 
bafte Entwicklung des unteren Bündels des Trapezius; zwischen erstem Brustwirbel 
und dem inneren Rande des Schulterblattes sieht man auf dem Röntgenbild eine 
knöcherne Verbindung; mit dem Schulterblatt ist diese Knochenbrücke nur locker 
verbunden, dagegen unbeweglich mit dem Querfortsatze des ersten Brustwirbels; 
das spricht gegen die skapulare Genese der Knochenspange; auch haben wir es 
nicht mit einem Produkt einer Muskelossifikation zu tun, da die Knochenspange 
histologisch deutlich den Bau eines langen Röhrenknochens zeigt mit Muskel- 
insertionen. Verf. beschreibt weiter die dabei auftretende Skoliose und die cranio- 
facialen Asymmetrien und visceralen Anomalien. Er faßt seine Ausführungen wie 
folgt zusammen: 

»1) In unserem speziellen Falle sind Schulterblatthochstand sowie die anderen 
denselben begleitenden Deformitäten auf die hereditäre Lues als ätiologischen Faktor 
zurückzufübren (paraheredosyphilitische Erscheinungen). 

2) Der Hochstand des Schulterblattes ist gleich wie die angeborene Leisten- 
hernie, der Anus vulvaris, das Fehlen einer halben Rippe, als ein Stehenbleiben 
im Evolutionsrhythmus des Embryo aufzufassen. 

3) Das skapulovertebrale Knochensegment ist ein Vertebralelement, ein kosti- 
former Fortsatz, entstanden zur Stütze einer anormalen Schichtung der Muskulatur 
infolge einer Störung in der Metamerie und Differenzierung der Myomerenelemente 
der Gegend. Die Verbindung mit der Scapula ist nicht eine Funktion des anor- 
malen Segmentes, sondern eine Folge des primären Kontiguitätsverhältnisses beider 
Knochen. 

4) Die craniofacialen Asymmetrien als assoziirte Phänomene des angeborenen 
Schulterblatthochstandes sind als das Produkt einer Adaptierung des Schädel- 
skeletts an die statischen Verhältnisse der Halswirbelsäule anzusehen. 

5) Der gänzlich neue Befund einer extrarachidialen, aber nicht mit der Gegend, 
die der Sitz einer evolutiven Störung ist, zusammenhängenden Hypertrichose modi- 
fiziert die morphogenetischen Hypothesen der Hypertrichose. 

6) Der Fall lehrt, daß die auf einer richtigen Deutung der Pathogenese der 
Deformität beruhende chirurgische Behandlung des angeborenen Hochstandes des 
Schulterblattes ein recht gutes orthomorphisches und funktionelles Resultat liefern 
kann.« Gaugele (Zwickau). 


38) V. Bülow-Hansen. Et tilfaelde of kongenital komplet radius- 
defekt opereret efter Bardenheuer’s methode. 
(Norsk Mag. for Laegevidenshaben 1908. Nr. 10.) 


Fünfmonatiges Kind mit doppelseitigem Radiusdefekt, Fehlen des Daumens, 
des Metacarpus I, des Os naviculare und des Os multangulum majus. Die nach 


ni 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 1567 


der Radialseite verschobenen Hände stehen im rechten Winkel zum Unterarm und 
sind auffallend kurz und atrophisch. Die Operation wurde in zwei Sitzungen mit 
einem Zwischenraum von einem Monat ausgeführt. Spaltung des unteren Endes 
der Ulna. Fixierung des Carpus in der auf diese Weise hergestellten Gabel des 
Vorderarmknochens.. 6 Wochen Gipsverband. Kontrolle des Ergebnisses durch 
Röntgenogramm nach 3 Jahren. Wenn auch die eine Hand noch etwas winklig 
zum Unterarm steht, ist die Beweglichkeit nach allen Richtungen uneingeschränkt. 
Der Zeigefinger hat sich etwas in Opposition zu den übrigen Fingern gestellt und 
ersetzt teilweise den fehlenden Daumen. Revenstorf (Hamburg). 


39) H. v. Salis. Zur Frage der blutigen Reposition bei Luxatio genu 
congenita. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XCIV. p. 149.) 

v. S. beschreibt eine von schönem Resultate gefolgte Operation Hübscher’'s 
(Basel) wegen angeborener Knieverrenkung bei einem 5/jährigen Mädchen. Es 
handelte sich (vgl. Röntgenbild) um eine totale Verrenkung der Tibia nach vorn 
bei Mangel der Kniescheibe mit Kniehyperextension und relativer Verkürzung der 
Quadricepssehne, sowie gleichzeitigem Klumpfuß. Durch Ablösung der das Knie 
deckenden Haut in Halbmondform wurde die Quadricepssehne freigelegt und 
mittels der Bayer’schen für die Achillessehne angegebenen Schnittführung plastisch 
verlängert, wobei bei Ablösung der einen Sehnenlängshälfte von ihrer tibialen In- 
sertion ein Stück der Tuberositas tibiae ausgelöst wurde, um als neue künstliche 
»Kniescheibe« in die Sehnennaht mit versenkt zu werden (vgl. 3 Figuren, die 
diese schön durchdachte Plastik erläutern). Die Gelenkreposition gelang erst nach 
bilateraler Quertrennung der vorderen Gelenkkapsel rechts und links von der 
Strecksehne. Dann Gipsverbände, auch über dem redressierten Klumpfuß, sowie 
Beseitigung einiger überzähliger Zehen. Zur Zeit der Berichterstattung (11/, Mo- 
nate nach der blutigen Kniereposition) kann das Kind sein Bein schon zum Stehen 
benutzen (Abbildung), aktive Kniestreckung ist noch nicht möglich. 

Kurze Erwähnung der sonst zur Behandlung des Leidens veröffentlichten Ope- 
rationsmethoden, von denen v. S. die Resektion und Arthrodesis für nicht mehr 
zulässig hält. Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


40) Dockk. Un cas d'absence congénitale, du péroné. 
(Ann. et bull. de la soc. de méd. d'Anvers 1907. Dezember.) 

Das betreffende Mädchen, 15 Monate alt, zeigt neben dem Fehlen der rechten 
Fibula mit starker konvex nach vorn gerichteter Krümmung der Tibia 51/3 cm 
Verkürzung des Beines, starke Pes varo-equinus-Haltung. An beiden Füßen sind 
nur die 1.—4. Zehe und der 1.—4. Metatarsus vorhanden; die linke Hand hat nur 
einen Daumen und zwei Finger, nur drei Mittelhandknochen sind vorhanden, der 
ganze linke Arm ist verkürzt um 2!1/s cm, Umfang um 11/, cm geringer als rechts. 
Die Behandlung wird orthopädisch sein, vielleicht Vereinigung von Calcaneus und 
Tibia und Gang wie bei Wladmiroff-Mikulicz. — Heredität nicht nach- 
weisbar. E. Fischer (Straßburg i. E.. 


41) B. Kilvingston. An unusual deformity of the foot. 
(Brit. med. journ. 1908. Februar 29.) 

K. beschreibt eine doppelseitige, angeborene Deformität am Fuße eines 
12jährigen Knaben, die theoretisch großes Interesse hat, daK. sie als einen Rück- 
schlag ansieht wegen ihrer großen Ähnlichkeit mit dem Fuße der anthropoiden 
Affen. Es handelt sich um eine auffallende Verkürzung des ersten Metatarsus um 
mehr als die Hälfte. Da dem Knaben ein wichtiger Stützpunkt für sein Körper- 
gewicht auf diese Weise fehlte, so verlegte er seine Gebfläche mehr auf die Außen- 
seite des Fußes und ersetzte das ihm fehlende Metatarsalköpfehen durch Plantar- 
flexion der Großzehenphalangen, deren Spitze dem Boden aufruht. Ganz ähnlich 
liegen die Verhältnisse beim Greiffuß der anthropoiden Affen, die gleichfalls mehr 
auf der Außenfläche der Fußsohle gehen und eine verkürzte, daumenartige Groß- 
zehe haben. Weber (Dresden). 


1568 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 


42) F. Wette. Zwei Fälle von Luxation im Metatarsophalangeal- 
gelenk. Doppelseitiger Abriß der Streckaponeurose am Mittelfinger. 
(Aus der orthopäd. Klinik des verstorbenen Prof. Hoffa.) 
(Münchener med. Wochenschrift 1908. Nr. 37.) 

In den ersten 2 Fällen handelte es sich um eine dorsale, bzw. plantare Ver- 
renkung der drei mittleren Zehen im Metatarsophalangealgelenk; die Reposition 
gelang in dem einen durch Händedruck und -zug am Vorfuß leicht, in dem Falle 
von dorsaler Verrenkung dagegen auch nicht auf blutigem Wege, so daß die 
Köpfchen der Metatarsi reseziert werden mußten. Das Resultat war ein gutes. 
In dem Falle von Abriß der Aponeurose war die Verletzung beim Strumpfausziehen 
dadurch entstanden, daß der rechte Mittelfinger zwischen Strumpf und Strumpf- 
band hängen blieb; später kam auch am linken Mittelfinger dieselbe Verletzung 
in gleicher Weise zustande; das Endgelenk blieb in Beugestellung stehen und ließ 
sich aktiv nicht mehr strecken. Pat. war dadurch im Gebrauch des Fingers nicht 
behindert. Kramer (Glogau). 


43) Wiesel. Diagnose einer Periostablösung am Metatarsus II dexter. 


durch Röntgenographie. 
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. XII. Hit. 2.) 

Bei einem 40jährigen Tabiker, der sich mit 20 Jahren luetisch infiziert hatte, 
trat eine starke Schwielenbildung auf der Fußsohle ein (entsprechend der Lage des 
dritten Metatarsus), die später vereiterte. Auf dem Röntgenbild sah man, daß sich 
an dem dritten Metatarsus das Periost abgelöst hatte. Eine spezifische Behandlung 
war ohne nennenswerten Einfluß. 

Verf. nahm die Amputation der Zehe und die Exstirpation des Metatarsus 
vor, wobei er seine Diagnose bestätigt fand. Die Heilung erfolgte prompt. 

Der Fall lehrt also, daß man Tabiker öfters als es bisher geschehen röntgeno- 
graphieren soll, da das, was man lediglich auf Rechnung der Trophoneurose zu 
setzen geneigt ist, auch durch anatomische Veränderungen bedingt sein kann. 

Gaugele (Zwickau). 
44) Couteaud, Etude sur l’orteil en marteau. 
(Revue de chir. XX VIII. ann. Nr. 7.) 

In schweren Fällen von Hammerzehe nimmt C. unter örtlicher Betäubung die 
Resektion des verkrümmten Gelenkes mit der Gißlisäge und die Durchschneidung 
der Beugesehnen von einem einzigen Dorsalschnitt aus vor, um die störende plan- 
tare Narbe zu vermeiden. In leichteren Fällen genügt die Resektion eines oder 
beider Gelenkenden ohne Sehnendurchschneidung. 

C. hat die Hammerzehe übrigens auch bei einigen stets nacktfüßig gehenden, 
stark mit Syphilis durchseuchten und vielfach auch mit anderen Mißbildungen der 
Glieder behafteten Stämmen der Hochebenen von Madagaskar, oft zusammen mit 
Abduktionskontrakturen der Zehen, beobachtet. Es kann also nicht ausschließlich 
das Überragen der zweiten Zehe über die anderen und ihre Beengung durch 
schlechtes Schuhwerk die Veranlassung des Leidens sein. 

Gutzeit (Neidenburg). 


45) E. Martini. Über einen neuen Apparat für die Behandlung der 


schrägen oder komplizierten Frakturen des Beines. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXXV. Hft. 3.) 

Beschreibung eines Apparates, der den Vorteil bietet, daß er die Bruchstelle 
nach Reposition und Immobilisierung des Gliedes frei und sichtbar läßt, so daß 
er sich ganz besonders auch für komplizierte Frakturen der unteren Extremitäten 
eignet. E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig einsenden. 


Für die Redaktion verantwortlich: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Richter in Breslau, 
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. 


u. 





Breslau I. Georg Haertel Berlin N. 77 


Instrumentemacher der Kgl. Chir. Univ.-Klinik u. des Hygien. Instituts Breslau. 
1 Spezialität: 
Original-Apparat 

m zur Wohnungs-Desinfektion 
TRES nach Flügge. a 
Breslauer Modell. 


Bitte meinen Vornamen und Adresse 
zu boachten. ; 
























Dionin | Stypticin 


Morphin-Derivat. Haemostatikum. 


Empfehlenswerter Bei 
Ersatz für Morphin, abnormen Uterusblutungen 


frei von dessen Nebenwirkungen. besonders bewährt. 


Vorzügl. Erfolge bei Entziehungs- $ Bequeme interne Darreichung in 
kuren! Form von 


-Dionin-Tabletten # Stypticin-Tabletten 
. à 0,03 g in Röhrchen à 25 St.. à 0,05 g in Röhrchen à 20 St. 


Ausgeprägteanalgetische Wirkung be- Gegen lokale Blutungen: 
sonders bei subkutaner Anwendung. gg Stypticin-Gaze und -Watte. 


Literatur zur Verfügung. 


E. MERCK-DARMSTADT. 


Ges. gesch. Nr. 43358, 


Bakteriologisch reine 
trockene lebenskräftige 


Bierhefe 


granuliert u. in Tabletten 
a 0,58. 


Gegen Furunkulose, Antrax, Ekzem, Hautkrankheiten gastrischen Ur- 
sprungs und Verdauungsstörungen.. Besonders gegen Zuckerkrankheiten. 


‚| Laboratorium und Fabrik E. Feigel in Lutterbach b. Mülhausen i. E. 


Zu haben in allen Apotheken. 


1/4 FI. für 8 Tage, en 1h RI. wa 








REFYROGEN 


einziges deutsches Reichspatent zur einfachsten und billigsten Herstellung von 


= Nähr-Kefyr # 


Durch einfaches Lösen von „Kefyrogen“ in Milch erhält man feinsten echt kaukasischen Kefyr. 
Herstellungskosten eines Liters nur 25 ` 
Vorzüge: Höchste Gärungsfähigkeit, 50°/, mehr Fermentierung als bei jedem anderen 
Präparat. Sichere Kontrolle über Alter und gleichmäßige Beschaffenheit des Kefyrs. 
Indikation: Lungen-, Magen- u. Nierenleiden, Blutarmut, Nervositätu. in der Reconvalescenz, 
Literatur über Kefyrtherapie: Prof. R. O. Neumann - Heidelberg, Geh. Med. -Rat Prof. 
Eulenburg-Berlin, Prof. Dr. Rabow-Straßburg, Dr. Lorenz-Berlin, Dr. Pickardt-Berlin usw. 
Versuchsproben und Literatur gratis. - (Nur Arzte-Reklame.) 
Preis pro Schtl. (f. 30 Ltr.) M.2.—, auf Wunsch Arztepreis M. 1.50. 


Fabrik chem. pharm. Präparate Apotheker A. Rosenberger, Berlin N. 28. 




























HARTMAN N’s 
garantiert keimfreies | 
| Chirurg. Nähmaterial 


Marke „Ideal“ D.R.P. 


(Seide, Catgut, Silkwormgut usw.) 
in zugeschmolzenen Gläsern mit Sprengnaht. 


Verwöndung 
des Fadens. 





Fig. 1. 


Oeffnen durch Bruch 
(ohne Sphtter} 


Da A 
ne ar = 
DE Dee 


er 
$ 


a EAN 
KE AaS 





Fig & 


Keine Verletzung beim 
Öffnen der Tuben zu 4 
befürchten ! Prospekte gratis zu Diensten! 


Durch alle Apotheken, Instrumentengeschäfte usw. erhältlich. 


AUL HARTMANN, verbandstof-Fabriken, HEIDENHEIM a. 2. 


aP 








Dr.Walther Koch’s ‚PRÄVALIDIN‘ 


Salbenkombination zur percutanen Einverleibung 
ss von Kampher und Balsam peruvian. ss 


Größte Erfolge im I. und II. St. der Lungentuberkulose, Linderung u. lebensverlängernde 
Wirkung im Ill. St. Specificum bei Emphysem, Bronchitis chronic. Influenza, Anaemie 
und Herzschwächezuständen durch seine expectorierende und herzroborierende 
Wirkung. Tuben aA M. 1.20 für Erwachsene und M. —,80 für Kinder, nur auf ärztliche 
Verordnung in den Apotheken erhältlich. Genaue Gebrauchsanweisung liegt jeder Tube bei. 


Literatur und Proben durch die 


Woll-Wäscherei und Kämmerei, Abt. chemische Fabrik 
in Döhren bei Hannover. 





chain lan u 


00006 

Für ‚ll = = Au, IN und 
Art, besonders zu grossen Krankenhäusern 
Streckverbänden. stets im Gebrauch. 


U) Muster u. Literatur gratis u.t  AUUUUUUUULBLuster 3. Literatur graeig Peak UUU 


Absolut relsi vor- 
zügliche Klebekraft, 
unbegrenzt haltbar. 
oo......,., 
J 
I ZUA no 





Operations- 
fingerlinge 


nach Friedrich 


Operations- 


handschuhe 
nach Friedrich 





Touchierhandschuhe | u’ 
Knöchelbandhandschuhe } Pöderlein 


sind nur echt, wenn sie beigedruckte Schutzmarke tragen. 
Erhältlich in allen einschlägigen Geschäften. 
Die alleinigen Fabrikanten 


Zieger & Wiegand, Leipzig-Volkmarsdorf. 
Coe 1 03 





Levurinose 


haltbares Bierhefepräparat 


hat sich inmehrjähriger Praxis glänzend bewährt bei: 





| Furunculose, Folliculitis, Acne, 
 Impetigo, Urticarla, Anthrax, Eczem. 


Levurinose findet mit Erfolg Anwendung bei: 
“ habitueller Obstipation, Diabetes, Vaginaler u.cervicaler 
| Leukorrhoö sowie ähnl. Erscheinungen. 


| Ausführl. Literatur u. Proben den Herren Ärzten gratis u.franco durch 


Chem. Fabrik J. Blaes & Co. Lindau, Bayern. 





München. 
- Dr. Pfeuffer’s D. Erfindung 20927 vom 10. Juni 1882. 


„Dr. med. Pfeuffer’s 
Hämogzgzlobin 


(Extrakteyrup und Pastillen), in Wasser vollständig löslich, frei von den im Blut 
enthaltenen Auswurfstoffen. Zu beziehen durch Apotheken. 


Dr. König’s Ludwigapotheke zu München. 


LINOVAL 


Eine neue Salbengrundlage 
mit bakterizider Eigenkraft 
Insbesonders gegen Staphylokokken und Streptokokkon. 
Analgesierend, epitheliasierend, leicht verreibbar, nicht körnig, 
resorbiert 15% Wasser, von unbegrenzter Halıbarkeit. 
Indiziert u. a. bei: Follllculitis nuchae, Furunkulose, 
Ulcus cruris, Acne vulgaris, allen Ekzemen. 


Literatur (Dr. O. Salomon, Vortrag auf dem 10. Kongreß der Deutschen dermatol. Gesellschaft 
in Frankfart a. M.) sowie Proben stehen den Herren Ärzten zur Verfügung von 


RICHARD SCHMIDT, ALTONA, Bleicherstr. 31 —39. 


S a TE Bm] 

















RADIOGEN 


ist die billigste u. einfachste Medikation der er 


"N 
Ri ed n 
PA m N. 
n ` A | M 
NAY MN IN 


d 


ji 
F 
A ws 
F Aig r had 
A h ‘Ei A 


Radiumemanation 


RadiogentrinKkKkur 
Radiogencylinder 
Radiogenbadekur 
Radiogenschlamm 


Günstige Heilerfolge: 
1. bei chronischem und subacutem Gelenkrheumatismus, 
» Gicht, chronisch. Neuralgieen und Neuritiden 
2. bei chronischen Entzündungen des Herzmuskels (Myo- 
~ Carditis, Arteriosclerose) 
3. bei verzögerter Heilung von Exsudaten und chronischen 
Eiterungen. 
Überall dort anzuwenden, wo bisher Erfolge bei der 
Anwendung von radioactiven Wildbädern erzielt wurden. 


PATT 
X 
ei 
| 


Literatur kostenlos. 


Radiogen-Gesellschaft m. b. H. 


Charlottenburg I, Oranienstr. 16 (am Luisenplatz). 
Ferusprecher Ch. No. 278. 


Leitz-Mikroskope 


über 100000 für 
alle wissenschaftlichen Unter- 
‚suchungen im Gebrauch. 


Mikrotome. 
Mikrophotographische 


und 
Projektions-Apparate. 
Photograph. Objektive. 
Prismen-Feldstecher. 


E. Leitz, Wetzlar 


EB Berlin, Frankfurt a. M., St. Petersburg, 
, London, New York, Chicago. 





7 














g0000000000000000000000000000000000000000000000004000000000 © 


Bester und billigster 
Operationstisch 


für praktische Ärzte, Chirurgen, 
:: Urologen, Gynäkologen etc. :: 


0.R.6M „HEUREKA“ o.r.cu. 
| 
ab 


mit Spülbecken und Kissenbelag M. 95.— 
ohne solche......sr.ocr0... c... y 4— 


GUSTAV KUNZE jr., G. m. b. H. 
BERLIN N., Lindowerstr. 18/19 


® | Fabrik sämtlicher Operations- und Krankenhansmöbel. 
SEBLSLECHEEGEELIAHEBESEEELIHHBSAHPSESHHHESGEGSLLSSHLLHBLLERDBEGBIHHOEEBSRD 


Muiracithin unge Noridal ser“ 

















Hervorragend wirksames Mittelgegen Mittel gegen 

Impotenz haemorrhoiden 
i sowie . 

alle neurasthonischen Leiden. Blutungen, Pruritus, Tenesmue, 


Mastdarmkatarrh, Schrunden und 
. Wundsein der Analgegend, schmerz- 
hafte Stuhlentlieerung. 


Best.: Calc.chlorat., Calc.jod., Bals. peruv. 


KräftigungdesErektionszentrums. 

aF- Besserung nervöser Allge- 

meinerscheinungen. Stärkung des 
Herzens. 


Verzügliches Nerventenikum. 


BF Physivlogisch und klinisch eingehend erprobt. WM 
Wirkung ohne irgend welche Sekundär-Erscheinungen. 






Literatur: Gch. Med.-Rat Prof. Eulen- u 
burg-Berlin, Fübringer-Berlin, Pavloff- 
St.Petersburg, Weidemann-St. Petersburg, Literatur: Prof. Boas-Berlin, Kebr- 








Hirsch-St. Petersburg, Holländer-Berlin, Halberstadt, Pickard-Berlin, Welß-Ber- 
Posner-Berlin, Rebourgeon-Paris, Goll- lin, Sandberg-Berlin, Zibell-München, 
Zürich, Popper-Igis b. Senator, Hirsch- ' Wright-London, Silvestri-Rom Dawson- 


Kudowa, Steinsberg-Franzensbad, Waitz- London. 
Paris, Wright-London, Piliver-Odessa, 
Fürth - Dervent, Quastier-Wien. 





Versuchsmengen und ausführliche Literatur gratis und franko durch die Fabrik 


Kontor chemischer Präparate Berlin C 2/26. 





VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG. 


Soeben erschien: 


Die Lepra tuberoanaesthetica 


vom klinischen Standpunkte geschildert. 
Von Sanitätsrat Dr. Leopold Glück. 
1909. 80 Seiten mit 11 Abbildungen. M. 4.—. 


Dieser Sonderdruck aus dem Lepra-Archiv ist besonders deshalb Interessant, weii Glück, der 
inzwischen verstorben ist, in Wien die Erlaubnis zur Veröffentlichung seiner Publikationen verweigert 
wurde, mit der Begründung „es könnte dem Touristenlande Bosnien schaden“. Die Arbeit wurde des- 
halb bei der Redaktion der Lepra deponiert mit der Bitte, sie nach seinem Tode zu veröffentlichen. 
Da jetzt die Blicke von ganz Europa auf die Balkanstaaten gerichtet sind, dürfte die vortreffliche 
Arbeit auch außerhalb des Kreises der Abonnenten Interesse erwecken. 


Internationale Bibliographie. 


Braun, M., u. M. Lühe, Leitfaden zur Untersuchung der tierischen Parasiten des 
Menschen u. der Haustiere f. Studierende, Arzte u. Tierärzte. en 186 S. mit 
100 Abbildgn.) gr. 8%. Würzburg, C. Kabitzsch '09. b. 6.— 

Breuer, Jos., u. Sigm. Freud, Studien üb. Hysterie. 2. unveränd.'"Aufl. saV? 269 Aa 
gr. 8. "Wien, F. Deuticke ’09. 

Calcar, R. P. van, Dialyse, Eiweißchemie u. Immunität. (XI, 81 S. m. Fig.) gr. D. 
Leiden, S. C. van Doesburgh. — Leipzig, J. A. Barth '08. 3.— 
—— Immunitätsreaktionen u. einige ihrer prakt. Verwendungen f. Klinik u. Labo- 

ratorium. (VII, 134 S.) Lex.-80. Leiden, S. C. van Doesburgh. — Leipzig, 
J. A. Barth ’08. 
Oreighton, Charles, Contributions to the physiological theory of tuberculosis. Roy. .89, 


Lond., Williams & Norgate. 12s. 6d. 
Dubreuilh, W., Précis de dermatologie, 3me éd. (550 pag. av. fig.) Paris, 2 an: 
(Coll. "Testut.) 


Eden, T. W., A manual of midwifery. 120, w. ill. pl. Chicago, Keener & Co. "130 
Ergebnisse der inneren Medizin u. Kinderheilkunde. Hrsg. von F. Kraus, O. Min- 
kowski, Fr. Müller, H. Sahli, A. Czerny, O. Heubner. 2. Bi. :IV. 708 S. mit 

13 Abbildgn. u. 6 photograph. Taf.) Lex.-80. Berlin, J. Springer '08. 
24.—; geb. n 26.80 
Frenzel, Hans, Der Menschenfreund. Ein Merkbüchlein für jung u. alt. (I. Erste 
Hilfeleistg. bei Unglücksfällen. II. Der Weg zum Glück.) (41 S.) 8o, ne Ober- 


Österreich. Buchdruckerei u. Verlagsgesellschaft ’08. 1.— 
Qlück, R Fe Lepra tubero-anaesthetica, vom klinischen Standpunkte geschil- 
dert. |S. A.) (80 S. m. 11 Abbildgn.) Lex.-8%. Leipzig, J. A. Barth ’08. 4.— 


Fortsetzung auf Seite 5 den Umschlags. 


Gesellschaft für Chemische Industrie In Basel (Schwelz). Hauptphosphor- 


Adresse für Deutschland und Österreich: Leopoldshöhe In Baden. reservestoff der 
grünen Pflanze, 


Aus Pflanzensamen her- 
gestelltes, vollständig 
definiertes organisehes 

22.80 baren p. Enthält 

. organisch gebun- 
ng Phosphor In voll- 
kommen assimilierbarer 


ungiftiger Form. 


afti i Nerven stärkend, Stoffwechsel und Appetit anregend, blutblidend, 
Natürliches Kräftigungsmittel, das Körpergewicht erhöhend, bewährt bei nervöserSchlaflosigkeit. 
Rp. 1 Originalschachbtel Phytin. Dosis: 1 g pro die. Preis M. 2.80 Détail. 


Kassen is, 
PHYTIN. LIOUIDUN Zr ee ead, Preis M. 1.26 Detail, 


SALEN Salicylsäureester zur loKalen 

Behandlung von Rheumatosen. 
Geruchlos und vollständig reizlos, weshalb dieApplikätion, ohne wechseln 
zu müssen, stets auf dieselben schmerzhaften Körperstellen erfolgen kann. 


l Spi 10,0. 
u = Ausscciidh. Muster und Literatur gratis und franke, 


WE 


Aerztlich empfohlen bei Versand HENER 
Erkrankungen der der Fürstlichen ? 
Bullet EUER Mineralwasser (S) 
Darmkatarrh, Leberkrankheiten e” Obersalzbrunn azs 
Nieren-und Blasenleiden, SR LLGLE AJ Sirieboll, 
Gicht und Diabetes. Bad Salzbrunn YSchi 


PN, RR Pn = 
Q A 1 - N 
i 
O hr N. 


Ga 


f 
N 
~aner 
ne 


Almen 





Das beste und dabei a Nahtmaterial ist: 













VL IE Zu 
Beschrieben Ä KSS nach L A N 
in der Oberarzt Dr. Madiener NW 
Münchner Deutsches ng N? 322187 Steril 
mediz. j i 
Wochen- oder 
schrift I JE Si 
Nr. 50 1907, WA CE I: aM offen 
sowieim N NS —F, 7 
Zentralblatt verpackt. 
für Chirurgie 
Nr. 3 1908 
$ $ 


Madlener’s Ramie-Zwirn ist zu beziehen durch sämtliche 
einschlägigen Geschäfte, wo nicht erhältlich, wende man 
sich direkt an den allein autorisierten Fabrikanten: 


C. Stiefenhofer, München 


FabriK chirurgischer Instrumente. 


Der Allgemeinzustand 
des Patienten = 


wird durch alkaloidhaltige Genußmittel oft in 
unerwünschter Weise beeinflußt. Kathreiners 
Malzkaffee ist absolut indifferent und bietet 
dabei die Geschmacksannehmlichkeiten des 
Bohnenkaffees. Ein besonderer hygienischer 
Vorzug ist seine durch die musterhafte Fabri- 
kation und Verpackung garantierte Reinheit 
und Unverfälschtheit. 


Den Herren Ärzten stellt die Firma Kath- 
reiners Malzkaffee-Fabriken, München, auf 
Wunsch Versuchsproben und Literatur kosten- 
los zur Verfügung. 





Internationale Bibliographie. 


Fortsetzung von Seite 3 des Umschlags. 

Jeßner's, S., Dermatologische Vorträge f. Praktiker. 8°. Würzburg, ©. Kabitzsch. 
14. u. 16. Heft. D.agnose u. Therapie des Ekzems. 2 Tle. in 1 Bde. 2. Aufl. (50 u. 96 8.) *09. 2.50 
Johnson, O. N., A text-book of operative dentistry (by various authors). 80. Lond., 
Rebman. 25 s. 
Koni, F., Ratgeber in gesunden u. kranken Tagen. Ein Lehrbuch des menschl. 
örperbaues u. e. ärztl. Hausschatz f. alle Krankheitsfälle. 9., neu bearb. Aufl. 

Mit 500 Abbildgn. u. 13 Taf. sowie 5 zerlegbaren Modellen. 3 Tle. (1156, 243 

u. X S.) 80. Leipzig, E. Wiest Nachf. ’09. Geb. 21.50 
Mackenxie, James, Diseases of the heart. Roy. 80. (406 pag.) London, Frowde. 
(Oxford Med. Publ.) 25 s. 
Malaria. International archives under the direction of Ronald Ross and of W.G. 
Mac Callum; archives internationales sous la direction d'Edmond Sergent; 
internationales Archiv unter der Leitg. v. B. Nocht; archivi internazionali sotto 

la direzione di Angelo Celli, hrsg. v. C. Mense. 1. Bd. 4 Hefte. (1. Heft. 88 S. 

m. Abbildgn. u. 4 Taf.) Lex.-80. Leipzig, J. A. Barth '08. 20.—, 1. Heft allein 5.— 
Preiswerk, Gust., Lehrbuch u. Atlas der Zahnheilkunde m. Einschluß der Mund- 
krankheiten. 2. verb. Aufl. Mit 50 vielfarb. Taf. u. 141 Textabbildgn. 80. (XX, 

398 S.) München, Lehmann's Verl. (Handatl. 30. Bd.) ’08. Geb. 14.— 
Rauber’s Lehrbuch der Anatomie des Menschen. Neu bearb. v. Fr. Kopsch. 8. Aufl. 


Lex.-8°%. Leipzig, G. Thieme. 
9. Abtlg.: I. TI. Muskeln. Mit 179, zam TI. farb. Abbildgn. (III, 204 8.) ‘08. Für 3, Abtlg. vollständig. 
b. 15 


Geb. 15.— 

Real- klopädie der gesamten Heilkunde. Pre v. Alb. Eulenburg. 5. Bd. Mit 

68 Abbildgn. im Texte, 8 schwarzen u. 6 farb. Taf. 4. umgearb. Aufl. (X, 9387 8S.) 
Geb. 


Lex.-80. Wien, Urban & Schwarzenberg ’08. = 
Fortaetzung anf Seite 7 des Umschlags. 


Basler Chemische Fabrik, Basel (Schweiz). 
Adresse für Deutschland und Österreich-Ungarn: Leopoldshöhe i. Baden. 


VI O FO RM (Jodchioroxychinolin). Jodreiches, sterili- 
sierbares und geruchloses Ersatzmittel des 
Jodoform. Einziges Ersatzmittel d. Joedoform beitüberkulösen Affektionen. 


—zzzz Literatur und Proben stehen zu Diensten. 


LEGIFERRIN 


(Ovo-Lecithin-Eisen) (Gesetzlich geschützt) (Ovo-Lecithin-Eisen) 
hervorragend begutachtet gegen 


Biutarmut-Bleichsucht- Schwächezustände 


Chlorose usw. 


Nähr- und Kräfligungsmittel allerersten Ranges. 
Außerordentlich gutschmecksndes und leicht bekömmliches Präparat. 


Indikationen: 3mal des Tages nach dem Essen ein Maßglas voll zu 
nehmen, Kinder im Verhältnis weniger. 


“Die Herren Ärzte erhalten bereitwilligst Muster von ' 
‚Galenus‘ Chemische Industrie G. m. b. H. Frankfurt a. M. 
das zuverlässige, unschädliche 


EXPERIL Anticoncipiens. 


Seit 3 Jahren in ärztlicher Anwendung. — Depots nur die Apotheken. 
Denkbar größte Hygiene durch die „Gesetzlich geschützte Injectionstube“. 
Cheomisches Laboratorium Gr.-Lichterfelde 32. 







































































Sanitätsgeschäft 


M.SCHAERER, A.-G. 
BERN (Schweiz) 


Lausanne o Brüssel. 


Universal-Operationstische nach 

de Quervain,Walthard, Roux, Kocher usw. 

Tragbahrenwagen „Ideal* nach Roux 
und Stoianoff. 

Alkohol-Waschtisch nach Kocher. 

Instrumentarien nach Kocher, Roux, 
Reverdin usw. 

Paraffin-Spritzen Broeckaert u. Onodi. 

Instrumentarium für Magen- und 
Darmchirurgie nach Lambotte. 

Harnseparatoren nach Lambotte u. Luys. 

Instrumentarien zur Knochennaht 
nach Depage und Lambotte. 

Magen- und Darmzange nach Graser. 

Gastrophor nach Narath. 

Galalith-Darmknöpfe nach Lieblein, 

Neue Darmklemmen, Modell Brüssel 
usw. 

Darmknöpfe, Modell de Beule, Jaboulay 
und Hildebrand. 

Knochenzangen, Modell var Havre, 
Chipault, Berna. 

Bestecke zur Gefäßnaht nach Stich 
und Payr. 

Sterilisations- und Desinfektions- 
Anlagen jeder Art und Größe. 

Finger-, Hand-, Unterarm- und Ober- 
arm-Schienen nach Dr. Borchgrevink. 





Universal-Operationstisch nach de Quervain. 
Hauptkatalog, 1000 Seiten stark, 20000 Abbildungen, —— 
Krankenpflegeartikel-Katalog, über 100 Seiten stark. — Gratis und franko. 


Man verlange unsere Speziallisten über chirurgische u. diagnostische Neuheiten. 


HYGIOPON 


ein auf elektrochemischem Wege hergestelltes 


Neues Eisenpräparat 
bewährt sich hervorragend bei 
BLEICHSUCHT und BLUTARMUT 
SCROFULOSE, TUBERKULOSE 
NERVENLEIDEN, MENSTRU- 
ATIONSBESCHWERDEN 

























quor ferro-ferrichlorati 
electr. paratus“ 



























HYGIOPON 


erbringt in seiner Dar- 
stellung undWirksamkeit 
eine völlig neuartige 
















infolge anämischer Zustände, Bern Br 
ferner bei i á x ; 
Schwächezuständen nach tigung und Ernährung krank 


haft veränderten Blutes. 


Im HYGIOPON ist das Eisen in 


einer Form gelöst, welche dem Vorkommen 
des Eisens im tierischen Organismus sehr 
nahe kommt. 


Seine absolute Unschädlichkeit für Magen und Darm 
Ist klinisch nachgewiesen. 


Von ärztlichen Autoritäten glänzend begutachtet u. empfohlen. 
Preis der Originalflasche M. 1.75 u. M. 3.—. 
Zu beziehen durch die Apotheken. 


Literatur und Probeflaschen stehen den Herren Ärzten kostenlos zur 
Verfügung. 


Berliner elektrochemische Werke, 6.m.v.H.,BerlinW.d, 


Operationen,Geburten 
und schwer eingreifen- 
den Erkrankungen 
edler Organe. 




























Internationale Bibliographie. 


Fortsetzung von Seite 5 des Umschlags. 


Steinhaus, Jul., Grundzüge der allgemeinen no een Histologie. Mit über 
150 Mikrophotogrammen auf 25 Taf. (VII, 162 S. m. 25 Bl. Erklärgn.) Lex.-89. 


Leipzig, Akadem. Verlagsgesellschaft ’09. - 10.—; geb. 11.— 
Testut, L., et O. Jacob, Traité d'anatomie topographique. 2me éd. augm. 2 vol. Paris, 
O. Doin et fils. fr. 50.—, rel. fr. 55.— 


Tome 1: 850 pag. et 611 fig. en coul. ist erschienen, 
> Wird im Januar 1904 ausgegeben. 
Die Bände nicht einzeln käuflich. 


Verhandlungen der deutschen dermatologischen Gesellschaft. 10. Kongreß, geh. zu 
Frankfurt a. M. 1908. Im Auftrage der Gesellschaft hrsg. von K. Hercheimer. 
(XH, 481 S. m. 14 Abbildgn. u. 15 Taf.) gr. 80. Berlin, J. Springer 98. 18.— 

Watson, Fr. S., and J. H. Ounningham, Diseases and surgery of the genito-urinary 
system.. 2 vol. 8%. (1102 pag. w. ill. a. pl.) Philad., Lea & Febiger. $ 12.— 

Wilkinson, W. C., Treatment of consumption. (VIII, 266 pag.) New York, en 


43. 
Woolsey, G., Applied surgical anatomy regionally presented. 2nd ed. 80, (600 pag. 
w. ill. a. pl) FPhilad., Lea & Febiger. e ä | 8 1 
Zbinden, H., Les affections du système digestif en neuropathologie. 8%. (XVI, 
230 pag.) Paris, G. Masson. fr. 3.— 
Zeidler, B., Verfassung u. Verwaltung der Krankenhäuser der Stääte, Kreise und 
Provinzen. (S. A.) (40 S.) 8%. Leipzig, F. Leineweber ’08. 1.— 
Zeitschrift f. gynäkolog. Urologie. Hrsg. v. W. Stoeckel. 1. Bd. 6 Hefte. (1. Heft. 
64 S.) gr. 80. Leipzig, J. A. Barth s. 10.— 


Villonsanatorium Oberhof 

IDAVOS oo 
& = 

a Kolte tor 








| DE A 
TE EEL 


reizlos, ohne jede Nebenwirkung. 


Arteriosklerose 


Indikationen: Asthma, a Ver diate Gelenkrheumatismus : 


Exsudate (zur Resorption 
Lues, sekundäre und „xsudate (zur Resorption) 


tertiäre 


Dosierung: 2—6 Tabletten täglich. 
Rp. Tabl. Jodglidin. zu 0,5 g. 
Jede Tablette enthält 0,05 g Jod. 
„Originalpackung.“ 
— Literatur und Proben Kostenfrei, 


Fabrik: Dr. Volkmar Klopfer, Dresden-Leubnitz. 
























KNOLL & Co. "Ludwigshafen a.Rh. \ 





Digipuratum 


Ausgewertetes, haltbares Digitalispräparat. 


Igipuratum enthält die gesamten therapeutisch wertvollen Digitalis- 

bestandteile. Es ist in kaltem Wasser und in Säuren unlöslich — 

Magenstörungen sind infolgedessen ausgeschaltet, — es löst sich da- 
gegen leicht in Alkalien. 

Das Digipuratum ist physiologisch dosiert und zwar entspricht die Einzel- 
dosis in der Wirkungsstärke 0,1 g eines stark wirkenden Digitalispulvers. 
Der Wirkungswert wird in Froscheinhelten ausgedrückt (vergl.: Gottlieb, 
Münchener Medizinische Wochenschrift, 1908, Nr. 24). 


Indikationen: Herzschwäche, Myokarditis, Kompensationsstörungen, 
Dilatatio cordis usw. 

Das Digipuratum kommt in den Handel als Pulver (Wirkungs- 

stärke= Folia digitalis) und in Tablettenform (Wirkungs- 

stärke jeder Tablette=o,1r g Folia digitalis). 

Preis: 1 Originalröhrchen mit 12 Tabletten=M. 1.50. 

Literatur und Muster zur Verfügung der Herren Ärzte. 





DIPLOSAL 


(OH - Cs H; - COO - Cs H; - COOH) 
107 °,ige Salicylsäure 


wirksam und unschädlich 


Diplosal, der Salicylester der Salicylsäure, 
übertrifft die anderen Salicylpräparate durch seinen hohen 


Gehalt an Salicylsäure und durch das völlige Ausbleiben jeder 
unerwünschten Nebenwirkung (auch bei längerem Gebrauch 
hoher Tagesdosen). 

Einzelgabe: (0,5 bis) 1,0 Tagesgabe: 3,0 bis 6,0 


Diplosal-Tabletten zu 0,5 g in Originalpackung 
(Röhre mit 20 Tabletten M. 1—, Karton mit 50 Tabletten M. 2.35) 


C. F. Boehringer 8 Soehne, Mannheim- Waldhof 


Literatur und Proben den Herren Ärzten kostenfrei. 





Zentralblatt für Chirurgie 


herausgegeben von 


K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER, 


in Bonn, in Berlin, in Breslau. 





35. Jahrgang. 
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG. 


Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger 
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten. 


Nr. 27. Sonnabend, den 4. Juli. 1908. X 


e Hydrozon (H, O,) -Zahnpasta. 





Das Wasserstoffsuperoxyd entwickelt bei Be- 
rührung mit dem Speichel freies O, welches In 
statu nascendi ungemein stark desinÄzierend und 
desodorisierend wirkt. 
Sichere Verhinderung von stomatitis mercurialis. Schnellste Beseitigung von foetor ux ore. 

Pearson & Co., Q. m. b. H., Hamburg. 


SPEZIALPRAPARATE MARKE .ROCHE 


JShigenot Seeneornin 


Synthet. Schwefeipräparat, Sterile Lösung der wirk- 
geruch- und geschmacklos, samen Bestandteile des 
ungiftig. Mutterkorns. 





Leicht resorbierbar, wirkt juck- Hervorragendes Uterinum 
reiz- und schmerzlindernd, und Hämostyptikum. 
nicht fleckend. 


Dermatologie è Anwendung: 


Akne, an _ hoe, per os u. für Injektionen. 


Gynäkologie: 
akute u. chronische Metritiden, Verordnung: 
Adnexerkrankungen, 1 Originalfiakon Secacornin 


Beckenexsudate usw. „Roche“, 


Proben und Literatur zur Verfügung. 


a STE EEE TI Te TS RRUT Tre I 2 PA I BETTEN 
Medizinischer Anzeiger. 





Rheumasan 


des Dr. R. Reiss 


externe Salicyltherapie gegen Rheumatismus, 
Gicht, Ischias, Migräne, Pleuritis, Tylosis. 


Dasselbe verstărkt sich als 


Ester-Dermasan 
Teer-Dermasan 
Chrysarobin-Dermasan 


gegen die meisten Arten von Hautkrankheiten 
in Tuben und Töpfen, Ester-Dermasan auch in 


Vaginal- Kapseln 
gegen Parametritis, Perimetritis, Oophoritis u.a. 


Chemische Werke Dr. Albert Friedlaender, G.m.b. H,, Berlin W. 36, 


Literatur und Proben kestenies. 


Chologen 


Phagocytin 


Aseptisches (nach Prof. Dr. Karewski) 


Nähmaterial 


Ausführliche Literatur und Muster stets gern zu Diensten. 
Physiologisch-chemisches Laboratorium Hugo Rosenberg 
Berlin-Charlottenburg 4, Wilmersdorferstrasse 52. 





Wilhelm Holzhauer 


Pabrik medizinischer Bedarfsartikel, Bandagen und Verbandstoffe 


Marburg (Hessen) 


bringt sein ne Lager selbstgefertigter Chirurgischer Instru- 
mente (sämtliche schneidende handgeschmiedet), Kranken- und 
Operationsmöbel in empfehlende Erinnerung. 


Einrichtungen von Krankenhäusern, Sanatorien und Laboratorien. 
Kostenanschläge und Kataloge gratis und franko. 








Rossel, Schwarz & Co., Wiesbaden 


Fabrik heiligymnastischer und orthopädischor Apparate. 
Alleinfabrikation der Apparate 
System Dr. Herz, Wien. 
Alleinfabrikation der Apparate 
System Dr. G. Zander, Stockholm. 


Alleinfabrikation der elektrischen Heißluft- 
apparate System Dr. Tyrnauer, Karlsbad. E 
Pendela arate gleichzeitig als Widerstands- SMY EOI 
pp y apparate verwendbar, myer 
Erstklassiges Fabrikat mit | Literatur und Offerte nu 


BEER, : weitgehendster Garantie. gratis und franko. i 
Feinste in- und ausiändische Referenzen. Patente in allen Kulturstaaten. 





MUIRACITHIN 


Spezifikum gegen Impotenz. 


Kräftigung des Erektionszentrums, Besserung nervöser Allgemein- 
erscheinungen, Stärkung des Herzens. Vorzügl. Nerventonikum. 


_ 









RL 


Literatur: 


Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Eulenburg, Berlin (Realenzyklopädie der ge- 
samten Heilkunde, S. 399): „Auch ich hatte in letzter Zeit bei Sexual- 
neurasthenikern einige günstige Resultate zu verzeichnen, das Mittel 
scheint überhaupt als Nerventonikum gelten zu dürfen, allerdings auf |@ 
die sexuelle Libido und die Erektion besonders verstärkend zu wirken.“ [2 


Weitere ausführliche Mitteilungen von Prof. Nevinny-Innsbruck, 
Prof. Kolomoizew-Kasan, Prof. Rebourgcon-Paris, Prof. Goll-Zürich, 
Prof. Maramaldi-Neapel, Popper Igls in der Klinik von Geh. Med.-Rat 
Prof. Senator-Berlin, Hirsch-Kudowa, Steinsberg-Franzensbad, Waitz- 
Paris, Wrigh-Hunt, Piliver-Odessa u. a. 


Literatur gratis und franko zu Diensten. 


handelsgesellschaft Noris Zahn 8 Cie., Berlin C. 17. 


8968992800958 20000008868 





DIGALEN 


wird aus Fol. Digitalis purp. hergestellt und ist in genau 
dosierter und haltbarer Lösung nur in Originalflacons 
von 15ccm oder in Ampullen à 1ccm erhältlich. 


Indikationen: ' 
Herzkrankheiten: vitatatio cordis, Myokarditis, Insuffi- 


zienz und Kompensationstörungen. 


Verordnung: Per os, subkutan, intramuskulär, intravenös. 
1 Flacon DIGALEN, Originalpackung „Roche“ oder 1 Karton 
mit 6 (12) Ampullen ä 1ccm Digalen, Originalpack. „Roche“. 


DIGALEN wirkt rascher als Infus. Digital. und schließt 
Intoxikationen durch zu starke Dosen aus. 


Kein Latenzzustand. Keine Cumulativwirkung. 
ein neues Diureticum. 


Leicht lösliches Doppelsalz des Theobromin (Thoobromin-Natrium-formicicum). 


Indikationen: 


Hydrops, Ascites, Nephritis. Bei kardiatem | 


. Hydrops wirkt eine Kombination mit Digalen vorzüglich. 


Verordnung: Am zweckmäßigsten ist die Ordination der 
Original-Tabletten. 1 Röhrchen Thephorin-Tabletten à 0,5 g. 
Originalpackung „Roche“. 


Dosis: 2—3 X 2 Tabletten pro die. 


. Ausführliche Literatur und Proben zur Verfügung. 





t HOFFAANN-LAROCHE & C'E, SZENE GRENZACH ooo 


Mit einer Beilage von E. Merck, Darmstadt. 


Verlag von Johann Ambroslus Barth in Leipzig. 
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. 
Alleinige Inseratenannahme durch Max Gelugor? Prerskalde. 


— Eu 


~ Zentralblatt für AIR. 


herausgegeben von d 


K. GARRÈ, F. KÖNIG, E. RI CHJER, `~ S 


in Bonn, in Berlin, in Bresjau. lo r 
a 
BAR 
f A 


35. Jahrgang. D 
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG. 





Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger 
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten. 


Nr. 52. Sonnabend, den 26. Dezember. 1908. 





RHEUMASAN 


des Dr. R. Reiss 
externe Salicyltherapie gegen Rhenmatismus, Gicht, Ischias, Migräne, Pleuritis, Tylosis. 


Dasselbe verstärkt sich als 


Ester-Dermasan + Teer-Dermasan 
Chrysarobin-Dermasan 


gegen die meisten Arten von Hautkrankheiten in Tuben und Töpfen, 
Ester-Dermasan auch in Vaginal-Kapseln 
gegen Parametritis, Perimetritis, Oophoritis u. a. 


Chemische Werke Dr. Albert Friedlaender, G. m. b. H., Berlin W. 36, 


Literatur und Proben kostenlos. 

















bei allen Neurosen des Zir- 
kulations-, Verdauungs- und 
Zentral-Nervensystems, 


Steril-Gatgut-Kuhn durch „Catgut-Versand‘ Kassel 
zeigt die spezif. Wirkung des Baldrians 


B \ in mehrfacher Multiplikation ohne un- 


(Borneol-Isovalerianat) angenehme Nebenwirkungen. 





Sedativum ersten Ranges 
Besondere Indikationen: 
Herz- u. Gefässneurosen, Hysterie, Hypochondrie, Neur- 
asthenie, nervöse Agrypnie u. Cephalalgie, Menstruations- 
beschwerden, Asthma nervosum, Atonia gastro-enterica. 


Dosis: Meist 3—4 mal täglich eine Perle. Originalschachteln zu 25 und 12 Perlen. 
Proben und Literatur zur Verfügung. 


J: D. RIEDEL A.-G., BERLIN N. 39 


ermann aertel - Breslau I. 


Fabrik chirurgischer Instrumente 

Weidenstraße 33: $ Bandagen, orthopäd. Apparate. 
1819 St h Instrumentenmacher der kgl. Universitäts - Kliniken 

819 gegr. Stammhaus. jn Breslau, sowie vialar Krankenhäuser Schleslang. 


Neyj: Probeexcisionszange 


n Nach Dr. Gotthard Schubert. 


raft-Appetit 


Fleisch.  Chinarinde 
Kalk-Lactlophosphat 


erzeugf 


an) 


L. £ H. VIAL & UAĦLMANN, FRANKFURT A 


Neu! Neu! 


Apparat zur Magenuntersuchung 


nach Dr. Schlaepfer, Marburg. 
Preis M.3.— => Vorgeschriebene Suppe dazu M. 1.50. 


Erhältlich in allen Apotheken und einschlägigen Geschäften, sowie bei 
der General-Vertretung 


WILHELM HOLZHAUER 


Fabrik medizinischer Bedarfsartikel, Bandagen und Verbandstofie 


Marburg (Hessen). 





Blutbildendes Kräftigungs- und Nährmittel! 


graunschweiger IM AD AMI IMI E. 


Ältestes Malzpräparat — alkoholfreler flüssiger Malzextrakt. 


Ein hervorragendes diätisches Nähr- und Stärkungsmittel für alle 
Leidenden, besonders für blutarme schwächliche Personen und Kinder 
vom Säuglingsalter an. Wöchnerinnen gibt die Mumme reiche 
Nahrung. 40,02 °/, Maltose, 3,68°%/. Eiweißstoff, 0,50%. Phosphorsäure. 
Wird wegen des angenehmen wlürzigen Malzgeschmackes sehr gern genommen 
und ist sehr bekömmilich. 
Den Herren Ärzten Prospekte und Proben gratis und franko. 
Man verlange stets Marke Braunschweiger Mumme-Brauerei 
H. C. F. H.C.F.Nettelbeck, Ges. m. b. H. 


Braunschweig, Beckenwerker Str. 26. 





i enthält im Pfund 20 Gramm trockenes, chemisch. | 
Haoemacolade reines Haemoglobin neben Kakao, Zucker, Stärke- 
1 Pfund 2— Mark mehl und Chlornatrium. 


Guajacolade ist Haemacolade, weiche im Pfund 25 Gramm Kal. 


1 Pfund 3.— Mark sulfoguajacolic. enthält. 


ist Haemacolade, weiche im Pfund 12,5 Gramm 
Jomacolade Kal, jodat. enthält. 
1 Pfund 3.— Mark 
Die drei Präparate werden allgemein sehr gelobt und „als äußerst glückliche 
Mischung“, „sehr wohlschmeckend und bekömmlich“ und „sehr preiswert“ 
bezeichnet. — Schnelle Gewichtszunahme! (3—5—7—13—30 Pfund.) Werden 
wie Kakao gebrüht und getrunken. 


Versuchsquanten u. Literatur durch Fritz Sauer, Berlin W. 30. X. 


Rossel, Schwarz & Co., Wiesbaden 


Fabrik heilgymnastischer und orthopädischer Apparate. 
Alleinfabrikation der Apparate 
System Dr. Herz, Wien. 
Alleinfabrikation der Apparate 
System Dr. G. Zander, Stockholm. 


Alleinfabrikation der elektrischen Heißluft- 
apparate System Dr. Tyrnauer, Karlsbad. 
gleichzeitig als Widefstande- _ 


ž = Pendelapparate, apparate verwendbar, 


Erstklassiges Fabrikat mit | Literatur und Offerte umge 
EEE N weitgehendster Garantie. | gratis und franko. ur 
Feinste in- und ausländische Referenzen. Patente in allen Kulturstaaten. 





MARKE „ROCHE“ 


~ Airol Benzosalin | - Protylin 
COerechioser, dngiftiger Ersats des Phospborelwelss mit 2,0%, entgiitelem 
Wesdbehanliong Verbrennungen | = Mn aaen ia i tratant 
utgeschwäre. (2,3% Eisen) Anämie und Chiprosen. 
Verordnung: Als Streupufver, Gase, Brem-P 
10%, Colodium, Otycarta- Emulsion, 
. Salts end Bougies. 


e 
Digalen 
gibt der Diglallstnerapie Dei Herskraakheiten 
Anwendung: per, on eubcutas, isisuvesös end 
Coinula 


Keine kung Kel 
S oder 13 herit i Original une Dignes 
a Da 


F. HOFFMANN-LA ROCHE & C' 


Yan GRENZACH 
ec m (BADEN) 


» Secacornin 
Sterile tuag wirksamen Bentsadtielis 


D ccm. Socasernia «= 4 gs. Secale corastum. 
Indicstionen :-Geburishülle ned Gyuisaingte 
Anwendung: ung 
Verard 6 Osigfnatllacen Roche”. 
ek Ta eara, Anpanen Ampeien bi am. 
riginalca : i 


Sirolin | Sullosotsirup 


ein idosles Präparat for die Gusjacab entgiitetes Kreosot ia Sirspiorm, 
apie er 


Wehtriechender, angoscia sad | . 
un i Broachi ya ide 
ufose, B caiie, talarrde, ektasieo, putr 
Tuderk = ron i 
Geste und dequemste Aawendun Man verordae sieta Han verordne stets 
form: Triocoltabieisen 03 ne Originaipackuag Rochi" @riginaipackuag 


Proben nna Literatur zur Verfüguns 


MARKE „ROCHE“ 


Verlag von Johann Ambrosius Barth in Leipzig. 
Druck von Breitkopf & Härtel in ne 
Alleiaige Inserstenannahme durch Max Gelsdor berswalde. 





Zentralblatt, für Chirurgie 


herausgegeben von 


K. GARRE, F. KÖNIG, 


in Bonn, in Berlin, 












Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, Nalbjähriger 
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten. 


Nr. 35. Sonnabend, den 29. August. 1908. 


Hydrozon (H, O,) -Zahnpasta. 


Das Wasserstoffsuperoxyd entwickelt bei Be- 
rübrung mit dem Speichel freies O, weiches in 
statu nascendi ungemein stark desinfizierend und 
desodorisierend wirkt. 


Sichere Verhinderung von stomatitis mercurialis, Schnellste Beseitigung von foetor ux ore. 
Poarson & Co., @. m. b. H., Hamburg. 


SPEZIALPRAPARATE MARKE ROCHE 
D igalen JShephorin 


gibt der Digitalistherapie bei | Leicht lösliches Doppelsalz 
















Herzkrankheiten des Theobromin 
eine sichere Grundlage. (Theobromin natrium - Natrium formicic.) 
Indikationen: 
Dilatatio cordis, Myocarditis, Indikationen: 
Insufficienz und Hydrops, Ascites, Nephritis. 
Compensationsstörungen. Bei kardialem Hydrops wirkt 
Anwendung: eine Kombination mit Digalen 
per os, subcutan, intravenös vorzüglich. 


und intramusculär. 
Keine Cumulativwirkung. 
Kein Latenzzustand. Verordnung: 








Verordnung: 1 Röhrchen Thephorin-Tabletten 
1 Originalflak. Digalen =15ccm. | A 0,5 gr. Originalpackg. „Roche“. 






Proben und Literatur zur Verfügung. 


LRE N E aN ENARA: A, TA IM ET 
Medizinischer Anzeiger. 


Dr. Reiß’ Ester-Dermasan- 


e 
Vaginal-Kapseln 
enthaltend freie, durch die Vagina 
leicht resorbierbare Salicylsäure 
gegen 
Parametritis, Perimetritis, Oophoritis 


sowie besonders verstärkt gegen 


Gonorrhoe. 


Literatur und Proben kostenlos durch 
Chemische Werke Dr. Albert Friedländer 
G. m. b. H. 
BERLIN W 35, Genthinerstraße 15. 








| 


ALYPIN-TABLETTE 


Alypin-Suprarenin „Tabletten 
Form A. Alypin 0,02, Supr. bor. 0,00013, | Form C. Alypin 0,2, Supr. bor. 0,00033, 
Form B. >» 005, > » 0,00033, | Form D. > ‚06, > > 0,00039, 


sur Herstellung von een Lösungen zur subkutanen Injektion für lokale und lumbale 
Anästhesie werden mit Lizenz der Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co., Elberfeld, hergestellt von 


G. POHL, Fabrik pharmazeut. Präparate, SCHÖNBAUM - DANZIG. 














BADEN-BADEN 


Kochsalzthermen mit hervorragendem Gehalt an Lithium und Arsenik 44—690 C. 
Neue Großherzogliche Badeanstalten 


Friedrichsbad und Kaiserin Augustabad 
während des ganzen Jahres geöffnet. 
Musteranstalten von größter Vollkommenbeit und Eleganz, Tbermalbäder, römisch-irische Bäder 
(Naturdampf), mineral. und medizin. Bäder jeder Art. Fango-Jango-Behandlung, Tallerman’sche Be- 
handlung. Köhlensaure Bäder, elektrische Lichtbäder, Abteilung für Kaltwasserbehandlung. Anstalten 
für mechanische Hellgymnastik (Dr. Zander) in beiden Bädern. Neuee Inbalatorium bester 
Systeme. Frcic Iinhalation zerstäubten Thermalwassers nach en Waßmuth. 
nzel-Inhalationen zerstäubter Soole- und medicamentöser Fiüssigkeiten nach 
jahr. Schnitzler, Lewin und Heyer, Saneren ap rat. Pneumatische Apparate von 
. Dupont-Mathieu. Dr. Hartmanns Lignosulfit-inbalation. Trinkkuren in der Trink- 
halle (Hauptstollenquelle) ärztlich empfohlen gegen Gicht in allen Formen, Gries- und Steia- 
beschwerden, Nieren- und Biasenleiden und gegen chronische Katharre der Atmungs- und 
Verdauungsorgane. Mineralwasser und Quellsalze aller bedeutenden Heilquellen. Großh. Badearzt. 
Privatanstalten für Thermalbäder. Privatheilanstalten jeder Art; Terrainkuren, Molkenanstalt, 
Miichkur. Versand des an Lithium reichsten Wassers der Hauptstollenquelle durch die Triak- 
halleverwaltung. — Konversationshaus. Ausgezeichnetes Kurorchester. Vergnügungen, Spiele und 
Kunstgenüsse jeder Art. Sommer- und Wintersaison. Vorzügliches Klima, Weltberühmte Lage. 
Mitttlere Jahrestemperatur + 8, 














Fe Ser nr ann nr Sm a er net em met OE 





Internationale Bibliographie. 


Beranek, Jul., Was 2000 Tote mir erzählten. Gedankenbild m. 12 Übersichten. 
(208.m.12 Tab.) gr.80. Wien, A. Opitz Nachf. ’08. I 
Berndt, Eduard, Sicherer Weg zur Heilung der Syphilis. Die Mittel u. Wege zur 
Heilg. der Syphilis im Anfangs-Stadium u. Besserg. in veralteten, fast trost- 
losen Fällen. (29 8.) 8%. Hamburg, W. Digel '08. bar 1.— 

Eisner, Wolf, Ophthalmie and cutaneous diagnosis of tuberculosis. Roy.-80. 2. Pag.) 
Lond., Bale Sons & D. 

Frosch, Greeff v. Clausen, Untersuchungen üb. die Entstehung u. die Eakeihdlanr 
des Trachoms. (Unteres. in re i. Pr. v. Clausen.) 5 A.) (12 S.m.1farb. 
Taf.) gr. 8°. Jena, G. Fischer ' 1.— 

Haselberg, v., Tafeln zur Entlarvung der Simulation einseitiger Blindheit u. Schwach- 
sichtigkeit. Nach Snellen entworfen. 2.verm. Aufl. (2S.auf Karton.) 44><30,5cm. 


Nebst Text. (22 S.) 80. Wiesbaden, J. F. Bergmann ’08. In Mappe 1.80 
en Joh., Die Pflege der Geisteskranken. Leitfaden f. Irrenpfleger. (156 S. m. 
1 Taf.) gr. 80. Prag. Bursík & Kohout ’08 2.10 


Leopold, G., u. Theod. Leisewitz, Geburthilflicher Röntgen-Atlas. 100 Taf. in Lichtdr. 
m. begleit. Text deutsch, an französisch. (In 10 Lfgn.) 1. Lfg. a Taf. 
m. 11 Bl. Text.) 49><33 cm esden, v. Zahn & Jaensch ’08 10.— 

Liebreich, Rich., Die Asymmetrie des Gesichtes u. ihre Bo (26 S. m. 14 
Abbildgn.) "Lex.-80. Wiesbaden, J. F. Bergmann ’08. 2.— 

Maag, Dr. P., Der Weg zur Gesundheit. Medizinische Betrachtgn. f. denk. Laien. 
2. Aufl. (LIT, 257 S.) 80. Zürich, Schultheß & Co. ’08. 8.— ; geb. 3.60 

Mac Lachlan, J., Applied anatom surgical medical and operative. 4th ed. rewritten 
by A. Scott-Skirving. 120, New York, W. Wood & Co. $ 


Fortsetzung auf Seite 5 des Umschlags. 


Gesellschaft für Chemische Industrie In Basel (Schweiz). Aus Pflanzensa- 
Adresse für Deutschland und Österreich: Leopoldshöhe in Baden. men hergestellt. 


N Hauptphosphorreserve- 
s stoff der grünen Pflanze. 
Vollständig definiertes, na- 
türliches Phosphorpräpa- 
rat mit 22,80/, organisch 
gebundenem Phosphor in 
Í vollkommen assimilier- 


barer, ungiftiger Form. 
a le af i Nerven stärkend, Stoffwechsel und Appetit anregend, blut- 
NatürlichesKräftigungsmittel, bildend, das Körpergewicht erhöhend, bewährt bei nervöser 
Rp. 1 Originalschachtel Phytin. Schlaflosigkeit, Dosis: 1 g pro die. Preis M. 2.80 Detail. 
In Originalgläsern für die Kassenpraxis., 
PHYTIN. LIQUIDUM Zirka 6 Tage reichend, Preis M. 1.20 Détail. 
CHININPHYTIN Enthält 57°, Chininbase u. 43%, Phytinsäure. Ver- 
einigt die bedeutenden therapeut. Eigenschaften des Phytin 
und Chinin. Leicht lösliches Präparat. Indiziert bei Neuralglen, Migräne, Puerperalfieber, 
Typhus abdominalis, Diabetes etc. sowie bei Malaria u. Malaria-Kachexie. 


Rp. !ı Originalglas Chininphytin (50 Tabletten) M. 2.— Détail. 
Rp. !a Originalglas Chininphytin (25 Tabletten) M. 1.10 Détail. 


In versilberten Tabletten von 0,1 g. Muster und Literatur gratis und franco. 


ademanns BE Perg 17407: eng Fremen ademanns Kindernährinittel: 
Weißbrot, Schwarzbrot, Grahambrot, Hafermehl, Haferkakao, Nährzwieback, 
Mandelbrot, Zwieback, Mehl, Kakao Milchzucker, Nährbiskuits ete. 
«00. Jiraeliu A EA EN ademanns diätet. Fabrikate 

ademanns Diabetiker: für Magen- u. Darmkranke, Blutarme, 
Früchte entzuckert und Früchte im Rekonvaleszenten, Nähr-Toast, Milch- 
Er 09 7 19 AAEN TET CER 

ademanns Diabetiker: ademanns sterilisiert. Rahm 
Mosel-, Rhein- und Bordeaux-Weine, 
u R ademanns 

*Friedrichsdorf.Zwieback 


ademanns Kindermehl 


Ausfühliche Kataloge gern gratis und franko zu Diensten. 


Rademanns Nährmittelfabrik, Frankfurt a. M, Berlin-Gharlolleudurg. 
















„Liquor ferro-ferrichlorati 
electr. paratus“ 


HYGIOPO 


ein auf elektrochemischem Wege hergestelltes 


Neues Eisenpräparat 


bewährt sich hervorragend bei 
BLEICHSUCHT und BLUTARMUT 
SCROFULOSE, TUBERKULOSE 
NERVENLEIDEN, MENSTRU- 
ATIONSBESCHWERDEN 

























HYGIOPON 


erbringt in seiner Dar- 
stellung undWirksamkeit 
eine völlig neuartige 
















u re Methode der direkten Kräf- 
krank- 
Schwächezuständen nach tigung und Ernährung 


haft veränderten Blutes. 


Im HYGIOPON ist das Eisen in 


einer Form gelöst, welche dem Vorkommen 
des Eisens im tierischen Organismus sehr 
nahe kommt. 

Seine absolute Unschädlichkeit für Magen und Darm 
ist klinisch nachgewiesen. 

Vonärztlichen Autoritäten glänzend begutachtet nu. empfohlen. 


Preis der Originalflasche M. 3.—. — Zu beziehen durch 
die Apotheken. — Dosierung: A. Für Erwachsene 2—3 mal täg- 

lich 2—5 Tropfen. B. Für Kinder und Magendarmkranke 2—3 mal 

täglich 1—3 Tropfen in einem Weinglase Wasser, Limonade etc. 


Operationen,Geburten 
und schwer eingreifen- 
den Erkrankungen 
edler Organe. 

































Literatur u. Probeflaschen stehen den Herren Ärzten kostenlos zur Verfügung. 


Berliner elektrochemische Werke, 6.m.b.u.,BerlinW.9, 


Vorzüglich bewährt: In der Therapie des Ulcus 

a JM AR Ventriculi neben der Milch und als Ersatz der- 

° ° selben, ebenso bei anderen Reizzuständen 

ee Verdauungsap arais, nypa 

. arcinom, chron. Darmkatarrh, ferner als 

fü _Fgenleidende und Hauptbestandteil der salzarmen Diät bei 
ur Nephritis, endlich in allen Fällen von Unter- 
ernährung, in welchen Schonung des Verdau- 


Pfeconvalescenten ungsapparates indiciert ist, bei chronischen 

und selbst akuten Fieberzuständen, Recon- 

eine leichtverdauliche, wohlschmeckende, billige | valescenz, Anaemie, Phthise. Bei Mast- 
Kraft- und Krankennahrung. kuren leistet Odda M. R.“ sehr wertvolle Dienste. 


Das Präparat ist neben nur noch einem Nährpräparat in das von der Zentralkom- 
mission der Krankenkassen Berlins und der Vororte herausgegebene Arznei-Verord- 
—— nungsbuch aufgenommen und zur ungehinderten Verordnung freigegeben. — 


Odda Z neue -Aindernahrung "0h fiering. o 


Frei von Fetten mit flüchtigen Fettsäuren. Hoher- Phos- 
phor-(Lecithin-)Gehalt. Bewährt. Mischungsverhältnis lösl. u. unlösl. Kohlehydrate., 


Odda M.R. 1/1 B. Inh. 400 gr 2.00 Mk., !/a B. Inh. 200 gr 1,10 Mk., Krankenkassenp, 0,75 Mk. 
Odda K. 1/ B. Inh. 400gr 1,40 Mk., 1/2 B. Inh. 200 gr 0,80 Mk. 


Proben und Literatur kostenfrei. 
Deutsche Nährmittelwerke Strehlen in Schlesien. 


|Spermathanaton. 


Ein dezentes, sicher wirkendes AntiKonzipiens. 

Kein Apparat, Wirkung mittels Sauerstoffs, unschädlich und nicht reizend, 

Das einzige Präparat, welches der Arzt ruhig verordnen kann. 
Literatur und Proben stehen zur Verfügung. 


Chemisches Laboratorium Nassovia, G. m. b. H., Wiesbaden. 

































Internationale Bibliographie. 


f Fortsetzung von Seite 3 des Umsohlags. 
Nenadovics, L., Die Herzkrankheiten. Ihre Ursachen u. kurörtl. Behandig. (XII, 

144 S.) 80. Franzensbad, E. A. Götz ’08. 2.50 

Publikationen, militärzärztliche. kl. 8°. Wien, J. Šafář. | 

Nr. 117. Cron, Feldtaschenbuch f. den Sanitätsdienst im Kriege. 2. Aufl. II. Heft: 1. Tl. des sani- 
tätsoperativen u. sanitätsakt. Dienstes, enth.: Grundsätze f. sanitäre Dale u. Dienstverkehr. Sani- 
tätsdienst außerhalb des Gefechtes. Grundzüge des Sanitätsdienstes im Rückengebiete der Armee- 
Mit Abbildgn. (154 af os. : Kart. 2.70. 

Sammlung klinischer Vorträge, begründet von Rich. v. Volkmann. Neue Folge, 

hreg. v. O. Hildebrand, Frdr. Müller u. Frz. v. Winckel. Lex.-80. Leipzig, J. A 

Barth. Jede Nr., Subskr.-Pr. —.50; Einzelpr. —.75 

487. Herf. Otto r., Im Kampfe gegen das Kindbettfieber. (34 8.) ’08. 

458. Pfannenstiel. J., Über abdominale u. vaginale Köliotomien. Eine vergleich. Studie üb. den 
Wert u. die Leistungsfähigkeit beider Operationen nebst Bemerkgn. zur Indikationsstellung und 
Technik. (13 3.) '08. 

480— 191. Ebner, Ad., Über den heutigen Stand der Erkennung u. Behandlung der Appendizitis. ]. 
Erörtert an 550 v. Garrö behandelten Fällen. (88 S.) '08. 

494.495. — — II. (69 8.) ‘u8. 

492.103. Ahlfeld, F.. Der praktische Arzt u. die Händegefahr. Mit 8 Taf. (55 S.) `08. 

496. Martin, A., Überblick üb. d. Entwicklungen d. modernen gynäkolog. Operationstechnik. (10 S.) ’uS. 

Schumacher, E. D., Unfälle durch elektrische Starkströme. Eine klin. u. gerichtlich- 
medizin. Studie. (III, 83 S.) Lex.-80. Wiesbaden, J. F. Bergmann ’08. 2.— 
Seelmann, Assess., Die ärztliche Begutachtung in Invaliden- u. Krankenversicherungs- 
sachen. Zum prakt. Gebrauch f. Arzte, Krankenkassen u. Verwaltungsbehörden. 

(IV, 64 S.) gr. 80. Leipzig, F. C. W. Vogel ’08. 2.50 

Thomson, John, Guide to the clinical examination and treatment of sick children. 
2d ed. rewritten. 80. (658 pag.) Lond., W. Green. 12s. 6d. 
Fortsetzung auf Seite 7 des Umschlags. 


Villensanatorium Oberhof 
D AVOS Dr. F. JESSEN 


Prospekte. 








Hermann Kaertel - Breslau I. 


ago Fabrik chirurgischer Instrumente 
Weidenstraße 33. KL Bandagen, orthopäd. Apparate. f 
Instrumentenmacher der kgl. Universitäts - Kliniken 
in Breslau, sowie vieler Krankenhäuser Schlesiens. 


Neu: Probeexcisionszange 


n Aach Dr. Gotthard Schubert. 











1819 gegr. Stammhaus. 





Blutbildendes Kräftigungs- und Nährmittel! 


ehe MUMMIE 
Braunschweiger 


Ältestes Malzpräparat — alkoholfreier flüssiger Malzextrakt. 


Ein hervorragendes diätisches Nähr- und Stärkungsmittel für alle 
Leidenden, besonders für blutarme schwächliche Personen und Kinder 
vom Säuglingsalter an. Wöchnerinnen gibt die Mumme reiche 
Nahrung. 49,02 °/, Maltose, 3,69 °/, Eiweißstoff, 0,50% Phosphorsäure. 
Wird wegen des angenehmen würzigen Malzgeschmackes sehr gern genommen 
„und ist sehr bekömmlich. 
Ci Den Herren Ärzten Prospekte und Proben gratis und franko. 
Man verlange stets Marke Braunschweiger Mumme-Brauerei 


F H.C.F.NettelbeckK, Ges.m.b.H. 
a 2 


Braunschweig, Beckenwerker Str. 26. 





GUTTAPLASTE 


Beiersdorfs Quttapercha-Pflastermulle nach Dr. P. G, Unna, 
ausgezeichnet vor allen andern medikamentösen Pflastern durch 


Wirksamkeit » Klebkraft + Haltbarkeit 


Die Guttaplaste enthalten die Arzneistoffe, auf das 
gleichmäßigste verteilt, in einer vollkommen reiz- 
losen und stark klebenden Kautschukgrundmasse 
eingebettet. Sie sind aufeine undurchlässige Schicht 
von Guttaperchamull gestrichen, unter der die Auf- 
nahmefähigkeit der Haut und die Tiefenwirkung 
der Arzneistoffe des Pflasters überaus gesteigert 
werden. Sie sind wirksamer als alle anderen me- 
dikamentösen Pflaster und sparsamer als Salben. 
Am meisten werden gebraucht: 


Guttaplast Nr. 24 mit Zincum oxydatum 
Nr. 15 mit Hydrargyrum 
Nr. 16 mit Acidum carbolicum und Hydrargyrum 
Nr. 10 mit Acidum salicylicum 
Nr. 2 mit Acidum boricum 
Muster, Literatur und Listen kostenfrei. 


P. BEIERSDORF & Co. o HAMBURG 





GECHE2HESHHESCOGECHHHEGEHEELYDEEHHS6EDEEEHEIHGBEEBEH 5ER 


Frequenz über 30,000 Personon. o Saison Mai — Oktober. 
Hervorragendes Solebad, 

bedeutendster klimatischer Kurort in den bayerischen Alpen. 
Größte puoumatisoho u. Inhalations-Anstaltem der Welt, Bad- u. Trinkkuren 
aller Art. Gradierhaus, Kaliwasssrhellsanalen, Terrainkuren nach Prof. Örtel, Hellgymnastik. 
Bowährt bei Erkrankungen der Lunge (Asthma uad upaya), der oberen "Luftwege (Nase, 
Secam Kehlkopf) und des Herzens, bei Frauenleldom (Exsudate, chron. Entzündungen), 
Kropi hulose, Rachitis, Rekonvaleszenz, Rheumatismus u.A. Besteingerichtetes Kurhaus, vorzüg- 
ehe urkapelle, 3 Kurparke, Tennisplätze, Theater, Reunions und Konzerte; 250km Promenaden- 

® c2.63352205089BI1CIC90ICHBL9BE6 HEHE EEOI5O5089D 
Durch einfaches an von „Kefyrogen“ in Milch erhält man is Pf echt kaukasischen Kefyr. 
Indikatlomı Lungen-, Magen-u. Auerenlelden; Blutarmut, Nervosität u. in der Reconvalesoenz 
Literatur 
Preis pro Schti. (f.30 Ltr.) M. 2.—, auf Wunsch Arztepreis M.1.50. 


wege, rin adelwälder. Wohnungsliste durch das Wohnungsbursau. Illustrierter 
rstellungekosten eines Liters nur 25 

über Kef Iyrtheraple: P R. O. Neumann- Heideiberg, Geh. Med. - Rat Prof, 

Fabrik chem.pharm. Präparate Apotheker A. Rosenberger, BerlinN.28. 


























Prospekt durch die Bureaus von Rudolf Mosso, zahlreiche Verkohrsbureaus und das 
Kol. Bedkommissarlat. 
oinzigos dontsches Reichspatont zur oiufachsten und billigsten Herstellung von i 
2e 
se Nähr-Hefyr Pa 

Vorzüge: Höchste ae lab gkeit, 50°, mehr Formentierung als bei jedem anderen 
Präparat. Sichere Kontrolle über Alter und gleichmäßige Besc enheit des Kefyras. 
Eulenburg-Berlin, Prof. Dr Rabow- Straßburg, Dr. Lorenz-Berlin, Dr. Pickardt-Berlin usw. 

Versuchsproben und Literatur gratis. (Nur Arzte-Reklame.) 







Internationale Bibliographie. 


Fortsetzung von Seite 5 des Umschlags. 

Zeitschrift, biochemische. Beiträge zur chem. Physiologie u. nie: Hrsg. v. 
E. Buchner, P. Ehrlich, F. Hofmeister, C. v. Noorden, E. Salko N. Zuntz. 
Red. v. C. Neuberg. 12. Bd. 6 Hefte. (1. u. 2. Heft. 202 S.) gr. 80. Berlin, J. 
Springe r ’08. 12.— 

träge zur chemischen Physiologie u. Pathologie werden hiermit vere 

—— Dieselbe. Festband H. J. ae ewidmet. M. Einleit. v V. e Erait Cohen. 
gr. 8. (XXXIIH, 448 S. m. 5 Taf Heliogr.) Berlin, J. Springer. 12.— 


Basler Chemische Fabrik, Basel (Schweiz). 
Adresse für Deutschland und Österreich-Ungarn: Leopoldshöhe i. Baden. 
vIOFORM (Jodchloroxychinolin). Jodreiches, sterili- 
sierbares und geruchloses Ersatzmittel des 
Jodoform. Einziges Ersatzmittel d. Jodoform beituberkulösen Affektionen. 
— Literatur und Proben steben zu Diensten. =M 










Verlag von Johann Ambrosius Barth in Leipzig. 
Diagnostische Assoziationsstudien. 


Beiträge zur experimentellen Psychopathologie. 
Herausgegeben von Dr. C. G. Jung. 
l. Band. Lex.-8%, IV,281 S. 1906. M. 12.—. 


Inhalt. Vorwort: Über die Bedeutung von A von Professor Bleuler. — 


e apeme Untersuchungen über Assoziationen Gesunder von G erg und Fr. Riklin. — 
ll. r die Assoziationen von Imbezilien ı und Idioten von K. Wohin, — Ill. Analyse der Assozia- 
tionen eines Epileptikers von C. G. Jun IV. Über das Verhalten der Reaktionszeit beim Assozia- 


tionsexperiment von C. G. Jung. — vußtsein und Assoziation von Prof. Bleuier. — VI. Psycho- 


analyse und Assozlationsexperiment von C. G. Yo ng. 
Diese Studien sad 2 den Bänden Ill—Vil des Journals für Psychologie und Neurologie zuerst 


erschienen und wurden hier wieder abgedruckt. ia ihrer Zusammenstellung werden sie bei Psychlatern 
und Psychologen sicher Elfi Interesse erregen. 








HARTMANN’ 


garantiert keimfreies 


Chirurg. Nähmaterial 


> „Ideal“ D.R.P. 


(Seide, Catgut, Silkwormgut usw.) 
in zugeschmolzenen Gläsern mit Sprengnaht. 





| = 
a EETA LEART PE 





Keine Verletzung beim | l 
Öffnen der Tuben zu k mela 
befürchten! Prospekte gratis zu Diensten! 


Durch alle Apotheken, Instrumentengeschäfte usw. erhältlich. 


a PAUL HARTMANN, Verbandstof- Fabriken, HEIDENHEIM a. B, 











Ovoga 


Fettstühlen usw. 





Euferrgl 







Perhydrol 


30 0/y = 100 Vol. 0/0 
Wasserstoffsuperoxyd-Merck, 


chem. rein, säurefrei. Ungiftiges, 
reizloses, energisches 


Desinäziens und Desodorans, 


hervorragend geeignet für die 


Wundbehandlung, 


besonders bei eiternden, jauchigen, 
| gangränösen Prozessen. 

Perhydrol findet ausgedehnte Ver- 
wendung in der Chirurgie, Oto-, 
Rhino- und Laryngologie, Gynä- 


kologie, Urologie, Dermatologie, 
Augen- und Zahnheilkunde. 
Originalflaschen ä ıo, 50, 200g. 


Neues Cholagogum. 


Indikationen: 
chronischen Katarrhen der Leber- 
(Gallensaures Eiweiß) und Gallenwege, Hyperchlorhydrie, 
Obstipationen (besonders bei Chlorotischen), Pankreas- 
leiden, Darmdyspepsien, Dünndarm -Krankheiten, 
Originalschachteln zu 50 Kapseln. 


Dosis: Täglich mehrmals 3—4 Kapseln oder 3—4 mal 
.einen halben Teelöffel voll in Wasser, Tee bezw. Kaffee. 






Bei allen akuten und 





Bestes Arsen-Eisen-Präparat 
gegen Anämie und Chlorose. 


Jede Perle enthält die in einem Eßlöffel 
der natürlichen medizinischen 
Eisenwässer vorhandene Menge Eisen (ca. 0.012 bis 0.014 g) 
und arsenige Säure (ca. 0.000006 g) in Mandelöl gelöst. 
Dosis: Täglich 1—3 mal 3 Perlen. 
Originalschachteln zu 100 Perlen. 


nn ne 
Proben und Literatur stehen den Herren Ärzten kostenlos zu Diensten. 


J. D. Riedel A.-G., Berlin N. 39. 


Arsen- 


Autithyreoidin- 


Möbius 


(Thyreoid-Serum). 


In zahlreichen Fällen bewährtes 
Mittel gegen 


Morbus Basedowii, 
bewirkt baldigen Rückgang der 
Struma, des Exophthalmus und der 
Tachykardie, sowie Nachlassen des 
Tremors, der Schweisse und der 
nervösen Symptome. 


Antithyreoidin 
wird durchweg sehr gut vertragen 
und ruft meist deutliche Hebung 
des Allgemeinbefindens hervor. 


Originalflaschen à ro cm3. 


Literatur u. Proben gratis und franko. $ Literatur u. Proben gratis und franko. 


E. MERCK-DARMSTADT. 








Zentralblatt für Chirurgie 


herausgegeben von 


K. GARRE, F. KÖNIG, E. RICHTER, 


in Bonn, in Berlin, in Breslau. 





35. Jahrgang. 
VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG. 


Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger 
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten. 


Nr. 35. Beilage. 1908. 


Bericht über die Verhandlungen 


der 


Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, 


XXXVII. Kongreß, 
abgehalten von 21.-24. April 1908 


im Langenbeck-Hause. 


Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. 
1908. 


Inhalt. 


Allgemeine Pathologie und Therapie: 1) Trendelenburg, Operationsbehandlung der 
Embolie der Lungenarterie. — 2) Kümmell, Frühes Aufstehenlassen Laparotomierter. — 3) Frän- 
kel, 4) Ranzi, Postoperative Thrombose und Embolie. — 5) Czerny, Blitzbehandlung der Krebse. 
— 6) Müller, Präparate zu Lehrzwecken. — 7) Neuber, Skopolaminnarkose. — 8) Gilmer, Lum- 
bale Lokalanästhesie. — 9) Bier, Neuer Weg zur Lokalanästhesie. — 10) Müller und Preiser, 
Behandlung von Eiterangen mit proteolytischem Leukocytenferment bzw. Antiferment. — 
11) Schoene, Transplantation körperfremder Gewebe. — 12) Kocher, Zur Transplantation der 
Schilddrüsen. — 18) v. Haberer, Zur Verpflanzung der Nebenniere in die Niere. — 14) Lexer, 
Die Verwendung der freien Knochenplastik nebst Versuchen über Gelenkversteifung und Gelenk- 
transplantation. — 15) Heidenhain, 16) Barth, 17) Brentano, Zur Knochenplastik. — 18) v. Brunn, 
19) Heusner, Hautdesinfektion. — 20) Klapp u. Dönitz, Chirosoter. — 21) Wederhake, Derma- 


gummit. — 22) Chlumsky, Catgutsterilisation. — 28) Spechtenhauser, Wienerdraht. — 24) Do- 
berauer, Allmähliche Zuschnürung von Gefäßen. — 25) Föderl, Aktinomykose. — 26) Fessler, 
Wirkung des Spitzgeschosses. 

Kopf: 27) Franz, Krönlein’sche Schädelschüsse. — 28) Schlesinger, Traumatische Meningitis. — 

, 29) Salzer, Cephalokele. — 80) Haasler, Zur Hirnchirurgie. — 81) Payr, 32) Heile, 33) Sprin- 
ger, Hydrocephalus. — 84) Krause, Zur Hirnchirurgie. — 35) Tietze, 36) Martens, Zur Klein- 
hirnchirurgie. — 37) Erdheim und Stumme, Schwangerschaftsveränderung der Hypophyse. — 
88) Hochenegg, Akromegalie bei Hypophyscntumor. — 39) Eckstein, Nasenplastik. 

Hals: 40) Doilinger, Subkutane Lymphdrüsenexstirpation. — 41) Kocher, Blutuntersuchung bei 
Basedow. — 42) Lauper, 43) v. Hacker, Speiseröhrenkrebs. — 44) Gottstein, Kardiospasmus. 
— 45) Voelcker, Exstirpation der Cardia. 

Brust: 46) König, Rippenbrüche und traumatisches Emphysem. — 47) Schmieden, 48) Dreyer, 
49) Brauer, 50) Küttner, Druckdifferenzverfahren. — 51) Mayer, Apparat zur Überdrucknarkose. 
— 52) Seidel, Chondrotomie bei Spitzentuberkulose. — 53) Friedrich, Kostoplastische Pneumo- 
lysis. — 54) Perthes, Chronischer Lungenabszeß. — 55) Friedrich, Volumenausgleich nach 
Lungenamputation. — 56) Braun, Geschwulst der Pleura. — 57) de Quervain, Fibroepitheliale 
Veränderungen der Mamma. 

Bauch: 58) Peiser, Fötale Peritonitis. — 59) Ritter, Brucheinklemmung. — 60) Schloffer, Ent- 
zündliche Bauchdeckengeschwülste nach Bruchoperationen. — 61) Brenner, Nabelbruchopera- 
tion. — 62) Rovsing, Gastro-Duodenoskopie. — 63) Junghans, 64) Middeldorpff, Fremdkörper 
im Magen. — 65) Rubritius, Operationen bei gutartigen Magenerkrankungen. — 66) Credé, 
67) Neuhaus, Gastroenterostomie. — 68) Moczkowicz, Aseptische Darmoperationen. — 69) Klapp, 
Entleerung infektiöser Flüssigkeitsansammlungen und chirurgische Darmentleerung. — 70) Braun, 
Enterokystom. — 71) Bunge, Spastischer Darmverschluß. — 72) Canon, 73) Heddaeus, Darm- 
ausschaltung. — 74) Graff, Milzexstirpation. — 75) Ruge, Zur Anatomie der Gallengänge — 
76) Exner und Heyrovsky, 77) Lampe, Cholelithiasis. — 78) H. Braun, Ganglioneurome. 

Harn- und Geschlechtsorgane: 79) Hinterstoisser, Harnröhrenverletzungen. — 80) Pels- 
Leusden, Harnröhrennaht. — 81) Wilms, Prostatektomie. — 82) Ehrhardt, Prostatakrebs. — 
88) Zuckerkandl, Nierensteine. — 84) Loewenhardt, Hydronephrose. 

Gliedmaßen: 85) Evler, Chromlederstreckverbände. — 86) Borchgrevink, 87) Klapp, 88) Heus- 
ner, 89) Krönlein, 90) Manasse, 91) Lampe, Apparate zur Behandlung von Knochenbrüchen. 
— 92) Küttner, Zur Prognose der traumatischen Verrenkungen. — 93) Dollinger, Veraltete 
Ellbogenverrenkungen. — 94) Stieda, Coxa valga. — 95) Goebel, Oberschenkelsarkom. — 96) Lud- 
loff, Osteochondritis dissecans des Knies. — 97) Müller, Gelenkmaus beim Hunde. — 98) Mus- 
kat, 99) v. Frisch, Plattfuß. 


Allgemeine Pathologie und Therapie. 


1) F. Trendelenburg (Leipzig). Über die operative Be- 
handlung der Embolie der Lungenarterie. 


Es ist zunächst die Frage zu erörtern, ob bei der Embolie der 
Lungenarterie diejenigen Vorbedingungen erfüllt werden können, ohne 
welche ein chirurgischer Eingriff nicht berechtigt sein würde, d. h. 
ob die Diagnose der Embolie mit der nötigen Sicherheit gestellt wer- 
den kann, und ob genügende Zeit für die Operation zu Gebote steht. 

Die erste Frage ist zu bejahen. Bei einer gewissen Mannigfaltig- 
keit der Symptome im einzelnen ist die Gesamtheit derselben doch 
sehr charakteristisch. Meist wird die Diagnose auch durch schon vor- 
her bekannte Nebenumstände gestützt, es ist eine Operation mit Frei- 
legung oder Unterbindung größerer Venen vorhergegangen, oder es 
besteht nachweislich eine Thrombose der Femoralis, oder es hat ein 
Knochenbruch an der unteren Extremität stattgefunden, oder der 
Kranke ist mit Varicen behaftet. Die Auskultation am Herzen er- 
gibt meist einen negativen Befund. Systolische oder systolische und 
diastolische Geräusche sprechen dafür, daß der Embolus sich noch 
im rechten Herzen aufhält. — Was die zweite Frage betrifft, so tritt 
der Tod keineswegs so häufig ganz plötzlich ein, wie man gewöhn- 
lich glaubt. Von neun Fällen von Embolie im Leipziger Kranken- 
haus endeten nur zwei ganz schnell, in 1—2 Minuten, tödlich, bei 
sieben Fällen verstrich eine Zeit von 10 Minuten bis zu einer Stunde, 
ehe der Kranke dem embolischen Anfall erlag. Bei mindestens der 
Hälfte der Fälle werden wenigstens 15 Minuten zu Gebote stehen, 
also in einem Krankenhause eine genügende Zeit für die Operation. 

Die Technik der Operation wird an Abbildungen und an einem 
Leichenherzen demonstriert. Sie entspricht der im Zentralbl. f. Chir. 
1908, Nr. 4 gegebenen Darstellung. Dem dort empfohlenen Lappen- 
schnitt zur Eröffnung des Thorax ist ein Querschnitt auf der zweiten 
Rippe und ein senkrechter Schnitt am linken Sternalrande vorzuziehen; 
die durch die Schnitte umschriebenen dreieckigen Hautmuskellappen 
werden zurückgeschlagen, der an das Sternum grenzende Teil der 
zweiten Rippe wird in einer Länge von 10—12 cm reseziert. 

Versuche an Tieren ergaben, daß die vollständige Kompression 
der Pulmonalis nur 45 Sekunden bis 2 Minuten ertragen wird, also 
viel weniger lange als die Kompression der Venae cavae, welche nach 
Sauerbruch’s Angabe bis zu 10 Minuten vertragen wird. Wahr- 
scheinlich versorgen bei Kompression der Cavae die Kranzvenen des 
Herzens das rechte Herz und den kleinen Kreislauf noch mit etwas 
Blut, während bei der Kompression der Pulmonalis jede Blutzufuhr 

1* 


ee Mi: u 


zu den Lungen abgeschnitten ist. Die gleichzeitige Kompression der 
Pulmonalis und der Aorta bietet dieselben Erscheinungen dar, wie 
die Kompression der Pulmonalis allein. 

Die Extraktion der Emboli aus der komprimierten und dann an- 
geschnittenen Pulmonalis muß also möglichst schnell geschehen. Die 
Zeit von 45 Sekunden ist aber für ein paar so einfache Handgriffe 
eine verhältnismäßig lange. Auch steht nichts im Wege, wenn man 
mehr Zeit braucht, die Arterie seitlich zuzuklemmen, die Kompression 
zu lösen, den Blutstrom für kurze Zeit durchzulassen, dann wieder zu 
komprimieren und mit dem Absuchen der Aste der Lungenarterie 
fortzufahren. 

Das in der früheren Veröffentlichung erwähnte Kalb, bei dem im 
Dezember 1907 ein 15 cm langer Embolus aus der Lungenarterie 
extrahiert war, wurde im März d. J. getötet. Das Präparat des 
Herzens wird demonstriert. Man erkennt an der Innenseite der Pul- 
monalis an einer ganz zirkumskripten schwieligen Verdickung die Stelle, 
wo die Arterie inzidiert wurde. Die eingeheilten Seidenfäden sind so- 
wohl an der Intima wie auch außen nirgends zu sehen, da sie von der 
Gewebswucherung überdeckt sind. 

Ein Versuch mit der Operation bei einer 7Ojährigen Frau führte 
nicht zum Ziel, da Pat. vor Beendigung der Operation starb. 


Nachschrift: 


Inzwischen sind wieder zwei Fälle von Embolie in der chirurgi- 
schen Klinik zu Leipzig zur Operation gekommen (vgl. Deutsche Zeit- 
schrift für Chirurgie Bd. XCIII, p. 282 und Deutsche med. Wochen- 
schrift 1908, Nr. 27). Beide Fälle beweisen die Durchführbar- 
keit der Operation beim Menschen. Bei der Operation schon pulslos, 
erholten sich die Kranken schnell nach Extraktion der bis zu 
34 cm langen Thrombenstücke aus der Pulmonalis. Der Blutverlust 
aus der Pulmonalis war minimal. Die erste Pat. starb 15 Stunden 
nach der Operation an Herzschwäche. Auch bei dem zweiten Kranken 
trat leider der Tod ein, aber erst 37 Stunden nach der Operation, und 
zwar infolge einer Nachblutung aus der Art. mammaria interna. In 
einem Pulmonalisaste steckte noch ein zurückgebliebener Embolus. 

(Selbstbericht.) 


2) Kümmell (Hamburg). Abkürzung des Heilungsverfahrens 
Laparotomierter durch frühes Aufstehenlassen. 


Nach einem historischen Überblick über die bisher ausgeübte 
Methode des Frühaufstehens Operierter und speziell Laparotomierter 
bespricht K. seine diesbezüglichen Erfahrungen auf diesem Gebiete. 
Seit Januar 1908 hat er über 164 Pat. zu verfügen, die zwischen dem 
1. und 3. Tage nach der Operation das Bett verlassen haben. Dabei 
befanden sich Herniotomien (50), Operationen nach Alexander- 
Adams (8), Appendektomien [& froid (56) und & chaud (20)], Exstir- 


er 5 we 


pationen von Ovarialkystomen (7), Myome (4), ferner Salpingektomien 
[Pyosalpinx und Tubargraviditäten], Cholecystektomien (3), Gastro- 
enterostomien, Enteroanastomosen (4) und Probelaparotomien. Den 
Beweggrund zum Abgange von der bisher üblichen Methode, Ope- 
rierte und Laparotomierte 14 Tage bis 3 Wochen strenge das Bett 
hüten zu lassen, bildete die auch von anderer Seite (amerikanische 
Chirurgen, deutsche Gynäkologen) gemachte Erfahrung, daß Em- 
bolien wesentlich verringert werden, wenn durch frühes Aufstehen, 
bald nach der stattgehabten Operation, also am 1.—3. Tage, ein 
den gewöhnlichen Lebensverhältnissen der Kranken möglichst gleicher 
Zustand herbeigeführt wird und die Tätigkeit des Herzens normalen 
Umständen entspricht. Tatsächlich haben die Erfahrungen anderer 
Operateure auf diesem Gebiet eine erhebliche Herabsetzung der Em- 
bolien und Thrombosen gezeitigt. 

Unter den 164 Fällen, die K. seiner speziellen Betrachtung unterzieht, 
ist nur eine unerhebliche Thrombose, dagegen keine Embolie eingetreten, 
während unter dem alten Modus im Jahre 1906 und 1907 bei nahezu 
gleicher Laparotomienzahl von ca. 600 etwa 1% Todesfälle an Em- 
bolie bzw. Thrombose eintraten. Einen nicht zu unterschätzenden 
Vorteil der neu geübten Methode erblickt indessen K. darin, daß 
wider alles Erwarten außerordentlich feste und derbe Narbenverhält- 
nisse geschaffen werden. Als Vorbedingung für die Methode führt 
K. an: 

1) Einwandsfreie Narkose ohne Erbrechen und weitere Kompli- 

kationen. 

2) Rasches Operieren und geringer Blutverlust. 

3) Aseptischer Wundverlauf. 

4) Derbe und feste Fasciennaht. 

Indessen ist hier wie bei jeglicher anderen Maßnahme von der- 
artig prinzipieller Bedeutung Schematisieren absolut verwerflich, hin- 
gegen verlangt auch hier die Bewertung der individuellen Eigenschaften 
der Pat. ihre volle Berücksichtigung. 

Nachteile der Methode hat K. bisher nie wahrgenommen, statt 
dessen hat sie sich bewährt 1) als sie die nach Laparotomien sonst 
so lästigen und quälenden Symptome gestörter Darmtätigkeit ver- 
ringert, 2) als sie das subjektive Wohlbefinden der Pat. steigert, 3) als 
sie die Kräftigung fördert, kurz als sie die Dauer der Rekonvaleszenz 
ganz wesentlich abkürzt und vor allen Dingen festere Narben schafft. 

(Selbstbericht.) 





3) A. Fränkel (Wien). Über postoperative Thrombose und 
Embolie. 


Die postoperative Thromboembolie steht in direkter ursächlicher 
Beziehung zur Operation; es muß demnach schon bei der Pro- 
gnose der letzteren mit dieser Eventualität gerechnet werden. Ein an- 
sehnlicher Prozentsatz der Operierten hat durch diesen Zustand teils 


ee A, gern 


unter einem unerwartet in die Länge gezogenen, von steter Gefahr 
bedrohten Krankenlager zu leiden oder erliegt dieser Komplikation. 
Nahezu 5 % der Laparotomierten akquirieren Thrombosen, und nahezu 
die Hälfte der Thrombosenfälle sind von Embolien gefolgt. 

Die Protokolle des Wiener pathologischen anatomischen Institutes 
wiesen für das Jahr 1906 allein achtzehn durch postoperative Lungen- 
embolie verursachte Todesfälle auf. Hierzu kommen noch eine er- 
hebliche Anzahl postoperativer embolischer Pneumonien. 

Zweierlei Arten von postoperativen Thrombosen sind zu unter- 
scheiden; zunächst jene, welche die Venen des ÜÖperationsgebietes 
selbst betreffen. Sie sind unzweifelhaft auf septische Wundinfektion 
zurückzuführen. — Thrombophlebitis septica. — 2) die entfernten 
Thrombosen; diese können sich an Fälle von anscheinend vollkommen 
aseptischem Wundverlauf anschließen, und die Venen des Operations- 
gebietes können dabei vollkommen frei bleiben; die Thrombose betrifft 
zumeist eine der Schenkelvenen — gewöhnlich die linke. Sie stellen 
reine Thrombosen dar, mit nur sehr geringen lokalen und allgemeinen 
Reaktionserscheinungen. Mit ausgesprochener Prävalenz schließen sich 
diese Thrombosen an Laparotomien an. 

Man hat für diese letztere Form der postoperativen Thrombosen 
auch nach besonderen Erklärungen gesucht und glaubte sie nach Ana- 
logie mit den adynamischen oder marantischen Thrombosen in der durch 
die aufgezwungene Ruhe des Krankenlagers bewirkten Verlangsamung 
der Zirkulation und Herabsetzung der Herzkraft, ferner in der Schädi- 
gung des Herzens durch die Narkose gefunden zu haben. 

Dem widerspricht, daß es sich um Individuen des besten Lebens- 
alters handelt, die, ohne nach der Operation Störungen der Zirku- 
lation oder der Atmung aufgewiesen zu haben, ganz unerwartet Throm- 
boembolien darboten. Die Thromboembolie wurde ferner auch nach 
Operationen in medullarer oder lokaler Anästhesie beobachtet; für 
diese entfällt die Narkose als pathogenetisches Moment. Die respira- 
torischen und Kreislaufstörungen schließen sich zudem, wofern sie 
durch die Narkose bedingt werden, unmittelbar an diese an, wogegen 
diese postoperativen Thromboembolien nach Ausgleich dieser Folgen 
im Zeitpunkte der Rekonvaleszenz in Erscheinung zu treten pflegen. 

Gegen die dynamisch-kardialen Ursachen spricht übrigens die 
relative Seltenheit derartiger Zustände bei unzweifelhaften Erkrankungen 
des Herzens ohne Operation. 

Vortr. glaubt, daß am ungezwungensten auch diese entfernten post- 
operativen Thrombosen schließlich auf dieselben ätiologischen Momente 
zurückzuführen wären, wie die Thrombosen des Operationsfeldes und 
sieht in diesen postoperativen Zufällen, auch wenn sie bei anscheinend 
ungestörter Asepsis auftreten, ein wenn auch spätes Zeichen statt- 
gehabter Wundinfektion. 

Als analoge Erscheinung ist die postoperative Parotitis zu be- 
trachten; sie hat mit den postoperativen Thrombosen das Gemeinsame, 
daß sie nach Laparotomien und gynäkologischen Eingriffen besonders 


r rn, WM az 


häufig auftritt. Diese Koinzidenz wollte man seinerzeit durch eigen- 
artige nervöse Beziehungen zwischen Keimdrüsen und Parotis erklären. 
Gegenwärtig gilt die postoperative Parotitis allgemein als infektiöse 
Metastase, deren Eintrittspforte die Operationswunde bildet. 

Auch bei der Parotititis nach Laparotomien konstatiert man, wie 
bei der postoperativen Thrombose, ein beschwerdefreies Intervall 
zwischen primärer und metastatischer Infektion. Ein Gleiches be- 
obachtet man auch bei anderweitigen Infektionen, z. B. Osteomyelitis 
nach Angina oder nach einer Staphylomykose der Haut, oder bei 
Wurmfortsatzentzündung nach Angina. Die primäre Infektion kann 
bei der Unscheinbarkeit der Symptome auch bei diesen Erkrankungen 
der Aufmerksamkeit vollkommen entgangen sein. 

Wenn”demnach auch die postoperative Thromboembolie förmlich 
als selbständiges Krankheitsbild auftritt, so kann dies doch nicht 
hindern, ihren letzten und eigentlichen Grund in der Wunde selbst 
zu suchen; denn von allen ätiologischen Faktoren, die für die Ent- 
stehung der Thrombose in Betracht kommen, ist keines so sicherge- 
stellt wie die Infektion und Intoxikation. 

Pathogene Keime beherbergt aber mehr oder weniger jede Wunde 
— auch bei anscheinend vollkommen reaktionslosem Verlauf —, und 
ihre Wirkungen können gegebenenfalls in einer späteren Zeit und an 
einer entfernten Körperstelle in Form metastatischer infektiöser Pro- 
zesse in Erscheinung treten. Letztere nehmen milde Formen an, wenn 
die wenig virulenten Bakterien nicht auf dem direkten Wege einer 
Thrombophlebitis, sondern erst nach Passage des Lymphdrüsenfilters 
in die Blutbahn gelangen. 

Die Prädisposition der Laparotomien für diese Art postoperativer 
Zufälle liegt darin, daB gerade bei diesen Operationen in dem so häufig 
sich einstellenden Zustande postoperativer Magen- Darmlähmung für 
den Durchtritt von Bakterien und Toxinen in das Blut besonders 
günstige Vorbedingungen gegeben sind. 

Daß dieser Zustand von Magen-Darmlähmung nach Laparotomie 
als ein septischer zu betrachten ist, erhellt auch aus der Beobachtung, 
‘daB bei Sepsis extraabdominellen Ursprunges derlei Magen-Darm- 
lähmungen zu beobachten sind. 

Auch bei Abdominaltyphus stellen sich die Thrumbosen, deren 
bakterielle Atiologie hier vollkommen sichergestellt ist, erst in der 
Rekonvaleszenz ein, und auch hierbei mag die Darmlähmung in gleicher 
Weise wie ‘die postoperative nach Laparotomie den ätiologisch maß- 
gebendsten Moment bilden für das Zustandekommen mancher in der 
Rekonvaleszenz auftretender Metastasen. 

Nicht minder deutet das Studium der Krankengeschichten von 
Fällen von postoperativer Thromboembolie auf den ursächlichen Zu- 
sammenhang mit Magen-Darmlähmung nach Laparotomie. Man vermißt 
dabei selten den ausdrücklichen Hinweis auf diesen Zustand. 

Wenn auch in der Wunde die nächstliegende und gewiß häufigste 
Primärinfektion gesucht werden muß, die auf dem Wege latenter 


a Bo 


Bakteriämie das Zustandekommen postoperativer Thromboembolie er- 
klärt, 50 darf außerdem die Möglichkeit auch anderweitiger Eintritts- 
pforten der Infektion (z. B. vorausgegangene Angina) nicht außer acht 
gelassen werden. 

In praktischer Beziehung wird diese Deutung in jedem Falle 
postoperatirer Thromboembolie einen Mangel in’ der operativen 
Asepsis sehen und zur Revision des ganzen Apparates der Wund- 
behandlung auffordern. Die Prophylaxe der Thromboembolie fällt 
in diesem Sinne mit der Prophylaxe der Wundinfektion zusammen. 

Die mechanische Theorie glaubt außerdem in einer geänderten 
Nachbehandlung das geeignete Mittel zur Vermeidung dieser post- 
operativen Zustände gefunden zu haben: die Laparotomierten werden 
veranlaßt, bald nach der Operation das Bett zu verlassen, Atmungs- 
gymnastik, Massage usw. wird angewandt. Diese »geänderte Nach- 
behandlung« ist nur in ihrer allgemeinen Anwendung auf alle Laparo- 
tomierten wirklich neu. In individualisierender Weise wurde sie mehr 
oder weniger bei Erscheinungen funktioneller Insuffizienz immer geübt. 
Als wichtigste prophylaktische Fürsorge muß das frühe Eingreifen 
gegen die Erscheinungen der postoperativen Magen-Darmlähmung emp- 
fohlen werden. 

Die operative Therapie der schon ausgebildeten Thrombose (Re- 
sektion der sicht- und fühlbaren Venenstränge nach Müller) ist in 
ihren Erfolgen unzuverlässig, um so mehr als gleichzeitig thrombosierte 
Venen in der Tiefe mit ihren Gefahren der Embolie durch diese Ope- 
ration nicht beeinflußt werden. Der Trendelenburg’schen Ope- 
ration (Punktion des Conus arteriosus und Aspiration des Embolus) 
stellt sich außer der Größe des Eingriffes noch die Schwierigkeit ent- 
gegen, im einzelnen'Falle aus den klinischen Vorboten der Embolie 
festzustellen, ob ein relativ unschuldiger Infarkt oder eine tödliche 
Embolie bevorsteht; nur in letzterem Falle wäre an die operative 
Bloßlegung des Herzens zu denken. (Selbstbericht.) 





4) Ranzi (Wien). Postoperative Thrombose und Embolie. 


R. berichtet über die innerhalb der letzten 7 Jahre in 
der v. Eiselsberg’schen Klinik beobachteten postoperativen 
embolischen Lungenaffektionen. Unter 6871 Operationen wur- 
den 263 Lungenkomplikationen überhaupt und unter diesen wieder 
67 embolische Affektionen beobachtet. Dieselben verteilen sich: 
1) auf 23 tödliche, nicht infizierte Lungenembolien, 2) auf 20 Lungen- 
infarkte und 3) auf 14 embolisch eitrige Prozesse. Neben lokalen 
Ursachen, die in 16 Fällen vorhanden waren, müssen von allgemeinen 
Ursachen besonders die recht häufigen Herzfleischerkrankungen genannt 
werden. Gerade mit Rücksicht auf diesen Umstand wird in der 
Klinik v. Eiselsberg besonderes Gewicht auf die Vorbereitung der 
Pat. vor größeren Eingriffen mit Herzmitteln (Digalen) gelegt. Aus 


= Zn 


demselben Grund wird bei länger dauernder Operationen zur Fort- 
setzung der Narkose stets Ather angewendet. Im letzten Jahre wurde 
zur kombinierten Narkose mit Skopolamin-Morphin übergegangen. Von 
anderen prophylaktischen Maßregeln werden Atemgymnastik, leichte 
Massage der Extremitäten, Lageveränderung des Oberkörpers und Ent- 
spannung der Extremitätenmuskulatur durch unter die Knie gelegte 
Kissen erwähnt. Das frühzeitige Aufstehenlassen nach Laparotomien 
hält R. nicht für angezeigt, einerseits weil nur wenig Fälle beobachtet 
wurden, in denen sich die Embolie im Anschluß an das Aufstehen 
nach längerem Krankenlager anschloß, andererseits weil die Befunde 
bei Relaparotomien und Sektionen, welche in den ersten 10 Tagen 
nach der Operation gelegentlich in bezug auf die Wundverheilung in 
der Bauchwunde erhoben wurde, ebenso wie die üblen Erfahrungen, 
die mit dem postoperativen Vorfall von Baucheingeweiden gemacht 
wurden, gegen eine Abkürzung des Liegens nach Laparotomien sprachen. 
Eine große Anzahl von Embolien (23) wurden in den ersten 5 Tagen 
beobachtet. 

Die Operation nach Trendelenburg wurde bisher in der Klinik 
nicht ausgeführt, doch glaubt R., daß dieselbe in geeigneten Fällen zu 
versuchen sei. Am ehesten würde man sich bei den plötzlichen Todes- 
fällen zur Operation entschließen, doch werden sehr häufig äußere 
Umstände die Ausführung vereiteln. Bei den protrahierten Fällen von 
Lungenembolien begegnet die Indikationsstellung zur Operation bald 
großen Schwierigkeiten, da man auch in ganz verzweifelt erscheinenden 
Fällen noch ab und zu durch Exzitantien einen Erfolg erzielt. Eine 
weitere Schwierigkeit liegt darin, daß man den Sitz der Embolie nicht 
mit Sicherheit bestimmen kann. Nur wenn der Embolus im Stamm 
bzw. einem Hauptast der A. pulmonalis sitzt, sind für die Operation 
günstige Verhältnisse vorhanden. Unter 9 protrahiert verlaufenden 
Lungenembolien war dies 4mal der Fall, in 5 Fällen saßen multiple 
Emboli in den Nebenästen der Lungenarterie. 

Daß auch Abnormitäten am Herzen den Erfolg einer Operation 
gelegentlich verhindern können, beweist ein Fall, der in der Klinik 
beobachtet wurde. Nach der Radikaloperation einer Nabelhernie trat 
am 7. Tag ein embolischer Insult auf, der in 5 Stunden zum Tode 
führte. Die Sektion zeigte eine paradoxe Embolie, indem einerseits 
die Lungenarterie durch einen Embolus verstopft war, andererseits eine 
Embolie der Aorta ascendens und der Arcus aortae am Abgang der 
großen Gefäße vorhanden war, die durch ein offenes Foramen ovale 
zustande gekommen war. (Selbstbericht.) 


Diskussion zu Nr. 1—4. 

Borelius (Lund): In meiner Klinik waren bis Ende des vorigen 
Jahres die Laparotomierten immer wenigstens 14 Tage nach der Opera- 
tion bettlägerig. Vom’Anfang dieses Jahres habe ich versucht, nach 
undrainierten, aseptisch heilenden Laparotomien die Operierten etwas 
früher aufstehen zu lassen, die meisten nach 8 Tagen, einige, unwillige, 


— 10 — 


erst nach 10, 12 Tagen, einzelne, die selbst gern aufstehen wollten, 
schon nach 5 Tagen. Laparotomierte noch früher, also schon am 
2., 3. Tage nach der Operation aus dem Bette zu treiben, möchte ich 
nicht zuraten. Ich habe von dem Verfahren keine Unannehmlichkeiten 
gesehen, nur einmal ist es mir passiert, daß eine Pat., die 8 Tagen nach 
einer Appendicitislaparotomie aufgestanden war, nach 2 Tagen wieder 
wegen leichter Erscheinungen einer Thrombose ins Bett mußte; sie 
blieb 6 Tage im Bette, konnte dann wieder aufstehen, aber blieb in 
der Klinik noch 12 Tage lang. In der Zeit vom 1. Januar bis 1. April 
sind im ganzen 97 Laparotomien ausgeführt; von diesen sind 43 früh 
aufgestanden; die Bettsejour ist für diesen mit durchschnittlich 5 Tagen 
abgekürzt. Die Sejour in der Klinik ist mit ungefähr ebenso vielen 
Tagen abgekürzt, was gewiß für viele Kranke sowohl wie für die über- 
belegte Klinik unbedingt ein Vorteil ist. 

Von viel größerer Bedeutung wäre es natürlich, könnte man durch 
dies früher Aufstehenlassen die Komplikationen und ganz besonders 
die postoperativen Pneumonien, die Thrombosen und Lungenembolien 
einigermaßen günstig beeinflussen. 

In den letzten 10 Jahren — 1. April 1898 bis 1. April 1908 — 
sind in der chir. Universitätsklinik in Lund im ganzen 1808 Laparo- 
tomien ausgeführt; von diesen sind an Pneumonie gestorben 23 = 1,3% 
und an Lungenembolie gestorben 7 = 04%. 

Die postoperativen Pneumonien betrafen in 12 Fällen undrainierte, 
prima heilende Laparotomien, 1lmal drainierte Fälle. 

Die Lungenembolien trafen 4mal undrainierte Fälle. 

Das Einsetzen der Pneumonie ist in den undrainierten, aseptischen 
Fällen angegeben zu: 


1 Tag nach der Operation in 1 Fall 


2 > >» » > > 1 > 
4 > > > > ‚4 » 
5 > > > > 1 > 
6 > ; š j ai 
T > » > , >» I > 
8 » > > >» ] > 
9 » > > > » 1 » 
10 > > > > » 1 > 
in den drainierten Fällen zu: 
1 Tag nach der Operation in 2 Fällen 
2 » > > > > 1 > 
3 >? > ? 2 > 2 > 
4 > > > > » 1 > 
5 > > » > > 1 > 
7 >? » > » » 1 > 
8 » > » » » 2 » 
später als 10 > > > > » 1 > 





se 11 an 


Die Lungenembolie kam: 


am 3. Tage nach der Operation in 1 Fall 
> 6. » > > > > 1 > 
> 7. > » > > > 3 > 
> 14. > >» > » > 1 > 
> 16. > » > » >» 1 > 


Ich habe die betreffenden Krankengeschichten durchgesehen, und 
ich muß sagen, ich habe daraus keinen Grund gefunden, um zu be- 
haupten, daß es mir besser gegangen wäre, wenn ich während allen 
diesen 10 Jahren die Laparotomierten hätte früh aufstehen lassen. 

Möglich ist es immerhin, daß dies frühe Aufstehen eine gewisse 
Einwirkung auf die Komplikationen nach Laparotomien haben kann, 
aber ob diese Einwirkung eine günstige ist oder nicht, oder sogar eine 
ungünstige, das kann erst die weitere Erfahrung lehren. 

Es scheint mir sehr wichtig mit diesem Verfahren nicht übers 
Ziel zu schießen. (Selbstbericht.) 


Rehn (Frankfurt a. M.) will seine Pat. ebenfalls nicht so früh 
aufstehen lassen wie Kümmell. Die Ventilation der Lunge schütze 
auch nur vor marantischen Thrombosen, nicht vor toxischen. Die 
Indikationsstellung für die Trendelenburg’sche Operation ist 
schwierig. | 


Lauenstein (Hamburg): Postoperative Embolien beruhen auf 
Fehlern in der Asepsis. 


Abel (Berlin) hat nach gynäkologischen Laparotomien keinen 
Vorteil vom frühen Aufstehenlassen gesehen; er hält es nur bei alten 
Leuten für indiziert. 


Meinert (Dresden): Die Mehrzahl der postoperativen Thrombosen 
ist eine Folge der Eindickung des Blutes durch den: Wasserverlust 
während der Operation. Daher ist reichliche Wasserzufuhr, auch 
schon während der Operation, notwendig. 


Olshausen (Berlin): Myomotomien stehen bezüglich der Embolien 
an der Spitze der Laparotomien; vielleicht wird eine Thrombose durch 
die bisher allgemein übliche Art der Beckenhochlagerung begünstigt, 
wobei die Pat. an den gebeugten Knien hängt. O. benutzt deshalb 
jetzt Schulterstützen. 


Müller (Rostock): Nach tödlichen Embolien findet man sehr oft 
bei der Sektion eine Erweiterung der V. saphena, die offenbar die 
Entstehung einer Thrombose begünstigt. In einem Falle konnte M. 
durch schnelle Resektion der frisch thrombosierten V. saphena die 
Embolie verhüten. 


Gebele (München): Die Hauptrolle in der Prophylaxe der 
Lungenembolien spielt die Asepsis. Daneben sind event. Kräftigung 
des Herzmuskels (Strophanthus) und Lungengymnastik wichtig. Die 
Laparotomierten sollen aber 14 Tage zu Bett liegen; frühes Aufstehen 
kann die Ursache von Embolien werden. 


ss. IS ner 


H enle (Dortmund) läßt auf Grund der schlechten Erfahrungen 
in der Breslauer Klinik mit dem frühen Aufstehenlassen seine Pat. 
14 Tage liegen. Um Thrombenbildung in der V. saphena zu verhüten, 
übt er die Massage der unteren Extremitäten. 


Hochenegg (Wien) beobachtete gehäuftes Auftreten von Throm- 
bosen und Embolien, und sieht deren wichtigste Ursache in einer 
Infektion vom Darm aus; er empfiehlt deswegen, frühzeitig abzuführen. 


Körte (Berlin) läßt seine Laparotomierten 14 Tage zu Bett liegen, 
da erst dann die Narbe genügende Festigkeit besitze; auch bestehe 
bei frühem Aufstehen die Gefahr, daß die an den Unterbindungsstellen 
sitzenden Thromben losgerissen würden und eine Embolie verursachten. 
Bei der Ausführung der Trendelenburg’schen Operation dürfte die 
Frage nach dem Sitze des Embolus oft Schwierigkeiten machen. 


Krönlein (Zürich) regt Untersuchungen darüber an, ob etwa 
das verhältnismäßig häufige Vorkommen von Embolien nach gynäko- 
logischen Laparotomien auf besonderen anatomischen Verhältnissen 
des Venensystems im weiblichen kleinen Becken beruhe. 


Heller (Quedlinburg) will diejenigen Pat. früh aufstehen lassen, 
bei denen der Laparotomieschnitt oberhalb des Nabels liegt, da bei 
diesen die Atmung im Liegen wesentlich behindert sei. 


Löbker (Bochum): Vor der Laparotomie sind die Verhältnisse 
im Kreislauf genau festzustellen (Bestimmung der Urinmenge!) und 
während der Operation genau zu überwachen; die Einwirkung des 
Blutes durch Wasserabgabe ist rechtzeitig durch subkutane Kochsalz- 
infusionen usw. zu korrigieren. 


v. Eiselsberg (Wien) läßt seine Laparotomierten auch deswegen 
erst nach 14 Tagen aufstehen, weil sie das frühe Aufstehen sehr un- 
angenehm empfinden. Boerner (Rastatt). 





5) V. Czerny. Über die Blitzbehandlung der Krebse. 


In das Heidelberger Samariterhaus, das in erster Linie dem 
Studium neuer Heilmethoden des Krebses gewidmet ist, treten etwa 
vier Fünftel der Kranken in einem weit vorgeschrittenen, mit den ge- 
wöhnlichen Behandlungsmethoden unheilbaren Zustande der Krank- 
heit ein. Das Verfahren von de Keating Hart wurde deshalb mit 
großem Eifer aufgegriffen, da es noch eine Heilung in Aussicht stellte, 
wo die blutigen Methoden allein versagen. 

Der von Keating Hart benutzte Apparat kann an den Röntgen- 
apparat angeschlossen werden, von dem man den Induktor und Wehnelt- 
unterbrecher benutzt. Von diesem wird die Elektrizität einem Petro- 
leumkondensor zugeführt, der mit einem Funkenunterbrecher und 
Solenoid versehen ist. Dieser steht in Verbindung mit dem Oudin- 
schen Resenator, einer Kupferspirale von ca. 130 Windungen, die 
durch einen Schieber mit dem Solenoid so abgestimmt werden kann, 


— 13 — 


daß aus ihrem oberen Pole durch eine Metallelektrode Funkenbüschel 
von 10—20 cm Länge entsendet werden. Man läßt diese Funken- 
büschel, welche durch einen Strom Kohlensäure oder komprimierter 
Luft abgekühlt werden, 5—40 Minuten lang auf die Krebsgeschwüre 
und ihre Umgebung mit häufigem Ortswechsel einfallen, während sich 
der Kranke in tiefer Narkose befindet. 

Dann wird die bestrahlte Krebspartie mit dem Messer exstirpiert 
oder mit dem scharfen Löffel abgeschabt, die harten Ränder mit 
Messer und Schere entfernt und abermals 10—15 Minuten lang die 
Wundfläche fulguriert, um die noch zurückgebliebenen Krebszellen- 
nester zu zerstören. Die Funkenblitze zerstören die Krebszellen, aber 
auch das Zwischengewebe, wenn es weich ist. Derbes Bindegewebe 
eines Scirrus und gesunde Haut widerstehen lange, werden aber bei 
längerer Einwirkung ebenfalls zerstört und in einen Brandschorf um- 
gewandelt. 

Tiefsitzende Krebse sind am besten nach den Regeln der Chirurgie 
gründlich zu exstirpieren und die Wundfläche nachträglich dann zu 
fulgurieren, wenn es sich um eine Rezidivoperation handelt, oder wenn 
die Beschaffenheit des Tumors die Gefahr eines Rezidivs wahrschein- 
lich macht. Die Wunden sezernieren stark nach der Fulguration und 
müssen deshalb gut drainirt oder offen mit Tamponade behandelt 
werden. Ob man durch bipolare Anwendung des Stromes, durch Ful- 
guropunktur und Fulgurolyse bei tiefliegenden Karzinomen und Me- 
tastasen Nutzen schaffen kann, müssen erst weitere Versuche lehren. 

Im Heidelberger Samariterhaus wurden vom 17. November 1907 
bis 18. April 1908 120 Fulgurationen bei 59 Pat. ausgeführt. Davon 
waren bloß 4 Sarkome, bei denen vielleicht mehr Nutzen zu erwarten 
ist als bei den Karzinomen. Von Heilungen kann man in der Kürze 
der Zeit noch nicht sprechen, wenn auch 8 kleinere und größere Ge- 
sichtskarzinome, die wohl auch auf andere Weise zu heilen gewesen 
wären, beseitigt worden sind. Einige Fälle sind auf dem Wege der 
Besserung, aber andere nach vorübergehender Besserung wieder 
schlechter geworden, und entsprechend dem hoffnungslosen Zustande, 
in dem die Behandlung begonnen worden ist, sind von den behandelten 
Kranken teils im Hospital, teils zu Hause 17 ihrem Leiden erlegen. 
Schon daraus ist zu entnehmen, daß die Fulguration nicht imstande 
ist, bei weit vorgeschrittenen Krebsleiden den Tod zu verhindern. 
Wenn wir auch nur in einer kleinen Zahl der Fälle den Eindruck 
hatten, daß der Tod durch die Schwere des Eingriffes und vielleicht 
auch durch rascheres Wachstum der Geschwulst und Zunahme der 
Kachexie bei unvollständiger Operation beschleunigt worden ist, so 
darf man doch den Eingriff nicht gering schätzen und von ihm nicht 
das Unmögliche erwarten. 

Die Fulguration ist ein mächtiges dosierbares Zerstörungsmittel 
des Krebsgewebes, das imstande ist, Heilungen herbeizuführen, soweit 
als die Neubildung dem Messer, scharfen Löffel und der Fulguration 
zugänglich ist. Leider ist die Zerstörung der Krebszellen durch die 


idR go 


elektrischen Funken keine so gründliche, daß dadurch ihre Lebens- 
und Proliferationsfähigkeit gänzlich aufgehoben würde Wenn man 
Mäusekrebs fulguriert, so werden die Krebszellen und Alveolen zwar 
zertrümmert, bleiben aber noch transplantationsfähig, wenn man die Zer- 
störung nicht bis zur völligen Eintrocknung treibt (von Wasielewski). 
Damit erscheint für die Fulguration wohl auch die Grenze ihrer 
Wirksamkeit gegeben. Wir können oberflächliche, ulzerierte, nament- 
lich weiche Krebsgeschwüre durch Fulguration, Ausschabung und 
nochmalige Fulguration beseitigen und in entsprechender Weise zu 
rascher Heilung bringen, da die Fulguration die. Granulations- und 
Narbenbildung in hohem Grade anregt und beschleunigt. Sie besorgt 
diese Beseitigung rascher und sicherer als Röntgen- und Radium- 
strahlen, wenn dieselben auch als wichtige Unterstützungsmittel der 
Krebstherapie ihre Bedeutung beibehalten. Bei harten und infiltrierten 
Krebsgeschwüren muß die Exzision der Fulguration vorausgehen. Sie 
kann aber auch noch Heilungen bei oberflächlichen ausgedehnten 
Hautkrebsen herbeiführen, wo das Messer nicht mehr ausreicht. Eine 
Einwirkung auf tiefersitzende Krebse findet nur in ganz beschränktem 
Maße statt. Bei operablen und tiefersitzenden Karzinomen könnte 
man die Gefahr des Rezidivs vielleicht vermindern, wenn man nach 
gründlicher Exstirpation die Operationswunde nachträglich fulguriert. 
Etwas Sicheres wird sich erst nach mehrjähriger Beobachtung sagen 
lassen. 


Bei inoperablen und rezidiven Krebsen kann man mit der Ful- 
guration die Jauchung, Blutung und auch die Schmerzhaftigkeit wirk- 
sam bekämpfen und dadurch das Leben der Kranken verlängern und 
ihre Leiden vermindern. Leider ist die Blitzbehandlung schmerzhaft, 
muß deshalb in tiefer Narkose gemacht werden, wofür wir eine ge- 
mischte Morphium-Hyoscin-Chloroformnarkose mit Vorliebe verwenden. 
Äther kann wegen Explosionsgefahr nur mit größter Vorsicht ange- 
wendet werden. Merkwürdig ist, daß die Fulguration, wenn sie im 
Gange ist, nicht selten die Pat. in eine Art hypnotischen Schlafes 
versetzt, so daß man die Narkose aussetzen kann. 


Die Fulguration der Haut hinterläßt manchmal trotz der Kühlung 
durch Kohlensäure schmerzhafte Brandwunden, und durch die elek- 
trische Ladung der Pat. können auch an entfernten Körperteilen 


durch Spitzenentladung auf metallische Gegenstände Brandschorfe 
entstehen. 


Jedenfalls verdient die Fulguration ein gründliches Studium, aus 
dem sicher auch noch mannigfache Nutzanwendungen für andere 
krankhafte Zustände, namentlich für Lupus, tuberkulöse Geschwüre, 
für Hämorrhoiden, aber vielleicht auch für Kropf und Prostatahyper- 
trophie hervorgehen dürfte. Daß man Naevi, Kondylome, Atherome, 
Mollusca damit zerstören kann, ist längst bekannt. Vielleicht würden 


auch Gelenkstuberkulosen durch die Fulguration günstig beeinflußt 
werden. 


zen 195 un 


Die Technik der Apparate und Hilfsinstrumente verlangt noch 
eine sorgfältige Ausbildung, und die physikalischen und biologischen 
Eigenschaften der hoch frequenten und hoch gespannten Ströme, 
welche durch die Fulguration des Krebses neues therapeutisches Inter- 
esse erweckt haben, werden sicher noch lange den Gegenstand eifriger 
Studien bilden. (Selbstbericht.) 


Diskussion. 


Sonnenburg (Berlin. S. hat in Marseille bei Keating-Hart 
die Fulguration studiert und die bisher gewonnenen Resultate geprüft. 
Er hat den Eindruck bekommen, daß nicht allein günstige Beein- 
flussungen des Krebses, sondern auch zum Teil schon Dauererfolge 
mit der Methode erzielt wurden. Die Technik muß genau befolgt 


werden. Nachprüfungen erscheinen durchaus berechtigt. 
(Selbstbericht.) 


Schulze (Berlin): Das Wesentliche ist die Frequenz, nicht die 
Spannung des Stromes. Auf Grund seiner histologischen Unter- 
suchungen ist er der Ansicht, daß eine elektive Wirkung auf Krebs- 
zellen nicht stattfinde. 


Funke(Wien) berichtet über seine zweijährigen Erfahrungen, die er 
bei der Bestrahlung maligner Geschwülste mit Radium gewonnen hat. Als 
Einzeldosis werden 20 mg reines Radiumbromid verwendet. Das Haupt- 
gewicht wird auf eine möglichst langdauernde, stunden-, ja tagelange 
Bestrahlung der Tumoren oder der nach Operationen gesetzten 
Wundflächen gelegt. 

Vorerst wurden inoperable Tumoren -bestrahlt und dabei die Beob- 
achtung gemacht, daß ein sehr rasch wachsendes, rezidivierendes, klein- 
zelliges Sarkom der Brustwand in 14 Tagen vollständig zerstört war 
und an dieser Stelle auch nicht mehr rezidivierte. Pat. starb mehrere 
Monate später an multiplen inneren Metastasen. Ebenso wurde ein 
faustgroßes Karzinom der rechten Halsseite bei einem 71jährigen Pat. 
durch permanente Bestrahlung innerhalb 4 Wochen vollständig zerstört. 

Ermutigt durch diese Erfahrung, verwendet F. das Radium nun 
auch bei operablen Geschwülsten, und zwar vorwiegend in Fällen, bei 
denen verstümmelnde Operationen notwendig geworden wären, also bei 
Tumoren des Ober- und Unterkiefers und der Zunge. Kleinere Tu- 
moren wurden ohne Operation zerstört, größere dagegen werden vom 
Munde aus möglichst schonend entfernt, die Knochenhöhlen mit dem 
scharfen Löffel gereinigt und die ganze Wundhöhle vorerst tamponiert. 
Am 2. oder 3. Tage wird bereits mit der Radiumbestrahlung begonnen. 

Nach F.’s Erfahrung scheint das Radium keine besondere Fern- 
wirkung zu besitzen, es zerstört das Gewebe nur dort, wo es direkt 
"aufliegt und erzeugt an dieser Stelle ein typisches, graugelbes Radium- 
geschwür, bei längerdauernder Einwirkung Nekrose der Weichteile 
und der Knochen. Es besitzt auch keine besondere Tiefenwirkung, 
stets muß man bei Zerstörung größerer Tumoren das nekrotische 


ey 0: pa 


Gewebe entfernen und das Radium auf lebendes Gewebe einwirken 
lassen. 

Intensive Bestrahlungen größerer Höhlen nehmen viel Zeit in 
Anspruch. Die Pat. reagieren sehr verschieden auf das Radium, oft 
gelingt es schon in wenigen Stunden, ein Geschwür zu erzeugen, wäh- 
rend in anderen Fällen langdauernde Bestrahlungen notwendig sind, 
um denselben Effekt zu erzielen. 

Das Entstehen des Radiumgeschwüres äußert sich durch lebhafte 
Schmerzen, die sich im akuten Stadium zu einer Intensität steigern, 
daß man stets zum Morphium greifen muß. Bei Bestrahlung im Be- 
reiche der Mundhöhle sind ausstrahlende quälende Kopfschmerzen und 
ein intensiver Foetor ex ore eine stete Begleiterscheinung. 

Die Radiumgeschwüre heilen sehr langsam, am besten unter einer 
indifferenten Behandlung. Alle reizenden Medikamente sind schäd- 
lich. Auf Grund seiner Erfahrungen glaubt F. folgendes schließen 
zu können. 

1) Das Radium ist imstande, selbst große Tumoren, Karzinom und 
Sarkom, gründlich zu zerstören. Die regionären Lymphdrüsen müssen 
nach wie vor auf operativem Wege entfernt werden. 

2) Indiziert ist die Radiumbehandlung hauptsächlich in jenen 
Fällen, bei denen verstümmelnde Operationen notwendig wären. 

Die Radiumbestrahlung der Wundflächen nach Operationen muß 
eine sehr intensive sein und muß so lange fortgesetzt werden, bis die 
ganze Wundfläche in ein graugelbes Radiumgeschwür umgewandelt ist. 

Niemals sah F. auf dem Grund eines Radiumgeschwüres oder 
einer Narbe nach einem solchen ein Rezidiv. 

Sämtliche histologische Untersuchungen der Tumoren vor und 
während der Behandlung wurden im Path.-anat. Institut des Prof. 
Paltauf ausgeführt. (Selbstbericht). 


Abel (Berlin) empfiehlt ein von ihm angegebenes und von der 
Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft in Berlin angefertigtes Instru- 
mentarium zur Fulguration, welches dem ursprünglichen von de 
Keating-Hart überlegen sein soll. Die Blitzbehandlung verdiene 
eine ernste Nachprüfung, doch dürfe man weder sich noch den Pat. 
darüber täuschen, daß sie einen gefährlichen ‚Eingriff darstelle. 

Boerner (Rastatt). 

Rosenkranz (Berlin) macht Prioritätsbemerkungen. 

Krumm (Karlsruhe) hebt unter Hinweis auf die Erfahrungen, 
die er auf einer Reise nach Marseille im Januar d. J. an Ort und 
Stelle bei Keating Hart gesammelt hat (vgl. Deutsche med. Wochen- 
schrift 1908, Nr. 10), nochmals hervor, daß es sich bei dem Verfahren . 
um eine neue Art der Anwendung hochgespannter und hochfrequenter 
Ströme handelt. Wichtig scheint ihm vor allem die Kühlung der. 
Funken zu sein, die den Zweck hat, jede Schorfbildung und Ver- 
brennung der Gewebe strikte zu vermeiden, sodann die Kombination 
der Funkenanwendung mit der operativen Entfernung des ma- 
kroskopisch erkrankten Gewebes. Erst durch diese beiden von Kea- 


ee I 


ting Hart zuerst angewandten und empfohlenen Modifikationen der 
Stromapplikation ist es diesem gelungen, seine beachtenswerten Erfolge 
zu erzielen. 

K. teilt noch mit, daß die Pat., deren Operation er im Januar 
1908 beiwohnte, mit ausgedehntem Mammakarzinom nach einer Mit- 
teilung Keating Hart’s heute geheilt ist, ebenso die Pat. mit aus- 
gedehntem Stirnkarzinom. (Selbstbericht.) 


Perthes (Leipzig): Von den mit Röntgenstrahlen behandelten 
Fällen von oberflächlichem Haut- und Lippenkarzinom, welche im 
Jahre 1904 hier vorgestellt wurden, ist die überwiegende Mehrzahl 
rezidivfrei geblieben. Ein Fall von ausgedehntem, nach Probeexzision 
auch mikroskopisch natchgewiesenem Lippenkarzinom ist durch Röntgen- 
bestrahlung jetzt 41/, Jahre völlig geheilt. Drei weitere Fälle von 
Lippenkarzinom sind jetzt 3 Jahre rezidivfrei. — Im Jahre 1904 wurde 
von P. auch der Versuch gemacht, bei inoperablem Brustdrüsenkrebs 
alles, was von karzinomverdächtigem Gewebe für das Messer erreich- 
bar war, zu exstirpieren und dann bei der Operation die offene 
Wunde mit Röntgenstrahlen sehr energisch zu bestrahlen. 
Das Verfahren schien wenigstens vorübergehend das Wachstum des 
Karzinoms aufzuhalten. Aus äußeren Gründen konnten die Versuche 
nicht fortgesetzt werden. (Selbstbericht.) 


Steinthal (Stuttgart. Wenn wir heute darüber diskutieren, was 
die neue Methode der Blitzbehandlung gegen das Karzinom zu leisten 
vermöge, so ist es gewiß angebracht, auch die Frage aufzuwerfen, was 
erreichen wir mit unserem bisherigen operativen Vorgehen, und von 
welchen Umständen hängen die Dauerresultate ab? 

Ich habe diese Frage schon einmal an einem größeren Material be- 
züglich des Brustkrebses geprüft und im Jahre1%5 über 166 Operationen 
berichtet, die an 145 Kranken ausgeführt worden waren. Zur Be- 
rechnung der Dauerresultate konnten aber nur 99 Fälle herangezogen 
werden, die das übliche Triennium hinter sich hatten. Diese Statistik 
ist weiter geführt worden, und zwar wurden die schon berichteten 
Fälle als Serie I noch einmal revidiert, während die nun folgenden 
Fälle als Serie II gesondert laufen. 

Die folgende Tabelle zeigt die Zusammensetzung der beiden Serien, 
die eine Gesamtzahl von 142 Fällen ausmachen. 


Serie I Serie I Total 


Rezidivfrei 33 14 47 
Rezidiviert 63 23 86 
Der Operation erlegen 2 3 5 
Interkurrent gestorben 1 3 4 

Total 99 43 142 


Die Serie I mit 99 Fällen weist 2 Todesfälle auf, die Serie Il 

mit 43 Fällen 3 Todesfälle. In den beiden Todesfällen der Serie I 

hat es sich schon um ausgedehnte Erkrankung und eine entsprechend 
Chirurgen-Kongreß 1903. 2 


zo, HR, ge 


große Operation gehandelt. Man könnte danach annehmen, daß mit 
‘der stetig radikaler werdenden Operation die Mortalität gestiegen sei. 
Da aber seit dem Jahre 1904, wo die Serie II abschließt, als Serie III 
noch 58 Fälle mit nur 2 Todesfällen in sehr radikaler Weise operiert 
worden sind, so ist man gewiß zu dem Ausspruch berechtigt, daß die 
modernen großen Brustoperationen nicht mit einer ent- 
sprechend größeren Lebensgefahr verbunden und demnach 
wohlberechtigte Operationen sind. Es fragt sich nur, ob 
mit der Größe des Eingriffes die Erfolge entsprechend ge- 
stiegen sind? 

Von den 99 Fällen der Serie I waren ursprünglich 33 Fälle 
rezidivfrei. Es sind aber 3 Spätrezidive hinzugekommen, so daß die 
urzprüngliche Ziffer 33'1/;, $ auf 30,3% für die Dauerheilung sinkt. 
Von den 43 Fällen der Serie II sind 14 — 32,5 % rezidivfrei, und zwar 
ist der jüngste Fall aus Serie I 51/, Jahre, aus Serie II 31/, Jahre 
rezidivfrei. Rechnet man endlich die beiden Serien zusammen, so 
kommen auf 142 Fälle 44 rezidivfreie Fälle, was einem Prozentsatz 
von 30,9 % entspricht, und es schwankt demnach die Ziffer für die 
Dauerheilung zwischen 30,9 und 33!1/, %. Im einzelnen ausgeführt, 
leben von den Rezidivfreien! post operationem 


Serie I Serie II 
1 Fall 16 Jahre 4 Fälle über 5 Jahre 
1 Fall 14 4 Fälle über 4 > 
2 Fälle 13 6 Fälle über 31/, >» 
3 Fälle über 12 
1 Fall 11!/, 


5 Fälle über 10 


y y v y y Yy Y Y y 4 


3 Fälle über 9 

2 Fälle über 8 

5 Fälle über 7 

2 Fälle über 6 

2 Fälle 51/3 

27 Fälle 14 Fälle 


Aber die eben angeführten Ziffern besagen zunächst sehr wenig. 
Erst wenn man die einzelnen Fälle sichtet und gruppiert, bekommt 
man ein richtiges Bild von dem Wert der Operation und erkennt die 
Faktoren, welche für die Beurteilung von Einfluß sind. 

Man muß dabei drei Gruppen unterscheiden. 

Gruppe I: Fälle mit anscheinend sehr langsamem Wachstum, der 
Tumor ist nur einige Zentimeter groß (bis zu Pflaumengröße), liegt 
noch ganz in der Drüse, zum mindestens ist die Haut noch nicht 
fixiert, in der Achselhöhle finden sich eine oder auch mehrere Drüsen, 
die man gewöhnlich erst bei der Operation findet. 


1 27 Lebende + 3 rezidivfrei Gestorbene + 14 Lebende = 44. 


u ON a 


Gruppe II: Fälle mit deutlichem Wachstum; Knoten, die länger 
stationär geblieben sind, fangen an zu wachsen, die Haut wird ad- 
härent; Drüsen in der Achselhöhle sind deutlich nachzuweisen. In 
diesem Zustand kommen die Kranken am häufigsten zur Operation. 

Gruppe III: Fälle, bei denen die Mamma zum größten Teil er- 
griffen, der Tumor mit Haut und Unterlage verwachsen ist und häufig 
auch die Supraclaviculardrüsen erkrankt sind. 

Sieht man sich nun das Verhältnis der Geheilten zu den Un- 
geheilten in den verschiedenen Gruppen an, so ergeben sich folgende 
Zahlen: 


Geheilt Rezidiviert Geheilt Rezidiviert 


Serie I Serie II 
Gruppe I 71,4% 286% 857 % 143 % 
Gruppe IL 26,5 % 705% 320 % 68,0% 
Gruppe II 00,0 % 100% 00% 100% 


Danach ist die Prognose in Gruppe I eine recht gute, in 
Gruppe III eine ganz schlechte. In Gruppe II hängt die Prognose, 
wie in einer demnächst zu erscheinenden Arbeit dargelegt werden 
wird, im wesentlichen von drei Momenten ab: dem Übergreifen der 
Neubildung auf die Unterlage, dem Mitergriffensein der regionären 
Lymphdrüsen und vielleicht von einer Familiendisposition. 

Nach obigen Prozenten verhält sich die Zahl der Geheilten und 
Rezidivierten der Gruppe I und II für die Serie I nahezu umgekehrt, 
bei Serie II bleibt für die Geheilten (85,7 %) gegenüber den Ungeheilten 
(68%) noch ein gewisser günstiger Überschuß. Da aber in der Serie Il 
noch Spätrezidive drohen, so sind wir vorläufig leider nicht in der Lage, 
zu sagen, daß durch die in Serie II durchweg angewandten modernen 
ausgedehnten Operationen in Gruppe II ein viel besseres Resultat er- 
zielt werde, und in Gruppe III ist jede Operation bezüglich eines 
Dauerresultates aussichtslos. 

Weiter haben Untersuchungen bezüglich des Sitzes und der Art 
der Rezidive wohl ergeben, daß in Serie II die Zahl der inneren 
Metastasen zu-, die der lokalen Metastasen etwas abgenommen hat, 
aber der Unterschied ist zu gering, um dies den ausgedehnteren Opera- 
tionen zuschieben zu können. 

So kommen wir auch auf diesem Wege zu dem Schluß, daß wir 
wirklich gute Resultate nur in solchen Fällen erzielen, die der Gruppe I 
angehören, und daß wir, um dieselben zu steigern ruhig mit großen 
Operationen vorgehen dürfen. Für die Fälle der Gruppe II bleibt 
nach wie vor die Prognose eine zweifelhafte, und für diejenigen der 
Gruppe HI bleibt sie trotz der modernen großen Operationen ganz 
schlecht. 

Es muß sich nun zeigen, ob die neue Methode der Blitzbehand- 
lung hierin Wandel schaffen kann. (Selbstbericht.) 


2% 


— ?20 — 


6) W. Müller (Rostock). Demonstration von Präparaten 
zu Lehrzwecken. 


Vortr. zeigt mehrere Präparate, die nach seiner Angabe von einem 
Modelleur gefertigt wurden und welchesich anlehnenan die nachgebildeten 
Gliedmaßen aus Glyzerin-Gelatine, die 183% Ritschl auf demChirurgen- 
kongreß demonstriert hat (Verfahren von Cathcart in Edinburg). 
Auf die Transparenz der Glyzerin-Gelatinemasse rechnend, hat M. 
versucht, Frakturpräparate, die an mazerierten Skeletteilen zuvor her- 
gestellt wurden, und an welchen die Fragmente mittels Gummibänd- 
chen beweglich fixiert waren, so einzubetten, daß sie durch die künst- 
lichen Gliedmaßen hindurch gesehen werden können. Beweglichkeit 
und Haltbarkeit dieser Gelatinearme und -Beine ist eine gute und 
hinreichend, um sowohl die Entstehung typischer Frakturen, wie be- 
sonders die Dislokationen, den Vorgang bei der Reposition usw. an- 
schaulich zu machen. Man sieht dabei die Skeletteile etwa so wie 
bei der Röntgendurchleuchtung. Vortr. zeigt außer einem so nachge- 
bildeten Femur zur Demonstration der Coxa vara und ähnlicher Dif- 
formitäten eine typische Radiusfraktur in Nachbildung, ferner ein 
Fuß-Unterschenkelpräparat, an welchem er die dorsale Zehenluxation 
macht und reponiert. Da es sich um erste Versuche handelt, die 
aber gelungen sind, so stellen sich derartige Präparate auf Bestellung 
noch etwas hoch, zumal auch die Gelatine teuer ist. Bei Selbstan- 
fertigung kann man sparen. (Selbstbericht.) 


7) Neuber (Kiel). Über Skopolaminnarkose. 


Seit einer Reihe von Jahren benutzte N. das Schleich’sche 
Narkosengemenge, hat es auch beibehalten nach Einführung des Skopo- 
lamins. Dabei wurden zunächst in etwa 300 Fällen die Kümmell’schen 
Vorschriften befolgt — 0,0005 g Skopolamin und 0,01 g Morphium 
1—11/, Stunden vor der Operation — und die damit im Eppendorfer 
Krankenhause gemachten günstigen Erfahrungen im allgemeinen be- 
stätigt. Später ging N. zum Korff’schen Skopomorphin über — 0,004 
Skopolamin + 0,01 Morphium je 2!/,, 1'/, und !/, Stunde vor der 
Operation. — Über letzteres wurde auf Grund der in 250 Fällen 
gemachten Erfahrungen folgendes berichtet. 

Nur 7mal Vollnarkosen durch Skopomorphin allein, 243mal außer- 
dem Schleich’sches Gemenge, durchschnittlich 50—60 g pro Stunde. 
Niemals bedrohliche Störungen der Herztätigkeit oder Atmung, weder 
Cyanose noch Schleimansammlungen im Rachen oder der Trachea. 

Exzitation selten, nur bei Potatoren, Asphyxie nicht beobachtet. 
Zuweilen Abwehrbewegungen und Schmerzäußerungen, durch einige 
Tropfen Narkosengemenge sofort zu beseitigen. Für die während der Ope- 
ration zuweilen empfundenen Schmerzen pflegt jede Erinnerung zu fehlen. 

Erbrechen während der Operation in 2%, nach der Operation in 
30 %, dann aber wenig und bald vorübergehend. Wundschmerz nach 
der Operation gar nicht oder gering; subjektives Befinden meist sehr gut. 


us. GI. ee 


Kein Fall von postoperativer Pneumonie. 

N. hält die Skopolamin-Morphiumnarkose für einen ganz wesent- 
lichen Fortschritt und empfiehlt dieselbe dringend, sei es nach der 
Kümmell’schen oder Korff’schen Methode. (Selbstbericht.) 





8) Gilmer (München). Über lumbale Totalanästhesie. 


Alle bisherigen Versuche, durch lumbale Injektion eine hoch- 
gehende, eventuell eine totale Anästhesie zu erzeugen, scheiterten an 
der Gefahr der Atemlähmung durch Kontakt des Anästhetikum mit 
dem Atemzentrum. Da wir noch kein Mittel kennen, das elektiv auf 
die sensiblen Nerven allein lähmend wirkt, so müssen wir durch ge- 
eignete Zusätze die unerwünschte Wirkung auf die motorischen Bahnen 
ausschalten. Geeignet hierfür sind die Mucilaginosen, deren entgiftende, 
reizmildernde und resorptionsverzögernde Wirkung Tappeiner experi- 
mentell nachgewiesen hat. Am geeignetsten war nach Tierversuchen 
von Erhardt (München) eine Lösung von Gummiarabikum, in 15 iger 
Lösung dem Tropakokain zugesetzt. Es gelang ihm auf diese Weise, 
bei Kaninchen und Kälbern langandauernde Totalanästhesien zu er- 
zielen ohne die geringsten Störungen der motorischen Bahnen und des 
Atemzentrums. G. hat die Versuche auf den Menschen übertragen; 
am geeignetsten erscheint hier ein 3%iger Gummizusatz zur 1%igen 
Tropakokainlösung. Bei peinlicher Neutralisation und Sterilisation 
sind die Lösungen für den Organismus völlig reizlos.. Durch Injektion 
der Lösung an sich selbst und bei 30 Kranken hat G. nachgewiesen, 
daß mit 0,1 Tropakokain bei Beckenhochlagerung mit Sicherheit totale 
Anästhesie von mindestens 1 Stunde Dauer erzielt werden kann; das 
Abdomen bleibt bis zu 3 Stunden anästhetisch. Es wurden auf diese 
Weise Halsdrüsen, Strumen, Mammakarzinom, KRippentuberkulose, 
Magenkarzinome usw. ohne Inhalationsnarkose operiert. Zweckmäßig 
ist es, durch Injektion von Morphium-Skopolamin das Bewußtsein der 
Kranken auszuschalten und die Anästhesie zu verlängern. Atem- 
störungen wurden nie beobachtet, die sensorischen Funktionen blieben 
völlig erhalten, ebenso die motorischen, bis auf eine leichte Schwäche 
in den Beinen. Von Nachwirkungen wurde nur Kopfweh beobachtet, 
jedoch nur in zwei Fällen. Die neue Methode wird sich vor allem 
für schwere Eingriffe in der Bauchhöhle und am Thorax (Lungen- 
operationen!) eignen. 

Die fertigen Tropakokain-Gummilösungen werden von E. Merck 
(Darmstadt) in den Handel gebracht. (Selbstbericht.) 





9) A. Bier (Berlin). Über einen neuen Weg Lokalanästhesie 
an den Gliedmaßen hervorzurufen. 


Um die Operationen an den Gliedmaßen, die sich unter lokaler 
Anästhesie bisher nicht schmerzlos ausführen ließen (Resektionen, 


— 29 — 


Amputationen, Exartikulationen, Nekrotomien usw.), unter örtlicher 
Betäubung machen zu können, hat B. folgenden Weg beschritten: 

Er sperrt das zu anästhesierende Gebiet zwischen zwei Gummi- 
binden, von denen die eine oberhalb, die andere unterhalb des Opera- 
tionsfeldes liegt, ab. Man muß weiche dünne Gummibinden nehmen 
und sie über ein größeres Gebiet auseinander wickeln. Denn bei der 
gebräuchlichen Form der v. Esmarch’schen Blutleere verursacht die 
Binde selbst erhebliche Schmerzen, während sie, in der beschriebenen 
Form angelegt, kaum unbequem ist. Meist wird noch vorher das 
Blut aus dem ganzen Gliede bis zu der Stelle, an der die zentrale 
Binde angelegt werden soll, durch die fast in Vergessenheit geratene 
Esmarch’sche Expulsionsbinde ausgewickelt. 

In dem abgesperrten Gebiete wird möglichst nahe an der zentralen 
Binde eine Hautvene aufgesucht. Man soll dazu eine größere 
Vene wählen, deren anatomische Lage sich leicht bestimmen läßt. 
Für das Bein eignet sich hierzu am besten die Vena saphena magna, 
die schon vom Malleolus internus tibiae ab leicht aufzufinden ist, für 
den Arm vor allem die Vena cephalica, in zweiter Linie die Vena 
basilica und die Vena mediana cubiti. Am Vorderarme sind bei vielen 
Menschen so stark entwickelte Hautvenen vorhanden, daß man über 
ihre Wahl nicht im Zweifel ist. Doch soll man nie zu kleine Venen 
aufsuchen, weil sich in ihre Lichtung nur schwer eine Kanüle einführen 
läßt. Am Unterschenkel eignet sich für gewisse Operationen auch die 
Vena saphena parva. Im großen und ganzen aber ist es zweckmäßig, 
eine der oben genannten größeren Venen nach ihrer anatomischen 
Lage aufzusuchen. Sind sie nicht deutlich von außen zu sehen oder 
zu fühlen, so soll man stets einen Querschnitt anlegen, der mit Sicher- 
heit auf das Gefäß führt. Ist dasselbe gefunden, so verfährt man 
ähnlich wie bei der intravenösen Kochsalzinfusion. Man führt mit der 
Deschamp’schen Nadel zwei Fadenschlingen um die Vene, schlitzt 
diese seitlich und führt peripherwärts (nach den Klappen zu) eine feine 
Metallkanüle ein, bindet sie fest und unterbindet das Gefäß nach dem 
Zentrum zu. Nunmehr spritzt man 0,25—0,5%ige Novokainlösung 
ein. Das Novokain muß, um Gewebsreizungen zu vermeiden, in 
physiologischer Kochsalzlösung gelöst sein. Meist hat das keine 
Schwierigkeiten, zuweilen setzen zunächst die Venenklappen dem Ein- 
dringen der Flüssigkeit etwas Widerstand entgegen, werden aber 
bald durch sanften Druck überwunden. In letzter Zeit hat B. aus- 
schließlich die 0,5%ige Lösung gebraucht, weil sie zuverlässiger an- 
ästhesiert. 

Für die Resektion des Ellbogengelenkes eines Erwachsenen sind 
etwa 50 ccm, für die des Kniegelenkes etwa 80 ccm der 0,5 %igen 
Lösung notwendig. 

Wenn die Einspritzung richtig gelang, so ist das ganze Operations- 
gebiet fast augenblicklich anästhetischh Am schlechtesten ist die 
Anästhesie immer in einem Streifen unmittelbar unterhalb der zentralen 
Binde. Deshalb soll man diese nicht zu nahe an das Operationsgebiet 


u 95 mr 


heranlegen und, wie schon erwähnt, soll man möglichst dicht unter ihr 
die Vene aufsuchen. | 

In den meisten Fällen — bei genügendem Gebrauch von 0,5 iger 
Lösung und längerem Warten stets — tritt nach einiger Zeit eine 
totale Anästhesie des ganzen Gliedes auch unterhalb der peripheren 
Binde ein. B. nennt erstere die direkte, letztere die indirekte An- 
ästhesie. Er hat meist unter ersterer operiert. Bald nach dem Er- 
scheinen der indirekten Anästhesie tritt auch eine motorische Läh- 
mung ein. 

Kanüle und Spritze sind die von der intravenösen Kochsalz- 
infusion her bekannten Instrumente. 

Unter der beschriebenen Anästhesie hat B. schmerzlos z. B. die 
Knie- und Ellbogengelenksresektion, die Amputation, die Nekrotomie, 
die Sehnenverpflanzung ausgeführt, so daß wir dem Ideale nahe- 
gekommen sind, daß wir alle Operationen, die sich in der künstlichen 
Blutleere vollführen lassen, auch unter Lokalanästhesie schmerzlos 
machen können. 

Da man direkt in die Venen das anästhesierende Gift einspritzt, 
so muß die Vergiftungsgefahr vermieden werden. Diese ist an sich 
dadurch geringer geworden, daß man unter künstlicher Blutleere 
operiert, wobei ein großer Teil des Giftes gebunden wird, und daß 
man dünne Lösungen verwendet. Außerdem aber empfiehlt es sich, 
die Blutleerbinde einen Augenblick so weit zu lockern, daß der arterielle 
Blutstrom freigegeben, der venöse aber noch gehemmt ist, d. h. also 
nur so weit, daß eben aus der Wunde eine beträchtliche Blutung er- 
folgt; dadurch wird die Giftlösung, die sich noch in den Gefäßen 
befindet, ausgespült. Dann zieht man die Blutleerbinde wieder fest 
an, unterbindet und näht, und löst sie erst dann endgültig. 

Auch kann man bei Verwendung von 0,5%iger Novokainlösung 
die Kanüle, nach Abklemmung des mit ihr verbundenen Schlauches, 
in der Vene bis zur Beendigung der Operation liegen lassen und als- 
dann das Operationsgebiet mit größeren Mengen physiologischer Koch- 
salzlösung ausspritzen. 

Vor allem bei Amputationen, wo der Schnitt durch die mit der 
Lösung angefüllten Venen hindurchgeht, und wo man nachher leicht 
mit physiologischer Kochsalzlösung durchspülen kann, darf man dreist 
größere Mengen des Anästhetikums benutzen. 

Direkte wie indirekte Anästhesie verschwinden fast augenblicklich, 
wenn man die Blutleerbinde endgültig gelöst hat. Schon etwas vor- 
her schwindet die motorische Lähmung. Deshalb soll dies nicht vor 
fast völliger Beendigung der Operation geschehen. Löst man deshalb 
die Binde, um blutende Gefäße zu finden, so soll man sie sofort, 
nachdem man seinen Zweck erreicht hat, wieder anlegen und, während 
sie liegt, die Operation vollenden. 

Es entspricht dieses Verhalten der flüchtigen Wirkung dünner 
Novokainlösungen. Sie in Verbindung mit Nebennierenpräparaten 
einzuspritzen, wodurch man wahrscheinlich auch diese Form der An- 


E ie 


ästhesie beträchtlich verlängern könnte, scheint B., da das Mittel 
unmittelbar in die Gefäße kommt, nicht unbedenklich. 
Außer dem Novokain, das B. bisher ausschließlich angewandt 
hat, sind auch andere Anästhetika noch vorsichtig zu prüfen. 
Vorbedingung für das Gelingen der Anästhesie ist eine absolut 
zuverlässige Blutleere. (Selbstbericht.) 


Diskussion zu Nr. 8 und 9. 


Dönitz (Berlin) demonstriert einen Thermophorkasten zur An- 
wärmung des bei der Lumbalanästhesie notwendigen Instrumentariums ; 
durch diese Erwärmung wird der Kältereiz, welcher sich in Kopf- 
schmerzen, Temperatursteigerungen usw. äußert, vermieden. 


Gerstenberg (Berlin) demonstriert eine Reihe von anatomischen 
Präparaten aus dem Gebiete der Rückenmarksanästhesie. Dieselben 
wurden von ihm in Gemeinschaft mit Herrn Dr. Hein (Berlin) an 
frischen Leichen gewonnen. Die dabei gemachten Beobachtungen 
sind ausführlich in der Zeitschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie, 
Bd. LXI Hft.3 beschrieben. Die entsprechenden Abbildungen werden 
auch im Epidiaskop vorgeführt. (Selbstbericht.) 


Oelsner (Berlin) wendet sich gegen die Ausführungen von Dönitz. 
Die bei weitem überwiegende Mehrzahl aller Neben- und Nach- 
wirkungen in der Lumbalanästhesie resultiert aus den toxischen Eigen- 
schaften der angewandten chemischen Mittel. Um diese zu vermeiden, 
versuchte Vortr. unter Ausschaltung jedes chemischen Reizes auf 
physikalischem Wege Anästhesien zu erzeugen. Er wandte bei seinen 
Versuchen, die er gemeinsam mit Kroner (Berlin) unternahm, O-gradige 
physiologische Kochsalzlösungen an und erzielte bei Einwirkung der- 
selben auf das freigelegte Rückenmark von Hunden regelmäßig 
Anästhesien, die nach einiger Zeit wieder verschwanden. Die Ver- 
suche wurden dann in der Weise auf den Menschen übertragen, daß 
5—10 ccm einer physiologischen Kochsalzlösung von 0° in den Lum- 
balkanal injiziert wurden. Anästhesien wurden bisher nicht erzielt; 
es wurden aber auch nie trotz der hohen Dosis und der großen Tem- 
peraturdifferenz irgendwelche unangenehme Nebenwirkungen, wie z. B. 
Kollapse, beobachtet, was gerade im Hinblick auf die Ausführungen 
von Dönitz besonders bemerkenswert erscheint. (Selbstbericht.) 


10) E. Müller und A. Preiser (Breslau). Über die Behand- 
lung von Eiterungen mit proteolytischem Leukocytenferment 
bzw. Antiferment. 

Theoretischer Teil (Müller). Der sogenannte >»kalte«, rein- 
tuberkulöse Eiter unterscheidet sich vom sogenannten »heißen«, akut- 
entzündlichen Eiter in chemisch-biologischer Hinsicht vor allem dadurch, 
daB sich ein eiweißlösendes Ferment in dem ersteren in sehr geringer 


ie D 


und in dem letzteren in großer Menge findet. Das eiweißlösende 
Ferment ist an die gelapptkernigen weißen Blutkörperchen gebunden. 
Die eiweißlösende Wirkung dieses »proteolytischen Leukocytenfermen- 
tes« kann aufgehoben werden durch einen spezifischen, im Blutserum 
kreisenden Hemmungskörper, der u. a. auch in den krankhaften 
Ausscheidungen bei Brust- und Bauchwassersucht zu finden ist (das 
»Antiferment des proteolytischen Leukocytenfermentes«).,. So kann 
z. B. die Flüssigkeit bei Bauchwassersucht unter Umständen die eiweiß- 
lösende Wirkung des Eiterfermentes noch stärker hemmen als nor- 
males Blutserum. Der Eiweißabbau, der auch die wichtigste Vorbe- 
dingung für die Aufsaugung aus dem Eiterherd ist, muß demgemäß 
bei rein-tuberkulösen Prozessen sehr gering, bei akut-entzündlichen 
ungemein groß sein. Es muß deshalb gelingen, durch Zusatz von 
Ferment tuberkulöse Ausscheidungen aufsaugefähig zu machen und 
durch Zusatz des physiologischen Hemmungskörpers Gewebseinschmel- 
zung und Aufsaugung beim fermentreichen heißen Eiter zu verhindern. 
Eine »indirekte Fermentbehandlung« des kalten, tuberkulösen Eiters 
stellt die Jodoformglyzerin-Injektion dar, weil dadurch fermenthaltige 
weiße Blutkörperchen in den Krankheitsherd angelockt werden. Vortr. 
schlägt nun auf Grund ausgedehnter experimenteller Untersuchungen 
als neu die Bekämpfung fermentreicher Eiterherde durch 
künstliche Zufuhr des spezifischen Hemmungskörpers vor. 
Diese Antifermentzufuhr schützt das durch die Entzündung gefährdete 
Gewebe vor eitriger Einschmelzung und verhindert gleichzeitig 
die gefahrbringende Aufsaugung giftiger Eiweißabbauprodukte 
aus dem Eiterherd in den Körper. Außerdem beschränkt sie die 
eitrige Absonderung. Eine solche Antifermentbehandlung gelingt 
durch direkte Bespülung und Berührung der Eiterhöhle mit mensch- 
lichem Blutserum und gewissen, sehr eiweißreichen Punktions- 
flüssigkeiten, die man z. B. bei Bauchwassersucht gewinnen kann. 
Fehlen solche Punktionsflüssigkeiten, so wird die Eiterhöhle mit Blut- 
serum behandelt, das von demselben Pat. durch Aderlaß gewonnen 
wird. Eine solche künstliche direkte Zufuhr größerer Mengen von 
Blutserum und Punktionsflüssigkeiten in den Eiterherd bedingt durch 
ihren Gehalt an Schutz- und Nährstoffen verschiedenster Art eine 
Massenwirkung aller jener physiologischen Schutzkräfte, 
mit denen sich der Körper gegen die Bakterieninvasion 
verteidigt. Der Körper braucht aber eine solche künstliche Steige- 
rung seiner Abwehrbestrebungen, weil es ihm bei der Erschwerung 
der Säftezirkulation kaum gelingt, im Innern des Eiterherdes die er- 
forderliche Massenwirkung selbständig zu erzielen. Ausgedehntere, 
praktische Erfahrungen mit diesem von dem Vortr. vorgeschlagenen 
Verfahren waren in der Küttner’schen chirurgischen Klinik 
in Breslau möglich. (Selbstbericht.) 


Klinischer Teil (Peiser). Diese Ausführungen waren die 
. theoretisch experimentelle Grundlage für eine neue Art der Behand- 


—- 2 — 


lung akuter Eiterungen. Sie wurde bis jetzt in rund 100 Fällen der 
Küttner’schen Klinik erprobt und hat in keinem Falle irgend einen 
Schaden gestiftet. Klinisch zu erwarten war dreierlei: Verringerung 
der Eiterung, rasche Reinigung der Wunde, Sinken erhöhter Tempe- 
ratur und damit im ganzen schnellere Heilung. Die Grundlage der 
Behandlung ist die Tatsache: das Antiferment wirkt nur da, 
wo es hindringt, wirkt nur durch direkte Berührung. Dem- 
entsprechend sind drei Gruppen von Fällen zu unterscheiden, solche, 
die absolut geeignet für die Antifermentbehandlung sind, solche, die 
relativ geeignet und solche, die ungeeignet sind. 

Zur ersten Gruppe gehören die mit Abszeßbildung einher- 
gehenden Fälle, zur zweiten die sich mehr flächenhaft ausbreitenden 
Eiterungen (Phlegmonen, Karbunkel usw.), zur dritten die Knochen- 
eiterungen. Die letzteren einfach deshalb, weil das Antiferment in 
den Knochenherd nicht einzudringen vermag. Bei der ersten Gruppe 
ist gewöhnlich schon am zweiten Tage kein Eiter mehr vorhanden, 
dafür höchstens einige Tropfen klarer, seröser Flüssigkeit. Hier 
genügt auch ein verhältnismäßig kleiner Hautschnitt, der den Weg 
zur Abszeßhöhle bahnt. Bei der zweiten Gruppe muß natürlich breit 
inzidiert werden, da nur so das Antiferment mit möglichst großer 
Fläche der Eiterung in Berührung kommt. Die rasche Demarkation 
des nekrotischen Gewebes äußert sich in überaus rascher Reinigung 
der Wunde. Bei subakuten und chronischen Eiterungen, bei denen 
trotz Inzision die Temperatur nicht sinken will, tritt bei Antiferment- 
behandlung Abfall der Temperatur ein. Aussichtsreich erscheint die 
Kombination der Antifermentbehandlung mit der Bier’schen Stauung. 

(Selbstbericht.) 


11) G. Schoene (Marburg). Experimentelle Untersuchungen 
über die Transplantation körperfremder Gewebe. 


Nach den Arbeiten der letzten Jahre haben wir zu unterscheiden 
zwischen einer natürlichen und einer künstlichen Resistenz gewisser 
Versuchstiere (Mäuse, Ratten) gegenüber der Einimpfung einer körper- 
fremden Geschwulst. Die künstliche Resistenz ist als »aktive Immu- 
nität« bezeichnet worden. Zur Aufklärung dieser Resistenzen, bzw. 
Immunitäten hat der Vortr. festzustellen versucht, ob und inwieweit 
derartige gesetzmäßige Vorgänge auch bei der Transplantation körper- 
fremder normaler Gewebe zu beobachten sind. 

Die Versuche wurden angestellt, indem Hautlappen von der Maus 
und vom Kaninchen transplantiert wurden. Es zeigte sich, daß die 
Hautlappen der Maus sich nur in der Minderzahl von Fällen auf be- 
liebig gewählte andere gleichgeschlechtliche Tiere verpflanzen ließen, 
daß dies aber weit leichter gelang, wenn junge, gleichgeschlechtliche 
Geschwister für den Versuch gewählt wurden. 

Es fand sich aber, daß die Lappen im Falle des Nichtanheilens 
auf dem fremden Tiere nicht etwa schnell abstarben, sondern sich 


Ze 97 


längere Zeit, etwa 8 Tage, lebendig erhielten und erst dann eintrock- 
neten. Nach 3 Tagen ließen sich die Lappen noch zurücktransplan- 
tieren auf das Tier von dem sie stammten, in einzelnen Fällen noch 
nach 5 Tagen. Auch auf der Ratte starben die Mäuselappen nur 
langsam ab; auch Hautlappen vom Ohr des Kaninchens gelang es 
dem Kaninchen, von dem sie stammten, wieder anzuheilen, nachdem 
sie 3 Tage auf der Maus gewesen waren. 

In diesen Versuchen liegt eine Parallele zu den Ehrlich’schen 
Versuchen, in denen Mäusetumoren, welche 5 Tage lang auf der Ratte 
gewachsen waren, sich wieder auf die Maus zurückimpfen ließen. 
Diese Versuche lassen jedenfalls eine schwere primäre toxische Wir- 
kung der Gewebssäfte des fremden Tieres auf den transplantierten 
Lappen nicht erkennen. 

Als erster Beitrag zur Lösung der Frage, ob eine aktive Immu- 
nität gegen die Implantation körperfremden normalen Gewebes erzeugt 
werden kann, hat Vortr. eine Reihe von Versuchen angestellt, deren 
Resultat dahin zusammenzufassen ist, daß Hautlappen der Maus auf 
mit einem Gemisch von Mäuseleber, Niere und Milz vorbehandelten 
Ratten schneller zugrunde gehen als auf normalen Ratten. 

(Selbstbericht.) 


Diskussion. 


Wullstein (Halle a. S.) hat in den letzten 2 Jahren Experi- 
mente unternommen, um Gewebe der einen Tierspezies auf die andere 
zu übertragen und hat dazu zwischen Ziege und Schaf eine Verwach- 
sung erzeugt, eine Sauerbruch’sche »Parabiose«.. Von den Tieren 
überlebte das eine die Operation um 5i/,, das andere um 11 Tage. 
Gleichwohl ist, wie das (demonstrierte) Präparat zeigt, eine Vereini- 
gung eingetreten, die jeder objektive Beschauer für eine einwandsfreie 
Heilung per primam intentionem erklären muß. Und auch die mikro- 
skopische Betrachtung des Präparates ergibt demgemäß im Bereiche 
der Cutis in der haarfeinen Verwachsungszone eine Vereinigung durch 
zweireihig angeordnete Fibroblasten; in der Epithelschicht aber ist der 
Übergang von der Ziegenhaut in die Schafhaut, abgesehen von der 
verschiedenen Pigmentierung, überhaupt nicht mehr zu erkennen. W. 
gedenkt die Experimente fortzusetzen, und zwar auf Anraten von Prof. 
Stoeltzner (Halle) nach vorheriger Immunisierung der Tiere. 

(Selbstbericht.) 


Funke (Wien) stellt einen 15jährigen Knaben vor, der vor 6 Jahren 
anläßlich einer Bergpartie von einem herabfallenden Stein getroffen 
wurde und eine schwere Schädelzertrümmerung erlitt. 

16 Stunden nach der Verletzung Operation, Entfernung der voll- 
kommen losen Knochenfragmente. Die Dura, die sehr gespannt war, 
wird nicht eröffnet, die ganze Wundfläche lose tamponiert. Die Be- 
wußtlosigkeit dauerte 11 volle Tage an, erst in der 3. Woche ver- 
mochte der Pat. leichte Bewegungen mit den Extremitäten auszu- 
führen und einzelne Silben auszusprechen. Der früher sehr aufgeweckte 


mu DE u 


Knabe hatte das Schreiben und Lesen vollkommen vergessen, Kopf- 
rechnen und Notenlesen war dagegen ungestört. Erst nach !/, Jahre 
war sein Zustand wieder ziemlich normal, nur die Sprache blieb 
bis zum heutigen Tag etwas langsam und zeitweise leicht stotternd. 
Auch die früher öfters bestandenen intensiven Kopfschmerzen stellen 
sich seit einem Jahr nicht mehr ein. 

Der Wundverlauf nach der Operation war ein ganz reaktions- 
loser. Am 8. Tage wurden die Tampons entfernt, die Wunde durch 
die Naht vollkommen geschlossen. 2 Monate später Einlegung einer 
fast handtellergroßen Zelluloidplatte, die ebenfalls reaktionslos ein- 
heilte und bis zum heutigen Tag ohne die geringsten Beschwerden 
getragen wird. (Selbstbericht.) 


L. Rehn (Frankfurt a. M.). Demonstration eines 9 Jahre alten 
Mädchens. Seit 5 Jahren linksseitige tuberkulöse fistelnde Koxitis, 
hochgradige Flexions-Adduktionskontraktur im Hüftgelenk, Kompen- 
sationslordose der Lendenwirbelsäule. Verkürzung des Beines um 
6 cm, sehr schlechtes Gehvermögen. Resektion des atrophischen 
Schenkelhalses und -kopfes, der nach oben disloziert war, Einschlagen 
eines Elfenbeinstiftes in die Sägefläche des Trochanter und in die 
Pfanne, Fixation desselben durch einen in das Darmbein einge- 
schlagenen Nagel. Der Elfenbeinstift ist glatt, ohne Fistel eingeheilt, 
um ihn herum beginnt sich ein neuer Schenkelhals zu bilden. Die 
Stellung des Beines, das nunmehr nur noch 3!/, cm verkürzt ist, ist 
als eine sehr gute zu bezeichnen, in dem Hüftgelenk ist bereits eine 
geringe passive Beweglichkeit vorhanden, die voraussichtlich noch zu- 
nehmen wird. Der Gang ist vorzüglich. Die demonstrierten Photo- 
graphien vor und nach der Operation zeigen den ausgezeichneten funk- 
tionellen und kosmetischen Erfolg der künstlichen Schenkelhalsbildung 
durch den eingesetzten Elfenbeinstift. (Selbstbericht.) 





12) Kocher (Bern). Zur Technik der Transplantation der 
Schilddrüse. 


K. berichtet über gelungene Versuche, Schilddrüsengewebe in 
Knochen (die Tibia) einzupflanzen, ein Verfahren, das bei gleicher 
Sicherheit der Wirkung einfacher und gefahrloser ist als beispielsweise 
die Einpflanzung in die Milz. 


Diskussion. 


Payr (Greifswald) berichtet über den weiteren Verlauf des vor 
2 Jahren am Chirurgen-Kongreß besprochenen Falles von Trans- 
plantation der Schilddrüse in die Milz. Es sind seit dem Eingriff 
28 Monate verflossen, ein Zeitraum, der genügt, um ein Urteil über 
das Resultat der Organüberpflanzung zu fällen. 

Es war ein sehr ungünstiger Fall gewesen, in dem P. ein großes 
Stück gesunder mütterlicher Schilddrüse in die Milz überpflanzte. Das 


— 2 — 


Kind war durch nahezu 3 Jahre mit äußerst geringem Erfolge mit 
Schilddrüsenpräparaten innerlich behandelt worden. — 

Trotzdem besserte sich das intellektuelle und somatische 
Befinden des Kindes in ganz auffallender Weise, in den ersten Monaten 
bis zum Ende des ersten Jahres rapide, dann etwas langsamer. 

Über das intellektuelle Verhalten der Pat. teilt P. folgendes mit: 


Das Kind war total verblödet, ja in seinem ganzen Gehaben als 
tierisch zu bezeichnen. Es konnte weder stehen, noch gehen, noch 
sitzen. Es stieß unartikulierte Laute aus, nicht selten ließ es ein tieri- 
sches Gebrülle hören. — Die Aufmerksamkeit des Kindes war kaum 
durch irgendwelche Sinnesreize zu erregen. 

Das Kind lernte sitzen, stehen, gehen; es hatte schon nach wenigen 
Monaten Interesse für äußere Eindrücke, fing zu gehen an, gab Zeichen 
von sich, wenn es Stuhl oder Harn absetzen wollte; es lernte einige 
Worte sprechen, allerdings blieb der Wortschatz ein geringer. — Ganz 
auffallend war das früher ganz vermißte Auftreten von Erinnerungs- 
bildern, sowie von deutlicher, einen gewissen Grad von Intelligenz ver- 
ratender Urteilskraft. Das Kind erkannte Personen, Straßen, Häuser, 
in denen es einmal gewesen, sofort wieder, machte verschiedene 
Wünsche nach Speise und Trank, Spazierengehen usw. in zweckmäßiger 
Weise seiner Umgebung bemerkbar. Auch das Aussehen des Kindes 
besserte sich ganz unglaublich, und war das Kind zur Zeit der ersten 
Nachtragsberichterstattung im September 1906 kaum mehr wieder- 
zuerkennen. — Es ist nicht ganz leicht, intellektuelle Qualitäten ganz 
scharf einzuschätzen, jedoch wurde das Kind oftmals untersucht und 
genaue Aufzeichnungen über alle Wahrnehmungen gemacht. — Gegen 
den Sommer 1907 sowie den Herbst schienen die Fortschritte, die 
immer noch deutlich zu verfolgen waren, langsamer zu werden. Das 
Kind war zu dieser Zeit mehrfach krank, und hatte dies auch auf das 
somatische Befinden seine Rückwirkung. — 

Somatisch zeigte sich gleichfalls eine sehr bedeutende Besserung. 
— Am auffallendsten und wohl am sichersten für den funktionellen 
Erfolg der Schilddrüsentransplantation sprechend waren Längen- 
wachstum und Gewichtszunahme. Das Kind erreichte innerhalb 
zweier Jahre eine Größe von 104—105 cm, was einer Längenzunahme 
von 18—19 cm entspricht. Allerdings entspricht auch dieser Wert 
noch nicht dem Durchschnittsmaß eines gleichalterigen gesunden Kin- 
des (110—114), ist aber jedenfalls als ein bemerkenswertes Resultat 
anzuführen. Von einer radiologischen Feststellung des epiphysären 
Wachstums wurde unter dem Einfluß der Mitteilungen Försterling’s 
sowie deren Betätigung aus dem Finseninstitut über die nachteilige 
Wirkung der Röntgenstrahlen auf jugendliche wachsende Knochen 
vorläufig abgesehen — ob mit Recht erscheint jetzt P. allerdings fraglich. 
— Seit dem Spätherbste 1907 ist das Längenwachstum ein geringes, 
jedoch nicht ganz leicht festzustellen, da auch die Haltung des Kindes 
eine schlechtere geworden ist. — 


a U ya 


Im Sommer und Herbst 1907 litt das Kind an sich mehrmals 
wiederholenden schweren Darmkatarrhen, die außerordentlich schädi- 
gend auf das Allgemeinbefinden einwirkten. Das Kind bekam eine 
eigentümliche wachsgelbe, bleiche Gesichtsfarbe, ist schwer anämisch, 
hat an verschiedenen Stellen des Körpers Drüsenschwellungen, die 
früher nicht palpable Milz wurde nun palpabel. 


Auch die Gewichtszunahme ist seither erheblich hinter den frühe- 
ren raschen Progressionen zurückgeblieben. Immerhin hat das Kind 
Anfang 1908 einen Wert von 19400g erreicht, was dem Durchschnitts- 
gewichte eines Sjährigen Kindes (19000—19800) entspricht. Das Kör- 
pergewicht ist also anfangs 1908 trotz schwerer Anämie und schlechten 
Allgemeinbefindens infolge erschöpfender Darmkatarrhe eigentlich als 
ein der Norm entsprechendes zu bezeichnen. — 


Der Haarwuchs, die Nagelentwicklung, die Dentition 
zeigten seit der Schilddrüsenüberpflanzung sehr bedeutende Fortschritte, 
Haut- und Uhnterhautfettgewebe sind völlig normal geworden und 
zeigen auch heute keine Spur der typischen myxödematösen Ver- 
änderungen. 


Die Haltung des Kindes hat sich in den letzten Monaten ver- 
schlechtert, es hält sich stark gebückt, der Gang ist ein spastischer. 


Alles zusammengefaßt, muß man sagen, daß der Erfolg dieses 
Eingriffes in intellektueller und somatischer Hinsicht hinter dem 
zurückgeblieben ist, was nach der rapiden Besserung in den ersten 
Monaten zu erwarten war. Sicher aber ist, daß das Kind bis 
jetzt kein Rezidiv seines Myxödems aufweist, was wohl nur im 
Sinne einer Funktion des transplantierten Schilddrüsenstückes zu deuten 
ist. — Allerdings dürfte die Funktion keine vollwertige sein. — Auch 
zahlreiche äußere ungünstige Umstände wirkten diesem Ziele entgegen. 
Schlechte Wohnung, Ernährung, wenig Luft und Licht, ungenügende 
Beschäftigung mit dem Kinde sind gewiß nicht zu unterschätzende 
antagonistische Faktoren. 


Der Erfolg ist also kein vollkommener; vielleicht läßt sich 
auch der Grund dafür angeben. — Es ist nach unseren jetzigen Kennt- 
nissen wahrscheinlich durchaus nicht gleichgültig, in welchen Fällen 
von Hypothyreosis man operiert; ob es sich um ein kongenitales oder 
erworbenes Myxödem, um eine Üachexia strumipriva oder endlich 
um eine Kombination von Kretinismus mit Myxödem handelt. Wir 
wissen seit den in neuester Zeit mitgeteilten Untersuchungen von 
Scholz und Zingerle, daß bei Kretinismus schwere Veränderungen 
im Zentralnervensystem, speziell im großen Hirn, sich fast in jedem 
Falle nachweisen lassen. Wahrscheinlich sind in kombinierten Fällen 
von kongenitalem Myxödem und Kretinismus, besonders wenn es sich 
schon um etwas größere Kinder handelt, die Aussichten einer Schild- 
drüsentransplantation beschränkt, weil es fraglich erscheint, ob die 
durch den Schilddrüsenmangel bedingten zerebralen Defekte einer 
Heilung zugänglich sind. — 


nr Bl je 


Je reiner und frischer der Ausfall an Schilddrüsenfunktion ist, um 
so höhere Chancen des Erfolges. 

Was die Technik des Verfahrens anlangt, so ist die Milz der 
außerordentlich reichlichen Vaskularisation wegen als ein besonders 
günstiger Ort für die Einpflanzung zu bezeichnen. Wenn es sich 
zeigt — P. hat ja selbst derartige Versuche zuerst am Tier ausgeführt —, 
daß das Knochenmark in gleicher Weise für die Ernährung des über- 
pflanzten Gewebes sorgt, so ist diese Methode natürlich als einfacher 
und weniger gefährlich zu bezeichnen. 

Übrigens läßt sich auch ein Bedenken, das wahrscheinlich gegen 
die Implantation in die Milz manchen vor der Ausführung dieses Ein- 
griffes abhält, vielleicht beseitigen. 

Bei zweizeitigem ÖOperieren, 1) Splenopexie, 2) Organtransplan- 
tation, läßt sich die von manchem als doch nicht so gering angesehene 
Gefahr einer Nachblutung in die Bauchhöhle umgehen. — 

(Selbstbericht.) 


Garr& (Bonn) hat im Februar 1908 bei chronischer Tetanie nach 
Kropfoperation die Epithelkörperchen eines Basedowkropfes in die 
Tibiadiaphyse eingepflanzt. Der Pat. geht es wesentlich besser. Er 
glaubt aber, daß es notwendig sei, ganze Organe zu transplantieren 
mittels der Gefäßnaht (Stich), wenn man Dauererfolge bei der Schild- 
drüsenüberpflanzung erzielen wolle. Bei einem Hunde gelang es ihm 
so, eine ganze Schilddrüsenhälfte zu verpflanzen. 


Czerny (Heidelberg) mußte wegen Karzinom die Totalexstir- 
pation der Schilddrüse machen; als Tetanie eintrat, überpflanzte er 
ein frisch exstirpiertes Schilddrüsenstück in die Milz. Die Tetanie bes- 
serte sich, aber Pat. starb 6 Tage später an Pneumonie. Die Unter- 
suchung ergab nun, daß das Schilddrüsenstück wirklich eingeheilt war. 


Müller (Rostock) hat zwei Fälle von Kretinismus, ähnlich wie 
Kocher, mittels Einpflanzung von frischem Schilddrüsengewebe in 
die Metaphyse der Tibia behandelt und eine wesentliche Besserung 
des Intellektes erzielt. 


Moskowicz (Wien) überpflanzte in einem gleichen Falle ebenfalls 
Schilddrüsengewebe in den Knochen, schnitt dasselbe aber mit Rück- 


sicht auf die Saftströmung in feine Scheiben. Erfolg. 
Boerner (Rastatt). 


v. Eiselsberg (Wien) berichtet im Anschluß an die Mitteilung 
Kocher’s über einen Fall, in welchem er vor ®/, Jahren mit Erfolg ein 
Epithelkörperchen von einer Pat. (bei der eine Üystenstruma operiert 
wurde) verpflanzt hat in einem Falle von chronischer Tetanie. 

Im Jahre 1882 war von Billroth einer damals 17jährigen Pat. 
wegen eines starke Atembeschwerden verursachenden Kropfes eine 
Totalexstirpation des Kropfes ausgeführt worden. Es schloß sich eine 
intensive Tetanie an, welche auf keinerlei Medikation (Schilddrüsen- 
fütterung, Fütterung mit Epithelkörper, Verpflanzung einer Schild- 


deae O a 


drüse) weichen wollte. Erst die eben erwähnte Verpflanzung eines 
Epithelkörperchen zwischen Fascie und Peritoneum brachte eine ent- 
schiedene Besserung. 

Objektiv besteht zwar noch das Oh wosteck’sche Phänomen fort, 
doch ist wie dies Pinneles nachwies, die Ka OZ von 2,5 auf 5 
Milliampere gestiegen. 

Über den zweiten Fall, in welchem die Überpflanzung durch Ver- 
eiterung resultatlos blieb, will ich an anderen Orten berichten. 

Ich glaube, daß die Verpflanzung auch bei anderen Fällen von 
Tetanie (aus anderer Ursache) aussichtsvoll ist, und meine nur, daß die 
Hauptschwierigkeit die Beschaffung des Materiales sein dürfte. Viel- 
leicht könnte man daran denken, von einem an einer schweren Ver- 
letzung Verstorbenen gleich nach dem Tode die Epithelkörper zu ent- 
nehmen. (Selbstbericht.) 


13) H. v. Haberer. Experimentelle Verpflanzung der Neben- 
niere in die Niere. 


Vortr. schildert eine Methode der Transplantation von Neben- 
nieren in die Nieren bei Hunden, Katzen und Kaninchen, deren 
Wesen darin besteht, daß zunächst ein kleiner Gefäßstiel der Neben- 
niere zwecks besserer Ernährung derselben in der ersten Zeit nach 
der Transplantation erhalten bleibt. Mit dieser Methode gelang es, 
in über 50% eine Einheilung der Nebenniere in die Niere nicht bloß 
mit anatomisch, sondern auch funktionell günstigem Resultate zu er- 
zielen. Ohne auf diese Versuche, die in einer bereits in Druck be- 
findlichen Publikation niedergelegt sind, näher einzugehen, bespricht 
Vortr. die Resultate einer von ihm gemeinsam mit Prof. Stoerk 
in Wien durchgeführten Arbeit, welche sich mit dem Studium der histo- 
logisch-anatomischen Veränderungen von in die Niere transplantierten 
Nebennieren beschäftigt. Die der Arbeit zugrunde liegende Frage 
war die, ob aus in die Niere transplantiertem Nebennierengewebe 
Formationen entstehen können, die mit den unter dem Namen 
Grawitz’sche Geschwülste bekannten Tumoren Ähnlichkeit besitzen. 
Zu diesem Behufe wurden 104 transplantierte Nebennieren in nahezu 
kontinuierlicher Reihe, angefangen von wenigen Tagen nach der Trans- 
plantation, bis zu über 1/, Jahre nach derselben, untersucht. Dabei 
ergab sich, daß fast von jeder transplantierten Nebenniere gleich in 
den ersten Tagen ein Teil zugrunde geht. Neben eindeutigen Ne- 
krosen kommt es aber auch zu regressiven Vorgängen in einzelnen 
Rindenzellkomplexen, welche von den Verfassern mit Sicherheit als 
Vorstadien des Zellunterganges bezeichnet werden, und die sich zu- 
nächst durch das Verschwinden der alveolären Strukturierung der 
Zellkomplexe, geringere Protoplasmafärbbarkeit, Auftreten von häma- 
togenem Pigment im Protoplasma, sowie durch degenerative Kernver- 
änderungen dokumentieren. Dazu kommt das Auftreten von eigen- 
tümlichen Kristallen mit Fremdkörperriesenzellenbildung. Auch das 


we 8 aa 


regellose Einwachsen von Bindegewebszügen ist für den regressiven 
Zustand bezeichnend. Lange Zeit können sich die Zellen in diesem 
regressiven Zustand erhalten, dessen Erkennung durch den Vergleich 
mit lebendem und hypertrophierendem Nebennierengewebe ermöglicht 
wurde. Die ungeschädigten und hypertrophierenden Anteile der trans- 
plantierten Nebennieren kontrastieren in lebhaftester Weise mit den 
eben skizzierten Bildern. Die hypertrophische Rinde zeigt auffällig suk- 
kulente, pigmentfreie Zellen in charakteristischen alveolären Verbänden. 
Häufig sind Mitosenbefunde. Derartige alveoläre Zellverbände wachsen 
sehr häufig ins regressive Gewebe ein und dringen auch in den Narben- 
bereich oder sogar in benachbartes Nierenparenchym vor und unter- 
scheiden sich dann in nichts von den herkömmlicherweise als Neben- 
nierenrindenadenome bezeichneten Formationen. 

Wucherndes Mark, das bisher von keinem Transplantator gesehen 
wurde, da die Marksubstanz bisher allen Experimentatoren nach der 
Transplantation zugrunde gegangen ist, zeichnet sich durch Auswachsen 
der Markmasse in und durch die Rindenschicht, durch Bildung intra- 
und extrakapsulärer Markdepots, durch infiltratives Vordringen in die 
umgrenzende Narbenschicht und das umgebende Nierengewebe, sowie 
durch lebhafte chromaffine Sekretion aus. 

Durch das ineinander greifende Spiel von Regreß und Regeneration 
kommt es zu einem totalen Neu- und Umbau des Organes, bis durch 
die mächtige regenerative Wachstumstendenz des Nebennierengewebes 
das funktionelle Gleichgewicht wieder vollständig hergestellt ist. 

Die Verff. glauben, daß die regressiven Veränderungen von jenen 
Autoren, welche bisher über Erfolge mit gefäßloser Nebennierentrans- 
plantation berichten, zum Teil nicht erkannt wurden, und halten dafür, 
daß auch die von Schmieden seinerzeit angegebenen Befunde fast 
ausschließlich auf diese Weise zu erklären sind. Auf Grund ihrer 
Untersuchungsreihe fühlen sie sich zu dem Schlusse berechtigt, daß in 
die Niere experimentell verlagertes und daselbst wucherndes Neben- 
nierenrindengewebe bei den genannten drei Tierspezies immer und aus- 
schließlich Formationen vom Typus der Rindenadenome, niemals aber 
vom Typus der Grawitz’schen Geschwülste produziert. 

(Selbstbericht.) 
Diskussion. 


Schmieden (Berlin): Vortr. führt aus, daß seine früheren Ex- 
perimente, mit denen es zum ersten Male gelungen war, die Neben- 
niere zu verpflanzen, den Zweck hatten, die versprengten Nebennieren- 
keime nachzuahmen und die histologischen Verhältnisse bei freier 
Plastik zu studieren. Damit kann man das Gewebe nicht im alten 
Zustand erhalten, auch seine Funktion geht bei dem langsam vor sich 
gehenden Degenerationsprozeß langsam zugrunde. Hierbei entstehen 
Bilder, die sehr lebhaft an das Gewebe der Grawitz’schen Tumoren 
erinnern, was die Zellbilder und die Anordnung anbetrifft. Wenn 
nun v. Haberer eine bessere Pflanzung gelungen ist, so gelingt dies 
eben nur unter zeitweiser Beibehaltung einer Brücke; dies freilich ist 

Chirurgen-Kongreß 19(8. 3 


—. 34 — 


keine freie Plastik mehr, und die Methode verliert dadurch an Aus- 
sicht auf praktische Verwertbarkeit und eventuelle Ausführbarkeit von 
einem Individuum auf das andere. 

Der Vortr. wirft zum Schluß die Frage auf, ob der bei freier 
Plastik notwendige Verlust der Nervenverbindungen des Organs event. 
an dem Verluste der Funktion schuld sei, und regt Studien darüber 
an, ob bei der Technik des Herrn v. Haberer die Nerven des Organs 
erhalten bleiben. (Selbstbericht.) 


Störk (Wien): Das angeblich stehen gebliebene Rindengewebe 
sei hypertrophisches Gewebe. Auch habe es keine Ahnlichkeit mit 
Grawitz’schem Geschwulstgewebe (Schmieden). 





14) Lexer (Königsberg i. Pr... Die Verwendung der freien 
Knochenplastik nebst Versuchen über Gelenkversteifung und 
Gelenktransplantation. 


L. berichtet über seine Erfolge mit freier Knochentransplantation 
nach Erfahrungen an einem großen Krankenmaterial. Es handelt sich 
um den Ersatz von großen Lücken der Schädelknochen, um das Heben 
von eingefallenen Stellen des Gesichtsskelettes, um den Ersatz großer 
Defekte der Röhrenknochen und des Unterkiefers, um die Heilung 
von Pseudarthrosen, auch am Schenkelhals, durch Knochenbolzung, 
um die Versteifung paralytischer Gelenke (besonders des Fußgelenkes) 
durch Bolzung der benachbarten Knochen, um den Ersatz großer 
Abschnitte der Röhrenknochen samt einem Gelenkkopfe oder samt 
beiden Epiphysen und schließlich um Versuche, ganze Gelenke zu trans- 
plantieren. (Kniegelenke bei zwei Erwachsenen.) 

Zur Verpflanzung eignete sich am besten frischer, mit Periost be- 
kleideter Knochen, während ausgekochter Leichenknochen sich nur da 
bewährte, wo er unter Periost oder in den Knochen hinein verpflanzt 
worden war. Bei großen Röhrenknochenersatzstücken wurde das 
Knochenmark entfernt, da entzündliche Erscheinungen der Resorption 
seiner Zeerfallsstoffe folgten, und durch Jodoformknochenplombe ersetzt. 
Der allmähliche Schwund der letzteren gibt in den Röntgenbildern 
gute Anhaltspunkte für das Fortschreiten der Vaskularisation. 

Einzelheiten eignen sich nicht für ein kurzes Referat. (Demon- 
stration verschiedener operierter Pat. und Röntgenbilder.) 

(Selbstbericht.) 


15) L. Heidenhain (Worms). Östeoplastischer Ersatz der 
Tibiadiaphyse. 

H. stellt ein 4jähriges Kind vor, welchem er Anfang Juni 1906 

wegen eines myelogenen Sarkomes der Diaphyse der rechten Tibia 


diese fast in ganzer Länge exstirpiert und durch ein abgespaltenes 
Stück der linken Tibia von gleicher Länge (Innenfläche, Knochen mit 


ge ABEL ai 


Periost) ersetzt hat. Heilung p. pr. Das Kind ging von der 7. Woche an 
ohne Verband. 3!/, Monate nach der Implantation Querbruch des 
implantierten Stückes wegen Rarefaktion desselben. Glatte Konsoli- 
dation in kurzer Zeit unter Gipsverband. Seitdem Funktion ohne 
Störung. Von geringfügiger Verbiegung der Tibia durch Belastungs- 
druck abgesehen, keine Deformität des Knochens. Röntgenbild zeigt, 
daß die Tibia in normaler Weise von den Epiphysen aus gewachsen 
ist. Das implantierte Stück, welches die Mitte des Knochens ein- 
nimmt, ist natürlich nicht gewachsen, entsprechend den normalen Vor- 
gängen beim Knochenwachstum. H. zeigt ferner die Röntgenplatten 
eines Kindes, welchem er einen ca. 10 cm langen vollkommenen Defekt 
der Tibia, durch akute Osteomyelitis entstanden, ebenfalls durch ein 
abgespaltenes Stück der Innenfläche der anderen Tibia mit Periost 
ersetzt hat. Auch hier erfolgte, trotz Eiterung und Abstoßung eines 
großen Sequesters des implantierten Stückes, Heilung, d. h. Konsoli- 
dation mit voller Funktion. (Selbstbericht.) 


16) Barth (Danzig). Über Osteoplastik. 

Die Bedeutung des Periostes bei der freien Transplantation 
periostgedeckter Knochenstücke erscheint heute in einem anderen 
Lichte, als es Vortr. vor 14 Jahren auf Grund seiner Versuche dar- 
gestellt hat. Es ist inzwischen durch Experiment sowohl als durch 
klinische Erfahrung hinreichend erwiesen, daß sich das Periost auf 
Periostknochenstücken erfolgreich übertragen läßt und dabei eine 
relativ hohe Vitalität und Produktivität besitzt. Auch Erfahrungen 
des Vortr. lassen daran keinen Zweifel. Den Prüfstein bilden die 
großen zirkulären Defekte der langen Röhrenknochen mit Verlust des 
Periostes nach Verletzungen, Osteomyelitis und besonders bei den 
modernen Kontinuitätsresektionen wegen Sarkomen. Der erfolgreiche 
Ersatz solcher Defekte mit totem Knochenmaterial scheiterte im all- 
gemeinen an dem Mangel eines ausreichenden ossifikationsfähigen 
Bodens, von dem aus der tote Knochen durch neuen Knochen ersetzt 
werden kann; denn die schmalen Berührungsflächen an den Resektions- 
stümpfen sind hierfür völlig unzureichend. Solche Fremdkörper 
können zwar an den Resektionsflächen knöchern verwachsen, sie bleiben 
aber in der Hauptsache Fremdkörper, und früher oder später ent- 
scheidet eine gelegentliche sekundäre Infektion endgültig über ihr 
Schicksal. Hierzu einige Beispiele. 

Bei einem 21jährigen Manne wurde ein 20 cm langes Stück, d. 
h. fast die ganze Diaphyse des Humerus wegen periostalen Sarkoms 
zirkulär mitsamt Periost reseziert und durch ein entsprechendes Stück 
aus einem sterilisierten Skeletthumerus ersetzt. Nach anfangs günstigem 
Verlauf trat nach 3 Wochen unter Fieber Eiterung ein, und der im- 
plantierte Knochen mußte 7 Wochen p. op. wieder entfernt werden. 
3 Monate später Spaltung der Narbe und Implantation der sterili- 
sierten Fibula einer frischen Leiche. Heilung mit knöchener Ver- 
einigung am oberen, mit Pseudarthrose am unteren Ende. Später 

3* 


zen, U on 


Fistelbildung und Entfernung des Fremdkörpers nach 7 Monaten. 
Nach Heilung der Wunde Autoplastik mit 20 cm langem Periost- 
knochenspan aus der Tibia. Knöcherne Vereinigung mit beiden 
Humerusstümpfen binnen 2 Jahren, aber Pseudarthrose oberhalb der 
Mitte infolge fortschreitender Rarefikation an dieser Stelle, während 
sich das Knochenstück in den übrigen Abschnitten durch Modellierung 
der Form des normalen Humerus angepaßt hat. B. führt dies auf 
eine Tätigkeit des mitüberpflanzten Periostes zurück, da periostlose 
Knochenstücke, in Weichteilen implantiert, allmählich resorbiert werden, 
wie er an einem Beispiel demonstriert. Einen scheinbaren Erfolg mit 
der Implantation toten Materials hatte B. bei einer 33jährigen Pat., 
der der obere Abschnitt der Tibia in Ausdehnung von 10 cm wegen 
periostalen Sarkoms reseziert worden war. Es wurde die Fibula in 
die Fossa intercondyl. fem. eingepflanzt und der Defekt zwischen Cond. 
int. fem. und Tibiastumpf durch ein großes mazeriertes Spongiosastück 
ersetzt. Heilung mit unvollkommener Konsolidierung des Beines, 
Gang mit Stützapparat, Amputation nach 11/, Jahren wegen Rezidivs. 
Das implantierte Spongiosastück war stark verkleinert, teils durch 
Rezidivknoten, teils durch Granulationsgewebe. Die Vereinigung mit 
der Tibia war eine bindegewebige. 

Mit derselben Methode, aber unter Benutzung zweier periostge- 
deckter Knochenspäne aus der gesunden Tibia, erzielte B. ein voll- 
kommenes Resultat bei einem 17jähriges Mädchen mit myelogenem 
Sarkom des Tibiakopfes. Vollkommene Konsolidierung, freier Gang, 
rezidivfrei nach 4 Jahren. 

Ein ideales Resultat hatte die Autoplastik in einem vor 11 Jahren 
von B. operierten Fall von 6 cm langem zirkulären Defekt der Tibia 
nach osteomyelitischer Totalnekrose bei einem Sjährigen Knaben. Im- 
plantation zweier Periostknochenspäne der gesunden Tibia, voll- 
ständige Konsolidierung mit massiger Knochenneubildung nach 2!/, 
Jahren, vorzügliche Gebrauchsfähigkeit des Beines. 

In einem weiteren Falle von Autoplastik, die vor 6 Jahren ge- 
legentlich einer 6 cm langen Kontinuitätsresektion der Tibia wegen 
Sarkoms ausgeführt wurde, blieb das funktionelle Resultat infolge von 
Pseudarthrose am unteren Ende unvollkommen. Der Periostknochen- 
span hat sich aber gut modelliert, so daß er im Röntgenbild kaum 
von der normalen Tibia zu unterscheiden ist. 

Nach diesen Erfahrungen hält Vortr. die Auto- und Homoplastik 
mit periostgedeckten Knochenstücken für den Ersatz von Kontinuitäts- 
defekten der Röhrenknochen für die souveräne und allein sicher zum 
Ziele führende Methode, während die Fremdkörpertherapie im Sinne 
Gluck’s durch die Erfolge der Autoplastik mehr denn je zurück- 
gedrängt ist. Anders verhält es sich bei Schädeldefekten und bei 
wandständigen höhlenförmigen Defekten der Röhrenknochen. Hier 
verbürgt der ossifikationsfähige Boden den knöchernen Ersatz auch bei 
Implantation sterilen toten Knochenmaterials, wovon sich B. nament- 
lich bei komplizierten Schädelbrüchen des öfteren überzeugen konnte. 


en. 3 sm 


Er pflegt hier die beschmutzten Fragmente durch Auskochen zu 
sterilisiieren und dann zu replantieren; in einem Fall wurde durch 
sekundäre Einheilung von Knochenkohle in die granulierende Wunde 
voller Erfolg erzielt. In solchen Fällen erscheint die Autoplastik über- 
flüssig. Bei einem richtigen Verständnis für die pathologischen Vor- 
gänge kann man auch sonst gelegentlich schöne Erfolge mit der 
Implantation von toten Knochen haben, wie folgender Fall beweist. 
Ein 17jähriges Mädchen, welches seit dem 5. Lebensjahre an aben- 
teuerlichen Verkrümmungen der Extremitäten infolge von Osteo- 
malakie litt und sich nur auf der Erde kriechend fortbewegen 
konnte, war mehrfach erfolglos osteotomiert worden, weil stets Pseud- 
arthrosen zurückblieben, mangels jeder Callusbildung an dem atro- 
phischen Knochen. Durch Implantation von Knochenkohle in die 
Markhöhle wurde binnen 10 Wochen Konsolidierung erzielt. Nach- 
einander wurden sechs Osteotomien mit Implantationen von Knochen- 
kohle an Femur und Tibia beider Beine ausgeführt und das Mädchen 
hierdurch auf die Beine gebracht, was vorher jahrelangen Bemühungen 
nicht gelungen war. (Selbstbericht.) 





17) Brentano (Berlin). Beitrag zur Knochenüberpflanzung in 
Röhrenknochendefekte. 


B. stellt zwei Pat. vor, bei welchen er ausgedehnte Defekte 
in den langen Röhrenknochen durch Zupflanzung eines freien Periost- 
knochenstückes ersetzt hatte. Das Ersatzstück wurde in beiden 
Fällen mittels der elektrischen Kreissäge der Vorderfläche der Tibia 
entnommen und umfaßte nicht nur die Oorticalis in ihrer ganzen Dicke 
und das zugehörige Periost, sondern auch oberflächliche Teile des 
Knochenmarkes. 

Fall I. 14jähriges Mädchen mit einem myelogenen Sarkom der 
linken Tibia, das die ganze untere Epiphyse und ein Stück der an- 
grenzenden Diaphyse einnahm, aber weder die Corticalis noch den 
Gelenkknorpel an irgend einer Stelle durchbrochen hatte. 22. Januar 
1908 Resektion der unteren ?/, der linken Tibia samt ihrem Periost 
und der Gelenkfläche, aber mit sorgfältiger Schonung aller Sehnen 
(Demonstration des Präparates).. In den 15 cm langen Defekt wird 
ein Periostknochenstück eingepflanzt, das der Tibia derselben Seite 
oberhalb der Resektionsstelle, in diese aber nicht hineinreichend, ent- 
nommen war. Das Stück stützte sich oben auf die Sägefläche der 
Tibia, unten auf die Talusrolle, wo mit der Luer’schen Zange eine 
kleine Grube in dem Knorpel zur Aufnahme des peripheren Endes 
hergestellt worden war. Einen weiteren Halt erhielt das Ersatzstück 
durch Nähte, die sein Periost oben mit dem der Tibia, unten mit 
Resten der Gelenkkapsel verbanden. Hautnaht. Drainage der Fuß- 
gelenkgegend vor und hinter dem äußeren Knöchel. Volkmann'sche 
Schiene, später Gipsverband, in dem die Pat. schon 6 Wochen nach 
der Operation die ersten Gehversuche machen konnte. Gegenwärtig 
(3 Monate nach der Operation) kann sich die Pat. bereits ohne Ver- 


—— 388 — 


band und ohne Stock fortbewegen. Der Fuß steht in leichter Varus- 
stellung und ist im Talo-Cruralgelenk versteift. Von einem leichten 
Federn abgesehen, ist aber sonst, und zwar namentlich auch bei der 
Betastung, kaum etwas von der Überpflanzung nachzuweisen. Die 
Röntgenbilder zeigen, daß das eingepflanzte Knochenstück in feste 
organische Verbindung mit dem Tibiaschafte getreten ist und bereits 
eine deutliche Knochenneubildung begonnen hat, die von dem Periost 
und dem Marke des Ersatzstückes ausgeht. 

Fall II. 25jähriger Mann. Pseudarthrose des linken Oberarmes, 
entstanden nach komplizierter Fraktur durch Fall in Südwestafrika. 
3malige Anfrischung und Naht ohne Erfolg, ebenso das osteoplastische 
Verfahren nach W. Müller: Am 2. Oktober 1907 Implantation eines 
6 cm langen Periostknochenstückes aus der linken Tibia zwischen die 
treppenartig angefrischten und auseinander gezogenen Fragmentenden. 
Bei der Art der vorgenommenen Anfrischung läßt sich das eingepflanzte 
Knochenstück nur mangelhaft durch einige Periostnähte an Ort und 
Stelle fixieren. Hautnaht, Drainage. Verband und Fixierung des 
Armes auf einem Middeldorpff’schen Triangel. Verlauf anfangs 
reaktionslos. Fast 5 Wochen nach der Operation bildete sich ein 
Abszeß an der Implantationsstelle, der inzidiert werden mußte. Aus 
der Inzisionswunde entwickelte sich eine Fistel, die sich erst schloß, 
als sich ein kleinfingernagelgroßer Sequester aus ihr entleert hatte. Pat. 
machte dann später noch ein Erysipel durch, das zu einer Abszeß- 
bildung in der Achselhöhle geführt hatte. 

Trotz all dieser Komplikation ist der überpflanzte Knochen nicht 
ausgestoßen worden, sondern ist eingeheilt. Er ist aber, vermutlich 
infolge der ungenügenden Fixierung, bis jetzt, d. h. ca. 61/, Monate 
nach der Operation, noch nicht in feste Verbindung mit den Fraktur- 
enden getreten, so daß noch deutliche Wackelbewegungen an der Im- 
plantationsstelle nachweisbar sind. 

Die Röntgenbilder zeigen, daß das Ersatzstück oben und unten 
von Oallusmassen umwuchert wird, die von den Humerusenden ge- 
bildet werden und sich einander entgegen wachsen, gegenwärtig aber 
erst die Enden des eingepflanzten Stückes pfannenartig umgeben. 
Dieses selbst ist kürzer geworden und hat eine mehr ovale Form an- 
genommen, indem vorwiegend seine Ecken und Enden der Resorption 
zum Opfer gefallen sind, d. h. also diejenigen Teile, wo das mitver- 
pflanzte Periost nicht ganz fest haftete bzw. bei der Fixierung vom 
Knochen gelöst wurde. 

Der Fall lehrt, daß man bei der Überpflanzung von Periost- 
knochenstücken auf möglichst feste Verbindung des Ersatzstückes mit 
dem Knochen, der den Defekt aufweist, das größte Gewicht zu legen 
hat. Bei mangelhafter Fixierung treten infolge der elastischen Re- 
traktion der Muskeln Verschiebungen ein, und es kommt durch Be- 
wegungen der Knochenenden an der Einpflanzungsstelle zu Ab- 
schleifungen an dem Ersatzstücke, das dadurch seiner ursprünglichen 
Bestimmung verloren geht. (Selbstbericht.) 


en 3 a 


Diskussion zu Nr. 14—17. 


A. Neumann (Berlin. Demonstration eines Falles von 
Osteoplastik. 

N. stellt einen 4ljährigen Buchbinder vor, welchem er vor Jahres- 
frist die distalen 91/3 cm des linken Radius wegen Sarkom desselben 
reseziert und den Defekt durch ein entsprechendes Stück aus der 
Tibia in Zusammenhang mit dem Periost derselben ersetzt hat. Das 
Ersatzstück ist ohne jede Naht oder Nagelung fest eingeheilt und hat 
— durch eine zweckentsprechende Verwendung des mit überpflanzten 
Periostes — dem Handgelenk die Beweglichkeit in so hohem Grade 
wiedergegeben, daß der Pat. eine vollkommen gebrauchsfähige Hand 
wiedererlangt und behalten hat. Die vorgezeigten Röntgenbilder lassen 
die anatomischen Verhältnisse gut erkennen, speziell auch die wichtige 
Rolle, die dem mitüberpflanzten Periost bei der Knochenneubildung 
zuzuerteilen ist. (Selbstbericht.) 


_ Braun (Göttingen) deckte einen Defekt des Humerus nach Re- 
sektion wegen Knochencyste ebenfalls durch freie Autoplastik aus 
der Tibia und erzielte einen vollkommen festen Oberarmknochen. 

Boerner (Rastatt). 
v. Hacker (Graz) will im Gegensatz zu Lexer kein Transplan- 
tationsmaterial von anderen Pat. benutzen, da hierbei eine Übertragung 
von Krankheitskeimen nicht mit Sicherheit auszuschließen sei. 


Axhausen (Berlin) betont auf Grund seiner Tierversuche, daB 
die Mitüberpflanzung von Periost notwendig sei, wenn man einen 
dauernden Ersatz erzielen wolle; das transplantierte Periost bleib am 
Leben und produziert Knochen. 


Löwenfeld (Utrecht) berichtet über einen Fall von Autoplastik. 


Kausch (Schöneberg) ist der Ansicht, daß toter, selbst ausge- 
kochter Knochen trotz des Fehlens des Periostes einheile; Leichen- 
knochen allerdings nicht. 

Bade (Hannover) ist mit der Versteifung des Fußgelenkes durch 
Bolzung, wie Lexer vorschlägt, nicht einverstanden, da für die Funk- 
tion des Fußes eine geringe Beweglichkeit des Fußgelenkes notwendig 
sei. Andererseits lasse sich eine Versteifung des Kniegelenkes auch 
durch langdauernde Verbände erreichen. Boerner (Rastatt). 





18) M. v. Brunn (Tübingen). Über neuere Bestrebungen 
zur Verbesserung und Vereinfachung der Hautdesinfektion. 
Alkohol als einziges Desinfektionsmittel. 

Die bisher üblichen, meist mehraktigen und ziemlich komplizierten 
Desinfektionsverfahren haben sämtlich nicht vermocht, ein keimfreies 
Operieren zu ermöglichen. Daher machen sich in neuerer Zeit immer 
mehr Bestrebungen geltend, auf die Entfernung der Bakterien von 
der Haut überhaupt zu verzichten und nur dafür zu sorgen, daß 


a Ale ge 


während der Operation keine oder doch wenigstens nicht allzu viele 
Bakterien sich von der Hautoberfläche ablösen. Dieses Ziel zu er- 
reichen, gelingt durch die Desinfektion ausschließlich mit 
reinem 96%igen Alkohol, der in der v. Bruns’schen Klinik im 
letzten Halbjahr ausschließlich zur Desinfektion der Haut von Händen 
und Operationsfeld benutzt wurde. Die Veränderung der Hautober- 
fläche durch den Alkohol derart, daß kleinste korpuskuläre Elemente 
auf ihr festgehalten werden, ist schon vielfach in der Literatur er- 
wiesen, wurde aber bisher fast immer gegen den Wert der Alkohol- 
desinfektion ins Feld geführt. Da es bei der reinen Alkoholdesin- 
fektion nicht auf eine Abtötung der Bakterien abgesehen ist, welche 
innerhalb der zur Desinfektion praktisch in Betracht kommenden Zeit 
nicht gelingt, sondern auf eine Schrumpfung der Haut durch Wasser- 
entziehung, so ist den stark wasserentziehenden hohen Kon- 
zentrationen der Vorzug zu geben vor den etwas stärker bak- 
teriziden schwächeren Konzentrationen. Eine vorausgeschickte 
Waschung mit Wasser und Seife ist unzweckmäßig und beein- 
trächtigt den Desinfektionseffekt. Eine zu starke mechanische Be- 
arbeitung der Haut ist zu unterlassen, damit nicht aus den tieferen 
Hautschichten Bakterien an die Oberfläche gebracht werden, die man 
dann doch schließlich nicht entfernen kann, und damit Hautschädi- 
gungen unter allen Umständen vermieden werden. 

Die praktische Ausführung der Desinfektion besteht darin, daß 
mit einem in Gaze gehüllten Wattebausch die Haut der Hände und 
des Operationsfeldes 5—10 Minuten lang in 96 gigem Alkohol abge- 
rieben wird. Selbstverständlich müssen die Hände schon vorher im 
gewöhnlichen Sinne rein sein, auch sollen die Pat. das übliche 
Reinigungsvollbad am Abend vor der Operation oder am Morgen des 
Operationstages, wenn möglich aber nicht unmittelbar vor der Opera- 
tion, bekommen haben. Nach beendeter Desinfektion ist eine zu starke 
Benetzung der Haut zu vermeiden, weil durch Aufweichung der Haut 
die Bakterienabgabe wieder vermehrt werden kann. Es empfiehlt sich 
daher, die Hand mit sterilen Gummihandschuhen zu bedecken, während 
besondere Vorsichtsmaßregeln am Operationsfeld nach den bisherigen 
Erfahrungen überflüssig zu sein scheinen. 

Die reine Alkoholdesinfektion leistet nach den bisherigen Er- 
fahrungen praktisch vollkommen Ausreichendes auf so einfache Weise, 
wie kein anderes Desinfektionsverfahren und ist bei der leichten Zu- 
gänglichkeit des Desinfektionsmittels zur weitesten Verbreitung be- 
sonders geeignet. (Selbstbericht ) 





19) Heusner. Über Jodbenzindesinfektion. 


Dem Spiritus gegenüber besitzt das Benzin wie auch die Jod- 
benzin-Paraffinlösung den Vorzug weit stärkerer fettlösender Kraft. 
Daher bleibt das Jodbenzin überlegen, wenn es sich um Entfernung 
von Maschinenschmiere und sonstigen fettigen Verunreinigungen der 


A| u 


Haut handelt, ebenso zum Reinigen eiternder und jauchender Wunden. 
Gut bewährt hat es sich ferner zur Desinfektion des Mundes bei 
Zahnkaries und Mundfäule. (Selbstbericht.) 


20) Klapp und Dönitz (Berlin). Über Chirosoter. 


Der Zweck bei der Anwendung des Chirosoters ist der, daß man 
die Keime in ihren Schlupfwinkeln auf der Haut festkleben will. Wir 
betrachten das Chirosoter nur als Fixationsmittel für die Keime, eine 
homogene Decke ist nicht beabsichtigt. 

Man muß die Haut mit besonderer Vorsicht auf den Gebrauch 
des Chirosoters vorbereiten. Wenn man nicht nach unserer Vorschrift 
vorgeht, so werden Mißerfolge nicht ausbleiben. Wir bereiten das 
Operationsfeld in folgender Weise vor: Am Tage vor der Operation 
wird die Haut in ganzer Ausdehnung des Operationsfeldes mit 3 iger 
alkoholischer Formollösung eingepinselt, und zwar wird die Haut etwa 
3 Minuten lang mit der genannten Lösung feucht erhalten. Am Tage 
der Operation und kurz vor der letzteren geschieht noch einmal das- 
selbe, worauf das Operationsfeld mit dem Chirosoterspray angefeuchtet 
wird. Der Operateur bereitet sich folgendermaßen vor: nach kurzer 
Reinigung der Hände mit Wasser und Seife werden dieselben sehr 
gründlich mit einem Handtuch abgetrocknet. Dann wäscht man sich 
3 Minuten lang in 70 &igem Alkohol, und nachdem der Alkohol abge- 
trocknet ist, gebrauchen wir wiederum das Chirosoter in Sprayform. 

Die bakteriologischen Ergebnisse sind recht gut. Sie wurden auch 
von anderen Arzten, so z. B. von Meissner und von Brunn be- 
stätigt. Die Haut verträgt das Chirosoter sehr gut, wenn man nur 
die eine Vorsicht gebraucht, daß man es nicht im Überschuß ver- 
wendet, so daß es an dem Körper herunterläuft und an Stellen ge- 
langt, wo es nicht verdunsten kann. Wenn man nach diesen Vor- 
schriften vorgeht, wird es niemals zur Verbrennung der Haut kommen. 
Wir fügen noch hinzu, daß eine Vorbereitung der Hände mit Jod- 
benzin sehr unzweckmäßig ist. 

Die praktischen Erfahrungen, welche wir seit dem 1. August 1907 
in der Kgl. chirurgischen Klinik erzielt haben, sind günstig. Während 
der genannten Zeit wurde das Mittel bei sämtlichen Operationen der 
Klinik und Poliklinik angewendet. Was die Wundheilung anlangt, 
so war dieselbe tadellos, so daß wir das Mittel nur weiter empfehlen 
können. | (Selbstbericht.) 





21) Wederhake (Düsseldorf). Desinfektion der Hände und 
des Operationsfeldes mittels Dermagummit. 


W. empfiehlt, an Stelle des feuergefährlichen Benzins beim Ge- 
brauche der Heusner’schen Methode den Tetrachlorkohlenstoff zu 
verwenden. Derselbe ist nicht feuergefährlich, billig, ein ausgezeich- 
netes Lösungsmittel für Fette, Jod, Brom usw. Man sollte ihn des- 
wegen in der Chirurgie überall da verwenden, wo man bisher den 


ent BI 


teueren und feuergefährlichen Ather zu mechanischen Reinigungs- 
zwecken gebraucht hat. Bei seinem Gebrauch ist nur die Vorsichts- 
maßregel zu beachten, daß er nicht in großen Quantitäten vom Ope- 
rationsfeld herabläuft, um sich z. B. beim liegenden Kranken auf 
dessen Rücken zu sammeln. Gebraucht man ihn zur Händedesinfektion 
oder zu Reinigung des Operationsfeldes, so reibt man 3 Minuten lang 
mit einer Lösung von 1,0 Jod in 1000,00 Tetrachlorkohlenstoff ab. 
Die auf diese Weise erzielten Resultate entsprechen einer Keim- 
verminderung von 95—99%. Um jedoch möglichst keimfrei zu ope- 
rieren, muĝ man die Hand und das Operationsfeld noch mit einem 
undurchlässigen Überzug versehen. Als solcher hat sich dem Vortr. 
das Dermagummit bewährt, welches von der Fabrik Dr. Degen & Kuth, 
Düren (Rheinland) oder aus jeder Apotheke bezogen werden kann. 
Das Dermagummit ist eine eigenartige, kaum klebende Jodkautschuk- 
lösung in Tetrachlorkohlenstoff, das beim Verreiben auf der Haut 
einen bakteriendichten Überzug bildet, welcher nur durch kautschuk- 
lösende Mittel wieder entfernt werden kann. Auf Grund klinischer 
und bakteriologischer Untersuchungen kann das Dermagummit emp- 
fohblen werden. Es kann auch als Überzug nach der Desinfektion 
nach Fürbringer, Ahlfeld usw. gebraucht werden, nur müssen die 
Hände vor dem Auftragen des Dermagummit trocken sein. 

Auch $ilberseide und Silberkautschukseide in stets steriler Packung 
(Demonstration) können aus den Apotheken oder von der Fabrik 
Dr. Degen & Kuth, Düren (Rheinland) in Packungen von 4,5, 10 
und 50 m bezogen werden. (Selbstbericht.) 


Diskussion zu Nr. 18—21. 

C. Brunner (Münsterlingen) hat das Heusner’sche Jodbenzinver- 
fahren im Laufe des letzten halben Jahres konsequent für die Des- 
infektion der Haut des Operationsfeldes eingeführt und an Stelle der 
Fürbringer’schen Methode beibehalten. Für die Desinfektion der 
Hände wurde es verlassen, da die Erfahrung gemacht wurde, daß 
die Haut der Hände rissig wurde. Die Desinfektion des Operations- 
feldes ist während der von Heusner vorgeschriebenen Zeit von 8 bis 
10 Minuten immer gut vertragen worden, mit Ausnahme am Skrotum bei 
Herniotomien. Hier wurde Ekzem beobachtet. Vor der Fürbringer- 
schen Methode hat das Heusner’sche Verfahren bei ebenso großer 
Leistungsfähigkeit den Vorteil größerer Einfachheit und Kürze. 

Vollständige Amykosis — Redner gebraucht diesen Ausdruck 
an Stelle des Wortes Asepsis —, Fernhaltung aller Keime von den 
Operationswunden wurde auch bei Benutzung des Deckverfahrens, bei 
Anwendung des Döderlein’schen Gaudaninüberzuges, unter Be- 
nutzung des ganzen sogenannten verschärften modernen Wundschutzes, 
d. h. bei Anwendung von Gummihandschuhen, Kopfmützen, Mund- 
binden, nie erreicht, wohl aber starke Keimreduktion. Es stimmen 
auch darin die Untersuchungsergebnisse mit denen des Herrn v. Brunn 
überein. B. bezweifelt, daß wir das, was jetzt als Ideal bezeichnet 


sa BI 


wird, die absolute Keimfreiheit operativer Wunden, zu erzielen ver- 
mögen. Vom praktischen Gesichtspunkt aus liegt dafür nach seinen 
Erfahrungen das Bedürfnis nicht vor. Erzielt er Konstanz infektions- 
loser Heilung, so gibt er sich damit zufrieden. Einige Keime werden 
die Gewebe wohl auch in Zukunft bei jedem Verfahren zu verdauen 
haben. (Selbstbericht.) 


v. Krafft (Innsbruck) berichtet über seine Versuche bezüglich 
der Bildung von Antikörpern bei Staphylokokkeninfektion und die 
dadurch ermöglichte Diagnose der bestimmten Art der Infektion. 


Braatz (Königsberg) hebt hervor, daß seine eigenen, vor vielen 
Jahren gemachten Erfahrungen heute von v. Brunn bestätigt wor- 
den seien. 


Erler (Treptow) sprach sich gegen Hautlacke aus. Durch die- 
selben wird die Körperfeuchtigkeit am Verdunsten verhindert; sie 
bricht dann in kurzer Zeit mit elementarer Gewalt durch und reißt 
die Keime, die inzwischen unter dem Lacküberzug aufgeschwemmt und 
angesammelt sind, mit sich fort. 

Die Löcher, welche der hervorperlende Schweiß setzt, sind durch 
Höllensteinlösungen nachzuweisen. Bei einer schlecht desinfizierten 
Hand ist jeder Hautlack insofern schädlich, als er die Keime erst 
hervortreibt. 

(Vgl. Fortschritte der Medizin Bd. XVII 1900. Nr. 23. Erler, 
Antiseptische Harzkollodiumlösungen und Improvisieren der regel- 
rechten Händedesinfektion. (Selbstbericht.) 


Herhold (Brandenburg) spricht ebenfalls zur Catgutsterilisation. 
Heidenhain (Worms) empfiehlt den Seifenspiritus zur Desinfektion 
der Haut. 


Kausch (Schöneberg) ist ebenfalls immer wieder zum Seifen- 


spiritus zurückgekehrt und benutzt stets Zwirnhandschuhe. 
Boerner (Rastatt). 





22) Chlumsky (Krakau). Eine neue und einfache Methode 
der Catgutsterilisation. 


C. legt Catgutfäden, so wie er sie aus der Fabrik bekommt, in 
eine Mischung von reiner Karbolsäure (1 Teil) und Kampfer (Camphora 
trita 2 Teile), mit Zugabe von einigen Tropfen Spir. absol. Diese Lö- 
sung wirkt hochgradig antiseptisch und zeichnet sich vor anderen 
Karbollösungen dadurch aus, daß sie nicht ätzt. Man kann sie di- 
rekt auf die Hand gießen, ohne die Haut zu ätzen. C. hat diese 
Lösung im Zentralblatt für Chirurgie vor einigen Jahren als ein 
hervorragendes Mittel gegen Erysipelas und gegen chirurgische In- 
fektionen empfohlen. Sie wurde seit der Zeit von mehreren Kollegen 
(Müller, Klebel, Nespor usw.) geprüft und als sehr gut und wir- 
kend erkannt. 


eo AU. me 


Die Catgutfäden bleiben in der genannten Lösung 5—8 Wochen 
liegen und werden dann direkt benutzt. Will man aseptisch ope- 
rieren, dann taucht man sie auf einige Augenblicke vor dem Gebrauch 
in steriles Wasser, um den Überfluß der antiseptischen Lösung zu 
entfernen. 

Bakteriologisch untersucht, zeigten die Fäden, welche aus ver- 
schiedenen Fabriken geliefert und dann in die Lösung getaucht wurden, 
schon nach einigen Stunden kein Bakterienwachstum. Absichtlich mit 
sehr virulenten Kokken infiziert, waren sie noch nach 3—5 Wochen 
nicht steril. Um also die Sterilisation der Fäden zu beschleunigen, 
legt ©. die Fäden zuerst in eine 1%ige Jod-Jodkalilösung (Olaudius) 
und nach 5—6 Tagen erst in die oben genannte Kampferlösung. Die 
so behandelten Fäden sind fest und unbegrenzt haltbar. Sie können 
direkt aus der Lösung zur Operation benutzt werden. 

(Selbstbericht.) 





23) Spechtenhauser (Wels). Über »Wienerdraht« (Demon- 
stration). 


Auf Grund 2jähriger Erfahrung empfiehlt Vortr. einen Aluminium- 
Bronzedraht, der aus feinsten Elementen drahtseilartig gedreht ist und 
der eine technische Lücke ausfüllt. Das Material verbindet alle Vor- 
züge des Drahtes (Zugfestigkeit bis 150 kg, Dauerwirkung und abso- 
lute Sterilisierbarkeit) mit jenen der Seide (Geschmeidigkeit, einfädelbar 
wie Seide, knöpfbar mit einfachem chirurgischen Knoten). Der Wiener- 
draht vereinfacht die Anwendung von Draht in der Chirurgie und 
Gymäkologie, macht, da er Knoten verträgt, das Drehen, das gewöhn- 
lich auch Bruch zur Folge hatte, überflüssig und liefert bei seiner 
außerordentlichen Geschmeidigkeit und Zugfestigkeit absolut sichere 
Dauernähte. Demnach ist er in erster Linie für Knochennaht (Pa- 
tella!), dann für Sehnen-, Bruch-, Bauchdeckennähte und für Damm- 
nähte zu empfehlen und in diesen Fällen einwandsfrei erprobt worden. 
Außer Vortr. verwendete ihn bisher die Klinik v. Eiselsberg (Wien) 
und Brenner (Linz) zur vollsten Zufriedenheit. 

Fabrikant: R. Kutil, Wien IX, Spitalgasse 7. 

(Selbstbericht.) 





24) Doberauer (Komotau). Die Unterbindung großer Gefäß- 
stämme mit Hilfe der allmählichen Zuschnürung. 


D. berichtet über ein Verfahren, große Gefaßstämme zu unter- 
binden, ohne die Gefahren der peripheren Gangrän und der plötzlichen 
Drucksteigerung im Gefäßsystem. Er legt zunächst um den betreffenden 
Gefäßstamm einen dünnwandigen Gummischlauch, der durch Torsion 
allmählich zugeschnürt wird und so das Lumen des Gefäßes immer 
mehr verengt und schließlich ganz aufhebt. Während dieser Zeit 
(2—4 Tage kamen in D.’s Fällen zur Anwendung) werden die kolla- 
teralen Bahnen genügend ausgebildet, so daB nicht bloß die Unter- 


Ze Ah u 


bindung, sondern auch ausgedehnte Resektion der Hauptstämme mit 
Verzweigungen unter Erhaltung der Extremität und ohne Gefahr für 
das Herz ausgeführt werden kann. Hervorzuheben ist, daß die temporäre 
Ligatur die Intima nicht schädigt und keine Thrombose macht; man 
kann somit, falls die Resektion des Gefäßstammes sich als vermeidbar 
erweist, die Zirkulation in demselben jederzeit wieder freigeben. Für 
die Operation von Tumoren und Aneurysmen scheint die Methode 
empfehlenswert. D. übte sie mit Erfolg zweimal an der Art. iliaca 
communis. Die Indikation zur Operation gaben maligne Tumoren, 
welche auf die Gefäßstämme übergegriffen hatten; sie kann ohne 
weiteres auf die Carotis übertragen werden, für welche Jordan auch 
die probeweise Ligatur in Vorschlag gebracht hat. (Selbstbericht.) 





25) Föderl (Wien). Zur Therapie der Aktinomykose. 


F. berichtet über sechs Fälle von Aktinomykose, welche an- 
scheinend durch Injektionen von Natr. kakodylikum geheilt wurden. 
Es handelte sich immer um Infektion von der Mundhöhle aus mit der 
Lokalisation der Abszesse und Infiltration an der Zunge, am Halse 
mit perilaryngealer Ausbreitung, in der Regio temporalis mit Uber- 
greifen auf die Schädelbasis und am Unterkiefer unter Mitbeteiligung 
der Submaxillardrüsen. 

Am 1. Tage wurde von einer 10 %igen wäBrigen Lösung intramus- 
kulär in die Nates ein Viertel einer Pravaz’schen Spritze voll in- 
jiziert, um in den folgenden Tagen um je eine Viertel Spritze anzu- 
steigen, durch eine Woche hindurch eine ganze Spritze voll zu inji- 
zieren und in der Menge wieder zurückzugehen, worauf ein neuer 
Turnus folgte. 

Neben dieser allgemeinen Behandlung beschränkte sich die lokale 
auf Punktion oder kleine Inzision von Abzessen und auf indifferente 
Wundversorgung. 

Größere operative Eingriffe, wie Exkochleationen, ausgedehnte In- 
zisionen und Exstirpationen wurden vermieden. 

F. empfiehlt für Fälle, in welchen mit Jodnatrium nicht dör ge- 
wünschte Erfolg erzielt wird, Injektionen mit Natr. kakodylicum zu 
versuchen. (Selbstbericht.) 

Diskussion. 


Schlange (Hannover) erinnert daran, daß die Aktinomykose eine 
große Neigung zur spontanen Heilung hat. Man braucht nur zu in- 
zidieren und Sorge zu tragen, daß die Aktinomyceskörner entleert 
werden können. 8. hält alle inneren Mittel für aussichtslos, hat auch 
vom Jod nichts Besonderes gesehen. 


Foederl gibt die Spontanheilung zu. Er wollte nur darauf hin- 
weisen, daß sich unter seiner Behandlung die Infiltrate in überraschend 
schneller Weise zurückgebildet haben. Nach den Erfahrungen der 
Tierärzte ist die einfache Eröffnung der Abszesse auch nicht genügend; 


zen. AG a 


sie werden vielmehr weithin gespalten, mit Jod bestrichen und letzteres 
besonders intern gegeben. Goebel (Breslau). 





26) Fossler (München). Versuche über Wirkung des Spitz- 
geschosses. 


Veröffentlicht mit Genehmigung des Kgl. bayr. und Kgl. preuß. 
Kriegsministeriums. 

Vortr. hat 1906/7 durch Unterstützung der bayr. Militärschieß- 
schule mit der neuen S-Munition 8 mm Kaliber des deutschen Infan- 
teriegewehres bei kriegsmäßiger Volladung Versuche auf 50, 150, 600, 
700, 800, 1000, 1300 und 1500 m angestellt. Als Ziele dienten frische 
und konservierte menschliche Leichenteile, frische Tierleichen. 

Schon seit Jahren gingen die ballistischen und taktischen Bestre- 
bungen dahin, durch Einführung einer steilen Spitze beim Infanterie- 
geschoß eine größere Rasanz (Flachheit der Flugbahn), leichtere Über- 
windung des Luftwiderstandes zu ermöglichen. Doch scheiterten diese 
Versuche lange Zeit daran, daß ein solches Geschoß wegen starker 
Rückwärtslagerung seines Schwerpunktes leicht mit seiner Längsachse 
aus der Schußrichtung geriet. Diese Erhaltung des Geschosses mit 
seiner Längsachse in der Flugbahn gelang nur durch Steigerung der 
Anfangsgeschwindigkeit und sehr innige Führung in den Gewehr- 
zügen. 

Frankreich hat zuerst ein derartiges sehr langes Kupfergeschoß 
eingeführt, vielleicht zur Steigerung der Verwundungsfähigkeit so lang, 
wie es der Lademechanismus des Gewehres nur gestattet, weil mit 
Zunahme der Länge die Häufigkeit der Querschläger wächst. 

Deutschland besitzt in der S-Munition benannten Patrone ein 
nickelplattiertes Stahlmantelgeschoß mit Hartbleikern, welches viel 
kleiner, leichter ist und eine fast kegelförmige Spitze besitzt, während 
die des französischen torpedoähnlich zuläuft. Die Anfangsgeschwindig- 
keit des deutschen ist noch bedeutender als die des französischen, 
viel bedeutender als die der bisherigen spitzbogenförmigen (ogivalen) 
Geschosse. 

Auch England setzt bereits seinem Lee-metfordgeschoß eine lange 
Spitze auf. — Das deutsche Spitzgeschoß trifft für gewöhnlich auf 
alle Entfernungen mit der Spitze auf. Sein Hauteinschuß ist bei 
- Ersttreffern etwas kleiner als die des bisherigen ogivalen Modell 88. 
Er ist bei Ersttreffern immer fein gezähnelt und durch zähen Pulver- 
schleim auf alle Entfernungen schwarz gerändert. 

Der Weichteilschußkanal ist nicht ganz glattwandig, eng. 

Der Hautausschuß, wenn kein wechselnder Widerstand entgegen- 
getreten ist, meist ebenso klein, rund, häufiger schlitzförmig. 

Ist aber das Geschoß vor Erreichung des Zieles auch nur leicht 
seitlich irgendwo angestreift, oder durchbohrt es ein Ziel mit verschie- 
denartig geschichtetem Widerstand, oder gelangt es durch mehrere 
Ziele mit Luftzwischenraum, so wird seine Spitze sofort abgelenkt, es 


—. 41 — 


fängt infolge der Rückwärtslagerung seines Schwerpunktes zu pendeln 
an, wendet sich wiederholt meist unter Rechtsdrehung seitlich in ver- 
schiedene Quer- und Schieflagen, kann sich auch ganz überschlagen. 
Modell 83 macht ähnliche Querschläger meist nur bei schon erlahmen- 
der Kraft, vorzugsweise in weiten Entfernungen, das S-Geschoß auf 
alle Schußweiten, mit Vorliebe sogar auf mittlere und nahe. Wegen 
der außerordentlich hohen Anfangsgeschwindigkeit des S-Geschosses 
haben daher auch seine Querschläger, welche die Schußrichtung oft 
noch sehr energisch beibehalten, auch sehr bedeutende Wirkung. Die 
Geschoßwendung kann noch im selben Körperteil nach Sehnen- oder 
Knochenberührung in der Richtung zum Ausschuß als trichterförmige 
Erweiterung desselben, aber auch in Körperhöhlen, endlich in Körper- 
teilen hintereinander bei Luftabstand eintreten. F. hat in derartigen 
Versuchen gezeigt, wie groß die Zertrümmerung und Platzwunde im 
Zweitgetroffenen sein kann, auch im Röntgenbild die Knochenzer- 
störung nachgewiesen. 

Durch Beschüsse von mehrfachen Pappendeckel-Sägemehlschichten 
hintereinander unter Luftabstand läßt sich die Geschoßwendung von 
Fall zu Fall demonstrieren. 

Man hat demnach in der Wirkung beim S-Geschoß Spitzentreffer 
von Zweittreffern bzw. Querschlägern, da diese viel häufiger vorkommen, 
auf alle Entfernungen wohl zu unterscheiden. Bei den Querschlägern 
sind die Ein- und Ausschüsse, die Schußkanäle, die Knochenzertrümme- 
rungen, die Zerreißungen der Weichteile, namentlich auf Entfernungen 
bis zu 1000 m, wegen der außergewöhnlich hohen Anfangsgeschwindig- 
keit, immer größer als bei Ersttreffern. 

Eine Zoneneinteilung gibt es ebensowenig als bei Modell 88. 
Doch nimmt von 1500 m die Schwere der Verletzungen rascher ab 
als bei Modell 88, weil das Geschoß leichter ist, dementsprechend 
seine Anfangsgeschwindigkeit bzw. Arbeitskraft rascher erlahmt. Man- 
telreißen wurde äußerst selten, unter 26100 Schüssen mit 400 Treffern 
nur dreimal, darunter je einmal bei Hundeoberschenkelknochen, bzw. 
bei der Tibia des Menschen und des Pferdes auf 700 und 400 m be- 
obachtet. Die Spitze wurde je einmal an der Crista tibiae des Men- 
schen (der härtesten Knochenstelle) auf 1200 und 600 m abgebrochen. 

Der Stahlmantel ist an der Spitze verstärkt; deshalb durchdringt 
das S-Geschoß eher ein Hindernis, als daß es bricht. Trotz der 
starken Spitze, trotz der ungewöhnlich hohen Anfangsgeschwindigkeit, 
also trotz Erhöhung der absoluten Durchschlagskraft bleibt aber vom 
neuen Geschoß schon bei 1300 m Entfernung (vgl. Kranzfelder- 
Oertel, Deutsche med. Wochenschrift 1906, Nr. 13) ein größerer 
Prozentsatz im menschlichen Körper stecken als von Modell 88, weil 
es sich leichter querstellt, rascher ermattet. 

Tuchfasern werden nur bei engem Anliegen in den Schußkanal 
mithineingerissen. Bei zweitgetroffenen Objekten ist der Einschuß nie 
schwarz umsäumt. Der schwarze Saum des Einschusses kann forense 
Bedeutung gewinnen. 


au A gun 


Die Knochenverletzungen sind typisch wie bei den ogivalen Ge- 
schossen; wenn das S-Geschoß als Ersttreffer anlangt, ist die Seiten 
wirkung wegen der steilen Spitze eher etwas geringer als bei Modell 88, 
die Splitterzone vielleicht kürzer, aber von der diagonalen (radiären) 
Fissurenform in der Dia- und Metaphyse wie früher. In Epiphysen, 
platten und anderen spongiösen Knochen sind die Lochschüsse häufiger 
bei S. 

Auch die Vollschädelverletzungen verhalten sich wie bei Modell 88 
mit geringer Einschränkung der radiären Fissuren (vgl. Kranz- 
felder-Oertel). Gegen den Ausschuß hin ist bei S die Wirkung 
oft bedeutender, weil es sich sowohl innerhalb des Gehirnschädels, als 
auch in den Nebenhöhlen des Gesichtsschädels sofort quer legt. Dies 
ist schon am enthirnten Schädel sehr deutlich. Also »Glücksschüsse« 
mit minimalen Verletzungen durch die Oberkieferhöhle zum Nacken, wie 
sie F. mehrmals 1900 in Südafrika gesehen hat, werden seltener. 

Ahnlich wird es mit Durchbohrungen des Brust- und Bauchraumes 
sein, wenn das Geschoß Gelegenheit hat, sich schon innerhalb des 
Körpers durch Anstreifen an Knochen querzulegen. F. beobachtete 
z. B. bei Durchschüssen vom Brustraum des Pferdes mit Rippenver- 
letzung auf 700 m Schlitze in der Lunge, durch welche man zwei 
Finger legen konnte. Schon die Muskelzwischenwand des leeren 
Herzens genügt zur Querstellung im Ausschuß. — Die Serosa des 
Darmes weicht im Einschuß weiter auseinander als die Schleimhaut. 
Seitliche Magendurchschüsse zeigen vollkommenen Ventilverschluß, so 
daß kaum Inhalt ausfließt. Die Darmdurchschüsse sind auf nahe 
Entfernung weit zerrissen, auf mittlere kaliberweit bei Ersttreffern. 
Futtergefüllter Darm des Pferdes wird faustgroß zerrissen. 

Nur einmal unter 12 Fällen wurde bei perforierenden Bauch- 
schüssen kein Darm verletzt. Dies läßt allerdings nicht auf den 
lebenden Darm rückschließen. Doch glaubt F., daß der steilen Spitze 
Gefäße und Eingeweide seltener ausweichen als der ogivalen, weil 
letzterer in flüssigen Medien eine einige Millimeter breite Kopfwelle 
vorausgeht, welche ersterer fehlt. 

Die Verwundungsfähigkeit des neuen Geschosses wird etwas sich 
steigern wegen der größeren Rasanz, der in Anbetracht des geringeren 
Gewichtes vermehrten Munitionsmenge, wegen der größeren Quer- 
schlägerzahl. 

Von solchen Querschlägern sind größere Zerstörungen zu er- 
warten; daher größere Infektionsgefahr der Wunden, Zunahme der 
Blutung, Zunahme der stark beweglichen komplizierten Frakturen, 
Zunahme der klaffenden Durchschüsse durch Kopf und den Rumpf 
mit ausgedehnteren Eingeweideverletzungen. Dazu kommt noch die 
größere Häufigkeit der verlorenen Geschosse. Geht aber das neue 
Geschoß als Spitzentreffer durch einen Körperteil, was ebenfalls 
häufig vorkommt, dann wird die Verletzung noch gutartiger sein als 
bei Modell 88. (Selbstbericht.) 


een. AI: en 


Kopf. 


27) Franz (Berlin). Über Krönlein’sche Schädelschüsse. 


Während des südwestafrikanischen Feldzuges wurden fünf derartige 
Verletzungen beobachtet. Das Charakteristische derselben ist, wie be- 
kannt, daß das im großen und ganzen unversehrte Großhirn bei 
Schüssen mit kleinkalibrigem Geschoß (Schweizer Ordonnanzgewehr) 
aus der weitgeöffneten Schädelkapsel herausgeschleudert wird. 

Den ersten Fall sah ich selbst. Es handelte sich um einen 
Selbstmörder, der sich mit seinem Schießgewehr 98 erschossen hatte. 
Der Einschuß war sehr groß. Die beiden Stirnbeine und ein Teil 
des linken Scheitelbeins waren fortgerissen, das Schädeldach klaffte 
bis zur Spitze der Hinterhauptschuppe in der Längsausdehnung etwa 
5 cm weit. Die Haut war vom Einschuß aus in weitem Umfange 
zerrissen, während die Hautausschußöffnung am Hinterhaupt 2 cm 
oberhalb der Protuberantia externa nur 3:2 cm groß war. Ein Blick 
in die weitgeöffnete Schädelkapsel zeigte, daß das Großhirn fehlte. 
Es war am Pons Varoli abgerissen. Der Schußkanal verlief vom 
medialen linken Augenwinkel, die Wurzel der Nasenbeine, die Sella 
turcica zerschmetternd, über die Oberfläche des Kleinhirns, auf dieser 
eine 4 cm lange und 2 cm breite Halbrinne bildend, zum Ausschuß. 
Das Großhirn lag außerhalb der Leiche. Die linke Hemisphäre, nur 
an der Spitze des Stirnhirns einen kleinen Defekt zeigend, lag 40 cm 
von der rechten Backenseite des Mannes entfernt. Die rechte war in 
zwei ungleiche Teile zerrissen; der eine Teil lag 1 m, der andere Teil 
zusammen mit dem losgesprengten Stücke des linken Scheitelbeins 
3 m nach rechts auf dem Erdboden. Die in transversaler Richtung 
verlaufende Trennungsfläche befand sich kurz vor dem Sulcus Rolandi 
und} war durchaus glatt. Beide Hemisphären zeigten auch auf der 
Basis eine vollkommene Unversehrtheit der Form, namentlich auch der 
Hirnwindungen. 

Die vier anderen Fälle wurden von anderen Militärärzten be- 
obachtet. Beim zweiten sah ein Kollege während des Gefechtes bei 
Narus, wie ein Hottentott aus einer Entfernung von 20 Schritt einen 
Schädelschuß bekam. Hut und Schädeldecke fallen zuerst, dann erst 
der Mann zu Boden. Als der Arzt beim Vordringen unserer Truppen 
an die Stelle kommt, sieht er die weitzersprengte leere Schädelkapsel 
und etwa 2 m vor der Leiche liegend die beiden voneinander getrennten 
in ihrer Konfiguration vollkommen erhaltenen Großhirnhemisphären. 

Beim Absuchen eines Gefechtsfeldes wird drittens ein Hottentott 
auf dem Rücken liegend gefunden mit weitklaffendem Schädel. Auch 
hier ist die Schädelkapsel leer, und in etwa 1 m Entfernung von der 
Leiche liegen dicht nebeneinander die wie bei der Sektion aus der 
Schädelkapsel herausgehobenen, in ihrer Form vollkommen erhaltenen 
Großhirnhälften. 


Cbirurgen-Kongreß 1908. 4 


ee 150: 


Viertens: ein Herero, welcher standrechtlich erschossen werden soll, 
macht einen Fluchtversuch. Die Kugel unseres Soldaten dringt ihm 
auf eine Entfernung von etwa 30 Schritt in den Schädel. Er stürzte 
zu Boden, und der herbeieilende Arzt findet die Schädeldecke wie 
abrasiert dicht vor dem Menschen liegen und im Zusammenhang da- 
mit das vollkommen erhaltene Großhirn. 

Im fünften Falle handelt es sich gleichsam um einen halben Krön- 
lein’schen Schädelschuß. Ein Patrouillenunteroffizier war aus unbe- 
kannter Entfernung erschossen. Als am nächsten Tage der Arzt zu 
der Stelle kam, fehlte die ganze linke Hälfte der Hirnschale, zusammen 
mit der Haut. Das linke Auge sowie die angrenzenden Teile des 
Oberkiefers und der Nase waren total zersplittert. Die linke Hemi- 
sphäre lag in ihrer Konvexität vollkommen erhalten 2 m vor dem 
Toten. Ä 

Als Herr Professor Krönlein im Jahre 1899 auf dem Chirurgen- 
kongreß den ersten Fall einer derartigen Verletzung mitteilte, erschien 
derselbe den bisherigen Kenntnissen von der Geschoßwirkung so wider- 
sprechend, daß er als eine vorderhand unerklärbare Rarität ange- 
sprochen wurde. 

Nachdem nunmehr zusammen mit den oben mitgeteilten Fällen 
bereits acht solche Schüsse bekannt sind, dürfte es berechtigt sein, 
an einen gesetzmäßigen Vorgang zu denken, für welchen die not- 
wendigen Bedingungen aber nur selten zutreffen. 

Die Annahme, daß die Pulvergase die Ursache sind, dürfte 
wohl, da es sich in der Mehrzahl der Fälle nicht um Selbstmörder 
handelt, unzutreffend sein. 

Auch kann es sich nicht um reduzierte Ladungen handeln, 
da nicht anzunehmen ist, daß unsere Soldaten zum Kampf gegen den 
Feind mit derartigen Patronen ausgerüstet wurden. Vielmehr erscheint 
es mir nicht unmöglich, auch diese Schußverletzung in Einklang mit 
den bisher gültigen Theorien über die Geschoßwirkung zu bringen. 
Daß Gehirnmassen fortgeschleudert werden, ist einzusehen, da in 
einem flüssigen inkompressiblen Stoff, wie es das Gehirn ist, in dem 
keine Reibung, keine Festigkeit und keine Kompression vorhanden ist, 
die Arbeitsleistung des Geschosses nur in Geschwindigkeitsüber- 
tragung besteht. 

Wie kommt es nun aber, daß das Großhirn nicht in kleine 
Partikel zerspellt fortgerissen wird, sondern gleich einem festen 
Körper, gleich den herausgerissenen Knochensplittern 
im ganzen unversehrt auf dem Boden liegt? Dafür dürfte folgendes 
physikalische Gesetz Aufschluß geben, daß nämlich Flüssigkeiten die 
Labilität ihrer Teilchen verlieren und somit zu festen unelastischen 
Körpern werden, wenn eine sehr heftige Gewalt innerhalb einer ganz 
kurzen Zeitspanne — und das Geschoß durcheilt das Gehirn bei 
nahen Entfernungen nur in einem Mehrfachen einer zehntausendstel 
Sekunde — auf sie einwirkt. 


— 51 — 


Ob, wie Hildebrandt meint, die hinter dem Geschoß ein- 
dringende Luft dabei eine Rolle spielt, lasse ich dahingestellt, jeden- 
falls halte ich dafür, daß sie nicht von entscheidendem Einfluß ist. 

Aber es müssen zwei Faktoren erfüllt sein: 

Erstens das Geschoß darf das Gehirn möglichst in seiner Substanz 
nicht verletzen, sondern es nur an seiner Basis von dem anderen Hirn 
abtrennen. In den Fällen von Krönlein war das an der Medulla 
oblongata, in meinem Fall am Pons Varoli geschehen. 

Ob dabei das Geschoß die Basis cranii im transversalen oder 
sagittalen Durchmesser durchsetzt, bleibt sich gleich, denn in meinem 
Falle war das letztere eingetreten. 

Einen gewissen Wert glaube ich dem Erhaltensein der Pia mater 
zuschreiben zu sollen. 

Indessen ist auch dieses Moment nicht ausschlaggebend, da in 
meinem Fall die Pia kleine Defekte zeigte, und trotzdem in der Nähe 
derselben die Zeichnung der Hirnwindungen nicht verändert war, auch 
die Hirnmasse hier nicht herausgequollen erschien. 

Der zweite Faktor ist: daß nicht nur die Dura mater und die 
knöcherne Schädelkapsel, sondern auch die Haut eine genügend weite 
Offnung für das Herausfliegen des Großhirns hat. Und letzteres ist 
sehr selten der Fall, da auch bei den Schüssen aus allernächster 
Entfernung die Elastizität der Haut eine so große ist, daß durch- 
schnittlich die Verletzung derselben auffallend klein im Verhältnis zu 
der der darunter liegenden Teile ist. (Selbstbericht.) 


Diskussion. 


Krönlein (Zürich): Einer meiner Schüler hat mir noch eine 
Beobachtung mitgeteilt. Bei einem auf dem Klosett gefundenen 
Selbstmörder wurde die Hälfte des Gehirns auf dem Boden liegend 
gefunden. 


Kocher (Bern) hat versucht, die Krönlein’schen Schädelschüsse 
nachzuahmen dadurch, daß er eine mit Kartoffelbrei gefüllte Metall- 
büchse herstellte, deren Doppelboden mit einer geringen Menge Wasser 
gefüllt war. Ein Schuß durch diese Wasserschicht warf die ganze 
Füllmasse nach oben hinaus. Die Erklärung, daß die Gehirnbasis 
getroffen werden muß, beruht darauf, daß an ihr (Cisterna sub- 
arachnoidealis) Flüssigkeit vorhanden ist, die genügt, um die Schädel- 
decke aufzuklappen und das Gehirn hinauszuschleudern. 


Tilmann (Köln) berichtet über einen Selbstmord in einem ab- 
geschlossenen Zimmer. Das Gehirn war erst an die Decke geflogen 
und lag dann unversehrt neben der Leiche. Der Lauf war wahr- 
scheinlich nur mit Pulver geladen. Es handelte sich also um Wirkung 
der Pulvergase. T. hat nun Versuche gemacht, ob bei unseren Schüssen 
auch die Pulvergase eine Wirkung ausüben, und es ist ihm in der 
Tat gelungen, einen Schädel durch Pulvergase allein zu zertrimmern, 

| 1 


un BO u 


während das Gehirn aus dem Hinterhauptsloch entwich. Jedenfalls 
muß der Schußkanal lang sein. 


Krönlein: Aus meinen Beobachtungen geht schon hervor, daß 
die Theorie, daß die Pulvergase die Wirkung hätten, unhaltbar ist. 
Besonders spricht meine zweite Beobachtung dagegen: Ein Soldat er- 
schießt aus Versehen seinen Vordermann auf 4—5 Fuß Entfernung. 
Die Zuschauer sahen erst das Gehirn herausfliegen und dann erst den 
Mann umfallen. Goebel (Breslau). 





28) A. Schlesinger (Berlin). Geheilte traumatische Meningitis. 


Dem Pat. fiel ein Mauerstein auf den Kopf in Scheitelhöhe. 
Nach !/, Jahr eiternde Wunde mit Splitterfraktur des Schädels. Fort- 
nahme des nekrotischen Knochens. Darauf weiter Fieber, Kopf- 
schmerzen. Wegen Verdacht auf Meningitis Lumbalpunktion. Klarer 
Liquor unter starkem Druck. Unmittelbar nachher Verschlimmerung: 
rechtsseitige Krämpfe, im Arm beginnend. Tags darauf soporöser Zu- 
stand. Freilegung des Armzentrums. Es findet sich metastatische 
handtellergroße meningeale Phlegmone über dem linken Arm- 
zentrum. Spaltung der Dura, bis überall gesunde weiche Hirnhäute. 
Tamponade. Rückgang der Erscheinungen: Am 4. Tage Tampons 
entfernt. Größe des Defektes 10:16 cm. Nach 2 Monaten Haut- 
periostplastik. Jetzt (11/, Jahre nach der Operation) noch 5mark- 
stückgroßer Defekt. Keine Anfälle. Vollständiges Wohlbefinden. 
Auffallend war besonders das Fehlen des Hirnprolapses trotz des 
enormen Defektes. Sehr wichtig ist es, immer die Phlegmone vollständig 
freizulegen. (Selbstbericht.) 


29) Salzer (Wien). Zur Anatomie der Cephalokele. 


Redner demonstriert mikroskopische Präparate und Zeichnungen 
von drei Cephalokelen, die operativ behandelt wurden; und zwar betraf 
der eine Fall eine Meningokele occipitalis superior, der zweite eine 
Hydrocephalokele occipitalis und der dritte eine sincipitale Encepha- 
lokele. Auf Grund der Präparate kann man sagen, daß es Cephalo- 
kelen gibt, an deren Aufbau die Dura mater gar keinen Anteil hat, 
daß es vorkommt, daß unter der vollständig normalen Haut unmittel- 
bar Arachnoidea oder Hirnsubstanz liegt, daß sich Dura und Schweiß- 
drüsen tief in die Arachnoidea bzw. Hirnsubstanz einsenken können, 
und endlich, daß es Hydrocephalokelen gibt, die den Zusammenhang 
mit dem Gehirn vollständig aufgegeben haben. (Selbstbericht.) 








30) Haasler (Halle). Beiträge zur Hirnchirurgie. 
H. bespricht nach Erfahrungen in der chirurgischen Klinik den 
Wert der diagnostischen Hirnpunktion für die Hirnchirurgie. 
Speziell bei Hirntumoren, dann aber auch bei entzündlichen Affek- 
tionen und bei Hämatom der Dura wurde das Verfahren erprobt. Von 


— 53 — 


Hirngeschwülsten kamen in der Ara der diagnostischen Hirnpunktion, 
d.h. während der letzten 3 Jahre, 23 Fälle in klinische Beobachtung 
und Behandlung; von diesen blieben aus verschiedenen Gründen 7 un- 
operiert, 16 kamen zur Operation. In diesen Fällen hatte die dia- 
gnostische Hirnpunktion zumeist gute Dienste geleistet. Sie gab Aus- 
kunft über den genauen Sitz und die Ausdehnung der Neubildung, 
über ihre Lage zur Hirnoberfläche, über ihre histologische Beschaffen- 
heit. Letzteres wurde dadurch erleichtert, daß etwa die Hälfte der 
Tumoren cystisch oder erweicht war; in einem Falle wurde ein Cysti- 
cerkenkonglomerat nachgewiesen, einmal ein Kleinhirntuberkel. Für 
die Operation besteht der Vorteil darin, daß die Schädelresektion an 
geeignetster Stelle und von vornherein in genügender Ausdehnung 
angelegt werden kann, daß das Vorgehen in die Tiefe bei negativem 
Befund an der Hirnoberfläche einen sicheren Anhalt gewinnt, kühner 
und erfolgreicher sich gestaltet. 


Von Nachteilen des Verfahrens ist vor allem die Blutung zu er- 
wähnen. Sowohl unter den Hirnhäuten als auch im Stichkanal und 
in seiner Umgebung fanden sich häufig Blutungen, zumeist jedoch von 
ganz geringer Ausdehnung. Nur in 2 Fällen waren sie reichlicher: 
Ausgedehnte subdurale Blutung nach wiederholter Ventrikelpunktion 
durch dasselbe Bohrloch bei Hirntumor und taubeneigroße subkortikale 
Blutung bei einem Fall von Haematoma durae. Die Infektion des 
Stichkanals muß zu vermeiden sein; nur einmal wurde bei einer aus- 
wärts punktierten Hirncyste Streptokokkeninfektion mit tödlichem Aus- 
gang (Meningitis) beobachtet. 


Bei älteren Stichkanälen können organisierte kleine Hämatome 
mit ihren graurötlichen Granulationsmassen Geschwulstgewebe vor- 
täuschen und beim Aufsuchen kleiner Tumoren zu Irrtümern Anlaß 
geben. Noch nach Monaten ist die Stichstelle im Gehirn, die Hirn- 
narbe zu erkennen. Da das Alter der einzelnen Einstiche bekannt 
ist, eignen sich diese Narben vorzüglich zum Studium des Regenera- 
tionsprozesses. 


Die Hirnpunktion soll nicht zu allzu langem Zuwarten und Auf- 
schieben der Operation verleiten. Wenn auch nach erfolgreichen Ven- 
trikel- oder Cystenpunktionen mit ausgiebiger Aspiration von Flüssig- 
keit, merkwürdigerweise aber auch nach negativen Punktionen öfters 
auffällige Besserung beobachtet wird, soll doch möglichst bald operiert 
werden. Von den ohne Operation verstorbenen Fällen wären 3 nach 
Sitz und Art des Tumors bequem zu operieren gewesen. Von den 
16 Operierten wurden 9 als geheilt oder gebessert entlassen, bei den 
anderen handelte es sich um nicht radikal entfernbare Tumoren; die 
Pat. erlagen in der Mehrzahl erst nach Wochen oder Monaten ihren 
Rezidiven. Von jenen 9 Fällen leben noch 6, von denen 4 wohl als 
völlig geheilt anzusehen sind. (2 von diesen Pat. wurden vorgestellt, 
von denen der eine, vor 3 Jahren operiert [gutartiger Tumor der 
linken Zentralfurche, Arm-Facialislähmung, Krämpfe], jetzt völlig 


a Ih 


gesund ist und als Mechaniker arbeitet, der andere wegen Stirnhirn- 
sarkom radikal operiert und ebenfalls geheilt ist) _(Selbstbericht.) 





31) Payr (Greifswald). Drainage der Hirnventrikel mittels 
frei transplantierter Blutgefäße. 


Die krankhaften Flüssigkeitsansammlungen in den Hirnventrikeln, 
speziell der angeborene und erworbene Hydrocephalus, sind 
seit den ältesten Zeiten Gegenstand chirurgischer Heilbestrebungen. 

Die wiederholte Punktion der Seitenventrikel ist bis in die aller- 
neueste Zeit der wichtigste therapeutische Behelf geblieben; demselben 
Zweck dient die moderne, gleichfalls wiederholt anzuwendende spinale 
Lumbalpunktion. Zur Heilung führende periodische Spontandurch- 
brüche gegen die Schädeloberfläche oder die Nase, sowie die Erkenntnis, 
daß es sich beim Hydrocephalus um ein anatomisch bedingtes dauern- 
des Mißverhältnis zwischen Absonderung und Abfuhr des Liquor 
cerebrospinalis handelt, mußte zum Gedanken eines künstlich zu er- 
zielenden dauernden Abflusses, einer Drainage, führen. Seit einem 
halben Jahrhundert sind solche Versuche im Gange. Keen, v. Miku- 
licz, Cushing, Nicoll u. a. haben an ihrer Ausbildung gearbeitet. 

Der Drainage gegen die Schädeloberfläche droht die Gefahr der 
sekundären Ventrikelinfektion; dem Abfluß gegen den subaponeuro- 
tischen Raum des Schädels, gegen intermuskuläre Bindegewebsräume; 
subkutanes Gewebe usw. erwachsen gewichtige Bedenken bezüglich der 
Dauerhaftigkeit des Abflusses und der Resorption. Die treffliche Idee 
einer Dauerdrainage gegen eine der großen serösen Höhlen des Körpers 
vom spinalen Subarachnoidealraum paßt nur für die Fälle mit freier 
Kommunikation zwischen den Liquor führenden Räumen von Hirn und 
Rückenmark. 

Also überall Schwierigkeiten, überall Bedenken zum Teil prinzi- 
pieller Natur; dementsprechend sind auch die bisherigen Erfolge gering, 
die Erfahrungen nicht sehr ermutigend. 

Der Liquor cerebrospinalis hat zwei Abfuhrwege: 1) Gegen die 
venöse Blutbahn, 2) gegen die Lymphbahn. Der erstere ist der weit- 
aus wichtigere. Gerade er ist nach unseren heutigen, allerdings noch 
in manchen Punkten recht lückenhaften Kenntnissen über die Patho- 
genese des Hydrocephalus ernstlich gestört. 

So kam P. auf den Gedanken, diesen krankhaft gestörten 
Abflußweg des Liquor aus den Ventrikeln des Gehirns in 
die venöse Blutbahn auf operativem Wege durch einen neu zu 
schaffenden Weg wieder zu ermöglichen. 

Die Schwierigkeiten, die sich diesem Plan entgegenstellen, sind 
nicht unerbeblich. 

In Betracht kommen vor allem die Sinus durae matris, die großen 
Venen des Schädels und Gesichts und endlich große venöse Blut- 
gefäße am Halse. 


L G a 


Aussicht auf Funktion einer Dauerdrainage haben nur jene 
Verfahren, bei denen ein völlig endothelbekleideter Kanal Ven- 
trikelhohlraum und Blutbahn verbindet. P. wählte hierfür 
vorerst den Vorgang der freien Gefäßtransplantation. 

Zahlreiche experimentelle und klinische Erfahrungen auf dem 
Gebiete der modernen Gefäßchirurgie (Höpfner, Carrel, Guthrie, 
Mariotti, Stich u. a.) legten es P. nahe, Blutgefäßstücke, Arterien 
und Venen, völlig aus der Kontinuität des betreffenden Gefäßrohres 
entfernt, zu transplantieren. 

. Eine Anzahl noch nicht abgeschlossener Tierversuche ergab die 
Tatsache einer hohen Vitalität von transplantierten Blutgefäßen und 
zeigte, daß sich nicht nur sämtliche Wandungsschichten erhalten, 
sondern auch in ihrem Lumen vollständig frei bleiben können. Be- 
sonders gut lassen sich Blutgefäße in seröse Höhlen, in Netz, aber 
auch in Muskulatur, Fettgewebe usw. überpflanzen. Auch die Organ- 
transplantation hatte schon die Tatsache ergeben, daß besonders die 
Blutgefäße sich gut erhalten und eine große Rolle für die rasche 
Vaskularisation spielen. 

P. versuchte deshalb die Dauerdrainage der Ventrikel bei Hydro- 
cephalus mittels frei transplantierter Venenstücke — V. saphena — 
desselben Individuums. 

Es kommen außerdem noch Arterien in Be- Fig.1. Fig.2. 
tracht; beide Gefäßgattungen können von demselben 
Individuum entnommen sein, oder von einem anderen. 
Endlich machen die modernen Versuche über Gefäß- 
transplantation es durchaus wahrscheinlich, daß sich 
auch Gefäße aus ganz frisch amputierten Extremitäten 
oder frischen Leichen, vielleicht sogar von Tieren, er- : 
folgreich übertragen lassen. 

Am besten bedient man sich jedenfalls von dem- 
selben oder einem anderen Individuum operativ ent- 
nommener Arterien oder Venen. 





rg wa. ! 
ei") Taa 

j AEA x: 

so e P K 
h 

AJ 


a n 
1 
Pr 


Technik. 
Zur Ausführung bedarf man einiger kleiner 
instrumenteller Behelfe. — Solche sind: 


1) Verschieden dicke Aluminiumtrokars mit einer 
Einteilung in !/;, cm, um die Länge des die Gehirn- 
substanz durchsetzenden Drainkanals genau kennen 
zu lernen, (Fig. 1) (sehr starkes Kaliber). 

2) Ein Einführungsinstrumentchen für das zu transplan- 
tierende Blutgefäßstück (Fig. 2). 

3) Ein Kompressorium für den Sinus longitudinalis | 

a. zwei kleine Gummiballons durch T-Rohr gleichzeitig 
mit Luft zu füllen am vorderen und hinteren Umfang der 
Trepanationsöffnung zwischen Schädelkapsel und Dura einzu- 
führen (Fig. 3) oder 

b. ein kleines federndes Zangenkompressorium (Fig. 4). 





re 


a De: s 


4) Sehr feines Nähwerkzeug, wie feinste halbkreisförmig gebogene 
Nadeln, paraffinierte Augenseide, feinste Hakenpinzettchen und ein 
für die kleinen Nadeln bestimmter Nadelhalter!. 

Obwohl die Drainage am Hinter- und Unterhorn des erweiterten 
Seitenventrikels möglich ist, empfiehlt P., sie am Vorderhorn anzulegen. 

Im Verlaufe der Koronarnaht wird eine Trepanationsöffnung in 
der Weise angelegt, daß die für die rechtsseitige Ventrikeldrainage 
bestimmte Schädellücke die Medianlinie etwas nach links überragt und 
umgekehrt, um genügenden Zugang zum Sinus sagittalis super. zu er- 
halten. Einschneiden der Dura in Lappenform. Probepunktion. des 
Seitenventrikels, darauf Punktion mittels Aluminiumtrokar nahe an 
der Mantelspalte (Fissura longit. cerebri). 


Fig. 3. Fig. 4. 





Messung der Dicke der Hirnsubstanz von der Oberfläche bis in 
den Ventrikel; durch Entleerung eines Teiles von dessen Inhalt erzielt 
man die dringend wünschenswerte Druckentlastung der Piavenen. Der 
Trokar bleibt liegen, wird jedoch, da eine volle Entleerung unerwünscht, 
verstopft. Vorherige Messung des Druckes ist zweckmäßig. 

Jetzt erst wird in schonendster Weise Vene und Arterie frei- 
gelegt und exstirpiert (elastische Retraktion ist mit mindestens 50% 
anzuschlagen), in ein Gefäß mit körperwarmer physiologischer Flüssigkeit 


‚ 1 Dieses Instrumentarium ist im medizinischen Warenhaus, Berlin N., nach 
meiner Angabe angefertigt worden. 


Zen. 157. en 


(Gazetupfer) übertragen. Bei Verwendung von Venen hat das periphere 
Ende in den Ventrikel zu sehen, bei Arterien das zentrale. Bei Ver- 
wendung von Venen (besonders Vena saphena) verhütet die Anwesenheit 
von funktionsfähigen Klappen das unerwünschte Einströmen von Blut 
in den Ventrikel. Die Einführung des Blutgefäßes in den Ventrikel 
geschieht nach Umstülpung des einen Endes mit dem kleinen Führungs- 
instrument. Das Gefäßstück soll nicht weit frei in den Ventrikel ragen, 
sondern ihn gerade bequem erreichen. Will man nun in den Sinus 
drainieren, so wird dieser temporär komprimiert, eröffnet, das andere 
Ende des Gefäßrohres, gleichfalls auf eine kleine Strecke, umgestülpt 
eingeführt und durch eine Anzahl feiner Nähte in der Sinuswand be- 
festigt, darauf derselbe freigegeben. Beabsichtigt man nur eine 
Drainage gegen den subaponeurotischen Raum, so wird das Gefäß durch 
eine Lücke des Schädels gegen diesen geführt und an der Dura durch 
Naht befestigt. In jedem Falle wird die Hautwunde sorgfältigst 
lückenlos geschlossen und ein leichter Kompressionsverband angelegt. 

P. hat nach diesem Verfahren an einem 10jährigen Kinde mit 
akut entstandenem Hydrocephalus zweimal die Ventrikeldrainage aus- 
geführt, einmal subaponeurotisch, das zweitemal in den Längsblut- 
leiter. Das Verfahren ließ sich gut durchführen, jedoch sind mehr- 
fache technische Fehler gemacht worden, auf welche P. aufmerksam 
macht und deren künftige Vermeidung er sicher erhofft. — Der Erfolg 
des Eingriffes war, soweit es sich beurteilen ließ, ein günstiger; leider 
war das Kind schon zur Zeit der ersten Drainage Dezember 1907 
erblindet. , 

Das Verfahren, dessen experimentelle Begründung im Tierversuch 
nicht ganz leicht ist, bedarf noch gar mancher mühevoller Unter- 
suchungen und technischer Verbesserungen, und hofft P. die demselben 
noch anhaftenden Mängel beseitigen zu können. 

Das Rückströmen von Blut aus dem Sinus in den Ventrikel läßt 
sich auf mehrfache Weise verhüten, am besten bei Verwendung von 
Venen mit funktionsfähigen Klappen, ferner durch die Art der Ein- 
pflanzung in die Wand des Sinus. Diese Gefahr scheint indes nicht 
sehr groß zu sein, da der Liquordruck im Ventrikel den venösen Blut- 
druck sehr erheblich überragt; selbst bei durch freien Abfluß erfolgter 
Druckausgleichung stellt der Seitenventrikel mit seiner reichlichen 
Liquorproduktion einen mit Fluidum gefüllten, nur nach einer Seite 
offenen Hohlraum dar, der für einen rückläufigen Blutstrom erst bei 
Minusdruck günstige Gelegenheit bieten würde. 

Absolut kontraindiziert ist das Verfahren bei im Gefolge ent- 
zündlicher Erkrankungen entstandenen akuten Formen von Hydro- 
cephalus mit getrübtem oder eitrigem Ventrikelinhalt. Die freie 
Gefäßtransplantation dürfte sich außerdem noch auf verschiedenen 


anderen Gebieten unseres Faches als nützlich erweisen. 
(Selbstbericht.) 





Bu IB, e 
32) Heile (Wiesbaden). Zur Behandlung des Hydrocephalus. 


Bei der Behandlung des angeborenen Hydrocephalus muß man 
nach Ansicht des Vortr. die chronische schleichend verlaufende Er- 
krankung, wie wir sie mit Hirndruckerscheinungen (Kopfschmerzen 
event. Erbrechen usw., geistigem Verfall) oft bei mehr oder weniger 
körperlich gut entwickelten Kindern sehen, unterscheiden von den sehr 
oft rapid verlaufenden Formen von Hydrocephalus, die sich im ersten 
Jahr oft schon bis zu ihrem höchsten Grad entwickeln. Bei der 
langsamer verlaufenden Erkrankung hat Vortr. mit großem Erfolg 
wiederholte Ventrikel- und Spinalpunktionen angewendet, indem zu 
gleicher Zeit im Anschluß an die Punktionen verhältnismäßig große 
Jodkaliumdosen innerlich gegeben wurden. In der Kombination 
einer Behandlung von wiederholten Punktionen zugleich 
mit energischer Jodkaliumkur hat Vortr. ausgesprochene Hirn- 
druckerscheinungen bei vier Kindern im Alter von 3—6 Jahren seit 
zum Teil mehr als 2 Jahren vollkommen verschwinden sehen. 

Zur Rückbildung des akuten Hydrocephalus im Anschluß an 
eine operierte Spina bifida hat Vortr. versucht, einen serösen 
Kanal, mit Endothel ausgekleidet, herzustellen, um durch ihn 
einen dauernden Abfluß der Spinalflüssigkeit in die Bauchhöhle zu 
veranlassen. Da in diesem Fall bei der angeborenen früher operierten 
Spina bifida die Lendenwirbelsäule nicht voll entwickelt war, war es 
leicht, neben der Lendenwirbelsäule vom Rücken aus stumpf mit 
Finger und Kornzange in die Bauchhöhle zu dringen, nachdem ein 
Hautlappen an der Stelle zurückgeklappt war. 'Durch den Spalt wurde 
aus der Bauchhöhle eine Darmschlinge vorgezogen und das Peritoneum 
des Darmes an den geöffneten untersten Duraraum angenäht. Der 
Hautmuskellappen wurde primär über der Wunde vereinigt, und es 
war so in der Tiefe durch die Verbindung von Peritoneum und Dura 
ein seröser Verbindungsgang zwischen Bauchhöhle und Spinalkanal fertig- 
gestellt. Obwohl das Kind durch zahlreiche vorhergegangene V entrikel- 
uud Spinalpunktionen sehr geschwächt war, hat es den Eingriff gut über- 
standen. Durch ein Versehen in der Nachbehandlung wurde das in 
dauernder steiler Beckenhochlagerung liegende Kind leider plötzlich 
aufgerichtet, wodurch ein augenblicklicher, massiger Abfluß der Spinal- 
bzw. Ventrikelflüssigkeit in die Bauchhöhle erfolgen mußte. Das 
Kind ist dann auch, nachdem es sich bis zu dem Moment des Auf- 
hebens aus dem Bette ganz wohl befunden hatte — es trank gut, 
hatte kein Fieber und keine Pulsbeschleunigung —, infolge dieser 
plötzlichen künstlichen übergroßen Druckentlastung im Chock ge- 
storben. Vortr. ist der Ansicht, daß bei besser geleiteter Nach- 
behandlung es wahrscheinlich gelungen wäre, das Kind durchzubringen 
und, da die Kommunikation zwischen Bauchhöhle und Spinalkanal 
frei und der Abfluß ermöglicht war, auf diese Weise eine dauernde 
Druckentlastung und damit eine Besserung des Hydrocephalus hätte 
erfolgen können. 


=, 50 a 


Selbstverständlich müssen einer derartigen Druckentlastung nach 
der Bauchhöhle Spinalpunktionen vorhergehen, die den Beweis liefern, 
daß das Foramen Magendi offen ist, damit nicht nur die Spinal- 
flüssigkeit, sondern auch die Ventrikelflüssigkeit abfließen können. In 
dem Fall des Vortr. war vor der eben beschriebenen Operation durch 
wiederholte Spinalpunktionen bewiesen, daß man in der Höhe der 
Lendenwirbelsäule in der Tat durch Abfließen der Zerebrospinal- 
flüssigkeit eine Druckentlastung des Gehirns, eine mehrere Zenti- 
meter betragende Verringerung des Schädelumfanges herbeiführen 
konnte. Vortr. macht darauf aufmerksam, daß es zwar bei mangel- 
hafter Entwicklung der Wirbelsäule leicht möglich ist, in der Höhe 
der Lendenwirbelsäule Bauchhöhle und Rückenmarkskanal zu ver- 
binden, daß es aber bei normaler Anlage der Wirbelsäule seine Be- 
denken hat, so hoch neben der Wirbelsäule einzugehen, da man dann 
leicht den Lumbal- und Sakralplexus schädigt, und da man weiter in 
der Tiefe in Gefahr kommt, die großen Gefäße zu verletzen. Für die 
Fälle sollte man nach der Ansicht des Vortr. so vorgehen, daß man 
das Steißbein reseziert und event. ein oder zwei Wirbel des Os sacrum. 
Hier kommt man schon an den offenen knöchernen Wirbelkanal, in 
dem in dieser Höhe nur nicht lebenswichtige Nerven endigen, die das 
Perineum versorgen. Man kann einerseits von hier leicht den Dural- 
sack punktieren, andererseits aber auch, wenn man die hintere Wand 
des Wirbelkanals bis etwa zum zweiten Lendenwirbel, z. B. mit der 
Knabberzange, entfernt, leicht den untersten Blindsack des Dural- 
raumes freilegen, ohne daß man durch diesen Eingriff die Festigkeit 
der Wirbelsäule oder den Zusammenhang von Wirbelsäule und Becken 
irgendwie schädigt. Da im übrigen in diesem aufgemeißelten Wirbel- 
kanal ja nur, wie gesagt, die unwesentlichen letzten perinealen Nerven- 
endigungen liegen, so ist auch eine Schädigung von wesentlichen 
Nerven ausgeschlossen. Wenn wir jetzt analog dem Vorgehen bei 
Mastdarmoperationen die untere Douglasfalte eröffnen und parietales 
oder viszerales Peritoneum genügend vorziehen, so dürfte es möglich 
sein, auf diese Weise eine Verbindung von dem untersten Teil 
des Spinalkanals mit dem untersten Teil der Bauchhöhle auszulösen. 
Vortr. glaubt, daß es wirkungsvoller ist, den Abfluß der Zerebro- 
spinalflüssigkeit in eine seröse Höhle, wie z. B. die Bauchhöhle, zu 
veranlassen, weil nach den Erfahrungen des Vortr. in der Miku- 
licz’schen Klinik man bei Dauerdrainage in das subkutane Gewebe, 
am Schädel z. B., immer wiederkehrend sieht, wie die austretende Zere- 
brospinalflüssigkeit in dem subkutanen Gewebe einen entzündlichen 
Wall veranlaßt, der dem weiterem Ausfließen von Flüssigkeit sehr 
hinderlich und der auch durch häufiges Wegmassieren nicht genügend 
zu beseitigen ist. (Selbstbericht.) 


es 


— 60 — 


33) Springer (Prag). Zur Behandlung des Hydrocephalus. 


S. empfiehlt, die Punktion vom Seitenventrikel in jedem schweren 
Falle von Hydrocephalus zu versuchen. Sind die guten Resultate 
auch selten und meist erst nach zahlreichen Punktionen erzielt, so 
scheine in anderen Fällen ein mechanisch behebbares Hindernis, eine 
Art Ventilverschluß, die Ursache des Ventrikelhydrops zu sein. S. 
hat an einem 13 Monate alten angeborenen Hydrocephalus durch 
Punktion des rechten Seitenventrikels zunächst Abflachung der rechten 
Schädelhälfte ohne Nachlassen der Fontanellenspannung erzielt; die 
nach 4 Wochen vorgenommene Punktion des linken Seitenventrikels 
brachte die Fontanelle zum dauernden Einsinken. Der Schädelumfang 
ist seit einem halben Jahre nicht mehr gewachsen, das Kind hat sich 
ausgezeichnet entwickelt, die Stauungspapille ist beiderseits ge- 
schwunden. 

S. nimmt an, daß in diesem Falle jeder Seitenventrikel am 
Foramen Monroi durch ventilartige Vorlegung der Plexus choriodei 
abgeschlossen war. 

Es empfiehlt sich, stets beide Ventrikel kurz nacheinander zu 
punktieren, und zwar nach Kocher von der Stirne her. Der Haut- 
schnitt ist am besten in kleinem Bogen zu machen und an seiner 
Basis das Stirnbein zu durchbohren. 

Der umschnittene kleine Lappen verhindert ein nachträgliches 
Aussickern von Liquor und damit die sekundäre Meningeninfektion. 

(Selbstbericht.) 


Diskussion zu Nr. 31—33. 


Kausch berichtet über 14 Fälle von Hydrocephalus aus der 
Mikulicz’schen Klinik; sämtliche betreffen die frühe Kindheit, der 
Schädel ist noch nicht verknöchert. In je einem Falle fand die 
Ventrikel- und Lumbalpunktion Anwendung, doch nicht mit Kon- 
sequenz; kein Erfolg. Neun Fälle wurden mit subkutaner Drainage 
des Seitenventrikels behandelt; einer davon wurde ein wenig gebessert, 
alle anderen gingen bald zugrunde. Besonders wichtig ist ein Fall, 
in dem die Drainage ausgezeichnet funktionierte und das Kind den 
Eingriff 7 Monate überlebte. Es bildeten sich an der Drainagestelle 
große subkutane Säcke, die Flüssigkeit wurde aber trotz aller Be- 
mühungen nicht resorbiert. K. folgert hieraus, daß diese Art der 
Drainage in schweren Fällen mit Reproduktion des Liquor versagt. 

In einem Falle wurde die subkutane Drainage des zerebralen 
Subduralraumes ausgeführt, in einem die Ableitung des Liquor aus 
dem Ventrikel nach der Peritonealhöhle, indem ein Gummidrain sub- 
kutan beide verband. Kein Erfolg. 

In einem Falle von hochgradigem Wasserkopf mit Spina bifida 
wurde der Sack in einen offenen Kanal verwandelt, der in das sub- 
kutane Gewebe mündete. Beide Leiden heilten vollständig. 

K. spricht sich auf Grund seiner Erfahrungen und der Literatur 


se ABl, ses 


für die energische Punktion aus, sowohl die ventrikuläre wie die 
lumbale, außerdem für die antiluetische Kur. (Selbstbericht.) 


Henle (Dortmund) hat ähnliche Versuche wie Payr gemacht. 
In einem Falle benutzte er bei einem Kinde ein Stück der Art. ra- 
dialis der Mutter als Drainagerohr, und als diese Transplantation 
mißglückte, ein Stück der V. saphena; diesmal mit Erfolg. 
Boerner (Rastatt). 





34) F. Krause (Berlin). Krankenvorstellungen aus der Hirn- 
chirurgie. 


1) Subkutane Dauerdrainage der Hirnventrikel bei 
Hydrocephalus. 

Zur dauernden Ableitung des vermehrten Liquors verwendet K. 
ein vergoldetes Silberröhrchen (bei Windler zu haben). Ein kleiner, 
nur Haut und Galea aponeurotica in sich fassender Lappen wird zur 
Seite geschlagen, das Periost längs gespalten und in Form zweier 
kleiner Läppchen abpräpariert. Mit der kleinsten Fräse wird der 
Schädel durchbohrt, die Dura nicht verletzt. Nun wird die mit der 
Silberkanüle überzogene dicke Hohlnadel so weit ins Gehirn ein- 
gesenkt, bis Liquor abfließt, die Hohlnadel herausgezogen und die 
Kanüle an Ort und Stelle gelassen. Um letztere unverschieblich zu 
befestigen, wird sie auf einer an Stelle der Hohlnadel eingeführten 
Stricknadel mit der schneidenden Zange 1—1!/, cm oberhalb der 
Knochenoberfläche durchtrennt, dann rechts und links mit einer feinen 
spitzen Nagelschere bis zum Schädelknochen längs gespalten. Die 
beiden so gebildeten Silberzungen werden nach rechts und links recht- 
winkelig umgebogen, bis sie der Knochenoberfläche unmittelbar auf- 
liegen; über sie werden die beiden Periostläppchen derart durch einige 
Catgutnähte fixiert, daß das Kanülenlumen vollständig freibleibt. Die 
Kanüle wird also zwischen Knochenfläche und Periost festgehalten. 
Zum Schluß wird das Hautläppchen eingenäht. 

Die Ventrikelflüssigkeit sickert nun in das subkutane lose Gewebe 
und kommt hier zur Resorption. Auch wenn bei Verkleinerung des 
Ventrikels die innere Kanülenmündung durch Hirnmasse verlegt wird, 
kann Ventrikelflüssigkeit zwischen dem Silberröhrchen und dem Hirn- 
kanal aussickern. Gerade das langsame Abfließen ist wünschenswert. 
K. hat drei Fälle von chronischem Hydrocephalus mit gutem Aus- 
gang — bei einem liegt die Kanüle reizlos seit 7 Monaten —, einen 
Fall von akutem Hydrocephalus, dessen Ursache vielleicht eine tuber- 
kulöse Basalmeningitis war, mit tödlichem Ausgang, nachdem 8 Tage 
lang ein sehr günstiger Verlauf bestanden, behandelt. 3mal hat er die 
Dauerdrainage des Seitenventrikels vom Scheitelbein oder der Schläfen- 
beinschuppe, imal die des Hinterhorns von der Hinterhauptschuppe 
aus vorgenommen. 

Sind die Schädelnähte bereits verknöchert, so kann die starre 
Schädelkapsel nicht nachgeben; die bloße Drainage würde also 


ce H 


erfolglos sein. Man muß dann eine große Ventilbildung am besten in 
der Zentralregion gleichzeitig ausführen, wie esK. bei einem 19jährigen 
Mädchen getan. 

2) Vorstellung eines 35jährigen Kaufmannes, bei dem vor fast 
2 Jahren ein hühnereigroßes Fibrosarkom des linken Hinter- 
hauptlappens entfernt worden ist. Neben den allgemeinen Hirn- 
druckerscheinungen und Kopfschmerzen, die im Hinterhaupt, Nacken 
und oberen Rückenteil ihren Sitz hatten, entwickelten sich rechtsseitige 
Hemianopsie, ferner Hemihypästhesie, Hemiataxie und Hemiparese der 
rechten Körperseite. Hermann Oppenheim diagnostizierte eine Neu- 
bildung im linken Hinterhauptlappen. Nach Ausführung der Trepanation 
legte K. am 9. Juni 1906 die Basis des Duralappens, da er in der Nähe 
des Sinus longitudinalis arbeiten mußte, nach diesem hin, um 
störende Blutungen aus ihm und aus den von ihm in die Pia hinüber- 
ziehenden zahlreichen und dünnwandigen Venen zu verhüten. Die 
Eröffnung der Dura begann im linken oberen Wundwinkel; von hier 
aus wurden der obere horizontale und der laterale senkrechte Schnitt 
geführt, dann die harte Hirnhaut unmittelbar oberhalb des Sinus 
transversus gespalten. Als der Duralappen medianwärts abgehoben 
wurde, kam zunächst das normale Hinterhauptshirn zum Vorschein, 
bald aber auch der Tumor, der sich schon durch seine fleischrote 
Farbe von der gesunden Hirnrinde abhob. Die Lösung der Dura 
vom Tumor wurde stumpf mit dem Finger vorgenommen, damit zu- 
nächst seine Grenzen festgestellt werden konnten. 

Solche kortikal liegende, abgekapselte Geschwülste können sehr 
wohl mit dem Finger herausgeschält werden, aber doch nur an Stellen 
des Gehirns, an denen die dabei unvermeidliche Druckvermehrung und 
Gewalteinwirkung keinen allzu großen Schaden anrichtet. Die gesamte 
Konvexität des Großhirns darf hier genannt werden; freilich wird 
man mit äußerster Vorsicht und langsam palpatorisch vorgehen. So 
ist es auch in diesem Falle geschehen. Nach Abpräparieren der Dura 
fand sich, daß der Tumor die Medianlinie nicht allein erreichte, 
sondern auch medianwärts nach dem Cuneus hin weit in die Tiefe 
ging. Um hier die Grenze zu finden, zog K. mit dem Hirnspatel 
vorsichtig die Falx cerebri nach rechts hin — aber so weit in die 
Tiefe, wie die Geschwulst reichte, vermochte das Auge nicht zu sehen. 
Da diese sich aber ein wenig derber als die Gehirnsubstanz anfühlte, 
drang K. an der medialen Fläche der linken Großhirnhemisphäre mit 
dem bloßen Finger — dem einzig zuverlässigen Instrument in solchen 
schwierigen Fällen — vorsichtig in die Tiefe und kam bis an die 
deutlich fühlbare Grenze des Tumors. Der linke Zeigefinger mußte 
dabei bis über sein basales Interphalangealgelenk hin versenkt werden, 
so weit reichte die Geschwulst nach vorn in die Gehirnmasse hinein. 
Mit der Fingerspitze fühlte K. zugleich, wie beim leichten Anziehen 
der Tumor folgte, und so konnte er ihn, der scharf abgegrenzt war, 
stumpf ohne wesentliche Blutung aus seinem Bett herauslösen. Dieses 
stellte unmittelbar nach der Ausschälung eine sehr tiefe Höhle dar; 


a 6 en 


sie wurde durch sanftes Auseinanderziehen mit stumpfen Haken zu- 
gänglich gemacht, um eine etwaige Blutung oder Geschwulstreste nicht 
zu übersehen. Als die Höhle sich selbst überlassen wurde, fiel sie 
wesentlich zusammen. 

Der mit dem Tumor verwachsen gewesene Duralappen, an dem 
ja beim Ablösen Geschwulstreste zurückgeblieben waren, wurde bis 
nahe zu seiner Basis abgetragen, der Rest über die im Gehirn zurück- 
bleibende Höhle gelagert, welche dadurch von rechts her ein wenig 
gedeckt war. Da der Tumor sich links oben unter die Hirnrinde vor- 
geschoben hatte, so blieb hier nach der Auslösung ein lappenartiges 
Gebilde normaler Hirnsubstanz stehen, das gleichfalls über die Höhle 
gelegt wurde. Dann wurde der Weichteil-Knochenlappen an seiner 
ursprünglichen Stelle durch Nähte befestigt. Die Geschwulst war 
von eiförmiger Gestalt. Histologisch erwies sie sich als Spindelzellen- 
sarkom. Nach ihrer Entfernung zeigte der freiliegende Occipitallappen 
des Großhirns deutliche Pulsation. Die Heilung ist bis zum heutigen 
Tage eine vollständige, auch die Hemianopsie ist vollkommen ge- 
wichen. 

Während in dem beschriebenen Falle die Geschwulst breitbasig 
der Dura aufsaß und durch diese hindurch sogleich in ihrer Größe 
erkannt werden konnte, liegen die Verhältnisse bei der Operation 
weniger klar, wenn der Tumor nur mit einem dünnen Stiel der harten 
Hirnhaut anhängt. Die Entwicklung geht auch dann von der inneren 
Durafläche aus, erfolgt aber zum überwiegenden Teil in das Gehirn 
hinein oder vielmehr in einen Raum, den die Geschwulst durch das 
Auseinanderdrängen der Hirnsubstanz sich schaft. Am charakte- 
ristischsten wird diese Entwicklung vor sich gehen, wenn eine große 
vorgebildete Furche der vordringenden Neubildung wenig Widerstand 
entgegensetzt. So hat K. im vorderen Abschnitte der Fossa Sylvii 
eine gut apfelgroße Geschwulst beobachtet, die nur mit einem erbsen- 
dicken Stiel der inneren Durafläche anhing, aber der histologischen 
Beschaffenheit nach doch von dieser ihren Ursprung genommen haben 
mußte. Sie reichte bis ins Gebiet der Insel und wurde aus der Tiefe 
der Fossa Sylvii mit Erfolg und mit Ausgang in Heilung ausgeschält. 

3) Vorstellung eines 24jährigen Kaufmanns, bei dem im Januar 
1907 beide Kleinhirnhemisphären wegen der Erscheinungen der 
Kleinhirngeschwulst freigelegt werden mußten. In jeder Hemisphäre 
fand sich eine walnuß- bis hühnereigroße Cyste, die breit gespalten 
und tamponiert wurden. Der Verlauf war dadurch kompliziert, daß 
in die eine Höhle eine Nachblutung erfolgte, wodurch die zerebellaren 
Symptome von neuem ausgelöst wurden. Beim Verbandwechsel ent- 
leerte sich aus dem rechten unteren Wundwinkel klarer Liquor, der 
ganze Haut-Knochenlappen zeigte deutliche Hirnpulsation. Trotz dieses 
günstigen Befundes nahmen die schweren Erscheinungen zu, die 
Temperatur stieg an den Abenden bis auf 39,5 und 40°, es bildete 
sich Nackensteifigkeit heraus, dazu kamen rasch zunehmende Schluck- 
beschwerden und leichte Unbesinnlichkeit. Aus diesem Grunde sah 


=. Gi ee 


K. sich veranlaßt, 11 Tage nach Inzision der Cyste die Wunde in 
ganzer Ausdehnung zu öffnen. Aus dem linken Wundwinkel tropfte 
fortwährend klarer Liquor ab, der schon in Vernarbung begriffene 
Lappen pulsierte deutlich. Als die Haut rasiert und mit Ather ab- 
gerieben wurde, sprudelte plötzlich aus einer in der Mitte der Wunde 
gelegenen kleinen granulierenden Stelle im Strahl wasserklarer Liquor 
hervor (etwa 20 ccm). Indessen hielt K. es wegen des gefahrdrohenden 
Allgemeinzustandes des Kranken für durchaus notwendig, das ganze 
Operationsgebiet genau zu revidieren. Die Knochenklappe wurde also 
mit der geschlossenen Schere gelöst und heruntergeschlagen. Das 
freigelegte Kleinhirn erschien durchaus normal, zeigte eine glänzende 
Oberfläche und dasselbe Aussehen und die gleiche Färbung wie bei 
der ersten Operation; nirgends fanden sich Spuren von Schwellung, 
Erweichung, Nekrose oder gar Eiter. Abnorm erschien nur an der 
Oberfläche der linken Kleinhirnhälfte eine daumengliedgroße Stelle; 
sie war ein wenig hervorragend und dunkelblau verfärbt und entsprach 
genau dem Ort der früher eröffneten Cyste. Die bereits fest verklebte 
Hirninzisionswunde wurde stumpf auseinander getrennt und damit eine 
pflaumengroße Höhle eröffnet, die sich mit dicken, schwärzlichen Blut- 
gerinnseln prall erfüllt zeigte. Nachdem diese in schonender Weise 
entfernt waren, wurde die Höhle von neuem tamponiert und der 
Haut-Knochenlappen mittels einiger Nähte zurückgelagert. Bereits am 
Tage darauf waren die schwersten Erscheinungen geschwunden. Der 
Tampon wurde am 4. Tage zum größten Teil, 2 Tage später samt 
den Nähten ganz entfernt. 

Die Störungen waren offenbar dadurch hervorgerufen, daß nach 
Herausziehen der tamponierenden Binde (5 Tage nach der Operation) 
die Wundränder des Kleinhirns rasch verklebten und aus kleinen noch 
nicht abgeschlossenen Gefäßen der Cystenwandung Blutungen in diese 
Höhle stattfanden, bis sie vollständig gefüllt war. Das wie eine Ge- 
schwulst wirkende, nicht unbeträchtliche Blutcoagulum rief im Zu- 
sammenhang mit mäßiger Liquorstauung von neuem die schwersten 
Erscheinungen des Hirndruckes hervor. Nach dem zweiten Eingriff 
trat vollkommene Heilung ein, die jetzt seit mehr als einem Jahre 
von Bestand geblieben. 

4) Vorstellung eines 46jährigen Rechtsanwalts, bei dem im 
Dezember 1907 ein handtellergroßes Angioma venosum racemo- 
sum operiert worden ist. Im wesentlichen waren die Erscheinungen 
der Jackson’schen Epilepsie vorhanden. Nach Ausführung der sehr 
großen Trepanationsklappe spritzte beim ersten Schnitt in die Dura 
oben plötzlich ein fingerstarker Blutstrahl hervor, der sich zunächst 
nur durch Fingerkompression beherrschen ließ. Der Duralappen 
wurde darauf fertig gebildet und sollte heruntergeschlagen werden. 
Beim leichten Emporheben sah K. zwei starke Venen in die Dura 
eintreten und konnte sie vor der Durchtrennung unterbinden. Als 
nun der Duralappen herabgeschlagen war, gewahrte man fast klein- 
fingerstarke, dunkelviolette Gefäße in starker Schlängelung die frei- 


en G0 om 


gelegte Hirnoberfläche bedecken. An der Stelle der heftigen Blutung 
ging von einem solchen weiten Gefäß ein dritter Ast analog den 
beiden unterbundenen in die Dura hinein; dieser war beim ersten 
Schnitt getroffen worden. Das Muttergefäß wurde oberhalb und unter- 
halb des zur Dura ziehenden Astes umstochen und die gefahrdrohende 
Blutung damit beseitigt. 

Nirgends war an den erweiterten und geschlängelten Gefäßen 
Pulsation zu bemerken. Es handelte sich um Venen der Pia mater. 
In der Mitte des Operationsfeldes bemerkte man außerdem eine 
flächenhafte Anhäufung kleinerer geschlängelter Venen von durch- 
schnittlich 2 mm Durchmesser, zwischen denen von Hirnrinde über- 
haupt nichts wahrzunehmen war. 

Hinten blieb die Grenze der erweiterten Gefäße fingerbreit von 
dem hinteren Duraschnitt entfernt, auch oben übersah man die vom 
Sinus longitudinalis her eintretenden zahlreichen Venen, eine unmittel- 
bar neben der anderen liegend; dagegen reichte die Gefäßneubildung 
im vorderen und unteren Wundbereich weiter, als durch die Offnung 
der Dura mater freigelegt war. 

Daher mußten nach Verlängerung der Hautschnitte an diesen 
beiden Seiten reichlich 2 cm Knochensubstanz fortgenommen werden, 
so daß unten die Schädelbasis erreicht war. Dementsprechend wurde 
die Dura nach vorn und nach unten weiter eingeschnitten und zur 
Seite geschlagen; aber auch dann gelangte man an normale Hirnober- 
fläche erst, wenn man unmittelbar an der Trepanationsgrenze das Ge- 
hirn mit Tupfern vorsichtig gegen den Schädelraum drängte und in 
die Knochenlücke verschob. Unten sah man deutlich den Beginn der 
Fissura Sylvii. Hinter deren vorderem Ende und etwas unterhalb, 
also bereits in der ersten Schläfenwindung, befand sich der zuführende 
Hauptvenenstamm; er war zeigefingerstark und teilte sich in zwei 
laterale, je 1 cm dicke und einen mittleren dünnen Ast. Zuerst um- 
stach K. mit halbkreisförmigen drehrunden, sogenannten »ganz ge- 
bogenen« Nadeln von !/), mm Stärke und 36 mm Länge diese drei 
Zweige in weiter Entfernung von ihren dünnen Wandungen und tief 
durch die Hirnsubstanz hindurch. Trotzdem fand jedesmal eine äußerst 
heftige Blutung aus den Stichkanälen statt, die sich nur durch längere 
Kompression stillen ließ. Während diese mit Tupfern ausgeübt wurde, 
umstach K. in gleicher Weise der Reihe nach alle zuführenden Ge- 
fäße im vorderen und hinteren Wundgebiet, so daB mit der stets not- 
wendigen Kompression der Stichkanäle keine Zeit verloren ging. Hierauf 
wurden die vom Sinus longitudinalis herabkommenden zahlreichen Venen 
versorgt, und zuletzt legte K. um den Hauptstamm unten, dessen dreiAste 
bereits einzeln unterbunden waren, noch eine sehr weit (etwa 3 cm) 
ausgreifende Ligatur, die vorn in der Fossa Sylvii eingestochen wurde 
und hinten in der obersten Schläfenwindung herauskam. K. achtete 
sehr wohl darauf, mit dieser Unterbindung nicht etwa ‚die Arteria 
Fossae Sylvii zu verletzen; aber so weit in die Tiefe bis zu dieser 
brauchte er nicht zu gehen. 

Chirurgen-Kongreß 1908. 5 


zer 66 


Nach Ausführung der zahlreichen Unterbindungen, zu denen Zwirn 
verwendet wurde, waren alle Gefäße prall gefüllt, sie sahen aus wie 
kurze Würste; das in ihnen befindliche Blut ließ sich durch Druck 
nicht mehr verschieben. 


Das beschriebene Verfahren dürfte bei ausgebreiteten Angiomen 
an der Hirnoberfläche wegen der außerordentlichen Gefahr der Blutung, 
wie K. sie in dem angezogenen Falle gesehen, wohl das einzig ver- 
wendbare sein; namentlich wird man bei einiger Ausdehnung der Ge- 
schwulst in der Zentralregion oder einem funktionell ähnlich wichtigen 
Bezirk von der Exstirpation Abstand nehmen, weil sie zu übergroßen 
und bleibenden Störungen führen müßte. 


Da nach den vielen Unterbindungen, wie K. beobachten konnte, 
das Blut nicht mehr zirkulierte, war der ganze Bezirk aus der Blut- 
bahn ausgeschaltet. Diese Beobachtung berechtigt zu der Annahme, 
daß man bei solchen flächenhaften venösen Angiomen eher auf eine 
Verödung rechnen kann als bei den arteriellen Rankenangiomen, z. B. 
des Gesichts, bei denen die bloßen Unterbindungen, auch wenn sie 
noch so zahlreich ausgeführt werden, unwirksam zu sein pflegen. 


Die Operation hatte recht lange gedauert, der Kranke trotz aller 
Vorsichtsmaßregeln viel Blut verloren, die Beendigung war daher durch- 
aus geboten. Zur größeren Sicherheit hätte K. sonst noch die doppelt 
unterbundenen Gefäßstämme längs gespalten und austamponiert, um 
die Narbenbildung zu befördern. Um in dieser Hinsicht noch einen 
weiteren Reiz auszuüben, bedeckte K. ausnahmsweise die ganze frei- 
liegende Hirnoberfläche mit Vioformgaze und nähte dann erst die sehr 
große Wunde bis auf die erforderliche kleine Lücke im hinteren oberen 
Wundwinkel zu. Die tamponierenden Binden wurden 3 Tage später 
ein wenig herausgezogen, nach weiteren 4 Tagen völlig entfernt. Sie 
hafteten außerordentlich fest und folgten erst auf sehr starken Zug; 
dabei entleerte sich nur frisches Blut. Die Heilung erfolgte ohne 
Störung. 

Was die Natur des vorliegenden Prozesses anlangt, so wird man 
ihn als Angioma venosum racemosum bezeichnen dürfen. Das Ranken- 
angiom, Angioma arteriale racemosum Virchow’s, mit seinen ver- 
dickten, erweiterten und verlängerten Gefäßen eines bestimmten Arterien- 
bezirkes kann hier zum Vergleich sehr wohl herangezogen werden. Die 
befallenen Venen der vorliegenden Beobachtung waren gleichmäßig, 
stellenweise auch varikös erweitert und zeigten infolge ihrer Ver- 
längerung einen abnorm gewundenen Verlauf, dagegen erschienen ihre 
Wandungen nicht verdickt. Die feinen Verzweigungen in dem zentral 
gelegenen Bezirk erreichten durch ihre Erweiterung die Größe der ge- 
wöhnlichen Piavenen, gingen eher noch über deren Abmessungen 
hinaus, während ihre Farbe ein wenig heller als die normaler Pia- 
venen war. Über das Verhalten der zuführenden Arteria Fossae 
Sylvii kann K. nichts aussagen, da er sie nicht zu Gesicht bekommen 
hat; abnorme Pulsation in der Umgebung war nicht bemerkbar. 


si G7 a 


In einem zweiten Falle — bei einem 10jährigen Knaben — hat K. 
ein um das Vielfache kleineres venöses Angiom operiert. Hier wurden 
alle erweiterten Piavenen am Rande des prominenten Hirngebietes 
doppelt unterbunden und durchtrennt, dazu dieser Gehirnabschnitt in 
einer Tiefe von 1 cm und einer Länge von 2!/, cm gespalten und mit 
steriler Gaze tamponiert. Auch dieser am 19. September 1903 operierte 
Kranke ist geheilt und bis heute geheilt geblieben. 

(Selbstbericht.) 





35) Tietze (Breslau). Beiträge zur Kleinhirnchirurgie. 


Vortr. berichtet über drei Eingriffe am Kleinhirn. Im ersten 
Falle erfolgte bei einem walnußgroßen Sarkom in der linken Klein- 
hirnhemisphäre im unmittelbaren Anschluß an eine Neisser’sche Probe- 
punktion der Tod an Atemlähmung. Die Sektion ergab, daß durch 
die Kanüle ein Gefäß angestochen war und eine relativ beträchtliche 
Blutung stattgefunden hatte. Für die topische Diagnose hatte man in 
diesem Falle besonderes Gewicht auf das Schwanken nach einer be- 
stimmten Seite gelegt. Dies namentlich von Allen Starr betonte 
Symptom erwies sich in einem zweiten mitgeteilten Falle (Kleinhirn- 
tuberkel) als trügerisch. Endlich im dritten Falle handelte es sich 
um eine mit Glück operierte Kleinhirncyste. Das vor der Operation 


fast völlig erloschene Sehvermögen wurde wieder nahezu normal. 
(Selbstbericht.) 





36) Martens (Berlin. Zur Chirurgie der Kleingehirn- 
geschwülste. 


M. berichtet über einen 13jährigen Knaben, der einige Wochen 
nach einem Trauma mit Kopfschmerzen, Erbrechen, Doppelbildern, 
Schwindel erkrankte. Die Untersuchung zeigte alle Symptome des 
Kleingehirntumors (Stauungspapillen, langsamen, unregelmäßigen Puls, 
Schwankungen bei geschlossenen Augen, Richtungsabweichung nach 
rechts beim Gehen mit geschlossenen Augen usw... Der Sitz des 
Tumors wurde angenommen in der Mitte des Kleinhirns, etwas mehr 
nach links. Die Operation sollte zweizeitig ausgeführt werden. Doch 
24 Stunden nach der ersten wohlgelungenen (Freilegung des Klein- 
hirns nach Krause) starb der sehr elende Knabe nach zunehmenden 
allgemeinen Krämpfen. Die Sektion klärte den Tod auf: außer einem 
‘etwa walnußgroßen, vom Dache des 4. Ventrikels ausgehenden Tumor 
fanden sich multiple kleinere pilzförmige Tumoren neben tumorösen 
Verdickungen in allen übrigen Hirnventrikeln, ausgehend von der 
subependymären Gliaschicht, mikroskopisch sich als Gliome erweisend. 
Die Pia des Kleinhirns ist stark verdickt, zuckergußähnlich, vom 
Tumorgewebe durchsetzt. Derartige multiple Gliome sind sehr selten — 
der beschriebene ist der 5. bis jetzt bekannte Fall —, klinisch als solche 
nicht diagnostizierbar und ihre Kenntnis für die Stellung der Pro- 
gnose sehr wichtig. (Selbstbericht.) 

b* 


Zur. 08 ss 


Diskussion zu Nr. 34—36. 


Kredel (Hannover) bespricht zwei von ihm operierte Tumoren 
der Kleinhirnbrückengegend und macht besonders aufmerksam auf eine 
Gefahr, die bei diesen Operationen mehrfach verhängnisvoll wurde, 
wenn der Tumor groß ist, nämlich schwere Blutung im allerletzten 
Augenblick der Auslösung der Geschwulst. Er erklärt diese Blutung 
damit, daß durch große Tumoren eine Druckusur an einem großen 
Gefäßstamm an der Schädelbasis entstanden war. Ferner demonstriert 
K. die von ihm seinerzeit (ds. Zentralbl. 1806 Nr. 43) empfohlenen 
und nachträglich verbesserten Metallplatten zur Erzielung von Blut- 
leere der Galea; die Verbesserung besteht in einer zentralen Durch- 


lochung, welche das Abgleiten des Fadens verhindert. 
(Selbstbericht.) 


Sticker (Berlin) demonstriert ein Pamenen erzeugtes Gehirn- 
sarkom beim Hunde. 


Seefisch (Berlin) hält die Gehirnpunktion nach Neisser für 
sehr nützlich und berichtet über einen Fall von Hirnsarkom, der durch 
dieselbe diagnostiziert wurde. Boerner (Rastatt). 


H. Küttner (Breslau): Die Ableitung des Ventrikelinhaltes nach 
außen läßt sich auch so erreichen, daß man einen zungenförmigen 
Lappen aus der Dura bildet, diesen mit einigen Nähten zu 
einer Röhre schließt und diese Röhre in den Ventrikel einsenkt, die 
äußere Wunde vernäht. Der Ventrikelinhalt fließt dann in das sub- 
aponeurotische Zellgewebe der Kopfschwarte ab. Ferner möchte ich 
darauf aufmerksam machen, daß die Gegend der Kleinhirn- 
hemisphären sich ausgezeichnet zur palliativen Druckent- 
lastung des Gehirns bei inoperablem oder nicht lokalisier- 
barem Tumor, wie überhaupt bei chronischer Hirndruck- 
steigerung eignet. Der Vorzug dieser Stelle ist ein dreifacher: 
Einmal wird von der Entlastung in erster Linie die hintere Schädel- 
grube getroffen, was für die Rettung der Sehkraft von großer Be- 
deutung ist, zweitens ist der Weichteillappen, welcher die Trepanations- 
lücke deckt, besonders dick, da er die gesamten Ansätze der kräftigen 
Nackenmuskulatur enthält. Das freigelegte Gehirn mit seinen Häuten 
befindet sich also tief unter der Körperoberfläche und ist bei dem 
reichlichen Liquorabfluß der Infektion weit weniger ausgesetzt als an 
anderen Stellen. Auch ein sich etwa ausbildender stärkerer Gehirn- 
prolaps wird durch die dicke bedeckende Weichteilschicht vor der In- 
fektion geschützt. Drittens ist die Druckentlastung an der genannten 
Stelle deshalb besonders wirksam, weil hier sehr große liquorführende 
subarachnoideale Räume gelegen sind und eröffnet werden. Bei starkem 
Hirndruck ist die Flüssigkeitsansammlung in dieser Zisterne so groß, 
daß man, wenn man es zum erstenmal sieht, fast eine Oyste vor sich 
zu haben glaubt. Da die Cisterna cerebello-medullaris nicht unmittel- 
bar berührt wird, ist auch eine plötzliche Druckentlastung bei der 


— 69 — 


Operation völlig ungefährlich, wie ich mich in drei Fällen überzeugen 
konnte. Im Gegenteil, sofort nach der Eröffnung der genannten sub- 
arachnoidealen Räume stellt sich die fehlende Pulsation des Kleinhirns 
wieder ein, und das vorher wie eine Billardkugel in die Knochenlücke vor- 
gewölbte Gehirn sinkt zurück. Als Schnittführung eignet sich besonders 
die von Herrn Krause für die Freilegung beider Kleinhirnhemisphären 
angegebene. (Selbstbericht.) 


Adler (Pankow-Berlin) demonstriert einen 36jährigen Kranken, 
bei welchem er einen kleinapfelgroßen, rein subkortikal gelegenen 
Hirntumor aus dem Marklager der rechten motorischen Region ent- 
fernt hat. Die Diagnose stützte sich auf den Beginn des Leidens mit 
Konvulsionen, welche besonders den linken Arm betrafen, und welchen 
allmählich eine Lähmung des linken Armes, des linken Facialis und 
des linken Beines folgte. Beiderseitige Stauungspapille, rechts stärker 
als links, sowie starke Kopfschmerzen in der rechten Scheitelgegend 
vervollständigten das Krankheitsbild. Der durchaus vom Jackson- 
schen Typus der Rindenepilepsie abweichende Verlauf der Krämpfe, 
sowie die mangelnde perkutorische Schmerzhaftigkeit über der rechten 
Scheitelgegend ließen einen subkortikalen Sitz des Tumors vermuten, 
während die geringen Störungen der Sensibilität und des Muskelsinnes 
` auf eine Lage des Tumors unterhalb des Gyrus centralis anterior hin- 
deuteten. 

In der Tat fand sich bei der Operation die Hirnoberfläche bis 
auf eine Abplattung der Gyri gänzlich unverändert. Weder durch 
Palpation, noch durch Punktion war ein Krankheitsherd nachzuweisen. 
Dagegen stieß der in den freipräparierten Sulcus Rolando eingeführte 
Finger in einer Tiefe von etwa 4cm auf ein als schlaffer Sack im- 
ponierendes Gebilde, welches sorgfältig stumpf mit dem Finger bis 
aus 8cm Tiefe aus dem Marklager ausgeschält und aus der Zentral- 
furche herausgeholt wurde. Die starke Blutung aus der Wundhöhle 
stand auf Tamponade. Die Heilung erfolgte ohne Zwischenfall, in- 
dessen sind erst 2 Monate seit der Operation verstrichen. Bisher sind 
die Kopfschmerzen verschwunden, Pat. ist wieder imstande zu gehen; 
Stauungspapille, Arm- und Facialislähmung sind beträchtlich zurück- 
gegangen. Die mikroskopische Untersuchung des Tumors ergab, daß 
es sich um ein enorm gefäßreiches, von den adventitiellen Lympb- 
scheiden der Blutgefäße ausgehendes Peritheliom handelt. Der Fall 
ist bemerkenswert durch die Seltenheit der Peritheliome in der Hirn- 
substanz überhaupt, durch die relative Seltenheit der bisher erfolgreich 
operierten, rein subkortikalen Hirntumoren und durch den palpatori- 
schen Nachweis der Geschwulst in der Zentralfurche, welcher auch 


die Entfernung der Geschwulst auf diesem Weg ermöglichte. 
(Selbstbericht.) 


— 70 — 


37) Erdheim und Stumme (Wien). Über die Schwanger- 
schaftsveränderung der menschlichen Hypophyse. 


M. H.! Die Ausführungen meines Chefs, Herrn Hofrat Hochen- 
egg’s, haben jener Theorie, die die Akromegalie durch Steigerung 
oder chemische Anderung der Hypophysensekretion zustande 
kommen läßt, recht gegeben. 

Als interessante Illustration für die Richtigkeit dieser Auffassung 
möchte ich eine sehr alltägliche Form dieser Erkrankung mit dem 
Ausgang in spontane Restitution daneben stellen: Ich meine die einer 
geringgradigen Akromegalie gleichenden Weichteilverdickungen, an 
Nase, Lippen und Händen bei Schwangeren, Veränderungen als 
deren pathogenetisches Substrat man eine mit reger Sekretion einher- 
gehende Hypertrophie der Hypophyse wird annehmen müssen. 

Daß in der Gravidität eine Vergrößerung dieses Organes statt 
hat, war schon seit der Publikation von Comte bekannt. Launois 
und Mulon, Guerrini, Morandi und Cagnetto haben darauf hin- 
gewiesen. Von deutschen Autoren hat zuerst Erdheim diesbezügliche 
Angaben gemacht, im übrigen aber auf meinen heutigen Vortrag ver- 
wiesen, nach ihm kürzlich Tandler die Tatsache der Vergrößerung 
des Hirnanhanges in der Schwangerschaft erwähnt. 

Da die ganze einschlägige Literatur auf diese paar flüchtigen, 
beiläufigen Notizen sich beschränkt, und eine systematische Bearbei- 
tung unserer Frage noch ausstand, haben E. und ich vor einigen 
Jahren im pathologischen Institut Hofrat Weichselbaum’s in Wien 
dieses Thema aufgenommen, und wir sind heute, nachdem wir etwa 
150 Hypophysen daraufhin untersucht haben, in der Lage, ein lücken- 
los ausgebautes Bild der Schwangerschaftsveränderung des menschlichen 
Hirnanhanges zu entrollen. 

Die Schwangerschaftsveränderung der Hypophyse ist schon 
makroskopisch sehr auffallend; sie bezieht sich auf eine Vergrößerung 
vorwiegend in querer Richtung, gegen die Sinus cavern. hin, und auf 
eine bedeutende Gewichtszunahme bis auf das 21/,fache des Normalen. 
Die Schnittfläche, normal rötlichgrau, erscheint Ende der Gravidität 
einförmig weiß, saftreich und wesentlich weicher. Wenige Wochen 
nach dem Partus beginnt das Rotgrau die weiße Farbe wieder zu 
verdrängen, und am Ende des Puerperiums hat das Organ seine 
früheren Maße in der Regel wieder erreicht. 

Alle diese Veränderungen sind der Ausdruck des massenhaften 
Auftretens einer neuen Zellform, die wir Schwangerschaftszellen 
nannten. 

Zur Histologie übergehend, darf ich daran erinnern, daß die 
Hypophyse der Niegeschwängerten aus Eosinophilen, Basophilen und 
Hauptzellen besteht, unter denen die ersten stets ganz bedeutend über- 
wiegen; die Hauptzellen, die uns vor allem interessieren, liegen einzeln 
oder in kleinen, kaum je selbständigen Gruppen unter die anderen 


ze A Zee 


verstreut; ein Plasma ist bei ihnen nicht darstellbar, man sieht nur 
dichtgedrängte runde, dunkle Kerne mit deutlichem Chromatingerüst. 

Diese Zellform ist es, aus der die Schwangerschaftszelle her- 
vorgeht. 

Die Metamorphose geht so vor sich, daß sich mehr und mehr 
Plasma um den Kern ansammelt, das auf der Höhe der Gravidität 
reichlich feine Granula, im Gegensatz zu den Chromophilen aber keine 
Fettkörnchen zeigt. Die Zellgrenze bleibt trotzdem unscharf, das 
wichtigste Kriterium zur Trennung von Chromophilen und Schwanger- 
schaftszellen. Der Kern wird immer größer, Hchter, bläschenförmig 
und unregelmäßig oval. An Zahl übertreffen die derartig veränderten 
Zellen bei der Erstgeschwängerten durchschnittlich im 6. Monat, bei 
Oftgeschwängerten schon nach ebenso vielen Wochen die Eosinophilen. 
Die Schwangerschaftszellen liegen am Ende der Gravidität in breiten, 
selbständigen Alveolen und Balken; ihre Potenz gibt sich in mechanischer 
Schädigung chromophiler Nachbargruppen kund. 

Die Chromophilen selbst zeigen in der Schwangerschaft keine 
konstante Veränderung. Die ersten Zeichen der Umgestaltung: Ver- 
mehrung der Hauptzellen und Aufhellung der Kerne, wird bei der 
Erstgeschwängerten etwa im 3. Monate manifest. 

Die Vergrößerung der Hypophyse geschieht also sowohl durch 
Hypertrophie als durch Hyperplasie, welch letztere, wie die allerdings 
spärlichen Mitosen beweisen, wenigstens zum Teil sicher auf karyo- 
kinetischem Wege vor sich geht. 

Die Veränderung ist auf der Höhe der Schwangerschaft, wo 
manchmal +, des Organes und mehr von den neuen Zellen gebildet 
werden, eine geradezu imposante, das Bild, vom normalen völlig ver- 
schieden, für den Uneingeweihten kaum als Hypophyse kenntlich. 

Bald post partum setzt die Rückbildung ein, mikroskopisch schon 
früher wahrnehmbar als mit freiem Auge. Das Plasma wird immer 
spärlicher, etwas später, nach 3—4 Wochen, beginnt der Kern kleiner, 
dunkler, runder zu werden. Am Ende der 6. Woche ist fast immer 
das Plasma geschwunden, der größte Teil der Kerne auf Größe, Form 
und Farbe wie vor der Gravidität zürückgeführt, der Hauptzelltypus 
also wieder erreicht. In bemerkenswertem Gegensatz dazu steht unser 
Befund, daß bei Laktierenden auch noch 7 Monate p. part. reichliche 
Balken von Schwangerschaftszellen auf einer hohen Stufe der Entwick- 
lung vorhanden sein können. Aber auch bei promptester Involution 
verrät eine wesentliche Vermehrung der Hauptzellen und die Bildung 
größerer Alveolen und Balken daraus noch auf lange Jahre die ab- 
gelaufene Gravidität. Tritt eine neue Schwangerschaft hinzu, so 
summieren sich die Veränderungen; so erklärt es sich, daß die größten 
Hypophysen an Oftgebärenden zu finden sind, andererseits auch deut- 
liche Graviditätshypertrophie bei Oftgeschwängerten in einem früheren 
Stadium manifest wird, als bei Erstgeschwängerten. 

Die nach vollendeter Involution restierenden Hauptzellen bleiben 
in großer Zahl bis zum Einsetzen des Klimakteriums erhalten, für 


= GO a 


ihre Trägerin eine Reserve, stets sprungbereit, ihre leider noch so 
dunkle Rolle zu übernehmen ; erst wenn die alternde Keimdrüse ihre 
Tätigkeit einstellt, lichten sich ihre Scharen und verschwinden im 
höchsten Alter vollständig von der Bildfläche. 

Der Ablauf der geschilderten Schwangerschaftsveränderung der 
Hypophysis ist in an- wie absteigender Linie so geregelt, daß aus 
dem histologischen Bild das Stadium der Gravidität auf 1—2 Monate 
genau bestimmt werden kann, eine Erkenntnis, der nicht bloß foren- 
sische Wichtigkeit innewohnen könnte, die vielmehr auch ein be- 
achtenswertes Licht auf die physiologische Bedeutung des ÖOrganes 
wirft: kann es doch nach alledem einem Zweifel nicht unterliegen, 
daß der Hypophyse während der Schwangerschaft eine wesentliche 
sekretorische Aufgabe zukommt. 

Ob und inwieweit sie darin ersetzlich ist, wird Gegenstand der 
Beobachtung sein, wenn einmal eine größere Anzahl von Frauen der 
jüngsten Errungenschaft unserer hohen Disziplin, der Exstirpation der 
Hypophyse wird teilhaftig geworden sein. 

Über die Pathogenese der Akromegalie habe ich mir, meines 
Chefs Erfolg und unsere Befunde zusammenhaltend, die Ansicht ge- 
bildet, daß eine primäre Störung der Keimdrüse zu einer Wucherung 
der Hypophyse führt, die dann ihrerseits die akromegalischen Ver- 
dickungen auslöst. (Selbstbericht.) 





38) J. Hochenegg (Wien). Operativ geheilte Akromegalie 
bei Hypophysentumor. 


Ich erlaube mir, eine 30jährige Pat., bei welcher in der internen 
Klinik Hofrat v. Neusser’s auf Grund der eklatanten Symptome und 
der Röntgenogramme des Schädels die Diagnose auf Akromegalie und 
Hypophysentumor gestellt worden war, zu demonstrieren. 

Die photographische Aufnahme, die ich Ihnen in Vergrößerung 
zur Demonstration bringe, enthebt mich, eine genaue Beschreibung der 
akromegalischen Veränderungen zu geben; sie waren eben vollkommen 
typisch, betrafen Kopf und Gesicht, die Hände und Füße in der be- 
kannten, schon oft beschriebenen Weise, und es waren dieselben in 
meinem Falle ziemlich hochgradig. Nur eines Details will ich Er- 
wähnung tun, da wir später noch darauf zurückzukommen haben, das 
war das weite Auseinanderstehen der vorderen, namentlich der oberen 
Schneidezähne, auf deren Vorkommen in anderen Fällen auch schon 
aufmerksam gemacht wurde. 

In bezug auf die anamnestischen Daten will ich nur hervorheben, 
daß bei meiner Pat. die Erkrankung gewissermaßen in zwei Etappen zur 
Ausbildung kam. Das seit dem 15. Jahre normal menstruierte und 
auch sonst gesunde Mädchen erkrankte im 25. Jahre — sie war damals 
in Berlin angestellt —, wie sie sich ausdrückt, plötzlich an Bleichsucht 
mit heftigen Kopfschmerzen, anfallsweise auftretenden Schweißaus- 
brüchen, Nasenblutung und Sistieren der Menses. Bald stellten sich 


—_—_n3 — 


Sehstörungen ein, Pat. konnte deshalb durch 3 Monate weder lesen noch 
schreiben, die Fähigkeit, in die Ferne zu sehen, war ihr fast gänzlich 
verloren gegangen. Nach einem Jahre verloren sich diese von ihren 
damaligen Arzten für Chlorose und Hysterie gedeuteten Symptome 
fast vollkommen. Die Menses kehrten zurück. Dieser Zustand der 
Besserung hielt durch 4 Jahre an. 

Erst im August 1907 wurde die Menstruation wieder unregelmäßig 
und spärlich, abermals stellte sich der heftige Kopfschmerz ein, und 
in auffallender Raschheit und unter Parästhesien bildeten sich die Ver- 
größerung der Hände und Füße, das Plumpwerden der Lippen, Nase 
und Zunge und die Veränderung der Gemütsstimmung so ausgeprägt 
aus, daß schon im Oktober das Bild für jeden Kundigen ein voll- 
kommen ausgesprochenes war. 

Auf alle diese Details, die ich der ausführlichen Publikation 
durch meinen Schüler, Dr. Stumme, vorbehalte, will ich hier nicht 
näher eingehen und mich nur auf die Operation selbst und auf deren 
Effekt beschränken. 

Da der Zustand des Mädchens, namentlich durch die Kopf- 
schmerzen, ein so ungemein qualvoller war, drang sie selbst auf 
Operation, obwohl ihr gesagt wurde, daß der Eingriff kein leichter 
und der Erfolg ein fraglicher sei. 

Bei der Operation, die ich am 16. Februar 1908, also vor zirka 
2 Monaten, ausführte, wich ich einigermaßen von den bisher geübten 
und in Publikationen niedergelegten Verfahren ab. 

Ich wählte den schon öfter von anderen (Schloffer, v. Eisels- 
berg) mit Erfolg betretenen und von Anatomen (Tandler) vorge- 
schlagenen nasalen Weg, d. h. ich bahnte mir durch Zurückklappen und 
vollkommene Ausräumung der Nasenhöhle den Weg zum Hypophysen- 
bett. Ich will hier gleich die Bemerkung einfügen, daß ich vorläufig, d.h. 
solange es nicht gelingt, ohne jegliche Voroperation endopharyngeal die 
Operation zu machen, wie mir der vom Wiener pathologischen Institut 
zur Demonstration überlassene Schädel eines Hypophysentumors möglich 
erscheinen läßt, die nasale Voroperation für die Methode der Wahl 
halte; sie gibt hinlänglich genug Zugänglichkeit und erscheint mir be- 
deutend weniger eingreifend und verstümmelnd als die anderen vor- 
geschlagenen Methoden. 

Es ist bekannt, daß die Nebenhöhlen der Nase, also vor allem die 
Stirnhöhlen, bei Akromegalie mächtig erweitert sind. Auch in meinem 
Falle erwies dies das Röntgenbild. Da durch diese Erweiterung der 
Stirnhöhlen begreiflicherweise die Distanz von der Stirne bis zur 
Hypophyse bedeutend vergrößert ist und hierdurch das eigentliche 
Operationsfeld in größerer Tiefe sich befindet, ist es empfehlenswert, 
durch Eröffnung und Ausräumung der Stirnhöhle den Zugang sich 
bequemer und das ÖOperationsfeld zugänglicher zu machen. 

Um nun nach der Operation die Entstellung des Profils der Stirne 
möglichst geringfügig zu gestalten, erschien es uns opportun, die vordere 
Wand der Stirnhöhle nicht zu opfern, sondern nur temporär mobil 


ee DU A 


und aufklappbar zu machen, was leicht von zwei seitlichen in den 
Augenbrauen geführten Hautschnitten mit einem flachen Meißelschlag 
erzielt werden konnte. (Demonstration eines Kadaverpräparates.) 

Es empfahl sich nun weiter, die ganze Operation, die ich natür- 
lich in Narkose ausführte, an der horizontal liegenden Pat., bei der 
der Kopf etwas nach hinten übergebeugt war, auszuführen. Um 
in dieser Lage die Aspiration von Blut zu verhindern, tamponierten 
wir den Spalt hinter dem weichen Gaumen und der Pharynxwand mit 
einem großen länglichen, quergelegten Tampon, den wir mit einem um 
die horizontale Platte des Oberkiefers herumgelegten und um die Ober- 
"lippe geknoteten Bande sicher an seiner Stelle erhielten. Dieser Tampon 
verhinderte während der ganzen Operation, daß vom nasalen Operations- 
felde Blut gegen den Mund zu sickerte, ließ aber die Atmung unbe- 
hindert und schmälerte nicht unser Operationsfeld. 

Die Ausräumung der Nase vollführten wir mit Schere und Pin- 
zette, namentlich aber mit einem großen, scharfen Löffel; die innere 
Orbitalwand und die Wand der Highmorshöhle blieben dabei intakt. 

Die ziemlich beträchtliche, aber nie beängstigende Blutung stand 
prompt durch zeitweise angewendete Tamponade mit in Adrenalinlösung 
getränkter Gaze. 

Nach dieser Voroperation und nach Eröffnung der Keilbeinhöhle, 
die in unserem Falle sehr reduziert war, war am Grunde der trichter- 
förmigen Wundhöhle der blendend weiße, auf Haselnußgröße erweiterte 
Hypophysenwulst sichtbar. 

Ich konnte an ihm bequem die knöcherne Schale einmeißeln und 
das hierdurch entstandene Loch nach Belieben vergrößern. Ich be- 
gnügte mich aber mit einem etwas über erbsengroßen Loch, spaltete 
im Bereich dieses die sich einstellende Dura, worauf unter Pulsation 
der ungemein weiche, rotbraune Tumor prolapsartig vorquoll. 

Die ursprünglich geplante Entfernung des Tumors in einem Stücke 
mußte sofort wegen Weichheit der Geschwulst undurchführbar er- 
scheinen, weshalb ich mich damit begnügte, den Tumor mit einem 
löffelartigen Instrument einfach auszulöffeln.. Ich tat dies so lange, 
bis ich das derbe Diaphragma der Dura und seitwärts und unten die 
Knochenwände unterm Löffel hatte; hierauf wischte ich, um ja sicher 
den ganzen Tumor zu entfernen, mit Gazetupfern exakt die ganze 
Höhle aus. Die Blutung war minimal und stand ebenfalls auf das 
Einlegen eines Adrenalintampons. 

Ich möchte auf die Anlegung eines kleinen Loches Gewicht legen ; 
man kommt mit demselben vollkommen aus, da die breiig weiche 
Tumormasse so nur ein Auslöffeln erlaubt und bei kleinem Loche viel- 
leicht doch eher eine Meningitis vermieden werden kann. 

Um nun weiter eine Infektion des Tumorbettes nach Möglichkeit zu 
verhüten, tamponierte ich die durch eine kreisrunde Eingangspforte er- 
öffnete, jetzt leere Knochenhöhle locker mit Jodoformdochten, die durch 
ein Drain durchgezogen und aus dem Nasenloch herausgeleitet wurden. 
Auf diese Weise sollte ein Aufsaugen von Wundsekret im Bereiche 


en, OR ec 


der Nase verhindert werden. ' Ebenso wurde die Nase mit Jodoform- 
gaze locker tamponiert. 

Der Verlauf nach diesem immerhin großen chirurgischen Eingriff 
war ein ungemein glatter, auch für die Pat. fast beschwerdefreier. 
Am 8. Tage werden die drainierenden Streifen entfernt, am 10. Tage 
kann die Pat. das Bett verlassen. Gegen die Borkenbildung in der 
Nase bzw. Wundhöhle wird mit Ausspülungen mit Salbeitee vor- 
gegangen. 

Bevor ich auf den Effekt der Operation zu sprechen komme, will 
ich nochmals hervorheben, daß ich die Überzeugung habe, daß ich die 
ganze tumorartig veränderte Hypophyse operativ entfernt habe. Die 
histologische Untersuchung der ausgelöffelten und gesammelten Partien 
ergab, daß es sich um Adenom der Hypophyse gehandelt hat. 

Um nun auf den Heilungseffekt der Operation zu sprechen 
zu kommen, so muß zunächst hervorgehoben werden, daß es gut ist, 
den Einfluß der Operation auf die Pat. von zweifachem Gesichtspunkte 
aus gesondert zu betrachten. 

Vor allem ist seit der Operation ein Sistieren der quälenden 
Kopfschmerzen, eine Besserung der psychischen Stimmung und Ver- 
minderung der Sehstörungen zu verzeichnen. Alle diese Störungen 
werden ja mit Recht und wohl allgemein als mechanische Schädigung 
des auf Gehirn und Sehnerven drückenden Hypophysentumors ge- 
deutet; es ist dabei leicht verständlich, daß dieselben mit Entfernung 
des Tumors zum Schwinden gebracht wurden. Die Besserung in dieser 
Beziehung wurde auch in den bekannten, bereits publizierten Opera- 
tionen anderer Operateure erzielt. 

Von viel größerer Bedeutung erscheint mir der Einfluß der 
Operation auf die Symptome der Akromegalie. 

Schon am 5. Tage nach der Operation überraschte uns die Pat. 
mit der Angabe, daB sie fühle, daß die Zähne näher aneinander rücken, 
und daß jetzt der Unterkiefer anders auf den Oberkiefer passe, wie 
früher. 

Am 10. Tage nach der Operation wird die Richtigkeit dieser An- 
gabe objektiv durch Messung nachgewiesen; schon an diesem Tage 
hat sich der Abstand an den Schneidezähnen des Oberkiefers so ver- 
mindert, dieselben sind so zusammengerückt, daß Pat. zwischen den 
beiden mittleren Schneidezähnen nur mehr mit ihrem Fingernagel ein- 
dringen kann, während früher die oberste Kante der Fingerkuppe das 
Distanzmaß ihr abgab. 

So geht es mit den Händen, an denen uns fast bei jeder Visite 
von der vorher tief melancholisch verstimmten, jetzt wieder heiteren 
Pat. das Kleinerwerden demonstriert und versichert wird, daß 
sie es ordentlich spüre, wie von Tag zu Tag die Hände normaler 
werden, wie sie besser dia Hand zur Faust schließen könne usw. 

Nach kaum einem Monat ist die Pat. entlassungsfähig. Wie sie 
die Schuhe, mit denen sie ins Krankenhaus kam, und die ihr damals 
knapp paßten, aus dem Magazin zurückbekommt, sind ihr dieselben 


zu 90: et 


um so vieles zu groß, daß sich die Pat. weigert, dieselben als ihr 
Eigentum zurückzunehmen. Wie ich die Pat. bei ihrer Entlassung 
von meiner Klinik den Herren der internen und laryngologischen 
Klinik, die vor der Operation die Pat. lange und zu wiederholten 
Malen zu beobachten Gelegenheit hatten, vorstelle, erkennen diese die 
Pat. nicht wieder, so bedeutend hat sich alles an ihr verändert. 

Ich glaube, daß auch Sie diese Veränderungen an der jetzt voll- 
kommen wohlen Pat. konstatieren werden, wenn Sie das Bild vor der 
Operation mit der von mir mitgebrachten Pat. vergleichen. Ich kann 
nur sagen, daß ich eine so prompte, so rasch einsetzende Beeinflussung 
der akromegalischen Symptome einfach für unmöglich gehalten habe. 

Bisher standen sich in bezug auf die Bedeutung des Hypophysen- 
tumor für den mit Akromegalie bezeichneten Symptomenkomplex 
folgende Ansichten unvermittelt gegenüber, die, da das Tierexperiment 
in dieser Hinsicht keine Lösung brachte, bisher unentschieden bleiben 
mußten. 

1) Der Hypophysentumor ist eine Teilerscheinung der All- 
gemeinerkrankung Akromegalie. Die Hauptvertreter dieser 
rein symptomatischen Auffassung stellen sich vor, daß geradeso, wie 
die peripheren Abschnitte des Gesichtes und der Extremitäten Ge- 
stalt und Größenveränderungen durch Akromegalie erfahren, auch 
die Hypophyse verändert werde und so einen Tumor vortäusche. 

2) Der Hypophysentumor ist die Ursache der Akromegalie, 
und zwar nach der Ansicht der einen durch aufgehobene Funktion 
der Hypophyse, nach der anderen durch gesteigerte Funktion und 
endlich nach Ansicht einer dritten Gruppe durch qualitativ veränderte 
Funktion. 

3) Endlich die Hypophysenveränderung hat zwar kausale Be- 
deutung, sie ist aber nur für die Veränderung im Bereiche des 
Kopfes als dem von den Hirnnerven versorgten Körperbezirk zur 
kausalen Verantwortung zu ziehen, während die akromegalischen Ver- 
änderungen an den Extremitäten anders lokalisierte Ursachen wahr- 
scheinlich spinaler Natur haben müßten. 

Mein Fall, der, soviel ich weiß, der erste ist, wo bei Akrome- 
galie die Operation vollendet wurde und Erfolg hatte, ist geeignet, 
die Frage, welcher Einfluß dem Hypophysentumor bei Entstehung der 
Akromegalie zuzuschreiben ist, prinzipiell zu entscheiden. Die Ope- 
ration gleicht einem Experiment, sie erweist zur Evidenz, daß einem 
Hypophysentumor bei Akromegalie nicht nur symptomatische, sondern 
kausale Bedeutung zukomme. Sie erweist ferner, daß nicht durch einen 
Ausfall der Hypophysenfunktion, sondern durch eine Hyperfunktion 
des Hirnanhanges die akromegalischen Erscheinungen veranlaßt werden 
müssen. Ebenso wie nachgewiesen erscheint, daB auch für die akrome- 
galischen Veränderungen an den Extremitäten die Hyperfunktion der 
Hypophyse allein verantwortlich ist. 
~ _ Mein Fall beansprucht ferner großes therapeutisches Interesse, 
indem er erweist, daß durch Entfernung des Hypophysentumors nicht 


_— 1 — 


nur die vom Tumor ausgehenden Drucksymptome, also die mechanische 

Schädigung des Gehirns und der Sehnerven, sondern auch die schwere, 

wie wir wissen sonst fast sicher zum Tode führende Allgemeiner- 

krankung der Akromegalie operativ beeinflußbar ist. Die Berechtigung 

des Eingriffes auch von diesem Standpunkt erscheint mir fortan er- 

wiesen. (Selbstbericht.) 
Diskussion. 


H. Borchardt (Berlin) demonstriert einen jungen Mann, bei dem 
er vor ca. 2 Monaten einen Hypophysistumor operiert hat. 

Enorm starke Kopfschmerzen und die typischen Sehstörungen veran- 
laßten die Operation; der Plan war, in zwei Zeiten von vorn, d.h. von 
der Stirn her, die Hypophyse freizulegen; das mißlang; sehr starke 
Blutung der mit dem abnorm tief herabreichenden Sinus longitudinalis 
kommunizierenden Knochenvenen zwang zur Unterbindung des Sinus 
longitudinalis, zur sofortigen Durchschneidung der Dura und zur ein- 
zeitigen Operation. Nach Erhebung des Stirnhirns konnte man zwar 
bis an die Hypophysengegend heran, die Übersicht aber war un- 
genügend, der Blutverlust zu groß, so daß die Exstirpation nicht 
forciert werden konnte. 

In einem zweiten Akt wurde nach Schloffer von der Nase aus 
operiert; da gelang es verhältnismäßig leicht, Stücke der Geschwulst 
zu entfernen; radikal ist sie nicht exstirpiert worden. 

Der Erfolg war zufriedenstellend; Pat. ist die sehr quälenden 
Kopfschmerzen los und hat auch die maniakalischen Anfälle verloren, 
die er vor der Operation hatte. (Selbstbericht.) 


v. Eiselsberg (Wien): Im Anschluß an die interessante Mitteilung 
Hochenegg’s möchte ich mir erlauben, in Kürze über drei Fälle von 
Operation wegen Hypophysentumors zu berichten, welche ich in der 
zweiten Hälfte des Januar 1907 vorgenommen habe. 

Im ersten Falle handelt es sich um einen 20jährigen Kommis, 
welcher seit Jahren von den DDr. Frankl-Hochwart und Fröhlich 
beobachtet worden war, und bei welchem auf Grund von anhaltendem 
Kopfschmerz, einer doppelseitigen Hemianopsia temporalis und end- 
lich einer Adipositas mit gleichzeitigem Zurückbleiben des Genitale 
die Wahrscheinlichkeitsdiagnose auf einen Tumor der Hypophyse ge- 
stellt wurde, welche Diagnose durch das Röntgenbild nur noch ge- 
festigt wurde. 

Ich habe bei dem Pat. am 21. Januar 1907 die Operation aus- 
geführt und dabei eine Cyste entsprechend der Hypophyse bloßgelegt. 
Die Untersuchung der Cystenwandung ergab, daß es sich anschei- 
nend um ein Epithelialkarzinom handelte. 

Interessant war nun, daß bei diesem Pat. der Kopfschmerz auf- 
gehört hat, die Sehstörung wesentlich zurückgegangen und der Pat. 
mit dem Resultat vollkommen zufrieden ist. Auch hat die Fettsucht 
etwas abgenommen. Jetzt, mehr als 3/, Jahre post operationem, fühlt 
sich Pat. vollkommen wohl. 


it MB en 


Der zweite operierte Fall betrifft einen Pat. mit typischen Er- 
scheinungen von Akromegalie: 

33 Jahre alte Frau. Vor 8 Jahren, als sie zum ersten Male 
schwanger war, bemerkte sie Vergrößerung von Händen und Füßen, 
sowie des Gesichtes. Seit vielen Jahren Sehstörung beider Augen 
und Zunahme von Kopfschmerz. 

Typische Akromegalie. Die Untersuchung des Gesichtsfeldes 
ergibt bitemporale Hemianopsie. Das Röntgenbild ergibt eine ganz 
wesentliche Erweiterung des Türkensattels. Es bestand eine starke 
Hyperplasie der Rachenmandeln mit chronischem Katarrh. 

Zunächst wurde mit Rücksicht auf diesen letzterwähnten Umstand 
von einer Operation Abstand genommen und Pat. entlassen. Nach 
kurzer Zeit erschien jedoch die Pat. abermals in der Klinik, mit der 
Bitte, operiert zu werden. 

Ich machte die Operation am 19. Dezember 1907 und gelangte 
auch entsprechend der Hypophyse in eine große, von Tumor erfüllte 
Höhle, aus der zahlreiche Tumorbröckel entfernt wurden. 

Im Anschluß daran entwickelte sich eine foudroyante Meningitis, 
der Pat. am 2. Tage nach der Operation erlag. 

Die Sektion ergab, daß ein ausgedehnter, nach der Schädelbasis 
zu gelegener Hirntumor vorhanden war, der bis in die Gegend des 
Stirnlappens sich erstreckte, und von dem bloß der Teil, welcher 
gerade der Sella turcica entsprochen hatte, entfernt war. Es han- 
delte sich um ein sehr zellreiches Sarkom, welches wohl als vollkommen 
inoperabel zu bezeichnen war. 

Im dritten Falle handelte es sich um einen 26jährigen Bauzeichner, 
der seit 2 Jahren an Kopfweh und Sehstörungen litt, welche mit 
Schwindelanfällen einhergingen, so daß er zu Boden stürzte Im 
Laufe der letzten Zeit steigerte sich das Kopfweh ganz enorm. 

Die Augenuntersuchung ergab eine temporale Hemianopsie links 
und Atrophie des Sehnerven auf der rechten Seite. 

Das Röntgenbild zeigte wieder entsprechend der Hypophysen- 
gegend eine wesentliche Erweiterung. 

Bei dem Pat. ist am 20. Dezember 1907 die Operation gemacht 
und ein Tumor aus der Gegend der Hypophyse entfernt. 

Der Erfolg war bloß insofern ein günstiger, als die Kopfschmerzen 
nachließen, aber der Gesichtssinn, solange sich Pat. in der Klinik 
befand, bis gegen Mitte März, noch nicht sich besserte. Erst Ende 
April zeigte sich eine Besserung. Mikroskop. Diagnose: Sarkom. 

In allen drei von mir operierten Fällen handelte es sich um 
maligne Tumoren der Hypophysis. Zweimal überlebten die Pat. den Ein- 
griff, einmal ging die Pat. an foudroyanter Meningitis basilaris zu- 
grunde. Ich habe mich in diesem Fall, trotz der Warnung der Herren 
von der Kehlkopfklinik, zu früh zur Operation verleiten lassen, zu einer 
Zeit, als noch ein Katarrh der Nasenwege bestand, welcher wohl die 
foudroyante Entzündung erklärt. 


— (9 — 


Was die Technik betrifft, so habe ich jedesmal durch Aufklappung 
der Nase von vorn her mit Stimmgabelschnitt operiert und dann noch 
die Vorderwand der Stirnhöhle ganz weggenommen, wodurch immer 
Entstellungen zustande gekommen sind, die sich, wie der vorgestellte 
Fall Hochenegg’s beweist, durch temporales Aufkippen vermeiden 
läßt. Jedenfalls hat aber dieser schon von Schloffer kürzlich ge- 
machte Vorschlag, der dann von Tandler und Moscovits weiter 
ausgebildet wurde, einen sehr guten Einblick gewährt, und ich habe 
jedesmal bei hängendem Kopf den größten Teil der Operation be- 
endet. Ich möchte auch an dieser Stelle erwähnen, daß ich erst nach 
wiederholten operativen Versuchen an der Leiche, wobei mir Prof. 
Tandler hilfreich zur Seite stand, an die Ausführung der Operation 
am Liebenden geschritten bin. 

Jedenfalls scheinen mir diese drei Fälle zu beweisen, daß der Ein- 
griff gegen die Hypophyse ausführbar ist, und daß er dort, wo es sich 
um einen gutartigen Tumor handelt, und daher Heilung verspricht — 
das entnahmen Sie wohl aus dem vorgestellten Hochenegg’schen 
Falle — indiziert ist und Dauerheilung verspricht, was in meinen drei 
Fällen nicht zu gewärtigen ist. 

Immerhin ist das Resultat bei dem ersten von mir operierten 
Falle, welcher schon °/, Jahr anhält, einiger Beachtung wert. 

Trotzdem glaube ich, daß dieser Eingriff nicht oft ausgeführt 
werden dürfte. Meine Fälle waren insgesamt maligne Tumoren. Da 
Hypophysentumoren oft noch mit Diabetes kombiniert sind, ist dieses 
ein weiterer Grund der Einschränkung der Indikation. 

(Selbstbericht.) 


König (Altona) berichtet über seine vor 10 Jahren angestellten 
Versuche, die Hypophysis vom Rachen aus anzugehen. 
Boerner (Rastatt). 





39) Eckstein (Berlin. Eine neue Plastik bei Verlust der 
Nasenspitze. 


Die jetzt 20jährige gesunde Pat. kam mit einem Angiom auf 
der Nasenspitze zur Welt, das mit dem Thermokauter so gründlich 
zerstört wurde, daß die Nasenspitze mit verloren ging. Das Nasen- 
profil stellte einen flachen, in die zu kurz geratene Oberlippe ver- 
laufenden Bogen dar, die Nasenflügel bzw. deren Reste verliefen 
schräg nach unten. — Zunächst wurde durch Hartparaffininjek- 
tion am unteren Ende des restierenden Nasenrückens sowie oben am 
Übergang zur Stirn ein gerades Nasenprofil geschaffen und dadurch 
der Nasenrücken um !/; verlängert. Dann wurde der linke Nasen- 
flügel in der Flügelfurche von der Backe abgelöst, von der Schnitt- 
fläche aus wurde aus seiner ganzen Dicke ein Dreieck mit vorderer 
Spitze herausgeschnitten, so daß nur noch .der Rand des Flügels im 
Zusammenhang mit dem Rücken übrig blieb; dieser Rand wurde nun 
hinaufgeschoben und angenäht, wodurch er eine horizontale, normale 


use 280 ee 


Stellung bekam. In derselben Weise wurden der andere Nasenflügel 
und das Septum, mithin die ganze Nasenbasis nach oben verschoben, 
wodurch das untere Ende des Nasenrückens zur Spitze wurde. Der 
Erfolg war gut, die Nase macht einen nahezu normalen, gänzlich un- 
auffälligen Eindruck, die Narben sind in der Flügelfurche erst in 
nächster Nähe sichtbar, die Haut ist völlig normal. 

Anstatt daß also, wie bei allen sonstigen Methoden, der Defekt 
durch eine Lappenplastik mit ihren sattsam bekannten Nachteilen er- 
setzt wurde, ist er hier durch einen zweiten Defekt mit wesentlich 
besseren Resultaten ausgeglichen worden. (Selbstbericht.) 


Hals, 


40) J. Dollinger (Budapest. Die subkutane Entfernung 
tuberkulöser Lymphknoten des Halses, des Nackens und der 
Submaxillargegend. 


D. referiert über die Erfahrungen, welche er mit seiner Methode 
der subkutanen Entfernung tuberkulöser Lymphknoten des Halses in 
letzter Zeit machte. Die Methode wurde im Jahre 1904 Bd. LXXII 
der Deutschen Zeitschrift für Chirurgie samt den anatomisch -topo- 
graphischen Tafeln veröffentlicht. D. hat die Operation bisher ins- 
gesamt an 200 Halsseiten von 158 Pat. ausgeführt. Davon ent- 
fallen 25 Fälle auf seine Assistenten. Das Wesen der Operation ist, 
daß die genannten Lymphknoten von einem 6 cm langen Schnitt aus 
entfernt werden, welcher am Nacken, 1 cm von dem behaarten Teile 
gegen die Mittellinie liegt, mithin von den Haaren bedeckt ist. Pat. 
wird hochgelagert, der Operateur sitzt unter dem Kopfe und beleuchtet 
die Wundhöhle von unten her. Das Blut fließt dabei beständig aus 
der Wunde heraus. Die Blutung ist übrigens gewöhnlich unbedeutend, 
da zu den Lymphknoten stumpf vorgedrungen wird. Diejenigen Lymph- 
knoten, die unter dem oberen Ende des Kopfnickers liegen, umgeben 
den N. accessorius, der geschont werden muß. Bei den Lymphknoten 
der Submaxillargegend wird die Tasche der Speicheldrüse bei Beleuch- 
tung mit dem Skalpell gespalten, nachdem vorher die Vena facialis 
antica beiseite geschoben wurde. Sind diese Knoten groß, so ist sie 
obsolet. Die tiefen Lymphknoten des Halses liegen entlang der Vena 
jugularis. Sie werden mit der Hakenzange in die Wunde gezogen 
und von der Vene vorsichtig abgelöst, was gewöhnlich leicht zu be- 
werkstelligen ist. 

Die Lymphknoten der Cervicalgegend ziehen manchmal bis zu 
dem unteren Ansatz des Kopfnickers und bis in die Schlüsselbeingrube 
herab. Da sie in lockeres Bindegewebe eingelagert sind, können sie 
mit der Hakenzange mit einiger Mühe, namentlich wenn der Kopf 
des Kranken stark gegen die kranke Seite herabgebeugt wird, in die 
Nähe der Wunde gezogen und hier ausgelöst werden. Früher ent- 


—_— 8 — 


fernte sie D. zuweilen von einem besonderen Schnitte aus, in letzter 
Zeit gelang es ihm aber fast immer, sie von der oberen Wunde aus 
zu entfernen. Die Lymphknoten sind meistens bereits verkäst und 
zerreißen bei der Entfernung. In 7 Fällen waren sie bereits in tuber- 
kulöse Abszesse umgewandelt, und der Eiter überflutete die ganze 
Wundhöhle Werden die käsigen Teile und der tuberkulöse Eiter 
gut ausgewischt, so hindert das die Heilung p. p. nicht 

Sämtliche 7 Fälle, in denen Abszesse vorhanden waren, heilten 
ohne Eiterung. Reiner, übrigens nicht infizierter tuberkulöser Eiter, 
gut ausgewischt, hindert die Heilung nicht. Fälle, in welchen über 
den Lymphknoten die Haut bereits gerötet oder fistulös ist, eignen 
sich für diese Methode nicht mehr. Wegen Blutung war D. insgesamt 
in 3 Fällen genötigt, für einige Tage die Wundhöhle zu tamponieren, 
worauf dann die Operation beendet wurde Gegen ein Rezidiv 
schützt die Operation ebensowenig wie die offene Entfernung dieser 
Lymphknoten. Bei einigen Kranken, die sich früh meldeten, bevor 
die Knoten abszedierten, wurde die Operation auf derselben Seite 
wiederholt ausgeführt, bei einer jungen Dame auf derselben Seite 2mal, 
auf der anderen imal. Alle 3mal Heilung p. p. Von den 200 Hals- 
seiten, die D. bisher bei 158 Kranken operierte, heilten 167 p. p. In 
33 Fällen bestand kurze Zeit nach der Operation etwas Eitersekretion. 
In diesen Fällen wurde an der tiefsten Stelle der Wundtasche mit 
dem Tenotom eine kleine Gegenöffnung angelegt und ein ganz dünnes 
Drainrohr für einige Tage eingelegt. Es blieb an dieser Stelle nur 
eine punktförmige Narbe. Zu einer phlegmonösen Entzündung kam 
es in keinem Falle. Sämtliche Pat. sind geheilt. Die Operation wurde 
bisher sehr wenig beachtet, weil ihre Ausführung, namentlich anfangs, 
bis sich der Operateur darauf eingeschult hat, recht schwer ist. In 
Deutschland hat sie Prof. Bier, in Chicago J. Frank mit gutem 
Erfolg in mehreren Fällen ausgeführt. D. betont nochmals die tech- 
nischen Schwierigkeiten, mit denen der Operateur anfangs zu kämpfen 
hat, die Verschonung von einer entstellenden Narbe wird aber von 
den Kranken immer sehr hoch geschätzt, und D. empfiehlt deshalb 
die Operation auch auf Grund seiner neueren Erfahrungen. 

(Selbstbericht, 
Diskussion. 

Most (Breslau) macht einen ziemlich tiefen seitlichen Querschnitt 

und räumt von diesem die Lymphdrüsen subkutan aus. 
Boerner (Rastatt). 





41) T. Kocher (Bern). Blutuntersuchungen bei Basedow. 


K., der in den letzten Jahren bei 153 Basedowoperationen nur 
zweimal tödlichen Ausgang beobachtet hat und infolgedessen die Früh- 
operation bei dem Leiden fortdauernd empfiehlt, hat bei Blutunter- 
suchungen Basedowkranker die roten Blutkörperchen meist etwas ver- 
mehrt, die weißen dagegen stark vermindert gefunden, und ganz 
besonders die neutrophilen polynukleären, während die Lymphocyten 


Chirurgen-Kongreß 1908. 6 


—— 82 — 


sogar etwas vermehrt erschienen. Das änderte sich mit der Operation: 
die Leukocytenzahl nahm ab, die der neutrophilen gelapptkernigen 
stark an Menge zu. Ein je umfangreicheres Kopfstück entfernt werden 
konnte, um so besser war die Prognose für die Heilung des Basedow. 


Diskussion. 


Hönnecken (Dresden) demonstriert Präparate von experimentell 
bei Kaninchen erzeugten Kröpfen. Er ist der Ansicht, daß jeder 
Basedowkropf einen Regenerationsvorgang nach voraufgegangener In- 
suffizienz der Schilddrüse darstelle. Boerner (Rastatt). 





42) Lauper (Interlaken). Dilatations- und Radiumbehand- 
lung des Speiseröhrenkrebses. 


L. referiert über einen günstig beeinflußten Fall von Carcinoma oeso- 
phagi mittels Radiumbehandlung. Der 69jährige Pat. ist seit Herbst 
1904 krank, seit Sommer 1905 in Behandlung und ißt heute, nach bald 
4 Jahren seit dem Beginn des Leidens, wieder so ziemlich alles. Pat. 
fühlt sich vollständig wohl. Vor Beginn der Radiumbehandlung war 
der Kranke in ca !/, Jahr um 50 Pfd. abgemagert; von diesen hat 
er seither wieder ungefähr die Hälfte eingeholt. Das Hindernis, an 
der Bronchuskreuzuug sitzend, war so eng, daß feinste Oliven nur mit 
Anwendung eines Kunstgriffes, d.h. nur unter heftigen Brechbewe- 
gungen mit großer Mühe passierten. Anfängliche recht mühsame 
Dilatationsversuche mit speziell konstruierten Sonden hatten nur einen 
verhältnismäßig geringen Wert. Erst nach Einleitung der Radium- 
therapie fing Pat. an sich langsam zu erholen. Es wurden 0,003 Ra- 
diumbromid von 500,000 Aktivitäten eingeführt in anfänglich kurzen 
Sitzungen von 10 Minuten, später von 20—40 Minuten Dauer. Längere 
Sitzungen wurden nicht vertragen. Pat. klagte über Unbehagen und 
leichten Schmerz in der Sternalgegend. Die protrahierte Anwendung 
jedoch in kurzen Sitzungen wurde anstandslos vertragen. Das Hindernis 
besteht weiter, die Erkrankung scheint keineswegs behoben, wohl aber 
in der Entwicklung sehr wesentlich gehemmt, wobei es sich wahr- 
scheinlich um eine oberflächliche Destruktion und eine sekundäre 
bindegewebige Durchwachsung und quasi Abkapselung der malignen 
Neubildung handelt. L. zieht daraus folgende Schlüsse: 

1) Den Radiumsalzen kommt eine Einwirkung auf den Speise- 

röhrenkrebs zu. 

2) Bei der Radiumbehandlung, die in richtiger Dosierung unge- 

fährlich ist, empfiehlt sich mehr die protrahierte Anwendung 
in kurzen Sitzungen. (Selbstbericht). 


Diskussion. 


H. Küttner (Breslau): Ich möchte auch bei den tiefsitzenden 
sophaguskarzinomen, welche sich dem ösophagoskopischen, dem Son- 


ser 2 IB a 


dierungs- und Röntgenbefunde nach in der Nähe des Zwerchfells be- 
finden, dazu raten, vor einer eventuellen thorakalen Operation die 
Probelaparotomie zu machen. Diese Karzinome verbreitern sich weit 
mehr im Abdomen als im Thorax, und man kann, wie ich es einmal 
erlebt habe, bei der Probethorakotomie ein Karzinom für operabel 
halten, von dessen Inoperabilität ein Griff ins Abdomen ohne weiteres 
überzeugt hätte. Ich habe dann in drei Fällen bei solchen in Zwerch- 
fellnähe sitzenden Osophaguskarzinomen die Probelaparotomie voraus- 
geschickt und dabei stets Tumoren gefunden, welche weit in der 
Magenwand und den abdominalen Drüsen vorgeschritten waren. Keine 
Untersuchungsmethode hatte uns über diese in der Tiefe der Zwerch- 
fellaushöhlung sich abspielenden Veränderungen aufzuklären vermocht. 
Der kleine Laparotomieschnitt wird dann sofort zur Anlegung der 
Magenfistel benutzt. (Selbstbericht.) 





43) v. Hacker (Graz). Über Resektion und Plastik am 
Halsabschnitt des Ösophagus wegen Karzinom. 


Die Resektion am Halsteil der Speiseröhre wurde bis heute, auch 
bei der Hauptindikation dazu, dem primären Karzinom desselben, noch 
selten, etwa in ein Viertel Hundert Fällen ausgeführt, und sind die 
Resultate der Operation, sowohl was die unmittelbaren, als was die 
Dauererfolge betrifft, keine uns befriedigenden. Die primäre Mortalität 
beträgt 36%, ja wenn man einige späte Todesfälle als noch in Be- 
ziehung zur Operation stehend auffaßt, sogar 48%. Die Todesfälle 
können hauptsächlich auf die zu geringe Widerstrandskraft der Kran- 
ken und auf Infektionsprozesse in der Wunde und deren Folgen be- 
zogen werden. Hinsichtlich der Dauererfolge wurden Fälle beobachtet, 
in denen der Tod an Rezidiv in 8, 9, 12, 15 Monaten auftrat. Das 
beste Resultat hatte bisher Ozerny’s erster Resektionsfall, der eben, 
15 Monate danach, dem Rezidiv erlag!. Vortr. kann nun über einen 
von ihm im Oktober 1906 mit Resektion behandelten Karzi- 
nomfall berichten, in dem die Pat. bisher, also 1!/, Jahre, 
vom Rezidiv verschont blieb, bis Februar 1%8 um 19 Kilo 
zugenommen hatte, sich völlig gesund fühlt und sich aus- 
schließlich durch den den ganzen Halsteil ersetzenden neu 
gebildeten Hautösophagus auf natürlichem Wege ernährt. 
H. hat drei Ösophagusresektionen ausgeführt, eine bei Sarkom, zwei 
bei Karzinom des Ösophagus. Im letztoperierten wurde die Plastik 
nach seinem 1886 und 1887 nach den Tierversuchen ange- 
gebenen Plan völlig zu Ende geführt. Das Wesentliche und 
Neue an diesem Verfahren bestand darin, ein Rohrstück 
eventuell in seiner ganzen Zirkumferenz, nicht bloß einen 


ı Ein geheilter, 1901 von Hildebrand operierter Fall, den Kasansky in 
seiner Dissertation veröffentlichte, wurde als Pharynxkarzinom aufgefaßt und hier 
nicht mit berücksichtigt. 

6* 


— 84 — 


partiellen Wanddefekt eines Schleimhautkanals, vollständig durch 
die äußere Haut zu ersetzen. Sein erster Fall starb kurz nach 
der Operation an Herzschwäche. Die Resektion war mit der Be- 
deckung der Wunde durch Hineinlegen zweier seitlicher, rechteckiger 
Hautlappen, die zugleich die Hinterwand des Ösophagusdefektes er- 
setzten, also mit dem ersten Akt der Plastik, abgeschlossen worden. 
Im Sarkomfalle kam es nach diesem ersten Akt zur glatten Heilung, 
das rasche Rezidiv machte jede weitere Operation untunlich. Die 
dritte vor 1!/, Jahren operierte Pat. — zufälligerweise handelte es 
sich in allen drei Fällen um Frauen — machte eine Reihe von Ope- 
rationen durch. Sie war in den Ferien, August 1906, in die Klinik 
gekommen. Es wurde zuerst eine Strumaoperation vorgenommen; auf 
die Struma waren die Schlingbeschwerden bezogen worden. Als die- 
selben danach blieben, wurde durch die ösophagoskopische Unter- 
suchung Karzinom nachgewiesen. Im Anschluß an diese Unter- 
suchung traten Erscheinungen einer Perforation am Halse auf. Die 
nach vorgängiger Gastrostomie ausgeführte Inzision am Halse erwies 
bereits eine von einer Perforationslücke ausgehende, bis unter das 
Jugulum reichende Eiterung. Die Operation wurde mit der Osopha- 
gostomie beendet. 

Erst nach Ausheilung der Phlegmone und nachdem sich Pat. 
entsprechend gekräftigt hatte, wurde im Oktober 1906 zur Resektion 
geschritten. Das Karzinom hatte die Nn. recurrentes umwachsen und war 
in den Kehlkopf gedrungen, der mitreseziert wurde. Vom ursprünglichen 
Ösophagotomieschnitte waren deshalb oben und unten Querschnitte 
nach rechts gemacht und ein rechteckiger Lappen gebildet worden. 
Dieser Lappen wurde nach Beendigung der Operation in die Wunde 
geschlagen und ersetzte so den resezierten Halsteil des Osophagus 
in seiner hinteren Wand. Der obere Lappenrand wurde an die hin- 
tere Pharynxwand, der untere an die hintere Wand des in die Haut 
genähten Ösophagus angenäht und umsäumte überdies die etwas mehr 
rechts neben dem Osophagus herausgenähte Trachea. Am Hals blieb 
außer Drainagelücken keinerlei offene Wunde nach der Operation zu- 
rück. Nach reaktionsloser Heilung konnte die Frau nach Einlegung 
eines Gluck’schen Gummitrichters, der Pharynx und Osophagus ver- 
band, Flüssigkeiten ziemlich gut schlucken. Im Dezember wurde 
dann der zweite Akt der Plastik durchgeführt. Zur Bildung der 
vorderen Wand wurden zwei Türflügellappen, der kleinere rechts, der 
größere links, gebildet, durch Umschlagen mit der Epidermis nach 
innen und Vernähung ihrer Längsränder wurde das Hauptrohr nach 
vorn geschlossen; nach unten geschah dies durch die Vereinigung 
mit der angefrischten Osophagusschleimhaut. Zur Bedeckung wurde 
hierauf jederseits ein rechteckiger Lappen mit lateraler Basis abprä- 
pariert, von denen der rechte bedeutend größer genommen worden 
war, damit er, über das Hautrohr geschlagen, die Längsnahtreihe des- 
selben überdeckte, was auch der Fall war. Die Ränder der beiden 
Lappen wurden unter fingerbreitem Abstand voneinander beide an 


ir RE, en 


den linken Kopfnicker angenäht und miteinander durch Brückennähte 
verbunden. Mit dem unteren Rand des rechten Hautlappens wurde 
die Trachealmündung umsäumt. Schließlich waren, mit Ausnahme 
des freiliegenden Streifens des Kopfnickers, alle Wundflächen bedeckt 
und vereinigt. Nur die Pharynxöffnung und das obere Lumen des 
Hautösophagus, mit dem vorläufig der Decklappen vereinigt worden 
war, blieben frei. Erst in einem letzten Akt folgte, nach Anfrischung, 
die Vernähung vom Osophagusrohr und Pharynx in der vorderen 
Zirkumferenz. Die Heilung erfolgte schließlich ohne jede bleibende 
Fistel. 

Der Erfolg in dem Falle ist der denkbar beste. Die 
Frau ist völlig arbeitsfähig und spricht mit tonloser, aber 
verständlicher Pharynxstimme. Die Magenfistel war, nach 
Weglassung des Rohres, von selbst geheilt. 


Da zu einer ausführlichen Besprechung nicht Zeit ist, wird im 
Anschluß an diesen Fall, und mit Rücksicht auf die vorliegenden 
Erfahrungen bei der Resektion, nur auf einige Punkte hingewiesen, 
welche dem Vortr. zur Besserung der unmittelbaren und der 
Dauererfolge von besonderer Wichtigkeit erscheinen: 


Als Voroperation erscheint die Gastrostomie als von prinzi- 
pieller Wichtigkeit zur Vermeidung der Hauptgefahren der Operationt 
der Wundinfektion und Aspirationspneumonie. Sie gestattet den 
Kranken eventuell vor der Operation noch zu kräftigen. v. H. ha, 
sie als Voroperation vor Operationen am Hals mit Eröffnung des 
Speiserohres zuerst 1897, und zwar vor Eröffnung der Halsphlegmone 
nach Osophagusperforation ausgeführt; auf die prinzipielle Bedeutung 
derselben als Voroperation haben dann insbesondere Quervain für 
die Resektion 1899 und Helferich 1900 im allgemeinen hingewiesen 
und nachher verschiedene andere Chirurgen. Die Gastrostomie er- 
scheint dem Vortr. auch dazu von Wichtigkeit, um, wie er vorschlägt 
in Fällen, wo die Striktur noch für die dünnste Darmsaite durchgängig 
ist, durch die retrograde Durchführung eines an einen Faden gebun- 
denen Bougie oder eines Drainrohrs die untere Grenze des Kar- 
zinoms, das ja meist stenosiert, zu bestimmen. Eine entsprechende 
Auswahl der geeigneten Operationsfälle vorausgesetzt, tritt v. H. für 
einerücksichtslose Mitresektion beiVerwachsungen des Kar- 
zinoms mit Nachbarorganen, insbesondere dem Luftrohre, 
ein. Die Mitresektion am Luftrohre scheint häufiger notwendig zu 
sein, als sie bisher ausgeführt wurde. Es sind nicht die während der 
Osophagusresektion absichtlich unternommenen Resektionen am Respi- 
rationstrakt, bei denen ja für eine zweckmäßige Ableitung der Sekrete 
desselben und gegen Schluckpneumonie Vorsorge getroffen werden 
kann, die so gefährlich sind — gerade diese Operationen verliefen 
günstig —; zu fürchten sind jedoch einerseits wegen der Gefahr der 
Wundinfektion, Verletzungen am Luftrohr mit nachfolgender Nekrose 
oder Undichtwerden genähter Risse usw., andererseits Ablösungen bei 


wa ‚A ge 


festen Verwachsungen, wegen der Gefahr des Rezidivs, das wiederholt 
von solchen Stellen ausging. 


Ein Punkt, der bisher noch nicht berücksichtigt wurde, sind die 
regionären Lymphdrüsen bei der Resektion des Karzinoms 
des Halsösophagus. Es kommen zwei Gruppen in Frage; die 
Glandul. cervic. proff. supp. werden wohl bei der gründlichen Exstirpa- 
tion, als nahe am ÖOsophagus liegend, mitzuentfernen sein; dagegen 
muß man, nach den heutigen Grundsätzen der Karzinomoperation, 
für künftige Fälle auch die Entfernung der supraclavicular, 
im Winkel zwischen YV. jugal. int. und V. subclavia, liegen- 
den zweiten Gruppe, der Glandul. cervic. proff. inf., ver- 
langen. 


Zum Schluß wird in bezug auf die Technik, die ja im allgemeinen 
ziemlich klar vorliegt, nur der Punkt der Wundversorgung nach 
der Resektion besprochen. Meist wurde der untere Ösophagus- 
stumpf herausgenäht und die Wunde sorgfältig tamponiert, eventuell 
mit besonderem Pharynx- und Mediastinaltampon. Unter Umständen 
werde man allerdings in dieser Art vorzugehen genötigt sein. 


Im allgemeinen hält v. H. nach sorgfältigem Schutz der Wunde 
vor Infektion während der Operation, durch Tamponade, die primäre 
Wundbedeckung mit Haut für das beste, um das Zellgewebe, nament- 
lich des retroösophagealen Raumes, gegen Eindringen von Mund-Rachen- 
und Wundsekret zu schützen. Dadurch wird zugleich der erste Akt 
seiner Plastik, nämlich die Bildung der hinteren Osophagusrinne, voll- 
zogen. Ein solcher Pat. ist, wenn er auf die eigentliche Plastik noch 
warten muß, besser daran, als nach der Tamponade. Er kann auch 
mit einem, Pharynx und Osophagus verbindenden, Rohr Flüssigkeiten 
schlucken. Der Vortr. ist gleichfalls dafür, nach der Resektion ein 
etwa rasch auftretendes Rezidiv abzuwarten. Diese Art der Wund- 
versorgung stellt im allgemeinen keine irgend in Betracht kommende 
Komplizierung der Operation dar. Zu einer eingreifenderen Opera- 
tion am Osophagus, bzw. am Larynx (falls die Osophagusresektion 
eine sekundäre wäre), pflegt man ausgiebige Schnitte, zumal entweder 
den Osophagotomieschnitt, oder einen Medianschnitt und, um mehr 
Platz zu bekommen, von den Enden derselben eventuell Querschnitte 
zu machen. Diese Schnitte eignen sich sehr gut zu der von v. H. ange- 
strebten Wundbedeckung. Auf die im Einzelfall sich ergebenden 
Modifikationen der Dermato-Osophagoplastik und ihrer Akte kann hier 
nicht weiter eingegangen werden. (Selbstbericht.) 


Diskussion zu 42 u. 43. 


H. Küttner: M. H.! Ich möchte mir erlauben, Ihnen hier ein 
Karzinom des Halsteiles vom Osophagus zu zeigen, welches ich 
bei einer 41jährigen Frau durch Resektion gewonnen habe. Die Sonde 
stieß 15 cm hinter der Zahnreihe auf ein Hindernis, die Osophago- 


— 87 — 


skopie ergab in gleicher Höhe ein Karzinom, welches durch Probe- 
exzision sichergestellt wurde. Operation in steiler Schräglage mit ge- 
senktem Kopf. Ausräumung der Lymphdrüsen auf beiden Seiten des 
Halses, Exstirpation der linken Schilddrüsenhälfte, Freilegung des 
dicht über dem Jugulum fühlbaren Tumors. Der Osophagus ließ sich 
allseitig stumpf isolieren, nur vom Kehlkopf mußte er scharf getrennt 
werden. Der linke Recurrens vagi wurde zunächst durch mediale 
Verlagerung geschont, konnte aber schließlich doch ‚nicht erhalten 
werden. Bei der weiteren Operation wurde dann auf die gewöhnlichen 
Gefahren der Ösophagusoperation Rücksicht genommen, auf die 
Schluckpneumonie, die Nachblutung und die eitrige Mediastinitis. Die 
Infektion des lockeren Zellgewebes am Hals und im Mediastinum 
suchte ich dadurch zu vermeiden, daß ich’ den Ösophagus allseitig 
auslöste, ehe ich ihn durchtrennte, ferner dadurch, daß die Durch- 
trennung nach unten zwischen zwei Ligaturen mit dem Thermokauter 
vorgenommen und das geschlossene, sich stark in die Tiefe zurück- 
ziehende untere Osophagusende durch eine Lappenplastik an der Haut 
fixiert wurde. An dieser Stelle scheint am Präparat die Abtragung 
sehr nahe am Karzinom vorgenommen zu sein, es ist aber durch die 
Ligierung und Kauterisation noch ein 1!/, cm breiter Ring ausgefallen. 
Am oberen Ende war die Durchtrennung zwischen Ligaturen unmög- 
lich, da das Karzinom zu weit hinaufreichte; es mußte der Pharynx 
breit eröffnet werden. Um die Pharynxsekrete von der Wunde ab- 
zuhalten, wurde durch Lappenplastik aus beiden Halsseiten eine voll- 
kommen geschlossene Röhre gebildet, welche Schleim und Speichel 
auf die intakte seitliche Halswand ableitete. Als weitere Sicherungs- 
maßnahmen dienten die teilweise Tamponade mit Gaze, welche zwecks 
schnellerer Ausbildung von Verklebungen in Lugol’sche Lösung ge- 
taucht war, ferner das Fortlassen jedes eigentlichen Verbandes, der 
nur in Gestalt einer dünnen, nach jeder Durchfeuchtung erneuerten 
Gazeschicht angelegt wurde, und schließlich die Beibehaltung der 
steilen Schräglage 8 Tage nach der Operation, eine wichtige Maß- 
nahme, welche auch der Schluckpneumonie am wirksamsten vorbeugt. 
Die Nachblutung wurde durch die sorgfältige Ableitung der Sekrete 
und die Vermeidung jeder Ernährungsmanipulation am Halse verhütet. 
Zu diesem Zweck wurde 8 Tage lang per rectum ernährt und dann 
die Gastroenterostomie gemacht. Die Vorausschickung der Gastro- 
enterostomie wurde unterlassen, da bei der beabsichtigten steilen Schräg- 
lage des Körpers die in den Magen eingeführte Nahrung am Halse 
wieder herausgeflossen wäre, wie wir nachträglich auch leicht fest- 
stellen konnten. Die Operation wurde sehr gut überstanden, aber das 
Endresultat ist doch nicht günstig gewesen. Es trat ein Rezidiv im 
Larynx auf, dessen Operation verweigert wurde, so daß wir schließ- 
lich tracheotomieren mußten. Die Pat. lebt heute noch, 10 Monate 
nach der Operation, und sieht auffallend gut aus, aber sie hat ein 
großes, jetzt nicht mehr operables Rezidiv. Ich glaube, daß wir auch 
an dem Ösophaguskarzinom am Hals, welches ja auffallend häufiger 


u. BE 


als das tiefsitzende bei Frauen vorkommt, wenig Freude erleben wer- 
den. Bisher sind alle Operationen von Rezidiven gefolgt gewesen. 
(Selbstbericht.) 


... Körte (Berlin) hat zweimal wie v. Hacker den Halsteil des 
Ösophagus reseziert mit Fortnahme des Kehlkopfes und Bildung eines 
neuen Speiserohres aus der Haut. Beide Pat. starben bald darauf an 
Rezidiv. 

Hofmeister (Stuttgart) berichtet über zwei Fälle, in denen er 
den Halsteil des Osophagus unter Fortnahme des Kehlkopfes reseziert 
hat. Ferner beobachtete er einen Fall, in welchem Kardiospasmus 
diagnostiziert worden war, bei dem sich aber eine scharfwinkelige 
Knickung des Osophagus, anscheinend nach Pleuritis, durch die Oso- 
phagoskopie feststellen ließ. Boerner (Rastatt). 


Lotheissen (Wien) weist auf die Bedeutung der Ösophago- 
skopie hin, wo Verdacht auf Kardiospasmus besteht. Mehrmals sah 
er Fälle, die von Internen und Neurologen als Kardiospasmus behan- 
delt worden waren, bei denen die Osophagoskopie aber beginnendes 
Karzinom ergab. Bei Fällen von Kardiospasmus mit Ektasie sieht 
man meist den weiten, faltenreichen Ösophagus in der Tiefe krampf- 
haft abgeschlossen. Einmal beobachtete L. einen Krampf, der zeit- 
weise nachließ, sonst sah man nichts. Als der bejahrte Kranke 2 Jahre 
später an einer anderen Krankheit gestorben war, fand sich bei der 
Obduktion ein tiefsitzendes, kaum kirschgroßes Divertikel, dessen Ein- 
gang schlitzförmig und auch an der Leiche kaum sichtbar war. 

Die Röntgenuntersuchung erscheint wichtig, weil man oft erst 
dann die Höhe des Spasmus bestimmen kann, der nicht selten 
am Hiatus oesophageus sitzt. Manchmal findet man nämlich weder 
mit der Sonde noch bei der Osophagoskopie ein Hindernis. Bei einem 
Tjährigen Kinde, das seit seinem 10. Lebensmonat an Schlingbeschwerden 
litt, ging die Sonde anstandslos bis in den Magen; sowie das Kind 
etwas aß, trat der Krampf auf. Auf dem Röntgenschirm sah man 
deutlich (mit Wismutbrei) die Stenose am Hiatus und lebhafte Peri- 
staltik der Speiseröhre. Nach ein paar Sekunden sah man erst tropfen- 
weise, dann im Strahl die Speisen in den Magen spritzen, nach meh- 
reren Minuten entleerte sich alles. Obwohl das Kind mit 12 Monaten 
eine schwere Diphtherie durchgemacht hat, kann man diese nicht als 
Ursache ansehen, da die Beschwerden schon 2 Monate vorher be- 
standen. Auch hier wurde Ballondilatation versucht mit rasch vor- 
übergehendem Erfolg. Zu einem größeren Eingriff gaben die Eltern 
aber nicht ihre Einwilligung. (Selbstbericht.) 


44) G. Gottstein (Breslau). Die Therapie des chronischen 
Kardiospasmus. 


G. berichtet zunächst über die bisherigen Versuche, den chro- 
nischen Kardiospasmus therapeutisch anzugreifen. Er geht ausführ- 


— 89 — 


lich auf die von Reisinger auf dem vorjährigen Chirurgenkongreß 
empfohlene Resektion der Speiseröhre ein und bezeichnet diese Me- 
thode als eine viel zu eingreifende. 

Weiterhin bespricht er die therapeutischen Versuche von Miku- 
licz’s behufs Heilung dieses Leidens. v. Mikulicz ging operativ von 
der Bauchhöhle aus vor, eröffnete den Magen und dehnte von hier 
aus die Cardia mittels einer Zange. Auf diese Weise wurden von 
6 Fällen 2 geheilt, 1 gebessert. Die Nachuntersuchungen dieser Fälle 
haben ergeben, daß sie auch jetzt noch in gleicher Weise als geheilt 
zu betrachten sind. In einem siebenten Falle zog v. Mikulicz nach 
dem. Vorschlag von Henle einen Gummiballon durch die Cardia hin- 
durch, nachdem er vorher den Magen eröffnet hatte. In diesem Falle 
kam es zu einer »subjektiven« Heilung. In einem achten Falle er- 
öffnete v. Mikulicz das Abdomen nicht mehr, sondern zog nur einen 
Ballon durch die Cardia hindurch. Diese letzte Methode hatte nur 
einen Erfolg von 3 Tagen. Sie erwies sich außerdem als gefährlich, 
da eine Invagination der Cardia in den Ösophagus während des 
Hindurchziehens des Ballons zustande kam. Aus diesem Grunde ver- 
warf v. Mikulicz diese Methode. Auch die von v. Mikulicz & G. 
konstruierten Metallinstrumente zur Dehnung von oben werden als zu 
gefährlich zurückgewiesen. 

G. berichtet über eine neue Methode der Dehnung der Cardia 
in situ, die im Gegensatz zur Henle’schen Methode des Durchziehens 
eines Ballons, sich an die Methode von Rosenheim, Strauss und 
Wilms anlehnt. G. geht in‘ der Weise vor, daß er einen in beson- 
derer Weise konstruierten Gummiballon in die Cardia einlegt und 
nachlfer durch Wasser ausdehnt. Die Idee des Einlegens eines wider- 
standsfähigen Stoffes zwischen zwei Gummiballons behufs Verhinde- 
rung des Ausweichens des Ballons stammt von Stabsarzt Geissler. 
Für den praktischen Gebrauch hat G. die Sonde vielfach verändern 
müssen, da sie in ihrer ursprünglichen Form nicht brauchbar war. G. 
hat in dieser Weise sechs Fälle behandelt. Im ersten derselben benutzteer 
zunächst die Henle’sche Methode, die zwar eine Besserung, aber keine 
- Heilung erzielte. Auch der ursprüngliche Gummiballon nach Geissler 
führt nicht zum Ziel. Mit der veränderten Dilatationssonde hat G. 
im Laufe von 2!/, Jahren in 6 Fällen Amal eine vollständige — ob- 
jektive — Heilung, in 2 Fällen eine subjektive erzielt. G. versteht 
unter objektiver Heilung eine solche, bei der sich im Osophagus ein 
Residualbestand nicht mehr nachweisen läßt, unter subjektiver Heilung 
eine Besserung der Beschwerden, bei der sich aber noch ein Residual- 
bestand im Osophagus findet, ohne daß Erbrechen eintritt. Von den 
zwei Fällen, in denen bisher eine objektive Heilung noch nicht erzielt 
ist, ist in dem einen eine forcierte Dehnung noch nicht vorgenommen, 
in dem anderen erst zweimal leicht gedehnt worden. Ein besonderer 
Vorteil der Methode liegt darin, daß man sie ohne operativen 
Eingriff mehrmals wiederholen kann, dáher nicht bald bei der ersten 
Dehnung ad maximum vorzugehen braucht. Die v. Mikulicz’sche 


ii 300, aa 


operative Methode wird auch weiterhin ihre Bedeutung für diejenigen 
Fälle behalten, bei denen eine Passage der Sonde durch die Cardia 
nicht mehr möglich ist. 

G. stellt zwei Pat. vor, die durch forcierte Dauerdehnung mit der 
Dilatationssonde völlig geheilt worden sind. (Selbstbericht.) 


Diskussion. 


Czerny (Heidelberg) demonstriert einen Apparat zur Dilatation 
der Cardia bei Kardiospasmus. Boerner (Rastatt). 


Lotheissen (Wien) weist auf die Bedeutung der Ösophago- 
skopie hin, wo Verdacht auf Kardiospasmus besteht. Mehrmals sah 
er Fälle, die von Internen und Neurologen als Kardiospasmus be- 
handelt worden waren, bei denen die Osophagoskopie aber beginnendes 
Karzinom ergab. Bei Fällen von Kardiospasmus mit Ektasie sieht 
man meist den weiten, faltenreichen Osophagus in der Tiefe krampfhaft 
abgeschlossen. Einmal beobachtete L. einen Krampf, der zeitweise 
nachließ, sonst sah man nichts. Als der bejahrte Kranke 2 Jahre 
später an einer anderen Krankheit gestorben war, fand sich bei der 
Obduktion ein tiefsitzendes, kaum kirschgroßes Divertikel, dessen 
Eingang schlitzförmig und auch an der Leiche kaum sichtbar war. 

Die Röntgenuntersuchung erscheint wichtig, weil man oft erst 
dann die Höhe des Spasmus bestimmen kann, der nicht selten am 
Hiatus oesophageus sitzt. Manchmal findet man nämlich weder mit 
der Sonde noch bei der Osophagoskopie ein Hindernis. Bei einem 
7 jährigen Kinde, das seit seinem 10. Lebensmonat an Schlingbeschwerden 
litt, ging die Sonde anstandslos bis in den Magen; sowie das’ Kind 
etwas aß, trat der Krampf auf. Auf dem Röntgenschirm sah man 
deutlich (mit Wismutbrei) die Stenose am Hiatus und lebhafte Peri- 
staltik der Speiseröhre. Nach ein paar Sekunden sah man erst tropfen- 
weise, dann im Strahl die Speisen in den Magen spritzen, nach mehreren 
Minuten entleerte sich alles. Obwohl das Kind mit 12 Monaten eine 
schwere Diphtherie durchgemacht hat, kann man diese nicht als Ur- 
sache ansehen, da die Beschwerden schon 2 Monate vorher bestanden. - 
Auch hier wurde Ballondilatation versucht mit rasch vorübergehendem 
Erfolg. Zu einem größeren Eingriff gaben die Eltern aber nicht ihre 
Einwilligung. (Selbstbericht.) 





45) Voelcker (Heidelberg). Über Exstirpation der Cardia 
wegen Karzinom. 


Der Vortr. berichtet über drei Fälle von Exstirpation der Oardia 
wegen Karzinom, von denen eine zu einem vollkommenen Erfolg, zwei 
zu Mißerfolg führten. Es handelte sich in den drei Fällen um Kar- 
zinome, die primär an der Cardia saßen und deren Hauptsymptom 
Schluckbeschwerden waren. Sie waren sämtlich für die Schlundsonde 
undurchgängig. Das Hindernis saß in dem einen Falle (64jährige Frau) 


—— Oh 


bei 46, in dem zweiten (50jähriger Mann) bei 41, in dem dritten 
(60jähriger Mann) bei 48 cm. 

Als Bauchschnitt wählt man am besten einen medianen Längs- 
schnitt, der hoch oben am Proc. ensiformis beginnt und 8—10 cm 
lang ist. Durch ihn orientiert man sich über die Größe des Tumors, 
über Drüsenschwellungen, Lebermetastasen, Beziehung zum Zwerch- 
fell, kurz über die Operabilität des Tumors. Entschließt man sich 
zur Radikaloperation, so setzt man auf den ersten Schnitt noch einen 
zweiten, der parallel dem Rippenbogen, ca. 2—3 cm unterhalb des- 
selben zur Axillarlinie verläuft. Entsprechend dem Vorschlage Mar- 
wedel’s wird neben dem Proc. ensiformis die 6. und 7. Rippe in ihrem 
Knorpelteil eingekerbt, event., wenn das nicht genügt, in der Axillar- 
linie von eigenen kleinen Schnitten aus die 9., 8. und 7. Rippe sub- 
periostal durchtrennt. Dadurch wird der Rippenbogen so weit mobil, 
daß er sich von einem Assistenten in die Höhe halten läßt. 

Der Pat. wird am besten so gelagert, daß die Zwerchfellgegend 
den höchsten Punkt bildet und sowohl der Oberkörper als auch das 
Abdomen mit den Beinen abschüssig liegen. Dadurch erleichtert man 
sich das Operieren in der Tiefe sehr. 

Wichtig ist es, sich vor der Operation ungefähr über die Opera- 
bilität des Tumors zu informieren. Das gelingt zum Teil durch Bis- 
mutfüllung „und Röntgenphotographie. In dem einen Falle konnte 
man auf diese Weise sehr schön feststellen (Beobachtung der medizi- 
nischen Klinik Heidelberg), daß der Osophagus, etwas dilatiert, bis 
1,5 cm unterhalb des Zwerchfells herabreichte, und daß durch die 
anschließende Stenose des Bismutbrei als feiner Faden sich fortsetzte. 
In einem anderen Falle konnte man sich an einem verschluckten 
Gummischlauche, der mit Quecksilber gefüllt war, über den Stand 
der Cardia orientieren. . 

Zu betonen ist, daß sich der Osophagus jedesmal sehr leicht 
aus der Brust hervorziehen ließ, wenn man ihn aus dem Hiatus des 
Zwerchfells durch vorsichtige Schnitte ausgelöst hatte. Bei dem Vor- 
ziehen spannen sich die Nervi vagi als sicht- und fühlbare Stränge an 
und lassen sich unter Kontrolle des Auges durchtrennen; der linke 
liegt mehr nach vorn, der rechte mehr nach hinten. Ein Einfluß der 
Vagusdurchschneidung auf Herztätigkeit oder Atmung wurde nicht 
beobachtet. 

Der wichtigste und schwierigste Teil der Operation ist die Naht. 
Die Verwendung des Murphyknopfes ist zu widerraten. Er wurde 
in dem zweiten Falle, bei dem die mit dem Tumor verwachsene Milz 
zugleich mitexstirpiert wurde, zur Einpflanzung des Ösophagus in die 
hintere Magenwand (End-zu-Seit) angewandt. Der Verlauf war die 
ersten 8 Tage günstig, dann begannen Zeichen von Nahtinsuffizienz, 
am 11. Tage mußte der Knopf aus der Wunde herausgezogen werden, 
es flossen dann sowohl die verschluckten Flüssigkeiten als Duodenal- 
inhalt zu der Bauchwunde heraus, und der Pat. starb trotz sorgfältiger 
Pflege und Ernährung durch eine Jejunostomie am 24. Tage an 


es O9, 


Erschöpfung. Hätte man die Vereinigung statt mit dem Murphyknopfe 
mit einer exakten Naht bewerkstelligt, so wäre wahrscheinlich ein 
positiver Erfolg der Operation trotz der komplizierenden Milzexstirpa- 
tion zu verzeichnen gewesen. : 

Der Knopf kann nicht zur Heilung führen, weil an dem Oso- 
phagus der Peritonealüberzug fehlt, der die Verklebung vermittelt. 
An der Muskulatur, aus der die äußere Schicht des Osophagus be- 
steht, erzeugt der Knopf lediglich eine Nekrose, mit deren Demarka- 
tion der Knopf sich löst und die Teile wieder auseinander weichen. 
Der einzig richtige Weg ist eine exakte, zweireihige Naht. Die 
Schwierigkeit ist dabei nur die, daß der ÖOsophagus sich nach der 
Durchtrennung wieder in die Brusthöhle zurückziehtt. Man muß auf 
irgend eine Weise dafür sorgen, daß an dem Osophagus wenigstens 
so lange gezogen wird, bis die Naht zur Hälfte fertig gestellt ist. In 
dem ersten Falle wurde der Osophagus während der Nacht zunächst 
mit dem Tumor in Verbindung gelassen, so daß ein dauernder Zug 
ausgeübt werden konnte, und unter allmählicher Durchtrennung schritt- 
weise von hinten beginnend die zweireihige Naht angelegt. Es bildete 
sich zwar eine Fistel, die aber wieder heilte, so daß die Pat. nach 
8 Wochen in sehr gutem Zustande entlassen werden konnte. Sie 
schluckte flüssige und feste Speisen. In dem dritten Falle wurde der 
Tumor durch einen Schlitz in der hinteren Magenwand dyrchgesteckt 
und unter dauerndem Zug die äußere Naht von außen, die innere 
Naht vom Magenlumen aus unter allmählicher Abtrennung des Tumors 
angelegt, dann der Magen geschlossen. Trotzdem die Operation ohne 
Blutverlust ausgeführt war, starb Pat. nach 24 Stunden; bei der 
Autopsie fanden sich Schrumpfnieren, die vor der Operation nicht er- 
kannt worden waren, und die allem Anscheine nach zu dem schlechten 
Ausgange viel beigetragen hatten. Das Durchziehen des Osophagus, 
bzw. des Tumors durch die hintere Magenwand hat den Vorteil be- 
quemer Zugänglichkeit bei der Naht, aber dafür den Nachteil, daß 
der Schlitz für den Durchtritt des Tumors größer angelegt werden 
muß, als es für den Osophagus allein notwendig wäre. 

Die Nahtfrage ist die wichtigste bei der ganzen Operation, und 
wenn sie auch jetzt noch große Schwierigkeiten bereitet, so ist sie 
doch ein rein technisches Problem, das sicherlich zu lösen ist. 

Hervorzuheben ist, daß die Gefahr der Peritonitis bei diesen 
Operationen sehr gering ist, und daß man ihr durch Tamponade be- 
gegnen kann. Offenbar kommt der Umstand zu Hilfe, daß die Opera- 
tion sich nur in dem oberen Bauchraum abspielt, der durch das Meso- 
kolon und das große Netz von selbst gegen das übrige Peritoneum 
abgedeckt ist. Trotz Dehiszenz der Naht entstand in den beiden 
ersten Fällen keine Peritonitis. 

Die Gastrostomie im Pylorusteil ist der Operation zur Sicherung 
der Ernährung hinzuzufügen. (Selbstbericht.) 


— 93 — 


Brust. 


46) Fritz König (Altona). Über Rippenbrüche und trau- 
matisches Emphysem. 


Unter den letzten 52 Rippenbrüchen sah K. 8mal ernste Kompli- 
kationen durch Lungenverletzung, drei Todesfälle. Von ihnen war 
einer nur durch das allgemeine traumatische Emphysem bedingt, wie 
die Sektion einwandsfrei erwies. K. fürchtete bei dem 52jährigen Mann, 
der schon 4mal Lungenentzündung an der Seite der Fraktur gehabt 
hatte, einen größeren Eingriff und machte nur lokale Inzisionen, 
welche zwar das Emphysem verringerten, aber keine dauernde Abhilfe 
schafften. 

Die Fortschritte der Chirurgie der Brusthöhle eröffnen nun gewiß 
auch ohne Druckdifferenzverfahren neue Möglichkeiten bei intrathora- 
kalen Verletzungen. Was an sich bei traumatischem Emphysem in- 
folge Zerreißung der Lunge durch Rippenbruch gemacht werden soll, 
zeigt dem Vortr. eine Heilung schwersten traumatischen Emphysems, 
das durch Fraktur der Trachea bedingt war; sofortige Inzision auf 
die Verletzungsstelle und Tracheotomie an derselben führte die Heilung 
herbei. Wo bisher ein zielbewußter Eingriff bei Emphysem durch 
Rippenbruch gemacht worden ist, da bestand er analog in Eröffnung 
des Brustraumes an der Stelle der Fraktur und Ableitung der Luft 
durch Drainage bzw. Tamponade. 

K. ist der Meinung, daß dabei auf den Zustand der Lunge zu- 
wenig Rücksicht genommen wird. Dieselbe kann allerdings durch 
die anspießende Rippe fixiert sein, und alsdann bleibt sie ausgespannt; 
in anderen Fällen aber ist das nicht der Fall, zum Emphysem gesellt 
sich totaler Pneumothorax: die Lunge liegt kollabiert um den Hilus. 
Dann kann auch nach Thorakotomie die Heilung nur unter langsamer 
Ausdehnung der Lunge erfolgen, und diesen Prozeß kann man durch 
geeignetes Vorgehen günstig beeinflussen. 

Bei einem 24jährigen Eisenbahnangestellten, den K. vorstellt, war 
am 2. Oktober 1907 durch Pufferverletzung eine Fraktur der 2, bis 
10. Rippe links vorn mit starker Dislokation erfolgt; Pat. hatte schweren 
Chok, die lateralen Bruchenden waren unter der unverletzten Haut 
fühlbar, es bestand eine große subkutane Luftgeschwulst, welche 
synchron mit der In- und Exspiration einfiel und sich ausdehnte. K. 
machte sofort in Lokalanästhesie eine Inzision auf dieselbe und ent- 
leerte Luft und Blut; die Zwerchfellpleura lag direkt vor, die Mus- 
kulatur über den Rippen war weggerissen, die Lunge war oben an 
den Hilus zurückgeschnurrt. Sofort wurde die Lunge mit einer 
Kugelzange heruntergezogen, und es wurde ihr unterer zer- 
fetzter Rand mit drei Seidennähten an die Pleura costalis in 
der Wunde angenäht, die Höhle leicht tamponiert. Mehrere Tage 
starke Hämoptöe und Exsudation aus der Pleura, im übrigen rasche 


— 94 — 


Besserung und baldige Heilung unter völliger Ausdehnung der Lunge. 
Entlassung am 15. November. An dem vorgestellten Pat. fühlt man 
auch jetzt noch die dislozierten Rippenenden; man sieht die Inzisions- 
narbe. Der Thorax dehnt sich aber gut aus, die Atmung ist überall 
vesikulär, keine Dämpfung. Pat. hat nur bei eiligen Bewegungen noch 
Beschwerden. 

Gestützt auf seine Beobachtungen empfiehlt Vortr. bei Rippen- 
brüchen mit maligne vorschreitendem Emphysem und Spannungs- 
pneumothorax die Inzision, womöglich in Lokalanästhesie Ist die 
Lunge durch das Fragment festgehakt oder sonst adhärent, dann muß 
auf jeden Fall, unter Umständen mit Lockerung derselben, das die 
Quelle des Emphysems abgebende Lungenloch sichtbar gemacht und 
in offener Wunde behufs ableitender Tamponade fixiert werden. Ist 
die Lunge ganz kollabiert, dann soll sie hervorgezogen und gleichfalls 
an der Verletzungsstelle eingenäht werden. 

Dieses Vorgehen ist auch ohne Druckdifferenzverfahren 
ausführbar; es besteht aber, zumal nach der heutigen Mitteilung 
von Sauerbruch, kein Zweifel, daß die Anwendung desselben gerade 
für die in Rede stehende Verletzung noch bessere Chancen und even- 
tuell ganz neue Möglichkeiten eröffnet. (Selbstbericht.) 





47) Schmieden (Berlin). Eigene Erfahrungen mit dem Druck- 
differenzverfahren nach Sauerbruch. 


Der Vortr. tritt der mehrfach in letzter Zeit geäußerten Ansicht 
entgegen, daß der Wert des Druckdifferenzverfahrens nur ein geringer 
sei. Er hat sehr eingehende Studien darüber gemacht, wozu ihm der 
Brauer’sche Überdruckapparat, die Sauerbruch’sche Kammer und 
der von Brat konstruierte Apparat zur Verfügung stand, letzterer 
in Anwendung mit einfachem Überdruck, sowie mit künstlicher Re- 
spiration. Er hält die künstliche Atmung für minderwertig im Ver- 
gleich mit dem Druckdifferenzverfahren; zwischen Überdruck- und 
Unterdruckapparaten besteht kein prinzipieller Unterschied; man kann 
mit allen Apparaten, die empfohlen sind, zum Ziele kommen. Einen 
großen Fortschritt stellen die vereinfachten Apparate für Überdruck 
ohne Kammer dar, wofür der von Brat konstruierte schon jetzt als 
ein annähernd vollwertiger Ersatz der Druckdifferenzkammern be- 
zeichnet werden darf. Der Vortr. hat ihn im Tierexperiment vielfach 
erprobt und mit dem Kuhn’schen Tubagerohr kombiniert angewendet. 
Ein Exspirationsventil garantiert die Ausatmung unter jeder momentan 
gewünschten Überdruckstärke. Ein großer Vorteil liegt darin, daß 
der Brat’sche Apparat gestattet, sofort beim Eintreten eines Narkose- 
zufalles durch Umiegen eines Ventiles künstliche Atmung zu machen. 

Mit diesen Vervollkommnungen ist das Druckdifferenzverfahren 
für die Lungenchirurgie äußerst wertvoll, und die Wahrscheinlichkeit 
praktischer Erfolge auf dem Gebiet der ÖOsophaguschirurgie rückt 


_— 95 _._ 


immer näher. Für die Chirurgie des Brustteiles der Speise- 
röhre macht der Vortr. den Vorschlag, einstweilen auf die 
Wiedervereinigung des resezierten Osophagus zu verzichten. 
Wir müssen erst lernen, gefahrlose Resektionen durchzu- 
führen und vorläufig beide Enden blind verschließen; eine 
Magenfistel sorgt für dieErnährung. Auf diese Weise, glaubt 
der Vortr., werden bald mit Erfolg resezierte Osophaguskarzinome 
bekannt gegeben werden. 

Die vortreffliche Funktion der Sauerbruch’schen Kammer und 
des Brauer’schen Apparates ist in Bier’s Klinik auch schon an drei 
Operationen am Menschen festgestellt worden. 

Den Schluß des Vortrages bilden Ausführungen über Apparate 
zur Messung der Länge der Osophaguskarzinome, Versuche, mit denen 
der Vortr. zurzeit beschäftigt ist. (Selbstbericht.) 





48) Dreyer (Breslau). Vergleichende experimentelle Unter- 
suchungen über Über- und Unterdruckverfahren. 


Vortr. hat zusammen mit Herrn Dr. Spannaus ausgedehnte 
Untersuchungen über die Physiologie des Über- und Unterdruckver- 
fahrens angestellt. Benutzt wurde zu den Studien auf der einen Seite 
die ganz moderne Sauerbruch’sche Kammer der Klinik, auf der 
anderen Seite ein ganz neuer vervollkommneter Überdruckapparat. 
So wurden zum erstenmal beide Methoden, und zwar in ihrer höchsten 
technischen Vervollkommnung, unmittelbar miteinander verglichen. Das 
Resultat war folgendes: 

1) Die Aufzeichnung der Luftschwankungen in Trachea und 
großem Bronchus der freigelegten Lunge ergab bei Über- und Unter- 
druck ganz gleiche Kurven. 

2) Bei der Atmung an der Gasuhr zeigte sich kein Unterschied. 

3) Die dem Überdruckverfahren zum Nachteil ausgelegte Erhöhung 
des Venendruckes bei uneröffnetem Thorax fand sich bei Unterdruck 
genau 80. 5 

4) Bei eröffnetem Thorax zeigte sich mit der Zunahme des Über- 
druckes ein Steigen des Blutdruckes in der Art. pulmonalis und ein 
Sinken desselben in der Art. femoralis. Wieder das gleiche trat, in 
Bestätigung der Angaben Friedrich’s, mit dem Wachsen des Unter- 
druckes ein. 

5) Wurden vermittels eines mit dem Proc. xiph. in Verbindung 
gebrachten Winkelhebels die Atemexkursionen des Thorax aufge- 
schrieben, so waren die bei Druckdifferenz entstehenden Abweichungen 
der Thoraxstellung von der Norm bei gleichen Uber- und Unterdruck- 
werten, direkt nacheinander an gleichen Tieren gemessen, ganz gleich, 
— ein sehr sinnfälliger Beweis dafür, daß es bei solch elastischen 
Gebilden wie Brustkorb und Brustkorbinhalt lediglich auf den Unter- 
schied in der Größe der einwirkenden Kräfte, nicht auf deren abso- 
lute Werte ankommt. 


uns 06 ee 


Es ergab sich also völlige Übereinstimmung zwischen Über- und 
Unterdruckverfahren bei Benutzung der neuen vervollkommneten Ein- 
richtungen. Die Erklärung liegt darin, daß das Wirksame beider 
Methoden in dem Umstande zu suchen ist, daß auf der Innenfläche 
der Lunge ein höherer Druck lastet als auf ihrer Außenfläche, wo- 
durch das Kollabieren der Lunge verhindert wird. 

Die Feststellung der physiologischen Gleichwertigkeit beider 
Verfahren ist insofern von großem Wert, als man nunmehr kein Be- 
denken tragen wird, in der Praxis sich des einfacheren Überdruck- 
verfahrens zu bedienen. (Selbstbericht.) 





49) Brauer (Marburg). Die therapeutische Bedeutung des 
künstlichen Pneumothorax. 

B. weist auf die günstige Wirkung hin, die seinen Erfahrungen 
nach ein künstlicher Pneumothorax bei einer Anzahl von Lungen- 
erkrankungen zu leisten vermag, besonders bei Bronchektasien, 
Gangrän und Phthisis, hier speziell gegen Blutungen. 





50) H. Küttner (Breslau). Erfahrungen über Operationen 
bei Unter- und Überdruck. 


M. H.! Die Diskussion über Lungenchirurgie auf dem vorjährigen 
Kongresse hat mich, so anregend und belehrend sie gewesen ist, doch 
in einem Punkte unbefriedigt gelassen; wir haben fast nichts über 
Operationen bei Unter- und Überdruck gehört. Dies veranlaßte mich 
damals, außer den Resultaten von Tierexperimenten meine spärlichen, 
bei drei Operationen am Menschen gemachten Beobachtungen mitzu- 
teilen. Seither bin ich auf diesem Gebiet unausgesetzt tätig gewesen 
und habe 15 weitere Operationen ausgeführt, so daß ich Ihnen heute 
über 18 Druckdifferenz-Operationen berichten kann. Vielleicht 
gewinnen diese Beobachtungen dadurch an Interesse, daß ich in der 
glücklichen Lage bin, sowohl eine Sauerbruch’sche Unterdruck- 
kammer wie einen Brauer’schen Überdruckapparat zur Verfügung 
zu haben. Von den 18 Operationen sind 9 bei Unterdruck, 9 bei 
Überdruck ausgeführt worden, es war somit die willkommene Gelegen- 
heit geboten, beide Verfahren gegeneinander abzuwägen. 

Auf die zahlreichen bemerkenswerten Einzelbeobachtungen kann 
ich aus Zeitmangel nicht eingehen, nur folgendes sei kurz erwähnt. 
Als besonders geeignet für das Operieren bei Druckdifferenz erwiesen 
sich 5 Brustwandtumoren, deren Photographien und Röntgenbilder 
ich herumreiche. Bei 2 mit der Pleura verwachsenen Rippenenchon- 
dromen und einer unter dem Bilde eines Sarkoms auftretenden gum- 
mösen Erkrankung verliefen Operation und Rekonvaleszenz gleich ideal; 
bei einem ulzerierten Mammakarzinomrezidiv war trotz der Infektiosität 
des Prozesses der Verlauf nur durch eine leichte Pleuritis beeinträchtigt ; 
bei einem Enchondrom der Wirbelsäule kam es in der Kammer zu 


a= 97 ou 


einer mechanischen Narkosenstörung durch Verdrehen des sehr grazilen 

Kinderhalses bei der unvermeidlichen Bauchlage und durch Druck 

der Halskravatte, doch ging der Zwischenfall nach Herstellung nor- 

Fe Verhältnisse rasch vorüber, und die Heilung erfolgte in kurzer 
eit. 

Die Größe des Thoraxdefektes ist für Operation und Verlauf be- 
deutungslos — nach Entfernung des einen malignen Rippenenchondroms 
fehlte die Pleura in einer Ausdehnung von 18:10 cm —, Bedingung 
für eine ungestörte Rekonvaleszenz ist nur, daß die Brusthöhle primär 
absolut sicher verschlossen wird. Es ist nicht unbedingt notwendig, 
daß hierzu Haut verwandt wird —, ich habe bei einer Ösophagus- 
operation einmal einen ganzen Lungenlappen fortlaufend in den Defekt 
eingenäht, ohne einen sekundären Pneumothorax zu bekommen —, am 
günstigsten aber ist es natürlich, wenn normale Haut mit oder ohne 
Muskulatur zur Verfügung steht. Die Weichteillappen legen sich dann 
ohne weiteres der Lunge an und werden von ihr mitbewegt. 

Weniger gut waren die Resultate bei drei Pleuraoperationen, 
doch lag dies an der Ungunst der Fälle Ein diffuses Pleurasar- 
kom konnte nur mit Inzision und Auslöffelung behandelt werden, die 
anstandslos ertragen wurde. Von zwei tuberkulösen Empyemen kam 
es bei dem einen auf eine gewöhnliche Thorakoplastik hinaus, die 
auch ohne Druckdifferenz hätte ausgeführt werden können; vielleicht 
wurde jedoch die eingreifende Operation von der elenden Pat. so 
gut ertragen, weil bei Sauerstoffüberdruck operiert wurde Der 
dritte Fall ist der schon im Vorjahre mitgeteilte, bei dem ich die 
Pleuratuberkulose nach Analogie der Peritonealtuberkulose operieren 
wollte, den Pat. aber an Aspiration des Empyems durch eine Lungen- 
fistel verlor. 

Mehr Freude haben wir an den bei Druckdifferenz ausgeführten 
Lungenoperationen erlebt. Ich zeige Ihnen hier einen Pat., bei 
dem ich in der Sauerbruch’schen Kammer wegen schwerster Blutung 
die Schußlöcher der Lunge durch Naht geschlossen habe. 
Es machte einen gewaltigen Eindruck, als aus der eröffneten Pleura 
ein armdicker Blutstrahl hervorschoß; der Verlauf war frappierend 
glatt und stach aufs vorteilhafteste ab gegen die verzögerte Rekon- 
valeszenz zweier gleichzeitig konservativ behandelter, weit leichterer 
Lungenschüsse. Alle bedrohlichen Erscheinungen waren mit einem 
Schlage beseitigt, schon am 11. Tage konnte der Verletzte endgültig 
das Bett verlassen. Es hat sich hier so recht gezeigt, was das Druck- 
differenzverfahren zu leisten vermag: die Schußlöcher waren schwer 
zu finden, aber in aller Ruhe konnten wir die Lunge absuchen und 
die Wunden vernähen. Die Lungennaht, welche ich bei den ver- 
schiedenen Operationen vielfach auszuführen Gelegenheit hatte, bietet 
nicht die geringste Schwierigkeit, ich verwende nach Garr&'s Vor- 
schlag stets feine Seide. Zieht man vorsichtig an, so schneidet die 
Naht nicht durch, der unbedeutende Luftaustritt aus den Stichkanälen 
sistiert stets von selbst. 


Chirurgen-Kongreß 1908. í 


— 98 — 


In zwei Fällen habe ich wegen diffuser Bronchiektasen, 
einmal bei Uber-, einmal bei Unterdruck, die Pneumolyse ausge- 
führt. Beide Pat. haben die Operation gut überstanden; die eine 
Kranke entzog sich dem ihres elenden Zustandes halber notwendigen 
zweiten Operationsakt und lebt ungeheilt, sehr gut dagegen ist das 
Endresultat bei dem Pat. geworden, den ich Ihnen hier zeige. Sie 
werden ihm nicht mehr ansehen, in welch elendem Zustande er sich 
befand, als er noch ganze Gläser eines furchtbar stinkenden Sputums 
auswarf. Ich habe ihm rücksichtslos die ganze gespannt gehaltene 
Lunge ausgehülst und die bedeckende Brustwand entfernt, und so ist 
er wieder ein voll arbeitsfähiger Mann geworden. 

Verloren habe ich eine Pat. mit Lungenfisteln und Pyo- 
pneumothorax ah einer so seltenen Komplikation, daß sie das Ver- 
fahren nicht belastet. Die 19jährige Pat. ging am 12. Tage nach 
Vernähung der Lungenfisteln und ausgedehnter Thoraxresektion ganz 
schnell zugrunde an einer enormen akuten Dilatation des Magens, 
der das ganze Abdomen ausfüllte.e Der Vagus, der bei der Opera- 
tion nicht berührt worden war, fand sich in entzündliche Schwielen 
eingebettet. 

Interessant wegen der heute noch extremen Seltenheit der Indi- 
kation sind zwei operativ in Angriff genommene Fälle von primären 
Lungenkarzinomen, deren Röntgenbilder ich zirkulieren lasse. In 
dem einen Falle gelang die Diagnose Karzinom erst im späteren Ver- 
lauf nach der Operation durch die systematische Untersuchung der 
nach außen entleerten Produkte eines sequestierenden Lungenprozesses. 
Bei dem zweiten Pat. dagegen konnte das Karzinom vor der Opera- 
tion sicher diagnostiziert werden, da sich in dem kopiösen Sputum 
der großen Kaverne Krebszellen fanden. In beiden Fällen war eine 
radikale Entfernung des Tumors nicht mehr möglich, doch wurden 
die Pat. wenigstens von den Beschwerden durch das massenhaft ent- 
leerte fötide Sputum befreit. Der eine Kranke lebt noch, der andere 
ist zu Hause kachektisch gestorben. Ich habe den Eindruck, daB das 
so proteusartig unter den verschiedensten Krankheitsbildern auftretende 
primäre Lungenkarzinom weit häufiger ist, als im allgemeinen ange- 
nommen wird; in einem Semester habe ich als Chirurg nicht weniger 
als drei sichere Fälle gesehen; es will mir auch scheinen, als ob diese 
Krebsform für die operative Behandlung nicht die ungünstigste sei, 
sobald einmal bei manchen unklaren Lungenaffektionen frühzeitiger 
an die Möglichkeit eines Karzinoms gedacht werden wird. z 

Auch an die Resektion des karzinomatösen intrathorakalen Oso- 
phagus habe ich mich wieder herangewagt, leider ohne Erfolg. Ich 
bin auf verschiedene Weise vorgegangen. Nachdem mich der schon 
im Vorjahre mitgeteilte Fall von radikaler Entfernung des Tumors 
gelehrt hatte, daß von der primären Vereinigung wenig zu erwarten 
sein dürfte, habe ich in einem zweiten Falle zunächst durch ausgiebige 
Tamponade der Pleura einen allseitig abgeschlossenen Raum zu schaffen 
gesucht, innerhalb dessen ich in einer zweiten Sitzung die Exstirpation 


 ——— ———————, — uu = — A) _ — -= L a M M 


a. 09 — 


vornehmen wollte; der 69 Jahre alte Mann hat aber schon den ersten 
Akt nur 2 Tage überlebt; allerdings zeigte die Sektion, daB der ge- 
wünschte Abschluß erreicht war. In einem weiteren Falle habe ich, 
wie aus diesen Bildern ersichtlich, einen groBen Hautlappen gebildet, 
den ich in die Tiefe der Pleurahöhle hineinschlug und durch den ich 
die Enden des resezierten Osophagus durchzog. Auf diese Weise 
wurde das ganze vor Infektion nicht zu schützende Operationsfeld der 
direkten Tamponade zugänglich, doch führte auch hier der enorme 
Eingriff nach 24 Stunden zum Tode. Für unmöglich halte ich die 
Lösung des Problems auch heute noch nicht. Meine drei mißglückten 
Fälle betrafen sämtlich alte elende Leute und hochsitzende Karzinome 
am Hilus der Lunge oder im Bogen der Aorta. Das einzige tiefer 
sitzende Karzinom bei dem einzigen jüngeren Pat. erwies sich im Ver- 
lauf der Operation als nicht radikal entfernbar, der Eingriff wurde 
ohne weiteres überstanden, obwohl — wiederum ein Beweis für die 
Leistungsfähigkeit des Verfahrens — die Auslösung des Tumors einen 
‚doppelseitigen Pneumothorax zur Folge gehabt hatte. 


Fasse ich meine Eindrücke bei den mit Druckdifferenz ausge- 
führten Operationen zusammen und vergleiche sie mit früheren Er- 
fahrungen, so besteht für mich kein Zweifel, daß die Sauerbruch- 
sche Idee einen ganz außerordentlichen Fortschritt bedeutet. 
Niemals haben wir mehr das unheimliche Lungenflattern, die akuten 
Atmungsstörungen, die blitzartigen Kollapse gesehen, man operiert 
auch in der ganz freien Brusthöhle mit der gleichen Sicherheit und 
Ruhe wie bei einer Laparotomie. 


Es ist den Verfahren, vor allem dem Überdruck, vorgeworfen 
worden, daß es die Aspiration begünstige. Ich habe, wie schon 
gesagt, bei einem durch die Lungenfistel überfließenden tuberkulösen 
Empyem eine tödliche Aspiration erlebt, sie begann aber bereits vor 
Einleitung des Überdruckes und wäre ohne Druckdifferenz ebenfalls 
zustande gekommen; auch in einem Falle von Bronchektasien machte 
die Aspiration zeitweise bedrohliche Erscheinungen, die aber rasch 
vorübergingen und den Operateur nicht hinderten. Dagegen verlief 
in drei weiteren Fällen mit massenhaftem Sputum die Operation bei 
Unter- und Überdruck vollkommen ungestört, überhaupt habe ich, 
abgesehen von jener tödlichen Aspiration, bei keiner meiner Operationen 
eine mit dem Eingriff zusammenhängende Lungenkomplikation erlebt, 
weder auf der operierten noch auf der gesunden Seite. Danach könnte 
es fast scheinen, als ob die Druckdifferenz das Zustandekommen der 
Aspiration erschwere, da der höhere Druck im Bronchialbaum das 
Sputum zurückdränge. Soweit möchte, ich nicht gehen, immerhin 
scheint es mir sicher, daß die Aspirationsgefahr durch die Druck- 
differenz nicht erhöht wird, einen gewandten und erfahrenen 
Narkotiseur vorausgesetzt. Ob meine Vorsichtsmaßregel, Pat. 
mit reichlichem Sputum längere Zeit vor der Operation so zu lagern, 
daß alle Höhlen sich gründlich entleeren können, an dem guten 

7* 


si. 100: 


Resultate beteiligt ist, kann ich nicht entscheiden, vermindert wird die 
Sputummenge dadurch jedenfalls. 

Ferner ist gegen die Druckdifferenzverfahren eingewandt worden, 
daß sie nur bei intakter Lunge wirksam sein könnten, mit 
dem Moment der Lungeninzision müsse sich der Druck ausgleichen. 
Dies ist zweifellos nicht der Fall. Ich habe mehrfach die Lunge bei 
Lösung von Adhäsionen erheblich verletzen müssen, ohne daß sie, 
trotz bedeutenden Luftaustrittes, kollabierte, und bei dem Pat. mit 
dem Lungenschuß strömte so reichlich Luft aus den Schußlöchern, 
daß wir durch den mitgerissenen Atherdampf in hohem Maße belästigt 
wurden — Fälle, in denen, nebenbei bemerkt, der Thermokauter zu 
vermeiden ist —; trotzdem blieb die Lunge vollkommen entfaltet. 
Selbst die Eröffnung größerer Bronchien wirkt, wie das Tierexperiment 
uns gelehrt hat, nach dieser Richtung nicht schädlich; denn die große 
Innenfläche der Lunge verträgt den Druckausgleich an einer doch 
verhältnismäßig kleinen Stelle, und selbst wenn ja, was wir sogar bei 
offener Durchtrennung des Hauptbronchus eines ganzen Lungenlappens 
nicht gesehen haben, das operierte Organ kollabieren sollte, würde 
die geblähte andere Lunge das Mediastinum in ausreichender Weise 
schützen. 

Erwähnen möchte ich noch, daß ich weit häufiger als in den 18 
operierten Fällen den Uber- oder Unterdruck nur bereit gehalten 
habe, ohne ihn schließlich einschalten zu müssen. Es ist ein sehr 
beruhigendes Gefühl, der Gefahr einer etwaigen Pleuraverletzung in 
jedem Augenblick vorbeugen zu können. 

M. H.! Über die großen Vorzüge des Operierens bei Druck- 
differenz kann meines Erachtens ein Zweifel nicht obwalten. Eine 
andere Frage ist es, ob das Unter- oder Überdruckverfahren 
den Vorzug verdient. Nach unseren bei Verwendung beider Me- 
thoden gewonnenen Eindrücken sind die beiden Verfahren vollkommen 
gleichwertig, und mein Assistent, Herr Dr. Dreyer, wird Ihnen über 
ausgedehnte vergleichende Experimente berichten, welche die physio- 
logische Gleichwertigkeit bis in alle Einzelheiten und mit aller Sicher- 
heit beweisen. Somit hängt es rein von äußeren Momenten ab, welchem 
Verfahren der Vorzug gegeben wird. Gute Resultate lassen sich mit 
beiden erzielen, ich für meine Person bevorzuge den Brauer’schen 
Überdruckapparat. Sein großer Vorteil beruht darin, daß man unter 
normalen Verhältnissen operiert, jeden Augenblick jedes Hilfsmittel 
zur Hand hat, durch Raummangel nicht behindert, den Blicken des 
Narkotiseurs und der Zuschauer durch beschlagende Glaswände nicht 
entzogen ist, mit günstigerer Beleuchtung arbeitet und die Asepsis 
leichter durchzuführen vermag. Es war sehr auffallend und charak- 
teristisch, wie mit dem Moment, als wir beide Methoden zur Ver- 
fügung hatten, bei uns allen ganz spontan die Schwenkung zum Über- 
druck erfolgte. 

Als großen Nachteil der Kammer, in welcher ich durch Unter- 
druck und Hitze niemals wirklich belästigt worden bin, habe ich die 


— 101 — 


Trennung des Operateurs vom Narkotiseur empfunden. Bei der er- 
wähnten einzigen Narkosenkomplikation, die wir erlebten, mußten wir 
uns durch Dritte am Telephon, welche zudem infolge des Motorge- 
räusches schlecht verstanden, über alle Phasen des Zwischenfalles 
verständigen, und ich muß sagen, daß mir diese Situation den Ge- 
schmack an der Kammer verdorben hat. Auch über die durch den 
Lärm des Motors und das Beschlagen der Fenster erschwerte Nar- 
kosenkontrolle, wie vor allem über die Trennung vom Pat., welche 
jede Beobachtung der Atmung fast unmöglich macht, haben meine 
narkotisierenden Assistenten stets geklagt. Zwar ist die Handhabung 
der Narkose bei Überdruck auch nicht einfach, ernstliche Schwierig- 
keiten aber haben sich nicht ergeben, und trotz der noch geringen 
Erfahrung haben die Narkotiseure rasch genügende Übung erlangt. 
Zur Narkose haben wir ohne jeden Nachteil fast stets Ather benutzt, 
Lungenkomplikationen sind, wie gesagt, nicht aufgetreten. Vielfach 
habe ich Sauerstoff geben lassen, und es ist eine zweifellos nützliche 
Eigenschaft des Brauer’schen Apparates, die bei schwerem Blutver- 
lust und großem Eingriff nicht zu unterschätzen ist, daß man jeden 
Augenblick Sauerstoff unter Überdruck atmen lassen kann. Ferner 
habe ich als Vorzug des Überdruckes kennen gelernt, daß der Druck 
sehr schnell zu ändern ist, während dies in der Kammer infolge ihrer 
Größe nur langsam möglich ist. Die schnelle Druckänderung aber 
ist von Vorteil, einmal weil es kein besseres Mittel zur Hebung des 
Pulses gibt, als die rasche Aufblähung der Lunge, zweitens weil 
durch Herbeiführung eines vorübergehenden unschädlichen Zusammen- 
sinkens die Abtastung und Lokalisierung von Herden in der Lunge 
sehr erleichtert wird. E 

Wenn mir persönlich somit auch das Uberdruckverfahren an- 
genehmer ist, so soll damit nicht gesagt sein, daB es nun unbedingt 
den Vorzug verdiene; dazu sind die Erfahrungen nicht ausreichend, 
obwohl sie sich gleichzeitig auf eine überreiche Zahl von Tierexperi- 
menten stützen. Prinzipielle Unterschiede aber bestehen jedenfalls 
nicht, und es dürfte daher in erster Linie eine Frage des persönlichen 
Geschmackes und nicht zuletzt des Geldbeutels sein, für welches Ver- 
fahren man sich entscheidet. Der Bedeutung der Sauerbruch’schen 
Idee aber wird sich auf die Dauer niemand entziehen können, der 
große Chirurgie des Thoraxinnern treiben will. (Selbstbericht.) 





51) L. Mayer (Brüssel). Ein neuer Apparat zur Überdruck- 
narkose. 


Die Ursachen zu der erstaunend kleinen Verbreitung, welche 
bisher das Sauerbruch’sche Druckdifferenzverfahren gefunden hat, 
sind erstens die theroretischen Bedenken, welche noch viele Chirurgen 
gegen das ausgezeichnete Brauer’sche Überdruckverfahren haben. 
Es darf wohl heute keinem Zweifel mehr unterliegen, daß beide Me- 
thoden praktisch gleichwertig sind. 


— 102 — 


Die zweite Ursache ist darin zu ersehen, daB es bisher keinen 
Apparat gab, welcher die Anwendung der Sauerbruch’schen Grund- 
sätze in genügend einfacher Weise gestattete. 

Vortr. hat nun mit Herrn Dr. Danis (Brüssel) einen Apparat 
konstruieren lassen, welcher einfach, sicher, wenig umfangreich und 
leicht transportabel ist. 

Der demonstrierte Apparat zerfällt in zwei Teile; der erste Teil 
dient zur Sauerstoffchloroformnarkose, der zweite ist der eigentliche 
Überdruckapparat. 

Zur Narkose wird eine Sauerstoffbombone benutzt, welche mit 
einem, dem Ricard’schen Chloroformapparat ähnlichen, aber ohne 
Ventil konstruierten Chloroformgefäß verbunden ist. Der mit Chloro- 
form mehr oder weniger gesättigte Sauerstoffstrom wird von dem Pat. 
durch eine intrabukkale besondere Maske eingeatmet. Letztere besteht 
aus zwei Metallplatten, zwischen welchen die Lippen des Pat. einge- 
klemmt werden. Die ausgeatmete Luft wird nun zu einem Uber- 
druckkasten geleitet, aus welchem sie unter einem einfachen Wasser- 
ventil entweicht. 

Dieser Apparat hat sich bei einer ganzen Anzahl Tierexperimenten 
gut bewährt, und auch bei einer Operation am Menschen hat er Aus- 
gezeichnetes geleistet. Es handelte sich um einen 21jährigen Mann, 
der sich eine Revolverwunde dicht außerhalb der Herzspitze zugezogen 
hatte. Es entstanden schwere Erscheinungen von Hämothorax, die in 
bedrohendster Weise zunahmen und 18 Stunden nach dem Unfall den 
fast pulslosen, stark dyspnoischen Pat. zur Operation führten. Unter 
Anwendung des telephonisch in die Wohnung des Pat. verlangten 
Überdruckapparates wurde die linke Thoraxseite breit eröffnet, eine 
große Menge Blutes ausgeräumt, die Lungenwunde leicht gefunden 
und übernäht und der Thorax primär geschlossen. Gute Heilung. 

Vortr. glaubt, daß der neue Apparat wegen seiner Einfachheit 
sich für die Unfallchirurgie ganz besonders eignen dürfte. Der 
Apparat ist von der Firma Claesen (Brüssel) konstruiert. 

(Selbstbericht.) 


Diskussion zu Nr. 47—51. 


Sauerbruch (Marburg). S. bestätigt zunächst die großen Vorteile, 
die das Druckdifferenzverfahren für die Brustwandplastik hat. (Vgl. die 
Mitteilung: »Resektion der Brustwand und Plastik auf die freigelegte 
Lunge«. Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXVI.) Auch ist 
er der Meinung, daB primäre Lungenkarzinome häufiger vorkommen, 
als man bisher annahm. S. berichtet über einen von ihm mit Erfolg 
operierten Fall von Resektion der Lunge wegen Lungenkarzinom. Der 
Fall war unter dem Bilde einer schweren Interkostalneuralgie ver- 
laufen, die nach der Operation nicht wiederkehrte. Die radikale Be- 
seitigung des Tumors gelang allerdings nicht. 

Bezüglich der Speiseröhrenresektion hat S. auch noch keine Er- 
folge aufzuweisen, er hat in neun Fällen die Operation versucht. Den 


— 103 — 


Vorschlag, zweizeitig zu operieren, hält er für nachahmenswert, betont 
aber, daß das Idealverfahren, speziell für das Kardiakarzinom, die ein- 
zeitige Operation mit Anastomose zwischen Magen und Speiseröhre bildet. 
Schließlich weist S. noch darauf hin, daß die Verwendung des Unter- 
druckes für die Beseitigung von Hautemphysem, Spannungspneumo- 
thorax und Mediastinalemphysem sehr zu empfehlen sei. Bericht über 
zwei Fälle. (Selbstbericht.) 


Kuhn (Kassel) hat schon Apparate angegeben für den Überdruck 
mit peroraler Tubage.e Man muß mittels eines dünnen Röhrchens bis 
zum Ende der Intubationskanüle Sauerstoff zuführen. 


.„..Henle (Dortmund) demonstriert einen einfachen Apparat zum 
Überdruckverfahren. Ferner teilt H. einen Fall von Kardiolyse mit, 
bei dem nach der Rippenresektion das Herz sich noch nicht gut zu- 
sammenzog. Erst als H. dann in die richtige Schicht des Perikards 
hineinkam, konnte das Herz frei arbeiten. Leider ging H. zu hoch 
hinauf, es entstand ein Einriß, der genäht werden konnte. Aber 
Pat. starb nach 22 Stunden. Die Sektion ergab Herzatrophie. 


Kausch (Schöneberg) berichtet über die von ihm operierten Pat., 
der es ausgezeichnet geht. Auch im Arm sind keine Schmerzen mehr 
vorhanden. Wichtig zur Beurteilung des Falles ist, daß es sich 1) um 
eine ältere, über 40 Jahre alte Frau handelte, daß 2) sich die Tuber- 
kulose ganz rapide, unter K.’s Augen entwickelte, 3) daß die sozialen 
Verhältnisse sehr schlecht waren. Die Pat. ist Wäscherin, muß gleich 
nach der Operation arbeiten. Trotzdem nimmt sie noch an Gewicht 
zu, es geht ihr gut. Der zweite Fall K.’s war schlechter, beide 
Spitzen waren ergriffen,. auch war wegen Fußtuberkulose schon Am- 
putation gemacht. Beide erste Rippenknorpel waren stark verknöchert. 
Der Eingriff wurde gut überstanden. Das weitere Ergebnis muß man 
noch abwarten. K. hat kleinere und größere Stücke der Rippe fort- 
genommen. Der Eingriff ist ganz leicht. 


Wendel (Magdeburg) meint, bei alten Empyemen spielten viel 
mehr innere Schrumpfungen in der Lunge, als äußerer Druck usw. 
eine Rolle. 


Wullstein (Halle a. 8... W. hat einen plastischen Ersatz der 
Gelenkkapsel, des Peritoneums, der Tunica vaginalis propria und der 
Dura experimentell vorgenommen, und zwar derart, daß er an die 
Stelle der genannten Gewebe Haut mit der Epithelseite nach der 
freien Gelenkhöhle, Bauchhöhle usw. einschlug. 

W. faßt die Resultate dieser Experimente in folgende Sätze kurz 
zusammen: 

1) Man kann alle die genannten Gewebsteile ohne weiteres und 
ohne Bedenken, daß Infektionen erfolgen, durch Einschlagen von Haut 
plastisch ersetzen. | 

2) Gemäß der neuen funktionellen Beanspruchung erfährt die Haut 
eine entsprechende funktionelle Anpassung, d. h. sie wandelt sich ent- 


— 14 — 


sprechend ihrer Beanspruchung in Peritoneum, Dura, Gelenkkapsel usw. 
um, und zwar so, daß sie sich nach einer bestimmten Zeit weder 
makroskopisch noch mikroskopisch von ihrer Umgebung unterscheidet. 

3) Dabei ist die histologische Genese verschieden, und zwar einer- 
seits bei dem funktionellen Ersatz der Gelenkkapsel, andererseits bei 
dem funktionellen Ersatz der Dura, der Tunica vaginalis propria, des 
Peritoneum und voraussichtlich der Pleura und des Perikard. 

a. Bei den Gelenken kommt die funktionelle synoviale Anpassung 
zustande unter Fibrinablagerung auf die implantierte Haut, Schwund 
der Epithelschicht, Organisation des aufgelagerten Fibrins und Über- 
schieben des Endothels von der Seite her. Reste des Epithels in den 
Drüsen, Haarbälgen usw. kommen allmählich mehr und mehr zum 
Schwund. 

b. Bei allen anderen Geweben (Dura, Peritoneum usw.) findet die 
funktionelle Anpassung statt unter Schwund der Epidermisschicht, die 
schon innerhalb weniger Tage (4 Tage) voraussichtlich durch Autolyse 
vollständig verloren geht, so daß dann also die feinen oberflächlichen 
Bindegewebszüge der Cutis frei vorliegen. Leider harrt die histologisch 
sehr interessante Frage noch der Lösung, ob die Endothelisierung der 
Cutis von der Seite her oder durch Metaplasie der feinen oberflächlichen 
Bindegewebsschichten der Cutis erfolgt. Für die letztere Annahme 
scheinen allerdings die histologischen Präparate zu sprechen, um so mehr, 
als schon nach 10 Tagen die ganze Fläche des implantierten Lappens 
endothelisiert war, was durch Überwucherung von der Seite her wohl 
kaum möglich gewesen wäre. 

4) Kam beim Ersatz des Peritoneums durch Haut das Netz mit 
der Bauchwand so zur Verwachsung, daß es das implantierte Hautstück 
brückenförmig überspannte und damit so von der freien Bauchhöhle 
abschloß, daß die Haut nicht mehr der veränderten funktionellen Be- 
anspruchung ausgesetzt war, so blieb, von dem Netz überbrückt, die 
Haut als solche bestehen; die Haare wuchsen weiter, das Platten- 
epithel siegte über das Endothel und überwucherte vom Rande her 
die Endothelschicht des Netzes; das verhornte Plattenepithel stieß sich 
ab und bildete ebenso wie die weitergewachsenen und ausgefallenen 
Haare den Inhalt des allseitig von Plattenepithel ausgekleideten Hohl- 
raumes — kurz es kam zur Bildung einer echten, artifiziell erzeugten 
Dermoidcyste. 

Gerade dieses negative Resultat ergänzt weiterhin die positiven 
Resultate. 

Somit gilt auch für den plastischen Ersatz der Gelenkkapsel, der 
Dura, der Tunica vaginalis propria, des Peritoneums und voraussichtlich 
auch der Pleura und des Perikards durch Haut der Satz: »Wo für 
die Haut eine spezifische funktionelle Beanspruchung be- 
steht, kommt es zu einer entsprechenden spezifischen funktio- 
nellen Anpassung der Haut; wo dagegen diese funktionelle 
Beanspruchung fehlt, bleibt auch die funtionelle Anpassung 
auB.« (Selbstbericht.) 


— 15 — 


Brauer betont, daß man die Sauerbruch’schen Prinzipien genau 
einhalten muß. Deshalb sind alle Apparate mit enger Maske, mit 
Röhren oder Ventilen falsch (Gefahr beim Erbrechen!). Die Konstanz 
der Druckdifferenz ist bei diesen Apparaten nicht zu erhalten. 

Goebel (Breslau). 





52) Seidel (Dresden). Über Chondrotomie bei Enge der 
oberen Thoraxapertur und beginnender Spitzentuberkulose. 


Vortr. erwähnt kurz die pathologisch-anatomischen Grundlagen 
der Lehre von der mechanischen Disposition der Lungenspitzen zur 
Tuberkulose, wie sie nach den Untersuchungen von Freund und 
Hart, Birch-Hirschfeld, Schmorl fesststehen. Er demonstriert 
einige Lungen, welche die Schmorl’sche Furche und in der Spitze 
tuberkulöse Veränderungen zeigen. Die Ausheilung derartiger Spitzen- 
tuberkulosen kommt nach Freund und Hart namentlich in Verbin- 
dung mit Gelenkbildung am 1. Rippenknorpel vor. Ein kausaler Zu- 
sammenhang ist sehr wahrscheinlich, und die Forderung der künst- 
lichen Gelenkbildung bei beginnender Spitzentuberkulose und zugleich 
bestehender Enge der oberen Apertur erscheint demnach berechtigt. 
Vortr. hat in zwei Fällen diese Gelenkbildung ausgeführt. Der un- 
mittelbare Erfolg war gut, das endgültige Resultat ist natürlich noch 
nicht zu beurteilen. Die Technik der operativen Gelenkbildung ist 
einfach, wenn man bei der Operation innerhalb des 1. Rippenknorpels 
bleibt, nicht zuviel von ihm fortnimmt und die Schnittlinie 1/, cm von 
der Knorpel-Knochengrenze entfernt schräg von unten außen nach oben 
innen führt. Muskulatur wird nicht durchtrennt, da der 1. Rippen- 
knorpel unmittelbar hinter dem Bindegewebsspalt zwischen Pars clavi- 
cularis und Pars sternalis des M. pectoralis major liegt, so daß diese 
beiden Muskelpartien nach einiger Lockerung nur auseinander gezogen 
zu werden brauchen. Eine vom Vortr. angegebene stanzenförmige 
Zange erleichtert die Durchtrennung des Rippenknorpels. Vortr. hält 
den Eingriff für so einfach und ungefährlich, daß er empfiehlt, ihn 
in größerem Umfange anzuwenden, damit man sich ein Urteil über 
den endgültigen therapeutischen Wert bilden kann. Die innere The- 
rapie darf selbstverständlich nicht vernachlässigt werden; sie hat nach 
der Operation ebenso intensiv einzusetzen, wie dies bisher üblich ge- 
wesen ist. (Selbstbericht.) 





53) Friedrich (Marburg). Die operative Beeinflussung ein- 
seitiger kavernöser Lungenphthise durch kostoplastische Pneu- 
molysis. 

F. hat, gestützt auf die Beobachtungen und Erfolge, welche 
Brauer durch Erzeugung eines künstlichen Pneumothorax bei Lungen- 


phthise nach dem Vorgange Murphy’s und Forlanini’s erzielt hat, 
für die Fälle, wo aus äußeren oder auf Grund von Pleuraadhäsionen 


— 16 — 


dieses Verfahren nicht anwendbar war, eine operative Methode der 
Lungenlösung von der Brustwandspannung ausgearbeitet, welche weit 
über die seinerzeitigen dahingehenden Vorschläge Quincke’s, Speng- 
ler’s, Turban’s hinausgeht und den erstrebten Effekt des Ent- 
spannens der Kavernenwände, des Zusammensinkens dieser eiternden 
Lungenhöhlen, der Gesamteinengung des Lungenvolumens und damit 
ihrer weitgehenden Außerdienststellung in vollkommenstem Maße er- 
reichen läßt. Der überraschend günstige Erfolg im erstmalig nach 
seinem Prinzip operierten Falle hat die Prüfung an zwei weiteren 
Fällen mit ebenso günstigem bisherigen Endeffekt bestanden. Die Art 
des Vorgehens besteht kurz darin, daß die knöcherne Brustwand der 
erkrankten Seite nicht nur in Teilresektionen weniger Rippen mobili- 
siert wird, sondern daß die 2. bis einschließlich 9. bzw. 10. Rippe in 
toto von ihrem sternalen Knorpelteil (mit Ausschluß dieses) bis zum 
Angulus costae, noch richtiger bis zu ihrem Wirbelende abgetragen 
werden, unter peinlichster Schonung der oft äußerst zarten 
Pleura costalis in allen ihren Abschnitten. F. legt dabei das 
Hauptgewicht auf die Verhütung jeglicher Aspiration aus der kranken 
Lunge in die gesunde während und nach der Operation, auf die Be- 
handlung des großen mechanischen Insulten ausgesetzten kleinen und 
schwachen Herzens der Tuberkulösen, auf per primam-Heilung der 
ganzen Wunde. Vorsichtige Anästhesierung, richtige Lagerung, rasche- 
stes Operieren, exzitierende Vor- und Nachbehandlung des Herzens 
und peinliche Asepsis sind die Grundbedingungen des Erfolges. Mit 
Thorakoplastik im bisherigen Sinne, bei Resthöhlen nach Pleura- 
empyem, hat die Operation nur die Abtragung der Rippen gemein. 
Sowohl Endziel als technisches Vorgehen sind für die die Lungen- 
einengung, die Pleuraerhaltung anstrebende »kostoplastische Pneu- 
molysis« wesentlich andere. Dort starre Pleuraschwarten bei bestehen- 
dem offenen Pneumothorax, hier peinlichste Schonung und Erhaltung 
der zarten Pleura und Verhütung jeglichen Pneumothorax; dort End- 
ziel womögliche Lungenwiederentfaltung, hier Endziel, die Lunge unter 
Atmosphärendruck zu stellen, welcher auf die Pleura costalis dauernd 
in der Folge einwirken soll. Um Mißverständnissen zu begegnen, 
empfiehlt daher F. die von ihm gewählte Bezeichnung der Operation. 

Der unmittelbare Erfolg des Eingriffes hat sich in folgendem zu 
erkennen gegeben: Rückgang der bis dahin erhöhten Körpertemperatur, 
enormer Rückgang der Auswurfsmengen, Nachlaß des Hustens, ruhige- 
rer Nachtschlaf, Zunahme des Körpergewichtes, wesentliche Besserung 
des subjektiven Befindens. Es wurden nur Fälle dieser Therapie unter- 
zogen, wo bei jahrlanger Behandlung seitens erfahrenster Phthiseo- 
therapeuten (L. Spengler, Brauer, Brecke) und trotz Aufgebots 
aller allgemein diätetischen und klimatischen sowie medikamentösen 
Maßnahmen ein dauerndes langsames Fortschreiten des Krankheits- 
prozesses festzustellen war. Die unmittelbaren Gefahren des Eingriffes 
wurden von F. eingehend geschildert, ebenso die Details des rasch 
sich kennzeichnenden Erfolges. Sowohl zahlreiche frühere Erfahrungen 


— 107 — 


mit Thorakoplastik bei starrwandigen Empyemresthöhlen, als die Be- 
einflussung eines früheren Falles von einseitiger Phthise durch par- 
tielle Rippenabtragung, als endlich seine experimentellen Studien über 
den Volumausgleich im Thorax nach einseitiger Lungenamputation 
hatten F. den geschilderten Gang der Operation einschlagen lassen. 
(Selbstbericht.) 





54) Perthes (Leipzig). Zur operativen Behandlung des 
chronischen Lungenabszesses (Demonstration). 


Bei dem chronischen Lungenabszeß ist im Gegensatz zum 
akuten durch einfache Pneumotomie, auch mit ausgiebiger Rippen- 
resektion, eine fistellose Heilung oft nicht zu erzielen. P. ist deshalb 
in folgender Weise vorgegangen: Bei einem nach Pneumonie im rechten 
Unterlappen entwickelten, 5 Jahre bestehenden, mit den Bronchien in 
weiter Verbindung stehenden Lungenabszeß wurde zunächst die Pneu- 
motomie gemacht. Die Expektoration des fötiden Eiters hörte danach 
auf, und der Allgemeinzustand wurde ein sehr guter. Doch blieb 
eine von der Drainageöffnung in der Axillarlinie bis in den Lungen- 
hilus reichende starrwandige Höhle bestehen. Die gesamte AbszeB- 
wandung wurde nun 4 Jahre nach der Pneumotomie in toto wie 
ein Tumor aus der Lunge exstirpiert. Die Blutstillung durch 
Umstechungen machte keine Schwierigkeit. Eine besondere Versorgung 
der in die Höhle führenden Bronchialäste erwies sich als unnötig, viel- 
mehr heilten die gebildeten Hautmuskellappen auf die Lungenwund- 
fläche ohne Störung auf. Bei der Operation war ein bei Zug an der 
Lunge regelmäßig auftretender, bei Nachlassen des Zuges sofort wieder 
aufhörender Stillstand von Atmung und Herzaktion auffallend. Die 
ohne Skoliose und ohne Fistel geheilte 15jährige Pat. wird vorgestellt. 

(Selbstbericht.) 
Diskussion. 


Körte (Berlin) fragt, ob es nötig ist, einen AbszeB zu exstir- 
pieren. Nach seinen Erfahrungen heilen die Lungenabzesse aus, wenn 
man die Decke des Abszesses fortnimmt und die Rippen ausgedehnt 
reseziert. Man muß die Resektion für die Tumoren und für Bronchiek- 
tasien reservieren. 


Perthes (Leipzig): Erhebliche Mengen von Lungengewebe sind 
nicht fortgenommen, also sicher ein Fortschritt gegen die Fortnahme 
des ganzen Oberlappens. Auch will P. das Verfahren nicht als ein 
Normalverfahren hinstellen. Es handelte sich ferner um einen chro- 
nischen Lungenabszeß. Herrn Körte’s Fälle waren alle akut. Garr®'s 
und anderer Fälle haben eine ganz große Reihe von Operationen durch- 
machen müssen, während hier mit einem Schlage vollkommene Heilung 
erfolgte. Goebel (Breslau). 


Te 


— 108 — 


55) Friedrich (Marburg). Der Volumausgleich im Thorax- 
innern nach einseitiger totaler Lungenamputation. 


F. demonstriert eine Reihe von Thoraxpräparaten von Hunden, 
bei denen er vor Jahresfrist die totale einseitige Lungenamputation 
ausgeführt, die Tiere danach ein Jahr lang am Leben gelassen 
und jetzt zum Zweck des Studiums der Thoraxinnenverhältnisse ge- 
tötet hat. Nach nochmaligem Hinweis auf die in seinem vorjährigen 
Kongreßreferat über »Lungenchirurgie« angegebenen Technizismen 
für die Lungenamputation, insbesondere die richtige Bronchienver- 
sorgung des Amputationsstumpfes und Ausschaltungsmöglichkeit der 
unmittelbaren Gefahren, die sich aus dem unzureichendem Bronchus- 
verschluß ergeben (namentlich das sich rasch verbreitende Mediastinal- 
emphysem, welches er durch Vorzeigung von Photogrammen solcher 
Eimphysemtiere illustriert), zeigt er am T'horaxinnern solcher Versuchs- 
tiere, nachdem er alle Organe durch Formolinjektion von der Aorta 
aus in bester Weise hat in ihrer Lage erhalten können, daß in die 
Stelle des Defektes, wo die ganze Lunge einer Seite entfernt worden 
ist, zunächst das Herz einrückt. Es nimmt das Mediastinum mit sich 
nach der Seite der Amputation, und die anderseitige erhaltene Lunge, 
mäßig kompensatorisch erweitert, füllt den übrigen Teil des Thorax- 
raumes aus. 

Das Zwerchfell rückt auf der Amputationsseite bedeutend in die 
Höhe. Der Volumausgleich wird ein so vollständiger, daB nirgends 
im Brustraum eine Spur Hohlraum zurückbleibt. In spiegelnder 
Glätte sind Pleura costalis, Perikard, die Blätter des Mediastinum 
und der Pleura diaphragmatica erhalten. Seine Demonstrationen 
erstrecken sich sowohl auf Kadaver, wo jetzt beiderseits die Brustwand 
zurückgeschlagen und der Lungen-Herz-Zwerchfellsitus voll erhalten 
ist, als auf Thoraxquerschnitte, welche in gleicher Weise anschaulich 
den Volumausgleich, die topographischen Verschiebungen dartun. 

(Selbstbericht.) 





56) H. Braun (Göttingen). Demonstration eines Tumors 
der Pleura. 


Die Geschwulst, welche sich bei einer 42 Jahre alten Frau seit 
längerer Zeit und allmählich unter Erscheinungen der zunehmenden 
Dyspnoe und Cyanose entwickelt hatte, verursachte auf der rechten 
Brustseite eine Dämpfung, die sich bis zur 2. Rippe in die Höhe er- 
streckte und unten in diejenige der Leber überging; letztere selbst 
war handbreit unter dem Rippenbogen zu fühlen. Da die Kranke 
mit der Diagnose Leberechinokokkus überwiesen war, wurde, obgleich 
die Punktion der Geschwulst keine Flüssigkeit ergeben hatte, am 
T. November 1906 die Probelaparotomie gemacht. Bei derselben zeigte 
sich, daB keine abdominelle, sondern eine intrathorakische Geschwulst- 
bildung, welche die Leber nur nach unten verdrängt haben mußte, 
vorlag. Wegen der Ausdehnung des Tumors, der maligner Natur zu 


ser IHN. 


sein schien und eine erfolgreiche Operation für aussichtslos erscheinen 
ließ, wurde von jedem weiteren Eingriff Abstand genommen. Nach- 
dem die Kranke am 29. November entlassen und dann längere Zeit 
zu Hause war, kam sie am 9. April wegen stärkerer Atembeschwerden 
wieder in die chirurgische Klinik. Die lokalen Verhältnisse bei der 
Untersuchung der Brust waren nicht viel geändert. Der Zustand 
verschlimmerte sich immer mehr, und am 25. April 1907 erfolgte 
der Tod. 

Die Autopsie ergab einen pyramidenförmigen, außergewöhnlich 
großen Tumor, der 25 cm in der Höhe, 11 cm in der Breite und 
19 cm in der Tiefe maß, fast die ganze rechte Brusthälfte bis zur 
zweiten Rippe hinauf ausfüllte, von der Pleura ausging und mit dieser, 
ebenso wie mit der rechten Lunge nur durch einige dünne, leicht zu 
lösende Adhäsionen in Verbindung stand. Die histologische Unter- 
suchung ergab, daß es sich um ein Fibrosarcoma myxomatodes handelte. 

B. ging noch auf die Diagnose solcher Tumoren ein und glaubt, 
daß sie bei genauer Untersuchung erkannt und bei Anwendung unserer 
jetzigen technischen Hilfsmittel bei Operationen in der Brusthöhle 


auch mit Aussicht auf Erfolg operiert werden könnten. 
(Selbstbericht.) 





57) F. de Quervain (Chaux-de-Fonds). Über die fibro- 
epithelialen Veränderungen der Mamma und ihre maligne 
Entartung. 


de Q. kommt auf Grund der Untersuchung von 20 auch klinisch 
beobachteten Fällen zu folgenden Ergebnissen: Alle fibroepithelialen 
Veränderungen der Mamma gehen, wie schon Tietze und v. Saar 
betont haben, von den gleichen elementaren Prozessen aus und unter- 
scheiden sich voneinander nur durch die mehr oder weniger scharfe 
Abgrenzung des veränderten vom normalen Gewebe und durch die 
vorwiegende Beteiligung des Bindegewebes in den einen, des Epithels 
in den anderen Fällen. Die alte Fragestellung, ob es sich bei der 
König-Reclus’schen Mastitis chronica cystica um Entzün- 
dung oder Geschwulst handle, ist in dieser Form zu einseitig. Es 
handelt sich um einen Vorgang, den man ohne Gewalt weder in die 
eine, noch in die andere dieser von der Pathologie geschaffenen Kate- 
gorien einreihen kann, so wenig wie die Struma und die Prostata- 
hypertrophie. Man bezeichnet denselben am besten als fibroepithe- 
liale Degeneration. Dieser Vorgang zeigt gewisse Beziehungen zur 
Altersinvolution, läßt sich aber nicht mit derselben identifizieren, da 
das Fibroadenom häufig schon im 3., ja im 2. Dezennium auftritt. 

Von großer klinischer Bedeutung ist die maligne Degeneration, 
die zu häufig ist, um als Zufälligkeit aufgefaßt zu werden, abgesehen 
von den histologischen Gründen, die gegen eine solche Auffassung 
sprechen. In den 20 vom Vortr. untersuchten Fällen fand sich diese 
Entartung 3mal vor, 2mal in Form eines Karzinoms, imal als Sarkom. 


— 10 ° — 


Ohne Bedeutung für die histologische Diagnose des Krebses sind die 
in den gutartigen Formen gar nicht seltenen, ja selbst in anscheinend 
gesunden Mammae beobachteten »blassen Zellen«. Dagegen gibt es 
andere histologische Bilder, welche deutlich zum Krebs überleiten. 

Für die Therapie ergeben sich hieraus folgende Schlüsse: 

1) Besteht klinisch Verdacht auf Bösartigkeit, so ist das Gebilde 
wie ein Krebs zu behandeln, d. h. mit Entfernung der Mamma und 
Ausräumung der Axilla. | 

2) Besteht lokal kein Verdacht, sind aber Drüsen vorhanden, so 
ist in gleicher Weise zu verfahren. Höchstens könnte bei eng um- 
schriebener Veränderung die Ablatio mammae durch eine ausgiebige 
Resektion ersetzt werden. 

3) Besteht lokal kein Verdacht und sind auch keine Drüsen- 
schwellungen vorhanden, so genügt die Resektion der Mamma, doch 
ist hinterher eine genaue histologische Untersuchung des Gebildes vor- 
zunehmen, damit der Eingriff, wenn nötig, durch nachträgliche Aus- 
räumung der Drüsen vervollständigt werden kann. Der makroskopische 
Nachweis einer Cyste schließt umschriebene krebsige Entartung nicht aus. 

(Selbstbericht.) 


Bauch. 


58) A. Peiser (Breslau). Über fötale Peritonitis. 


Vortr. bespricht zunächst Atiologie und Pathologie, dann Dia- 
gnose, Prognose und Therapie der Krankheit, die bisher bei den 
Chirurgen fast gar keine Beachtung gefunden hat. Die beobachteten 
Fälle zeigen, daß alle pathologisch-anatomischen Erscheinungsformen, 
die wir bei der Peritonitis des Erwachsenen zu sehen gewöhnt sind, 
auch bei der fötalen Peritonitis gefunden werden, von der zirkum- 
skripten akuten (serofibrinösen und eitrigen) Peritonitis bis zur diffu- 
sen chronischen Adhäsion. Vortr. berichtet über zwei eigene Beob- 
achtungen. Der erste von Garr2& operierte Fall hatte zwar nach der 
Operation weiter Erbrechen, das noch längere Zeit anhielt, blieb 
aber am Leben. Es ist dies bisher der einzig sichere Fall fötaler 
Peritonitis, der am Leben geblieben ist. Inwieweit allerdings mit ein- 
facher Strangbildung verlaufene fötale Peritonitis ohne klinische Zei- 
chen verlaufen und erst im späteren Leben zum Ileus führen kann, 
entzieht sich bisher unserer Kenntnis. Im zweiten Falle, der wenige 
Stunden nach der Operation zugrunde ging, fand sich ein angeborener 
Spalt im Mesenterium, in welchem sich eine Dünndarmschlinge ge- 
fangen hatte und inkarzeriert war. Auf dem Boden dieser Inkarzera- 
tion hatte sich die fötale Peritonitis entwickelt. Zwei Fälle aus der 
Literatur lassen es angezeigt erscheinen, die genaue Untersuchung 
des Processus vermiformis nicht zu versäumen. (Selbstbericht.) 





— 1il — 


59) Ritter (Greifswald). Experimentelle Untersuchungen über 
Einklemmung von Brüchen. 


R. berichtet über eine Reihe von Experimenten, in denen es ihm 
geglückt ist, künstlich beim Tier eine Brucheinklemmung bzw. am 
Dünndarm hervorzurufen. Der Grund, warum Vortr. noch einmal 
dieser Frage nachgegangen ist, ist einmal der, daß unsere Erfahrungen 
über die physiologischen Vorgänge in der Bauchhöhle sich sehr wesent- 
lich vermehrt haben, seitdem die letzten Brucheinklemmungsversuche 
angestellt sind. Und zum anderen befriedigt der Mechanismus, wie 
er zurzeit angenommen wird, nicht. 

An die Koteinklemmung, das muß einmal offen gesagt werden, 
glaubt heute eigentlich kein Mensch mehr so recht. Denn im Dünn- 
darm — und dieser klemmt sich vor allem ein — ist überhaupt kein Kot 
vorhanden, und an eine einfache Kotstauung sieht man fast nie eine 
wirkliche Einklemmung sich anschließen. Aber auch gegen die ela- 
stische Einklemmung läßt sich mancherlei einwenden, wie Vortr. näher 
ausführt. Es spricht manches dafür, daß die Bruchpforte nicht, wie 
bisher allgemein gelehrt wird, im Moment der Einklemmung weiter, 
sondern enger wird. 

Und wenn man sich einmal nach den äußeren Umständen um- 
sieht, unter denen eine Brucheinklemmung stattfindet, so sind es be- 
kanntlich plötzlicher Sprung und Fall, bei denen die Bauchdecken 
plötzlich angespannt werden, Abrutschen eines Bruchbandes und 
längerer Druck auf die Bruchpforte, wiederholte Taxisversuche und 
ferner Arbeiten in gebückter Stellung oder Pressen bei Stuhlgang 
in hockender Stellung. Das alles ist aber nicht möglich, ohne daß 
eine Pressung, ein Druck auf den Darm an der Bruchpforte ausgeübt 
wird, und das muß zu einer Kontraktion des Darmes und damit zu 
einer Anämie der Schlinge führen, die, je länger sie dauert, eine 
Schädigung hervorrufen muß. Auf diese Schädigung, muß man an- 
nehmen, folgt nachträglich eine entzündliche Hyperämie und Schwel- 
lung und eine Erschlaffung der Darmwand. Diese Momente würden 
aber eine Einklemmung leicht verständlich machen. 

Es fragte sich, ob man auf diese Weise eine künstliche Ein- 
klemmung hervorrufen kann. 

Die Versuche wurden vom Vortr. so angestellt, daß man bei 
Hunden nach Eröffnung der Bauchhöhle eine Dünndarmschlinge durch 
den Ring einer Kautschukplatte hindurchzog, die so weit war, daB nicht 
die Spur einer Stauung oder Zirkulationsstörung eintrat, aber doch 
ein Mißverhältnis zwischen Weite des Ringes und der Schlinge mög- 
lich war. Einerlei nun, ob die Darmschenkel zentral vom Ring auf 
‚mechanische Weise (Schlag mit stumpfem Instrument) oder durch An- 
legen zweier Elektroden oder durch Umlegen eines mit Adrenalin ge- 
tränkten Gazestreifens zur Kontraktion gebracht wurde, oder ob für 
einige Zeit ein kleiner Gummischlauch oder Band um den Darm- 
schenkel fest herumgelegt wurde, stets trat nachträglich eine derjenigen 


— 112 — 


bei Menschen analoge Einklemmung ein, wie im einzelnen ausgeführt 
wird. 

Sind wir nun berechtigt, diese Versuche als beweisend anzusehen ? 
R. muß das entschieden verneinen, denn sie berücksichtigen die phy- 
siologischen Vorgänge in der Bauchhöhle absolut nicht. Und das ist 
ein Vorwurf, den man allen Experimentatoren, die sich früher mit der 
Brucheinklemmung befaßt haben, machen muß. Hebt man eine Darm- 
schlinge aus der Bauchhöhle hervor, so kommt sie mit der äußeren 
Luft in Berührung, die austrocknend, drückend und abkühlend wirkt. 
Das ruft aber einen Reiz hervor, der den Darm hyperämisch macht 
und erschlaft. Es war also sehr wohl möglich, daß dadurch die 
Einklemmung hervorgerufen war und nicht durch die Maßnahmen, 
die Vortr. angewandt hatte. 


R. versuchte nun diesen schädigenden Einfluß der Luft durch 
Kochsalzspülung auszuschalten. Doch nützte das nichts; denn bei 
jedem Hervorheben der Darmschlinge kam sie doch wieder mit der 
Luft in Berührung. R. erreichte aber schließlich die Ausschaltung 
jedes Reizes dadurch, daß er einen weiten Blechteller in die Bauch- 
decken einnähte, der unten durch ein großes Loch mit der Bauch- 
höhle kommunizierte. Auf der einen Seite läuft die warme physiolo- 
gische Kochsalzlösung zu, füllt den Teller und die Bauchhöhle und 
läuft dann an der anderen Seite wieder ab. Diese Maßnahme ge- 
stattet nun ein vollkommen freies Operieren mit den Darmschlingen, 
ohne daß man eine nachträgliche Entzündung derselben zu fürchten 
braucht. Sie hat aber auch den großen Vorteil, daß man alles, was 
in dieser vergrößerten Bauchhöhle geschieht, sieht. 


Und so konnte in zahlreichen Versuchen mit dem Auge das, was 
bisher nur angenommen war, direkt verfolgt werden, daß nämlich auf 
eine längere oder kürzere Schädigung einer Darmschlinge, z. B. durch 
temporäre Umschnürung mit Gummiband, nicht nur entzündliche Hy- 
perämie, sondern auch Erschlaffung der Darmwand und Füllung der- 
selben erfolgte. 


Und schließlich konnte in weiteren Versuchen festgestellt werden, 
daß, wenn eine Darmschlinge vorher durch einen Ring gezogen war 
und nun oberhalb derselben die Darmschenkel für kürzere Zeit mit 
einem Gummiband umschnürt wurden, stets dann eine typische Ein- 
klemmung zustande kam, wenn zwar der Ring weit genug war, um 
keine Zirkulationsstörung von vornherein hervorzurufen, aber doch 
ein Mißverhältnis zwischen Ring und Darmweite noch möglich war. 


Damit ist die Möglichkeit eines solchen Einklemmungsmechanis- 
mus bewiesen. Ob beim Menschen die Einklemmung auf diese Weise 
zustande kommt, -ist damit nicht gesagt. Es ist aber möglich; denn 
im Bauche fühlen wir bekanntlich durch die Bauchdecken hindurch 
nichts. Deswegen, weil wir aber von einer Schädigung, die die Darm- 
schlinge an der Bruchpforte betroffen hat, nichts fühlen können, ist 
noch nicht gesagt, daß sie nicht doch stattgefunden hat, und daß sie 


— 113 — 


als primäre Ursache einer folgenden entzündlichen Anschwellung und 
Erschlaffung der Wand vorangeht. 

Demonstration mehrerer farbig photographierter Einklemmungs- 
präparate. (Selbstbericht.) 


60) Schloffer (Innsbruck). Chronisch entzündliche Bauch- 
deckengeschwülste nach Bruchoperationen. 


S. hat in vier Fällen als eine Folgeerscheinung von Hernienope- 
rationen, die vor Jahren vorgenommen und glatt verlaufen waren, 
chronisch entzündliche, zum Teil überaus mächtige Bauchdeckenge- 
schwülste beobachtet, die klinisch in vielen Richtungen echten, und 
zwar bösartigen Geschwülsten glichen. Einer dieser Fälle (aus dem 
Jahre 1904) wird hier mitgeteilt. 

Radikaloperation einer rechtsseitigen Leistenhernie vor 6 Jahren. 
Glatte Heilung, keine Ligatureiterung, auch später keinerlei Störung 
seitens der Narbe. Die Geschwulst entwickelte sich 51/, Jahre später 
ganz allmählich, machte lokal keinerlei nennenswerte Beschwerden. 
Nur das Allgemeinbefinden ging zurück; der Kranke magerte ab. 

Die Geschwulst gehörte den tieferen Schichten der Bauchdecken 
im rechten unteren Quadranten des Abdomens an, war doppelt faust- 
groß, von unregelmäßiger, knolliger Form, sehr hart, nicht druckemp- 
findlich. Unter Bettruhe und Kataplasmenbehandlung verkleinerte sie 
sich ein wenig, wurde etwas weicher und schließlich an einer Stelle 
druckempfindlich. Die Spaltung des aus einer dicken Bindegewebs- 
schwarte bestehenden Tumors führte nun auf einen kleinen Abszeß, 
in dem ein Seidenfaden schwamm. 

Die Krankengeschichten der übrigen Fälle sind ähnlich. In allen 
Fällen war bei der Hernienoperation Sublimatseide verwendet worden. 
Im Abszeßeiter, der in mehreren Fällen untersucht wurde, fanden 
sich Kokken vom Typus der pyogenen Staphylokokken. Zweifellos 
handelte es sich also um nichts anderes als um eine ungewöhnliche 
Form der Ligatureiterung. 

Es ist bekannt, daß chronische, nicht spezifische Entzündungs- 
prozesse an den verschiedensten Körperstellen zu Verwechslungen mit 
echten Geschwülsten Anlaß geben. Auch daß solche Prozesse durch 
versenkte Seidennähte hervorgerufen wurden, findet man gelegentlich 
in der Literatur beschrieben. Mehrmals wurden die betreffenden Ge- 
schwülste auf Grund einer irrigen Diagnose total exstirpiert, und erst 
nachträglich der schuldige Seidenfaden entdeckt. 

Die Exstirpation sollte aber bei Bauchdeckengeschwülsten solcher 
Art vermieden werden, weil sie jedesmal einen großen Eingriff dar- 
stellt und einen erheblichen Defekt in den Bauchdecken setzt. Die 
einfache Spaltung des kleinen Abszesses im Innern der Geschwulst 
genügt vollauf. Allerdings mag die Freilegung dieses Abszesses auf 
Schwierigkeiten stoßen, wenn, wie dies häufig vorzukommen scheint, 
ein winziger Abszeß in einem sehr großen Tumor verborgen ist. Durch 

Chirurgen-Kongreß 1008. 8 


— 114 — 


Ausschaltung jeder mechanischen Zerrung an der Geschwulst bei 
kompletter Bettruhe gelingt es aber, die Mehrzahl dieser entzündlichen 
Tumoren zu deutlicher Verkleinerung zu bringen, ein Umstand, der 
auch diagnostisch verwertet werden kann. Wenn zudem noch durch 
eine energische Kataplasmenbehandlung die eitrige Gewebseinschmel- 
zung begünstigt, der Abszeß also vergrößert wird, so dürfte dann das 
Auffinden des letzteren in keinem Falle auf nennenswerte Schwierig- 
keiten mehr stoßen. (Selbstbericht.) 


Diskussion. 


H. Küttner (Breslau): Ich möchte bei dieser Gelegenheit auf 
die nach Appendicitis entstehenden chronisch entzündlichen 
Bauchdeckentumoren hinweisen. Die drei Fälle, welche ich ge- 
sehen habe, riefen klinisch ganz den Eindruck von typischen Desmoiden 
hervor, eines paßte jedoch nicht in dies Krankheitsbild: die Pat. waren 
sämtlich ältere Männer. Nur in einem Falle hatte der ganz schmerz- 
lose Tumor seinen Sitz in der Ileocoecalgegend, und gerade hier wies 
nichts in der Anamnese und im Befunde vor der Operation auf eine 
Appendicitis hin, obwohl der chronisch entzündete Wurmfortsatz den 
Bauchdecken adhärent war. In den beiden anderen Fällen waren 
appendicitische Erscheinungen voraufgegangen, doch saß der Tumor 
einmal dicht unter dem rechten Rippenbogen, das andere Mal in der 
linken Unterbauchgegend. In diesen beiden Fällen enthielt die all- 
seitig in den Bauchdecken gelegene, vollkommen reizlose Geschwulst 
einen kleinen zentralen, von schwartiger Muskulatur umgebenen Ab- 
szeß. Die Operation bot keine Schwierigkeiten; bei dem Tumor in 
der Ileocoecalgegend wurde der erkrankte Wurmfortsatz mit entfernt, 
bei der Geschwulst in der linken Unterbauchregion war die Rekon- 
valeszenz durch Ausbildung einer kleinen spontan heilenden Kotfistel 


verzögert. (Selbstbericht.) 


Bakes (Trebitsch; berichtet über einen Fall, der dem von 
Schloffer beschriebenen ähnlich war. Er hat bei diesem eine ein- 
greifende Operation vorgenommen, die sich dann später als überflüssig 
herausstellte, da sich in der Mitte der exstirpierten Geschwulst einige 
in wenig Eiter eingebettete Ligaturen fanden. 


Braun /Göttingen) fragt, ob die Geschwülste mit dem Netz ver- 
wachsen waren, da er glaubt, daß derartige entzündliche Geschwülste 
auch von Netzunterbindungen ihren Ausgang nehmen können. 


F. Franke (Braunschweig) weist darauf hin, daß auch ohne 
Eiterung solche Geschwülste in der Muskulatur entstehen können 
unter Wucherung derselben, und führt einen Fall an, in dem sich in 
der Harnblasenwand um einen nach einer Schenkelbruchoperation in 
sie eingewanderten Seidenfaden ein förmliches Myom gebildet hatte, 
und einen anderen interessanten Fall, in dem sich als Ursache eines 
als Desmoid diagnostizierten Tumors des schrägen Bauchmuskels eine 
aus dem Uterus dahin gewanderte, in seiner Wand mit einem Ende 


—— 1) — 


noch steckende dünne, 12—13 cm lange Spalte eines Strohhalms fand 
(krimineller Abort?). (Selbstbericht.) 


Schlange (Hannover) hat eine derartige Geschwulst nach Appen- 
dicitisoperation beobachtet. Er hält die Mitteilung der vorausgegan- 
genen Beobachtungen für äußerst wertvoll, da vielleicht dadurch ein- 
greifende Maßnahmen sich häufig vermeiden lassen. 


Hoffmeister (Stuttgart) berichtet über mehrere von ihm beob- 
achtete Fälle. Bei zwei von ihnen waren Netzverwachsungen vor- 
handen. 


Schloffer: Stenosenerscheinungen von seiten des Darmes haben 
bei seinen Fällen gefehlt. In dem einen der Fälle konnte mit Sicher- 
heit festgestellt werden, daß keine Netzverwachsungen vorhanden 
waren, im zweiten war bei der vorausgegangenen Bruchoperation sicher 
keine Netzligatur angelegt worden. Lichtenauer (Stettin). 


61) A. Brenner (Linz), Nabelbruchoperation mit Lappen- 
doppelung. 


Im Vergleiche mit den Leisten- und Schenkelhernien beruht die 
Statistik der Nabelhernien noch auf kleinen Zahlen, wie die Zusammen- 
stellungen von Berger, Pott und mir zeigen. 

Berger (Paris 1897) untersuchte Individuen 

8274 H. i. 1250 H. crur. 1099 H. u. 


Verhältniszahl 80 : 12 : 11 
Pott (1903) Sammelstatistik operierter Hernien 
4066 424 86 
100 : 10 À 2 
Brenner (Linz) eigene Statistik operierter Individuen 
2325 321 66 
8&0 á: 10 : 2 


Die Berichte der einzelnen Chirurgen stützen sich auf noch weniger 
Fälle, die nach bestimmten Methoden operiert wurden — so führt 
Kraus aus der Klinik Bruns’ nur 30 Fälle ins Treffen und Busse 
aus der Klinik v. Eiselsberg’s in Königsberg nur 17 Fälle, die 
nach Condamin-Bruns behandelt wurden. Mayo hat 35 Fälle 
nach seiner Methode operiert. 

Für die Feststellung der Dauerheilungen vermindern sich die 
Zahlen von Kraus und Busse noch auf 22 bzw. 14, und die Statistik 
der Dauererfolge ändert sich je nach der Größe der Hernien, die der 
einzelne Chirurg operiert hat. 

. Busse hat diese Frage in sehr glücklicher Weise aufgerollt, in- 
dem er die 57% Dauererfolge der Condamin-Bruns’schen Methode 
auf 3 Gruppen von Hernien aufteilte und zeigte, daß man 

bei den kleinen Brüchen (haselnuß- bis walnußgroß) 100% Dauer- 
heilung erreichen kann; 

g* 


— 116 —— 


bei den mittleren /apfel- bis gänseeigroß) 50%, 
daß aber 

bei den großen (doppelfaust- bis mannskopfgroß' nur mehr 25% 
zu erreichen waren. 

Wer also nur kleine oder kindliche Nabelhernien operiert, wird 
ideale Dauerheilungen erzielen. Für diese kleinen Nabelhernien ge- 
nügen aber die einfache quere Knopfnaht, wie sie Kocher empfiehlt, 
oder die Omphalektomie nach Condamin-Bruns oder die neuerlich 
von v. Baracz sehr warm empfohlene, leicht ausführbare und sehr 
gefällige Operation nach Mayo oder eine der vielen bisher geübten 
Methoden, auf die ich wegen Mangel an Zeit hier nicht eingehen will. 

Mit der Größe des Bruches wächst auch die Größe der Opera- 
tion und dürfte in der von Graser in 4 Fällen angewendeten Me- 
thode, die bis zu 3 Stunden dauerte, den Höhepunkt erreicht haben. — 
Aber die Statistik der Radikaloperation der Nabelhernien muß auf 
die Gruppe der mittleren und großen Hernien aufgebaut werden, und 
hier müssen die Methoden in Wettbewerb treten, welche allen — auch 
den größten Hernien gewachsen sind. 

Es kommen für die großen und einen Teil der mittleren Hernien 
überhaupt nur die plastischen Operationen in Betracht — denn das 
Exzidieren des Nabels und das Herstellen sogenannter anatomischer 
Verhältnisse verringert den Bauchumfang und macht ihn zu klein 
für den durch das Mesenterialfett zu groß gewordenen Bauchinhalt. 
Mit Recht fordert daher Busse, daß zuerst der zu Operierende einer 
Entfettungskur unterzogen werde, damit man nach der Omphalektomie 
die Bauchwunde vereinigen könne, und daß zweitens der Öperierte 
sich einer solchen Lebensweise befleißige, daß nicht später wieder der 
anwachsende Bauchinhalt die Narbe sprenge. Nur die plastischen 
Operationen tragen dem vermehrten Bauchinhalt und dem größeren 
Bauchumfange Rechnung und erleichtern den Erfolg der Radikal- 
operation. — Ich will die einzelnen Plastiken, die Heteroplastiken mit 
Drahtnetz nach Witzel und die Muskelplastiken verschiedener Autoren 
hier nur erwähnen; heute neigen sich die Chirurgen mehr nach der 
Seite der Aponeurosenplastik, und im besonderen nach der aus den 
vorderen Rectusscheiden. 

Nable hat 1897 eine H. epigastrica, Bessel-Hagen 1900 eine 
unter dem Nabel gelegene H. ventralis durch Lappen, aus beiden 
vorderen Rectusscheiden gedeckt, die in der Mittellinie vernäht 
wurden. 

Heinrich hat schon 1900 zur Behebung eines großen Bauch- 
wandbruches in der Mittellinie einen halbmondförmigen Lappen aus 
der rechten Rectusscheide über die Mittellinie nach links hinüber- 
geschlagen und an dem Innenraum der linken Rectusscheide vernäht. 
Er hat also als erster die Mittelebene überbrückt. 

Caten hat dann 1907 in 7 Fällen die Bruchpforte durch einen 
rechteckigen Lappen aus der vorderen Rectusscheide der einen Seite 
gedeckt. 


— 11 — 


Wullstein hat 1906 für postoperative Bauchbrüche eine 
Doppelung der Rectusscheide vorgeschlagen, indem er die eine Hälfte 
der vorderen und die andere Hälfte der hinteren Rectusscheide ent- 
nimmt und links mit rechts vernäht, so daß in der Mittellinie zwei 
Aponeurosenplatten sind, die Nähte aber seitlich liegen. 

Endlich hat Wreden 1906 eine Methode angegeben, die wahr- 
scheinlich identisch ist mit der hier mitzuteilenden; er hat sie in 
8 Fällen von H. u. angewandt. Erst nachdem ich schon 2 Fälle nach 
Heinrich mit einfachem Lappen und 4 Fälle mit gedoppelten Lappen 
operiert hatte, kam mir das Referat im Zentralblatt für Chirurgie 
1906 (Oktoberheft) zu Gesicht; die Originalarbeit im Russki Wratsch 
1906 ‚konnte ich mir nicht zugänglich machen. Die Operation gestaltet 
sich folgendermaßen : 


Ohne besondere Vorbereitungskur wird in Narkose oder besser 
noch in Lumbalanästhesie der Bruchsack in der Mittellinie um- 
schnitten, ausgelöst, sein Inhalt in entsprechender Weise versorgt, die 
Bruchpforte zumeist in querer Richtung vernäht. Nun wird der 
Schnitt in der Haut und Fettschicht bis zur Magengrube und zur 
unteren Bauchfurche verlängert, das elliptische Feld zwischen den 
beiden Rectusrändern wird durch flache Messerzüge freigelegt und 
die Innenränder der Recti aufgesucht. Weiter wird das Fettgewebe 
beiderseits von der vorderen Rectusscheide so weit abgelöst, daß man 
aus jeder Rectusscheide einen halbmondförmigen Lappen ausschneiden 
kann, dessen Höhe ungefähr gleich ist dem Abstande der beiden Recti 
und dessen Enden dort liegen, wo die Recti oben und unten wieder 
in der Mittellinie zusammentreffen. Diese Lappen werden gegen die 
Mittelebene umgeschlagen und übereinander vernäht. 

Zu beiden Seiten dieses nunmehr aus 3 Aponeurosenblättern be- 
stehenden elliptischen Feldes liegen die Mm. recti in breiter Fläche 
bloß, aber sie stehen mit ihren Gefäßen und Nerven in Zusammen- 
hang wie zuvor und überziehen sich mit einer Bindegewebsnarbe. 

Die Nachuntersuchungen der so operierten Frauen ergab, daB 
der Verlust der vorderen Rectusscheide der Festigkeit der Bauchwand 
keinen Eintrag tat, da ja noch die hintere Rectusscheide da ist und 
die Muskelmasse der Recti, die an dem verstärkten Mittelfelde nun- 
mehr feste Anhaltspunkte haben. 

Die Endresultate der Operation sind vollkommen befriedigend. 
Von den 12 Frauen mit H. umb. hatten 

kleinere Brüche (walnußgroß) 1, 
mittlere »  (apfel- bis gänseeigroß) 6, 
große » (doppelfaust- bis kindskopfgroß) 5. 
Alle sind 3%/,—21,, Jahre geheilt geblieben, also Dauerheilungen 100%. 

Auch Herniae epigastricae und postoperative Bauchwandbrüche 
wurden mit Erfolg in dieser Weise operiert, so daß die Gesamtzahl 
24 beträgt. Zur Erläuterung der Dauerresultate reiche ich die Ab- 
bildungen einiger Frauen herum. 


— 118 — 


Erstens einer Frau vor der Operation. Die Seitenansicht zeigt, 
daß der Nabelbruch im Scheitel der eiförmigen Vorwölbung des ganzen 
Bauches liegt. Auf der Vorderansicht sieht man, daß der Bauch dieser 
dicken Frauen durch die Einziehung der Mittellinie eine herzförmige 
Gestalt bekommt, die auch bei den Öperierten mehr oder weniger ` 
deutlich zutage tritt und dort als Ausdruck der Nachgiebigkeit der 
Rectusgegend gedeutet werden könnte. 

Ich habe aber schon erwähnt, daß ja noch die hintere Rectus- 
scheide und die Muskulatur der Recti der Ausdehnung Widerstand 
leistet; ich habe auch eine Frau, die ich am 23. Mai 1906 mit nur 
einseitigem Lappen operiert habe, nachuntersucht und konnte zwischen 
rechts und links keinen Unterschied in der Festigkeit der Bauch- 
wand finden. 

Sehr deutlich ist dieses ballonartige Vorwölben der Bauchwand 
bei der Frau Z., die sehr wenig Fett und sehr schlaffe Bauchdecken 
hat. Aber auch hier fühlt man, wenn sich die Frau aus der horizon- 
talen Rückenlage aufrichtet, die Spannung der Recti und der zwischen 
ihnen gelegenen Aponeurosen. 

Schließlich reiche ich noch die Abbildungen einer 125 kg schweren, 
155 cm hohen Frau mit 150 cm Bauchumfang herum. Die Frau wurde 
am 19. November 1903 wegen inkarzerierter gangränöser Nabelhernie 
operiert; sagittale Naht der Bruchpforte. 

Am 6. September 1906 kam sie wegen neuerlicher Schmerzen in 
dem wieder entstandenen Bruche. Bei der Operation fanden sich 
2 Bruchsäcke und 2 Bruchpforten. Nach Spaltung der Zwischen- 
wand entstand eine handbreite Spalte in der vorderen Bauchwand, 
die in querer Richtung vernäht wurde, worauf die Deckung mit dem 
gedoppelten Lappen erfolgte. Die Frau ist wie die anderen voll- 
kommen geheilt, arbeitsfähig und trägt keinerlei Binde. 

'Selbstbericht.) 
Diskussion. 


Wullstein (Halle a. S.) weist darauf hin, daß er bei seiner vor 
2 Jahren mitgeteilten Methode, die im Prinzip fast völlig, in der 
Technik allerdings nicht völlig identisch mit der Brenner’schen ist, 
zwei Schwächen der Brenner’schen Methode vermieden habe. 

Brenner nämlich entnimmt beide Aponeurosenlappen, die er zur 
Lappendoppelung braucht, den vorderen Rectusscheiden und läßt an der 
Stelle der Entnahme derselben einen Defekt zurück; außerdem bringt 
er beide Aponeurosenlappen ungefähr in der Mittellinie oder doch 
jedenfalls unweit derselben fast in derselben Sagittalebene wie die 
Mm. recti zur Vernähung. W. läßt dagegen an der Stelle der Ent- 
nahme keinen Defekt und bringt die beiden Aponeuroselappen und 
die Mm. recti so zur Vernähung, daß die drei Nahtlinien in weit von- 
einander entfernten Sagittalebenen gelegen und dachziegelförmig durch 
die erwähnten Aponeuroselappen bzw. die Mm. recti gedeckt sind. 

Gerade von dem Defekt in der Rectusscheide meint W., daß er 


—— 119 —— 


schließlich eine hernienartige Ausstülpung des M. rectus aus demselben 
zur Folge haben werde. ‚Selbstbericht.) 


Martin (Köln) hat das Bedenken, daß die doppelte Fascienplatte 
ohne Muskeldeckung dem intraabdominalen Druck nicht widersteht. 
Er empfiehlt die Graser’sche Methode. 


Heidenhain (Worms) empfiehlt gleichfalls die Graser’sche 
Methode. 


Sprengel (Braunschweig) teilt die Bedenken Wullstein's und 
empfiehlt die Uberklappmethode nach Mayo. 


Bier (Berlin) verweist auf die Methode von Lucas-Cham- 
pionnière. Er stülpt die Fascie durch eine Art Lembertnaht nach 
innen ein und verdoppelt sie hierdurch. 


Brenner (Stuttgart) hält seine Methode für besser als die von 
Wullstein, da die Bauchhöhle schnell geschlossen wird. Die ein- 
fache Naht (Bier) wird bei großen Hernien nicht halten. Schädi- 
gungen durch die Bloßlegung der M. recti hat er nicht gesehen. Mit 
den Dauerheilungen ist er zufrieden. Lichtenauer (Stettin). 


` 


62) Th. Rovsing (Kopenhagen). Gastro-Duodenoskopie und 
Diaphanoskopie. 


Die Methode ist für die recht häufigen Fälle berechnet, wo der 
Chirurg noch bei der Operation, wenn er den Magen zur direkten 
Inspektion und Palpation vor sich liegen hat, ohne sichere Diagnose 
dasteht. 

Das Gastrokop wird durch eine kleine, 1 cm breite Inzision an 
der Vorderfläche des Magens, dicht oberhalb der großen Kurvatur 
und beinahe mittwegs zwischen Pylorus und Fundus, eingeführt. Es 
ist einem sehr vergrößerten Nitze’schen Gastroskop ähnlich, aber 
(s. Fig.) mit einer Vorrichtung zum Lufteinblasen versehen. Der 
Schnitt wird so klein gemacht, daß das Instrument ihn luftdicht 
schließt. Ist er zu groß ausgefallen, so muß er durch eine Tabaks- 
beutelsutur um das Gastroskop zusammengezogen werden. Die Unter- 
suchung besteht nun aus zwei Teilen: 1) der Diaphanoskopie und 
2) der eigentlichen Gastroskopie. 

1) Diaphanoskopie. Sobald die Lampe in dem aufgeblasenen 
Magen zum Leuchten gebracht wird, sieht man diesen als eine nach 
allen Seiten leuchtende Kuppel, in deren Wand alle anatomischen 
Details erstaunlich scharf hervortreten: die Gefäße, der Verlauf der 
Muskelfasern in den verschiedenen Lagen usw. Um eine schöne Total- 
durchleuchtung zu bekommen, muß die J,ampe mitten in dem Magen ange- 
bracht und das Licht im Operationszimmer gedämpft oder gelöscht wer- 
den. Eine Gastritis gibt sich gleich kund durch die von stark rosa 
bis zu tief blaurot schwankende Farbe der Wand und durch das dichte 


— 120 —— 


Gefäßnetz. Tumoren zeigen sich als dunkle diffuse Schatten auf der 
im übrigen klaren Magenwand. Im scharfen Gegensatz hierzu zeigen 
die tiefen chronischen Ulcera eine zentrale porzellanartig weiße, ge- 
fäßleere Partie, die scharf gegen die umgebende dunkelrote Zone ab- 
sticht. Kleine Erosionen oder oberflächliche Schleimhautulzerationen 
zeichnen sich, wenn sie bluten oder von Blutgerinnseln bedeckt 
sind, als dunkle Flecken in der Wand, von welchen ein Blutstrom 
als ein dunkler Streif hinunter nach der großen Kurvatur strebt. 
Hat man den Magen durchleuchtet, führt man das Gastroskop 
durch den Pylorus in das Duodenum hinein, welches sich wegen der 
dünneren Wand noch schöner und kräftiger durchleuchten läßt. 





2) Gastro-Duodenoskopie. Hat die Diaphanoskopie ab- 
norme Stellen der Magenwand nachgewiesen, so betrachtet man gleich 
durch das Gastroskop die dementsprechende Schleimhautpartie; die 
direkte Beobachtung gibt dann gewöhnlich vollkommene Klarheit. Im 
Laufe weniger Minuten kann man nun eine systematische Inspektion 
der ganzen Magenschleimhaut von Cardia bis Pylorus vornehmen und 
dann Pylorus und Duodenum bis zur Papille untersuchen, wenn nicht 
eine enge Pylorusstenose die Passage des Instrumentes verhindert. 
Keine Abnormität kann sich an der ausgeglätteten Schleimhaut ver- 

“ 


— 121 —— 


bergen, Veränderungen in Pylorus und Cardia verraten sich gleich 
durch die veränderte Form der Öffnungen. 

Die Methode hat sich in 24 vom Verf. operierten Fällen gut be- 
währt; in zwei Fällen, wo Krebs oder Ulcus sich dem klinischen Bild 
als wahrscheinliche Diagnose darboten, wurde der Magen selbst ganz 
normal gefunden, eine schwere Ptose als Ursache der Leiden festge- 
stellt und Heilung durch Gastropexie erreicht. In neun Fällen wur- 
den Ulcera ventriculi unerwartet konstatiert, in drei Ulcus 
duodeni als Ursache der ganz unsicheren Symptome nachgewiesen; 
4mal wurden bösartige Neubildungen entdeckt. 

In einem von Oberarzt L. Kraft operierten Falle wurde eine 
Pat. vor Verblutung aus einer ganz kleinen, in anderer Weise nicht 
nachweisbaren Schleimhauterosion gerettet. Die Diaphanoskopie er- 
möglicht rasch die blutende Erosion zu entdecken und unschädlich zu 
machen. . 

Für retrograde.Bougieeinführung in den Osophagus bei von 
oben impermeablen Strikturen hat Verf. ein spezielles Gastroskop an- 
gegeben, welches, wie das einfache Gastroskop, bei Louis & H. Loewen- 
stein in Berlin zu erhalten ist. 

Das Gastroskop muß mitsamt Leitungsfaden und Insufflations- 
apparat durch 36stündigen Aufenthalt im Formalin- Desinfektions- 
apparat vor der Operation sterilisiert werden. 

In keinem der 25 Fälle des Verf.s ist Peritonitis eingetreten 
(5 Magenresektionen, 17 Gastroenterostomien, 3 Gastropexien, 1 Gastro- 
tomie). Nur zwei Pat. mit vorgeschrittenem Krebs sind an Lungen- 
komplikationen gestorben. (Selbstbericht.! 


Diskussion. 


K. Loening (Halle): Demonstration eines Gastroskops, welches 
von der Firma Zeiss, Jena, hergestellt wird und ein schonenderes 
Einführen dadurch gestattet, daß es in der sagittalen Richtung ab- 
geplattet ist. 


Gottstein (Breslau) hat die Methode der Gastroskopie bereits 
seit 8 Jahren als Kardioskopie ausgeübt und in zahlreichen Fällen 
mit Erfolg verwandt. Ganz besonders benutzte G. die Methode, um 
die Kontraktionen der Cardia während des Schluckaktes beim Kardio- 
spasmus zu beobachten. Er hat diese Methode nicht besonders pub- 
liziert, da sie sich mit jedem gewöhnlichen Cystoskop ohne Schwierig- 


keit von der Gastrotomiefistel aus bewerkstelligen läßt. 
(Selbstbericht.) 


63) Junghans (Liegnitz). Trichobezoar des Magens. 


J. zeigt ein Trichobezoar des Magens, das er bei einer 27jährigen 
Frau entfernte. Pat. klagte nur über ein Gefühl der Schwere ım 
Leib. Von seiten des Magens war vollständiges Wohlbefinden vor- 
handen. Nie Übelkeit, das Gefühl der Völle oder Erbrechen. Er- 
nährungszustand vorzüglich; Gewichtszunahme im letzten Jahre vor 


—— 122 —— 


der Operation 6kg. Der Befund vor der Operation war ein glatter, 
fester, runder, leicht verschieblicher Tumor unterhalb des linken Rippen- 
bogens bis Nabelhöhe. Da anamnestisch nichts zu erfahren war, 
wurde die Diagnose auf einen gutartigen Tumor (Netztumor) gestellt. 
Bei der Operation wurde ein 598g schweres Trichobezoar entfernt, 
das einen vollständigen Ausguß des Magens darstellte. Dasselbe war 
21cm lang, 11cm breit und 6cm dick. Auffallend war die Be- 
schaffenheit der Magenwand. Dieselbe war mit ca 1cm langen weiß- 
lichen Strichen übersät, die J. als subseröse Narben ansprach, ähnlich 
den Striae post partum. Die Magenwände waren nicht erschlafft, 
Funktion des Magens absolut normal. Der Durchschnitt des Tumors 
wies im Innern menschliche Haare, die äußere Schicht von ca. lcm 
dicke Borsten auf. Daraufhin gestand die Frau, von ihrem neunten 
bis zu ihrem achtzehnten Lebensjahre an den eigenen Zöpfen gekaut 
zu haben. Dann sei sie in einer Großstadtbäckerei tätig gewesen, 
woselbst sie auch Pinsel und Besenhaare abgekaut habe. Mit ihrer 
Verheiratung habe sie die Gewohnheit abgelegt. | 
Eigenartig ist noch, daß die Menschenhaare ihre natürliche Farbe 
und Durchsichtigkeit beibehalten haben, während die Borsten, die 
sämtlich weiß gewesen sind, eine tief schwarzbraune Farbe angenommen 
haben. Desgleichen sind vier Kirschkerne schwarz verfärbt, die an 
der tiefsten Stelle der kleinen Kurvatur in den Tumor eingebettet 
sind. Pat. hat nie Höllenstein oder ein derartiges Medikament er- 
halten. (Selbstbericht.) 


64) Middeldorpf (Hirschberg i. Schl.). Über Fremdkörper des 
Magens. 


Vorstellung eines 16jährigen Mädchens, dem durch Gastrotomie 
1 kg Nägel usw. entfernt wurden. Die Fremdkörper sollen seit Juni 
1907 verschluckt sein und bestanden aus 

1184 Nägeln von 3—5 cm Länge, 

192 Haken, wie sie zum Berohren der Stubendecken ver- 
wendet werden, 

128 gebogenen und 27 geraden Stecknadeln, 

79 Drähten von 11,—6 cm Länge, zumeist dünnen 
Drähten, wie sie die Buchbinder zum Heften ver- 
wenden, 

6 Nagelköpfen, 

4 Glassplittern. 

Der Magen reichte bis zur Symphyse herunter, der Verlauf nach 
der Operation war ganz reaktionslos, die Durchleuchtung am Tage 
vor der Vorstellung ergab eine Magenerweiterung ohne zurückgebliebene 
oder neu verschluckte Fremdkörper. 

Motiv: Hysterie. 

Bemerkenswert ist außer der Menge der Fremdkörper, daß alle 

den Osophagus passierten, daß keine Perforation der Magenwand ein- 


— 123 — 


trat, was auf die Masse der groben Eisennägel zurückzuführen ist, 
welche die Drahtstifte einhüllten. ‘Selbstbericht.) 


Diskussion. 


H. Küttner (Breslau): Obwohl Herr Graser seinen Vortrag über 
die Technik der Magenresektion nicht gehalten hat, möchte ich doch 
kurz über die Erfahrungen berichten, welche ich mit seinem Instru- 
mentarium gemacht habe. Ich habe die Graser’schen Instrumente 
neuerdings eingeführt und verwende sie vorwiegend am Magen, seltener 
am Duodenum. Bisher habe ich auf diese Weise 18 Magenresektionen 
ausgeführt und bin mit der Methode sehr zufrieden. Von den 18 Re- 
sezierten sind, obwohl die überwiegende Mehrzahl sehr schwierige 
Operationen mit ausgedehnten Drüsenausräumungen, Fortnahme von 
Pankreasabschnitten, Resektion von Teilen des Mesokolons durch- 
zumachen hatte, nur zwei gestorben. Von den beiden Todesfällen 
aber kann der eine der Methode nicht zur Last gelegt werden; denn 
der Exitus erfolgte nach dem vollkommenen Abschluß der Heilung 
an einer akut einsetzenden Lungengangrän, wie sie ja nach Magen- 
resektionen wegen Karzinoms gelegentlich vorkommt. Durch die 
Autopsie wurde, wie Sie an diesem Präparat erkennen können, eine 
ideale Heilung der Resektion festgestellt. So bleibt ein Todesfall 
übrig, und dieser betrifft eine sehr kachektische, gleichzeitig an Lungen- 
tuberkulose und doppelseitigen Pleuraschwarten leidende Frau mit 
einem sehr vorgeschrittenen Karzinom. Es bildete sich eine Duodenal- 
fistel aus, und die Pat. starb am 12. Tage nach der Operation an zu- 
nehmender Schwäche. Wäre ich nicht auf Grund der guten Erfolge 
in anderen ungünstigen Fällen mit der Indikation sehr weit gegangen, 
so hätte sich auch dieser Todesfall vermeiden lassen. Daß ich seit 
Verwendung des Graser’schen Instrumentariums bei meinen Resek- 
tionen keine Peritonitis mehr zu beklagen hatte, ist wohl kaum ein 
Zufall; es gelingt mit diesen Instrumenten doch besonders sicher, den 
Austritt von Magen-Darminhalt zu verhüten; günstig in dieser Be- 
ziehung wirkt auch der Murphyknopf, den ich bei Magenoperation 
ebenso schätze, wie ich ihn bei Eingriffen am Darm vermeide. Mit 
der Sicherung der Naht gehe ich sehr weit. Nach Abtragung des zu 
resezierenden Teiles mit dem Messer dicht an der Klemme und Ver- 
schorfung der Schnittfläche lege ich eine Rückstichnaht durch die Klem- 
menfenster; dann folgt nach Abnahme der Klemme eine fortlaufende 
Naht durch die gequetschte Partie, darauf eine fortlaufende Lembert- 
naht, und schließlich stülpe ich stets der Sicherheit halber namentlich 
die Nahtenden noch mit einigen Knopfnähten ein. An den gefährdet- 
sten Partien, vor allem an Cardia und Duodenum, nehme ich überdies 
sämtliches erreichbare Gewebe als Deckung zu Hilfe, Netz, selbst Gallen- 
blase, und am Duodenum stets das Pankreas, von dessen Verwendung 
ich nie einen Nachteil gesehen habe. Macht die Auslösung des Magens, 
z. B. bei verwachsenen Tumoren der hinteren Wand, große Schwierig- 
keiten, so habe ich sie mir oft dadurch erleichtert, daß ich zuerst 


— 124 — 


den Magen durchtrennt, versorgt und dann erst die weitere Auslösung 
vorgenommen habe. Die prinzipielle Verwendung der zweiten Bill- 
roth’schen Methode hat außer der leichteren Vermeidung der Infek- 
tion den Vorteil, daß man in der Ausdehnung der Resektion ganz 
unbeschränkt ist; ich habe sie aus diesem Grunde schon vor Einfüh- 
rung des Graser’schen Instrumentariums als Normalverfahren geübt. 
Ist durch besondere Kleinheit des Magenrestes die Gastroenterostomie 
erschwert, so ziehe ich die Jejunumschlinge, welche stets nach dem 
v. Mikulicz’schen Vorschlage schon vor Beginn der Resektion auf- 
gesucht und durch einen Zügel markiert wird, durch das Mesokolon 
durch, mache die Gastroenterostomie oberhalb des Mesokolon und 
leite erst dann den Magen durch den Mesokolonschlitz hindurch, an 
dessen Rändern ich ihn dann sorgfältig fixiere. Dadurch wird die 
bei ganz kleinem Magenstumpf oft schwierige hintere Gastroentero- 
stomie sehr erleichtert. (Selbstbericht.) 


65) Rubritius (Prag). Die Erfolge der chirurgischen Be- 
handlung gutartiger Magenerkrankungen. 


Das Thema, über welches ich sprechen will, ist vor diesem Forum 
schon oft behandelt und durch die längere Diskussion, welche auf dem 
Ohirurgenkongreß des Jahres 1906 dem Vortrage Krönlein’s folgte, 
gewissermaßen dahin abgetan worden, daß mit ziemlicher Übereinstim- 
mung die Gastroenterostomie als das Normalverfahren bei der chirur- 
gischen Behandlung gutartiger Magenerkrankungen hingestellt wurde. 

Wenn ich nun heute dennoch wieder dieses Kapital behandeln 
will, so hat dies seinen Grund einzig und allein darin, daß ich in der 
Lage bin, ihnen an der Hand eines großen Materials über eine ganze 
Reihe von nachuntersuchten Kranken berichten zu können, bei denen 
die Operation 13 Jahre bis 5 Monate weit zurückliegt. Es ist mir 
möglich, über die Dauerresultate bei 71 Kranken zu berichten, welche 
teils von mir selbst, teils von den Hausärzten nachuntersucht wurden, 
bei denen nicht nur der objektive Befund aufgenommen, sondern in 
den meisten Fällen auch die sekretorische Funktion des Magens geprüft 
wurde. Aus dem Ergebnis dieser Untersuchungen kann ich einige 
für unser operatives Vorgehen bei der Behandlung gutartiger Magen- 
erkrankungen vielleicht wichtige Schlüsse ableiten. 

Insgesamt wurden 96 Fälle operiert, 7mal wurde die Resektion des 
Geschwürs, 7mal die Pyloroplastik, 33mal die Gastroenterostomia anterior 
42mal die Gastroenterostomia posterior, 3mal die Y-förmige Gastroen- 
terostomie nach Wölfler-Roux, einmal die Gastrolyse und 3mal 
die Probelaparotomie vorgenommen. Die Mortalität bei den Resek- 
tionen beträgt 14%, bei den Gastroenterostomien 12,5%, die Gesamt- 
mortalität 13,5%. Das gesamte Material ist gruppiert nach: 1) cal- 
lösen Geschwüren, 2) blutenden Geschwüren, ohne Infiltration, 3) nar- 
bigen Pylorusstenosen, Fällen von 4) Perigastritis und 5) Pylorospasmus, 


— 1253 —— 


Bei 71 Pat. konnten die Dauererfolge ermittelt werden. Von diesen 
sind 38 vollkommen geheilt und beschwerdefrei, 9 sind gebessert, 7 un- 
geheilt; bei 6 Fällen kam es zur Karzinomentwicklung auf der Basis 
des Ulcus, 3mal beobachteten wir die Entstehung eines Ulcus pepticum 
jejuni immer nach Gastroenterostomia anterior. 6 sind an unbekannten 
Krankheiten oder Lungenphthise gestorben, bei 2 Fällen handelte es 
sich um hysterisches Erbrechen. 

Bei den 9 »gebesserten« Fällen ergab die Magensaftuntersuchung 
entweder Milchsäure in geringer Menge oder starke Hyperazidität. 
Bei vielen Fällen war außerdem noch eine beträchtliche Magendila- 
tation zu konstatieren. Die Fälle, bei denen Milchsäure gefunden 
wurde, sehen alle gut aus und sind frei von Beschwerden, es deutet 
also dieser Befund nicht etwa auf Karzinom, sondern vielmehr auf 
eine Stagnation und Zersetzung der Ingesta im Magen. 

Auch wir haben in den meisten Fällen benigner Magenaffektionen die 
Gastroenterostomie als das Normalverfahren angewendet (80 Gastroen- 
terostomien gegenüber 16 anderen Operationen). Wir erzielten 53,5% 
Heilungen, 12% Besserungen, beobachteten bei 8% von den nachunter- 
suchten Fällen das Auftreten von Ulcus carcinomatosum und hatten bei 
10% der Fälle keinen Erfolg. Im Vergleiche mit anderen Berichten 
haben wir eine etwas geringere Heilungsziffer erreicht. Wir haben ferner 
an unseren Fällen die Erfahrung gemacht, daß die Gastroenterostomie 
nicht immer. imstande ist, die motorische Insuffizienz des dilatierten 
Magens vollständig zu beheben und die geänderten Aziditätsverhält- 
nisse wieder zur Norm zurückzuführen. 

Die Prozentzahl der malignen Entartung benigner Magenerkran- 
kungen beträgt nach Hauser 5—6%. Es ist daher die Zahl 8 für 
unsere Fälle eine verhältnismäßig hohe zu nennen. Angesichts dieser 
Tatsache müssen wir uns die Frage vorlegen, ob wir denn nament- 
lich bei dem callösen Ulcus — und dies kommt ja für die ma- 
ligne Entartung in erster Linie in Betracht — mit der einfachen 
Grastroenterostomie immer das Richtige tun. Ich glaube, wir sollten 
doch häufiger zur Resektion greifen, und dies namentlich bei jenen 
Fällen, bei welchen die Resektion keine allzu großen technischen 
Schwierigkeiten bietet. (Selbstbericht!. 


66) Cred6 (Dresden). Gastroenterostomia caustica. 


Vortr. berichtet, daß er sich schon lange mit Versuchen beschäf- 
tige, eine Verbindung von Magen und Darm in der Weise herzustellen, 
daß bei der Operation der Magen und der Darm geschlossen bleiben 
und sich erst einige Tage nach dem Eingriff die Öffnungen bilden. 
Wenn sich dies erreichen lasse, so sei die Operation viel ungefährlicher, 
und Arzte und Kranke würden sich zeitiger zu derselben entschließen, 
was prognostisch von großer Bedeutung sei und dem Kranken eine 
Periode schweren Siechtums ersparen kann. C. glaubt, daß er auf 
diesem Wege jetzt zu einem brauchbaren Resultat gekommen ist, da 


— 126 —— 


es sich bis jetzt bei 8 Kranken, die alle ganz reaktionslos heilten, 
vollkommen bewährt hat. Zur Erläuterung seiner Operationsmethode 
zeigt er Photographien und Präparate. In der Literatur hat er von 
einem derartigen Vorgehen am Menschen nichts finden können, wenn 
auch Wullstein bei Tierexperimenten von ähnlichen Gedanken ge- 
leitet war. 

Die Operation vollzieht sich wie folgt: Nach gründlicher anti- 
septischer Vorbereitung Bauchschnitt im äußeren Teile des M. rectus, 
Hervorziehen des Magens und Herausholen einer geeigneten Dünn- 
darmschlinge. C. hält die Gastroenterostomia anterior retrocolica für 
die zweckmäßigste Methode, doch läßt sich nach seinem Vorgehen 
jede Modifikation ausführen. Durch das Mesenterium der Dünndarm- 
schlinge wird, diese umschließend, ein starker Seidenfaden gezogen, 
um sie festzuhalten. Etwa 3—4 cm oberhalb der großen Kurvatur 
und 1 cm vom Mesenterialansatz des Dünndarmes wird mit einem 
langen Faden dünner Silberseide oder Silbercatgut Magen und Darm 
flach bogenförmig mit tiefgreifenden, weiten Stichen in überwändlicher 
Naht (Leichennaht) fest vereinigt, in der Länge von etwa 5—6 cm. 
Damit die Naht sich nicht verschiebt, werden die Fadenenden an 
ihrem Austritt mit je einem Pean festgehalten. Nun wird die 
Magenwand mit dem breiten Ansatz des Paquelin mit scharfer Be- 
grenzung in dem Umfange von etwa 2 cm Länge und 1,5 cm Breite 
verkohlt (bei Magenerweiterung etwas größer), jedoch so, daß die 
Mucosa wohl etwas verschorft, aber nicht zerstört oder eröffnet, wird, 
was ganz leicht nach einiger Übung auszuführen ist. Sollte eine kleine 
Öffnung in derselben entstehen, so wird dieselbe durch eine Naht ge- 
schlossen, oder wenn diese nicht halten sollte, was Vortr. noch nicht 
passiert ist, offen gelassen, da die ringförmige Naht so fest schließt 
und so rasch verwächst, daß später nichts in die Bauchhöhle gelangen 
kann. Im Rande der locheisenartig gebrannten Stelle erkennt man 
deutlich linienförmige Striche, die die Serosa und die Muscularis 
hinterlassen haben. Die Umgebung der gebrannten Stelle ist durch 
die ausstrahlende Hitze des Paquelin in den Zustand einer leichten 
Verbrennung ersten Grades gebracht worden, die zu rascher und 
fester Verwachsung außerordentlich befähigt und das Bauchfell matt 
erscheinen läßt. Nun wird die korrespondierende Stelle der Dünn- 
darmwand etwas vorsichtiger gebrannt, aber auch so, daß die Schleim- 
haut lebensunfähig gemacht wird. Darauf wird der Darm an den 
Magen angelagert und in Bogenlinie, wieder mit etwa 1,5 cm Abstand 
von der gebrannten Stelle, die Naht vollendet und das Fadenende 
mit dem Fadenanfang verknotet. In 10 Minuten ist die ganze Ope- 
ration vollendet. Die Nahtlinie wird mit Collargolstreupulver bestäubt 
und alle Magen-, Darm- und Netzteile, welche der Luft ausgesetzt 
waren, reichlich mit 1%iger Collargollösung prophylaktisch be- 
gossen und versenkt. Die Bauchhöhle wird vollkommen geschlossen. 

Der Vorteil dieser jedenfalls sehr einfachen Methode liegt erstens 
in der Schnelligkeit der Ausführung, zweitens in der Unmöglichkeit, 


— 127° —— 


die Bauchhöhle und die Finger mit Magen- oder Darminhalt zu be- 
schmutzen, drittens in der einfachen, bequemen und einzigen Naht, 
viertens in der durch die leichte Verbrennung bedingten, ganz über- 
raschend schnellen und flächenhaften Verwachsung von Magen und 
Darm, und fünftens in der Möglichkeit, die Ernährung durch den 
Magen nach der Operation fortzusetzen. In der Regel am 5. Tage 
tritt nach Abstoßung der nekrotischen Stücke des Magens und des 
Darmes die volle Verbindung ein. In derselben Weise kann auch 
Darm mit Darm seitlich vereinigt werden. Die leichte Verbrennung 
der Serosa empfiehlt sich weiter z. B. bei Magenfistelbildung, bei 
Ventrofixatio uteri usw. zwecks Erzielung breiter, fester Verwach- 
sungen. (Selbstbericht.) 


67) Neuhaus (Berlin. Funktionelle Magenuntersuchungen 
hinsichtlich der Früh- und Spätresultate nach Gastroentero- 
stomie. 


Funktionelle Magenuntersuchungen, welche an 17 Pat. mit Gastro- 
enterostomia anterior antecolica angestellt worden sind, haben ergeben, 
daß in der ersten Zeit (mehrere Monate) nach der Operation konstant 
nach einem Probefrühstück sich nicht nur Galle, sondern auch Pan- 
kreassekret im Magen nachweisen läßt. Lag der Zeitpunkt der Opera- 
tion weiter zurück, so ließ sich eine bemerkenswerte Differenz fest- 
stellen. Ein Teil hatte dauernd (bis zu 5 Jahren) nach einem Probe- 
frühstück Galle und Pankreassekret im Magen, während bei einem 
anderen Teil der Untersuchten sich die beiden Drüsensekrete trotz 
wiederholt vorgenommener Kontrolluntersuchungen nicht nachweisen 
ließen. Diese Differenz ist folgendermaßen zu erklären: Bei der ersten 
Gruppe (mit Galle und Pankreassekret im Magen) ist die Anastomose 
offen geblieben; bei der zweiten Gruppe ist sie funktionell — nicht 
anatomisch — ausgeschaltet. Diese funktionelle Ausschaltung kommt 
durch drei Momente zustande: 1) durch mehr oder minder hochgradige 
Narbenschrumpfung an der Anastomosenstelle an sich; 2) durch Ver- 
kleinerung der Anastomosenstelle, welche mit Verkleinerung des ganzen 
dilatierten Magens durch allmähliche Beseitigung der Dilatation und 
Atonie des Magens Hand in Hand geht; der Mageninhalt benutzt 
wieder den Pylorus als Austrittsstelle anstatt der Anastomose; 3) durch 
den bei der sehr mobilen Magenschleimhaut leicht möglichen Schleim- 
hautprolaps an der Anastomose, in Verbindung mit der das ganze 
Hohlorgan beim Verdauungsakt verkleinernden Muskelkontraktion, 
wobei besonders die Längsmuskeln in Betracht kommen. 

Daß die Anastomose dauernd offen bleibt, kann verschiedene 
Gründe haben: 


1) Die Anastomose ist von vornherein sehr groß angelegt worden. 
2) Die Dilatation und Atonie des Magens war zur Zeit der Opera- 
tion nicht sehr stark ausgebildet. 


— 128 — 


3) Der Pylorus ist in irgend einer Weise — operativ oder durch 
Narbenstränge — dauernd unpassierbar, so daB der Mageninhalt allein 
auf die Anastomose angewiesen ist. 

Die Beimengung von Galle und Pankreassekret zum Mageninhalt 
hat niemals irgendwelche nachweisbare Schädigung für den Gesamt- 
organismus zur Folge gehabt. (Selbstbericht.) 


68) Moszkowicz (Wien) berichtet über »aseptische Darm- 


operationen«, d. h. Operationen am Magen und Darm, bei denen 
das Darmlumen während der Naht nicht zu Gesichte kommt. Demon- 
stration des Instrumentariums, Beschreibung der Technik an der Hand 
von Wandtafeln, welche die Phasen der Operation veranschaulichen. 
Es handelt sich um eine Fortbildung der von Rostowzew vor einem 
Jahre im Archiv für klinische Chirurgie vorgeschlagenen »aseptischen 
Darmnaht«. Diese Methode hat wohl nur deshalb bisher keine Nach- 
ahmung gefunden, weil Instrumentarium und Technik noch nicht voll- 
kommen ausgebildet waren. Sie unterscheidet sich vorteilhaft von 
allen übrigen vorgeschlagenen Verfahren dadurch, daB die Operation 
wirklich aseptisch verläuft, und daß nach beendeter Darmnaht die 
Kommunikation der Därme sicher hergestellt ist. 

M. schlägt folgende Technik vor. Der Darm wird ober- und 
unterhalb der erkrankten Partie mit einer Quetsche quer durch- 
gequetscht. Die Quetsche enthält in ihrem Innern zwei Paare von 
dünnen Stäbchen, deren Enden aus der Quetsche hervorragen und mit 
kleinen Ringen zusammengefaßt werden. Dadurch verwandeln sich 
die Stäbchen in einfache Darmklemmen. Sie bleiben nach Abnahme 
der Quetsche liegen und werden, um ein Abgleiten der Stäbchen ganz 
sicher zu verhindern, durch besondere »Haltezangen« zusammengedrückt. 
Der Darm wird zwischen den Stächen mit dem Thermokauter durch- 
trennt. Die erkrankte Darmpartie, durch Stäbchen hermetisch ge- 
schlossen, wird reseziert. Die zurückbleibenden, mit Stäbchen ver- 
schlossenen Darmenden werden zur Anastomose gebracht, indem die 
Naht in zwei Reihen über die Stäbchen hinweg angelegt wird. Wenn 
die Naht fertig ist, werden die Stäbchen einzeln entfernt, die kleinen 
Lücken am Ende der Naht, die dann noch vorhanden sind, werden 
durch Knopfnähte geschlossen. Die Kommunikation der Lumina wird 
hergestellt, indem die Verklebung der Darmenden durch Invagination 
mit dem Finger gelöst wird. 

Seitenanastomosen und Resektionen können auf diese Weise an 
jedem Teile des Magens oder Darmes ausgeführt werden. Der Vortr. 
hat bisher ausgeführt: eine Magenresektion, zwei Kolonresektionen, 
eine Gastroenterostomie, zwei Anastomosen zwischen Ileum und Colon 
transversum. Er erwartet, daß durch ein aseptisches Vorgehen die 
Resultate der Magen- und Darmoperationen sich bessern werden, 
namentlich aber die einzeitige Dickdarmresektion wieder an Boden ge- 
winnen wird. Selbstbericht.) 


— 129 — 


Diskussion. 


Wullstein (Halle): Zur Ausführung der Darmresektion wird der 
Darm an den beiden Resektionsstellen mittels des Splanchnotrib ge- 
quetscht und nach Wegnahme des Splanchnotrib und vor der Exstirpa- 
tion des zu resezierenden Darmteiles das eine und andere Darmende 
für die Dauer der Darmnaht durch einen in der Quetschfurche um- 
gelegten, festgeknoteten Seidenfaden verschlossen. Der hierzu benutzte 
Seidenfaden hat die Dicke der stärkeren oder stärksten Seidenfäden, 
welche wir in der Chirurgie verwenden. ` 

Um diesen möglichst fest geknoteten, starken Seidenfaden nach- 
her nach vollendeter Darmvereinigungsnaht, wobei er ja mit dem An- 
legen der mehretagigen Serosa-Muscularisnaht vollständig in der Tiefe 
verschwindet, wieder entfernen zu können, lege ich zwei Seidenfaden- 
schlingen (a und b) in bestimmter Anordnung zur Öffnung des Knotens 
und eine dritte (c) zur definitiven Entfernung des Fadens ein. Die 





hierzu verwendeten Fäden müssen die Garantie geben, daß sie bei 
dem geringen nachher auszuübenden Zuge nicht reißen; sie werden 
aber im allgemeinen stark genug sein, wenn sie der zweitdünnsten 
Nummer der in der Chirurgie verwandten Seide entsprechen. Die 
Schlingen der Fäden müssen durch Einflechtung des einen Faden- 
endes in das andere, nicht etwa durch einen Knoten gebildet sein. 
Um die Schlingenfäden (a, 5, c) nachher nicht zu verwechseln, was 
sehr wesentlich ist, können wir zu ihrer Unterscheidung entweder an 
ihrem Ende einen, zwei oder drei Knoten einschlagen, oder wir lassen 
sie uns, wie ich es getan habe, in verschiedener Farbe (siehe Fig. 1 
Schlingenfaden @ = rot, b = blau, ce = gelb) gleich fertig von unserem 
Seidenlieferanten liefern. 


i Unser Lieferant ist: Instrumentenfabrikant Fr. Baumgartel-Halle a. S. 
Chirurgen-Kongreß 1908. 9 


sus. 130 ie 


Um die Anordnung der Schlingenfäden und ihren Zweck leichter 
erklären zu können, müssen wir kurz darauf hinweisen, daß ein chirur- 
gischer Knoten (Fig. 1) besteht aus einer »chirurgischen Schlinge« B 
und einer darauf gesetzten sog. »Sicherungsschlinge« A. — Durch 
Zug an dem eingelegten, roten Schlingenfaden a wird zunächst die 
Sicherungsschlinge A aufs leichteste aufzuziehen sein und ebenso nachher 
die chirurgische Schlinge B durch Zug an dem blauen Schlingenfaden 5, 
während schließlich der gelbe Schlingenfaden c nach nunmehr erfolg- 
ter Lösung des chirurgischen Knotens den dicken Seidenfaden, der 
zum Verschluß des Darmlumens diente, durch eine ganz kleine Lücke 
in der mehretagigen Serosa-Muscularisnaht definitiv entfernt. Da der 
Schlingenfaden a nur sehr dünn ist, hindert er das dichte Herantreten 
der Sicherungsschlinge an die chirurgische Schlinge in keiner Weise, 
so daß der Knoten in seiner Festigkeit keine Einbuße erleidet. 


Unser Vorgehen gestaltet sich also kurz folgendermaßen: 


Ein dicker Seidenfaden wird durch die Schlinge des Schlingen- 
fadens c gezogen und dicht oberhalb bzw. unterhalb des zu exstirpie- 
renden Darmteiles um den Darm herum gelegt und geknotet. Dabei 
kann derjenige, der das bevorzugt, zur Erhöhung der Asepsis vorher 
die Schleimhaut durch Quetschung des Darmes mit dem Enterotrib 
zur Retraktion bringen, den Faden in der Quetschfurche umlegen und 
den Darmstumpf an der Durchschneidungsstelle mit dem Paquelin 
verschorfen. Der Faden muß fest geknotet und der Darm nicht un- 
mittelbar am Faden durchschnitten werden, damit ein Abgleiten des 
Fadens unmöglich ist. Bevor jedoch die chirurgische Schlinge B des 
Knotens geschürzt wird, muß das eine Ende des dicken Seidenfadens 
durch die Schlinge des Schlingenfadens 5 geführt und vor dem An- 
legen der Sicherungsschlinge A wiederum das andere Ende durch die 
Schlinge des Schlingenfadens a gezogen werden. 


Die Schlinge des Schlingenfadens 5 wird immer möglichst dicht 
an die chirurgische Schlinge B herangeschoben. Ungefähr 3 mm’ von 
der Sicherungsschlinge werden die Enden des dicken Seidenfadens ab- 
getragen; die Schlingenfäden a, 5 und c bleiben ungekürzt. 

Ist der Darm so durch den Knoten verschlossen, so ergibt sich 
das auf Fig. 1 wiedergegebene Fadenarrangement. 

Nachdem das andere Darmende in der gleichen Weise versorgt 
ist, wird das dazwischen gelegene Darmstück exstirpiert, nachdem 
durch Abklemmen oder Abbinden desselben dafür gesorgt ist, daß 
sich nach der Durchschneidung Inhalt aus demselben nicht entleeren 
kann. 

Bei der nun folgenden Darmnaht hat man nur darauf zu achten, 
daß man nicht etwa durch Zug an dem roten Faden a die Sicherungs- 
schlinge löst, während ein zufälliger Zug an dem blauen Faden b oder 
am gelben Faden c in keiner Weise schadet, im Gegenteil den Knoten 
dadurch, daß er die chirurgische Schlinge noch dichter an die Siche- 
rungsschlinge anpreßt, noch weiterhin festigen wird. 


— 131 — 


Bei der mehretagigen Serosa-Muscularisnaht wird der Faden c 
auf der einen Seite und die Fäden a und 5 zusammen ungefähr an 
der entgegengesetzten Seite der Darmzirkumferenz aus einer ganz kleinen 
Lücke der Naht, zu deren Verschluß nach der späteren Entfernung 
der Fäden entweder gar keine oder eine einzige Übernähungsnaht 
nötig ist, herausgeleitet. 

Ist die 2- oder 3etagige Serosa-Muscularisnaht fertig, so wird — 
und zwar vorteilhafterweise unter einem gewissen Gegenzug an dem 
gelben Faden ce — durch Zug am Faden a und damit gleichzeitiger 
Entfernung des Fadens a die Sicherungsschlinge A geöffnet, darauf 
durch Zug am Faden b und damit gleichzeitiger Entfernung des 
Fadens 5 die chirurgische Schlinge B geöffnet und schließlich durch 
Zug am Faden c mit diesem gleichzeitig der dicke Seidenfaden in toto 
herausgezogen oder doch wenigstens das eine Ende des dicken Seiden- 
fadens so weit herausgehoben, daß es erfaßt und der ganze Faden 
entfernt werden kann. - 

Nachdem durch Ent Fig. 2. 
fernung der Fäden in der 
gleichen Reihenfolge auch das 
andere Darmlumen wieder 
eröffnet ist, ist die Kom- 
munikation an der Nahtstelle 
nach völlig fertiger Vernä- 
hung wieder hergestellt. 

Dasselbe Prinzip, die 
Knoten versenkter Nähte 
durch Zug an eingelegten 
Fadenschlingen zu lösen, 
habe ich in etwas modifiziererter und vereinfachter Weise (Fig. 2) bei 
versenkten Bauchdeckennähten, z. B. bei der Muskelnaht bei der 
Radikaloperation der Leistenhernie nach Bassini und bei der Bauch- 
decken-Muskelnaht nach Amputation des Wurmfortsatzes mehrfach 
angewandt. Ich gebe zu, es geschah das mehr experimenti causa, 
denn es besteht gar kein Grund, hier die reaktionslos einheilenden 
Fäden nachträglich nach 12—14 Tagen zu entfernen. Im Gegenteil, 
ich muß zugeben, daß die aus feinsten Lücken der Hautnaht heraus- 
geleiteten Fäden a und e (siehe Fig. 2) unter Umständen in dieser 
Zeit sogar die Leitwege für die Infektionskeime von der Oberfläche in 
die Tiefe abgeben können. — Gleichwohl, ich will diese meine Me- 
thode, versenkte Bauchdeckennähte nachträglich — nach 12—14 Tagen 
— zu entfernen, hier beschreiben. 

Danach wird die Vereinigung der Muskeln vorgenommen durch 
gewöhnliche Nähte, die durch einen chirurgischen Knoten geknotet 
werden. Das einzige Besondere daran ist, daß, bevor die Sicherungs- 
schlinge A des Knotens der chirurgischen Schlinge B aufgesetzt wird, 
das eine Ende des dicken Seidenfadens (s. Fig. 2) durch die Schlinge 
des Schlingenfadens a gezogen wird, von den beiden Enden des dicken 


9% 





— 1322 — 


Seidenfadens d und e das dem Schlingenfaden a gegenüber gelegene 
d nach fester Schnürung der Sicherungsschlinge A ungefähr 3 mm 
oberhalb der letzteren abgeschnitten wird und das andere Ende dieses 
Fadens e zusammen mit dem Schlingenfaden a, ohne daß ein Zug an 
ihnen ausgeübt wird, durch eine feine Lücke zwischen zwei Hautnähten 
herausgeführt und locker in den Verband gelegt wird. 

Nach 12—14 Tagen, wenn die versenkte Naht entfernt werden soll, 
sind alle Fäden mit Granulationsgewebe bereits durchwachsen, gleich- 
wohl wird durch Zug am Schlingenfaden a die Sicherungsschlinge A 
relativ leicht geöffnet. Die chirurgische Schlinge B dagegen muß sich, 
um sich zu öffnen, bei fortgesetzt stärkerem Zug am Faden e allmäh- 
lich aufrollen, was, da der Faden in den 12—14 Tagen, wie gesagt, 
in Granulationsgewebe bereits eingebettet ist, für die Pat. zumeist 
nicht ganz schmerzlos ist. 

Man wird infolgedessen besser tun auch hier zur absolut scho- 
nenden Öffnung der chirurgischen Schlinge B von der Schnürung der- 
selben einen Schlingenfaden b in nächster Nähe der chirurgischen 
Schlinge einzulegen, und zwar, wie es Fig. 3 zeigt, auf der den Fäden a 
und e (Fig. 2) entgegengesetzten und der dem gekürzten Ende des 
dicken Seidenfadens d entsprechenden Seite. 


Fig. 3. 





Ist dann durch’Zug am Schlingenfaden a (s. Fig. 3) die Siche- 
rungsschlinge A in schonender Weise geöffnet, dann haben wir eine 
Situation, wie sie Fig. 4 darstellt. D. h. das kurze Ende des dicken 
Seidenfadens liegt dann auf der dem lang gelassenen Ende des dicken 
Seidenfadens e entsprechenden und dem Schlingenfaden b entgegen- 
gesetzten Seite, und die chirurgische Schlinge B wird nun durch Zug 
am Schlingenfaden b besonders bei leichtem Gegenzug am Faden e aufs 
leichteste zu öffnen sein, so daß dann der schonenden Herausnahme 
des Fadens durch Zug am Fadenende e nichts mehr im Wege steht. 

Diese durch Fig. 3 und 4 illustrierte Knotenlösung und Faden- 
entfernung ist sicher ebenso schonend und empfehlenswert wie die auf 
Fig. 1 dargestellte und hat dieser gegenüber sogar den Vorteil, daB 
dabei der Schlingenfaden c in Wegfall kommt, da er in seiner Funk- 


— 133 — 


tion durch das lang gelassene Ende des dicken Seidenfadens e er- 
setzt wird. 

Bei allen drei Methoden ist darauf zu achten, daß an der roten 
Fadenschlinge « kein vorzeitiger Zug erfolgt. 


Fig. 4. 





Wird die letztbeschriebene Methode (Fig. 3 und 4) zur nachträg- 
lichen Entfernung versenkter Bauchdeckennähte benutzt, so werden 
alle drei Fäden a, b und e durch dieselbe kleine Lücke in der Haut- 
naht nach außen geführt; bei der Verwendung zur Ausführung der 
völlig aseptischen Darmoperation wird man Faden a und e am besten 
aus einer und Faden b aus einer zweiten entsprechend entfernten, 
feinsten Lücke der mehretagigen Serosa-Muscularisnaht nach außen 
herausleiten. (Selbstbericht.) 





69) Klapp (Berlin). Entleerung infektiöser Flüssigkeits- 
ansammlungen und chirurgische Darmentleerung. 


Wenn wir lokale infektiöse Flüssigkeitsansammlungen chirurgischer 
Natur zu behandeln haben, so legen wir, wie alle Chirurgen, größtes 
Gewicht darauf, die infektiösen Stoffe so gründlich wie nur möglich 
nach außen zu entleeren. Obgleich wir auch früher keinen Zweifel 
an diesem Standpunkt gelassen haben, so muß das doch einmal ex 
kathedra ausgesprochen werden, um einigen in letzter Zeit hervor- 
tretenden Stimmen entgegen zu treten, welche uns den Standpunkt 
imputieren wollen, als ob wir eine ganz uugenügende Entleerung des 
Eiters vornähmen. 

Der Schnitt in irgend einer Form, ob groß oder klein, wenn nur 
physiologisch richtig angelegt, muß den Eiterherd nach außen eröffnen. 
Daß sich Bier in der Beschränkung unnötig großer Schnitte ein 
großes Verdienst erworben hat, wird ihm von der einen Seite bestritten, 
von der anderen Seite anerkannt (Kocher). Erst in zweiter Linie 
kommen die anderen ableitenden Maßnahmen. Wenn man die hier- 
her gehörigen Mittel nach ihrer Wirksamkeit ordnen will, so möchte 
ich die Saugbehandlung voranstellen, dann die Drainage und schließ- 


— 134 — 


lich die Tamponade nennen. Die Tamponade wird ohne Zweifel ihrem 
Wert nach zu hoch veranschlagt. Zum mindesten soll man nicht 
wieder die Tamponade mit einem Docht vergleichen und ihr größere 
Saugkraft zuschreiben. Eine Saugkraft kann die Tamponade nur so 
lange entfalten, als sie trocken ist. Sobald sich der Tampon voll- 
gesogen hat, wirkt er nur noch als Fremdkörper, der die Gewebe zur 
Sekretion reizt, ohne daß er die Sekrete genügend ableitet. Neuer- 
dings ist man mit Recht bestrebt, den Docht bei der Ableitung von 
Sekreten besser nachzuahmen; z. B. scheint das Dreesmann mit 
seinem Instrument gut gelungen zu sein. Ich glaube, daß die Be- 
deutung der bloßen Tamponade eher im Offenhalten der Wunde liegt, 
als in ihrer Saugkraft. 


Es besteht noch weiterhin eine dringende Indikation, die Technik 
der Ableitung infektiöser Flüssigkeiten zu verbessern. Dabei drängt 
sich in letzter Zeit immer mehr das Bestreben vor, möglichst physio- 
logisch vorzugehen. Je physiologischer man bei der notwendigen und 
natürlich gründlichen Entleerung infektiöser Flüssigkeitsansammlungen 
mit den Geweben umgeht, um so eher werden diese imstande sein, sich 
mit den ihnen eigenen Abwehrkräften an der Bewältigung der In- 
fektion zu beteiligen. Wieviel sich mit der physiologischen Behand- 
lung allein erreichen läßt, habe ich kürzlich an dem Beispiel der 
Sehnenscheidenphlegmone zeigen können. 


In letzter Zeit bin ich der Frage nachgegangen, ob wir nicht 
auch beim Deus und der diffusen Peritonitis durch Verbesserung der 
Technik in der Ableitung des Darminhaltes unsere Resultate ver- 
bessern können. 


1) Die Entleerung des Darmes bei der diffusen Peritonitis ist 
eine so dringende und anerkannte Maßnahme, daß ich über die Indi- 
kation kein Wort verliere. Ebensowenig möchte ich mich darüber 
auslassen, wie man bisher vorgegangen ist. Bei dem bisherigen Vorgehen 
wird die Asepsis nicht mit genügender Sicherheit gewährleistet. Die 
Indikation besteht, den Darm schnell, ergiebig und unter Wahrung 
der Asepsis zu entleeren; dieser Forderung wird aber die technische 
Ausführung noch nicht gerecht. Gewiß wirken Enterostomien sehr 
günstig, aber diese können auch noch angewendet werden, wenn der 
Darminhalt vorher gründlich entleert worden ist. Die Darmentleerung, 
welche ich befürworten möchte, geschieht so, daß eine geschlossene 
Leitung zwischen Darm und Potin’scher Saugflasche hergestellt wird. 
Zu diesem Zweck gebrauche ich ein rohrartiges Instrument, welches 
man mit dem einen Ende in den Darm einnäht und aus welchem 
man dann einen weichen gefensterten Gummischlauch in den Darm 
hineingleiten läßt. Ist das geschehen, so verdünnt man die Luft der 
Potin’schen Saugflasche und saugt so den gewöhnlich dünnflüssigen 
Darminhalt in die Flasche hinein. Entleert sich kein Darminhalt 
mehr, so reiht man immer mehr Darm über den Schlauch herüber 
und saugt erst nach der einen und dann nach der anderen Richtung 


— 135 — 


den Darm so weit aus, wie man nur kann. Meist gelingt es, von ein 
bis zwei Einstichstellen den ganzen Darm völlig zu entleeren. 

Als Vorteil des Instrumentes betrachte ich es, daß diese Art der 
Entleerung aseptisch, sehr ausgiebig und schonend in einer ge- 
schlossenen Leitung erfolgen kann, so daß man nicht einmal den 
üblen Geruch im Operationszimmer hat. Gegen den plötzlichen Sturz 
des Blutdruckes wendet man mit Vorteil die in letzter Zeit von 
Heidenhain empfohlenen Adrenalin-Kochsalzinfusionen an. Ich halte 
es für am zweckmäßigten, in jedem Falle von diffuser Peritonitis, 
welche mit Untätigkeit des Darmes einhergeht, während der Laparo- 
tomie mit Hilfe meines Apparates den Darm zu entleeren und dann, 
wenn nötig, eine oder mehrere Enterostomien anzulegen. Die drohende 
Herabsetzung des Blutdruckes wird zweckmäßig mit Adrenalin-Koch- 
salzinfusionen bekämpft. 

2) Lokale oder ausgebreitete Ansammlungen infektiöser 
Flüssigkeiten im Bereich der Bauchhöbhle entleere ich nicht 
nur durch einen geeigneten Schnitt mit Tupfer oder Spülungen, 
sondern ich führe ein vergittertes Saugrohr ein, um die Flüssigkeit 
vollständig abzusaugen. Dieses Saugrohr ist vergittert, damit sich 
keine Gewebeteile in seine Fenster ansaugen. Man leitet die Flüssig- 
keiten wiederum in eine Potin’sche Saugflasche. So behandle ich 
z. B. den appendicitischen Abszeß mit möglichst kleinem Schnitt und 
glaube, der Forderung möglichst schonenden Vorgehens am besten 
gerecht zu werden. In gleicher Weise werden lokale oder diffuse 
peritonitische Exsudate behandelt. (Selbstbericht.) 


Diskussion. 


Payr (Greifswald) benutzt zur Entleerung von Flüssigkeiten 
aus dem Darm während und nach der Operation eine Bunsen’sche 
Wasserstrahlpumpe. Lichtenauer (Stettin). 


nn 


70) H. Braun (Göttingen). Demonstration eines Entero- 
kystoms. 


B. zeigte ein Enterokystom, dessen Durchmesser 25 cm querüber, 
18 cm von oben nach unten und 13 cm von vorn nach hinten betrug, 
und durch seine Größe und sein Gewicht (es wog etwas über 6 Pfund) 
bei einer 71jährigen, bis dahin immer gesunden Frau einen Darmver- 
schluß veranlaßt hatte. Bei der am 16. September 1907 vorgenommenen 
Operation zeigte sich, daß dieser große cystische Tumor, ohne irgend- 
welche sonstige Adhäsionen, nur durch ein 1 cm langes und 2 mm 
dickes Ligament auf die Länge von 2 cm mit einer Dünndarm- 
schlinge in Verbindung stand. Nach Durchtrennung derselben konnte 
der Tumor leicht entfernt werden; der dadurch entstandene peritoneale 
Defekt am Darme wurde mit einer doppelten Nahtreihe feinster Seiden- 
suturen gedekt. Der Wundverlauf war vollkommen reaktionslos, die 


— 136 —— 


Kranke konnte am 9. Oktober geheilt entlassen werden und ist auch 
jetzt noch vollkommen gesund. (Selbstbericht.) 


Diskussion. 


Jaffe (Posen) berichtet über zwei von ihm beobachtete entzünd- 
liche Geschwülste von Colon descendens. In einer fand sich als Ur- 
sache ein Knochenstückchen, die andere wurde partiell reseziert und 
ergab mikroskopisch entzündetes Gewebe. 


F. Franke (Braunschweig) lenkt die Aufmerksamkeit darauf, daB 
multiple falsche Divertikel am Darm, besonders an der Flexura 
sigmoidea, nicht nur dadurch wichtig für den Chirurgen sind, daß sie 
infolge von Entzündung verdächtige, schon öfters als Karzinom ange- 
sehene Geschwülste bilden, auch Anlaß zu schweren Eiterungsprozessen 
bis zu abgesackter und allgemeiner Peritonitis geben können, sondern 
auch dadurch, daß sie ohne irgend eine erhebliche Entzündung zu 
einer Verdickung des Darmes führen können, die den Eindruck einer 
Geschwulst macht. Wahrscheinlich gehören hierher manche Fälle so- 
genannter hyperplasierender oder infiltrierender Kolitis bzw. Sigmoiditis. 
F. erläutert das kurz an der Hand eines von ihm mit Resektion der 
Flexura sigmoidea behandelten und geheilten Falles unter Demonstra- 
tion des Präparates. (Selbstbericht.) 


Müller (Rostock): Zwei Fälle, von denen der eine reseziert wurde, 
der andere spontan zurückging. Er glaubt, daß die Fälle häufiger 
vorkommen, als sie beschrieben werden. 


Braun (Schlußwort) glaubt auch nicht, daß die Geschwülste selten 
vorkommen. Lichtenauer (Stettin). 





71) Bunge (Bonn). Über postoperativen spastischen Darm- 
verschluß. 


B. berichtet über zwei Beobachtungen, die geeignet sind, zu be- 
weisen, daß es Enterospasmen von einer solchen Ausdehnung, Inten- 
sität und Dauer gibt, daß durch dieselben infolge absoluter Verlegung 
der Kot- und Gaspassage die gleichen Gefahren ausgelöst werden 
können, wie durch einen mechanischen Darmverschluß. 

In beiden Fällen handelte es sich um weibliche Kranke, bei denen 
gynäkologische Operationen ausgeführt waren, unter gleichzeitiger Ent- 
fernung des veränderten Wurmfortsatzes. 

Bei der ersten Kranken traten am Tage nach der Operation 
heftige kneifende Schmerzen in der Oberbauchgegend, später in den 
seitlichen Bauchgegenden auf, ohne daß ein objektiver Befund (ge- 
steigerte Peristaltik, isoliert geblähte Schlinge usw.) zu erheben ge- 
wesen wäre. Trotz energischer Anregung der Peristaltik bestand vom 
Tage der Operation an eine absolute Kot- und Gassperre, so daß ein 
kolossaler Meteorismus sich einstellte; am 5. Tage wurde zwecks Ent- 
leerung des Darmes relaparotomiert. Es fand sich ein Spasmus, der 


— 137 — 


den ganzen Dickdarm mit Ausnahme des Coecum betraf, der spastische 
Darm war steif wie ein Tau, das Coecum auf Kindskopfgröße ge- 
bläht, der Dünndarm durch den gestauten Darminhalt mächtig aus- 
gedehnt. Ileostomie mit Witzel’scher Fistel führte zu glatter Heilung; 
bereits 2 Tage nach der Operation Stuhl per rectum. 

Bei der zweiten Kranken fehlten die heftigen Schmerzen im An- 
fang, es bestand von vornherein das Bild einer schweren postoperativen 
Darmlähmung, die trotz hoher Physostigmingaben und anderer Ab- 
führmittel nicht zu beseitigen war. Relaparotomie am 6. Tage ergab 
einen über den ganzen Dickdarm und eine 30—40 cm lange Dünn- 
darmstrecke ausgedehnten gleichen Spasmus; in der Mitte des spastisch 
kontrahierten Querdickdarmes eine überfaustgroße durch Gas bedingte 
Aufblähung. Trotz Deostomie Exitus am gleichen Tage. 

In beiden Fällen keine Peritonitis. 

Die Atiologie derartiger Spasmen ist bisher noch vollständig un- 
geklärt, doch scheint es B. am wahrscheinlichsten, daß nervöse, reflek- 
torische Einflüsse am ehesten in Betracht zu ziehen sind. 

Eine frühzeitige Diagnose derartiger Spasmen hält B., wenn man 
in den ersten Tagen nach der Operation untersucht, bevor ein stärkerer 
Meteorismus die Untersuchung erschwert, für möglich auf Grund ander- 
weitiger eigener Erfahrungen, die er bei Darmstörungen verschiedenen 
Grades nach Nierenoperationen, in einem Falle auch nach unkompli- 
zierter Entfernung eines Wurmfortsatzes gemacht hat. In diesen 
Fällen gelang es, die Erscheinungen schnell durch große Dosen von 
Opium mit Belladonna per rectum zum Verschwinden zu bringen. 
Abführmittel jeder Art sind in solchen Fällen kontraindiziert, da sie 
wie in den beiden operierten Fällen den Zustand nur verschlimmern; 
eine Verabreichung von Opium mit Belladonna ist natürlich nur er- 
laubt bei sicher nachgewiesenem Spasmus. (Selbstbericht.) 


Diskussion. 


v. Brunn (Tübingen) berichtet über zwei analoge Fälle aus der 
Tübinger Klinik. Im ersteren Falle fanden sich bei der Operation 
zwei Kontraktionsringe im unteren Deum. Im zweiten Falle fand sich 
eine tetanische Kontraktion im Colon transversum, die selbst an der 
Leiche noch vorhanden war. Hierbei fand sich eine strangförmige 
Adhäsion in der Nähe dieser Stelle. B. glaubt daher diese als Ur- 
sache ansprechen zu müssen. 


Barth (Danzig): Zwei Fälle von Enterospasmus. .Der erste durch 
Morphiumtherapie geheilt, beim zweiten fand sich als Ursache des 
Ileus nach einer einfachen Kolporrhaphie ein Bandwurm. 

Heidenhain (Worms) hat einen Fall nach abdominaler Uterus- 
exstirpation gesehen. Er bittet alle derartigen Fälle bekannt zu geben, 
um die rätselhafte Ursache aufzudecken 

Körte (Berlin) sah zwei Fälle nach Magenoperationen. Er mußte 
in beiden Fällen die Jejunostomie machen, im zweiten Falle sogar 


— 138 —— 


wiederholen. Er hat auch derartige Fälle ohne vorausgegangene Ope- 
ration beobachtet. 


Müller (Rostock) glaubt, daß viele derartige Fälle durch begin- 
nende Peritonitis hervorgerufen seien. 


Küster (Berlin) hat zwei Fälle beobachtet. Bei dem einen war 
die Ursache ein Spulwurm. Lichtenauer (Stettin). 


A. Schlesinger (Berlin). Frau mit vollständig obturierendem Rek- 
tumkarzinom. Anlegung eines rechtsseitigen Anus praeternaturalis. Da 
nach 6 Tagen immer noch kein Stuhl erfolgt ist, wird ein Verschluß 
oberhalb des Anus angenommen und die Laparotomie gemacht. Es 
findet sich 1) im Colon transversum ein Kotstein und zwischen diesem 
und dem Tumor eine sehr starke Kotanfüllung der Flexur, 2) der 
untere Teil des Ileum ist spastisch kontrahiert, oberhalb des Spasmus ge- 
blähte Darmschlingen. Es handelt sich also um zweisitzigen Ileus. Laparo- 
tomiewunde geschlossen und Anus links angelegt, nachdem der Kot- 
ballen zerdrückt ist. Am nächsten Tage entleert sich nach Öffnung 
des Darmes reichlich Kot aus der linken Wunde. Zugleich kommt 
aus dem rechtsseitigen Anus Kot heraus. (Selbstbericht.) 


Wilms (Basel) weist hin auf den von Krönig beschriebenen 
Fall, bei dem Darmgeschwüre, durch Thrombosen verursacht, den 
Ennterospasmus auslösten. 


Payr (Greifswald) hat bei Tieren künstlich Embolien der Darm- 
gefäße hergestellt und hierbei das Auftreten von Darmgeschwüren und 
Spasmen beobachtet. 


Marquard (Hagen) sah einen Spasmus des Kolon nach Nephro- 
stomie, bei der eine Eröffnung der Leibeshöhle nicht stattgefunden 
hatte. Er glaubt dies auf Thrombosen der Darmgefäße zurückführen 
zu müssen. 


Bunge: Eine Peritonitis an dem kontrahierten Darmstück war 
nicht vorhanden, der Darm sah vielmehr blaß aus. Uber den Fall 
Krönig ist B. anderer Ansicht als Wilms. Wären Nekrosen der 
Darmschleimhaut die Ursache des Spasmus gewesen, so hätte nach 
Abstoßung derselben eine Stenose des Darmes eintreten müssen. 

Lichtenauer (Stettin). 





72) Canon (Berlin). Darmausschaltung durch Ileo-Flexuro- 
Ä stomie. 


C. berichtet über einen Pat., bei welchem er vor 2!/, Jahren 
die totale Ausschaltung des Dickdarmes vorgenommen hat. Pat. 
war 1/4 Jahr lang wegen andauernder Darmblutungen mit inneren 
Mitteln — darunter Jodkali — und Darmspülungen auch von spe- 
zialistischer Seite ohne jeden Erfolg behandelt worden. Der Mastdarm 
war gesund, in der rechten unteren Bauchgegend war aber ein Tumor 
fühlbar, der schließlich exstirpiert wurde und aus höchstwahrscheinlich 


— 139 — 


luetisch verändertem Dickdarm bestand (Verdickung der Darmschichten, 
starke Hyperämie der Schleimhaut mit kleineren Defekten, starke 
Infiltration der Submucosa und geringere der Muscularis). Der Darm 
schien auch noch in der Umgebung des exstirpierten Stückes krank 
zu sein; ein trotzdem später gemachter Versuch ihn zu vernähen miß- 
lang, und da auch weitere Blutungen aus dem oberen Darmteil auf- 
traten, wurde angenommen, daß der Dickdarm noch weiter hinauf 
erkrankt war, und seine totale Ausschaltung von einem Medianschnitt 
aus vorgenommen; das Ileum wurde oberhalb des Blinddarmes durch- 
trennt, das orale Ende in die Flexura sigmoidea implantiert, das 
aborale verschlossen und versenkt. Die aborale Öffnung am Colon 
descendens wurde ebenfalls übernäht, doch ist. hier eine. kleine Fistel 
zurückgeblieben, die den Pat. aber wenig stört. Die Blutungen aus 
dem Dickdarm haben nach der Ausschaltung und nach einer Queck- 
silberkur nachgelassen, aber die Sekretion jauchiger Massen aus dem 
ausgeschalteten Dickdarm ist trotz häufiger Spülungen mit einem 
Darmrohr noch stark und sehr störend, ein Umstand, welcher ebenfalls 
auf Erkrankung des Darmstückes schließen läßt. Pat. hat nur Durch- 
fälle, wenn er viel Flüssigkeit zu sich nimmt; der Urin ist frei von 
Eiweiß und zeigt keine Vermehrung des Indikan. (Selbstbericht.) 





73) Heddaeus. Über die Folgen einer totalen Ausschaltung 
des Kolon durch Verbindung des Ileum mit der Flexura. 
sigmoidea. 


Vortr. berichtet über einen vor 5 Jahren von Lindner operierten: 
Fall von totaler Ausschaltung des Kolon wegen Darmneurose. 

Die betreffende Pat. hatte infolge der genannten Operation sehr 
heftige Beschwerden, meist in Gestalt kolikartiger Anfälle bekommen. 
Die vom Vortr. ausgeführte Operation ergab eine enorme Ausdehnung 
des mit blindem Ende seitlich in das Kolon implantierten Ileum und 
außerdem eine stark stenosierende Überbrückung des Dünndarmes durch 
die verlagerte Ileumschlinge. . 

Durch die Operation wurde die Pat. fast vollkommen geheilt. 
Die heutigen seltenen Beschwerden gipfeln in plötzlich auftretenden 
gehäuften Diarrhöen, die Vortr. auf die zu tief angelegte Einpflanzung 
bezieht. Dieser Zustand ist auch durch die Entfernung des Blind- 
sackes und einer neuen Anastomose zwischen dem Dünndarm und 
dem früher ausgeschalteten Coecum nicht behoben. 

Vortr. kommt zu dem Resultat, daß 

1) die totale Ausschaltung des Kolon kein gleichgültiger Eingriff 
ist, wie manche Autoren behaupten, sondern daß sie nur in den 
schwersten, sonst unheilbaren Erkrankungen des Kolon angezeigt ist; 

2) daß sie, wenn möglich, nur eine: partielle sein soll. 

3) Bei der Technik ist darauf zu achten, daß das Ileum beim 
Einpflanzen in das Kolon keine kurze Überbrückung des Dünndarmes 
macht, und 


= 140 = 


4) daß die Einpflanzung des Ileum in das Kolon womöglich end 
to side oder, wenn side to side, dann wenigstens mit kürzestem Blind- 
sack erfolgt. (Selbstbericht.) 

Diskussion zu Nr. 72 und 73. 


Schultze (Duisburg) hat wegen multipler Stenosen des Dick- 
darmes das Ileum in die Flexura sigmoidea eingepflanzt. 


F. Franke (Braunschweig), der die Ausschaltung des Kolon 
zuerst auch bei chronischer Obstipation vorgenommen und empfohlen 
hat, hebt hervor, daß nach seinen und anderer Erfahrungen in ein- 
zelnen Fällen durch retrograde Peristaltik schwere Störungen hervor- 
gerufen werden können, und will deshalb die Operation nur in ganz 
besonders schweren Fällen zulassen. (Selbstbericht.) 


Martens (Berlin) berichtet über einen Kranken mit chronischer 
Dysenterie, bei dem auswärts erst eine Coecalfistel, dann eine Anasto- 
mose zwischen Ileum und Flexura sigmoidea, schließlich die Durch- 
trennung des Ileum zwischen Anastomose und Coecum gemacht worden 
war. Die Operationen hatten keinerlei Nutzen gehabt und ihren Zweck 
insofern verfehlt, als der Kot sich zum Teil doch noch rückläufig aus 
der Coecalfistel entleerte. Zur völligen Ausschaltung mußte jetzt noch 
das Kolon oberhalb der Anastomose durchtrennt und zur Ableitung 
des Eiters das proximale Ende nach außen geleitet werden. Die vielen 
häufigen, dünnen Stuhlentleerungen sind dem Kranken sehr lästig. 

M. warnt daher vor zu häufiger Anwendung dieser doch nicht 
ganz gleichgültigen großen Eingriffe. (Selbstbericht.) 


Sprengel (Braunschweig) hat einen der von Franke berichteten 
Fälle später zur Operation bekommen. Die Pat. war mit dem Resultat 
der Kolonausschaltung sehr unzufrieden. 


Körte (Berlin) wendet die Ausschaltung des Dickdarmes nur in 
extremen Fällen an, und auch dann, wenn möglich, nur partiell. Es 
kommt darauf an, ob die Erkrankung des Dickdarmes bereits aus- 
geheilt ist. Ist dies nicht der Fall, so empfiehlt K. eine Fistel am 
Blinddarm anzulegen und von dort aus den erkrankten Darm durch- 
zuspülen. Lichtenauer (Stettin). 





74) Graff (Bonn). Über Milzexstirpation bei Anaemia pseudo- 
leucaemica infantum. 


Die Bluterkrankungen im Kindesalter sind noch ein recht dunkles 
Kapitel der inneren Medizin, namentlich der Zusammenhang mit dem 
begleitenden Milztumor. Während man im allgemeinen die Milz nicht 
für den primären Sitz der Krankheit hält, gibt es doch Fälle, bei 
denen die Entfernung der Milz schnelle Heilung bringt. Vortr. hat 
bei einem hochgradig anämischen, abgemagerten, nur 11 Pfund wie- 
genden Kind einen Milztumor entfernt, der über 1 Pfund wog. Blut- 
befund vor der Operation Verminderung der roten Blutkörpercheh 


— 141 — 


mit auffallend vielen Normoblasten und Vermehrung der weißen Blut- 
körperchen. Nach der Operation mit Besserung des Allgemeinbefin- 
dens allmählicher Ubergang des Blutbefundes zur Norm. Zunahme 
des Körpergewichtes in 9 Monaten von 11 Pfund auf 21 Pfund. Der 
Blutbefund, der Milztumor (pathologisch anatomisch einfach indurative 
Hyperplasie), die fehlende Lebervergrößerung und Drüsenanschwellung 
sichert die Diagnose auf Anaemia pseudoleucaemica infantum. Für 
die Erklärung der rätselhaft schnellen Heilung post exstirpationem 
kann die Beobachtung Umber’s herangezogen werden, der bei 
Banti’scher Krankheit einen pyogenen Eiweißzerfall nachwies, der 
mit Entfernung der Milz sofort aufhörte. Jedenfalls scheint nach 
den bisherigen, wenn auch sehr wenig zahlreichen Erfahrungen die 
Milzexstirpation bei derartigen Krankheiten sehr schnelle Heilungen 
herbeizuführen. (Selbstbericht.) 
Diskussion. 


Wolff (Potsdam) stellt das vor 3 Jahren operierte Kind vor, 
welches jetzt 4 Jahre alt und vollkommen gesund ist. Der Blutbefund 
ist jetzt morphologisch normal, es besteht aber noch eine Vermeh- 
rung der weißen Blutzellen im Verhältnis zu den roten. 

Lichtenauer (Stettin). 





75) E. Ruge (Berlin). Beiträge zur chirurgischen Anatomie 
der Grallengänge. 


Vortr. berichtet über die Resultate seiner Untersuchungen an 
43 Präparaten von menschlicher Leberpforte.e Er fand, daß der 
Ductus cysticus nur in 1/; der Fälle den Lehrbuchverlauf zeigt, so 
zwar, daß er in einem spitzen Winkel in den Hepatocholedochus ein- 
mündet. In den übrigen Fällen läuft er eine Strecke weit mit dem 
Hepaticus eng verbunden neben diesem her, bevor er in ihn einmündet, 
in 9 unter 43 Fällen ihm an der rechten Seite völlig parallel ver- 
laufend, in 18 Fällen um ihn eine Spiraltour beschreibend. Typische 
Präparate von jedem dieser drei Typen wurden gezeigt und an der 
Hand von Wandtafeln auf die Konsequenzen dieser anatomischen 
Verhältnisse aufmerksam gemacht. Sie bestehen nach dem Vortr. im 
wesentlichen darin, daß zunächst einmal sehr häufig der Operateur, in 
der Meinung, schon im Choledochus angelangt zu sein, sich noch im 
Cysticus befindet, daß weiterhin bei der oft versteckten Lage der 
Mündung des Cysticus im Pankreasgewebe die Hepaticussondierung 
schwierig oder unmöglich wird und die Einführung eines Hepaticus- 
drains mißlingt. 

Ferner demonstriert der Vortr. einen eigenartigen Fall von Cysticus- 
doppelbildung. 

Am Hepaticus fand Vortr. relativ häufig eine Varietät, die 
darin bestand, daß dieser sich schon sofort an der Cysticuseinmündung 
in seine Aste zerteilt (2—5 Aste), so daß ein Hepaticushauptgang 
fehlt. Er macht auf die notwendige Insuffizienz der Drainage durch 


— 142 —— 


ein Hepaticusrohr in diesen Fällen und in solchen von kurzem Hepa- 
ticus aufmerksam, da dasselbe natürlich nur in einen Ast des Hepa- 
ticus eingeschoben werden könne. Er empfehlt aus diesen und anderen 
Gründen statt der Hepaticus- die prinzipielle Choledochusdrainage, 
deren Effekt er als vollwertig mit der ersteren gleichstellt. 

Der Choledochus geht nach dem Vortr. fast stets (außer 3 Fällen) 
durch die Substanz des Pankreas hindurch. 

Der Pancreaticus accessorius (Santorini) besteht nur in 
9 unter 43 Fällen. (Selbstbericht.) 

Diskussion. 


Pagenstecher (Wiesbaden) hat die von Ruge demonstrierten 
Varietäten der Gallengänge in vivo beobachtet. 


_  Gleiss (Hamburg) hat bei einem eingeklemmten Choledochusstein 
Ol in die vorher angelegte Gallenblasenfistel injiziert mit dem Erfolg, 
daß der arrodierte Stein spontan abging. Lichtenaner (Stettin). 





76) A. Exner und H. Heyrovsky (Wien). Pathologie der 
Cholelithiasis. 


E. und H. berichten über Versuche, die sie zum Teil an mit 
verschiedenen Bakterienarten beimpfter und nicht beimpfter Galle, zum 
Teil an gewöhnlicher Bouillon, die mit gallensauren Salzen versetzt 
worden war, anstellten. Eine quantitative chemische Untersuchung 
zeigte in einwandsfreier Weise, daß durch das Wachstum der Bakterien 
die gallensauren Salze zersetzt werden, am stärksten von den Bakterien 
der Typhus-Koligruppe, am geringsten von den Pyokokken. Durch das 
Zugrundegehen der gallensauren Salze wird die Fähigkeit der Galle, 
‚Cholestearin zu lösen, bedeutend vermindert. Da Naunyn die Be- 
hauptung aufstellte, daß bei der Lösung des Cholestearins in der Galle 
‚der Gehalt der Galle an Fetten und Seifen die Hauptrolle spiele, 
wurde in steriler und beimpfter Galle auch der Gehalt an Seifen 
und Fetten bestimmt. Diese Körper wurden durch das Wachstum 
‚der Bakterien nicht beeinflußt. Die Genannten kommen zu folgenden 
Untersuchungsergebnissen. 

1) Durch das Wachstum der Bakterien werden in der Galle die 
gallensauren Salze zerstört. 2) Die Zerstörung der gallensauren Salze 
vermindert die Fähigkeit der Galle, Cholestearin zu lösen, sehr be- 
.deutend. 3) Diese Verminderung der gallensauren Salze führt zum 
Ausfall des Cholestearin. 4) Bei diesem Prozesse spielen die Seifen 
:und Fette keine Rolle. 5) Die bisher in der Galle als Fettsäuren be- 
stimmten Körper enthalten nur zu einem geringen Teile wirklich Fett- 
‚säure. Der Gehalt der Galle an Fettsäuren ist in Wirklichkeit 
‚annäherungsweise nur !/,, der bisher angenommenen Mengen und ent- 
spricht ungefähr dem Fettsäuren-Gehalte des Blutes. 6) Diese Tat- 
‚sachen sind von ausschlaggebender Bedeutung für die Genese der 


— 13 — 


Gallensteine, da sie zeigen, daß Cholestearin bei Bakterieninfektion 
ausfallen muß und so der Anstoß zur Bildung von Cholestearinsteinen 
gegeben wird. (Selbstbericht.) 


77) Lampe (Bromberg). 4 Gallensteine von besonderer Größe. 


L. demonstriert 4 Gallensteine von besonderer Größe; der größte 
hat eine Länge von 8 cm, einen Umfang von 13 cm, ein Gewicht von 
62 g. 2 Steine sind gewonnen durch Cholecystostomie bzw. Chole- 
cystektomie, 2 durch Enterotomie bei Gallensteinileus. Sämtliche Steine 
stammen von weiblichen Kranken im IV., V. und VI. Dezennium; 
sie sind durch die entsprechenden Eingriffe geheilt worden. 

(Selbstbericht.) 


——— nn 


78) H. Braun (Zwickau). Über Ganglioneurome. Fall von 
Resektion und Naht der Bauchaorta. 


Bei einem 61/,jährigen, sonst gesunden Mädchen wurde ein kinds- 
kopfgroßes, retroperitoneal gelegenes, die linke Seite des Abdomen 
ausfüllendes Ganglioneurom exstirpiert. Der Tumor hatte keinerlei 
charakteristische Krankheitserscheinungen verursacht und ließ sich bis 
auf einen vor der Wirbelsäule gelegenen breiten Stiel leicht aus- 
schälen. Es fand sich dann, daß die Aorta in Länge von 8 cm in 
eine an der Rückseite des Tumors gelegene Furche eingebettet, und 
daß ihre Adventitia in den Tumor aufgegangen war. Vier Arterien 
traten unmittelbar nach ihrem Austritt aus der Aorta in den Tumor 
ein. Beim Herauspräparieren der Aorta aus dem Tumor entstand 
ein schräger Einriß in der Wand des Gefäßes. Da die Naht der 
Wunde nicht gelang, wurden 2 cm der Aorta, soweit ihre Wandung 
stark lädiert und nicht mehr zur Naht geeignet war, quer reseziert. 
Die Enden wurden mittels des von Oarrel-Stich angegebenen Ver- 
fahrens zirkulär durch Naht vereinigt. Es trat glatte Heilung ein. 
Zirkulationsstörungen an den unteren Extremitäten wurden nicht be- 
obachtet. Der exstirpierte, 1900 g schwere Tumor besteht zum über- 
wiegenden Teil aus marklosen Nervenfasern; markhaltige Fasern sind 
nur spärlich vorhanden. Zwischen den Nervenbündeln liegen teils 
einzeln, teils in Gruppen, Ganglienzellen. Der vorliegende Fall ist 
der sechste ähnlich gelegener retroperitonealer Ganglioneurome, als 
deren Ausgangspunkt der Grenzstrang des Sympathicus anzusehen 
ist. Die fünf übrigen Fälle sind ebenfalls operiert worden, nur 2mal 
mit günstigem Ausgang (Kredel, Glockner). Allen Fällen ist die 
nahe Beziehung des Tumors zur Aorta abdominalis oder der Vena 
cava inf. gemeinsam. Die Exstirpation derartiger retroperitonealer 
Tumoren gelingt am besten durch einen langen Querschnitt, welcher 
vorn in der Mittellinie unterhalb des Nabels beginnt, den geraden 
Bauchmuskel durchtrennt und hinten in dem Winkel zwischen Rücken- 
strecker und 12. Rippe endigt. (Selbstbericht.) 


— 14 — 


Diskussion. 


Kredel (Hannover): Wenn bei der Operation der großen retro- 
. peritonealen Ganglioneurome Schwierigkeiten mit der Aorta entstehen, 
empfiehlt K., wie er es einmal getan, ein kleines Stück des Tumors 
sitzen zu lassen. Die stückweise Entfernung dieser Geschwülste ist 
außerordentlich gut möglich, weil die Schnittfläche völlig blutleer, 
schneeweiß aussieht, als ob man im toten Gewebe operiert. Bei dem 
so operierten Kinde war nach 5 Jahren der Tumor nicht wieder- 
gewachsen. Ein zweites mit multiplen subkutanen Ganglioneuromen 
beobachtetes Kind war ebenfalls nach mehr als 6 Jahren völlig wohl 


und gesund geblieben und die Geschwülste nur ganz wenig gewachsen. 
(Selbstbericht.) 


Martin (Köln): Komplizierte Verrenkung im Cubitalgelenk mit 
Zerreißung der Art. und V. brachialis. Zirkuläre Gefäßnaht nach 
Stich. Glatte Heilung. Boerner (Rastatt). 


Harn- und Geschlechtsorgane. 


79) Hintertoisser (Teschen). Über Urethralverletzungen. 


Von 16 Verletzungen des perinealen und pelvinen Teiles der 
Harnröhre starben 2, während die übrigen 14 zur Heilung gelangten. 
7 waren kompliziert bzw. verursacht durch Knochenbrüche des Beckens 
(absteigender Schambeinast, Sitzbein); zu dieser Gruppe zählen die 
2 Todesfälle an Sepsis, welche sich am 5. und 11. Tage nach der 
Verletzung ereigneten. Die übrigen neun, teilweise sehr schweren 
Zerreißungen der Urethra waren lediglich Weichteilverletzungen. Die 
Entstehungsursachen waren bei 5 Bergleuten: Verschüttung im Schachte, 
Anfahren eines Kohlenhuntes, Sturz auf einen Kohlenhunt, Herab- 
fallen von Steinblöcken auf den liegenden Arbeiter (2), die anderen 
Verletzungsfälle entstanden durch Sturz mit dem Perineum auf einen 
harten Gegenstand (Holzblock, Eisenstange, Rand eines Wassereimers, 
Zaun), je Imal durch Sturz aus großer Höhe, Sturz mit dem Pferde, 
Fußtritt. 

Acht Fälle (darunter die beiden Todesfälle) wurden mittels Ver- 
weilkatheter behandelt; 8mal wurde durch den äußeren Harn- 
röhrenschnitt die Verletzung bloßgelegt, in sechs Fällen konnte das 
proximale Urethrallumen gefunden und der Verweilkatheter eingeführt 
werden, einmal wurde durch Punctio vesicae suprapubica, einmal 
durch Sectio alta der retrograde Katheterismus ausgeführt und 
eine Doppeldrainage (Dittel-Ultzmann) angelegt. In einem Falle 
mußte, als die Narbenstriktur fast impermeabel geworden, schließlich 
die Resektion und Naht der Urethra ausgeführt werden. 

Sämtliche acht operativ behandelten Fälle kamen zur Heilung, 
freilich nach einem durch die ausgedehnten Weichteilverletzungen und 
durch Komplikationen im Wundverlauf bedingten längeren Kranken- 


— 145 —— 


lager und einer lange fortgesetzten Sondierung. Das bisherige Vor- 
gehen in der Behandlung der Harnröhrenzerreißungen erscheint aus- 
reichend: zunächst Versuch der Blasendrainage durch einfache 
Katheterisation bzw. Verweilkatheter; gelingt diese nicht, wie das 
wohl bei allen totalen Zerreißungen der Fall ist, sogleich Urethro- 
tomia externa, Einführung des Verweilkatheters; wird das proximale 
Urethrallumen nicht gefunden, so muß durch Punctio vesicae oder 
besser durch Sectio alta der retrograde Katheterismus ausgeführt 
und eventuell eine Doppeldrainage angelegt werden. 

Von einer primären Naht kann man sich bei dem gewöhnlich 
sehr übel zugerichteten, oft schon infiltrierten phlegmonösen Gewebe, 
sowie bei der Schwierigkeit der Orientierung keinen Erfolg versprechen. 

(Selbstbericht.) 





80) Pels-Leusden (Berlin). Ist es notwendig, nach Zer- 
reißungen und Resektionen der Harnröhre am Perineum 
eine zirkuläre Naht anzulegen ? 


Diese Frage kann mit »Nein« beantwortet werden. Zur Beant- 
wortung stützt sich P.-L. auf das Material Koenig’s aus der Göttinger 
und Berliner chirurgischen Klinik und auf Experimente am Hunde. 
Hat man die zerrissenen Harnröhrenenden gefunden bzw. die strik- 
turierten Teile der Urethra reseziert, so ist es nur notwendig, die beiden 
Enden, nachdem man sie auf der unteren Seite eine Strecke weit längs 
geschlitzt hat, mit einigen, die Schleimhaut ganz knapp, das benach- 
barte Gewebe breit mitfassenden Seiden- oder Catgutknopfnähten an- 
einander zu bringen, so daß also eine nach dem Perineum zu offene, 
nach der Symphyse geschlossene Rinne entsteht. Die äußere Wunde 
wird locker mit Jodoformgaze austamponiert, bleibt ganz offen, ein 
Verweilkatheter ist überflüssig. Der Urin fließt anfangs am Perineum, 
nach einigen Tagen aber schon per vias naturales wieder ab, und die 
Wunde ist in der Regel nach 3 bis 4 Wochen geschlossen. Nach 
8 Tagen wird vorsichtig mit einer dicken Sonde oder Katheter bou- 
giert. Experimentell kann man nachweisen, daß das Epithel vom Rande 
der neugebildeten Urethralrinne aus den benachbarten Wundteil rasch 
überwuchert und den Querschnitt der Harnröhre so in wünschens- 
werter Weise vergrößert. Bleibende Fisteln sind aber nicht zu be- 
fürchten. Die Dauerresultate dieser so einfachen Operationsmethode 
können sich denen mit primärer zirkulärer Vereinigung der Harn- 
röhrenstümpfe über einem Verweilkatheter und vollständigem Schluß 
der äußeren Wunde würdig zur Seite stellen. Infektionen sind bei 
dieser offenen Wundbehandlung ausgeschlossen. P.-L. erwähnt noch, 
daß er auch bei den Hypospadieoperationen nach Beck den Ver- 
weilkatheter stets perhorresziert. (Selbstbericht.) 


nn 


Chirurgen-Kongreß 1908. 10 


— 146 —— 


81) Wilms (Basel. Zur Technik der Prostatektomie. 


Statt der vesikalen und perinealen Prostatektomie empfiehlt W. 
eine neue Methode, bei welcher vom Perineum aus die Prostata 
aufgesucht wird, aber Rektalverletzungen ausgeschlossen sind und die 
Ausschälung der ganzen Prostata in ähnlicher Weise erfolgt wie sonst 
von der Blase her. Man geht direkt am linken absteigenden 
Schambeinast ein außerhalb des M. bulbocavernosus und der darüber 
laufenden Arterien. Ohne nennenswerte Blutung kommt man sofort 
auf den linken seitlichen Lappen der Prostata. Nachdem man sich 
durch Einführung des Katheters über die Lage der Harnröhre orien- 
tiert hat, geht man stumpf oder mit scharfem Instrument durch die 
Kapsel der Prostata durch und schält nun mit dem Finger die Pro- 
stata aus ihrer Kapsel heraus, genau wie sonst von der Blase aus. An 
der Vorderseite gelangt man am leichtesten auf den rechten Lappen 
der Prostata, so daß also eine totale Ektomie leicht und schnell auf 
diesem Wege gelingt. Die Pars prostatica urethrae wird natürlich mit 
der Prostata ebenso entfernt, wie .sonst bei der vesikalen Ausschälung. 
Abtastung der Blase von unten her ist bei Verdacht auf Stein leicht. 


Nachbehandlung wie bei der perinealen Operation. 
(Selbstbericht.) 





82) Ehrhardt (Königsberg). Über die chirurgische Behand- 
lung des Prostatakarzinoms. 


Über das Prostatakarzinom bestehen noch immer weitverbreitete 
Irrtümer, die der Ausbildung der Diagnose und einer rationellen 
Therapie hinderlich waren. Die Erkrankung ist keineswegs besonders 
selten, und die Metastasenbildung tritt nicht, wie man oft liest, schon 
im Frühstadium, sondern meist erst nach Durchbruch durch die 
Kapsel auf. Die Metastasierung erfolgt auf dem Lymphwege, seltener 
auf dem Blutwege. 

Vortr. hat bei einem faustgroßen Prostatakarzinom von einem 
Tförmigen Perinealschnitt aus zunächst die Harnröhre samt Schwell- 
körper vor dem Tumor durchtrennt, dann Geschwulst und Harnblase 
ohne Symphysenresektion ausgehülst und in die Dammwunde gezogen. 
So gelang es, den Tumor unter Schonung der Ureteren abzutrennen, 
die Harnröhre mit der Blase ohne Spannung zu vereinigen und die 
Lymphdrüsen im kleinen Becken auszuräumen. Vortr. empfiehlt diese 
Aushülsung und Dislokation der Harnblase in die Dammwunde auch 
für die Freilegung mancher Blasentumoren. (Selbstbericht.) 





83) O. Zuckerkandl (Wien). Über Diagnostik von Steinen 
der Niere. 


Bei einiger Übung kann man aus den Schattenrissen auf der 
Röntgenplatte mannigfache Details herauslesen, und Schlüsse auf die 


— 141 —— 


Lage des Steines und Beschaffenheit der Niere sind möglich. Steine 
in engen Räumen müssen sich in ihrer Form diesen anpassen; in 
weiten Räumen sind sie kugelig, ovoid, Oxalate oft von stachelig 
kugeliger Form. Uretersteine sind mit ihrer Längsachse longitudinal 
gestellt, walzenförmig, Pflaumenkern- oder Zigarrenform imitierend. 
Steine im unteren Nierenbeckenabschnitt sind oben breiter, unten 
spitz zulaufend, am Schattenriß dreieckig, mit einem spitzen Anteil 
nach abwärts gekehrt. In diesen Fällen ist das Nierenbecken stets 
erweitert, in seiner Wand verdickt. 

Ein isolierter Kelchstein ist durch seine Form, die dem Ausguß 
des nicht erweiterten Kelches entspricht, und durch seine Lage näher 
der Nierenperipherie gekennzeichnet. 

Freie Steine finden sich nur in pathologisch zustande gekommenen 
Höhlen der Niere, in weiten Kelchen oder im ausgedehnten Becken; 
sie sind ihrer Form nach ganz unregelmäßig. 

Häufig sind Nierenbecken- bzw. Ureterstein mit freien Steinen in 
weiten Kelchen kombiniert. Der Stein mit nach abwärts gekehrtem 
Sporn liegt im Nierenbecken, die anderen sind an der Peripherie ver- 
teilt. In unklaren Fällen dient die Röntgenaufnahme bei eingeführtem 
Ureterkatheter mit Mandrin dem besseren Verständnis. Bei der Re- 
konstruktion der anatomischen Verhältnisse unterstützt die auf der 
Platte oft gut sichtbare Begrenzungslinie der Niere. 

Kleine Steine können dem Nachweis entgehen; bei vielfachen 
Steinen differieren die verschiedenen Aufnahmen oft in kleinen Details. 
Ein einmaliger negativer Befund berechtigt also nicht zur sicheren 
Ausschließung von Stein. 

Als Operationen bei Nierenstein gelten zurzeit die Nephrektomie 
und die Nephro- bzw. Pyelolithotomie. Die Auswahl der Fälle zur 
Exstirpation der Steinniere ist nicht schwierig und aus der Beschaffen- 
heit des Sekretes der betreffenden Niere zu machen. Die Nephrotomie, 
die heute meistgeübte Operation, schädigt das Parenchym durch aus- 
gedehnte Infarktbildung, gibt Anlaß zu schweren primären und Spät- 
blutungen. Die Pyelotomie, der diese üblen Folgen nicht anhaften, 
ist als Eingriff weit geringer; entgegen der geläufigen Ansicht lassen 
sich mit derselben recht große Steine leicht entfernen. Nur die stark 
verzweigten Exemplare oder isolierte Steine in den oberen Kelchen 
erheischen den Nierenschnitt. Die Operationsmethode soll bei Nieren- 
stein dem Einzelfalle angepaßt sein; in der Regel läßt sich aus dem 
Röntgenbilde und der Harnanalyse die anzuwendende Methode von vorn- 
herein bestimmen. Z. übt die Pyelotomie in modifizierter Form: er 
eröffnet das Nierenbecken an seiner untersten Kante und verlängert 
den Schnitt, wenn nötig, gegen den Ureter, ausnahmsweise auch gegen 
den unteren Nierenpol. Nach Entfernung der Steine Drainage des 
Nierenbeckens und partielle Naht der Nierenbeckenwunde. Die Ope- 
ration wurde in 17 Fällen infizierter Nierensteine ausgeführt; ein 
Todesfall, die übrigen sämtlich ohne Fistel geheilt. (Selbstbericht.) 





10* 


— 148 —— 


84) Loewenhardt (Breslau). Zur Dignostik der Hydrone- 
phrose (Pyeloskopie). Demonstration. 


L. bespricht die oft nicht unerheblichen diagnostischen Schwierig- 
keiten, welche die beginnende Hydronephrose bereitet, und weist auf 
die Wichtigkeit frühzeitigen Erkennens hin, um durch baldige Beseiti- 
gung des Hindernisses vorbeugend gegen die späteren irreparablen 
Zustände wirken zu können. 

Wenn die ersten Koliken eine eindeutige Lokalisierung auf die 
Niere nicht zulassen und auch die genaue Beobachtung des Gesamt- 
urins den gewünschten Aufschluß nicht ergibt, weist L. darauf hin, 
daß die ausgedehnte Anwendung des Ureterenkatheterismus mit den 
schon vorliegenden ganz dünnen Instrumenten auch bei jugendlichen 
Individuen weiter führt, weil 

1) durch Vergleich der physikalischen Beschaffenheit des beider- 
seitigen Harns schon frühzeitig eine Minderwertigkeit der erkrankten 
Seite festgestellt werden kann; 


Fig. 1. Fig. 2. 





2) wenn der Katheter in das Nierenbecken geführt ist, aus der 
Art des Abflusses eine beginnende Retention erkannt werden kann. 

L. hat schon früher darauf hingewiesen, daß schon bei dislozierten 
Nieren durch die, wenn auch geringe, zeitweilige Erschwerung des 
Abflusses Konzentrationsverringerungen des Harns auftreten. 

Für eine bisher nicht geübte diagnostische Methode zur Er- 
kennung des Abflußhindernisses, die Pyeloskopie (s. Fig. 1), zeigte sich 
ein besonderer Fall geeignet. 

Bei einem Knaben war von anderen Seiten wegen kolikartiger 
Anfälle zuerst die katarrhalisch erkrankte Appendix entfernt worden, 
dann, als in kurzem eine komplette infizierte Hydronephrose sich ent- 
wickelt hatte, deren Entleerung durch Pyelotomie erfolgt, woher seit 
6 Monaten eine Fistel bestand. : 


— 149 —— 


Es wurde zunächst nach Injektion von Collargol durch die Fistel 
ein Röntgenbild aufgenommen (s. Fig. 2). Dann konnte L. nach Bor- 
säurefüllung eine überraschend deutliche Besichtigung des Nieren- 
beckens mit einem ganz dünnen Üystoskop vornehmen, wobei sich nicht 
nur die entzündlichen Veränderungen der Schleimhaut in verschiedenen 
Stadien präsentierten, sondern auch in die Kelche und die Abgangs- 
stelle des Ureters hineingesehen werden konnte. Ein dünnes Ureteren- 
cystoskop wurde dann zur Lokalisierung des Hindernisses eingeführt. 

Bei der ganz unklaren Anamnese gelang es, auf diesem Wege 
sich zu überzeugen, daß der Verschluß des Harnleiters nicht etwa in 
der Höhe der Appendix, sondern unweit des Abganges vom Nieren- 
becken zu suchen und der Eingriff von dem gewöhnlichen Lumbal- 
schnitt aus vorzunehmen war. 

Nierenbecken und oberer Teil des Harnleiters, letzterer be- 
sonders fest an die hintere Bauchwand geheftet, fanden sich 
stark verdickt, sklerosiert und in festen Bindegewebsmassen einge- 
bettet. 

Die Abknickung in der Höhe des unteren Nierenpoles bei nicht 
herabgestiegenem Organ wurde durch einen dicken Bindegewebsstrang 
fixiert, während für eine auf der Vorderseite quer verlaufende akzesso- 
rische Vene eine besondere ursächliche Bedeutung nicht festgestellt 
werden konnte. 

L. demonstriert das durch Nephrektomie gewonnene Präparat, zu 
der er sich während des Eingriffes entschloß. 

Für ein konservatives Verfahren schien der Fall wegen der in 
situ vorgefundenen schweren Veränderungen (bei gleichzeitiger 
Berücksichtigung der durch Vorbehandlung nicht gänzlich zu heben- 
den Infektion des Nierenbeckens) keine besonderen Aussichten zu 
bieten. (Selbstbericht.) 

Diskussion zu Nr. 83 und 84. 


J. Israel (Berlin): Durch die Röntgenphotographie ist die Indi- 
kationsstellung zwischen Nephrolithotomie und Pyelolithotomie exakter 
geworden, und daher ist die letztere häufiger anwendbar, als man früher 
glaubte. Nicht anwendbar hält I. die letztere bei großen Nierenkelch- 
steinen. Bei der Pyelolithotomie hat er stets die primäre Naht an- 
gewandt und damit gute Resultate gehabt. Diese ist nicht empfehlens- 
wert, wenn sich die Niere infolge kurzen Stieles oder Verwachsungen 
nicht aus der Wunde luxieren läßt. 

In diesen Fällen führt I. die Pyelolithotomie nur dann aus, wenn 
es sich um Hufeisenniere handelt, oder wenn die Operation doppel- 
seitig gemacht werden muß zur Schonung der Nierensubstanz. 


Zondek (Berlin. Eine Nephrotomie ohne Durchschneidung 
von Gefäßen ist nicht denkbar. Starkkalibrige Venen müssen stets 
durchschnitten werden. Mit der von Z. angegebenen Schnittmethode 
hat man bei genauer Kenntnis der Topographie in der Niere die meiste 
Aussicht, keine größere Arterie zu durchschneiden. Dies geschieht 


zur, 0 a= 


um so sicherer, je größer der Höhen- und der dorsoanteriore Durch- 
messer des Nierenbeckens ist. Daraus resultiert die Aufgabe: Je 
weniger tief das Nierenbecken in die Niere hineinragt, je 
kleiner der dorsoanteriore Durchmesser des intrarenalen 
Nierenbeckens ist, desto eher wird man an die Pyelotomie 
zu denken haben. 

Für die Extraktion eines Nierensteines kommt sein Sitz in Be- 
tracht. Liegt der Stein im extrarenalen oder auch intrarenalen Teil 
des Nierenbeckens, so dürfte er durch die Pyelotomie wohl zu ent- 
fernen sein. Ist der Stein im Vergleich zur Inzision besonders groß, 
so wird er gewöhnlich zerstückelt werden müssen. Dabei wird man 
die Quetschung der Beckenwand zu verhüten suchen; ganz besonders 
trifft dies für diejenigen Fälle zu, in denen der Stein seine Ausläufer 
in die Kelche entsendet. Hierbei macht Z. darauf aufmerksam, 
daB der Hals der oberen Calyx major oft nicht nur eng, 
sondern zuweilen sehr eng und sehr lang ist, während der 
Hals des unteren Calyx major gewöhnlich sehr weit ist 
(8. Z., Topogr. der Niere usw. p. 65—79). 

Liegt der Stein in einem Kelch, so dürfte es nicht möglich sein, 
aus dem Röntgenbild zu erkennen, ob er in einem Kelch erster, zweiter 
oder dritter Ordnung gelegen ist. Die Pyelotomie dürfte hier gewöhn- 
= lich nicht zum Ziele führen. Für die Entfernung derartig peripherisch 
gelegener Steine hat Z. den Radiärschnitt empfohlen (s. Zentralblatt 
für Chirurgie 1907. Nr. 47). 

Die Pyelotomie ist zweckmäßig an der von Gefäßen nicht über- 
lagerten dorsalen Beckenwand auszuführen. Man könnte daran denken, 
in geeigneten Fällen den Radiärschnitt mit der Pyelotomie zu kom- 
binieren, jedoch dürfte man den Einschnitt ins Nierenbecken nie direkt 
in das Nierenparenchym fortsetzen, da in der Bucht zwischen dor- 
saler Beckenwand und dem Nierenparenchym parallel der Längsachse 
der Niere die dorsale Nierenarterie verläuft. (Selbstbericht.) 


Kapsammer (Wien) glaubt, daß auch bei nicht luxierbarer Niere 
die Pyelolithotomie vorzuziehen ist. Er näht auch hier die Wunde, 
indem er das Nierenbecken durch Schnitt freilegt. An die reflek- 
torischen Koliken der nicht erkrankten Seite glaubt er nicht, sondern 
hält kleine Steine für die Ursache derselben. 

Tilmann (Köln) gibt einen kasuistischen Beitrag zur Ätiologie 
der Hydronephrose bei Wanderniere: Knickung des Harnleiters durch 
eine stark ausgebildete akzessorische Arterie infolge Obliteration des 
Nierengefäßes. 

Küster (Berlin) empfiehlt die Pyelolithotomie, für die er die 
Indikation weiter stellt, als Israel. 

Kümmell (Hamburg) glaubt, daß die Indikation für die Pyelolitho- 


tomie auf solitäre, nicht infizierte Steine beschränkt sei. 
Lichtenauer (Stettin). 


— 151 — 


Gliedmaßen. 


85) Evler (Treptow). Über Chromlederstreckverbände. 


Mit Chromleder und Stahl lassen sich Verbände ohne Modell, 
ohne Polsterung schnell zusammenstellen, wobei am Körper selbst die 
Weite der Hülsen, die Länge und Lage der Schienen verstellbar ist. 
Scharniere an den Gelenken, Freibleiben großer Flächen, in die Rohre 
eingesetzte Spiralen ermöglichen die aktive und passive Mobilisation. 
Die Chromlederstreckverbände vereinigen die Vorzüge der fixierenden 
Verbände mit denen der Heftpflasterextension. 

Dadurch, daß die weichen, schmiegsamen und dabei doch stütz- 
kräftigen und zugfesten Chromledermanschetten der Haut glatt an- 
liegen, alle Volumenschwankungen derselben mitmachen, umschließen 
sie dieselbe auch als schmale Streifen fester und sicherer, als dies 
breitere Hülsen aus unnachgiebigem Material tun können; die auf 
ihnen befestigten Stahlstäbe treten gewissermaßen an Stelle der ge- 
brochenen Knochen; sie sind auch als Strebebogen oder Stützpfeiler 
zu verwenden; mit Erfolg wurde so der Schlüsselbeinbruch unter 
Ermöglichung freier Beweglichkeit beider Arme behandelt, 
das Hüft- und Schultergelenk durch Sperrschienen festgelegt und 
die Thrombosenbehandlung der Oberarm- und Oberschenkelvene vor- 
genommen. 

Im Chromlederstreckverband wird ein zukünftiges Normalverfahren 
für die Bruchbehandlung gesehen. 

(Vgl. Über Frakturenbehandlung im Chromlederstreckverband: 
Archiv für klin. Chirurgie Bd. LXXXV Hit. 4.) (Selbstbericht.) 





86) Borchgrevink (Christiania). Ambulatorische Extensions- 
behandlung der oberen Extremität. 


B. demonstriert ein System von Schienen, die sämtlich so einfach 
sind, daß sie sich in der Praxis unter allen Verhältnissen improvisieren 
lassen: 

Eine Oberarmschiene, 
» winkelige Ober-Unterarmschiene, 
» Unterarmschiene, 
» Hand-Fingerschiene. 

Die Eigentümlichkeiten seines Verfahrens sind in der Hauptsache 
folgende. Ein hölzernes Brett, das bei rechtwinklig gestelltem Arm 
den Ellbogen, bei ausgestrecktem Arm die Finger mit ca. 10 cm über- 
ragt und am unteren Ende eine Rolle trägt, bildet den Schienenkörper, 
ein am oberen Ende des Brettes befestigter Gummischlauch die für alle 
Zwecke ausreichende Kraftquelle. Gespannt übt der Schlauch durch 
eine über die Rolle an einen Pfilasterverband zurücklaufende Schnur 
den Zug aus. 


— 152 —— 


Die zwei erstgenannten Schienen finden mittels eines elliptischen 
Schulterbügels, der die Achsel und Schultergegend frei läßt, ihren Stütz- 
punkt im oberen Rand des Armloches der Weste oder eines Mieders. 
Vom Heraufgleiten wird die Weste mittels eines zweiten durch den 
Schritt laufenden und mit seinen beiden Enden am Armlochrande 
angeknöpften Gummischlauches verhindert. 

Die Oberarmschiene wird bei rechtwinklig gestelltem Unter- 
arm bei Verletzungen des Schultergelenkes und Frakturen des oberen 
Endes und des Schaftes des Humerus verwendet, die winkelige Ober- 
Unterarmschiene ausschließlich bei den Brüchen des unteren Hu- 
merusendes. 

Die Unterarmschiene stützt sich mittels: eines zur Schiene 
rechtwinkelig stehenden drehbaren Metallgerüstes und eines an diesem 
angeknöpften elastischen Bandes gegen die Vorderfläche des Ober- 
armes. Um eine freie Fingerbewegung zu ermöglichen, reicht das mit 
einer langgestielten Rolle versehene Brett der Schiene nur bis in die 
Hohlhand herab. Die Hand-Fingerschiene, nur aus einem 25 cm 
langen, eine langgestielte Rolle tragenden Brett gebildet, wird mittels 
Pflastertouren am Unterarm befestigt. 

. Verfügt man nur über Pflaster und eine Rolle, so können alle 
die erwähnten Schienen leicht improvisiert werden. Der Schulterbügel 
der Oberarm- und der Ober-Unterarmschiene läßt sich einfach aus 
Rohr, einem Zweig oder Faßreif oder aus zusammengelegten Holz- 
spänen verfertigen und an das durchlöcherte Brett anknüpfen. Dem 
Brett der Unterarmschiene gibt man ein oberes hölzernes Querstück, 
das durch ein rings um den Oberarm manschettenförmig angelegtes 
Taschentuch gesteckt wird. Anstatt der Gummischläuche lassen sich 
vorläufig elastische Hosenträger oder Strumpfbänder verwenden. 

Während der letzten 6 Jahre hat B. u. a. in der chirurgischen 
Poliklinik des Reichshospitals zu COhristiania systematisch alle die mit 
nennenswerter Verschiebung erscheinenden Brüche der oberen Extremi- 
tät ambulatorisch mit Extension behandelt. Die Resultate sind frei- 
lich nicht immer ideal, aber weit besser als sie mittels Gipsverbänden 
erreicht werden können. Besonders bekommt man mittels der 
winkeligen Ober- Unterarmschiene durchaus funktionell vollkommene 
Resultate bei den gefürchteten suprakondylären Brüchen des Humerus. 
(Eine ausführliche Darstellung wird in einer deutschen Monographie er- 
scheinen. Die Schienen werden von der Firma A. Schaerer in Bern 
geliefert.) (Selbstbericht.) 





87) Klapp (Berlin). Die Behandlung von Schlüsselbein- 
brüchen mit Hebelextension. 


Es erscheint zweckmäßig, auch die Schlüsselbeinbrüche mit Ex- 
tension zu behandeln. Eine genügende Extensionswirkung wird erzielt, 
wenn man den im Ellbogengelenk rechtwinkelig gebeugten zugehörigen 
Arm so weit nach außen rotiert, daß der Unterarm in die frontale 


— 1535 —— 


Ebene geführt wird. Die Außenrotation des Armes überträgt sich auf 
den Schultergürtel, und unter Vermittlung des Lig. acromio-claviculare 
wird ein Extensionszug am Schlüsselbein ausgeübt. Die Stellung wird 
durch Gipsverband festgehalten. 
Unter dieser Hebelextension wird die Dislokation redressiert. 
Dieselbe Behandlung eignet sich auch für die Luxationen der 
Clavicula. (Selbstbericht.) 


88) Hoeusner. Extensionsschiene für den Vorderarmbruch. 


Die Schiene des Vortr. besteht aus einem zweifingerbreiten, flachen 
Aluminiumstab, welcher an der Vorderseite des spitzwinklig gebeugten 
Armes bis über die Fingerspitzen hinausläuft und am Ober- und 
Unterarm durch je eine mit Filz gepolsterte und mit Schnallenriemen 
fixierte rinnenförmige Platte aus Aluminiumblech befestigt wird. Am 
vorderen Ende trägt der Stab eine Extensionsrolle; an der Hand- 
gelenksgegend kann er plantarwärts abgebogen und vermöge eines 
steifgehenden Scharnieres ulnar- oder radialwärts festgestellt werden. 
Um die Handwurzel wird eine Filzmanschette geschnürt, an welcher 
drei feste Litzen angenäht sind. Letztere enden mit drei Spiralfedern, 
welche über die Endrolle geleitet und an Krampen, die an der Unter- 
seite der Vorderarmplatte angebracht sind, eingehakt werden. Auch 
zur Behandlung von Brüchen der Elibogengegend sowie von Finger- 
brüchen sind die Schienen brauchbar. .  (Selbstbericht.) 





89) H. Krönlein (Zürich). Über das Zuppinger’sche 
Extensionsverfahren bei Frakturen des Ober- und Unter- 
schenkels. 


K. demonstriert zwei Phantome, welche in überzeugender Weise 
die Wirkung der Zuppinger’schen automatischen Extensionslagerungs- 
apparate für Ober- und Unterschenkelfrakturen veranschaulichen. Er 
weist im übrigen auf die guten Erfahrungen hin, welche mit diesen 
Apparaten seit mehr als 2 Jahren in seiner Klinik erreicht worden 
sind und auf zwei im Druck erscheinende Arbeiten seiner Assistenten 
Dr. Henschen und Dr. Wettstein, welche diese Erfahrungen in 
extenso mitteilen werden. (Selbstbericht.) 





90) P. Manasse (Berlin). Demonstration eines Apparates 
zur Anlegung fester Verbände an der unteren Extremität. 


Der Apparat ermöglicht die Korrektur fehlerhafter Stellung des 
Beines und die Erhaltung der korrigierten Stellung ohne jegliche 
Assistenz. Er besteht aus einer Beckenstütze und einer Stange, auf 
welche mit Leinengurten überspannte Träger für den Ober- und Unter- 
schenkel und ein Fußstück gebracht werden. Das Fußstück ist hoch 
und niedrig verstellbar, sowie um die vertikale Achse drehbar und in 


— 154 — 


dem Kugelgelenk einer horizontalen Spindel festzustellen. Durch 
Drehen einer Schraubenmutter an der Spindel läßt sich das Fußstück 
auch in der horizontalen (Längs-) Richtung verschieben, wodurch der 
Ausgleich jeder Dislokation in schonender und zuverlässiger Weise 
geschieht. Nach Beendigung des festen Verbandes ist das Bein leicht 
aus dem Apparate zu entfernen. Letzterer kann an jedem Tische an- 
gebracht werden und ist gut transportabel. (Alleinverfertiger: G. 
Kunze jr., Berlin N., Lindowerstr. 18/19.) (Selbstbericht.) 


91) Lampe (Bromberg). Extensions- und Abduktionsapparat 
für die untere Extremität. 


L. demonstriert einen Extensions- und Abduktionsapparat für die 
untere Extremität; derselbe ist leicht an jedem Krankenbett seitlich 
anzubringen, und zwar freischwebend; er ermöglicht hierdurch den 
Transport des Kranken in seinem Bett bei extendiertem und abduziertem 
Bein, was besonders für die Kontrolle der Stellung der Fragmente 
bei Oberschenkelbruch im Röntgenkabinett wertvoll ist. Der Apparat 
wird von dem Medizinischen Warenhause Berlin zum Preise von 
50 Mk. geliefert. (Selbstbericht.) 


Diskussion zu Nr. 85—91. 


Fraenkel (Berlin) demonstriert Gipsverbände bei Fußwurzel- 
tuberkulose, die dadurch abnehmbar gemacht sind, daß der bekannte 
Gehbügel sich um ein seitliches Scharnier aufklappen läßt. Die Ver- 
bände werden, nachdem sie fest geworden sind, vorn und hinten auf- 
geschnitten und lassen sich dann leicht abnehmen und wieder anlegen. 


Bardenheuer (Köln) macht darauf aufmerksam, daß es sehr 
wichtig ist, auch die seitlichen Dislokationen durch die Extension 
durch Seitenzüge auszugleichen. Er glaubt, daß dies bei der einfachen 
Heftpflasterextension besser möglich sei als bei den hier demonstrierten 
Schienen. Lichtenauer (Stettin). 


Wullstein (Halle a. 8.). Der Gipsverband bei Frakturen ist der 
Extension überlegen, wenn er in gut reponierter Stellung angelegt wird. 

Auch W. hat einen Apparat konstruiert, der es ermöglicht, alle 
entzündlichen Prozesse an der oberen und unteren Extremität und 
ebenso alle Frakturen der Extremitätenknochen unabhängig und frei 
von jeder Assistenz einzugipsen, wobei die Dislokation der letzteren 
durch einfachen leichten Schraubenzug korrigiert wird, und zwar unter 
völliger Muskelerschlaffung und unter gleichzeitiger Kontrolle durch 
den Röntgenapparat. 

Beim Anlegen des Gipsverbandes an die untere Extremität und 
das Becken befindet sich der Pat. beim Eingipsen des Fußes und 
Unterschenkels in horizontaler Lage, beim Eingipsen des Oberschenkels 
und Beckens dagegen in vertikaler Stellung. Dieser gerade für die 


— '15 —— 


genaue Adaption des Verbandes an das Becken notwendige Lage- 
wechsel wird leicht durch Umlegen des Apparates bewirkt. 
(Selbstbericht.) 
Borchgrevink: Bei Vorderarmbrüchen ist eine Querextension 
nicht ausführbar. 


Krönlein: Bei der Zuppinger’schen Schiene läßt sich auch 
eine seitliche Extension anbringen. Die Zeiten des Gipsverbandes 
sind für die größte Anzahl der Frakturen vorüber. 

Lichtenauer (Stettin). 


ea 


92) H. Küttner (Breslau). Zur Prognose der traumatischen 
Luxationen. 


M. H.! Es gilt heute als feststehender Satz, der in fast allen 
Lehrbüchern vertreten wird, daß die einfache traumatische Luxation, 
rechtzeitig erkannt und kunstgerecht reponiert, ein gutes funktionelles 
Endresultat ergibt. Ich hatte nun bei gelegentlichen Untersuchungen 
an Pat. aller Kreise einen anderen Eindruck gewonnen und habe 
deshalb Herrn Oberarzt Dr. Schulz veranlaßt, bei der häufigsten 
und günstigst beurteilten der traumatischen Luxationen, der Luxatio 
humeri, systematische Nachforschungen anzustellen. Zur Verfügung 
stand das Material der orthopädischen Abteilung meiner Klinik, in 
welcher während der letzten 5 Jahre 160 frische Schulterluxationen 
behandelt worden sind. 

Von diesen 160 Fällen war ein Teil durch Knochenab- 
sprengungen und Frakturen kompliziert; sie scheiden aus, 
weil es uns auf die Feststellung des funktionellen Endresultates bei 
der einfachen Luxation ankommt. Zahlreiche Pat. waren infolge der 
Eigenart des Breslauer Materials nicht erreichbar, so daß für die 
Nachuntersuchung die erheblich kleinere, aber für die Beantwortung 
unserer Frage vollkommen ausreichende Zahl von 54 reinen un- 
komplizierten Luxationen übrig bleibt. Bei allen diesen Pat. 
ist das Fehlen jeder Knochenverletzung durch das Röntgenbild sicher- 
gestellt, eine absichtliche Verschleierung des Resultates kann mit Be- 
stimmtheit ausgeschlossen werden, da sämtliche hier berücksichtigte 
Pat. außerhalb der Begutachtung der Klinik standen und über das 
rein wissenschaftliche Interesse unserer Feststellungen orientiert waren. 
Überhaupt sind alle Fehlerquellen nach Möglichkeit ausgeschaltet 
worden. Daß es sich bei 88% der Fälle um Männer und in der 
überwiegenden Mehrzal um die rechte Extremität gehandelt hat, ist 
von untergeordnetem Interesse, wichtiger ist, daß 63% der Pat. das 
50. Lebensjahr überschritten hatten. Drei Viertel der Verletzungen 
waren vordere, 22% untere und 4% hintere Luxationen. 

Es hat sich nun herausgestellt, daß von den 54 Verletzten nur 
7=13% eine volle Brauchbarkeit der Extremität wiedererlangt haben, 
ohne jede Herabsetzung der groben Kraft und ohne jede Beeinträch- 


-— 156° — 


tigung der Beweglichkeit. Bei 14 Pat. = 26 % war die Bewegungs- 
fähigkeit zwar eine gute, die mit dem Dynamometer gemessene Kraft 
aber um die Hälfte und mehr herabgesetzt. Alle übrigen 61 % der 
Verletzten haben Bewegungsstörungen zurückbehalten. Am günstigsten 
nach dieser Richtung waren noch 4 Pat. gestellt, bei denen nur die 
Außenrotation, diese allerdings bis zu 40°, beschränkt war. Erheb- 
licher beeinträchtigt zeigten sich 32 % der Verletzten, durch eine zum 
Teil hochgradige Behinderung der Vorwärtsaufwärtshebung, und nicht 
weniger als 48 %, fast die Hälfte der Gesamtzahl, konnte den Arm 
seitaufwärts nicht über die Horizontale erheben, eine Bewegungsstörung, 
welche für sich allein in der Unfallpraxis mit 26 bzw. 22 % vergütet 
zu werden pflegt. Ein wesentlicher Unterschied zwischen aktiver und 
passiver Beweglichkeit konnte nicht festgestellt werden. Mit Einzel- 
heiten, m. H., will ich Sie nicht behelligen, nur bemerken, daß die 
grobe Kraft bei ®/, aller Verletzten bedeutend herabgesetzt war, und 
daß Krepitieren im Gelenk bei 28% der Fälle nachgewiesen werden 
konnte. Ein Drittel der Pat. klagte über nennenswerte rheumatische 
Beschwerden, zwei Verletzte hatten eine Lähmung des N. axillaris 
zurückbehalten, und bei zwei weiteren Kranken wiederholte sich die 
Luxation, um einmal habituell zu werden. 

Somit hat sich das ebenso überraschende wie deprimierende Re- 
sultat ergeben, daß bei einfachen, durch keine Knochenverletzung 
komplizierten, kunstgerecht behandelten Schulterluxationen ein wirk- 
lich guter Erfolg nur in 13%, ein befriedigender nur in 
weiteren 22% der Fälle erzielt worden ist. Bei fast zwei 
Dritteln der Verletzten war das Resultat nicht befriedigend, 
es blieb eine Erwerbsbeschränkung zurück, welcheim Durch- 
schnitt mit etwa 20—30%, bei einzelnen Verletzten gar mit 
50% und mehr zu bewerten war. 

Wir sind dann den Ursachen dieser mangelhaften Erfolge nach- 
gegangen. Gröbere anatomische Veränderungen, etwa wie die Machol- 
sche Myositis ossificans bei der Ellbogenluxation, ließen sich in 
unseren Fällen nicht nachweisen; offenbar ist es die Vernarbung und 
Verschrumpfung durch die schwere Weichteilverletzung des Gelenkes 
und seiner Umgebung, welche die Bewegungsstörungen verursacht. 
In manchen Fällen ist auch eine Arthritis deformans in Ausbildung 
begriffen gewesen. Von Bedeutung ist das Alter, aber ausschlag- 
gebend ist es nicht; denn fast die Hälfte der Pat., bei denen ein 
gutes Resultat erzielt wurde, hatte das 60. Jahr überschritten, während 
auf der anderen Seite gerade bei einem Teil der jüngsten Leute sehr 
schwere Bewegungsstörungen beobachtet worden sind. Den Eindruck 
der Mala voluntas haben wir durchaus nicht gehabt. Die Form der 
Verrenkung ist bedeutungslos, wenn man von der seltenen hinteren 
Luxation absieht, die in den wenigen beobachteten Fällen ein schlechtes 
Endresultat ergab. Keinen Einfluß scheint ferner die Schwierigkeit 
der Reposition zu haben; selbst die Länge der Zeit zwischen Unfall 
und Einrenkung ist nicht ausschlaggebend; denn es wurde ein be- 


— 157 0 —— 


friedigender Erfolg sogar in zwei Fällen erzielt, bei denen die Repo- 
sition erst 4 Wochen nach dem Trauma stattfand. 

Das Endergebnis ist um so unbefriedigender, als die Mehrzahl 
der Pat. nach allen Regeln der Kunst in der orthopädischen 
Abteilung der Klinik nachbehandelt worden ist. Die Fixierung 
dauerte durchschnittlich nur 8 Tage, dann wurde 2—3 Monate lang 
massiert, geturnt und an medico-mechanischen Apparaten geübt, und 
doch sind die Erfolge im allgemeinen bei diesen Kranken nicht viel 
besser gewesen als bei denen, welche sich bald der Nachbehandlung 
entzogen. Ob bei noch kürzerer Fixierung und Beginn mit Übungen 
und Massage schon am ersten oder zweiten Tage nach der Verletzung 
das Resultat besser sein wird, ohne daß sich Nachteile ergeben, ver- 
mag ich noch nicht zu entscheiden ; in einer Reihe von Fällen haben 
wir den Eindruck gehabt. Jedenfalls geht aus unseren Nachunter- 
suchungen hervor, daß die einfache Schulterluxation eine in 
ihren Folgen recht ernst zu nehmende Verletzung ist, und 
daß die Anschauung, eine richtig erkannte und kunstgerecht reponierte 


Luxation gebe stets ein gutes Endresultat, aufgegeben werden muß. 
(Selbstbericht.) 





93) J. Dollinger (Budapest). Erfahrungen über die opera- 
tive Behandlung veralteter Elibogenverrenkungen. 

D. referiert über jene Erfahrungen, die er mit der operativen 
Behandlung von 34 veralteten Verrenkungen des Ellbogengelenkes 
machte. Solche, die seit länger als 3 Wochen bestanden, können 
selbst in Narkose nur ausnahmsweise ohne operativen Eingriff einge- 
renkt werden. Verschiedene anatomische- Veränderungen verhindern 
die Einrenkung; von diesen erwähnt D. einige aus seiner eigenen Er- 
fahrung. Solche späte Versuche können zu schweren Läsionen führen. 
In letzter Zeit schritt D. darum in sämtlichen seit länger als seit 
3 Wochen bestehenden Ellbogenverrenkungen sofort zur Arthrotomie. 
Er dringt an der Außenseite des Gelenkes zwischen dem M. extensor 
carpi radialis und dem lateralen Kopfe des M. triceps brachii in das 
Gelenk und entscheidet erst nach Inspektion desselben, ob es auf 
blutigem Wege reponiert oder ob es reseziert werden soll. Indikation 
zur Resektion bildeten: Totaler Mangel des Knorpelüberzuges, Ab- 
lösung desselben während der Einrenkungsversuche, Erweichung des 
Humerusepiphysenendes, die bei veralteten Verrenkungen ziemlich 
häufig vorkommt, Veränderungen der Gestalt der Trochlea oder des 
Capitulum humeri infolge von Bruch und schiefer Anheilung oder 
durch Druckatrophie, Bruch des Processus coronoideus ulnae usw. 
Wegen dieser Veränderungen resezierte D. in 14 Fällen. Es wurde 
nur die Trochlea und das Capitulum humeri reseziert und das Epi- 
physenende des Humerus der Olecranonzange angepaßt. Die Epikon- 
dylen bleiben intakt. Der Epicondylus externus wird wohl vor der 
Resektion mit dem äußeren Seitenbande von seiner Basis mit dem 
Meißel abgetrennt, nachher aber wieder an seine ursprüngliche Stelle 


— 158 — 


genäht. Von den 14 Fällen sind 9 p. p. i., 4 mit etwas Eiterung ge- 
heilt, 1 Pat. starb leider an Pyämie. Von 11 Kranken bekam D. 
jetzt, 2—7 Jahre nach der Operation, brauchbare Daten über den 
Zustand ihres Gelenkes. 6 von ihnen haben steife Gelenke, 5 beweg- 
liche. In 2 Fällen macht die Beweglichkeit 40—50 Grad aus, in 
zweien 85 Grad, und ein Gelenk kann vollkommen gebeugt und ge- 
streckt werden. 

In 20 Fällen gestatteten die anatomischen Verhältnisse die Repo- 
sition. Seit 1902 versuchte D. bei sämtlichen Fällen die Reposition, 
ohne die Seitenbänder zu durchtrennen oder sie von ihrem Ansatz ab- 
zulösen. Das gelang nur in 3 Fällen, deren Verrenkung in 2 Fällen 
seit 1 Monat und in einem seit 3 Monaten bestand. In den übrigen 
Fällen mußte das äußere Seitenband getrennt werden. Gewöhnlich 
wurde es samt dem Epicondylus abgelöst. Das innere Seitenband 
konnte in sämtlichen Fällen belassen werden. Der Einschnitt ist, wie 
bei der Resektion, an der Außenseite. Zuerst entfernt D. die nar- 
bigen Gewebereste, die die Incisura Olecrani ausfüllen, und jenen 
Callussporn, der sich an der hinteren Seite des Humerus gewöhnlich 
vorfindet und manchmal den M. triceps an den Knochen heftet. 
Dann befreit er die Trochlea von den Verwachsungen und versucht 
es, bei den nicht sehr veralteten Fällen, das Gelenk mittels Hyperex- 
tension und Zug zu reponieren. Dieser Versuch soll selbst in jüngeren 
Fällen nicht forciert werden; denn wenn dabei der Knorpel abgelöst 
wird, so leidet darunter später die Beweglichkeit des Gelenkes. Kann 
das Gelenk ohne Durchschneidung des äußeren Seitenbandes nicht 
reponiert werden, so löst D. es samt dem Epicondylus ab, knickt den 
Arm in dem Ellbogengelenk gegen die ulnare Seite nach einwärts, 
so daß die ulnare Seite des Vorderarmes und die innere Seite des 
Oberarmes nebeneinander zu liegen kommen, schiebt die Gelenksenden 
durch die Wunde heraus, befreit sie von allen Verwachsungen und 
hebelt dann den Vorderarm von innen her auf den Oberarm, was 
gewöhnlich leicht geschieht. Naht des Epicondylus, der Fascien und 
der Haut, Drainage, zirkulärer Gipsverband in rechtwinkliger Stellung 
für 8 Tage, dann Beginn der mechanischen Behandlung, die leider 
nicht regelmäßig durchgeführt werden konnte. 

D. erhielt von 12 Kranken brauchbare Angaben über die spätere 
Funktion ihres reponierten Gelenkes. Sie wurden vor I—9 Jahren 
operiert. 

3 von ihnen haben derzeit steife Gelenke. Alle 3 waren kompli- 
zierte Fälle. Die Gelenke der übrigen 9 sind beweglich. 2 Pat. 
beugen ihr Ellbogengelenk vollkommen und strecken es bis 135 Grad, 
die übrigen 7 besitzen eine Beweglichkeit zwischen 90—135. 

D. spricht sich auf Grund dieser Erfahrungen entschieden für 
die Reposition aus und rät, bei veralteten Ellbogenverrenkungen 
nur dann zu resezieren, wenn der Zustand der Gelenksenden bei der 
inspizierenden Arthrotomie keine gute Funktion hoffen läßt. 

(Selbstbericht.) 


— 159 —— 


Diskussion. 


Bardenheuer (Köln) empfiehlt Extension und frühzeitige Mobili- 
sation bei Schulterverrenkungen. Er macht auf die Häufigkeit von 
Knochenabsprengungen aufmerksam. 


Wohlgemuth (Berlin) macht auf die häufige Absprengung des 
Tuberculum majus aufmerksam, die sogar bei Subluxationen vor- 
kommen. 


Bunge (Bonn) berichtet über 40 Fälle von blutiger Reposition 
von Ellbogenverrenkungen aus der Königsberger Klinik. Er warnt 
vor Resektionen, empfiehlt Außen- und Innenschnitt und gründliche 
Entfernung aller Bewegungshindernisse. Lichtenauer (Stettin). 





94) Stieda (Königsberg). Über Coxa valga adolescentium. 


Diejenige Form der Coxa valga, welche der Coxa vara adoles- 
centium entspricht, ist bis jetzt noch nicht sicher nachgewiesen. 8. 
berichtet über zwei einschlägige Fälle aus der Königsberger chirur- 
gischen Klinik, in denen die Diagnose durch das Röntgenbild sicher- 
gestellt wurde. In einem Falle handelte es sich um eine doppelseitige 
Erscheinung, in dem anderen bestand auf der einen Seite Coxa vara, 
auf der anderen Seite Coxa valga. Klinisch bestand Außenrotation 
und beschränkte Flexion, ungleiche Länge der Beine. Bei der 
Flexion ging der Oberschenkel in Abduktion und Außenrotation; in 
Streckstellung war in dem ersten Falle eine Beschränkung der seit- 
lichen Bewegung nicht nachweisbar. Ausschlaggebend für die Diagnose 
ist das Röntgenbild, welches unter den nötigen Kautelen (Mittelstellung 
zwischen Außen- und Innenrotation) aufgenommen werden muß, da 
sonst Täuschungen durch die Projektion entstehen. Die Vergrößerung 
des Schenkelhalsneigungswinkels ist auf Muskelzug zurückzuführen. 
Die Behandlung bestand in Schonung, Massage und Bewegungen und 
erzielte einen befriedigenden Erfolg. (Selbstbericht.) 


Diskussion. 


Sprengel (Braunschweig) glaubt, daß sowohl Coxa vara als auch 
Coxa valga traumatischen Ursprunges sei. 


Drehmann (Breslau) hat seinen Fall von traumatischer Coxa 
valga beschrieben. Außerdem hat er zwei Fälle von Coxa valga bei 
juveniler Muskelatrophie beobachtet. 


Hofmeister (Stuttgart) macht darauf aufmerksam, daß man das 
Bild der Coxa valga durch Stellung des Oberschenkelhalses bei der 
Röntgenaufnahme willkürlich hervorrufen könne Es sei daher bei 
der Diagnose dieser Erkrankung durch Röntgenaufnahme Vorsicht 
geboten. Lichtenauer (Stettin). 


— 160 —— 


95) Goebel (Breslau. Kongenitales Femursarkom, geheilt 
durch operative und Röntgenstrahlenbehandlung. 


Die Literatur über wirklich kongenitale, d. h. bei der Geburt 
schon nachweisbare maligne Tumoren ist schon ziemlich angewachsen, 
wenn man auch die gemischten Formen berücksichtigt. Nimmt man 
aber nur die einfachen Formen, d. h. echte Sarkome und Karzinome 
heraus, so wird die Zahl eine recht beschränkte, und besonders, wenn 
man die Sarkome der Knochen allein ins Auge faßt. Von letzteren 
fand Vortr. kaum 7—8 in der Literatur verzeichnet (Paul, Billroth, 
King, Levis, Manderli, Körte, Holmes, Lochwood). 

Die Beobachtung des Vortr. betraf ein 3wöchiges Kind, bei- 
dem am Tage nach der Geburt ein Knötchen an der Innenseite des 
rechten Kniegelenkes bemerkt wurde. Dasselbe wuchs bis Damenfaust- 
größe an und zeigte bei der Aufnahme in das Augustahospital außen 
und innen vom unteren Femurende je einen apfelgroßen Tumor unter 
verschieblicher Haut, in der Kniekehle aber eine mehr diffuse Infiltra- 
tion mit geröteter, adhärenter, Pseudofluktuation darbietender Haut. 
29. Mai 1907: Inzision an der vorderen, inneren Seite des Ober- 
schenkels, Entfernung eines großen Tumorstückes. Tumor geht in 
. die Weichteile diffus hinein. Naht der Wunde. Röntgenbestrahlung: 
31. Mai: 6 Minuten; 1. Juni: 3 Minuten; 3. Juni: 6 Minuten (harte 
Röhre, Einschaltung eines Zinnfilters zum Schutze der Haut). Bildung 
von runden Nekrosen auf der Kuppe des äußeren Tumors und in der 
Kniekehle. Von diesen Nekrosen aus am 11. Juni Auskratzung des 
ganzen Tumors so sorgfältig wie möglich. Erneute Bestrahlung am 
14. und 16. Juni je 10 Minuten, am 18., 20. und 24. Juni je 5, am 
25. Juni 6 Minuten lang. Befund am 29. Oktober 1907: Keine Spur 
Tumor nachweisbar. Glatte Narbe (Demonstration des Bildes vor 
Einleitung der Behandlung und des jetzigen. Rechtes Knie kann 
nur wenig über den rechten Winkel gestreckt werden. Rechtes Füß- 
chen kleiner und zierlicher als das linke (Hypoplasie nach Förster- 
ling). Allgemeinbefinden ausgezeichnet. 

Briefliche Anfrage Anfang April erweist Wohlbefinden, kein 
Rezidiv. 

Mikroskopisch: Spindelzellensarkom. Nach den ersten drei Rönt- 
genbestrahlungen zeigt der von neuem entfernte Tumor Chromolyse 
des Kernes, stärkere Färbbarkeit des Protoplasmas, teilweise Nekrose 
und leukocytäre Infiltration. 

Vortr. streift die Wichtigkeit des Falles für die Frage der Tumor- 
genese. Gerade die Sarkome des Femur werden ja so oft mit Trauma 
in Verbindung gebracht. Es ist aber daran zu erinnern, daß z. B. 
nach Bardeleben die Mehrzahl der Sarkome des Femur an dem 
Condylus internus sitzen, ebenso wie unser angeborener, sicher nicht 
traumatischer Tumor. 

Die günstige therapeutische Beeinflussung des Tumors entspricht 
den Erfahrungen anderer Autoren, insbesondere Kienböck’s, nach 


—— 161 —— 


denen gerade weiche, rasch wachsende Sarkome leichter durch Röntgen- 
strahlen zum Verschwinden gebracht werden. Vielleicht hat die opera- 
tive und Röntgenbehandlung insofern eine besondere Wirkung, als 
erstere eine Durchfeuchtung des Geschwulstgewebes, eine Durchsetzung 
mit Leukocyten usw. bewerkstelligt, die das Gewebe für die Bestrah- 
lung gewissermaßen sensibilisieren. (Selbstbericht.) 


96) J. Ludloff (Breslau). Osteochondritis dissecans des Knie- 
gelenkes. 


L. bespricht an der Hand zweier selbst operierter Fälle die Frage 
der »Östeochondritis dissecans« am Knie. 

Beide Fälle zeigten im Röntgenbild am Condylus medialis gegen- 
über der Ansatzstelle des Ligamentum cruciatum posterius einen 
ca. dattelkerngroßen und -förmigen ausgesprochenen dichten Knochen- 
schatten gebenden Körper, der in einer Knochenmulde lag; im Fall I 
im rechten Knie allein, in Fall II in beiden Knien. 

In Fall I zeigte sich bei der Operation der Knorpel darüber voll- 
ständig intakt, in'Fall II war ein Teil des Körpers gelöst und als 
»Öorpus liberum« im Gelenk. 

Bei der Durchsicht der Literatur stellt sich heraus, daß in der 
überwiegenden Mehrzahl aller genau eruierten Fälle der Körper immer 
am »Condylus medialis« liegt oder dorther stammt, in der Nähe der 
Insertion des »Ligamentum cruciatum posterius« und fast immer die- 
selbe Gestalt hat (cf. Grashey, Atlas chirurg. pathol. Röntgenbilder, 
Bd. OH. Fig. 84 und 89). 

Verf. erklärt diese Prädilektionsstelle für die Entstehung freier 
Gelenkkörper aus der Gefäßversorgung durch die » Arteria genu media«. 
Dieses unpaare Gefäßstämmchen tritt durch die hintere Wand der Ge- 
lenkkapsel zwischen den beiden Kreuzbändern hindurch und verbreitet 
sich auf dem »Ligamentum cruciatum posterius« in der Richtung nach 
der lateralen Kante des »Condylus medialis«, in dessen lateralsten 
Teil es mit kleinen Endzweigen eintritt und die Insertionsstelle des 
Bandes versorgt. Bei starker Überstreckung des Knies und zugleich 
Innenrotation des Unterschenkels wird das »Ligamentum cruciatum 
posterius« und die hintere Kapselwand stark gespannt. Es ist dann 
leicht möglich, daß dieses Gefäß abreißt bzw. geschädigt wird, beson- 
ders wenn das Gelenk noch belastet wird, so daß die »Eminentia 
intercondyloidea media« auch noch gegen diese Stelle drückt. Infolge 
dieser Gefäßschädigung wird dann immer derselbe Bezirk des Knochens 
in seiner Ernährung geschädigt, stirbt ab und löst sich dann allmäh- 
lich los, wobei sich auch der darüber liegende Knorpel disseziert. 
Durch weitere geringe Traumen wird dann dieses dissezierte Stück ins 
Gelenk als freier Gelenkkörper hineingeschafft. 

So lassen sich die scheinbar widersprechenden Auffassungen 
König’s und Barth’s gut miteinander vereinigen; denn wir haben 

Chirurgen-Kongreß 1908. 11 


ee. 62 


eine »Osteochondritis dissecans« auf traumatischer Basis durch Schädi- 
gung des ernährenden Gefäßes vor uns. (Selbstbericht.) 


Diskussion. 


H. Küttner (Breslau): Im Anschluß an die Ausführungen des 
Herrn Ludloff, welche den sicheren Beweis für die Richtigkeit der 
König’schen Anschauungen erbringen, möchte ich hier eine Gelenk- 
maus demonstrieren, wie sie in dieser Größe wohl nur sehr selten 
beobachtet wird; ich habe sie aus einem Kniegelenk mit schwerer 
Arthritis deform. entfernt. Betrachtet man die fingerlange Gelenkmaus 
genauer, so erkennt man sehr deutlich, daß aus dem großen Körper 
durch Demarkationslinien mehrere kleine Teile ausgelöst werden. Es 
spielen auch bei der Arthritis deformans dissezierende Pro- 
zesse eine Rolle. (Selbstbericht.) 


97) w. Müller (Rostock). 


M. demonstriert zwei Kniegelenke eines Hundes, bei welchem es 
nach mehrfachen negativen Versuchen Herrn Dr. Becker gelungen 
ist, wohl zum erstenmal eine typische, bleibende Gelenkmaus — 7 Mo- 
nate nach dem Versuch — zu erhalten. B. war bei seinen Versuchen 
ähnlich wie frühere Experimentatoren vorgegangen, hatte Gelenkstück- 
chen, aus Knochen und Knorpel bestehend, mittels Hohlmeißel her- 
ausgelöst. Interessant ist, daß im erstoperierten Gelenk eine typische 
Arthritis deformans sich entwickelt hat, in dem anderen fehlt diese, 
aber die Gelenkmaus ist mobil und mit glatter Oberfläche sowohl im 
Röntgenbilde wie im Präparat deutlichst zu sehen. (Selbstbericht.) 


98) Muskat (Berlin). Behandlung des fixierten Plattfußes. 


Da die Gipsverbände und die vom Autor 1906 auf dem Chirur- 
kongreß empfohlenen Heftpflasterverbände für den Pat. im Stadium 
der Kontraktur des Plattfußes manche Mängel aufweisen, hat M. die 
Hyperämie als Behandlungsmittel angewendet und mit gutem Erfolge 
durchgeführt. Durch heiße Luft und Anlegung einer Staubinde ge- 
lingt es oft schon in einer Sitzung von 1/,stündiger Dauer, die Span- 
nung der Muskeln zu beseitigen und den Fuß aus der Pronation in 
die notwendige Supinationsstellung überzuführen. Die Weiterbehand- 
lung ist die übliche. Zweckmäßig wird während der Behandlung die 
Rückseite der Fußspitze auf die Kante eines Schemels gelegt, um den 
Fuß aus der Abduktion in Adduktionsstellung zu bringen. 

(Selbstbericht.) 





99) O. v. Frisch berichtet über die Erfolge, welche in der v. Eisels- 
berg’schen Klinik mit der Gleich’schen Plattfußoperation gewonnen 
wurden. Die Methode wurde in den letzten 5 Jahren 18mal durch- 
weg bei schweren Plattfüßen angewendet, und zwar in jener von 


— 163 —— 


Brenner angegebenen Modifikation. 15 der Operierten konnten nach 
mehreren Jahren nachuntersucht werden, wobei sich in 2/, der Fälle 
vollkommene Heilung ergab. 

Dabei fiel auf, daß sich die Deformität spontan zurückgebildet 
und das Fußgewölbe deutlich gehoben hatte. Redner glaubt, daß 
diese reparatorischen Vorgänge mit den veränderten statischen Ver- 
hältnissen und der gleichfalls durch die Operation bedingten Ver- 
lagerung des hinteren Ansatzpunktes (Tuber calcanei) der kurzen Fuß- 
muskeln in ursächlichen Zusammenhang zu bringen ist. 

(Selbstbericht.) 


LEVICO-VETRIOLO 


som. ` Süd-Tyrol _ıs00n. 
Bestrenommierte ana eaea gegen allgemeine Schwächezustände, Nerven- 
leiden, sowie alle, auf fehlerh Blutzusammensetzung beruhenden Krankheiten. 
(Blutarmut, Bleichsucht, Skrofulose, Rachitis, uenleiden usw.) 


Vornehmes, erstrangiges Kur-Etablissement. 
Levicostarkwasser und Levicoschwachwasser 
in allen Apotheken und Mineralwasserhandlungen erhältlich. 


Die Direktion des Bades Levico. 
Telegramm-Adresse: Fouti-Levico. 








Anwendungsweise und Indikationen der 
Präparate 


SsAPALCOL Ki 


zugelassen 


salbenförmige Spiritusseife in Tuben nach Dr. Blaschko’s Vorschrift, 
zu Wascohzwecken und mit medikament. Zusätzen. 
Zu desinfizierenden Waschungen dient das Wasch-Sapalcol (ohne medikament. Zusatz); es wird 
in die Haut verrieben und alsdann mit mne Wasser ausgeschäumt. i 
Zu Waschungen des Kopfes bei Seborrhos, Pityriasis capitis, Alopecia areata wird das Sapalcol. 
abends auf die Kopfhaut eingerieben und am re Morgen mit heißem Wasser abgespült. 
Kp. 1 Tube Sapalcol c. Oleum rusci, oder 
= = 9: Anthrasol, oder 
c. Liq. carb. deterg. 
Bei Acne varioliformis Einreiben der befallenen Stellen mit Resorcin-Sapalcol abends und 
Abwaschen am Morgen. Rp. 1 Tube Sapalcol c. Resorein. 
Bei Prurigo Hebrae und Pruritus abends Einschmieren der befallenen Stellen mit Toer-Sapalcol 
oder Schwefel-Sapalcol und morgens ein warmes Vollbad. 
Rp. ı Tube Salpacol c. gona. rusci oder 
c. 
Bei chronischen Ekzemen und Lichen Simpl. Ëinreiben mit Teer- oder Resorcin-Sapalcol und 
Verband mit Gaze und Guttaperchapapier. 
Rp. 1 Tube Sapalcol S gana ee oder 


1 Reso 

Bei Erysipeloid Einschmieren der erkrankten Stellen ie gewöhnlichem Sapalcol und darüber 

Gaze und durchlöchertes Guttaperchappier 

Bp- 1 Tube Sapalcol ohne medikament. Zusatz. 
Bei Acne des Gesichts und Körpers Waschungen mit Ep. 1 Tube Sapalcol-c. Sulfar, oder 
Schwefel-, Resorcin-, Salicyl-, Sand-Sapal- a n c. Resorcin, oder 
col. Nach vollständigem Verdunsten des Alcohols mit 1: i c. Salicyl, oder 

warmem Wasser wieder abzuwaschen. 1 c. Sandstaub. 
Die Sapalcole mit medikament. Zusätzen werden entweder sofort nach dem Einreiben und dem 
Verdunsten des Alcohols, oder nach einigen Stunden, oder erst am anderen Tuge mit Wasser wieder 
entfernt, je nachdem man eine schwach® oder stärkere Wirkung erzielen will. 
Literatur durch den alleinigen Fabrikanten 


Arthur Wolff jr., Breslau X, Fabrik ohemischer Produkte. 


Breslau |. Berlin NW. 6 
Ares. un GEOTG Maertel “rn, 
Instrumentemacher der Chirurg. Univ.-Klinik Breslau. 
Katheter- 
KL "Remise 
D.R.G.M. n. G. Gottstein. 
oe Metafllmandrin 


n. A. Freudenberg. 


Kystoskop bildaufrichtend n. Ernst R.W. Frank in 
Lichtstärke und Klarheit des Bildes unerreicht. 


Meine Adresse und Vornamen zu beachten. 











a x Nährpräparate: 
RN N Nährzucker \.. Liebigsuppe 


in Pulverform in Dosen von !/z kg Inhalt zu 1.50 M. 


Nährzucker-Kakao '' ?’" vor 37 ke Inbalt 
Eisen-Nährzucker “07 ferrum giycerin-phosphoric. 
Eisen-Nährzucker-Kakao 2:0 from oxyda. 

Dose von !/ kg Inhalt 2.— M. 


Leicht verdauliche Eisenpräparate, klinisch bewährt bei Atrophie und Anämie. 
Den H.H. Ärzten Literatur und Proben kosten- und spesenfrei. 


Nährmittelfabrik München, G. m. b.H., In Pasing b. München. 








Verlag von Johann Ambrosius Barth in Leipzig. 


Immunität, Schutzimpfung und Serumtherapie 


von Oberstabsarzt Prof. Dr. A. Dieudonné in München. 


5., umgearbeitete Auflage. 8° VII, 234 Seiten. M.6.80, geb. M. 7.80. 


Schon nach Verlauf von 3 Jahren hat sich eine neue Auflage dieses Buches nötig gemacht. 
Innerhalb dieser Zeit sind die Kenntnisse der theoretischen und praktischen Immunitätslehre 
wieder wesentlich gefördert und im Buche berücksichtigt worden. Neu aufgenommen ist als 
Anhang eine kurze Technik der wichtigsten Immunitätsreaktionen, eine Erklärung der Fach- 
ausdrücke, sowie ein Sachregister. Diese Neuerungen werden zur Brauchbarkeit des Buches 
wesentlich beitragen. 


Beiträge zur 


Diagnostik der Syphilis hereditaria tarda 


von Dr. Edm. Fournier in Paris. 


Übersetzt von Dr. med. Karl Ries in Stuttgart. 
80 VI, 238 Seiten mit 108 Abbildungen. M.9.—, geb. M. 10.—. 


Das in der Arbeit von Edmund Fournier behandelte Thema ist in der deutschen Literatur 
bisher mit solcher Ausführlichkelt und Gründlichkelt noch nicht behandelt worden. den 
großen Fortschritten auf dem Gebiete der Erforschung der Atlologle der Syphilis dürfte zu 
erhoffen sein, daß auch in das immer noch nicht genügend erklärte Bild der hereditären Syphilis 
mehr Licht gebracht wird. 

In der äußeren Anordnung des Stoffes weicht die deutsche Ausgsbe Insofern etwas vom 
Original ab, als der etwas weitschweifige französische Text bei der Übersetzung mannigfach 

kürzt wurde. 
= Die vorzüglichen Abbildungen, die In der französischen Ausgabe enthalten sind, wurden 
auch in die deutsche Übersetzung übernommen. 


Dr. Walther Koch’s ‚PRÄVALIDIN‘ 


Salbenkombination zur percutanen Einverleibung 
ss von Kampher und Balsam peruvian. ss 


Größte Erfolge Im I. und Il. St. der Lungentuberkulose, Linderung u. lebensverlängernde 
Wirkung im IlI. St. Speciäcum bei Emphysem, Bronchitis chronio. Influenza, Anacmie 
und Horzechwächezuständen durch seine expectorierende und herzroborierende 
Wirkung. Tuben à M., 1.20 für Erwachsene und M. —,80 für Kinder, nur auf ärztliche 
Verordnung in den Apotheken erhältlich. Genaue Gebrauchsanweisung liegt jeder Tube bei. 


Literatur und Proben durch die 


Woll-Wäscherei und Kämmerel, Abt. chemische Fabrik 


in Döhren bei Hannover. 














OL” =D 


Operations- 
fingerlinge 


nach Friedrich 


Operations- 


handschuhe 
nach Friedrich 





Touchierhandschuhe nach 
I EIER Denen 
sind nur echt, wenn sie beigedruckte Schutzmarke tragen. 


Erhältlich in allen einschlägigen Geschäften. 
Die alleinigen Fabrikanten 


Zieger & Wiegand, Leipzig-Volkmarsdort. 





"VERLAG von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG. von JOHANN AMBROSIUS BARTH in LEIPZIG. 


Lehrbuch der Kinderheilkunde 


von 


O. HEUBNER 


od. Froteasor der Kinderheilkunde an der Friedrich-Wilhelm- Universität : zu Berlin. 
In zwei Bänden. + Zweite Auflage. 


Erster Band. Mit 47 Abbildungen im Text und auf einer Tafel. 1906. 
VII, 719 Seiten. Preis M 17.—, geb. in Halbfranz M 19.50. 


Zweiter Band. Mit 30 Abbildungen. 1906. VII, 568 Seiten. Preis M. 14.—, 
geb. in Halbfranz M. 16.50. 


Monatsschrift für Kinderheilkunde: Das vorliegende Werk stützt aich auf langjährige Er- 
fahrung und Beobachtung, auf ein „kleines Archiv von Kinderkrankengeschichten“ und ist von langer 
Zelt her sorgfältig vorbereitet. Gerade dadurch, daß In Jedem einzeinen Abschnitte die eigene Erfah- 
rung und Forschung des Verfassers zutage tritt, wird das Buch für jeden Arzt und Forscher eine Fülle 
von Anregung bringen, wie die klare Darstellung des tatsächlich Erforschten und die gesunde Kritik 
gegenüber dem noch Zweifelhaften es zu elnem ausgezeichneten Lehrbuch für die Studierenden bestimmt. 


Deutsche medizinische Wochenechrift: Hier empfangen wir nicht ein Lehrbuch, welches 
alles, was über den Gegenstand geschrieben ist, planmäßig zusammenstellt — das könnte auch ein 
anderer tun; vielmehr ist es ein ganz persönliches Werk, in dem sich der Verfasser nach Tempera- 
ment, Denkart und Interessen spiegelt. In lebhafter und anregender Weise entrollt er, mit Verzicht 
aüf historische Rückalicht, ein Bild der Krankheit, wie es seinem eindringlichen, aber kritisch sich 
bescheidenden Forschersinn darstellt; Entwicklungsgeschichte und pathologische Anatomie werden mit 
besonderer Liebe berücksichtigt, das Krankheitsbild wird plastisch herausgearbeitet und mit Kranken- 
geschichten aus der eigenen Erfahrung belegt, die Behandlung ist außerordentlich einfach gehalten, 
verneint wird selbst allgemein Gebräuchliches und um so ausführlicher wichtiges Neueres (z. B. Serum- 
behandlung, Intubation) erörtert. 

















D.R-P. 
No. 152163 


Prof. DT 


Dunbar" 
spezifisches Heilserum gegen 


Heufieber 
| Zuverlässiges 
annoihymal Darmadstringens 


(Thymol- Derivat) 


dargestellt von nr 
Schimmel & C? Miltitz bei Leipzig 


Zu beziehen durch die Apotheken. = Literatur zu Diensten. 

















Verlag von Johann Ambrosius Barth in Leipzig. 
Studien über Nervenregeneration 


von Prof. Dr. $. Ramön y Cajal in Madrid. Übersetzt von Dr. Johannes 
Bresler, Oberarzt an der Provinzial- Heil- und Pflege- Anstalt zu Lublinitz (Schles.). 


IV, 196 Seiten, mit 60 Abbiidungen im Text. 1908. Preis M. 7.50. 


Inhalt: I. Über den Mechanismus der Nervenregeneration. Einicitung. Darstellung 
der eigenen Experimente und Beobachtungen. Zusammenstellung der Beobachtungen und Deutung der 
Tatsachen. Allgemeine Schlußfolgerungen. 


Il. Die frühzeitigen Metamorphosen der Neurofibrillen bei der Regeneration und 
Degeneration der Nerven. Einleitung. Regenerations- und mortale Phänomene des peripheren 
Endes. Metamorphosen der Neurofibrillen des zentralen Endes. Allgemeine Interpretation der Neuro- 
fibrillen-Metamorphose, Tellos Untersuchungen über die Regeneration der motorischen Endplatte und 
der kleinen peripheren Nerven. Über die traumatische Degeneration und Regeneration der Nerven- 
fasern im Klcinhirn und Großhirn. Schlußfolgerungen. Literatur. 


l Die Verdienste, welche Cajal sich erworben hat, verbürgen von vornherein jeder neuen i 





Abhandlung desselben das lebhafteste Interesse der Fachgenossen .. Auch in vorliegender 
Abhandlung fehlt es nicht an wichtigen Fortschritten. 


R. BURGER & Co., Berlin N. Ay Chausseestr, $ 
Spezial-Fabrik für Röntgenröhren 


Prämiiert: 
Welt- 


ll | 
"St. Louis j u Telegr.-Adresse: 


1904 TA > | . Vacuumglas 


o Berlin 
Internat. 
Ausstellung 
Mailand 1906 


Ile Congrès i se 8 a 

Internat. de N oo OOO, AM Illustr. Preisliste 
Physio- W Ta ge ee u. franko 
therapie 

Rom 1907 





Sterile Kautschuklösung 2 I 
Ele em: D.RP ang. 


Ersatz fir 


Gummihandschuhe 


Absolut keimfreieOperationsfläche bei Lanarolomien etc. 
Zentralblatt für Chirurgie N’ 23 1907 
Zentralblatt für Gynäkologie N® 25 1907 


SETTING EN 


Abteil: Ghemisch-pharmaz. Präparate 











Nur echt mit dem 
Namenszug des Erfinders. 


tg FFT 


Alleinverkauf des Heilmittels Naftalan von 
der ehemaligen Naftalangesellschaft in MAEASONTE wieder an uns übergegangen ist. Gleich- 
zeitig teilen wir mit, daß sich die Quellen, aus denen die zur Herstellung von Naftalan erforder- 
liche Rohnaphtha gewonnen wird, in unserem ausschließlichen Besitz befinden. 


NAFTALAN hat sich hervorragend bewährt bei Verbrennungen und Erfrlerungen aller 


Grade. Wunden: asept. und infiz. Dekubitus, Afterfissuren, Furunkulose, 
Ulcus cruris. Entzündungen: Adenitis, Phlebitis, Prostatitis, Gonitis, Synovitis, Epididymitis, 
Hämorrhoiden usw. Rheumatisch - neuralgisch - gichtischen Affektlonen aller Art. Traumatischen 
Affektionen: Contusio, Distorsio, Luxatio usw. Dermatosen und Dermatomykosen:ı Ekzeme aller 
Grade, Lokalisationen und Formen, Eczema profess., Dermatitiden, Intertrigo, Psoriasis, Herpes, 
Pemphigus, Prurigo, Skabies, Pityriasis. rysipelast migrans, traumaticum, vaccinale, faciei. 
Frauenkrankhelten: Cervix-Eros., Endometritis, Vulvitis, Para- und Perimetritis, wunde Brüste, 
Mastitis. Augen-, Ohren-, Nasen- und Kinderkrankhelten: Blepharitis, Ulcus cornea, Lidaffek- 
tionen, Furunkulose des Ohres, Ozaena, Parotitis, Wundsein bei Säuglingen, Kinderekzeme. 


Naftalan ist allein echt mit dem Namenszuge des Erfinders Eug. Jäger. Ähnlich be- 
nannte, seit kurzen in den Handel gebrachte Produkte sind mit dem seit 1896 ärztlich durch- 
forschten und warm empfoblenen Naftalan nicht identisch. 


RussischeNaftalangesellschaftGeran-Tiflis. 


Der Verkauf von Naftalan wird ausschließlich durch unser 
Generaldepot für Naftalanı Dresden N., Antonstraße 37, 
besorgt. Der Verkaufspreis der russischen Originalpackungen beträgt in den Apotheken für 

Gramm 50 100 200 400 800 
Mark —50 —0 165 3.— 5.80 
Grossisten, Apothekern und Spitälern entsprechenden Rabatt. — Den Herren Ärzten stehen Literatur 
und Proben kostenlos zu Diensten durch das 


Generaldepot für Naftalan: Dresden N., Antonstraße 37. 

















NORIDAL Suppositorien 


Mittel gegen 


Haemorrhoiden 


Blutungen, Pruritis, Tenesmus, Mastdarmkatarrh, 
Schrunden und Wundsein der Analgegend, 
schmerzhafte Stuhlentleerung. 


Best.: Calc. chlorat., Calc. jod., Bals. peruv. 


$ 
:: Physiologisch und klinisch eingehend erprobt. :: 
Wirkung ohne irgend welche Sekundär-Erscheinungen. 
| 


Literatur: Geh. Med.-Rat Prof. Eulenburg-Berlin, Fürbringer-Berlin, Pavloff-St. Peters- 
burg, Weidemann-St. Petersburg, Hirsch-St. Petersburg, Holländer-Berlin, Posner- 
Berlin, Rebourgeon-Paris, Goll-Zürich, Popper-Igls b. Senator, Hirsch-Kudowa, 
Steinsberg-Franzensbad, Waitz-Paris, Wright-London, Piliver-Odessa, Fürth-Dervent, 
Quastier-Wien, Prof. Boas-Berlin, Kehr-Halberstadt, Pickardt-Berlin, Weiß-Berlin, 
Sandberg-Berlin, Zibell-München, Silvestri-Rom, Dawson-London, 


Versuchsmengen und ausführliche Literatur gratis und franko 
durch die Fabrik. 





i 





MUIRACITHIN 


Spezifikum gegen Impotenz. 


Kräftigung des Erektionszentrums, Besserung nervöser Allgemein- 
erscheinungen, Stärkung des Herzens. Vorzügl. Nerventonikum. 





Literatur: 


Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Eulenburg, Berlin (Realenzyklopädie der ge- 
samten Heilkunde, S. 399): „Auch ich hatte in letzter Zeit bei Sexual- 
neurasthenikern einige günstige Resultate zu verzeichnen, das Mittel 
scheint überhaupt als Nerventonikum gelten zu dürfen, allerdings auf 
die sexuelle Libido und die Erektion besonders verstärkend zu wirken.“ 
Weitere ausführliche Mitteilungen von Prof. Nevinny-Innsbruck, 

Prof. Kolomoizew-Kasan, Prof. Rebourgcon-Paris, Prof. Goll-Zürich, 

Prof. eg KEE, Popper Igls in der Klinik von Geh. Med. -Rat 

Prof. Senator-Berlin, Hirsch-Kudowa, Steinsberg-Franzensbad, Waitz- 

Paris, Wrigh-Hunt, Piliver-Odessa u. a. 

) 
| 


Literatur gratis und franko zu Diensten. 


| Kontor chemischer Präparate (Ernst Alexander) 
BERLIN C. 2, Neue Friedrichstraße 48. 


haaa aa d a aa a a a a a a a a a a a A 





cann aeaaea Ze Ze Ze a a d a 2 





Wilhelm Holzhauer 


Fabrik medizinischer Bedarfsartikel, Bandagen und Yerbandstoffe 
Marburg (Hessen) 


‚bringt sein großes Lager selbstgefertigter Chirurgischer Instru- 
‘mente (sämtliche schneidende handgeschmiedet), Kranken- und 
Operationsmöbel in empfehlende Erinnerung. 


Binriohtungen von Krankenhäusern, Sanatorlen und Laboratorien. 


Kostenanschläge und Kataloge gratie und franko. 







we > i 
Zirkulations-Heißluftbad für ganze und | 99 Heißluftap Nr. 5 
Teilanwendungen von Mk. 83. ab. A p e aar bari ML 


D.R.P. a ® s für allgemeine 
‚oa Milzingers Heißluftapparate =: 
Sie gehören heute zum ständigen Inventar von über 5000 ärztlichen 


prechzimmern und Kliniken It. Ia Referenzen. Prospekte 
und gesamter Literaturnachweis durch 


W. Hilzinger-Reiner, Stuttgart. 


Heißluftapparat Nr. 8, 


Zirkulations-Heißluftbad Nr. 1 für den h Dr. 
Stamm und für nor Zwecke Zwecke. en v 


von Mk. 33.50 Thermometer Mk. 52.10. 


Rossel, Schwarz & Co.,Wiesbaden 


Fabrik hellgymnastischer und orthopädischor Apparato. 
Alleinfabrikation der Apparate 
System Dr. Herz, Wien. 
Alleinfabrikation der Apparate 
System Dr. G. Zander, Stockholm. 
Alleinfabrikation der elektrischen Heißluft- 
apparate System Dr. Tyrnauer, Karlsbad. 
i ’ a gleichzeitig als Widerstands- 
Pendelapparale, un... nern g 
Erstklassiges Fabrikat mit | Literatur und Offerte €Q 


weitgehendster Garantie. gratis und franko. | 
Feinste In- und ausländische Referenzen. Patente In allen Kulturstaaten. 





SPEZIALPRAPARATE MARKE ROCHE 


Thigenol 


Synthetisches Schwefelpräparat. 


Braune, fast geruchlose Flüssigkeit. 
Thigenol ist leicht resorbierbar, wirkt milde, juckreiz- und schmerzlindernd. 






Hervorragendes Heilmittel der Schwefeltherapie bei 


Hautleiden und Frauenkrankheiten 


besonders indiziert bei Akne, Ekzem, Seborrhöe, Skabies usw., 
akuten und chronischen Metritiden, Adnexerkrankungen, 
Beckenexsudaten usw. 


-Flecken lassen sich aus Wäsche und Verbandstoff mit Seifenwasser leicht entfernen. 
Man verlange die Thigenelbraschärs, weiche eine Sammlung auszuwählter Rezepte enthält, 


Secacornin 


-Sterile Lösung der wirksamen Bestandteile des Mutterkorns. 


1 cem Secacornin = 4g Secale cornut. Dosis 0°5—1 cem Secacornin 





Indikationen: 


Geburtshilfe: prompte, wehenbefördernde Wirkung, Be- 
kämpfung von Atonie usw. 


Gynäkologie: als Hämostaticum bei Metrorrhagien, sowie 
bei starker und schwächender Periode. 


Anwendung: per os und für Injektionen. 


Verordnung: 1 Originalflacon Secacornin,Roche*, 6 oder 12 
sterilisierte Ampullen ä 1 ccm in Originalkarton. 


Proben und Literatur zur Verfügung. 


la A HE Een TI TAHET N EEATT, PAA ETET 


Verlag von Johann Ambrosius Barth In Leipzig. 
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. 
Alleinige Inseratenannahme durch Max Geisdorf, Eberswalde. 





Digitized by Google 


Digitized by Google 





Digitized by Google 








©; 


Digitized b 





u 
ArT” 
> ® 
- ea 5 x: 4 


J