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Full text of "Zeitschrift für französische sprache und literatur"

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■ 

I 

42l>o4- 


Zeitschrift 


für 


französische  Sprache  und  Iitteratar 


unter  besonderer  Mitwirkung  ihrer  Begründer 


Dr.  G.  Karting    und  Dr.  E.  Koschwitz 

Pro  f  essor  a.  cL  Akademie  in  M Untier  L  W.     Profestor  a.  d.  Universität  m  Greifswald 


herausgegeben 


von 


Dr.  D.  Behrens    ™<*    Dr.  H.  Koerting 

a.  o.  Professor  a.  d.  Universität  in  Jena.        Professor  a.  d.  Universität  in  Leiptag. 


Band  XII. 


Oppeln  nnd  Leipzig. 

Engen  Franck's  Buchhandlung 
(Georg  Maske). 

1890. 


Zeitschrift 


für 


französische  Sprache  und  Litteratur 


unter  besonderer  Mitwirkung  ihrer  Begründer 

Dr.  G.  Koerting    »nd    Dr.  E.  Koschwitz 

t'rufrm^r  ».  A.  Akadf-mir  zu  MüiMpr  i.  W.       Pr«»f**h-or  a.  d.  I*niv*-n«itfet  zu  Greiftwald 

herausgegeben 


von 


■>r.  I>.  Behrens,    »u.i    Dr.  H.  Koerting, 

•».   o.   l'ir.frsMtr  u.  d.  Universität  /.»  J«?na.         Pr«»frssi>r   h.  d.    ruiv*i>it&t    iu    Leipzig. 


Band  XII. 

Erste   Hälfte:    Abhandlungen  etc. 


Oppeln  und  Leipzig. 

K ii frei)  Fraiick's   BuolihaiHllun^ 
(Georg  Maske). 


Phonetik  und  Grammatik. 


•  -.•  _•-» 


I. 

INicht  ohne  Staunen  las  ich  an  verschiedenen  Orten  die 
Forderung,  der  Schulunterricht  des  Französischen  solle,  absehend 
von  der  gewöhnlichen  Orthographie,  der  Literatursprache  und 
der  traditionellen  Grammatik,  wenigstens  anfangs  nur  die  ge- 
sprochene Sprache  (Redesprache)  berücksichtigen. 

Gegen  die  Forderung  selbst  will  ich  mich  hier  nicht  wenden; 
nur  gegen  die  Ansicht,  als  sei  ein  derartiger  Unterricht  zur  Zeit 
überhaupt  möglich. 

Wenn  jemand  die  Redesprache  unterrichten  soll,  so  scheint 
mir  eine  nicht  unwesentliche  Vorbedingung,  dass  er  sich  darüber 
klar  ißt,  was  er  unter  ihr  zu  verstehen  hat,  und  zweitens,  dass 
ihm  diese  Redesprache  und  ihre  Gesetze  wohlbekannt  sind. 

Was  sollen  wir  aber  unter  dieser,  dem  Unterrichte  zu  Grunde 
zu  legenden  Redesprache  verstehen?  Die  Antwort  scheint  ein- 
fach genug:  die  Sprache  des  gebildeten  Parisers.  Sprechen  die 
gebildeten  Pariser  aber  alle  gleich?  Leider  nein.  Denn  neben 
den  Parisern  aus  Paris  sind  nicht  minder  zahlreich  die  Pariser, 
die  nicht  aus  Paris  sind  und  die  ihre  heimatlichen  Sprachgewohn- 
heiten keineswegs  abgelegt  haben.  Nicht  einmal  die  eingeborenen 
gebildeten  Pariser  sprechen  gleich;  auch  bei  ihnen  hat  jedes 
Individuum  seine  Besonderheiten.  Und  noch  mehr;  selbst  dieselbe 
Persönlichkeit  spricht  anders  im  vertrauten  Umgange,  anders  in 
öffentlichem  Vortrage,  anders  im  ruhigen  Reden*  u  88,  anders  im 
Affekt,  anders  in  der  Jugend,  anders  im  Mannes-  und  im  Greisenalter. 

Den  Franzosen  selbst  hat  es  immer  schon  Schwierigkeiten 
gemacht,  zu  bestimmen,  welche  Sprache  als  die  gute  zu  be- 
trachten sei.  Vom  Mittelalter,  dem  jede  Sprechweise  gut  war 
und    das   nur  Dialekte    kannte,   können   wir  absehen.     Auch   als 

Züchr.  f.  frz.  Spr.  u.  Litt.    XII'.  , 


iflH 


3  E.  Koschwitz, 

die  Mundart  von  Isle  de  France  das  Übergewicht  erhalten  hatte, 
hat  niemals  eine  anerkannte,  einheitliche  Sprache  (speziell  Aus- 
sprache) bestanden.  Sobald  Grammatiker  auftreten,  entsteht  der 
Streit,  was  man  als  bon  vsage  anzuerkennen  habe.  Im  XVI.  Jahr- 
hundert wurde  sogar  Paris  als  ausschliesslicher  Sitz  der  mass- 
gebenden Sprache  angezweifelt;  im  XVII.  Jahrhundert  galten  den 
Grammatikern  der  Hof  und  die  höhere  Beamtenwelt  als  sprach- 
liche Autoritäten;  im  XVIII.  Jahrhundert  trat  die  Pariser  gute 
Gesellschaft  an  ihre  Stelle.  Aber,  sagt  Thurot1),  que  faut-il  en- 
tendre  par  la  bonne  compagnteT  Ce  mot  avait  ttn  sens  prteis  du 
temps  du  premier  Empire  et  mSme  de  la  Rextauration.  La  Re- 
volution du  1830  a  divini  profonde'ment  la  bonne  compagnie,  et, 
depuis  1848,  la  bonne  compagnie  a  ete  noyee  dang  le  flof  croixsant 
de  la  population  porkienne.  Aujourd'kui  lex  konnetes  gens  de  la 
capitale,  .  .  .  nont  telhntent  nombreux  et  partages  en  groupes  si 
wolix  entre  eux,  quil  ne  petd  pax  ne  former  un.  tiaage  commun 
qvi  serve  de  type. 

Hier  hören  wir  also  aus  dem  Hunde  eines  Parisers  selbst, 
der  zu  den  Gebildetsten  seines  Volkes  gehörte,  dass  ein  usage 
commun  in  Paris  gar  nicht  vorhanden  ist.  Der  Phonetiker,  dem 
es  nur  darauf  ankommt,  die  verschiedenen  Aussprache  weisen,  und 
mögen  sie  auch  noch  so  zahlreich  und  abweichend  von  einander 
sein,  festzustellen,  kommt  dadurch  nicht  in  Verlegenheit.  Auch 
nicht  der  Vertreter  der  wissenschaftlichen  Grammatik,  den  diese 
Mannigfaltigkeit  eher  fesselt,  als  abschreckt,  weil  sie  ihn  in  die 
Werkstatte  der  Sprachen twickelung  unmittelbar  hineinfuhrt.  Er 
hat  ebenfalls  nur  zu  sammeln  was  vorhanden  ist  und  ausserdem 
den  Bestand  auf  seine  Entstehung  hin  zu  prüfen.  Wie  soll  sich 
aber  der  praktische  Grammatiker  der  angegebenen  Sachlage  gegen- 
überstellen, dem  es  zum  Zwecke  des  Unterrichts  darauf  ankommen 
muss,  feste  und  bestimmte  Kegeln  zu  geben?  Wie  soll  er  sich  ins- 
besondere inbezug  auf  Ausspracheangaben  verhalten,  nach  welchen 
Gesichtspunkten  ans  der  Vielheit  das  Beate  aussuchen,  um  es  als 
musterhaft  zu  lehren?  Darauf,  glaube  ich,  kann  nur  folgende  Aut- 
wort gegeben  werden.  Wo  unter  den  gebildeten  Parisern  eine  all- 
gemein Übliche  Sprechweise  vorhanden  ist,  muss  diese  als  normale 
gelehrt  werden;  ist  eine  solche  mit  Bestimmtheit  nicht  festzu- 
stellen, dann  muss  dasjenige  als  das  beste  gewühlt  werden,  was 
sich  als  Ergebnis  der  Sprachentwickelung  als  das  zunächst  liegende, 
natürlichste  ergibt,  und  was  der  Unterordnung  unter  allgemeine 
Sprachgesetze  und  Tendenzen  ara  wenigsten  widerstrebt.  Auch 
ist  zu   beachten,    wie  weit   eine    Pariser   An ssprachs weise   auch 

')  De  la  Protmnciatio«  fran^ise.     Pariü,   IHBI.     1,  S.  CHI. 


Phonetik  und  Grammatik.  3 

anter  der  gebildeten  Bewohnerschaft  anderer  französischer  Städte 
verbreitet  ist 

Hieraus  ergeben  sich  mit  Notwendigkeit  einige  Folgerungen, 
deren  Bedeutsamkeit  nicht  zu  unterschätzen  sein  wird. 

1)  Dem  blossen  Phonetiker,  und  mag  er  noch  so  genau  und 
scharf  beobachten  und  die  vorgefundenen  Laute  beschreiben,  steht 
niemals  der  Anspruch  zu,  dass  seine  Beobachtungen  von  dem 
Grammatiker  ohne  weiteres  zu  Gesetzen  erhoben  werden;  am 
wenigsten  kann  dies  geschehen  da,  wo  er  selbst  in  seinen  An- 
gaben schwankend  ist,  wo  ihm  andere,  gleich  glaubwürdige 
Zeugnisse  entgegenstehen,  oder  wo  sich  eine  Gesetzmässigkeit 
für  seine  Einzelbemerkungen  nicht  ergibt.  Noch  mehr  zur  Be- 
scheidenheit ist  der  Nichtfranzose  genötigt,  der  sich  nur  einige 
Zeit  in  Paris  aufgehalten  hat,  und  der,  vielleicht  noch  mit  unge- 
nauem Gehör  oder  mangelhafter  Artikulationsfähigkeit  ausgestattet, 
bei  seinen  Beobachtungen  auf  bestimmte  Kreise  eingeschränkt 
geblieben  ist. 

2)  Die  Kenntnis  der  historischen  Grammatik,  besonders  die 
der  neueren  Sprachgeschichte  sowie  die  des  Sprachlebens  Über- 
haupt, ist  auch  dem  unentbehrlich,  der  es  unternimmt,  nur  den 
gegenwärtigen  Stand  der  Sprache  selbständig  zu  bearbeiten. 

3)  Es  ist  dringend  wünschenswert,  darüber  zur  Entscheidung 
zu  kommen,  ob  auf  unsern  Schulen  in  Wirklichkeit  die  Umgangs- 
sprache oder  die  des  Vortrags  (die  Buhnensprache)  allein,  oder 
ob  beide  nebeneinander  oder  nacheinander  gelehrt  werden  sollen. 
Was  gegenwärtig  gelehrt  wird,  ist  oft  ganz  undefinierbar;  ein  auf 
Tradition  beruhendes  Deutschfranzösisch,  das  nach  Provinzen 
schwankt.  Im  allgemeinen  scheint  allerdings  als  Gesetz  zu  gelten, 
dass  die  Aussprache  der  Bühne  und  die  Grammatik  der  Schrift- 
sprache dem  Unterrichte  zu  Grunde  gelegt  werden  sollen. 

Die  Grammatik  der  Umgangssprache  zu  lehren,  ist  gegen- 
wärtig schon  deshalb  ausgeschlossen,  weil  dieselbe  zur  Zeit  noch 
ungeschrieben  ist.  Wer  ihre  Einführung  erheischt,  sollte  die 
Wissenschaft  vorerst  mit  ihr  bereichern.  Oder  soll  den  Lehrern 
an  unseren  höheren  Unterrichtsanstalten  zugemutet  werden,  dass 
jeder  sie  sich  für  seinen  Gebrauch  anfertige?  Wie  soll  er  dies 
aber  vermögen,  wenn  er  nicht  andauernde  Gelegenheit  hat,  sie 
kennen  zu  lernen?  Aus  Texten  allein  ist  sie  nicht  zu  lernen; 
nur  mit  grösster  Vorsicht  ihre  Syntax,  weil  bei  Niederschrift  des 
gesprochenen  Wortes  sich  die  Schriftsprache  einzudrängen  pflegt; 
nimmermehr  ihre  Laut-  und  Formenlehre.  Dafür  würde  es  zahl- 
reicher vortrefflicher  phonetischer  Transskriptionen  bedürfen;  aber 
auch  in  ihrer  vollendetsten  Gestalt  könnten  diese  das  gesprochene 
Wort  nicht  ersetzen.    Die  brauchbaren  Phonographen,  von  denen 


(i.  Paris  die  Erkenntnis  du  schwierigsten  Probleme  der  neufran- 

BtMsoben  Aussprache  erhofft,  sollet h  Immer  erfunden  werden. 

Der  Wünsch  der  Phonetiker,  ea  solle    tat  unseren  Behufes 
die  frwisBBiBe-trt  Reaespmehs  gelehrt  werden,  ist  demnach  gegen- 

wirtig   i rfüllbar,   oder,   wenn   er    trotzdem   ausgesprochen   wird, 

ein  in  seinem  wirklichem  ["nifatigr  unverstandener.  Hin  anderer 
WanBcJi  mancher  Phonetiker  geht,  wenn  ich  ele  recht  verstelle, 
um  dahin,  es  sollte  die  gegenwärtige  Schrift  spräche  gelehrt 
werden,  wie  sie  sieh  beim  Sprechen,  rein  [antlich  uufgefasst,  ver- 
ii/üi.  slad  die  :inI'  der  Kulme  nnii  im  ii'dieren  Vertrage  gesprochene 
Sprache,  aber  ohne  UUeksiolit  auf  ihre  schriftliche  Darstelliin^r. 
Aneh  mit  der  Erfüllung  dieser  Ponlcniug  sind  Schwierigkeiten 
verknüpft,    deren   lieseitigung   eist   bewerkstelligt  sein  iui 

all  eine  praktische  Arisfliliniiig  selbst  dieses  Verlangens  gcduchl 
werden  kann.  Wohl  hat  iikih  in  neuerer  Zeit  vielfach  versucht, 
den    I.iiiilsl.'iiid    des    ges|iroe|icnoii    I  Inchi'r.'iuziisi^eh .    der    modernen 

Pariser  VortragBsprache,  wissenschaftlich  festzustellen;  aber  es 
Int  nirht  unschwer,  eh  erkennen,  das»  abschliessende  Untei- 
siielningon  noch  zu  fuhren  Bind.  Hie  einen,  die  sieh  mit  nep 
FrnnzÖBiiclier  Ausspruche  Kesrliüftigt  haben,  besasseu  wohl  liin- 
lünglich  phonetische  Keniilnisse  und  fron  Übende  Schulung,  um  die 
ihnen    bekannten    französischen    Lallte    ZU    fixieren;    aber   es    fehlte 

ihn«  an  der  Möglichkeit,  im  Ort  und  stelle  Ruereiobendi 
Beobachtungen    anstellen    so    können;    andere    Beobachter    der 

lerafranäouachen    inupnehe  besueen    swai   genttgende   Ge- 

legenheit,    U    Ort    1    Stelle    lieoba*  ditungen    anzustellen;    ihnen 

fohlte    aber  wiederum    ausreichendes    phonetisches  Wissen,    u 

Gelernte   in  genauer,   dir  Wissenschaft   zufriedenstellender  Po» 

■  11    zu  können.      In    beiden  Füllen  fehlton  ausserdem  nicht 

Btlten  gründliche  bietorieehe  SpraehkeaatmsBe,  diu  zur  Erkenntni 

der  Osetzmassigkoit  dos  Beobachteten  geleitet  haften.  Von  den 
wenigen,  die  ;  l.  m  wissenschaftlichem  Rüstzeug  hin- 

längliche praktische  Kenntnis  des  französischen  Sprachgebrauches 
beäugen  odi  i  Gelegenheit  hatten,  sie  zu  erwerben,  sind  schwierige 

nnil  Wichtige  Teile  itei  flun/ösischcil  Ausspruche  unangehallt  ge- 
blieben. So  die  GeaetEe  ihr  Vorstummuiig  resp.  Aussprache  de« 
tonlosen  ■-.  die  tluantitütsgeset/.e,  ili.'  Aeceutgesetzo,  die  für  die 
verschiedenen  Grade  der  Tonhöhe  geltenden  Sprachrcgeln, 
Vorgänge    des   combinatoi  iscliou   Lautwandels.1) 

Ein    fluchtiger  Versuch,   die    Regeln   der  Formenlehre  fesi 
zustellen,    wie    sie    sich    für   die    gesprochene    Sprache    gestalten, 

')  lltzr  l,e»or  wird  hiermit  entnehmen,  diiss  ich  auch  durch  meiie 

[lltl'tfti'lliin-  :  UriiiiiiimliK  ••■  r  ■•■uji  ,<,::< 

,  ielben  für  keineswegs  abgeselilowen  h 


Phonetik  und  Grammatik.  5 

wenn  man  von  dem  Schriftbilde  gänzlich  absieht,  ist  von  mir1) 
vor  einiger  Zeit  veröffentlicht  worden.  Vorher  hatten  Lütgenau2) 
und  Kr.  Nyrop3)  untersucht,  wie  sich  die  Femininbildung  der 
Adjektiva  vom  rein  lautlichen  Gesichtspunkte  ausnimmt.  Bei 
allen  drei  Versuchen  ergab  sich,  dass  eine  rein  phonetische 
Darstellung  der  französischen  Formenlehre  für  den  Unterricht 
eine  Erschwerung  herbeiführen  würde,  da  neben  den  Verein- 
fachungen, die  durch  die  phonetische  Darstellung  entstehen,  sich 
weit  zahlreichere  Verwickelungen  einstellen,  und  es  leichter  ist, 
aus  dem  Schriftbilde  zu  einem  richtigen  Lautbilde  zu  gelangen 
und  die  Gesetze  der  Lautsprache  zu  erfassen  als  umgekehrt. 
Das  Verhältnis  der  Schrift  zum  Laut  ist  im  Französischen  zu 
beständig,  um  es,  wie  vielleicht  für  das  Englische,  praktisch 
erscheinen  zu  lassen,  von  einer  Lautschrift  und  rein  lautlichen 
Gesetzen  zur  gewöhnlichen  Schrift  und  ihrer  Grammatik  tiberzu- 
gehen. Schon  das  Vokabellernen  würde  bei  rein  phonetischer 
Darstellung  mit  einer  Erschwerung  verknüpft  sein:  es  mtisste  bei 
jedem  zu  lernenden,  männlich  ausgehenden  Subst.  und  Adj., 
dessen  auslautender  Kons,  verstummt  ist,  aber  bei  Bindung  lautet, 
auch  die  Bindeform  dazu  gelernt  werden.  Auch  bei  den  Flexions- 
resten wären  stets  zwei  Formen  zu  merken,  die  ausserhalb  der 
Bindung  und  die  im  Falle  der  Bindung  gebräuchliche.  Schon  dadurch 
würde  wieder  aufgehoben,  was  sich  durch  Nichtberücksichtigung 
der  Schrift  vereinfachen  würde.  Dazu  kommen  allerlei  einzelne  Er- 
schwerungen, von  denen  hier  einige  Proben  gegeben  werden  sollen. 
Für  die  Substantiva  auf  al  lautet  in  der  gewöhnlichen 
Grammatik  die  Regel,  dass  ihr  Plural  auf  aux  ausgehe,  und  dass 
nur  einige  wenige,  in  späterer  Zeit  in  die  Sprache  eingetretene, 
leicht  zu  lernende  Lehnworte  davon  eine  Ausnahme  bilden,  die 
der  allgemeinen  Regel  folgen  und  im  PI.  flexi visches  .v  ansetzen. 
(Bei  pal  ist  der  alte  PI.  paux  wahrscheinlich  zur  Differenzierung 
von  peaux  ausser  Gebrauch  gekommen.)  In  der  Lautgrammatik 
gestaltet  sich  die  Regel  etwa  folgendermassen:  „Die  männlichen 
Substantiva  auf  al  bilden  ihren  Plural  auf  o  (bei  Bindung  o-z); 

1)  Neu  französische  Formen/ehre.  Nach  ihrem  Lautstande. 
Oppeltif  1888.  Das  Büchlein  ist  von  seinen  deutschen  Rezensenten  meint 
unverstanden  geblieben  und  aus  augenfälliger  Unwissenheit  ein  paarmal 
auch  streng  verurteilt  worden.  Hoffentlich  helfen  meinen  Herrn  Kri- 
tikern obige  Zeilen  wenigstens  zu  der  nachträglichen  Einsicht,  was  mit 
demselben  eigentlich  bezweckt  werden  sollte. 

2)  Wie  würde  sich  die  Lehre  von  der  Femininalbilduna  des  fran- 
zösischen Adjektivs  in  unserer  Schule  darstellen,  wenn  das  französische 
eine  phonetische  Schrift  hätte?     In  Herrig's  Archiv,  70.  Bd.  (1883),  73  ff. 

H)  Adjektivernes  Konsbojniny  i  de  romanske  Spray.  Kopenhagen, 
1886.     S.  98  ff. 


6  E.  Knsckrviii, 

Sgl.  Oval  (eheval);  PI.  Svo,  -z.  Bei  Lehnworten  (und  pal)  findet 
diese  Umbildung  nicht  statt."  Darin  läge  noch  keine  Erschwerung. 
Aber  spater  mass  man  noch  lernen,  dass  dieser  PI.  -o,  -z  mit 
aux  geschrieben  wird,  und  dass  die  männlichen  Lehnworte  auf 
al,  PI.  alz,  bald  mit  al,  bald  mit  ale  geschrieben  werden:  didale, 
astrag  ak  etc.  In  einer  phonetischen  Grammatik  müssen  alle 
diese  Wörter  als  Ausnahmen  gelernt  werden.1) 

Unendlich  verwickelt  gestaltet  sich  die  phonetische  Gram- 
matik bei  Vorführung  des  Genue Wechsels  der  Adjektivs.  Die 
sich  ergebenden  Schwierigkeiten,  die  fllr  die  Erlernung  eintreten, 
sind  in  meiner  Formenlehre  nur  angedeutet.  Es  mass  zunächst 
hervorgehoben  werden,  dass  nur  diejenigen  auf  Oralvokal  aus- 
gehenden Adjektive  einendig  sind,  denen  keine  besondere  Binde- 
form  zur  Seite  steht.  Aber  anch  bei  diese»  wird  die  Einendig- 
keit  nicht  von  allen  Orthoepisten  eingestanden.  Manche  be- 
haupten —  nicht  ohne  den  berechtigten  Anspruch,  Beachtung  zu 
finden  — ,  dasB  wenigstens  unter  gewissen  Umstanden,  z.  B.  bei 
Hervorhebung  von  Geschlechtsgegensätzen,  im  Verse  (namentlich 
in  Veras  chlussen)  das  Femininum  durch  Dehnung  des  Tonvokals 
deutlich  erkennbar  gemacht  werde.  Die  a.  a.  0.  S.  6  gegebene 
Regel  wird  also  nach  mehreren  Seiten  hin  erweitert  werden 
miiflHen.  In  einer  ausgeführten  Grammatik  ist  ferner  nicht  mit 
der  ebenda  gegebenen  Regel  auszukommen:  „sehr  viele  kon- 
sonantisch ausgehende  Adjektiva  sind  eingeschlechtig. "  Es  mnss 
bestimmt  angegeben  werden,  welche  Gruppen  konsonantisch 
ausgebender  Adjektiva  ihre  Tonsilbe  im  Femininum  umgestalten, 
welche  nicht,  wodurch  die  Verwickelung  der  Regeln  der  Feminin- 
bildung natürlich  noch  mehr  gesteigert  wird.  Unverändert  bleiben, 
um  hier  eine  Ergänzung  des  in  der  Formenlehre  Gesagten  sn 
geben:  die  Adjektiva  auf  mehrfache  Konsonanz  (Muta  -f- 1,  r  ein- 
schliesslich): Säst  (chatte),  enorm  (enorme),  lari  (large),  pedestr 
(pidestre),  tädr  (tendre),  »elebr  (ciliare),  emabl  (aimable)  etc.;  die- 
jenigen anf  fc:  publik  (public,  que),  türk  (iure,  que),  grek  (grec,  cgue), 
mit  Ausnahme  von  sek  (sec,  die);  auf  g:  vag  (vague);  auf  i:  fätqi 
(fantoche);  auf  z":  sal  (sage),  rui  (rouge);  auf  (:  onet  (honnete),  die- 
parat  (disparate);  auf  d:  tied  (lüde),  sad  (s  ade) ;  auf*:  atros  (atroce), 
rapas  (rapaee);  aufs;  moroz  (morose);  auf  b:  arab  (arabej;  auf  v: 
brav  (brave);  anf  n:  din  (digne);  auf  m:  anqnim  (anonyme); 
femer  die  Adjektiva  auf  l,  mit  Ausnahme  derer  auf  el  mit  halb- 
langem e;  (Fem.  el)  mortel:  mortjl  (mortel,  üe);  aber  fre le  m.  u.  f. 
(freie).     Sonst  m.  u.  f.  päl  (pSlt),  fasü  (faeüe)  etc.  —  Bei  den 

')  In  der  ftevfraniösitchen  Formenlehre  §  10,  4  ist  hinzuzufügen, 
daes  die  Plnrale  in  nerf,  serf,  (nerf  serf):  ny,  ser  lauten. 


Phonetik  und  Grammatik.  7 

Adjektiven  auf  r  sind  solche  mit  einer  besonderen  Bindeform 
von  denen  zu  unterscheiden,  die  nur  in  gewöhnlicher  Weise  ihr 
r  binden.  Zu  letzterer  Art  gehören  1)  die  Adjektive  mit  halb- 
langem Vokal  vor  r:  f%er  (fier,filre),  amer  (amer,  hre),  pur  (pur,  re), 
deren  mittelzeitiger  Tonvokal  im  Femininum  lang  wird;  2)  die 
mit  langem  Tonvokal  vor  r:  rar  (rare),  sqnqr  (sonore)  etc.,  deren 
Femininum  unverändert  bleibt;  und  3)  die  Adjektive  mit  langem 
Tonvokal  vor  r  und  Fem.  auf  d:  lür  (lourd),  lurd  (lourde). 
Im  Fem.  wird  hier  zugleich  das  u  des  Mask.  verkürzt  Die 
Adjektive  auf  r,  die  eine  besondere  Bindeform  haben,  zerfallen, 
je  nach  dem  bei  der  Bindung  sich  einstellenden  Konsonanten 
in  solche  1)  mit  Bindungs-z;  #er  (tiers),  mit  Fem.  auf  s:  t^ers 
(tierce);  2)  mit  Bindungs-l;  ver  (vert),  mgr  (mort),  mit  Fem.  auf  t: 
vert  (verte),  mqri  (morte).  Bei  beiden  Gattungen  wird  zugleich 
der  halblange  Vokal  des  Mask.  im  Fem.  verkürzt.  Die  in  diese 
beiden  Gruppen  gehörigen  Adjektive  müssen  aufgezählt  und  ge- 
lernt werden*  —  Von  den  Adjektiven  auf/  ist  zu  lehren,  dass 
sie  ihr  Fem.  auf  v  bilden  und  gleichzeitig  den  kurzen  Tonvokal 
lang  werden  lassen:  atätif,  iv  (attentif,  ve)y  actif,  iv  (actif^  ve). 

Bleiben  die  Adjektive,  die,  vokalisch  ausgehend,  eine 
besondere  Binde  form  mit  eingeschobenem  Konsonanten  be- 
sitzen. Hier  sind  wieder  vielerlei  Gruppierungen  notwendig. 
Zuerst  scheiden  sich  die  Adjektive  auf  Nasalvokal  aus.  Bei  ihnen 
finden  wir  zwei  Hauptabteilungen  vor,  je  nachdem  im  Bindefalle  (um 
nur  eine  Aussprachemöglichkeit  zu  berücksichtigen)  der  Nasalvokal 
aufgegeben  wird  und  ein  dentales  n  ertönt,  oder  der  Nasalvokal 
erhalten  bleibt  und  ein  anderer  Konsonant  in  der  Bindung  er- 
scheint. Jede  dieser  Hauptabteilungen  zerfällt  wieder  in  eine 
Anzahl  Unterabteilungen. 

Bei  der  ersten  Hauptabteilung  sind  je  nach  der  Natur  des 
Nasalvokals  zu  unterscheiden: 

I.  1)  5,  Bindeform  o-ra,  Fem.  ort:  bÖy  Bindeform  bo-n,  Fem.  bgn 
(bon,  bonne). 

2)  e,    a)  Bindeform:    e-n  :  ote,    Bindeform    ote-n,    Fem.   oten 

(hautain,  ne). 

b)  Bindeform  i-n  :  fe,  Bindeform  fi~n,  Fem.  fin,  (fin,  fine). 

c)  bene,   ßindeform   beni-n    oder    bene-n,    Fem.    benin 
(benin,  gne). 

Ebenso  nur  noch  male  (malin). 

3)  ab,  Bindeform  q-n,  Fem.  ün  :  bröt,  Bindeform  brq-n})  Fem. 

briin  (brun,  ne). 


*)    Hier    und    sonst    dürften    in    der    Praxis    die    angegebeuen 
theoretischen  Bindeformen  kaum  vorkommen. 


8  E.  Koschwilz, 

4)  ie,  Rindeform  jjjj-»,   Fem.  i$n  :  lerere,    Bindeform   kretic-ji, 
Fem.  kretiftn  (chritien,  nne). 
Im  Falle  ein  anderer  Konsonant  als  n  in  der  Bindung  ein- 
tritt, sind  zu  unterscheiden: 

II.  1)  Bindeform  mit  k,   a)   Fem.  auf  S :  Ud,   Bindeform  blä-k, 

Fem.  bläS  (blanc,  che). 
Ebenso  frä  (frone). 

b)  Fem.    auf   g:    15,    Bindeform    IB-k, 
Fem.  18g   (long,  longue). 

c)  Fem.  auf  kt:  diste,  Bindeform  diste-k, 
Fem.  dittikt  (distinet,  cte). 

Ebenso  edist?  (indittmet)  und  ttilkse 
(tvednet). 
2)  Bindeform  mit  (,   a)    Fem.  auf  ( :  kötä,  Bindeform  Icötä-t, 
Fem.  kötät  (content,  te). 
b)   Fem.  auf  d:  grä,  Bindeform  grä-t, 
Fem.  gräd  (grand,  de). 
In  allen  diesen  Fällen  tritt  im  Fem.  zugleich  Verlängerung 
dea  Tonvokals  ein.    Die  Beispiele  für  I.,  2,  a  b  e,  und  II.,  1,  a 
und  2,  a  b  müseten  in  einer  vollständigen  Grammatik  aufgezählt 
und  auswendig  gelernt  werden. 

Bei   den   auf  oralen   Vokal    ausgebenden   Adjektiven,    die 
Bindeformen  mit   eingeschobenen  Konsonanten  besitzen,   sind   zu 
unterscheiden: 
I.  Adjektive  mit   Rindunga-fc.-   siispe,   Bindeform  etispek,   Fem. 
suspekt  (suspeet,  cte). 

Ebenso  sirk5tpe(k),  (circonspect). 
II.  Adjektive  mit  Bindungs-t'. 

1)  solche  auf  i,  Bindeform  i'-i,  ebenso  Fem.:  iäti,  Bindeform 
iati-i,  Fem.  tittii  (genta,  lle). 

2)  auf  den  (fallenden)  Diphthongen:  ei,  Bindeform  e-j,  Fem.  ji 
mit  Dehnung  des  Tonvokale:  parei,  Bindeform  pare-i,  Fem. 
par'ei  (pareü,  üe). 

3)  via,  Bindeform  vie-j,  Fem.  vffi  (tneux,  vieil,  vüille). 

III.  Adjektive  mit  Bindungs-t; 

1)  Fem.  auf  (:  a)  ohne  Veränderung  des  Tonvokals:  kökre, 

Bindeform  k3krf-(,  Fem.  kökret  (concret,  He). 

b)  mit  Dehnung  des  Tonvokals :  o,  Bindeform 
o-t,  Fem.  Öt,  (haut,  te). 

c)  mit  Verwandlung  des  geschlossenen  Ton- 
vokals in  einen  offenen:  so,  Bindeform: 
»o-t,  Fem.  not  (tot,  sötte). 

2)  Fem.  auf  d:  frua,  Bindeform  frua-t,  Fem.  fruad  (froid,  de). 

IV.  Adjektive  mit  BindungB-z: 


Phonetik  und  Grammatik.  9 

1)  Fem.  auf  S:  fre,  Bindeform  fre-z,  Fem.  fr$$. 

2)  Fem.  auf  z,  zugleich  mit  Dehnung  des  Tonvokals: 

fräsfy  Bindeform  fräs$-z,  Fem.  fräsfz  (fran$aut,  se). 
£alu,  Bindeform  ialu-zy  Fem.  zalüz  (jaloux,  se). 

3)  Fem.  auf  «,  ebenfalls  mit  Dehnung  des  Tonvokals: 

Za,  Bindeform  la-z,    Fem.  las  (las,  sse). 
fo,  n  fo-z,        „      fös  (faux,  sse): 

du,        „  du-z,       „      du«  (doux,  ce). 

V.  Adjektive  mit  Bindungs-Z.  Es  handelt  sich  um  die  Adjektive 
fu  (fou),  mu  (mou),  bo  (beau),  nuvo  (nouveau)  mit  ihren 
Bindungsformen :  fq-l,  mg-l,  b$~l,  nuv$-l  und  den  Fem.  fol, 
mol,  bei,  nuvel  (mol,  motte  etc.) 
VI.  Adjektive  mit  Bindungs-r,  deren  männlicher  Form  auf  e,  ie 
eine  Bindungsform  mit  f-r  (ie-r)  und  ein  Fem.  $r  und  i$r 
entspricht: 

Uze,  Bindungsform  teze-r,  Fem.  lez$r  (Uger,  Ire). 
attie,  Bindungsform  aUfer,  Fem.  altfer  (altier,  ihre). 
Abgesehen  davon,  dass  bei  jedem  vokalisch  ausgehendem 
Adjektiv  die  Bindeform  mit  gelernt  werden  müsste,  wären 
ausserdem  die  Adjektive  der  Gruppen  111,  1,  2;  IV,  1,  3  noch 
besonders  zu  memorieren.  Und  wenn  man  die  Femininbildung  in 
dieser  Weise  gelernt  hat,  müssen,  so  lange  die  französische  Schrift 
keine  phonetische  ist,  auch  noch  die  orthographischen  Regeln 
der  gewöhnlichen  Grammatik  hinzugelernt  werden! 

An  die  Femininbildung  der  Adjektive  schliesst  sich  die 
Adverbialbildung  an.  Auch  hier  müssen  die  in  meiner  Formen- 
lehre §  63  gegebenen  Regeln  in  einer  vollständigen  Grammatik 
mehrfach  erweitert  werden.  Die  langen  Tonsilben  der  Feminin- 
formen werden  bei  Antritt  von  emä  (ment)  halblang,  die  halb- 
langen kurz,  weil  sie  in  unbetonte  (unmittelbar  vor  Hauptton  aber 
nicht  in  die  erste  Silbe  des  Wortes)  oder  vor  emä  in  nebentonische 
Stelle  treten.  Ausgenommen  sind  die  einsilbigen  Adjektive,  deren 
Tonvokal  nicht  in  derselben  Weise  geschwächt  werden  kann,  unter 
Umständen  sogar  den  Hauptton  annimmt:  gemä  (gaiment)  u.  dgl. 
Statt  mä  tritt  bei  der  Adverbialbildung  emä  ein,  wo  sonst  ein 
Zusammenstoss  von  Konsonanten  erfolgen  würde,  die  sich  in  der 
Aussprache  nicht  gut  verbinden  oder  wenigstens  den  Gewohnheiten 
der  französischen  Zunge  widersprechen.  So  wenn  zwei  m  zu- 
sammentreten würden  (vgl.  §  30  die  Zahladverbien):  ekqnqmfmä 
(economement)  u.  dgl.;  wenn  dasAdj.  auf  Muta-}-  /,  r  ausgeht:  ceblemä 
(humblement)  zu  &bl;  tädrpmä  (tendrement,  zu  tädr;  bei  Ausgang 
des  Fem.  auf  n:  beninemä  (benignement)  zu  benifi,  u.  i.  a.  Fällen. 
Vielfach  findet  Schwanken  zwischen  Einschub  und  Nichteinschub 
von  e  vor  mä  (ment)  statt:  lätemä  und  lätmä  (tentement),  distektemä 


10 


K.    h'.isrltifH:. 


würde   auch 
ve  unterliegt 

«tinnen.     wir 


und  dist-rktmfi  u.  dgl.     Eine  ausführliche  Grammatik  wilrd 
diese  Fülle  zu  fixieren  baben. 

Die  Darstellung  der  Pluralbildung  der  Adjektive  i 

in  einer  phonetischen  Grammatik  ahnlichen  Komplikationen,  wie 
die  der  Femini nbildung.  Mit  den  kurzen  Kegeln  meiner  VomuM 
lehre  §  21 — 24  ist  es  bei  weitem  noch  nicht  abgethan.  Bei 
den  auf  mehrfache  Konsonanz,  speziell  Muta  -j-  /,  r  ausgehenden 
einförmigen  Adjektiven  ist  festzustellen,  dass  bei  Antritt  eines 
Bindung«-;  sich  häufig  ein  dumpfer  «--Laut  vor  diesen  einstellt 
Man  spricht    fmabif  ■■   iäotl)    etc.     Auch  bei  den 

Substantiven  und  Adjektiven  auf  *  und  ä  (che,  ge)  durfte  dei 
Antritt  eines  e  vor  Bindung«- z  in  gewühlter  Aussprache  nicht 
sf'IIi  ii  uia;  bei  Fem.  auch,  wenn  diese  auf  z  ausgehen.  Endlich 
müsste  erwähnt  werden,  dass  Adjektive,  die  ihren  Substantiven 
nachzustehen  pflegen,  vielfach  einer  Pluralisation  mit  Bindungs-: 
überhaupt  unfähig  sind. 

Wülirend  in  den  angegebenen  und  audereu  Fallen  eine 
grössere  Verwickelung  der  Hegeln  stattfindet,  wenn  statt  von  der 
geschriebenen  Sprache  von  ihrem  Lautstande  ausgegangen  wird. 
ist  in  anderen  Füllen  nur  eine  Verschiedenheit  der  Kegeln  W»> 
banden.  So  in  §  9,  12,  a,  h;  14,  49  etc.  der  Formenlehre.  In 
der  Mehrzahl  der  Fälle  sind  die  Kegeln  der  Formenlehre  der 
geschriebenen  und  der  gesprochenen  Sprache  von  einander  mir 
formell  verschieden.  Vereinfachungen  treten  in  der  phonetischen 
Grammatik  nur  in  wenigen  Fallen  bei  der  Konjugation  ein,  nicht 
ohne  das»  dort  eintretende  Komplikationen  wieder  diese  Vereii- 
fachungen  aufheben.  So  kommen  in  Wegf:i]l  dip  l.'ntersc.hi'idinigen 
von  auslautendem  x  und  «  (veux  aber  mens  u.  dgl.),  lässt  eich 
für  die  1.— 3.  Sgl.  Präs.  der  Verba  auf  r  (n)  mit  Ausnahme 
von  etre  die  Kegel  einfach  dahin  formulieren,  dass  die  dr,  fr, 
pr,  vr  und  einfachem  r  der  Inf.  in  ihnen  verloren  gehen,  und  an 
die  übrig  bleibenden  Stämme  Bindungs-^  (1.  u.  2.  P.)  und  -t 
(3.  P.)  antreten,  wobei  alle  Unterscheidungen  des  Auslauts  auf 
d»,  U,  ps  etc.  fortfallen  u.  dgl. 

Dafür  würe  wieder  eine  Einteilung  der  Formen  in  solche 
nbtig,  die  vor  Vokal  nur  den  gewöhnlichen  Bindungsregeln  unter- 
liegen, sonst  vor  Vokal  und  Konsonant  gleich  lauten,  und  in 
solche,  welche  besondere  Bindeformen  haben. 

Zu  den  ersten  Formen  gehören  1'  Präs.  Ind.  I,  Sgl.  und 
fakultativ  3.  Sgl.  (in  Frageform  Bindung  mit  t)  der  Verben  auf 
e,  -r,  -er,  mit  Ausnahme  der  Verben  auf  u(er,  a{er  (luiller,  aäler) 
etc.,  z.  B.  if  bai,  in  Bindung  äc  6a- j  :>■  baBk);  i)  i.  0.  .i- 
Kon).  Pitt,  aller  Verben  mit  denselben  Ausnahmen  (dazu  i/ue  j'aille 

'  ".  Pills. 


Phonetik    nd  Grammatik.  11 

Kooj.  von  avoir  und  etre;  3)  die  1.  Impf.  Konj.  aller  Verben, 
die  Imper.  Sgl.  1.  Konjug.,  ausser  vor  ä  (en)  and  »  (y) ;  also 
(nach  der  Schriftgrammatik)  die  Formen  auf  stummes  e.  II.  1)  die 
l.  u.  3.  Pf.  Ind.  der  Verben  auf  e,  -r  (mit  den  Schriftendungen 
anf  ai  und  «,  bei  Frageform  übrigens  auch  hier  a,  -t;  phon.  e 
und  a);  2)  die  1.  Präs.  Ind.  von  avyar  (avoir)  und  die  1.  Sgl.  aller 
Fut  mit  Endung  e  (ai);  ebenso  die  3.  Sgl.  dieser  Formen  und  va 
(ausser  bei  Frageform,  wo  auch  hier  Bindungs-£  antritt);  3)  die 
Pc.  Pf.  auf  e  (i),  i,  ü  (u),  sowie  deren  Fem.;  also  die  Formen, 
die  in  der  Schriftgrammatik  auf  Tonvokal  ausgehen  (dazu  die 
Pe.  Pf.  anf  Ton  vokal  -f~  stummem  e);  4)  treten  noch  hinzu  die 
Pc.  Präs.  auf  ä  (ant). 

Besondere  Bindeformen  haben  a)  die  stammbetonten  Formen, 
die  nur  im  Bindefall  erkenntlich  sind:  I.  durch  eingeschobenes  z: 

1)  1.  Sgl.  Präs.  Ind.  aller  Verben,  die  nicht  nach  der  1.  Konjug. 
gehen;  2)  2.  Sgl.  Präs.  Ind.  aller  Verben;  3)  2.  Präs.  Konj.  aller 
Verben;  4)  2.  Sgl.Imp.  aller  Verben,  die  nicht  nach  der  1.  Konjug. 
gehen  (über  diese  8.  o.  I.,  3);  II.  durch  eingeschobenes  t:  1)  die 
3.  Sgl.  aller  Verben,  die  nicht  nach  der  1.  Konjug.  gehen  (doch 
s.  o.  I.,  1);  2)  die  3.  PI.  Präs.  Ind.  Konj.;  Impf.  Ind.  u.  Konj.; 
Pf.  aller  Verben.  —  b)  die  endbetonten  Formen,  bei  denen  im  Binde- 
Mi  I.  z  antritt:  1)  1.  PI.  Präs.  Ind.  Konj.;  Impf.  Ind.  Konj.;  Fut. 
u.  Fut.  Impf.;  Imper.  (5,  -z;  (ö,  -z;  asiö,  -z;  tsfö,  -z  etc. ;  rö,  -z;  r\d,  -z 
etc.);  2)  die  2.  PI.  Präs.  Ind.  (e,  -z  und  t,-z  [faites,  dites]),  Fut. 
(re,  -z),  Präs.  u.  Impf.  Konj.,  Impf.  Ind.,  Fut.  Impf.  (iß,  -z,  as\e,  -z, 
«!>,  -z  etc.),  2.  PI.  Imper.  (e,  -z,  t,  -z  [faites  etc.]),  1.  u.  2.  Sgl. 
Impf.  Ind.  (§-z),  u.  Fut.  Impf.  (re,-z);  2.  Sgl.  Konj.  Impf.  (as-fejz 
etc.);  2.  Sgl.  PI.  Pf.  (a,  -z,  at,-z;  i,-z  etc.);  1.  Sgl.  Pf.  mit  Aus- 
nahme der  Verba  1.  Konj.  (?,  -z,  U,-z);  2.  Sgl.  Präs.  a,-z  (tu  as), 
ra, -z  (vas)  und  aller  Fut.;  II.  ein  t  tritt  an:  in  den  3.  PI.  5,  -t, 
(ont),  vö,  ~t  (vont)  etc.,  fö,  -t  (fönt),  so,  -t  (sont);  und  3.  PI.  Fut. 
rö,  -t  (ront);  in  der  3.  PI.  Präs.  Konj.  c,  -t  (aient),  suä,  -t  (soient); 
3.  PL  Pf.  Ind.  er,  4  (erent),  ir,-t  (irent),  tfr,  -t  (urent);  3.  PI. 
Konj.  Impf,  as,  -t  (assent),  is,  ~t  (issent)  etc.;  3.  PI.  Ind.  e-t  (aient) 
und  Fut.  Impf.  re,-t  (r aient);  3.  Sgl.  Konj.  Impf,  a,  -t  (dt),  i, -t 
(U),  tf,  -t  (üt);  III.  ein  r  tritt  an   1)  in  den  Inf.  1.  Konj.  e,  -r  (er); 

2)  in  Pc.  Pf.  auf  er,  -t  (ert). 

Es  sei  bemerkt,  dass  auch  hier  nur  skizziert,  eine  er- 
schöpfende Darstellung  nicht  angestrebt  werden  sollte. 

Fassen  wir  zusammen!  Die  phonetische  Feststellung  der 
Aussprachelehre  geht  vom  Laute  aus  und  gibt  nach  Feststellung 
des  vorhandenen  Lautstandes  an,  wie  die  Schrift  sich  zu  diesem 
verhält;  die  traditionelle  Grammatik  verfährt  umgekehrt.  In 
beiden  Fällen  ist   die   Menge    des   Lernstoffes  identisch.  —  Für 


12  E.  Kosehwitz, 

die  Formenlehre  ergibt  sich  bei  phonetischer  Darstellung  eine 
Menge  von  Verwickelongen,  eine  Fttlle  von  Regelwerk,  das  bei 
einer  vom  Schriftbilde  aasgehenden  Grammatik  vermieden  wird; 
ausserdem  müssen  zu  den  Regeln  der  phonetischen  Grammatik 
die  der  traditionellen  hinzugelernt  werden.  Die  wenigen  Fülle 
der  Vereinfachung,  die  durch  die  phonetische  Darstellung  erreicht 
werden,  stehen  in  keinem  Verhältnisse  zu  den  zahlreichen  Fällen, 
wo  das  Gegenteil  eintritt.  Ausserdem  ist  es  bei  der  Beschaffen- 
heit der  französischen  Orthographie  verhältnismässig  leicht,  aus 
den  geschriebenen  Wortformen  die  gesprochenen  zu  erkennen, 
dagegen  in  vielen  Fällen  unmöglich,  aus  dem  Lautbilde  auf  das 
Schriftbild  einen  sicheren  RUcksehluss  zu  machen. 

Für  die  Pädagogik  ergibt  sich  daher,  so  lange  die  Franzosen 
nicht  phonetisch  schreiben,  der  selbstverständliche  Schluss,  dass 
die  französische  8chulgrammatik  nach  wie  vor  vom  Schriftbilde 
auszugehen  hat.  Darum  soll  die  phonetische  Grammatik  aber 
nicht  verbannt  sein.  Sie  muss  nur  anf  ihre  praktische  Ver- 
wendung im  Schulunterricht  verzichten  und  sich  hier  damit  be- 
gnügen, nur  zur  Aushilfe,  zur  Gewinnung  einer  grösseren  Klarheit 
über  die  Laut-  und  Flexionsverhältnisse  herbeigezogen  zu  werden. 
FUr  die  Wissenschaft  ist  eine  moderne  französische  phonetische 
Grammatik,  die  ganz  vom  Schriftbilde  absieht,  natürlich  Selbst- 
zweck, und  ist  es  darum  dringend  wünschenswert,  dass  eine 
solche  möglichst  bald  von  einem  kompetenten,  in  Sprachgeschichte, 
Linguistik  und  Phonetik  gleich  bewanderten  Gelehrten  geschrieben 
werde,  der  in  der  Lage  ist,  den  gegenwärtigen  Lautstand  der 
hoch  französischen  Umgangs-  und  Vortragssp  räche  mit  Sicherheit 
festzustellen. 

II. 

Im  AsBcblnss  an  das  Vorstehende  sei  hier  die  Frage 
aufgeworfen,  wie  sich  die  phonetische  Wissenschaft  zur  fran- 
zösischen Syntax  verhält.  Bisher  ist  meines  Wissens  von  nie- 
mand der  Versuch  gemacht  worden ,  hierauf  eine  Antwort  zu 
geben.  Auch  wo  von  einer  phonetischen  Grammatik  geredet 
wurde,  scheint  die  Syntax  als  nicht  in  Betracht  kommend  ange- 
sehen worden  zu  sein.  Hit  Unrecht.  Allerdings  liegt  es  mit 
der  Syntax  anders  als  mit  der  Formenlehre.  Denn  in  ihr  bildet 
die  Verbindung  von  Worten  und  Wortkomplesen  das  Wesentliche, 
handelt  es  sich  um  die  Bestimmung,  wann  die  in  der  Formen- 
lehre gegebenen  Wortformen  im  Zusammenhange  der  Rede  ge- 
braucht werden.  Die  Aussprache  der  Worte  und  Flexionsformen 
für  sich  allein  und  im  Zusammenhange  wird  von  dem  Syntaktiker 
als    bekannt  vorausgesetzt;    bei    Feststellung   ihrer   Verwendung 


Phonetik  und  Grammatik.  13 

seheint  es  daher  gleichgültig,  ob  man  das  Lautbild  oder  das 
Schriftbild  der  Sprachworte  den  Regeln  zu  Grunde  legt.  Doch 
gilt  das  nur  im  allgemeinen.  Für  die  Lautsprache  sind  manche 
der  in  der  Schriftsprache  durchgeführten  Flexions-  und  anderen 
Unterscheidungen  nicht  vorhanden;  sie  erheischt  daher  in  diesen 
Fällen  eine  andere  Formulierung  ihrer  Regeln.  Auch  gelten  vielfach 
sonstige  Gesetze  der  Buch-  und  der  ihr  nachgebildeten  Vortrags- 
sprache nicht  zugleich  für  die  Sprache  des  gewöhnlichen  Lebens. 
Es  gibt  daher  eine  besondere  Syntax  der  gesprochenen  Sprache; 
nur  fehlt  es  bisher  fast  ganz  an  Versuchen,  dieselbe  oder 
wenigstens  ihre  Abweichungen  von  der  Schriftsyntax  festzustellen. 
Wie  es  Fälle  gibt,  wo  die  Lautlehre  der  Kenntnis  der  Syntax 
nicht  entraten  kann,  z.  B.  bei  den  Bindungsgesetzen  und  der 
Lehre  vom  Satzaccente,  so  fehlt  es  nicht  an  Fällen,  wo  die 
Syntax  nur  bei  Berücksichtigung  des  lautlichen  Verhaltens  der 
zusammentretenden  Elemente  zu  vollem  Verständnis  gelangt.  Dies 
gilt  von  der  Syntax  der  Gegenwart,  ist  aber  natürlich  auch  für 
die  Vergangenheit  richtig.  Nicht  selten  finden  Erscheinungen  der 
historischen  Syntax  nur  auf  diesem  Wege  ihre  Deutung,  und  es 
sei  mir  gestattet,  zum  Beweise  für  diese  oft  übersehene  That- 
sache  einige  Beispiele  anzuführen. 

Der  Untergang  der  altfranzösischen  Kasusunterscheidungen 
bei  Substantiv  und  Adjektiv  ist  nicht  zum  geringen  Teile  auf 
lautliche  Ursachen  zurückzuführen.  Das  flexivische  s,  das  Haupt- 
unterscheidungsmerkmal des  Altfranzösischen  zwischen  Nom.  und 
Obl.  im  Sgl.  und  PI.,  war  im  XIII.  Jahrhundert  vor  konsonan- 
tischem Wortanlaut  verstummt;  da  nun  ohnedies  die  Ansetzung 
von  s  im  Nom.  Sgl.  allerlei  in  ihrer  geschichtlichen  Begründung 
längst  nicht  mehr  verstandenen  Schwankungen  unterlag,  war  es 
natürlich,  dass  das  Nom.-«  des  Sgl.  allmählich  auch  vor  Vokal 
aufgegeben  wurde.  Dem  «-losen  Nom.  Sgl.,  der  sich  nicht  mehr 
von  einem  Obl.  Sgl.  unterschied,  folgten  schliesslich  auch  Artikel 
und  Pronomen,  indem  auch  sie  ihre  besonderen  Nominativformen 
zunächst  in  Begleitung  der  Adj.  und  Subst.,  dann  allgemein  auf- 
gaben. Das  s  des  PI.  Obl.  war  widerstandsfähiger,  da  es  häufig 
an  den  Schluss  eines  Satzgliedes  trat,  wo  es  noch  bis  ins 
XVII.  Jahrhundert  gesprochen  wurde.  Dieser  Umstand,  sowie 
der  Trieb,  Sgl.  und  PI.  zu  scheiden,  hat  die  regelmässige  Er- 
haltung des  PI.-*  in  der  Schrift  zuwege  gebracht.  Der  Nom.  PI. 
des  Mask.,  der  in  Laut  und  Schrift  eines  s  entbehrte,  folgte  all- 
mählich in  der  Schrift  und  in  der  Aussprache  dem  Beispiele  des 
Fem.  PI.  Nom.  und  des  Obl.  aller  Plurale;  dem  Nom.  PI.  der 
Sabst.  schlössen  sich  dann  wieder  Art.  und  Pron.  an,  die  ihre 
Sonderformen     aufgaben.       Phonetische     Ursachen     haben    also 


14  f£.  Kosekmilz, 

die  Aufhebung  der  Kasus  unterschiede  im  Sgl.  und  PI.  wenigstens 
begünstigt.  Auch  die  ungleichBÜbigen  Substantiva  konnten  der 
aus  einer  phonetischen  zu  einer  syntaktischen  gewordenen  Ge- 
wöhnung nicht  dauernd  wiederstehen.  Die  abweichende  Form 
des  Nora.  Sgl.  war  hier  ohnedies  immer  dem  Ausgleichungsgefühl 
der  Sprache  zuwider  gewesen;  wie  schon  in  vorlitterari  scher  Zeit 
ein  Nom.  Sgl.  fem.  ambre  (amor)  zum  Obl.  amör  (amorem)  nicht 
aufkommen  konnte,  so  wurde  in  altfranz Ö siecher  Zeit  emperere, 
laire  etc.  neben  empereor,  larron  als  anstössig  empfunden.  Als 
schliesslich  jede  lautliche  Unterscheidung  zwischen  Nom.  und  Obl. 
ausser  Gebrauch  gekommen  war,  da  war  eB  natürlich,  dass  die 
Sprache  (in  infrz.  Zeit)  nach  einem  Ersatz  der  Flexi onsformen 
suchen  musste.  Einen  solchen  gab  die  Stellung  von  Nom.  und 
Obl.  im  Satze;  so  wirkte  eine  und  dieselbe  phonetische  Ursache 
noch  ein  zweites  Mal  auf  die  Umgestaltung  der  französischen 
Syntax. 

Bemerken  wir  gleich  hierzu,  dass  die  Verstummung  des 
Plural-*,  die  im  XVII.  Jahrhundert  auch  am  Satzglied  Schlüsse  er- 
folgte, auch  jene  willkürlichen  Gesetze  der  neu  französischen 
Syntax  ermöglichte,  nach  denen  bei  im  PI.  gebrauchten  Personen* 
n amen  bald  ein  flexivisches  *  antreten  soll,  bald  nicht,.  Gesetze, 
die  für  die  Lautsprach  r  keine  Geltung  haben,  und  die  auch  von 
den  Schriftstellern  fast  nie  eingehalten  werden.1) 

Ebenso  braucht  kaum  gesagt  zu  werden,  dass  die  modernen, 
vielfach  vernachlässigten  und  unbestimmten  Vorschriften  für  die 
Pluralisation  der  zusammengesetzten  Worte,  sowie  deren  Scheidung 
in  unechte  und  echte  (Juxtaposita  und  Composita),  der  ge- 
sprochenen Sprache  in  den  meisten  Fällen  unbekannt  sind  und 
in  ihren  Künsteleien  erst  durch  die  Verstummung  von  *  ermög- 
licht wurden. 

Der  lautliche  Zusammenfall  des  Gerundiums  und  des  Pc. 
Präs.  im  Alt  französischen  brachte  eB  in  mittelfranzö Bischer  Zeit 
zuwege,  dass  die  Unterscheidung  zwischen  verbalem  und  ad- 
jektivischem Gebrauch  der  Partizipialform  aufgegeben  wurde. 
Auch  das  XVI.  und  das  XVII.  Jahrhundert  unterschied  die  beiden 
Gebrau  eh  Barten  formell  nicht;  ant  erhielt  ganz  gewöhnlich,  aber 
nie  regelmässig,  auch  bei  voller  verbaler  Verwendung  ein 
nexivischee  «  und  seltener,  weil  erst  durch  weitere  analogiscbe 
Wirkung,  auch  ein  feminines  f.  Die  lautliche  Identität  der  ant- 
Formen  mit  und  ohne  s  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  gab  dann 
Ende  des  XVII.  Jahrhunderts,  als  s  auch  am  Satzglied  schrusa 
völlig  verstummt  war,    den   Grammatikern  die  Möglichkeit,    die 


t)  Vgl.  Plattner,  Zschr.  III,  438  f 


Phonetik  und  Grammatik.  15 

moderne  Scheidung  zwischen  dem  an  veränderlichen  Pc.  Präs.  und 
dem  Verbaladjektiv  herzustellen.  Dabei  ging  es  nicht  ab,  ohne 
dass  in  ayants- droit,  ayants  cause  einige  alte  Sprachreste  kon- 
serviert und  in  fatiguant  gegen  fatigant  u.  dgl.  einige  neue  ortho- 
graphische Unterscheidungen  vorgenommen  wurden,  die  für  die 
gesprochene  Sprache  keine  Geltung  haben. 

Bei  adjektivischem  und  adverbiellem  mSme  (mesme,  mesmes) 
bestand  im  XVI.  und  XVII.  Jahrhundert  in  den  Regeln  der 
Grammatiker  eine  grosse  Unbestimmtheit,  wann  meme  mit  s>  wann 
ohne  8  zu  setzen  sei1);  eine  Unbestimmtheit,  die  auch  heut  noch 
in  der  Orthographie  der  Dichter  einige  Spuren  hinterlassen  hat. 
Meme  als  Adv.  mit  dem  adverbiellen  s  und  ohne  dieses,  adj. 
meme  mit  und  ohne  PI.-«  sollten  von  einander  geschieden  werden. 
Die  Verwirrung  war  auch  hier  die  Folge  lautlicher  Erscheinung. 
Meme  und  mSmes  lauteten  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  vollständig 
gleich,  die  Lautsprache  kannte  zumeist  keinen  Unterschied 
zwischen  adverbiellem  und  adjektivischem,  singularem  und  plu- 
ralischem meme(s).  Da  die  gesprochene  Aussprache  keine  Aus- 
kunft gab,  so  blieb  die  Fixierung  der  Orthographie  den  theoretischen 
Grammatikern,  und  diese,  des  historischen  Verständnisses  bar, 
richteten  die  bei  ihnen  gewöhnliche  Verwirrung  an. 

Ähnlich  wie  mit  meme  erging  es  mit  zur  Gradbezeichnung 
dienendem  oder  prädikativem2)  tout  Im  Altfranzösischen  wurde 
taut  in  dieser  Verwendung  stets  als  Adj.  behandelt  und  dem- 
gemäss  mit  seinem  Beziehungsworte  in  Kasus  und  Numerus 
obere  ingestimmt.  Mit  dem  Verfall  der.  Flexion  gerieth  diese 
Regel  in  Verwirrung,  und  heutigen  Tages  finden  wir  eine  (im 
XVII.  Jahrhundert)  ausgebildete  Regel  vor,  deren  Berechtigung 
niemand  zu  begreifen  vermag.  Auch  hier  haben  phonetische 
Vorgänge  die  Grammatiker  und  ihre  Syntax  in  Verwirrung  ge- 
bracht. Man  kann  dies  sogleich  sehen,  wenn  man  die  moderne 
Regel  vom  lautlichen  Standpunkte  aus  umbildet  Für  die  Phonetik 
gibt  es  ein  Adv.  tu,  mit  Bio  de  form  tu-t,  ein  gleichlautendes  Adj. 
Sing.  m.  tu,  Bindeform  tu-t,  Fem.  tut;  PI.  m.  tu  und  tus,  Binde- 
form  tu-z,  f.  tut.  Tu  ist  demnach  vor  folgendem  Kons.  Adv., 
Adj.  Sgl.  m.,  PI.  m.;  tut  Bindeform  des  Adv.,  des  Adj.  Sgl.  m., 
ist  Adj.  Fem.  Sgl.  und  PI.  Die  prädikativen  tus,  tu-z  (von  dem 
seltenen  tut,  -z  sehen  wir  ab)  sind  in  ihrem  Gebrauche  leicht  aus- 
zuscheiden; sie  werden  nur  gebraucht,  wenn  die  Beziehung  zum 
Subj.  ausdrücklich  hervorgehoben,  die  adverbielle  Auffassung 
(„ganz")  ausdrücklich  ausgeschlossen  werden  soll;  vor  weiblichem 

1)  Vg^  u.  a.  Haase,  Französische  Syntax  des  XVIL  Jahrhunderts, 
§  55   Anm.   1. 

»)  S.  Haase,  a.  a.  0.,  §  46. 


16  E.  k'oschwitz, 

Adj.  steht  immer  tut,  vor  männlichem  Adj.,  vor  Adr.  und  Snbst. 
immer  tu,  resp.  die  Bindeform  tu- 1.  Die  phonetische  Regel  ist 
hier  also  erheblich  einfacher,  als  die  der  Sehriftgramniatik:  eine 
Unterscheidung  speziell  zwischen  eile  est  (oute  pale  (plion.  tut 
päle)  und  tout  agiUe  (tu-t-a&Ue)  ist  für  die  gesprochene  Sprache 
nicht  vorhanden.  Die  altfranzösische  Regel  gerieth  ins  Vergessen, 
als  auslautendes  s  und  t  vor  anlautendem  Konsonant  innerhalb 
desselben  Satzgliedes  verstummten;  die  Grammatiker  des  XVI. 
und  XVII.  Jahrhunderts  bemühten  sich,  Ordnung  in  die  Ortho- 
graphie zu  bringen;  da  sie  aber  den  alten  Sprachgebrauch 
ebensowenig  wie  die  Ursachen  der  herrschenden  Regellosigkeit 
erkannten,  geriethen  sie  auf  falsche  Wege  und  brachten  nach 
längerem  Schwanken  die  moderne  syntaktische  Regel  mit  ihren 
Unterscheidungen  zu  allgemeiner  Geltung,  die  für  die  gesprochene 
Sprache  niemals  bestanden  hat. 

Auf  gleiche  Ursachen  gehen  die  Regeln  von  cent  und  vingt 
zuuek.  Noch  im  XVI.  und  XVII.  Jahrhundert  besassen  cent  und  vingt 
der  Regel  nach  das  Flnralzeichen,  auch  wenn  ihnen  Zehner  und  Einer 
folgten.  Da  im  XVI.,  selbst  im  XVII.  Jahrhundert  wie  im  Altfran- 
zösischen regelmässig  die  kleinere  Zahl  durch  et  mit  der  voraus- 
gehenden verbunden  wurde,  kam  das  nexivische  *  von  cent»  und 
vingtx  vor  den  addierten  Zahlen  auch  phonetisch  znr  Geltung.  Im 
XVII.  Jahrhundert  hörte  diese  Ilinzufllgnng  von  et  allmählich  auf: 
dadurch  kam  s  in  cents  und  vingts  in  der  Mehrzahl  der  Fälle,  wo 
das  folgende  kleinere  Zahlwort  konsonantisch  anlautete,  lautlich 
nicht  mehr  zur  Geltung..  Die  Folge  war  das  moderne,  willkür- 
liche Gesetz,  dass  bei  cent  und  quatre- vingt  das  Plural-* 
folgenden  Zehnern  und  Einern  wegzubleiben   habe. 

Wie  in  den  angegebenen  Beispielen  die  Verstummung  aus- 
lautender Konsonanten,  so  brachte  in  anderen  Fällen  das  Zu 
sammenwirken  der  Verstummung  von  auslautendem  s  und  von 
auslautendem  tonlosen  e  die  Syntax  in  Verwirrung.  Dies  geschah 
bei  den  Adjektiven  nu,  demi  und  feu.  Altfranzbsisch  und  bis  ins 
XVII.  Jahrhundert  wurde  nu  in  allen  Stellungen  mit  seinem  Sub- 
stantiv Übereingestimmt:  nuz  piez  und  piez  nuz,  nue  teste  und  teste 
nue.  Man  sprach  nil-pies,  aber  pie-nus;  und  wahrscheinlich 
schon  im  Mittelfranzösischen:  nü-tet,  aber  tet-nü{e),  so  dass  hier 
unter  dem  Satzton  nachtonisches  e  noch  lautete  oder  wenigstens 
durch  die  Länge  des  vorausgehenden  ü  markiert  wurde.  Dieser 
Aussprache  folgte  hier  die  Orthographie:  nu  piedtt  aber  pieds  raus, 
nu  tete  aber  tete  nue,  und  dieser  Zustand  hat  sich  festgesetzt 
Die  Auffassung  des  voran  stehen  den  nu  als  eines  Adverbs  ist  eine 
ktlnstlich  hineingetragene,  durch  die  angegebene  Lauterscheiuung 
veranlasste;   für  die  Laut  spräche  ist  sie  nie  vorbanden  gewesen. 


Phonetik  und  Grammatik.  17 

Ein  gleiches  Schicksal  wie  nu  machte  das  Zahladjektiv 
demi  durch.  Im  Altfranzösischen  und  noch  im  XVI.  Jahrhundert 
mit  seinem  Subst.  in  Numerus  und  Genas  übereingestimmt, 
wurde  es  im  XVII.  Jahrhundert  seit  Vaugelas  der  modernen  Regel 
unterworfen,  es  sei  vor  einem  Sahst,  stehend  unverändert  zu 
lassen,  als  Adv.  zu  betrachten.  Möglich,  dass  bei  Aufstellung 
dieser  Regel  das  alte  adverbielle  ä  demi  mitwirkte. 

Auch  feu  wurde  im  Altfranzösischen  regelmässig  mit  seinem 
Substantiv  übereingestimmt.  Mit  Verstummung  von  auslautendem  s 
vor  Konsonant  (XIII.  Jahrhundert)  und  von  auslautendem  e  nach 
Vokal  (XIV. — XV.  Jahrhundert)  kam  dies  Verhältnis  ins  Vergessen; 
eine  erst  durch  den  angegebenen  lautlichen  Verfall  ermöglichte 
falsche  Ableitung  des  Wortes  (vom  ital./u,  lat.  fuit,  statt  fatutus) 
that  das  Übrige;  und  so  stellte  sich  schon  im  XV.  Jahrhundert 
ein  sa  feu  taute  (s.  Littre  s.  v.)  ein.  Das  XVI.  und  XVII.  Jahr- 
hundert blieben  noch  schwankend,  im  XVII.  Jahrhundert  galt  im 
allgemeinen  die  von  Vaugelas1)  gegebene  Regel,  wonach  feu  =  di- 
funt  inflexibel  sei.  Spätere  Grammatikerwillkür  hat  die  moderne 
Schreibregel  hervorgebracht,  wonach  feu  weibliches  e  und  PI.-* 
annimmt,  wenn  es  zwischen  Artikel  oder  possessivem  Adjektiv  und 
Substantiv  steht  (la  feue  reine,  les  feus  rois  de  SuMe),  aber  un- 
veränderlich bleibt,  wenn  es  vor  Artikel  oder  besitzanzeigendem 
Adjektiv  steht  (feu  la  reine,  feu  ma  tante).  Die  moderne  Laut- 
sprache kennt  eine  solche  Unterscheidung  nicht. 

Nach  Analogie  zu  nu,  demi  etc.  ist  die  Entstehung  der 
Regeln  der  neufranzösischen  Syntax  über  die  Konkordanz  der 
Pc.  vu,  öte,  attendu,  passe*  etc.  zu  erklären. 

Die  Interjektion  he  las,  afrz.  m.  he  (eh)  las,  f.  eh  lasse, 
scheint  sich  in  der  Zeit  fixiert  zu  haben,  als  mit  Verstummung 
von  nachtonischem  e  auch  nach  s  (XVII.  Jahrhundert)  fem.  lasse 
mit  mask.  las,  das  in  he  las  immer  am  Satzgliedschluss  stehend 
sein  s  im  XVII.  Jahrhundert  noch  besass,  lautlich  zusammen- 
gefallen war. 

Für  die  Pc.  Pf.  mit  avoir  besteht  in  der  gegenwärtigen 
Schriftsprache  die  Regel,  dass  sie  mit  vorausgehendem  Akkusativ 
übereingestimmt  werden,  dagegen  bei  folgendem  Akkus,  unver- 
ändert bleiben.  Für  die  gesprochene  Sprache  ist  diese  Regel 
so  gut  wie  nicht  vorhanden,  denn  die  wenigen  Pc.  Pf.,  bei  denen 
das  Ubereingestimmte  Fem.  hörbar  wird  (mise,  jointe  etc.)  oder  bei 
deren  PL  Bindung  nötig  wird,  kommen  gegenüber  der  Mehrheit 
der  Fälle,  wo  weder  das  Fem.  noch  der  PI.  in  der  Lautsprache 
erkenntlich  sind,    gar  nicht   in  Frage.     In   der  Sprache  des  Un- 


l)  Ausg.  Chassang,  Paris  1880,  II,  394. 
Z*chr.  f.  frz.  Spr.  u.  Litt.  XII».  2 


13  IC.  Kosckwitt, 

gebildeten  dürfte  Überhaupt  die  Kongruenz  in  dem  vorliegenden 
Falle  unbekannt  sein.  In  ältester  französischer  Zeit  wir  Über- 
einstimmung lies  Pc.  Pf.  bei  avoir  mit  dem  Ob).  Regel;  doch 
geriet  diese  Übereinstimmung  schon  im  Altfranzösischen  ins 
Schwanken,  und  man  erklärt  dies  richtig  damit,  das»  die  prädikative 
Natur  des  Pc.  ins  Vergessen  kam,  dass  Pc.  mit  avoir  zusammen- 
wuchs, nur  noch  eine  zusammen  gesetzte  Verbalform  bildete.  Bas 
notwendige  Resultat  dieser  Bedeutungsänderung  mnsste  natur- 
gemäßes die  im  Neufranzösi sehen  ziemlich  erreichte  regelmässige 
.  Nichtkonkordanz  sein.  Doch  stand  ihr  hinderlich  entgegen  das 
konservative  Element  der  Sprachgewohnheit  und  seit  dem  Auf- 
treten der  Grammatiker  der  Einfluss  der  grammatischen  Theorie. 
Zugleich  blieb  aber  auch  die  geschichtliche  Lautentwickelung 
nicht  ohne  Einfluss.  Schon  in  den  Testen  vom  Ende  des  XI. 
Jahrhunderts  war  die  Tendenz  vorbanden,  die  Konkordanz  der 
Pc.  bei  avoir  aufzugeben,  wenn  das  Obj.  folgte,  sie  fest  zu 
halten,  wenn  das  Obj.  vorausging.1}  Besonders  zäb  hielt  sich 
die  Konkordanz  da,  wo  das  Pc.  an  letzter  Stelle  stand,  das 
Satzglied  oder  auch  den  ganzen  Satz  besehloss.  Diese  Tendenz 
musste  sich  verschärfen,  als  s  vor  Kons,  und  e  nach  Tonvokal 
zu  verstummen  begann,  und  beide  Laute  sich  allmählich  nnr  am 
Satzgliedende  noch  erhielten  (s  ausserdem  in  Bindung).  Dies 
finden  wir  durch  die  mitte  Ifranzösi  sehe  Sprachest  Wickelung  auf 
das  deutlichste  bestätigt.  Man  braucht  nur  die  Tabellen  von 
Wehlitz8)  S.  51  ins  Auge  zu  fassen,  um  sich  davon  zu  über- 
zeugen. Die  Stellungen,  in  denen  das  Pc.  am  regelmäßigsten 
an  der  Konkordanz  festhält,  sind  diejenigen,  in  denen  dasselbe 
am  Schlüsse  steht:  V(erb)  0(bj.)  P(articip)  oder  0.  V.  P.  Am 
seltensten  ist  bereits  die  Konkordanz  im  Xlll.  bis  XV.  Jahr- 
hundert in  den  Stellungen  P.  V.  0.  und  V.  P.  O.,  wo  also  das 
Po.  mitten  im  Satzgliede  steht,  »  demnach  am  häufigsten  (vor 
Kons.)  verstummen  mnsste  und  auch  die  Verstummung  von  e  nach 
Vokal  am  weitesten  vorgeschritten  war.  Auch  der  Gebranch 
des  XVII.  Jahrhunderts  bestätigt,  dass  lautliche  Momente  die 
Entwickelung  der  modernen  Konkordanzregel  beeinflussten.  Die 
Übereinstimmung  des  Pc.  unterblieb  am  regelmässigen,  wenn 
dem  Pc.  ein  prädik.  Adj.  oder  Subst.,  ein  Inf.  oder  Subj.  folgte, 
aUo  ein  noch  dazu  gehöriges  Wort,  das  in  den  meisten  Fällen 
konsonantisch  anlautete.     Sowohl  e  nach  Vokal  in  den  Pc.  ie,  i'e,  im 

J)  Vgl.  die  Ergebnisse  von  Bubbh,  Die  Kongruent  des  Participii 
Praeteriti  in  aktiver  Verbalkonstruktwn  im  Attfrantösischen  bis  zum  An- 
fang des  XIII.  Jahrhunderts.     Göttingev  Diasert.  1881. 

*)  {He  Kongruenz  des  Participii  Praeteriti  etc.  von  Anfang  des  XIII. 
bis  tum  Ende  des  XV.  Jahrhunderts.    Greifswalder  DisBert.  1887. 


Phonetik  und  Grammatik.  19 

als  PI.-«  mussten  in  dieser  Stellung  völlig  verstummen.    Die  Satz- 
phonetik macht  auch  durchaus  begreiflich,  warum  in  Fällen,  wie 

Cest  enfin  ä  lui  que  mes  vceux  ont  donnere 
Cette  virginite  que  Con  a  condamnee 

das  vorausgehende  Pc.  die  Konkordanz  noch  länger  festhielt: 
in  satztonischer  Stellung  machte  sich  ie  wenigstens  noch  durch 
die  Quantität  bemerkbar.1)  Es  sind  also  schliesslich  lautliche 
Ursachen  gewesen,  welche  die  moderne  Konkordanzregel  des 
nachstehenden  Pc.  bei  avoir  zur  Durchführung  brachten.  Der 
Lautstand  war  aber  nicht  klar  und  deutlich  genug,  um  ver- 
hindern zu  können,  dass  nicht  die  grammatischen  Theoretiker  im 
XVII.  Jahrhundert  und  noch  später  mancherlei  Regeln  ausklügelten, 
die  von  ihnen  in  die  Schriftsprache  hineingebracht  wurden,  die 
der  gesprochenen  Sprache  aber  unbekannt  blieben  oder  doch  nur 
künstlich  und  nur  in  seltenen  Fällen  zur  lautlichen  Geltung 
kamen.  Besonders  ermöglichte  die  Verstummung  des  auslautenden 
s  auch  am  Satzgliedschluss,  wodurch  alle  festen  Normen  fielen, 
den  Rattenkönig  von  Schreibregeln  (so  für  die  Fälle  mit  folgendem 
Inf.,  bei  Akkus,  der  Masse  und  Gewichte,  bei  unpersönlichen 
Verben  etc.),  die  schliesslich  auch  auf  die  Aussprache  wenigstens 
der  Gebildeten  nicht  immer  ganz  ohne  Einfluss  bleiben.2) 

Auch  das  Pc.  der  reflexiven  Verba  hat  im  Laufe  der  fran- 
zösischen Sprachgeschichte  eine  verschiedene  Behandlung  erfahren, 
deren  letzte  Ursachen  in  Wirkungen  der  Verstummung  von  $  und 
s  zu  suchen  sind.  Für  das  Altfranzösische  galt  die  Regel,  dass 
das  Pc.  Pf.  der  Reflexiva  mit  dem  Subj.  übereingestimmt  werde. 
Diese  Regel  überdauerte  den  Verfall  der  Flexion,  natürlich  nicht 
ohne  dass  eine  Zeitlang  Verirrung  eintrat.  Noch  bis  tief  in 
das  XVII.  Jahrhundert  blieb  der  altfranzösische  Brauch  bestehen, 
bei  unzweifelhaftem  Dativ  des  Reflexivpronomens  das  Pc.  mit 
dem  Subj.  zu  konkordieren.  Grammatische  Theorie  hat  dann 
im  XVII.  und  XVIII.  Jahrhundert  diesen  alten  Gebrauch  bei 
Seite  geworfen;  das  Pc.  wird  nunmehr  nur  mit  dem  wirklichen 
oder  doch  vermeintlichen  reflexiven  Akkus,  übereingestimmt,  und 
es  werden  selbst  Konstruktionen  erheischt  wie:  Cette  maison 
g'est  bdtie  en  trois  rnois;  ces  choses  se  sont  vues;  nous  nous 
sommes  moquis  de  vous  etc.8)  Es  ist  klar,  dass  auch  hier  die 
moderne  grammatische  Theorie  erst  dadurch  entstand,  dass  die 
angegebene  Verstummung  der  alten  Flexionszeichen  die  Möglich- 


*)  Vgl.  Haase,  a.  a.  0.,  S.  139  ff. 

*)  Man  vergleiche  u.  a.  ßastin's  Kritik  der  gegenwärtigen  Konkor- 
danzregeln des  französischen  Pc.  in  seiner  Etüde  phtTo/ogigue  des  Purticipes. 
2e  ed.     Petersbourg,  1888. 

»)  Vgl.  Bastiu,  a.  a.  0.,  S.  32  f. 


o* 


30  B.  h'otchwitz,  Phonetik  und  Grammatik, 

keit  bot,  den  französischen  Sprachgeist  zu  verkennen  nnd  für  die 
Schrift  eine  anscheinend  mehr  logische  Regel  einzuschmuggeln. 
Der  Volkssprache  ist  sie  anbekannt  geblieben.1) 

Wir  brechen  hier  ab.  Es  ist  weder  nnsere  Absicht,  die 
besprochenen  syntaktischen  Erscheinungen  hier  ins  Einzelne  zn 
verfolgen,  noch  die  einschlägigen  Fälle  des  Französischen  in  er- 
schöpfender Anzahl  vorzuführen.  80  viel  dürfte  durch  das  Vor- 
stehende nachgewiesen  sein,  daas  mehr  als  bisher  bei  syntaktischen 
Untersuchungen  die  historischen  Lautverhältnisse  berücksichtigt 
werden  müssen,  wenn  falsche  Deutungen  vermieden  werden  sollen. 
Insbesondere  durfte  als  gesichert  gelten:  einmal,  dass  die  Syntax 
alte  lautliche  Verhältnisse  in  der  Schrift  fortschleppt,  die  der 
Sprechsprache  unbekannt  geworden  sind,  und  dass  dann  die 
alten  festgehaltenen  (Schrift-)  Scheidungen  von  den  Grammatikern 
falsche  Deutungen  finden.  Ferner:  dass  das  Absterben  alter 
Flexionen  zur  Folge  hat,  dass  durch  den  Widerspruch  zwischen 
der  schriftlichen  (anf  alten  LautverhältniBsen  beruhenden)  Tradition 
und  der  neuen  lautlichen  Sprachstufe  ein  Wirrwarr  entsteht,  den 
die  Grammatiker  durch  Aufstellung  von  mehr  oder  minder  fein 
ausgetüftelten  Regeln  zu  beseitigen  suchen,  die  weder  in  dem 
früheren  Sprachstande  eine  Grundlage  haben,  noch  auch  dem 
neuen  Sprachstand  Rechnung  tragen.  Endlich  ist  es  natürlich, 
dass,  wenn  durch  lautliche  Vorgänge  ursprünglich  verschiedene 
Formen  zusammenfallen,  diese  Lautübereinstimmung  die  ursprüng- 
liche Verschiedenheit  zuweilen  vergessen  lässt,  und  dass  so 
gelegentlich  die  eine  Formenkategorie  eine  andere  ursprünglich 
verschiedene,  lautlich  aber  gleich  gewordene  auch  in  ihrer  syn- 
taktischen Verwendung  nach  sich  zieht.  Aus  diesen  Beobachtungen 
ergeben  sich  die  methodischen  Vorschriften  von  selbst,  auf  deren 
Beachtung  hinzuweisen  der  ausschliessliche  Zweck  der  vorstehenden 
syntaktischen  Bemerkungen  sein  soll. 

E.  Kosohwitz. 


Die  französische  Verbalendung  ons  und  die  letzten 

Erklärungsversuche  derselben. 


Die  vielbehandelte  Frage,  woher  die  Verbalendung  ons  — 
damit  bezeichne  ich  im  Folgenden  auch  der  Kürze  wegen  oms, 
ums,  uns,  am  etc.  —  stamme,  hat  neuerdings  an  Interesse  ge- 
wonnen, seitdem  sich  Suchier  in  Gröber's  Grundriss  und  Michel 
Br6al  in  den  Memoires  de  la  Sociiti  de  linguistique  de  Paris 
(Oktober  1889)  an  der  Diskussion  beteiligt  haben. 

Erinnern  wir  uns  zuerst  kurz  an  das  bisher  über  diesen 
Gegenstand  Vorgekommene.  Zwei  Wege  standen  für  die  Er- 
klärung offen:  Analogiebildung  (oder  Übertragung)  und  lautliche 
Entwickelung.  Den  ersteren  zeigte  schon  Diez  an,  aber  erst  in 
der  dritten  Auflage  seiner  Grammatik ;  in  den  zwei  vorhergehenden 
wagte  er  nicht  einmal  eine  Vermutung  über  dieses  Rätsel.  Ihm 
folgten  Koschwitz,  Gaston  Paris,  Thurneysen,  Loren tz1),  Horning 
(in  Bartsch'  Langue  et  littirature  fran$aises  1887),  Schwan  und 
Andere.  Den  zweiten  Weg  betraten  Delius,  Burguy,  Mebes, 
Lücking,  Foerster  (nicht  bestimmt),  Freund,  Chabaneau,  Rothen- 
berg,  der  Unterzeichnete,  Suchier,  Br6al.2) 

Gegen  die  analogische  Erklärung  macht  nun  Br6al  folgende 
triftige  Einwendungen:  Im  allgemeinen  ist  anzuerkennen,  dass 
die  Analogie  nach  gewissen  Gesetzen  wirkt  und  nicht  ohne  be- 
stimmten Grund  als  Erklärung  angeführt  werden  kann.  Analogie 
ist  nur  ein  blosser  Name,  der  nichts  bedeutet,  wenn  man  der- 
selben nicht  einen  notwendig  dazu  gehörigen  intellektuellen  Vor- 


l)  In  der  Strassburger  Dissertation :  Die  erste  Person  Pluralis  des 
Verbums  im  Altfranzösischcn.     Heidelberg,  1886. 

*)  Näheres  über  die  älteren  dieser  Deutungsversuche,  sowie  über 
die  analogischen  Erklärungen  siehe  in  meinem  Aufsatz:  Nagra  fall  af 
u-omliud  i  franskan  in  Nordisk  Ixdskrift  for  filologi,  Ny  Rcekke  VI  (1883) 
und  Lorentz's  soeben  zitierte  Dissertation. 


22  J.    Vismg, 

gang  als  Grundlage  za  geben  vermag.  Auf  auimta  als  Proto- 
typua  anderer  Verbalformen  angewandt,  stösat  diese  Theorie  der 
Analogie  auf  folgende  Schwierigkeiten: 

1.  Das  Verb  itre  ist,  als  nnregelm assige 8  Verb,  selbst 
Einflüssen  von  anderen  Verben  ausgesetzt,  wie  auch  vielfach  in 
der  griechischen  und  lateinischen  Konjugation  solche  Einflüsse 
sich  geltend  machen. 

2.  itre  sollte  nicht  auf  eine  Person  nur  Einfluss  ausüben 
(von  den  hier  möglicherweise  anzuführenden  fönt,  vont  etc.  sieht 
Breal  ab),  da  die  Flexion  ein  zusammen  hängendes  Vorstellungs- 
ganzes  in  onserm  Geist  bildet 

3.  Das  Französische  würde  die  einzige  romanische  Sprache 
sein,  die  eine  solche  Analogiebildung  aufzuweisen  hätte. 

4.  Wenn  ein  Hilfsverb  die  Gestalt  der  Konjugation  be- 
stimmen könnte,  sollte  dies  vielmehr  avoir  sein.  Der  Bedeutungs- 
znsammenhang  zwischen  noas  nomine*  and  neu«  chantotu  ist,  da 
jenes  einen  Zustand,  dieses  eine  Handlung  bezeichnet,  zu  ab- 
strakt und  unpopulär,  am  sich  dem  sprachbildenden  Volksgeist 
deutlich  fühlbar  za  machen. 

Zu  diesen  Bedenklichkeiten,  deren  ein  paar  sich  schon  in 
meinem  früheren  Artikel  finden,  sind  andere  hinzuzufügen ,  die 
ich  eben  daselbst  schon  teilweise  anführte: 

1.  Die  ältesten  französischen  Formen  =  tumus  sind  atmet, 
»wie»,  mimes,  die  durch  Analogiebildung  erklärten  Formen  anderer 
Verba  aber:  canlomps,  avumt,  podwu,  trovum,  ekevalchum  etc. 
als  die  gewöhnlichen,  posciomes  (Jonasfragment),  and  ein  un- 
sicheres avrumet  (Roland  381)  als  Ausnahmen. 

2.  In  der  alten  Litteratur  des  ganzen  Westens  (England 
mit  inbegriffen)  werden  durch  die  Jahrhunderte  armen,  etnm  und 
»um«»1)  beibehalten,  während  andere  Verba  fast  nur  die  Form 
-ort»")  haben. 

3.  Als  endlich  spät  (im  Osten)  soms,  sont  auftreten,  sind 
sie  doch  immer  sehr  selten  and  offenbar  ganz  unpopulär.1) 

4.  Zu  der  analogischen  Erklärung  wurde  man  durch  die 
Vorstellung  gebracht,  die  lateinische  Form  amu»  müsste  aint 
geben,  wie  ramns  ratn»,  hamua  kainn  gab.  Aber  wenn  wirk- 
lich   cantamus  je    cantains    gab,    so    ist    gar    nicht    einzusehen, 


')  Das  von  Lorentz,  8.  IT,  aus  Adam  zitierte  som  (: devriom)  ist 
sowohl  in  Bezug  auf  Form  ale  Dialekt  unsicher. 

*)  Die  Ausnahmen  dürften  äusserst  selten  sein;  im  ganzen 
Oxforder  Roland,  der  doch  13  laisses  in  ö-e  hat,  gibt  es  nur  avrvmet 
391,  das  unsicher  ist;  eine  Ausnahme  conussumes  Gaimar  373. 

°)  Man  hat  die  Form  sogar  vielfach  durch  Analogie  erklärt 
(Foe reter,  Sucbier). 


Die  franz.  Verbalendung  ons  u.  die  letzten  Erklärungsversuche  ders.     23 

warum  diese  Form,  die  den  Franzosen  auf  mundgerechteste  Weise 
die  deutlichste  und  ausgeprägteste  aller  Verbalendungen  wieder- 
gab, nicht  erhalten  und  nie  gebraucht  wurde.  Hat  sich  doch 
die  unbedeutendere  Form  ernus  (ostSmus)  als  ains  (ostains)  er- 
halten; siehe  Gröber's  Ghundriss  I,  611.  Man  würde  mit 
besserem  Fug  die  Behauptung  von  der  Parallelentwickelung 
cantamus  =  ramus  umkehren  können  und  sagen  ramus,  hamus 
haben  rang,  hon*  gegeben,  welche  Formen  doch  wegen  ihrer 
Seltenheit  nicht  belegt  sind  und  später  gegen  Analogiebildungen 
nach  anderen  Kasus  vertauscht  wurden ,  woraus  rains,  hains. 
Eine  parallele  Entwicklung  von  cantamus  und  ramus  ist  aber, 
wie  wir  sehen  werden,  nicht  notwendig. 

Wer  sich  diese  Schwierigkeiten  der  analogischen  Erklärung 
vergegenwärtigt,  wird  derselben  nicht  mehr  beistimmen  können. 
Auch  hat  selbst  Gaston  Paris  in  guter  Ordnung  den  Rückzug 
angetreten,  indem  er  bei  der  Diskussion,  die  über  diesen  Gegen- 
stand zwischen  ihm  und  Herrn  Breal  in  der  Sitzung  der  Academie 
des  inscriptions  et  belies -lettres  am  2.  August  1889  stattfand, 
erklärt,  die  analogische  Erklärung  sei  nur  eine  Hypothese,  die 
durch  eine  bessere  ersetzt  werden  dürfte  (siehe  Revue  critique 
1889,  n,  S.  112). 

Wenden  wir  uns  dann  an  die  Erklärungsversuche,  die  sich 
auf  lautliche  Vorgänge  stützen,  so  werden  wir  bald  finden, 
da88  alle  die  älteren  völlig  unannehmbar  sind.  Dies  wurde  schon 
in  der  Nordisk  Tidskrifi  dargelegt  und  ist  zu  offenbar,  um 
weiterer  Worte  zu  bedürfen.  Mit  diesen  Erklärungen,  speziell  mit 
derjenigen  von  Delius  (Jahrb.  f.  rom.  u.  engl.  Litt.  IX,  225), 
ist  die  von  Breal  dargestellte  oder  vielmehr  wiederaufgenommene 
verwandt.  Mit  den  sporadischen  chalan  —  chalon,  goudran  — 
goudron  wird  nichts  bewiesen  (Suffix vertauschung);  und  wenn  hie 
und  da  an  zu  on  wird  (siehe  W.  Meyer's  Ghramrnaire  S.  225  ff.),  so 
ist  doch  unstreitig,  dass  im  eigentlichen  Französischen  die  Nasalis 
als  Nasalis  einen  anderen  Einfluss  auf  vorhergehendes  a  ausgeübt 

Dagegen  kommt  die  von  Suchier  ausgesprochene  Vermutung, 
dass  in  amus  a  zunächst  hinter  Labialen  z.  B.  in  AMABAMUS 
dem  Übergang  zu  o  ausgesetzt  war  (vgl.  taon  TABANUM),  dann 
aber  in  allen  Fällen  zu  o  wurde,  in  denen  nicht  halbvokalisches 
t  den  Übergang  hemmte,  in  Betracht.  Gleichwohl  erheben  sich 
auch  gegen  diese  Deutung  so  schwere  Bedenken,  dass  sie  un- 
möglich wird.  Unerklärlich  bliebe  immer,  dass  man  die  praktisch 
unbedeutende  1.  Person  des  sekundären  t  Tempus  Imperfekt 
als  Muster  genommen,  oder  auch  vielleicht  andere  Formen 
der  Verba  auf  bare,  pare,  vare.  Weiter  ist  der  Einfluss  einer 
vorhergehenden  Labialis  auf  einen  Vokal  äusserst  selten  (taon 


./   r, 


tlt<>. 


aus  tabanum  ist  bekanntlich  eine  schwache,  wenn  iiberliau 
irgend  eine  Stütze);  88  genüge  auf  W.  Mi-vi-i'h  Orammairt  bJ 
zuweisen,  Fllr  das  labiale  6  in  der  Endung  6am 
solcher  EinfluBs  um  so  unwahrscheinlicher,  als  b  hier  in  ä'lteati 
Zeit  fiel,  wie  in  den  meisten  romanischen  Impcrfektfonuen 
Siiiliicr  hat  selbBt  il;ir;tnf  aufmerksam  gemacht  [S.  613). 

Die  Deutung,   die   ich  schon   in  dei   SbrdiA   TUtkrffl  rei 
sechs  Jahren  gab,  scheint  mir  noch  trotz  einigen  Widerspruch« 
die  einzig  richtige:  ons  ist  aus  amu»  durch  Labialisicrung  des 
durch  die  zwei  Lahialcn  m  u  entstanden,    wie/  aus   an 

sland    in    <■/"",    od,    Aajim  (Andfiinruiiii,     l'oittttt,     I '.«inl<ntl.\       Nicht* 

ist,  wenn  wir  augenblicklich  nur  auf  die  Flexion  Bezug  nehm  cd, 
natürlicher,  denn  amus  war  die  am  öftesten  vorkommende  Endung 
der  l.Pluralis.  Sie  war  nitmlicli  in  PtJu.  lud,  aar  1.,  im  Präs. 
Konj,  aller  übrigen  Konjugal  in  neu,  im  Imperfekt  (und  damit 
Konditionale)  aller  Verba  heimisch.  Von  liier  wurde  sie  iu  das  Präs. 
Konj.  der  1.,  in  das  Priis.  Ind.  der  Übrigen  Konjugationen  (damit  in 
das  Futur)  und  in  das  Import".  Konj.  aller  Verba  eingeführt.  Diese 
Auffassung  der  Verbreitung  der  Endung  amw  wird  fast  zu  not- 
wendiger Wahrheit,  wenn  man  sieht,  dass  atit  ursprünglich  gani 
an  denselben  Stellen  wie  amw  heimisch  war  und  mit  der  Zeit 
ganz  auf  dieselben  Btellen  wie  onma  übertragen  wurde  (der 
Imperativ,  fehlend  für  die  I.P.,  kommt  hinzu),  uml  rJaai  Üfl  rasigen 
Verba  und  Formen,  die  sich  dem  Einfluss  von  nt.in  entzogen 
haben  fdffef,  faitex,  exte»,  cantaiteit),  sich  auch  dem  Elnflass  TOB 
11:11111«  entzogen  (dtmes,  faimes,  so  www,  can/Umu).  Die  Parallelvei 
breitung  von  mint«  atit  könnte  sogar  auf  mit  aungcdelint  werden 
doch   dürften  schon  imt,  e.nt  dasselbe  Resultat  (ent)  ergeben. 

Nicht  gleich  klar  liegen  die  Lau  tuuliältniäse  bei  der 
nähme   omw:  uns.      Man    wendet   einstimmig    ein,    dasa   cantami 
wie    ramm    hütte    behandelt    werden    sollen.      Faktisch    ist   dii 
nicht    geschehen,    da    es    kein    sonlanu    RÜrt.      Aber    sogar    dit 
Theorie  von  dem  Parallelisuius  enntamu»  —  ramus  M  ufoefatbar. 
Sie  ist  erstens  der  Einwendung  ausgesetzt,   die   ich  schon  in   di 
Nordütk  Ti-iakrift  machte,  und  die  ich  hier  oben,  S.  12,  andeutete. 
Darauf  lege   ich    doch    nunmehr    wenig    Gewicht   und    denke    mir 
die   Sai'hi'   lieber   so: 

Als  einmal  die  starke  Hervorhebung  der  Tonsilbe  den  Fall 
der  Ultima    (mit    bekannten  Ausnahmen!    in    Nordgallien    herbei- 

')  Siehe  meine  Ausführungen  in  der  Sordisl;  Ti-Iskrifl 
hat  Anjou  und  Ibitou  Öftere  als  Provenzulisuien  erklären  htoDi 
dioi  auch  für  da«  afldliolie  Poitou  anginge,  ist  te  doch  für  da*  fran- 
zösische Anjou  keine  Erklärung;  dov  Weiht  auch  iminur;  richtiger  W, 
Meyer,  Grammaire  S.  230. 


BJ 

an 


Die  franz.  Verbalendung  ons  u.  die  letzten  Erklärungsversuche  ders.     25 

fährte,  geschah  dies  nicht  mit  einem  Schlage.  Die  Nomina,  deren 
Ultima  durch  die  syntaktisch  -flexiviscbe  Erscheinung  des  Dekli- 
nationsverfalls der  Verstümmelung  am  meisten  ausgesetzt  war, 
gingen  voran;  die  Verba,  deren  Personalen  düngen,  wie  die  Texte 
zeigen,  noch  lange  wegen  der  Notwendigkeit  des  flexivischen  Be- 
dürfnisses, unversehrt  bestanden,  wurden  nicht  überall  zu  der- 
selben Zeit  von  dem  Verlust  der  Ultima  betroffen.  Dies  Ver- 
hältnis wird  durch  viele  Erscheinungen,  die  man  überhaupt  nicht 
oder  auch  aus  grundloser  Analogie  erklärt  hat,  bestätigt,  näm- 
lich: cantames,  cantastes,  cantasse,  -es,  sommes,  faimes,  dimes, 
posciomes  u.  ä.,  estesy  faitesy  dites,  dient  =  dicunt,  fönt  = 
fa(e)unt1),  manches  e  des  Präs.  Konj.  der  1.  Konj.  Dasselbe 
Phänomen  wiederholt  sich  und  zwar  aus  demselben  Grunde  in 
den  Pronominalformen.  Wäre  nicht  ein  die  reinen  Lautgesetze 
kreuzendes  oder  modifizierendes  Flexionsgesetz  oder  Flexions- 
bedürfnis hinzugekommen,  so  wären  Formen  wie  /?',  lo,  los,  mon  etc. 
nie  entstanden. 

Also  us  in  der  Endung  amus  hielt  sich,  wie  andere  Verbal- 
endungen, länger  unversehrt  als  die  Endung  in  ramus,  und  die 
beiden  Labialen  der  Verbalendung  konnten  daher  einen  Einfluss 
ausüben,  dem  das  a  in  ramus  sich  entzog. 

Der  Einwand  der  Junggrammatiker  —  sit  venia  verb*  — 
Ut  im  voraus  gegeben:  Ein  Lautgesetz  wirkt  gleichzeitig  auf 
allen  Punkten  des  Sprach  Vorrats.  Dieser  Satz  ist  aber  nie  be- 
wiesen, wohl  aber  aus  guten  Gründen  von  Schuchardt2)  und 
Jespersen*)  bestritten  worden.  In  der  That  auf  deduktivem  Wege 
wird  man  auf  denselben  nicht  geführt,  und  wenn  man  aus  den 
Volksmundarten,  wie  Delbrück,  einen  induktiven  Beweis  für 
dessen  Richtigkeit  zu  holen  sucht,  ist  dieser  Beweis  erstens  nicht 
ausgeführt  worden  und  wäre  derselbe  immer  der  Möglichkeit  aus- 
gesetzt durch  neue  Fakta  umgestossen  zu  werden.  Ich  wage  es  zu 
glauben,  dass  in  dem  Schwinden  der  Ultima  der  Substantiva  und 
dem  Nichtschwinden  der  Ultima  einiger  Pronominal-  und  Verbal- 
formen ein  solches  Faktum  vorliegt.  Dieses  Faktum  ist  ganz  die 
Realisation  einer  von  Delbrück  selbst  hervorgerufenen  aber  zu- 
rückgewiesenen Idee:  Man  könnte  annehmen,  sagt  er  Einleitung 
in   das  Sprachstudium,    S.  123,    dass  jede  Lautveränderung   bei 


l)  Vgl.  indes  darüber  W.  Meyer  in  der  Besprechung  von  Schwank 
Grammatik  in  dieser  Zeitschrift  Bd.  X.  —  In  cantames,  cantastes, 
sommes,  estes  etc.  nimmt  auch  Suchier  Erhaltung  der  lateinischen 
Ultima  an;  Gröber's  Grundriss,  S.  577. 

2)    Ober  die  Lautgesetze,  S.  17  ff. 

8)  JSordisk  Tulskrifl  for  Filologi.  Ny  Roekke  VII,  227  ff.  Dieser 
Artikel  ist  auch  deutsch  in  Techmer's  Zeitschrift  erschienen. 


36  /.  VistHf,  Die  französische  FerMmdmif  ons  etc. 

einem  bestimm  teil  Worte  beginne  und  sich  von  diesem  «na 
weiter  fortsetzte,  also  z.  B.  von  einem  Substantivum  auf  andere, 
von  da  auf  Adjektive  und  Participia,  und  so  zum  Verbum  ge- 
lange. Was  Delbrtlck  hier  als  möglich  setzte,  aber  verwarf, 
haben  Schnchardt  (S.  28)  und  besonders  Jespersen  (S.  228)  auf- 
recht gehalten.  Der  letztere  sagt  unter  anderem:  „Es  scheint 
mir,  dass  man  nicht  absolut  verneinen  darf,  dass  ein  Laut  in 
einer  Übergangsperiode  beibehalten  werden  könne,  wo  sich  dazu 
ein  bestimmter  Bedeutungsinhalt  anknüpft,  während  derselbe  in 
anderen  Fällen  schwindet. " 

Andere  Fragen,  die  sich  mit  der  behandelten  berühren, 
wie  das  Verhältnis  von  ons  und  tau,  die  zeitliche  und  dialektische 
Verbreitung  der  betreffenden  Formen,  der  Lautwert  von  o  in  ont 
(=  P)  n.  a.  m.,  lasse  ich  diesmal  bei  Seite,  da  dieselben  schon 
von  mir  und  Lorentz  in  seiner  oben  zitierten  Dissertation  aus- 
einandergesetzt wurden. 

J.  Vibino. 


Paul  Scarron  als  Komödiendichter.1) 


Paul  Scarron  wird  heutzutage  im  allgemeinen  nur  noch 
alt  Verfasser  des  Roman  comique  genannt,  dieses  noch  immer 
interessanten  Werkes,  welches  uns  in  anschaulicher  Weise  das 
Leben  der  fahrenden  Komödianten  in  der  ersten  Hälfte  des  XVII. 
Jahrhunderts  vor  Augen  führt  Die  Idee  zu  diesem  Werke  hat 
Scarron  aus  der  Arbeit  eines  spanischen  Komödianten  und  Schrift- 
stellers Augustin  Rojas  de  Villandrado  geschöpft.8)  Ausser 
diesem  kulturhistorischen  Romane  pflegt  man  noch  einige  aus 
dem  Spanischen  übersetzte  Novellen  zu  nennen,  von  denen  eine, 
La  Pttcaution  inutüe,  Moli&re  etliche  interessante  Züge  für  die 
tcole  des  Femmes  geliefert  hat3),  während  eine  andere,  Les 
ffupoerües,  im  Tartuffe  verwendet  worden  ist4).  Weniger  in  die 
Augen  springend  als  diese  beiden  Entlehnungen  ist  der  Einfluss, 
welchen  ein  anderer  Teil  von  Scarron's  dichterischer  Thätigkeit 
auf  den  grössten  Dramatiker  der  Franzosen  ausgeübt  hat,  näm- 
lich die  Komödien;  aber  dieser  Einfluss,  wenn  auch  mehr  mittel- 
bar und  darum  nicht  so  leicht  nachzuweisen,  ist  dennoch  unter 
den  mannigfaltigen  Faktoren,  die  allmählich  oder  gleichzeitig  auf 
Moli&re  gewirkt  haben,  und  die  er  sich  alle  in  seiner  Weise 
dienstbar  zu  machen  gewusst  hat,  nicht  gering  anzuschlagen. 
„Paul  Scarron,  s'abandonnant  ä  sa  verve  burlesque,  ouvre  une  veine 
ä  pari  q\LÜ  ne  faut  pas  trop  mepriser*1,  bemerkt  Bioland  zu- 
treffend in  der  Einleitung  zu  seiner  Ausgabe  von  Moli&re's  Werken5). 

l)  Über  Leben  und  Werke  des  Dichters  vgl.  Bibliographie  uni- 
verselle, Bd.  41,  sowie  die  Einleitung  zu  E.  Fournier's  Ausgabe  des 
The&ire  complet,  Paris  1879. 

*)  Man  vergleiche  über  den  Roman  comique  die  Abhandlung  von 
Juncker  im  3.  Bande  dieser  Zeitsekriß. 

•)  Vgl.  (Euvres  de  Moliere  von  Despois,  III,  116  f. 

*)  ib.  V,  352  ff. 

*)  (Euvres  completes  de  Moliere  p.  p.  L.  Bioland,  I,  S.  XXXI. 


28  H.  GröhUr, 

Es  sind  Dicht  etwa  zahlreiche  ZUge,  Szenen  oder  Charaktere,  für 
welche  Holiere  den  Komödien  des  burlesken  Dichters  zu  Dank 
verpflichtet  wäre,  obwohl  es  auch  an  derartigen  unmittelbaren 
Anlehnungen  nicht  fehlt;  es  ist  mehr  ein  inneres,  in  kleinen  Um- 
ständen eich  geltend  machendes  Einwirken  des  einen  Dichters 
auf  den  andern.  Und  dieser  Einfluss  ist  wohl  zu  erklären. 
Unter -den  Stücken,  welche  Holiere  besonders  in  den  ersten 
Jahren  mit  seiner  Truppe  in  Paris  aufgeführt  hat,  nahmen  die 
Scarron'schen  eine  sehr  bedeutende,  nächst  den  aus  Holiere's 
eigener  Feder  stammenden,  was  die  Zahl  der  Aufführungen  an- 
betrifft, vielleicht  die  bedeutendste  Stelle  ein.1)  Daraus  folgt 
doch,  dass  jene  Komödien,  anch  wenn  man  einen  grossen  Teil 
ihrer  Beliebtheit  auf  Rechnung  des  damals  noch  nicht  geläuterten 
Geschmackes  des  Publikums  setzt,  ein  lebenskräftiges  Element 
in  sieh  tragen,  nnd  in  der  That  ist  es  die  eis  comica  einzelner 
Scarron' scher  Gestalten,  welche  nach  dem  Urteile  zahlreicher 
Zeitgenossen  die  Pariser  immer  wieder  ins  Theater  lockte,  mochte 
sich  auch  mancher  einsichtige  Zuschauer  sagen,  dass  das,  was 
den  Scherzen  jener  zur  Folie  diente,  einen  hohen  Kuustwert 
nicht  in  Anspruch  nehmen  könne.  Diese  urkomischen,  nach 
unserem  Geschmacks  oft  zu  drastisch  gezeichneten  Figuren  Bind 
es  auch  gewesen,  von  denen  Holiere,  vielfach  vielleicht  unwill- 
kürlich, manch  charakteristischen  Zug  entlehnt  hat;  an  ihnen, 
deren  Rollen  er  so  unendlich  oft  spielen  sah,  konnte  er  be- 
ständig Studien  für  seine  Sganarelle  nnd  Jodelet  und  Hascarille 
machen  nnd  zugleich  beobachten,  welche  Seite  der  Komik  dem 
Publikum  am  meisten  zusagte. 

So  scheinen  mir  denn  vom  litterarischen  Standpunkte  aus 
die  Komödien  Scarron's  hinreichenden  Interesse  zu  bieten,  um 
einer  Besprechung  gewürdigt  zu  werden,  indem  ja  alle  Er- 
scheinungen, weiche  auf  die  Zeit  und  die  Person  eines  bedeuten- 
den Hannes  eingewirkt  haben,  das  Ihrige  dazu  beitragen,  um 
das  Bild  desselben  zu  vervollständigen. 

Ähnlich  wie  der  Roman  comique  und  die  erwähnten  Novellen 
sind  auch  die  Komödien  dem  Spanischen  entlehnt,  also  nicht 
originelle  Schöpfungen  des  französischen  Dichters,  was  ihren 
ohnehin  nicht  grossen  ästhetischen  Wert  noch  schmälert.  Scarron 
war  kein  dichterischer  Genius,  die  Burleske  war  sein  Lieblings 

')  Han  vergleiche  die  interessante  Zusammenstellung  in  Molibre- 
Despois  II,  32  f.  nach  welcher,  wie  das  Register  von  La  Orange  angibt, 
an  35  Tagen  des  Jahres  1660  neben  Moliere'a  Precieuses  ruüeuler  neun- 
mal Stucke  von  Scarron  zur  Ergänzung  der  Aufführung  gegeben  wurden, 
nnd  diea  zu  einer  Zeit,  als  jene  Stacke  den  Reiz  der  Neuheit  schon 
lange  nicht  mehr  hatten. 


Paul  Scarron  als  Komödiendichter.  29 

feld,  and  dieses  hat  er,  wo  es  immer  angängig  war,  auch  an- 
gebaut, bald  mit  mehr  bald  mit  weniger  Erfolg.  Und  wie  nun 
die  Burleske  an  und  für  sich  keine  hohe  Kunstform  ist,  so  wird 
sie  auch  selten  schöpferisch  und  in  diesem  Sinne  originell  auf- 
treten, sich  vielmehr  mit  Vorliebe  an  Vorhandenes  anlehnen, 
dieses  in  eigener  Weise  sich  dienstbar  machend  und  umgestaltend. 

Übrigens  war  es  keineswegs  ein  besonderer  innerer  Drang 
zu  dramatischer  Thätigkeit,  der  Scarron  veranlasste,  sich  mit 
der  Bearbeitung  spanischer  Komödien  zu  beschäftigen,  sondern, 
wie  man  aus  seinen  eigenen  Worten  erkennt,  trieb  ihn  offenbar 
die  Not  dazu,  sich  diese  Erwerbsquelle  zu  eröffnen,  denn  als 
etwas  anderes  betrachtete  er  seine  dramatische,  vielleicht  seine 
ganze  dichterische  Thätigkeit  nicht.  Seit  seinem  achtundzwanzigsten 
Lebensjahre  von  einer  unheilbaren  und  schmerzhaften  Krankheit 
befallen,  suchte  er  Trost  und  Zerstreuung  in  heiterer  Gesellschaft, 
die,  weil  er  sie  nicht  aufsuchen  konnte,  sich  bereitwilligst  um 
ihn  versammelte,  und  die  er  mit  seinen  witzigen  Einfällen  aufs 
beste  unterhielt.  Diese  Gesellschaften  sowie  seine  ganze  übrige 
Lebensweise  kosteten  ihm  ziemlich  beträchtliche  Summen,  wäh- 
rend seine  Einkünfte  nur  gering  waren  trotz  aller  Dedikationen 
und  ernsten  oder  scherzhaften  Bittgesuche,  welche  er  an  die- 
jenigen richtete,  die  ihm  derselben  infolge  ihres  Reichtums  oder 
ihrer  Freigebigkeit  würdig  schienen.  Und  so  wurde  bald  die 
ergiebigste  Einnahmequelle  sein  Marquisat  de  Quinet,  wie  er 
dieselbe  scherzhaft  nach  dem  Verleger  seiner  Werke  zu  nennen 
pflegte.  Naturgemäße  war  er  bemüht,  diese  Quelle  immer  reich- 
licher fliessen  zu  machen,  und  so  kam  er  denn  schliesslich  auf 
den  Gedanken  für  das  Theater  zu  schreiben,  angeregt  vielleicht 
durch  Schauspieler,  mit  welchen  er  seit  langer  Zeit  in  Verbindung 
stand.  Das  spanische  Theater  mit  seinen  reichen  Schätzen  bot 
ihm  immer  neue  Gegenstände  dar,  zumal  da  er  in  dem  Suchen 
nach  denselben  offenbar  unterstützt  wurde.  In  einem  Briefe  an 
M.  de  Marigny  dankt  er  seinem  Freunde  mit  den  Worten:  „Je 
vaus  suis  bien  obligi  de  la  peine  que  vous  prenez  de  me  faire 
trouver  des  comtdies  espagnolesu  *) 

Ausser  einer  ziemlich  einfältigen  einaktigen  Posse  und  ein 
paar  dramatischen  Fragmenten2)  hat  Scarron  im  Ganzen  neun 
fünfaktige  Komödien  in  Versen  nach  dem  Spanischen  verfertigt, 
von  denen  jedoch  zwei  erst  nach  seinem  Tode  herausgegeben 
und  niemals  aufgeführt  worden  sind,  während  die  übrigen  auf 
den  beiden  Hauptbühnen  von  Paris,   zum  Teil  mit  ausserordent- 


J)  (Euvres,  I,  203. 
*)  (Euvres,  VII. 


30  U.  GröhUr, 

liebem  Beifall  zur  Aufführung  kamen.  Ich  gebe  Bonmehr  zn 
einer  Besprechung  derselben  über. 

Das  Stück,  mit  welchem  Soarron  seine  dramatische  ThUtig- 
keit  eröffnete,  ist  Jodetet  ou  le  Maure  vatet,  welches  nach  den 
Brüdern  Parfaiet1)  im  Jabre  1645  zum  ersten  Haie  und  mit  grossem 
Erfolge  aufgeführt  wurde.  Nach  Fourniera)  spielte  man  das 
Stück  im  HÖtei  de  Bovrgogne,  wo  sich  zu  jener  Zeit  der  be- 
rühmteste Darsteller  der  Titelrolle  befand,  Jodelet,  mit  seinem 
eigentlichen  Namen  Julien  Oeoffrin  oder  vielleicht  Julien 
Bedeau.3)  Harty-Laveaux*)  gibt  an,  dass  der  Mattre  vatet  im 
Theater  du  Marais  aufgeführt  worden  sei,  dessen  Hitglied  Jodelet 
seit  1642  spätestens  war,  und  mit  dieser  Angabe  stimmt  die 
von  Victor  Fournel6}  flberein,  so  dass  man  die  Ansicht  Fonrnier's, 
dessen  Ausführungen  überhaupt  sehr  oberflächlicher  Natur  sind, 
wohl  wird  zurückweisen  müssen. B) 

Das  Original  zu  Scarron's  erstem  Jodelet  finden  wir  in  der 
Komödie  des  spanischen  Dichters  Francisco  de  Rojai  Zorilla 


')  Bitloire  du  Tkeälre  fraiyau,  Paris  1746,  Urne  VI,  p.  Sz7. 

*)  Scarron,  Thc&tre  complet,  publ.  p.  E.  Foitrnier,  Pari*  1879, 
p.  XIII. 

■}  Genau  laast  sieb  der  Name  nicht  feststellen.  Interessante  Be- 
merkungen zu  dieser  Frage  finden  sich  in  der  Ausgabe  der  Werke 
Holiere's  von   Despois  II,  36  ff. 

*)  (Euvres  de  Corneille,  IV,  125,  Anni.  2. 

B)  Let  Contemporaint  de  Motiere,  Pari*  1875,  III,  p.  XXXVII. 

°)  Noch  mochte  ich  mir  einige  Bemerkungen  über  Jodelet  ge- 
statten, jenen  berühmten  Schauspieler,  zu  dessen  Lieblingsrollen  jeden- 
falls der  Maiire  vaiet  gehörte.  Es  ist  ganz  offenbar,  dass  dieses  Stück, 
wie  mehrere  andere  von  anderen  Dichtern,  eigens  für  ihn  geschrieben 
worden  ist.  Allgemein  beliebt  war  sein  Auftreten  als  enfarine'  naif, 
als  welcher  er  besonders  durch  die  Kunst  durch  die  Nase  zu  sprechen 
(ton  nasilUment  plaüatit)  Beifall  erntete.  Wir  ersehen  aus  diesem  selt- 
samen Vorzage,  welcher  Art  der  Geschmack  des  damaligen  pariser 
Publikums  war;  der  enfarine  naif  hatte  offenbar  grosse  Ähnlich- 
keit mit  den  Koryphäen  unserer  heutigen  Cirkusclowns.  Übrigens  ist 
die  Persönlichkeit  dieses  Schauspielers  oft  genug  von  den  Dichtern 
seiner  Zeit  geschildert  worden;  die  diesbezüglichen  Stellen  sind  ge- 
sammelt bei  Hart;  -  Laveaux  (a.  a.  0.  8.  123  ff.),  der  ausser  den 
Scarron'schen  noch  drei  Stücke  anführt,  in  denen  der  Bauptkoniiker 
unter  dem  Namen  Jodelet  auftritt:  Jodelet  astrologue  von  Douvilie,  Le 
Deniaüe  von  Giilet  de  la  Tessonnerie  und  Le  GeSlier  de  soi-mltne  von 
Thomas  Corneille.  Hierzu  kommen  noch  La  feinte  Marl  de  Jodelet, 
comddie  en  Vers,  et  en  im  acte,  von  Bricovrt,  im  Jahre  1660  im  PsHt- 
tiourben  aufgeführt  (Histoire  du  tKeatre  franfaü  VIII,  102),  sowie  end- 
lich Motiere  t  Precieusts  rtdieules.  Nach  einigen  hatten  gerade  die 
Stücke  Scarron'B,  in  denen  Jodelet  auftritt,  dem  Darsteller  dieser  Bolle 
seinen  Theaternauieu  gegeben.  Tha.tfla.ch lieh  ist  da*  Verhältnis  umge- 
kehrt, wie  schon  Despois  (a.  a.  U.  II,  39,  Anm.  2)  zeigt. 


Pard  Scarron  als  Komödiendichter,  31 

Donde  Kay  agravios  no  hay  cetoe,  y  amo  criado.1)  Diese  Quelle 
ist  angegeben  in  einer  poetischen  Epistel  Sarrazin's  an  den 
Grafen  von  Fiesque,  in  der  unser  Stück  ausserordentlich  gelobt 
und  vielen  italienischen  Komödien  vorgezogen  wird.8) 

Da  der  Maure  valet  die  berühmteste  von  Scarron's  Komödien 
und  zugleich  ihre  Quelle  bekannt  ist,  so  will  ich  im  Folgenden 
den  Versuch  machen,  die  beiden  Stücke  mit  einander  zu  ver- 
gleichen, um  so  die  Art  und  Weise  zu  zeigen,  nach  welcher  der 
Dichter  bei  der  Bearbeitung  seiner  spanischen  Vorlagen  verfuhr; 
denn  es  wird  gestattet  sein,  aus  dem  vorliegenden  Stücke  einen 
Schlus8  auf  die  übrigen  zu  ziehen. 

Der  Amo  criado  besteht  der  spanischen  Sitte  gemäss  aus 
drei  Jornada*,  die  Scarron  in  fünf  Akte  umgewandelt  hat  In- 
haltlich unterscheiden  sich  beide  Stücke  nur  in  ganz  unwesent- 
lichen Punkten  von  einander.  Die  folgende  Inhaltsangabe  schliesst 
sich  an  das  Rojas'sche  Original  an. 

Jornada  primer a.  Don  Juan  d'Alvarado  soll  Dofia  In6s 
(im  französischen  Stücke  Isabelle),  die  Tochter  des  Don  Fer- 
nando de  Rojas,  heiraten,  kennt  aber  seinen  Schwiegervater 
noch  gar  nicht  und  seine  Braut  nur  nach  einem  Bildnis,  das 
ihm  allerdings  bereits  eine  innige  Zuneigung  zu  dem  Original 
eingeflösst  hat.  Er  ist  in  der  Nacht  mit  seinem  Diener  Sancho 
(Jodelet)  in  Madrid  angekommen  und  hat  soeben  mit  vieler  Mühe 
das  Haus   Don  Fernando's  gefunden,    als   er  bemerkt,   wie   auf 


1)  1640  zuerst  erschienen  und  wieder  abgedruckt  in  den  Comedias 
escogidas  de  Don  Francisco  de  Rojas  Zorilla,  Madrid  1861,  Band  XXXIV 
der  BibtioUca  de  antares  espaüoles. 

3  Ich  zitiere  die  interessante  Stelle  nach  den  Brüdern  Pari ai et 
.  VI,  S.  340  f.): 

Mais  toutefois  un  Zani  bähte 

Für  les  Sergents  Spavento  di  note 

Santo,  escalade,  et  teile  momerie 

Chicos  berlis,  et  Turcs  de  Tartarie, 

Ne  me  sonl  rien  aupres  de  Jodelet. 

Aon,  de  par  lui;  je  serois  un  folet, 

Voir  un  gisand  fou  de  lux  donner  la  pomme, 

Or  entens-moi,  c'est  ce  que  le  petU  komme 

Que  tu  connois:  et  dont  on  peut  precher, 

Lesprit  est  prompt,  mais  infirme  est  la  chavr, 

A  translate  de  la  langue  Espagnole 

N'a  pas  longtems,  Comedie  tant  foüe, 

Chi  Jodelet  est  si  plaisant  garcon, 

Qu1  Italiens  il  jette  hors  d*arcon. 

Tu  Cavouerois,  si  la  Piece  avois  lui', 

Et  encore  plus,  si  jouer  V avois  vti& 

Dom  Francesco  de  Roxas  est  TAuleur, 

Et  Püul  Scarron,  cotnme  ai  dit,  translateur. 


32  ff.  Gröhlcr, 

dem  Balkon  des  Hauaea  eine  Thttre  geöffnet  wird,  und  ein  junger 
Kavalier  auf  die  Strasse  herunterspringt.  Don  Juan  will  ihm 
den  Weg  versperren,  beide  ziehen,  ea  kommt  zu  einem  kurzen 
Kampfe,  aber  der  Fremde  flieht  schliesslich  unter  dem  Schutze 
der  Dunkelheit,  weil  er  fürchtet,  durch  den  Lärm  könnte  Don 
Fernando  herbeigelockt  werden.  —  übrigens  weicht  hier  Scarrun 
insofern  ein  wenig  von  seinem  Originale  ab,  als  er  den  Fremden, 
am  die  Szene  abzukürzen,  sofort  die  Flacht  ergreifen  lässt,  was 
Rojas  nicht  tbun  konnte,  da  ein  spanischer  Edelmann  niemals 
auch  nur  den  Schein  der  Feigheit  erwecken  durfte.  (Vgl.  Scarron, 
Akt  I,  Sz.  3;  Rojas  S.  149,  Spalte  l}.1) 

Don  Juan  fürchtet,  der  Fremde  könnte  ein  Riva)  seiner 
Liebe  sein,  und  nm  sich  hierüber  Klarheit  zu  verschaffen,  benutzt 
er  die  günstige  Gelegenheit,  die  ihm  der  Zufall  bietet.  Sein 
Diener  hat  an  Dofia  Ines  statt  des  Bildnisses  seines  Herrn  aus 
Versehen  sein  eigenes  abgeschickt,  und  Don  Juan  macht  Sancho 
den  Vorschlag,  mit  ihm  die  Kleider  zu  wechseln  und  an  seiner 
Stelle  eine  Zeitlang  den  Herrn  zu  spielen,  während  Don  Juan 
Sancho's  Rolle  Übernehmen  will.  Nachdem  der  feige  Diener  sich 
versichert  hat,  dass  dabei  nichts  zu  riskieren  sei,  geht  er  auf 
den  Vorschlag  ein.  (Hier  schliesst  der  erste  Akt  des  franzö- 
sischen Stuckes). 

Der  junge  Mann,  den  Don  Juan  hatte  vom  Balkon  springen 
sehen,  war  Don  Lope  (Don  Louis),  der  seiner  schönen  Kousine 
Dofia  Ine»  den  Hof  macht,  und  der  sich  wider  ihren  Willen  und 
mit  Hilfe  der  Zofe  Beatriz  in  ihr  Haus  eingeschlichen  hatte.  — 
Die  junge  Dofia  Ana  de  Alvarado  ist  nach  Madrid  gekommen, 
nm  bei  Don  Fernando  Schutz  und  Hilfe  zu  suchen.  Bei  Gelegen- 
heit eines  Festes  hat  sie  in  Burgos  vor  vier  Jahren  (bei  Scarron 
sind  es  zwei)  die  Bekanntschaft  eines  jungen  Edelmannes  ge- 
macht, dessen  treffliche  Eigenschaften  ihr  Herz  gewonnen  hatten. 
Sie  hatte  seinen  Schwüren  Glauben  geschenkt  und  ihm  schliess- 
lich mehr  gestattet,  als  ihre  Ehre  erlaubt  hätte.  Die  Verse, 
welche  ihren  Fehltritt  in  Don  Fernando's  Augen  entschuldigen 
sollen,  sind  von  ausserordentlicher  Schönheit  nnd  legen  ein 
glänzendes  Zeugnis  von  dem  Talente  des  spanischen  Dichters  ab : 

Obrö  ei  duewso  torpe  y  poca  alento. 

La  memoria  enganö  al  etilen dimie nio : 

Lot  ojos,  si  no  ciegos,  tuspendidot 

Se  dejaron  guior  de  los  otdos. 

Dile  cnlrada  en  mi  casa  con  rdcato, 

')  Ich  zitiere  Rojas  nach  der  oben  erwähnten  Ausgabe  der 
Comedias  escogidas;  Scarron'e  Tbeatre  ist  am  leichtesten  znganghch  in 
der  handlichen  Ausgabe  von  E.  Fouraier. 


Paul  Scarron  als  Komödiendichter.  .33 

Ardiö  el  amor,  que  le  aiizaba  el  trato; 
Salimos  d  un  jardin,  el  me  rogaba, 
Yo  llore,  sin  saber  por  que  lloraba; 
Consolöme,  admili  grata  el  consuelo, 
Y  el  temor  le  guarde  para  el  recelo: 
Con  pasiones  procuro  convencerle; 
Dijo  mos,  tuve  gana  de  creerle, 

Y,  al  fin,  SeHor  (;oh  si  por  mas  enojos 
Se  sedier a  mi  ofensa  por  los  ojos!); 
Mas  si  digo  que  dijo  que  me  amaba, 
Que  amena  soledad  nos  amvidaba, 
Que  por  que  mi  desdicha  me  convema 
Le  diö  sombra  la  noche  d  mi  vergüenza, 
Que  las  flores  mediaban  mi  cuidado, 
iQue  le  cuento,  si  ya  te  la  he  contado?1) 

Scarron  wirft  alles  das  als  unnützen  Ballast  über  Bord  und 

gibt  der  langen  Rede  kurzen  Sinn  mit  den   drei  Versen  wieder: 

//  feignit  de  m'aimer,  tout  de  bon  je  faimai; 

Mais  souffrez  que  mes  pleurs  vous  apprennent  le  resle, 

Cor  tout  en  est  honteux.  car  tout  en  est  funesteß) 

Doch  kommen  wir  auf  die  Inhaltsangabe  zurück!  Don  Lope 
hatte  das  unglückliche  Mädchen  im  Stich  gelassen,  der  Name, 
den  er  ihr  angegeben,  war  falsch  gewesen;  da  sie  aber  wisse, 
dass  er  in  Madrid  wohne,  sei  sie  gekommen,  um  Don  Fernando, 
einen  Freund  ihres  verstorbenen  Vaters,  um  Hilfe  anzuflehen. 
Dieser  verspricht  ihr  auch  alles  zu  thun,  was  in  seiner  Macht 
stehe,  um  ihre  Ehre  wiederherzustellen  und  schickt  sie  zu  seiner 
Tochter,  als  ihm  Don  Lope,  sein  Neffe,  gemeldet  wird.  Auch 
er  ist  gekommen,  um  sich  Rat  zu  holen.  Vor  mehreren  Jahren 
habe  er  in  Burgos  ein  schönes  Mädchen  kennen  und  lieben  ge- 
lernt; in  einer  Nacht  aber,  als  er  sich  in  ihrem  Hause  befand, 
sei  plötzlich  von  einem  Fremden  die  Thttre  gesprengt  worden. 
Seine  Geliebte  habe  das  Licht  ausgelöscht,  und  er  habe  den 
Eintretenden  in  der  Dunkelheit  getötet,  um  am  nächsten  Morgen 
zu  erfahren,  dass  dieser  sein  Freund  und  zugleich  der  Bruder 
der  von  ihm  verführten  Dame  gewesen  sei.  Er  sei  geflohen, 
ohne  sich  um  seine  Dame  weiter  zu  kümmern,  habe  aber  heute 
die  Nachricht  erhalten,  dass  der  Bruder  des  Getöteten  nach 
Madrid  gekommen  sei,  vermutlich  um  den  Tod  seines  Bruders 
zu    rächen.      Don  Lope  weiss    nicht,    was    er    in   dieser    Lage 

thun  soll: 

ffuir  de  el  es  cobardia; 

Querer  matarle,  es  delito  ; 

Ao  esperar  le,  es  gran  desdoro; 

Solicitarle,  es  delmo. 

1)  S.  152,  1. 

3)  Akt  II,  Szene  3. 

Zeclur.  f.  frz.  Spr.  u.  Litt.    XII'.  <* 


84* 


H.  GrühLr, 


Don  Fernando  erkennt,  dass  jener  Gegner  uniJ  sein  zu 
künftiger  Schwiegersohn  dieselbe  Person  Bind.  Überdies  wird 
üiin  Ais  Ankunft  Don  Juans  gemeldet,  der  mit  seinum  Diener 
Buebo  eintritt,  beide  der  Verabredung  gemäss  mit  vertaucbteii 
Rollen.  Don  Lope  erfährt  nunmehr,  dass  Don  Juan,  für  welchen 
man  natürlich  den  verkleideten  Saueho  hält,  Bein  Nebenbuhler 
isi  und  erkennt  in  ihm  sogleich  den  Bruder  der  Dona  Ana, 
während  Don  Juan  über  die  Person  des  Flüchtling  ran  »Ori| 
Nacht  aufgeklärt  und  dadurch  in  seiner  Eifersucht  noch 
stärkt  wird. 

Man  sieht,  wie  die  geschickte  „Mache",  welche  den  spi 
machen  Dichtern  eigen  ist,  leider  durch  die  zahlreichen  Dnwmhl 
sclieinlichkeiten  dieser  Exposition  stark  beeinträchtigt  wird 

Jornada  segunda  (dritter  Akt  bei  Searron).  Dona  lues 
filhlt  sich  höchst  unglücklich  in  ihrer  Lage.  Sie  kann  dem 
rohen  und  ungeschickten  Menschen,  den  sie  heiraten  soll,  keine 
Liehe  entgegenbringen,  sie  verachtet  ihren  Vetter  und  filhlt  sich 
hingezogen  zu  Don  Jusn's  vermeintlichem  Diener,  den  sie  doch 
nicht  lieben  darf.  Aber  erlaubt  es  denn  das  Naturgesetz  nicht, 
ancli  einen  Menschen  von  untergeordneter  Stellung  zu  lieben?  — 
Sic  wird  in  ihren  Betrachtungen  durch  Don  Lope  gestört,  der  in 
einem  benachbarten  Zimmer  verborgen  gewesen  war  und  nun 
kommt,  ihr  seine  Leidenschaft  zu  beteuern.  Doch  sie  weist  ihn 
zurück,  indem  sie  ihn  an  den  Verrat  erinnert,  den  er  an  Dofia 
Ana  getlbt  habe.  Da  man  Sanclio  nahen  hört,  versteckt  lict 
Don  Lope  in  einem  Zimmer  seiner  Kousine.  Auch  Saucho  will 
Dona  lne,s  die  Macht  seiner  Liebe  schildern,  da  er  aber  die 
richtigen  Worte  nicht  finden  kann,  so  beauftragt  er  seinen  Diener 
Don  Juau,  es  an  seiner  Stelle  zu  thun.  So  ist  denn  den  beiden 
Liebenden  Gelegenheit  gegeben,  gegenseitig  ihre  Herzen  auszu- 
Mflötten;  ein  jeder  schildert  seine  wahren  Gefühle,  und  doch 
traut  keiner  den  Worten  des  andern  wegen  der  seltsamen  Bollen, 
die  sie  beide  spielen.  Saucho  glaubt  schliesslich  aus  den  Worten 
von  Dolla  Ines  zu  erkenuen,  dass  sie  sein  Werben  günstig  auf- 
nehme und  erklthnt  sich,  ihr  die  Hand  zu  küssen,  wofür  er 
hinterher  von  Don  Juan  gezüchtigt  wird. 

Doua  Ana  hat  dus  Zimmer,  in  welchem  sie  sich  den  ganzen 
Tag  Über  verborgen  gehalten,  endlich  verlassen  und  naht  sich 
zufällig  dem  Verstecke  Don  Lope's.  Sie  bemerken  einander, 
jedoch  ohne  sich  gegenseitig  zu  erkennen;  Dofia  Ana  verschliesst 
die  Thllre,  welche  sie  von  Don  Lope  trennt,  und  dieser,  der  sie 
ftir  Dona  Ines  hält,  macht  ihr  die  glühendsten  Liebesbetcuerungon. 
Da  zeigt  sieb  Dona  Ana,  sie  erkennen  sieb,  aber  der  Schrei  der 
Überraschung,  den  sie  ausgestoßen,  hat  Don  Juan  herbeigelockt. 


Hier 
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Paul  Scarron  als  Komödiendichter.  35 

Er  erkennt  seine  Schwester  und  will  sie,  am  seine  Schmach  zu 
riehen,  töten,  wird  aber  von  Don  Lope  daran  gehindert  Da 
erwacht  wieder  die  Eifersucht  in  ihm,  er  wendet  den  Degen  gegen 
seinen  Rivalen,  indem  er  als  vermeintlicher  Diener  immer  vor- 
gibt, die  Ehre  seines  Herrn  zu  verteidigen,  wird  aber  an  der 
Ausführung  seines  Vorhabens  durch  Don  Fernando's  Erscheinen 
gehindert,  der  ihm  versprechen  muss,  dass  er  Dona  Ana  an  ihren 
Bruder  Don  Juan  aasliefern  werde. 

Ich  bin  auf  diese  Szene  so  genau  eingegangen,  weil  sich 
Scarron  mit  Recht  eine  kleine  Abweichung  von  seinem  Vorbilde 
erlaubt.  Dofia  Ana,  die  in  Don  Fernando's  Hause  selbst  fremd 
ist,  sollte  einen  Fremden,  dem  sie  dort  begegnet,  ohne  Weiteres 
einschliessen?  Das  ist  unwahrscheinlich.  Scarron  lässt  sie  ver- 
schleiert eintreten,  so  dass  Don  Louis  sie  sehr  wohl  für  Isabelle 
halten  kann.  Sie  ist  erstaunt  ihn  vor  sich  zu  sehen,,  aber  seine 
ersten  Worte  verochliessen  ihr  den  Mund.1)  Übrigens  weiss  man 
nicht,  woher  bei  beiden  Dichtern  Don  Juan,  der  doch  als  Diener 
▼erkleidet  auftritt,  den  Degen  nimmt,  mit  dem  er  zuerst  auf 
Dofia  Ana  und  dann  auf  Don  Lope  eindringt. 

Jornada  tercera.  Dofia  Ana  teilt  der  Freundin  ihren 
neuen  Kammer  mit.  Noch  immer  liebt  sie  den  ungetreuen  Don 
Lope,  aber  sie  mass  leider  in  Dofia  Ines  selbst  eine  Neben- 
buhlerin sehen.  Diese  tröstet  sie,  versichert  sie  ihrer  Freund- 
schaft und  fügt  hinzu,  dass  ihre  Freundin  nicht  zugleich  ihre 
Nebenbuhlerin  sein  könne: 

Dona  In£s.     Un  desengaüo  mayor 

Es  preciso  que  se  arguya 

En  esta  sospecha  tuya. 
Dona,  Ana.    iQttf  est 

Dona  lnis.  Que  yo  le  tengo  amor. 

Dona  Ana.     Y  asi,  mi  pena  y  mi  afan, 

iComo  apagar d  esta  Hanta? 
Dona  In&t.     No  Kay  dama  que  quiera  ä  datna 

Que  ha  querido  d  su  galan; 

Y  asi  por  seguro  ten 

Que  en  mi  no  hay  afecio  lal, 

Pues  yo  le  quisiera  mal 

Si  yo  le  quisiera  bien?) 

Wie  viel  reizende  Naivität  liegt  in  dieser  ganzen  Szene,  in 
welcher  sich  der  Charakter  der  beiden  Frauen  im  schönsten 
Lichte  zeigt  und  in  einer  durchaus  edlen  und  poetischen  Form 
zum  Ausdruck  gebracht  ist.  Und  was  finden  wir  bei  Scarron 
hiervon  wieder?     Wahrlich  nicht  viel;    er  hat  die  Szene  (IV,  1) 


»)  Vgl.  Akt  III,  Sz.  9  und  S.  159,  3  bei  Rojas. 
*)  S.   162,  2. 


36  H.  GrehUr, 

auf  16  Verse  verkürzt,  in  welchen  das  Original  nicht  wieder- 
zuerkennen ist.  Das  Motiv  der  Eifersucht  zwischen  den  beiden 
Frauen  läset  er  ganz  weg. 

Sanebo  teilt  nns  nunmehr  in  einem  Monologe  seine  An- 
schauungen Über  Ehre  mit,  die  allerdings  von  denen  eines  spa- 
nischen Edelmannes  wesentlich  abweichen.  Bald  darauf  benutzt 
er  eine  günstige  Gelegenheit,  um  der  Zofe  Beatriz  eine  Liebes- 
erklärung zu  machen,  wird  aber  dabei  unglücklicherweise  von 
Dofla  Ines  Überrascht  Als  sie  ihm  noch  Vorwurfe  macht,  kommt 
Don  Fernando  und  kündigt  ihm  an,  dass  er  sich  mit  Don  Lope 
schlagen  müsse,  da  dieser  seine  Ehre  angegriffen  habe.  Er  will 
nicht  darauf  eingehen,  aber  Don  Juan  Überredet  ihn  schliesslich, 
seinen  Gegner  in  ein  Zimmer  des  Hauses  zu  bestellen,  wo  er 
sich  selbst  versteckt  halten  wolle,  um  zu  rechter  Zeit  in  den 
Zweikampf  einzugreifen  (Schluss  des  vierten  Aktes  bei  Scarrou). 
Don  Lope  und  Sancho  finden  sich  nun  thataächlich  beide 
in  dem  bestimmten  Zimmer  ein.  Ersterer  will  den  Zweikampf 
beginnen,  Sancho  aber  sucht  ihn  noch  immer  hinzuhalten.  Schliess- 
lich erinnert  er  sich,  dass  Don  Lope  den  Bruder  Don  Juan's  in 
der  Dunkelheit  getötet  habe  und  löscht  daher  schnell  das  Licht 
aus.  Sofort  tritt  Don  Juan  an  seine  Stelle,  die  beiden  Gegner 
kämpfen,  und  Don  Lope  wird  leicht  verwundet.  Auf  eine  Frage 
Don  Fernandos,  welcher  jetzt  sonderbarer  Weise  ausserhalb  der 
Thüre  erscheint,  antwortet  Sanebo,  der  schnell  wieder  an  Don 
Juan's  Stelle  getreten  ist,  dass  er  soeben  im  Begriffe  sei,  den 
ihm  angethanen  Schimpf  zu  rächen;  Don  Lope  aber,  gereizt 
durch  seine  Verwundung,  will  seinen  Gegner  noch  mehr  erbittern 
und  gesteht  deshalb  ein,  dass  er  derjenige  sei,  der  Don  Juan  in 
doppelter  Weise  tätlich  beleidigt  habe: 

l'a  la  ira  me  obliga  aqta 

A  irritaros  inhumano  ; 

Yo  di  muerle  d  ruestro  hermano 

Y  ä  vttestra  kermana  ofendi: 

Y  ati,  atrevido  y  osado, 
Todo  mi  ardor  os  proeoea.1) 

Nun  gibt  Don  Juan  sich  zu  erkennen,  indem  er  erklärt, 
Eifersucht  sei  der  einzige  Grund  gewesen,  weshalb  er  sich  ver- 
kleidet habe,  doch  jetzt,  da  er  den  Beleidiger  seiner  Ehre  kenne, 
gelte  es  vor  allem,  den  Schimpf  zu  rächen: 

en  sabiendo  mi  agravio 
De  mis  celos  me  olvide. 
Que  si  en  dudas  y  recelos 
De  aqvel  repetido  ardor 

»)  S.  1S7,  1. 


PeuU  Scarron  als  Komödiendichter.  37 

Hay  celos  donde  hay  amor, 
Donde  hay  agravios  no  hay  celos. 

Sofort  will  er  das  Rachewerk  vollziehen,  aber  Don  Lope 
bittet  höchst  überrascht  seinen  Gegner  um  Verzeihung,  während 
er  kurz  vorher  sich  noch  seiner  Thaten  gerühmt  hatte.  Er  habe 
Don  Juan's  Bruder,  seinen  besten  Freund,  wider  Willen  getötet, 
und  um  nun  auch  Don  Juan's  Freund  zu  werden  und  Dona  Ana 
ihre  Ehre  wiederzugeben,  erklärt  er  sich  bereit,  seine  frühere 
Geliebte  zu  heiraten  und  Dona  In6s  zu  entsagen.  Don  Juan 
ist  mit  dieser  Genugthuung  zufrieden,  die  ihm  zugleich  seine 
Ehre  wiedergibt  und  ihn  von  seiner  Eifersucht  heilt,  und  damit 
der  brave  Sancho  nicht  leer  ausgehe,  erhält  er  seine  liebe  Beatriz 
zur  Frau.   — 

Corneille  sagt  von  seinem  Menteur,  der  ja  bekanntlich  auch 
stark  „nach  dem  Spanischen"  ist,  er  habe  „entihrement  depaysi 
les  sujets  pour  les  habüler  ä  la  francaise.a  Das  kann  Scarron 
weder  von  dem  Maitre  valet  noch  von  irgend  einem  seiner 
folgenden  Stücke  behaupten.  Dass  der  Inhalt  der  Komödie  von 
dem  der  spanischen  nur  in  ganz  unwesentlichen  Punkten  abweicht, 
habe  ich  bereits  hervorgehoben.  Aber  auch  das  ganze  Kolorit 
des  Originals  ist  mit  fast  allen  Eigentümlichkeiten,  die  gerade 
nur  der  spanischen  Komödie  zukommen,  im  Französischen  ge- 
treulich wiedergegeben.  Scarron's  Personen  sind  Vollblutspanier, 
die  in  Spanien  echt  spanisch  auftreten.  Natürlich  sind  auch  die 
Einheiten  der  Zeit  und  des  Ortes,  an  welche  die  Spanier  sich 
wenig  kehrten,  nicht  beobachtet,  was  die  zeitgenössischen  Kritiker 
und  unter  anderen  auch  die  Brüder  Parfaict  dem  Dichter  Übel 
vermerkt  haben. 

Bei  einer  genauen  Vergleichung  der  beiden  Stücke  be- 
merken wir,  dass  die  Reihenfolge  der  Szenen  vollkommen  überein- 
stimmt, dass  nur  einzelne  Teile  des  Dialoges  zusammengezogen 
und  so  die  Szenen  abgekürzt  worden  sind.  Daraus  folgt,  dass 
Scarron  offenbar  das  Stück  des  Spaniers  vor  sich  gehabt  hat  und 
dessen  Inhalt  nicht  bloss  durch  frühere  Lektüre  oder  durch 
mündlichen  Bericht  kannte.  Andererseits  ist  aber  die  Verwertung 
des  spanischen  Musters  fast  niemals  zu  einer  Übersetzung  des- 
selben geworden,  wie  die  Vergleichung  der  folgenden  Parallel- 
stellen zeigt,  wo  das  Vorbild  noch  am  getreuesten  nachge- 
ahmt ist: 

Amanda,  sttspiro  y  Uoro 
Con  lägrimas  del  dvseo, 
Cuando  viendoos  d  vos,  veo 
El  dulce  dueno  quo  adoro; 
Y  a  no  ser  por  mi  decoro, 
Arrojada,  vive  Dios, 


II  GrMer. 


Itlrqtte  te  viertln  lot  diu 
iVnstnirn  MMfd  heinl.i. 
Am  /■"'■  um  gotd  m  '„/„. 
SuhiIii  ,ni  mutnt  /'■"■  km 
71m  ii-.-n.  tun  •••,  m "'"/" 
£f  ni  um»/,  por  ..,c  (m  rar», 
!'«,■  niaMdc  '»"*  to  d*olaro 

l'.i  iii,uid,i   „i,:„.,i\  h  düjo; 
\    st  Imlilii  im  U   miiiijii. 
Y  si  firiieiirn   fiiii/aie 
Es  casti'juniK-  ,n    ■ 
y  ad  tengo  >■„  OMten/arle 
Mucho  fuue  ■■,!  occvttarfo 

f    i„,a,  -liri,,  ,-n   ,1,-eir/,-,  (S 

II  faul  hielt  ettMs  MW  ,/'„-  Je  BW  justifie. 
i'mis  diiutci   de  mn  flamme      0»i,  j'nivie.  eiwiee  im 
Ce  qve  j'aime  etl  a   Vota,  et  je  Paime  MMMWMI  i 
kl  longue  /■■■■■ 
l'nhjet  de  mtrn  ammir,   et  je  briiU   et  j,    :.,  ■ 

J,:  hl,',!,-  ,u-  ti,?.ir.  ,i  /,■  trembfa  dt  p*ur; 

Fout  cause:  ,i  In  fou  mn  jnie  et  <na  doitleur. 

Fat-  U  jinmih  m   inni  /-:n.<  elnui-je  .1  ),Ihs  rare? 

Lnrtque  je  h-   di\  mi-nis.   </<i"Si  je  U  deei'ire: 

El  si  je  It  ditai*,  Hi,   lu-ii   ,U-  m  «Meyer. 

Au  Heil  de  me  ,/neete.  je  seen/s'  M   •liui,/er. 

Et  quand,  saus  deeouvrrr  ,/n  bim  midier  it,„  jlnmim-. 

Je  U1c/k-  it  deguiser  cc  -/iie  je  sffHt  drmn  fäme, 

It  „„■„!   /,-■   ti; ,uec   im    |  ■ 
C'eti-ä-dire  pnrtnut  je   n'.ii  rten   ■■/»■    4m   ""'!• 


Zeit    auch   eine 
einander.     Rojan 


Dieselbe  Szene  zeigt  jedoch  zu  gleicher 
bedeutende  Abweichung  der  beiden  Didiler  VW 
und  das  spanische  Theater  seiner  Zeit  überhaupt  hegen  eine  Im - 
sondere  Vorliebe  flir  das  Beiseitespreeben  der  Schauspieler,  luid 
thatsäcblich  ist  dieses  ja  ein  bequemes  Mittel,  das  Publikum  von 
den  Gesinnungen  einer  Person  in  Kenntnis  tu  setzen  und  so  mit 
wenigen  Worten  einige  scharfe  Charakterzllge  zum  Ausdruck  zu 
bringen.  Die  massige  Anwendung  dieses  Mittels  wird  daher 
auch  nicht  zu  tadeln  sein;  wenn  aber  Kojas  nicht  selten  Minuten 
lang  ohne  Unterbrechung  die  Auftretenden  ihre  Gedanken  in 
dieser  Form  vorbringen  lässt,  so  ist  das  schon  deswegen  ent- 
schieden tadelnswert,  weil  es  die  Illusion  des  Publikums  in 
hohem  Grade  stört,  und  wir  können  uns  nur  mit  Scarron's  Vor- 
gehen einverstanden  erklären,  wenn  er  derartige  SMgedahatR 
Aparte  zu  vermeiden  sucht.  Lehrreich  flir  das  Verfahren  des 
spanischen  Dichters  sind  ausser  dem  Anfange  der  schon  ge- 
nannten Szene  auch  noch  die  Stellen  S.  154  f.,  158  und  IG". 
Die  Charakteristik  eines  Menseben  darf  sich  eben  in  einem  gnteu 
Stücke  nicht  wesentlich  ergeben  aus  reflektierenden  Äußerungen 
Über  die  Lage,    in    welche    er    versetzt  ist,  sondern  sie  soll  aus 


Paul  Scarron  als  Komödiendichter.  39 

seinen  Handlungen,  ans  seinem  Verhalten  gegenüber  den  auf  ihn 
einwirkenden  Verhältnissen  hervorgehen.  Bekanntlich  hat  sich 
auch  Lessing  über  die  genannte  Eigentümlichkeit  des  spanischen 
Theaters  gelegentlich  geäussert.1)  —  Nicht  minder  störend  er- 
scheint uns  das  reflektierende  Element  in  der  spanischen  Komödie 
auch  an  anderen  Stellen,  wo  es  in  Rede  und  Gegenrede  der 
auftretenden  Personen  zum  Vorschein  kommt,  so  dass  manche 
Szenen  dadurch  einen  lyrischen  Anstrich  erhalten.  Scarron  hat 
dergleichen  Szenen  entweder  ganz  weggelassen  oder  dieselben, 
wo  sie  unumgänglich  notwendig  erschienen,  durch  einen  Monolog 
ersetzt,  wie  z.  B.  am  Ende  des  zweiten  Aktes.  Auch  da,  wo 
die  Verhältnisse  in  objektiver  aber  allzu  weitschweifiger  Weise 
besprochen  werden,  kürzt  der  französische  Dichter  und  macht  so 
den  ganzen  Dialog  lebhafter  und  unterhaltender. 

Eine  andere  Eigentümlichkeit  des  spanischen  Dramas  ist 
seine  blumige,  mit  Bildern  und  Metaphern  überreich  ausgestattete 
Sprache.  Wir  können  nicht  leugnen,  dass  dieselbe  auf  unser 
ästhetisches  Gefühl,  besonders  bei  der  Lektüre  einen  angenehmen 
Eindruck  macht,  und  dennoch  finden  wir  jenen  Reichtum  tadelns- 
wert Der  Stil  des  Dramas  und  derjenige  der  Komödie  ganz 
vornehmlich  verlangt  Kürze;  wir  wollen  die  Handlung  beständig 
fortschreiten  Beben,  während  die  behagliche  Ausmalung  von 
Situationen  und  Gefühlen  dem  Gebiete  der  Epik  und  Lyrik  an- 
gehört, und  so  können  wir  auch  Rojas  und  seinen  Landsleuten 
den  Vorwurf  nicht  ersparen,  dass  sie  in  dieser  Beziehung  die 
Grenze  des  Erlaubten  überschritten  haben.  Auf  S.  156  schildert 
Dona  In6s  ihre  glühende  Leidenschaft  für  Don  Juan,  den  Diener, 
der  viel  zu  tief  unter  ihr  steht,  als  dass  sie  es  wagen  könnte,  auch 
nur  sich  selbst  diese  thörichte  Neigung  zu  gestehen.  Sie  fährt  fort: 

Mas  no  pienso  que  es  bajeza, 

Que  aunque  es  verdad  que  ei  amor 

De  igualdades  se  contenta, 

Bien  puedo  yo  querer  bien 

A  otro  que  mi  igual  no  sea, 

Que  no  es  fino  amor,  amor 

Que  se  funda  en  conveniencias. 

Und  durch  zwei  Beispiele  aus  dem  Gebiete  der  Mythologie  und 
des  Naturlebens,  die  mit  behaglicher  Breite  ausgeführt  werden, 
sucht  sie  nun  ihre  Liebe  vor  ihrem  Gewissen  zu  entschuldigen. 
Scarron  (III,  4)  hat  dies  ganz  weggelassen  und  überhaupt  die 
Szene  bedeutend  abgekürzt,  die  gleichwohl  nicht  ohne  Poesie  ist, 
während  andererseits  der  Gang  der  Handlung  weniger  unterbrochen 
erscheint,   als   es   bei  Rojas   der  Fall  ist.     Gegen   die  Metapher 


l)  Hamburgische  Dramaturgie,  Zweiundsechzigstes  Stück, 


40  H.  iWahh,-. 

liegt  der  französische  Dicliter  sogar  eine  entschiedene  Abneigung; 
ich  erinnere  mich,  in  seinen  sämtlichen  Dramen  deren  nicht  mehr 
als  zwei  gefunden  zu  haben,  die  noch  dazu  recht  geschmacklos 
sind.    Akt  V,  Szene  IV  in  unserem  Stücke  liisst  er  Don  Juan  sagen: 


und  in  einem  anderen  Stücke,  dem  Jodelet  dueUiate  (V,  7),  erzählt 
Don  Pedro  von  einem  Vorfalle 

7b« (  ceci  s'esl  jwsse  ramme  uu  ijrand  fett  de  paiüe. 
Freilich  hat  dieses  Bestreben  die  Szenen  abzukürzen  auch 
einen  nachteiligen  Einfluss  auf  die  Zeichnung  der  Charaktere, 
wie  schon  gelegentlich  bei  der  Inhaltsangabe  des  Stückes  ange- 
deutet wurde.  Recht  deutlich  tritt  dies  zu  Tage  in  der  fünften 
Szene  des  zweiten  Aktes,  wo  Don  Louis  über  seine  Begegnung 
mit  Lucrice  in  Burgos  berichtet.  Nacli  einigen  ziemlich  leeren 
Redensarten  führt  Don  Louis  fort: 

Paur  faire  court,  tut  soir  r/ne  tmus  ctions  ensemble, 
J'enteiuit  rampre  h  purte,  et  .  .  . 
Rojas  überzeugt  uns  durch  den  eingehenden  Bericht,  welchen  er 
Don  Lope  geben  lässt,  einigermassen  von  seiner  aufrichtigen 
Liebe  zn  Doha  Ana,  und  so  söhnen  wir  uns  noch  zur  Not  mit 
diesem  unbeständigen  Liebhaber  aus,  während  wir  nach  Scarrun's 
Darstellung  die  arme  Lucrece  nur  bedauern  können,  die  durch 
die  Verheiratung  mit  diesem  Manne  unmöglich  glücklich  werden 
wird. 

Es  sei  hier  noch  die  erste  Szene  der  zweiten  Jornada  an- 
geführt, wo  der  spanische  Dichter  ebenfalls  das  Benehmen  Don 
Lope's  zu  entschuldigen  sucht,  und  wo  ihm  dies  wenigstens  besser 
gelingt  als  Scarron.1)  Freilich  entfaltet  auch  Rojas  gerade  in 
der  Charakteristik  dieser  Person  das  geringste  Geschick.  Don 
Lope  ist  zuerst  bereit,  sich  mit  Sancho  zu  schlagen,  dessen 
Feigheit  er  sieht,  aber  plötzlich,  als  er  den  wahren  Don  Juan 
erkennt,  bereut  er  alle  seine  Vergehen,  und  der  Vorschlag,  den 
er  nun  macht,  könnte  wohl  zu  seinen  Ungunsten  gedeutet  werden. 
Dieses  Gefühl  hat  Scarron  offenbar  auch  gehabt,  und  er  fügt, 
um  jeden  Zweifel  an  dem  chevaleresken  Charakter  dieses  Mannes 
zu  beseitigen,  hinzu  (V,  4): 

Cetix  qui  me  conitaitront ,  sanruiit  bicu  gut  In  cratnle 
N'ett  /ias  ce  qui  me  fait  Qppntner  r„irc  pfaftlft  .  - 
Pmsqu'ü  ful  man  ami:  pnur  devenir  le  niitre, 
Je  donnerais  mon  sang,  je  donnerais  man  eazur, 
El  ce  discours  n'esl  pas  un  ef/'et  de  NU  fear. 

i)  Akt  111,  Szene  I. 


Pmü  Scarron  als  Komödiendichter.  41 

f  Das  ist  recht  schön  gesagt,  wir  sind  aber  wenig  geneigt,  es  zu 
glauben  and  finden  die  ganze  Lösung  des  Knotens  schwach, 
schon  um  der  armen  Lucr&ce  willen,  die  einen  Mann  heiraten 
rnuss,  den  sie  zwar  liebt,  der  aber  selbst  kaum  noch  Zuneigung 
xn  dem  Mädchen  hat 

Schliesslich  will  ich  eine  Stelle  nicht  Übergehen,  wo  Scarron's 
Bestreben  abzukürzen  gerade  dazu  dient,  die  Wahrscheinlichkeit 
des  Vorgeführten  zu  erhöhen.  Akt  III,  Szene  X  und  XI  erscheint 
Don  Juan  in  dem  Augenblicke,  als  seine  Schwester  und  Don  Louis 
einander  zufällig  in  der  Wohnung  Don  Fernando's  begegnet  sind. 
Ihr  Anblick  wirkt  so  überraschend  auf  ihn,  dass  er  im  ersten 
Augenblicke  nicht  weiss,  was  er  thun  soll,  und  wir  finden  das 
wohl  begreiflich.  Diese  Unentschlossenheit  kann  aber  unmöglich 
von  langer  Dauer  sein,  und  es  ist  daher  fehlerhaft  und  unwahr- 
scheinlich, wenn  die  Szene,  wie  es  bei  dem  Spanier  der  Fall  ist, 
bedeutend  fortgesponnen  wird,  ohne  dass  Don  Juan  einen  ent- 
scheidenden Schritt  thut.  Dieses  Gefühl  hat  Scarron  vielleicht  ge- 
leitet, wenn  er  Don  Juan,  bald  nachdem  er  seine  Schwester  erkannt 
hat,  den  Degen  ziehen  lässt,  um  sie  für  ihren  Frevel  zu  bestrafen. 
Ich  habe  bereits  Gelegenheit  gefunden  zu  bemerken,  dass 
der  französische  Dichter  bestrebt  war,  das  komische  Element 
des  Stückes  möglichst  in  den  Vordergrund  zu  stellen  und  diese 
Ursache  ist  es  fast  allein,  welche  ihn  veranlasst,  zuweilen  seine 
Vorlage  zu  erweitern,  sei  es  dass  er  eine  nur  angedeutete 
komische  Situation  mehr  ausführt,  sei  es  dass  er  selbst  Witze 
hinzufügt  oder  diejenigen  des  Originals  durch  kräftigere  ersetzt. 
Auf  solche  Weise  erhält  die  Komik  des  spanischen  Stückes  in 
der  französischen  Bearbeitung  einen  burlesken  Anstrich,  ganz 
besonders  in  der  Rolle  des  Dieners  Jodelet,  des  Possenreissers 
par  excellence.  Die  Burleske  war  von  jeher  das  Lieblingsgebiet 
der  poetischen  Thätigkeit  Scarron's  gewesen,  und  so  ist  es  nicht 
zu  verwundern,  wenn  er  auch  seine  spanischen  Muster  nach  dieser 
Seite  hin  ummodelt,  zumal  da  der  Beifall  des  Publikums  ihn  hierzu 
ermunterte.  —  Einzelne  Szenen,  in  welchen  Jodelet  auftritt,  sind 
ziemlich  getreu  dem  Spanischen  entnommen,  so  I,  3;  IV,  4;  V,  4 
und  vor  allem  IV,  5,  wo  das  Original  am  wenigsten  verändert 
worden  ist.  Aber  gerade  in  seine  Lieblingsperson  Jodelet  hat 
Scarron  einzelne  Züge  gelegt,  die  seiner  eigenen  Erfindung  an- 
gehören. In  der  dritten  Szene  des  ersten  Aktes  findet  sich  im 
Spanischen  (S.  148,  3)  folgende  Stelle: 

Bemardo.     ...  es  tarde,  y  manana  hay  diu. 

Sancho.         Los  dos  que  ve  se  hau  criado 
En  ia  Noruega;  y  asi, 
Por  la  noche  negociamos. 


//.  Unlhkr. 

Scarron  sagt  statt  dessen: 

Jodelet.  f/ota  n'ttifotu  •/<«■  la  nuit, 

Nvut  portonx  a  Iti  nuii  umiM  tJuguEirg, 
Ei  ifriont  *»<■>'  faeMt  d'.n„„-  im  la    m 

NoUM  sommeit   dt     Sti>-rrtj,\    uu  paifs   rert   U  mird. 
Du  miuniit  d'itu   ehactm   est   Ivtit  hamm?  t/iti  dtirl. 
l'-tur   ni-n,  jr  tu:  it-ir-:  pmnt ;   MMt-Mn  In   im/n   int 
Ceti  U  plus  ijraHd  vnllcur  qta  tc  i  raupe  ^itut-iire 
80  auch   im  ferneren  Verlauf  der   Szene.     Ganz  ähnliche  Er 
tcrungen  zeigt  ferner    die  erste  Szene    des    Stückes, 
von  der  Vertauschung    der   beiden    Bilder  spricht.     Die  siebei 
Szene  des  dritten  Aktes  ist  von  Scarron  mit  besonderer  iviul 
behandelt,  aber  gerade  hier  Bind  mehrere  TOP  «'inen 
danken  als  recht  gelungen  zu  bezeichnen.   Isabelie  versichert  Jodelet 
ihrer  Zuneigung,    richtet  aber   Ehre   Worte  an   Don  Juan,  den   sie 
ja  flir  Jodelet  hält,  und  der  wirkliche  Jodelet  antwortet  ibr: 
Mti  /'vi.  j'mhnds  liii-n  pea  ce  ilismuts  m/pni', 
Ja  coiiruiK,   seukmrnt  i/u'it  ts<  pasaiowtf. 
Oll   ilkilde  prmnz-cinix  laut   dt  phihisophi,-' 

iinil   gleich  darauf: 

J'culciuif  encore  iwojiw  ce  dincuiirs-ci  i/ite  Cautii    tU 
Der    etwas    lange    Dialog    zwischen    Don    Juan    und    Isabelie 
dieser  Szene  ist  von  Scarron  abgekürzt  worden,  der  andererseits 
einige    mehr    oder    weniger    geistreiche    CJedanken     aus    seinem 
eigenen  Repertoire  hinzufügt,  wie  z.  B. : 
Otez-vow   i'ih'iHfitt,  je  tims  UM  /'■"- 
Auch    des    Jodelet    Betragen    gegen    soinen    Herrn    ist 
Scarron   manchmal  noch  freier  als  im  Spanischen.     Bald   im 
fange  der  ersten  Szene  äussert  Bernardo: 
Kl  jmcio  kcimis  tlt'  pcrdi-.r 
Si  haif  riiifiiim  i/nt-  ptrdanot. 
Don  Juan.  Ihn,  iu  tos  deeine'. 

Je  veux  des  etile  nuii  alter  roir   Isainltr. 
Jodelet.     Des  ccllr  nuii  plutöt   vum  l/rouilter  la  e.rntilte. 
St  (■,-,■  reite  etat  tont  est  meora  A  brontiler. 
Die  äusserste  Grenze  des  Burlesken  ist  das  Abgeschmacl 
und   der   burleske  Dichter  wird   selten   ganz   vermeiden    könnt 
in    diesen    Fehler    zu    verfallen,    zumal    da    der   Leser    oder    Zi 
schauer  je  nach  seiner  geistigen  Anlage  und  Bildung  die  Grei 
bald  enger  bald  weiter  ziehen  wird.     ThatsKehlich  sind  auch  bei 
Scarron    die    Plattheiten     nicht    selten,    und    das    ist    wohl    der 
schwerste    und    vielleicht    begründetste     Vorwurf,    welcher    dem 
Dichter  gerade  in  Bezug  auf  seine  dramatischen  Werke  gemacht 
worden  ist.     Gleichwohl  kann  man  sich  diesen  Fehler  sehr  leicht 
erklären.      Ausser    seiner   Neigung    zu    dieser  niederen   Art    der 


sie 


Pnul  Scarron  als  Komödiendichter.  43 

Komik  wurde  Searron  auch  stark  durch   den  Geschmack  seines 

Publikums   beeinflusse    das    manchen    der    Einfälle    recht    lustig 

fand,  bei  dem  wir  heute  einen  kleinen  Ausruf  der  Hissbilligung 

nicht  unterdrücken  können.     Und   in   der  That   rühren  die  oben 

erwähnten  tadelnden  Bemerkungen  fast  nur  von  Kritikern  unseres 

Jahrhunderts  her;    von  Scarron's  Zeitgenossen  hat  kaum  jemand 

sein  Missfallen   geäussert.     Moliere   war  damals  noch   nicht  mit 

seiner  trraie   comidie  aufgetreten,    er    ging   vielmehr    selbst    bei 

unserem  Dichter  in  die  Schule,  und  seine  ersten  Werke  gehörten 

ebenfalls  noch   der  niederen   Komik  an;   das  Publikum  forderte 

nicht  mehr,  weil  es  nichts  Bedeutenderes  kannte.     Man  verlangte 

noch   nicht  von   der  Komödie,   dass  sie  den  Geist  anrege,   dass 

in  ihr  interessante  Probleme  des  gesellschaftlichen  Lebens   zur 

Besprechung  kämen;    die   Zuschauer  waren   zufrieden,    wenn  ihr 

Zwerchfell  erschüttert  wurde  und  kümmerten  sich  wenig  um  die 

Mittel,   welche   hierbei  zur  Anwendung   kamen.     Wenn  wir   von 

diesem  Gesichtspunkte  die  Werke  unseres  Dichters  betrachten,  so 

werden  wir  genötigt  sein,  die  zum  Teil  recht  scharfen  Urteile,  welche 

über  ihn  gefällt  worden  sind,  einigermassen  zu  mildern.  Scarron 

hat  dem  Publikum  seiner  Zeit  die  Kost  vorgesetzt,  die  es  liebte, 

und  wenn  diese  Kost  uns  nicht  mehr  schmackhaft  erscheint,   so 

müssen  wir  bei  unserem  Tadel  immer  bedenken,  dass  die  Stücke, 

um  welche  es  sich  handelt,  fast  dritthalb  Jahrhunderte   alt  sind. 

Wir  gehen  nun  dazu  über,  einige  jener  Stellen  zu  betrachten. 

Akt  IV,  Szene  II  legt  Scarron  die  Lebensgrundsätze,  so  zu  sagen 

die  Philosophie   seines  Helden  Jodelet   in   einigen  Strophen   dar, 

die   allerdings   den   harmlos  heiteren  Ton   der  spanischen  Verse 

nicht  wiedererkennen  lassen.     Die  beiden  Verse  am  Anfange,  die 

sich  refrainartig  wiederholen,   und  die   erste  Strophe  des  Liedes 

sind  ausserordentlich  geschmacklos: 

[Jodelet,  seul,  en  se  curanl  les  dentsj. 

Soyez  nettes,  mes  dents,  Chcnneur  vous  le  eommande, 

Derdre  les  dents  est  tout  le  mal  que  fapprehende. 

Vau,  ma  foi,  vaut  mieux  qu'un  oignon. 

Quand  je  trouve  quelque  mignon, 

Sitot  qu'it  sent  Vau  que  je  mange, 

11  fait  une  grimace  etrange, 

Et  dit,  La  main  sur  le  rognon, 

Fi,  cela  n'est  point  honorable. 

Que  bM  soyez -vous,  Seigneur, 

Qui  m'avez  fait  un  miserable 

Qui  prd/ere  Caü  ä  fhonneur, 

Soyez  nettes,  mes  dents,  etc. 

Die  ersten  Verse  erinnern  zugleich  an  eine  Stelle  aus  Akt  II, 
Szene  VII,  wo  Jodelet  die  Isabelle  fragt: 

Navez-vous  point  sur  vous  quelque  bon  eure-oreHle? 


44  //.  GrBhter, 

In  der  Absicht,  seine  Pointen  wirksamer  zu  machen,  liebt 
es  Scarron,  sein  Original  zu  Übertreiben  und  wird  dadurch  an- 
etöBflig.  Sancho  vermutet,  Beatrix  habe  ihrer  Herrin  etwas  Nach- 
teiliges Über  seine  Person  gesagt;  er  gerät  darüber  in  Zorn  and 
läset  sich  zu  den  Worten  hinreissen: 
Bruia,  msulsa,  majadera, 

iTan  mal  os  he  pareeido? 
ccid  her  gante,  icstas  piernas 
Paeden  ser  mds  inen  sacadas'! 
iNo  sog  ancko  de  kombrvs,  puerca? 
iMi  cara  haränle  mejor, 
Aunque  la  hicieson  de  eera? 
flolgära  haberme  casado 
Para  daros  una  vuetla 
De  podenco.  (S.  157.  1.) 

Scarron  beliebt  sich  etwas  kräftiger  so  auszudrucken:  (III,  7.) 

Vous  ne  m'aimez  donc  pal,  madame  la  traitresse? 

Et  vom  nif  desservez  aupret  de  ma  maitresse? 

Ah,  louve!  ah,  porque!  ah,  chienne!  ah,  braque!  ah.  lonp-garou! 

Plnsses-tu  le  briser  brat,  main,  pied,  chef,  cul,  com, 

Que  toujours  quelque  chien  contre  la  jupe  pisse, 

Qu'avec  ses  trois  gosieri  Cerberus  fengtoutisse, 

Le  grand  chien  Cerberus,  Cerberus  le  grand  chien, 

Plus  beau  que  toi  Cent  /bis,  et  plus  komme  de  inen. 
Der  Beifall  des  Publikums  mag  jedenfalls  dieser  Stelle  nicht 
gefehlt  haben.  Schliesslich  sei  hier  noch  eine  nicht  minder  an- 
stössige  Stelle  des  Jodelet  dudliste  angeführt,  wo  in  der  ersten 
Szene  des  zweiten  Aktes  der  Diener  Alphonse  seinem  Herrn  von 
den  Annehmlichkeiten  seiner  Wohnung  folgende  weniger  geschmack- 
volle als  drastische  Schilderung  macht: 

Les  cousins  m'ont  yique,  tes  rats  et  les  souris 
M'unt  pisse"  sur  le  nez,  et  fai  w  des  esprits. 
Nur  in  zwei  Fällen  hat  Scarron  seine  Vorlage  etwas  er- 
weitert, ohne  sich  von  dem  eben  angeführten  Motive  leiten  zu 
lassen.  Es  handelt  sich  um  die  Hinzufllgung  zweier  kurzen 
Szenen,  die,  ohne  unentbehrlich  zn  sein,  doch  dazu  dienen,  die 
Situation  zu  klären.  In  der  dritten  Szene  des  dritten  Aktes  er- 
fährt Isabelle  von  ihrem  Vater,  dass  Don  Louis  es  gewesen  ist, 
der  den  Bruder  Don  Juan's  getötet  hat,  und  die  erste  Szene 
desselben  Aktes  bildet  eine  kurze  Überleitung  zu  der  folgenden 
Szene. 

Man  gestatte  mir  nach  dieser  Abschweifung  noch  einige 
kurze  Bemerkungen  über  die  Personen  unseres  Stückes.  Wie 
wir  bereits  gesehen,  wird  der  Charakter  des  Don  Louis  nnd  des 
Jodelet  ein  wenig  modifiziert  durch  die  Veränderungen,  die  der 
französische   Dichter   vorgenommen    hat.      Das    Gleiche    gilt    in 


Paul  Scarron  als  Komödie tuücht er.  45 

Besag  auf  Dofia  In6s,  wenn  man  sich  an  die  schönen  Szenen 
ron  S.  156  und  162  des  Originals  erinnert,  die  Scarron  nur  mit 
einigen  trockenen  Versen  angedeutet  hat.  Dazu  kommen  noch 
einige  charakteristische  Worte  der  Dofia  Ines,  die  sich  ebenfalls 
nur  im  Spanischen  finden  (S.  151,  2).  Ihr  Vater  setzt  ihr  die 
Vorteile  einer  Heirat  mit  dem  falschen  Don  Juan  auseinander 
und  glaubt  ihr  Vorurteil  besiegen  zu  können,  indem  er  ihr  mit- 
teilt, dass  derselbe  in  nächster  Zeit  eine  reiche  Erbschaft  machen 
werde;  hierauf  aber  erwidert  sie  entrüstet: 

Antes  si  tiene  Don  Juan 

Parte  por  donde  le  quiera 

Es  por  ser  pobre,  que  amor 

No  se  vaaa  con  riquezas; 

Si  yo  nuoiera  de  elegir 

Uno  en  dos  hombres,  y  fuera 

Uno  rico  y  otro  pobre, 

Y  fueran  de  iguales  prendas, 

Porque  me  quisiera  mos 

AI  que  es  mos  pobre  eligiera. 

Man  darf  überhaupt  nicht  vergessen,  dass  des  Rojas  Sprache  in 
jeder  Hinsicht  viel  edler  ist,  als  die  des  Scarron,  und  dass  schon 
dadurch  das  spanische  Stück  einen  wohlthuenderen  Eindruck  auf 
den  modernen  Leser  macht,  als  das  französische. 

In  der  Widmung  des  Stückes,  die  an  den  Kommandanten 
von  Souvri  gerichtet  ist,  teilt  der  Dichter  mit,  dass  er  diese 
Komödie  innerhalb  von  drei  Wochen  angefertigt  habe.  Die  Folgen 
dieser  Eile  machen  sich  daher  auch  an  verschiedenen  Stellen, 
besonders  aber  am  Ende  des  Stückes  bemerkbar.  Die  letzten 
Szenen  (von  V,  3  bis  zu  Ende)  zeigen  eine  genauere  Überein- 
stimmung mit  dem  Original  als  das  Übrige.  Ferner  hat  das 
Bestreben,  mit  der  Arbeit  fertig  zu  werden,  in  diesem  letzten 
Teile  auch  einzelne  Flüchtigkeiten  veranlasst  In  der  vierten 
Szene  des  fünften  Aktes  erscheint  Don  Fernando  zufällig,  als 
Jodelet  und  Don  Louis  im  Begriffe  sind,  sich  zu  duellieren;  aber 
weit  entfernt,  die  Gegner  von  einander  zu  trennen,  ermutigt  er 
sie  vielmehr  mit  folgenden  naiven  Worten: 

AUons,  mes  chers  amis,  battez-vous  hardiment, 

Je  ne  parais  ici  pour  La  paix  nuüement. 

Vun  de  qui  fhonneur  souffre  est  pour  Stre  mon  gendre, 

El  faulre  est  mon  parent  qui  voit  son  sang  rSpandre: 

Battez-vous  donc,  amis,  et  bien  fort,  vous  serez 

Bien  plutöt  animes  par  moi  que  separes. 

In  derselben  Szene  glaubt  Don  Juan,  nachdem  er  in  längerer 
Rede  mitgeteilt  hat,  wer  er  eigentlich  sei,  noch  einmal  wieder- 
holen zu  müssen: 

Je  suis  donc  Bon  Juan,  que  personne  nfen  doute. 


46  B.  GrSUer, 

Wir   finden    die  Erwiderung    des    Don  Louia    sehr   gerechtfertigt: 

üroyez-vous  ä  ce  nom  que  plus  ort  vous  redoute? 
Nicht  minder  unangebracht  Bind   die  darauf  folgenden  Verse,  in 
denen  Don  Juan  auf  recht  lächerliche  Weise   seine  Starke  und 
Tapferkeit  rühmt. 

Noch  mögen  einige  kleine  Änderungen  erwähnt  werden, 
welche,  ohne  bedeutend  vom  Originale  abzuweichen,  gewisaer- 
maSBen  als  Konzessionen  zu  betrachten  sind,  die  Scarron  dem 
Zeitgesehmacke  macht.  Wenn  Don  Fernando  zur  Empfehlung 
Don  Juan's  sagt: 

beaueoup  de  gens  m'ont  dit 
Qu'on  estime  ä  la  eour  ce  Juan  tPAIvarade, 
eo  ist  diese  Bemerkung  charakteristisch  für  die  französische  Ge- 
sellschaft jener  Zeit  und   würde   von   einem   Spanier   schwerlich 
gemacht  werden.  —  Don   Lope   erzählt  (8.  153,  1)  von  seinem 
ersten  Zusammentreffen  mit  Dofia  Ana: 

¥  entre  las  muchas  liellezas, 

Que  al  praäo  ajado  y  marchito 

Le  hermosearon  mos  fraganU,  .  .  . 

Fi  una  bcllela  .... 

Bei  Scarron  begegnet  er  dieser  Schönheit  auf  dem  Ball: 
Le  surr  ü  (man  ami)  tue  mena  voir  le*  Hamas  au  bat; 
Vne  beaute  m'y  prit  ...  (U,  5). 

Nicht  minder  charakteristisch   sind   die  Worte   Isabellens  (V,  2) 

Avec  im  tel  epoux!  Ah,  fille  malheureuse .' 
Hncor  si  Je  pouvais  ttre  reUgieuse! 
Mais,  Attas!  je  Mf  sens  pour  la  religio«. 
Et  pour  ce  brave  epoux,  pareiiie  aversio*. 

Eine  Anspielung  auf  eine  litterarisehe  Erscheinung  jener 
Zeit  finden  wir  IT,  5,  wo  Jodelet  den  Vorschlag  des  Don 
Fernando,  seine  Ehre  mit  dem  Degen  in  der  Hand  zu  verteidigen, 
entrüstet  zurückweist, 

Que  vous  eussiez  atme'  pour  votre  gendre  un  Cid, 
Quf  vous  eüt  assommt,  ptät  tpousi  Ckbnene! 
Endlich  wollen  wir  eine  Szene  nicht  unerwähnt  lassen,  in  welcher 
der  Dichter  spottend  von  dem  graziösen  Stile  spricht,  der  zu 
seiner  Zeit  en  vogue  war.  Es  ist  die  dritte  Szene  des  zweiten 
Aktes,  wo  Lucrece  ihre  Klagen  in  dem  damals  allgemein  ver- 
breiteten und  beliebten  preziösen  Stile  äussert  nnd  dafür  von 
Don  Fernando  in  ironischer  Weise  gelobt  wird.  Als  sie  ent- 
sprechend dem  Geflehmacke,  den  sie  persiflieren  soll,  im  weiteren 
Verlaufe  einige  bekannte  Verse  zitiert,  drückt  Don  Fernando  ihr 
seinen  Beifall  aus  mit  den  Worten: 


Au/  Scwrron  als  Komödiendichter.  47 

Ces  vers  sont  de  Mairet,  je  les  sais  bien  par  cceur, 
lls  sont  tres  ä  vropos,  et  (Fun  tres  bon  auteur. 
Toujours  cfun  hon  auteur  la  lecture  pro  fite, 
Et  savoir  bien  des  vers  est  chose  de  merite. 

Dass  der  Dichter  auch  in  späterer  Zeit  noch,  zu  den 
Gegnern  des  Preziösentums  zählt,  ersehen  wir  ans  einer  Be- 
merkung in  dem  Dedikationsschreiben,  welches  dem  lScoUer  de 
Salamanque  voraufgeht,  sowie  aus  der  zweiten  Saure,  (Euores 
VIII,  206  ff. 

Wir  können  unser  Urteil  über  Scarron's  Verfahren  dahin 
zusammenfassen,  dass  der  Dichter  seinem  spanischen  Vorbilde, 
was  den  Inhalt  der  Komödie  anbetrifft,  getreulich  gefolgt  ist, 
dass  er  aber  an  Schönheit  der  Sprache,  an  poetischer  Verve 
hinter  demselben  zurücksteht  und  dass  er  auch  in  der  Charakteristik 
der  Personen  sein  Muster  nicht  ganz  erreicht.  Zu  übertreffen 
sucht  er  den  Spanier  an  Witzen,  ohne  sich  dabei  aber  in  den 
Grenzen  der  eigentlichen  Komödie  zu  halten.  Entschieden  lobens- 
wert endlich  ist  die  grössere  Lebhaftigkeit  der  Handlung  und 
und  des  Dialoges,  die  er  durch  Abkürzen  der  Szenen  und  durch 
Weglassen  der  zahlreichen  und  langen  Aparte  erreicht. 

Nach  dieser  eingehenden  Besprechung  von  Scarron's  Jodelet 
ou  le  Maure  valet  sollen  die  übrigen  dramatischen  Arbeiten  des 
Dichters  nur  eine  mehr  oder  weniger  summarische  Behandlung 
erfahren.  —  In  demselben  Jahre  wie  das  eben  besprochene 
Stück,  1645,  erschien  auch  Scarron's  zweite  Komödie  Les  trois 
Dorothdes  ou  Jodelet  souffieti,  seit  1651  unter  dem  Titel  Jodelet 
dueUiste  ou  les  trois  Dorothies.  Das  Stück  ist,  wie  man  auf  den 
ersten  Blick  erkennt,  ebenfalls  dem  Spanischen  entlehnt;  doch 
ist  es  mir  nicht  gelungen,  das  Original  ausfindig  zu  machen. 
A.  de  Puibusque1)  führt  als  solches  das  Stück  Donde  hat/ 
agravios  no  Kay  celos  von  Rojas  an,  doch  ist  dies  nur  ein 
anderer  Titel  für  den  Arno  criado}  dem  eben  der  Maure  valet 
entspricht. 

Don  P6dro  hat  zwei  Töchter,  von  denen  die  eine,  Hälöne, 
den  Don  Diögue,  die  andere,  Lucie,  den  Don  Fälix  heiraten  soll. 
Mit  dieser  Bestimmung  des  Vaters  sind  aber  die  jungen  Leute 
nicht  einverstanden,  denn  Don  Dtägue  liebt  gerade  Lucie,  die 
Braut  des  Don  Fölix,  während  dieser  sein  Herz  der  liebens- 
würdigen H616ne  geschenkt  hat.  Verschiedene  Versuche  der 
Lucie  und  ihres  Geliebten,  die  Heirat  mit  Don  Fölix  zu  hinter- 
treiben, bleiben  erfolglos,  bis  man  schliesslich  entdeckt,  dass 
der   letztere   ein  Schurke  ist,   der  seine  Geliebte,  Dorothöe,  mit 

*)  Histoire  comparee  des  Hiteraturcs  espagnole  ei  franfaise,  toioe 
II,  p.  444. 


H.  Grökter, 


zwei  Kindern  im  Stich  gelaasen  hat.  Lucie,  die  bis  dahin  Taub- 
heit simuliert  hatte,  ist  sofort  geheilt,  als  sie  erfährt,  daas  sie 
Don  Diegue  heiraten  soll,  und  die  arme  Helene  muss  mit  einem 
Vetter  ihres  ScbwagerB,  Don  Gaspard,  vorlieb  nehmen,  den  der 
Dichter  eigens  zu  diesem  Zwecke  herbeischafft,  und  der  sonst 
in  dem  Stücke  gar  keine  Rolle  spielt.  —  Das  Interesse  wird 
von  dieser  schwachen  Ilauplhandlung  einigermassen  abgelenkt 
durch  den  Diener  des  Don  Felix,  Jodelet,  der  für  nein  unver- 
schämtes Benehmen  von  Alphonse,  dem  Diener  des  Don  Difcgne, 
geohrfeigt  wird.  Er  ist  tütlich  beleidigt  und  will  sich,  wie  er 
schwärt,  dafür  ritchen,  verliert  aher  immer  wieder  den  Mut, 
sobald  er  seinen  Gegner  erblickt.  Die  Szenen,  in  welchen 
Jodelet  auftritt,  sind  komisch  recht  wirksam;  man  vergleiche  Hl, 
1  und  2,  IV,  7  und  besonders  V,  1  und  2.1)  —  Der  Name  Los 
trois  Dorothees  rührt  daher,  dass  ausser  der  Geliebten  des  Don 
Felix  noch  zwei  andere  Damen  dieses  Namens  untergeschoben 
werden;  übrigens  tritt  keine  von  diesen  drei  Dorotheen  auf. 

Der  Joddet  unufflete  ist  dramatisch  noch  unbedeutender  als 
ScaiTon's  erstes  Stück.  Nicht  nur  sind  die  Charaktere  der  Haupt- 
personen oberflächlich  gezeichnet,  auch  die  Einheit  der  Handlung 
ist  nicht  einmal  eigentlich  gewahrt,  weil  der  Dichter  die  komische 
Figur  des  Jodelet  zu  sehr  in  den  Vordergrund  stellt.  Das  ganze 
Stück  ist  ja  offenbar  nur  dieser  Rolle  zu  Liebe  geschrieben,  die 
auf  die  Lösung  des  Knotens  gar  keinen  Einfluss  ausübt,  wie 
man  etwa  aus  dem  Titel  schlicssen  könnte.  Gleichwohl  ist  auch 
hier  wieder  der  Jodelet  am  besten  gezeichnet,  wenn  mau  auch 
zugeben  muss,  dass  er  von  seinem  Kollegen  im  ersten  Stücke 
nur  wenig  verschieden  ist.  Es  ist  derselbe  grobe,  aber  einfältige, 
unverschämte  und  doch  feige  Bursche,  den  wir  bereits  kennen 
gelernt  haben.  Vielleicht  hat  gerade  für  diese  ihm  sehon  ge- 
läufige Rolle  Scarron  seine  Vorlage  weniger  benutzt,  als  in  Bezug 
auf  das  Übrige;  feststellen  liisst  es  sich  nicht. 

Lex  bovtades  du  Capillitii  Malamore,  come'die  en  un  acte 
et  en  vers  de  huit  sitlaliex,  sw  la  seule  lime  eti  vient;  dies  ist 
der  Titel  einer  kleinen  Farce,  die  Scarron  im  Jahre  1646  er- 
scheinen Hess,  und  die  man  selbst  als  eine  boutade  unseres  bur- 


')  In  Moliere'a  Codi  tinai/inmie  befindet  eich  Sganarelle  in  einer 
ganz  ähnlichen  Lage,  wie  Jodelet  in  dienern  und  auch  in  dem  vorher 
besprochenen  Stücke;  besonders  in  dem  Monologe  in  Szene  XVII  er- 
scheinen seine  Ausi-cmii^eu  ;i!s  eine  gi-tn-iii.'  Kupie  von  Jodelet'a  An- 
sichten, und  da  sich  hier  sogar  eine  wörtliche  ÜWeiu-timmimg  findet, 
so  iat  en  ganz  siivher,  d;t^s  Midien:  diese  Züge  liu-  ISinivn.n's  Stück  ent- 
lehnt hat.  Die  Parallel«  teilen  sind  abgedruckt  in  Mutiere  -  bwpoä  11, 
IflS,   Anm.  3  und  5. 


Paul  Scarron  als  Komödiendichter.  49 

lesken  Dichters  bezeichnen  kann.  Die  Brüder  Parfaict1)  bemerken, 
das  Stück  sei  die  erste  einaktige  Komödie,  welche  auf  dem  fran- 
zösischen Theater  aufgeführt  wurde,  und  da  es  ziemlich  selten 
sei  und  vielen  anderen  in  Bezug  auf  den  burlesken  Stil  und  das 
Versmass  zum  Muster  gedient  habe,  so  drucken  sie  es  in  ihrem 
Buche  fast  ganz  ab.  Es  ist  der  grösste  Blödsinn,  der  je  in 
dramatischer  Form  geschrieben  worden  ist,  und  es  erscheint 
unbegreiflich,  dass  der  Geschmack  des  Publikums  sich  gegen 
diese  Art  Komödie  nicht  aufgelehnt  haben  sollte.  Übrigens  ist 
es  das  einzige  Stück,  welches  nicht  dem  Spanischen  entlehnt  ist, 
allerdings  ein  recht  trauriger  Versuch  Scarron's,  sich  auf  eigene 
Püsse  zu  stellen.  Es  verlohnt  nicht  der  Mühe,  auf  dieses  Opus 
näher  einzugehen. 

UHiritxer  ridicule  folgte  im  Jahre  1648  —  die  Brüder 
Parfaict2)  setzen  das  Jahr  1 649  an  — ;  das  Stück  hatte  sogar 
noch  mehr  Erfolg,  als  der  sehr  beliebte  Jodelet  duelliste  und 
wurde  noch  1704  aufgeführt  Man  erzählt,  der  junge  König 
Ludwig  XIV.  habe  im  Alter  von  zehn  Jahren  so  viel  Gefallen 
an  dieser  Komödie  gefunden,  dass  man  sie  ihm  an  einem  Tage 
zweimal  hintereinander  vorspielen  musste.  Das  ist  wohl  möglich, 
obgleich  die  ganze  Komik  des  Stückes  nur  in  einer  Reihe  von 
groben  und  platten  Scherzen  besteht,  und  der  Gegenstand  viel 
zu  wenig  allgemeines  Interesse  hat,  um  fünf  Akte  zu  füllen. 

Die  junge  und  schöne  Lßonore  de  Gusman  liebt  leiden- 
schaftlich den  Don  Di&gue,  ohne  dass  dieser  davon  etwas  weiss. 
Vielmehr  hat  er  selbst  seine  Zuneigung  Helene  de  Torr&s 
geschenkt,  die  seine  Bewerbungen  günstig  aufnimmt,  aber  nur 
weil  Don  Di&gue  Aussicht  auf  eine  bedeutende  Erbschaft  hat. 
L6onore,  die  diesen  Beweggrund  erfährt,  macht  Don  Di&gue 
davon  Mitteilung,  und  dieser  beschliesst,  Helene  auf  die  Probe 
zu  stellen.  Obgleich  er  die  Nachricht  von  jener  Erbschaft 
soeben  selbst  erhalten  hat,  verbreitet  er  doch  das  Gerücht,  dass 
sein  Oheim  ihn  übergangen  und  seinen  Vetter  Don  P6dro  de 
Buffalos  als  Erben  eingesetzt  habe.  Die  Rolle  des  Letzteren 
muss  sein  Diener  Filipin  als  Edelmann  verkleidet  spielen,  und 
der  Erfolg  ist,  dass  H616ne  sich  von  Don  Diögue  ab-  und  dem 
Erben  zuwendet,  den  sie  trotz  seiner  Hässlichkeit  und  seiner 
rohen  Sitten  heiraten  will. 

Vom  petisez  vous  raiüer,  s'il  est  riche,  il  me  platt 

erklärt  sie,  und  Filipin  würde  auch  wirklich  ihr  Gemahl  werden, 
wenn   Don   Dtägue  den  Sachverhalt  nicht  noch   zu  rechter  Zeit 

i)  Histoire  du  the'ätre  francais  VII.  S.  23  ff. 
*)  a.  a.  0.  VII,  S.  228. 

Zschr.  t  fri.  Spr.  a.  Litt.    XUK  4 


50  H.  Grökkr, 

aufklärte.  Loonore  bat  ihren  Zweck  erreicht,  ihre  Liebe  wird 
von  Don  Diegue  belohnt,  und  alles  spottet  in  einet  fast  bos- 
haften Weise  Über  das  Unglück,  in  welches  Helene  geraten 
ist,  so  dass  diese  nicht  ganz  mit  Unrecht  Don  Diegue  gegen- 
über äussert  (I,  5): 

Itttügne  de  ton  ordre  et  du  «am  que  tu  partes, 
Qui  me  vient  outrager  en  tant  et  taut  de  softes. 
Tu  preteiuis  te  joucr  avec  ivipumte 
Wune  femme  d'honnevr  et  de  ma  qua&td. 
Wie  man  sieht,  ist  das  Sujet  ziemlich  schwach.  Leonorens 
Verfahren  ist  zu  plump,  als  dase  es  uns  sympathisch  sein  könnte, 
und  dass  Helene  den  rohen  Filipin  heiraten  sollte,    blos    um   zu 
Reichtum  zn  gelangen,  erscheint  auch  nicht  wahrscheinlich.    Ver- 
schiedene Züge  erinnern  ausserdem  an  die  beiden  eisten  StUcke 
von  Scarron,   so  die   fünfte  Szene  des  vierten  Abtes  an  das  Duell 
im  Jodelet  dueüiste.     Der  tölpelhafte  Diener  mit  seinen  manchmal 
recht  unflätigen  Redensarten  ist  hier  durch  Filipin  repräsentiert, 
der  sich  besonders  Akt  III,   Szene  III   in  seinem  ganzen  Glänze 
zeigt. 

Die  Liebe  der  Leonore  zn  Don  Diegue  rührt  von  dem 
Augenblicke  her,  wo  dieser  ihr,  ohne  sie  zu  kennen,  das  Leben 
gerettet  hat.  Bekanntlich  verdankt  auch  Elise  in  Holiere's  Avare 
ihrem  Geliebten  Valere  ihr  Leben,  und  man  hat  daher  ange- 
nommen, dass  Holiere  diesen  Zug  dem  Heritier  ridicule  entlehnt 
habe.  Der  Gedanke  liegt  allerdings  nahe,  da  Holiere  dieses 
Stück  oft  genug  mit  seiner  Truppe  gespielt  hat,  doch  ist  anderer- 
seits die  Übereinstimmung  nicht  so  auffallend,  dass  man  sie 
nicht  auch  ebenso  .gut  als  zufällig  erklären  könnte.1)  —  Ferner 
erinnert  Filipin  als  spanischer  Edelmann  in  vieler  Beziehung  an 
die  ähnlichen  Rollen  des  Mascarille  und  Jodelet  in  den  Prideuaes 
ridtadea,  und  es  ist  wohl  zweifellos,  dass  Holiere,  als  er  diese 
Gestalten  schuf,  an  Scarron'B  Jodelet  im  Maitre  valet  oder  an 
unseren  Filipin  gedacht  hat.  Bei  der  Stelle  z.  B.,  wo  Mascarille 
sich  die  Hosen  aufknöpfen  will,  um  den  beiden  Preziösen  die 
furieute  plaie  zn  zeigen,  die  er  in  der  Schlacht  empfangen  hat, 
dachte  Holiere  sicherlich  an  die  Situation  in  unserem  StUcke, 
wo  Filipin  seinem  Diener  befiehlt: 

Degrafe  man  pourpoint. 
L'amour  qui  dans  tnon  casur  chaate  vUie  gagnee, 
Excite  en  man  jahot  exhalaison  ignde. 
Die  Art  und  WeiBe  endlich,  wie  Ariste  in  den  Femme»  xavantes  V,  4 
TriBsotin    veranlasst,    seine    wahren    Gesinnungen    erkennen    zu 

i  Maliire 


Paul  Scarron  als  Komödiendichter.  51 

lassen,  erinnert  an  das  Verfahren  des  Don  Di&gue  der  eigen- 
nützigen H616ne  gegenüber;  Moli&re  hat  also  gerade  den  Marquis 
ridicule  in  mannigfacher  Weise  für  seine  eigenen  Schöpfungen 
ausgenützt. 

Während  der  Unruhen  der  Fronde  fand  Scarron  keine  Zeit, 
sieh  dramatisch  zu  beschäftigen.  Als  erbitterter  Gegner  Mazarin's 
glaubte  er  vielmehr  der  Sache  seiner  Partei  zu  dienen  durch  die 
Mazarinade,  ein  grobes  Pamphlet,  das  die  Bestrebungen  des 
Ministers  in  burlesken  Versen  bekämpfte.  Erst  im  Jahre  1653 
Hess  er  ein  neues  Stück,  Don  Japhet  aVArmJnie,  aufführen,  eine 
lustige  Farce,  die  ausserordentlich  beifällig  aufgenommen  wurde.1) 
Das  spanische  Original  ist  d  Marquis  de  Cigarral,  eine  echte 
comedia  de  figuron,  die  aber  nicht  von  Moreto  verfasst  ist,  wie 
Puibuaque2)  und  Schack8)  angeben,  sondern  von  einem  Don 
Alonso  del  Castillo  Solörzano.4)  Da  das  Stück  in  die  Publi- 
kationen der  Biblioteca  de  autores  espanoles  nicht  aufgenommen 
ist,  so  war  ein  Vergleich  mit  dem  Don  Japhet  nicht  möglich. 

Don  Japhet  d'Armänie,  der  frühere  Hofnarr  Kaiser  Karl's  V., 
ist  mit  einer  guten  Pension  verabschiedet  worden  und  hat  sich 
nach  der  kleinen  Ortschaft  Orgas  zurückgezogen,  um  dort  ein 
behagliches  Leben  zu  führen.  Er  bildet  sich  ein,  eine  bedeutende 
Persönlichkeit  zu  sein  und  tritt  dem  entsprechend  auf.  Unter 
der  Dienerschaft,  mit  der  er  sich  zu  diesem  Zwecke  umgeben 
hat,  befindet  sich  Don  Alphonse,  ein  verkleideter  junger  Edel- 
mann, und  sein  Diener  Marc-Antoine.  Don  Alphonse  hat  das 
Haus  seiner  Mutter  in  Madrid  verlassen  und  sich  nach  Orgas 
begeben,  angezogen  durch  die  schöne  und  junge  Läonore,  die 
dort  als  Bäuerin  lebt,  thatsächlich  aber  die  Nichte  des  Komman- 
danten von  Consu&gre  ist.  Der  letztere  enthüllt  L6onore  das 
Geheimnis  ihrer  Geburt  und  beruft  sie  nunmehr  zu  sich;  aber 
Don  Japhet  hat  sie  bereits  gesehen,  und  da  er  erfährt,  sie  sei 
kein  Landmädchen,  so  hält  er  sie  für  würdig,  seine  Gattin  zu 
werden.    Er  folgt  ihr  nach  Consu&gre,  begleitet  von  Don  Alphonse, 

*)  Ich  verweise  auf  die  interessanten  Auszüge  aus  dem  Register 
von  Moliere's  Kollegen  und  Freunde  La  Grange,  in  der  Ausgabe  der 
Werke  Moliere's  von  Despois  II,  32  f.  Danach  wurde  unser  Stück 
während  des  Jahres  1660  siebenmal  blos  mit  den  Precieuses  ridicules 
zusammen  aufgeführt.  Die  Brüder  Parfaict  (a.  a.  0.  VII,  378)  bemerken, 
dass  das  Stück  sich  auf  der  Bühne  erhalten  hat,  (das  ist  in  der  Mitte 
des  XVIII.  Jahrhunderts)  und  andere  Notizen  zeigen,  dass  es  auch  in 
unserem  Jahrhundert  noch  aufgeführt  worden  ist. 

*)  a.  a.  0. 

*)  Geschichte  der  dramatischen  Litleratur  und  Kunst  in  Spanien 
in,  354. 


Moreto 


*)  Vgl.    die    Bemerkung   in   Comedias  escogulas  de  Don  Agustm 
y  Cahana,  TUhlioteca  de  antares  espafloles  XXV 11,  p.  XXX VI. 


.  i;,-nii! 


der  Lconore  bereits  seine  Liebe  erklärt  und  Gehör  gefunden  hat. 
Trotzdem  nimmt  sie  scheinbar  die  Huldigungen  Don  Japhet's  an, 
der  dadurch  in  eine  höchst  komische  Lage  gerät.  In  der  Nacht 
ist  er  mit  Hilfe  Leonore's,  die  sich  auf  seine  Kosten  belustigen 
will,  auf  den  Balkon  ihres  Hauses  gestiegen  und  wird  dort  allein 
von  dem  Kommandanten  überrascht,  der  ihm  nun  die  Wahl 
zwischen  zwei  Arten  der  Bestrafung  lässt: 

Ou  leg  eailloitx  siir  vuus  vonl  /i/euvuir  tfim/iortanctt. 
Oh  bien  dejniuUiez-voiis,  saus  faire  reshtance. 
De  vis  chers  aUemenls,  poiir  mus  en  faire  un  don.  (IV,  S). 
Don  Japhet  entscheidet  sich  für  das  Letztere,  doch  als  der 
Kommandant  und  seine  Begleiter  sich  entfernt  haben,  ergeht  es 
ihm  noch  schlimmer,  und  er  verlässt  schliesslich  den  Balkon  wie 
ein  begossener  Pudel  —  im  buchstäblichen  Sinne  des  Wortes.  — 
Don  Alphonse,  der  in  das  Zimmer  seiner  Geliebten  eingedningen 
Ist,  wird  ebenfalls  von  dem  Kommandanten  überrascht  und  soll 
für  seine  Kühnheit  sterben;  doch  als  Leonore's  Oheim  erfahrt, 
das»  er  ans  vornehmer  Familie  ist,  verzeiht  er  ihm  und  gibt  ihm 
bereitwilligst  seine  Nichte  zur  Frau.  Don  Japhet  setzt  sich 
zwar  um  seiner  Dame  willen  der  Gefahr  eines  Stierkampfes  aus, 
sieht  sieh  aber  doch  in  seiner  Liebe  schnöde  betrogen  und  tröstet 
sich  schliesslich  mit  der  Aussicht,  eine  Prinzessin  von  Peru  zu 
heiraten. 

Don  Japhet  d' Armenie  ist  noch  weniger  eine  Komödie,  als 
die  anderen  Stücke  Scarroti's,  die  diesen  Namen  beanspruchen. 
Es  ist  eine  Posse,  in  welcher  der  sonst  als  Nebenperson  auf- 
tretende  Komiker  die  Hauptrolle  spielt 

U  a  Cesprit  'jäte,  xi  jautais  komme  Ceut; 
fest  un  fau  Iris  camplel. 
oder 

c'est  In  falte  m  chaussc  et  en  poiirpaint, 
so  wird  er  in  dem  Stücke  selbst  charakterisiert  (III,  2). 

Aber  die  Narrheit  des  Helden  führt  nicht  die  Verwickelung 
herbei,  was  die  Grundbedingung  für  eine  Charakterkomödie  wlire; 
und  das  ist  auch  gar  nicht  möglich,  weil  diese  Narrheit  zu  äugen - 
scheinlich  ist,  als  dass  sie  jemanden  tauschen  und  dadurch  eine 
Intrigue  veranlasseu  könnte.  Der  Bailli  von  Urgas  ist  der 
einzige,  der  in  Don  Japhet  wirklich  eine  hervorragende  Persön- 
lichkeit sieht,  und  der  dadurch  selbst  zu  einer  urkomischen 
Figur  wird,  überdies  hält  sich  Dou  Japhet  thatsächlich  fUr  das, 
wofür  er  sich  ausgibt,  und  dies  nimmt  ihm  vollends  den  Charakter 
eines  Intriganten,  während  es  auf  der  anderen  Seite  gerade  die 
lustigsten  Szenen  herbeiführt.  Sein  ganzes  Benehmen  trägt 
nichts    Erheucheltes    an  sieh;    der    Ernst,    mit    welchem    er    seine 


Paul  Scarron  als  Komödiendichter,  53 

Possen  vorbringt,  erhöht  die  Komik.  Don  Japhet  kennt  seine 
eigene  Bedeutung,  das  beweisen  seine  ersten  Worte: 

Baüli,  votre  fortune  est  grande 

Puisque  vous  m'avez  plu.  (I,  2.) 

Daher  zweifelt  er  auch  gar  nicht  daran,  dass  Leonore  ihn  liebt, 
das  versteht  sich  vielmehr  von  selbst.  Im  Gegenteil,  er  lässt 
sich  erst  zu  ihr  herab,  nachdem  er  sich  versichert,  dass  sie  ihm 
halbwegs  ebenbürtig  ist.  —  Die  Sprache,  welche  er  früher  am 
Hofe  gehört  hatte,  unterschied  sich  wesentlich  von  seinem  eigenen 
Jargon,  und  so  bedient  er  sich  denn  jetzt  einer  affektierten  und 
bilderreichen  Sprache  und  ungewöhnlicher  Wendungen: 

Don  Japhet. 

Assez  rarement  mon  discours  fhumanise. 

Mais  pour  vous  aujourtfhui  je  demitaphorise, 

(Demetaphoriser,  cest  parier  bassement) 

Si  mon  discours  pour  vous  riesl  que  de  CaUemand, 

Vous  aurez  avec  moi  disette  de  loquele. 

Lempereur  donc  de  gut  je  suis  de  parallele, 

ATentendez-vous,  baüli? 

Le  Baüli. 


Encore  nurins. 


Don  Japhet. 
Le  Baüli. 


A/enni. 

Le  paragon. 


Don  Japhet. 

Comment,  allerer  mon  Jargon  ? 
Ce  serait  deroger  ä  ma  noblesse  antique ; 
Tächons  pourtant  d'ttser  de  qnelque  terme  oblique, 
Pour  nous  accommoder  ä  cet  komme  des  champs  etc.     (I,  2.) 

Die  Balkonszene,  wo  er  als  verliebter  Ritter  in  eine  böse  Lage 
kommt,  ist  bereits  erwähnt.  An  das  Duell  in  den  beiden  Jodelet- 
stücken  erinnert  das  Stiergefecht,  doch  findet  dieses  nicht  auf 
der  Bühne  statt. 

Wie  man  sieht,  ist  das  Stück  reich  an  drastisch-komischen 
Szenen,  und  diese  verschafften  ihm  den  Beifall,  den  es  fand, 
ohne  dass  es  uns  möglich  wäre,  ihm  einen  wirklichen  inneren 
Wert  beizumessen.  Ob  es  einen  Narren  wie  Don  Japhet  d'Armenie 
thatsächlich  geben  kann,  wollen  wir  nicht  untersuchen;  die  Grenze 
zwischen  Wahrscheinlichem  und  Unwahrscheinlichem  wird  über- 
haupt  nicht  allzu  strenge  innegehalten.  Aber  auch  sonst  ist 
noch  manches  auszusetzen.  Don  Alphonse  und  Leonore  vermögen 
kaum,  uns  ein  lebhafteres  Interesse  einzuflössen;  sie  unterscheiden 
sich  von  gewöhnlichen  AUtagsmenschen  höchstens  dadurch,  dass 
sie  verliebt  sind.  Noch  schlimmer  aber  ist  der  Mangel  einer 
interessanten  Verwickelung   im    eigentlichen  Sinne    des  Wortes, 


54  B.  GröMer, 

Die  ganze  Intrigue,  wenn  man  von  einer  solchen  hl  unserem 
Stücke  sprechen  will,  basiert  auf  dem  scheinbaren  8  tau  des  unter- 
schiede zwischen  Leonore  und  Don  Alphoose  und  auf  dem  Konflikt 
zwischen  Gehorsam  und  Liebe,  der  in  Don  Alphonse  entstehen 
luuss.  Die  Mutter  des  Don  Alphonse  wünscht  nämlich,  dass  ihr 
Sohn  eine  reiche  Nichte  in  Sevilla  heirate,  aber  gerade  diese 
Schwierigkeit  wird  nicht  auf  befriedigende  Weise  gelöst  Der  Knoten 
wird  zerhauen,  denn  Don  Alphonse  kümmert  sich  einfach  nicht 
um  das  Gebot  seiner  Mutter.  Und  das  erste  Hindernis  besteht 
schliesslich  nicht  mehr,  sobald  Don  Alphonse  den  wahren  Stand 
seiner  Geliebten  erfahren  hat,  d.  h.  in  der  Mitte  des  zweiten 
Aktes.  Die  Nebenbuhlerschaft  zwischen  Don  Japhet  und  Don 
Alphonse  ist  überhaupt  nicht  ernstlich  zu  nehmen  und  dient  nur 
dazu,  die  Komik  des  Ganzen  zu  erhöhen.  Warum  hält  Don 
Alphonse  nicht  um  die  Hand  seiner  Geliebten  an,  sobald  er  nach 
Consnegre  gekommen  ist?  Er  würde  sein  Ziel  sofort  erreicht 
haben  und  uns  drei  lange  Akte  ersparen.  —  Ferner  möchten  wir 
gern  wissen,  warum  die  kleine  Leonore  einem  Bauern  zur  Er- 
ziehung übergeben  worden  ist.  Ihr  Oheim  verspricht,  uns  den 
Grund  mitzuteilen: 

La  fille  de  mon  frere,  une  jettne  beaute 
A  gut  mime  tm  avait  Cache"  sa  qualite, 
Pour  certame  raison  que  vous  säuret  etuuile, 
A,  depuit  peu,  d'Orgas  eU  chez  moi  condutte  (III,   l), 

aber  er  hält  sein  Versprechen  nicht.  Don  Alvare  und  Elvire 
endlich  sind  zwei  ganz  überflüssige  Personen,  deren  Einführung 
der  Dichter  in  keiner  Weise  begründet  hat. 

Wenn  trotz  aller  dieser  Mängel  der  Dun  Japhet  ä"  Ar  minie 
nicht  bios  anfangs,  sondern  noch  unendlich  viele  Jahre  später 
sc  lebhaften  Beifall  gefunden  hat,  so  findet  man  die  Erklärung 
dafür  in  einer  Bemerkung  der  Brüder  Parfaict,  die  ebenso  gut 
auf  die  meisten  anderen  komischen  Stücke  jener  Zeit  passt:  „Ce 
n'eat  que  pour  jouir  du  plamr  que  peut  faire  «n  ridicvJe  t>utr£, 
gu'on  va  aux  reprieentation»  de  cette  Piice.  qui  «ext  eoneervte 
tur  la  Seine,  et  non  pour  analiser  le*  carae&eres  des  pergonnet 
ou  le  plan,  qu'on  riappereoit  presque  que  par  rißexion.1*1) 

Die  günstige  Aufnahme,  welche  seine  Stucke  und  be- 
sonders das  letzte,  gefunden  hatten,  regten  Scarron  zu  lebhafterer 
dramatischer  Thätigkeit  an,  und  so  erschien  schon  1654  F^colier 
de  Salamanque,  1655  le  Gardien  de  xoi-meme  und  1656  le 
Marquis  ridietde. 

Der  Ecolier  de  Salamanque  ist   nach  Victor  Fournel's  An- 
gabe Lope   de  Vega  entlehnt,   doch   ist   es  mir  nicht  gelungen, 
>)  a.  a.  0.  VII,  878. 


Paid  Scarron  als  Komödiendichter,  55 

das  entsprechende  Stück  in  den  mir  zugänglichen  ausgewählten 
Werken  des  spanischen  Dichters  ausfindig  zu  machen;  auch  der 
Titel  desselben  ist  unbekannt. 

In  der  Widmung,  welche  dem  Stücke  vorgedruckt  ist,  sagt 
8carron:  ^IJEcoUer  de  Salamanque  est  un  des  plus  beaux  sujets 
espagnols  qui  ait  paru  sur  le  Thi&tre  francais  depuis  la  belle 
comtdie  du  Cid.u  Das  Sujet  des  Stückes  ist  zweifellos  ausser- 
ordentlich dramatisch  und  unterscheidet  sich  in  dieser  Beziehung 
wesentlich  von  denjenigen  aller  anderen  Scarron'schen  Arbeiten. 
Der  Grundgedanke  erinnert  sogar  einigermassen  an  den  im  Cid 
behandelten. 

L6onore,  die  Tochter  des  Don  Felix,  liebt  einen  jungen 
Grafen,  der  sie  verführt  hat,  der  aber  nicht  geneigt  ist,  sie  zu 
heiraten.  Der  Vater  des  Mädchens  erfährt  die  Schmach,  welche 
ihm  angethan  worden  ist,  dadurch  dass  er  den  Grafen  in  seinem 
Hause  antrifft;  er  ist  zu  alt,  selbst  Rache  zu  nehmen  und  be- 
auftragt damit  seinen  Sohn,  Don  Pedre,  der  Student  in  Salamanka 
ist  Diesem  rettet  der  Graf  das  Leben,  ohne  dass  beide  sich 
kennen  und  wenige  Minuten  nachdem  Don  Pedre  des  Grafen 
Bruder  im  Zweikampfe  getötet  hat.  Don  Pedre  würde  undankbar 
gegen  seinen  Retter  handeln,  wenn  er  das  Gebot  seines  Vaters 
ausführte  und  er  kann  doch  andererseits  das  dem  Vater  gegebene 
Wort  nicht  brechen.  In  derselben  Lage  befindet  sich  der  Graf, 
der  Don  Pedre  seinen  Schutz  zugesagt  hat,  aber  in  ihm  den 
Mörder  seines  Bruders  erkennt.  80  geben  sich  denn  die  beiden 
Gegner  auch  fernerhin  noch  verschiedene  Beweise  ihres  Edel- 
mutes, erinnern  sich  dabei  aber  stets,  dass  sie  beide  tödlich  be- 
leidigt sind,  und  dass  ein  Zweikampf  ihre  Schmach  tilgen  muss. 
Es  kommt  endlich  dazu;  Don  Pedre  zerschlägt  dabei  seine  Klinge, 
der  Graf  aber  tötet  ihn  nicht,  sondern  erlaubt  ihm,  edelmütig 
wie  er  bisher  immer  gewesen,  einen  anderen  Degen  zu  holen. 
Da  werden  sie  von  Leonore  und  Cassandre,  der  Schwester  des 
Grafen,  überrascht,  denen  Don  F61ix  folgt.  Der  Graf  erklärt 
sich  bereit,  Leonore  zu  heiraten,  und  Don  Pedre  bittet  ihn  um 
die  Hand  seiner  Schwester,  die  er  schon  lange  liebt. 

Das  Stück  wird  als  tragt- comSdie  bezeichnet,  und  der  An- 
fang desselben,  wo  Don  Pedre  den  Bruder  des  Grafen  tötet, 
sowie  überhaupt  der  ganze  Ton,  in  welchem  es  gehalten  ist, 
rechtfertigen  diesen  Namen.  Die  ernsten  Szenen  wechseln  aller- 
dings mit  komischen  ab,  doch  wird  das  komische  Element  vor- 
nehmlich durch  die  Nebenpersonen  repräsentiert,  und  man  kann 
nur  sagen,  dass  Scarron,  der  sonst  in  der  Schilderung  seiner 
burlesken  Gestalten  nicht  drastisch  genug  sein  kann,  sich  hier 
in  den  ernsthaften  Stil  recht  gut  gefunden  hat. 


56  B,  Grdkler, 

Der  Grundgedanke  des  Stückes  ist  vortrefflich ,  der  Knoten 
kunstvoll  geschlungen,  und  neue  Verwickelungen  werden  mit 
jenem  Geschick  herbeigeführt,  das  überall  den  bedeutenden  Geist 
des  Originals  erkennen  laset.  Und  so  sind  auch  die  ersten  drei 
Akte,  in  denen  die  Verwickelung  sich  vorbereitet,  voll  wahrhaft 
dramatischer  Lebendigkeit,  während  die  beiden  letzten  allerdings 
unsere  Teilnahme  ein  wenig  erkalten  lassen.  Der  Konflikt,  den 
der  Dichter  vor  unseren  Augen  entstehen  lässt,  nimmt  unser 
Interesse  in  Anspruch,  wenn  auch  die  vielen  Episoden,  welche 
den  ausserordentlichen  Edelmut  der  beiden  Gegner  zeigen  sollen, 
nicht  ganz  nach  unserem  Geschmacke  sind.  Zwar  darf  man 
nicht  vergessen,  daaa  die  Ideen  von  Ehre  und  dem  Ehrenworte, 
welche  man  im  XVII.  Jahrhundert  in  Spanien  hatte,  bedeutend 
von  unseren  heutigen  Anschauungen  über  diesen  Gegenstand  ab- 
weichen, aber  dies  auch  in  Rücksicht  gezogen,  tragen  doch  die 
edelmütigen  Handlungen  der  beiden  Helden  unseres  Stückes  etwas 
Übertriebenes  und  Unwahrscheinliches  an  sich.  Don  Pedre  hat 
den  Bruder  des  Grafen  getutet,  er  kommt  dadurch  selbst  in 
Lebensgefahr,  der  Graf  eilt  ihm  zu  Hilfe  und  gibt  sein  Ver- 
sprechen, ihn  vor  seinen  Verfolgern  zu  schützen,  ohne  zu  wissen, 
dass  der  Getötete  sein  Bruder  ist.  Doch  als  er  dies  erfährt, 
glaubt  er  noch  immer  sein  Wort  halten  zu  müssen,  nimmt  Don 
Pedre  in  Bein  Haus  auf  und  beschützt  ihn  (Akt  II,  Szene  III  ff.). 
Er  will  sogar  selbst  die  Ehre  seines  Todfeindes  verteidigen,  nor 
um  ein  Leben  zu  erhalten,  das  seiner  eigenen  Rache  geopfert 
werden  soll.  Und  Don  Pedre  steht  dem  Grafen  an  Edelmut  nicht 
im  geringsten  nach.  Seine  Schwester  ist  von  ihm  entehrt  worden, 
aber  er  bestraft  ihn  nicht  sofort,  weil  er  seinem  Worte  treu 
bleiben  muss  (III,  5);  er  befreit  ihn  dann  aus  dem  Gefängnisse 
(V,  1),  und  um  auch  nicht  ein  Haar  breit  an  Edelmut  hinter 
seinem  Gegner  zurückzubleiben,  rettet  er  ihm  schliesslich  noch 
das  Leben.*  Der  Graf  ist  in  einen  Hinterhalt  gelockt  worden, 
man  will  ihn  töten,  aber  Don  Pedre  hat  es  erfahren  und  tritt  im 
entscheidenden  Augenblicke  dazwischen: 
Don  Pedre. 
Je  suis  pour  vous,  courage, 

Le  plus  me'chant  est  mort  . .  . 

Jis  fuient,  Us  potlrons. 

Le  Co  inte, 

Suivons-tes  .  .  . 

Don  Pedre. 

Laisset,  laissez-les  vtvre. 

Songez  ä  vous  defendre,  au  lieu  de  les  pourstiivre. 
Le  Comte. 

Me  defendre?  et  de  gut? 


Paul  Scarron  als  Komödiendichter.  57 

Don  Pedre. 

De  moi. 
Le  Comte. 

De  vous! 
Don  Pedre. 

De  moi. 
Le  Comte. 
Ihurquoi  me  voutez-vous  tant  de  mal? 

Don  Pedre. 

Je  le  doi. 

Damit  begnügt  sich  der  Graf  auch  und  will  sich  mit  seinem 
Retter  schlagen,  weil  dieser  ihn  durch  seine  Herausforderung 
beleidigt  habe.  Nur  bittet  er  ihn,  der  bisher  maskiert  gewesen, 
die  Maske  abzunehmen.     Es  geschieht. 

Le  Comte. 
0  Dien!  (fest  vous,  Don  Ptdre,  et  qui  Cent  cru? 

Don  Pedre. 
Je  pense  avoir  paye  ce  que  je  vous  ai  du : 
De  votre  pari  aussi  vous  en  ferez  de  mime, 
Et  me  satis ferez. 

Le  Comte. 
Mon  regrel  est  extrSme, 
D'avoir  ä  me  servir  de  mon  bras  contre  vous.    (V,  S.) 

Hier   wird   der    Dichter   allzu   subtil,    als  dass   wir    seine 

edelmütigen   Helden  noch   bewundern  könnten;   wir  vermögen  es 

um  so  weniger,  als  sie  selbst  gelegentlich  über  ihre  Leistungen 

erstaunt  sind,  wie  IV,  9,  wo  der  Graf  äussert: 

Jnsques  ici,  nos  generosite's 
Ont  fait  tous  nos  combats. 

Schliesslich  ist  auch  die  Lösung  des  Knotens  nicht  glück- 
lich zu  nennen.  Leonorens  Vater  hat  gegen  den  Grafen  die 
Justiz  zu  Hilfe  gerufen,  er  droht  ihm  damit  und  fügt  hinzu: 

je  pretends 
Qu'un  mariage  seid  peut  nous  rendre  Contents. 

worauf  der  Graf  ihm  erwidert: 

Don  Felix,  ce  riest  pas  par  tant  de  violence 

Que  tu  devrais  lächer  dPavoir  mon  alliance; 

Quand  lout  le  monde  entier  prendrait  parti  pour  toi, 

La  chose  dependrait  encor  toute  de  moi. 

Mais  de  puissants  molifs  en  ta  faveur  combaltent, 

Et  les  fiers  sentiments  de  mon  ame  s'abatteni.    (V,  7.) 

Jetzt  also  sind  alle  seine  Bedenken  geschwunden,  jetzt 
braucht  er  seinen  Bruder  nicht  mehr  zu  rächen,  sondern  er  kann 
Leonore  sagen: 

La  raison  veut  aussi  que  je  vous  saiis fasse, 
während  er  kurz  vorher  noch  ganz  kaltblütig  äusserte: 

J'adore  une  mditresse,  et  j'abhorre  une  femme.    (I,  1.) 


58  H.  Grdhler, 

Überhaupt  vermag  der  Graf  nicht,  unsere  Sympatkieen  zu  ge- 
winnen, wie  es  doch  in  den  Intentionen  des  Dichters  liegt. 
Leonore  liebt  ihn  mit  der  ganzen  Glut  ihres  Herzeng,  er  gibt 
ihr  Beweise  seiner  Zärtlichkeit,  schwört  ihr  Liebe  and  ewige 
Trene,  und  schliesslich  vergisst  das  arme  Mädchen,  was  sie  ihrer 
Ehre  schuldig  ist;  sie  schenkt  seinen  Schwüren  Glauben,  doch 
als  sie  ihn  an  seine  Pflicht  erinnert,  da  erwidert  er  ihr: 

II  n'est  rien  de  plus  vrai  que  votre  teil,  inon  eainqueur, 

Est  et  sera  tottjours  ma  deite  visible: 

Mais,  madame,  il  est  vrai  qu'il  tn'est  autant  possibfe 

De  ne  vous  aimer  plus,  moi  qui  vous  aime  tont, 

Que  dilre  votre  epoux,  et  demeurer  constant. 

J'adore  une  maSiresse,  et  j'ahhorre  uae  femme, 

Je  n'ai  plus  rien  ä  dire  apres  eela,  madame.  (I,  1.) 

Und  kurz  darauf  sagt  er  mit  bewundernswerter  Offenheit: 
Otei  ee  nom  tfepoux  de  voire  stmvenir, 
J'ai  promis,  ü  est  vrai;  mais  saus  voulotr  tenir.     (I,  4.) 

Als  Don  Felix   den   Grafen   im   Zimmer   seiner  Tochter  entdeckt 

und  Überrascht  ausruft: 

Qui  t'a  mit  en  ees  lietuc? 

da   erwidert  der  ertappte  Liebhaber  mit   einer  Unverschämtheit 

ohne  Gleichen: 

A  teile  question, 
Je  ne  te  repondrais  gv'avec  un  coup  d'e'pe'e, 
Si  tu  pouvais  venger  ta  vieiilesse  frappee: 
Mais  ta  main  est  Sans  arme,  et  ptiur  des  cheveux  gris 
Je  n'ai  point  de  totere  et  n'ai  que  du  mepris.  (I,  4.) 

Nachdem  wir  so  einen  recht  ungünstigen  Eindruck  von  dem 
Charakter  des  Grafen  gewonnen  haben,  fallt  es  nns  schwer,  die 
kolossalen  Dimensionen  seines  Edelmutes  zu  bewundern,  und  seibat 
seiue  Sinnesänderung  und  der  Entschluss,  Leonore  zu  heiraten, 
können  uns  mit  diesem  urBchneidigen  Herrn  nicht  ganz  versöhnen. 

Im  Gegensätze  hierzu  hat  Don  Pedre  etwas  Anziehendes 
in  seinem  ganzen  Wesen.  Wir  sind  ihm  schon  gut,  ehe  wir  ihn 
gesehen  haben,  sobald  sein  Diener  Crispin  in  seiner  lustigen 
Weise  die  schlechten  und  guten  Eigenschaften  seines  Herrn  auf- 
gezählt hat  (I,  3).  Obwohl  jung  und  leichtsinnig,  kennt  er  doch 
sofort  seine  Pflicht,  sobald  er  Beine  Ehre  angegriffen  sieht;  kurz, 
er  besitzt  alle  Vorzüge  seines  Gegners,  aber  Beine  kleinen  Fehler 
erscheinen  uns  erträglicher,  als  des  Grafen  Treulosigkeit. 

Der  Typne  des  tödlich  beleidigten  Vaters,  wie  wir  ihn  be- 
sonders aus  dem  Cid  kennen,  hat  in  Don  Felix  einen  Vertreter 
gefunden.  Freilich  vermag  seine  Hilflosigkeit  hier  nicht  so  leb- 
haft unser  Herz  zu  rühren,  wie  in  dem  Drama  des  Corneille  oder 
gar  in  demjenigen  des  Guillen  de  Castro. 


Paul  Scarron  als  Komödiendichter.  59 

An  Läonore  bewundern  wir  die  Innigkeit,  mit  welcher  sie 
den  Grafen  liebt,  und  wir  bedauern  zugleich  dieses  Mädchen, 
da  der  Graf  ihrer  Liebe  nicht  würdig  ist.  Auch  das  Glück, 
welches  Läonore  am  Schlüsse  erreicht  hat,  erscheint  uns  nicht 
zweifellos,  denn  des  Grafen  Zuneigung  bietet  doch  jetzt  keine 
grössere  Gewähr  für  Stetigkeit,  als  im  Anfange. 

Die  Komik  wird  in  dem  Stücke  durch  Don  P&dre's  Diener 
Crispin  repräsentiert;  doch  ist  dieser  nicht  von  dem  groben 
Schlage  wie  Don  Japhet  oder  auch  die  beiden  Jodelet.  Man 
sucht  bei  ihm  vergebens  jene  gewöhnlichen  Ausdrücke,  welche 
die  Sprache  der  komischen  Helden  charakterisieren,  denen  wir 
bisher  begegnet  sind.  Crispin  scheint  etwas  von  den  Sitten 
seiner  Kollegen  bei  Moli&re  angenommen  zu  haben ;  er  hat  einen 
trefflichen  Mutterwitz  am  Leibe,  den  er  infolge  seines  Umganges 
mit  seinem  Herrn  und  anderen  lustigen  Studenten  in  eine  ange- 
nehme, nicht  selten  burschikose  Form  zu  kleiden  versteht.  — 
Übrigens  findet  sich  diese  Gestalt,  der  wir  später  auch  bei 
Moli&re  begegnen,  in  unserem  Stücke  zum  ersten  Male,  so  dass 
auch  hier  wieder  eine  Beeinflussung  des  grossen  Dichters  durch 
Scarron  zu  konstatieren  wäre. 

Nach  alledem  ist  es  nicht  zweifelhaft,  dass  der  Geölter  de 
Salamanque  trotz  mancher  Fehler  die  beste  von  allen  Komödien 
des  Scarron  ist,  ein  Stück,  dessen  Lektüre  uns  auch  heute  noch 
interessieren  kann,  weil  es  das  einzige  ist,  in  dem  der  Dichter 
versucht  hat,  Charaktere  zu  zeichnen,  wenn  auch  dieser  Versuch 
nicht  in  jeder  Hinsicht  als  gelungen  bezeichnet  werden  darf. 

Man  könnte  staunen  zu  hören,  dass  gerade  der  löcolier  de 
Salamanque  von  dem  Publikum  nicht  günstig  aufgenommen  worden 
ist  Doch  liegt  die  Schuld  nicht  an  dem  Publikum  oder  dem 
Stücke,  sondern  in  einem  anderen  Umstände.  Boisrobert, 
welchem  Scarron  sein  Werk  vorgelesen  hatte,  pour  V essayer,  wie 
er  sich  ausdrückte,  fand  den  Vorwurf  so  vortrefflich,  dass  er 
sich  desselben  bemächtigte  und  schnell  selbst  ein  Stück  in  Prosa 
daraus  machte,  Les  genereux  Ennemis,  welches  vor  dem  seines 
Freundes  fertig  und  im  Hotel  de  Bourgogne  mit  Beifall  aufgeführt 
wurde,  während  Scarron  wenige  Monate  später  mit  seinem  Stücke 
keinen  Erfolg  hatte.  Dies  ist  wenigstens  die  Erzählung  der 
Brüder  Parfaict.1)  Scarron  selbst  äussert  sich  über  den  Gegen- 
stand folgendermassen :  II  {üfic.  de  Salam.)  donna  dans  la  vue 
ä  deux  tcrivains  de  r/putation  en  mime  temps  qua  moi.  Ces 
redoutables   caneurrents    ne   mempecKkrenl   point    de    le    trauert) 


*)  a.  a.  0.  VIII,  105  ff. 

*)  Vgl.  die  Vorrede  zu  dem  Stücke. 


60  H.  GrOhier, 

Hiernach  ist  der  oben  angegebene  Sachverbalt  wohl  sieber  nicht 
zutreffend,  denn  wenn  Boisrobert  sich  thatsächlich  eines  so  un- 
verschämten Plagiats  schuldig  gemacht  hätte,  würde  Scarron  ihn 
mit  den  schärfsten  Waffen  seines  Spottes  verfolgt  haben,  wie  er 
es  bei  anderen  Gelegenheiten  nicht  unterlassen  bat.  Es  ist 
wahrscheinlicher,  dass  die  beiden  Dichter  ans  der  nämlichen 
Quelle  geschupft  haben,  oder  dass  höchstens  Scarron  seinem 
Freunde  diese  Quelle  vorgelesen  hat  Dies  würde  Boisrobert's 
Verfahren  nieht  in  so  schlechtem  Lichte  erseheiueu  lassen  nnd 
besser  die  seltsame  Thatsache  erklären,  dass  die  Aufführung  der 
Genereux  Ennemis  mehrere  Monate  vor  Scarron's  Ecolier  Statt- 
fand. Übrigens  kann  ich  auf  die  Frage  nicht  naher  eingehen, 
da  ich  das  Stuck  des  Boisrobert  selbst  nieht  kenne.  Nach  der 
Inhaltsangabe  der  Brüder  Parfaict1)  gleicht  es,  abgesehen  von 
den  Namen,  vollkommen  demjenigen  Scarron's. 

Später  bemächtigte  sich  auch  Thomas  Corneille  des 
Gegenstandes  und  stellte  daraus  eine  Komödie  in  fünf  Akten  und 
in  Versen  her,  welche  im  H6tel  de  Bourgagne.  aufgeführt  das 
Stück  des  Boisrobert  allmählich  verdrängte1).  Aus  der  Inhalts- 
angabe des  Stückes")  ersehen  wir  einige  interessante  Abweichungen 
von  Scarron's  Vorgehen;  vor  allem  hat  Thomas  Corneille  es  ver- 
standen, mehrere  von  den  Fehlern  zn  vermeiden,  welche  im 
Ecolier  de  Salamanque,  getadelt  worden  sind. 

Endlich  hat  auch  Holiere  es  nicht  verschmäht,  den  Grund- 
gedanken des  Stückes,  wenn  auch  nur  episodisch  zu  verwerten. 
Im  Don  Juan  III,  3  f.  verfolgen  die  Brüder  der  Done  Elvire 
den  Don  Juan,  weil  er  ihre  Schwester  aus  dem  Kloster  entführt 
und  entehrt  hat;  sie  haben  also  gerade  so  wie  Don  Pedre  in 
unserem  Stücke  die  Verpflichtung,  Familienracbe  zu  Üben.  Ein 
Zufall  bat  beide  von  einander  getrennt;  Don  Carlos,  der  eine 
von  ihnen,  wird  von  Räubern  angefallen,  Don  Jnan  kommt  ihm 
zu  Hilfe  und  rettet  ihm  das  Leben.  So  befindet  sich  denn  Don 
Carlos,  als  er  erfahrt,  wer  sein  Lebensretter  ist,  ganz  in  der- 
selben Lage  wie  Don  Pedro  im  Anfange  unseres  Stückes,  und 
er  bandelt  auch  ebenso  wie  dieser. 

he  Gardien  de  soi-mime,  das  nächste  Stück  von  Scarron, 
trat  1655  mit  dem  den  gleichen  Stoff  behandelnden  Werke  von 
Thomas  Corneille,  Le  Qeßlier  de  soi-meme,  in  die  Schranken, 
jedoch  ohne  den  Sieg  davonzutragen.  Die  beiden  Komödien 
verdanken  ihren  Ursprung  dem  Stücke  von  Calderon  El  Alcaide 
de  ei  mismo.     Sonderbarerweise  fehlt  diese  Komödie  aber  in  den 


1)  a.  a.  O.  VIII,  92. 
5  Pournier,  S.  XV. 
■)  Parfaict  VIII,  82  ff. 


Ihul  Scarron  als  komödiendichter.  61 

beiden  Ausgaben  von  Scarron,  welche  mir  zugänglich  waren,  so 
dass  ich  anf  dieselbe  nicht  weiter  eingehen  kann;  eine  kurze 
Inhaltsangabe  findet  sich  wiederum  bei  Parfaict  VIII,  116  ff. 

Im  ficolier  de  Salamanque  hatte  Scarron  zum  ersten  Male 
eine  Art  Charakterzeichnung  versucht  —  ich  spreche  von  seinen 
Stücken  immer,  als  ob  sie  sein  geistiges  Eigentum  wären  — ;  er 
erneuerte  diesen  Versuch  in  Le  Marquis  ridicule  ou  la  Comtesse 
faite  ä  la  Häte,  einer  Komödie,  welche  dramatisch  zwar  nicht  so 
interessant  ist,  wie  der  lZcolier,  auf  deren  Besprechung  ich  aber 
doch  etwas  genauer  eingehen  muss,  schon  darum  weil  Scarron 
selbst  sehr  viel  von  derselben  gehalten  hat.  In  der  Dedikation 
an  den  Abb6  Fouquet1)  nämlich  sagt  er:  je  vous  supplie  de  lire 
ma  eonUdie:  cest  ä  mon  gri  la  mieux  icrüe  de  toutes  ceües  que 
fai  donnies  au  public,  depuis  que  mon  malheur  m'a  riduit  ä 
navoir  rien  de  meiUeur  ä  faire.  Welches  sind  also  die  Vorzüge, 
die  dieses  günstige  Urteil  des  Dichters  rechtfertigen? 

Don  Cosme,  der  Vater  der  jungen  und  schönen  Blanche, 
will  seine  Tochter  mit  dem  Marquis  Don  Blaize,  einem  reichen 
aber  geizigen  und  rohen  Menschen,  verheiraten.  Dieser  hat,  in 
Madrid  angekommen,  seinen  Bruder  Don  Sanche  brieflich  ersucht, 
sich  über  Charakter  und  Ruf  seiner  Braut  zu  erkundigen.  Don 
Sanche  jedoch  verabsäumt,  den  Brief  zu  lesen,  und  so  fällt  der- 
selbe einer  Intrigantin,  Stephanie,  in  die  Hände,  welche  sich 
ursprünglich  Mühe  gegeben  hatte,  die  Zuneigung  des  Don  Sanche 
zu  gewinnen,  die  aber  jetzt  ihren  Sinn  auf  dessen  Bruder  lenkt, 
da  dieser  als  Marquis  ihr  noch  begehrenswerter  erscheint.  — 
Don  Sanche  hat  Blanche,  die  er  vorher  nicht  gekannt  hat,  vom 
Tode  errettet  und  liebt  sie  seit  dieser  Zeit,  ohne  jedoch  zu 
wissen,  dass  sie  seinem  Bruder  zur  Gemahlin  bestimmt  ist. 
Blanche  erwidert  im  Stillen  diese  Liebe,  wagt  es  aber  nicht,  die- 
selbe zu  gestehen,  da  sie  ihrem  Vater  nicht  ungehorsam  sein 
will.  Don  Blaize  kommt  endlich  im  Hause  seiner  Braut  an  und 
trifft  dort  mit  Don  Sanche  zusammen,  der  die  erwachende  Eifer- 
sucht seines  Bruders  noch  geschickt  abzulenken  weiss;  ja  er 
erhält  sogar  den  Auftrag,  Blanche  scheinbar  den  Hof  zu  machen, 
um  dadurch  ihre  Beständigkeit  zu  prüfen.  Das  rohe  Wesen  des 
Don  Blaize  und  seine  fortwährende  unbegründete  Eifersucht 
machen  ihn  Blanche  immer  mehr  verhasst,  doch  wagt  sie  nicht, 
sich  dem  Willen  des  Vaters  zu  widersetzen.  Stephanie  aber  be- 
nutzt ein  Geheimnis  des  Don  Cosme,  welches  sie  erlauscht  hat, 
redet  ihm  vor,  dass  sie  selbst  seine  natürliche  Tochter  sei,  und 
dass  Don  Blaize   ihr  die   Ehe  versprochen   habe.     Das   ist  ent- 


l)  CEuvres  1786,  VI. 


62  ff.  Grökler, 

scheidend.  Don  Cosme  steht  von  einer  Verbindung  seiner 
Tochter  mit  dem  lächerlichen  Marquis  ab,  und  dieser  weiss  sich 
von  der  unverschämten  Intrigantin  nnr  durch  eine  Geldsumme 
loszukaufen,  während  Blanche  mit  ihrem  Lebensretter  ver- 
eint wird. 

Die  Handlang  ist  wieder  reich  an  Unw&hrscheinlichkeiten 
und  die  Losung  des  Knotens,  wie  man  sieht,  recht  ungeschickt 
Statt  dasa  das  närrische  Wesen  des  Marquis  die  Katastrophe 
herbeiführen  sollte,  bedient  sich  der  Dichter  hierzu  der  Stephanie, 
einer  der  stehenden  Figuren  der  älteren  Komödie.  Und  welche 
Anforderungen  werden  ausserdem  an  die  Leichtgläubigkeit  des 
Zuschauers  gestellt!  Don  Blaize  ist  ans  Fenster  getreten,  um 
sich  das  Bildnis  seiner  Geliebten  zu  betrachten,  als  ihm  das- 
selbe plötzlich  von  unsichtbarer  Hand  entrissen  wird.  Stephanie, 
welche  sich  zufällig  draussen  auf  der  Strasse  in  der  Nähe  jenes 
Fensters  befindet,  hat  den  günstigen  Moment  benutzt,  um  sich 
in  den  Besitz  des  für  sie  wertvollen  Objektes  zu  setzen  (III,  4). 
Auch  das  Horchen  an  einer  geschlossenen  Thtlr,  durch  welches 
sie  ein  wichtiges  Geheimnis  erfährt,  ist,  wenn  auch  auf  dem 
spanischen  Theater  durchaus  nicht  ungewöhnlich,  doch  nach 
unserer  Anschauung  entschieden  tadelnswert  (IV,  5). 

Die  Narrheit  des  Don  Blaize  ist  nicht  von  derselben  Art 
wie  diejenige  Don  Japhet's,  denn  sie  beruht  nicht  auf  einer  fixen 
Idee,  wie  man  sie  bei  diesem  annehmen  muss,  sondern  sie  geht 
ans  charakteristischen  Fehlern  und  Leidenschaften  hervor.  Darin 
liegt  zweifellos  ein  Vorzug,  den  der  Marquis  vor  Don  Japhet 
hat;  sein  Geiz  und  seine  Eifersucht  sind  vortreffliche  komisehe 
Motive,  aus  denen  sich  eine  wirkliche  Charakterfigur  heraus- 
arbeiten liesse,  wenn  Scarron  dies  verstände  und  nicht  immer 
wieder  der  Versuchung  erläge,  aus  seinen  lustigen  Gestalten 
Karrikatnren  zu  machen.  Auch  dadurch,  dass  die  Fehler  des 
Helden  am  Schlüsse  ihre  Strafe  finden,  erreicht  der  Dichter  das 
eigentliche  Ziel  der  Komiidie,  dUnntruirt  en  dtvertitsant,  und 
dieser  Umstand  stellt  den  Marqui»  ridicule  Über  alle  anderen 
sogenannten  Komödien  desselben  Verfassers,  wenn  auch  der  Ton 
der  Komödie  im  eigentlichen  Sinne  noch  nicht  getroffen  ist.  — 
Die  Liebe  des  Don  Blaize  zu  Blanche  vermag  man  nicht  recht 
ernst  zu  nehmen;  er  ist  mehr  eifersüchtig  als  verliebt,  und  wenn 
er  seine  Leidenschaft  bekunden  will,  so  erscheint  er  komisch 
ohne  wirklich  leidenschaftlich  zu  werden. 

Der  Charakter  der  Blanche  ist,  wenn  auch  nicht  gerade 
originell,  so  doch  mit  mehr  Geschick  gezeichnet;  jedenfalls  ist 
dieses  Mädchen,  das  der  Kindespflicht  sogar  seine  Liebe  opfert, 
eine  durchaus  sympathische  Erscheinung.  —  Die  übrigen  Personen 


Paul  Scarron  als  KomGdicndichier.  63 

sind  von  untergeordneter  Bedeutung;  ich  will  daher  auf  sie  nicht 
näher  eingehen  und  fasse  mein  Urteil  über  den  Marquis  ridicule 
dahin  zusammen,  dass  es  eine  der  besten  Scarron'schen  Komödien 
ist  und  an  ästhetischem  Wert  nur  von  dem  lZcolier  de  Salamanque 
fibertroffen  wird,  obgleich  der  ernstere  Stoff  des  letzteren  Stückes 
einen  Vergleich  überhaupt  nicht  ohne  Weiteres  zulässt  Übrigens 
scheint  der  Marquis  ridicule  auch  mehr  eigene  Züge  des  fran- 
zösischen Dichters  zu  enthalten,  so  dass  sich  das  günstige  Urteil 
Searron's  auch  auf  diesen  Umstand  zurückführen  lässt 

Es  bleiben  nur  noch  die  beiden  posthumen  Werke  zu  er- 
wähnen, welche  im  Jahre  1662  veröffentlicht  worden  sind.  La 
Fauste  apparence,  eine  Komödie  in  fünf  Akten,  ist  eine  Nach- 
ahmung des  Stückes  von  Calderon  No  siempre  lo  peor  es  cierto, 
und  wenn  man  die  beiden  Stücke  mit  einander  vergleicht,  so 
erkennt  man,  dass  Scarron  hier  bei  der  Bearbeitung  seiner  Vor- 
lage ganz  dieselbe  Praxis  befolgt  hat,  wie  im  Mattre  valet.  Ich 
beschränke  mich  bei  diesem  und  dem  folgenden  Stücke,  die  beide 
nicht  aufgeführt  worden  sind,  auf  eine  kurze  Inhaltsangabe. 

Als  Don  Carlos  de  Roxas  sich  eines  Tages  in  dem  Hause 
seiner  Geliebten  Leonore  in  Madrid  befindet,  wird  er  in  seiner 
Liebeständelei  plötzlich  durch  ein  verdächtiges  Geräusch  gestört; 
er  forscht  nach  und  findet  in  einem  Nebenzimmer  einen  jungen 
ihm  anbekannten  Kavalier.  Don  Carlos  glaubt  in  diesem  einen 
glücklichen  Nebenbuhler  zu  erkennen,  dessen  Huldigungen  die 
ungetreue  Leonore  angenommen  hat.  Es  kommt  sofort  zwischen 
den  beiden  Gegnern  zum  Kampfe,  in  welchem  der  Fremde 
schwer  verwundet  wird;  aber  durch  den  entstandenen  Lärm  ist 
Don  P&dre,  Leonore's  Vater,  aufmerksam  geworden,  und  das 
anglückliche  Mädchen  sieht  sich  nun  dem  Zorne  des  Letzteren 
preisgegeben.  In  dieser  Not  fleht  sie  Don  Carlos  um  seine 
Hilfe  an,  und  es  gelingt  ihm  mit  der  ehemaligen  Geliebten  zu 
entfliehen,  denn  obwohl  er  von  ihrer  Untreue  überzeugt  ist,  so 
fordert  doch  die  Ehre  von  ihm,  dass  er  sie  gegen  den  grausamen 
Vater  verteidige.  Beide  gehen  nach  Valencia,  Leonore  beteuert 
wiederholt,  dass  sie  an  dem  Erscheinen  des  Fremden  unschuldig 
sei,  aber  Don  Carlos  mag  ihre  Gründe  nicht  hören  und  will 
selbst  das  Land  verlassen,  nachdem  er  sie  vor  der  Verfolgung 
des  Don  Pedre  sichergestellt  hat.  Er  wird  in  Valencia  von 
seinem  Freunde  Don  Louis  aufgenommen,  dessen  Schwester  Flore 
sich  bereit  erklärt,  Leonore  als  Kammermädchen  in  ihren  Dienst 
zu  nehmen.  Flore  ist  nun  die  Geliebte  des  Don  Sanche,  des- 
selben Kavaliers,  mit  welchem  Don  Carlos  im  Hause  des  Don 
Pedre  zusammengekommen  war;  sie  ist  über  jenen  Vorfall  bereits 
durch    den  Diener  des  Don  Sanche  unterrichtet  worden-  und  ist 


54 


H.  (höhte- 


■  noch  nicht 


entschlossen,  äeB  Ungetreu«  abzuweisen,  obgleich  sie 
aufgehört  hat,  um  ta  lieben.  Man  kann  sich  die  Verwickelung 
vorstellen,  die  sieh  .-ms  dieser  echt  spanischen  Exposition  ergibt. 
Die  versebie denen  feindlichen  Elemente  kommen  im  Hause  des 
Don  Louis  zusammen.  Man  will  Don  Sanche  veranlassen,  Leonoi 
n  heiraten,  aber  schliesslich  Überzeugt  sieb  Don  Carlos  dui 
Berthen  an  der  Tlitir  davon,  dass  seine  Eifersucht  nnbegrln 
war;  er  verzeiht  der  glücklichen  Leonore,  und  Don  Pedn 
froh,  dass  seine  Ehre  durch  beider  Heirat  wiederhergestellt  ist, 
während  Flore  den  leichtsinnigen  Don  Besehe  nieder  in  Gnaden 
anfniiimit. 

/,*■  Prince  Corsaire  ist  eine  tragi-come'die,  deren  Quelle  ich 
nicht  kenne.  —  Pisaudrc,  der  König  von  Cypern,  hat  bestimmt, 
dass  nach  seinem  Tode  seine  Tochter  Elise  die  Regierung  über- 
nehmen soll  unter  der  Bedingung,  dass  sie  Amintas,  den  Si  " 
seines  Bruders  Nicanor,  heirate,  widrigenfalls  ihre  Scbweel 
Alcione  Königin  und  Gemahlin  des  Amintas  werden  würde.  Kl 
wird  von  dem  Letzteren  geliebt,  hat  aber  ihr  Herz  bereits  dei 
jungen  Prinzen  Alcandre  geschenkt  und  erfährt  nun  zu  ihrem 
Schrecken,  dass  dieser  von  seinem  Vater  Verstössen  und  in  einem 
Kampfe  getötet  worden  sei.  Sein  Monier  ist  der  mächtige 
Korsarenfllrst  Orosmane,  der  auch  ihr  Land  seit  längerer  Zei 
bedroht,  und  Elise  verspricht  Amintas  ihre  Hand,  wenn  es 
gelänge,  ihren  Todfeind  zu  veruichteu.  Dieser  ist  nun  mit 
laubiiis  des  Nicanor  in  die  Stadt  gekommen;  Elise  will  ihn  mit 
eigener  Hand  töten,  erkennt  aber  plötzlich  in  ihm  ihren  tot- 
geglaubten  Geliebten  Alcandre.  Von  Pisandrc  bei  seiner  Werbung 
um  Elise  abgewiesen  und  seines  eigenen  Landes  verlustig  ge- 
gangen, hatte  der  unglückliche  Prinz  sich  auf  das  Meer  gerettet, 
um  seinen  Feinden  zu  entgehen;  hier  war  es  ihm  gehingen,  den 
geflirehteten  Orosmane,  der  ihn  angegriffen,  zu  toten,  aber  ein 
falsches  Gerücht  benutzend  hat  er  sich  selbst  für  Orosuiane 
ausgegeben.  Er  wird  schliesslich  von  Nicanor  gefangen  genommen 
und  soll  sterben;  Elise  will  mit  ihm  in  den  Tod  gehen,  aber  zur 
rechten  Zeit  erkennt  noch  Nicanor,  dass  der  vermeintliche  Ki>r 
sarcnfllrst  sein  eigener  Sohn  ist,  der  in  seiner  Jugend  verloren 
gegangen  ist,  nnd  es  kommt  nunmehr  zu  einem  befriedigenden 
Schlüsse.  —  Die  Fehler  und  Unwahrscheinlichkeiten  des  Stück* 
sind  zahllos,  doch   will  ich  auf  dieselben  nicht  näher  eingehen. 

Es  bleibt  mir  nur  noch  übrig,    auB   meinen  bisherigen 
Pachtungen   die   Summe    zu    ziehen.     Hat   sich  Scarrou  auf  d< 
Gebiete    des    komischen    Dramas    irgend    welche    Verdienste 
worbeu?     Ich  glaube,  dass  man  diese  Frage  nicht  rundweg 
Deinen    kann,    wie    es   (luizot   gethan    hat,    wenn    er    sich    tibi 


des 

t; 

ist, 

den 

ich 
itnt, 
Nw 
Sohn 
■stcr 
ili.e 
dem 
irem 
nem 
Jttge 

22 

Er 


Paul  Scarron  als  Komödiendichter.  65 

Scarron's  Lastspiele  mit  folgenden  Worten  äussert:  Je  ne  parier ai 
point   des    eomecUes    de   Scarron,    ouvrages    malheureux   que    des 
intrigues  compliquies  sans  interet,   une  folie  triviale  sans  naturel 
et  burlesque  sans  gaietS,  ont  laust  retomber  dans  Voubli,  dont  üs 
soni  dignes.     Si  tun  des  Jodelets  et  Dom  Japhet  dPArmenie.  ont 
qudquefois  reparu  de  notre  temps,  ce  nya  pu  itre  qua   Vaide  du 
talent  de  quelque  acteur   habüe  ä  recharger    encore    ces    ignobles 
caricatureSy  et  ä  diguiser,  par  Vexces  du  grotesque,  Vext&s  de  la 
platitude.1)     Wenn  man  von  seiner  allzu  derben  Komik  absieht, 
die  manchmal    zur  Plattheit  wird,    so   sind  die  übrigen  Fehler, 
welche  Guizot  tadelt,  doch  nur  diejenigen  des  spanischen  Theaters. 
Freilich  sind  die  comedias  de  capa  y  espada  innerlich  nur  wenig 
von   einander   unterschieden,    aber    die  Intriguen  derselben  sind 
doch  nicht  ganz  so  uninteressant  und  unwahrscheinlich  für  den- 
jenigen, der  die  Eigentümlichkeiten  des  Landes  kennt,  in  welchem 
sie  spielen,    abgesehen  davon,    dass    einzelne    der   in   Scarron's 
Stücken    behandelten    Probleme    thatsächlich    eines    allgemeinen 
Interesses  nicht  entbehren.     Und  dann  war  die  lebhaftere  Hand- 
lung,   die  kompliziertere  Verwickelung,   überhaupt  das  frischere 
Leben,    welches    in    den    Produkten    der   kastilianischen    Muse 
pulsierte,  von  unschätzbarem  Werte  zu  einer  Zeit,   wo  die  fran- 
zösische Komödie  leicht  in  den  starren  Schematismus  der  Tragödie 
verfallen  konnte.     War    es  nicht  ein  Vorteil,    wenn   neben    die 
italienische  Komödie  mit  ihren  typischen  Gestalten,  die  bis  dahin 
fast  allein    als  Vorbild  gegolten  hatte,   jetzt    auch    die    andere 
romanische  Schwester  trat  und  ihre  Vorzüge  geltend  zu  machen 
suchte?     Eine    freiere  Diktion,    ein    lebhafterer    Dialog,   ja    ein 
eigenartiger  komischer  Wortschatz,    das    sind    die  Vorzüge    der 
ScaiTon'schen  Stücke,  und  diese  haben  auch  nicht  verfehlt,  ihren 
Einflass   auf  das  allmählich   zu  immer  schönerer  Blüte  sich  ent- 
faltende französische   Lustspiel  auszuüben.     Ja  selbst  über    die 
derbkomischen    Gestalten    der    Diener    hat    Moliere    nicht  vor- 
nehm  die  Nase   gerümpft,   auch  von  ihnen  hat  er  gelernt,   auch 
sie  sind  ihm  Fingerzeige  für  seine  eigenen  erhabeneren  Schöpfungen 
gewesen,   wie    ich    im  Verlaufe   meiner  Ausführungen  zu  zeigen 
Gelegenheit  hatte. 

Wenn  ich  von  einem  eigenartigen  komischen  Wortschatze 
spreche,  so  bin  ich  den  Beweis  für  diese  Behauptung  noch 
schuldig  geblieben,  und  ich  will  mir  daher  hierüber  jetzt  noch 
eine  Bemerkung  erlauben,  indem  ich  zugleich  wieder  das  Ver- 
hältnis von  Moliere  und  Scarron  berücksichtige.  Es  finden  sich 
nämlich  in  Moliere's  Sprache  einzelne  Ausdrücke,  die  bis  dahin, 


*)  Guizot,  Corneille  et  son  temps,  S.  478. 
Zaekr.  lfcm.8pr.iL  Litt    IIP. 


T.  GrOhkr,  Aul  Scarrtm  als  Komidiendichter. 


wenigstens  ip  der  Veibindong,  in  welcher  lie  auftreten,  der  frao- 

SÖBische»  Sprache  fremd  wareu,  und  die  der  grosse  Diebtor 
offenbar  flfijirroii'Bchen  Stücken  entlehnt  hat.  Hier  einige  Bei- 
spiele, die  mir  gerade  aufgefallen  sind:  Im  Dipit  amoureux  1448 
äussert  Gros-Ren*: 

Lß  pette  toil  ton  rit?  Voüä  tont  mon  awrrotuc 

Deja  dvleifüf. 
Den  Ausdruck  dulcifU  bat  Moliere  offenbar  von  unserem  Dichter 
entlehnt,   dann  das  Wort,   welches  in   diesem  Sinne  sonst  nicht 
gebräuchlich,  ist,  kommt   ebenso  verwendet  vor  im   Don  Japhtt 
d'irn^iM  IV,  3: 

Qve  vottiez-vout  dort«  faire  nvte  eet  chonlret-ei?  — 

Ten  vevx  d'dci/ier  tnon  amowevx  toiici 
Das   Gleiche  gilt  von   dem   Aasdrucke    mignon  d»  coudutU   im 
Cocu  imatfinaira  185    und   bei    Scarron    im    Maure  vaUt    III,  8, 
während  ein  anderer,  larron  ttkonneur,  im  Cocu  ünaginairn  356, 
dem  Marqui*  ridicule  III,  2  entlehnt  in  fein  acheint. 


H.  OkHblea. 


Bemerkungen  zur  Lautlehre. 

Auf  den  folgenden  Blättern  veröffentliche  ich  eine  Anzahl 
Bemerkungen,  die  ich  mir  bei  dem  Studium  der  Grammatik  der 
romanischen  Sprachen1)  von  Wilhelm  Meyer-Lübke  machte. 
In  dem  Abhandlung  steil  der  Zeitschrift  erfolgt  der  Abdruck 
dieser  Notizen  mit  Rücksicht  auf  den  Umfang  derselben.  Niemand 
wird  auch  nur  einen  Augenblick  anstehen,  M?s  Werk  als  Gesamt» 
leistung  dem  Bedeutendsten  zuzurechnen,  das  seit  langer  Zeit 
auf  dem  Gebiet  der  romanischen  Sprachforschung  erschienen  ist, 
wenn  auch  naturgemäss  das  behandelte  Material  im  Einzelnen  noch 
der  Ergänzung  und  weiterer  kritischer  Sichtung  bedürftig  bleibt 
§  18.  Verfasser  ist  in  seinen  Angaben  über  das  aspirierte 
h  im  Neufranzösischen  wenig  erschöpfend,  wenn  er  bemerkt: 
nAber  der  Nordosten  ist  auch  hier  konservativ  geblieben,  im 
Wallonischen  und  Lothringischen  wird  h  gesprochen a.  Das  Gebiet, 
auf  dem  h  gesprochen  wird,  ist  erheblich  umfangreicher  als  M. 
angibt,  da  auch  im  Nordwesten  Frankreichs  aspiriertes  h  noch 
heute  weite  Verbreitung  hat  So  im  nördlichen  Cotentin,  in  Val 
de  Saire  und  La  Hague  nach  dem  Zeugnis  Romdahrs  und  Fleury'B. 
Ersterer  bemerkt  S.  13  f.  seines  Olossaire  du  Patois  du  Val  de 
Saire:  „Le  h  est  assez  fortement  aspiri.  II  m'a  paru  que  Vaspi- 
ration t'accuse  surtout  dans  les  mots  oü  le  h  est  Hymologiaue, 
cest-ä-dire  dans  ceux  qm  sant  tiris  des  langues  germaniques, 
p.  ex.  hälöy  harieotöy  hav£t>  au  ü  est  tout  autard  aspiri  que 
dans  un  mot  aüemand  ou  scanämave*,  letzterer  bezeichnet  S.  236 
seines  Essay  sur  le  patois  normand  de  la  Hague  das  h  als 
„fortement  aspirä".  Auch  für  mehr  südlich  gelegene  Gegenden 
ist  aspiriertes  h  bezeugt.  So  für  den  an  die  Loiremflndung 
grenzenden  Teil  der  Haute -Bretagne  von  A,  Leroux  Marehe  du 


*)   Erster  Band:  Lautlehre.    Leipzig,   1890.     Fues's  Verlag  (R. 
fieusland). 


D.  Behrens, 


patois  actuel  dans  Fanden  payx  de  ta  Mte.  8.  12:  „A  aspiree  se 
pronoit.ee  d'une  facon  accentuie  et  guttural  taute  dijfe'rente  de  celU 
que  l'on  tend  it  adopter  dann  lex  grandes  villex  .  .  .",  für  Louvigne- 
de-Bais  (Ille-et-Vilaine)  von  J.  GÜlieron  Reo.  des  pat.  g.-r,  I,  176: 
„A  aspire  exintt.  mais  »'est  pas  aussi forte  qu'en  aUemanda.  Vgl.  noch 
für  Haut-Maine  die  weniger  bestimmten  Angaben  De  Montesson's 
Vocabulaire  S.  270  Anmerkung.  Hier  werden  auch  8.  242  gäler  ■— 
häler  und  S.  242  gäle  =  hdle  verzeichnet,  beide  wohl  mit  Übergang 
der  Aspirata  in  den  tönenden  VerschlüBslaut,  wie  ihn  Meyer  für 
oberital.  garho  und  ital.  gufo  nach  Diez'  Vorgang  annimmt.  — 
Wenn  Meyer  andererseits  bemerkt,  im  Wallonischen  werde  heute 
h  gesprochen,  so  ist  hier  das  Gebiet  des  Wallonischen  nicht  in 
seiner  ganzen  Ausdehnung  zu  nehmen.  Wenigstens  bemerkt 
C!iav6e  Francis  et  Walion  8.  20  ausdrücklich,  dass  in  seinem 
heimatlichen  Idiom,  dem  Namurois,  h  sturom  sei:  Dans  le  namu- 
rois  pax  plus  que  dans  lefran^ais  le  siijne  h  ne  represente  aueun 
btiät,  aueune  consonne  sifflante;  mais  ä  quelques  lieves  de  Namur, 
sur  le*  bords  de  la  Meuse,  «  Iluy,  par  exemple,  on  mtend  ä  tout 
moment  la  sifflante  neutre  A,  cette  forte  expir^e  (et  non  atptre'e) 
du  yosier,  si  familiere  aux  Anglais  et  aux  Allemands.  Demnach 
dürften  auch  Altenburg's  Angahen  Programm  III,  IC  noch  in 
etwas  zu  modifizieren  sein.  Eier  heiast  es:  „Die  Bemerkungen 
über  die  Aussprache  des  h  [scharfer  Hauchlaut]  bezichen  sich 
indes  nur  auf  die  Llitticher  und  die  engverwandten  Mundarten; 
in  Namur  ist  die  Aspiration  schon  erheblich  geschwächt,  in 
Cbarleroi,  Moos  ete.  ist  keine  Spur  davou  mehr  übrig  .  .  .". 

31.  Wenn  Warn,  aiiele  dafür  angeführt  wird,  dass  dem  i 
in  onguilla  kurze  Quantität  zukommt,  so  läast  sich  dazu  be- 
merken, dass  in  dieser  Mundart  -ü-  zu  r  wird  (s,  Meyer  §  545), 
also  anele  hier  in  regulärer,  volkstümlicher  Entwickelung  nicht 
auf  lat.  anguilla  zurückgehen  kann  (Rolland,  Faun«  pop.  III,  99 
verzeichnet  eine  Form  ainghira  als  baskisch).  Schwierigkeiten 
bieten  der  Erklärung  ebenso  span.  anguila,  portug.  enguia, 
menton.  angira  (Andrews,  Romania  XVI,  549),  denen  sämtlich 
älteres  anguila  (nich  anguilla)  genügen  würde. 

33.  Hier  wo  vom  Übergang  des  frz.  i"  in  e  gehandelt  wird, 
heisst  es,  dass  Sylviua  (1531)  nur  sage,  dass  in  nasal  sei,  sich 
jedoch  nicht  über  die  Klangfarbe  des  i  äussere.  Zu  beachten  bleibt 
indessen  eine  Bemerkung  desselben  Grammatikers,  wonach  sain 
und  eine  gleichlauteten.  Vgl.  Ch.  Timrot,  Prononciation  II,  481. 
—  Meyer's  Ansicht,  im  Anfang  des  XVI.  Jahrhunderts  scheine 
die  heutige  Aussprache  (vgl.  auch  §  57)  schon  vorhanden  ge- 
wesen zu  sein,  hätte  näherer  Begründung  bedurft.  Vgl.  die  ab- 
weichenden Ansichten  Sucbier's  in  Grbber's  Qrundriss  I,  588  und 


Bewm-kumgen  zur  Lmttkhrt*  09 

Kosehwitz'  in  seiner  Grammatik  S,  52. l)  —  Was  über  «A*e»  **« 
für  -vna  bemerkt  wird,  Hesse  sieh  klarer  formulieren.  Wohl  ein 
Upsns  ealami  ist  es,  wenn  zur  Illustration  dieses  Übergang« 
potren  (poärtne)y  ven  als  „Blaise"  angehörig  aufgeführt  werden» 
M.  denkt  hier  offenbar  nicht  an  das  Thal  der  Blaise  im  Departe- 
ment Eure -et -Loire,  sondern  an  die  Umgegend  von  Blois,*)  fttr 
die  ich  die  Bezeichnung  Blaise  nirgends  bezeugt  finde.  Korrekt 
drückt  sich  Görlich  aus,  der  Franz.  Studien  V,  380  dieselbe 
Erscheinung  behandelt,  „ebenso  sagt  Talbert:  DiaUcie  blaitm* 
8.  25  .  .  .a.  Als  weitere  Belege  für  dieselbe  Erscheinung  gibt 
Meyer  „Maine:  ven  (vigne),  e$en  (4chinc)u.  Beide  Wörter  sind 
deshalb  nicht  sehr  glücklich  gewählt,  weil  hier  auf  i  ein  palataler 
Laut  folgt,  über  dessen  Einwirkung  M.  in  §  34  handelt.  Kien 
ist  auch  sonst  verdächtig.  Hiermit  soll  der  Obergang  von  ina 
in  -ene  für  Haut-Maine  keineswegs  in  Zweifel  gezogen  »ein,  da 
sich  in  De  Montesson's  Vocabulaire  dafür  eine  Reihe  anderer, 
untrüglicher  Belege  finden.  Auch  südwestfranzösischon  Mundarten 
ist  dieselbe  Erscheinung  heute  nicht  fremd  nach  Laianne1»  Angabe 
Olossaire  8.  XXVI:  ine,  aine,  pointraine  (V.  —  D.  8.  —  Vend.)« 
Aus  dem  Norden  des  französischen  Sprachgebietes  sei  famaine 
in  Arras  und  St  Omer  angemerkt  (s.  Parab.  de  fF/nf.  j/rodifjue 
ed.  L.  Favre).  In  der  nördlichen  Franche  -  Comtä  (Baume  -Les- 
Dames*)  begegnen  tpeunne,  faireunne,  dgdeunne,  raiceune  mit  m, 
das  hier  ebenfalls  aus  lat  ü  in  gleicher  Stellung  (vgl,  M.  $  bl) 
sich  entwickelt  hat  —  „Noch  weiter  geht  Berey  (Reims);  erzä 
(raisin  .  .  .)".  Die  von  M.  gegebenen  Belege  stehen  bei  TarM, 
Recherehes  S.  102  iL :  erzan  f  molan,  van,  epanne  CM*  sehreibt 
epäne)  u.  s.  w.  als  der  Mundart  von  Bern  (Kanton  de  Beine, 
arondissement  de  Renas)  aagehfrig,  woftr  wohl  Mejer's  Berey 
(das  §  57  in  der  Abkftrzong  bere.  wiederkehrt?)  versehrieben  ist 
VgL  noch  das  vom  'Laianne  &k**aire  %.  25%  Mitgeteilte  nmm 
(vinum):  via  dam  fem  ?<smm  (Vendie.  arrondiss,  des  SaMe*), 

34.  Es  wird  gehandelt  vom  Übergang  des  i  m  e  watet 
dem  Rhrftw  eines  folgenden  L  7  oder  einer  pafatfato»  Könne**!», 
M.   sieht   hierher   aneh  wallen,     fj  =  -**  »*d    vevwekrt    auf 


*)  Notiert  »i  hier  üe  7on  M.  Auter.  ^«r  kmUkt  der  fo&rwnr* 
OrUmmü  mmd  Pkrchc  im  XUL  J*kr*mmUrt.  Bonn.  1*8*.  <*rw2Uinte  «>£ 
fllbge  Bindung  Mä*  .  <m  /•«■*/  &4*e  L  Jf*. 

*)  §  456  «breib«  Äwr  ßftmz^.  Hier  mit  4»i4*irffclr'ti<*.h*m  Rinw*»n« 
auf  Talbart  TTaaeaan  j*  wh  yfcy*ri4  Amr>*v*  %.  XP7.  *<*  ta*  Bn**h 
TaXbertft  unter  der  AbkärcntKf  "rvwrjr  —  SerryvHnn  anfgeföbrf  -*\r4. 
Bin  Hegt  zwischen  Ort*»a«i*  itui  T.vir».  3****%*  fom  alten  fternr. 

^  3.  0.  Maiän.  Aas  itow  dt  *fcr  Cmjifijtnmt  wm  ttwmn*  Li*  imw*. 
Ult,  Ittft.    3.  M, 


70  ß.  Behrens, 

%  438.  Gemeint  ist  wohl  §  436,  wo  sieh  die  Bemerkung'  findet: 
„Im  Nordosten:  Bnrgund,  Lothringen  nnd  Belgien  fällt  r,  d  nicht 
bob,  ■ondern  wird  in  y:  -ata  ergibt  -eye,  -uto  :  -ilye  .  .  .".  Dass 
dies  der  Hergang  gewesen  sein  muss,  davon  habe  ich  mich  nicht 
zu  übereeogen  vermocht.  Beachtenswert  bleibt  die  Thatsache, 
die  ich  bei  ML  erwähnt  zu  finden  gewünscht  hätte,  dass  im 
Wallonischen  heute  nicht  nur  lat.  -ita,  sondern  auch  Ist.  -ia,  frz.  -ie, 
beute  -eye  entspricht  Grandgagnage  Dietionnaire  II,  Introdnetion 
XXIX,  verzeichnet  nioht  nur  fiitOe,  sondern  auch  fraireie.  Alten* 
bürg  Progr.  II,  21  bemerkt,  nachdem  er  zuvor  beU  (bitte),  meU 
(mille)  n.  a.  behandelt  bat:  „Jene  Erweiterung  des  t  in  ei  ist 
eigentlich  im  Wallonischen  die  allgemeine  Regel,  wie  denn  der 
frans.  Fem. -Endung  ie  (=  lat  ia)  regelmässig  tut  entspricht 
(manche  schreiben  He  oder  einfach  eit).  Beispiel:  patrme  (patrie), 
Aa&e  (Äste),  Mumie  (Mari«),  vgl.  Marei  für  Marie  in  einzelnen 
deutschen  Hnndarten  .  ,  ."  und  (von  Meyer  erwähnte)  nldwald. 
Mareya,  kumpaneya.  Dass  -eye,  -eya  über  -iye,  -iya  ans  -ia  sieh 
entwickelt  haben,  ist  wahrscheinlich.  In  Neutron  (Pörigord)  be- 
gegnen heute  die  Formen  auf  -iyo:  jalouniyo,  vämiyo,  patrtye, 
Mango  (neben  Marti).  Vgl.  Chabanean  E.  d.  L  r.  V,  186  die 
Anmerkung.  —  Zn  der  Bemerkung  „Aach  Fourgs:  cendreuiih, 
äreuitte  (öye)  wird  nicht  anders  zu  fassen  sein",  wäre  ein  Hin 
weis  auf  §  84  am  Platse  gewesen,  wo  Lahagne  ÜrileUe  erwähnt 
und  franz.  itriüe  als  von  itriller  ans  gebildet  erklärt  wird. 
Das  Wort  kommt  (a.  Mistral,  Tresor)  in  der  Form  estrelho  in 
Quercy,  als  eitreOto  in  der  Dsuphine  vor.  —  Neben  faü  in 
S.  Maient  (St  Maixent?)  und  Saintes  beachte  noch  feü,  das 
nach  Laianne  Lern  V[ienne]  und  D[eux]-S[evres]  im  Ge- 
branch ist,  nnd  ftüle,  das  Lalanne  als  V.,  arrond.  P(oitiersj,  arr. 
de  Givrav,  D.S.  an  gehörig  bezeichnet.  Dass,  was  das  Loth- 
ringische betrifft,  die  Erscheinung  nicht  beschränkt  ist  anf  „Stets 
und  Umgebung"  nnd  anf  „das  obere  Frassgebiet  der  Breuscb", 
davon  kann  man  sieh  durch  eisen  Blick  in  Adam's  Le»  Pat. 
Lorrains,  flbersengen.  Vgl.  z.  B.  8.  326  unter  fiile,  8.  879 
unter  vigne. 

35.  Neben  eng.  tirol.  priim,  prum  beachte  La  Hsgne 
raprüme,  Blois  preume1)  (neben  prime).  Sporadisch  auftretende 
weitere  Fälle  des  Übergangs  von  i  in  (I  vor  Lab.  sind  auvergn. 
ourtivo    (Mistral,    Trea.    s.   v.    oulivo),    Queyras   sümio    (*imia)\ 


-)  Hier  geht  te  anf  ü  fcurflck,  wie  auch  in  plant',  am',  habiUxtt  ttc. 
Vgl.  meine  Bemerkung  tu  §  S5. 

*J  ».  Chabrand  und  de  Bochaa  d'Aiglua,  Putois  dt»  Alpes  Col- 

tiennes  8.   121. 


Bemerkungen  zur  Lautlehre.  71 

Blois  erUbe,  ereubb,  Namur  püpe  heben  pupt  (fabricaüt  des  pipts\ 
b.  Grafadgagnage  Dict.  11,  226).  Nach  Labial  entwickelte  sich 
U  (ygl.  M.  §  42)  in  nprov.  pügo,  püo  (carcasä.)  ^  pita  (s.  Mistral 
Trm.  ».  ▼.  pigo),  lothr.  (in  einigen  Gemeinden,  b.  Adam  Rrf. 
lorr.  8.  311)  ehefnuHe  etc.  —  Le«*tf,  das,  soweit  ich  sehe, 
Maskulinum  ist,  weist  anf  *lixivum  zurück,  wie  in  der  rranfc. 
Übersetzung  von  M.'s  Grammatik  richtig  angegäbftn  Ist.  Iti  dar 
Franche-Comt6  begegnet  nach  De  Chambure,  Ctlossäiti  II,  50Ö, 
aich  Ussiu,  im  Altpr.  leissiu,  im  Neupror.  Uissüu  etc.  etc., 
Formen,  die  in  Meyers  §  38  gehören.  In  gleicher  Weise  ent- 
wickelte sich  rivum  zu  ril  in  Fotfez  (neben  Ho  fctc),  Blois  (da- 
neben hier  ra),  Malm6dy  (Lüttich  n,  Namur  n,  Ronöhi  f&a,  s. 
Grandgagnage  Dick  8.  v.  t%I.  Es  ist  interessant,  die  Formen 
dieses  Wortes  in  geographischen  Namen  zu  verfolgen.  Vgl. 
£rjs£e  Rechts,  Nouvette  giographit  universelle  II.  La  Ftaiice 
8.  982. 

37.    Über  den  Übergang  von  ß  zu  tct,  ia\  im  Provenzalitichän 
bitte  man  gern  etwas  mehr  erfahren,  namentlich  auch  Über  die 
Verlegung  des  Tons  von  i  anf  den  folgenden  Verbindnfigsvokal. 
In  einem  teil  des  Departement  Creuse  ist  diese  Accentverlegüng 
regelmässig  eingetreten,  worauf  dann  Veränderung  de*  %  in  halb- 
konsonantisches  i  eintrat.     8.  A.  Thomas,    Arth.    des   missions 
seimtif.  V*  8.  446  f.:  mais  alors  Vi  passant  au  son  yy  on  a  les 
fauste*  diphthongues  yey  ye...     Ex.  fyelä,  fyalo  (fÜare,  ftiat)  et 
ses  composes  st  derivts:  eifyUa,  enfyUa,  deifyelä,  pexto  fyeladoueiro 
(pierre  ä  a&ffuiset),  vyHage  (vittage)  etc.     Ferner  in  Ortsnamen: 
Vyalo,    Vyaloctoutei  n.  s.  w.     Auch   der  Einfluss   dös  Accentes 
anf  die  in  Frage  stehenden  Bildungen  bleibt  noch  näher  zu  unter 
suchen.     Meyer  gibt  „Colognac  vi$b  aber  vialdä,  demgegenüber 
ist  Creuse  fyalo  aber  fyllh  zu  beachten.     Mit  M.'ä  Bemerkung, 
daa*  Formen  mit  i&,  ial  statt  ü  seit  dem  XIV.  Jahrhundert  nicht 
selten  in  den  Teiton   erscheinen,  unter  Hinweis  auf  S.  Agnes, 
Albigensefkrieg  6tc,  vgl.   P.  Meyfer's  Angaben  in    Chans,   de  la 
Ort*.  II,  Introduction  CXI  i  -—  Nicht  ausschliesslich  auf  pro- 
ven*allsohem,    sondern    auch   ataf  ftUdostfraittÖBhchäta   (um   M.'s 
Bezeichnung  beizubehalten)  Gebiet  begegnet  heute  ie.  Gf.  Chabrand 
et   de   Etoohas   d'Aiglun  Fat.   des  Alpes  cottfcnnts    8.   131   vitro 
s.  f.  =  vüla:  dans  beaucoup  de  communes,  le  vülage  chef-lieu 
porte  le  nom  de  Viero.     Dass  hier  der  Übergang  von  l  in  r  älter 
sei  als  der  von  t  in  ie  — -  wie   das  M.  in  §  59  mit  Bezug  auf 
den  Wechsel  von  ü  und  üu  in  Briangon  annimmt:    „In  BrianQon 
wird  ül  Ober  Ur  zu  ihtta,  vgl.   dazu  meine  Bemerkung  —  ist 
nicht  wahrscheinlich,  da  vor  ursprünglichem  r  in  fenirt  venir  etc. 
für  t  kein  ie  eingetreten   ist.    —  —    In  Nordfrankreioh  ist  der 


72  0.  Behrens, 

Übergang  von  i  in  e  vor  ü,  l  für  einige  Distrikte  des  lothringi- 
schen Dialektgebietes  bemerkenswert.  Labourasse,  Glossair« 
abrigi  du  patois  de  la  Meuse,  bemerkt  darüber  8.  23  ^Lts 
finales  ille  non  mouillee  et  ile  st  prononeent  volontiers  eile 
dans  les  canton*  de  Fresne,  d' Etain,  de  DamviUers,  et  meme  vers 
Montfaucim  et  Clermont-en-Argonne:  utile,  velle,  püe,  pil«, 
AchUle,  Achelle,;  Watronvüle,  Wdtronvelle,  BannonvÜU, 
ffannonveile  etc.  etc. 

38.  Was  zum  Perig.  und  Baslim.  bemerkt  wird,  hätte  icb 
etwas  weiter  ausgeführt  zu  sehen  gewünscht.  Vgl.  Rev.  d.  L  r. 
II,  215  (Chananeau).  —  In  nontr.  vi,  ri,  abri  vermutet  Meyer 
alte  Singularakkusative:  ritt  zu  ri,  aber  rius  zu  rieus  ohne  zur 
Stütze  dieser  Auffassung  etwas  beizubringen.  ,  Ich  vermute,  dase 
nw#  zu  ris,  ri  geworden  ist  (vgl.  Rev.  d.  I.  r.  V,  193)  wie  «in 
(si  vos)  zu  sis,  si,  wahrend  riu  zu  rieu  sich  entwickelte.  — 
Beachte  auch  prov.  ntu,  woneben  bereits  in  der  von  Annitage 
veröffentlichten  Hb.  der  altprov.  Sermons  XXI,  25  neu  erscheint 
Heute  begegnen  nach  Mistral  Tresor  nenprov.  nibu  (lim.),  nü> 
(auv.),  nie'u  (Var)  etc.  neben  ni,  nis  etc.  Meyer  erwähnt  nprov. 
nieu  in  §  437  and  verweist  hier  auf  §  38.  Eine  weitere  Quelle 
des  prov.  tu  lernen  wir  bei  ihm  in  §  439  kennen  :  diu,  amiu 
u.  a.  w.  —  Für  das  FranzlisiBche  bringt  M.  wenig  reiches  Material. 
Durch  essisu  =  axilis  wird  ihm  ieu  aus  tu  für  das  Zentral  fran- 
zösische „gesichert"  und  darnach  pieus  =  pius  angenommen. 
Aus  der  Bretagne  wird  fiele  erwähnt  Durch  fieu  (filius)1)  wird 
derselbe  Vorgang  in  den  höheren  Thälern  des  französischen  Jura 
(Fourgs)  nachgewiesen.  Nicht  ganz  verständlich  ist  mir  die  nun 
folgende  Bemerkung  „woraus  eu  (Hl)  Besancon,  eau  (ot)  Morvan", 
Nach  De  Cbambure,  Qlossaire  s.  v.,  spricht  man  in  Morvan  fiau 
(d.  i.  fio).  Erst  auf  Grand  einer  eingehenden  Untersuchung  wird 
sich  über  die  Entstehung* weise  und  die  geographische  Verbreitung 
hier  einschlägiger  Bildungen  in  Nordfrankreich  Bestimmtes  aus- 
sagen lassen.  In  einem  franzischen  Texte  des  XIII.  Jahrhunderts 
begegnen  auch  perieus,  ostiex,  ostieuz,  wozu  man  Röhr,  Der 
Vokalismus  des  Frmväschen  im  XIII.  Jahrhundert  3.  13  und  30 
vergleiche. 

41.  Über  den  Lautwert  des  ram.  f  hätte  ich  eine  Be- 
merkung gewünscht 

42.  Beachte  auch  das  in  französischen  Texten  mehrfach 
nachgewiesene  fuis,  fuOz  (föius).  Vgl.  E.  Görlich,  Frz.  St.  V,  380 
und  Röhr,  l.  c.  8.  13.  30.  Dass  hier  der  anlautende  labiale 
Konsonant   die   Lantveränderung   beeinflusst  habe,   darf  freilich 


1)  Tiasot  bemerkt  Jie  (e  mi-muet)  ou  fieu". 


Bemerkungen  zur  Lautlehre.  73 

zunächst  wohl  ebenso  fraglich  erscheinen,  wie  dass  in  Caltanisetta 
to  ans  i  an  vorhergehendes  u  gebunden  ist.1) 

43.  e  für  t  hu  Wortauslaut  begegnet  noch  in  St.  Genis 
Les  Ollieres  (Lyonnais)  nach  Philipon's  Angaben  in  Cledat's 
Revue  II,  33  f.  —  Wenn  in  Intragna,  Losone,  Lavertezzo  jeder 
auslautende  Vokal  nasaliert  wird,  so  hätte  das  nicht  lediglich 
hier  unter  i,  sondern  entweder  unter  sämtlichen  übrigen  Vokalen 
gleichfalls  oder  in  §  389  ff.,  wo  von  den  Nasalvokalen  im  allge- 
meinen gehandelt  wird,  erwähnt  werden  sollen.  Auch  musste 
Verfasser  meines  Erachtens  den  Hergang  genauer  darstellen  als  er 
es  thut  oder  die  Leser  ausdrücklich  auf  Arch.  gl.  IX,  224  verweisen. 

44.  Wahrscheinlicher  als  M.'s  Vermutung,  ital.  elce  sei  nach 
feiet,  ßelce  gebildet,  erscheint  mir  diejenige  d'Ovidio's  (Grundriss 
I,  507),  wonach  bereits  im  Vulgarl.  -Uice  durch  sXllce  und  flttce  beein- 
flusst  wurde.  Neben  prov.  t/euse  sind  ehe,  euse  nicht  zu  übersehen. 
Die  Erklärung  des  franz.  yeuse  ist  schwierig,  dass  es  aus  dem 
Provenzalischen  stamme,  keineswegs  sicher.  —  Neben  ital.  carena, 
span.  carena  verzeichnet  Meyer  frz.  carine.  Weshalb  nicht  auch 
earene,  das  Littre  als  nfrz.  Form  des  Wortes  ausschliesslich  gibt? 
Im  XVI.  Jahrhundert  begegnen  nach  Thurot,  Pron.  1,  231  frz. 
carine  und  earene.  Im  Neuprov.  lautet  das  Wort  careno»  — 
Statt  „ital.  lemou  Hess  „ital.  lenzaa,  das  Meyer  in  Überein- 
stimmung mit  d'Ovidio,  Grundriss  I,  508  (im  Gegensatz  zu 
Gröber,  Arch.  f.  I.  Lex.  IV,  512)  meines  Erachtens  mit  Recht 
von  span.  lienza,  lienzo  nicht  trennt.  —  Mit  ital.  ghiro  und  lire 
in  Berry  vgl.  lim.  Uro,  Val  Soana  ghi.  Die  Erklärung  des  franz. 
loiry  bergam.  gier,  tessin.  gera  (Verzasca),  alb.  ger,  altfrz.  gleron, 
franz.  Urot  etc.  (vgl.  auch  Rolland,  Faune  pop.  I,  35  ff.)  ist 
schwierig.  Kaum  zulässig  dürfte  die  (von  M.  nicht  gemachte) 
Annahme  eines  vglat.  glir-  erscheinen,  dessen  X  nach  Meyer  §  350 
allenfalls  sich  erklären  lassen  würde  und  das  den  betonten  Vokal 
in  gttore  beeinflusst  hätte.  —  Zu  pg.  lesminha  war  auf  §  358  statt 
auf  §  558  hinzuweisen. 

47.  Hier  wird  u.  a.  ausgeführt,  dass  ü  zu  ü  geworden  ist 
„in  Frankreich  mit  Ausnahme  des  Wallonischen  und  des  oberen 
Wallis  (Val  d'Herens  und  Val  d'Anniviers)".  In  §  45  heißet  es 
„In  ganz  Frankreich,  in  Piemont,  Genua  und  in  Westrätien  wird 
u  zu  U.u  Der  Verfasser  vorliegender  Grammatik  weiss  sehr  wohl, 
dass  die  in  Frankreich  ansessigen  Katalanen  nicht  ü  sprechen, 
dass  das  obere  Wallis  und  das  wallonische  Sprachgebiet  nicht 
zu  Frankreich  gehören,  dass  im  Wallonischen  keineswegs  lat  ü 

*)  Bei  dduilu,  cvrruivu  (diese  Form  gibt  Schneegans,  Siz.  Dial. 
S.  41,  Meyer  curruiva),  duicu,  faeuissiru  Hesse  sich  wohl  auch  an  Assi- 
milation an  folgendes  u  denken. 


74  D.  Behrens, 

beute  auf  dem  ganzen  Gebiet  u  entspricht  (wag  übrigens  steh  in 
§  53  nicht  bemerkt  wird),  »bor  au»  dem  Wortlaut  seiner  Darstellung 
geht  es  nicht  hervor  und  Anfängern  namentlich  dürfte  durch  eine 
derartige  allzu  allgemein  gehaltene  Formulierung  der  Laotregeln 
der  Gebrauch  des  Buches  eher  erschwert  als  erleichtert  werden. 
48.  D»B8  altfre.  u  =  lat.  ü  im  allgemeinen  von  altfrs. 
v  =  ist.  o,  v  verachieden  gelautet  hat,  ist  unzweifelhaft  richtig, 
dass  es  den  „modernen  Wert  Uu  gehabt  habe,  davon  haben  mich 
Mever's  Ausführungen  nicht  eu  Überzeugen  vermocht.  —  Ana 
dem  Lauts  tan  d  hier  einschlägiger  Lehnwörter  im  Englischen 
schliesst  H.,  es  sei  „für  das  Normannische  des  XL  Jahrhundert! 
der  Lautwert  u  [deutsches  u]  ziemlich  gesichert",  nachdem  er 
vorher  mit  Rücksicht  auf  die  Lehnwörter  bemerkt  hat:  eine  sichere 
Entscheidung  lasse  sich  zwar  erst  geben,  wenn  der  Vokalismus 
der  betreffenden  englischen  Dialekte  historisch  dargestellt  Bei, 
vorläufig  dürfe  aber  die  Annahme  dem  Richtigen  am  nächste« 
sein,  das«  ein  Laut,  der  sich  teils  als  y,  teils  als  ei,  iu,  ii  weitet 
entwickelt,  nicht  ü,  sondern  geschlossenes  u  gewesen  sein  werde. 
Wer  dies  behauptet,  von  dem  dürfen  wir  den  Versuch  einer  Er- 
klärung dafür  erwarten,  dass  das  von  ihm  angenommene  u  sieh 
in  einem  grossen  Teile  Englands  nieht  wie  genuin  englisches  ■ 
und  wie  französisches  »  =  lat.  ö  ö  eu  au,  sondern  eben  eu  ei, 
tu,  iü  weiter  entwickelt  hat!  Ich  vermute,  das*  u  =  w  im  Alt- 
norm anmachen  von  u  =  lat  p,  u  ebenso  wie  auf  fast  dem  ge- 
samten übrigen  französischen  Sprachgebiet  verschieden  gelautet 
hat,  dass  es  aber  nicht  den  „modernen  Laut  üu  hatte,  sondern 
einen  Laut  bezeichnete ,  der  auf  dem  Wege  von  u  eu  U  lag. 
Dieser  Laut  stand  u  bereits  ferne  genng,  um  von  aitnormanuisohen 
Dichtem  in.  Reime  von  demselben  unterschieden  eu  werden, 
andererseits  noch  hinreichend  nahe,  um  dem  fremden  Ohr  in  den 
nördlichen  Distrikten  Englands  gans  oder  nahezu  als  m  au  er- 
klingen und  dann  als  u  reproduziert  zu  werden.1)  Hiermit  würde 
denn  auch  die  von  H.  entwickelte  Hypothese  überflüssig  werden, 
es  sei  der  neunormannisebe  «-Laut  später  „aus  dem  Osten  her 
eingeführt u,  und  dabei  der  Laut  von  den  aufnehmenden  Normannen 
nicht  genau  wiedergegeben  worden.8) 

K*l  Die  Annahme  einer  Rückbildung  des  noch  nicht  bil  ü  furt- 
chrittefien  Lautes  im  Munde  eines  Teile  dar  Engländer  und  der  zu 
rlandttn  werdenden  Normannen  wird  man  an  eich  nicht  unstatthaft 
finden.  Viel  schwerer  wird  e«  mir,  mit  Meyer  in  §  63  (vgl.  §  8*8}  anzu- 
nehmen, in  Loco,  Loso  und  dem  Misoierthal  (s.  Salvioni,  Areh.  gl.  IX, 
191,  104)  sei  Hin«  zurückgekehrt. 

*)  £ine  Veränderung  der  palatalen  Tenuie  vor  ü  wird  von  Meyer 
g  410  ausser  für  das  Normannische  (Bessin)  auch  für  das  Saintougeais 
nachgewiesen.    Vgl.  auch  A.  Thomas,  Arck.  des  «mm.  säent.  V,  S.  4SB. 


Bemerkungen  zur  Lautlehre.  76 

50.  Was  M.  über  die  Behandlung  des  gedeckten  ü  aus- 
führt, scheint  mir  nicht  frei  von  Widersprüchen  zu  sein.  M.  nimmt 
hier  in  undedm  ü  an,  das  in  gedeckter  Stellung  „in  Frankreich" 
in  v,  o  geworden  wäre.  In  §  147  dagegen  wird,  wenn  ich  recht 
▼erstehe,  ündecm  als  ältere  lateinische  Form  angesetzt,  aus  der 
fr*,  once,  span.  once  regelrecht  hervorgingen,  während  ital.  taufte* 
lieh  in  Anlehnung  an  uno  entwickelt  hätte.  Für  mail.  vundes 
hinwiederum  wird  in  §  52  u  im  lat.  Etymon  vorausgesetzt  Wenn 
in  §  50  mit  Bezug  auf  frz.  jonc  angenommen  wird,  dass  hier  ein 
lat  £  in  Frankreich  regelrecht  zu  u  geworden,  so  bleibt  unver- 
ständlich, weshalb  in  §  147  für  span.  junco  eine  Erklärung  noch 
vermisst  wird.  —  Zu  goüt  beachte  die  abweichende  Auffassung 
Gröber's,  Arch.  f.  lat.  Lex.  III,  443.  —  Dass  joste  altes  Erbwort 
ist,  bleibt  mir  trotz  M/s  Ausführungen  in  §  403,  auf  die  hätte 
hingewiesen  werden  sollen,  zweifelhaft  —  Dass  in  nprov.  Mund- 
arten auch  jilnc,  güet  u.  a.  mit  U  begegnen,  sei  erwähnt  Die 
ganze  Frage  nach  der  Behandlung  des  gedeckten  ü  in  Frank- 
reich, deren  Schwierigkeit  übrigens  M.  nicht  verkennt,  bedarf 
noch  sehr  gründlicher  Untersuchung. 

52.  Mit  lomb.,  piem.,  gen.  kürt,  algh.  kult  vgl«  noch  portug» 
curio.  In  Malesco1)  entspricht  chirt  (Arch.  gl.  IX,  252),  in  Val 
Soana  eürt  (ib.  III,  14).  —  Auf  die  Frage  nach  der  Chronologie 
des  Übergangs  von  u  zu  ü  im  Rätischen  kommt  M.  in  §  646 
zurück. 

55.  Wenn  bemerkt  wird,  dass  der  spontane  Obergang 
von  tf  zv  es  hauptsächlich  in  Burgund  und  in  der  Picardie  vor- 
zukommen scheine,  so  durfte  man  zur  Begründung  dieser  Ansicht, 
namentlich  was  die  Pikardie  betrifft,  etwas  mehr  erwarten  als 
was  Verf.  gibt  Die  aus  dem  Rouchi  und  „den  Antennen"  ge- 
gebenen Belege  gehören,  soweit  überhaupt  noch,  der  äussersten 
Peripherie  des  pikardischen  Gebietes  an.  In  Arras  herrscht  nach 
Meyer  heute  U.  Ich  finde  U  auch  in  Saint  -Omer2):  pü  (plus), 
arvenü,  aperchüt,  pardli  (daneben  eue  (t)  =  habutum),  in  Oambrai,2) 
Carvin  (Pas-de-Oalais).*)  Ebenso  ist  in  Busancy  (Departement 
des  Ardennes)  nach  einer  in  der  Reo.  des  pat.  g.-r.  II,  287  f. 
erschienenen  Sprachprobe  U  der  herrschende  Laut:  kesdü,  desädü, 
oyü,  vü,  pü  (plus),  padsii.  Wenn  Meyer  behauptet,  es  finde  sich 
„in  den  Ardennen"  «,  so  wäre  eine  genauere  geographische 
Angabe,  wo  ihm  dieser  Laut  begegnet  ist,  nicht  überflüssig  ge- 
wesen.    Ich   finde  venös ,  perdm  (dies  die  einzigen   von  M.  ge- 

*)  Malesco  liegt  auf  piemontesischem  Gebiet  im  Vigezzothal,  das 
sprachlich  zum  Tessin  gehört.  So  ist  es  auch  zu  verstehen,  wenn  M. 
§  54  »n  Malesco  in  Klammern  Tessin  setzt 

*)  Parab.  de  fenfant  prod.  ed.  Favre. 


76 

gebenen  Belege)  „«n  patois  Ardennoü,  entre  Neufchäteait  et 
Bouillon",1)  also  im  südöstlichen  Belgien,  in  einer  Gegend,  die 
man  gemeiniglich  nicht  zum  pikardiachen,  sondern  zum  wallonischen 
Sprachgebiet  rechnet  —  Für  den  Übergang  des  ü  ans  a  im  Alt 
pikardiachen  kann  der  eine  von  H.  erwähnte  Reim  nature :  meure 
;  honeure  Deease  d'Amour  10*  zunächst  nicht  viel  beweisen.  Viel 
skeptischer  zeigt  aich  M.  gegen  die  Beweiskraft  altfranzti siecher 
Reime  in  §  178.  —  Damit  der  deutsche  Leser,  durch  M.'b  Dar- 
stellung verleitet,  Anve  nicht  im  „bnrgundiscben  Teile  des 
Morvan"  suche,  sei  bemerkt,  dass  es  der  Name  einer  zum  Ranton 
Dommartin -sur-Yevre  gehörenden  Gemeinde  im  Arrondissement 
Sainte  -  Henehoold  (Champagne)  ist.  —  Anch  auf  ganz  anderem 
Gebiete  als  dem  von  H.  bezeichneten  begegnet  a.  Talbert,  Du 
dial.  blaisois,  bemerkt  S.  49:  „U  dann  le  dialeett  blaisoi*  tonne 
generalement  euuS)  und  gibt  Belege:  nateure,  mowreeure,  pequeure, 
bat,  veunqueu,  aperceu,  ttu(r),  meu(r),  o»queu(r).  Vgl.  ib.  8.  393 
kabiteud,  8.  326  meneute,  S.  325  lernt  (ad),  S.  331  pleume,  8.  215 
eune  n.  s.  w.  (also  nicht  ausschliesslich  in  den  Partizipien  oder 
vor  r,  wie  Darmesteter,  Romania  V,  403  Anmerk.  gestutzt  auf 
Talbert'B  8.  49  gegebene  Belege  annahm). 

57.  ß  (aus  ün)  dürfte  in  seiner  Entwickelung  zum  nfrz.  <$ 
im  XVI.  Jahrhundert  nicht  über  6}  hinausgekommen  Bein.  — 
Nfrz.  jeune  (jejuna)  hat  nach  M.  „den  Vokal  des  Maskulinums 
Übernommen' ',  Diese  Erklärung  scheint  mir  minder  gut  als  die 
Älteren  Darmesteter's,  Romania  V,  395  und  G.  Paris'  ib.  VIII,  96. 
Vgl.  Thurot,  Pron.  I,  513  Anm.  —  Dialektisch  frz.  es  statt  ü 
vor  n  ~( ■  Vokal  wird  von  Grammatikern  seit  dem  XVII.  Jahrhundert 
bezeugt.  8.  Thurot,  l.  c.  II  547  f.  H.  gibt  zwei  Belege  für 
lothr.  e  statt  ot  (ü)  in  dieser  Stellung:  en,  piem.  en  (una)  ist 
deshalb  kein  gut  gewähltes  Beispiel,  weil  dieses  Wort,  ebenso 
wie  das  zugehörige  Maskulinum,  auch  in  anderen  Mundarten 
(zum  Teil  jedenfalls  bedingt  durch  seine  syntaktische  Verwendung) 
vielfach  von  der  regulären  Entwickelung  abweicht.  So  gibt  Ls- 
lanne,  Otossaire  du  pat.  poit,  als  Artikel  [in  der  Orthographie  der 
Schriftsprache]  ann,  tnne  devant  une  royeüe,  als  Zahlwort  i,  ine; 
tarn,  ütne;  in,  inne;  einone  je  nach  den   Gegenden.     In  Baume- 

')  Parab.  de  Venfant  prodiguc  ed.  L.  Favre.  Vgl.  anch  Tarb£, 
Recherche*  S.  158  f.,  worin  ich  M.'b  Quelle  vermute,  wenngleich  die  «ich 
anschliessende  Bemerkung  „weiter  Östlich  etc."  sich  damit  nicht  recht 
vereinigen  leset. 

')  8.  50  findet  aich  folgende  weitere  Bemerkung,  die  auch  auf 
die  aus  ü  entstandenen  ce  Anwendung  findet'.  Not  paysans  prononcent 
eu  le  plus  fermi  pottiNe,  (Tun  aeeent  un  peu  trainant;  üs  dvent  une 
heitre,  une  fleur,  en  faüanl  sonner  cel  eu  ä  peu  frei  comme  eut 


Bemerkungen  zur  Lautlehre.  77 

Les-Dames  (Franche-Comte)  lautet  nach  0.  Martin,  L  c  8.  6  das 
Pronomen  ieunne  (unam),  der  Artikel  bei  vorhergehendem  Kon- 
sonanten enne,  sonst  ne.  M.  sagt  nicht,  wo  lothr.  en  vorkommt 
Als  allgemein  lothringische  Form  kann  es,  wie  ein  Blick  in  die 
vorhandenen  Dialektarbeiten  lehrt,  keineswegs  gelten.  Aus  Adam, 
Pat  lorr.,  seien  hier  noch  die  folgenden  lothringischen  Wörter 
mit  e  statt  cb,  ti  verzeichnet:  8.  343  lene  (Pierre -la-Trei che), 
8.  320  squeme  (Le  Tholy),  qubne  (Chatel).  In  weiterer  Ver- 
breitung ist  auf  dem  von  Adam  untersuchten  Gebiet  e  in  der 
tonlosen  Silbe  eingetreten:  8.  320  ehhquemeure  (La  Bresse), 
iquemrosse  (Räville),  squemrosse  (Rouges  -  Eaux) ,  8.  328  f ernte 
(Domgermain)  fenri  (Pierre -la-Treiche)  femeü  (Trampot)  ffanetl 
(Dombasle-devant-Darney)  etc.,  8.  338  jemonte  (Mazelay),  jemonte 
(Ortoncourt)  etc.,  8.  343  Um&re  (Haillainville)  etc.,  8.  358 
piemon  (Cirey)  u.  s.  w.  Zu  untersuchen  bleibt,  ob  etwa  das 
von  Meyer  verzeichnete  pyem  (wo  nachgewiesen?)  und  ebenso 
die  oben  angemerkten  lene,  squeme  (scuma)  erst  aus  endbetonten 
Wörtern  gleichen  Stammes  wie  piemon,  ehhquemeure  das  e  herüber- 
genommen  haben.  —  berc.  =  ?,  s.  oben  zu  §  33.  —  Vgl. 
Andrews,  Romania  XII,  358  dügen,  cumen,  carcen  in  Mentone 
neben  lüna,  cumilna  etc.  Hier  also  ein  weiteres  Gebiet,  auf  dem 
auslautender  und  inlautender  Nasal  verschieden  wirkten! 

58.  Für  den  „häufigen"  Eintritt  eines  i  stat  ü  vor  Labialen, 
in  Mundarten,  in  denen  sonst  ü  bleibt,  hätte  ich  mehr  Belege 
gewünscht  als  M.  gibt.  Zu  „nivolum  für  nubüau  vgl.  Ascoli 
Arck.  gl.  n,  440  und  Meyer  §  28.  Tessin.  tariifu  (wo  nachge- 
wiesen?) mag  aus  einer  Gegend  eingedrungen  sein  (s.  Meyer 
§  54),  in  der  i  allgemein  statt  ü  erscheint.  Beachte  noch  nprov. 
ime,  mars.  imo  (Mistral,  Tres.),  die  indessen  i  aus  der  unbetonten 
8ilbe  (imour,  imourous  etc.)  herübergenommen  haben  können.  — 
Geht  o  in  rmgl.  sobit,  lov  auf  vglt.  u  zurück?  Mussafia,  Dar- 
stellung 8.  43,  nimmt  u  als  Grundlage  an.  Ital.  lupo  (neben 
lova)y  subito  wird  man  mit  d'Ovidio  Orundriss  für  mots  sav.  zu 
halten  haben. 

59.  „Im  Wallonischen  wird  ur  zu  02:  dcer,  meer,  verdopr, 
mauqru.  Zur  Erklärung  des  letztgenannten  Wortes  heisst  es  in 
§  61  „aus  maur  entstand  mavor,  daraus  mawor:  dieses  o  konnte 
vor  r  nicht  mehr  zu  et  werden*.  Meyer  sagt  nicht,  wo  maugr 
im  Wallonischen  nachgewiesen  ist  Altenburg  Progr.  III,  11 
gibt  maweur,  Grandgagnage  Dictionnaire  und  Willmotte  Rev.  d. 
pat  g.-r.  I,  2261)  ebenfalls  maweur.     Mawyr  dagegen  verzeichnet 


l)  8.  ib.  8.  228  Näheres  über  die  Aussprache  des  ü  vor  r  und  n 
in  Lüttich. 


78 


.  Sthrm 


Horning  /.'.  Zs.  IX,  487  aus  der  Sprache  einer  Arbeiterfrau,  die 
in  Seraing,  wenige  Kilometer  südlich  von  LUtticb,  geboren  ist, 
aber  seit  einer  Reihe  von  Jahren  ihre  Heimat  verlassen  hat  und 
nach  Jägorthal  im  Unter-  Elsass  übersiedelte.  Dass  Meyer's  Er- 
klärung des  Wortes  die  richtige  ist,  bezweifle  ich.  Entgangen 
zu  sein  scheint  ihm  eine  Beobachtung  Aitenburg's,  der  Progr.  II,  1 
bemerkt:  „Eigentümlich  ist  noch  in  Verviera  (wenn  auch  nicht 
in  allen  Wörtern)  die  Lautsteigerung  der  Endung  eure,  welche 
last  wie  are  ertönt:  ehduseüre  (chaxsure)  wird  in  Verviera  cAässdre" 
und  III,  11  „In  Verv.-Dolhain  macht  sich  die  schon  erwähnte 
eigentümliche  Lautsteigerung  geltend:  chäxxeüre,  kofteüre,  deur, 
stur  etc.  klingen  hier  tchoss&r,  koftär,  dar,  8&r.a  Mit  ä  be- 
zeichnet Altenbnrg  (s.  Progr.  I,  13)  einen  Mittellaut  zwischen  a 
und  o,  also  6.  Ich  vermnte,  dass  die  Sprache  jener  Arbeiterfrau 
etwas  von  der  hier  erwähnten  dialektischen  Eigentümlichkeit,  die 
noch  eingehender  Untersuchung  bedarf,  reflektiert.  In  der 
Vulgärsp  räche  von  Namur  scheint  auch  vor  r  ü  die  Regel  zu  sein. 
8.  Chavee  L  c.  S.  381).  —  Was  Meyer  fllr  die  Aneicht,  es  habe 
sich  wallon.  «:  aus  u  direkt,  nicht  aus  U,  entwickelt,  geltend  murin , 
vermag  ich  nicht  fllr  durchschlagend  zu  halten.  Beachtenswert 
bleibt  auch,  was  Meyer  nicht  bemerkt,  dase  neben  betontem  et 
in  Lüttich  unbetontes  W  steht:  dürer  neben  je  deure,  jürer  neben 
ji  jeure,  mewirer  neben  ji  mesevre  etc.  (Altenburg  Progr.  II,  11).  — 
Über  dialektisch  franz.  <e  statt  ü  vor  r  im  XVI.  Jahrhundert 
vgl.  auch  Thurot  Prononc.  I,  445.  In  der  Schriftsprache  acheint 
diese  Aussprache  niemals  auch  nur  vorübergehend  zu  allgemeiner 
Anerkennung  gelangt  zu  sein.  Wenn  Jean  Lefevra  und  der 
Überarbeiter  seines  Diciionnaire,  Tabourot,s)  «  mit  «  reimen, 
so  durfte  das  aus  der  burgundiaehen  Herkunft  beider  sich  er- 
klären lassen.  —  Zur  Stütze  soiner  Annahme,  in  Briancon  werde 
lil  über  lir  zu  nur  hat  Meyer  nichts  beigebracht.  Ich  vermute, 
dass  iil  über  iiul  zu  üur  geworden  ist,  da  ib.  durum  dilr  (nicht 
düur),  obseurum  escür  (nicht  esetiur)  ergeben  hat  (s.  Chabrand 
und  de  Rochas  d'Aiglun  t.  c).     Im  Velay  wurden  murum,  purum 


')  Man  sagt  hier  sogar  bürre  (s.  Chave'e  8.  7),  wahrend  in  der 
Schriftsprache  beute  beurre  au  Rocht  besteht.  Letzteres  mag,  wie 
Meyer  annimmt,  eine  im  XVI,  Jahrhundert  eingedrungene  Dialektform 
sein.  Wie  erklären  »ich  normann.  birure  (Bessin,  Jorei)  und  bueurre 
(Bocage,  Virois,  CWdat'»  Reo.  II,  80)? 

')  Die  beiden  von  Meyer  vetieichneten  Auegaben  des  Lefövre'schen 
Diel,  wurden  von  Tabourot  besorgt.  Nach  Thurot,  Prononc.  1,  p.  XLI, 
ist  die  zweite  nicht  1588,  wie  Meyer  und  Darmeeteter  Romania  VI 
angeben,  sondern  1581  erichianen.  Eine  beachtenswerte  Charakteristik 
des  Buches  gibt  Thurot  /.  c.  Einleitung  p.  XLJI. 


Bemerkungen  zur  Lautlehre.  79 

m  mtilr,  piilr,  wenn  ich  Mistral's  miur,  piur  (s.  Tresor  s.  v. 
mur,  pur)  richtig  interpretiere. 

60.  Die  Angabe  „Milhau  1623"  bedurfte  eines  erklärenden 
Zusatzes.  Vgl.  zu  den  hier  behandelten  Wörtern  auch  Mistral 
Tresor  s.  v.  muelo,  cuou,  pieuoeUo,  rectda  und  Rolland  Faune  III, 
257.  IV,  268.  Die  lautliche  Entwicklung  von  1Ü  zu  iol,  iul 
dfrfte  sieh  über  ilel  vollzogen  haben,  indem  zunächst  zwischen  ff 
und  t  ein  Verbindungsvokal  sich  einstellte  (wie  zwischen  i  und 
1  in  den  von  Meyer  §  37  behandelten  Wörtern),  woraus  mit 
Assimilation  der  beiden  vokalischen  Elemente  Hol,  Hol,  Uul,  dann 
mit  Dissimilation  toi,  iul  hervorgingen.  Die  erste  hier  ange- 
nommene Stufe  üe  glaube  ich  noch  vorzufinden  in  mildo,  recUele 
rccligfe»  rseUsle  recUtlon,  woneben  die  endungsbetonten  Formen 
rseutsm,  reeläas  stehen  (s.  Mistral  Tres.  s.  v.).  —  Ist  es  richtig, 
daes  tessin.  niu  aus  nubüus  über  niivol  nüol  nüu  sich  ent- 
wickelte, während  piem.  nwul,  friaul.  niu  u.  a.  (nach  M.  §  58) 
auf  nwokim  für  nubüa  zurückgehen?  Dass  niu,  Mu  nur  auf  ganz 
beschränktem  und  nicht  ganz  demselben  Oebiet  innerhalb  des 
Kantons  Tessin  nachgewiesen  sind  (jenes  in  Menzonio,  dieses  in 
Cevio  und  Coglio,  s.  Ärch.  gl  IX,  204  Anm.  1  und  ib.  8.  213) 
wäre  anzugeben  nicht  überflüssig  gewesen.  —  „§  283  aUguaa 
ist  Druckfehler. 

61.  In  8t.  Genis-Les-OlliAres  (Lyonnais)  scheint  u  in 
seiner  Entwiokelung  zum  Teil  durch  die  Erhaltung  eines  nach- 
folgenden unbetonten  a  bedingt  zu  sein:  noua  (nudam)  aber  PI. 
ntie  (nudas),  vendoua  aber  vendües,  sänsaua  (sanguisugam)  aber 
sänsües  etc.  Of.  Philipoo  ClAdatfs  Rev.  II,  45*).  —  Wenn  ange- 
fahrt wird,  dass  in  wallon.,  metzischen  und  in  Vogesen- Mund- 
arten uta  zu  ©tu,  ü  wird  „nicht  nur  da,  wo  u  bleibt,  sondern 
sieh  in  den  tf- Gegenden",  so  darf  man  in  erster  Linie  Belege 
aus  eben  dieser  „tf- Gegend"  erwarten,  statt  solcher  aus  dem 
Wallon.  (Seraing?),  auf  deren  Mitteilung  sich  M.  beschränkt.  — 
Fourgs  rio  leitet  M.  aus  frz.  rue  her.  Auffällig  ist  ib.  auch 
dieu  3»  durum  (neben  dUr  =  dura,  molüre). 

62.  Davon,  dass  die  Reduktion  von  üi  zu  U  ausser  auf 
das  Anglonormannische  keineswegs  auf  die  Dialekte  Lothringens, 


J)  Philipon's  Angaben  sind  leider  nicht  unzweideutig.  Er  bemerkt, 
data  ü  bleibt  in  nudum  =  nu,  crudum  =  cm  etc.  Rev.  I,  261  gibt  er 
dagegen  als  Erklärung  der  von  ihm  angewandten  Transkription  an: 
.«  c'est  tu  fratuais"  und  ib.  „ou  est,  de  mime  qu'en  francais,  uue  fauste 
s$phthongueu ,  ü,  45  wird  daneben  ein  Zeichen  ü  (u  avec  sa  sonorite 
ceakjue)  eingeführt  und  bemerkt  lorsque  . . .  Vu  s'est  trouve  en  contact 
svss  m  a  posttomaue,  il  s'est  ilargi  en  au.  -~  Zu  -a,  -es  vgl.  Meyer 
§  S09. 


80  D.  Behrens, 

für  welche  die  von  M.  aus  Joufr.  und  Ysopet  herangezogenen  Be- 
lege übrigens  zweifelhaftes  Zeugnis  ablegen,  beschränkt  ist,  kann 
man  sich  durch  die  vorliegenden  Dialektarbeiten  leicht  über- 
zeugen. Auch  das  Wallonische  hat  U.  Cf.  Grandgagnage  /.  c. 
Iure,  für,  k'düre,  trüte,  Zö,  brüt;  Altenburg  Progr.  III,  9 ;  Horning 
Rom.  Zs.  IX,  487  f.,  Meyer  §  53;  für  Namur  Chavee  l.  c.  S.  39; 
ob  in  Mons  ü  aus  üi  regelmässig  sich  entwickelt  hat,  vermag 
ich  nicht  zu  sagen.  Weiter  begegnet  ü  in  Baume  -Les-Dames, 
8.  0.  Martin  8.  6;  in  den  Fourgs,  s.  Tissot  l.  c.  bru,  lu,  con- 
dure,  dettrure,  brure,  condutot,  patu,  woneben  frity  früot  und 
reUre  stehen.  Reine  Ausnahme  bildet  fouire  Fourgs  (s.  Frz.  St. 
III,  390).  —  Westfranzösischen  Mundarten  ist  ü  heute  nicht  fremd. 
Vgl.  z.  B.  Gillieron  Rev.  d.  pat.  g.-r.  I,  176.  Südlich  von  Paris 
werden  brüt,  frilt  bezeugt  für  Charost  (Berry)  von  Coudereau  he 
diaL  berrichon.  —  Die  Bedingungen,  unter  denen  t  statt  ili  er- 
scheint, bleiben  noch  näher  zu  untersuchen.  Das  von  M.  heran- 
gezogene neben  muid  auffällige  schriftfranzösische  tremie,  wo- 
neben die  Grammatiker  tremuye  und  tremee  bezeugen  (s.  Thurot, 
Prononc  I,  223)  dürfte  ursprünglich  dialektische  Nebenform  sein. 
Aus  den  Paiois  seien  notiert  Bessin  bri,  r'lire,  La  Hague  lire, 
condire,  acondire,  bri,  Val  de  Saire  bri,  condire,  prü,  frü  (Vienne, 
Deux-Sövres,  Vendee,  8.  Laianne  Qloss.  8.  XXVII)  neben  freut.  — 
üi  statt  üi,  das  Meyer  für  Possesse  (Champagne,  Canton  d'Heiltz- 
le-Maurupt,  arrondissement  de  Vitry-le-Francois;  vgl.  Tarbe  Rech. 
8.  122  ff.)  als  beachtenswert  in  den  Wörtern  suit,  lui,  brui  an- 
merkt, ist  mehrfach  auch  in  lothring.  Ortschaften  anzutreffen. 
Vgl.  Labourasse,  Olossaire  8. 18:  sotdte,  (trouUe),  condoidte.  Adam 
Pat  lorr.  verzeichnet  8.  76  lou  als  Vannes-le-Chatel,  Domgermain 
und  Toul  angehörig.  —  Über  den  von  M.  angemerkten  Unter- 
schied in  der  Aussprache  des  ui  in  zentralfranzös.  conduire,  huit 
einerseits  und  in  nuire,  luire  etc.  andererseits  hätten  wir  gern 
Näheres  erfahren. 

63.  Kürzung  vor  mehrfacher  Konsonanz  ist  doch 
nicht  eingetreten  in  Iujur.  mela  (mula),  lyena,  plemo  etc.! 
Mit  dem  gleichen  Recht  hätten  hier  etwa  auch  die  Belege  für 
e  statt  ü  in  Dissentis  (Meyer  §  54)  mitgeteilt  werden  können.  — 
Hervorzuheben  ist  plema  in  Jururieux  neben  sonstigem  (Meyer 
§  58)  „südostfrz."  pluma,  pyöme  etc. 

65.  Hier  wäre  ein  Hinweis  auf  §  361  angebracht  ge- 
wesen. Piem.  pi1)  wird  §  361,  wo  ein  Verweis  auf  §  65  nicht 
fehlen  sollte,  nochmals  aufgeführt.     Firn  im  Tessin  erklärt  sich 

*)  Auch  im  Friaul.  begegnet  pi,  s.  Ascoli  Ar  eh.  gl.  1,  101  Anm.? 
Vgl.  in  neuprov.  Mundarten  (Mars.,  rhod.)  pe,  das  Mistral  im  Tres. 
erwähnt. 


Bemerkungen  zur  Lautlehre.  81 

zum  Teil  nach  §  54  ohne  Schwierigkeit.  Da  wo  es,  wie  in 
Comologno  (Arch.  gl.  IX,  204  Anm.  1),  auf  einem  Gebiet  er- 
scheint, das  sonst  den  Übergang  von  betontem  U  in  *  nicht  kennt, 
Hast  sich  die  Frage  aufwerfen,  ob  es  unter  dem  Einfluss  abge- 
leiteter, endbetonter  Wörter  gleichen  Stammes  steht,  wie  es 
Wendriner,  Die  paduanische  Mundart  bei  Ruzante  S.  13,  mit 
Rücksicht  auf  hier  neben  fimesieggi  begegnendes  fime  vermutet  — 
Dass  sich  in  Haut-Maine  eil  anders  entwickelt  habe  als  U  bleibt 
mir  zweifelhaft.  Meyer  erwähnt  voe,  saer,  de  Montesson  im 
Voeab.  ausser  vas,  säur  (Einleitung  S.  26)  auch  deurer  neben 
durer,  creiateur,  aveigncu  neben  aveignu,  meuce  neben  muce. 
Zweifellos  richtig  ist  Meyer' 8  Annahme  für  La  Hague.  Sie  trifft 
wohl  auch  für  das  Patois  des  Bessin  zu,  über  das  M.  keine  An- 
gaben macht.  Vgl.  in  Joret's  Essai:  rrinu,  egu,  estatue,  tchuve 
(scupa),  dur,  chinture  etc.,  aber  beu  (bibutum),  deu,  veu,  eu,  meur, 
seurf  seü)  u.  a.  Oüu  in  La  Hague  entspricht  im  Bessin  ausnahmsweise 
gleu.  Lat.  cicuta  lautet  in  La  Hague  und  im  Bessin  überein- 
stimmend chue,  nicht  cheue.  Hier  wird  die  abweichende  Ent- 
wicklung durch  die  anlautende  Konsonanz  bedingt  sein.  Ich 
yermisse  bei  M.  eine  Bemerkung  über  schriftfranz.  heur  etc.  und 
iber  die  Angaben  der  Grammatiker  des  XVI.  Jahrhunderts.  Vgl. 
Darmesteter,  Romania  V,  394  und  Thurot,  Pron.  II,  513  ff. 

66.  Angemerkt  sei  hier  eine  Angabe  Leroux'  Marche  du 
patois  etc.,  wonach  in  einigen  Ortschaften  an  dem  unteren  Lauf 
der  Vilaine  auslautendes  -ü  zu  <b,  -üe  zu  asi  (L.  schreibt  euil) 
wird:  on  donne  a  Vu  une  sorte  de  disinance  qui  ressemble  assez 
au  son  euil,  quand  ü  est  suivi  ä*un  e  sans  accent,  et  au  son 
eu,  quand  ü  nest  suivi  cfaucune  autre  lettre.  Ex.:  je  V ai  vu> 
une  bonne  vue,  que  ton  prononceje  Vai  veü,  une  bonne  veuil.  — 
Von  den  aus  dem  Romagnolischen  gegebenen  Wörtern  war  das 
zweite  von  Meyer  in  Übereinstimmung  mit  den  beiden  anderen 
als  sq  wiederzugeben,  wenn  nicht  (mit  einem  erklärenden  Zusatz) 
Mussafia's  Transkription  in  allen  dreien  beibehalten  werden 
sollte.  —  In  Poschiavo  werden  plazu,  nud  etc.  nicht  mit  u  (auch 
nicht  mit  ce  wie  im  Badiotischen),  sondern  (s.  Ascoli  Arch.  gl. 
1,  283  und  ib.  S.  XL1II.)  mit  einem  Laut,  der  zwischen  u  und  ü 
liegt,  gesprochen.  Es  ist  ungenau,  wenn  M.  diesen  Laut  mit  u 
und  inkonsequent,  wenn  er  ihn  in  vindu  (oder  ist  das  Wort  bei 
Ascoli  verdruckt?)  das  eine  Mal  mit  u,  das  andere  Mal  mit  t 
wiedergibt 

67.  Die  reguläre  Entwickelung  des  lat.  acucula  läset  sich 
ausser  im  Altfranzösischen  in  franz.  Patois  nachweisen:  igüle 
Bessin  (l  wird  hier  im  Auslaut  der  Tonsilbe  regelmässig  zu  l), 
agüte  Pat.   du   Centre  etc.     Mussafia   erwähnt  Romania   II,   479 

Ztcfar.  f.  frx.  Spr.  a.  Litt.    XII».  6 


D.  Behrens, 

am.)  neupik.  agouille,  dem  sich  aus  neulothr.  Mundarten  (8. 
iam  L  c.  S.  295  f.)  analoge  Bildungen  zur  Seite  stellen  lassen.  — 
1  frz.  lourd  liegt  doch  nicht  „u  statt  oa  vor! 

70.  8.  88  ist  zu  virgo  auf  §  44  statt  auf  §  67  zu  ver- 
weisen. —  8.  89  ist  wohl  statt  „poit.  Ariege  besku  zu  lesen 
„port.  Ariege  beskuy  wie  in  der  französischen  Übersetzung  steht. 
Als  gase,  wird  bei  angegeben,  woneben  bic  in  Bayonne  und  bisc 
in  Orthez1)  zu  beachten  sind.  Auch  sonst  begegnen  Formen  mit  i 
in  weiterer  Verbreitung  als  M's  Darstellung  erkennen  lässt.  — 
Dass  franz.  dit,  span.  dicho  neben  ital.  detto  etc.  „Neubildungen" 
sind,  vermag  ich  nicht  für  ausgemacht  zu  halten.  Beachte  auch 
mdtl.  ital.  (genues.  venez.  etc.)  dato.  Wallon.  deit  (wo  nachge- 
wiesen?) weist  wohl  vielmehr  auf  dictum  (s.  Wilmotte  Romania 
XVII,  558,  Meyer  §  34)  als  auf  dictum.  Letzteres  hatte  in 
Ltittich  und  ßeraing  heute  dat  (s.  Meyer  §  76,  Grandgagnage 
Dict  str<Bty  adrett  etc.)  in  Mons  du  (mit  deutschem  u)  ergeben. 
Auf  X  dagegen  weist  a  in  Fourgs  da  (dictum)  neben  da  (digitum), 
Hra,  fra  etc. 

71.  Nach  Meyer  ist  in  Nizza  vglt  c  zu  et  diphthongiert 
worden.  Aus  Sardou  und  Calvino's  Orammaire  de  Vidiome  nicoü 
notierte  ich  mir  neu  (nivem)  8.  91,  perqut  8.  12,  8 et  (sitim) 
8.  106,  tre(s)  8.  36,  mes  (meutern)  8.  38,  autrifis,  ve  (vidit) 
8.  79,  recevre  8.  78,  biure  (bibere)  8.  76,  avi  (habere)  8.  51, 
valiy  vouliy  poudi,  serä  8.  38,  pena  8.  96,  (regem  da- 
gegen wurde  rei,  credere  creire).  Ist  nun  hier  überall  ei  zu  e 
zurttckgekehrt? 

72.  Schriftfranzösisches  e  in  monnaü,  taie  etc.  neben  ue 
in  soie,  voie  etc.  sind  schwer  zu  erklären.  M.  teilt  die  Ansicht 
derjenigen,  welche  annehmen,  unter  noch  nicht  klargestellten  Be- 
dingungen sei  u£  zu  e  geworden,  also  eine  Reduktion  des  Diph- 
thongen auf  seinen  zweiten  betonten  Bestandteil  eingetreten. 
Bleibt  nicht  auch  die  Annahme  zu  erwägen,  wonach  auf  dem 
Boden  der  auf  der  Grenze  des  westfranzösischen  H  (Meyer  §  74) 
und  des  östlichen  ot-Gebietes  gelegenen  Hauptstadt  e  neben  ue 
(nicht  Aber  ue)  aus  vglt.  e  durch  die  Zwischenstufen  et,  &  sich 
entwickelte,  so  dass  in  schriftfranzösischem  monnaie,  taie  etc. 
neben  eoie,  voie  etc.  Dialektmischung  zu  sehen  wäre?  Welche 
Bildung  im  einzelnen  Falle  als  schriftgemäss  anerkannt  wurde, 
dafllr  werden  „die  willkürliche  Mode  des  Hofes",  die  Sprech- 
weise einflusBreicher  Schriftsteller,  die  Vorschriften  der  Grammatiker 
verantwortlich  zu  machen  sein.  —  Zu  anderen  Ausführungen 
M's  in  diesem  Paragraphen  finde  ich  wenig  zu  bemerken.     Das* 


l)  8.  Lespy  et  Raymond  Dict.  Marnais  s.  v.  besc. 


Bemerkungen  zur  Lautlehre.  83 

Rnteboeuf  oi  und  ai  (e)  im  Reime  auseinander  halte,  trifft  nicht 
völlig  zu.  Vgl.  L.  Jordan,  Metrik  und  Sprache  Rutebeufs  S.  51. 
Für  die  Ausspräche  oa  lässt  sich  wohl  bereits  das  Zeugnis  Pals- 
graye's  anführen  (s.  Thurot  Fron.  I,  356  Anm.) 

74.  Meyer  bemerkt  über  den  heutigen  Lautbestand  der 
Mundart  von  La  Hague,  dass  altes  ei  erhalten  bleibt:  „me**, 
krejre,  me%,  oejrc,  peivre,  pejß,  frei  neben  fe  und  dem  auffälligen 
seu  (titis)a.  Ausser  fe  und  seu  begegnen  aber  hier  nach  Fleury 
Essay  auch  dl,  frl%  &nSt,  rU,  s4  (serum),  woneben  freilich  de% 
frei,  na  an  anderen  Stellen  der  Schrift  angegeben  werden.  Die 
Frage  bedarf  noch  eingehender  Untersuchung.  Fleury's  Angaben 
(vgl.  über  dieselben  auch  Joret,  Romania  XVI,  139)  erscheinen 
mir  in  diesem  Falle  zu  unbestimmt,  als  dass  sich* auf  Grund 
derselben  eine  so  bestimmte  Behauptung  wie  diejenige  M's 
formulieren  Hesse.  —  Wenn  M.  seu  in  La  Hague  als  auffällig 
anmerkt,  so  sollte  er  einige  Zeilen  vorher  nicht  unerwähnt  lassen, 
dass  st  nicht  die  in  Montjean  übliche  Form  ist  Vgl.  Dottin, 
Reo.  des  pat.  g.-r.  I,  172:  ü  m'est  arrivi  une  fois  ctentendre  dire: 
f  n'i  pwl  siy  mais  on  prononce  ordinairement  sA1).  Zu  be- 
achten ist  ferner,  dass  in  Montjean  (Montejan  ist  Druckfehler, 
desgleichen  He  et  Vilaine  und  in  §  73  Cambrais;  in  der  franz. 
Übersetzung  wurden  dieselben  beseitigt)  neben  ve  (videre),  &i 
(cadere),  kraer  (credere)9  päer  (pira),  bah*  (fiibere)  mit  betontem 
ersten  Element  stehen. 

76.  Fäivra  und  fä  als  Belege  für  den  Übergang  von 
vglt  e  in  äiy  ä  bedurften  zum  mindesten  eines  erklärenden  Zu- 
satzes, da  jenes  auf  /?ora,  dieses  auf  föl  zurückgeht  (vgl. 
Meyer  §  151).  In  derselben  Mundart  ergeben  leporem  läivra, 
Vboai  läive,  mit  mä,  so  dass  es  zweifelhaft  erscheinen  darf,  ob 
sieh,  wie  Meyer  annimmt,  in  cräyo,  päüo  (nicht  päizo),  täüo  etc. 
der  auB  lat  e  hervorgegangene  Laut  in  seiner  „ältesten  Form" 
erhalten  habe  oder  ob  ihm  $  voranging.  —  Dass  Rive-de-Gier 
im  Lyonnais,  nahe  dem  rechten  Rhone -Ufer  liegt,  hätte  zur 
Orientierung  des  deutschen  Lesers  angegeben  werden  können.2)  — 


*)  Die  Form  sce  statt  se  gibt  der  Vermutung  einigen  Raum,  dass 
ihr  älteres  soef  vorangegangen,  dessen  ce  unter  dem  Einfluss  des  folgen- 
den Labials  aus  e  sich  entwickelt  hätte,  vgl.  M.  §  72  zu  seuf  im  Mist, 
de  la  Pass.  und  noch  Joret  Pat.  du  Bessin  S.  184  tieuvre  (Lison),  8.  97 
feuve.  Ähnlich  auffällig  wie  sce  in  La  Hague  ist,  obwohl  hier  nicht 
lat.  i  zu  Grunde  liegt,  bce  (daneben  biet,  das  Meyer  §  557  als  neunorm, 
erwähnt)  im  Bensin,  welches  dem  von  Littre*  als  schriftfranzös.  ver- 
zeichneten bief  entspricht. 

*)  Ebenso  dürfte  S.  96,  wo  von  lothringischen  Mundarten  die 
Rede  ist,  zu  Cugy  und  Haute -Broye  der  Zusatz  (Freiburg)  vielen  will- 
kommen gewesen  sein. 

6* 


84  D.  Behrens, 

M.  sagt  „Weit  gewöhnlicher  ist  ai  in  Savoyen  zum  Teilu  leider 
ohne  Angabe  seiner  Quelle  und  ohne  jede  nähere  Andeutung 
über  die  Lage  dieses  ai- Gebietes.  S.  cJO  erfahren  wir,  dass  *>i 
begegnet  „in  Savoyen  z.  B.  in  Bonneville  (Faucigny):  re/,  avei, 
recevei  (doch  auch  povai),  doch  scheint  das  vereinzelt  zu  sein." 
Nicht  unbemerkt  hätte  bleiben  sollen,  dass  auch  im  savoy. 
Patois  von  Albertville  ai  bedingungsweise  zu  a  reduziert  wurde, 
8.  Brächet  Dictum,  frä  (frigidum),  savä,  pä,  avä,  da  (digitum), 
mä  (mensem),  sä  (sitim),  tä  (tectum)  neben  bere  (bibere),  pdze 
(picem). 

77.  Wenn  die  Vermutung,  ei  sei  über  das  ganze  rätische 
Gebiet  verbreitet  gewesen,  das  Richtige  trifft,  so  wird  die  gegen 
Ende  des  Paragraphen  ausgesprochene  Behauptung  „die  gewöhn* 
liehe  Weiterentwickelung  von  ei  sei  die  zu  aia  sich  schwer  auf- 
recht erhalten  lassen.  —  Zu  rät.  seht,  stegla  etc.  hätte  ausser 
auf  §  32  auf  §  54  verwiesen  werden  können,  wo  erwähnt  wird, 
dass  auch  i  aus  ü  mundartlich  über  e  zu  ei  etc.  sich  ent- 
wickelt hat. 

80.  Dass  im  ital.  vischio  Umlaut  durch  Hiatus-»  vorliege, 
bleibt  mir  zweifelhaft.  Vgl.  nprov.  (rhod.)  viscU  und  meine  Be- 
merkung zu  §  70.  Auch  span.  jibia,  limpio  etc.  sind  nicht  völlig 
klar,  solange  domingo,  hisca,  obispo,  mismo,  marisma  nicht  erklärt 
sind.  Baist's  Annahme,  in  den  zuletzt  genannten  Wörtern  habe  s 
auf  den  vorangehenden  Vokal  gewirkt,  weist  M.  selbst  (§  116) 
zurück  mit  Hinweis  auf  aquesto,  maestro  u.  a.  Zu  prov.  vendimia 
seien  vendemia,  vindemia  angemerkt,  die  Raynouard  aus  dem  Alt- 
provenzalischen  ausschliesslich  nachweist.  [In  §  505  lässt  M. 
unter  vglt.  vendemia  den  Platz  für  das  Provenzalische  frei.]  Die 
Ansicht,  dass  das  in  einem  Teil  des  gascognischen  Dialektgebietes 
nachgewiesene  dibi  (debeo)  sein  t  im  Stamme  dem  Einfluss  des 
nachfolgenden  Hiatus-t  verdanke,  bedarf  jedenfalls  noch  näherer 
Begründung.  Mistral  s.  v.  deute  verzeichnet  als  gase.  Formen 
des  Indik.  Präs.  dibi  ou  dihii,  dibes,  dieu  ou  diout  (quere),  diben7 
dibtis,  dibon  ou  dibou  ou  diben.  Vgl.  damit  das  Präs.  Ind.  von 
veire  in  der  Mundart  von  Marseille:  vieu,  vies,  vis  (auch  ves), 
trian,  vias,  vien.  Vermutlich  gibt  Meyer  über  diese  Bildungen  in 
der  Formenlehre  nähere  Auskunft;  weshalb  ich  es  unterlasse, 
auf  dieselben  hier  einzugehen. 

84.  Lyon,  litüle  (letüet)  kann  nicht  wohl  mit  zum  Beweis 
dafür  herangezogen  werden,  dass  vor  l  e  zu  t  geworden  ist,  da 
dieses  Wort  anf  romanischem  Gebiet  in  weiter  Verbreitung  Suffix- 
vertauschung  zeigt.  Für  frz.  lentille  nimmt  es  M.  selbst  in  §  116 
an.  Beachte  ferner  altprov.  lentilha,  nprov.  lentiho,  dentäho  (gase), 
nentUho   (Hrn.,  d.),    entilho   (rouerg.)  etc.,    portug.   lentilha y    cat 


Bemerkungen  zur  Lautlehre.  85 

UenUOa.  Vgl.  zum  Lyon,  auch  Philipon  (C16dat's  Revue  II,  36), 
der  für  Saint- Gen  is  soll  (soliculum),  arte,  parbr  (pariculum) 
neben  avfPi,  pariPi  etc.  angibt  Provenzalischen  Mundarten 
scheint  u  flfr  tl  nicht  unbekannt  zu  sein.  80  sagt  man  in  Aix 
abülo;  lis  Abxho  ist  der  Name  eines  Ortes  in  der  Nähe  vg 
Carpentras  (Vaucluse);  vgl.  ferner  Mistral,  Tres.  8.  v.  courniho, 
bouüho  etc.  —  Frz.  mü  ist  nach  Meyer  erst  aus  dem  endungs- 
betonten malet  gebildet,  tiüe  von  tilleid  und  Hrüle  von  itriUer 
beeinflusst.  Alles  das  ist  sehr  fraglich.  In  altpik.  orale  hat 
nach  Meyer  u  aus  ei  sich  entwickelt.  Weshalb  wird  nicht  auch 
hier  Einfluss  endungsbetonter  Wörter  gleichen  Stammes  ange- 
nommen! Heute  sagt  man  z.  B.  im  Patois  du  Centre  nach 
Jaubert  oreille  aber  orillier  und  desoriller.  Es  entgeht  mir  nicht, 
das  orüle  alt  ist  im  Französischen.  Ob  es  Roland  1918  in  den 
Text  zu  setzen  ist,  bleibt  fraglich.  Aber  in  einer  Anmerkung 
zu  dieser  Stelle  weist  es  Müller  zweimal  aus  Q.  L.  nach.  Beachte 
auch  parüle  (neben  pareuä)  im  Patois  von  Blois,  das  Talbert, 
l  c  8.  324,  (325),  333  erwähnt.  Ebenda  kommt,  was  Meyer 
auch  in  §  89  nicht  angemerkt  hat,  tigne  (Talbert  8.  87)  vor. 
Ob  hier  ein  endungsbetontes  Wort  gleichen  Stammes  (tigneux  etc.) 
eingewirkt  hat,  lässt  sich  vielleicht  durch  eine  eingehende  Unter- 
suchung entscheiden.  Vgl.  noch  Thurot,  Pron.  I,  349  f.  — 
Fraglich  bleibt  es,  ob  da,  wo  nachtoniges  t  auf  den  Tonvokal 
thatsächlich  eingewirkt  hat,  älteres  f  über  vglat  e  zu  t  zurück- 
gekehrt ist,  oder  in  Folge  eben  dieses  Einflusses  als  %  erhalten 
blieb,  ob  z.  B.  ital.  famiglia,  ciglia  ein  vglt.  fameglia,  ceglia 
voranging  (s.  Mussafia,  Zeitschr.  f.  d.  Eealschulw.  XIV,  80).  Ich 
vermisse  eine  Bemerkung  über  die  Entwickelung  der  ital.  Dia- 
lekte, die  hier  um  so  mehr  am  Platze  gewesen  wäre,  als  letztere 
in  §  95,  wo  von  einer  ähnlichen  Erscheinung  gehandelt  wird, 
Berücksichtigung  finden. 

85.  a  statt  e  vor  l  begegnet  auf  rätischem  Gebiet  nicht 
ausschliesslich  im  Oberengadin.  Gärtner  weist  §  200  urälya 
(auricula)  von  Samaden  bis  Schieins  nach.  Vgl.  Arch.  gl.  I, 
234,  246. 

86.  Noch  näherer  Untersuchung  bedarf  die  Entwickelung 
des  vulgärlt  et  in  ostfranzös.  Mundarten.  Meyer  zitiert  merveüle 
(:tonaüle)  u.  b.  w.  aus  der  Ouerre  de  Metz  und  bemerkt  dazu 
Td  ist  wie  sonst  gedecktes  e  in  dieser  Gegend  zu  a  geworden. a 
In  §  112  erfahren  wir,  dass  unter  „dieser  Gegend a  die  Um- 
gegend   von    Metz    und    zum    Teil    die    Distrikte    am    östlichen 

*)  Vgl.  A.  Rambeau,  Über  die  als  echt  nachweisbaren  Assonanzen 
des  Oxforder  Textes  der  Chanson  de  Roland.    Halle  1878,  S.  179. 


b.   Behrens, 


Vogesenabhang  zu  versteh eD  sind.  Es  sei  darauf  hingewiesei 
daas  heute  auch  im  Departement  Meuse  (s.  Labouraase,  /.  < 
boutai'e  neben  boutoie.  oraie.  neben  oroie.  i'di'e  neben  vo'Ce.  vor 
kommen.  Auf  die  Frage,  wie  weit  es  sich  in  jedem  einzelne 
Falle  um  dialektische  Souderentwickelung  oder  um  Einfluss  der 
Schriftsprache  bandelt,  lässt  sich  heute  eine  befriedigende  Ant- 
wort noch  nicht  geben.  —  Aus  dem  Wallonischen  erwähnt  Meyer 
nnr  Beraing  orey,  botey,  woneben  artoilt  iu  Mons  zu  beachten 
ist.  Von  Meyer  nicht  erwähntes  »olo  in  Scraiug,  Huy  und  LUttich 
harrt  noch  einer  zuverlässigeu  Deutung.  In  Mona  entspricht 
solau  nach  Sigart,  der  im  Glonxaire  8.  322  altfranz.  solaux  »otau 
vergleicht,  Cfr.  Horning,  ft.  Zs.  XII,  258.  In  den  Fourgs 
iTiBsot,'i.  c,  8.  205)  lautet  das  Wort  seltil.  Sehr  auffällig  ist 
boutoiU  in  Haut-Maine,  filr  das  ich  keine  andere  Erklärung  linde, 
als  das«  es  ans  einem  östlichen  Dialekte  hierher  verschlagen 
wurde. 

89.  Ebenso  wie  snains  und  mointi  schwankten  im  XVI.  Jahr- 
hundert und  später  iu  der  Schriftsprache  fain  und  fein,  avaine 
und  anoine.  Wenn  Meyer  die  Möglichkeit  zugibt,  dass  in  moint 
das  Schwankon  zwischen  y;  und  e  mit  dum  von  «j  und  e  in 
Wortern  wie  froid,  croire  zusammenhängt,  so  ist  nicht  einzusehen, 
weshalb  diese  Möglichkeit  nicht  auch  für  foin  und  avoine  zu- 
gegeben werden  sollte.  Röhr  findet  l.  c,  S.  37  in  francischeu 
Texten  des  Xlll.  Jahrhunderts  auch  poine  neben  peine,  paine. 
Dass  es  sich  hier  fiberall  um  Dialektmischuug  handelt,  erscheint 
mir  weniger  fraglich,  als  wo  die  Westgrenze-  des  ursprünglichen 
Lab.  -|-  oitt- Gebietes  anzunehmen  ist.  Vgl.  noch  M.  Auler,  Jier 
Dialekt  der  I'ravi-nzen  Orlianais  und  PeTche  im  18.  Jahrhundert, 
8.  62  f.,  ferner  pouine  Bessin  und  das  von  Laianne,  Olostairt, 
S.  XXVI  als  poitev.  neben  p&ine  (Vend.  Sab.  Chaum.)  verzeichnete 
poine1)  (D.  —  8.  —  V.  —  Vend.).  —  Dass  franz.  cintrer  aus 
dneturart  komme  ist  keineswegs  sicher.  Vgl.  zu  dem  Worte 
jetzt  auch  Toblcr,  SiUtmgaberiehte  der  preiisn.  AJcad.  d.  Wis».  1889, 
S.  1097.  —  Hier  in  §  89,  wo  vom  ZentralfranzÖsischen  ge- 
handelt wird,  erwartet  man  nicht  die  Bemerkung,  dass  in  den 
Fourge  tingere  tiondre,  extingere  detiandre  entspricht.  Beachte, 
dass  ebenda  quindeam  zu  quiance  und  viginti  zu  viant  (aber 
triginta  zu  Irentot.  in  Tissot's  Orthographie  geworden  ist. 

90.  Es    wird    ausgeführt,    dass    im    Normannischen 
PikardiBchen    „durchaus"    o    vor    Nasal    erscheint    in    t 
samble,  tramble,  example  und  mit  Rücksicht  hierauf'  die  Vermutu 
geäussert,    es    habe    m    anders  gewirkt  als  n.     Dazu  ist  i 


1  In  g  10T  erwähnt  Meyer  puw  8.  Maütent. 


Bemerkungen  zur  Lautlehre.  87 

■erken,  dass  example  ursprünglich  wohl  der  Gelehrtensprache 
angehört  und  dass  (s.  Meyer  §  528)  neben  esame  auch  Sterne, 
neben  «an/  auch  send  (simulare)  noch  heute  sich  nachweisen 
lassen.  Wenn  bereits  in  altpikardischen  Texten  ensanle,  trank, 
tanler  häufig  erscheinen,  so  möchte  ich  darin  zentralfranzösischen 
Einfluss  deshalb  vermuten,  weil  daneben  nicht  selten  auch  die 
allem  Anscheine  nach  nicht  pikardischen  Bildungen  mit  Stütz -6 
auftauchen.  Cfr.  H.  Haase,  Das  Verhalten  der  pik.  und  waüon. 
Denkmäler  etc.  8.  12  ensamble,  assambler,  S.  18  asambler, 
tambler ,  8.  24  samblablement,  8.  26  ensamble  etc.  —  Mit  der 
Vermutung,  fame  sei  an  dorne  angebildet  worden,  durfte  Meyer 
das  Richtige  getroffen  haben.  Hinzugefügt  werden  konnte,  dass 
nicht  nur  in  westfranzösischen  Mundarten,  sondern  auch  im  Alt- 
pikardischen fame :  dame  (s.  Haase,  l.  c,  8.  34)  begegnet  Auf* 
fallig  ist  fomme  in  llle-et-Vilaine  (s.  Orain,  Glossaire),  das  durch 
komme  beeinflusst  sein  kann.  Übrigens  weicht  das  Wort  auch 
sonst  mehrfach  ab.  Meyer  erwähnt  im  §  107  piem.,  lomb.,  tirol. 
fomna.  Im  pat  blaisois  (Talbert,  l.  c.,  8.  5)  begegnen  filme 
feume  neben  fan-me}  in  Saint-Genis  (Lyonnais)  filme,  das  nach 
Philipon  (C16dafs  Revue  II,  33)  sein  ü  der  folgenden1)  Labialis 
verdankt.     Vgl.  noch  Thurot,  Pron.  II,  454  f. 

91.  Für  die  höchst  interessante  Erscheinung,  dass  in 
mehreren  Distrikten  des  ostfranzösischen  Sprachgebietes  e  vor 
gedecktem  Nasal  zu  o  geworden  ist,  ohne  in  der  Entwickelung 
mit  a  in  gleicher  Stellung  zusammen  zu  treffen,  gibt  Meyer  eine 
von  derjenigen  Horning's  abweichende  Erklärung,  die  alle  Be- 
achtung verdient  Nach  ihm  wurde  unabhängig  von  der  Be- 
schaffenheit der  vorhergehenden  Konsonanz  £  über  d,  a,  a  zu  o. 
Liesse  sich  nicht  auch  durchkommen  mit  der  Annahme,  £  sei 
frühzeitig  zu  e  geworden,  das  dann  in  denjenigen  Distrikten,  in 
denen  unter  bestimmten  Bedingungen  frühzeitig  diese  Denasa- 
lierung  eingetreten,  mit  älterem  e  in  Übereinstimmung  mit  den 
von  Meyer  in  §  112  behandelten  Wörtern  sich  weiter  entwickelt 
hätte?  —  Im  Metzischen  stehen  fom  (femina),  som  (semino) 
vereinzelt  neben  vä,  vätr'  u.  8.  w.  Ebenso  erscheinen  im  Morvan 
(nach  De  Chambure's  Angaben  im  Glossaire)  somer  soumer  und 
fonne  foune  neben  temps  (d.  i.  tä),  vent,  vente,  vendre,  sarment, 
sarpent,  fenre  u.  a.,  in  der  Umgegend  von  Montbeliard  und 
Baume-les-Dames  (Horning,  L  c,  8.  546)  fgn  neben  sonstigen 
on-Formen.    Der  Übergang  von  e  zu  5  „im  Westen u  dürfte  sich 


!)  Weshalb  nicht  auch  der  vorhergehenden?  Vielleicht  ist  ü 
hier  erst  aus  endungsbetonten  Wörtern  wie  fumela,  fumeüairo,  fumeÜi, 
die  Puitspelu  im  Dict.  e'tytn.  du  paiois  lyonnais  verzeichnet,  eingedrungen. 


BS  D.  Behrens, 

nicht  mit  der  Veränderung  des  e  in  o  auf  oetfranzösiBchem 
Sprachgebiet  in  Zusammenhang  bringen  lassen.  Poitevin.  tS 
(ttmpus),  dö,  so  («in«)  liegen  tä,  da,  sä  tu  Grunde,  die  sich  durch 
zentralfranzö" Bischen  Einfluse  (Meyer  §  90)  erklären  lassen  und 
die  nach  Meyer  §  245  zu  rS,  dS,  so  sich  weiter  entwickeln 
muBsten.  Ähnlieh  wird  es  sich  mit  wallon.  tröl'  (tremut-o)  und 
tsöl'  (insimuT)  verhalten,  die  Meyer  nicht  erwühnt,  in  denen 
Horning,  R.  Zs.  XI,  548  mit  Unrecht,  glaube  ich,  Spuren  eines 
dem  lothringischen  ähnlichen  lautlichen  Vorganges  erbalten  findet 
Vgl.  noch  wallon.  (s.  Orandgagnage)  esbme  [insinmlj,  xonler, 
sonner,  ehoner  [simvlare),  räsonier.  Zu  beachten  ist,  dass  sanier, 
assanier,  emanier  in  altwallon.  Texten  begegnen  (s.  11.  Haase, 
l.  c,  S.  49  und  meine  Bemerkung  zu  Meyer  §  90)  und  dass 
aueb  hier  wie  im  Poitev.  heute  unter  noch  nicht  näher  erforschten 
Bedingungen  wenigstens  auf  einem  Teil  des  Gebietes  ursprüng- 
lich es  a  zu  B  (s.  Meyer  §  245)  und  o  (s.  Horning,  Rom.  Zs.  IX, 
481:  sitröV  =  strangvto  etc.  in  Seraing)  geworden  ist. 

§  92.  Da  nicht  auf  dem  ganzen  lothringischen  Gebiete  e 
vor  freiem  n  in  der  von  Heyer  angegebenen  Weise  sich  ent- 
wickelt hat,  so  wäre  eine  nähere  Bezeichnung  der  Unterdialekte, 
denen  die  gegebenen  Belege  entnommen  sind,  wünschenswert 
gewesen.  Dass,  wie  im  Lothringischen,  bo  auch  im  Wallonischen 
e  vor  freiem  Nasal  durch  vorhergehende  Labiale  in  seiner  Ent- 
wicklung beeinflusst  worden  ist,  erfahren  wir  in  §  107.  —  Zu 
Meyer's  Ausführungen  in  §  88  ff.  sei  hier  noch  bemerkt,  dass  in 
Blois  und  Umgegend  e  vor  freiem  n  zu  e  wurde  in  peri,  veri, 
pleri,  woneben  mit  a  pari,  vom',  plosri  nnd  mit  kurzem  a  pari, 
vari,  plan'  vorkommen  vtrois  prononriations  diffirentes  gys  Con 
entend  quelquefois  d'une  neide  et  meme  bouche  s'appliquer  aux 
meines  motsu  (Talbert,  I.  c,  8.  86). 

95.  In  ital.  quinci,  eomincia,  tinea  etc.  sieht  Meyer  im 
Gegensatz  zu  d'Ovidio,  Onrndriss  I,  504  rein  lautlich  entwickelte 
Bildungen  meines  Erachtens  mit  Recht  Fraglich  bleibt  nur,  ob 
ursprünglich  es  i  blieb  oder,  wie  Meyer  annimmt,  über  e  zu  i 
zurückgekehrt  ist     Vgl.  oben  zu  §  84. 

96.  Meyer  setzt  für  Greden  u.  a.  vander  (vendere),  tamp 
(tempus)  an,  wozu  Gartner's  Angaben  in  der  Rätorom.  Oram.  im 
Widerspruch  stehen.  Nach  Gärtner  spricht  man  hier  mit  kurzem, 
dem  e  nahestehendem  a  tamp  (§  200),  vdnder  (§  167),  womit 
man  tSqnt  (§  200),  ntgnt  (§  148),  tsdnlsq  (§  61)  vergleiche.  In 
einem  derartigen  Falle  hätte  ich  gewünscht,  dass  Meyer  seinen 
Ausführungen  einen  erklärenden  Znsatz  hinzugefügt  hätte.  In  Bezug 
auf  a  in  Abtei  nnd  o  in  Enneberg  stimmen  Gartner's  und  Meyer's 
Angaben  überein.    Davon  freilich,  dass  in  allen  hier  einschlägigen 


Bemerkungen  zur  Lautlehre.  89 

Wörtern  a  über  ai  sich  entwickelte,  habe  ich  mich  anch  anf 
Grund  des  von  Ascoli,  Arch.  gl.  I,  358  mitgeteilten  Materials 
nicht  völlig  zu  überzeugen  vermocht  —  Ob  im  Mail,  c  vor  ge- 
decktem n  geblieben  ist  oder  über  e  zu  c  zurückkehrte,  bleibt 
deshalb  fraglich,  weil  ebenda  (s.  Salvioni,  Fönet,  S.  59,  Meyer 
§  162)  für  ursprüngliches  $  e  erscheint.  Über  die  Entstehungs- 
weise des  tessin.  *  in  dint,  vint  äussert  sich  Verf.  nicht  In 
§152  erfahren  wir,  dass  Kimp,  vyint  auf  einem  Teil  des  Ge- 
bietes (Onsernone)  über  tiemp,  viint  sich  entwickelt  haben. 


D.  Behrens. 


Ober  alliterierende  Verbindungen  in  der 
(    altfranzösischen  Litteratur. 

Angeregt  durch  einen  Hinweis  dee  Herrn  Professor  H. 
Karting  -  Leipzig  in  seinem  Kolleg  über  französische  Metrik  int . 
Sommerseraester  1888,  hatte  ich  vorliegende  Arbeit  begonnen 
und  bereits  einen  grossen  Teil  des  nötigen  Materials  gesammelt, 
als  mir  die  Dissertation  von  W.  Riese:  Alliterierender  Gleich- 
klang in  der  französüchen  Sprache  alter  und  neuer  Zeit.  Halle, 
1688,  au  Gesicht  kam.  Doch  brachte  mich  eine  Durchsieht  der- 
selben zur  Überzeugung,  dass  sie  meine  Arbeit  nicht  Überflüssig 

')  Die  im  folgenden   angefahrten   Gedichte    sind  in  der  Abhand- 
lung mit  den  vorgesetzten   Abkürzungen  citiert,  und  zwar  die  hier  mit 
ei  Dem  *  bezeichneten  nach  Seiten-,  die  übrigen  nach  Verezahlen. 
*AA  =  Alberic' s  Alexandre  (Bartsch:   Chrestomathie  de  fanden  francais. 

5.  Aufl.     Sp.  17— SO). 
•Ad  =  Adam,  drame  anglo-normand.     ed.  Luzarche.     Tours  1864. 
*ÄH  —   (Euvr.  compl.  du  trotwtre  Adam  de  la  Baue.     ed.  CousMmaker. 

Paria    1872. 
AI  =  La  Die  de  samt  Alexis,     ed.  G.  Paria.     Paria   1872. 
Ali  =  Aliscans,  chanson  de  gelte,  ed,  Gueaaard  et  Montaiglon,  Paria  1852. 
•Aap  =  Asprcmont.     ed.   Im.   Bekker    in    den    Abhandl.    der    Berliner 

Akad.,  Philol.-hint  Klasse.     1839.    S.  262  ff. 
•Bat  =  La  balaiUe  des   VII  ars.     ed.   Jubmal    ((Euvr.  compl.   de   Rute- 

baufll,  416). 
BD  =  Le  besant  de dieu  von  Guillaume  le  clerc.  ed.  E.Martin.   Halle  1869. 
•Berte  =  Li  romans  de  Berte  aas  gratis  pie's.    ed.  P.  Paris.    Paris  1836. 
Bible  =  La  bible  Guiot  de  Provins.    ed.  San  Harte.    Halle  1861.    fifar- 

zivalstuaUen  1.) 
*CDP  =  Nouveau  reeueii  de  contes,  dils,  fabliaux.    ed.  Jnbin&l.    Paris 

1339 — 1842.    2.  Bd. 
Cha  =  Reeueii  de  ehants  htstorigues  frane.     ed.    Le  Rom  de  Lincj. 

Bd.  1.  1841.    (Bei  den  Citaten  ist  das  Jahrhundert  in  Klammem 

geaetit.) 
ChL  =  Der  Lmenritler   von   Christiaa   von   Träges,     ed.  W.  Förster. 

Halle  188T. 
*Ch.O  =  Les  poisies  du  duc  Charles  tf  Orleans,    ed.  Champollion-Figeac. 

Paris  184!. 


M.  Köhler,  Ober  alliterierende  Verbindungen  in  der  alt/ranz.  Litt.      91 

Bache,  da  viele  Fragen,  die  bo  besprechen  ich  mir  vorgenommen 
hatte,  in  derselben  gar  nicht  oder  zu  wenig  besprochen  waren. 
8ie  sollte  sich  ja,  nach  des  Verfassers  Worten,  als  erste  grössere 
Arbeit  über  diesen  Gegenstand,  in  der  Hauptsache  auf  Sammlung 
verwendbaren  Materials  und  Aufstellung  geeigneter  Gesichts* 
punkte  beschränken.  Ich  werde  an  einigen  Stellen  meiner  Arbeit 
Gelegenheit  haben,  auf  Riese  zu  verweisen.  Cfr.  die  Anzeige 
der  betreffenden  Dissertation  von  Mussafia  (Behaghel  und  Neu- 
mann's  Lüeraturblatt  fllr  germanische  und  romanische  Philologie. 
1889.     S.  171.) 

Ich  betrachte  im  folgenden  einen  kleineren  Teil  der  fran- 
zösischen Dichtung,  als  Riese,  auf  die  Anwendung  der  Alliteration 
hin  und  zwar  den  altfranzösischen  Zeitraum,  da  schon  eine 
flüchtige  Übersieht  mich  erkennen  liess,  dass  mit  dem  Beginn 
der  Renaissance,  wie  die  Dichtung  und  ihre  Formen  überhaupt, 
so  auch  die  Art  und  Anwendung  der  fraglichen  Erscheinung  eine 
grosse  Änderung  erfahr.     Auch  werde  ich  nicht  die  Alliteration 


CP  =  Cristine  de  Phon,  Le  Hvre  du  chemm  de  long  estude.  ed.  Püschel. 

Berlin  (o.  J.). 
Comp  =  Li  cumpoz  Philipe  de  Thaun.    ed.  Mall.    Strassburg  1873. 
E  =  Maxtre  Blies  Überarbeitung  der  ältesten  französischen  Übertragung 

von  Ovid's  Ars  amaloria.    ed.  Kühne  u.  Stengel  (Stengel's  Ausg. 

und  Abhandl.  Nr.  47.    Marburg  1886). 
FB  =  Floirc  et  Blanceflor.      ed.   Ed^lestand   da   Mail.     Paris    1856. 

8.  1—124. 
Fe  =  Fergus.    Roman  von  Guillaume  le  clerc,  ed.  Martin.    Halle  1872. 
*FSM  =  Hecueil  de  farces,  soties  et  moralitis  du  XV*  siede,  ed.  Jacob. 

Paris  1859. 
6  =  Gui  de  Bouraogne,  ed.  Guessard  &  Michelant.    Paris  1859. 
JB  =  Jourdains  de  Blaivies  (Amis  et  Amiles  und  Jourdains  de  Blaivies. 

ed.  Hofmann.   Erlangen  1852). 
Ma  =  Roman  de  Mahomet,  von  A.  du  Pont.    Paris  1831. 
MF  =  Die  Laie  der  Marie  de  France,  ed.  Warnke.    (Bäd.  Norman.  III.) 
Mi  =  Le  mistere  du  viel  testament.  ed.  Rothschild.    Paris  1878 — 1887. 

5  Bd. 
P  =  Kails  des  Grossen  Reise  nach  Jerusalem  und  Konstantinopel,  ed. 

Koschwitz.    (Apr.  Bibl.  II.    Heidelberg  1880.) 
RC  =  Raoul  de  Cambrai,  chanson  de  geste,    ed.  Meyer  et  Longo on. 

Paris  1882. 
Re  =  Le  roman  de  Renart,  ed.  Martin.     1.  Bd.    Strassburg  18S2. 
*Ro  =  Le  roman  de  la  rose,  ed.  Francisque-Michel.    2  Bd.    Paris  1864. 
Rol  =  La  chanson  de  Roland,  ed.  Petit  de  Julleville  1878. 
RP  =  Altfranzösische  Romanzen  und  Pastourellen,    ed.  Bartsch.    Leipzig 

1870. 
RT  =  Benoit  de  Sainte-More  et  le  roman  de  Troie,  ed.  Joly.   Paris  1870. 
*Ro  =  Oeuvr.  compl.  de  Ruteboeuf,  ed.  Jobinal.    Paris  18  39.    2  Bd. 
*T  =  Le  tomoiement  de  Canlichrist  par  Huon  de  Mery.    Reims  1851. 
Wr  =  Maistre  Wace's  Roman  de  Rou.   ed.  Andresen.   Heilbronn  1877. 

2  Bd.    (WCa  =  Chronigue  ascendante.) 


98  M.  Köhler, 

im  allgemeinen  untersuchen,  sondern  nur  die  Fälle,  in  denen 
sie  in  Verbindungen  koordinierter  Wörter  auftritt.  Die  Litteratur 
des  neufranzösi  sehen  Zeitraumes,  die  allerdings  ein  viel  weniger 
einheitliches  Gepräge  trägt,  auf  diesen  Gesichtspunkt  hin  zu  be- 
handeln, behalte  ich  mir  für  später  vor. 

I.    Name  und  Begriff  der  Alliteration. 

Für  die  Figur,  die  wir  heute  mit  dem  Namen  „Alliteration'' 
belegen,  sind  frllher,  besonders  in  den  alten  grammatischen  Be- 
handlungen der  lateinischen  Sprache,  viele  andere  Benennungen 
im  Gebranch  gewesen,  wie  annominatio,  paronomasia,  paromoion, 
simüia,  parisosis,  geminationes,  pareehesis.  (Cfr.  Naeke:  Dr. 
alhtteratione  sermonis  latini.  Rheinisches  Museum,  III,  1829. 
S.  326  ff.  Loch:  De  usu  alliterationis  apud  patas  latino:  Diss. 
Balle,  1865.  8.  3  ff.  WÖlfflin:  Über  die  alliterier enden  Verbindungen 
der  lat  Sprache.  München  1881  (Sitmmgsberiehte  der  philos.- 
philol.  und  Kittor.  Klasse  der  KSnigl.  bayr.  Äkad.  der  Wies.) 
8.  25  ff.  und  Zur  Alliteration  und  zum  Reim  in  ArcK.  für  lat. 
Lex.  und  Gramm.  III,  443  ff.).  Das  Wort  Alliteration  geht 
wahrscheinlich  zurück  auf  Joannes  Jovianus  Pontanus,  den  ita- 
lienischen Geschichtsschreiber  des  fünfzehnten  Jahrhunderts.  Doch 
wurde  der  Begriff  des  Wortes  lange  Zeit  nicht  einheitlich  gefasst 
Noch  Naeke's  Definition  des  Wortes  ist  weiter  als  unsere,  und 
teilweise,  namentlich  in  Frankreich,  ist  man  darüber  heute  noch 
nicht  einig.  Die  Begriffsbestimmungen  des  Wortes  bei  Littre  (DieL), 
Becq  de  Fouquieres  Traut"  gen.  de  versif.  frone,  und  andern 
weichen  von  der  unsrigen  sehr  ab.     Cfr.  Riese  l.  c.  8.  7. 

Ich  sehliesBe  mich  der  Definition  an,  welche  heute  in 
Deutschland  allgemein  anerkannt  und  auch  von  hervorragenden 
französischen  Philologen,  wie  P.  Meyer  {Romania  XI,  572)  an- 
genommen ist,  wonach  man  unter  Alliteration  die  sprachliche 
Erscheinung  versteht,  dass  in  einem  bestimmten  Abschnitt  der 
Rede,  einem  Satze,  in  einer  oder  mehreren,  mit  einander  enge 
verbundenen  Verszeilen,  zwei  oder  mehr  Wörter  denselben  An- 
laut haben,  dass  also  jedes  von  ihnen  mit  demselben,  bezw. 
denselben  Buchstaben  beginnt. 

Diese  allgemeine  Definition  erleidet  indes  für  die  einzelnen 
Sprachen  gewisse  Einschränkungen,  worüber  wir,  wenigstens  was 
das  Französische  betrifft,  in  einem  späteren  Kapitel  sprechen  werden. 

II.    Über  die  Verbreitung  der  Alliteration 
in  anderen  Sprachen. 
Genauer  untersucht   wurde   die  Alliteration   zuerst   in  den 
germanischen    Sprachen,    und    hier   fand   man   sie  in  einer 


Über  alliterierende  Verbindungen  in  der  altfranz.  Litteratur.       93 

solchen  Ausdehnung  angewandt,  sowohl  in  der  älteren  Zeit  als 
versbildendes  Prinzip,  als  auch  nach  dem  Eindringen  des  Reimes 
in  formelhaften  Wendungen  (cfr.  über  diese  besonders  C.  Schulze: 
Die  sprichwörtlichen  Formeln  der  deutschen  Sprache  in  Herrig's 
Archiv  Bd.  48  8.  435  ff.;  Bd.  49  8.  139  ff.;  Bd.  50  S.  83  ff.) 
wie  wir  sie  wohl  kaum  in  einer  anderen  Sprache  finden  werden. 
Diese  Erscheinung  zeigt  sich  nicht  etwa  nur  im  Deutschen,  son- 
dern in  allen  germanischen  Sprachen,  namentlich  auch  im  Nor- 
dischen und  Englischen.  Besonders  in  der  letztgenannten  Sprache 
hat  sich  die  Alliteration  als  Schmuck  der  Reimgedichte  noch 
sehr  lange  in  reicher  Fülle  erhalten.  Chaucer  wendet  sie  gern 
und  häufig  an  (cfr.  Lindner:  Die  Alliteration  bei  Chaucer  in  Ebert's 
Jahrbuch  XIV.  S.  311  ff.),  und  aus  den  gelegentlichen  Ver- 
spottungen derselben  bei  Shakespeare,  z.  B.  im  Sommernachts- 
traum, können  wir  schliessen,  dass  sie  zur  Zeit  dieses  Dichters 
in  übertriebener  und  unpassender  Weise  Verwendung  gefunden  hat. 
Auch  im  Lateinischen  war  sie  schon  früh  aufgefallen, 
wenn  auch  die  älteren  Grammatiker,  die  ihr  Beachtung  schenkten, 
sich  über  die  Art  und  die  Häufigkeit,  in  der  sie  auftrat,  nicht 
recht  klar  wurden.  Nachdem  sie  Jahrhunderte  hindurch  fast 
▼ergessen  worden  war,  entdeckte  sie  Naeke  von  neuem.  Seitdem 
haben  zahlreiche  Gelehrte  sich  bemüht,  den  Umfang  und  die 
Art  und  Weise  der  Anwendung  der  Alliteration  im  Lateinischen 
festzustellen.  (Cfr.  die  bei  Wölfflin:  Über  allit.  Verb.  S.  2  Anm.  1 
angegebene  Litteratur.)  Ob  der  älteste  lateinische  Vers,  der 
Saturnier,  den  Stabreim  verwandt  hat,  was  von  Bartsch  und  anderen 
behauptet,  von  Jordan  aber  bestritten  wird,  scheint  endgültig 
noch  nicht  klar  gestellt  «zu  sein.  (Bartsch:  Der  saturnische  Vers 
und  die  altdeutsche  Langzeile.  Leipzig  1867;  Jordan:  Kritische 
Beiträge  zur  Geschichte  der  lateinischen  Sprache.  Berlin  1879. 
S.  167  ff.)  Sicher  aber  findet  sich  die  Alliteration  in  derselben 
Gestalt,  wie  in  den  germanischen  Sprachen  nach  Aufhören  des 
Stabreimes,  auch  im  Lateinischen,  nämlich  in  formelhaften  Ver- 
bindungen. Sehr  verschieden  sind  die  Ansichten  darüber,  wie 
häufig  diese  Alliteration  als  beabsichtigt  anzusehen  sei.  Auf 
dem  extremsten  Standpunkt  nach  .  der  einen  Seite  hin  steht 
Kvifola.  (Neue  Beiträge  zur  Erklärung  der  Äneis.  Prag  1881. 
S.  293  ff.)  Er  findet  in  72  V8%  der  Verse  der  Äneis  Alliteration 
angewandt  und  glaubt,  dass  die  Absicht  des  Dichters  zu  alli- 
terieren mit  Evidenz  oder  wenigstens  mit  Wahrscheinlichkeit  in 
2/s  dieser  Verse,  also  etwa  der  Hälfte  sämtlicher  Verse  der 
Aneis,  anzunehmen  sei.  Auch  hält  er  die  Alliteration  für  ein 
wichtiges  Hilfsmittel  der  Textkritik  und  der  Interpretation.  — 
Das  entgegengesetzte  Extrem  vertritt  z.  B.  C.  Michaelis  (Studien 


94  M.  Hehler, 

«w  romanischen  Wortschöpfung.  Leipzig  1876.  8  36.  Anm.  l), 
auf  deren  Auflichten  wir  im  nächsten  Kapitel  turttckkommen. 
Zwischen  beiden  steht  Wölfflin.  Er  betrachtet  im  grossen  und 
ganzen  die  Alliteration  nur  dann  als  beabsichtigt,  wenn  sie  sich 
in  syntaktisoh  koordinierten  Gliedern  zeigt  Wenn  ancb  in  an- 
deren Füllen,  namentlich  in  Sprichwortern,  wo  Alliteration  sich 
zeige,  diese  oft  als  beabsichtigt  angesehen  werden  müsse,  so 
seien  doch  die  Verbindungen  ungleicher  Redeteile  von  einer 
Betrachtung  im  allgemeinen  anssnsehliessen,  weil  sie  teils  nnter 
die  etymologische  und  ähnliche  Figuren  fallen,  und  weil  sie  ao  ins 
regellose  und  anfällige  gehen,  dass  sie  nicht  mehr  systematisch 
■tuammengefasst  werden  können. 

Auch  die  keltische  Poesie  hat  die  Alliteration  gekannt 
Zwar  dient  diese  hier  so  wenig  wie  in  der  lateinisch -romanisohen 
Dichtung  zur  Versbildung;  sie  kommt  fast  nie  ohne  den  Reim 
vor;  aber  als  Süsserer  Zierrat  des  Verses  tritt  sie  in  reichster 
Fülle  auf.  (Gfr.  Conybeare:  lUustrationa  of  anglo-eaxon  pottry. 
London  1826.  8.  LVII  ff.  und  Ebert:  Allg.  Geschichte  der  IÄL 
des  Mittelalters  im  Abendlande.     S.  Band.    Leipzig   1887.     S.   8.) 

Ausserdem  hat  man  noch  bei  den  verschiedensten  Völkern 
Alliteration  und  sogar  Stabreim  gefunden,  so  bei  den  Finnen 
(J.  Grimm:  Klemere  Schriften  11.  S.  82),  Tartaren,  Toraniern, 
Mongolen  (Jordan  l.  c.  S.  169). 

Das  Vorhandensein  dieser  Fignr  in  so  vielen  Sprachen 
bietet,  da  bei  einem  grossen  Teile  derselben  jeder  Gedanke  an 
eine  Verwandtschaft  oder  gegenseitige  Beeinflussung  von  vorn 
herein  ausgeschlossen  ist,  einen  sicheren  Beweis  für  die  Tfaat- 
sache,  dass  die  Alliteration  nicht  in  einer  Sprache  ihren  Ur- 
sprung hat,  sondern  in  mehreren  Sprachen  selbständig  und  unab- 
hängig von  fremdem  Einflüsse  entstanden  ist. 

m.   Entstehung  der  französischen  Alliteration.    Lateinische 
und  romanische  Alliteration. 

Hat  das  Französische  die  Alliteration  ans  einer  oder  mehreren 
anderen  Sprachen  übernommen  oder  hat  es  sie  selbständig  ge- 
schaffen? Im  vorigen  Kapitel  haben  wir  gesehen,  dass  die  drei 
Sprachen,  denen  das  Französische  seinen  Ursprung  verdankt,  das 
Deutsche,  Lateinische  und  Keltische,  von  dieser  Figur  den  aus- 
giebigsten Gebrauch  machen. 

Was  das  Deutsche  und  Keltische  betrifft,  so  scheinen 
Verbindungen  alliterierender  Wörter  ans  ihnen  in  das  Französische 
nioht  eingedrungen  an  sein;  wenigstens  habe  ich  derartige  Bei- 
spiele nicht  nachweisen  können.  Dazu  haben  diese  Sprachen 
den   französischen  Wortschatz  verhältnismässig  au  wenig   beein- 


Ober  numerierende  Verbindungen  in  der  alt  franz.  LUieraiur.         95 

ftmsst  Trotzdem  aber  mÜBsen  wir  annehmen,  dass  sie  in  Besag 
anf  die  Alliteration  nicht  ohne  Einwirkung  auf  die  französische 
Sprache  geblieben  sind.  Das  Volk  brachte,  da  seine  Ursprache 
eine  so  reich  entwickelte  Alliteration  besass,  eine  lebhafte  Vor- 
liebe für  diesen  Schmuck  der  Rede  mit  and  nahm  um  so  eifriger 
die  Alliteration  des  eindringenden  Lateins  auf.  Denn  von  dieser 
Sprache  lässt  sich  ein  wesentlicher  Einfluss,  auch  in  Bezug  auf 
das  vorhandene  Material,  direkt  erweisen. 

Das  Verhältnis  der  lateinischen  zur  französischen  Alliteration 
wird  namentlich  behandelt  von  Fuchs  (Die  rom.  Sprachen  in  ihrem 
Verhältnisse  zum  Lot.  Halle  1849)  S.  259  ff.;  G.  Michaelis  l  c. 
8.  26.  Anm.  und  Wölffiin  Über  allü.  Verb.  8.  38  ff.  Fuchs  leugnet 
geradezu,  ganz  wenige  Fälle  in  absichtlich  gekünstelten  Versen 
oder  in  volkstümlichen  Redensarten  ausgenommen,  das  Vorkommen 
des  Anreimes  in  der  französischen  Sprache.  Als  Grund,  wes- 
halb er  untergegangen  und  nicht  aus  der  lateinischen  Sprache 
mit  übernommen  worden  sei,  giebt  er  an,  dass  der  Anreim,  als 
die  roheste  und  unvollkommenste  Art  des  Reimes,  wie  in  allen 
anderen  Sprachen,  so  auch  im  Französischen  durch  den  voll- 
kommeneren Endreim  verdrängt  worden  sei.  Das  Aufgeben  des 
Anreimes  sei  hier  noch  besonders  begünstigt  worden  durch  die 
allmählich  ßich  erweichende  Aussprache  der  Mitlauter;  er  habe 
sich  naturgemäss  in  den  rauheren  germanischen  Sprachen  länger 
erhalten  müssen  als  in  den  weicheren  romanischen. 

G.  Michaelis  glaubt,  dass  auch  der  Lateiner  an  solchen 
Schätzen  Mangel  leide,  dass  der  grösste  Teil  des  im  Lateinischen 
vorhandenen  Materials  von  einzelnen  Schriftstellern  mit  Künstler- 
absieht  gebildet  worden  sei,  und  dass  mit  Ausnahme  ganz  weniger 
stehender  Wendungen  alle  vorkommenden  lateinischen  Alliterationen 
ÄroC  k&fdfi&va  seien.  Das  Französische  müsse  deshalb  in  diesem 
Punkte  fast  ganz  selbständig  vorgegangen  sein. 

Dem  steht  jedoch  gegenüber,  dass  es  in  der  lateinischen 
Sprache  sicher  eine  grosse  Menge  stehender  Verbindungen  mit 
Anreim  gegeben  hat.  So  befinden  sich  unter  den  ersten  100 
Beispielen  des  von  Wölffiin  Über  allü.  Verb.  S.  46 — 93  aus  ver- 
hältnismässig wenig  Schriftstellern  ausgezogenen  alphabetischen 
Verzeichnisses  gegen  40,  welche  bei  verschiedenen  Schriftstellern, 
und  ausserdem  noch  wenigstens  6,  welche  bei  demselben  Schrift- 
steller mehrfach  vorkommen. 

Anders  urteilt  daher  über  diese  Frage  Wölffiin,  dessen 
Meinung  ich  mich  im  grossen  und  ganzen  anschliesse.  Er  be- 
weist zunächst,  dass  die  Alliteration  im  Lateinischen  in  ausge- 
dehntem Masse  gebraucht  worden  ist,  was  ja  auch  schon  durch 
die    Sammlungen    von    Beispielen,'   welche  Loch,    Theobald   (de 


Jim I) UÜnuHu m"l  '■'  nffifaHrffowt»  ajwtf  Ciceronem  «*a.     Bonn    185*.' 
S.    15  ff.)  und  andere  angestellt  Latten,  gezeigt  worden  war. 

Wenn  nun  auch  viele  von  diesen  Beispielen  ans  Grllndi 
die  wir  nachher  auseinandersetzen  werden,  in  den  romanischen 
Sprachen  sieb  nicht  erhalten  finden,  so  ist  doch  auch  noch 
grosse  Anzahl  in  derselben  Verbindung  vorhanden.  Sehr  wal 
scheinlich  ist  es,  dass  ein  Teil  derselben  sieb  erst  in  Fr; 
Basischen  gebildet  hat,  da  diese  Sprache  offenbar  eine  ^ro; 
Vorliebe  für  alliterierenden  Gleidiklang  hat;  aber  sicherlich  ist 
doch  auch  ein  grosser,  wenn  nicht  der  grösste,  Teil  lediglich 
eine  Weiterentwickelung  von  alten  lateinischen  aureimenden 
Formeln.  Bevor  ich  von  diesen  rede,  möchte  ich  die  GrUnde 
entwickeln,  warum  die  meisten  im  Lateinischen  vorhandenen 
alliterierenden  Formeln  untergegangen  sind.  Die  Hauptgründe 
dafür  sind: 

1)  Die  Umbildung  der  Anlaute.  Es  konnten  sich  des- 
halb nicht  erhalten  Alliterationen  zwischen  ■  purum  und  •  iuj 
purum,  weil  dem  letzteren  im  Französischen  ein  e  v orge sc b lagen 
wurde,  zwischen  den  verschiedenen  Lauten,  zu  welchen  sich 
lateinisches  c  und  g  entwickelten,  und  zwischen  vielen  anlauten- 
den Vokalen,  weil  häulig,  namentlich  durch  verschiedene  Be- 
tonung, ursprünglich  gleiche  Vokale  im  Französischen  ausein- 
ander gingen.  Auch  der  Umstand  ist  von  grossem  Einttuss 
gewesen,  dass  viele  alte  Siinplicia  mit  Pritpositiouen  verbunden 
wurden  und  nur  als  Komposita  erhalten  sind.  Es  hätten  also, 
selbst  wenn  andere  Ursachen  nicht  mitgewirkt  hatten,  folgende 
Alliterationen  im  Französischen  nicht  erhalten  bleiben  können: 
spirttws  —  sanguis  (esprit  —  sang),  campi  {ck  .  . .)  —  colles  (c  .  .  ,), 
edebri  —   claro,  sali«  (assez)   —  super. 

•2)  Die  Veränderung  der  Bedeutung.  Diese  bfubte 
es  in  vielen  Fällen  mit  sich,  dass  frühere  Synonyma  aufhörten, 
dasselbe  zu  bezeichnen,  Gegensätze  einander  näher  gerückt 
wurden,  oder  sonst  ein  Wort  einer  solchen  Verbindung  oder 
beide  sich  von  ihrer  früheren  Bedeutung  so  entfernten,  dass 
eine  formelhafte  Zusammenstellung  derselben  nicht  mehr  möglich 
war.  So  wurden  die  Verbindungen  der  aus  vivere  —  valere. 
fidelis  —  fortis  abgeleiteten  französischen  Wörter  aufgegeben, 
weil  valoir  und  fort  sich  begrifflich  von  vivre  und  fidile  zu  sehr 
entfernt  hatten. 

3)  Der  Untergang  vieler  Wörter.  Eine  alliterierende 
Verbindung  muaste  natürlich  aufhören,  wenn  das  Französische 
eins  der  alliterierenden  Wörter  oder  gar  beide  aus  dem  Lateinischen 
überhaupt  nicht  übernahm.  Dies  trifft  besonders  zahlreiche  Zu- 
sammenstellungen synonymer  Wörter,  da  sich  die  neueren  Spracht 


dne 

t 


Über  aUiterierende  Verbindungen  in  der  alt  franz.  Litter  atur.       97 

wenn  sie  nicht  die  Bedeutung  des  einen  Wortes  veränderten,  in 
welchem  Falle  die  sprichwörtliche  Verbindung  so  wie  so  auf- 
hörte, mit  einem  Ausdruck  für  einen  Begriff  häufig  begnügten. 
Auf  diese  Weise  wurden  die  Verbindungen   bene  —  beate,  fortis 

—  felix,  dare  —  dieare  unmöglich. 

Diese  drei  Ursachen  verhinderten  eine  Menge  alter  latei- 
nischer Alliterationen,  in  die  neu  entstehende  Tochtersprache 
einzutreten;  Andererseits  veranlassten  sie  einen  kleinen  Zuwachs, 
so  wurden  durch  die  veränderten  Anlaute  die  Verbindungen 
gente  —  jolie,  art  —  enging  alliterierend.  Indes  kommt  dieser 
Zuwachs  gegenüber  dem  ungeheueren  Abgang  kaum  in  Betracht. 

Trotzdem  ist  die  Zahl  der  alliterierenden  Verbindungen, 
die  sich  sowohl  im  Lateinischen  als  auch  im  Altfranzösischen 
finden,  grösser,  als  man  nach  den  Ausführungen  von  Fuchs  und 
Wölfflin  erwarten  sollte.  Es  ist  das  ein  Beweis  für  den  starken 
Einfluss,  den  das  Lateinische  auch  in  Bezug  auf  die  Alliteration 
auf  das  Französische  ausgeübt  hat.  Ich  stelle  im  folgenden  eine 
Sammlung  derartiger  Verbindungen  zusammen.  Die  lateinischen 
Beispiele,  aus  den  Sammlungen  von  Wölfflin1),  Loch  und  Theobald, 
sind  nur  einer  kleinen  Reihe,  vorzugsweise  klassisch-lateinischer 
Autoren  entnommen.  Umfassendere  Sammlungen,  besonders  aus 
der  spätlateinischen  Litteratur,  würden  die  Zahl  der  in  beiden 
Sprachen  vorhandenen  Beispiele  entschieden  bedeutend  vermehren. 

cattdiy  canes  Nemes.  Cyneg.  208  —  chien,  chael  Wr  II  4186. 

cor,  corpus  Plaut.  Mil.  u.  sonst  —  euer,  cors  oft. 

crudum,  coctum  Plaut.  Aulul.  3,  2,  16.  —  cru,  cutU  Berte 
54,  13;  55,  11.     BD  1350.  Bible  173.  bie 

dolor,  damnum  Cic.  pr.  Rose.  24.  Liv.  u.  8.  w.  — »  doel, 
damage  (allerdings  nicht  direkt  gleich  damnum)  Rol.  2983.  JB 
141  u.  s.  w. 

dominus,  deus  Suet.  Dom.  13,  Martial.  Auson  u.  s.  w.  — 
datnnedeus  oft. 

falsus,  fictus  Cic.  Lig.  30;    falsum,  finetum  Ter.  Eun.  104 

—  falz,  feinz  Wr   III  1964;   10587;  ähnlich  ChL  4388  u.  s.  w. 

fides,  fiducia  Tac.  ann.  3,  1 1  u.  s.  w.  —  ähnlich  foy,  fiance 
CDF  I  244. 

flamma,  fumo  Plaut.  Cure.  1,  1,  53  u.  8.  w.  —  flanbe, 
fumie  RT  14826. 

foliis,  flore  Auson.  parent.  15,  9.  —  foule,  flor  RT  4788; 
ähnlich  RP  I,  30,  2.  Münchener  Brut  29  u.  s.  w. 


*)  Die  Nachträge,  welche  Wölfflin  im  Archiv  für  tat.  Lex,  w. 
Gramm.  III  443  ff  gibt,  habe  ich  nicht  mehr  benatzen  können,  da  sie 
mir  erst  während  des  Druckes  dieser  Abhandlung  bekannt  wurden. 

Ztcfcr.  f.  frx.  Spr.  o.  Litt.    XII'.  7 


98  M,  Kßkkr, 

forma,  flgura  Attins,  trag.  254  n.  B.  w.  —  fottrme,  figvre 
AH  301.     KT  13334. 

frangi,  findi  Lucr.  1,  533  —  frait,  fmdut  Rol.  3604  u.  s.  w. 

frigus,  fames  Cic.  fin.  4,  69  u.  8.  w.  —  /am,  froä  Berte 
56,  3  u.  s.  w. 

fruges,  flog  Boeth.  cons.  2,  2,  22  u.  8.  w.  —  ahnlich  flors, 
froit  Ad  58  u.  s.  w. 

latt,  langt  oft  —  tone,  U  u.  dgl.  oft. 

nati,  nulriti  Oros.  1,  21  —  nourri,  ne"  Berte  157,  7  n.  8.  w. 

pater,  parent  Cic.  Rab.  Post.  27  u.  b.  w.  —  per«,  parent 
Rol   1431   0.  b.  w. 

planctus,  plorattm  Paneg.  Mamert.  10.  —  plainz,  pUtrx  Wr 
I.  651;  II  1821. 

planget,  plorabü  Vulg.  Ezech.  24,  16.  —  p(aindrr,  plorer 
E.  903. 

ponie»,  Porta»  Hör.    sat.  I.  4,  61    —  porte,    po#h'z  P.  475. 

praeterüo»,  praesentet  Maxim.  Eleg.  I.  197.  —  prisens, 
pHtlriz  Bat.  432. 

»anetut,   tacratus   Liv.  39,  37   —  tarn»,  »acrez  RT  28695. 

talvw,  xanus  oft  —  #nin,  sauf  oft. 

«ojm'o,  »enfio  Plant.  Poen.  5,  4  n.  b.  w.  —  tavoir,  »entir 
CDF  II.  252. 

sudor,  sangvit  Cic.  leg.  2,   16  u.  8.  w.  —  sane,  »uour  Ali  20. 

vietun,  vinum  Plaut,  pseud.  4,  1,  37  —  ähnlich  «in*,  viandet 
CDF  I,  17;  wot-m,  rö»  Cha  (15.)  XXV.  6,  5. 

Eine  Anzahl  derartiger  lateinischer  Formeln  haben  sich 
ausserdem  erhalten,  aber  mit  Aufgabe  der  Alliteration,  weil  die 
Anlaute  sich  verschieden  entwickelten,  z.  B.: 

audire,  autcultare  Caeoil.  Stat.  196  u.  8.  w.  —  escult-er,  oir  oft 

eoria,  carnem  Ovid.  Heroid.  VI.  967  —  euir,  chair  (spanisch 
mit  Alliteration  entre  ntero  y  carne.) 

Für  andere  sind  andere  Ableitungen  desselben  Stammes 
eingetreten,  wie  für  potmtia,  potestas  Tac  dial.  5  —  pooir, 
poittance.  CDF  II  244. 

Weniger  beweisend  für  die  Abhängigkeit  der  fr  ans«  siechen 
Alliteration  von  der  lateinischen  sind  die  Fälle,  in  denen  die 
lateinischen  Verbindungen  durch  andere,  aber  ebenfalls  allite- 
rierende, Wörter  derselben  Bedeutung  nachgebildet  erscheinen  wie: 

equorum,  equitum  Ennius  —  Chevaliers,  eheval»  Wr  III 
2665  u.  e.  w. 

lapides,  ligna  Lucr.  —  si  getent  pieres  et  mamt  pel  agu 
RC   1442. 

Erwägt  man  nun,  daas  das  Französische  seine  Entstehung 
nicht  dem   Schriftlatein,    dem    alle    angeführten    lateinischen    Bei- 


Über  alliterierende  Verbindungen  in  der  alt  franz.  Litter atur.       99 

spiele  entnommen  sind,  verdankt,  sondern  der  lateinischen  lingua 
rustica,  dass  ferner  nach  Wölfüin  eine  stetige  Zunahme  der  Lust 
so  alliterieren  im  späteren  Latein  unverkennbar  ist,  so  kommt 
man  zu  der  Annahme,  dass  sich  noch  eine  grosse  Menge  fran- 
zösischer Formeln  mit  Anreim  ausser  den  angegebenen  im  Latein 
schon  vorfanden. 

Freilich  würde  das  Altfranzösische  wohl  kaum  eine  solche 
Vorliebe  für  alliterierenden  Gleichklang  zeigen,  wenn  nicht  das 
Keltische  und  vielleicht  auch  die  germanische  Poesie  ihren  Ein- 
fluss  geltend  gemacht  hätten. 

Dafür  spricht  auch  der  Umstand,  dass  die  andern  roma- 
nischen Sprachen,  auf  deren  Bildung  die  lateinische  Sprache 
doch  zum  Teil  noch  viel  mehr  einwirkte,  allem  Anscheine  nach 
einen  viel  beschränkteren  Gebrauch  vom  Anreim  machen.  Frei- 
lich können  wir,  so  lange  umfassende  Sammlungen  aus  ihnen 
nicht  vorliegen,  ein  abschliessendes  Urteil  über  die  Ausbreitung 
der  Alliteration  in  denselben  nicht  abgeben.  Einiges  Material 
ist  gelegentlich  von  Mussafia  für  das  Italienische,  Michaelis  für  das 
Spanische,  Stimming  (Bertran  de  Born.  Sein  Leben  und  seine 
Werke.  8.  236  Anm.)  und  Bartsch  (Peire  VidaVs  Lieder  S.  LXXXV) 
Ar  das  Provenzalische  zusammengestellt  worden.  Auch  für  viele 
dieser  Verbindungen  läset  sich  ein  lateinischer  Ursprung  nach- 
weisen. Um  zu  zeigen,  wie  die  Alliteration  in  den  verschiedenen 
romanischen  Sprachen  vielfach  gleiche  Bahnen  einschlägt,  führe 
ich  zum  Schlüsse  dieses  Kapitels  einige  alliterierende  Verbindungen 
an,  die  in  mehreren  romanischen  Sprachen  vorkommen. 

amore,  aceordo  it.  —  amistii,  acorde  ChL  6323. 

amor  y  amistad  Calderon  —  amistet,  amur  P  854. 

bella  e  buona  it.  —  bei  e  bo  prov.  —  bei  et  bon  fr. 

cors  el  cor  P.  Vid.  44,  13.  —  euer,  cor  afr.  oft. 

dt  crude  e  di  cotte  it.   —  cru,  cuit  Berte  54,  13. 

dieus  e  dreitz  B.   d.   Born  6,  31  —  diex,    drois  RC  3101. 

falsa  ni  felona  prov.  —  fei,  jaus  Wr    III.  5439. 

folh  e  flor  prov.  —  foule,  flor  RT  4788. 

fruit  e  flor  prov.  —  flors,  froit  Ad  58. 

grande  e  grosso  it.  —  grant,  gros  G  1288. 

pel  lungo  e  pel  largo  it.   —  au  long  et  au  large  fr. 

nl  punto  ni  poco  it.    —  ni  peu  ni  point  fr. 

plang  e  plor  prov.  —  plainz,  plurs  Wr  I.  651. 

ni  rey  ni  roque  sp.   —  roi,  roc  Cha  (15)  XXV  17. 

sano  e  salvo  it   —   sals  ni  sas  prov.   —  sain,  saus  fr. 

sen  el  saber  Cerc.  4,   18   —  sen,   saveir  RT  537. 

vai  e  ven  prov.  —  vient,  va  G  1376. 

vola  e  vai  Marc.  24*,  49  —  volent,  vont  Bible  719. 

7* 


IV.      Menge   und   Komi   der  fraii/.iiwi sehen   Alliterationen. 

Das  Franziisische  li.it  sich  nicht  mit  du«  wenigen  alliteriereu- 
■i ■' n  Veftnadungen  begnügt,  die  Hon  dn  Lateinische  Überlieferte. 
Es  schafft  vielmehr,    wenigstens  in  dem  Zeiträume,    den   wir 
trachten,  neue.  Beispiele  in  beträchtlicher  Ansaht.     Viele  sind 

stehenden  Wendungen  geworden,   und  das  Verzeichnis  dieser,  das 
wir  in  Kapitel  IX  geben   werden,   ist  geeignet,  die  in  Kapitel  III 
erwähnten   Behauptungen  von  Fuchs  und   Michaeli«  BJI  entkräftet 
dass   nilttilicll   die  vorhandenen   Beispiele    von  Alliteration  eutwedi 
zufällig  seien   oder  vnn  einieunn  Diclitcrn  gebildet  RTOrd    n  W%n 
idine    Nachahmung    hei   anderen   zu   linden. 

tianz  kurz  erwähnt  sei  hier  Bett)  de  Felii(liiri i  .*,  j 
siinem  Tniilr  j/rn/i-nl  de  r<-i:iiß<:ati<nt  t'rtinqaÜH  S.  21 1  IV. 
Alliteration  spricht.  Er  verstellt  darunler  jede  Wiederhol«, 
desselben  Konsonanten  in  einer  Verszeiie  oder  Überhaupt  in  eim 
bestimmten  Abschnitt,  auch  wenn  diese  gleichen  Konsonant 
im  Innern  oder  am  Ende  der  Wörter  stehen.  Er  meint,  dass 
Aufgabe  der  Dichter  sei,  die  Verse  genau  auf  diese  Art 
Alliteration  zu  prüfen,  und  dass  die  Klassiker  namentlich  dun 
die  entsprechende  Verteilung  gleicher,  ähnlicher  und  eenebiedei 
Konsonanten  ihren   Venen   Wohlklang   «rücken  hatten. 

Dem    gegenüber     betrachten    wir    natürlich    nur     die    -leide 

Wortanfltoge  als  Alliteration.  (Bei  MMmnietlgefetsten  W'iiii 
tritt  oft  an  diu  Stelle  des  WortanfangB  der  Anfing  ■:■ 
WorteB.  Cfr.  darüber  Kapitel  V.J  Wie  schon  das  Tliei:,.i  leig^ 
werden  wir  hier  die  Alliteration  nur  i«  so  weit  behandeln,  als 
sie  sich  in  syntaktisch  koordiniertes  (Miedern  eeigt.  Freilich 
kann  sie  auch  in  diesen  Fällen  bei  weitem  nicht  immer  als  be 
absiehtigt  angesehen  werden,  aber  sie  wird  gerade  in  der  Vei 
bindung  und  Gegenüberstellung  zweier  Worte  am  meisti 
empfunden  und  selbst  da,  wo  sie  vielleicht  gar  nicht  bcabsichti: 
war.  Andererseits  hat  ea  sicherlich  auch  ausser  diesen  allite- 
rierenden Verbindungen  eine  beabsichtigte  Alliteration  gegeben. 
Wir  treffen  Verse  an,  die  sieh  fast  anhöreu,  wie  germanische 
alliterierende  Langzeilen  z.  15.:  nl  duc  chai  an  pui 
plainz,    od  tcl»  pluTs  Wr  II    1821.     or   voi-je   Man,    tovt 

i-a,  tout  rient  Uli  I  27,  ö.  cd  Qld  tagt  (eMU  fitnt,  qi 
urgent  nerinurif.il-  Vio  d.  Euphr.  117  (Itcc.  d'anc.  test.  P.  Meyer. 
Au  anderen  Stellen  sind  eine  Anzahl  gleich  anlautender  Worte 
häutig  zum  Zwecke  der  Lautmalerei,  zusammengestellt, 
häutige  Versausgang  de  "iah  muri  mnnr  oder  .  .  .  jamaU  j. 
joie  .  .  .  Fe.  1947.  Auch  scheinen  es  manche  Dichter  zu  liebei 
die    Cäsur   in    ihren    Veten    dadurch    recht    deutlich    haCVOftreti 


E 


Ober  alliterierende  Verbindungen  m  der  alt  franz.  Litter  atur.      101 

ra  lassen,  dass  sie  vor  die  Cäsur  und  an  den  Versschluss 
alliterierende  Wörter  stellen.  Solche  Verse  finden  sich  z.  B.  in 
Jourdains  de  Blaivies  37  unter  den  ersten  500,  in  den  in  Alexan- 
drinern geschriebenen  Gedichten  Karlsreise  und  Oui  de  Bourgogne 
auf  dieselbe  Zahl  sogar  51  bezw.  53,  also  über  10  Prozent. 

Diese  Dinge  näher  zu  betrachten,  ist  indes  nicht  Aufgabe 
meiner  Arbeit.  Da  ich  nur  die  Verbindungen  koordinierter 
Glieder  behandle,  schliessen  sich  von  selbst  aus  die  etymo- 
logischen Figuren  (cfr.  darüber  Leiffholdt:  Etymologische  Figuren 
im  Romanischen  u.  8.  w.  Diss.  Hildesheim  1883).  Ich  scheide 
ferner  aus,  als  nicht  unter  den  Begriff  der  Alliteration  gehörig, 
alle  Verbindungen  derselben  Wörter,  sei  es  nun,  dass  sie  mehr- 
mals in  gleicher  Form  auftreten,  wie  in  et  nu  et  nu  et  braz  ä 
braz  RT  1631;  les  a  les;  mot  ä  mot  u.  8.  w.,  oder  dass  es 
verschiedene  Formen  desselben  Wortes  sind,  wie  cele  et  eil;  chars 
et  eharetes;  sains  et  saintes;  je  me  fi  et  fiai;  plest  et  pleira  und 
dergl.  Auch  euntes,  vezeuntes  Rol;  cum  e  cument  Cump.  sind 
hier  zu  nennen. 

V.     Laut-  and  Betonungsverhältnisse  der  alliterierenden 

Wörter.     Zusammensetzungen. 

Es  ist  selbstverständlich,  dass  der  Anreim  durch  gleich 
gesprochene,  nicht  durch  gleich  geschriebene,  Anlaute  bedingt 
wird,  um  so  mehr,  da  doch  ein  beträchtlicher  Teil  der  alt- 
französischen  Gedichte  lediglich  für  den  Vortrag,  nicht  zum 
stillen  Lesen,  geschrieben  bezw.  gedichtet  sind,  und  da  auch  die 
Orthographie  in  dieser  Zeit  eine  schwankende  und  unsichere  war. 

Was  die  Vokale  anbetrifft,  so  bilden  nicht  beliebige  Vokale, 
wie  in  der  germanischen  Dichtung,  den  Anreim,  sondern  ein 
Vokal  reimt  auf  den  ihm  entsprechenden  gleichen.  Da  der  End- 
reim auch  nur  Vokale  von  derselben  Qualität  und  Quantität,  in 
der  Regel  wenigstens,  mit  einander  bindet,  so  werden  wir  für 
die  Alliteration  dieselbe  Genauigkeit  vorauszusetzen  haben,  es 
wird  also  ein  offener  Vokal  nur  auf  einen  offenen  Vokal  allite- 
rieren u.  s.  w.  Doch  lässt  sich  darüber  wenig  Bestimmtes  sagen, 
da  vokalische  Alliteration  überhaupt  selten  und,  wo  sie  erscheint, 
fast  stets  zufällig  ist. 

Auch  unter  den  Konsonanten  ist  natürlich  gleiche  Aussprache 
erforderlich,  es  alliterieren  also  nicht  media  mit  tenuis,  wie  Becq 
de  Fouquieres  /.  c.  S.  226  annimmt,  der  d:t  schwache  und  t:t  starke 
Alliteration  nennt  Ebensowenig  entsprechen  sich  cay  co  u.  s.  w. 
und  ce,  ci;  ge  und  ga;  ge,  j  und  ch  (ne  jone.  ne  chenu  JB  1194 
ist  keine  Alliteration).  Andererseits  ist  selbstverständlich  Allite- 
ration   möglich    zwischen    ca}    co  und   qu;    ge,    gi  und  j;    nicht 


.1/.    hohU-r. 


aspiriertes  h  wird  nicht  beachtet.  Wir  haben  also  Anreim  in 
qtiidoü  et  creoit  Fe  4238,  (dasselbe  Gedicht  hat  V.  3744  ü 
cnide  et  croit)  jeune,  gente  ChO  9;  16  u.  b.  w.;  gente,  jolie  Ru. 
30,  2;  beachtenswert  sind  die  phonetischen  Schreibweisen  jentils, 
jouen  Aap.;  Jone  et  jante  (Ms.  St.  Germaiu  1989  fol.  101  zu  PariB). 

Für  das  Französische,  wie  auch  für  das  Lateinische,  müssen 
wir  eine  Forderung  in  Bezug  auf  die  Alliteration  fallen  lassen, 
die  im  Germanischen  unerlässlich  ist.  Das  Germanische  ver- 
langt, daaa  die  alliterierende  Silbe  zugleich  die  betonte  im  Worte 
ist,  was  flir  das  Französische  nur  bei  ein-  und  zweisilbigen 
Wörtern  mit  e  muet  am  Ende  möglich  wäre.  Das  Französische 
empfindet  Alliteration  nicht  nur  bei  solchen  Wörtern,  sondern 
auch  da,  wo  nichtbetonte  Silben  den  Anreim  tragen. 

Wie  schon  erwähnt,  genügt  der  Gleichlauf  des  ersten  Buch- 
stabens den  Anforderungen  der  Alliteration,  und  in  der  Regel  ist 
es  auch  nur  ein  Buchstabe  jedes  Wortes,  der  den  Anreim  bildet; 
doch  musste  es  das  Ohr  des  Hörers  stärker  treffen  und  den  Ein- 
druck der  Zusammengehörigkeit  zu  einem  viel  kräftigeren  machen, 
wenn  die  zwei  ersten  oder  noch  mehr  der  Anfangsbuchstaben  der 
verbundenen  Wörter  übereinstimmten.  Sicherlieh  wurde  die  Allite- 
ration einer  Konsonantenverbindung  mit  einem  einfachen  Kon- 
sonanten nur  schwach  empfunden,  und  man  wünschte,  dass  in 
solchen  Fällen  beide  Wörter  dieselbe  KonBouantenverbindung 
zeigten,  wie  ja  auch  in  der  germanischen  Alliterationspoesie  bei- 
spielsweise ,«  purum  mit  sp,  »t  keinen  richtigen  Anreim  bildete. 
(Cfr.  Lachmann:  Alliteration  in  Eracli  und  Grnber's  Encyklopädie.) 
Mehrfache  Konsonanzen  alliterieren  in  den  häufigen  Verbindungen 
plore,  plaint;  grant,  gros;  ferner  in  prompt  et  prent  CP  5496; 
et  eil  s'dme  trahist  et  triefte  Ru  IL  56,  4 ;  d'entre  trmtreg  ne 
triceres  Re  I  571;  Konsonant  -|-  Vokal  in  !e  cor*  e  les  coatez 
Rol.  284;  que  ce  xenefioit  dolor,  domaige  RT  29709—10.  ml*  or 
comence  Inr  grant  matt,  lor  viartires  RT  28738  —  9;  M  mastin 
et  megre  et  ntenu  Re  III  995;  detort  neu  poins  et  debat  xa  poärine 
JB.  3241. 

Wie  verhält  es  sich  nun  mit  zusammengesetzten  Wörtern? 
Im  allgemeinen  wird  man  bei  der  Bestimmung  der  Alliteration 
die  vorgesetzten  Präpositionen  und  Partikeln  ausser  Acht  lassen 
müssen.  Namentlich  gilt  das  für  längere  und  noch  deutlich  als 
solche  gefühlte  Vorsilben,  wie  des,  dis,  mes,  por  (paar),  in,  en, 
entre,  re.  Es  ist  ein  sehr  bequemes  und  bei  manchen  Dichtern 
sehr  beliebtes  Mittel,  die  gemeinsame  Richtung  zweier  Thätig- 
keiten  dadurch  besser  zum  Ausdruck  zu  briugeu,  dass  man  mit 
derselben  Vorsilbe  zusammengesetzte  Wörter  verwendet.  Wir 
finden  das  besonders  häufig  bei  Chrestien  z.  B.  demince  et  depiece 


Über  aläterierende  Verbindungen  m  der  alt  franz.  Litieratur.      103 

ChL  3881;  descuevre  et  desnoe  ibid.  3912;  desliees  et  descmntes 
5199.  Aber  in  solchen  Verbindungen,  zn  denen  wir  mesdä  ne 
mesfait  Fe  1647;  dissension  ne  discordance  RT  13283;  et  tnainte 
trauern  pourtraite  et  pourchacie  Berte  84,  14 ;  vniquitis  et  injures 
Cha  (15)  XIII  19,  2;  a  mienuü  e  a  misdi  BD  1882;  entrebaisiez 
$e  stent  e  muü  entreioi  Wr  II.  4367  noch  hinzufügen,  liegt 
doch  zu  wenig  Kunst  des  Dichters,  als  dass  sie  als  Anreime 
hätten  empfunden  werden  können.  Dagegen  haben  wir  es  unbe- 
dingt mit  Alliteration  zu  thun,  wenn  der  Konsonant  nach  der 
Vorsilbe,  mag  diese  nun  gleich  oder  verschieden  sein,  in  beiden 
Wörtern  derselbe  ist,  wie  in  coment  li  Griu  repairerent  et  coment 
ü  reptrittierent  RT  671—72;  ebenso  in  aSols  e  Seigniet  Rol. 
340;  2205.  Aber  sicher  war  auch  häufig  das  Gefühl  geschwunden, 
dass  ein  Wort  überhaupt  zusammengesetzt  sei,  und  dann  wurde 
dieses  Wort,  auch  in  Bezug  auf  die  Alliteration,  als  ein  einfaches 
behandelt  Noch  weniger,  als  der  Römer  in  coyere,  konnte  der 
Franzose  die  Zusammensetzung  in  coldre,  coudre  erkennen.  Ähn- 
lich war  es  mit  Vorsilben,  die  mit  den  Anfangssilben  einfacher 
Wörter  gleich  lauteten.  Woher  hätte  der  altfranzösisohe  Dichter 
wissen  sollen,  dass  in  esforcet,  eschange  Rol  3714  das  es  anders 
entstanden  sei  als  in  eseuz  e  espiez  ib.  1799?  So  können  wir 
in  euer,  confart  JB  2721;  dem  häufigen  du,  devisi;  douce,  debon- 
naire;  done,  depart  u.  8.  w.  sicher  Alliteration  erkennen. 

VI.     Die  alliterierend  verbundenen  Wortarten«    Verbindung 

und  Stellung  der  Glieder. 

Da  sich  die  Besprechung  auf  diejenigen  Fälle  beschränken 
soll,  in  denen  koordiniert  verbundene  Glieder  auf  einander 
alliterieren,  so  haben  wir  es  in  der  Regel  mit  der  Ver- 
bindung gleicher  Redeteile  zu  thun  und  zwar  sind  des  zum  grössten 
Teil  Substantivs  und  Adjektiva,  seltener  Verba,  vereinzelt  auch 
Adverbien  und  Partikeln.  Indes  möchte  ich  auch  eine  Anzahl 
koordinierter  Verbindungen  als  hierher  gehörig  bezeichnen,  in 
denen  verschiedene  Redeteile  mit  einander  alliterieren,  z.  B.  ein 
Substantiv  mit  einem  substantivisch  gebrauchten  Adjektiv  oder 
Infinitiv,  ein  Adjektiv  mit  dem  Adverb  eines  anderen  Adjektivs, 
ein  Adverb  mit  dem  Hauptbestandteil  eines  adverbialen  Aus- 
drucks u.  dergl.,  wie  a  genoiüons  et  en  gisant  RT  22227;  u  a 
envis  u  volentiers  Fe  5416;  qui  molt  fu  prodom  et  de  pes  Re  III. 
2057 ;  bien  estes  enparentee  et  de  haut  parage  RP  Rom.  I.  28, 
38—39;  tonte  la  gens  nienue  et  morte  et  mal  baiUie  ib.  I.  57,  23. 

Die  Art  der  Verbindung  ist  verschieden  nach  dem  logischen 
Verhältnis,  in  dem  die  einzelnen  Glieder  zu  einander  stehen,  be« 


104 


M  tßütr. 


dingt    Hieb    durch    Rücksichten    anf    den    Satz  und    das    Metrum. 
Eb  ist  nicht  nötig,    dass  die   Wörter  unmittelbar,    nur  durch  e 
Partikel   getrennt,    neben    einander    stellen;     es    können   auch 
Subjekte    oder   Prädikate    zweier   verbundenen   Sätze,    sowie 
Attribute  zweier  Hauptwörter  mit   einander  alliterieren. 

Für  die  ursprünglichste  Form  der  Verbindung  alliterierender 
Wörter  im  Lateinischen  hält  Wolfflin  das  Asyndeton,  und  man 
musa  zugeben,  dass  dies  vorzüglich  geeignet  ist,  zwei  Begriffe 
ganz  eng  zu  verbinden  und  gewissenuasseu  zu  einer  Einheit  zu 
verschmelzen,  wie  in  fusus  fugaiux;  da  dico  aditieo;  MM  b&i 
viri.  Auf  die  Frage  Wölfnin's,  oh  sich  ein  solches  Asyndeton 
auch  in  den  romanischen  Sprachen  finde,  erwidert  Gröber  in 
HSAI  Anzeige  von  WSlfflin'a  Aufsatz  (Zeitschrift  für  romanische 
Philologie  VI  467),  daBs  er  Beispiele  dafür  nicht  gefunden  habe. 
Auch  ich  bin  nicht  im  Stande,  diese  Frage  endgültig:  zu  beant- 
Mctea  Ieh  führe  aber  hier  einige  Zusammenstellungen  »n, 
mit  den  lateinischen  asyndetisehen  Verbindungen  eine  gewtai 
Ähnlichkeit  haben:    he    siut    adieu    amon 

taittsent  amont  avol  ib.  3404;  (hier  ist  bei  anumt  aval  sieber 
nicht  oa  „bergauf,  bergab"  gedacht,  sondern  beide  Ausdrücke 
bilden  einen  einheitlichen  Begriff  und  bedeuten:  überallhin,  bezw. 
überall,  ringsum).  Ähnlich  sind  tont  torne  ce  desus  desore  E.  952; 
e  tourne  chic  de.txoita  denseure  AH  330;  toui  ce  devant  derrirr 
CDF  1.  249.  Natürlich  hat  dieses  Asyndeton  nichts  zu  tlmr 
mit  dem  scheinbaren  Asyndeton,  welches,  entsteht,  wenn  drei 
oder  mehr  Glieder  mit  einander  verbunden  sind  und 
dem  letzten  die  kopulative  Partikel  steht. 

Die  häufigste  Partikel  hei  einfacher  Aneinanderreihung  ist 
et  (e):  dazu  kommt  doppeltes  et,  vor  jedem  der  Glieder  eins. 
Bei  Gegenüberstellung  ist  das  Gewöhnliche  einfaches  oder 
doppeltes  au.  Negativ  Bteht  in  beiden  Fällen  doppeltes  ne  oder 
ein  ne  zwischen  beiden  Gliedern,  dem  ein  zweites  vor  dem  Verbuiu 
entspricht.  Für  einfaches  et  kommt  auch  et  «  vor.  Seltenere 
Formen  der  Verbindung  sind  z.  B.  plus  —  plus,  oder  plus  — 
movis  (mains)  vor  Verben,  ebenso  souoent  —  iouvent;  femer 
non   —  nie*  in  seignorie  non,  nu  xervUe  Ro  6 

i/)i'il    vttitdfifiit    in iex    mit    qvt;    cm    Bible    173. 

Die  Frage,  ob  die  Stellung  der  Glieder  ei 
Verbindung   zu    einander    eine  willkürliche    ist,    oder    ob  l 

bestimmten  euphonischen  Gesetzen  abhängig  ist,  lässt  sich  ein- 
heitlich nicht  beantworten.  Deutsche  Redensarten, 
and  gäbe,  frank  und  frei,  Leib  und  Leben"  sind  nur  in  diesei 
Stellung  gebräuchlich  und  würden,  wollte  man  sie  umstellen, 
Zusammengehörigkeit  aufgeben  und  einen   befremdlieben  Eindruck 


sant- 
,  die 
risse 
ot  M 
eher 
Icke 
ezw. 
}52; 
rtfw 
tbun 
drei 


r  alliterierend,  i 


Ober  alliterierende  Verbindungen  in  der  alt/ranz.  Litter aiur.      105 

machen.  Doch  gilt  dies  nur  von  ganz  festen,  im  Volksmund 
gebräuchlichen,  Wendungen.  Wir  müssen  hier,  wenn  wir  diese 
Frage  für  das  Französische  untersuchen  wollen,  zunächst  ab- 
sehen von  allen  rein  zufällig  alliterierenden  Verbindungen,  bei 
welchen  auch  die  Stellung  der  Glieder  auf  dem  Zufall  beruht 
Auch  viele  der  vom  Dichter  für  den  einzelnen  Fall  gebildeten 
Alliterationen  müssen  wir  hierbei  ausser  Acht  lassen,  denn  im 
ahfranzösischen  Zeitraum  nimmt  der  grössere  Teil  der  Dichter 
wenig  Röcksicht  auf  den  grösseren  oder  geringeren  Wohlklang, 
den  die  einzelnen  Wörter  des  Verses  infolge  ihrer  Auswahl  und 
Stellung  zu  einander  erzeugen.  Dazu  ist  der  Dichter  bei  der 
Wortstellung  noch  vielfach  beschränkt  durch  Metrum  und  Reim 
bezw.  Assonanz.  Wo  aber  diese  Rücksichten  keinen  Einfluss 
ausübten,  namentlich  bei  den  Verbindungen,  die  der  Dichter 
fertig  ans  der  Volkssprache  übernahm,  scheint  die  Stellung  der 
Glieder  zu  einander  eine  feste,  nach  bestimmten  Gesetzen  ge- 
regelte gewesen  zu  sein.  Sie  ist  abhängig  von  der  Qualität  der 
Vokale,  der  Länge  der  Wörter  und  dem  Verhältnis,  in  welchem 
diese  inhaltlich  zu  einander  stehen.  Zum  Teil  finden  wir  in  den 
romanischen  Sprachen  bestimmte  Ablautsformen,  nach  welchen 
sich  die  Stellung  der  Glieder  richtet  (Cfr.  Diez :  Gemination  und 
Ablaut  im  Romanischen  in  Höfer's  Zeitschrift  für  die  Wissenschaft 
der  Sprachen  III  Heft  1  und  2,  S.  397  ff.).  Doch  scheinen  sie 
sich  im  Französischen,  wie  auch  Diez  schon  bemerkt,  selten  an- 
gewandt zu  finden.  Ein  Beispiel  für  die  Reihe  i  -\-  a  ist  linge 
ne  lange  CDF  I  64;  ne  lin  ne  lange  ChL  310;  Ru  I.  28,  24. 
Im  allgemeinen  ist  die  Neigung  vorhanden,  das  Wort,  welches 
einen  volleren  Tonvokal  besitzt,  an  die  zweite  Stelle  zu  setzen. 
Es  stehen  besonders  die  Wörter  mit  a  in  der  Tonsilbe  zu  zweit, 
z.  B.  gresle,  glace  E.  1139;  doel  e  damage  Rol.  2983  u.  sonst; 
e  fous  e  flambe  ib.  2535;  li  colps  e  li  caples  ib.  1109;  1678; 
gri  ne  grace  Erec  42;  FSM  229  (umgekehrt  Wr  II  3965,  weil 
hier  die  Wendung  am  Versende  steht);  amont  aval  Fe.  193;  ne 
pain  ne  paste  Ru  I.  9,  19;  ne  tost  ne  tart  oft.  Wo  diese  Regel 
nicht  befolgt  wird,  geschieht  es  in  den  seltensten  Fällen  aus 
Willkür,  sondern  gewöhnlich  aus  Rücksichten  auf  den  Vers,  den 
Sinn,  oder  die  zweite  hierher  gehörige  Regel,  die  häufig  mit  der 
ersten  im  Kampf  liegt.  Es  ist  nämlich  beliebt,  das  grössere 
und  gewichtigere  Wort  nach  dem  kürzeren  zu  setzen.  So  finden 
wir  meistens  das  abgeleitete  Wort  nach  dem  kürzeren  Simplex, 
i.  B.  cuard  ne  cuardie  Rol.  1647;  cheval  et  chevalier  ChL.  3158; 
euer  et  corage  Fe  6885;  beachte  ferner  dels,  dolor  RT  667;  don  e 
donoi  Cha  (12)  X  4,  5;  amour  ne  amistii  Ru  I.  136,  4  (die 
Stellung  m  amistet  e  m'amur  findet  sich  RT  855  des  Reimes  wegen). 


106 


M.  «Mm-, 


Von  anderen  Fallen  führe  ich  an:  frait  t  fendut  Rol.  3604  und 
sonst;  le  cor*  e  le«  coidez  ib.  284;  messe  e  matines  ib.  164; 
pedre  e  p'arentes  AI.  415;  parte,  pontiz  P.  475;  chauf,  chevelu 
Berte  183,  4;  ne  gros  ne  aresle  FSM  84.  Besonders  auch  Wörter 
mit  klangreicheren  Endungen  nehmen  gern  die  zweite  Stellung 
ein,  so  asola  e  seign'iet  Rol.  340  und  sonst;  plantare  et  plorer 
E.  903. 

Häufig  streiten  zwei  dieser  Prinzipien  mit  einander  und  der 
Ausgang  ist  dann  ein  verschiedener.  Rol.  1832  heisst  es  e  derere 
e  devant,  weil  das  letzte  e  von  derere  elidiert  wird  und  dieses 
Wort  dann  nicht  länger  ist  als  dpuant,  sonst  aber  ist  devant  et 
derriire  häufig.  In  formet  et  faire  proprement  Cha  24  finden 
wir  die  vollere  Form  vor  der  kürzeren,  weil  zu  faire  der  Zusatz 
proprement  gehört.  Auch  die  Rlicksicht  auf  die  Bedeutung  beider 
Wörter  erklärt  manche  Abweichung  von  den  Regeln.  So  steht 
in  et  maz  et  man  OhL  2281  maz  zuerst,  weil  morz  begrifflich 
eine  Steigerung  bezeichnet. 

So  lassen  sich  in  vielen,  freilich  nicht  in  allen,  Fällen, 
wo  die  gegebenen  Regeln  nicht  befolgt  sind,  Gründe  für  die 
Abweichung  anfuhren. 

VM.  Einteilung  der  alliterierenden  Verbindungen  nach  dem 
logischen  Verhältnis  der  Glieder  zu  einander. 
Sobald  eine  Sprache  anfing,  aus  der  ruheeten  und  ein- 
fachsten Form  herauszutreten,  sobald  ein  Volk  begann,  seiner 
Rede  etwas  Schmuck  zu  verleihen  und,  anstatt  in  der  Mitteilung 
Begriff  gleichmässig  an  Begriff  zu  reihen,  sich  bestrebte,  den 
wichtigeren  Begriff  mit  Naehdritck  vor  dem  nebensächlicheren 
hervorzuheben,  da  musatc  ob  beliebt  werden,  anstatt  eines  ein- 
zelnen Wortes,  das  leicht  unbemerkt  verklingen  und  dem  Ohre 
des  Hörers  entgehen  konnte,  zwei  oder  mehrere  zu  setzen,  die 
als  Synonyma  denselben  Inhalt  mehrfach  wiederholten  oder  als 
erstes  und  letztes  Glied  einer  Reihe  eine  abstrakte  Vielheit 
konkret  verdeutlichten,  in  beiden  Fällen  also,  weil  sie  voller 
und  deutlicher  den  Begriff  bezeichneten,  die  Aufmerksamkeit 
mehr  erregen  mussten  als  eine  einzige  kahle  Bezeichnung.  So 
sagt  man  „angst  und  bange",  obgleich  dem  Gedanken  ein  Wort 
von  beiden  genügte,  oder  „mit  Mann  und  Maus  zugrunde  gehen", 
wobei  alle  Dingo,  die  zwischen  dem  wichtigsten  „Mann"  und 
dem  unwichtigsten  „Maus"  liegen,  mit  eingeschlossen  gedacht 
werden,  Kam  nun  noch  ein  in  den  einzelnen  Wörtern  liegendes 
äusseres  Merkmal  der  Zusammengehörigkeit  hinzu,  sei  es  nun 
Alliteration,  Reim,  vokalischer  oder  konsonantischer  Gleichklang 
innerhalb    der    Wörter    oder    Ablaut    der    betonten    Vokale,    so 


Über  alliterierende    f'srhindungm  '»  der  altfranz.   Litterainr.       107 

musste  'las  den  beabsichtigten  Eindruck,  das«  ein  einheitlicher 
Begriff  vorliege,  wesentlich  unterstützen.  Alliteration  wie  End- 
reim, beide  vielleicht  durch  Zufall  entdeckt,  wurden  nun  schnell 
ein  gern  und  häutig  angewandtes  Mittel  der  Sprache,  um  so 
mehr,  da  sie  auch  durch  ihren  Wohlklang  dem  Ohre  schmeichelten. 
Es  ist  auch  nicht  ausgeschlossen,  dass  manche  Verbindungen 
alliterierender  Wörter,  etwa  in  der  Rechtssprache,  mnemotech- 
nischen Rücksichten  ihre  Entstehung  verdanken.  Eine  gewisse 
Art  von  Alliteration,  die  allerdings  unserem  Thema  fernsteht, 
ist  aus  dem  Bestreben  entstanden,  die  Aussprache  mancher 
Wörter  zu  erleichtern,  ich  meine  die  Reduplikation,  dann  die 
Assimilation  und  Gemination,  welche  letztere  auch  dem  Alt- 
französischen  nicht  fremd  war  and  sich  noch  jetzt  in  der  Sprache 
der  Kinder,  aber  auch  in  der  Sprechweise  des  VolkeB  tindet, 
t.  B.  in  bobonne,  fifüle  u.   dcrgl. 

Wenn  wir  die  alliterierenden  Verbindungen  nach  dem  logi- 
schen Verhältnis  sie  ihrer  Glieder  zu  einander  einteilen,  so  ergeben 
sich  folgende    Klassen: 

1)  Beide  Glieder  enthalten  synonyme  Begriffe, 
sie  decken  sich  entweder  vollständig  oder  doch  fast  vollständig. 
In  diese  Abteilung  gehört  vor  allem  die  grosse  Mehrzahl  der 
Verbindungen,  die  aus  zwei  Wörtern  desselben  Stammes  be- 
stehen, einem  Grundwort  und  einer  Ableitung  davon  oder  zwei 
Ableitungen  derselben  Wurzel.  Beispiele  dafilr  sind:  m'amistet 
e  m'amur  P.  854;  bien  et  bontei  Ru  11.  7,  11;  de  chanaon  faire 
et  ...  rf«  chans  Cha  (12)  Kreuzzug  V.  1,  2;  com  fu.  gratit  dels 
et  grünt  dolor  RT  667;  don  t  donoi  Cha  (12)  X.  4,  5;  fu  for- 
mend foible  et  ßoe  Berte  50,  9  (wenigstens  leitet  P.  Paris  floe 
von  fitbäis  ab);  geta  et  jali  (jaetare  et  jaculari)  RC  2316; 
gri,  grace  FSM  229;  Wr  II.  3965;  Erec  42;  en  foy  et  en  fiance 
CDP  1.  244;  matie  et  mate  Ru  II.  31,  8;  le  nom  et  la  rtmom- 
mee  CDP  I.  251 ;  flors  fad  d'onor  et  d'oneste  ib.  I.  256;  grant 
parnle  e  grant  reparlmice  Wr  III.  1981;  Wai  pooir  ne  poissance 
CDF  11.  244.  Besonder«  merkwürdig  sind  die  folgenden  zwei 
Beispiele,  in  denen  zwei  verschiedene  Bildungen  des  part.  passe 
desselben  Verbums  mit  eiuander  verbunden  sind:  com  n'ü  i  fuxt 
nateuz  et  nez  KT  10  610;  und  de  quei  ü  sont  nez  e  naü  BD  816. 
Noch  häufiger  sind  natürlich  aus  dieser  Klasse  Verbindungen 
von  Worten)  verschiedener  Stämme,  und  zwar  hauptsächlich 
Substantiva  und  Verba,  weniger  Adjektiva,  z.  B.  cette  aminHe"  et 
ceste  acorde  ChL  6323;  et  bois  e  es  buistuns  Wr  II.  3643; 
n  dolor  et  destrece  ßu  II.  26,  11;  e  fom  e  flambe  Rol  n.  sonst.; 
formes.  figures  RT  1 1  324 ;  ymagenes  e  trestutes  les  ydeles  Rol 
3664;     ü    n'i    out   pars    ne    repox    Wr  III,    4198;    ou   rentes   ou 


108  M.  Kbhitr, 

richesccK  grunz  Bible  2306;  par  son  sen  et  par  son  saveir  RT 
537;  soupir,  sanglot  E  900;  seigneur  et  souverain  ChO  10; 
»ouasy,  going  ib.  241;  svbgiez  et  gerviteurs  ib.  297;  le  tatu  et  le 
terme  RC  3767;  tenUs  et  tres  Fe  4772;  Verba:  recleiment  e  crient 
Rol  3998;  cuidier  ne  eroire  ChL  1426;  Vout  si  charme  e  en- 
chante  Wr  I.  152;  e  duire  e  doctriner  ib  II.  1766;  frait  e  fen- 
dut  Rol  3604;  me  garde  et  guete  RP  I.  48,  18;  paindre,  por- 
traire  Ro  6;  trenchet  e  taälet  Rol.  1339;  Adjektivs:  mat  et  morne 
Fe  977;  sains  e  sals  oft;  prompt  et  prett  CP  5496. 

2)  Beide  Glieder  enthalten  Gegensätze.  Die  Bei- 
spiele fllr  diese  Klasse  sind  in  der  altfranzö  Bischen  Dichtung 
verhältnismässig  selten,  wag  wohl  ein  Zeichen  dafür  ist,  dass 
die  Alliteration  zuerst  zu  dem  Zwecke  gebraucht  wurde,  zwei 
oder  mehr  Glieder  eng  zu  verbinden,  und  erst  in  zweiter  Linie 
dazu,  zwei  Begriffe  einander  schroff  gegenüber  zu  stellen.  Bei- 
spiele für  diese  Klasse  sind:  ne  chalf  ne  chevelu  Wr  II.  1010; 
ne  cru  ne  cuit  Berte  54,  13;  nuls  hom  forz  ne  fieble  Wr  II.  200; 
gent  letree  et  gent  laie  Berte  13,  7;  par  pri  ou  par  podeste 
AI.  204;  564;  qm  qu'en  peist  ne  qul  place  Wr  Ca  5;  lex  puU 
et  le  plaigne  Ali  572;  ne  seigneur  ne  teriant  Wr  II.  2088; 
gerf,  sire  Ad.  33;  tost,  tart  oft;  vunt,  vienent;  vunt,  reoicnent  u.  s.w. 

3)  Beide  Glieder  ergänzen  sich  oder  nähern  sich 
doch  einander.  Die  Beziehnngem  zwischen  den  einzelnen 
Wörtern  können  dann  die  verschiedensten  sein.  Am  häufigsten 
sind  es  Arten  einer  Gattung  z.  B.  Tiere  lion  ne  letipart  Rol  1111; 
grues  et  gante»  PB  1465;  Steine  voraus  et  crisolites  ib  645; 
Musikinstrumente  tabletes  et  tabor  ChL  2353;  Waffen  excut  e  es- 
püz  Rol  1799;  gottesdienstliche  Handlungen  messe  e  matines 
Rol  164.  Es  können  ferner  sein  Teile  eines  Ganzen,  des 
Körpers  e  piez  e  poinz  Rol  1968;  des  Baumes  foitte  et  flor 
RT  4788;  fieur  et  fruit  Hu  IL  44,  18;  oder  ein  Ganzes  und 
ein  Teil  desselben,  Z.  B.  le  grant  mostier  et  les  murs  RC  8099; 
le  latin  sivra  et  la  lelre  RT  135;  parte  ne  postiz  P  475;  eon 
chief  et  sa  chiire  Berte  59,  2;  dras  e  duns  Wr  III.  810;  aveir, 
argent  ib.  IL  4410.  Ursache  und  Wirkung  finden  wir  verbunden 
in  feu  ne  fume'e  21.  Text  des  .J Tidenknaben  102  (ed.  Wolter), 
Mensch  und  Tier  oder  Sache  in  cheval  et  chevalier  ChL  8158; 
medecme  ne  mire  Wr  II.  260.  Verbindungen  von  alliterierenden 
Personennamen  treffen  wir  besonders  häufig  in  den  Chansong  de 
geste  an.  (Cfr.  P.  Meyer :  de  l'aüüeration  en  roman  de  France  etc. 
Romania  XL  S.  572  ff.)  Ich  führe  als  Beispiele  an  ans  Hol.: 
Basan,  Basilies  208;  Estamarin  e  Eudropin  64;  e  Qerin  e  Ge- 
tiers 107;  Yvoerie  e  Yvun  1895;  Clarifan,  Clarien  2670;  aus 
RC:    et  Oerars  et  Gering  753;   Qaleran  et  Gaudin  757;  Mahons 


Cbcr  aOHerierende  Verbindungen  in  der  ali franz.  Litter atur.      109 

et  Mahomes  7674;  ans  Ali:  Gaudins,  Quickars,  Gautiers  5 — 6; 
Bernars  et  Bueves  7923;  aus  P:  e  Bernart  de  Brusban  et  Ber- 
tram 65;  ans  G:  ne  Richart  ne  Renier  418;  Odon,  Ogier  1217. 
Von  den  alliterierenden  Verbindungen  der  Zeit-  und  Eigen- 
schaftswörter gehört  in  diese  Klasse  der  grössere  Teil,  da  sie 
meistens  verschiedene,  aber  nicht  entgegengesetzte  Handlungen 
bezw.  Eigenschaften  bezeichnen,  seltener  dieselbe  Handlung  bezw. 
Eigenschaft  doppelt  ausdrücken  und  noch  weniger  häufig  durch  ihre 
Glieder  direkte  Gegensätze  zum  Ausdruck  bringen.  Besonders  hin* 
weisen  möchte  ich  hier  auf  die  Verbalverbindungen,  deren  eines 
Glied  ein  ganz  allgemeines  Zeitwort  wie  faire  und  mettre  ist,  sei 
es  nun,  dass  dieses  pleonastisch  den  schon  im  verbundenen  Verbum 
liegenden  Begriff  der  Thätigkeit  wiederholt,  oder  dass  es,  mit 
einem  Objekt  oder  einem  adverbialen  Ausdruck  verbunden,  einen 
verwandten  Begriff  hinzufügt,  z.  B.  fist  ses  meisons  feire  etfermer 
RT  29  755;  fu  faiz  li  temples  et  fondez  Bible  2183;  a  la  former 
et  faire  proprement  ChO  24;  por  droit  fere  et  por  afetier  Re 
I.  1303. 

VTO.   Einteilung  der  alliterierenden  Verbindungen  nach  der 

Art  ihrer  Entstehung. 

Wir  haben  bisher  die  alliterierenden  Verbindungen,  die 
uns  in  den  altfranzösischen  Gedichten  vorliegen,  nach  verschie- 
denen Richtungen  untersucht,  ohne  wesentlich  Rücksicht  darauf 
su  nehmen,  welchen  Anteil  der  Dichter  an  ihrer  Entstehung  hat, 
wenn  auch  die  Beispiele  zumeist  aus  den  Verbindungen  gewählt 
worden  sind,  bei  denen  eine  beabsichtigte  Alliteration  voraus- 
gesetzt werden  konnte.  Schon  ein  flüchtiger  Überblick  über  das 
vorhandene  Material  belehrt  uns,  dass  durchaus  nicht  bei  jedem 
Fall  von  Alliteration  diese  letztere  auf  die  Absicht  des  Dichters 
zurückgeführt  werden  kann,  und  es  ist  von  Wichtigkeit  für  den 
ästhetischen  Wert  jeder  Stelle,  an  der  sich  ein  derartiger  Anreim 
zeigt,  zu  untersuchen,  ob  die  Alliteration  durch  den  Dichter  ab- 
sichtlich angewandt  worden  ist,  bezw.  ob  sie  der  Hörer  oder 
Leser  empfindet.  Sondern  wir  die  Verbindungen  nach  diesem 
Gesichtspunkte,  so  erhalten  wir  folgende  Klassen: 

1)  Eine  alliterierende  Verbindung  ist  volksmässig. 
An  der  Bildung  derselben  hat  der  Dichter  keinen  Anteil;  er 
übernimmt  sie  aus  dem  Munde  des  Volkes,  wie  er  aus  der 
Sprache  die  Wörter  übernimmt.  Diese  Klasse  findet  sich  natür- 
licherweise hauptsächlich  bei  volksmässigen  Dichtern,  die  in 
enger  Fühlung  mit  der  Sprache  des  Volkes  bleiben,  während  der 
höfische  Dichter  solche  Wendungen  zu  vermeiden  sucht.  Die 
Wirkung,    die  sie  auf  den  Hörer  ausübt,  ist  eine  geringere,  als. 


110  M.  KäSUer, 

wenn  sie  der  Kunst  des  Dichters  ihr  Dasein  verdankte.  Immer- 
hin ist  eine  Wirkung  vorhanden.  So  gut  wie  ein  passend  ge- 
wähltes Wort,  das  ja  auch  schon  vor  der  Anwendung  fertig  vorlag, 
für  sich  allein  oder  im  Zusammenhang  mit  andern  einen  ästhe- 
tischen Eindruck  hervorruft,  ebenso  gut  kann  es  auch  die 
pausend  gewählte  Alliteration,  auch  wenn  der  Dichter  auf  das 
Verdienst,  sie  gebildet  zu  haben,  keinen  Anspruch  erheben  kann. 

Freilich  wird  es  uns  nicht  so  leicht,  wie  es  den  Zeit- 
genossen des  Dichters  sicher  gewesen  ist,  die  volkstümlichen 
Alliterationen  herauszuerkennen.  Das  öftere  Vorkommen  allein 
ist  weit  entfernt,  ein  sicheres  Kriterium  zu  sein.  Oft,  wenn 
wir  eine  derartige  Wendung  mehrfach  antreffen,  haben  wir  be- 
wusste  Nachahmung  anzunehmen,  und  gar  manches  Mal  mag  auch 
der  Zufall  mehrere  Schriftsteller  auf  dieselbe  Wendung  geführt 
haben,  ohne  dass  sie  durch  einander  oder  durch  die  Volkssprache 
beeinflusst  worden  wären.  Auf  der  andern  Seite  finden  wir 
manche  alliterierenden  Formeln,  die  deutlich  das  Gepräge  der 
Volksmässigkeit  tragen,  nur  ein  einziges  Mal  poetisch  angewandt. 
Ein  etwas  sichereres  Kennzeichen  ist  die  Unveriinderlichkeit  der 
betreffenden  Formel.  Die  einzelnen  Glieder,  die  hier  in  der 
Hegel  nach  euphonischen  Rücksichten  zu  einander  gestellt  sind, 
werden  in  ihrer  Stellung  nicht  vertauscht,  auch  kann  zwischen 
sie  nicht  ein  weiteres  Glied  treten,  und  ebenso  wenig  dulden 
sie  zwischen  sich,  ausser  den  notwendigen  Verhindunga Wärtern, 
ein  anderes  Wort.  Die  Formel  ist  eben  so  fest  geprägt,  dass 
sie  aufhären  wUrde,  volkstümlich  zu  sein,  wenn  sie  verändert 
würde.  Es  gilt  dies  ebenso  von  solchen  Redensarten  im  Deut- 
schen; wir  dürfen  in  dem  Satz:  „Er  ritt  über  Stock  und  Stein" 
die  beiden  alliterierenden  Wörter  nicht  umstellen,  wenn  wir  nicht 
ihre  Zusammengehörigkeit  aufgeben  wollen. 

Es  ist  weiterhin  charakteristisch  für  die  volkstümlichen 
alliterierenden  Verbindungen,  dass  in  ihnen  nur  solche  Wärter 
vorkommen,  die  wir  jetzt  mots  populaires  nennen,  die  also  von 
Anfang  an  in  der  französischen  Sprache  vorhanden  waren,  während 
wir  mots  savants  nicht  finden.  Diese  Verbindungen  bildeten  sich 
eben  in  der  frühesten  Zeit  der  Entwickelung  der  Volkssprache, 
spätere  Bildungen  sind  äusserst  selten.  Wir  kiinnen  eine  grosse 
Anzahl  derartiger  Wendungen,  die  noch  jetzt  gebräuchlich  sind, 
bis  auf  die  ältesten  Perioden  der  Sprache  zurückverfolgen.  Wir 
treffen  in  manchen  von  ihnen  Wörter  an,  die  allein,  ausserhalb 
der  Verbindung,  heute  nicht  mehr  angewandt  werden. 

Freilich  reichen  diese  Kennzeichen  nicht  bin,  um  in  allen 
Fällen  sicher  eine  alliterierende  Verbindung  als  volkstümlich 
konstatieren  zu  können. 


Über  alliterierende  Verbindungen  in  der  alt  franz.  Litteraiur.      111 

2)  Eine  Alliterierende  Verbindung  ist  vom  Dichter 
mit  Absicht  gebildet.  Solche  Verbindungen  kommen  in  der 
Regel  nur  einmal  oder  doch  nur  bei  demselben  Dichter  vor. 
Die  Stellung  der  Glieder  zu  einander  ist  keine  feste;  die  Glieder 
können  umgestellt  werden  und  sind  häufig  durch  andere  Satzteile 
getrennt.  Der  Dichter  stellt  sie,  wenn  sie  nicht  nebeneinander 
stehen ,  gern  an  hervorragende  Punkte  des  Verses,  damit  sie 
deutlich  wahrgenommen  werden,  z.  B.  an  den  Anfang  und  das 
Ende,  vor  die  Cäsur  und  an  den  Schluss  des  Verses.  Die  An- 
zahl der  in  diese  Klasse  gehörigen  Beispiele  ist  grösser  als  in 
der  ersten  Klasse.  Es  ist  diese  Zusammenstellung  anreimender 
Wörter  bei  manchen  Dichtern  der  altfranzösischen  Zeit  sehr  be- 
liebt, z.  B.  bei  den  Dichtern  des  Artussagenkreises,  wo  die 
Alliteration  nicht  selten  auch  zu  Wortspielen  verwandt  wird. 
Freilich  ist  es  auch 'hier  in  vielen  Fällen  unmöglich,  mit  Be- 
stimmtheit anzugeben,  ob  eine  Verbindung  hierher  gehört  oder 
nicht.  Die  Wahrscheinlichkeit  ist  dafür  vorhanden  bei  Ver- 
bindungen synonymer  und  gegensätzlicher  Glieder,  welche  nicht 
unter  die  volkstümlichen  Verbindungen  gehören.  Im  Übrigen  muss 
man,  so  weit  es  möglich  ist,  von  Fall  zu  Fall  entscheiden,  ob  ein 
Beispiel  in  diese  Klasse  zu  rechnen  ist  oder  in  die  folgende. 

3)  Eine  alliterierende  Verbindung  ist  zufällig. 
Da  die  Dichter  der  altfranzösischen  Periode  im  Gegensatze  zu 
denen  der  klassischen  Zeit  nicht  die  Absicht  hatten,  die  Alli- 
teration zu  vermeiden,  so  verbanden  sie  häufig  Wörter  mit 
gleichen  Anfangsbuchstaben,  ohne  dass  sie  dadurch  eine  beson- 
dere ästhetische  Wirkung  hätten  hervorrufen  wollen.  Eine  zu- 
fällige Alliteration  haben  wir  in  der  Regel  da  anzunehmen,  wo 
sich  unter  einer  grösseren  Anzahl  von  Gliedern  einer  Zusammen- 
stellung auch  einige  alliterierende  befinden,  oder  wo  sich  für 
zwei  auszudruckende  Begriffe  zwei  alliterierende  Wörter  als  die 
einzigen  oder  doch  als  die  nächstliegenden  Bezeichnungen  dar* 
bieten.  Indes  selbst  da,  wo  an  eine  Absicht  nicht  zu  denken 
ist,  kann  die  Alliteration  von  den  Hörern  empfunden  werden, 
und  der  Dichter,  der  sich  des  Gleichklangs  vielleicht  erst  nach- 
träglich bewusst  wird,  kann  dieselbe  Verbindung  nun  an  anderen 
Stellen  seines  Gedichtes  in  künstlerischer  Absicht  verwerten. 
Zum  Beweis  dafür,  wie  leicht  einem  Dichter  der  alliterierende 
Gleichklang  in  seinen  Versen  entgehen  kann,  erinnere  ich  an 
Voltaire,  der  sich  doch  gewiss,  dem  Geschmacke  seiner  Zeit 
entsprechend,  bestrebte,  solche  Gleichklänge  zu  vermeiden,  und 
der  doch  erst  durch  das  Zischen  des  Publikums  darauf  auf- 
merksam gemacht  wurde,  welchen  Verstoss  er  durch  den  Vers: 
Nony  il  n'est  rten,  que  Nanine  nhonore  (Nanine)  begangen  hatte. 


112  M.  hohler , 

Wir  werden  im  folgenden  diejenigen  Alliterierenden  Ver- 
bindungen, die  wir  mit  Wahrscheinlichkeit  für  zufällige  und  vom 
Hörer  nicht  empfundene  zu  halten  haben,  nicht  berücksichtigen. 

Im  AnBcblusB  an  die  beiden  letzten  Kapitel  möchte  ich 
noch  knrz  die  zwei  Fragen  berühren,  wie  es  mit  mehr  als  zwei- 
gliedrigen Verbindungen  steht,  und  ob  die  Alliteration  an  die 
Grenzen  eines  Verses  gebunden  ist.  Zwei  Glieder  sind  allein 
möglich,  wenn  es  sich  um  den  Ausdruck  von  Gegensätzen  han- 
delt; in  allen  anderen  Fällen  dürfen  es  drei  und  mehr  Glieder 
seiu,  wenn  auch  einem  gebildeteren  Geschmack  eine  derartige 
Häufung  der  Alliteration  nicht  zusagen  wird.  Beispiele  für  drei- 
gliedrige Verbindungen  sind:  bedians  et  baiUiz  et  borgoi*  Ru  II. 
39,  18;  morte,  matte  et  mute  ib.  II.  31,  8;  fiers ,  forte,  jdont 
F8M  257.  Lautmalerei  scheint  beabsichtigt  in  timbre,  tabletes 
et  tabor  ChL  2353;  sonnez  tabours,  trampen,  tubes  Cha  (15) 
XXV.  3,  1;  eist  fiert,  eist  faut,  eist  /im'*,  eist  chace  Wr.  III.  8267. 

Die  Alliteration  ist  an  sich  an  einen  Vers  nicht  gebunden, 
es  können  ganz  gut  die  Glieder  Über  zwei  und  bei  mehrteiligen 
Verbindungen  auch  Über  mehr  als  zweiVerae  verteilt  sein;  doch 
wird  der  Gleichklang  in  solchen  Fällen  viel  weniger  empfunden, 
als  wenn  alle  Teile  demselben  Vers  angehörten,  weil  durch  die 
dazwischen  liegenden  Pausen  die  Glieder  zu  sehr  getrennt 
werden  und  die  beabsichtigte  Wirkung  zu  leicht  verloren  geht. 
Die  Teile  einer  volkstümlichen  alliterierenden  Verbindung  auf 
diese  Weise  auseinander  zu  reiesen,  ist  wegen  der  engen  Zu- 
sammengehörigkeit derselben  jedenfalls  unzulässig. 

IX.  Alphabetische»  Verzeichnis  der  bei  mehreren  Dichtern 
vorkommenden  alliterierenden  Verbindungen. 

Ich  führe  im  folgenden  in  der  Regel  bloss  eine  Form  der 
Verbindung  an  und  lasse  dialektische  Abweichungen  u.  dergl. 
unberücksichtigt.  Die  angeführte  Form  ist  immer  die  der  zuerst 
zitierten  Stelle.  Kommt  ein  Beispiel  bei  mehr  als  drei  Dichtern 
vor,  so  zitiere  ich  bloss  die  ersten  drei  genau,  die  Übrigen  nnr 
durch  den  Namen. 

acomptis,  antierz  G  33;  RC  7087;  8121. 

amie,  amor  Cha  (13)  II.  6,  4;  Mätzner  Afr.  Lieder  XXI  7. 

amistet,  amur  P  854;  Ru  I.  136,  4. 

amur,  aliance  Wr  II.   1602;  Cha  (14)  VII.  2,  4. 

angoise,  atise  £  1285;  Fe  2006. 

ort,  enging  E  740;  761;  Ro   17. 

auetors,  atdorez   Bat  433;  Ru  IL  66,   1  (autettrs,  auetoritex). 

oval,  amunt  Roi  2235;  RC  5897;  Wr  IL  1252;  Fe;  CDF 


Über  alliterierende  Verbindungen  m  der  alt  franz.  Litieratur.      113 

avant,  apres  ChL  4856;  MF  I.  292;  Ad  50. 
avant,  arer  Aap;  6  3415;  RC  7366;  JB;  Berte;  Cump;  u.s.w. 
aveir,  argent  Wr  IL  4410;  CDF  I.  35;  CP  1484. 
bei,  bim  u.  dergl.  oft,  z.  B.  Rol  3047;  ChL  4053;  Wr  I.  481. 
blanc,  bis  RT  29  352.  T  30. 
bUmcs,  blois  Rol  999,  1800;  MF. 

beb,  blance  Fe  768;  RT  941;  CDF  IL  260;  RP;  ChO. 
beU,  blonde  RC  5570;  RP  I.  72,  5. 
berbiz,  bues  Re  I.  1156;  BD  783. 

chauf,  chevdu  Berte  183,  4;  Wr  II  1010;  Doon  de  M.  271. 
Chevaliers,  chevals  Wr  III.  2665;  3992;  ChL  3158. 
cüi,  reeet  G  85;  JB  616. 
cors,  costez  Rol  284;  Fe  1628;  4008. 
cru,  cuit  Berte  54,  13;  55,  11;  BD  1350;  Bible  173. 
euer,  confort  JB  2721;  RT  22  146. 

euer,  cors  Berte  89,  13;  ChL  2640;  Fe  1703;  Bible; 
AH  IL  8.  w. 

euer,  corage  Fe  6883;  RT  13  556;  Bible  1326—7. 

cuidier,  croire  ChL  1426;  5861;  Fe  3744;  RT  195; 
MF  n.  b.  w. 

derere,  devani  Rol.  1832;  P  81;  G  411;  Ali;  RC  n.  s.  w. 

defors,  dedenz  G  4161 ;  Wr  IL  448;  E  650;  RT;  CDF;  Ru. 

despendu,  doni  Ali  8302;  Wr  III.  654;  BD  639;  Bible;  Ru. 

desvz,  desoz  ChL  828;  Ad  82. 

desuz,  desure  MF  540;  Ro  30;  E  952. 

Diex,  drois  RC  3101;  ChL  4333;  4445. 

dist,  demanderent  AI  239;  ChO  16. 

dÜ,  devisi  JB  3074;  3423;  Berte  137,  10;  RP  III.  53,  62. 

doel,  damage  Rol  2983;  JB  141;  1526;  RT  709—10  u.  s.  w. 

dolor,  destrece  Ru  II.  26,  11;  RT  382;  Berte  27,  16 
(duel  destr  .  .  .). 

done9  depart  ChL  5346;  RP  I.  73,  62—63;  BD  1053; 
MF  u.  s.  w. 

douce,  debonnaire  Berte  9,  10;  Fe  3675;  CDF  62;  Mi; 
Ru;  BD. 

elmes,  escus  Ali  347;  RC  2278;  Wr  III.  3948;  u.  8.  w. 

eseuz,  espiez  Rol  1799;  P  79;  G  2530  u.  8.  w. 

espie,  elme  RC  1726;  Wr  I.  260. 

fain,  froit  Berte  58,  3;  CDF  62;  Ro  IL  17;  Ru;  CP. 

falz,  feinz  Wr  III.   1964;  ChL  4388;  6051. 

felon,  fier  RC  1079;  Berte  3,  3;  Wr  IL  2284;  E. 

felon,  fort  RC  3424;  JB  1677;  ChL.  5617;  Fe;  FSM. 

fer,  fust  Rol  1559;  RC  3442;  Wr  I.  67;  ChL;  Ro. 

flors,  froü  Ad  58;  Ru  IL  44,  18;  CP  759. 

Zadir.  t  frs.  Spr.  n.  Litt.  XIP.  9 


M.  Köhler, 

foilte,  fior  RT  4788;  MUneh.  Brat  29;  RP  I.  30,  3. 

formet,  fais  CDF  II.  263;  CbO  34;  Ro  6343. 

fourme,  figure  AH  301;  RT  13  324. 

fort,  fieble  Wr  II  200;  Fe  5081;  Ru  I  «7,  4;  Cha. 

forz,  fiers  Rol  1879;  FB  2492;  F8M  267;  ChO;  Wr. 

fou»,  flambe  Rol  2536;  Wr  I  411;  ChL  4466;  Fe;  RT. 

frait,  fendut  Rol  3004;   RC  4630;  JB  1914;  ChL  6153. 

gente,  jotie  Ru  I  30,  2;  Alain  Chart ier  Ch  IV  14,  2. 

graces,  grez  Wr  II  3966;  4116;  Erec  42;  FSH  229;   CDF. 

grämt,  gros  G  1298;  RC  375;  Wr  Ca  259;  Ro. 

gras,  gros  ChL  2226;  Bible  1972. 

gros,  graisUs  JB  895;  FSH  84;  AH  301;  RP. 

jeune,  gente  ChO  9;  Aap  (jentÜs,  jotten.) 

lian,  leupart  Rol   1111;  Ali  344;  FB  1735. 

Im  (fingt),  lange  ChL  310;  CDF  64;  Ru  I  26,  24;  Re. 

tone,  U  G  1446;  Ali  804;  JB  4170;  Berte;  Wr;  CbL  n.  a.  w. 

■messe,  mattne  Rol  164;  Aap;  RC  4293. 

mors,  mal  (matte)  RC  7902;  ChL  9281;  Fe  1970;  Ha;  Ru. 

mot-t,  mal  (maladie)  Wr  III  5508;  Ru  I  48,  3. 

moslier,  murs  RC  8099;  Wr  I  726. 

«z,  naü  BD  816;  Rom.  de  1«  Poire  (Hißt.  litt.  XXII  875). 

noutri,  ni  Berte  157,  7;  Wr  HI  4078;  RT  90;  T. 

pedre,  parentee  (parent)  AI  415;  Rol  1421;  0  1211. 

peist,  place  Wr  Ca  5;  RT  22  207;  CP  1088. 

peterint,  paumUrr  G  373;  JB  2397. 

pensive,  pale  RT  1611;  HF  I  764. 

per»,  pale  Rol  1979;  Wr  I  678;  RT  952;  R«. 

pes,  pardon  ChL  6785;  AH  156. 

pes  repos  BD  1983;  Wr  in  4198. 

pie*,pomz  Rol  1968;  G  784;  Ali  53;  RC;  JB;  Berte  n.  s.  w. 

pitii,  compassion  FSH  231;  CDF  I  255. 

pUn,  parole  Wr  IU  2488;  ChL  1149. 

plait,  parlement  RC  8625;  Chev.  Cbarr.  4491. 

plur,  plaxgne  Rol  2915;  JB  1544;  Wr  II  2418  u.  s.   w. 

pari,  passage  Rol  657;  741;  G  156. 

portes,  puna  Rol  2690;  G  2001;  CiL  210. 

puissance,  pris  G  4205;  CDF  242. 

pvissam,  proz  RT  10  795;  FB  2962  (preu). 

raison,  rime  Mi  8766;  FSH  101. 

sage,  ensetgnie  AH  46;  CDF  II  255;  Berte   189,  15. 

sain,  saus  G  3563;   Ali  8113;  RC  1133;  JB;   Wr  n.s.w. 

mhc,  suow  Ali  30;  431;  Rom.  Viol,  1929. 

sei,  sauge  Re  III  89.  Cur.  fr.,  Lacnrne,  letzter  Bd.  851. 

sen,  saveir  RT  637;  Re  I  1130;  Ha  368;  Rn. 


Ober  aüüerierende  Verbindungen  in  der  alt  franz.  Lüteratur.      115 

simple,  $aige  Rom  Viol  52;  Mätzner  XXII  10;  RP  I  3$,  18. 
consoil,  sans  ChL  6599;  Cha  (15)  XIII  11,  3. 
tabor,  tymbres  G  4148—9;  Re  VI  19. 
tart,  tempre  CDF  45;  Rom  Viol  2434. 
tentes,  tres  Fe  4772;  T  37;  Ma  1732. 
termes,  tens  MF  I  45;  RC  3767. 
tost,  tart  RT  14  813;  FB  1006;  CDF;  BD  n.  8.  w. 
vache,  veel  Wr  III  3464;  CDF  I,  4;  Mi  2143. 
veoir,  visiter  CDF  I  25;  Mi  8640—41. 
viens,  advanee  FSM  219;  Mi  730. 

vient  (revient),  va  G  1376;  ChL  2759;  Fe  909;  Re;  E; 
Rn  u.  t.  w. 

vins,  viandes  CDF  I  17;  Ru  I  95,  8. 

envis,  volenUers  Fe  5416;  RT  28  666;  Re  I  740. 

X.    Verteilung  der  alliterierenden  Verbindungen  auf  den 

altfranzösischen  Zeitraum. 

Im  folgenden  geben  wir  eine  Auswahl  der  Beispiele,  wie 
wir  sie  bei  einer  grösseren  Anzahl  von  altfranzttsisehen  Dichtern 
gefunden  haben.  Wir  ordnen  die  Gedichte  nach  Dichtangsarten, 
Sagenkreisen  und,  so  weit  es  möglich  ist,  nach  der  Zeit  ihrer 
Entstehung.  Freilich  lassen  sich  wesentliche  Unterschiede  in 
der  Anwendung  der  Alliteration  erst  gegen  Ende  des  Zeitraumes 
wahrnehmen,  aber  aueh  die  früheren  Dichter  sind  in  diesem 
Punkte  nicht  ganz  gleich.  Die  im  vorigen  Kapitel  angeführten 
Beispiele  lassen  wir  hier  weg,  da  sie  mehr  oder  weniger  Ge- 
meingut der  ganzen  Zeit  sind.  Ebenso  wenig  halten  wir  es  für 
nützlich,  die  rein  zufälligen  Alliterationen  mit  anzuführen. 

1)  Die  ältesten  Denkmäler  mit  Ausnahme  den  Alexandre 
von  Alberic  und  des  Alexis  geben  keine  Ausbeute.  Im  Alexandre 
finden  wir  nur  med  ne  mmddc  18,  28  und  Umeyres  fud  et  tem- 
pestaz  19,  28;  aus  Alexis  ist  nur  par  pri  ou  par  podeste  204; 
564;  zu  erwähnen.  Auch  die  wenigen  Beispiele  des  Cumpoz 
machen  ausser  faiture  de  chevcU  efigure  1407  nicht  den  Eindruck 
des  Beabsichtigten. 

2)  In  den  chansons  de  geste  dagegen  (Hol.,  Karlsreise 
ötä  de  Bourg.,  Aliscans,  Raoxü  de  Camb.,  Jourdains,  Berte)  ist 
die  Alliteration  schon  reicher  entwickelt.  Ein  Charakteristikum 
dieser  Gedichte  sind  die  Verbindungen  gleich  anlautender  Namen. 
Wir  fügen  den  früher  (Kap.  VII.  3)  angeführten  Personennamen 
noch  einige  Länder-  und  Völkernamen  hinzu:  Rol.:  Bums,  Hungres 
3254;  laisent  Marbrise  t  si  laisent  Marbruse  2641;  de  Sorbres 
t  de  Sorz  3226;  RC:  gut  te  dona  Perone  et  Peronele  1004. 
Ausser  den  Eigennamen  sind  allerdings  fast  alle  Beispiele  schon 

8* 


116 


M.   KölU<;; 


im  vorigeu  Kapitel  erwähnt.  Zu  Hernien  Bind  noch  Rol.:  le  baxtun 
e  le  brief  341;  fierent,  tlefeialent  131*8;  ymagenex  e  trextutex  lex 
ydelex  3664;  e  li  colp»  e  li  caplex  1109;  1678.  P:  dux  e  de- 
maine*  4;  citet,  celiers  777;  le  clou  e  la  corune  86G;  coxte  e 
canele  211;  gruex  e  gantes  411;  835;  pels,  peliqwi  480—81; 
taburs  u  tuneiree  359.  Aap:  tont  archiuesqne^ ,  tant  abex; 
come  lairon  e  falsa  e  layner;  e  qui  lo  conxiloit  e  chi  lo  con- 
sentie.  G:  la  l/rache  et  li  brans  2621;  lim  poonx,  lex  plovierx  42  ; 
chevauckent  par  vaux  el  pur  puix  et  par  prez,  par  pluie»  .  .  . 
186 — 87;  prince  ne  per  1532;  la  paon  et  le  pain  2240;  ma 
terre  et  tot  mon  tenemant  2295,  Ali:  corsu  et  quarre  3211; 
jambex,  jenous  3580;  les  puix  et  le  plaigne  572;  xoilliex,  ettsang- 
lente'i  677.  RC:  enckaux,  envale  2366;  lex  geta  et  j alt  2316; 
xi  geteilt  pierex  et  ■ma'uit  grant  pel  agu  1442.  JB:  acorder 
n'apaier  1602;  atouchiez  n'adexez  2220;  grant  barnaige  et 
grant  brut  2383;  de  duel  et  de  disetex  510;  et  mannide  et 
mercitt  1702;  enz  pies  et  enz  paumes  2446;  poins,  poitriue 
3241.  Berte:  ne  coute  ne  coissin  56,  3;  foible  et  floe  50,  9; 
gent  letrie  et  gent  laie  13,  7;  morle  j'uxxi'  et  mengie  173,  9; 
ne  aale  .  .  .  ne  xolier  56,  2;  taffle  el  tonlieus  (Steuern)  84,  19; 
lex  leux  oy  aller  et  li  kuanx  hua  41,  2. 

3)  Roman  de  Rou  (WY)  und  Chronique  aecendante 
(WrCa):  anienuise  e  afiebli  III  1592;  lamur  e  l'axemblee  II  3141; 
arme»  e  ator  III  7773;  es  boi»  e  ex  buismns  II  3543;  111  4936; 
l'out  8i  charme  e  enchaute  I  152;  ne  ckaxtel  ne  chaxtellerie 
III  7284;  ne  viel  einen  ne  ehael  II  4186;  elers  e  clergie  III  273; 
der»  e  coronez  III  1053;  duner  colp  ne  colee  II  1660;  od  grunz 
cidteals  e  od  culgnees  III  1219;  tu.it  descovert  e  tuit  dexclox  III 
1618;  drax  e  denierx,  dras  e  dun»  oft;  duire  e  doctriner  II 
1766;  de  Vextoire  de  Rou  e  de  x'extrace  WrC»  4;  par  defalte 
del  rei  e par  sa  fieUete  II  1072;  xa  felunie  e  xafaintie  I  633; 
de  fenextres  e  d'altres  fuz  III  7816;  u  en  feu  u  en  furche 
n  1205;  boenx  feorex  e  boenx  ferreorx  III  6492;  cixt  ßert,  eist 
faut,  cixt  fuit  III  8267;  defrire  e  defriper  II  4390;  forz  e 
dexfenxablex  III  4301;  entre  la  gorge  e  le  goitron  III  4084; 
por  lui  guerreier  e  grever  II  2647;  tant  jut,  tant  jeuna  II  2391 ; 
medecine  ne  mire  II  260;  moxtrer  e  metre  en  memoire  III  7865; 
grant  parole  e  grant  reparlance  III  1981;  robex  perneiritt  f. 
portoent  III  1107;  prent  e  depart  III  3796;  prixtrent  e  des- 
puillierent  111  3266;  od  prixunx  e  od  preiex  III  1005;  reeeivent, 
rendent  III  8102;  soße  e  xoxptre  III  5293;  n'cn  truix  train  ne 
trace  WrCa  11;  vavaxurx  e  vilainx  II  3840;  de  viande  e  de 
vexteure  HI  2300,  Eigennamen:  Chartrex,  Ckartain  III  271; 
entre  Espaigne    e  Excoce    WrCa    36:    ki  out    Turs   e    Toraine 


Ober  alliterierende  Verbindungen  in  der  alt  franz.  Litter atur.      117 

WrCa  97.  Es  ist  hier  ein  Fortschritt  gegenüber  den  chansons 
de  geste  zu  konstatiren,  die  Alliteration  geht  mehr  Über  die 
konventionellen  Verbindungen  hinaus,  und  selbständig  mit  künst- 
lerischer Absicht  gebildete  Formeln  liegen  neben  einigen  volks- 
tümlichen zahlreich  vor. 

4)  Höfisches  Kunstepos  (Löwenritter;  Fergus).  ChL: 
amistie',  acorde  6223;  amor,  acointance  6485;  m'angoisent  et 
aguUent  1464;  bien  Vaparqoit  et  bien  Vantant  3434;  ataint 
afiert  4808;  li  bar  an  et  li  bacheler  676;  il  te  chastient  et 
chosent  5150;  toz  creantes  et  toz  covanz  5163;  sonent  flaute* 
et  freteles  2352;  uns  lerre,  uns  desleaus  3668;  et  tormanter 
et  traveiUier  6555;  prevost  ne  voiir  606. 

Fe:  cCarbaleste  ne  d?arc  manier  1649;  iatorne  et  apreste 
1639;  le  bon  espiel  brandist  et  bese  4869;  li  chevals  jete  et 
gibt  fort  4686;  lepüier  et  le  pont  4158;  molt  li  poisse,  molt  se 
repent  5273;  si  se  rengent  bien  et  conroient  5057.  Die  Menge 
der  Beispiele  ist  nicht  grösser  als  im  Roman  de  Ron.  Der 
grösste  Teil  sind  hier  Verba.  Sehr  beliebt  sind  die  Verbindungen, 
die  wir  von  der  Behandlung  ausgeschlossen  haben  (Kap.  V), 
nämlich  die  Zusammenstellung  zweier  Verba  mit  denselben  Vor- 
silben. 

5)  Antike  Sagen  Stoffe.  Roman  de  Troie:  error  li 
prent  et  esmaiance  29  179;  ore  iere  en  tel  feiret  en  tel  fole 
13  627;  plus  fine  et  fresche  et  colorie  1239;  le  latin  sivrai  et 
la  letre  135;  et  sanz  manaie  et  sans  merci  10  703;  coment  li 
Grriu  repairerent  et  coment  il  reperiUierent  671 — 72;  ses  pa- 
roles  et  son  pensi  21  915;  par  force  peceiez  et  pris  4441; 
safirs  et  sardona  14  588;  tinbales,  tinpanum  14  727;  bale  et 
fresche  et  tunbe  et  salt  14  663. 

6)  Byzantinische  Sagen  Stoffe.  Floire  et  Blanceflor: 
coraus  et  crisolites  645;  grues  et  gantes  1465;  a  son  lever  et 
a  son  lit  1680;  pertris  .  .  et  plongons  1466;  peschiers  ne 
periers  1764;  et  voliilles  et  venison  1462;  ne  vuivre  nyautre 
vermine  1653 — 54.  Die  meisten  selbständigen  Beispiele  dieses 
Gedichtes  finden  sich  in  Beschreibungen  von  Gastmählern. 

7)  Kleinere  Verserzählungen.  (Marie  de  France 
und  Recueil  de  contes  u.  s.  w.)  MF:  aturnez  vus  e  si  alez. 
Elid.  377;  ma  chambre  e  ma  chapele  I  353;  escience  e  de 
parier  bone  eloquence  Prol.  1 — 2;  sanz  depescier  e  sanz  partir 
I  574 ;  tant  li  pria,  tant  li  pramist  I  283 ;  kar  il  quidoit  e  si 
cremeit  Elid.  230;  CDF:  chascune  annde  ou  chascun  an  I  259; 
entre  les  cornes  et  le  col  I  166;  ou  fiU  ou  filace  I  243;  je  su 
en  joie  e  en  jolyvetä  II  29 ;  dont  le  nom  et  la  renommde  1251; 
Sonor  et  d'oneste  I  256;  reprises  ne  prouväes   I  243;  sa  repen- 


M.  Köhler, 


tance  et  m  priere  II  32;  itavoir  et  ttentir  II  252;  trag  et  for- 
traite,  I  12;  tolue  et  tourne'e  en  tel  voie  ib;  trenche  et  travaiÜK 
I  253.  In  dieser  Klasse  scheint  die  Alliteration  nicht  sehr  be- 
liebt gewesen  zu  sein;  wenigstens  ist  MF  wenig  ergiebig,  und 
auch  die  meisten  Stücke  von  CDF  sind  arm  an  Beispielen,  wenn 
auoli  einige  andere  deren  mehr  zeigen,  was  bei  der  grossen 
Anzahl  von  Gedichten  aus  drei  Jahrhunderten  verständlich  ist. 

8)  Roman  de  Renart:  ne  buef  ne  .  ,  .  autre  beste  I 
841 — 42;  oii.  gourpü  ou  gaignon  III  54;  »Kiter  ne  meegniw 
I  258;  et  megre  et  memi  XI  995;  traUres  ne  triceret  1  571. 
Eigennamen  in  a  Clugni  ou  a  Clereevax  l  1013;  dam  Briche- 
mers  et  Brun  li  ors  XI  516. 

9)  Religiöse  und  didaktische  Gedichte  (Besant  de 
Dieu,  Bible  Guiot,  Tournoiement  de  l'Antielirist).  BD:  e  de 
la  langue  e  de  la  loigne  180;  Ivxure  e  leceherte  1667 — 68; 
de  quei  il  sollt  raez  e  nais  816;  les  poz  e  les  picchiers  sozleve 
1923;  james  sanvez  ne  serriez  362;  suef  e  sovent  433;  »es 
traisons,  ses  tricherits  1406.  Bible:  cortois  et  quenoissanz  356 ; 
deffet  et  deffendu  960;  de  brr  faiz  et  de  lor  folie»  1598;  fu 
faiz  li  temples  et  fondez  2183;  sa  paar»  et  sa  repentance  2242; 
por  preesclder  et  por  parier  2362;  tormenz,  tempeste  2477. 
T:  ardente  et  ague  14;  si  froide  et  si  fade  50;  glaive  ne 
gaveloe  46;  de  mort  et  de  ?nesehief  44;  porte  et  desplote  17; 
sana  sei  et  sann  savor  50;  vergier  ne  vignoble  12;  lex  vieleures 
et  les  fors  vins  15.  Die  Gedichte  dieser  Klasse  zeigen  viel 
Alliteration,  Verbindungen  von  Tugenden  und  Lastern  werden 
gern  mit  Anreim  gebildet;  iu  T  namentlich,  welches  auch  volks- 
tümliche Verbindungen  aufweist,  geht  die  Neigung  für  den  An- 
reim bisweilen  bis  zur  Häufung  alliterierender  Wörter. 

10)  Lyrik  (C'kanta  kistoriques  u.  s.  w.  ed.  v.  Le  Rous 
de  Lincy  und  Romanzen  und  Pagtourellen,  ges.  v.  Bartsch). 
Cha:  Volkstümliche  Verbindungen:  ä  crit  et  ä  cors  (14)  V.  1,  3; 
roy  ne  roc  (15)  XXV.  17,  5;  »ans  per  et,  mm peur  ib.  25,  1; 
ä  tors  et  ä  traoers  (15)  XXIX.  3,  3.  Ausserdem:  battnz,  boutez 
(15)  XXV.  7,  2;  don  e  donoi  (12)  X.  4,  5;  chanson,  ckans  (12) 
V,  1,  2;  proesse  et  pite  (15)  XX.  5;  voz  iniquites  et  injures 
(15)  XIII.  19,  2;  povoir  et  pii  (13)  XIII.  2,  5.  RP:  avoir, 
amoniere  1IL  47,  38—39;  durement  et  dauctment  I.  72,  21—22; 
et  le  fer  et  la  flece  I.  57,  46;  graillet  et  gras  L  36,  20;  me 
gard«  et  guete  L  48,  18;  un  lievre  .  .  .  un  hvrier  III.  53,  19; 
menue  et  morte  et  mal  baiUie  1.  57,  23.  Die  Lyrik  hat  die 
alliterierende  Verbindung  in  ausgedehnterem  Masse  verwandt  als 
alle  vorher  erwähnten  Dich  tun  gsarten.  Beispiele  aus  der  Volki- 
sprache  sind,    der  Entstehung  der  Lieder   entsprechend,    häufig. 


Ober  alliterierende  Verbindungen  in  der  alt  franz.  Liiieraiur.      119 

In  dem  letzten  Abschnitt  des  ersten  Bandes  tob  Cha,  welcher 
das  fünfzehnte  Jahrhundert  umfasst,  ist  die  Alliteration  se  ge- 
häuft, dass  uns  eine  ästhetische  Wirkung  derselben  ausgeschlossen 
erscheint  Man  vergleiche  dort  No.  XXV,  welches  Lied  von 
Moünet  auf  die  Schlacht  bei  Guinegate  gedichtet  ist,  and  das 
fast  nur  aas  Versen  wie  die  folgenden  besteht: 

chaesez,  cenfuz,  cravantez,  confonduz, 

perduz,  penduz 

trainez,  taülez,  retowrnez,  retouiüez  n.  s.  w. 

11)  Drama  (Adam;  Mistere  du  vid  testament;  Farce*, 
Soties  et  Moralites).  Ad:  so  gut  wie  ohne  Ausbeute;  die 
wenigen  Beispiele,  die  sich  etwa  auftreiben  lassen,  sind  offenbar 
ohne  Absicht  des  Dichters  entstanden  oder  hatten  sich  als  Über- 
setaung  der  betreffenden  Bibelstellen  eingebürgert  Wenig  besser 
ist  es  mit  Mi,  wo  sich  allerdings  einzelne  Wendungen  wie  a  pur 
et  a  piain  2682;  raison  ne  rime  8766  finden,  die  meisten 
anderen  aber  Übersetzungen  sind,  die  im  Französischen  zufällig 
alliterieren,  wie  per*  et  plaemateur  715;  puisaant  et  permouaable 
1033.  Ergiebiger  sind  FSM:  Je  n'y  entends  ne  gros  ne  gresle 
84  (ich  verstehe  gar  nichts  davon);  ü  est  vray  et  veritt  87; 
gauldir,  galler  240;  fiers,  forte,  felons  257. 

12)  Allegorisch-moralisierende  Epik.  (Roman  de 
la  rose;  Elie's  Ovidübersetzung.)  fio:  recorbiüiis  et  crogues  l 
47;  de  dolor  et  de  deepit  I  6;  fauce  ou  fole  II  6;  mettes  i 
avoü  et  mauvi*  I  22;  paindre,  portraire  1  6;  bien  pignie  et 
bien  paräe  I  19;  or  resui  princes  or  sui  pagee  II  10;  or  sui 
Bobers  or  sui  Robins  II  10;  saines  et  series  I  22.  E:  et  ei 
li  achate  et  aporte  1265;  ou  gresle  ou  glace  1139;  proier  et 
pener  671;  pignier  ne  poneier  635;  proit,  plorS  954;  soupir, 
sanglot  900;  qui  est  eist  vielz?  qui  est  eist  vairsf  192. 

In  diesen  beiden  Werken  ist  die  Alliteration  gern  und  in 
passender  Weise  verwandt. 

13)  Kunstlyrik  der  späteren  Zeit.  (Adam  de  la 
Halle;  Rutebeuf;  Christine  de  Pisan;  Charles  d?  Orleans.)  AH: 
riant  et  rosine  90;  et  plus  sage  et  plus  souffrant  14;  triste  et 
tenchans  300.  Ru;  ä  vos  m'aeort,  ä  vos  m'apaie  I  133,  20; 
bediaus  et  baiüiz  et  borgois  II  39,  18;  bien  et  bontei  II  7,  11; 
et  cruel  et  contralieus  I  68,  18;  cras  et  quarre  I  172,  14;  dur 
et  diver  I  16,  15;  dolente  et  dure  I  14,  9;  n'a  fin  ne  fons 
I  49,  25;  mors  et  maubailliz  I  3,  13;  meslez  et  mis  I  67,  1; 
peligon  ne  pelice  II  40,  24;  ne  pain  ne  paste  I  9,  19;  II  48, 
23;  et  prince  et  prilat  I  76,  6;  sobres  et  sages  I  15,  1;  ä  vins 
et  ä  vitaiUe  I  146,  6;  vaines  ne  voles  II  28,  8.  CP:  son  corps 
et   sa   conscience   5561;   plus  sont  delitables  et  drois  928;    et 


M.   Köhler, 


esparsex  et  experdues  375;  et  des  estans  et  des  errabl-es  (estoiles) 
1828;  /-eiirs  forcen  et  leurs  inßuences  1831;  ne  fist  mur  ne 
MUH  801;  prompt  et  prpM  5496;  ChO:  avugle  et  assourdy 
278;  »ann  congie  ou  commandement  51;  mon  cueur  et  ma 
guietance  157;  dangier  et  dveil  74;  dueü  et  despit  79;  snns 
faveur  ou  «ans  ßaterie  27;  refroidist  et  froüse  87;  patsez, 
presenz  228;  pour  aeigneur  et  souverain  10;  comme  sultgiez 
et  »erviteuTs  297. 

In  dieser  Klasse  wendet  AH  die  Alliteration  ziemlich  selten 
an,  die  anderen  häufig  und  geschickt,  Ru  mit  vielen  Anlehnungen 
an  die  Sprache  des  Volkes. 

Überschauen  wir  daB  ganze  Gebiet  nochmals,  so  sehen 
wir,  wie  die  Allitcration  allmählich  gegen  Ende  der  altfranzösischen 
Zeit  an  Häufigkeit  zunimmt.  Itetrachteu  wir  tlUchtig  die  weitere 
Entwickelung  der  hier  untersuchten  Erscheinung  in  der  franzö- 
sischen Litteratur.  In  der  mittclfranzösischen  Zeit  scheint  sie 
auf  derselben  Stufe  gebliehen  zu  sein,  mindestens  wird  eine  Ab- 
nahme, ein  Vermeiden  des  Anreimes  nicht  bemerklich.  Die 
klassische  Periode  jedoch  räumte  mit  der  Alliteration  vollständig 
auf;  in  dieser  Zeit  galt  eine  öftere  Wiederholung  eines  und 
desselben  Konsonanten  in  einem  Verse  für  unschön,  es  sei  denn, 
dass  eine  Tonmalerei  beabsichtigt  gewesen  wäre.  Die  Romantik 
indes,  die  so  viele  Regeln  nicht  mehr  anerkannte,  die  dem 
Klassizismus  heilig  gewesen  waren,  hatte  kein  Bedenken,  die 
alliterierende  Verbindung  hin  und  wieder  in  ihren  Gedichten  zu 
gebrauchen.  Namentlich  aber  hat  eB  den  Anschein,  als  ob  die 
jüngste  französische  Dichtcrschule,  die  Decadents  oder  iSyvibo- 
ligtet,  in  ihrem  Bestreben,  die  Poesie  zu  einer  gesprochenen 
Musik  zu  machen,  die  Alliteration  als  Verschönerungsmittel  des 
Verses  gern  verwendeten. 

M.    KÖHLER. 


Moliere's  Precieuses  ridicules 

in  ihren  Beziehungen  zur  Marquise  de  Rambouillet  und 

M116  de  Scudöry. 


Die  Lösung  der  grossen  Aufgaben,  welche  dem  vorigen 
Jahrhundert  gestellt  waren,  verminderte  die  Anteilnahme  an  der 
Gedankenwelt  des  XVII.  Jahrhunderts  und  das  Vertiefen  in  die- 
selbe. Daher  entschwand  die  Zeit  Ludwig's  XIII.  und  XIV.  in 
litterarischer  Beziehung  der  Kenntnis  auch  bei  den  Gebildeten 
allmählich  derart,  dass  man  schliesslich  fast  weniger  von  der- 
selben wusste  als  von  dem  geistigen  Leben  im  griechisch- 
römischen Altertum.  Wie  bedeutend  dieser  fortwährend  zu- 
nehmende Verlust  war,  ersieht  man  schon  aus  Voltaire's  be- 
kanntem Catalogue  alphabttique  de  la  plupart  des  tcrivain* 
franqais  qui  ont  paru  dans  le  siöcle  de  Louis  XIV,  und  die 
Stürme  der  Revolution  zogen  nur  noch  mehr  von  der  Beschäfti- 
gung mit  jener  Vergangenheit  ab.  Einst  hoch  angesehene  Schrift- 
steller, sowie  solche  zweiten  und  dritten  Ranges  gingen  mit 
Ausnahme  der  Dramatiker  fast  ganz  unter;  diese  jedoch  wurden 
durch  die  zahlreichen  theaterhistorischen  Werke  des  vorigen 
Jahrhunderts  wenigstens  bei  den  mehr  gelehrten  Litteraturfreunden 
vor  der  Vergessenheit  geschützt  Allgemein  bekannt  blieben 
nur  die  grossen  Dichter  und  Prosaiker,  aber  auch  diese  hatten 
in  litterarischer  wie  sprachlicher  Beziehung  aufgehört,  völlig 
verständlich  zu  sein,  wie  Voltaire's  Kommentar  zu  den  (Euvres 
de  Corneiue  nur  zu  klar  beweist.  Warum  hätte  es  den  Preziösen 
anders  ergehen  sollen?  Von  den  Personen,  welche  bei  Dar- 
stellung der  preziösen  Bewegung  jetzt  in  jedem  Kompendium 
Erwähnung  und  Besprechung  finden,  war  nicht  viel  mehr  übrig 
geblieben  als  die  Namen  Voiture,  M*16  de  Longueville,  Scudäry, 
Cotin  und  vor  allen  das  Hotel  de  Rambouillet.  Zu  tief  war  der 
Ruhm  der  incomparable  Arihenice  im  Volksbewusstsein  begründet, 
als  dass  ihr  Andenken  erlöschen  konnte,  aber  eine  nur  einiger- 
massen  ausführliche  Schilderung,  eine  sachgemässe  Würdigung 
ihres   Waltens    sucht    man    bei    den  Schriftstellern    des  vorigen 


W,   Knörich, 


Jahrhunderts  vergebens.  Ein  Verständnis  von  Moliere's  JEWmmmi 
ridicule»  und  Femvies  savante»  war  bei  solcher  Lage  wohl 
nicht  möglich.  Da  aber  die  genaue  Kenntnis  der  einschlägigen 
Verhältnisse  nicht  mehr  vorhanden  war,  so  wurde  es  üblich,  alle 
Thorheiten  Madelon's  und  Cathos'  auf  die  Marquise  zu  tibertragen, 
diese  ftlr  das  Urbild  der  pecques  provlnciales  zu  halten  und  ihr  die 
Schuld  beizumessen,  das»  der  bei  espril  so  unsinnige  Blüten  trieb. 

Unter  allen  französischen  Dichtern  des  XVII.  Jahrhunderts 
hat  Molicre  von  jeher  weitaus  am  meisten  Freunde  und  Be- 
wunderer gehabt,  ond  gerade  ihn  vollständig  verstehen  und 
würdigen  zu  können,  musste  sich  immer  mehr  als  Bedürfnis  er- 
weisen. Daher  hat  er  zu  den  mannigfaltigsten  Studien  angeregt 
und  hauptsächlich  dazu  beigetragen,  dass  seine  Zeit  förmlich 
wieder  entdeckt  wurde.  Nicht  blos  das  Verständnis  meiner  Werke, 
sondern  die  Kenntnis  seiner  Zeit  überhaupt  und  nach  allen 
Richtungen  geistiger  Betätigung  hin  ist  jetzt  wieder  erschlossen. 
Hit  liebevoller  Hingebung  haben  französische  Forscher  unermüd- 
lich auf  dem  oft  Öden  Felde  gearbeitet  und  uns  einen  lieichtum 
von  Gedanken  und  anziehenden  Litteraturwerkeu,  eine  Fülle 
interessanter  Persönlichkeiten  wieder  kennen  gelehrt,  von  denen 
früher  kaum  noch  eine  dunkle  Kunde  vernommen  wurde.  Die 
seit  Lebret  (1733)  in  rascher  Folge  erscheinenden  grossen 
Moliere- Ausgahen  von  Auger  (161»  ff.),  Aime-Martiu  (1834  ff.), 
Moland  (1863  f.  —  2*  Ausg.  1880  ff.),  Despols-Mesnard  (1873  ff.), 
Livet  (1887  ff.);  die  verschiedenen  Biographieen  des  Dichters 
von  der  Tasche  re  au  's  (1823  f.)  an  bis  auf  die  neueste  von  MeBuard 
(1889);  die  geradezu  zahllosen  Monographieen,  welche  die  grose- 
artigeu  handschriftlichen  und  gedruckten  Schätze  der  französischen 
Bibliotheken  verarbeiteten,  haben  über  die  Zeit  Moliere's  wieder 
helle  Klarheit  verbreitet,  seine  Werke  fast  in  allen  Anspielungen 
wieder  verständlich  gemacht.  Über  Einiges  ist  der  Streit  aller- 
dings noch  nicht  beendet.  Zu  diesen  streitigen  Punkten  gehört 
auch  die  Frage,  ob  die  Precieuses  ridlnde»  blos  die  favuses 
precieuses  treffen  sollten,  oder  ob  der  Dichter  über  diese  hinaus 
auf  bestimmte  Personen  abzielte.  In  den  folgenden  Zeilen  sei 
es  gestattet,  die  widerstreitenden  Ansichten  und  Gründe  zu  be- 
leuchten und  eine  Entscheidung  der  Frage  zu  versuchen. 

Von  den  Zeitgenossen,  d.  h.  von  denen,  welche  zur  Zeit 
der  Free.  rid.  oder  bald  darauf  schrieben,  hat  Niemand  behauptet 
iu  denselben  eine  versteckte  Anspielung  entdeckt  oder  vermutet 
iu  haben.  Die  ältesten  Biographen  des  Dichters,  wie  La  Orange 
und  Vinot  (1682),  Grimarest  (1705),  Bruzen  de  la  Martiniere 
(1725),  noch  auch  die  zahlreichen  Anas  und  Memoirenwerke  er- 
>  mit  einem  Worte,  dass  die  beiden  preziösen  GXnscben 


Moliere' s  Precieuses  ridicules  etc.  128 

Ar  Zerrbilder  lebender  Personen  oder  deren  Lebensart  gehalten 
worden  seien,  auch  Voltaire  in  seinem  Somrnaire  behauptet  dies 
noch  nicht.  Wer  zuerst  die  Behauptung  aufgestellt  hat,  dass 
die  Marquise  de  Rambouillet  durch  Moliere  verspottet  worden 
sei,  vermag  ich  nicht  an  sagen.  Auger  schrieb  (1819):  —  -??* 
lorsqu'on  considere  combien  Vassociation  des  precieuses  Statt 
formidahle  par  le  nombre,  le  rang,  la  fortune  et  le  credit  de$ 
personnes  qui  en  itaient  les  membres  ou  les  appuis.  Aussi 
Moliire,  pour  donner  le  change  ä  leur  furrnr,  crut-il  devoir 
faire  une  disünction  entre  les  precieuses  veritables  et  les 
precieuses  ridicuies,  et  mettre  toutes  les  sottises  de  l'kötel  de 
Rambouillet  stur  le  campte  de  deux  provinciales  fraichement 
debarqudes  ((Eueres  de  Moliire,  H,  75.)  Im  Jahre  1835  trat 
der  Graf  P.-L.  ftoderer  dieser  Ansicht  entgegen  und  versachte 
in  seinem  berühmten  Memoire  pour  servir  ä  Vkistoire  de  la 
sociüi  polte  en  Frcmce  die  Marquise  au  rechtfertigen  und  dar- 
zttthun,  dass  Moliere  sie  nicht  gemeint  haben  könnte.  Seine  Ver- 
teidigung litt  an  so  grossen  Mängeln,  wimmelte  von  so  vielen 
Fehlern  und  Lächerlichkeiten,  dass  dieselbe  vielen  Widerspruch 
erweckte,  an  der  Sache  wenig  änderte.  Genin  in  seiner  Vis  de 
Moliire  Bagt  noeh  1 846 :  II  ne  sagit  point  lä  (Zun  ridicule  de 
province,  mais  du  ridicule  de  Vhötel  de  Rambouillet.  M. 
Raederer,  dans  son  Histoire  de  la  sociätä  polie,  a  beaueoup 
insiete  sur  Pinjustice  pretendue  de  Moliere,  et  sur  les  eminente 
Services  rendus  au  langage  par  la  coterie  de  madame  de 
Rambouillet.  Cette  thise  a  fait  fortune,  par  un  air  piquant 
et  paradoxal.  Que  Vhötel  de  Rambouillet  ait  exerct  une  grande 
inßuence  sur  la  langue  frangaise,  je  ne  pretends  pas  le  nier; 
mais  que  cette  inßuence  ait  ett  salutaire,  c'est  ce  qui  est  tris 
contestable.  Pour  moi,  je  suis  d'un  avis  opposS.1)  Während 
Rcederer  die  Marquise  verteidigte,  hatte  er  das  Glück,  einen 
anderen  Siindenbock  zu  finden,  denn  ohne  einen  solchen  geht  es 
einmal  nicht,  und  verkündigte,  der  Dichter  habe  unter  dem 
Namen  Madeion  die  MUe  de  Seudery  verspotten  wollen,  denn 
diese  Dame  hätte  Madeleine  geheissen.  Statt  die  Sache  zu 
klären,  machte  er  sie  nur  verwickelter,  doch  hatte  Roederer 
wenigstens  den  Erfolg,  dass  die  Litteratur  der  Preziösen  ein- 
gehend erforscht  wurde.  Cousin  in  seinem  Werke  La  SodAe* 
francaise  au  XV  1F  sieclef  d' apres  le  Grand  Cyrus  de  M*  de 
Seudery  (Paris  1858,  II,  265)  schliesst  sich  dem  Urteil  Rcederer's 
über  die  Marquise  an :  II  est  aujourd'hui  bien  dimontre,  depuis 
Vounrmge  de  M.  Rcederer,  que  Moliere ria  Jamals  songe 

*)  Lexigue  compare'  de  la  langue  de  Moliere,  S.  XVI,   vgl.  auch 
*.  8.  LXXIV  ff. 


124 


W.  Wmörkh, 


ä  attaquer  Vhatel  de  Rainhon  Met,  und  fügt  (ib.  266)  hinzu: 
Maie  nous  allons  plus  loin;  nous  pretendmts  que  AT"  de  Setidery 
et  »a  eociete',  teltes  qu'elles  soiü  de'peintes  dang  le  Grand  Cyrus, 
quoique  dejä  bim  differentes  de  l'hötel  de  Rambouillet,  n'ont 
pas  davantage  sei^oi  de  modele  anx  Precicuses  ridiculcB  etc. 
Gerade  in  den  letzten  Jahrzehnten  haben  die  bezüglichen 
Forschungen  einen  grösseren  Umfang  genommen  und  reichen  Stoff 
aus  gedruckten  und  ungedruckten  Werken  allgemein  zugänglich 
gemacht,  aber  eine  Einigung  über  diese  Frage  ist  noch  nicht 
erfolgt.  Einige  behaupten,  Moliere  habe  durch  die  N  am  enge  billig 
klar  genug  angedeutet,  dass  er  Catherine  de  Rambouillet  und 
Madeleine  de  Scudery  verspotten  wollte  (so  Fritsche,  Namen- 
buch, 2.  Ausg.  S.  150;  H.  Krerting,  Gesch.  des  franz.  Romans  etc.. 
I,  462,  vgl.  auch  Tallemant,  Historiettes,  ed.  P.  Paris,  VII,  235). 
Andere  halten  die  Verspottung  der  Marquise  für  ausgeschlossen, 
meinen  aber,  die  Scudery  sei  persiHiert  worden  (so  Ilourgoin, 
Valentin  Conrart  etc.  1883,  S.  254;  Larrouraet,  Ausg.  d. 
Pr6c.  rid.  Paris,  Garnier,  1884  S.  34).  Wieder  Andere  wollen 
auch  die  Scudery  nicht  als  Zielscheibe  des  Moliere'schen  Witzes 
erkennen  (so  Abbe  Fahre,  Jeunesse  de  Fleehier,  Paris,  Didier, 
1882  1,  221;  Livet,  Ausg.  d.  Free,  rid.,  Paris,  1884  S.  XIII 
u.  «.  a.  O.  seiner  Schriften,  vgl.  auch  Molierixfe  VI,  148  ff.). 
Eine  vermittelnde  Stellung  nimmt  DeBpois  ein,  der  (ÖZuvres  de 
Moliere  1875  II,  5  ff.)  sagt,  der  Dichter  habe  nicht  bestimmte 
Personen  treffen  wollen,  aber  il  avait  beau  vouloir  e'abetenir 
des  persomuih'li'ti:  eilen  se  fninaieiit  tonten  seiden;  il  ne  pouvait 
douter  que  plus  d:un  trait,  dirige  en  apparence  contre  les 
pr4cieuses  rtdicules,  porterait  plus  haut;  ihm  schliessen  sich 
Mahrenholtz  (Moliere's  Leben,  S.  78)  und  Crane  au  (la  Socie'te 
franq.  an  XVIP  siicle.  New- York  and  London,  Putnam's  Sons, 
'.  1889,  8.  XLIX);  ahnlich  urteilt  auch  Rathery  (M'"  de  Scudery  etc. 
Paris,  Tecbencr  1873,  S.  85).  Dies  ist  in  kurzem  Überblick 
die  geschichtliche  Entwickelung  der  Frage  und  ihr  heutiger 
Stand.  Untersuchen  wir  jetzt  die  Gründe,  wo  solche  Überhaupt 
vorgebracht  worden  sind. 

.Wie  es  gekommen  ist,  dass  die  Marquise  de  Rambouillet 
für  eins  der  Urbilder  zu  den  Pre'c.  rid.  gelten  konnte,  ist  schon 
entwickelt  worden.  Dass  diese  Behauptung  falsch  ist,  haben 
nach  Rroderer  viele  mit  guten  Gründen  erhärtet  Aus  Allem, 
was  bisher  über  die  edle  Marquise  und  deren  Gesellschaft  an 
authentischem  Material  an  den  Tag  gefördert  worden  ist,  ergeben 
sich  gar  keine  Vergleichungspunkte,  ausser  dem,  dass  Moliere 
eine  der  Dämchen  Cathos  naunte.  Daraus  aber  etwas  zu  folgern, 
ist  doch  sehr  misslich,  da  dies  (ebenso  wie  Madeion)   ein  ganz 


Möllere's  Precieuses  ridicules  etc.  125 

gebräuchlicher,  neben  Catin  auch  in  Lustspielen  jener  Zeit  sehr 
oft  vorkommender  Name  ist.  Wenn  Fritsche  (a.  a.  0.)  sagt, 
er  verstehe  trotz  der  Ereiferung  mancher  Kommentatoren  nicht, 
warum  Moliöre  sich  nicht  auch  diesen  Scherz  gemacht  haben 
sollte,  so  ist  doch  manches  dagegen  einzuwenden:  das  Hotel  de 
Rambouillet  war  im  Jahre  1659  schon  lange  nicht  mehr  der 
Mittelpunkt  der  litterarischen  Gesellschaft,  die  Marquise  lebte  in 
völliger  Zurtickgezogenheit,  aus  der  sie  nur  selten  heraustrat; 
ausserdem  war  aber  ihr  Ansehen  so  unbestritten,  dass  Moliöre 
als  Leiter  eines  ganz  jungen  Theaters  in  Paris  es  nicht  wagen 
konnte,  gegen  dieselbe  eine  beissende  Satire  zu  schleudern;  er 
hätte  sich  sein  Geschäft  von  vornherein  verdorben.  Um  diese 
Behauptung  zu  stützen,  hat  man  sich  auf  einige  Stellen  zeit- 
genössischer Schriftsteller  berufen,  ob  aber  mit  Recht,  ist  die 
Frage.  Tallemant  des  Räaux  (HistorieUes  VII,  227)  hat  auf 
das  Ausführlichste  von  dem  Fiasko,  welches  M.  de  Langey  in 
der  Ausübung  seiner  ehelichen  Pflichten  gemacht,  sowie  von  dem 
Ehescheidungsprozess  mit  möglichster  Ausführlichkeit  und  Unver- 
blttmtheit  berichtet  und  fügt  hinzu:  quand  M.  de  Lillebonne  espousa 
[3.  8ept  1658]  feu  Mlu  d'Estrees  [f  18.  Dez.  1658],  qui  estoit 
prtcieuse,  on  dit  de  luy  comme  de  Grrignan,  quand  il  espousa 
Af  de  Rambouillet  [d.  i.  Angälique],  un  des  originaux  des 
Precieuses,  qu'ü  avoit  faxt  de  grands  exploits  la  nuict  de 
de  leurs  nopces  [27.  April  1658];  Mme  de  Montausier  escrivit 
ä  sa  sceur,  en  Provence:  „Ow  fait  des  medisances  de  M**  de 
Lillebonne  comme  de  vous."  M**  de  Qrignan  respondit  que, 
pour  remettre  les  Precieuses  en  röputativn,  eile  ne  savait  plus 
quun  moyen,  c'estoit  que  M"e  d'Aumale  espousast  Langey. 
Dazu  bemerkt  P.  Paris:  un  des  originaux  des  Precieuses,  cest 
ä  dire,  une  des  personnes  qui  ont  servi  de  modele  pour  les 
Precieuses.  Ces  mots  de  des  Reaux  ont  une  grande  importance 
litteraire,  puisqu'ils  sont  icrits  environ  un  an  aprüs  la  pr emier e 
representation  des  Precieuses  ridicules,  et  parce  qu'ü  ne  peut 
avoir  voulu  ddsigner  que  la  comedie  de  Moliere,  qui  faisait 
alors  tant  de  bruit.  Cfoait  donc  bien  sur  les  patrons  de 
Thöiel  de  Rambouillet  que  Moliire  avait  dessinä  ses  copies. 
Cela  est  dur  ä  confesser;  fen  suis  fache*  pour  Reeder  er, 
Walckenaer  et  bien  d'autres;  mais  le  timoignage  est  irre'cusable. 
Woher  er  weiss,  dass  die  betreffende  Historiette  im  Jahre  1660 
verfasst  sei,  sagt  Paris  nicht;  mit  Ausnahme  des  letzten  Teils 
(von  S.  228  unten)  kann  dieselbe  sehr  wohl  noch  im  Jahre  1658 
oder  Anfang  1659  geschrieben  worden  sein.  Ferner  ist  es  mir 
ganz  zweifellos,  dass  der  Verfasser  nicht  Moliöre's  Pr4c.  rid. 
gemeint  hat;  wäre  dies  der  Fall  gewesen,  so  hätte  er,   weil  die 


136 


W.   ktwrich, 


Darstellung  an  Interesse  gewann,  die«  klar  gesagt,  und  im  stände 
war  er  dazu.  Er  sagt  aber  bloss,  Angelique  de  Rambouillet, 
oder  vielmehr  d'Angennes  sei  filr  die  Preziösen  ein  Vorbild  ge- 
wesen, dieselben  hätten  ihr  nachgeahmt,  und  das  wissen  wir 
auch  sonst.  Aus  der  mitgeteilten  Stelle  und  aus  dem  weiteren 
Zusammenhang  lä'BSt  sich  weiter  nichts  folgern.  Einen  Anhalt 
könnte  das  Mannskript  geben  durch  die  Art,  wie  das  Wort 
Precieuses  geschrieben  ist;  der  Herausgeber  lässt  es  sich  vom 
Kontexte  abheben,  ob  die  Handschrift  ihn  dazu  berechtigte, 
kann  nur  eine  Vergleichung  ergeben.  Ferner  ist  noch  von 
Keinem  behauptet  worden,  dass  Angelique  d'Angennes  das  Ur- 
bild der  Cathos  oder  Madeion  sei,  und  Paris  will  das  auch 
nicht  behaupten;  um  also  zu  dem  gewünschten  Ergebnis  zu  ge- 
langen, dehnt  er  ganz  willkürlich  den  Ausdruck  Tallemant's  auf 
das  ganze  Hotel  de  Rambouillet  aus.  Nach  meiner  Ansicht  be- 
weist diese  Stelle  ans  den  Hist.oriettea  gar  nichts,  als  dass 
M""  d'Estries  und  Angelique  Preziösen  waren,  und  dass  der 
letzteren  Benehmen  nachgeäfft  wurde.  Geradezu  unbegreiflich  ist 
mir,  was  Despois    (a.  a.   0.  8.  4)   aus  den  Worten  Tallemant's 

macht: bien    que     Tatlemant    des    Beattx-    alt    pretendu 

savoir  que  M1"  de  Rambouillet  fut  V original  dont  l'une  de» 
präcieuses  de  Molih-e  etait  la  copie.  Sagt  dies  der  Skandal- 
chronist?  Noch  eine  Stelle  aus  Tatlemant  wird  angezogen,  um 
es  glaublich  zu  machen,  dass  die  Marqnise  mit  Moüere's  Preziösen 
Ähnlichkeit  gehabt  habe:  des  Re.aux,  mm  admiruteur,  dit  d'elle 
qn'elle  etait  u»  peu  trop  complimenteuse,  un  peu  trop 
de~licate:  „cela  va  dans  Fexc&s",  ajoiite-t-il.  So  zitiert  Despois 
(a.  a.  0.  8.  64);  aber  ganz  andere  Bedeutung  erlangen  die  Worte, 
wenn  man  sie  in  dem  Zusammenhange  betrachtet,  in  dem  sie 
bei  Tallemant  (II,  504  ff.)  stehen:  Elle  eat  nn  peu  trop  compli- 
menteuse pottr  certaines  gen»  gui  n'm  valimt  pas  la  peine; 
mais  c'est  un  dtfavt  que  peu  de  persounes  ont  aujourd'huy, 
car  il  n'y  a  plus  gueres  de  civilite".  Elle  est  wn  peu  trop 
delicate,  et  le  mot  de  teigneux  dann  nne  satyre  on  dans  IHM 
epigramme  Itiy  donne,  dit-elle,  une  vilaine  idfa.  On  n'oseroit 
prononcer  le  mot  de  eul;  cela  va  dans  l'excfa,  surtonf  quand 
on  est  en  liberte.  iS"'in  mary  et  eile  vhotent  un  peu  trop  eil 
ceremonie.  Die  Rede,  auch  diejenige  der  Gebildeten,  vermied 
es  damals  nicht,  Alles  bei  dem  richtigen  Namen  zu  nennen,  wie 
es  heutzutage  der  Anstand  vielfach  verbietet,  ja  nach  Bayle's  Diät. 
hist.  etc.  IV,  643  B  wurden  Voiture's  Stances  sur  wie  damt- 
dont  ta  juppe  fut  retrousse'e  en  oersant  dans  um  carrosse  A 
la  eampagne  (wo  die  Wörter  derrlere  und  r.ul  keine  nebensäch- 
liche Rolle  spielen)   von   den   meisten  Damen   geanngen.     Ist  es 


Moütrcs  Precievses  ridkules  etc.  127 

• 

■ieht  vielmehr  ein  Verdienst  der  Marquise,  dass  sie  derartige 
Ausdrücke  aas  der  Unterhaltung  zu  verbannen  strebte?  Weshalb 
Talletnant  ein  solches  Zartgefühl  nicht  verstehen  konnte,  wird 
bei  Lesung  seiner  HistorieUes  nur  zu  klar.  Dass  ferner  die 
Marquise  ein  Unbehagen  empfand,  wenn  ihr  ekelhafte  Vorstellungen 
erweckt  wurden,  wie  durch  das  Wort  teigneux,  ist  nicht  ein 
Bischen  schlimmer,  als  wenn  unser  Goethe,  der  doch  ein  kräftiger 

war  (Ausg.  von  1830,  XXXII,  73),  von  sich  sagt,  er  habe 
i  der  Lektüre  des  Armen  Heinrich  einen  physisch-ästhetischen 
Ekel  gehabt,  der  soweit  gegangen,  dass  er  bei  wiederholter 
Lesung  sieh  selbst  von  der  in  dem  Gedichte  geschilderten  Misel- 
sucht hätte  angesteckt  glauben  können.  Ob  Goathe  deswegen  der 
Zimperlichkeit  von  Jemand  angeklagt  worden,  ist  mir  nicht  bekannt 

Die  aus  Tallemant  des  Röaux  angezogenen  8tellen  bieten 
also  keinen  Anhalt  für  die  Behauptung,  dass  die  Marquise  von 
Moliöre  satirisch  dargestellt  worden  sei. 

Ferner  sind  zwei  8tellen  aus  Somaize  in  dem  Sinne  ge- 
deutet worden,  als  ob  Moliöre  durch  die  Schilderung  seiner 
Presittsen  höhere  Kreise  habe  treffen  wollen.  In  der  ISrtface 
su  seinen  Vtritables  Precieuses  greift  Somaize  Moli&re's  Äusse- 
rungen in  dessen  Vorrede  zu  den  Free.  rid.  an  und  sagt: 
Cependant  il  cache  sous  cettefausse  vertu  [i.  e.  sous  la  modestiej 
tout  ee  que  Vinsolence  a  de  'plus  effrontt,  et  met  sur  le  thiätre 
uns  satyre  qui,  quoy  que  sous  des  Images  crotesques,  ne  laisse 
pas  de  blaisser  tous  ceux  quü  a  voulu  aecuser.  Dieser  An- 
griff ist  jedenfalls  lediglich  aus  dem  Bedürfnis  entsprungen  durch 
maaslose  Gehässigkeit  auf  Moliöre  sich  die  Gunst  der  Damen  zu 
gewinnen  und  für  guten  AbBatz  seiner  elenden  Posse  zu  sorgen. 
Irgend  einen  Schluß»  aus  diesen  Worten  auf  bestimmte  Personen 
und  Kreise  zu  machen  ißt  bei  der  Allgemeinheit  des  Ausdrucks 
lieht  möglich.  —  In  der  angeblich  von  einem  Freunde,  aber 
wahrscheinlich  von  Somaize  selbst  geschriebenen  Prefaee  zum 
Orand  dictionnaire  hist.  des  Precieuses  werden  die  Damen  in 
vier  Klassen  eingeteilt:  les  premiere*  sont  tout  ä  fait  ignorantes. 
Die  zweite  Klasse  begreift  die,  welche  man  meint,  quand  nous 
dUons  un  esprÜ  de  femme,  c'est  ä  dire  un  esprit  bornd.  Les 
troisiemes  sont  celles  qui,  ayant  ou  un  peu  plus  de  bien  ou  un 
peu  plus  de  beaute  que  les  autres,  taschent  de  se  tirer  hors  du 
commun;  et  pour  cet  effet  eUes  lisent  Ums  les  romans  et  tous 
les  ouvrages  de  galanterie  qui  se  fönt  Weiter  bemerkt  er  von 
dieser  Art:  EUes  ne  scauraient  souffrir  ceux  qui  ne  seavent  ce 
que  e'est  que  galanterie,  comme  elles  taschent  de  bien  parier, 
disesU  quelquefoü  des  mots  nouveaux  sans  s'en  appercevoir, 
qui,   estant  pnmoncez   avec  un   air   ddgage   et   avec  toute   la 


delicatesse  imaginable,  paroissent  souvent  amsi  bons  qu'ils  sont 
extraordmaires;    et    ce  sont    ce*    aimable*  personnes  que 
Mase.arille  [i.  e.  Molitre]    a    traite'es    de  ridicules  dann 
se*    Pretieuses.      Die    vierte    Klasse    bilden    die    pretieuses 
scavantes.      Ce    sont    de    ces    deitx  demieres   »ortest    de  femmes 
dont    Monsieur   de    Somaize   parle    dans   WH  dictionnaire   sous 
le  nom  de  pretieuses  du  second  ordre»,  et  les  autres  sont  de 
veritables  pretieuses.     Weit  entfernt    für    ilie   in  Frage  stehende 
Behauptung  etwae   zu   ergeben,    spricht   diese  Ausführung  gegen 
dieselbe,  indem  sie  feststellt,  dass  Meliere  die  Preziüsen  zweiten 
Ranges,    die    aus    Pflichtgefühl  jeden    Human    lasen  und    Sprach- 
Unsinn  trieben,  lächerlich  gemacht  hai,  wohingegen  er  ein  Gleiches 
in  Betreff  der  seavantes,  der  Schriftstellerinnen,  nicht  behauptet. 
Endlich  wird  noch  Boileau  zum  Beweise  angeführt,  der  in 
seiner  X.  Satire  (von  1693!),  Vers  438  ff.  sagt: 
Uite  precieuse, 
Reste  de  cm  esprits  jailis  si  renommes 
Que  d'un  amp  de  «pH  art  Mutiere  a  diffnmes. 

Dcspois    (a.  a.   0.  S.  4)    bemerkt   dazu:    Ces   esprits   si 

renommes  n'e'taient  evidemment  pas  les  pecques  pro- 
vinciales  que  Moliere  avait  mixe*  en  teÜU,  et  c'est  ce  dont 
personne  ne  parait  avoir  doute  parmi  les  contemporains.  Das 
ist  doch  gewiss  eiue  gewaltsame  Auslegung.  In  der  That  waren 
die  precieuse*  bourgeoise*  oder  du  second  ordre  vor  Moliere's 
Auftreten  gegen  dieselben  renomme'es,  wiire  ihr  Ruf  nicht  in 
Paris  und  in  den  Provinzialstädten  ein  so  lauter  gewesen,  hätte 
Moliere  dann  wohl  sich  überhaupt  gemässigt  gesehen  gegen  die- 
selben zu  schreiben?  Wenn  Despois  ferner  sagt,  die  Zeitgenossen 
hätten  zweifellos  dieselbe  Ansicht,  wie  er,  gehabt,  so  hoffe  ich, 
dass  die  vorangehend!',  vollmundige  Ausführung  der  Zeugnisse 
beweist,  dass  wenigstens  die  schnftstellerndeu  Zeitgenossen  nichts 
davon  zu  wissen  scheinen,  dass  Möllere  bestimmte  berühmte  Per- 
sonen angreifen  wollte.  Was  die  übrigen  Zeitgenossen  gedacht 
haben  oder  gedacht  haben  konnten,  das  bleibt  füglich  ausser 
Betracht. 

In  seiner  Preface  leugnet  Moliere  bekanntlich  ab  bestimmte 
angesehene  Personen  gemeint  zu  haben:  J'aurois  voulu  faire 
voir  quelle  [i,  e.  cette  C'omediej  fe  tient  par  tout  dans  les 
bornes  de  lu  *atyrn  hon ne/te,  &  permife;  que  les plut  excellentes 
ehoj'es  fönt  fuiettes  ä  eftre  copiees  par  de  mauuais  Singe*,  gut 
meritent  d'eftre  bernez,  que  ces  vicieufes  imitations  de  ce  quil 
y  a  de  plus  parfait,  ont  ejle  de  tont  temps,  la  matiere  de  la 
Comedie  etc.  Da  diese  Worte  schlecht  mit  der  betreffenden 
Behauptung  in  Einklang  zu  briugeu   sind,    bo  wird   kurzweg  die 


Moliere's  Precieuses  ridicuks  etc.  129 

Aufrichtigkeit  derselben  bestritten;  man  sagt,  es  seien  prScautions 
oratoires  (Rathery),  Ausflüchte  und  dergleichen.  Bekannntlich  hat 
Moliäre  mehrfach  gegen  die  Sucht  seiner  Zeitgenossen  sich  er- 
klärt in  seinen  Komödien  Portraits  zu  vermuten  und  zu  finden, 
so  im  Impromptu  de  Versailles  und  noch  einmal,  als  er  zwei 
Tage  vor  der  ersten  Aufführung  die  Femmes  savantes  seinen 
Zuschauern  empfahl.  Nach  allgemeiner  Annahme  hat  Moliere 
das  letzte  Mal  (9.  März  1672)  wider  besseres  Wissen  gesprochen, 
die  zur  absichtlichen  Verspottung  zweier  Zeitgenossen  dienenden 
Reden  und  Situationen  abgeleugnet.  Es  wäre  daher  wohl  möglich, 
dass  der  Dichter  i.  J.  1659  gleicher  Weise  verfahren  sei,  aber 
die  beiden  Fälle  liegen  doch  wesentlich  verschieden.  Im  Jahre 
1672  erkannten  die  Zuschauer  Cotin  und  Manage  sofort  in 
Trissotin  und  Vadius,  und  der  erstere  fühlt  sich  selbst  ge- 
troffen, wie  durch  de  Vis6  im  Mercure  galant  brühwarm  mitgeteilt 
wird;  im  Jahre  1659  fühlte  sich  weder  die  Marquise,  noch  die 
Scudäry,  noch  eine  andere  bestimmte  Dame  der  besseren  Gesell- 
schaft getroffen,  und  keiner  von  den  vielen  hungrigen  Litteraten 
jener  Zeit  hat  berichtet,  dass  Jemand  Madeion  und  Cathos  für 
personnages  deguisez  gehalten  oder  erklärt  habe.  Ich  bin  der 
Ansicht,  dass  Moli&re  in  der  Preface  zu  den  Free.  rid.  nicht 
geflunkert  hat,  und  kann  folgendes  zur  Begründung  anführen: 
1)  Es  gab  in  der  That  i.  J.  1659  zwei  ganz  verschiedene  Arten 
von  Preziösen,  die  Vorbilder  und  die  Nachäfferinnen ;  das  bezeugt 
Somaize  in  der  zweiten  von  den  oben  angeführten  Stellen,  ferner 
Scarron  in  der  Epitre  chagrine  vom  Jahre  1659  (vergl.  in  der 
Zeitschrift  XI1,  S.  173),  und  auch  schon  1656  machte  der  Abb6 
de  Pure  diesen  Unterschied  und  sagte,  er  habe  mit  seiner  italie- 
nischen Posse  die  fausses  precieuses  gemeint.1)  2)  Moli&re's 
Behauptung  wird  bestätigt  durch  zwei  unverdächtige  Zeitgenossen. 
Somaize  sagt  in  der  Preface  (siehe  oben)  ausdrücklich,  Moliäre 
habe  die  precieuses  galantes  oder  du  second  ordre  lächerlich 
gemacht,  von  den  precieuses  savantes,  zu  denen  doch  die  Mar- 
quise und  die  Scudäry  gehören,  sagt  er  ein  Gleiches  nicht. 
Furetifere,  der  Verfasser  mehrerer  satirischer  Schriften  gegen  die 
Preziosität,  erklärt:  Precieuse  est  une  epithete  quon  a  donne 
ci-devant  ä  des  filles  de  grand  merite  et  de  grande  vertu,  qui 
savaient  bien  le  monde  et  la  langue;  mais  parce  que  d'autres 
<mt  affecte  et  outri  leurs  manieres,  cela  a  de'crie  le  mot,  et  on 
les  a  appelees  fausses  Precieuses  ou  Precieuses  ridicules 
dontMolikre  afait  une  comedie,  et  de  Pure  un  roman.2) 


*)  Vergl.  Somaize,  Grand  dict.  hisi.,  tfi.  Livet  I,  188. 
*)  Zitiert  nach  Livet,  Prec.  rid.   S  Vi. 

Zschr.  f.  frs.  Spr.  u.  Litt.  XII*. 


130 


W.  knürieli, 


Da  also  Moliere  nach  meiner,  wie  ich  hoffe,  begründeten 
Ansicht  der  Wahrheit  gemäss  behauptet,  nur  die  mauvais  singes 
Labe  er  treffen  wollen,  so  ist  die  Marqnise  auch  dadurch  noch 
von  dem  Verdachte  freigesprochen,  dass  sie,  die  edelate  und 
erste  der  Damen,  welche  man  seit  etwa  1652  als  Preiiösen  be- 
zeichnete, durch  Moliere  verspottet,  karrikiert  worden  sei,  und 
es  bliebe  nur  noch  ein  Wort  ober  M"°  de  Scudery  zu  sagen  llbrig. 

80  viel  wir  wissen,  haben  die  Leser  und  Zuschauer  bis 
zu  Rcederer's  berühmten  Memoire  «MF  nervir  etc.,  also  176 
Jahre  lang  nicht  geahnt,  daas  Moliere  die  Scudery  durch  die 
Figur  Madelon's  habe  verspotten  wollen,  dem  Jahre  1835  war 
diese  Entdeckung  vorbehalten.  Nachdem  dieselbe  nnu  einmal 
gemacht  war,  fand  sie  mehr  gläubige  Verfechter  als  Gegner. 
Zu  den  Gegnern  gehört  als  der  erste,  der  mit  guten  Gründen 
seine  Behauptung  verficht,  Victor  Cousin.  Dieser  seheint  aber 
(vgl.  oben)  in  der  litterarischcn  Thätigkeit  der  Scudery  zwei 
Phasen  zu  unterscheiden,  die  Periode  des  Grand  Cgrus  und  die- 
jenige der  C'telie,  und  nur  für  die  erste  der  beiden  Perioden 
ihre  Vorbildlichkeit  für  Moliere  zu  bestreiten.  Livet  und  der 
Abb6  Fabre  (a.  d.  a.  0.)  erkennen  die  Scudery  Überhaupt  nicht 
in  der  Posse  wieder.  Die  Gründe,  welche  man  für  die  Ver- 
spottung anführt,  sind  wenig  zahlreich.  Hr.  Kcerting  in  der 
Geschichte  den  frauzüsuclusn  Homans  (I,  462)  fasst  sie  zu- 
sammen: „Dass  der  unvergleichliche  Spott  dieser  Komödie  Moliere's 
sich  fast  ausschliesslich  gegen  die  Verfasserin  der  CliHir  wendet, 
darüber  konnte  kein  Zweifel  sein,  selbst  wenn  Moliere  Gorgibtia' 
gezierte  Tochter  nicht  nach  Madeleine  getauft  hätte.  Er  ver- 
spottet ja  aufs  deutlichste  das  I.iebessystem  ihrer  Romane,  die 
Carte  de  Tendre,  den  faden  Witz  Amilcar's.  1659  erschienen 
die  Lächerlichen  Preziösen;  166U  verläsBt  Madelciue  eine  Manier, 
die  ihr  den  Hohn  des  grössten  Zeitgenossen  eingetragen.  Es 
hiesse  die  Augen  absichtlich  verschliessen,  wollte  man  zwischen 
den  beiden  Daten  keinen  ursächlichen  Zusammenhang  annehmen." 
Dagegen  lüsst  folgendes  Blch  geltend  machen.  Ob  die  heideo 
Romane  Almahide  und  Mathilde  von  Madeleiue  verfasst  sind, 
ist  noch  nicht  erwiesen,  und  der  Verfasser  der  verdienstlichen 
Geschichte  des  französischen  Romans  bringt  auch  keine  Beweise 
dafür.  Dass  die  Scndery  die  Manier  der  Ctiliv.  aufgegeben  hat, 
ist  allerdings  richtig;  nach  den  Me'naaiaita  (1,  2<>6,  Ausg,  von 
1694)  hatte  sie  noch  einen  Roman  gedichtet,  wollte  denselben 
aber  nicht  veröffentlichen,  weil  personne  ne  voudrtiit  ni  l'acbeter 
ni  lire.  Welcher  Art  dieser  zurückgehaltene  Roman  war,  ob  es 
vielleicht  einer  der  beiden  genannten  gewesen,  ist  nicht  bekannt. 
Wie  sich  das  nun  auch  verhalten  mag,  jedenfalls  hat  Madeleine 


Moliire* $  Prcckuses  ridictties  etc.  131 

die  von  ihr  au  Blüte  geführte.  Manier  des  Romans  nach  Been- 
digung der  CUUe,  welche  mit  den*  Auftreten  Kotiere'*  fast  zu- 
ssmmenfällt,  nieht  weiter  gepflegt.  Ob  die  Free.  ricL  die»  ver- 
tnlasst  haben  oder  nicht,  läset  sich  nieht  erweisen.  Wenn  die 
Annahme  richtig  ist,  dass  die  Dichterin  aber  ihr  Werk  und  sieh 
selbst  getroffen  fühlte,  dann  orass  man  sieh  darüber  wundern, 
dass  dieselbe  sich  zu  keinem  ihrer  vertrauten  Freunde  brieflich 
darüber  äussert,  selbst  nicht  in  den  Briefen  an  den  Abbe  Boisot 
vom  6,  Mära  1694  ff.,  wo  sie  sich  gegen  Boileau's  Angriffe  ver* 
teidigt.  So  wie  ich  die  Ulueire  Sapho  beurteile,  war  sie  nicht 
danach  angethan,  eine  Kränkung  still  hinzunehmen.  Deshalb 
glaube  ich  auch,  dass  sie  Molieve's  Posse  nicht  als  gegen  sieh 
gerichtet,  betrachtete,  und  dass  sie  nicht  durch  dieselbe  bestimmt 
wurde,  die  Manier  aufzugeben,  dass  vielmehr  andere  Ursachen 
sie  dazu  vermochten.  —  Der  Namengebung  (Maddon:  Madeleine) 
mochte  ich  gar  keine  Beweiskraft  beimessen  (vergh  oben)»  — 
Was  endlich  den  dritten  von  Karting  angeführten  Grund  betrifft, 
so  gebe  ich  auch  diesen  nicht  als  richtig  zu.  Zwar  spielen 
das  Liebessystem,  wie  die  Clelie  es  lehrt,  and  die  Carte  de 
Tendre  eine  Rolle  in  den  Pric.  rid.,  indem  die  peeques  pro 
vinciaUs  dieselben  zum  Vorbilde  nehmen,  ihr  Gebahren  danach  ein- 
summten.  Aber  nach  meiner  Ansicht  verspottet  es  die  Thörinneu, 
welche  das  wirkliche  Leben  nach  den  Phantasiegebilden  der 
Dichter  gestalten  wollen,  statt  sich  vom  gesunden  Menschenver- 
stände fuhren  zu  lassen.  Die  Scudery  und  ihre  Romane  ver- 
spottete er  in  den  Pr4c.  rid*  ebenso  wenig,  wie  in  den  Femme* 
tavante*  die  Wissenschaften,  weil  sie  unberufene,  unfähige  Pflege- 
rinnen finden,  wie  im  Tartuffe  die  Religion,  weil  sie  zum  Deck- 
mantel des  Verwerflichen  dient.  Einen  Angriff  auf  die  Soud&ry 
und  awar  den  einzigen  auf  Molieres  Seite,  findet  man  im  Sgana- 
reue  Vers  27  ff.,  wo  Gorgibus  unter  anderem  sagt: 

Et  vous  parier  de  Dieu  bkn  moms  fttt  de  Clelie. 
Jetez-moi  dans  te  feu  ious  ces  mecharäs  eerils, 
Qui  gätent  totis  les  iours  tont  de  jeunes  esprits. 
Lisez-moi,  comme  if  faut,  au  lieu  de  ces  sornettes.  —  — 

Endlich  der  Umstand,  dass  der  Dichter  gerade  die  Scudery'- 
schen  Romane  als  Vorbilder  für  seine  Heldinnen  wählt,  ist  als 
Beweis  für  Verspottung  derselben  hingestellt  worden.  Aber 
welchen  anderen  Roman  hätte  er  i.  J.  1659  wohl  nehmen  sollen? 
Kein  anderer  war  auch  annähernd  so  populär,  kein  anderer  be- 
handelte so  viele  allgemein  interessante  Personen  und  besprach 
so  eingehend  die  Gedanken,  welche  die  Zeit  beherrschten,  als 
gerade  der  Grand  Cyrus  und  die  CUlie.  Nach  dem  Urteil  der 
später  Geborenen  waren  es  wahre  Ungetüme,  voll  von  lächerlich 

9* 


132 


ff.   Am'irich. 


erscheinenden  Gedanken;  zu  ilirer  Zeit  wurden  sie  mit  ganz  an- 
deren Augen  betrachtet,  nach  anderen  Grundsätzen  beurteilt  und 
erfreuten  eich  der  grössten  Verehrung  diesseits  wie  jenseits  des 
Rheins.  Zudem  enthalten  sie  sehr  viele  gute  und  ausgezeichnete 
Stellen,  von  denen  Meliere  bekanntlieh  eine  fast  wörtlich  in  den 
Femmes  savautet  benutzte.  Die  Carte  de  Tendre  gilt  als  das 
Non  plus  ultra  des  prezitiseu  Unsinnes,  aber  ist  ea  denn  wirklich 
so  schlimm  damit?  „Es  ist,"  wie  H.  Kmrting  (a.  a.  0.  1,  441) 
treffend  sagt,  „eine  aussuche  Spielerei,  der  sich  aber  gleichwohl 
ein  gewisser  Esprit  und  eine  gewisse  Zartheit  nicht  abstreiten 
lassen."  Zur  Milderung  des  Urteils  über  dieselbe  muss  es  bei- 
tragen, dass  die  Erfinderin  selbst  sehr  gering  von  dieser  Tän- 
delei dachte  und  nicht  versäumte  dieselbe  mit  folgenden  Worten 
den  Lesern  darzubieten:  comme  il  y  a  d'etranget  gens  par  lt 
monde,  j'apprehendv  exfrümemeat  qu'il  n'y  m  nlt  qut  s'imagi- 
nent  que  j'ay  jiensii  ä  cela  fort  nerieusement,  que  fay  resve 
plusieurs  jours  pour  le  chercher,  el  que  je  crois  avolr  fait 
une  ehose  admirable.  C'epe.ndant  c'est  une  folUe  d'un  wiomeiit, 
que  je  ne  regarde  touf  au  plus  que  comme  une  bagatelie  etc. 
Den  Zeitgenossen  gefiel  dieses  Spiel  ungemein,  wie  die  zahl- 
reichen Nachahmungen  beweisen,  Das  Lächerliche  Hegt  einstig 
in  der  übertreibenden  Bewunderung,  welche  eine  Kleinigkeit  zu 
einem  grossen  Ereignis  aufbauschte;  dies  hat  Moliere  vielleicht 
nebenbei  geissein  wollen,  die  Sache  selbst  bleibt  von  der  Satire 
unberührt. 

Weitere  Gründe  sind  mir  nicht  bekannt  geworden,  welche 
beweisen  sollen,  dass  Molitre  in  den  Free,  rid.  die  Marquise 
de  Rambouillet  nnd  M""  de  Scudery  satirisiert  habe,  und  diese 
Gründe  habe  ich,  wie  ich  hoffe,  als  nicht  stichhaltig  nachge- 
wiesen. Irgend  welche  Ähnlichkeit,  wie  solche  bei  Alceste 
(Montausieri,  Trissoti»,  V'idiits  und  anderen  Figuren  von  Moliere's 
Bühne  bestehen,  sind  bei  Madulon  und  Cathos  nicht  erfindlich 
und  auch  nicht  gefunden  worden. 

Da  also  die  Zeitgenossen  keine  Verspottung  bekannter  und 
angesehener  Personen  in  den  Pr£c.  ritt,  erblickten,  da  ferner 
die  als  Urbilder  verdächtigten  Beiden  sich  in  den  Personen  des 
Stückes  nicht  wiedererkannte»,  endlich  da  die  für  eine  dahin- 
zielende  Behauptung  aufgestellten  Gründe  nicht  stichhaltig  sind, 
so  verwerfen  wir  die  Ansicht,  dass  historisch  bekannte  Personen 
von  Moliere  in  den  Free.  rid.  satirisch  behandelt  worden  seien, 
und  damit  sind  wir  zu  dem  Standpunkte  der  Betrachtung  zurück- 
gelangt, auf  welchem  sich  Moliere's  Zuschauer  befanden. 

Welches  Moliere's  Absicht  war,  als  er  in  der  IV.  Szene 
seiner    Posse    die    Liebestheorieen    der  Cle'lie    und    die   Carle  de 


Möllere's  Precxeuses  ridicules  etc.  133 

Tendre  heranzog,    geht  aus  dem  Gesagten  schon  hervor,   doch 
sei  ein  kurzes  Wort  weiterer  Begründung  noch  gestattet. 

Das  Ende  des  16.  und  die  erste  Hälfte  des  i7.  Jahr- 
hunderts waren  einer  von  den  Zeitläuften,  in  welchen  Romane 
eine  tiefere  und  allgemeinere  Wirkung  auf  das  französische 
Volk  ausübten,  als  in  anderen.  Dieser  grosse  Einfluss  war 
durch  die  Ritterromane,  besonders  durch  den  Amadis  begründet 
worden  und  wurde  durch  d'Urfe's  Astree  (1610)  ein  weithin 
herrschender.  Dieser  Hirtenroman  führte  in  eine  ideale,  glück- 
liche Welt  ein,  in  der  die  Leser  das  fanden,  was  sie  in  der 
wirklichen  schmerzlich  vermissten.  In  diesen  vertieften  sich 
Hoch  und  Niedrig,  um  die  Gegenwart  auf  eine  Zeit  zu  vergessen; 
ja  man  setzte  die  Täuschung  weiter  fort,  indem  man  aus  dem 
Roman  in  das  Leben  soviel  als  möglich  hineinrettete.  So  er- 
zählt schon  1627  Sorel  im  Berger  extravagant  (S.  51):  festois, 
dit  Lysis,  d'une  compagnie  oü  les  garcpns  et  les  fiües  pre- 
noient  tous  des  noms  du  livre  eT  Astree,  et  notre  entretien  estoit 
une  pastorale  perpituelle.  Obwohl  dem  Schäferroman  eine  nur 
kurze  Pflege  zu  teil  ward,  blieb  die  Astree  noch  viele  Jahr- 
zehnte ein  Lieblingsbuch.  Schäferspiele  wurden  nach  ihr  von 
Gesellschaften  ersonnen  und  aufgeführt,  wie  wir  vom  Kreise  der 
Marquise  de  Rambouillet  u.  a.  wissen,  die  Unterhaltung  bewegte 
sich  vielfach  in  dem  Gedankenkreise  und  in  den  Ausdrücken 
desselben,  und  der  Roman  erhielt  schliesslich  eine  über  das 
Bedürfnis  geistiger  Erholung  und  Anregung  weit  hinausgehende 
Bedeutung.  Lehrreich  sind  in  dieser  Beziehung  die  Brief] itteratur 
und  die  Komödien  jener  Zeit,  wie  in  der  Zeitschrift  (Band  XI1, 
S.  168  f.)  ausgeführt  ist.  Die  Romane  galten  als  eine  Quelle 
der  Belehrung  und  scavoir  les  romans  war  eine  Forderung,  die 
man  an  den  Gebildeten  stellte.  Die  eigentümliche  in  den  Damen- 
zirkeln zum  Ausdruck  kommende  Geistesrichtung  leistete  der 
Vertiefung  dieses  Einflusses  mächtigen  Vorschub  und  zur  Zeit, 
wo  Moli&re  seine  Vaterstadt  wieder  betrat,  war  die  Herrschaft 
der  Romanideen  so  gewaltig,  dass  sie  eine  Gefahr  für  das  Volk 
bedeutete.  Es  entspricht  den  Thatsachen,  wenn  Moli&re  die 
beiden  Preziösen  so  darstellt,  dass  sie  die  Entscheidung  über 
einen  so  wichtigen  Akt,  wie  die  Eheschliessung  ist,  völlig  nach 
den  Moderomanen  treffen  und  die  durch  den  gesunden  Menschen- 
verstand gegebenen  Gesetze  ausser  Acht  lassen.  Dass  der 
Dichter  gegen  dieses  Übel  auftrat,  ist  verdienstlich  und  recht- 
fertigt genügend  die  Abfassung  seines  Werkes.  Diese  Tendenz 
hätte  ihm  Stoff  genug  dargeboten,  um  das  ganze  Stück  damit  aus- 
zufüllen. Er  hielt  es  aber  für  notwendig  noch  einen  zweiten 
Schaden  seiner  Zeit  zu  rügen,  nämlich  die  bis  zur  Widersinnig- 


134  Nutete. 

keit  gebliebene  bildlich  bhi  schreib  endo  Redeweise  der  Presülaeii. 
Auch  diese  ans  der  Anwendung  von  dichterischen  Floskel»  »in 
unrechten  Orte  hervorgegangene  Liebhaberei  konnte  flr  das 
geistige  Leben  eine  Gefahr  berge»,  wenn  ea  derselben  gelang, 
ernsthaften  Ausdruck  in  der  Litteratur  iu  gewinnen. 

Dies  Bind  die  Ansichten,  welche  ich  mir  über  den  be- 
handelten Punkt  nach  langer,  ausgedehnter  Lektüre  gebildet 
habe.  leb  bin  mir  bewnsst,  vielfachen  Widersprach  m  begegnen, 
sehe  aber  demselben,  soweit  er  ein  sachlicher  bleibt,  mit  der 
Hoffnung  entgegnen,  dass  die  Lösung,  dieses  kleinen  Problems 
dadurch  gefördert  wird.  W.  K. NO  Bio». 

Miszelle. 

Herr  F.  Brünettere  als  Voltairekritiker. 

In  der  Revue  des  deux  xiaades  vom  1.  November  188»  hat  der 
bekannte  Verfasser  der  Revties  lilteraircs  der  erwähnten  Zeitschrift 
auch  Bengesco'n  Voltaire-  Bibliographie  besprochen,  deren  dritter  Teil 
eeft  kurzem  gedrückt  Torliegt.  Alles,  was  Br.  zirm  lobe  dieses  aber- 
aus  fJeiseigen,  sorgfältigen,  für  den  Voltairgfo  reche  r  unentbehrlichen 
Wirke«  sagt,  unterschreiben  wir  vollständig,  glauben  aber  entschieden« 
Verwahrung  einlegen  zu  müssen,  wenn  der  genannte  Kritiker  die 
deutschen  und  englischen  Voltaire-Biographen  für  angeblich  irrtüm- 
liche Auffassungen  des  Philosophen  von  Ferner  verantwortlich  macht, 
ht  denen  sie  nicht  nur  mit  den  „nationalen"  Kritikern  völlig  überein- 
stimme», sondern  auch  entschieden  das  Richtige  getroffen  haben. 

Zuvörderst  scheint  uns  die  Kenntnis  des  Herrn  Brünettere  von 
der  deutschen  oder  englischen  Voltairelitterat  ur  eine  sehr  eng  begrenzte 
zu  sein,  er  erwähnt  nämlich  nur  ipeemink  causa  je  eine  Schrift.  Km 
Heister  gewandter  Dialektik  wie  er  ist,  hilft  er  nick  »war  mit  der 
Wendung,  er  wolle  nur  die  Schriften  aller  neuesten  Datums  berück- 
sichtigen, aber  da  will  dass  Unglück,  dass  er  Hertz'«  an  sich  sehr  ver- 
dienstvolles Werk  Qber  Voltaire  und  die  französische  Strafrecktspftege 
hineinsieht,  das  mit  der  beanstandeten  Auffassung  gar  nichts  in  thus 
hat.  Ob  Herr  Br.  des  Deutsches  soweit  mächtig  ist,  um  die  Werke 
nnserer  Fachliteratur  im  Originale  lesen  und  verstehen  in  können, 
wissen  wir  nicht,  vielleicht  muss  er,  wie  so  viele  namhafte  Pariser 
Gelehrte;  sich  auf  Referate  französischer  Zeitschriften  oder  anf  münd- 
liche Überlieferung  ein  sein  er  Abschnitte  verlassen,1)  jedenfalls  deutet  die 
Hineinsiehung  des  Herts'scben  Buches,  darauf  hin,  dass  er  das  Passende 
in  seinen   Zitaten  deutscher  Fachwerke  nicht  stets  zu  finden  vermag. 

Die  beanstandete  Auffassung  ist  nun  folgende.  Nach  allen,  che 
bis  jetzt  Voltuire's  Leben  auf  Grund  eigener  oder  fremder  Studien 
behandelt  haben,  ist  der  Bnfluss  der  englischen  Deisten  auf  des  Philo- 
sophen spätere  hirchen feindliche  oder  in  Locke's  nnd  Newton's  Sinne 
verfaestc  Schriften  ein  sehr  nachhaltiger  gewesen  und  mau  braucht 

*)  Letzteres  An skunfts mittel  musste  Z.  B.  ein  französischer  Vol- 
taire fers  eher,  nach  seinem  eigenen  Geständnis  in  Ansprach  nehmen, 
als  er  des  Ref.  Bchrift:  Voltaire'*  Leben  und  Werke  kennen  lernen  wollte. 


MuzeQe.  185 

hierfür  nur  die  Thateachen  anzuführen ,  dass  Voltaire  Locke's  und 
namentlich  Newton's  8ystem  während  seines  englischen  Exils  erst 
kennen  lernte  und  mit  der  englischen  Dichtung  und  der  englischen 
Sprache  nähere  Fühlung  gewann,  daBS  er  für  seine  kleineren  tbeologisoh- 
philoeophischen  Streitschriften  sehr  viele  Argumente  aus  Bolinghroke's 
Essays  entnahm,  auch,  nach  brieflichen  Äusserungen  zu  schlieesen, 
TindaVs  und  Woolston's  Schriften  nicht  fremd  blieb.  Kein  Mensch 
natürlich,  weder  ein  Franzose,  noch  ein  Deutscher,  noch  ein  Eng- 
länder hat  jemals  glauben  können,  dass  Voltaire  erst  in  England 
zum  Freidenker  geworden  sei,  gegen  diese  Annahme  würde  auch  die 
oberflächlichste  Kenntnis  der  vor  1726  von  ihm  geschaffenen  Werke 
sprechen.  Wenn  Herr  Br.  also  gegen  diese  Auffassung  kämpft, 
so  streitet  er,  wie  einst  der  edle  Kitter  von  La  Mancha,  gegen  Wind« 
m fthle nflügel.  Es  ist  daher  völlig  unerheblich,  ob  das  ketzerische 
Le  Pöur  et  Conlre  vor  oder  nach  dem  englischen  Aufenthalte  ent- 
standen ist,  wenigstens  unerheblich  für  die  von  Herrn  Br.  erfundene 
Streitfrage,  wir  haben  von  Voltaire's  frühzeitiger  FreigeiBterei  ohnehin 
direkte  Zeugnisse  genug.  Schon  der  Verkehr  Lord  Bolinbroke's  mit 
Voltaire  lange  vor  dessen  Reise  nach  England  lässt  darauf  schlieasen, 
das«  der  jugendliche  Jesuiten  zögling  nicht  nur  den  bekannten  religiösen 
Anschauungen  des  englischen  Weltmannes  nahe  stand,  sondern  auch 
den  englischen  Deismus  aus  den  Mitteilungen  des  Lords  kennen  lernte. 
Wann  und  wodurch  Voltaire  zum  Freigeist  geworden,  das  wäre  schon  eher 
ein  Gegenstand  der  Kontroverse.  Die  Anekdoten  über  seine  ketzerischen 
Äusserungen  während  der  Gymnasialzeit  muss  eine  bedächtige  Kritik 
wohl  verwerfen,  aber  der  Einfluss  der  Templegesellschaft  nach  der  frei- 
geistigen Richtung  hin  und  die  Einwirkung  der  gesamten  ungläubigen  und 
frivolen  Weltanschauung  der  Pariser  vornehmen  Kreise  in  den  letzten 
Jahren  Lndwig's  XIV.  sind  beglaubigte  Thateachen.  Dass  auch  Bayle, 
den  Herr  Br.  für  Voltaire's  Ketzereien  allein  verantwortlich  macht, 
einen  Teil  der  Schuld  oder  des  Verdienstes  trägt,  ist  wahrscheinlich, 
aber  keineswegs  so  unbedingt  ausgemacht.  Hätte  Herr  Hr.,  der  auf 
Voltaire- Spezialforscher  mit  einem  aus  Mitleid  und  Anerkennung  ge- 
mischten Wohlwollen  hinschaut,  einmal  Bayle's  und  Voltaire's  philo- 
sophische Wörterbücher  Zeile  für  Zeile  verglichen,  wie  Referent  es  zu 
thun  für  nötig  erachtete,  so  würde  er  in  wichtigen  philosophischen 
Fragen  natürlich  die  allen  Freigeistern  gemeinsamen  Berührungspunkte, 
aber  daneben  recht  viele  Abweichungen  und  in  Einzelheiten  sogar  eine 
geflissentlich  zugespitzte  Opposition  gegen  den  älteren  Vorgänger  ge- 
funden haben.  Und  was  bewiese  Bayle's  Einfluss,  mag  er  umfassender  und 
nachdrücklicher,  oder  geringer  und  oberflächlicher  gewesen  sein,  gegen 
die  Einwirkung  des  englischen  Deisten  auf  Voltaire's  späteres  Schaffen? 

Nach  Herrn  Br.  ist  freilich  diese  englische  Richtung  nicht  die 
Lehrerin  und  Erzieherin  der  französischen  Aufklärung,  sondern  umge- 
kehrt erst  aus  Frankreich  über  den  Kanal  importirt  worden.  Sie  sei 
an  den  religiösen  Ketzereien  Voltaire's  und  der  Encyklopädisten  so 
wenig  Schuld,  wie  an  der  französischen  Revolution.  Zum  Beweise  be- 
ruft er  sich  auf  erbauliche  Bussrufe  französischer  Geistlichen  der  vor 
-Voltttire'schen  Zeit,  denen  zufolge  der  Atheismus  die  Grundstimmung 
der  französischen  Gesellschaftskreise  gewesen  sei. 

Nun,  einzelne  solcher  Klagen  und  sogar  Zeugnisse  höchst  be- 
denklicher Ketzereien  lassen  sich  selbst  für  das  mittelalterliche  Frank- 
reich beibringen,  wir  schlagen  demnach  Herrn  Br.  die  Behauptung  vor, 
dass  die  Kirchenreformation  auch  aus  Frankreich  importiert  sei  und 


StftzeBe. 


auf  das  Hugenotte  11  tum  und  die  Religionskriege  des  XVI.  JahriinnA 
so  wenig  Einwirkung   geniii  fische   DeiemiH   qh!' 

Aufklärung  des  XVIII.  und  auf  die  Partei  im  gen  der  französise 
Umwälxungsieit.  Was  Herr  Br.  über  die  Duplizität  in  V.  I 
nagt,  ist  völlig  richtig,  über  so  bekannt,  das*  man  es  In  einer 
ersten  Zeitschriften  Europas  nicht  ausgeführt  zu  finden  erwarU-t,  w 
er  aber  meint,  der  Alte  von  Ferney  habe  an  rücksichtsloser  V 
geisterei  noch  die  Enzyklopädisten  ilbertroffen ,  so  scbiesst  er  wie 
über   du   Ziel  hinaus. 

Selbst  in  seinen  Privatbriefen  an  rertranteete  [fremde 
Freundinnen  geht  Voltiiire  höchsten»  ebenso  weit  wie  jene,  in  den 
weitere  K reine  bestimmten,  obwohl  von  ihm  gewöhnlich  verleugne 
Bthrtitefl  ist  er  viel  vorsichtiger.  Wie  hatte  sonst  das  Sprachrohr 
Eucyklopldisten,  F.  M.  Grimm,  diu  Patriarchen  mehr  als  einmal 
Bisen  tauen  nnd  lurdakbleibenden  Mit-treiter  abkanzeln  und  von  i 
sagen  können,  er  spräche  Ober  Golt,  wie  ein  liebenswürdiges  Kim! 
thne.  Ei  sind  dies  l'inge,  die  ich  aU  zu  bekannt  nid.i 
tähto  und  belege,  Ben  Branetiere-'l  Beispiel  darf  mich  in  dieser  I 
siebt  nicht  verführen 

Nur  noch  dagegen  ein  Protest,  dass  Rousseau'.;  SmUt 
erst  so  recht  auf  die  riulin  der  Ketzerei  geführt  habe;  n'h  im: 
taire's  philosophische  Stellung  und  persönliches  Verhältnis  zu  1 
die  grundverschiedenen  Anschauungen  der  Profession  de  f"i  d 
savoyard  und  der  Streitschriften  Voltaire'*  u.  A,  überheben  mich  auch 
hier  eines  ulierllüsMgi'n  liegmibeweises.  Es  ist  also  völlig  gleichgültig, 
ob  eine  der  vielen  antieliru-tlirlnin  Streitschriften  Voltaire'«,  etwas  liulicr 
oder  später  als   timile  erschien. 

Herr  Br.  spricht  auch  von  der  für  den  Voltaire-Forscher  t 
aus  wichtigen  /.''irrix/n'/uhinec.  die  gegen  II  000,  nicht  blofs 
tausend"  Briefe  amfaatt,,  und  bat  mit  seinem  treffenden  Schi 
herausgemerkt,  dass  hier  vieles  überflüssige,  aber  auch  manche  Lilcki 
zu  finden  sind.  Seinem  Vorschlage,  diese  Sammlung  durch  zahlreiche 
Briefe,  deren  noch  Vorhandensein  Herr  Hr.  überall  erst  nachweisun 
müsste,  zu  vermehren,  stimmen  wir  unter  der  Bedingung  hei,  dass  der 
genannte  Kritiker  mit  uns  Voltuiristen  Eieudc  and  Leid  der  genaueren 
Prüfung,  oftmaligen  Lektüre  nnd  —  was  bei  Voltaire  sehr  nötig  — 
der  Lesung  zwischen  den  Zeilen  zu  teilen  bereit  ist.  Wei 
die  fast  11000  Sächelcben  einst  recht  gründlich  —  auf  Kosten  seiner 
Zeit,  Gesundheit  und  Crehteefrieche  -  sieh  augeschaut  hat,  begnügt 
ajcb  einstweilen  mit  dem  vorhandenen  Guten,  zumal  von  Herrn  Br  i 
angestrebte  r  Briefauffindung  sieh  eine  we<ent  i:i  1 1  ■.  Vi:i'vfill-tdiidi^n!,_ 
des  Leben?  und  CbkMbterbitdei  Voltaire's  kaum  erwarten  liesse. 
hat  es  Herr  Br..  seinem  Landsmann  Molaud  einen  Vorwurf  a 
nach  seiner  Ansicht  ungenügenden  Kommentieruiig  der  l'"irei)>onilanc 
zu  machen.  Das  Bessere  ist  zwar  des  Guten  Feind,  aber  ■  ist  mn-- 
dai  Bessere  geschaffen  werden,  und  Herr  Br.'s  Voltaire-Artikel  I 
es  uns  skeptischen  Vidtairianern  wohl  nveifeihaft  erscheine 
geschätzte  Kritiker  gerade  hier  das  Bessere  bringen   kann. 

Ich  habe  oft  unsere  deutsche  Presse  bedauert,  weil  sie  nicht  ei 
Organ  hat,  das  lieh  der  Revue  den  deux  Mondes  im  Entferntesten  v..-, 
gleichen  läset,  »her  so  zweck-  und  kenntoislose  Diskussionen, 
besprochene  Rezension  des  Herrn  Br. ,  schwachen  dieses  Bedaue 
etwas  ab  und  können  dem  Renommee  des  Weltblattes,  in  Deutschint 
wenigstens,  nur  nachteilig  sein.  R.   Mahrenh 


ich, 

dick 
:ken 

ich« 


Ein  Lehrplan  für  den  französischen  Unterricht 

am  Gymnasium.  *) 


Einleitung. 

Die  Ansicht,  dass  das  Gymnasium  nur  eine  Vorschule  der 
Universität  sei,2)  dass  es  also  seine  einzige  Anfgabe  darin  zu 
sehen  habe,  seinen  Schülern  diejenige  Vorbildung  zu  geben, 
welche  sie  zu  wissenschaftlichen  Studien  befähigt,  setzt  voraus, 
dass  wirklich  die  Gesamtheit,  oder  wenigstens  die  Mehrzahl 
seiner  Schüler  die  Reifeprüfung  ablegt  und  sich  der  gelehrten 
Laufbahn  widmet.  Es  müssten  dann  von  den  Knaben,  die  sich 
alljährlich  zur  Aufnahme  in  die  unteren  Klassen  des  Gymnasiums 
drängen,  diejenigen  ausgewählt  werden,  welche  für  gelehrte 
Studien  prädestiniert  erscheinen.  Es  wäre  das  ein  idealer  Zu- 
stand, der  aber  eben  nur  ein  Ideal  sein  kann,  solange  wenig- 
stens im  9.  Lebensjahre  über  den  künftigen  Beruf  des  Menschen 
eine  gewisse  Entscheidung  getroffen  werden  muse.  Prädestiniert 
für  Universitätsstudien  sind  ja  freilich  alle  diese  kleinen  Kerle, 
die  bei  den  Aufnahmeprüfungen  aufmarschieren,  oder  wohl  gar 
die  Vorschule  rite  absolviert  haben,  aber  leider  zum  Teil  nur 
von  sorgsamen  Eltern,  welche  ihren  Söhnen  eine  möglichst  glanz- 
volle Zukunft,  die  ihnen  durch  akademische  Studien  verbürgt 
seheint,  sichern  wollen.  Das  Geschick  hat  ihnen  nicht  allen  bei 
der  Geburt  gelächelt,  nicht  allen  hat  es  die  Fähigkeit  auf  den  Weg 
gegeben,  die  schönen  Träume  der  Eltern  zu  verwirklichen.  Und 
wäre   es  möglich,    dass   das  Gymnasium    sich    seine   Schüler  so 


*)  Ausser  den  in  der  folgenden  Arbeit  angeführten  und  manchen 
anderen  Schriften  stand  mir  der  von  dem  jetzigen  Prov.-Schulrat  Herrn 
Dr.  Münch  verfasse  Lehrplan  für  den  frajizösischen  Unterricht  am 
Realgymnasium  zu  Barmen  zur  Verfügung,  dessen  Benutzung  der  Ver- 
fasser mir  in  zu  vorkomm  enster  Weise  gestattete. 

*)  Siehe  G.  Kcerting,  JNeuphiloL  Essays.    Heilbronn,  1887.    S.  111. 


138  F.  Tetutering, 

aussuchte,  was  sollte  dann  ans  der  grossen  Hasse  derjenigen 
werden,  die  zurückgewiesen  werden  musaten?  Nur  in  grösseren 
StKdten  würden  sie,  wie  die  Verbaltnisse  einmal  liegen,  einer 
anderen  höheren  Sehnte  sieh  zuwenden  können,  um  diejenige 
allgemeine  Bildung  zu  erwerben,  welche  für  ihren  Lebensbernf 
notwendig  ist.1) 

Hag  man  immerhin  diese  Hasse  als  Ballast  bezeichnen, 
die  Thataacne,  dass  dieser  Ballast  vorbanden  ist,  und  mitge- 
schleppt werden  muss,  läset  sich  nicht  hin  wegleugnen.  Nor  eine 
beschrankte  Zahl  der  Schiller  des  Gymnasiums  erreicht  in  Wirk- 
lichkeit das  Ziel  der  Reifeprüfung,  und  selbst  von  diesen  treten 
noch  manche  dem  eigenen  Triebe  oder  auch  dem  Drange  Süsserer 
Umstände  folgend  zu  praktischen  Berufsarten  Aber.  Das«  endlich 
für  alle  diejenigen,  welche  nun  thataächltch  die  Universität  be- 
ziehen, wirklich  wissenschaftliche  Arbeit  der  Lebensbernf 
werde,  darf  leider  auch  füglich  bezweifelt  werden. 

Wlra  das  Gymnasium  nnr  eine  Vorbereitung«  schule  für 
gelehrte  Studien,  so  wlre  es  denkbar,  das»  ihm  nir  dl«  Aligab« 
anfiele,  seine  Sohliler  zu  derjenigen  allgemeinen  Geigteaeatwitk«^ 
long  zn  bringen,  welche  dieselben  zu  diesen  höheren  Aufgaben 
befähigen  würde,  während  ea  auf  den  realen  Inhalt  des  EWeratan 
nicht  ankäme.  Es  würden  sioh  auch  für  den  französischen  Unter- 
richt nach  Ziel  und  Methode  Konsequenzen  ergeben,  wenn  h> 
den  derselbe  ein  organisches  Glied  dea  Gesamtunterricht»  n 
sein  beansprucht  Wurde  als  Ziel  die  „ Lesefertigkeit "  *)  hingen 
stellt,  so  würde  er  ans  dem  Organismus  hinausfallen,  er  wurde 
wieder  an  die  Peripherie  gedrängt,  um  de»  praktischen  Nntaeni 
wegen  als  „Nebenfach"  getrieben  au  werden.  Es  wir«  dann 
zugleich  aber  des  Gymnasiums,  daB  nach  einer  solehen  Anpassung 
sllen  Utilitätsrtteksichten  gegenüber  sich  ablehnend  vernähen 
sollte,  unwürdig,  da»  Französische  überhaupt  in  sainen  Lehrpinn 
aufzunehmen.  Nur  insofern  es  eine  rein  materiale.  Bildnag  an 
sioh  ebensowenig  geben  kann,  wie  eine  rein  formale,*)  würde  dar 
französische  Unterricht  dem  Wesen  des  Gymnasiums  entsprechen, 
während  es  thatsäeklich  umgekehrt  sein  sollte.  Auch  der  fran- 
zösische Unterricht  mttsate  in  erster  Linie,  das  Ziel  der  fonoilen 
Bildung  erstreben,  nnr  nebenher  könnte  es  auf  die  otnietiale 
Seite  ankommen,  nnr  nebenher  könnte  darauf  RUcksloht  genommen 
werden,  dass  der  Abiturient  die  Fähigkeit  erlange,  späterhin  die 
französische  Litteratur,  soweit  es  sein  fachliches  Interesse  ver- 
langt, zn  verstehen. 

')  Siehe  Foth,  Der  französische  Unterricht.    Leipzig,  1«*T.  B.  TS. 

»)  Kcerting,  /.  e.  8.   13*. 

■)  Siehe  Tolcker,  Zur  Reform  des  höheren  Schvlmetmt.    8.  48  ff. 


Em  Lehrplan  für  den  französischen  Unterricht  am  Gymnasium.    139 

Zumeist  durch  den  Schlachtruf  Quousque  tandem's  angeregt» 
haben  seitdem  viele  einer  Reform  des  nenspraehlichen  Unterrichts 
das  Wort  geredet  Das  Bestreben  der  meisten  Reformer  geht 
im  wesentlichen  dahin,  die  Methode  des  nenspraehlichen  Unter- 
richts von  den  Fesseln  der  Nachahmung  des  altsprachlichen 
Unterrichts  zu  befreien,  sie  der  natürlichen  Art  der  Sprachaneig- 
nang,  welche  dem  Französischen  einerseits  als  einer  lebenden 
Sprache,  andererseits  vermöge  seines  gesamten  Organismus  zu- 
kommt, nach  Möglichkeit  zu  nähern.  Bedingung  ist  dabei,  dasa 
die  Aneignung  des  Sprachmaterials  nicht  als  minder  wichtig 
erscheine  denn  die  Vermittelung  formaler  Bildung,  An  dem 
Gymnasium,  an  dem  diese  das  Endziel  alles  Unterrichts  ist, 
mflsste  auch  das  Französische  diesem  Endziel  zustreben  und 
könnte  dann  in  der  That  kaum  etwas  Besseres  thun,  als  sich 
in  der  Methode  an  das  Lateinische  aufs  engste  anzuschliessen» 

Solange  nun  der  grösste  Teil  der  Gymnasiasten  zu  einem 
praktischen  Berufe  übergeht,  muss  das  Gymnasium  auch  auf 
diese  seine  Schüler  Rücksicht  nehmen,  soviel  es  vermöge  seiner 
Gesamtorgani8ation  dazu  imstande  ist  Namentlich  muss  es  dies 
in  demjenigen  Fächern,  in  denen  es  sich  um  unmittelbar  im  Leben 
verwertbare  Kenntnisse  handelt  So  wenig  die  Mathematik  es 
sich  gestatten  darf,  über  den  Geheimnissen  des  binomischen  Lehr- 
satzes und  der  trigonometrischen  Funktionen  das  praktische  Rech- 
nen au  vernachlässigen,  ebensowenig  darf  der  französische  Unter- 
richt versäumen,  die  Schüler  in  den  Gebrauch  der  Sprache  einzu- 
führen, ihnen  die,  wenn  auch  zuweilen  nur  mechanische  Fertigkeit 
beizubringen;  er  darf  nicht  in  Vornehmthuerei  auf  eine  Aufgabe  ver- 
sichten, die  den  wissenschaftlichen  und  formalbildenden  Charakter 
des  Unterrichts  in  keiner  Weise  beeinträchtigt  Das  Ziel  des 
französischen  Unterrichts  also  sei  eine  möglichst  weitgehende 
praktische  Beherrschung  der  Sprache,  das  formalbildende  sei  die 
Methode.  Dass  das  Französiche  „bei  seinem  streng  logischen 
Charakter,  bei  seiner  Schärfe  und  Präzision  und  seiner  Ver- 
schiedenheit vom  Deutschen  auf  eine  formal  nicht  weniger  bil- 
dende Weise  gelehrt  werden  kann",  als  das  Lateinische,1)  bedarf 
keines  Beweises. 

Praktische  Ziele  nun  sind  es  vor  allen  Dingen,  welche  die 
Unterrichtsordnung  vom  31.  März  1882  dem  französischen  Unter- 
richt steckt,  und  dabei  erkennt  dieselbe  an,  dass  das  Gymnasium 
allen  seinen  Schülern  die  zeitige  Einführung  in  diese  für  unsere 
gesamten  bürgerlichen  und  wissenschaftlichen  Verhältnisse  wich- 


!)  Wiese,  Lebenserinnerungen  und  Amtserfahrungen,  II 201.  Vergl. 
ach  Perthes,  I/ur  Reform  des  lateinischen  Unterrichts,  IV  187. 


140  F.  lendering, 

tige  Sprache  unbedingt  schuldig  ist.  Dadurch  aber,  dass  die 
Ziele  praktische  sind,  „wird  dem  französischen  Unterrichte  im 
Widerspruche  zu  dem  Geiste  der  gymnasialen  Erziehung,  noch 
nicht  der  Stempel  pädagogischer  charakterloser  Nützlichkeit  auf- 
gedrückt. Da  die  Art  und  Weise  der  Erfüllung  der  besonderen 
Aufgabe  einer  Disziplin  durch  die  Gesamtaufgabe  der  Schule 
bestimmt  wird,  so  muss  der  französische  Unterricht  Beinern 
speziellen  Zweck  der  materiellen  Sprach  erlern  ung  nur  unter 
Förderung  der  allgemeinen  Erziehungsaufgabe  des  Gymnasiums 
zu  erreichen  suchen."1) 

So  ist  es  ausgeschlossen,  dass  der  Unterricht  sich  be- 
gnügt, eine  gewisse  Menge  positiver  Kenntnisse  zu  übermitteln, 
es  wird  vielmehr  fortwährend  darnach  gestrebt  werden  müssen, 
den  Stoff  geistig  zu  durchdringen  und  so  fruchtbar  zu  machen 
für  die  allgemeine  geistige  Entwickeln ng  des  Schülers.  Ver- 
gleichnng  mit  verwandten  Thatsachen  in  anderen  dem  Schüler 
bekannten  Sprachen,  Entwickelung  der  Gründe  für  die  grammati- 
schen Erscheinungen,  Eingehen  auf  das  Inhaltliche  des  Gelesenen, 
dazu  unter  Umständen  auch  hier  und  da  eine  Andeutung  tlber 
die  historische  Entwickelung  einer  Sprach erscheinnng :  das  werden 
wesentliche  Mittel  sein  müssen,  die  geistige  Thätigkeit  des 
SchUlers  zu  erwecken  und  rege  zu  halten. 

Formale  Bildung  kann  und  soll  jeder  Unterrichtszweig  im 
Gymnasium  und  überhaupt  in  einer  höheren  Lehranstalt  vermitteln, 
die  harmonische  Verbindung  von  praktischem  Küunen 
und  wissenschaftlichem  Erkennen  muss  das  Ziel  des 
französischen  Unterrichts  sein. 

'  Der  Reformbewegung  auf  dem  Gebiete  des  französischen 
Unterrichts  liegt  die  Erkenntnis  zu  gründe,  dass  die  alte  gramma- 
tisierende  Methode  psychologische  Bedenken  errege,  dass  sie 
weder  dem  zu  lehrenden  Objekte,  noch  dem  lernenden  Subjekte 
genau  entspreche.  So  lange  bei  dem  französischen  Unterricht 
die  Bestimmungen  der  jetzigen  Unterrichts-  und  Prüfungsordnung 
das  Endziel  festsetzen,  kann  von  einer  Durchführung  derjenigen 
Ansichten  nicht  die  Rede  sein,  die  das  Übersetzen  aus  dem 
Deutschen  für  eine  Kunst  erklären,  welche  die  Schule  nichts 
angeht.  Der  Wert  dieser  Ansichten  an  sich  soll  hier  unerörtert 
bleiben.  Die  Bestrebungen  für  Reform  des  französischen  Sprach- 
unterrichts haben  unter  den  Lehrern  des  Französischen  schnell 
mehr  oder  minder  begeisterte  Anhänger  gefunden,  nnr  verhältnis- 
mässig wenige  derselben  dürften  heute  aus  freier  innerer  Über- 
zeugung   heraus    auf  dem    alten  Standpunkt    verharren. ?J     Nicht 

l)  Verhandlungen  der  rhein.  Direktoren -Versammlung.  188T.  S.  192. 
*)  Verhandlungen  der  rhein.  ftirehtoren- Versammlung.   1888.  S.  200. 


Em  Lehrplan  für  den  französischen  Unterricht  am  Gymnasium.     141 

als  ob  alles,  was  in  dieser  Hinsicht  zu  Tage  getreten  ist,  all- 
gemeine Billigung  gefunden  hätte,  allein  man  darf  doch  immerhin 
sagen,  dass  gewissen  Forderungen  der  Reformer  die  Zustimmung 
der  meisten  Lehrer  nicht  versagt  wird.  Ich  halte  für  diese 
Forderungen  die  folgenden: 

1.  Eine  korrekte  Aussprache  ist  ein  wesentliches 
Ziel  des  französischen  Unterrichts. 

2.  Der  Lektüre  ist  eine  grössere  Bedeutung  bei- 
zulegen als  früher,  sie  ist  in  den  Mittelpunkt  des  Unter- 
richts zu  stellen. 

3.  Der  grammatische  Stoff  ist  wesentlich  zu  be- 
schränken. Hierzu  kommt  4.  die  oben  bereits  entwickelte 
Forderung,  dass  das  Können  in  der  Sprache  nicht  zurück- 
treten  dürfe  gegenüber  dem  Wissen  von  der   Sprache. 

Aussprache.  Die  „ Lehrpläne a  bezeichnen  als  erste  Auf- 
gabe des  französischen  Unterrichts  die  Erzielung  einer  richtigen 
Aussprache  und  eines  geläufigen  Lesens.  Sie  stellen  damit  also 
eine  Forderung  auf,  die  mit  der  genannten  der  Reformer  über- 
einstimmt In  der  That,  jedes  Können  in  einer  lebenden  Sprache 
bedingt  eine  richtige  Aussprache.  Sich  der  so  an  ihn  gestellten 
Aufgabe  entziehen,  bedeutet  für  den  Lehrer:  etwas  Unrichtiges, 
Unwahres  lehren,  und  wenn  auch  nicht  praktische  Rücksichten 
es  verlangten,  so  mttssten  deshalb  doch  pädagogische  Gründe 
von  uns  fordern,  dass  wir  auf  eine  gute  Aussprache  hinarbeiten. 
Dass  höhere  Ansprüche  bezüglich  derselben  nicht  nur  in  fremder, 
sondern  auch  in  der  eigenen  Sprache  ausserordentlich  hohen 
pädagogischen  Wert  haben,  wird  jeder  empfinden,  dem  nachlässige, 
dialektische  Aussprache  eines  im  übrigen  gebildeten  Mannes 
einmal  den  Genuas  eines  möglicherweise  ganz  geistvollen  Vor- 
trages verdorben  hat. 

Warum  hat  nun  die  alte  Methode  des  Vor-  und  Nach- 
sprechens nicht  zu  einem  befriedigenden  Resultate  geführt? 
Hauptsächlich  weil  man  sich  begnügte  und  begnügen  musste, 
„mit  einer  der  Muttersprache  angenäherten  Wiedergabe  der 
Wörter",1)  da  das  Wesen  der  Laute  überhaupt  und  damit  auch 
der  Unterschied  der  fremden  Laute  von  den  eigenen  nicht  er- 
kannt war.  Heute  aber  haben  wir  in  dieser  Hinsicht  festen 
Boden  unter  den  Füssen.  Mag  in  der  jungen  Wissenschaft  der 
Lautphysiologie  „noch  manches  unerledigt  sein,  mögen  Theorien 
noch  schwanken  und  Systeme  wechseln,  am  praktischen  Werte 
des  Festgestellten  ist  kein  Zweifel,  das  Wesen  der  Laute  ist 
erkannt  und  kann  gelehrt  werden,  und  damit  erhält  der  Betrieb 


i)  Münch,  Im  pädagogischen  Archiv,  XXVIII,  S.  526. 


H2  F.  Indering, 

der  Aussprache  im  Unterricht  seine  Würde,  seinen  wissenschaft- 
lichen Unit,  seinen  pädagogischen  Wert)  ein  gesundes  Ziel  ist 
ihm  erreichbar  —  es  muss  angestrebt  werden".1)  Seither  musete 
der  Lehrer  sich  darauf  beschränken,  die  von  dem  Schüler  her- 
vorgebrachten Laute  im  gegebenen  Falle  sie  unrichtig  an  be- 
zeichnen und  ihn  dann  probieren  in  lassen,  ob  er  etwa  im  stände 
sei,  den  ihm  vorgesprochenen  Laut  annähernd  richtig  ku  wieder- 
holen, alles  war  dem  Zufall  anheimgegeben.  Jetst  kann  der  mit 
laut  physiologischen  Kenntnissen  ausgerüstete  Lehrer  dem  Schiller 
begreiflich  machen,  worin  der  Fehler  liegt  und  kann  ihm  für  die 
richtige  Hervorbringung  des  Lautes  eine  Beihilfe  geben,  die  nur 
in  seltenen  Füllen  versagen  wird.  Lautphysiologische  Kennt- 
nisse besitzen  muss  jeder  Lehrer  des  Französischen  and  seit 
die  handlichen  Bücher  von  Vietor  und  von  Beyer  erschienen 
sind,  ist  es  ja  auch  denjenigen,  welche  in  ihren  UniversitSts- 
jahren  eich  mit  diesen  Dingen  nicht  befasst  haben,  recht  leicht 
gemacht,  dieser  Forderung  au  genügen. 

Ein  wetterer  Grund  au  den  Misserfolgen  in  der  franaSsiBchen 
Aussprache  liegt  in  der  mangelhaften  Bezeichnung  derselben  in 
den  meisten  Lehrbüchern.  Die  seither  Übliche  Art  der  Aus- 
sprachebezeichnung bat  namentlich  den  grossen  Nachteil,  daae 
sie  den  Schüler  verleitet  die  ihm  geläufigen  —  vielfach  dialek- 
tisch gefärbten  —  Laute  der  Muttersprache  der  Aussprache  dea 
Französischen  au  Grande  au  legen,  so  dass  ihm  ein  Verständnis 
für  die  Unterschiede  deutscher  und  französischer  Laute  höch- 
stens in  den  wenigen  Fallen  kommt,  wo  die  Schreibung  in  beiden 
Sprachen  von  einander  abweicht. 

Die  Frage,  ob  und  inwieweit  lau  tphysiologi  sehe  Belehrung 
in  der  Schule  eintreten  solle,  wird  noch  verschieden  beantwortet 
Das  Ziel,  welches  der  genannte  Ausspracheunterrioht  verfolgen 
muss,  ist  Treffsicherheit  Es  ist  nicht  abzusehen,  wie  die  Schule, 
wenn  ihr  überhaupt  die  Pflicht  auferlegt  wird,  die  Ergebniase 
wissenschaftlicher  Untersuchung  für  ihre  Zwecke  sn  verwerten, 
sich  der  Aufgabe  entziehen  kann,  die  Ergebnisse  der  lautphyaio- 
logischen  Wissenschaft  cur  Erreichung  dieses  Zieles  nutzbar  n 
machen.  „Wenn  sie  (die  Lehrer)  von  dem  Schüler  genaue  Nach- 
ahmung ihrer  Aussprache  verlangen,  so  müssen  sie  ihm  auch 
billigerweise  die  Mittel  und  Wege  zeigen,  wie  er  ausspreche! 
soll."*)  Damit  wollen  wir  allerdings  noch  nicht  der  Forderung 
Breymann's  nnd  Möllers  zustimmen,  dass  in  jedem  einzelnen 
Falle  die  Fehlerquelle  aufgedeckt  nnd  dem  Schüler  sum  Bewnsst- 

i)  Mflnch,  l.  c. 

■)  Verhmdhmgt*  äer  rhem.  Dit.-Vtrt,  1888.    8.  S13. 


Em  Lehrplan  für  den  französischen  Unterricht  am  Gymnasium.    143 

86»  gebracht  werte»  soll.1)  Dazu  würde  ehie  lautphysiolegiache 
Orientierung  des  Schülers  erforderlich  sein,  die  für  zehnjährige 
Knaben  su  weit  gehen  würde  und  die  namentlich  nicht,  wie  die 
beiden  auf  pädagogischem  Gebiete  rühmlichst  bekannten  Männer 
annehmen,  in  einem  Kursus  von  4 — 5  Stunden  gegeben  werden 
kann.  Aber  in  der  That,  erst  durch  die  Begründung  auf  laut* 
physiologischer  Grundlage  verliert  der  Aussprächeunterricht  den 
Karakter  des  äusserttehen  Abrichten»  und  erhält  neben  der  sprach- 
hebe»  die  hohe  pädagogische  Bedeutung,  die  ihm  eigen  ist. 
Freüfeb  nur  eine  dienende  Rolle  hat  die  Lautphysiologie  zu 
übernehmen,  nicht  um  ihrer  selbst  willen  ist  sie  in  der  Schule 
an  betreiben.  Hier  hat  sie  nur  insofern  Berechtigung  als  sie  zu 
dem  oben  angegebenen  Ziele  die  Wege  ebnet  und  verkürzt. 

Die  Vorbedingung  für  die  Erreichung  einer  guten  Aussprache 
ist,  wie  schon  oben  angedeutet,  d&ss  der  Schüler  das  Bewusstsein 
ren  der  grundsätzlichen  Verschiedenheit  der  französischen  und 
der  deutsehen  Laute  erhalte«  Weiterhin  hat  der  Aussprache» 
Unterricht  den  Schüler  zu  befähigen,  die  ihm  vorgesprochenen 
Laute  richtig  aufzufassen  und  wiederzugeben.  Dies  läset  sich 
nur  erreichen,  wenn  die  Organe  an  die  fremden  Laute  gewohnt 
werden. 

Zwei  Wege  scheinen  zu  diesem  Ziele  zu  führen.  Entweder 
man  läset  dem  französischen  Unterricht  einen  Lautierkursus  voran- 
gehen, oder  man  führt  den  Schüler  unmittelbar  in  die  Sprache 
ein  und  übt  die  Aussprache  am  lebendigen  Stoffe.  Bleiben  wir 
zunächst  bei  der  Betrachtung  des  letzteren  Weges.  Es  hat  auf 
den  ersten  Bück  etwas  Bestechendes,  dass  das  Aussprechen  am 
lebendigen  Sprachstofifo  erlernt  werden  soll,  praktisch  aber  scheint 
sa  doeh  nur  wenig  ausfährbar»  Will  man  nicht  das  etwa  vor- 
legende Lesestück  in  einzelne  Sätze,  ja  in  Wörter  und  Laute 
zergliedern,  weduroh  man  dann  doch  wieder  zu  dem  gelangen 
würde,  was  man  hat  vermeiden  wollen,  nur  in  einer  ganz  un- 
systematischen, von  Zufälligkeiten  abhängigen  Weise,  so  werden 
verschiedene  Aufgaben  mit  einander  verquickt,  deren  Lösung, 
jede  emeln-  genommen,  dem  Anfänger  hinlängliche  Schwierig- 
keiten bereitet  Er  soll  die  einzelnen  Laute  lernen,  soll  auf 
Wortton  und  Satzton  achtens  und  soll  schliesslich  auch  noch  dem 
Inhalte  Interesse  entgegen  bringen.  Dies  letztere  muss  vor  allen 
Dingen  bei  der  Durchnahme  des  Lesestückes,  wie  sie  die  Be- 
wältigung der  bezüglich  der  Aussprache  gestellten  Aufgaben  be- 
dingt, sehr  bald  verschwinden.  Ausserdem  ist  nieht  zu  ersehen, 
wie  es  möglich  sein  soll,  den  Schüler  an  eine  korrekte  Aussprache 


TT— m- 


l)  Zur  Reform  des  neusprachlicheii  Unterrichts.    S.  9. 


144  F.  Tendering, 

zu  gewöhnen,  wenn  nur  das  zufällige  Vorkommen  im  Zusammen- 
hange darüber  entscheidet,  wie  oft  jeder  Laut  geübt  werden  soll, 
nnd  aof  die  Gewöhnung  an  die  Ilervorbringung  richtiger  Laute 
kommt  es  doch  ganz  wesentlich  an.  Die  einzige  Abhilfe  könnte 
nur  in  einem  langwierigen  Kampfe  mit  lautlichen  Schwierigkeiten 
gefanden  werden,  der  Lehrer  nnd  Schiller  gleichennassen  er- 
müden würde. 

Es  bleibt  also  nichts  Anderes  Übrig,  als  dem  französische« 
Unterricht  einen  Lautierkursus  vorauszuschicken,  der  die  Aufgabe 
hat,  den  Schüler  durch  Gewöhnung  eine  solche  Treffsicherheit 
beizubringen,  dass  ihm  die  richtige  Aussprache  der  französischen 
Laute  keine  Schwierigkeit  bereitet.  Dies  bedingt  natnrgemäss, 
dass  die  Dauer  desselben  nicht  zu  kurz  bemessen  sei.  Um  eine 
stramme  Schulung  der  Organe  handelt  es  sich,  nicht  um  eine 
Aufklärung  des  Schillers  über  die  Natur  der  Laute;  darum  muss 
der  Lautierkursus  etwa  3 — 4  Wochen  dauern.  Es  möge  noch- 
mals daran  erinnert  werden,  dass  lautphysiologische  Erklärungen, 
die  sich  von  technischen  Ausdrücken,  die  für  den  Schiller  nicht 
leicht  verstandlich  sind,  frei  zu  halten  haben,  immer  nur  dl  ge- 
geben werden  sollen,  wo  das  Verständnis  der  Laute  oder  die 
praktische  Hervorbringung  derselben  durch  die  theoretische  Aus- 
einandersetzung erleichtert  wird.  Man  gebe  sich  keinen  Über- 
triebenen Hoffnungen  über  den  Erfolg  des  Lautierkursus  hin. 
Er  kann  unmöglich  die  Folge  baben,  dass  die  Schüler  nun  Über- 
haupt keine  Aussprache  fehler  mehr  machen,  er  kann  sie  nnr  be- 
fähigen, weiterhin  mit  geringerem  Aufwand  an  Htthe  und  Zeit, 
die  Laute  richtig  aufzufassen  und  wiederzugeben.  Damit  ist  aber 
schon  viel  gewonnen;  viele  Zeit,  die  bisher  im  Laufe  der  Jahre 
auf  die  Verbessemng  der  Aussprache  verwendet  werden  musste, 
wird  erspart  werden  und  kann  anderen  Aufgaben  des  französischen 
Unterrichts  zu  gute  kommen.  Damm  schrecke  man  nicht  zurück 
vor  der  Zeitdauer  des  Lautierkursus,  die  Zeit  wird  um  so  mehr 
im  weiteren  Verlaufe  des  Unterrichts  wieder  eingebracht  werden, 
als  ja  auch  bei  den  Ausspracheübungen  sich  die  Aneignung  der 
Bedeutung  der  meisten  zu  gründe  gelegten  Wörter  von  selbst 
ergeben  wird. 

Von  der  Notwendigkeit  einer  Lautschrift  für  den  Schüler 
habe  ich  mich  seither  nicht  überzeugen  können.  Dieselbe  bringt 
eine  Belastung  des  Schülers  hervor,  die  wir  zu  vermeiden  alle 
Ursache  haben.  Ich  stimme  auch  der  Ansicht  Ulbrichs1)  bei, 
dass  es  sich  in  der  Praxis  des  Unterrichts  als  höchst  gefährlich 


')    Über   die  front.  Lektüre   am  Bealgymn.   Progr.  des  Fried.  Rg. 
Berlin.     Ostern  1884.    S.  7. 


Ein  Lehr  plan  für  den  französischen  Unterricht  am  Gymnasium.     145 

erweist,  dem  Lernenden  für  denselben  Lautkoraplex  zwei  Schrift- 
bilder zugleich  vorzuhalten,  zumal  wenn  die  Entzifferung  des 
falschen,  d.  h.  des  phonetischen  Schriftbildes  gerade  die  meiste 
Mühe  verursacht.  Auch  die  Kenntnis  der  phonetischen  Bezeich- 
nung der  Laute  kann  nicht  an  sich,  sondern  nur  insofern  wert- 
Toll  sein,  als  sie  das  Aussprechen  erleichtert.  Sie  erhöht  zweifels- 
ohne die  Treffsicherheit,  wenn  dem  Schüler  eine  ihm  seither  un- 
bekannte Vokabel  zum  erstenmale  entgegentritt  und  er  dieselbe 
dann  nicht  nur  im  konventionellen  Gewände  einer  mangelhaften 
Orthographie,  sondern  lautlich  korrekt  transskribiert  erblickt, 
aber  eine  neue  Vokabel  soll  dem  Schüler  im  Anfangsunterricht 
Oberhaupt  zuerst  aus  dem  Munde  des  Lehrers  entgegentreten, 
and  da  braucht  es  dann  keiner  Erläuterung  durch  Transkription. 
Auf  der  mittleren  und  oberen  Stufe  ist  sie  erst  recht  entbehrlich. 
Dass  die  Lautschrift  nun  gar  um  des  Lehrers  willen,  namentlich 
der  klassischen  Philologen  und  der  Mathematiker  willen,  welche 
zum  Unterricht  in  den  neueren  Sprachen  „kommandiert  werden, tt 
notwendig  sei,  wie  Kühn1)  glaubt,  will  mir  nicht  recht  einleuchten. 
Ich  leugne  nicht,  dass  leider  solche  „Kommandierungen"  noch 
immer  vorkommen,  aber  ich  glaube,  man  kann  von  jedem  Lehrer, 
dem  ein  bestimmter  Unterrichtszweig  übertragen  wird,  der  ihm 
zunächst  ferner  lag,  erwarten,  dass  er  sich  mit  den  Aufgaben, 
die  der  neue  Unterricht  ihm  stellt,  nicht  nur  nach  dem  in  den 
Händen  der  Schüler  befindlichen  Lehrbuche  bekannt  macht.  Ent- 
spricht er  dieser  Erwartung  nicht,  dann  wird  sein  Unterricht  mit 
Lautschrift  ebensowenig  taugen  wie  ohne  dieselbe. 

Aus  den  Lauten  setzen  sich  Silben  und  Wörter,  aus  den 
Wörtern  Sätze  zusammen,  und  die  Verbindung  der  Sätze  ist  die 
Sprache.  Musste  als  erste  Aufgabe  des  Ausspracheunterrichts 
die  Lautkorrektheit  bezeichnet  werden,  so  ist  darum  das  richtige 
Zusammensprechen  des  Satzganzen  eine  nicht  minder  wichtige 
Vorbedingung  für  richtiges  Sprechen.  Zu  diesem  Zusammen- 
sprechen kleiner  Sätze  ist  darum  so  schnell  wie  möglich  fort- 
zuschreiten. Es  ist  dabei  darauf  zu  halten,  dass  der  Schüler 
wirklich  die  Wortgruppe  als  Einheit  zum  Ausdruck  bringt.  Der 
Gewohnheit  der  meisten  Schüler,  den  Satz  in  eine  zusammenhang- 
lose Reihe  einzelner  Wörter  aufzulösen,  ist  streng  entgegen  zu 
treten.  Als  eine  Folge  des  Satzsprechens  ergiebt  sich  im  Franzö- 
sischen naturgemäss  die  Bindung.  Es  sei  hier  kurz  daran  er- 
innert, dass  ein  „Binden",  ohne  dass  ein  wirkliches  Zusammen- 
sprechen des  Satzganzen  stattfindet,  eine  Thorheit  ist,  die  das 
wirkliche  Verhältnis   umdrehen   und    die  Bindung   statt  als  Folge 


*)  Der  französische  Anfangsunterricht.     S.  21. 

Zachr.  f.  fr«.  Spr.  u.  Mtl.  XII«.  jO 


146  F.  Tender  mg, 

als  eine  Re  dingung  des  Satzganzen  ersehe  in  eü  lassen  würde. 
Im  einzelnen  sei  hier  auf  die  trefflichen  Ausführungen  Mtinch's, 
nZur  Forderung  des  französischen  Unterrichts11,  8.  34  ff.,  ver- 
wiesen, einer  Schrift,  deren  Studium  jedem  Fachgenossen  nicht 
wann  genug  empföhlen  werden  kann. 

Dass  korrektes  Laut-  und  Satzsprechen  noch  nicht  gleich- 
bedeutend ist  mit  einer  guten  Aussprache  des  fremden  Idioms 
überhaupt,  namentlich  mit  einem  guten  Lesen  eines  fremden 
Schriftstellers,  ist  klar.  Hier  treten  zugleich  ganz  andere,  höhere 
geistige  Forderungen  auf,  zu  deren  Befriedigung  die  Lösung  der 
mehr  nach  der  sinnlichen  Seite  hin  gelegenen  Aufgaben,  die  wir 
bisher  besprachen,  nur  eine  Vorbedingung  ist.  Wir  werden  unten 
bei  der  Behandlung  der  Lektüre  darauf  zurückkommen. 

Sobald  der  Unterricht  etwas  höhere  Anforderungen  an  den 
Schüler  stellt,  wenn  er  genötigt  wird,  nicht  nur  dem  körperlichen 
Lautgebilde,  sondern  auch  dem  Inhalte  desselben  seine  Aufmerk- 
samkeit zuzuwenden,  stellt  sich  erfahr nn gsgem äs ■  meist  eine 
gewisse  Oleichgültigkeit  gegen  die  Aussprache  ein.  Selbst 
Schüler,  die  vorher  recht  gut  aussprachen,  vernachlässigen  sich 
in  dieser  Hinsicht  und  nehmen  die  bekannte  deutsch -französische 
Aussprache  an.  Dieses  Hinneigen  zur  Vernachlässigung  zeigt 
sich  namentlich  auf  den  oberen  Klassen.  Der  Lehrer  darf  dann 
um  so  weniger  lässig  werden ;  auf  alten  Stufen  muss  er  unnach- 
sichtlicb  allen  Aussprache  fehlem  zu  Leibe  gehn  und  zu  verhüten 
suchen,  dass  die  mit  grosser  Mltbe  erworbene  französische  Färbung 
verloren  gehe.  Auch  eine  systematische  Wiederholung  des  ganzen 
Kursus  in  einigen  wenigen  Stunden  wird  zur  Erzielung  einer  guten 
Aussprache  von  grosser  Bedeutung  sein.  Dieselbe  findet  am 
besten  in  Obersekunda  statt  Hier,  wo  Überhaupt  im  Betrieb 
der  Sprachen  eine  Änderung  eintritt,  von  wo  ab  die  Begründung 
der  Spracherscheinungen  eine  grössere  Rolle  spielen  muss,  wird 
es  dann  hauptsächlich  darauf  ankommen ,  das  Wesen  der  vom 
Schuler  seither  zum  Teil  unbewusst  hervorgebrachten  Lant- 
nHancierungen  zum  Verständnis  zu  bringen,  so  dass  also  hier 
eine  breitere  lau  [.physiologische  Grundlage  zu  legen  wäre. 

Damit  eine  Gewöhnung  an  richtige  Hervorbringung  der  Laute 
entstehe,  muss  jeder  Schüler  Gelegenheit  haben,  jeden  Laut  des 
Französischen  innerhalb  eines  Wortes  zu  Üben.  Es  muss  also 
vom  Lehrer  planmässig  und  zwar  am  besten  aus  dem  zunächst 
zur  Behandlung  kommenden  Lektürestoff  eine  Sammlung  von 
Beispielen  zusammengestellt  werden.  Der  Gang,  den  die  laut- 
liche Unterweisung  einschlagen  kann,  ist  nicht  absolut  festzu- 
legen. Nach  meinen  Erfahrungen  empfiehlt  es  sich  zunächst  die 
einfachen  Vokale,  vielleicht  ohne  den  ö-  und  «-Laut,  zn  behandeln, 


Ein  Lekrplan  für  den  französischen  UnUrrichl  am  Gymnasium.     147 

da  dieselben  leicht  in  Wörtern  vorgeführt  werden  können,  deren 
Konsonanten  so  geringe  Abweichungen  vom  Deutschen  zeigen, 
dass  dieselben  dem  Schüler  zum  Aussprechen  vorgelegt  werden 
können,  ohne  systematisch  behandelt  zu  sein.  Hierauf  folgen 
die  Konsonanten,  von  denen,  wenigstens  für  die  hiesige  Gegend, 
nur  die  zs-  Laute,  sowie  v  und  /  eingehender  zu  behandeln  sind, 
es  scQliessen  sich  an  die  noch  rückständigen  Vokale  und  Vokal- 
verbindungen, den  Schluss  bilden  die  Nasale  und  n.  Das  mouil- 
lierte l  wird  am  besten  in  Verbindung  mit  dem  i  betrachtet. 

Welche  einzelnen  Punkte  energischere  Übung  verlangen, 
wo  lautphysiologische  Erklärung  einzusetzen  hat,  das  wird  ganz 
wesentlich  von  der  Gegend  bedingt  sein.  Für  Elberfeld  und 
Umgegend  müssen  z.  B.  die  geschlossenen  Vokale  ganz  ausser- 
ordentlich geübt  werden,  da  die  Schüler  im  allgemeinen  zur  Ver- 
dumpfung  derselben  neigen.  Für  ganz  Westdeutschland  bedarf 
v  einer  lautphysiologischen  Erklärung,  da  ohne  diese  der  West- 
deutsche einen  dem  englischen  w  ähnlichen  Laut  zu  sprechen 
und  auch  zu  hören  pflegt  Es  sei  dabei  zugleich  bemerkt,  dass 
nun  richtigen  Hören  zu  erziehen  die  wichtigste  Vorbedingung  für 
die  Erreichung  einer  richtigen  Aussprache  ist.  Man  lasse  des- 
halb möglichst  von  Schülern  selbst  die  gemachten  Aussprache- 
fehler richtig  stellen.  Für  Nasale  und  i  sind  die  Vorbedingungen 
wohl  Überall  gleich  ungünstig,  auch  die  auslautenden  tre,  ble  u.  a. 
bieten  gleichmässig  Schwierigkeiten. 

Die  vom  Lehrer  zusammengestellten  Beispiele  sind  den 
Schülern  zu  diktieren,  die  deutsche  Bedeutung  ist  zwar  hinzuzu- 
fügen, aber  das  Behalten  derselben  darf  nicht  obligatorisch, 
namentlich  nicht  Aufgabe  häuslicher  Einübung  sein,  damit  nicht 
der  Hauptzweck  des  Lautierkursus  aus  den  Augen  verloren  werde. 

Das  gegebene  Material  ist  möglichst  bald  zu  Wortgruppen 
und  kleinen  Sätzen  zu  vereinigen,  wodurch  Gelegenheit  geboten 
wird,  korrektes  Zusammensprechen  des  Zusammengehörigen,  sowie 
den  französischen  Satzton  zu  üben. 

Der  Verzicht  auf  eine  Lautschrift  ermöglicht,  dass  mit  der 
Einübung  der  Laute  die  Einführung  in  die  französische  Ortho- 
graphie verbunden  werde.  An  den  gegebenen  Beispielen  können 
die  Elemente  derselben  dem  Schüler  leicht  klar  gemacht  werden. 
Es  wird  sich  empfehlen,  sie  am  Schlüsse  des  Kursus  kurz  zu- 
sammenzustellen. Als  das  Wichtigste  ist  etwa  das  Folgende  zu 
betrachten : 

1)  Die  Bezeichnung  der  Laute  u,  ö\  ii  durch  ow,  eu,  w. 

2)  Das  Verstummen  auslautender  Konsonanten  und  Vokale. 

3)  c  vor  a,  o,  u  =  k;  qu  =  k;  c  vor  e,  i  =  s;  g  vor 
a,  o,  u  =  s;  ch  =  $. 

10* 


■ 


148  F.  Teadering, 

4)  g  vor  a,  o,  u  =  g;  g  vor  e,  i  —  i. 

5)  ä  durch  an,  en. 

6)  y  =  .'. 

7)  1  durch  Ü,  Ute. 

8)  6.  auch  dnrcli  au,  tatt;  e*  auch  durch  oi,  ei;  ii  auch 
durch  teu. 

9)  i,  i,  e  ho  wie  6,  ä*  bezeichnen  bestimmte  Nuancen  der 
entsprechenden  Laute,  die  indessen  auch  durch  einfache  e  und  o 
gegeben  werden. 

Alles  übrige  der  Orthographie  lehre  kann  gelegentlich  be- 
trachtet werden. 

Anfangsunterricht.  I.Jahr.  Die  grammatische  Aufgabe, 
welche  den  ersten  beiden  Unterri chtsjahren  im  Französischen  zu- 
gewiesen wird,  ist  die  Bewältigung  der  regelmässigen  Formen- 
lehre und  der  gebräuchlicheren  un regelmässigen  Verben.  Der 
vielfach  empfohlenen  Verteilung  auf  Quinta  und  Quarta  dergestalt, 
dass  jener  Klasse  die  Formenlehre  bis  einschliesslich  der  zweiten 
Konjugation  zufallt,  kann  ich  schon  deshalb  nicht  zustimmen, 
weil  —  um  die  Einteilung  in  die  bekannten  vier  Konjugationen 
beizubehalten  —  es  durchaus  notwendig  erscheint,  das  den 
Konjugationen  Gemeinsame  hervortreten  zu  lassen.  Bedenkt  man, 
dass  das  Pensum  der  Quarta  durch  die  Pronomina  und  die  an- 
regelmässigen Verben  ein  hinlänglich  schwieriges  ist,  so  wird 
man  dem  am  hiesigen  Gymnasium  Üblichen  Verfahren  zustimmen, 
wonach  die  Einübung  der  regelmässigen  Konjugationen  und  der  Hilfs- 
verbs avoir  und  etre  die  grammatische  Hauptaufgabe  der  Quinta  ist 

Die  Forderung,  dass  die  Lektüre  den  Ausgangs-  nnd  Mittel- 
punkt im  Anfangsunterricht  bilde,  setzt  voraas,  dass  dem  Unter- 
richt ein  geeignetes  Lesebuch  bezw.  Lehrbuch  zu  Grunde  gelegt 
werde;  allein  dase  derselben  anch  mit  einem  in  dieser  Hinsicht 
mangelhaftem  Buche,  wenn  anch  nur  notdürftig  genügt  werden 
kann,  haben  mir  die  mit  der  Elementargrammatik  von  Piaatz  ge- 
machten Erfahrungen  bestätigt.  Allerdinge  nur  notdürftig,  da  die 
LesestUcke  eben  nicht  für  diese  Stufe  ausgewählt  sind.  Immer- 
hin aber  ist  es  besser,  an  solchen  Lesestficken  dem  Schüler 
wirkliches  Französisch  vorzuführen,  als  ihn  mit  der  Anreihnng  ein- 
zelner Vokabeln  zu  Sätzchen  wie:  ma  tabh  e»t  belle,  notre  pam 
est  bon,  Hertha  ist  meine  gute  Freundin,  Unser  Sehrank  ist  gut  n.  ä. 
zu  quälen.  Solche  Sätzchen  sind  nur  dann  wertvoll,  wenn  sie 
aus  den  im  LesestUck  gegebenen  sprachlichen  Thatsachen  zur 
Einübung  von  Vokabeln  und  Formen  gebildet  sind.  Wo  ein 
geeignetes  Buch  nicht  im  Gebrauch  ist,  wird  dem  Lehrer  die 
Anfgabe  zufallen,  selbst  aus  dem  durchgenommenen  LesestUcke 
gebildete  kurze  Sätze  in   reichlichem  Masse   dem  Schüler  münd- 


Ein  Lehrplan  fßr  den  französischen  Unterricht  am  Gymnasium.     149 

lieh  zur  Übersetzung  vorzulegen.  Es  sei  für  diese  mündlichen 
Übersetzungen  gleich  hier  darauf  hingewiesen,  dass  von  dem 
Schüler  zu  fordern  ist,  dass  er  die  Übersetzung  zunächst  im 
Kopfe  sich  zurechtlege  und  dann  den  Satz  französisch  ohne 
Stocken  ausspricht  Jedes  stockende  Herausbringen  eines  solchen 
Sitzchens  muss  als  etwas  Unbefriedigendes  angesehen  werden. 

Auch  die  Erwerbung  des  Wortschatzes  ist  naturgemäss  ganz 
an  die  Durchnahme  des  Lesestücks  geknüpft1).  Die  Vokabel, 
welche  den  Schülern  bei  der  mannigfaltigen  Durcharbeitung  des 
Letestücks  vorgekommen  ist,  wird  von  selbst  im  Kopfe  der 
meisten  haften.  4)as  Vokabellernen  um  seiner  selbst  willen,  um 
so  kleine  zusammenhanglose  Sätzchen  wie  die  oben  angeführten 
zu  bilden,  muss  als  wertlos  nicht  nur  für  die  allgemeine  Geistes- 
bildung, sondern  auch  für  die  Erwerbung  positiver  Kenntnisse 
bezeichnet  werden. 

Auszugehn  ist  im  allgemeinen  von  dem  Laute,  die  An- 
schauung in  der  Schrift  folge.  Diese  Forderung,  welche  fast 
alle  Reformer  aufs  Bestimmteste  aussprechen,  scheint  auf  den 
ersten  Blick  für  jeden,  dem  ein  Bruch  mit  der  alten  Methode 
am  Herzen  liegt,  einleuchtend.  Allein  des  Lebens  goldener  Baum 
zeigt  uns  doch  die  Sache  in  etwas  anderem  Lichte  als  die  graue 
Theorie.  Es  birgt  das  Ausgehn  vom  Laute  nicht  nur,  wie  von 
Sallwürk8)  richtig  bemerkt,  die  Gefahr  in  sich,  dass  der  Schüler 
sich  selbst  ein  Schriftbild  schafft,  das  als  falsch  der  Lehrer  Mühe 
bat  wieder  fortzubringen,  man  wird  auch  im  Klassenunterricht, 
der  namentlich  auf  dieser  Stufe  vielfach  Massenunterricht  ist, 
nicht  vom  Fleck  kommen,  falls  man  Wert  darauf  legt,  die  Schüler 
gleichmlssig  zu  fördern  und  nicht  etwa  nur  mit  den  besseren 
Schülern  vorangehen  will.  .  Last  not  least  will  ich  auch  nicht 
verfehlen  darauf  aufmerksam  zu  machen,  dass  das  ganze  Ver- 
fahren konsequent  durchgeführt  ausserordentlich  schädigend  auf 
die  Sprechorgane  des  Lehrers  einwirkt,  wie  ich  mich  mehrfach 
durch  Erfahrung  überzeugt  habe.  Da  es  aber  erforderlich  erscheint, 
dass  die  Schüler  von  anfang  an  daran  gewöhnt  werden,  gesprochene 
Laute  aufzunehmen  und  zu  verstehn,  so  sei  hier  ein  gemischtes 
Verfahren  empfohlen.  Ob  das  Ausgehn  vom  Laute  oder  von  der 
Schrift  im  einzelnen  Falle  überwiegen  soll,  wird  ganz  von  den 
Verhältnissen  abhängen.  Für  die  allererste  Zeit  scheint  mir 
jedenfalls  das  erstere  empfehlenswert. 


*)  Eine  genaue  Durcharbeitung  nach  dieser  Richtung  hat  mich 
überzeugt,  dass  bei  Ploetz  in  den  Lesestücken  und  den  wenigen  Lek- 
tionen, welche  zusammenhängenden  Anschauungsstoff  enthalten,  fast 
alle  im  Buche  überhaupt  vorkommenden  Vokabeln  sich  finden. 

*)  Zeitschr.  für  neu  franz.  Sprache  u.  Lit.  VIII,  2.    S.  67. 


Sofern  vom  Laute  ausgegangen  wird,  spreche  def  Lebrt) 
die  einzelnen  Sätze  unter  Zerlegung  in  Wortgrnppen  mit  Angab* 
der  Bedeutung  vor  und  lasse  sie  solange  von  einzelnen  .Schillert 
wiederholen,  bis  bei  Erfassung  des  Inhalts  ■osepraonlicba  flu- 
nauigkeit  vorhanden  ist.  Dabei  wird  nun  ib-m  SatztO 
Aufmerksamkeit  zugewendet  werden  müssen.  Dann  werd> 
Buch  geüffuet,  man  lasse  da»  Stück  BOctnutfl  lesen  und 
setzen  und  diktiere  die  Vokabeln,  falls  dieselben  ohne  dies  von 
dem  Schüler  in  einem  alphabetischen  Verzeichnis  zu  suchen 
wären.  Hierauf  wird  man  im  Interesse  der  weniger  be-gabtn 
Schiller  nicht  verzichten  kennen,  da  diese  soifst  leicht  zu  einer 
rein  mechanischen  Aneignung  des  Stoffes  konimeu.  Auf  (lieser 
Stufe  int  natürlich  noch  alles  Vorkommende  als  Vnkahel  zu  fassen 
und  zu  lernen.  Man  lasse  dmui  in  der  ersten  Zeit  du  Durch- 
genommene fllr  die  nächste  Stunde  auswendig  lernen.  Di«  Wied-r- 
holung  in  der  folgenden  Stunde  geschehe  durch  mehrmaliges  Cber- 
sctzcii  und  Lesen,  durch  DbenetUBg  kleiner  mit  dem  gegebenen 
Material  gebildeten  Sätze,  Abfragen  der  Vokabeln,  und  endlich 
etwa  von  der  fünften  Stunde  an  dtireh  Beantwortung  kurier 
französischer  Fragen  llber  den  Inhalt  des  Gelesenen.  Bei  der 
notwendigen  Anleitung  wird  es  dem  Schüler  nicht  sehwer  fallen, 
Kragen  wie  die  folgenden  aus  dem  Inhalte  eines  bekannten  Leso- 
Stückes  bei  Fiats  in  frmsthuecaer  Sprach«  su  bwmtworl 

ressembtfiit  h:  riii.-ii  f  q„,  .jmil.rilil  '  jn,ur  i/ni  pn-jinit-il  .>'<"   rmii'i  ?i ,- ' 

fW  Ivi  dil-il f  u,  s.  w.  Den  Abschlüge  der  Beschäftigung  mit  dem 
Stücke  bilde  naci  eim  m  nochmaligen  Lesen  durch  einen  besseren 
Schiller  vorbildliches  f hersetzen  und  Lesen  seitens  des  Lehrer*. 
Es  sei  hier  von  vornherein  darauf  hingewiesen,  das«  ein  Abfragt* 
isolierter  Vokabeln,  auch  auf  späteren  Stufen,  erst  dann  einzutreten 
hat,  wenn  die  Vokabel  dem  Schiller  im  Zusammenbau 
lesenen  zum  Eigentum  geworden  sein  kann,  also  nach  der  Wieder* 
hotang  des  etwa   selbständig  Präparierten  in  der  zweiten  Stande. 

Für  das  Ausgehn  von   der  Schrift,  das  sich   im  ganzen   dem 
Obigen  analug  in  gestalten  haben  wird,  sei  nur  bemeiht 
Aufgaben,    welche  die  Aussprache  stellt,    nicht  minder  sorgfältig 
gelöst  werden  müssen. 

Im  Vorlaufe  des  Unterrichts  bieten  die    LeaeAtocke    Uli 
einem   nicht    eigens    zu    diesem    Zwecke    gearbeiteten  Buche 
länglich    Gelegenheit    auf    die    einfachsten    piauunatisehen    Dinge 
ausser   der    Konjungation    aufmerksam    zu    machen    und  dieselben 
einzuüben.      Eine    systematische    Zusammenfassung    eventuell    im 
AnschluBS  an  die  betreffenden  Lektionen  des  Lehrbuchs 
Benutzung    des    dort    etwa  gebotenen    Übersetzungsmaterials   wi: 
erst  gegen  Sehluss  des  Jahres  einzutreten  Iniben. 


Ut'g 


Ein  Lehrplan  für  den  französischen  Unterricht  am  Gymnasium.     151 

Gleich  bei  Beginn  des  Kursus  hat  jeder  Schüler  unter  An- 
leitung des  Lehrers  ein  Konjugationsschema  anzufertigen,  in  das 
die  vorkommenden  Verbalformen  eingetragen  werden.  „Die  ge- 
samte regelmässige  Konjugation  etwa  induktoriseh  aus  der  Lektüre 
gewinnen  zu  wollen,  wäre  erstens  ein  sehr  unsicherer  und  lang- 
wieriger Weg  und  zweitens  unnatürlich.  Denn  nachdem  der 
Schüler  überhaupt  Konjugation  als  solche  kennen  gelernt  hat  (in 
unserem  Falle  am  Lateinischen)  ist  es  für  ihn  keine  Zumutung, 
sondern  vielmehr  ein  Bedürfnis,  diese  auch  in  der  neuen  Sprache 
bald  als  solche  zu  übersehen."1)  Man  gehe,  so  gering  auch 
die  Ausbeute  für  die  2.,  3.  und  4.  Konjugation  noch  sein  mag, 
nach  drei  Monaten  an  eine  Ergänzung  und  weiterhin  an  die  Ein- 
übung der  Konjugation.  Nachdem  eine  hinlängliche  Anzahl  von 
Formen  konstatiert  ist,  lasse  man  die  Schüler  das  denselben  Ge- 
meinsame finden.  Die  nach  ihrer  Entstehung  erkannten  Formen 
sind  dann  nach  ihren  Bestandteilen  getrennt  wieder  einzutragen, 
falls  nicht  etwa  das  Lehrbuch  in  dieser  Weise  die  Konjugation 
vorführt,  da  nur  so  eine  Stütze  zum  Behalten  der  Erklärung  der 
Formen  vorhanden  ist.  Freilich  wird  die  Erkenntnis  der  Formen 
namentlich  für  das  jugendliche  Alter  des  Quintaners  an  sich  nicht 
zur  praktischen  Fertigkeit  in  der  Bildung  derselben  führen,  diese 
lässt  sich  nur  durch  eifrige  Übung  erreichen  und  auf  diese  ist 
darum  nicht  weniger  Nachdruck  zu  legen.  Jene  wird  aber  einer- 
seits wesentlich  zur  Anregung  des  Interesses  der  Schüler  dienen 
und  der  Forderung,  dass  auch  der  Unterricht  im  Französischen 
geistbildend  sein  soll,  in  geeigneterer  Weise  entsprechen  als  die 
bloss  mechanische  Aneignung.  Die  Einübung  erfolge  nicht  nur 
durch  Abfragen  einzelner  Formen,  sondern  mehr  noch  durch 
Übersetzung  kleiner  vom  Lehrer  gebildeten  Sätze,  wie:  je  donnerai 
k  livre  ä  mon  plre,  il  obeit  ä  sa  m2re,  sowie  in  Verbindung  mit 
der  Negation  und  in  der  Frageform.  Auch  wird  man  bereits 
Dativ  und  Akkusativ  der  Personalpronomina  anwenden  können, 
natürlich  ohne  sich  auf  eine  systematische  Erörterung  einzulassen. 

Die  Zählung  der  Konjugationen  1.  Infinitiv  -er,  2.  Infinitiv 
-tr,  3.  Infinitiv  -oir,  4.  Infinitiv  -re  wird,  wo  das  Lehrbuch  sie 
bietet,  nicht  gut  aufgegeben  werden  können,  jedoch  scheint  es 
mir  unbedingt  erforderlich,  die  3.  Konjugation  (oir)  jedesmal  in 
den  sog.  einfachen  Zeiten  allen  anderen  folgen  zu  lassen,  da  sie 
Eigentümlichkeiten  bietet,  die  sich  zwar  leicht  auch  dem  Quintaner 
verständlich  machen  lassen,  die  ihr  aber  immerhin  eine  besondere 
Stellung  den  übrigen  Konjugationen  gegenüber  anweisen  und  die 
sie    zugleich   zu  der  schwierigsten  machen.     Die  Schwierigkeiten 


*)  Mürch,  Zur  Förder.    S.  26. 


■ 


1S2  F.  Tendering. 

bestehen  namentlich  in  dem  Werbsei  zwischen  oi  and  e  in  den 
stamm-  und  enduugsbetonten  Formen  und  in  dem  Fall  des  t> 
des  Stammes  vor  einem  Konsonanten.  Dans  der  Schiller,  der 
bereits  im  lateinischen  Unterricht  mit  Stammformen  des  Verboms 
zu  operieren  gelernt  hat,  auch  bei  der  französischen  Konjugation 
stets  auf  den  Stamm  zurlfckzugehn  sich  gewöhne  und  damit  zu- 
gleich die  Herlei tnng  der  Konjugation  aus  dem  Lateinischen  er 
kenne,  ist  eine  unabwei  Bliebe  Forderung.  Jeder  Gegenstand  des 
gymnasialen  Unterrichts  muss  in  gymnasialer  Weise  getrieben 
werden,  d.h.  so,  dass  er  zur  Geistesbildung  des  Schülers  beiträgt 
Geistige  Bildung  bewirkt  aber  nicht,  oder  doch  nur  in  beschrank- 
tem Grade,  das  stramme  Panken  zahlloser  regelmässigen  und 
unregel massigen  Formen,  nicht  die  leicht  schablonenhaft  werdende 
Anwendung  einer  möglichst  wortgetreu  eingeprägten  syntaktischen 
Regel  auf  eine  grössere  oder  geringere  Anzahl  von  bestimmten 
Fällen.  Bei  aller  Achtung  vor  diesen  Übungen  kann  ich  sie 
doch  in  erster  Linie  nur  betrachten  als  Übungen  zum  Zwecke 
der  Erlangnng  einer  praktischen  Sprachbeherrschung,  einer  ge- 
wissen Routine,  zn  der  allerdings  der  Unterricht  namentlich  in 
den  neueren  Sprachen  fuhren  soll.  Den  gros  st en  formalbildenden 
Wert  auf  grammatischem  Gebiete  schreibe  ich  der  Erweckung 
des  Verständnisses  fflr  die  Entwicklung  der  Formen  und  der 
Begründung  der  syntaktischen  Verhältnisse  zu. 

Die  bezüglich  der  Konjugation  zu  beachtenden  Punkte  sind 
folgende:1) 

Die  Endungen  des  Prü.  Ind.  sind: 

I  IL  III.  IV 


An  Substantiven  ist  nachzuweisen,  dass  ausl.  -a  als  -e  bleibt 
(porle,  ccole,  plume,  victoire),  also  I.  Sg.  1.  abweichend  durch 
Angleichung. 

II.  III.  IV.  entsprechend  legi*,  Ugä  etc.,  ebenfalls  1.  Sg. 
angeglichen. 


_ ..«  französischen    Verb,    und  Die 

Behandlung  d      "    '    '" 


Ein  Lthrplan  für  den  französischt'n  Unterricht  am  Gymnasium.     153 

Plural  ftir  alle  -amus,1)  -atis,  -anL  Auf  den  Wechsel  der 
Tonstelle  ist  zu  achten. 

1.  III.  IV.  hängen  die  Endungen  unmittelbar  an  den  Stamm, 
II  schiebt  -iss  ein.  Wo  steckt  -ins  im  Sg.?  (Drei  Konsonanten 
stehen  nicht  zusammen,  ausser  wenn  r  der  dritte  ist,  ausl.  nur 
einfache  Konsonanz  in  der  Schrift.)  Bei  IV  behauptet  sich  der 
Dental  des  Stammes  in  der  3.  Sg.  gegenüber  dem  t  der  Endung. 

III.  Stamm  regoi  =  reeip ;  betontes  lat.  X  wird  oi}  vergl.  soit 
(xit)  boire  (bibere),  quoi  (quid);  v  vor  Konsonant  fällt;  1.,  2.  PI. 
endungsbetont,  also  X  unbetont;  unbetontes  lat.  f  wird  e.  Es  kann 
hierbei  schon  verwiesen  werden  auf  den  Wechsel  zwischen  me  u.  moL 

Die  Behandlung  der  übrigen  Tempora  ergiebt  sich  hieraus 
leicht.  Die  Bildung  des  Imparf.  Ind.,  des  Pres.  8ubj.,  des  Impi- 
ratif,  des  Part.pria.  und  passi  bietet  keine  Schwierigkeiten. 
Beim  Passt  def.  (Imparf.  Subj.)  ist  bei  I.  an  amavi  zu  erinnern,  bei 

II  und  IV  auf  das  i  als  Bindevokal  aufmerksam  zu  machen,  bei 

III  auf  die  lateinischen  w-Perfekta  zu  verweisen.  Beim  Futur 
und  Condüionnel  ist  bei  IV  der  leicht  erklärliche  Ausfall  des  -e 
vor  -ai  etc.  (von  avoir)  bei  III  der  Ausfall  des  unbetonten  Vokals 
-t  (receuer  statt  recevoir  wegen  Verschiebung  der  Tonstelle)  zu 
bemerken. 

Die  Formen  von  avoir  und  itre  werden  nach  meinen  Er- 
fahrungen am  besten  im  Zusammenhang  mit  dem  Futurum  be- 
sprochen. Es  schliessen  sich  dann  hieran  die  durch  Zusammen- 
setzung mit  avoir  gebildeten  Zeiten  und  das  Passiv.  Den  Schluss 
bildet  der  Subjonctif,  mit  dessen  Durchnahme  das  Gebiet  des 
einfachen  Satzes  verlassen  wird. 

2.  Jahr.  Das  zweite  Jahr  des  französischen  jUnterrichts 
beginnt  nun  am  zweckmässigsten  mit  der  Einübung  des  Personal- 
pronomens, mit  der  sich  naturgemäss  eine  Wiederholung  der 
Konjugation  verbindet.  Im  allgemeinen  wird  eine  Wiederholung 
nach  einem  grösseren  Ferienabscbnitte  sich  nicht  empfehlen,  da 
es  vorzuziehen  ist,  der  nach  der  Ruhe  frischen  Kraft  des  Schülers 
etwas  Neues  zu  bieten,  an  dem  sie  sich  doppelt  freudig  bethätigen 
kann.  In  diesem  Falle  indessen  ist  das  Verhältnis  ein  anderes, 
da  die  Wiederholung  nur  nebenher  eintritt.  Für  die  Kombinationen 
der  Personalpronomina  das  nötige  Material  aus  der  Lektüre  her- 
beizuschaffen, dürfte  zu  zeitraubend  sein.  Man  sehe  also  hier,  nach- 
dem früher  schon  eine  ganze  Reihe  einzelner  Fälle  vorgekommen 
ist,  einige  Zeit  ganz  von  der  Lektüre  ab  und  widme  sich  nur 
der  grammatischen  Aufgabe.  Die  Einübung  erfolge  in  der  Art, 
dass   solange   mündliche  vom  Lehrer   gebildete  kurze  Sätze,   zu- 


*)  Wenn  auch  wissenschaftlich  nicht  ganz  sicher. 


154  F.  Tendering, 

nächst  aus  dem  Französischen,  später  auch  aus  dem  Deutschen 
Übersetzt  werden,  bis  sich  bei  den  Schillern  für  das  Ohr  eine 
gewisse  Gewöhnung  an  die  Übliche  Stellung  der  Pronomina  heraus- 
gebildet hat.  Da  man  die  Bekanntschaft  der  Schiller  mit  den 
Formen  auf  Grund  der  früheren  Lektüre  voraussetzen  darf,  so 
übt  man  gleich  alle  vorkommenden  Kombinationen,  einschliesslich 
der  mit  der  Negation,  sowie  auch  das  Reflexiv  um  und  die  Ver- 
bindung des  Personalpronomens  mit  dem  Imperativ.  In  wie  weit 
ein  Eingehen  auf  die  vom  Lehrbuch  etwa  gebotenen  Übungssätze 
angezeigt  ist,  muss  der  Lehrer  nach  der  jeweiligen  Schüler- 
generation ermessen.1) 

Hierauf  gehe  man  wieder  znr  Lektüre  Über.  Während  im 
ersten  Jahre  die  Präparation  vollständig  im  Unterrichte  erfolgte, 
wird  man  jetzt  ganz  allmählich  dem  häuslichen  Fleisse  einen 
Teil  derselben  überlassen  können,  so  dass  am  Schlüsse  des 
zweiten  Jahres  leichtere  Stellen  selbständig  präpariert  werden. 
Anch  in  dieser  Hinsicht  wird  natnrgemäss  die  Qualität  des 
Schillermaterial  s  bestimmend  sein  mllssen. 

Bei  der  Lektüre  ist  auf  die  ausser  dem  Personalpronomen 
im  zweiten  Jahre  zu  behandelnden  grammatischen  Erscheinungen 
mit  besonderem  Nachdruck  hinzuweisen;  die  vorkommenden 
Formen  der  un regelmässigen  Verben  sind  in  eine  Liste  einzu- 
tragen. Die  letzten  Wochen  des  ersten  halben  Jahres  seien 
dann  der  systematischen  Durchnahme  der  genannten  grammati- 
schen Thatsachen  ausser  den  un  regelmässigen  Verben  gewidmet 
Auszugehen  ist  auch  hier,  wie  in  allen  derartigen  Fällen,  von 
französischen  Beispielen.  Die  Einübung  durch  Übersetzung  deut- 
scher Sätze  oder  Stücke  (auch  der  im  Lehrbuch  enthaltenen) 
erfolge  stets  in  den  unteren  und  mittleren  Klassen  ohne  vor- 
gängige häusliche  Präparation  in  der  Art,  dass  zunächst  alle 
Schwierigkeiten  einzeln  gelöst  werden,  so  dass  der  Schüler  ohne 
Mühe  den  Satz  so  zu  sagen  herunterlesen  kann,  denn  der  Erfolg 
der  häuslichen  Vorbereitung  ist  doch  recht  oft  ein  negativer, 
insofern  sich  manche  Schüler,  sobald  eine  Schwierigkeit  vorliegt, 
leicht  etwas  Falsches  einprägen. 

Gegen  Ende  des  Jahres  sind  dann  die  unre  gel  massigen 
Verben  in  systematischer  Weise  durchzunehmen.  Die  bei  der 
Lektüre  eingetragenen  Formen  Bind  zu  ergänzen,  und  zwar  wird 
dies  auf  Grundlage  ihrer  Kenntnisse  über  die  Grundsätze  der 
Formenbildnng  den  Schülern  selbst  unter  Anleitung  des  Lehrers 
möglich  seiu.    So  wird  denselben  leicht  Klarheit  darüber  werden, 


Ein  Lehr  plan  für  den  französischen  Untei'richl  am  Gymnasium.      155 

was  denn  eigentlich  an  diesen  Verben  unregelmässig  ist,  be- 
ziehungsweise, dass  die  meisten  derselben  eine  ihnen  leicht  er- 
klärbare, zum  Teil  nur  orthographische  Eigentümlichkeit  haben, 
die  ihnen  auf  Grund  allgemein  giltiger  Gesetze  zukommt.  Diese 
Gesetze  selbst  etwa,  wie  manche  Grammatiken  es  nahe  legen, 
auswendig  lernen  zu  lassen,  halte  ich  für  nicht  richtig.  Die- 
selben mtissen  durch  ihre  Anwendung  dem  Schüler  zum  geistigen 
Eigentum  werden.  „Die  Lautgesetze  sind  nicht  etwas  Neues, 
das  der  Schüler  als  etwas  Besonderes  hinzuzulernen  hätte,  sie 
sind  weiter  nichts  als  blosse  Abstraktionen  von  Erscheinungen, 
die  er  bereits  kannte,  es  sind  nur  neue  Gesichtspunkte,  die  er 
gewonnen  hat,  und  von  denen  aus  er  die  einzelnen,  getrennten 
Erscheinungen  als  organische  Glieder  des  Sprachkörpers  erkennen 
and  begreifen  lernt. al) 

Es  empfiehlt  sich  von  den  Formen  der  unregelmäßigen 
Verben  ausser  dem  Infinitiv  die  1.  Pers.  8g.  und  Pl.}  des  Pres. 
Ind.,  das  Passe*  dif.,  das  Part  passd  und  weiterhin  die  etwaigen 
sonst  unregelmässigen  Formen  in  derselben  Weise  einprägen  zu 
lassen,  wie  man  dies  im  lateinischen  Unterricht  mit  dem  a-verbo 
m  machen  pflegt.  Kennt  der  Schüler  z.  B.  mouriry  je  meurs, 
nous  mourons,  je  mourusy  mort,  je  mourrai;  oder  conduire,  je 
conduis,  nous  conduisons,  je  condtrisis,  conduit;  oder  craindrey  je 
crains,  nous  craignons,  je  craignis,  craint,  so  muss  er  im  stände 
sein,  alle  anderen  Formen  zu  bilden. 

Freilich  das  Ziel  des  Unterrichts  kann  bezüglich  der  un- 
regelmässigen Verben  nicht  sowohl  sein  die  Fähigkeit  des  Schülers 
die  Formen  selbständig  zu  bilden,  als  vielmehr  unbedingte  Sicher- 
heit in  der  Verfügung  über  dieselben,  wenigstens  was  die  ge- 
bräuchlicheren unter  ihnen  betrifft.  Es  darf  daher  über  dem 
Analysieren  der  Formen  das  immer  wiederholte  Abfragen  der- 
selben in  der  verschiedensten  Ordnung  nicht  versäumt  werden, 
denn  eine  völlige  Beherrschung  der  gewöhnlicheren  unter  den 
sog.  unregelmässigen  Verben  ist  wesentliches  Erfordernis  für 
jedes  wirkliche  Können  in  der  französischen  Sprache. 

Es  ist  wünschenswert,  dass  die  unregelmässigen  Verben 
in  systematischer  Reihenfolge  durchgenommen  werden,  und  zwar 
derart,  dass  nach  Ausscheidung  der  eigentlich  regelmässigen 
Verben  mit  orthographischen  Eigentümlichkeiten  die  wirklich  un- 
regelmässigen von  den  starken  getrennt  und  die  gleichartigen 
zusammengefasst  werden.  Allein  wo  das  Lehrbuch  einem  solchen 
Verfahren  nicht  zu  Grunde  gelegt  werden  kann,  würde  dies  eine 


l)  Schäfer,    Der  französische  Unterricht  in  der  Schule.    (Ein  Be- 
gleitwort zu  meinen  französischen  Lehrbüchern.)    S.  13. 


156  F.  Tenäeritig. 

ziemlich  beträchtliche  Schreibarbeit  der  Schüler  bedingen,  die 
ich  denselben  ersparen  möchte.  Man  folge  also  in  diesem  Falle 
der  auf  der  Reihenfolge  des  zufalligen  Vorkommens  beruhenden 
Liste. 

Eine  Ergänzung  bezllglich  der  durchzunehmenden  Verben 
wird  die  eigene  Liste  kaum  notwendig  machen,  da  die  selten 
vorkommenden  keinen  Anspruch  auf  eingehendere  Behandlung 
machen  können.  Von  bouillir  werde  bei  einer  Wiederholung  in 
Unter-Tertia  gemerkt  (l'eau)  bout;  von  ge»ir(ei-)gU;  von  ouir 
(j'ai)  ou'i  (dire).  Faiüir,  »eoir,  dichoir  ithoir,  pattrt,  confire, 
dort,  frire,  braire  dürfen  zunächst  unerwähnt  bleiben.  Ebenso 
wird  eine  Beschränkung  gegenüber  den  Aufzählungen  der  meisten 
Scbnlgrammatiken  bei  den  Kompositis  einzutreten  haben,  man 
wird  hier  vieleB  der  Aneignung  bei  gelegentlichem  Auftreten  in 
der  Lektüre  überlassen  können. 

Abschluss  der  Formenlehre.  Nach  den  beiden  ersten 
Jahren  eines  üppigen  fröhlichen  Gedeihens  des  französischen 
Unterrichts  folgen  in  der  Tertia  zwei  Jahre  der  Dürre,  des 
kümmerlichen  Vegetierens  für  denselben,  wo  bei  dem  plötzlichen 
Sinken  der  Stundenzahl  doppelter  Eifer  des  Lehrers  notwendig 
wird,  wenn  nicht  die  Ergebnisse  der  ersten  Jahre  wieder  in  Frage 
gestellt  werden  sollen.  Bei  einer  Prima  und  zur  Not  anch  bei  einer 
Sekunda  mögen  die  zwei  Stunden  genügen,  um  die  für  die  ge- 
deihliche Entwicklung  jedes  Sprachunterrichts  notwendige  Kon- 
tinuität herzustellen;  für  das  völlig  unreife  Alter  des  Tertianers 
geht  sie  durch  die  geringe  Stundenzahl  verloren,  ganz  abgesehen 
davon,  dass  durch  dieselbe  dem  französischen  Unterricht  für  die 
Anschauung  des  Tertianers  der  Stempel  der  Nebensächlichkeit 
in  zu  ausgeprägter  Weise  aufgedrückt  wird. 

Die  Verminderung  der  Stundenzahl  bedingt  eine  Verschiebung 
der  Methode  und  möglichste  Beschränkung  des  grammatischen 
Pensums,  zunächst  namentlich  soweit  die  Unregelmässigkeiten  der 
Formenlehre  in  Betracht  kommen. 

Die  Lektüre  kann  nicht  mehr  in  eo  ausgedehntem  Hasse 
betrieben  werden,  dass  die  grammatischen  Thatsachen,  von  denen 
Kenntnis  zu  erwerben  eine  der  Hauptaufgaben  der  folgenden 
Klassen  ist,  in  ihren  Grundzügen  sich  aus  derselben  ergeben 
könnten,  so  dass,  wie  in  den  vorhergebenden  Klassen,  das  Ge- 
rippe der  Grammatik  sozusagen  empirisch  unter  den  Händen  des 
Schülers  entsteht  und  nur  der  Ausfüllung  bedarf,  oder  dass  dem 
grammatischen  Unterricht  nur  die  Aufgabe  zufiele,  die  erkannten 
Thatsachen  zu  registrieren  und  zusammenzufassen.1)    Man  rechne 

>)  Rambeau  I.  e,    3.  Sl. 


Ein  Lehrplan  für  den  französischen  Unterricht  am  Gymnasium,     157 

toi)  den  jährlich  auf  das  Französische  verwendeten  Standen  nur 
20  für  die  Zusammenfassung  und  systematische  Einübung  der 
grammatischen  Erscheinungen,  so  bleiben  nur  60  Stunden,  von 
denen  durch  allerlei  Zufälle  natürlich  noch  manche  verloren 
gehen,  für  die  Lektüre  mit  allen  sich  anschliessenden  Übungen 
übrig.  Um  nach  der  grammatischen  Seite  hin  sein  Ziel  zu  er- 
reichen, müsste  man  da  schon  die  Lektüre  ganz  und  gar  vom 
Standpunkte  der  Grammatik  aus  betrachten  und  behandeln,  so 
dass  das  Wertvollste,  die  inhaltliche  Erfassung  des  Gelesenen 
nur  ganz  geringe  Berücksichtigung  erfahren  könnte.  Es  muss 
daher  der  Grammatik  auf  dieser  Stufe  eine  selbständige  Rolle 
neben  der  Lektüre  zugewiesen  werden,  diese  wird  jedoch  auch 
fernerhin  mindestens  die  Hälfte  der  überhaupt  gegebenen  Zeit 
beanspruchen  können.  Einfach  eine  Teilung  zu  machen  und 
die  eine  der  beiden  wöchentlichen  Stunden  der  Lektüre,  die 
andere  den  grammatischen  Übungen  einschliesslich  des  Extem- 
porales zuzuweisen,  halte  ich  nach  meinen  Erfahrungen  nicht 
für  zweckdienlich.  Es  dürfte  sich  mehr  empfehlen,  von  Zeit  zu 
Zeit  eine  beschränkte  Anzahl  von  Stunden  hintereinander  der 
Grammatik  zu  widmen,  um  dann  immer  wieder  zur  Lektüre 
zurückkehrend  im  Anschluss  an  sie  einerseits  das  bereits  Be- 
kannte zu  wiederholen,  andererseits  das  Neue  in  geeigneter  Weise 
nach  Möglichkeit  vorzubereiten. 

Das  grammatische  Pensum  der  Untertertia  ist:  Erweiterung 
und  Abschluss  der  Formenlehre.1)  Im  Laufe  des  ersten  Tertiais 
werde  eine  beschränkte  Anzahl  von  Stunden  (etwa  10—12)  der 
Wiederholung  und  Ergänzung  der  unregelmässigen  Verben,  nament- 
lich bezüglich  der  Komposita  gewidmet.  Ob  dies  gleich  beim  Be- 
ginn des  Tertiais  zu  geschehen  hat,  oder  besser  eine  Zeitlang 
aufgeschoben  wird,  hängt  vom  Grade  der  Sicherheit  ab,  welchen 
die  8chüler  sich  auf  diesem  Gebiete  in  der  vorigen  Klasse  er- 
worben haben.2) 

Bei  der  Formenlehre  des  Verbs  ist  noch  zu  behandeln  der 
Gebrauch  von  avoir  und  etre  beim  intransitiven  Verb.  Nur  die 
Gruppe  courir,  marchtry  voyayer  etc.  bedarf  eines  eingehenden 
Studiums  und  fester  Aneignung,  da  die  hierher  gehörigen  Verben 
vom  Deutschen  unbedingt  abweichen;  ungebräuchlichere  wie 
transpirer,   verser  können   tibergangen  werden.     Für  die  je  nach 


*)  Nach  der  Verteilung  bei  Ploetz  wird  man  die  Zahlwörter  und 
das  freilich  nur  zum  Teil  hierher  gehörige  Capitel  „Präpositionen*  der 
nächsten  Klasse  vorbehalten  können. 

9)  Mit  den  orthographischen  Eigentümlichkeiten  einer  Reihe  von 
Verben,  die  in  den  ersten  Lektionen  von  Ploetz  behandelt  werden,  ver- 
liere man  keine  Zeit. 


/''.    'Icmitiin 


der  zu  gründe  liegenden  Anschauung  mit  avoir  oder  etre  ver- 
bundenen Verben  genügt  die  Vcransehauliehung  des  in  Betracht 
kommenden  Prinzips.  Die  in  vielen  Lehrbüchern  eich  liier  an- 
schliessenden wesentlich  lexikalischen  Bemerkungen  über  reflexive 
und  unpersönliche  Verben  können  der  Aneignung  durch  den  (ie- 
brauch   überlassen   bleiben. 

Der  meist  umfassende  Stoli  über  die  Unregelmässigkeiten 
und  Besonderheiten  in  der  Formenlehre  des  Substantivs,  Adjektivs, 
Adverbs  und  des  Zahlworts  bedarf  ganz  wesentlicher  Beschränkung, 
vieles  kann  gelegentlicher  Aneignung  Überlassen  werden,  wo  ea 
möglich  ist,  wird  logische  Analyse  einzutreten  habeu.  Warum  die 
Wörter  auf  -age  Masculina  sind,  enge  etc.  aber  Feminina,  warum 
das  Adjektiv  vor  gens  in  femininer  Form  steht,  ist  dem  Schüler 
ebenso  leicht  zu  erklären,  wie  das  bei  der  Pluralbildung  zu- 
sammengesetzter Substantive  geltende  Prinzip.  Manches  freilich 
wird  gedüehtnismiissig  angeeignet  werden  müssen,  aber  man  hüte 
sich  vor  dem  Zuviel  und  glaube  nur  nicht,  dass  das  „Gehabt 
haben"  auch  eilt  Besitzen  bedeute.  Was  als  notwendig  zu  be- 
trachten ist,  wird  aus  dem  vom  Lehrbuch  gebotenen  Material 
herauszuschälen  sein,  da  ja  leider  die  Lehrbücher  meist  immer 
noch  eine  Scheidung  zwischen  diesem  und  dem  nur  als  wünschens- 
wert zu  betrachtendem  Stoff  nicht  eintreten  lassen.  Ich  halte  es 
für  ganz  berechtigt,  dass  ein  Lehrbuch,  welches  den  Schiller 
durch  seine  ganze  Schulzeit  hindurch  leiten  soll,  mehr  enthält, 
als  etwa  nur  das  Alleiwiehtigste,  mit  dem  sich  zur  Kot  aus- 
kommen läBst;  das  Lehrbuch  soll  ihm  ein  treuer  Katgeber  sein, 
der  es  ihm  auch  ermöglicht  weniger  gebräuchliche  grammatische 
Erscheinungen  im  Zusammenhang  des  Systems  kennen  zu  lernen, 
aber  das  wirklich  wichtige  Sprachgesetz  niuss  sich  von  der  gram- 
matischen Einzelheit  auch  äusserlich  abheben.  „Man  sollte  alles, 
was  nicht  absolut  notwendig  ist  zur  Erlernung  des  heutigen 
Sprachgebrauchs,  in  besonderer  Form,  räumlich  und  durch  Druck 
getrennt,  ausscheiden  und  sondern,  und  diesen  Teil  unter  keinen 
Umständen  als  Lcrnobjekt,  sondern  einzig  als  zum  fakultativen 
Nachschlagen  bestimmt  behandeln."1)  Wo  daher  das  Lehr- 
buch durch  seine  äussere  Einrichtung  diesen  Anforderungen  nicht 
entspricht,  wird  es  Aufgabe  des  Lehrers  s.ein  müssen,  durch 
Unterstreichen  dem  Schüler  zu  Hilfe  zu  kommen,  selbst  auf  die 
Gefahr  hin,  dasa  das  Buch  des  Schillere  sich  dadurch  so  ge- 
staltet, dasa  es  den  bezüglich  der  Reinlichkeit  au  ein  Schul- 
buch zu  stellenden  Erwartungen  nicht  mehr  ganz  geniige. 

Hier  noch  einige  Bemerkungen  zur  Formenlehre:  über  das 


i)  W.  Fcerster,  Zeitnehr.  für  rumfr.  Sprache  «.  Lilltralir.    IV*,  S.  47. 


Km   lehr/litt»  fiir  diu  /'raitifisaclu-n  l'ul,  nicht  am  Uymni 


IM 


Bwcbtecnl  der  BSume,  Jahreszeiten,  Länder-  und  Städtenamen 
bedarf  es  keiner  Regel.  Der  praktische  Gebrauch  bringt  die 
notwendige  Kenntnis.  Warum  die  Wörter  mit  bestimmten  Endun- 
gen Maskulina  beziehungsweise  Feminina  sind,  ist  zu  erklären. 
Vtm  den  Wörtern,  welche  bei  verschiedenem  Gesehleeht  ver- 
schiedene Bedeutung  haben,  sind  nur  die  bekannten  zu  wieder- 
holen; der  Grund  ist  klar  zu  machen.  Von  genn  nnd  von  der 
Plnriilbildung  zusammengesetzte!-  Substantive  war  schon  die  Rede. 
lüi'  Regeln  über  die  Pluralhildung  der  Fremdwörter  und  der 
Personennamen  sind  ganz  kurz  zu  fassen,  von  den  Substantiven 
auf  -oii,  Plur.  -uux  sind  nur  bijon,  ijennv,  hibou,  von  denen  auf 
■■•i!  rini'.  -mat  nur  travail,  von  denen  auf  nl  Plur.  -als  nur  bat, 
chorttl  zu  merken.  Mit  veränderter  Iledeutung  im  Plural  gentigt 
es  fer,  lettre,  arme,  ciaernt  zu  erwähnen.  —  Bei  der  Feminin- 
bildung  der  Adjektive  werde  im  wesentlichen  das  bereits  Be- 
kannte wiederholt  und  soweit  angängig  der  historische  Grund  l'lir 
die  betreffende  Bildung  nachgewiesen.  Jedenfalls  ist  bei  allen 
diesen  Gruppen  eine  gedäelitnismiissige  Aufzählung  zu  vermeiden. 
Selten  vorkommende  Adjektive  sind  ganz  zu  übergehen.  —  Be- 
züglich der  Pluralbildung  der  Adjektive  genllgt  der  Nachweis, 
dass  dieselbe  derjenigen  der  Substantive  entspricht.  Von  Einzel- 
heiten sei  nur  auf  bleu  und  fatal  aufmerksam  gemacht.  —  Beim 
Adverb  dürfen  nicht  zuviel  Einzelheiten  gebracht  werden,  es  musB 
aber  immerhin  manches  fest  angeeignet  werden.  Es  werde  duraitf 
hingewiesen,  dass  Formen  wie  avetu/le'mmt  nicht  der  Willkür  ver- 
dankt werden,  sondern  ans  atmtgli  (neben  aveugle),  confarmi 
(neben  conforme)  etc.  entstanden  sind,  während  andere  durch 
Analogie  zu  dieser  Klasse  geschlagen  wurden.  —  Beim  Zahlwort 
können  Suuimelzahlen  und  Verhältniszahlen  zurücktreten. 

Es  werde  hier  zugleich  der  Präpositionen  gedacht,  welche  sich 
bei  Plcetz  unmittelbar  au  die  oben  behandelten  Kapitel  anschliessen. 
Für  eine  ganz  auf  logischer  Grundlage  beruhende  Behandlung  der 
Präpositionen,  so  wünschenswert  sie  seiu  mag,  hat  der  franzö- 
sische Unterricht  am  Gymnasium  nicht  die  genügende  Zeit.  Wir 
müssen  uns  darauf  beschränken,  nachdem  bei  der  Lektüre  die 
nötige  Vorarbeit  geleistet  ist,  an  einer  Reihe  von  Beispielen  die 
durch  die  Präpositionen  zum  Ausdruck  kommenden  wichtigeren 
Beziehungen  unter  Ausgang  von  der  ursprünglichen  Bedeutung 
zu  erörtern.  Welche  logische  Auflassung  Ausdrücken  wie  amtier 
/Htr  te  •Itetiiiii  de  fer,  mourir  ffe  faim,  mareker  II  pax  lents 
zu  gründe  liegt,  muss  den  Schülern  klar  werden.  Eine  spezielle 
Einübung  durch  Übersetzung  von  diesbezüglichem  t'bungsmaterial 
halte  ich  nicht  für  durchaus  notwendig. 

Syntaktischer  Vorkursus.      Bevor   in  Ober-Tertia   der 


100  F.  Tendering. 

Beginn  mit  der  systematischen  Behandlung  der  Syntax  gemacht 
wird,  hat  die  LektUre  vielfach  Veranlassung  gegeben,  eine  ge- 
wisse Anzahl  syntaktischer  Thatsachen  zn  beobachten.  Es  wird 
ohne  grosse  Mliiie  möglieb  sein,  diejenigen  derselben,  welche 
häufig  wiederkehren,  also  die  wichtigeren  znr  Einprägung  zu 
bringen.  Nur  dnrch  einen  möglichst  frühzeitigen  Hinweis  auf 
manche  Eigentümlichkeiten  der  französischen  Syntax  wird  sich 
der  immer  wieder  auftretenden  Unsicherheit  in  gewissen  elemen- 
taren Dingen  in  den  oberen  Klassen  mit  Aussicht  anf  Erfolg 
entgegentreten  lassen.  Es  wird  notwendig  sein,  im  Unterricht 
die  hierher  gehörigen  Regeln  zusammenzustellen.  Es  empfiehlt 
sich,  zunächst  die  betreffenden  Beispiele  geordnet  in  das  Heft, 
welches  für  die  Formen  der  unrege I massigen  Verben  bestimmt 
wnrde,  eintragen  zu  lassen,  zn  geeigneter  Zeit  die  Regel  abzu- 
leiten and  in  möglichst  knapper  Fassung  niederzuschreiben. 
Vieles,  was  hierher  gehört,  wird  auch  das  Lehrbuch,  wenn  auch 
nur  in  einzelnen  verzettelten  Bemerkungen,  bieten.  Es  bedarf 
für  jede  Schule  einer  Einzel  au  sarbeitung  im  Anschluss  an  das 
Lehrbuch.  Folgendes  scheint  das  im  allgemeinen  Notwendige: 
Unterschied  von  Imparfait  und  Pause  defini,  sowie  von  Plusque- 
parfait  und  Passe  auteiieur.  Tempora  im  Konditionalsatze.  Sub- 
jonetif  nach  den  Verben  des  Wollens,  der  Gemütsbewegung  und 
der  unbestimmten  Aussage.  Infinitiv  mit  und  ohne  Präposition. 
Artikel  bei  Ländernamen.  Stellung  des  Adjektivs.  Von  allen 
diesen  Punkten  muss  der  Schiller  schon  vor  der  Durchnahme 
im  Lehrbuch  den  Grundzügen  nach  gehört  haben;  ausserdem 
wird  ihm  manche  Einzelheit,  wie  die  Konstruktion  von  demander, 
commencer  par  und  finir  par,  partir  pour  und  anderes  durch 
den  Gebranch  ebenso  bekannt  sein  wie  die  Grundzilge  der  Wort- 
stellung. 

Syntax.  In  der  Ober-Tertia  beginnt  dann  die  systema- 
tische Durchnahme  der  Syntax.  Dieselbe  musa  in  Ober-Sekunda 
im  wesentlichen  zum  Abschluss  kommen,  so  dass  der  Prima  nur 
eine  Wiederholung  und  Ergänzung  bleibt,  bei  der  eine  Vertiefung 
des  logischen  Verständnisses  angebahnt  werden  muss. 

Wenn  bei  der  Lektüre  syntaktische  Thatsachen  auch  ferner- 
hin propädeutisch  zur  Behandlung  kommen,  bevor  sie  an  der 
ihnen  zukommenden  Stelle  im  Zusammenhange  besprochen  werden, 
so  erscheint  eine  systematische  Durchnahme  der  Syntax  hin- 
sichtlich der  Spracherlernung  erlaubt,  hinsichtlich  der  Erwerbung 
formaler  Bildung  geboten.  Wenn  man  nun  einerseits  vom  Leich- 
teren zum  Schwereren  fortzuschreiten  suchen  wird,  so  muss  doch 
wieder  beachtet  werden,  dass  diejenigen  Teile  der  Syntax,  welche 
sozusagen  als  die  notwendigsten  bezeichnet  werden  müssen,  mög- 


Ein  Lehrplan  fUr  den  französischen  Unterricht  am  Gymnasium.    161 

liehst  frühzeitig  zur  Durchnahme  gelangen.  Die  etwaige  Ver- 
teilung des  Stoffes  im  Lehrbuche  darf  uns  daher  nicht  ein- 
schränken. Wir  werden  der  Ober -Tertia  die  Tempus-  und 
Moduslehre  überweisen,  da  dieselben  diejenigen  Thatsachen  be- 
handelt, welche  bei  jeder  Bewegung  in  der  französischen  Sprache 
zu  wissen  notwendig  sind  und  die  ausserdem  eine  eingehende 
Übung  verlangen.  Namentlich  die  Wahl  des  Tempus  pflegt  be- 
kanntlich auf  allen  Stufen  Schwierigkeiten  zu  bereiten.  Wir 
haben  damit  für  diese  Stufe  zugleich  ein  Gebiet  der  französischen 
Syntax,  dessen  logische  Analyse  ungemein  einfach  und  verständ- 
lich ist  und  das  überdies  der  Verteilung  des  syntaktischen  Lehr- 
stoffes im  lateinischen  Unterricht  zu  entsprechen  pflegt  In  Unter- 
Sekunda  schliesst  sich  dann  naturgemäss  die  Lehre  vom  Infinitiv, 
Partizipium  und  Gerundium  an,  darauf  folgt  der  Artikel  und 
endlich  das  Adjektiv,  sodass  für  Ober-Sekunda  die  Wortstellung, 
das  Adverb  und  Pronomen  bleiben.  Für  Unter-Sekunda  scheint 
das  Pensum  zunächst  etwas  umfangreich  zu  sein,  aber  wenn 
beim  Artikel  und  ebenso  beim  Adjektiv  auf  überflüssiges  Bei- 
werk, namentlich  auf  Aneignung  idiomatischen  Materials  im 
grammatischen  Unterricht  verzichtet  wird,  halte  ich  die  empfoh- 
lene Verteilung  für  durchaus  angängig.  Wünschenswert  ist  die- 
selbe auch  für  diejenigen  Schüler,  welche  mit  dem  Zeugnis  für 
den  einjährigen  Dienst  abgehen,  denn  sie  sind  so  mit  einem 
allgemeinen  Überblick  über  die  französische  Syntax  ausgestattet, 
da  das  Wichtigste  aus  den  rückständigen  Kapiteln  jedenfalls 
auch  ohne  systematische  Durchnahme  ihnen  bekannt  geworden  ist. 
Mehr  noch  wie  bei  der  Formenlehre  ist  bei  der  Syntax 
auszugehen  vom  Anschauungsmaterial.  Eine  Reihe  französischer 
Sätze  einfacher  Art  werde  übersetzt  Aus  diesen  und  den  in 
der  letzten  Zeit  bei  Gelegenheit  der  Lektüre  vorgekommenen 
bezüglichen  Beispielen  werde  in  gemeinsamer  Arbeit  die  Regel, 
das  Prinzip  abgeleitet.  Soweit  es  das  geistige  Vermögen  der 
Schüler  gestattet,  sind  diese  Prinzipien  logisch  zu  begründen 
und  so  zum  wirklichen  Verständnis  zu  bringen,  so  dass  der 
Schüler  ein  Gefühl  dafür  bekommt,  dass  wir  es  nicht  mit  will- 
kürlich aufgestellten  apodiktischen  Bestimmungen  zu  thun  haben, 
sondern  mit  Sprachgesetzen,  die  im  Wesen  der  Sprache  und  in 
der  historischen  Entwickelung  derselben  begründet  sind.  Ledig- 
lich als  praktische  Anweisungen  muss  der  Schüler  angeleitet 
werden,  die  „Regeln"  der  Grammatik  zu  fassen,  über  denen  eben 
das  von  ihm  zu  erkennende  Prinzip  und  der  souveräne  Wille 
der  Sprachentwickelung  steht.  Ein  Hinweis  auf  gleichartige 
Verhältnisse  in  anderen  dem  Schüler  bekannten  Sprachen  wird 
dabei    ebenso   von   nicht   zu   unterschätzender  Wichtigkeit   sein, 

ZMhr.  f.  frz.  Spr.  tu  Litt.  XIH.  jj 


162  F.  Ttftdering. 

wie  auf  oberen  Klassen  eine  Andeutung  über  die  historische 
Entwirke lung  gewisser  Sprache rsch ei n un ge n ,  die  ohne  diese  in 
der  Luft  zu  schweben  scheinen.1)  Im  allgemeinen  wird  sieb  eine 
solche  Andeutung  au  die  Lektüre  der  Schriftsteller  der  klassischen 
Periode,  namentlich  der  poetischen  anzuschli essen  haben,  insofern 
diese  die  Vermittelung  zwischen  Gegenwart  und  Vergangenheit 
bilden. 

Die  so  bereits  eintretende  Beschränkung  des  gedächtnis- 
mässig  Anzueignenden  wird  noch  weiter  durchzuführen  sein, 
namentlich  durch  geeignete  Behandlung  aller  Gruppen  von  Wär- 
tern, die  als  Beispiele  und  dergl.  fllr  bestimmte  Regeln  gegeben 
werden.  Selbstverständlich  ist  nicht  zu  verlangen,  dttss  dieselben 
hintereinander  aufgezählt  werden.  Nicht  alle  „Regeln"  der 
Grammatik  können  Anspruch  auf  gleiche  Wichtigkeit  erheben, 
einzelne  werden  darum  sieb  mit  einer  grundsätzlichen  Erörterung 
begnügen  müssen,  einzelne  werden  sogar  ganz  in  Wegfall  kommen 
k&nnen.  Unbedingt  notwendig  ist  vor  allen  Dingen,  dass  wirk- 
lich das  Prinzip,  aus  dem  sich  etwa  bestimmte  Einzel  Vorschriften 
ergeben,  zn  vollkommener  Aneignung  gebracht  werde,  während 
diese  letzteren,  namentlich  aber  Zusätze  und  Erklärungen  in  den 
Hintergrund  treten.  Man  vergesse  nicht,  dass  nnr  diejenigen 
grammatischen  Erscheinungen  jedem  Schiller  geläufig  sein  müssen, 
welche  den  gewöhnlichen  Sprachgebrauch  darstellen,  wie  ihn  die 
Schullekttire  bietet. 

Keine  Art  der  Behandlung  der  Grammatik  indessen,  darüber 
dürfen  wir  uns  keinem  Zweifel  hingeben,  kann  zu  dem  vorge- 
schriebenen Ziele  führen,  ohne  dem  Gedächtnis  Arbeit  zuzumuten, 
und  zwar  recht  stramme  Arbeit.  Und  wenn  ja  auch  immerhin 
eine  möglichst  geringe  Belastung  des  Gedächtnisses  wünschens- 
wert erscheint,  so  ist  doch  auch  andererseits  die  Gedächtnis- 
kraft eines  Schülers  der  mittleren  Klassen  nicht  so  armselig  und 
verkümmert,  dass  ihr  nicht  auch  ihr  voll  gerüttelt  und  geschüttelt 
Mass  an  der  zur  Erwerbung  der  Sprachkenntnis  notwendigen 
Arbeit  aufgeladen  werden  dürfte.  Aber  man  verliere  nie  aus 
den  Augen,  dass  „nicht  das  Auswendiglernen  der  Regel,  sondern 
das  Finden  derselben  am  Sprach material  und  die  Anwendung 
derselben  das  Wesentliche  ist,  das,  worin  wir  den  grammatischen 
Unterricht  setzen. UB) 

Für  die  geistige  Entwickelung  der  Schüler  scheint  es  mir 
förderlich  im  allgemeinen  die  Fassung  der  Regel  freizustellen. 
Allerdings  wird  hierzu  die  Kraft   nicht  aller  Schüler  ausreichen, 

*)  VergL  Rambeau,  t,  e,    S.  31, 
")  Foth,  /.  c.    8.  109. 


Em  Lehrplan  für  den  französischen  Unterricht  am  Gymnasium.    163 

diesen  muss  dann  die  oft  ja  auch  wirklich  dafür  bevorzugte 
Gedächtniskraft  die  mangelnde  geistige  Beweglichkeit  ersetzen. 
Zudem  gibt  es  thatsächlich  eine  Reihe  von  Regeln,  deren  For- 
mulierung für  den  Schüler  überhaupt  als  zu  schwierig  bezeichnet 
werden  muss.  So  werden  wir  in  der  Praxis  bei  einer  gewissen 
Anzahl  von  Regeln  einen  ganz  bestimmten  Wortlaut  zu  verlangen 
haben,  ohne  dass  indessen  gegenüber  gut  beanlagten  Schülern 
an  dieser  Forderung  festzuhalten  wäre,  um  so  mehr,  da  gerade 
bei  diesen  oft  genug  das  Gedächtnis  die  schwache  Seite  ist. 

Im  lateinischen  Unterricht  ist  es  bekanntlich  seit  langer 
Zeit  üblich,  zu  den  meisten  syntaktischen  Regeln  Übungssätze 
lernen  zu  lassen.  Man  will  damit  erreichen,  dass  im  Geiste  des 
Schülers  die  abstrakte  Regel  sich  unmittelbar  mit  dem  konkreten 
Falle  verbindet,  so  dass  er  sozusagen  aus  diesem  die  Regel 
abzulesen  im  stände  ist  In  dem  Masse,  dass  der  Schüler  die 
ganze  Syntax  in  Beispielen  besitzt,  lässt  sich  die  Einrichtung 
naturgemäss  nicht  durchführen,  da  eine  solche  Masse  von  Sätzen 
eingeprägt  werden  müsste,  dass  dieselben  eher  eine  Überlastung 
als  eine  Stütze  des  Gedächtnisses  darstellen  würde.  Von  dem 
Gesichtspunkte  aus,  dass  der  Schüler  durch  diese  Mustersätze 
ein  Anschauungsmaterial  erhält,  das  ihm  schnell  und  sicher  zu 
Gebote  steht,  ist  die  Einprägung  derselben  empfehlenswert  und 
swar  in  der  durch  den  oben  erwähnten  Umstand  gebotenen  Be- 
schränkung. Man  wird  diesen  Mustersätzen  nicht  einen  zu  hohen 
Wert  beimessen  dürfen,  da  sie  für  die  richtige  Auffassung  und 
Anwendung  der  Regel  an  sich  nur  von  geringer  Bedeutung 
sind,  und  wird  deshalb  solchen  Schülern  gegenüber,  deren 
Gedächtnis  als  schwach  bezeichnet  werden  muss,  nicht  gerade 
eine  vollkommene  Aneignung  verlangen.  Im  allgemeinen  wird 
es  genügen,  wenn  der  Schüler,  nachdem  ihm  das  Deutsche  ge- 
sagt ist,  mit  einiger  Geläufigkeit  das  Französische  herausbringt. 
Bei  jeder  Wiederholung  wird  der  Lehrer  gerade  auf  diese  Sätze 
immer  wieder  zurückgreifen.  Es  müssen  als  Mustersätze  stets 
solche  bezeichnet  werden,  welche  auch  inhaltlich  des  Behaltene 
wert  sind.  An  diese  Mustersätze  wird  sich  zunächst  das  Abfragen 
der  Regeln  anzuschliessen  haben. 

Mündliche  Übersetzungen  aus  dem  Deutschen. 
Nächst  der  auf  obige  Weise  erfolgenden  Einübung  der  Regeln 
tritt  eine  Übersetzung  von  Übungssätzen  der  bereits  besprochenen 
Art  ein,  welche  allein  den  Zweck  haben,  die  eben  durchge- 
nommene Regel  zu  verdeutlichen.  Wer  das  Übersetzen  aus  dem 
Deutschen  überhaupt  für  ein  Mittel  der  Spracherlernung  hält, 
wird  gewiss  den  Wunsch  haben,  nach  Beendigung  des  Anfangs- 
unterrichts   von  diesem  Mittel     einen    ausgiebigen   Gebrauch  zu 

11* 


164  F.  Tendermg, 

machen,    allein    aus  Mangel    an  Zeit  müssen  wir  uns  darauf 
schränken,  ans  dem  reichlichen  Material,  das  die  Obtt 

zu  bieten  pflegen,    eine  geeignete  Auswahl  zu  treffen,  indem  wir 
gleichzeitig  die  bei  der  Lektüre    etwa  gebotene  Gelegenheit  det 
Einübung    grammatischer  Verhältnisse    nach    M;>v li'-lik" it    niit/luu' 
machen.     Man    scheide    im    Übungsbuche    umenttjali 
was  die  Kenntnis  grammatischer  BMODiMtaften  vin-iuinsetzt,  jedi 
falls  überlasse   man  derartiges  nie  der  häuslichen  Präparatiuu  di 
Schüler,    Bondern    lasse    unter  Umstünden,    wenn    es  einmal 
sehenswert  erseheint,  dass  der  Schiller  an  dieselbe  erinnert  werdi 
die  Übersetzung    eines    entsprechenden   deutschen  Satzes    in 
kanntcr  Weise  nach   Analyse  der  Schwierigkeiten  eiutrcteu. 

DaB  Hauptergebnis  der  Übertragung  von  Einzelsätzen  wii 
immer  nur  die  Einübung  bestimmter  grammatischer  Regeli 
Zur  Erlangung  einer  gewissen  Gewandtheit  im  Übersetzen 
fremde  Sprache  und  damit  im  Gebrauch  der  Sprache  überhaupt, 
kann  sie  nur  eine  Vorstufe  bilden.  Diese  selbst  kann  —  Unnfl 
es  durch  Übersetzungen  aus  dem  Deutschen  Überhaupt  möglieh 
ist  —  nur  erreicht  werden  durch  die  Übertragung  zusammen- 
hangender Stücke.  Diese  können  einerseits  nicht  vollkommen  auf 
die  Einübung  einzelner  grammatischen  Erscheinungen  IBgeaetunttafl 
sein,  während  sie  andererseits  bei  richtiger  AtiTassung  doch  das 
eben  behandelte  grammatische  Gebiet  zu  illustrieren  und  zugleich 
zur  Wiederholung  früherer  Pensen  immer  wieder  Gelegenheit  zu 
geben  vermögen.  So  stellen  sie  grössere  Anforderungen  an  das 
Unteracheidungsvermiigen  und  genügen  demgemäss  auch  besser 
der  Förderung  formaler  Bildung.  Bei  der  Übersetzung  eines  zu- 
sammenhängenden Stückes  hat  der  Schüler  zu  zeigen,  wie  sein 
geistiges  Auge  für  das  Erkennen  grammatischer  und  sonstiger 
Schwierigkeiten  geschult  ist,  während  er  bei  der  Übertragung 
von  Einzelsätzen  leicht  nur  schablonenhaft  die  Subsummierung 
des  in  dem  Salze  offenbar  vorliegenden  Falles  unter  die  Hagel 
vollzieht.  „Es  sind  immer  dieselben  Operationen,  welche  der 
Geist  bis  zur  Ermüdung  zu  wiederholen  hat,  immer  dieselben 
SehluHsfolgerungen,  durch  welche  er  den  im  Beispiel  gegebenen 
einzelnen  Fall  unter  daB  in  der  Regel  gegebene  Gesetz 
summiert  und  dieses  auf  jenen  anwendet,  und  die  er  am  Em 
so  mechanisch  und  gedankenlos  vollzieht,  dass  er,  wenn  aussi 
dem  noch  Subsumptionen  unter  andere  als  die  eben  gogebenen 
Vorschriften  notwendig  sind,  diese  fast  regelmässig  übersieht. "') 
Was  endlich  die  zusammenhängenden  Stücke  gegenüber  dt_>u 
Einzelsätzen  empfiehlt,   ist  die  Einheitlichkeit  des  Inhalts,   welche 

>>  ülbrich,  /.  c.    S.  4. 


nen 
ub- 
ude 
ler- 


Em  Lehrplan  für  den  französischen  Unterricht  am  Gymnasium.    165 

dem  Geiste  ein  ruhiges  Verweilen  und  Fortschreiten  in  derselben 
Richtung  gestattet  nnd  ihn  nicht  von  einem  Wissensgebiet  in  das 
andere  zerrt. 

Wo  das  Lehrbach  nach  dieser  Richtung  nicht  ausreicht, 
wird  der  Lehrer  genötigt  sein,  auf  andere  Weise  Ersatz  zu 
schaffen.  Am  besten  geschieht  dies  durch  Umbildung  gelesener 
Stücke  eines  Schriftstellers.1) 

Schriftliche  Arbeiten.  Die  Angriffe,  welche  gegen  das 
Übersetzen  in  die  fremde  Sprache  überhaupt  gerichtet  werden, 
treffen  natnrgemäss  mehr  noch  als  die  mündliche  die  schriftliche 
Übertragung.  Rein  Ausdruck  scheint  manchen  Reformern  stark 
genug,  um  die  Sinnlosigkeit  dieser  Übungen  zu  geissein.  Hervor- 
gegangen sind  diese  Bestrebungen  aus  einer  Reaktion  gegen  das 
Übergewicht,  welches  bei  der  Beurteilung  der  Leistungen  namentlich 
dem  Extemporale  gegenüber  der  mündlichen  Betätigung  vielfach 
beigelegt  wurde.  Andererseits  gab  Veranlassung  zu  denselben 
der  frische  Aufschwung,  den  die  Phonetik  in  den  letzten  Jahren 
genommen  hat.  Die  Geringschätzung  der  geschriebenen  Sprache 
gegenüber  der  gesprochenen,  die  hier  zu  Tage  tritt,  die  Be- 
zeichnung derselben  als  Notbehelf  für  den  mangelnden  mündlichen 
Verkehr,  beruht,  wie  Hornemann2)  richtig  auseinandersetzt,  auf 
einer  Verkennung  des  Wesens  der  Sprache  überhaupt  Der 
schriftliche  und  der  mündliche  Ausdruck  sind  als  zwei  gleich- 
wertige Äusserungen  der  Sprache  anzuerkennen;  Rönnen,  in  einer 
Sprache  setzt  in  gleicher  Weise  Rönnen  im  schriftlichen  wie  im 
mündlichen  Ausdruck  voraus. 

Auf  die  Erreichung  des  letzten  Zieles  aller  schriftlichen 
Übung  in  einer  fremden  Sprache,  des  freien  schriftlichen  Ge- 
dankenausdrucks muss  das  Gymnasium  Verzicht  leisten.  Das 
Gebiet  der  schriftlichen  Leistungen  beschränkt  sich  auf  Über- 
setzungen ins  Französische.  Der  Ansicht,  dass  diese  schriftlichen 
Übersetzungen  als  eine  Ergänzung  derjenigen  mündlichen  zu  be- 
trachten seien,  welche  den  Zweck  haben,  bestimmte  grammatische 
Thatsachen  einzuüben,  oder  dass  sie  nach  der  mündlich  erfolgten 
Einübung  derselben  den  Prüfstein  für  die  feste  Aneignung  des 
Gelernten  abzugeben  hätten,  kann  ich  nicht  beitreten.  Diesen 
Luxus  kann  sich  das  Gymnasium  bei  seiner  beschränkten  Stunden- 
zahl nicht  gestatten.  Die  schriftlichen  Arbeiten  haben  vielmehr 
einen  gewissen  Ersatz  zu  bieten  für  den  Aufsatz  der  Realanstalten; 
es   fällt  ihnen   daher  in   erster  Linie  die  Aufgabe  zu,   gewisser- 


*)  Vergl.  Schmager,  Zur  Methodik  des  franz.  Anfangsunterrichts* 
S.  8  f. 

*)  Zur  Reform  des  neuspr.  Unierr.    2.  Heft.    S.  8  ff. 


166  F.  Tendering. 

massen  als  eine  Vorstufe  für  freie  schriftliche  Arbeiten,  dem 
Schüler  eine  praktische  Anleitung  im  guten  schriftlichen  Ausdruck 
der  Gedanken  im  Zusammenhang  der  Rede  zu  verschaffen,  dadurch, 
dasa  sie  ihm  Gelegenheit  geben,  an  dem  auf  grund  des  deutschen 
Textes  selbst  Niederzuschreibenden  die  allgemeinsten  Grundzttge 
des  französischen  Stils  praktisch  zu  Üben  neben  der  Anschauung 
derselben  bei  der  Lektüre. 

Gerade  die  praktische  schriftliche  Fixierung  wird  znr  An- 
eignung charakteristischer  Eigentümlichkeiten  des  französischen 
Stils  im  höheren  Grade  beitragen,  als  die  mündliche  Übersetzung, 
bei  der  ähnliche  Zwecke  wenigstens  auch  in  Frage  kommen, 
gleichwie  auch  beide  Arten  von  Obersetzungen  den  allgemeinen 
Zweck  verfolgen,  die  geistigen  Fähigkeiten  des  Schillers  anzu- 
regen und  zu  fördern,  dadurch,  dass  demselben  der  Unterschied 
der  beiden  Sprachen  zum  Bewusstsein  gebracht  und  das  Unter- 
seite i  dun  gs  vermögen  geschärft  wird.  Vorbedingung  dabei  ist,  dass 
wirkliches  Deutsch  zur  Übersetzung  vorgelegt  werde.  Es  darf 
das  indessen  keine  Erschwerung  der  Arbeit  bedeuten,  „ist  dann 
Hülfe,  sind  dann  Stutzen,  Winke,  Anmerkungen  nötig,  so  mögen 
sie  hinzugefügt  werden,  aber  das  wirkliche  Verhältnis  der  Sprachen 
musa  zur  Anschauung  kommen."1} 

So  erhalten  die  schriftlichen  Arbeiten  in  erster  Linie  den 
Charakter  von  Übungsarbeiten,  womit  nicht  ausgeschlossen  sein 
kann,  dasa  dieselben  dem  Lehrer  zugleich  eine  Handhabe  zur 
Beurteilung  der  Leistungen  eines  Scblllers  bieten,  ja  sogar,  dass 
einzelne  Extemporalien  geradezu  als  Prüfungsarbeiten  angesehen 
werden.  Indessen  muss  sich  der  Lehrer  hüten,  den  Extemporalien, 
namentlich  soweit  sie  wirkliche  a-tempo  Extemporalien  aind,  einen 
zu  grossen  Wert  ftlr  die  Beurteilung  des  Schülers  beizulegen. 
Die  mannigfachsten  Faktoren  spielen  bei  der  Anfertigung  der- 
artiger Arbeiten  eine  nicht  unwesentliche  Rolle,  besonders  werden 
diejenigen  Schüler,  die  geistig  etwas  schwerfällig  sind,  hinter  den 
regsameren  zurückstehen,  obwohl  sie  dieselben  an  Kenntnissen 
vielleicht  überragen.  Jedenfalls  darf  die  schriftliche  Leistung 
bei  der  Beurteilung  eines  Schülers  nicht  als  wichtiger  betrachtet 
werden,  als  die  Gesamtheit  der  mündlichen  Betb&tigung. 

Wenn  so  der  Zweck  der  Übung  bei  den  schriftlichen  Ar- 
beiten vorangestellt  wird,  so  wird  sich  daran  die  Forderung 
knüpfen,  dass  dieselben,  soweit  es  sich  nicht  um  ganz  bestimmt 
als  solche  bezeichnete  Prüfungsarbeiten  handelt,  ans  dem  Unter- 
richte hervorzugehen  haben  und  in  zweckentsprechender  Weise 
vorzubereiten  sind.    Über  den  Grad  der  Vorbereitung  der  schrift- 


')  Manch,  Zur  Förderung  de»  franz.  Unterrichts.  S.  58. 


Em  Lehrptan  frkr  den  französischen  Unterricht  am  Gymnasium.    167 

liehen  Arbeiten  lässt  sich  eine  allgemeine  Bestimmung  nicht 
treffen,  namentlich  wird  hierfür  auch  die  Klassenstufe  einen  Unter- 
schied bedingen.  In  der  Ober-Sekunda  wird  die  Vorbereitung 
möglichst  zu  beschränken  sein  mit  Rücksicht  darauf,  dass  am 
Schlosse  dieser  Klasse  das  Versetzungs-Extemporale  ohne  be- 
sondere Vorbereitung  zu  schreiben  ist. 

Wenn  auch  beim  Extemporale  dem  Schüler  scharfes  Denken 
zugemutet  werden  darf  und  soll,  so  muss  sich  dasselbe  doch  im 
allgemeinen  davon  fernhalten,  grammatische  Besonderheiten  zur 
Einübung  bringen  zu  wollen,  wofern  nicht  bei  der  Vorbereitung 
die  gebührende  Rücksicht  auf  dieselben  genommen  ist,  oder  es 
sich  um  Dinge  handelt,  die  unter  allen  Umständen  dem  Schüler 
durch  den  Gebrauch  geläufig  sein  müssen.  Eine  Häufung  der- 
selben ist  jedenfalls  zu  vermeiden,  damit  nicht  ihre  Einübung 
nun  Hauptzweck  des  Extemporales  werde  oder  wenigstens  zu 
werden  scheine. 

Eher  wird  das  häusliche  Exerzitium  zur  Einübung  einer 
grammatischen  Einzelheit  dienen  können,  die  dem  Schüler  be- 
kannt sein  soll,  auch  ohne  dass  sie  gerade  im  systematischen 
Gange  des  Unterrichts  mit  besonderem  Nachdruck  behandelt 
wäre.  Unzweifelhaft  erscheinen  die  vielgeschmähten  häuslichen 
Exerzitien  nicht  als  unbedingt  notwendig  für  die  Erreichung  des 
Zieles,  welches  dem  französischen  Unterricht  am  Gymnasium 
gesteckt  ist  Aber  alle  Gründe,  die  gegen  dieselben  vorgebracht 
werden,  können  nicht  als  stichhaltig  anerkannt  werden,  wenn 
das  Exerzitium  nur  den  Zweck  der  Übung  verfolgt  und  in  der 
richtigen  Weise  vorbereitet  wird,  d.  h.  so,  dass  die  Schwierig- 
keiten, die  dasselbe  bietet,  in  gemeinsamer  Arbeit  vorher  gelöst 
sind,  so  dass  sich  der  Schüler  nirgends  vor  einem  unüberwindlich 
scheinenden  Hindernis  findet.  Dann  wird  namentlich  auch  das 
Hauptargument  gegen  das  Exerzitium  in  Wegfall  kommen,  dass 
es  den  Schüler  zur  Täuschung  verleite,  denn  bei  einer  in  dieser 
Weise  vorbereiteten  Arbeit  wird  er  leicht  der  Versuchung,  sich 
unerlaubter  Hilfsmittel  zu  bedienen,  widerstehen.  Pädagogische 
Gründe  sind  es  namentlich,  welche  die  Beibehaltung  häuslicher 
Exerzitien  wünschenswert  erscheinen  lassen,  dieselben  werden 
sich  jedoch  auf  die  unteren  und  mittleren  Klassen  beschränken 
müssen.  Grundsätzlich  wenigstens  wird  in  den  oberen  Klassen 
aus  praktischen  Rücksichten  von  ihnen  abzusehen  sein,  damit 
nicht  der  französische  Unterricht  eine  ungebührlich  grosse  Arbeits- 
zeit in  Anspruch  nehme,  obgleich  sie  gerade  hier  recht  am 
Platze  wären  wegen  der  Möglichkeit  einer  unbehinderten,  dem 
freien  schriftlichen  Ausdrucke  näher  kommenden  Bewegung  in 
der  Sprache.     Unter  besonders  günstigen  Umständen  wird  daher 


F.  Tendtring, 


auch  hier  ein  einzelnes  Exerzitium  statt  einen  Extemporales  ein- 
treten können.  Zu  empfehlen  ist  an  Beiner  Stelle  auf  dieser 
Stufe,  sowie  auch  in  mittleren  Klassen  das  Klassenexerzitium, 
eine  schriftliche  Arbeit,  die  mit  derselben  Genauigkeit  wie  das 
häusliche  Exerzitium  vorbereitet  von  den  Schülern  in  der  Klasse 
angefertigt  wird  mit  allen  Hilfsmitteln,  die  ihnen  bei  der  häus- 
lichen Arbeit  zu  Gebote  stehen.  Das  Klassenexerzitium  hat  den 
Vorzug,  dass  einerseits  zweifelsohne  eigene  Arbeit  des  Schülers 
in  demselben  vorliegt,  andererseits,  dass  bei  der  Erlaubnis  bei 
etwaigen  Schwierigkeiten  Hilfsmittel  zu  benutzen,  das  Fehler- 
machen  nach  Möglichkeit  vermieden  wird  und  dass  jedem  Schüler 
verstattet  ist,  in  dem  ihm  bequemen  Tempo  zu  arbeiten,  bo  dass 
ein  richtigeres  Bild  von  dem  Können  jedes  Einzelnen  entstehen 
wird  als  bei  dem  a-tempo  Extemporale.  Den  letzteren  Vorzug 
teilen  diese  Arbeiten  mit  denjenigen  Extemporalien,  zu  denen 
der  deutsche  Text  zunächst  diktiert  wird.  Diese  sind  deshalb 
fllr  alle  eigentlichen  Prüfungsarbeiten  vorzuziehen  und  mögen  in 
mittleren  und  oberen  Klassen  zuweilen  an  die  Stelle  der  a-tempo 
Extemporalien  treten,  die  ihrerseits  dadurch  sich  auszeichnen, 
dass  sie  den  Schüler  an  eine  unmittelbare  Wiedergabe  des  vor- 
gesprochenen Textes  gewöhnen,  somit  zu  einer  strafferen  Kon- 
zentrierung des  Geistes  nötigen  und  eine  nicht  zu  unterschätzende 
Gymnastik  des  Geistes  bilden.  Zudem  scheint  gerade  fllr  eine 
neuere  Sprache  die  Gewöhnung  an  eine  rasche  Verwendung  des 
vorhandenen  Sprachwaterials  von  besonderer  Wichtigkeit. 

In  den  Erläuterungen  zu  den  Lehrplänen  vom  3.  März  1882 
wird  gefordert,  dass  von  Zeit  zu  Zeit  französische  Diktate  statt 
der  Extemporalien  geschrieben  werden,  „behufs  sicherer  Ge- 
wöhnung des  Ohres  an  das  fremde  Idiom  und  gleichzeitiger  Be- 
festigung in  der  Orthographie."  Das  letztere  Ziel  wird  meines 
Erachtens  durch  derartige  Diktate  nicht  erreicht  werden,  das 
erstere  nur  unvollkommen.  Es  scheint  mir  nicht  zweifelhaft,  dass 
die  Wahrscheinlichkeit  grösser  ist,  dass  ein  vom  Lehrer  diktiertes, 
und  zwar  im  Zusammenhang  diktiertes  Wort,  auch  wenn  es  an 
sich  dem  Schüler  schon  bekannt  ist,  falsch  aufgefasst  und  dar- 
gestellt wird,  als  das  Wort,  an  das  der  Schüler  sich  Belbst  nach 
Lautbestand  und  orthographischer  Form  unmittelbar  oder  unter 
der  Anregung  der  deutschen  Bedeutung  erinnert,  es  müsste  denn 
das  Tempo  des  Diktierens  ein  so  langsames  sein,  dass  der  Text 
in  eine  zusammenhanglose  Reihe  einzelner  Wörter  zerrissen  wird. 
s  verhältnismässig  grosse  Zahl  orthographischer  Fehler 
unvermeidlich ,  und  das  falsche  Wortbild ,  daB  der  Schüler  vor 
sich  sieht,  wird  naturgemäes  von  unheilvollem  Einütiss  auf  die 
Entwickelung    seines  Könnens   nach   der   orthographischen   Seite 


! 

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a« 

eig 


Em  lehrplatt  fit  den  französischen  Unterricht  am  G 

sein.    Die  notwendig  Übung  in  der  Orthographie-  wird  tlber- 
durch    die    llhrigeii    schriftlichen  Arbeiten    in    hinreichendem 
,BBe  gewährt. 

Die  Erreichung  des  ersten  Zweckes  diesen  üiktatsehreibens, 
die  Gewöhnung  de«  Ohres  an  das  fremde  Idiom,  erscheint  nur 
möglich,  wenn  —  normales  Tempo  im  Diktieren  vorausgesetzt  — 
diese  Übungen  sehr  zahlreich  sind.  Hierzu  aber  reicht  die  Zeit 
auf  keiner  Stufe.  Der  Zweck  wird  besser  erreicht  werden  durch 
die  bereits  erwähnten  und  weiterhin  noch  näher  zu  behandelnden 
Iprech  Übungen. 

Wichtiger  wie  die  Diktate  erscheint  mir  eine  andere  Art 
ebriftlichen  Arbeiten,  die  seither  an  Gymnasien  nicht  oder 
nur  wenig  im  Gehrauch  ist.  Wenn  das  Gymnasium  auf  das  bei 
der  gegenwärtigen  Stundenzahl  nicht  erreichbare  Ziel  des  freien 
eigenen  Gedankenausdrueks,  wie  er  im  Aufsatz  zu  Tage  tritt, 
:ichtet,  so  sind  doch  Übungen,  welche  dieses  Ziel  in  unmittel- 
rerer  Weise  wie  die  Übersetzungen  vorbereiten,  empfehlenswert. 
Es  ist  das  die  freie  Nacherzählung  eineB  kürzeren,  in  sich 
abgeschlossenen  franziisi sehen  Stoffes.1)  Das  französische  Original 
wird  vom  Lehrer  wiederholt  vorgelesen  und  frei  nacherzählt  und 
dann  mit  den  Schulern  in  Frage  und  Antwort  verarbeitet,  so  dasa 
der  Schiller  es  sich  mit  dem  ihm  eigenen  phraseologischen  und 
stilistischen  Material  aneignet.  Hierauf  wird  eine  mehrmalige 
mündliche  Nacherzählung  durch  Schüler  folgen  und  schliesslich 
die  schriftliche  Fixierung.  Es  kann  nicht  ausgeschlossen  sein, 
dsss  durch  Diktieren  von  Wendungen  und  Übergangen  Hilfe  ge- 
geben werde.  Wenn  die  nLchrpIäneu  mit  dem  Ausdrucke  „wenig 
variierte  Reproduktion  des  Gelesenen"  an  eine  mündliche  Inhalts- 
angabe des  jeweiligen  Lektüre  Stoffes  zu  denken  scheinen,  so  muss 
di'-  hierdurch  gestellte  Aufgabe  als  eine  sehr  hohe,  nnr  unter 
besonderen  Umständen  zu  losende,  bezeichnet  werden,  gegen 
welche  die  Befriedigung  der  von  uns  aufgestellten  Forderung  als 
leicht  erscheint.  Vorbereitet  werden  dieBe  Leistungen  in  den 
unteren  Klassen  durch  die  schriftliche  Beantwortung  in  fran- 
■Bafoeher  Sprache  von  in  derselben  Weise  mundlich  vorgelegten 
Fragen,  die  steh  an  einen  geeigneten  Abschnitt  der  Lektüre 
oder  an  ein  eigens  nusgewithltes  Lesesttlck  anschliessend)  Schon 
in  den  mittleren  KlasBen  wird  man  dann  mit  schriftlichen  Arbeiten 
der  oben  erwähnten  Art  beginnen  können. 

Allgemeinem  Brauche  scheint  es  zu  entsprechen,  wenn  Über 
die    Zahl    der    schriftlichen   Arbeiten    folgendes    festgesetzt    wird: 


1)  Vergl,  Miini'h,  Zur  Füntenmg  des  franz.    Untcrr,  8.  6!. 
»)  Vergl.  Rambeao,  /.  c.     8.  SS. 


170  F.  Tendermg. 

Quinta  und  Quarts  wöchentlich,  Tertia  und  Sekunda  alle  vierzehn 
Tage,  Prima  alle  drei  Wochen.  So  mnss  in  den  meisten  Klassen, 
wenn  wir  von  den  vereinzelten  häuslichen  Arbeiten  absehen,  in 
jeder  vierten  Stunde  eine  schriftliche  Arbeit  angefertigt  werden; 
das  ist  im  Verhältnis  zur  Stundenzahl  reichlich  oft,  so  dasa  ich 
die  sich  ergebenden  Zahlen  als  die  Maximalzahlen  betrachtet 
eehen  möchte  und  eine  Vermindernng  in  der  Weise  vorschlage, 
dass  eine  Klassenarbeit  in  allen  Klassen  nur  in  jeder  sechsten 
Stunde  geschrieben  werden  darf,  wozn  in  Quinta  und  Quarta  in 
jedem  Tertia!  zwei,  in  Tertia  und  Sekunda  in  jedem  Tertial  ein 
häusliches  Exercitium  zn  kommen  hätte. 

Auch  bei  dieser  Anzahl  der  schriftlichen  Klasse »arbeiten 
wird  darauf  Bedacht  zu  nehmen  sein,  dass  ohne  Beschleunigung 
des  Tempos  nicht  zuviel  Zeit  auf  jede  einzelne  Arbeit  verwendet 
werde.  Für  das  Schreiben  der  Arbeiten  darf  im  allgemeinen 
um-  angesetzt  werden:  für  die  unteren  Klassen  20 — 25,  für  die 
mittleren  25—30,  für  die  oberen  30—40  Hinuten.  Die  Rück- 
gabe der  Arbeiten  darf  nicht  mehr  als  15  Hinuten  in  Anspruch 
nehmen. 

Wenn  ans  praktischen  Gründen  eine  grössere  Ausdehnung 
der  schriftlichen  Arbeiten  nach  Zahl  und  Umfang  unthunlich  er- 
scheint, so  wird  mancher  Lehrer  die  so  gebotene  Gesamtmasse 
der  schriftlichen  Übung  für  unzureichend  halten.  Eine  Abhilfe 
sehe  ich  darin,  dass  auf  allen  Stnfen  recht  häufig  einige  wenige 
Sätze  als  Extemporale  in  das  Diarium  geschrieben  und  von  den 
Schillern  selbst  korrigiert  werden,  dergestalt,  dass  wenigstens 
die  schwächsten  Schüler  mit  den  besten  die  Hefte  austauschen. 
Ich  verkenne  nicht  die  Bedenken,  welche  dieser  Hassregel  ent- 
gegenstehen, die  überhaupt  nur  in  massig  bevölkerten  Klassen 
zur  Anwendung  kommen  kann,  wo  der  Lehrer  die  Möglichkeit 
hat,  selbst  den  grössten  Teil  der  Hefte  schnell  während  der 
Durchnahme  und  Korrektur  einzusehen.  Ich  halt«  dies  Verfahren 
höchstens  für  eine  bedauerliche  Notwendigkeit. 

Bezüglich  der  Korrektur  und  Rückgabe  der  Arbeiten  einige 
wenige  Bemerkungen:  Man  versäume  nicht  von  Anfang  an  die 
HanpteigentUmlichkeiten  der  französischen  Interpunktion  zur  Gel- 
tung zu  bringen.  Verstösse  gegen  die  orthographische  Regel, 
dass  ein  t  nur  in  offener  Silbe  einen  Accent  bekommen  kann, 
Bind  als  schwere  Verfehlungen  anzusehen,  damit  endlich  Fehler 
wie  protestant  u.  ä.  aus  den  Heften  der  Primaner  verschwinden. 
Bei  der  Rückgabe,  die  möglichst  in  der  ersten  Stnnde,  nachdem 
die  Arbeit  abgegeben  wurde,  stattfinden  soll,  ist  die  Besprechung 
vorzunehmen,  bevor  die  Schüler  die  Hefte  zurückerhalten,  da  die 
Spannung    der  Schüler   infolge  der   UngewiBsheit,    ob  sie  nicht 


Lehrplan  für  den  französischen  Unterricht  am  Gymnasium.    171 

selbst  die  zur  Besprechung  gelangenden  Fehler  gemacht  haben, 
grösser  ist.     Nur  für  die  Quinta   wird   sich   ein  anderer  Modus 
empfehlen.     Auch  eine  Durchnahme  der  Arbeit  gleich,   nachdem 
sie  geschrieben  ist,  erscheint  zuweilen  wertvoll.     Bei  der  Rück- 
gabe  der  Arbeiten   werden   dann  nur  noch    einzelne  Punkte   zur 
Besprechung  zu  kommen  haben.    Jedenfalls  müssen  alle  diejenigen 
Dinge    bei   der  Rückgabe   der  Arbeiten   erörtert  werden,    deren 
Besprechung    für    die   Gesamtheit    der  Klasse    nutzbringend  ist. 
Dtss  bei  der   Besprechung  jedes  Aussprechen   des  Falschen  zu 
vermeiden  ist,   ist  ebenso   selbstverständlich,    wie   dass   bei  der 
Beurteilung  der  Arbeiten   nicht  nur  die  Zahl,   sondern  auch  die 
Art  der  Fehler  zu  berücksichtigen  ist.    Als  Korrektur  grundsätz- 
lich die  ganze  Abschrift  machen  zu  lassen,  empfiehlt  sich  schon 
deshalb  nicht,   weil  dadurch  eine  zu  grosse  häusliche  Belastung 
der  Schüler  eintritt.    Man  begnüge  sich  mit  der  richtigen  Nieder- 
schrift des  verfehlten  Wortes  oder  der  Wortgruppe,  nur  bei  ver- 
fehlter Stellung  der  Wortgruppen  wird  die  Abschrift  des  ganzen 
Satzes  zu  fordern   sein.     Die  Abschrift  der  ganzen  Arbeit  möge 
nur  verlangt  werden,  wo  die  Fehlerzahl  eine  zu  grosse  ist,  oder 
pädagogische  Gründe  dieselbe  notwendig  machen. 

Das  Extemporale   soll,   wie   schon  gesagt,   aus  dem  Unter- 
richt hervorgehen.     Es  wird  Aufgabe  des  Lehrers  sein,  dasselbe 
im  Anschluss  an  die  Lektüre  unter  gleichzeitiger  Berücksichtigung 
der  Hauptthatsachen  des  zuletzt  absolvierten  grammatischen  Pen- 
sums auszuarbeiten.    So  wird  dem  Schüler  wirklich  nur  zugemutet 
verden,   im  Extemporale   das  ihm  aus  dem  Unterricht  Bekannte 
zu   verwerten;    es  wird   Gelegenheit    sein,    das  stilistische   und 
idiomatische  Material,    welches    der    in  der  letzten   Zeit  durch- 
genommene   Abschnitt    der    Lektüre    darbot,    zur    Einübung    zu 
bringen.     So   werden   die   schriftlichen  Arbeiten  die  ihnen   oben 
zugewiesene  Aufgabe   zu   erfüllen  im  stände  sein.     Endlich  wird 
die   Benutzung   der  Lektüre  für  die   schriftlichen   Arbeiten,    auf 
diese  selbst  von  dem  günstigsten  Einfluss  sein  und  zu  einer  Ver- 
tiefung des  Verständnisses   derselben   beitragen.*    Es  wird   meist 
nicht  zu  schwer  sein,  einen  kleineren  Abschnitt  der  Lektüre,  der 
ein  in    sich   abgeschlossenes   Ganze   bietet,   auszuwählen.     Dass 
such   hier  dem  Schüler  zur  Übersetzung  wirkliches  Deutsch  ge- 
boten werden  muss,  ist  selbstverständlich.    Der  Anschluss  an  die 
Lektüre    wird  ein  mehr  oder  minder  genauer  sein  können,   zu- 
weilen   wird    sogar    in  unteren   und   mittleren   Klassen  geradezu 
eine  Rücktibersetzung  einer  entsprechend  leichten  Stelle  des  Ge- 
lesenen eintreten  können.     Nach  oben  hin  sei  der  Anschluss  an 
die  Lektüre  ein  freierer,  auch  stofflich  Neues  wird  zuweilen  am 
Platze  sein,  namentlich  in  den  oberen  Klassen.    Derartige  Arbeiten 


m  F.  Tenfarmg, 

werden  besonders  zur  Zeit  der  poetischen  Lektüre  im  Vorder- 
gründe stehen.  Unmittelbare  Anlehnung  an  die  LektUre  sei  aus- 
geschlossen bei  Probearbeiten,  damit  von  jedem  wirblich  das,  was 
er  kann,  zum  Ausdruck  gebracht  werde  nnd  nicht  der  mit  einem 
besseren  Gedächtnis  begabte  Schüler  einen  unmittelbaren  Vorzog 
habe  vor  dem  in  dieser  Beziehung  weniger  Begünstigten. 

Wenn  der  Lehrer  sich  der  freilieh  nicht  geringen  MUhe 
unterzieht,  die  schriftlichen  Übersetzungen  selbst  in  der  ange- 
gebenen Weise  auszuarbeiten,  so  wird  er  im  stände  sein,  gerade 
diejenigen  Thatsachen,  welche  ihm  im  Verlaufe  des  Unterrichts 
am  wertvollsten  erschienen,  einzuüben,  und  die  grössere  Schaffens- 
freudigkeit der  SchUler,  sowie  befriedigende  Ergebnisse  in  den 
Extemporalien  werden  ihn  für  seine  MUhe  belohnen. 

Satzextemporalien ,  die  ganz  speziell  grammatischen  Stoff 
zur  Einübung  bringen  sollen,  seien  zwar  nicht  ganz  ausgeschlossen, 
sie  mögen  immerhin  vereinzelt  auftreten,  indessen  sei  der  Lehrer 
darauf  bedacht  zu  vermeiden,  dass  mechanischem  Arbeiten  Vor- 
schub geleistet  werde,  andererseits  aber  auch,  dass  durch  Her 
beiziehung  idiomatischer  Einzelheiten  eine  Häufung  von  Schwierig- 
keiten eintrete,  die  den  jugendlichen  Geist  in  Verwirrung  za 
setzen  im  stände  ist.  Ein  Formenextemporale  wird  natnrgemass 
nur  auf  der  ersten  Stufe  ganz  vereinzelt  vorkommen  können. 

Lektüre,  a.  Allgemeines.  Die  Stellung,  welche  wir 
der  Lektüre  im  französischen  Unterricht  zuweisen,  haben  wir  n 
den  obigen  Ausführungen  bereits  gekennzeichnet.  Wir  haben 
sie  auf  der  unteren  Stufe  zum  Ausgangs-  und  Mittelpunkt  des 
Unterrichts  gemacht;  weiterhin  haben  wir  den  grammatischen 
Übungen  eine  eigene  Stellung  neben  ihr  angewiesen,  dabei  aber 
die  Lektüre  in  die  innigste  Wechselbeziehung  zu  jenen  gesetzt 
und  ihr  auch  nach  Umfang  die  hervorragendste  Stelle  angewiesen. 
In  der  Prima  endlich  wird  die  LektUre  den  Vorschriften  ent- 
sprechend zur  unbeschränkten  Herrin  im  Gebiete  des  französischen 
Unterrichts.  Wenn  bisher  nur  von  der  Lektüre  in  ihrer  Be- 
ziehung zur  Grammatik  die  Rede  war,  von  der  Ausbeutung  der 
Lektüre  für  die  sprachliche  und  speziell  die  grammatische  Bil- 
dung, so  musB  hier  daran  erinnert  werden,  dass  die  Lektüre 
an  sich  eine  hohe  Wertschätzung  verdient.  Sie  vor  allem 
ist  bestimmt  beizutragen  zu  einer  allgemeinen  harmonischen 
Bildung  des  Geistes.  Es  darf  daher  niemals  die  Form  von 
grosserer  Wichtigkeit  erscheinen  als  der  Inhalt,  niemals  darf 
der  Schriftsteller  erniedrigt  werden  zu  einer  blossen  Fundgrube 
grammatischer  Regeln,  derselbe  ist  vielmehr  dem  Schüler  als 
litte  r  arisch  es  Kunstwerk  zur  Anschauung  zu  bringen,  Beines  In- 
haltes muss  der  Schüler  bewuset  werden.     Darum  musi  derselbe 


Em  Lehrphm  für  den  französischen  Unterricht  am  Gymnasium.    173 

durch  ein  Schriftwerk  hindurchgeführt  werden,  nicht  nur  in  das- 
selbe hinein.  Es  mag,  wenn  der  Stoff,  obwohl  man  eine  Reihe 
Ton  Abschnitten  mehr  kursorisch  liest,  sich  zn  umfangreich 
erweist,  um  in  der  zur  Verfügung  stehenden  Zeit  ganz  durchge- 
nommen zu  werden,  durch  Ausscheidung  weniger  bedeutenden 
Stellen  gekürzt  werden.  Zu  einem  bestimmten  Abschluss  aber 
ist  die  Lektüre  mit  jedem  Jahre  zu  bringen.  Es  ist  selbstver- 
ständlich, dass  ich  nicht  ganze  umfangreiche  Werke  eines  Schrift- 
stellers der  Lektüre  zu  Grunde  legen  will,  sondern  in  sich  ab- 
geschlossene Ganze  aus  diesen  Werken  in  der  Art,  wie  die 
meisten  Schalausgaben  sie  uns  bringen. 

Den  Stoff  zur  Lektüre  bot  uns  beim  Anfangsunterricht  das 
Lehrbach.  Es  ist  darauf  Bedacht  zu  nehmen,  dass  für  Quinta 
und  Qnarta  ein  geeignetes  Lesebuch  zur  Hand  sei,  das  eine 
nach  Inhalt  mnd  Form  für  diese  Stufe  passende  Auswahl  von 
Lesestücken  enthält.  Diese  Lesestücke  müssen  den  weiter  unten 
für  die  Aaswahl  der  Lektüre  überhaupt  entwickelten  Grundsätzen 
entsprechen,  namentlich  müssen  sie  eine  Einführung  in  die  elemen- 
tare Grammatik  und  den  einfachsten  Wortschatz  bieten  und  sach- 
lich wert  sein  der  Jugend  zur  geistigen  Nahrung  zu  dienen. 
Eines  Urteils  über  die  in  dieser  Hinsicht  vorhandenen  Hilfsmittel 
enthalte  ich  mich. 

Ob  das  Lehrbuch  auch'  noch  für  die  Tertien  den  nötigen 
Lesestoff  zu  bieten  habe,  ist  eine  Frage,  die  nicht  kurzer  Hand 
ni  entscheiden  ist;  jedenfalls  aber  muss  meines  Erachtens  in 
Untersekunda  spätestens  die  Schriftstellerlektüre  beginnen. 

b.  Auswahl.  Die  Frage  nach  der  Auswahl  der  Lektüre 
hat  in  den  letzten  Jahren  verschiedentlich,  so  besonders  auf  der 
Direktoren -Versammlung  in  Hannover  im  Jahre  1882  eingehende 
Behandlang  erfahren.  Die  Anerkennung  dieser  Versammlung  so- 
wohl wie  die  vieler  anderen  Fachmänner  hat  das  von  Münch  in 
seiner  Besprechung  des  Vogelschen  Programmes  der  Realschule 
zu  Perleberg  1880  *)  und  sonst  aufgestellte  pädagogische  Prinzip 
erfahren,  wonach  zur  Lektüre  aus  der  Litteratur  der  zu  erler- 
senden.  Sprache  auszusuchen  ist,  „was  durch  Form  und  Inhalt, 
durch  das  Mass  der  Schwierigkeit  und  der  nötig  werdenden 
geistigen  Arbeit,  durch  die  vorbildliche  Kunstschönheit  der  Dar- 
stellung, durch  das  Gewicht  und  die  Zugänglichkeit  des  Gegen- 
standes am  besten  erziehend  zu  wirken  vermag. u  Dieselben 
Grundsätze  werden  vertreten  von  Perle,  in  seiner  eingehenden 
Untersuchung  über  die  historische  Lektüre  am  Realgymnasium2) 

*)  Zeitschrift  für  neu  fr,  Sprache  u.  Litteratur  IH.    S.  100. 
•*  Zeitschrift  für  neufranzösische  Sprache  und  Litteratur   VIII1. 
(auch  separat). 


I.  81  ff. 


174  F.  Tendering, 

and  von  Ulbrich  in  seiner  bereite  mehrfach  erwähnten  gehalt- 
vollen Programmabbandlong  über  die  französische  Lektüre  an 
Realgymnasien.  Breymann  and  Möller  in  ihren  wertvollen  Be- 
merkungen Aber  die  Reform  des  neu  französischen  Unterrichts 
bekennen  sich  fast  wörtlich  (S.  20)  za  diesen  Grundsätzen. 
Vogel  allerdings  stellt  in  seiner  oben  erwähnten  Programm  - 
abhandlang  die  litterarisch  ästhetische  Bildung  in  den  Vorder- 
grand, wonach  „durch  die  Lektüre  dem  Zögling  die  Kenntnis 
and  Würdigung  der  fremden  Litteratur,  ihrer  Kunstformen  und 
deren  geschichtliche  Entwicklung"1)  vermittelt  werden  soll.  Für 
eine  Würdigung  dieser  beiden  Prinzipien,  die  naturgemäss  be- 
züglich vieler  einzelnen  Schriften  denselben  Vorschlag  machen, 
ist  hier  nicht  der  Ort.  Nach  der  Gesamtheit  der  Auffassung  des 
französischen  Unterrichts,  welche  in  der  vorliegenden  Abhand- 
lung vertreten  wird,  kann  ich  mich  nur  der  Ansicht  Mönchs  an- 
achli  essen. 

Wenn  wir  den  Umfang  des  den  klassischen  Sprachen  am 
Gymnasium  gewidmeten  Stadiums  in-  Betracht  ziehen,  so  werden 
wir  es  diesen  überlassen  können  durch  die  Schriftatellerlekture 
zur  Vertiefung  der  Erkenntnis  des  Altertums  beizutragen')  und 
der  französischen  Lektüre  vielmehr  als  ein  gewisses  Gegen- 
gewicht die  Beschäftigung  mit  dem  bereits  Toten,  das  flu-  das 
Verständnis  der  heutigen  Kultur,  so  wichtig  es  sein  mag,  allein 
nicht  ausreicht,  die  Aufgabe  zuweisen,  den  Schiller  in  die  Kultur 
der  Gegenwart  einzuführen,  soweit  sie  sich  in  den  Litteratnr- 
werken  der  französischen  Sprache  spiegelt  Die  französische 
Lektüre  wird  namentlich  diejenigen  Schriftwerke  in  Betracht  za 
ziehen  haben,  welche  das  Verständnis  fllr  die  gedeihliche  Ent- 
wickelnng, die  staatlichen  Einrichtungen,  das  Wesen  und  die 
Eigenart  des  französischen  Volkes  vermitteln.  Mit  Rücksicht 
darauf,  dass  der  englische  Unterricht  am  Gymnasium  nicht  obli- 
gatorisch ist,  werden  solche  litterarischen  Erzeugnisse,  welche 
zam  Verständnis  der  Gesamtentwickelnng  der  beiden  grossen 
Kulturvölker,  welchen  das  Englische  die  Muttersprache  ist,  bei- 
tragen, auch  der  Berücksichtigung  bei  der  Auswahl  der  fran- 
zösischen Lektüre  wert  sein,  während  grundsätzlich  von  den- 
jenigen Werken  wird  abgesehen  werden  können,  welche  der 
Geschichte  des  Altertums  gewidmet  sind.  Freilich  werden  Aus- 
nahmen durch  besondere  Verhältnisse  gerechtfertigt  erscheinen. 
Unter  den  ans  zu  Gebote  stehenden  Schriften  werden  wir  solche 
auswählen,  welche  auch  bezüglich  ihrer  Sprache,  nach  Ausdruck 

l)  Ibidem.    S.  103. 

*)  Vgl.  dagegen  Kcerting,  flcupkil.  Essay t.     S.  16S. 


Em  Lehrplan  für  den  französischen  Unterricht  am  Gymnasium.    175 

und  Stil,  für  den  Schüler  als  Muster  zu  wirken  geeignet  sind; 
wir  werden  uns  also  möglichst  an  moderne  Schriftsteller  halten 
und  das  klassische  Jahrhundert  —  hierin  werden  wir  gewisser- 
Bassen  dem  literarhistorischen  Prinzip  ein  Zugeständnis  machen 
müssen  —  nur  insofern  in  den  Kreis  der  Lektüre  ziehen,  als  es 
wünschenswert  erscheint, .  dass  der  Abiturient  auch  von  den  un- 
vergänglichen Meisterwerken  jener  Periode  eigene  Kenntnis  erhält. 
Meisterwerke  sind  es  doch  immerhin,  die  Dramen  Corneille's, 
Racine's  und  die  Komödien  Moliere's,  so  manche  Bedenken  wir 
auch  heute  gegen  sie  erheben  werden.  Wenn  uns  die  historischen 
Schriften  jener  Zeit  das  Jahrhundert  Ludwigs  XIV.  schildern, 
in  ihnen  atmen  wir  sozusagen  die  Luft  jenes  Zeitalters.  Der 
grosse  König  und  sein  Hof  werden  vor  unserem  Auge  wieder 
lebendig  mit  all  ihrer  Pracht,  mit  all  ihrer  Vornehmheit,  aber 
auch  mit  all  ihrer  Steifheit  und  Fadheit.  Und  gerade  als  Sitten- 
gemälde aus  jener  Zeit  sind  diese  Dramen  nicht  zu  entbehren, 
sowie  aus  denselben  Gründen  eine  Auswahl  aus  den  Briefen 
der  Frau  von  Sevigne  und  weiterhin  aus  den  persischen 
Briefen  Montesquieu 's  in  einen  Kanon  der  französischen 
Schulschrifteteller  aufgenommen  zu  werden  verdient. 

Wenn  auch  die  historischen  Schriften  —  ich  fasse  das  im 
Sinne  von  Perle,  d.  h.  mit  Einschlass  von  Reden  und  Briefen  — 
als  inhaltlich  bedeutender  den  Vorzug  haben  werden,  so  dürfte 
es  sich  doch  empfehlen,  auch  eine  moderne  Novelle  und  nament- 
lich ein  modernes  Lustspiel  zu  lesen,  es  wird  dabei  als  unver- 
brüchliche Regel  anzusehen  sein,  dass  dieselbe  Generation  von 
jeder  Gattung  nur  eins  liest,  dass  namentlich  nicht  dieselben 
Schüler  mehrere  Jahre  hintereinander  nur  mit  der  leichten  Kost 
der  Novelle  und  des  Lustspiels  genährt  werden.  Die  Gründe, 
welche  Ulbrich1)  gegen  das  Vorwiegen  der  historischen  Lektüre 
am  Realgymnasium  vorbringt,  können  für  das  Gymnasium  nicht 
als  stichhaltig  angesehen  werden;  hingegen  bedarf  die  Aufnahme 
eines  Romans  in  den  Kanon  der  Schullektüre  einer  Rechtfertigung 
gegenüber  den  Ausführungen  Perle's,2)  welcher  befürchtet,  „dem 
ohnehin  leicht  erregbaren  jugendlichen  Geiste  Gelegenheit  zu 
mttssigem  Gedankenspiel  zu  geben".  Es  ist  natürlich  nicht  gleich- 
giltig,  welcher  Art  die  Novelle  ist,  welche  gelesen  werden  soll. 
Für  die  Schule  brauchen  wir  einen  poetischen  Stoff,  der  so  be- 
handelt wird,  dass  er  auf  der  einen  Seite  in  die  Sprache  des 
täglichen  Lebens  einführt,  andererseits  uns  das  französische  Volk 
in  seinem  Thun  und  Trachten  am  eigenen  Herde,  in  der  Familie 


*)  /.  c.    S.  18  ff. 
*)  /.  c.    S.  110. 


176  F.  Tetiäering, 

schildert,  das  uns  Über  die  Eigenart  dee  Individuums  aufklärt, 
wie  der  historische  Stoff  über  die  Eigenart  der  Gesamtheit 
Die  Novelle  ist  gewisaermassen  die  Kleinmalerei  gegenüber  dem 
grossen  Gemälde,  welches  die  historische  Lektüre  vor  ans  entrollt. 
Mit  Ulbrich1)  möchte  ich  diese  Stoffe   der  Mittelstufe   zuweisen. 

Auf  einen  Punkt  möchte  ich  bezüglich  der  Auswahl  der 
LektUre  noch  aufmerksam  macheu.  Wenn  eine  einheitliche  Reihe 
von  Schriften,  die  von  der  untersten  bis  zur  obersten  Stufe  gelesen 
werden  soll,  nicht  aufgestellt  werden  kann,  so  ist  es  doch  not- 
wendig, dass  bei  der  Bestimmung  der  Lektüre  einer  Klasse  stets 
auf  die  frühere  Lektüre  Rücksicht  genommen  wird,  damit,  wie 
Perle2)  sich  ausdrückt,  „die  gesamte  im  Laufe  der  Zeit  zu  be- 
wältigende Lektüre,  als  ein  Ganzes  betrachtet,  ein  solches  ideell 
darstelle,  und  dass  dieses  Ganze  ....  die  Eigenart  des  fremden 
Volkes  in  ihrer  mannigfaltigen  Bestimmtheit  enthalte  und  damit  ein 
einheitliches  Gesamtbild  des  fremden  National  Charakters  gewähre, 
sowie  er  sich  in  der  äusseren  Geschiebte,  in  der  Umbildung  der 
religiösen,  gesellschaftlichen  und  politischen  Zustände,  in  der  litte- 
rarischen   Thatigkeit  eines  Kulturvolkes  zu  offenbaren  pflegt," 

An  Ausgaben  französischer  Schriftwerke,  welche  für  die 
SchnllektUre  geeignet  sind,  ist  heutzutage  kein  Mangel.  Wenn 
auch  bezüglich  der  Kommentierung  in  manchen  derselben  Grund- 
sätze herrschen,  denen  wir  nicht  beizutreten  vermögen  und  welche 
den  Kommentar  für  den  Schüler  zuweilen  bedenklich  erscheinen 
lassen,  so  wird  man  doch  befriedigende  Ausgaben  der  zu  lesenden 
Werke  im  allgemeinen  leicht  auftreiben  können.  Wie  es  beim 
Unterricht  in  den  klassischen  Sprachen  dem  Schüler  nicht  gestattet 
wird,  eine  kommentierte  Ausgabe  in  der  Unterrichtestunde  zu 
benutzen,  so  werden  wir  auch  bei  der  französischen  LektUre  zu 
verhindern  suchen,  dass  während  des  Unterrichts  die  Aufmerk- 
samkeit des  Schülers  sich  mehr  auf  die  etwaigen  Fussnoten  als 
auf  den  Text  richte  und  dass  der  Schüler  wohl  gar  erst  während 
des  Unterrichts  mit  Hilfe  der  Fussnoten  sich  vorzubereiten  suche. 
Aus  diesem  Grunde  werden  aas  den  Sammlungen  französischer 
Schriftsteller  für  den  Schulgebrauch  die  bei  Weidmann  er- 
schienenen, obwohl  sich  manche  recht  tüchtige  Leistungen  darunter 
befinden,  während  des  Unterrichts  in  den  Händen  der  Schüler 
ebensowenig  zu  dulden  sein,  als  die  A. -Ausgaben  des  Yelhagen 
&  Klasing'schen  Verlags.  Wegen  der  Vorzttglichkeit  der  Aus- 
stattung und  der  Beschränkung  bezüglich  der  Anmerkungen  ver- 
dienen   die    Renger'schen  Ausgaben    in    erster  Linie    in    bet  rächt 

»)  L  c.    S.  14. 
')  l.  e.    S.  106. 


Ein  Lehrplan  für  den  französischen  Unterricht  am  Gymnasium.    177 

gesogen  zu  werden,  weiterhin  die  B-  Ausgaben  von  Velhagen  & 
Klasing  und  diejenigen  des  Theissing'schen  Verlags.  Auch 
Friedberg  &  Mode  haben  eine  neue  Ausgabe  französischer  Schrift- 
steller eröffnet,  in  der  ebenso  wie  in  den  Ausgaben  der  Firma 
Seemann  die  Anmerkungen  vom  Texte  getrennt  sind.  Eine  neue 
Sammlung  von  Textausgaben  in  guter  Ausstattung  und  zu  billigen 
Preisen  hat  neuerdings  die  Firma  Hermann  Schlutter  in  Oera 
eröffnet 

Wenn  man  sieht,  mit  welcher  Verschiedenheit  bei  der  Ver- 
teilung der  Schriftsteller  auf  die  einzelnen  Klassen  verfahren 
wird,  so  wird  man  sich  der  Ansicht  nicht  verschliessen  können, 
dass  das  Mass  der  Schwierigkeiten  vieler  zur  Schullektüre  ge- 
eigneten französischen  Litteraturwerken  noch  nicht  in  befriedigender 
Weise  festgestellt  ist.  Aus  diesem  Grunde  hat  es  auch  zur 
Aufstellung  eines  festen  Kanons  für  die  französische  Lektüre 
noch  nicht  kommen  können.  Aber  auch  in  dieser  Beziehung  wird 
im  französischen  Unterricht  nicht  Willkür  walten  dürfen,  so  wenig 
wir  auch  Grund  haben  uns  so  enge  Fesseln  aufzulegen  wie  im 
altsprachlichen  Unterricht.  Freie  Bewegung  innerhalb  bestimmter 
Grenzen  bleibe  dem  französischen  Unterricht.  Ein  aufzustellen- 
der Kanon  wird  also  mehrere  parallele  Glieder  für  jede  Klasse 
haben  müssen;  die  Verteilung  auf  die  verschiedenen  Klassen 
wird  nicht  ausschliessen  dürfen,  dass  ein  Schriftsteller  auch  in 
einer  anderen  als  der  ursprünglich  festgesetzten  Klasse  gelesen 
werde,  namentlich  wird  ein  einer  niederen  Klasse  zugewiesenes 
Werk  sich  zu  einer  mehr  kursorischen  Behandlung  in  einer 
höheren  eignen,  auch  werden  die  für  Unter-Prima  vorgeschlagenen 
Werke  meist  für  Ober-Prima  Verwendung  finden  können  und  um- 
gekehrt. Der  hier  folgende  Kanon  ist  somit  weiter  nichts  als 
ein  Vorschlag,  an  dem  der  Lehrer  eine  Stütze  findet  bei  der 
Bestimmung  des  zur  Lektüre  zu  wählenden  Schriftstellers. 

Wo  ein  geeignetes  Lehrbuch  nicht  eingeführt  ist,  wird  man 
sich  genötigt  sehen,  bereits  in  Quarta  die  Schriftstellerlektüre 
zu  beginnen.  Für  diese  Stufe  ein  unseren  oben  dargelegten 
Anforderungen  entsprechendes,  in  geeigneter  Ausgabe  vorliegen- 
des Werk  zu  finden,  ist  kaum  möglich.  Wir  werden  für  diese 
Klasse  zu  der  He rodot- Ausgabe  von  Ricken1)  greifen,  obwohl 
dieselbe  stofflich  als  ungeeignet  bezeichnet  werden  muss,  da  sie 
den  Schüler  in  einem  durch  den  lateinischen  und  geschichtlichen 
Unterricht  sattsam  behandelten  Kreise  festhält.2) 

Für  Unter -Tertia   werden   namentlich   Michaud's    Kreuz 


*)  Velhagen  &  Klasing  1  Mk. 

*)  Auch  die  Sprache  ist  nicht  immer  nachahmungswert. 

Zftchr.  f.  frz.  Spr.  n.  Litt    Uli.  ^ 


178  F.  Tenderwg, 

zage  in.  Vorschlag  gebracht.  Der  erste  und  besondere  der  dritte 
Kreuzzug1),  die  in  geeigneten  Ausgaben  vorliegen,  sind  nicht 
ganz  leicht,  aber  die  vorhandenen  Schwierigkeiten  sind  bei  ge- 
eigneter Anleitung  zum  Präparieren  dieses  Schriftstellers  auch 
von  ünter-Tertianern  zn  lösen;  auch  inhaltlieh  läset  sieb  nichts 
gegen  sie  erinnern.  Ausserdem  halte  ich  ans  Barante's  Histoire 
des  Dn.cs  de  Bourgogne*)  die  Geschichte  der  Jungfrau  von 
Orleans  für  eine  ganz  geeignete  Lektüre.  Daneben  endlich  sei 
noch  erwähnt  ans  Rollin's  Histoire  ancienne  die  Geschichte 
des  zweiten  pnni sehen  Krieges,*)  wenn  auch  inhaltlich 
unserem  Programm  nicht  entsprechend,  namentlich  dürfte  diese 
Schrift  nicht  in  Betracht  kommen,  wenn  in  Quarta  Herodot  ge- 
lesen wurde. 

In  Ober-Tertia  behauptet  sich  vielfach  Voltaire's  Charles 
douze.*)  Namentlich  sprachlich  verdient  derselbe  die  Stellung, 
die  ihm  so  angewiesen  wird,  nnd  als  Geschichte  eines  modernen 
Zeitabschnitts  würde  er  auch  inhaltlich  gegen  unser  Programm 
nicht  sehr  Verstössen.  Immerbin  bleibt  zu  erwägen,  und  zwar 
nicht  zum  geringsten  Teile  deshalb,  weil  eine  leicht  zugängliche 
Übersetzung  vorliegt,  ob  nicht  an  seiner  Stelle  aus  Duruv's 
Histoire  de  France  der  von  liartmanu  herausgegebene  Abschnitt: 
Stiele  de  Louis  XIV.6)  zn  lesen  sei.  Dazu  halte  ich  auch  einen 
Überblick  Über  die  wichtigsten  Abschnitte  der  neueren  Geschichte 
Frankreichs  nach  Michelet's  Prieis  de  l'kistoire  moderne*) 
für  empfehlenswert.  Auch  Erkmann-Chatriaiis  Histoire  d'un 
con.serit'1)  oder  L' Invasion8)  scheinen  ftlr  diese  Stufe  ange- 
messen. Die  Lektüre  einer  derartigen  Novelle  würde  sich  wohl 
am  ersten  für  diese  Klasse  eignen. 

In  Unter-Sekunda  hat  aus  Tfaiers'  ßistoire  du  contulat 


')  Histoire  de  la  premiere  croisade.  Weidmann  1,50  Mb.  Velhugen 
&  Klasing  1  Mk..  ThaiBaing  0,80  Mk.;  Siegt  et  Prise  de  Jerusalem. 
Renger  1,25  Mk.  —  Histoire  de  la  troisiime  crtiisade.  Weidmann  1,50  Mk. 
Velhagen  &  Klasing  1  Mk.,  Theiasing  0,80  Mk.,  Friedberg  &  Mode  1  Mk-, 
Schlutter  0,60  Mk. 

S)  Jeanne  et  Are.  Velhagen  A  Klasing  0,90  Mk.,  Weidmann  1  Mk.. 
Renger  1,10  Mk.,  Theiasing  0,60  Mk. 

8)   Histoire  de  la  2r.  guerre  punique.    Velhagen  &  Klaeing  0,60  Mk. 

«)  Weidmann  1,50  Mk.,  Velhagen  &  Klaaing  2  Teile  ä  0,90  Mk., 
im  AniEUgeO,90  Mk.;  Benger  1,40  Mk.  Siegiemnnd &  Volkening  1,20  Mk. 
Theiasing   1   Mk.,  Friedberg  &  Mode   1   Mk.,  Schlutter  0,60  Mk. 

*)  Friedberg  &  Mode   1,20  Mk. 

»)   Velhagen   &  Klasing:  2  Teile   0,50  Mk.  und  0,80  Mk. 

1)  Velhagen  &  Klaaing  0,90  Mk.,  Renger  1,10  Mk.,  Friedberg 
4  Mode   1   Mk. 

S)  Velhagen  &  Klasing  1,20  Mk. 


Em  Lehrplan  für  den  französischen  Unterricht  am  Gymnasium.     179 

et  de  Vempire  die  Expedition  en  J^gypte1)  Bürgerrecht  er- 
worben. Daneben  empfiehlt  sich  aus  demselben  Werke  die 
Campagne  d' Italief)  ferner  ans  Gnizot's  französischer 
Geschichte  die  Histoire  de  Louis  XL*)  welche  die  Be- 
gründung der  französischen  Monarchie  zur  Darstellung  bringt  und 
als  ein  Bild  aus  der  Völkerwanderung  die  von  Timme  und  von 
Manch  empfohlene  Histoire  d'Attila*)  von  Amedee  Thierry. 
Eine  beschränkte  Anzahl  von  Stunden  könnte  in  dieser  Klasse 
unter  günstigen  Umständen  einem  modernen  Lustspiel  gewidmet 
werden;  ich  empfehle  Scribe,  Bertrand  et  Raton*)  sowie 
Feuillet,  le  Village*) 

Die  Ober-Sekunda  berücksichtige  in  erster  Linie  Segur's 
Histoire  de  Napoleon  et  de  la  grande  armie1)  weiterhin 
ans  dem  Geschichtswerke  Duruy'8  die  Zeit  der  religiösen  Kämpfe 
(Histoire  de  France  1560 — 1643).8)  Daneben  kommen 
in  Betracht:  Mignet,  Vie  de  Franklin9)  und  desselben  Ver- 
fassers La  Oermanie  au  huitieme  sitcle,10)  eine  Schrift, 
welche  namentlich,  wenn  auch  mit  einer  gewissen  Einseitigkeit, 
den  Einfluss  der  Kultur  Frankreichs  auf  Deutschland  in  jener 
Periode  nachzuweisen  sucht.  Hier  ist  dann  auch  die  geeignetste 
Stelle  für  die  klassische  Tragödie.  Corneille's  Cid11)  und  Ra- 
cine's  Athalie12)  verdienen  in  erster  Linie  genannt  zu  werden 
als  diejenigen,  in  welchen  die  Schwächen  der  klassischen  Tra- 
gödie am  wenigsten  störend  auf  den  deutschen  Leser  wirken. 
In  zweiter  Linie  sei  Racine 's  Britannicus1*)  empfohlen,  der 
durch  seine  Sprache  diese  Schwächen  vergessen  macht. 


*)  Weidmann  1,50  Mk.,  Renger  1,50  Mk.,  Friedberg  &  Mode  1  Mk., 
TheisBing  0.50  Mk.    Römke,  Cöln,  1,20  Mk. 

*)  Velhagen  &  Klasing  0,80  Mk.,  Friedberg  &  Mode  1  Mk.,  Weid- 
mann  1,50  Mk.,  Renger  1,50  Mk. 

>)  Velhagen  &  Klasing  0,75  Mk. 

4)  Theissing  0,90  Mk.,  Renger  1,30  Mk. 

5)  Velhagen  &  Klasing  0,60  Mk.,  Weidmann  1  Mk. 

•)  Velhagen  &  Klasing  0,60  Mk.,  Weidmann  0,50  Mk. 

7)  Weidmann  4  Teile  ä  1  Mk.,  Velhagen  &  Klasing  2  Teile 
a  1,20  Mk.  Napoleon  ä  Moscou  und  Passaae  de  la  Beresina,  Renger 
1,50  Mk.  Passage  de  la  Beresina.  Teuoner  1,50  Mk.  Les  desastres 
de  la  grande  armee  Theissing  0,80  Mk. 

«)  Renger  1,30  Mk. 

•)  Velhagen  &  Klasing  0,90  Mk. 

10)  Springer,  Berlin  1,20  Mk. 

n)  Velhagen  &  Klasing  0,60  Mk.,  Weidmann  1  Mk.,  Renger  1,30 
Mark,  Theissing  0,40  Mk.  u.  a. 

tf)  Velhagen  &  Klasing  0,60  Mk.,  Teubner  1  Mk.,  Renger  1,20 
Mark.  Theissing  0,40  Mk. 

!*)  Velhagen  &  Klasing  0,60  Mk.,  Weidmann  1  Mk.,  Renger  1  Mk. 

12* 


180  F.  Tendering, 

Für  Unter- Prima  empfehlen  sich  gleicher  Weise  Mignet's 
Histoire  de  la  Revolution1)  und  Lanfrey's  Histoire  dt 
Ifapolion,  aus  letzterer  namentlich  der  Abschnitt  Campagne. 
de  1806  —  1807,*)  in  zweiter  Linie  Campagne  de  1809')  and 
Expedition  d'Egypte  et  Campagne  de  Syrie.*)  Ferner 
komme  in  Betracht  Mignet's  Essai  sur  la  Formation  terri- 
toriale et  politique  de  la  Franeeb)  und  ausgewählte 
Briefe  der  Madame  de  SivigniB)  und  Monfesquieus.1)  Für  die 
Poesie  seien  Sandeau,  Mademoiselle  de  la  Seigliire6)  und 
Holiere'B  Femmes  savantes9)  in  Vorschlag  gebracht;  auch 
Delavigne's  Louis  XJ.1V)  wird  mit  Vorteil  gebraucht  werden 
bOnnen.  Das  erstgenannte  Werk  wird  zwar  meist  für  eine 
frtthere  Stufe  angesetzt  und  kann  auch  ohne  Bedenken  schon 
früher  gelesen  werden,  allein  die  Unter- Sekunda  scheint  mir 
doch  noch  nicht  der  richtige  Ort  dafür  zn  sein,  and  in  der 
Ober-Sekunda  ziehe  ich  das  klassische  Drama  vor. 

Für  Ober-Prima  eignen  sich  die  Reden  Mirabeaus,11) 
Gnizot's  Histoire  de  la  eivilisation  en  Franc«,18)  sowie 
desselben  Verfassers  Etüde  sur  Washington.**)  Auch  auf 
AugUBtin  Thierry's  Lettres  sur  l'histoire  de  France1*) 
and  eine  Auswahl  französischer  Kanzelreden1G)  sei  hin- 
gewiesen. Von  letzteren  wird  man  jedenfalls  absehen  müssen, 
wenn  vorher  Briefe  Montesqniea's  und  der  Sevigne  gelesen  werden, 
damit   den  Schtllern   nicht   zn   lange    die  Prosaschriftsteller   des 


1)  Velhagen  &  Klasing  2  Teile  4  1,20  und  1,80  Mk.,  Teubner 
4  Teile  a  1,50,  1,50,  120,  1,50  Mk.  Renger  Hisioire  de  la  Terrew  1,50 
Mark,  Basier,  Quedlinburg  2,25  Mk.,  Friedberg  &  Mode  1  Mk. 

")  Weidmann  1,50  Mk.,  Benger  1,50  Mk.,  Friedberg  &  Mode 
1,20  Mk. 

»)  Renger  1,50  Mk. 

*)  Velhagen  &  Klaning  0,75  Mk. 

*)  Renger   1,30  Mk. 

■)  Das  Nötige  findet  sich  in  Chefs -iTauvres  t'pistotaires  Theiwing 
0,90  Mark. 

T)  Weidmann  0,50  Mk. 

8)  Weidmann  1  Mk.,  Seemann  1  Mk.,  Velhagen  &  Klaaing  0,60  Mk. 

•)  Weidmann  (Frituche)  1  Mk.,  (Brnnncmann)  0,50  Mk.,  Velhagen 
&  Kissing  0,60  Mk.,  Teubner   1,35  Mk.,  Leiner  3  Mk. 

,D)  Velhagen  &  Klaaing  0,60  Mk  ,  Weidmann  0,50  Mk.,  Benger 
1,80  Mk. 

")  Weidmann  3  Teile  ä  1   Mk.,  Velhagen  &  Kl&Bing  0,90  Mk 

u)  Weidmann  2  Teile  ä   1,50  Mk.,  Renger  1,40  Mk. 

u)  Weidmann  0,50  Mk.,  TbeiBaing  0,80  Mk.,  Schultheis- Zürich 
1,40  Mk. 

M)  Oeichcrt- Erlangen  0,65  Mk, 

u>  Benger  1,25  Mk. 


Ein  Lehrplan  für  den  französischen  Unterricht  am  Gymnasium.    181 

19.  Jahrhunderts  verschlossen  bleiben.    Von  Moliere  werde  auf 
dieser  Stufe  gelesen:  le  Misanthrope1)  oder  VAvare2). 

In  den  Klassen  Quinta  bis  Ober-Tertia  und  falls  dort  keine 
sonstige  poetische  Lektüre  eintreten  sollte,  auch  in  Unter-  und 
Ober-Sekunda  ist  eine  Anzahl  französischer  Gedichte  zu  lesen. 
Sofern  das  etwa  eingeführte  Lesebuch  nicht  genügendes  bietet, 
sei  die  Sammlung  von  Gropp  &  Hausknecht  empfohlen. 

c.  Übertragung  des  Schriftstellers.  Die  Fähigkeit, 
einen  fremden  Schriftsteller  ins  Deutsche  zu  übertragen,  muss 
dem  Schüler  anerzogen  werden.  Darum  darf,  wie  schon  oben 
gesagt,  in  den  beiden  ersten  Jahren  eine  selbständige  Vorbereitung 
von  dem  Schüler  nicht  gefordert  werden,  der  Lehrer  wird  jedoch 
in  dem  zweiten  Halbjahre  der  Quarta  seine  Hilfe  immer  mehr 
beschränken  können.  Auch  in  den  Tertien  wird  der  Schüler  bei 
Eintreten  eines  neuen  Schriftstellers  zunächst  durch  gemeinsame 
Präparation  in  der  Klasse  angeleitet  werden  müssen.  Haben  die 
Schüler  eine  befriedigende  Gewandtheit  in  der  Übertragung  des 
Schriftstellers  erlangt,  so  wird  man  keine  Bedenken  tragen, 
namentlich  am  Ende  des  Schuljahres,  eine  Reihe  von  Abschnitten 
extemporieren  zu  lassen,  um  eine  Gewöhnung  an  ein  flottes  Auf- 
fassen der  Sprache  herbeizuführen  und  zugleich  um  die  notwendige 
Durchführung  durch  das  Schriftwerk  zu  ermöglichen.  Es  bleibe 
indessen  nicht  unausgesprochen,  dass  dieses  zeitweilig  flottere 
Tempo  im  Lesen  des  Schriftstellers  nicht  zum  Durchjagen  werden 
und  der  Gründlichkeit  der  Behandlung  der  Lektüre  im  ganzen 
keinen  Abbruch  thun  darf. 

Aus  unseren  seitherigen  Erörterungen  über  die  Lektüre  er- 
giebt  sich,  dass  wir  an  die  Übertragung  der  Schriftsteller  einen 
möglichst  hohen  Massstab  gelegt  wünschen.  Wenn  der  Wert  der 
Lektüre  nicht  zum  geringsten  Teil  darin  besteht,  dass  durch  die- 
selbe der  Schüler  französisch  lernen  soll,  d.  h.  lernen  das  ihm 
gebotene  Sprachmaterial  in  einer  dem  Vorbilde  des  gelesenen 
Schriftstellers  sich  nach  Möglichkeit  nähernden  Weise  verwenden, 
so  bedingt  dies  allein  schon,  dass  die  Unterschiede  zwischen 
französischem  und  deutschem  Ausdruck  in  grammatischer  und 
stilistischer  Beziehung,  zwischen  französischer  und  deutscher  Ord- 
nung der  Begriffe  und  logischer  Auffassung  voll  erfasst  werden, 
denn  für  eine  rein  instinktive  Aneignung  der  Sprache  vermittelst 


*J[  Weidmann  (Fritsche)  1  Mk.,  (Brunnemann)  0,50  Mk.,  Velhagen 
&  Klasing  0,60  Mk.,  Renger  1,25  Mk.,  Leiner  2  Mk.,  Teubner  1,80  Mk. 

2)  Weidmann  (Fritsche)  1  Mk.,  (Brunnemann)  0,50  Mk.,  Velhagen 
&  Klasing  0,50  Mk.,  Leiner  2,50  Mk.,  Teubner  1,80  Mk.,  Seemann  1  Mk., 
Theissing  0,40  Mk. 


182  F.  Tendtring, 

der  Lektüre  ist  der  Umfang  derselben  bei  weitem  nicht  ausreichend. 
Zieht  man  dazu  in  Betracht,  dass  der  Schriftsteller  anch  seiner 
selbst  willen,  wegen  seines  Inhalts  gelesen  wird,  so  wird  man 
kein  Bedenken  tragen  der  Forderung  zuzustimmen,  dass  durch 
die  Übersetzung  von  dem  Schiller  nicht  eine  mehr  oder  minder 
oberflächliche  Präparation  durch  Nachschlagen  einer  Anzahl  von 
Vokabeln  oder  der  etwaigen  Bemerkungen  des  Kommentars  nach- 
zuweisen ist,  sondern  dass  er  durch  die  Übersetzung  zeigen  mnes, 
dass  er  in  den  Sinn  der  von  ihm  Übersetzten  Stelle  eingedrungen 
ist  nnd  sich  nicht  begnügt  hat  —  was  ja  gerade  im  Französischen 
so  leicht  möglich  ist  —  dem  Wortlaut  gegenüber  befriedigendes 
zu  leisten,  ohne  dass  ihm  der  Inhalt  zum  Bewusstsein  gekommen 
wäre.  Die  handwerks  massigen  Übersetzer  pflegen  ja  freilich 
damit  zufrieden  zu  sein,  im  erziehenden  Unterricht  rauaa  Er- 
fassung von  Form  und  Inhalt  gefordert  werden.  Es  mnss 
demgemäss  bei  der  Übersetzung  dem  echtem  Französisch  echtes 
Deutsch  gegenüber  gestellt  werden.  Dies  ist  allerdings  eine 
ideale  Forderung,  und  man  darf  von  der  häuslichen  Präparation 
des  Schülers  namentlich  in  den  mittleren  Klassen  die  Erfüllung 
derselben  nicht  erwarten.  Das  Herausbringen  des  Sinnes  darf 
indessen  nur  dann  als  genügend  gelten,  wenn  Bemühungen  des 
Schülers  nach  jener  Richtung  hin  zu  erkennen  sind.  Anfgabe 
des  Unterrichts  ist  es,  einen  guten  deutschen  Ausdruck  in  ge- 
meinsamer Arbeit  festzustellen  und  so  die  Schüler  zur  selbst- 
atändigcn  Auffindung  desselben  anzuleiten.  In  den  oberen  Klassen 
werden  naturgemäss  höhere  Ansprüche  nach  dieser  Richtung  zu 
machen  sein,  Schülern  gegenüber,  denen  bei  der  Übersetzung 
der  alten  Schriftsteller  Aufgaben  gestellt  werden,  im  Vergleich 
mit  denen  eine  wortgetreue  Übersetzung  eines  französischen 
Schriftstellers  ihnen  eine  geradezu  lächerlich  geringe  Mühe  zu- 
muten würde. 

Eine  gute  deutsche  Übersetzung  werde  gefordert,  dabei 
aber  bleibe  unvergessen,  dass  die  im  Unterricht  festgestellte 
Übertragung  des  Schriftstellers  doch  noch  nicht  immer  die  absolut 
gute  ist,  die  keiner  Verbesserung  mehr  fähig  wäre  und  deren 
wörtliche  Wiedergabe  bei  einer  Wiederholung  demgemäss  von 
dem  Schüler  zu  verlangen  wäre.  Es  sei  dem  Schüler  gestattet, 
der  Übersetzung  eine  grössere  Vollendung  zu  geben,  missrät  es 
unter  seinen  Händen,  was  verschlägt's?  Der  Lehrer  wird  bei 
einer  minder  guten  Leistung  ohne  Mühe  erkennen  können,  wo- 
durch ein  Teil  der  Ladung  verloren  ging,  ob  durch  Nachlässig- 
keit oder  durch  das  an  sich  gewiss  berechtigte  Streben,  minder 
Gutes  durch  BeBBeres  zu  ersetzen.  Eine  solche  Nach  Übersetzung 
findet  überhaupt  am  besten  nicht  in  der  auf  die  erste  Durchnahme 


Ein  Lehrplan  für  den  französischen  Unterricht  am  Gymnasium.    183 

folgenden  Stunde  statt,1)  sondern  in  dieser  selbst,  während  der 
Schiller  sich  in  jener  über  die  erfolgte  häusliche  Wiederholung 
in  anderer  Weise  auszuweisen  hat. 

Es  sei  nun  im  Folgenden  auf  einige  Punkte  hingewiesen, 
welche  bei  einer  Übersetzung  aus  dem  Französischen  ins  Deutsche 
einer  besonderen  Beachtung  wert  erscheinen: 

Der  französische  Stil  unterscheidet  sich  vom  deutschen  nicht 
unwesentlich  in  seinen  Grundzügen  durch  einen  mehr  rhetorischen 
Charakter,  mit  der  die  Vorliebe  für  die  Antithese  und  die  asyo- 
detische  Anreihung  der  Sätze  und  Wortgruppen,  sowie  die  Bevor- 
zugung der  Beiordnung  der  Sätze  vor  der  Unterordnung  in  enger 
Verbindung  steht.  Auf  eine  angemessene  Abschwächung  de* 
rhetorischen  Charakters  durch  Einschiebung  von  Partikeln  wird 
daher  bei  der  Übersetzung  Bedacht  zu  nehmen  sein;  das  Asyndeton 
wird  nicht  selten  aufgegeben  werden  müssen,  und  Subordination 
wird  zuweilen  statt  der  Koordination  einzutreten  haben,  jedoch 
sei  bezüglich  des  letzteren  Punktes  Vorsicht  empfohlen,  da  wir 
Veranlassung  haben,  hierin  den  deutschen  Stil  gegenüber  seiner 
durch  das  Lateinische  beeinflussten  Vorliebe  für  Einschachtelung 
von  Sätzen   einer  Zucht  durch  das  Französische  zu  unterwerfen. 

Dem  Französischen  eigentümlich  ist  eine  gewisse  Einförmig- 
keit im  Beginn  der  Sätze,  während  das  Deutsche  nach  Abwechselung 
strebt;  namentlich  wird  der  im  Französischen  übliche  Beginn  der 
8ätze  mit  demselben  Subjekt  —  wenn  auch  in  verschiedener  Form 
—  zu  einer  Änderung  auffordern.  Bezüglich  der  Ordnung  der 
Wortgruppen  wird  sich  vielfach  ein  Wechsel  empfehlen,  soweit 
jedoch  durch  die  Eigentümlichkeit  in  der  ursprünglichen  Ordnung 
eine  bestimmte  Nuance  des  Sinnes  zum  Ausdruck  gelangen  soll, 
wird  dieselbe  nicht  aufzugeben  sein,  unter  Umständen  wird  eine 
Änderung  der  Konstruktion  dann  eintreten  müssen.  Gründe  des 
Wohlklangs  werden  wie  bei  der  Wahl  des  Ausdrucks,  so  bei  der 
Anordnung  der  Wörter  und  Wortgruppen  nicht  ausser  acht  zu 
lassen  sein. 

Infinitiv- Sätze  und  sonstige  verbale  Wendungen  sind  vielfach 
durch  deutsche  Verbalsubstantive  auf  -nng  wiederzugeben:  il 
aspira  ä  acquirir  uns  fortune  =  Erwerbung;  auch  die  den 
Thäter  bezeichnenden  Verbalsubstantiva  sind  nicht  so  zahlreich 
als  im  Deutschen;  celui  qui  parlait  =  der  Redner,  ähnlich  ce 
qui  suü  =  das  Folgende.  An  den  Gebrauch  zusammengesetzter 
Substantive  und  Adjektive  werde  erinnert:  la  soif  de  la  glotre  = 
die  Ruhmsucht;  avec  la  rapiditi  du  trait  =  pfeilschnell. 
Die  Übersetzung  von  aller,  venir,  faire  und  ähnlichen  Ausdrücken, 


i)  Vgl.  Münch,  Zur  Ford,  des  franz.  ünierr.    S.  79. 


■ 


184  F.   Tenderiwj, 

sowie  von  il  y  a  bedarf  oft  besonderer  Aufmerksamkeit.  Häufiger 
als  im  Französischen  wird  das  Präsens  für  das  Futurum  einzu- 
treten baben,  dem  Konditionnel  entspricht  oft  der  Konjunktiv  des 
Plusquamperfektums.  Die  verschiedenartige  Übersetzung  von 
■meine  sei  bemerkt,  tout  ce  qtti  und  tous  eeux  gui  Bind  durch 
alles  was,  alle  welche  wieder  zu  geben.  Für  il  tritt  oft 
deutsches  dieser  oder  derselbe  ein.  Das  Adverb  entspricht 
oft  einem  umfangreicheren  französischen  adverbialen  Ausdruck 
oder  einer  verbalen  Wendung:  avee  eourage  mutig,  sans  peine 
mühelos,  on  xait  bekanntlich,  ne  pas  laister  doch,  aimer  ä 
gern,  comntencer  par  zuerst,  ceeser  de  nicht  mehr,  revttir  ä 
glücklich.  Ein  Adjektiv  tritt  ein  in  Fällen  wie  le  livre  en 
question  fraglich,  le  tratlre  de  payuan  verräterisch. 

Oft  ist  die  Auslassung  und  umgekehrt  die  Einfügung  eines 
Wortes  notwendig:  la  question  de  savoir  «die  Frage  ob,  r.ovp 
iXipie  Stoss,  andererseits  tnoyens  Mittel  und  Wege,  moniere 
Art  und  Weise,  bruler  de  faire  vor  Begierde  brennen, 
exposer  der  Gefahr  aussetzen,  a'ob»tiner  ä  faire  auf  einem 
Entschlösse  bestehen  u.  a.  w. 

Endlich  Bei  noch  auf  die  richtige  Auflösung  von  Partizipial- 
sätzen, auf  die  Übersetzung  von  Appositionen  und  auf  die  Not- 
wendigkeit einer  genauen  Wahl  zwischen  etwa  zu  Gebote  stehenden 
Synonymen  aufmerksam  gemacht. 

Nur  einzelne  Punkte  sind  hier  zur  Sprache  gebracht  worden, 
gewissermasBen  als  Nachweis  der  Schwierigkeiten,  welche  sich 
einer  guten  Übersetzung  eines  französischen  Textes  entgegen- 
stellen. Wir  verfehlen  nicht  auf  die  geistvolle  Abhandlung 
Mlinch's:  „Die  Kunst  des  Übersetzens  aus  dem  Französischen,"1) 
hinzuweisen,  worin  auch  vieles  von  dem,  worauf  hier  nur  mit 
einem  einzelnen  Beispiele  kurz  hingewiesen  wurde,  ausführlicher 
behandelt  wird. 

d.  Erklärung.  Die  Erklärung  der  Schriftsteller  ist  eine 
zweifache,  eine  sprachliche  und  eine  sachliche.  Die  sprachliche 
Erklärung  hat  in  erster  Linie  alles  dasjenige  in  Betracht  zu 
ziehen,  was  zum  Verständnis  des  Inhalts  des  Gelesenen  notwendig 
erscheint.  Hiermit  kann  sie  sich  bei  der  kursorischen  Lektüre 
begntlgen.  Im  allgemeinen  aber  soll  an  dem  lebendigen  Sprach- 
Stoff  im  SchriftBteller  das  Walten  der  Sprachgesetze  zur  An- 
schauung gebracht  werden,  es  soll  namentlich  auch  die  logische 
Begründung    syntaktischer  Erscheinungen   dem  Schüler  aus   dem 

1)  Zeitschrift  für  neufram.  Spr.  u.  Lit.  IX».  59  ff.,  auch  „  Ver- 
mischte Aufsätze  über  Unterrichtsziele  und  Unterricktsknnst."  S.  165  ff. 
Vgl.  auch  Franke,  Franz.  Stilistik  und  Beckmann,  Anleitung  zu  franz. 
Arbeiten. 


Em  Lehrplan  für  den  französischen  Unterricht  am  Gymnasium.    185 

inneren  Zusammenhang  des  Gelesenen  heraas  klar  werden.  Die 
Erklärung  hat  also  weiterhin  auch  diejenigen  Spracherscheinungen 
in  berücksichtigen,  welche  ein  neues  Licht  auf  bereits  bekannte 
Gesetze  werfen  oder  sonstwie  zur  Erweiterung  des  grammatischen 
Verständnisses  beizutragen  geeignet  sind.  Auch  diejenigen  Dinge 
müssen  kurz  berührt  werden,  welche  zur  Illustration  des  gerade 
behandelten  grammatischen  Gebietes  dienen.  Wie  in  unteren 
Klassen  die  grammatischen  Kenntnisse  zunächst  an  der  Lektüre 
zu  entwickeln  sind,  wie  ferner  in  den  mittleren  Klassen  syntak- 
tische Vororientierung  aus  der  Lektüre  zu  schöpfen  ist,  wurde 
bereits  gezeigt  Vor  einem  Zuviel  hat  man  sich  nach  dieser 
Richtung  zu  hüten,  indessen  möge  man  sich  nicht  scheuen,  einen 
kleineren  Abschnitt,  dessen  inhaltliches  Verständnis  keine  Schwierig- 
keiten bietet,  hier  und  da  nach  der  sprachlichen  Seite  hin  gründ- 
lich durchzuarbeiten.  Auch  die  phraseologischen  und  die  ein- 
fachsten stilistischen  Eigentümlichkeiten  des  Textes  bedürfen  der 
Besprechung  und  wenn  möglich  der  logischen  Analyse.  Es 
empfiehlt  sich,  die  zur  Erörterung  kommenden  sprachlichen  Punkte 
von  den  Schülern  mit  leichtem  Bleifederstrich  im  Buche  bezeichnen 
zu  lassen,  damit  sie  bei  der  häuslichen  Wiederholung  von  neuem 
im  Zusammenhange  darauf  aufmerksam  werden.  Nur  weniges  wird 
in  das  erwähnte  Regelheft  in  den  mittleren  Klassen  einzutragen 
sein,  hierbei  braucht  nur  die  Fassung  der  Regel  in  der  Stunde 
diktirt  zu  werden,  die  etwaigen  Beispiele,  aus  denen  sich  dieselbe 
ergiebt,  oder  welche  sie  illustrieren,  kann  der  Schüler  nach  ent- 
sprechender Bezeichnung  im  Unterricht  zu  Hause  eintragen. 

Soll  der  Schüler  wirklich  in  den  Inhalt  eines  Schriftstellers 
eingeführt  werden,  so  ist  es  notwendig,  dass  an  der  geeigneten 
Stelle  zu  sachlichem  Umblick  verweilt  werde.  Ein  nicht  zu  um- 
fangreicher zusammengehöriger  Abschnitt  ist  inhaltlich  zu  ana- 
lysieren, Reden  und  Dramen  Bind  zunächst  in  ihren  einzelnen 
Teilen,  später  im  Ganzen  nach  ihrem  Aufbau  zu  besprechen. 
Wiederholung  solcher  zusammengehörigen  Abschnitte  durch  Über- 
setzung, blosses  Lesen,  Verarbeitung  des  Stoffes  in  Extemporalien, 
Sprechübungen,  die  sich  an  den  Inhalt  des  Gelesenen  anschliessen, 
scheinen  mir  die  Mittel  zu  sein,  durch  welche  ausserdem  das 
Verständnis  des  Inhalts  gefördert  wird.  Inhaltliche  Schwierig- 
keiten sind  durch  sachliche  Erklärungen  zu  heben,  es  kann  bei 
dieser  Erklärung  alles  dasjenige  mit  ziemlicher  Kürze  abgemacht 
werden,  was  bereits  durch  den  dem  Buche  des  Schülers  etwa 
beigegebenen  Kommentar  berücksichtigt  ist,  andererseits  ist  auf 
alles  näher  einzugehen,  was  zur  Erkenntnis  französischer  Sitte 
und  Anschauungsweise,  sowie  französischen  Volks-  und  Geistes- 
lebens  beizutragen  geeignet  ist.     Möglichst  knapp   aber  werden 


18«  F.  TtHdering, 

wegen  der  karg  bemessenen  Zeit  die  diesbezüglichen  Bemerkungen 
des  Lehrers  aein  müssen.  Die  Lektüre  französischer  Geschiehta- 
werke  wird  nicht  selten  Veranlassung  geben,  einseitige  Auffassung 
geschichtlicher  Ereignisse  zn  korrigieren;  vor  der  Anführung  zahl- 
reicher geschichtlicher  Einzelheiten,  wie  sie  viele  Kommentatoren 
lieben,  sei  gewarnt. 

e.  Lesen.  Beim  Lesen  des  französischen  Textes  ist  natür- 
lich anf  ausser  ste  Korrektheit  der  Laute  und  anf  ninngemässe 
Betonung  zn  halten.  Namentlich  werde  darauf  geachtet,  das« 
im  Zusammenhang  der  Wortton  gegenüber  dem  Satzton  zurück- 
tritt. Mit  einiger  Vollkommenheit  zu  lesen  ist  nnr  dann  möglich, 
wenn  Erfassung  des  Inhalts  bereits  eingetreten  ist,  darum  lasse 
man,  soweit  es  sich  um  Stellen  handelt,  die  in  häuslicher  Arbeit 
vom  Schüler  präpariert  sind,  das  Lesen  den  Abschluss  der  Be- 
schäftigung mit  dem  Schriftsteller  bilden,  dergestalt,  dass  dasselbe 
erst  nach  der  Übersetzung  eintritt.  Verteilt  man  den  Stoff  so, 
dass  möglichst  —  eine  strenge  Beachtung  dieses  Grundsatz«« 
erscheint  nicht  durchführbar  —  in  jeder  Stunde  ein  in  sich  ab- 
geschlossener Abschnitt  zur  Behandlnng  kommt  und  scheidet  toi 
der  Betrachtung  desselben  mit  dem  Lesen,  so  wird  man  dem 
Schüler  in  der  geeignetsten  Weise  Anschauung  lebendiger  Sprache 
und  Verständnis  von  Inhalt  nnd  Form  des  Sprachmaterials  ver- 
schafft haben,  anch  wird  der  Schüler  mit  einem  Gefühle  grosserer 
Befriedigung  sein  Buch  schliessen,  als  wenn  ihm  in  dem  letzten 
Teile  der  Unterrichtsstunde  sprachliche  Einzelheiten  geboten  sind. 
Nicht  nachdrücklich  genug  kann  darauf  hingewiesen  werden,  — 
und  darum  sei  es  an  dieser  Stelle  wiederholt  —  dass  befriedigende 
Leistungen  auf  dem  Gebiete  der  Aussprache  nur  dann  erwartet 
werden  können,  wenn  in  allen  Klassen  gleichmässig  mit  Ent- 
schiedenheit diesem  Zweige  des  französischen  Unterrichts  Rech- 
nung getragen  wird. 

Sprechübungen.  Als  Mittel  zur  Förderung  dea  Ver- 
ständnisses der  Lektüre  worden  oben  U.  a.  Sprechübungen  üb 
Anschlüge  an  die  Lektüre  empfohlen,  wie  sie  auch  von  der 
Unterrichtsordnung  gefordert  werden.  Die  Reproduktion  des 
Inhaltes  eines  im  Unterricht  durchgearbeiteten  LektureBtoffs  ig 
Frage  und  Antwort  ist  der  geeignetste  Weg,  um  au  einem  ge- 
wissen Orade  des  Könnens  in  der  fremden  Sprache  zu  gelangen. 
Die  Sprechübungen  sind  sozusagen  das  mündliche  Extemporale, 
sie  haben  dazu  den  Vorzug,  dass  der  SchUler  ohne  die  Krfleke, 
welche  der  bei  einer  Übersetzung  vorgelegte  deutsche  Text 
bietet,  zu  gehen  genötigt  wird,  dass  er  ohne  Vennitteinng 
deutscher  Vokabeln  den  in  seinem  Kopfe  angesammelten  Sprack- 
stoff  in  Bewegung  setze«  tnuss. 


Ein  Lehrplan  für  den  französischen  Unterricht  am  Gymnasium.    187 

Zum  Erfolg  der  Sprechübungen  ist  eine  wesentliche  Vor- 
bedingung, dass  der  Stoff,  an  den  sie  sich  anschliessen,  allen 
Schülern  vollkommen  geläufig  sei.  Man  wird  daher  alle  ab- 
strakteren und  mehr  reflektierenden  Teile  des  Lektürestoffes  für 
dieselben  nieht  in  Betracht  ziehen,  vielmehr  sich  an  das  rein 
Erzählende  halten  und  unter  Umständen  geradezu  einen  besonderen 
Stoff  zu  Grunde  legen,  den  eine  vom  Lehrer  wiederholt  vor- 
gelesene oder  erzählte  kleinere  Geschichte  bietet.  Nur  wenn 
der  Schüler  weiss,  was  er  sagen  soll,  werden  ihm  die  Schwierig- 
keiten, wie  er  es  sagen  soll,  nicht  unüberwindlich  erscheinen. 
Es  ist  notwendig,  dass  der  Schüler  mit  Frische,  mit  einem  ge- 
wissen Mute  an  die  Sache  herantritt,  und  diese  Kühnheit,  mit 
der  er  vielleicht  bezüglich  der  Konstruktion  zuweilen  ganz  gründ- 
lich vorbeirät,  darf  ihm  nicht  durch  Tadel  etwaiger  Verfehlungen 
geraubt  werden.  Er  muss  das  Gefühl  haben,  dass  er  hier  ge- 
rade heraus,  ohne  viel  Überlegung  seine  Antwort  auf  die  Frage 
des  Lehrers  sagen  soll,  und  darum  werde  zwar  alles  Verfehlte 
sorgfältigst  richtig  gestellt,  aber  Tadel  und  wohl  gar  Strafe  auch 
für  die  gröbsten  Sünden  gegen  die  Grammatik  sei  verbannt.  — 
Nach  oben  hin  wird  der  Anschluss  an  die  Lektüre  ein  freierer 
sein  können. 

Durch  die  an  die  Lektüre  sich  anschliessenden  Sprech- 
übungen ist  es  leicht,  den  Schüler  zu  nötigen,  den  bei  derselben 
erworbenen  Schatz  an  Vokabeln  und  Redensarten  im  Zusammen- 
hang zu  verwerten.  Wird  auf  diese  Art  der  Nachweis  über  den 
Grad  der  Einprägung  derselben  erbracht,  so  wird  das  Abfragen 
isolierten  Sprachstoffes  wesentlich  beschränkt  werden  können. 
„Durch  vieles  und  fortgesetztes  Sprechen  werden  dem  Schüler 
mehr  Vokabeln  und  grammatisch  und  stilistisch  richtige  Aus- 
drucksweisen beigebracht  und  in  seinem  Gedächtnis  befestigt, 
als  durch  hundert  lange  Vokabellisten,  tausend  Regeln  und  Über- 
setzen unzähliger  schlecht  stilisierter  Einzelsätze. a  Indessen 
werde  isoliertes  Abfragen  nicht  ganz  verbannt,  nur  darf  man, 
wie  schon  oben  erwähnt,  nicht  verlangen,  dass  der  Schüler  schon 
gleich  bei  der  Präparation  alle  etwa  vorkommenden  Vokabeln 
und  Redensarten  sich  so  fest  eingeprägt  hat,  dass  er  sie  ausser- 
halb des  Zusammenhanges  weiss;  es  muss  genügen,  dass  ihm 
dieselben  dann  innerhalb  des  Satzes  bei  der  Übersetzung  bekannt 
sind;  isoliertes  Abfragen  hat  erst  seine  Berechtigung,  nach- 
dem sie  durch  den  Unterricht  eingeübt  sind,  also  nach  erfolgter 
Repetition.1) 

Synonymik.    Zum  vollen  Verständnis  der  Lektüre  ist  die 


*)  Vgl.  auch  Bernh.  Schmitz,  Enoyclopddie*  IV.     ß.  185. 


■ 


188  F.  Tmdering, 

auch  von  der  Prüfungsordnung  geforderte  Kenntnis  der  wichtigsten 
Synonymen  notwendig.  Auf  diesem  Gebiete  viel  zn  leisten  ist 
dem  Gymnasium  freilich  nicht  möglich,  aber  gewisse  Dinge 
müssen  unweigerlich  such  hier  gewusBt  werden.  Systematisches 
Vorgehen  würde  unfruchtbare  Gedächtnisarbeit  sein,  die  Syno- 
nymik hat  vielmehr  aus  dem  Unterricht  heraus  zu  erwachsen. 
Im  AnachlusB  an  das  etwa  in  der  Lektüre  vorkommende  Wort 
werde  die  Bedeutung  aus  dem  Zusammenhange  und  wenn  eben 
möglich  aus  dem  lateinischen  Etymon  entwickelt  und  Beinern 
Synonymen  gegenübergestellt.  Synonymische  Unterweisung  kann 
nicht  Unterrieb tegegen stand  einer  bestimmten  Klasse  Bein,  es 
rou  HB  vielmehr  schon  früh  das  Auge  für  die  diesbezüglichen 
Unterschiede  geöffnet  werden;  jede  Klasse  muss  ihren  Teil  znr 
Erwerbung  synonymischer  Kenntnisse  beitragen,  so  dass  in  der 
Prima  ein  gewisser  Schatz  vorbanden  ist,  den  es  gilt  in  er- 
weitern und  im  Verständnis  zu  vertiefen.  Zur  festen  Aneignung 
sind  alle  diejenigen  Synonymen  zu  bringen,  deren  Verwechslung 
geradezu  sinnloses  ergäbe  (Stümper- Synonyma)  wie  expliquer  und 
dielaret,  lourd  und  difßeile,  oder  die  in  so  schroffer  Weise  sich 
von  einander  scheiden,  dass  wesentliche  Schiefheiten  durch  ihre 
Vertanscbung  entstehen  würden,  wie  vieux,  ancien,  antique;  langue 
und  langage.  Es  äst  notwendig,  dass  der  Schüler  gewöhnt  werde 
an  eine  knappe,  schul  gemäss  einfache,  dabei  wissenschaftlich 
richtige,  wenn  auch  nicht  ganz  erschöpfende  Definition  der 
Synonymen,  wie  sie  sich  im  Anschlags  an  die  Bücher  von  Bernh. 
Schmitz  und  von  Koldewey  leicht  geben  läset.  Folgende  scheinen 
mir  diejenigen  Synonymen  zu  Bein,  deren  Kenntnis  man  bei  dem 
Abiturienten  muss  voraussetzen  können: 

allgemein  generat,  univereel, 

alt,  vieux,  ancien,  antique,  &gi, 

annehmen,  erhalten,  prendre,  aeeepter,  recevoir,  obtenir, 

Aufstand,  inturreetion,  ribeüion,  rivolte,  rtvoliäion,  (souü- 
vement,  sedition), 

Berg,  mont,  tnontagne, 

berühmt,  ul&bre,  fameux,  renommi  (illustre), 

beechliesBen,  conelure,  risoudre. 

betrachten,  regarder,  consitUrer, 

brauchen,  employer,  se  servir  de,  avoir  besoin  de,  faüoir, 

Bürger,  citoyen,  bourgeoi», 

denken,  penser,  songer,  rSver, 

erklären,  diclartr,  expliquer, 

ernst,  sirieux,  graue, 

Fehler,  faule,  defaul, 

Fleisch,  chair,  viande, 


Ein  Lehrplan  für  den  französischen  Unterricht  am  Gymnasium.    189 

Fluss,  rivitre,  fleuve, 

folgen,  suivre,  sucdder, 

führen,  guider,  conduire,  mener, 

Furcht,  crainte,  peur,  apprihension, 

furchtbar,  redouiable,  formidable, 

Geschlecht,  sexe,  genre,  race,  giniration, 

Glück,  bonheur,  fortune  (prosp&riU), 

heilig,  saint,  saeri, 

Hoffnung,  espoir,  esperance, 

hören,  entendre,  icouter, 

Jahr  u.  ä.,  an,  annie, 

jeder,  tout,  chaque, 

leicht,  Ugery  facüe  (axsi), 

leiden,  souffrir,  endurer,  supporter  (tolirer), 

Macht,  ptiissance,  pouvoir,  force, 

Opfer,  sacrifice,  victime, 

Person,  personne,  personnage, 

raten,  conseiüer,  deviner, 

regieren,  rtaner,  gouverner,  rigir, 

Regierung,  rlgne,  gouvernement,  rigirne, 

Ruhe,  tranquittiti)  calme,  repos, 

Sache,  chose,  cause, 

scheinen,  paraUre,  sembler, 

sicher,  sür,  certain, 

schwer,  lourd,  difficüe  (grave), 

Sprache,  langue,  langage, 

stolz,  fier,  orgueüleux,  hautain, 

Stunde,  heute,  lieue,  lecon, 

Stück,  morceau,  püce, 

Teil,  partie,  pari,  portion, 

teilen,  dwiser,  par tager,  distribuer, 

Ufer,  bord,  rive,  rivage  (plage), 

verfolgen,  poursuivre,  persicuter, 

wählen,  choisir,  elire, 

Wort,  mot,  parole, 

Wunder,  prodige,  merveüle,  miracle. 

Auch  andere  synonymische  Begriffe  werden  gelegentlich  zur 
Erörterung  kommen,  und  man  wird  die  Schüler  auch  auf  feinere 
Unterscheidungen  wie  culture  und  civüisation ;  ascendant,  ardeur 
and  zUe;  mifiance  und  difiance  aufmerksam  machen. 

Litteraturgeschichte.  Von  der  Geschichte  der  französi- 
schen Litteratur  ist  weder  in  den  Lehrplänen  noch  in  der  Prüfungs- 
ordnung die  Rede;  gleichwohl  wird  der  französische  Unterricht 
auch   am  Gymnasium  nicht  umhin   können,  den  Schülern   einige 


190  F.  Tendering, 

Kenntnisse  auf  diesem  Gebiete  zu  Übermitteln.  Nicht  freilich  ist 
Li tteraturge schiebte  an  sich  zu  treiben,  äusserst«  Beschränkung 
ist  notwendig,  aber  diese  Beschränkung  darf  nicht  soweit  gehen, 
dass  der  Schiller  nur  von  dem  zufällig  von  ihm  gelesenen  Schrift- 
steller etwas  erfährt,  um  so  weniger,  da  nicht  nur  Schriftsteller  von 
hervorragender  litterarischer  Bedeutung  sich  zur  Schullektüre 
eignen.  Namen  wie  Boilean,  J.  J.  Rousseau,  Victor  Hugo  dürfen 
dem  Abiturienten  kein  blosser  Klang  sein,  auch  wenn  er  selbst 
von  ihnen  noch  nichts  gelesen  hat.  Noch  viel  weniger  darf 
andererseits  der  Geist  des  Schülers  mit  Daten  und  Einzelheiten 
aus  dem  Leben  des  gelesenen  Schriftstellers  überlastet  werden. 
Es  handelt  sich  vielmehr  darum,  im  Anschluss  an  die  Lektüre 
einen  kurzen  Überblick  Über  die  Entwicklung  der  gesamten 
Litteratur  zu  geben,  die  in  ihr  hervortretenden  Strömungen  nach 
Ursache  und  Folge  zu  erklären  und  ein  Verständnis  zu  erwecken 
von  dem  Wesen  der  zur  Erörterung  kommenden  Schriftsteller, 
von  ihrer  Stellung  innerhalb  des  Verlaufs  der  Geschichte  der 
Litteratur,  von  ihrer  kulturgeschichtlichen  Bedeutung,  sowie  den 
Wechselbeziehungen  zwischen  der  französischen  and  der  vater- 
ländischen Litteratur.  Im  wesentlichen  wird  dieser  Zweig  des 
französischen  Unterrichts  der  Prima  zufallen  mllssen. 

Es  könnte  auf  den  ersten  Blick  schwierig  oder  wenigstens 
gezwungen  erscheinen,  die  litterargeschichUiche  Belehrung  an 
die  Lektüre  anzuschließen.  Aber  bietet  sich  nicht  bei  der  Be- 
handlung eines  Moliere 'sehen  Lustspiels  fortwährend  Veranlassung 
auf  die  persönlichen  literarischen  Verhältnisse  dieses  Dichters, 
auf  seine  Stellung  gegenüber  Racine  und  Corneille,  sowie  auf 
die  alte  volkstümliche  Litteratur  der  Franzosen  einen  Blick  zu 
werfen?  Die  Femmes  Savantes  im  besonderen  nötigen  zu  einem 
Hinweis  auf  das  Hotel  de  Rambouillet  und  ähnliche  Bestrebungen, 
sowie  auf  die  gesamte  Einwirkung  der  Renaissance  auf  die 
französische  Litteratur.  Die  Betrachtung  der  Sprache  Moliere's 
gegenüber  der  heutigen  richtet  unser  Auge  auf  die  Bestrebungen 
der  Plejade  und  Malherbe's.  Der  Bau  des  klassischen  Dramas  und 
seine  Metrik  weist  auf  Boilean  einerseits  und  auf  Victor  Hugo 
und  die  Romantiker  andererseits  hin;  die  Lektüre  Mignet's  zwingt 
uns  der  Schriftsteller  des  XVIII.  Jahrhuuders,  namentlich  J.  J. 
Roussean's,  Voltaire 'b,  sowie  Mo ntesquieu's  zn  gedenken;  Lanfrey 
erinnert  an  die  Urheber  der  napoleonischen  Legende.  Erckmann- 
Chatrian  und  Madtmoinelie  de  la  Seigli&re  bieten  Veranlassung 
zu  Bemerkungen  über  die  neueste  Litteratur,  über  das  Verhältnis 
von  Klassizismus  und  Romantik,  über  das  Aufkommen  des  Realis- 
mus und  die  Ausartung  desselben  den  Naturalismus  u.  s.  w. 

Es    wurde    bereits    die    alte   volkstümliche    Litteratur   der 


Em  Lehrplan  für  den  französischen  Unterricht  am  Gymnasium.    191 

Franzosen  erwähnt  Ich  halte  es  für  wertvoll,  dass  der  Schüler 
weise,  dass  die  französische  Litteratur  nicht  erst  mit  dem  klassi- 
schen Zeitalter  beginnt.  Von  dem  Inhalt  nnd  der  Bedeutung  des 
Rolandsliedes,  aaeh  von  der  litterarischen  Wichtigkeit  der  alt- 
französischen Kunstepen,  von  denen  unsere  mittelhochdeutschen 
Epen  zun  Teil  unbedeutende  Nachahmungen  sind,  von  der  Exi- 
stenz der  grossen  alten  Chronisten  muss  der  Schüler  eine 
Ahnung  erhalten,  er  muss  von  der  gewaltigen  Natürlichkeit  eines 
Rabelais  hören,  und  die  Entwickelung  des  Dramas  darf  ihm  nicht 
fremd  bleiben. 

Metrik.  An  die  poetische  Lektüre  schliesst  sich  die  not- 
wendigste Belehrung»  über  die  französische  Metrik  an..  Die  erste 
metrische  Anweisung  hat  da  statt  zu  finden,  wo  zum  ersten  Male 
französische  Verse  gelesen  werden,  jedoch  sei  sie  hier  rein  prak- 
tischer Art  und  beschränke  sich  darauf,  richtiges  Lesen  fran- 
zösischer Verse  beizubringen.  In  den  mittleren  Klassen  werde 
dann  das  allgemeine  Prinzip  der  französischen  Metrik  nachge- 
wiesen und  im  Anschluss  an  die  zu  lesenden  Gedichte  das  Not- 
wendigste über  Strophenbau,  Silbenzählung  und  Reim  vorgeführt. 
Bei  der  Lektüre  der  klassischen  Dramen  wird  dann  weiterhin 
die  natürliche  Stelle  sein  zu  einem  Eingehen  auf  den  Alexan- 
driner mit  Gäsur,  Enjambement,  sowie  auf  Eigentümlichkeiten  der 
dichterischen  Sprache,  womit  eine  Erweiterung  der  früher  er- 
worbenen Kenntnisse  zu  verbinden  ist.  Alles  Einzelne  ist  jeden- 
falls ans  der  praktischen  Beobachtung  zu  gewinnen,  theoretische 
Belehrung  an  sich  muss  als  wertlos  bezeichnet  werden,  somit 
alles  dasjenige  verbannt  sein,  was  nicht  zum  richtigen  Lesen 
der  Verse,,  oder  zur  Erkenntnis  der  Wechselbeziehung  von  Form 
und  Inhalt,  sondern  vielmehr  zur  Versbildung  notwendig  erscheint. 

Sprachgeschichte.  Es  bleibt  uns  schliesslich  ein  Punkt 
im  Znsammenhang  kurz  zu  besprechen ,  der  schon  mehrfach  er- 
wähnt wurde.  Bei  der  Behandlung  der  Grammatik  wurde  die 
Forderung  aufgestellt,  dass  überall  da,  wo  es  für  das  Verständnis 
der  grammatischen  Erscheinungen  wünschenswert  erscheine,  auf 
den  Ursprung  derselben  im  Lateinischen  zurückgegangen  werde. 
Das  Gymnasium  hat  die  Pflicht,  auch  die  Ergebnisse  der  histo- 
rischen Grammatik  für  den  Unterricht  nutzbar  zu  machen,  wenn 
sie  so  leicht  in  den  Dienst  derselben  gestellt  werden  können, 
wie  es  hier  der  Fall  ist.  Bei  jedem  Schritte  stösst  der  Schüler 
auf  Dinge,  welche  nach  seiner  eigenen  Erkenntnis  mit  den  ihm 
geläufigen  Erscheinungen  im  Lateinischen  zusammenhängen.  Die 
Frage:  wie  hat  sich  die  Umformung  des  lateinischen  Wortes 
oder  der  lateinischen  Form  vollzogen,  drängt  sich  ihm  von  selbst 
auf  nnd    erheischt    darum   Antwort.     Wollte    der   Lehrer    diese 


■ 


192      F.  Tenderiw/,  Em  Lehrplan  f.  d.  franz.  Unterricht  am  Gymnasium. 

Antwort  nicht  geben,  ho  wird  sich  nur  eine  unbestimmte  Ahnung 
des  wirklichen  Zusammenhangs  der  Dinge  im  Geiste  des  Schülers 
bilden,  die  ihn  zu  den  falschesten  Schlüssen  verleiten  würde. 
Gewisse  Grundbegriffe  müssen  daher  an  dem  durchzuarbeitenden 
Sprach material  erkannt  werden,  massgebend  muss  dabei  stets 
die  Bedeutung  derselben  für  die  praktische  Formen-  und  Wort- 
bildung sein. 

Die  allgemeinen  Grundsätze  der  Lantent Wickelung:  die  Er- 
haltung der  Tonsilbe,  meist  anter  Verwandlung  des  Vokals;  das 
Zusammen  schwinden  unbetonter  Silben  und  das  Verstummen  der 
Endungen  ausser  a,  die  Schwächung  inlautender  Konsonanten 
müssen  dem  Schüler  vor  Augen  geführt  werden. 

Im  einzelnen  ist  die  regelmässige  Behandlung  der  betonten 
Vokale  in  offener  und  geschlossener  Silbe  und  der  inlautenden 
Konsonanten  bezuglich  der  Lautlehre  darzulegen.  In  der  Formen- 
lehre wird  namentlich  die  Konjugation,  wie  schon  oben  ausein- 
andergesetzt wurde,  durch  Hinweise  auf  die  historische  Ent- 
wicklung, zum  Verständnis  zu  bringen  sein.  Wie  weit  mit 
solchen  historischen  Erklärungen  gegangen  werden  darf  und 
muss,  hat  der  Takt  des  einzelnen  Lehrers  zu  entscheiden,  jeden- 
falls mnss  dem  Schüler  durch  dieselben  ein  Blick  in  das  Leben 
der  Sprache  eröffnet  werden,  der  eben  wegen  der  Bekanntschaft 
mit  dem  Lateinischen  in  keiner  anderen  Sprache  ao  leicht  en 
erreichen  ist.  Eine  kurze  planmässige  Zusammenfassung  des 
Dagewesenen  wird  sich  in  der  Ober-Prima  leicht  in  einer  bis 
höchstens  zwei  Stunden  geben  lassen. 

F.  Tbnderino. 


Syntaktische  Notizen  zu  Jean  Calvin. 

Calvin's  Institution  ist  von  Grosse  zuerst  in  Herrig1 8 
Archiv  1879  and  sodann  in  der  Dissertation  Syntaktische  Studien 
»  Jean  Calvin,  Oiessen  1888,  untersucht  worden.  Über  diese 
letztere  Arbeit  habe  ich  in  dieser  Ztschr.  XI2,  177  berichtet 
Eigene  Lektüre  der  Schrift  Calvin's  zeigte  mir,  dass  Grosse  in 
Beziehung  auf  das  Material  durchaus  nicht  so  vollständig  ist,  wie 
dies  erforderlich  wäre,  dass  er  einige  wichtige  Sachen  ganz  über- 
sieht und  in  einzelnen  seiner  Angaben  nicht  genau  ist.  Ich  will 
daher  in  den  folgenden  Notizen  Grosse  ergänzen  resp.  berichtigen, 
ohne  jedoch  jede  Unrichtigkeit  in  der  grammatischen  Auffassung 
richtig  zu  stellen.  Wenn  bei  einer  besprochenen  Erscheinung 
nicht  angegeben  ist,  dass  Gr.  bereits  dieselbe  erwähnt,  fehlt  sie 
bei  ihm  gänzlich,  das  sei  hier  ein-  für  allemal  bemerkt.  In  der 
Disposition  wäre  es  für  mich  das  Natürlichste  gewesen,  mich  an 
die  vorliegende  Abhandlung  anzuschliessen,  doch  ist  mir  die  dort 
innegehaltene  Anordnung  so  wenig  sympathisch,  dass  mir  das 
unmöglich  schien.  Gar  nicht  berücksichtigt  ist  die  Wortstellung, 
die  eine  ausführliche  Abhandlung  für  sich  allein  erheischen 
würde.  Bei  den  Notizen,  die  ich  gebe,  kommt  es  mir  auf  das 
Material,  nicht  auf  die  Erklärung  der  an  und  für  sich  bekannten 
Erscheinungen  an,  und  der  sprachhistorische  Gesichtspunkt  ist 
für  mich  massgebend  gewesen,  wenngleich  ich  davon  absehen 
mu88,  sprachhistorische  Bemerkungen  zu  geben.  Zu  Grunde  ge- 
legt habe  ich  den  Text  des  Corpus  Reformatorum,  Braunschweig 
1865,  Vol.  XXXI  und  XXXII.  Zitiert  ist  nach  Band  (I.  und  II.) 
und  Seite,  ein  Verfahren,  das  praktischer  schien  als  das  von  Gr. 
befolgte,  welcher  nach  Buch,  Kapitel  und  Paragraph  zitiert,  fia 
die  meisten  Paragraphen  weit  über  eine  Seite  hinausreichen. 
Ausser  der  Institution  habe  ich  auch  die  Briefe  in  der  Ausgabe 
von  Jules  Bonnet,  Paris  1854,  2  Bände,  gelesen,  welche  ganz 
mit  der  ersteren  Schrift  übereinstimmen,   aus    denen   ich  jedoch 

Zsckr.  £.  ftn.  8pr.  o.  Litt.    XII1.  13 


194  A.  Boote, 

hier  and  dt  einzelne  mit  L  bezeichnete  Stellen  beizufügen  mir 
erlaubt  habe. 

Das  betonte  Personalpronomen  im  Casus  obliquua  als 
un  bezeichneter  Dativ  findet  sieb  noch,  wie  das  im  16.  Jahrhundert 
keine  Seltenheit  ist,  bei  (qu'ü)  sowienne,  so  I,  144  Souvienne- 
vous  gu'on  ne  doit  oster  de  sa  gloire  tont  petit  que  ce  soü;  IL, 
427  Souoienne-nous  de  le  svpplier  que  etc.;  ebenso  L.  II,  358,  408. 

Das  aus  den  Briefen  notierte  I,  234  II  sera  »i  imputiert 
de  vou»  oultrager  Cent  fois  plus  que  vouft  n'oseriez  pas  luy  ist  im 
16.  Jahrhundert  oft  genug  zu  finden. 

Sehr  oft  ist  toi  in  Abhängigkeit  von  Präpositionen  im  ab- 
hängigen Satze  in  Beziehung  auf  das  Subjekt  des  regierenden 
Sattes  zu  beobachten,  ein  Latinismus,  welcher  im  Altfranz osisches 
nnr  „bei  bestimmter  Anlehnung  an  lateinisches  Original  sich  hin 
und  wieder  findet"  (Geasner  I,  12)  und  in  der  Institution  selbst- 
verständlich am  allerwenigsten  befremden  kann,  doch  auch  ans 
den  Briefen  zu  belegen  ist;  vgl.  z.  B.  1,  330  Qu  il  parle  de  eeux 
qui  tont  regenerez,  ü  appert  de  ce  quayant  dit  qu'ü  n'habitoit 
aueun  bien  en  soy,  il  adjouste  etc.  (ubi  dixerat  in  »e  bontim 
nuüum  habitare);  II,  702  Gregoire  ne  maintient  point  que  Chonneur 
qu'ü  denie  ä  l'avtre,  appartieime  ä  «oy,  I,  95  Ineontinent  ta 
majesti  de  Dieu  triendra  au  devant,  laqueüe  domtera  tonte  audact 
de  contredire,  nou»  contraignant  tfobeir  ä  »oy;  II,  884  Lee  m 
le  laieeent  lä  eomme  une  chose  n' appartenant  de  rien  ä  soy  (alii 
velut  rem  ad  se  minime  pertinentem)  ;  I,  164  Noue  voyon»  donc 
que  non  seulement  le  minietere  de  remettre  le»  pechez  est  par  devers 
Jesus  Christ,  mais  austi-  la  puiesance  laqueüe  Dien,  a  une  foi» 
denoneee  devoir  demeurer  ä  soy  eterneUement  (poteitatem  quam  a 
se  ad  alium  transituram  Dominus  negat);  II,  828  Qutmd  le  pechevr 
dornte  teamoignage  de  repentanee  ä  SEglise,  et  par  cela  oste,  eniemt 
qu'en  »oy  est,  le  seandale  et  Fefface,  ü  ne  doit  estre  presse"  plus 
outre  (quantum  in  se  est),  ferner  I,  350,  458,  II,  363,  567,  709, 
800,  936,  1040  ond  sonst;  in  den  Briefen  I,  369  Lequel  nou» 
eommande  de  regarder  simplement  ä  soy;  II,  231  II  uee  de  tele 
moiens  pour  recueillir  ceulx  qui  sont  ä  soy. 

Dsss  das  unbetonte  Personale,  das  übrigens  schon 
völlig  in  neufranzösischer  Weise  vom  betonten  geschieden  ist, 
noch  in  ce  suis-je  u.  X.  sich  findet,  hebt  Or.  S.  35  hervor,  wie 
derselbe  auch  8.  15  auf  die  Altraktion  des  Verbums  an  das 
Prädikat  in  diesem  Falle  aufmerksam  macht.  Den  von  ihm  bei- 
gebrachten Stellen  tilge  ich  hinzu  I,  135,  164,  179,  199,  253, 
259,  261,  330,  342,  350,  II,  172,  259,  800,  1053,  denen  sich 
noch  andere  anreihen  Hessen.  Die  Menge  der  Beispiele,  d.  b. 
derjenigen,  welche  nicht  das  Pron.  der  3.  Pers.  aufweisen,  zeigt, 


Syntaktische  Notizen  zu  Jean  Calvin.  195 

dass  D  armesteter  mit  Unrecht  (Seizieme  Stiele  §  217)  ce  sommes- 
nous,  c'Stes-vous  für  im  16.  Jahrhundert  ungebräuchlich  geworden 
erklärt.  Vgl.  auch  L.  II,  461  Devant  que  nous  feussions  advertis 
qm  c'estiez-vous,  les  freres  de  Poitiers  nous  en  demand&rent 
eonseil* 

Die  Beispiele,  welche  Gr.  S.  33  für  die  „Auslassung"  des 
anbetonten  Objektspronomens  beibringt,  sind  recht  unglücklich 
gewählt,  da  in  dem  einen  (4,  2,  9  et  aussi  (le)  seront)  prädikatives 
Je  vorliegt,  in  zwei  anderen  (3,  10,  2  und  4,  16,  9)  das  Verbum 
sehr  wohl  als  intransitives  fungieren  kann  und  in  einer  (4,  2,  2) 
nur  die  Ausgabe  von  1564  das  Pronomen  nicht  hat  Auch  der 
vorliegende  Text  bietet  zu  dieser  in  noch  viel  späterer  Zeit 
keineswegs  seltenen  Erscheinung  eine  ganze  Menge  von  Beispielen, 
vgL  nur  I,  308  Ils  luy  attribuent  quelque  faculti,  ou  pour  le 
moins  semblent  advis  luy  attribuer;  II,  818,  Ils  demandent  quelque 
tribvt,  dit-ü,  nous  ne  luy  refusons  point,  ferner  I,  357,  471,  II, 
681   n.  s.  w. 

Das  neutrale  ü  in  voller  demonstrativer  Kraft  ist  auf  jeder 
Seite  fast  zu  lesen  und  braucht  durch  Beispiele  nicht  belegt  zu 
werden. 

Ils  =  cm  in  dem  bei  Calvin  häufigen  Latinismus  quüs 
appeüent  vgl.  L.  1,  390  Quant  ä  la  taxe,  eile  est  faicte  par 
revesgue  avec  les  commis  du  clerge*,  quüs  appellent. 

Auf  Sätze  wie  I,  367  Homme,  qui  es-tu  qui  veux  imposer 
loy  ä  Dieuj  ähnlich  II,  490,  mag  hingewiesen  werden. 

8tatt  eines  absoluten  Substantivs  oder  Pronomens  mit  de 
steht  en  keineswegs  pleonastisch,  wie  Gr.  S.  44  meint,  und  be- 
gegnet auch  heute  oft  genug,  dagegen  wird  dasselbe  nicht  mehr 
im  Neufranzösischen  nach  vorhergehendem  Relativ  mit  de  resp. 
dont  sich  betreffen  lassen,  wie  z.  B.  I,  9  Desquels  j'en  voyoye 
phisteurs  avoir  faim  et  soif,  I,  206  dont  luy-mesme  en  est  cause 
ind  so  unendlich  oft;  auch  II,  287  entre  lesquels  ü  riy  en  a  nul 
qui  soit  etc.  Ebenso  kam  früher  das  Pron.  der  3.  Pers.  und  y 
nach  vorhergehendem  Relativ  vor,  was  Gr.  S.  45  bei  y  erwähnt. 

En  fehlt  nach  modernem  Gebrauch  nicht  nur  in  den  drei 
von  Gr.  S.  45  gegebenen  Wendungen,  denen  sich  noch  viele 
andere  anreihen  (z.  B.  II,  810  II  ne  sera  pas  ainsi  de  vousy  II, 
1005  Comme  sÜ  se  falloit  precisement  tentr  aux  mots,  II,  379 
Toutefois  se  remettans  ä  ceste  bonU  dont  üs  sont  esclairez9  u.  a.), 
sondern  auch  in  Fällen  wie  I,  128  Je  demande  ä  ces  bons  docteurs 
quels  sont  ces  idiots  qui  ne  peuvent  estre  enseignez  que  par  images: 
ils  ne  peuvent  aüeffuer  d'autres  sinon  etc.;  I,  137  Les  simulacres 
ont  plus  de  vertu  ä  courber  les  povres  ames  .  .  .  quüs  n'ont  ä  les 
redressser,  ebenso  II,  586,  674  und  sonst. 

13* 


196  A.   Hause, 

Auch  Falle  wie  I,  476  Et  pensent-üs  que  .  . .  la  vengeance 
ne  s'en  ensuyve  incontinent?  I,  493  II  lui  fatloit  mourir  de  faim 
s'Ü  ne  s'en  fust  fuy,  begegnen  oft. 

Sehr  selten  ist  y  in  ü  y  a  vernachlässigt,  doch  kommt 
auch  dioaea  vor,  während  Gr.  S.  45  „diese  Auslassung  nicht 
Angetroffen  hat",  bo  I,  498  Ccrtes  celuy  qui  apres  avoir  tonfessi 
qit'il  n'a  rien  de  forme  ne  permanent  en  ce  monde,  retient  toutefoit 
fermeti  Seeperance  en  Dieu  etc.;  der  lateinische  Text  lautet  Seme 
qui  nihil  esse  in  terra  solidum  aut  stabile,  eonfessus  etc.  Auci 
II,  667  Vordre  des  diacres  est  aboly  entre  eux,  passe"  a  ja  long 
temps  ist  so  aufzufassen.  L.  I,  19  Longtemps  a  que  nostre  Seigneur 
m'avoit  fait  teüement  sentir  etc. 

Das  betonte  Posaeaaivum  in  attributivem  Gebrauch  ist 
von  Gr.  S.  35  in  Verbindung  mit  dem  Denionstrativuin  und  mit 
aueun  nachgewiesen,  dasselbe  findet  sich  auch  noch  mit  dem 
bestimmten  Artikel  II,  1072  Taut  cela  estoit  par  la  sienne  ecule 
abtation  parachevi,  in  der  Überaus  häufigen  Anknüpfung  mit  dem 
attributiven  Relativ  lequel  I,  9  Laquelle  mienne  deliberation  on 
pourra  facüemmt  apperetvoir,  oft  mit  quelque  z.  B.  II,  1077  Ils 
nous  enseignent  de  quelque  sienne  promesse,  ferner  I,  139  v* 
autre  sien  compagnon. 

Kaum  ist  in  der  Institution  betontes  Personale  mit  possessiven) 
de  statt  des  PossesBivums  anzutreffen  (Gr.  8.  35),  nur  begegnet 
es  oft  in  der  Wendung  en  faveur  de,  i.  B.  I,  571  A  sa  requette 
et  en  faveur  de  luy  nous  sommes  agreables  ä  Dieu;  I,  153  II 
vaut  mieux  les  ptquer  de  propos  deliberi,  que  parier  abscurement 
en  faveur  d'eux.  Die  Briefe  bieten  einige  Beispiele,  vgl.  I,  7 
Si  je  ne  voulois  entre  traistre  ä  la  verite  de  Dieu  et  au  Salut  de 
luy;  I,  296  Or  pource  qu'il  fault  que  le  pere  d'elle  en  seit 
adverty,  nous  avons  pmsi  etc.;  I,  155  Je  suppige  nostre  bon 
Dieu  d'estre  tousjours  garde  de  vous. 

Das  demonstrative  Neutrum  ce  ist  noch  von  sehr  «US- 
gedehntem  Gebrauch.  Abgesehen  von  den  Gr.  8.  38  gegebeneu 
Fallen,  zu  denen  zu  bemerken  ist,  dass  ce  als  Objekt  eines 
VerbumB  nnr  bei  faire  unendlich  oft,  sonst  aber  nicht  bo  erscheint, 
findet  es  sich  oft  nach  de,  avec,  par,  bildet  auch  mit  pour  die 
Konjunktion  pource,  welche  nicht  nur  in  der  Ausgabe  1541  8.  3 
(Gr.  8.  58),  sondern  auch  II,  903  Pource  ü  seroit  un  grand 
Prestre  vorkommt,  und  tritt  auch  mit  attributivem  taut  anf  II,  420 
Et  tout  ce  y  est  st  bien  et  si  parfaitement  comprins. 

Als  Subjekt  fehlt  es  sehr  oft,  %.  B.  I,  lii  Et  est  ä  bon 
droit  qu'en  invoquant  le  nom  de  Dieu  en  tesmoignage,  ü  est  da 
que  etc.;  I,  520  Certes  äs  s'y  sont  employez  avec  grande  difficulti; 
et  n'cst  point  de  merveitte;   II,    194   St  seroit  chose  tuperflue  de 


Syntaktische  Notizen  zu  Jean  Calvin.  197 

npder  Und  ce  qui  en  a  esti  du;  II,  301  Et  n'est  pas  la  doctrine 
de»  Sophistcs  nouveaux  seulement,  mais  leur  grand  maistre  en  du 
autant\  II,  325  Laqueüe  du  qu'ü  a  ereu  ä  Dieu,  et  luy  a  esti 
impuU  ä  justice;  II,  1102  Et  sont  ceux  qui  s'ensuyvent 

Ebenso  erscheint  ce  auch  als  Subjekt  ==  neufrz.  ü,  z.  B. 
II,  711  Ce  riest  point  <tun  Evesque  comme  (Tun  Boy;  L.  I,  40 
Cestoit  de  nostre  debvoir  envoyer  quelques-uns  etc.  Das  Gr.  3.  39 
angeführte  c'est  mal  argui  quü  y  ait  deux  ames  ist  nicht  zutreffend. 

Das  determinative  ce  war  früher  in  Konjunktionen  gewöhn- 
lieh, welche  dasselbe  später  entbehren  konnten.  Es  tritt  auf 
ausser  in  den  Gr.  8.  61  gegebenen  sans  ce  que  und  cependant  que 
auch  in  dem  sehr  häufigen  outre  ce  que,  z.  B.  I,  428  Outre  ce 
am  la  raison  contredit  ä  cela,  I,  436,  II,  1038;  L.  I,  72,  118, 
159  u.  a.  In  den  Briefen  ist  auch  selon  ce  que  gebraucht  II, 
279  Selon  ce  que  chacun  est  en  degri  Sminent,  quü  pense  etc. 
Daselbst  kommt  auch  öfters  avec  ce  que  vor,  z.  B.  I,  6  Avec  ce 
qm  je  voy  la  promptitude  que  nous  avons  pour  nous  bien  justißer; 
I,  143  Je  ne  m'esbahis  point,  si  .  .  .,  avec  ce  qu'on  est  tout 
aecaustunU  ä  Heidelberg  dfouir  ceste  doctrine  desjä  de  long  temps, 
s.  Grifenberg  S.  132. 

Unendlich  oft  ist  dies  ce  als  Stütze  einem  Satze  mit  que 
beigegeben,  welcher  absolut  vorangestellt  ist  Gr.  S.  56  berührt 
ganz  nebenbei  diese  überaus  häufige  Erscheinung,  indem  er  an- 
gibt, dus  „quant  ä  vor  ce  que  zu  ergänzen  sei",  und  eine  Stelle 
anftlhrt,  doch  erscheinen  derartige  Sätze,  die  auch  in  noch  viel 
späterer  Zeit  sich  zeigen,  nicht  nur  in  jener  Weise  und  nicht 
nur  als  vorangestelltes  Subjekt,  z.  B.  I,  418  Ce  que  nous  ne  le 
pouvons  faire,  c'est  de  notre  vice;  I,  358  Cest  que  ce  que  les 
iniques  pechent,  cela  vient  de  leur  propre,  II,  72  Cor  ce  qu'üs 
confondent  la  foy  avec  la  penitence,  est  repugnant  ä  ce  que  dit  etc. 
und  oft,  sondern  auch  als  nachgestelltes  Subjekt,  z.  B.  I,  17 
Uune  mesme  source  oVignorance  provient  ce  qu'üs  la  reputent 
douteuse  et  incertaine;  als  Objekt,  z.  B.  I,  349  Quon  ne  die  point 
que  les  graces  .  .  .  soyent  tellement  pour  remunerer  ce  qu'ü  a 
bien  us£  de  la  pr emier e  grace;  II,  429  A  quoy  on  peut  rapporter 
ee  que  sainct  Paul  exhorte  les  fiddes  de  son  temps  de  lever  etc.; 
nach  komparativem  que,  z.  B.  I,  245  II  riy  a  rien  plus  ordinaire 
en  nature,  que  ce  que  nous  sommes  nourris  de  pain;  L.  I,  2  Ce 
qui  provient  certainement  plus  de  vostre  prudence  quavez  eu  ä 
me  supporter  en  cest  endroict,  que  ce  que  je  me  suis  porU  comme 
il  appartenoit.  —  L.  II,  29  De  quoy  j'estoye  bien  marry,  voyant 
ce  que  cela  ne  tendoit  qu*  ä  reculler  V  Evangüe  ist  diese  Hin- 
weisung auf  den  folgenden  Objektssatz  ganz  altfranzösisch 
(Gessner  I,  37). 


196  Ä.  Baase, 

Als  adjektivisches  Demonstrativ  figuriert  celui,  wenigstens 
in  der  Femininform  edle,  nicht  so  selten  in  der  Institution, 
wie  Gr.  S.  37  meint,  der  3,  4,  1  anfuhrt  und  auf  die  Ausgabe 
1541,  S.  19  verweist;  vgl.  II,  425  «"  en  certaine  foy  nous  ae- 
ceptons  etile  grande  beneficence;  II,  880  pottr  avoir  cell«  signi- 
fication;  II,  888  ä  celle  senlmce;  II,  891  ä  celle  signifiexdion  - 
de  celle  veriti;  II,  899  celle  promesse  (2  mal);  —  celle  varietf; 
II,  926  celle  promesse;  II,  929  celle  unique  ceremonie;  II,  979 
call«  promesse  (2  mal);  II,  984  celle  fontame  de  vis;  II,  1014 
en  ceüe  eondäion;  II,  1045  ä  celle  dtgniU ;  II,  1056  call«  parti- 
dpation;  II,  1065  celle  communiU;  II,  1078  celle  varieti;  II, 
1156  por  ee/Ie  mesme  ordonnance. 

Dass  neutrales  ce  vor  Stre  mit  einem  weiblichen  singul  arischen 
Prädikatssubstantiv  von  letzterem  attrahiert  wird,  darauf  weist  Gr. 
S.  37  durch  zwei  Beispiele  bin.  Dieser  auch  im  AltfranzSsi sehen 
nicht  seltene  Gebranch  (GeaBner  I,  35)  ist  in  der  Institution 
Überaus  häufig,  z.B.  I,  31,  211,  337,  420,  424,  II,  143,  179,  227, 
274,  308  u.  s.  w.  Daneben  findet  sich  auch  das  Ortsadverbinm, 
z.  B.  II,  1121  Ceste-ci  est  la  justice;  II,  806  Cette  estoit  cjf 
la  facon  commune.  Die  gleiche  Attraktion  ist  bei  dem  deter- 
minativen Pronomen,  das  Prädikat  ist  nnd  dem  ein  Relativnm 
folgt,  zn  beobachten,  wo  auch  das  Neutrum  stehen  mfisste,  vgl. 
1,  352  Disant  que  Dien  tire  bien  les  hommes  selon  leur  volonte", 
et  non  par  contrainte;  mais  que  la  volonte"  est  celle  qu'il  a  formte 
en  eux;  II,  381  L'invocation  de  Dien  est  celle  qui  nous  demotutre 
principaUment  que  c'ettt  que  vaut  etc. 

Substantivisches  celui  =  nenfrz.  celui -ci  habe  ich  noeh 
(Gr.,  S.  37  gibt  eine  Stelle  2,  8,  11)  gefunden  II,  711  Le 
prineipal  point  de  Voffice  Episcopal  est  de  prescher  la  parotte  de 
Dieu  au  peuple.  Le  second,  prochain  ä  celui/,  d'administrer  les 
Sacremens. 

Statt  des  determinativen  celui  kommt  auch  cet  vor,  so  II, 
397  Tousjours  elles  dependent  de  cette  seule  de  Jesus  Christ 
(intercession);  II,  1008  Veu  que  ceste  seule  que  j'ay  alleguee 
(sentence),  wenigstens  scheint  mir  eine  andere  Auffassung  nicht 
gut  möglich. 

über  die  mit  den  Ortsadverbien  ci,  lä  zusammengesetzten 
Formen  gibt  Gr.  S.  37  an,  dass  cestuy-cy  auch  vor  qui  und  de 
stehe,  nnd  S.  38,  dass  cela  oft  auf  einen  folgenden  Satz  mit  que 
oder  auch  Infinitiv  mit  de  hinweise,  während  unser  Autor  hierin 
die  ganze  Freiheit  der  älteren  Sprache  zeigt.  So  treten  die 
Komposita  sehr  oft  unmittelbar  vor  dem  Relativnm  oder  vor  de 
als  Determinativ»  auf,  z.  B.  I,  119  Or  ceux-lä  qui  en  delaissant 
tEscriture,  iinaginent  etc.;  II,   1078  Outre  ceux-lä  qu'üs  avoyent 


Syntaktische  Notizen  zu  Jean  Calvin.  199 

ordinaires;  II,  869  Ceux-cy  du  temps  present  .  .  .  ont  rompu  le 
lien  aTunite';  II,  1079  Combien  peu  voit-on  au  Baptesme  cela 
qui  seulement  y  devoit  reluire  et  apparoistret  II,  979  Cela  qu'on 
attribue  au  pain  et  au  tun,  selon  ceste  analogie  et  simüitude,  leur 
convient  tres  bien.  Oft  dient  auch  cela  als  Subjekt  vor  etre  mit 
prädikativem  Adjektiv  statt  des  modernen  il  resp.  ce,  z.  B.  II, 
216  Cela  n'est  nuttement  tolerable  qu'ü  ny  ait  point  tant  de 
lumiere  etc.;  I,  438  Ce  qu  apres  il  les  punit  .  .  .,  cela  n'est  point 
pour  les  pechez  d'autruy,  mais  pour  les  leurs.  Dabei  mag  auf 
die  früher  so  beliebte  Form  icy  verwiesen  werden,  z.  B.  II,  810 
ceux  icy,  ebenso  II,  951;  II,  427  ä  ce  Pete  icy  und  sonst. 
Andererseits  erscheint,  was  ich  hier  gleich  anschliesse,  ci  = 
neufrz.  tci,  z.  B.  II,  405  Ce  qui  se  faxt  cy  bas;  1,  50  C'est-cy 
un  point  resolu  ä  tous  ceux  qui  etc.  L.  I,  28  (II)  a  diliberi  de 
cy  venir;  L.  I,  220  Entre  cy  et  la  fin  de  janvier;  L.  1,  236 
Entre  cy  et  trois  mois  vous  verrez,  und  so  sehr  oft  in  dieser 
heute  veralteten  Wendung. 

Sehr  oft  ist,  wie  bei  allen  Autoren  jener  Zeit  und  noch 
viel  später,  das  Determinativum  zur  Zurückweisung  auf  ein  vor- 
hergehendes Substantivum  vor  einer  attributiven  Bestimmung  mit 
de  vernachlässigt,  z.  B.  I,  496  Ils  ont  certes  cognu  et  attendu 
une  autre  beatitude  que  de  la  vie  terrienne,  ebenso  I,  313,  506, 
II,  341,  696  und  sonst.  L.  I,  205  Apres  m'estre  humblement 
reeommandS  ä  vostre  bonne  grdce,  et  de  Mademoiselle,  je  prieray  etc., 
und  so  sehr  oft. 

Das  kausale,  früher  sehr  gebräuchliche  comme  celui  qui 
z.  B.  II,  1151  I2t  pour  ceste  cause  leur  porter  honneur  et  reverence, 
comme  ä  ceux  qui  8 ont  lieutenans  et  vicaires  de  Dieu;  L.  I,  131 
Je  ne  vous  atttgue  pas  ces  choses  comme  ä  celuy  qui  soit 
ignorant  (=  „nicht  als  obu). 

Als  Relativum  fungiert  auch  quel  einmal,  II,  413  Comme 
aussi  Isaie  .  .  .  exhorte  les  fideles  ä  chanter  cantique  nouveau  et 
non  accoustumi.  En  quel  sens  se  doit  prendre  ce  que  David  dit 
aussi  ailleurs:  Seigneur,  tu  ouvriras  mes  leur  es  etc. 

Auf  einen  ganzen  Satz  bezogen  kommt  quoi  als  Objekt  zu 
faire  (Gessner  II,  12)  noch  vor  in  der  Formel  en  quoi  faisant, 
so  I,  468  En  quoy  faisant  ü  ne  permet  rien  ä  la  cupiditi  de 
thomnuy  ebenso  II,  149,  411,  989.  Auch  L.  II,  345  Quoy 
attendans  nous  prierons  Dieu  etc. 

Der  alte  Nominativ  que  (Gessner  II,  2)  findet  sich  als 
Neutrum  I,  510  Ce  que  mesme  est  advenu  aux  Maniche'ens, 
ausserdem  L.  I,  339  Si  je  ne  faisoye  ce  quen  moy  est  pour 
düivrer  etc.;  ebenso  II,  344,  wie  denn  in  den  Briefen  auch  sonst 
que  als  Nominativ  noch  auftritt,  vgl.  II,  524  Et  n'y  a  celuy  que 


300  Ä.   Haase, 

ne  «fe«ir«  s'employer  ä  nous  faire  Service;  II,  526  II  n'y  avoä 
komme  que  luy  au  pats  de  Syrie  qui  eraignoil  Dieu,  ne  que  tust 
dtvotion  de  le  servtr;  II ,  338  Craignant  que  ceux  que  m'en 
portoyent  la  parole  ne  s'avanfasaent  etc.;  I,  195  Tont  eduy  qua 
parle"  &  vous  que  aulcuns  autre»;  I,  119  Sans  ßeschir  povr  rien 
que  «oit;  I,  23  Pour  rendre  compte  de  la  cause  que  luy  a  esti 
commune  avec  nous. 

In  den  Briefen  habe  ich  auch  beziehungsloses  qui  im 
Pluratis  gefunden:  II,  349  Daultant  plus  ü  se  devra  garder  de 
n'avoir  plus  alentour  de  luy  qui  ne  luy  donnent  courage  de  bien 
faire,  und  anch  das  Neutrum  que  in  der  der  Siteren  Sprache  so 
geläufigen  Wendung  faire  que  sage,  I,  332  Toute  fois  ü  ne  semble 
pas  qu'il  veuiüe  faire  que  bien,  wenigstens  scheint  mir  dieses 
que  nicht  anders  aufzufassen,  wenngleich  das  bien  zeigt,  dass  die 
ursprüngliche  Konstruktion  bereits  dem  Sprach  bewnsstsein  ge- 
schwunden war,  vgl.  Ztschr.  f.  rom.  Phil.  1,  506. 

Dass  anch  bei  Calvin,  wie  bei  seinen  Zeitgenossen  und 
noch  oft  im  17.  Jahrb.,  beziehungsloses  qui  mit  dem  Verbum  in 
der  3.  Person  bei  eigenem  Subjekt  des  Hauptsatzes,  z.  B.  II,  351 
Ils  diseai  que  ce  sont  choses  indifferentes,  ce  que  je  eonfesse,  qui 
en  useroit  indifferemment,  dass  die  noch  länger  gebräuchliche 
Konstruktion  II,  483  Quel  propos  y  a  ü  que  Dieu  appelle  ä  sog 
ceux  lesquels  ü  satt  qui  n'y  viendront  past  vorkommen,  darauf 
mag  hingewiesen  werden. 

Auch  das  über  die  Adverbien  que  und  oü  Anzuführende 
gehört  dem  Sprachgebrauch  jener  Zeit  an:  I,  428  Selon  tordre 
que  nous  les  eoucherons;  II,  275  Ils  n'ont  pas  rapporti  leurs 
esuvres  ...  ä  la  fin  qu'ils  devoymt  und  so  sehr  oft;  dagegen 
II,    1150  (Test  lä  oü  revient  toute  la  somme.  —  Temporales  oü 

I,  317  8i  nous  mesprisons  les  dons  de  Dieu  lä  oü  ils  nous  sont 
offerts,  II,  1058  Mais  oü  ü  aura  esti  prouoi  tresdairement  que 
teste  Messe  .  .  .  opprime  et  ensevelist  sa  croix  .  .  .,  aura-cUe 
aucunes  tont  profondes  racines,  lesqueUes  ceste  eoignie  trespuissante, 
<?est  ä  dire  la  parolie  de  Dieu  ne  couppe,  tranche  et  abattet 
anch  II,  1153  und  sonst  Adversatives  oü  II,  691  L'impieU 
d'Eufyches  se  conferma,  lä  oü  eile  eust  esti  esteinte  s'ü  ne  s'en 
fust  mesli;  II,  899  Dieu  ne  pourra-ü  point  par  sa  parolie  signer 
et  mar  quer  ses  creatures,  qfin  qu'elles  soyent  failes  Sacremens,  oü 
dies  n'estoyent  rien   auparavant  que  nuds  et  purs   elemens!    auch 

II,  122,  1065,  1089  und  sonst. 

Sehr  oft  ist  dem  durch  oü  bestimmten  Snbstantivnm  das 
Adverbium  lä  beigegeben,  z.  B.  II,  867  71  estoit  encore  bien  loin 
du  but  lä  oü  ü  se  vantoit  cTestre parvenu;  II,  337  Au  Heu  lä  oü 
Üs  ont  ä  vivre  eterneUemtnt,  1,  84,  166,  821,  II,  694,  698  und  sonst 


Syntaktische  Notizen  zu  Jean  Calvin.  201 

Das  prädikative  Neutrum  que  ist  vernachlässigt  I,  539 
Qu'tffi-ce  Vhomme,  que  tu  as  souvenance  de  luyt  ebenso  I,  298, 
504,  II,  848,  916. 

Über  die  Interrogativa  weiss  Gr.  8.  41  nichts  zu  be- 
merken. Er  hat,  wie  er  ausdrücklich  angibt,  quel  =  neufrz. 
lequel  nicht  gefunden.  Dass  jedoch  quel  und  lequel  noch  nicht 
streng  geschieden  sind  (Gessner  II,  16,  20),  zeigen  II,  705  II 
y  en  a  bien  peu,  ou  du  taut  nulle*,  lesqueües  ne  sentent  ou  ne 
craignent  teste  playe.  Demandes-tu  quellest  II,  770  Les  con- 
stitutione humaines  .  .  .  ont  couleur  de  sagesse  pour  nous  tromper. 
8i  nous  dernandons  quelle,  ü  respond  que  etc.  —  I,  30  Cor 
auquel  cosU  mettront-üs  le  nom  de  VEgÜset  II,  812  La  quelle 
digniU  vous  semble  advis  plus  grande,  de  remettre  les  pechez,  ou 
de  diviser  les  possessionis?  II,  795  Pareükment  il  ne  peut  chaloir 
quels  sont  les  jours  .  .  .,  lesquels  Pseaumes  on  chante  en  un  jour 
ou  en  fautre. 

Ausserdem  findet  sich  noch  quantihme  II,  1089  Car  la 
quantieme  partie  de  leur  peuple  enhuilent-üs  apres  le  Baptesmet 
ebenso  I,  195. 

In  den  Briefen  zeigt  sich  auch  noch  quoi  als  Objekt  eines 
Verbum  finitum  II,  390  Quoy  ferois-je  sinon  de  requirir  etc. 
(Gessner  II,  19),  ebendaselbst  auch  das  neutrale  que  —  que  II, 
185  Ils  en  ont  enserrS  plus  de  trente  qu'hommes  que  femmes. 

Das  Adverbium  comme  (I,  506  Comme  leur  oserions-nous 
oster  Vheritage  de  trief  ebenso  II,  286,  1173)  kommt  selten  vor, 
comment  herrscht  bereits  ganz  überwiegend. 

Das  Neutrum  des  Interrogativums  leitet  noch  überaus 
häufig  den  indirekten  Fragesatz  ein.  Beispiele  finden  sich  auf 
jeder  8eite. 

Unverständlich  ist,  was  Gr.  S.  41  über  qui  „was?"  bemerkt. 
Unter  Berufung  auf  Gräfenberg  S.  54  zitiert  er  aus  der  Ausgabe 
von  1564  Qui  penses-tu  que  nous  devions  faire  ou  jugert  Unser 
Text  und  die  anderen  Ausgaben  lesen  I,  93  que,  das  allein  be- 
rechtigt ist,  da  ein  Akkusativ  des  Neutrums  qui  nicht  möglich 
wäre.  Übrigens  handelt  Gräfenberg  1.  c.  nur  von  dem  Nomi- 
nativ quL 

Zu  den  indefiniten  Interrogativen  im  verallgemeinernden 
Konzessivsatze,  mit  denen  die  in  Sätzen  dieser  Art  vor- 
kommenden Adverbia  und  Präpositionen  gleich  mit  behandelt 
werden,  ist  der  Passus  aus  Weissgerber,  Der  Konjunktiv  in 
den  franz.  Prosaikern  des  XVI.  Jahrh.  (Ztschr.  VIII1,  305—313) 
zu  vergleichen,  eine  Arbeit,  die  Gr.  gar  nicht  berücksichtigt  hat, 
der  über  diesen  Abschnitt  nur  unter  quelque  und  quiconque  S.  43 
einige  Notizen  gibt    Attributives  quel,  das  früher  erst  allmählich 


202  A.  Boote, 

durch  das  viel  spätere  quelques  verdrängt  wird,  habe  ich  ans  der 
Instit.  nicht  belegen  können  und  nur  in  den  Briefen  gefunden 
I,  327  Mais  quelle  difficuÜi  ou  Umgueur  qu'Ü  y  aü,  Vexcellertce  de 
Vouvrage  est  bien  digne  que  etc.  —  Leqttel  que  II,  679  Qu'ü» 
eslissent  lequel  qu'ilt  voudront  (bien);  II,  678  Que  Von  choisüue 
laquelle  qu'on  voudra  de  ce»  deux  definition».  —  Den  Angaben 
über  quiconque  und  quelconque  Gr.  8.  43  u.  Weissg.  8.  310  und 
311  ist  hin  zuzufügen,  dass  prädikatives  quiconque  =  neufrz. 
quel  que  bei  Calvin  keine  Seltenheit  ist  (übrigens  auch  mit  dem 
Indikativ  II,  257  Quiconque»  sera  cestuy-lä,  qu'ü  uienne  en  aoant), 
dass  dasselbe  auch  =  nenfz.  qui  que  erscheint  II,  1051  Celle 
coustume  .  .  .  est  une  trescertaine  invmtion  du  diable,  par  qui- 
conque» qu'eüe  ait  esti  mite  au»  (von  Weissg.  zu  anderem 
Zwecke  zitiert),  L.  II,  255  Je  n'ay  garde  de  l'approuver,  qui- 
conque Va.it  fait  (übrigens,  um  dies  gleich  hier  zu  erwähnen, 
entsprechend  dem  ncufrz.  Gebrauch,  aber  als  Plnralis  auch  L.  1, 
295  Parquoy  quiconque»  attentent  de  rien  changer  jusque*  ä 
(avinement  de  no»tre  Setgneur  Jesus,  se  monstrent  rebeUes  &  luy). 
Wenn  Gr.  I.  c.  sagt,  „in  folgender  Stelle  ist  quelque  zu  ergänzen" 
ü  nc  präend  nulle  part  en  facon  que  ce  »oit  1,  7,  3,  ho  könnte 
es  scheinen,  als  ob  dieser  alte  Gebrauch,  dem  an  verallge- 
meinernden Substantivum  überhaupt  kein  Pronomen  beizugeben, 
nur  daB  eine  Hai  vorkäme,  die  Formel  kommt  aber  oft  vor, 
z.  B.  I,  88,  II,  1015,  L.  I,  254,  362,  II,  78,  488,  522  und 
sonst,  vgl.  L.  377  Qu'ü  vou»  plaiae  nou»  faire  ce  bien,  que  s'ü 
est  cogneu  que  nou»  defaiüion»  en  »orte  que  ce  »oit,  nous  en 
advertir.  Für  diese  Wendung  tritt  auch  eiu  II,  897  Ce  n'est 
point  pour  deroguer  en  facon  qui  »oit  ä  sa  vertu  souveraine; 
L.  I,  39  Cor  le  desir  que  j'ay  de  ...  ,  ne  me  laissera  point 
larger  en  lieu  qui  »oit;  and  besonders  häufig  rien  qui  »oit, 
z.  B.  II,  324  Ce  n'est  pas  »on  intention  de  detracter  en  rien  qui 
»oit,  s.  darüber  Weissg.  S.  302  (wo  übrigens  II,  451  statt  que 
nous  advtenne  —  qui  zn  lesen  ist).  Dem  en  facon  que  ce  »oit  sind 
an  die  Seite  zu  stellen  Sätze  wie  I,  120  Garde  tou  doncque» 
eCestre  deceu,  en  tc  faisant  nulle  remembrance  que  ce  sott; 
L.  II,  516  Vou»  scavez  que  je  n'ay  point  accoustumi  de  vou» 
prier  pour  nul  que  ce  »oit;  L.  II,  530  Nou»  vou»  prions  .  .  . 
de  ne  lais»er  passer  la  moindre  oecasion  que  ce  »oit;  nur  daaB  que 
dort  selbstverständlich  Adverbium,  während  es  hier  prädikatives 
Neutrum  ist.  Die  neuere  Sprache  kennt  solche  Fügungen  nicht 
mehr.  Ähnlich  ist  auch  L.  I,  160  Le  mal  est  en  la  longue 
attente,  et  pourtant  riy  voy  pas  grant  propos.  Je  prye  Dieu 
en  que  ce  »oit,  qu'ü  le  veuille  bien  adrester,  wo  man  heutzutage 
quoi  que  ce  »oit   sagen   muss,   insofern   auch    hier  das  verallge- 


Syntaktische  Notizen  zu  Jean  Calvin.  203 

meinernde  Indefinitem  fehlt.  —  Über  das  Adverbium  tant  siehe 
Weissg.  S.  806  f.  —  Pour -qui,  que  z.  B.  I,  118  Pour  n'estre 
point  esbranU  pour  assault  qui  vous  vienne  8.  Weissg.  S.  305. 
Zu  dem  l  c.  S.  308  berührten,  noch  ins  XVII.  Jahrhundert  hinein- 
reichenden Gebrauch  von  pour  quelque  vor  dem  Substantiv,  der 
auch  aus  Calvin  belegt  ist,  führe  ich  an,  dass  in  derselben 
Weise  par  vorkommt,  das  ja  früher  in  kausaler  Bedeutung  viel- 
fach mit  pour  (parquoi  und  pourquoi)  konkurriert,  II,  789  Aucuns 
ne  s'esmeuvent  pas  beaucoup  par  quelque  raison  qu'on  leur  ameine. 

Unter  den  Indefiniten  ist  tout  zu  erwähnen,  welches  ver- 
stärkt durch  (res  (Gessner  II,  34)  vorkommt  II,  621  Sainct  Paul 
ne  parle  point  de  soy,  mais  deux  trestous,  quand  ü  du  etc. 
II,  659  En  quelle  estime  donc  les  aurons-nous  trestoust  Zur 
Verstärkung  anderer  Wörter  erscheint  tout  abweichend  von  der 
neueren  Sprache  bei  chacun  (Gessner  II,  27),  I,  540  Cela  ne 
festend  pas  d  tout  chacun,  vor  ainsi  que,  wo  dasselbe  auch 
im  17.  Jahrhundert  oft  zu  finden  ist,  unendlich  oft,  z.  B.  I,  210 
Tout  ainsi  quil  met  dun  conti  un  bon  Ange,  ainsi  de  Vautre  ü 
en  met  un  mauvais,  I,  293,  426,  II,  389  u.  s.  w.,  ebenso  zeigt 
sich  auch  unendlich  oft  attributives  tous  les  deux,  z.  B.  II,  765 
En  tous  les  deux  passages  il  est  monstri  que  etc.,  I,  532,  II, 
107  u.  a.  Ganz  gewöhnlich  ist  auch  tout  vor  tel,  z.  B.  I,  502 
Cor  tout  es  teil  es  par  olles  demonstrent  etc.;  II,  1130  II  enseigne 
que  toute  teile  puissance  est  ordonnance  de  Dieu;  II,  964  Tous 
tel*  seroyent  condatnnez  sans  exception7  I,  292,  II,  108,  131, 
171,  654,  658,  659,  756,  807  u.  s.  w.  (cf.  Gessner  II,  34). 

Tel  mit  autre  (Gesfoer  l.  c.)  vgl.  I.,  506  Estre  abondans  en 
richcsses  .  .  .,  avoir  grande  lignie,  et  autres  teil  es  choses  que 
desirent  les  hommes  mondains;  II,  604  lls  nous  alleguent  le  templef 
la  prestrise,  et  toutes  autres  telles  masques,  II,  445,  655  und 
sonst  Ebenso  wenig  gestattet  die  neuere  Sprache  II,  851  Cela 
donc  nous  engendre  une  dispute  touchant  les  voeuz  qui  se  fönt  outre 
la  par  olle  de  Dieu  expresse9  assavoir  en  quelle  estime  on  les  doit 
avoir:  et  si  un  komme  Chrestien  en  peut  faire  quelcun  tel:  et 
s'ä  en  a  fait,  combien  ü  en  est  obligi.  Auch  wird  man  kaum 
noch  sagen  II,  425  II  ne  se  peut  trouver  nulle  teile  affection 
oVamour,  ebenso  I,  467,  II,  973.  —  Substantivisches  tel  im 
Pluralis,  das  als  Demonstrativum  resp.  Determinat.  mit  folgendem 
Relativum  häufig  auftritt,  begegnet  auch  heute,  wenngleich  nicht 
so  oft. 

Über  chacun  gibt  Gr.  p.  41  an,  dass  es  „auch  adjektivisch 
gebraucht  werde;"  vielmehr  erscheint  in  der  Instit.  und  den 
Briefen  chaque  überhaupt  nicht.  Für  adjekt.  chacun  im  Plur. 
gibt   Gr.   ein  Beispiel,   ein  anderes  ist  II,   1063  Cor   chacunes 


304  A.  Haasc, 

Messt»  ne  prvmettent  eilen  point  nouvelle  remitrion  de  pechezt 
(rinyulae  missae). 

Zu  rien  „etwas"  im  positiven  Satze  giebt  Gr.  S.  42  drei 
Beispiele,  von  denen  das  erste  ganz  zu  streichen  iat,  in  den 
beiden  anderen  rien  ancb  durch  den  negativen  Gedanken  veran- 
lasst sein  könnte.  Doch  kommt  rien  auch  noch  in  unzweifelhaft 
positiven  Sätzen  vor,  z.  B.  II,  732  Que  tout  ce  qu'ile  auront 
arreeti  d'une  pari  ou  d'autre,  nous  sott  ferme  et  resolu.  S'ils  ont 
rien  approuve",  que  nous  le  reeevtons  »an»  aucun  scrupule;  sJilt 
ont  rien  condamni,  que  nous  le  tentons  aueti  pour  eondamni; 
II,  694  Les  Evesques  de  Gaule  luy  ont  retitU  fort  et  ferme, 
quand  ü  a  fait  semblant  de  vouloir  rien  usurper  sur  eux,  I,  110. 

—  Für  rien  tritt  noch  oft  nfant  auf,  z.  B.  I,  326  IIa  le»  reputent 
pour  neant;  II,  300  Comme  *i  eeta  estoit  da  pour  neant,  I, 

199,  421,  II,  445  983  und  sonst  —  Adverbiales  rien,  von  Gr. 
S.  42  mit  einem  Beispiele  belegt,  ist  unendlich  häufig. 

Nul  ist  nach  dem  Sprachgebrauch  der  damaligen  nnd  noch 
der  späteren  Zeit  unendlich  oft  =  aucun  gebraucht,  z.  B.  II,  1031 
Je  croy  qu'ä  grand'  peine  trouveront-ü»  nulle  ittue  ä  eeste 
question;  L.  I,  227  Qu'ü  vous  face  nul  Service  pour  le  pretent, 
ü  n'y  a  point  cfespoir,  I,  49,  54,  73,  119,  122,  135,  252  u.  s.  w. 
Die  alte  Form  nuUy  kommt  vor  II,  706  (ü)  ne  veut  estre  sujet 
&  nully  and  II,  1045. 

Hinsichtlich  der  Zahlwörter  (Gr.,  8.44)  ist  zu  bemerken, 
dass  Calvin  dem  Gebrauche  seiner  Zeit  (Darmest.  §  182,  Grafen 
berg  8.  26  f.)  folgt,  wenn  er  sehreiht  II,  815  cent  et  trente  am 
II,  399  Sur  le  Pseaume  nonante  et  quatrieme;  I,  196  L'Ange  du 
Seigneur  tua  pour  une  nuict  cent  qvatre  vingt»  et  cinq  mille 
kommet;  I,  36  Le  premier  jour  d'Aoust,  mit  cinq  cen»  trente  cinq; 
L.  I,  38  De  Strasbourg  ce  dix-neufviesme  de  febvrier  mü  cinq 
cent  quaranta  et  im;  L.  II,  521  Auquel  il  ordonna  baüler  vingt- 
cinq  mtl  frone»;  L.  I,  27  71  a  fait  offrir  par  son  ambassadeur 
cents  mil  ducats.  —  Beim  Datum  wird  immer  die  Ordinalzahl 
geschrieben,  doch  findet  eich  aach  mitunter  das  Zahlzeichen 
der  Kardina  lia. 

Als  transitive  Verba  sind  ausser  den  Gr.  8.  16  aufge- 
führten zu  erwähnen:  II,  460  Elle  le  veut  apprendre  cValler, 
auch  II,  358;  I,  141  Tont  ce  que  nous  attentons  par  zeit  incon- 
sideri  n'est  rien  qui  vaille,  I,  205  nnd  oft.  -  II,  654  Chacun 
en  a  ce  qu'ä  en  apeu  butiner.  —  1,  361  Executer  ce  qu'il  a  de- 
Uberi,  II,  412  und  sonst  —  I,  146  II  differe  Tun  oVavec  fautre. 

—  1,  112  II  a  eschappi  leur  fureur,  I,  56,  103,  482,  498 
und  oft.  —  I,  182  Tovt  ce  que  Dieu  nous  a  eslargi,  so  sehr 
oft.  —  I,  144  Depui»  Sambition  est  survenue,  laqueüe  a  empari 


Syntaktische  Notizen  zu  Jean  Calvin.  205 

les  *  komme*  mortels  des  despouüles  quelle  avoit  ratri  ä  Dieu,  I, 
159.  —  I,  77  Le  lendemain  estant  derechef  enquis  (ü)  redoubla 
le  terme;  II,  457  La  paroüe  de  Dieu  est  la  voye  unique  pour 
nous  condxrire  ä  enquerir  taut  ce  qui  est  Ucite  de  cognoistre  de 
luy.  —  I,  283  Teile  doctrine,  laqueüe  ens eigne  l'homme  d'ac- 
quiescer  en  soy  mesme,  I,  334,  441,  448,  II,  216,  387  und  sonst 
noch  sehr  oft.  —  I,  135  La  souree  de  tout  le  mal  est  une  fotte 
convoitise  qu'üs  ont  eu  de  les  ensuivre,  I,  351,  435,  II,  204 
und    sonst,    ebenso   oft  genüg   in   den  Briefen,  z.  B.  I,  97.  — 

I,  234  Ayant  evadi  miraculeusement  la  mort.  —  I,  142  Entre 
lesquels   eile  partit  sa  vertu,  I,  146,  204,  372,   unendlich  oft. 

II,  288    8%  on  veut  per  suader    queleun  ä  faire   une   chose.    — 

I,  145    Pour   ne  rien   sp eculer  de  luy  terrestre  ou  charneL  — 

II,  233  Le  soleil  vegete  la  terre;  I,  62  Ceste  grace  Celeste  de 
laqueüe  nous  sommes  touz  vegetez,  I,  235. 

Unter  den  Verben,  weiche  ohne  Reflexivpronomen  vor- 
kommen, erwähnt  Gr.  S.  20  auch  merkwürdigerweise  cela  ne 
faxt  gueres  pour  eux,  das  natürlich  ganz  anders  geartet  ist.  Hin- 
zuzufügen sind  nur  das  häufige  desister,  z.  B.  I,  325  L'homme 
voyant  qu'ü  faxt  mal,  ne  desiste  pas  pourtant,  I,  421  Ils  riont 
point  desisti  de  ceste  audace;  ferner  II,  596  Ma  misericorde 
n'en  departira  point;  II,  465  Un  mir  vir  de  Velection,  qui  ne 
peut  escrouler  qu'ette  ne  parvienne  ä  son  plein  effect;  I,  568 
Quand  ¥  Esprit  est  reposi  sur  luy  en  forme  de  colombe. 

Gar  nicht  erwähnt  hat  Gr.  die  bei  Calvin  vorkommenden 
Reflexiva,  welche  heutzutage  nicht  mehr  resp.  nicht  mehr  iu 
demselben  Sinne  reflexiv  gebraucht  werden,  z.  B.  II,  1060  Ce 
grand  Prestre  ou  Pontife  Christ  .  .  .  s'est  apparu;  II,  1024 
11  ne  s'est  point  fait  invisible,  mais  seulement  s'est  disparu.  — 
I,  213  Eües  ne  se  peuvent  bouger  d'un  certain  Heu,  —  II,  123 
Ils  se  combattent  eutre  eux  de  ceste  puissance,  II,  683  Les 
Eglises  se  combattoyent  ensemble.  —  II,  350  Car  ü  ne  se  com- 
mence  pas  icy  un  legier  combat  —  II,  690  Cestoit  un  subter- 
fuge  commun  .  .  .  que  de  s'encourir  ä  Roms.  —  II,  112  Ils 
ne  se  feignent  point  aux  autres  choses  de  f orger  de  faux  de- 
crets.  —  II,  843  Jamals  üs  ne  se  partoyent  oVun  Concüe  pro- 
vindaly  qu'üs  n'eussent  assigni  le  lieu  etc.  —  II,  126  Comme 
un  pelerin  lassi  ou  defaülant  se  sied  au  müieu  de  la  voye.  — 
I,  450  Aucuns  entendemens  legiere  se  tempestent  aujourdfhui  ä 
cause  du  Dimanche,  II,  1011.  —  I,  149  Se  vir  ans  cä  et  lä 
comme  serpens,  ils  trouvent  maniere  cteschapper.  —  Aus  den 
Briefen  ist  das  oft  im  XVI.  Jahrhundert  vorkommende  se  dili- 
birer  zu  notieren,  z.  B.  L.  I,  88  II  se  deliberoit  de  marcher 
pour  venir  etc.,  I,  154,  236,  II,  533  und  sonst.  (Aus  den  Briefen 


mächte  ich  hier  auch  anmerkangaweise  auf  das  unpersönlich  ge- 
brauchte se  douter  „ vermuten"  hinweisen  L.  II,  553  Cor  il  me 
doubte  qu'il  vouloit  seulement  signifier  que  etc.). 

Über  Person  und  Numerus  des  Verbums  gibt  Gr., 
S.  15  ausser  dem  bereits  erwähnten  ix  suis-je  noch  Singular. 
Prädikats? erbum  (ohne  il)  mit  nachfolgendem  plnralischen  Subjekt, 
die  bekannte  alt  französische  Konstruktion,  welche  er  noch  jetzt, 
nachdem  von  derselben  so  oft  die  Rede  gewesen,  durch  Auslassung 
von  il  erklärt.  Dazu  zu  ziehen  sind  Stellen  wie  I,  419  PartiUc- 
ment  y  est  demonsbrS  une  merveilleuse  benignus ;  II,  93  Qu'en  «oh 
nom  fust  presche  penüence  et  remtssion  des  pechez;  L.  II,  32  Jamais 
ne  s'est  pause  annee  qu'tl  n'y  eust  quelque  quereüe.  Ebenso  ent- 
spricht älterem,  doch  nicht  mehr  nenfranzösiscbem  Gebrauch  die 
Attraktion  I,  116  Ceti  de  me  cognoisire  le  Dien  qui  fay  mineri- 
corde,  justice  etjugement  en  la  terre;  II,  984  Je  suis  U  pain  de  vie 
qui  suis  decendu  du  ciel;  L.  II,  135  Nous  ne  sommes  pas  ceux  qui 
vouldrions  refuser  de  vous  gratifier.  Auch  1, 135  8i  neferont-Ü* 
Jamals  qu'une  mesme  chose  soyent  deux  wird  man  nicht  mehr  sagen. 

Die  Tempora  erscheinen  schon  fast  ganz  in  neufranzösischer 
Weise  gebraucht  Wenn  Gr.  S.  21  in  3,  2,  28  Si  je  cheminoye 
en  obscuriti  de  mort,  je  ne  eraindray  point  „das  Futurum  statt 
des  Conditionale u  notiert,  so  ist  diese  rein  äusserliche  Betrachtung 
solcher  durchaas  nicht  seltenen  und  auch  beute  noch  vorkommenden 
Sätze  zurückzuweisen,  s.  Weissgerber,  Ztschr.  VIII1,  323.  In 
dieser  Abhandlung  sind  die  Tempora  in  den  hypothetischen  Sätzen 
bei  Calvin  gebührend  berücksichtigt,  nnd  dem,  was  hier  gesagt 
ist,  habe  ich  nur  hinzuzufügen,  dass  das  Imperf.  Eonj.  überhaupt 
nur  zwei  Hai  und  zwar  nach  comme  si  {l.  c,  S.  330)  auftritt, 
vgl.  I,  193  Comme  si  bastir  le  monde  de  jour  ä  autre  ne  fust 
pas  chose  decenie  ä  sa  puissance;  II,  77  Comme  si  en  voulani 
definir  cecy  ou  cela  il  ne  fust  pas  requis  de  prendre  etc.  Einmal 
ist  einem  Satze  mit  comme  si  und  dem  indikativischen  Plusqnampf. 
ein  Satz  mit  que  und  dem  Präsens  des  Eonj.  koordiniert,  wie  denn 
auch  früher  comme  si  mit  dem  Präsens  des  Indikativ  und  noch 
Übergang  vom  Imperf.  in  das  PräsenB,  von  der  Irrealität  in  die 
Th&tsäcblichkeit,  vorkam,  vgl.  II,  1162  Comme  si  Dieu  en  ordon- 
nant  des  hommes  mortels  pour  dominer,  leur  avoit  resigni  ton 
droit:  ou  bien  que  la  puissauce  terrienne  soit  amoindrie  quand  eile 
est  dbaisste  en  son  reng  inferieur  sous  l'empire  souverain  de  Dieu. 

Zu  beachten  ist  c'est  in  der  indirekten  Frage  statt  c'üaü 
II,  959  Sainct  Pierre  estant  interrogui  de  ceux  gui  se  voutoyent 
convertir,  que  e'est  qu'ils  avoyent  ä  faire  etc.,  vgl.  Z.  f.  r.  Ph. 
XI,  438  ff.  Diese  Erscheinung  steht  in  dem  Gebrauche  der  da- 
maligen Zeit   nicht    vereinzelt   da.     Ungleich   häufiger  sind   bei 


Syntaktische  Notizen  zu  Jean  Calvin.  207 

Schriftstellern  des  16.  Jahrhunderts  und  auch  noch  späterer  Zeit 
folgende  Abweichungen  vom  neufranzösischen  Gebrauch:  das 
Präsens  Fut.  statt  des  Impf.  Fut  nach  quand  in  Konzessivsätzen 
wie  II,  104  Quand  nous  accorderons  que  ces  choses  auront  estS 
bien  dites  des  Anciens  .  .  .,  toutefois  eües  riont  pas  esti  dites  en 
ce  sens,  auch  II,  940  und  sonst.  Die  gegebene  Stelle  dient  auch 
als  Beispiel  für  die  formale  Angleichung  der  Tempora.  Wie 
hier  das  fut.  Tempus  des  abhängigen  Satzes  nur  durch  das  Fut 
des  regierenden  Satzes  veranlasst  ist,  so  die  perfektischen  Tempora 
resp.  der  Infinitiv  Perf.  in  folgenden  Beispielen:  II,  198  De  la 
eondiiion  ä  laqueüe  il  a  fallu  que  Christ  nostre  chef  se  soit 
soubmis;  II,  300  Qui  tust  attendu  que  ceux  qui .  .  .,  eussent 
amsi  despouüU  Jesus  Christ  de  sa  vertut  I,  410  Car  c'a  esti 
une  pure  superstition  de  leur  avoir  assigni  cest  estat  et  office, 
qui  ne  leur  estoü  pas  donni  de  Dieu.  Nicht  hierher  zu  rechnen 
sind  Stellen  wie  L.  II,  407  Nous  pensions  bien  que  V .  experience 
du  temps  passe*  vous  deust  avoir  esloignez  ä  vous  tenir  coys  et 
paisibles,  da  hier  wohl  deust  =  devrait  und  nicht  =  eüt  du  ist, 
so  dass  der  wohlbekannte  ältere  Gebrauch  vorliegt,  die  Voll- 
endung am  Infinitiv  statt  am  Hilfsverbum  auszudrücken.  Der 
Infinitiv  Perf.  statt  des  Infinitiv  Präs.,  wenn  nicht  die  Ausführung, 
sondern  die  bereits  vollendete  Handlung  ins  Auge  gefasst  wird, 
kommt  vor  L.  II,  352  II  est  aussi  besoin  dy  avoir  arresti 
devant  toutes  choses  quel  ordre  on  devra  tenir;  L.  II,  391  Je  me 
doibs  garder  de  myestre  induist  par  ambition  ä  me  justifier. 
Gr.  berücksichtigt  auch  die  Bildung  der  zusammengesetzten  Zeiten 
mit  avoir  und  etre,  was  nicht  erforderlich  war.  Er  hätte  dann 
aber  auch  den  noch  im  ganzen  17.  Jahrhundert  so  häufigen  Ge- 
brauch I,  47  11  n'y  a  eu  .  .  .  maison  qui  se  soit  peu  passer 
de  reUgion  berühren  sollen,  für  den  ein  sehr  gutes  Beispiel  ist 
II,  750  Ils  ne  s'en  sont  faits  que  moquer. 

Der  Konjunktiv  ist  in  der  bereits  mehrfach  erwähnten 
Arbeit  von  Weissgerber  gründlich  behandelt,  doch  ist  auch  hier 
Einiges  nachzutragen,  zumal  W.  von  der  Institution  1.  I.  und  II. 
nicht  herangezogen  hat.  —  Im  selbständigen  Satze  erscheint  als 
Konjunktiv  der  Einräumung  ohne  que  nur  etre  und  vouloir  in  der 
Alternative.  Dass  Gr.  dieses  vouloir  übersehen  hat,  ist  um  so 
auffälliger,  als  dasselbe  verhältnismässig  oft  vorkommt,  vgl.  ausser 
den  Stellen,  die  W.  giebt,  noch  1,  267  Balaam  vousist-ä  ou 
non,  ne  se  peut  tenir  de  dire  etc.f  I,  62,  63,  99,  324,  360, 
367,  502,  556,  II,  45,  L.  I,  242.  —  Fat  ist  auch  von  W.  ge- 
geben, vgl.  noch  L.  II,  52  und  ausserdem  II,  474  Qu'est-ce  que 
pretendront  ,  .  .  ceux  qui  assignent  quelque  Heu  aux  ceuvres  en 
nostre  election,  soyent  precedentes  ou  futuresf 


208  A,  Baute, 

Im  indirektem  Fragesätze  soll  nach  Gr.  8.  22  der 
Konjunktiv  „nicht  häufig"  Bein,  doch  ist  derselbe  ausser  in  den 
beiden  daselbst  gegebenen  Stellen  noch  mindestens  zwölf  Mal  in 
finden,  vgl.  Weissgerber,  S.  279  und  293,  und  den  hier  gegebenen 
Stellen  füge  ich  hinzn  I,  136,  160,  240,  270,  II,  135,  639  and 
L.  II.  339,  406,  452,  518.  Diese  Beispiele  reiben  sich  in  die 
zwei  von  W.  gemachten  Abteiinngen  ein,  nnr  I,  210  (Test  mcrve&e 
comment  quelcun  en  puisae  douter  musa  besonders  gestellt  werden. 
Die  Stellen  mit  Ü  ne  ckctut  habe  ich  gar  nicht  aufgezählt  Übrigens 
können  zn  dem  von  W.  gegebenen  Beispiele,  welches  den  Indikativ 
in  dem  von  ü  ne  (haut  abhängigen  indirekten  Fragesätze  aufweist, 
noch  mehrere  gleichartige  hinzugefügt  werden,  z.  B.  II,  697, 
795,  1057. 

Im  Relativsätze  ist  der  Konjunktiv  statt  des  heute  not- 
wendigen Indikat.  gebraucht  II,  980  Ce  n'eat  le  Sacrement  qui 
face  que  Jesus  Christ  commence  de  nous  estrt  pain  de  vis;  I, 
342  Ce  ne  sommes-nous  pas  out  nous  ayons  faüs,  Stellen,  welche 
zeigen,  dass  die  zur  Hervorhebung  dienende  Wendung  (wie  auch 
est-ce  und  si  c'est,  B.  Ztsehr.  XI1,  219)  noch  ihrer  Bedeutung 
nach  empfunden  wurde.  Hit  Unrecht  führt  Weissgerber  S.  298 
qui  est-ce  qui  a  enteigne",  out  sera-ce  gui  pourra  als  vom  Neu- 
französischen  abweichende  Indikative  an,  wogegen  in  Qui  est 
celuy  qui  y  va  u.  ä.  selbstverständlich  heute  nur  der  Konj. 
am  Platze  ist.  Solche  Sätze  letzterer  Art,  welche  nicht  mit  jenen 
zusammenzustellen  sind,  begegnen  sehr  oft,  z.  B.  noch  I,  149, 
II,  66,  124,  730,  652  (Qui  sera  V  komme  qui  recevra  eelaT) 
544  (Qui  sera  le  maistre  ou  docteur  qui  nous  enseignera  etc.) 
und  sonst;  daneben  natürlich  in  gleichem  Falle  auch  der  Konj-, 
z.  B.  II,  128,  500.  —  Dem  von  Gr.  3.  43  erwähnten  Falle 
(der  Indik.  in  dem  relativischen  verallgemeinernden  Satze,  welcher 
sich  an  ein  durch  quelque  bestimmtes  Subst.  anscbliesBt,  Sätze, 
in  welchen  der  Indik.  in  älterer  Zeit  nicht  selten  vorkam)  füge 
ich  hinzu  L.  I,  87  Gar  quelque-^risistance  que  luy  faict  U 
clergi .  .  .,  il  ne  laisse  pourtant  de  perseoerer;  L.  II,  459  En 
quelque  »orte  qu'il  plaira  ä  Dieu  nous  mectre  en  pratieque,  ü 
nous  fault  estre  prests.  —  In  einer  grossen  Anzahl  von  Relativ- 
sätzen finden  wir  den  Konj.  nach  lateinischer  Weise  gebraucht, 
Z.  B.  I,  471  En  taute  la  Loy  on  ne  lä  point  une  seule  syliabe 
qui  donne  reigle  ä  F  komme  de  ce  qu'il  doive  faire  ou  laisser  pour 
son  proßt  (quae  regulam  homini  de  iis  statuat,  quae  car-nü  suae 
commado  facturus  aut  omissurus  sit);  II,  1065  Et  la  voye  a  estl 
ouverte  aux  Messe»  privies,  lesqueües  representassent  plustost 
quelque  exeommunication  que  etile  communiti  qui  a  estl  instituee 
de    nostre   Seignettr    (aditus   missis  privatis  est  patefactus,    quae 


Syntaktische  Notizen  zu  Jean  Calvin.  209 

excommunicationem  quandam  magis  referrent  quam  communi- 
tatem  illam  a  Domino  institutam).     Die   neuere  Sprache   setzt 
hier  den  Indikativ.     Der  Konj.    im  ersten  Satze    ist  analog  dem 
Konjunktiv    im    indirekten    Fragesatze    nach   verneinten    Verben. 
Im  zweiten  Satze  erklärt  er  sich  als  Zweckbestimmung,  wie  denn 
in  solehen  explikativen  Relativsätzen  der  Konj.  früher  nicht  un- 
gewöhnlich war,    8.  Weissg.  S.  301.     Nicht    also  der  Modus  ist 
hier  eigentlich  das,  was  vom  Neufranzösischen  abweicht,  sondern 
die  relativische  Anknüpfung.    Eben  dasselbe  gilt  von  explikativen 
Relativsätzen    wie    den   folgenden   II,    60   Ceux-cy  forgent  une 
Chrestiente,    laqueUe    n'ait   que  faire    de  V Esprit  de  Christ; 
II,  1065    On  feind  que  le  sacrißce  de  la  Messe  est  un  paye- 
ment  qü'on  fait  ä  Dieu,    lequel  il  regoyve   de  nous  en  satis- 
faction    (sacrißcium  missae  pretium   Deo   numerare  ßngitur,, 
quod  ipse  in  satisfactionem  accipiat);  I,  522  Ce  seroit  une  trop 
folle  arrogance   de  ne  point  conceder  ä  Dieu,    qu'il   sache  les 
raison*   de  ses   oeuvres,    lesquelles    nous   soyent   cachees.     Der 
Konjunktiv  bezeichnet  die  Irrealität   und  ist  durch  den  regieren- 
den Satz  veranlasst.     Knüpft   man  die  relativischen  Sätze  durch 
ä  und    die    vom    regierenden    Verbum    abhängig    zu    machende 
Konjunktion  que  an,    so  ist  der  Modus    in    allen  Sätzen    solcher 
Art,  wenn  nicht  immer  nach  neufranzösischem,   so  doch  minde- 
stens nach  dem  Gebrauch  der  damaligen  Zeit,  nicht  befremdlich. 
Im  letzten  Satze  wäre    ein  et  de  dire  que,    das    sich    aus   dem 
Vorhergehenden  ergibt,  zur  Erklärung  des  Sachverhalts  hinzuzu- 
ziehen.    Solche  Sätze  finden  sich  in  grosser  Zahl.     Gr.  hat  das 
auch  gemerkt,  wie  seine  Bemerkungen  S.  22  zeigen,  die  freilich 
nicht   ausreichen.     Aus   den  Briefen   möchte    ich    noch    anführen 
I,  55    Cela    ne.    dis-je  pas  pour   vous   admonester  de  faire  ce 
<pe  vous  ne  faciez  de  present,  mais  affin  que  etc.,  wo  fassiez 
veranlasst  ist  durch    den  Gedanken   „dieses  sage  ich,    nicht  als 
ob  Ihr  nicht  thätet  (non  que  vous  ne  fassiez)il. 

Im  Konjunktionalsätze  mit  que  nach  Ausdrücken  des 
Wollens  findet  sich  der  Indik.  (ausser  nach  attendrey  worauf 
Weissg.  hingewiesen  hat,  vgl.  auch  L.  II,  304)  1 ,  375  II  a 
tenu  ä  lern*  perversite  qu'il  ne  les  n>  entretenus  en  bonne 
fortune;  I,  468  Et  ne  doit  chaloir  que  ce  verbe,  Tu  ne  con- 
voiteras  point,  est  reitere'  pour  la  seconde  fois;  L.  II,  141 
Et  si  quelquefois  il  permet  (Dieu)  que  le  sang  des  siens  est 
fspandu,  toutefois  il  ne  laisse  pas  de  tenir  leurs  larmes 
precieuses  (vgl.  dazu  Frz.  St.  V,  1,  51).  Diesen  Steilen  schliesst 
sich  an  I,  227  II  ya  danger  qu'elles  ne  nous  pourroyent 
aider  de  gueres,  et  nous  pourroyent  beaucoup  tourmenter  par 
leur  obscurit4. 

Zackr.  f.  fr*.  8pr.  u.  Litt.    XII  *.  14 


310  A.  Haaae, 

Einen  breiten  Raum  nehmen  die  von  Ausdrucken  des 
Affekte  oder  der  billigenden  resp.  missbilligenden  Beurteilung 
abhängigen  Nebensätze  mit  dem  Indikativ  ein,  welche  Gr.  gar 
nicht  erwähnt.  Ausser  dem,  was  Weissg.  S.  275  ff.  giebt,  sind 
zu  erwähnen:  I,  246  II  me  deplaist  que  .  .  .  j'ay  si  souvent 
nommd  Fortune;  II,  33  C'est  une  chose  merveilleuse,  que 
la  foy  soustient  les  eceurs  des  fideles  au  milieu  de  teües 
concussions,  ebenso  II,  643;  II,  1128  Et  doit  eembler  ettrange 
que  je  remets  maintenant  etc.;  ausserdem  noch  eine  ganze 
Anzahl  von  Stellen  ans  den  Briefen,  so  regretter  que  und  Indik. 

I,  108,  II,  131 ;  s'ebakir  I,  356,  II,  52  (aber  mit  de  ce  que 
nnd  dem  Konj.  II,  304);  je  suis  bien  aise  I,  286;  je  «wir 
joyeux  I,  142,  235;  je  suis  marri  II,  4;  c'est  pitii  I,  238a 
c'est  grand'  honte  I,  243;  c'est  assez  II,  512,  u.  a.  ' 

Zu  dem  von  Gr.  S.  22  und  Weissg.  S.  288  ff.  behandelten 
Konjunktiv  nach  nicht  verneinten  Verben  des  Denkens  vgl.  I, 
119  Les  idolatre»  ont  cuide  qu'il  leur  soit  prochain;  II,  24 
On  peut  dire  en  quelque  maniere,  que  les  reprauvez  croyent 
que  Dieu  leur  soit  propice;  I,  145  II  imagiiiait  que  la  deitt 
fust  departie  par  tout  le  monde;  L.  II,  98  On  prisumera 
aisement  que  vous  aiez  eher  che"  occasion  de  les  fascher,  ebenso 
L.  II,  388.  —  Nach  pre'tendre  „behaupten"  ist  der  Eonj.  oft  zu 
finden,  z.  B.  I,  121,  363  und  sonst.  —  Den  Konj.  nach  einem 
nicht  verneinten  Ausdruck  des  Hoffens  habe  ich  nur  notiert 
L.  I,  253  II  nous  fault  avoir  esperance  que  cependant  que 
not  corps  dorment  en  terre,  que  not  dmes  vivent  avec  luy. 
—  In  einer  ganzen  Reihe  von  Stellen  wird  nicht  allein,  wie  in 
den  oben  zitierten  Stellen,  durch  den  Konj.  der  Inhalt  des 
Nebensatzes  als  irreal  bezeichnet,  sondern  es  ist  anch  bereits  im 
regierenden  Satz  durch  die  Fassung  desselben  in  irgend  einer  Weise 
darauf  hingewiesen,    s.  Weissg.   S.  292,   wo   verwiesen   ist   auf 

II,  732 ;  die  Stelle  lautet  Voyons  de  quels  argumenta  Ha  s'uident 
pour  monstrer  que  ceste  putssance  alt  esÜ  donnee  ä  l'Eglise, 
ferner  II,  1071  Ils  manifestent  leur  impiete",  enseignans  que 
plus  grande  augmentalion  de  vertu  soit  conferee  en  la  Con- 
ßrmation  qu'au  Baptesme;  II,  112  Je  m'esmerveille  de  quelle 
hardiesse  üs  osent  assurer  que  la  confession  de  laqueüe  ils 
parlent  soit  le  droit  divin,  u.  a.  —  Es  ist  noch  hinzuweisen 
auf  II,  301  Elles  ne  signifient  pas  seulement  que  la  faculU 
dacquerir  justice  ou  salut  nous  advienne  par  Jesus  Christ, 
mais  que  l'une  et  Pautre  nous  est  en  luy  donnee;  U,  481 
Comment  ces  deux  choses  s'aecordent  que  tous  soyent  appellez 
ä  repentance  et  ä  foy  par  la  predication  exterieure,  et  que 
toutesfois    Vesprit  de  repentance   et  de  foy  n'est   pas  donne  ä 


Syntaktische  Notizen  zu  Jean  Calvin.  211 

tousy  je  Vay  desja  explique  aiUeurs.  Ein  solcher  Wechsel  des 
Modus,  wo  es  sich  um  Aussagen  handelt,  die  auch  nach  des 
Autors  Meinung  Thatsachen  sind,  ist  in  der  älteren  Sprache  nicht 
onerhOrt,  der  Konj.  erklärt  sich  lediglich  als  Modus  der  Reflexion. 
—  Das  heute  nur  familiäre  il  y  a  beaucoup  ä  dire  que  ne  mit 
dem  Konj.  I,  418,  II,  743.  (Wenn  Gr.  S.  23  die  Stelle  2,  8,  4 
Que  cy  est  que  nous  peuvent  pro  fiter  les  promesses  d'elles  mes~ 
mes,  ü  a  este*  desja  dit  als  solche  anführt,  wo  heute  der  Konj. 
stehen  mttsste,  so  hat  er  übersehen,  dass  wir  es  mit  einem  in- 
direkten Fragesatze  zu  thun  haben,  que  =  ce  qtte). 

In  den  von  Ausdrücken  des  Seins  und  Geschehens  abhän- 
gigen Nebensätzen  zeigt  sich  Ähnliches  wie  oben,  z.  B.  II,  401 
Et  est  advenu  non  seuiement  (ce  que  le  Prophete  reprochoit 
aux  Isradites)  que  les  dieux  ayent  este  dressez  selon  le  nombre 
de  vittes  (der  lateinische  Text  bot  keine  Veranlassung  zum  Konj.); 
I,  339  II  use  donc  de  ces  paroUes:  quHl  est  advenu  par  la 
liberti  de  Vhomme  qtTil  soit  en  pechS,  maintenant  que  la 
eorruption  .  .  .  a  fait  de  liberte  necessite  (per  libertatem  factum 
est  ut  esset  homo  in  peccato),  und  so  findet  man  noch  sonst, 
wo  es  sich  um  Thatsachen  handelt,  unter  völlig  gleichen  Be- 
dingungen bald  den  Indik.,  bald  den  Konj.  —  Der  Konj.  nach 
il  est  vraisemblable  (Weissg.  S.  281)  steht  II,  1024  Combien 
qu'il  est  aussi  vraysemblable  que  la  pierre  se  soit  levte. 
Ahnlich  sind  Stellen  wie  I,  428  Je  suivray  ce  qui  me  semble 
le  plus  probable,  c'est  que  la  sentence  dont  ils  fönt  le  pr emier 
precepte  tienne  comme  un  Heu  de  Proeme  sur  tonte  la  Loy, 
wo  die  Ausgabe  von  1561  tient  liest.  —  In  II,  522  Estoit-ce 
pource  qu'il  esperast  pouvoir  adoucir  son  cosurt  ist  der 
Konj.  nicht  befremdend,  da  der  Satz  selbstverständlich  =  ce 
n'estoit  pas  pource  que  etc.  und  die  frühere  Zeit  gern  non  parce 
que  (pource  que)  zur  Ablehnung  einer  Annahme  gebrauchte, 
was  Gr.  S.  60  für  Calvin  nachweist,  während  das  Neufranzösische 
in  diesem  Falle  non  (pas)  que,  ce  n'est  pas  que  sagt.  —  L.  II, 
94  Je  veoy  bien  cependant  en  quelle  extremite  vous  demeurez; 
mais  encores  est-ce  qu'il  nous  faille  resister  ist  estre  =  einem 
Ausdruck  des  Wollene. 

Kausales  comme  mit  dem  Konj.  erscheint  in  der  im  XVI. 
Jahrhundert  und  auch  bei  Calvin  unendlich  häufigen  Formel 
comme  ainsi  soit  que,  welche  Gr.  S.  59  erwähnt.  Die  Wen- 
dung ist  vollständig  formelhaft  geworden,  da  dieselbe  ohne 
Rücksicht  auf  das  folgende  Tempus  fast  immer  präsentisch  er- 
scheint, z.  B.  I,  214,  439,  553,  II,  515,  672,  1108  u.  s.  w., 
selten  comme  ainsi  fust  que  II,  1123.  Ganz  überwiegend  folgt 
im  abhängigen  Satze   mit  que  der  Konj.,    doch  auch  der  Indik., 

14* 


213  A.  Haase, 

z.  B.  II,  11,  1158  und  sonst.  Aach  sonst  habe  ich,  freilich  in 
der  ganzen  Instit.  nur  einmal,  comme  mit  dem  Konj.  gefunden 
II,  1142  Mais  comme  il  soit  bien  necessaire  qu'äs  n'entre- 
prennent  Wen  stnon  .  .  .,  il  est  Expedient  etc.  Neben  dem  un- 
endlich oft  nach  combien  que  sich  zeigenden  Indik.  (Gr.  8.  61) 
erscheint  derselbe  Modus  auch  nach  encore  que,  was  nicht  nur 
im  XVI.,  sondern  auch  im  XVII.  Jahrhundert  oft  genug  zu  be- 
obachten ist,  z.  B.  II,  452  Encore  que  quelque  fois  Dien  ne 
nous  satisfait  pas  ä  noz  premiers  souhaits,  L.  II,  150.  In 
den  Briefen  habe  ich  gefunden  I,  5  Quand  il  soit  question 
de  accomparer  teües  compaignies  aux  synagogues  des  Juifs, 
je  craindrois  de  faire  injure  etc.,  eine  Stelle,  in  der  mir  der 
Konj.  der  Annahme  recht  auffallend  und  kaum  durch  die  hypo- 
thetische Natur  des  quand  erklärbar  erscheint.  Nicht  so  be- 
fremdlich wäre  L.  II,  50  Quand  nos  commis  nous  eussent 
faict  leur  rapport  .....  nous  pensions  etc.,  wie  ja  auch 
früher  in  gleichem  Falle  nach  apres  que  das  Plusqupf.  Konj. 
vorkam,  allein  eussent  könnte  auch  =  eusrent  stehen,  wie 
L.  II,  133  La  response  qu'ils  eusreunt  de  vous.  Nach  afin  que 
erscheint  der  Indik.  L.  I,  198  Vous  y  adviserez  Selon  que  vo» 
affaires  le  porteront  affin  que  le  Sr.  d'Albiac  le  peult  faire 
venir,  et  par  ce  moien  que  vous  ne  demeuriez  pas  longtemps 
desproveu;  L.  I,  351  Comme  je  desire  vostre  repos,  afin 
qu'estans  paisibles  vous  ayez  meiüeure  opportunite  de  servir 
ä  Dieu,  et  le  faictes  de  meilleur  courage,  j'ay  este  marry  etc.; 
in  beiden  Sätzen  ist  ein  Wechsel  des  Modus  zu  beobachten. 
Unzweifelhafte  Imlikative  finden  sich  im  XVI.  Jahrhundert  nach 
afin  que;  zu  faxtet  s.  Tobler,   V.  B.  8.  26. 

Sind  Konjunktionalsätze  koordiniert,  so  folgt,  älterem  Ge- 
brauch entsprechend,  Öfters  einem  Bedingungssätze  mit  si  der 
Konjunktiv  ohne  que  (Weissg.  S.  339),  z.  B.  II,  206  En  cela 
se  demonstre  la  force  d'un  komme  jidele,  si  estant  tenti  du 
sentiment  d'une  teile  aigreur,  combien  qu'il  travaille  grievement 
toutesfois  en  resistant  il  surmonte  et  vienne  au  dessus; 
II,  258  Toute  ceste  dispute  seroit  froide  et  sans  saoeur,  si 
chacun  ne  s'adjourne  devant  le  Juge  Celeste:  et  estant  en  soucy 
d'obtenir  absolution,  s'abatte  de  son  bon  gre  et  s,aneantisse. 
—  Auf  einen  Satz  mit  quand  und  dem  Indik.  folgt  que  mit  dem 
Konj.  (Weissg.  S.  340),  wie  Gr.  S.  22,  4  nachweist,  ebenso 
L.  II,  339  Quant  vous  y  seriez,  et  qu'on  vous  ecoustast,  je 
croy  bien  etc.  —  Nach  combien  que  mit  dem  Konj.  ist  que 
mit  dem  Indik.  gebraucht  II,  415  Combien  qu'elles  ne  puissent 
estre  continuelles,  et  qu'elles  ne  se  peuvent  ou  doyvent  faire 
que  selon  lapolice  ordonne'e  etc.  —  Vgl.  noch  L,  II,  127  Puisque 


Syntaktische  Notizen  zu  Jean  Calvin.  213 

ceux-lä  estoient  nommez  pour  parties  au  proces,  et  que  ceux 
qui  restent  les  eussent  acceptez  et  advouez  pour  leurs  consorts, 
eomme  les  actes  en  fönt  foy,  cestoit  pour  le  moins  que  les 
heritiers  prinssent  la  cause.  Der  Indikativ  statt  des  Konj.  der 
Einräumung  im  Vergleichungssatze  nach  einem  durch  si  resp. 
tant  hervorgehobenen  Adj.  resp.  Adv.  war  früher  nicht  unge- 
wöhnlich, vgl.  II,  1010  Mesme  leur  nonchalance  si  lourde  quon 
la  voit,  monstre  etc.;  L.  I,  380  Si  peu  de  moiens  quil  vous 
offrira,  vous  estes  delibire  de  les  prendre;  L.  I,  47  Tant  peu 
que  Dieu  luy  a  donne  oTintettigence  de  son  Escripture,  il  Va 
tousjours  fait  servir  etc. 

Der  Infinitiv  ohne  Präposition  war  im  16.  Jahrhundert 
von  sehr  ausgedehntem  Gebrauch.  Calvin  hat  denselben  ab- 
weichend vom  Neufranzösischen  ausser  in  den  von  Gr.  S.  23  f. 
beigebrachten  Stellen  noch  sehr  oft  in  Fällen  wie  I,  19  Cest  la 
finesse  de  Satan,  se  transfigurer  en  Ange  de  lumiere; 
II,  246  La  justice  de  la  foy  est,  croire  que  J.  C.  est  mort  et 
ressuscite,  L.  I,  6,  II,  67  und  sonst;  II,  1047  Secondement  en 
charite,  laquelie  mesme  il  suff  ist  presenter  imparfaite  ä  Dieu, 
afin  quHl  Vaugmente  en  mieux;  L.  I,  3  Quil  ne  fust  nullement 
possible  vous  desmouvoir  de  propos,  II,  46.  Ferner  II,  510 
Sinon  quelcun  affecte  de  son  bon  gr4  se  mettre  en  danger; 
II,  348  Quelque  ceuvre,  pour  laquelie  ettes  nJ attendroyent 
rapporter  que  malediction;  II,  1138  Dieu  qui  le  commande 
ainsi  faire,  L.  II,  400;  I,  531  La  nature  humaine,  de  laquelie 
desja  le  Pere  avoit  decrHe  le  revestir;  II,  385  (que)  mesmes 
ne  desdaignions  point  ä  Vexemple  de  David,  entre-lacer 
taut  ce  qui  peut  donner  etc.;  II,  1010  Je  ne  doute  pas  le 
prendre  comme  une  similitude  tiree  des  hommes,  II,  540; 
II,  1004  Satan  s'efforce  encore  aujourd'huy  la  denigrer  de 
calomnies;  I,  369  De  laquelie  il  prie  Dieu  remplir  le  coeur 
des  Thessaloniciens ,  L.  I,  18  und  unendlich  oft  hier;  II,  1161 
Daniel  p roteste  n'avoir  en  rien  offense  le  Roy:  I,  321  Ceste 
instruction  quHl  promet  donner,  L.  I,  86,  256,  II,  367,  490. 
Endlich  II,  69  Nul  ne  se  peut  resoudre  estre  ä  Dieu  sinon 
que  etc.;  I,  351  II  y  a  peu  de  gens  .  .  .  qui  ne  soyent  bien 
aises,  quant  ä  ces  choses,  estre  veus  entre  tous  les  autres, 
L.  II,  218.  Dazu  kommen  noch  aus  den  Briefen  eher  eher  f.  qc. 
L.  I,  148;  etre  contraint  f  qc.  L.  II,  15,  56;  craindre 
f.  qc.  L.  I,  217,  387,  II,  198;  (se)  deliberer  f.  qc.  L.  I, 
22,  236,  II,  136;  exhorter  q.  f.  qc.  L.  II,  136;  riavoir 
garde  f.  qc.  L.  I,  101;  ordonner  ä  q.  f.  qc.  L.  II,  251; 
oublier  f.  qc.  L.  I,  238;  etre  tenu  f.  qc.  L.  I,  380;  ü  me 
semble   bon  f.  qc.  L.  II,    134;   La  peine  que  j'ai  prise  f  qc. 


214  A.  Haase, 

L.  II,  226  u.  a.,  (vgl.  //.  Std.  V,  512-518;  Gräfenberg 
S.   92  —  96). 

Das  Subjekt  ist  dem  von  einer  Präposition  abhängigen 
Infinitiv  nur  selten  beigegeben,  z.  B.  II,  857  Je  riimpose  point 
loy  ä  ceux  qui  auront  failly  en  quelque  sorte,  de  faire  tous 
un  semblable  vom;  L.  I,  272  Ce  catechisme  servira  ä  deux 
usages,  assavoir  d Instruction  ä  tout  le  peuple  pour  tous 
profiter  ä  ce  qvüon  preschera  etc.;  L.  II,  380  Vous  donnertet 
occasion  de    s\smouvoir   grans   tumultes  sans  proßt. 

Dem  von  Or.  8.  17  zitierten  Beispiele  sind  hinzuzufügen 
II,  379  Pour  les  faire  invoquer  Dieu;  I,  346  Pour  le  faire 
produire  fruit 

Die  Angaben  von  Gr.  S.  28  über  das  Partizipium  des 
Präsens  resp.  das  Gerundium  sind  insofern  ungenau,  als  er 
behauptet,  die  Form  -ante(s)  in  Beziehung  auf  weibliche  Nomina 
finde  sich  nur  beim  Verbaladjektiv.  Ich  habe  folgende  Stellen 
in  der  Instit.  mit  transitiven  Verben  gefunden:  I,  311  Toutes 
choses  concernanteß  la  vie  bien  heureuse  de  Farne  sont  auesi 
esteinte*  en  luy,  ebenso  II,  371,  1127  und  II,  424  Toute  chose 
concemante  nous  ei  nostre  pro  fit;  II,  444  Toutes  les  mau- 
vaises  conceptions  de  nostre  entendement  nous  induisantes 
ä  transgresser  la  Loy,  .  .  .  sont  tentations;  II,  1075  Ce  qu'ü 
interprete  estre  le  fruit  des  levres  glorifiantes  son  Nom; 
II,  1076  C'est  ä  dire,  le  fruit  des  levres  confessantes  son 
Nom.  Ausserdem  gibt  es  eine  ganze  Anzahl  Partizipia  intransitiver 
Verba  mit  weiblicher  Endung,  welche  unmöglich  adjektivisch 
gefaßst  werden  können,  resp.  Fälle,  in  denen  sicher  die  neuere 
Sprache  das  Gerundium  wählt,  z.  B.  I,  608  Jesus  Christ  est 
Mediateur  du  nouveau  Testament,  afin  que  sa  mort  int  er - 
venante  pour  recompenser  et  abolir  les  pechez  .  .  .,  les  fideles 
regoyvent  etc.;  I,  241  Les  pluyes  venante 8  outre  leur  saison 
corrompent  et  gastent  les  semences,  II,  136  Labsolution  ser- 
vante  ä  la  discipline  de  VEglise,  ne  concerne  point  les  pechez 
secrets;  ebenso  finden  sich  die  beiden  letzten  Partizipien  z.  B. 
noch  I,  261,  365,  II,  244,  297,  983.  Mitunter  schwankt  Calvin, 
wie  II,  1039  procedant  de  in  demselben  Falle  sich  findet,  wo 
sonst  procedante  de  geschrieben  ist,  z.  B.  II,  72,  ebenso  in  dem 
von  Gr.  gegebenen  Elle  est  chargde  de  pechez,  .  .  .  encline  toujours 
ä  mal,  tendant  ä  tout  vice,  wo  sehr  mit  Unrecht  von  Gr. 
tendante  verlangt  wird,  zumal  encline  doch  Verbum  und  nicht 
Adjektiv  um  ist. 

Dass  sogar  nach  der  Präposition  en  statt  des  Gerundiums 
mitunter  in  früherer  Zeit  missbräuchlich  das  Partizipium  vorkam, 
kann  bei  der  damals  herrschenden  Verwirrung  zwischen  beiden 


Syntaktische  Notizen  zu  Jean  Calvin,  215 

Formen  nicht  zu  sehr  befremden.     Or.  gibt  eine  Stelle  aas  der 
Ausgabe  von  1564,   die  mit  den   anderen  Texten  nicht  überein- 
stimmt, and  I,  458  Ceux  qui  cheminent  en  leurs  voyes,  c'est  ä  dire 
en  leur   vocation:    de  laqueüe    se    destournent    tous    ceux  qui 
en  ddaissans  les  moyens  que  Dieu  leur  baitte  veulent  par  fotte 
temerite  surmonter  leur  necessite.     Hier  könnte  man  en  auch  als 
Adwrbiam    auffassen,    dagegen    sind    ganz   sicher    II,  76    Voila 
pourquoy  .  .  .   ü  nous    est    commande  de    despouiller    le  vieil 
komme  .  .  .:  et  en  nous   retirans  de   noz   cupiditez  de  mettre 
feine  ä  estre  renouvellez  etc.;  II,  442  II  est  bien  ä  souhaitter, 
quen  nous  est  ans   bien   acquittez  de  tous  devoirs,  nous  puis- 
sions  etc.;    II,  544    Nous  sommes  instruits  qu'en  s  ort  ans  de 
u  pelerinage  terrien  nous  sommes  receus  du  Pere;  L.  II,  142 
En  nous   tenans  coys  pour  luy  ob&ir,  nous  sommes  assurez 
que  etc.;    L.  II,  426    Ceux  qui  .  .  .  en  faisans    semblant  de 
favoriser  au  bon  parti,  n'ont  leurs  regards  qu'au  monde. 

Zu  dem  Partizipium  Perfekti  (Gr.  S.  29  f.)  ist  nur  zu 
notieren,  dass  nach  dem  noch  im  ganzen  17.  Jahrhundert  sich 
zeigenden  Gebrauch  das  Partizip  reflexiver  Verba  bei  dativischem 
Reflexivpronomen  sehr  oft  mit  dem  Subjekt  kongruiert  (z.  B.  I,  56 
La  crainte  s'est  forgee  des  dieux;  I,  119  Ils  sen  sont  faits 
des  dieux,  I,  131,  136  u.  8.  w.),  dass  excepte  noch  nicht  vor 
nachfolgendem  Subjekt  zur  Präposition  erstarrt  ist,  z.  B.  II,  691 
Exceptez  les  Metropolitains ,  qui  ne  voulurent  pas  etc.; 
and  andererseits  Joint  vorkommt,  das  sich  so  nur  in  ci -Joint 
erhalten  hat,  wie  I,  53  Laquelle  procede  (Tun  appetit  desborde 
de  plus  savoir  que  leur  mesure  ne  porte,  Joint  une  fausse 
presomption  dont  ils  sont  pleins. 

Die  Briefe  bieten  mehrere  Unregelmässigkeiten,  die  im 
16.  Jahrhundert  nicht  befremden  dürfen  (Gräfenberg,  S.  106). 
So  kongruiert  das  mit  avoir  verbundene  Partizip  noch  mit  dem 
folgenden  Objekt  L.  I,  146  Pour  me  monstrer  en  quelle  auctorite* 
vous  aviez  ouvertes  Celles  qu'il  m'escrivoit  Ferner  L.  I,  163 
Les  vostres  (lettres)  m}avoient  est  es  rendues  par  Alexandre. 
Sodann  L.  I,  40  Vostre  Eglise  riest  pas  encore  delivräe  des 
troubles  et  fascheries  qui  y  sont  naguere  advenu;  L.  I,  254 
Cest  argument  est  desduit  plus  au  long  aux  livres  qui  en  sont 
expres8<£ment  es  er  iL  Endlich  L.  II,  107  Nous  esp&rons  .  .  . 
qu  ayans  vus  les  raisons  qui  nous  empeschent,  vous  ne  serez 
point  offensez  etc. 

Die  Adverbien  behandelt  Gr.  S.  48 — 53.  Obwohl  einige 
derselben  nur  am  Scbluss  des  Abschnittes  als  vorkommend  ohne 
Belege  angeführt  werden,  z.  B.  adoncy  paravant,  bei  anderen 
hätte  angegeben  werden    können,    ob    dieselben   oft   oder  selten 


vorkommen,  so  will  ich  doch  nur  das,  was  ganz  übergangen  ist, 
hinzufügen.  So  wäre  unter  den  Zeitadverbien  (ausser  dem  bereits 
oben,  llbrigens  natürlich  auch  lokal  vorkommenden  cy)  zu  er- 
wähnen das  im  16.  Jahrhundert  Doch  sehr  häufige  souventts  fois, 
z.  B.  I,  32  Auxquels  souventes  fois  il  advient  oVestre 
estonnez  par  tele  scandales,  I,  125,  358  und  sonst.  Ebenso 
gewöhnlich  war  quelque  fois  =  neufrz.  wne  foi»,  u»  jour 
cf.  II,  519  Von»  estiez  guelque  fois  tenebres  maintenant 
estans  lumiere  en  Dieu  etc.  (der  lat.  Text  hat  aliquando) ; 
II,  95  Piaton  dit  quelque  fois  que  la  vie  d'un  Philosophe 
est  meditation  de  mort.  —  Longuement  war  auch  sehr  häufig, 
z.  B.  I,  266  Afin  de  ne  demenrer  plus  longuement  sur  ee 
propos  etc.,  I,  372,  454,  II,  415  und  oft,  ebenso  tantöt  = 
bientöt,  z.  B.  I,  583  /(  a  exte  tantost  apres  le  temps  de* 
Apostres  adjouste,  II,  829,  L.  I,  163  und  sonst.  Das  veraltete 
ensemblement  ist  nicht  selten,  z.  B.  II,  1013  Que  demandes-tu 
ä  la  puissance  de  Dieu,  qtt'eüe  face  qu'un  corps  soit  ensem- 
blement corps  et  non  corps?  II,  1052,  1059,  1145  und  sonst 
Das  einfache  tot  habe  ich  in  der  Inst,  nicht  beobachtet,  nur 
I,  81  Combien  qu'ü  faille  imputer  au  vice  des  Komme»,  ce  qu'ils 
corrompent  ainsi  tost  la  semence  que  Dieu  a plante*  en  leurs 
cceurs,  wo  ainsi  =  aussi  steht,  wie  früher  ainsi  vor  Adj.  und 
Advb.  nicht  selten  ist,  mag  angemerkt  werden.  In  den  Briefen 
kommt  auch  einfaches  tot  vor,  z.  B.  L.  I,  272  Si  vorn  de'sirez 
de  bastir  ung  edifice  de  longue  dure"e,  et  qui  ne  s'en  aille 
point  tost  en  decadence,  faictes  etc.  Hier  ist  auch  noch  en- 
core  „schon"  gebraucht,  z.  B.  L.  I,  174  Pource  que  je  n'ettoü 
pas  certain  si  on  vous  avoit  encore  adverty  de  la  mort  de 
M.  .  .  . ,  je  n'aooye  ose  en  faire  mention;  ferner  sehr  oft  das 
alte  atant,  z.  B.  L.  1,  31,  35,  39,  40,  84,  88,  II,  57  und  sonst; 
auch  ce  temps  pendant,  z.  B.  L.  I,  31  Ce  temps  pendant 
nostre  Seigneur  nous  fera  ouverture  etc. 

Das  alte  Ortsadverbium  illec  begegnet  II,  678  II  s'ensuit 
donc  qu'il  a  coüoque'  illec  le  siege  de  sa  primaute. 

Das  alte  bis  ins  XVII.  Jahrhundert  hineinreichende  mon 
=  certainement  begegnet  II,  16  Nous  ne  disputons  pas  icy, 
assavoir-mon  si  le  minütere  de  V komme  est  necessaire  etc., 
genau  so  II,   696. 

Memement  =  surtout  (Dannest.  §  254)  II,  419  II  est 
bon  que  mesmement  la  langue  soit  employte  ä  ce  faire,  II, 
426  und  sonst 

Adverbial  ist  auch  das  der  ganzen  älteren  Sprache  ge- 
läufige aussi  bei  etre,  wo  die  prädikative  Bestimmung  aus  dem 
vorhergehenden  Satze    zu   ergänzen    ist  (Tobler,    V.  B.,    S.  87), 


Syntaktische  Notizen  zu  Jean  Calvin.  217 

wie  II,  609  Dien  m'est  tesmoin,  et  aussi  seront  tous  ceux 
qui  etc.;  1,  457  Ühomme  est  V Image  de  Dien;  puis  aussi  est 
nostre  chair,  Sätze,  die  sehr  oft  begegnen.  So  ist  auch  das 
von  Gr.  8.  33  zitierte  4,  19,  34  (Test  certes  wie  ordonnance  de 
Dien  bonne  et  saincte.  Aussi  sont  bien  les  mestiers  de  la- 
boureurs,  magons  etc.  zu  fassen,  wo  nach  Gr.  bien  prädikativ 
statt  bans  stehen  soll!  Si  habe  ich  in  gleicher  Funktion  nicht 
beobachtet,  doch  ainsi  öfters,  z.  B.  L.  1,  203  Et  d'aultant 
est-ü  plus  prisi  de  moy,  et  je  scay  que  ainsi  sera-il  envers 
vous.  Adverbiales  si,  auf  den  vorhergehenden  Satz  zurückweisend, 
vgl.  L.  I,  221  Ce  regard  ne  vous  deveroit  retarder,  si  me 
semble,  eine  Wendung,  die  früher  nicht  selten  war. 

Quere  in  positivem  Sinne  reicht  ins  XVII.  Jahrhundert 
hinein,  vgl.  II,  862  Lesquelles  ne  sont  point  en  grande  quan- 
tit€y  ne  gueres  friandes;  L.  1^  140  Non  pas  que  faye  grand 
espoir  de  pro  fiter  gueres  envers  tel  homme;  1,  201  Nous 
neusmes  loysir  de  gueres  parier  ensemble. 

Plus  =  plutöt  war  ganz  gewöhnlich,  z.  B.  I,  359  Ce  qu'ils 
ont  fait,  comme  je  pense,  plus  pource  qu'ils  ne  vouloyent  de- 
batre  .  .  .  ,  que  pour  asseurer  cela  comme  certain,  I,  363, 
425  und  sonst. 

Ein  Beispiel  der  alten  Steigerung  durch  mieux  =  plus 
könnte  man  sehen  in  II,  477  Le  conseil  de  Dieu  demeure  ferme, 
voire  mieux  que  les  cieux. 

Tant  —  autant  kommt  nicht  nur  in  den  Wendungen  vor, 
welche  heute  noch  gebräuchlich  sind  (Gr.  S.  52),  sondern  auch 
sonst,  z.  B.  II,  51  Tant  quHl  y  a  de  promessesf  dies  sont  en 
luy  Ouy  et  Amen  (quotquot  sunt  Dei  promissiones) ;  L.  II, 
107  Et  tant  que  nostre  petit  pouvoir  se  pourra  entendre  (sie!), 
nous  tascherons  de  monstrer  etc. 

Schliesslich  mag  noch  auf  das  heute  veraltete  und  nur  der 
Volkssprache  verbliebene  ä  tout  le  moins,  z.  B.  II,  122  Ils 
ordonnent  que  tous  ceux  qui  .  .  .  confessent  ä  tout  le  moins 
une  fois  Van,  II,  1052,  1057  und  oft,  auf  die  heute  nur  in 
familiärer  Rede  Üblichen  paraventure  und  d'aventure,  z.  B.  I, 
92,  II,  159,  727  und  sonst,  und  auf  bien  in  quand  bien  = 
quand  (bien)  mime  hingewiesen  werden,  das  früher  häufig  war, 
z.  B.  II,  318  Quand  bien  nous  y  aurions  satisfait,  encore 
sommes-nous  serviteurs  inutiles. 

Die  Negation  non  erscheint  noch  beim  Verbum  vicarium 
faire  und  beim  Infinitiv,  wo  sie  am  längsten  sich  erhält  (Ztschr. 
f.  r.  Ph.  I.,  502;  Gräfenberg  S.  136),  II,  1149  Je  respon  que 
non  fönt;  II,  650  Ceste  coustume  est  receue  et  usitee,  de  non 
ordonner  pour  Pasteurs  des  Eglises,  sinon  barbier s,  cuisiniers  etc. 


■ 


218  A.  Boote, 

Das  beute  familiäre  resp.  provinzielle  nenny  II,  890  and 
nenny  pat  II,  72. 

Mal  zur  Negation  von  Adjektiven  resp.  Adverbien  kam 
häufig  vor,  vgl.  I,  370  Que  nous  reputione  combien  nous  sotn- 
mex  mal  presto.  —  Ne-du  tout  point  =  ne  point  du  tout 
reicht  ins  XVII.  Jahrhundert  hinein,  vgl.  I,  378  Nous  n'en  avom 
du  tout  point,  II,  830  und  sonst  —  Ne-bonnement  ist  beute 
veraltet,  vgl.  I,  248  Ne  pouvant  bonnement  determiner  de  et 
qu'on  hur  demande,  L.  I,  391,  II,  i  und  sonst.  —  Statt  point 
sagt  man  heutzutage  pa»  vor  den  Adverbien  der  Quantität  und 
des  Grades,  vgl.  dagegen  II,  757  IIa  ne  fönt  point  plus  dt 
»crupule  que  etc.,  I,   175,  II,  917  und  oft. 

Dass  die  Negation  vielfach  abweichend  vom  beutigen  Ge- 
branch im  abhängigen  Satze  vorkommt,  hat  Gr.  S.  46  erwähnt 
Für  difendre  giebt  er  ein  Beispiel,  wo  dem  Infinitiv  mit  de  ein 
ne  hinzugefügt  ist  Abgesehen  von  diesem  häufig  vorkommenden 
Falle,  erscheint  dieses  ne  auch  ganz  gewöhnlich  in  dem  ab- 
hängigen Satze  mit  que,  z.  B.  I,  145,  467,  II,  83,  291,  402, 
643,  687  und  sonst,  auch  ne -point,  z.  B.  I,  181  liieu  qui  a 
defendu  en  ta  Loy  qu'on  n'adorast  point  autre  que  luy. 
Ferner  erscheint  die  Negation  nach  »ans  que,  z.  B.  II,  796 
A  grandpeine  on  let  pourroU  bim  purger  .  .  -  ,  sann  que 
beaucoup  de  ceremonies  ne  soyent  ottiet,  und  in  einer  ganzen 
Anzahl  von  Stellen  entweder  analog  dem  Gebrauch  der  Negation 
nach  dtfendre  und  nacb  Verben,  die  ein  Verhindern  bezeichnen, 
oder  analog  der  Negation  nach  ne  pa»  douter  (nier)  que  (früher 
auch  ne  pa»  ignorer  que-ne,  was  Gr.  erwähnt),  vgl.  II,  715  Le 
Roy  interdit  a  ton  de  trompe  que  nul  de  tet  tujett  ne  futt 
de  sa  communion,  L.  II,  347  Let  fideles  eetoyent  forelot  de 
ne  sonner  mot;  II,  121  Tant  s'en  faut  que  je  retitte  que  let 
brebis  ne  »e  pretentent  ä  leur  pasteur;  II,  636  Le  sainct  Es- 
prit  a  voulu  obvier  que  .  .  .  nul  n'imaginatt  quelque  prin- 
cipaute;  II,  388  Itien  ne  les  doit  retarder  qu'iü  ne  courent 
alaigrement;  II,  1110  Je  ne  repugne  point  qu'on  ne  la 
recoyve  pour  Sacrement;  II,  681  Je  ne  contredy  pat  qu'ä 
ne  toit  mort  ä  Rome,  L.  II,  65;  L.  I,  351  Vous  deviez 
avoir  cette  raiton  et  humanite  en  vout  de  ne  »ouffrir  que 
nout  ne  fussions  mesle's  ny  enveloppe»  en  leurt  foüies;  I-,  556 
II  n'y  a  nulle  diffieulti  qu'il  ne  eoit  appeUe  Filt  d'homme; 
L.  II,  347  Et  n'y  aura  nulle  diffieulti  que  let  estats  ne  fatsent 
ce  qui  est  ä  detirer;  I,  27  Et  ne  nou»  doit  ettre  aueunement 
incertain,  que  Jesu«  Christ  n'ait  toutjours  regne"  «w  ferre 
depuis  qu'il  est  monti  au  ciel;  L.  11,  197  Vout  n'estet  pat 
intentible    que   vom   n'ayez   ä  bataüler  contre  beaucoup  de 


Syntaktische  Notizen  zu  Jean  Calvin.  219 

tmtations;   II,  318    Nous   n'ostons  point   cela  ä  la  Loy  de 
DieUj   quelle  ne  contienne  parfaite  justice;   II,  1079    Comme 
eda  ext  oste  aux  hommes,  quih  ne  puissent  faire  n'ordonner 
de  nouveaux   Sacremens.     Solche    Sätze    begegnen    oft   genug. 
Wenn  Gr.  S.  38  bei  Erwähnung  eines  dem  zuletzt  zitierten  ganz 
tnaiogen  Satzes  sagt  „hier  ist  der  Satz  mit  que,  welcher  eigent- 
lich  logisches  Subjekt    sein   sollte,    itbergegangen  in  einem  Ad- 
verbialsatz der  beabsichtigten  Folge",  so  ist  das  nicht  zu  billigen; 
der  8atz  mit  que  bleibt  Subjektssatz,  und  ne  ist  durch  öter  ver- 
anlasst ,    so  auch    beim  Infinitiv  II,  595    Or  je  demande  ei  par 
la   venue   de    Christ  .  .  .  ,    cela   a  esti  oste    aux  fideles   de 
rioser  plus  prier  pour   obtenir  pardon,    de  ne  trouver  nulle 
misericorde.     Et  que  seroit  cela  ä  dire  autre  chose,  sinon  que 
Christ  est  venu  pour  la  ruine  des  siensf    (Der  lateinische  Text 
lautet  hoc  ademptum  est  fidelibus  beneficium,  ne  pro  delictorum 
venia  audeant  supplicare,  ne,   si  Dominum  offenderint,  xMam 
misericordiam  consequantur). 

Auch  in  einem  Satze  mit  empecher  que-ne-pas,  der  öfters 
nicht  nur  bei  Calvin,  sondern  in  jener  Zeit  überhaupt  begegnete, 
will  Or.  S.  47  „den  Gegenstandssatz  zu  einem  Umstandssätze u 
werden  lassen,  „que  im  Sinne  von  de  sorte  queu  gebraucht  sehen. 
Dass  pas  und  point  vielfach  im  Widerspruch  mit  dem  heutigen 
Gebrauch  angewendet  werden,  bemerkt  Gr.  ebendaselbst  Ich 
notiere  noch  II,  281  II  riy  a  nul  juste,  dit  VEscriture,  qui  face 
bien,  et  ne  peche  point  —  Ausserdem  weise  ich  hin  auf  I,  175 
II  nous  faut  bien  estre  sur  nos  gardes,  que  nos  pensdes  ou 
nos  langues  ne  s'avancent  point  plus  loin  que  les  limites  de 
la  paroUe  de  Dieu  ne  sfestendent,  und  andererseits  auf  das 
Fehlen  der  Negation  in  Sätzen  wie  II,  674  Pierre  riavoit  pas 
plus  de  puissance  sur  les  autres  quiceux  avoyent  sur  luy; 
II,  716  Ils  ne  sont  donc  non  plus  vicaires  de  Christ  ä  cause 
du  siege,  quune  idole  est  Dieu  quand  on  la  coUoque  au  temple 
de  Dieu,  II,  932,  1128  und  sonst. 

Die  Präposition  de  (s.  Gr.  S.  18  f.  und  53  f.)  dient 
noch  oft  zur  Einführung  des  Nomens,  welches  nach  neufrz. 
Auffassung  Prädikat  ist.  Gr.,  welcher  S.  54  diese  Erscheinung 
berührt,  sagt,  „de  stehe  pleonastisch,  wo  jetzt  que  in  gleicher 
Weise  gebraucht  werde  und  zuweilen  stehe  auch  que  vor  de." 
Doch  kommen  auch  Stellen  vor  wie  I,  540  Lauiheur  de  sainc- 
tele  et  ceux  qui  sont  sanetifiez  sont  d'un;  II,  301  Ils  ne  nient 
pas  que  la  principale  cause  ne  soit  de  la  grace.  Hierher 
gehören  sodann  die  zahlreichen  Sätze,  in  denen  de  ce  que  in 
ganz  gleicher  Weise  verwandt  ist,  z.  B.  I,  108  Ce  riest  point 
donc   une  peilte  approbation  de  VEscriture,   de  ce  qu'elle  a 


820  A.  Boote, 

esl-e  signee  par  le  sang  de  tant  de  tesmoins;  I,  539  Ceti  wie 
eschappatoire  frivole  de  ce  qu'ils  babiüent  que  etc.,  I,  557,  II 
541,  932  und  sonst;  ferner  das  sehr  beliebte  ce  (qui)  n  est  point 
de  merveiüe,  z.  B.  I,  93,  441  und  sonst,  sowie  ü  est  de  beeoin, 
z.  B.  I,  212  Entant  qu'il  est  de  beeoin,  I,  137  und  oft  (vgl. 
L.  I,  139  Tont  ce  qui  sera  de  mestier),  ce  qui  est  de  mit 
einem  Adjektivuni,  z.  B.  Tout  ce  qui  est  de  bon  I,  346,  II,  95 
und  sonst  oft. 

Ähnlich  iet  de  beim  prädikativen  Akkusativ  früher  sehr 
gewöhnlich  in  avoir  de  coutume,  z.  B.  II,  358  Vuigairement 
en  a  de  coustume  de  les  appeler  etc.,  I,  351  and  sonst  Aach 
bei  dem  Akkusativ,  welcher  heute  Objekt  ist,  kam  es  vor,  so  I, 
54  faire  du  borgne,  L.  I,  235  II  ne  cessera  de  mesdire  et  faire 
de  Vertrag e",  und  so  sehr  oft,  ferner  I,  321  Nous  ne  pouvons 
pas  dire  du  contraire,  I,  402  und  sonst.  Ob  hier  de  par- 
titive  Kraft  habe,  acheint  mir  zweifelhaft,  vielmehr  dürfte  es  die 
Sphäre,  aus  der  die  Handlung  hervorgeht,  bezeichnen. 

Das  komparative  de  habe  ich  nicht  beobachtet,  doch 
scheint  dasselbe  neben  komparativem  que  vorzuliegen  II,  703 
Pouvions  -  nous  avoir  meilleure  exhortation  ä  sainctete'  que  de 
ce  que  du  sainct  Jean  que  etc. 

In  weitem  Umfange  wurde  de  =  „was  anbetrifft,  in  Be- 
ziehung mif"  gebraucht,  was  Gr.  S.  57  durch  ein  Beispiel  an- 
deutet, vgl.  II,  736  De  nous,  si  nous  leur  concedons  ce  point  .. ., 
c'est  avec  tel  sens  etc.,  und  oft,  ebenso  sehr  oft  de  ce  que,  z.  B. 
II,  518  De  ce  qu'ils  ne  tombent  point  en  impietd  desesperie, 
cela  ne  se  fait  point  etc.,  ferner  1 ,  7  Celuy  qui  aura  bien 
compris  .  .  .  pourra  aisement  juger  et  se  resoudre  de  ce 
qu'il  doit  ckercher  en  l'Escriture,  I,  176,  II,  58  und  sonst; 
1,  248  Ne  pouvans  bonnement  determiner  de  ce  qu'on  leur 
demande,  I,  577,  II,  736  und  sonst;  II,  705  Je  ne  parle  point 
encore  de  la  seigneurie  terrienne  et  puissance  seculiere,  des- 
quelle»  nous  verrons  cy  apres  ä  leur  tour;  I,  159  II  y  a 
plus  grand  .debat  d'un  autre  passage  de  Jeremie;  II,  110 
Ils  mentent  de  cela;  II,  395  Nous  serons  exaucez  de  tout 
ce  que  nou»  demanderons  en  son  nom;  II,  88  Quelques  autrei 
exercices  externes,  desguels  nou»  usons  .  .  .  pour  attester  de 
nostre  repentance,  und  so  Hessen  sich  noch  manche  andere 
Stellen  beifügen. 

Auch  kausales  de  ist,  wie  das  in  jener  und  späterer  Zeit 
ganz  gewöhnlich  war,  ausgedehnter  als  heutzutage,  z.  B.  II,  482 
La  cause  dequoy  est  assignee  etc.;  I,  78  (lls)  sont  condam- 
nez  de  teile  temerit4  par  Jesus  Christ;  II,  737  PareiUement 
se  confiant  de»  promesse«  qui  luy  sont  donnees  eile  aura  etc.; 


Syntaktische  Notizen  zu  Jean  Calvin,  221 

H,  1117  Ils  se  delectent  si  fort  des  ceremonies  Mosaiques; 
1,  521  Pourquoy  donc  noterons-nous  Dieu  d'inconstance,  de  ce 
qu'il  a  dütingue*  la  diver site  des  temps  par  certaines  marquesf 
%  549,  II,  739  und  sonst. 

Ebenso  war  de  mit  einem  Abstraktem  zur  Bezeichnung  der 
Art  and  Weise  sehr  üblich,  z.  B.  I,  590  Plusieurs  la  mesprisent 
(la  mort)  de  teile  consiance  qu'il  semble  etc.,  II,  582  Ceux  qui 
examinent  d'une  teile  rigueur  les  Eglises  etc. 

Zu  dem  von  Gr.  S.  54  angeführten  ne  nuire  de  rien  kann 
man  eine  Menge  ähnlicher  Wendungen  fügen,  z.  B.  II,  337 
Haider  de  rien  I,  103  ne  pro  fiter  de  rien,  I,  206  n'appartenir 
de  rien,  II,  1096  n'empecher  de  rien,  II,  741  ne  profiter  de 
guere,  II,  871  De  quoy  appartient  etc.;  I,  367  Si  les  exhor- 
tations  ne  profitoyent  d'autre  chose  entre  les  fideles,  I,  136, 
Les^histoires  peuvent  profiter  de  quelque  advertissement, 
ou  souvenance  quem  en  prend,  u.  a.,  Wendungen,  welche  sehr 
oft  begegnen. 

Im  eigentlichen  lokalen  Sinne  ist  de  abweichend  vom 
heutigen  Gebrauch  in  dem  sehr  geläufigen  de  mot  ä  mot  zu 
finden,  z.  B.  I,  126  II  parle  ainsi  de  mot  ä  mot,  I,  244,  II, 
159,  298,  494  und  sonst,  von  der  Zeit  ebenso  oft  in  de  long- 
temps,  z.  B.  I,  119  La  superstition  des  hommes  avoit  commencä 
desja  de  longtemps  de  falsifier  etc.,  I,  132  und  sonst;  auch 
=  ä,  II,  699  La  principale  raison  pourquoy  on  avoit  du 
commencement  donne*  le  premier  Heu  ä  Rome  etc.,  II,  706 
und  sonst.  In  der  Übertragung  I,  286  L'homme  se  soustrait 
de  la  superioritä  de  son  createur;  II,  65  Combien  qu'il  ait 
cache*  sa  face  de  nous;  I,  436  Aucuns  ne  pouvans  se  de- 
pescher de  ceste  dijjicultä,  entendent  etc.;  II,  287  Entre  les 
Corinthiens  il  a  ced4  de  son  droit;  I,  348  II  ne  falloit  en 
cest  endroit  mesme  aueunement  diminuer  de  la  grace  de  Dieu. 

Im  einzelnen  möchte  noch  hinzuweisen  sein  auf  II,  911 
Ainsi  qu'un  homme  d!armes  porte  la  livräe  de  son  Prince, 
pour  s'advouer  de  luy,  auf  de  und  das  Personale  zur  Ver- 
stärkung des  Possessivums,  z.  B.  II,  110  Car  ce  que  J.  C.  laisse 
aux  Prestres  de  la  Loy,  n} appartient  en  rien  ä  ses  ministres 
de  luy,  I,  183,  auf  I,  529  Ce  qu'il  dit  aussi  en  un  autre 
passage  n'auroit  point  de  Heu,  I,  606,  wo,  wie  in  anderen 
Wendungen,  z.  B.  II,  204,  II,  133  und  sonst,  das  partitive  de 
heute  nicht  gesetzt  wird,  und  endlich  auf  das  früher  als  Zeichen 
des  Genetivß  entbehrliche  de  I,  107  L'Evangile  sainet  Jean, 
I,  548,  wo  Gr.  S.  56  „selon  ergänzen"  will! 

Der  Infinitiv  mit  de  ist  absolut  vorangestellt  nicht  nur 
in  dem   von   Gr.  S.  25    erwähnten    Falle,    sondern   auch    sonst, 


222  A.  Haas«, 

t.  B.  II,  457  De  chercker  la  gloire  ne  tonmera  pas  ä  gloirt 
aux  curieux:  II,  518  De  les  confermer  il  ne,  pouvoit,  I,  257 
n.  «.  Statt  den  modernen  ä  ist  de  ausser  in  den  von  Gr.  ge- 
gebenen Fällen  (bei  denen  zu  dem  erwähnten  ce  qui  est  bo-n  de 
faire,  il  rette  de  faire  mehr  Beispiele  hätten  gegeben  werden 
können,  da  dieses  de  sehr  oft  vorkommt,  z.  B.  II,  502  Que 
pensons-nous  qu'it  soit  de  fairef  I,  141,  II,  9,  133,  1153, 
II,  341  Et  est  une  doctrine  neceseaire  de  cognoistre  ä  tout 
Ckrestiens,  u.  a. ,  wobei  auch  zu  erwägen  wäre,  ob  nicht  viel- 
fach qui  =  qu'il  steht,  z.  B.  I,  528  Ce  qui  nous  suffira  de 
prouver  par  ce  teemoignye  etc.,  II,  1041  Ce  qui  nous  est  com- 
mandi  d'annoneer  la  mort  ■  ■  ■  ,  n'est  autre  ckose  etc.)  noch 
nachzuweisen  I,  25  Ieaie  instruisoit  les  esleuz  de  Dieu  de 
ne  dire  Conspiration,  II,  349 ;  I,  204  Laqueüe  (la  philosopkie) 
enseigne  de  venir  ä  Dieu  par  le  mögen  des  Anges,  I,  370;  II, 
365  Kn  ce  que  nous  nous  accoustumions  d'avoir  en  luy 
nostre  refuge,  II,  892;  II,  492  Nous  deeapprenons  de  bien 
parier;  II,  416  Qui  nous  aide  d'entrer  en  nostre  ctxur,  L.  II, 
228;  II,  511  Si  nous  demandone  d'avoir  la  clemence  pater- 
neüe  de  Dieu;  I,  185  Sainct  Irenie  insiste  du  tout  lä  dessus 
de  monstrer  que  etc.;  II,  253  Tous  cuux  qui  persistent 
d'cstore  pecheurs,  L.  II,  168;  II,  252  L'komme  tend  par  icdUt 
de  rendre  obeissance  ä  Dieu;  II,  341  La  question  induisoit 
le  Seigneur  d'ainei  respondre;  II,  361  II  a  tni'i  peine  de 
ekeminer  etc.;  II,  989  II  travaille  beaucaup  d'excuser  Fab- 
surdite";  I,  533  Jesus  Christ  estoit  predestine  en  F  Esprit  de 
Dieu  d'estre  fait  komme;  I,  204  Que  nous  regardions  de 
nous  munir  d 'armes  qui  sogent  süffisantes  etc.;  1,  583;  I,  827, 
Nous  ne  »ommes  pas  idoines  de  penser  quelque  ckose,  II, 
470  uiid  sonst,  II,  961  ä  and  de  nebeneinander;  I,  409  Com- 
bien  qu'ü  sott  deliberi  en  son  cceur  de  servir  bien  ä  son 
maistre  (=  neufrz.  r&olu  ä  f.  qc).  Ans  den  Briefen  fUge  ich 
hinzu  L.  I,  33  II  nous  fault  preparer  d'attendre  une  aultre 
journee,  L.  I,  175;  L.  I,  366  M'apprestant  de  comparoistre 
devant  Dieu,  L.  II,  170;  L.  II,  181  Si  vous  fauU-ü  estre  plus 
tost  incitie  par  lä  de  vous  arrester  du  tout  au  eiel;  eher 
=  pour  L.  I,  16  Si  nous  nous  sommes  presentet  de  satis- 
faire  devant  toutes  les  Egliee»;  L.  I,  215  Qui  n'a  point  de 
force  d'ex£cuter  ce  qu'il  a  presume". 

De  beim  Infinitiv,  wo  honte  derselbe  ohne  Präposition 
steht,  vgl.  II,  838  Car  il  vaudroit  beaucoup  mieux  de  n'usef 
point  de  jvsnes,  L.  I,  205  nnd  sonst;  I,  48  Hu  agment  mi- 
eux d'adorer  une  piece  de  bois  I,  57,  489  nnd  sonst;  II,  171 
Celuy  qui  confetse  d'avoir  mestier  qu'on  le  Supporte:  I,  496 


Syntaktische  Notizen  zu  Jean  Calvin.  223 

■ 

Cduy  qui  afferme  d*avoir  esti  en  miseres  continueües,  ne 
concede  pas  aavoir  senty  une  teile  prosperiti  que  Dien  luy  avoit 
promise;  L.  I,  4  Si  ne  fait-il  jamais  bon  oVestre  tant  liberal. 

Die  Infinitivkonstruktion  wäre  der  neueren  Sprache  in 
einigen  Fällen  nicht  gut  möglich,  z.  B.  I,  45  Elle  se  confie 
destre  en  la  gar  de  et  protection  d'iceluy  I,  58,  284,  II,  447 
und  sonst;  I,  422  11$  veulent  dissimuler  destre  contempteurs 
dicelle\  I,  563  Je  ne  prise  point  de  rien  savoir,  sinon  J.  C,  u.  ä. 

Die  Präposition  ä  (Or.  8.  17  und  54)  als  Dativzeichen 
abweichend  vom  Neufrz.  ist  auch  oft  in  prier  ä  q.  zu  beobachten, 
i.  B*  I,  322  Priant  ä  Dien  qyüil  donne  aux  Ephesiens  esprit 
de  sagesse,  II,  377,  444,  702  und  sonst,  iclairer  ä  q.}  II,  507 
Dieu  esclaire  par  sa  parotte  d,  ceux  qui  n'ont  rien  meinte*, 
attoucher,  I,  274  Lee  blasphemes  quHls  desgorgent  contre  le  cid 
n'attouchent  point  ä  Dieu,  I,  265,  II,  701;  ennemif  I,  294 
Touies  affections  de  la  chair  sont  ennemies  ä  Dieu.  Auch 
dient  nicht  nur  „der  Dativ  eines  persönlichen  oder  relativen 
Pronomens  beim  Passivum  zur  Angabe  des  Urhebers a,  wie  Gr. 
8.  54  sagt,  sondern  auch  Substantiva  mit  ä  kommen  so  vor, 
s.  B.  I,  247  Sa  mort  riestoit  point  seulement  preveue  ä  Dieu, 
II,  984  J'espere  quelle  sera  approuvie  ä  tous  bons  cceurs 
et  craignans  Dieu,  und  so  sehr  oft. 

In  eigentlicher  lokaler  und  in  übertragener  Bedeutung  ist  ä, 
dem  Gebrauche  der  damaligen  Zeit  entsprechend,  oft  genug  zu 
finden,  wo  das  Neufrz.  andere  Präpositionen  anwendet,  z.  B.  II, 
407  Teile  coustume  n'a  jamais  esti  ä  VEglise  ancienne;  II, 
163  Tons  les  saincts  ont  lavi  hur 8  robbes  au  sang  de  VAg- 
neau;  I,  202  Nous  serons  tousjours  ä  seurett;  II,  45  Nous 
serons  ä  sauvete;  I,  245  Les  autres  en  ont  ä  foison;  II, 
433  Lesquelles  se  dressent  ä  grand  foulle  pour  bataiÜer 
contre  luy;  I,  234  Aucuns  ne  srosent  pas  mettre  au  chemin, 
quand  ils  oyent  dire  etc.;  I,  157  Descendant  du  Pere  de  lu- 
miere  auquel  n'y  a  point  de  changement,  ny  ombrage  tour- 
nant;  I,  172  Le  Pere  est  totalement  au  Füs,  et  le  Fils  est 
totalement  au  Pere,  comme  luy-mesme  V afferme,  disant,  Je  suis 
en  mon  Pere  etc. ;  I,  407  Ceste  affection  se  monstre  plus  apper- 
tement  en  oVaucuns,  aux  autres  eile  est  plus  cach&e;  I,  359 
Dieu  met  diverses  affections  aux  hommes;  I,  317  Lf  Esprit 
habite  seulement  aux  hommes  fideles,  jede  Seite  bietet  Beispiele 
ftir  diesen  Gebrauch;  ferner  I,  6  Afin  que  je  neusse  point 
occasion  de  me  desplaire  au  travail  que  j'y  avoye  pris; 
II,  238  A  ce  quHl  nous  despartisse  les  biens  ausquels  il 
abonde;  I,  58  (Ils)  sy amusent  ä  eux  ou  aux  creatures; 
Combien  qu'il  ne  soit  pas  loisible  .  .  .  de  hanter  privSment,  et 


avoir  grande  familiartte"  aux  excommuniez;  I,  571  Nous 
n'avons  nul  accez  ä  Dieu;  I,  296  Comment  Dieu  seroü-ü 
courrouce"  ä  la  plus  noble  de  ses  creaturest  I,  456,  II,  149 
und  sonst;  II,  263  Et  que  dirons  nous  a  ce  qu'enseigne  l'Evan- 
geliste,  que  etc.;  II,  558  La  reparation  des  vices  qui  ont  eu 
lew  origine   du  peche    ä  laquelle   taute*   creatures   gemisveni. 

Es  ist  noch  zu  bemerken,  dass  nicht  nur  in  einem  Satze, 
wie  es  nach  Gr. 's  Angabe  S.  55  scheinen  muss,  ä  =  sur  steht, 
sondern  auch  sonst,  z.  B.  I,  220,  471  u.  a.  Ferner  ist  hinzu- 
weisen auf  II,  263  Nous  luy  mentons  impudemment,  auf  II, 
598  II  a  desja  esti  expose  .  .  .  jusques  ä  oft  nous  luy  devoui 
porter  cest  honneur,  ebenso  II,  828,  auf  II,  729  Voüa  lei 
armes  spirituelles,  puissantes  ä  Dieu  puur  la  demolition 
des  munitions  etc.,  wo  der  lateinische  Text  lautet  spirüualia, 
potentiq  Deo  und  die  Anmerkung  unserer  Ausgabe  de  par  Dieu 
erklärt,  II,  323  II  ne  tacke  ä  autre  ßn  que  d'abattre  etc., 
und  II,  437  Nous  sommes  serviteurs  ä  Dieu,  servans  ä  son 
honneur  etc. 

A  beim  Infinitiv  (Gr.  S.  26)  ist  nicht  „ausnahmsweise", 
sondern  sehr  oft  statt  de  in  il  est  facile  ä  voir  que,  il  est  aisi 
u.  a\  zu  beobachten,  z.  B.  I,  37,  86,  169,  341,  396,  468,  538 
u.  b.  w.  Die  beiden  ersten  der  von  Gr.  gegebenen  Stellen  sind 
nicht  zutreffend,  denn  3,  19,  3  Que  ceux  soyent  pervers  expo- 
siteurs  qui  disent  .  ■  .  .  ,  il  est  facile  ä  expliquer,  3,  16,  1 
La  raison  pourquoy,  il  est  facile  ä  expliquer,  ist  il  =  cela, 
das  auf  den  vorhergehenden  (im  zweiten  Beispiele  elliptischen) 
Satz  hinweist,  und  a  ist  ganz  am  Platze. 

Dass  a  vor  dem  Infinitiv  sehr  oft  =  pour  ist,  hat  Gr. 
angegeben.  Es  wären  als  Beispiele  hinzuzufügen,  II,  518  11 
avoit  assez  de  matiere  d,  espouvanter  les  kommen;  11,  513  Cela 
fait  aussi  grandement  ä  establir  nostre  fiance;  und  besonders 
II,  301  Les  bon-n.es  asuvres  ne  peuvent  gueres  a  exalter  l'homme, 
II,  44  II  est  puissant  ä  se  venger,  II,  260,  1100,  L.  I,  368. 
Selten  ist  in  der  Instit.  ä  =  de,  z.  B.  I,  230  La  volonte"  estoit 
libre  ä  eslire  le  bien,  II,  238;  II,  869  A  ce  que  les  Princes  .  .  . 
n'empeschassent  VEglise  ä  faire  son  ofßce,  L.  II,  36.  Öfter 
ist  es  in  den  Briefen  zu  beobachten,  z.  B.  prier  qc.  ä  f.  qc 
L.  I,  279,  II,  269;  refuser  ä  f.  qc.  L.  I,  375,  II,  94;  oublier 
ä  f.  qc.  L.  II,  503;  tenter  ä  f.  qc.  L.  I,  95;  ee  hdter  ä  f.  qc. 
L.  II,  259,  machiner  ä  f.  qc.  L.  II,  74,  u.  a.  Ferner  Bind  zu 
notieren  L.  II,  84  Je  n'eatens  point  ä  vous  abstraindre  (sie) 
ä  l'autkorite  des  kommen  (in  der  Instit.  in  gleichem  Falle  de, 
S.  Gr.  S.  26);  L.  II,  440  Je  ne  pretens  point  ä  vous  animer 
contre   luy.     Nicht   angänglicb   wäre  die  Infinitivkonetruktion   in 


Syntaktische  Notizen  zu  Jean  Calvin.  225 

Fällen  wie  z.  B.  II,  458  Quand  il  mettra  fin  ä  enseigner; 
Iy  421  Avant  qtCentrer  ä  traiter  particulierement  un  chacun 
article,  il  est  bon  etc.,  eine  Wendung,  welche  recht  oft  begegnet. 
En  (b.  Gr.  S.  55  und  S.  19)  ist  in  unzähligen  Fällen 
=  neufirz.  ä  verwandt,  wie  das  der  älteren  Sprache  eigen  war, 
z.B.  II,  1050  Toutefois  quant  en  substance  eile  (la  doctrine) 
a  este  suivie;  II,  1152  La  moderation  que  doyvent  garder 
toutes  personnes  privees  quant  es  affaires  publiques;  II,  365 
Afin  que  nostre  comr.  soit  enfiambd  d'un  vehement  et  ardent 
desir  de  le  tousjours  eher  eher  .  .  .,  en  ce  que  nous  nous  ac- 
coustumions  d'avoir  en  luy  nostre  refuge;  en  la  fin  unendlich 
oft,  z.  B.  313;  II,  333  Les  uns  en  la  pr  emier  e  heure  du  jour, 
les  autres  en  la  seconde;  tendre  en  la  gloire  de  q.  I,  18; 
t&urner  en  notre  ruine  I,   135;  parvenir   en  un  si  haut  degre 

I,  233;  inciter  q.  en  Vobeissance  I,  409;  amener  q.  en  cette 
opinion  I,  301;  appeler  q.  en  partieipation  de  la  gloire  1,  486; 
tlever  les  yeux  en  qc.  I,  502;  lever  le  cceur  en  q.  II,  265;  tomber 
en  terre  I,  258;  attacher  en  la  croix  I,  581;  s'abaisser  en  teile 
petitesse  1,538;  *' attacher  en  unef 'olle  amour  II,  210;  adjoindre 
q.  en  la  compagnie  II,  630;  penser  en  II,  832  und  oft;  appeler 
q.  en  son  aide  II,  406;  avoir  quelque  regard  en  qc.  II,  649; 
avoir  recours  en  qc.   I,  516;   trouver  ä  redire  en   qc.   I,  335, 

II,  327  und  sonst;  enclin  en  qc.  II,  210;  inclini  en  qc.  I,  468; 
destini  en  qc.  II,  223;  idoine  en  qc.  II,  656,  n.  a. 

Sehr  viel  seltener  ist  en  in  Fällen  gebraucht,  wo  das  Neu- 
französische andere  Präpositionen  verwendet,  z.  B.  I,  39  II  se 
glorifie  es  dons  de  Dieu,  I,  216.  —  I,  599  II  monte  en  son 
tkrone,  II,  74;  UApostre  insiste  principalement  en  cela,  que 
etc.,  I,  497,  II,  772;  II,  50  J'ay  medite  en  toutes  tes  ceuvres, 
I,  410;  I,  533   Tous  ont  este  formez  en  ce  patron. 

Zu  notieren  ist  noch  en  quelque  part  II,  1096  uud  en 
nulle  part  II,  677. 

Nicht  nur  envers  wird  in  dem  von  Gr.  S.  56  angegebenen 
Sinne  gebraucht,  in  welchem  es  ungemein  häufig  ist,  sondern 
auch  vers,  das  in  der  älteren  Sprache  noch  nicht  ganz  von  jenem 
geschieden  ist,  z.  B.  I,  129  De  ceste  simple  paroüe  on  eut  peu 
plus  profiter  vers  les  simples;  1,  542  Le  nom  de  la  famille 
demeure  tousjours  vers  les  masles;  L.  I,  94  Mes  lettres  seront 
bien  venues  vers  vous,  und  so  sehr  oft;  (L.  1,  377  s* adresser  vers 
q.  =  ä  q.).  Ebenso  devers,  z.  B.  I,  320  Devers  toy,  JSeigneury 
est  la  fontaine  de  vie,  und  auch  sehr  oft  par  devers,  das  heute 
auch  noch  nicht  ganz  geschwunden  ist,  in  derselben  Bedeutung 
und  ebenso  in  lokalem  Sinne.  Auch  par-dessuus  (von  Gr.  S.  56 
erwähnt)  und  par-dessus  sind  von  sehr  ausgedehntem  Gebrauch. 

Zschr.  f.  fr».  Spr.  a.  Litt.    XII».  l5 


226  A.  ffaate, 

Outre  in  lokaler  Bedeutung  „Über  —  hinaus"  ist  nicht 
selten,  z.  B.  I,  41  Cependant  que  nous  ne  regardons  point 
outre  la  terre  .  .  .,  nous  sommes  bien  aises  etc.;  ),  115  Afin 
qu'üs  ne  s'esgarent  point  outre  leurs  limites,  und  sonst ;  ebenso 
oft  in  der  Übertragung  I,  498  Nous  ne  sommes  encore  passet 
outre  Moyse;  I,  531  N'estimant  rien  digne  d'estre  cognu  outre 
J.  C;  I,  18  Oft  pourroit  dire  qu'ils  ont  cela  particulier  outre 
nous,  qu'ils  peuvent  conßrmer  leur  doctrine  par  continueU 
miracles;  und  anch  oft  in  diesem  Falle  =  „gegen  (cfr.  Zeitschr. 
f.  rom.  Phil.  I,  205),  z.  B.  I,  248  Combien  que  lee  Philistint 
ayent  soudain  pris  lee  armes  et  outre  l'opinion  de»  hommes, 
nous  ne  dirons  pas  etc.;  I,  68  Tout  ce  que  nous  voyuns  avenir 
outre  le  coure  ordinaire  de  nature;  I,  106  Par  dessus  et 
outre  Vopinion  de  tout  le  monde  il  l'a  retiree  saine  et  saure 
de  la  cruaute'  de  cest  horrible  tyran  u.  a. 

Auparavant  als  Präposition  reicht  bis  ins  17.  Jahrhundert 
hinein,  ist  aber  bei  Calvin  sehr  selten,  vgl.  I,  521  Ne  puuvoü-il 
pas  bien  tant  auparavant  Tadvenement  de  Christ  qu'apres, 
reveler  la  vie  eternellef  Dabei  milchte  ich  erwähnen  L.  II,  434 
Du  desjä  auparavant  le  mesme  message  m'avoit  est£  fait, 
wo  daB  Adverb  a nb s tan ti viert  ist  und  temporales  de  bei  sich 
hat,  also  dem  im  Mittelfranzösischen  so  beliebten  du  depuis  an 
die  Seite  zu  stellen  ist. 

Entre  zeigt  sich  noch  nach  altfranzösi scher  Weiße  zur 
Bezeichnung  der  Subjekte,  zwischen  welchen  die  Handlung  statt- 
findet, I,  504  Esveillez-vous,  et  levez-vous,  entre  vous  gut 
habitez  en  la  poudre  (expergiscimini,  et  exsultate,  qui  habitalis 
in  pulvere),  und  II,  660  Que  faisons- nous  entre  nous  Pasteurs 
qui  recevons  le  loyer  etc.  (sed  not,  o  pastores,  quid  agimut, 
qui  mercedem  consequimur).  Statt  des  neufranzosi sehen  parmi 
kommt  es  Öfters  vor,  z.  B.  I,  483  Cela  n'empesche  qu'il  ne  seit 
nombre"  et  tertu  entre  les  prescheurs  de  l'Evangile,  und  sonst; 
auch  in  Sätzen  wie  II,  1154  Ce  que  fest  tme  estre  resolu  entre 
tout  le  monde,  I,  394  Ce  qui  estoit  receu  entre  tout  le  pevple 
u.  ä.  würde  man  heute  nicht  wohl  entre  anwenden. 

Parmi  I,  200  ATous  voyons  que  les  esclairs  volent  parmi 
le  ciel.  —  II,  382  La  foy  .  .  .  estant  meslee  parmi  Tap- 
prehension  de  nos  miseres. 

Apres  ist  in  der  nunmehr  veralteten,  früher  aber  beliebten 
Wendung  etre  apres  ä  (pour)  f.  qc.  zu  notieren,  z.  B.  I,  115 
A'oue  sommes  encore  apres  ä  deduire  la  cognoissance  simple 
etc.;  I,  205  Nous  ne  devons  avoir  ne  paix  ne  treves  avec  celuy 
out  est  sans  cesse  apres  pour  y  conlredire,  II,  260,  809, 
L.  I,  114,  II,  111  u.  a. 


Syntaktische  Notizen  zu  Jean  Calvin.  227 

Das  alte  fors  kommt  nicht  oft  vor,  II,  129  Fors  possible 
les  prestres,  I,  165  II  riy  a  nul  bon  fors  qriun  seul  Dien, 
II,  575,  643,  695. 

Puis  ist  noch  Präposition  (Gräfenberg,  S.  115)  in  puis 
nagueres  I,  16  und  II,  882.  Es  ist  nicht  gut  angänglich,  mit 
Gr.  S.  51  puis  als  Adverbium  zu  fassen  und  jene  Wendung  dem 
puis  apres  an  die  Seite  zu  stellen.  Das  naguere  wurde  nicht 
»ehr  seinen  Bestandteilen  nach  empfunden.  Auch  erfordert  der 
Sinn  I,  16  Ils  Vappettent  NouveUe  et  forgee  puis  nagueres, 
II,  882  Et  ne  peuvent  dire  que  ceste  similitude  sott  puis 
nagueres  controuvee  par  nous,  die  Bedeutung  „seit  kurzer  Zeit tf. 

Pour  =  par  I,  46  EUe  ne  se  retient  pas  seulement  de 
mal  faire  pour  crainte  de  punition.  Kon  pas  pour  un  II,  593 
II  pardonne  donc  non  pas  pour  un  coup  ou  deux;  mais 
ä  chacune  fois  que  etc.  Sätze  wie  I,  51  Ils  riauront  de  quoy 
pour  estre  preferez  aux  bestes,  II,  241,  268,  639  sind  sehr 
häufig.  Vgl.  noch  II,  1077  Desquels  (des  sacrements)  Vusage 
a  este  donne  ä  VEglise  chretienne  des  le  commencement  du 
nouveau  Testament  pour  jus  que  s  ä  la  consommation  du 
siede. 

Von  Präpositionalien  sind  zu  erwähnen  II,  780  II  y  avoit 
danger  que  leurs  inventions  .  .  .  ne  s'en  aUassent  incontinent 
ä  val  Veau,  II,  843;  II,  869  Encore  qriils  habitassent  arriere 
des  autres,  I,  493,  II,  41;  I,  160  Christ  est  appeU  Dien  au 
regard  de  soy;  au  regard  du  Pere  il  est  appeU  Fils, 
I,  172,  553,   II,  364;    die    sehr    häufigen    ä  Ventour  de,   z.  B. 

I,  170,  200  und  de  par,  z.  B.  II,  728,  1161. 

Nicht  selten  erscheint  abweichend  vom  heutigen  Gebrauch 
die  mit  de  zusammengesetzte  Präposition,  z.  B.  II,  514  SP  ils 
eussent  esti  de  nostre  trouppeau,  jamais  ne  fussent  sortis 
d'avec  nous;  II,  681  La  dispute  d'entre  luy  et  Simon  Magus; 

II,  409  Que  jamais  les  fideles  ayent  cherche  des  advocats 
dfentre  les  morts;  II,  464  Ils  ont  est4  esleus  d'entre  tont  le 
genre  humain.  (Vgl.  II,  580  Pourquoy  se  diviser oyent-elles 
d'ensemblef) 

Die  Konjunktion  que  „dass"  war  nach  komparativem 
que  der  Sprache  lange  entbehrlich  (s.  Tobler,  V.  B.  S.  186), 
vgl.  II,  509  Car  il  riy  a  rien  plus  de  raisonnable  quand  VEs- 
criture  nous  dit  .  .  .,  que  ceste  clairtd  nous  esblouisse  tellement 
etc.,  II,  640,  1162  und  oft  —  Nicht  selten  ist  que  noch  konse- 
kutiv, z.  B.  II,  339  Dieu  riest  pas  injuste,  quyil  ne  nous  tienne 
promesse;  II,  253  La  main  de  Dieu  liest  point  accourcie, 
qu'ü  ne  nous puisse  sauver  (ut  servare  nequeat);  II,  803  Voilä 
comment  leurs  administrations  doyvent  estre  conjoinctes,    que 

15* 


m  A.   Haase, 

Vune  eoit  pour  soulager  l'autre  et  uon  pas  pour  l'empescher 
(Sic  conjunctae  debent  esse  operae,  ut  altera  sit  adjumente  I 
alteri,  non  impedimento).  Oft  auch  tinal  und  zwar  nicht  Dir 
nach  Imperativischen  und  diesen  ahnlichen  Sätzen,  wo  ja  auch  j 
heute  noch  que  so  vorkommt,  z.  B,  II,  742  Mais  il  faut  ieg 
tenir  mesure,  que  par  cela  il  ne  soit  rien  derogat  ä  J.  C, 
sondern  auch  sonst,  z.  B.  I,  566  Nous  sommes  enseiguex  quü 
regne  pour  nous  plus  que  pour  sog,  voire  au  dedaus  et  au 
dehors:  c'ett  qu'estans  enrichis  de  dons  spirituels  .  .  .  nous 
sentions  par  feiles  premices  que  nous  sommes  vrayement  con- 
joincts  ä  Dieu;  L.  II,  51  Ce  na  pas  exte  pour  vous  faire 
soubscrire  avec  nous,  mais  seulement  puisqu' avions  est£  diffamez, 
qu'on  sceut  qui  a  tort  ou  droit.  Kausal  erscheint  die  Kon- 
junktion z.  B.  II,  871  Cestuy-lä  (mal)  sans  autre  a  esti  astet 
grand,  qu'elle  a  introduit  (teile  profession  de  vivre)  un  exemple 
en  VEglise  dangereux  et  nuisible;  II,  72  Et  de  fait,  la  ehote 
ne  repondpoint  mal  ä  ces  vocables,  que  la  somme  de  penitenee 
est,  que  nous  estans  retirez  de  nous-mesmes,  soyona  convertis  a 
Dieu  (wo  der  lateinische  Test  allerdings  relativiach  anknüpft 
Nee  utrique  etymologiae  res  male  respondet:  cujus  summa  est, 
ut  etc.);  I,  351  Toute  la  faute  est  venue,  qu'ils  s'arrestent  ä 
la  translation. 

Einen  Übergang  von  der  direkten  in  die  indirekte  Bede 
(Tobler,  V.  B.  8.  219)  kann  man  sehen  II,  543  Sainct  Paul 
adjouste,  Cependant  que  nous  kabitons  en  la  ckair,  nous  sommes 
separez  de  Dieu  comme  pelerins:  et  ainsi,  que  nous  desirons 
de  luy  estre  plus  prochains  par  l'absence  de  nostre  corps. 

Zu  erwähnen  wäre  noch  I,  413  L'image  vive  et  expresse 
des  biens  Celestes  estoit  manifestee,  ayant  en  soy  la  perfeetion 
de  ce  que  les  ceremonies  anciennes  n'avoyent  que  les  premieres 
traces  et  obscures,  wo  statt  des  zu  erwartenden  Kelativnms  kun- 
junktionales  que  eingetreten  ist.  Die  Stellen,  welche  Gr.  8.  17 
anfttbrt  c'est  ce  qu'il  se  complaind,  se  soucier  que  c'est  etc.  sind 
nicht  auffällig. 

Von  den  mit  que  „dase"  gebildeten  Konjunktionen  sind  ZU 
notieren  I,  68  Quant  ä  ce  que  souvent  il  permet  que  les 
meschants  s'esgayent  pour  un  temps  et  se  gaudissent  de  et 
qu'ils  n'endurent  nui  mal;  ä  V opposite  que  les  bons  et  les 
innocens  sont  afßigez  .  .  .,  cela  ne  doit  point  obscurcir  etc.  (wo 
que  als  das  que  in  quant  ä  ce  que  aufnehmend  und  ä  l' opposite 
adverbial  zu  fassen  nicht  möglich  ist);  I,  205  Touckant  qu'il 
est  souvent  parle  du  diable  et  de  Satan  au  nombre  singulier, 
en  cela  est  etc.;  II,  808  Et  n'y  a  jamais  eu  nul  Evesque, 
durant  qu'ü  y  avoit  encores  qudque  forme  apparente  d'Eglise 


Syntaktische  Notizen  zu  Jean  Calvin.  229 

(quamdui).  (In  demselben  Sinne  findet  sich  pendant  que  II,  260 
Je  ne  suis  point  pauvre  en  merzte,  pendant  que  le  Seigneur 
est  riche  en  misericorde  und  cependant  que  in  dem  oben  zitierten 
U,  543,  während  heute  diese  Bedeutung  der  Konjunktion  nicht 
■»ehr  zukommt,  s.  Littr6  s.  v.  Synon.)  Auch  in  adversativer 
Bedeutung  tritt  pendant  que  auf  II,  815  Ils  se  reposoyent  ä 
leur  aise  en  leur  maison,  et  sans  soucy  pendant  quHl  eust 
tste  besoing  de  reprimer  vertueusement  la  convoitise  des  Papes 
(ubi  maxime  opus  erat  lautet  der  lateinische  Text).  Ähnlich 
ist  II,  263  Ce  n'est  point  de  merveilles  si  nous  sommes  aveugles 
en  cest  endroit,  cependant  que  nul  de  nous  ne  se  garde  de 
ceste  fotte  et  dangereuse  affection  (quum  nemo  nostrum  caveat). 
Ferner  mais  que  I,  366  Mais  toutes  ces  folies  n'ont  point  de 
lieu,  veu  que  la  doctrine  de  Dieu  est  fondie  en  trop  bonne 
raison,  mais  quelle  soit  bien  consideree;  si  que  IT,  838  II 
est  bien  vray  que  la  vie  des  fideles  doit  estre  attrempee  d'une 
tobriete'  perpetuelle,  si  qu'il  y  ait  comme  une  espece  de  jusne 
en  F komme  chrestien.  Dass  parquoy  que,  wie  Gr.  S.  51  sagt, 
auch  final  vorkomme,  ist  nicht  richtig;  die  Stelle,  welche  er  an- 
giebt,  ohne  sie  anzuführen,  lautet  II,  44,  (3,  2,  26)  Parquoy 
que  la  crainte  de  Dieu  nous  soit  une  reverence  etc.,  das  que 
gehört  zum  Konjunktiv.  Tant  que  „bis"  z.  B.  L.  I,  304  La 
perfection  ä  laquelle  il  nous  fault  aspirer,  tant  que  nous 
soyons  sortis  de  ce  monde. 

Zu  den  mit  que  „als"  gebildeten  Konjunktionen  ist  aupa- 
ravant  que  I,  129  Les  idoles  ont  est6  en  usage  long  temps 
auparavant  que  ceste f olle  ambition  regnast  entre  les  hommes, 
II,  451,  hinzuzufügen.  Das  eximierende  que  I,  588  Ceux  qui 
nient  que  J.  C.  ait  este  Fils  de  Dieu,  que  depuis  avoir  vestu 
nostre  chair,  ne  fönt  que  etc. 

Pour  autant  que  war  früher  gebräuchlich,  z.  B.  II,  1090 
Xon  pas  possible,  pour  plus  grande  vertu  et  utilite  quelle 
confere,  mais  spour  autant  qu'elle  est  donnöe  par  personnes 
plus  dignes.  D } autant  que  kommt  sehr  oft  =  autant  que  vor, 
z.  B.  I,  262  Kons  tendrons  ä  ce  que  nous  penser ons  nous  estre 
profitable,  d' autant  que  nostre  intelligence  se  peut  estendre, 
II,  428  Ceux  que  cognoissons,  d' autant  qu'en  pouvons  juger, 
estre  presentement  des  vrais  fideles,  I,  264,  372,  376,  386,  458, 
D,  72,  427  u.  8.  w.  (Gr.,  der  oVautant  vor  Adjektiven  im  Positiv 
berührt,  giebt  oVautant  que  in  kausaler  Bedeutung  und  führt 
dasselbe  als  „hypothetisch,  also  =  autant  que  in  folgendem 
Satze u  an:  3,  1,  2  Vous  riestes  plus  en  chair,  mais  en  Esprit; 
<T autant  que  VEsprit  de  Dieu  habite  en  vous).  —  Dem  von 
Gr.  S.  49    erwähnten  si  grand  que  rien  plus  ist  zuzufügen  II, 


330  Ä.  Haas*,  Syntaktisch*  Notizen  zu  Jean  Calvin. 

664  Lew  Hierarchie  eet  tant  bim  ordonnee  gue  merveillet. 
Anzumerken  ist  Doch  II,  18  Or  il  s'en  favt  beaucoup  que  Ven- 
tendement  de  l'homme,  ainsi  qtt'il  est  aveugle  et  obtcurcg, 
puisse  penetrer  etc.  (ut  caeca  eet),  und  L.  I,  259  Selon  comme 
j'y  taia  tenu. 

Ni  in  logisch  negierten  Sätzen  kommt  auch  heute  vor, 
nicht  mehr  in  sane  ne  sans  (Gr.  S.  48)  und  Stellen  wie  II,  1154 
II  declaire  gtte,  quele  qu'ü»  »oyent,  ne  comment  qu'iU  te 
gouverneitt,  qu'ih  n'ont  la  dominatwn  que  de  luy. 

Aine  wird  von  Or.  8.  58  als  „wenig  gebräuchlich"  bei 
Calvin  bezeichnet,  dasselbe  kommt  aber  ausser  der  einen  dort 
gegebenen  Stelle,  zu  welcher  eine  andere  aus  der  Ausgabe  tob 
1541  gestellt  ist,  noch  vor  I,  164,  256,  II,  61,  288,  293, 
303,  390,  419,  423,  429,  446,  527,  891,  913,  918,  926,  995 
1137.  I 

A.    HiABE. 


Bretonische  Elemente  in  der  Arthursage 
des  Gottfried  von  Monmouth. 


Üottfried  hat  wenig  wählerisch  die  Mosaikstückchen  zu 
seinem  Roman  (Historia  regum  Britannice)  von  überall  her  ge- 
nommen. Schon  oft  hat  sich  mir  der  immer  wieder  abgewehrte 
Gedanke  aufgedrängt ,  dass  er  einzelne  Bausteine  zu  Buch  VIII, 
17  —  XI,  2  aus  den  romantischen  Erzählungen  der  Bre- 
ton en1)  über  Arthur  genommen  und  in  seine  zwar  keineswegs 
welsche  Heldensage  überall  wiedergebende,  aber  im  Geiste  der 
welschen  Heldensage  gehaltene  Darstellung  eingefügt  hat. 
Auf  die  positiven  Angaben,  welche  er  über  eine  bretonische 
Quelle  macht,  will  ich  erst  zum  Schluss  eingehen,  wenn  wir 
einige  dieser  bretonischen  Elemente  und  Einflüsse  in  Gottfried's 
Werk  näher  betrachtet  haben. 

Göttinger  Gel  Am.  1890,  S.  525  ist  schon  darauf  hin- 
gewiesen, dass  der  mittelwelsche  Text  Kulhwch  und  Olwen,  für 
dessen  früheste  Abfassungszeit  ich  Gott  Gel.  Am.  1890,  S.  827 


*)  Gegenüber  der  Verwirrung,  die  französische  Gelehrte  dadurch 
angerichtet  haben,  dass  sie  breton  willkürlich  (siehe  Gott.  Gel.  Am. 
1890,  S.  794)  nicht  nur  von  den  Bretonen  in  der  heutigen  Bretagne 
(dem  alten  Aremorica)  gebrauchen,  sondern  auch  für  rKymrena  (kym- 
risch,  welsch)  im  heutigen  Wales  und  für  die  mittelalterlichen  keltischen 
Überreste  in  der  Halbinsel  Cornwales  und  deren  Sprache  (kornisch) 
mit  verwenden,  bleibe  ich  bei  dem  seit  dem  Mittelalter  feststehenden 
Sprachgebrauch:  mit  „Bretonen"  (bretonisch)  bezeichne  ich  nur  die 
Nachkommen  der  nach  dem  alten  Aremorica  geflüchteten  keltischen 
Britannier,  die  dort  noch  bis  heute  zum  Teil  ihre  keltische  Sprache 
bewahrt  haben. 

*)  Die  folgenden  Ausführungen  bildeten  einen  Teü  einer  Be- 
sprechung der  Histoire  litteraire  XXX,  die  Gott.  GH.  Axt.  1990* 
S.  785  —  832  gedruckt  ist,  mussten  aber  aus  Raummangel  dort  an*- 
geschieden  werden.  Sie  ziehen  nebenbei,  wie  ich  bofle,  eung«  skfer 
unwesentliche  Thatsachen  für  Beurteilung  der  Herkunft  4er  mmtkrt  är 
Bretagne  ans  Licht. 


232  B.  Zimmer, 

letztes  Viertel  des  12.  Jahrli.  wahrscheinlich  zu  machen  sachte, 
eine  grossartige  Nomenklatur  enthält  der  in  welscher  Sage  jener 
Zeit  mit  Arthur  in  Verbindung  gebrachten  Persönlichkeiten  (Rhys- 
Evans,  Red  Book  1,  106  —  112):  sowohl  in  dieser  Nomenklatur 
als  unter  den  zahlreichen  handelnd  auftretenden  Persönlichkeiten 
der  Erzählung  fehlen  zwei  Figuren,  ohne  die  man  sich  die 
französische  Arthursage  und  die  auf  ihr  beruhenden  mittel  welschen 
Arthurerzählungen  nicht  denken  kann,  nämlich  Owein- Yvain, 
Peredur -Perceeal.  Daraus  kann  man,  sofern  nicht  andere  Momente 
widersprechen,  den  Schluss  ziehen,  dass  in  Wales  Ende  des 
12.  Jahrh.  Owein  und  Peredur  noch  nicht  der  Artbnrsage 
angehorten.  Dass  wir  diesen  Schluss  ziehen  müssen,  lehren 
die  altwelschen  Gedichte  und  dasjenige,  was  sich  aus  Kombination 
ihrer  Nachrichten  mit  den  kurzen  Notizen  der  Annales  Cambria 
nnd  Nenniug  §  63  ergibt:  Peretur  und  Ortein  sind  darnach  her- 
vorragende Figuren  der  welschen  Heldensage,  aber  nicht  mit 
Arthur  gleichzeitig,  sondern  der  auf  ihn  folgenden  Zeit  der 
Kämpfe  gegen  die  Angeln,  gegen  die  Nachfolger  Ida'a  von 
Northumberland  angehörig.  Zwischen  Nennius  -  sltwe Ischen  Ge- 
dichten einerseits,  sowie  dem  Text  Kulhwch  und  Olwen  anderer- 
seits steht  der  Zeit  nach  Gottfried  von  Honmouth  mit  seiner 
Historia.  In  einem  wichtigen  Punkte  herrscht  unter  diesen  ver- 
schiedenen Quellen  volle  Übereinstimmung:  in  den  altwelachen 
Gedichten  (Black  Book  of  Caervxarthen,  fol.  47b,  i  ff.),  sowie 
Kulhwch  und  Olwcn  sind  Genossen  Arthur's  und  hervorragende 
Teilnehmer  seiner  Kämpfe  und  Abenteuer  Kei  und  Bedwyr; 
ebenso  sind  die  hervorragendsten  Genossen  Arthur's  in  seinen 
Schlachten  bei  Gottfried  Caju»  dapifer  und  Bedueru»  pincerna 
(IX,  11,  12,  13;  X,  3,  6,  9),  beide  begleiten  Arthur  allein  bei 
dem  gefährlichen  Abenteuer  (X,  3),  kämpfen  in  der  Entscheidungs- 
schlacht heldenhaft  und  fallen  (X,  9).  Und  wo  sind  die  in  den 
welschen  Bearbeitungen  Chretien's  (Jarllet  y  Ffynnawn,  Qeraittt, 
Peredur)  neben  Arthur  so  hervortretenden  Figuren  Owein  und 
Peredur  bei  Gottfried?  Nirgends  treten  sie  in  der  detail- 
reichen nnd  farbigen  Schilderung  von  Buch  IX— XI,  2  ähnlich 
wie  Kei  und  Bedtcyr  hervor;  sie  werden  bloss  an  je  einer 
Stelle  genannt  und  der  eine  so,  dass  man  klar  sieht,  dass  er 
gewaltsam  eingeschmuggelt  ist.  Unter  den  zahlreichen  Figuren, 
die  IX,  12  zur  Königskrönung  erscheinen,  wird  ein  Peredur  map 
Er i dar  erwähnt,  ein  Held,  der  nach  den  alten  Annole»  Cambria 
580  stirbt  (Arthur  -f-  537)  und  der  im  Gododin  wie  Owein  als 
Kämpfer  auftritt.  Bezeichnender  ist  XI,  1:  in  den  Kämpfen, 
welche  Arthur  bei  seiner  Rückkehr  nach  England  gegen  den 
treulosen    Modred    zu    bestehen    hatte,    also    knrz    vor    Arthur^ 


Bretowsche  Elemente  in  der  Arthursage  des  Gottfried  von  Monmouth.    233 

Entrückung  nach  Avalon,  fällt  Auguselus  rex  Albanice  und  ge- 
wissermassen  in  Parenthese  wird  hinzugesetzt  successit  autem 
Auguselo  in  regnum  Event us  filius  Uriani  fratris  sui  qui 
postea  (!)  in  decertationibus  istis  multis  probitatibus 
claruit.  Hier  legt  also  Gottfried  durch  den  Zusatz  qui 
postea  (!)  etc.  direkt  Zeugnis  ab,  übereinstimmend  mit  der  älteren 
Überlieferung  in  den  altwelschen  Gedichten  und  Nennius,  sowie 
der  Jüngern  in  Kulhwch  und  Ol  wen,  das  8  Owein  in  der 
welschen  Sage  nicht  in  die  Arthursage  gehört.1)  Wie 
kommt  nun  Gottfried  dazu,  Peredur  und  Owein  in  die  Arthur- 
erzählung der  welschen  Quellen  zu  interpolieren?  Die  Namens- 
form Even  tun  filius  Uriani  gibt  uns  die  Antwort.  Seit  der 
Mitte  des  10.  Jahrh.  ist  die  einzige  welsche  Form  des  Namens 
Ouein,  wie  ich  Gott.  Gel.  Am.  1890,  8.  527  ff.,  798  mit  An- 
merkung gezeigt  habe,  während  noch  Mitte  des  12.  Jahrh.  Even 
die  bretonische  Form  ist.  Da  nun  letztere  Form  offenbar  die 
Grundlage  zu  Eventus  ist  (gebildet  wie  Gormun-dus  von  Gormun), 
so  liegt  die  Annahme  an  der  Hand,  dass  die  Kenntnis  dessen, 
dass  die  Bretonen  in  ihrer  allerdings  ganz  anders  als  in  Wales 
gearteten  Arthursage  Even  (Yvain)  und  Perceval  aufs  engste  mit 
Arthur  verknöpfen,  Gottfried  bestimmt  hat,  den  Eventus  und 
PereduTus  wenigstens  beiläufig  in  seine  Darstellung  einzuführen. 
Lehrreich  in  Bezug  auf  letztere  Annahme  ist  Meister  Wace 
in  seiner  Bearbeitung  von  Gottfried's  Werk.  Wie  Gottfried  unter 
Einflus8  der  ihm  bekannten  bretonischen  Artbursage  den  Eventus 
filius  Uriani  wenn  auch  nur  lose  in  seine  Darstellung  von  Arthur 
hineinbrachte,  so  hat  Wace  offenbar  aus  demselben  Grunde  den 
Yvain  noch  an  einer  anderen  Stelle  gegen  seine  Vorlage 
eingeführt.  Historia  regum  Britannim  9,  12  beginnt  die  Auf- 
zählung der  bei  dem  von  Arthur  zur  Feier  der  Siege  angeordneten 
Feste  erscheinenden  Fürsten  mit  den  Worten:  venerunt  ergo 
Auguselus  rex  Albanice  quce  nunc  Scotia  dicäury  Urianus  rex 
Murefensium,  Caduallo  Leuirh  rex  Venedotorum  etc.  Die  welsche 
Übersetzung  hat  (Rhys- Evans,  Red  Book  II,  200)  Ac  wrth  y 
wys  honno  ydeuthant  yno:  Arawn  uab  Kynvarch  brenhin  y 
Scotlont,  Uryen  y  brawt  brenhin  Reget,  Katwallawn  lawir  brenhin 
Ghcyned.  Wace  gibt  die  Stelle  (Brut.  10519  ff.):  UEscoce  i  vint 
rois  Aguisel    —    Qui  fu    aparillih    muH    bei.    —    De    Moroif 

l)  Die  Übereinstimmung  der  altwelschen  Gedichte,  Gottfried's, 
sowie  Kulhwch  und  Olwen  in  diesem  Punkte  ist  belehrend  dafür,  dass 
die  Arthursage  in  Chr^tien's  Epen  nicht  welsche  Sagenform  sein 
kann.  Die  Übereinstimmung  Even-tus  —  Yvain  mit  der  bretonischen 
Form  Even  beweist,  dass  die  nicht  welsche  Quelle  für  Gottfried  und 
Chrltien  aus  der  Bretagne  kommt. 


234  B.  Zimmer, 

Urien»  li  roit  —  Et  Yvaint  »es  filt  li  cortot»  etc.  Waee 
ist,  wie  ich  Gott.  G.  A.  1890,  8.  795  gezeigt  habe,  wohlbekannt 
mit  der  spezifisch  bre  tonischen  Arthursage;  wo  anders  hei 
soll  er  den  Anstoss  bekommen  haben,  den  Tvain  Sohn  dei 
Urien  gegen  seine  Vorlage  einzuführen?  zumal,  wenn  man 
bedenkt,  dass  in  der  welschen  Heldensage  Owein  nicht  Zeit- 
genosse Arthurs  ist,  also  diese  nicht  seine  Quelle  sein  kann. 
Diese  Kenntnis  der  bre tonischen  Arthursage,  wonach  Arthur  und 
Yvain  Genossen  sind,  bestimmte  Wace,  an  einer  anderen  Stelle 
etwas  aus  seiner  Vorlage  wegzulassen.  In  der  oben 
zitierten  Stelle  Gottfried's  XI,  1  gibt  die  welsche  ÜberseUung 
das  wichtige  postea  getreu  wieder  (y  gwr  gwedy  hynny  a  vu  clot- 
uaivr,  Red  Book  II,  230);  Wace  führt  (Brut.  13597  ff.)  Gott- 
fried's Worte  weit  aus,  läset  aber  postea  weg  (A  Ivain  U  fit 
Urien  —  Qui  de  la  eort  estait  muti  bien  —  Dona  Etcoee  en 
hcritage  —  Et  Ivain  tett  a  fail  hontage.  —  lvain»  fu  de  malt 
grant  valor  —  De  grant  pris  et  de  grant  honor  —  Et  mult  fu 
prisiis).  Ich  denke,  der  Zusatz  (Brut.  10519  ff.)  und  die  Aus- 
lassung (Brut.  13597  ff.)  sind  aus  demselben  Gesichtspunkt  ver- 
ständlich: Wace  wollte  den  ihm  und  seinen  französischen  Lesern 
bekannten  Anschauungen  der  bretonischen  Arthursage,  soweit  es 
ging,  damit  entgegen  kommen. 

Weisen  also  in  diesem  Falle  sowohl  die  Art,  wie  die 
Figur  auftritt,  als  auch  die  Namensform  auf  eine  andere  als 
welsche  Quelle  und  zwar  eine  Quelle,  ans  der  auch  die  fran- 
zösischen Artburstoffe  geflossen  sind  und  welche  nur  eine  bre- 
tonische  sein  kann,  so  ist  bei  einem  anderen  Helden  die  von 
Gottfried  gebotene  Latinisiernng  des  Namens  kaum  anders  als 
aus  der  Form  der  französi  gierten  Breton  en1)  erklärlich: 
Arthur's  Neffe  heisst  hei  Gottfried  Walgainu»  (Walgvainus,  Wal- 
ganiu»)  IX,  9,  11;  X,  4,  6,  9,  10;  XI,  1.  Wie  die  welsche 
Übersetzung  Gottfried's  für  Eventttt  jüiui  Uriani  einfach  Owein 
vab  Uryen  setzt  (Rhys-Evans,  Red  Book  II,  230),  so  für  Wal- 
gainu» die  welsche  Form  Gwalchmei  uab  Gwyar  (Rhys-Evans, 
Red  Book  II,  214,  215,  230  etc.).  In  dem  sicher  auf  bretonische 
Quellen  zurückgehenden  lai  Lanval  der  Marie  de  France  (vgl 
Giitt.  Gel.  Am.  1890,  S.  798)  hat  Lanval  neben  Twains  auch 
Walwains  zum  Freunde  (227,  229,  402);  nimmt  man  dazu  noch 
die  Form   des  Namens  bei   Chretien  Gauvain»,   so    scheint   mir 


1)  Über  die  französierten  resp.  gemischtsprachigen  Bretonen 
als  Vermittler  der  bretonischen  Arthurerzählungen  für  Normannen 
und  Franzosen  handelt  mein  Aufsatz  Gott.  Gel.  Anz.   1890,  S.  785  ff.  au 

verschiedenen  Stellen. 


Bretonische  Elemente  in  der  Arthursage  des  Gottfried  von  Monmouth.     235 

klar,  dass  das  Wort  im  Munde  der  französierten  Bretonen 
Gualvain  lautete,  woraus  sich  Gottfried's  Walgainus  eher  erklärt 
als  aus  welschem  Gwalchmei.  Die  rein  bretonische  Form  des 
Namens,  die  sich  also  zu  der  französisch-bretonischen  verhält 
wie  bretonisches  bleizlavaret:  französisch-bretonischem  btsclaveret 
(s.  Gott  Gel.  Am.  1899.  S.  800)  ist  uns  in  einer  bretonischen 
Urkunde  des  9.  Jahrhunderts  erhalten.  Unter  den  Urkunden  von 
Redon,  die,  soweit  sie  übers  11.  Jahrhundert  hinausgehen,  nicht 
Originale  sind,  sondern  eine  —  von  einem  des  Bretonischen 
unkundigen  oder  wenig  kundigen  Schreiber  angefertigte  —  Ab- 
schrift des  11.  Jahrh.,  in  diesen  Urkunden  ist  eine  am  9.  Juni  861 
oder  867  ausgestellte  von  dem  Schreiber  des  11.  Jahrh.  doppelt 
kopiert  (fol.  67 v  und  73 v.  Courson,  Cartulaire,  8.  60  und  76). 
Hier  treten  als  festes  auf  Arthur  und  Uualcmoel  (fol.  67v), 
üualtmoe  (fol.  73  v);  bei  der  häufigen  Verwechslung  von  c  und  t 
durch  den  Abschreiber  ist  die  Besserung  Uualcmoei  gegeben. 
Dieses  Uualcmoei  (d.  h.  Ghialchmoe)  ist  die  bretonische  Ortho- 
graphie des  9.  Jahrh.  für  das  mittelkymrische  Gwalchmei  (vgl. 
Loth,  Chrestomathie  bretonne  152,  Anm.  5).  Das  aspirierte  c 
(ch)  ist  in  französischer  Aussprache  nach  l  geschwunden  wie  in 
Gmgemar  =  Ghiihomarcus  (d.  h.  Ghiihomarchy  s.  Gott.  Gel.  Anz. 
1890,  S.  797)  nach  r.  Die  weitere  Umgestaltung  des  Wortes 
Gwalmai  zu  Ghoalvain  (Gwalwen)  im  Munde  der  französisch 
redenden  Bretonen  entzieht  sich  den  Gesetzen  der  Lautentwicke- 
lung. Am  wahrscheinlichsten  ist,  dass  Gwal-vain  für  Gwal-mai 
eingetreten  ist  durch  eine  Art  Association  und  Anlehnung  an  den 
Namen  einer  anderen  hervorragenden  Figur  der  französisch- 
bretonischen  Arthursage  an   Y-vain  (Euuen).1) 

Ganz  analog  liegt  der  Fall  mit  einem  anderen  bei  Gottfried 
öfters  vorkommenden  Namen.  Gott.  Gel.  Am.  1890,  S.  516  ff. 
habe  ich  nachgewiesen,  dass  die  alte  nordirische  Heldensage  ein 
berühmtes  Schwert  kennt,  welches  den  Namen  Caladbolg  führt; 
ich  habe  auch  schon  hervorgehoben,  dass  das  Schwert,  welches 
Arthur  in  der  welschen  Arthurerzählung  Kulhwch  und  Olwen 
führt,  denselben  Namen  trägt  Caletvwlch  (Rhys-Evans,  Red  Book  I, 
105,  136):  die  lautliche  Übereinstimmung  ist  eine  vollkommene. 
Nun  hat  Arthur  bei  Gottfried  (IX,  4,  11;  X,  11)  ein  Schwert, 
mit    dem    er    immer    im  Entscheidungskampf   den   Sieg    erringt, 


*)  Da  die  Umwandlung  von  Gwalchmei  zu  Gwalwen  in  Anlehnung 
an  Ewen  voraussetzt,  dass  beide  Helden  zusammen  auftreten,  so  kann 
die  welsche  Sage,  nachdem  was  S.  232  über  Owein  bemerkt  ist,  nicht 
den  8toff  romanischem  Munde  geliefert  haben.  Dagegen  sind  in  dem 
auf  bretonische  Quelle  zurückgehenden  lax  Lanval  der  Marie  de 
France    Wal-wavns  und  Y-wains  Genossen  (227  ff.). 


336  H.  Zimnur, 

welches  genannt  wird  GUiburnus;  der  welsche  Übersetzer  Gott- 
fried's setzt  an  allen  Stellen  —  wie  Owein  für  Eventus,  Gtealck- 
mei  für  Walgtiainus  —  dafür  Caletmolek  (Rliys  Evans,  Red  Book  II, 
189,  190,  227).  Dass  mit  CaUburnun  dag  berühmte  Schwert 
keltischer  Sage,  irisch  Caladbolg,  welsch  Caletvwlch,  gemeint  ist, 
liegt  auf  der  Hand;  aber  ebenso  klar  scheint  mir  —  besondere 
wenn  man  Gottfried's  Latinisierungen  welscher  Wörter  ins  Ange 
faBst  — ,  daBB  die  welsche  Form  Caletvwlch  nicht  der  Ausgangs- 
punkt für  die  Latinisierung  Calibvrnw  war.  Hinzu  kommt, 
dass  wir  sonstwo  eine  viel  näher  liegende  Form  haben.  Ausser 
Spiel  bleiben  müssen  die  Formen  der  Handschriften  Biblioth.  du 
Roi  No.  27  nnd  No.  73,  Cange  von  Wace's  Brut;  von  innen 
liest  die  erstere  nach  Lincy  an  3  Stellen  Calabrun  (10341, 
13291,  13330),  an  einer  Stelle  Calabrum  (9515),  die  letztere 
liest  Caliborne  (13330,  13312,  10341,  9515):  beides  (Calabrm 
und  Caliborne)  offenbar  Wiedergabe  von  Gottfried's  Caliburnm. 
Dagegen  bietet  die  Handschrift  Biblioth.  du  Roi  No.  7515*' 
nach  Lincy's  Angaben  die  wichtige  Form  Cattibourc  (10323), 
Caö*"oorc  (13291),  Escaliborc  (13330).  Hieran  stimmt  die  in  den 
Annales  Colecestrenses  (Liebennann,  Ungedruckte  anglo-normannitdu 
Geschichtsquellen  8.  158)  belegte  Form  Caliborch.  Brut  11938 
steht  ohne  Variante  Excalibur,  welche  Form  durch  zwei  weitere 
Stellen  bei  Favre,  Dictionaire  historique  V,  460  belegt  wird.  In 
Perceval  steht  Escalibour  (7280),  Etclaribour  (19219,  wo  die 
Handschrift  von  Montpellier  Esealibor  liest),  Esclariboure  (19045); 
vgl.  Seiffert,  Namenbuch,  S.  72.  Von  diesen  Formen  steht  der 
durch  irische  und  kymrische  Lautform  gesicherten  keltischen 
Ausgangsform  am  nächsten  Calibourc  (Caliborc),  worin  c  die 
Guttural  Spirans,  welsch -bretonisch  ch,  wiedergibt.  Die  daneben 
stehende  Form  Calibour  (Calibor)  verhalt  sich  dazu,  wie  in 
bretonischen  Urkunden  des  11.  und  12.  Jahrb.  Ouihomar  (1144); 
Gu&omarcu*  (1108,  1145),  Escomar  (1051,  1060):  Excomarau 
(1072),  Itcumarc  (1047).  Die  Entstellung  beider  Forme*)  dnrci 
vorgesetztes  es  ist  dieselbe  und  bat  gleichen  Ursprung  (de,  da, 
ä"Ea)  wie  z.  B.  in  Escaivaire,  mottt  Escahaire,  welche  Fora 
Oodefroy  III,  351  mit  zahlreichen  Stellen  belegt  Die  Form, 
welche  Gottfried's  Latinisierimg  Calibumus  zu  Grunde  liegt,  ist 
offenbar  Calibour  (cfr.  Calibur-nus:  Calibour  =  Even-tus;  Evt*). 
Wenn  der  welsche  Ursprung  der  französischen  Arthunnaterie 
nachgewiesen  wäre,  dann  mllssten  wir  annehmen,  dass  in  anglo- 
normannischem  Munde  aus  der  welschen  Form  ein  CaUburA, 
Calibur  entstanden  sei,  worauf  sowohl  die  Form  Gottfried's, 
sowie    die    französische    zurückgingen.     Da    aber    (s.    GStL  OtL 


Bretonische  Elemente  m  der  Arthursage  des  Gottfried  von  Monmouth.     237 

Am.  1890,  3.  524  ff.,  796  ff.)  der  welsche  Ursprung  der  fran- 
zösischen Artburerzählungen  vollkommen  ausgeschlossen  ist,  die- 
selben vielmehr  in  der  Bretagne  ihre  Quelle  haben  nnd  fran- 
lösisierte  Bretonen  (aus  der  Haute-Bretagne)  als  ihre  Träger  zu 
Normannen  und  Franzosen  gelten  müssen,  so  wird  bei  ihnen  die 
Form  Caliburch,  Calibur  entstanden  sein.  Dass  Gottfried  dort- 
her die  Vorlage  für  Caliburnus  bezogen  hat,  wird  durch  ein 
weiteres  Moment  gestützt.  Buch  IX,  4,  wo  Sache  und  Wort 
bei  Gottfried  zuerst  vorkommen,  heisst  es:  accinetus  etiam  Coli- 
burno  gladio  optimo  et  in  insula  AvaUonis  fabricato.  Name 
and  Vorstellung  von  der  Insel  Avalon  ist,  wie  wir  gleich  sehen 
werden,  der  welschen  Sage  vor  Gottfried  absolut  unbekannt 
und  stammt  aus  bretonischer  Sage. 

Noch  zwei  Namen  seien  vorher  erwähnt.  Der  erste  Gemahl 
von  Arthur's  Mutter  ist  nach  Gottfried  ein  Gorlois  dux  Cornubiae 
(VIII,  6,  18,  19,  2S).  Der  Name  kann  wegen  des  zweiten 
Gliedes  nicht  welsch  sein.  Mit  Rücksicht  auf  Sulleisoc  in 
Bodmin  Gospels  fol.  lb  (Rev.  Celtique  I,  333)  ist  es  auch 
unwahrscheinlich,  dass  er  kornische  Form  trägt.  Dagegen  sind 
bei  Bretonen  Namen  mit  -loies,  -lots  im  ersten  und  zweiten  Glied 
ganz  gewöhnlich :  Loiesauual,  Loiesbidoe,  Loiesbritou,  Loiesbudic, 
Loiescant,  Loiescar,  Loieshoiarn,  LoiesuuaUon,  Loiesoc  und 
andere  finden  sich  in  Redoner  Urkunden  (Courson,  Cartulaire 
3.  674).  Die  altbretonische  Form  für  Gorlois  findet  sich  als 
Uuor loies  um  847  (Courson,  Cart.  S.  82),  als.  Gurloies  im  Jahr 
820  (l.  I.  S.  202);  mittelbr.  Gurloes  im  Cartulaire  von  Quimperl6 
(s.  Loth,  Chrestom.  8.  211).  Da  der  welsche  Übersetzer  Gott- 
friede einfach  Owrlois  herübernimmt,  so  ist  klar,  dass  die  Figur 
ihm  vollkommen  fremd  war. 

Buch  VII,  4,  12,  also  in  demjenigen  Teile  der  Prophezeiung 
Merlin's,  welcher  weit  über  Gottfried^  Zeit  hinausreicht,  heisst 
es  Vindicabit  leonem  vulpes  Kaerdubali  et  totum  suis  den- 
tibus  consumet.  Mit  dieser  Stadt  Kaerdubal  hat  keiner  der 
Kommentatoren  Merlin's  von  Alanus  ab  Insulis  bis  auf  San-Marte 
etwas  anzufangen  gewusst;  auch  der  welsche  Übersetzer,  der  für 
die  latinisierten  Namen  nach  Kräften  die  welschen  Äquivalente 
gibt,  übersetzt  verständnislos  üewynawc  Kaer  dubal  a  dial  y 
lleto  ac  ae  treula  oll  ae  danlied.  In  zahlreichen  französischen 
Texten  der  matiere  de  Bretagne  ist  Carduel  eine  Residenz 
Arthur's  (s.  Seiffert,  Namenbuch,  S.  59.  Histoire  litttraire  30, 
623  s.  v.).  Dieses  Carduel  ist,  wie  Gott.  Gel.  Am.  1890, 
S.  524  ff.  gezeigt  wurde,  das  alte  Luguballiumy  altkymrisch  Caer 
Ligualid    (Nennius),    neukymrisch    Caer    liwelydd    (=    Castra 


238  H.  Zimmer, 

Luguballia)  =  Carlide  in  Cumberland.1)  Liegt  die  Annahme 
nicht  nahe,  dase  Gottfried  sein  Kaerdubal  aus  dem  Carduel  in 
der  mattere  de  Bretagne  gebildet  bat?  Ein  aachlicher  Grund 
ist  freilich  ebensowenig  ersichtlich,  wie  dafür,  dass  er  die  Formen 
Walwen,  Calibur  u.  a.  als  Ausgangspunkt  flu*  Heine  Latini- 
Bierung  nahm. 

Auf  den  ersten  Blick  viel  weniger  in  die  Augen  fallend, 
aber  bei  näherem  Zusehen  viel  bedeutungsvoller  ist  eine  stoff- 
liche Entlehnung  Gottfried'e  aus  der  bretonischen  Arthursage. 
Nachdem  er  den  Tod  Modred's  nnd  zahlreicher  Führer  in  der 
in  welscher  Heldensage  berühmten  Schlacht  von  Camlan  erzählt 
hat,  schlieuat  er  mit  den  Worten:  Sed  et  iuclytus  Arturut  rex 
letaliter  vulneratus  [est,  qui  Hl  ine  ad  sananda  vul- 
nera  sua  in  insulam  Avallonis  advectu»,  cognato  Gm 
stantino  .  .  .  diadema  Britanniae  concessit  (XI,  2).  Von 
dieser  Ineel  Avalen  und  den  damit  zusammenhängenden 
Vorstellungen  ist  in  der  welschen  Litteratnr  vor  Gott- 
fried nichts  bekannt.  In  den  sogenannten  altwelschen  Ge- 
dichten findet  sich  nirgends  der  Name  Avalon,  nirgends  eine 
Andeutung,  dass  Arthur  noch  lebe  und  wiederkehren  werde.*) 
Auch  Nennius  weiss  weder  etwas  von  Avalon,  noch  davon,  dass 
Arthur  noch  lebe  und  wiederkehren  wird.  Hält  es  Jemand  für 
denkbar,  dass  der  Verfasser  des  den  ältesten  Ncnniuahand Schriften 
angehängten  Traktates  De  mirabilibus  Britanniae  (San-Harte, 
§  67 — 75)  von  einer  Insel  Avalon  etwas  wusste?  zumal  wenn 
man  bedenkt,  dass  er  in  den  Mirabilia  darauf  ausgeht  (§  73),  mit 
Arthur  verknüpfte  Mirabilia  zu  erwähnen.  Auch  das  scheint 
mir  beachtenswert,  dass  die  ausserhalb  der  Arthursage  stehenden 
mittel  welschen  romantischen  Erzählungen  wie  Pwyll  Prinz  von 
Dvfed,  Branwen  Tochter  des  Llyr,  Manawyddan  Sohn  des  Llyr, 
Math  Sohn  des  Mathonwy  u.  a.  von  einer  Insel  Avalon  nichts 
wissen;  ynys  AfaÜon  „fairyland"  kommt  nach  Evans,  Dictionaryl, 
SO  zuerst  in  dem  modernen,  1842  erschienenen  Werk  des  Thomas 
Price   vor:    Hauen  Cym.ru,   S.   267,    265!     Was   das  Fortleben 


l)  Vgl.  auch  schon  Windisch  bei  Foerster,  Yvam  S.  274,  woselbst 
die  Stelle  aus  Beda's  Vita  des  St.  Cuthbert:  „venit  ad  Lugubaliam 
civilattin,  quae  a  populk  Anglurum  Lttel  vocatur." 

*)  Die  Stelle  in  dem  die  BegräbnisplUie  berühmter  Persönlieh- 
keiten  behandelnden  Gedicht  im  Black  Book  of  Cacrmarthen  toi.  32 — 35 
kann  in  keiner  Weise  hiergegen  angeführt  werden,  sie  sagt  bloss  aus, 
(fol.  34a,  13),  dass  man  Arthur's  Grab  nicht  kenne.  Die  Handschrift 
enthalt  mehrere  Gedichte,  die  dem  Ende  des  XII.  Jahrhunderts  ange- 
hören  Ulli:;  seil. 


I 

I 


Bretonische  Elemente  in  der  Arthursage  des  Gottfried  von  Monmouth.     239 

Arthurs    auf  Avalon    anlangt,    so  tritt   zu  dem  Argumentum  ex 
sSentio,    welches    uns    Nennius    und    die    altwelschen    Gedichte 
liefern,    das  positive  Zeugnis    der   alten  Annales  Cambriae  des 
X.  Jahrhunderts,  in  denen  zum  Jahre  537  direkt  gesagt  ist  Crueith 
Camlan    in   qua  Arthur   et  Medraut  corruerunt.     Nach   der 
Anschauung    der    welschen   Heldensage   vor  Gottfried    war    also 
Arthur    gleichwie     die     anderen    Figuren    des    Heldenzeitalters 
(Urien,  Ouein,  Peredur,  Geraint,  Kei,  Bedwyr  etc.)  gefallen. 
Hierzu  kommt  noch  ein  wichtiger  Punkt:  die  in  den  französischen 
Texten    mit    Arthur    und    Avalon    aufs    engste    verknüpfte    Fee 
Morgan  ist  der  welschen  Sage  überhaupt,  nicht  blos  der 
Arthursage,     ebenfalls    absolut    unbekannt1)      Die    Un- 
bekanntschaft der  Welschen  mit  dieser  Figur  hat  den   welschen 
Bearbeiter  von  Chretien'e   Yvain  und  Erec  zu  einem   komischen 
Missverständnis  Anläse  gegeben;  er  hat  aus  Morgan  la  fee  einen 
am  Hofe  Arthur's  lebenden  Leibarzt  Morgan  Tud  gemacht,  eine 
in  welscher  Anschauung  gedachte   aber   der   welschen  Litteratur 
absolut  unbekannte  Persönlichkeit2)  (s.  Foerster,  Erec,  S.  XXVII  ff.). 
Nach    Feststellung    dieser   Thatsachen    —    also    dass    die 
Vorstellungen  von  der  Fee  Morgan,  der  Insel  Avalon  und  Arthurs 
Fortleben  der  welschen  Sage  vor  Gottfried  unbekannt  sind  — 
wenden  wir  uns  den  Schriftstellern  des  XII.  Jahrhunderts  zu,  um 
zu  erfahren,  ob  sie  uns  nicht  Auskunft  geben  können,  woher  diese 
Vorstellungen    und    Anschauungen    stammen.      Marie    de    France 
scbliesst   den  lai  von  Lanval   mit  den  Worten  (V.  659):    Od  li 
$'en  vait  en  Avalun  —  ceo  nus  recuntent  li  Bretun  —  en 
un  isle  qui  mult  est  beals  —  la  fu  raviz  li  dameiseals.  —  Nuls 
n*en  oi  puis  plus  parier  —  ne  io  nfen  sai  avant  cunter.    Dass 
hier   unter    li  Bretun    nur    wirkliche    Bretonen,    nicht    Kvmren, 
können  gemeint  sein,  habe  ich  Gott.  G.-Anz.  1890  S.  798   ge- 
zeigt.    Ihnen  eigen  ist  der  Glaube  an  eine  Insel  Avalun,  wo- 


*)  Gleichfalls  eine  sehr  instruktive  Thatsache  hinsichtlich  der 
Annahme  von  G.  Paris,  dass  die  „mauere  de  Bretagne"  aus  Wales 
bezogen  sei. 

*)  Eine  interessante  Parallele  liefert  ein  deutscher  Bearbeiter 
eines  französischen  Textes.  Gottfried  von  Strassburg  sagt  im  Tristan 
V.  5882  ff.:  Vmbe  den  zins  was  e$  so  getvant:  —  der  do  ze  Irlande 
kunik  was  —  als  ich1}  an  der  historie  las  —  unde  als  das  rechte  maere 
seit:  —  der  nies  Gurmun  Gemuotheit  —  unde  was  geborn  von  Affrica 
—  umie  was  sin  vater  kunik  da.  Hier  sind  (a.  Hertz,  Tristan  S.  569  ff.) 
die  beiden  Bundesgenossen,  der  Vikingerführer  Gurmun  (Godrum,  Gorm) 
und  lsembard  de  la  Ferte'  (la  Ferte  in  Ponihieu;  ein  sire  de  la  Ferte  bei 
Wace,  Normannenchronik  II,  8601)  zusammengeflossen;  ferte  ist  mit 
fierte  verwechselt  und  mit  ähnlicher  falscher  Auffassung  des  Zusatzes, 
wie  wir  sie  in  Morgan  Tut  kennen  lernen,  entstand  Gurmun  Gemuotheit, 


240  B.  Zimmer, 

hin  Männer  von  Feen  entrückt  werden.  —  Wftce  gibt  Brut 
13  661  ff.  die  oben  angeführte  Stelle  Gottfried'«  Über  Arthur  i 
Ende  so  wieder:  Artus,  se  l'estore  ne  ment,  —  fti  navres  et 
cor*  mortelement ;  —  e»  Avalott  se  fit  porter  —  por  se*  ploia 
mediciner.  Nach  dieser  getreuen  Wiedergabe  der  Vorlage  macht 
er  folgenden  persönlichen  Exkurs:  Encor  i  est,  Breton  l'atan- 
dent,  —  Ji  com  il  dient  et  entandent;  —  De  lavandra, 
encor  puet  vivre.  —  Maistre  Gasse  qui  fiste  cest  livre,  — 
n'en  valt  plus  dire  de  sa  fin  —  qu'en  dist  li  prqfHes  Merlin. 
—  Merlins  dist  <£ Artus,  si  ot  droit,  —  que  sa  fin  dotote 
eeroit.  —  Li  profete  dit  verite":  —  tostans  en  a  Von  puis 
dot£  —  et  dotera,  ce  crois,  tos  dis,  —  oü  ä  soit  mors,  oü  ä 
soit  vis  (Brut  13  685  ff.);  dann  nimmt  er  mit  den  Worten 
Porter  se  fist  en  Avalon  (V.  13  697  =  13  682)  wieder  seine 
Vorlage  auf.  Wace  sieht  sich  also  veranlasst,  zweierlei  seiner 
Vorlage  hinzuzufügen:  einmal,  dass  nach  dem  Glauben  der 
Breton  Arthur  noch  auf  Avalon  ist  und  dass  sie  sein  Kommen 
erwarten;  sodann,  dass  er  (Wace)  persönlich  nicht  über  die 
Merlin  in  den  Mund  gelegten  Worte  exitus  ejus  dubius  erit 
(Gottfried  VII,  3)  hinausgehe.  Die  Breton,  deren  festem  Glauben 
Wace  seinen  Zweifel  entgegenstellt,  sind  doch  keine  anderen 
als  die  Breton,  die  er  Brut  9998  ff.  ebeneo  in  einem  Zusatz 
zu  seiner  Vorlage  als  Zengen  ftlr  die  Errichtung  der  Tafelrunde 
einfuhrt  und  die  Breton,  welche  vom  Walde  Brecheliant  fablen 
(Normannenchr.  II,  6396),  d.  h.  wirkliche  Bretonen  ans  der 
Wace's  Nachbarschaft  (vgl.  Göttinger  Gel.- Ans.  1890,  S.  795). 
Über  das  letztere  lasst  ein  jüngerer  Zeitgenosse  des  Gott- 
fried von  Monmouth,  Alanus  ab  Insulis,  keinen  Zweifel  auf- 
kommen. In  seinem  Kommentar  zu  dem  VII.  Buch  Gottfried'», 
den  Prophezeiungen  Merlins,  schreibt  er  zu  der  auf  Arthur  be- 
züglichen Stelle:  Aper  Cornubiae  suecursum  praestabit  .... 
et  exitus  ejus  dubius  erit  (VII,  3)  gerade  mit  Bezug  auf 
die  letzten  Worte,  die  auch  Wace  im  Sinne  hat:  Verissime 
quidem  sicut  hodieque  probat  varia  kominum  de  morte  ejus 
etvita  opinio.  Quod  si  mihi  non  credis,  vade  in  Armoricttm 
regnum,  id  est,  in  minorem  Britanniam  et  praedica  per 
plateas  et  vicos  Arthurum  Britonem  more  ceterum  mortuorum 
mortuum  esse  et  tunc  certe  re  ipsa  probabis,  veram  esse  Merlini 
propketiam,  qua  ait  Arthuri  exitium  dubium  fore;  si  tarnen 
immvnis  evadere  inde  potueris,  quin  avt  maledictis  audientium 
opprimaris  aut  certe  lapidibus  obruaris  (Usher,  Antiquitäten 
S.  272;  S.  Marte,  Sagen  von  Merlin  S.  55).  Alanus  ab  Insulis 
ist  Zeitgenosse  Chretien's  und  achrieb  zu  Lebzeiten  Ilein- 
rich's  II.    (1154—1189)    seinen    Kommentar   zu    dem    aus    der 


Brttonisehe  Elemente  in  der  Arthur  sage  des  Gottfried  von  Monmouth.     241 

Feder  eines  welschen  Schriftstellers  geflossenen  Werke.    Wenn 
er  seine  Leser   nnn   in  die  Dörfer   und  anf  die  Strassen  in  der 
Bretagne    schickt,    um   sich   die    handgreifliche  Bestätigung  zu 
bolen,    so  scheint  mir  dies  bezeichnend  dafür,  woher  Gottfried 
von  Monmouth    die  Vorstellung  hat,    die   er  mit  den  Worten 
exitus  ejus  dubius  erit  in  die  Form  der  Prophezeiung  kleidete.1) 
Nid  wird,   denke  ich,   das  Zeugnis   eines  vierten   Schriftstellers 
des  Giraldus  Cambrensis   im  Speculum  eccleßae  II  Kap.  9  ver- 
bindlich:  Quoniam  de  rege  Arthuro  et  ejus  exitu  dubia  multa 
referri  solent  et  fabulae  conjingi,  Britonum  populis  ipsum 
adhuc    vivere  fatue  contendentibus,    ut  fabvlosis   exsuflatis,  et 
veris  ac  certis  asservatis,    veritas   ipsa   de  caetero  circa   haec 
liquido  pateat,    quaedam    hie   adjicere   curavimus    indubitata 
veritate   comperta.     Post  bellum  de  Kamlan  apud  Cornubiam, 
interfecto  ibidem  Moderedo  proditore  nequissimo  et  regni  Bri- 
tannici  custodiae   suae   deputati   contra  avunculum  suum  Ar- 
thurum    oecupatore,    ipsoque    Arthuro    ibi  leihaliter  vulnerato, 
corpus  ejusdem  in  insulam  Avaloniam,    quae  nunc  Glastonia 
dicitur,  a  nobili  matrona  ejusdem'  cognata  et  Morgani 
vocata  est  delatum:  quod  postea  defunetum,  in  dicto  caemiterio 
sacrOj    eadam  procurante,    sepultum  fuit.     Propter   hoc   enim 
fabulosi  Britones   et   eorum   cantatores  fingere  sole- 
bantj  quod  Dea  quaedam  phantastica  scilicit  Morganis 
dieta   corpus  Arthuri  in  insulam  detulit  Avaloniam  ad  ejus 
vulnera    sanandum.     Quae    cum    sanata  fuerint,    redibit  Rex 
fortis  et  potens  ad  Britones  regendum  (ut  dieunt)  sicut  solet; 
propter  quod  ipsum  expeetant  ad  huc  venturum,  sicut  ludaei 
Messiam  suum,  majori  etiam  fatuitate  et  infelicitate  simul  ac 
infidelitate  deeepti.  (Usher,  Antiquitates  S.  272  ff.)2)   Dass  unter 


*)  Den  Einwand,  dass  der  Glaube  in  der  Bretagne  zur  Zeit  des 
Alanus  anf  Gottfriede  Werk  zurückgehe,  wird  wohl  kaum  Jemand 
erheben.  Wenn  Gottfried's  Werk  der  Ausgangspunkt  wäre,  wie  sollten 
gerade  die  Bretonen  nicht  lange  nachher  bis  in  die  Kreise  der  gemeinen 
Leute  mit  solchem  Fanatismus  auftreten?  Woher  sollte  denn  Gottfried 
die  Insel  Avalon  und  die  Vorstellung  von  Arthur's  Fortleben  haben, 
die  der  welschen  Sage  unbekannt  sind? 

*)  Die  einzige  erhaltene  Handschrift  des  Speculum  eccleßae  ist 
durch  Feuer  und  andere  Umstände  sehr  beschädigt,  so  dass  manche 
Stellen  besonders  in  Buch  II  schwer  oder  gar  nicht  lesbar  sind.  Der 
Herausgeber  des  IV.  Bandes  der  Opera  Gtraldi  Cambrensis  (London, 
1873)  hat  keine  Ahnung,  dass  Usher  in  seinen  Antiquitates  das  Werk 
viel  benutzt  hat  und  manche  Stelle,  wo  Brewer  nur  mehr  zusammen- 
hanglos Buchstaben  und  Silben  erkennen  kann,  deutlich  las;  so  auch 
Antiquitates  S.  272  im  Vergleich  mit  Brewer  S.  48.  Die  hauptsächlich 
hier  in  Frage  kommende  Stelle  von  Arthuro  ibi  leihaliter  vulnerato  an 
liest  auch  Brewer  noch. 

Zaehr.  f.  Ars.  8pr.  u.  Litt    HP.  lg 


den  Britonea  wirklich  die  „Bretonen"  gemeint  sind,  wird  durch 
zwei  Umstände  sicher  gestellt.  Einmal:  die  Latein  schreibenden 
Schriftsteller  des  XII.  Jahrhunderts  gebrauchen,  wenn  sie  toi 
ihrer  Zeit  reden,  gewöhnlich  Britonea  für  „Bretonen"  und 
Walente»  fUr  Kymren,  also  wie  im  Französischen  Bretun  und 
Galois;  ich  verweise  nur  auf  Halmesbury  Gesta  Äegum  Angle- 
nun1)  und  Oiraldus  Cambrensis  Itinerarinm  und  Deacriptio 
Cambriao.  Sodann  beweist  die  Nachricht  von  der  Dea  quatdam 
pkantattica  scilicit  Morganis  dieta,  dasB  die  fabuloti  Britonei 
et  eorum  cantantores  nur  „Bretonen"  sein  können,  da  die  Fee 
Morgan  der  welschen  Sage  unbekannt  ist,  wie  wir  sahen. 
Was  nun  den  Unterschied  anlangt,  welchen  Oiraldns  macht 
zwischen  dem,  was  er  indubitata  veritate  erfahren  haben  will  und 
dem,  was  er  Fabeleien  der  Bretonen  nennt,  so  musa  man  die 
Zeit  im  Auge  behalten,  in  der  er  sein  Specul-um  schrieb  (nach 
1190)  und  die  Entwickelung,  welche  sich  unterdessen  vollzogen 
hatte.  Ehe  ich  diese  jedoch  darlege,  will  ich  noch  einige 
weitere  Zeugen  vorführen,  deren  Aussagen  in  diesem  Zusammen- 
hang klar  werden:  Heinrich  von  Huntingdon  und  Wilhelm  von 
Halmesbury. 

Heinrich  von  Huntingdon  hielt  sich  auf  einer  Romreise  in 
Jahre  1139  einige  Tage  in  dem  in  der  Norman  die  gelegenen 
Kloster  Bec  Helwin  auf;  hier  machte  er  Bekanntschaft  mit  Gott- 
fried'« von  Moomouth  zwischen  1032  nnd  1035  verfassten  Historia 
regum  Brüamiiae,  die  er  alsbald  exzerpierte.  Dies  Exzerpt 
liegt  in  einem  Brief  an  einen  Bekannten  in  England  vor,  dessen 
Käme  ist  Warinut  Brito.  Der  Brief  beginnt:  Quaeris  a  me, 
Warine  Brito,  vir  cumis  et  facete,  cur  patriae  nostrae  getta 
narran»  a  temporibus  JulU  Caeearis  ineeperim,  et  florentisiima 
regna,  quae  a  Bruto  usque  ad  Julium  fuerunt,  omiaerim. 
Respondeo  igitur  tibi  quod   nee   voce  nee   scripta  komm  tem- 


l)  Maluieebui-y  hat  im  Buch  III — V  nnd  der  l/ittoria  novelia,  al*o 
in  dem  Teil  seines  Werkes,  welches  die  Zeit  von  Wilhelm  dem  Eroberer 
(103S)  bis  1142  behandelt,  folgenden  Sprachgebrauch.  Britannia  findet 
sich  III,  §  2.16  dreimal;  HI,  §  258;  111,  §  276;  V,  g  392;  V,  §  404;  Hill. 
noveUa  I,  §  463;  es  bezeichnet  immer  Bretagne.  Britanmaa 
findet  »ich  III,  §  236  und  bedeutet  bretonUch.  Britonei  kommt V, 
§40!  zweimal  vor  und  bezeichnet  Bretonen,  während  in  dem  direkt 
vorhergehenden  Paragraphen  (V,  §  401),  wo  Malmesbury  von  Verhält- 
nissen Heinrich'«  I.  zu  Wales  und  den  Welschen  handelt,  dreimal 
Utiit-nscs  „die  Kyroren"  vorkommt  und  von  provineia  Waitiarum  die 
Kede  ist.  So  stehen  auch  III,  §  258  WaUnses  „die  Kymren"  und 
iranxmarina  Briiannia  „Bretagne"  nebeneinander.  Nirgends  bezeichnet 
in  diesem  Zeitraum  Britonei  „Welsche,  Kymren"  in  Malmeibury's 
Werk. 


Brtionische  Elemente  in  der  Arthursage  des  Gottfried  vor  Monmovth.     243 

porum  saepissime  notitiam  quaerens  invenire  potui.   Dann  teilt 
er  mit,    dass    er    bei    Robert   von    Torigni   zu    seinem    Staunen 
scripta  verum  praedictarum  gefunden:  excerpta,  ut  in  epistola 
decet,    brevissime   scilicet,    tibi  dilectissime,   mitto.     Dann  folgt 
ehi  Auszug  aus  Gottfried' 8  Historia  regum  Britanniae,   worin 
ein  interessanter  Zusatz   bei  Gelegenheit  von  Gottfried  XI,  2: 
(Arturus)  gladio  per  aciem  viam  sibi  parans,  in  medio  suorum 
Modredum  galea  arripuit,    el  collum  loricatum  velut  stipulam 
gladio  resecavit.   —    Liter  eundum  tarnen   et   in  ipso  actn  tot 
vtdnera    recepit  quod,   et  ipse  procubuit.      Mortuum   tarnen 
fuisse  Britones  parentes  tui  negant,  et  eum  venturum 
iollenniter  expectant     Nachdem  Huntingdon  noch  den  Rest 
exzerpiert,    verweist    er   den  Freund    auf   den    librum  grandem 
Gaufridi  Arturi,  aus  dem  er  das  Exzerpt  gemacht.    (Chronicles 
of  the  reign  of  Stephent    Henry   II,    Richard  I,    London    1889, 
Band  IV,    8.  65 — 75).     Mit  den  Worten   in   ipso  actu   tot  vul- 
nera   accepit   quod   et   ipse  procubuit    ist   offenbar    Gottfried's 
Utaliter  vulneratus  est  wiedergegeben,  und  die  Worte  mortuum 
tarnen  fuisse  Britones  parentes   tui   negant  et  eum   venturum 
soUenniter  expectant  belehren  uns,  woher  Gottfried's  Anschauung 
ad  sananda  vulnera  sua  in  insulam  Avallonis  advectus  stammt. 
Vielleicht  hat  Huntington   diese  Belehrung  in  Bec  erhalten,    wo 
man    mit   den    Anschauungen    der    Bretonen    wohl    vertraut    sein 
konnte,    zumal  Robert  der  Besitzer  der  Handschrift  in  Torigini, 
also  in  einem  dem  Bretoaengebiet  angrenzenden  Teile  der  Nor- 
mandie  geboren  war.     Denn,  dass  Warinus  Brito  ein  Bretone 
und  kein  Welscher  war,   demnach  seine  Angehörigen  (parentes), 
die  Britones  wirkliche  Bretonen    und  keine  Welschen,  lässt 
sich  mit  verschiedenen  Gründen  nachweisen.    Der  Name  Warin 
ist  dem  Welschen  volständig  fremd,  dagegen  in  Breto- 
nischen Urkunden  vom  XL  Jahrhundert  an  häufig  in  dem 
doppelsprachigen  Gebiet,  in  dem  die  Abtei  Roton  liegt:  Garinus 
Bischof  von  Rennes  1026,    derselbe   als    Warinus   in  einer  Ur- 
kunde 1029 — 1037;  Guarinus  testis  1051;  Guariuus  diaconus 
1062;    Gruarin   1061  —  1075;    Guarinus   1084;    Guarin  1104; 
Johannes   Guarini  filius    1116.     Der   Name    ist  normannischen 
Ursprungs,    aber  bei  den  Bretonen  angenommen,   da  der  Bruder 
des    Ghuarin    von    1104    den    reinbretonischen    Namen    Judicael 
ftlhrt  und  der  Vater  der  Brüder  Guarin  und  Judicael  ebenfalls 
reinbretonisch    Gleuden    heisst.      Zu    diesem    durchschlagenden 
Grunde,  dass  Warinus  Brito  ein  in  England  lebender  Bretone 
Namens  Guarin,   Warin  war1),    kommen    noch    andere    Stützen. 

x\  Ober  das  massenhafte  Auftreten  der  mit  den  Normannen  eng 
verbündeten  Bretonen  in  ganz  England  nach  1066  habe  ich  Göttinger 

16* 


244  ff.  Zimmer, 

Der  magister  Bwnardux  Brito  cunceUariut*  ecclesiae  Carno- 
tensis  (Chartres)  bei  Robert  von  Torigni  a.  1 159  war  doch  aichtr 
ein  Bretone;  auch  Guiltlmas  Brito  (um  1165— 1226J  der 
Cape Hau  Philipp  Augusts,  der  eine  Philippia  dichtete,  war  eii 
Bretone,  nennt  er  sich  doch  selbst  natione  Armorictu  (Hui. 
littSraire  XVII,  336  ff.);  ebenso  Gide  Brito  in  einer  Urkunde 
von  Hont- Saint -Michel  a.  1159:  Mont-  Saint-  Michel  liegt  an  der 
Grenze  der  Bretagne  (Doli  und  der  Beiname  Brito  im  Nor 
mannengebiet  hat  sein  Gegenstück  in  Normant  Ponttl  im 
Bretonengebiet  (a.  1086.  Courson,  Cartulaire  de  Redon  S.  290), 
Dies  stimmt  zu  dem  S.  242  belegten  Sprachgebrauch.  Schließ- 
lich kann  auch  der  Name  des  Giraldua  Cambrensis  dafür  ins 
Feld  geführt  werden,  dass  Warinus  Brito  ein  Bretone  und 
kein  Welscher  war.  Wir  haben  also  ein  neues  Zeugnis  (für 
1139),  dass  die  Anschauung  von  Arthur' b  Fortleben  und  wti 
damit  zusammenhängt  aus  der  Bretagne  stammt. 

Wilhelm  von  Mahnesbury  schloss  die  Geeta  regum  Angloruvt 
1124  oder  1125  ab,  schrieb  also  ein  Dezennium  vor  Gottfried 
von  Monmouth.  Im  Beginn  des  ersten  Buchea  exzerpiert  er  ab- 
wechselnd Beda,  Mist,  ecclesiantica  und  Nennius  Historia  Bri- 
tonum.  In  Buch  I  §  8  heisst  es  nun  nach  dem  Tode  Vortemer'i 
des  Sohnes  vou  Wortigern:  jam  tunc  (Britones)  profecto  pestum 
issent,  nist  Amorotiut,  tolug  Romanorum  supergtes,  qui  pott 
Wortigernvm  monareha  regni  fuit,  intumescentes  barbaro» 
eximia  belUcoti  Arturis  opera  pressisset.  Hie  ett 
Artur  de  quo  Britonum  nugae  hodieque  delirant;  dig- 
nus  plane  quem  non  fallacea  gomniarent  fabulae  »td 
veraces  praedicarent  kiatoriae,  qutppe  gut  labantem  pa- 
triam  diu  euetinuerit,  infractasque  civium  mentes  ad  bellum 
acuerit;  postremo  in  obsessione  Badonici  montU,  fretat  ima- 
gine  Dominicae  matris,    quam  armig  suis  inauerat,   nongentot 


Gel.  Am.  1890  S.  790  Nachweise  gegeben.  Es  ist  noch  hinzuzufügen, 
dass  der  bretone  Nervei,  der  1093  Bischof  vou  Bangor  vorübergehend 
geworden,  Bischof  von  Ely  war  von  1109—1138  (Freeman,  normo* 
Vanquest  V,  210-220).  —  Ein  Warnt  war  nach  Statins  Angaben  (Mal- 
mesbury, Gutta  Regum  I,  H.  XXV11)  Prior  in  Malmesbury  von  11» 
bin  1143.  Seit  der  Eroberung  Englands  finden  wir  Kontinentale  als 
Äbte  von  Malmesbury:  1067  wurde  Turold,  ein  Manch  aas  Fäcamp, 
Abt  von  Malmesbury  an  Stelle  des  Engländers  Brihtric;  dem  Turold 
folgte  1070— 10S1  Warin,  ein  Müuch  aus  Lire  in  der  Norm&ndie;  ihm 
folgte  108!  — 1105  Godefridus,  ein  Mönch  aus  Jumi&ges  in  der  Nor- 
mandie  (Malmesbury,  Getto  Puntxftcum ,  ed.  Hamilton,  London  1870, 
Buch  V,  §  264  ff.).  Auch  diese  Thatsachen  sind  geeignet,  die  kon- 
tinentale Herkunft  von  Huntingdon's  Freund  Wann  wahrscheinlich  *u 
machen  und  dann  kann  er  (Brito)  nur  ein  Bretone  gewesen  sein. 


Bretfmisehe  Elemente  in  der  Arllwisa,/,-  <!,:■;  Gottfried  von  Monmoulh,      245 

hortiwn  sollt»  adortHS  incri'dt'l'ili  vaede.  proßignvit  (Malraesbury, 
Gesta  regum  Angl,  ed.  Stubha  I,  S.  1 1  ff.).  Der  Sehlusssatz  maobt 
es  zweifellos,  dass  Mslmosbury  liier  Nennius  §  56  exzerpiert 
hat.  Den  Artbur  der  welschen  Sage,  wie  er  bei  Nennins  er- 
scheint, fasst  Malmesbury  als  historische  Figur  und  setzt  ihr 
entgegen  die  nugae  ßritniium  seiner  Zeit  {hodieipie).  Das 
ist  ein  Dezennium  vor  Gottfried  geschrieben.  Gibt  dasjenige, 
was  wir  über  die  welsche  Arlhursage  des  XII.  Jahrhunderts 
wissen,  ein  Recht  von  mtgae  zu  reden  im  Gegensatz  zu 
Nennius'  Beriebt?  Wohl  aber  können  die  romantischen  Arthur* 
crzäfalungen  der  Bretonen,  wie  wir  sie  durch  die  Nordfranzosen 
kennen  lernen,  nugae  und  fallacet  fabnlae  genannt  werden. 
Hinzu  kommt,  dass  schon  der  oben  S.  242  Anm.  nachgewiesene 
Sprachgehrauch  Malmcshury'B  in  Buch  III— V  rSt,  in  den  Bri- 
tnnes  seiner  Zeit  (hodieque)  wirkliche  Bretonen  zu  sehen; 
endlich  sprechen  auch  die  Zeugnisse  der  Marie  de  France,  des 
Wace,  Alanus  ab  Insults,  Giratdus  Cambrensis  und  Heinrich  von 
Huntingdon  ftlr  dieselbe  Auffassung.  Wir  haben  dann  in  diesen 
Worten  Malmosbury's  das  älteste  Zeugnis  flir  die  romantische 
Arthursage  der  Bretonen  und  einen  Beweis,  dass  ihre  charak- 
teristische Verschiedenheit  von  der  welschen  Artliur- 
sage,  die  wirkliche  Heldensage  ist,  nicht  das  Werk  der 
französischen  Dichter  ist. 

Wir  sind  nunmehr  in  der  Lage,  den  Unterschied  zu  er- 
klären, welchen  Giraldne  Cuobreneie  im  Speculwn  oaelttiiM  II, 
§  '3  macht  zwischen  dem,  was  er  indu-bitata  veritate  erfahren 
haben  will  und  dem,  was  er  Fabeleien  der  Bretonen  nennt 
(siehe  oben  8.  242).  Mag  die  Verknüpfung  der  bretouischen  An- 
schauung, dass  der  romantische  Arthur  nicht  gestorben  sei,  aon* 
dem  auf  der  Insel  Avnlon  fortlebe,  mit  der  Anschauung  der 
welschen  Heldensage,  dass  Arthur  ebenso  wie  Medraut  bei  Camlan 
fiel  —  mag  die  Verknüpfung  beider  Anschauungen  dahin,  dass 
Arthur  bei  Camlan  zwar  tötlich  verwundet  worden,  aber  zur 
Heilung  nach  Avnlon  gebracht  worden  sei,  durch  Gottfried  vor- 
genommen sei,  oder  mag  er  sie  sonstwo  vorgefunden  haben1): 
sie  wurde  im  zweiten  Viertel  des  XII.  Jahrhunderts  der  Keim 
zu  Gelehrtenfsbeleien,  die  dann  ihrerseits  wiederum  Schwindeleien 
im  letzten  Viertel  des  Jahrhunderts  zur  Folge  hatten.  Der  alte 
Name  von  QUutonbvry  in  Sommersct  war  (rlnsirtigebirli  (llun- 
tingdon,  Hirt.  Angl.  8.  186),  wurde  aber  latinisiert  Qlattanüt 
i.i'f.  Wintonia  =  Winche»ter,  Cner  H'inf);  in  diesem  Glartauta 
sah   man   im  ersten  GHede    ein  glas  „vitrum",    und  da  Glastonia 

■)  Ich  komme  auf  diese  Möglichkeit  im  Verlauf  zurück. 


346  B.  Zimmer, 

auf  einer  Art  Insel  lag1),  so  dichtete  man  Glastonia  die  Be- 
deutung insula  vitrea  an,  infolge  dessen  man  die  absolut  unbe- 
gründete Behauptung  aufstellte,  der  Ort  habe  vor  der  sächsischen 
Eroberung  bei  den  Britanniern  Ynis  witrin  geheissen.  Die  Ery- 
mologisierung  von  Glastonia  ala  insida  vitrea  führte  in  Ver- 
bindung mit  der  bretonischen  Anschauung  von  einer  iele  de.  voim 
—  die  zwar  Yvain  1945  ff.  von  der  tue  d' Avalon  verschieden 
gedaoht  wird,  aber  offenbar  nur  ein  anderer  Ausdruck  derselben 
Grund  Vorstellung  ist  —  dazu  die  fabelhafte  [nael  Avalen  mit 
Glastonia  zu  identifizieren  und  anzunehmen,  das«  Avallonia  eil 
anderer  alter  Name  für  Glastonia  sei.  Diese  Fabeleien  waren 
Malmesbury  im  Jahre  1125,  als  er  seine  Gesta  Pontificum  An- 
glornm  schrieb,  noch  unbekannt,  denn  er  handelt  8.  196 — 198 
(Ausgabe  von  Hamilton,  London  1870)  ausführlich  Ober  Glaa- 
tonia und  seine  Entstehung  ohne  Erwähnung  der  Etymologie 
(insula  vitrea)  und  der  angeblichen  älteren  Kamen  Ynis  witrin 
und  Avallonia./ k\i  er  aber  1139  seine  Aittiquitates  ecelesiae 
Glastoniensis  schrieb,  waren  die  Fabeleien  im  Schwange  (siehe 
die  Stelle  bei  6.  Harte,  Gottfried  8.  422  ff.).  Die  Identifizierung 
der  fabelhaften  Insel  Avalon  mit  Glastonbury  verbunden  mit  der 
anderen  Angabe,  dasa  Arthur  tötlieh  verwundet  nach  der  Insel 
Avalon  gebracht  worden  sei,  wurde  dann  der  Ausgangspunkt  zu 
einer  Komödie  gegen  Ende  des  XII.  Jahrhunderte.  Noch  zu 
Lebzeiten  Heinrich'»  II.  (f  1189)  veranstaltete  der  Abt  von 
Glastonbury,  wie  Giraldus  Cambrensis  im  Spec.  Eecl.  II  Kap.  9 
erzahlt,  eine  Ausgrabung:  man  fand  Arthurs  Grab  und  die  In- 
schrift: Hie  jacet  sepultus  inelytm  rex  Arthurus  in  insula 
Avallonia  cum  Wenneveria  uxore  sua  seeunda.  Wen do wer, 
Flores  Historiarum ,  ed.  Hewlett  I,  203,  meldet  das  Auffinden 
Arthur's  zum  Jahr  1191  unter  Richard  (vgl.  auch  Usher,  Anti- 
quitäten 8.  61  ff.).  Giraldus  CambrensiB  hat  die  Inschrift,  wie 
er  bezeugt,  selbst  gelesen  und  glaubt  natürlich  an  die  Komödie. 
Auf  diesem  Glauben  beruht  der  Unterschied,  den  er  (siehe  oben 
S.  242)  zwischen  Geschichte  nnd  den  Fabeleien  der  Bretonen 
macht;  er  sah  natürlich  nicht  ein,  dass  die  sogenannte  Geschichte 
auf  dem  Baume  der  Fabelelen  gewachsen  ist 

Wenn  auch  durch  die  Erörterungen  Seite  238 — 245  wie  ich 
glaube  festgestellt  ist,  dass  die  Vorstellungen  von  der  Insel 
Avalon  und  was  damit  zusammenhängt  dem  britannischen  Boden 
fremd  sind  und  aus  den  romantischen  Arthure rzSh langen  der 
Bretonen  erst  dorthin  verpflanzt  wurden,  so  glaube  ich  doch  ein 

')  „Glastonia  est  villa  in  quottam  reerssu  pahistri  posila,  tarn  et 
«0110  et  pede  aditur,  nee  situ  nee  amenitale  deleetubilis."  Halmesbar;, 
Getto  fbntifieum  8.   196.     Vgl.  auch  Gasten  Paria,  Romaxia  X,  491. 


Bretonische  Elemente  in  der  Arthursage  des  Gottfried  von  Monmouth.     247 

weiteres  Argument  nicht  Übergehen  zu  dürfen.  Die  welsch- 
komische Auffassung  des  fremden  Wortes  liegt  schon  in  dem 
Zweitältesten  Zeugnis  für  sein  Vorkommen  auf  britannischem 
Boden  in  Malmesbury's  Antiquität  es  ecclesiae  Glaston  iensis  vor 
(1139);  sie  knüpft  an  die  erwähnte  Annahme  an,  dass  Avallonia 
nur  ein  anderer  alter  Name  für  Glastonbury  sei.  Nachdem 
Malmesbury  erzählt  hat,  wie  Glastonbury  durch  einen  gewissen 
Glasteing  seine  Bewohner  erhalten  habe,  der  auf  der  Suche  nach 
seiner  Sau  (scrofa)  sie  dort  unter  einem  Apfelbaum  säugend 
fand,  berichtet  er  De  diversis  nominibus  ejusdem  insulae  mit 
folgenden  Worten:  Haec  itaque  insula  primo  Yniswitrin  a 
BriUmibus  dieta,  demum  ab  Anglis  terram  sibi  subjugantibus, 
interpretato  prior e  vocabulo  dieta  est  sua  lingua  Glastinbiry 
vel  de  Glasteing,  de  quo  praemisimus  etiam,  insula  Avallonia 
celebriter  nominatur,  cujus  vocabuli  haec  fuit  origo.  Supra- 
dictum  est,  quod  Glasteing  scrofam  suam  sub  arbore  pomtfera 
juxta  vastatam  ecclesiam  invenit,  ubi  quia  primum  adveniens, 
poma  in  partibus  Ulis  rarissima  reperit,  insulam  Avalloniae 
sua  lingua,  i.  e.  insulam  pomorum  nominavit;  avalla 
enim  britonice  poma  interpretatur  latine9  vel  cognominatur  de 
quod  am  Avalloc,  qui  ibidem  cum  suis  ßliabus,  propter  loci 
secretum,  fertur  inhabitasse  (San-Marte,  Gottfried,  S.  423).1)  Im 
Welschen  findet  sich  afal  (aval)  Plur.  afalau  „der  Apfel", 
afaü  Plur.  efeitt  „ Apfelbaum a,  af allen  Plur.  afallenau  „Apfel- 
baum", afaUach  Plur.  afallachau  „Apfel garten ":  eine  Ausdeutung 
des  fremden  Avalon  durch  diese  Wortdeutung  lag  nahe,  zumal 
wenn  man  von  der  eigentlichen  Bedeutung  des  Wortes  keine 
Ahnung  hatte  und  von  der  Annahme  ausging,  dass  es  ursprüng- 
lich eine  Name  für  Glastonbury  gewesen  sei.  Dass  es  sich 
aber  wirklich  nur  um  eine  Ausdeutung  eines  fremden  Wortes 
handelte  und  das  Wort  Avalon  dem  Welschen  vollständig  un- 
bekannt, dafür  sind  noch  zwei  Thatsachen  lehrreich:  1)  in  der 
welschen  Übersetzung  Gottfriede  wird  an  den  beiden  Stellen, 
wo  insula  Avaüonis  vorkommt  (IX,  4;  XI,  2),  dies  wieder- 
gegeben mit  Ynys  Avallach;  2)  wo  in  jüngeren  welschen  Texten 
(8.  die  Stellen  bei  Evans,   Dictionary  I,    79;    hinzuzufügen    ist 


l)  Giraldus  Canibrensisi  Spectä.  eccl.  II,  9  (Ueher,  Antiquitates, 
S.  273)  fugst  offenkundig  auf  Malmeebury,  wenn  er  Ragt:  Avale nia 
dieta  est  vel  ab  aval  britannko  verbo,  quod  pomum  sonat,  quia  solet 
locus  iäe  pomis  et  pomeriis  abundare,  vel  ab  Avalone  quodam  territorii 
Utius  quondam  dominatare.  Ist  es  nicht  lehrreich,  dass  der  Zeitgenosse 
der  Marie  de  France  und  Chr^tien's,  der  Welschmann  Giraldus,  der 
den  welschen  fabulator  Bledhericus  (Bre>i)  kennt,  keine  Ahnung  von 
der  Insel  Avalon  in  der  Sage  hatte? 


348  H.  Zimmer, 

Rbye -Evans,  Red  Book  I,  299)  die  Fabelei  übernommen  ist, 
dass  Avallonia  ein  alter  Name  für  Glastonbury  sei,  wird  dies 
welsch  mit  Yni/s  Afallach,  Ynys  Afallen  gegeben.  Dies  iat 
offenkundig  korrekte  welsche  Übersetzung  von  inmda  pomorum 
und  beweist ,  dass  der  welschen  Sprache  und  Litteratur  Wort 
und  Begriff  von  insula  Avallonis,  insula  Avaüoniae  zugleich 
mit  der  zuerst  bei  Malmesbury  vorkommenden  Gelehrtenfabelei 
bekannt  geworden  ist.  Es  können  also  weder  die  Vorstellungen 
Über  die  isle  d'Avalon  in  der  Litteratur  des  12.  und  13.  Jahrh. 
(vgl.  San-Marte,  Gottfried,  S.  424  ff.),  noch  der  Name  selbst  am 
dem  Welschen   stammen. 

Schün  wäre  es,  wenn  auf  bretonischem  Boden  sich  ein 
urkundliches  Zeugnis  flir  das  Vorbild  des  Namens  Avalon  bei- 
bringen Hesse,  wie  Artkur,  Even,  Urbien,  Uualcmoi,  Ouikomar, 
Gurloiee  n.  a.  in  Urkunden  auftreten.  Mir  sind  zwei  Zeugnisse 
bekannt,  von  denen  ich  aber  keines  für  absolut  sicher  ausgeben 
möchte.  In  einer  Redoner  Urkunde  vom  Jahre  1101  kommt  eine 
villa  Bothavalon  vor  (Courson,  Cartulaire  S.  321);  bot  (jünger 
bod  =  ir.  botk  Hütte,  welsch  bod  a  dwellingplace,  residence) 
ist  in  bretonischen  Ortsnamen  ebenso  häufig  erstes  Glied  des 
Namens  wie  kaer,  lis,  treb  (s.  Courson,  Cart.  S.  637,  736  ff.), 
so  dass  an  der  Bedeutung  „Dorf  Avalon"  nicht  zu  zweifeln  wäre, 
wenn  Botavalon  oder  Bodavalon  geschrieben  wäre.  Es  findet  sich 
jedoch  nocb  in  einem  zweiten  Fall  in  derselben  Handschrift  both 
in  einem  Ortsnamen  für  bot  geschrieben:1)  villa  Gelloc  in  pUbe 
Rufiaco  (a.  846,  Courson,  Cart.  S.  105)  ist  offenbar  identisch 
mit  Botkgellet  (lies  Botkgellec,  vgl.  oben  S.  235)  aita  in  plebe 
Rufiac  {a.  867,  Courson,  Cart.  8.  122);  so  wird  denn  auch 
Bothavalon  für  villa  Avalon  zu  fassen  sein,  zumal  eine  andere 
Deutung  ausgeschlossen  ist.  Ein  sachliches  Pendant  hat  diese 
villa  Avalon  im  mittelalterlichen  bretonischen  Ortsnamen  Barazoe» 
(d.  h.  Paradies)  in  Horbihan  (s.  Rosenzweig,  Dictionnaire 
topographique  bei  Loth,  Chrestomathie  S.  190).  Nach  den 
weiteren  Angaben  der  Urkunde  (s.  Courson,  Cart.  8.  737)  lag 
villa  Avalon  im  romanisierten  Bretonengebiet  (s.  Gott.  Gel. 
Am.  1690,  S.  802  ff.)  im  heutigen  Departement  Ille-et-Vil«ine, 
Canton  de  Pipriac,  commune  de  Sixte.  Es  muss  daher  Avalon 
nicht  rein  bretonischc  Form  sein.  Vielleicht  dürfen  wir  dieselbe 
in  einem  Ortsnamen  in  rein  bretonischem  Sprachgebiet  suchen. 
Eine    zu    Zeiten    des    Abtes   Conuuoion   zwischen   851    und  856 

•)  In  derselben  Urkunde  (Courson,  Cart.  S  189)  heisst  dieselbe 
Person  Gvenuureth  und  Gvenuuret,  wo  der  mittelbre  tonische  Name 
Guenwed  ausweist,  dass  es  sich,  wie  in  both  für  bot,  um  /  raup,  jüngere« 
d  handelt  (vgl.  Loth,  Chrestomathie  8.  209  Note  l). 


Bretonische  Elemente  in  der  Arthur  sage  des  Gottfried  von  Monrrwuth.    949 

(imperante  Lothario  imperatore,  regnante  Karolo  rege,  domi- 
nante Erispoe  Britanniam)  ausgestellte  Urkunde  von  Redon 
beginnt  so:  Haec  carta  indicat  atque  conservat  qualiter  dedit 
Erispoe  illam  plebem  quae  vocatur  Chaer,  cum  massis  et 
manentibus  ei*  pertinentibus7  id  est,  Avaellon  et  Clides  et 
Vilata  cum  vineis  et  pratis  et  insulam  quae  vocatur  Crialeis, 
id  est,  Enes  manac,  ad  fabas  monachis  Sancti  Salvatoris  in 
dimosina  etc.  (Courson,  Cartulaire  S.  55;  Loth,  Chrestomathie 
8. 123,  Anm.  1).  Es  führte  also  um  die  Mitte  des  IX.  Jahrhunderts 
ein  im  heutigen  Canton  Lokmariaker  (Morbihan)  am  Ocean  oder 
Golf  von  Morbihan  gelegener  Ort  den  Namen  Avaellon.  Mag 
man  am  geschriebenen  Buchstaben  festhalten  oder  —  was  nach 
der  Orthographie  des  Schreibers  möglich  ist  (Loth,  Chrestomathie 
8.  108)  —  ein  AveUon  darin  sehen,  in  beiden  Fällen  steht 
nichts  im  Wege  in  ihm  die  reinbretonische  Form  für  das  fran- 
zösisierte  Avalon  zu  suchen.1) 

Wenden  wir  uns  wieder  zu  Gottfried  von  Monmouth.  Hat 
er  die  Verknüpfung  der  bretonischen  Fabelei  von  Arthur's  Fort- 
leben auf  der  Insel  Avalon  mit  der  welschen  Sage  von  Arthur's 
Tod,  wie  er  durch  Nennius  und  altwelsche  Gedichte  indirekt,  die 
Annales  Cambriae  direkt  bezeugt  ist,2)  selbst  vorgenommen  oder 


*)  AveUon  ist  gebildet  wie  die  bretonischen  Namen  Catlon,  Fidlon, 
Gradion,  Haethlon,  Urblon  mit  dem  euffixartig  verwendeten  Adjektiv 
Ion  =  welsch  lawn.  Dürfen  wir  im  ersten  Glied  bret.  avel  (=  kymr. 
awel,  körn,  arvei)  „Wind,  Lnft"  sehen,  so  bietet  sich  eine  einigermassen 
passende  Deutung.  Enes  AveUon  bedeutete  dann  im  Bretonischen 
„Luftinsel,  aus  Luft  bestehende  Insel, u  also  die  Insel,  die  beim  Nahen 
der  Menschen  sich  in  Luft  auflöst.  Eine  sachliche  Parallele  zu  dieser 
Bezeichnung  haben  wir:  Erec  1946  — 1958  werden  zwar  die  Fabelinseln 
isle  deVoirre  und  isle  (C Avalon  verschieden  gedacht;  allein  schon  die  oben 
(S.  246)  besprocheue  Identifizierung  von  itisula  Avallonis  mit  dem  als 
insula  vilrea  gedeuteten  Glastonia  weist  darauf  hin,  dass  man  die  insula 
Avallonis  (isle  d' Avalon)  auch  als  eine  insula  vitrea  (isle  de  vetTeJ  dachte, 
also  isle  a"  Avalon  und  is/e  de  Voirre  anderswo  als  identisch  betrachtet 
wurden.    Wie  isle  deVoirre  „Glasinsel",  so  wäre  isle  d Avalon  „Luftinsel". 

*)  Ich  möchte  darauf  hinweisen,  wie  zurückhaltend  Gottfried 
gegen  die  der  welschen  Sage  fremde  Anschauung  ist:  XI,  2  sagt  er 
bloss  ad  sananda  vulnera  in  insulam  Avallonis  advectus,  also  nichts 
davon,  dass  Arthur  wirklich  geheilt  wurde  und  lebt,  was  man  doch 
wegen  des  vorangehenden  letaliUr  vulmralus  est  erwarten  sollte.  Dem 
entsprechend  heisst  es  auch  VII,  3  exitus  ejus  dubius  erit.  Halten 
wir  dazu  den  ausgesprochenen  fanatischen  Glauben  der  Bretonen,  wie 
ihn  Wace,  Huntingdon,  Alanus  ab  Insulis,  Giraldus  Cambrensis  bezeugen, 
so  scheint  mir,  dass  Gottfried  von  Monmouth  nicht  ohne  Absicht  sich 
so  diplomatisch  vorsichtig  ausdrückt :  er  will,  soweit  es  geht,  welscher 
und  bretonischer  Anschauung  gerecht  werden.  Keine  zweihundert  Jahre 
später  glauben  die  unterworfenen  Kymren  ebenso  fest  an  Arthur's 
Wiederkommen  wie  die  Bretonen  (s.  San-Marte,  Gottfried  S.  417).   Haben 


950  B.  Zimmer, 

hat  er  dieselbe  schon  irgendwo  vorgefunden  nnd  wo?  Aremori- 
kaniscbe  Bretonen  stellten  unter  Führung  Alan  Fergant's  da* 
Hauptkontingent  an  Hilfstruppen  bei  der  Eroberung  Englands 
durch  die  Normannen:  Vornehme  und  gemeine  Leute  fanden  hier 
Lohn  und  dauernden  Aufenthalt  in  den  verschiedensten  Teilen 
(Cornwall,  Devon,  Sommerset,  Snffolk,  Linkolnshire,  Yorkshire) 
und  diese  Bretonen  in  vasion  Engtands  dauerte  bis  zu  den  Zeiten 
Heinrich'B  IL,  und  Richard's  I.  (Gm.  Gel.  Anz.  1890,  8.  78»  ff.).1) 
Die  fabulosi  Britones  et  eorum  cantaiore»,  die  ja  meistens  die 
Sprache  der  Normannen  redeten,  konnten  also  die  romantische 
Arthursage  mit  den  Phantastereien  und  wunderbaren  Abenteuern 
schon  geraume  Zeit  vor  Gottfried  in  England  verbreitet  haben. 
Ein  Zeugnis  für  Bekanntsein  der  bretonischen  Arthursage  im 
anglonormannischen  England  vor  Gottfried's  Historia  liefert  ans 
Malmesbury  in  Gestn  regum  Anglorum  I,  §  8,  wie  wir  oben 
8.  245  sahen:,  er  setzt  den  nugae  Britonum  seiner  Zeit  und 
ihren  faüaces  fabulae  von  Arthur  entgegen  den  Arthur,  der  die 
Stütze  seines  Vaterlandes  in  Zeiten  der  Kot  war,  also  der 
romantischen  Arthnrsage  der  Bretouen  entgegen  die  welsche 
Heldensage  von  Arthur.  Noch  an  einer  späteren  Stelle  desselben 
Werkes  (III,  §  287)  hat  Malmesbury  ein  Zeugnis  für  die  fran- 
zösisch-bretonische Arthursage:  er  berichtet  dass  tempori 
Willelmi   regie    in    Söd -Wales    (in  provincia     Wallarttm    quas 

wir  dadurch  ein  Kriterium  fi'ir  die  Abfassnngszeit  der  Triade  Ltyfr 
coch  o  fiergest  col.  SS9,  590  (KhyB-Evans,  Red  Bnofc  I,  2ß9>?  Sie  setit 
sicher  Kenntnis  von  Gottfried'»  Historia  und  von  den  an  die  Identification 
der  insula  Avallonis  mit  Ülnstonia  geknüpften  Fabeleien  (b.  8.  !45  ff.) 
voraus.  Hatte  aber  eine  welsche  Triade  einfach  sagen  können  Ae 
yna  y  bu  writh  Camlan  y  rmtg  Arthur  a  Mrdrarvt,  ae  y  lladmvd  Arthw 
Vedramt.  ae  y  brathtvyi  Arthur  yn  angheuawl  ae  o  hyny  y  bn  ttarw,  ae 
y  mywn  plas  yn  i/nyx  Auallach  y  ctattwyt  »und  da  fand  statt  die  Schlacht 
von  Camlan  zwischen  Arthur  und  Hedraut,  nnd  Arthur  t&tete  den 
Hedraut,  und  Arthur  wurde  tötlicb  (retroffen  und  davon  starb  er 
nnd  mitten  im  Palast  von  Insel  Avallach  (Glastoubnry)  wurde  er  be- 
graben'' —  hfitte  eine  welsche  Triade  so  sagen  können,  wenn  es 
schon  welscher  National  glaube  gewesen  w&re,  dass  Artbur  lebe  und 
wieder  komme? 

')  Wie  stark  gerade  in  Torkshire  das  bretonische  Element  war 
durch  die  Verleihung  des  Earldom  von  Richemond  an  Alan  Fergant 
und  wie  lange  die  Verbindung  mir,  der  Bretagne  dauerte,  darauf  habe 
ich  a.  a.  0.  noch  hingewiesen.  Hier  sei  ein  Zeugnis  nachgetragen. 
AU  1174  der  König  von  Schottland  von  Heinrich  II.  geschlagen  und 
in  Richemond  Castle  gefangen  gesetzt,  sah  man  darin  eine  Erfüllung 
der  Prophezeiung  Merlin's:  bidignabitur  Aliiania  et  convocatis  collalera- 
iihis  sangutnem  e/fundere  vacabit;  dabitur  maxütis  ejus  frennm  guod  m 
Armorieo  smu  fabricabitur  (Gottfried  VII,  3,  79  ff.),  indem  man  unter 
sinus  Armoricut  einfach  Richemond  Castle  verstand  (a.  S.  Marte,  Gott- 
fried S.  34B). 


Bretamsche  Elemente  in  der  Arihvrsage  des  Gottfried  von  Monmoulh.    251 

Ros  vocatur)  aufgefunden  wurde  eepulchrum  Walwen,  qui  fuit 
kaud  degener  Arturis  ex  sorore  nepos.  Es  kann  nur  Gwalchmei- 
Gauvain  gemeint  sein:  miles  virtute  nominatissimuSy  sed  afratre 
et  nepote  Hengistii  regno  expufous,  prius  multo  eorum  detri- 
mento  exilium  compensans  suum,  communicans  merito  laudi 
avunculi,  quod  ruentis  patriae  casum  in  plures  annos  distu- 
lerint.  Die  Figur  ist,  wie  auch  bei  Gottfried,  aus  der  welschen 
Heldensage  genommen,  aber  der  Name  zeigt  die  oben  S.  235  be- 
sprochene französisch-bretoniscbe  Form,  die  nur  aus  der  keltischen 
Form  Walchmei,  *  Wal-mei  durch  Anlehnung  an  E-uuen  bei  den 
französisierten  Bretonen  entstanden  sein  kann. 

Verbreiteten  so  die  Bretonen  ihre  romantische  Arthursage 
in  England,  so  konnte  dies  ftir  einen  Teil  des  anglonormannischen 
England  von  Einfluss  werden.  In  dem  politisch  unterworfenen 
Cornwall  sass  noch  unassimilierte  Keltenbevölkerung  und  in  den 
benachbarten  dem  Bristol  Kanal  entlang  und  Südwales  (Glamorgan, 
Monmouth)  gegenüber  liegenden  Grafschaften  Devon  und  Sommerset 
war  im  XL  Jahrhundert  das  keltische  Element  auch  noch  nicht 
völlig  im  englischen  aufgegangen  (8.  Freeman,  Norman  Conquest 
II,  315,  316).  Neue  Nahrung  erhielt  das  keltische  Element  in 
diesen  Teilen  des  anglonormannischen  England  durch  den  Zuzug 
von  Bretonen  nach  1067  infolge  der  Landschenknngen  Wilhelms 
(Freeman,  Norman  Conquest  IV,  172).1)  Wenn  nun  hier  auf 
britannischem  Boden  Arthur  wie  in  dem  benachbarten  unab- 
hängigen Wales  noch  als  Figur  der  wirklichen  Heldensage 
lebendig  war,  mussten  nicht  die  romantischen  Erzählungen  der 
Bretonen  in  gewissem  Sinne  befruchtend  wirken?  Lag  der  Anreiz 
nicht  nahe,  wenn  Arthur  als  historische  Persönlichkeit  fortlebte, 
Züge  der  romantischen  Arthurerzählungen  gewissermassen  ge- 
schichtlich zu  fassen?  Wir  haben  thatsächlich  ein  Zeugnis  dafür, 
dass  man  um  die  Mitte  des  XI 1.  Jahrhunderts  in  dem  bretonisch 
infizierten  Cornwall,  Devon  und  Sommerset  einen  Zug  der  ro- 
mantischen Arthursage  zu  Geschichte  zuschnitt.  In  der  Aufzählung 
der  lehenspflichtigen  Könige,  die  Arthur  zur  Feier  von  Erec's  Hoch- 
zeit an  seinen  Hof  beschied,  heisst  es  in  Chrätien's  Erec  1945  ff.: 

Avvec  ceus  quc  m'oez  nomer 
Vint  Maheloas,  uns  haut  ber, 
Li  sire  de  l'  hie  de  Voirre; 
An  cele  isle  tt'ot  Can  tonoirre 
I\le  n'i  chiet  foudre  ne  tanpeste, 
Ne  bot  ne  serpani  ni  areste 
JN9ü  n'i  fet  trop  chavt  ne  riiverne. 

l)  UasB  die  Beziehungen  zwischen  Comwales  und  Bretagne  im 
XII.  Jahrhundert  enge  waren,  kann  man  aus  den  lais  der  Marie  de 
France  ersehen. 


258  8.  Zimmer, 

Dass  es  sich  in  diesen  Versen,  wie  auch  in  der  Fortsetzung 
bis  1957,  um  eine  fabelhafte  Insel  handelt,  liegt  auf  der  Hand. 
Nun  vergleiche  man,  was  wir  in  der  Vita  S.  Gildas  (San  Marte, 
Nennius  u.  Gildas,  8.  111  —  124)  lesen:  Gildas  war  Zeitgenosse 
Arturi  regt»  totius  majnris  Britanniae  (§5);  im  Verlaufe  seines 
Lebens  wurde  er  nach  Glastonia  in  Somtncrset  verschlagen.  Da- 
mals herrschte  (als  li'hnsp  flichtiger  regulus)  in  Sommerset  Melvaa, 
welcher  Arthur' b  Gattin  Guennuvar  geraubt  und  nach  „Glastonia 
id  est  Urbs  vitrea"  entfuhrt  hatte.  Arthur  fithrt  dorthin  die 
waffenfähige  Mannschaft  totius  Cornubiae  et  Devoniae  (§  10). 
Da  treten  Gildas  und  der  Abt  von  Glastonia  zwischen  die 
Streitenden  und  stiften  Frieden  (§  11). 

Dass  dieser  in  damals  urbs  vitrea  (§  10),  insulu  vitrea 
(§  !8)  gedeutetem  Glastonbury  sich  aufhaltende  regulut  von 
Sommerset  Melvas,  den  wir  als  Zeitgenossen  Arthur'»  regia  totiut 
majori*  Britanniae  und  dem  Arthur  lehnspflichtig  denken  müssen, 
identisch  ist  mit  dem  sagenhaften  Maheloat  sire  de  Viele  dt 
Voirre,  der  Arthur  lehnspflichtig  ist,  liegt  auf  der  Hand  and  ist 
von  Gaston  Paris,  Romania  X,  490  ff.  bemerkt.  Ebenso  klar 
liegt  aber  auch  auf  der  Hand,  dass  die  Vorstellung,  wie  sie  in 
Chrctiens  Erec  vorliegt,  die  ursprüngliche  ist,  aus  der  die  Ge- 
schichte der  Vita  zugeschnitten  ist.  Die  Abfassung  der  Vita 
läset  sich  annähernd  bestimmen.  Von  den  Handschriften  gehen 
zwei  nach  Hardy,  Descriptive  Catalogue  8.  151  ff.  in8  XII.  Jahr- 
hundert, davon  soll  eine  sein  „written  about  the  year  1166". 
Die  Vita  kennt  die  Deutung  von  Glastonia  als  urbs  vitrea  aber 
noch  nicht  die  auf  dieser  Deutung  fussende  Ausdeutung 
auf  Avallonia.  Hält  man  dazu,  dass  letzteres  schon  1139 
Malmesbury  in  den  Antiquitäten  ecclesiae  Glastoniensis  bekannt 
ist  und  erinnert  sich  (vgl.  S.  246  ff.),  zu  welchem  Schwindel  die 
Auffassung  von  Glastonbury  als'  Avallonia  in  Verbindung  mit 
Gottfried's  Nachricht  (1135),  dass  Arthur  nach  der  Schlacht  von 
Camlan  tötlich  verwundet  nach  der  insula  Avallonia  gebracht 
worden  sei,  führte  —  dann  wird  man  die  Abfassung  der  Vita 
kaum  in  viel  jüngerer  Zeit  als  die  Entstehung  von  Gottfried'» 
Historia  und  Malmesbury's  Antiquitäten  ecclea.  Gloaton.  setzen 
dürfen;  sie  muss  aho  älter  sein  als  Chretien'a  Erec.  Beider 
Quelle  ist  die  romantische  Arthursage  und  diese  kann  nur  die 
bretonische  sein.  Nicht  ohne  Bedeutung  ist  noch,  dass  die 
Figur  (Makeloas  =  Maelvas)  und  ihr  Reich  (lsl»  de  Voirre) 
anch  Gottfried  das  Material  abgab  für  eine  Persönlichkeit  seiner 
Arthursage.  Wie  Erec  1946  Malteloas  sire  de  l'Isle  de  Voirre, 
als  lehn  »Pflichtiger  König  von  Arthur  entboten,  an  dessen  Hof 
erscheint,   so  kennt  Gottfried  IX,  12   unter  den  lehnspflichtigen 


Jk-etonische  Elemente  in  der  Arikursage  des  Gottfried  von  Monrnouth.    253 

Königen,  qui  ex  collateralibus  insulis  oceani  ad  curiam  venire 
deberent,  und  welche  zu  dem  von  Arthur  gegebenen  Feste  auch 
erscheinen,  den  Malvasius  rex  Islandiae.  Die  Situation  und  die 
Namen  des  Königs  sind  im  Erec  und  bei  Gottfried  gleich;  die 
Ausdeutung  der  fabelhaften  Isle  de  Voirre  auf  das  ferne  Island 
im  Ocean  liegt  nahe.  Der  welsche  Übersetzer  Gottfried's  hat 
keine  Ahnung,  was  hinter  diesem  Malvasius  rex  Islandiae  steckt, 
denn  er  Übersetzt  schlankweg  Melwas  brenhin  Islont;  gewiss 
auch  nicht  verlockend,  die  bei  dem  Nordfranzosen  am  getreuesten 
bewahrte  keltische  Vorstellung  von  der  Fabelinsel  und  ihrem 
Herrscher  aus  welscher  Sage  herzuleiten. 

Im  Gefolge  der  Normannen  befindliche  Bretonen  brachten 
also  ihre  romantischen  Arthurerzählungen  nach  England;  in  Com- 
wales,  Devon  und  Sommerset,  wo  Arthur  als  historische  Per- 
sönlichkeit gefühlt  wurde,  findet  sich  nachweislich  ein  Zug  der 
romantischen  Arthursage  zu  Geschichte  umgestaltet  und  mit  dem 
Arthur  der  dort  heimischen  Sage  verknüpft1):  die  Möglichkeit,  dass 
Gottfried  bretonische  Elemente  seiner  Arthursage  nicht  direkt 
herttbergenommen ,  sondern  eben  in  jenen  Gegenden  mit  der 
spezifisch  britannischen  (kornisch -welschen)  Arthursage  schon 
verknüpft  vorfand,  ist  daher  nicht  ausgeschlossen.  Ich  möchte 
diese  Möglichkeit  dessbalb  besonders  betonen,  weil  wir  in  Gott- 
fried's Arthursage  Persönlichkeiten  begegnen,   deren  Namen  mög- 


*)  Wie  die  Arthnrsage  des  Gottfried  von  Monruouth  für  die 
französischen  Dichter  der  matiere  de  Bretagne  gewissermassen  eine 
zweite  unabhängige  Quelle  repräsentiert  neben  den  bretonischen  Arthur- 
erzählungen (woher  z.  B.  Carlion  im  Graal  und  sonst  Residenz  Arthurs), 
so  mischten  sich  auch  die  auf  der  romantischen  Arthureage  der  Bre- 
tonen beruhenden  Geschichtszustutzungen  im  anglonormanmschen  Eng- 
land ihrerseits  in  die  matiere  de  Bretagne.  Nach  dem  Zeugnis  des 
Giraldus  (sr  S.  241)  erzählten  die  fabtilosi  Britones  et  eorum  cantatores, 
das»  die  Fee  Morgan  (dea  quaedam  phantastica  Morganis  dicta)  den 
Arthur  nach  der  Insel  der  Glücklichen  Avalon  entfuhrt  habe,  ganz 
ebenso  wie  nach  dem  Zeugnis  der  Marie  de  France  die  Bretun  er- 
zählen, dass  eine  Fee  den  Lanval  nach  Avalon  entführt  habe  (Lai 
Lanval  659  ff.).  Aus  dieser  Fee  (dea  phantastica)  machte  man  im  anglo- 
normanmschen England  eine  den  Arthur  überlebende  nobilis  matrona 
ouaedam  ejusdem  cognata  et  Morganis  vocata  (siehe  S.  241).  In  den 
Texten  der  matiere  de  Bretagne  ist  Morge  (Morgan)  auch  noch  fee 
(Erec  1957,  Graal  30  324)  und  zur  isle  a"  Avalon  in  Beziehung  stehend 
(Erec  1955  ff.),  aber  auch  Schwester  (Erec  4218),  Nichte  Arthur's 
(Graal  30  324),  geschickt  im  Bereiten  von  heilkräftigen  Salben  (M.  la 
sage).  —  Die  in  England  zu  stände  gekommene  Identifikation  der  fabel- 
haften Insel  Avalon  mit  Glastonbury  ist  S.  246  besprochen.  Wenn  im 
Durmart  nun  öfter  Glatingebieres,  Gastingebiere  (5330.  5415.  6004.  9321) 
als  Residenz  Arthurs  erscheint,  so  ist  das  doch  nur  eine  Folgerung 
aus  jener  Identifikation,  da  ja  dann  die  Annahme  an  der  Hand  lag, 
dass  Arthur  in  seiner  Residenz  beerdigt  wurde. 


254  ff.  Zimmer, 

licherweise  komische  Lautgebung  tragen.  Für  Gottfried'« 
Arthursage  charakteristisch  ist  der  Neffe  und  Verräter  Modredtu 
(IX,  <J;  X,  2.  13;  XI,  1.  2;  XII,  2).  In  den  alten  Annale* 
Cambriae  des  X.  Jahrhunderts  lautet  der  Name  Medraut  und 
die  welsche  Übersetzung  von  Gottfried'8  Werk  setzt  für  Mod- 
redus  immer  Medrawt,  ganz  ebenso  wie  sie  für  Walgainus, 
Eventu»,  Caliburnu»  die  welschen  Formen  Gicalchmei,  Ouein, 
Caletvwlch  einsetzt  (s.  Rhys-  Evans,  Ited  Book  II,  Index  s.  v.); 
auch  in  anderen  welschen  Texten  heisst  die  Figur  immer  Medraut 
(s.  Rhys- Evans,  Red  Book  I,  Index  s.  v.).  Die  welsche 
Form  des  Namens  ist  also  Medraut.  Woher  bat  dann 
Gottfried  sein  Modreduaf  In  den  sogenannten  Bodmin  Gospels, 
der  aus  Beginn  des  XI.  Jahrhunderts  stammenden  Handschrift 
Add.  M».  9u67  des  British  Museums,  finden  sich  auf  ver- 
schiedenen Blattern  Freilassungsurkunden,  die  zahlreiche  kor- 
nische Namen  enthalten  —  Bodmin  ist  die  Hauptstadt  von 
Cornwall  — ,  und  unter  ihnen  begegnet  fol.  8a  Tedion  Mod- 
redis  sunu  (Revue  Celtique  I,  335;  Earle,  Handbook  of  the 
Land -Charterg,  Oxford  1868,  S.  27.3).  Es  ist  also  Modred 
als  komische  Namensform  urkundlich  belegt.  AU  bre- 
tonische  Form  des  Namens  lernen  wir  fürs  IX.  Jahrhundert 
aus  zwei  Urkunden  des  Klosters  Redon  (Courson,  Cartulairt 
S.  78,  100)  Modrot  kennen.  Das  gemeüibri launische  Substrat 
flir  altwelsch  Medraut,  komisch  Modred,  altbret.  Modrot  ist 
Mödrät.  Vortoniges  kurzes  o  wird  im  Welschen  zn  l  (i), 
nährend  es  im  Komischen  und  Bretonischeu  erhalten  bleibt;  da 
nnn  ä  der  Endsilben  im  Welschen  zu  au  nnd  im  AI  tbre  tonischen 
zu  o  wird,  so  entsprechen  sich  altwelsch  Medraut  und  aitbret 
Modrot  vollkommen.  Was  das  vokalische  Verhältnis  der  kor- 
nischen  Form  zu  der  altwelschen  und  altbretoni sehen ,  sowie  zu 
der  Ausgangsform  anlangt,  so  liegt  in  alt  welsch  Finnaun  (Neu- 
nius  §  70),  altbreton.  Funton  (Courson,  Cartulaire  8.  284), 
kornisch  funten  (Vocab.  9b)  aus  lat.  fontäna  eine  genaue 
Parallele  vor,  sofern  man  den  durch  das  nachfolgende  gedeckte  « 
hervorgerufenen  Übergang  des  e  resp.  o  der  ersten  Silbe  zu  i 
resp.  u  in  Abzug  bringt.  Stimmen  somit  die  urkundlich  be- 
legten Formen  (welsch  Medraut,  körn.  Modred,  bret.  Modrot) 
mit  den  sonstigen  Spracherscheiuungen  der  drei  britannischen 
Dialekte,  so  ist  gleichwohl  der  Schlnss  nicht  zwingend,  dasB 
Gottfried's  Modredus  nur  auf  komische  Quelle  zurückgehen 
kann.  An  Stelle  des  in  den  Endsilben  für  altes  ä  eintretende  o 
erscheint  im  Bretonischen  schon  im  XI.  Jahrhundert  ebenfalls  e, 
wie  z.  B.  aus  Brouuerec  (Courson,  Cartulaire  S.  284,  zweimal) 
flir  älteres  Brouueroc  (Courson  S.  47.  133  etc.)  hervorgeht.    Es 


Bretoniscke  Elemente  in  der  Arthursage  des  Gottfried  von  Monmouth.    255 

ist  daher  die  Möglichkeit  vorhanden,  dass  Modredus  auf  eine 
bretonische  Form  des  XI. — XII.  Jahrhunderts  zurückgeht,  wenn- 
gleich eine  solche  speziell  nicht  nachgewiesen  ist:  ausge- 
schlossen ist  auf  alle  Fälle,  dass  die  Form,  auf  der 
die  Latinisierung  Modredus  beruht,  aus  welscher  Sage 
stammt.1) 

Ahnlich  ein  anderer  Fall,  wo  der  welsche  Ursprung  ebenso 
lieber  ausgeschlossen  ist.  Gottfried  X,  12  findet  sich  unter  den 
eingeladenen  Gästen  auch  Caduallo  Leuirh  rex  Venedotorum 
qui  nunc  Kortgualenses  dieuntur.  Der  welsche  Übersetzer  hat 
KatwaUaum  law(h)ir  brenhin  Grwyne.d.  Dem  irischen  läm  „die 
Handu  entspricht  welsch  law,  komisch  levff%  lef  (ZE.  95): 
„longimanus"  ist  also  welsch  lawhir  —  ein  rex  Demetiae 
regionis  Aircol  Lauhir  findet  sich  Liber  Landau.  111,  118, 
123  —  kornisch  Uvhir.  Auch  die  Latinisierung  Caduallo  weist 
eher  auf  bretonische  als  welsche  Form.  Die  kornische,  eventl. 
kölnisch  bretonische  Lautgebung,  die  in  Caduallo  Leuhir  vorliegt, 
ist  um  so  bemerkenswerter,  als  es  sich  um  den  Namen  eines 
nordwelschen  Fürsten  handelt 

Fassen  wir  nun  Gottfried's  eigene  Angabe  über  seine 
Quelle  ins  Auge.  Er  schreibt:  obtulit  Walterus  Oxinefordensis 
archidiaconus  quendam  Britannici  sermonis  librum  vetustissi- 
mum,  qui  a  Bruto  primo  rege  Britonum  usque  ad  Cadwa- 
ladrum  filium  Cadwalonis  actus  omnium  continue  et  ex  ordine 
perpulcris  orationibus  proponebat  (I,  1);  ut  in  Britannico 
praefato  sermone  invenit  et  a  Gualtero  Oxinefordensi  audivit 
(XI,  1);  quos  (sc.  Malmesbury  und  Huntington)  de  regibus 
Britonum  tacere  jubeo ,  cum  non  habebant  illum  librum  Bri- 
tannici sermonis,  quem  Gualterus  Oxenafordensis  archidiaconus 
ex  Britannia  advexit  (XII,  20).  Die  letzte  Stelle  scheint 
mir  ausschlaggebend.  Sermo  britannicus  könnte  „welsche, 
bretonische  oder  kornische  Sprache a  sein,  da  ja  alle  3  Dialekte 
der  altbritannischen  Sprache  angehören;  Britones  können  auch 
im    12.    Jahrh.    gelegentlich    „Welsche"    sein,    mit    Erinnerung 


J)  Die  Konsequenzen  für  die  Herkunft  der  Mattere  de  Bretagne, 
in  der  Modred  (gewöhnlich  entstellt  Mordret)  in  vielen  Texten  vorkommt 
(s.  Seiffert,  Namenbuch,  S.  113;  Histoire  litteraire  30,  631),  ergeben  «ich 
von  selbst.  Warum  übrigens  am  letztgenannten  Ort  ein  Modred,  neveu 
a*  Arthur  und  Mordret ,  frere  de  Gauvain  getrennt  werden,  ist  mir  un- 
erfindlich, da  doch  G.  Paris  nach  S.  130  den  Mordret  der  Arthusromaue 
richtig  mit  dem  Verräter  Modred  des  Gottfried  gleichsetzt.  [Nach- 
träglich sehe  ich,  dass  auch  Loth,  Les  Mabinogion  II,  213  Anm.  1  ge- 
legentlich die  Beobachtung  einfliessen  läset  La  forme  Modred,  employde 
par  Gau  fr  ei  pour  ce  nom,  est  armoricaine  et  peut-itre  cornique,  mais 
non  galloise.    Folgt  daraus  nichts?] 


256         B.  Zimmer,  Bretonische  Elemente  in  der  Arthursage  etc. 

daran,  dass  sie  Überreste  der  alten  Britones  sind,  wenngleich 
der  Sprachgebrauch  des  12.  Jabrh.  in  England,  sofern  die 
Schriftsteller  von  ihrer  Zeit  reden,  unter  Britones,  Bri- 
tanniens xat'  iqo^rfjV  „Bre  tonen,  bretonisch"  gewöhnlich  versteht 
(b.  oben  S.  242).  Dass  aber  ein  in  England  lateinisch  schreibender 
Schriftsteller  des  12.  Jahrb.  mit  den  letz  tan  geführten  Worten 
habe  sagen  wollen,  Bein  Freund  und  Zeitgenosse,  der  Oxforder 
Arcbidiakonus  Walter  habe  das  Buch  aus  Wales  mitgebracht 
(ex  Britannia  advexü),  halte  ich  flir  ausgeschlossen.  Für  Gott- 
fried kommt  noch  hinzu,  dass  er  in  seinem  Werk  Überall,  wo  er 
Wales  —  das  doch  nur  einen  kleinen  Teil  von  Britannia 
bildet  —  meint,  dafür  Cambria  (II,  1;  IV,  19;  VI,  16;  VII,  4; 
VIII,  14,  15)  oder  Gualia  (II,  1;  IV,  19;  XII,  20;  vgl.  XII,  19) 
gebraucht.  Es  kann  also  nur  die  Bretagne  gemeint  sein,  woher 
Walter  angeblich  das  Buch  mitbrachte.  Dieser  Über  Britannia 
sermonis  vetustissimus,  von  dem  Gottfriod's  Werk  einfach  Über- 
setzung sein  will,  ist  natürlich  eine  Flunkerei  Gottfried's.  Aber 
ein  Körnchen  Wahrheit  ist  darin  verborgen:  Gottfried  wusBle, 
dass  die  romantische  A  r  t  h  u  r  sage  der  Bretonen  wesentlich 
von  der  zu  seiner  Zeit  in  Wales  geflegten  Heldensage  abwich; 
er  verwendete  auch  Mosaikstückchen  daraus  in  seiner  Darstellung. 
Dies  war  wohl  die  Veranlassung,  seinen  Roman  mit  den  uner- 
hörten neuen  Nachrichten  aus  einer  bretonischen  Quelle  abzuleiten; 
denn  dass  es  ihm  sehr  wesentlich  bei  seinem  Werk  um  Arthur 
zu  thun  war,  geht  aus  dem  ersten  Kapitel  hervor.  Der  vor- 
geschobene Über  Britanniens  erklärt  uns  wobl  noch  etwas 
anderes  in  Gottfried's  Historia.  In  einer  Reibe  von  Fällen  hat 
Gottfried  der  Latinisierung  von  Eigennamen  die  in  England  ge- 
hörten französisch  -  bretonischen  Formen  zu  Grunde  gelegt  (z.  B. 
bei  Walguainus,  Calibumus,  Modredus,  Kaerdubal  etc.),  wo 
gar  kein  Grund  ersichtlich  ist,  wie  schon  gelegentlich  bemerkt: 
die  Persönlichkeiten  und  Gegenstände  kommen  in  der  welschen 
Sage  ebenfalls  vor  und  tragen  dort  die  entsprechenden  Namen 
(Gwalchmei,  Caletvwlch,  Medraut,  Caer  Liwelydd);  in  dem, 
was  Gottfried  von  ihnen  meldet,  liegt  auch  keine  Veranlassung, 
bei  Modredus  folgt  er,  soweit  ein  Urteil  gestattet  ist,  gar  eher 
welscher  Sage  denn  bretonischen  Erzählungen.  Warnm  geht  also 
Gottfried,  der  doch  selbst  ein  Kymrc  war,  von  Walwen 
(vgl.  oben  S.  251),  Calihur,  Modred,  Carduel  aus  und  nicht  von 
Gwalchmei,  Caletvwlch,  Medraut,  Caer  Liwelyddt  Wollte  er 
damit  vor  seinen  Lesern  in  England  der  fingierten  bretonischen 
Quelle  eine  Stütze  geben? 

H.    ZlHHEB. 


Plan  einer  Geschichte  der  französischen  Grammatik 

besonders  in  Deutschland 

(mit  Beschreibung  der  Institutio  Pilot's).1) 


Den  Gedanken  eine  Geschichte  der  französischen  Grammatik 
besonders  in  Deutschland  von  Seiten  unserer  Vereinigung  in  An- 
griff zn  nehmen,  habe  ich  bereits  auf  dem  dritten  Neuphilologen- 
tage in  Dresden  in  Anregung  gebracht.  Zwar  fehlte  damals  die 
Zeit,  denselben  in  der  erforderlichen  Ausführlichkeit  zu  entwickeln, 
doch  habe  ich  das,  was  ich  damals  sagen  wollte,  inzwischen 
durch  den  Druck  den  Fachgenossen  zur  Kenntnis  gebracht,  und 
bin  auch  in  der  neuphilologischen  Sektion  der  Görlitzer  Philo- 
logen-Versammlung in  extemporierter  Rede  nochmals  darauf  zu 
sprechen  gekommen  (Verhandl.  S.  483 — 488).  Ich  darf  daher 
die  leitenden  Gesichtspunkte  als  bekannt  voraussetzen  und  mich 
sogleich  zu  dem  wenden,  was  heute  zu  erörtern  meine  Aufgabe 
ist,  zu  der  Auseinandersetzung  des  Planes,  nach  dem  der  Gedanke, 
für  welchen  ich  ihrer  Sympathien  gewiss  zu  sein  glaube,  ver- 
wirklicht werden  könnte. 

Um  zuvörderst  den  Zugang  zu  den  Steinbrüchen,  welche 
ans  das  erforderliche  Baumaterial  zu  liefern  haben,  zu  ebnen, 
habe  ich  ein  Chronologisches  Verzeichnis  französischer  Grammatiken 
vom  Ende  des  14.  bis  zum  Ausgang  des  18.  Jahrhunderts  nebst 
Angabe  der  bisher  ermittelten  Fundorte  derselben  zusammengestellt 
und  soeben  durch  den  Druck  veröffentlicht  (Oppeln,  1890,  Eugen 


*)  Der  hier  veröffentlichte  Aufsatz  entspricht  nur  im  allgemeinen 
dem  auf  dem  vierten  Neuphilologentage  gehaltenen  Vortrage.  Er 
stellt  vielmehr  eine  vollständigere  Fassung  desselben  dar,  an  die  ich 
mich  überdies  bei  der  frei  gehaltenen  Rede  nur  wenig  hielt.  Letztere 
ist  nach  dem  Stenogramm  des  Herrn  Reallehrer  Ahnert  im  Neuphitol. 
CaUraibUUt  1890  No.  8  und  9  abgedruckt  worden. 

Zichr.  t  tn.  8jr.  u.  Litt    XU>.  ij 


358  E.  Stengel, 

Frsnck's  Buchhandlung).1)  Voraufgeschickt  iat  diesem  Verzeichnis 
der  vorgenannte  Dresdener  Vortrag.  Das  Verzeichnis  selbst  ent- 
hält den  Bestand  von  122  Bibliotheken  Deutschlands  und  des 
Auslandes  an  einschlägigen  französischen  Sprachlehren,  ergänzt 
durch  einzelne  aus  bibliographischen  Nachschlagewerken  ent- 
nommene Angaben.  Es  ist  anter  Beihilfe  einer  grossen  Zahl 
Verbandsgen os sen  nnd  sonstiger  Freunde  zusammengebracht  und 
die  Zahl  der  auf  diese  Weise  ermittelten  und  grösstenteils  in 
wenigstens  einem  Exemplar  nachgewiesenen  Grammatiken  über- 
steigt beträchtlich  600.  Nicht  wenige  dieser  Werke  sind  Über- 
dies durch  verschiedene,  einige  durch  erstaunlich  viele  Auflagen 
nnd  Bearbeitungen  vertreten.  Zur  leichteren  Auffindung  sind  drei 
alphabetische  Indices  der  Verfasser,  Schlagtitel  und  Verlagsorte 
beigegeben.  Besonders  der  letztere  gibt  interessante  Aufschlüsse 
Über  die  ungefähre  Ausdehnung,  welche  die  französischen  Studien  in 
den  verschiedenen  Orten  und  Gegenden  vormale  gewonnen  hatten. 
Auf  Vollständigkeit  kann  das  Verzeichnis  natürlich  in  seiner 
vorliegenden  Gestalt  keinen  Anspruch  erheben  und  auch  zu  Be- 
richtigungen wird  es  oft  genug  Anlass  bieten.  Lücken  und 
Ungenauigkeiten  Hessen  sich  bei  der  Beschaffenheit  des  Einxel- 
materials  und  bei  der  wünschenswerten  schnellen  Verarbeitung 
und  Zugängliciimacbung  desselben  gar  nicht  vermeiden.  Doch 
hege  ich  die  Hoffnung,  dass  gerade  die  schleunige  Veröffent- 
lichung des  Verzeichnisses  zu  allseitig  fortgesetzter  Material- 
sammlung und  sorgfältiger  Nachprüfung  anregen  und  damit  eine 
schnellere  und  gründlichere  Beseitigung  der  vorhandenen  Mängel 
herbeiftihreu  wird,  als  wenn  ich  privatim  auf  Verbesserung  nnd 
Ergänzung  der  Einzelangaben  bedacht  gewesen  wäre.  Noch  Bind 
eine  ganze  Anzahl  selbst  bedeutender  Bibliotheken  Deutschlands 
auszubeuten,  z,  B.:  Aachen,  Breslau,  Lübeck,  u.  s.  w.  Aber  auch 
minder  bekannte  Schul-,  Stifts-  und  Hofbibliotheken  verdienen 
Beachtung,  da  mich  die  Erfahrung  belehrt  hat,  dass  anch  sie  oft 
Raritäten,  ja  Unica  aufzuweisen  haben.  So  konnte  ich  noch  kurz 
vor  Veröffentlichung  des  Verzeichnisses  aus  der  Bibliothek  des 
R.  P.  G.  in  Lübben  das  bis  dahin  noch  nirgends  nachgewiesene 
Theatre  de  la  Langue  Fran^oixe  von  Arensberg  nachtragen  nnd 
die  Gymnasialbibliothek  zu  Neiase  ergab  sogar  vier  derartige 
Novitäten.    Einige  in  meinem  Privatbesitz  befindliche  Grammatiken 

•)  Solchen  Herren,  welche  mich  bei  der  Herstellung  des  Ver- 
zeichnisses unterstützt,  oder  willens  sind,  an  der  Verbesserung  desselben 
und  an  der  Geschichte  der  französischen  Grammatik  mitzuwirken,  habe 
ich  mir  ausbedtingen,  das  Exemplar  zu  3,50  Mk.  statt  4,50  Mk.  an- 
kommen lassen  zn  können.  —  Einige  Nachtrage  dazu  siehe  hier  im 
Anhang. 


Plan  einer  Geschichte  der  französischen  Grammatik  etc.        259 

vermag  ich  noch  jetzt  aus  keiner  öffentlichen  Bibliothek  nachzu- 
weisen. Es  gilt  also  alle  Winkel  und  Ecken  eifrigst  zu  durch- 
suchen, um  kein  einschlägiges  Buch  unverzeichnet  zu  lassen. 
Möchte  daher  jedes  Verbandsmitglied  das  Material  der  ihm  zu- 
gänglichen Bibliotheken  mit  dem  gedruckten  Verzeichnis  ver- 
gleichen und  das  Resultat  seiner  Ermittelungen  an  mich  gelangen 
lassen,  damit  eine  spätere  Auflage  Zeugnis  ablege,  was  vereinte 
Neuphilologenarbeit  zu  leisten  vermag.1) 

Wie  lückenhaft  und  verbesserungsbedürftig  aber  auch  das 
vorliegende  Verzeichnis  erscheinen  mag,  es  ist  jedenfalls  aus- 
reichend um  schon  jetzt  die  nächste  Aufgabe,  die  Bearbeitung 
des  Einzelmaterial 8,  in  Angriff  nehmen  zu  können.  Denn  vorerst 
wird  es  sich  nun,  meine  ich,  um  eine  möglichst  genaue  Prüfung 
und  Wertschätzung  jeder  einzelnen  Grammatik  handeln.  Wir 
werden  dabei  festzustellen  haben:  1)  wer  der  Verfasser  gewesen, 
welche  Vorbildung  er  für  seine  Aufgabe  mitbrachte,  welche  soziale 
Stellung  er  einnahm,  2)  auf  welche  Leser  das  Buch  berechnet 
war,  3)  wie  der  Sprachstoff  im  grossen  und  ganzen,  wie  in  den 
einzelnen  Abschnitten  behandelt  und  angeordnet  ist,  wobei  die  oft 
tiefgreifenden  Änderungen  der  späteren  Auflagen  sorgfältige  Be- 
rücksichtigung erfahren  müssen,  4)  welche  Quellen  und  Vorbilder 
eingestandener-  oder  uneingestandenermassen  benutzt  sind.  Die 
Ermittelungen  über  den  Verfasser  sind  teils  aus  den  eigenen 
Angaben  im  Werke  selbst,  teils  anderswoher  zusammenzubringen 
und  müssen  durch  sorgfältige  Verweise  jederzeit  leicht  verifizierbar 
gemacht  werden.  Bei  Charakterisierung  der  Gesamtbehandlung 
des  Sprachstoffes  wird  zu  beachten  sein,  ob  das  Lehrbuch  rein 
praktische  oder  wenigstens  nebenher  auch  wissenschaftliche 
Zwecke  verfolgt,  ob  es  eine  rein  systematische  Darstellung  bietet 
oder  mehr  oder  weniger  analytisch  verfährt,  ob  es  die  praktische 
Aneignung  der  Sprache  durch  Beispiele  und  Übungsstücke  mit 
ins  Auge  fasst  und  ob  sich  Angaben  über  den  vom  Verfasser 
beim  Unterricht  beabsichtigten  Lehrgang  finden.  Im  einzelnen 
wird  zu  beachten  sein,  welcher  Terminologie  sich  der  Verfasser 
bedient,  wie  er  bei  Beschreibung  und  Versinnbildlichung  der 
Laute  verfährt,  in  welcher  Reihenfolge,  Anordnung  und  Weise 
die  Lehre  von  den  einzelnen  Redeteilen  vorgetragen  is.t,  welche 
Rolle  insbesondere  im  Lehrbuche  die  Syntax  spielt. 

Dass  es  zur  Ausführung  dieser  Aufgabe  gleichfalls  des 
Zusammenarbeitens  einer  grösseren  Zahl  Gleichgesinnter  bedarf, 

*)  Da  es  wünschenswert  ist,  das  Verzeichnis  bis  in  die  Neuzeit 
fortzusetzen ,  und  ebenso  auch  die  grammatischen  Monographien  zu 
verzeichnen,  so  wäre  mir  auch  eine  Verzeichnung  derartigen  Materials 
sehr  erwünscht. 

V* 


260  E.  Stengel, 

wird  leicht  eingesehen  werden,  auch  die  Art  der  Arbeitsteilung 
ergibt  sich  von  selbst.  Es  werden  in  chronologischer  Reihen- 
folge zunächst  die  für  Deutsche,  nebenher  die  für  Franzosen, 
Holländer  und  andere  Völker  bestimmten  französischen  Gram 
matiken  nach  den  angegebenen  Gesichtepunkten  durchmustert  und 
analysiert  werden  müssen.  Die  so  gewonnenen  Einzelresultate 
werden  dann  das  hier  nnd  da,  wo  nötig,  noch  nachträglich  zu 
ergänzende  Material  für  die  Ausarbeitung  der  eigentlichen  Ge- 
schichte der  Grammatik  in  ausreichendem  Masse  bieten.  An 
diese  selbst  wird  aber  erst  in  späterer  Zeit  zu  denken  Bein. 

Damit  nun  bei  der  Herstellung  der  Einzelbe Schreibungen 
nichts  wichtiges  übersehen  und  unnötiger  Bailast  vermieden  werde, 
sollten  dieselben  möglichst  nach  einheitlichem  Plane  angefertigt 
werden.  Auch  muss  dabei  besonders  Bedacht  genommen  werden, 
das  erste  Auftreten  von  Neuerungen  und  die  letzten  Lebens- 
zeichen veralteter  Anschauungen  zu  konstatieren.  Um  der  Auf- 
stellung eines  solchen  einheitlichen  Planes  vorzuarbeiten,  habe 
ich  eine  Pro  bebe  Schreibung  von  der  ältesten  französischen  Gram- 
matik für  Deutsche  angefertigt  und  beehre  mich,  dieselbe  der 
Begutachtung  der  Versammlung  hiermit  zu  unterbreiten.  Durch 
vergleichende  Heranziehung  einiger  älterer  und  nächstjüngerer 
Grammatiken1)  hoffe  ich  gleichzeitig  daxzuthun,  wie  mannigfaches 
Interesse  der  dermaleinstigen  Geschichte  der  französischen  Gram- 
matik innewohnt  und  welche  bedeutsame  Stellung  gerade  das 
älteste  derartige  Lehrbuch  für  Deutsche  darin  einnehmen  wird. 

Bei  meinen  Ausführungen  Über  Pilot's  Institutio  kann  ich 
auf  das,  was  ich  selbst  in  der  Begrllsaungs  Schrift  für  den  ersten 
Neuphilologen  tag8!  schon  daraus  mitgeteilt  habe,  bezug  nehmen. 
Livet's")  und  Thnrot's  Angaben  darüber  sind  nicht  der  editio 
princeps  von  1550,  sondern  einer  bedeutend  erweiterten  (Paris 
1581  resp.  1561)  entnommen,  während  ich  für  meine  Beschreibung 
die  erste  Ausgabe  zu  Grunde  gelegt  und  vergleichsweise  die  von 
Paris   1563    herangezogen    habe.      Die    Ausgaben    von   (1551?) 

')  Genauer  verglichen  habe  ich:  Burton  Tory,  Palsgrave,  Sylvias, 
Meigret,  R.  Eetienne,  J.  Garnier,  Ramns  1562  und  1572,  Duvivier  1566, 
Caucius  1570  und  Nathanael  G.  1584.  Hinsichtlich  der  Reihenfolge  der 
Konjugationen  aber  noch  eine  ganze  Anzahl  weitere.  Laythons  Jn- 
struclio  (Verzeichnis  No.  621)  enthält  nur  achtzehn  Ausspracheregeln, 
ist  also  aus  der  Zahl  der  Grammatiken  iu  streichen. 

s)  Beiträge  zur  Geschichte  der  romanischen  Philologie  in  Deutsch- 
land.    Marburg  18M6  (erweitert  in  No.  63  der  Ausg.  u.  Abk.)  S.   1—4. 

8)  Livet  s  Analysen  Bind  überhaupt  wenig  brauchbar,  weil  sie  zu 
subjektiv  gefärbt  und  darum  ungenau  und  unvollständig  sind.  Dasselbe 
gilt  in  erhöhtem  Maaae  von  A.  Loieeau's  Etüde  hist.  et  phiiot.  sur  Jean 
l'illot  et  sur  tet  dactrines  grammaticates  du  XVI siede.     (Vorn.:  Bonn  0.) 


Plan  einer  Geschichte  der  französischen  Grammatik  etc.        261 

1555  lud  1560  stimmen  mit  der  ersten  Seite  für  Seite  überein,1) 
auch  die  Ausgabe,  welche  1558  in  Antwerpen  erschien,  ist,  ob- 
wohl sie  in  der  Seitenzahl  abweicht,  dem  Texte  nach  mit  den 
früheren  identisch,  dagegen  zeigt  die  Ausgabe  von  1561  einen 
bedeutend  erweiterten  Text.2)  Alle  späteren  Ausgaben  scheinen 
diesen  Text  unverändert  wiederzugeben,  so  jedenfalls  die  Seite 
ftlr  Seite  mit  der  Ausgabe  von  1561  übereinstimmende  von  1563 
Paris  und  noch  die  1620  in  Douay  ohne  Pilot's  Epistola  er- 
schienene. 

Über  den  Verfasser  Jean  Pilot8)  vermag  ich  bis  jetzt  noch 
nicht  viel  anzugeben.  Auf  dem  Titel  bezeichnet  er  sich  als 
„Barrensem";  doch  lebte  er  in  Paris,  als  der  Herzog  von 
Bayern  Wolfgang,  Pfalzgraf  bei  Rhein  und  Graf  von  Veldenz  ihn 
nach  Deutschland  berief,  um  seinem  Vetter  Georg  Johann  (den 
Sohn  seines  Oheims  Ruprecht  von  der  Pfalz)  die  Anfangsgründe 
im  Französischen  beizubringen.  Da  Wolfgang  Protestant  war 
(er  starb  1568  am  11.  Juni  zu  Escars  an  der  Loire,  wohin  er 
den  Hugenotten  zu  Hilfe  gezogen  war),  so  wird  Pilot  wohl 
ebenfalls  Protestant  gewesen  sein.4)  Wahrscheinlich  hat  er 
theologische,  jedenfalls  humanistische  Vorbildung  genossen,  wie 
mehrfache  Bezugnahmen  auf  die  hebräische  und  griechische 
Sprache  darthun.  Die  Institutio  hat  er  noch  in  Paris  abgefasst 
und  auch  dort  drucken  lassen. 


1)  Ebenso  das  unvollständige  Exemplar  der  Darmstädter  GrosB- 
berzoglichen  Bibliothek,  welches  z.B.  auf  S.  110  die  Lehre  vom  Verb  um 
abschUesst.  S.  193  ff.  =  Bl.  97  ff.  der  Ausgabe  von  1550  fehlen,  ebenso 
Titel  und  Vorwort.  Jedenfalls  gehört  dieses  Exemplar  also  nicht,  wie 
mein  Verzeichnis  angibt,  zu  einer  Ausgabe  von  1563,  sondern  zu  einer 
früheren,  welche  aber  nach  Seiten  und  nicht  nach  Blättern  gezählt  ist. 
Sie  hat  mancherlei  Druckfehler  mit  der  editio  princeps  gemeinsam,  so 
liest  sie  S.  55  Z.  7  v.  u.:  secunda  4*  tertia  statt  prima  et  secunda  der 
ed.  1563  S.  101. 

*)  Da  das  Privilege  dieser  Ausgabe,  welches  Andre*  Wechel  auf 
zehn  Jahre  erteilt  ist,  und  sich  auf  die  durch  den  Zusatz  nunc  verö 
(ocupletata  gekennzeichnete  Überarbeitung  bezieht,  vom  11.  Juni  1557 
datiert  ist,  so  ist  vermutlich  bereits  in  dieser  Zeit  die  erweiterte  Fassung 
im  Druck  erschienen.  Wie  Jakob  Keruer  mit  Beiseitelassung  des  Pri- 
vilegs schon  1563  einen  neuen  Abdruck  veranstalten  konnte,  darüber 
hat  er  keinen  Aufschluss  gegeben. 

•)  In  der  editio  princeps  wird  der  Name  durchweg  „Pillotus" 
geschrieben,  ebenso  in  der  Ausgabe,  welcher  das  Darmstädter  Exemplar 
angehört. 

4)  Nicht  uninteressant  ist,  dass  Jean  Garnier,  der  Verfasser  der 
Zweitältesten  Grammatik  für  Deutsche  (1558),  diese  für  die  jugendlichen 
Schwäger  Wolfgang's,  die  jüngeren  Söhne  Philipp's  des  Grossmütigen, 
dessen  Tochter  Anna  Wolfgang's  Frau  war,  verfasst  hat,  was  eine,  im 
Verlaufe  auch  hervortretende,  starke  Benutzung  der  Institutio  Pilot's 
seitens  Garnier's  sehr  natürlich  erscheinen  lässt. 


263  S.  Stengel, 

Dieselbe  fand  alsbald  grSssten  Anklang  und  wurde  deshalb 
auch  ausserhalb  Paris  wiederholt  in  Antwerpen,  Orleans,  Löwen, 
Douay,  Leiden  aufgelegt,  zuletzt,  soviel  bis  jetzt  bekannt,  1631. 
In  Löwen  bediente  sich  ihrer  (nach  dessen  Vorwort)  1563  der 
ordentliche  Professor  Claudius  Puteanns  für  Beine  Vorlesungen, 
auch  Rabottus  Saleniua  wollte  sie  1572  in  Wittenberg  en  gleichem 
Zwecke  benutzen  und  beabsichtigte  deshalb  eine  neue  Ausgabe,  die 
aber  nicht  erschienen  zn  sein  scheint.1)  1562  und  1572  erwähnt 
Raums,*)  sowie  1570  Caucius  (S.  3),  1572  Solandos,  1600  Cache- 
denier  und  noch  1623  Spalt  in  seinen  Vindicae  S.  31  unseren  Ver- 
fasser; 1582  urteilt  allerdings  H.  Estienne')  ziemlich  abfällig  Aber 
die  Institutio,  worin  falsche  und  dialektische  Formen  verzeichnet 
seien,  doch  werden  wir  seinem  Tadel  heute  kaum  zustimmen. 
Weiter  bezeugt  1584  Jacques  Dupuya  (nach  Thurot),  dass  der 
Pfalzgraf  Georg  Jobann  zur  Kenntnis  der  französischen  Sprache 
a  ttti  .  .  .  ires  heureueemenl  nient  et  conduiri  .  .  .  par  M.  Jean 
Pilot,  Komme  de  tres  grande  erudüion  et  d'vne  humanüd  mngulien, 
qui  mesmes  a  eommuniqui  au  public,  il  y  a  assez  longtemp»,  la 
meihode  de  laqueUe  il  a  uei  ä  vous  engeigner,  grandement  recueäUt 
de     tous    eetrangers    affectionnez  ä  nostre    dicte  langue    et    priese 


')  Vgl.  Wablund:  La  philologie  frane.  au  temps  jadis  (im;  itecueil 
cm.  philo!,  presenlc  ä  M.   G.  Paris)  Stockholm   1889.  8.  45  f. 
a)  In   der  Präface    seiner  Grammaire  1572  gedenkt  er  zunächst 


der  Bcniilhungen  von  Sylvius,  Tbory,  Dolet,  Loya  Hegret  <!),  Jacquei 
Pelletier,  Guillautne  des  Autele  und  sich  selbst  um  die  Reform  der 
französischen  Orthographie  und  sagt  dann  Bl.  8:  Lei  plus  reCent  onl 
euite  laut  Controllers*:,  Sf  onl  faict  giielque  forme  de  doclrine  chaseun  a 
sa  fantasie.  Jean  Pitlot,  Jean  Grenier  ([.:  Garnier),  Antkoine  Caucie  en 
Latin,  Robert  Estienne  en  Latin  $■  en  Francoys.  Die  Gramerf  1562 
□  ennt  nur  Jac^1  du  Boes,  Loui'  Megret ,  Jace  Peletier,  Gilauoie  des  Anten, 
Jan  Pilot  und  Hob.  Etiene,  und  auch  Thevenin's  Bearbeitung  (ed.  15W) 
nennt  Garnier  nicht,  w&hrend  der  Neudruck  von  Kamus  Gr.  von  1587 
des  letzteren  Namen  auch  in  der  Form  Grenier  bietet. 

■)  8.  200—203  seiner  Schrift  Hypomneses.  Es  heisst  da  unter 
anderem:  naturale  suae  dialecti  Vitium  .  .  .  pro  regula  suis  esse  voluit.  — 
Einen  ähnlichen  Vorwurf  erhob  auch  schon  R.  Estienne  1557  im  Am 
Lecteur  gegen  Sylvius:  plusieurs  $e  .tont  plams  qu'üs  ne  pouoyent  aüee- 
ment  saider  .  .  .  de  f  Introduction  a  la  langue  FrancoUe  composec  par 
M.  Jacques  Syluius  medecin  fpourtant  que  souuent  ü  a  mesle  des  mots 
de  Pieardie  donl  il  «statt).  —  Übrigens  hat  H.  Estienne  ebenda  auch 
in  ähnlicher  Weise  die  grammatischen  Arbeiten  von  J.  Garnier,  Du 
Vivier  und  Caucie  kritisiert.  Er  fand  im  XVII.  Jahrhundert  in  dieser 
Hinsicht  wiederholt  Nachahmung,  doch  war  das  Motiv  spater  —  wie 
ja  leider  oft  genug  auch  noch  heute  —  einfacher  Brodneid.  Schriften 
dieser  Art  sind  des  Genfer  S.  Bernhard  Censura  der  Praecepta  Phil. 
Gamiers  (1607  ohne  Druckort  erschienen  und  48  unpaginierte  Seiten 
stark),  sowie  die  Streitschriften,  welche  Spalt  und  Martin  einige  Zeit 
darauf  gleichfalls  in  Strassburg  wechselten.  (Vgl.  hierin  mein  Ver- 
zeichnis fr,  Gr.  etc.  8.  11  Anm.) 


~         Plan  einer  Geschichte  der  französischen  Grammatik  etc.        263 

de  tout  komme  ä  ce  se  cognoissant.  Endlich  bezieht  sich  Cot- 
grave  1611  8.  8  seiner  Brief  Directions  wegen  der  flüchtigen 
Behandlung  der  indeclinable  parts  auf  unseren  Verfasser.  Dass 
R.  Estienne  1557  und  J.  Garnier  1558  stillschweigend  aus  der 
lnstitutio  Pilot's  geschöpft  haben,  ist  bereits  früher  (Beiträgt 
8.  4  Anna.  u.  hier  X2  S.  192  o.)  von  mir  angedeutet  und  wird 
sich  deutlich  aus  dem  Folgenden  ergeben. 

Umgekehrt  hat  Pilot  selbst  am  Schluss  seines  Buches  offen 
anerkannt,  dass  er  die  Beispiele  in  seiner  Darstellung  der  un- 
flektierten Redeteile  R.  Estienne's  dictionarium  medriocre  ent- 
nommen habe.  Im  übrigen  nennt  er  als  seine  Vorbilder  nur 
im  allgemeinen  lateinische  wie  griechische  Grammatiker,1)  spielt 
aber  in  der  Dedikationsepistel  auch  auf  Sylvius,  Bovelles,  Dolet, 
Meigret  und  Pelletier  an.  Der  Einfluss,  den  Sylvius  auf  ihn 
ausgeübt  hat,  ergibt  sich  aus  den  nachstehenden  Ausführungen, 
ein  solcher  Bovelles'  ist  schwerlich  nachweisbar.  Auf  Dolet's 
Abhandlung  La  moniere  de  bien  traduire  etc.  1540  geht  sicherlich 
Pilot'B  Verwendung  der  Cedille,2)  des  Apostrophs8)  und  des  Binde- 


*)  Bl.  III  v°:  „Partim  Latinos  partim  Graecos  pro  loci  ac  rerum 
varietate  sum  imitatus" 

*)  Die  spanische  Cedille  hat  freilich  1533  schon  Thory  und  kurz 
darnach  Salomon  angewandt  (vgl.  Bernard  Geoffroy  Tory  2.  ed.  Paris 
1865  8.  183  u.  375.  Im  Champfleury  1529  finde  ich  sie  weder  ange- 
wandt noch  vorgeschlagen),  nicht  aber,  wie  Koscbwitz,  Grammatik  S.  G, 
§  3,  1  angibt,  Sylvius.  Dieser  schreibt  dafür  vielmehr  c  mit  über- 
schriebenem  langen  s.  Pilot  sagt,  c  sei  maxime  in  libris  impressis 
üblich  (3  v°)  und  J.  Garnier  gibt  (S.  5)  an :  tunc  nostrates  moderni 
typographi  virgula  notare  solent  hoc  modo,  c.  R.  Estienne  bedient  sich 
in  seinem  Traicte  1557  der  Cedille  noch  gar  nicht,  während  Meigret, 
den  Estienne  im  Vorwort  als  einen  seiner  Vorgänger  erwähnt,  sie  in 
vollem  Umfange  verwendet  und  dazu  ihren  spanischen  Ursprung  aus- 
drücklich betont.  (Vgl.  Neudruck  16,  24  ff.).  Auch  Kamus  1562  S.  21 
und  1572  S.  20  bedient  sich  ihrer,  aber  nur  für  ch,  während  er  sonst  s 
schreibt. 

•)  Der  Apostroph  wird  gleichfalls  bereits  1533  von  Thory,  Salo- 
mon und  schon  1531  von  Sylvius  gehandhabt.  Den  ausgedehntesten 
Gebrauch  davon  machen  Meigret  (vgl.  Neudr.  S.  191)  und  Ramus  1562 
8.  37  ff.,  Dolet  ist  für  sparsamere  Verwendung,  etwa  wie  heute,  will 
aber  auch  die  Tilgung  eines  Endvokals  oder  einer  Endsilbe  pour  la 
necessitd  du  vers:  ou  aftn,  que  le  mot  soit  plus  rond  &  mieux  sonnant 
durch  den  Apostroph  ausdrücken:  Pri\  com\  hotn',  quel\  el\  tel\ 
recomand',  encor' ,  auec*.  En  prose  Cexemple  peult  estre:  grand- 
chose,  quelle  queV  soit  (ed.  1545).  Es  handelt  sich  hier  natürlich 
nirgends  um  Apocope,  sondern  um  unverständlich  gewordene  alte 
Sprachformen.  Bis  heute  vererbt  hat  sich  die  Schreibung  grand\  die 
Pilot  zwar  nur  vor  vokalischem  Anlaut  anführt  (3  v°),  aber  schon  Garnier 
S.  7  Z.  3  v.  u.  in  grand'  peine  kennt.  Nach  Caucius  1570  S.  37, 
welchem  sich  Ramus  1572  S.  46  und  Nathanael  G.  S.  14  anschliesst,  wird 
quo  4"  expediiior  4"  suavoir  esset  pronunciaiio  bisweilen  auch  vor  Kon- 


Ü64  E.  Stengel, 

Striches  Korilck.  FUr  letzteren  braucht  er  allerdings,  wie  ei 
scheint,  zuerst  die  heute  Übliche  Form.  (Vgl.  Neuphil.  CentralbL 
1890  No.  7  meine  Anzeige  von  Eoschwitz'  Gr.  der  neufr.  Schrift- 
sprache I),  denn  Sylvius  setzt  einen  solchen  Strich  nnr  nach  u  und 
V  (w-,  i-  =  heutigen  «,  j).1)  Oleichfalls  auf  Dolet  fuhren  wohl  die 
Bezeichnungen  ,e  masculinum"  (=  (),  „e  foemininum"  (=  t  muä) 
zurück,  während  Heigret  sowohl  bei  „e  clonu  wie  bei  „e  ounert" 
je  ein  „mascnlin"  nnd  „feminin"  unterscheidet.8)  Das  Zeichen 
c,B)    welches    Pilot    in    der  jüngeren   Bearbeitung    statt    a   der 


sonanten  e  getilgt  «(  grand'  ioye,  grand*  peur,  ta  plus  grand' 
partie,  quet'  quelle  sott.  In  uerstt  freqitentissimt  fpraesertim  apvd 
ueteres)  ei'  q'vet'.     Eiitsdem  generis  est  kaee  usitata  formula  sau'uoitre 

f-aet.  Am  sparsamsten  verwendet  auch  den  Apostroph  Jt.  Estienne. 
r  schreibt  entgegen  seinen  eigenen  Vorschriften  (S.  10)  das  Reflexiv 
nach  mittelalterlicher  Weine  mit  dem  vokalisch  anlautenden  Verbnm 
zusammen  z.  II.  saider.  sescrit  (im  An  Lccteur).  Torv  erwähnt  ihn 
übrigens  im  (Jhampfleury  (Bl.  56  v")  nur  für  da»  Lateinische  nnd  be- 
dient sich  seiner  hier  noch  ebenso  wenig  wie  der  Aecente  und  der 
Cedille. 

*)  Um  die  konsonantische  Natur  von  u  auszudrücken,  setzt  Pilot 
unter  Bezugnahme  auf  den  Brauch  damaliger  Drucker  ü,  wahrend  bei 
Palsgrave  ii  den  sillabischen  U-Vokal  in  einer  Vokalkombination,  o  den 
U-Vokal  und  u  den  V-Konsonanten  ausdrückt.  Also  nicht  Sylvius  ver- 
wendet das  Trema  zuerst,  wie  Eoschwitz  (l.  c.  S.  6)  behauptet,  sondern 
bereits  Palsgrave.  Auch  sei  bemerkt,  dass  die  ed.  prineeps  Bl.  2  nnd 
das  vorerwähnte  Darmstadter  Exemplar  von  Pilot's  Institutio  8.  4  bieten: 
reui,  qutu£  statt  veüe,  qiieüe,  wie  man  nach  Koschwitz'  Gramm.  §  3,  I 
erwarten  sollte.  Ebenso  liest  cd.  princ.  Bl.  55  V  in  Übereinstimmung 
mit  dem  Darmstadter  Exempl.  S.  110  und  mit  ed.  156S  S.  172  rompvi. 
Koschwitz'  Formulierung  ist  also  noch  irriger,  als  ich  annahm. 

*)  Allerdings  kennt  auch  schon  Tor;  auf  dem  Titel  des  letzten 
seiner  Drucke,  der  vierten  Ausgabe  von  Cl.  Marot's  Adolescence  clementine 
vom  7.  Juni  1533  diese  Ausdrücke:  Avec  certams  accens  notez,  cest 
assavoir  stu-  U  e  masculin  different  du  femmitn.  (Vgl.  Bernard:  G,  Torj 
2.  öd.  Paris   1865,  8.  183.) 

■)  Der  dafür  von  Pilot  gebrauchte  Ausdruck  „e  gaäicum*  (ed. 
1563,  S.  20),  welcher  der  ersten  Ausgabe  noch  fehlt,  ist  jedenfalls  von 
Pilot  selbst  erfunden,  wie  Caucins  1570  S.  3  bezeugt:  Apertum  e  quad 
Piüotus  gaäicum  nominauit.  Ahnlich  Thevenin  1590  3.  6  u.  14.  Schon 
1550  Bl.  5  r°  hat  Pilot  ein  VA  gallrcum"  fas  ch)  und  offenbar  in  Nach- 
ahmung von  ihm  Ramus  1572  S,  12  ein  „u  gaüicum".  Letzterer  brauchte 
sogar  in  der  ersten  Bearbeitung  seiner  Gramere  von  1562  S.  6  auch 
den  Ausdruck  „e  fransoes",  aber  für  das  stumme  e,  welches  er  aller- 
dings gerade  auch  durch  §  zu  bezeichnen  vorschlagt:  nnus  avnns  ajoute 
a  l  E  tatm,  un  d$mi  E,  et  tfauenri  Fransoes  ape/et  Ebarre,  e  1%  marett 
einsi  i,  e  lElatm  einsi  e.:  mes  il  semhlt  meäevr  garder  a  la  Miete-  latm% 
ta  figurf,  com«  nous  en  gardon'  /{  son.  e  marcer  set  e  Fransoes  en  ba 
se.uic.ment  avec  un  petf  crofet.  In  der  zweiten  Bearbeitung  von  1572 
S.  9  hat  er  den  Ausdruck  „e  feminin"  für  e,  und  unterscheidet  davon 
ein  „e'  masculin"  (s=  ()  und  ein  „e  mögen"  (s=  e'J  und  meint  Si  qutlque 
bon  etprit  Us  (d.  h.  trois  eharacteres  pour  ces  trois  voytües)  tnettoil  en 


Plan  einer  Geschichte  der  französischen  Grammatik  etc.        265 

edäio  princ.  vorschlägt,  ist  dagegen  wohl  aus  Meigret  entnommen, 
wiewohl  es  ja  auch  sonst  in  lateinischen  Drucken  begegnet. 

Wie  bereits  angedeutet,  ist  die  Institutio  für  den  ersten 
französischen  Unterricht  eines  der  lateinischen  Sprache  kundigen 
jungen  Prinzen  bestimmt;  doch  hofft  ihr  Verfasser  der  Widmungs- 
epistel (s.  IV  v°)  nach,  dass  seine  Arbeit  ipsis  quoque  Gallis  .  .  . 
profuturum ,  hac  sattem  in  parte  (d.  h.  in  der  Lehre  vom  Verb), 
qubd  hie  possunt  omnes  breuissimis  canonibus  de  ets  certiores 
fieri:  de  quibus  plerique  omnes  dubitant,  &  altercantur.  Über  die 
nähere  Benutzung  seines  Buches,  wie  über  den  von  Pilot  selbst 
eingeschlagenen  Unterrichtsgang,  fehlt  leider  jegliche  Andeutung, 
Übungsstücke  fehlen  gänzlich  und  auch  erläuternde  Beispiele 
sind,  wenigstens  bei  den  deklinierbaren  Redeteilen,  nur  sehr 
spärlich  gegeben,  dagegen  wird  der  Wert  fleissigen  Lesens  guter 
Werke  und  aufmerksamen  Anhörens  solcher,  welche  die  fran- 
zösische Sprache  korrekt  handhaben,  mehrfach  betont,  ohne  in- 
dessen irgend  einen  bestimmten  Schriftsteller  zu  empfehlen. 

Zum  ersten  Male,  rühmt  sich  Pilot,  habe  er  apte  et  distinete 
über  alle  Redeteile  gehandelt,  sich  aber  dabei  möglichster  Kürze 
und  Klarheit  befleissigt  und  überflüssige  Wortdefinitionen,  wie  sie 
die  lateinischen  Grammatiken  liebten,  vermieden.  Den  Haupt- 
wert seiner  Arbeit  erblickt  er  in  der  ausführlichen  Behandlung 
der  noch  heute  so  verschieden  dargestellten  Lehre  vom  Verbum. 
Eine  selbständige  Syntax  fehlt  dagegen  der  Institution  und  auch 
bei  gelegentlicher  Erwähnung  syntaktischer  Verhältnisse  wird 
statt  näherer  Erörterung  derselben  fast  immer  auf  Lektüre  und 
Konversation  verwiesen. 

Die  Anordnung  des  Stoffes  ist  im  allgemeinen  die  aus  der 
lateinischen  Grammatik  her  übliche  systematische.1)  Zunächst 
werden  die  Buchstaben,  ihre  Aussprache  und  zugleich  die  fran- 
zösische Orthographie  abgehandelt. 

In  orthographischen  Fragen  hält  Pilot  sich,  im  Gegensatz 
zu  seinen  französischen  Vorgängern,  an  das  Herkömmliche,  ist 
also    auch    für    Beibehaltung    der    stummen    Buchstaben.2)      Zu 


auant,  .  .  .  ce  seroii  vng  grand  eclarcissement  de  nostre  escripture  .  .  . 
comme  en  ces  mots,  Fermate ,  Onetete.  —  Das  offene  e  nennt  noch 
De  la  Grue  1654:  gallicum. 

*)  Wie  sehr  man  sich  von  der  lateinischen  Grammatik  abhängig 
fühlte,  beweist  besser  als  alles  andere  ein  Ausruf  von  Sylvius  (S.  113): 
Sed  quo  feror?  grammaticam  Latinum  scribo,  non  Gallicam.  R.  Estienne 
sagt  (155)  im  An  Lecleur:  Et  le  tont  auons  mis  par  ordre,  Sf  traictea  la 
moniere  des  Grammair  es  Latin  es,  le  plus  clerementfy  facilement  qu' auons  peu. 

*)  Er  sagt  6  r°:  Omnes  huisusmodi  literas,  vi  snperfluas  $*  otiosas 
omittuni  plurimi  doeli  viri,  censentes  aut  itu  scribendum,  vt  profertur,  aut 
proferendum  vt  scribitur.    Quod  vtinam  vel  ab  omnibus  aut  vbique  fieri 


■ 


266  E.  Stengel, 

strittigen  Punkten  nimmt  er  selten  bestimmte  Stellung.  Z.  B. 
entscheidet  er  sich  für  heureus  gegen  hevretix,  für  tonne  gegen 
bone  {9  r°),  -eion  für  -tion  zu  schreiben  haben  nach  ihm  Leute, 
welche  der  lateinischen  Sprache  und  der  französischen  Ortho- 
graphie gleich  unkundig  waren,  aufgebracht,  doch  ahmen  sie 
einige  Gelehrte  nicht  nur  selbst  nach,  sondern  empfehlen  sie 
auch  andern  zur  Nachahmung.  (9  r°).  Zu  den  Pluralen  der 
auf  £  ausgehenden  männlichen  Nomina  und  den  zweiten  Personen 
Pluralis  bemerkt  er:  vulgo  »ölet  addi  z  sine  accentu,  recen&ore* 
»  tantum  addunt  retento  accentu,  ut  lettre",  lettris  (9  v°),  ffir 
plombs,  grien  könne  auch  plös,  grfs  geschrieben  werden,  ei  cot 
haec.  ortkographia  magis  arridet  (ib.).  —  Die  bereits  von  Pals- 
grave  und  SylviuB  angestrebte,  aber  erst  von  Hamua  1562  in 
heutiger  Weise  durchgeführte  und  1572  S.  26  begründete 
Scheidung  von  vokaliachem  und  konsonantischem  i  ist  ihm  noch 
ganz  fremd;  für  heutiges,  gleichfalls  von  Hamas  vorgeschlagene*, 
v  schreibt  er,  wie  bereits  bemerkt,  U. 

Bei  der  Beschreibung  der  Aussprache  entschlägt  er  sich 
in  der  ersten  Auflage  gänzlich  besonderer  phonetischer  Zeichen 
und  erklärt  offen:  neque  sane  ad  id  idioma  rede  scribendum,  ut 
effertttr,    hoctenus   habuimus   satis   idoneum   elementum    (5  r°).     In 

possei,  vt  quidam  linguae  Galiicae  scientissimus  (Meigret?).  lentat,  verum 
vereor  ne  toterem  tauel:  cogimur  certe  vel  mulli  (1563:  tnuiti)  in  rebus 
isiis  ty  simitibus  consuetudini  quanlumds  (vt  aiunt)  impio  tyranno  aliquid 
concedere,  4"  preslare  videtur,  quam  dum  omnia  ad  vnum  ewigere  $ 
cauti  atque  conquisiti  adeo  scräitre  volumus ,  illa  confundere,  #■  pro 
certis  incerta  reddere.  Ähnlich  verhalt  sich  auch  J.  Garnier  1558  Bl.  1  r* 
zu  der  Orthographiereform :  Quod  si  dixirit  atiquü,  x,  y,  4~  z  pere- 
grinas  esse  titteras  .  .  .  ipse  non  muttum  contenderim:  imö  optarm  poliiu, 
qua  certior  atque  facitiar  esset  nominum  deriuatio.  Maxime  vero  de  x  $Z, 
quas  inepte  4"  contra  rcgulas  anwies  pro  s  in  fine  dktianis  aäquanfy 
vsurpamus.  At  qtwniam  id  vsu  iatn  longo  receptum  est,  vi  ego  mal 
nunc  non  postum  omnes  in  meam  sententiam  pertrahere,  nee  nouitatis 
studiosvs  naberi  volo,  euique  tuum  arbttrium  re&nquo.  Vtar  inlere* 
&  ego  iliis  quemadmodum  Sr  eoeteri.  Lebhafter  tritt  R.  Eetdenne  1557 
S.  8  für  die  Übliche  Orthographie  ein :  aucuns  escritient  par  s  seule- 
ment,  enuieus  (etatt  =  tnuieulx),  contre  toute  ancienne  coutume 
tCescrire.  Ferner  im  Vorwort:  Jburtant  que  pturieurt  desirans  aueir 
ampie  cognoissance  de  nostre  langue  Francoise.  se  sont  plains  * 
nous  de  ce  qu'ils  ne  povuoyent  aiseemcnt  saider  de  la  Grammaire  Fron- 
coise  de  Maitre  Lois  Mnigret  (a  cause  des  grans  cfiangemens  qu'ii  y 
voyoytt  fort  contraires  a  ce  qu'ils  en  auoyent  ia  apprins,  prineipalement 

quant  a  la  droiete  escriplurej Que  si  en  tout  nous  ne  contentens 

les  lecteurs,  prineipalement  eeulx  qui  vculent  que  tescripture  suyue  sa 
pionontiation ,  nous  neu  vaulons  pourtant  debatre  auec  eulx ,  tüns  les 
priotis  gu'en  paix  ils  mettent  peilte  de  mieulx  faire,  Sans  changer  la  plus 
commune  4"  receue  escripture,  pronttneiation,  4"  moniere  de  parter  com- 
forme  au  tangage  de  nos  plus  aneiens  bien  exereez  en  nostre  dtete  langue. 


Plan  einer  Geschichte  der  französischen  Grammatik  etc.         367 

den  späteren  Ausgaben   schlägt  er  für  e  das  Zeichen  e  vor  (ed. 
1563  8.  20,   in  der   ersten   Bearbeitung  Bl.  4  v°:  ce)  und    zieht 
auch    die    deutsche    Lautbezeichnung    stärker    zur    Vergleichung 
heran.    Die  einzelnen  Ausspracheangaben  sind  nicht  ungeschickt, 
wenn  sie   auch   die  erforderliche  Bestimmtheit  vermissen   lassen: 
Zwischen  b  und  />,  d  und  t,  v  und  /  machen  die  Deutschen  einen 
geringeren  Unterschied   als  die  Franzosen,    welche    die  ersteren 
Laote  leviori   spirüu    remissiorique    labiorum    motu    aussprechen 
(1550  Bl.  2v°,  1563  S.  18).1)     I  consonans  wird  von  den  Deut- 
sehen   anfangs    schlecht    ausgesprochen,    largiore    quippe  spiritu 
&  plus    aequo    reseratis   primoribus    dentibus,    iisque    non    satis 
9ppressa  lingua  (4  v°).     Die   spätere  Bearbeitung  (1563    S.  22) 
fBgt    hinzu:    ac    si    ita    scriberetur    schalousie,    scheunesse, 
ichouer.     Gn  soll  gesprochen  werden:    lingua    in  medio  curva 
<£  pulsante    inferius    maxillam,    saliva    interclusa,    ut   8 onus  fiat 
madidior   &  delicatior,    wozu    verständig   hinzugefügt   ist:    quod 
mitatione  diligenti  galli  loquentis,  quam  descriptione  longa,  melius 
üscere  licet.     (4  v°.) 

Dialektische  Aussprachen  erwähnt  Pilot  fast  gar  nicht.  So 
fügt  er  der  Beobachtung,  dass  viele  im  Auslaute  r  durch  s  er- 
setzen, die  Bemerkung  an :  vbique  verb  idfadunt  Parisinae  mulier- 
adae,  quae  adeo  delicatulae  sunt,  ut  pro  pere,  dicunt  peze,  pro 
nere  meze.  Verum  qui  egregie  loqui  volunt,  aut  medio  quodam 
sono  asperitatem  istam  temper  ant,  aut  certe  adeo  leniter  exprimunt, 
ut  vix  audias.    (5v°)2)     Ausser   den  bereits   erwähnten   hierher- 


*)  Schon  Tory  1529  Bl.  35  v°  bemerkt  gleichfalls:  Jay  veu  des 
Alemans  aussi  gut  pronunceoienl  P  pour  B  quanl  üs  parloient  en  fran- 
cois,  comme  vouiant  dire.  Vela  vne  bien  belle  4"  bonne  beste,  Uz 
disoient.  Vela  vne  pien  pelle  4f  ponne  neste.  Ce  vice  la  leur  est 
ordinasre.  Ähnlich  hebt  J.  Garnier  1558  S.  4  den  Unterschied  von 
hartem  s  und  weichem  z  hervor  propterea  quöd  Germani  assueti  Uteram 
möllern  pro  duriuscula,  $•  duriorem  pro  molliore  effari,  in  hoc  saepe 
labuntur,  vt  pro  saluer  ....  dicunt  z aluer  .  .  .:  id  enim  ego  frequen- 
tissime  sum  expertus. 

*)  Vgl.  auch  unten  S.  272,  Anm.  2  und  3.  Ähnlich  bemerkte  bereits 
Palsgrave  S.  34 :  rvhere  as  they  of  Parys  sounde  somtume  r  lyke  z,  sayeng 
pazys  for  parys,  pazisien  for  parisien,  chaize  for  chayre, 
mazy  for  mary  and  such  lyke,  in  that  thyng  Irvolde  nat  have  them  fo- 
lowed.  Ja  schon  Barcley,  Erasmus  und  Tory,  sowie  Sylvius  und  Bovelles 
machen  die  gleiche  Bemerkung  (cf.  Thurot  11.  271).  Pilot  scheint  sie 
direkt  aus  Sylvius  und  dieser  aus  Tory  entlehnt  zu  haben,  Sylvius  sagt 
8.  52 :  H  in  s  Graecis  et  Laünis,  ac  interdum  GaUis  vertitur  .  .  .  Contra 
verö  apud  Latinos  non  defuernnt  qui  s  in  r  commvtarunt,  $•  Fusios  ac 
Valesios  in  Furios  if  Valerios  verterunt  ac  e  diuerso  qui  honos, 
vapos  .  .  .  diccre  malner  unt,  quam  honor,  vapor  . . .  Fabiits  Hb.  7.  ca.  6. 
In  vtroque  vitio  mulierculae  sunt  Parrhisinae:  4"  earum  modo  quidam 
parum  viri,  dum  r  in  s  <f-  contra  Eretriensium  more,  s  in  r,  passim  magna 


868  E.  Sungel, 

gehörigen  Terminologien  Pilots  sei  noch  angeführt:  h  nnn  ha,  td 
Germani  sed  auch1)  appellatur  (5r°).  Dabei  unterscheidet  w 
ein  k  germanicwn  (honte),  h  mutum  (honneur),  und  A  gattiam 
(chercher).  Regeln  über  Interpunktion  oder  Accente  fehlen 
gänzlich.  Die  Verwendung  des  Apostrophs  wird  131.  3  v°f.  in 
Abschnitt  über  e  femininvm  erörtert ,  in  der  Überarbeitung  atteh 
noch  besonder»  am  Schluss  der  Buchstabenlehre. 

Der  eigentliche  Hauptteil  De  partibu*  orationi»  beginnt  Bl.  7 
mit  der  Lehre  vom  Artikel.  —  Genau  so  verfuhr  Heigret  in  Beiner 
gleichzeitigen  grammere  sowie  Caucius  1570  und  Nathanael  Q.  1564 
3.  15,  ja  schon  1530  der  Engländer  Palsgrave,  während  1557  R. 
Esticnne  den  Artikel  erst  nach  dem  Nomen  abhandelt  (S.  1 8),  Sylvia» 
1531  ihn  (S.  96)  bei  der  Nominaldeclination,  J.  Garnier  1558  sowie 

affectatione  converlunt,  dicentes  Jeru  Masia,  ma  mese,  man  pes't,  mon 
frese.  Wahrend  hier  und  weiter  unten  (auch  S.  272)  die  Panier  Ab- 
sprache und  die  den  Hufen  getadelt  wird,  bat  Palsgrave  1.  c.  and  echon 
Barton  die  Mustergiltigkeit  der  Pariser  Sprache  ausdrücklich  hervorge- 
hoben und  auch  G.  Tory,  Champflcury  1529  Bl.  1  v  die  Reinheit  der 
Sprache  des  Parlemcnts  und  des  Hofea  anerkannt :  11  est  certain  que  le  släe 
de  Purtement,  4"  le  Inngage  de  Court  «out  tres-bons,  matt  encorespourrait 
on  enrichir  nostre  diet  langage  pur  certaines  helles  Figures  4"  Ffevri  dt 
Retoriqne,  tant  en  jirose  que  autrement.  Ähnlich  spricht  «ich  R.  Eatienne 
im  Au  Lecteur  aus:  A'ons  .  ,  .  auons  fait  ung  recueil(&.  h.  ans:  Meigrefi 
Gram.  u.  Sylviua'  Introduclinn  „qui  ponr  certain  onl  traiete  doctement,  ptmr 
In  plupart,  ce  y«'iö  auogcnl  entrepris*)  prindpalement  de  et  que  natu 
auans  viu  aecorder  a  ce  que  onus  auions  tc  temps  passe"  apprms  des 
plus  scauans  en  nostre  langtie,  qui  auoyent  taut  le  temps  de  leur  vie  haute 
es  Cours  de  France,  tant  da  Roy  que  de  son  ftirtement  a  Paris,  aussi 
sa  UhanceUerie  4"  Vhambre  des  comples:  csquels  lieux  le  langage  seserit 
4"  se  pranonce  en  plus  grande  purele  qu'en  ious  untres.  —  Beiläufig  be- 
merkt ixt  R.  Entienne's  Traiete  nur  ein  sehr  dürftiges  Compendinm  and 
hat  für  die  Geschichte  der  Grammatik,  da  er  kaum  eine  Neuerung  auf- 
weist, sehr  wenig  Wert,  was  entgegen  der  unverdienten  Wertschätzung 
Livet's,  welche  auch  P.  H[eyer]  in  der  Anzeige  von  Loiseau's  wertloser 
Schrift  über  Pilot's  Werk  Revue  Crit.  18BB,  No.  39  zu  Ungunsten  Pilot'i 
gut  geheissen  hat,  Beachtung  verdient.  —  H.  Estienne  sagt  dagegen 
S.  2  der  Vorrede  seiner  Hypomnescs  1582:  Sermonis  vere-  Caliici  (tictst 
4"  ipsius  GalUae)  metropolin  esse  Lutetiatn  dico  . . .  sed  qui  pure  loquantur, 
per  totam  Galtiam  esse  faleor:  sie  tarnen  vt  haue  puritatem  aliae  vrbes 
vetut  naliuam,  aliae  tanquam  adttentitiam  potius  habeant  ...  Ac  meritä 
certe  vrbs  isla  (d.  h.  Paris)  primum  tuic  etiam  in  laude  locttm  abästet, 
non  quöd  ab  aida  frequentetur  ffuit  em'm  tempus  quum  in  ea  sermonis 
puritas  quaerenda  esset:  al  nunc  in  ea,  sieut  4"  a4Hl  *•*  rebus,  miram  4" 
plane  depravalricem  licentiam  vsurjmtj  sed  qiiod  eam  curiam  habeat  qtuu 
larlamentum  vernacula  voce  nominatur:  vbt  licentiosus  sermo  tarn  raro, 
quam  frequenter  in  mda  auditur:  4"  quam  hie  ei  applaudatur,  ilüc  ex- 
piauditur. 

')  Der  Name  assh  begegnet  übrigens  bereits  bei  Coyfurelly  (2s. 
f.  nfr.  Spr.  u.  Litt.  I.,  W.  Noch  Ramus  1572,  S.  27, .nennt  den  Buch- 
staben Ha  und  will  vom  Namen  Acht  nichts  wissen. 


Plan  einer  Geschichte  der  französischen  Grammatik  etc.         269 

Raums  1562  8.  45  und  1572  8.  67  aus  AnlasB  des  Geschlechtes 
der  Nomina  besprechen.  Barton  (Zs.  f.  nfr.  Spr.  I.  28,  13)  und 
noch  Du  Vivier  1566  ihn  als  Kasuszeichen  betrachten.  —  Obwohl 
iuo  Pilot  den  Artikel  als  neuen  Hedeteil  hinzugefügt  hat,  beträgt 
die  Zahl  der  Redeteile  doch  auch  bei  ihm,  ebenso  wie  bei  Syl- 
riu8,  Nathanael  G.  und  wie  in  den  lateinischen  Grammatiken  der 
Zeit,  nur  acht,  weil  er,  wie  Nathanael  G.,  in  Anlehnung  an  die 
griechischen  Grammatiken  die  Interjektion  mit  dem  Adverbium 
Tereinigt  hat  —  Palsgrave  dagegen  sagt  (S.  65)  ausdrücklich:  In 
the  french  tong  be  IX.  partes  of  speche,  ebenso  Estienne,  Caucius, 
ibnlich  Meigret  (S.  26,  10):  ü  y  peut  entreuenir  huyt  parties 
outre  les  ariicles.  —  Auch  abgesehen  vom  Artikel  variirt  die  Reihen- 
folge der  Redeteile. 1)  Pilot  hat:  Art.,  Nom.,  Pron.,  Verb.,  Part., 
Adv.,  Präp.  nnd  Konjunktion.  Die  gleiche,*  unter  Hinzufügung  der 
Interjektion  am  Schluss,  hat  Palsgrave,  sowie  unter  Streichung 
des  Artikels  J.  Garnier,  während  Meigret  und  mit  ihm  Gaucius 
die  Präposition  vor  das  Adverb,  Barton  und  mit  ihm  Estienne 
zwischen  Konjunktion  und  Interjektion  und  Nathanael  G.  an 
den  Schluss  rücken.  Auch  Sylvius'  Anordnung  stimmt  hiermit 
fiberein,  nur  setzt  er  noch  das  Adverb  zwischen  Verb  und  Parti- 
zip. Du  Vivier  endlich  hat  folgende  Reihenfolge:  Artikel,  Nom., 
Pron.,  Adv.,  Konj.,  Präp.,  Verb,  ohne  indessen  im  voraus  die 
Redeteile  aufzuzählen. 

Nur  den  bestimmten  Artikel  kennt  unser  Verfasser.  —  Ebenso 
Meigret  und  J.  Garnier,  Ramus,  Nathanael  G.;  dagegen  führen 
schon  Palsgrave  (S.  65),  Sylvius  (8.  93),  Du  Vivier  und  Caucius 
(8.  47)  daneben  auch  den  unbestimmten  auf.  —  Als  Genitiv-  und 
Dativformen  gelten  ihm  de,  du  und  a,  au,  de,  des  und  a,  aux.  — 
Ähnlich  R.  Estienne,  J.  Garnier,  Du  Vivier,  Caucius,  Nathanael  G.; 
während  Meigret  sagt  (S.  26,  19  ff.):  Ao  regard  de  de,  du, 
deSy  üs  sont  plus  veritablement  Prepozicions  q  ariicles.  Und  Ramus 
1562,  S.  111:  SV  prepozisions  D$,  Du,  Des,  A,  Au,  Aus  on' 
seriein'  afexion  avec  le  nornbr'  e  jenre:  e  pourtani  sont  apelees 
ariicles  par  aucuns.  (1572,  S.  188  ff.,  bespricht  er  sie  schlechthin 
als  Präpositionen.)  —  Im  Gegensatze  zu  Sylvius  (S.  97),  Caucius 
(8.  49)  und  Nathanael  G.  (S.  60)  macht  Pilot  über  den  syntaktischen 
Unterschied  von  du  und  de  gar  keine  Andeutung  und  bemerkt 
zum  Gebrauch  des  Artikels  überhaupt  nur,  dass  derselbe  in  allen 
Kasus  des  Sing,  mit  dem  Infinitiv  verbunden  werde.  (Vgl.  Caucius, 


*)  Darauf  hat  A.  Benoist:  De  la  syntaxe  fr.  entre  Palsar ave  et 

Vaugelas,   Paris   1877,  S.  6    nicht  hingewiesen.  Überhaupt   bedürfen 

seine  Angaben  mannigfacher  Ergänzungen  und  entbehren  leider  jed- 
wedes genauen  Zitates. 


270  B.  Stengel, 

S.  43.)  Keine  Verwunderung  darf  schliesslich  die  Behauptung 
erregen,  dass  der  Artikel  aus  der  nach  Strabos  Zeugnis  den  alt« 
Galliern  vertrauten  griechischen  Sprache  herzuleiten  sei  (Bl.  8  r*}, 
Übrigens  fast  der  einzige  schwache  Versuch  wissenschaftlicher 
Betrachtung,  welchen  die  Institutio  aufweist.  Es  folgt  der  roa 
Späteren  in  zwei  zerlegte  *)  Redeteil  vom  Nomen,  der  Substantiv» 
und  Adjektivs  umfaset. 

Letztere  zerfallen  in  solche  einer  oder  zweier  Endungen. 
Von  besonderen  Femininbildungen  hebt  Pilot  nur  hervor:  heurtux 
-ae,  bon  -nne,  maistre  -reue,  larron  -nnesse  (Bl.  9).  Regeln  Ober 
das  Geschlecht  der  Substantiva  giebt  er  erst  in  der  jüngeres 
Bearbeitung.  Die  dort  (1563,  S.  38  u.)  gemachte  Beobachtung: 
Nomina  Gaüica,  Latinorum,  a  qvibus  dedueuntur,  analogiam  bona 
ex  parle  in  generibus  imitantur,  geht  auf  Sylvius  (S.  93)  zurück: 
Qenus  nominum  idem  cum  Lotini«  propemodum  vbique  retinnua. 
(Vgl.  noch  J.  Garnier,  S.  16,  VI.:  In  generibus  nominum  GaBi 
plerunqw   imitantur  Laiinos.) 

Hinsichtlich  des  Neutrums  bemerkt  unser  Verfasser:  ntutre 
nulla  sunt  in  hoc  Qattico  grammaticea  regno.*)  Die  Plnralbildnng 
fit  a  eingulari  addendo  n,  x  vel  z.  Aber  die  auf  al  haben  aulr 
vei  aux  (ausgenommen  canals),  ebenso  viril  :vieux,  nun 
dl  :  reux  (9  v°).8)  Sonst  gilt  vom  Französischen  was  vom  Hebräi- 
schen gilt,  daSB  nämlich  alle  Nomina  indeklinabel  sind,  nnd  die 
Kasus  nur  aut  praepositione  articulorum  aut  oratitmi*  contexbt 
unterschieden  werden.4)     So  sage  man  oft:    VEvangile  Saint  Jan 

1)  Thatsächlieh  behandelt  übrigens  schon  Palsgrave  die  Substan- 
tiva und  Adjektivs,  getrennt. 

')  Ebenso  schon  Palsgrave  3.  67:  As  for  neutre  gendre  Aeg /me 
vom,  resemblgng  Hierin  ihe  htbreW  tätige,  nnd  Meigret  (8.  45,  34):  Jen- 
gard  du  neutre,  notre  lange  ne  le  canoet  potnt,  sowie  K.  Eatienne  S.  16: 
Quant  au  nevlre  genre  nous  n'en  auons  point,  non  plus  que  les  Hebrieux: 
mais  est  compriiis  soubs  le  mascuün,  etwas  ausführlicher  äussert  sich 
J.  Garnier,  8.  Iß,  VI.:  Quae  vcrö*neulra  sunt  Latints,  nolns  GaUit  fle- 
runque  mascultna sunt,  aiiqutmdo  etium  foemin.  vt  le  temps,  le  tonnerre, 
le  baue,  ia  parote,  la  semence,  la  texiue,  la  mouslarde.  Ramoi 
1562  8.  43,  157!  S.  60,  Caiicius  und  Nathanael  0.  S.  16  thun  des  Nea- 
trume  gar  keine  Erwähnung.  SylviiiB  dagegen  erkennt  dem  Fran»ö«i- 
schen  unbedenklich  ein  Neutrum  zu.  S.  93  sagt  er:  arbornm  nomine 
parum  abesl,  quin  omnia  faciamus  tnulrn  ,  ,  .  vt  pontus  pomarivm,  PS 
pomier,  während  H.  Estienne  3.  26  i  »eines  Traue  de  la  eunformite  etc. 
1569  sagt:  qa'it  en  ha  i-n,  mais  couftis  auec  le  Masculm.  Et.  . .  quo* 
le  discuriirra  par  fapplicaUott. 

»)  Vgl.  Palsgrave  8.  67  und  179  ff.,  Meigret  S.  49,  R.  Entienne 
S.  17,  J.  Garnier  8.  18  X.,  Ramus,  Cnucius  8.  78,  Nathanael  0.  S.  IE. 
Doppelformen  giebt  Sylvina  S.  98 :  citrus,  vieus,  ievs,  eheuaus,  metam 
und  cieuls,  vteuts,  ieuls,  cheuauls,  metauts. 

*)  Es  ist  also  irrig  wenn  Livet  S.  70  (and  im  wesentlichen  weh 
Benotet  8.  10)  behauptet:    User  pretendre  que  les  nanu  franeaä  ne  sc 


Plan  einer  Geschichte  der  französischen  Grammatik  etc.        271 

statt  de  saint  Jan  (10  v°).  (Vgl.  Ramus  1572  S.  190  und  Nathanael 
6.  8.  61,  12.)  Perspicuitatis  gratia  stellt  aber  Pilot  gleichwohl 
duos  ordines  auf,  d.  h.  eine  männliche  und  weibliche  Deklination, 
Ton  deren  jeder  er  je  ein  Substantiv  und  ein  Adjektiv  als  Para- 
digma durchdekliniert  (10  v°).  Unmittelbar  hieran  schliesst  er 
die  Komparation,  die  regelrechte,  wie  heureux,  plus  h.y  tres  h.  und 
die  unregelmässige,  wie  bony  meilleur,  tres  hon  etc.  Auch  Ad- 
verbia  und  Präpositionen  würden  gesteigert,  doch  sei  von  letzteren 
der  Superlativ  (z.  B.  tres  pres)  non  in  vsu  (13  v°).  Von  Ver- 
stärkungen des  Komparativs  werden  angeführt:  bien,  trop,  par 
trop,  beaucoup.1)  Oft  stehe  im  Französischen  der  Komparativ, 
wo  im  Lateinischen  der  Superlativ  gebraucht  wird:  le  plus  sca- 
uant  des  deux  c' est  Jan  non  autem  le  tres  s.  etc.     Latinis- 


ieciment  point!  c'e'tait  une  hardiesse  dont  un  novateur  aussi  temer aire 
sue  Meigret  pouvait  seul  ttre  capable.  Schon  Palsgrave  sagt  ja  (S.  69) 
Klipp  und  klar:  cases  in  substantgves  the  frenche  tong  hath  none,  ebenso 
auch  Sylvias  (S.  95):  Casus  in  singulari  $  plurali  omnes  apud  nos  vnius 
sunt  terminationis,  nisi  quod  phtralis  vt  dixi,  litt  er  am  s  sibi  fere  perpetuo 
sdsdscit.  Ib.  S.  96 :  Declinatio  nobis  vt  Hebraeis  (quos  in  hac  vi  in  aiiis 
fmbusdam  sumus  imitati)  est  perquam  facilis.  si  modo  pro  plurali  addas 
s  singulari  fr  articulos  pernoueris,  certe  paucissimos  fr  eos  a  pronomi- 
nibus  fr  praepositionibus  corrogatos.  Auch  R.  Estienne  (S.  17)  bemerkt: 
hohs  n'auons  qu'ung  cos  ou  Xerminaison  au  sinauUer,  pour  tous  ces  six 
cos  des  Latms :  fr  vng  stul  cos  pour  le  pluriet  en  adioustant  vne  s  au 
smguüer,  ebenso  J.  Garnier  S.  10:  Declinationes  Galli  nullas  habent,  quod 
omnia  nomina  sint  indeclinabilia,  arliculi  tantum  declinantur,  and  Caucius 
S.  76:  fiiommibus  nulüs,  nulüs  participijs,  paucis  pronominibus  casus  insunt. 
Casuum  discrimen  fr  significatio  articulis,  praepositionibus,  fr  orationis 
structura  mdicatur.  Zuweit  geht  Nathanael  G.  S.  15:  Omnia  nomina, 
pronomina  fr  participia  sunt  indeclinabilia  quidem  per  se:  verum  decli- 
nantur  per  articulos. 

l)  Bis  hierher  stimmt  J.  Garnier  in  der  Darstellung  der  Kompa- 
ration genau  zu  Pilot,  das  weitere  fehlt  bei  ihm.  R.  Estienne  beban- 
delt die  Komparation  ganz  kurz  als  zweites  Accident  des  nons  (S.  15), 
ähnlich  Ramus  1562,  S.  46,  1582,  S.  68;  ausführlicher  Meigret  (S.  36  ff.) 
nnd  Sylvias  (S.  90  f.).  Palsgrave,  welcher  das  Adjektiv  getrennt  vom 
Substantiv  bespricht,  sagt  S.  7 1 :  The  superlaiyve  addeth  lo  his  compa- 
ratyve  one  ofthese  sixe  tvordes:  le,  mon,  ton,  son,  nostre,  vostre, 
leur . . .  as  le  (mon)  plus  blanc  etc.,  so  often  as  they  wyll  extende  or 
duminysshe  the  qualyte  of  any  thynge,  withoul  makyng  of  comparyson 
tkerofto  another,  they  use  . .  trop,  fort,  moult,  tres,  peu,  gudyres, 
gövtte.  (Vgl.  noch  ib.  S.  300.)  Caucius  S.  73,  der  den  Superlativ  wieder 
mittelst  vorgesetztem  tres  bildet,  sagt  ähnlich  wie  Pilot :  Comparativum 
usurpamus,  qui  Latinorum  superlatiuo  respondet . . .  fr  tunc  comparatiuo 
praeponi  soUt  articulus  . . .  Usitata  est  porro  haec  comparandi  ratio  tan- 
tum in  rebus  speciei  eins  dem,  Martin  est  le  plus  sage...  de  nons 
vel  d'enlre  nous  tous.  Ramus,  welcher  1562,  S.  83,  behauptete:  Z§ 
super latife1  toujours  absolut:  com$,  Piaton  tre'  saje,  sagt  1572  S.  137  f.: 
Prenderement  ü  est  absolut  fr  simple . . .  Secondement ...  en  mettant  de- 
tMPtf  Plus  ou  moins,  larticle  conuenant  au  nom  gouuerne. 


272  E.  Stengel, 

men  seien:  äcavantisxime,  bonisiimt,  reverendixsime, 
Avlae  debetur  quae  hie.  tanta  pulkt  author/'tafe  (Vgl.  S.  268  Anm,), 
Ut  jjraestet  cmwi  ea  errate,  quam,  citut  eeterit  bene  luqui  (S,  13  V},1) 
Über  die  Stellung  der  Adjektiv»  bemerkt  Pilot,  dasst  viele  ihrem 
Substantiv  nachgestellt  würden,  während  ridentur  Picardi  <1* 
Lothart'nt/i )  quod  dieant,  blanc  pain,  roiiye  vin.  Ander 
Adjektiva  können  indessen  sine  dixcrimine  bald  vor  bald  nach- 
stehen, andere  stehen  vor,  wie:  bon  pain,  bon 

l)  Schon  Sylvias  S.  93  sagt:  Neoterici  quotiue  nonnul/i  doc- 
tissimi  if-  alia  auaedam  nni  nd  wtuptatem  tati  ad  tinguae  ■tpntentwm, 
passim  cait/inuuttt,  .|-  promtntiattt.  Meigrot  (Ö.  3*,  27  ff.|  will  von  dieeeu 
Superlati/s  Lalins,  dia  man  Snperlntifs  lauteres  iiunnen  könne,  nichts 
wissen,  ähnlich  Kuuiua  1572  S.  69.  Caucius,  S.  75,  drückt  sich  hie: 
über,  wie  folgt,  ans:  Altera,  multis  m  uuetlius.  sup<  rltttiuu  aucla  (l 
Gallica  linijna,  '/item,  tut  llulloritm  imtiutiuuem,  recens  fot  mnrnnt:  ut,  Ires- 
bau,  bonissime:  tresgrand,  4'  tjrundissime:  tri*  parfait, 
perfectitsime:  treshault,^  allissime:  Ires  docte,  4'  dactissi, 
/luittsmtit/i  mutin  reperus.  rteC  turnen  pro  Cuiiaque  urbitratu  lernen  Cun/1  _ 
debent:  seit  innturo  iutticio  cepcutlt  iitlntit  est,  .  .  .  t/uitt  usus,  rerun,  tn<>,j,*h  • 
•/nid  auriuin  itidicium  probet.  Nathanael  G.  lässt  sie  S.  H  gant  i 
erwähnt. 

a)  Vgl.  Ulntt  28  r°:   In  prima  cniiiugtilione,  prima  ei  seeunda  f 
ralif  mutant  a  in  i,  Ctiue  dica.i,  naui  aij uttissions,  V    '" 
seit  ap  m  ist  tonn,  aymissies    . .   Liiji  turnen  es  titutiss 
$■  simitia,  magna  pars  Pictomaa,  tuter  eaeierus.  ita  et  leräinü  et  j 


8)  Audi  hier  zei«t.I.  Garnier  deutlichen  Anklang  »»  Pilot;  denn  d 
Buch »zehnte  Keiner  Dbserraeitmes  wmtnutit  S.  21  lautet:  In  Con.'trurtiit, 
Gtdti  semper  praepnHttnt  snlisluntiun  adieetivis  . . .  te  pain  btanc  4~  tc  r>ii 
tauge.     Atque  in  parte,  bae  Gatli  imilmUnr   ipsam  natnram,   quae  priui 

rult  sulistuntiam  isse  tpmm  aeeidens,  cuiiis  esse  est  in  esse...  Exciue 
bonos  $•  malus,  qune  tndi/Jirenti  r  prat puiiutttur  $•  pttsl/uiitHittiir:  ■'' 
«HR  bttit  paus,  4'  inauiiaise  geni:  Intention  banne.  4"  ° 
mauuaise,  item,  bon  conseiltier ,  $  mauoais  contett  stA  V.hvn- 
falls  auf  Pilot  weist  ltaimw,  welcher  I&G2  die  Frage  noch  gar  iiieh' 
berührt;  er  erwähnt  1572  S.  126  in  der  Syntax:  Fardre,  came  pur  tont 

ti  Sintttj-e  Frutteoyse  est  bi<  tt  fort  reqttis.  cuittme  piiur  vi«  btanc,  bann 
itiuye.   raus  ae  \tires  ptutil  auec  te  l'ieard,  btanc  vin,  rouye  bann: 
Auch   Natbamtel  0.  bemerkt  S.  32  f.:   Stdistltntiuu  praecedeie  sid.nt  « 
ieeliuis  rt  pain  btanc,  von  blaue  pain.    llicimus  tarnen  bau  liomm 
matinttis  komme,   bei  komme.     Auch   Cancius,   welcher  hier  gegen 
Garnier  polemisiert,  schlieft  sich  eng  im  Pilot  an.  Er  behandelt  die  Frage 
gleichfiills  in  der  Syntax  iiater  der  Überschrift:  De  ordtne  substanliui  & 
ad/eeliui    [S.   81t):    be   snbslantiui   et   adjccliui    eotloeatione    eerti  parum 
Statut  pulest:  nam   ut  dicarnns,  du  pain  btanc:  du   vin   ruut/e  potimt, 
quam  cum  IHcardis,  du  btanc  pain:  du  ränge  »in,  nihil  ommMf  dietw 
tun  utraque  terminatione  subslmitma  pruepoiii  debil,     in  ha  minima  * 
freqtientioribtts   uocalmLs  ardo  alii/itis  nun   imprnbatur,   ueruiit   tu   omttdms 
nun  polest  cerla  de  disposilittite  tradi  regtila  . .  .    Malurae  otdo  adiectiuo 
priuretn,  substantiuu  posteriorem  locttm.  nisi  f'at/or,  decernit  .  .  .     Vületur 
igitur  siiiistuiäitttitn  pusi  udirettttmn  cdlueari  npi'rtere  praesertim   i~   — 
bendu.  —  Schon  Palagrave  S.  73  u.  behandelt 


-  Geschichte  der  fimiziisiiclnii  Grammatik  etc. 


273 


»wie 
der 


über 
mede 

E 


Adj» 
Kon, 


Sehr  kurz  ist  in  Pilot's  erster  Bearbeitung  die  Deminutiv- 
bildung, welche  schon  Sylvius  (S.  102  ff.)  viel  eingehender  be- 
handelt hatte,  weggekommen.  —  Der  Name  aeeidentia  findet  sich 
beim  Nomen  nicht  mehr  und  auch  thatsächüch  hat  Pilot  in  der 
ersten  Bearbeitung  wenigstens,  ebenso  wie  hier  auch  Ramiis,  mit 
dem  mittelalterlichen  Schematismus  gebrochen.  In  der  spateren 
Fassung  kommt  die  alte  Anschauungsweise  freilich  wieder  mehr 
Geltung.  Den  Überschriften  nach  unterscheidet  Pilot  darin 
wieder  7  aeeidentia  des  Nomen,  nämlich:  genus,  numerus,  casus, 
•linatio,    comparatio,    ordo  substantiui,    species. ') 

Das  letzte  Accidens  ist  jetzt  an  die  Stelle  der  Deminutiva 
1er  ersten  Bearbeitung  getreten  und  begreift  ausser  ihnen  noch 
Derivativa  in  astre,  ard  (geradeso  wie  Sylvius  S.  104),  sowie: 
gentilia  nomina.  Sonderbar  ist,  daas  sich  die  Zahlwörter  weder 
unter  dem  Nomen  noch  sonst  wo  besprochen  oder  auch  nur 
Überhaupt  erwähnt  finden.8) 


ident  of  t/ic  miume  adjeenie:  Order  betwene  tbe  sulislantyvc  and  t/ie 
?ctyve  contrary  In  our  long:  jor  wherc  as  we  say  a  w/iyte  horse  .  ... 
■y  say  ung  chevdl  blaue  etc.  und  S.  304  in  den  Annotacions :  If 
im  iidjtdyve  he  joyntd  ti'illi  a  suhslantyre.  as  to  put  a  difference  or  tu 
avoyde  catifusynn  by  cause  there  is  dyversc  of  such  surtes  as  tlie  sab- 
stantyve  signyfieth,  than  the  adjectyve  shall  ercr  in  t/ie  frenche  tonge 
fjattam  the  iubtUtntyve.  As  ifJ  woide  speake  . . .  of  breed,  for  by  cause 
there  is  dyversyte,  for  thus  they  saye:  payn  blanc,  pain  bis,  paitt 
tendre,  pain  rassis,  pain  bourgois,  pain  de  chapistre.  —  Der 
erste,  welcher  auf  Hedeutungsuntersuhiede  atönarlnio  Ducht«,  je  nach 
dem  einzelne  Adjektive  vor  oder  nachstellen,  war  H.  Estienne  in 
seineu  ^-ponnieses  1582  S.  154  ff.  (Vgl.  auch  Benoist  1.  c.  S.  12,  der 
leider  nirgends  genaue  und  leicht  eontroliei-ljuve  ZiV.iUt  bietet.)  Da- 
gegen übergehen  sowohl  Sylvius  wie  R.  Stophanus  die  Stellung  des 
Adjektivs  völlig.     Ruiuus  sehliesat  sich  an  Pilot  an. 

•)  Palegrave  zahlt  (S.  66^  G  aeeidents  der  Snbatantiva  fgender, 
•mbre,  parson.  derivation,  composiciou,  declinution)  und  (S.  69)  7  ac- 
Ients  der  Adjektiva  (gender,  noudire,  itgrti/ing  tritlt  their  substantyres, 
.-,/■  „,■,}'.;■„.  dedymteum,  deryvation  and  order).  Nach  Sylvius  S.  90: 
iumiiü  aeeidunt:  f/ualitas,  comparatio,  genus,  numerus,  figara, 
casus,  dectinatio,  Er  Witte  seiner  Darstellung  nach  noch  speeies 
hinzufügen  sollen.  Meigret  hat  \is,is)  dagegen  die  Zahl  der  Accidfns 
auf  *  beschränkt:  Esptee,  je.nre,  Xnubre  ,  fujure  und  die  Komparation 
innerhalb  des  ersten  behandelt,  Bei  li  Estienne  iH,  14)  sind  es  wieder  7: 
Espeee.  Comparaütm,  Genre,  Piomhre,  Fii/nre,  Vax  &  Oeclinaison,  eben- 
soviel bei  J.  Garnier  (S.  8  ff.)  [Spezies],  Suoierus ,  Casus.  Genus,  De- 
cliiuitio,  Comparatio,  Demmvthta  (doch  werden  sie  nicht  als  Aeeidentia 
bezeichnet):  während  aber  Estienne  genau  zu  Sylvius  stimmt,  lehnt  sich 
Garnier  deutlich  an  Pilot  an,  hat  aber  dessen  ordo  in  die  Observacioncs 
verwiesen.  Cauciua  endlith  bemerkt  (S.  51):  Hominis  finitionem  Aacciden- 
tium  Uhus  descriptioms.  ite  ab  iustituta  hreuitate  recedam,  non  persci/uar: 
's  operu  foret,  cum  haec  primis  cum  etementis.  imhibere  /Jueri  so/euul. 
*)  Offenbar  war  man  in  Unsicherheit,  weichem  Redeteil  mau  die 
ihlwörter  zuzuteilen  habe.  Palcgrave  fügt  sie  ebenso  wie  die  parti- 
Hpr.  o.  Liit.  Ell'.  jg 


274  K.  Stengel, 

Die  Pronomina  teilt  Pilot  ein  in  primitiv»  (je  etc.),  derivativ« 
(iceluy),  demonstrativa  (cestuy  cy),  relativa  (tut/,  qui,  lequel)  und 
poBsessiva  (mon  etc.).  Einige  derselben  Bind  zweier,  andere  nur 
einer  Endung.  Sie  zerfallen  in  drei  Deklinationen:  1)  je,  tu,  *oy, 
2)  Demonetrativa  und  Relativa,  3)  Posse  ssiva. ') 

Auch  von  Accidentien  der  Pronomina  spricht  Pitot  in  der 
ersten  Bearbeitung  gar  nicht,  in  der  späteren  (ed.  1563  S.  59) 
nur  fluchtig,  im  Gegensatz  zu  seinen  Vorgängern  und  unmittel- 
baren Nachfolgern.  Höchst  sonderbar  nimmt  sich  seine  spilter 
getilgte  Behauptung  (Bl.  14  r°)  aus:  Tria  tantttm  pronomina 
vocatiuum  habent  6  top,  6  mon,  6  noBtre.  Caetera  quinqut  eatta 
tantum  habent*') 

Den  syntaktischen  Unterschied  zwischen  moy  und  je  hat 
er    präzis    formuliert:    Moy  &  toy,    usurpantur  tantum    in  reUt- 

tyves  und  distritntlyves  „by  cause  of  lykenesse  m  nature"  den  pro- 
notvnes  dcmonstralyvts  hinzu  (S.  74)  und  bespricht  sie  ausführlich  in 
den  Annotacyons  hierzu  (8.  367).  Sylvias  S.  99  ff.  behandelt  sie  alt 
Nomina  innerhalb  des  Accidens  „Species"  vor  den  Deminutiven,  Meigret 
8.  47  ff.  und  Raums  1563  S.  42,  1573  S.  60  im  Accidens  Nombres,  B. 
Estienne  (S.  14)  bei  der  Diuision  des  Substitutives,  Caucine  (8.  ST) 
unter  den  Pluralia  tantum,  Nathanael  Ö.  S.  24  nach  der  Komparation. 
J.  Garnier  hat  ihre  kurze  Erörterung  in  die  Ohservationes  «ominitm 
n"  XIII.  (S.  20)  verwiesen  und  Du  Vivier  bringt  auch  die  Kardinalzahlen 
unter  den  Adverbes  numerandi. 

')  Palsgrave's  Einteilung  der  Pronomina  (3.  74)  besteht  an«: 
primitives,  derivatives  (Possessiv»),  interrogatyves,  relalyves  und  deirum- 
stratyves,  wozu  er  auch  partityves,  distributyves  und  mimerales  rechnet. 
Besondere  Dekliuationsgruppen  kennt  er  nicht.  —  Sylvias  giebt  keine 
allgemeine  Einteilung  ordnet  die  Pronomina  aber,  wie  folgt:  Personal- 
pron.  (S.  109),  Demonstrativst  (3.  108),  Possesiva  (3.  110),  Interrog. 
nebst  Relativa  (S.  112).  —  Auch  Heigret  bespricht  einfach  hinterein- 
ander die  Personalpron.,  worunter  er  aber  die  Demonstrativa  gleich 
mit  behandelt  (S.  72,  5),  die  Relativa  (8.  7G,  3),  denen  anch  y  (78,  29) 
beigesellt  ist,  die  Potsessiva  (S.  78,35)  und  das  Pronom  roitoratif  nterne 
(8.  81,  17).  —  R.  Estienne  teilt  (3.  28  ff.)  die  Pronomina  in  dieselben 
drei  Deklinationen,  wie  Pilot  und  anch  Caucius  S.  86  f.  führt  sie  in 
derselben  Reihenfolge  auf,  ohne  sie  indessen  in  bestimmte  Deklinationen 
zu  verteilen.  J.  Garnier  nimmt  zwar  auch  drei  ordmes  an,  weift  dem 
ersten  aber  die  (Personalia  und)  Demonstrativa,  dem  zweiten  die  Possei- 
siva  und  dem  dritten  die  Relativa  zu,  geht  also  auf  Sylvius  rnrflck. 
Du  Vivier  läset  jede  Gruppierung  vermissen.  —  Ranius  1562  3.  47 
gruppiert:  1)  Moe,  Toe,  Soe,  2)  Le'  derive'  de  se'  troe'  pronom' ... 
apete' posessifs,  3)  Demonstrativa:  Sf,  Lui.  selui,  4)  Relativ,  5)  Das  Itera- 
tif :  Meme.  In  der  Ausgabe  von  1572  3. 10  ff.  versetzt  auch  er  die  Posses- 
sivs, an  den  Schlug*.  —  Nach  Nathanael  G.  8.  26  endlich:  Pronomäivm 
atia  sunt  Demonstrattua  (incl.  die  Personalp ron.),  alia  Possessiua,  atia 
modo  demonstrattua  modo  possessiua  fteur  &  leurs),  atia  Relativa.  Am 
Schluse  S.  29  werden  noch  besonders  aufgeführt  le,  y,  en  nnd  merme. 

*)  Auch  Ramns  erkennt  in  der  Bearbeitung  von  1572  8.  71  ff. 
(1562  sagt  nichts  darüber)  nur  denselben  Pronominibus  einen  Vokatif  in. 


Ptetn  einer  Geschichte  der  französischen   Grammatik  etc. 

tionibus,    idque    verbo    non  expresso.    Je  &  tu  in  enuneiationibun 
&  non  niti  verbo  expresso.1) 

Ferner  lehrt  er:  Inter  ce  vel  ce*t  et  cy  subutantiuum  ex- 
presmm  vel  adiectittum  ivterponitiir  (ce  litlre  cy  15  vüj  ;  cestuy 
ey,  c.  la,  eeluy  ey,  c.  la  sind  substantivisch;  eeluy  wird  vor  qui 
gebraucht.  (16  v°)äj  Statt  angehängtem  cy  tiudet  man  auch  icy, 
ted  raro  nüi  apud  poetas.  (Vgl.  hierzu  Barton:  cest  komme 
icy ,   Zs.  }.  n/r.  Spr.  u.  L.  I  30,  22  u.  37  t) 


')  Palsgravo  spricht  sich  hierüber  S.  333  eingehender,  aber  un- 
klarer folgendennassen  aus:  Whan  so  ever  we  nse  J  in  our  long,  as 
nominatyve  case  lo  a  eerlie,  if  the  frenche  tonye  nse  l/ie  same  verbe  as 
personal,  tkey  use  ever  je  ...  .  öfter  interrogalions,  answers  made  by 
Ihis  verbe  suis,  yteracyons  af  the  m-onowne,  imparalyve  modes,  adver- 
bes,  preposylions ,  cunjtiMtwns  and  inlcrjectiorts,  mhetha-  we  nse  J  or 
me,  they  use  ever  moy.  —  Schon  Barton  {Zs.  f.  n/r.  Spr.  it.  L.  I  30,  43) 
kennt  den  Gebrauch  von  moi  in  der  Antwort:  moi,  toi  die.  sont  obli- 
ques ....  resnondant  its  doivent  eslre  partes  pour  leurs  nominalifs.  — 
SylviuB  bemerkt  S.  107:  in  nummatiim  qiw/tie  rt.tpvmtendo  !f  interro- 
gaixäo  moi,  non  y-i  dichnus  .  ,  ,  vln  si  ntidas  verinim,  dien  g-e  non  moi. 
Ausführlich  handelt  darüber  Meigret  S.  66,  25  ff.  —  K.  Estienne  sagt 
S.  S3:  ün  vse  de  moy  J"  toy  qtiand  on  respond  a  finten-o'jation:  cumme, 
Qui  a  faiet  cela?  .  .  .  Cest  moy  ....  Quand  aussi  nous  ttions  auoir 
faict  ce  qu'on  nous  impose :  comme,  c'est  tot/  qui  as  faiel  cela.  Ce 
x'e\st  pas  moy.  Nous  ett  vsons  aussi  en  ces  munteres  de  parier,  commc 
Fay  cela  pour  l'amov-r  de  moy  .  .  .  0  moy  miserable.  —  J. Garnier 
S.  17  f.:  ego.  tu,  Ute  si  verbo  coniunguntvr  in  proimmine  temper  effe- 
runtur  per  ic,  In,  it.  ....  Seorsim  vero  J-  per  se  extra  propositionem 
ejferuntvr  per  moy.  tou,  t«y;  ut  si  t/uts  inlen-f/d:  Quis  feeit  hoc? 
respondebis  simj'ticiter.  Aloy  ...  —  Ausführlicher  erörtern  die  Frage 
Kanins  in  der  Syntax  1562  S.  93  f.,  1572  S.  154,  Caucius  S.  87  und  in 
der  Syntai  S.  218,  sowie  H.  Esticmi-  Bypowmtte*  S.  160,  Nur  paren- 
thetisch erwähnt  sie  Natimnael  G.  8.  62. 

*)  Schon  Palsgrave  spricht  (S.  357)  übor  die  durch  ein  Substantiv 
getrennten  ce  ey  und  ce  la,  sowie  (S.  358)  über  den  Gebrauch  von 
eil  oder  eeluy.  —  Über  et: tut  ey,  celuyla,  sowie  über  eil  ou  eeluy 
qi  et  n»  demanstratif  indeter mini,  e  t/i  n  tiesoin  de  la  suyte  d'un  relatif 
pour  dfifimimut  ee  i/'ii  demontre  (eeluy  ft  home  de  bien  qi  sfrt 
bien  Dien)  handelt  Meigret  73,29  ff.  —  R.  Eatienue  bemerkt  (35): 
Aucunes  fois  »n  mit  mg  mal  entre  deux:  comme,  Ce  iiure  ei  .  .  . 
Celuy.  ou  Vit,  qui  est  vng  Proiwm  demouslratif  qui  ne  termine  rien: 
pourlatil  on  luy  l/aiile  vng  relatif  qui  le  .mit  pour  delertniner  ce  qu'it 
demottstie:  comme,  Celuy  est  hornme  de  bien  qui  Mit  seton  Dieu, 
lehnt  sich  also  zuerst   an  Pilot,   zuletzt    fast  wörtlich    an  Meigret   an. 

—  Garnier  S.  28,  Ohscrvatm  111,  konsUtiort  ausdrücklich  den  substan- 
tivischen Gehrauch  von  cestuy-ci,  cetuy-la  und  S.  30,  Obs.  VI,  still- 
schweigend die  Trennung  von  ce  ci,  ce  la  durch  dazwinehen  gesetztes 
Substantiv,  ebenso  S.  43,  Observ.  111,  den  Gebrauch  von  celuy  vor  qui. 

—  KamuB  1562,  S.  86  beschrankt  sich  auf  folgende,  iui  »weiten  Teil 
auf  Meigret  beruhende  Bemerkung:  lious  abozon  de  Stsi  e  Se/a  pour 
Se:  Toh'  sesi  cE  wo«'  dites  .  .  .  Seti;  si.  Seit;  la,  Seuzi,  Seuta  .  .  . 
(S.  87)    St lui   ou  Sil  e'   dcmunslratif  indetermine.    e  pmtan     toujours 

18* 


Ü7G 


E.  Stengti, 


Als  gen.  plar.  maBc.  von  il  wird    ttvr  >•?!  de  I.«. 
fllr    das    fem.    d' eil  tu,    de    leur»    angegeben-      Die    possessio 
Geltung  ist  alao,   wie  die  Ausführungen   neigen,  mit  der  des  Per 
aonalpronomens  zusammengeworfen ,    offenbar  "'eil   Pilot  letzlen- 
nur  als  Demonstrativpronomen   au  franste.1) 

Den  syntaktischen  Unterschied  von  adjektivischem  Bio«  ni 
snbf.tantiiiBch.ein  mit»  bat  ei  Dagegen  richtig  angegeben,  Ferner 
heisst    es    Bl.    19:    Vor   Vokalen    werden    statt    ma,    ta.  «a  ge 


ajomt  (irce   le  relntif,  e  riantet  poin    ni  Si,   ni  La.   Stlui   et  gm*  ä- 
bien   ci  ereiti'  Die«.     In   der  Anag.   1672  S.   142   fügt  er  QO 
Cecy  &  Ceta  sunt  qurlquc  /'ni\   diitises.    aiiimie,    i'e  hur.-  eij.  er  hur, 
la,  wohl  mit  Anlehnung  in  C*ueiut  8.  33:    Vecy  &  tela   sttteni  iliuult 
4  nomen  intersat  Imc  modo:   I  •■    tiure   et/,   cel   komme   ry. 
S.   9!:    crluij    posl    te   fturjitttt    retaliuum    nlii/uoil.    ul    iiuhcciitr. 
tttterrntttati   ttgnifitct   fuast  wohl  auf  Meigret,   w&hrend  die   eo 
Ulf  l'il'il   iiirrtck  weist. 

2  Umgekehrt   erwähnt.  Meigret  daH   Personalpronomen  leur  nur 
?m    PoaBeaaiv  (81,  9  ff.),    wahrend  I'ahgrave    |ju    Hhon 
siehe  ZeiUchr,  f.  tu-ufi:  Spr.  u.   Litler.  1  31,  10  ff.)    beide    Hl 
auseinanderbillt  (S.  78  u.  80).  —  Aber  mich  Silvios  achied    i  ■ 
S.  ins  tBhrt  er  als  Pluralformeu  von  il  an:   l'h.  gm.leuri  dat.  teurs: 
Vi  Morton  libri,   /eins  liu-res:   cr/ti   Ulis  tit/naui,  ij-e  leuft  >"U  dont?  eben) 
im   femin.  —  R.  Eatieune   gibt    S.  26    Leurs,   dt        »I  t, 
gen.  pl.  mask.,  d'Etles,  Leur*  als  fem.    Auch  ihm   ist  (/  Den 
pronomen  und  unter  den  Poweasiren  kennt  er  kein  leur,   \\  ■ 
sowenig  J.  Garnier,    welcher  S.  26   ebenfalls  nls  gen    pl,  runak.:  d'tu,t 
de    teure,    fem.    d'elles    de    leurs    unter    den    DemonatimtiTen     U 
Ramua   1562  S.  48  erwähnt    bei  den  Demonstrativen:   /-•;  pose 
d$   lui,  nii  U,  e'  d$  camnn  jenrr..  leur  smijitlier,  Uitrs  ptuner  n.  &  U 
in    der  Syntai:    Leur,   i-'    celee'/be'   rrlatif  paar   ■'■    p 
times   out   ofeSttt   Uhu    ,>._■    c'Ü   few    <i~ dt'itc    •(    cithndrc.      Vi  I 
drückt  lt  sieb  1572  S.  72  ans:    II  oh  luy  nominal'/  ..../■■ 
ciis   efe    qenre,     comlrien    aue   les   Orammairüns    U   jnssent   p/urier.     ,(■ 
(S.   73)    /ihivier    Hz,    ort  kulx   mminatif   .    .       .    Leurs   de   tout  au  d 
ij.idi-  (et  meint  also  hiermit  das  posaessivi.=i'he  leur),  oder  auch  S,  Hl 
Lew  <fc  Iturs   Stint    reeiiirtu/ttcs   n  )ilnsifur,<  fitim    Son,   sesr   eonttne  ier 
paretis  aymcnl   Itiir  sanij:   Hl   eheriisent    leurs   ruf  an 
pas   snn   sang,    inj    ses   enfans.     Vorauf    geht    die    I56S    \ 
sprechende  Btello  mit  fehlerhaftem  leurs.  —  Erst  Ctwciu»  bat 
den  wahren  Thatbestand.   wie   auch    richtig  den  Grund   d« 
Verwirrung  angegeben.     S.  100:    Tertia  fd.  h.   potteltim)    /■-■■ 
cuius    loC'i    fft'nilintim    lU-mmiMruliui   Si  u    •■'■/<  /•  «ff.»    pm/muuii** 
leur    öki*  ....   Cum    autm    pleru/ne  Ltilini  scrmtmii   eurtottm  aM 
rationem  httherent,   iiitlerentque  ,-iiismodi  p-issessiumii  in  tota  l.n: 
nun    reperi.    mdiairunt    tetttsstini    liinimiis    etitmi     uns    eo    d. slitutos    esse 
HtU  ttiilti  Uli  sunt  (t  siitt  fnrlumi   uoiujni.   i/iti  suii  opilius   ..:■. 
i/uam  Soli  ij's  frui.      ihnc  Uli  demoiistrtititmis  relationisi/iie  urdines  mirum 
in   modum  pcrturliarunt .-  qua   de   re  cutis  dkeStte   HM    iiidebor,    si  inlel- 
leelum   erit   leur  semper  pnssessiontm    sii/m/ieare.    ntst   quoil    nt    ,l,ir>t>;- 
phualis   pronominis   luv       Auch    führt  er  richtig  S.  90   al*     j 


Man  einer  Geschichte  der  französischen  Grammatik  etc.         277 

•eilt:  nuuculinae  voces,  mon,  ton,  son  ad  evitandum  hiatum 
imarvm  vocalium  concurrentium:  euphoniae  (Darmstädter  Ex.: 
emphaseos)  enim  sunt  amatores  Gatti1)  ....  Aliquando  tarnen 
id  non  observatur,  vt  dicamits  m'amye,  c7est  m'amye  vel  c'est 
mon  amye.  Sed  nescio  an  adhuc  aliud  exemplum  reperire  liceat 
praeter  hoc  vnum  m'amye.2) 

Die  Verba  zerfallen  bei  Pilot  in  persönliche  und  unper- 
sönliche (20),  besitzen  3  genera,  5  modi:  indic.,  imperat,  optat. 
(Di tu  veuille  que  i'aye  oder  Pleust  a  Dieu  que  Veusse), 
tenjunct  (veu  que  j'ay  vel  combien  que  i'aye,  quand  Vaurois 
sd  veu  que  i'auois  vel  combien  que  i'eusse),  infin.,  6  tem- 
pora:  praesens,  praeteritum  imperfectum,  (a  prima  persona  plur. 
mdk.  praes.y  ons,  in  ois  mutato,  Bl.  27  r°),  praet.  perfeetum 
prius  (quod  potest  dici  Indefinitum:   feu),   praet.  perf.  posterius y 


*)  Dieselbe  Wendung  begegnet  schon  Bl.  3  v°,  wo  es  heisst,  dass 
i  femininum  elidiert  werde  propter  euphoniam  ctthis  amantissime  sunt 
mores  Gaüorum. 

*)  In  Barton's  Donat  ist  von  dieser  Spracherscheinung  noch  nicht 
die  Rede,  wohl  aber  kennt  sie  Palsgrave  3.  80:  if  a  feminine  substan- 
Use  or  his  adjective  begyn  with  a  vorvel  or  tvith  h,  not  havyng  his  aspi- 
raOon,  they  use  not  before  them  ma,  ta,  sa  bui  mon,  ton,  son,  fbr 
the  avoydynge  of  the  harshe  sounde  of  11  votvels  toyether.  (Vgl.  auch 
S.  547  f.)  —  Recht  bedenklich  spricht  sich  Sylvius  gelegentlich  des 
genns  der  Nomina  (S.  94)  darüber  aus:  Pöstremo  quaedam  velui  dubü 
fsneris  sunt.  Nam  haec  spatha  , .  .  etiam  apud  nos,  dicentes,  vne  bone 
espe'e  ....  Hoc  stabulum  .  .  .  nos.  vne  bone  estable.  Sed  mea  .  .  . 
spatha  .  .  .  mon,  ton  espe'e  .  .  .  .  ,  tanquam  mascuüna,  aut  neutra 
essent,  dicimus.  Contra  meum  .  .  stabulum:  mon  .  .  estable:  genus 
LaUnorum  retinent,  fuga  apostrophi,  quod  durius  videretur,  m' estable 
.  .  .  m'espet  &  caetera.  Quam  asperitatem  vt  vüarent  maiores  nostri 
t  ö»  quSbusdam  interiecerunt,  mea  .  .  .  auia,  amita:  ma  .  .  taie,  tarnte 
vel  tanle:  pro  aie,  amte  vel  ante.  Non  id  tarnen  in  omnibus.  Nam 
mea  .  .  amxca:  mfamie  .  .  .  .  Sed  hoc  ad  gaUicam  syntaxim  ä  nobis 
postea  tradendam  (aber  nicht  vorhanden)  maais  pertmet.  (Immerhin 
gibt  die  Art,  wie  Livet  S.  31  diese  Stelle  analysiert,  ein  schiefes  Bild 
von  Sylvius'  Ansicht.)  —  Zutreffend  ist  die  Ausführung  Meigret's 
S.  78,  38  ff.  und  die  damit  übereinstimmenden  von  Ramus  1562  S.  83, 
1572  S.  147  f.  und  von  Nathanael  G.  S.  65.  R.  Estienne  (S.  30)  drückt 
sich  aber  wieder  unklar  aus:  Mon  Ton  Son  mascuäns,  aucunesfbis  se 
mettent  au  heu  de  Ma,  Ta,  Sa  femenins,  auant  les  noms  commenceans 
per  voyelles  .  .  .  Quelque  fois  nous  disons,  M'amie,  Mfamour:  mais 
€est  en  ostant  a  de  ma,  ou  plustost  on  de  mon,  a  cause  que  la  pro- 
nontiation  seroit  trop  rüde.  —  J.  Garnier  (38  v°)  lehnt  sich  teilweise 
wörtlich  an  Pilot  an:  Hae  foem.  voces  ma,  ta,  sa  nunquam  praepo- 
nunlur  nominibus  foem.  ä  vocali  incipientibus:  sed  ipsorum  toco  ponuntur 
voces  mascul.  mon,  ton,  son.  Quod  fit  vt  evitetur  hiatus  duarum  voca- 
lium concurrentium,  gut  euphoniam  corrumpit ....  Excipe  m'amie.  — 
Caucius  sagt  in  der  Syntax  einfach  (S.  209):  Cacophonie,  uitande.  gratia 
nominibus  foemininis  ä  uocali  inchoatis  mascuüna  Pronomina  praeponuntur. 


378  E.  Stengel, 

praet.  plusquamptrf. ,  futurum  (formahitur  ab  inf.  addita  ay,  ai,  *, 
&c.,  27  v°),  aüBBerdem  gerundia  (D'avoir,  en  aj/ant,  attoir, 
vd  pour  auoir),  supina  (aller  auoir,  aller  pour  auoir, 
d'avoir),  partie.  praet.,  fut.  (qui  aura).1) 


>)  Auch  iiarton  (Zs.  f.  n/r.  Spr.  I,  33)  teilt  die  Verbs,  in  persönliche 
und  unpersönliche  ein,  kennt  3  genrea:  actif,  seuffrant,  neutre,  5  raeufi, 
S  temps  (present,  pretert  imparfait,  pret.  parfait  [je  aymey(e)  ou  je 
ay  ame'J.  pret.  piusqueparfait ,  future)  und  2  participles:  le  preient, 
le  pretert.  —  Nach  PaUgrave  (S.  83):  Of  verbes  some  be  aetyvet,  some 
be  meanes,  and  some  be  passyves,  and  agayne  some  be  parsonal,  pd 
some  be  unparsonals  .  .  .  Verbes  actives  parsonals  haue  X  acääentes, 
mode,  teiu,  circumlocutyiig  of  the  pretertenses,  nombre,  parson,  Mw 
gatioH,  formatüm,  cowipotition,  addynge  of  lUiabical  adjeetions  m  tflr- 
mation  and  negation  and  Order  differenl  front  our  long  in  interrogatxnu. 
Modei  the  haue  VII:  indic.,  subjunclivc  (uovldz  uovs  que  je  perle}, 
poteneiaä  (je  parlerdye.  Vgl.  S.95:  of  je  parlerdy  is  formed  per. 
leröye.  Wegen  des  Gebrauche  s.  8.  378  f.),  imperat.,  optat.  (bin 
parle  il),  condieional  (ty  je  parle},  ätfin.  .  .  .  Tensei  FI:  prcteti, 
preter  imperfit,  mdiffinite  (je  parldy),  preterperfit ,  preUrpbaptrft, 
future.  —  SyWiuB  US:  Verbo  acciduni  Septem:  quaütas,  gemis,  numerus, 
figvra,  temput,  persona,  coniugatio  ....  Qualitas  .  est  m  modis  £  m 
formis.  Hodi  sind  5.  lmpersonalis  quem  addunt  nonmslä,  media  mm 
est  .  .  .  (U4)  Gerundia  &  supina  siue  modi  sunt  .  .  .  sine  Derbe  .  .  . 
Forma  .  .  duplex:  primitiua  &  deriuatiua  .  .  .  (115)  Genus:  .  .  .» 
verbo  signifieationem  exprimit  actiuam,  passmam,  neutram,  deponenism 
£  cnmmuncm  .  .  .  Genus  .  .  non  voce  .  .  .  sed  sola  significatione  .  .  , 
diseernimus  .  .  .  (117)  Figvra  duplex:  Simplex;  componta  .  .  i  (US) 
Tempus  nobis  quotuptex  Lttinis  est:  Praes.,  Praet.  imperf.,  Praet.  ferf 
pridem  (g-aimai), praet.  perf.  indefinitum  &  indeterminatian  {g'-hei  am«), 
Praet.  plusqvamperf,  Fut.  imperf.  (8.  185:  Fut,  .  ,  per  fut.  e&m- 
unctiui  syncopatum  exprimimus.  Pro  amabo  mint  amavero.  &  mdt 
amaro,  nos  g'-awterai.),  Fut.  perf.  —  Heigret  (S.  88):  Le  Ffrv'  a  keyt 
aecidens:  qi  sonl  la  sinificacion,  le  tfms,  le  mode,  Cespfce,  la  figvre,  k 
eonjügeton,  la  person'  f  le  nombre.  La  sinificacion  ou  j/nr*  amsisU 
propremfnt  en  aecion  ou  passion.  Tems:  prezfnt,  preterit  au  paut 
impfrfft  (gebildet  de  la  premiere  pfrs.  du  patrier  du  prez.  en  tournant 
ons,  en  oe  ou  OfS  8.  114),  passe"  indetfrmind  (feymey),  passe  pfrfet, 

rti  ptusqepprfft,  futur  (la  pr.  oonjug.  en  er  ajoute  ey  .  .  .  a  tmf. 
12$).  Moaes:  htdic.,  imperat.,  opt.  (fymerof  —  se  forme  dujwt. 
de  Find,  ey  .  .  en  of  S.  128  — ,  fymasse  .  ,  .  eyme),  subjonctifm 
conjonctif,  in/in.,  partif.  .  .  .  Espeees  2:  primitive,  dermatiue.  —  &.£■&• 
enne  8.  SS:  Le  verbe  a  sept  aecidens:  Mode,  Temps,  Espeee,  Figurt, 
Cotiiugaison,Perionnetti\oinhre{aowio  das  nicht  ausdrücklich  aufgeführte, 
aber  thats&chlich  beachtete  Sfache  genre  und  die  Scheidung  in  per- 
sonale und  impereonals).  Modes  tont  de  5  sortes:  Ind.  ,Jmp.,  Opt.  (0  que 
uolonliers  t  Aimeroye,  i'Auroye  nime.  Dteu  uueilte  que  i'Jime), 
Conionct.  ou  Subionctiue  (Combienqve,  ou  Comme  ainsi  sott  que 
i'aye,  quand  i'auroye),  infin.  Temps:  Pres.,  Pret.  imparf.,  [reLparf., 
lequel  est  de  deux  sortes,  Pret.  plus- que  parf.,  Fat.  imparf,  P*L  perf. 
—  J.  Garnier  S.  44  führt  keine  Accidentia  au  und  sagt:  Ferberum 
genera,  modi,  lempora,  nimm  &  personae,  eadem  omnäto  sunt  Gatts 
quae  apud  Latinos,  nisi  quöd  Gaili  passiua  verba  non  kabent    Die  Tem- 


Plan  einer  Geschickte  der  französischen  Grammatik  etc.         279 

Die  Vergleichung  mit  den  älteren  und  nächst  jüngeren 
Grammatiken,  ergiebt,  dass  nach  Pilot' 8  Vorgang  auch  J.  Garnier, 
Ramus,  Da  vi  er  und  Caucius  von  einer  Aufzählung  der  Accidentia 
Abstand  nehmen.  In  der  Auffassang  des  heutigen  Conditionnel 
als  Conj.  Imperfecti  ist  unserem  Autor  allerdings  nur  J.  Garnier 
gefolgt,    während   Duvivier,    wie   schon   Barton,    einen    Optativ, 


pora  heissen  ihm :  praes.,  praet.  imperf,  praet.  per  f.  primum  seu  simplex, 
praßt,  per  f.  secundum  seu  compositum,  praet.  plusp.,  fut.  (Fut.  formatur. 
«  prima  pers.  pres.  ind.  addito  ray  S.  49);  die  Modi:  ind.,  imp.,  opl- 
pleust  a  Dieu  que  i'eusse,  Dieu  veuille  que  i'ayej,  eoniunct.  (om- 
mno  ssmiUs  indic.  .  .  .  semper  addit,  veu  que,  vel  quand  ....  non- 
nuUi  volunt  itlum  varie  coniupare,  iuxta  signorum  varietatem  .  .  .  com- 
miscenlque  optat.  cum  ipso  eoniunct.  —  d.  h.  Pilot  und  Meigret  S.  96,  9  ff.  — 
.  .  .  Etenim  in  praet,  imperf.  .  .  .  nonnihit  aliquando  variare  videiur, 
turne  scilicet,  quando  reeipit  hoc  Signum  quand,  alias  nunquam:  atque 
turne  semver  interserit  literam  r  in  postrema  syllaba  imperfecto  sui  indi- 
caäui:  aieimus  enim:  Quand  faimeroye  .  .  .  etiam  quand  i'aimoye 
.  .  .  Ai  hacc  omnia  vsus  &  assidua  leeiio  facile  iudicabunt.  Idcirco  ego 
prudens  ilia  omnia  inter  coniugandum  praetermittam  S.  51  f.),  in  f.;  ferner 
genmdia  und  supina  (circumloquuntur  S.  54)  —  Duvivier  kennt  5  modos : 
La  mamere  d 'annoncer,  de  Commander,  de  desirer  ou  souhaiter  (Dieu 
veuille  que  ie  parle,  0  que  ie  parlasse,  Pleust  a  Dieu  que 
iay/ej  parle,  0  que  i'eusse  p.,  Dieu  veuille  que  ie  parleroy), 
conkmetüte  ou  conaitionale  (Combien  que  ie  parlay,  feu  parle',  Quand 
i'auray  pj,  infinitiue;  ferner:  Geronaifs,  Participe  (parlant)  .  .  .  Dar 
aeindt  auch  5  zeiten:  pres.,  imparf,  parf.  (Vay  parle.  Unerwähnt 
bleibt;  ie  parlaij,  plusquep.,  fut.  —  Caucius  unterscheidet:  Personalia 
und  Impers.,  2  genera:  acL,  neutr.  fpass.  non  habemus),  5  modi:  ind. 
imp.  (Garnier  —  8.  50  —  habe  fälschlich  gelehrt:  nominaliuos  imperatiuis 
semper  subiunyere  S.  109),  opt.  (praes.  u.  fut.:  Vaimerois  uoluntiers 
od.  oque  Vatmerois  od.  pleut  a  Dieu  que  Vaime;  praes.  &  imperf : 
Pleut  a  Dieu  que  i'aimasse,  perf:  Dieu  uueille  que  Vaye  aime), 
conj.  (praes.:  iaeoit  que  Vaime  od.  si  i'aimois  od.  combien  que 
i'aimasse;  perf:  neu  que  i'ay  aime:  plusq.:  quand  Vaurois  a.  od. 
ueu  que  i'auois  a.J,  inf;  6  tempora:  praes.,  imperf,  definitum,  perf, 
plusq.,  fut.  —  Nach  Ramus  1562  S.  50:  L%  verb$  et  divize  tripiqment 
par  la  diferens$  de  la  person§,  vremierement  en  personal  e  impersonel 
....  Secondement  en  ftnit  e  infinit  ....  lÜersement,  le  verb'  et  aeiif 
ou  neutre  ....  Tom  e'  la  diferens$  du  verb$  selon  le  prezent,  preterit, 
fuiur.  Le  verb$  finit  a  troe$  tams  imparfes  e  un  parfet.  Le  premier 
prezent  et  com%  Arno,  einte.  Le  secont,  com$  Amem,  eim§.  Zg(S.52) 
premier  preterit,  come  Amabam,  eimoe,  1$  sfcont,  come  Amarem, 
eimeroe$,  !§  troeziem$  eimase.  Le  premier  futur,  come,  Amabo, 
eimere,  le  second  Ama  eime.  Le  parfet  e'  com§  Amavi,  eime.  ib. 
S.  102:  L$  second  preterit  parfet  e'  sextuplq  pour  un  seul  laiin,  com§ 
Amaverim:  Vu  cej'e  eime,  Combien  c§  j'ei$  eime,  0  c$  volon- 
tier j'auroe  eime;  Vu  c§  fe  u  eime,  combien  (S.  103)  c^  feie  u 
eime,  o  ce  volontier  fauroe  u  eime  ....  1572  S.  78  ist  die  Ein- 
teilung des  Verbs  in  finit  und  infinit  weggeblieben.  Die  Einteilung  der 
Tempora,  welche  hier  auf  S.  75  voraufgenomuien  ist,  ist  noch  unklarer 
als  früher:  Temps  -c'est  u.  s.  w. .  .  .  Le  verbe  finy  «...  ung  parfait.  Des 
trois   imparfaicts,  le  presenl   est  quadruple,   le  premier   comme    Arno 


280  E-  Stengel, 

Estienne  und  Cancius  mit  Sylvius  und  Meigret  einen  Optativ  oder 
Konjunktiv  und  Palsgrave  einen  Potcntialis  darin  erMicken.  Die 
2 -Teilung  deB  Perfektnms  iat  bcrcitB  Barton  und  Palsgrave  be- 
kannt, Pilöt'B  Bezeichnung  praeteritum  perjeetum  indeßnäum  triffi 
mit  der  von  Palsgrave  —  der  darin  Übrigens  eine  Übersetzung 
von  AoristuB  erblickt  —  verwandten  zusammen,  wahrend  Sylviu.- 
die  Bezeichnung;  indefinilum  &  indetermtnatum,  gerade  so  wie 
es  noch  heute  geschieht,  für  das  zusammengesetzte  Praeteritum 
beansprucht,  KeJgret  dagegen  wieder  passe  indetermini  für  das  erste 
Perfekt  braucht  und  erst  l.'aucius  den  heutigen  Ausdruck  dtfini- 
tum  für  letzteres  aufgebracht  hat,  und  ähnlich  Nathanael  O.  1584 
zwischen  einem  Praet.  determinatwm  und  einem  Praet.  indeUrwi- 
natum  unterscheidet.  Hinsichtlieb  der  Bildung  der  Tempora  haben 
die  im  ganzen  richtige  Ansicht  Pilot' s  über  die  Bildung  des  Futnrs 
schon  Palsgrave  und  Meigret,  später  Caucius  (8,  110  und  127] 
und  Nathanael  G,  1554  8.  46  ausgesprochen  —  dieselben  haben 
auch,  was  Pilot  unterlassen  hatte,  die  Bildung  des  Conditionuel 
aus  dem  Futur  festgestellt  —  wahrend  Sylvius  und  noch  J.  Garnier 
ganz  verkehrte  Ansichten  Über  die  Bildung  des  Futurs  nnd  Con- 
ditionnels  (Holyband  8.  201  deB  FrencA  UUkton  1630  folgt 
hierin  blindlings  Garnier,  den  er  allerdings  auch  in  seiner  Pro- 
nunciatio  1580  rühmend  erwähnt  hatte)  hegen,  Estienne  und  Du- 
vivier  völlig  darüber  schweigen.  Die  Angabe  Pilot's  betreffs 
der  Bildung  des  Imperf.  aus  der  1.  PI.  Praes.  Ind.  kehrt  auch 
bei  Meigret  und  Nathanael  G.  1584  8.  42  wieder  und  macht 
die  Annahme,  dass  Pilot  Meigret's  Werk  bereits  vorgelegen 
habe  sehr  wahrscheinlich. ')  Auf  jeden  Fall  ist  aber  Pilot  seinen 
Vorgängern  SylviuB  und  Meigret  gegenüber  sehr  selbständig  m 


(8.  76)  aijme:   It  seeond   cumme   Amen,    Atmet   Le  troitiesme   &  gua- 
trittmi,    tont   commc    A mar em.    Aymeraie,    Aymasse.       L:    grrt  ri 
comme  Amabam,  aymoie  &  ttertcho/  Antartm,  aymoie  ■• 
Le   tecond  prtuterit   est  ectuplr  ponr   vmj   lenl  Latin  Amaveris.     Lei 
quatres  premier*    ml   In   penpHratt  timpf-      6  ttdt  prent*. 

A*,  Ayes,  Aurait  &  par  le  praeterit  imparfaict.  Auoit:  (amme,  Veu 
que  tu  as  ai/me,  Combien  que  tu  ayes  (S.  174)  a.,  O  quo  volon- 
tier! tu  aurait  a.,  Vcu  qua  tu  auoit  a,  etc.  —  Nathanael  G.  30ff. 
endlich  teilt  die  Verbo  in  Activa  und  Neutra,  die  Tem| 
Praet)..  Imperf..  Praet,  determi natum  (i'allay),  Praet,  indeterininatani 
/i'ai/  reu),  Plustpiamp.,  Fut.;  die  Modi:  Ind.,  Iuiperat-,  Optat.  {ljupert.: 
Heust  a  Dieu  que  je  dontuse  od,  volontiert  vel  o  que,  vel  qu< 
riroisj.  Conj.  (nutl-\  hiihet  /iee-ii/iiire.t  tirminttiiitnrs),  Inf. 

')  Die  Epistola  Pilots  ist  Lutetiae  29  Junii  1550  datiert,  nnd  t 
VerUgsprivileg  vom  Sjuület  1560,  es  darf  also  eine  Bekanntaehaft  a 
Meieret  a  1550  in  Pari«  erschienenen]  Buch  sehr  wohl  aagenouuB 
werden.  Leider  iHt  Meigrets  Vorrede  nicht  datiert  auch  ein  Viih,. 
Privileg  nicht  vorhanden. 


Plan  einer  Geschichte  der  französischen  Grammatik  etc.         281 

fahren  und  hat  das  Verdienst  die  Verballehre  weit  übersichtlicher 
als  diese  dargestellt  zn  haben,  weshalb  auch  seine  Nachfolger  sich 
ihm  ziemlich  eng  anschliessen,  ausgenommen  nur  Estienne,  der, 
nicht  zum  Vorteil  seiner  Behandlung,  sich  enger  an  Meigret 
anlehnt  J.  Garnier  —  von  Raums  und  Duvivier  ganz  zu 
schweigen  —  kann  nicht  beanspruchen  die  französische  Verbal- 
lehre fortgebildet  zu  haben ;  dass  er  sich  abgemüht  hat,  die  Ver- 
mengung von  Optativ  und  Konjunktiv  zu  beseitigen,  wird  man  ihm 
nicht  als  Verdienst  anrechnen  können.  Nur  Caucius  geht  Über 
Pilot  hinaus,  doch  steht  auch  er  der  Hauptsache  nach  auf  dessen 
Sehaltern.  Noch  deutlicher  tritt  die  Bedeutung  der  Pilot'schen 
Hstituiio  in  der  Gruppierung  der  Konjugationen  hervor.  Sie  ist 
es  nämlich  gewesen,  welche  die  heutige,  vom  Lateinischen 
völlig  abweichende  Aufeinanderfolge  (nach  den  Inf.  auf  -er,  -ir, 
-vir,  -re)  aufgebracht  und  ihr  bald  auch  ziemlich  allgemeine 
Geltung  verschafft  hat.1) 


l)  Dieselbe  Einteilung  beobachten  nach  ihm:  Duvivier,  Caucius, 
Nathanael  G.  1584  (8.  MO),  Hulsius  1602,  Ph.  Garnier  1607,  Cotgrave 
1611,  Maupas  1618  S.  99,  D.  Martin  1622,  Wodroephe  1623  (8.  48  fX 
Spalt  1626  (S.  141),  A.  Oudin  1633  (8.  126),  Du  Gres  1686  S.  67  ff., 
DhuSz  Guidon  1646  (8.  52),  Dela  Vignette  1643  (S.  67),  Rayot  1643 
(S.  66),  D'Arsy  1650  (S.  50)  Pourel  de  Hatrize  1650  (8.  64),  De  la  Grue 
1654,  de  Trou  1656,  De  Fenne  1680,  Preye  1670,  Gravius  1671  (126), 
Teppatus  1672  (8.  129),  Le  Pougeois  1674  (S.  277),  Mauger  et  Festeau 
1715  (S.  74)  und  die  für  Italiener  bestimmte  Grammatik  von  Lonchamps 
(ed.  1668);  die  erste  für  Franzosen  geschriebene  Grammatik,  welche 
rilot's  Gruppierung  angenommen  hat,  ist,  eoviel  ich  sehe,  die  von  DuVal 
1604  8.  209  (S.  204  erwähnt  er  allerdings  noch  die  herkömmliche  latei- 
nische), spätere  sind  die  von  Chifflet  1669,  Desmarais  1707.  Dagegen 
wich  J.  Garnier  (S.  53)  von  Pilot's  Anordnung  in  sofern  ab,  als  er 
drei  regelmässige  Konj.  (auf  -er,  -ir,  -re)  und  eine  vierte  unregelmässige 
(faire,  aller)  aufstellte,  freilich  liess  er  die  Verba  auf  -oir  dabei  völlig 
ausser  Acht.  Ähnlich  kennt  Berault  noch  1688  drei  regelmässige 
Konjug.  (auf  -er,  -ir,  -evoir)  und  eine  unregelmässige.  Schon  Palsgrave 
(8.  87  und  392  f.)  hat  übrigens  3  Konjugationen  angenommen,  nämlich 
je  eine  auf  -er,  auf  -yr  (Inchoatwa),  und  auf  -re,  -yr  oder  ~oyr,  während 
Barton  und  Du  Wes  noch  auf  jede  Einteilung  verzichteten,  Sylvius  aber, 
Meigret,  R.  Estienne,  Ramus  1572  (während,  er  1562  8.  16  nur  zwei 
espeC/QS  anerkennt  nach  den  Jetre'  figurativp  de'  rasinps  E,  /und  als 
Paradigmata:  eimer  und  batir  gibt),  Theveninus  1590,  Cl.  Holyband's 
Littelton  (ed.  1630  S.  203),  Serreius  1598,  Cachedenier  1600  (S.  156), 
Lentulus  1603  (S.  38),  Doergang  1604  (S.  148),  Masset  1606,  Bernhard 
1607,  De  la  Faye  Institutiones  1626  (8.  204),  A.  Fabre  in  seiner  fr.-it.-sp. 
Gram.  1626  und  eine  1647  in  Cassel  erschienene  Unterweisung  von  C.  fc. 
(Verzeichn.  No.  155),  ja  noch  Caffa  1661  im  zweiten  Teile  seiner  Directio 
(8.  81,  und  zwar  ohne  irgend  wie  auf  den  Unterschied  gegenüber  der 
im  ersten  Teil  S.  17  befolgten  Pilotschen  Reihenfolge  hinzuweisen)  bei 
der  lat.  Reihenfolge  blieben,  und  Potier  d'Estain  1603,  sowie  sein  Pla- 
giator Lubinus    1604  (armer,   respondre,  bastir,  de v oir)  oder  Mesgnien 


382  E.  Stengel. 

Erwähnenswert  iet  ferner,  was  Pilot  Aber  die  Grundformen 
der  französischen  Konjugationen  sagt.  Sobald  man,  bemerkt  er, 
ausser  dem  Inf.  noch  das  prius  und  posterius  perfectum  sowie 
das  Thema  oder  das  Praos.  ind,  eines  Verbums  wisse,  Iota  ipsuu 
eanütgatio  erit  faciltima  (26  v°).  Das  Thema  gewinnt  man,  wie 
er  Hi  der  späteren  Bearbeitung  hinzugefügt  hat,  ans  dem  Infinitiv, 
durch  Tilgung  des  r  in  der  1.  Eonj.,  ebenso  oder  durch  Tilgung 
einer  ganzen  Silbe  oder  durch  Verwandlung  derselben  in  der  2.  Konj., 
durch  Beseitigung  der  letzten  Silbe  in  den  Verben  anf  -re  der 
3.  und  4.  Eonj.,  aber  bei  denen  auf  -oir  der  3.  non  eadetn  modo. ') 

Unregelmässigkeiten  der  ersten  Konjugation  hat  P.  gar  nicht 
angeführt,  ebensowenig  hat  er  eine  Gruppierung  der  verschiedenen 
Verba  der  zweiten,  dritten  und  vierten  Konjugation  versucht.  Der 
dritten  ztthlt    er  übrigens    auch    die  Verba  auf  oire,    aire,    outre 


1649  faimer,  bastir,  rendre,  devoir)  eigentümliche  aufweisen.  Erwähnens- 
wert ist,  was  Bernhard  in  seiner  gegen  Ph.  Garnier  gerichteten  Cen- 
sura  1607  Bl.  VI  v°  sagt:  Vtrbum  in  t>  quod  Omnibus  reliqais  Gramnia- 
ticis  est  quartae  conjugationis,  ad  imttationem  Lalinorum  .  .  .  ,  tibi  est 
secundiie,  Esto.  Der  einzige,  welcher  die  neue  Reihenfolge  motiviert. 
ist,  soviel  ich  sehe,  Maiipas,  welcher  Bl.  99  f.  sagt:  11  me  sembte  ev 
. . .  Od  pourroit  .  .  departir  tous  not  verlies  en  deux  classes.  La  premiere 
seroit  des  Regulier!  .  .  La  seetmde  des  irreguliers  .  .  Toutci  feit 
dautani  que,  pour  en  quelque  surfe  imiter  les  Latins,  la  eoutupw. 
a  prins  pied  de  les  distribuer  en  quatre  ordre*,  qu'on  appeiie  Cox- 
jugaisons,  afin  de  ne  rompre  etile  coutume.  je  m'y  aecomoderay  ä  m 
fantasie ,  sans  negliger  fatilre  departemenl.  —  11  y  a  de  la  varieü  dopt- 
ntonj  en  [ordre  de  ces  conjugaisims  icy,  aueuns  faisans  seconde.  etat 
que  (fautres  comptent  pour  iroisieme  etc.  El  n'itnporte  pas  beaueoup. 
De  moy,  ie  suivray  fesgard  qu'ont  eu  les  Grammairiens  Latins  ä  Carra*- 
gement  de  teurs  conjugaisons,  qui  ont  ngarde  d  la  mite  (BL  99  V)  da 
voyetles . . .  eela  sert  a  la  memoire.  —  Aussi  feray-ie  nostre  premiere  ie 
ceux  esqueh  a  &  e,  regnenl.  Scavoir,  e  au  tkeme  &  en  Cmfinilif,  &  a 
au  premier  preterit  simple  &  deftni . . .  Apres  siät  i,  &  parlmnt  ie  luv 
donne  la  seconde  compagnie ...  0  marehe  apres,  qui  m  oeeasiomne  de 
metlre  en  troisiemn  escadron  ceux  aus  quets  la  dipihonge  oy,  fait  la  ter- 
minaison  du  thetne.  Et  oir,  ou  oire, Celle  de  rinfinitif  '.  .  .  (BL  100). 
A  la  qualrie'me  eonj.  i'atiribue  ceux  qui  ont  re,  en  Cinfinilif  avec  vnt 
consone  precedente. 

»)  Bereits  Sylviun  S.  121  und  136  operiert  mit  dem  Thema:  Ex 
tnfinitiuo  thema  primae  (sc.  eoniugafionis)  fades,  ablato  r  postremo,  &  e 
in  i,  &  praeteritum  partieipium  e  in  e.  Über  die  übrigen  3  Konj.  ver- 
weint er  auf  das  Etimologicum.  Nach  J.  Garnier  S.  46:  Coniugatwnes . . 
ä  praeteritis  perfectis  indicativi,  sed  perfectius  ab  mfinitiuis  dignoseuntur . . 
4,  er;  i,  ir:  &  u.  re:  omnivm  regularium  conutgalionum  sunt  notae.  Und 
unter  der  Überschrift:  De  nraes.  tempore  iiulic.  heinst  es  ebenda :  Thema 
seit  eaput  euiuseunque  eerbi  f actis  deprehenditw  hoc  modo: ...  s  in  sec. 
pers.  smg,  praes.  ind. ...  si  auferas,  ul  quod  remanebit  erit  thema  seu  Ca- 
put eerbi .  .  .  Vel . . .  iti  prima  conivg.  omnia  verba  Iiabent  e  üt  capUe . . 
In  fecund«  vero  &  lertia  ...in  tertia  persona  praes.  sing.  mdic.  semper 


Plan  einer  Geschichte  der  französischen  Grammatik  etc.         283 

und  aistre  bei,  gerade  wie  Ute  der  zweiten.  —  Ähnlich  Da  Gres 
1636  S.  71  f.,  welchem  lire,  dire  zur  zweiten,  croire,  boire  zur 
dritten  Konjugation  gehören.  —  Gleichwohl  übertrifft  seine  Dar- 
stellung an  Ausführlichkeit  die  aller  älteren  und  auch  die  der 
nächstfolgenden  Grammatiken  bis  Duvivier.  Erst  Caucius  1670 
bringt  weitere  Details  und  eine  leidliche  Gruppierung,  wiewohl 
auch  er  noch  die  Verba  auf  oire  zur  dritten  Konjugation  rechnet. 
—  Die  Partizipiallehre  beschränkt  sich  bei  Pilot  auf  die  Paradig- 
mata aymant  und  aym£%  wozu  noch  verkürzt  die  von  creu, 
craincL,  rompu  ohne  jede  Erklärung  gefügt  werden. 

Der  Abschnitt:  de  partibue  indedinabüibus  wird  durch  die 
Lehre  vom  Adverb  eröffnet.  Pilot  unterscheidet :  adverbia  in  loco, 
ad  locum,  de  loco,  temporiSj  numerancU,  ordinis,  interrogandi,  vo- 
candiy  respondendi  &  demonstrandi,  dubüantis,  simiUtudinis,  exul- 
tantist  dolentis.  Es  folgt  eine  Aufzählung  der  lateinischen  Prä- 
positionen und  der  ihnen  entsprechenden  französischen,  dann  eine 
solche  der  Conjunktionen  (copulatiuae,  disiunctiuae,  causales,  ra- 
tionales &  relatiuae,  expletiuae,  aliae  inseruiunt  excepUombus). 
Wie  bereits  erwähnt,  ist  der  Gebrauch  der  hier  aufgeführten 
Worte  durch  Belege  aus  R.  Estienne's  Dictionarium  mediocre  illu- 
strirt.  Mit  einem  dies  besagenden  Vermerk  schliesst  der  Ver 
fasser  seine,  wie  die  obigen  Ausführungen  ergeben  haben,  in 
mancher  Hinsicht  der  Meigretschen  Grammatik  weit  überlegene 
Instüutio. 


habent  Uteram  t.  Hanc  si  abstuleris,  quod  remanebit  erit  capud  verbi. 
Bei  Palsgrave,  Meigret,  R.  Estienne,  Du  Vivier  und  Caucius  ist  der  In- 
finitiv die  einzige  Grundform  und  vom  Thema  wird  überhaupt  nicht 
gesprochen.  Dagegen  spricht  sich  Nathanael  G.  1584  S.  39  ausführlich 
darüber  aus:  Prima  persona  (praes.  ind.)  voca.ur  thema,  quod  gignitur 
ex  infinitiuo  ablata  vltima  litera  (in  1,  11  &  lllconiug.)  vel  vltima  svüaba 
(m  postrema  conhtg.).. .  Excipiuntur  primum  IL  coniug.  haec  verba:  ie 
pu,  sers,  dors,  mens  u. s.w.,  item:  ie  cueille  u.  e.  w.,  item;  ie  sau, 
fau  u.  a.  w.,  u.  s.  w. 


E.  Stengel. 


Anhang 

zum  Verzeichnis  französischer  Grammatiken. 

Oeit  Erscheinen  meines  Verzeichnisses  französischer  Grammatiken 
hübe  ich  Gelegenheit  gefunden,  den  Bestand  4  weiterer  Bibliotheken 
(Bonn  TL;  Dijon  St.  B.;  Metz  St.  B.;  Trier  St.  B.)  an  einschlägigem  Ma- 
terial aufzeichnen  zu  können.    Ferner  habe  ich  mir  aus  5  Bibliotheken 
(Berlin  K.B. ;  Darmstadt  Oh.  B. ;  Gottingen  L" . ;  Hamburg  St.  B. ;  Münster  A.) 
eine    grössere  Anzahl  Werke    zu    genauerer   Einsicht   schicken   lassen. 
Ausserdem  hat  mir  Kollege  Behrens  freundlichst  gelegentliche  Notizen 
aus  anf  französische  Bibliotheken  bezüglichen  bibliographischen  Werken 
zur  Verfügung  gestellt.  —  Zahlreiche  Nachträge  wird,  wie  Bohrens  be- 
merkt, besonders  die  systematische  Ausbeutung  der  Bibliographie  Uni- 
verseile  des  Grammairiens  von  Delmasse  gewähren.   Allerdings  ist  dieses 
handschriftlich    in   der  Pariser  National -Bibliothek  (Ms.   fr.   12  852 — I) 
aufbewahrte  Verzeichnis  nur  mit  grosser  Vorsiebt  zu  benutzen,   da  es 
viele  ungenaue  Angaben  zu  enthalten  scheint.  —  Einige  weitere  Berich- 
tigungen verdanke  ich  Herrn  Gr.-L,  Grosch  in  Gotha.     Ich  theile  nach- 
stehend nur  die  wirklich  wichtigen  Besserungen  und  Ergänzungen  mit, 
behalte  dagegen  die  Ergänzung  unvollständiger  Titelangaben  und  ge- 
ringfügiger Ungenauigkeiten  einer  neuen  Ausgabe  vor. 
S.  6.   Weitere  Tractatus-Eiemplare  von  Beza's  Schrift  besitzen:  Bonn  U. 
und  Königsberg  TL,  das  Exemplar  von  Hamburg  St.  B.  hat  den 
Zusatz  nicht. 
S.  15.     Anm.     Zu   R.  Kstienne's   und  Beza's  Bezeichnung   der  „deutschen 
Buchstaben"    als  Utterae  gntlicae    reep.  franeicae    vgl.  noch  Tory 
Champfleury   1S29  Bl.  72  v*:    Not   Icllres  Franeoises   ne  tont  pas 
ainsi  prises   ne  des  Grecques  ne  dez  Laiines,   mais  plustost  tont  ex 
leur  Figure  icy  Xatiues  j-  Domestigues.   On  porroit  loutes/ois  penser 

quelle)  ont  quetgue  resembUmce  en   "'- "  ' 

gtie   pour   la    plus   grande   parlie   i 
diceUes. 

S.  20.  7)  noch:  Dijon  St.  B.:  10268.  —  10)  noch:  Münster  Ac:  Z*  73. 
Diesem  Exemplar  sind  folgende  15  literarhistorisch  wichtige  Drucke 
angebunden:  1.  Exhorlation  aux  li-inees  Chrestiens  pour  te  fait  dt 
la  Itiix.  Paris,  A.  WecheT  1558  (4"  40  S.  Prosa).  2.  Exhorlation 
pour  la  Paix  p.  P.  de  Kon  Bar  d  Vmtumois  ib.  1558  (4°  ö  Bl.  Gedicht). 
3.  Exhortation  au  Camp  du  Roy  pour  Oien  contbatre  te  iour  de  la 
Oataiäe  [p.  Ronsard]  ib.  1558  (4B  4  Bl.  Gedicht).  4.  Chant  de  Zieste 
Tov  p.  P.  de  Eonsard  Vandomois  ib.  1559  (4°  4  Bl.  Gedicht). 
jblication  de  Paix  entre  .  ,  .  Henry  deuxiesme  .  .  .  &  Philippe) 
,,  les  Roy  &  Royne  dEscosse,  Dauphins,  dt  la  Royne  d Angleterre 
.  Paris  le  Vit  iour  dAuril  1559.   A  fnris  Povr  Jean  Daher  . . . 


u  Roy  i 
.  Publica 


E.  Stengel,  Anhang  zum  Verzeichnis  französischer  Grammatiken.     285 

1559  (4°  4  Bl.  Prosa).  6.  Charit  Pastoral  de  la  Pmx  p.  B.  Belleau 
ib.  A.  Wechel  1559  (4°  10  Bl.  Gedicht).  7.  Remonstrance  aupeuple 
Francoys,  de  son  deuoir  en  Ce  Temps  enuers  la  Maieste  du  Roy. 
A  faquelle  sont  adioustez  troys  Eloges,  De  la  paix  [a  P.  Ronsard], 
De  la  trefue  [a  J.  du  Bellay],  &  De  la  guerre  [a  Estienne  Jodelle) 
ib.  1559  (4°  14  Bl.  Zwölfsilbner ,  als  Verfasser  unterzeichnet:  Cr.  des 
Antels).  8.  Discours  a  .  , . .  Monseigneur  le  duc  de  Sauoye.  Chant 
pastoral  a  Me.  Marguerite,  Duchesse  de  le  Sauoye.  Plus,  XXIV 
irtscriptions  en  faueur  de  quelques  grands  Seigneurs,  lesquelles  deu- 
oycnt  seruir  en  la  Comedie  gu'on  esperoil  representer  en  la  maison 
de  Guise  par  le  commandemenl  de  Monseigneur  le  Reuerendissime 
Cardinal  de  Lorraine.  Par  Pierre  de  Ronsard  Vandomois  ib.  Robert 
Estienne  1559  (4°  8  Bl.  Verse).  9.  L1  Hymne  de  ...  ,  Charles  Car- 
dinal de  Lorraine  v.  P.  de  Ronsard  Vandomois  ib.  A.  Wechel  1559 
(4°  16  BL).  10.  Epithalame  sur  le  mariege  de  Monseigneur  le  duc 
de  Lorraine,  &  de  Madame  Claude  Füle  du  Roy.  Chante  par  les 
Nymjphcs  de  Seine  &  de  Meuse  Par  R.  Belleau  ib.  1559  (4°  15  S.). 
11.  Chant  pastoral  sur  les  nopces  de  Monseigneur  Charles  duc  de 
Lorraine,  &  Madame  Claude  fille  11  du  Roy  p.  P.  Ronsard  Vando- 
mois ib.  1559  (4°  20  8.).  12.  Chant  de  joie  du  iour  des  Espousailles 
de  Francois  roi  dauphin  et  de  Marie  Roine  ä'Ecosse  p.  J.  Ant.  de 
Baif  ib.  1558  (4°  8  SX  18.  Suyte  de  r Hymne  de  tresitluslre  Prince 
Charles  Cardinal  de  Lorraine  [p.  P.  de  Ronsard  Conseiller  &  Aumos- 
nier  ordinaire  du  Roy  &  de  Madame  de  Sauoye]  (4°  4  Bl.  Titel  fehlt). 
14.  Vailegrezza  publica  et  ringratiamenti  fatti  a  Dio  Daüa  Santitä 
di  iV.  S.  Julia  Papa  III.  Et  dal  sacro  CoUegio,  &  da  tutto  ü  popolo 
di  Roma,  per  il  felicissimo  ritorno  del  Regno  (V Inghüterra  aäa  catho- 
lica  vnione,  &  aäa  obedientia  della  Sede  Apostotica  (o.  J.  u.  0.  4° 
4  Bl.).    15.  Canzone  von  Gabriel  Symeoni  (4°  5  Bl.  ohne  Titel). 

3.  20.    Anm.   Dolet's  Iraile.    Lyon  1542  vorh.:  Dijon  St.  B.:  10271. 

3.  21.  11)  1561  Paris  noch:  Bonn  ü.:  Ca  314.  —  id.  1563  Antwerpiae 
str.:  Darmstadt  Gh.  B.  (dies  vielmehr  Exemplar  einer  früheren  Aufl. 
(Vgl.  hier  S.  261  Anm.  1).  —  id.  1575  noch:  Trier  St.  B.:  G  194.  — 
—  id.  1620  noch:  Trier  St.  B  :  G.  167. 

3.  22.  Anm.  Eine  weitere  Aufl.  des:  Diccionario  Coüoquios  o  Dialogos 
in  4  Lenguas.  Bruxelles,  Jean  Mommaert  1624,  vorh.:  Trier  St.  B.; 
G  185.  —  id.  1579  Coüoquia  etc.  noch:  Trier  St.  B.:  G.  182.  —  id. 
id.  Genevae  1651,  vorh.:  Mainz  St.  Bl.:  hh  4. 

3.  23.  Anm.  id.  3)  Der  New  Barlamont  jetzt  zum  3.  mal  gemehrt  und 
gebessert  durch  J.  D.  D.  (a.  m.  frz.  Titel)  o.  0.  1615  (8°  unpag. 
A— F8)  vorh.:  Trier  St.  B.:  G.  187.  —  15)  erschien  erst  1656  statt 
1556.  —  16)  Die  zwei  ältesten  Ausgaben  von  R.  Estienne's  Trakte 
sind  identisch.  Noch  vorh.:  Dijon  St.  B  :  10270.  Vgl.  [id.]  Les 
decUnaisons  des  ßioms  &  verbes  .  .  .  Ensemble  La  moniere  de  tourner 
les  Roms,  Pronoms,  Verbes  .  .  .  Paris.  Matthieu  Dauid  1551  (8P  196  S. 
fehlt  Repertoire).     Vorh.:  Trier  St.  B.:  G.  630. 

3.  24.  Anm.  Meurier's  Diction.  ib.  1571  u.  1570  2  Tl.  Anvers,  vorh.: 
Trier  St.  B.:  G.  312.  —  Seine  Dialognes  ib.  1562  ebenda:  G  624. 

5.  25.  19)  noch  Trier  St.  B.:  G  624.  -  20)  id.  1587  (Stimmt  Seite  für 
Seite  zu  ed.  1572,  doch  beginnt  die  Paginierung  bereits  mit  der 
Preface.  Der  Drucker  giebt  an,  von  Bourset  zu  der  neuen  Ausgabe 
veranlasst  zu  sein,  dem  er  auch  certaines  de  notables  corrections  quil 
a  tirees  de  FAutheur  mesme  de  son  viuunt  verdanke.  —  21)  Anm. 
Vgl.  flieronymi  Cingularii  Aurimontani  tersissima  Latini  eloquii 
Synonymorum  collectanea,  non  modo  epistolas,  uerum  etiam  carmina 


86  E.  Stengel. 

aaUr«  uoUntibus  ....  Am  SchluM:  Jpuä  ätelytam  Cal#ni*M  Ser- 
ooriKf  CrvphUmm  exoudtbat  Ä.  1524  meiue  Auguito  (8°  80  nnge- 
*ahlte  Bl.  fohlt  Repertoir«),  vorh.:  Trier  Bt.  B.:  G.  520.  —  22)  Holy- 
band's  French  Muteten  1630  I.  Dedikation  datiert  vom  25.  Man  1597. 
Sie  besiebt  lieb  auf  den  Frenche  -  Schootemaster  und  ergiebt,  du 
dar  Mttieton  nur  eine  Neubearbeitung  des  letsterau  i»t.  Der  Titel 
ist  dem  damals  landläufigen  juridischen  Compendium  Littletims 
Unwrei  entlehnt.  —  24)  Caueins  sehrieb  auch;  byntaxis  [Utfma]  dt- 
luciäo  compenäia  scripta.  Hardrovici,  Typis  Th'omae  Uenrici  1616 
(8°  4«  8.),  vorh.:  Trier  8t  B.:  O.  60.  3°. 

:.  26.    24)  —  id.  1586  noch:  Meti  St.  B. :  P  868. 

I  27.  29)  noch:  Trier  8t.  B.:  G  154.  —  30)  noch:  Bonn  ET.:  Ca  314; 
Dijon  St.  B.:  10269.  —  31)  1583  noch:  Bonn  ü.:  Ca  314. 

!.  28.  3»)  id.  1603  noch:  Trier  St  B.:  G.  587.  —  id.  1613  noch: 
Darnmtadt  Gh.  B.:  C  1011.  1. 

I.  29.  38)  ed.  1614  dem  Landgrafen  Otto  von  Hessen  von  Hulaius  Söhnen 
in  der  Hoffnung  gewidmet,  das«  es  dadurch,  toit  d'aulattl  mieux 
recommande  aux  audtieurs  du  Profetteur  de  ta  Umgue  Fraafoiie, 
Mstitu*"  vor  Monsieur  volre  p'ere  (d.  h,  Landgraf  Moritz)  en  Fancienne 
&  treriuustre  Acadcmit  de  Marbourg.  —  39)  o.  J.  Das  Exemplar 
der  E.  B.  Berlin  gehört  einer  anderen  Ausgabe  an ,  welche  mit  der 
ed.  pri*c.  bis  auf  das  Fehlen  dee  Drnckjahree  identisch  ist  Die 
Dedikatioiuepiitel  ist  datiert:    Argentorah  VI  Cal.  Febr.    1598.  - 

—  id.  1603  o.  ff.  wohl  ein  wie  dem  Titel  bo  auch  dem  Inhalte  nach 
von  dem  voraufgehenden  wesentlich  verschiedene«  Werk. 

L  30.  39)  id.  1618  noch:  Bonn  IT.:  Ca  315.  —  id.  1648  noch:  Trier 
St.  B.:  G  321.  —  Tilge:  id.  1627.  —  41)  1.  WetseliM. 

:.  31.  45)  noch:  Trier  St  B.:  G.  169.  -  47)  noch:  Trier  St  B.  T :  G  158 
(übrigens  ein  unverschämte«  Plagiat  von  n°  44). 

1.  32.  50)  Vgl.  noch:  FrantzGstiche  LonjttifatWHesConjug.  francoaet Franc- 
fort mprimeet  pow  M.  P,  Hegus  &  Ib'ii  Brachfeld  1SB9  (8°  64  & 
Eine  Art  Gram.)     Vorn.:  Berlin  K.  B.:  Xs  2596.  —   51)  Beide  An» 

rben  von  1606  identisch,  noch:    Dijon  St.  B.:   10346;    Met*  St  B.: 
484. 
1.  33.    (3)  1421  vorh.:  Paris  N.  B. 
I.  35.    68)  noch:  Trier  St.  B.:  G  168. 
).  37.     75)  noch:  Darmstadt  Gh.  B.:  C  1015.1. 
L  38.    77)  id.  1629,  vorh.:  Trier  St.  B.:  G  627.  —  78)  noch  Trier  8t  B.: 

O  181.  —  81)  id.  1636  Douai,  V  Marc  Wyon  (siehe  Dutbilloeul  Bibl. 

donaia.).  -'  id.  1648  noch:  Trier  8t.  B.:  G  152. 
I  40.    86)  id.  1668    Venetia,   Michicl  Miioco:  La  itovistim*  Gram.  deUe 

trt  Ltnaue  tu,  vorh.:  Darmsiadt  Gh.  B.;  Trier  3t.  B.:  G  604. 
J.  41.   87)  id.  1711  Cöln  (8»)  vorh.:  Mets  St.  B. :  K.  1036.  —  90)  Anm.  2) 

Ra-yot'a  fiflMM  enthält  von  S.   113   an  eine  Grammatik   unter  dem 

Titel :  La  bäte  ou  le  vray  Ftmdement  de  ta  L  fr.  etc. 
J.  42.    93)  1647  noch:  Trier  8t.  B.:   G   153.  —  id.    1650    Antwerpiae, 

Apud  vidflam  Cnobbari  (8°  96 S.  anonym),  vorh.:  Trier  St.  B.:  G  183. 
).  43.     98)  id.  1671  Amsterdam,   A.  Woli'ganck:  Franttke  Letlerkoiut  etc. 

(12°).  Vorh.:  Bordeaux.   —    100)  Schon  1639  ib.  vorh.:  Metz  St  B.: 

Q  1091. 
J.  44.    100)  id.  1659  Antwerpen  (8°  70  S.    Frühere  Aufl.  der  anonymen 

Inleydingen  v.  1664),  vorh.:   Monster  Akad.:  Z*  83  (s.  Vorw.). 
%.  45.    107}  1657  Vorh.:  Amiens.  —  108)  Bense  en  Pnia  (?)  noeh:  Bor- 
deaux. —   110}  Schon  1656  ib.,   Job.  Martin  2d  ed.   id.   1708  ib. 

—  id.  1689  Bordeaux  (8°>.    Alle  3  vorh.)  Nantes. 


Anhang  zum  Verzeichnis  französischer  Grammatiken  etc.         287 

S.  4*.    112)  identisch  mit  131).  —  id.  1692  u.  1697  noch:  Trier  St  B.: 

G  156.  —  112a)  1659.   Ablerne.    Nouveües  grammaire  ital.  et  franc. 

Paris,  Raffln  [8°],  vorh.:  Bordeaux.  —  115)  1664  noch:  Metz  St.  B.: 

L  1099. 
8.  47.    120)  noch:  Bonn  ü.:  Ca  315.  —  122)  noch:  Trier  8t.  B.:  G  150. 
Sl  48.     127)  stimmt  grossenteib  wörtlich  mit  De  ia  Grue  (98)  ttberein.  — 

id.  1669  (anonym)  noch:  Göttingen  U.:  Ling.  Gall.  1342  (tilge:  id.  o. 

J.  u.  0.). 
S.  49.    131)  id.  1687,  vorh.:  Amiens.  —  1691  noch:  Metz  St  B.:  L  1112. 

—  1700  noch:  Nantes.  —  1706  noch:  Dijon  8t.  B.:  10318.  —  id.  1722 
ib.,  vorh.:  Paris  N.  B. 

S.  51.  187/  1680  Lngd.  noch:  Trier  St.  B.:  G  179.  ~  id.  1694  Franeof. 
&  Lipsme.  —  id.  1713  nemo  edita  Lngdani  Bai  Beide  vorh.:  Trier 
St  B.:  G  309  u.  155.  —  141)  Tilge:  Gravianns. 

8.  52     144)  1681  noch:  Bonn:  IL:  Ca  316. 

S.  53.  148)  —  id.  1714  ib.  Vorh.:  Trier  St  B.:  G.  569  —  149).  Bessere: 
Le  Pougeoi*.  —  155)  Bessere:  1647  C.  K.  (Unterchrift  des  Avis  au 
lecteur)  st.  1677.  —  156  a)  1677.  Syntaxe  fr.  pottr  fusage  des  esco- 
Hers  des  Colleges  de  La  Compagnie  de  Jesus,  Par  un  Pete  de  ia  Com- 
pagnie. Amiens,  G.  Le  Bei  (8°  1  vo.l).  Vorh.:  Amiens.  (Vgl.  No.  352a.) 

—  157  a)  1677  De  La  Chambre,  Jaques.  —  La  trage  Instruction  de 
ia  L  fr.  (franc.  et  flam.)  Rotterdam,  U.  Goddaeus.   Vorh. :  Bordeaux 

—  158).  im  Avis  wird  erwähnt,  dass  Maucondny  froher  in  Paris 
chez  M.  Leonard  eine  Petite  gram,  principalement  pour  ies  Franfois 
veröffentlicht  habe.    Vgl.  No.  142. 

8.  55.    166)  1687  noch:  Bonn  TL:   Ca  316.   —  168)  1682  noch:  Metz  St 

B.:  L  1123;  Trier  St.  B.:  G  310. 
S.  56.    171)  Schon:  1678  Roma,  vorh.:  Paris  N.  B.  —  176)  Schon:  1681 

ib.  vorh.:  Trier  St.  B. :  G  161.    (Die  Zensur- Erlaub  nie  vom  20.  Juni 

1679  riebt  an,  dass  das  Buch  schon  1678  in  Bologna  gedruckt  war.) 
S.  57.    177)  1685  noch:  Dijon  St  B.:  10286  —  id.  1687  (Bd.  II,  1.  Aufl.) 

noch  Metz  St.  B.:  M  1039-40. 
S.  60.    191)  id.  1737  u.  1749  Leipzig  vorh.:  Trier  8t  B.:  G  159. 
S.  61.    191)  1780  noch:  Bonn  TL:  Ca  319. 
8.  62.    192)  id.  1724  ib.  vorh.:  Trier  St.  B.:  G  162  —  195)  1690  noch: 

Bonn  U.:  Ca  316  —  1718  noch:  Metz  St  B.:  L  1125  —  197)  1698 

noch:  Darmstadt  Gh.  B. :  1261/20. 
S.  64.   204)  —  id.  1701:   Gram,  fr.-all.,  Berlin,   Hob.  Roger  (8°)  vorh.: 

Metz  St.  B.:  L  1122  —  205)  id.  1702  Am  st.  2.  Aufl.  (nach:  8  A.  1718). 

209)  1696  noch:  Metz  St.  B.:  K  1038. 
8.  65.  209)  1720  noch:  Bonn  IL:  Ca  3 17.  —  id.  1737 noch:  Dijon  St.  B.:  103 19. 
S.  67.    217)  [Renand,  Andre'.]  (?)  -  220a)  1698.  Maria,  Pierre.  Methode 

famiiiere  pour  ceux  qui  commencent  ä  s'exercer  dans  ia  l.  fr.  (10  feuilles, 

8°).  Amsterdam,  Heritiers  de  ia  Veuve  de  Groot,  —  id.  7.  ed.  [nach:  No. 

205  ed.  1718,  S.  368]. 
S  68.  222)  id.  1768  Dublin,  vorh.:  Bordeaux,  id.  1779  Nantes,  vorh.:  Nantes. 
S.  69.    225)  1713  11.  Ausg.  noch:  Darmstadt  Gh.  B.:  C  1017.2.  —  id.  1728 

und  1751  ib.,  vorh.  ebenda:  C  1018.2;  1019.  2.  —  id.  1731  ib.  vorh.: 

Trier  St.  B.:  G.  623.  —  227  a)  1700.    Arte  das  IAnguas  Franceza  & 

Pmrtugueza.  Lisboa,  Miguel  Deslandes  (8°  nach  No.  249,  1712  Bl.  3  v°). 

—  230  a)  1701.   Mannory.  Gram,  et  Dict.  fr.  et  esp.    Paris,  Barbin. 

—  id.  1704  ib.,  beide  vorh.:  Lyon.  -  236)  1704  —  id.  1710  ib.  — 
id.  1722  ib.:  Manuduciio  ad  ling.  gall  . . .  Herum  resurgens  . . .  olim 
nota  sub  hoc  nomine:  esseniia  Linguae  galt.  (12°  12  Bl.  +  360  S.) 
Aüe  drei  vorh.:  Trier  St  B.:  G  433,  151,  313. 


288  E.  Stengel, 

S.  70.  236a)  1705  Essai  de  la  Gram.  Portugaise  &  Franchise,  entert  ceux 
gui  scachants  la  Franeoise  veulent  apprendte  la  Ihrlug.  Lisboa,  Pe- 
droao  GalrSo  [40  nach:  No.  249)  1712].  —  237)  Schon  1701  ib.  vorh.: 
Mönater  Akad.:  Z*  101  (Streiche:  id.  o.  J.  u.  O.).  —  id.  1717  ib.  4. 
Track,  vorn.:  Trier  St  B.:  G  171.  —  240)  1706  Paris  noch:  Dijon 
St  8.:  10310;  Hetz  St  B.:  F  673.  —  id.  1706  Uruiellee,  noch:  Bodo 
D.:  Ca  317. 

S.  71.  245)  1708  noch:  Trier  St  B.:  G  172.  —  247)  1714  noch:  Trier 
St.  B.:  G  559.  —  id.  1723  noch:  Bonn  U-:  Ca  317:  Trier  St  B.: 
G  164  —  id.  1728  Suite  de  ta  ffr....  ou  Tratte  de  Ibdtie ...  Bd.  D: 

rat.  de  Cctoquencc,  noch  Bonn:  U-:  Ca  317. 
248)  Keine  eigentliche  Gr.,  handelt  nur  von  Orthogr.,  Aussprache 
u.  d.  Gebr.  d.  Partieipia.  —  249)  id.  1712  A  la  Haje,  Adrian  Moet- 
jena:    Gramm,  franeoise   et  portugaise . . .     (8°  311   S.)    Vorh.:  Trier 
St  B.:  G   177.  —  id.  1766,  Liaboa  (8»)  vorh.:  Bordeaux. 

S.  73.    253)  Erweiterte  Fassung  von  248). 

S.  74.    260)  Doch:  Darmetadt  Gh.  B.:  1275.  1. 

S.  75.  263)  1760  noch:  Bonn  ü.:  Ca  318.  -  2671  id.  1711  and  1740 
Paris,  1712  und  1738  Brnielles,  sämtlich  vorh.:  Lyon  —  id.  1777. 
An  Leon  de  Francut,  P.  Brnye  et  Ponthus  (12°),  vorb.:  Bordeaux;  Lyon 

—  id.  1784  ib.  (12«)  vorh.:  -  268)  Schon:  1678  London;  —  id.  1740 
Rotterdam,  beide  vorh.:  Lyon  —  id.  1728  noch:  Gotha  H.  B. 

S.  77.    271)  1719  noch:  Bonn  U.:  Ca  317. 

S.  81.    300)  id.  1737  Paris  (8°)  vorh.:  Terdun  —  id.  1740  ib.  vorh.:  Amieu 

—  id.  1745  und   1749  noch:  Darmstadt  Gh.  B.:  C  1279.1;  1280.  1.  — 
id.  1750  vorh.:  Met»  St  B.:  L  1111. 

S.  82.  300)  1773  und  1786  noch:  Bonn  U.:  Ca  320.  —  303}  Et  sind  die 
Principia  linguae  Burgundicae  (No.  266)  in  einer  teutscheu  Kleidung 
(der  Vorrede  nach)  —  303a)  1734.  Le  condueteur  ä  la  iiraie  cm- 
noissance  de  la  langue  fr.  tire  de  diverses  gr.  et  diahgucs  fr.  et  all. 
Wesel,  D.  von  Baeghem  (8°)  vorh.:  Bordeaux. 

S.  83.    304)  -  id.  1754  ib.    4.  AuB.  (8°)  vorh.:  Bonn  D.:  Ca  318. 

S.  84.  313)  noch:  Bonn  U.:  Ca  317.  —314a)  1738.  De  Rostren «n,  Laibe 
Gregoire.  Gram,  fr.-celt.  ou  fr.-brclonne.  Renne»,  J.  Vatar  (8^)  vorh.: 
Mete  St.  B.:  P  870. 

S.  85.  315a)  1739.  Methode  famüiere  pour  les  petites  tlcoles.  Toul,  L. 
et  Etienne  Rolin.  (S°),  vorh.:  Mete  St.  B.:  K  1037. 

S.  87.  323a)  1741.  Methode  pour  apprendre  n  tire  le  Fr.  &  le  Lat.  par 
un  tistime  si  aise  et  si  naturel,  qu'on  y  faxt  plus  de  progris  eit  trois 
Mois  qu'en  trois  Jus  par  la  Methode  ancienne  et  ordinatre . . .  Paris, 
Charles  Hcette  etc.  (8*>  85  +  218  8.  Dem  Privileg  nach  vom  Sieur 
de  Lannay,  vgl.  No.  119.)  Vorh.:  Araiena;  Trier  St.  B.:  G  184.  — 
330)  1743  noch:  Bonn  U.:  Ca  317. 

S.  88.    334)  id.  1766  ib.  Dessaint  et  Saillant,  vorh.:  Metz  StB.:  L  1109. 

—  335)  1757  noch:  Bonn  U.:  Ca  318. 
S.  89.    339)  noch:  Metz  St.  B.:  O  846. 

S.  90.  340)  1747  Paris  noch:  Darmetadt  Gh.  B.:  C  1286.  1;  Dijon  StB.: 
10320. 

S.  91.    351)  1752  noch:  Bonn  U.:  Ca  317. 

S.  92.  352a)  1752.  Abrege  de  Gram.  Franc,  ä  Zusage  des  Colleges  de  la 
Compagnie  de  Jesus.  Revue  corrigee  et  augmenlee.  Namur,  Pierre 
Lambert  Hinne  (8°  94  S.).  —  id.  1770  ib.  (Nach  F.D.  Doyen,  Biblio- 
graphie Namuroise,  Namur  1887,  No.  77).  Vgl.  No.  156a.)  —  352b) 
1752.  Gramm,  franc.  redigee  en  langue  russe,  suivie  d'ttn  reeueil  de 
tnots  francais  et  russienr.    St  P&ersbourg  (8°).    Vorh.:  Verdun.  — 


Anhang  zum  Verzeichnis  französischer  Grammatiken  etc.        289 

—  353  a)  1752  Daooeta,  I.    Gramm,  nouv.  franc.,  angl.  et  espagn.  en 
12  lecons  dialogismes . . .     Bruxelles,  Fr.  Foppens  (8°)  vorh. :  Nantes. 

—  355)  1753  noch:  Bonn  ü.;  Ca  318;  Darmstadt  Gh.  B.:    C  12861. 
8.  93.    359)  1777  noch:  Dijon  St.  B.:  10321. 

S.  94.  359)  id.  1826  ib.,  P.  Maumas  (8°  548  S.),  vorh.:  Dannstadt  Gh. 
R:  C  1290.  1.  —  360)  vorh.:  Dijon  St.  B.:  10311.  —  361)  1754  noch: 
Bonn  IL:  Ca  318. 

8.  95.  371)  id.  1767  ib.  4.  ed.  (8°)  vorh.:  Bonn  ü.:  Ca  320.  —  id.  1769 
ib.  J.  Barboü  (12°),  vorh.:  Metz  St.  B.:  Q  1082.  -  372)  id.  1761  ib. 
vorh.:  Bordeaux. 

8.  96.  380)  noch:  Bonn  ü.:  Ca  319.  —  381a)  1762  La  scknce  des  en- 
fanls . . .  T.  Ier  (seul)  contenant  la  Grammaire  fr.  Amsterdam  (12° 
nach  Frizon:  Catal.  de  la  bibl.  de  Verdun:  2933).  —  382)  id.  1764 
Nizza,  vorh.:  Lyon.  —  id.  1768  Torino,  vorh.:  Bordeaux.  —  884) 
1763  noch:  Bonn  ü.:  Ca  319.  —  id.  1764  ib.  2.  verb.  Aufl.  (8°),  vorh.: 
ebenda.  —  386)  Schon:  1758  ib.:  Sccond  ed.  (8°)  vorh.:  Bonn  ü.: 
Ca  319. 

8.  98.  394)  id.  1789  Madrid,  Benito  Cano  9.  ed.  (4°),  vorh.:  Nantes.  — 
395.  1721  noch:  Bonn  ü.:  Ca  321.  —  395a)  1768.  Burel.  Principes 
abrege's  de  la  gram,  generale  et  de  la  gram.  fr.  Lyon  (12°),  vorh.:  Lyon. 

S.  99.    404)  id.  1778  ib.,  Nyon  (12°)  vorh.:  Bordeaux. 

S.  100.  416  a)  1774.  Cornelia,  Louis.  Beknopte  en  klare  Leerwyze  der 
Fr  ansehe  Taale.  Tweede  druck,  vtrmederd  etc.  Utrecht  (8°),  vorh.: 
Bonn  U.:  Ca  321.  —  421)  Anm.  1)  Der  Dwcours  noch:  Bonn  U.: 
Ca  320. 

S.  101.  424)  Schon:  1771  Utrecht,  J.  van  Schoouhoven  &  Comp.  Derniere 
ed.  rev.  (8°  10  Bl.  +  460  S.)  Vorh.:  Trier  St.  B.:  G  316.  —  425) 
id.  1783  ib.  Neue  verm.  Aufl.:  Akademische  Übungen  in  d.  fr.  Spr. 
(#>)  vorh.:  Bonn  U.:  Ca  321;  Neisse  G.  —  426)  1776  vorh.:  Bordeaux. 

—  432  a)  1778.    Cours  d'etudes  ä  Cusage  de  C  EcoU  militaire,  com- 
prenant :  Petites  gram,  franc.,  tat.  et  grecque    Paris  (1 2°)  vorh  :  Verdun. 

S.  102.  436)  1782  noch:  Dijon  St.  B.:  10321  bis.  —  440)  id.  1787  ib. 
vorh.:  Nantes.  —  440a)  1780.  Guedell,  P.  A  ISew  idiomatical  Guide 
to  the  french  and  engl,  languages.  Bath,  I.  Salmon  (8°)  vorh.:  Nantes. 

S.  103.  442  a)  1781  Cumerling,  Jean.  JS'ouv.  gram.  fr.  ft'iewe  frensche 
Spraakkonst  etc.  Amsterdam,  J.  F.  Rosart,  (8°)  vorh.:  Nantes.  —  443) 
1781  vorh.:  Nantes.  —  446a)  1782.  Gramm,  fr. -allem,  reduite  en  lables 
ä  Cusage  des  dames.  Berlin,  2  vol.  (8°)  vorh.:  Metz  St.  B.:  I  939, 
vgl.  No.  271.  339,  428,  429.  —  446  b)  1782.  Livre  elemeniaire  pour 
apprendre  ä  bien  lire  en  fr.  et  pour  apprendre  en  mime  temps  les 
principes  de  la  langue  et  de  Corthographe.  Liege  (nach:  De  Thou, 
BiNiogr.  lieg.  p.  680)  —  447)  1782  Francf.  noch:  Bonn  U.:  Ca  321. 
[Angeb.:  1)  Le  mailre  de  langue  17 S3  (s.  Anm.),  2)  Mnlnier,  Avis  a 
M.  te  maitre  de  l.  en  reponse  ä  ses  Lecons  . . .  Berliu  1782  (vgl.  568)]. 

S.  104.  452)  noch  Bonn  ü.:  Ca  321.  —  453a)  1783.  French  grammar. 
Douay,  Derbaix  (1  vol.  8°)  vorh.:  Boulogne  sur  mer. 

S.  105.  458)  id.  [1799]  Koblenz,  neue  Buchh.:  verb.  und  vermehrt  v.  H. 
J.  Beaury.    (8°  X  +  400  +   161  S.)  vorh.:  Trier  St.  B.:  G  557. 

S.  106.  458)  1814.  5.  Aufl  v.  Lugino  noch:  Bonn:  Ca  325  —  461a)  1784. 
Qnillard  de  Beaurien,  G.  Des  inflexions  des  nomes  et  des  verbes 
fr.  et  lat.  Bordeaux,  Bergeret.  (Nach:  E.  Färet,  Statislique  generale 
de  la  Gironde  III.  —  464)  noch:  Bonn  U.:  Ca.  322. 

S.  109.  498)  id.  1785  Konen  (nach  A.  Pluquet,  Biblioqr.  du  ddp.  de  In 
Manche  S.  37.)  —  id.  1788  Paris  (12°)  vorh.:  Verdun. 

S.  110.    501a)    1789.    De  Lairas,    Labbe.    Grammaire  et  dictionnaire  ou 

Zachr.  f.  fr*.  Spr.  u.  Litt.    XII*.  19 


290    E.  Stengel,  Anhang  tum  Verzeichnis  französischer  Grammatiken  etc. 

melhode  philosophique  aui  conciUe  f orthographt  avec  la  Prononciation 
. . .  Paria  (8°)  vorh. :  Lille.    Soc.  des  Sciences  etc. 

S.  111.    515)  Schon:  1790,  vorh.:  Darmatadt  üh.  B.  :  C  1290/10. 

S.  112.    520)  noch:  Darmatadt  Oh.  B.  C  1290/10. 

3.  113.  532a)  1793.  Tricon.  Gramm,  fr.  cn  troit  parties.  Nantes,  Brnn  aine" 
(8"  *   +   43  S.   +   5  Tafeln)  vorn.:  Nantes. 

S.  IM.  537)  id.  1820.  Paria  vorh.:  Dijon  St.B. :  10325  —  id.  1818  Vic. Gabriel: 
Supplement  ä  ta  gr.  de  CHomond  precedc  de  cette  mime  ffr.  per 
M.  J.  N.  J.  Vorh.:  Mete  St.  B.:  Q  1083.  (Vgl.  Henrj  Mnrger.  Seines 
de  ta  vie  de  Boheme,  Pari«  1888  S.  60:  Helai!  pensa  Sodoiphe  en 
la  regardant,  la  pauvre  enfant  n'a  guire  de  Uterature.  Je  tuis  sur 
quelle  se  borne  ä  Forthographe  du  Coeur,  Celle  qui  ne  met  point  ft 
au  pluriel.     ü  faudra  que  je  lui  achtle  an  Lhomond.) 

S.  115.  541a)  1795  (an  Ul  de  la  rep.).  Gramm,  fr.  ä  Cusage  des  ecoki 
nationales,  redigee  tf apres  le  dicret  de  la  Convention  nationale  da 
9  Ptuviöse.  Beanvaie,  vorh.:  Reims.  Vgl.  No.  555.  —  546)  1795  noch: 
Bonn  IL:  Ca  323  —  546a).  1795.  Panciuooke,  CA.  —  Gram.  Mm.  et 
mecanique  ü  Cusage  des  enfant  de  10— 14  ans  et  des  ecoles  primäres. 
Paria,  Pongin  (8"  VIII  +  fi7  8.)  TOth.:  Düon  St.  B.:  10822. 

S.  116.    555)  —  id.  an  IV  de  la  rep.  Douay.   (8°  124  S.) 

S.  117.  560)  1821  noch:  Bonn  U.:  Ca  325  —  562)  1801  noch:  Bonn  ü.: 
Ca  323  —  1822  noch:  Darmatadt  Gh.  B.:  C  1291. 

S.  118.  571)  noch:  Dijon  St  B.:  10323. 

S.  119.    576)  id.  an  Vi    Metz,  Veronnaie  (12°)  vorh.:  Bordeaux. 

S.  120.  587)  an  Vil.  Paria,  Agave.  Vorh.:  Boulogne  sur  mer  —  id.  1803 
{an  XU):  Abrege  de  la  gram,  usuelle.  3.  öd.  (8°)  vorh.:  Bonn  C: 
Ca  323. 

S.  121.    567)  an  Vill  noch:  Trier  St  B.:  O  568. 

S.  122.    602)  an  FZ/noch:  Darmatadt  Gh.  B.:  C  1293.  1. 

S.  123.  621)  Keine  Grammatik,  enthalt  nar  18  Auaspracheregeln.  Bs  muw 
aber  c.  1543  erschienen  sein,  da  nm  dieae  Zeit  Johann  von  Aich  in 
Kein  druckte,  und  da  im  deutschen  Texte,  nach  gütiger  Hitteilung 
von  Dr.  NOlrenberg,  noch  verschiedene  Spracheigentümlichkeiten  vor- 
kommen, welche  nach  dieser  Zeit  in  Drucken  Kleinlich  verschwinden. 


Franz  Grillparzer  über  die  französische  Litteratur. 


Am  15.  Januar  1891  wird  der  100.  Geburtstag  des  öster- 
reichischen Dichters  Franz  Grillparzer  gefeiert  werden,  welcher 
nicht  nur  durch  eine  Reihe  tiefempfundener,  eigenartiger  Dramen 
und  lyrischer  Gedichte  Anspruch  hat,  den  Besten  unseres  Jahr- 
hunderts zugezählt  zu  werden,  sondern  auch  als  Kenner  und 
Beurteiler  der  französischen  Poesie  des  klassischen  und  nachklassi- 
schen Zeitalters  Beachtung  verdient.  War  er  doch  nach  Goethe 
der  Erste  unserer  grossen  deutschen  Dichter,  der  gegen  den 
einseitig  scharfen  Bannspruch  Lessing's  über  Corneille,  Racine 
und  Voltaire  sich  auflehnte  und  eine  sachliche  Würdigung  der 
besten  Schöpfungen  jener  verfehmten  Litteraturperiode ,  sowohl 
in  geschichtlicher,  wie  in  ästhetischer  Hinsicht  erstrebte.  Wenn 
er  als  dramatischer  Dichter  sich  zwar  hie  und  da  in  Stoffwahl 
und  Behandlung  mit  Shakespeare,  Lope  de  Vega,  Goethe  und 
Schiller,  aber  sehr  selten  mit  den  französischen  Dramatikern 
begegnet,  so  kommt  dies  daher,  dass  ihm  die  klassische  Tra- 
gödie des  Sücle  de  Louis  XIV.  und  des  Aufklärungszeitalters 
mit  Recht  für  ein  nicht  nachahmenswertes  Muster  gelten  konnte, 
er  in  Lustspielen  sich  aber  nur  vereinzelt  versuchte  und  über- 
dies die  masslos  hohe  Schätzung  des  Lope  de  Vega  seinen 
Sympathien   für  die   französische  Dramendichtung  Abbruch  that. 

In  der  Jugendzeit  Grillparzer' 8  war  die  Kenntnis  französi- 
scher Dichtung  in  Deutschland  weit  häufiger,  als  jetzt,  wo  selbst 
„ Neusprachler u  ihre  gänzliche  Unbekanntschaft  oder  sehr  rela- 
tive Bekanntschaft  mit  Voltaire,  Victor  Hugo,  Lamartine  u.  s.  w. 
eingestehen  müssen  und  die  sog.  Gebildeten  ab  und  zu  einmal 
einen  Pariser  Moderoman,  am  liebsten  in  einer  der  fabrikmässigen 
Verdeutschungen,  lesen.  Damals  gehört  die  Lektüre  französischer 
Autoren  zur  notwendigen  Geistesnahrung  und  die  Kenntnis  der 
französischen  Sprache  gab  allein  Anspruch,  zur  „Gesellschaft" 
gerechnet  zu  werden.     Insbesondere  waren  die  Wiener   in  ihrer 

19* 


392  ß.   Makrenholti, 

von  dem  Übrigen  Deutschland  ziemlich  abgeschlossenen  Geistes 
sphäre  auf  die  modischen  Schriften  der  Aufklärungsphilosopheii 
Frankreichs  angewiesen.  Denn  Über  die  Meisterwerke  Leasing'*, 
Goethe's,  Schiller'»  hatte  die  Zensurbchördc  und  Polizei  einen 
strengen  Bann  gelegt,  so  dass  dieselben  erst  im  Jahre  1805, 
infolge  der  französischen  Besetzung  Wiens,  allgemeiner  zugäng- 
lich wurden,  vorher  war  der  gebildete  Wiener,  wenn  er  sich 
nicht  mit  der  wenig  zeitgemüsaen,  heimischen  Produktion  be- 
gnügen wollte,  hauptsächlich  auf  Fremdes  angewiesen.  Durch 
die  zweimalige  Eroberung  Wiens  (1805  und  1809)  kam  Grill- 
parzer  mit  den  Franzosen  in  unmittelbare  Berührung  und  machte 
sich  frühzeitig  von  den  politischen  und  litterarischen  Vorurteilen 
frei,  welche  gegen  die  Nation  der  kirchenfeindlichen  Aufklärung 
und  der  zerstörenden  Revolution  bei  den  ordnungsliebenden  Bür- 
gern der  deutschen  Gross-  und  Kleinstaaten  herrschten.  Er 
lernte  das  Gute  an  ihr  von  dem  Schlechten  unterscheiden  ud 
fand,  dass  seine  Landsleute  mehr  das  Letztere,  als  das  Ersten 
nachzuahmen  suchten.  Diesen  Gedanken  spricht  er  schon  in 
einem  kleinen  Lustspiele  aus  der  Zeit  seines  frühesten  Jünglings- 
alters, Wer  ixt  schuldig  betitelt,  aus.  In  dem  erwähnten  Stücke, 
wie  namentlich  in  einem  anderen  Jugend  versuche ,  der  mehr  in 
das  Gebiet  der  kaute  comtdU  hineinreicht  {SeelengrS$K  ist  sein 
Titel),  bemerken  wir  den  Einfluss  des  früh  gekannten  und  ge- 
schätzten Moliere,  besonders  scheint  die  Ecole  de»  Femmes  auf 
Grillparzer  einen  nachhaltigen  Eindruck  gemacht  zu  haben. 

Später  sind  die  Spuren  französischer  Einwirkung  selten. 
In  dem  BUhnenmärchen  Der  Traum  ein  Leben  ist  der  (Tmriss 
der  Handlung  und  der  Hauptcharakter  in  seinen  allgemeinsten 
Motiven  der  anmutigen,  Orientalisch  angehauchten  Erzählung 
Voltaire'»:  he  blatte  et  le  noir  entnommen,  dagegen  hat  Grill- 
parzer die  biblische  Erzählung  Über  Esther  in  einem  unvollen- 
deten Stucke  dramatisiert,  ohne  dass  hier  eine  Anlehnung  an 
Racine's  gleichbetitelte  Tragödie  zu  erkennen  wäre. 

In  einer  Hinsiebt  blieb  das  französische  Tragödien  Schema 
doch  von  Bedeutung  für  Grillparzer's  eigene  dramatische  Dich- 
tungen. Mit  Corneille,  Racine  und  Voltaire  hielt  er  im  Wesent- 
lichen an  der  Dreieinheitstheorie  fest,  erkannte  zwar,  wie  schon 
Aristoteles,  auf  dessen  Autorität  jene  vielbekämpfte  Theorie 
zurückgeführt  wurde,  dass  nur  die  Einheit  der  Handlung  unbe- 
dingt erforderlich  sei,  bezeichnete  aber  die  der  Zeit  und  des 
Ortes  als  wünschenswerte  Aggredienzien.  Ohne  Not,  so  sagt  er 
ausdrücklich,  solle  der  Dramatiker  keine  der  drei  Einheiten  un- 
beachtet lassen  und  seine  Stoffe  so  einfach  wählen,  dass  ihre 
psychologische  Ausgestaltung  innerhalb  eines  beschränkten  Zeit- 


Frauz   Grülparzer  iiher  die  fraiiziisischi:  LiUcialiir. 


■im 


ZUI 

■ 


icB  denkbar  Bei  und  ein  zu  häufiger  Orts-  und  Szenenwechsel 
vermieden  werde.  Diese  Ratschläge  hat  er  selbst  in  Beinen 
DnutMfl  thunlichst  befolgt,  ohne  natürlich  wesentliche  Anforde- 
rungen der  Kunst  jener  Aristotelischen  Doctrin  aufzuopfern. 
Wie  Lesung,  wollte  auch  er  geistig  frei  innerhalb  jener  Sehranken 
Behalten  und  die  Lehre  des  griechischen  Philosophen,  welcher 
die  Handlungseinheit  nachdrücklich  betont,  die  des  Ortes  und  der 
Zeit  mehr  als  etwas  herkömmliche*,  aber  nicht  unbedingt  Wesent- 
liche« ansieht,  nicht  iu  jene  Zwangsjacke  der  französischen 
Akademiker  pressen,  der  seihst  Corneille  nur  widerstrebend  sich 
angepasst  halte.  Aber  fern  lag  es  ihm,  in  dem  Stugiriten  eine 
Autorität  zu  bewundern,  welcher  in  der  Dramaturgie  dieselbe 
Geltung  gehühre,  wie  dem  Kuklid  in  der  Geometrie,  vielmehr 
erkannte  er,  in  die  Tiefen  der  Poesie  mehr  eindringend,  als 
Lessing,  die  nüchterne,  prosaische  Kunstanschauung  des  Philo- 
sophen sehr  scharfsinnig  heraus.  So  wenig  also  die  von  der 
Kielielieu'schen  Akademie  aufgebrachte  und  einem  unabhängigen 
Geiste,  wie  Corneille,  aufgenötigte  Dreieinheitstheorie  in  ihrer 
mechanischen,  das  innerste  Wesen  des  Drama  einzwängenden 
AuBlegung  ihm  zusagte,  so  vermied  er  doch  einen  günzlichen 
Bruch  mit  Aristoteles'  Poetik  in  der  Weise  Shakespeare**  und 
jener  „Stürmer  und  Dränger"  dea  XVIII.  Jahrhunderts.  Wie 
Racine  und  wie  in  den  gereifteren  Bühnendichtungen  auch  zu- 
meist Goethe  und  Schiller  es  thun,  wählte  er  seine  dramatischen 
Stoffe  so,  dass  die  einfachere  Cbarakterentwickelung  innerhalb 
eine«  beschrankten  Zeitmasses  ohne  psycho  logische  Unmöglich- 
keiten denkbar  blieb  und  dass  die  leicht  konzentrierbare  Hand- 
lung nicht  ein  unruhiges  Uin-  und  llerspringen  von  einem  Ort 
zum  anderen  nötig  machte.  Man  kann  also  von  ihm,  wie  von 
iBeren    beiden    grössten   Dichtern    sagen,   dass  er  „das  Gesetz 

erfüllen,  nicht  aufzulösen"  gekommen  Bei. 

Seine  selbständige  Stellung  gegenüber  Aristoteles  und  dessen 
französischen  Interpreten  hinderte  ihn  aber  nicht  an  einer  partei- 
losen Würdigung  der  formalen  und  inhaltlichen  Vorzüge  der 
klassischen  Tragödie  Frankreichs.  Desshalb  nimmt  «ein  scharfer 
Tadel  Lessing's,  den  er  unter  der  Maske  Fricdrich's  des  Grossen 
(in  dem  Todtenge sprach  zwischen  Voltaire  und  Friedrich),  sowie 
in  seinem  eigenen  Namen  ausspricht,  von  der  apodiktischen 
Verurteilung    Corneille'!    und  Voltaire's    in    der   „Hamburgischen 

.malurgie"   seinen  Ausgangspunkt. 

Während  uns  infolge  eines  verkehrten  HymiiasiaiunlorrichteB 
llnfili'hter    Ludwig' s  XIV.    und    der    Oppositionsdichter    der 

ndezeit,  Corneille,  bekannter  sind,  als  die  weit  einllussreieberen 
bahnbrechenderen  Vorkämpfer   der  französischen  Aufklärung 


394  R.  MtArcnhvttt, 

oder  die  seitlich  am  nächsten  stehenden  Dichter  der  romantischen 
und  nacbromantischen  Periode,  hatte  sich  Grillparcer  gerade  um- 
gekehrt an  den  Aufklären,  besonders  an  Voltaire,  geschult  und 
zu  den  zeitgenössischen  Romantikem  eine  bestimmte,  von  scharfer 
Antipathie  nicht  freie  Stellung  genommen,  während  die  sogen. 
Klassiker,  mit  einziger  Ausnahme  Moliere's,  ihm  indifferenter 
blieben.  Doch  erkennt  er  mit  einer  Unbefangenheit,  welche  in 
jener  Zeitriehtung  einer  masBlosen  oder  gar  heuchlerisches 
Schwärmerei  für  hellenisches  Altertum  doppelt  beachtenswert  ist, 
dass  auch  die  französische  Dichtung  des  XVII.  Jahrhundert«  rar 
uns  näher  liegend,  leichter  verständlich  und  wertvoller  sei,  all 
die  griechi scheu  Tragödiendichter  der  Perserzeit  und  wahrend 
der  peloponueaischen  Wirren.  Hätte  er  nicht  seine  oft  gehässige 
Abneigung  gegen  die  Hauptvertreter  der  deutschen  Romantik 
auch  mannigfach  anf  Victor  Hugo,  Lamartine  u.  A.  übertragen 
nnd  Jean-Jacques  Rousseau  nicht,  wie  es  scheint,  lediglich  nach 
verzerrenden  Darstellungen  beurteilt,  so  würden  wir  seinen  zer- 
streuten Äusserungen  Aber  die  französische  Litteratur  der  Neu- 
zeit dieselbe  Tiefe  und  Objektivität  nachrühmen  können,  wie 
den  Aussprüchen  Ooethe's.  So  aber  muss  das  Lob,  welches  wir 
im  Ganzen  auch  Grillparzer's  Schätzung  der  französischen  Dichter 
erteilen  dürfen,  im  Einzelnen  manche  Einschränkung  erleiden. 

Eine  zusammenhängende  Beurteilung,  wie  seinem  Liebling 
Lope  de  Vega,  hat  Übrigens  Orillparzer  keinem  französischen 
Schriftsteller  angedeihen  lassen,  wir  sind  anf  eine  Anzahl  kurzer 
Notizen  und  gelegentlicher  Meinungsäusserungen  angewiesen,  wenn 
wir  seinen  Standpunkt  genauer  feststellen  wollen.  Ausser  den 
Rückblicken,  die  er  in  seiner  Polemik  gegen  deutsche  Roman- 
tiker und  Tendenzdichter,  zuweilen  auf  die  gegenwärtige  Litte- 
ratur Frankreichs  wirft,  haben  wir  besonders  die  ans  seinem 
Nachlass  herausgegebenen  Studien  zur  französischen  Litteratur, 
zerstreute  Tagebuch  aufzeich  nungen  ans  den  Jahren  1816 — 1861 
(siehe  Grillparzer's  sämtliche  Werke,  Cotta  1887,  Bd.  XIV)  in 
Betracht  zu  ziehen. 

Zu  bedauern  bleibt  dabei,  dass  diese  Aphorismen  erst  mit 
Corneille  beginnen,  also  jede  Äusserung  Grillparzer's  Über  die 
in  jener  Zeit  schon  vielfach  geschätzte  Dichtung  des  mittelalter- 
lichen Frankreich  nns  fehlt.  Indessen  aus  seiner  scharfen  Polemik 
gegen  die  Erforscher  nnd  Bewunderer  der  mittelhochdeutschen 
Poesie  können  wir  ungefähr  schliessen,  wie  er  sich  zu  der  alt- 
und  mittel  französischen  Poesie  gestellt  haben  würde.  Nicht  höher, 
als  die  Nibelungen  und  andere  deutsche  Volksepen,  würde  er 
das  Rolandslied  und  die  verwandten  Poesien  des  karolingi sehen 
Sagenkreises  geschätzt  haben;  wie  die  Gebr.  Grimm  und  Unland, 


Franz  GrUlparzer  über  die  französische  Litteratur.  295 

so  würden  ihm  auch  Diez  und  andere  hochverdiente  Philologen 
Deutschlands  als  Schnlpedanten  gegolten  haben,  deren  Bewunde- 
rung flir  vergangene  Zeiten  der  Dichtung  ihm  an  falschen  Vor- 
aussetzungen zu  kranken  schien.  Für  GrUlparzer  gibt  es  über- 
haupt kein  mittelalterliches  Volksepos,  weil  die  Masse  weder 
lesen  noch  schreiben  konnte  und  die  herumziehenden  Sänger  nur 
an  den  Höfen  der  Fürsten  und  Grossen  weilten.  Darum  seien 
die  Nibelungen  z.  B.  nie  in  das  Volk  eingedrungen  und  desshalb 
von  der  Buchdruckerkunst  lange  Zeit  unbeachtet  geblieben.  Seine 
Schätzung  der  ihm  nur  teilweise  bekannten  und  zugänglichen 
mittelhochdeutschen  Litteratur  ist  nicht  ganz  so  absprechend, 
wie  die  Friedrich's  des  Grossen,  denn  man  merkt  wohl,  dass 
der  wahre  Dichter  sich  auch  in  der  einseitigsten  Parteistellung 
nicht  verleugnen  kann,  aber  doch  sehr  an  die  vornrteilsvolle 
Meinung  Boileau's  über  die  französische  Litteraturzeit  vor  Mal- 
herbe erinnernd.  Wenn  daher  der  grosse  preussische  König 
eine  wertvolle  Sammlung  mittelalterlicher  Volkslieder  aus  seiner 
Privatbibliothek  „herausschmeissen"  wollte,  da  „solches  Zeug" 
höchstens  auf  die  öffentliche  Bibliothek  gehöre,  wo  es  Niemand 
läse,  wenn  er  dieselbe  Ausgabe  dem  Rektor  Meierotto  beinahe 
an  den  Kopf  warf,  so  sind  für  GrUlparzer  derartige  Volks- 
gesänge doch  so  wertvoll,  wie  „die  Blumen  auf  dem  Felde,  die 
in  den  Gärten  aber  zu  Unkraut  werden".  Ja,  er  tritt  wenigstens 
einem  Dichter  der  Staufenzeit,  Walther  von  der  Vogel  weide, 
nicht  ohne  wärmere  Sympathie  nahe.  Viel  Neues  und  Schönes 
dürften  wir  aber  von  seinen  Urteilen  über  die  ältere  französische 
Litteratur  kaum  erwarten,  denn  sie  stand  ihm  schon  nach  der 
sprachlichen  und  geschichtlichen  Seite  noch  ferner,  als  die  ältere 
deutsche. 

Der  Tageslitteratur  Frankreichs  erkannte  er  dagegen  manche 
Vorzüge  vor  der  gleichzeitigen  deutschen  zu,  namentlich,  seitdem 
er  im  Frühjahre  1836  längere  Zeit  in  Paris  geweilt,  die  dortigen 
Theater  besucht  und  für  einzelne  Bühnendichter  und  Btthnenhelden 
wärmere  Sympathie  gewonnen  hatte.  Ihm,  dem  entschiedenen 
Gegner  alles  dessen,  was  auf  Tendenzpoesie  hinauslief  oder  eine 
Verquickung  der  Philosoqhie  und  Poesie  bedeutete,  erschien  das 
französische  Drama  weit  mehr  den  Kunstforderungen  entsprechend, 
als  das  deutsche,  welches  in  erster  Linie  „lehren,  nicht  unter- 
halten a  wolile.  „Wenn  mich  jemand  belehren  will",  meinte  Grill- 
parzer,  „so  sehe  ich  ihn  mir  vorher  genau  an."  In  der  That 
waren  selbst  in  dem  französischen  Lustspiele  mit  zeitgemässem 
und  der  Tagesströmung  folgendem  Inhalte  die  Anspielungen 
nicht  so  handgreiflich  und  prosaisch  deutlich,  wie  in  den  Tendenz- 
stücken der  jungdeutschen  Schule,   die  moralische  Etikette  nicht 


296  R-   MahrcnholtZ, 

so  lesbar  und  sichtbar  aufgeklebt,  wie  hier.  Desto  mehr  kamen 
die  dramatische  Lebendigkeit  und  die  vollendete  Form  zur  Gel- 
tung, während  in  den  deutschen  Bühnendichtungen  jener  Zeit 
die  tiefen  oder  wenigstens  sentenzibsen  Gedanken  häufig  für  die 
un künstlerische,  rohere  Gestaltung  entschädigen  mussten.  „Die 
neuesten  Franzosen",  bemerkt  daher  Grillparzer  in  einer  Rand- 
bemerkung aus  dem  Jahre  1839,  „verstehen  wenigstens  einen 
Stoff  lebendig  zu  machen  und  stehen  dadurch  der  Kunst  immer 
naher,  als  die  Deutschen  derselben  Periode,  die  den  bestgewählten 
Stoff  in  der  Ausfuhrung  tüten."  Als  Punkte,  worin  es  die  fran- 
zösische Littcratur  der  deutschen  vorausthäte,  führt  er  ein  Jahr 
vorher  folgende  an:  Logik,  Wärme,  Natur,  praktischer  Sinn, 
Männlichkeit,  nicht  insofern  sie  dem  Weibischen,  sondern  insofern 
sie  dem  Knabenhaften  entgegengesetzt  sei,  denn  weibisch  und 
geckenhaft  seien  die  Franzosen  oft  genug.  Hitunter  scheint  sogar 
Grillparzer  durch  die  zu  hohe  und  einseitige  Schätzung  des  Fran- 
zösischen ungerecht  gegen  die  deutschen  Geistes eigenthümlich- 
keiten  zu  werden,  doch  teilte  er  hierin  die  herrschenden  Vorurteile 
des  derzeitigen  Liberalismus,  der  allem,  was  aus  Frankreich  oder 
England  kam,  schon  aus  diesem  Grunde  den  Vorzug  vor  dem 
heimischen  zuerkannte. 

Man  möchte  glauben,  seine  Bekanntschaft  mit  den  franzö- 
sischen Bühnenstücken  in  der  trefflichen  Darstellung  der  Pariser 
Theater  habe  seine  von  Jugend  auf  vorhandene  Vorliebe  noch 
gesteigert,  indessen  dazu  war  der  Aufenthalt  in  der  Seinestadt 
zu  kurz,  sein  persönlicher  Verkehr  mit  den  dortigen  Litteratnr- 
grüssen,  von  welchen  er  nur  Alexandre  Dumas  Sohn  genauer 
kennen  lernte,  zu  gering.  Vielmehr  bemerken  wir,  dass  sein 
günstiges  Urteil  Über  die  classische  Dichtung  und  die  Aufklärungs- 
litteratur  Frankreichs  auch  nach  1836  unverändert,  die  ungünstige 
Meinung  von  den  Romantikern  in  unverminderter  Stärke  bestehen 
bleibt. 

Wie  alle  Menschen  mit  stark  hervortretender  Subjektivität 
und  wie  alle  tiefinnerlich  und  wahr  empfindenden  Dichter,  liess 
sich  auch  Grillparzer  durch  äussere  Eindrucke  nicht  zu  Meinnngs- 
änderungen  oder  gar  zur  Entsagung  fest  eingewurzelter  Vorurteile 
bestimmen.  Gesteht  er  doch  einmal  in  den  Noten  zu  seiner 
(1853  geschriebenen)  Autobiographie,  er  halte  gern  an  Lieblings- 
ansichten  fest,  auch  wenn  er  durch  Gründe  eines  Besseren  über- 
wiesen sei.  So  können  wir  uns  nicht  wundern,  wenn  wir  in  seinen 
Bemerkungen  über  französische  Dichter  und  Schriftsteller  während 
der  ganzen  45  Jahre,  in  denen  sie  aufgezeichnet  sind,  keine 
wesentliche  Veränderung  des  Standpunktes  bemerken. 

In  den  Vorhof  des  klassischen  Dramas  der  Franzosen  fuhren 


Franz  GriUparzer  über  die  französische  Litieratur.  297 

uns  ein  paar  Betrachtungen  über  Corneille  ein,  deren  abspre- 
chende Schürfe  sich  daraus  erklärt,  dass  GriUparzer  das  Licht 
zu  sehr  nach  der  Seite  Racine's  verteilt  und  dass  die  zufällig 
hingeworfenen  Notizen  eben  nur  die  Schwächen,  nicht  die  Vor- 
lage des  französischen  Nationaldichters  treffen.  Denn,  wie  wenig 
er  Corneille  den  Ruhm  eines  grossen  und  wahren  Dichters  streitig 
machen  will,  zeigt  seine  Polemik  gegen  Lessing  8  apodiktisches 
Urteil.  „Dieser",  schreibt  GriUparzer  im  Jahre  1852,  nachdem 
er  soeben  die  Rachel  während  ihres  Gastspiels  in  Wien  als  Dar- 
stellerin klassischer  Tragödien  gesehen  hatte,  „ging  in  seiner 
Anfeindung  soweit,  dass  er  sich  zu  dem  Ausspruche  hinreissen 
Hess,  man  möge  ihm  ein  Trauerspiel  des  grossen  Corneille  nennen, 
das  er  nicht  besser  machen  wolle.  Wenn  nun  Lessing  damit 
meinte:  verbessern,  so  müssen  wir  ihm  unbedingt  Recht  geben. 
Sollte  er  aber  gemeint  haben :  von  vornherein  besser  oder  über- 
haupt nur  ebenso  gut  machen,  so  mögen  wir  mit  Recht  daran 
zweifeln,  schon  aus  dem  einfachen  Grunde,  weil  Corneille  ein 
grosser  Dichter  war,  Lessing  aber,  bei  der  Universalität  seiner 
Richtungen,  nicht. a  Die  Erklärung  für  den  Rückgang  von  Cor- 
neille's  dichterischer  Bedeutung  findet  GriUparzer  darin,  dass 
seine  „spanischen,  bewegungsvollen  Stoffe a  sich  nicht  „in  der 
vom  Cardinal  Richelieu  octroyierten,  durch  die  Alten  sanktionierten 
und  von  Boileau  fixierten  mageren  und  engen  Form"  hätten  durch- 
führen lassen.  Auf  diese  Weise  habe  Corneille  die  Sicherheit 
der  Geistesrichtung  und  die  Fähigkeit,  eigentlich  französische 
Stoffe  mit  Feuer  und  Überzeugung  auszuführen,  verloren.  Mit 
richtigerem  historischem  Verständnisse  als  Lessing,  macht  GriU- 
parzer also  nicht  Corneille  selbst,  sondern  die  ihn  'bevormundende 
Akademie  und  den  ihn  meisternden  Kardinal  für  die  Missgeburt 
jener  klassischen  Stelzentragödie  verantwortlich,  die  erst  Racine's 
Genius  dem  allgemein  Menschlichen  nahe  zu  rücken  wusste. 
Die  oft  kalte,  gemütsleere  und  spitzfindige  Rhetorik  des  aus 
dem  Advokatenstande  hervorgegangenen  Dichters  ist  GriUparzer 
natürlich  widerwärtig.  So  spottet  er  in  einer  Notiz  d.  J.  1817 
über  das  vielzitierte,  fast  sprichwörtlich  gewordene:  „Soyons  amis 
Cinna",  jenen  effektvollen  Redeübergang  des  Cäsar  Augustus. 
„Bemerken  wira,  sagt  GriUparzer  sehr  treffend,  „was  un- 
mittelbar vor  diesen  Worten  hergeht.  Wie  August  die  Mit-  und 
Nachwelt  auffordert,  auf  ihn  und  seinen  Sieg  über  sich  selbst 
zu  schauen.  Es  ist  eine  Erbärmlichkeit  in  dieser  ganzen  Stelle, 
die  nur  gefühlt  werden  kann.  Überhaupt  ist  die  ganze  Art,  wie 
August  im  Cinna  eingeführt  wird,  das  Unglücklichste,  wozu  die 
Notwendigkeit,  fünf  Akte  herauszubringen,  und  die  Wut,  auf 
Stelzen  zu  gehen,  je  einen  Autor  verleitet  hat.   Wie  jämmerlich, 


398  R.  Mahrenhottt. 

dass  Augnet  sich  selbst  seine  eigenen  Vergehen  vorhalten  mau, 
nm  sich  das  Verzeihen  möglich  zu  machen,  wie  schrumpft  die 
Gülterrigur  zusammen,  in  deren  Munde  das:  Soytm»  attus  Onnmt 
all  ein  eine  erhebende  Bedeutung  haben  kann." 

Da  derartige  Kunststückchen  der  Rhetorik  in  den  auf  den 
Cid  folgenden  Tragödien  Cornoilles  immer  häufiger  werden  und 
die  abnehmende  Dichterkraft  trügerisch  verhüllen  sollen,  so  hat 
Grillparzer  im  ganzen  Recht,  wenn  er  findet,  daas  „jene  Stücke 
des  Corneille,  welche  die  Franzosen  seine  Meisterstücke  nennen, 
gerade,  dem  Wesen  nach,  die  schlechtesten  sind,  wie  dieser 
Cinna  oder  Soraet.u  Für  die  letzteren  mit  all  ihrem  Wortgepränge 
und  Sentenzenkram  wolle  er  „keinen  Groschen  geben".  Als  Grill- 
parzer so  schneidend  Bcharf  sich  gegen  die  französische  Litteratatr- 
tr&dition  aussprach,  war  er  erat  26  Jahre  alt,  denn  jene  Äusserun- 
gen sind  1817  niedergeschrieben. 

Einen  ganz  anderen  Ton  lässt  Grillparzer  erklingen,  wo  er 
zur  Besprechung  Ra eine's  sich  wendet  Selbst  in  der  schwächsten 
aller  von  Racine  geschaffenen  Tragödien,  in  den  „Frhrea  ennemü", 
hebt  er  lobend  den  scharf  durchgeführten  Gegensatz  zwischen 
dem  stolzen  Aristokraten  Polynikes  und  dem  heuchlerischen  Volks- 
freunde Eteocles  hervor,  und  die  dramatischen  Fehler  des  Stückes 
sind  nach  seiner  Ansicht  eine  unvermeidliche  Folge  der  „als  un- 
fehlbar Überlieferten  Theaterkonvenienz".  Grillparzer  erwähnt 
noch  verschiedene  Dramen  des  französischen  Dichters  ganz  neben- 
bei und  nicht  immer  zustimmend,  um  mit  folgendem  sehr  an- 
erkennenden Gesamturteil  zu  schliessen:  „Racine,  ein  so  grosser 
Dichter,  als  je  einer  gelebt  hat,  mnsste  eben  dafür  büssen,  an 
die  Scheidegrenze  des  Mittelalters  und  der  neueren  Zeit  hin- 
gestellt zu  sein,  wo  die  heroischen  Leidenschaften  des  Mittel- 
alters noch  fortglimmten,  indess  ein  seh  au  prunkender  König  be- 
schlossen hatte,  keiner  von  ihnen  Spielraum  zu  geben,  als  jener 
Minne,  die  durch  Förmlichkeit  längst  zur  Galanterie  herabgesunken 
war.  Fünfzig  Jahre  früher  und  der  Dichter  hätte  all  jene  Tapfer- 
keit, Uass,  Blutrache,  Herrsch-  und  Ruhmsucht  in  ihrer  ursprüng- 
lichen Gestalt  dargestellt;  fünfzig  Jahre  später,  und  er  hätte  sie 
schon  so  abgeschwächt  gefunden,  dass  er  sich  seiner  Neigung 
für  sanftere  Empfindungen  unbedingt  hätte  überlassen  können. 
So  aber  finden  sich  jene  herben  Elemente  in  dieses  süssliche 
Medium  eingetaucht."  Dieses  gereifte,  richtig  zusammenfassende 
Urteil  stammt  ans  dem  Jahre  1840. 

Von  Racine  geht  Grillparzer  zu  Moliere  Über,  und  lässt 
uns  nur  bedauern,  dass  er  nichts  Genaueres  über  den  grossen 
Lustspieldichter  sagt.  Nachdem  er  über  den  Misanthrop*  in  einer 
gewissen  Anlehnung  an  Goethe' s  Auffassung  gesprochen  und  Über 


Franz  Grülparzer  über  die  französische  Litterattar.  299 

den  Namen  Tartuffe  eine  wenig  haltbare  Etymologie  aufgestellt 
bat,  rühmt  er  an  den  frühesten  Stücken  Moliere's  die  Empfindungs- 
und Gemtitspoesie,  die  später,  in  Folge  des  Einflusses  von  ßoi- 
lean  nnd  nach  dem  Vorgänge  der  vielbewunderten  klassischen 
Tragödie,  der  Verstandspoesie  den  Platz  geräumt  habe. 

Über  Voltaire,  dessen  religiöse  Weltanschauung  in  vielen 
Punkten  auch  die  Grillparzer's  war,  hat  der  letztere  sich  nur  selten 
ausgesprochen,  weil  eine  Parteinahme  für  den  Urheber  des 
„Ecrasez  Vinfame"  in  dem  Zeitalter  der  heiligen  Allianz  sehr 
misslich  war.  Wo  er  dies  aber  thut,  macht  er  auch  aus  seiner 
Sympathie  kein  Hehl.  So  beklagt  er  in  seiner  für  die  neu- 
gegründete  Wiener  Akademie,  deren  Mitglied  er  war,  geschriebenen 
Selbstbiographie,  dass  jedermann  Voltaire  schmähe,  aber  keiner 
ihn  kenne,  eine  Bemerkung,  die  auf  unsere  Zeit  noch  mehr  zu- 
trifft, als  auf  das  Jahr  1853.  Desto  ungünstiger  und  ungerechter 
kommt  aber  Vol taire's  Antipode,  Jean-Jacques  Rousseau,  fort. 
In  einer  Notiz  aus  dem  Jahre  1822  nennt  ihn  Grülparzer  den 
vollkommensten  Egoisten  und  weist  für  diese  Behauptung  auf  die 
bekannte  Kinderaussetzung,  auf  das  Verhältnis  zu  Therese  Le- 
vaagenr  und  auf  das  schroffe  Benehmen  der  Welt  und  Gesell- 
schaft gegenüber  hin.  Rousseau  habe  in  dem  Zustande  eines  durch 
seine  Gedanken,  nicht  durch  seine  Empfindungen  beherrschten 
Menschen  gelebt  und  sich  selbst  getäuscht,  wenn  er  sich  für 
einen  Empfindungs-  und  Gefühlsmenschen  hielt.  Neben  dieser 
scharfen  Kritik  verschwindet  der  Tadel  des  letzten  Buches  der 
„Confesttons",  welches  Grülparzer  nicht  ohne  Grund  als  den  vor- 
hergehenden weit  nachstehend  ansieht  und  gegen  die  Verletzung 
des  Schamgefühles  in  manchen  sinnlich-erregten  Schilderungen 
der  „Nouvelle  Helo'ise".  Grillparzer's  Urteil  über  den  Unglücklichen 
Verfolgten  lässt  aber  nicht  nur  die  historische  Objektivität  ver- 
missen, sondern  bewährt  auch  die  Richtigkeit  der  Meinung,  dass 
gleiche  Pole  sich  abstossen,  denn  in  mancher  Hinsicht  war  der 
österreichische  Dichter  dem  Genfer  Philosophen  geistesverwandt. 
Eine  von  den  grössten  Bewunderinnen  und  wärmsten  Verteidi- 
gerinnen Rousseau's  war  Mme  de  Stael,  auch  sie  hat  das  Schick- 
sal, von  Grülparzer  sehr  missfällig  beurteilt  zu  werden.  Über 
vieles,  was  er  sagt,  würde  die  gräfliche  Schriftstellerin,  welches 
uns  neuerdings  mit  einem  mehrbändigen  Hymnus  ihrer  litterari- 
schen Vorgängerin  beschenkt  hat,  in  lebhaftes  Entsetzen  ver- 
fallen. An  der  „Corinna11  tadelt  Grülparzer  „die  Abwechslung 
zwischen  warmen  Gefühl  und  kaltem  Verstand,  wodurch  der  Ver- 
stand leicht  warm,  das  Gefühl  leicht  kalt  werde",  die  übertriebene 
Bevorzugung  der  Landschaftsschilderung,  welche  „die  Personen 
verschlinge",  und  vor  allem  die  wortreiche  Redesucht  der  Heldin. 


300  R.  Mahrenkottz, 

des  Romane».  Die  Moral  der  „Delphine",  welche  eingehender 
betrachtet  wird,  sei  die  „eines  deboucbierten  Weibes",  weichet 
GUte  und  Grossmut,  aber  nicht  Enthaltsamkeit  und  Gerechtigkeit 
zeige,  ausserdem  laufe  die  Tendenz  des  Romanes  anf  eine  wohl- 
feile Verherrlichung  des  „empire  de  l'opinitm"  hinaus.  Die  „dix 
ans  de  mon  exü"  seien  ein  übertriebene 8,  selbstsüchtiges  Klage- 
lied dartlber,  dass  die  Verfasserin  „nicht  mehr  in  den  Zirkeln 
von  Paris  glänzen  könne".  Einzelne  Stellen  und  Vorzüge  erkennt 
Übrigens  Grillparzer  auch  in  der  bitter  geschmähten  „Delphine", 
die  er  mit  Unwillen  weggeworfen  zu  haben  eingesteht,  an. 

An  Casimir  Delavigne's  Vepres  sicilienne»  tadelt  Grill- 
parzer mit  Recht  die  rein  aktuelle  Tendenz  und  den  fanatischen 
Haas  gegen  die  Besieger  der  Napoleonischen  Macht,  welche  in 
dem  Stücke  sich  so  nnrerbüllt  kundgeben.  Während  Delarigne 
natürlich  die  an  seinen  Landslenten  geübte  Rachethat  der  Sizilianer 
verabscheue,  empfehle  er  ein  ähnliches  Radikalmittel  gegen  die 
siegreichen  Aliirten,  deren  Truppen  zum  Teil  noch  in  Frankreich 
standen.  Durch  das  Hineintragen  der  Zeitanspielungen  sei  ein 
grosser  historischer  Stoff  verdorben  und  entstellt  worden. 

Von  Victor  Hugo's  Schriften  werden  nur  die  vor  1834 
erschienenen,  insbesondere  die  stürmischen  Jugendknndge bangen, 
berücksichtigt,  auch  wird  nicht  der  Dichter,  sondern  der  Kunit- 
und  Theater- Reform  er  einer  abfälligen  Kritik  unterzogen.  Hugo's 
Grundsatz:  Le  tht"&tre  est  une  chote,  qui  enteigne  et  qui  cioilitt 
erfreut  sich  natürlich  der  Beistimmung  GrillparzerB,  welcher  alles 
Tendenziöse  von  der  Dichtung  fernhalten  wollte,  nur  wenig.  Auch 
die  Vorliebe  des  Romantikers  für  Walter  Scott,  dessen  Romanen 
unser  Dichter  den  Rang  poetischer  Kunstwerke  bestritt,  findet 
Grillparzer's  Beifall  nicht.  AU  Lyriker  habe  sich  Hugo,  ebenso 
wie  Lamartine,  nach  Andre  Chenier  gebildet. 

Recht  übel  kommt  der  nach  Hugo  am  ausführlichsten  be- 
sprochene Romantiker  Lamartine  fort.  Seine  Voyage  en  Orient, 
(um  mit  Grillparzer  den  Titel  des  Buches  abzukürzen)  sei  der 
Endpunkt  seines  Ruhmes.  Die  darin  zur  Schau  getragene  Re- 
ligiosität sei  „ein  schwächliches  Bedürfnis  des  Herzens,  statt  eines 
starken  Emporhebens  des  ganzen  Menschen."  Die  Form  der 
Reiseschilderung  habe  Lamartine  nur  gewählt,  weil  für  ein  Epos 
seine  Dichterkraft  nicht  ausgereicht  hätte  und  lyrische  Gedichte 
ihm  nach  so  viel  voraufgegangener  Reklame  zu  unbedeutend  er- 
schienen wären.  Jocelin  nennt  Grillparzer  „zu  viel  des  Unsinns 
und  bare  Prosa".  Die  Natnrschilderungen  seien  „ohne  Anschau- 
lichkeit und  verworren",  der  Gottesbcgriff  „nur  aus  der  Religion 
entlehnt,  nicht  vom  Gefühl  und  Phantasie  geschaffen".  Lamar- 
tine'» Religiosität  erschien  ihm   nach  dieser  Probe  als  „eine  Art 


Franz  Griüparzer  über  die  französische  Litierahir.  301 

geistiger  Bankrott,  eine  Insolvenzerklärung  der  menschlichen 
Natur",  sie  sei  „widrig",  während  „Chateaubriand' 8  Abgeschmackt- 
heit doch  etwas  Gesteigertes u  habe.  In  La  chute  d'un  ange  findet 
Orillparzer  Sparen  eines  dichterischen  Wahnsinnes,  Albernheit 
und  Abgeschmacktheit  in  reichem  Masse,  gute  Einfälle  nnd  Ge- 
danken desto  seltener. 

Vom  rein  ästhetischen  Standpunkt  kann  man  diesem  Ver- 
dikte in  sehr  ermässigter  Form  grossenteils  beistimmen,  aber  die 
französische  Romantik  in  ihrem  gährenden  Aufschäumen  und  ihrem 
ruhelosen  Anstürmen  gegen  die  von  Alters  her  geltenden  Kunst- 
gesetze verträgt  eben  eine  ausschliesslich  ästhetische  oder  rein 
künstlerische  Würdigung  nicht. 

Einige  der  jetzt  vergessenen  dii  minorum  gentium  der  da- 
maligen französischen  Litteratur  werden  von  Griüparzer  noch  kurz 
besprochen,  doch  haben  seine  Bemerkungen  in  diesem  Falle  so 
wenig  Interesse,  wie  die  Dichter,  denen  sie  gewidmet  sind. 

Am  beachtenswertesten  erscheinen  uns  die  Urteile  Grill- 
parzer's  über  die  französische  Dramatik  des  XVII.  Jahrhunderts, 
besonders  seine  Verteidigung  derselben  gegen  Lessing's  über- 
scharfe  Polemik  und  gegen  die  geringschätzige  Meinung  der 
gegenwärtigen  Generation,  welche  z.  B.  eine  Rachel  bedauerte, 
weil  sie  ihre  hohe  Darstellungsgabe  an  „schlechten",  d.  h.  an 
klassischen  Stücken  verschwende.  Von  der  objektiveren  und  mehr 
historischen  Beurteilung  dieser  durch  Lessing's  Einfluss  in  Miss- 
achtung gesunkenen  Litteraturperiode  können  auch  „viele  Lehrer 
der  deutschen  Sprache,  welche  ohne  weiteres  über  eine  franzö- 
sische Tragödie  aburteilen,  obgleich  sie  selbst  keine  Zeit  gefunden 
haben,  sie  auch  nur  flüchtig  zu  lesen u  (A.  Rambeau,  Zs.  f.  neufr. 
8pr.  u.  Litt  X,  49)  manches  lernen. 

R.  Mahrenholtz. 


Druck  von  Er  dm  an  n  Raabc  in  Oppeln. 


Zeitschrift 


für 


Mische  Sprache  und  Litteratur 


unter  besonderer  Hitwirkung  ihrer  Begründer 


Dr.  G.  Kcerting    und  Dr.  E.  Koschwitz 

rofessor  a.  d.  Akademie  zn  Münster  i.  W.     Professor  a.  d.  Universität  tu  Greitswald 


herausgegeben 


Ton 


Dr.  D.  Behrens    ™*    Dr.  H.  Kcerting 

.  o.  Professor  a.  d.  Universität  zn  Jena.        Professor  a.  d.  Universität  zn  Leipzig. 


Band  XII. 

Zweite  Hälfte:  Referate  und  Rezensionen  etc. 


V»   s*--  W»-   v  * 


Oppeln  nnd  Leipzig. 

Eugen   Franck's  Buchhandlung 
(Georg  Maske). 

1890. 


INHALT. 


Referate  und  Rezensionen. 

Seite 

Auler,  F.,  Der  Dialekt  der  Provinzen  Orleans  und  Perche  im  XIII. 

Jahrhundert  (E.  Goerlich) 155 

Barbey  (TAurevilly,  J.,  XIX*  siecle.    Lee  Oeuvres  es  les  Hommes 

(F.  Heuckenkamp) 247 

Bedke,  Abriae  der  Lehre  vom  französischen  Verbum  (F.  Ten  de  ring)      169 
Bauer,  J.,  u.  Link,  Th.t  Französische  Konversationsübungen  (F.  Ten- 
der in  g)  , 168 

,  Französisches  Lesebuch  (Ph.  Plattner) 67 

Beaux,  Th.  de,    Schulgrammatik    der  französischen  Sprache  (A. 

Raxnbeau)      .    .    .    .    , 808 

Wer,  J,   Le  lai  de  l'ombre  (E.  Ritter) 231 

Benecke,  A.y   Französische  Vorschule.    Für  den  Anfangsunterricht 

auf  Mädchenschulen  (R.  Meyer) 67 

Bengesco,  G.,  Voltaire,  Bibliographie  de  ses  Oeuvres  (R.  Mahren- 

holtz) 114 

Bennmitz,  A.,  Congreve  und  Moliere  (R.  Mahrenholtz)  .  .  .  115 
Berger,  H.,  Französisches  Lesebuch  für  die  Unterstufe  (F.  Dörr)  180 
Bertram,     W.,      Grammatisches     und    stilistisches    Übungsbuch 

(A.  Rambeau) 315 

Birch- Hirsch feld ,  A.,   Geschichte  der  französischen  Litteratur  seit 

Anfang  des  XVI.  Jahrhunderts.    I.   (H.  P.  Junker)   .    .    .      228 
Boerner,  0.,  Hilfsbuch  für  den  französischen  Unterricht  in  Schule 

und  Haus  (F.  Tendering) 62 

Boeckler,  P.,    Über  .einige  Spuren  des  Altfranzösischen  im  Neu- 
französischen  (F.  Tendering)  .    .    .    .    , 35 

Bonne fon,  D.,  Les  ticrivains  modernes  de  la  France  (J.  Sarrazin)        95 
Bourciez,  R.,  Precis  de  phone'tique  francaise  (E-Koachwitz).    .  9 
Braunhoitz,  £.,   Moliere,  Les  Präcieuses  ridicules  (R.  Mahren- 
holtz)      112 

Bre'at,  M.,  La  Rtforme  de  l'orthographe  fran9aise  (P.  Oltramare)      254 


• 


Bredtmittin,   H.,   Der  sprachliche  Ausdruck  einiger  der  geläufigsten 

Gesten  im   lltfaKttOuaefatn   KutopOi  {f.  Tendering)     .     . 

Breitituftr ,    II. .     Die   Gruuilziige    der    französischen    Litteratur   und 

Sprachgeschichte  (J.  Sarrazin) 

Brcyntann- Mvilcr,    .Schlüssel    M   den    ti.-M. 'sehen  Übungsbüchern 

(A.  Rambeau) 

Bargass,   E,.    Dnratellung   dea   Dialektes   im  XIII,  Jahrhundert  in 

den  Departements  Seine •  Interieur  und  Eure  (E.  G.  Irlich) 

Cled'it,  L.,  La  queation  de  l'accord  du  pari  MÜpfl  [inwl  i  E.  Koachwitz) 

,  Preeis  d'orthograpbe  (E.  Koachwiti) 

,  Queations  d'Ortbogrnphe  et  de  Grammaire.  II.  (E.  Koach- 
witz)   

,  Sur     le     double     valeur    dea    tempa    un     Pmait'    friweai» 

(E.  KoschwH*)   .     .     , ■ 

—  — ,  Melanies  de  phondtique  t'rancaise  |E.  Koschwitz)  .  . 
Crant.   T.  F.,    La   Socidte'    francaiae    au   dix-septieme    liecle  (W. 

KnOrich) 

Dunnlieisser,  E.,  Zur  Chronologie  der  Dramen  Jean  de  Mairet's 
(J-  Frank) 

Darmesteter,  .4.,  La  Queation  de  la  reTorme  orthographique  (E. 
Koschwitz) 

ßussouchet,  J.,    La  Beforme  orthographique  (P,  Oltramarel  .     . 

Deter,  Chr.,    Französische  Formenlehre  (F,  Tendering)  .... 

Ehering,  F.,    BiliUo^ruphisch-kritiHcber   Analer   (W.  Altmann) 

E&er,  Syntaktische  Studien  zu  Alain  Chartiers  Prosa  (A.  Baase) 

Eggert,  B.,  Entwickelung  der  normandischen  Mund;irt  im,  Depar- 
tement de  In  Manche  (E.  Goerlich) 

Ehrkard,  A ,  Lea  Comediee  de  Moliere  en  Allemagne  fR.  Mahren- 
holtz) 

Eichler,  V.  /'.,  Französische  Koiuponierilbungen  (A.  Rambeau) 

Enytöndtr,    Der  Imperativ  im  A  ltfrnuzöaiachBii  (A.  Hanse)  .     .     . 

Fetter,  J.,  Ein  Versuch  mit  der  anulytiacbeu  Lehrmethode  (A. 
Rambeau) 

—  — ,  Lehrgang  der  l'ranwifiwlien  ^pruolie  (A.  Rambeau)     .     . 
,  Über   die   Reform  best  rebun  gen  auf  dem  Gebiete   dea   neu- 
sprachlichen  Unterricht«  (A.  Rambeau) 

Foerster.  W.\  Christian  ton  Troyes  Clig&  (E.  Weber)  .... 
Folli,  K.,    Der   französische    Unterricht   auf   dem   Gymnasium   (A. 

Rambeau) 

Französische   06wi/$biViQtkek  No.   17  (J.  Aymeric) 

Gtaliliarh,  H.   H".,    Die  Lau  tphy  Biologie  im   franzüaisclien  Unterricht 

(A.  Rambeau)    .         

Gneriich,  ü.,  Bemerkungen   über  den  Verabau  der  Anglonormannen 

U.  Vising) 


»6116 

QoaUck,  E.,  Die  beiden  Bücher  der  Makkabäer  (E.  Weber)  .  .  233 
Goldschmütt,  R,  Moliere,  Les  Precieuses  ridicules  (W.  Knörioh)  101 
Grand -€artertl ,    J.,    J.   J.    Rousseau,    juge*    par    lea    Francais 

d'aujourd'hui  (R.  Mahrenholtz)       117 

Oropp,  £.,  und  Hausknecht,  E.,   Auswahl  französischer  Gedichte 

(A.  Rambeau) ,    .      316 

Bartmann,  M.,   Victor  Duruy,  Histoire  de  France  1789  ä  1795 

(F.  Perle)       ,    .    .    .      180 

Botin,  E.,    Le  Journal  (J.  Sarrazin)       7 

Hat  et,  L.,   La  Simplification  de  rorthographe  (P.  Oltramare)   .      254 

Bemann*,  Fr.   W„  Questionnaires  (F.  Ten  der  in  g) 63 

Rvnbert,  C,   Nochmals  da«  e  muet  (W.  Ricken) 271 

Jacobs,  ßrmeker,  Fick,   Kurzgefaßte  Grammatik  für  den  französi- 
schen Anfangsunterricht  (G.  Willenberg) 278 

JacobsmühUn,  ff.  zw,  Zur  Charakteristik  des  König  Artus  im  alt- 
französischen Kunstepos  (Dr.  Golther) 131 

Jastrow,  J.,  Jahresberichte  der  Geschichtswissenschaft  (W.  A 1 1  m  a  u  n)  163 
Knns,  0.,  u.  PUietz,  G.,  Schulgrammatik  der  französischen  Sprache 

für  Mädchenschulen  (L.  Wespy) 179 

Kesseler t  A.  0.,    Zur  Methode  des  französischen  Unterrichts  (E. 

Mackel) 48 

Khtssnumn,  H„  Systematisches  Verzeichnis  der  Abhandlungen,  welche 
in  den  Schulschriften  .  . .  vom  Jahre  1876  bis  1885  erschienen 

sind  (W.  Altmann) 162 

Koch,  C,  Hilfsbnch  zur  Erlernung  der  unregelmässigen  französischen 

Zeitwörter  (E.  Dannheisser) 64 

höhlt r,   Syntaktische  Untersuchungen  über  Lee  quatre  livres  des 

Rois  (A.  Haase)       19 

kottmg,  G.,  Studien  über  altfranzösische  Bearbeitungen  der  Alexius- 

legende  (W.  Cloetta)       234 

Koldtwey,  F.,  Französische  Synonymik  für  Schulen  (F.Tenderiug)  61 
Komme fser,  K.,    Die  französischen  Ortenamen  germanischer  Ab* 

kunft  (E.  Mackel) 13 

Kreyssig,  Fr.,   Geschichte  der  französischen  Nationalliteratur.    I. 

(E.  Freymond) 89 

,  Geschichte    der    französischen   Nationalliteratur.     Q.    (R. 

Mahrenholtz) 92 

Kühn,  K.,   Entwurf  eines  Lehrplans  für  den  französischen  Unter- 
richt am  Realgymnasium.     II.     (E.  v.  Sallwürk)       ...        38 

,  Französisches  Lesebuch.   Unterstufe  (A.  Rambeau)       .    .      306 

Küppers,  J.,  Über  die  Volkssprache  des  XIII.  Jahrhunderts  in  Cal- 
vados und  Orne  (E.  Goerlich) ,    .      155 

Kuttner,  M.,  Das  Naturgefühl  bei  den  Altfranzosen  und  sein  Ein- 

flaas  auf  ihre  Dichtung  (R.  Mahrenholtz) 120 


TI 

Lnlinrsch,  P.  0..  Über  Deklamation  und  Rhythmus  französisch«  Verae 
(W.  Ricken)  

Lückiny,  (•'. .  Französische  Grammatik  ffir  den  Sc hui  gebrauch  (F. 
Kalepky) 

hup)n-  und  Oticus,  Elemenlarbuch  der  französischen  Sprache  (A. 
Rambeau)       

Irfrtm.  .¥.,    T,a  prononciation   francaiae  (K.   Köhn) 

Viiuf/ii/d,  II'.,  und  Conti- .  [>.,  Lehrbuch  der  französischen  Sprache 
(R.   Meyer) 

Meli,  (■',,    Lehrgang  der  französischen  Syntax  (W.  Mangold)  ,    . 

Meyer,  R..  Hecueil  de  lettrea  a  l'usage  des  jeunes  filles  (K.  Meyer) 

Moetttr,    Offener  Brief  an  Herrn   Dr.  H.  in  B.  (A.  Rnmbeau)  .     . 

.)lns.<n/)ti.  .4.,  Sulla  critica  del  teato  del  roiuanzo  in  l'raucese  antico 
Ipomedon  (E.  Koachwitz) 

Scitlaiucr,  R.,  Die  Reform  bewegmig  auf  dem  Gebiete  des  Sprach- 
unterrichts und  die  höhere  Bürgerschule  (A,  Rambeau)     . 

Uthmcr,  X„  Das  Verhältnis  von  Chriatan's  von  Troyes  Erec  et 
Enide  zu  dem  mabinogion  des  roten  Buches  von  Hergest 
Geraint  ab  Erbin  (W.  Golther) 

Ollem,  J.,    Französische  Schulgrammntik  (A.  Rambeau)      .     .     . 

Ikiriv,  6\,    La  litterature  francaiae  au  moyen  llge  (J.  Frank)   .     . 

—  — ,  La  litWrature  franc.  au  moyen  äge,  2* ed.   (E.  Koachwitz) 
Passy,  /'.,    Le  Maitre  phonetiqne  (A.  Rnmbeau) 

,  Le  Francaia  parle  (K.  Kühn) 

PUz,  O.,   Beitrage  na  Kenntnis  der  rtt&ÄMÖBwcheu   Fableaui   (M. 

F.  Mann) 

Ptatlncr.    P/l.,     Übungsbuch    zur    französisch  >_-n     S,  hui  Grammatik. 

2.  Aufl.  (A.  Rambeau) 

,  Anleitung  zum  Gebrauch  des  Lehrganga  der  französischen 

Sprache  (A.  RambeauJ 

—  — ,  Überaetzung  der  in  don  Cbungeu  des  französischen  Elemen- 

tarbuches enthaltenen  Stücke  (A.  Rambeau) 

,  Übersetzung  der  im  Übungsbuch  zur  französischen  Schul- 
grammatik enthaltenen  Stücke  (A.  Rambeau) 

—  — ,  Lehrgang    der    französischen    Sprache    für    Knaben-    und 

Mädchenschulen  (A.  Rambeau) 

,  Vorstufe   für  das  Elementar bueh   der  französischen  Sprache 

(A.  Rambeau.) 679 

,  Anthologie  des  Ecolea  (A.   Rambeau) 

,  Anthologie  des  Ecolea  (W.  KnÖrich) 

Pfalz-Kares,  Kurzer  Lehrgang  der  tarip.ö-Uchen  Sprache  (L.Wespy) 

—  — ,  Schulgrammatik  der  französischen  Sprache  (L.  Wespy)     , 
Prou,  M.,  Manuel  de  pale'ograpliie  latine  et  franenise  (G.  Gunder- 


VII 

Seite 

P&njer,  J.,  Der  erste  Unterricht  in  der  französischen  Sprache  (A. 

Bambeau) 308 

Quiefä,   Die  Einführung  in  die  französische  Aussprache  (E.  Kühn)        47 

Rahn,   Systematische  Schulgrammatik.   3.  Teil.   (A.  Rambeau)  .      311 

Rahstede,  G.,    Studien   zu   Larochefoucauld's    Leben   und  Werken 

(E.  Hönncher) 6 

Ricard,  A.,   Systeme  de  la  quantite*  syllabique  (A.  Rambeau)  293 

Ricken ,  W. ,  Elementarbuch  der  französischen  Sprache  (W.Mangold)      1 64 
—  — ,  Elementarbuch  der  französischen  Sprache.    2.   u.  3.  Jahr. 

(A.  Rambeau) 300 

Rigol,  E.,    Alexandre  Hardy  et  le  theatre  francais  (R.  Mahren- 

holtz) 237 

Roehr,  R.t  Der  Vokalismus  des  Französischen  im  XIII.  Jahrhundert 

(E.  Goerlich) 155 

Rössel,  V.,   Histoire  litte'raire  de  la  Suisse  romande  (R.  Mahren- 

holtz) 113 

Rucktäschel,  Th.,  Einige  Arts  po&iques  aus  der  Zeit  Ronsard's  und 

Malherbe's  (P.  Gröbedinkel) 31 

Saltzmann,  ff.,  Der  historisch-mythologische  Hintergrund  und  das 
System  der  Sage  im  Cyclus  des  Guillaume  d'Orange  und  in 
den  mit  ihm  verwandten  Sagenkreisen  (G.  Osterhage)     .       133 

Schaefer,  C,  Der  französische  Unterricht  in  der  Schule  (A.  Ram- 
beau)       300 

,  Übungsbuch  zum  Übersetzen  aus  dem  Deutschen  ins  Fran- 
zösische (A.  Rambeau) 300 

,  Französische  Scbulgrammatik  für  die  Oberstufen.    II.    (A. 

Rambeau) 300 

SchiöU,  £.,    L'amour  et  les  amoureuz  dans  les  lais  de  Marie  de 

France  (E.  J.  Groth) 134 

Schmedifig,    Der  Aufenthalt  der  Neuphilologen  und  das  Studium 

moderner  Sprachen  im  Auslande  (P.  Kreutzberg)    .    .     .        40 

Schölensack,    A.,     Französisch  -  etymologisches    Wörterbuch     (A. 

Kressner) 36 

Schofle,  A.,  Der  Stammbaum  der  altfranzösischen  und  altnordischen 
Überlieferungen  des  Rolandsliedes  und  der  Wert  der  Ox- 
forder Handschrift  (A.  Packscher) 81 

Schulausgaben  (C.  Th.  Lion) 182 

Schrvob,  JM.,  et  Guieysse,  C,  £tnde  sur  l'argot  francais  (E.  Ko sch- 
witz)        146 

Soltmann,  C.  ff.,   Der  fremdsprachliche  Unterricht  an  der  höheren 

Mädchenschule  (R.  Meyer) 52 

Siengel,  E.,  Chronologisches  Verzeichnis  französischer  Grammatiken 

(P.  Kreutzberg) ^ 248 

Stortn,  J.,   Dialogues  francais  (A.  Rambeau) 291 


VI  JT 


Strien,  C,  Die  mire^elntiUsigeu  fr  au  «wisch  en  Zt-il  iv<"rter  nebst  eiuera 

Abriss  der  frunzö^clieu  Syntax  (W.  Ricken) 

SHcMer,  ff..    Aucassin  und  Nicolete  (G.  Weber)       

Tfo-dichw»,  h'.,    Allerlei  Franzfiaiach  |Ph.  Plattner) 

Tiertot,   J.,     Biatoire    de    la    Chanson    populaire    en    Kraute    t  W. 

Scheffler)      

V/brich,  0.,    Übungsbuch   zum  Übersetzen   uns  dem  Deutschen    in 

das  Französische  (fl.  Witlenberg) 

—   — ,  Schulgrammatik  der  rrauzüeisvhen  Sru;idie  l'iir  höhere  Leur- 

-.1  ti~t iil r ■■  ji   (A.   Rambeau)        

,  Robert  von  Blois'  »amtliche  Werke.    I.    (M.  F.  Mann) 

i'erhaiultmige'i  des  ilrittrn  nilijemiiiieii  <tcnts<:hcit  L\,  ni'hilaio'jenlages 

J.  Sarrauin) 

Vieluf,  G,.   Zum  französischen   KolnmUlied  (F.  Tendering)       .     . 

Viüalte,    Parisiamen.    Anhang.    (J.  Sarrazin) 

t'ising,  J.,  Lea  Döbuts  du  Style  Francaia  (E.  J.  Grotli)  .... 
WeU,  F.,  Aus  dem  früheren  Frankreich  (K.  Mahreuholtz)  .  . 
Weiler,  F.  J.,  Über  die  Sprache  Froissart's  (F.  Tendering)  .  . 
Wandt,  O.,   Encyklopädie  des  franzüai  sehen   Unterrichts  (A.  Rani- 

H'iittitl/iri/iT,  O..  Über  das  Uandschrifteuvt.-rhiUl.ui3  de»  all  französi- 
schen Guy  de  Warwick  (M.  F.  Mann)       

Walter,  E. ,  Lehr-  und  Lesebuch  der  französischen  Sprache  (A. 
Rambeau)      

Miszeli.es. 
Httmd,  A.  G.  van,  Le  rytbrae  du  vers  francaia  jugt!  par  Constanün 

Huyghtina 

Jahresbericht   dea  Vereins   für   das   Studium   der  neuereif  Sprachen 

in  Hamburg-Altona 216 

A'ühn,  A'..  Das  Lesebuch  für  den  l'ranzü.-o sehen  Uuterricht  von  Jacobs, 

Briucker  und  Fick  und  du»  Französische  Lesebuch   von  Kühn 

Makrenhiittz,  ft,    Erklärung 

Ultramare,  P.,    La  Simplification  de  l'orthographe  francaise      .     . 

Piattncr,  IS.,    Erwiderung 

Sarrazin,  J.,    A  propos  de  la  mort  d'ßmile  Augier 214 

Tkudirhum,  Gh.,    Notwendige  Aufklärungen 319 

NoviTÄTUNvEHZEiui-iis       75  fl'.  21B  fj 


Referate  und  Rezensionen. 


Paris,  Gaston,  La  litUrature  frangaise  au  moyen  dge  (XI*— -XIV 
titele).  Paris,  1888.  Librairie  Hachette  et  C1*.  VII 
u.  292  8. 

Kein  Sachkundiger  wird  auch  nur  einen  Augenblick  darüber 
in  Zweifel  sein,  dass  nicht  leicht  ein  Zweiter  wie  0.  Paris  dazu 
geeignet  sei,  eine  Geschichte  der  französischen  Litteratur  im 
Mittelalter  zu  schreiben,  da  er  sich  das  Anrecht  und  den  Beruf 
rar  Lösung  dieser  Aufgabe  durch  eine  stattliche  Reihe  hochge- 
schätzter Detailarbeiten  in  seltenem  Masse  erworben  hat.  Man 
wird  sich  ihm  also  ohne  Bedenken  als  Führer  auf  diesen  viel- 
verschlungenen Pfaden  anvertrauen  können  und  das  Werk  eines 
solchen  Meisters  zur  Anzeige  bringen,  wird  meist  darauf  hinaus- 
kommen, dass  man  seiner  grossen  Gelehrsamkeit,  seiner  tiefen 
Forschung,  seiner  staunenswerten  Beherrschung  des  ungeheueren 
Miterial8  in  der  ausgiebigsten  Weise  Lob  spendet.  Nur  über 
die  Anordnung  und  Auswahl  des  Stoffes  über  die  Art  der  Mit- 
teilung, kurz  über  die  Methode  des  Werkes  wird  man  ohne  Un- 
bescheidenheit  ein  Urteil  abgeben  dürfen. 

Der  Verfasser  spricht  es  in  der  Vorrede  unumwunden  aus, 
er  habe  sein  Buch  nicht  für  seichte  Schöngeister  und  litterarische 
Feinschmecker,  die  an  den  Kunstwerken  nur  herumnaschen,  ge- 
sehrieben, sondern  für  jene,  die  an  eine  ernste,  stetige  wissen- 
schaftliche Arbeit  gewöhnt  sind.  Er  verzichtet  darauf  geradezu, 
ein  speziell  populäres  Werk  zu  schaffen,  dagegen  will  er  aller- 
dings dem  Anfänger  der  Fachwissenschaft  das  Rüstzeug  und  die 
Behandlungsweise  seiner  Disziplin  übermitteln  und  selbst  darauf 
nicht  verzichten,  auch  den  ausserhalb  des  Faches  Stehenden,  die 
ihm  unverdrossen  folgen,  hohen  Gewinn  und  Vertiefung  ihres 
Wissens  daraus  erwachsen  zu  lassen.  Wir  tragen  kein  Bedenken, 
zuzugeben,    dass    ihm    auch    das    Letztere    trefflich    gelungen, 

r.  £  in,  Spr.  n.  Litt.    XII*.  , 


•i  ftt/eraie  uwt  äc;ctw«.i<«.    J.  Frank. 

möchten  aber  nach  dieser  Richtung  denn  doch  eine  Aussetmj; 
machen.  Wir  hätten  nämlich  gewünscht,  dass  die  Inhaltsangabe 
der  bedeutenderen  Dichtungen  epischen  Charakters  etwas  reich- 
licher ausgefallen  wiire.  Wir  übersehen  nicht,  dass  die  Spritdig- 
keit  des  Stoffes  dies  erschwert,  dass  femer  der  Umfang  du 
Baches  dadurch  sehr  angewachsen  wäre  und  dass  gerade  jene 
gedrungene  Kürze,  die  dem  gebotenen  Reichtum  das  knappste 
Gewand  zu  geben  versteht,  und  die  dem  Leser  viel  zu  denken  gibt, 
ohne  ihn  jemals  durch  Unklarheit  zu  vernirres,  einen  Hnopr 
Vorzug  des  Buches  bildet.  Nichts  desto  weniger  konnten  wir 
den  ausgesprochenen  Wunsch  nicht  unterdrücken,  selbst  wen 
das  Volumen  des  Buches  dadurch  auf  das  Doppelte  gestiegen 
wäre.  Hau  kann  doch  dem  Lernenden  nicht  zumuten,  da»  ei 
i.  B.  den  Inhalt  des  Ami  et  Amüe  oder  l£racU  kenne,  über- 
dies wären  dadurch  auf  der  atembeklemmenden  Wanderung  durch 
diesen  unvermeidlichen  Wust  von  Namen  und  Zahlen  einige 
wohlthuende  Ausruhbänke  geschaffen  worden.  Dass  der  Vertaner 
auf  die  Ökonomie  des  Raumes  den  grössten  Wert  gelegt  hat, 
ersieht  man  auch  daraus,  dass  er  —  und  dafür  wird  man  ihm 
nur  Dank  wissen  —  auf  eine  erschöpfende  Bibliographie  ver- 
zichtet and  alle  Muhe  darauf  verwendet,  dem  Anfänger  die  rich- 
tig« Fährte  zu  zeigen  und  ihn  auf  Sammelwerke  und  Zeitschriften, 
auf  das  Beste,  das  Neueste  zu  verweisen,  was  er  eben  er 
spriesslich  benutzen  kann.  Die  Gliederung  des  Stoffes  fallt  der 
Autor  selbst  für  mehr  praktisch  als  streng  wissenschaftlich  und 
weiss,  dass  dagegen  Einwendungen  werden  erhoben  werden.  Er 
verspricht  dafür  in  der  nächsten  Auflage  ein  chronologische» 
Verzeichnis  der  französischen  Schriftwerke  des  Mittelalters  folgen 
zu  bissen.  Er  führt  seine  Geschichte  nur  bis  zum  Jahre  1327 
und  motivirt  dies  damit,  dass  dieser  Zeitpunkt  thataäcblich  eine 
neue  Epoche  in  der  französischen  Litteratur  eröffnet.  Dem  vor- 
liegenden auch  sehr  entsprechend  ausgestatteten  Bändehen  werden 
drei  weitere  (Grammatik  der  altfr.  Spr.,  üforceaux  choitü  und 
ein  Lexikon)  folgen.  Es  ist  selbstverständlich,  dass  alle  Be- 
teiligten dem  Erscheinen  derselben  mit  freudigster  Spannung  ent- 
gegensehen. 

Wir  gestatten  uns  nur  noch,  einige  wenige  aphoristische 
Notizen  in  ganz  unmassgeblicher  Weise  vorzubringen,  die  gering- 
fügig und  kleinlich  erscheinen  mögen,  die  aber  doch  möglicher- 
weise ein  Scherflein  zur  Vervollkommnung  dos  Buches  beitragen 
können.  Wenn  es  (S.  2)  heisst:  Chlodovech,  plus  tard  Chilperie, 
Dagobert  mirent  dtjä  A  Paris  le  xiege  de  la  royauti  et  enfirent 
ainsi  le  centre  des  provinces  geptentrionalex  de  la  Gaule,  so  ist 
diese  Behauptung   nur  insofern  sie  Dagobert  betrifft  richtig,    da 


G.Baris,  La  litterature  francaise  au  moyen  äge  (Xle—XlVe  steck).      3 

Chlodwig  die  Residenz  und  damit  den  Schwerpunkt  seiner  Macht 
?on  Tournay    auf    das    eroberte  Gebiet    nach   Soissons    verlegte 
nd  Chilperich    bei    der  Teilung    seines  Vaters  Chlotar  I.   nicht 
Aaiitanien  und  Paris  (dies  erhielt  Charibert),   sondern  Armorica 
und  das    salische   Land   südlich  vom  Kohlenwald    mit   Soissons 
(Neustrien)  erhielt.  —  Es  sollte  (S.  46)  doch  ersichtlich  gemacht 
Verden,    dass  Jourdain  de  Blaie    in    einem    gewissen  Sinne    die 
Fortsetzung  und  das  Gegenstück  von  Ami  et  AmiU  bildet,  insofern 
in  erste  rem  die  Epigonen   des  letzteren   auftreten,    und  während 
das  letztere  die  Freundestreue    so  das    erstere   die  Unterthanen- 
treue  verherrlicht.   —  Nicht  einmal    das,  was  Paris   (S.  52)   als 
historischen  Rem    der  Rolandssage    herausschält,    ist  historisch. 
Geschichtlich  sichergestellt  ist  allerdings  der  Zeitpunkt  dieses 
Scharmützels,    der  15.  August  778,    aus    einer    noch    erhaltenen 
Greb8chrift  des  Seneschals  Eggihard;  der  Ort  aber  des  Kampfes  ist 
allbekannt    und    nur    die   Sage   verlegt  ihn  nach  Roncevaux. 
Dass   gerade    dieser   verhältnismässig   unbedeutende    Zug    Karls 
nach  Spanien    eine   so  reiche  Sagenbildung    veranlasste)    erklärt 
man    sich    richtig    damit,    dass    er    an    Karl    Martells    Sieg    bei 
Poitiers  erinnerte  und  die  Bedeutung  des  letzteren  auf  Karl  den 
Grossen  übertragen  wurde,  wie  ja  auch  der  Umstand,  dass  Karl 
ein    natürlicher    Sohn    Pipins    „von    Hcristalu    gewesen,    auf 
Karls  Abstammung  von  Pipin  d.  Kurzen  übertragen  wurde.    Zur 
Verwechselung    der   Basken   mit  den  Sarazenen  (S.  53)   war  zu 
bemerken,  dass  die  Sage  alle  Gegner  Karls  d.  Gr.,  die  Araber, 
Longo  barden    und  Sachsen    in    Sarazenen    umwandelt.     Ganelon, 
Rolands  Stiefvater,   hasst  Roland  auch  darum,  weil  Ersterer  auf 
Rolands  Antrag  zu  Marsile  gesandt  wurde,  eine  Mission,  bei  der  er 
sein  Leben  einzubüssen  fürchtete.  —  Der  Weltgeistliche  Conrad 
(8.  57)  schrieb    das  Rolandslied    zuerst    lateinisch    und  erst 
dann  in  deutschen  Versen  für  Heinrich  d.  Stolzen.  —  Guillaume, 
der  Sieger  an  den  Ufern  des  Orbieu,  wurde   nicht  790  (8.  63), 
sondern    schon  789    zum  Grafen   von  Toulouse    ernannt.  —  Die 
Fableaux  Brvnain  la  vache  au  pritre,  les  Deux  Chevaux,  le  Con- 
voüeux  et  VEnvieux,  die  (S.  115)  bei  Paris  in  bestimmter  Weise 
Jean  Bodel    zugeschrieben    werden    (er   stützt    sich    dabei    wohl 
auf  Leclerc  H.  L.  XXIII,  153),  dürften  wohl  eher  Jean  de  Boves 
angehören.   (Vergl.  Beiträge  zur  Kenntnis  der  altfr.  Fabliaux  von 
Oskar  Pilz,  8.  3).    Dagegen  ist  der  Aristote  des  Henry  d'Andeli 
mit  Recht  als  Fablet   bezeichnet  (S.   115),  obzwar  ihn  der   Ver- 
fasser selbst  ein  Lai  nennt.  —  Jean  Molinet's  sonderbare  Idee, 
den  Rosenroman  „in's  Moralische u  zu  übertragen  (S.  172)  und  ihm 
eine   christlich -mystische  Tendenz   zu  unterlegen,   erinnert  stark 
an    die    analoge  Behandlung    des    biblischen    „Lied   der  Liederu. 


4  /u/iTah'  und  Ilrzensinmui.      /!.   Mahrenhitltz, 

—  Während  Paris  die  Sermon  de  St.  Bernard- 1  Versetzung  als 
frühestens  aus  dem  XIII.  .Jahrhundert  herrührend  annimmt  (S.  222, 
nimmt  W.  Foerster  an  (Litt.  Zentralbl.  1885,  Nr.  32),  dass  sie 
bereits  dem  Ende  des  XII.  Jahrhunderts  angehöre  und  weisst 
nach,  dass  Kutschera's  Versuch,  das  Jahr  1207  als  dasjenige  der 
Übersetzung  aufzustellen,  misslungen  ist.  —  Druckfehler  fielen 
uns  folgende  auf:  8.  226  ist  bezüglich  des  Vrai  anneau  auf  §  149 
verwiesen,  während  es  richtig  §  150  heissen  sollte.  —  In  der 
Table  cdphabäique  ist  bezüglich  der  Fabteaux  (8.  280)  fälschlich 
auf  S.  192  verwiesen,  ebenso  (S.  281)  bei  dem  Schlagworte 
Oirard  d'Amiens  auf  §  67. 

J.  Frank. 


} 


Wehl,  Feodor,    Aus  dem  früheren  Frankreich.     Kleine  Abhand- 
lungen. Minden,  1889.   J.  C.  C.  Bruns'  Verlag.  350  8.  8°. 

Der  dem  verstorbenen  Dichter  und  Theaterleiter  F.  Wehl 
öfter  gemachte  Vorwurf  der  Abneigung  gegen  die  französische 
Litte ratur  wird  durch  das  oben  angeführte  Buch  vollkommen 
widerlegt.  Dasselbe  enthält  sieben  Abhandlungen  über  die  litte- 
rarischen und  politischen  Verhältnisse  Frankreichs  mit  besonderer 
Berücksichtigung  des  XVIII.  und  XIX.  Jahrhunderts.  Überall 
strebt  W.  nach  eingehender,  sachlicher  Schilderung,  vermeidet 
einseitige,  scharfe  Urteile  und  stützt  sich  zumeist  auf  französische 
Berichte. 

• 

Nr.  I,  Französische  Frauenbriefe  betitelt,  gibt  auf  fast 
120  Seiten  einen  anziehenden,  gewandten  Oberblick  der  fran- 
zösischen Brieflitteratur  von  Margareta  von  Navarra's  Tagen  bis 
zur  Zeit  Mme  de  StaeTs.  In  den  Hauptpunkten  lehnt  W.  sich 
hierbei  an  Eugene  Crepet's  Buch:  Le  Tr&sor  ipistolaire  de  la 
France  an.  Mit  besonderer  Wärme  rühmt  er  Maria  Stuart' s  zahl- 
reiche Briefe;  hier  vermögen  wir  ihm  weniger  beizustimmen,  als 
in  dem  Lobe,  welches  er  den  Korrespondenzen  einer  Sevigne, 
Stael  u.  a.  erteilt. 

Nr.  II,  Ludung  XVI.  sucht  das  Leben  und  Leiden  des 
unglücklichen  Fürsten  durch  einen  Hinweis  auf  bekannte  That- 
sachen  und  Vorgänge  zu  schildern  und  die  Katastrophe,  welche 
über  ihn  und  seine  Dynastie  hereinbrach,  begreiflich  zu  machen. 
Bei  umfassenderen  Quellenstudien  würde  W.  allerdings  manches 
in  anderem  Lichte  erblickt  und  über  Marie  Antoinette  günstiger, 
über  die  Revolutionsbewegung  der  Jahre  1789 — 93  viel  schärfer 
geurteilt  haben.  Treffend  erscheint  uns  die  Bemerkung:  Ludwig  XVI. 


F.  Wehl,  Aus  dem  früheren  Frankreich  5 

habe  wie  ein  Mann  mit  zwei  linken  Händen  tiberall  ungeschickt 
«gegriffen. 

An  dieses  circa  46  Seiten  umfassende  Charakterbild  schliesst 
rieh  eine  Würdigung  Robespierre's,  welche  die  Mitte  zwischen 
Lob  und  Tadel  hält  und  eher  zu  wohlwollend,  als  zu  streng  ist 
AmSchluss  teilt  W.  ein  empfindungsvolles  Gedicht  des  Schreckens- 
■annes,  das  der  Figaro  einst  ans  Licht  zog,  in  deutscher  Über- 
setzung mit  Wir  sind  nicht  in  der  Lage,  Robespierre's  Autorschaft 
foittustellen.  Das  erwähnte  Poöm  hat  der  ganzen  Abhandlung 
den  Titel  Robespierre  als  Dichter  verschafft. 

Wichtiger  erscheint  uns  die  vierte  Abhandlung:  Das  Juli- 
kimigtum  und  Quizot,  weil  hier  W.  aus  zeitgenössischen,  sowohl 
französischen  wie  deutschen  Mitteilungen  schöpft  Die  Auffassung 
des  pseudoliberalen  Staatsmannes  stimmt  meist  mit  der  herkömm- 
lichen fiberein  (s.  S.  183—224). 

Nr.  V.  Frankreich  und  seine  Kaiserreiche  sucht  in  der 
Beurteilung  Napoleons  I.  und  III.  eine  vorsichtige  Mitte  zwischen 
dem  Urteile  eines  Lanfrey  und  Delord  und  den  Lobsprüchen 
der  cäsarisch  gesinnten  Geschichtsschreiber  zu  halten.  Vom 
Chauvinismus,  dem  nach  1870  auch  bei  uns  die  Rasch  u.  Co. 
verfielen,  hält  sich  dieser,  offenbar  unter  dem  Eindruck  des 
glorreichen  Krieges  geschriebene  Essay  glücklicherweise  frei 
(s.  8.  227—270). 

Die  sechste  Abteilung  Ein  französischer  Dichter  (Alfred 
de  Yigny)  und  sein  Tagebuch  ist,  der  geringen  Bedeutung  des 
Gegenstandes  entsprechend,  kürzer  gehalten,  bietet  aber  in  Einzel- 
heiten manches  Anziehende  und  weniger  Bekannte. 

Der  letzte  Essay  Aus  dem  Pariser  Zigeunerleben  der  Kunst 
(S.  287 — 350)  ist  in  sachlicher  Hinsicht  der  wertvollste,  weil 
W.  in  seinen  Charakteristiken  Mtirger's,  Huet's,  Carrel's,  Väron's, 
Claretie's,  der  Rachel  u.  a.  aus  unmittelbaren  Studien  und  Ein- 
drücken schöpfen  konnte.  Die  Darstellung  ist  hier  eine  ungemein 
fesselnde  und  lebhafte. 

Verhältnismässig  wenige  Ungenauigkeiten  in  den  fünf  ersten 
Abhandlungen  erklären  sich  aus  der  Abhängigkeit  des  Autors 
von  französischen  Parteidarstellungen  und  aus  der  Bestimmung 
des  Buches  für  weitere  Leserkreise,  die  mehr  Anregung  und 
Unterhaltung,  als  Belehrung  und  Vertiefung  suchen.  Jedenfalls 
wird  diese  Sammlung  zerstreuter  Abhandlungen  den  Freunden  und 
Verehrern  des  vor  kurzem  dahingeschiedenen  Dichters  ein  liebes 
und  wertes  Erinnerungszeichen  sein. 

R.  Mahrenholtz. 


6  Referate  und  Rezensionen.    J.  Sarrazin, 

Rahstede,  II.  Georg,  Studien  zu  Laroehefoucauld' »  Leben  und 
Werken.  Braunschweig,  1888.  C.  A.  Schwetachke  A 
Sohn  (E.  Appelhans).  VIII,  184  S.  8°  nebst  einer 
Stammtafel  des  Hauses  Larochefoncauld. 

Von  dem  Verfasser  der  Studie  La  Bruyere  und  ferne 
Charaktere  (Oppein,  Eugen  Franck),  dem  fleissigen  Übersetzer 
von  Jan  ten  Brinck's  Zola  (Braunschweig,  C.  A.  Schwetachke  & 
Sohn)  liegt  uns  beute  eine  neue  Arbeit  vor,  welche  das  Interes« 
des  Verfassers  ftlr  Laroche foucauld  dartbut.  An  mühsamen  Studien 
und  an  Sammeleifer  hat  es  Rahstede,  wie  anzuerkennen,  nicht 
fehlen  lassen,  hat  doch  sogar  der  Cbef  der  Seitenlinie  des  Hautet 
Larochefoncauld,  der  Herzog  von  Bisaccia,  die  Arbeit  dadurch 
unterstützen  lassen,  dass  er  durch  seinen  Gouverneur  C.  Reicfaei- 
bach  in  Paris  einen  ausführlichen  Stammbaum  (S.  133 — 139)  der 
Familie  Larochefoncauld  ausarbeiten  Hess.  Dass  Rahstede  such 
gründlich  die  auf  deutschen  Bibliotheken  vorhandene  Litteratar 
benutzte,  bezengt  die  Vorrede.  In  Kap.  I  gibt  der  Verfasser 
einen  Abriss  der  Lebensgeschichte  Larochefoucauld's  (S.  1 — 62), 
Kap.  II  bespricht  sein  schriftstellerisches  Wirken  und  das  Ent- 
stehen seiner  Werke  (S.  63—81);  Kap.  111  stellt  dar,  wie  La- 
rochefoucauld's Persönlichkeit  und  schriftstellerische  Leistungen 
von  den  Zeitgenossen  beurteilt  wurden  (S.  82—102);  Kap.  IV 
bringt  die  Kritik  der  modernen  Kritik  der  Schöpfungen  Laroche- 
foucauld's (S.  103—118).  Ein  reichhaltiger  Anbang  (S.  119— 184) 
bietet  zunächst  Anmerkungen  zu  den  einzelnen  Kapiteln,  sodann 
eine  Stammtafel  des  Hauses  Larochefoucauld  nach  Tallement  de« 
Reaux  und  die  schon  erwähnte  von  Reichenbaeh,  ferner  einen 
Brief  des  Chevalier  de  Mere  an  M™  la  Duchesse  de  ***,  ein 
Portrait  du  duc  de  Larochefoucauld  par  le  Cardinal  de  Beb 
(S.  144—145),  um  mit  einem  ausführlichen  Verzeichnis  der  be- 
nutzten Litte  rata  r  und  einer  Larochefoucauld- Bibliographie  n 
schliessen.  Anzuerkennen  ist,  dass  Rahstede  späteren  Forschern 
eine  Menge  nützlichen  Materials  beigebracht  hat.  Wogegen  sich 
aber  die  Kritik  allen  Ernstes  verwahren  muss,  das  ist  die  Art  der 
Darstellung.  Abgesehen  von  allzuhäufigen  Zitaten  fehlt  dem 
Ganzen  Straffheit  der  Anlage  und  Knappheit  der  Sprache.  Merkt 
man  auch  auf  jeder  Seite,  wie  liebevoll  der  Verfasser  sich  in 
jene  Zeit  hineingelebt  hat,  wie  freudig  er  jedes  Wort  begrttsst, 
das  neues  Licht  über  seinen  Helden  ihm  und  seinen  Lesern 
bringen  könnte,  so  ist  es  eben  doch  leider  diese  naive  Frende, 
die  ihn  seinen  Gegenstand  allziibreit  darstellen  und  anstatt  ein- 
heitlich fortzufahren,  ihn  häufige  Seitensprünge  machen  läset.  Eine 
nicht  unbeträchtliche  Anzahl  von  Inkorrektheiten,  Trivialitäten  im 


E.   Hatin,   Ev  Journal  (t;:>.   Hand  der  Bibiwtlibqtu-  Hlilf).  7 

Ausdruck  dürfte  der  Leser  damit  entschuldigen,  dass  wir  es  in  dem 
Verfasser  mit  einem  Ausländer  zu  thun  haben,  dessen  Bemühungen, 
in  deutscher  Sprache  zu  schreiben,  noch  nicht  ans  Ziel  gelangt 
sind.  Drei  weitere  Studien  stellt  der  Verfasser  in  Aussicht: 
über  V'suvenargues,  über  Duclos  und  über  Diderot  als  Roman- 
schriftsteller. Möchte  der  mit  Hingebung  arbeitende  Schriftsteller 
durch  straffe  Disposition  und  knappen,  kürzeren  Ausdruck  die- 
selben zu  recht  erfolgreichen  für  sich  und  die  Wissenschaft 
gestalten.  E.    II  ö  n  scher, 


atin,  E.,    /-e  Journal  (69.  Band   der  BiBUothtyuc  utile).     Paris 
o.  J.,  Felix  Alean.     192  S.  16°.     Preis  gbd.  M.  0,80. 


Die  Bibliotheque  utile  ist  ein  Unternehmen,  wie  es  in 
utschland  noch  fehlt,  weil  es  einmal  bei  den  teuren  Blicher- 
preisen  und  der  Teilnahmslosigkeit  kaufkräftiger  Kreise  nicht 
deinen  könnte,  und  weil  leider  sachkundige  deutsche  Fach- 
minner  eine  volkstümliche  Darstellung  ihrer  Forschungen  als 
eine  Herabwürdigung  anzusehen  pflegen.  In  Frankreich  ist  es 
Inders.  Kein  Gelehrter,  kein  Schriftsteller  dünkt  sich  zu  hoch, 
um  gemeinverständlich  zu  schreiben  und  Kompendien  zusammen- 
zustellen. So  treffen  wir  denn  unter  den  Mitarbeitern  an  der 
Bibliothiqne  utile  Männer  wie  Pelletan,  P.  Secchi,  den  Präsidenten 
Qmot,  K.  Zevort,  P.  Gaffarel  und  den  hochgelehrten  Verfasser 
der  achtbändigen  Histoire  de  la  Presse  en  France  (Paris,  1859 
bis  18#1).  Hatin,  auch  als  Bibliograph  geschätzt,  hat  im  vor- 
liegenden Büchlein  einen  Auszug  aus  seinem  grossen  Werke  und 
eine  Umarbeitung  seiner  Hiatoire  du  Journal  en  France  (Paris, 
1846,  2.  Aufl.  1853)  gegeben.  Er  schildert  in  kurzen  Zügen 
die  Uranfänge  des  Zeitungswesens,  daB  Aufkommen  der  Gazette 
de  France  des  Arztes  Renaudot  (1631)  und  die  überaus  lang- 
same Entwicklung  der  französischen  Presse  bis  zur  Revolution, 
ohne  die  Journaux  intsrlupes,  die  Nouvettes  ä  la  main  ausser- 
acht  zu  lassen.  Der  zweite  Abschnitt  stellt  in  überaus  prägnanter, 
mit  zahlreichen  Zitaten  gezierter  Form  die  Rie Benfortschritte  der 
Presse  unter  den  sieben  Regierungen  dar,  welche  in  diesem 
Jahrhundert  Frankreich  beglückt  haben.  Kein  bedeutender  Name 
fehlt  in  der  Aufziililung.  Das  anziehende  Schriflchen  schliesst 
mit  einem  Überblick  Über  Zeitungswesen  im  Ausland,  besonders 
Über  Zeitungen  englischer  Zunge  und  mit  einer  trefflichen  Dar- 
itellung  heutiger  Zeitungstechnik.  J.  Sarrazin. 


Wi  wie  berger,  Oskar,  Über  das  Handsrlu-ifleiiverhUltni*  des  alt- 
französischen  Guy  de  Warwick.  Marburg,  1889.  49  S.  4B 
(Marburger  Dissertation). 

Winneberger's  Arbeit  ist  eine  Ergänzung  zu  Tanner'n 
Dissertation  Über  Alter  und  Geschichte  der  Sage  von  Guy  de 
Wanoick  (Heidelberg  1877)  und  eine  Erfüllung  dessen,  was  er 
uns  in  einem  frllberen  Aufsätze:  Eine  Textprobe  aus  der  alffran- 
zb'sischen  Überlieferung  des  Guy  de.  Warv-iek  versprochen  hatte, 
der  1887  in  den  Frankfurter  Neuphüol.  Beiträgen  (8.  86—107) 
erschienen  war. 

Von  den  13  Handschriften  des  Guy  de  Warwick  haben  dem 
Verfasser  vollständig  vorgelegen  die  WolfenbUttler  Hb.  (G.),  die 
Pariser  (P  —  ms.  fr.  1669)  und  die  eine  Londoner  (A  —  College 
of  AnnB  27),  Von  den  anderen  Handschriften  standen 
soweit  sie  nicht  schon  selbst  fragmentarisch  erhalten  sind 
Bruchstücke  zu  Gebote,  die  zum  Teil  schon  gedruckt  sind, 
sind  die  Cambridger  (C  —  C.C.C.,  Ms.  Bennet  50.  6),  die  andere 
Londoner  (E  —  Br.  Mus.,  Reg.  8  F.  IX),  die  Oxforder  (0  —  Bodl., 
Rawlinson  1370),  die  zwei  Oxforder  Fragmente  (F)  und  eine  dril 
Londoner  (H  —  Br.  Mus.,  Harl.  3775,  2).  Diesem  Stande  ent- 
sprechend nimmt  die  Untersuchung  der  Handschriften  G 
die  der  Verfasser  als  zu  einer  Gruppe  gehörig  erweist,  den 
meisten  Raum  in  der  Arbeit  ein  (S.  4 — 30),  während  die  anderen 
C  R  0  F  kürzer  behandelt  werden  (8.  31—40).  Hierauf  wird 
das  Verhältnis  der  Gruppen  GPA  und  CKOF  besprochen  und 
durch  einen  Stammbaum  veranschaulicht  (S.  40—42).  Es  folgt 
im  V.  Kapitel  (S.  42 — 46)  ein  Versuch,  auf  Grund  nur  geringen 
Materials  die  Stellung  der  Handschrift  H  zu  bestimmen,  und 
schliesslich  auf  Grund  nachträglich  eingegangener  Kopien  ein 
gleicher  Versuch  mit  den  Handschriften  J  (Fragment)  und  M 
(Marske  Hall,  Yorks.). 

Der  Verfasser  hat  seine  Untersuchung  mit  methodischem 
Geschick  durchgeführt,  und  mit  seiner  Gruppierung  kann  man 
sich,  soweit  sich  seine  Gründe  aus  der  Arbeit  selbst  nachprüfen 
lassen,  wohl  einverstanden  erklären.  Ein  Herausgeber  des  Guy 
de  Warwick  wird  die  Arbeit  mit  Freuden  begrüssen.  Ob  freilieb 
die  geringen  Proben  aus  der  Gruppe  0  R  0  F  II J  M  geniigen 
können,  um  das  Verhältnis  dieser  Handschriften  sicher  zu  ent- 
scheiden, vermag  ich  nicht  durchaus  zu  bejahen.  Nach  meiner 
Erfahrung  zeigt  eine  Handschrift  nicht  immer  ein  einheitliche! 
Gepräge,  weil  z.  B.  die  Mundart  des  Schreibers  oft  sich  nur 
schwer  der  Mundart  der  Vorlage  anpasst. 

Der  Rvd  John  E.  A.  Fenwick  in  Cbeltenbam  hat  Übrigem 


im, 
mr 

Vt 

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IL, 

tte 

: 

Im 


E.  Bowrciez,  Precis  de  phonetique  franqaise  etc.  9 

als  Neffe  des  Sir  Ths.  Phillipps  dessen  Bibliothek  geerbt,  unter 
der  Bedingung,  dass  er  sie  nie  veräussere.  Dass  er  aus  ihr 
Kapital  zu  schlagen  bemüht  ist,  kann  man  ihm  nicht  verdenken. 
Freilich  könnte  die  entrance  fee  niedriger  sein.  Der  Rvd  und 
die  Wissenschaft  würden  sich  dabei  besser  stehen. 

M.  F.  Mann. 


Benrciez,  E.,  Pricis  de  phonttique  frangaise  ou  Exposi  des  lots 
qui  rigissent  la  transformation  des  mots  latins  en  francais. 
Paris,  Klincksieck,  1889.     kl.  8°.     123  S. 

Zur  Zeit,  wo  wir  diese  Zeilen  schreiben,  liegt  uns  bereits 
eine  eingehende  Besprechung  des  anzuzeigenden  Buches  durch 
G.Paris  vor  {Romania  1889,  S.  583  ff.),  die  uns  enthebt,  auf 
dort  gerügte  Einzelheiten  auch  unsererseits  einzugehen.  In 
unserem  Gesamturteil  stimmen  wir  durchaus  mit  G.  Paris  tiber- 
ein: Der  Abriss  Bourciez'  erfüllt  auf  vortreffliche  Weise  seine 
Aufgabe,  Anfänger  in  das  Studium  der  historischen  französischen 
Grammatik  einzuführen,  ihnen  einen  kurzen,  ausführliche  wissen- 
schaftliche Erörterungen  vermeidenden  Überblick  über  das  Ver- 
htitnis  des  neufranzösischen  Lautstandes  zum  lateinischen  zu 
geben.  —  Die  Behandlung  der  Lehn-  und  Fremdwörter  wird,  als 
indes  Verfassers  Thema  nicht  gehörig,  unterlassen;  nur  gelegent- 
lieh werden  Erscheinungen  von  Lehnwörtern  zur  Sprache  gebracht, 
um  die  lautgesetzliche  Entwickelung  der  Erbwörter  dadurch  um 
so  deutlicher  hervortreten  zu  lassen. 

Unseren  besonderen  Beifall  zollen  wir  der  Anordnung  des 
Werkchens.  Bei  Behandlung  des  Vokalismus  werden  zwei 
Kapitel  vorausgestellt,  in  denen  die  Rolle  des  lateinischen 
Aeeents,  die  volkslateinische  Qualität  der  Vokale  und  deren  Be- 
einflussung durch  die  benachbarten  Laute  geschildert  werden. 
Die  hier  gegebenen  Beobachtungen  bilden  die  Grundlage  zu 
den  später  bei  Vorführung  der  einzelnen  Vokale  beobachteten 
Unterabteilungen.  Bei  Besprechung  des  Accents  empfinden  wir 
als  Lücke  die  fehlende  Unterscheidung  der  Vortonsilben  in  neben- 
toniache  und  unbetonte.  Wenigstens  macht  B.  nicht  darauf  auf- 
merksam, dass  die  Erhaltung  der  Vokale  in  den  ersten  Wortsilben 
die  Wirkung  eines,  wenn  auch  oft  sehr  schwachen  Nebentones 
ist,  ihr  Untergang  an  nicht  erster  Stelle  unmittelbar  vor  dem 
Hauptton  die  Folge  ihrer  Tonlosigkeit.  Auch  hätte  die  Behand- 
lung des  unbetonten  Vortonvokals  mit  der  des  unbetonten  Nach- 
tonvokals  kurz  in  Parallele  gestellt  werden  sollen.  Inbezug  auf 
die  Anordnung    der  Vokale    freuen    wir  uns,    B.  mit  uns    darin 


10  Referate  und  Rezensionen.     h\  h'oschwitz, 

übereinstimmen  zu  sehen,  dass  er  von  der  traditionellen  Reihen- 
folge derselben  (a,  e,  i,  o,  u)  abgeht  und  die  zweckmässigem 
und  phonetisch  richtigere  Reihenfolge  i,  e,  g,  a,  q,  o,  u  aufstellt 
Eine  Inkonsequenz  finden  wir  aber  darin,  dass  hier  bei  dea 
Vokalen  mit  dem  Laute  begonnen  wird,  der  am  meisten  vorn  in 
Mundraume  artikuliert  wird,  während  bei  Behandlung  der  Kon- 
sonanten das  umgekehrte  Verfahren  eingehalten  und  mit  der 
Gutt.  h  begonnen  wird.  Der  Reihenfolge:  Gutt,  Pal.,  Dent, 
Lab.  scheint  uns  nur  eine  vokalische  Reihenfolge  u,  o,  a,  e,  t  n 
entsprechen,  wie  wir  sie  denn  auch  in  unserer  Grammatik  durch- 
geführt haben.  Mit  der  sonstigen  Gruppierung  des  Verfassen] 
sind  wir  durchaus  einverstanden;  nur  würden  wir  an  Stelle  von 
protonique  initial  überall  „nebentonisch"  gesetzt  haben,  und  ver- 
missen wir  eine  Zusammenstellung  der  analogisch  erhaltenes 
unbetonten  Vokale  (voyeUes  protoniques  non-initiales).  —  Nun  w 
einzelnem. 

8.  11  Anm.  dam  la  mitrique  latine  .  .  .  toute  voyeüe  suwk 
de    deux   ou  plusieurs    consonnes  compte   pour   Ion  gut  ist  ans 
doppeltem  Grunde  ungenau.     Nicht  der  Vokal,  sondern  die  Silbe 
gilt   der   lat.    Metrik    lang;    ferner    bewirken    Muta  c.  Liqn.  im 
allgemeinen   keine  Silbendehnung.  —  S.  16.    Die  Bezeichnungen 
a",  t",  o",  o*  sind  zum  Ausdruck  der  Nasalvokale  nicht  glücklich 
gewählt;  i"  =  e  ist  nur  einem   Franzosen  erträglich;   aber  auch 
ihn  muss  ü"  =  je  befremden.      Verf.  ist  hier   auch  von  seiner 
Vokalskala  abgewichen:  er  musste  ordnen  5,  #,  e,  ct.  —  8.  17. 
Die  Bemerkung:  le  latin  vulgaire  avaü,  en  ce  cas,  trcmrfortnS  en  % 
tout  e  atone,  et  .  .  .  disait  lancia,  vinia  etc.  au  lieu  de  lancea  ist  h 
dieser  Formulierung  unrichtig.     Nicht  Hiat.-e  wurde   zu  Hiat-i, 
sondern  beide  Laute  fielen,  einsilbig  geworden,  unter  dem  Laute  \ 
(deutsch  j)   zusammen.  —   S.  17  Anm.     Zu    den    von    G.  Paris 
bereits   gerügten,    mehrfachen    Verwechselungen    des    Verfassen 
von  Laut  und  Schrift  gehört  auch   die  Angabe,  st  vor  i  sei  *# 
geworden.     Es  soll  heissen  „stimmloses  *,  geschr.  es"  —  8. 18. 
§  23  ist  nicht   genau  genug.     Eine  Palat  entwickelt    einerseits 
unsilbiges  i,  das  sich  mit  vorausgehendem  Vokal  zu  »-Diphthong 
verbindet,   andererseits  ein  %  (j),   das   sich  mit  folgendem  Vokal 
zu  Halbdiphthong  verbindet.     Verf.  weiss  dies,  seine  Darstellung 
drückt  es  aber  nicht  deutlich  genug  aus.  —   S.  19  u.  ö.  hätten 
wir  die  Ausdrücke   transposer  und  transposition  gern  vermieden 
gesehen,  da  es  sich  um  ein  Hindurchgehen   des  i  durch    den 
vorausgehenden  (mouillierten)  Konsonant  hindurch  in  die  vorher- 
gehende Silbe  handelt  (ngy  nj",  n,  in  u.  dgl.).  —  8.  19.    Zu  §  24 
Rem.  ist  jetzt  Mussafia,  Romania  1889,  S.  529  ff.  zu  vergleichen, 
der  freilich   auch  nicht  alle  Bedenken  überwindet      Ebenso  zu 


I 


F..    Baurcic:.    Prccis  rfc  p/iiiriilii/m-  francnisi    elf.  11 


S.   :.'.">,  zu  Ttia  =  esse;  zu  S.  33,  zu  plate.a  :  plare:  und  zu  B,  «7, 

I§  126a.  —  S.  22.  Die  Behauptung,  der  af'rz.  Diphthong  IM  habe 
er«  Anfang  des  XIX.  Jahrhunderts  die  Aussprache  uo  ange- 
nommen, ist  unrichtig.  Vgl.  unsere  Gram,  der  nfrz.  Hchrift«i<r. 
S.  41.  —  Die  Brechung  von  e  in  beU  etc.  ist  sicher  gleichzeitig 
■iiii  An  rinTL'Mii-  von  /  zu  t  und  «,  also  die  Reihenfolge  nielit 
Mm,  bral*,  beau«,  wenn  sie  auch  graphisch  sich  eo  darstellen 
mag.  —  8.  86  fyal  =  aequate  ist  wahrscheinlich  halbgelehrt; 
toffat,  rot/al  stehen  wenigstens  unter  dem  Einflüsse  gelehrter 
Adj.  auf  al  (ahm).  —  8.  31  Anm.  A  la  fin  du  H»  tuet*,  mmr 
exemple,  le  mot  atme  se  prononcait  an-ime  ist  uns  unver- 
sliimlli.'h.  —  S.  32  und  8.  74.  acre(m)  aigre,  inacre(m)  maigre 
u.  dgl.  dürften  als  halbgelehrte  Worte  zu  betrachten  sein.  — 
&  :,7.  $  öl.  Rem.  IV.  Die  hier  für  foco  =  fou  gegebene  Er- 
klärung (foco,  fncuii,  /ovo,  fön)  ist  so  nicht  annehmbar;  /ovo  wäre 
fuef  geworden.  Der  Verf.  musste  diese  Entwickelnng  mit  der 
B.  50,  Rem.  V  gegebenen  in  Einklang  bringen,  wonach  clavwn 
durch  ctauyo  zu  clou  geworden  ist.  Demnach  war  richtig:  foco, 
focuo,  foyo  (u  =  halbvükalischem,  bilabialem  w),fam.  In  Auslaut 
tretendes  e  ergab  /;  in  Auslaut  tretendes  y  wurde  mit  voraus- 
gehendem Vokal  zu  ii  Diphthong  verbunden.  —  8.  37.  Freies 
haupttonisches  o  wurde  schon  in  der  zweiten  Hälfte  des  XII.  Jahr- 
hunderts zu  ew  (<e).  —  8.  II.  lultr*  (luntruin}  ist  gelehrt,  also 
hier  auszuscheiden.  —  8.47,  Rem.  I  ist  nicht  genau.  \\\  feignant 
i»t  ign  =  ft,  also  kein  Diphthong  ei  vorhanden;  in  ftitalrr  ist  ei 
dagegen  ursprünglich  Diphthong,  ein  aus  e  -4-  3  vor  Kons,  ent- 
standen; es  liegt  also  einerseits  en,  andererseits  ein  vor.  — 
S.  49.  aifpt  =  acuta  ist  nicht  Erbwort.  —  8.  58.  [  iat  graphiqne- 
meat  nicht  nur  Hl,  sondern  auch  11,  il  und  l  (jille,  nohil,  grit).  — 
S.  68.  Bei  Erklärung  von  pediea  durch  pediga,  püdijo,  piedjt, 
pieijt  wäre  es  gut  gewesen,  auf  die  8.  66  gegebene  Entwickelnng 
Mm  aKet  m  age  zu  verweisen.  Ebenda  2"  lullte  nicht  unerwähnt 
bleiben  sollen,  das«  ca  (oder  daflir  schon  eingetretenes  gm,  ja) 
nach  rf,  n,  r,  also  nach  stimmhaften  Lauten  zu  stehen  kam.  — 
S.  72.  Für  croix,  voix,  perdrix  (afrz.  er««,  wou,  ptrdriz)  nimmt 
B.  im  Auslaut  gesprochenes  stimmhaftes  s  an,  während  er  8.61 
nach  der  allgemeinen  Annahme  behauptet:  lex  MMMlMt  finales 
ou  deveniits  finales,  st  eliex  persistent  et  se  prononcent,  tont  tow 
jours  en  fran^ais  des  /orten.  Seine  Annahme  begründet  B.: 
('■■  /fi  protrve  que  cette  S  ttait  dauce.  reut  que  le  vieux  fra.nc.ais 
tecrivaä  z  (pumoace  Tu).  Dies  würde  das  Gegenteil  beweisen. 
S  in  tu  konnte  nur  stimmlos  sein  und  tu  nnr  in  einfaches  stimm- 
loses *  übergehen.  Beachtenswerter  ist  die  IlinzufUgung  B.'s, 
das«    in    den  Ableitungen   von    croh  ein   stimmhaftes  ..  erscheint: 


Rrftr, 


croisilliKi,  croUette  u.  s.  w.;  doch  konnten  eich  diese  Ableitungen 
nach  der  Aussprache  gerichtet  haben,  die  auslautendes  *  vor 
anlautendem  Vokal  innerhalb  des  Satzgliedes  schon  im  Altfran- 
zösischen  annahm.  Ebenso  anfechtbar  ist  S.  ÖS  §  127,  wo  au« 
demselben  Grunde  in  prix  etc.  stimmhaftes  auslautendes  .-  an- 
genommen wird.  Auch  S.  04  §  141  ist  auslautendes  stimmhaftes 
s  für  das  Altfranzösische  nicht  ohne  Weiteres  zuzugestehen.  — 
8.  75,  2°  iBt  veruDglUckt.  §  107  toü  lies  toü.  —  ä.  77  §  111 
aj  ist  ebenfalls  anfechtbar.  Ein  altfrz.  eve  hätte  schwerlich  eau 
entwickelt;  es  ist  von  etee  (eue)  auszugeben.  —  S.  78  §  112 
ist  der  Ausdruck  ungenau  in  „gamba,  gemere  se  pronoagaient 
comme  gutta."  Nur  das  g  dieser  Worte  soll  doch  wohl  gleich 
gesprochen  worden  sein.  Aber  auch  dies  ist  nicht  richtig.  An- 
lautendes g  vor  u,  o  war  velar  (poatpalatal),  g  vor  a  war  raedio- 
palatal,  g  vor  e,  i  präpalatal.  Wäre  .•/  in  allen  drei  Stellen 
gleich  gewesen,  dann  hittle  es  keine  verschiedene  Entwickclnng 
genommen.  —  S.  81  fragile  =  fraiU  ohne  Erweichung  des  l 
kann  nicht  ohne  Weiteres  mit  vigilare,  veüler  etc.  zusammen- 
gestellt werden.  —  Ebenda  §  117,  2U  handelt  es  sich  aus- 
schliesslich um  auslautendes  g  nach  Konsonant,  dem  ursprlingli 
ein  dunkler  Vokal  (o,  u  in  den  Beispielen)  folgte.  —  8.  86  §  1 
T  medial,  appuyf,  ou  non,  tombe  en  frangais  1"  devont  les  palatalt* 
ist  nach  des  Verfassers  eigener  Entwiekelungsangabe  nur  bedingt 
richtig.  In  altt'ranz.  froma{/e  (§  =  dl)  aus  formadjr,  forwudi 
formatteo  ist  ursprüngliches  t  noch  (als  d)  iu  <J  enthalten;  erst 
Beit  dem  XIV.  Jahrhundert  sprach  man  frymale  ohne  dentale 
Plosiva.  Ahnlich  liegt  es  S.  90  mit  manducare  (mandugare, 
mand'jier,  mant'/ier  =  phon.  mandzter).  Auch  in  altfranz.  -Jörn 
ist  j  (=(J,  dlj  wenigstens  ein  Kompromiss  von  d-\- j. 
hätte  erklärend  beigefügt  werden  können,  dass  in  capo 
nicht  eigentlich  p,  sondern  aus  intervokaliseliem  p  hervoi 
gegangenes  t>  (cabo,    cavo)  zn  auslautendem  /  entwickelt  wurdi 

—  S.  104.  Intervokalischcs  »  fällt  der  Regel  nach  nur 
oder  nach  dunklem  Vokale  aus.  —  8.  112.  Die  Auflosung 
l  vor  Konsonant  war  nicht  dis  le  debut  du  XII'  siecU,  sondei 
erst  in  der  Mitte  des  Jahrhunderts  vollzogen.  —  S.  116.  Rem.  II 
wäre  genauer  gewesen  zu  sagen,  dass  mV  analog  zu  »V  ebenfalls 
nr  und  mit  diesem  gemeinsam  zn  ndr  wurde.  In  §  1815  handelt  es 
sieh  nur  um  nachtonisehes  lat.  m;  betontes  blieb  als  n  erhalten. 

—  8.  117.  Z.  1  gilt  das  graphiquement  doch  nur  für  die 
Gegenwart.  In  Hlter  Zeit  verwandelte  die  Dentalis  in  g  =  di 
vorausgehendes  m  in  n,  wurde  also  auch  n  gesprochen.  — 
S.  119.     Rem.    I    ist   in    der   gegebenen    Fassung    ni 


len- 

134 

alt* 
ingt 

•ig», 

erst 
täte 
art, 
Jörn 
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vor- 

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lr,: 
u.  II 


E.  Kornmesser,  Die  französischen  Ortsnamen  germanischer  Abkunft.      13 

Dts  Französische  duldet  im  Auslaut  überhaupt  keinen  ge- 
schriebenen Doppelkonsonanten.  Cor  für  com  etc.  wurde  durch 
tltfranz.  eorz  (für  cornz)  veranlasst. 

E.  Koschwitz. 


Konimesser,  Ernst,  Die  Französischen  Ortsnamen  germanischer 
Abkunft.  I.  Teil.  Die  Ortsgattungsnamen.  Strass- 
burg,  1889.   Karl  J.  Trübner.    59  8.  8°.    Preis:  1,50  Mk. 

In  der  Einleitung   (S.  1 — 16)  seiner  schönen  Arbeit  setzt 
K.  auseinander,  dass  germanischen  Ursprungs  1)  diejenigen  Orts- 
itmen  sind,  welche  mit  dem  Suffix  -ingen  gebildet  sind,  2)  solche 
nsammengesetzten   Ortsnamen,    welche    an    erster   Stelle    einen 
germanischen  Personennamen,  an  zweiter  ein  Ortsnamensuffix  wie 
•wfle,  -vüUers,  -court  enthalten.     Er  weist  in  scharfsinniger  Weise 
nach,  dass   die  letztere  Art   der  Ortsbenennung   erst  durch  die 
Franken  nach   Gallien   gebracht  ist,  und   dass  alle  ähnlich   ge- 
bildeten Ortsnamen,  deren  erstes  Glied   aber  kein  germanischer 
Personenname  ist,  erst  nach  dem  Muster  jener  fränkischen  gebildet 
sind.     Ortsnamen    besagter    Gattung    spielen    bekanntlich    eine 
grosse  Rolle   in  der  Ortsnamenforschung.     Es  ist  W.  Arnold   in 
seinem  bahnbrechenden  Werke:   Ansiedelungen  und  Wanderungen 
der  deutschen  Stämme2,  Marburg  1881,  gelungen,   die  Ortsnamen 
chronologisch  zu  gruppieren.    Er  setzt  drei  Schichten  fest.    Orts* 
nimen  der  obigen  Art  sollen  nun  der  zweiten  Schicht  angehören, 
deren  Ursprung  in  die  Zeit  vom  V.  bis  VIII.  Jahrhundert  n.  Ch. 
6.    falle.     Ja,   Arnold  und    seine   Nachfolger,    wie    Werneburg, 
weisen  diese  Namen  ausdrücklich  einer  späten  Zeit  der  zweiten 
Periode  zu  (Arnold,  S.  287  f.,  Werneburg,   Die  Namen  der  Ort- 
schaften und  Wüstungen  Thüringens,  Erfurt  1884  f.).     Wir  sehen 
aber    solche    Namen  z.  B.  von    den  Alemannen    nach  Helvetien 
(Die   Ortsnamen    des   Kantons    Zürich  von   H.   Meyer,   S.  70  f.), 
den  Angelsachsen   nach   Britannien,   den   Franken   nach    Gallien 
getragen:  sie  dürften  also  bedeutend  älteren  Ursprungs  sein,  als 
bisher   angenommen   wurde.     Sie   werden    zur  Zeit    der  grossen 
Wanderungen     entstanden     sein    und     überhaupt    Ansiedelungen 
germanischer    Stämme    in   eroberten  Ländern   kennzeichnen.     K. 
musste  von  dieser  Sachlage,  etwa  S.  3,  sprechen. 

Von  S.  16  ab  bis  zum  Schlüsse  bespricht  K.  nun  ausführ- 
lich nach  Herkunft  und  Verbreitung  die  zweiten  Glieder  der  zu- 
sammengesetzten Ortsnamen,  also  das  Suffix  -ingen  und  die  „ Orts- 
gatt ungsnamen".  Er  teilt  diese  in  1)  solche,  welche  Ortsanlagen 
oder  Gebäulichkeiten  bezeichnen  (wie  väle}  chdtely  bourg)  2)  solche, 


14  Referate  und  Rezensionen.     E.  Weber, 


welche  eine  Terrainbenennung  enthalten  (wie  ehamp,  mont,  boü\ 
und  3)  niederdeutsche  Ort  »Gattungsnamen.  Für  die  fränkieeü« 
Ansiedelungen  in  Gallien  kommen  jedoch  nur  die  erste  Klasse  der 
Ortsgattungsnamen  und  die  Ortsbez  eich  nun  gen  auf  -ingen  in  Be- 
tracht. Die  fränkischen  Personennamen  aber,  mit  denen  sie  n- 
samm  engesetzt  werden,  sollen  erst  im  zweiten  Teil  der  Arbeit 
behandelt  werden.  Somit  lassen  sich  die  Resultate,  welche  ffr 
die  germanisch -romanische  Sprachwissenschaft  ans  K.'s  Arbeil 
fliessen  werden,  noch  nicht  angeben.  Wir  behalten  uns  vor,  nach 
dieser  Richtung  hin  auf  die  Arbeit  zurückzukommen  nnd  wollen 
vorläufig;  nur  bemerken,  das  Got.  veüix,  Ags.  wie,  Alts,  wtk,  AM, 
mich  als  Ortsgattnngsnamen  (8.  43)  nicht  ein  und  desselben  Ur- 
sprungs sind;  d&BS  sich  die  französischen  Ortsnamen  mit  den 
germ.  Suffix  -ingen  (3.  45)  in  eine  ältere  nnd  eine  jüngere  Graps« 
scheiden  lassen  werden,  je  nachdem  t  zu  «  oder  a  gewandelt 
oder  erhalten  ist  u.  s.  w.  Dass  K.  sich  Beschränkung  aufgelegt 
bat  und  s.  B.  die  Ortsnamen  der  französischen  Schweiz,  soweit 
sie  mit  denselben  Ortsgattnngsnamen  gebildet  sind,  nicht  in  des 
Bereich  seiner  Untersuchung  gezogen  hat,  ebensow  enig  wie  uf 
französischem  Boden  die  Wüstungen,  will  ich  eher  anerkennen 
als  tadeln. 

Eine  Arbeit  wie  die  von  K.  hat  aber  nicht  nur  Bedeutest; 
für  die  Sprachgeschichte,  sondern  auch  für  die  allgemeine  Welt- 
geschichte, Kulturgeschichte,  Kulturgeographie  und  Ethnographie. 
Aus  der  Fülle  der  Bemerkungen,  die  sich  hier  aufdrängen,  sei 
nur  eine  einzige  hervorgehoben.  Die  Orts gattungsn amen,  welche 
für  uns  in  Betracht  kommen,  sind:  ville,  villi&rs,  conti,  meto, 
minil,  chätet,  moulin,  -montier,  eglise,  maüton,  tric,  bourg,  hameL 
Von  diesen  sind  zwei  germanischen  Ursprungs:  bourg  und  hamel 
Das  letztere  dient  gar  nicht  als  Grundwort  bei  Ortsnamen,  du 
erstens  wird  nicht  mit  germanischen  Personennamen  zusammen- 
gesetzt. Ebensowenig  vic,  mainon,  chdtel  und  moulin.  Mit  montier 
montier  (monatterium)  und  eglise  zusammengesetzte  Ortsnamei 
Bind  schon  aus  inneren  Gründen  jüngeren  Ursprungs.  Es  komme) 
also  ftur  die  fränkischen  Ansiedelungen  in  Gallien  im  wesentliche: 
nur  -ville,  -villier*,  covrt,  -metz  nnd  minil  in  Betracht,  alle 
Wörter  romanischen  Ursprungs.  Wie  geraten  nun  die  frank  iacbei 
Personennamen  mit  diesen  romanischen  ürtBgattun  gen  amen  zu 
sammen?  Darüber  spricht  sich  der  Verfasser  nirgends  deutlici 
aus.  Nehmen  die  Franken  vorhandene  välae,  villares,  curte*  etc 
in  Besitz  und  nannten  sie  mit  Beibehaltung  der  alten  Grund 
Wörter  nach  dem  BeBitzergreifer  oder  einem  Anführer?  Ode 
brachten  die  Eroberer  fertige  Ortsnamen  aus  der  Heimat  mit 
wie  sonst  Auswanderer  thun,  nnd  legten  sie  den  eroberten  Ortci 


II'.   tWrstcr,  litiwaittseh,    Bibliothek. 


Und  werden  sie  nicht  viele  Sie  de  innren  neu  gegründet 
haben,  deren  Benennung  sich  aus  heimatlichen  Ortsgattungs- 
tiaraen  und  dem  Samen  des  Gründers  zusammensetzte':1  Dann  aber 
itnis>  man  annehmen,  dass  die  angeführten  romanischen  Orts- 
gattungsnamen zum  Teil  wenigstens  Übersetzungen  ursprünglich 
gleichbedeutender  /i_-rrii;<iiisi.-h(-r  Gnnidwiirti.'i'  sind  u-urti»  z.  B.  von 
hova,  Kovum),  vollzogen  etwa  vun  der  Schicht  Germanen,  welche 
germanisch  und  romanisch  verstand.  Hieraus  aber  würde  weiter 
folgen,  dass  z.  B.  hova,  hovun  auch  ein  fränkisches  Orts- 
namensuftix,  nicht  spezitisch  alleuiamiisches  ist,  wie  Arnold  und 
andere  wollen.  S.  21  hat  K.  nachdrücklich  hervorgehoben,  dass 
andere  Suffixe,  welche  ebenfalls  allemannisehe  Ansiedelungen 
i-harakterisieren  sollen,  nilmlich  -weil  und  -weiter,  gar  nicht  ger- 
manischer Herkunft  sind.  So  würden  aber  Arnold'»  Zeugniese 
für  allemannisehe  Wanderungen  und  Siedelungen  eilten  derben 
Stoss  erhalten.  Noch  aber  sind  gar  nicht  alle  Möglichkeiten, 
wie  die  zusammengesetzten  Ortsnamen  auf  gallischem  Boden  in 
ihrer  jetzigen  Form  entstanden  sein  können,  erschöpft.  So 
können  ja  die  Franken  die  französischen  Bezeichnungen  für  be- 
wohnte Plätze  einfach  von  vornherein  angenommen  haben;  aber 
warum  gerade  diese  und  nicht  andere?  Ein  weiteres  Eingehen 
auf  diese  Frage  würde  jedoch   zu  weit  führen. 

Es  erübrigt  nur  noch,  die  Umsicht  hervorzuheben,  mit  der 
wichtige,  eine  grosse  Lücke  ausfüllende  Arbeit  angelegt,  und 
ii  Flejss  und  die  Sorgfalt,  mit  der  sie  ausgeführt  ist.  Wir 
erwarte»  mit  Ungeduld  den  zweiten  Teil,  sind  aber  schon  jetzt 
sk'lirr,  dui  die  ganze  Arbeit  au  schonen  Resultate«  reich  sein 
wird.  Soll  etwas  getadelt  werden,  so  ist  es  die  Überaus  zu- 
sammengedrängte Ausdrucksweise,  die  nicht  selten  an  Dunkelheit 
streift.  In  diesem  Punkte  brauchen  wir  nicht  Lachmann  nach- 
zuahmen, sollten  uns  vielmehr  die  französischen  Gelehrten  zum 
Muster  nehmen,  die  uns  so  oft  zeigen,  dass  man  wissenschaftlich 
id  verständlich  zugleich  sein  kann. 

E.  Mackel. 


den 


■st«r,  W. ,  Romanische  Bibliothek.  Krster  Band.  Chrtutian 
von  Traye»  Cligis.  Textausgabe  mit  Einleitung  und 
Glossar.  Halle  a.  S.,  1889.  Max  Niemeyer.  XXI  und 
215.  S.     Preis:  4,00  Mk. 


Der  unermüdliche  Bonner  Gelehrte,  der  in  den  letzten  fünf- 
n  Jahren  mehr  altfranzösisehe  Poesie  und  Prosa  herausgegeben 
,  als  manche,  selbst  ausgezeichnete  Kenner  des  Französischen, 


16 


I  RneHlitHm.     K.  Weher, 


in  einem  langen  Lehen  gelesen  haben,  und  der  die  Veröffent- 
lichung einer  nicht  minder  grossen  Zahl  altfranzösi scher,  proven 
zalischer,  Überhaupt  altromaniHcher  Denkmäler  angeregt  miil  durch 
Rat  und  That  gefördert  hat,  lüsat  jetzt  eine  Rumänische  Bibliothek 
erscheinen,  die  in  erweitertem  Rahmen  seine  Altfrsnzösische 
Bibliothek  fortzusetzen  bestimmt  ist.  Von  dieser  neuen  Samm- 
lung liegen  schon  drei  Rande  vor,  von  denen  für  dies  Mal  nur 
der  erste  besprochen  werden  soll.  Die  Ausstattung  derselben 
ist  freundlich  und  gefällig,  Druck  und  Rapier  sind  schön  und 
sauber.     Der  Preis  ist  sehr  niedrig  bemessen. 

In  würdiger  Weise  eröffnet  Foerster  selbst  die  Romanische 
Bibliothek  mit  dem  Cliges.  Die  neue  Ausgahe  dieser  Dichtung 
unterscheidet  sich  von  der  vor  fünf  Jahren  erschienenen  durch 
zahlreiche  Verbesserungen  des  Textes,  die  der  Herausgeber  zum 
Teil  den  Besprechungen  jener  ersten  Ausgabe  verdankt.  Ferner 
bat  die  Interpunktion  eine  gründliche  Durchsicht,  die  Recht- 
schreibung eine  Btreng  durchgeführte  Regelung  erfahren.  Endlich 
ist  ein  Namensverzeichnis  und  ein  reichhaltiges  Glossar  hinzuge- 
fügt worden. 

Beim  Durchlesen  des  Buches  sind  nur  einige  unwesentliche 
Kleinigkeiten  bemerkt  worden.  Im  Glossar  hütten  vielleicht 
Wörter  wie  bruit,  devant,  dnrniir,  drap,  Au,  flaue,  filir,  front, 
fruit,  gros,  haut,  huit,  image,  joie,  lit,  lune  und  sehr  viele  andere 
wegbleiben  können,  zumal  wenn  doch  weiter  nichtB  dazu  ange- 
geben wird  als  die  Grundbedeutung,  die  aucli  in  dem  kleinsten 
neufranzösischen  Taschen  wo  rtcrbu  che  zu  linden  ist.  Doch  kommt 
im  Grunde  nichts  darauf  an,  ob  ein  solches  Wörterverzeichnis 
zwanzig  oder  dreissig  Seiten  umfasst.  Andererseits  wird  man 
gar  manches  vergebens  suchen.  Wer  z.  B.  nicht  wissen  sollte, 
was  oms,  $ant,  doble  bedeuten,  wird  erst  recht  der  Belehrung 
über  den  Sinn  von  eine  ganz  doble«  bedllrfen.  Wenn  unter  atit, 
maint,  ost ,  tut  ausdrücklich  auf  al-er,  mener,  oser  oder  osier, 
tuer  hingewiesen  wird,  so  musste  auch  daB  zu  blasmer  gehörige 
blast  besondere  Erwähnung  finden.  —  Im  Glossar  steheu  r'alrr, 
r'auiser,  r'estre  u.  a. ,  wahrend  im  Texte  dieser  Apostroph  mit 
Recht  keine  Anwendung  gefunden  hat,  —  Bei  cerchier  hätte  die 
Bedeutung  „Durchsuchen"  angegeben  werden  können:  Trestnz 
ses  escrins  terehe  et  vuide  1152.  —  Pans  3863,  Verbalsubstantiv 
zu  panser,  fehlt  im  Glossar.  —  Es  ist  nicht  immer  möglich,  im 
Altfrz.  zwischen  smu:  =  sen.no  ital.  und  /an  =  senno  ital.  zu 
unterscheiden.  Sollte  aber  wirklich  in  unserem  Denkmale  aus- 
schliesslich {das  im  Neufrz.  nur  noch  in  der  Ableitung  forcenr 
fortlebende  san  gebraucht  sein?  An  einer  Stelle  wie  /.<■.>,■  j 
acorrent   de  toz  Sans  5132    möchte   wohl   sanx    mit   «tammhafteu   i 


ff.  Suchier,  Aucassin  und  Nicolete.  17 

vorliegen.    —    An  Druckfehlern   im  Text  sind  nur  zwei  bemerkt 
worden:  3970  mint,  lies  sont;  5395  oires,  lies  oirs. 

Man  wird  zugeben  müssen,  dass  dies  wenige  eine  spärliche 
Ausbeute  untergeordneter  Bemerkungen   ist.     Das  Buch,   wie  es 
>    jetzt  vorliegt,  ist  in  der  That  des  schönsten  Lobes  würdig,  dem 
[    der  Ehrgeiz  eines  Herausgebers    alter  Werke  nachstreben  kann. 
\    Der  von  allen  Flecken  einer  zufalligen  Ueberlieferung  gesäuberte 
Roman   liest  sich  jetzt  besser  als  selbst  der  Dichter  ihn  je  ge- 
lesen hat.  £.  Weber. 


Suchier,  H.,  Aucassin  und  Nicoletey  neu  nach  der  Handschrift 
mit  Paradigmen  und  Glossar.  Dritte  Auflage.  Pader- 
born, Druck  und  Verlag  von  Ferdinand  Schöningh. 
Münster  i.  W.  1889  —  Osnabrück. 

Im  Jahre  1878  gab  Suchier  zum  ersten  Male  Aucassin  und 
Nicolete  heraus;  jetzt,  nach  nur  elf  Jahren,  ist  das  in  jeder  Hin- 
siebt ausgezeichnete  Buch  schon  in  dritter  Auflage  erschienen. 
Noch  nie  zuvor  hat  eine  altfranzösische  Dichtung  in  so  kurzer 
Frist  eine  zweite,  geschweige  denn  eine  dritte  Auflage  erlebt. 
Wenn  nun  dazu  noch  kommt,  dass  innerhalb  desselben  Zeitraums 
Cfaston  Paris  seine  durch  Bida's  Radiernadel  so  anmutig  ge- 
schmückte Ausgabe  veröffentlicht  hat,  so  ist  das  ein  schöner 
Beweis  dafür,  dass  der  Kreis  derer,  die  Werke  der  älteren 
französischen  Litteratur  lesen  und  gemessen,  sich  im  letzten  Jahr- 
zehnt ausserordentlich  erweitert  hat. 

Zu  Ausstellungen  irgend  welcher  Art  giebt  die  neue  Auf- 
lage schwerlich  Anlass.  Es  kann  nur  gebilligt  werden,  dass 
jetzt  einiges,  was  schon  vom  Standpunkte  des  Schreibers  aus 
als  Versehen  bezeichnet  werden  muss,  verbessert  worden  ist 
8o  steht  jetzt  7,13  venirs;  8,16  defent;  8,39  U6s\  10,54  fait; 
12,21  Us;  13,8  dementers]  13,14  autres;  18,7  Iraient;  22,17  mes; 
22,39  covient;  22,41  laisgies;  24,56  desous;  26,8  puis;  28,6 
missent;  29,7  faus;  31,6  fromages;  35,12  dius;  36,3  freres; 
36,13  avoit;  37,10  Aucassins;  38,3  fissent.  Am  Ende  all  dieser 
Wörter  fehlt  in  der  Handschrift  ein  s  oder  t.  —  Ein  e  im  Aus- 
laut wurde  hinzugefügt  bei  faelie  12,33;  nue  32,11;  preie  36,8 
und  36,11.  —  Ferner  steht  in  der  Handschrift  achtmal  i  für  ü 
und  zwar  mit  Ausnahme  einer  einzigen  Stelle  immer  vor  darauf 
folgendem  l  im  Anlaut.  Dieses  i  ist  jetzt  durch  ü  ersetzt 
worden.  —  Wenn  dann  noch  in  den  Anmerkungen  angegeben 
wird,  was  in  der  Handschrift  wirklich  vorliegt,  so  heisst  das 
dem  alten  Schreiber  alle  nur  mögliche  Ehre  erweisen.  Nichts 
desto  weniger  darf  gewissenhafte   Beachtung  des  Ueberlieferten 

Zacfar.  t  frz.  Spr.  u.  Litt.    XII*.  2 


18  Referate  und  Rezensionen.     A.   llaasc, 

nie  als  kleinlich  bezeichnet  werden.  Dafür  nur  ein  schlagendes 
Beispiel.  Ein  so  gründlicher  Kenner  seines  Textes  wie  Suchier 
hat  sich  sicher  erst  nach  sorgfältiger  Ueberlegnng  bei  der  dritten 
Auflage  entschlossen  39,12  trau  mit  ttent  zu  vertauschen;  und 
doch  wäre  diese  Abweichung  -von  der  Handschrift,  wie  Tobler 
überzeugend  nachweist,  besser  unterblieben.  —  Darum  bat  viel- 
leicht auch  der  Herausgeber  Recht,  wenn  er  6,31  oVesci  beibe- 
hält. Freilich  hat  hier  nicht  blos  Gaston  Paris,  wie  Suchier 
sagt,  sondern  auch  Adolf  Tobler  de  soi  zu  lesen  empfohlen. 
Der  Herausgeber  scheint  selbst  etwas  bedenklich  geworden  zn 
sein,  da  er  das  d'esgi  besonders  rechtfertigen  zu  müssen  glaubt 
Was  da  gesagt  wird,  ist  aber  nicht  stichhaltig.  Wenn  auch  dag 
Wasser  nichts  kostet,  so  ist  doch  die  Zusammenstellung  von 
Hunger  und  Durst  in  allen  Sprachen  sicherlich  so  üblich,  dass 
man  selbst  von  Bettlern  unbedenklich  sagen  wird,  sie  seien  an 
Hunger  und  Durst,  Frost  und  Krankheiten  gestorben;  Hanger 
und  Verbannung,  Frost  und  Krankheiten  würde  da  zum  min- 
desten sehr  ungewöhnlich  klingen. 

E.  Weber. 


Vieluf,  Gustav,  Zum  französischen  Rolandsliede.  Komposition 
und  Stü.  Programm  des  Gymnasiums  in  Hirschberg  1889. 
19  S.  4°. 

Die  Abhandlung  Vielufs  hält  nur  zum  Teil  was  der  Titel 
verspricht,  denn  nur  von  der  Komposition,  nicht  vom  Stil  des 
Rolandsliedes  ist  die  Rede;  letzteren  behält  der  Verfasser  wegen 
Raummangels  sich  vor,  später  zu  behandeln.  Wir  fragen  billig, 
warum  er  das  nicht  durch  den  Titel  angedeutet  hat. 

Der  grösste  Teil    der   Arbeit   besteht    aus    einer    gut   ge- 
schriebenen Analyse  des  Epos,  welche  an  sich  den  Aufbau  der- 
selben   bereits    zu   verdeutlichen    im   stände    ist.     Mit   Geschick 
lässt  Vieluf  die   Hauptsachen    scharf  hervortreten,    während  das 
Nebensächliche  zurücktritt.     Vieluf  unterscheidet  mit  Gautier  drei 
Teile,  von  denen  er  namentlich  den  ersten  (Vers  1 — 1016),   die 
Ereignisse,    welche    den    Kampf    bei    Roncevaux   und    den    Tod 
Rolands  herbeiführen,  ausführlicher  behandelt,   um    so   an   einem 
Teile  des  Epos  genauer  zu  zeigen,  „wie  der  Dichter  seinen  Stoff 
gliedert  und  die  einzelnen  Glieder  dann  zu  einem  symmetrischen 
Ganzen  zusammenordnet."     (S.  8.) 

Nur  in  einem  Punkte  stimme  ich  dem  Verfasser  nicht  gani 
bei.  Vers  1423  versetzt  uns  plötzlich  nach  Frankreich;  ein 
fürchterliches  Ungewitter  ist  dort  ausgebrochen,  „Sturm  und  Orkan, 


Syntaktische  Arbeiten.  19 

Blitz  und  Donner,  Regen  und  Ilagel,  Erdbeben  und  Verfinsterung 
der  Sonne  zur  Mittagszeit  setzen  das  Land  in  Schrecken."  Diese 
Schilderung  unterbricht  die  Erzählung  vom  Wüten  des  Kampfes 
bei  Roncevaux.  Vieluf  sagt  dazu:  „Die  Herstellung  des  Zu- 
sammenhanges bleibt  hier  dem  Leser  überlassen. u  (S.  9.)  Das 
ist  ja  allerdings  nicht  unrichtig,  aber  es  wäre  doch  im  Gegenteil 
hervorzuheben,  dass  gerade  in  dieser  scheinbar  zusammenhang- 
losen Gegenüberstellung  die  wahre  Verbindung  liegt,  dass  der 
Dichter  sich  hier  wohl  unbewusst  eines  Mittels  bedient  zur  Be- 
lebung der  Erzählung,  von  dem  die  neueren  französischen  Dichter 
den  ausgiebigsten  Gebrauch  machen. 

An  die  Analyse  des  Epos  schliessen  sich  kurze  recht  ver- 
nünftige Bemerkungen  über  den  Aufbau  desselben,  etwas  be- 
sonders Neues  erfahren  wir  allerdings  nicht  daraus. 

Was  Vieluf  dann  zum  Schluss  über  die  nicht  in  0.  sich 
findenden  Tiraden  sagt,  ist  zwar  nicht  von  der  Hand  zu  weisen, 
allein  um  überzeugend  zu  sein,  ist  es  doch  zu  dürftig,  dazu 
wäre  ein  näheres  Eingehen  auf  Stil,  Wortschatz  und  Bau  dieser 
Tiraden  notwendig.  Vielleicht  ergibt  sich  etwas  Näheres,  wenn 
Vieluf  die  in  Aussicht  gestellte  Fortsetzung  dieser  Arbeit,  über 
den  Stil  des  Rolandsliedes  bringt. 

F.  Tendebing. 


Syntaktische  Arbeiten. 

Von  den  eingegangenen  Abhandlungen  beschäftigt  sich  mit 
einem  allgemeineren  Thema  aus  altfranzösischer  Zeit  Engländer, 
Der  Imperativ  im  Altfranzösischen,  Breslau,  1889  (Diss.).  Die  Arbeit 
enthält  I.  eine  kurze  Notiz  über  den  Imperativ  in  der  ältesten 
Sprache  im  Vergleich  mit  dem  lateinischen  Imperativ;  „IL  Ver- 
tretung des  Imperativ  durch  andere  Modi;  III.  Den  umschriebenen 
Imperativ;  IV.  Imperativische  Fragen  und  Assertionen;  V.  Den 
interjektionalen  Imperativ;  VI.  Verstärkende  Zusätze  beim  Impe- 
rativ; VII.  Die  Negationen  beim  Imperativ;  VIII.  Personalpro- 
nomina beim  Imperativ;  IX.  Syntaktische  Erscheinungen  im  Ge- 
brauch des  Imperativ."  Die  Abhandlung  verdient  wegen  ihrer 
Gründlichkeit  und  ihrer  Selbständigkeit  alle  Anerkennung  und 
kann  als  ein  hübscher  Beitrag  zur  altfrz.  Syntax  empfohlen 
werden. 

Weniger  günstig  wird  man  urteilen  müssen  über  Köhler, 
Syntaktische  Untersuchungen  über  Leu  quatre  livres  des  Roisy 
Erlangen,  1888  (Dissert.).  Der  Verfasser  behandelt  1.  Den  Artikel; 
IL  Die  Pronomina;  III.  Die  Komparation;  IV.  Das  Zahlwort; 
V.  Das   Verbum.     Dass  der  Verfasser  sich  Mühe   gegeben   hat, 

2* 


'M>  Referate  u/t'l  Rezensionen.      W.   Ricken, 

tritt  wohl  deutlich  hervor  und  soll  auch  keineswegs  angezweifelt 
werden.  Indessen  zeigt  die  Arbeit  erhebliche  Mündel  sowohl 
hinsichtlich  der  Anlage  im  allgemeinen  als  der  Ausführung  im 
einzelnen.  Vor  allem  verführt  der  Verfasser  nicht  selbständig 
genug.  Die  einzelnen  Abschnitte  der  Arbeit  sind  zu  sehr  durch 
die  Vorbilder,  an  welche  er  sich  ansrliliesst,  beeinfluBSt  worden 
und  demnach  zu  verschiedenartig  ausgefallen.  So  ist  z.  B.,  und 
das  ist  ja  ganz  BiilLaUuislaudlich,  buiui  l'rojionics  liL-ssacr  di« 
Vorlage  gewesen,  der  den  sprachhistorischen  Standpunkt  ein- 
nimmt, beim  Konjunktiv  die  bekannte  Schrift  von  Bischoff,  die, 
so  vorzllglich  an  sich,  die  Erklärung  des  Konj.  bei  CbreBu'en 
sich  zur  Aufgabe  stellt,  von  sprachhietori sehen  Zwecken  aber 
gänzlich  absieht.  Ausserdem  ist  unter  dem  Artikel  auch  der 
..Teilungsartikel"  behandelt,  worunter  der  Verfasser  nicht  nur 
das  unabhiEngige  partitive  de  mit  dem  bestimmten  Artikel  versteht, 
sondern  auch  das  von  einem  Ausdruck  der  Quantität  abhängige. 
Unter  dem  Infinitiv  figurieren  auch  noch  die  Abschnitte  „Der 
Infinitiv  mit  der  Präposition  de"  u.  a.  w.  Eine  Kenntnis  der 
historischen  Syntax,  auch  der  gewöhnlicheren  Erscheinungen  der- 
selben, wird  vielfach  vennisst,  und  im  einzelnen  zeigen  sich  viele 
unrichtige  Auffassungen  sprachlicher  Erscheinungen,  oft  ist  auch 
der  Ausdruck  zu  beanstanden.  Diese  Ausstellungen  im  einzelnen 
durch  Beispiele  zu  illustrieren,  davon  will  Referent  Abstand 
nehmen. 

In  die  erste  Hälfte  des  XV.  Jahrhunderts  fuhrt,  uns  Erter, 
Syntaktische  Studien  zu  Alain  Chartier»  Prosa,  Wllrzburg,  1889 
(Dissertation),  eine  Schrift,  die  227  Seiten  umfasst  und  der 
man  gern  das  Prädikat  einer  fleissigen  Arbeit  zugestehen  wird. 
Der  Verfasser,  welcher  im  Vorwort,  das  durch  seinen  bescheidenen 
Ton  einnimmt,  selbst  auf  seine  Mlihe  hinweisen  zu  mtlssen  ge- 
glaubt hat,  hat  nicht  nur  das,  was  eigentlich  zur  Syntax  gehört, 
behandelt,  sondern  auch  Vieles,  was  der  Formeulehre  und  der 
lexikalischen  Wissenschaft  anheimfällt,  hinzugezogen,  zeigt  eine 
grosse  Kenntnis  der  einschlägigen  Litte ratur  und  hat  seinen 
Autor  eo  gründlich  gelesen,  dass  man  um  der  grossen  Mühe 
willen,  die  er  sich  gegeben  hat,  eher  über  die  Mängel  seiner 
Schrift  hinwegsehen  kann.  Ganz  verschweigen  kann  Referent 
dieselben  aber  doch  nicht.  Wenn  der  Verfasser  „sein  Scherflein 
als  Beitrag  zur  Bearbeitung  einer  ausführlichen  historischen 
Qrammatik  spenden"  wollte,  so  hätte  er  in  seiner  Darstellung 
nicht  so  überaus  breit  sein  sollen,  sondern  den  Beitrag  so  ein- 
richten, dass  derselhe  bequem  brauchbar  wäre.  Für  diejenigen 
Leser,  welche  einen  solchen  brauchen,  hätte  Vieles  wegfallen 
können.     Anch    eignet  sich  nicht  Alles,   was    der  Einzelne  sich 


E.  0.  Lubarsch,  Ober  Deklamation  und  Rhythmus  franz.  Verse.       21 

an  sprachlichen  Erscheinungen  erst  klar  machen  muss,  Andere 
aber  schon  längst  wissen,  zum  Druck.  Die  Disposition  und  der 
Ausdruck  werden  schwerlich  allgemeiner  Billigung  sich  erfreuen, 
und  auch  im  einzelnen  wird  man  den  Verfasser  hier  und  da  bei 
mehr  oder  minder  schweren  Versehen  ertappen,  die  zum  Teil 
unrichtige  Auffassung  verraten,  mitunter  aber  auch  zeigen,  dass 
ihm  die  Genesis  einzelner  sprachlicher  Erscheinungen  nicht  recht 
klar  ist.  A.  Haase. 


Lubarsch,  E.  0.,   Über  Deklamation  und  Rhythmus  französischer 
Verse.     Zur  Beantwortung    der   Frage:    „  Wie    sind    die 
französischen     Verse    zu    lesen  fu       Herausgegeben    von 
E.  Koschwitz.     Oppeln,  Maske  1888.     1,50  Mk. 

Eine  anziehende  und  lehrreiche  Schrift.  Im  Winter  1886 
bis  1887  von  einem  für  den  Sieg  der  Wahrheit  begeisterten 
Sterbenden  zu  Ajaccio  niedergeschrieben,  ist  sie  uns  nach  dessen 
Abscheiden  infolge  widriger  Umstände  längere  Zeit  vorenthalten 
geblieben.  Es  kann  nunmehr  nicht  fehlen,  dass  sie  die  Vor- 
stellungen Mancher  über  Metrik  und  Rhythmik  der  französischen 
Verse,  Über  den  Lautwert  des  weiblichen  e  in  Prosa  und  Poesie, 
in  der  vielgestaltigen  Sprache  des  gewöhnlichen  Lebens  wie  in 
der  gleichfalls  noch  vielartigen  Sprache  der  Deklamation  berich- 
tigen und  klären,  dass  sie  zu  Untersuchungen,  Erwägungen  und 
Auseinandersetzungen  anregen  wird,  durch  welche  eine  brennend 
gewordene  wichtige  Frage,  die  man  von  einseitigen  oft  unwissen- 
schaftlichen Standpunkten  aus  zu  betrachten  sich  gewöhnt  hatte, 
der  richtigen  Lösung  mehr  und  mehr  entgegengeflihrt  werden  muss. 

Das  Vorwort  des  Herausgebers  hebt  kurz  den  Wert  dieses 
letzten  Werkes  des  berühmt  gewordenen  Verfassers  hervor,  der, 
ohne  eigentlich  neuphilologische  oder  Überhaupt  philologische 
Schulung  gehabt  zu  haben,  vermöge  der  Kraft  seineB  Talentes 
und  seines  eisernen  Fleisses  so  Tüchtiges  schuf,  der  die  Ein- 
sicht in  den  Bau  und  rhythmischen  Gang  des  französischen 
Verses  so  wesentlich  förderte.  Man  wird  dem  Herausgeber 
dankbar  sein,  dass  er  dem  Vorwort  einen  Abriss  des  Lebens 
dieses  strebsamen  Mannes  folgen  Hess. 

Die  Schrift  ist  eine  Streitschrift.  Wie  der  Titel  vermuten 
lässt,  richtet  sie  sich  gegen  die  1885  erschienene  kleine  Broschüre 
Sonnenburg's:  „Wie  sind  die  französischen  Verse  zu  lesen?"  Em- 
pört über  Inhalt  und  Ton  dieser  in  der  That  oberflächlich  nieder- 
geschriebenen Abhandlung  mit  ihren  leichtfertigen  Urteilen  über 
die  Regeln  und  Vorschriften  der  deutschen  Schriftsteller  im  all- 


32  Heferate  und  liezenswtten.      IV.  Kicken, 

gemeinen,  welche  die  französische  Metrik  behandelt  haben,  Bebritt 
der  Kranke  zur  Abfassung  des  vorliegenden  Werkes,  »Her  Müh« 
nicht  achtend,  wo  es  galt,  die  Wahrheit  möglichst  vollständig 
zu  ergreifen. 

In  Zeitschrift  XI1,  8.  238—255  habe  ich  eine  Abhandlung 
Über  „Die  Entwickelung  des  e  xourd.  Ein  Beitrag  zur  Beant- 
wortung der  Frage:  Wie  sind  die  französischen  Verse  zu  lesen?" 
veröffentlicht.  Zu  dieser  Abhandlung  wurde  ich  durch  die  Lektüre 
der  Streitschriften  Lubnrsch's  und  Hiimbert's  angeregt.  Die  Leser 
der  folgenden  Zeilen  bitte  ich  die  dort  gemachten  Beobachtungen 
und  Bemerkungen  im  Sinne  zu  behalten.  Eb  wird  freilich  nicht 
zu  vermeiden  sein,  dass  gelegentlich  ein  dort  niedergelegter  Ge- 
danke   in    anderer   Form  hier  wiederholt  wird. 

Die  Schrift  zerfallt  in  3  Abschnitte.  Der  erste  berichtet 
über  die  Veranlassung  zur  Abfassung  des  Buches,  weist  Sonnen- 
burg's  Vorwilrfe  gebührend  zurück  und  zeigt  durch  eine  inter- 
essante Zusammenstellung  der  Regeln,  die  an  verschiedenen 
Stellen  in  Legouve's  „L'Art  de  la  heture"  zerstreut  sind,  wie 
sehr  man  irregeführt  werden  muss,  wenn  man  die  Deklamation*. 
regeln  flir  französische  Verse  ausschliesslich  aus  dem  Theater 
gebrauch  abstrahieren  will,  wie  thöricht  es  ist  kurzweg  zu  be- 
haupten, die  Verse  seien  wie  Prosa  zu  lesen  und  das  e  mvä 
dürft!  im  allgemeinen  vollständig  unterdrückt  werden,  ohne  diu 
der  Rhythmus  darunter  leide. 

Einleitend  legt  der  zweite,  ausführlichste  und  lehrreichtte 
Abschnitt  (S.  12 — 38)  zur  Vermeidung  der  Üblichen  Begriffs- 
verwirrung, die  ein  gegenseitiges  Verstehen  der  über  die  vor- 
liegende Frage  streitenden  Parteien  erschwert,  den  Unterschied 
des  Silben  wertes  und  des  Vokal  wertes  der  weiblichen  Endungen 
zwar  nicht  streng  phonetisch,  doch  sachlich  richtig,  dar  und 
bringt  sodann  fesselnde,  sehr  wertvolle  Mitteilungen  Über  die 
Unterredungen,  welche  Lubarsch  auf  seiner  Reise  nach  Ajaecio 
zum  Zweck  der  richtigen  Lösung  des  zu  behandelnden  Problem) 
mit  Legouve  (Dichter  und  lecteur  par  exceltence),  Banville  (Dichter 
und  Metriker)  und  Leconte  de  Lisle  (Dichter)  zu  Paris  gesucht 
hat.  Lubarsch  hat  sich  von  den  beiden  ersten  Gedichte  oder 
einige  Verse  vorlesen  lassen,  dem  letzteren  selbst  einige  Strophea 
vorgelesen.  Jene  drei  Dichter  waren  darin  vollständig  einig, 
dass  die  .Schauspieler  im  allgemeinen  „nicht  viel  von  der  Sache 
verständen",  das»  das  e  muet  im  Vortrag  der  Verse  unbedingt  EU 
Geltung  kommen,  dass  die  weiblichen  Endungen  (im  Innern  den 
Verses)  „silbenhüderid  wirken"  mtissten.  —  Der  Abschnitt  scbliesrt 
(8.  31  ff.)  mit  einer  gewiss  recht  dankenswerten  Zusammenstellung 
der  wenigen  wichtigen   Bemerkungen  über  das   Lesen  der  fiin- 


E.  0.  Lubarsch,  über  Deklamation  und  Rhythmus  franz.  Verse.      23 

zösischen  Verse  (besonders  auch  des  modernen),  welche  sich  in 
Legouvä's  neuerem  Bache  La  lecture  en  action  verzeichnet  finden, 
das  Lubarsch  erst  kennen  lernte,  als  seine  Schrift  genau  bis 
S.  30  gediehen  war.  Hätte  nicht  der  Kranke  sein  Ende  nahe 
gewusst,  hätte  nicht  der  Tod  zu  schnell  seiner  geistigen  Thätig- 
keit  ein  Ziel  gesetzt,  würde  er  sich  wohl  bemüht  haben,  die 
zur  Beleuchtung  der  durch  Sonnenburg  hervorgerufenen  Streit- 
frage wirklich  geeigneten  Auseinandersetzungen  dieses  Teiles 
in  dem  ersten  Abschnitt,  in  den  sie  gehören,  hineinzuarbeiten. 

Lubarsch  legt  endlich  in  dem  dritten  Abschnitt  die 
Folgerungen  dar,  die  sich  für  den  Rest  der  in  Sonnenburg's 
Schrift  aufgestellten  Regeln  aus  den  Mitteilungen  und  Erörterungen 
der  vorhergehenden  Abschnitte  ergeben,  geisselt  insbesondere  den 
Versuch,  „den  Wohlklang  und  den  prachtvollen  Rhythmus  des 
Alexandriners  auf  seine  Verstümmelung  zu  gründen"  (Sonnenburg 
S.  18:  „Diesen  Wohlklang  und  diese  Schönheit  des  Rhythmus 
verdanken  die  Alexandriner  zum  grossen  Teile  diesem  Umstände, 
dass  die  Verse  in  der  Aussprache  eine  wechselnde  Silbenzahl 
haben*  —  eine  Ansicht,  nach  welcher,  wie  ich  bemerken  will, 
die  Verse  eines  Corneille  und  Racine  im  Laufe  der  Jahrzehnte 
und  Jahrhunderte  immer  schöner,  herrlicher,  wohlklingender 
müssten  geworden  sein!),  stellt  statt  des  Satzes  (Sonnenburg 
S.  20):  Alle  Verstheorien,  welche  auf  der  falschen  Annahme  be- 
ruhen, dass  das  stumme  e  da,  wo  es  gezählt  wird,  nicht  auch 
gesprochen  werde,  haben  gar  keinen  Sinn"  mit  vollem  Recht 
dessen  Gegenteil  als  Wahrheit  hin :  „Alle  Verstheorien,  welche 
auf  der  Annahme  beruhen,  dass  das  stumme  e  da,  wo  es  ge- 
zählt wird,  nicht  auch  gesprochen  werde,  haben  keinen  Sinn", 
und  wendet  sich  schliesslich  zur  näheren  Besprechung  der  von 
den  Schauspielern  des  Theätre-Frangais  beim  Vortrag  von  Versen 
auf  der  Bühne  befolgten  Praxis,  soweit  er  dieselbe  aus  seinen 
möglichst  sorgfältig  angestellten  Beobachtungen,  die  sich  auf  die 
Stücke  Hamlet  nnd  Monsieur  Scapin  beziehen,  feststellen 
konnte.  —   — 

Man  hat  dem  Buche  Mangel  an  durchgreifender  Anordnung 
und  dem  Verfasser  auffallende  oder  überraschende  Widersprüche 
in  seinen  Behauptungen  vorgeworfen.  Abgesehen  davon,  dass, 
wie  ich  oben  dargelegt,  ein  Teil  des  Inhalts  der  S.  31  —  38 
besser  mit  dem  Inhalt  des  ersten  Abschnitts  verarbeitet  worden 
wäre,  scheint  mir  diese  Beschuldigung  grundlos  zu  sein.  Sie 
stützt  sich  erstens  auf  die  Thatsache,  dass  Lubarsch  S.  5  aus 
Legouvä  unter  anderem  den  Satz  zitiert:  „Celui  qui  retranche 
te  tnuet  final,  fait  un  vers  masculin  d!un  vers  feminin"  ( —  wie 
denn    in  diesem  Punkte  Legouve    im  Gegensatz    zu  Leconte    de 


24  Referate  und  Rezensionen.      IV.  Ricken, 

Lisle,    der    das   v  feminin  am   Verschluss   für  nbaolument  nnl  er- 
kläre,   einen    alteren   Gebrauch    vertritt   — ),    wahrend    er   S.  [] 
erklärte,    dass   das  e  am  Verschluss    in  der  Deklamation  heute 
nicht   mehr   ausgesprochen    wird,   zweitens  auf  den  anderen  Um. 
stand,    dass  Lubarsch    S.  25    durch  Banville    den  Schauspielern 
vorwerfen  lasse,    dass    sie    nur    nach   dem  Sinn    und   der  Inter- 
punktion läsen,  während  S.  31  aus  Legouvä  die  Beobachtung  der 
Interpunktion  als  die  Hauptregel  des  Vortrags  empfohlen  werde. 
Es    ist   klar,    dass   hierin    gar  keine  Widersprüche    liegen.    Et 
geht  nur  daraus  hervor,   dass  in  Legouve's  und  Banville' 8  (oder 
Leconte    de    Lisle's)    Art    französische    Verse     (besonders    die 
modernen)   zu  lesen,   sich  —  ganz  wie   bei   uns  in  den  Kreisen 
selbst   feinsinniger  Leser    deutscher   Dichtungen  —   feinere  Ge- 
schmacksverschiedenheiten (vielleicht  auch  Altersverschiedenheiten: 
Legouve  ist  1807  geboren)    geltend    machen,    auf  die  Lubarsch 
als  treuer  Berichterstatter  in  seiner  strengen  Wahrheitsliebe  auf- 
merksam  macht.     Wäre  es  ehrlich   gewesen,    wenn  er  das  ver- 
schwiegen hätte,    was  scheinbar  oder  in  Wirklichkeit  mit  seiner 
eigenen  Ansicht  im  Widerspruch  steht? 

Dass  übrigens   in  der  Frage  des  Interpunktierens 
Legouvä  gegen  Banville  nnd  Leconte  de  Lisle  im  Rechte  igt, 
scheint  mir  sicher  zu   sein.     Gegen  Banville   und  Leconte 
de  Lisle,   sage  ich,   weil   in  der  That  nach  der  Darstellung  bei 
Lubarsch  in  diesem  Punkte  ein  direkter  Gegensatz  der  Meinungen 
angenommen  werden  könnte.    In  Wirklichkeit  besteht  wohl 
ein   solcher  Gegensatz   nicht,   sondern    nur   ein   Gradunter- 
schied.    Banville    hat    allerdings    im   Laufe    des  Gesprächs   auf 
die  Bemerkung  Lubarsch's,  dass  auch  Legouve  (wie  er,  Banville) 
in  seinem  Buch  UArt  ds  la  lecture  beim  Vortrag  der  Verse  die 
Aussprache    der    weiblichen    Endungen    und    die    Wahrung   des 
Rhythmus  fordere,  beiläufig  geäussert,   „Legouve"   gelte  zwar  für 
einen    grossen  Vorleser,    trotzdem    könne    man    sich    nicht  nach 
ihm  als  Muster  richten u,  eine  Bemerkung,  aus  der  indessen  viel- 
leicht   nur   geschlossen  werden    darf,    dass    Banville    von    dem 
Gesamteindruck   einer  Vorlesung  Legouve^s  nicht  vollständig 
befriedigt  zu  sein   pflegte,    und   dass  er  der  Meinung  war,   man 
könnte  wohl  den  betreffenden  Stoff  vollendeter  und  künstlerischer 
zum  Vortrag   bringen.     Auch    hat  Banville    nach   L.  25    gesagt, 
„man   müsse    nicht   so  lesen  wie   die   Schauspieler;    diese   läsen 
nur  nach  dem  Sinn    und  der  Interpunktion  und  vernichteten  da- 
durch  den  Rhythmus.     Aber  wendet   er   sich  damit  gegen 
das  Interpunk tieren  in  dem  Sinne,  in  welchem  Legouve 
es  fordert?     Ich  bin  überzeugt,  dass  er  sowohl,  wie  Leconte 
de  Lisle   mit    der    beim   Austausch    der   letzten    liebenswürdigen 


E.  0.  Lubarsch,  Ober  Deklamation  und  Rhythmus  franz.  Verse.      25 

Worte  leicht  hingeworfenen  zustimmenden  Aeusserung  (siehe  S.  30) 
sich  in  Übereinstimmung   mit  Legouve  (L.  6)    nur   gegen    „die 
Manier  der  Schauspieler"   hat  aussprechen  wollen,   „welche  die 
Verse  derart   zerreissen,    dass   sie  wie  Prosa  klingen",    welche, 
fwa  pretexte  de  viriti,    ne  s'inquiMent  ni  du  rhythme,   ni  de  la 
rme,  ni  de  la  prosodieu.    Ich  kann  nicht  glauben,  dass  Banville 
nit  zu    denjenigen    gehört,    deren   Vortragsweise    von  Legouve 
(L.  6)  in  dem  Satze  gekennzeichnet  wird:  Les  uns,  sous  pritexte 
Harmonie,  st  croient  obligfo  aVenvelopper  les  vers  dans  une  sorte 
de  milopie  onctueuse  qui  arrondit  t  out  es  les  lignes,  efface  tous  les 
contours,    huile  tous  les   ressorts  et  arrive   ä   vous  produire  une 
Sensation  fade  et  fcceurante,  assez   semblable  ä  l'effet  d'une  tisane 
mucüagineuse.     Nur  dies  scheint   man  sagen  zu  dürfen,    dass  er 
sieh  dieser  Art  etwas  mehr  zu  nähern  geneigt  war,  wie  Legouve 
(Tgl.  L.  24,   wo  gesagt  wird,   dass  der  Inhalt   des   von  Banville 
vorgelesenen  Gedichtes  auf  den  Ausdruck  im  Vortrag  verhält- 
nismässig   wenig    einwirkte).     Man    braucht    sich   ja    nur    die 
Vortragsweisen  zu  vergegenwärtigen,  die  man  bei  uns  in  Deutsch- 
land beim  Lesen  deutscher  Dichtungen  von  Lehrern  und  Schülern, 
von  Künstlern    und  Dilettanten,    von  den  mit  einem  feinen  Ge- 
schmack  begabten  Gebildeten   und   mehr  oder  weniger  Ungebil- 
deten reichlich  hören  kann,  um  überzeugt  zu  sein,  dass  es  streng 
genommen  so  viele  Arten  des  Vortrags  wie  vortragende  Individuen 
giebt,    dass    aber    derjenige    dem    Ideal    am    nächsten 
kommt,    der  die  einschmeichelnde    Musik  des  Verses  zu 
wahren    und  doch   sinngemäss    und    unter    Beobachtung 
der    durch    den    Inhalt    geforderten    Pausen    zu    lesen 
versteht,    der   die  Gedanken    der  Dichtung  einfach  und 
naturgemäße  wiedergiebt,  ohne  sie  im  mindesten  ihrer 
schönen    poetischen     Gewandung    zu    entkleiden,    ohne 
den    Rhythmus   zu    vernichten.     Das   gilt   ohne   Zweifel   für 
die    französische  Poesie    so  gut  wie  für    die   deutsche,   und  nur 
ober    die  Grösse    der  Pause,    über   das  Mehr    oder  Minder    des 
Interpunktierens    lässt    sich  im  Einzelfalle    streiten.     Was  daher 
für  Legouve  „erste  und  in  die  Augen  springende  Regel   für  das 
Lesen  der  Prosa  wie  der  Poesie  istu,  die  regle  de  la  ponctuation 
(L.  31),    ist    gewiss   für  Banville   nichts  geradezu  Falsches   und 
zu  Bekämpfendes.    Sicherlich  hat  auch  Banville  „interpunktiert", 
da  er  Lubarsch  beispielsweise  die  Strophe  vorlas: 

Statactites  tombant  des  vontes,  Stalagmites 
Montant  du  soi,  partout  les  orgueillcux  glacoiis     ' 
Argenlent  de  splendeurs  fhorizon  saus  limites. 

Sicherlich  würde  er  sehr  reichlich  interpunktiert  haben, 
wenn  er  ihm    beispielsweise    das  Lubarsch  33—34    abgedruckte 


!!,[„, 


Stück    aus  Victor  Hugo  vorgelesen  liiitte,    ds  anderenfalls  seine 
Deklamation  stümperhaft  und   unerträglich  gewesen  wäre.   —   — 

Seite  23—24  berichtet  Lubarschr  „In  Bauville's  Vortrag 
wirkten  sämtliche  weibliche  Endungen  silbenbildend  und  zwar 
eine  betrUclitliche  Anzahl  unter  Verstummnng  des  e  nur  durch 
verlängerte  Vibration  lies  konsonantischen  Anlautes.  Oft  aber 
trat  nicht  einmal  letztere  ein,  sondern  statt  ihrer  wurde  vom 
Vorleser  eine  leichte  Pause,  ein  halber  Ruhepunkt  der  Stimme 
hinter  der  der  weiblichen  Endung  vorhergehenden  Silbe 
Übergang  zum  Anfang  des  neueu  Wortes  eingeschaltet, 
zeichnet  .*  einen  derartigen  Kuhcpunkt,  so  wurde  auf  diese  Wei* 
der  Halbvers 

Dans  tes  grnlt  :  saus  fin 
sechssilbig,  während  er  ohne  denselben  fllnfsilbig 

Units  In  grott  saus  fin 
gelautet    hätte.     Dieses  Vortragsmittel    setzt    den,    ■ 
ersten  Male  nnwenden  hört,  zunächst  in  nicht  geringe  Verlegi 
heit,    bis    er   sich    des  Vorganges    bewusBt    wird:    denn    er 
sich,    die  Silbe   wurde  nicht    gesprochen    und  sie  war  doch 
banden!     Es    ist    dies  jenes  Vortragsmittel,    welches   durch 
von    K.    E.    Müller    hervorgehobenes    Zitat    Marmontel's    treffe 
gekennzeichnet    wird:     Parmi    les    temps    du     vers   peuvent 
eomptfs  les  petits  silences  de  In  rfeitation ;  et  liest  im  des  im 
qu'einploient  lex  bona  lecteurs,    meine   sans   s'en    apercevoir, 
dimner   ä   nos   vers   une   mareke  nombreuse. 

In  diesem  Punkte  bin  ich  einer  anderen  Ansi 
Ich  glaube,  dass  in  Fällen,  wie  dem  obigen  (jitoü  ;  mm  fi»), 
wo  die  Silbeugrenze  in  den  Konsonanten  (hier  t)  gelegt  wird, 
wo  der  betreffende  Laut  (t)  lediglieh  Okklusivlaut  ist  »nd 
Verschluss  so  lange  angebalten  wird,  bis  die  Enge  für 
folgenden  Laut  ('*)  hergestellt  ist,  wo  also  von  einer  Explosit 
des  Schlusskonsoiianten  nichts  zu  Gehör  kommt  und  nach  Aus 
Sprache  der  „Silbe"  grgf  durch  einen  neuen  selbständigen  Exspi- 
rationshub  sofort  die  „Silbe"  sä  hervorgebracht  wird,  eine 
Dreisilbigkeit  dieses  grot'  sä  nicht  mehr  angenommen 
behauptet  werden  darf.  Das  ilans  les  grott:  sans  ßn  ist  al 
fllnfsilbig  wie  dans  les  grott  sans  ßn.  Ob  ich  am  Schi 
einer  Wortsilbe,  die  den  Akzent  trägt,  eine  Kleinig 
mehr  oder  weniger  anhalte,  ist  für  die  Frage 
Silbenzahl  des  Verses  nicht  vou  Belang.  Das  grössi 
oder  geringere  Mass  der  Pause  richtet  sich  ja  auch  vielmi 
nach  dem  Inhalt,  nach  der  Gedanken-  und  Wortverbindui 
welche  die  betreffende  Stelle  zeigt.     Angenommen,  der  Vera 


■ird, 

s 

HOB 


£  0.  Lvbarsch,  über  Deklamation  und  Rhythmus  franz.  Verse.      27 

Dans  les  grottes  Sans  fin  briüent  les  stalactites 

▼Ire  vom  Dichter  als  ein  (weiblicher)  Elfsilbner  (nicht  als 
Alexandriner)  gedacht,  so  also,  dass  Letzterer  die  weibliche 
Endung  von  grottes  nicht  mehr  als  Silbe  „gezählt"  wissen  wollte, 
wie  man  sie  seit  langer  Zeit  in  soient,  aient,  disoient  etc.  etc. 
licht  mehr  „zählt",  so  würde  er  ihn  ebenso  gelesen  haben. 
Der  ganze  Gedanke,  die  Bestimmung  der  grottes  durch  das  sans 
fin  verlangt  geradezu  ein  kunstsinniges  Anhalten  an  dieser  Stelle. 
In  einem  solchen  durch  den  Sinn  und  Inhalt  geforderten  Anhalten 
bestehen  wohl  die  petits  silences  de  la  ricitation  Marmontel's. 
Ist  es  nicht  im  Deutschen  gerade  so?! 

Ich  meine  demnach,  dass  Banville,  der  theoretisch 
entschieden  auf  dem  Standpunkte  stand,  dass  das 
e  muet,  wo  es  mitzähle,  auch  mitgelesen  werden 
müsse,  in  der  That,  ohne  es  zu  wollen,  ohne  sich 
dessen  bewusst  zu  worden,  hie  und  da  seine  Alexan- 
driner um  eine  Silbe  kilrzte. 

Qeht  denn  nicht  aber  daraus  hervor,  dass  Sonnenburg 
recht  hat?  Keineswegs.  Denn  erstens  ist  es  kaum  fraglich, 
dass  Banville  auch  die  Aussprache  gro'-t?-säf$  gebilligt,  ja  bei 
einer  anderen  Gelegenheit  auch  einmal  so  deklamiert  haben 
würde.  Zweitens  wird  ein  einzelnes  Übersehen  des  weib- 
lichen e  kaum  bemerkt:  es  beeinträchtigt  den  Wohlklang  und 
den  prachtvollen  Rhythmus  des  Alexandriners,  der  diese  Eigen- 
schaften „dem  Wechsel  seiner  Betonungen  neben  der  harmo- 
nischen Mischung  voller  und  leichter  Silben u  (L.  39)  verdankt, 
nicht  so  erheblich,  dass  ein  Franzose  sich  aufs  ängstlichste 
davor  hüten  mtisste.  So  hat  man  auch  in  früheren  Zeiten,  als 
die  Geltung  (beispielsweise)  des  weiblichen  e  hinter  unbetonten 
oder  auch  betonten  Vokalen  und  Diphthongen  schwankend  ge- 
worden war,  als  man  ihm  nicht  länger  silbenbildende  Kraft  zu- 
gestehen wollte,  die  Verse  der  Zeitgenossen  und  ihrer  Vorgänger 
gelegentlich  einmal  (unbewusst)  um  eine  Silbe  gekürzt,  ohne 
dass  dadurch  das  Gesetz  von  der  festen  Silbenzahl 
im  Laufe  der  späteren  Jahrhunderte  irgendwie  er- 
schüttert worden  wäre.  Die  ganze  Streitfrage  erklärt 
sich  daraus,  dass  man  einen  einfachen  Prozess  nicht 
sieht  und  erkennt:  die  Sprache  verändert  sich  fortwährend; 
der  Lautwert  des  weiblichen  e  wird  immer  geringer;  in  der 
Volkssprache  ist  es  in  den  meisten  Fällen  völlig  geschwunden; 
die  gehobene  Sprache  folgt  allmählich,  wenn  auch  zögernd, 
der  von  jener  gegebenen  Anregung;  in  vielen  Fällen  ist  sie 
ihr  endgiltig  gefolgt,  in  anderen  wird  sie  unfehlbar  folgen. 
Nun  haben    Leser    und    Hörer    einer    Dichtung    ein    mehr    oder 


28  Referate  und  Rezensionen.     J.  Vising, 

weniger   entwickeltes  Feingefühl    sowohl    für  das    sprachlich  wi 
sprachlautlicli  Richtige   und  Schöne,  als  auch  für  das   mnsikaliftb 
und    rhythmisch   Schöne    und    (lesctzmässige.      Das    Urteil   Hb« 
das    rhythmisch     Angemessene     kuun     hier    fllr    unsere    Zweckt 
im  grossen    und  ganzen    als  gleichbleibend  angenommen  werin, 
während  das  Urteil  llher  daB  sprachlautlieh  Erlaubte  und  Wohl- 
befriedigende    sich    stetig  und  allmählich  ändert  (vgl.  meine  Ab- 
handlung, Ztsckr.  XI1,  8.238—255).    So    kommt  ee  zu  eine* 
Entgegenwirken   zweier   Krilfte    und  zum    Streben  nach 
einem  Ausgleich   zwischen    beiden.     So    lange    nun,  am 
ein  Beispiel  zu  wählen,  für  die  Deklamation  eines  vor  zweihundert   ■ 
Jahren  geschriebenen,   also  für  die  damalige  (Deklamation«-  und 
Bühnen-)    Aussprache    berechneten    Verses    ein    solcher  Aus- 
gleich möglich  ist,   wird  derselbe  in    der  Praxis  durch- 
geführt   werden.      Wenn     aber,     um     den    Ausgleich    ig 
erzielen,    nach    der  Ansicht   der   Sprecher   oder  Höret 
dem   Sprachgefühl,    das   mächtiger  ist   wie   das    Gefühl 
für   das    rhythmisch   streng  Gesetzmilssige,   Gewalt  an- 
gethan    werden,    wenn    die    Abweichung    vom    gewöhn- 
lichen   Auseprachegebrauch     komisch,    lächerlich,   be- 
leidigend wirken  müsste,  so  wird  der  Deklamator  eile 
Silbe  opfern  und  der  Hörer  der  Opferung  zustimmen,  falta  er 
derselben    überhaupt    gewahr    wird.      Aber    nicht   allzuweit 
wird  man    eine  solche  Verstümmelung   des  Verses,  soll 
er  anders  ein  Vers    bleiben,  treiben  dürfen.     Auch    das 
musikalische  Gefühl  wird,   wie   von  jeher,  gebieterisch 
fordern,  dass  es   befriedigt  werde:    und    der  zeitgenös- 
sische Dichter  wird  (wie  ein  Corneille  für  sein  Jahrhundert) 
seine    Verse   aufgrund    einer   neuen   Normalanssprache, 
Über   die    man  sich    geeinigt    haben  wird,    so    gestalten, 
dass  er  damit  für  einen  gewissen  Zeitraum  beiden  Ten- 
denzen  gerecht  werden  kann. 

Ob  fllr  die  gemessenste  Sprache,  nicht  des  Schauspielers 
dieser  oder  jeuer  Bühne,  sondern  des  kunstgeflbten  Deklamators 
und  Vorlesers  ernster  Dichtungen  —  denn  diese  Sprache  werden 
wir  in  der  Schule  nachzuahmen  haben  —  jener  Ausgleich  in  der 
einen  oder  anderen  Klasse  von  „ weiblichen  Endungen"  nicht 
mehr  angemessen  zu  sein  begonnen  hat,  wage  ich  nicht  bestimmt 
zu  beurteilen.  Es  scheint  allerdings,  dass  zunächst  „die  bei 
vokalischem  Auslaut  der  vorhergehenden  Silbe  mit  einer  einfachen 
Liquida  anlautenden  weiblichen  Endungen"  (L.  41)  in  den 
meisten  Fällen  bo  wenig  vernehmbar  werden,  dass 
eine  Neuregelung  ihrer   Wertigkeit   für   die   zukünftige 


R.  Gnerlich,  Bemerkungen  über  den  Versbau  der  Anglonormannen.     29 

Dichtung  durch  einen  Malherbe  oder  Vaugelas  unserer 
Zeit  wünschenswert  erscheinen  möchte. 

Hiermit  schliesse  ich  meinen  Bericht  Über  das  nachgelassene 
Werk  Lubarsch's,  und  die  Betrachtungen,  zu  denen  es  mich  an- 
geregt hat.  Ich  zweifle  nicht,  dass  es  jeden  denkenden  Leser 
anregen  wird.  W.  Ricken. 


Gaerlich,  Robert,  Bemerkungen  über  den  Versbau  der  Anglo- 
normannen. Inauguraldissertation  (Strassburg),  Breslau 
1889.     57  S.  8°. 

Verfasser  hat  Beobachtungen  Über  den  agn.  Versbau  ge- 
macht, mit  dem  er  Such i er s  bekannte  Ansichten  stützen  will. 
Fleiss  und  grosse  Bescheidenheit  zieren  die  Schrift;  Umsicht  und 
Kritik  aber  sind  nicht  hinlänglich  geübt,  um  Verfasser  vor  Wider- 
spruch zu  schützen.  Für  meinen  Teil  bin  ich  dahin  gekommen, 
Verfassers  Ausführungen  in  den  meisten  und  wichtigsten  Punkten 
anzuzweifeln. 

In  der  einleitenden  Zusammenfassung  der  bisherigen  Litte - 
\  ratur  unterschiebt  Verfasser  P.  Meyer  eine  Ansicht,  die  er  nie 
ausgesprochen.  Nach  Verfasser  soll  P.  Meyer  behauptet  haben, 
jene  Unregelmässigkeiten  seien  Kopistenfehler  oder  können  durch 
eine  England  eigene  Scandirungsweise  gerechtfertigt  werden.  Er 
hat  aber  gesagt:  On  se  demande  ordinairement  si  ces  irrtgu- 
larüis  sont  de  vMtables  fautes  commises  sott  par  les  auteurs 
sott  par  les  copistes,  ou  si  elles  peuvent  etre  UgiJtimies  par  une 
maniere  de  scander  propre  ä  VAngleterre.  Meyer  hat  also  nicht 
(alternativ),  wie  Rose,  die  ganze  Schuld  der  in  agn.  Gedichten 
vorkommenden  Unregelmässigkeiten  auf  die  Kopisten  geworfen, 
und  er  hätte  nicht  vom  Verf.  mit  Rose  zusammen  behandelt 
werden  sollen. 

Nach  Angabe  des  untersuchten  Materials  bespricht  Verf. 
Rose's  Theorie,  die  er,  wie  übrigens  jedermann,  verwirft. 

Um  zu  zeigen,  dass  der  agn.  zu  kurze  Achtsilbler  einen 
speziellen  Charakter  habe,  bringt  Verf.  eine  Menge  Beispiele  von 
solchen  Versen  mit  Satzpause  in  der  Mitte.  Eine  solche  Satz- 
pause tritt  zwar  oft  in  diesen  Versen  ein,  aber  kaum  öfter  als 
in  den  vollzähligen  Achtsilblern;  in  den  1000  ersten  Versen  der 
Set  dormans  zähle  ich  148  zu  kurze  Verse,  deren  33  die  Satz- 
pause mangelt.  Im  allgemeinen  dürfte  Satzpause  in  der  Mitte 
einförmig  und  kunstlos  gebauter  wirklicher  Achtsilbler  nicht 
seltener  sein,  als  bei  den  zu  kurzen;  so  gebaut  sind  etwa  drei 
Viertel  der  Verse  im  Saint  Gregotre  (Barts ch-Horning,  Sp.  83), 


30  Referate  und  ifi>sg wimUM.     tlröbedmkel, 

ungefähr  zwei  Drittel  im  Guülaume  de  Palerne.  Gewollt  dürfte 
diese  Satzpausc  kaum  sein  (vgl.  Tobler,  Versbau*,  S.  9t), 
daher  sie  bei  dem  gewandtere»,  leicbtfliesaenderen  Stil  ein« 
Chrestien  de  Troyes,  Marie  de  France  u.  A.  sehr  selten 
ist.  Indes»  betrachtet  Verf.  selbst  die  Satzpause  nicht  als 
dem  englischen  Einfluss  auf  den  agn.  Versbau  zusammenhängend, 
sondern  als  lateinisches  Erbnis   (S.  56). 

Eine  zweite  Eigentümlichkeit  des  agn.  Versbaus  will  Verf. 
darin  sehen,  dass  weiblich  ausgebende  Verse  öfter  gekürzt  werdet 
als  männlich  ausgebende.  Dies  wird  für  den  Hefrainvers  in  ein 
paar  Gedichten  festgestellt,  was  aber  auch  hedeuten  kann,  diss 
ein  Vers  von  3  Silben  auffallend  kurz  ist  und  nicht  beliebt  oder 
bequem  war;  übrigens  sind  die  Ausnahmen  zahlreich.  Andere 
Verse  (Acbtsilbler)  .geben  im  allgemeinen  keine  oder  wenigstem 
nur  eine  höchst  unsichere  Stutze  für  Verf.'s  Behauptung;  von 
den  148  gekürzten  Versen  der  ersten  Hälfte  der  Set  donaau 
z.  B.  haben  77  männlichen  Ausgang.  Verf.  dehnt  diese  An- 
schauungsweise auf  die  Hemistiche  des  Alexandriners  aus  und 
behauptet,  bei  männlicher  Cäsur  seien  die  ersten  Halbverse  nicht 
oder  selten  gekürzt,  Verse  von  folgendem  Bau  seien  aber  ge- 
wöhnlich: 

Aütz  qu'ii  mot  simssent,  cummence  la  melke.  (Hörn  1615.) 
Richtig!  aber  in  diesem  Verse  kann  man  einen  agn.  vollzähligen 
Alexandriner  mit  vernachlässigter  oder  unfrz.  (lyrischer,  wenn  man 
will)  Cäsur  sehen.  Die  Cäsur  wurde  bekanntlich  in  England 
nicht  wie  in  Frankreich  gehandhabt.  Auch  diese  angebliche 
Eigentümlichkeit  kann  Verf.  nicht  in  Einklang  mit  seiner  An- 
nahme von  englischem  EinflnsB  setzen  (S.  54). 

Die  zn  langen  Alexandriner  lassen  sich  zumeist  in  eine 
richtige  zweite,  and  eine  Überzählige  erste  Vershälfte  zerlegen; 
wenn  Verf.  aber  dies  durch  englischen  Einfluss  zu  erklären  sacht, 
stosst  er  auf  chronologische  Schwierigkeiten  (S.  51),  die  er  nicht 
zu  heben  vermag. 

Die  Silbenmessung  im  Agn.  wird  wie  bei  Suchier  und 
Koch  behandelt 

Endlich  werden  die  Ursachen  der  besprochenen  Erscheinungen 
aufgesucht.  Verf.  findet  dieselben  in  Einwirkung  der  englischen 
Verskunst  auf  die  romanische.  Dies  ist  ihm  nm  so  leichter,  da 
er  dem  romanischen,  bezw.  französischen  Verse  rhythmischen 
Charakter  zuerkennt.  Das  wird  ihm  aber  nicht  jedermann  zuge- 
stehen. Wer  noch  dazu,  wie  Ref.,  die  Richtigkeit  der  meisten 
speziellen  Ausführungen  des  Verfassers  anzweifelt,  wird  seinem 
allgemeinen  Erklärungsversuch  des  agn.  Versbaues  noch  weniger 
beistimmen  können. 


Th.  Ruektäschet,  Einige  Arts  poetiqtus  a  d.  Zeit  Ronsard? s  u.  Malherbe' s.    31 

Es  liegen  noch  keine  Gründe  vor,  warum  ich  meinen  früher 
eingenommenen  Standpunkt  in  dieser  Frage  aufgeben  sollte.  Ich 
glaube  also  anch  jetzt  noch,  dass  was  sich  bei  agn.  Verfassern 
Ton  nnfrz.  Versen  findet,  auf  Ungeschicktheit  oder  Unwissenheit 
beruhe.  Sie  haben  es  uns  selbst  zu  wiederholten  Malen  zuge- 
standen (siehe  meine  Verstfication  anglonormande,  S.  53),  so 
Wadington: 

De  le  franceis  ne  del  rhner 
Ne  me  dail  nuls  hom  blamer, 
Kar  en  Engleterre  fu  ne 
E  nurri  lenz  e  ordme. 

Dass  phonetischer  und  flexivischer  Verfall,  wie  P.  Meyer  will, 
dabei  eine  Hauptrolle  gespielt  habe,  ist  natürlich  nicht  ausge- 
schlossen.    Wenn  wir  in  agn.  Hdss.  lesen: 

Amer  le  deveient  par  resun  (Set  dormans  230), 

bo  fragen  wir  uns:  ist  nicht  deveient  zweisilbig  zu  zählen?  Und 
wenn  wir  lesen: 

E  wieint  en  tute  guise  (ibid.  772), 

fragen  wir  uns:    sollte   nicht  vuleient  drei  Silben  haben?     Der- 
gleichen Fragen   mag  sich   mancher  agn.  Verf.  vorgelegt  haben. 
Damit  schwebte   die  französische  VerskunBt  in  Gefahr,   und   sie 
verdarb  ebenso  wie  sie  in  Norditalien  verderben  musste. 
Lund.  J.  Vising. 


Racktäschel,  Th.,  Einige  Arts  poitiques  aus  der  Zeit  Ronsard?*  und 
Malherbes.  Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  französischen 
Poetik  des  XVI.  und  XVII.  Jahrhunderts.  (Leipziger 
Doktordissertation.)     Leipzig,  1889.     Gustav  Fock. 

Die  vorliegende  treffliche  Arbeit  kündigt  sich  selbst  in  der 
Vorrede  an  als  eine  Fortsetzung  der  Arbeit  von  Heinrich 
Zach al ig,  Die  Verslehren  von  Fahrt,  Du  Pont  und  Sibilet  (Heidel- 
berger Dissert.  1884).  R.  gibt  zunächst,  wie  es  sein  Vorgänger 
Zschalig  gethan  und  dessen  Tabelle,  soweit  sie  für  ihn  in  Be- 
tracht kam,  mit  herübernehmend,  eine  Übersicht  der  Arts  poiUques 
von  Du  Bellay  bis  Mourgues,  zusammen  36  Schriften,  die  in  den 
Zeitraum  1549—1684  fallen.  Er  wendet  sich  dann,  an  Sibilet's 
Art  poüique  anknüpfend,  zu  seiner  eigentlichen  Aufgabe,  den 
Inhalt  der  wichtigsten  Schriften  auf  dem  Gebiete  der  Poetik  aus 
der  Zeit  Ronsard's  und  Malherbe's  anzugeben  und  ihr  Verhältnis 
zu  einander  wie  zu  der  Plejade  bezw.  Malherbe'schen  Schule 
festzustellen.  Im  ganzen  sind  es  19  Werke,  die  für  diese  Zeit 
in   Betracht  kommen.     Von  diesen   werden   7,    nämlich   Claude 


32  Referate  und  Rezensumcn.     Grtibedinkel, 

de  Boissiere,  Art  poäique  1554  (verschollen!),  Autoine 
Foquelin,  La  rhttorique  franeaise  1555,  eine  Abbrfoiation  da 
CArt  poüique  (in  Sibilct's  Buch  enthalten)  1556,  Tabuurot,  Zm 
Bigarruren  du  Seigneur  des  Aaordx  1672,  Jean  de  la  Taille, 
Vorwort  zu  fioti  /572,  E.  Aubcrt,  Atarauerite*  poetiqw*  l'U:> 
und  eine  Introdttetian  ü  la  PoMt  16X0  als  unbedeutend  nur  dem 
Titel  nach  oder  mit  kurzem  Hinweis  auf  den  Inhalt  aufgeführt, 
5  bereits  zur  Genüge  bekannte,  nämlich  Du  Bellay,  Defense  et 
Illuxtration  etc.  1549,  Konsard,  Abrege  de  l'Art  poetiqw  tü6t 
und  Preface  de  la  Frandade  1572,  Malherbe,  Covimmtaire  nur 
Denportes  1609  und  De  Gournay,  Lex  Avis  ou  lex  Presm»  1626 
nur  soweit  berücksichtigt,  als  sie  /.um  Verständnis  des  Zusammen- 
hanges dienen  und  dem  Verfasser  neue  Gesichtspunkte  zu  bieten 
scheinen.  Ausführliche  Inhaltsangaben  und  Würdigungen  dagegen 
haben  die  übrigen  7  Werke  erfahren,  die  infolge  ihrer  schweren 
Erreichbarkeit  auf  franz.  Bibliotheken  bisher  entweder  gar  nicht 
oder  nur  in  kurzen  Auszügen  bekannt  waren.  Es  sind  dies: 
Charles  Fontaine,  Le  Quintil  lloraee  1551, 
Jacques  Peleticr  du  Mans,  L'Art  paüique  1555, 
Jacques  de  la  Taille,    La  maniire  de  faire    de»  vers 

en  frangais  1573, 
Pierre  Delaudun  D'Aigaliers,   V Art  poetique  franeai» 

1598, 
Jean    Vauquelin    de    la    Fresnaye,     L'Art    poetiqt 

franeatu   1605, 
Du    G a r d i n ,     Leu    premieres    Add.re.ixes    du    Chcm'ti 

Pamam  1620, 
Deimier,  L'Academie  de  l'Art  poetinue  1610. 
über  die  Stellung  dieser  Werke  zu  den  drei  llauptrichtiing« 
der  damaligen  französischen  Poetik,  der  älteren  Marot'scht 
Schule,  der  Plejade  und  der  Schule  Malherbe's  erhalten  wir  tut 
den  Untersuchungen  R/s  folgendes  Ergebnis:  Foutain 
Horaee  ist  die  Antwort  auf  Du  Bellay's  Programm  der  Plejade. 
gegen  deren  willkürliche  Behandlung  der  Sprache  und  Auslänrierci 
er  entschieden  Stellung  nimmt,  so  dass  er  gegen  das  abfällige 
Urteil  bei  Darmcsteter  und  Hatafeldt  als  ein  Vorläufer  Malherhc'* 
und  Deimicr's  betrachtet  werden  tnuss.  Peletier  halt  ab 
weichend  von  Konaard  den  Alexandriner  für  den  eigentlichen 
heroischen  Vers;  er  ist  ein  gemässigter  Anhänger  der  Plejade, 
deren  Programm  er  weiter  ausbildet,  ohne  in  die  Verkehrtln ■iteu 
des  Jacques  de  la  Taille  stu  verfallen,  der  den  missglückteu 
Versuch  macht,  den  französischen  Vers  auf  die  antike  Proeodie 
zu  begründen.  Auf  dem  Standpunkte  der  Plejade  sieben  endliili 
auch  die   beiden  folgenden,  Delaudun,  dessen  Opposition  gegen 


Th.  Ruck  Msc  hei,  Einige  Arts  poetiques  a.  ä.  Zeit  RonsareTs  u.  Malherbe's.    33 

• 

das  dramatische  Gesetz  von  der  Einheit  der  Zeit  allein  Beachtung 
verdient,  und  Vauquelin  de  la  Fresnaye,1)  den  man  mit  Un- 
recht als  Mann  des  Übergangs  von  der  Plejade  zur  Schule  Mal- 
herbe's hingestellt  hat.  Interessant  ist  das  Werk  des  Provinzialen 
Du  Gardin,  der  1620  noch  die  Ronsard'sche  Schule  verteidigt, 
seine  ganz  besonderen  Ansichten  über  den  Reim  hat  und  als  der 
erste  versucht  hat,  die  antiken  Metren  auf  Grund  neuer  fran- 
zösischer Quantitätsregeln  in  die  franz.  Poesie  einzuführen.  Dass 
er  jedoch,  wie  R.  meint,  den  verdienstvollen  Versuch  gemacht 
habe,  den  französischen  Vers  auf  den  Akzent  zu  gründen,  möchte 
ich  bestreiten.  Denn  wenngleich  Du  Gardin  das  Verfahren  von 
Batf,  Jacques  de  la  Taille  und  anderer  verurteilt,  weil  diese  die 
lateinischen  Quantitätsregeln  auf  das  Französische  übertragen 
wollten,  so  verkennt  er  doch  selbst  auch  nicht  minder  die  Natur 
des  französischen  Verses,  da  er  den  Satzakzent  ganz  ausser 
acht  lässt.  Er  stellt  für  die  einzelnen  Wörter  Quantitätsregeln 
auf,  die  im  Satze  natürlich  nicht  weniger  sinnlos  sind,  wie  die 
lateinischen.  Nach  seiner  Prosodie  sind  lang  nur  die  vorletzten 
Silben  der  Wörter  mit  weiblicher  Endung  und  die  vorletzte  Silbe 
der  Adverbialendung  iment,  kurz  die  Femininendung  und  die  vor- 
letzte Silbe  mehrsilbiger  Wörter  mit  maskuliner  Endung;  alle 
übrigen  Silben  sind  mitteltonig  oder  rund,  wie  er  sie  nennt. 
Danach  hätten  wir  z.  B.  in  den  vier  Versen,  mit  denen  er 
neue  Erfindung  ankündigt: 

Voydnt  les  duthettrs  Gre'cs  et  Ldtins  cömposer 
Des  Lärmes  ä  pieds;  ie  triay  vöulu  dduiser 
Si  ön  ne  pöwroit  faire  le  mesme  e'n  Francis, 
Cherchdnt  dCy  tröuver  töut  premier  des  bönnes  Lots. 

lauter  Syllabes  rondes  mit  Ausnahme  der  vorletzten  des  ersten 
Verses,  die  kurz,  der  2.  des  2.  V.,  der  6.  des  3.  V.,  der  10. 
des  4.  Verses,  die  lang  zu  nehmen  wären  und  auf  welche  je 
eine  kurze  Silbe  folgt.  Und  doch  sollen  es  iambische  Trimeter 
sein!  Ist  es  da  ein  Wunder,  wenn  Deimier  von  solchen  An- 
sichten über  den  accent  particulier  de  chague  moty  die  also 
schon  vor  dem  Erscheinen  von  Du  Gardin's  Werk  in  einigen 
Köpfen  gespukt  haben  mussten,  sagt,  qu'eües  sont  si  desreiglees 
ei  fantastiques,  queües  ne  meritent  pas  £estre  refutees  en  les 
nommantt  Ich  gebe  R.  wohl  Recht,  wenn  er  Du  Gardin's  Buch 
zu  den  merkwürdigsten  Büchern  des  XVII.  Jahrhunderts  zählt, 
jedenfalls    ist    es    aber    nicht,    wie   er  meint,    die   wertvollste 

*)  Die  neueste  Ausgabe  dieser  Poetik  von  Georges  Pelissier, 
Paris  1885,  Garnier  Freres  mit  Einleitung  über  die  im  XVI.  Jahrhundert 
erschienenen  Poetiken  Frankreichs  scheint  dem  Verfasser  entgangen 
sa  sein. 

Zsehr.  f.  fn.  Spr.  u.  Litt.  XIR  o 


34  Referate  und  Rezensionen.     F.    Tendering, 

Schrift,  die  ihm  im  ganzen  Verlauf  seiner  Arbeit  unter  die  Hunde 
gekommen.  Das  ist  zweifellos  die  Acadtmie  de  i'Art  poMiqm 
des  sieur  de  Deimier,  der  er  mit  Rennt  den  vierten  Teil  seiner 
ganzen  Abhandlung  widmet.  B,  gibt  eine  sehr  ausführliche, 
20  Seiten  des  Buches  umfassende  Inhaltsangabe  dieses  Art 
po4tiqut,  der  uns  in  ausführlicher  und  wohlgeordneter  Weise  alle 
die  Forderungen  Malherbe's  vorführt,  die  wir  bisher  nur  zerstreut 
seinen  eigenen  Dichtungen,  dem  Kommentar  Ober  Desportee  ud 
den  Äusserungen  Beiner  Schüler  Racan  nnd  Maynard  haben  ent- 
nehmen können.  „Doch  unterscheidet  er  Rieh  von  seinem  Heister 
Malherbe  (zu  dem  er  persönlich  wohl  nicht  in  näherer  Freund-  ' 
schaft  stand)  dadurch,  dass  er  für  seine  früheren  Ideale  Ronsard  etc. 
die  höchste  Bewunderung  und  Verehrung  hegt  und  dass  er  in 
verschiedenen  Punkten  bei  weitem  gemSssigtere  Ansichten  all 
Malherbe  vertritt.  Seine  Acadtmie  de  l'Art  poetique  trag  wesent- 
lich dazu  bei,  den  neuen  Bestrebungen  zum  Siege  zu  verhelfen." 
Auch  die  Frage,  ob  Malherbe  den  Reim  füre  Auge  verlangt  habe, 
wird  durch  Deimier  entschieden  nnd  zwar  dahin,  „dass  Malherbe 
auch  den  Reim  fürs  Auge  anstrebte,  dass  er  jedoch  bei  seltenen 
'  und  einsilbigen  Reimen  grössere  Freiheit  sich  gestattet."  Meine 
von  Johannesson  bestrittene  Ansicht  findet  dadurch  eine  Be- 
stätigung. Nachdem  wir  durch  Zschalig's  und  Rucktaecbel's 
Arbeiten  eine  genauere  Kenntnis  der  Art»  poetique»  äee  XVI. 
und  XV II.  Jahrhunderts  in  Bezng  auf  ihren  Inhalt  und  ihr  gegen- 
seifiges  Verhältnis  erhalten  haben,  wäre  es  wohl  wünschenswert, 
die  Poetiken  der  Hauptvertreter  der  drei  Hauptrichtungen  jener 
Zeit,  als  welche  ich'  Sibilet,  Ronsard  und  Deimier  ansehe,  in 
einem  Neudrucke  allgemein  zugänglich  gemacht  zu  sehen. 
P.  ObÖbedinkel. 


Welter,  F.  J.,  Über  die  Sprache  Froitsart's.  I.  Teil:  Vertehwundene 
Subxtantioa.  Programm  des  Realgymnasiums  etc.  zu  Essen. 
1889.     30  8.  4°. 

Welter  stellt  in  der  vorliegenden  Abhandlung  diejenigen 
Substantive  zusammen,  „die  die  jetzige  Sprache  nicht  mehr  kennt 
mit  Au  seil  Inas  der  technischen  und  derjenigen  Hauptwörter,  deren 
allmähliches  Verschwinden  in  der  Jetztzeit  beobachtet  werden 
kann."  Ich  sehe  nicht  ein,  warum  die  technischen  Ausdrücke 
hier  nicht  behandelt  werden,  da  gerade  sie  für  die  Kenntnis  der 
Kulturzustände  von  der  grössten  Wichtigkeit  Bind  und  sprachlich 
dasselbe  Interesse  in  Anspruch  nehmen  können  wie  alle  anderen. 
Kann    so    das   Verzeichnis   schon   aus  diesem  Grunde   auf  Voll- 


P.  Boeckler,  Über  einige  Spuren  des  Altfranzösischen  im  Neu  franz.     35 

«Bindigkeit  keinen  Anspruch  machen,  bo  kommt  noch  hinzu,  dass 
Weller  die  Poesien  nur  wenig  berücksichtigt  hat.  Dass  er  für 
die  Chronik  die  Ausgabe  Luce's,  obwohl  sie  noch  nicht  vollständig 
ist)  zugrunde  gelegt  hat,  ist  gewiss  zu  billigen. 

Die  einzelnen  Wörter  werden  alphabetisch  aufgezählt  und 
jedem  die  Bedeutung  und  eine  etymologische  Notiz,  sowie  Beleg- 
stellen beigefügt.  Mit  Sorgfalt  wird  das  zugängliche  Material 
zusammengetragen  und  vorgeführt.  Einer  Anführung  bedurften 
nicht  die  Fremdwörter  murmuration,  das  bei  Littre  nur  zu 
Froissart  erwähnt  wird,  und  pecune,  das  Welter  in  der  Luce'schen 
Ausgabe  nicht  aufgestossen  ist  und  das  er  dem  Scheler'schen 
Glossar  entnommen  hat. 

Nach  dieser  Probe  können  wir  den  weiteren  Beiträgen 
Weiteres  zur  Sprache  Froissart's  mit  Interesse  entgegensehen. 

F.  Tendering. 


Boeckler,  Paul,  Über  einige  Spuren  des  Altfranzösischen  im 
Neufranzösischen.  Programm  des  Realgymnasiums  zu 
Aschersleben.     1889.     20  S.  4°. 

Die  vorliegende  Abhandlung  richtet  sich  weniger  an  Fach- 
genossen als  an  ein  Laienpublikum,  welches  nach  Abschluss  des 
französischen  Unterrichts  in  der  Praxis  auf  eine  Reihe  gram-  • 
matischer  Erscheinungen  stösst,  welche  den  Regeln  der  Gram- 
matik zu  widersprechen  scheinen.  Dieses  Laienpublikum  sucht 
der  Verfasser  über  solchen  scheinbaren  Widerspruch  aufzuklären, 
indem  er  ihm  die  Herleitung  der  fraglichen  grammatischen  Er- 
scheinungen aus  dem  Altfranzösischen  klar  zu  machen  sucht. 

Es  ist  bekannt,  dass  namentlich  in  formelhaften  Ausdrücken, 
in  Sprichwörtern  und  in  der  Volkssprache  solche  Reste  aus 
älterer  Zeit,  welche  dem  heutigen  Sprachgebrauch  nicht  ent- 
sprechen, sich  finden.  Diese  drei  Quellen  sind  es  darum  nament- 
lich, welche  Boeckler  behandelt.  Wir  bedauern,  dass  er  nicht 
eine  Anzahl  neuerer  Schriften  für  seinen  Fall  durchgearbeitet 
hat,  jede  Nummer  der  Revue  des  deux  mondes  z.  B.  würde  ihm 
Material  geboten  haben. 

Bei  der  Behandlung  der  Reste  des  organischen  Genetivs 
glaubt  Boeckler  in  der  Verbindung  ä  moitii  prix,  fruits,  chemin 
solche  alte  Genetive  zu  erkennen,  während  Diez  und  Tobler 
behaupten,  dass  derselbe  nur  von  Personen  gebildet  werden 
könne  und  für  etwaige  scheinbar  widersprechende  Fälle  eine 
andere  Erklärung  suchen.  Ich  glaube,  so  lange  nicht  andere 
unzweifelhafte    Beispiele    nachgewiesen    werden,    können    wir    ä 


tfärtU  i 


moit'U  nur  als  einen  prilpositionalen  Ausdruck  fassen,  wie 
von  Boeckler  nicht  erwähnte  ii-vau  (oval)  in  der  Verbindur 
il-vau  l'eau.  leb  vermisse  hier  aiieb  den  Ausdruck  timbre-post- 
der  mir  auf  einer  Analogiebildung  zu  beruhen  scheint. 

Die  Wendungen,  in  welchen  „das  Neufranzösiscbe  eine 
Besonderheit  in  der  Anwendung  des  Artikels  zeigt,"  aufzuführen, 
erschien  nnthunlich.  Man  mllsste  allerdings  hier  wohl  eher  die 
Fassung  der  bezüglichen  Kegeln  in  den  meisten  Grammatiken 
einer  bessernden  Durchsicht  unterziehen,  denn  die  „Abweichungen 
von  der  Hegel"  sind  in  der  That  so  zahlreich,  dass  es  unmöglich 
erscheint,  viele  dieser  Kegeln  in  ihrer  üblichen  Fassung  bei- 
Xu  behalten.  Der  Verfasser  gibt  eine  Nachlese  zu  der  Grammatik 
von  Holder  und  dazu  aus  einer  wenig  bekannten  Sprich  würtrr- 
sammlung  eine  Reibe  von  Beispielen  für  die  durch  die  alte 
organische  Deklination  ermöglichte  freiere  Stellung  des  Akkusativs. 
Ich  füge  für  Auslassung  des  Artikels  noch  hinzu:  for 
Cforce  vous  Sera  de  me  prendre  comme  je  suis  naturelle, 
Sto.  d.  d.  m.,  1  nov.  89,  p.  34),  weil  ich  es  bei  Sachs  i 
linde  und  weil  Boeckler  kein  Beispiel  für  die  Auslassung  des 
Artikels  heim  Subjekt  bringt. 

Die  grössere  Beweglichkeit  der  alten  Sprache  bezüglich 
des  Gebrauchs  des  Ge'rondif  zeigt  sich  noch  in  sprichwörtlichen 
Wendungen  wie:  lappAü  vient  en  mnngeant;  hier  hatte  »ueb  das 
modernem  Sprachgebrauch  widersprechende  sranre  tenante  erörtert 
werden  sollen,  ebenso  hatten  bei  der  Besprechung  alterer  Adverb- 
Kildnngen  c/mformement  und   Sinnliche  Erwähnung  verdient. 

Man  sieht,  auf  Vollständigkeit  kann  die  Abhandlung  keinen 
Anspruch  machen,  namentlich  macht  sich  häutig  das  selten  Vor- 
kommende breit  auf  Kosten  des  häutig  Vorkommenden,  was  den 
Zwecken,  welche  die  Arbeit  verfolgt,  nicht  entspricht,  im  all- 
gemeinen indessen  kaun  das,  was  sie  bietet,  hierfür  als  aus- 
reichend betrachtet  werden. 

F.   T BN  DES 


Mchötensnck,   A.,  Fr  amusisch- etymologisch' 
teilung.   Heidelberg,   1890.   Wii 
(Vollständig  in  4  Abteilungen.) 

Der   Verfasser    hat    im    Jahre    1883    ein    dickes    Buch  ver- 
öffentlicht Beitrag  zu  einer  wissenschaftlichen   Grundlage  ßir  t 
itwtotjisrhr-     Untersuchungen     nuf    dem     Gebiete     der    französisch 
Sprache,  in  welchem  er  den  Übergang  der  griechischen,  lateinisch« 
nnd    germanischen    Laute    und    Buchstaben    in    das    Französisch 


A.  Schötensack,  Französisch-etymologisches  Wörterlmch,  37 

zu  erklären  sacht,  nicht  etwa  dabei  sich  an  die  durch  die 
Sprachforschung  festgestellten  Regeln  haltend,  sondern  neue 
Theorien  aufstellend  und  damit  auf  eine  geradezu  nervösmachende 
Weise  hantierend.  Der  Beitrag  hat  seinerzeit  die  gebührende 
Abfertigung  erhalten  (Litteraturblatt  1883,  8.  465;  Deutsche 
Litteraturzeitung  1883,  S.  1508;  GaUia  1883,  8.  143),  aber  alle 
Mahnungen  der  Kritik  sind  umsonst  gewesen,  da  der  Verfasser 
wiederum  mit  einer  etymologischen  Arbeit  erscheint,  die  seine 
zu  dergleichen  Forschungen  durchaus  ungenügende  Vorbildung 
von  neuem  dokumentiert  und  von  neuem  bedauern  lässt,  dass 
viel  Scharfsinn  und  viel  Wissen  an  eine  Aufgabe  vergeudet 
worden  ist,  die  zu  lösen  ganz  andere  Leute  erheischt  als  den 
Professor  Schötensack.  Auf  Grund  der  von  ihm  in  jenem  Bei- 
trag aufgestellten  thörichten  Regeln  lässt  er  sich  zu  den  kühnsten 
Schlüssen  hinreissen;  Schwierigkeiten  existieren  für  ihn  nicht, 
sie  werden  vielmehr  mit  einer  verblüffenden  Fixigkeit  tiber- 
wunden; die  Arbeiten  unserer  Romanisten  werden  zwar  hin  und 
wieder  erwähnt,  aber  im  ganzen  mit  souveränem  Hochmut  be- 
handelt. Griechisch  spielt  übrigens  bei  ihm  die  Hauptrolle,  und 
manchmal  erinnert  das  Werk  an  das  des  Abbe  Espagnolle,  das 
Neumann  im  Litteraturblatt  und  Unterzeichneter  in  der  Franco- 
Oallia  an  den  Pranger  gestellt  haben. 

Um  unser  hart  klingendes  Urteil  zu  rechtfertigen,  müssen 
wir  einige  der  Schötensack'schen  Etymologien  vorführen.  —  Abois 
(letzte  Züge)  hat  mit  ahoi,  aboyer  nichts  zu  thun,  es  kommt  her  von 
ze  büe  (zum  Hauen).  —  Abri  ist  entstanden  aus  ä  piril  (gegen 
die  Gefahr  geschützt);  doch  kommt  die  Sache  dem  Verf.  nicht 
geheuerlich  vor;  er  fügt  ein  „wahrscheinlich"  hinzu.  —  Accabler 
kommt  her  von  ad  habe  (SpeicKer).  —  Achamer  hat  beileibe 
nichts  zu  thun  mit  chair;  es  ist  ad  härm.  —  Höchst  interessant 
und  für  das  Verfahren  des  Verfassers  bezeichnend  ist  der  Artikel 
calotte,  der  zur  allgemeinen  Erbauung  hier  einen  Platz  finden 
mag:  „calotte,  Priesterkäppchen,  welches  dazu  dient,  die  Tonsur 
(geschorene,  kahle  Stelle  des  Hauptes  katholischer  Priester)  zu 
bedecken,  scheint  gebildet  zu  sein  von  dem  lat.  calvus  und  sollte 
dann  eigentlich  calvotte  lauten;  indess  könnte  das  v  synkopiert 
sein  ganz  im  Gegensatz  zu  galvette,  Seeräuberschiff,  welches,  aus 
edle  gebildet,  galette  lauten  sollte,  aber  den  Einschub  des  v  er- 
halten hat,  um  nicht  formell  zusammenzufallen  mit  galette,  der 
Fladen.  Doch  sind  wir  der  Annahme  des  v  überhoben,  wenn 
wir  calotte  nicht  zunächst  vom  lat.  calvus,  sondern  von  dem 
gleichbedeutenden  ahd.,  mit  jenem  verwandten  kalo  annehmen, 
aus  welcher  Annahme  sich  zugleich  das  o  statt  des  sonstigen  e 
vor  der  Endung  tte  erklärt.     Wäre   calotte  aus   dem   lat.   calvus 


38  Referate  und  fiftti 

gebildet  worden,  so  würde  die  französische  Form  vielleicht  ei 
lauten,  obwohl  im  Französischen  neben  chawett  (ans  ...■■■'■■■... 
auch  calviiie  gebräuchlich  ist.  Im  Griechischen  lässt  sich  kein 
dem  calvuft  und  kalo  (kahl)  stammverwandtes  Wort  nachweU«; 
deun  das  Von  Lobeck  'Pq/iar.  3.  36  Bemerkte,  dass  das  lit, 
calvere  mit  carpere  in  Verbindung  zu  setzen  sei,  so  dass  cofoiu 
so  viel  wäre  wie  vulvwi  (gernpft),  verdient  doch  zu  wenig 
Glauben.  Eigentum] ich  ist  eB  jedoch,  dass  das  griechische  dem 
calvu*  gleichbedeutende  yalax-pi'n;  nach  Entfernung  der  Endang 
rückwärts  gelesen  kalaf,  also  dem  lat  calv-jut  ähnlich  lautet." 
An  Scharfsinn  iKsst  diese  Etymologie,  and  besonders  der  Schlau, 
nichts  zu  wUnschen  übrig,  und  dann  der  Stil! 

Doch  wir  halten  uns  schon  zu  lange  bei  den  Schiitensaek 'sehen 
Etymologien  auf.  Dass  neben  derartigen  Verschrobenheiten 
manches  Richtige  sich  findet,  soll  nicht  unerwähnt  bleiben;  aber 
die  obigen  Proben  genügen  wohl,  um  eine  Warnung  vor  den 
Werke  zu  rechtfertigen;  es  kann,  wenn  es  in  unrichtige  Hände 
gerät,  grossen  Schaden  anrichten. 

A.  Krebineb. 


Kuhn,  K.,  Entwurf  eines  Lehrplans  fUr  den  französischen  UrUtrridU 
am  Realgymnasium.  II :  Mittel-  und  Oberstufe.  Harburg, 
1889.     Elwert.     IV,  55  8.     1  Mk. 

Kuhn  fuhrt  den  von  Walter  begonnenen  Lehrplan  (s.  Zieht, 
f.  frz.  Spr.  u.  IM.  XI,  S.  188)  fUr  die  KlasBen  III  bis  I  des 
Realgymnasiums  fort.  Die  Gymnasien  würden  den  so  vervoll- 
ständigten Lehrgang  mit  unwesentlichen  Änderungen  ebenfalls 
annehmen  können. 

Für  die  Grammatik  verlangt  Kühn  drei  Kurse.  Nach- 
dem das  Wichtigste  des  grammatischen  Stoffes  durchgearbeitet 
ist,  beginnt  mit  dem  zweiten  Semester  der  Obertertia,  ein  „syste- 
matischer Kurs",  welcher  mit  Rücksicht  auf  die  vielen  Schiller, 
die  nach  Untersekunda  die  höheren  Lehranstalten  zu  verlassen 
pflegen,  mit  dieser  Klasse  beendigt  werden  muBS,  worauf  in  den 
drei  obersten  Schuljahren  die  ganze  Grammatik  noch  einmal  be- 
handelt wird.  Wir  ftlrchtcn,  das  möchte  des  Guten  zu  viel  sein. 
Wenn  nach  den  elementaren  Übnngen,  welche  V  und  IV  be- 
schäftigt haben,  die  Grammatik  einmal  durchgenommen  wird,  so 
muss  es  damit  nach  unseren  Ansichten  und  Erfahrungen  sein  Be- 
wenden haben.  Damit  meinen  wir  nicht,  dass  nicht  auch  nachher 
noch  Grammatisches  besprochen  werden  müsse;  die  Schüler 
sollen   sogar   die   Grammatik   beim   Unterricht  immer   zur  Hand 


k\  kühn,  Entwurf  eines  Lehrplans  f.  d.  franz.  Unterricht  am  Realgym.    39 

haben ;  aber  es  kann  sich  jetzt  nur  noch  um  einzelne  grammatische 
Erscheinungen  oder  Kapitel  handeln,  welche  je  nach  Gelegenheit 
und  Bedarf  in  freierer  Weise  durchgenommen  werden,  womöglich 
Anschlüsse  an  die  Lektüre,  was  Kuhn  selbst  wünscht  (S.  13), 
aus  dieser  aller  sachliche  und  formale  Nutzen,  den  sie 
bieten  kann,  auch  gezogen  werde  und  für  Sprech-  und  Schreib- 
Übungen  der  erforderliche  Raum  bleibe.  Die  neuere  Methode 
muss  zeigen,  dass  sie  aus  der  lebendigen  Sprache  heraus  zu 
lehren  verstehe.  Wie  der  grammatische  Stoff  aber  im  Einzelnen 
auszunützen  und  zu  gestalten  sei,  dafür  gibt  der  Verfasser  uns 
wertvolle  Beispiele.  Übersetzungsübungen  lässt  er  noch  in  ziem- 
lich ausgedehntem  Umfang  zu,  um  einen  allmählichen  Übergang 
ans  der  früheren  Art,  das  Französische  zu  betreiben,  in  die  neue 
n  ermöglichen.  Wir  können  diese  Rücksicht  nur  anerkennen; 
doch  würde  unser  obiger  Vorschlag  hier  eine  bedeutende  Ein- 
schränkung erfordern. 

Die  Lektüre  schöpft  anfänglich  aus  Kühn's  Lesebuch. 
In  Obertertia  beginnt  aber  Originallektüre.  Für  diese  entwirft 
Kühn  einen  Kanon,  der  im  ganzen  annehmbar  scheint,  da  er 
dem  formalen  und  sachlichen  Fortschritt  der  Schüler  Rechnung 
trägt.  Seinem  Grundsatze,  „vorzugsweise  Schriftsteller  dieses 
Jahrhunderts"  zu  wählen  (S.  37),  ist  der  Verfasser  nur  ganz  im 
allgemeinen  treu  geblieben.  Wir  müssen  den  Grundsatz  an  sich 
bekämpfen.  Die  französische  Litteratur  des  XVIII.  und  XVII. 
Jahrhunderts  wirkt  als  lebendige  Kraft  in  unserer  Kultur  fort 
und  fordert  deshalb  schulmässige  Behandlung.  Von  der  fran- 
zösischen Litteratur  des  XIX.  Jahrhunderts  haben  sich  bis  jetzt 
nur  wenige  Spuren  dem  geistigen  Leben  der  deutschen  Nation 
eingeprägt.  Die  Gefahr,  dass  unsere  Schüler  ein  veraltetes 
Französisch  lernen,  wenn  sie  z.  B.  Montesquieu  lesen,  ist  bei 
richtiger  Art  des  Unterrichts  ganz  gering  und  darf  nicht  ge- 
scheut werden,  wenn  wir  den  französischen  Unterricht  in  seinem 
bildenden  Wert  und  seiner  ganzen  Stellung  in  den  höheren 
Schulen  nicht  beeinträchtigen  wollen.  Nun  läset  Kühn  ja 
Voltairesche  Prosa  lesen;  aber  er  gibt  kein  vollständiges  Bild 
von  dem  geistigen  Leben  Frankreichs  in  den  beiden  letzten  Jahr- 
hunderten, wenn  er  nichts  von  Corneille,  von  Racine  nur  Athalie 
und  Esther  zulässt  und  räsonnierende  Prosa  der  Encyklopädisten- 
zeit  ganz  ausschliesst.  Dass  für  die  ganze  klassische  Tragödie 
der  Franzosen  kein  Interesse  bei  den  Schülern  erweckt  werden 
könne  (S.  41),  bestreitet  Referent  aus  eigener  Erfahrung.  Für 
Oratori8cheB  ist  Mirabeau  eingesetzt,  nicht  mit  Unrecht,  obwohl 
die  Klasse,  mit  der  man  Mirabeau  lesen  will,  zuvor  auf  ihrem 
geistigen  Standpunkt  genau  geprüft  werden  muss.     Eine  oder  die 


40  Referate  und  Ri 

andere  geistliche  Rede  vermisst  man  dabei  doch  ungern.  Gsm 
einverstanden  Bind  wir  aber  mit  der  Art,  in  der  Ktibn  die  Lektüre 
betreiben  will. 

Die  schriftlichen  Übungen  richtet  der  Verfasser  in 
durchaus  zweckmässiger  Weise  ein;  die  Sprechübungen  ver- 
folgen bescheidene,  erreichbare  Ziele  in  grundsätzlichem  An- 
schlüsse an  die  LektUre.  Literaturgeschichte  tritt  nicht  in 
zusammenhängendem  Vortrag  auf,  sondern  begnügt  sieh  mit  ge- 
legentlichen Belehrungen,  zu  welchen  die  Lektüre  Anlass  bietet 
Wir  halten  es  nur  für  zweckmässig,  derartiges  nicht  vor  der 
LektUre  vorzutragen,  sondern  erst  dann,  wenn  durch  die  LektBn 
ein  gewisses  Interesse  dafür  bei  den  Schülern  geweckt  worden 
ist.  Die  Metrik,  znmal  wenn  sie  so  anspruchslos  anftritt,  wie 
bei  Kühn  (S.  51)  geschieht,  kommt  in  Ober  Sekunda  zu  spat 
Das  Synonymische  knüpft  sich  wieder  an  die  Lektüre  an  und 
hält  sich  in  den  Grenzen,  innerhalb  deren  es  bildend  and  be- 
lehrend sein  kann. 

KUhn's  Absicht  geht  mehr  auf  die  Aneignung  eines  sicheren 
Sprachgefühle,  als  auf  aasgebreitete  systematische  Kenntnisse; 
damit  ist  auch  das  heutige  Bedürfnis  unserer  Schulen  befriedigt. 
Wir  haben  einiges  gegen  die  Auswahl  und  Zusammenstellung  des 
Lehrstoffes  im  ganzen  einzuwenden  gehabt;  in  Dingen  der 
didaktischen  Methode  verdient  KUhn's  Lehrplan  uneingeschränk- 
tes Lob.  B.  v.   Sali.  wflRK. 


Schmedlng,  Der  Aufenthalt  der  Nevphüohgen  tmd  das  Studium 
moderner  Sprachen  int  Auslande.  Zweite  völlig  umgearbeitete 
Auflage.     Berlin,  1B89.     Verlag  von  B.  Oppenheim. 

Der  Verfasser,  welcher  „länger  als  ein  Jahr  in  Genf  und  Paris 
studiert,  mehr  als  ein  Dutzend  mal  sich  auf  kürzere  oder  längere  Zeit 
in  England  aufgehalten,  Italien,  Belgien,  Holland  und  Dänemark  mehr- 
fach >  .  .  besucht11  bat  (S.  2)  und  schon  „vor  ungefähr  zwanzig  Jahren 
unter  ähnlichem  Titel  einen  Aufsatz  im  Programm  der  damaligen 
höheren  Bürgerschule  seiner  Heimat  Oldenburg  veröffentlichte,  (S.  1) 
wünscht  dem  Neuphilologen,  welcher  die  neueren  Sprachen  im  Aus- 
lände erlernen  und  studieren  will,  beratend  den  Weg  zu  zeigen  und 
zu  bahnen.  —  In  erster  Linie  und  mit  Recht  weist  er  darauf  hin,  data 
für  den  Forscher  des  beutigen  Sprachlebens  in  ähnlicher  Weise  Reise- 
stipendien ausgeworfen  werden  müssen,  wie  für  den  Archäologen,  und 
liegrüsFt  deshalb  mit  Freuden  die  darauf  hinzielenden  Verhandlungen 
des  Neuphilologen-Vereins  in  Hannover,  sowie  verwandte  Bestrebungen. 
Zugleich  stellt  die  Abhandlung  den  Unterschied  klar,  welcher 
zwischen  dem  Archilologen  im  Auslande  und  dem  daselbst  weilenden 
Neuphilologen  besteht  Während  es  nämlich  für  erste ren  genügt,  sein 
Wissen  vertieft  und  bereichert  zu  haben,  um  der  Arbeit  gewachsen 
zu  sein,  die  ihn  gleichsam  von  der  Hitwelt  abzieht,  steht  letzterer  im 


Schmedmg,  Der  Aufenthalt  der  Neuphilologen  etc.  41 

rührig  sieb  beth&tigenden  Leben,  soll  „sich  eine  wissenschaftliche 
Erkenntnis  vom  Wesen  und  Werden  der  Sprache"  (Hornemann,  Zur 
Reform  etc.  S.  13)  zu  eigen  machen,  die  Verschiedenheiten  in  den 
Leoensäusserungen  und  -Auffassungen  feststellen,  welche  die  Völker 
unterscheidet  und  manchmal  scheidet,  wenn  sie  missverstanden  wird. 
«Er  soll  nicht  blos  Gelehrter  werden,  sondern  auch  als  Mensch  seinen 
Blick  erweitern"  (S.  5).  Kurz,  der  Aufenthalt  im  Auslande  kann  für 
den  Neuphilologen  nur  dann  erspriesslich  werden,  wenn  dieser  neben 
Köunen  und  reichem  Wissen  jene  Eigenschaften  besitzt,  die  Verfasser 
in  beredter  Weise  auf  8.  6  beschreibt,  nämlich  richtigen  Takt,  Freiheit 
Ton  Vorurteil,  gute  Umgangsformen,  Scharfsinn,  geistige  und  körper- 
liche Rührigkeit  u"  s.  w.  Ein  solcher  Mann  wird  schnell  „den  Pass  zu 
Thüren  und  Herzen"  (l.  e.)  finden  und  sich  nicht  wegen  Mangels  an 
Gedankenaustausch  zu  seinen  Landslenten  oder  gar  in  die  Einsamkeit 
zurückziehen  und  dann  wenig  oder  gar  nichts  lernen  (S.  7).  „Um  sich 
also  Tor  Misserfolg  zu  schützen,  würden  die  Jünglinge  zunächst  zu 
sorgen  haben,  sich  jene  .  . .  Eigenschaften  zu  erwerben",  (L  c.)  falls 
nicht  „eine  gute  hausliche  Erziehung  dies  bewerkstelligte"  (S.  8).  — 
Ober  die  Art  und  Weise,  wie  der  Studierende  zu  diesem  Zwecke  vor- 
gehen soll,  laset  uns  Seh.  im  Unklaren.  Er  verweist  zwar  auf  Soller 
(Der  höhere  Lehrerstand  in  Ireussen.  Berlin,  1875.  Oppenheim).  Seit  1875, 
wo  diese  „kulturhistorische  Skizzen"  erschienen,  ist  denn  doch  manches 
besser  geworden.  Auch  wird  niemand  leugnen,  dass  Soller  den  Lehrer- 
stand grau  in  grau  malt,  wahrend  er  die  anderen  Stande  nur  im 
rosigsten  D&mmerscheine  schaut.  Eine  Hauptursache  des  so  wenig 
zarten  Auftretens  unserer  studierenden  Jugend  mag  wohl  in  der  plötz- 
lichen Wandlung  zu  suchen  sein,  welcher  dieselbe  bei  ihrem  Übergange 
vom  Gymnasium  u.  s.  w.  zur  Universität  unterliegt.  Drüben  bis  zum 
letzten  Augenblicke  innerhalb  und  ausserhalb  der  Schule  peinlich  be- 
wacht und  erzogen,  hüben  plötzlich  nicht  nur  der  „Selbsterziehung" 
(8oller  /.  c  4)  überlassen,  sondern  in  eine  Welt  versetzt,  die  eine  bisher 
ungekostete  Freiheit  bietet,  lernt  die  Mehrzahl  der  Studierenden  einen 
Ton  anschlagen,  der  alles,  nur  nicht  gentteman-Uke  ist.  Würde  die 
Wandlung  eine  allmähliche  sein,  so  wären  die  Gefahren  ungleich  ge- 
ringer, und  Tausend e  hätten  nicht  die  akademische  Kleinkinder-Krank- 
heit durchzumachen,  von  der  manche  nie  wieder  gesunden,  und  deren 
Äusserungen  den  Ausländer  so  sehr  befremden  und  abstossen.  Durch 
Verkehr  mit  gebildeten  Familien  und  durch  Meiden  einiger  Gesell- 
schaften würde  der  Neuphilologe  jene  Eigenschaften  erwerben  und  be- 
wahren, die  in  guten  Kreisen  des  Auslandes  unumgänglich  notwendig 
sind.  Selbstverständlich  heisst  das  nicht,  er  solle  zum  Kopfhänger 
werden,  der  Ziererei  verfallen  oder  das  frische,  frohe  Burechenleben 
nicht  gemessen. 

In  9  der  Abhandlung  wird  dann  mit  Recht  der  Rat  gegeben, 
sich  vor  der  Reise  ins  Ausland  eine  möglichst  umfassende  Kenntnis 
der  Sprache  anzueignen,  damit  man  nicht  die  Entwickelung  der  eigenen 
Gedanken  oder  den  Fluss  der  Unterhaltung  durch  Suchen  nach  dem 
Worte  störe.  In  zutreffender  Weise  wird  gezeigt,  dass  der  Kellner, 
Handwerker  u.  s.  w.,  der  die  in  seinem  Berufe  vorkommenden  Aus- 
drücke der  fremden  Sprache  zu  gebrauchen  versteht,  deshalb  noch 
lange  nicht  die  betreffende  Sprache  beherrscht.  Ihm  fehlt  ein  Über- 
blick über  „den  ganzen  Kreis  des  inneren  Lebens"  (3.  9).  Als  Hilfs- 
mittel, sich  die  nötigen  Wendungen  anzueignen,  werden  Plötz  Vocabu- 
laire,  Peschier,  Plate  u.  a.  m.  angegeben.  —  „Das  Geistlose  und 
Mechanische"   (Hornemann,  /.   c.   14)    derartiger  Übungssätzchen   wird 


12  Referate  uiul  Rezensionen.    J>.  kreultlierg, 

heute  wohl  überall  von  Neuphilologen  durch  fleissiges  Lesen  »._ 
Dramen  der. Neuzeit  ersetzt  werden.  —  Schliesslich  wird  «ehr  richtig 
davor  gewarnt,  sich  liurck  Komplimente  der  Ausländer  übet  die  Ab- 
sprache beirr    :  zu   lassen. 

In  dem  folgenden  Abschnitte  seiner  Abhandlung  spricht  Ver- 
fasser davon,  duM  „ein  weiteres,  wesentliches  Hindernis  günstigen  Er- 
folge« für  die  Kandidaten  der  modernen  Philologie  der  Mangel  u 
Verbindungen  ist"  (S.  17)  und  findet  einen  Ausweg  zur  Abhilfe  in  den 
„Kartells".  Lehrer  aus  dem  Auslände,  führt  er  aus,  suchen  während 
ihrer  freien  Zeit  Aufnahme  bei  deutschen  Lehrern;  letztere  suchen 
dasselbe  im  Auslände,  Man  regele  diesen  Austausch.  (S.  18.} 
Vielleicht  Hessen  sich  auch  Prediger  in  diese  Verbindungen  taf- 
nehmen. ™  (S.  19.)  —  Sehen  wir  von  diesem  „vielleicht"  ab,  so  wird 
doch,  wenn  ich  irclit  verstehe,  dii'i-cr  Austausch  nur  die  allererste  Ver- 
bindung anbiilmcii.  da  tarnt  an  Verkehr  des  Lehrers  in  Lehrer  kreisen 
leicht  bd  stetem  Verweilen  auf  pädagogische  in  Gebiete  Veranlauong 
bieten  und  ein  Eindringen  in  den  „ganzen  Kreis  des  inneren  Lebens" 
hindern  dürfte.  Ausserdem  mag  ein  solcher  Austausch  am  Rhein  und 
in  Westfalen  sehr  leicht  sein,  in  Schlesien,  Preussen  und  Posen  mnn 
derselbe  schon  der  rBumlicben  Entfernung  wegen  viele  Schwierigkeiten 

In  6  lernen  wir,  dass  „dos  gröeste  Hindernis  an  der  Erreichung 
bedeutender  oder  auch  nur  nennenswerter  Resultate"  darin  besteht, 
„dass  die  Neuphilologen  die  Kosten  ihres  Aufenthaltes  au  gering  an- 
schlagen." „Der  Neuphilologe  sollte  nicht  ins  Ausland  gehen  und  iu- 
ileicb  verdienen  wollen.  Seine  Mittel  sollten,  wenn  irgend  thunlich, 
er  Art  sein,  dass  sie  ihn  nicht  hinderten,  irgend  welche  Beziehungen, 
welche  ein  günstiges  Geschick  anzuknüpfen  Gelegenheit  bietet,  iu 
pflegen."  (S.  30.)  Hierzu  bedürfe  er  etwa  *000— 5000  Mark  jährlich. 
—  Ei  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  man  mit  einer  solchen  Summe 
recht  sorgenfrei  sich  und  seinem  Zwecke  leben  kann.  Ich  habe  indes 
1874  und  1875  in  Frankreich,  Belgien  und  England  zugebracht,  habe 
kein  Geld  verdient,  sondern  aus  eigener  Tasche  gelebt,  habe  in  fast 
allen  anständigen  Kreisen  verkehrt  und  habe  iu  den  beiden  Jahren 
nicht  4000  Mark  gebraucht,  übrigens,  warum  soll  der  Neuphilologe 
nicht  Geld  verdienen,  wenn  er  bei  dieser  Gelegenheit  seinem  Ziele 
näher  kommt?  Einer  meiner  Bekannten  in  London  las  einem  blinden 
Herrn  die  Times  vor,  ein  Anderer  gab  Musikunterricht,  ein  Dritter,  in 
Margate,  war  während  einigen  Stunden  Lehrer  in  einer  Familie.  Die 
Herren  wurden  durch  ihre  Bekannten  an  neue  Kreise  empfohlen,  nnd 
ihr  Aufenthalt  war  gewiss  kaum  halb  so  kostspielig,  als  der  meinige. 
Der  Mittelweg  ist  auch  hier  der  beste,  und  der  weitaus  grösste  Teil 
der  deutschen  Neuphilologen  wird  wohl  gezwungen  sein,  diesen  Mittel- 
weg einzuschlagen.  Darin  aber  stimme  ich  mit  Seh.  überein,  dass  Nie- 
mand sich  ins  Ausland  begeben  soll  mit  der  ausgesprochenen  Absicht 
ausschliesslich  oder  fast  ausschliesslich  seinen  Unterhalt  durch  Stunden- 
geben Sit  erwerben.  Der  Ärmste  würde  am  Ende  nach  herben  Ent- 
täuschungen gestehen  müssen,  dass  er  sich  im  engsten  Kreise  bewegt, 
vom  Volksleben,  von  Sitten  und  Gebräuchen  wenig  oder  gar  nichts 
kennen  gelernt  hat.  Man  versehe  sich  mit  einer  Summe  von  etwa 
800  Mark  und  habe  mehr  im  Hinterhalte.     Vorerst,   nachdem  man  ein 

futes,  billiges  Kosthaas  gefunden,  statte  man  sich  in  Frankreich  oder 
ngland  so  nus,  dass  man  den  Anforderungen  der  guten  Gesell- 
schaft gerecht  werden  kann.  Dann  heisst  es,  die  Landsleute  meiden 
und  jede  Gelegenheit  suchen,  mit  dem  Ausländer  zu  sprechen  und  den- 


de 


Schmedmg,  Der  Aufenthalt  der  Neuphilologen  etc.  43 

selben  sprechen  zu  hören,  zugleich  aber  keine  Gelegenheit  von  sich 
weisen,  die  es  ermöglicht,  unsere  Kassen-Ebbe  aufzuhalten,  ohne  uns 
deshalb  in  unserer  freien  Bewegung  zu  behindern.  Man  kann  im 
Auslände  recht  sparsam  leben,  wie  Verfasser  auf  S.  28  ausführt. 
Wie  mannigfach  sind  ferner  Aie  geistigen,  sehr  billigen  Anregungen 
für  einen  Mann,  der  einen  offenen  Blick  hat.  Bibliotheken,  Kirchen, 
Volksleben  u.  s.  w.,  sagt  Seh.  S.  28,  bieten  selbst  dem  mit  geringen 
Mitteln  Ausgestatteten  viel  Gelegenheit,  sich  auszubilden.  Und  in  Ver- 
kehr treten  mit  den  Ausländern  kann  er,  wenn  er  es  nur  versteht, 
an  den  ersten  Anknüpfungspunkt  neue  Verbindungen  zu  knüpfen. 
Keine  bessere  Empfehlung,  als  die  eines  Freundes.  Man  trete  in  Ver- 
eine ein.  Selbsverständlich  muss  sich  Jeder  nach  seiner  Decke  strecken 
und  nötigenfalls,  also  nicht  immer,  von  kostspieligen  Vergnügungen 
fern  bleiben.  Dann  wird  der  Aufenthalt  im  Auslände  nutzbringend 
doch  jedenfalls  billiger  sein,  als  4000  Mark  jährlich.  Ich  befürchte, 
der  Verfasser  hält  durch  seinen  vom  besten  Wohlwollen  ihm  einge- 
gebenen Kosten -Anschlag  manchen  Neuphilologen  ab.  das  Ausland  zu 
besuchen. 

Es  folgt  ein  Abschnitt,  in  welchem  in  zutreffenden  Worten  darauf 
hingewiesen  wird,  wie  man  mit  dem  Ausländer  in  Verkehr  treten  soll, 
und  dass  es  Fälle  gibt,  wo  Sparsamkeit  übel  angebracht  wäre. 

Abschnitt  7  entrollt  uns  ein  Bild  der  stamm  haften  gesellschaft- 
lichen und  Charakter- Eigentümlichkeiten,  die  man  im  Auslände  an- 
treffen wird. 

Abschnitt  8  zeigt  die  Schwierigkeiten,  die  hieraus  erwachsen  und 
die  Art  und  Weise,  wie  man  sich  denselben  gegenüber  zu  benehmen 
habe.  Es  kann  den  Kandidaten  nicht  dringend  genug  anempfohlen 
werden,  diesen  Abschnitt  sorgsam  durchzulesen  und  zu  beherzigen. 

Hierauf  kehrt  Seh.  zum  sprachlichen  Gebiete  zurück.  „Berufene 
Führer",  sagt  er,  „so  namentlich  Kcerting  und  Vietor  haben  den  Neu- 
philologen auf  solche  Höhe  gebracht,  dass  er  dieses  Gebiet  übersehen 
kann.  Er  wird  sich  einzelne  Felder  davon  zur  besonderen  Pflege  aus- 
erwählen. Dasselbe  wird  er  in  der  Fremde  thun  und  als  Hauptregel 
feststellen,  sich  hier  wesentlich  auf  das  zu  beschränken,  was  er  in  der 
Heimat  nicht  haben  kann:  die  Ausbildung  seiner  Aussprache,  seines 
Ohrs,  seines  Stils  und  die  Aneignung  gewisser  sprachlicher  Eigentüm- 
lichkeiten. Auf  S.  43  und  45  wird  hingewiesen  darauf,  dass  des  Neu- 
philologen Gehör  und  Aussprache  meist  nicht  genugsam  vorgebildet 
seien.  —  Wäre  es  nicht  angebracht  gewesen,  demselben  ausser  Benecke 
einige  Werke  an  die  Hand  zu  geben,  deren  eingehendes  Studium  diesem 
Mangel  Abhilfe  bietet?  Der  in  der  Lautphysiologie  bewanderte  Kandidat 
wird  bald  den  Lehrer  ausfindig  machen  oder  ausbilden,  der  Beine 
Aussprache  nach  richtiger  Methode  und  gründlich  bessert.  Auch  die 
Gefahr,  auf  die  am  Schlüsse  des  Abschnittes  unter  Berufung  auf 
C.  Plostas  hingedeutet  wird,  nämlich  bei  einem  schlecht  aussprechenden 
Ausländer  in  die  Lehre  zu  gehen,  wird  für  den  gut  durchgebildeten 
Neuphilologen  heute  nicht  mehr  so  gross  sein,  wie  vor  zwanzig  Jahren. 
—  Inbezug  auf  die  Art  und  Weise,  wie  man  eine  gute  Aussprache 
lehrt  und  lernt,  heisst  es  S.  45.  „Die  Methode  ....  war  ein  Brechen 
und  Biegen  der  Sprachorgane,  ein  Vorsprechen  und  Nachsprechen; 
ein  Wieder- Vorsprechen  und  Wieder- Nachsprechen,  ein  Nocnwieder- 
vorsprechen  und  Nochwieder  -  Nachsprechen ,  das  zum  Ziele  führen 
mu8ste.tf  —  An  der  Hand  der  Phonetik  würden  sich  Lehrer  und  Schüler 
bald  über  einen  Weg  einigen,  der  beiden  weniger  Zeit,  dem  letzteren 
weniger  Geld  kosten   dürfte.  —  Ferner  lesen  wir  S.  47:    RDie  Haupt- 


Schwierigkeit  in  der  Ausspruche  liegt  in  den  Vokalen."  „In  der  ge- 
trabten Auaaprache  der  Konaonanten  .  .  .  liegt  für  den  Norddeutschen 
weniger  Gefahr."  Das  ist  meines  Erachten»  ungenau;  denn  die  richtige 
Aussprache  der  Konsonanten  int  uuch  für  eleu  Norddeutschen  ein  Feld, 
auf  dem  nur  atet«  Übung  und  unausgesetzte  Aufmerksamkeit  Erfolg 
verspricht  (Lunge.  .Irtiku/titwit-ijymiKistik  im  franz.  E/ementariintrrrkht. 
Zschr.  f.  nfrz.  Spr.  u,  litt.  VlIP  151  ff.;  Kühn,  Gram.;  Aymeric  und 
Beaux  Gram.  u.  a.  m.). 

Hierauf  geht  VerfiiHBer  über  auf  den  Vortrag  in  den  fremden 
Sprachen.  Derselbe  lässt  sich,  wie  er  sagt,  nicht  beschreiben.  Die 
Grössen  anf  diesem  Gebiete  hatten  „ein  spezifisches,  undefinierbare*, 
unbeschreibliches  und  doch  bestimmt  wahrnehmbares  Etwas".  [Mir 
wurde  einmal  in  ahnlicher  Weise  der  Betriff  r  Elektrizität"  klar  ge- 
macht.] Man  darf  „nicht  wie  in  der  Muttersprache  die  Hauptbegrifte 
im  Satze,  die  Hanptöilbe  im  Worte  betonen.  —  Nun  betonen  aber 
Franzosen  und  Engländer  die  Hanptbegriffe  im  Satze,  und  in  beiden 
Sprachen  gibt  es  Haupt-  und  nebentonige  Silben.  Somit  innas  Seh. 
sich  unklar  ausgedrückt  haben.  —  Dem  Satze,  den  Verfasser  am 
Schlüsse  dieses  Abschnittes  aufstellt,  kann  ich  auch  nicht  beipflichten. 
Der  Neuphilologe  soll  nämlich  „Deutscher  bleiben  und  darauf  ver- 
zichten, englisch  und  französisch  wie  ein  Eingeborener  zn  sprechen.* 
Ich  mochte  im  Gegenteil  den  Fachgenossen  glücklich  preisen,  dem  ee 
durch  Fleiss  und  Beharrlichkeit  gelingt,  letzterem  Ziele  möglichst  nahe 
zn  kommen.  (Die  certaines  imperfeetinns,  von  denen  Aymeric  Zsehr.  f. 
nfrz.  Spr.  u.  Litt.  Xa  259  spricht,  werden  ja  leider  in  den  meisten 
Fallen  bleiben.)  Sein  Herz  kann  trotzdem  recht  und  echt  deutsch 
bleiben.  Wird  Kcerting,  der  in  seinen  neuphilolagischen  Essays  von 
dem  ans  dem  Auslande  Heimgekehrten  die  Anlegung  einer  praktischen 
Prüfung  verlangt,  etwas  anderes  im  Auge  haben,  all  daee  derselbe  sich 
u.  a.  Ober  die  Aussprache  anaweise?  Würde  er  nicht  demjenigen  die 
Palme  zuerkennen,  welcher  anf  diesem  Gebiete  am  wenigsten  „deutschen 
Klang"  verrät? 

Die  Bemerkungen  über  den  Stil,  mit  denen  der  erste  Teil  der  Ab- 
handlung schliefst,  sind  sehr  richtig.  „Keiner  sollte  eine  moderne  Sprache 
lehren,  der  nicht  ein  Jahr  lang  im  Stil  unter  der  Leitung  eines  klassischen 
Akademikers  gestanden,  welcher  seine  Muttersprache  grammatisch, 
historisch  und  litterarisch  studierte  und  Lehrtalente  genug  besitzt,  um 
die  seines  Schülers  zu  bilden"  (S.  fiO).  —  Warum  aber  wird  nicht  auch 
der  Rat  gegeben,  man  aolle  seinen  Stil  schon  vor  dem  Antritt«  der 
Reise  schulen?  Der  Neuphilologe  muss  Franke:  Französische  Stiiistik 
verdaut  haben,  muss  stets  eifrig  darauf  bedacht  gewesen  sein  und  sein, 
die  fremdsprachlichen  Texte  in  gutem  Deutsch  wiederzugeben.   (Manch, 


Zur  Forderung  des  französischen  Unterrichtes,  8.  77  ff.;  Kühn,  Cfcsr 
Zweck  und  Ziel  des  französischen  Unterrichtes  am  Realgymnasium.  Zschr. 
f.  nfrz.  Spr.  u.  Litt.  VII  Snppl.  III  90).     Dies  „dient  zum  weiteren  Ein- 


dringen in  die"  fremdsprachlichen  „Eigentümlichkeiten  i 
eingehenderem  Vergleich  der  .  .  .  Sprachen  an."  (Kühn  f.  c.)  —  Statt 
der  „Muster sliieke  von  Grüner",  auf  die  Verfaaser  hinweist,  möchte 
ich,  geatötzt  auf  langjährige  Erfahrung,  fleissigee  Ret ro vertieren  em- 
pfehlen. Es  ist  dies  eine  Art  von  Sei  bat- Kontrollieren  und  dient  dazu, 
das,  was  man  beim  Übersetzen  ins  Deutsche  gelernt,  zu  festigen  und 
zn  dauerndem  Besitztum  zn  machen. 

Im  II.  Teile  seiner  Broschüre  gibt  Seh.  eine  „Erzählung  einiger 
einzelnen  Erlebnisse,  aus  denen  unsere  jungen  Leute  noch  genauer  er- 
sehen können,   welcher  Art   die  Gefahren  und  Förderungen  sind,   die 


ihrer  im  Auslände  warten."  Man  kann  »ehr  viel  daraus  lernen  Sind 
ich  empfehle  Jedem,  der  eine  Reise  ins  Ausland  macht,  diesen  Ab- 
schnitt mit  Aufmerksamkeit  ilmclizulesen.  —  Die  kleinen  Restaurationen 
in  der  Nähe  des  Britischen  Museums,  vor  denen  auf  S.  31  lind  84  ge- 
warnt wird,  scheinen  übrigen*  etwas  von  ihrem  gefährlichen  Charakter 
eingebiisst  7,11  haben.  Ich  habe  nämlich  während  vier  der  Monate,  die 
ich  im  Museum  arbeitete,  täglich  mein  lunch  in  der  einen  oder  anderen 
derselben  eingenommen  und  bin  niemals  in  Gefahr  gewesen.  Auch 
haben  meine  Bekannten  nie  Abenteuer  daselbst  erlebt.  —  Veranlasst 
durch  eine  Bemerkung  auf  S.  62  füge  ich  hinzu,  dass  ich  mit  Be- 
friedigung auf  die  zehn  Monat  zurückblicke,  die  ich  deshalb  aul  der 
Universität  Lütticb  zubrachte,  weil  ich  auf  den  Rat  des  Prof.  C.  Pltetz 
der  schmollenden  Lutetia  aus  dem  Wege  ging.  Ich  habe  bei  den  Pro- 
fessoren und  Studierenden  dieser  Hochschule  in  dankenswerter  Weise 
Unterstützung  gefunden  in  meinen  Bestrebungen.  Ich  kann  daher  Jedem 
den  Besuch  dieser  Universität  cmiifehb.'n,  denn  das  FrunziisMch,  welches 
man  in  den  besseren  Kreisen  dieser  Stadt  spricht,  ist  gut, 

Im  III.  Teile,  dem  Schlüsse  der  Abhandlung  spricht  Seh.  mit  Ue- 

feiaterung  von  dem  schönen  Lose,  das  dem  Lehrer  der  neueren 
prachen  zugefallen,  welcher  seinen  Beruf  mit  Liebe  treibt.  Sind  erat 
rdie  Nebel  und  Vorurteile  geschwunden,  die  uns  jetzt  noch  auf  päda- 
gogischem Gebiete  gefangen  halten",  so  wird  seine  Aufgabe  „noch 
herrlicher  und  schöner".  Im  Gegensätze  zum  Altphilologen  „geben 
wir  dem  Altertum  sein  histonsclms  Recht,  aber  unseren  eigentlichen 
1]  und  unsere  eigentliche  Nahrung  fluchen  wir  auf  unserem 
eigenen  Gebiete.  „Enorme  geistige  Summen  zur  Lösung  der  materiellen 
und  ideellen  Fragen,  welche  die  Gegenwart  beschäftigen,  werden  die 
Lehrer  beisteuern,  wenn  sie  erst  einmal  anfangen,  sich  der  Schätze 
inne  zu  werden",  die  das  von  ihnen  zu  bearbeitende  Gebiet  in  sieh 
inTlÜninf  -Von  ihnen  ist  ein  grosser  Einfluss  auf  die  Völker  unter 
einander  zu  erhoffen",  indem  sie  dazu  beitragen,  eine  Annäherung  an- 
zubahnen. 

Ich  will  meine  Kritik  kurz  zusammenfassen:  Uer  Verfasser  der  be- 
sprochenen Broschüre  nnterlässt  es  meines  Erachten»,  den  Neuphilologen 
genugsam  mit  dem  Küstzfiiyr  üii./.ii-tiitti-ir.  welche"  die  fortgeschrittene 
Wissenschaft  uns  heute  an  die  Hand  giebt.  Die  darauf  hinzielenden 
Fingerzeige  sind  nicht  genügend.  Offenbar  hat  Seh.  geglaubt,  diese 
Frage  gehöre  nicht  in  den  Rahmen  seiner  Abhandlung.  Ich  konnte 
mich  dieser  Auffassung  nicht  anschliessen,  weil  auf  deo  ersten  32  Seiten 
fast  nur  von  den  Vorbereitungen  für  die  Reise  gesprochen  wird,  und 
data  gehört  meines  Erachteas  auch  eine  Schulung  des  Ühres ,  der 
Anasprache  nnd  des  Ausdruckes. 

Im  übrigen  empfehle  ich,  abgesehen  von  einigen  Meinungsver- 
schiedenheiten, die  Ausführungen  des  erfahreneu,  vielgereisten  Schul- 
mannes, der  für  Alles  einen  klaren  Blick  zeigt,  denjenigen,  welche  sich 
zur  Erlernung  der  fremden  Sprachen  ins  Ausland  begeben,  oder  noch- 
mals  begeben.     Man  lernt  daraus  recht  Vieles. 

Angeregt  durch  das  Lesen  der  Broschüre  milchte  ich  tnir,  im 
Anschlüsse  an  meine   Kritik,  einen   Vorschlag  erlauben: 

Wie  kann  der  Lehrer  der  neueren  Sprachen  von  Seiten 
der  Unterrichtsverwultnng  unterstützt  werden,  so  dass 
»eine  Arbeit  inbezng  auf  die  Aussprache  der  Schüler  mehr 
Erfolg  hat,  und  dass  seine  eigene,  gute  Ausspräche  er- 
halten bleibtr 

Der  Unterricht  in  manchen  Zweigen  der  Naturwissenschaft,  z.  B, 


46  Heferate  und  ftuiftafl,     it.   A'fifin, 

in  Botanik  und  Zoologie,  würde  auf  unseren  Schalen  ichwerlich  bii  in 
der  Stufe  aufgestiegen  sein,  welche  derselbe  heute  einnimmt,  wenn  nicht 
diesen  Wime n bc harten  ein  Hilfsmittel  von  wirklich  hohem  Werte  im 
Seit«  ntBnde:  die  Anschauung.  Der  Lehrende  mag  Heine  Erklärung 
noch  eo  deutlich  fassen,  ihr  mögen  die  schönsten  Modelle  von  Tieren 
und  Pflanzen  beigegeben  werden,  es  wird  doch  der  Lernende  erat  voll- 
kommen „begreifen",  wenn  er  diese  Tiere  und  Pflanzen  in  ihrer 
Wesenheit  vor  ajcfa  sieht,  wenn  er  die  Fehler,  die  ein  Miisv erstund nii 
oder  seine  Phantasie  verursachte,  richtig  stellen,  wenn  er  sich  diu 
einzelnen  Merkmale  des  Vergeführten  nach  seine  r  Weise  ein- 
prägen  kann. 

Auf  ähnlichem  Wege  Hesse  sich  'diese  Art  Anschauungsunterricht 
innerhalb  des  Gebiets  der  neueren  Sprachen  verwerten.  Hierbei  soll 
aber  nicht,  wie  bisher,  einsig  und  allein  der  Lehrer  derjenige  sein, 
welcher  dos  „  Anschau  uugsobjekt"  bildet.  Es  giebt  swar  viele  Lehrer 
der  neueren  Sprachen,  die  sich  durch  mehr  oder  minder  ausgedehnten 
Aufenthalt  im  Auslande  das  fremde  Idiom  inbezug  auf  die  Aussprache 
manchmal  gut,  oft  sogar  sehr  gut  angeeignet  haben.  Aber  keiner 
derselben  wird  die  Thataacbe  verkennen,  dass  sein  Ohr  beim  Unter- 
richt allmählich  abgestumpft  wird  durch  stete  Dissonant,  dass  es  fast  un- 
empfindlich wird  gegen  jene  Fehler,  die  bei  ihrem  ersten  Auftreten  sogir 
nerven  erschütternd  gewirkt  haben.  Sollen  sich  daher  diese  Lehrer  auf 
der  Flöhe  halten ,  so  mOssten  sie  durch  einen  alle  zwei  Jahre  minde- 
stens einmal  stattfindenden  mehrwöchentlichen  Aufenthalt  jenseits 
der  Vogesen  oder  des  Kauales  darnach  streben,  ihr  Können  wieder 
„aufzupolieren",  ihre  Aussprache  zu  reinigen  von  den  Schlacken,  die 
sich  durch  das  stete  Andringen  der  von  den  Schülern  hervorgebrachten 
falschen  Laute  angesetzt  haben.  Eine  Reise  ine  Ausland  wird  aber 
von  Jahr  su  Jahr  schwieriger;  die  Ferien  sind  meist  tu  kurz  nnd 
müssen  wirklich  der  Erholung  und  „Nerven- Abspannung'  gewidmet 
werden.  Wollte  man  sie  jedoch  dem  vorgedachten  Zwecke  wirkhch 
widmen,  so  müsste  man  wieder  an  die  Abreise  denkeil,  wenn  man  sich 
kaum  in  die  neuen  Verhältnisse  eingelebt  hat.  Ein  Urlaub  bat  nämlich 
deshalb  sein  Missliohee,  weil  die  Kollegen  meist  vertreten  müssen,  da 
der  Unterrichts  Verwaltung  zu  häufig  die  Gelegenheit  entgeht,  einen 
Hilfslehrer  su  beschäftigen  und  su  remunerieren.  (Von  den  städtischen 
BehSrden,  die  die  Herablassung  haben,  dem  Lehrer  zn  gestatten,  die 
Reise  dann  zu  machen,  wenn  er  selbst  seinen  Vertreter  bestellt  und 
bezahlt,  will  ich  nicht  reden.)  Endlich  wächst  das  Gebalt  nicht  mit 
der  Kopfzahl  der  Familie,  und  so  bleibt  denn  meist  die  notwendige, 
ersehnte  Reise  .  .  .  ersehnt,  die  Aussprache  wird  täglich  schlechter 
und  schliesslich  „wirklich  grauenhaft",  wie  Trautmann  sagte. 

Wie  ist  diesem  Obelstande  in  etwas  abzuhelfen?  Jährlich  be- 
sucht ein  Franzose  und  ein  Englander  mindestens  iwei- 
mal  diejenigen  Schulen,  an  welchen  Französisch  bei«. 
Englisch  gelehrt  wird.  Sie  zeigen  durch  Vorlesen  meh- 
rerer, dem  Schaler  bekannten  Stellen  aus  der  Lektüre 
der  Unter-  und  Mittelklassen,  oder  eines  vorher  kur- 
sorisch übersetzten  Dramas  für  die  Oberklassen,  wie  man 
„liest   und   spricht". 

Die  Hilfe,  die  dadurch  dem  Lehrer  gewährt  wird,  die  Unter- 
stützung, die  derselbe  findet,  ist  augenfällig.  Durch  diese  demonstratio 
ad  ocukis  et  ad  aurer  „begreift1'  endlich  mancher  Schüler,  dass  der 
Ausländer  wirklich  andere  Laute  beim  Sprechen  zn  Hilfe  nimmt,  dass 
seine  Wortbetonung  eine  andere  ist  u.  s.  w.,  und  er  wird  sich  mehr 


Quiehl,  Die  Einführung  in  die  französische  Aussprache.  47 

denn  Torher  bemühen,  dieses  sein  Vorbild  zu  erreichen.  Den  Lehrern 
aber  in  vielen  Städtchen  und  Städten,  die  niemals  einen  „Welschen44  zu 
Gericht  bekommen,  wäre  eine,  wenn  auch  karge  Gelegenheit  geboten, 
richtige  Laute  zu  vernehmen,  fttatt  der  ewigen  Dissonanz,  kurz,  zu 
lernen  und  nochmals  zu  lernen. 

Die  Kosten,  welche  diese  neue  Einrichtung  bedingt,  sind  nichtig 
im  Verhältnis  zu  dem  Nutzen,  welche  der  Schule  daraus  erwachsen  muss. 

P.  Kredtzbebg. 


Qnielil,  Die  Einführung  in  die  französische  Aussprache.  Lautliche 
Schulung,  Lautschrift  und  Sprechübungen  im  Klassenunterricht 
Auf  Grund  von  Unterrichtsversuchen  dargestellt.  Marburg, 
1889.     N.  G.  Elwert.     Pr.  Mk.  1,50. 

Vorliegende  Schrift  betritt,  wie  die  in  gleichem  Verlag  erschie- 
nenen Broschüren  „Ein  Jahr  Erfahrungen"  von  Elinghardt  und  „Der 
französische  Klassenunterricht"  von  Walter,  den  Boden  der  Praxis, 
indem  sie  berichtet,  wie  der  Verfasser  seine  Schüler  (Sextaner  in  der 
Realschule  zu  Kassel)  in  die  französische  Aussprache  eingeführt  hat. 
Das  Verfahren  wird  im  allgemeinen  sowohl  als  im  einzelnen  gründlich 
erörtert  und  motiviert;  zugleich  wird  in  dem  Gebrauch  der  phonetischen 
Hilfsmittel  so  massvoll  und  massig  verfahren,  daas  die  Schrift  ohne 
Zweifel  Viele  veranlassen  wird,  ebenfalls  Versuche  mit  diesem  be- 
scheidenen Mass  von  Phonetik  zu  macheu.  Quiehl's  Satz:  „Da,  wo  die 
Nachahmung  allein  nicht  zum  Ziele  führt,  trete  die  Phonetik  im  Unter- 
richt ein",  dürfte  über  kurz  oder  lang  zu  allgemeiner  Anerkennung 
gelangen  (wesentlich  in  demselben  Sinne  bewegen  sich  die  Ver- 
handlungen der  schleswig-holsteinischen  Direktorenkonferenz  vom 
rorigen  Jahre).  Eingestreut  sind  zahlreiche  Bemerkungen  über  die 
Aussprache  der  Franzoseu  (z.  B.  Unterscheidung  der  beiden  a,  das 
tonlone  e),  welche  auch  dem  Lehrer  erwünschte  Aufklärung  bieten  und 
seine  Aufmerksamkeit  auf  einzelne  Fälle  lenken,  welche  er  vielleicht 
bei  seinem  Aufenthalt  in  Frankreich  nicht  genug  beachtet  hat.  — 
Q.  verwendet  nicht  bloss  die  Phonetik,  sondern  auch  die  Lautschrift 
in  der  Schule,  und  auch  das  wird  mancher  Kollege,  durch  die  Schrift 
veranlasst,  versuchen.  So  weit  Referent  in  dieser  Beziehung  aus  Er- 
fahrung sprechen  kann,  wirkt  die  Lautschrift  vorteilhaft  auf  eine  rich- 
tige und  gute  Aussprache  ein.  Zu  einer  völligen  Klärung  dieses 
Punktes  sind  aber  noch  recht  ausgedehnte  Versuche  nötig;  zu 
wünschen  ist,  dass  dabei  die  Schüler  eine  Anzahl  von  Gedichten  und 
Lesestücken  in  phonetischer  Umschrift  vor  sich  haben.  —  Besonders 
angenehm  berührt  der  ruhige  Ton  und  die  unbedingte  Sachlichkeit 
der  Schrift,  welche  sicherlich  zu  den  besten  der  Reformlitteratur  zählt; 
wegen  der  vielfachen  Belehrung  und  Anregung,  welche  sie  dem  Lehrer 
des  Französischen  bietet,  verdient  sie  die  weiteste  Verbreitung. 

K.  Kühn, 


PllMjr,  Paul  9  Le  Francais  parle.  Morceanx  choisis  ä  Tusage  des 
e'trangers  avec  la  prononciation  figuree.  Deuxieme  Edition. 
Heilbronn,  Henninger  1889.    122  +  V11I  S.    Preis:  Mk.  1,80. 

Von    dem    kleinen  Werkchen,    welches    1886   in   erster  Auflage 
erschien  (hier  Bd.  IXS  S.  142  f.  besprochen),  ist  schon  nach  drei  Jahren 


eine  neue  Anflöge  nötig  geworden.    Das  int  ein  Beweis  dafür,  i . 

in  den  Kreisen   der  Neuphilologen  die  Aufnahme   und  Verbreitung  ge- 
funden hat,  welche  es  so  reichlich  verdient.    In  der  That  giebt  ea  k<" 
besseres   Hilfsmittel,    um   das   gesprochene  Französisch  zu   lernen, 
dieses:   und  wie   schon  in  der    Benpretbimg  der  ersten   Auflage  gl 
war,  ist  es  auch  denen  zu  empfehlen,  welche  im  Lande  selbst  prakt 
Sprach kenntniase  erwerben  wollen. 

Die  S.  Auflage   zeigt  mehrere  Änderungen.     Zunächst  ist  die  im 
Malire   phonttiiqtic    gebrauchte    Umschrift   auch    hier    zur   Verwendung 

ankommen.  Dann  wird  die  Betonung  (Wortton,  Hebung  und  Senkung 
er  Stimme,  gleichmassige  Betonung  etc.)  auf  einfache  Weise  bezeichuet 
Endlich  lind  mehrere  Stücke  durch  andere  ersetzt  worden.  Eine  Ver- 
gleichung  der  1.  mit  der  3.  Auflage  ergiebt  auch  vielfach  andere  Laute; 
speziell  sind  bei  Konsonantenb&ulung  die  vorhergehenden  den  folgenden 
angeglichen,  i.  B.  wird  in  obstmatwn  b  zu  p\  S.  35  Z.  5  in  garni  de 
ses  faiencet  wird  e  von  de  stumm  und  dann  d  zu  (.  —  Zu  wünschen 
wäre  ein  genaues  Inhaltsverzeichnis  and  durch  das  ganze  Buch  Seiten- 
überschriften. Beides  würde  wesentlich  zur  Erleichterung  des  Gebrauchs 
dienen.  K,  Kühn. 


M,  La  Prononcialwn  francaite.  Die  Kunst  elegant  and 
richtig  französisch  zu  sprechen.  Ein  praktischer  Ratgeber 
für  Techniker,  Kaufleute  und  alle  diejenigen,  welche  in  dient 
Sprache  verkehren  wollen.  Zweite  Ausgabe.  Berlin,  Verlag 
von  Siegfried  Kronbach.     1889.     88  S. 

Der  Verleger  hat  dem  Verfasser  einen  schlechten  Dienst  er- 
wiesen,  indem  er  —  wahrscheinlich  in  buchhändlerischer  Spekulation 
—  eine  neue  Ausgabe  dieses  Werkchens  veranstaltete.  Wie  wenig 
dasselbe  mit  der  Zeit  fortgeschritten  ist,  geht  aus  S.  8  hervor,  wo  die 
Schreibung  ige  noch  als  diejenige  der  Akademie  verzeichnet  wird, 
wahrend  die  Schreibung  ige  durch  die  im  Jahre  1878  erschienene 
7.  Auflage  des  Wörterbuchs  der  Akademie  eingeführt  wurde.  —  Die 
Ergebnisse  der  phonetischen  Forschungen  sind  durchaus  unberücksich- 
tigt geblieben;  so  heiest  es  S.  46:  „j  bat  stets  den  weichen  Zischlaut". 
S.  63 :  „*  =  $  in  Sohn"  (gemeint  ist  das  stimmhaft«  s) ;  S.  60:  „t>  lautet 
stets  wie  das  deutsche  »°.  Über  die  Her  vorbring  ung  der  nasalen 
Vokale  schweigt  die  Schrift  sich  ganz  aus.  Das  wäre  doch  für  Nord- 
deutsche, auf  welche  sonst  die  wenigen  Lautbeetimmungen  passen, 
recht  wichtig.  Darnach  mOge  jeder  beurteilen,  ob  auf  dem  Titel  mit 
Recht  steht:  „Die  Kunst  elegant  nnd  richtig  xu  sprechen."  Der  Ver- 
fasser würde  wohl  daran  thun,  dem  Verleger  den  weiteren  Verkauf 
dieser  neuen  Ausgabe  zn  verbieten. 

E.  Kühn. 

Kefcweler,  Anglist  Otto*  Zur  Methode  des  französischen  Dnterrickü 
Leipzig  1889.    Gustav  Fock.     16  S.  4°.     I  M. 

Die  Proteste  gegen  die  übertriebenen  Forderungen  der  Sprach- 
reformer  scheinen  sich  zu  mehren.  Als  eine  Abweisung  solcher  Forde- 
rungen, jedoch  gemässigte  und  besonnene,  ist  auch  die  Schrift  von 
Kesseler  anzusehen-  Der  Verfasser  hat  sich  die  gesunden  Reformideen 
vollauf  sn  eigen  gemacht.     Er  ist  durchdrungen  von  der  Notwendigkeit, 


E.  Thudichum,  Allerlei  Französisch.  49 

eine  eute  Aussprache  bei  den  Schülern  zu  erzielen.  Er  meint  aber, 
d*M  dies  zu  erreichen  sei  auch  ohne  theoretischen  Unterricht  in  der 
Laotphysiologie,  die  die  Fassungskraft  der  Schüler  übersteige,  und 
ohne  Lautschrift,  die  eine  Mehrbelastung  bedeute.  Auch  er  will  das 
Lesebuch  in  den  Mittelpunkt  des  Unterrichts  stellen.  Er  halt  aber  für 
ratsam,  dass  die  ersten  Übungen  an  einfachen  Sätzen  vorgenommen 
»erden;  erst  spater  dürfe  ein  zusammenhangendes  Lesestück  an  ihre 
Stelle  treten.  Wohl  müsse  der  Schüler  seine  ersten  grammatischen 
Kenntnisse  durch  Anschauung  erwerben.  Aber  er  müsse  von  An- 
bog an  grammatische  Kenntnisse,  und  zwar  sichere,  systematisch  ge- 
ordnete, erwerben:  ohne  sie  bleibe  aller  Sprachunterricht  ein  wüstes 
Durcheinander.  (S.  12.)  Lektüre  und  Grammatik  müssen  Hand  in 
Sand  gehen  (wie  im  Elementarbuch  von  0.  Ulbrich).  Der  Ober- 
letsnngen  aus  dem  Deutschen  ins  Französische  könne  man  nicht  ent- 
raten;  nur  sollen  die  deutschen  Sätze  sich  zunächst  eng  an  das  fran- 
tönsche  Übungsstück  anlehnen  (wie  bei  Plötz-  Kares).  Auf  der  oberen 
Stufe  müsse  der  Deduktion  ein  weiterer  Spielraum  gewährt  werden, 
lach  müsse  dort  die  freie  Übertragung  zusammenhängender  deutscher 
Werke  peübt  werden.  Was  der  Verfasser  von  S.  15  ab  über  die  Art 
and  Weise  sagt,  wie  die  Lektüre  in  den  verschiedenen  Klassen  betrieben 
werden  müsse,  mögen  alle  diejenigen  beherzigen,  denen  im  alten 
Schlendrian  die  Lektürestunde  eine  Art  Erholungsunterricht  ist,  der 
rieh  in  anmutiger  Abwechselung  von  Vor-  und  Nachübersetzen  dahin- 
•chleppt. 

Der  Verfasser  sagt  selbst,  dass  er  nicht  gerade  Neues  bringen 
rolle.  Er  hat  aber  die  Gedanken  anderer  mit  eigener  Erfahrung  und 
eigenen  Erwägungen  so  durchtränkt,  dass  sie  z.  T.  wohl  als  seine 
eigenen  gelten  können.  Ein  warmes  Interesse  für  die  Sache  hat  er 
richerlich.  E.  Mackel. 


Thudichum,  Karl,  Allerlei  Französisch.  Litterarische  Studien 
zu  Nutz  und  Frommen  der  kaufmännischen  Welt  und  des 
französischen  Unterrichts.  I.  Das  sogenannte  Französisch  für 
Kaufleute  der  Herren  Charles  Toussaint  und  G.  Langenscheidt. 
2.  veränd.  und  verm.  Aufl.  Genf,  Buchh.  H.  Georg.  1889. 
VIII  u.  56  S.  8°. 

Diese  Schrift  war  im  vorhergehenden  Jahre  unter  anderem  Titel 
[Das  Plagiat  der  Herren  u.  s.  w.)  erschienen,  verschluss  sich  aber  durch 
ien  Vorwurf  des  Plagiats  die  Thore  und  erschien  daher  unter  dem 
neuen  Titel  teilweise  neu.  Es  wurde  nämlich  nur  der  erste  Bösen, 
mit  Ausmerzung  der  heftigsten  Stellen,  neu  gedruckt,  mit  Ausnahme 
ies  letzten  Blattes,  welches  aus  der  1.  Auflage  stammt  und  wie  ein 
aarton  eingeklebt  ist. 

Wenn  der  Verfasser  zu  Eingang  seiner  Arbeit  fragt,  warum 
wohl  in  Deutschland  sich  niemand  für  diese  Aufgabe  fand,  so  kann 
man  die  Gegenfrage  stellen,  warum  der  Verfasser  zu  der  ungewöhn- 
lichen Broschürenforni  griff,  statt  seine  Arbeit  in  einer  Fachzeitschrift 
zu  veröffentlichen.  Er  würde  antworten  können ,  dass  solche  Zeit- 
schriften wohl  selten  in  kaufmännische  Kreise  dringen ;  das  müsste  ihm 
aber,  wenn  es  ihm  lediglich  um  litterarische  Wahrhaftigkeit  und  deren 
Schutz  zu  thun  war,  ziemlich  gleichgiltig  sein.  Durch  die  Wahl  der 
Broschürenform  hat  er  sich  der  Gefahr  ausgesetzt,  dass  die  Angegriffenen 
fragen  können :  Wer  bezahlt  die  Sache  ? 

Zaekr.  f.  tn.  Spr.  n.  Litt    XII*.  a 


50  Referate  and  Rezensionen.     Ph.   Plattner, 


In  der  1.  Auflage  beschränkte  der  Verfasser  sich  darauf,  dui  er 
den  Angeschuldigt™  vorwarf,  einen  Teil  der  in  dem  „Französisch  fät 
Kaufleute"  enthaltenen  Bändel» briete  aus  Page,  Nonveau guule de k 
correspondance  commereiale ,  einen  andere»  geringeren  Teil  derselben 
Briefe  aus  Deg ränge»,  Tratte  de  cm-rtsi'unilaucc  commercütU  entlehnt  in 
haben.  In  der  neuen  Auflage  fügt  er  flazn  den  Vorwurf,  dass  »ach  die 
allgemeinen  Mus terbr tefe  mm  grausten  Teil  (S7  unter  SO)  «Ört- 
lich aus  Dunois,  At'  secretnirt'  des  [tun  du*  <-/  <t<  s  \u  nsinns  iiitlehnt  seien. 
Da  er  aber  seibat  auf  diesen  neuen  Vorwurf  im  weiteren  Verlauf  nicht 
zurückkommt,  so  ist  anzunehmen,  dass  er  ihn  selbst  für  weniger  schwer 
hielt.  Vielleicht  waren  die  Autorrechte  verjährt  und  somit  das  Buch 
„tombe  dann  le  damame  public?'  Wie  dem  auch  sei,  wir  beschäftigen 
uns  hier  wenigstens  vorläufig  mit  der  ersten  Auflage. 

Dem  gegenüber  ist  nun  zunächst  anzuführen,  dass  in  der  von 
den  Angegriffenen  veröffentlichten  (als  Manuskript  gedruckten)  Gegen- 
erklärung der  Nachweis  erbracht  erscheint,  dass  der  angeblich  ge- 
plünderte Page  selbst  von  seinen  5fi2  Briefen  nicht  weniger  als  IfiO 
aus  drei  anderen  Quellen  entlehnt  hat.  Wir  können  diese  Angabe 
nicht  kontrollieren,  halten  sie  aber  für  glaubhaft,  da  wir  selbst  auf 
dem  Gebiete  der  Konversations  band  buch  er  eine  ähnliche,  durch  keiner- 
lei Recht  oder  Gesetz  geheiligte  Erbfolge  entdeckt  haben. 

Wenn  wir  nun  die  Reihe  der  im  einzelnen  erhobenen  Vorwürfe 
durchgehen,  so  ist  der  erste  der  schwerwiegendste:  „Verechweignng 
der  Namen  der  Schriftsteller,  welchen  sie  (die  Herren  Toussaint  und 
Langen«  ch  ei  dt)  die  Briefe  entlehnten."  Unverkennbar  war  es  eine 
Unvorsichtigkeit,  dass  in  der  Vorrede,  wo  dazu  hinreichend  Raum  ge- 
wesen wäre ,  jenes  Umstände  keine  Erwähnung  geschah.  Bei  den  ein- 
zelnen Briefen  nämlich  war  es  schon  deshalb  unthunlich,  die  Namen 
der  fremden  Verfasser  anzuführen,  weil  die  Handelsbriefe  nicht  un- 
verändert wiedergegeben  wurden.  Die  fremden  Originale  wurden 
nicht  abgedruckt,  sondern  in  freiester  Weise  als  Vorlagen  benutzt; 
die  fremden  Verfasser  hätten  sich  daher  die  Nennung  ihres  Namens 
bei  den  einzelnen  Stücken  sogar  verbitten,  hin  und  wieder  vielleicht 
auch  die  Vaterschaft  durchaus  ablehnen  können,  da  man,  wie  erwähnt, 
bei  solchen  Sammlungen  nie  recht  weiss,  ob  ein  durchaus  neues  oder 
ein  vererbtes  Stück  vorliegt.  Viel  zu  weit  gehen  heisst  es  aber,  wenn 
man  darin  ein  Schmücken  mit  fremden  Federn  erblicken  will.  Dem 
litterarischen  Rufe  der  Verfasser  des  „Französisch  für  Kaufleute"  hätte 
es  keinerlei  Eintrag  gethan,  wenn  sie  in  der  Vorrede  eine  derartige 
Erklärung  abgegeben  hätten;  wenn  sie  es  unterdessen,  so  kann  man 
kaum  annehmen,  dass  sie  gefürchtet  hätten,  diesem  Rufe  Eintrag  in 
thun.  So  fürchterlich,  wie  der  Ankläger  die  Sache  darstellt,  ist  sie 
gar  nicht.  Nehmen  wir  an ,  es  schreibt  jemand  ein  Buch  Ober  irgend 
einen  neuen  Gegenstand  oder  behandelt  einen  Gegenstand  nach  neuer 
Methode  und  ein  anderer  Verleger  findet  die  Idee  gut,  beschafft  sich 
einen  Autor  (was  meist  nicht  schwer  ist)  und  lässt  sich  von  diesem 
die  Sache  in  gleicher  Weise  zurechtmachen,  d.  b.  einen  fremden  Plan, 
die  fremde  Anlage  eines  Buches ,  die  man  ja  nicht  patentieren  lassen 
kann,  einfach  nachahmen,  ohne  aber  irgend  etwas  wörtlich  zn  ent- 
lehnen, so  ist  das  vor  jedem  Gesetz  durchaus  straffrei,  obwohl  dal 
Vergehen  unendlich  viel  grösser  ist,  als  wenn  jemand  ein  paar  Stücke, 
die  vielleicht  schon  durch  viele  Hände  gegangen  sind,  mehr  oder 
weniger  wörtlich  übernimmt. 

Die  folgenden  Punkte  sind  von  noch  geringerem  Belang.  Wenn 
statt  voller  Namen    nur  Initialen   gegeben  werden ,   so  würde  das  viel- 


K,  Thudichum,  Allerlei  Französisch.  51 

lacht  stören,  wenn  der  Brief  seinem  materiellen  Inhalt  nach  studiert 
werden  toll,  nicht  aber  wenn  er  nur  in  seiner  Form  als  Muster  ge- 
kommen wird.  Das  Herausreissen  der  Briefe  aus  ihrer  natürlichen 
Ordnung  muss  auch  als  ein  unhaltbarer  Vorwurf  erscheinen,  da  die 
Toussaint-Langenecheidt'schen  Rubriken  vielleicht  besser unpsbedürftig, 
aber  logisch  angeordnet  sind;  einzelne  „nichtssagende"  Titel  (Lettres 
mmtmcant  des  changements  de  differente  natvre;  lettres  sur  divers  sujets 
k  trmter  entre  negockmts)  waren  in  einem  Buche  kaum  zu  umgehen, 
du  nur  eine  begrenzte  Zahl  von  Mustern  geben  konnte  und  nicht 
steh  jedem  zweiten  oder  dritten  Briefe  eine  neue,  speziellere  Über- 
schrift bringen  durfte.  Damit  hangt  der  weitere  Vorwurf  der  Unvoll- 
itindigkeit  zusammen;  es  war  ja  überhaupt  nicht  die  Absicht  der 
Verfasser  ein  Handbuch  der  Handelskorrespondenz,  sondern  ein  Vade- 
mecnm  allgemeinster  Art  fflr  den  angehenden  Kaufmann  zu  Hefern,  der 
in  die  Lage  kommt  wissen  zu  müssen,  wie  man  dies  oder  jenes  fran- 
lösisch  benennt  und  wie  man  dieses  oder  jenes  Thema  etwa  französisch 
darstellt 

Vorzugsweise  haben  wir  auf  den  dritten  und  sechsten  Vorwurf 
einzugehen,  welche  sich  auf  Verstümmelung  und  Verschlechterung  des 
Inhalts  nnd  Veränderung  der  Briefanfange  nnd  Briefschlüsse  beziehen. 
Dabei  nehmen  wir  zugleich  den  in  den  Anmerkungen  erhobenen  Vor- 
wurf mit,  die  verkürzten  Briefe  böten  statt  eines  herzlichen,  gemüt- 
lichen, urbanen  Tones  einen  kalten,  harten,  unteroffiziersmassigen.  Der 
Unterschied  fallt  allerdings  sehr  auf.  Die  Briefe  sollen  indessen  auch 
nicht  als  Muster  zum  blossen  Kopieren  dienen  und  jeder  mag  selb- 
ständig soviel  Gemüt  in  seinen  Brief  hineinzubringen  suchen  als  er 
besitzt;  bloss  kopiertes  Gemüt  wäre  offenbar  noch  schlimmer  als  gar 
keines.  Kürze  war  in  dem  Buche  nötig  und  damit  ist  gemütliche 
Breite  nicht  zu  verbinden;  wir  Deutsche  sind  ja  wohl  auch  im  ganzen 
etwas  mehr  matter-of-fact  als  die  Franzosen  und  was  bei  uns  noch  als 
roHtoige  Ausdrucksweise  gilt,  ist  für  den  Franzosen  vielfach  schon 
see,  href,  d.  h.  kurz  gebunden,  oder,  wenn  man  will,  Unteroffiziere- 
massig. 

Das  Interessanteste  an  derTh.'schen  Schrift  sind  die  Bemerkungen, 
welche  er  zu  dem  Abdruck  der  Originale  und  Nachbildungen  giebt. 
Vieles  davon  ist  wohl  etwas  zu  fein  herausgeklaubt;  wenn  man  an 
das  Fehlersuchen  geht,  findet  man  solche  auch  schon  in  Unebenheiten 
oder  Ungelenkheiton.  Da  aber  auch  diese  zu  meiden  sind,  bietet  Th. 
dem  Freund  und  Kenner  des  Französischen  manche  recht  schatzbare 
Bemerkung  und  das  „Französisch  für  Kaufleute"  wird  wohl  nicht  ver- 
säumen, manche  der  vorgeschlagenen  Besserungen  anzunehmen. 

Dabei  spielt  das  Sprachgefühl  freilich  öfter  eine  grössere  Rolle 
als  die  positiven  Vorschriften  der  Grammatik  oder  Synonymik,  auf 
welche  Th.  hohen  Wert  legt.  Mit  aller  Synonymik  lernt  kein  Mensch 
eine  Sprache  halbwegs  richtig  schreiben  und  gerade  die  Lehrbücher 
der  französischen  Synonymik  lassen  dem  Leser  nach  spaltenlangen 
Auseinandersetzungen  nur  zu  oft  das  Gefühl,  dass  er  nun  gerade  so 
klug  ist  wie  zuvor.  Auch  dem  Kritiker  scheint  mir  die  Scheidung 
von  craindre  und  redouter  nicht  besonders  gelungen  zu  sein.  Er  be- 
mängelt nous  n'avons  ä  craindre  aucune  concurrence.  Mit  Recht,  da 
cramdre  nnd  redouter  diesem  Sätzchen  jedes  eine  andere  Bedeutung 
geben.  Th.  sagt  richtig,  redouter  schhesse  den  Gedauken  an  eine 
mögliche  Überlegenheit  ein,  aber  schwerlich  wird  seine  Auseinander- 
setzung den  Unterschied  so  deutlich  machen,  als  wenn  er  gesagt  hatte : 
nous  navons  ä  craindre  aucune  concurrence  =  wir  haben  nicht  zu  be- 


52  Referate  und  Rezensionen.     R.  Meyer, 

furchten,  dass  eine  Konkurrenz  sich  einstellt;  nous  n'avoni  ä  rafaMa 
aucunc  cmuurrence  st  wir  haben  keinen  Grund  zu  fürchten,  einer 
sich  einstellenden  Konkurrenz  zu  unterliegen  (letzteres  soll  der  Sign 
des  Sattes  Bein).  Sehr  zu  empfehlen  wäre  übrigens  in  beiden  Sitzet« 
die  Stellung  des  Objekts  vor  dem  Infinitive.  —  Herr  Thudichum  er- 
klärt, dass  es  ihm  bei  seiner  im  ganzen  äusseret  herben  Kritik  usr 
am  die  Sache  der  Wissenschaft  zu  thun  gewesen  sei  nnd  das«  er  au 
das  Interesse  der  Französischlernenden  vertreten  wolle.  Da«  motten 
wir  glauben.  Dann  aber  hütte  er  sicher  besser  daran  getban,  seine 
Kritik  mehr  auszufeilen,  unnötig  starke  Ausfälle  zu  meiden  und  eben 
Ton  zu  wählen,  der  die  Vermutung  von  vornherein  ausschliemt,  ei 
könne  sich  um  ein  blosses  Konkuirenzmanöver  handeln.  Da  dein  TM 
nach  zu  schliefen  weitere  Besprechungen  folgen  sollen,  so  geben  wir 
uns  der  Hoffnung  hin,  dass  diese  ebenso  belehrend,  aber  weniger  ver- 
letzend ausfallen  werden. 

P.  Plattner. 


SoltaMra.il,  Hermann  C,  Der  fremdsprachliche  (franzötitdu) 
Unterricht  an  der  höheren  Maticlienscnule .  Lcipuig,  loon.  0. 
Fock.     68  S.     1  M. 

Soltmann's  Schrift  gesellt  sich  zu  den  schon  recht  zablreichsn 
Abhandlungen,  welche  die  bis  vor  einiger  Zeit  herrschende  Art  de* 
fremdsprachlichen  Unterrichts  bekämpfen  und  mehr  oder  weniger  greif- 
bare und  eingehende  Vorschlage  für  die  Neugestaltung  denselben 
machen.  Vieles  ist  in  diesen  Schriften  bis  zur  Ermüdung  wiederholt 
worden,  Richtiges  und  Unrichtiges;  der  Verfasser  einer  der  frühesten 
und  gediegensten  unter  denselben,  W.  Münch,  hat  daher  mit  Hecht 
schon  vor  Jahren  es  als  wünschenswert  bezeichnet,  „wenn  die  Pro- 
duktion allgemeiner  Pronanciaraientos  nunmehr  durch  Arbeit  im  einseinen 
abgelöst  würde". 

So  begegnet  diese  neue  Absage  an  die  alte  Lebxweiee  auch  bei 
dem  Freunde  einer  massvollen,  einsichtigen  Neuerung  nicht  gerade 
einem  günstigen  Vorurteil.  Und  doch  muss  man  nach  sorgfältiger 
Prüfung  von  Soltmann's  Ausführungen  ihm  für  seinen  Beitrag  lur 
Lösung  der  schwierigen  Frage  Dank  wissen.  Einmal  sind  in  den 
früheren  Schriften  ahnlichen  Inhalts  die  besonderen  Verhältnisse  der 
Mädchenschule  weniger  als  die  der  Knabenschulen  ine  Auge  gefasrf 
worden;  sodann  betont  S.  in  seinen  Vorschlagen  einige  Punkte,  die 
wobl  auch  schon  berührt,  aber  bis  jetzt  in  minderem  Grade  gewürdigt 
worden  sind1)  und  doch  die  vollste  Beachtung  verdienen. 

Damit  soll  durchaus  nicht  allen  Darlegungen  und  Forderungen 
des  Verfassers  zugestimmt  sein,  abgesehen  davon,  dass  einige  Gegen- 
stände, im  beeondern  die  schriftlichen  Arbeiten,  meines  Erachten! 
keine  ausreichende  Behandlung  erfahren.  Gleich  den  Satz,  dass  dos 
Ziel  des  Sprachunterrichts  nur  ein  praktisches  sein  könne,  kann  ich 
mir  nicht  aneignen :  wohl  ist  möglichste  Aneignung  der  franalaischen 
Sprache  en  erstreben,  dieser  Zweck  aber  dem  allgemeineren  unter- 
zuordnen, dass  der  französische  (und   englische)  Unterricht  an  seinem 

')  Das  Bei  mit  einigem  Vorbehalt  gesagt:  bei  dem  Umfang,  den 
die  einschlagige  Litteratur  angenommen  hat,  ist  es  nicht  vielen  mehr 
möglich,  alle  Erzeugnisse  derselben  zu  verfolgen. 


B.  C.  Sollmann,  Der  fremdsprachliche  (franz.)  Unterricht  etc.       53 

Teil,  wie  jeder  Unterrichtszweig,  die  Bildung  der  M&dchen  fördere. 
8.  selbst  wird  wohl  geneigt  sein,  dies  zuzugeben ;  wenigstens  will  auch 
er,  dmss  die  Behandlung  der  Lektüre  auf  die  Bildung  des  deutschen 
8tües  Rücksicht  nehme. 

Unter  den  Mitteln,  durch  welche  das  Ziel  erreicht  werden  soll, 
fordert  S.  ein  propädeutisches  Halbjahr  in  der  7.  Klasse.  Dieser  Ge- 
danke scheint  mir  schon  deshalb  verfehlt  und  auch  aussichtslos,  weil 
•eine  Ausführung  ohne  eine  missliche  Störung  des  übrigen  Unterrichts 
ueht  möglich  ist. 

In  der  Darlegung  der  verbesserten  Lehrweise  würdigt  S.  zu 
venig  die  Schwierigkeiten,  welche  bei  Annahme  derselben  für  eine 
sichere  Aneignung  des  Unentbehrlichen  aus  der  Grammatik  entstehen; 
so  leicht,  wie  er  annimmt,  geht  die  Sache  denn  doch  nicht.  Auf  das 
einzelne  gehe  ich  hier  nicht  ein ;  ich  wende  mich  lieber  zur  Besprechung 
desjenigen  Teiles  der  Abhandlung,  in  welchem  für  mich  vorzugsweise 
das  Verdienst  derselben  besteht,  nämlich  der  Ausführungen  über  die 
Erwerbung  des  notwendigen  Wortschatzes. 

S.  betont  mit  Recht,  dass  hierauf  der  frühere  Unterrichtsbetrieb 
nicht  genügend  Bedacht  genommen  hat;  er  hatte  etwas  nachdrücklicher, 
als  er  es  thut,  aussprechen  dürfen,  dass  auch  der  verbesserte  Unter- 
richt diese  Seite  der  Spracherlernung  bisher  nicht  hat  zu  ihrem  Rechte 
kommen  lassen.  Er  tadelt  mit  Recht,  dass  die  Worterlernung  im  An- 
schluss  an  die  grammatischen  Übungssatze  vom  deutschen  Worte 
ausgehe  und  dabei  das  fremde  Wort  oft  nur  zufallig  das  Äquivalent 
das  deutschen  sei,  seine  eigentliche  Bedeutung  aber  unbekannt  bleibe. 
Dasselbe  gilt  von  der  Worterlernung  bei  Gelegenheit  der  Pr&paration 
das  Lesestücks,  nur  dass  hier  wohl  oft  ein  einsichtiger  Lehrer  den 
Nachteil  zu  mindern  verstanden  hat.  Nein,  man  gehe,  soweit  nur 
immer  möglich,  auf  die  wirkliche  Bedeutung  des  einzelnen 
Wortes  zurück,  gebe  nur  diese  im  Wörterverzeichnis  an  und  erspare 
nicht  der  Schülerin  die  heilsame  Anstrengung,  die  gut  deutsche 
Wiedergabe  der  Wörter  im  Zusammenhang  selbst  zu  suchen; 
gelingt  ihr  dieselbe  nicht  völlig,  so  ist  das  kein  Unglück,  so  tritt 
die  gemeinsame  Arbeit  der  Klasse  und  nötigenfalls  das  Wort  des 
Lehrers  helfend  ein.  Auch  darin  stimme  ich  S.  bei,  dass  in  den  Ober- 
klassen an  die  Stelle  des  deutschen  Wortes  mehr  und  mehr  die  fremd- 
sprachliche Erklärung  treten  sollte.  Ein  Anfang  dazu  ist  von  Kaiser 
in  seiner  Ausgabe  von  Au  Com  du  Fett  gemacht  werden,  vermutlich 
auch  schon  von  diesem  und  jenem  andern  Herausgeber.  Das  würde 
allerdings  besondere  Wörterverzeichnisse  zu  den  einzelnen  zu  lesenden 
Werken  oder  Werkchen  notwendig  machen;  ich  sehe  aber  darin,  wenn 
sie  nach  den  angegebenen  Gesichtspunkten  angefertigt  werden,  für  die 
Mädchenschule  nur  einen  Vorteil,  während  sie  bei  der  bisher 
üblichen  Einrichtung  ein  Hilfsmittel  von  sehr  zweifelhaftem  Werte 
sind«  Übrigens  wurden  die  Erklärungen  in  französischer  Sprache  von 
den  deutschen  Wörtern  zu  trennen  sein.  —  Mit  S.  würde  ich  endlich 
auf  das  Wörterheft  der  präparierenden  Schülerin  ohne  Bedenken  ver- 
sichten. 

Jjfnn  empfiehlt  aber  S.  ferner  mit  berechtigtem  Nachdruck  als 
den  bei  weitem  besten  Weg  zur  Bereicherung  des  Wortschatzes  den 
etymologischen,  die  Zurückfährung  des  Wortschatzes  auf  die  Wort- 
stämme. Alles,  was  er  zur  Begründung  sagt,  ist  sehr  zu  beherzigen 
und  gewiss  manchem  Lehrer,  der  diesen  Weg  hier  und  da  betreten 
hat,  aus  der  Seele  gesprochen.  Auch  dass  man  die  Wortbildungslehre 
nicht  in  systematischer  Weise  mit  den  Schülerinnen  durchnehmen 


EM 


Referate  und  Hezeii 


J.  Sarrazin, 


darf,  erkenne  ich  vollkommen  an.  Aber  andererseits  fürchte  ich,  du« 
ein  befriedigender  Erfolg  ausbleiben  wird,  wenn  nur  ,gan»  beiläufig, 
wo  sich  eine  passende  Gelegenheit  bietet,  auf  den  früher  in  anderer 
Wortform  schon  gelernten  Stamm  hingewiesen  wird";  sollen  „nach 
□nd  nach  durch  Zusammenstellen  analoger  Bildungs  formell  die 
Schülerinnen  die  Bildungselementc,  die  Gesetze  über  ihre  Verwen- 
dung u.  s.  w,  selbst  finden-',  so  ist  hierfür,  glaube  ich,  durch  reichliche 
Darbietung  des  Stoffes,  d.  h.  durch  planmässige  Zusammenstellung  dei 
abgeleiteten  Wörter  mit  den  Stammwörtern,  eine  genügende  Grund' 
läge  zu  schaffen.  Da  dürfte  es  nun  sehr  der  Erwägung  wert  sein,  ab 
man  nicht  in  den  unteren  und  mittleren  Kinasen  eine  Wörternammlung 
benutzen  sollte,  welche  nach  Art  der  von  F.  Franke  (Die  praktisdu 
Spracherlernung,  S,  27  ff.)  empfohlenen  auszuarbeiten  wäre,  Franke'« 
verdienstliche  .Schrift  sieht  von  den  Einschränkungen  ab,  welche 
seine  Vorschläge  etwa  durch  die  Natur  des  Massenunterrichts  er- 
fahren müssen;  man  würde  denn  auch  meines  Erachten»  für  die 
Mädchenschule  sowohl  auf  die  Beigabe  einer  gedruckten  Erklärung 
der  Endungen  wie  auf  laut  getreue  Umschrift  zu  verzichten  und  auch 
sonst  die  Sache  zu  vereinfachen  haben.  Diese  Andeutung  habe  ich  für 
nützlich  gehalten;  von  einer  weiteren  Ausführung  aber  muss  ich  nicht 
nur  des  Raumes  wegen  Abstand  nehmen,'  sondern  auch  deshalb,  wt" 
ich  bei  mangelnder  Erfahrung  im  Anfangsunterricht  nicht  wage, 
bestimmten  Vorschlägen  hervorzutreten.  Möge  der  Gedanke 
rufeneren  erwogen  und  nach  Massgabe  der  Erfahrung  aus^ 
werden!  Die  Oberzeugung  habe  ich  jedenfalls  im  Unterricht 
wonnen,  dass  eine  besondere  Pflege  der  Wortkunde  mit  Benutzi 
der  Wortbildung« lehre  notwendig  .  ist.  Sollte  der  angedeutete  Wi  _ 
sieb  als  ungangbar  erweisen,  ho  würde  schon  durch  eine  Erweiterung 
der  Wörterverzeichnisse  zu  den  Lesestücken  sich  etwas  in  derselben 
ftichtung  erreichen  lassen. 

Diese  Richtung  innezuhalten,  ist,  ich  wiederhole  es,  von  hervor- 
ragender Wichtigkeit :  sie  führt  ins  volle  Leben  der  Sprache  hinein, 
und  alles  zu  suchen,  was  dazu  dienen  kann,  haben  wir  jederzeit  1 
sache.  Manches  ist  in  dieser  Hinsicht  durch  die  neueren  Arbeit 
erreicht  worden,  das  muss  gern  anerkannt  werden;  aber  weder 
der  frühere  Zustand  des  fremdsprachlichen  Unterrichts  so  grauenvt 
wie  er  oft  geschildert  worden  ist  —  auch  S.  hat  sich  von  diesem  Fehler 
nicht  ganz  frei  gehalten  — ,  noch  wird  durch  Annahme  der  oft  aus- 
schweifenden Bessernngsvorschläge  das  ho  tief  beklagte  Elend  ohne 
weiteres  in  eitel  Lust  und  Segen  verkehrt:  auch  jetzt  noch,  wie  früher, 
liegt,  trotz  äiisnorlirhiir  Ik'folgung  der  neuen  Lehrweise,  die  Gefuhr 
nahe,  die  Selbsttätigkeit  des  Schülers  —  auch  ausserhalb  des 
Unterrichts  — ,  die  Entwickelung  seiner  geistigen  Kraft  zu  vernach- 
lässigen und  sich  mit  Scheinerfolgen  zu  begnügen.  Die  Methode 
macht  noch  lange  nicht  den  Lehrer;  wohl  über  ist  es  erforderlich,  dass 
der  Lehrer  eine  und  zwar  eine  möglichst  gute  Methode  habe,  die 
immerhin  von  der  seines  mitstrebenden  Amtsgenosneu  sieb  in  manchem 
unterscheiden  mag,  und  die  er  nach  besserer  Einsicht  stets  bereit  sein 
muss  zu  verbessern.  Denjenigen,  welche  so  denken,  kann  ich  Soltinann'n 
Schrift  mit  gutem  Gewissen  zu  aufmerksamer  und  imbefaiij 
Prüfung  empfehlen. 

R.  Met 


itM 

S 


Verhiiudlungen  des  dritten  itlhjeili.  diuUclkn   !Seii)'hilidu'j:'Hlatjes  itc.      55 

VerhatwU-tmgen  des  ttrittm  allyrmciiKv  deutschen  Neitphilo- 
logentage*  am  JS.—30.  Sept.  und  1.  Okt.  1SSS  zu  Dresden. 
Herausgegeben  von  dem  Vorstande  der  Versammlung.  Dritter 
Jahrgang.  —  Hannover,  1889.  Carl  Meyer.  —  54  S.  und  t  S. 
Ad  zeigen. 


Dass   der  Besuch    Job  vorzüglich 


geleiteten   und  an  Anregunger 

N.-ii|iliilci!..ir(.:ii(iii;.:ri   hinter   de] 


Wartungen  zurückblieb,  mag  nicht  Mobs  an  dem  Zeitpunkte  der 
uug  gelegen  haben,  sondern  auch  an  einer  gewissen  Über- 
sättigung und  einem  gewi^en  Mis-diMiien  gegen  die  positiven  Ergeb- 
nisse solcher  VerBainmlungcu  überhaupt.  Hin  lilick  auf  die  Teilnehmer- 
liste  lehrt  z.  B.,  wie  wenig  stark  die  größeren  sächsischen  Städte  ver- 
treten waren. 

Das  Misstrauen  war,  wie  das  vorliegende  Heft  auch  denen  be- 
weist, welche  zur  Reise  nach  Dresden  eich  nicht  entschlossen,  nicht 
gerechtfertigt,  und  alle  Teilnehmer  werden  wohl  wenigstens  das  Be- 
wuistsein  mit  von  Dresden  genommen  haben,  dass  sie  sehr  interessante 

E  er  Göttlich«  Beziehungen  angeknüpft  oder  neu  belebt  haben.  Wenigstens 
at  lief.,  der  wohl  (Ge  aller  weiteste  Reise  zurückzulegen  hatte,  seinen 
Augenblick  die  mit  knappem  Urlaub  und  schweren  Strapazen  erkauften 
Dresdener  Tage    bereut. 

Der  vorliegende  Bericht  ist  von  Dr.  Apetz  und  Dr.  Peter 
mit  teilweiser  Unterstützung  der  betreffenden  liedner  verfasBt,  sowie 
von  Prof.  Dr.  Scheffler,  Prof.  Dr.  Wfllker  und  Oberschulrat 
Dr.  von  Sali würk  —  mit  dem  Ref.  der  einzige  südwestdeutsche 
Teilnehmer  an  der  Versammlung!  —  einer  sorgfältigen  Durchsicht 
unterzogen  worden.  Dass  er  überall,  besonders  wo  ob  um  Erörterungen 
sieh  biiTiJe.lt ,  ein  genaues  Bild  von  den  Verhandlungen  giebt,  ist 
nicht  zu  verlangen.  Besonders  bedürfte  der  Bericht  über  den 
Reformnachmittag  und  die  au  Dörr's  Vortrag  sich  anknüpfenden 
Erörterungen  mancher  Berichtigung  und  Ergänzung.  Der  Dörr'sche 
Vortrag  erscheint  hier  jedenfalls  unter  Zensur  dos  Verfassers;  denn 
Referent  vermisst  mehrere  Einzelheiten,  die  er  noch  heule  stenognipliiert 
aufbewahrt,  namentlich  die  Erwähnung  einer  Dame,  die  schon  nach 
Platz  unterrichtet  hatte  und  nicht  nur  in  ihrer  schriftlichen  Prüfungs- 
arbeit „ganz  fürchterliche  Böcke  selioss",  sondern  auch  „mündlich  selbst 
in  der  Formenlehre  gänzlich  Fiasko  machte'',  ferner  die  wenig  sach- 
lichen Angriffe  auf  Tanger  u.  a.  m.  Mau  wende  nicht  ein,  dass  der- 
artiges unwesentlich  sei.  Es  gehört,  ebenso  wie  die  Schrift  Kling- 
hardt's  „Die  Alten  und  die  Jungen"  zur  Charakteristik  des  jetzt 
enthrannten  Kampfes  Wenn  einstmals  der  Sturm  sich  gelegt  haben 
wird  und  eine  wirklich  besonnene  Reform  Platz  greift,  dann  sind 
sicherlich  die  keines  wog-  so  Jugend  liehen  Kndikalen  die  allerersten, 
welche  über  ihre  wohlgemeinten   rednerischen  Verirrungen,  die  Achseln 


welcl 


I  ttu    mit    der 
Verstattung     über 
■kt   man  den  Seiti 
bei  Dr.  Tanger  kurzi 
welche    einzelue    Anleitungen, 

inleiikon   erfuhren,   so   steht 


mehr  oder 
Sammlung  kau 
des  Büchleins  „ 


nehmenden  Dunkelheit  und  Ermüdung  die  Be- 
lie  Reform  erfirterungen  bedeutend  ermattete, 
18  ff.  des  vorliegenden  Berichtes  an.  Wenn  es 
:g  heisst,  er  verteidige  sich  gegen  die  Angriffe, 
—  englischen  Aussprache  in  seinem 
lor    botreffende    Herr  für  den  Leser 


■  lächerlich  da.     Nur    ein   Teilnehmer  i 
nämlich   wissen,   dass   Dörr,    welcher   dem   Verfasser 
usR  der  Sprachunterricht  umkehren?"  irgendwie 


56  Referate  und  Rfnitsioiu-H.     J.  Aymerie. 

beikommen  wollte,  anstatt  einige  Behauptungen  diesen  Büchleins  »nw- 

Keifen,  es  fßr  bequemer  fand,  auf  einzelne  Schwachen  des  „Samcni- 
ÜkoDB"  jo  seinem  rein  pädagogischen  Vortrage  einzugehen.  Dm 
diese,  voni  Ref.  sorgfältig  nächsten ographierte  Stelle  im  Berichte 
fehlt,  macht  die  Tunger'Hche  Erwiderung  ohne  weitere*  überflüisig, 
ja  sinnlos.  Ebenso  steht  Ref.  als  eigensinniger  laudator  temporil  xk 
gebrandmarkt  da.  Die  Hauptpunkte  seiner  kurzen  Ausführungen  lud 
weggefallen,  dass  nämlich  der  Einführung  der  Radikalreform  die 
gros  Ben  Klassen  und  die  Durchschnittsbegabaug  toh 
Lehrenden  und  Lernenden  entgegenstehen.  Dies  ist  noch  heut* 
unsere  durch  zehnjährige  Erfahrung  bestätigte  Ansicht.') 

Der   Eweite  Teil   der  Verhandlungen    geht  liebevoll  auf  die  nen- 

Ebilo  logischen  Ausstellungen  ein,  die  den  wohlverdienten  grossen  An- 
lang    fanden,      und     auf     dou    mit    arÜBbtur    Sui-gi-j.lt     aaaaüun -Ltütu^i 

Katalog,  welcher  eine  reiche  Fülle  schätzenswerter  htterarischer 
Fingerzeige  giebt.  Dass  möglichst  bald  ein  neu  philologischer  Bilder- 
atlas entstehe,  ist  auch  unser  frommer  Wunsch. 

Der  angehängte  Festbericht  mit  seinen  hausgemachten  Liedern 
beweist,  dass  weder  wissenschaftlicher  Ernst,  noch  die  erbitterten  me- 
thodischen Fehden  den  Jüngern  der  neueren  Sprachen  den  Humor  in 
verderben  vermögen.  Eher  möchte  der  Kassenbericht  dazu  imstande 
sein,  wenn  nicht  der  künftige  Neuphilologentag  zwei  ganze  Jahres- 
beiträge sein  nennen  dürfte.  Leider  ist  das  „Verzeichnis  der 
dargebrachten  Drucksachen"  nicht  tadellos.  Abgesehen  von 
ärgerlichen  Druckfehlern  in  den  Namen  (Steinhart  statt  Steinhart, 
Segeklotz  st.  Legerlotz,  Hangen  st.  Hangen,  de  Bauz  st.  de  Beaui, 
Iiiebig  st.  Fiobig,  Türek  st.  Türck  u.  a.)  ist  die  Einteilung  mangelhaft: 
Hahrenholtz  nnd  Ref.  stehen  z.  B.  in  der  Abteilung  „Unterrichts- 
methode" sehr  unverdient  neben  Max  Walter  und  anderen  Reformern, 
beide  als  Herausgeber  je  eines  Bändchens  der  Renger'nchen  Schul- 
bibliothek, während  M.  Hartmann  und  E.  J.  Groth  richtig  unter 
„Litteratur"  stehen.  Ich  glaube,  Herr  Mahre nholtz  teilt  mit  dem  Ref. 
den  Wunsch,  ein  gnädig  Geschick  mOge  uns  beide  vor  der  Unvor- 
sichtigkeit bewahren,  in  den  heissen  Streit  um  Reform  oder  Umstun 
eine  neue  Broschüre  als  neues  Brandgeschoss  hinein zuschlendern.  Die 
Stuttgarter  Versammlung  wird  unzweifelhaft  zeigen,  dass  die  über- 
schänmende  Reformbewegung  sich  zu  klären  beginnt. 

J.  Sarrazin. 


Franzöaische  Übung» -  BibUothefc  Nr.  17.  Geschichte  Friedrieh 
des  Grossen  von  Franz  Kngler,  ausgewählt  und  mit  An- 
merkungen versehen  von  Professor  J.  Marinier.  Dresden, 
1888.    Louis  Ehlermann.    204  3.  kl.  8°.    Preis:  1,50  MV. 

Monsieur  le  professeur  J.  Marmier  nous  donne  le  texte  de  Kngler 
aecompagne'  de  remarques  en  franoais,  comme  le  Dr.  Hangen  l'avait 
donnd  auparavant  avec  des  remarques  en  anglais.  C'est  la  premiere 
fois  qu'un  des  volumes  de  la  Übung $  -  Bibliothek  me  tombe  sous  la 
main,   et  certes,   je  dois  le  dire  en  toute  ve'ribä,   il  a  fait  sur  moi  une 


')  Nebenbei  gesagt,  lehrt  Ref.  seit  Herbst  188U  in  der  Anfänger- 
klasse  des  hiesigen  Gymnasiums  nach  Plattner's  Lehrgang  mit  Ge- 
nehmigung der  Grossh.  Bad.  Oberschul behflrde  und  hofft  im  Herbst 
1890  mehrere  Nachahmer  zu  finden,  da  der  Versuch  günstig   ausfiel. 


Französische  Übungs -Bibliothek.  57 

exceUente   impression.    Cette  histoire   de  Fr6de*ric  le  Grand,    annotäe 

rj.  Marmier,  est  le  meilleur  texte  de  traduction  que  je  connaisse, 
plus  propre  ä  mettre  entre  les  mains  des  eleves  des  classes 
•operieares.  Je  dirais  bien  que  le  texte  allemand  est  6crit  dans  un 
style  remarquable,  si  je  ne  crai^nais  de  me  voir  appliquer  le  pro y erbe 
Ne  suior  uttra  crepidam ;  je  puis  dire  en  tout  cas  que  les  remarques 

3oe  l'^diteur  y  a  ajoutäes  sont  excellentes.  II  n'a  pas  essayä,  comme 
'aacuns  l'aimeiit  tant,  de  changer,  de  torturer  le  texte  pour  l'accom- 
tDoder  au  gänie  de  la  langue  francaise;  il  l'a  consent  tel  quel,  et  il 
a  bien  fait.  En  lisant  les  remarques  qui  l'accompagnent,  on  voit  au 
premier  coup  d'oeil  que  l'e'diteur  parle  bien  le  francais,  et  on  serait 
meme  tente*  de  croire  qu'il  est  Francais  lui-m€me.  Quoi  qu'il  en  soit, 
ce  petit  livre  est  bien  fait.  II  y  a  bien  ca  et  la  quelques  inexactitudes, 
mais  elles  sont  peu  nombreuses,  et  je  me  permets  de  les  lui  signaler. 
P.  4  [umsichtigen  Rat  . .  .  prudetit.J  II  vaudrait  mieux  dire  sage 
en  parlant  d'un  conseü,  et  pruäeni  en  parlant  d'une  personne.  On 
trouve  ä  la  m£me  page:  „une  circonfe'rence  de  4  milles",  et  plus  loin: 
„il  n'avait  pas  dormi  les  3  iours  et  2  nuits  .  . .".  C'est  mauvais  d'änoncer 
ainsi  ces  nombres  par  des  cbiffres:  un  livre  classique  n'est  pas  un 
taute*  d'arithmätique.  P.  5  [garder  comme  sürete  als  Unterpfand.]  II 
fant  dire:  comme  (jage.  Das  Ministerium  wurde  ausser  Thätigkeit  ge- 
setzt [ausser  Thätigkeit  setzen  suspendre.]  Aj outer:  de  ses  fonctions. 
[On  mit  le  scelle  aux  chancelleries.]  On  dit :  mettre  les  scette's,  quoiqu'on 
puisse  dire:  lever  le  scelle.  [Courtois  envers  chacun]  mieux:  envers  tout 
le  monde.  P.  8.  Zugleich  lag  es  .  .  .  La  traduction  que  propose  l'e'diteur 
n'est  pas  bonne.  La  voici:  La  position  des  Saxons  dtait  teile  qu'une 
attaque  de  leur  part  contre  les  Prussiens  devait  6tre  pour  eux  tout 
aussi  plrilleuse  que  vice  versa.  C'est  ce  vice  versa  qui  ne  vaut  rien. 
Pourquoi  ne  pas  dire:  aussi  pe'rilleuse  que  Fötait  pour  les  Prussiens 
une  attaque  contre  le  camp  saxon?  P.  9:  Dem  einen  Korps  entgegen- 
treten [opposerj.  L'eleve  est  induit  ici  en  erreur;  il  faudrait  au  moins 
s'opposer,  et  mieux:  marcher  contre.  P.  11:  [leur  front  et  leur  flanc 
essuyerent  une  vive  fusillade  et  canonnade.J  J'aurais  pröfe're':  une 
fusillade  et  une  canonnade  tres  vives.  P.  14.  [Er  hatte  zu  schwache 
Mittel  in  der  Hand,  ü  rietait  pas  assez  fort]  11  s'agit  de  Fr6de*ric, 
et  il  aurait  mieux  valu  dire:  il  ne  disposait  pas  de  moycns  suffisants. 
En  genäral  l'e'diteur  s'eloigne  parfois  un  peu  trop  de  l'allemand ;  quand 
Texpression  allemande  est  aussi  francaise,  il  faut  la  conserver?  saus 
auoi  on  peut  se  voir  appliquer  le  proverbe:  „traduttore  traditorea. 
Ainsi  ä  la  page  suivante:  das  einzige  Ret  tun  gs  mittel,  le  seul  moyen 
d'lchapper,  au  lieu  de:  le  seul  moyen  de  salut.  Et  trois  lignes 
plus  loin:  der  erste  Versuch  misslang,  fut  sans  svcces;  e'choua 
ne  traduirait-il  pas  mieux?  P.  18  [faire  de  cette  guerre  une  affaire  de 
l'empire  germanique]  =  une  question  d'e*tat  entre  l'Empire  germanique 
et  riglise  catholique.  P.  19.  [Zu  den  schon  vorhandenen  Gründen  des 
Hasses  waren  neue  gekommen,  de  nouveaux  sujets  de  haine  ätaient 
venus  se  joindre  ä  ceux  dejä  existants.]  La  tournure  allemande  serait 
ici  une  beaute*  de  style  et  ferait  disparattre  ä  ce  dejä  existants  qui  ne 
vaut  pas  grand  chose.  J'aurais  dit:  aux  motifs  de  haine  deja  existants, 
ätaient  venus  s'en  joindre  de  nouveaux.  [Seekrieg  guerre  navale, 
Landkrieg  guerre  de  terrej  Cette  derniere  expression  ne  me  semble 
pas  bien  usitäe,  ä  supposer  qu'elle  existe;  il  e*tait  si  facile  de  dire: 
sur  terre  et  sur  mer.  P.  20  [Kunstschätze  sammeln,  faire  collection 
d'objets  d'art.]  Rien  de  plus  juste,  seulement  cette  traduction  ne 
convient  pas  au  texte :   Die  Kunstschätze,   welche   König  August   mit 


58  Referate  und  Rezensionen.     J.  Aymerie, 

grossen  Kosten  getummelt  hatte  .  .  .  =  les  objet«  d'art  que  1«  roi 
avait  re'unit  ä  taut  de  frais ;  collection  et  eoUcctioaner  convieBnenl 
mieui  ä  des  niiirchauda.  P.  22  [nur  Österreich  stand  ihm  drohend 
gegenüber,  l'Aiitricho  soult;  le  regardail  d'un  air  raenacant.]  Ce  rcgantaii 
est  impropre;  il  faudrait  dire:  l'Autriche  aeuie  lui  tenait  Wte  et  1s 
menacait.  P.  23.  [faire  courir  un  bruit.]  Le  mot  bntit  n'etant  pu 
suivi  d'un  qualifieiitil',  il  faut  dire:  faire  courir  le  bruit.  La  phnw 
est  du  reste  absolument  sumbiable  k  celle-ci,  de  Moliere:  „Ne  seraii-lu 
pas  homme  &  faire  courir  le  l/riiit  que  j'ai  de  l'argent  cacW?  P.  a. 
[Dasa  man  dem  Feinde  nur  auf  Umwegen  beikommen  könue,  qu'on  ne 
pouvait  paa  arriver  directemeni  ii  l'enuemi.]  11  Ötait  li  facile  de 
traduire;  qu'on  ne  pouvait  arriver  ä  l'eniienii  qu'eu  fnisimt  un  deUna. 
P.  35.  [attendu  que  le  eöte  de  la  montagne  descenda.it  en  pente  douce 
et  couvert  de  champs  verta  entrMDUpA  d'tita.ngs,   pre"Beutait  nn  abord 

Elus  facile.]  Coinment  le  i'öti!  de  la  montagne  peut-il  avoir  des  itawjs! 
*eau  ne  reste  pas  sur  la /mite  d'unc  montagne.  quelque  itrnice  qu'ellesoit; 
P.  27.  [Der  Mangel  eines  oberen  Befehlshabers  iiess  ihre  Anstrengungen 
zu  keiner  übereinstimmenden  Wirkung  kommen,  rendit  inutiles  tous  lei 
efforts  qu'ils  firent  pour  parvenir  ä  ngir  conjointemeot.]  Üb  ne  faisaient 
pas  des  efforts  pour  agir  conjomlemeiit ;  mais,  faule  dagir  conjointement, 
tous  leura  efforts  furent  inutiles ;  les  efforts  tendaient  a  repouaaer  l'arme> 


P.  28.  [Der  Sieg  war  errungen, 
eile  avait  codte"  beaueoup  de  eang.]  Vielem  est  bien  traduit,  mais  je 
ne  vois  pas  schwerem.  C'est  qu'ü  n'est  pas  facile  de  rendre  cette  ide* 
Bans  prendre  une  autre  tournure:  maie  eile  avait  coüte"  beaueoup  de 
sang,  et  quel  sang!  II  s'agit  de  la  bntaille  de  Prague,  et  Frede™ 
avait  perdu  dii-huit  mille  hommee  et  un  graud  nonibre  de  ge'ne'raux. 
P.  29.  [Ein  baldiges  Ende  nach  seinem  Wunsche  . . .  proche  .  .  .]  II  fant 
dire  prochame  et  conforme  ä  aes  vceui,  au  Heu  de  conformeinenl  ä... 
P.  33.  [u'etre  dßfendu  apparemment  par  aueun  obstaele.]  Dana  une  seconde 
Edition,  il  faudra  dire:  ne  sembler  deTendu  ...  P.  34  [aufmerksam 
machen,  rendre  attentif.]  II  a'agit  du  prince  Maurice  qai  faitmt 
remarquer  ä  Frödenc  le  danger  qui  le  menacait;  cette  expression  ne 
peut,  du  reste,  Jamals  £tre  rendue  par:  rendre  attentif,  dane  le  Hn 
qu'elle  a  ici.  P.  38.  [aus  einem  Pferdeeimer  schupfen,  puiaer  dam  un 
sceau.]  Si  on  veut  rendre  l'allemand,  il  faudrait  ajouter:  dane  lequel 
on  abrenvait  les  chevaux.  P.  39.  [nicht  läuger  auf  etwas  denken 
dürfen,  n'Stre  plua  queation  de  penaer  ä.]  C'eat  mal  dit,  et  penser  est 
impropre;  =  Fre"d!ric  ne  devait  plus  songer  ä.  P.  40.  [die  Unter- 
suchungen zu  erschweren,  rendre  difficile,]  Cette  vereion  eet  fautive; 
erschweren  ne  veut  pas  dire  rendre  difficile,  mais  bien :  plus  difEcile; 
il  a  un  Rena  comparatif;  il  est  evident  que  les  Operations  ötaieot 
difficilea  par  ellea-memett,  maie  Fre'de'ric  voulait  lee  rendre  encore  plm 
difficiles.  On  pourrait  traduire  par  un  verbe  et  dire :  entraver.  [Dieser, 
der  die  Gefahr  drohend  gegen  sich  he  ran  schreiten  sah,  celui-ci,  a 
l'approche  du  danger  qui  le  menacait. J  Pourquoi  ne  pas  traduire  sah, 
et  dire:  ä  l'approche  du  dauger  dout  il  se  voyait  menace"?  [er  mahlte 
hierzu  eine  Strasse  .  . .  il  prit  pour  cela  un  chemiu  .  . .]  D  choisit 
traduirait  mieui  et  ne  serait  paa  moina  bon.  P.  41.  [auf  einer  künerta 
Strasse  gegen  Zittau  vordringen,  parvenir  a.  Zittau  par  un  chemin  plm 
Court.]  Je  crojaia  que  vordringen  gegen  voulait  dire  s'avaneer,  mareher 
conlre  et  non  parvenir  a.  P.  42.  [er  liess  sich  zu  keiner  falschen  Be- 
wegung verleiten,  on  ne  röuseit  paa  ä  lui  faire  faire  un  seul  mouvemeni) 
Avant  mouvement,  il  faut  ajouter  le  mot  faux,  sans  qnoi  ce  n'eet  pas 


Französische  Übungsbücher.  59 

traduit,  et  cela  peilt  ötre  de  plus  un  non-sens.  P.  44.  [die  schon  im 
▼ollen  Anmarsch  begriffen  waren,  qni  s'approchaient  däja,  oder  qui 
eiaient  en  route.J  Mais  ou  est  reste  im  vollen  Anmarsch?  Ne  pourrait- 
on  pas  dire:  qni  s'approchaient  ä  mar  cht s  forcees?  [er  fürchtete,  die 
Österreicher  möchten  ihn  von  Schlesien  abschneiden,  il  craignait  que 
Im  Autrichiens  ne  cherchassent  ä  Veloigner  de  la  Silesie.]  Eloigner 
■'est  pas  juste ;  isoler  rendrait  mieux  la  pensäe ;  on  pourrait  bien  aussi 
eonserver  l'expression  allemande  et  dire  couper.  P.  46.  [die  geregelte 
Tapferkeit  der  Preussen  . . .,  regulier J  C'est  bien  traduit,  et  il  serait 
insense'  de  demander  mieux  d'un  eleve,  et  pourtant  regulier  n'est  pas 
le  mot  propre.  11  me  semble  qu'il  doit  y  avoir,  en  allemand,  une 
petdte  diffe'rence  entre  geregelt  et  regelmässig;  en  tout  cas  le  vrai  terme 
serait  ici  regUmentaire.  A  la  page  48  ermüdet  est  traduit  par  rassasie', 
expression  par  trop  triviale.  P.  50.  [dass  es  dem  Könige  gegeben  war 
(seinen  Gram  in  Worten  auszusprechen,  das  war  es,  was  ihn  befreite) 
que  le  roi  e'tait  capable.]  Cette  traduction  pourrait  bien  6tre  correcte. 
mais  en  tout  cas  eile  est  de  nature  a  tromper  l'eleve  et  ä  lui  faire 
faire  une  grosse  faute.  S'il  commence  la  phrase  par:  que  le  roi,  ce  qui 
est  tres  bien,  le  verbe  doit  ßtre  au  subjonctif;  et  il  y  a  cent  ä  parier 
contre  un  qu'il  däbutera  ainsi.  P.  56.  [welche  als  eine  seltene  Er- 
scheinung .  . .,  comme  une  apparition  nouvellej  Seltene  ne  veut  pas 
dire  nonvelk ;  rare  n'irait  pas  non  plus,  mais  passager  e  traduit  tres 
bien.  II  s'agit  en  effet  des  milices  qui,  pendant  la  guerre  de  Sept 
Ans,  jouent  un  röle  passager,  temporaire.  P.  59.  [Mein  Notariats-Amt, 
dem  ich  nachkommen  muss,  mes  fonctions  de  notaire,  auxquelles  ie 
dois  obetr.]  On  riobe'it  pas  ä  une  fonction;  on  se  contente  de  la 
rempär,  de  Cexercer.  P.  60.  [Friedrich  hatte  Leipzig  gedeckt,  proteger.[ 
le  terme  propre  est  couvrir,  et  il  traduit  bien  l'allemand.  P.  62.  Die 
Stellang  der  verbündeten  Truppen  war  so  wenig  geschickt  gewählt, 
daas  ...  [so  wenig  geschickt,  si  mauvaise].  Encore  une  fois,  ce  n'est 
pae  la  une  traduction;  il  6tait  si  facile  de  dire:  e'tait  si  mal  choisie,  si 
maladroitement  choisie  .  .  .  [gegen  den  dreimal  überlegenen  Feind,  contre 
Pennemi  qui  e'tait  trois  fois  aussi  fort.]  Mieux:  qui  ätait  trois  fois 
superieur  en  nombre.  P.  64.  [eine  Hügelreihe,  une  suite  de  collines.] 
Le  mot  juete  serait:  une  chaine  de  collines,  expression  que  l^diteur  a 
employäe  deux  fois  dans  la  suite.  P.  65.  [ihre  Linien  aufrollen,  deployer 
leurs  liffnes.1  Ici  Täditeur  a  fait  fausse  route;  ce  n'est  pas  leur,  mais 
us  qu'il  fallait  dire,  puisque  le  sujet  est  die  Reiterei,  au  singulier  (die 
Reiterei  sucht  ihre  Linien  aufzurollen).  P.  66.  le  terme  de  General- 
major est  traduit  par  major  general.  Je  ne  pense  pas  que  ce  vocable 
ait  jamais  existe*  dans  l'arm£e  francaise ;  en  tout  cas,  on  dit  aujourd'hui 
general  de  brigade.  P.  67.  [dieselben  (baten  Friedrich  Briefe  unver- 
siegelt) nach  Frankreich  durchzulassen,  de  les  faire  passer  en  France.] 
avec  faire  la  phrase  est  tres  francaise,  mais  je  doute  que  ce  soit  lä 
le  eens,  et  j'aurais  äcrit  laisser,  car  j'imagine  que  ce  n'est  pas  le  roi 
qui  faisait  Toffice  de  facteur;  il  donnait  seulement  aux  blessäs  la 
permission  d'expädier  leurs  lettres  ä  travers  les  lignes  prussiennes. 
P.  68.  [Die  wenig  beliebten  Franzosen,  les  Francais  que  Von  dete statt] 
L'original  dit  seulement :  que  l'on  aimait  pen.  Viele  von  diesen  Liedern 
leben  noch  [im  Munde  des  Volkes,  populaire.J  Mais  l'eleve  doit-il 
traduire:  vivent  populaires?  II  e'tait  si  facile  de  garder  le  texte: 
vivent  encore  dans  la  bouche  du  peuple,  dans  la  langue  du  peuple.  P.  81. 
[Friedrichs  Verfahren  war  im  vollsten  Sinne  künstlerisch,  ingenieuxj 
Ingenieux  s'applique  mieux  ä  la  personne  qu'au  proc£d£;  au  reste  la 
vraie  traduction  est:  conforme  ä  toutes  les  regle s  de  Vart.    P.  82.  [Die 


60  Referate  und  Raensumai,     F.   Tendering, 

Kräfte  stählen,  trcmpcr.)  Getto  expression  ne  peut  pas  aller  et  il  mit 
mieux  valu  dire:  fortifier  le  Courage.  P.  83.  (aufsuchen,  aller  ä  k 
recherche.J  II  est  dit  dans  le  texte!  FriecrrtCO  suchte  die  Strasie  nach 
Liesa  auf;  on  ne  peut  donc  pas  traduire  alter  ä  la  recherche,  car  il 
savait  tres  bien  oü  ae  trouvait  cette  route.  Dites:  Fr6d6ric  gagna  U 
rollte  de  LiBBii.  P.  86.  [Dem  Geling  eine  wunderbare  Feierlichkeit 
geben,  rendre  )<•  ehant  eweepttotuuäiment  solcnnel.]  Mieux:  donner  au 
chant  um  solenmle  adma-aWe.  f.  9S.  [wenn  auch  Sachsen  starke  Kontri- 
butionen zahlte,  UiitrdesJ  Ca  n'eet  pas  lourtl  qni  convient  ici,  maia  bien 
fort.  Ces  contributions  ätaient  bien  lourdes  pour  la  Saie  —  et  ce  n'eit 
pas  lä  le  Bens  — ,  maia  elles  ätaient  fortes,  considerables  pour  le  roi 
de  Prusse.  P.  96.  [le  Service  du  commissoria!  mal  Organist.]  Ce  terms 
la  ne  signifie  plus  que:  mtendance.  P.  97  [Daun'e  Rüstungen  warn 
noch  auf  kein«  Weise  vollendet,  sur  aueun  point  oder  en  attaau 
maxiere .]  Mais  ces  dem  manierea  de  s'exprimer  ne  sont  pas  synonyme»; 
la  prsmicre  repond  a  un  adverbe  de  Heu,  la  deoxieme  i  an  adverbe  d« 
moniere;  elles  seraient  ögales  si  on  avait  dit:  en  auenn  point,  au  lies 
de:  sur  aueun  point.  II  faut  traduire:  etaient  loin  ditre  eompütu. 
fvorgefasste  Meinung,  premiere  td£e.]  Dites:  pre'confiie.  P.  98.  [So 
schnell  aber  die  preußische  Armee  in  Mähren  eingerückt  war,  so  lang- 
sam folgte  der  schwere  Train,  mais  aussi  rapidem  eilt  que  .  .  .  anss 
lentemeut .  . .]  Cette  traduetion  semble  na  tiafai  Baute  au  premier  conp 
d'ceil,  et  pourtant  eile  est  mauvaiBe:  j'avoue  qu'elle  est  difficile,  et  je 
propose  la  soivante;  Mais  si  l'arraee  prusaienne  avait  passe"  rapi dement 
en  Moravie,  il  n'en  Ctait  pas  de  mßine  du  train  des  e'quipages,  qni 
etait  fort  lourd  et  ne  pouvait  suivre  que  lentement.  P.  103.  [durch 
Zaudern  siegen,  vaincre  par  la  priuiencej  II  est  ici  qnestion  d'nne 
mlduille  frappee  en  l'honneur  du  „deutschen  Fabiun  Maiimus"  (Dann). 
Zaudern  ent  donc  6t6  mieux  traduit  par:  en  temporisant  (Fabias  le 
Temporiseur,  Fabius  eunetator.)  P.  108.  [einen  zu  schwerer  Verant- 
wortung ziehen,  faire  assumer  ä  quelqu'un  nne  lonrde  responaabiliti.] 
Ce  n'est  pas  cela:  =  faire  rendre  ä  quelqu'un  de«  comptea  KeWeros. 
P.  119.  [agir  offensivemenl  contre.]  =  perdre  [offensive  oontre .  .  .   P.  131. 

idae  Schauspiel  eines  feindlichen  Exerzierplatzes  vor  sich  sehen,  voir 
e  spectacle  d'une  paisible  place  d'exercice]  =  le  spectacle  d'une  armes 
Be  monvant,  manceuvrant  paisiblenient  aur  la  place  d'armes,  sur  la 
place  d'exercice.  P.  138.  [ooreb  den,  ensuite  duquel]  =  ä  la  tuite; 
ensuiUs  n'est  usite"  que  dans:  ensuite  de  cela,  ensuite  de  quoi.  P.  141 
[qui  avait  etä  choisi  comme  sueeeeseur  de  St.  Pierre]  s=  ein  oder  qni 
e*tait  monte1  cette  annee  lä  sur  la  Chaire  de  St.  Pierre  [einen  Degen 
mit  goldenem  Knopfe,  nne  epee  a  la  pomme  d'or]  on  doit  dire: 
pommeau. 

Ponr  terminer,  je  prie  le  lectenr  de  me  permattre  une  petita 
digression ;  eile  ne  manque  pas  d'utilitä,  et  je  veux  tficher  de  la 
rattacher  au  sujet  de  cet  article.  Dane  les  dem  dernieres  pages  de  es 
volume,ileat  beaucoupqueation  de  l'Cgliae  catholique,et  l'e'diteur  a  tronrd 
partout  lea  termes  justes,  ce  qui  est  bien  rare  dans  lea  livrea  acutes  par 
des  Alletnands  et  que  noua  mettons  entre  les  maina  des  (Hevea.  Dans  les 
uns  (Velhagen  et  Klaeing],  il  eat  dit,  pour  expliquer  le  mot  viyres:  Abend- 
messe, bien  que  la  messe  ne  pnisse  ßtre  dite  gu'avant  midi;  dans  d'autrea 
(Seemann),  on  trouve  que  le  chemin  de  la  croix  a  1!  Bilder,  welche  die 
12  Leiden  Christi  darstellen.  Le  cbemin  de  la  Croix  a  quatorzc  etations 
(Bilder)  et  lea  souffrancee  du  Christ  ne  sont  pas  au  nomhre  de  dovze. 
Dans  on  autre  (Weidmann),  on  lit:  peche  mortel,  Todsünde.  Die  kathoksche 
Kirche   nimmt    sieben  Todsünden    an:    Hochmut,    Geiz,    Wollust,    Zorn, 


F.  Koldewey,  Französische  Synonymik  für  Schuten.  61 

Völlerei,  Neid  und  Trägheit  des  Herzens.  Tonte  cette  tirade  denote 
nne  pietre  connaissance  de  la  doctrine  de  l'figliee  catholique;  eile 
n'admet  pas  sept  pe'che's  mortels,  et  ränumeVation  que  nous  fait  l'auteur 
est  celle  des  sept  pe'che's  capitaux,  lesquels  ne  sont  pas  des  pächls 
mortels.  Dans  le  JHctionnaxre  de  Sachs  lui-m6me,  qni  est  si  bien  fait, 
on  trouve  au  mot:  „ordonner":  Jdem.  die  Priesterweihe  geben  =  die 
letzten  Sakramente  erteilen;  mais  administrer  les  derniers  sacraments 
veut  dire  en  francais:  einen  Sterbenden  mit  den  Sakramenten  versehen, 
et  rien  de  plus.  Ce  sont  lä,  si  Ton  veut,  des  choses  qu'il  est  inutile 
de  relever,  car  elles  n'intäressent  pas  l'eleve;  soit,  mais  ces  erreurs 
deparent  au  moins  un  livre,  et  je  conseille  aux  £diteurs  des  livres  de 
lecture  de  prendre  plus  de  präcautions  pour  s'orienter.  Je  me  rappelle 
avoir  deja  dämontrl,  dans  cette  Revue  mßme,  que  Plötz  et  Loewe,  dans 
leurs  grammaires,  avaient  horriblement  massacr^  le  „Notre  Pere.tf 

J.  Aymeric. 


KoMewey,    Friedrich,    Französische    Synonymik   für    Schulen. 
8.  Auflage.    Wolfenbüttel  1888.    Julius  Zwissler.     219  S.  8°. 

Die  im  Jahre  1877  erschienene  erste  Auflage  der  französischen 
Synonymik  Koldewey's  enthielt  230  synonymische  Gruppen,  die  heute 
vorliegende  dritte  Auflage  ist  auf  deren  564  angewachsen,  gegen  540 
in  der  zweiten  Auflage.  Die  Vermehrung  des  Umfange 8  hat  auch  eine 
Verschiebung  der  Aufgaben  des  Buches  im  Gefolge  gehabt.  Während 
die  erste  Auflage  allein  ein  Hilfsmittel  für  den  Schüler  sein  sollte, 
ist  das  Buch  jetzt  auch  für  Studierende  und  für  „angehende  Lehrer  des 
Französischen"  bestimmt.  Als  Nachschlagebuch  bei  ihren  schriftlichen 
Arbeiten  wird  dieses  Buch  die  Schüler  der  oberen  Klassen  selten  im 
Stiche  lassen,  vor  einem  weiteren  Gebrauch  des  Buches  im  Unterricht, 
also  vor  einer  Erhebung  der  Synonymik  zu  einem  besonderen  Unter- 
richtezweig, möchte  ich  trotz  der  Vorzüglichkeit  des  Buches  warnen. 
Synonymische  Belehrung  kann  unmöglich  anders  als  im  Anschluss  an 
bestimmte  im  Unterricht  auftretende  Beispiele  gegeben  werden.  Es 
mus8  in  gemeinsamer  Arbeit  aus  dem  gegebenen  Beispiele  und  dem, 
was  der  Schüler  bereits  kennen  gelernt  hat,  auch  ohne,  dass  er  zu 
einer  scharfen  Erkenntnis  und  Unterscheidung  gekommen  wäre,  mög- 
lichst ausgehend  von  der  Etymologie  der  synonymische  Unterschied 
entwickelt  werden.  Derselbe  ist  dann  in  eine  knappe,  dem  Schüler 
verständliche  Form  zu  bringen,  welche  naturgemäss  nicht  immer 
wissenschaftlich  vollkommen  genau  sein  kann.  Das  Lehrbuch  kann 
dann  nur  als  Hilfsmittel  bei  der  Wiederholung  und  zum  Nachschlagen 
dienen.  Diesen  Aufgaben  wird  das  Buch  durch  seine  ganze  Anlage 
und  Ausführung  gerecht,  und  als  Nachschlagebuch,  um  bereits  Be- 
kanntes im  Gedächtnis  wieder  aufzufrischen ,  kann  es  als  ein  vorzüg- 
liches Hilfsmittel  empfohlen  werden. 

Zum  eigentlichen  Studium  der  Synonymen,  wie  es  von  „Studieren- 
den der  modernen  Sprachen,  sowie  von  angehenden  Lehrern  des  Fran- 
zösischen" betrieben  werden  muss,  erscheint  das  Buch  weniger  geeignet, 
weil  die  wenigen  beigegebenen  Beispiele,  welche  zur  Verdeutlichung 
der  aufgestellten  synonymischen  Unterschiede  ausreichen,  die  eigene 
Ableitung  derselben  nicht  ermöglichen. 

Dass  die  Etymologie  der  französischen  Wörter  beigefügt  ist, 
muss  als  sehr  dankenswert  bezeichnet  werden,  indessen  hätte  der 
Verfasser  hierin  etwas  sorgfaltiger  sein  können  und  nicht  ganz  sichere 


62  Referate  und  Rezensionen.     F.  Tendermg, 

Etymologien  uls  solche  durcbgebends  bezeichnen  oder  ganz  wegluwn 
■ollen.  Aach  au  unrichtigen  Angaben  fehlt  es  hier  nicht,  z.  B.  ttntrna 
=  tour  +  aticitm  S.  Hfl,  siijiml  =  sii/nnculum  S.  19,  pdtre  =  paitore* 
mit  der  Beton  ritig  pmlörem  S.  102  etc.  Tn  dem  zuletst  angeführt« 
Falle  ist  ein  Akkusativ  unbegründet  er  weise  angesetzt,  während  d« 
Verfasser  sonst  recht  oft  die  Nominativ -Form  als  Etymon  beibehält 

Im  allgemeinen  würde  ich  eher  geneigt  sein,  einer  Verminderung 
alt  einer  Vermehrung  des  Stoffes  da*  Wort  zu  reden,  denu  das  Buch 
enthalt  in  der  Tbut  mniiulm  Eyiiouyuiiacbe  Grup^tjj,  die  besonden 
feine  Unterschiede  der  Bedeutnng  vertreten,  wie  sie  in  der  Praxis  des 
Schülers  höherer  Lehranstalten  nicht  vorkommen  oder  deren  Kennbüi 
derselbe  durchaus  entbehren  kann;  z.  B.  Begierde  cupidite ,  avitHU, 
convoitise,  concupiscence ;  Liign  menstmge.  meuterte;  Massigkeit  /hrpe- 
lili,  sohnete",  temperance,  moäicite,  Sparsamkeit  iconomie,  menugt, 
epargne,  poreimouie ,-  Brief  e'pitre,  lettre,  missive  u.  a. 

Dem  gegenüber  äussere  ich  ganz  wenige  Wünsche  nach  Er- 
gänzungen: b.  v.  annehmen  wäre  auch prendre  zu  erwähnen  in  der 
Bedeutung  sieb  inlegen  z.  B.  einen  Titel,  oder  eine  Miene  auf 
setzen;  s.  v.  bestimmen  vermisse  ich  tUcider.  dessen  Bedeutung 
kaum  von  de  terminer  abweicht;  s.  v.  heben  möchte  ich  bei  teter 
hinzufügen:  aus  dem  Wege  räumen  (ein  Hindernis).  Endlich  mochte 
ich  neu  aufgenommen  wissen  die  Gruppen:  brauchen  emptoyer,  u 
servir  de,  avoir  beitritt  de;  erhalten  reeevob-,  obtenir;  beschließen 
conclure,  resoudre.  Es  sind  dies  alles  zwar  sogenannte  Stflmper -Syno- 
nyma, aber  das  haben  sie  mit  manchen  andern,  die  aufgenommen 
worden  sind,  gemein. 

Macht    so   das   vorliegende    Buch    für    denjenigen,    welcher    sich 
selbst   ein   Urteil    bilden   will,   das    Studium    grosserer    synonymischer 
Werke  nicht  überflüssig,  so  kann  dasselbe  doch  innerhalb  des  von  nn 
bezeichneten  Rahmens  als  recht  brauchbar  empfohlen  werden. 
F.  Tesdeeing. 


Bosnier  hat  bei  dem  Unterricht  nach  der  „sog.  Aoschaunngs- 
methode"  gefunden,  dass  die  meisten  der  Lehrbücher,  welche  dieser 
Methode  dienen,  die  grammatische  Seite  zn  wenig  berücksichtigen 
und  dass  dieselben  „teilweise  auch  das  für  die  Sprech-  und  Schreib- 
Uebnngen  unbedingt  notwendige  Wörterbuch  vermissen  lassen".  Um 
diese  von  ihm  empfundene  Lücke  auszufüllen  hat  der  Verfasser  die 
wichtigsten  grammatischen  Regeln,  sowie  ein  französisch  -deutsche* 
und  ein  deutsch -französisches  Wörterverzeichnis  zusammengestellt. 

Das  Buch  beginnt  mit  einer  Ueberaicht  über  die  Laute  und  die 
Schrift  zeichen,  bei  der  eine  schulgemässe  Verwendung  der  wichtigsten 
Ergebnisse  der  Lantphysiologie  zu  rühmen  ist.  Die  Anordnung  sowohl 
wie  die  beigefügten  Beispiele  zeigen,  dass  dieser  Abschnitt  eine  syste- 
matische Zusammenstellung  des  bereits  am  Lesestoff  bezüglich  der 
Aussprache  Erlernten  sein  soll. 

Der  grammatische  Teil  des  Buches  enthält  eine  Auswahl  ans 
der  Formenlehre  mit  Hinzufügung  einiger  sehr  wichtiger  syntaktischer 
Erscheinungen ,  der  wir  an  sich  unser  uneingeschränktes  Lob  nicht 
vorenthalten. 

Was   im    einzelnen    die    Behandlung    des    Verbums    angeht,   so 


Fr.  W.  Hermanni,  Questionnaires.  63 

fordert  zunächst  die  Theorie  von  „Kennformen"  und  „Ableitungen" 
Widerspruch  heraus.  Wozu  diese  ganze,  aller  historischen  Gram- 
matik entgegenstehende  Unterscheidung,  wo  die  einfachen  Zeiten 
ganz  leicht  durch  Anhängung  von  Endungen  an  den  Stamm,  bezw. 
durch  Zusammensetzung  von  Infinitiv  und  dem  Präsens  von  avoir  ge- 
bildet werden  können.  Diese  Theorie  hat  der  Verfasser  bei  den  „un- 
regelmässigen  Verben"  ganz  hübsch  durchgeführt.  Vermöge  der  An- 
führung von  betontem  und  unbetontem  Stamm  kann  fast  alles,  was 
unregelmäpsig  scheint,  erklärt  werden.  Gleichmässigkeit  ist  zu  ver- 
missen, wenn  der  Verfasser  bei  dormir,  servir,  sentir  auf  die  Veränderung 
des  Stammes  vor  Konsonanten  (s.  t.)  aufmerksam  macht,  während  bei 
taloir,  pleuvoir,  mettre  u.  a.  ein  Hinweis  darauf  unterbleibt. 

Das  Buch  wird  allen  den  Lehrern  des  Französischen  will- 
kommen sein,  welche  die  Lektüre  zum  Ausgangspunkt  des  französischen 
Unterrichts  machen  und  doch  auf  eine  systematische  Zusammenfassung 
der  grammatischen  Erscheinungen  nicht  Verzicht  leisten  wollen,  obwohl 
nicht  verkannt  werden  darf,  dasB  die  meisten  Lehrbücher,  welche  der 
von  Boerner  empfohlenen  Methode  dienen,  auch  in  grammatischer  Be- 
ziehung das  Notwendige  bieten,  so  dass  ein  so  grosses  Bedürfnis  für 
das  Buch  Boerner's  mir  nicht  gerade  vorzuliegen  scheint. 

Nun  zum  Wörterbuch!  Ich  stehe  demselben  ziemlich  ratlos 
gegenüber.  Was  soll  dasselbe?  Wie  es  scheint  will  der  Verfasser 
ein  Wörterbuch  liefern,  das  unter  allen  Umständen  für  den  Anfangs- 
unterricht genügen  soll,  welcher  Lesestoff  auch  immer  demselben  zu 
Grunde  gelegt  werden  mag,  vorausgesetzt,  nur  dass  dieser  Unterricht 
Anschauungsunterricht  ist.  Es  ist  unbestreitbar,  dass  der  Verfasser 
im  Hinblick  auf  die  zu  Grunde  gelegte  Methode  des  Unterrichts  eine 
geschickte  Auswahl  getroffen  hat,  aber  ob  dieselbe  nun  im  Unterricht 
ausreichen  wird,  ist  zu  bezweifeln.  Freilich  würde  da  die  Praxis  allein 
entscheiden  können.  Wenn  daher  im  Vorworte  zu  lesen  wäre,  dass 
das  Wörterverzeichnis  aus  mehrjähriger  Praxis  hervorgegangen  ist,  so 
hatten  wir  Veranlassung,  grösseres  Vertrauen  zu  hegen,  als  wenn  uns 
gesagt  wird,  dass  „die  Grundlage  für  das  Wörterverzeichnis  das  ency- 
klopädische  Wörterbuch  von  Sachs  -Villatte  bildet11. 

F.  Tendering. 


Hermann!,  Fr.  W.,  Questionnaires.  Ergänzungsheft  zu  dem  fran- 
zösischen Elementarfmch  von  Hermann  Breymann  und  Hermann 
Möller.     München,  1889.     Oldenbourg. 

Zu  den  einzelnen  Lektionen  des  Breymann-Möller'schen  Elementar- 
buches giebt  Hermanni  hier  eine  Verarbeitung  in  Frage  und  Antwort, 
oder  richtiger  eine  Erweiterung  der  bereits  von  den  Verfassern  jenes 
Buches  beigefügten  Questionnaires  und  zwar  mit  Wiederholung  aller 
derjenigen  Fragen,  welche  dieselben  dort  schon  aufgestellt  haben. 
Ober  die  Art  der  Verwendung  des  Buches  spricht  sich  der  Verfasser 
nicht  aus.  In  der  Hand  des  Lehrers  würde  es  diesem  die  Mühe  er- 
sparen, selbst  die  Frage  zu  bilden,  wobei  dann  allerdings  nicht  recht 
einzusehen  iBt,  warum  Hermanni,  wie  es  leider  auch  Breymann  und 
Möller  selbst  thun,  die  Antwort  auf  die  französische  Frage  in  deutscher 
Sprache  beigefügt  hat.  Das  Buch  ist  aber,  gerade  herausgesagt,  eine 
Eselsbrücke  für  den  Lehrer,  dem  Hermanni  durch  seine  Veröffent- 
lichung ein  nicht  sehr  schmeichelhaftes  Zeugnis  ausstellt.  Meines  Er- 
achten«  mit  Unrecht,    denn   es   dürfte    doch  höchstens  in   den   leider 


64  Referate  und  Rezensionen,     ff.  Ricken, 

allerdings  an  Gymnasien  immer  noch  vorkommenden  Füllen,  diu 
klaaaischa  Philologen  oder  Mathematiker  noleus  volens  zur  Erteilung 
des  französinch'.'ii  tlaterrlebta  verurteilt  werden,  vorkommen,  dnii  ein 
Lehrer  des  Französischen  sich  nicht  fähig  bekennen  inuaa,  (selbständig 
Sprechübungen  an  äug  Gelueenü  anzuscnliesBen.  Für  diese  Art  tob 
Anstalten  ist  aber  das  iireymaim-Möller'eche  Bach  nicht  berechnet. 

In  der  Hand  des  Schülers  dürfte  das  Buch  ceinem  eigentlichen 
Zwecke  geradezu  verderblich  sein,  denn  statt  der  Sprechübungen 
würden  wir  eine  Übersetzung  erhalten,  im  besten  Falle  eine  auswendig 
gelernte.  j»    Tenderinq. 


KoCh,  C,    Hilfsbuch   zur    Krkruuiu]  dar   rtttrtyc/miissyci  französische* 

Zeitwörter.    Bayreuth  18B9.     Ernst  Schmidt.     IV,  34  S.  in  6» 

50  Pf. 

Das  Büchlein  ist  für  die  Bedürfnisse  der  Schule  geschrieben 
und  von  diesem  Standpunkte  aus  sicher  mit  Freude  zu  begrutMn. 
Unbekümmert  um  die  immer  noch  unklaren  Forderungen,  welche  die 
wissenschaftliche  Theorie  an  die  Einteilung  der  französischen 
unregelm assigen  Zeitwörter  stellt,  war  der  Verfasser  bestrebt,  du 
pädagogische  Prinzip,  vom  Leichteren  zum  Schwereren  fortzuschreiten, 
in  seiner  Arbeit  zur  Durchführung  zu  bringen.  Er  stellt  zuerst  die 
Hegeln  der  Ableitung  fest  und  bringt  dann  in  der  I.  Abteilung  die 
Verba,  deren  abgeleitete  Formen  sich  ausnahmslos  aus  den  tob 
ihm  aufgestellten  Grundformen  herleiten  lassen.  Die  II.  Abteilung 
enthalt  die  Verba,  deren  abgeleitete  Formen  sich  nnr  zum  Teil  Mi 
den  Grundformen  entwickeln  lassen.  Sie  ist  in  drei  Klassen  eingeteilt 
und  zwar  so,  dass  die  Zahl  seiner  unregelmassigen  Formen 
allein  bei  der  Klassifizierung  des  einzelnen  Verbums  ausschlaggebend 
war.  Daher  kam  es  denn  auch,  dass  so  wichtige  Verba  wie  faire, 
pouvoir,  avoir,  fast  an  den  Schlüsse  des  Buches  zu  stehen  kommen. 
Im  Einzelnen  wäre  zwar  hier  und  da  an  der  Arbeit,  auch  vom  Stand- 
punkte des  Verfassers  aus,  noch  in  bessern,  wie  z.  B.  Abteilung  I  A, 
Gruppe  2  vor  Gruppe  1  stehen  könnte.  Aber  im  Uanzen  dürfte  das 
Büchlein  seinem  Zwecke  vollkommen  entsprechen,  und  es  wäre  tu 
wünschen,  dass  es  in  der  noch  immer  zu  erwartenden  französischen 
Mustergrammatik  gebührende  Berücksichtigung  finde. 

£.  Dannheibbeb, 


Strien,  Dr.  O.,  Die  unregelmassigen  französischen  Zeitwörter  nebst 
einem  Abrist  der  französischen  Syntax.  8.  Auflage.  Engen 
Strien.    Halle.     1889.    34  S.     SO  Pfg. 

Der  Verfasser  hat  das  Büchlein  1883  zum  ersten  Male  im  Auftrags 
dea  Direktoriums  der  Francke'schen  Stiftungen  zum  Gebrauche    in  der 

obersten  Klasse  der  Bürgerschulen  dieser  Stiftungen  herausgegeben.  Da 
auf  der  vorhergehenden  Stufe  das  Elementarbuch  von  Plcets  gebraucht 
wird,  so  war,  wie  Verf.  sagt,  ein  möglichst  enger  Anschlusa  an  dasselbe 
geboten.  Nach  dem  Vorwort  hat  das  Schriftchen  inzwischen  "auch  in 
anderen  Schulen  Eingang  gefunden.  Die  2.  Auflage  hat  nnr  einige  kleine 
Zusätze  erfahren. 

„Im  ersten  Teile  soll  dem  Schüler  Bekanntschaft  mit  der  unxegfil- 
massigen  Konjugation,  deren  Kenntnis  für  die  zusammenhängende  Lektüre 


ti.  Strien,   Üie  unregelmässigen  fre 


üscheo  Zeitwörter  etc. 


66 


notwendig  ist,  in  anregender  Weise  durch  Anknüpfung  etymologischer 
und  phraseologischer  Bemerk uugen  erleichtert  werden.  Während  jene  dazu 
dienen,  den  Vokabelschatz  des  Lernenden  angemessen  zu  erweitern,  sollen 
die*e  su  einer  erapriesjdichea  Verwendung  der  gelernten  Formen  anleiten." 

„Der  zweite  Teil  «oll  die  Unterlage  für  die  Erörterung  der  wich- 
tigsten syntaktischen  Kegeln  bilden.  Es  wird  Aufgabe  des  Lehrers  aein, 
durch  zweckmässige  Zusammenstellung  der  bei  der  Lektüre  vorkommen- 
den Beispiele  das  ihnen  zu  Grunde  liegende  Gesetz  von  den  Schülern 
finden  zu  lassen  und  es  in  die  hier  gegebene  Fassung  zu  kleiden.  All- 
mählich werden  dann  (alles  in  den  sinn  JTunf  1)  verwandte  Erscheinungen 
zu  grösseren  Gruppen  vereinigt,  in  ihrem  Zusammenhange  erläutert  und 
durch  mündliche  und  schriftliche  Übersetzungen  aus  dem  Deutschen  ein- 
geprägt werden.  Die  kurzen  Beispielsätze  sind  ebenso  wie  die  Redens- 
arten des  ersten  Teiles  vorwiegend  der  Sprache  des  täglichen  Lebens 
entuommen,  um  auch  zu  leichten  Sprechübungen  anzuregen," 

Ich  denke  mir,  das»  die  Bürgerschulen  der  Francke'schen  Stiftungen 
dreiklassige  Mittelschulen  sind,  in  denen  eine  Fremdsprache  gelehrt 
wird.  Das  Elementarbuch  von  Ploatz  wird  also  vermutlich  in  den  beiden 
ersten  Jahren  durchgeackert  und  in  dem  dritten  und  letzten  Jahre  prägen 
sich  die  Schüler  alle  die  nnregelmässigeu  Verben  mit  zahlreichen  Kom- 
posita, Substantiven,  Adjektiven.  Redensarten  und  Sprüchen  ein,  warum? 
—  —  —  damit  sie  Zusammenhängendes  lesen  können  (!).  Dazu  kommt 
dann  ein  sonst  recht  gefalliger  Abriss  der  Syntax,  dessen  kurze,  wie  die 
Redensarten  de»  ersten  Teiles,  vorwiegend  dem  täglichen  Lebens  ent- 
nommenen Beispielsätze  (firt  t< '»tpi-mir ;  j\.tt;/e  q<i?  vous  KiyeZ  attentifs; 
quoi  qu'it  en  soit ;  il  faut  manger  pour  vinre,  et  um  pas  vivre  poiir 
manger ;  reflechissez  avtott  de  repondre,  etc.  etc.)  auch  noch  zu  leichten 
Sprechübungen  anregen  sollen  (!). 

Um  einigermaßen  zu  zeigen,  wie  das  Buch  „dem  Schüler  die  Be- 
kannUchnft  mit  der  un regelmässigen  Konjugation  in  anregender  Weise 
durch  Anknüpfung  au  etymologische  und  phraseologische  Bemerkungen 
erleichtert",  setze  ich  einige  Stellen  aus  demselben  hierher. 

8.  7  (zu  tenir  und  8  seiner  Komposita)-  tiens-toi  droit  halte  dich 
gerade!  fesir  sa  parole  sein  Wort  halten,  tenir  Iton  oder  forme  stand- 
halten, tenir  Ute  ä  q.  einem  die  Spitze  bieten,  pour  qai  me  tenez-vous  für 
wen  halten  Sie  mich?  lenez-vous  le  pour  dit  lassen  Sie  sich  das  gesagt  sein. 
Je  tiens  a  vous  dire  es  liegt  mir  daran,  Ihnen  zu  sagen,  il  ne  tient  qu' 
ä  vovt  ee  kommt  nur  auf  Sie  an,  —  la  tenue  die  Haltung;  der  Anzug; 
die  Buchführung,  k  mmntwn  dio  Haltung,  der  Anstand,  la  contenance 
die  Fassung,  la  lelenue  die  Zurückhaltung,  elre  en  reteiiue  nachsitzen. 
fabslinence  f.  die  Enthaltsamkeit,  un  entretieti  eine  Unterhaltung,  le  con- 
tent/ der  Inhalt,  le  cantinent  das  Festland,  le  soulien  die  Stütze,  le* 
tenmUes  f.  die  Zunge,     le*  petits  presettts  entretiennent  Familie,     (Prov.) 

1  12  (zu  faire  und  7  oder  8  seiner  Komposita) :  faire  attention  ä  >/clt. 
ntiim  de  geh,   etwas  erwähnen,     faire  '■" 


auf  etwas  achtgeben,     faii 
discours  eine  Rede  halten,     faire 
faire  faumöne   f.  Almosen   geben 
Bändel   treiben,    faire   la  guerrn  i 
la  paix  Frieden  schliessen.   faire  in 
ta  malle  seinen  Kolfer   packen. 
IPror.) 

schlechtes   Wetter,     quet    temps   fait-ii   aujourd'hui   was    für  Wetter   ist 
heute?     U  fait  jour,   nuit   es   int  Tag.   Nacht.    -    faire   mit   inf.   lassen 
(bewirken),    faire  tenir  kommen  lassen,    je  me  tili*  fait  faire  une  paire 
Ziclu,  t.  in.,  apr.  u.  Litt.  XII*.  5 


Com» 


i  schwören,    faire  msm  geloben. 

merce  de  ijcli.  mit  etwas 

em   Krieg   führen,     faire 

)  Besuch  abstatten,  faire 

I  fait  ton   Hl,   on   se   couche. 


il  fait  (impers")  zur  Bezeichnung  der  Witterung:  il  fait  chaud, 
t   heisa,    kalt,     il   fait    brau,    mauvnit    temps   es    ist   schönes, 


68  Referat*  und  Rezensu 

de  hottet  iah  habe  mir  ein  Paar  Stiefeln  machen  lassen,  il  im  fait  pe 
jatter  er  spielt  immer  nur.  le  fait  die  Tbat(-siiche).  tont  ä  fait  gHoilich. 
iafmcon  die  Form,  Art.  saus  facons  ohne  Umstände,  fndle  leicht. 
diffieäe  schwierig,     la   faciüte.     ta   iliffieiäte.     le  facteur  der  öriefWg«. 

—  Cafftrare  f.  die  AngeleRenlieit.  Sache,  nvoir  affaire  ä  q.  mit  einem 
zu  thun  haben.  —  la  cuntre-facon  der  Nachdruck  («ine»  Buches),  la  äefätt 
die  Niederlage,  parfait  vollkommen,  impnrfait  unvollkommen,  la  prr- 
fection  die  Vollkommenheit,  perfectiomier  vervollkommnen.  —  le  bin- 
fait  die  Wobltbat.  te  bienfaitcur  {(.-Irice)  der  Wohltbäter.  bienfauM 
wohlthätijr.  le  malfaitetir  der  übelthäter.  —  les  con/itures  S,  das  Eügt- 
machte,  Konfekt,  le  conjitw  der  Zuckerbäcker,  la  confistri*  die  Kon- 
ditorei,    inffisarit  genü^nn!;  si;!!>'i^ct',i:li^ ;  riixirf/iytiHt  nn/.u reichend. 

Man  decke  sich  bti  Jl'Jl'uj  i.in[L,yuJnij.-_siyi.'U  VrrLi  ili<_- j;.j..k*usnrleL  uud 
Worte  entsprechend  gehäuft,  and  man  wird  Überaeugt  »ein,  daas  da«  Bach 

—  Honnt  in  seiner  Art  ganz  nett  —  als  Lehrbuch,  und  noch  dam  als  ein 
den  Unterricht  abseht jenen den  Lehrbuch,  völlig  verfehlt  ist.  Die  Bürgcr- 
schulen  der  Francke'schen  Stiftungen  (und  Ähnliche  Anstalten)  sollton  dan 
Plcetx,  dessen  ganze  Anläse  ihrem  Direktorium  den  Gebrauch  eines  solchen 
Hilfsmittels  nötig  eu  machen  schien,  schleunigst  über  Bord  werfen.  Aber 
auch,  wenn  dies  nicht  geschähe,  würde  ich  den  Unterricht  de*  3.  Jahres 
ganz  wesentlich  anders  einrichten.  Ich  würde  nach  wirklich  anregenden 
einfachen  französischen  Master-  und  Lernstoffen  Buchen  und  an  diese 
alle  sprachlichen  Übungen  anschliessen.  Davon  hätten  die  Zöglings 
jener  Bürgerschulen  weit ,  weit  mehr  fflr  ihre  unmittelbare  geistige  und 
sittliche  Ausbildung,  wie  auch  für  ihr  späteres  Leben.  Qlanbt  man  denn 
im  Ernste,  die  armen  Jungen  oder  Mädchen  «Orden  einen  irgendwie 
nennenswerten  Teil  jener  Redensarten  auch  nur  ein  Jahr  lang  behalten? 
Glaubt  mau  wirklieb,  an  diesen  Wust  von  Einielsätten  lieasen  sich  fracht- 
bare Sprechübungen  anknüpfen?  Ein  solcher  Unterricht  wirkt  doch 
nicht  geistige  Kraft?  Ich  kann  dem  Direktorium  der  Franr.ke 'sehen 
Stiftungen  nur  die  aufmerksame  Prüfung  meiner  Elementarbücher ,  die 
gerade  für  3  Jahre  ausreichen,  empfehlen.  Dort  finden  die  SchQler  von 
vornherein  Zusammenhängendes,  das  sie  nicht  nur  lesen  und  ver- 
stehen, sondern  auch  erleben  und  über  das  sie  sprechen  und  plaudern 
kOnnen.  Trotzdem  kann  die  „Kenntnis  der  un regelmässigen  Verben'1 
beim  Unterricht  nach  diesen  Büchern  bis  weit  ins  3.  Jahr  hinein  ent- 
behrt werden,  und  wenn  diese  Vorben  dann  auftreten,  werden  sie  passen- 
der vorgeführt  und  eingeübt  wie  hier.  (Ober  ihre  Behandlung  habe  ich 
micii  in  Kressner'g  Franev-Galtia  VI,  1,  Seite  1 — 17,  ausgesprochen).  Das 
ganze  Elementarbueh  giebt  dem  Unterricht  einen  befriedigenden  A  hechln» 
und  man  wird  die  Ergebnisse  des  dreijährigen  Unterrichts  nach  ihm 
weit  erfreulicher  finden,  wie  die  Resultate  des  jetzigen  Unterricht«. 

Anf  weitere  Einzelheiten  gebe  ich  nicht  ein.  Nor  den  Wunsch 
möchte  ich  aussprechen,  das*  man  endlich  einmal  aufhöre,  das  Gerun- 
dium oder  Gerondif  als  ein  mit  der  Präposition  en  verbundenes  Part 
prea.  sn  bezeichnen.    Beim  adjektivischen  Part.  pres.  kann  keine  Prä- 

C'tion  stehen.  Das  Gerundium  fällt  zwar  der  Form  nach  mit  dem 
i,  prea.  tnsammen,  aber  sachlich  ist  es  streng  von  demselben  m 
trennen.  Das  Part.  pres.  aimant  aus  amantem  duldet  keine  Präposition 
vor  sich.  Das  (substantivische)  Gerundium  aimant  ans  amamdo  tritt  fast 
nur  in  Verbindung  mit  der  Präposition  en  anf. 

W.  Rick bn. 


A.  Benecke.    Französische  Vorschule.  67 

Baoer»£]iglert-Iiiiik9  Französisches  Lesebuch.    München  u.  Leipzig, 
1889.    R.  Oldenbourg.    XI,  833  S.  8°. 

Gut  gewählter  Inhalt,  hübsche  Ausstattung,  grosse  Korrektheit 
sind  Vorzüge  dieses  Buches,  welches  sich  von  seinen  Vorgängern  haupt- 
sächlich durch  die  grossere  Berücksichtigung  neuester  Schriftsteller  unter- 
scheidet and  daher  ein  besseres  Bild  der  heutigen  Büchersprache  bietet 
ala  Tiele  ähnliche  Sammlungen.  Seite  1—50  enthalten  kleine  und  grössere 
Erzählungen,  S.  51—116  geschichtliche,  litterarische  und  kunstgeschicht- 
liehe  Darstellungen,  S.  119 — 151  geographische  Schilderungen,  8.  152 
bis  189  Naturschilderungen,  S.  190—221  Didaktisches,  Oratorisches,  Briefe 
und  Dialoge.  Der  poetische  Teil  umfasst  184  Seiten  und  den  Beschluss 
bildet  ein  erklärendes  Verzeichnis  der  vorkommenden  Namen. 

Auszusetzen  ist  an  dem  Buche  zunächst  der  erste  Satz  der  Vor- 
rede: „Bei  der  Bearbeitung  des  vorliegenden  Lesebuches  haben  die  Heraus- 
geber Tor  allem  das  Ziel  im  Auge  gehabt,  dem  Schüler  eine  ebenso 
interessante  und  anziehende,  wie  bildende  und  belehrende  Lektüre  zu 
bieten."  Das  ist  so  selbstverständlich,  dass  diese  sakramen teile  Phrase 
endlich  einmal  ans  den  Vorreden  verschwinden  dürfte.  Wer  sich  von 
diesem  Bestreben  nicht  leiten  lässt,  hat  wohl  keinen  Beruf,  die  Schul- 
bücherlitteratur  zu  vermehren. 

Für  durchaus  überflüssig  halte  ich  die  im  prosaischen  wie  im 
poetischen  Teil  gegebenen  Bruchstücke  aus  Dramen.  Wenn  der  Schüler 
ein  Drama  nicht  von  Anfang  bis  zu  Ende  liest,  so  hat  es  keinen  Wert  für  ihn, 
dass  er  ein  Bruchstück  kennen  lernt.  Es  hat  auch  keinen  Reiz  für  ihn. 
Lehrer  und  Verfasser  von  Chrestomathien  setzen  vielfach  voraus,  solche 
Stücke  müasten  für  den  Schüler  interessant  sein,  weil  sie  selbst  dieselben 
mit  Vergnügen  lesen,  d.  h.  wieder  lesen.  Darin  liegt  der  Unterschied: 
wer  das  Stück  als  Ganzes  kennt,  findet  an  dem  Fragment  Gefallen,  weil 
er  et  in  den  zugehörigen  Rahmen  sofort  hineinversetzt;  das  kann  aber 
derjenige  nicht,  welchem  der  Rahmen  noch  fehlt. 

Ph.  Plattneb. 


A.9  Französische  Vorschule.  Für  den  Anfangsunterricht 
auf  Mädchenschulen.  Dritte,  veränderte  Auflage.  Potsdam, 
1888.    A.  Stein.    X  121  S. 

Benecke's  Grundsätze  inbezug  auf  die  Lehrweise  des  französischen 
Unterrichts  kommen  auch  in  dem  vorliegenden  Büchlein  zur  Geltung. 
Sie  sind  bekannt  genug;  von  einem  Urteil  über  ihren  Wert  aber  kann 
ich  hier  um  so  mehr  absehen,  als  ich  bald  Anläse  haben  werde,  mich 
über  diese  vielutnBtrittenen  Dinge  in  der  Zeitschrift  zu  äussern.  Ich 
beschränke  mich  also  darauf,  zu  untersuchen,  ob  Benecke's  Vorschule 
die  Anforderungen  erfüllt,  welche  man  nach  meiner  Ansicht  auch 
dann  stellen  muss,  wenn  man  die  von  ihm  vertretene  Lehrweise  im 
grossen  und  ganzen  für  richtig  hält. 

Die  erste  Abteilung,  S.  1 — 51,  bildet,  wie  Benecke  in  der 
Vorrede  sagt,  den  obligatorischen  Apparat,  das  eigentliche  Pensum  für 
die  Anfangsstufe.  Sie  bringt  das  Wichtigste  aus  der  Aussprache  mit 
einem  ansehnlichen  Schatz  von  Wörtern  als  Beispielen,  die  sogenannte 
Deklination  des  Hauptworts  mit  Artikel,  Possessiv  und  Demonstrativ, 
das  attributive  und  prädikative  Eigenschaftswort,  die  häufiger  vor- 
kommenden Verhältniswörter,  das  Präsens  und  Imperfekt  des  IndikativB 
und  den  Imperativ  von  avoir,  itre  und  donner  mit  Frageform  und  Ver- 


68  Referate  und  Rezensionen.      R.  Meyer, 

neinung,  dos  Präseue  und  Imperfekt  von  aroir  mit  Partizip  des  Perfekt«, 
endlich  die  Verbindung  einen  Fürwort»  mit  dem  Zeitwort.  Ist  mm 
das,  was  hier  gelehrt  wird,  durchweg  richtig  und,  soweit  der  Zweck 
es  »erlangt,  vollständig?     Ist  es  ferner  zweckdienlich  ungeordnet? 

Was  zunächst  die  Aussprache  anbelangt,  so  kehrt  des  Ver- 
fassen Lehre  von  dem  dumpfen  e  am  Ende  eines  Wortes  nach  Koato- 
nant  hier  wieder,  welche  mit  vollem  Hecht  von  Ploatz  (syst.  Darrt.) 
und  □.  a.  auch  von  J.  Merz  im  2.   bände  der   Lsc/tr.  ö.  SGI  ft.   zuiüek- 

S -wiesen  worden  ist.  Dagegen  ist  es  anzuerkennen,  dass  B.  eines 
nterschied  macht  zwischen  dem  AuBlaut  de»  einzelnen  Wortes  und 
dem  Auslaut  des  Worte»  innerhalb  eines  Satzes  oder  Satzgliedes,  du« 
er  z.  B.  (S.  46)  die  Aussprache  des  e  in  le  marbre  hlanc  im  Gegensatz 
zu  dem  allein  oder  am  Ende  stehenden  marbre  hervorhebt.  B.  fohlt 
offenbar,  dass  erst  durch  die  Verbindung  von  marbre  mit  dem  kons», 
nautischen  Anlaut  von  btanC  ein  wirkliches  dumpfe»  e  eintritt;  dies  fahrt 
ihn  aber  nicht  zu  der  meine»  Erachten»  notwendigen  Seh lu Befolge ran^, 
dass  ohne  solches  Zusammen  treffen  c  nicht  lautet,  sondern  er  erkürt 
nur  (im  Anbang)  die  Aussprache  des  dumpfen  e  in  den  Endungen  Ue, 
bre  n.  dgl.  vor  Konsonantischem  Anlaut  für  teichter:  eine  Erklärung, 
bei  der  «ich  schwerlich  jemand  etwas  denken  kann.1) 

Wenn  B.  hier  neben  dem  Laut  de»  Einzelwortes  den  Lant  inner- 
halb der  Wortgruppe  berücksichtigt,  so  sollte  man  erwarten,  du« 
die  Einwirkung  deB  Zusammenhangs  auf  die  Lautgestaltung  überhaupt 
zu  ihrem  Rechte  käme.  Das  ist  aber  nicht  der  Fall;  nur  im  An- 
hang, der  nicht  für  die  Schülerin  bestimmt  ist,  findet  sich  das  Notige, 
und  hier  ist  es  überflüssig.  Und  doch  verlangt  die  Sache  bei  ihrer 
Wichtigkeit  für  eine  richtige  Aussprache  frühzeitige  besondere  Be- 
handlung und  weiterhin  sorgfältige  Berücksichtigung,  B.  schreibt 
freilich  ci  -tlte,  ei  -ziles  u.  dgl.,  erwähnt  aber  bei  der  Lehre  vom 
t  nicht  den  Fall,  dass  die  einschliessenden  Vokale  zwei  Wörtern  an- 
geboren, und  lehrt  S.  11:  „Im  Singular  wird  das  f  von  Ixeuf  und  teuf 
ausgesprochen ;  im  Plural  werden  fand  .t  ni  oh  t  gesprochen".  Gleich- 
wohl nötigt  man  die  Schülerin,  im  Zusammenhang  vor  vok&liechem 
Anlaut  t  zu  sprechen;  wie  »timmt  da»  mit  der  Regel?  Man  wende 
nicht  ein,  dass  den  Lernenden  zu  viel  zugemutet  werde:  die  verminte 
Belehrung  müsate  sehr  einfach  gehalten  sein.  Erlassen  kann  sie  den 
Kindern  ohnehin  nicht  werden,  B.  selbst  betont  im  Anhang  ihre  Be- 
deutung; so  gebe  man  nie  zur  rechten  Zeit  und  sei  folgerichtig. 

Die  Rücksicht  auf  den  Raum  zwingt  mich,  von  verschiedenen 
anderen  Bemerkungen,  zu  welchen  die  Behandlung  der  Laute  Anlast 
giebt,  abzusehen;  nur  das  kann  ich  noch  flüchtig  erwähnen,  dass  1  auch 
vor  einem  Konsonanten  wie  6  lautet,  und  dass  vor  h  contonne,  richtiger 
h  aspire'e,  ein  sonst  stummes  e  wirklich  gesprochen  wird. 

Indem,  was  die  Vorschule  aus  der  Formenlehre  bringt,  findet 
»ich  leider  wieder  die  Lehre  von  einer  Deklination  des  Hauptworts, 
und  zwar  in  breitester  Darstellung.  Ich  will  nicht  nach  eo  vielen 
anderen  diese  wissenschaftlich  und  didaktisch  gleich  unhaltbare  Auf- 
stellung widerlegen,  sondern  nur  an  einem  Beispiel  zeigen,  wohin  man 
damit  kommt.  S.  6  gibt  B.  den  Übungssatz:  „Ich  spreche  von  Clara." 
Die   Schülerin   soll  aleo   das   deutsche  Verhältniswort  durch  den  fran- 


')  Übrigen»  nimmt  in  diesen  Endungen  auch  Ben  a.  a.  0. 
dumpfes  e  an,  und  Plretz  spricht  von  einem  ganz  leisen  Anklang 
eine»  kurzen  dumpfen  e.  Selbst  die  letztere  vorsichtige  Fassung  ist 
nicht  ganz  richtig.     Vgl.  darüber  Vietor,  El.  ä.  Pho*.x  S.  64. 


A.  Benecke,  Französische  Vorschule.  69 

xösiscben  rGenitiva  wiedergeben,  der  seinerseits  nichts  anderes  ist  als 
die  Verbindung  eines  Verhältnisworts  mit  dem  Hauptwort!  Und  er- 
setze ich  selbst  das  adverbiale  Verhältnis  durch  das  attributive,  sage 
ich  i.  B.:  Dies  ist  das  Buch  von  Claras  Bruder,  so  steht  wiederum 
Verhältniswort  gegen  Verhältniswort. 

Was  die  Anordnung  des  grammatischen  Stoffes  betrifft,  so 
scheint  es  mir  empfehlenswert,  von  den  Zeitwörtern  nicht  avoir  und  itre, 
sondern  danner  zuerst  zu  behandeln.  Ich  meine,  der  Vorteil  ist  ein- 
leuchtend, und  Schwierigkeiten  bieten  die  Formen  von  donner  weniger 
als  die  anderen.  Hierbei  mag  es  auch  als  ein  Nachteil  für  den  Unter- 
richt erwähnt  werden,  dass  die  Schülerin,  die  schon  zu  avoir  die  Ver- 
neinung hinzufügen  gelernt  hat,  die  Formen  von  itre  und  donner  noch 
besonders  mit  ne  —  pas  gedruckt  findet:  sie  kann  und  soll  die  Ver- 
bindung nach  dem  Muster  des  zuerst  gelernten  Zeitworts  selbst  vor- 
nehmen. 

Hiernach  komme  ich  zu  den  Übungsstücken.  Die  Einzelsatze 
gehören  zu  der  von  B.  befolgten  Lehrweise.  Grosse  Ansprüche  darf 
man  an  den  Inhalt  derselben  nicht  stellen,  immerhin  aber  einige,  und  in 
dieser  Beziehung  wird  wohl  der  Verfasser  selbst  die  folgenden  Satzchen 
nicht  verteidigen  wollen:  Charles  n'a  pas  les  chevaux  de  Robert  (S.  17). 
Nous  avous  vendu  les  diamanls  de  nos  parents  (S.  26).  Ou  est  la  lampe 
de  ta  scntr,  Francois?  (ebd.).  Sie  haben  nicht  die  Kraft  (S.  17).  Ich 
habe  diesen  Nagel  und  diese  Kreide  gesucht  (S.  22).  Ich  gebe  meinen 
Schwestern  ein  grosses  Fest  (S.  20).  —  Eine  andere  Forderung  stellt 
B.  in  der  Vorrede:  „Die  deutschen  Übungssätze  werden  in  richtigem 
Deutsch  gegeben."  Man  darf  selbstverständlich  hinzufügen:  „die  fran- 
zösischen in  richtigem  Französisch."  Nun  sagt  man  aber  doch  nicht: 
„Ich  hatte  den  Verlust  einer  Freundin11,  „Ich  bemerke  Cäcilie,  welche 
unsere  Kleider  bringt"  (beide  Sätze  S.  15)  und  ebensowenig:  Tavais 
la  perle  dune  amie,  (was  der  soeben  genannte  deutsche  Satz  voraussetzt), 
Voilä  une  bague  gue  fai  de  maman  (ebd.),  Votre  frere  est  triste,  a-t-il 
un  chagrin?  (S.  32),  Vous  avez  entendu  que  la  re'pe'tition  est  une  chose 
bien  ne'cessaire  (S.  32 — 33),  Les  tauoes  viveni  sous  la  terre  (durch  einen 
deutschen  Satz  S.  37  vorausgesetzt);  nicht  ganz  richtig:  A  quelle  date 
du  mois  sommes-nous?  (S.  32),  sondern,  was  B.  in  einer  Anmerkung 
hinzufügt:  Quelle  date  sommes-nous?  oder  auch:  Quel  jour  du  mois 
sommes-nous?  Nicht  üblich  ist  meines  Wissen :  faire  un  voyage  autour 
du  monde  (S.  44},  sondern  f.  le  tour  du  m. 

Endlich  ein  paar  Bemerkungen  über  die  Wörter,  welche  den 
Übungsstücken  vorangehen,  zum  Teil  auch  nachfolgen,  und  zugleich 
Über  das  Verzeichnis  am  Schluss,  das  die  Wörter  zu  den  Lesestücken 
und  Gedichten  enthält. 

Der  Verfasser  legt  viel  Wert  auf  die  Erwerbung  eines  reich- 
haltigen Wörterschatzes,  und  das  ist  gewiss  anzuerkennen ;  nur  scheint 
mir  sein  Verfahren  nicht  durchweg  richtig.  Vorweg  erlaube  ich  mir 
darauf  hinzuweisen,  dass  Fremdwörter  wie  Galerie,  Hotel,  Portierloge, 
genieren  (in  der  Lehre  von  der  Aussprache  verwandt),  Lektion  in  einem 
Schulbuch  überhaupt  nicht  und  am  wenigsten  in  einem  für  die  Anfangs- 
stufe  bestimmten  Buch  vorkommen  sollten,  und  dass  man  die  Bedeu- 
tung Ton  ramasser  (=  aufheben)  leicht  auf  andere  Weise  als  durch 
das  wenig  gebräuchliche  „auflangen"  ausser  Zweifel  stellen  kann.  Er- 
heblicher sind  andere  Mängel,  die  namentlich  bei  den  Wörtern  zu  den 
Lesestücken  und  Gedichten  zur  Erscheinung  kommen.  Die  deutschen 
Wörter  geben  jeweils  den  Sinn  der  französischen  wieder,  wie  der  Zu- 
sammenhang ihn  mit  sich  bringt,  belehren  aber  die  Schülerin  gar 


70  Referate  und  Rezentionen.     R.  Meyer, 

häufig  nicht  über  die  Grundbedeutung  oder  setzen  an  die  Stelle  de« 
französischen  Ausdruck»  einen  ganz  anders  gearteten  deutschen, 
der  zufällig  und  gelegentlich  mit  jenem  im  Sinne  zusiimmentriflt.  So 
hilft  man  übersetzen;  will  man  aber  —  und  das  wollen  wir  doch 
hoffentlich  —  die  Schülerin  mit  dem  Wert  der  fremden  Wörter  wirk- 
lich und  zuverläHsig  vertraut  inachen,  so  wird  da»  durch  ein  solche» 
Verfahren  erschwert.  B.  schreibt  z.  B.:  „foulet  tortet  allerlei".  D« 
Lehrer  wird  aber  von  der  Bedeutung  des  Hauptworts  ausgehen  und 
übersetzen  lassen:  „alle  Arten  von";  erst  darnach  wird,  womöglich 
durch  die  Schülerinnen,  der  an  der  betreffenden  Stelle  passenden 
Ausdruck  „allerlei"  angegeben  werden.  Im  Wörterverzeichnis  will« 
die  Schülerin  nur  die  Bedeutung  des  Hauptworts  neben  der  des  im- 
bestimmten Zahlworte  wiederfinden,  wofern  nicht  beide  schon  bekannt 
sein  müssen.  Als  weiteres  Beispiel  mag  te  pknre  dienen.  Hier  heuet 
es  im  Wörterverzeichnis:  „te  ptaire  ee  sich  wohl  sein  lassen";  stehen 
sollte  dort  nach  meiner  Meinung:  „plaire  gefallen  (Je  me  piau  tri  Ich 
gefalle  mir  hier,  Es  benagt  mir  hier}."  Carreau  ferner  ist  „viereckige 
Platte",  bezeichnet  unter  anderem  die  viereckige  Fensterscheibe. 

Wahrend  ich  für  die  angedeutete  Anlage  des  Wörter  Verzeichnisse! 
in  dem  Alter  der  Anfangerinnen  kein  Hindernis  sehe,  ist  meines  fr- 
achtens  auf  dieser  Stufe  Vorsicht  nötig  bei  der  Berücksichtigung  der 
Stammworter,  die  ich  ebenfalls  in  der  Vorschule  vermisse.  Immerhin  wird 
man  getrost  und  mit  Vorteil  1.  B.  mit  bücheron  buche,  mit  graexre  (Stich, 
nicht  notwendig  Kupferstich!)  graver  zugleich  lernen  lassen  können. 

Ausserdem  finden  sich  hier  und  da  ungenaue  Angaben.  Couverirre 
(8.  26)  ist  „Decke"  schlechtweg,  dann  „Bettdecke",  nicht  im  besondsn 
„Reisedecke";  redmgote  (S.  101)  nicht  jeder  Rock,  bottine  (ebd.)  nicht 
nnr  ein  Damenstiefel;  proposer  hat  in  dem  Sprichwort  Z'Aoausw  propost, 
Dilti  dispute  nicht  die  Bedeutung  „vorschlagen",  sondern  „sich  ver- 
nehmen11, „einen  Plan  machen";  passer  (S.  110)  heisst  niemals  „einher, 
stolzieren",  auch  an  der  betreffenden  Stelle  nicht;  aetu  mit  *  iu 
sprechen  (S.  107)  ist  nicht  empfehlenswert,  ebensowenig  da«  deutsche 
„Schreibebuch"  (S.  39);  eia  tabouret  (S.  96)  ist  nicht  jeder  kleine  Sessel. 
Ein  Druckfehler  ist  fritonner  (S.  HO),  ein  Wort  übrigens,  dem  such 
nach  dem  Zusammenhang  die  Bedeutung  „sich  kräuseln1'  niemall  zu- 
kommen kann. 

Die  sweite  Abteilung,  S.  53—69,  enthalt  ein  Verzeichnis  der 
Grundzahlen,  eine  vollständige  Zusammenstellung  der  Formen  von  «wer, 
itre  und  donner  und  eine  ziemlich  reichhaltige  Sammlung  von  Wendungen 
des  alltaglichen  Lebens.  Manche  von  diesen  Wendungen  halte  ich  auf 
dieser  Stufe  für  zu  schwierig,  und  der  Verfasser  selbst  bemerkt,  daw 
dieser  Abschnitt  am  besten  dem  zweiten  Jahreskuraus  vorbehalten 
werde.  Dann  aber  hätte  ee  eich  empfohlen,  ihn  hier  wegzulassen.  Im 
einseinen  ist  nur  zu  sagen,  dass  in  dem  Satz  „Meine  Schwester  lernt 
sich  ihre  Verben  (Zeitwörter!)  noch  einmal  über"  das  „sich"  bes»er 
fehlen  würde,  und  dasa  poe'sie  kein  einzelnes  Gedicht  bezeichnet. 

In  der  dritten  Abteilung  endlich,  S.  70 — 95,  folgen  zunächst 
zwei  Gespräche  iu  deutscher  und  französischer  Sprache,  sodann  Lese- 
stfleke  und  Gedichte. 

Für  die  Gespräche  nimmt  B.  ausdrücklich  ein  echt  nationale* 
Französisch  in  Anspruch.  Leider  muss  ich  feststellen,  dass  darin  Ver- 
stösse in  nicht  geringer  Zahl  sich  finden,  nicht  nur  gegen  den  Sprach- 
gebrauch, sondern  hier  und  da  auch  gegen  die  Grammatik.  Ich  fähre 
nnr  so  viel  an,  als  zum  Beweise  notig  ist,  wobei  ich  das  Richtige  oder 
Richtigere  in  Klammer  hinzufüge: 


A.  Benecke,    französische  Vorschule.  71 

Nous  voiiä  travcrsant  les  rues  au  arand  trot  et  laissant  les  portes 
de  Im  väle  hin  derriere  nous.  —  Et  quet etait  le  but  de  votre  voyage? 
(Es  ist  von  einem  kleinen  Aasfluge  aufs  Land  die  Rede,  daher  besser 
excursion.)  —  IVabord  (nous  sommes  alles  ä)  Charlottenbourg ;  puis  nous 
avons  tourne'  ä  gauche  vers  le  Grunewald. 

Je  veux  (vais)  contmuer  mon  redt,  si  vous  le  permettez.  Nous 
descendbnes  ä  La  maison  (du  forestier).  On  nous  recut  tres  amicalement, 
et  le  premier  som  de  maman  etait  de  Commander  le  cafe  (oü  Ton  nous 
fit  hon  accueü  oder  ou  ton  nous  recut  tres  bien.  Le  pr.  s.  de  m.  fut 
de  c.  le  c). 

Nous  demandämes  ä  papa  et  ä  maman  la  permission  d? aller  jouer 
dans  la  forit  .  .  .  Mon  frere  Max,  gut  y  a  (avait)  dU  bien  des  fois, 
nous  servait  (servit)  de  guide. 

Et  tu  n'as  pas  mal  dormi?  —  Si  bien,  que  maman  a  du  me 
reveiüer,  pour  ne  pas  (me  kdsser)  manquer  Muntre  de  Te'cole  (de  la 
c  lasse,  vielleicht  besser:  pour  me  faire  arrioer  ä  temps  en  classe). 

Est-ce  qu'on  l'a  appele'e?  —  Sai  dte  appele'e  trois  fois,  et  made- 
moiseße  etait  (a  dte)  satufaite.  —  Navez-vous  fast  que  üre  et  traduire? 
—  Non,  chere  maman.  Lorsque  le  morceau  etait  termine  (la  traduction 
fut  Urminie),  Mr.  (Mr)  le  surintendant  nous  fit  examiner  dans  (surj  la 
srammaire. 

Qu'est-ce  que  Mr.  (Mr)  le  dxrecteur  a  dit  ä  la  fin  de  Texamen?  — 
Ü  etait  tres  aimable  (a  dt  4  tres  bon  pour  nous))  de  mime  (que)  ces 
messieurs  qui  Faccompagnaient. 

Die  Lesestücke  und  Gedichte  sind  im  ganzen  gut  gewählt 
and  geben  nur  zu  wenig  Bemerkungen  Anlass,  und  zwar  beziehen  sich 
diese  ausschliesslich  anf  die  ersten  vier  Lesestücke,  die  „Vokabelstücke". 
In  dem  ersten  (La  maison  patemcüe)  ist  die  deutsche  „Wohnstube", 
die  bekanntlich  im  französischen  Hause  fehlt1),  nicht  glücklich  als 
chambre  JThabitation  bezeichnet;  eher  eh.  ou  se  iient  la  famiÜe.  In  dem- 
selben Stück  ist  une  servante  durch  une  bonne  zu  ersetzen.  Des  plumes, 
que  leur  taiäe  le  nuätre,  im  zweiten  (LEcole),  ist  denn  doch  veraltet; 
statt  rien  ne  tut  Heut  tont  ä  cceur  sollte  es  heissen:  r.  n.  I.  t.  t.  au  C 
Zorn  dritten  Stück  (Objets  dont  les  enfants  onl  besoin  ä  Tecole):  Faire, 
nicht  apprendre  ses  devoirs,  wohl  aber  apprendre  ses  lecons!  Zum  vierten 
(Maliers  et  professions):  Polle  =  Zimmerofen,  besser  als  fourneau! 

Ich  will  diese  Besprechung  nicht  schliessen,  ohne  die  Ratsei  und 
Sprichwörter  zu  erwähnen,  welche  B.  auf  die  Lesestücke  folgen  laset; 
sie  werden  sich  gut  zur  Belebung  des  Unterrichts  verwenden  lassen. 

Ich  habe,  soweit  der  Raum  es  gestattete,  B.'s  Buch  gerecht  zu 
werden  gesucht;  die  dargelegten  Mängel  sind  aber  der  Art,  dass  ich 
es  in  seiner  vorliegenden  Gestalt  nicht  empfehlen  kann. 

R.  Meyer. 


*)  Binigermassen  entspricht  derselben  le  petii  sahn. 


Miszellen. 


Dan  Lesebuch  für   <U-n  franz&*t*chen   Unterricht  von  J 

Itriinker  und   Fielt  (Leipzig  und  Itzehoe,  Otto  Fick)   1 
das  FranzOsieche  Lesehtich  von  Klthn  (Bielefeld.  Velhagen 
&  ftlasing). 

Das  von  dem  Unterzei ebneten  veröffentlichte  Französische  Lesebuch 
enthält  eine  grössere  Anzahl  volkstümlicher  französischer  Jugend  gedichte, 
welche  grösstenteils  vorher  noch  nicht  in  französischen  Lesebüchern  ent- 
halten waten.  Jedenfalls  bilden  diese  Gedichte  eine  charakteristische 
Seite  des  Buches  und  sind  von  der  Kritik  auch  au  nufgefaest  worden. 
Zum  Teil  hat  man  sieh  diesen  Gedichten  gegenüber  zustimmend ,  zum 
Teil  ablehnend  ausgesprochen.  Wegen  Am  vielfachen  Widerspruchs  habe 
ich  in  der  Frühjahr  1889  erschienenen  2.  Aufl.  einen  Teil  der  Jugend- 
gedichte  wieder  ausgeschieden,  die  ich  deiuniich=1  entsprechend  erweitert 
ffir  Bich  zu  veröffentlichen  gedenke.  Einzelne  Jugendgedichte  meines  Lese- 
buchs sind  seitdem  auch  in  andeif  LeiM-biidicr  iibergegugnt.  Eine  be- 
sonders reichliche  Benutzung  bat  bei  der  Abfassung  des  Lesebuchs  von 
Jacobs,  Brincker  und  Fick  stattgefunden'.  Dasselbe  hat  fünfzehn  volks- 
tümliche Gedichte  von  mir  entlehnt;  ausserdem  enthält  es  übereinstim- 
mend mit  meinem  Buch  drei  Jugend  gedichte  von  Maielle  und  ein  Prosa- 
stück  von  Dupont;  ferner  vier  Books  (drei  Gedickte  und  ein  Märchen), 
welche  sich  auch  sonst  in  französischen  Lehrbüchern  für  deutsche  Schulen 
finden.  Ich  vermute  mit  einigem  Grund ,  dass  die  Verfasser  bei  den 
volkstümlichen  Gedichten  nicht  auf  die  Quellen,  die  in  Frankreich  er- 
schienenen Sammlungen,  zurückgegangen  sind,  sondern  aus  meinem 
Buch  entlehnt  haben,  sonst  hätten  sie  doch  in  der  Vorrede  den  volkstüm- 
lichen Charakter  eines  erheblichen  Bruchteils  ihrer  Gedichte  erwähnen 
müssen.  Dasa  die  Verfasser  nicht  an  der  Quelle  geschöpft,  sondern  aus 
meinem  Buch  entlehnt  haben,  geht  auch  aus  folgendem  Umstand  hervor. 
Das  2.  Stück  ihres  Lesebuchs  A  Cheval  ist  in  der  von  mir  geänderten 
Fassung  wiedergegeben,  Diinilich  mit  dem  von  mir  einem  anderen  ähn- 
lichen Gedicht  entlehnten  Schlussvers :   Au  pas,  au  pas,  au  trat,  au  trat. 

Das  ist  indes  nicht  die  einzige  Art,  wie  die  Verfasser  mein  Buch 
benutzt  haben.  In  der  Vorrede  zur  1,  Auflage  meines  Buches  1 
zu  Anfang:  ..Da  es  fdaa  fraiiziiai.se/tr  Letebtttfy  für  die  Jugend  bestimmt 
ist,  so  soll  auch  Jugendlektüre  den  Inhalt  bilden;  hier  und  da  darf  sogar 
der  Lesestoff  hinter  dem  Alter  des  Lernenden  zurückbleiben .  denn  der 
Umstand,  dass  der  Stoff  im  neuen  Gewände  einer  fremden  Sprache  auf- 
tritt, verleiht  ihm  besonderen  Reiz."     Im  Lesebuch  von  Jacobs,  Brincker 


Aluzellen.  73 

und  Fick  heisst  es  (S.  III  unten):  „Das  au  fzu  nehm  endo  Lesestück  muss 
vor  Hllem  dem  Altar  und  Anschauungakreia  des  Schülers  entsprechend 
gewählt  sein;  es  darf  sogar  hinter  dem  Alter  desselben  zurück  bleiben, 
da,  der  Stoff  in  dem  Gewand  der  fremden  Sprache  einen  neuen  Eindruck 
auf  ihn  macht  und  von  neuem  anziehend  auf  ihn  einwirkt. ''  Ich  muss 
hierzu  bemerken,  dass  die  im  zweitun  Teile  beider  Zitate  enthaltene  An- 
sicht meines  Wissens  von  mir  zum  ersten  male  öffentlich  ausgesprochen 
worden  ist. 

Am  Schlüsse  meines  Lesebuchs  befindet  sich  eine  „Übersicht  der 
Lautzeichen,  verglichen  mit  den  häutigsten  Schriftzeichen".  Das  Lese- 
buch von  JacobB ,  Brincker  und  Pick  bringt  eine  Kopie  unter  der  Über- 
schrift: „Vergleich  der  Lautzeichen  mit  den  Schriftzeichen. "  Ausser 
einem  Fall  (i  für  e  in  de)  aind  die  Lautzeicben  dieselben;  die  Reihenfolge 
der  Schriftzeichen  ist  dieselbe;  neu  ist  ue  in  cueillir.  lerner  i,  ö  und  ä, 
sonst  sind  die  Schriftzeichen  ebenso  unvollständig  wie  bei  mir  (es  fehlen 
u.  a.  im  und  ein);  die  wagerechten  Iren nungsatri che,  Doppelstriche  und 
fetten  Striche  stimmen  überein  (in  einem  Falle  haben  die  Verfasser  meine 
unlogische  Einteilung  nachgeahmt,  indem  sie  vor  dem  Laut  'l  keinen 
Trennungsstrich  setzen).  Die  Beispiele  (Jacobs.  Brincker  und  Fick  sagen 
-Kennwörter"!  sind  meist  verschieden.  Meine  Beispiele  sind  so  gewühlt, 
dass  überall,  wo  es  möglich  ist,  aus  denselben  hervorgeht,  wann  der  be- 
treffende Laut  vorhanden  ist  (z.  B.  offenes  a  in  e'dtieation,  also  in  der 
hanfigen  Endung  nlinii)  und  wann  gewisse  Schrift  zeichen  benutzt  werden 
(t  B.  f  vor  a,  o,  u;  qa  und  git  vor  e  und  i).  Da  die  Verfasser  „Kenn- 
wörter" sagen,  so  hätten  sie  erst  recht  die  Beispiele  entsprechend  wählen 
sollen;  das  ist  aber  vielfach  nicht  geschehen.  Diese  Abweichung  vom 
Original  ist  also  keine  Verbesserung. 

Trotz  dieser  aourfebigM  Benutzung  meines  Französischen  Lese- 
buches bringen  die  Verfasser  es  fertig,  in  der  Vorrede  mein  Buch  und 
meinen  Nnmen  nicht  zu  nennen  Die  Beurtheilung  einea  solchen  Ver- 
fahrens Überlasse  ich  den  Lesern  der  Zeitschrift. 

K.  Kühn. 


Erklärung. 

Eine  von  Herrn  Dr.  G.  Plötz  in  Görlitz  veröffentlichte  und  auch 
mir  zugegangene  Antikritik  der  französischen  Lehrbücher  dea  Herrn 
Dr.  Rahn  in  Dresden  nötigt  mich  zu  meinem  Bedauern,  das  Gute,  was 
ich  in  der  Zschr  Bd.  IX.  8.  ISO  über  Teil  1  und  II  dieser  Biicher  ge- 
sagt habe,  insbesondere  diu  a.  it.  0.  hervorgehobenen  Vorzüge  gegen- 
über den  Plötzschen  Lehrbüchern  durchaus  zurückzunehmen.  Die 
Gründe  dafür  ergibt  die  zahlreich  genug  verbreitete  „Erklärung11  des 
Herrn  Dr.  G.  Plötz  (Görlitz,  Anfang  März  189(1,  Druck  von  W.  Gronau 
iu  Berlin).  In  den  Streit  der  beiden  Autoren  einzutreten,  habe  ich 
nicht  den  mindesten  Anlass,  halte  es  aber  für  eine  Pflicht  wissen- 
schaftlicher Ehrlichkeit,  Irriges  oder  doch  Einseitiges  offen  als  solches 
einzugestehen. 

Dresden.  26.  März  1890. 

K.  Mabbenholtz. 


Novitäten  Verzeichnis. 

Bastin,  J.     Etüde«    des   tmi-liripes    baseea    nur    l'histoire    de  la  langus. 

S"  Edition.     Silin  t-Petersbourg,   1889.     IV,  74  8.  8°. 
Bayer,  R.,   Ülier   die    subjektiven    Wendungen   in    den  alt  französisch« 

Karlsepen    mit    besonderer    Be rüek sieht igung     der    verschieden« 

Versionen  des  a.ltfrunzfiüi sieben  l(.ola.nda]iedes.    Dispert,    Heidelberg 

1889.      124  S.  8°. 

Behrens,  Albert,  Die  Endung  der  zweiten  Person  Pluralis  des  sltfnw- 

zösischen  Verbunis.     Greifswalder  Dissertation.     50  8.  8°. 
Benecke,  A.,  Anthologie   des  poetes  francais.     Sammlung  französisch« 

Gedieht«.     Mit  Anmerk.  zum  Schulgebrauch.    [In:  Poetes  franoaii. 

4.  Lfrg.J     Bielefeld,  Velhagen  k  Klasing. 
Btnnewitz,  A.,   Congreve    and   Moliere.      Leipzig    1890.      II.   Haessel. 

160  S.  8°. 
Bertram,  W.,  Exercices  de   style   francais,     Sammlung  van  übungeanf- 

gaben  zum  Übersetzen  aus  dem  Deutschen  in  das  Französische  für 

Schul-  und  Privatgebrauch.    Bremen,  Heintims  Nachf.  8°.  IV,  19«  S, 

dasselbe.     Schlüssel.     Textes  original«.     8**.    IV,   103  8. 

Berger,  B.,  Zur  Eefonn  des   französischen  Unterrichts.     Lehrgang  and 

Lehr? erfahren    neben    Proben    der    unterrichtlichen     Behandlung. 

Hanau,  Alberti.     Lex.  -8.     22  S.     0,75  Mk. 
Bierbaum,  Prof.  Dr.  Jul.,  Lehrbuch  der  französischen  Sprache  nach  der 

analytisch  -direkten    Methode    für  höhere  Knaben-  und   Mädchen- 

schulen.     2  TL  mit  einem  Liederanhange.     Leipzig,  Bosaberg.    8". 

dasselbe.     BegleitBchrift  dazu.     gr.  8°.     18  S.     Ebd. 

Birck -Hirsch  feld,  A.,  Geschichte  der  französischen  Litteratur  seit  Anfang 

des  IG.  Jahrhunderte.   Erster  Band.    Das  Zeitalter  der  Renaissance. 

Stuttgart  1889.    Cotta'sche  Verlagsbuchhdlg.     803  +  60  8.  8°. 
Borsdorf,   W.,   Die  Burg  im  „Clavie"  und   im  „Escanor"     Dissertation. 

Berlin  1890.     101  S.  8°. 
Les   contes   moralisös   de    SSicole  Bozon    fröre   minenr   publice   pour  la 

Eremiere  fois  d'apres  les  msa.  de  Londree  et  de  Cheltenham  par 
ucy  Toulmin  Smith  et  Paul  Meyer.  Paris.  [Sociöte"  de«  ancieos 
textes  francais.     LXXIV,  333  S.  8°.] 

Breal,  Michel,  La  Reforme  de  l'orthographe  franoaise.  Paris,  Hachette. 
83  S.  8°.    Extrait  de  la  Revue  des  deux  münden  1  decembre  1889, 

Breätmann,  B.,  Der  sprachliche  Ausdruck  einiger  der  geläufigsten  Gesten 
im  altfranzösischen  Karlsepos.     Dies.     Marburg  1889.     70  S.  8°. 

Breitinaer,  ff.,  und  Fuchs,  J.,  Französisches  Lesebuch  für  Real-  oder 
Mittelschulen  oder  ähnliche  Anstalten.  2.  Heft.  3.  Aufl.,  neubearb. 
von  J.  Gutersohn.     Frauenfeld,  J.  Huber.     VII,  112  S.  8°. 

Brei/mann,  ff.,  und  Maller,  ff..  Französisches  Elementarbuch.  8.  Anft. 
des  Elementar-Übungsbuches  und  der  Elementar- Grammatik.  Aus- 
gabe A.     München,  R.  Oldonbourg.     gr.  3°.    196  S. 


NovÜdtenverzeichnis.  75 

Bnmet,  G.,  Supplement  au  Dictionnaire  des  ouvrages  anonymes  suivi 

des  Supercheries  littlraires  de*voüe*es.    Paris,  H.  Welter.     1  Band. 

In- 8°.     16  Mk. 
Bnmnemann,  C,    Lehrbuch   der    französischen   Sprache  für  Schulen. 

S.  Kurs.     Syntax  der  neufranzösischen  Sprache.    5.  Aufl.    Berlin, 

Langenscheidt'sche  Verlagsbuchhandlung.    8°.   XXXII,  392  S. 
Büchner,  IT..  Lehrbuch  der  französischen  Geschäftssprache.     Leipzig, 

Gloeckner. 
Codier,  L.,  Le  livre  des  Syndics  des  6tats  de  Blarn  (texte  bäarnais), 

publik  pour  la  Sociäte*  historique  de  Qascogne.   L   Auch  et  Paris, 

1889.    8°.   IV,  199  8. 
Canei,  A.,  Le  Langaffe  populaire  en  Normandie  (La  parabole  de  Penfant 

prodigue).    Pont-Audemer,  Impr.  administrative.    49  S.  4°. 
fastet,  Proverbes  patois  de  la  vall^e  de  Biros  en  Gouzerans  (Ariege). 

Foix,  Gadrat.    63  S.  8°. 
Caumoni,  A,,  Gours  de  littlrature  franoaise  comprenant  un  recueil  de 

morceanx  choisis,  un  aperen  historique  et  un  traite*  de  versification. 

Frankfurt  a.  M.,  G.  Jflgel's  Verlas  (Moritz  Abendroth).  8°.  XII,  548  S. 
CoBecÜon  Figaro  21.  Band:  Der  Fall  Glemenceau.    Denkschrift  des  An- 

feklagten.     Von  A.  Dumas  Sohn.    Aus  dem  Französischen  von  L. 
töckmann.    2.  Aufl.    Berlin,  Alfred  H.  Fried  &  Go.    120  S. 
Cr  ecke,  la,  drame  populaire,  en  patois  de  Besancon,  tel  qu'il  fut  joue* 

en   1873  a  la  Greche  franc-  comtoise.     Recueilli    d'apres   les  tra- 

ditions  localeB  et  dessine*  par  Louis  Androt.  Präface  par  H.  Bouchot. 

Lons-le-Saulnier,  impr.  Mayet  et  C1*.    75  S.  8°. 
Daudet,  A.,  Ausgewählte  Erzählungen.    Für   den  Schulgebrauch  hrsg. 

von  Prot  Dr.  K.  Sachs.    Gera,  Schlutter.    8°.  79  S.    geb.  0,60.  s  ; 
Devaux,  A.,  De  l'e*tude  des  patois  du  Haut-Dauphinä.    Grenoble,  Allier. 

62  S.  8°. 
Dkom,  //.,  Welches  ist  das  Verhältnis  von  Garnier's  Hippolyt  zu  seinen 

Quellen.    Diss.    Manchen  1889.    51  S.  8°. 
DiUmann,  A.,  Die  Anschauung  im  Bilde  in  ihrer  Anwendung  auf  den 

fremdsprachlichen    Unterricht,    insbesondere    auf   die    praktische 

Hebung    im    mündlichen    Ausdruck.      Französischer    Text    dazu. 

Wiesbaden,  Geb.  Petmecky.    8°.    VIII,  135  S. 
Duchäteau,  Dr.  Otto,  Der  französische  Unterricht   nach  Dr.  Q.  Stein- 
harte Elementarbuch.    Magdeburg,  Bathke.    4°.  25  S. 
Dühr,  Zur  Theorie  der  Stellung  des  französischen  Adjektivs.  Pr.  Stendal. 

18  S.  40. 
Dumas  fils,  A.f   Der  Fall  Glänienceau.     Roman.     Einzige  autorisierte 

Übersetzung  von  L.  Fischl.    Dresden,  E.  Pierson's  Verlag.    8°.  332  S. 
Dussouchet,  J.,  La  räforme  orthographique.    Paris,  Hachette.   8°.    60  c. 

Extrait  du  Gorrespondant. 
Espagnoüe,  J,,  La  clef  du  vieux  francais.   Paris,  Leroy.    93  S.  8°.    fr.  5. 
Les  imaginations  ou  les  doublets  de  M.  Brächet.   Paris,  Thorin. 

20  S.  8°.    fr.  1. 
Fahre,  A.,  Ghapelain  et  nos  deux  premieres  Academies.    Paris  1890. 

Perrin  et  Cle.    [fitudes  littlraires  sur  le  XVII°  siede.] 
Faguei,  E.,  Dix-huitieme  siecle.   ßtudes  littäraires.   Paris,  Lecene  1890. 
Fakrenberg,   K.,   Entwickelungsgänge   in   der   Sprache   Corneille's.    1. 

Diss.     Göttingen  1889.     85  §.  8°. 
Fetter,  J.,  Lehrgang  der  französischen  Sprache.    4.  Teil.    Übung«-  and 

Lesebuch.     80.     X,  233  S.  mit  einer  Karte.    Wien,   B ermann  & 

Altmann. 
Fontaine,  C,   Ode  de  l'antiquitä   et  excellence   de  la  ville  de  Lyon, 


TS  Nmtit&ttmverzeichnis. 

composee  par  Ch.  F.  Annot^e  par  William  Poidebard.   Lyon,  im» 

Mougin-ßuaand.     In-18.     XXXIV,  43  S. 
Foulche'-Delbofi'.   /{.,   Ki  Im  der  franzüsiai'hen  IT  mgangs  spräche.    S  Teile. 

Leipzig,  Giegler.     □.  S,SO  Mk. 
Franz,' G„  Über  den  Bedeutung«  wnndel   lateinischer   Wörter  im  fafr 

»ösiechen..     Diss.     Dresden  1890.    SO  S.  4°. 
Fries,    Luätv.,    Montchrentien's    „Sophnnisbe",   Paraüeldruck   der  dt« 

davon   erschienenen   Bearbeitungen.      In:   Ausgaben    und   Abbind- 

lungen  aus  dem  Gebiete  der  romanischen  Philologie.    Veröffentlicht 

von  E.  Bteugel.     85.  Heft.     gr.  8°.     Marburg  1889.     Elwert'«  Verl. 
Gatte,  C,  Über  Metrum   und  Sprache  von  Aliscans.    Diseert.    Marborr. 

68  8.  8«. 
Gancher,  M.,  Causeries  litWraires.     1872 — 1888.     Paris,   A.  Colin  Ä  0- 

S  fr.  50  c. 
Girardin.  MP'  Emile  iL-,  La  joie  lait  peur.    Coniddie  en  un  acte,  en  pro*. 

Für  don  Bchulgebrauch  brng.  vou  I(i-.ili_-v]Mrui-i;il[i-brer  Dr.  Gotthold 

Willenberg.     Gera,  Schliitter.     18  S.  8°.     geb.  0,40  M. 
Graeser's  Sammlung   Iran  züsi -eher  und  eugli»dii!r  Keliri Hotelier  für  den 

Schulgebrauch.     I.  Athalie  par  J.  Kacine.     IL  Le  Misanthrope  \\» 

Moliere.     Wien,  Carl  Graeser. 
and- Cari 

Avec  1 
Graziano,  J.,  Essai  sur  la  vie  et  lee  o 

Leipzig  1889.     46  S.  8°. 
Guyho ,  C,   Etüde  b   littöraires   et  hiatoriques.     Autour  de   1789.     Paris. 

Dentu.     In- 18  je"aus,  VIII,  307  p     fr.  3,  50. 
Hwusser,  £.,  Selbst  Unterrichtsbriefe  für  die  französische  Sprache.  5.  Brief. 

Karlsruhe,  J.  Bielefelds  Verlag,     gr.  8°. 
Hartmann,  h\,   Über   die   Eingangsepisoden   der   Cheltenbamer   Version 

des  Girart  de  Viane.     Die».     Marburg   1889.     75  S.  8°. 
fiarimann's,  M-,  Schulausgaben  französischer  Schriftsteller.   So.  6:  Thurt, 

Bonaparte  en  Egypte  et  en  Syrie.    Mit  Einleitung  und  Anmerkungen 

herausgegeben   von   K.   A.  Martin  Hartmann.     Leipzig,  E.  A.  See- 
mann.    XVI,  88  o.  78  S. 
Rätter,  W.,  Lehrbuch  der  französischen  Sprache.    1.  Kurs.    6.  Auflage. 

Berlin.    Wiegandt  *  Schotte,    gr.  8«.  VIII,  174  S. 
Beriet,    B.,   Studien    ober  die    sogenannten   Ysopete   (Lyoner  Yzopet, 

Yzopet  I  nnd  Yzopet  II).     Disa.     Würzburg.     93  8.  8°. 
Bolzmülier,  G.,    Der    Kampf   nm    die   Schulreform    in   seinen   neuesten 

Phasen.    Hagen  i.  W.,  Carl  Stracke.     120  S.  8».     1,50  H. 
Bugo,  V.,  Les  rayone  et  les  ombres.    (Edition  definitive  d'apres  les 

mannecrits  onginauz).     Paris,  Maieon  Quantin.     18°. 
,  CEuvres  poätiques.    Ballades.    Les  rayons  et  les  ombres.     Ave« 

denx  doasina  de  J.  Garnier.    Paris,  G.  Charpentier  &  Co.    S!°.   4  fr. 
,  Les  travailleura  de  la  mer  (Edition  definitive  d'apres  lee  manuscriU 

originaux).    2  vols.    Paris,  Maison  Qnantin.    4  fr. 
ffumbert,  C,  Nochmale  das  e  rauet  und  der  Vortrag  französischer  Vene. 

Zur  Vervollständigung,  tar  Aufklärung  und  zur  Abwehr.     Bielefeld, 

Velhagen  k  Klastng.     33  S.  8°.     60  Pf. 
Busserl,  Ja.,   Zur   Entwickelungsge schichte    des   französischen    Dramas. 

Progr.     Brunn  1889.     16  S.  8°. 
Jacobsmühlen,  Berm.  zur,  Zur  Charakteristik  des  König  Artus  im  alt- 
französischen Kunetepos.     Marburger  Dissertation.     67  S.  8°. 
Jeanroy,  A.,  Les  origines  de  la  poösie   lyrique  en  France.     Paris   1889. 

Hachette  et  C".     XXI,  518  S.  8°. 


Novilälenverzeichms.  77 

tfmnitz,  A.p  Französisches  Lesebach.    Leipzig,  A.  Neumann.    71  S.  8°. 
IVßjMT,  Roh.  Paul,  Der  Ehrbegriff  in  den  altfranzösischen  Artusromanen, 

mit   besonderer   Berücksichtigung   seines  Verhältnisses   zum   Ehr- 
begriff in  den  altfranzösischen  Chansons  de  geste.    Diss.    Leipzig, 

(Fock).     58  S.  8°.     1  Mk. 
itcner,  Edm.,  Beitrag  zum  Gebrauch  der  Präposition  de  im  Proven- 

zalischen.    Marburger  Dissertation.    44  S.  8°. 
Kfrtmg,  G.,  Lateinisch  -  romanisches  Wörterbach.  1.,  2.,  8.  Heft.  Lex.  8°. 

Paderborn,  F.  Schöningh.     ä.  2  Mk. 
Kütäng,  G.,   Stadien  über  altfranzösische   Bearbeitungen  der  Alexius- 

legende  mit  Berücksichtigung  deutscher  und   englischer  Alexius- 

lieder.    Pr.  Trier.    44  S.  8°. 
k'rafft,  Causeries  sur  la  langue  francaise.    Paris,  EL  Le  Sondier. 
i'rcuse,  A.,  Bemerkungen  zu  den  Gedichten  des  Baudouin  und  des  Jean 

de  Condä.    Pr.  Berlin.    82  S.  4°. 
krevtzberg,  R,  Die  Grammatik  Malherbe's  nach  dem  „Commentaire  sur 

Desportes".    Programm.    Neisse  1890.    32  S.  8°. 
irick,  F.  /.,   J.  Racine's  Verhältnis   zu   Euripides.      Ein   Beitrag   zur 

Vergleichung  der  klassisch-griechischen  und  klassisch-französischen 

Tragödie,    fl.    Pr.  Aachen.    46  S.  4°. 
uttner,  M.,   Das  Naturgefühl  der  Altfranzosen  und  sein  Einfluss  auf 

ihre  Dichtungen.    Berliner  Dissert.    86  S.  8°. 
e  Loi  de  l'Ombre.     Publik   par   Joseph   Bädier.     Extrait   de  l'Index 

lectionum   quae  in  UniverBitate   Friburgensi  per  menses  aestivos 

anni  MDCCCXC  habebuntur.    Fribourg.     59  S.  gr.  8°. 
\enonder,  J.  B.  R.,  L'emploi  des  temps  et  des  modes,  dans  les  phrases 

hypothätiques.    Gleerup'sche  Buchandlung  in  Lund.    8°.    2  kr. 
iebscher,  H.,  Charron  und  sein  Werk :  „De  la  sagesse".   Diss.   Leipzig. 

66  S.   8°. 
ucas,  //.,  Portraits  et  Souvenirs  littlraires.     E.  Plön,  Nourrit  &  Cu. 

Paris.     18°.     3  fr.  50  c. 
(angoid,  W.  und  Coste,  D.,  Lehrbuch  der  französischen   Sprache  für 

höhere  Lehranstalten.    8.  Teil.    Übungsbuch  zum  Übersetzen  ins 

Französische  für  die  obere  Stufe.    Berlin,  Springer,    gr.  8°.    VIII, 

172  S. 
iarcel/o,  B.,  Le  thäatre  ä  la  mode  an  XVIII*  siecle.    Paris,  Fischbacher. 
tarckwald,  EL,  Eisaas- Lothringische  Bibliographie.   I.  —  1887.    Stras- 
burg, J.  H.  Ed.  Heitz  (Heitz  &  Mündel).    VIII,  119  S.  8°. 
fc£,  G.,  Lehrgang  der  französischen  Syntax.    Zürich,  Schmidt.    VII, 

164  S.  8°.    cart.  1,90  Mk. 
leyer,  Fritz,  Die  Stände,  ihr  Leben  und  Treiben,  dargestellt  aus  den 

altfranzösischen  Artus-  und  Abenteuerromanen.     Marburger  Dies. 

79  S.  8°. 
fichuud,  Joseph-Francats,  Les  croisades  de  Fre'däric  Barberousse  et  de 

Kienard  Coeur-de-Lion.   In  gekürzter  Fassung  für  den  Schulgebrauch 

herausgegeben  von  Reaschul-Oberlehrer  Dr.  Franz  Hummel.    Gera 

1889.     Schlutter.     84  S.  8°.     0,60  Mk.     Wörterbuch  0,15  Mk. 
tohrbutter,  Dr.  A.,  Die  Hauptsachen  aus  der  französischen  Grammatik 

und   Synonymik.     Zum    Gebrauch   für   Schüler  zusammengestellt. 

Oldenburg,  Schulze.     12°.   IV,  58  S. 
(oünes,  L.,    Etüde   sur  Alexandre   Vinet.    Critique   litteraire.    Paris, 

Librairie  Fischbacher.    7  fr.  50  c. 
tontdgut,  E.,  Dramaturges  et  Romanciers.    Paris,  Hachette  &  Ci#. 
tüller,  0.,  Die  täglichen  Lebensgewohnheiten  in  den  altfranzösischen 

ArtuBromanen.     Diss.     Marburg  1889.    71  S.  8°. 


78 

-   Kritik   des    Herrn   A,  Ohlert  in   KBnigi. 

berg  i.  Pr.  über  das  erste  Heft  des  grammatischen  und  siäliitücbn 

Übungsbuches  für  den  Unterricht  in  der  französischen  Sprache  tw 

W.  Bertrum.     Bremen,   M.  Heinaius  Nachfolger,     IG  S.  8°.    (Wird 

unentgeltlich  abgegeben.) 
Parit,  G.,  Extraits  de  la  chanaon  de  Roland  et  de  In  Vie  de  Baint-lonii, 

par  Jean  de  Joinville,  publik«  avec  Introduction,  Notes  et  Glonsiret 

complete.     Pari«  1889.     Hachette.     264  S.   16°. 
Pari*,  Gaston,  Leu  Chants  poymlaires  du  Piemont.     Paris,  Bouillon.  C. 

[Extrait  du  Journal  des  Savants.] 
,  La  litle>aturo  fraii^aiH*  au  Moyen  Age.   'i°  ödition  revue,  corrigfe, 

augmentik'  et  accompagne'  d'un  tableau  chronologique.     Paris,  1890 

Hachette  et  C".     XII,  .IIB  S.  8". 
Perles   de   la   poSsie   francaise    ontemporaine.      Leipzig.     P.  Hobbing. 

700  S.  80. 
Peters,  H.,   Begleitwort   mm  Lehrplan   des  Französischen.     Programm. 

Ganderaheim  1889.     SO  S.  4°. 
Plattiur,   Ph.,    Anthologie    des    ßeolee.      Choii    de  poesiee   francaiiM, 

suivi  de   noteR   expucatives   et   publik  eu   trois  parties.     Karlsrulit 

1890.    J.  Bielefeld.     112  +  11t  +  Hl  S. 
PltttZ-Cares,  Kurzer  Lehrgang  der  französischen  Sprache.    (B.)  Übun- 

buch,  verfasst  von  G.  Pketz.     8.  Heft     (Syntax   des   Artikels,  dM 

Adjektivs  und  des  Adverbs.     Die  Fürwörter).     Berlin,  F.  A.  Herb», 

IV,  78  8.  «o. 
PomairoU,  Ck.  de,  Lamartine,    Etüde  de  morole  et  d'csthdtique.    Pari» 

1889.     Hachette.     In  -18  Jesus,  XII,  8*7  S.     fr.  3,  SO. 
Racine,  /.,    Le»  Plaideurs:   Comädie.     With  Introduction  and  notsi  bj 

E.  Q.  W.  Braunholtz.     Cambridge,  Warehouee.     184  S.  18°. 
Recueil   des   Fabliaux   des   XIII'  et  XIV*  siecles,   imprimes   ou  inädite, 

Sublies  avec  notes  et  variantes,  d'aprea  les  manuecrit«  par  Anstalt 
e  Hontaigion  et  Oaston  Raynaud.     T.  VI.  Contenant  le  Olostain. 

Index.     Paris,  Librairie  des  bibliophiles. 
RettcAlin,     Hilfubiichlein    für    die    französische    Komposition.      Leipiia, 

Renger '«che  Buchhandlung,  Gebnardt  &  Wiliacb.    gr.  8°.    IV,  » 8, 
Rössel,  ¥.,  Bistoire  litte"  raire  de  la  Suieae  romande  des  origine*  i  dm 

jouis.    Tome  I.    Genf  und  Basel,  Georg. 
SaUzmann,  U,,  Der  historisch-mythologische  Hintergrund  und  das  Byltam 

der  Sage  im  Zyklus   des   Guillaume  d'Orange   und  in  den  mit  ihm 

verwandten  Sagenkreisen.    Pr.    Pillau.    80  8.  4°. 
Sandeau,  /.,  Fräulein  von  La  Seigliere.    Lustspiel.    Zum  RÜckübenetien 

aus  dem  Deutschen  in  das  Fransösische  bearb.   von  H.  Breitingor. 

3.  Aufl.     Zürich,  Schulthess.     10S  8.  8°. 
Le  voyage   de   la   Terre   Saint«   compose"   par  Haltre   Denis   Possot  et 

acheve  par  Messire  Charles  Philippe  —  1583  —  publiö  et  annoM 

par  CA.  Setufer.    Paris  1890.    E.  Leronx.    [Recueil  de  voyagee  st 

de  documenta   pour   servir  a,  l'bistoire  de  la  gäographie  depuis  1« 

XIU»  joiqu'a  la  fin  du  XVI«  siecle.] 
SeAmedmg,  Die  Bedenken  Sr.  Excallenr.  des  Herrn  Hinisters  v.  Goitler 

gegen  die  Aufhebung  des  Gymnasialmonopols.    Braunschweig,  Otto 

SaQe.     1,60  Hk. 
Schmidt-  Wartnberg,  ü.  M„  Seneoa's  Influence  ou  Robert  Garnier.  CoroelL 

Dissertation. 
Schuld,  II.,   Das  Verhältnis   der   Handschriften   de«   Girart   de  Vinn«. 

Disa.    Halle  1889.     10t  S.  8«. 
Führer  durch  die  franxOsische  und  englische  ScA*UeklHre.     Zneammen- 


N&vÜdtenverzeichnis.  79 

gestellt  von  einem  Schulmann.     Wolfenbüttel,  J.  Zwissler.    63  S. 
12°.     Kart.  0,75  Mk. 

Schmerz.  Dr.  G.,   Die   Reform    des   französischen   Unterrichts   [untere 

8tnfe].    Schaffhausen  1889.    (Schoch.]    gr.  8°.   60  S. 
Schwarzentraub,  C,  Die  Pflanzenwelt  in  den  altfranzösischen  Karlsepen. 

Diss.     Marburg.    74  S.  8°. 
Sehmob,  Marcel  et  Guiuesse,  George,  Etüde  aar  l'argot  francais.   [Extrait 
des  Memoires  de  fa  Sociäte*  de  linguistique  de  Paris.]    Paris,  Emile 
Bouillon.    8°.    fr.  1,50. 
Seeger,  H.,  Bemerkungen  zu   den  Schriften  Kühn's  und  Walter7 s  betr. 
die  Reform  des  französischen  Unterrichts.   Leipzig,  Fock.   4°.   84  S. 
Scrvois,  G.  et  RdbeUiau,  A.,  La  Bruyere,  Les  Caracteres  ou  les  mceurs 
de  ce  siecle,  präclde*  du  discours  sur  Thäophraste  suivis  du  discours 
a  l'Acadämie  Francaise  publica  avec  une  notice  biographique,  une 
notice  littlraire,  un  index  analytique  et  des  notes.    Paris,  1890. 
Hachette  et  Cle. 
Sctlepast,  F.,  Über  Joi  in  der  Sprache  der  Troubadours  nebst  Bemer- 
kungen über  joia  und  gaug.    [Abhandlung,  der  Sachs.  Akad.  der 
Wissenschaften.]*  57  S.  8°. 
Siegt,  H.,    Ober   schulmässigen    französischen    Sprachunterricht   nach 
neueren  Anschauungen  und  einiges  andere,  was  damit  zusammen- 
hangt.    Progr.    Wien  1889.     88  S.  8°. 
Spetrmo,  Fe'Ux,   Conferences   sur   la   littärature   francaise,   donnäes  ä 
l'universite"  royale  de  Rome.    Rome,  impr.  Innocenzo  Artero.    70  p. 
8°.    L.  1.  [1.  Descartes  et  le  siecle  de  Louis  XIV.    2.  Pierre  Cor- 
neille et  ses  tragldies.     8.  Jean  Racine  et  ses  tragädies.] 

Stengel,  Edmund,    Kleinere    Schriften   von   Ferdinand  Wolf.    Marburg, 
1890.    N.  G.  Elwert. 

Stiehler,  K.  0.,  Streifzüge  auf  dem  Gebiete  der  neusprachlichen  Reform- 
bewegung.    Programm.     Döbeln  1890. 

Stoll,  A.,  Über  die  Sprache  des  Li  vre  de  Jostice  et  de  Plet.  Dissert. 
Halle  1889. 

Strien,  G.,  Elementarbuch  der  französischen  Sprache.  Halle  a.  S. 
Eugen  Strien.    8°.    IV,  97  S. 

Thiemich,  P.,  Französisches  Vokabularium.  8.  Aufl.  Breslau,  F.  Hirt. 
12°.     VIII,  87  S. 

ToNer,  Ad.,  Drei  französische  Wörter  etymologisch  betrachtet  decket, 
souqueniüe,  accoutrer).  Sitzungsbericht,  der  Berliner  Akademie  der 
Wissenschaften.     1889.     LI,  13  S.  8°. 

Todd,  Henry  Alfred,  La  Kaissance  du  Chevalier  au  Cygne  ou  les 
Enfants  change's  en  Cygnes.  French  Poem  of  the  XH*h  Century. 
Published  for  the  first  time,  together  with  an  inedited  Prose  Version, 
from  the  Mss.  of  the  National  and  Arsenal  Libraries  at  Paris. 
With  Introduction  Notes  and  Vocabulary.  Baltimore  the  modern 
language  Association  of  America.     158  S.  8°. 

Träger,  £.,  Geschichte  des  Alexandriners.  I.  Der  franz.  Alexandriner 
bis  Ronsard.     Diss.     Leipzig  1889. 

Toussamt,  Ch.  und  Langenscheidt ,  G.,  Brieflicher  Sprach-  und  Sprech- 
unterricht für  das  Selbststudium  Erwachsener.  Französisch.  37.  Aufl. 
Berlin,  Langenscheidt'sche  Verlagsbuchhandlung.    8°. 

Irovbai,  J.,  Souvenirs  du  dernier  secrätaire  de  Samte  -Beuve.  Paris, 
Calmann  L6yy.     18°*     3  fr.  50  c. 

Tüchert  A.,  Racine  und  Heliodor.    Progr.    Zweibrücken.    51  S.  8°. 

ürbat,  R.,  Beitrage  zu  einer  Darstellung  der  romanischen  Elemente  im 


80  A  (0  vi  tu  tat  verz  dehn  is . 

Latein    der    Historia    Francorum    des    Gregor   v.  Tours.     Diesert 

Königsberg  i.  Pr.,  W.  Koch.     8°.    63  S. 
Varietes  bibliogiaphiqiies.    Organe  de  la  librairie  E.  Rolland.   Paraiwant 

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Vitu,  A.,  Moliere,  les  f&cheux.    Paris.    Librairie  des  Bibliophiles,   i(jö, 

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Voltaire,  (Euvres  choisies.    Publikes  avec  preTace,  notes  et  yariantei 

par  Georges  Bengesco.    Poäsies.    In- 16,  XXIV,  368  p.    Paria,  übr. 

des  bibliophiles,   fr.  3.   Nouvelle  Bibliotheque  classique  des  Edition« 

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Voltaire,  Histoire  de  Charles  XII,  roi  de  Suede.    In  gekürzter  Fassung 

für  den  Schalgebrauch  herausgegeben  von  Gymnasiallehrer  Dr.  Pud 

Gröbedinkel.   Gera  1889.    Schlutter.    84  8.  8°.    0,60  Mk.    Wörter- 

buch  (38  S.)  0,25  Mk. 
Warren,  A  primer  of  french  literature.     Boston,  Heath  &  Co.    VI, 

252  8.  8°. 
Weiss,  JH.,  Französische  Grammatik  für  Mädchen.    2  Teile.   Paderborn, 

Ferdinand  Schöningh.     1.  Mittelstufe  (VIII,  1|4  S.)  —  2.  Oberstufe 

(VIII,  244  8.). 
,  Französisches  Übungsbuch  für  Mädchen.   2  Teile  8°.   Paderborn, 

F.  Schöningh. 
Wichmann,  C,  Das  Abhängigkeitsverhältnis  des  altenglischen  Rol&ndi- 

liedes  zur  altfranzösischen  Dichtung.  Dissert.  Münster  1889.  87  8.8°. 
Wieprecht,  Jhs.,  Die  lateinischen  Homilien  des  Haimo  von  Halbentadt 

als  Quelle   der   altlothringischen  Haimo -Übersetzung.     Hallenser 

Dissertation.    20  S   8°. 
Witiheeft,  F.,  Sirventes  Jogiarese.    Ein  Blick  auf  das  altprovenzalische 

Spielmannsleben.    Diss.    Marburg  1889.    38  8.  8°. 
Zola,  E.,    Das   Gelübde   eines  Toten.     Ins   Deutsche    übertragen  von 

E.  Berg.    Berlin,  R.  Jacobsthal.     12°.    252  8. 
Zola,  E.,  La  bäte  humaine.    Paris,  G.  Charpentier  &  C1«.    8°.   3  fr.  50  c. 
,   Germinal.     Sozialer  Roman.     Einzig  autorisierte   Übersetzung 

von  E.  Ziegler.    3.  Aufl.    Dresden,  Heinrich  Minden.    411  8.  8°. 


Vertag  tw  Carl  Meyer  (Gustav  Prior)  in  Hannover. 

Schriften  des  Deutschen  Einheitsschulvereins. 

I.  Heft:  Dr.  0.  Fr  ick.  Die  Möglichkeit  der  höheren  Einheitsschule. 
Lothar  Meyer,  Mathematik  und  Naturwissenschaften  in 
der  Einheitsschule.  F.  Hornemann,  Die  Pflege  des  Auges 
und  der  Anschauung  in  der  Einheitsschule.  2  Mk. 

IL  Heft:  F. Hornemann,  Die  Zukunft  unserer  höheren  Schulen.  2  Mk. 

HL  Heft:  F.  Hornemann,  Gedanken  und  Vorschläge  zu  einer  Parallel- 
grammatik der  fünf  Schulsprachen  (Deutsch,  Lateinisch, 
Griechisch,  Französisch,  Englisch).  1,50  Mk. 

IV.  Heft:  F.  Hornemann,  Der  gegenwärtige  Stand  der  Einheitsschul- 
bewegnng.  G.  Barkhausen,  Betrachtungen  über  das  Ver- 
hältnis der  höheren  Einheitsschule  zur  technischen  Hochschule. 
F.  Heussner,  Das  Lateinische  in  der  Einheitsschule.  1,80  Mk. 
V.  Heft:  F.  Hornemann,  Bemerkungen  über  den  gegenwärtigen 
Stand  der  Schulreformbeweguug.  Hofrath  Dr.  G.  Richter, 
Das  höhere  bürgerliche  Schulwesen  in  seiner  geschichtlichen 
Entwickelung.  Prof.  Dr.  W.  Rein,  Der  Zeichenunterricht 
in  dem  Gymnasium.  2  Mk. 

TL  Heft:  Professor  Dr.  L.  Meyer,  Die  Reform  der  höheren  Schulen. 
F.  Hornemann,  Einheitsschulbestrebungen  in  Italien. 
1,20  Mk.  —  Durch  alle  Buchhandlungen  tu  beziehen. 

Turnspiele 

nebst  Anleitung  zu 

Wettkämpfen  und  Turnfahrten 

für  Lehrer,  Vorturner  und  Schüler  höherer  Lehranstalten 
von  Dr.  E.  Kohlrausch,  und  A.  Marien, 

Gymnasiallehrer.  8eminarlehrer. 

Mit  12  in  den  Text  gedruckten  Figuren. 
Dritte,  venu.  u.  verbess.  Auflage.    Preis  kart.  60  Pf.,  eleg.  geb.  80  Pf. 

Verlag  von  Wilhelm  Violet  in  Leipzig. 

Praktische  Lehrbücher  zum  Selbstunterricht. 

Rarbauld,  Lecons  pour  les  enfants  de  5  a  10  ans.    9*  £dit.    Avec 

vocab.     1  Mk.  60  Pf. 
I>e  Castros,    Das   französische   Verb,   dessen   Anwendungen   und 

Formen  etc.    l  Mk.  50  Pf. 
£eho  fran^als,  Praktische  Anleitung  zum  Französisch- Sprechen. 

9.  Aufl.    geb.  1  Mk.  50  Pf. 
Fiedler,  Das  Verhältnis  der  französischen  Sprache  zur  lateinischen. 

2.  Aufl.     60  Pf. 

Fr6d£rlc  le  Grand,  (Euvres  historiques  choisies. 

Tome  I:  Me^noires  pour  servir  ä  Thistoire   de  ßrandebourg. 

Nouvelle  Edition,  revue  et  corrige*e.     3  Mk. 
Tome  II:  Histoire  de  mon  teraps.     1"  partie.     2  Mk. 
Tome III:  Histoire  de  inon  temps.     2me  partie.     1  Mk.  50  Pf. 
Wftrter,  die  gleichlautenden  der  französischen  Sprache  in  lexikalischer 

Ordnung.    75  Pf. 
Freund,  Tafel  der  französischen  Literaturgeschichte.  2.  Aufl.   50  Pf. 


fgiig  ton  Eugen  Francfs  Bnchhudlnng  (Beorg  Maske)  h  Qffh, 

Soeben  encbiun: 

Elementarbuch  der  französischen  Sprache 

Dr.  Wilhelm  Hieben. 
|  Er»t<w  Jahr.  | 

Zweite,  durchgängig  verbesserte  Auflage.  —  Preis  geb.  1,2011k. 


Unterhai  tungsfragen 

im  Anschluss  an  die 

fraiuftsiwben  Spnwhstoffe  des  ersten  Teiles  des  Elencitirtai« 

Dr.  Wilhelm  Bicken. 

Preia  SO  Pf. 

Erläuterungen 

Plcetz'  französischer  Schulgrammatik 

von  Dr.  Fr.  Lindner. 

— t-    Preis:  1,20  Mk.    -i— 


Rousseau  und  Byron. 

Ein  Beitrag 

zur  vergleichenden  Literaturgeschichte  des  Revolutionszeit«]!»! 
Dr.  Otto  Schmidt 

in  Onifmld. 
.fr—  +  Preis  3  Mk.  broach.    1B2  S.   Cr.  S°.    fr  —f. 


Chronologisches  Verzeichnis 

französischer  Grammatiken 

vom  Ende  des  14.  bis  zum  Ausgange  des  18.  Jahrhunderts 
nebst  Angabe  der  bisher  ermittelten  Fundorte  derselben 

IE.  Stenerel, 

Professor  In  M«borg. 

Voran  Ige  Bchickt  ist  ein  auf  dem  dritten  Neupbilologentsge 
gehaltener  Vortrag: 

Zur  Abfassung  einer  Geschichte  der  französisches  CrrammsÜk, 

besonders  in  Deutschland. 

>>»  4'  Preis  brosch.  4  Mk.  80  Pf.  f  *■» 


Heinrich  Kcrrting. 

(t  19.  Juli  1890.) 

In  einem  Lebensalter,  wo  für  viele  andere  Gelehrte  Brat 
die  Zeit  literarischer  Thütigkeit  beginnt,  ist  ein  gründlicher 
Forscher  und  edler  Mensch  von  nna  geschieden,  der  bereits 
nicht  nur  in  den  engem  Kreisen  der  Fachgenossen  sich 
einen  Namen  gemacht  hatte.  Diese  kennen  und  rühmen 
von     ihm    seine    ßmrhirhte    tle*     frftnziiii.*  In  >■     Unnutn.-      Im 

XVII.  Jahrhundert  und  seine  treue,  mühevolle  Mitarbeit 
an  der  Redaktion  dieser  Zu.,  einige  wissen  auch,  dass  der 
Frühvollendete  durch  seinen  Tod  aus  den  Vorarbeiten  zu 
grösseren  wissenschaftlichen  Ti 1 1 Iffiilll liilh  lintfnn  abberufen 
wurde,  am  wenigsten  bekannt,  weil  von  dem  Autor  ziemlich 
sorgsam  verstockt,  ist  iibar  die  reich--  Thiitigkeit,  welche  er 
als  Novellist,  Feuilleton  ist  und  Popnlarschnftsteller  in  ver- 
schiedenen Zeitungen  entfaltet  hat.  Rücksichten  persönlichen 
nnd  amtlichen  Charakters  haben  ihm  (Vir  dieses  lieLiet  seines 
vielseitigen  Schaffens  die  Anonymität,  zum  Gesetz  gemacht, 
nur  einmal  ist  sein  Name  als  der  des  Verfassers  eines  Preis- 
romans  genannt,  worden.  Fino  Charakteristik  Kierting's 
würde  sehr  unvollständig  sein,  wenn  sie  nicht  auf  diese 
weniger  bekannten  Arbeiteu  hinwiese.  Denn  der  so  früh 
dahingeschiedene  Gelehrte  wollte  sein  reiches  Wissen  und 
seine  gediegene  Bildung  einem  weiten  Kreise  seiner  armer 
begabten  Mitmenschen  erschließen,  seine  Fachstudien,  so 
ernst  sie  auch  gemeint,  waren.  Hessen  -einer  Willeo-energie 
und  nnermüdeten  Arbeitskraft  noch  Zeit,  sich  weiter  aus- 
zudehnen und  insbesondere  seinen  poetischen  Neigungen 
Gelbiug  n  verschaffen.  Nicht  mir  durch  die  Feder,  sondern 
»och  durch  das  Wort  brachte  er  seine  Gedanken  in  die 
Öffentlichkeit.  Vom  Ende  seiner  Studienzeit  an  trug  er  sich 
mit  dein  Plane,  als  akademischer  Lehrer  zu  wirken,  gegen 
seinen  Willen  wurde  er  noch  über  ä  Jahre  von  der  Aus- 
führung derselben  ferngehalten.  Nur  fi  Jahre  und  bei  den 
langen  Unterbrechungen,  welche  seine  letzte,  tätliche  Krank- 
heit ihm  auferlegt«,  nur  4  Jahre,  hat  er  au  der  Leipziger 
Hochschule  erst  als  Dozent,  dann  als  Professor  gewirkt, 
aber  in  dieser  kurzen  Zeit  zahlreiche  Schüler  m  eigener 
Forschung  angeregt  und  ihnen  praktisch  und  theoretisch 
die  Richtung  ihres  Studien  ganges  gezeigt.  Ich  habe  in 
meiner  zurückgezogenen   Einsamkeit  doch  öfter  Gelegenheit 


gehabt,  Urteile  seiner  Zuhörer  v.n  vernehmen,  denen  jede 
Absicht  berechneter  Schmeichelei  fern  lag,  alle  waren  sie 
in  der  dankbaren  Anerkennung  der  l'ördorung,  welche  ihr 
Wissen  und  ihre  spätere  Thiitigkeit  durch  Kiurtin^'-  \  ■•■-- 
lesungen  and  Übungen  erfahren  hatte ,  einig.  Besonder« 
JM  Stadium  der  französischen  Litteratur  dea  XVII.  und 
XVI II.  Jahrhunderts  verdankt  «einer  Do.'.eutentlilttigkejt 
sehr  vieles.  Eine  An/..i!il  tnii  Dissertationen.  Zeitschriften - 
Abliuiidlungi'u  um]  Seium.irurbeiten  verraten  in  ihrem  sorg- 
fältigen t'leisse.  ihrer  scharf  eindringenden  Kritik  und  schön 
gruppierten  Ihirstellung  die  Hand,  welche,  ohne  sich  auf- 
zudrängen, nar  andeutend  den  Weg-  zu  leiten  und  sicher 
zum  lest  abgegrenzten  Ziele  zu  fiihreu  v.u.  st,-.  Lud  doch 
sah  Niemand  schärfer  ah  Körting,  welche  Schwierigkeiten 
und  undankbare  Anstrengungen  die  Erforschung  v.m  l.ittc- 
raturperiodeu .  welche  jeder  zu  kennen  glaubt  und  daher 
zienilicli  unbeachtet  Lisst,  wenige  nher  gründlich  und  selb- 
ständig durchforscht  haben,  mit  sich  bringt.  In  den  zahl- 
reichen briet!  ichen  \us-erungen  ftn  mich  (ich  besitze  aus 
der  Zeit  vom  Miirz  1885  hin  Vi-  Dezember  1889  etwa 
100  Briefe  oder  Postkarten  von  ihm)  klagt  er  oftmals,  dose 
wir  beide  uns  auf  ein  Gebiet  geworfen  hätten,  auf  dem  so 
vieles  geschrieben  und  so  wenig  gelesen  und  gekauft  v.ünly. 
Desto  höhere  Anerkennung  verdient  die  unermfidete  Sorg- 
falt, mit  der  er  jede  neue  l'uhlikiitiiiu  für  -eine  Studien  und 
Vorlesungen  durchsah  und  die  bis  ins  einzelnste  Detail 
reichende,  aber  nie  den  Zusammenhang  des  liju/.cn  aus  dem 
Auge  verlier  ende  Ausarbeitung  seiner  Kollegieubefte.  Um 
so  schmerzlicher  berührte  es  ihn.  dass  er  zweimal  seine  sonst 
zahlreich  lie.-uchten  Vorlesungen  wegen  nicht  ausreichender 
Teiluehinorzahl  vor  der  Zeit  abbrechen  muaste.  Es  waren 
zwei  Vorlesungen  über  die  Geschichte  des  französischen 
Lustspiels  und  über  Moliere,  also  über  zwei  Themata,  die 
für  die  Erwerbung  einer  guten  Examennote  nicht  gerade 
unbedingt  nutzbringend  sind,  welchen  dieses  unverdiente 
Geschick  zu  Teil  wurde.  Der  Erfolg  seiner  kurzen  und 
doch  so  segensreichen  Lehrthätigkoit  ist  dadurch  nicht 
wesentlich  geschmälert  worden,  desto  eifriger  strömten  die 
Zuhörer  zu  seinen  Vorlesungen,  wenn  in  ihnen  der  unmittel- 
bare praktische  Nutzen  zugleich  mit  dem  selbstlosen  Inter- 
esse Befriedigung  fand. 

Eine  Zeit  lang  ist  K.  auch  an  einer  höheren  Töchter- 
schule als  Lehrer  des  Französischen  tuiitig  gewesen,  hat 
sich  aber  bald  von  der  ihm  nicht  zusagenden  Stellung  »u- 
rück  gezogen. 

Sein  Streben,  für  die  weitere  ntfentlidikeit  zu  wirken, 
ist  ihm  durch  seine  grosso  Scheu  vor  dein  lärmenden  Treiben 
und  der  unlauteren  Marktschreierei  dieser  Orient  liebkeit 
erschwert  worden.    So  wies  er  dos  lockende  Anerbieten,  alt 


Vmderredner  in  verschiedenen  Gegenden  Don  t-":  bland«  inf- 

■Utretsn      trota  seiner  Gabe  oinew  klaren,    an  rieh  enden  Vor- 

IÜ    den  li    seine    gewinnende,    liebenswürdige    Per- 

•""nlii-liki-il    mn'!i    unterstützt    wurde,   /.nriil'.k,   IT   wollte  nieht, 

tan  nbi  Haans  m  fiel  in  den  Zeitungen  genannt  nuj   mU 

Lobeserhebungen  bedacht  wurde,  die  nicht  immer  von 
kompetenter  Seite  Au.-geheu  konnten.  Auch  diu  nicht  ferne 
V'-rii'.ilini ..  in  dein  ar  während  der  letzten  Lebensjahre  zu 
Tnaertartettangan  ttud  bat  ihm  nie  den  Gedanken  ein- 
ölt Mithnenkritiker  7.u  wirken. 
s,in  Leben  blieb  ■">  dii«  stille,  nur  von  enger. ■!:  Vw 
trauten  hikI  hieliyrnossen  genauer  gekannte  eines  <ii.-iil«<;hfTi 
•  'i'l.'lii-f.-ii.  _\  i  it'vu-'  -ml.-  \Wi''-l>->4iin;:  i|i--  [.>.■!. i-ii 
verbot  ihm  nilH  KtatMlhB  '  ■■■-■'mitb.'it,  die  schon  im  frühen 
.lünglmgsnlter  ihn  tat  Sohouuns  und  Kucksiehtualime, 
Ewaug.  Während  seiner  Studienzeit  war  ein  BToaBM  Teil 
Mäner  irbeiaikrafl  den  mfihanmen,  schwierigen  Vorstudien 
B*«  i'lmi't ,  aus  wi-lvhen  seine  Htmhiihlr  tlet>  fhMlWNMI 
MMUHU  hervor« ■iicliu .  eine  durchaus  originale,  in  mancher 
Hi'i ■  i<[iT  bahnbrechende  Schrift,  die  kurz,  vor  seinem  Tode 
auch  in  der  !;■  me  eritJMe  «rang  gen  Nrd3gt  würden  irt 
Die  ESnleiti  irke  bildete  seine  Habilitations- 

schrift.   Seim;  [hswrtation  iil.it: r  IVrrc  lloruoslle.  die   in  einer 

mg  von  I'.  Lothsieaw  gerühmt  wird,  ist  mir  leider 
nnzngänglii-h    geblieben.      Saat   der   X'i'r'itl'.iitln.'hiiofr   dieses 
grossen    Werkes    (.Sommer    1886t,    wnrde    seine    v\ 
Zeit   vollauf  durch    die   iiküdemtoch«   Thitigkatt,    die    Mit  - 
redaktion  der  Zritx<lirift  und  dui-eh  Beine  nblreichen  Renen- 

■Ionen   im    l.\U<-r,in.;-h<-n    l'mtrnlliliitt  (tinter   Signatur    K-ngl 

in   BJMprach    gen n.     Brat    im   Winter    ins»  ging  er  an 

die  Herausgabe  und  Eommentiernag  einer  nltfftlwiinheii 
Handxcbrift ,  die  in  den  Sitzungsberichten  der  Leipziger 
Aka'lemie  er*eh einen  sollte,  ohne  ?.a  ahnen,  dasa  ein  t'ri'ilier 
Tod  ihn  an  der  Vollendung  des  scMnen  Unternehmens  hin- 
dern würde.  Im  April  18811  weilte  er  zu  diesem  Svecke 
io  Paris  —  es  war  da«  «weite  mal,  dass  er  die  einstige 
1  l.mi.t.-(:nlt  l'",iirn]iLM  in  ihrem  verbleichenden  Glanie  sali  — 
und  als  Schwerkranker  hat  er  wochenlang  in  angestreng- 
tester ThBtigkeit  auf  der  dortigen  National-Bibliothek  ge- 
arbeitet. Schon  im.  ■  Spannkraft  durch 
künstliche  Mittel  anfrech t  erhalten  w..-nleii.  ohne  doch  vor 
»eiligen  Abspannung  bewahrt  in  bleiben,  die  ihm 
den  vollen  Genuas  des  anziehenden  Pariser  Leben»  unmög- 
hte.  Ich  habe  damals  in  der  -um merklichen  Ahnung 
de*  Kommendeu  ihm  täglich  zur  Seite  ^o-Unden,  mit  ihm 
bis  Mitternacht  in  den  schwülen  Hämm-n  der  Theater  ge- 
sessen, wo  er  nur  mit  Aufbietung  .iller  Willensenergie  bis 
tum  SchlusÄ  der  Vorstellung  Stand  hielt.  Sein  Interesse  an 
manchem,    was    nicht    dem    unmittelbaren    Zwecke    «eine« 


Aufenthaltes  diente,  war  schon  im  Schwinden,  trotz  alles 
Zuredens  habe  ich  ihn  nicht  zur  Besichtigung  der  Aus- 
stellung der  französischen  Revolution  oder  zu  Besuchen  bei 
Pariser  Gelehrten  und  Litteraten  bewegen  können.  Eine 
unangenehm  schneidende  Kälte,  die  seinem  geschwächten 
Körper  faxt  unerträglich  wurde,  verleidete  ihm  das  längere 
Verweilen  in  Paris,  so  dass  er  nicht  einmal  den  Beginn 
der  Weltausstellung  abwartete.  Er  sehnte  sich  nach  seinem 
'Wirkungskreise  in  Leipzig  zurück,  den  er  schon  nach 
wenigen  Wochen  infolge  einea  schweren  Krankheitsanfallea 
unterbrechen  inusste.  Ein  Aufenthalt  in  einer  stillen 
Thüringer  Sommerfrische  stellte  ihn  scheinbar  so  weit  her, 
dasa  er  gegen  Weihnachten  seine  Vorlesungen,  von  seinen 
Zuhörern  freudig  begrüaat,  wiederaufnahm,  noch  vor  Schluss 
des  Jahres  begannen  die  schweren  Leiden .  denen  er  ium 
Opfer  Bei. 

Seioe  kurze  Iiebensfrist  war  so  nicht  nur  voll  Mühe 
und  Arbeit,  sondern  auch  voll  Leid  und  Schmers.  Ein 
völlig  gesunder  und  rüstiger  Mann  ist  er  während  der  fünf 
Jahre,  wo  ich  ihm  näher  gestanden  habe,  niemals,  gewesen. 
Dar  seioe  starke  Willenskraft  und  eine  gewisse  physische 
Zähigkeit,  welche  oft  den  schwer  niedergebeugten  Kon- 
stitutionen durch  eine  weise  Fügung  Gottes  verliehen  ist, 
hielt  ihn  aufrecht  und  bei  guter  Zuversicht.  An  liebevoller 
Sorgfalt  treuer  Verwandten  und  an  hilfreichem  ärztlichen 
Beistande  hat  es  ihm  nie  gefehlt,  mehr  als  einmal  haben 
die  ihm  verordneten  Badereisen,  Landaufenthalte  und  die 
Ausflüge  in  weitere  Ferne  ihn  geistig  und  körperlich  ge- 
stärkt. Die  Hoffnungslosigkeit  seines  Zustanden  schreibt 
sich  erst  von  einem  gefährlichen  Sturze  her,  den  er  infolge 
unverantwortlicher  Fahrlässigkeit  einea  Hausbesitzers  im 
Sommer  1888  erlitt  Seine  Rettung  war  damals  eine  Art 
Wunder  und  leider  nur  durch  neue,  schwere  Leiden  und 
Krankheiten  erkauft 

Unter  diesen  Hindernissen  seiner  litterarischen  Thätig- 
keit  ist  seine  Gesciiichte  des  französische*  Boman*  das  ein- 
sige umfassende  Werk  geblieben,  da*  aus  seiner  Feder  her- 
vorging. Unutn,  «td  Iranern  kann  man  hier  ohne  Missbrauch 
dieser  sprichwörtlichen  Redensart  sagen.  Waa  aus  seinem 
Nachlasse  noch  veröffentlicht  wird,  wissen  wir  nicht  jeden- 
falls finden  sich  darin  wertvolle  Vorarbeiten  und  angefangene 
Essays,  die  nicht  der  Wissenschaft  verloren  gehen  sollten. 
Ein  reiches  Forscherleben  ist  in  der  Mitte  zerschnitten 
worden  und  eine  unermüdet  angestrengte  Arbeitekraft  vor 
der  Zeit  in  den  Staub  gesunken. 

lt.  Mahrenboltz. 


Referate  und  Rezensionen. 


Sckolle,  Franz,  Der  Stammbaum  der  alifranzösischen  und  alt- 
nordischen Überlieferungen  des  Rolandliedes  und  der  Wert 
der  Oxforder  Handschrift  Wissenschaftliche  Beilage  zum 
Programm  des  Falk- Realgymnasiums  zu  Berlin.  Ostern 
1889.     4°.    24  S.     Preis:  1  Mk. 

Professor  Scholle,  dem  wir  bereits  mehrere  verdienstvolle 
Abhandlungen  über  das  Rolandslied  verdanken,  beschäftigt  sich 
in  der  vorliegenden  mit  einer  Würdigung  der  Dissertation  Fass- 
bender's l) ,  die  einen  ähnlichen  Titel  führt  und  auf  welche  ich 
daher  gleichfalls  hier  näher  einzugehen  genötigt  bin.  Die 
wichtigste  Frage  der  Rolandkritik  ist:  wie  sind  die  Aussagen  der 
*  Uteren  Venetianer  Handschrift,  die  seit  Förster  mit  M  (Marcianus) 
bezeichnet  wird,  zu  verwerten?  Über  diesen  Punkt  sind  die 
verschiedensten  Ansichten  ausgesprochen  worden,  die  ich  als  be- 
kannt voraussetzen  darf.  Fassbender  lässt  0  und  M,  letztere 
durch  eine  Mittelstufe,  aus  einer  gemeinsamen  Quelle,  die  er  x 
nennt,  hervorgehen  und  daher  befindet  sich  sein  Stammbaum  in 
Bezug  auf  diesen  Punkt  mit  dem  meinigen  (Zur  Kritik  und  Ge- 
schichte d.  Franz.  Eol.  S.  41)  wenigstens  scheinbar2)  in  Über- 
einstimmung. Dagegen  weicht  er  gänzlich  von  mir  in  der  Be- 
urteilung der  Karlamagnussage  (n)  ab.  Während  ich  dieselbe 
flir  älter  als  0  hielt,  lässt  er  sie  aus  einer  x2  hervorgehen, 
welche  jünger  als  M  ist.  Denn,  wie  er  behauptet,  hat  n  mit  0 
nichts  Gemeinsames  „als  einige  Auslassungen  und  einige  Kleinig- 
keitena  (S.  12  —  13).  Demgegenüber  zählt  Scholle  30  Fälle  auf, 
in  denen  n  und  0  übereinstimmen,  während  ihm  nicht  nur  M} 
sondern  meistens  noch  mehrere  der  jüngeren  Handschriften  gegen- 
überstehen.    Daher   muss,    wie  Scholle   richtig  sagt  (S.  6),  ent- 

lJ  Ludwig  Fassbender,  Die  französischen  Rolandhandschriften  in 
ihrem  Verhältnis  zu  einander  und  zur  Karlamagnussage.  Bonner  Disser- 
tation.    Köln  1887. 

*)  Warum  nur  scheinbar,  wird  weiter  unten  erklärt. 

Zachr.  t  fts.  Spr.  u.  Litt.    XII*.  6 


82  Referate  und  Rezen*üinen.     A.  Pakscher, 

weder  die  Quelle  von  n  vor  xl  geruckt  werden  oder  man  mm 
annehmen,  dass  M  und  die  betreffenden  Rcimredaktiuiien  ya\\]\[\k 
auf  dieselbe  Abweichung  gekommen  sind.  Dieser  Zufall,  dem 
Scholle  sogar  einen  ziemlich  weiten  Spielraum  bewilligt,  ist  in 
manchen  Fällen  geradezu  ausgeschlossen,  so  z.  B.  in  dem  be- 
reits von  mir  (a.  a.  0.  S.  10)  angeführten  Beispiele,  wo  M,  Cund 
V  die  entschieden  falschen  Namen  Anstlme  und  Garnier  bitten, 
nicht  aber  O  und  n.  Ebenso  wird  der  Vers  Pitts  est  fault  n.  s.w. 
an  drei  kurz  aufeinander  folgenden  Stellen  in  0  und  n  wieder- 
holt, während  die  übrigen  Handschriften  ihn  gar  nicht  oder  in 
anderer  Gestalt  haben.  Hierzu  bemerkt  Scholle  treffend:  „Ob 
der  Vers  ursprünglich  oder  ein  spaterer  Zusatz  ist,  mag  dahin 
gestellt  bleiben;  jedenfalls  Messe  die  Übereinstimmung  zwischen 
Ks  (=  n)  und  0  dem  Zufall  zusehreiben,  dieser  habe  an  den- 
selben vier  Stellen  in  0  und  K.i  ganz  gleiehuiässig,  in  Vx*xl 
aber  ganz  verschiedenartig,  bez.  an  den  einen  oder  andern  Stellen 
gar  nicht  gewirkt  Wahrscheinlicher  ist  doch  wohl,  dass  biet 
0  und  Kt  dieselbe  Quelle  hatten."  An  andern  35  Stellen 
stimmen  wieder  n  und  M  gegen  0  und  die  ReimredaktioneB 
tiberein.  Eine  Darlegung  der  einzelnen  Fälle,  ist  hier  nicht 
möglich.  Manche  scheinen  Seh.  selbst  nicht  völlig  beweisend, 
besonders  wo  es  sich  um  Übereinstimmung  im  Auslassen  solcher 
Verse  handelt,  die  für  die  Erzählung  bedeutungslos  sind.  Immer- 
hin bleiben  von  den  im  Ganzen  65  Fällen,  die  Scholle  bespricht, 
eine  ganze  Reihe  übrig,  die  sich  mit  Fassbender's  Stammbanm 
nicht  vereinigen  lassen. 

Dies  eigentümliche  Schwanken  von  n  zwischen  älteren  and 
jüngeren  Lesarten  lässt  Seh.  die  Möglichkeit  einer  Kompilation 
von  n  erwägen,  die  ihm  jedoch  nicht  wahrscheinlich  ist  (S.  13). 
Ich  möchte  mich  gegenwärtig  für  dieselbe  aussprechen.  Was 
mich  früher  hauptsächlich  veranlasst  hat,  n  eine  Stellung  vor 
x1  anzuweisen,  war  das  Fehlen  der  Baligantepieode.  Ich  bin 
noch  heute  der  Ansicht,  dass  n  nicht  mit  philologischer  Kritik 
an  seine  Vorlage  herangetreten  ist.  Es  ist  mir  nicht  im  Ge- 
ringsten glaublich,  dass  ein  mittelalterlicher  Übersetzer,  wie 
Faasbender  sich  S.  12  ausdrückt,  „aufhört  zn  Übersetzen,  wenn 
er  an  ein  dem  vorhergehenden,  durchaus  ungleichwertiges  Mach- 
werk kommt".1)    Etwas  Anderes  ist  es,  wenn  in  einer  der  Vor 

')  Auch  mit  seinen  Worten  „dann  vergibt  Pakscher  ganz,  dnse 
die  französische  Redaktion  über  n  den  Ballgant  ausgelassen  haben 
kann"  (8.  14)  weiss  ich  nichts  anzufangen.  Die  französische  Redaktion 
über  n  ist  nach  seinem  eigenen  Stammbaum  X*,  und  wenn  Baligant 
in  dieser  fehlte,  wie  kommt  es,  dass  ihn  die  aus  x3  abgeleiteten  fran- 
zösischen Handschriften  enthalten?" 


F.  Scholle,  Der  Stammbaum  d.  afrz.  «.  altnord.  Rolandliedes  etc.     83 

Isgen    der  Rarlamagnussage   der  Baligant  fehlte,    und   u\a,   wie 
gegenwärtig  wohl   allgemein   angenommen  wird,   es   eine    solche 
Redaktion  ohne  Baligant  gab,   so  ist  diese  Erklärung  die  natür- 
lichste.     Dagegen    hat   Fassbender    mich    überzeugt,    dass    die 
Träume  in  n  und  ebenso  manche  andere  Kleinigkeiten  einer  der 
jüngeren  Handschriften  entnommen  sein  müssen.     Es  bleibt  also 
nur  die  Möglichkeit  einer  Kompilation  übrig  und  diese  hat  nach 
der  ganzen  Anlage   der  Karlamagnussage  viel  für  sich,  da  doch 
vorauszusetzen    ist,    dass   dem  Veranstalter   der  Sammlung   eine 
ganze   Reihe   französischer  Handschriften  vorgelegen  hat,    unter 
denen  sich  leicht  auch  zwei  verschiedene  Fassungen  des  Rolands- 
liedes befunden  haben  können. 

Mehr  Schwierigkeit  bietet  die  Annahme  einer  Kompilation 
bei  M}  für  die  Scholle  (S.  12)  eintritt  gegen  Fassbender  (S.  6  ff.). 
Dass  der  Jongleur,  dem  wir  diese  Fassung  verdanken,  sich  die 
Mühe  gegeben  haben  sollte,  verschiedene  Handschriften,  selbst 
wenn  sie  ihm  zur  Verfügung  gewesen  wären ,  zur  Eruierung  des 
richtigen  Textes  mit  einander  zu  vergleichen,  ist  um  so  weniger 
denkbar,  als  er  schon  in  der  Einleitung  zeigt,  dass  es  ihm  nur 
um  Gelderwerb  zu  thun  ist.  Der  wesentliche  Bestand  von  M 
entstammt  vielmehr  derselben  Vorlage,  die  0  benutzt  hat;  aber 
während  der  Schreiber  der  letzteren,  wie  ich  in  meiner  Schrift 
im  Einzelnen  ausgeführt  habe,  sich  nur  kleine  Auslassungen  und 
Versehen  hat  zu  Schulden  kommen  lassen,  ist  der  Verfasser  von  M 
ganz  willkürlich  verfahren  und  hat,  um  sein  Gedicht  auszudehnen, 
überall  her  Entlehnungen  gemacht.  Mag  man  nun  diese,  wovon 
gleich  noch  die  Rede  sein  soll,  auf  mündliche  oder  schriftliche 
Quellen  zurückführen,  so  wird  das  praktische  Resultat  doch  das 
bleiben,  dass  wir  bei  Herstellung  des  uns  erreichbaren  Textes 
im  Grossen  und  Ganzen,  d.  h.  abgesehen  von  der  Besserung 
einiger  entstellter  Verse,  auf  0  angewiesen  sind.  In  diesem 
Sinne  spricht  sich  auch  Scholle  am  Ende  seiner  Schrift  aus. 
Vor  allem  stimmt  er  darin  mit  mir  überein,  dass  Plustiraden, 
welche  M  in  Übereinstimmung  mit  jüngeren  Handschriften  gegen  0 
bietet,  nicht  als  ursprünglich  anzusehen  sind.  Um  dies  zu  er- 
weisen, geht  er  die  einzelnen  Stellen  durch,  an  denen  man  die 
Aufnahme  von  Plustiraden  für  notwendig  erklärt  hat,  und  zeigt,  dass 
sie  Überflüssiges,  ja  zum  Teil  Ungereimtes  enthalten  (S.  20 — 24). 

Der  übrige  Teil  seiner  Abhandlung  (S.  13—20)  beschäftigt 
sich  mit  dem  Verhältnis  der  jüngeren  Handschriften.  Fassbender 
hat  das  Verdienst,    dies  zuerst  gründlich   untersucht  zu  haben.1) 

x)  Es  war  dies  auch  erst  möglich,  seit  von  Fcerster'a  Hand  zuver- 
lässige Ausgaben  vorliegen.  Da  die  Absicht  meiner  Schrift  im  Wesent- 
lichen   auf  Rekonstruktion    des  Inhalts   der   älteren  Stufen   gerichtet 

6* 


84  Referate  und  Rezensionen.    A.  Paktcher, 

Dass  einerseits  C  (Chäteauroux)  und  V  (Venedig  VII},  andret- 
seits  TLP  (Trinity  College  in  Cambridge,  Pariser,  Lyoner)  undF 
(die  Lothringer  Fragmente)  in  näheren  Beziehungen  stehen,  kam 
nicht  zweifelhaft  sein.  Fassbender  zweigt  daher  von  der  Allen 
gemeinsamen  Quelle  xs  ein  x*  ab,  aua  dem  C  und  V,  ein  tl, 
ans  dem  7)  und  endlich  ein  xe  ab,  ans  dem  LPF  hervorgegangen 
sind.  Aber  nicht  Überall  ist  das  Verhalten  der  Handschriften 
ein  gleiches,  in  einzelnen  Teilen  der  Erzählung  findet  ein  ge- 
naueres Zusammengehen  als  in  anderen  statt,  wie  Fassbender 
S.  20  ff.  ans  ein  ander  setzt.  Soweit  wäre  der  Stammbaum  «ig 
ziemlich  einfacher.  Jedoch  begegnet  uns  eine  Schwierigkeit, 
mit  der  Fassbender  nicht  recht  fertig  geworden  ist.  Es  haben 
eich  nämlich  auch  in  der  Reimredaktion  eine  Anzahl  aseonierender 
Tiraden  erhalten,  and  zwar  teils  mir  Assonanzen,  teils  Assonanzen 
neben  Reimen.  So  bietet  C  an  zwei  Stellen  (zwischen  Tirade 
74 — 87  nnd  zwischen  201—216)  im  Ganzen  15  Tiraden  nur 
mit  Assonanz,  während  V  an  denselben  Stellen  durchweg  reinen 
Reim  bietet  Fassbender  weiss  sich  dieses  nicht  zn  erklären, 
obwohl  er  an  die  Möglichkeit  denkt,  dass  C  aus  einem  Manu- 
skript vor  x*  kompiliert  sein  könnte.  „Warum  hat  denn  C, 
fragt  er  S.  22  unten,  „AssonanzTedaktion  statt  ReimredakrJon  an 
dieser  Stelle  gewählt,  und  warum  hat  es,  wenn  ihm  zwei  Hand- 
schriften vorlagen,  gerade  diese  und  nur  diese  Teile  gewählt?" 
Hierauf  weiss  er  keine  Antwort  und  meint,  dass  die  Unter- 
suchung lauter  negative  Resultate  ergebe.  Auch  ich  vermag  nur 
mit  einer  Vermutung  zu  antworten,  die  jedoch  nichts  Unwahr- 
scheinliches enthält.  C  ist  jünger  als  V.  Während  F  von 
Gantier  und  Delisle  ins  13.  Jahrhundert  gesetzt  wird,  gehört  0 
nach  denselben  Beurteilen)  und  Paul  Heyer  in's  14.  Jahrhundert, 
und  selbst  Fmrster,  der  dieser  Annahme  widerstrebt,  ist  genötigt 
zuzugeben,  dass  C  „um  ein  weniges  jünger"  ist  als  V.  Der 
Schreiber  von  C  hatte  wie  der  von  V  das  Bestreben,  eine  mög- 
lichst ausführliche  Erzählung  zu  geben,  und  wählte  daher,  auch 
wenn  ihm  neben  x*  eine  kürzere  Fassung  zur  Verfügung  stand, 
die  erste  re  zur  Vorlage.  Wenn  er  an  zwei  von  einander  unab- 
hängigen Stellen  von  diesem  Verfahren  abwich,  so  wird  der 
Grund  darin  zn  suchen  sein,  dass  ihn  hier  seine  Vorlage  in 
Stich  liess,  d.  b.  während  der  Zeit,  die  zwischen  der  Entstehung 
von  V  und  C  liegt,  einige  Blätter  aus  dem-  gemeinsamen  Original 
herausgerissen  worden  waren.1)     Scholle    geht  auf  diesen  Punkt 

war,  bo  habe  ich  mich  begnügt,  das  Verhältnis  der  jüngeren  Hand- 
schriften ungefähr  anzugeben. 

')  Zwei   derartige  Lücken  durch  Herausreissen   bietet  r.  B.  auch 
die  Handschrift   T  (vgl.  Frorst  er,  AUfranz.  Bibliothek  VII,  S.  VII). 


F.  Schutte,  (Ur  Slammhanm  des 


.  alliiiirii.  Rolandliedes  ele.     85 


i,  aber  er  konstatirt,  dass  V  an  diesen  Stellen  Bowohl 
insichtlieh  der  Assonanzen,  als  hinsichtlich  des  Inhalts  der 
Verse  sehr  nahe  mit  0  zusammengeht.  Daher  ist  als  erwiesen 
inzuseben,  dass  V  ausser  x*  noch  eine  ältere  Handschrift,  die  0 
verwandt  war,  vorlag  und  insoweit  der  Fassbender'sche 
Stammbaum  zu  berichtigen. 

Ähnliches  ist  jedoch  auch  bei  P  der  Fall.  Auch  in  dieser 
Handschrift  tritt  in  einem  Teile  der  Erzählung  die  Assonanz- 
redaktion so  deutlich  hervor,  dass  selbst  Fassbender  bei  diesem 
eine  Durchbrechung  seines  Stammbaumes  annimmt  (S.  25).  Scholle 
sucht  ferner  an  allerdings  nicht  schwerwiegenden  Einzelheiten 
darzuthun,  dass  T  bald  mit  O,  bald  mit  M,  bald  mit  andern 
Handschriften  etwas  gemeinsam  habe,  so  dass  man  zu  dem 
Schlüsse  kommen  milsste,  dass  es  fünffach  kompiliert  sei  (S  19). 
Dieses  Ergebnis  führt  ihn  zu  der  Annahme  mündlicher  neben 
der  schriftlichen  Überlieferung  zurück,  Über  welchen  Gegen- 
stand er  sieh  bereits  Zeitudir.  f.  rom.  Ph.  IV,  208  ff.  ausge- 
sprochen hatte.  Es  ist  ihm  gewiss  beizustimmen,  wenn  er  (a.  a.  0.) 
Bagt,  dass  die  mündliche  Überlieferung  in  älterer  Zeit  auf  die 
Gestaltung  der  Sage  eingewirkt  habe.  Ich  glaube  sogar,  dass 
das  Rolandslied  selbst  ursprünglich,  vielleicht  ausschliesslich, 
mündlich  fortgepflanzt  wurde.  Aber  nur  bis  zu  einer  gewissen 
Zeit.  Die  Übereinstimmung  so  vieler  Verse,  welche  sämtliche 
uns  erhaltene  Handschriften  bei  allen  Abweichungen  in  andrer 
Beziehung  zeigen,  setzt  voraus,  dass,  ungefähr  um  die  Mitte  des 
elften  Jahrhunderts,  eine  Niederschrift  stattfand,  die  sich  allge- 
meinen Beifall  erwarb  und  daher  zur  Quelle  der  übrigen  wurde. 
Dass  von  da  ab  die  Entwickelung  auf  schriftlichem  Wege  statt- 
fand, ist  mindestens  wahrscheinlich.  Daher  ist  das  Aufstellen 
eines  Stammbaums  insoweit  berechtigt,  als  er  die  Genesis  der 
jüngeren  Handschriften  im  Grossen  und  Ganzen  darzustellen  ver- 
sucht. Aber  es  ist  nicht  möglich,  beim  Rolandsliede  wirklich 
Familien  zu  bilden  und,  wie  Fassbender  will,  aus  dem  Zusammen- 
gehen zweier  von  ihnen  an  einzelnen  Stellen  auf  Ursprüngliches, 
d.  h.  dem  Original  des  1 1.  Jahrhundert  Allgehöriges,  zu  achlicssen. 
Dazu  wäre  erforderlich,  dass  die  jüngeren  Abschriften  die  Ab- 
sicht haben,  ihre  Vorlage  getreu  wiederzugeben,  aber,  wie  ich 
nachgewiesen  zu  haben  glaube,  ist  dies  nicht  der  Fall.  Das 
Verhältnis  ist  ein  ähnliches,  wie  wenn  von  demselben  Dichter 
ein  Werk  in  mehreren  von  ihm  selbst  herrührenden  Bearbeitungen 
vorläge,  wo  wir  auch  nicht  daran  denken  könnten,  die  frühere, 
etwa  lückenhaft  überlieferte,  aus  der  späteren  herzustellen.  Ebenso 
efert  uns  O  eine  Fassung  des  Rolandsliedes  aus  dem  11.  Jahr- 
idert,  Afeine  zweite  wahrscheinlich  aus  dem  Ende  des  12.  Jahr- 


66  Referate  und  Rezensionen.    E.  k'aschwitz, 

hunderte  und  die  Übrigen  eine  aus  dem  13.  Jahrhundert  stimm  ende. 
Wollen  vir  die  erste  haben,  so  haben  vir  nnr  0  von  offenbar» 
Fehlern  zu  reinigen,  wie  das  Müller  bereits  gethan  hat  An  der 
Herstellung  der  zweiten  und  dritten  Fassung  wird  ans  weniger 
gelegen  sein,  und  völlig  ausführbar  ist  die  letztere  auch  eigent- 
lich nicht,  weil  sich  wieder  jede  einzelne  Handschrift  zahlreiche 
Abweichungen  erlaubt  hat.  Diese  Varianten  brauchen  aber  nicht 
in  mündlicher  Überlieferung  ihren  Grund  zu  haben,  der  Schreiber 
musB  sie  niebt  gerade,  wie  Scholle  glaubt,  irgendwo  gehört  und 
aufgeschrieben  haben,  sondern  sie  können  aus  seiner  eigenes 
Initiative  hervorgegangen  sein.  Die  Jongleurs,  die  man  sich  ili 
die  Urheber  der  jüngeren  Handschriften  zu  denken  hat,  mögen 
sie  nun  sie  selbst  geschrieben  oder  diktiert  haben,  beherrschten 
eine  ganze  Anzahl  von  Epen,  die  ihrem  Repertoire  angehörten, 
so  weit,  dasa  sie  bald  diesem,  bald  jenem  einzelne  Verse  oder 
auch  Schilderungen  ähnlicher  Situationen  entnehmen  und  mit 
leichter  Umarbeitung  dem  Rolandaliede  einfügen  konnten.  Ab« 
es  scheint,  dass  die  Improvisation  dabei  zu  den  Ausnahmen 
gehörte,  dasa  vielmehr  die  veränderte  Fassung,  die  oft  ein  Plus 
von  mehreren  hundert  Versen  bedeutete,  vorher  ausgearbeitet 
und  dann  vorgetragen  wurde.  So  dass  eich  also  die  Verände- 
rungen auf  schriftlichem  Wege  vollzogen  haben  und  bei  ihnen 
das  Gedächtnis  keine  wesentlich  andre  Rolle  spielte,  als  bei 
modernen  schriftlichen  Erzeugnissen.  Abgesehen  von  diesen 
Nebenpunkten  decken  sich  die  Ansichten  Scholle's  in  vieler  Be- 
ziehung mit  den  meinigen,  und  ich  hoffe,  dass  es  den  klares 
Ausführungen  seiner  Schrift  gelingen  wird,  sich  allgemeinen 
Beifall  zu  verschaffen  und  dadurch  einen  gewissen  Abschlusa  in 
der  Rolandkritik  herbeizuführen.1)  A.  Pakbchbr. 


Paris,  Gaston,  La  UtUrature  fran$aise  au  moyen  äge.    XI' — XIV' 

siede.    2B  ed.    Paris,    1890.    Hacherte  et  C'8.    8°.   XU 

und  316  S. 

Ober    die    erste    Auflage    des   Werkes    vergl.    Ztsehr.   Sil1, 

1 — 3.    Schon  nach  Jahresfrist  hat  sich  das  Bedürfnis  nach  einer 

neuen  Ausgabe    herausgestellt,    und    schon   im    September  1889 

war    der  Druck  der  zweiten,    um  16  Seiten    „vermehrten"   und 

J)  Sehr  etörend  habe  ich  ea  empfunden,  dasa  Scholle  wieder  die 
alten  Bezeichnungen  der  Handschriften  (V,  Vi,  Vz  etc.^  verwendet. 
Man  mag  die  Notwendigkeit  der  Fcerster'schen  Änderungen  beatreiten; 
da  sie  aber  einmal  durch  seine  Ausgaben  Verbreitung  gefunden  haben, 
wäre  es  im  hohen  Grade  wünschenswert,  dass  sie  ausschliesslich  rar 
Anwendung  kamen. 


G.  Paris,  La  Uiierature  franqaise  au  moyen  äge.  87 

vielfach  „verbesserten"  Auflage  beendet,  die,  da  ihr  Verkauf 
nicht  sofort  beginnen  konnte,  wieder  8  Seiten  neue  Hinzufügungen 
and  Besserungen  erhielt,  deren  Vorhandensein  die  fortdauernde 
Teilnahme  des  Verfassers  an  seinem  Werke  und  seine  bleibende 
Fürsorge  um  dessen  Vollendung  deutlich  beweist.  G.  Paris  hat 
fttr  seine  erste  Auflage  zahlreiche  Rezensenten  gefunden.  Selbst 
Schöngeister  haben  an  seiner  Schöpfung  Anteil  genommen  und 
sich  wie  Anatole  France  im  Temps  (abgedruckt  in  dessen  Vie 
UUiraire,  26  serie.  Paris,  1890,  S.  264  ff.)  durch  sie  in  Be- 
trachtungen und  Träumereien  über  das  alte  Frankreich  versenken 
lassen.  Doch  wertvoller  waren  für  0.  P.  diejenigen  Anzeigen, 
die  ihn  auf  Unvollkommenheiten  aufmerksam  machten,  und  die 
privaten  Mitteilungen,  die  ihm  im  Interesse  der  Beseitigung  auch 
geringfügiger  Mängel  von  verschiedener  Seite  zugingen.  G.  P. 
lat  die  Angaben  seiner  Kritiker  wiederum  einer  Kritik  unter- 
worfen, und,  was  ihm  brauchbar  erschien,  gewissenhaft  in  der 
leuen  Auflage  berücksichtigt.  Das  Meiste  des  Neuen  und  Ge- 
besserten ist  aber  seinem  eigenen  unausgesetzten  Studium  zuzu- 
schreiben, und  es  ist  keine  Phrase,  wenn  er  im  neuen  Vorwort 
5.  VIII  von  sich  behauptet:  „je  riai  presque  pas  passi  un  jour 
tans  y  apporter  quelque  retouche,  m'efforgant  de  le  (le  Uvre)  faire 
profiter  de  mes  lectures  ou  de  mes  riflexions" 

Der  wichtigste  Zusatz  P.'s  ist  die  schon  in  der  1.  Auflage 
in  Aussicht  gestellte  chronologische  Übersicht  über  die  Werke 
Her  altfranzösischen  Litteratur  (S.  245 — 55),  in  der  er  sich  be- 
müht, den  in  seiner  Darstellung  genannten  altfranzösischen  Schrift- 
werken wenigstens  annähernd  nach  ihrer  Abfassungszeit  einen 
Platz  anzuweisen.  Dass  die  von  ihm  angesetzten  genaueren 
Daten,  so  weit  sich  solche  überhaupt  geben  Hessen,  nicht 
sämtlich  gesichert  sind,  und  dass  sich  selbst  diese  und  jene 
ülgemeinere  Zeitbestimmung  anfechten  läset,  wird  niemand  über- 
raschen. Im  allgemeinen  kann  man  P.'s  Angaben  wohl  ver- 
trauen und  jeder,  der  altfranzösische  Erscheinungen  in  ihrer 
chronologischen  Entwickelung  verfolgen  will,  findet  hier  einen 
glaubwürdigen  Führer.  Freilich  wird  er  immer  bedenken  müssen, 
lass  die  von  P.  angesetzten  Daten  ausschliesslich  für  die  Ent- 
stehung, nicht  aber  für  die  Überlieferung  der  aufgezählten 
Texte  gelten.  Das  Ziel  der  P. 'sehen  Tabelle  ist  ein  littera- 
'isches  und  kommt  erst  in  zweiter  Linie  auch  dem  Grammatiker 
su  Gute,  dem  oft  das  Datum  der  Handschrift  von  grösserem 
SVerte  ist,  als  das  der  Abfassung  des  Originals. 

Auf  Besprechung  von  Einzelheiten  wollen  wir  hier  ebenso- 
wenig eingehen,  wie  in  unserer  Anzeige  der  ersten  Auflage  in 
len    Gott  Gel.  Änz.  vom  15.  Juni  1889.     Nur  auf  ein  Kapitel 


88  Referate  und  Rezensionen.    B.  Freymond, 

milchten  wir  hinweisen,  für  welches  eich  in  einer  weiteren  Auf- 
lage eine  Umarbeitung  nötig  erweisen  wird.     Es  ist  Kapitel  IV: 
I,tw  Romans  bretons.     G.  P,  hält  auch  in  seiner  neuen  Ausgibt 
an  den  Ansichten  fest,  die  er  ausführlich  auch  in  der  Einleitung 
des  30.  Banden  der  Mistoire  liite'raire  de  In  France,  Paris  1688, 
vertreten    hat,    wonach    die    französischen    Dichtungen    über  die 
Helden  des  Artussagenkreises  auf  kymriscb  -  anglo  normannischen 
Vorstufen  beruhen  sollen.    Wie  G.  P.  zu  dieser  Ansicht  gekommen 
ist,  liegt  auf  der  Hand.    In  England   ist  Galfrids  von  Monmouth 
Historia  regum  Brüanntae  entstanden,   Anglonormannen  und  tum 
englischen  Hofe  in  Beziehung  stehende  Normannen  (Gaimar,  Wace) 
übersetzten    sie;    Marie    aus   Frankreich,    die   in  England  lebte, 
dichtete  Laie,    deren  Stoffe   sich  wenigstens  mit  denen  des  bre- 
tonischen Sagenkreises  berühren;  die  zu  demselben  Sagenkreise 
in  Beziehung  gebrachte  Tristansage  ist  von  zwei  Anglonormannen 
bearbeitet   worden;    in  England   entstanden  die  (mit  Unrecht  sc 
benannten)  Mabinogion,    deren   Quellen,    so  weit   die   Artussage 
in   Frage   kommt,   französische   (da  in  England  verbreitet,   als» 
anscheinend  anglo französische)  waren;   ein  walisischer  nachweis- 
barer Sagener  Zähler,  Breri,   der  in  England  lebte,  wnsste,  nach 
Thomas'    Zeugnis,     des   Tristandichters,    von   den    bretonischen 
Sagenhelden  zu  erzählen  —  was  lag  unter  solchen  Verhältnissen 
näher    als   anzunehmen,   der  keltische  Sagenstoff  sei    zuerst  in 
England   den   Franzosen  (Anglonormannen)  bekannt,    von   ihnen 
bearbeitet  worden   und  von  da  nach   dem  Kontinent  gewandert, 
um  von  kontinentalfranzÖBischen  Dichtem,  an  ihrer  Spitze  Crestien 
de  Troyes,    eine  neue  Behandlung  zu  finden.     Dennoch  ist  nach 
den  Ausführungen  Zimmer's  in  den  Oö'U.  Gel.  Am.  vom  10.  Juni 
und  1.  Oktober  1890  diese  Annahme  abzulehnen.    Nach  Zimmers 
auf  quellenmässiger  Forschung  beruhenden  Untersuchungen  wird 
man   den   Bretonen    Frankreichs    die   Ehre    zuerkennen   müssen, 
die  Quellen   der  französischen   Artusdicbter  geliefert   zu   haben. 
Nach  der  Bretagne   weisen  die   politischen  und  lokalen  Verhält- 
nisse,  zum  Teil  die  Stoffe   und   die   Namen  der  französischen 
Artusdichtung;    zweisprachige   Bretonen   waren   die   natürlichsten 
Vermittler  zwischen  keltischer  Sage  und  der  französischen  Fassung 
derselben.      Andererseits    sprechen    gegen    agn.  Vermittelung   die 
vollständige  Abwesenheit  Überlieferter   agn.  Artusdichtungen,  die 
Crestien    und    seinen   Nachahmern    hätten    zur    Vorlage    dienen 
können,  das   feindselige  Verhältnis  der  Kelten   Englands   gegen 
die  Angelsachsen   und   die   eingewanderten  Normannen,    die  mit 
dem  Kymrischen  unverträglichen  Namenformen  der  kontinentalen 
Dichtung,    die   abweichenden  Züge,    welche   sich    in   den   soge- 
nannten Mabinogion   unter  wirklich   kymrischem   Eintlnss  finden. 


Fr.  Kreyssig,  Geschichte  der  französischen  Nationallitteratur  etc.    89 

Über  diese  und  andere  schwer  wiegende  Einwände  Zimmer's  wird 
sich  O.  P.  in  einer  nenen  Auflage  nicht  hinwegsetzen  können, 
und  wir  dürfen  erwarten,  dass  die  notwendig  gewordene  Aus- 
tragung der  einander  widersprechenden  Ansichten  zu  einer  end- 
gihigen  Klarstellung  der  Vorgeschichte  der  französischen  Artus- 
dichtungen führen.  Hier  sollte  nur  die  Aufmerksamkeit  darauf 
gelenkt  werden,  dass  dieser  Teil  des  P.'schen  Buches  in  seiner 
Grundlage  angefochten  ist  und  vorläufig  nicht  als  gesichert  an- 
genommen werden  darf.1)  E.  Eosghwitz. 


Kreyssig,  Fr.,  Geschichte  der  französischen  Nationallitteratur  von 
ihren  Anfängen  bis  auf  die  neueste  Zeit.  Sechste  ver- 
mehrte Auflage  in  zwei  Bänden  gänzlich  umgearbeitet 
von  Adolf  Kressner  und  Joseph  Sarrazin.  Bd.  1. 
Geschichte  der  französischen  Nationallitteratur  von  den 
ältesten  Zeiten  bis  zum  XVI.  Jahrhundert.  Bearbeitet  von 
A.  Kressner.  Berlin  1889.  Nicolai'sche  Verlagsbuch- 
handlung.    8°.    VI,  324  S. 

Noch  immer  glauben  vielfach  Kandidaten,  selbst  solche, 
die  Französisch  als  „zweites  Hauptfach u  wählen,  genug  daran 
zu  thun,  wenn  sie  ihre  Kenntnis  der  französischen  Litteratur  vor- 
wiegend aus  kürzeren  Kompendien  schöpfen.  Kreyssig's  Ge- 
schichte der  französischen  Nationallitteratur  —  bei  ihrem  ersten 
Erscheinen  (1851)  ein  verdienstvolles  Buch  —  erfreute  sich  be- 
kanntlich in  dieser  Beziehung  besonderer  Bevorzugung,  obgleich 
wohl  von  jeher  in  den  ersten  fünf  Auflagen  gewisse  Partien, 
besonders  die  Abschnitte  über  die  altfranzösische  Litteratur  dem 
jeweiligen  Stande  der  Wissenschaft  nicht  entsprachen.  Es  liegt 
dem  Referenten  fern,  hieraus  dem  vor  zehn  Jahren  verstorbenen, 
hochverdienten  Kreyssig  einen  Vorwurf  machen  zu  wollen.  Kreyssig 
schrieb  sein  Werk  zunächst  weniger  für  das  grosse  Publikum, 
wie  Kressner  meint,  sondern  er  verfolgte  den  Zweck,  ein  Schul- 
buch zu  schaffen,  das  dem  Gymnasial-  und  Realschullehrer  zu 
weiteren  Ausführungen  die  nötigen  Anknüpfungspunkte  bieten, 
welches  zugleich  Styl-  und  Sprechübungen  zu  Grunde  gelegt 
werden  sollte  und  eventuell  Studierenden  als  Leitfaden  zu  weiterer 
Belehrung  dienen  könnte.  Trotz  der  Bestrebungen,  bisherige 
Lücken  auszufüllen  und  Verbesserungen  vorzunehmen,  um  dadurch 
das  Buch  höheren  Zwecken  dienlich  zu  machen,  blieb  in  der 
fünften  Auflage  des  Mangelhaften  und  Falschen  noch  viel  übrig; 

*)  Inzwischen  hat  auch  W.  Foerster  das  zitierte  Kapitel  G.  Paris' 
im  Littbl.  f.  germ.  u.  rom.  Phil.  1890,  No.  7  mit  wichtigen  Gründen  und 
grösstenteils  in  Übereinstimmung  mit  Zimmer  angegriffen. 


90  Referate  und  Rezensionen.    E.  Frci/mand, 

bei  einer  weiteren  Auflage  muaste  dai  Buch,  am  heutigen  An- 
sprüchen zu  genügen,  einer  vollständigen  Umarbeitung  u-tteraogeD 
werden.  Diese  —  besondere  ftlr  die  ältere  Zeit  —  nicht  leichte 
Aufgabe  übernahmen  Kressner,  der  die  Litteratnr  Frankreich» 
(auch  die  provenzalische)  bis  zum  Ausgang  des  XVL  Jahrbunderta 
behandelt  und  in  einem  zweiten  Bande  Sarrazin,  der  die  neuere 
und  neueate  Litteratur  bespricht.  Da  die  in  früheren  Auflagen 
zum  Zweck  des  Übersetzens  in  das  Französische  gegebenea 
Fussnoten  in  der  vorliegenden  fortgelassen  Bind,  hört  das  Werk 
auf,  ein  Übersetzung« buch  zu  sein;  es  macht  einen  Anspruch 
darauf,  eine  selbständige  Litte raturge schichte  zu  sein  und  es  ist 
darum  an  dasselbe  ein  anderer  Masastab  anzulegen  als  vordem.  — 
Kressner  hat  sich  —  das  zeigt  schon  ein  fluchtiger  Einblick  in 
den  von  ihm  bearbeiteten  Teil  —  redlich  bemüht,  das  vorher 
Gebotene  radikal  umzugestalten;  fllr  die  Litteratur  bis  zum  Ende 
des  XIV.  Jahrhunderts  bietet  er,  zumal  nnr  wenige  Seiten  des 
Krryssig' sehen  Testes  beibehalten  worden  sind,  ein  völlig  anderes 
Werk,  das  zwar  im  Vergleich  zur  fünften  Autlage  einen  sofort 
erkennbaren  namhaften  Fortschritt  aufweist,  an  welchem  aber 
hauptsächlich  eine  gar  zu  ung I ei chm aasige  Behandlung  der  ver- 
schiedenen zu  besprechenden  Dichtungsgattungen  auszusetzen  ist 
—  In  einer  in  erster  Linie  ftlr  das  grosse  Publikum  bestimmten 
altfranz  '6  Bischen  Litte  raturge  schichte  ist  vor  allem,  mehr  als  ei 
in  der  KresBaer'scben  Arbeit  geschieht,  die  universelle  Be- 
deutung dieser  Litteratnr  hervorzuheben.  Die  zum  groastei 
Teil  zn  lang  geratenen  Inhaltsangaben  der  Nationale pen1)  dürften 
kaum  geeignet  sein,  das  grosse  Publikum  flu*  die  altfranzBsisehe 
Litteratur  besonders  einzunehmen;  Verfasser  hätte  besser  daran 
geUian  bei  kürzerer  Darstellung  dieses  Abschnittes  eich  für 
andere  Gattungen,  vor  allem  für  die  höfische  Epik,  auch  für  die 
Fableaus  mehr  Kaum  Übrig  zu  behalten;  denn  ihre  universelle 
Bedeutung  verdankt  die  altfranzösische  Litteratur  zum  grösseren 
Teil  dem  Einfluss,  den  sie  auf  den  zuletzt  genannten  Gebieten 
ausgeübt  hat.  Eine  Analyse  von  Renant's  Roman  de  Galeren 
oder  von  lue  et  Gattertm,  von  Barlaam  &  Joasaph,  vom  Roman 
de»  VII  Sage»  etc.  wäre  zweckmässiger  gewesen  als  diejenige 
der  Prise  dePampeltme  u.  s.  w.;  die  Übertragungen  der  diseiplina 
eieriealit  werden  gar  nicht  erwähnt;  auf  die  Bits  hätte  etwas 
genauer  eingegangen  werden  können;  von  den  Debata  n.  ä.  ist 
nirgends  die  Rede. 

Kreasner   hat   aber  sein  Buch  nicht  allein  für  das  grosse 

J)  Unter  diejenigen,  die  kürzer  angeführt  werden,  gehören  Gar- 
mond Sr  Itembart  und  Ftoovant,  Gedichte,  die  gerade  eine  ausführlichere 
Betrachtung  verdient  hätten. 


Fr.  hreyssig,  Geschichte  der  fraitziisiiicht'it   Miition/ittiUtnititr  etc.     91 

Publikum  bestimmt;  er  hofft  besonders  der  hinzugefügten  An- 
merkungen wegen  den  Studierenden  eiu  geeignetes  Hilfsbuch  zu 
bieten.  Dlcbc  Anmerkungen  enthalten  fant  ausschliesslich  biblio- 
graphische Notizen,  die  —  darauf  ist  sehen  von  anderer  Seite 
aufmerksam  gemacht  worden  —  teils  Falsches  oder  zu  viel,  teils 
zu  wenig  bringen.  So  hätte  es  S.  13  Anm.  genügt  auf  die 
bibliographischen  Mitteilungen  im  Altfranz.  Übungsbuch  von 
Fterster  und  Koschwitz,  das  überhaupt  nicht  genannt  ist,  und 
auf  Altfi-anz.  Bibl.  Bd.  X.  hinzuweisen;  S.  61  hätte  W.  Fmrster's 
treffliche  Besprechung  in  den  Götf.  Gel.  Am.  1888  No.  20  n.  21 
angeführt  werden  sollen;  S.  125  Anm.  1  war  die  Ausgabe  von 
Couraye  du  Parc  zu  nennen,  welche  in  den  Publikationen  der 
Soc.  d.  a.  t.  franc.  erschienen  ist;  von  diesen  Publikationen  sind 
verschiedene,  darunter  gerade  die  wertvollsten  nicht  erwähnt;  so 
vermisse  ich  G.  Paris,  Chan*,  d.  Ä'V<'  sücle,  G.  Paris  und  U. 
Robert,  Mlracles  de  X"  Dame p.  />.,  Suchier's  Ausgabe  der  Manekine 
Philippe'»  de   Bcaumanoir  u.  a. 

Auch  sonst  wäre  noch  gar  manches  auszusetzen;  so  hätte 
S.  16  angegeben  werden  sollen,  warum  das  dort  genannte  Work 
tjiHttre  tivre*  des  rois  heisst;  ibid.  unten  und  S.  17  oben  könnte 
leicht  zu  irrtümlicher  Auffassung  verleiten,  ebenso  S.  194,  wo 
Verf.  von  dem  „berühmten  Buch  Von  den  sieben  weisen  Meistern 
oder  Dolopnthiis"  spricht.  —  S.  19  werden  nfri.  camp  und  eastel 
als  ursprünglich  pikardisehe  Formen  den  franciseben  chavip, 
rhdteau  gegenüber  gestellt.  S.  22  wird  noch  immer  aus  den 
zahlreichen  Erwähnungen  epischer  Stoffe  in  provenzaUschen  Ge- 
dichten auf  die  ehemalige  Existenz  einer  reichen  provenzalischen 
Epik  geschlossen.  Die  S.  56  aufgezählten  Ausgaben  von  Trou- 
badourliedern  sind  keineswegs  alle  als  kritische  zu  bezeichnen. 
Wenn  Verf.  wirklich  der  Liberzeugung  ist,  dass  der  Zwölfsilbner  aus 
dem  gesungenen  Ist.  asclepiadcus  hervorgegangen  ist  (vgl.  8.  85), 
su  hätte  ct  doch  anuierkuiigs weise  die  neueren  Herleitungsvcrsuche 
dieses  Verses  anführen  oder  wenigstens  die  dabei  in  Betracht 
kommenden  Arbeiten  namhaft  machen  sollen.  S.  156  halte,  zumal 
Wamke's  Abhandlung  über  die  Zeit  der  Marie  de  France  genannt  ist, 
wenigstens  hinzugefügt  werden  können,  dass  nach  VVarnke  und 
anderen  Marieiis  Aufenthalt  am  englischen  Hofe  in  das  XII.  Jahr- 
hundert fallt.  Crestien  de  Troyes  soll  (vgl.  8.  157)  bis  ca.  1210  ge- 
lebt haben.  Im  Rom.  d'Atixandre  (s.  S.  178)  soll  der  Alexandriner 
zum  erstenmal  durchgeführt  sein.  8.  187  wird  Auca&xin  et  NicoleU 
einfach  unter  die  Fabhaus  gesetzt.  8.  218  werden  die  Pastourellen 
als  volkstümlich-nationale  Dichtungsarten  bezeichnet  u.  a.  w. 

In  denjenigen  Abschnitten,  welche  der  Besprechung  der 
französischen  Litteratur  im  XV.  und    XVI.  Jahrhundert  gewidmet 


98  Referate  und  Rezensionen.     J.  Sarrazin, 

sind,  hat  Kressner  nur  wenig  an  der  ursprünglichen  Fassung 
geändert;  hier  hätte  unter  anderem  Christine  de  Pisan  eine  etwu 
ausführlichere  Würdigung  verdient  nnd  Eustachc  Deschamps  hatte 
doch  wenigstens  erwähnt  werden   können! 

Bei  alier  Anerkennung  der  Kresaner'schen  Bemühungen, 
Kreyssig's  Darstellung  der  älteren  Litteratur  Frankreichs  zu  ver- 
bessern und  dem  heutigen  Stand  der  Wissenschaft  anzupassen, 
ist  nach  alledem  die  neue  Auflage  noch  weit  davon  entfernt, 
denjenigen  Zwecken  zu  genügen,  fllr  welche  sie  bestimmt  ist 
E.  Fbevkond. 


Kreysaig,  Fr.,  Geschickte  der  französischen  Nationallitteratiir  m* 
ihren  Anfängen  bis  auf  die  neueste  Zeit  Sechste  v«> 
mehrte  Auflage  in  zwei  Bünden  gänzlich  umgearbeitet 
von  A.  Kressner  und  Joseph  Sarrazin.  Berlin,  1889. 
Nicolai'sche  Verlags-Buchhandlung  (R.  Stricker).  II.  Bd. 
XIII,  402  S.  gr.  8°.     PreiB:  6  Mk. 

Der  Wunsch  des  Referenten,  dass  Kreyssig's  Schal-  ud 
Übersetzungebuch  endlich  einmal  so  umgearbeitet  werden  möchte, 
dass  ea  auch  den  Anforderungen  der  Wissenschaft  entspreche, 
ist  durch  die  verdienstvolle  Thätigkeit  der  Herren  A.  Kressner 
und  J.  Sarrazin  nun  in  Erfüllung  gegangen.  Der  erste  Band, 
die  französische  Litteratur  his  Malherbe  behandelnd,  ist  bereib 
mehrfach  und  in  dieser  Zeitschrift  auch  sachlich  und  parteilos  be- 
sprochen, worden;  hier  haben  wir  uns  nur  dem  zweiten  Bande, 
dessen  Verfasser  der  durch  gediegene  wissenschaftliche  Arbeiten, 
wie  durch  geistvolle  Essays  allgemein  bekannte  J.  Sarrazin  ist, 
zuzuwenden.  In  seinem  Verhalten  der  Kreyssig'schen  Vorlage 
gegenüber  hat  S.  zu  gleicher  Zeit  die  Pflichten  der  Pietät  and 
die  des  Forschers  gewahrt,  er  hat  von  den  alteren  Auflagen  das 
benutzt,  was  gut  nnd  haltbar  war,  aber  umgestaltet,  was  der 
Htfhe  des  augenblicklichen  Wissensstandes  nicht  entsprach.  Wenn 
man  Kreyssig's  unangenehme  Gewohnheit,  die  neuen  Auflagen 
nur  zu  Wiederabdrucken  der  alten  zu  machen  und  auch  das 
stehen  zn  lassen,  was  längst  veraltet  nnd  widerlegt  war,  kennt, 
so  wird  man  die  Mühe  nnd  Sorgfalt  des  Herrn  Verfassers  in 
würdigen  wissen.  Völlig  selbständig  ist  die  Litteratur  des  19. 
Jahrhunderte  bebandelt,  hier  hat  Kr.  nur  unvollständige  Zahlen 
und  BUchertitel,  daher  sind  die  ca.  12  Seiten  der  alten  Dar- 
stellung auf  beinahe  200  erweitert  worden.  Besonders  dankens- 
wert sind  die  Schilderungen  des  letzten  Abschnitts:  „Das  Zeit- 
alter des  Naturalismus",  sowohl  durch  ihre  Objektivität,  wie 
bibliographische  Vollständigkeit   und  übersichtliche  Gruppierung. 


U.  Breitinger,  Die  Grundzüge  der  französischen  Litteratur  etc.     93 

Bier  finden  wir  Zusammenstellungen,  wie  sie  keine  der  Litteratur- 
geschichten  bei  uns  aufzuweisen  hat.  Aber  auch  in  der  Schil- 
derang des  XVI.,  XVII.  and  XVIII.  Jahrhunderts  hat  S.  stets 
die  neueste  Litteratur  sorgfältig  and  eingehend  benatzt  and  seine 
reichen  bibliographischen  Angaben  sind  nicht  bloss  eine 
ausschmückende  Zierde  oder,  wie  bei  dem  ungenauen,  oberfläch- 
lichen Kreyssig,  eine  leicht  wiegende  Zugabe,  sondern  ein  un- 
entbehrliches Hilfsmittel  des  eigenen  Studiums.  Neben  grösseren 
Werken  sind  auch  gediegene  Zeitschriften-Artikel,  besonders  die 
in  der  Zeitschrift  für  französische  Sprache  und  Litteratur,  mit 
wohlüberlegter  Auswahl  benutzt  worden.  So  kann  das  vorliegende 
Bach  nicht  nur  für  die  „ wahrhaft  Gebildeten u  eine  reiche  Quelle 
der  Belehrung  werden,  sondern  auch  ein  „kundiger  Führer  der 
Handelte  von  Studierenden a,  welche,  wie  S.  mit  Recht  hervorhebt, 
„während  ihrer  Hochschulzeit  keine  (oder  doch  zu  wenig)  Gelegen- 
heit haben,  zusammenhängende  Vorlesungen  über  die  neuere  and 
neueste  Litteratur  der  Franzosen  zu  hören0.  Das  Werk  muss 
trotz  der  Beziehung  zu  Kreyssig  als  eine  durchaus  selbständige, 
neue  und  gediegene  Arbeit  betrachtet  werden  und  verdient  seinen 
Ehrenplatz  in  Schul-,  Haus-  und  Universitätsbibliotheken. 

Im  Einzelnen  haben  wir  nur  wenig  auszustellen.  S.  57 
taucht  Moliere's  Mitreise  nach  Narbonne  als  Ludwig' 8  XIV. 
Kammerdiener  wieder  auf;  S.  161  wird  Mirabeau's  Vater,  der 
Menschenfreund,  einfach  als  „sittenlos"  getadelt,  während  er  eher 
besser,  als  schlechter,  wie  seine  Standesgenossen  war  (vergl. 
Alfred  Stern,  Das  Leben  Mirabeau's,  Berlin,  1889,  I,  2);  S.  389 
A.  wird  G.  Brandes  Rundschau- Artikel  über  Zola  als  „das 
neueste  und  beste"  über  den  Führer  der  naturalistischen  Schule 
bezeichnet,  während  doch  diese  Leistung,  wie  die  anderen  Ar- 
beiten des  in  gewissen  litterarischen  Kreisen  verhimmelten  Dänen 
einen  oberflächlich  journalistischen  Charakter  trägt. 

R.  Mahrenholtz. 


Breitinger,  H.,  Die  Grundzüge  der  französischen  Litteratur-  und 
Sprachgeschichte.  Mit  Anmerkungen  zum  Übersetzen  ins 
Französische.  Sechste  durchgesehene  Auflage.  Zürich, 
1889.    Fr.  Schulthess.    VIH,  108  S.  8°.    Preis  1,80  Mk. 

Breitinger's  Grundzüge  sollen  vor  allem  ein  Übersetzungs- 
buch  für  Vorgerücktere  sein,  wie  es  Kreyssig  bis  zur  5.  Auflage 
war.  Im  Verlaufe  der  Jahre  hat  sich  die  Darstellung,  welche  „mehr 
zu  berichten,  als  zu  richten,  mehr  zu  erzählen,  als  zu  betrachten a 
sich    bemüht,    sachlich    immer  mehr  vervollkommnet     Es   wäre 


94  Referate  und  Rezensionen.    J.  Sarrazin, 

ungerecht,  hu  ein  Büchlein  dieses  knappen  Umfange  mit  hohen 
Forderungen  heranzutreten,  zumal  Jemand,  der  die  französische 
Li  tter&turent  Wickelung  näher  kennen  lernen  will,  sicherlich  einen 
ans  fuhrlicheren  Leitfaden  in  die  Hand  nimmt.  Dann  fragt  ei 
sich  aber,  wozu  bibliographische  Fingerzeige  in  dieser 
Gestalt  nützen  sollen:  „Studien  Über  das  XVII.  Jahrhundert  von 
Livet,  Demogeot  {Tableau  etc.  1600—1640),  Vinet,  Raniberl, 
Cousin,  Taine,  Deapois,  Sainte - Beuve ,  Lotheissen,  HahrenhoHi 
(Moliere),  Walkenaer  (Sevigne,  Lafontaine),  Tascherean"  u.  a.  w. 
Was  soll  der  Leser  mit  diesen  dnrcheinanderge  würfelten  Namen? 

In  der  Darstellung  selbst  sind  die  allgemeinen  Einleitungen 
wohl  das  wertvollste.  Aber  auch  innerhalb  der  einzelnen  Abschnitte 
versteht  es  Br.  meisterlich,  in  wenigen  Worten  sehr  viel  a 
sagen  und  die  zahlreichen  Nullitäten,  die  in  Litte raturge schichten 
immer  noch  Platz  finden,  kurz  abzuthun.  Aber  bis  auf  die 
neueste  Zeit  ergänzt  ist  das  Buch  leider  nicht.  Victor 
Hugo  scheint  z.  B.  noch  als  lebend  zu  gelten.  Wenigstens  steht 
S.  80—83  keine  Todesangabe  and  kein  Todesjahr;  andern  hört 
mit  L'annte  terrible  die  Aufzählung  seiner  Werke  anf.  Die 
Chronologie  zu  Victor  Hugo  hätte  auch  aus  Hartmann's  Zeittafel, 
die  schon  vor  ä'/g  Jahren  bekannt  wurde,  mehrfach  berichtigt 
werden  können:  die  Ödes  et  Ballade«  wurden  erst  1826  Ter 
üffentlicht,  die  Feuilles  d'Automne  schon  1831   etc. 

Dass  das  Buch  Breitinger's  in  der  neuen  „durchgesehenen" 
Auflage  die  Litteraturentwickelung  der  letzten  zwanzig  Jahre 
völlig  ignoriert,  geht  nicht  bloss  daraus  hervor,  dass  Namen 
wie  Sully-Pradhomme,  Pailleron,  Banville,  Richepin,  Ohnet,  Bonrget 
und  andere  fehlen,  sondern  besonders  aus  der  Art,  wie  spätere 
Werke  der  unter  dem  Kaiserreich  bereits  blühenden  Schriftsteller 
erwähnt  werden.  Dass  Victor  Hugo  noch  zu  leben  scheint,  hat 
Referent  schon  erwähnt;  dasselbe  Schicksal  scheinen  Thiern, 
Mignet,  Henri  Martin  und  Laprade  zu  teilen,  da  nur  ihr  Geburts- 
jahr angegeben  ist,  wie  bereits  in  der  2.  Auflage.  Angier,  der 
übrigens  S.  91  vor  seinem  Vorbild  Ponsard  den  Vortritt  erhält, 
scbliesst  schon  mit  Lc  File  de  Giboyer  (1862,  nicht  1864,  S.  101). 
Cherbuliez  hört  schon  mit  dem  Jahr  1869  auf,  also  zn  einer  Zeit, 
da  seine  Laufbahn  eigentlich  recht  beginnt.  Daudet  schliefst 
mit  1674,  Sardon  und  Dumas  fils  mit  1871  u.  s.  w.  Unter  den 
Jahreszahlen  bedürfen  einige  der  Berichtigung.  Michelet  lebte 
nicht  1847  —  1873  (S.  93),  sondern  1798—1874;  Le»  Meistnieiaut 
erschienen  nicht  1815  und  1828,  sondern  1818  und  1826  (S.  74). 
Verdruckt  ist  das  Todesjahr  von  Geruzez  (1895  für  1865,  8.93), 
das  AuffUhrangBJahr  von  Le»  Effrvntcs  (1893  für  1861,  8.  101), 
von  Le  Fils  de  Giboyer  (1864  für  1862,  ebenda).     Falsch  wird 


0  ^^ 

D.  Bonnefan,  Les  Ecrivains  modernes  de  la  France  etc.  95 

Vaperaw  statt  Vapereau  gedruckt  S.  97  und  106.  Unbedeutende 
Druckfehler  finden  sich  sonst  S.  81  u.  82.  PrSface  du  OromweU1); 
ferner  8.  95;  96,  97,  104,  105. 

Es  ist  schade  um  das  brauchbare  und  vielverbreitete  Buch, 
dass  diese  neueste  Auflage  nicht  gründlicher  durchgesehen  werden 
konnte.  [Dass  Breitinger  leider  inzwischen  verstorben,  erfuhr 
Referent  erst,  nachdem  diese  Anzeige  (Sommer  1889)  vollendet  war.] 

J.  Sarrazin. 


Bonne fon,  D.,  Les  Ecrivains  modernes  de  la  France,  ou  Biogra- 
phie des  principaux  Ecrivains  francais  depuis  le  premier 
Empire  jusqu'ä  nos  jours,  avec  une  analyse,  une  appri- 
ciation  et  des  eitations  de  leurs  chefs-d'ceuvre.  Ouvrage 
destini  ä  faire  suite  aux  Ecrivains  dUbres,  ä  Vusage 
des  Etablissements  ctinstruction  publique.  Quatrieme 
idition,  revue}  corrigee,  et  accompagnee  de  risumis 
synoptiques.  —  Paris,  1888.  Fischbacher.  584  S.  8°. 
Preis  4  Fr. 

Dieses  Buch  mit  langer  Überschrift  verspricht  sehr  viel, 
hält  aber  lange  nicht  alles,  obwohl  die  vierte  Auflage  bereits 
vorliegt  Vor  allem  fehlt  die  Verwirklichung  des  Versprechens 
jusquä  nos  jours.  Der  Verfasser  giebt  von  jedem  Schriftsteller 
eine  Lebensskizze,  hierauf  die  Hauptwerke  mit  Inhaltsangaben 
und  den  hervorragendsten  Stellen.  Seine  Gewährsmänner,  die 
er  einfach  ausschreibt  und  meist  auch  in  Klammern  nennt, 
sind  Vapereau,  Larousse,  Palissot,  Sainte-Beuve,  Nettement,  Nisard, 
Scherer  u.  a.  Dadurch  gewinnt  das  Werk  ein  ziemlich  bunt- 
scheckiges Ansehen;  es  ist  mehr  mit  der  steal-pen,  als  mit  eigener 
steel'pen  geschrieben.  Aber  immerhin  ist  es  besonders  in  der 
ersten  Hälfte  mit  Geschick  kompiliert,  wenn  man  über  Ungleich- 
mässigkeiten  hinwegzieht :  Fontane's  Leben  wird  z.  B.  auf  7  Seiten 
erzählt,  weil  Sainte-Beuve  dasselbe  ausführlich  behandelt  hat,  und 
dergleichen  mehr. 

Bonnefon  teilt  die  Litteratur  des  XIX.  Jahrhunderts  in  vier 
Abschnitten  ein :  1)  Kaiserreich,  2)  Restauration,  3)  Juliregierung, 
4)  Zeitgenössische  Litteratur.  Die  strenge  Durchführung  dieser 
Teilung  hat  den  Nachteil,  dass  kein  vollständiges  Bild  lang- 
lebiger Schriftsteller  zustande  kommt,  namentlich  bei  Victor  Hugo. 

*)  In  der  in  meinem  Besitz  befindlichen  Originalausgabe  mit 
eigenhändiger  Widmung  Hugo's  an  Marie  Dorval  trägt  das  64  Seiten 
lange  Vorwort  überhaupt  keinen  Titel,  so  dass  obige  Bezeichnung 
(dn)  von  Br.  zugesetzt  sein  mnss. 


Referate  und  Reienxwiuw.     J.  Frank, 


Ferner  hätte  Abschnitt  4  in  zwei  Teile  zerlegt  werden  sollen,  da 
die  Litteratur  seit  dem  Kriegsjahr  1870 — 71  eine  völlig  andere 
geworden  ist,  und  sogar  in  neuester  Zeit  wieder  neue  Strömungen 
sieh  geltend  machen. 

Ist  schon  bei  der  Einteilung  eine  Vernachlässigung  der 
Schriftwerke  der  letzten  zwei  Jahrzehute  sichtbar,  so  treten  Im 
aufmerksamem  Durchlesen  des  Abschnitts  La  Litterahire 
poraine  de  1848  il  1884  noch  erheblichere  Mängel  zu  Tage. 
Wie  wenig  die  Gruppierung  bereits  in  den  frlihereu  Abschnitten 
Übersichtlich  und  logisch  ist,  mag  daraus  hervorgehen,  dass 
Theophile  (lautier  mitten  zwischen  Gozlan,  Cb.  de  Bernard,  P.  de 
Kock,  P.  Feval  und  anderen  Grössen  dritten  Ranges  steckt, 
statt  unter  deu  Romantikern,  dass  ferner  Mcrimee  vor  Beyle- 
Stendhal  eingereiht  ist  u.  a.  m.  Im  vierten  Abschnitt  sind  dauu 
Auswahl  und  Gruppierung  völlig  willkürlich.  Wenigstens  hätten 
Th.  de  Banville  und  andere  Parnassiem  —  von  Riciiepin  und 
Baudelaire  ganz  zu  schweigen  —  mit  gleichem  Recht  eine 
Stelle  unter  den  neueren  Lyrikern  verdient,  wie  der  Pastor 
Louis  Tournier.  Beim  Drama  hört  die  Darstellung  mit  Augier 
auf,  so  daBS  Pailleron-  und  das  heitere  LuBtspiel  verschwiegen 
bleiben.  Die  Philosophie  hebt  mit  Littre  an  und  schweigt  von 
Comte,  dem  Schöpfer  des  Positivismus;  den  8.  548  ff.  behandeltet! 
Kritikern  hätte  mindestens  Sarcey  beigefügt  werden  sollen,  viel- 
leicht auch  Brunetierc,  Lemaitre  u.  a.  Die  Unvollständigkeit  in 
der  Darstellung  des  Klimans  geht  schon  daraus  hervor,  dass  Zola 
in  dem  1888  gedruckten  Buche  die  Reihe  abscbliesst.  Von  Zola's 
Hauptwerken  ist  kein  Wort  gesagt,  als:  „Enfin  il  evtreprit  tarn 
qui  devait  soulever  tant  de  clametirs  .  .  .  'LeB  Rougon  -  Maqtli 
(nie!),  qui  a  pour  sous-titre,  'Ifixtoire  naturelle  et  sociale  d' 
famille  nous  le  xecond  Empire'".  Es  folgt  alsdann  ein  kurzer  Ab- 
schnitt aus  Sarcey,  und  damit  sciiliesst  diese  „bis  auf  unsere  Tage" 
fortgeführte  Litt eraturdarst eilung.  Ein  Nachweis  von  der  Unvoll- 
ständigkeit bei  allen  Schriftstellern  kann  hier  nicht  gegeben 
werden.  Es  genügt  wohl,  wenn  man  noch  erwähnt,  dass  Jules 
Simon's  Werke  mit  dem  Jahre  1879  aufhören,  diejenigen  Caro'a 
schon  1804;  von  Taine's  grossartigem  Kulturgeschichtswcrk 
Leu  Origines  de  la  Socittt  contemporaine  ist  ebensowenig  die 
Rede,  als  von  dem,  was  Renan  seit  1873  hervorbrachte.  Sardou 
geht  schon  mit  Pabagas  und  Patrie  zu  Ende,  Augier  mit  Paul 
Forestier.  Von  den  neuen  Uauptdramen  des  letzteren  ist  Über- 
haupt fast  nicht  die  Rede:  Augier  muss  im  Andenken  der  Leser 
Bonncfon's  als  ein  Nachtreter  Ponsard's  fortleben!  Was  Victor 
de  Laprade  seit  1845  und  was  Leconte  de  Lisle  seit  L8H; 
dichtete,   bleibt  ihnen  verhüllt.     Kein  Wort  von  deu  Symplk 


»la's 
mm 

mit 


E.  D.„, 


,  Zur  Chronologie  dir   llram. 


Jean  d?  Mnircl': 


von    Per  nette,    von    den   Poemen  civiqu&i.     Das    reicht    wulil    zur 
Charakteristik  des  Zusatzes   yjuxqua   non  joursa  hin. 

Ausserdem  krankt  das  Buch  an  zahlreichen  Nachlässig- 
keiten, die  mit  wenigen  Federstrichen  zu  beseitigen  gewesen 
wären.  Von  Hugo's  Tod  steht  nirgends  etwas.  Joseph  Antra«, 
seit  zwölf  Jahren  tot,  gilt  S.  514  wohl  noch  als  lebend,  Paul 
Feval  ebenso,  vielleicht  noch  andere  Schriftsteller.  Die  einzelnen 
Jahreszahlen  sind  nicht  überall  zuverlässig.  Den  Romandichter 
Eugene  Sue  lässt  der  Verfasser  schon  1811,  Henri  Martin  aber 
erst  1818  zur  Welt  kommen,  Leconte  de  Lisle  wird  erst  1820  ge- 
boren, statt  am  23.  Oktober  I  818 ;  Barbier  stirbt  bereitB  1852  etc. 
Die  plusieurs  anne'eg,  seit  denen  A.  Karr  sich  nach  Nizza  zurück- 
gezogen hat,  sind  ein  reichliches  Menschenalter.  Eine  ähnliche 
Nachlässigkeit  ist  es,  wenn  Soulie  bei  seinem  Tod  als  vierzigjährig 
betrauert  wird  und  8.  492  die  wichtige  Lesung  1800—47  da- 
steht; ebenso  weun  bei  Balzac  richtig  1799—1850  stellt  und  es 
bei  seinem  Tode  heisst:  il  Fdge  de  49  ans.  Die  Jahreszahlen 
für  einzelne  Werke  konnte  Referent  selbstverständlich  nicht  alle 
nachprüfen.  Aufgefallen  ist  ihm,  dass  Henri  Martin  schon  1836 
seine  ffist-nre  de  France  beendet  haben,  dass  Lomenie's  Studie 
über  Beaumarchais  erst  1865  erschienen  sein  soll.  Ob  es  Druck- 
verseben ist,  wenn  Toepffer  standhaft  Topffcr  heisBt  und  dergl. 
mehr,  ist  hei  der  Schwere  der  bereits  erwähnten  Nachlässig- 
keiten am  Ende  gleiebgiltig. 

Referent  hat  wohl  durch  die  obige  Blumenlesc  bewiesen, 
dass  Bonncfon's  Handbuch  für  die  Zeit  bis  zum  zweiten  Kaiser- 
reich allenfalls  eine  nützliche  Zusammenstellung  der  Auffassungen 
zahlreicher  Literaturkritiker  bietet,  dass  es  aber  fUr  die  letzten 
zwanzig  Jahre  sehr  lückenhaft  und  ausserdem  ziemlich  nachlässig 
gearbeitet  ist.  Mette*  ootre  livre  ä  jour,  mon  eher  monrieur. 
J.  Sarrazin. 


iimheUsei',  Ernst,  Zur  Chronologie  der  Dramen  Jean  de  Mairet's. 
In:  Romanische  Forschungen.  V.  Bd.,  1.  Heft.  Erlangen 
und  Leipzig,  1889.  Andreas  Deichert's  Verlagsbuch- 
handlung Nachf.  (Georg  Böhme). 


ri.1 
Dieser,  beiläufig  gesagt,  als  Beitrag  einer  zum  70,  Geburts- 
lage Konrad  Hofmann's  herausgegebenen  Festschrift  erschienene 
AufBalz  bildet  den  zweiten  Teil  der  von  dem  Ref.  (Zeittdtrifi 
f.  fr:.  Spr.  u.  Litt.  XI8)  angezeigten  Studien  zu  Jean  de  Mairet's 
!..!,. -ii  und  Wirken  desselben  Autors.  Wenn  der  erste  Teil  die 
L'nhaltbarkeit   der  bisher  als  richtig  angesehenen  und  auch   in  den 

Zwhr.  f.  fti  Spr.  d.  Litt.     111*.  ■ 


98  Referate  und  Rez.nsioatH.     J.  Frank, 

selbständigeren  Litte  raturge  schichten  immer  wiederkehrenden  An- 
gaben über  die  Abfassungszeit  der  Mairet'schen  Dramen,  wie  lie 
besondere  Parfaici  aufstellte,  unwiderleglich  nachwies,  so  stellt 
sieb  dieser  zweite  Teil  die  Aufgabe,  hierfür  die  richtigen  Zahlen 
zn  ermitteln.  Wir  können  auch  diesmal  dem  Verfasser  nach- 
rühmen, dass  er  an  die  Lösung  der  in  Rede  stehenden  Fragen 
mit  aller  nur  wünschens werten  Gewissenhaftigkeit  and  Akribie 
gegangen  ist  und  dass  man  den  von  ihm  gewonnenen  Resultaten 
in  den  allermeisten  Fällen  wird  beipflichten  müssen.  Besonder) 
angenehm  tritt  die  durchdringende  Art  und  der  Scharfsinn  her 
vor,  mit  der  er  das  gesamte  Beweismaterial  nach  allen  Richtungen 
durchforscht  und  für  die  beabsichtigten  Zwecke  ausgebeutet  hat. 
Etwas  störend  hingegen  macht  sieb  die  Manier  des  Herrn  Verfasser« 
fühlbar,  neben  den  kräftigen  und  zwingenden  Argumenten  auch 
noch  solche  ins  Treffen  zu  führen,  die  uns  zuweilen  recht  an- 
fechtbar erscheinen  und  die  unserem  Gefühle  nach,  anstatt  die 
Hauptbeweise  zu  stützen,  ihrer  überzeugenden  Kraft  eher  Abbrach 
thun  können.  Es  hängt  dieser  Fehler  sichtlich  mit  dem  Bestreben 
zusammen,  auch  nicht  einen  Splitter,  der  bei  der  forschenden  nitd 
kritischen  Arbeit  abgefallen  ist,  dem  Leser  verloren  gehen  n 
lassen,  eine  Methode,  die  uns  aber  eher  von  der  Vorliebe,  seinen 
Geist  spielen  zu  lassen,  eingegeben  erscheint,  als  sie  der  Klar- 
heit der  Darstellung  zu  dienen  geeignet  ist. 

Wir  wollen  nun  nach  dieser  allgemeinen  Würdigung  von 
Herrn  Danuheisser's  sehr  verdienstlicher  Arbeit  die  wichtigsten 
Ergebnisse  derselben  in  gedrängter  Kürze  wiedergeben.  Es  ist 
nunmehr  vollkommen  sichergestellt,  dass  Malret  ans  Eitelkeit, 
um  als  frühreifes  Genie  zu  gelten,  fälschlich  das  Jahr  1610  als 
sein  Geburtsjahr  angab,  während  er,  wie  dies  aus  dem  von  Prof. 
Tivier  in  den  Zivilstandsregistern  der  St.  Peter-Pfarrei  gefundenes 
Schriftstücke  unwiderleglich  hervorgeht,  thatsachlich  am  10.  Mai 
1604  getauft  wurde.  Auch  Parfaict  kanute  aus  einer  ihm  vom 
Neffen  des  Dichters  übermittelten  Familie  iidenkschrift  das  richtige 
Geburtsjahr  1604.  Er  war  aber  merkwürdigerweise  kurzsichtig 
genug,  daraus  nicht  die  richtigen  Konsequenzen  zu  ziehen.  Er 
meinte  nämlich,  auch  Mairet's  Angaben  über  die  Abfassungszeit 
seiner  Dramen  mllssten,  nachdem  derselbe  sich  einmal  als  unglaub- 
würdig erwiesen,  in  der  Weise  richtig  gestellt  werden,  dass  man 
sie  wie  das  von  Mairet  angegebene  Geburtsjahr  um  sechs  Jahre 
zurllck verlege.  Dadurch  gelangte  er  zu  unmöglichen  Resultaten. 
Überdies  erreichte  Mairet  gerade  bei  diesem  Vorgange  seinen 
lügnerischen  Zweck,  die  Nachwelt  glauben  zu  machen,  als  babe 
er  schon  in  so  frühen  Jahren  als  dramatischer  Autor  geglänzt 
Wenn  Mairet  z.  B.  behauptet,  er  habe  seine  Sylvia  im  Alter  von 


R.  Dannheisser,  Zur  Chronologie  der  Dramen  Jean  de  MaireCs.    99 

17  Jahren  geschrieben,  so  meinte  Parfaict  in  die  Wahrheit  dieser 
Behauptung  keinen  Zweifel   setzen  zu  dürfen   und  gewann  daher 
dem   rektifizierten   Geburtsjahr  1604    zufolge    als  Abfassungszeit 
für  die  Sylvie  das  Jahr  1621.    Es  entging  ihm  dabei  die  doch  so 
naheliegende  Erwägung,  dass  Mairet  es  wohl  wagen  konnte,  seinen 
Zeitgenossen  einzureden,  er  sei  1610  geboren  und  habe  im  Alter 
von  17  Jahren  sein  erstes  Drama  vollendet,  dass  es  ihm  aber  nicht 
beikommen  konnte,  der  Mitwelt  vorzuspiegeln,  er  habe  dieses  Stück 
im  Jahre  1621   fertig  gebracht,  da  sich  doch  viele  noch  an  das 
richtige  Datum   1626   erinnern   mussten.     Es   fiel  ihm   nicht  auf, 
dass  es  doch    zu  ungeheuerlich    sei,    dass  Mairet   im  Alter  von 
11  Jahren  sein  zweites  oder  gar  im  Alter  von  10  Jahren  sein  erstes 
Drama  Chrisiide  et  Arimant  (Parfaict  lässt  ihn   nämlich   ersteres 
im  Jahre    1621,    letzteres    im   Jahre    1620    vollenden)    beendet 
haben    könne.     So    monströse  Dinge    wagte   nicht   einmal  Mairet 
selbst,    der    eben   mit   Geschick   zu   lügen    verstand,  jemandem 
aufbinden  zu  wollen.    Parfaict  ging  eben  von  ganz  verkehrten  Vor- 
aussetzungen   aus    und    verkannte    Mairet's  Tendenzen    vollends. 
Mairet    hatte  nämlich  gar  kein  Interesse   daran,   die  Welt  über 
das  Jahr   der  Abfassung   seiner  8tücke  zu  täuschen;   es  lag  ihm 
vielmehr   lediglich    daran,    das  wahre  Alter   zu    verbergen, 
in   dem  er  damals  gestanden  sei.      Und  zu  diesem  Zwecke 
hatte  er  es  ja  gar  nicht  nötig,  alle  Daten  über  die  Vollendungszeit 
dieser  Stücke  zu  fälschen,  sondern  er  erreichte  seinen  Zweck  am 
sichersten  und  leichtesten,  wenn  er  ein  für  allemal  das  Jahr  1610 
(anstatt  des  richtigen  1604)  als  sein  Geburtsjahr  bezeichnete.  Dieses 
unseres  Erachtens  doch  vollkommen  überzeugende  Raisonnement 
genügt    vollständig,    um    zu    beweisen,    dass    die    von    Parfaict 
herausgebrachten  Abfassnngsjahre  der  Mairet' sehen  Dramen  falsch 
sein  müssen  und  es  heisst  offene  Thüren  einrennen,  wenn  Dann- 
heisser überdies  bei  jedem  einzelnen  Drama  die  Haltlosigkeit  der 
Parfaict'schen  Angaben  durch  einen  umständlichen  Beweisapparat 
zu  erschüttern  sucht.    Dagegen  wird  es  stets  ein  Verdienst  Dann- 
heisser's   bleiben,    dass  er  nicht  nur  den  Grundirrtum  Parfaict's 
richtig   erkannt   und    auseinandergesetzt   hat,    sondern   auch  mit 
aus  den  verschiedensten  Quellen   entnommenen  Belegen  nachge- 
wiesen hat,  man  gelange  mit  geringen  Abweichungen  fast  immer 
zu  richtigen    Zahlen,    wenn   man    die   betreffenden  Altersangaben 
Mairet's   zur  Zeit  der  Abfassung  mit  dem  falschen  Geburtsjahre 
1610  als  Ausgangspunkt  rechnet. 

Ein  näheres  Eingehen  in  die  quellenmässigen  Nachweise  würde 
uns  zu  weit  führen  und  läge  auch  ausserhalb  des  Zweckes  dieser 
Besprechung.  Dagegen  wollen  wir  die  zusammenstellende  Tabelle, 
wie  sie  Dannheisser  in  seinem  Aufsatze  gibt,  hier   reproduzieren: 

7* 


102  JitfvmU-  «tut  Rez, 

faUe  au  XVII'  sircle.  Endlich  mnss  es  auffallen,  dass  die  be- 
rühmte Einleitung  Despois',  die  Ausgabe  Livet's  (um  von  siidetin 
Werken  zu  schweigen)  uit-iit  benutzt  sind,  da  sie  doch  schlechter- 
dings fllr  jeden  Molieristen  zum  Handwerkszeug  gehören.  &bon 
die  Lücken-  und  Mangelhaftigkeit  der  benutzten  Quellen  lis« 
von  dieser  Einleitung  nichts  Gutes  erwarten,  aber  wären  die 
wenigen  Werke  wirklich  ausgenutzt  worden,  so  hätte  doch  et- 
was Besä  eres  zu  Luide  kommen  müssen.  Ich  habe  schon  sehr 
viele  Einleitungen  zu  den  Prer.  rid.  gelesen  (auch  selber  eine 
solche  geschrieben),  aber  ieh  kann  mich  nicht  entsinnen  eine  ge- 
funden zu  haben,  welche  die  Sache  so  oberflächlich,  in  so  allge- 
meinen Phrasen,  so  farblos  und  langweilig  darstellt,  dabei  eiie 
solche  Menge  von  Fehlern  und  Irrtümern  nicht  vermeidet,  wie  die 
vorliegende.  Ich  will  nur  die  Hauptsachen  anfuhren,  damit  die- 
selben bei  zweiter  Auflage   verbessert  werden. 

Auf  den  Stil  der  Einleitung  will  ich  weiter  nicht  eingehet, 
der  Beginn  derselben  möge  als  Probe  aatiir  dienen: 

„Wie  in  Deutschland  nach  dem  dreißigjährigen  Kriege 
Poesie  zunächst  nur  von  den  Gelehrten  und  einigen  ihnen  naht 
stehenden  Vornehmen  getrieben  wird,  so  kann  eine  ähnliche  Eut- 
wickelnng  schon  früher  in  Italien  und  Spanien  beobachtet  werden. 
Unter  dem  Einflüsse  der  beiden  Nachbarländer  [genannt  sind 
drei!]  setzt  sie  sich  auch  in  Frankreich  fort  und  nimmt  hier 
einen  etwas  anderen  Charakter  an  durch  die  grosse  Rolle,  weicht 
gelehrte  Frauen,  namentlich  solche  aus  den  höchsten  Kreisen, 
dabei  spielen.  In  Frankreich  knüpft  diese  Bewegung  [was  für 
eine?]  unmittelbar  an  die  Wirren  der  Religionskriege  au"  u.  s.  w. 
Wer  das  versteht,  muss  anders  geartet  sein,  als  ich,  denn  ich 
verstehe  es  nicht.  Von  irgend  welcher  logischen  Anordnung  des 
Stoffes  habe  ich  nichts  bemerkt.  Von  Heinrich  IV.  und  Ludwig  XIII. 
kommt  der  Verfasser  darauf  zu  sprechen,  d aas  Frauen  „gleichsam 
Schule  des  feinen  Tones  und  des  guten  Geschmacks  hielten", 
sich  masslus  huldigen  Hessen  ohne  Nutzen  davon  zu  haben,  in 
Prüderie  verfielen  und  Einfiuss  auf  die  französische  Lit  terato 
der  ersten  Hälfte  des  Jahrhunderts  übten.  Dann  wird  in  ganz 
allgemeinen  Ausdrucken  von  der  Marquise  de  Rambouillet,  samt 
ihren  Töchtern,  von  Mm"  de  Sevigne,  M"*  de  Scudery,  Voiture, 
Balzac,  wiederum  von  der  Marquise,  von  Ricbelien  n.  A.,  dann 
wieder  von  der  Scudery,  von  der  preziösen  Sprache  etc.  ge- 
handelt. Die  einzelnen  Bilder  sind  ausserdem  in  so  allgemeinen 
Umrissen,  sc  wenig  lebendig  und  so  dürftig  entworfen,  dass 
man  es  danach  nicht  verstehen  kann,  wie  Moliere  sich  so  über 
die  Sache  ereifern  nnd  so  grossen  Ruhm  ernten  konnte.  Ausser 
der  Marquise  werden  nur   deren  beide  Töchter  Julie  und  Auge- 


Mottete,  Les  Precieuses  ridicules.    Herausgeg.  v.  P.  Goldschmidt.      103 

lique,  die  Sävignö,  die  Scudery,  Voiture,  Balzac,  Richelieu,  de  Retz 
genannt,  von  preziösen  Erzeugnissen  der  Grand  Cyrus,  die  Cl£lie> 
die  Werke  Voiture's  und  Balzac's,  von  Satiren  auf  den  preziösen 
Unfug  nur  Scarron's.  Und  dabei  werden  alle  preziösen  Er- 
scheinungen kritiklos  zusammengeworfen,  als  ob  die  Rambouillet 
mit  den  fausses  precieuses  überhaupt  etwas  gemein  hätte. 

Im  Einzelnen  ist  folgendes  zu  bemerken.  Der  Verfasser 
behauptet,  die  Marquise  de  Rambouillet  habe  ein  halbes  Jahr- 
hundert hindurch  im  Mittelpunkt  eines  schöngeistigen  und  ein- 
flussreichen Kreises  gestanden.  Aber  vor  1613  ist  das  Bestehen 
der  illustren  Gesellschaft  noch  nicht  nachgewiesen  und  faktisch 
bestand  dieselbe  nur  bis  1648  (Voiture  f).  —  Die  Genossen 
derselben  sollen  sich  selbst  Pricieux  und  Pricieuses  genannt  haben; 
doch  ist  das  Vorkommen  der  Bezeichnung  Pricieuse  schwerlich 
vor  1652  zu  erweisen.  Larroumet  ist  zwar  der  Ansicht,  dieselbe 
sei  unmittelbar  nach  dem  westfälischen  Frieden  entstanden,  aber 
ohne  einen  Beweis  zu  bringen,  auch  war  die  Marquise  1648  schon 
nicht  mehr  Mittelpunkt  des  litterarischen  Strebens.  —  Verf.  läset 
die  Scudery  im  Jahre  1607  geboren  werden;  nach  dem  von  ihm 
benutzten  Werke  Rathery's  (S.  4  Anm.  2)  ward  sie  am  1.  De- 
zember 1608  getauft,  also  auch  nicht  viel  früher  geboren.  — 
Verf.  stellt  die  Sache  so  dar,  als  ob  die  Scudery  dauernd  zum 
Kreise  der  Marquise  gehört  hat.  Dem  ist  nach  Rathery  nicht 
so ;  sie  ging  1644  mit  ihrem  Bruder  nach  Marseille  und  als  sie 
1647  zurückkehrte,  ist  sie  wahrscheinlich  nicht  wieder  in  diese 
Gesellschaft  eingetreten  (vgl.  Rathery  S.  43).  —  Von  Balzac 
heisst  es,  er  habe  später  nur  noch  brieflich  mit  der  galanten 
Weit  der  Schöngeister  verkehrt.  Das  erregt  die  Meinung,  als 
sei  er  früher  in  persönlichem  Verkehr  mit  der  Marquise  und 
ihrem  Kreise  gewesen;  das  ist  aber  nicht  richtig,  er  hat  die 
Marquise  nach  Tallemant's  Zeugnis  (IV,  94)  niemals  gesehen.  — 
Dass  Moliere,  als  er  nach  Paris  zurückkehrte,  bei  der  Marquise 
eingeführt  wurde,  ist  nicht  zu  erweisen.  —  Dass  man  aus 
Catherine  das  Anagramm  Arthenice  machte,  ist  unglücklich  aus- 
gedrückt, da  man  doch  weiss,  dass  dieser  „man"  Malherbe 
hiess.  —  Dass  die  thörichte  metaphorische  Redeweise  der 
fausses  pricieuses  in  Litteraturwerken  ernsthafte  Anwendung  ge- 
funden hat,  muss  so  lange  falsch  genannt  werden,  bis  der  Beweis 
dafür  erbracht  ist.  —  Woher  der  Verfasser  weiss,  dass  die 
Pric  rid.  am  7.  Dezember  1659  zweimal  aufgeführt  werden 
mua8ten,  ist  ganz  unerfindlich. 

Der  Kommentar  ist  dürftig  und  nicht  geeignet  das  Ver- 
ständnis zu  beleben,  zu  vertiefen.  Dass  die  Clttie  nicht  nur 
zwei   sehr  starke  Bände  füllte,   sondern  zehn   mit  je  über  800 


104  Referat*  mi  Rezensionen.      »'.  kuärieh, 

Seiten,  das  rausste  der  Verf.  wissen.  Den  Ausdruck  träne  a 
trois  poits  auf  die  alte  Weise  (Bartupitzen)  zu  erklären,  ist 
gegenüber  iU-d  gewichtigen  französischen  Autoritäten  und  dm 
Überzeugenden  Beweisen  dagegen  ganz  zu  verwerfen. 

Die  Ausgabe  bezeichnet  gegen  Fritsclie's  und  Scheffler'i 
Ausgaben  einen  entschiedenen  Rückschritt  und  ist  nicht  zn  em- 
pfehlen. W.  Knöbich. 


Crane,  T.  F.,  A.  M.,  Professor  of  the  liomance  Lauguagcs  in 
Comell  Universiry.  La  Hortete  franeatee  au  dtx- 
septivme  sierfe.  An  aeeovtit  of  French  Society  h 
the  X  Vi/n*  Century,  from  contemporary  icriters.  Editd 
for  the  use  of  schools  and  Colleges,  with  an  intriHliieliun 
aori  notes.  New  York  and  London,  1889.  G.  P.  Pot- 
nani's  onus.  LVI1  und  342  S.  io~-  Preis;  gebunden 
Dollar  1,50. 

Der  Verfasser  hat  einen  glücklichen  Griff  gethait,  indem  ei 
aus  der  Litteratur  des  XVII.  Jahrhunderts  eine  grössere  Anzahl 
auch  umfangreicherer  Stücke  auswählte  und  zu  einem  hübschen 
Bändchen  vereinigte,  welche  geeignet  Bind,  eine  ziemlich  gründ- 
liche Anschauung  von  dem  Wesen  und  den  Zielen  der  jeaeiD 
Zeitalter  so  eigenen  Damenzirkel  sich  zu  erwerben.  Was  man 
sonst  aus  den  verschiedensten  und  zum  Teil  schwer  zugänglichen 
Werken  sich  zusammenholen  muss,  findet  man  hier  bequem  bei 
einander  und  mit  gründlichen  Erklärungen  versehen.  Die  Lesung 
des  Bändchens  wird  die  Kenntnis  des  geistigen  und  gesellschaft- 
lichen Lebens  jener  Zeit  im  allgemeinen  fördern,  im  besondem 
aber  das  Verständnis  der  betreffenden  Moli ere' sehen  Werke  in 
einem  Grade  erschliessen,  wie  es  eine  kommentierte  Ausgabe 
nur  dann  zu  leisten  vermag,  wenn  selbige  den  Raum  weit  über- 
schreiten darf,  der  sonst  den  Erläuterungen  gewöhnlich  zuge- 
billigt wird.  Den  Bedürfnissen  des  Studenten,  Lehrers,  nnd 
Litteraturfreundes  kommt  diese  Sammlung  fördernd  entgegen  und 
wird  demselben  auch  meistens  genügen. 

Das  Werk  beginnt  mit  einer  einleitenden  geschichtlichen 
Übersiebt,  in  welcher  ausgehend  von  den  italienisch  -  spanischen 
Litteratureinflüssen  (wie  bei  Cousin,  Jeunesse  de  Mm''-  de  Longut- 
rnlle  S.  125),  Über  das  Hotel  de  Rambouillet,  den  Samedi  der 
MUe  de  Scudery,  die  dort  verkehrenden  Personen,  sowie  über 
andere  Zirkel,  und  über  die  PreziÖsen  im  engeren  Sinne  berichtet 
wird.  Diese  Abhandlung  ist  klar,  übersichtlich  und  Hast  nichts 
unberührt,   was   notwendig   ist  um  die  nachfolgenden   Stücke  in 


T.  F.  Crane,  La  Socieie  franqaise  au  dix-septiemc  stiele.         105 

ihrem  Zusammenhange  mit  den  gesamten  Bestrebungen  verstehen 
xu  können.  Hieran  schliesst  sich  eine  geordnete  Aufzählung  und 
kurze  Würdigung  der  bei  weiterem  Studium  zu  Rate  zu  ziehenden 
Werke.  Lobend  anzuerkennen  ist  es  (gegenüber  der  Einseitigkeit 
der  meisten  französischen  Werke),  dass  der  Verf.  die  deutschen 
Arbeiten  auf  diesem  Forschungsgebiet  eingehend  benutzt  hat,  so 
H.  Koerting's  Geschichte  des  franz.  Romans  im  XVII.  Jahrh., 
Morf's  Aufsatz  Zur  Beurteilung  Somaizes  in  der  Zeitschr.  (IV,  213), 
Mahrenholtz'  Moliere's  Leben  und  Werke  etc.,  Mätzner's  Franz. 
Syntax  u.  a.  —  Der  Hauptteil  des  Werkes,  neunundzwanzig  meist 
längere  Abschnitte  aus  französischen  SchriftsteHern(innen),  umfasst 
262  Seiten,  die  erläuternden  Noten  74  Seiten.  Beigefügt  ist 
noch  eine  sehr  gute  Nachbildung  der  Carte  de  Tendre. 

Im  einzelnen  möchte  ich  mir  folgende  Bemerkungen  erlauben: 
Zu  S.  XVII.  Die  Zusammenkünfte  bei  der  Marquise  de  Rambouillet 
begannen  nicht  erst  nach  dem  Neubau  des  Palastes  im  Jahre 
1617,  wie  der  Verf.  behauptet;  dieselben  sind  schon  für  das 
Jahr  1613  durch  Malherbe's  Brief  an  Peiresc  vom  6.  September 
1613  nachgewiesen  (vgl.  Tallemant,  Historiettesy  ed.  Paris  II,  506) 
und  haben  in  den  ersten  Anfängen  ohne  Zweifel  noch  viel  früher 
bestanden;  nach  dem  Neubau  nahmen  sie  allerdings  einen  grösseren 
Umfang  an.  —  Zu  S.  XVIII.  Die  Einteilung  der  Geschichte  des 
Hotel  de  Rambouillet  in  drei  Perioden  1617—C.1629  — 1640— 1665, 
wie  sie  Larroumet  in  seiner  Ausgabe  der  Prtcieuses  ridicules  gibt, 
hätte  der  Verf.  nicht  annehmen  sollen  ohne  die  Berechtigung 
derselben  näher  zu  prüfen.  Mir  scheint  dieselbe  verfehlt.  Die 
Zeit  bis  1628  ist  ein  durch  Malherbe's  Tod  bezeichneter  Ab- 
schnitt, es  ist  die  Zeit,  in  welcher  die  Marquise  im  innigen  Ver- 
kehr mit  einem  allmählich  sich  erweiternden  Freundeskreise  sich 
zu  der  Höhe  heranbildete,  weiche  ihren  Zeitgenossen  so  grosse 
Ehrfurcht  einflösste,  wo  sie  Malherbe's  Schülerin  war  und  den- 
selben in  seinen  sprachreformatorischen  Bestrebungen  eifrig  för- 
derte. Warum  das  Jahr  1640  als  zweiter  Epoche  machender 
Wendepunkt  angenommen  wird,  ist  nicht  zu  ersehen.  Besser 
wäre  es  gewesen,  bis  zum  Jahr  1 645  (Verheiratung  Julie's)  oder 
1648  (Tod  Voiture's)  die  zweite  Periode  zu  rechnen.  Diese  Zeit 
umfasst  die  ruhmreichen  Jahre  der  höchsten  Blüte  und  des 
schnellen  Niederganges.  Eine  dritte  Periode  anzunehmen,  möchte 
ich  für  verfehlt  halten,  da  die  1648  eintretenden  Frondeunruhen 
(neben  anderen  Ursachen)  den  Kreis  der  dort  sich  Versammelnden 
völlig  auflösten;  scheint  doch  auch  Mlle  de  Scudery,  als  sie  im 
Spätsommer  1647  nach  dreijährigem  Aufenthalte  in  Marseille  zur 
Hauptstadt  zurückkehrte,  nicht  mehr  die  Sitzungen  in  der  Chambre 
bleue  aufgesucht  zu  haben  (vgl.  Rathery  S.  43).   —   Zu  S.  XXXV. 


RifcUt 

vi  Suo» 

ich.      ff",  h'nörich, 

Der  Verf.  hätte  die  Grunde  wenigstens  andeuten  mllssen,  «ai 
denen  er  die  Älmahide  (1660)  fUr  ein  Werk  der  M"°  de  Scudery 
hält,  was  noeli  gar  uiclit  entschieden  tut  (Vgl.  lUthiry  S.  49;.  — 
Zu  S.  XL1X.  In  betreff  der  Frage,  welche  Vorbilder  Moliere  in 
Madelon  und  Cathos  verspottet  habe,  schlieest  sich  der  Verfasser 
der  Ansicht  DespoiB'  (CEuvre*  de  Moliire  II,  4)  an  und  verspricht 
die  Gründe,  welche  ihn  dazu  bewegen,  in  seiner  demnächst  er- 
scheinenden Ausgabe  der  betreffenden  Komödie  au  entwickeln. 
Ich  bedauere,  dass  er  die  Gründe  nicht  schon  jetzt  angedeutet 
hat.  Da  ich  hoffe,  dass  dem  Verf.  diese  wohlgemeinten  Zeilen 
nicht  unbekannt  bleiben  werden,  will  ich  ihm  ein  Bedenken  gegen 
Deepois'  Beweisführung  nicht  vorenthalten,  welches  ich  in  einer 
besonderen  Abhandlung  weiter  ausgeführt  habe.  DespoiB  sagt: 
Itien  que  Taüemant  de*  Reaux  ait  pritendu  savoir  que  Mlu  At 
Rambouillet  fut  V original  dont  tiine  de*  Prfcieuies  de  Molürt 
itait  la  copte.  Die  angezogene  Stelle  aus  Tallemant  (VII,  227) 
besagt  das  gar  nicht,  was  P.  Paris,  Despois  u.  v.  a.  naeh 
ihnen  herausgelesen  haben;  dieselbe  lautet:  quand  M.  de  Liü? 
bonne  espousa  feu  M'"  d'Estrees,  qui  estoä  predeuse,  on  dii 
de  luy  comme  de  Grignan,  quand  ü  eapouaa  M<"  de  Rambouillet, 
un  de»  originavx  de*  Precieusea,  qu'ü  au  ait  fait  de  grandt 
exploit»  la  nuict  de  leurs  nopee*.  Der  Zusatz  un  de*  originaux 
de*  Precieuxes  ist  auf  die  Pric.  rid.  Moltere's  gedeutet  worden; 
ob  aber  mit  Hecht,  das  scheint  mir  zweifelhaft,  denn  1)  gehl 
aua  der  IIi*toriette  nicht  hervor,  dass  sie  nach  der  Aufführung 
(P.  Paris  nimmt  an  im  Jahre  1660)  verfasst  sei,  2)  kann  der 
Ausdruck  auch  besagen,  dass  Angelique  d' Angemies  ron  den 
PreziÖsen  als  Vorbild  betrachtet  nnd  dass  ihr  nachgeahmt  wurde 
(was  auch  sonst  bekannt  ist),  3)  ist  es  noch  von  niemand  be- 
hauptet worden,  dass  Moliere  gerade  die  jüngste  Tochter  der 
Harquise  zur  Zielscheibe  seiner  Witze  genommen  habe,  4)  be- 
ziehen sich  die  in  der  Historiette  folgenden  Worte  der  Harquise 
de  Grignan:  pour  remettre  les  Pi-eeieuse*  en  reputation,  eilt  ne 
sgavoit  plus  quun  moyen,  c'entoit  que  M"'  d'Aumale  e*pou*a*i 
Langey,  zweifellos  auf  den  Skandal,  welchen  der  auf  den  voran- 
gehenden Seiten  berichtete  Ehescbeidnngsprozess  des  Herrn  von 
Langey  verursacht  hatte.  Jedenfalls  bat  Tallemant  das  nicht 
gesagt,  was  Despois  behauptet. 

Die  neunundzwanzig  ausgewählten  Abschnitte  sind  unter 
vier  Gesichtspunkten  wie  folgt  geordnet:1)  I.  Hotel  de  Ram- 
bouillet.     1)  La  marquise  de  Rambouillet  et  *a  famäle  (Talle- 


t)  Die  Jahreszahl  des  ersten  Druckes   ist  teilweise  vom  Bericht- 
erstatter hinzugefugt  worden. 


T.  F.  Crane,  La  Sowie  franqaise  au  auc-septieme  siccle.         107 

mant  III),  2)  Description  de  la  marqirise  de  Rambouillet  et  de  ses 
flies  (Grand  Cyrus  VII,  1653),  3)  Description  de  Vhötel  de  Ram- 
bouillet (Sauval),  4)  LMtel  de  Ramb.  (Duchesse  de  Montpellier, 
Princesse  de  Paphlagonie,  1659),  5)  La  Guirlande  de  Julie  (1641), 
6)  Trois  leüres  de  Voiture,  7)  Poisies  de  Voiture  (ein  Sonnet  und 
ein  Rondeau),  8)  Portraüs  de  M1*  de  Montpensier  (1659),  9)  De- 
scription   de    tue  de  portraiture  (Sorel,  1659).  —  IL    3f#e  de 

Scudery  et  les  fem  nie*  savantes.     1)   Mlu  de  Scudery 

dehnte  par  ette-mhne  (Grand  Cyrus  X),  2)  Les  ennemis  de  Mtu  de 
Scudery  (ib.),  3)  Ijss  imitatrices  de  MIU  de  Scudery  (ib.),  4)  Les 
ennemis  de  MUe    de  Scudery    (ib.),    5)   Les  vraies  savantes   (ib.), 

6)  La  journie  des  madrigaux  suivie  de  la  gazette  de  Tendre  (1653), 

7)  La  Carte  de  Tendre  (Scudery,  CUlie  I,  1656),  8)  La  gazette 
de  Tendre.  —  III.  Les  Precieuses.  1)  Les  pricieuses  dicrües 
par  tobte  de  Pure  (1656),  2)  Portrait  des  pricieuses  (Mont- 
pensier, 1659),  3)  Le  Cercle  (Saint -Evremond,  1656),  4)  Uns 
visüe  ä  une  pricieuse  (Sorel,  Francion,  1622),  5)  Les  pricieuses 
de  province  (Chapelle  et  Bachaumont,  1656),  6)  Une  diclaration 
(Ftechier,  1665).  —  IV.  Les  Regien  de  la  Oivilite.  1)  Les 
lois  de  la  galanterie  (1644),  2)  L'honnete  komme  ou  Tart  de  plaire 
ä  la  cour  (Faret,  1630),  3)  L'honnete  femme  (Du  Bosc,  1632), 
4)  Nouceau  traiti  de  civiliti  (Courtin,  1670),  5)  Vesprü  de  cour 
(Ren6  Bary,  1662),  6)  De  la  conversation  (Mlle  de  Scudery,  1680). 

Die  Anordnung  leidet  an  mehreren  Mängeln.  Die  Beispiele 
der  Portraitlitteratur  sind  teilweise  unter  I.,  teilweise  unter  IN. 
mitgeteilt.  Die  Portraits  auf  Rechnung  des  EStel  de  Rambouillet 
eu  setzen  ist  nicht  richtig,  da  dieselben  in  dem  Jahre  1657—59 
entstanden,  zu  einer  Zeit  also,  wo  das  Hotel  de  Rambouillet  längst 
aufgehört  hatte,  ein  litterarischer  Mittelpunkt  zu  sein.  Mlle  de 
Montpensier  gehört  zu  den  vraies  pricieuses.  Im  dritten  Abschnitte 
hätte  die  höchst  wichtige  und  interessante  Stelle  aus  Sorers 
Francion  an  die  Spitze  gestellt  werden  müssen,  da  sie  weit  älter 
ist  als  die  übrigen  Stücke.  So,  wie  dieses  Stück  jetzt  den 
jüngeren  eingereiht  ist,  muss  es  den  Lesern  die  ganz  irrige  An- 
sicht erwecken,  dass  Sorel  dieselben  Preziösen  verspottet  habe, 
welche  wir  aus  Moliere  kennen,  während  er  doch  ein  früheres 
Stadium  der  Preziosität,  wo  auch  der  Name  noch  lange  nicht 
erfunden  war,  behandelt.  Auf  diese  Stelle  des  Francion  hat 
meines  Wissens  zuerst  H.  Koerting  in  seiner  Geschichte  des  franz. 
Romans  hingewiesen,  dem  Spotte  Sorel's  folgten  bald  Balzac, 
Saint- Amant,  Scarron  u.  a.  Dies  hätte  der  Kommentar  klar  legen 
müssen.  Auch  im  IV.  Abschnitt  wäre  die  chronologische  An- 
ordnung die  richtigere  gewesen.  Zur  Datierung  des  Esprit  de 
Cour   von  Ren6  Bary    (warum  der  Verf.    stets    Barry   schreibt, 


108  Referate  und  Rezensionen.      W.  Knßrich, 

weiBB  ich  nicht)  ist  zu  bemerken:  Ausser  der  vom  Verf.  benutzten 
Ausgabe  von  1665  (Amsterdam),  welche  derselbe  für  die  älteste 
halt,  existiert  eine  vom  Jahre  L666  (Paris,  Sercy)  und  eine  dritte 
von  1681,  welche  Livet  benutzt  hat.  Nach  dem  Extrait  du 
PriviUge  der  Ausgabe  von  1666,  welche  ich  besitze,  igt  du 
Privileg  am  15.  Dezember  1661  erteilt,  die  Eintragung  in  den 
lAore  de  la  Communaute  im  März  1662  erfolgt,  der  erste  Druck 
im  Harz  1662  vollendet;  es  musB  also  eine  noch  filtere  Ausgabe 
als  die  genannten  gegeben  haben.  Der  Inhalt  des  sehr  inter- 
essanten Buches  ist  noch  erheblich  älter;  Bary  sagt  im  Avis  a* 
Lecteur:  Ce  riest  pas  une  püce  nouoellement  faite  que  je  vmn 
prtnente,  cest  vn  Chtvrage  nouveüement  eorrigi,  et  comme  ä  tex- 
ception  de  quelques  entretiens  il  y  a  vingt  ans  que  mon  Esprit 
de  Cour  estoit  en  manuscrit  etc.  Das  Buch  bringt  darnach  Stoffe 
und  Formen  der  feinen  Unterhaltung  zur  Anschauung,  wie  solche 
zur  Blütezeit  des   HStel  de  Rambouillet  üblich  waren. 

Die  Auswahl  der  Stücke  ist  geschickt  und  zweckdienlich, 
einige  derselben,  wie  der  grünste  Teil  der  Auszüge  aus  dein 
Roman  de  Pure's,  die  Stücke  von  Faret,  du  Bosc,  Courtin,  Buy, 
aus  den  Conoer Kations  der  Scudery  erscheinen  hier  zum  ersten- 
male  im  Neudruck.  Zu  bedauern  ist,  das«  der  Verf.  nicht  »ach 
Ruelle  mal  assortie  (1644),  sowie  einiges  ans  Des  Hots  d  k 
Mode  et  des  mmvelles  Fagons  de  parier,  avec  etc.  (4'"*  ed.,  Il 
Haye,  Troyel,  1693)  dargeboten  hat.  Das  erste  der  beiden 
Stücke  ist  trotz  des  Neudrucks  von  Aubry  (Tresor  des  piicu 
rares  et  inidites,  1855)  fUr  Deutsche  unzugänglich;  die  Mitteilung 
aus  dem  zweiten  sehr  seltenen  Werkchen  hätte  gezeigt,  wie  gegen 
Ende  des  Jahrhundert' s  in  der  höfischen  Gesellschaft  eine  ähn- 
liche sprachliche  Verirrung  Platz  griff,  wie  sie  in  der  Mitte  des- 
selben bei  den  Damen  des  Bürgers tandee  blühte  und  von  Höhere 
verewigt  wurde. 

Sämtliche  Stücke  bis  auf  drei  sind  in  der  Orthographie, 
welche  die  bekannten  Ausgaben  der  Grand*  Ecrivains  (Hachette) 
befolgen,  wiedergegeben;  warum  diese  eigentlich  doch  unbe- 
rechtigte   Neuerung    eingeführt    ist,    rechtfertigt    der    Verf.    nicht. 

Der  Kommentar  ist  sehr  reichhaltig  und  zeugt  von  grosser 
Kenntnis  der  einschlägigen  Verhältnisse  und  Litteratur;  derselbe 
dient  nicht  bloss  der  notwendigen  Erklärung,  sondern  bringt 
auch  vielfach  recht  dankenswerte  Erweiterungen  der  Texte. 
Soweit  die  behandelten  Gegenstände  durch  die  Forschung  auf- 
geklärt sind,  läset  der  Kommentar  den  Rat  suchenden  wohl  kaum 
in  Stich,  und  das  will  bei  der  grossen  Mannigfaltigkeit  der 
sprachlichen,  geschichtlichen,  kultur-  und  li ttera tu rge schichtlichen 
Stoffe,  sowie  bei  der  Zerstreutheit  des  Materials  viel  sagen.    Die 


7*.  F.  Crane,  La  Soeie'te  francaise  au  dix-septicme  siech: .        109 

wenigen  Bemerkungen,  welche  ich  dazu  mache,  sollen  daher  das 
gespendete  Lob  durchaus  nicht  einschränken.  Zu  S.  51,  3  (Brief 
Voiture's)  sagt  der  Verf.,  Tallemant  definiere  die  Dichtungsart 
der  savants  als  vaudevilles;  diese  Erklärung  des  Historietten- 
schreibers  habe  ich  nicht  finden  können.  Dagegen  hätten  ausser 
dem  angeführten  pont-breton  noch  zwei  andere  von  Voiture  aus 
Tallemant  (I,  63 ;  IV,  3241)  beigebracht  werden  können.  Die  Ver- 
gleichung  dieser  drei  ergibt,  dass  ponto-bretons  epigrammatische, 
etwas  boshafte  Gedichtchen  sind,  bestehend  aus  sechs  fiinfsilbigen 
Versen  mit  der  Reimfolge  abb  aba,  wobei  der  Reim  a  männlich,  der 
Reim  b  weiblich  ist  —  Zu  Sorel's  Satire  auf  die  Liebhaberei 
für  Portraits  (8.  74)  hätte  auch  Tallemant's  Stossseufzer  (VII,  59 
Anm.  1)  herangezogen  werden  können,  der  den  Vorzug  hat,  dass 
er  als  aus  dem  Jahre  1658  stammend  bezeichnet  ist.  —  Zu 
8.  125,  3  (bouts-rimis)  hätte  des  Erfinders  derselben,  Dulot, 
gedacht  werden  müssen,  der  durch  Sarrazin's  Gedicht  Dulot  vaincu 
und  durch  Tallemant' 8  Historiette  (VII,  1  ff.)  hinreichend  bekannt 
ist.  Das  als  Muster  mitgeteilte  bout-rimi  von  Mme  Deshouli&res 
wäre  besser  in  zwei  vierzeilige,  und  zwei  dreizeilige  Strophen 
abgeteilt  worden.  —  Auf  S.  152,  11  spricht  der  abb6  de  Pure 
von  den  Prüdes  und  FeuiUantines  als  Vorläufe  rinnen  der  Preziösen. 
Dazu  gibt  der  Verf.  als  Erklärung  eine  Nachricht  über  das  1622 
in  Paris  gegründete  Nonnenkloster  des  Feuillantenordens;  es  ist 
aber  doch  sehr  zweifelhaft,  ob  de  Pure  diese  Nonnen  gemeint 
hat,  ich  glaube  es  nicht.  Bei  der  Fülle  des  Verdienstlichen, 
welches  das  besprochene  Werk  enthält,  hätte  der  Verf.  ohne 
dem  Rnhme  seiner  Gelehrsamkeit  zu  schaden,  gestehen  können, 
dass  er  eine  Erklärung  nicht  zu  geben  wisse;  er  hätte  sich  dabei 
in  guter  Gesellschaft  befunden,  gibt  doch  Livet  (id.  des  Pric.  rid. 
p.  IX)  auch  keine  Erklärung,  und  derselbe  hat  seit  einem 
Menschenalter  die  Zeit  und  Litteratur  der  Preziösen  an  der  Quelle 
studiert.  —  Zu  8.  187,  5  wird  bemerkt,  dass  Saint -Amant  im 
Hotel  de  Rambouillet  unter  dem  Namen  Sapurnius  bekannt  ge- 
wesen sei;  ist  das  nachweisbar?  Sumaize  im  Grand  dictionnaire 
historique  (6d.  Livet  I,  63,  94)  nennt  ihn  so,  sagt  aber  weiter 
nichts. 

Der  Druck  ist  schön  und  im  ganzen  korrekt,  nur  wenige 
Druckfehler  habe  ich  bemerkt:  S.  LVII  Molilriste  statt  Molteriste, 
S.  26,  3  priviUge  statt  priviüge,  S.  98,  15  effett  statt  effet} 
S.  161,  12  je  m'arretera(i)y  S.  163,  19  la  autorite,  S.  188,  13 
hätte  die  fehlerhafte  Siibenteilung  particuli-hrement  vermieden 
werden  können. 

Ich  habe  einige  Ausstellungen  und  Wünsche  vorgebracht, 
wollte  ich  aber  all  des  Guten  und  Tüchtigen  gedenken,  welches 


110 


Referate  und  Ilezi 


Miihr.iiholtz, 


in  dem  Werke  dem  Leser  sieb  bietet,  würde  ich  kein  Ende 
finden,  darum  will  ich  das  Hucli  nur  noch  den  Studenten,  Lehrern 
und  Freunden  der  französischen  Litteratur,  speziell  des  XVII.  Jahr- 
hunderts recht  warm  zum  Studium  empfehlen;  es  ist  aueh  eine 
Frucht  der  Verehrung  Moliere's,  welche  schon  so  viele  nützliche 
Studien  angeregt  hat.  W.  KnöSICH. 


Ehrhard,  Auguste,  I.e.*  Cbmtdto  rfe  Sfolüre  m  Alttmagru,  !•■  Thtätrt 
et  Ja  Oritfque.  Paris,  1888.  IT.  Leeene  4  Uiidin.  XX\  III, 
545  S.  gr.  8°. 

Verfasser  giebt  zunächst  eine  literarhistorische  übersieht 
der  deutschen  Litteratur  und  ihrer  Beeinflussung  durch  die  fran- 
zösische, wobei  er  sichere,  aber  hinlänglich  bekannte  Thatsaehen 
mit  herkömmlichen  französischen  Legenden  verquickt.  Natürlich 
ist  der  sogenannte  Charlemagae  wieder  womeraät  de  la  Sambi 
France,  der  Rheinstrom  ist  „1870  den  Franzosen  entrissen 
worden",  Frankreich  hat  schon  unter  Heinrich  TV.  und  Richelieu 
ä  la  tite  de  l'Eumpe  gestanden,  den  westfälischen  Frieden  haben 
nur  die  französischen  Diplomaten  gemacht.  Protestantismus  ist  mit 
Deukfreiheit  identisch,  Friedrich  I.  von  Preussen  ein  „lächerlicher-1 
Nachäffer  Ludwigs  XIV.,  die  vertriebenen  Hugenotten  haben  seit 
ihrer  Niederlassung  in  Berlin  „die  Eroberung  Deutschlands  durch 
den  französischen  Genius  vollendet  und  gesichert".  Die  Sliakc- 
spearebegeisterung  des  XVIII.  Jahrhunderts  ist  ohne  Voltaire's 
Einfluss  nicht  denkbar,  Lessing's  antifranzösische  Richtung  erst 
durch  Diderot' s  Beispiel  „ermutigt",  die  deutsehe  Romantik  soll 
„ultragermaniseh"  gewesen  sein,  trotzdem  sie  so  viele  fremde 
Litteraturwerke  zu  übersetzen  und  nachzuahmen  suchte.  Das 
neue    deutsche    Reich    sei    ein  reeotUtitution    des    alten,     nur  die 

französische    Geistesrichtung    und    Geistesbildung    herrsch,'    -fi 

weiter,  so  dass  man  das  Grtccia  eapta  ferum  vietorem  eepit  aneh 
auf  die  Schöpfung  Kaiser  Wilhelms  anwenden  konnte.  Zola'* 
und  Dandet's  EtnHuss  sehreite  mit  jedem  Tage  vor  und  habe 
„die  neueste  Bewegung"  in  der  deutschen  Litteratur  (d.  h.  die 
un ebenbürtigen  Schmutz-rRomane"  der  Alberti,  Bleibtreu  und 
Genossen)  hervorgerufen.  Die  eigene  Li rteraturge schichte  kennt 
Herr  E.  nicht  einmal  hinlänglich.  Voltaire's  Schriften  lässl  St 
von  allen  Deutschen  „ersichtlich  gelesen"  werden,  trotzdem 
Marquis  de  Luchet  das  Gegenteil  durchblicken  lässt  und  selbi 
in  Paris  viele  der  zahlreichen  kleineren  Erzeugnisse  „der  Manu- 
factur  vou  Fcrney"  nur  iu  wenigen  Exemplaren,  einzelne  gar 
nicht    aufzutreiben    waren,    wie    F.    H.    Grimm    in    Beiner 


Auguste  EhrharJt,  Lcs  Conu'il'ts   ttr   Mo/irn'  en  Allem aijiie  etc.     111 

gpemhmc*  uns  verrilt.  Und  der  gut  französische,  echt  national- 
gesinnte  Meliere  ist  (8.  540)  le  plus  cosmopolite  <ies  pottex. 
Das  Werk  selbst  ist  besser  und  gründlicher,  als  die  Einleitung. 
Vieles  über  Nachahmungen,  Anregungen,  Übersetzungen  der 
Moliere'schen  Komödie  war  allerdings  schon  von  den  f'ranzösi- 
sehen  und  deutschen  Molieristen  erforscht  worden,  aber  E.  giebt 
uns,  zum  Teil  nach  selbststilndigen  Quellenstudien,  Unbekanntes 
über  die  wenig  gelungenen  Nachahmungen  und  Plünderungen  des 
grossen  Dichters  durch  lffland,  Kotzebue  und  viele  langst  ver- 
gessene Dichterlinge  des  XVII.  und  XVIII.  Jahrhunderts.  Dabei 
sucht  er  freilich  Nachdichtungen  und  Entlehnungen,  wo  solche 
öfters  kaum  erweislich  sind,  wie  er  denn  auch  filr  Ooethe's 
erste  dramatische  Versuche  Anlehnung  an  Moliere  ohne  Über- 
zeugende Gründe  nachweisen  will,  und  zieht  vieles  Ungehörige 
hinein.  Der  Abschnitt  über  (ioltsched  und  seine  Oattin  ist  nach 
sehr  abgeleiteten  deutschen  Quellen  hearbeitet,  der  über  Lessing 
ohne  selbständigen  Wert  und  durch  des  Verfassers  Franzosentum 
beeinflusst,  ebenso  bietet  die  Auseinandersetzung  Über  Goethe 
nichts  erheblich  Neues.  Die  Darstellung  des  Verfassers  ist  bis- 
weilen mehr  germaniBch-iiituitiv  als  französisch-reflektierend,  sie 
leidet  an  libergroaser,  zuweilen  ermüdender  Breite.  Ein  relatives 
Verständnis  deutscher  Wesenscigentümlichkeiten  und  eine,  wie 
es  scheint,  eingehende  Kenntnis  unserer  Sprache  hangen  wohl  mit 
E.'s  offenbar  germanischer  Abstammung  zusammen? 

Der  letzte  Abschnitt  V AUemai/nn  content poraine  leidet  an 
grosser  Überschätzung  eines  Borne,  Heine,  Lindan,  Gross,  uud 
wie  alle  diese  auch  Moliere  huldigenden  und  das  Pariser  Frau- 
zoaentum  feiernden  Herren  heissen.  Auch  das  ,Junge  Deutsch- 
land" wird,  wohl  wegen  seiner  französischen  Zuneigungen,  Über- 
mässig hoch,  dagegen  Manner  wie  Freytag  und  Heyse  zu  tief 
gestellt.  Von  der  heutigen  deutschen  Molicreforschung  hat  Herr  E. 
sehr  unrichtige  und  getrübte  Ansichten.  Ihre  Hauptvevtreter  sind 
nach  ihm  Paul  Lindau,  Schweitzer  und  der  freilich  stark  abge- 
fertigte JeBiiit  Kreiteu,  die  Werke  der  Fachgelehrten  kennt  er 
nur  oberflächlich  oder  vom  Hörensagen,  wie  er  denn  S.  511) 
dem  Verfasser  dieses  eine  Behauptung  aufbürdet,  an  die  der- 
selbe nie  gedacht  hat.  Weil  Schweitzer  ein  Phantast  und  Re- 
klamctnacher  war,  sollen  alle  deutsche»  Molieristen  „eine  Kirche" 
mit  , unduldsamen  Fanatismus"  bilden,  und  „Hohepriester"  eines 
-Oeheimkultus"  sein,  einer  derselben  wird  sogar  mit  Molicrc's 
lYissofin  verglichen.  Sic  hätten  der  Anerkennung  Molifcre's  in 
Deutschland  nur  geschadet,  da  zu  seiner  Schätzung  eine  .relative 
Unkenntnis"  besser  sei,  als  gelehrte  litterarische  und  grammatische 
Forschungen    (S.    534—535).     „Eine   einzige   Darstellung  eines 


113  Referate  und  Rezensionen.     R.  MahrenhoÜz, 

Holiere'schen  StHckeB  in  der  Comedie  francaisea  gäbe  ein  besseres 
Verständnis  „als  alle  gelehrten  Kommentare"  (wozu  dann  die  570 
Seiten  des  Ehrh&rd'schen  Werkes)?  die  Meininger  sind  natürlich 
weit  grüssere  Molierekundige,  als  die  Molieristen.  Mit  einem 
politischen  Schlüsse  atze,  in  dem  der  Chauvinist  aus  der  Hülle  hervor- 
tritt, endet  das  fleissige,  aber  nicht  immer  kritische,  selbständige 
und  wissenschaftliche  Werk.  R.  Mahrenholtz. 


Moliire,  J.  B.  P.,  Leu  Pricieuses  ridicules  p.,  with  Indroductiun 
and  Notes  by  E.  G.  W.  Braunholtz,  M.  a.  Ph.  D.  Uni- 
versity  Lecturer  in  French,  Cambridge:  At  the  ünmr- 
sity  Press,  1890.     XXV  and  100  S. 

Ein  Vorzug  —  wenn  schon  ein  äusserlicher  —  ist  bei 
dieser  englischen  Schulausgabe  die  prunkvolle  Wohlanständigkeit 
des  Druckes  und  der  Ausstattung.  Aber  auch  die  Studien  des 
Herausgebers  sind  sehr  gründliche  und  umfassen  neben  der 
englischen  Moliere  •  Litteratur  auch  die  Hauptwerke  der  franzüsi 
scheu  und  deutschen.  Insbesondere  sind  Despois'  Ausgabe  des 
Stückes  in  den  Grands  icrivains,  Larroumets  Edition  der  Pr.R., 
die  Publikationen  Fritsche's  und  des  Referenten  Moliere -Biographie 
gewissenhaft  benutzt  worden.  So  gibt  Hr.  Br.  in  dem  knappen, 
aber  für  den  Zweck  ausreichenden  Lcbensabriss  des  Dichten 
nur  gut  beglaubigte  Thatsachen  und  begründete  Annahmen,  ver- 
zichtet auf  die  Nachbetung  der  Bchön  klingenden,  aber  inhalts- 
leeren Legenden  und  der  bestechenden,  doch  haltlosen  Hypo- 
thesen. Nur  hatten  wir  sorgfältigere  Berücksichtigung  der  neuen 
Forschungen  über  Moliere's  Wanderjahre  gewünscht. 

Die  Einleitung  zum  Stück  selbst  enthält  eine  treffliche,  an- 
schauliche Würdigung  des  Prcziosentums,  seiner  Vorzüge  und 
Schwächen,  seiner  berechtigten  Reformen  und  geschmacklosen 
Übertreibungen.  Hier  musste  jedoch  neben  Livet's,  Cousin'i 
und  Larroumet's  Auffassungen  auch  H.  Kasrting's  Geschichte  dtt 
französischen  Romanes  im  XVII.  Jahrhundert  zu  Rate  gezogen 
werden.  Der  Text  der  Pr.  TL  ist  nach  der  ersten  rechtmässigen 
Ausgabe  mit  Berücksichtigung  der  Varianten  der  Edition  von 
1682  gegeben  worden,  deren  Wert  übrigens  Br.  etwas  zn  auch 
stellt,  da  er  den  beiden  edirenden  Schauspielern  eine  sorgsame 
Prüfung  und  Benutzung  der  iftee.  Moliere's  zutraut.  Wir  hätten 
die  Ausgabe  von  1674 — T5,  die  vom  Dichter  mit  Ausnahme 
eines  Stückes,  des  Malade  imaginaire,  selbst  für  den  Druck  durch- 
gesehen wurde,  zu  gründe  gelegt  und  die  Abweichungen  la 
Ürange'a    und  Vinot's    nur   als  Ausdruck   der  Theater -Tradition 


V.  Rössel,  Hist.  älter,  de  la  Suisse  romande  des  origines  ä  nosjours.     1 13 

hinzugefügt.  Die  oft  Überschätzte  Edition  des  Jahres  1734  er- 
klärt Br.  mit  gutem  Grunde  für  of  inferior  importance.  Die 
sehr  fle issigen,  50  Seiten  umfassenden  Noten,  berücksichtigen 
neben  dem  Formalen  auch  das  Sachliche,  sind  aber  etwas  breit 
angelegt.  In  deutschen  Schulen  erklären  wir  manches  von  dem 
Herausgeber  Erörterte  überhaupt  nicht,  oder  überlassen  die  Er- 
läuterungen dem  unterrichtenden  Lehrer.  Bei  der  Schwierigkeit, 
welche  das  Französische  auch  begabteren  Engländern  bereiten 
soll,  hat  jedoch  Herr  Br.  vielleicht  zweckentsprechend  gehandelt. 
Der  Appendix  (S.  93  bis  96)  gibt  noch  eine  Zusammenstellung 
preziöser  Redensarten  nach  Somaize's  Grand  Dict.  des  Precieuses. 
Den  Schluss  macht  ein  sorgfältiges  Register.  Als  Schulausgabe 
betrachtet,  kann  diese  Publikation  sich  den  verwandten  Leistungen 
Fritsche's,  Knörich's  an  die  Seite  stellen. 

R.  Mahrenholtz. 


Rosse],  Virgile,  Histoire  littet aire  de  la  Suisse  romande  des 
origines  ä  nosjours.  Tome  Ier  Geneve-Bäle-Lyon,  Georg. 
1889.     532  8.  8°. 

Eine  zusammenfassende  Literaturgeschichte  gab  es  bisher 
wohl  für  die  deutsche,  aber  nicht  für  die  französische  Schweiz, 
an  sich  ist  daher  Herr  Rossel's  Werk  ein  grosses  Verdienst. 
Auch  billigen  wir  die  Hineinziehung  derjenigen  französischen 
Schriftsteller,  welche  mehr  in  der  grösseren  Welt  der  französi- 
schen Monarchie,  als  in  der  kleineren  der  Schweizer  „Cantönli" 
gewirkt  haben,  aber  ihrer  Geburt  nach  der  letzteren  angehören, 
oder  dort  wenigstens  einen  Teil  ihres  Lebens  zugebracht  haben. 
Was  wäre  auch  eine  Geschichte  der  romanischen  Schweiz  ohne 
Calvin  und  Rousseau?  Herr  Rossel's  Vorstudien  sind  zudem 
sehr  eingehend  detaülirt,  seine  Beurteilung,  obwohl  vom  Schweizer 
Partikularismu8  und  Calvinismus  etwas  beeinflusst,  doch  im  ganzen 
eine  sachliche.  Nur  hätte  er  sein  Werk  ausschliesslich  für  ge- 
lehrte Kreise  bestimmen  und  nicht  durch  Hineintragung  von 
Anekdoten,  Zitaten  und  anderen  entbehrlichen  Einzelheiten  den 
zweifelhaften  Vorzug  der  Popularisierung  mit  einer  Steigerung 
des  Umfanges  erkaufen  sollen.  Denn  ein  besonderes  Interesse 
dürfen  solche  Schriften  doch  nur  auf  Seiten  der  Forscher  und 
der  Höhergebildeten  in  der  eigenen,  engeren  Heimat  suchen. 
Sehr  verständig  ist  es,  dass  Herr  R.  die  ganze  mittelalterliche 
Zeit  ziemlich  kurz  (S.  1  — 100)  abthut,  um  desto  ausführlicher 
sich  der  Zeit  nach  der  Reformation  zuzuwenden.  Hier  aber  hatte 
das  Bekannte    oder  Geringfügige    nicht  mit  aller  Breite  des  De- 

Zschr.  f.  frx.  Spr.  u.  Litt.    XII*.  g 


114  Referate  und  Rezenswiien.     R.  MohrenholK, 

tails  geschildert  werden  sollen,  wie  das  vor  Allem  in  den  Ab- 
schnitten über  Calvin  und  seine  Mitstreiter,  Farel,  Viret,  de  Beu 
(1ÜO — 160)  geschieht.  Dagegen  durften  die  allgemeine  Cultnr- 
und  Weltgeschichte,  die  in  ihrer  Entwickeln ng  und  iu  ihrem  Ein- 
flüsse auf  die  besonderen  Verhältnisse  der  romanischen  Schwell 
keineswegs  überall  aufgehellt  sind,  schon  am  eingehendere  Be- 
rücksichtigung Ansprüche  machen.  Glanzpunkte  des  Werkes 
sind  ausser  den  Schilderungen  der  Genfer  Reformation  noch  die 
zwei  Kapitel  des  IV.  Buches:  Lei  Savant*.  Influenae  dt  k 
R4forme  (8.  385—430)  und  die  über  die  dogmatischen  Strei- 
tereien der  Genfer,  Waldenser,  Nenchäteler  Theologen  im  XVII, 
und  im  Beginne  des  XVJII.  Jahrhunderts  (504 — 523).  Mit  diesen, 
also  mit  dem  Übergange  in  die  Zeit  der  Voltaire'ecoen  und 
Rousseau' sehen  Aufklarung  schliesst  die  Darstellung.  Hervor- 
zuheben Bind  sonst  noch  die  frischen,  anmutigen  Schilderungen 
von  Francois  Bonivard,  des  bekannten  prixoner  of  Chitton  und 
AgTippa  d  Aubignes,  sowie  manche  feine  ästhetische  und  ktiltnr- 
faistorisefae  Bemerkung.  Die  massvolle  Beurteilung  Calvin's  und 
seiner  späteren  Parteigänger  könnte  für  den  Fanatismus  manche» 
Schweizer  und  französischen  Reformirten  eine  beilsame  Lehre 
werden,  wenn  nicht  der  Glaube  jeder  Belehrung  unzugänglich 
bliebe.  Wir  hoffen,  noch  ausführlicher  den  für  1891  angekün- 
digten II.  Band  besprechen  zu  können  und  begnügen  uns  für 
Band  I   mit  dieser  kürzeren  Anzeige. 

R.  Mahkenholtz. 


Bengesco,  Georges,    Voltaire,  Bibliographie  de  ses  (Eaores.  Pari», 
1889.     Rooveyre  et  G.  Blond.    Tome  III.  Preis  20  Fr. 

In  dem  vorliegenden  Bande  hat  der  gründliche  Bibliograph 
sich  mutig  in  das  Labyrinth  der  Korrespondenz  Voltaire'»  ge- 
stürzt, die  chronologischen  Daten  und  den  inneren  Zusammenhang 
der  10000—11000  Briefe  genau  festgestellt  und  noch  über  100 
schon  gedruckte,  aber  unübersichtlich  zerstreute  Schreiben  de» 
Philosophen  mit  aufgenommen.  Ein  vierter  Band  wird  das  grosse, 
mühselige  Werk,  an  dem  der  Verfasser  seit  einem  Jahrzehnte 
etwa  thätig  ist,  zu  Ende  bringen. 

Wenn  schon  die  18  Bände  der  Voltaire'schen  Korrespon- 
denz iu  Lonis  Moland's  Ausgabe  keineswegs  so  nn  voll  kommen 
sind,  wie  uns  das  Herr  Brünettere  und  andere  ihm  Nach  sprechende 
glauben  machen,  so  bietet  doch  Herr  Bengesco  Zusätze  nnd  Be 
richtnngen  mannichfacher  Art.  Vers  tändiger  weise  hat  er  auf  die 
Heransgabe  der  noch  nngedrnckten  weder  quantitativ,  noch  qua- 


Alex.  Bennenriiz,  Congreve  und  Modere.  115 

litativ  wohl  erheblichen  Briefe  Voltaire's  verzichtet,  denn  die  vor- 
liegenden, zu  denen  noch  über  1000  Schreiben  an  V.  kamen, 
geben  uns  bereits  ein  ziemlich  vollständiges  Bild  der  Wandlungen 
und  Beziehungen  des  „ Schlauen,  Vielgewandten u.  Den  Dank 
jedes  Voltairisten  hat  sich  Herr  B.  schon  durch  die  früheren 
xwei  Bände  seiner  Bibliographie  in  hohem  Masse  erworben  und 
wir  wünschen  dem  unermüdlichen,  exakten  Forscher  baldige 
Vollendung  seines  hochverdienstlichen  Werkes. 

R.  Mahbenholtz. 


ßennewitz,  Alex.,  Congreve  und  Moliere.  Literarhistorische 
Untersuchung.  Dissertation.  Leipzig  1890.  H.  Hassel. 
159  S.  8°. 

Ein  Lieblingsthema  von  Doktordissertationen  scheint  seit 
Jahren  der  Eintluss  Moliere's  auf  die  englischen  Dramatiker  der 
Restaurationszeit  zu  sein.  Nach  dieser  Richtung  hin  ist  nament- 
lich Wycherley  mehrfach  behandelt  worden,  ohne  dass  sich  für 
die  Behauptung  unsers  Autors,  Wycherley  sei  als  „Schüler 
Moliere's  zu  betrachten",  allzu  starke  Beweisgründe  ergeben. 
Ähnlich  steht  es  mit  der  Abhängigkeit  Congreve's  von  dem  fran- 
zösischen Vorgänger,  welche  B.  in  seiner  höchst  sorgfältigen, 
fleissigen  Dissertation  zu  erweisen  sucht  Wie  Moli&re,  so  be- 
folgten allerdings  auch  die  Wycherley,  Congreve  und  ihre 
dichterischen  Zeitgenossen  den  Grundsatz:  Je  prends  mon  Inen, 
ou  je  le  trouve  und  hierbei  war  sicher  der  in  England  allgemein 
bekannte  Komödiendichter  Frankreichs  eine  unerschöpfliche  Fund- 
grube für  Charakterzüge,  witzige  Pointen,  Intriguenmotive  u.  s.  w. 
Aber  nebenbei  ging  auch  der  Einfluss  der  Shakespeare'schen 
Komödien  her  und  manches  ursprünglich  dem  Moliere  Entlehnte 
scheint  Congreve  erst  durch  Otway,  Wycherley  u.  a.  zugekommen 
zu  sein.  Wichtiger  aber,  als  die  Frage,  ob  der  französische 
Dichter  von  Congreve  selbst  entstellt,  verdorben  und  verwässert 
sei,  oder  ob  sein  Nachahmer  zum  Teil  nur  das  von  anderen 
Landsleuten  schon  Verbal hornisirte  noch  weiter  verderbt  habe, 
ist  der  grundverschiedene  Charakter  der  Kunstdichtung  Moliere's 
und  der  effektvollen  BUhnenmache  eines  Wycherley,  Congreve  u.  a. 
In  der  That  wählte  auch  Moliere  das  Gesell schaftsleben  von 
Versailles  und  Paris  zum  Vorbilde  seiner  dichterischen  Gestaltungen, 
aber,  statt  sich  mit  einer  poesielosen,  abschreckend  treuen  Por- 
trätirung  zu  begnügen,  trug  er  die  aligemein  giltigen,  ewig 
wahren  Gegensätze  des  Lebens  und  Strebens  und  bestimmte 
religiöse  oder  ethische  Ideen  in  seine  Stücke  hinein,  wodurch  er 
den  meisten  eine   für   alle   Zeiten  währende   Bedeutung  sicherte. 


116  Referate  und  Retentiimen.     R.  .HakrettMallz. 

Seine  englischen  Nachahmer  waren  mehr  Photographen,  als  Künstler 
und  man  würde  sie  eher  den  modern  -  französischen  Ebebruchi- 
uodProstitutions- Dramatikern,  als  Höhere  vergleichen,  wenn  ihnen 
nicht  der  Geist  und  die  feine  Bildung  der  Dumas,  Sarduu  u.  i 
in  hohem  Grade  gefehlt  hätte.  Nirgends  ist  die  Poesie  so  in 
den  Gestank  des  Bordells  und  den  Koth  der  Gasse  geschleift 
worden,  wie  in  jener  Zeit  der  ausgeartetsten,  im  verfeinerten  Roh- 
heit,  Gcnuassucht  und  Rücksichtslosigkeit.  Nun  gibt  ja  B.  die« 
im  Grunde  zu,  aber  damit  entsteht  die  Frage:  fanden  denn  die 
Congreve  und  die  anderen  porci  e  grege  Epicuri  die  Vorlage  n 
dem  verflachten  Abbild  ihren  Charakteren,  Intriguen,  Spässen  und 
Zoten  nicht  in  dein  Schmutze  der  Wirklichkeit  selbst,  mussten  sie 
zu  Holiere  ihre  Zuflucht  nehmen,  um  das  diesem  geraubte  Ost 
zu  verderben,  zu  entstellen  und  zu  besudeln?  Borgte  nicht  da- 
neben Einer  von  dem  Anderen  die  schmutzigen  Effektszesen, 
unsauberen  Charaktere,  zotigen  Gemeinplätze,  um  sich  dann  gegen- 
seitig in  der  Wirkung  auf  den  rohen  Pöbel  und  die  entarteten 
HoHeute  zu  Überbieten?  Lesen  wir  die  Stücke  eines  Wieherte; 
und  Congreve,  so  fällt  uns  die  innere  Übereinstimmung  der  sitt- 
lichen Gemeinheit  und  der  rohen  Effekthascherei  auf,  von  Höhere 
werden  wir  doch  nur  hie  und  da  in  manchen  Einzelheiten,  die 
trotz  ihrer  Verrohung  den  Genius  des  Heisters  nicht  völlig  ver- 
leugnen, erinnert?  Auch  an  Shakespeares  Etnfluss,  wohlver- 
standen des  Shakespeare,  der  sich  zu  den  Gründlingen  des 
Parterre  herabliess,  werden  wir  oft  mehr  gemahnt,  als  an  den 
feinen,  selbst  in  seinen  volkstümlichen,  derben  Stücken  mais- 
vollen  Hofdichter  Ludwig's  XIV. 

Hit  diesen,  zum  Teil  von  B.  selbst  gemachten  Einschrän- 
kungen können  wir  manche  seiner  Resultate  aeeeptieren.  Sit 
gehen  dahin,  dass  Congreve  in  seinem  Oebut- Stücke,  dem  Old 
Bachelor,  eine  Anzahl  possenhafter  Stücke  Holiere's,  wie  Managt 
farti,  Mr.  de  Pourceaugnac,  Fourberies  dk  Seapin,  George  Damit», 
daneben  auch,  freilich  mit  Besudelungen  gröbster  Art,  die  beiden 
Ecolcx,  den  Don  Juan,  den  Dipit  amoureux,  die  Princesse  d'  Eiide 
benutzt  habe.  Für  den  Double  Dealer  wird  eine  Beziehung  zum 
Tartuffe  mehr  behauptet,  als  bewiesen,  ersichtlicher  ist  die  Ver- 
wertung einzelner  komischer  Szenen  und  Züge  der  Femnut 
savantes.  In  Love  for  Love  ist  die  Anlehnung  an  den  Avare 
uns  ebenfalls  weniger  ersichtlich,  als  die  Benutzung  mancher 
EinzelbeBtandteile  Holierischer  StUcke,  die  B.  S.  71  ff.  durch- 
geht. Aber  auch  hier  brauchte  C.  manches  nicht  gerade  aus 
dem  französischen  Vorgänger  zu  nehmen,  da  es  Gemeingut  der 
Komödie  des  XVII.  Jahrhunderts  war.  The  Way  of  tk*  World 
ist   ebenfalls    ein    Konglomerat    aus    Entlehnungen   von    Notiere, 


J.  Grand- Carter  et.  J.-J.  Rousseau,  juge  par  les  Francais  etc.        117 

eigenen  Umänderungen  und  Erfindungen,  offenbaren  Abkonter- 
feiungen wirklicher  Verhältnisse  und  Persönlichkeiten,  die  wir 
bei  dem  platt -realistischen,  nirgends  auf  der  Höhe  der  Kuust 
stehenden  C.  annehmen  müssen. 

Congreve  und  seine  Schmutzgenossen  sind  verdienterweise 
vergessen  worden,  während  Moliere  in  der  Sympathie  der  Edel- 
sten aller  Nationen  fortlebt.  Nicht,  weil  sie  den  Zweck  der 
moralischen  Besserung  aus  dem  Auge  Hessen,  sondern  weil  sie 
dem  Niedrigen,  Gemeinen,  Unkünstlerischen  huldigten,  den  Blick 
nur  auf  die  Lachen  und  Untiefen  des  grossstädtischen  Lebens 
richteten,  die  Erhebung  zu  den  verklärten  Höhen  der  Poesie 
verga88en.  Dass  um  Moliere's  willen  man  ihnen  jetzt  wieder 
Beachtung  schenkt,  ist  ein  Zeichen  wissenschaftlicher  Aufopferungs- 
fähigkeit, welches  unbedingte  Anerkennung  verdient. 

R.  Mahbenholtz. 


Grand-Carteret,  John,  J.  J.  Rousseau,  juge  par  les  Francais 
daujourd'hui.  Paris  1890.  Librairie  academique.  572  -f- 
XXXI  8.  8°. 

Im  Verein  mit  einer  Anzahl  hervorragender  Schriftsteller 
von  Paris,  unter  denen  wir  nur  J.  Claretie,  A.  Daudet,  J.  Simon, 
G.  Vapereau  nennen,  hat  John  Grand-Carteret,  auch  in  Deutsch- 
land durch  sein  Buch:  La  France  jugee  par  fAlleinagne"  bekannt, 
die  wichtigsten  Punkte  in  des  Genfer  Philosophen  Leben  und 
Wirken  unter  fortwährender  Bezugnahme  auf  die  heutigen  Zu- 
stände eingehend  behandelt. 

Eine  Reihe  von  schöngeformten,  warmempfundenen  Ge- 
dichten zu  Rousseau's  Gedächtnis  eröffnen  das  Werk,  hierauf 
folgen  die  wissenschaftlichen  Beiträge. 

1)  Defense  de  Rousseau  contre  ses  calomniateurs.  Hier  verteidigt 
John  Grand-Carteret  selbst  den  grossen  Denker  und  Schriftsteller 
gegen  die  zahlreichen  Anfeindungen,  die  seit  fast  anderthalb  Jahr- 
hunderten gegen  ihn  gerichtet  sind,  indem  er  die  verschiedenen  Äusse- 
rungen der  Antipathie  und  Sympathie  uns  in  kritischer  Abschätzung 
vorführt.  Insbesondre  wendet  er  sich  gegen  die  vornehme,  nase- 
rümpfende  Geringschätzung  unserer  modischen  Zola-  und  Daudet- 
Leserinnen,  deren  geistesverwandte  Vorläuferinnen  im  XVIII.  Jahr- 
hundert wenigstens  die  naturwahre,  poesieerflillte  Schilderung 
der  Leidenschaft  in  der  Nouvelle  Heloise  mit  Begeisterung  priesen 
und  den  seltsamen  Schwächen  Rousseau's  langmütige  Teilname 
spendeten.  Im  Grunde  steht  C.  auf  einem  vermittelnden  Stand- 
punkte, welcher  allein  als  der  wissenschaftliche  gelten  kann. 


118  Referate  und  Rezensionen.     R.  ManrenhotU, 


2}  G.  Vapereau  gibt  dann  einen  Überblick  über  Ronsstai'i 
Leben    and  Werke  in    ebenso   knapper    wie   sachkundiger  Wei«. 

3)  Dag  grosse,  menschen-   und  villkerbeglUckende  Hamaii- 

täts-Ideal    des  Philosophen    beleuchtet  A.   Eschenhntter   in    --i , 

Aufsätze:  J.  J.  Rousseau,  rTpltque'  par  lui-mtme,  freilich  elwii 
zu  panegyrisch,  die  Einseitigketten  und  Grillen  Roussean's  nicnt 
immer  von  den  ewig  wahren  Gedanken  und  Bestrebnilgen  scheidend. 

4)  Den  Streit  Voltaires  tind  Rousseau's  entscheidet  Gh.  Gidri 
zu  Gunsten  des  letzteren,  manches  dabei  Übergehend,  was  iur 
Entschuldigung  und  teilweisen  Rechtfertigung  des  Philosophen 
von  Ferney  dient. 

5)  Den  Schöpfer  der  modernen  Naturbeseelung  im  Gegen- 
satz zn  der  unmittelbareren  Naturempfindnng  der  Alten  schildert 
J.  de  Glouvet  in  seinem  anmutig  geschriebenen  Essay:  ffouwmi 
devant  La   natura. 

6)  Le  Genie  par  l' Imagination  von  E.  BJemont  weist  in/ 
die  gewaltige  Kraft  der  Fantasie  Roussean's,  welche  in  einem 
scharfen,  bisweilen  spitzfindigen  Reflektieren  ihr  Gegengewicht 
hatte,  hin. 

7)  De  Famovr  ckez  Jean- Jacques  von  Satter- Laumani 
schildert  die  wechselnden  Beziehungen  Roussean's  zum  weiblichen 
Geschlecht  und  seine  Selbstoffen bamngen  in  der  „*touv.  Hclowt" 
wie  in  den  „Confetinions"  vielfach  treu  und  wahr,  bisweilen  je- 
doch etwas  ideal  kolorirt. 

8)  ./.  J.  Rousseau,  »es  mislres  et  ton  gfnie,  ein  kenntnis- 
reicher, scharf  urteilender  Aufsatz  von  E.  Mouton  stellt  das  Mut 
der  Selbstverschuldung  Rousseau's  fest. 

9)  Wichtig  für  den  Spezial  forsch  er  ist  der  ins  medizinische 
Detail  gehende  Beitrag  des  Dr.  J.  Rousscl:  Rousseau,  son  Hat 
pathologi/jue,  sa  mort  et  sex  enfants,  worin  mit  annähernder  Ge- 
wissheit der  Nachweis  geführt  wird ,  dass  Rousseau  Überhaupt 
nie  Vater  von  fünf  Kindern  gewesen  sein  könne,  also  das  Schuld- 
bekenntnis der  Kinderaussetzung,  wie  er  es  in  setner  Selbst- 
biographie gibt,  eine  romanhafte  Erfindung  sein  müsse.  Die 
vielumstrittene  Frage  des  Selbstmordes  Rousseau's  erörtert  der 
gelehrte  Arzt  noch  einmal,  lehnt  den  Selbstmord  ab  und  hält 
einen  Scblaganfall  ftlr  wahrscheinlich. 

In  dem  zweiten  Teile,  L'Oeuvre,  beschäftigen  sich  vier  ge- 
diegene Aufsätze  von  Ch.  Fauvety,  A.  Reville,  F.  des  Essarts 
and  E.  Garein  mit  dem  Verhältnis  Rousseau's  zur  ersten  Re- 
volution, zum  französischen  Sozialismus  und  Kommunismus.  In 
denselben  wird  neben  dem,  was  Rousseau  nnd  seine  Jünger  von 
der  radikalen  Partei  eint,  auch  sehr  geschickt  das  Trennende 
hervorgehoben.     In  Rousseau  et  Viducation  des  ftlles  beklagt  da- 


J.  Grand- Carter  et,  J.~J.  Rousseau,  juge  par  les  Francais  etc.      119 

gegen  ein  kluger  Blaustrumpf  (Maria  Deraismes),  dass  der  Vor- 
kämpfer politischer  Gleichheit  nicht  auch  Vertreter  der  modernen 
Ideen  von  Franenemanzipation  gewesen  sei. 

Grösseren  Wert  hat  A.  Pougin's  detaillirter,  sachkundiger 
Aufsatz  über  Rousseau's  Verdienste  um  die  Musikreform  und 
Einwirkung  auf  die  späteren  musikalischen  Richtungen  in  Frank- 
reich. Auch  nach  dem  gelehrten  Werke  von  A.  Jansen  behält 
dieser  Aufsatz  noch  seinen  eigenartigen  Wert. 

Die  Beiträge  unter  XVII — XX  wiederholen  in  selbständiger 
Weise  manches  schon  in  den  vorhergehenden  Abschnitten  Be- 
sprochene, insbesondere  ist  in  ihnen  die  ästhetische  und  päda- 
gogische Seite  wichtiger  Schriften  Rousseau's  hervorgehoben  worden. 
Eigen  ist  ihnen  mehr  als  den  übrigen  die  apologetische  Richtung. 
Sie  heissen :  Rousseau  et  les  femmes  von  H.  Buffenoir,  Rousseau 
hygieniste  von  Dr.  E.  Monin.  De  tinfluence  de  la  musique  sur 
le  style  littir.  de  R.  von  0.  Comettant,  Esthetique  du  roman 
selon  Rousseau  von  P.  Rouaix  und  J.  J.  Rousseau  moraliste  et  les 
Confessions  von    J.  Troubat. 

Einen  mehr  subjektiv  -  feuilletonistischen  Charakter  tragen 
die  unter  111  (Impress.  diverses  s.  Vhomme  et  Voeuvre)  zusammen- 
gestellten kleineren  Beiträge,  von  denen  wir  als  besonders  an- 
ziehend geschrieben  nur  den  Dialogue  intime  pour  et  contre 
Rousseau  von  A.  Daudet  und  Rousseau  et  Schiller  von  J.  Claretie 
hervorheben  wollen. 

Aus  dem  wissenschaftlichen  Geiste  fallen  die  Schilderungen 
Ermenonville's  und  Bossey's  (wo  Rousseau  seine  letzten  Lebens- 
monde und  seine  glücklichsten  Jugendjahre  verlebte)  und  die  Er- 
zählungen von  einem  angeblichen  Enkel  Rousseau's,  der  1848 
auf  den  Barrikaden  als  Opfer  seiner  gefährlichen  Friedensliebe 
fiel,  sowie  von  einem  vermeintlichen  Sohne  des  Philosophen,  der  mit 
seinem  Vater  in  Ermenonville  zusnmmengetroffen  sein  soll,  heraus. 

Wichtiger  sind  in  V.  die  Notizen  über  die  Rousseau-Statuen 
in-  und  ausserhalb  Frankreichs,  sowie  über  Manuskripte  Rousseau's 
in  der  Bibliothek  der  französischen  Deputirtenkammer  und  die 
Bibliographie  der  Rousseau-Litteratur  (1879  —  90),  eine  fleissige 
Zusammenstellung  vom  Chefredakteur  des  Ganzen. 

Anhangsweise  finden  unter  VI.  auch  die  bei  der  Enthüllung 
des  Pariser  Rousseau -Denkmales  auf  dem  Pantheonplatz  ge- 
haltenen Reden  ihre  Stelle. 

Ein  besondrer  Schmuck  des  gesammten  Werkes  sind  die 
Statuen-Abbildungen  und  Autographen,  elf  an  Zahl.  Sehr  reich- 
haltig und  verschiedenartig  ist  also  das  Gebotene,  jede  Ein- 
seitigkeit von  Parteimeinungen  und  Gefühlsäusserungen  ist  bei 
der  grossen  Anzahl  (39)  der  Mitarbeiter  ausgeschlossen.    Wieder- 


120  Referate  und  Rezensionen.     R.  MahrcnkoUz, 

holungen  und  Widersprüche  sind  allerdings  aus  gleichem  Gnu ,\. 
unvermeidlich,  aber  sie  sind  dem  Streben  nach  allseitiger  Er- 
kenntnis und    Wahrheitsfindung  nur  förderlich. 

Man  kann  nieht  sagen,  dass  in  den  oben  skizzirten  Auf- 
sätzen erheblich  neue  Thatsaelien  oder  Gesichtspunkte  uns  an- 
geboten würden,  aber  jedenfalls  ist  die  reiche  Litteratur  Hhtt 
den  Gegenstand  sorgfältig  ausgenutzt,  das  Bleibende  in  Rousseaui 
Wirken  von  dem  Vergänglichen  getrennt,  in  der  Würdigung  dei 
Schriftstellers  und  Menschen  Licht  und  Schatten  richtig  verteil! 
worden.  Soviel  in  Frankreich  auch  sehon  Aber  den  Genfer,  in 
die  Verfasser  der  Sammelb eitrige  mit  gewissem  Rechte  nicht  nur 
litterarisch,  sondern  auch  national  als  Franzosen  in  Anspruch 
nehmen,  geschrieben  ist,  das  angeführte  Werk  behalt  «einer  Idee 
und   Ausführung  nach   einen  eigenartigen   Werth. 

K.  Mahrenholte. 


Kuttner,  Max,   Das  Naturgefühl  bei  den  AÜfra 

fiuss  auf  ihre  Dichtung.     Berlin,   1889.     Diss.     85  S.  8*. 

Die  moderne  Philologie  scheint  vielfach  dieselben  Bahnen 
einzuschlagen,  welche  ihre  Stamm mutter,  die  in  Ehren  ergraute 
klassische  Philologie,  vordem  genommen  hatte  und,  soweit  ihr 
Beharrungsprinzip  dies  zulitsst,  noch  wandelt.  Nachdem  die  rein 
formal  -  sprachliche  Richtung  alter  Zeit  mehr  nnd  mehr  aus  der 
Hode  gekommen  ist,  hat  man  sich  der  realistischen  Seite,  der 
lange  so  arg  vernachlässigten,  eifrig  angenommen,  und  auch  in 
dieser  Hinsicht  ist  die  neuere  Philologie  der  alten  nachgefolgt 
Die  hier  vorliegende  Untersuchung  über  das  Naturgefltbl  bei 
den  Altfranzosen  schliesst  sich  der  äusseren  Form  nach  an  die 
Schriften  Bieses  über  Die  Entwickdung  des  Naturgcjithls  bä 
Griechen  und  Hörnern,  bezw.  im  Mittelalter  und  in  der  Neuzeit  an, 
ist  im  Übrigen  völlig  selbständig  und  auf  sehr  gründlichen  Quellen- 
studien ruhend. 

Jede  Litteraturperiude  muss  zuvörderst  nach  historischem, 
genauer  kultur-historischem  Hassstab  gemessen  werden,  da  der 
ästhetisch-philosophische  altes  in  eine  Zwangsjacke,  deren  Maschen 
oft  willkürliche,  abstrakte  Kategorien  sind,  zu  pressen  liebt.  Das 
Naturgefllhl  äussert  sich  bei  uns  Modernen  völlig  anders,  als  im 
Altertum,  und  im  Mittelalter  wieder  in  eigenartiger  Weise.  Wir 
pflegen  bei  unserer  gesteigerten  Subjektivität  unsere  Stimmung 
in  die  Natur  hineinzutragen,  auch  die  tote,  leblose  Welt  des 
Anorganischen  zu  beseelen,  nachdem  wir  sie  von  allem  religiösen 
Aberglauben    früherer   Zeiten   geläutert,    somit   also    entgöttlicht 


M    Kuttner,  Das  Natur ge fühl  bei  den  Altfranzosen  etc.  121 

nnd  in  gewissem  Sinne  entgeistigt  haben.  Im  Altertum  stand 
der  Mensch  den  grossartigen  Naturerscheinungen  mit  einem  aus 
Ehrfurcht  und  Grauen  gemischten  Gefühl  gegenüber,  weil  er 
hinter  ihnen  das  Wirken  böser,  feindseliger  Gottheiten  erblickte 
and  beschränkte  sich  daher  meist  auf  die  Schilderung  des  Leib- 
lichen, Anmutigen,  welches  er  als  veräusserlichte  Tbätigkeit 
guter  Mächte  auffasste.  Die  im  Grunde  optimistisch  anschauen- 
den Dichter  Griechenlands  haben  daher  die  Schrecknisse  der 
Natur  nur  da  geschildert,  wo  sie  in  ihnen  das  Walten  der 
Recht  schirmenden  und  Unrecht  strafenden  Gottheiten  sahen,  wie 
die  Meeresstürme,  Blitz  und  Donner  etc.  Sie  lassen  die  Dinge 
unmittelbar  auf  sich  wirken  und  brauchen  ihre  eigenen  Gemüts- 
Stimmungen  um  so  weniger  in  dieselben  hineinzutragen,  als  die 
Natur  für  sie  nicht  tot  und  leblos,  sondern,  genau  wie  die  Er- 
scheinungen des  menschlichen  Lebens,  mit  dem  Geiste  persön- 
lich waltender,  göttlicher  Mächte  angefüllt  ist.  Der  neuere 
Dichter,  soweit  er  nicht  zugleich  eine  tiefere  naturwissenschaft- 
liche Bildung  hat,  trennt  das  menschliche  Leben  von  dem  der 
aussermenschlichen  Natur,  für  jenes  lässt  er  die  von  Gott  ver- 
liehene Selbstbestimmung  gelten,  während  alles  Tier-,  Pflanzen- 
nnd  anorganische  Leben  nach  den  unabänderlichen  Naturgesetzen 
gelenkt  wird.  Um  aber  die  Natur  poetisch  gestalten  zu  können, 
muss  sie  beseelt  werden,  und  da  die  naive  Auffassung,  welche 
Tiere  und  selbst  Bäume  reden  und  sogar  menschlich  handeln 
lässt,  unserem  Bewusstsein  abhanden  gekommen  ist,  so  kann  der 
moderne  Dichter  nur  die  eigene  Stimmung  in  die  ihn  umgebende 
Natur  hineintragen. 

Was  die  Naturanschauung  des  Mittelalters  angeht,  so  war 
sie  einerseits  durch  den  religiösen  Aberglauben,  andererseits 
durch  die  Entfremdung  von  der  Natur  beeinflusst  und  beschränkt. 
Dem  Geistlichen,  welcher  sein  Leben  grossenteils  hinter  Kloster- 
mauern vertrauerte,  dem  Bürger,  der  in  die  engen  Gassen  und 
hohen  Giebelhäuser  seiner  Städte  gebannt  war,  können  wir  Natur - 
gefühl  nur  in  eingeschränktem  Masse  zusprechen,  aber  auch  der 
Ritter  suchte  in  der  Natur  nur  Kampf  und  Streit  mit  den  Feinden 
seines  Landes  und  seiner  Kirche  oder  mit  den  bösen  Zauber- 
gewalten, an  die  sein  ungebildeter  Geist  noch  glaubte.  Zudem 
brachte  auch  er  die  Winterszeit  in  den  Burgen  zu,  oft  in 
schlecht  erleuchteten,  fest  geschlossenen  Gemächern;  waren  doch 
die  Fenster  der  Wohnräume  klein  und  Halbdunkel.  Was  er 
ausserhalb  seines  engeren  Wirkungskreises,  bei  den  Fahrten  in 
ferne  Gegenden  und  Lande,  erblickte,  wurde  von  ihm  mit  reli- 
giösen, nicht  mit  ästhetischen  Gefühlen,  bisweilen  mit  rohen, 
abergläubischen  Vorstellungen   erfüllt.     Ganz    heimisch   und  ver- 


124  Referate  und  Rezensionen.     M.  F.  Mann, 


frischen  können.  Leider  ist  das  nur  allzu  selten,  denn  mit  der 
Kenntnis«  der  altgriechi sehen  Sprache  ging  ja  auch  die  For- 
schung nach  den  ursprünglichen  Quellen  der  hellenischen  Lite- 
ratur verloren,  nur  aus  trüben,  mönchisch  dUsteren  Quell  wassern 
strömte  das  Leben  von  Hellas  den  geistlichen  und  ritterlich» 
Dichtern  jener  Zeit  zu.  Wie  die  Dichtung,  litt  darunter  aach 
die  bildende  Kunst,  daher  die  im  5.  Kapitel  (S.  82—84)  von  K. 
zusammengestellten  „dichterischen  Zeugnisse  für  die  Darstellung 
der  Natur  durch  die  bildenden  Künste "  quantitativ  dürftig  sind. 
Am  Schluss  dem  Verfasser  flir  Reine  fleissige,  verständige  Arbeit 
nnsere  volle  Zustimmung  und  ein    Vivant  sequentes. 

R.  Mahbenbolte. 


Pilz,  Oskar,  Beiträge  zur  Kenntnis  der  altfranxäsiseken  Fabliaux. 
I.  Dia  Bedeutung  des  Wortes  Fablei.  Stettin,  1889. 
24  S.   4°.     (Marburger  Dissertation.) 

Angeregt  durch  Montaiglon's  Recue.il  geniral  et  complet  da 
Fabliaux  des  XIII'  et  XIV  Stieles  (1872  etc.)  sucht  der  Ver- 
fasser die  Frage  zu  beantworten:  „Was  ist  ein  Fablet  t"  oder: 
„Was  verstanden  die  mittelalterlichen  trauvires  unter  einein 
Fablet?" 

Als  notwendige  Voraussetzung  wird  hingestellt,  dass  du 
dichterische  Schöpfungen  unter  der  Flagge  Fablet  segeln,  und 
dass  nur  solchen  der  Name  Fablet  beigelegt  werden  könne,  die 
vou  den  Dichtern  selbst  so  genannt  würden.  Hierron  ausgehend 
hat  der  Verfasser,  um  zu  einer  Definition  zu  gelangen,  eine  gross? 
Anzahl  altfranzö'siscber  Dichtungen  von  massigem  Umfange  — 
hier  schleicht  sich  eine  3.  Voraussetzung  ein  —  geprüft  und 
nur  81  StUcke  gefunden,  die  den  in  der  2.  Voraussetzung  aus- 
gesprochenen Anforderungen  genügen.  Diese  81  „echten"  Fa- 
bliaux scheidet  der  Verfasser  in  7  Gruppen,  and  zwar  dem  In- 
halte nach,  denn  da  die  Form  immer  die  poetische  sei  —  der 
Verfasser  holt  hier  (S.  13)  ein  Versäumnis  nach  —  könne  für 
ihren  Charakter  nur  der  Inhalt  massgebend  sein.  In  die  erste 
Gruppe  gehören  64  Gedichte,  deren  Gedankengang  der  Verfasser 
kurz  bespricht  oder  andeutet.  Diese  hält  er  für  durchaus  echte 
Fabliaux  und  geht  nun  (S.  15)  mit  einem  Sprunge  zur  Definition 
über:  „Die  mittelalterlichen  Dichter  verstanden  darunter  die 
poetische  Darstellung  eines  Abenteuers,  das  aich  zumeist  inner- 
halb der  Grenzen  des  gewöhnlichen  Lebens  zuträgt.  Das  Fablel 
gehört  also  der  rein  epischen  oder  der  episch -didaktischen  Poesie 
an.   Sein  Hauptzweck  ist  zu  unterhalten.   Erst  allmählich  schliesst 


i 

i 


Oskar  Pilz,   BtHetgt  :m   b.i 

sich  an  die  Erzählung  eine  Lehre  an.  Mir  einer  einzigen  Aus- 
nahme sind  die  Fabliaux  in  paarweise  gereimten  Aentsilblcrn 
abgefnsst. u  Auf  Grund  dieser  Feststellung  werden  eine  Anzahl 
ni.  Iii  da  IFobUeusB  bMeiehneter,  tob  Montaiglon  u.  a.  ver- 
Üffentlieliten  Fabliaux  als  solche  erwiesen  (8.  15  f.)  und  von 
den  oben  genannten  81  Fablinux  die  fehlenden  17,  obgleich  sie 
diesen  Namen  tragen,  anderen  Gattungen  zuerkannt,  nämlich  4 
(2.  Gruppe)  den  Fabeln,  2   (3.  Gruppe)  den  debais,  9  (4.  Gruppe) 

DA*  und  je  1  (f».,  6.  und  T.  Gruppe)  der  AUtffOrie  (?), 
dv  Satire  und  dem  Abenteuerroman.  Damit  ist  der  Verfasser 
zur  Schliissbetraehtung  gelangt.  Eingestreut  tiuden  sieh  S.  1t*  f. 
„Bemerkungen  über  die  Loa  in  ihrem  Verhältnisse  zu  den  Fa- 
btiatnt*,  deren  Inhalt  in  dem  Schlnsssatze  gipfelt:  „Unter  Lai 
rantaaiu  die  mittelalterlichen  Lliebtcr  auch  ein  Fablet,  eine 
Fabel,  einen   kurzen   Abenteuer-mman  und  sogar  ein  Dit.u 

Die  Schrift  ist  des  Stoffes  wegen  beachtenswert,  aber  auch 
nur  deshalb,  denn  mit  des  Verlassers  Methode  kann  man  sieh 
nicht  einverstanden  erklären.  Will  man  zu  einer  Begriffsbestim- 
mung des  Wortes  Fablet  gelangen,  so  ist  gewisB  richtig,  dass 
man  nur  von  denjenigen  Dichtungen  ausgehen  kann,  die  that- 
■Hddrflfa  die  Marke  Fablet  an  der  Stirn  tragen.  Solcher  hat  der 
Verfasser  im  ganzen  81  gefunden.  Anstatt  dieselben  uns  nun 
iusgesamt  vorzuführen,  dabei  die  wesentlichen  gemeinsamen 
Merkmale  klarzulegen  und  uns  Sehritt  für  Schritt  mit  logischen 
Gründen  zu  einer  Definition  hinzudrängen,  ordnet  der  Verfasser, 
aber  ohne  uns  sein  Einteilungsprinzip  zu  verraten,  seine  .Stücke 
fU  vornherein  in  7  Gruppen,  und  zwar,  wie  man  später  erkennt, 
auf  Grund  einer  Definition,  die  sieh  ihm  durch  seine  Vorarbeiten 

»ergeben  hat.  Diese  Definition  wird  uns  nach  den  erBten  64 
Stücken,  die  für  echt  erklärt  werden,  nicht  mehr  vorenthalten, 
aber  ohne  dass  deren  Inhalt  vorher  irgendwie  nach  gemeinsamen 
Zügen  zusammcngefasst  worden  sei.  Nach  dieser  Überraschung 
werden  die  17  Fabliaux  behandelt,  welche  auf  Grund  der  Defi- 
nition als  unecht  anzusehen  sind.  Bei  solcher  Methode  haben 
>iii>  leitanfttHeuden  Inhaltsangaben,  die  der  Verfasser,  allerdings 
nicht  durchgehend«,  bietet,  keinen  Zweck.  Mutet  er  uns  viel- 
leicht zu,  die  Richtigkeit  seiner  Definition  darnach  zu  prüfen, 
BO  ist  zu  sagen,  dass  sie  nngleichmässig  sind,  und  dass  man 
lieber  die  Urtexte  lesen  würde.  Oder  soll  man  durch  seine 
rockenen  Aufzählungen  ein  lebendiges,  packendes  Bild  von 
i  erhalten,  was  ein   Fablei  wirklich   ist? 

iles   Verfasse«    Definition,    wie    er    selbBt    (S.   15)   ge- 
lebt,  im  Wesentlichen  mit  der  Montaiglon's  (I,  S.  VTI)  tiberein 
"»    ferner   seine    Schlussbetrachtung   nur    bestätigt,    dass 


126  Heferate  und  Rezensionen.      W.  Gotther, 

der  Begriff  Fablei  bei  Dichtem  und  Literarhistorikern  nicht  schuf 
genug  gefassi  wurden  ist,  ho  hittte  die  vorliegende  Arbeit  uf 
wenige    Seiten     7,u.-:;iimiieiii;e;(i>iieii     werden     klimicii.       Wäre    dum 

eine  iusäbii i  ■:  ii  che  Betrachtung  der  Fabluaa 

auch  im  Hinblick  auf  die  verwandten  Gattungen  der  Poesie  n 
geschlossen  worden,  dann  wäre  vielleicht  ein  Buch  entstanden, 
das  man  mit  Genuws  «tudii-rt  haben  würde.  Leider  treibt  die 
Wissenschaft  ujüiuikilts.irn  der  Spezialisierung  zu.  1  in  so  Dach- 
drtlchlicher  muaa  man  fordern,  dass  selbst  die  speziellste  Mono- 
graphie  den  Zusamujvub^ug  nicht  verliere. 

Immerhin  ist  Pilz'  Untersuchung  anregend,  und  da  er 
nach  dem  Titel  zu  urteilen,  sie  fortzusetzen  gedenkt,  so  wünschen 
wir  dieser  neuen  Arbeit  eine  Ausführung  in  der  angedeutetes 
Weise.  Ich  stelle  mir  dieselbe  als  ein  Buch  vor,  das  jeder 
Gebildete  mit  Befriedigung  lesen  würde.  Ein  anziehendes  Kapitel 
z.  B.  mtlsBte  nach  meinem  Dafürhalten  über  den  Humor  in  den 
Fabliaux  geschrieben  werden  können. 

Hai  Fb.  Mann. 


Othmer,  Karl,  Das  Verhältnis  von  Christian'»  von  Troyes  Em 
et  Eiiidf.  zu  dem  (sie!  singularis  mabinogi,  pluratis  ma- 
binogion)  mabinogiou  des  roten  Buches  von  Ifergat 
Qeraint  ab  Erbin.  Inaug.-DisBert  der  Universität  Bonn. 
Köln  188».     8".    titj  8. 

Die  sorgfältig  ausgeführte  Arbeit  steht  im  engsten  Zusammen- 
hang mit  einer  Frage,  welche  nicht  bloss  für  die  altfranzosische, 
sondern  auch  für  die  vergleichende  Literaturgeschichte  des 
Hittelalters  Überhaupt  von  grösster  Wichtigkeit  ist:  diese  Frage 
betrifft  nämlich  die  Entstehung  des  sogenannten  bretonischen 
oder  Artusepos.  Der  Ursprung  dieser  berühmten  Dichtungen 
wird  noch  allgemein  im  Keltentum  gesucht,  aber  einer  wissen- 
schaftlichen Erörterung  gegenüber  vermag  diese  Annahme  schwer 
lieh  Stich  zu  halten.  W.  Foerster  hat  in  seinen  Ausgaben  der 
Werke  des  Christian  von  Troyes  Bd.  1  Cliga  S.  XVI  n.  Bd.  U 
(1887)  Yvain  S.  XX— XXXI  diese  Ansicht  sehr  entschieden  und 
meines  Erachtens  mit  gutem  Grunde  zurückgewiesen,  indem  er 
die  Schöpfung  der  Artusgedichte  insbesondere  derjenigen  des 
Christian  von  Troyes  (Yvain,  Erec,  Perceval)  den  Kelten,  genauer 
dem  britischen  in  der  Bretagne  und  in  England  ansässigen 
Stamme  absprach,  und  sie  vielmehr  den  Franzosen,  zum  Teil 
wie  den  Yvain  ganz  und  gar  nur  Christian  zuschrieb.  Völlig 
unabhängig  von  Foerster  war  Referent  bezüglich   des  IVistan  zu 


m's  wen  Tmt/es  Erce  ei  Enidu  ete.     127 

demselben  Ergebnis  gelangt,  da  der  Stoff  liier  nur  in  wenigen 
untergeordneten  Punkten  keltische  Beziehungen  aufweist,  sich 
aber  ungezwungen  als  frimzüsiBches  Geisteswerk  erklärt  (vgl. 
meine  Schrift  Die  Sage  von  Tristan  und  Isolde,  MUncheit  1887; 
Beilage  zur  Allgemeinen  Zeitung  1890  No.  19;  Zeitschrift  für 
vergleichende  Litteraturgewhkhte,  neue  Folge  Bd.  III,  S.  211—219). 
Allem  Ansehein  nach  innss  der  Anteil,  den  die  Kelten  an  den 
altfranzösischen  Artusepen  haben,  auf  ein  verhilltniss  massig  sehr 
geringes  Mass  beschränkt  werden,  und  dürfen  die  Franzosen  das 
Anrieht  auf  die  Urheberschaft  der  Werke  beanspruchen,  die 
aus  dem  fran/ösi sehen  (leiste  in  ihrer  Gesamtheit,  in  ihrer  ganzen 
Anlage  hervorgingen,  und  nur  lue  und  da  mit  keltischen  Schnörkeln 
verziert  oder  durch  Aufnahme  einzelner  keltischer  Bausteine  be- 
reichert wurden.  Bei  der  Entscheidung  dieser  Frage  ist  es  von 
Wichtigkeit,  die  in  der  keltischen  (kymrischen)  Litteratur  vor- 
handenen Denkmäler,  welche  In  Zusammenhang  mit  den  altfran- 
zösischen  Gedichten  stehen,  zu  untersuchen.  Es  sind  dies  ge- 
legentliehe Anspielungen  in  den  Triaden  und  die  drei  unrichtig 
sog.  Mabinogion  von  der  Dame  von  der  Quelle,  von  Geraiul  ab 
Erbin  und  von  Peredur,  welche  den  Gedichten  Christians  Yvain, 
Emc,  Perceoal  entsprechen.  In  früheren  Zeiten  hat  man  frisch- 
weg darin  die  ursprünglichen  keltischen  Werke  gesehen,  aus 
denen  die  französischen  alizuleiten  wären;  heutzutage  ist  man 
skeptischer,  man  sieht  umgekehrt  in  deu  französischen  Gedichten, 
sei  es  nun  den  uns  erhaltenen  oder  anderweitigen  hypothetisch 
erschlossenen  die  Quellen  für  die  kymrischen.  Alle  Rettungs- 
versuche, auch  der  jüngste  von  A.  Nutt  in  seinem  Buch  Studie* 
cm  the  legend  of  tke  knly  grail  (London  lBSti)  bezüglich  des 
Peredur,  die  in  irgend  welcher  Form  unter  Anerkennung  dcB 
französischen  EinHnsseB  doch  noch  ältere  echte  Züge  entdecken 
und  damit  auf  eine  den  erhaltenen  französischen  Gedichten  voraus- 
liegende Entwickelungsstnfe  dieser  Sagen  schlieBsen  zu  können 
vermeinen,  sind  unhaltbar.  Allerdings  beiluden  sich  einige 
Neben  um  stände  im  Peredur  im  Einklang  mit  der  übrigen  keltischen 
Sage,  welche  im  Perecval  verwischt  erscheinen,  so  nach  Zimmer'« 
Ansicht  die  Blutstropfen  im  Schnee,  durch  welche  Perceval- Peredur 
an  seine  Gattin  erinnert  wird  (vgl.  Nutt  a.  a.  0.  S.  137  —  138; 
Mac  Innes  and  A.  Nutt,  Folie  and  kero  tale»,  London  1890  S.  434; 
zu  dem  Motiv  der  Blutstropfen  in  seiner  weiten,  auch  ausser 
keltischeu  Verbreitung  vgl.  noch  J.  Grimm,  altdeutsche  Wälder  I, 
1—80).  Ich  vermag  aber  hierin  nur  den  Versuch  des  Mahinogi 
xu  sehen,  den  Stoff,  welchem  es  keltische  Färbung  zu  geben  be- 
Iht  ist,  mit  den  übrigen  kymrischen  Sagen  in  Einstimmung  zu 
igen.     Solehen  im  Verhältnis  zum  ganzen  doch  nebensächlichen 


128  Referate  und  Hi-zauümen.      »'.  Gotlher, 

Dingen  kann  unmöglich  die  Bedeutung  zukommen,  welche  Nnt 
ihnen  beimisst.  Es  lassen  sich  in  ganz  zweifellosen  Fällen,  z.B. 
beim  Übergang  der  litterarisehen  Vülsungiisaga  ins  nordische 
Volkslied,  Beispiele  anfuhren,  dass  an  die  von  neuem  unten 
Volk  d.  h.  in  die  volkstümliche  Furm  gebrachten  Litteraturwerke 
solche  echt  märchenhafte  Züge  anwachsen,  wie  sie  uralt  urm 
der  Folklore  wohlbekannt  sind.  Aber  sie  sind  trotzdem  erat 
später  accidentell  hinzugekommen  und  verstatten  keinerlei  Rflck- 
schlllsae  'aufs  Original,  in  dem  die  volkstümliche  Wenduig 
nicht  stand.  So  beurteile  ich  entschieden  auch  diesen  Zug  des 
Peredur.  Ein  kymrieches  Original  vollende  aus  dem  einer- 
seits Christian,  andererseits  die  Mabinogion  sich  herleiten  liestes, 
ist  eine  leicht  zu  widerlegende  Hypothese.  Othmer  tritt  den 
Nachweis  an  für  die  bereit«  von  Fauriel,  W.  L.  Holland,  Paulis 
Paris,  Holtzmann  und  besonders  W.  Fo erster  ausgesprochene 
Behauptung,  dass  Geraint  gleichwie  Owein  aus  dem  Yvain  (vgl 
Foerster  Yvain  8.  XX  ff.),  aus  Christian's  Erec  unmittelbar  in 
freier  Weise  Übersetzt  worden  ioi.  Eine  sorgfältige,  weitläufige 
Vergleichung  muss  jeden,  der  sehen  will,  von  der  Richtigkeit 
dieses  Satzes  zur  Genüge  überzeugen.  Die  Ergebnisse  sind 
kons  folgende:  der  gemeinsame  Inhalt  der  beiden  Versionen  der 
Erecsage,  der  altfranzii Bischen  und  der  kymrischen  ist  ein  so 
weitgehender,  dass  an  einer  direkten  Abhängigkeit  der  beiden 
Werke  von  einander  gar  nicht  gezweifelt  werden  kann.  Er  er- 
streckt sieb  bis  auf  wortliche  Übereinstimmungen.  Der  gemein- 
same Inhalt  beruht  aber  ferner  ganz  und  gar  auf  den  Anschauungen 
des  ausgebildeten  französischen  Kitterwesens;  dadurch  ist  der 
französische  Ursprung  der  Erzählung  klar  erwiesen.  Das  Habinogi 
spielt  sogar  einmal  deutlich  auf  die  französische  Vorlage  an 
(vgl.  S.  62;  bereits  Holtzmann,  Germania  12,  263  hat  die  Stelle 
richtig  erkannt  und  beurteilt),  und  es  weist  einige  Missverstandnisse 
auf,  die  aus  nngenügendem  Verständnis  der  alt  französischen  Verse 
entsprangen.  Dagegen  zeigt  das  Mabinogi  auch  einige  Eigen- 
heiten, die  sich  jedoch  deutlich  als  äusserliche  Zutbaten  kenn- 
zeichnen nnd  zum  Teil  mit  dem  Inhalte  der  Erecgescbichte  in 
Widerspruch  geraten.  Sie  erklären  sich  aus  dem  Bestreben, 
der  Fabel  ein  keltisches  Gepräge  zu  geben,  durch  Einführung 
einiger  unbedeutender  neuer  Züge  und  durch  ausgedehnten  Ge- 
brauch von  keltischen  Personennamen,  darunter  solchen,  die  der 
keltischen  Sage  angehören.  Dadurch  erhält  die  Erzählung  aller- 
dings den  äuBserlichen  Anschein,  als  oh  sie  unter  Kelten  buden- 
ständig wäre;  aber  er  kann  keinen  tiefer  Blickenden  täuschen. 
Die  Resultate  der  Untersuchung,  die  Foerster  bereite  aussprach 
und  von  Otbmer  nur  detailliert   begründen   Hess,    muss  Referent 


K.  Othmer,  Das  Verhältnis  von  Christiatis  von  Troyes Erec et  Enide etc.    129 

durchweg  billigen;  die  bis  ins  Einzelne  gehende  genaue  Ver- 
gleichung  verdient  alles  Lob,  wie  mir  überhaupt  die  Arbeit, 
obwohl  sie  einen  neuen  Gedanken  nicht  enthält,  sehr  nützlich  zu 
sein  scheint.  Zu  bedauern  ist,  dass  sich  Othmer  der  Übersetzung 
der  Lady  Guest  bedienen  musste;  dieselbe  ist  ziemlich  frei  und 
beruht  auf  keinem  genauen  Text;  jetzt  ist  diesem  Übelstande 
abgeholfen  durch  Loth,  les  mabinogion  traduits  en  entier  pour  la 
premibre  fois  enfrangaüt.  2  Bände.  Paris  1889,  aufweiche  Über- 
tragung, beruhend  auf  Prof.  Rhys  Neuausgabe  des  kymrischen 
Textes,  hier  nachdrücklich  hingewiesen  sei;  in  der  Einleitung 
stellt  sich  Loth  freilich  auf  einen  Standpunkt,  den  wir  nicht 
teilen  können  (vgl.  Foerster's  Anmerkung  bei  Othmer  S.  3 — 4). 
Übrigens  wäre  auch  durch  Benützung  dieser  wortgetreuen  Über- 
setzung an  der  Arbeit  Othmer's  wenig  anders  ausgefallen.  Von 
grösstem  Vorteil  aber  wäre  es,  wenn  einmal  ein  Kenner  der 
kymrischen  Sprache  die  Vergleichung  zwischen  Christian  und 
den  Mabinogion  vornehmen  wollte;  gewiss  würde  er  manche 
Stellen  finden,  an  denen  aus  sprachlichen  Gründen  die  Abhängig- 
keit von  den  französischen  Gedichten  nachweisbar  ist,  die  aber 
demjenigen,  welcher  nur  Übersetzungen,  und  seien  es  auch  die 
besten,  benützen  kann,  entgehen  müssen.  G.  Paris  (Romania 
X,  468;  hisioire  läteraire  XXX,  S.  13,  25,  27,  29,  260,  auch 
noch  Romania  XIX,  157  in  einer  kurzen  Notiz  über  Othmer's 
Dissertation,  Loth  a.  a.  O.  1,  S.  14 — 15)  glaubt,  eine  anglo- 
normannische  Quelle  annehmen  zu  sollen,  aus  welcher  Christian's 
Gedichte  und  die  Mabinogion  je  für  sich  allein  flössen,  so  dass 
also  Erec  und  Geraint  unabhängig  von  einander  wären.  Es  ist 
nun  allerdings  richtig,  dass  die  französischen  Kunstdichter  keines- 
wegs immer  die  ersten  gewesen  sind,  welche  den  Stoff  dichterisch 
behandelt  haben,  sondern  dass  Werke  der  Fahrenden  ihnen 
vorangingen.  Beim  Tristan  können  wir  an  der  Hand  der  Quellen 
verfolgen,  wie  der  Stoff  vom  Kunstdichter  übernommen  und  um- 
gestaltet wurde.  Im  Erec  macht  Christian  eine  Quelle  freilich 
in  etwas  allgemeinen  Ausdrücken  namhaft;  so  ganz  hiervon  ab- 
sehen, wie  Othmer  nach  Foerster  S.  61,  möchte  man  vielleicht 
nicht,  zumal  im  Hinblick  auf  andere  Fälle  wie  z.  B.  beim  trouvere 
Thomas;  im  Perceval  nennt  Christian  bestimmt  ein  Buch,  das  ihm 
zur  Bearbeitung  tibergeben  worden  sei.  Aber  andere  Erwägungen 
kommen  in  Betracht.  Zwischen  dem  Kunstdichter  und  dem 
fahrenden  Chanteur  und  Conteur  ist  ein  gewaltiger  Abstand. 
Der  erstere  macht  die  Erzählungen  hoffähig  und  ändert  auch  am 
Stofflichen  sehr  Vieles.  Christian  ist  anerkanntermassen  der  ge- 
wandteste und  begabteste,  und  schon  im  Cliges,  der  einem  anderen 
litte rari8chen  Kreise,  dem  byzantinisch  -  orientalischen  entstammt, 

Zachi.  f.  flrc.  Spr.  n.  Litt.    XII*.  9 


130 


Referate  mut  Rezemiimen.      ff    GoUkor, 


macht  sich  seine    selbständige   Erfindungskraft    bemerkbar. 
französische    Quelle,    wie    sie    G.   Paria    will,    führt    ein    Werk 
die  Li tteraturge schichte    ein,    l'llr  welche   diese    eigentlich    keil 
Platz    hat;    Christian    wird    in    einem    beträchtlichen    Teile    Hil 
Gedichte    zum    sklavischen    Abschreiber,    uud    nicht    einmal    der 
Ruhm  bleibt  ihm  mehr,    den  Stoff  mit  neuem  ritterlich  -  b&fiu .■  In-n 
Geiste    erfüllt    zu    haben.      Die    hypothetische    Quelle   wäre    fast 
identisch    mit   Christian,    und    das    verträgt   sieh    doch    kaum    mit 
seiner    ganzen    Persönlichkeit.       Viel     besser    erklärt     Foerster, 
wesshalb  der  Erec  und  Yvain  mit  den  Mabinogion  die  Grundlage 
gemein  haben  und  woher  die  abweichenden  Stellen  der  letzteren 
kommen.    Selbst  wenn  wir  die  Möglichkeit  zugäben,  dass  Christian 
im  Erec  auf  französische  Vorläufer  anspielt,  so  darf  das  Mabinogi 
von  Geraint   doch    damit   nicht   in  Verbindung    gebracht    werden. 
Üie     fraglichen    Quellen     Christian'»     sind    jedenfalls    von     ganz 
anderer    Beschaffenheit   gewesen,    als    die    von    G.    Paris    voraus- 
gesetzten Gedichte. 

Für  die  Yvain  und  Erec  gegenüberstehenden  Mabinogion 
halte  ich  den  Nachweis  fllr  erbracht,  dass  sie  unmittelbar 
Christian'»  Gedichten  im  XIII.  Jahrhundert  (denn  bereits  aus  der 
Zeit  zwischen  1226  und  1275  sind  Manuskripte  nachweisbar, 
vgl.  l.i.itli.  tome  I,  S.  4,  Amn.  2,  was  Übrigens  nicht  ausschliessl, 
dass  die  Mabinogion  auch  noch  früher,  im  XII.  Jahrhundert 
schon  kurz  nach  Christian's  Gedichten  entstanden,  vgl.  Loth 
a.  a.  0.  8.  17  u.  IH)  hervorgegangen  sind.  Das  Bestreben  des 
Bearbeiters  oder  der  Bearbeiter  —  auch  diese  Frage  dürfte  sieh 
aus  dem  kymrischen  Texte  entscheiden  lassen  —  ist,  für  den 
gekürzten  Inhalt  der  französischen  Gedichte  äusserliehen  Anschluss 
an  die  kellische  Umgebung  zu  gewinnen,  in  welche  der  altfran- 
zösische  Stoff  eingeführt  wird.  Demnach  müssen  die  beiden 
Mabinogion  als  abgeleitet  bei  der  Frage  nach  der  Herkunft  und 
Entstehung  der  Gedichte  Christian'»  völlig  ausser  Ansatz  bleiben. 
Man  darf  aus  ihnen  weder,  wie  es  teilweise  früher  geschah, 
eiue  keltische,  noch  wie  es  jetzt  geschieht,  eine  anglonorniämiiscbe 
Urquelle  cvschliessen,  welche  vor  Christian,  also  zirka  auf  1150, 
fällt,  und  die  nicht  bloss  inhaltlich,  sondern  auch  formell  im 
Wesentlichen  identisch  mit  ihm  sein  müsste.  Im  Litbl.  für  germ, 
u.  rom.  PkÜ.  1890  Nr.  7  ist  Foerster  der  Hypothese  G.  Paris' 
Über  ein  anglonormänuisches  Medium,  das  zwischen  Chrestien  und 
seinen  Stoffen  liegen  soll,  mit  irrwieliti^eii  Gründen  entgegenge- 
treten. Beim  Perceval-Peredur  liegt  die  Sache  etwas  verwickelter, 
da  er  neben  viel  Christiauischem  auch  Eigentümliches  bietet  und 
neben  Sir  Perceval  of  Galles  eine  besondere  Stellung  ■  'iimimisü 
(Foerster,  Yvain  S.  XXVIII).    Aber  auch   hier  ist   die  bereits 


■  JactibüiuiiliU-n,    Zur   C/iumklsristik  lies  A'ÖJ 


'  Artus  elc.      131 


Zarncke  und  Birch-Hirsehfeld  (Die  Sage  vom  Graal  S.  205  fl".)  ver- 
teidigte Ansicht  der  Abhängigkeit  des  Pereiinr  von  Christian'»  Conte 
det  Graal  und  von  dessen  Einleitung  und  der  Fortsetzung  durch 
(lautier  die  allein  richtige;  weder  Sir  Perceval  noch  Peredur 
berechtigen  zur  Hypothese  eines  auglonurmännischeii  Perceval, 
aus  dem  alle  drei  erhalteneu  Fassungen  mehr  oder  weniger  sklavisch 
abgeschrieben  sein  mlissten  und  welcher  sich  noch  enger  an  die 
keltische  Ursage  angeschlossen  hätte.  Ich  benütze  hier  die  Ge- 
legenheit zu  einer  Berichtigung;  anlasslich  der  Wolfram-  Kyüt- 
frage  stellte  ich  es  als  möglich  hin,  dass  die  wörtlichen  Über- 
einstimmungen zwischen  Wolfram- Guiot  und  Chrestieu  aus  einer 
gemeinschaftlichen  Quelle  beider  abgeleitet  werden  konnten  (vgl. 
liomanisehe  Forschungen  V,  S.  120).  Diese  Urquelle  ist  rein 
hypothetisch  und  höchst  unwahrscheinlich.  Die  Sache  iuuss  sich 
so  verhalten,  dass  ljuiot  Chrestien's  Werk  bearbeitete,  teils  wort- 
wörtlich abschrieb,  teils,  wo  ChreBtien  ihm  nimmer  vorlag,  frei 
erfand  und  liberall  gegen  Ohrestien  zur  Erhöhung  des  eigenen 
liulimcs  in  dreister  Weise  polemisierte.  Wolfram  lag  des  Pro- 
venzalen  Guiot  Gedicht  in  französischer  Umschrift  vor  (Fan. 
416,  25  ff.;  vgl.  hierzu  auch  Bartsch,  germimint.  Studien  2,  114  ff.). 
Über  das  Verhältnis  von  Pereeval-Peredur  werde  ich  bald  Weiteres 
berichten  in  den  Sitzungsberichten  der  Mliuchener  Akademie 
vom  7.  Juni  1890.  W.  Golthkb. 


JacousuiUhleu,  Hermann  zur,  Zur  Charakteristik  des  Kimig 
Artus  im  altframosischen  Kunstepos.  luaugural-Dissert. 
Marburg  1888.     8°.  67  S. 


In  der  Art  nnd  Weise  der  zahlreichen  anderen  Marburger 
Dissertationen  hat  der  Verfasser  in  übersichtlicher  Weise  zu- 
sammengestellt und  registriert,  was  er  über  Artus  in  einer  An- 
zahl altt'ranzösischer  Gedichte  auffand.  Im  Text  entwirft  er  die 
Charakteristik,  in  den  Anmerkungen  teilt  er  fast  für  jeden  Satz 
entsprechende  Belegstellen  mit.  Besonders  viel  und  wichtiges 
konnte  natürlich  nicht  herauskommen,  denn  Artus  spielt  in  den 
Gedichten  eben  einmal  eine  blosse  Statistcnrolle.  Man  trifft  sieh 
am  Hofe  des  Königs,  der  Pracht  und  Lustbarkeit  liebt,  gegen 
fahrende  Ritter  freigebig  ist  und  ihnen,  wu  er  nur  kann,  Hilfe 
augedeiheu  lasst;  aber  der  Artushof  ist  immer  nur  Ausgangspunkt 
oder  Rendez-vous,  und  so  wird  nur  gelegentlich  in  den  Romanen 
darauf  Bezug  genommen.  Man  hat  ihm  mit  einer  besonderen 
Charakteristik  in  der  Form,  wie  sie  J.  versucht,  fast  zuviel  Ehre 
angetan;    immerhin    ist   es    von  Interesse,    zu    sehen,    wie  wenig 


132  Referate  und  Rezensionen.    G.  Otterhage, 

Bedeutung  der  Artusfigur  zukommt.  Ale  Flüchtigkeit  ist  zu  rügen, 
dass  Pfeffer  S.  2  und  31  als  Pfeiffer  zitirt  und  dass  eine  Stelle  seines 
Fortsetze™  Gerbert  (42  568  ff.)  S.  61  dem  Cbrestien  von  Troyei 
zugeschrieben  wird!  Unseres  Eraehtens  hätte  die  Arbeit  anziehender 
gestaltet  werden  dürfen,  wodurch  der  altfranzoai  sehen  Literatur- 
geschichte ein  wirklicher  und  wertvoller  Dienst  geschehen  wäre. 
Der  Verfasser  gibt  sich  gar  keine  Mühe,  die  Artusgestalt  bei  späteren 
und  älteren  Dichtern,  in  den  Lais  und  in  den  Romanen  gesondert 
zu  betrachten;  freilich  würde  ja,  wie  er  richtig  bemerkt,  sich  in 
der  Charakterzeichnung  kein  wesentlicher  Unterschied  bemerkbar 
machen,  wohl  aber  wäre  der  Versuch  lohnend,  die  Gedichte  zn 
bestimmen,  in  welchen  Artus  zuerst  auftritt  und  wie  er  von  hier 
aus  populär  und  beliebt  wurde.  Und  so  wäre  die  hütoirt 
poetigue  des  britischen  Königs  zu  schreiben  gewesen  und  die 
Frage  nach  seiner  Herkunft  zu  beleuchten.  Das  hätte  der  Arbeit 
einen  angleich  tieferen  Qehalt  verliehen  und  wäre  ein  dankbaren 
Thema  gewesen.  Artus  entstammt  allerdings  der  kymri  seh  -breto- 
nischen Sage,  aus  wenigen  älteren  Zügen  und  aus  Gelehrsamkeit 
hat  Galfried  von  Monmouth  Beine  Geschichte  des  Artus  zusammen- 
gebraut. Seine  Stellung  in  der  altfranz irischen  Literatur  ver- 
dankt er  wesentlich  nur  Galfried  und  nirgends  einer  echt  sagen- 
massigen  UeberlieferUDg,  denn  wo  ist  irgend  ein  bedeutsamer 
neuer  Zug  von  ihm  erzählt?  Ja  sogar  nicht  einmal  die  Artus- 
sage  Galfrieda  haben  sich  die  französischen  Dichter  zunutze 
gemacht,  kaum  wird  einmal  auf  seine  wundersame  Abstammung 
und  auf  sein  Entschwinden  ins  Feenreich  angespielt  In  den 
Romanen  nimmt  er  eine  Stellung  ein,  die  derjenigen  Karls  in 
den  ckansons  de  geste  nachgebildet  ist,  freilich  eine  schwächliche 
Nachahmung  und  nicht  nach  den  alten  Gedichten,  wo  Karl  im 
Mittelpunkt  der  Handlung  steht,  sondern  nach  den  jüngeren,  wo 
er  eben  auch  nur  langweilige  Statistendienste  that.  Charlemagne 
ist  das  in  die  Dichtung  tibergegangene  Abbild  des  fränkisch- 
französischen  Königs,  Artus  ist  ein  Phantasiegebilde  der  modi- 
schen Ritterromanc ;  damit  ist  aller  Unterschied  schon  gegeben 
neben  den  vielfachen  Gleichheiten;  der  eine  entstammt  der 
Wirklichkeit,  darum  ist  Leben  in  ihm,  klar  und  scharf  kenntlich 
sind  Karls  Züge,  frisch  und  anschaulich  die  Schilderungen;  der 
andere  ist  wesentlich  ein  Schattenkönig,  er  darf  nur  Feste  halten 
nnd  Gaben  verschenken,  die  Tbaten  fallen  ganz  und  gar  der 
Ritterschaft  anheim,  die  sich  an  diesen  Werken  erfreute  und  sie 
schuf.  Bei  einer  solchen  Arbeit  durfte  Holtzmaon's  Aufsatz  über 
Artus  (Germania  12,  S.  257  —  284)  zugrunde  gelegt  werden, 
der  immer  noch  lesenswert  ist,  nicht  weil  wir  in  den  Detailfrageo 
ihn   durchweg  mehr  anzuerkennen  vermögen,   aber  weil  er  zwei 


H.  Saltzmann,  Der  historisch -mythologische  Hintergrund  etc.        133 

richtige  Hauptgedanken  enthält:  1)  die  Mabinogion  stammen  aus 
den  Gedichten  Chrestiens,  2)  die  Stoffe  des  Artusepos  sind 
nicht  keltisch.  Ueber  Artus  hat  sich  Foerster  (Tvain  XXX  f.) 
mit  bündiger  Deutlichkeit  erklärt  (vergl.  nunmehr  auch  Foerster 
Litter  aturblati  für  germanische  und  romanische  Philologie  1890 
Nr.  7,  sowie  besonders  die  dort  zitierten  wichtigen  Aufsätze 
Zimmer 's).  Wie  untergeordnet  das  keltische  Element  im  soge- 
nannten bretonischen  Epos  ist,  beweist  eben  Artus  und  seine 
Charakteristik.  Keltisch  ist  nur  der  Name,  die  Gestalt  selber 
ist  reine  französische  Erfindung,  eine  Nachahmung  und  ent- 
sprechende Umgestaltung  des  Charlemagne  für  das  ritterlich- 
höfische Epos.  W.   Goltheb. 


Saltzmann,  H.,  Der  historisch-mythologische  Hintergrund  und  das 
System  der  Sage  im  Cyclus  des  Guillaume  ä?  Orange 
und  in  den  mit  ihm  verwandten  Sagenkreisen.  Programm. 
Königsberg  1890.     4°. 

Die  Abhandlung  sucht  die  Dichtung  über  Guillaume  von 
grossen  Gesichtspunkten  zu  erklären  und  ist  reich  an  anregenden 
Gedanken  und  kühnen  Kombinationen.  Mit  Recht  verwirft  der 
Verfasser  die  Anschauung,  dass  eine  Epopöe,  welche  durch  Jahr- 
hunderte die  geistige  Nahrung  grosser  Völker  und  zwar,  in  ab- 
steigender Linie  allerdings,  aller  Klassen  gewesen  ist,  so  trocken, 
öde  und  inhaltslos  sein  kann,  wie  man  früher  oft  angenommen 
hat.  Indessen  kann  ich  die  aufgestellten  allgemeinen  Vorstellungen 
nicht  unbedingt  acceptiren.  Der  Hauptgedanke,  dass  die  Guiborc 
und  mit  ihr  auch  die  anderen  entsprechenden  Figuren  der  Epopöe 
das  Christentum  versinnbildlichen,  kann  höchstens  für  eine  ganz 
späte  Entwickelungsperiode  der  chansons,  etwa  für  die  Zeit  der 
Bestiaires,  überhaupt  diskutierbar  sein,  denn  die  Guiboreepisode 
lässt  sich  von  der  Sage  über  Childerich-Basina,  welche  allgemein, 
besonders  auch  von  Junghans  und  Rajna,  als  Nachhall  einer 
Kantilene  angesehen  wird,  nicht  trennen,  und  so  gehen  ihre  An- 
fänge auf  die  heidnische  Zeit  zurück.  Auch  in  sich  entbehrt 
das  ganze  auf  diese  Anschauung  gegründete  System  (S.  28  f.)  der 
Wahrscheinlichkeit.  Für  die  fränkische  Epopöe  steht  eben  nur 
der  fränkische  Stamm,  der  begabteste  und  glücklichste  von  allen, 
im  Mittelpunkt  der  Geschichte.  Auch  die  Annahme,  dass  wir  in 
diesem  Epos  —  und  damit  wohl  überhaupt  in  der  Karlssage  — 
eine  Art  Weiterbildung  der  eddischen  Götterdämmerung  haben, 
lässt  sich  wohl  kaum  begründen.  Man  braucht  nicht  ganz  und 
gar  auf  dem  Standpunkte  von  Bugge  zu  stehen,  um  den  eigent- 


134  Referate  und  Rezentionen.     S.  k'osehmüz, 

lieh  höheren  Inhalt  der  Edilareligion,  die  Vorstellungen ,  welche 
sie  von  allen  Religionen  als  die  dem  Christentum  nächststehende 
erscheinen  lassen,  mit  dem  grössten  Misstrauen  zu  betrachten. 
Die  Edda  ist  Ähnlich  überschätzt  worden  wie  früher  das  Druideu- 
tom.  Auch  hier  scheint  mir  nicht  beachtet  zn  sein,  dass  die 
Epopöe  viel  älter  ist  als  Saemunder's  Edda.  Diese  allgemeinen 
Grundlagen  sind  also  durchaus  unsicher.  Da  der  Verfasser  von 
allgemeinen  zum  besonderen  vorschreitet,  so  ergiebt  sich  hier*«, 
dass  auch  im  einzelnen  mir  kaum  irgend  eine  Wahrnehmung  so 
unvermittelt,  wie  sie  hier  auftritt,  zur  Erklärung  der  Epopöe 
direkt  beizutragen  scheint.  In  den  meisten  Fällen  wurde  ich 
mir  eher  getrauen,  das  Gegenteil  von  dem  zu  beweisen,  was  der 
Verfasser  aufstellt.  Wenn  z.  B.  S.  24  gesagt  wird:  „In  der 
Familie  des  Doon  erkenne  ich  die  Romanen",  so  muss  ich  ent- 
schieden der  Ansicht  von  Döllinger  beitreten,  der  für  die 
italienische  Sage  und  für  das  uns  vorliegende  al  (französische 
Gedieht  in  den  „Mainzern"  und  im  Doon  das  Germanische  Kaiser- 
tum vertreten  sieht.  Die  3.  23  aufgestellte  These  Über  Rolands 
Herkunft  scheint  mir  ebenfalls  viel  entfernter  zu  liegen  als  die 
im  wesentlichen  von  G.  Paris  gegebene  mythologische  Erklärung. 
Trotz  dieser  Fälle  von  Ausstellungen  sehe  ich  den  Fortsetzungen 
dieser  Arbeit  (3.  30)  mit  Vergnügen  entgegen.  Wenn  der  Ver- 
fasser mit  der  historischen  Litteratur  der  merovingi sehen  nnd 
karolingischen  Zeiten  und  mit  den  durch  die  Forschungen  von 
G.  Paris  und  Rajna  erzielten  Ergebnissen  mehr  Fühlung  behalt, 
so  wird  er,  glaube  ich,  bei  seinen  Mitteln  für  die  Erklärung  der 
altfranzBsischen  Epen  recht  Erspriessliches  leisten. 

G.  Osterhase. 


Schiött,  Emil,    L'amour  et  lex  amoureux  dans  Us  lau  de  Man» 
de  France.     Dissertation.     LundJ,  1889.      66    8.  8°. 

Ausser  dem  Vorwort,  das  VVilh.  Herta  zu  seiner  Über- 
setzung: Marie  de  France,  Poetische  Erzählungen,  Stuttgart  1862, 
geschrieben  hat,  sind  nutzbare  Vorarbeiten  für  die  Aufgabe,  die 
sich  der  Verfasser  der  vorliegenden  Abhandlung  gestellt  hat, 
nicht  vorhanden;  um  so  dankenswerter  ist  seine  Studie  Über  jene 
Dichtungen.  Der  Verfasser  hebt  nach  einigen  einleitenden  Be- 
merkungen hervor,  wie  das  Liebesmotiv,  das  in  den  eharuon» 
de  gtate.  nur  eine  sehr  geringe  Rolle  spielt,  um  die  Mitte  des 
XII.  Jahrhunderts  durch  bretonische  Singer  in  die  französische 
Poesie  eingeführt  wurde,  wie  nach  und  nach  in  der  Art,  den 
Helden  darzustellen,    der  bis  dahin   nnr  in  kriegerischen  Thaten 


A.  Mus safia,  Sulla  crilica  del  iesto  del  romamo  etc.  135 

gefeiert  wurde,  eine  Wendung  zur  psychologischen  Vertiefung 
eintritt,  wie  allmählich  das  Weib  und  die  Liebe  den  Mittelpunkt 
«ahlreicher  Dichtungen  zu  bilden  anfangen.  Nachdem  der  Ver- 
fasser kurz  das  Verhältnis  der  Dichterin  zu  ihren  Quellen  be- 
rührt hat,  geht  er  im  ersten  Teile  seiner  Dissertation  zum  Begriff 
der  Liebe  über,  um  die  es  sich  in  den  lais  handelt  und  hebt  die 
Sinnlichkeit  der  Beziehungen  hervor,  deren  Reiz  gewöhnlich  durch 
Eifersucht  und  Ehebruch  gesteigert  wird.  Von  der  höfischen 
Minne,  von  einer  schmachtenden  Schwärmerei,  wie  sie  uns  Chretien 
vorführt,  von  der  crainte  perpetuelle  de  perdre  sa  mattresse,  de 
ne  plus  etre  digne  d'elle,  de  lui  diplaire  en  quoi  gue  ce  soit  ist 
bei  Marie  de  France  keine  Spur  vorhanden;  die  Liebenden  wollen 
weiter  nichts  als  geschlechtliche  Vereinigung,  als  rohen  Sinnen- 
genuss.  Dass  die  lais  der  Dichterin  dabei  nicht  in  Cynismus 
verfallen,  sondern  noch  immer  ein  gewisses  Mass  von  Anstand 
bewahren,  muss  ihr  zum  Lobe  angerechnet  werden.  Im  zweiten 
Teile  seiner  Abhandlung  giebt  uns  Schiött  eine  interessante  Studie 
über  die  Helden  und  Heldinnen  in  den  lais.  Von  einer  kunst- 
vollen individuellen  Charakteristik  kann  keine  Rede  sein;  der 
Held  ist  fast  immer  vaillant,  hardi,  fier,  franc,  large,  sage,  pruz 
ä  cur t eis;  die  Heldin  ist  genügend  gekennzeichnet,  wenn  die 
Dichterin  von  ihr  sagt,  sie  sei  franche,  enseigniee,  afaitiee,  de  bone 
escole  u.  s.  w.  Ganz  mit  einigen  Zügen  in  den  chansons  de  geste 
übereinstimmend  macht  auch  in  den  lais  gewöhnlich  die  Frau 
dem  Liebeshelden  Avancen  und  quält  ihn  dann  mit  ihrer  Sinn- 
lichkeit. Der  Verfasser  weiss  überall  seine  Ansichten  in  flotter 
Sprache  vorzutragen  und  durch  treffende  Beispiele  zu  bekräftigen. 

Ebn8t  Joe.  Gboth. 


Mnssafla,  Ad.,  Sulla  critica  del  iesto  del  romamo  in  francese 
antico  Ipomedon.  Wien  1890.  Sitz.-Ber.  der  Wiener 
Akademie  der  Wissensch.,  phil.-histor.  Abth.  Bd.  CXXI., 
XIII.     8°.     76  S. 

Kölbing  hatte  für  die  Herstellung  seiner  Ausgabe  des  eng- 
lischen Ipomedon  auch  die  handschriftlichen  Texte  des  fran- 
zösischen kopiert  und  beabsichtigte,  dieselben  in  diplomatischem 
Abdruck  als  Bestandteil  seines  kritischen  Apparats  im  Anhang 
mit  erscheinen  zu  lassen.  Der  Umfang  seiner  Ausgabe  nöthigte 
ihn  indessen,  von  diesem  Vorhaben  abzugehen  und  dem  fran- 
zösischen Gedicht  einen  besonderen  Band  zu  widmen.  Mit  dieser 
Sonderausgabe  wollte  aber  K.  keineswegs  in  die  Reihen  der 
kritischen  Herausgeber  altfranzösischer  Dichtungen  eintreten:  viel- 


136  Referat*  ml 

mehr  blieb  nach  wie  vor  das  Bekanntgeben  des  handschriftlich» 
Materials  in  möglichst  zuverlässiger  (.'estalt  die  Hauptsache  und 
wurde  nur  nebenbei  versucht,  durch  Auflösung  der  Siglen  nnd 
durch  Aufnahme  sieh  von  selbst  darbietender  Emendationcn  in 
der  als  Haupttext  angesetzten  besseren  Hb.  A  die  Lektüre  dtr 
Hugo'schen  Dichtung  etwas  zu  erleichtern.  Damit  trat  aber  K. 
über  seinen  ursprünglichen  Plan  hinaus  und  begann  eine  Arbeit, 
die  dem  zukünftigen  kritischen  Herausgeber  des  Ipomedon  m- 
zufallen  hatte.  Die  Schwierigkeit  seiner  so  erweitertes  Aufgabt 
erkennend,  nahm  K.  meine  Mitwirkung  in  Anspruch.  Da  ich 
mich  aber  darauf  beschränken  musste,  die  flir  den  Druck  be- 
stimmten Blätter  seines  Manuskripts  partienweise  und  die  in 
halben  Bogen  eingehenden  Druckkorrekturen  und  Revisionen  durch- 
zusehen, wobei  der  Drucker  Herrn  Kölbiug,  Kiilbing  mieli  drängte, 
und  da  mir  nur  Zeit  blieb,  den  Grundteit  (AI  durchzulesen  and 
Jas  in  ihm  Verdächtige  so  viel  wie  möglich  beseitigen  oder  auf- 
hellen zu  helfen,  so  konnte  meine  Mitwirkung  naturgemäß  nur 
eine  wenig  umfangreiche  und  durchgreifende  sein.  In  dieser 
Weise  ist  denn  eine  Ausgabe  des  französischen  Ipomedon  ent- 
standen, die  über  die  Ziele  eines  einfachen  diplomatischen  Textib- 
drucke«  hinausging,  aber  weit  hinter  dem  zurflckblieb,  was  du 
eiue  kritische  Ausgabe  zu  nennen  pflegt.  Dem  englischen  Philo- 
logen und  ebenso  dem  Literarhistoriker,  dem  es  nur  darauf  ankam, 
den  Text  im  Allgemeinen  kennen  zu  lernen,  und  dem  es  über- 
lassen bleiben  konnte,  sich  bei  den  übrig  gebliebenen  unklaren 
oder  verderbten  Stellen  selbst  weiterzuhelfen,  konnte  die  Aus- 
gabe genHgen,  nicht  aber  dem  Romanisten,  der,  an  sorgfältige 
kritische  Ausgaben  gewöhnt,  unwillkürlich  versucht  werden  musste, 
dem  auf  halbem  Wege  zu  einem  kritischen  Texte  stehen  ge- 
bliebenen französischen  Ipomedon  weiter  aufzuhelfen. 

Dieser  Versuchung  hat  Mussafia  nachgegeben,  und  mit  den 
ihm  eigenen  Scharfsinn  und  mit  vollendeter  Gewissenhaftigkeit 
auch  in  Beachtung  des  scheinbar  Unbedeutenden  hat  er  eine 
grosse  Menge  wertvoller  Textheilungen  vorgenommen,  zu  denen 
auch  noch  G.  Paris  beigesteuert  bat.  Während  ich  mir  erst 
nach  Beendigung  des  Druckes  von  dem  Reimgebrauch  des  Dichters 
eine  Vorstellung  machen  konnte,  hat  M.,  wie  es  dem  Textkritiker 
geziemt,  gleich  zu  Anfang  sich  Über  denselben  unterrichtet,  und 
es  gelang  ihm,  denselben  in  einigen  Punkten  klarer  zu  stellen, 
als  mir  in  meinen  Anmerkungen,  die  zur  Grundlage  nur  eine  ein- 
malige schnelle  Lektüre  des  ganzen  Textes  nach  seiner  Druck- 
legung besassen.  Damit  waren  zugleich  neue  Kriterien  für  die 
Textbetrach tuog  gewonnen.  Während  ich  bei  der  stttckweisen 
Kenntnisnahme    von    dem    Texte    mir    kein    genügendes    Urteil 


Id.  Mussafia,  Sulla  critica  del  testo  del  romanzo  in  franctse  etc.        137 

Imrüber  bilden  konnte,  wie  weit  dem  Autor  die  Verstummung  resp. 
Sinschiebung  von  tonlosem  e  zuzutrauen,  welche  der  möglichen 
>oppelformen  ihm  zuzuerkennen  und  wie  weit  die  Partizipial- 
ionkordanz  bei  ihm  ursprünglich  beachtet  war,  und  infolgedessen 
nir  bei  den  zur  Herstellung  der  richtigen  Silbenzahl  vorzunehmen- 
len  Emendationen  ein  fester  Anhalt  fehlte,  hat  M.  S.  4 — 21  alle 
lie8e  Punkte  auf  das  gründlichste  untersucht  und  damit  eine 
sichere  Grundlage  für  seine  Besserungen  gewonnen.  Während 
mir  die  Schreibeigenheiten  des  Kopisten  erst  mit  dem  Fortgange 
des  Druckes  geläufig  wurden,  als  mir  diese  Kenntnis  nicht  mehr 
den  rechten  oder  auch  gar  keinen  Nutzen  bringen  konnte,  kannte 
M.  dieselben  von  vornherein,  und  er  hat  nicht  verfehlt,  sie  für 
Beine  Textkritik  nutzbringend  zu  verwenden.  Während  endlich 
ich  (wie  Kölbing)  an  dem  zu  Grunde  gelegten  Texte  der  Hs.  A. 
nur  dann  änderte,  wenn  derselbe  gebieterisch  eine  Heilung  ver- 
langte und  sich  eine  solche  leicht  bot  oder  zu  bieten  schien, 
und  während  wir  bei  zweifelhaftem  Werte  einer  Lesart  von  A 
im  allgemeinen  dieselbe  ohne  weiteres  durch  die  lesbarere  von 
B  ersetzten,  ohne  an  A  selbst  Heilungen  zu  versuchen,  geht  hin- 
gegen M.  überall  darauf  aus,  die  Lesart  des  Urtextes  fest- 
zustellen und  durch  sorgfältige  Abwägung  des  in  A  und  B  Gebotenen 
Eur  Erkenntnis  des  originalen  Textes  vorzuschreiten.  Bei  dieser 
Verschiedenheit  unseres  Verfahrens  und  unserer  Zwecke  konnte 
es  nicht  fehlen,  dass  M.  zu  einer  ebenso  umfangreichen  wie 
wertvollen  Nachlese  gelangte,  die  dem  zukünftigen  kritischen 
Herausgeber  des  Ipomedon  die  Wege  ebnet  und  nur  noch  wenige 
schwierige  Stellen  zur  Behandlung  übrig  lässt. 

Zu  einer  Einzelbesprechung  des  von  M.  Gebotenen  gebricht 
es  mir  gegenwärtig  an  Zeit.  Seine  S.  25  —  76  zusammengestellten, 
dem  Texte  folgenden  Emendationen  sind  verschiedener  Art.  In 
manchen  Fällen  bessert  M.  die  orthographischen  Formen  des 
Kopisten,  die  von  K.  und  mir  absichtlich  zumeist  unangetastet 
geblieben  waren,  aber  allerdings  hin  und  wieder  zu  Missver- 
ständnis  leiten  können.  Einige  Male  bringt  M.  Emendationen,  die 
es  nahe  legen,  Lesefehler  anzunehmen.  Ein  grosser  Teil  seiner 
Besserungen  sind  Ergebnisse  der  von  ihm  über  die  Sprache  des 
Verfassers  angestellten  oben  erwähnten  Voruntersuchungen  oder 
der  sorgfältigen  und  konsequenten  Benutzung  des  Varianten  - 
apparats.  Mehrfach  hilft  M.  seine  ausgedehnte  Belesenheit  fast 
spielend  die  richtige  Lesart  zu  erkennen,  wo  dem  minder  Be- 
wanderten oft  selbst  eine  ad  hoc  angestellte,  ausgedehnte  Lektüre 
im  Stiche  lassen  würde.  Einige  Male  handelt  es  sich  um  Beseitigung 
von  blossen  Lapsus  oder  um  durch  die  Syntax  gebotene  Besse- 
rungen. Ich  kann  jedoch  hierbei  die  Bemerkung  nicht  unterdrücken, 


i***  avtei  JL  Lit  t-.'i  w';»<]»t  E*»5*1  i»tf  in  ihrer  AUgene*  I 
r.hfte«  v*\  uttTEZa*7iVl&**  'rrueti^fli*  Gesetze  als  feststehet)  1 
a*ziM-L*x_  Eni];-:!  •■fite;  K.  *:e*  rr-~s»  Anzahl  trefflicher  n|  1 
**Lv*»;»*,jr»T  b""na?-t  r-  in  j-ieLi  seltenen  Stellen,  in  den  I 
5*rT*it  fiw  Ij*oir.*ii<.-  d*a  L-~r  eich:  leicht  zn  lösende  Ritt«!  I 
b:*>i  D*M  dn'Wi  II.  -:r.  ;<u:  Wal  in  Widerspruch  mit  ika  1 
H-ib+t  ?*r»i-  *:»**  tl.ni  i-*Ib»l  *io*  Anzahl  .Stellen  zweifelhaft,  1 
4a*»  macrl«-  i*jn*r  LmecäaTi'--iien  arjfeebtbar  bleiben,  einige  hu 
»jeher  abzulehnen  #icd.  fällt  *tig<-itht*  der  FUlle  des  gebot«« 
Out'.D  eb>B*4  wenig  in  die  Waj-ehale.  wie  das»  H.  mehnani 
die  Intention  de*  v©n  un*  in  den  Text  Gesetzten  oder  dariaBe- 
latteoen  m  i  et  verstau  de  n .  einmal  mir  sogar  (V.  21321  eil 
mir  nicht  ge machte  Emendati'.-r.en  in  die  Schuhe  geschoben  bat, 
wahrend  er  genau  so  b*t*tn  wie  ich  s»-lbst- 

Zoia  r-ehliMt*  kann  ich  nicht  umhin,  SC.  für  die  Fora 
seiner  C'rJtiea  zu  danken.  Es  war  bei  der  üben  geschilderte! 
Beschaffenheit  der  Iporoedou-Ausgab'-  verlockend,  sich  auf  Kottt 
ihrer  Veranstalter  als  gestrenger  und  Überlegener  Richter  i 
zeigen,  und  etwa  Kolbing  die  wohlfeile  Lehre  zu  geben,  er  bU 
als  englischer  Philologe  »ich  auf  einen  rein  diplomatischen  Ab- 
druck beschränken,  die  II&s.  mit  Haut  und  Haaren  reproduzieret 
Hollen,  wie  das  selbst  bei  enthaltsamen  und  vorsichtigen  Roma- 
nisten  nicht  unerhört  ist,  oder  mir,  ich  hatte  meinen  Freund, 
statt  ihn  zu  unterstützen,  von  seinem  Unternehmen  abhalten  . 
ihn  bewegen  sollen,  sein  Material  einem  Fachromaniatea  zw 
Veranstaltung  einer  kritischen  Ausgabe  zn  Überlassen.  IL  hat 
sieb  jeder  Kritik  der  Hgg.  enthalten  und  sieb  darauf  beschraikt, 
dem  Texte  seine  Aufmerksamkeit  zuzuwenden.  Wenn  er  dabei 
auch  einige  Male  die  Schale  seines  Zornes  Über  die  in  ihm  vor- 
handenen errori  ansgieset,  deren  einer,  der  nachträglich  and 
mein  Staunen  erweckt,  selbst  das  schöne  Epitheton  madornalemi 
Fug  und  Keeht  erhält,  so  können  wir  ihm  dies  nicht  verdenket. 
Weiht  uns  doch  das  Bcwusatsein,  gerade  dadurch,  dagg  wir  uns  nebt 
auf  einen  diplomatischen  Text  beschränkten  nnd  mit  Emendationa 
den  Anfang  machten,  M.  zu  seiner  Weiterarbeit  angeregt  und 
dadurch  das  Erscheinen  einer  Studie  veranlasst  zu  haben,  au 
deren  Lektüre  namentlich  junge  Herausgeber  eine  gute  Lehn 
ziehen  können,  weil  sie  in  ihr  gewisgennassen  in  die  Werkstatt* 
einer  sorgfältigen  Textbehandlung  eingeführt  werden. 

E.  Kobchwiti. 


Z.  Cle'dat,  Revue  de  phiiologie  franpäse  et  provenqale.  139 

SIMdat,  L.,  Revue  de  phiiologie  francaise  et  provencale.     Bd.  III, 
P*  fasc.  4.     Paris,  1889.     t.  Bouillon. 

In  der  vorstehend  genannten  Zeitschrift,   a.  a.  0.  S.  241  ff. 

let   sich    ein   Aufsatz:     La  question    de    Vaecord  du  partieipe 

der,  von  hohem  allgemeinen  Interesse,  insbesondere  lehr- 

ih  ist  für  diejenigen   unserer  Reformer,   welche  für  den  fran- 

[achen  Schulunterricht  die  Unterweisung  in  der  gesprochenen 

tche  verlangen.     Die  von  uns  in  der  Zeitschrift  XII,  1  ff.  her- 

gehobenen  entgegenstehenden  Bedenken,  vor  Allem  jenes  derUn- 

i7 hnmtheit  dessen,  was  als  gesprochene  Sprache  anzusehen  ist, 

jjpsten  hier  in  klarster  Form  zu  Tage,  und,  wer  es  noch  nicht 
isate,  kann  nun  den  in  dem  Aufsatze  niedergelegten  wider- 
stehenden Ansichten  hervorragender  französischer  Grammatiker 
Romanisten  Über  die  Konkordanzverhältnisse  des  Pc.  Pf.  ent- 
nehmen, welche  Schwierigkeiten  zu  überwinden  sind,  um  den 
guten  Gebrauch  der  gesprochenen  Sprache  festzustellen. 

Offenbar    von    Bastin's    Etüde   phüologique    des    participest 
lasee    sur  Vhistoire  de  la  langue  (3.  Auflage,   Petersburg,  1888) 
«ngeregt,   verfasste  C16dat,   den  die  Leser  der  Zeitschrift   durch 
seine  Grammatik  (s.  Zeit  sehr.  XI2  10  ff.)  bereits  als  scharfsinnigen 
Romanisten  kennen,   einen  Artikel,   worin  er  die  Frage  aufwarf, 
wie  es  mit  der  Konkordanz  der  franz.  Pc.  Pf.  in  der  gesprochenen 
Sprache  aussieht  und  wie  die  Schriftgrammatik  umgestaltet  werden 
müsse,   wenn   sie  dem  ^tatsächlichen   Sprachgebrauch    Rechnung 
tragen   soll.     Diesen  Artikel  sandte  C.  an  die  Herren  J.  Fleury, 
F.  Häment,  M.  Br6al,  G.  Paris,  A.  Delboulle,  L.  Havet,  F.  Brunot, 
L.  Crousl6,  Marty-Laveaux,  A.  Thomas,  C.  Chabaneau,  J.  Bastin 
ein,  also  durchweg  an  Männer,    über  deren  Urteilsfähigkeit  kein 
Zweifel  gehegt  werden  kann,  um  von  denselben  Gutachten  über  seinen 
Aufsatz  zu  erhalten.     Schliesslich  fixierte  C.  unter  Benutzung  der 
ihm  gewordenen  Mitteilungen  endgültig  seine  grammatischen  Re- 
formideen.  Da  in  dem  Artikel  C.'s,  die  erhaltenen  Antworten  und 
sein  Endurteil  hintereinander  zum  Abdruck  gelangen,   so  wohnen 
wir  gewisserma8sen    einer    Konferenz    kompetenter    Fachmänner 
über   eine   grammatische   Frage   bei   and   werden   damit  auf  das 
beste  über  die  behandelten  Sprachverhältnisse  unterrichtet. 

C.  beginnt  mit  der  Feststellung,  das 8  der  wirkliche  Sprach- 
gebrauch nur  aus  der  gesprochenen  Sprache  zu  erkennen  ist, 
die  sich  der  Schriftsprache  gegenüber  einer  relativen  Unabhängig- 
keit erfreut,  und  dass  mit  Rücksicht  hierauf  bei  Beurteilung  der 
Konkordanzverhältnisse  des  Pc.  Pf.  die  in  der  Aussprache  unver- 
änderlichen Pc.  auf  6,  i,  u  {£e,  ie,  ue>  £{e)s,  i(e)s,  u(e)s)  nicht  in 
Frage  kommen.  Hierauf  geht  er  zur  Besprechung  der  einzelnen  Fälle 


140  Referate  und  Ilezitisioncn,     E.  fioschwitz. 

Über.  Eb  fällt  dem  Verfasser  nictit  auf,  wenn  das  Pc.  mit  ar-ak 
in  der  Umgangs  spräche  nicht  mit  dem  vorausgehenden  AkkuutW 
übereingestimmt  wird;  er  hat  wiederholt  beobachtet,  das»  Per- 
sonen, die,  wenn  sie  schreiben,  eines  Partie ipialfehlcra  unfähig 
sind,  in  der  riiterhultimg  trän/  hftniig  die  Konkordanz  unterhuitD 
und  dies  auch  mich  bei  anderen  nicht  auffällig  finden.  Eni 
wenn  man  sie  aufmerksam  machte,  schien  er  ihnen  (1/  leur  tm- 
btait),  dass  die  Nichtübereinstimmung  ihnen  anatössig  sei.  Seibit 
bei  den  hantig  gebranchten  Pc.  fait  und  ouvert  ist  NiehtkomW 
danz  nicht  ungewöhnlich,  wenn  auch  vielleicht  seltener  als  bei 
den  weniger  häufig  gebrauchten  Pc.  mit  besonderer  Femininforn. 
Folgt  den  Pc.  noch  ein  weiterer  Satzteil,  dann  ist  die  Nicht- 
übereinstimmung noch  gewöhnlicher  {also  derselbe  Zustand,  der 
nach  uns  Znehr.  XII,  18  für  frühere  Zeit  für  die  Pc.  auf«,  i,  u  anzi- 
nehmen  ist).  Das  weitere  Fortbestehen  der  Übereinstimmiar, 
in  der  Sprechspraehe  fillirt  C.  ausschliesslich  auf  den  Ein  flow 
der  grammatischen  Regel  und  der  Schriftsprache  zurück.  Er 
verlangt,  dass  es  gestattet  werde,  die  Konkordanz  auch  in  der 
Schrift  zu  unterlassen;  die  Nicbtkonkordanz  werde  dann  bald 
zur  Alleinherrschaft  gelangen.  Die  Ursachen  des  überh*»)- 
nehmens  der  Unveränderlichkeit  des  Pc.  untersucht  C.  nicht;  »ir 
können  hier  auf  unsere  Bemerkungen  o.  a.  0-  S.  7  ff.  verweise!, 
bemerken  aber,  dass  neben  phonetischen  Ursachen  auch  die 
Empfindung  des  Pcs.  als  eines  unselbständigen  Teiles  der  ver 
balen  Form  schon  seit  alter  Zeil  wirkte. 

Folgt  bei  vorausgehendem  Akkusativ  dem  Pc.  noch  ein  er- 
gänzendes Adjektiv,  so  wird,  von  älteren  Beispielen  abgesehen, 
gewöhnlich  gesagt:  vom  l'avez  fait  belle  u.  dgl.  Die  Verb*, 
die  so  gebraucht  werden,  sind  hauptsächlich  eroin,  raubt, 
trouver,  savoir,  faire  und  dire,  von  denen  für  die  Ausspreche 
nur  noch  die  beiden  letzten  eine  besondere  Femininform  haben. 
—  Geht  en  (inde)  einem  Pc.  mit  avoir  voraus,  so  geben  auch 
die  neueren  Grammatiker  Nichtübereinstimmung  als  das  regel- 
mässige an;  nur  wenn  bei  en  noch  ein  Quanttt&tsadverb  steht, 
soll,  wieder  von  bestimmten  Fällen  (Ausmfnngs-  und  Fragesätzen 
und  wenn  das  Adverb  zwischen  [Hilfszeitwort  nnd  Pc.  steht) 
abgesehen,  Konkordanz  eintreten.  Indessen  sollen  auch  davon 
wieder  diejenigen  Pc.  eine  Ausnahme  bilden,  deren  Femininforn 
vom  Maskulinum  für  das  Ohr  verschieden  lautet.  Mit  Recht  bebt 
C.  hervor,  dass  in  dieser  Grammatikerregel  das  richtige  Ver- 
hältnis auf  den  Kopf  gestellt  ist.  Eine  wirkliche  Konkordat)! 
lässt  sich  nur  bei  den  Pc.  mit  hörbarer  besonderer  Femininform 
feststellen;  dort  fehlt  sie  aber,  und  statt  nun  die  übrigen  Pc. 
danach   zu   regeln    und   auch  bei  ihnen  die  rein  orthographische 


L.  Cledat,  Revue  de  philologie  franqaise  et  provenfale.  141 

lonkordanzregel  aufzuheben,  wird  von  den  Grammatikern  die 
«gel  zur  Ausnahme  gemacht.  —  Zu  den  Fällen,  wo  vom  Verbum 
in  reiner  Infinitiv  abhängt,  bemerkt  C.  zunächst,  dass  nach  den 
Grammatikern  faxt  vor  dem  Inf.  unveränderlich  bleibt.  Die  Aus- 
cheidung  von  faxt  scheint  dadurch  gerechtfertigt,  dass  in  Sätzen 
rie  fax  faxt  partir  tes  bagages  nicht  les  bagages  das  Objekt  von 
ait  ist  (man  hat  nicht  die  Gepäckstücke  gemacht),  sondern 
Htrtir  les  bagages  (man  hat  die  Wegschaffung  des  Gepäcks  be- 
rirkt).  Ebenso  liegt  die  Sache  in  Sätzen  wie  fai  vu  partir  les 
bagages;  auch  da  ist  das  Fortkommen  des  Gepäcks  (partir  les 
bagages)  das  Objekt  zu  vu.  Aber  man  kann  auch  auffassen:  ich 
habe  das  Gepäck  gesehen,  wie  es  fortgeschafft  wurde.  Doch 
ist  dieser  Unterschied  ein  fiktiver;  faire  lässt  dieselbe  Doppel- 
anslegung  zu.  Das  Volksbewusstsein  trägt  diesem  Umstände 
Rechnung,  indem  von  einfachen  Leuten  auch  on  Va  faite 
venir  u.  dgl.  (nach  alt-  und  mfz.  Weise)  gesagt  wird.  Dafür, 
dass  die  Grammatikerregel  nur  für  faxt  die  Nichtkonkordanz 
einräumt,  liegt  die  Erklärung  wiederum  in  dem  Umstände,  dass 
bei  den  übrigen  in  Frage  kommenden  Pc.  eine  Formunter- 
icheidung  für  das  Gehör  nicht  mehr  vorhanden  ist.  Auch 
hier  ist  die  Verwirrung  der  Grammatik  nur  durch  die  Ortho- 
graphie eingeführt.  Schon  im  XV.  Jahrhundert  war  die  Tendenz 
der  Nichtkonkordanz  bei  allen  Pc.  vor  einem  Infinitiv  unzwei- 
deutig vorhanden  (vgl.  Wehlitz,  Die  Kongruenz  der  Pc.  Praet. 
in  aktiver  Verbalkonstruktxon  etc.  Greifs wald,  1887.  Dissert. 
9.  61).  Durch  Aufhebung  der  Konkordanz  auch  in  der  Schrift 
würde  allerdings  die  Unterscheidung  von  Fällen  wie:  on  Va  vue 
porter  (man  hat  gesehen,  wie  sie  trug,  on  a  vu  eile  porter)  und 
on  Va  vu  porter  (man  hat  gesehen,  wie  sie  getragen  wurde,  on 
a  vu  porter  eile)  aufhören.  Aber  dazu  fragt  C.  mit  Recht: 
„Macht  der  Zusammenhang  diese  Scheidung  nicht  überflüssig? 
Besteht  sie,  wenn  das  Pron.  ein  Sgl.  mask.  ist?  Besteht  sie 
bei  faxt?  Besteht  sie  in  der  Aussprache  bei  den  übrigen  Pc.?u 
Auch  wendet  C.  mit  Recht  ein,  dass  die  Übereinstimmung  des 
Pc.*8  die  Vorstellung  der  Konstruktion  fälscht.  In  on  Va  entendu 
tortxr  ist  le  das  Subjekt  von  sortir  und  nicht  das  Objekt  von 
nxtenduy  ganz  wie  in  on  Va  fait  sortir.  Richtiger  jedoch  als 
diese  Auffassung  ist  die  von  C.  an  zweiter  Stelle  gegebene, 
ron  geschichtlichem  Standpunkte  aus  zu  bevorzugende,  wonach 
k  in  beiden  Fällen  Objekt  der  ganzen  verbalen  Wendung  (Verb, 
(in.  -f~  Inf.)  ist.  Die  Übereinstimmung  in  diesem  Falle  läuft 
also  gleichzeitig  der  Logik  und  dem  gegenwärtigen  Sprach- 
gebrauch zuwider. 

Das  Pc.  Pf.  mit  etre  wird  in  der  Aussprache  überall  kennt- 


142  Referate  «tut  Rezensionen.     E.  k'otckwitz, 

lieh,  wo  eine  besondere  Fem  in  in  form  des  Pc.'e  in  der  gesprochen« 
Sprache  vorhanden  ist.  Hier  ist  also  die  Konkordanz  durchui 
Kegel.  —  Hei  den  reflexiven  Verben  gebt  nach  C.  der  Zag  der 
f ranz  üb.  Sprache  unzweifelhaft  dahin,  die  noch  bestehenden  Kon- 
kordanzen aufzuheben.  Man  hört,  ohne  Anstoss  zu  nebmen:  tat 
s'en  est  pla  ,  ■  eile  x'y  est  mal  prix,  eile  Ken  est  dtdit  u.  dgU 
Bei  solchen  echten  Reflexiven  widerspricht  die  Konkordanz  d« 
allgemeinen  Konkordantregal  insofern,  als  in  se  gar  kein  eigent-  ' 
liches  (näheres)  Objekt  enthalten  ist.  Dieselbe  Hesse  sich  nur  I 
dnreh  den  alten  Brauch  der  Obere instiinmung  der  Pe.  der  refle-  ' 
xiven  Verben  mit  dem  Subjekt  rechtfertigen.  Aber  dieser  Brauch, 
der  sich  unter  dem  Einfluss  der  Mundarten  nur  in  der  Volb-  ■ 
Sprache  noch  vorfindet,  widerspricht  der  gegenwärtigen  Spracb- 
tendenz.  Die  volkstümlichen,  dem  Altfrz.  entsprechenden  Aus- 
drucke :  eile  s'et-t  faite  mal  u.  dgl.  mit  Dativ  des  Reflexivomi 
haben  keine  Aussicht  auf  Verallgemeinerung;  dagegen  hält  sich 
allerdings  die  Konkordanz  der  unechten  Reflexiva  an  den  voran- 
gehenden Akk.  um  so  fester,  als  sie  mit  dem  alten  Sprach- 
gebrauch zusammenfällt.  Indcss  linden  sich  auch  hier  gesprochene 
eile  s'est  bien  ctmduit ,  eile  »ext  aggis  u.  dgl-,  weil  die  moderne 
Auffassung  (oft  auch  der  Ausdruck)  darin  ein  eile  t'a  bien  condud 
fühlt. 

Als  Resultat  ergiebt  sich  für  C,  dass,  wenn  man  auch 
immer  besondere  Gründe  für  die  Konkordanz  der  Pc.  findet, 
doch  nicht  weniger  gute  für  ihre  Unterlassung  vorhanden  sind. 
Daher  die  Widerspruche  im  Gebrauch  selbst  der  besten  Schrift- 
steller. Zumeist  handelt  es  eich  um  ganz  Überflüssige  Spitzfindig- 
keiten, deren  Abschaffung  ein  Verdienst  namentlich  um  den 
Unterriebt  sein  würde.  Die  Sprache  wird  weder  an  Klarheit 
noch  an  Zierlichkeit  einbüSBen,  wenn  die  Tendenz,  bei  avoir  und 
eigentlichen  Reflexiven  die  Konkordanz  der  Pc.  aufzugeben,  auch 
in  der  Schrift  zum  Durchbruch  gelangt 

Von  den  von  C.  um  ihre  Meinung  befragten  Gelehrten 
fUblt  Fleury  bei  folgendem  Akkus,  das  Pc.  bei  avoir  als  unselb- 
ständigen Verbalteil,  bei  vorausgehendem  Akk.  dagegen  deutlich 
als  Beziehungsform  zum  Akk.,  die  demgemäss  von  ihm  wie  ein 
Adj.  übereingestimmt  wird.  C.  fügt  bestätigend  hinzu,  dass  auch 
die  Patois  an  der  Konkordanz  mit  vorausgehendem  Akk.  fest- 
halten, dass  also  Fleury 's  Ansicht  nicht  etwa  durch  die  Schreib- 
gewohnheit allein  beeintiusst  sei.  Dem  gegenüber  bemerkt  indesa 
F.  selbst,  es  könne  sein,  dass  ihn  sein  Sprachgefühl  täusche, 
da  er  unter  Fremden  (in  Petersburg)  lebend  aus  Opposition 
Purist  geworden  sei. 

F.  Herne  nt  erkennt  nicht  an,  dass  die  gesprochene  Sprache 


L.  Cledat,  Revue  de  phUologie  fr  anläse  et  provenqale.  143 

Hr  die  Orthographie  der  Schriftsprache  massgebend  seiu  dürfe, 
iteht  also  auf  grundsätzlich  verschiedenem,  antiquierirten  Stand- 
punkte und  unterlässt  eine  Diskussion  des  von  C.  Vorgetragenen. 

M.  Breal  verweist  auf  einen  in  der  Rev.  d.  <L  mondes, 
De*.  1889,  inzwischen  von  ihm  erschienenen  Aufsatz.  Er  ver- 
langt für  die  Grammatik  ein  ausserordentlich  langsames  Vorgehen; 
man  müsse  sich  vorläufig  damit  begnügen  in  Sätzen  wie  la  femme 
qve  j'ai  vu  (wie)  sortir  und  beim  Pc.  nach  en  volle  Freiheit  in 
Bezug  auf  die  Konkordanz  zu  gestatten. 

G.  Paris  leugnet  für  die  Umgangssprache  der  Gebildeten 
Wendungen  wie :  Quelle  perspective  ü  nous  a  ouvert!  etc. ;  niemand 
Rage:  Et  la  portef  Las -tu  ouvert  f  G.  Paris  sagt  auch:  Vous 
l'avez  faxte  bette,  findet  Nichtkonkordanz  bei  den  Pc.  der  echten 
Reflexiva  anstössig,  bestreitet,  dass  man  jemals  sage:  eile  8 est 
am»,  hört  und  billigt:  je  me  suis  fait  forte  (gegen  die  Akademie, 
aber  mit  Unveränderlichkeit  des  Pc),  fürchtet,  dass  C.  in  seinen 
Bemerkungen  durch  den  Wunsch  nach  Vereinfachung  der  wunder- 
lichen fz.  Grammatik  (gr.  chinoise)  beeinflusst  sei,  und  besorgt 
eine  Zerstörung  des  Versbau,  wenn  man  schriebe:  eile  8  est  levi 
und  les  sottises  grue  j'ai  entendu.  Mit  Recht  hält  dem  C.  gegen- 
über, dass  G.  Paris,  wie  alle,  die  viel  drucken  lassen,  mit  seinen 
Ansichten  unter  dem  Eindrucke  der  Schriftsprache  stehe.  Für  den 
Versbau  sei  nichts  zu  befürchten.  Auch  die  Einsilbigkeit  von  -aient 
q.  dgl.  habe  ihm  nichts  geschadet.  Das  Prinzip,  die  Schriftsprache 
müsse  sich  nach  der  gesprochenen  richten,  giebt  G.  Paris  zu. 

Delboulle  stimmt  C.  in  allen  Punkten  zu  und  hebt  nament- 
lich hervor,  dass  die  Nichtübereinstimmung  am  häufigsten  auf- 
trete, wenn  das  Pc.  nicht  am  Schlüsse  des  Satzes  oder  Satz- 
gliedes steht  (vgl.  Zschr.  XII,  18.)  —  Auch  Havet  billigt  C.'s 
Artikel  nnd  schreibt  der  Akademie  die  Aufgabe  zu,  in  bezug  auf 
das  Pc.  reformatorisch  vorzugehen.  Ein  Grammatikersyndikat 
könnte  höchstens  der  Akademie  den  Weg  bahnen,  indem  es  die 
gegebenen  Dogmen  durchbricht.  —  C.  möchte  durch  die  Schul- 
grammatiken eine  Reform  einführen. 

F.  Brunot  hält  eine  Vereinfachung  der  Pc- Regeln  für 
dringend  erforderlich,  namentlich  durch  seine  Erfahrungen  als 
xcaminateur  de  baccalauriat  dazu  bewogen.  Die  Unveränder- 
lichkeit der  Pc  scheint  ihm  nicht  so  weit  vorgeschritten  wie  C; 
sr  glaubt  aber  in  seiner  Ansicht  dialektisch  beeinflusst  zu  sein. 
Sicher  liegen  Nichtübereinstimmung  und  Übereinstimmung  der 
?c  im  Kampfe.  Es  erscheint  ihm  zweifelhaft,  ob  bei  gegebener 
Freiheit  die  Unveränderlichkeit  des  Pc  den  Sieg  davon  tragen 
verde,  so  alt  das  Streben  nach  Unveränderlichkeit  in  der  Sprache 
tuch  sei.     Er  hat  oft  gehört:  quelle  perspective  ü  nous  a  ouvert 


144  Referate  und  Rczi-nswiten.     K.  h'asehwiiz, 

U.  dgl.,  aber  nicht  auch  (von  Gebildeten)  Vinjure  quil  new  a 
fait,  und  erklärt  diese  Unterscheidung  durch  den  Einfluss  d« 
Relativums,  dass  eine  enge  Verbindung  mit  dem  vurausgiliendm 
Fem.  herstelle. 

Crousle  protestiert  dagegen,  dass  man  am  der  Fremdes 
willen  die  Pc.- Regeln  vereinfache;  es  sei  dies  eine  unnflUe 
HUbe,  da  mau  in  Frankreich  ein  sehr  angesehener  Fremder  sein 
könne,  auch  wenn  man  das  Französische  wie  ein  Kesselflicker 
spreche.  Im  übrigen  mochte  C.  ein  vollständiges  Aufgeben  der 
Veränderlichkeit  der  Pc.  bei  avoir,  weil  ihm  die  Sprache  dahin 
zu  neigen  scheint  und  damit  die  meisten  ungerechtfertigten 
Schwierigkeiten  gehoben  würden. 

Marty - Laveaux  stimmt  C.  im  Prinzip  bei;  die  jetzigen 
Konkordanz  rege  In  erscheinen  ibm  wie  ein  offizieller  Putz,  angelegt 
wie  Frack  und  weisse  Binde,  um  in  Gesellschaft  zu  gehen.  Di« 
Anwendung  des  veränderten  Pc.  ist  selten  in  der  vertrau  liehet 
Sprache,  häufiger  im  öffentlichen  Vortrage,  am  häufigsten  und 
regelmässigsten  in  der  Schrift  Sie  ist  zum  Teil  ein  künstlich« 
Erzeugnis  der  Grammatiker  des  XVI.  und  XVII.  Jahrhunderts.  Im 
XVIII.  Jahrhundert  führte  man  die  gegenwärtig  giltigen  Regeln 
in  den  Text  der  Klassiker  ein,  und  Grammatiker  wie  Oiranlt- 
Duvivier  legten  in  aller  Unschuld  die  modernisierten  Texte  ihren 
Regeln  zu  gründe.  Er  verlangt  einen  mutigen  Bruch  mit  den 
unnützen  Spitzfindigkeiten  der  Grammatiker.  Wie  am  3.  Juni  1679 
durch  Entscheidung  der  Akademie  die  Deklination  der  Pc.  Prla. 
mit  Erfolg  aufgehoben  wurde  (was  natürlich  nur  gelang,  «eil 
in  der  Sprecbaprache  die  Sache  keine  Geltang  hatte),  so  rotlaate 
man  den  Hut  haben,  die  Veränderlichkeit  des  Pc.  bei  avoir  in 
allen  Fällen  aufzuheben. 

A.  Thomas  erkennt  die  Sprach tendenz  der  Un Veränderlich- 
keit der  Pc.  bei  avoir  und  den  Reflexiven  an  und  tritt  für  voll- 
kommene Freiheit  in  beziig  auf  die  Konkordanzge setze  ein.  — 
C.  Chabaueau  ist  mit  C.  in  allen  Punkten  einverstanden.  Bei 
den  Reflexiven  und  bei  m  möchte  er  die  Nichtkonkordanz  liebet 
vorgeschrieben,  als  nur  geduldet  haben;  für  die  übrigen  Fälle 
scheint  ihm  Freiheit  das  beste.  —  Bastin  endlich  verlangt  wie 
Marty •  Laveaux  Unveränderlich keit    des  Pc.   bei  avoir  als  Regel. 

An  diese  ihm  zugesandten  Gutachten  schliesat  C.  eine 
„Conclusion"  an.  Er  hat  gegen  die  konsequente  Aufhebung  der 
Veränderlichkeit  des  Pc.  bei  avoir  nichts  einzuwenden,  glaubt 
aber  nicht,  das»  sie  sich  zur  Zeit  durchdrücken  lasse,  besteht 
deshalb  auf  Freiheit  des  Gebrauchs,  die  nach  ihm  mit  der  Un- 
verändert! chkeit  des  Pe.  bei  avoir  ganz  von  selbst  enden  würde. 
Gebt    den    Pc.    ein  Akk.    des  Relativums    oder    des  Fers.  Proa. 


L.  Cle'dat,  Revue  de  phüologie  francaise  et  proven^ale.  145 

oraus,  so  findet  noch  am  häufigsten  Konkordanz  statt.  Die 
Erscheinung  verdiente  durch  die  Patois  verfolgt  zu  werden.  — 
Sbenso  ist  C.  für  Freiheit  bei  den  Pc.  der  Reflexiva.  —  Bei  en 
ils  „Compliment  direct"  verlangt  C.  Un Veränderlichkeit,  gleich- 
mütig, ob  ein  Adv.  der  Menge  dabei  steht,  oder  nicht,  desgl. 
tir  die  Pc.  mit  avoir  und  folgendem  reinen  Infinitiv.  Es  sei, 
nie  auch  M.  Br6al  herhorhebt,  eine  Unmöglichkeit,  zu  sprechen: 
fe  les  ai  vu-s  arrivis  (also  mit  Bindung  des  #).  Für  die  Intran- 
litiva  verlangt  C.  natürlich  Unveränderlichkeit  der  Pc;  Zweifel 
können  bei  den  Pc.  coüte  und  valu  entstehen,  bei  denen,  wie  bei 
pe*er,  instinktiv,  der  Logik  zuwider,  der  Akk.  des  Masses  als 
»in  näheres  Objekt  aufgefasst  werde.  C.  will  demgemäss  diese 
Pc.  denen  der  Transitiva  gleichgestellt,  oder  für  coüti  und  valu 
[Jnveränderlichkeit  vorgeschrieben  haben.  Sehr  interessant  sind 
3/8  Bemerkungen  zu  den  Pc,  denen  ein  Adj.  folgt.  In  dem 
Satze:  on  du  son  frere  malade  ist  nicht  son  frere  das  Obj.  von 
üty  sondern  der  Gedanke:  que  son  frere  est  malade.  Dire  malade 
ist  gleich:  dire  qu'une  personne  est  malade.  Dieser  Auffassung 
Bntsprechend  muss  in  den  zusammengesetzten  Zeiten  das  Pc. 
unveränderlich  sein.  Sa  sozur  quon  avoit  dit  malade  heisst 
nichts  anderes  als:  sa  sazur  quon  avoit  dit  etre  malade.  Wie 
bei  dire,  so  bei  croire,  trouver,  savoir  -f-  Adj.  Wieder  anders 
liegen  die  Dinge. in  Konstruktionen  wie  rendre  michant  y  das 
nicht  =  rendre  itre  michant  analysiert  werden  könne.  Aber 
auch  hier  ist  z.  B.  in  vous  le  rendez  michant  nicht  le  das  Objekt 
?on  rendre:  ron  ne  le  rend  pas,  mais  on  le  rend  mechant",  d.  h. 
rendre  michant  ist  zu  einem  Begriff  verschmolzen,  die  Konkordanz 
ist  nicht  durch  Pc,  sondern  durch  das  Adj.  herzustellen.  So  er- 
klärt sich:  vous  Vavez  ichappi  belle  (nämlich  la  balle)  u.  dgl. 
Indessen  könnte  man  auch  die  Konkordanz  beim  Pc  und  Adj. 
verlangen,  da  der  Akk.  immerhin  ein  anscheinendes  Obj.  des 
Verbums  (Pc.)  ist  und  der  Sprache  der  Schein  genügt.  Es  ist 
ilso  auch  nicht  unvernünftig  zu  sagen:  on  Va  faite  belle.  Am 
besten  wäre  es,  auch  hier  der  Sprache  volle  Freiheit  zu  ge- 
statten, und  die  Pc.  mit  Adj.  von  denen  ohne  ein  solches  gar 
nicht  zu  unterscheiden. 

Wir  haben  die  Ausführungen  C.'s  und  seiner  Genossen  so 
eingehend  wiedergegeben  t  weil  es  uns  das  Interesse  der  Sache 
eu  verdienen  schien.  Unsere  Auseinandersetzungen  über  das. Ver- 
balten des  gesprochenen  Wortes  zur  Schrift  (Zschr.  XII,  1  ff.) 
erhalten  hier  eine  willkommene  Bestätigung;  der  Leser  wird 
mitten  in  das  Leben  der  Sprache,  und  zwar  der  Sprache  der 
Gebildeten  eingeführt.  Der  Aufsatz,  dessen  Lektüre  wir  auf 
das  wärmste    empfehlen,    wird   vielleicht   auch    die  Folge  haben, 

Zschr.  f.  fa.  8pr.  u.  Litt.    XII*.  jq 


146  Referate  und  Rezensionen.     &*.  Koschmitz. 

der  Sicherheit  mancher  unserer  deutschen  Schiilgramuuttikrr, 
welche  gewohnt  sind,  das  Überkomme ne  Regelwerk  als  (in 
Evangelium  zu  betrachten,  einen  kleineD  ßtoss  211  geben.  Dei 
deutschen  Schülern  wird  freilich  von  den  ketzerischen  Bedenken  der 
französischen  Philologen  gegen  die  Konkordanzrege  In  der  Pc 
am  besten  noch  nichts  verraten  werden. 

E.  Koschwitz. 


Marcel  Sehwob  et  George  Guieyase,  Etüde  nur  tetrgat  fraiteais. 
{Extrait  des  Memoire*  de  la  Bocifti  de  Unguistique  tk 
Paris  VII.]     Paris  1889.     Em.  Bouillon.     8*     28  8. 

Seitdem  wir  hier,  Bd.  VI8,  S.  38  ff.  eine  Besprechung  der 
neueren  Argotworterbticher  geliefert  haben,  hat  die  Argotlitterator 
nicht  unerhebliche  Fortschritte  gemacht.  Von  hohen  Werte, 
wenn  auch  keine  streng  wissenschaftliche  Leistung,  war  die  Ein- 
leitung in  Vitu's  Jargon  du  XV  stick.  Paris  1884,  worin  ver- 
sucht wurde,  eine  Geschichte  des  Argot  zu  geben.1)  Zwei  Jahre 
später  Übernahm  es  Ad.  Hamdorf,  Über  die  Bestandteile  da 
modernen  Pariser  Argots.  Berlin  (Greifswalder  Dissertation),  du 
moderne  Argot  im  weiteren  Sinne  des  Wortes  auf  seine.  Rekn- 
tiernngs gebiete  hin  zu  untersuchen.  Er  zeigt«,  dass  ein  grosser 
Teil  der  ArgotwÖrter  altfranzösi sehen  Ursprungs  sind  nnd  sich 
in  den  Hundarten  Frankreichs  noch  jetzt  vorfinden,  unterlie» 
aber  leider  die  Feststellung,  ob  nicht  auch  manche  in  den 
Dialekten  vorzufindende  Wörter  vielmehr  aus  dem  Argot  in  nie 
eingewandert  sind.  Sonst  wird  das  Argot  gebildet  durch  meta- 
phorisch gebrauchte  Wörter  der  gewöhnlichen  Umgangssprache, 
für  deren  verschiedenartigen  Bedeutungswandel  H.  (8.  31—53} 
Proben  gibt;  durch  kunstliche  Neubildungen:  Prothesen:  bUjt  f.  tot, 
Epenthesen:  birlibi  f.  biribi,  Epttnesen,  besonders  HinzafHgnng 
von  speziell  im  Argot  beliebten  Suffixen:  cothemar(d)  f.  coeher 
u.  dgl.,  Apbaereseu:  cipal  f.  munieipal,  Synkope:  earne  f.  earogne, 
Apokope:  cogne  f.  cognac.  Vertausch ung  der  Endsilben:  argudie 
f.  argot,  Verdoppelung  einer  beliebigen  Silbe:  banban  t  bmeroche, 

»}  Vgl.  Zeitschrift  VII*  17.  Das  im  LMM.  f.  germ.  «.  rom.  Ütt. 
Januar  1830  augekfludigtu  Werk  A.  Vitu's,  CBuvres  de  fr.  Väkm.  Lt 
Jargon  et  jobelin,  comprenant  einq  bailade;  inedites  tfapris  le  ms.  de  U 
bibt  royate  de  Stockholm  etc.  Paris  1890,  scheint  mit  dem  oben  be- 
sprochenen identisch  zu  sein  und  nur  einen  neuen  Titel  erhalten  10 
haben.  Altere  Arbeiten  über  daa  französische  Argot  findet  man  ver- 
zeichnet in  Bihtiothique  patoise  de  M.  Burgaud  des  Morels.  Paria  187S. 
Haiionnenve  et  C-    S.  SIS  ff. 


M.  Schtvob  et  G.  Guieysse,  Etüde  sur  Cargot  franqais.  147 

nehrfache  Wortveränderungen:  reniifer  f.  entrer,  onomatopoetische 
Bildungen:  fric-frac  =  Einbruch,  und  Weglassung  von  Wörtern  in 
jusammensetzungen:  fort  f.  fort  de  la  baue.  Dazu  kommen 
Bildungen  wie  die  sog.  Javanesische,  die  km-  und  luch- Sprache 
1.  dgl.  (S.  54;.  Endlich  enthält  das  Argot  Neubildungen,  die  in 
gewöhnlicher  Weise  mit  allgemein  gebräuchlichen  Prä-  und 
Suffixen  oder  durch  Zusammensetzungen  gebildet  sind,  und  eine 
grosse  Menge  namentlich  modernen  Sprachen  entlehnter  Fremd- 
wörter. Auf  diese  Arbeit  Hamdorf 's,  die  trotz  mancher  Schwächen 
und  trotz  ihrer  geringen  Selbständigkeit  einen  Fortschritt  in  der 
Argotforschung  bedeutete,  folgte  in  Deutschland  eine  neue  Auf- 
lage der  Villatte'schen  Parisismen.  Berlin,  1888. *)  Der  Verf. 
bat  sich  in  ihr  unsere  Ausstellungen  an  der  oben  genannten 
Helle  zu  Herzen  genommen  und  durch  eignes  Sammeln  den  Inhalt 
»eines  Wörterbuches  vervollständigt.  Es  braucht  nicht  wiederholt 
ra  werden,  dass  auch  bei  ihm  wie  bei  Hamdorf  nicht  das  kün st- 
iebe Argot  im  engeren  Sinne,  die  eigentliche  Gaunersprache, 
lusschliesslich  oder  nur  vorzugsweise  berücksichtigt  werden  sollte. 
Die  hier  zu  besprechende  Arbeit  sucht  die  Bildungsweisen 
des  eigentlichen  Argot  zu  ergründen.  Sie  ist  wissenschaftlich, 
wennschon  das  phantastische  Element,  ohne  das  eine  Argotarbeit 
nicht  bestehen  zu  können  scheint,  sich  noch  in  einigen  Einzel- 
heiten behauptet  hat.  So  ist  z.  B.  die  Zurückfiihrung  der  S.  VI 
angegebenen  zahlreichen  Worte  auf  den  Stamm  go  in  das  Reich 
der  Phantasie  zu  verweisen.  Ein  Grundfehler  der  Arbeit  ist  ferner, 
dass  die  Verf.  fast  ausschliesslich  mit  dem  Schriftbilde  operieren ; 
wenn  irgendwo,  so  muss  bei  dem  im  allgemeinen  nur  auf  mündliche 
Verständigung  berechneten  Argot  das  Lautbild  in  erster  Reihe  im 
Auge  behalten  werden.  Eine  Menge  scheinbarer  Verschiedenheiten 
entstanden  durch  die  orthographischen  Eigentümlichkeiten  der 
verschiedenen  Autoren,  denen  man  schriftliche  Aufzeichnungen 
aus  dem  Argot  verdankt.  So  wird  go,  gaud,  got  geschrieben, 
obgleich  es  sich  um  dieselbe  Silbe  handelt.  Die  verschiedene 
Schreibung  führte  dann  zu  verschiedenen  etymologischen  Deutungen, 
von  denen  die  einen  falsch  sein  mussten;  andererseits  ermöglichte 
der  Umstand,  dass  es  sich  um  eine  für  die  Schriftsprache  nicht  be- 
stimmte Sprechsprache  handelt,  Neubildungen  und  Zusammen- 
setzungen, die  unverständlich  erscheinen,  wenn  man  einseitig  das 
oft  auf  willkürlicher  Darstellung  beruhende  Schriftbild  ins  Auge 
fasst  Im  Ganzen  besitzt  aber  die  fragliche  Untersuchung  streng 
philologischen  Charakter. 

*)  Seitdem  ist  Berlin  1890  eine  dritte  Ausgabe  erschienen,  in 
welcher  der  Inhalt  der  zweiten  noch  um  einen  Anhang  von  24  Seiten 
vermehrt  ist. 

10* 


148  Referate  und  Rezensionen.     R.  Kosehmiz, 

Die  V'-:  i.  stellen  zunächst  fest,  dass  das  vod  ihnen  be-  I 
handelte  Argot  ein  durchaus  künstliches  Prodnkt  ist,  dass  dem- 
nach auch  die  Bild  ungs  weisen  Bein  er  Worte  künstliche  sind. 
Von  diesen  wird  in  einem  ersten  Abschnitt  (S.  6 — 20)  die  Er- 
scheinung des  sog.  loucherbeme  (=  boucher)  behandelt,  du  im 
wesentlichen  mit  der  lern-  und  lach- Sprache  identisch  ist.  Der 
anlautende  Konsonant  dee  zu  verändernden  Gero  ein  wortes  wird 
durch  l  ersetzt,  er  selbst  tritt  an  dag  Ende  des  Wortes  und 
hinter  ihm  das  Suffix  hne  (em)  oder  ueh(e).  So  wird  für  6m 
lonbeme  (lonbem),  lombuck(e)  gebildet.  Auch  andere  Suffixe  all 
bn(e),  uch(e),  etc.  sind  möglich,  so  ique,  oque  (gelehrte  Suffixe), 
i  und  atte,  z.  B.  lonxkurmique  (monsieur),  loirepoque  (poire), 
latronpatte  (patron),  lingtct  (vingt)  etc.  Dieses  Bildangs  verfahren 
findet  sich  bereits  in  dem  im  ersten  Dritte)  des  XVII.  Jahrhunderts 
entstandenen  Jargon  de  Target  reforme  Ol.  Cherean's,  auf  den 
bis  auf  Vidocq's  Voleurs  fast  alle  Argot-Publikationen  du 
XVII.  Jahrhunderts  beruhen.  Auch  Vidocq  hat  ans  dieser  Quelle 
geschöpft.  —  Die  mit  den  angegebenen  und  ähnlichen  Suffixen 
gebildeten  Worte  erleiden  häufig  Abkürzungen:  louffe  f.  loufoqtt 
(fou),  linve  f.  linvi  (lingtve  =  vingt)  u.  dgl.,  und  diese  abge- 
kürzten Formen  verknöchern  sich  oft,  werden  fest,  während  die 
vorausgegangenen  Suffix-  (loucherbeme  =J  Bildungen  verloren  gehen. 

Analog  dem  geschilderten  Verfahren  sind  die  Bildungen 
mit  wechselseitiger  Metathese.  Diese  Metathese  erscheint  häufig 
als  volkstümliches  Spracbbildungselement  (vgl.  Behrens,  über 
reziproke  Metathese  im  Romanischen.  Greifawald  1889.  S.  18  ff.); 
von  da  wird  sie  fUr  künstliche  Bildungen  entlehnt  worden  sein. 
In  diese  Gattung  gehören:  miloger  (Diener)  neben  limogere  (Stuben- 
mädchen), Server  f.  vertier.  Diese  beiden  Umstellungen  stehen 
den  namentlich  in  Mundarten  häufig  auftretenden  sehr  nahe. 
Dagegen  tragen  Bildungen  wie  tabar  f.  rabat  und  Ostac  f.  Costa 
das  Gepräge  des  Gemachten,  Unnatürlichen. 

Bei  den  Bildungen  des  loucherbeme  war  die  Wahl  des  an- 
zuhängenden Suffixes  nicht  vorgeschrieben.  Diese  Freiheit  in 
der  Suffixwahl  findet  sich  auch  bei  den  gewöhnlieben  Worten, 
namentlich  wenn  sie  ihrer  Form  nach  an  den  Vokabelschatz  des 
Argot  erinnerten.  So  tritt  fllr  bovtique  auch  boutoque  und 
boutanche  ein,  für  prtfecture  prefeetanehe  n.  dgl.  —  Die  Verf. 
möchten  so  auch  bombance  als  Doppelform  zn  bombe  auffassen, 
was  nicht  unglaublich  erscheint;  dagegen  durfte  ihre  Ableitung 
von  tronehe  oder  tranche  aus  trogne,  also  mit  Einsetzung  von  oneht, 
anche  für  ogne  weniger  Beifall  finden.  Aach  die  andern  Fälle, 
in  denen  nach  den  Verf.  nur  die  Anfangsbuchstaben  eines  Wortes 
übrig   geblieben,   alles   übrige   aber   beliebig  geändert  sein  soll: 


I 


Marcel  Sehnt  .7  Gi-orge  Guinjssc,  Etüde  s»r  t'm-gol  frmtaa.       149 


fringiie,  *froqve,  *fripe,  mal,  moche,  mouche,  bete,  buche  U.  S.  W., 
dürften  erst  zugegeben  werden,  wenn  eicli  schlechterdings  keine 
ungezwungenere  Erklärung  finden  lassen  will. 

Wie  die  Sutüxvertausehung  liebt  das  Argut  die  Sufh'xhilufung, 
die  ein  volkstümlicher  Zug  des  Französischen  und  Rumänischen 
von  Anfang  au  ist.  Ableitungen  wie  chiqne,  *chiquoque  (chicoque), 
1 ''chif/uaqnmut,  woraus  ckiqwtquitnttard  (chicocandnrd),  haben  durch- 
aus nichts  Auffalliges. 

Die  an  erster  Stelle  geschilderten  Kunstbildungen  des 
hiurtterh'rmi:  etc.  brachten  die  Suffixe  «che,  uchn,  oque  etc.  in 
Verbindung  mit  den  Konsonanten,  die  durch  Umstellung  ans  dem 
Wortanlaiit  in  den  Wortschluss  vor  das  Suffix  geraten  waren. 
Aus  diesen  umgestellten  Konsonanten  +  oche,  ucke  etc.  bildeten 
sieh  neue  Suffixe.  So  lässt  lonbocke  (=  hon)  u.  dgl.,  gefühlt 
als  ton-boche,  ein  Suffix  bocke  entstehen.  Dieses  neue  Suffix  wird 
dann  wieder  zu  Bildungen  wie  Alleboche  f.  AUemnnd,  faniabocke  f. 
fanlagnin  verwendet.  Ähnlich  bei  mar  (mard)  u.  a.,  wofür  von 
den   Verf.   keine  Belege  gebracht  werden. 

Die  Suffixe  des  Argot  sind  zumeist  gauz  bedeutungslos, 
dienen  ausschliesslich  der  Wortentstellung.  Dies  gilt  insbesondere 
auch  von  der  Endung  aste.  Verre  ist  gleich  verreiste,  rin  =  n'naJH, 
hon  =  bnnat»e;  nur  in  der  Volkssprache  besitzen  die  Bildungen 
mit  asm  eine  verschlimmernde  Bedeutung.  Ebenso  bei  der  Argot- 
Endung  go,  g<d  (wohl  für  gand,  g  -\-  and,  wie  bocke  =  b  -f-  oche): 
l'ari/ti'en:  Pariyot,  seryent:  sergijt,  mendiant:  mendü/ot  etc.  Nach 
Annahme  der  Verf.  kann  bei  Ausetzung  des  Suffixes  go(l)  zugleich 
eine  Verkürzung  des  Stammwortes  eintreten.  So  gelangen  sie 
ZU  den  neuen  Etymologien;  mt'got  =  meckegot  von  miche  =  rfemi, 
und  magot  (Affe)  =  mannego  für  mannequin.  Doch  dürfte  sich 
flir  wiche  ein  franz.  dialektisches  me  =  medtus  linden  lassen, 
dem  got  ohne  Konsonantenausfall  angefügt  sein  konnte.  Die 
S.  VII  gegebene  Ableitung  von  ■mimnegvin  aus  dtsch.  mann  + 
Suffix  quin  ist  irrig;  mannequin  ist  and.  manne/ein  (gegenwärtig 
männeken).  Gogo  neben  gogaille  und  goguett«  für  tjnsier  ist  nicht 
unwahrscheinlich;  Argot  für  Arabie  ist,  wenn  schon  gewagt  (vgl. 
8. 18),  nicht  schlechter  als  die  bisherigen  Etymologien  des  Wortes. 

In  einem  zweiten  Abschnitt  (S.  20—26)  behandeln  die  Verf. 
den  Bedeutungswandel  im  Wortschätze  des  Argot.  Die  gewöhn- 
liche Metapher  findet  nur  eine  kurze  Berücksichtigung;  dagegen 
werden  diejenigen  nedeutungsumwandlungen  ausführlicher  be- 
leuchtet, welche  in  der  Weise  entstehen,  dass  ein  Wort  zunächst 
seine  Form  in  der  beschriebenen  Weise  verändert,  dadurch  mit 
einem  andern  Worte  formal  zusammentrifft,  mit  diesem  verwechselt 
wird  und   ihm  sinnverwandte  Worte  zum   Ersatz  erhält.     So  wird 


150 


Refi-r: 


md  Ra, 


W.  Sckeffki; 


aus  marmile  (femme)  durch  Suffix  vertäu  schung  marmaUei  f'fir 
dieses  tritt  in  seiner  neuen  Bedeutung  auch  taupe  ein.  Marmile 
selbst  unterliegt  andererseits  synonymi sehen  Vertauschungen  mit 
casnerole  und  poeton.  Aus  bormeteau  (Küinmelbhitti/hen)  soll  durch 
ktiiistlkthe  Abkürzung  bonnet  geworden  sein,  dieses  bmineterie  er- 
zeug! haben,  wofür  synonymisch  lingerie  eintrat.  Schliesslich 
Beien  die  Spieler  des  bonneteau  zu  linge*  geworden.  Die  Richtig- 
keit dieser  letzten  Entwicklung  ist  indessen  nichts  wenigei 
gewiss;  dieselben  Zweifel  stellen  sieh  auch  bei  anderen  der  von 
den  Verf.  gegebenen  Beispiele  ein.  Dagegen  äst  gegen  da» 
wirkliche  Vorhandensein  derartiger  Be  de  utungsent  Wickelung«!,  die 
von  formalen  Änderungen  ihren  Ausgang  nehmen,  kein  Bedenken 
zu  erheben.  Aus  den  zum  Teil  recht  wenig  stichhaltigen  weiteren 
Beispielen  sei  hier  nur  noch  die  Entthronung  des  dtsch.  „trinken' 
als  Etymon  zu  trinquer  hervorgehoben.  Tricher  nebi 
(Stock)  setzt  nach  den  Verf.  ein  Verbum  triquer  =  schlag 
tXwohen  voraus  (tricker  und  triqver  musBtcn  im  Altfratizftaischi 
nebeneinander  vorkommen);  aus  triquer  entstand  trinquet 
Nasalierung  von  i.  Die  slidfrz.  Dial.  haben  noch  trinen,  trinqua, 
brechen,  zerschlagen,  oder  auch  die  Gläser  zusammenstoßen. 
Die  Bedentungsentwiekelung  von  triqver  etc.  lltuft  parallel  mit 
der  von  ckiquer  =  e.hoquer,  wofllr  im  1(3.  Jahrhundert  noch  ehinquer 
mit  der  gegenwärtigen  Bedeutung  von  trinquer  erscheint.  Damit 
sei  die  Zusaimneuhanglosigkeit  mit  dtsch.  trinquer  gegeben.  Wir 
würden  lieber  das  alte  *  triqver  durch  dtsch.  trinken  beeinüusst 
glauben;  das  so  entstandene  trinquer  kann  dann  wieder  die  süd- 
franzb'si  sehen  Dialektformen  und  das  analogiBche  ehinquer  erzeugt 
und  ihnen  die  Bedeutung  des  Gläserzusammenstussens  gegeben 
habon. 

In  einem  sehr  kurzen  dritten  Abschnitt  (S.  26— 28)  ziehen 
die  Verf.  die  Ergebnisse  aus  ihrer  Arbeit.  Die  Berechtigung  ihrer 
Folgerungen  ist  einzuräumen.  Eine  Reihe  etymologisch  bisher 
unverstandener  Worte  werden  sich  gewiss  mit  Hilfe  der  Bildung»- 
weise  des  Argot  erklären  lassen;  ferner  ist  es  zweifellos,  dass 
die  Entstellungen  des  Argot  von  den  arehituppäU,  den  Führern 
der  sieh  des  Argot  bedienenden  Klassen  hervorgingen,  und  dass 
die  synonymische  Entwickeluug  eine  grosse  Rolle  in  der 
deutungslehre  des  Argot  spielt.  Die  Methode,  mit  der  man 
Argotuntersuchungen  herantreten  muss,  ergibt  sich  aus  der  Eni 
stehungsweise  des  Argot  von  selbst;  eine  einseitig  experimentelle 
aber,  wie  sie  die  Verf.  zu  befürworten  scheinen,  muss  ebenso 
sehr  zu  Irrtümern  führen,  wie  eine  rein  historische.  Jeder  Teil 
des  Argot  verlangt  nach  seiner  Bildungs-  und  Entstellungsweit 
eiDe  besondere  Behandlung. 


lass 
Snt- 


/.  Tiersot,  Histoire  de  la  Chanson  populaire  en  France.         151 

Das  Werkchen  soll  nach  der  Angabe  der  Verf.  nur  tune 
preface,  une  me'thode,  au  moins  provisoire'  sein.  Die  Schwächen 
desselben  und  seine  Unzulänglichkeit  sind  ihnen  also  auch  selbst 
nicht  entgangen.  Möge  es  Herrn  Schwob  (Herr  Guiey.sse  ist  als 
Zwanzigjähriger  von  einem  frühzeitigen  Tode  hingerafft  worden.) 
gelingen,  das  begonnene  Werk  in  ausgereifter  Gestalt  zur 
Vollendung  zu  bringen.  £.  Kosghwitz. 


Tiersot,  Julien,    Histoire  de  la    Chanson  populaire  en  France. 
Paris  1889.    E.  Plön.    542  S.  gr.  8°.     Preis:  7,  50  fr. 

Im  Jahre  1885  hatte  die  AcadSmie  des  Beaux-Aris  folgende 
Preisaufgabe  zur  Bearbeitung  ausgeschrieben:  Des  milodies  po- 
pulaires  et  de  la  chanson  en  France,  depuis  le  commencement  du 
seizieme  tUecle  jusquä  la  fin  du  dix-huitihne.  En  resumer  l'histoire, 
en  ddfinir  les  caracthres  et  les  differentes  formes  au  point  de  vue 
mwtical,  et  determiner  le  roh  quelles  ont  joue  dans  la  musigue 
religieuse  et  dans  la  musique  profane.u  Unter  den  acht  Bear- 
beitungen, welche  eingelaufen  waren,  erhielt  jene  des  Hern 
Julien  Tiersot  den  Preis.  Da  L6o  Delibes  in  seiner  Beurteilung 
fand,  dass  der  letzte  Teil  von  Tiersot's  Arbeit  zu  kurz  behandelt 
worden,  so  veranlasste  dieses  den  Verfasser,  diesem  Winke  nach- 
zukommen und  bei  der  Veröffentlichung  seines  preisgekrönten 
Werkes  dasselbe  in  einzelnen  Kapiteln  zu  vertiefen  und  die  Be- 
handlung der  musikalischen  Seite  seines  Stoffes  durch  Hinzu- 
fligung  neuer  Kapitel  wesentlich  zu  bereichern. 

J.  Tiersot  gehört  zu  jenen  jungen  Gelehrten,  welche  sich 
zu  Rittern  der  so  lange  missachteten  Volkamuse  aufgeworfen 
haben  und  sie  im  Salon  heimisch  zu  machen  streben,  wie  seine 
Volkslieder-Aufführungen  beweisen,  die  wir  in  den  Pariser  Salons 
eifrig  besprechen  hörten.  Und  mit  der  Liebe  zu  der  Volksmuse 
verbindet  sich  ein  gediegenes  Wissen,  genährt  an  den  besten 
Quellen.  Als  Unterbibliothekar  des  Konservatoriums  flir  Musik 
zu  Paris  stehen  ihm  nicht  nur  dessen  Schätze  offen,  sondern  auch 
der  sach-  und  fachkundige  Rat  des  um  die  wissenschaftliche 
Erforschung  des  Volksgesanges  so  hochverdienten  Weckerlin. 
Herrn  Tiersot  war  es  ferner  vergönnt,  jene  handschriftlichen 
Volksliedersammlungen  voll  auszunutzen,  welche  auf  Veranlassung 
der  französischen  Regierung  im  Jahre  1852  in  allen  Provinzen 
Frankreichs  gesammelt  wurden.  Wenn  Unterzeichneter  bei  Ver- 
öffentlichung seiner  Französischen  Volksdichtung  und  Sage  im 
Jahre  1885  bedauernd  aussprechen  musste,  dass  ihm  ein  Ein- 
gehen  auf  diese    Sammlungen  zur  Zeit  unmöglich  sei  —  heute 


h>l,:ruk-  t,nd   AVd'i 


W.  Sehifler, 


bilden  die  Wiedererstandenen  (wie  er  sich   Ostern  1W89  zu  Par 
überzeugen  konnte),    in  acht    stattlichen    Foliob/lndcu   einen   kost- 
baren Schatz  der  Nationalbibliothek,  mit  dem  jeder  Forscher  * 
dem    Gebiete    der    französischen    Volksdichtung     wird    rechnet 


Neben  den  litterariBehen  Schätzen,  welche  Paris  ihm  bot, 
suchte  Tiersot  lebende  Quellen  für  seine  Aufgabe  heranzuzieliei: 
und  es  gelang  ihm,  in  l'aris  selbst,  dem  Ettsammenfuaflaätt 
Mittelpunkte  All-Frankreichs,  zahlreiche  Provinzialen  aufzuspüren, 
aus  deren  Kelilen  er  neue  und  eigenartige.  Volkslieder  hervor 
lockte.  Auch  Unterzeichnetem  ist  es  golungen,  diesen  Weg  mit 
GlUck  zu  betreten  und  der  GUte  der  Frau  Professor  Kuliff  Parii, 
einer  geborenen  Auvergnatin  verdankt  er  eine  Reihe  ihm  bis 
dahin  unbekannt  gebliebener  Lieder  ihrer  Heimat. 

Aber  die  Hauptansbeute  boten  Tiersot  doch  die  Provinzen 
selbst;  und  so  sehen  wir  ihn  denn  seine  Fahrten  ausdehnen  über 
jene  Striche,  wo  das  Volkslied  auch  noch  heute  lebendig  ge- 
blieben ist:  nach  BreBse,  der  Hoch  ■  Bretagne  und  Morvan;  nach 
der  Picardie,  Lothringen,  der  Franche-Comte,  Burgund  und  dem 
Daupbine.  Auch  deutsche  Werke  hat  Tiersot,  aber  doch  zu  ver- 
einzelt, herangezogen.  Er  filhlt  wohl  selbst  diese  bedeutsame 
Lücke  —  aber  bei  seiner  Thatkraft  und  seiner  Jugend  liease 
sich  filr  die  Zukunft  leicht  ausfüllen. 

Immerhin  scheu  wir,  daBS  Tiersot  seiner  Aufgabe  wohlge- 
rtlstet  entgegengetreten  ist  und  dass  er  uns  als  Ergebnis  all 
seiner  Studien  einen  möglichst  vollständigen  Überblick  über  den 
derzeitigen  Staud  des  Volksliedes  in  Frankreich  darbietet.  Wie 
sieb  dieses  bei  einem  französischen  Werke  fast  von  selbst  ver- 
steht, ist  dasselbe  in  einem  glänzenden  Stile  geschriebi 

Uns  Deutsche  freilich  mutet  Tiersot'B  Werk  nicht  so  neu, 
so  eigenartig  an  wie  die  Franzosen,  die  wohl  erst  durch  Tiersot 
Über  den  Reichtum  ihrer  Volksdichtung  belehrt  sein  mögen.  Hat 
doch  seit  Beginn  dieses  Jahrhunderts  bis  in  die  jüngste  Zeit  bin 
die  französische  Volksmuse  deutsche  Bearbeiter  gefund' 
denen  durch  seine  tiefinnerlichc  Behandlung  ohne  Frage  Uhlai 
noeli   immer  unerreicht  dasteht. 

Neu  und  eigenartig  an  Tiersot  aber  ist,  dass  hier  das 
musikalisch-gesangliche  Element  du«  franzüsi sehen  Volksliedes  zu 
seinem  vollen  Rechte  gelangt.  Tiersot  hat  voll  und  ganz  den 
Satz  zur  Wahrheil  gemacht,  dass  jede  primitive  Poesie,  wie  die 
Volkspoesie,  Singpoeaie  ist,  dass  VVort  und  Weise  innigst  zu- 
sammen gehören,  d,  h.  er  hat  nicht  nur  wie  dieses  bisher  fast 
immer  geschehen,  das  Volkslied  einseitig  ästhetisch  behandelt, 
sondern  wie  im  Gewebe  Kette  und  Einsehlag,  so  bei   dem  Liei" 


■Dd 


e 

" 
! 


J.    Tkrsot,   Uistoin-  de  Ui  Chanxon  populnire  M  France.  153 

Inhalt  und  Melodie  zu  einem  Ganzen  verwoben.  Und  hiermit 
nicht  gGBItg,  hat  Tiersot,  wie  schon  einleitend  bemerkt,  in  dem 
zweiten  und  dritten  Teile  Beines  Werkes  (welche  ungefähr  die 
Hälfte  des  Gesamtwerts  ausmachen)  die.  musikalische  Seite 
einer  gründlichen  Erörterung  unterworfen  und  die  Volksmelodie 
in   Vergleich  gestellt  ini    der  musikalischen  Kunst  überhaupt. 

Wir  stehen  nicht  an  zu  glauben,  dass  in  dieser  ausgiebigen 
liehaudlung  der  musikalischen  Seite  des  Volksliedes  das  Haupt- 
verdienBt  des  Werkes  ruht.  Und  wenn  wir  auch  ein  kompetentes 
Urteil  hierüber  nicht  abgeben  können,  so  glauben  wir,  dass  in 
der  bevorzugten  Stellung,  welche  Tiersot  am  Conservatoire  de 
Masiqite  unter  der  Aegide  eines  Weekerlin  einnimmt,  Bürgschaft 
genug  für  die  Tüchtigkeit  seines  musikalischen  Wissens  liegt. 
Immerhin  hat  es  uns  BeltBam  berührt,  dass  Tiersot  in  seiu  Buch 
ParapbraBierungen  von  Volksmelodien  au/genommen.  Auch  wir 
haben  Männer  gehabt  (wie  Frankreich  auch),  welche  den  Test  der 
Volkslieder  nach  ihrem  Geschmack  ummodelten.  Heute  sind  wir 
davon  zurückgekommen  und  lassen  das  Volkslied  auch  mit  seinen 

»Knorren  und  Auswuchsen  bestehen.  Ich  uiöebte  daher  glauben, 
dass  in  einem  Werke  wie  dem  seinen  stets  so  zu  verfahren  sei, 
wie  er  Belbst  dies  auf  S.  113  angieht:  Pour  cette  fois,  nous  cm- 
trrverons  aitx  notes  la  valeur  qu'elles  ont  dans  V original:  cela 
laissera  ä  la  melodie  na  physionomie  et  rendra  plus  sensible  la 
comparaison  que  nous  vtniltnm  Unter  de  ce  texte  anec  un  mdre 
qui  parattra  egaiement  dann  son  integriU.  Und  diesem  hier 
befolgten  Grundsatze  wäre  um  so  eher  stets  zu  folgen,  als 
Tiersot  die  französischen  Volksmelodien  wunderbar  findet,  von 
unendlicher    Frische    und    unerschöpflicher    Kraft.     Es    mag    für 

►einen  Laien  gewagt  erseheinen,  diesem  letzteren  Ausspruch  etwas 
entgegenzuhalten.  Indessen  möchte  ich  doch  darauf  hinweisen, 
dass,  als  es  sieh  seiner  Zeit  darum  handelte,  in  mein  Buch  die 
charakteristischsten  und  schönsten  Volksmelodien  Frankreichs 
aufzunehmen,  die  Gruppe  musikalisch  gebildeter  Herren  und 
Hamen,  denen  bei  mir  eine  Fülle  von  Melodien  vorgespielt 
wurde  und  welche  nun  mit  darüber  abstimmten,  welche  davon 
Aufnahme  finden  sollten,  welche  nicht,  sich  verwundernd  darüber 
äusserten,  wie  gering  im  Verhältnis  zu  unseren  Volksmelodien, 
von  denen  faBt  jede  schön  und  charakteristisch  sei,  die  Ausbeute 
im   Französischen  wäre. 

Bezüglich  der  Einteilung  der  behandelten  Lieder  ist  Tiersot 
gleich  seinen  Vorgängern  seinen  eigenen  Weg  gegangen;  indessen 
will  uns  derselbe  nicht  immer  uugesucht  erscheinen. 

Den  erzählenden,  epischen,  legendenhaften  und  historischen 
iedern    folgt    die   C'omplainte,    welcher  Ausdruck    an    die    Stelle 


154  Referate  %md  Rezensionen.     E.  Garlieh, 

der  balladc  treten  soll.  Für  uns  Deutsche  würde  ieb  es  bei  in 
Ballade  belassen;  der  Ausdruck  erscheint  mir  begrifflich  schürf» 
bestimmt. 

Folgen  anekdotische  und  satyrische  Lieder;  von  letzteres 
bat  Tiersot  das  Liebeslied  getrennt,  obwohl  er  es  der  Haupt- 
sache nach  filr  satirisch  hält  und  Zweifel  hegt,  ob  im  franso- 
sischen  Liebe slied  die  Liebe  um  ihrer  selbst  willen  erstrebt 
werde.  Hier  berührt  sich  Tiersot  mit  Bartsch,  welcher  in  seiner 
poetischen  Einleitung  zu  der  Übersetzung  altfranzösi scher  Lieder 
das  deutsche  Liebeslied  in  seinem  Gefühlsleben  so  sehr  viel  hoher 
als  das  französische  stellt.  Nach  meinen  Erinnerungen  rauchte 
ich  beiden  Forschern  nur  bedingungsweise  Recht  geben  aad 
glauben,  dass  im  französischen  Liebealiede  such  Lieder  von 
Liebe  um  ihrer  selbst  willen  reden  und  sagen. 

Tanz-  und  Wiegelieder,  Handwerker-  und  Soldatenlieder, 
Lieder,  welche  das  Festliche  Jahr  begleiten,  wechseln  mit  Toten  - 
und  Trinkliedern.  Vaudevilles,  Weihnachts-  und  religiöse  Lieder 
bilden  den  Schluss.  Gehört  die  letzte  Gruppe,  wie  auch  Ver- 
fasser zugiebt,  streng  genommen  nicht  zu  den  Volksliedern,  so 
finde  ich  ihre  Aufnahme  dennoch  gerechtfertigt  Sind  doch 
namentlich  die  weihnachtlich  -  religiösen  Gesänge  aufs  innigste  uii 
dem  Gemütslcben  des  Volkes  verwebt.  Ebenso  wenig  möchte 
ich  die  Erwähnung  der  Marseillaise  missen;  wenn  auch  sie, 
streng  genommen,  aus  dem  Rahmen  des  Volksliedes  heraustritt, 
so  gehört  sie  doch  zu  jenen  Kunstdichtungen,  die  innerhalb  einer 
gegebenen  Zeit  das  gesamte  Volk  beherrschen  und  deshalb,  nie 
wir  mit  glücklichem  Wort  und  feiner  Unterscheidung  sagen 
„volkstümlich"  geworden  sind.  Hören  wir  Tiersofs  inter- 
essante Erläuterung:  nach  ihm  ist  Rouget  de  Liste  als  ein 
letzter  (sie!)  Volksdichter  zu  betrachten,  dessen  Namen  wir  zu- 
fällig wissen.  Wie  jeder  echte  Volksdichter  gehörte  Rouget 
de  Lisle  zu  jenen,  welche  das,  was  an  Ideen  in  Wort  und  in 
Husik  seine  Zeit  erfüllt,  zusammengefaBst  nnd  zu  scharfer  Aus- 
prägung bringen ;  und  weil  er  eben  der  poetisch-musikalische  Aus- 
druck Beiner  Zeit  wurde,  deshalb  wurde  er  national  (d.  i.  volks- 
tümlich). 

Fassen  wir  das  Gesagte  kurz  zusammen,  so  stellt  sieh 
Tiersot's  Werk  als  ein  neuer,  wohlgelungener  Versuch  dar,  dem 
Kreise  der  Gebildeten  und  insbesondere  der  Gebildeten  seiner 
Heimat  einen  Gesamtüberblick  über  das  reiche  Gebiet  des  fran- 
zösischen Volksliedes  zu  geben.  Die  Hauptstärke  des  Werkes 
liegt  in  der  musikalischen  Durcharbeitung  des  gebotenen  Stoffes. 
Wenn  auch  in  der  Einleitung  der  Versuch  gemacht  wird,  die 
griechischen,  römischen  und  germanischen  Einflüsse  auf  die  Ebb- 


F.  Auler,  E.  Burgass,  A.  Küppers,  B.  Eggert,  R.  R&kr,  Der  Dialekt  etc.    155 

Wickelung  des  französischen  Volksliedes  nachzuweisen,  anderer- 
seits den  christlichen  Einfluss,  dem  es  unterlag,  so  ist  mit  dieser 
Einleitung,  die  vielversprechend  ist,  doch  nur  ein  Baustein  mehr 
zu  einer  Geschichte  des  französischen  Volksliedes  geliefert  worden. 
Diese  Aufgabe  ist  nach  wie  vor  noch  zu  lösen  und  die  Geschichte 
des  französischen  Volksliedes  wäre  ein  Gegenstand,  würdig 
einer  neuen  Preisaufgabe  für  die  Academie  des  Beaux-Arts. 

Wilh.  Scheffleb. 


Alller,  Franz,  Der  Dialekt  der  Provinzen  Orleanais  und  Perche  im 
XIII.  Jahrhundert.   Strassburg,  1889.  Dissert.   1618.8°. 

Burgass,  Ernst,  Darstellung  des  Dialektes  im  XIII.  sei.  in  den 
Departements  „Seine -Inf trieure  und  Eure  (Haute  Nor- 
mandie)"  auf  Ghrund  von  Urkunden  unter  gleichzeitiger 
Vergleichung  mit  dem  heutigen  Patois.  Halle,  1889. 
Dissertation.     83  8.  8°. 

Küppers,  Albert,  Über  die  Volkssprache  des  XIII.  Jahrhunderts 
in  Calvados  und  Orne  mit  Hinzuziehung  des  heute  dort  ge- 
bräuchlichen Patois.    Halle,  1889.  Dissertation.    54  S.  8°. 

Eggert,  Bruno,  Fntwickelung  der  normandischen  Mundart  im 
Departement  de  la  Manche.     Halle,  1889.     Dissertation. 

Roehr,  Reinhold,  Der  Vokalismus  des  Francischen  im  XIII. 
Jahrhundert.     Halle,  1888.     Dissertation.     47  S.  8°. 

Immer  kleiner  und  schmäler  wird  der  unbebaute  Teil  des 
noch  vor  zwei  Jahrzehnten  beinahe  gänzlich  brachliegenden 
Feldes  der  altfranzösischen  Dialektkunde.  Dank  der  Anregung, 
welche  den  Jüngern  der  romanischen  Wissenschaft  auf  unseren 
Universitäten  zu  teil  wird,  sind  besonders  in  den  letzten  Jahren 
eine  Reihe  verdienstlicher  Arbeiten  erschienen,  welche  unsere 
Kenntnis  der  mittelalterlichen  Mundarten  Nordfrankreichs  wesent- 
lich gefördert  haben. 

Die  Arbeit  von  Aul  er  über  den  Dialekt  von  Orleanais  und 
Perche  ist  mit  anerkennenswertem  Fleies  und  grosser  Gründlich- 
keit angefertigt.  Mit  einem  reichen  Kenntnisschatz  ausgerüstet, 
erkennt  er  mit  grossem  Geschick  den  phonetischen  Wert,  welcher 
den  mannigfachen  und  verschiedenen  graphischen  Darstellungen 
zu  Grunde  liegt.  Was  aber  der  Arbeit  hinsichtlich  ihres  wissen- 
schaftlichen Wertes  grossen  Eintrag  thut,  ist  der  Umstand,  dass 
der  Verfasser  sich  seine  Aufgabe  nicht  klar  vorgestellt  hat. 
Hätte  er  sich  begnügt,  eine  Laut-  und  Formenlehre  des  Roman 
de  la  Rose  in  übersichtlicher  Darstellung  mit  Weglassung  alles 
Nebensächlichen  zu  liefern,  so  wäre  das  schon  eine  verdienst- 
liche Arbeit  gewesen.     Statt  dessen  aber  glaubt  er  den  Dialekt 


Rtfcra 

\t  und  lU-.ens 

Ionen.     E.  Gftrlfch, 

156 

der  Provinzen  Orleanais  und  Perche  klar  zn  stellen,  indem  ei 
mit  Benutzung  einiger  weniger  Urkunden  aus  Baugency  die 
sprachlichen  Eigentum  liebkeiten  des  Roman  de  la  Rose  (circa 
22  000  Verse),  des  Ckastiemmt  des  Dame»  par  Robert  dt  Bio», 
der  Chroniow  mitrique  de  Guillaume  Ouiard  (20  640  Verse)  und 
der  Miradeu  de  Notre  Dame  de  Chartre»  behandelt  Dazu  hat 
er  noch  den  Roman  de  la  Poirc.  und  den  Roman  de  Foutaue  dt 
Candie,  zwei  Romane,  deren  Ursprung  er  nach  Chartrea,  resp. 
Orleanais  verlegt,  herangezogen.  Ob  mit  Recht  oder  Unrecht, 
lasse  ich  dahingestellt;  ans  seiner  Untersuchung  geht  es  nicht 
klar  hervor.  Um  den  Beweis  zu  liefern,  wäre  es  vor  Allem 
nötig  gewesen,  zunächst  die  Eigentümlichkeiten  der  von  ihm 
behandelten  Dialekte,  resp.  die  Stellung  zu  bestimmen,  welche 
die  Mundart  dieser  Gebiete  im  Verhältnis  zu  den  Nachbar 
dialekten  einnimmt.  Es  läset  sich  bei  dem  heutigen  Stand  der 
Dialektforschung  die  Hundart  eines  bestimmten  Sprachgebiet» 
nicht  feststellen,  ohne  dass  die  Spracherscbeinungen  der  Kachbar- 
dialekte berücksichtigt  werden.  Das  ist  ein  Mangel  in  der  Arbeil, 
der  sich  um  so  fühlbarer  macht,  als  der  Verfasser  versäumt 
hat,  die  Resultate  seiner  Untersuchung  Übersichtlich  zusammen- 
zustellen. Teilweise  begnügt  er  sich  damit,  für  einzelne  Laut- 
en twickelungen  nur  die  Belege  anzuführen,  sodass,  wer  die 
Arbeit  benutzen  will,  selbst  aus  den  gelieferten  Belegen  die 
Schlüsse  ziehen  muss.  Auch  ist  es  schade,  dass  der  Verfasser 
die  Untersuchungen  Über  die  Sprache  des  Livre  de»  Miraele»  dt 
Notre  Dame  de  Chartre»  von  Fcelster  (1885)  und  Napp  (1887) 
nicht  gekannt  hat;  er  hätte  sich  viel  Mtthe  ersparen  und  viel- 
leicht manchen  neuen  Gesichtspunkt  gewinnen  können,  zumal 
Napp  eine  Reihe  von  Urkunden  aus  Chartres  hat  benutzen 
können  und  in  einem  Anhang  „Textkritieche  Bemerkungen"  den 
ganzen  Text  revidiert  und  zahlreiche  glückliche  Emendationen 
geliefert  hat.  Überhaupt  macht  sich  öfter  in  der  Arbeit  mangel- 
hafte Kenntnis  der  einschlägigen  Litteratur  bemerkbar.  So  z.  B. 
enthält  das  Kapitel  über  die  Aussprache  von  oi,  über  die  Ent- 
wickelung  von  e  -f-  n  -f-  a  zu  eine  in  den  Patois  längst  Be- 
kanntes. Im  einzelnen  hätte  ich  manches  noch  an  der  Arbeit 
auszusetzen  (ich  vermisse  z.  B.  ganz  die  Entwickelnng  von  "aeqytre); 
doch  verfehlt  wäre  es,  mit  einer  Erstlings  arbeit  zu  streng  ins 
Gericht  zu  gehen.  Es  ist  ohne  Zweifel  eine  anerkennenswerte 
Leistung.  Der  Verfasser  zeigt  ein  grosses  Verständnis  in  der 
Auffassung  und  Erklärung  lautlicher  Erscheinungen.  Vielleicht 
unterzieht  er  sich  der  Mühe,  die  Resultate  seiner  Untersuchung 
übersichtlich  zusammenzustellen,  um  eine  leichtere  Benutzung  und 
Verwertung  seiner  Arbeit  zu  ermöglichen. 


F.Julcr,  E.  Burgass,  J.  Küppers,  B.  Egger t,  R.  R&hr,  Der  Dialekt  etc.    157 

Die  drei  folgenden  Arbeiten  von  Burgass,  Küppers  und 
Eggert  haben  zur  Aufgabe,  die  Volkssprache  der  Normandie  im 
XIII.  Jahrhundert  hinsichtlich  ihrer  Laut-  und  Formenlehre  dar- 
zustellen. In  der  Anlage  zeigen  die  Arbeiten  keinen  grossen 
Unterschied.  Vom  Lateinischen  ausgehend,  betrachten  sie  die 
Entwickelung  der  einzelnen  Laute  und  Lautgruppen  auf  grund 
mittelalterlicher  Texte  mit  gleichzeitiger  Berücksichtigung  der 
beutigen  Patois.  So  dankenswert  und  verdienstlich  auch  diese 
Untersuchungen  der  Mundart  der  einzelnen  Departements  ist,  so 
wäre  es  doch,  nach  meiner  Ansicht,  für  die  Wissenschaft  von 
grösserem  Nutzen  gewesen,  wenn  eine  einheitliche  Untersuchung 
dieses  Sprachgebietes  von  der  Hand  eines  Einzelnen  angestellt 
worden  wäre.  Die  vielfachen  Wiederholungen  wären  vermieden; 
dank  der  grösseren  Übersichtlichkeit  die  Eigentümlichkeiten  der 
Mundart  stärker  hervorgehoben,  und  die  Grenzen  der  einzelnen 
Entwickelungen  genauer  bestimmt  worden.  Dies  hätte  um  so 
leichter  geschehen  können,  als  das  Material,  das  zu  Gebote 
stand,  kein  allzu  grosses  war  und  leicht  bewältigt  werden  konnte. 
Bei  der  Regsamkeit  und  Schaffensfreudigkeit,  die  in  der  romani- 
schen Philologie  herrscht,  ist  es  nicht  leicht,  sich  in  den  ein- 
zelnen Gebieten  auf  dem  Laufenden  zu  halten;  beinahe  unmöglich 
ist  es,  alle  neu  erscheinenden  Abhandlungen  zu  lesen.  Deshalb 
ist  es  um  so  mehr  zu  wünschen,  dass  die  Benutzung  von  Spezial- 
untersuchungen durch  eine  übersichtliche  Zusammenstellung  der 
gewonnenen  Resultate  möglichst  erleichtert  werde.  Leider  haben 
Küppers  und  Burgass  dies  versäumt. 

Auch  erscheint  mir  die  Hinzuziehung  der  modernen  Patois 
in  solchen  Spezialuntersuchungen  von  nur  zweifelhaftem  Nutzen. 
Ich  verkenne  gewiss  nicht  den  grossen  Vorteil  des  Studiums  der 
Patois;  aber  dieses  Studium  muss  ein  wissenschaftliches  sein. 
Eine  solche  wissenschaftliche  Bearbeitung  der  Patois  kann  aber 
nur  auf  Grund  persönlicher,  an  Ort  und  Stelle  angestellter  Unter- 
suchungen erfolgen  und  zwar  von  phonetisch  gebildeten  und 
mit  der  historischen  Grammatik  vertrauten  Gelehrten.  Arbeiten, 
wie  die  von  Joref,  Horning  etc.,  werden  den  Abhandlungen 
über  die  älteren  Mundarten  die  grössten  Dienste  leisten.  Das 
zeitweilige  Heranziehen  aber  von  Patoisformen,  welche  gedruckten 
Texten  entnommen  sind,  kann  nur  von  geringem  Nutzen  sein. 
Denn  diese  wenigen,  zum  Vergleiche  herangezogenen  Formen 
geben  weder  ein  klares  Bild  von  den  Eigentümlichkeiten  der 
Patois,  noch  können  sie  eine  mittelalterliche  Spracherscheinung 
erklären,  weil  einmal  der  Lautwert  der  verschiedenen  graphischen 
Darstellungen  nicht  feststeht,  und  dann  auch  die  Entwickelung 
eines    und  desselben  mittelalterlichen   Lautes    in   den  Patois  oft 


156  Referate  und  Rezensionen.    E.  J.  tiroth, 

eine  so  mannigfache  und  verschiedene  ist,  das»  ee  schwer  in 
sagen  ist,  ob  in  dem  einzelnen  Falle  Überhaupt  die  Patoisforn 
eine  jüngere  Laut  stufe  des  mittelalterlichen  Lautes  repräsentiert. 

Auf  Einzelheiten  einzugehen,  würde  mich  zu  weit  führei. 
Die  Verfasser  sind  hinlänglich  vertraut  mit  den  neuesten  For- 
schungen auf  dem  Gebiete  der  alt-französischen  Laut-  und 
Formenlehre.  Gröbere  Versehen  kommen  nicht  vor.  Ein  be- 
sonderer Wert  der  drei  Arbeiten  liegt  darin,  dass  den  Verfassern 
eine  Reibe  bis  jetzt  nicht  veröffentlichter,  von  Herrn  Professor 
Suchier  in  den  Archiven  abgeschriebener  Urkunden  zur  Ver- 
fügung stand.  Burgass  benutzte  im  ganzen  sechzig  Urkunden  und 
zwei  Inschriften  aus  dem  XIII.  Jahrhundert.  Ich  vermisse  die  Be- 
nutzung der  Urkunden  aus  dem  Cartulaire  de  Vabbaye  royalt  dt 
Notre  Dame  de  Bon-Port  au  diociae  ctEvreux  p.  p.  Andrieux,  Evraa: 
1861,  welches  nach  meinen  Aufzeichnungen  eine  Anzahl  Urkunden 
aus  dem  Ende  des  XIII.  Jahrhunderts  (von  1280  an)  enthüll. 
Dass  von  Klipper'»  benutzte  Material  besteht  aus  32  Urkunden. 
Eggert  stand  ein  reichlicheres  Material  zu  Gebote;  ausser  einer 
grossen  Anzahl  (72)  von  Urkunden  zog  er  mehrere  mittelalter- 
liche Teste  in  den  Bereich  seiner  Untersuchung.  Doch  liegt 
erst  ein  Teil  seiner  Abhandlung  vor;  die  Arbeit  boII  in  erwei- 
terter und  vervollständigter  Form  in  der  Zeitschrift  ßir  rumä- 
nische Philologie  erscheinen.1) 

Koehr  will  in  seiner  Arbeit,  in  welcher  er  sich  auf  den 
Vokalisiiius  beschränkt,  die  1882  von  Metzke  in  Herrig's  Archiv 
gelieferte  Arbeit  berichtigen  und  erweitern.  Ob  ihm  dies  ge- 
lungen, möchte  ich  bezweifeln.  Mir  scheint  es,  als  ob  Roehr 
ebensowenig  wie  Metzke  zu  positiven  Resultaten  gekommen  ist; 
auch  er  ist  nicht  im  stände,  irgend  welche  charakteristische 
Eigentümlichkeiten  der  Francischen  Mundart  anzugeben.  Metzke'i 
Arbeit,  wenn  sie  anch  nicht  frei  von  Irrtümern  ist,  war  eint 
sehr  anerkennenswerte  Leistung  und  hat  uns  vielfache  und  sehr 
erwünschte  Aufklärung  gebracht.  —  Vor  allem  kommt  es  bei 
der  Bearbeitung  der  Mundart  der  1  sie -de -France,  die  so  mannig- 
fachen Einflüssen  von  Aussen  unterworfen  war,  auf  die  Berück- 
sichtigung und  Kenntnis  der  Nachbardialekte  an.  Ohne  dies  ist 
eine  klare  und  gründliche  Untersuchung  dieser  Mundart  unmöglich. 
Diese  Berücksichtigung  der  Nachbardialekte  ist  bei  Metzke  unr 
eine  mangelhafte,  aber  auch  bei  Roehr.  Er  beschränkt  sich  inf 
die  Heranziehung  der  nördlichen  nnd  östlichen  Mundarten;  die 
unmittelbar  westlich   nnd   südlich   angrenzenden  Dialekte  wurden 

!)  Die  Arbeit  Egger'a  liegt  jetzt  vollständig  vor  in  Ztckr.  f, 
Tom.  IM.  XIII,  S/4  8.  353—408. 


/.  Vising,  Les  DebuU  du  Style  Francis.  169 

gar  nicht  berücksichtigt;  und  doch  fehlte  es  eigentlich  nicht  an 
Hilfsmitte  Id.  Daher  kommt  es,  dass  der  Verfasser  oft  geneigt 
ist,  fremden  Einfluss  da  anzunehmen,  wo  nach  meiner  Ansicht 
ganz  gnt  einheimische  Entwickelung  vorliegen  kann:  taut/  und 
aus  =  illo8;  aige  =  aticum:  (e  für  iee;  ei  in  lettre;  vieut,  sieut 
wozu  vielt  Urk.  aus  Chartres,  viaut  Urk.  aus  Bens  und  Nevers, 
viaut  Rom.  de  la  Rose  etc.  zu  vergleichen  war.  Die  Grenze 
für  gewisse  einzelne  Lauterscheinungen,  die  bis  jetzt  dem  öst- 
lichen Sprachgebiet  zugeschrieben  wurden,  ist  weiter  nach  Westen 
zu  setzen.  Wesentlich  Neues  habe  ich  in  der  Abhandlung  von 
Roehr  nicht  gefunden.  E.  Goeblich. 


Vising,  Jonan,  Jjes  DSbuts  du  Style  Fran$ais.  [In:  Recueil  de 
memoire*  philologiques  prisenti  ä  M.  Gaston  Paris  par 
ses  eleves  suidois  le  9  aoüt  1889  ä  Voccassion  de  son 
ctnquantihne  anniversaire.  Stockholm,  1889.  Imprimerie 
Centrale.] 

Der  Verfasser  giebt  uns  in  der  vorliegenden  Arbeit  auf 
35  8eiten  einen  knappen,  aber  vortrefflichen  Überblick  Über  die 
Geschichte  des  altfranzösischen  Styls  von  der  heiligen  Eulalia 
bis  zu  Villehardouin.  Er  prüft  zuerst  den  Wortreichtum  der 
vier  religiösen  Dichtungen:  Eulalia,  Leodegar,  der  Passion  and 
Alexis  und  findet  schon  hier  eine  Reihe  bezeichnender  Synonyma 
wie:  femme  und  muüery  asembler  und  aduner,  demander,  preier 
und  rover  u.  s.  w.,  er  hebt  die  rein  lateinischen,  die  halb- 
lateinischen-.und  germanischen  Bestandteile  hervor,  die  jene 
ersten  Dichtungen  durchziehen  und  eine  neue  Sprache  zu  bilden 
beginnen:  Vexacte  expression  linguistique  de  la  fusion  des  Gallo- 
Romains  et  des  Germains.  Die  Syntax  der  ersten  Denkmäler 
ist  höchst  einfach;  von  einer  kunstvollen  Satzbildung  kann  keine 
Rede  sein;  die  Tempora  wechseln  oft  ohne  Grund,  Satzteile 
werden  wiederholt,  wo  es  nicht  nötig  ist,  der  Periodenbau  ist 
zuweilen  mangelhaft,  der  Gebrauch  der  Konjunktionen  noch  sehr 
eingeschränkt. 

Ebenso  ausführlich  prüft  Vising  die  Rhetorik  der  genannten 
Überlieferungen,  wobei  ihm  eingehende  Vorarbeiten  nicht  zu 
Gebote  standen;  er  geht  näher  ein  auf  das  Asyndeton,  das 
Polysyndeton,  auf  die  Ellipse  und  die  Wiederholung,  auf  die 
Steigerung  und  den  Parallelismus,  auf  die  Metonymie  und  Synek- 
doche, auf  die  Metaphern,  den  Ausruf,  die  Sentenz,  die  Be- 
schreibung, die  Antithese,  den  Vergleich,  die  Hyperbel,  die 
Apostrophe    und   die  Personifikation.     Vom   XI.  Jahrhundert   ab 


160  Referate  und  Rezensionen.     W,  Aitmann. 

treten  die  religiöser)  Stoffe  in  der  altfranzitsi sehen  Literatur 
immer  mehr  zurück  and  überlassen  das  Feld  dem  heroischen 
Epos;  damit  erhält  auch  der  poetische  Styl  eine  ganz  andere 
Physiognomie.  Vising  geht  nun  auf  den  Wortschatz  und  die 
Syntax  des  Rolandsliedes  ein  und  giebt  auf  grund  einer  Arbeit 
des  Referenten:  Vergleich  zwischen  der  Rhetorik  im  aüfranzösiseiust 
Rolandslied  und  in  Karle  Pilgerfahrt  ein  Resume  der  dlrin 
gefundenen  Ergehnisse  hinsichtlich  der  Stylentwickelung.  Der 
folgende  Abschnitt  fuhrt  von  der  Volksdichtung  zur  Kunstpoesie 
und  beschäftigt  sich  mit  Grestien  de  Troies;  hier  verweist  der 
Verfasser  mit  Recht  auf  Grosse's  gediegene  Arbeit.  In  au- 
fllhrlicher  und  lehrreicher  Weise  wendet  sich  Vising  im  letzten 
Kapitel  seiner  Schrift  dem  Prosawerke  Villehardouin's  zu  und 
kommt  zu  dem  bemerkenswerten  Resultat,  dass  Villehardooin 
seinen  Stil  nicht,  wie  gewöhnlich  die  Ansicht  ist,  aus  der  Schule 
der  Jongleurs  entliehen  haben  könne,  da  sein  Styl  im  schärfsten 
Gegensatz  zu  der  Redeweise  der  ehansons  de  geste  stehe.  Die 
prosaischen  Übersetzungen  vor  Villebardouin  haben  ebensoviel 
zu  Villehardouin's  Styl  beigetragen  wie  die  poetischen  Sprach- 
denkmäler. En  general,  on  peut  dirt  que  le  style  de  VüUhar- 
douin,  tout  en  se  distinguant  par  sa  clarti,  fait  voir  un  difavl 
eomplet  de  Variation,  de  pricision,  d'iUgance,  enfin  de  toulu 
les  qualites  (Tun  style  cultive.  Loin  de  nous  de  le  lui  tmputtr 
ä  bläme;  au  contraire  e'est  le  caractire  absolument  prvmitif  ie 
»on  style  qui  en  fait  le  charme.  (Test  ainsi  qu'un  brave  gutrrier, 
komme  de  bien  et  kommt  de  caur,  doit  raconter  des  exploits  gu' 
itaient  „se  merveüle  now".  La  grandeur  des  faits  mariee  ä  la 
simpliciti  de  Fexposition,  voilil  la  poisie  de  Villehardouin.  Die 
elegant  geschriebene  und  interessante  Arbeit  Vising'B  verdient 
Beifall  und  Anerkennung. 

Eenbt  Joh.  Grotb. 


Ehering,  Emil,  Bibliographisch-kritischer  Anzeiger  für  romanisehe 
Sprachen  und  Litteraturen.  Herausgegeben  vom  Biblio- 
graphischen Bureau  in  Berlin.  Erscheint  am  15.  jeden 
Monats,  die  Bibliographie  des  vorhergehenden  Monats 
enthaltend.  Neue  Folge.  I.Band.  1889.  Heft  1—9 
(Januar — September).  Berlin,  Richard  Heinrich.  8". 
Preis  pro  Semester  6  Mk. 

Ein  ganz  vortreffliches  wissenschaftliches  Hilfsmittel,  dem 
man  nur  weite  Verbreitung  wünschen  kann,  das  hoffentlieh  dank 
der  Teilnahme  der  Fachgenossen  sich  keines  kurzen  Daseins  zu 


E.  Ehering,  BibUographisch-kritucher  Anzeiger  etc.  161 

erfreuen    hat    und    hoffentlich    immer   recht  pünktlich  erscheint. 
Die  Anordnung  ist  folgende: 

A.  Allgemeine  Sprachwissenschaft  (Allgemeine  und  ver- 
gleichende Litterator  etc.).  1.  Bibliographie.  2.  Encyklopädie. 
3.  Zeitschriften.  4.  Grammatik.  5.  Literaturgeschichte,  Poetik. 
6.  Pädagogik.  Unterricht  7.  Folklore,  Mythologie.  8.  Hilfs- 
wissenschaften (Allgemeine  und  vergleichende  Geschichte,  Anthro- 
pologie, Philosophie  etc.). 

B.  Nicht- romanische  Sprachen  und  Litteraturen  in  Be- 
siehung mit  romanischen  Sprachen.  I.  Lateinisch  (l.  Litteratur. 
a)  Literaturgeschichte;  b)  Ausgaben  und  Erläuterungsschriften. 
2.  Sprachwissenschaft,  a)  Grammatik;  b)  Lexikographie.  3.  Hilfs- 
wissenschaften). II.  Keltisch.  III.  Altitalisch.  IV.  Baskisch. 
V.  Germanisch,    a)  Englisch;  b)  Deutsch.    VI.  Varia:  Slavisch  etc. 

C.  Romanische  Sprachen  und  Litteraturen. 

Romanisch  im  Allgemeinen.  1.  Encyklopädie.  2.  Zeit- 
schriften.    3.    Litteratur.     4.    Sprachwissenschaft. 

I.  Italiano.  II.  Ladino.  III.  Francis.  IV.  Provengal. 
V.   Catalan.     VI.    Kapanol.     VII.    Portuguez.     VIII.    Roman. 

Jede  dieser  Abteilung  ist  je  nach  dem  Bedürfnis  in  eine 
mehr  oder  minder  grosse  Zahl  von  Unterabteilungen  ähnlich  wie 
A  gegliedert;  die  französische  in  folgende:  1»  Bibliographie. 
2.  Pöriodiques.  3.  Litterature.  a)  Histoire  litteraire.  b)  Editions 
et  Monographies  (a.  Collections;  ß.  Anonymes;  y.  Auteurs), 
c)  Litterature  contemporaine.  d)  Traductions  frangaises.  4.  Philo- 
logie,    a)  Histoire  de  la  langue.     Diabetologie,     b)  Grammaire. 

c)  Lexikographie.      5.    Enseignement.      Li  vre  s    d'enseignement 
A  l'u8age   a)   des  Francis,   b)   des  Italiens,   c)  des  Allemands, 

d)  des  Anglais.     6.  Folklore.     7.  Sciences  auxiliaires. 

Soweit  ich  sehe,  scheint  Vollzähligkeit  in  Bezug  auf  Bücher, 
Universitäts-  und  Schulschriften,  sowie  auf  die  in  den  Fach- 
zeitschriften enthaltenen  Abhandlungen,  Anzeigen  und  Rezensionen 
nicht  blos  angestrebt,  sondern  auch  wirklich  erreicht  zu  sein;1) 
doch  sind,  wie  man  nach  dem  Titel  erwarten  sollte,  in  den  ein- 
zelnen Monatsheften  nicht  immer  alle  die  Erscheinungen  ver- 
zeichnet, welche  das  Börsenblatt  für  den  deutschen  Buchhandel 
als  in  dem  betreffenden  Monate  veröffentlicht  angiebt  Doch  gebe 
ich  gern  zu,  dass  dies  beinahe  unmöglich  ist,  wenn  das  betreffende 
Heft  schon  zum  15.  des  nächsten  Monats  erscheinen  soll.  Manche 
Werke  werden  übrigens  erst  verzeichnet,  wenn  dem  Herausgeber 
bereits   die   erste  Rezension  zu  Gesicht  gekommen  ist,   so  z.  B. 


l)  Inbezug  auf  Vollständigkeit  der  Abteilungen  A  und  B  scheint 
mir  mitunter  etwas  zu  weit  gegangen  zu  sein. 

Ztthr.  t  tn.  Spr.  o.  Litt.    LUX  jj 


Hefrate  und  frlWUMHI«      W.  Altmann, 


die  No,  1800  (wo  übrigens  (kr  Vermerk  felilt,  dass  die  ersten 
Bogen  als  Broslaiier  Dissertation  erschienen  sind),  1868.  Die« 
gilt  auch  von  No.  Iö43;  die  daselbst  gleichzeitig  angeführt* 
Rezension  steht  erst  in  dem  Hefte,  das. die  September-Biblio- 
graphie enthalt,  trotzdem  sie  in  der  Nummer  der  Deutschen 
Litteraturzeitung  vom  15.  Juni  gebracht  worden  ist  Weder  im 
Juli-,  noch  im  August-,  noch  im  Septemberhefte  finde  ich  die 
Besprechung  von  Seehnann's  Bibliographie  des  alijr  amusische* 
Rolandliedes  durch  Golther  [Deutsche  J.itteraturzeitung  vom  1 3.  Juli], 
welche  wegen  einiger  daselbst  gegebenen  Nachträge  sicherlich 
angeführt  werden  musste;  wahrscheinlich  steht  sie  erst  in  dem 
Oktober-  oder  Nov eroberhefte.  —  Jedem  Hefte  ist  ein  Register 
beigegeben.  Die  Titelangaben  sind  durchweg  bibliographisch 
genau;  Druckfehler  scheinen  fast  gänzlich  zu  mangeln;  aufgefallen 
ist  mir  nur  im  Register  des  April-Maj-Heftes,  dass  bei  Antoni- 
Traversi  statt  768  fälschlich  767  gedruckt  ist  Bemerkt  lei 
schliesslich  noch,  dass  gleichzeitig  eine  französische  Ausgibt 
dieses  Anzeigers  in  Paris  bei  Welter  und  eine  italienische  bei 
Löscher  in  Turin  erscheinen.  Wilh.  Alt  man«. 


Rlnssmann,  Rudolf,  Systematisches  Verzeichnis  der  Abhandlungen, 
welche  in  den  Schulschriften  sämtlicher  an  dem  Programm- 
tausche  teilnehmenden  Lehranstalten  von  Jahre  1876  Int 
1885  erschienen  sind.  Nebst  zwei  Registern.  Leipzig, 
B.  G.  Tenhner.     1889.     VIH,  315  S.     8°. 

FUr  die  Leser  dieser  Zeitschrift  durfte  ein  kurzer  Hinweis 
anf  vorstehende  Veröffentlichung  nicht  ohne  Interesse  sein.  8« 
mancher  durfte,  wenn  er  dieses  Verzeichnis  zur  Hand  nimmt, 
auf  die  eine  oder  andere  Abhandlung  atossen,  die  für  seine 
Studienzwecke  in  Betracht  kommt  und  ihm  bisher  unbekannt  ge- 
blieben ist.  Die  auf  den  Unterriebt  in  der  französischen  Sprache 
und  Litteratur  bezüglichen  Abhandlungen  sind  auf  S.  21 — 23 
verzeichnet;  ee  sind  im  ganzen  44  Nummern.  Abhandinngen, 
welche  sich  mit  französischer  Sprache  (Grammatik)  im  allgemeinen 
beschäftigen  (S.  76  —  78),  werden  27  namhaft  gemacht,  dem 
Sprachgebrauch  besonderer  Dialekte  und  Schriftsteller  gewidmete 
nur  2  (S.  78),  Weit  zahlreicher  sind  die  Abhandlungen,  in 
welchen  Themen  aus  der  französischen  Litte raturge schiebte  be- 
handelt werden;  auf  die  altfranzösische  entfallen  20  Nummern 
(S.  194 — 195),  darunter  3  auf  das  Rolandlied,  2  auf  Aucassin 
und  Nicolete,  4  auf  Comines.  Hervorgehoben  seien  auch  die 
3    sämtlich     aus    bairischen    Anstalten     herrührenden    Ausgaben, 


/.  Jastrow,  Jahresbericht  der  Geschichtswissenschaft.  163 

welche  darunter  sind:  Der  Pseudo -Turpin  in  aüfranzösischer 
Übersetzung  (München,  Maximilians-Gymnasium  1876),  Li  Lais  de 
Lanval  von  Marie  de  France  (Kempten  1883)  und  Li  Miserere 
von  Reclus  de  Mollens  (Landshut  1882).  Auf  die  neufranzösische 
Litteratur  entfällt  die  stattliche  Zahl  von  90  Nummern  (S.  195 
bis  199),  davon  kommen  auf  Moltere  9,  auf  Corneille  und  Voltaire 
je  7,  auf  Racine  6,  auf  Boileau  5,  auf  Beranger,  Chenier,  Regnier 
und  Rousseau  je  3  Nummern.  —  Die  Kopien  der  Titel  sind 
durchaus  zuverlässig;  bei  jeder  Abhandlung  ist  auch  die  Seiten- 
zahl und  das  Format  angegeben.  Das  Ortsverzeichnis  ermöglicht 
es,  Abhandlungen,  deren  Autoren  einem  zufällig  nicht  gegenwärtig 
sind,  wenn  man  die  Anstalt  weiss,  ohne  weiteres  zu  finden.  Sehr 
willkommen  ist  aber  vor  allem  das  alphabetische  Verzeichnis  der 
Autoren.  Kleine  Versehen  (vgl.  Deutsche  Litteraturzeitung  1890, 
S.  85  f.)  sind  doch  zuweilen  untergelaufen.  S.  299  steht  Knaacke, 
Friedr.  fälschlich  für  Knaake,  S.  58  u.  (Reg.)  S.  308  ist  Schäfer, 
Julius  als  Verf.  zu  streichen:  die  Arbeit  rührt,  wie  sich  aus  S.  4 
des  betreffenden  Programms*  ergiebt,  von  Fr.  Max  Schilling  her. 
S.  314  steht  Wentzel,  Joh.  Georg  fälschlich  für  Wenzel. 

Wilh.  Altmann. 


Jastrow,  J.,  Jahresberichte  der  Geschichtswissenschaft,  im  Auf- 
trage der  Historischen  Gesellschaft  zu  Berlin  heraus- 
gegeben. 9.  Jahrg.  1886.  10.  Jahrg.  1887.  Berlin  1889. 
R.  Gärtner  (H.  Heyfelder).     8°. 

Auch  in  dieser  Zeitschrift  soll  ein  kurzer  Hinweis  auf  vor- 
stehende, als  äusserst  nützlich  von  den  Kritikern  allgemein  an- 
erkannte Publikation  nicht  fehlen,  da  darin  über  die  französische 
Geschichte,  und  zwar  über  die  des  Mittelalters  durch  Desplanque 
in  Paris,  über  die  der  Neuzeit  durch  A.  Waddington  in  Lyon, 
in  recht  ausführlicher  Weise,  übrigens  in  französischer  Sprache, 
berichtet  ist.  Auch  der  Sprachforscher  wird  diese  Referate  mit 
grossem  Interesse  lesen  und  aus  der  Fülle  der  Nachrichten  über 
die  Publikationen  von  Denkmälern  und  Urkunden  so  manche 
seine  Studien  berührende  Notiz  finden,  die  ihm  sonst  entgangen 
wäre.  Besonders  hervorgehoben  sei,  dass  auch  die  Provinzial- 
geschichte  gebührend  berücksichtigt  ist.  Schon  ein  flüchtiger 
Blick  in  die  beiden  vorliegenden  Jahrgänge  wird  den  Lehrer  der 
französischen  Sprache  davon  überzeugen,  dass  er  fast  ebenso 
sehr  wie  der  Historiker  wünschen  muss,  dass  diese  Publikation 
für  die  Anstalts-Bibliothek  erworben  wird. 

Wilh.  Altmann. 


ir 


Referate  und  Rezensionen.     W.  Mangold, 

.  Zarich,  1889.  Schmidt 


Trotz,  des  deutschen  Titels  ist  diese  Syntax  franzöeisch  geschrieben-, 
sie  enthält  dazu,  was  der  Titel  auch  nicht  ahnen  läset,  den  grSatten 
Teil  der  Formenlehre,  mit  Ausschluss  des  refrei  massigen  Verbs  and 
anderer  elementarer  Dinge.  Der  ganze  Lehrgang  ist  in  59  Lecone  nach 
den  Redeteilen  eingeteilt.  Ich  habe  mich  in  der  Vorrede  in  meiner 
eignen  Grammatik  (Berlin.  Springer  1889)  bereits  darüber  ausgesprochen, 
warum  ich  eine  Einteilung  der  Syntax  nach  Satzteilen  für  richtiger 
halte,  und  die  Hehrheit  meiner  Rezensenten  hat  mir  zugestimmt,  Schon 
diese  Einteilung  ist  im  stände,  eine  bessere  grsmmatische  Einsicht  tu 
erzeugen.  Davon  abgesehen  aber  sollte  man  doch  auch  bei  einer  anderen 
Einteilung  der  Syntax  vor  allen  Dingen  danach  trachten,  dem  Schüler 
eine  Einsicht  in  die  Grundprinzipien  der  einzelnen  syntaktischen  Kapitel 
zu  gewähren.  Aus  der  Fülle  der  Einzelheiten  zum  Prinzip  aufgestiegen, 
wird  er  an  diesem  Prinzip  einen  sichreren  Führer  haben  als  an  allzuviel«] 
ins  einzelne  sich  verlierenden  kleinen  Regeln.  In  vorliegendem  Lehr- 
gang vermisse  ich  die  allgemeinen  Prinzipien,  historische  wie  logische; 
er  zerfällt  alles  in  515  kleine,  oft  nur  äusserlich  mit  einander  verbanden« 
Rpgetn.  Kein  Prinzip  für  den  Artikel,  keines  für  den  Konjunktiv,  keine« 
für  die  Präposition  n.  s.  w. !  Charakteristisch  ist  schon  der  erat«  Satz  diesei 
Lehrgangs;  1}  L'article  defini  s' emploie  devant  certains  noms  propra 
Italiens:  le  Tasse,  du  Tasse,  au  Tasse,  conlre  le  Tasse,  etc.;  le  Dank 
u.  s.  w.  Ganz  abgesehen  davon,  dase  neuerdinge  die  Formen  Tano  und 
Dante  in  der  Litteratur  sogar  zu  überwiegen  scheinen,  ist  ein  solcher  An- 
fang mit  einer  derartig  entlegenen  Einzelheit  doch  überaus  befremdend. 
Ohne  logische  Ordnung  geht  es  weiter;  2)  Devant  le  nom  de  eertamet 
vitles  u.  s.  w.  8}  Devant  ks  noms  des  points  cardinatuc  u.  s.  w, 
4)  Apres  le  mot  donf  (dessen,  deren).  5)  Avec  les  ntots  Madame  a 
MademoiseUe  precedäs  it'un  adjeetif  u.  e.  w.  6)  Avec  les  noms  propra 
masculins  de  fleuves"  u.  s.  w.  —  In  derselben  Weise  sind  alle  Regeln 
dieser  Grammatik  ausser  Lieh  aneinander  gereiht.  Noch  zwei  Beispiels 
zum  weiteren  Beweise;  360)  Un  emploie  le  subjonctif  apres  les  Ioew 
Hont  quelque  ....  que,  quel  que,  qui  que  u.  s.  w.  861)  Apres  les  cox- 
jonetions  afin  que,  ä  moms  que  ...  ne,  avant  que,  bien  qve,  am  cos  fax, 
eneore  que"  u.  s.  w.  (nicht  einmal  afin  que  and  pour  que,  noch  bien  gut 
und  quoique  stehen  nebeneinander;  die  letzteren  folgen  erst  hier).  363)  Aprä 
les  conjonetions  que,  de  moniere  que,  de  sorte  qve  n.  s.  w.  —  Unter  35! 
ist  u.  a.  desirer  als  Verbum  des  Willens  und  Wunsche«,  in  354  n.  a 
souhaiter  als  Verbum  der  Gemütsbewegung,  dazwischen  aber  (358)  sind 
die  Verben  des  Zweifels  behandelt. 

Die  Fassung  der  Regeln  ist  im  allgemeinen  klar,  aber  oft  un- 
richtig und  meist  äusserlich.  Wir  sind  längst  gewohnt  zu  sagen,  Asm 
die  pronominalen  Objekte  nicht  beim  Imperativ,  sondern  beim  bejahen- 
den Imperativ  nachstehen.  Hier  aber  heieat  es:  „Mais  lorsque  le  verbe 
se  tronve  ä  Fimperatif  ils  le  suivenf  u.  s  w.,  und  dann  wird  fort- 
gefahren: „Remarque.  Cependanl  lorsque  Fimperatif  est  employe '  negaü- 
Dement  les  pronoms  le  pre'cidcnt"  u.  s.  w.  Eine  solche  Begelfaseung 
halte  ich  für  unerlaubt;  denn  die  nachträgliche  „Bemerkung"  gibt  keine 
vereinzelte  Ausnahme,  sondern  hebt  die  Regel  für  die  Hälfte  der  Fälle 
auf,  eo  dass  sie  eben  keine  Regel  mehr  ist.  Aue  demselben  Grunde  ist 
falsch:  „On  emploie  le  subjonctif:  355)  apres  les  verbes  emploj/e's  ndgative- 
ment"  und  356)  „apres  les  verbes  employes  mterrooativemenf".  In  beiden 
Fällen  muee  eine  Remarque  mit  oependant  den  Fehler  wieder  verbessern. 


Gio.  Meli,  Lehrgang  der  französischen  Syntax.  165 

So  auch  bei  der  Apposition  falschlich,  wiewohl  durch  Platz  in 
gewissem  Sinne  geheiligt:  On  supprime  Carticle  de'fini  dans  fapposition 
etc.  Remarque.  On  le  met  cependant  lorsou'on  veut  faire  ressortir  le 
substantif.  Das  Richtige  ist,  dass  die  Apposition  eben  so  oft  den  Artikel 
als  keinen  Artikel  hat,  und  deshalb  ist  es  verkehrt,  dem  Schüler  auf  der 
unteren  8tnfe  die  allerdings  sehr  bequeme  aber  falsche  Regel  zu  geben, 
dass  die  Apposition  ohne  Artikel  stehe.  Die  richtige  Eineicht  gewinnt 
der  Schüler  aus  dem  Prinzip  des  Artikels,  welcher  stets  individualisiert. 
Soll  also  individualisiert  werden,  so  steht  auch  in  der  Apposition  der 
Artikel,  wird  mehr  qualifiziert  oder  prädiziert,  so  steht  er  nicht. 

Wohin  das  Fehlen  des  Prinzips  führt,  geht  aus  dem  Schlüsse  der 
beiden  ersten  Lektionen  des  vorliegenden  Lehrgangs  hervor  —  bei  PloBtz 
ist  die  Sache  nicht  besser  behandelt.  Hier  handelt  es  sich  um  Redens- 
arten, die  den  Artikel  haben  oder  nicht  haben.  Aus  den  15  —  20  Bei- 
spielen ohne  Artikel  kann  der  Schüler  aber  unmöglich  erraten,  dass  es 
sich  hier  um  viele  hunderte  von  Ausdrücken  handelt.  Bei  einem  so  weit 
verbreiteten  Gebrauche  genügt  es  eben  nicht,  sich  mit  einem  dans 
ptusieurs  locutions  abzufinden. 

Auch  bei  der  Stellung  des  Adjektivs  fehlt  das  sachlich  allgemeine 
Prinzip  der  Vor-  und  Nachstellung;  dem  Verfasser  ist  die  Länge  des 
Adjektivs  noch  massgebend.  97)  Quand  ils  ont  moins  de  syUabes  que 
le  notn.  102  a)  Quand  ils  sont  plus  longs  que  le  nom.  Hiernach 
wftre.  das  gleich  darauf  folgende  Beispiel  ces  gemissantes  voix  schon  nicht 
richtig,  geschweige  denn  tausend  andere  Fälle  der  Voranstellung,  die 
auch  der  Verfasser  sehr  gut  kennt,  wenn  er  sagt:  101  e)  Quand  on  veut 
danner  plus  de  rapidite  ä  la  phraseu  u.  s.  w.  Man  soll  eben  keine  Regel 
aufstellen,  die  durch  eine  andre  aufgehoben  wird.  Falsch  ist  auch  die 
Regel  über  die  Nachstellung  der  Adjektiva:  105  d)  Quand  ils  sont  pre- 
etiles  a^un  adverbe,  als  ob  un  si  brave  komme,  un  tres-bon  goüt  u.  s.  w. 
unmöglich  wären.  Hier  vergisat  der  Verfasser  sogar,  die  Einschränkung 
zuzufügen. 

Ich  kann  nicht  alle  Fälle  hier  anführen,  in  welchen  ich  mit  der 
Fassung  der  Regeln  nicht  übereinstimme,  ich  möchte  nur  noch  einige 
anführen,  um  meine  Ansicht  noch  besser  zu  begründen.  337)  Lim- 
parfait  sert  donc  ä  exprimer  deux  (?)  ou  plusiettrs  (?)  actions  qui 
ont  Heu  (?)  simultanetnent ;  tandis  que  le  passe  de'fini  sert  ä  exprimer 
deux  (?)  ou  plusieurs  (?)  actions  qui  ont  eu  Heu  simultanetnent  (?). 
Diese    Regel    ist   gänzlich   verfehlt.    —    162)   Les  pronoms   per  sonneis 

emptoye's  comme  sujels  se  metteni  apres  le  verbe dans  les  phrases 

exclamativesu  ist  falsch;  denn  Que  de  Services  il  m*a  rendusf  ist  nichts 
ungewöhnliches.  —  101)  Mais  quand  le  sujet  designe  une  chose  ou  un 
animal,  on  emploie  soi,  mdme  avec  des  noms  delermine's.  Diese  Regel 
ist  unrichtig  gefasst,  denn  lui,  eile  u.  s.  w.  sind  hier  mindestens  ebenso 
gebräuchlich,  wie  mir  scheint,  sogar  gebräuchlicher  als  soi.  La  guerre 
entratne  avec  eile  bien  des  maux  und  ähnliche  Beispiele  mögen  zum  Be- 
lege dienen.  —  116)  Quand  le  pr emier  membre  dune  comparaison  est 
afprmatif,  le  verbe  du  second  membre  prend  la  negation  ne.  Auch  nach 
negativem  Hauptsatz  steht  ne,  was  der  Verfasser  verneint;  vergl.  Lücking, 
S.  300:  Je  ne  me  soucie  pas  plus  de  lui  qu'il  ne  se  soucie  de  tnoi.  — 
178)  Le  mot  le  (es)  se  rapportant  ä  un  substantif  ou  ä  un  adjeetif  pris 
substanlivement,  est  variable.  179)  Le  mot  le  (es)  se  rapportant  ä  un 
substantif  ou  ä  un  adjeetif  pris  substanlivement,  est  variable.  .  .  .  179)  Le 
mot  le  (es)  se  rapportant  ä  un  adjeetif  ou  ä  un  substantif  pris  adjeetive- 
ment  est  in  variable. u  So  einfach  und  klar  diese  Regel  ist,  so  konnte  ich 
mich    doch  nicht  für  sie  begeistern.    Denn  reine  in  ites-vous  reine?  für 


166  Referate  und  Rezensionen.     E.  Pariselle. 

ein  adjektiviertes  Substantiv  zu  erklären,  ist  mir  zu  kflbn,  und  du  ..sub- 
stantivierte Adjektiv'  des  ersten  Teils  der  Regel  ist  nur  der  Gleich' 
förmigkeit  wegen  hinzugesetzt.  In  den  zugefügten  Beispielen  ist  kern 
substantiviertes  Adjektiv  zu  rinden,  wenn  man  nicht  depule'  für  ein  solches 
halten  will.  —  123)  wird  dans  Celle  affaire,  dam  son  travaii  für  Regime 
erklart.  — 

Verkehrt  ist  folgende  Regel:  394)  Le  partidpe  passe,  pre'cede  de 
en,  est  invariable,  si  le  pronom  e  n  figure  comme  cnmplement  indireet .... 
J'ai  vu  des  fleurs  et  fen  ai  cueilli  .  .  .  395)  Mais  lorsgue  le  ntot  en  est 
pre'cede  dun  complement  direct,  k  partieipe  est  variable:  .  .  .  J'ai  ett <n 
jardin;  voita  les  fleurs  que  fen  ai  rapporte'es,  —  170)  Remargue.  April 
Cimperatif  le  complement  direct  pre'cede  le  complement  indireet:  icrnez- 
le-leur  u.  s.  w.  Diese  gewöhnliche  Rege!  stimmt  nicht  überall,  wenigsten 
nicht  für  nous  und  vous,  wie  aus  Tenez-vous-le  pour  dit  und  au 
Mignets:  Livrez-twtts-tes  hervorgeht..  —  Die  im  folgenden  als  Exceptio 
gegebenen  Rends-y-toi,  menes-y-moi"  u.  s.  w.  sind  nach  der  Acade'mie  tn 
vermeiden.  —  203)  Der  Unterschied  von  ce  und  ii  vor  itre  soll  darin 
bestehen,  d&ss  ersteres  steht:  s'il  est  gurslion  dune  chose  connue  und  il, 
au  contraire:  guanit  il  s'agil  dune  chose  iiuUlermme'e.  Dies  ist  nicht 
richtig,  wie  z.  B.  aus  fest  assez  que  nous  soyez  averti  und  Ceti  un  mal 
gue  vous  n'ayez  pas  ecrit  plutöt  celte  lettre.  Wenig  der  Sachlage  ent- 
sprechend ist  die  Regel  zu  Ce  gue  fai  vu  de  plus  beau  etc.  ausgedrückt, 
wenn  der  Verf.  sagt:  Le  supertatif  employe  subslantivement  en  allemani 
se  reud  en  /ranfais  au  tuoyen  des  mots  ce  gue  .  .  .  de  plus  ou  it 
moins?  re'unis  par  le  verbe  y  avoir,  si  ta  propositicn  n'offri  Mt 
tfautre  verbe,  et  suivis  de  poaHf*.  Erst  noch  längerem  Nachdenken 
kann  man  verstehen,  was  dos  alles  heisseu  soll.  Nun  gilt  aber  dieselbe 
Konstruktion  nicht  blos  vom  Superlativ  (hier  „plus  und  moins  mit  Potitif* 
genannt),  sondern  wie  die  folgende  ftemarque  zeigt,  auch  vom  Positii: 
Ce  gu'U  y  a  de  bon  u.  s.  w.  Die  ganze  Erscheinung  gehört  also  nicht 
zum  Superlativ,  sondern  zum  partitiven  de.  —  Die  zweite  der  folgenden 
Remarques  besagt,  dass  „gewisse"  (certains)  Adjektiva  auch  den  sub- 
stantivischen Superlativ  bilden  können;  es  scheint  mir  nicht,  das«  dieser 
Gebrauch  wesentlich  auf  „gewisse"   Adjektiva  beschrankt  sei. 

Abgesehen  von  allen  diesen  Ungenauigkuiten  und  Fehlern  im  Aus- 
druck der  Hegeln,  vermisse  ich  gar  zu  vieles,  was  eiue  Stelle  in  einer  Syntai 
verdient  hatte,  wie  das  ganze  Kapital  von  der  Wortstellung,  der  Consecutu 
temporum,  des  Konjunktivs  in  Relativsätzen  (uusser  einem  Fall),  den  Ge- 
brauch von  aucttn  [da,  wo  personne  und  ricn  behandelt  sind),  den  Unter- 
schied der  Pronoms  absolus  und  conjoiuts,  u,  s.  w.  Anderes  hätte  wohl 
wegbleiben  können ,  wie  die  langen  Regeln  Ober  die  Wiederholung  des 
Artikels  und  die  der  Pronomina,  die  langen  lexikalischen  Listen  von 
39  gleichlautenden  Substantiven  mit  verschiedenem  Geschlecht,  von  re- 
flexiven Verben ,  die  es  im  Deutschen  nicht  sind,  u.  s.  w.  Nützlich  da- 
gegen »iinl  die  tiektions listen,  besonders  329,  mit  verschiedener  Rektion, 
312,  313,  für  den  Infinitiv  mit  de  und  ä,  wobei  nur  darauf  hingewiesen 
sein  mßsate,  dam  sie  nicht  erschöpfend  sind.  Wichtige  Adjektiva  fehlen 
in  der  Rektions liste  108,  z.  B.  agreable  ä,  bon  ä,  egal  ä,  necessaä-e  ä, 
propre  a  u.  s.  w.  —  leb  würde  in  einer  Grammatik  nichts  Falsch» 
drucken  lassen,  um  davor  zu  warnen,  wie  es  331  geschieht:  „Je  Fai  vu 
et  parte  u.  s.  w.  Der  Schüler  prägt  sich  zu  leicht  die  falsche  statt  der 
richtigen  Form  ein.  — 

In  einigen  Fällen  acheint  mir  Meli  in  der  Bestimmtheit  der  Regeln 
mit  Rücksicht  auf  den  Gebrauch  zu  weit  zu  gehen:  Er  hält  Ciut  statt 
mt  für  notig  iu  Ducis,  Fun  des  quarante  de  CAcademie  und  in  Le  Tele- 


W.  Ricken,  Elementarbuch  der  französischen  Sprache.  167 

mmfue  est  tun  des  ouvrages  gut  oni  le  plus  honore  la  France.  Er  gibt 
infolgedessen  die  Regel  so:  On  dit  l'un  de,  au  tieu  de  un  de,  pour 
exprtmer  une  ide'e  determinee  par  un  nom  ou  un  prorwm  gut  precede, 
et  par  un  nombre  precis,  determine  gut  suit.  Mir  scheint  un  hier  nicht 
unfranzösich;  and  tun  nur  nötig,  wenn  der  Substantivbegriff  mit  de 
vorausgeht,  sowie  wenn  ein  Gegensatz  beabsichtigt  ist:  De  deux  jours 
Fun.  L'un  est  liehe,  Cautre  est  pauvre.  310  will  der  Verfasser  eine, 
wie  mir  scheint,  neue  Kegel  aufstellen,  indem  er  behauptet,  dass  c*est 
beim  Plural  vor  folgendem  gue,  ce  sont  dagegen  vor  folgendem  qui 
stehe.  Er  hebt  jedoch  selbst  seine  Regel  durch  die  folgende  Bemerkung 
wieder  auf:    Cependant  cette  regle  n'est  pas  de  riaueur. 

Ohne  Zweifel  enthält  der  vorliegende  Lehrgang  viel  schätzens- 
wertes Material  an  Beispielen;  aber  die  Verarbeitung  dieses  Materials 
kann  ich  nicht  als  gelungen  bezeichnen. 

Auch  die  angeführten  Exercices  sind  nicht  mustergiltig,  weder  in 
der  Auswahl  der  Sätze,  noch  in  dem  deutschen  Ausdruck,  z.  B.  S.  162: 
rDie  Tränen  ihres  Sohnes  vermehrten  ihren  Schmerz,  als  sie  einen  der 
Diebe  erblickte,  welcher  sie  mit  dem  Schwerte  in  der  Hand  verfolgte." 
—  S.  163:  „Ich  gehe  dahin,  wo  jede  Sache  hingeht,  ohne  mich  zu 
furchten,  noch  zu  erschrecken;  ich  gehe  dahin,  wo  die  Rose  und  der 
Lorbeer  hingehen."  —  S.  149:  „Umsonst  haben  Bosheit  und  Schmeichelei 
an  dem  Fürsten  ihr  Unwesen  getrieben  (s'e'xercer  sur).u  —  S.  145: 
„Er  sagte  mir  ins  Ohr:  Gibt  es  etwas  so  Lächerliches'/  Sehen  Sie  diese 
Dame,  welche  80  Jahre  alt  ist  und  welche  feuerrote  Bänder  trägt?  Sie 
will  noch  jung  sein,  und  es  gelingt  ihr,  denn  das  nähert  sich  der  Kind- 
heit." —  „Die  Himmel  verkünden  die  Ehre  Gottes.  —  Der  Lauch 
wächst  in  Ägypten."  Solche  Zusammenstellungen  kann  man  vermeiden, 
auch  wenn  man  unzusammenhängende  Sätze  gibt,  was  ja  zur  Einübung 
besonderer  grammatischer  Kapitel  nicht  zu  umgehen  ist. 

W.  Mangold. 


Ricken 9  Willi»,  Elementarbuch  der  französischen  Sprache.'  1.  Jahr. 
Zweite,  durchgängig  verbesserte  Auflage.  Oppeln,  1890.  Eugen 
Franck's  Buchhandlung. 

Bei  dem  grimmigen  Kampfe  ums  Dasein,  den  eine  von  Tag  zu  Tag 
unübersehbarer  werdende  Menge  französischer  Lehrbücher  seit  dem  Beginn 
der  Reformbewegung  führt,  muss  es  schon  als  ein  nicht  geringer  Beweis 
von  Lebensfähigkeit  gelten,  wenn  ein  solches  Werk,  wie  es  bei  dem 
vorliegenden  der  Fall  ist,  binnen  drei  Jahren  in  zweiter  Auflage  erscheinen 
kann.  Ricken's  Elementarbuch  ist  denn  in  der  That  auch,  und  zwar  in 
der  neuen  Auflage  noch  mehr  als  in  der  ersten,  eine  eigenartige  und  be- 
deutende Leistung,  die  Referent  der  Aufmerksamkeit  der  Fachgenossen 
angelegentlich  empfehlen  kann. 

Der  Verfasser  ist  nicht  der  Ansicht,  dass  man  im  Schulunterricht 
die  Art,  wie  das  Kind  die  Muttersprache  erlernt,  ohne  weiteres  zum  Vor- 
bild für  den  Betrieb  der  fremden  Sprachen  nehmen  dürfe.  Er  geht  von 
einfachen,  aber  unter  einander  zusammenhängenden  Sätzen  aus,  die  so 
ausgewählt  sind,  dass  immer  nur  eine  massige  Anzahl  sprachlicher  Er- 
scheinungen zugleich  auftritt.  Diese  Methode  nun,  —  und  darin  liegt 
der  hohe  Wert  des  Buches  —  ist  mit  grossem  pädagogischen  Geschick  und 
vorsichtigster  Abwägung  aller  Einzelheiten  durchgeführt.  Die  grösste 
Schwierigkeit  für  den  Verfasser  eines  Elementarbuchs  bietet  die  Auswahl 
der  ersten  Stücke:  sie  können   gar  nicht  leicht  genug  sein,   eine   Not- 


168  Referate  und  Relationen.    F.  Tenderita, 

weiidigkeit,  der  meist  nicht  genügend  Rechnung  getragen  wird.  Biekta 
hat,  wie  der  Vergleich  zwischen  der  ersten  und  zweiten  Auflage  lehrt, 
diesem  Punkt«  seine  volle  Aufmerksamkeit  geschenkt,  nnd  es  ist  ihm 
gelungen,  sich  der  Fassungskraft  neunjähriger  Kinder  verständnisvoll  u- 
supaeaen,  was  freilich  die  allerdings  kaum  zu  vermeidende  Folge  gehabt 
bat,  daea  der  Faden  des  Zusammenhange  zwischen  den  Satten  einea 
Stückes  hie  und  da  etwa«  locker  und  die  Satte  selbst  zuweilen  ein  wenig 
steif  geraten  sind.  Wie  diese  Anfangsstücka,  so  ist  anch  der  gante  Bert 
des  Buches  in  der  neuen  Auflage  Oberall  mit  peinlichster  Sorgfalt  durch- 

Chen  worden,  und  jede  Seite  verrät  das  unablässige  Bestreben  da 
assera,  einen  Lehrgang  zu  schaffen,  „der  das  instinktive,  das  analf- 
tisch-induktorische  und  das  deduk  torisch -konstruktive  Moment  vereinige*. 
Dies  ist  ihm  bestens  gelungen,  und  Referent  zweifelt  nicht,  dass  die 
dritte  Auflage  von  Ricken's  Elementar  buch  der  zweiten  noch  schneller 
folgen  wird,  als  diese  der  ersten. 

E.  Pari  belle. 

Bauer,  Jota,  und  Link,  Tb.,  Französische  Xonvertatioiuabingt* 

£lr   den    Schul-    und   Privatgebrauch.     I.   Teil.     München  nse 
eipzig.     Oldenbourg  1889.     228  S.    B°. 

DdSH  der  Unterricht  in  einer  lebenden  Sprache  in  einem  Konten 
in  derselben  führen  muse,  dass  im  besonderen  auch  die  Schüler  eisen 
gewissen  Qrad  von  Fertigkeit  im  mündlichen  Auedruck  in  der  Sprache 
erlangen  müssen,  ist  eine  Forderung,  welcher  heute  unter  den  Lehrern 
der  neueren  Sprachen  wohl  nur  wenige  ihre  Zustimmung  versagen. 
Wenn  man  auch  Aber  die  Art,  wie  Sprechübungen  zu  betreiben  seien, 
verschiedener  Ansicht  sein  kann,  so  wird  doch  jeder  zugeben,  dass  die 
Stoffe,  welche  denselben  zu  Grunde  gelegt  werden,  im  QeeichUkraii 
des  Schülers  liegen  und  einfacher  Natur  sein  müssen.  Der  Stoff  darf 
dem  SchQler  gar  keine  Schwierigkeiten  machen,  er  muss  seine  ganze 
Aufmerksamkeit  auf  die  Form  richten  können.  Aus  dienern  Grunde 
ist  es  nicht  rätlich,  Sprechübungen  nnr  an  die  Lektüre  anzuschliesseu; 
es  eignen  sich  aus  derselben  nur  die  rein  geschichtlich  erzählendes 
Abschnitte,  alles  Reflektierende  bietet  inhaltlich  zu  viel  Schwierig- 
keiten ,  während  im  übrigen  der  Anschluss  an  die  Lektüre  eich  sehr 
empfiehlt,  da  dadurch  die  Sprechübungen  organisch  mit  dem  gesamten 
Unterricht  in  der  Sprache  verbunden  sind. 

Da  nun  die  Lektüre  nicht  immer  den  nötigen  Stoff  zu  den 
Sprechübungen  bietet  und  da  ausserdem  der  von  ihr  gebotene  Stoft 
das  Gebiet  des  täglichen  Lebens,  das  für  das  Sprechen  gerade  von  so 
grosser  Wichtigkeit  ist,  naturgemäss  fast  ganz  vernachlässigt,  so  ist 
es  wünschenswert,  ad  boc  zurecht  gemachte  Stoffe  den  Sprechübungen 
zu  Grunde  legen  zu  können,  sei  es  nun,  das«  man  dieselben  neben  der 
Lektüre  heranziehe,  oder  dass  man  sie  zur  alleinigen  Grundlage  mache. 
Das  Letztere  scheint  mir  nicht  das  Richtige  zu  sein,  da  so,  wie  schon 
angedeutet,  der  Zusammenhang  mit  den  übrigen  Zweigen  des  neo- 
sprachlichen  Unterrichts  fehlt. 

Wie  aber  sollen  diese  Stoffe  zu  den  Sprechübungen  beschaffen 
sein?  Inhaltlich  sollen  sie  dem  Schüler  bekanntes  bieten,  das  er 
leicht  praktisch  zu  verwerten  Gelegenheit  hat.  Es  ist  also  durchaas 
zu  billigen,  dass  die  Verfasser  ausgehen  von  dem ,  was  die  Schüler  in 
der  Schule  selbst  umgiebt ;  daran  nun  aber  eine  Übersicht  über  das 
ganze  Gebiet   des  Schülerwissens    zu   schliessen,   alles  was  er  in  der 


Badke,  Abriss  der  Lehre  vom  französischen  Verbum  etc.  169 

Religion,  KattUBMOhiohte,  Physik  etc..  gelernt  hat,  oder  wohl  gar  noch 
erst  lernen  «oll,  in  französischer  Sprache  zu  behandeln,  das  entspricht 
nicht  den  Aufgaben,  den  ili^er  ^|j«'-i  hunteriiebt  in  der  französischen 
Spräche  haben  soll.  Von  der  Schule  gehe  man  über  auf  das  Hau» 
und  die  Familie,  auf  du«  private  und  öffentliche  Leben,  vielleicht  auch 
auf  Handel  und  Gewerbe,  da«  wind  Gebiete,  auf  denen  ein  Können  in 
der  fremden  Sprache  nutzbringend  sich  erweisen  wird,  denn  in  dieaein 
Unterricht  sind  nun  einmal  die  Ziele  vorwiegend  praktische.  [>ie 
Wege  der  Verfasser  des  vorliegenden  Buches  führen  iu  weite  Fernen, 
denn  wie  man  au«Ber  diesem  ersten  Teile  noch  einen  vermutlich 
gleich  umfangreichen  zweiten  Teil  mit  Erfolg  durcharbeiten  soll,  iat 
mir  unklar.  Ich  stimme  gewiss  den  Verfassern  bei,  wenn  sie  fordern, 
■  biss  für  il.ii  S|pn-cb Unterricht  Zeit  gefunden  werden  muss,  aber  wollte 
man  zwei  solcher  Bücher  derart  durchmachen,  dass  die  Schüler  über 
die  behandelten  Gegen atiii nie  -ich  cini^n [ii,i*>e[]  frei  ausdrücken  können, 
so  milsste  den  übrigen  Zweigen  des  Unterrichts  die  ihnen  zukommende 
Zeit  entzogen  werden,  um  so  mehr,  da  es  sich  vielfach  um  Vokabeln 
handelt,  die  dem  Schüler  aus  dem  sonstigen  Unterricht  nicht  ge- 
läufig sind. 

In  gleicher  Weise  wie  Brevmann  und  Müller  in  ihren  Übungs- 
büchern und  Hermanni  in  seinen  fjuettimmaires  bieten  Bauer  und 
Link  vollkommen  uusgearbeitu  Fragen  und  Antworten  in  französischer 
Sprache,  indessen  «chliesst  aieb  jeder  Abteilung  ein  Supplement  an, 
wo  die  Antwort  nur  durch  ein  einzelnes  Wort  angedeutet  wird. 

Ich  kaun  über  das  eratere  Verfahren  nur  verweisen  auf  das, 
was  ich  bei  Besprechung  von  Hermanui'H  Schrift  iu  dieser  Zcitchr.  sagte. 
Bei  diesem  Unterrieht  in  erater  Linie  mnsa  es  heissen:  Frei  vom  Buch. 
Man  achreibe  doch  nicht  dem  Lehrer  eine  ao  gebundene  Marschroute 
vor,  der  Lehrer,  welcher  die  Sache  verateht,  fühlt  eich  unnötig  ein- 
geengt, und  derjenige,  welcher  sie  nicht  versteht,  der  wird  halt  auch 
mit  dem  besten  Buch  auf  diesem  Gebiete  nichts  erreichen. 

Ein  verdienstvolles  Hilfsmittel  würde  für  den  Sprechunterricht 
derjenige  liefern ,  der  in  kleinen  Erzählungen  die  oben  angedeuteten 
Gebiete  in  der  Weise  bebandelte,  dass  die  Schüler  sie  mit  grosser 
Leichtigkeit  verständen  und  der  Lehrer  sie  zur  Grundlage  der  Sprech- 
übungen machen   könnte. 

Kann  so  aus  grundsätzlichen  Bedenken  das  vorliegende  Buch 
für  den  Schulunterricht  nicht  empfohlen  werden,  so  muss  doch  ander- 
seits ausgesprochen  werden ,  dass  die  Arbeit  eine  durchaus  sorgfaltige, 
it  Geschick  durchgeführte  iat.  p.  Tenderinii. 

It Milkt-.  Abriss  der  Lehre  vom  französischen  Verbum  für  den  Unter- 
richt an  höheren  Lehranstalten.  Progr.  dea  Realgymnasiums 
zu  Stralsund  1889.     36  S.  4°. 

Seiner  Programmabbandlung  vom  Jahre  1888  über  die  Anfangs- 
gründe im  Französischen  auf  phonetischer  Grundlage  (vgl.  Zschr.  XV3 
B,  120)  lässt  Badke  hier  einen  Abriss  der  Lehre  vom  Verbum  auf  der- 
selben Grundlage  folgen.  Aus  der  jetzigen  phonetischen  Gestalt  des 
Verbums  sucht  der  Verfasser  die  l'rinzipieu  für  die  Behandlung  des- 
selben im  Unterricht  herzuleiten.  Kr  gibt  daher  das  ganze  Verbum 
zunächst  in  phonetischer  Schreibung,  dieser  Teil  ist  indessen  nur  für 
den  Lehrer  bestimmt,  dem  Schüler  soll  das  Verbum  gleich  in  seiner 
jetzigen  Orthographie  vorgeführt  werden.     Unzweifelhaft  erhalten  wir 


170  Referate  und  Rezensionen.    F.  Tenäerbtg, 

beim  Zurückgehen  auf  den  gegenwärtigen  Lautstand  eine  grosse  Ver- 
einfachung den  Konjngationsscbemas,  es  zeigt  sich  in  den  Formen, 
soweit  die  Endungen  in  Betracht  kommen,  eine  weitgehende  Gleich- 
inlasigkeit  und  anscheinend  kann  die  Erlernung  der  französischen 
Konjugation  keine  grossen  Schwierigkeiten  mehr  bieten. 

Aber  so  interessant  and  belehrend  es  anch  ist,  das  Verbnm  in 
seiner  wirklichen  heutigen  Gestalt  zu  betrachten,  für  den  Unterricht 
würde  das  doch  nnr  frachtbar  sein  können,  wenn  man  der  Erfassang 
des  Lautwertes  auch  unter  allen  Umständen  den  höheren  Wert  bei- 
legte. Die  Schrift  Badke's  will  dem  Unterricht  dienen,  sie  ist  M 
Stack  aus  der  „bald  gewünschten,  bald  gefürchteteo  phonetisches 
Grammatik  der  Zukunft."  Sehen  wir  in,  wie  sieb  der  Unterricht  nach 
Badke's  Ansicht  gestalten  würde.  Der  Schüler  soll  die  Formen  in 
Verbuma  zuerst  hören.  Er  hört  also  z.  B.  für  den  Ind.  nnd  3ubj. 
Präs.  sowie  den  Imper.  mit  Ausnahme  der  1.  und  8.  Per*.  Plnr.  fort- 
während truv;  diene  Gleichförmigkeit  wird  ihm  sehr  einleuchten. 
aber  was  ist  damit  erreicht?  Trotz  allem  müssen  für  jede  eimein« 
Form  die  entsprechenden  Laute  im  einzelnen  gemerkt  werden,  und 
wenn  der  Schüler  dann  sein  Buch  aufschlügt  und  dort  traute  troHBtuk. 
geschrieben  sieht,  so  wird  das  s  doch  immer  für  ihn  das  Unter- 
scheidende zwischen  den  beiden  Formen  sein. 

Aber  gerade  die  Einprägang  dieser  orthographischen  Unter- 
schiede wird  jetzt  weit  schwieriger  für  den  Schüler  sein,  und  diu 
JJadke  eben  nicht  den  Lautwert  als  das  emsig  Wichtige  erachtet,  geht 
daraus  hervor,  dasB  er  dem  Schüler  überhaupt  die  lautliche  Schreibung 
des  Verbnm»,  wie  schon  erwähnt,  gar  nicht  Torführen  will. 

Es  ist  aber  undenkbar,  dass  der  Schüler  sich  einen  Lantkomplei 
einprägt  unter  vollständiger  Abstraktion  von  einem  Schriftbild.  Er 
wird  vielmehr,  wenn  ihm  ein  solches  nicht  geboten  wird,  es  sich  seibat 
zurecht  machen,  Irouvt  wird  für  ihn  trttv  oder  wohl  gar  truf,  wenn 
er  nicht  ganz  genau  spricht,  und  vollkommene  Aussprache  dürfen 
wir  bei  unseren  Schülern  trotz  der  vollkommensten  phonetischen  Unter- 


nicht  voraussetzen.     Da  der  Schüler  nnn  aber  doch  auch  des 


schriftlichen  Gebrauch  der  Sprache  lernen 
falsche  Schriftbild  durch  ein  richtiges  ersetzen,  und  da  beginnt  dann 
der  Kampf.  Eine  Stütze  zum  Behalten  der  Formen  wird  dem  Schalet 
in  keiner  Weise  gegeben,  denn  in  einer  eigenen  Ableitung  oder  Er- 
klärung derselben  kommt  er  von  dem  jetzigen  Lautwerte  aus  nicht. 

Wenn  ich  dazu  nun  bedenke,  dass  thatsächlicb.  dem  Schüler 
schon  bei  der  Lebtüre,  die  auch  nach  Budke's  Meinung  im  Anfangs- 
unterricht den  Ausgangspunkt  bilden  soll,  zahlreiche  Formen  in  ihren 
üblichen  Gewände  einer  freilich  sehr  mangelhaften  Orthographie  ent- 
gegengetreten sind,  so  komme  ich  eu  der  Ansicht,  dass  der  umgekehrte 
Weg  doch  der  einfachere  und  natürlichere  ist,  derjenige,  auf  welchem 
man  Kraft  und  Zeit  spart,  der  durch  die  Hinweise  auf  die  geschicht- 
liche Entstehung  aus  dem  Lateinischen  die  Sache  geistig  durchdringt 
and  so  zur  allgemeinen  Entwickelung  des  Schülers  beizutragen  fähig 
ist  und  dabei  nicht  aus  dem  Auge  verliert,  dass  volle  Beherrschung 
der  Formen,  nach  Laut  und  Schrift,  da«  Ziel  des  Unterrichte  ist.  Wer 
die  Verbalformen  schreiben  kann,  der  ist,  wenn  überhaupt  die  laut- 
liche Ausbildung  vorhanden  ist,  euch  im  stände  sie  anzusprechen. 

Badke  sagt  in  der  Einleitung,  eine  Behandlung  des  Zeitwortes 
nach  streng  wissenschaftlichen  Gesichtspunkten  empfehle  sich  für  die 
Schule  nicht.  Ich  stimme  ihm  darin  insofern  bei,  als  auch  ich  es  für 
verfehlt  halte,   ein  wissenschaftlich    genaues  System   diesem  Teile  de« 


i  vom  französischen  Verbum  etc.         171 

miMsÖHi sehen  Unterrichts  zu  Grunde  zu  legen.  Aber  bei  der  Erklärung 
der  Formen  sollen  wir  im*  von  wissenschaftlichen  Gesichtspunkten 
leiten  lassen,  namentlich  »ollen  wir  an  Lateinschulen  an  das,  was  die 
Schüler  itn  Lateinischen  gelernt  haben,  anknüpfen  und  ans  ihm  heraus, 
soweit  es  fi'ir  den  Schüler  verständlich  ist  und  ihm  das  Behalten  der 
Formen  erleichtert,  die  neu  zu  erlernende  Sprache  ableiten.  Eine  Er- 
leichterung sehe  ich  allerdings  für  den  Schüler  darin,  wenn  er  darauf 
hingewiesen  wird,  daas  im  Sing.  Präs.  Ind.  der  Verben  auf  -er  und  im 
ganzen  Suhj.  die  Endungen  -e,  -es.  -e  sind  und  dass  diese  sich  aus 
den  lateinischen  -o-Endungcn  (nanu,  iimttl .  Uißim,  Irrjas.  legal)  ergeben. 
Dans  die  1  Fers.  Sing.  Pr5s.  lud  (aime)  angeglichen  ist,  ist  ebenfalls 
leicht  verstund  lieh.  Ebenso  vorteilhaft  ist  es,  die  Endungen  -*,  *-,  -( 
und  die  Plural-Endungen  -uns.  -ez.  -ent  festzustellen  und  zu  erklären. 
Mit  Badke  betone  ich  die  Wichtigkeit  der  (.'ntersciieidung  von  stamm- 
(»•toTiti-n  uinl  i- ri ilmig!-het< inten  Formen.  Dadurch  hommt  der  Schüler 
nicht  nur  zum  VerstBndnis  vieler  der  sogenannten  nn regelmässigen 
Verben,  sondern  er  kann  auch  so  allein  den  Vokalwechsel  der  Verben 
mit  Infinitiv  -oir,  -evair  verstehen.  Auch  das  Futurum  dieser  Verben 
erklärt  sich  dann  ohne  Annahme  einer  „älteren  Form  des  Infinitivs" 
lg  59)  und  man  braucht  nicht  zu  unterscheiden,  dass  der  Sing.  Präs. 
Ind.  und  lmperat.  von  der  1.  Sing.  Pias.  Ind.  und  der  Plur.  Präs.  Ind. 
und  lmperat.  Präs.  Konj.,  Imperf.  Ind.,  Part.  Präs.  von  der  I.  Plur. 
Präs.  Ind.  herkommen,  mau  kann  vielmehr  alle  Formen  unmittelbar 
aus  dem  Stamm  ableiten,  dabei  sei  indessen  bemerkt,  das»  es  sich 
empfiehlt  die  1.  Plur.  Präs.  Ind.  als  Kentiform  zu  betrachten,  welche 
dem  Schüler  unmittelbar  zur  Verfügung  atehen  muss,  weil  in  dieser 
Form  der  Stamm  rein  in  die  Erscheinung  tritt. 

Badke  weist  der  Quinta  die  Verben  mit  Infinitiv  -er  zu,  der 
Quarta  diejenigen  mit  Infinitiv  -ir,  die  letztere  Klasse  betrachtet  er 
noch  als  lebende  Konjugatiuu,  Alle  anderen  Verben  kommen  erst  in 
Ünter-Tertia  zur  Behandlung.  Mit  dieser  Verteilung  kann  ich  mich 
nicht  recht  einverstanden  erklären.  Ich  halte  dafür,  dass  die  Konju- 
gation im  Anfangsunterricht  (las  haupt-ächlichste  grammatische  Pensum 
sein  miiBB,  alles  andere  schlitzt  sich  mehr  gelegentlich  au  und  kann 
vielleicht  am  Ende  des  Jahres  ganz  kurz,  /.usaiuuieiigefasst  werden. 
Dann  ist  aber  die  eine  Konjugiitiini  jährlich  entschieden  zu  wenig 
und  den  folgenden  Klassen  bleibt  auch  für  Realgymnasien,  jedenfalls 
»lier  für  Gymnasien  zu  viel  grammatischer  Stoff  zu  bewältigen.  Dabei 
kann  das  den  verschiedenen  Konjugationen  Gemeinsame  bei  der  Ver- 
teilung auf  mehrere  Klassen  nicht  genügend  hervorgehoben  werden. 
PasB  alle  Infinitive  auf  -re  und  -oir  einzeln  geleint  werden  sollen,  hat 
insofern  etwas  Bestechendes,  als  die  Zahl  der  „regelmässigen"  Konju- 
gationen auf  zwei  herabgesetzt  wird,  während  eine  erhebliche  Ver- 
mehrung der  „unregelniÜHsigen"  Verben  nicht  eintritt,  ich  glaube  in- 
dessen, dass  man  auf  je  ein  Verbum  beider  Klassen  dennoch  genauer 
wird  eingehen  müssen,  wenn  man  Verständnis  für  die  Forinoiibüduiig 
bei  den  Schülern  erzielen  will.  Das  hindert  aber  nicht,  dem  Versuche 
die  ganze  schiefe  Einteilung  der  Verben  nach  der  Infinitiv- Endung 
wegzuräumen,  volle   Anerkennung  zu  Teil  werden  zu  lassen. 

Die  vollen  Konsequenzen  aus  seiner  Einteilungsgrundlage  zieht 
der  Verfasser  in  dem  Kapitel  „Abgestorbene'  Konjugationen".  Er  teilt 
die  sogenannten  nn  regelmässigen  Verben  in  1,  Verba  mit  enduogs- 
betontem,  II.  mit  stammbetoutem  historischem  Perfekt.  In  der  ersten 
Klasse  unterscheidet  er  i-Perfektu  und  u-Perfekta,  die  dann  allerdings 
in  sich  wieder  nach  der  Infinitiv- Endung  geordnet  sind,  eine  Ordnung, 


172  RtfcrtU  umd  Rcztmtmxn-     iL   Meyer, 

die  beim  stamm  betonten  Perfekt  nicht  eintritt.     Asca\  üb  a 
der  Vertaner  t-  und  w-Perfekta  (je  rü,  je  am*,  je  f&s  z.  k 
je  tat,  je  nur  u.  a.).     Abdeichen  ton  dem  züftori  """ 
dieser  Einte  ili ;  n*;  gegenüber  ia  bemerken,    das* 
scheint,   dem  Schüler   einen    richtigen    ** 
dieser  Formen  in  geben.     Snr  *~ 
Hast  «ich  dieselbe  rechtfertigen. 
Man  ms«  dem  Verfasser  1 
■einer    Abhandlung    ragt:     ,Die 

schwierigsten  Kapiteln  des  franiösischen  CnioritmB-. 
Dingen  ist  es  kaum  möglich,  eine  sehnigem  lai«  -coi  ea 
schaftlich  befriedigende  Einteilung  der  Verben  m  <■■«■ 
nicht  an,  zu   erklären,    das*    im    Gänsen    da»  tce    Bmuh   J 


F.  Tisniwt 


Lesetlüeken.     III.  Teil.     Für  Tertia  der  C  _ 

gTmnasien.      3.    vermehrte    Annage.      Berüi.    ltM.     Webs. 

II!  S.  8". 

Deter  ist,  wie  er  im  Vorwort  dieses  Baches  ansär-äcknek  ertfid 
der  Überzeugung.  Fdass  der  Schüler  zuerst  die  ■* 
lernen  must,  nachdem  ihm  dieselben  vom  Lehrer  klar  i 
gemacht  worden  sind,  nnd  dass  er  diese  Kegeln  s 
auch  die  nötigen  Vokabeln  memoriert  hat.  an  gm  fTwir.itm  fi 
und  an  den  daza  passenden  Lesestncken  einübt.'  Es  tlii  i  m  imiM 
einen  ein  leises  Grnseln .  wenn  man  einer  derartäftm  nesnaaäMkn 
Aufiassoug  mm  Sprach nnterricht  noch  Ausdruck  ftWi  säest.  U 
kann  dem  Verfasser  des  vorliegenden  Buche*  nor  atea.  saah  die  Vsr- 
reden  der  neueren  Bearbeitungen  der  Pt<etz'scbeo  Bbcsmt  se  Kasnefla, 
da  wird  er  finden,  da»  dieser  Standpunkt  tob  m  iimn  Varhuac.  den 
als  solches  ist  die  Schnlgrammatik  Ion  Ploetx  leäc*a  zu  i  iki— ii. 
Ungst  aufgegeben  ist. 

Das  Buch  bringt  den  dort  in  den  Lekticwea  1 — *?  sjigikinis 
Stoff  im  wesentlichen  in  derselben  Verteilung.  V«n  Pmzxz  untenäödrt 
es  rieh  durch  eine  grössere  Ausdehnung  der  l'uk  iln  11  ist  im  EbernE  «nü» 
man  blickt  nnd  dadurch,  dass  die  EinielaUze  fasi  aaauilirh  axxS  «es 
geringsten  Inhalt  haben.  Der  einzige  Vorzug  tot  ProeCz  ist  «5e  ZogaW 
einer  Anzahl  von  Lese-  und  Cbnngsrtücken.  deren  TTihn'MirkrT  Wert 
aneb  znm  Teil  recht  gering  ist.  Die  Fassung  der  tosftan  in  eise 
durchaus  mechanische,  so  dass  der  nach  diesen  Bocbe  uler  richtete 
Schüler  iwar  unter  Umstanden,  wenn  sein  Gexäaehiaä*  ifast  nksfl  in 
Stiebe  liest,  eine  grosse  Zahl  von  grammatischen  Dingen  in  Kopfe 
haben  wird,  zn  einem  Verständnis  der  franaOfischen  Sprache,  an  einem 
Eindringen  in  den  Geist  derselben  kommt  er  nie.  und  für  seine  all- 
gemeine Entwickelnng  wird  er  nur  dann  Sotten  gehabt  haha,  wens 
ein  guter  Lehrer  auch  mit  einem  schlechten  Boche  etwas  an  zaaehea 
W  niste, 

F.  Tiimiiic 


W,  Mangold  u.  D.  Coste,  Lehrbuch  der  französischen  Sprache  etc.     173 

Mangold,  W«,  und  Coste,  D.,  Lehrbuch  der  französischen  Sprache 
für  höhere  Lehranstalten.  Erster  Teil.  Lese-  und  Lehrbuch 
für  die  untere  Stufe.  Ausgabe  B:  für  höhere  Töchterschulen. 
Berlin,  1889.    J.  Springer.    VII  204  S.    1,40  Mk. 

„Das  Lesebuch  ist  Ausgangs-  und  Mittelpunkt  des  Unterrichts; 
die  Grammatik  ist  induktiv  zu  behandeln",  so  lautet  nach  dem  Vorwort 
der  leitende  Grundsatz  der  von  Mangold  und  Coste  befolgten  Lehrweise. 
Aber  wie  haben  sie  für  diese  induktive  Behandlung  gesorgt? 

Den  hauptsächlichen  Gegenstand  des  grammatischen  Unterrichts  auf 
der  unteren  Stufe  bildet  das  Zeitwort.  Mit  diesem  beginnen  M.  u.  G.  die 
systematische  Behandlung  der  Grammatik,  und  zwar  —  was  ich  nicht  für 
ganz  richtig  halte  —  mit  avoir  und  itre  statt  mit  donner;  das  Übungs- 
stück 21  setzt  die  Aneignung  der  Präsens1)  dieser  Zeitwörter  voraus,  und 
nach  einem  richtigen  Grundsatz  auch  die  Bekanntschaft  mit  der  fragen- 
den, der  verneinenden  und  der  fragend -verneinenden  Form.  Will  der 
Lehrer  nun  wirklich  induktiv  verfahren,  so  hat  er  aus  den  bereits  durch- 
gearbeiteten Lesestücken  (Nr.  1—21)  die  darin  vorkommenden  Beispiele 
zusammenzustellen  (und  zu  ergänzen).  Diese  Art  erneuter  Darbietung 
scheint  mir  für  die  oberen  Klassen  nicht  ausgeschlossen,  für  die  Unter- 
stufe aber  eine  zeitraubende  Erschwerung  des  Unterrichts,  während  doch 
•ehr  wohl  alle  oder  fast  alle  hierher  gehörigen  Formen  in  einem  oder 
zwei  zusammenhängenden  Stücken  vorgeführt  werden  können.  Geht  man 
weiter  zum  historischen  Perfekt,  so  wird  die  Sache  noch  misslicher: 
da  in  dem  Gelesenen  nur  je  eine  Form  des  historischen  Perfekts  von 
avoir  und  desjenigen  von  itre  enthalten  ist,  so  fehlt  überhaupt  eine  ge- 
nügende Unterlage.  'Kurz,  der  auf  dieser  Stufe  wünschenswerte  enge 
Zusammenhang  zwischen  Lesestück  und  Grammatik  ist  in  dem  vorliegen- 
den Buch  nicht  vorhanden ;  daran  ändern  auch  die  weiterhin  an  manchen 
Stellen  hinzugefügten  zusammenhangslosen  Beispielsätze  nichts,  zumal  sie 
zum  Teil  dem  Lesestoff  eines  früheren  Jahres  entnommen  sind.  Min- 
destens für  die  ersten  drei  oder  vier  Jahre  des  französischen  Unterrichts 
in  der  Mädchenschule  scheint  mir  dasjenige  Verfahren  den  Vorzug  zu 
verdienen,  bei  dem  die  grammatische  Belehrung  sich  an  kurze  Lese- 
stücke, welche  die  nötige  Anschauung  gewähren,  unmittelbar  anschliesst. 

Derselbe  enge  Anschluss  ist  m.  E.  für  die  Übungsstücke  wünschens- 
wert. M.  und  C.  haben  dies  nicht  gerade  verkannt,  denn  sie  bieten  eine 
ziemliche  Anzahl  von  recht  geschickten  Nachbildungen  zum  Übersetzen; 
daneben  aber  stehen  in  überwiegender  Menge  Einzelsätze,  freilich  irgend- 
wie an  den  unmittelbar  vorher  oder  früher  behandelten  Lesestoff  ange- 
schlossen, aber  ebenso  bunt  und  infolge  dessen  ähnlichen  Einwendungen 
ausgesetzt  wie  die  alten  Übungssätze. 

Soviel  über  die  Anlage  des  Lese-  und  Lehrbuchs.  Es  sind  hier- 
nach noch  die  Lesestücke  und  die  Grammatik  für  sich  in 's  Auge  zu  fassen. 

Die  Lesestücke  sind  sehr  hübsch  gewählt,  die  kleineren  sowohl 
wie  die  grösseren,  die  prosaischen  wie  die  poetischen;  nur  die  Lebens- 
beschreibung Mahomet's  wäre  mit  Vorteil  durch  einen  französischen 
Stoff  ersetzt  worden. 

Weniger  Zustimmung  wird  die  Verwendung  dieser  ansprechen- 
den Stücke  finden:  die  prosaischen  sind  meist  für  die  Klassen,  denen  sie 
zugewiesen  sind,  zu  schwierig,  nicht  nur  ihrer  Form,  sondern  auch  ihres 
Inhalts  wegen.     Die  an  sich  so  passenden  Causeries  (Voyage  ä  Paris) 

1)  Für  Mädchenschulen  sollte  man  sich  entweder  der  französischen 
oder  der  deutschen  Bezeichnung  bedienen. 


174  Referate  und  Rezensionen.    R.  Meyer, 

x.  B.  sind  nicht  für  zehn-  bis  elfjährige  Mädchen  geeignet,  und  t» 
wäre  schade  um  das  hübsche  Lustspiel,  wenn  man  La  Joie  fait  Akt 
Traber  als  in  der  zweitoberstm  Klane  lesen  wollte.  Ebenso  wenig  dürfte 
es  sich  empfehlen,  den  Unterricht  zu  beginnen  mit  den  bekannten 
Anekdoten  Frederic  le  Grand  et  k  meunier  de  Sans-Souci,  FontenelU  et 
in  muri,  La  nnix. 

Die  Elementargrammatik,  welche  auch  einiges  aus  der  Syntu 
bringt,  ist  mit  Geschick  abgefasst  und  zeichnet  sieb  namentlich  durch 
ihre  Kürze  vorteilhaft  aus.  Von  den  Ausstellungen,  die  ich  in  machig 
habe,  erw&hne  ich  die  erheblicheren,  so  weit  sie  nicht  mit  den  Bemer- 
kungen Tenderiog's  in  «einer  Besprechung  der  Ausgabe  A  (XevphiU. 
Centraiblatt  II  S.  366  ff.)  zusammenfallen. 

Scheidung  von  Laut  und  Schrift  ist  wohl  erstrebt,  aber  nicht 
überall  durchgeführt  So  beisst  es  in  dem  Abschnitt  „Laute  und  Zeichen": 
„C  und  y  guttural  vor  a.  o,  u,  vor  Konsonanten  und  im  Auslaut,  rer- 
mittelst  eines  stummen  u  auch  vor  «r,  i,  y;  tischend  vor  e,  i,  y,  ter- 
mittelst  einer  CedilU  unter  c  und  eines  stummen  e  nach  g  auch  vor 
«,  o,  u."  Die  Hegel  würde  um  nichts  schwerer  verständlich  und  dabei 
richtiger  sein,  wenn  gesetzt  würde:  „Die  Kehllaute  k  und  g  in  de: 
Schrift  vor  a,  o,  u,  vor  Kons,  und  im  Auslaut«  durch  e  und  g.  vor  c,  i,  y 
durch  cu  und  gti  bezeichnet,  k  vor  beiderlei  Vokalen  auch  durch  j«.' 
Entsprechend  für  die  Laute  s  und  /  —  Ferner  wird  zwar  der  Eintritt 
eines  i  als  Vorschlag  vor  tönendem  Vokal  bei  fair  nicht,  wie  bei  emutytr, 
nur  als  „orthographische  Eigenheit"  behandelt;  der  Ausdruck  aber 
(„y  statt  i'J  bezieht  sich  doch  wieder  allein  auf  die  orthographische  Be- 
sonderheit, welche  dem  lautlichen  Vorgang  entspricht.    Ähnlich  bei  hör 

Was  über  die  Bindung  gesagt  wird,  ist  recht  ungenau.  Zunächst 
ist  die  Bindung  im  weiteren  Sinne  nicht  genügend  berücksichtigt, 
—  Die  Bindung  im  engeren  Sinne,  eine  Folge  der  andern,  ist  nicht  in 
Betracht  gezogen,  wenn  nf  in  der  Eudung  der  3.  Pars.  PI,  „immer 
stumm"  genannt  wird.  —  Die  Verbalen  du  eh;  rt  ist  nicht  nur  in  der 
fragenden  Form  laut:  gerade  zwei  so  häufige  Wörter  wie  tert  und  tort 
machen  eine  Ausnahme,  von  Schwankungen  bei  anderen  Zeitwörtern  ab- 

Die  Imperativform  tat  verlangt  eine  nähere  Bestimmung,  und 
■war  ist  diese  noch  Lücking's  Vorgang  für  alle  Imperativformen  auf  t 
und  c  gemeinsam  zu  geben. 

Der  Abschnitt  „Veränderungen  des  Stammes"  ist  im  einzelnen 
nicht  zuverlässig,  darauf  hat  Tendering  schon  hingewiesen.  Ich  bemerke 
noch,  dasa  hier  unrichtig  erweise  von  Wegfall  des  Stammkonaonaoten 
in  peux  Erweichung  des  l  zu  «  des  (stummen)  n  zu  gn  gesprochen, 
wird.  Wie  weit  man  für  Schulswecke  in  der  Erklärung  abweichender 
Formen  zu  geben  hat,  darüber  ist  Meinungsverschiedenheit  möglich;') 
was  aber  in  dieser  Beziehung  gesagt  wird,  muss  wissenschaftlich  be- 
gründet sein. 

Daher  ist  es  auch  unstatthaft,  unter  die  Regeln  über  die  Plural- 
bildnng  zu  setzen:  „j:  haben  a)  die  Substantivs,  auf  au,  eau,  ett,  ata..., 
b)  die  auf  ai,  deren  t  dann  zu  »  wird'  —  eine  Fassung  der  Regel, 
welche  auch  wieder  die  oben  erwähnte  Vermischung  von  Laut  und 
Schrift  erkennen  läset.  Es  sollte  etwa  heissen:  „Vor  der  Pluralendung i 
ist  in  den  Subst.  auf  ai  (wie  bei  den  Verben!)  für  l  u  eingetreten,  ebenso 
in  einigen  anf  ail  u  für  /  mouülec.    Geschrieben  wird  dann  als  Eudung 

l  vaü ,  vue  gehört  jeden- 


Recueil  de  lettre*  ä  fusage  des  jeunes  filles.  175 

statt  s  x,  desgl.  im  Plural  der  Subst.  auf  au  und  eu  und  einiger  auf  ou 
wie  in  je  vaux,  je  t^eux)." 

Ungenau  ist  es»  von  verbundenem  oder  unbetontem  Personal- 
pronomen zu  reden;  denn  moi  und  toi  nach  einem  Imperativ  sind  ver- 
bunden, dabei  aber  Formen  des  betonten  Pronomens.  Von  den  demon- 
itrativen  ist  ce  bald  adjeclif,  bald  pronom  demonstratif;  aber  auch  in 
dem  letzteren  Falle  ist  es  rast  niemals,  wie  M.  und  C.  angeben,  betont. 
—  Le,  lat  les  sind  nicht  Prädikats n om in ativ;  die  Bezeichnungen  „No- 
minativ", „Genetiv"  u.  s.  w.  sind  ja  bekanntlich  in  der  neu  französischen 
Grammatik  überhaupt  nicht  berechtigt,  auch  nicht  aus  praktischen  Gründen. 

Tn  dem  syntaktischen  Teil  findet  man  unter  „Artikel":  „Die  Länder- 
namen stehen  ohne  Artikel :  1 .  im  Genetiv  a)  in  Titeln  .  .  .  b)  als  quali- 
tative Bestimmung:  les  guerrts  d'Itaäe  die  italienischen  Kriege,  im 
Gegensatz  zur  Landesangehörigkeit:  les  populatiotis  de  CArabie  .  .  ." 
Diese  Fassung  der  Regel  ist  auch  auf  der  unteren  Stufe  nicht  zu 
brauchen:  auch  in  Titeln  ist  der  mit  de  beigefügte  Ländername  quali- 
tative Bestimmung  —  übrigens  ein  Wort,  das  in  der  Mädchenschule 
besser  vermieden  wird  — ,  und  auch  beim  Ausdruck  der  Landesangehörig- 
keit wird  er  sehr  häufig  als  solche  behandelt,  also  ohne  Artikel  gebraucht. 

Wenig  gelungen  ist  endlich  der  Abschnitt  über  die  Wortstellung. 
Was  die  Wortstellung  im  Fragesatz  anbetrifft,  so  liegt  es  nahe,  da  die 
„Inversion  mit  doppeltem  Subjekt"  ohnehin  erwähnt  ist  und  erwähnt 
sein  muss,  das  Eintreten  derselben  in  Sätzen  mit  Fragewort  nicht  zu 
übergehen.  —  Nicht  nur  nach  einigen  Adverbien  und  adverbialen  Be- 
stimmungen tritt  oft  Inversion  des  Subjekts  ein.  —  A  peine  ist  keine 
Konjunktion.  —  In  dem  Satze  Chinon,  oü  se  trouvait  ators  Charles  VII 
ist  au  nicht  Objekt.  —  Nicht  immer  stehen  Adjektive  hinter  dem 
Sabst,  welche  a)  Volk  und  Land,  Beruf  und  Stand,  b)  sinnfällige  Eigen- 
schaften in  wirklicher  Bedeutung  bezeichnen. 

Und  so  Hesse  sich  noch  anderes  anführen.  Bei  alledem  ist  das 
Bnch  von  Mangold  und  Coste  eine  sehr  beachtenswerte  Erscheinung, 
zur  Einführung  in  Mädchenschulen  aber  kann  ich  es  nicht  empfehlen. 

R.  Meyer. 


Reenell  de  lettre»  &  l'naage  des  jetines  Alle».    Sammlung 

französischer  Briefe  zum  Gebrauch  beim  Unterricht  junaer 
Mädchen.  Gesammelt  von  einer  Lehrerin.  Zweiter  T^eil. 
Hannover,   1888.     Helwing.     X,  68  S.  8°.     Mk.  1,50. 

Ob  und  wie  weit  es  geraten  ist,  eine  Sammlung  französischer 
Briefe  im  eigentlichen  Schulunterricht  zu  verwenden,  kann  hier  füglich 
nnerörtert  bleiben :  auch  wenn  man  in  dieser  Beziehung  Bedenken  hegt, 
wird  man  die  Nützlichkeit  einer  solchen  Sammlung,  wenn  sie  im  wesent- 
lichen Mustergültiges  bietet,  gern  anerkennen,  uud  gerade  der  für  ein 
Schulbuch  nicht  unbedenkliche  Umstand,  dass  der  vorliegende  zweite 
Teil  hauptsächlich  Briefe  Erwachsener  und  auch  viel  Geschäftliches 
(sogar  Zeitungsanzeigen)  enthält,  ist  im  übrigen  geeignet,  seine  Brauch- 
barkeit zu  erhöhen.  Aber  notwendige  Voraussetzung  ist,  dass  die  Form 
der  Briefe  nach  Sprachrichtigkeit  und  Sprachgebrauch  nahezu  tadellos 
sei.  In  beiderlei  Hinsicht  nun  bedaure  ich,  obgleich  ein  grosser  Teil 
der  hier  vereinigten  Stücke  von  französischer  Feder  geschrieben  ist, 
doch  erhebliche  Ausstellungen  machen  zu  müRsen.  Ich  muss  mich  be- 
gnügen, die  wichtigeren  derselben  zu  verzeichnen. 

S.  9:  eile  craint  quelle  ne  puisse  se  tirer  daffaire.  Der  ver- 
neinende Sinn  verlangt  pas. 


176  Referate  und  Ueientionen.     L.  Wetpy, 

8.  18:  relativement  ä  Putte  et  Pautre  de  ces  deux  plaeet.  Kai 
dann  darf  die  Wiederholung  von  ä  anterbleiben,  wenn  wirklieb  Zu- 
sammenfassung stattfindet,  wie  in  dem  Satz  der  Ac:  TTorrenf  tt  dit 
figurement  de  ccrtaities  ehoses  par  Tapport  ä  tevr  abondanee  ov  a  leur  w- 
petuoiite,  au  ä  tune  et  Fautre  ensembte.     Das  iet  hier  aber  Dicht  der  Fill. 

8-  20 :  Je  profite  de  cette  circonstance  pour  vous  dire  etc.  Richtig 
cette  oecasion! 

8.  31:  fai  apprit  gut  eaus  cherchiez  une  hutitutrice  pour  St* 
votre  fiUe.     Ginfach  vatre  fiite! 

S.  14:  Nout  sommes  conünueüenumt  ä  la  reeherche  tTune  fewme 
de  chamhre,  sans  pouvoir  reussir  ä  trouver  quelqu'ime  qui  nout  convietau. 
Vielmehr  sans  er»  trouver  une! 

8.  45:  Dans  ee  moment  je  reeois  votre  aimabte  re'ponte,  tt  jt 
m'cmpresse  de  ventr  .  .  .  vous  remercier  du  service  que  vous  vetut  4t 
nous  rendre,  et  de  la  honte  dont  i'nus  avez  tue  envers  «out.  Du  ut 
schwerfallig  und  nicht  einmal  ganz  logisch.  Hau  vergleiche  damit 
folgende  Fassung:  Je  reeois  ä  f  instant  votre  aimabie  re'ponte,  tt  jt 
m'empresse  de  vous  remercier  du  service  impttrtant  que  vout  avez  nt  la 
baute  de  nous  rendre. 

S.  48:  Ma  chere  Mademoiselle.  Die  Verdoppelung  de«  Pro- 
nomens iet  nicht  zulässig.  Gewöhnlich  Chere  Mademoiselle.  —  au  Bviel 
pres  de   Vevey.     Der  Sprachgebrauch  verlangt  hier  den  Fortfall  von  it. 

S.  30:  Elle  est  niece  de  mon  mari,  nicht  la  niece! 

S.  44 :  Veuiüez,  madame,  präsenter  ä  montievr  vatre  mari  ma 
compliments  Ut  plus  smeeres.  Gewöhnlich  montieur  N.;  io  vertraulicher 
Rede  votre  man,  aber  ohne  montieur! 

8.  43:  Diev  fa  donne  une  cowonne  plus  belle  que  Celle  de  Kyrie 
et  d 'oranger  que  tu  recus  jeime  fianeee.  Richtig  cetle  de  fieurs  d'oraujtr 
(oder  Celle  de  myrte)  que  tu  recus  le  jour  de  ton  manage,  wohl  aorl 
jeune  mariee,    schwerlich  j.  fianeee  in  Beziehung  auf  den  HochteiUUg. 

S.  47:  (Je)  vous  envoie  ci- Joint  les  eritiques  parues  etc.  Vor  dea 
Artikel  muss  ci-joint  in  Geschlecht  und  Zahl  mit  dem  Objekt  Sberein- 
stimmen. 

S.  64:  Mademoiselle  Julie  Bonnet,  Avenue  du  Theatre  JVe.  2:  Dm 
Übliche  iet:  2,  Avenue  du  7h. 

8.  55 — 56:  Tai  choisi  le  peignoir  violet,  mais  la  traine  est  Inf 
longue.    Vor  est  darf  en  nicht  fehlen. 

S.  07 :  Iet  tatons  dewaieni  (nicht  pourraient)  itre  plus  etevet  ii 
deux  centimitres! 

8.  58:  de'part  pour  les  eaux,  nicht  p.  les  bams! 

8.  63:  Castelmaudary  (Aubej.  Der  Ort  heisa  t  Castelnaudary.  und 
liegt  im  Departement  der  Aude. 

8.  65:  wn  pensionnal  de  Hanovre,  nicht  ä  H.! 

8.  67:  Croeheter  =  häkeln  finde  ich  in  keinem  Wörterbuch. 
Sollte  da«  Wort  mit  dieser  Bedeutung  überhaupt  vorkommen? 

Anderes  übergehend,  musn  ich  wenigstens  noch  auf  die  Mangel 
der  Zeichensetzung  hinweisen,  desgl.  auf  die  ziemlich  zahlreichen  Druck- 
fehler: S.  41,  10;  S.  23,  14;  S.  44,  4:  8.  34,  19  u.  48  (sinon!);  S.  39,  Mi 
8.  43,  14  (Apostroph!);  8.  53,  6;  8.  54,  13;  8.  57,  17;  S.  BS,  M; 
8.  68,  18  (au-!). 

Wenn  bei  einer  neuen  Annage  die  angedeuteten  Maugel  beseitigt 
werden,  so  wird  das  reichhaltige  Büchlein  gute  Dienste  leisten. 

R.  Hbyxk. 


G.  Platz  u.  0,  Kares,  Schulgrammatik  der  französischen  Sprache.     177 

Mcets,  Gustav  u.  Kares,  Otto,  Schulgrammatik  der  französischen 
Sprache  von  Karl  Plcetz  in  kurzer  Fassung  herausgegeben. 
Berlin,  1888.  F.  A.  Herbig.  XVI  und  412  S.  Ladenpreis 
ungebunden  2  Mk.  60  Pf. 

„Die  vorliegende  Neubearbeitung  der  Ploetz'schen  Schulgrammatik 
ist  für  diejenigen  Lehranstalten  bestimmt,  deren  Lehrplan  eine  Be- 
schrankung und  kürzere  Fassung  der  Regeln  sowie  einen  rascher  zu 
bewältigenden  Kursus  von  Obungen  wünschenswert  erscheinen  las  st." 
Wir  begrüssen  aufrichtig  diese  zeitgemässe  Neubearbeitung,  welche 
▼on  dem  aufrichtigen  Streben  der  Verfasser  zeugt,  den  Anforderungen 
der  Neuzeit  unter  Beibehaltung  des  Schätzenswerten,  das  in  früherer 
Zeit  erarbeitet  worden  ist,  gerecht  zu  werden.  Ein  Vorwurf,  den 
man  der  Ploetz'schen  Schulgrammatik  alter  Fassung  vom  Standpunkte 
der  Jetzzeit  aus  mit  Recht  machte,  war  derjenige  eines  Oberflusses 
an  Regeln  und  Ausnahmen,  welche  geeignet  waren,  den  Schüler  zu 
verwirren  und  den  Überblick,  die  Beherrschung  des  Sprachstoffes  zu 
rauben,  der  nur  dadurch  zu  gewinnen  ist,  dass  man  weise  Beschränkung 
Übt  und  die  zusammengehörigen  Regeln  auf  den  sprachlichen  Grund, 
soweit  dies  in  leichtfasslicher  Form  möglich  ist,  derart  zurückführt, 
dass  sich  alle  Abweichungen  thun  liehst  als  Folge  dieses  Grundes  ergeben 
—  ihre  ausdrückliche  Anführung  also  überflüssig  wird.  Aus  diesen 
Gesichtspunkten  ergeben  sich  wesentliche  Kürzungen,  und  der  Stoff 
zerlegt  sich  gleichsam  von  selbst  in  methodische  Abteilungen,  welche 
erfreulicherweise  auch  in  dieser  Neubearbeitung  grundsätzlich  beibe- 
halten worden  sind,  wenn  auch  mit  wesentlichen  und  zweckmässigen 
Änderungen. 

Der  Regelschatz,  soweit  derselbe  in  dem  methodischen  Teile 
abgeleitet  und  eingeübt  wird,  ist  um  mehr  als  */8  gekürzt.  Die  An- 
sichten darüber,  welche  Auswahl  zu  treffen  sei,  werden  naturgemäss 
bei  den  einzelnen  Fachgenossen  vielfach  auseinandergehen,  und  eine 
volle  Einheit  der  Ansichten  dürfte  nie  zn  erzielen  sein.  Wir  billigen  im 
ganzen  die  getroffene  Auswahl  und  glauben,  dass  auch  der  abweichen- 
den Ansicht  in  geschickter  Weise  Rechnung  getragen  ist.  Das  Neben- 
sachliche ist  in  „der  Sprachlehre",  wie  jetzt  der  systematische  Teil 
genannt  wird,  in  einer  von  den  Hauptsachen  scharf  getrennten  Weise 
bo  gegeben,  dass  es  sich  an  der  geeigneten  Stelle  organisch  einfügt 
und,  falls  sich  bei  der  Lektüre  Gelegenheit  findet,  auf  die  betreffende 
Erscheinung  hingewiesen  und  dieselbe  mit  dem  früher  Behandelten  in 
Besiehung  gesetzt  werden  kann,  ohne  dass  man  nötig  hat,  im  metho- 
dischen Teile  darauf  Rücksicht  zu  nehmen. 

Der  methodische  Teil  hat  eine  von  der  früheren  wesentlich  ab- 
weichende Gestalt  bekommen.  Während  ehemals  die  Regeln  den  ein- 
zelnen Lektionen  vorgdruckt  waren  und  so  zu  dem  Irrtume  verleiteten, 
dass  die  Regeln  zuerst  behandelt  werden  sollten,  sind  jetzt  die  Regeln 
völlig  weggelassen,  in  den  syntaktischen  Abschnitten  sind  jeder 
Lektion  eine  Anzahl  von  Mustersätzen  vorgedruckt,  welche  die  aus 
den  französischen  Übungsstücken  hauptsächlich  abzuleitenden  Regeln 
in  methodischer  Form,  „logischer  Gliederung"  vorführen,  gewisser- 
massen  also  eine  „Grammatik  ohne  Regeln"  bilden,  welche  einen  vor- 
trefflichen Anhalt  bei  Wiederholungen  bietet  und  die  Übersichtlichkeit 
vermehrt. 

Der  gebotene  französische  Sprachstoff  ist  mit  strenger  Rücksicht 
auf  den  methodischen  Gesichtspunkt  derart  ausgewählt,  dass  „aus  einer 
reichlichen    Anzahl   zusammenhängender   Lesestücke    und    Einzelsätze, 

Zschr.  f.  tn.  Spr.  n.  Litt.    XII*.  12 


178  Referate,  und  Reietuünu*.    L.   Wetpy, 

welche  nach  der  Reihenfolge  der  auf  die  betr.  Lektion  bezüglichen 
grammatischen  Materien"  die  Gesetze  zu  entwickeln  Bind,  auf  die 
aich  die  Sprache  gründet.  Die  grosse  Änderung  in  diesem  Teile 
des  Werkes  besteht  darin,  dass  zusammen  hängende  Stoffe  in  weit 
grosserer  Zahl  auftreten.  Wo  es  möglich  ist ,  eine  sprachliche  Er- 
■cheinung  in  einem  zusammenhangenden  Stücke  ausgiebig  zur  An- 
schauung zu  bringen,  ist  dies  entschieden  Einzelsätzen  vorzuziehen; 
nur  soll  die  Beobachtung  der  Haupterscheinungen  in  methodischer 
Folge  geschehen  und  nicht  dem  Zufall  überlassen  bleiben,  was  iu  einem 
ruhelosen  Ein-  und  Herspringen  führen  müsste.  Ist  eine  sprachliche 
Erscheinung  in  methodischer  Weise  nicht  in  die  Gestalt  eines  zu- 
sammenhängenden Stückes  zu  kleiden  (wir  hoffen,  das»  hierin  immer 
grossere  Fortechritte  gemacht  werden),  so  mag  man,  wie  Plceti-Ksrw 
tristen,  ruhig  zu  zweckmässigen  Einzelsätzen  greifen,  welche  nebut 
andern)  nicht  zu  unterschätzenden  Vorteilen  unzweifelhaft  „Einfachheit 
wie  Abgeschlossenheit  und  Übersichtlichkeit  des  sprachlichen  Ansehso- 
ungsbildes"  für  sich  haben.  Es  ist  wohl  gelegentlich  bezüglich  der  Me- 
thode auf  die  Phasen  hingewiesen  worden,  welche  der  botanische  Un- 
terricht durchgemacht  habe.  —  Han  meinte  da,  früher  habe  man  »ich 
daran  genügen  lassen,  einfach  ein  System  auswendig  lernen  zu  lassen; 
dann  habe  man  angefangen,  einzelne  Pflanzen  zu  sammeln  and  za  be- 
stimmen, dann  aber  in  ein  System  einzureihen;  jetzt  aber  streife  min 
hinaus  in  die  Wiese,  Feld  und  Wald  und  lausche  dort  an  ihrer  Wieg« 
den  Pflanzen  ihr  Leben  und  dessen  Bedingungen  ab.  Die  Anwendung 
auf  den  Sprachunterricht  ist  leicht  einzusehen :  Wiese,  Feld  und  Wald 
sind  zusammenhängende  Werke  von  Schriftstellern,  denen  man,  wie 
eich  die  Gelegenheit  bietet,  die  Sprachgesetze  ablauscht.  Wie  man 
sich  nun  aber,  so  meinen  wir,  in  der  Botanik  durch  zweckmässig  an- 
gelegte Gärten  die  Vorteile  jenes  Verfahrens  zu  sichern  vermag,  ohne 
durch  die  räumlichen  und  zeitlichen  Unzuträglichkeiten  und  Uumflg- 
lickeiten  des  Herum  Streifens  iu  Wiese,  Feld  und  Wald  etwa  gar  mit 
einer  Klasse  beeinträchtigt  zu  werden,  so  im  Sprachunterrichte,  wenn 
man  Stücke  benutzt,  welche  mit  Hinblick  auf  unser  Gleichnis  dem 
botanischen  Garten  gleichen. 

Mit  der  Art  und  Weise,  wie  Kares- Platz  die  Lautgesetze  und 
Ergebnisse  der  wissenschaftlichen  Grammatik  verwenden,  erklären  wir 
uns  grundsätzlich  gleichfalls  einverstanden.  Nur  sichere  Ergebnisse 
dürfen  vermittelt  werden  und  diese  nur  in  leicht  verständlicher  For- 
mulierung und  ohne  die  schwer  verständliche  wissenschaftliche  Ter- 
minologie sowie  unter  steter  Berücksichtigung  des  methodischen 
Gesichtspunktes.  Nachdem  eine  grammatische  Erscheinung  ans  den 
französischen  Husteretücken  gefunden  worden  ist,  kann  dieselbe  in 
der  vorgedruckten  „Sprachlehre"  aufgesucht  werden,  worauf  die  Ein- 
übung an  den  deutschen  Musterstücken  beginnen  könnte. 

„Vom  Leichten  zum  Schweren"  ist  auch  in  diesem  vflllig  umge- 
stellten Teile  der  Grundsatz  der  Bearbeiter  gewesen.  Zuerst  über- 
wiegen die  französischen  Stucke,  später  die  deutschen,  Einzelsätie 
sind  nicht  grundsätzlich  verworfen;  zusammenhängenden  Übungen  aber 
ausgiebig  Rechnung  getragen.  Um  der  vielfach  und  mit  Recht  an  den 
früheren  Plcetz'echen  Lehrbüchern  getadelten  Zersplitterung  des  In- 
teresses vorzubeugen,  sind  die  Einzelsätze  so  gewählt,  dass  sie  dem 
Verständnisse  des  Schülers  nahe  liegen  und  dann  nach  sachlichen  Ge- 
sichtspunkten angeordnet,  so  dass  vom  Leichten  zum  Schweren  fort- 
schreitend Geschichtliches  (chronologisch  geordnet),  Geographisches, 
Ethnologisches,  Naturwissenschaftliches,  Sentenzen,  Dinge  des  täglichen 


Platz -Kares,  Kurzer  Lehrgang  der  französischen  Sprache.       179 

Lebens  und  de*  Unterrichts  sich  folgten.  Die  „vermischten  und  ab- 
schliessenden Übungen"  sind  überdies  so  vermehrt,  dass  auch  die 
strengsten  Anhänger  der  zusammenhängenden  Stücke  befriedigt  sein 
werden.  Vorzüglich  ist  in  einzelnen  Lektionen  der  Gedanke  verwertet 
worden,  die  deutschen  Sätze  und  Stücke  dem  französischen  Texte  an- 
zugleichen. 

Fassen  wir  unser  Gesammturteil  über  das  neue  Werk  zusammen, 
da«  sich  mit  Rücksicht  auf  den  Raum  nur  auf  die  allgemeinen  Ge- 
sichtspunkte beziehen  kann.  Das  Buch-  bezeichnet  bez.  der  methodi- 
schen Form,  der  Übungsstücke  nach  Form  und  Inhalt  und  bez.  des 
RegelschatzeR  einen  wesentlichen  Fortschritt,  und  wir  glauben,  dass  es 
bald  die  frühere  Bearbeitung  verdrängen  wird  und  zwar  nicht  nur  an 
Anstalten  mit  beschränktem  Lehrstoff.  Möge  sich  die  fachwissenschaft- 
liche Kritik  des  Buches  nach  der  sachlichen  Seite  recht  annehmen. 
Welches  auch  die  Mängel  sein  mögen,  die  dem  Material  im  Einzelnen 
anhaften  —  hier  lässt  sich  nachhelfen.  Der  Kern  ist  gut,  und  das  ist 
die  Hauptsache.  Wir  empfehlen  unseren  Amtsgenossen  das  Buch  ein- 
gehender Berücksichtigung.  L.  Webpy. 


,  Otto  und  Ploetz,  Guatav,  Schulgrammatik  der  französi- 
schen Sprache  von  Karl  Ploetz.  Für  Mädchenschulen  umge- 
arbeitet. 2.  verb.  Anfl.  Berlin,  1887.  F.  A.  Herbig.  Laden- 
preis ungeb.  2  Mk.  80  Pf. 

Bezüglich  dieses  Buches  für  Mädchenschulen  können  wir  uns 
kürzer  fassen,  da  es  nach  ähnlichem  Plane  gebaut  ist  wie  das  vor- 
stehend besprochene.  Selbstverständlich  haben  sich  seiner  Bestimmung 
gemäss  eine  Menge  Änderungen  nötig  gemacht,  welche  sich  namentlich 
auf  die  Übungen  beziehen,  in  welchen  der  Gedankenkreis  junger 
Mädchen  berücksichtigt  werden  musste.  Auch  der  Umstand,  dass  den 
jungen  Mädchen  die  Kenntnis  des  Lateinischen  abgeht,  machte  Aen- 
derungen  und  Umstellungen  notwendig.  Die  2.  Auflage  unterscheidet 
sich  übrigens  nicht  unwesentlich  von  der  ersten.  Schon  in  der  1.  war 
der  Regelschatz  um  Vs  gekürzt;  die  vorliegende  Aufläse  ist  um  einen 
weiteren  Bogen  gekürzt  worden,  namentlich  durch  Weglassung  der 
für  den  Lehrer  mindestens  überflüssigen  „Einführungen".  Bei  den  Än- 
derungen ist  darauf  Rücksicht  genommen,  dass  die  2.  Auflage  immer 
neben  der  1.  ohne  allzugrosse  Unzuträglichkeiten  wird  benutzt  werden 
können.  L.  Webpy. 


Plcetz-Kares,  Kurzer  Lehraang  der  französischen  Sprache.  Sprach- 
lehre. Auf  Grund  der  Schulgrammatik  und  Karl  Ploetz 
bearbeitet  von  Gustav  Ploetz  und  Otto  Kares.  Berlin, 
1888.  F.  A.  Herbig.  XVI  u.  117  S.  Ladenpreis  ungeb.  1  Mk. 
Übungsbuch.  Heft  1.  (Abschiuss  der  Formenlehre.)  Ebenda, 
1888.     VUI  u.  108  S.     1.  Mk. 

Der  Kurze  Lehrgang  schliesst  sich  im  ganzen  an  die  Schul- 
grammatik neuen  Stiles  an  (an  deren  Stelle  er  in  Verbindung  mit  dem 
Übungsbuch  gebraucht  werden  kann),  enthält  aber  aufs  neue  eine  ganze 
Anzahl  von  Verbesserungen,  wozu  wir  in  erster  Linie  die  schulgemässe 
Behandlung  der  Phonetik  rechnen  möchten.  Das  Buch  zeichnet  sich 
vor    allen   Dingen    durch    seine    grosse    r Handlichkeit"    aus    und  wird 

12* 


180  Referate  und  Rezensionen.    F.  Perle, 

namentlich  in  Klassen,    in  welchen   vornehmlich  wiederholt  wird,  gsro 

Sebraucht  werden.  Dan  an  zweiter  Stelle  genannte  Übungsbuch  bildet 
en  Ausgangspunkt  für  den  kurzen  Lehrgang,  dessen  Regeln  an  den 
französischen  Stücken  des  ersteren  and  an  den  zugehörigen  deutschen 
Stücken  geübt  werden  «ollen.  Fast  olle  diese  Stücke  sind  übrigem 
zusammenhängend  oder  doch  dUVchaua  idiomatischen  Gepräges,  womit 
der  graraatiache  Zweck  vortrefflich  in  Einklang  gebracht  worden  ist 
Vortrefflich  erscheint  uns  das  Verfahren ,  welches  an  die  Stelle  dar 
Retro veraion  sachliches  Nachahmen  eines  gegebenen  idiomi tischen 
Musters  setzt.  Die  Stoffe  sind  frisch,  anregend  und  dem  Verständnis 
der  betr.  Bildungsstufe  angemessen. 

L.    WB8PT. 


Berge*,  H„  Französisches  Lesebuch  für  die  Unterstufe.     Für  *IW- 
und  höhere  Mädchenschulen.     74  S.     Hanau,   1888.     Albcrti. 

Mir  liegt  die  1.  Auflage  vor;  aber  es  ist  schon  die  2.  erschienen. 
Hiermit  w&re  also  die  ,  Brauchbarkeit"  des  Büchleins  bewiesen.  Die 
Behörde  hat  alsbald  nach  Erscheinen  die  Einführung  genehmigt.  Ver- 
fasser und  Verleger  werden  also  wohlbefriedigt  sein.  —  Wer  Marelle, 
Kühn,  den  französischen  Schmid  und  etwa  noch  Hatt,  Wingeratb  oder 
etwas  ähnliches  kennt,  wird  sich  hier  unter  zumeist  guten  alten  Be- 
kannten bewegen.  Erst  kommt  eine  Wörterliste,  dann  das  französische 
Stückchen  dazu,  dann  anfangs  zuweilen  Redensarten  daraus,  aplter 
auch  deutsche  Fragen  nach  dem  Inhalte;  einigemal  sind  die  Redens- 
arten in  grosserer  Zahl  wiederholend  zusammen  gestellt.  Ein  Wörter- 
buch fehlt.  Also  :  ein  nach  einfachem  Plan  gearbeitetes  „brauchbares* 
Büchlein.  Der  Verfasser  wird  es  wohl  an  einer  Fortsetzung  nicht 
fehlen  lassen,  wenn  sie  nicht  schon    erschienen  ist. 

Die  zahlreichen  Druckfehler  der  1.  Auflage  sind  in  der  2.  hoffent- 
lich ausgemerzt.  Franz  Dörr. 


Schulausgaben. 
Dnruj,  Victor,  Htstoire  de  France  de  1789  ä  1195.     Hit  Einleitung 
und    Anmerkungen   herausgegeben  von   K.  A.  Mart.  Hart- 
mann.   Leipzig,  1889.    E.  A.  Seemann. 

Der  Herr  Herausgeber  leitet  die  didaktische  Berechtigung  wi 
einer  Schulausgabe  des  die  Jahre  1789  bis  1790  behandelnden  Ab- 
schnitts in  Duruy'a  Bistnire  de  France  aus  der  Erwägung  her,  dass  die 
bisher  für  das  Revolution*- Zeitalter  für  Unterrichts! wecke  gebräuch- 
lichsten historischen  Werke  von  Mignet  und  Lamartine  aus  Mangel 
an  Zeit  nicht  vollständig  bewältigt  weiden  können ,  eine  Lektüre 
einzelner  Kapitel  aus  diesen  Werken  aber  miselich  sei.  ..Gerade  die 
vollständige  Kenntnisnahme  des  Verlaufe  jener  tief  tragischen  Zeit",  sowie 
ihn  etwa  der  herausgegebene  Abschnitt  bei  Duruv  darstelle,  sei  za 
einem  erBpriesslichen  Betrieb  der  Lektüre  darüber  erforderlich.  Referent 
vermag  diesem  Standpunkt  nicht  beizutreten,  and  iwar  um  eo  weniger 
als  er  zu  Gunsten  eines  Schriftstellers  geltend  gemacht  wird,  der  ganz 
nach  Art  des  alten  Kollin  seinen  Gegenstand  überaus  summarisch  be- 
handelt.    Denn    da    die    historische   Lektüre    den   Geschichtsunterricht 


Schulausgaben.     V.  Duruy,  Histoire  de  France  1789  ä  1795.      181 

weder  ersetzen  soll,  noch  ihn  bei  seiner  viel  schnelleren  Gangart  be- 
gleiten kann,  dagegen  die  durch  ihn  vermittelten  Anschauungen  und 
und  Vorstellungen  zu  vertiefen  und  auszugestalten  berufen  und  geeignet 
ist,  so  kann  ein  überhaupt  wie  im  besonderen  für  einzelne  wichtige 
Episoden,  wie  beispielsweise  für  die  Ereignisse  vom  4.  August,  vom 
5.  und  6.  Oktober,  die  Flucht  des  Königs  u.  a.,  geradezu  dürftig  ge- 
haltenes Qanze  hierfür  nimmermehr  genügen.  Ganz  im  Gegenteil 
drangen  alle  Rücksichten  haushälterischer  Didaktik,  da  eine  eingehendere, 
und  so  des  bedeutsamen  Gegenstandes  allein  würdige  Darstellung  des 
Gesamtereignisses  nicht  bewältigt  werden  kann,  zum  Studium  gewisser 
einzelner  Höhepunkte  desselben,  zum  Studium  eben  jener  Ereignisse, 
bezw.  Tagesfragen,  deren  genauere  Kenntnis,  Wesen  und  Charakter 
der  Revolution  überhaupt  klarlegen  und  beurteilen  lehren.  So  wird 
ohne  Zweifel  die  Lektüre  einiger  Reden  Mirabeau's,  wie  etwa  seiner 
Reden  über  die  Benennung  der  vereinigten  Versammlung  der  drei 
Stande,  über  das  Veto,  über  die  Teilnahme  der  Abgeordneten  zur 
Nationalversammlung  am  Ministerium,  dem  Leser  mehr  Verständnis 
der  Revolution  eintragen  als  es  Duruy  mit  seiner  Gesamtdarstellung 
auch  nur  entfernt  vermag.  Mein  Hinweis  aber  auf  die  Reden  Mira- 
beau's,  und  nicht  auf  einen  Historiker,  will  besagen,  dass  ein  der  ver- 
schiedenartigsten Beurteilung  noch  immer  und  wahrscheinlich  noch 
auf  lange  hinaus  unterworfenes  Zeitalter,  wie  es  das  der  französischen 
Revolution  par  exceüence  ist,  grundsätzlich  nicht  durch  Vermittelung  der 
Geschichtsschreibung,  sondern  auf  dem  Wege  quellenmässiger  Anschauung 
in  den  Schulen  studiert  werden  sollte.  Denn  in  Quellenschriften  sind 
auch  Irrtümer,  Entstellungen  und  Leidenschaft  zumeist  ächte  Zeugen 
ihrer  Zeit.  (Vgl.  meinen  Aufsatz  in  dieser  Zschr.,  Bd.  VIII.)  Will  man 
aber  nun  einmal  im  altgewohnten  Geleise  der  Geschichtsschreibung 
weiter  wandeln,  so  könnte  gleichwohl  Duruy  ausser  aus  den  bisherigen 
Erwägungen  uicht  auch  bloss  deswegen  nicht  in  Frage  kommen,  weil 
er  —  wie  es  der  Herausgeber  selbst  zugesteht  —  ebenso  veraltet  ist 
wie  Mignet  und  Lamartine,  sondern  auch  deswegen  nicht,  weil  er  es 
verabsäumt,  die  für  die  Beurteilung  des  Ereignisses  sehr  wichtigen 
gesellschaftlichen  und  kirchlichen  Momente  der  Revolution  in  ihrem 
folgenreichen  Verhältnis  zu  den  politischen  darzustellen.  Wer  an  den 
Historikern  festhalten  will,  wird  sich  schlechterdings  nach  einem  um- 
sehen müssen,  der  die  Ergebnisse  der  durch  Sybel  eingeleiteten  neueren 
Forschung  seiner  Darstellung  zu  Grunde  gelegt  hat.  Taine,  an  den 
man  zunächst  denken  könnte,  wäre  dazu  allerdings  —  für  die  Schule 
—  wie  dies  auch  Hartmann  ausspricht,  bei  seiner  durchgehenden  Vor- 
aussetzung alles  Thatsächlichen  nicht  geeignet 

Muss  der  Vorschlag,  von  der  Forschung  überholte  Werke  durch 
ein  nicht  minder  überholtes,  aber  erheblich  weniger  reizvolles  Werk 
abzulösen,  als  verfehlt  erscheinen,  so  wird  andererseits  der  der  Hart- 
mann'schen  Ausgabe  Duruy's  beigegebene  Kommentar  der  Anerkennung 
jedes  Sachkundigen  sicher  sein  dürfen.  Der  Herausgeber  ist  im  Zeit- 
alter der  Revolution  in  der  That  zu  Hause,  und  zwar  nicht  bloss  in 
Frankreich  oder  vermöge  des  Studiums  der  allbekannten  einschlägigen 
Geschichtswerke.  Die  Haltung  der  als  besonderes  Heft  dem  Autor 
beigegebenen  Anmerkungen  ist  durchweg  ansprechend,  da  sie  wie  in 
den  Text  hineingeschrieben  erscheinen  und  so  denselben  beleben.  Die 
allenthalben  erreichbaren  biographischen  Notizen  sind  von  wohlthuender 
Kürze,  bezw.  so  gegeben,  dass  sie  die  im  Texte  erwähnten  Personen 
unter  einem  für  das  Verständnis  des  Schriftwerks  wesentlichen  Gesichts- 
punkte charakterisieren.     Auch  dass  bei  der  Abwesenheit  sprachlicher 


182  Referate  und  Rezensionen.    C.  Th.  Um, 

Besonderheiten  des  Texten  die  Anmerkungen  ausschliesslich  sachlicher 
Art  sind,  gereicht  dem  Kommentar  vielen  anderen  Sehn  lauggaben 
gegenüber  zum  Vorzuge.  Im  Interesse  weiterer  selbständiger  Ver- 
wendung wäre  ein  Sachregister  wünschenswert  gewesen. 

Die  Irrtümer  des  Verfassers  unterlässt  der  Herausgeber  im  all- 
gemeinen nicht  zu  berichtigen,  freilich  nicht  in  allen  Fällen.  So  wart 
eine  derartige  Kritik  der  Dnruy'schen  Darstellung  namentlich  in  Be- 
treff der  Ereignisse  vom  5.  und  6.  Oktober,  des  plus  lieau  jnur  dei 
Revolution  (14.  Juli  1790),  der  Veranlassung  des  ersten  Koalition*, 
krieges,  der  Behandlung  der  königlichen  Familie  nach  dem  10.  Au  gart, 
sehr  wohl  am  Platze  gewesen.  Auch  dass  die  gardes  du  corpi  eine 
ausschliesslich  aus  Edelleuten  bestehende  Truppe  waren,  hätte  ange- 
merkt werden  müssen,  weil  erst  so  ihre  gesellige  Vereinigung  mit  den 
Offizieren  des  Regiments  Flandern  [S.  19]  verständlich  wird.  Fritscb'i 
treffliche  Erläuterung  zu  federation  [Mirabeau  II,  8.  51]  hätte  passend 
übernommen  werden  können  Die  Anmerkungen  zu  lettre  de  cecket 
[8.  3]  und  cahier  [S.  4]  geben  keine  genügende  Aufklärung,  noch 
weniger  die  Bemerkung  über  die  Jacobiner  [8.  2  u.  S.  11],  wobei  in 
letzterer  Hinsicht  das  Wesentliche  eben  dieses  ist,  dass  die  Jacobiner 
den  Standpunkt  der  jeweilig  fortgeschrittensten  Linken  darstellen,  der 
aber  sowohl  nach  seinen  Vertretern  wie  nach  seinem  Inhalt  zu  ver- 
schie denen  Zeiten  sehr  Verschiedenes  bedeutet.  „Girondisten"  and 
„eigentliche  Jacobiner"  (S.  34  der  Anm.)  ist  ein  wenig  zutreffender 
Gegensatz.  Zu  S.  3!  der  Anm.  mag  hinzugefügt  werden,  dasa  die 
Girondisten  als  Gesamtpartei  allerdings  in  jener  Zeit  nicht  allgemein 
Girondins  —  bei  Mercier  vol.  111  S.  9  findet  sich  diese  Form  bereit»  — 
genannt  werden,  dass  aber  die  Benennung  Girondistes  (vgl.  Dumonriei, 
Mem.  II)  schon  als  allgemeine  Parteibezeichnung  diente.  Die  Ab- 
geordneten von  Bordeaux  bezeichnet  Louis  XVI.  in  seinem  Briefe  vom 
27.  Juli  1792  an  den  Grafen  von  Provence  als  deputation  de  la  Ga-andt, 
die  Parte!  selbst  als  la  Girontte. 

Das  Buch  ist  gut  ausgestattet,  der  Druck  sorgfältig. 

F.  Perle. 


Sammlung  französischer  (und  englischer)  Schriftsteller  für 
den  Schill-  und  Privatgebrauch.  Ausgaben  VeLhagen 
&  Klasing.  Prosaleurs  francais.  72.  Lieferung.  Ausgabe  B. 
Mit  Anmerkungen  in  einem  Anhange.  Quinte  jours  au  Sana 
par  A.  Dumas  Pbre  et  A.  Dauzats.  Auszug.  Hit  Anm.  zum 
Schnlgebr.  herausgegeben  von  Adolf  Meyer.  1889.  ISS  8. 
Anhang  39  8.  kl.  8°.  geb.  1  Mk.  Wörtern.  76  8.  geh.  30  Pf. 
—  73.  Lieferung.  Ausgabe  A.  Mit  Anmerkungen  unter  dem 
Text.  Hisloirc  greegue  par  Victor  Duruy.  In  Auszügen  mit 
Anm.  zum  Schulgebr.  herausg.  von  H.  Lambeck.  1889.  ISIS. 
geb.  90  Pf.  Wörterbuch  «5  S.  geh.  20  Pf.  —  74.  Lieferung.  Aus- 
gabe A.  Neun  Erzählungen  aus  Leitret  de  mon  movän  und 
Conttts  ckoisis  par  Alphonte  Daudet.  In  Auszügen  mit  An- 
merkungen zum  Schulgebr.  herausgegeben  von  J.  Wychgram. 
1889.  VIII  u.  114  S.  geb.  60  Pf.  Wörterbuch  48  S.  geb. 
20  Pf.  —  75.  Lieferung.  Ausg.  A.  De  CAUemagne  par  itr** 
de  Statt.  Im  Auszuge  mit  Anmerkungen  zum  Schulgebrauch 
herausgegeben  von  Gerhard  Franz.  1889.  VI  u.  190  S. 
geb.  1  Mk.  The'ätre  francais.  X.  Folge.  2.  Lieferung.  Aus- 
gabe A.     Le   Cid  par  P  Corneille.     Herausgegeben    von  Alb. 


Schulausgaben,  183 

Benecke  u.  G.  Carel.  1889.  XXVIII  u.  106  S.  geb.  60  Pf. 
Wörterbuch  27  S.  geh.  15  Pf.  XIV,  5.  Ausg.  A.  lphigenie  par 
Racine.  Herausg.  von  D.  Roh  de.  1885.  100  S.  geb.  60  Pf. 
Wörterb.  11  S.  geh.  15  Pf.  XIV,  8.  Ausg.  A.  Britannicus 
par  Racine.  Herausgeg.  von  Wilhelm  Scheffler.  1889. 
XXVIII  u.  112  S.  geb.  60  Pf.  Wörterb.  10  S.  geh.  15  Pf. 
XV,  8.  Ausg.  A.  Esther  par  Racine.  Herausgeg.  von  Wil- 
helm Scheffler.  1889.  XXXV  und  84  S.  geb.  60  Pf. 
Wörterbuch,  15  S  geh.  15  Pf.  XV,  7.  Ausgabe  A.  Andro- 
maque  par  Racine.  Herausgeg.  von  Georg  Stern.  1888. 
L  u.  102  S.  geb.  60  Pf.  Wörterbuch  U  S.  geh.  15  Pf.  — 
Bielefeld  und  Leipzig. 

Die  72.  Lieferung  der  Prosateurs  bietet  in  dem  18  Abschnitte 
umfassenden  Auszüge,  dessen  Verhältnis  zum  Originaltext  ich  nicht 
beurteilen  kann,  einen  anziehenden  Inhalt,  der  sich  immerhin  auch 
für  Schullektüre  verwerten  lässt,  wenn  dadurch  nicht  einem  geeig- 
neteren Stoffe  Zeit  entzogen  wird;  jedenfalls  können  die  ausgewählten 
Abschnitte  der  Privatlektüre  empfohlen  werden.  Die  Anmerkungen  im 
Anhange  sind  insofern  zweckmässig  ausgearbeitet,  als  sie  die  sachlichen 
Angaben  des  Textes,  die  übrigens  „mit  den  Forschungen  der  neueren 
Wissenschaft  nicht  in  wesentlichem  Widerspruch  stehen",  unter  Be- 
nutzung der  Arbeiten  von  Lepsius,  Kiepert,  Ebers,  Schweinfurth  und 
von  Heuglin  hin  und  wieder  berichtigen.  Die  Fassung  der  Anmerkung 
S.  9  Z.  8  zu  Alexandrie,  die  an  und  für  sich  wohl  entbehrlich  war  — 
jeder  Schüler  und  jede  Schülerin  wird  wohl  schon  von  Alexandrien 
hinreichend  gehört  haben  —  „Alexandrien  liess  der  Macedonierköoig 
Alexander  der  Grosse  im  Jahre  882  durch  Dinokrates  an  einer  sehr 
glücklich  gewählten  Stelle  im  westlichen  Teile  des  Nildeltas  erbauen, 
an  welcher  die  durch  Zurückhaltung  des  schlammigen  Nilwassers  östliche 
Häfen  wie  den  von  Pelusium  verschlammende  Meeresströmung  vorüber- 
strich, und  welche  u.  s.  w.  bot"  ist  unverständlich.  Es  wäre  gut,  wenn 
die  lexikalischen  Anmerkungen,  die  sich  meist  ganz  gleichlautend  in 
dem  Wörterbuch  wiederfinden,  in  den  Ausgaben  VelhagenA  Klasing 
ganz  beseitigt  würden:  welchen  Zweck  hat  solche  doppelte  Angabe? 
und  was  kommt  dabei  heraus,  wenn  Anmerkung  und  Wörterbuch  nicht 
übereinstimmen?  z.  B.  11,  25:  „brisant  blinde,  verborgene  Klippe,  pl. 
auch  Wellenbrecher."  Wörterbuch:  J/risant,  m.  (verborgene)  Klippe; 
pl.  Brandung/  Das  Wörterbuch  hat  diesmal  recht,  denn  man  kann 
10,  81  ff.:  Ceau  qui  sc  brise  contre  une  chaine  de  rochers  qui  ferme 
presque  le  port  doch  nicht  auf  Wellenbrecher  deuten.  Zu  27,  21  ff.: 
nous  approchämes  rapidement  des  pyramides,  qui.  de  leur  cote,  semblaient 
venir  au-devant  de  nous  et  s'incliner  sur  nos  tites  wird  angemerkt: 
„s'inctiner:  eine  Übertreibung."  Mir  scheint  im  Gegenteil  der  Verfasser 
sehr  treffend  den  Eindruck  wiedergegeben  zu  haben,  den  die  Beobachter 
empfingen.  Die  grammatischen  Anmerkungen  halten  sich  in  den  durch 
den  Plan  der  Ausgaben  bestimmten  Grenzen. 

Dass  ich  Bearbeitungen  der  alten  Geschichte  von  französischen 
Schriftstellern  des  XIX.  Jahrhunderts  als  Schullektüre  für  angemessen 
erachte,  habe  ich  iu  dieser  Zeitschrift  Bd.  V2  S.  222  zu  begründen  ge- 
sucht. Wir  erhalten  in  der  73.  Lieferung  einen  Auszug  aus  Duruy, 
Histoire  grecque.  Gegen  die  Wahl  des  Schriftstellers  lässt  sich  kein 
Einwand  erheben ;  Duruy  zeichnet  sich  aus  durch  eine  klare  und  glatte 
Darstellung,  die  dem  Inhalte  nach  auf  gründlichen  Forschungen  beruht. 
Es  ist  ferner  für  die  Schüler,    die  ja   nicht  die  griechische  Geschichte 


181  Referate  und  Rtzensümen.    C.  Tk.  Im», 

in  den  französischen  Sprachunterrichte  stunden  erst  erlernen  «ollen,  im 
ganzen  auch  gleichgiltig,  welche  abschnitte  aus  einem  grösseren  Werk« 
ausgewählt  werden,  wenn  einmal  die  Frage  dahin  entschieden  ist,  dan 
eine  fortlaufend*;,  zusammenhangende  Darstellung  der  ganzen  griechi- 
schen Geschichte  sich  nicht  in  dem  vorgeschriebenen  Umfange  geben 
läset:  ich  glaube  freilich,  dase  auch  für  solche  Absicht  ein  geeigneter 
Schriftsteller  wohl  gefunden  werden  könnte.  Bei  dem  Verfahren  dei 
Herausgebers  kann  es  fraglich  erscheinen ,  ob  es  *  weckmassig  war, 
der  Zeit  bis  auf  Lykurg  den  verhältnismässig  bedeutenden  Baum  von 
S.  7 — 43  zuzumessen,  wodurch  es  dann  erforderlich  wurde,  in  der 
späteren  Zeit  Ereignisse,  von  denen  man  wohl  gerne  etwas  vernommen 
hätte,  mit  Schweigen  zu  übergehen;  so  folgt  auf  den  10.  Abschnitt: 
Leoniäas  als  elfter  gleich  Pe'rtctis;  vielleicht  hätte  sich  eine  Reihe 
aufeinanderfolgender  Abschnitte  ohne  Streichung  innerhalb  derselben 
besser  dargestellt.  Die  sachlichen  Anmerkungen  sind  mit  Pleiss  und 
Sorgfalt  behandelt,  die  Bemerkungen  über  die  französische  Aussprache 
der  griechischen  Eigennamen  willkommen,  von  den  lexikalischen  An- 
merkungen gilt  hier  ebenso  wie  bei  den  noch  zu  besprechenden  Aus- 
gaben der  Prosatews  und  des  lheätre  dasselbe,  was  ich  oben  bemerkt 
habe. 

Über  die  Angemessenheit  der  betreffenden  Schriftwerke  Dandefi 
vergl.  diese  Zeitschrift  VI*  S.  285  und  IX1  S.  236.  Der  Herausgeber 
der  74.  Lieferung  hätte  der  an  den  genannten  Orten  besprochenen 
Ausgabe  mit  einem  kurzen  Wort  gedenken  sollen:  vielleicht  hat  er 
sie  nicht  gekannt,  das  läset  sich  aber  kaum  annehmen;  jene  Ausgaben 
sind  mir  augenblicklich  nicht  zur  Hand  und  ich  mnss  eine  Vergleiobuno 
anderen  überlassen,  die  Selbständigkeit  der  Arbeit  scheint  mir  jedoch 
unbestreitbar.  Die  Auswahl  ist  eine  wohl  gelungene,  auf  die  sachliche 
Erklärung  ist  grosse  Sorgfalt  verwandt,  die  lexikalischen  Anmerkungen 
selbst,  wenn  man  wohl  das  Wörterbuch  in  Betracht  zieht,  vielfach 
überflüssig:  das  Wörterbuch  hätte  die  erste  Anm.  zu  ies  tnurs  et  Im 
plate-forme  envakis  partes  herbes:  „envahi  hier:  überwuchert"  (Wörter- 
ouch  envahi  [spr.  nu-vd-i']  überwuchert)  nicht  schlechthin  übernehmen, 
sondern  ergänzen  sollen. 

Die  „Biographie  und  Einleitung"  zur  75  Lieferung  hat  es  leider 
verabsäumt,  eine  Übersicht  über  den  Inhalt  des  ganzen  Werkes  der 
Hm*  de  StaBl  zu  geben,  der  Leser  hätte  dadurch  eine  Vorstellung 
von  der  Komposition  desselben  gewinnen  können,  und  die  ausgewählten 
Abschnitte,  welche  die  meisten  Kapitel  aus  dessen  i.  Teile  umfassen 
und  die  Meisterwerke  deutscher  Dichtung  zum  Gegenstand  haben, 
würden  dann  nicht  einen  so  chrestomathiechen  Eindruck  machen.  Die 
Auswahl  selbst  bietet  in  dem,  was  sie  giebt,  einen  sehr  ansprechenden 
Stoff,  zu  dessen  Verständnis  die  Anmerkungen  in  dankenswerter  Weise 
beitragen;  im  allgemeinen  Bind  sie  dem  Programm  der  Ausgaben  ge- 
mäss ausgearbeitet. 

Unter  den  5  Werken,  die  „für  die  Kommentierung  und  für  die 
Feststellung  des  Textes"  des  Cid  „benutzt  worden"  sind,  nennt  der 
Herausgeber  die  Ausgabe  der  Weidmann' sehen  Sammlung  von  Strehlke 
nicht.  Han  vergleiche  aber  1,  1,  2.  „degviser  entstellen;  in  anderem 
Lichte  darstellen"  mit  Strehlke:  rdeguises-tu:  —  .entstellen,  in  anderem 
Lichte  darstellen'  nicht  .verbergen'".  I,  I,  5:  s'abiurer  ä  faire  geh.  s= 
t'abuser  en  faisant  geh."  mit  Str.:  „s'abuser  —  se  faire  Uiiision.  Der 
nachfolgende  Infinitiv  mit  ä  hat  den  Sinn  des  Gerundivs  en  lisani." 
I,  I,  10:  „trop  zu  viel,  zu  oft"  mit  Str.:  trop  hier  in  der  ziemlich 
seltenen  Bedeutung:  zu  oft."   I,  I,  16.  „pencher  —  faire  pencher"  mit  Str.: 


Schulausgaben.  185 

umeke  im  transitiven  Sinne,  wie  1701,  so  dass  der  Sinn  entsteht  u.  s.  w.u 
,  L,  20:  ä  choisir  =  pour  choisir;  ä  statt  pour  vor  dem  Infinitiv  ist 
Mi  Corneille  and  seinen  Zeitgenossen  ebenso  häufig  als  ä  mit  dem 
Infinitiv  an  Stelle  des  Gerondii  u.  s.  w.  mit  Str. :  nä  —  in  der  jetzigen 
Sprache  pour."  1,  1,  29 :  „n'a  trait  =  ria  aucun  traitu  mit  Str. :  „trait. 
Der  Teilungsartikel  fehlt  in  der  älteren  Sprache  viel  häufiger  als  jetzt. 
Man  vergleiche  folgende,  sämtlich  aus  Com.  entnommenen  Beispiele 
i.  8.  w.u  (I,  I,  35:  Beide  Herausgeber  erwähnen  den  gleichlautenden 
Vers  aus  Racine,  les  Piaideurs,  der  sich  aber  weder  V,  1  [Str.],  noch 
[,  1  [Benecke],  sondern  I,  V  findet.)  I,  I,  40:  „trancher  =  interrompreu 
mit  8tr.  trancke  ==  coup*.  Vergl.  Polyeucte  1372  (IV,  VI,  6).a  trancher 
steht  im  Gegensatz  zu  commencer  und  naitre,  bedeutet  demnach  eher 
„ein  Ende  machen"  als  „unterbrechen",  was  einen  Wiederanfang  ver- 
muten lässt;  das  Wörterbuch  zum  Cid  giebt  dem  entsprechend  an: 
abschneiden,  ein  Ende  machen.  I,  I,  42:  JbaUmcee  unschlüssig"  mit 
Str.:  „balance'e  =  indecise,  mcertaine"  I,  I,  49.  rcsoudre  gn.  ä  fahre 
jch.  =  faire  consentir  ä:  bestimmen  etwas  zu  thun"  mit  Str.:  „resolu 
in  transitivem  Sinne :  zum  Entschluss  gebracht,  wie  389,  396  und  sonst 
oft  in  der  älteren  Sprache/  1,  I,  52:  „Contents  =  re'alise'su  mit  Str.: 
„Contents  befriedigt,  wie  Polyeucte  1154  und  1410,  auch  bei  Racine 
nicht  selten."    I,  1,  55:   „des  visages  divers  =  des  aspects  divers,  des 

£&s  diverses^  mit  Str.:  „visage.  Die  Kritik  hat  an  dieser  Personifi- 
tdon  des  Schicksals  Anstoss  genommen  u.  s.  w.  Auch  Racine  sagt 
indessen  Andr.  I,  1:  „Ma  fortune  va  prendre  une  face  nouveüe  und 
Boileau  Art  poe't.  II,  119:  Otogne  mot  eut  toujours  denx  visages  divers" 
um  noch  eine  Stelle  aus  dem  weiteren  Verlauf  des  Stückes  anzuführen, 
örwähne  ich  V,  V,  18:  „man  crime;  das  Verbrechen  besteht  darin,  dass 
sie  ihn  znm  Zweikampfe  nötigte"  was  man  mit  Str.'s  Anmerkung  ver- 
gleichen möge:  „mon  crime  —  darin  bestehend,  dass  ich  ihn  zum 
Kampfe  nötigte."  —  Diese  Vergleichung  der  beiden  Ausgaben  dürfte 
genügen,  um  den  Beweis  zu  liefern,  dass  die  Ausgabe  Strehlke's  von 
Carel-Benecke  benutzt  worden  ist ;  es  war  ja  auch  der  letzteren  Pflicht, 
sie  nicht  unbeachtet  zu  lassen,  und  sie  haben  thatsächiich  ihre  An- 
gaben selbständig  verarbeitet,  meines  Erachtens  zwar  nicht  immer  in 
gelungener  Weise,  z.  B.  1, 1,  5.  Es  lässt  sich  nur  nicht  absehen,  warum 
Carel-Benecke  der  allseitig  als  trefflich  anerkannten  Arbeit  ihres  Vor- 
gängers, der  sie  unbestritten  in  positiver  und  negativer  Hinsicht  manches 
verdanken,  bei  der  Aufzählung  der  von  ihnen  benutzten  Werke  mit 
keiner  Silbe  gedenken.  Zu  V,V,  16:  Veux-tu  que  de  sa  mort  je  CecouU 
vanter  wird  bemerkt:  „es  müsste  heissen  te  vattfer".  Die  Sache  selbst 
kann  fraglich  sein;  gut  ist,  dass  die  Aufmerksamkeit  darauf  gelenkt 
wird,  daher  besser :  „müsste  es  nicht  heissen  te  vanter?u  Die  Antwort 
darauf  kann  sich  jeder  selbst  geben.  Zu  V,  VI,  9  findet  sich  wieder 
einmal  die  Anm.  ä  qui  für  ä  celui  qui  wie  V,  I,  40:  eine  Fassung,  die 
ich  für  verwerflich  halte,  weil  dadurch  die  Vorstellung  erweckt  wird, 
als  ob  der  heutige  Sprachgebrauch  ä  qui  u.  dergL  nicht  mehr  gestattete. 
Die  Ausgabe  von  Racine 's  lphigenie  durch  Roh  de  ist  als 
Schalausgabe  wohl  zu  empfehlen,  Worterklärungen  sind  auf  ein  ge- 
ringes Mass  beschränkt,  die  aus  Mesnard  und  Geruzez  übernommenen 
Anmerkungen,  die  meist  das  zu  Grunde  liegende  Stück  des  Euripides 
Eur  Vergleichung  heranziehen,  sind  gut  gewählt  und  bieten  manche 
Anregung.  Auch  die  sprachlichen  Anmerkungen  bieten  nur  selten 
Anlass  zu  Ausstellungen;  z.  B.  II,  I,  64:  „devoir  oft  zur  Bezeichnung 
der  Zukunft,  vergl.  englisch  1  shall*  Ebenso  III,  VI,  22.  In  devoir 
liegt  doch  etwas  mehr  als  die  Bezeichnung  der  Zukunft,  das  was  nach 


186  Referate  und  Rezensionen.    C.  Th.  Lion, 

der  Bestimmung  des  Schicksal»  eintreten  soll.  Anmerkungen  wie  I, 
II,  44 :  „je  ne  saurais,  immer  ohne  pas  =  ich  kann  nicht"  u.  dergl.  mehr 
sind  überflüssig.  Statt  die  lange  Anmerkung  aus  Geruzez  über  11, 1, 
107:  Je  me  lausai  condutre  ä  cet  aimable  guide  abzuschreiben,  hätte 
auf  den  bekannten  Sprachgebrauch  Alexandre  laitsa  prendre  haka.t 
ä  sei  troupes  kurz  verwiesen  werden  aollen.  1,1,3  statt  mime  liet 
mime.  I,  I.  38  statt  Pteurez  vous  lies  Pteurez-voiu.  8.  11,  4t — 41 
„beachte  die  Umpora,"  lies;  „beachte  die  Wahl  der  Zeiten".  Die 
Anm.  eu  III,  IV,  29,  80:  Mais  c'est  pousser  Irop  Urin  sei  droits  injurietx, 
Qu'y  joindre  le  tourmtnl  que  je  souffre  en  ces  Htux  „gne  statt  que  ic' 
ist  ungenügend.  Man  vergleiche  Lücking,  französische  Grammatik 
§  237  Anm.  1. 

Von  einigen  überflüssigen  Anmerkungen  abgesehen  wie  11,  VI,  19 
,,dts  yeux  mit  den  Augen;  de  zur  Bezeichnung  des  Mittels"  n.  dergl.. 
ist  die  Scheff  ler'sche  Aufgabe  des  Britatmicus  mit  grosser  Sorgfalt 
gearbeitet  und  bezeichnet  in  der  That  einen  Portschritt  gegen  die 
früheren  Ausgaben  des  Stückes;  dasselbe  lässt  eich  der  der  Eitker 
nach  r0bmen. 

Eine  Menge  überflüssiger  Anmerkungen  findet  sieh  dagegen  in 
Georg  Stern's  Aussähe  der  Andromaque ,  insbesondere  ist  an  m 
vielen  Stellen  von  der  Er blärunga weise  mittels  Übersetzung  ins  Deutsche 
Gebrauch  gemacht  worden,  wo  mehrfach  eine  andere  Art  der  Erklärung 
am  Platze  war;  z.  B.  I,  11,  83:  ^erse'cuter  le  pere  sur  le  ßs  den  Vater 
in  dem  Sohne  verfolgen"  (wo  Laiin,  dessen  Ausgabe  Stern  all  von 
ihm  benutzt  namhaft  macht,  bemerkt:  „sur  le  fiis  statt  dans.  Louii 
Racine  nennt  tur  eleganter.")  Wäre  es  hier  nicht  angebracht  gewesen, 
den  Sprachgebrauch  der  Präposition  sur  zu  erörtern,  auf  conquerir  n 
pays  sur  qn.  u.  dergl.  hinzuweisen?  Zu  1,  III,  4  erhalten  wir  die  An- 
merkung: Ten  =  tteäe.  en  steht  bei  Racine  (doch  nicht  bloss  bei 
Racine!)  sehr  häufig  in  Beziehung  auf  Personen.  Jetzt  wird  en  meist 
nur  in  Beziehung  auf  Sachen  und  Abstracto,  gebraucht.  Eine  un- 
genaue Ausschreibung  von  Benecke  Cr.  II  S.  113,  die  in  dieser  Passung 
unrichtig  wird.  I,  IV,  42:  „passer  pour  qch.  für  etwa»  gehalten 
werden,  gelten"  war  überflüssig,  auch  wenn  man  nicht  in  Betracht 
ziehen  will,  das»  das  Wörterbuch  „posser  pour  gelten  für"  angiebt; 
ebenso  vieles  gleicher  Art.  1,  IV,  107:  „s'arriter  dans  oder  ä  qck.  bei 
etwas  stehen  bleiben ,  nicht  weiter  gehen. u  (Wörterbuch :  sarriUr 
inne  halten  (verfallen),  verharren;  verweilen.)  Hier  stimmen  Wörter- 
buch und  Anmerkung  nicht  ganz  überein  (Lauu  erklärt:  Denn  alliu 
heftig  war  des  Herzens  Glut,  Um  eich  in  kaltem  Gleichmut  zu  ver- 
lieren.) Ebendaselbst  Tne ..  .que  gehört  zu  dans  Fhidifference".  ne . .  .que 
gehört  doch  immer  zu  dem  auf  que  folgenden  Begriff.  II,  I,  11 ;  „tu 
pere  =  votre  pere."  In  dieser  Fassung  jedenfalls  nicht  zu  dulden. 
Wenn  der  Erklärer  darauf  hinzuweisen  für  nötig  hielt  —  für  einen 
verständigen  Leser  war  ea  unnötig  — ,  so  konnte  er  etwa  sagen:  was 
veranlasst  den  Dichter,  im  pere  für  votre  pere  zu  setzen?  II,  I,  81: 
„ma  familte  venqe'e  die  Thatsache,  daas  meine  Familie  gerächt  war. 
Zu  der  Konstruktion  vergl.  S,  6  Anm.  zu  1,1,  SO."  Die  gegebene, 
übrigens  ziemlich  ungeschickte  Übersetzung  war  bei  dem  Hinweis  auf 
die  dem  Lateinischen  nachgebildete  Konstruktion  durchaus  entbehrlich. 
Ebenso  II,  11,  18:  die  Übersetzung  von  mon  sang  prodigue.  Wozu  die 
Übersetzung  von  II,  II,  33?  Dergleichen  ist  geeignet,  eine  Schal- 
auggabe dem  Lehrer,  der  seine  Schüler  doch  vor  allem  zur  Selb- 
ständigkeit bringen  will,  zu  verleiden.  Trotz  alledem  enthält  aber 
die  Ausgabe   vieles  Brauchbare   und  Zweckmässige   und    soll   nicht  als 


Schulausgaben.  187 

eine  schlechte  bezeichnet  werden,  der  Schüler  wird  die  Anmerkungen, 
die  er  nicht  braucht,  gar  nicht  lesen;  würde  er  sie  brauchen  müssen, 
so  wäre  entweder  der  Beweis  für  seine  Unfähigkeit  geliefert  oder  der 
Gegenbeweis  gegen  die  Behauptung  ihrer  Überflüssigkeit  erbracht. 


Weidmännische  Sammlung  französischer  (und  englischer) 
Schriftsteller  mit  deutschen  Anmerkungen*  Heraus- 
gegeben von  E.  Pfundheller  und  G.  Lücking.  Chateau- 
briand, Itineraire  de  Paris  ä  Jerusalem  im  Auszuge.  Reise- 
bilder aus  dem  Süden  (Griechenland,  Palästina,  Nordafrika). 
Zusammengestellt  und  erklärt  von  Wilhelm  Kühne.  Dritte 
Auflage.  Berlin,  1889.  Weidmännische  Buchandlung.  112  S. 
geh.  1  Mk. 

Vergl.  diese  Zeitschrift  III  S.  320  f.,  und  329.,  VI2  S.  272.  Auch 
in  der  3.  Auflage  ist  die  bessernde  Hand  des  Herausgebers  sichtbar, 
der  eich  freilich  nicht  hat  entschliessen  können,  die  teilweise  recht 
elementaren  grammatischen  Bemerkungen  zu  beseitigen.  Er  muss  also 
derartige  Angaben  für  erspriesslich  halten,  wie  S.  10  Anm.  5:  ,Je 
craigne,  der  Konjunktiv  im  Relativsatze,  der  sich  an  einen  verneinen- 
den Satz  anschliesst.a  Der  Herausgeber  bestimmt  die  Anmerkungen 
dazu,  „dem  Schüler  bei  der  häuslichen  Vorbereitung  zu  Hilfe  zu 
kommen  und  ihm  einige  der  schwierigeren  grammatischen  Regeln  durch 
lebendige  Beispiele  einzuprägen,  ohne  die  Erklärung  des  Lehrers  ersetzen 
zu  wollen.*1  Aber  durch  obige  Angabe  ist  die  Erklärung  des  Lehrers 
vorweggenommen,  eine  Anmerkung  in  der  Fassung:  yje  craigne  warum 
der  Konjunktiv?44  würde  der  Absicht  der  Herausgebers  viel  oesser  ent- 
sprechen, der  häuslichen  Vorbereitung  eine  kleine  Aufgabe  stellen, 
deren  endgiltige  Lösung  der  Arbeit  in  der  Schule  überlassen  bleibt. 
AnstoBB  nehme  ich  an  der  Anm.  1.  S.  11:  „ebauche's  entworfen.  Der 
Plural  wegen  laplupart."  Auch  hier  würde  gegen  eine  Anmerkung 
in  Gestalt  einer  Frage  sich  kein  Einwand  erheben  lassen,  die  hier 
gegebene  Antwort  ist  unrichtig,  da  eine  ausführlich  gehaltene  Frage 
etwa  lauten  müsste:  „warum  der  Plural,  da  doch  das  Subjekt  La  plu- 
part  der  Form  nach  Singular?"  Auch  Kühne  merkt  an  S.  16,  7: 
„ä  qui  statt  äceluigui."  18,  5:  „e'carts  etwa:  Sprünge."  Seitensprünge, 
die  erste  Bedeutung,  die  die  Wörterbücher  angeben,  scheint  mir  dem  Sinne 
der  Stelle  angemessener,  sonst  könnte  noch  eine  Übersetzung,  wie  Ab- 
irrungen (Abschweifungen),  in  Frage  kommen.  23,  5:  „mime  statt  la 
mime,  eine  in  unvollständigen  Sätzen  häufige  Verkürzung"  ist  nach 
Lücking,  franz.  Gram.  §  270.  I.  Anm.  oder  nach  Mätzner,  franz.  Gram. 
2.  Aufl.  S.  164.  ßß.  zu  verbessern.  28,  8:  „avoir  bekommen"  besser 
„erhalten",  als  das  vulgäre  bekommen;  und  wiederum  besser:  wann 
ist  avoir  durch  erhalten  zu  übersetzen  ?  29,9:  „ne  nicht  zu  übersetzen ; 
es  muss  nach  vorausgehendem  Komparativ  stehen,  wenn  der  Satz  mit 
qne  (=  als)  ein  eigenes  Verbum  hat.  Doch  bekanntlich  nicht  in  allen 
Fällen  (Lücking,  fr.  Gr.  f.  d  Schulgebr.  §  384  Anm.).  34,  7:  „ä  qui 
bezieht  sich  auf  tel  esclave."  Besser  wäre  eine  Anm.  über  den  indefi- 
niten und  determinativen  Gebrauch  von  tel.  Die  Korrektur  hätte  sorg- 
fältiger sein  können.  10,  2  lies:  durch  statt  duch.  S.  11,  Z.  6  v.  u. 
des  Textes  lies:  suis  st.  duis.  12,  10  lies:  se'nechal  st.  senecha.  12,  11 
Z.  4  v.  u.  lies:  nach  st.  die;  ebendas.  Z.  3  v.  u.  lies:  kurze  st.  knrtze. 
16,  Z.  2  v.  o.  lies  Les  u.  Z.  4  v.  o.  au  bord.  30,  5  lies:  Odyssee  statt 
Odysse.    35,  Z.  4  v.  o.  lies:  que  st.  qne  und  Z.  12:  passaünt  st. passaien. 


Referate  und  Rezensionen.    C.  Th.  lion. 


de«  Textet  lies:  oü  st.  oft.  39,  Z.  !  v.  o.  lies:  /Ytew. 
abandonne'e.  Z.  10  v.  u.  arbres.  Z.  II  v.  a.  chaumiere.  41,  2.  T  t.o.: 
farckevlche',  45,  Z.  S  v.  o:  descendaient.  4S,  6:  apparemment.  46,  Z.  f 
v.  u.  des  Textes:  autour  de  Set  rives.  48,  5  Z.  4  v.  u. :  das«,  all;  uud 
dergleichen  mehr. 


Textausgaben  französischer  (und  englischer)  Schriftsteller  für 
den  Sehulgebrauch,  Gera  (Heins  j.  L.).  U4S9.  Heim. 
Sehlutter's  Verlag. 

1)  Bisloire  de  Charles  XII,    rot  de  Saide,  par  Voltaire.    In  je- 

kürzter   Fassung   herausgegeben   von   Paul  Grübedi  nkel.     84  S.  8*. 
geb.  60  Pf.     WSrterbuch  dazu  38  S.  geh.  35  Pf. 

In  Bezug  auf  diese  neue,  mit  dem  25.  April  18B9  ins  Leben  ge- 
tretene Sammlung  ist  zunächst  auf  den  jeder  Ausgabe  vorgedruckfcn 
und  somit  leicht  zuganglichen  „Prospekt"  zu  verweisen,  der  in  iehn 
„Hauptpunkten"  angiebt,  worin  eich  die  Sammlung  von  den  bitbar 
erschienenen  unterscheidet.  Die  Ausgaben  sollen  Tei  tau  »gaben 
ohne  sprachlichen  Kommentar  sein:  es  ist  wohl  unzweifelhaft, 
dass  sie  „einem  in  den  Kreisen  der  Lehrer  für  neuere  Sprachen  wieder- 
holt geäusserten  Wunsche"  entgegenkommen  nnd  viel  Anklang  finden 
werden;  in  gleicher  Weise,  wie  die  Mehrzahl  der  Lehrer  in  den 
Händen  der  Schüler  nur  Textausgaben  der  griechischen  und  lateinischen 
Schriftsteller  sehen  will  und  den  Gebrauch  mit  Anmerkungen  versehener 
Ausgaben  höchstens  für  die  hausliche  Vorbereitung  daneben  gestattet, 
sind  auch  die  Lebrer  der  neueren  Sprachen  zu  verfahren  berechtigt 
Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  die  Berechtigung  dieses  Verfahrens  dem  an- 
deren gegenüber,  das  dem  Schüler  die  Benutzung  einer  bestimmten 
mit  erklärenden  Anmerkungen  ausgestatteten  Ausgabe  gebietet,  abzu- 
wägen; eine  allgemein  gehaltene  Untersuchung  dieser  Frage  würde 
meines  Erachtens  auch  nicht  viel  nützen,  weil  sich  die  Anhänger  der 
verschiedenen  Richtungen,  die  in  der  That  sämtlich  eine  gewisse  Be- 
rechtigung haben,  schwerlich  von  ihrer  Ansicht  abbringen  lassen 
würden,  Hauptsache  bleibt  doch  immer,  was  der  Lehrer,  der  Ober  dem 
Lehrbuch  steht,  für  seine  Schüler  daraus  gewinnt.  Ich  habe  demnach 
gegen  die  Hauptpunkte  des  Prospekts,  die  mit  richtigem  Verständnis 
der  Aufgaben  der  Schule  aufgestellt  Bind,  keinerlei  Einwand  zu  erbeben, 
und  die  Textausgaben  machen  in  der  That  dnreh  ihre  ganze  Erschei- 
nung einen  wohl  befriedigenden  Eindruck,  wovon  sieb  ja  ein  jeder 
leicht  durch  Augen  schein  sein  nähme  überzeugen  kann.  Bei  der  Beur- 
teilung derselben  muss  natürlich  die  Teitgestaltung  in  erster  Linie 
ins  Auge  gefaest  werden.  Dramatische  Werke  sollen  unverkürzt  er- 
scheinen, jedoch  unter  Ausmerzung  sittlich  anstüssiger  Stellen  u.  dergL, 
prosaische  meist  in  ausgewählten,  nicht  zu  grossen  Abschnitten,  die 
für  sich  ein  abgeschlossenes  Ganzes  bilden  und  eine  hinreichende  Be- 
kanntschaft mit  der  Eigenart  des  betreffenden  Schriftstellers  und 
Schriftwerkes  zu  vermitteln  geeignet  erscheinen.  Falls  diese  Absicht 
wirklich  erreicht  wird,  darf  allerdings  die  Aufgabe  der  Schule  dem 
Schriftsteller  und  Schrittwerke  gegenüber  als  erfüllt  betrachtet  werden. 
So  hat  sich  denn  der  Herausgeber  des  Charles  XII  erlaubt,  den  Um- 
fang ungefähr  auf  die  Hälfte  herabzusetzen ,  jedoch  dabei  versucht, 
durch  Ausscheidung  nur  des  Unwesentlichen  nnd  Entbehrlichen  den 
Zusammenhang   ohne  Beeinträchtigung   der  Klarheit   von  Anfang  bii 


Schulausgaben.  189 

xu  Ende  zu  wahren.    Dieser  Versuch  scheint  mir  recht  wohl  gelangen 
and  die  Aufgabe,  die  der  Prospekt  an  die  Textbehandlung  stellt,  gut 

filöst.  Den  für  die  Mittelklassen  bestimmten  Ausgraben  werden 
pezial-Wörterbücher  beigegeben  nach  4.  des  Prospekts :  für  diese 
Unterrichtsstufe  durchaus  zu  billigen,  namentlich  in  Berücksichtigung 
des  Umstanden,  dass  die  sonst  in  Anmerkungen  gegebenen  Hilfen  für 
das  Verständnis  des  Textes  wegfallen.  Um  den  Bedürfnissen  des  Ter- 
tianers zu  genügen,  musste  das  Wörterbuch  zum  Charles  XU  ziemlich 
vollständig  sein :  ich  bezweifle  indessen,  ob  der  Schüler  nicht  mehrfach 
sich  in  die  Lage  versetzt  sehen  wird,  in  einem  vollständigen  Wörter- 
buch nachschlagen  zu  müssen:  da  ferner  die  sogenannten  unregel- 
mässigen Zeitwörter  gemeiniglich  erst  in  Tertia  eingeprägt  werden, 
hätte  das  Wörterbuch  darauf  Bedacht  nehmen  sollen,  Formen  wie 
naquit  (Z.  1  des  Textes)  mit  einem  Hinweis  zu  berücksichtigen,  cheval 
de  frise  wird  der  Schüler  nicht  unter  cheval,  wo  es  sich  findet,  son- 
dern unter  frise,  welches  ganz  fehlt,  aufsuchen;  bei  den  Adjektiven, 
die  eine  vom  Maskulin  abweichende  Femininform  haben,  sollte  auch 
diese  angegeben  sein.  Der  Gebrauch  des  sur  in  8.  6,  Z.  6  ville  de 
Honarie  prise  par  les  Turcs  sur  Vempereur  ist  unberücksichtigt  ge- 
blieben, u.  dgl.  m.  Die  Angabe  „qualque  irgend  eine,  irgend  einige  (so!)" 
befriedigt  nicht.  Es  scheint  mir  demnach  wünschenswert,  dass  das 
Wörterbuch  einer  genauen  Durchsicht  und  Ergänzung  unterzogen 
wird;  freilich  kann  die  Frage,  ob  ich  damit  recht  habe,  endgiltig 
nur  der  das  Wörterbuch  benutzende  Schüler  beantworten:  man  frage 
ihn,  was  er  im  Wörterbuch  nicht  gefunden  habe. 

2)  La  joie  faxt  peur.  Come'die  eu  un  acte,  en  prose,  par  AP*' 
Emile  de  Girardm.    Herausgegeben  von  Gotthold  Willenberg.   48  S. 

Seb.  40  Pfennig.  Ich  bin  mit  dem  Herausgeber  der  Ansicht,  dass 
ies  kleine  Lustspiel  als  Schullektüre  für  Untersekunda  zu  empfehlen 
ist.  In  einem  Anhange  S.  46 — 48  werden  sachliche  bezw.  kultur- 
geschichtliche Verhältnisse,  die  für  das  Verständnis  des  Stückes  in 
Betracht  kommen,  in  dankenswerter  Weise  erörtert.  Die  Korrektur 
ist,  wie  der  5.  Paragraph  des  Prospekts  verheisst,  bei  dieser  Ausgabe, 
ebenso  wie  bei  den  beiden  anderen,  mit  grosser  Sorgfalt  behandelt. 
Es  ist  mir  nur  ein  Druckfehler  48,  8  Cella-lä  für  CeUe-la  aufgefallen. 

3)  Ausgewählte  Erzählungen  von  Alphonse  Daudet.  Heraus- 
gegeben von  K.  Sachs.  79  S.  geb.  60  Pf.  Die  Einleitung  giebt  an, 
woher  die  12  Nummern  (ein  „Inhalt11  hätte  beigefügt  werden  sollen) 
entnommen  sind,  und  lässt  dann  einige  Worterläuterungen  folgen,  die 
aus  den  bekanntesten  Wörterbüchern  sich  nicht  ergeben  oder  dem 
Provenzalischen  entlehnt  sind  (dazu  noch  ein  kleiner  Nachtrag  auf 
S.  79).  Ein  Vergleich  dieser  Ausgabe  mit  der  oben  besprochenen  von 
J.  Wychgram,  bei  der  ebenfalls  ein  „Inhalt14  fehlt,  ergiebt,  dass 
Sachs'  Auswahl  in  6  Nummern  auf  dieselben  Erzählungen  gefallen  ist, 
er  hat  drei  nicht,  die  sich  bei  W.  finden,  dagegen  6  andere.  Für  die 
Erklärung  wird  der  Lehrer  manches  Notwendige  bei  W.  finden,  z.  B. 
zu  11,  6  (W.    S.  1  Anm.  3):  It  moniin  de  Jemmapes  des  lapitis. 

4)  Les  croisades  de  Frederic  Barberottsse  et  de  Richard  Ca&ur-de- 
äon  par  Joseph- Francois  Michaud.  In  gekürzter  Fassung  herausgegeben 
von  Franz  Hummel.     84  S.  geb.  60  Pf.    Wörterverzeichnis  dazu  13  S. 

geh.  15  Pf.  Die  Geschichte  des  dritten  Kreuzzuges  ist  bereits  in  der 
iöbel'schen  und  iu  der  Weidmann'schen  Sammlung,  ferner  im  Verlage 
von  Velhagen  &  Klasing  (Prosateurs  45)  und  in  dem  von  Friedberg 
&  Mode  herausgegeben,  welche  Ausgaben  ihrer  Zeit  in  dieser  Zeitschr. 
besprochen  sind.    Es  handelt  sich  bei  der  vorliegenden  der  den  Text- 


190  Referate  und  Rezensionen.     C.  Tk.  Lion,  Schulausgaben. 

ausgaben  verfolgten  Absicht  gemäss  vor  allem  am  die  Herstellung 
eines  für  die  mittleren  Klassen,  d.  h.  die  Tertia  unserer  höheren 
Lehranstalten  geeigneten  Textes,  der  in  einem  Halbjahr  bewilligt 
werden  kann:  die  dafür  notwendigen  Streichungen  können  als  gerecht- 
fertigt gelten,  wenn  dadurch  der  Zusammenhang  der  Begebenheiten 
nicht  beeinträchtigt  wird. 

Der  Herausgeber  hat  diese  Aufgabe  wohl  gelöst,  insofern  nirgend! 
eine  Lücke  eich  in  auffälliger  Weise  bemerkbar  macht;  vielleicht  er- 
scheint nur  manchem  der  erste  Satz,  der  im  Original  mit  eepenttaxt 
beginnt  und  schon  dadurch  seinen  engen  Zusammenhang  mit  dm 
Vorhergehenden  bekundet  —  dies  eependaat  ist  von  Hummel  natürlich 
weggelassen  — ,  etwas  sonderbar.  Das  nach  Kr.  4  des  Prospekts  bei- 
gegebene  Wörterverzeichnis  dürfte,  wenn  ich  den  Wortschatz  eines  »Q- 
gehenden  Tertianers  richtig  beurteile,  eine  ziemlich  bedeutende  Er- 
gänzung fordern:  Von  den  Z.  1 — 5  vorkommenden  Wörtern  fehlen  im 
Verzeichnis:  persuade  überzeugt,  lie  ä  verbunden  mit,  coniertaÜM 
Erhaltung,  repandre  verbreiten,  eonsternation  Bestürzung,  Occidnü 
Abendland,  ü'ubord  zuerst.  Hag  immerhin  dem  einen  oder  anderen 
Tertianer  das  eine  oder  andere  der  genannten  Wörter  bekannt  sein, 
so  viel  scheint  mir  gewiss,  dass  alle  Schüler  der  Klasse  sie  wenigstem 
tum  Teil  nicht  kennen,  und  es  mnss  dann  für  den  Schüler  ein  recht 
unbefriedigendes  Gefühl  sein ,  doch  zum  vollständigen  framöaiaeh- 
deutschen  Wörterbuch  greifen  zn  müssen.  Eine  sehr  empfehlenswerte 
Art  für  die  Herstellung  eines  solchen  Wörterverzeichnisses,  die  wohl 
oder  übel  zum  Ziele  fuhren  musB,  scheint  mir  die,  dass  man  einen 
Tertianer  mittlerer  Güte  alle  Wörter  unterstreichen  l&sst,  die  er  nicht 
kennt,  und   danach   die  Abfassung   einrichtet.     Schliesslich   sei  hervor- 

?ahoben,  dass  die  vorliegende  Textausgabe  sich  durch  ihren  billigen 
reis  vor  allen  bisher  erschienenen,  oben  genannten  auszeichnet  und 
in  Format,  Druck,  Papier.  Einband  einen  sehr  wohlthuenden  Eindruck 
macht,  darin  mindestens  keiner  derselben  nachsteht. 

C.  Th.  Lion. 


Miszellen. 


Le  rythme  da  vers  francais  jngi  par  Constantin  Huyghens. 

Un  de  mes  amis,  M.  J.-A.  Worp,  doctenr  es  lettrea  et  professeur 
an  lycäe  de  Groningen,  ayant  6te*  aoien^  par  ses  e*tudes  sur  Constantin 
Huyghens,  seigneur  de  Zuylichem,  a  däpouiller  les  collections  de  lettrea 
ecntee  par  le  savant  Hollandais  ou  recues  par  lui,1)  me  montra  der- 
nierement  quelques  lettres  adressäes  par  le  celebre  diplomate  ä  Pierre 
Corneille.*)  Une  de  ces  lettres  me  part  assez  interessante ;  eile  contenait 
une  longue  dissertation  sur  la  versification  francaise,  ou  plutöt  sur  le 
rythme  du  vers  francais,  avec  une  critique  tres  franche  de  plusieurs 
vers  de  Corneille  lui-möme.  L'auteur  de  la  lettre  ne  faisait  d'ailleurs 
que  continuer  par  ^crit  une  discussion  qu'il  avait  eue  ä  ce  sujet  avec 
le  poete  francais  ä  l'occasion  d'une  visite  qu'il  e*tait  alle*  lui  faire  a  Rouen. 
Le  silence  obstinä  garde*  par  Corneille  et  l'einpressement  de  Huyghens, 
qui  attachait  eVidemment  beaucoup  de  prix  ä  sa  dissertation,  ä  en 
envoyer  des  copies  ä  plusieurs  de  ses  amis  francais,  notamment  ä 
Chapelain,  ne  pouvaient  qu'augmenter  Tinte* rät  que  m'inspirait  ce  petit 
document  de  l'histoire  litte'raire  du  XVII*  siecle.  Je  priai  donc  M. 
Worp  de  me  fournir  Egalem ent  la  copie  de  deux  lettres  äcrites  ä  ce 
propos  a  Huyghens  par  un  de  ses  amis  de  Paris,  M.  de  Neure*,  ainsi 
que  le  petit  billet  qui  contenait  la  rgponse  de  Chapelain.  II  eut 
l'obligeance  d'accäder  ä  mon  däsir. 

LaisBant  ä  M.  Worp  le  soin  de  traiter  la  question  en  historien 
en  publiant  intägralement  toute  cette  petite  collection  de  lettres8) 
j'obtins  de  lui  l'autorisation  d'en  ras  um  er  le  contenu  au  point  de  vue 
de  la  question  souleväe  par  Huyghens  et  de  raconter  anx  lecteurs  de 
cette  revue  les  divers  incidents  de  cette  controverse  assez  amüsante. 


l)  Les  originaux  (minutes)  des  lettres  e*crites  par  Huyghens  sont 
conserv^s  dans  la  Bibliotheque  de  VAcade*mie  Royale  des  sciences  ä 
Amsterdam;  les  lettres  recues  par  lui  se  trouvent  pour  la  plupart 
dans  la  Bibliotheque  de  l'Universite'  de  Leyde;  quelques-unes  de  ces 
dernieres  sont  ägalement  conserve'es  ä  Amsterdam. 

*)  On  sait  que  deux  lettres  de  Corneille  au  seigneur  de  Zuylichem 
ont  6t6  publikes  par  M.  Marty-Laveaux  dans  son  Edition  des  (Euvres 
de  Pierre  Corneille,  X,  448,  453. 

8)  Les  pieces  en  question  parattront  prochainement  dans  la  Revue 
<FArt  dramatique,  ä  Paris. 


193  MiszeUen. 

Rappeloua  d'abord  en  quelques  motu  quele  avaient  6ti  juiquo-lä 
lea  rapporti  de  Corneille  avec  le  aavant  Hollandois. 

Celui-ci  commenca,  comme  on  aait,  par  te  faire  connaltre  w 
grand  poete  en  lui  adressant,  eu  164b,  dem  äpigrammea,  l'ane  er  bitin, 
Fautre  en  francaia,  au  sujet  de  aon  Mentiur})  II  lui  envoya  entuit«, 
on  en  möme  tempe,  un  exemplaire  de  ses  Momenta  demlioria,  qui 
avaient  paru  en  1644.*)  Corneille  le  remercia  de  ce  pröaent  dan«  not 
lettre  date"e  du  6  mara  1649")  et  lui  offrit  eu  retour  un  exemplaire  dl 
sea  ceuvrea.4)  11  recommauda  specialement  aa  Midie  a  1'attentioD 
bienveillante  de  aon  admirateur  hollanduie. 

Huvgbeua  r£pondit  le  31  mai  de  cette  niSine  annee  par  une 
longue  lettre  pleine  d'admiration  et  de  complimeuti  flatteura,  qu'il  fit 
remettre  a  Corneille  par  l'acteur  Floridor.  lequel  e"tait  venu  joaer  in 
piecea  du  grand  poete  a  La  Haye.  „11  n'j  a  rien,"  lui  ecrit-il  „dut 
cette  incomparablo  Mt'de'e  qui  ne  aurpaaae  lea    derniere    effbrta  de  qoi 

Sie  ce  puieee  fitre;  maia  vona  n'avei  rien  fait  qui  cede  ä  la  Mite.' 
reprocbe  cependant  au  puete  de  ue  paa  mettre  un  „Argument"  cd 
töte  de  aea  pi&cea  pour  en  faciliter  l'intelligence  au  lectenr. 

L'annle  apräs,  en  166'),  Corneille  fit  Don  Sandte  a" Aragon  et 
de"dia  cette  piece  au  aeigneur  de  Zuylichem.  Se  conformant  au  denr 
de  celui-ci,  il  mit  nn  „Argument"  en  Ute  de  Don  Sanche  et  d'AndromaLt; 
maia  ce  fut  övideniment  sane  conviction  et  par  pure  politease;  car  il 
renouou  dana  la  auite  ä  cea  re'aume'B,  qui  Ini  paraiaa&ient  inntilei. 
L'envoi  de  la  piece  fut  accompagne"  d'une  lettre  qui  porte  la  data  dl 
28  mai    1650.6) 

Huyghena  rdpondit  a  cette  dädicace  et  a  cett«  lettre  le  5  octcbrr 
de  cette  mime  ann^e.  11  maintient  aon  opiniou  aur  1'utiliU  in 
„argumenta".  Maia,  au  reate,  il  a'incline  juaqu'ä  terra  devant  le  gänie 
de  aoii  illustre  correapondant,  „11  faut  voua  cenaurer,  Monsieur",  Vent- 
il, „d'avoir  ai  mal  choiai  ä  qui  voua  vouez  la  plus  achevöe  et  la  plus 
illustre  piece  que  uout  ayona  encore  vn  aortir  de  votre  cabinet".  Et 
plue  loin:  „.  . .  voua  avez  ern  en  pouvoir  gratifier  jus  que«  au  plui 
indigne  sana  rien  döroger  a  l'bonneur  de  Bon  Sandu ;  .  .  .  maia  an 
aorame,  une  mouche  ne  couvre  paa  le  soleil."  II  a'ezcuse  d'avoir  tut 
ecrire  une  ai  longue  lettre  a  un  ai  grand  poete  et  devieut  presqoe 
ridicule  en  ajoutant:  „Combien  de  oeaux  vera  ai-je  fait  perdre  lo 
public  devant  la  lecture  de  cette  aotte  lettre  t" 

ProTiaoirement  la  correapondance  entre  las  deui  hommea  illuatrei 
an  reata  la.  Mais  Huyghena,  ayant  6U  envoyä  ä  Paria  eu  1660  par 
lea  tuteura  du  jeune  Pnnce  d'Ovaiige  pour  negocier  la  restitution  de 
la  Princinmito-  d'Orange,  que  Louis  XIV  avait  fait  oecuper  par  lee 
troupes  francaises,  iuforma  Corneille  de  ea  präeence  dana  la  capitata 
et  de  eon  de"sii-  d'aller  lui  rendre  viaite  ä  Kouen  dee  que  l'etat  de* 
negociationa  le  lui  permettrait.    Un  de  aea  cousina  par  alliance,  David 

')  Voyc7.  l'ddition  de  H.  Marty-Laveanx  IV,  138. 

3)  La  date  de  cet  envoi  n'eat  pa«  connue;  il  n'eat  paa  impoaaible 
qu'il  aoit  ggalemeut  de  164b,  puisque  Corneille,  dana  aa  repunae  (1649) 
sexcuse  d'avoir  attendu  ai  longtcmps  ä  en  remercier  l'auteur  et  que 
dana  cette  nißme  lettre  il  parle  dea  deui  öpigrammea. 

")  Voycz  la  lettre  de  Corneille  dane  l'ädition  de  M.  Hart;- 
Laveaux  X,  44H  et  comp.  ibid.  pp.  420,  4SI. 

*)  Ceat  l'ädition  en  deui  volumea,  qui  va  juaqn'a  La  Suite  da 
Menteur. 

E)  Toyei  l'ädition  de  H.  Martj-Laveaui  X,  453. 


Miszeüen.  193 

Sweero,  consul  des  ätats-Genäraux  a  Rouen,  fut  Charge*  par  Huyghens 
de  remettre  en  personne  sa  lettre  au  poete.1) 

La  visite  ä  Rouen  eut  Heu,  mais  l'äpoque  exacte  n'en  est  pas 
connue.  Je  serais  diepose*  a  la  placer  dans  les  premiers  mois  de 
1663.*)  II  semble  que  lentretien  des  deux  hommes  ait  porte"  speciale- 
ment  sur  la  nature  du  vers  francais.  Nous  n'avons  malheureusement 
aucun  detail,  ni  sur  la  facon  dont  Corneille  recut  le  noble  e*tranger,  ni 
sur  rimpression  que  celui-ci  emporta  de  la  personne  du  poete,  ni  mgme 
sur  la  discussion  qui  s'engagea  entre  eux.  Nous  pouvons  cependant 
nous  faire  approximativement  une  idäe  de  cette  derniere  par  le  ton 
genlral  de  la  lettre  de  Huyghens  que  nous  allons  räsumer  tout  ä 
l'heure,  et  par  des  expression  telles  que:  „Ne  retournez  pas  a  me 
repliquer",  et  d'autres  semblables,  qui  fönt  ävidemment  allusion  ä  la 
facon  dont  Corneille  avait  accueilli  ä  Rouen  les  Observation b  de  son 
illustre  visiteur. 

Quoi  qu'il  en  soit,  Huyghens  ätait  loin  de  se  croire  battu  par 
les  rlfiexions  que  Corneille  avait  opposees  de  vive  voix  aux  thäories 
de  son  savant  contradicteur.  II  voulut  reprendre  toute  la  question,  la 
traiter  ä  fond  et  appuyer  son  opinion  sur  des  vers  choisis  avec  soin 
dans  les  plus  belles  tragldies  du  poete  francais.  C'est  ce  qu'il  fit  dans 
une  longue  lettre,  qui  porte  la  date  du  SO  mai  1668. 

Corneille  avait  soutenu  que  dans  le  vers  francais  il  ne  faut 
„conRiderer  que  le  nombre  des  syllabesu  et  qu'il  ne  peut  y  6tre 
question  de  „la  cadence  des  pieds".  Huyghens  declare  cette  „maxime" 
„dangereuse  et  peu  veritable".  S'il  en  ötait  ainsi,  dit-il,  il  faudrait 
sans  inconvänient  pouvoir  changer  ce  vers 

Las!  feindre  de  Camour  sans  s' aviser  powquoi 
en  celui-ci: 

Feindre  de  famour  sans  sy  aviser  pourquoi.     Las! 

Or,  voilä  ce  que  personne  n'aura  le  courage  do  pre*tendre. 

II  faut  donc  chercher  nn  autre  principe,  ou,  pour  me  servir  de 
l'expression  de  Huyghens,  „une  autre  maxime".  II  croit  en  avoir 
trouve*  une,  qu'il  juge  „indisputable  et  ge'nerale  pour  la  poe'sie  de 
toutes  les  langues  modernes".  La  voici:  „Tous  les  vers  rime's  consistent 
en  pieds  ou  iambiques  ou  trochalques  (qui  ne  sont  au  plus  que  de  six 
pieds),  et  ces  pieds  doivent  gtre  forme's  suivant  les  tons  ou  accents 
naturels  de  leurs  syllabes,  qui  est  la  seule  marque  de  leur  quantite*". 
—  Corneille,  d'apres  Huyghens,  n'a  fait,  ou  plutöt,  n'a  voulu  faire  dans 
ses  tragädies,  que  des  vers  iambiques.  Le  savant  Hollandais  commence 
par  en  citer  un  assez  grand  nombre,  qu'il  trouve  „beaux  en  perfection". 
Tels  sont,  par  exemple,  les  vers  suivants  de  Cinna: 

*)  Cette  lettre  porte  la  date  du  28  dlcembre  1661. 

*)  II  est  en  effet  difficile  d'admettre  qu'un  long  Intervalle  ait 
Bepare*  cette  visite  de  la  lettre  du  SO  mai  1663  (voyez  plus  loin),  qui 
commence  ainsi:  „En  suite  de  l'entretien  dont  je  commencay  ä  vous 
importuner  a  Rouen  je  retourne  a  vous  dire  par  e*crit  etc."  —  Mais,  si 
Corneille  a  recu  Huyghens  ä  Rouen  dans  les  premiers  mois  de  1663,  il 
n'ätait  pas  alle'  s'installer  ä  Paris  ä  la  fin  de  1662,  comme  le  suppose 
M.  Marty-Laveaux,  (Euvres  I,  p.  XL VIII.  Toute  cette  Chronologie  s'ac- 
corde  assez  mal,  d'ailleurs,  avec  la  suite  de  l'incident.  Voyez  plus  loin 
p.  197  note  1#  Est-il  probable  que  Huyghens  se  sera  plaint  en  novembre 
1663  et  en  fe'vrier  1664  a  plusieurs  de  ses  amis  de  Paris  du  Rilence  que 
Corneille  s'obstinait  ä  garder,  si  le  poete  habitait,  lui  aussi,  la  capitale? 

Zachr.  f.  fr*.  Spr.  n.  Litt.    XII*.  13 


194 


Mitteilen. 


Enjimts  \m\te~tueux  de  mon  ressentiment, 

Que  ma  dotueur  se'duUe  einbrasse  aveugldment, 

qu'il    SCBDlle    J 1  i  1- 1  - 1  : 

EafanU  impetueux  de  mon  leeseiitimcnt,  etc.,  sans  *e  douter  qu'il 
introduit  atnni  dann  impe'tueux  et  dans  ressentiment  un  aecond  accent 
que  ees  mots  n'ont  paa  cn  BnSQBÜ  dt  qu'il  dornte  a  mon  une  valeur 
quo  ce  mot  proelitique  n'a  pas  davantage;  s'il  peut  fitre  queation  d'tto 
accent  sei/ondaire  dans  le  mot  ressentiment,  c'est  fivideiument  la  premiei 
sjllabe  qui  doit  ea  §tre  frappee. 

II  cita  encore  coiume  d'excellenta  vera: 
Que  vor  sa  propre  main  mön  ptre 
Du  throne  oü  je  le  uoia  fait  ie  premiVr  Aegre, 
et  il  ne  voit  paa  qu'il  dornte  ici  une  valeur  exceasive  au  prononi  J 
et  &  l'article  le.  sau?  parier  de  ] 'accent  dont  il  frappe  la  premier 
ayllabe  de  massacre.  Mais  ce  qui  prouve  encore  niienx  que  le  veritabl 
accent  dea  mota  francaia  fichappait  iL  aou  oreille,  c'est  qu'il  i 
i'^aU-iuerit  parrni  les  excellenta   vera  iambiqnea  celai-ci: 

Üui  t'i'nna   ctmtie   mtii   nioi   mihne  je    m'im'te   aans    a'apercevotr 
qu'il  Taut  un  accent  &  out  et  que  Ciaria   est   accentuä   en    francaia   t 
la  derniere  ayllabe. 

II  cite  ^galement  eu  lea  approuvant  cea  deux  verB  de  La  veupt: 
Moi  mdme  je  faia  mon  aupptfce  .  .  . 
Et  /bnnent  ma  crainte  et  rnea  vttux, 
et  il  ne  aent  paa  qu'en  lea  scandant  ainai  il  eitle ve  iL  fati  et  k  c 
leiir  accent  naturel,  pour  raettre  un  accent  nur  je,  ma,  et. 

A   cea    „cadences   ai  jobea   at   ai   naturelles11   (sie!)   il   i 
d'autrea,    tirfiea    dea    ni£mea   piöcea,    qui    „choqnent    le    bon    lecteur" ; 
teile»  aont  cellea  den  vera  suivants: 

Vuiih  prenez  aur  mon  ante  un  trop  puiaaaut  empire. 
Dnrant  quelywe.t  moments  souffrez  que  je  reapire. 
La  cauae  de  ma  huinc  et  IV/Tet  de  la  rage. 
D'untr  ai  haute  place  on  n'abat  point  de  Wtea, 
et  d'autrea  atnublablea. 

II  est  asaez  curieux  que  Huyghena,    qui   avait  acandd    i 
moindre  acrupule: 

Moi-niGme  je  fais  mon  aupplice, 
blftroe,  meine  danB  lea  prenrierea  Byllabea,   le  rythrue   du  vera  t 
auquel    il    tient   k   appliquer    aa    fameuse     „maxirue"    de     la    < 
iambique: 

l)tie  je  sens  de  ra&es  eorobats. 
„Je  m'abuae  Fort,"  dit-il,  apres  avoir  cito  pluaieura  vera  du  mgine  genr 
r*i  tont  bomme  non  prävenu  ne  goüte  inünimeot  mieux  la  ronde  et 
doueo  volubilitö   des  premier r   exeinplea  que  le  contrepoil  dee  autres." 


')  Noiis  iinprimona  en  italiques  lea  nyllabes  que  Buyghens  ntftrqo« 
du  trait  dea  longuea  (->  et  en  caraeteres  ordinaires  Celles  qu'il  marque 
du  aigne  ordinaire  dea  brtveB  (-). 


Aliszellen. 


195 


ix  accents"   de  ceui-ci 

ffwnneura,  plamm  au  richesse 
Les  monuinienta  ge'n&revx. 
i   bien,"    continue-t-il  (en   le   aouvenant  peiit-etre  d'nne  re"ponae 
qne  Corneille  lui  8>vait  donn£e  ä  Ronen),    „que  pour  tonte  Solution  on 
me  repurt,  que  p'il  y  a  du  defaut  an  oes  vera.  on  le  eorrige  et  1'adoncit 

Jmr  la  prononciation;  mais  c'cst  dejä  avouer  que  l'auteur  a  beaoin  du 
»rd  et  du  plltre  du  lectenr.  La  vereification  latine  a-t-elle  jamais 
eu  benoin  du  secours  de  la  lecture  pour  6tre  belle  et  parfaite?" 

Cependaut    il   consent   ä   »e   placer    un    moment   a   ce   pennt    de 
«■ue.    „Voyona  comraent  va  1b  secours  de  cette  correction."    On  lira  donc : 

Voub  pren«  eur  mon  ilme  uu  trap  puinsunt  empire, 
e'est  ä  dire  qu'ou  aura  deux  auapeatea  et  trois  iambea; 
Durant  yut'/qoea  xaoments  etc. 
;  qui  fait  on  iambe  et  un  dactyle; 

La  cause  de  mi  haiue  et  l'ef/Vf  de  ma  rage, 
i  qui  fait,  dans  le  peeond  h^oiiatiche,  deux  anapeste»; 

h'if.f-  si  haute  plane,  ou  n'nbat  poiut  de  Wtes, 
ce  qui  fait  un  dactyle,  deux  trochees  et  deux  dactyles; 

Que  je  sens  de  ri/dea  comtol* 
devient  an  vera  compoae'  de  deux  auapestea  et  d'un  iainbe,  et  lea  ver* 
de  Bröbeuf,    qui,   d'aprea   la  foruiule  df  Huyghons,   devaient   Gtre  toua 
trochalquea,  «e  voient  tranBformfa  pas  le  diaeur  en  m^langes  d'iambea 
et  d'auapestee; 

Honneurs,  plautrj  oa  richuM, 
ou  en  daetyleB  sums  de  la  nioitie'  d'un  spondee: 

Les  motwemeitts  gi5ne>«ua\ 
„A  la  ve'rite'-',  a'ecrie  HuygheuB,   „c'eat  1b,  cacher  lea  duTauta  du  Pufcte. 
et   la   nattire   de   l'acceut   nons   y    meine.      Maia   en    uaant    aitiat,    que 
,  qui,  devant  avoir  six  pieda,  en  retient 


devient  la  dimenaion  du 
Unt  n 

„Enfin",  ajoute-t-il  (et  si 
des  Ötrungera  qui  ae  ti'otnpent  e 
plua  le  m€me  vers,  parce  que  c 


raisonnetnent  rappelle  celui  de  bien 
la  nature  du  vera  franciM«)  „ee  n'eat 
n'eat  plua  le  premier  mouveinent;  et 


premier   mouveinent    eat   faux   parce    que   la    nature   de   l'acceut  y 
repugne." 

„Ne  retournei  pas,  s'il  »oub  plait,  ä  mo  r^pliquer"  (t?videmment 
nn  souvenir  de   la   diacusaion   de    Konen)    „que   e'eat   aaaez   bien   payer 

?ue  de  fournir  le  nombre  des  tyllabes;  je  viena  de  von»  en  faire  voir 
inconve'meut ,   et  comme  il  est  dangereux   d'ouvrir  cette  porte.     Tont 
ade  ne  voudra  pas  en  user  luiasi  diBevetement  que  vous,  etc." 
Enfin,  s'obatinant  ä  vonloir  amener  Corneille  k  a'ineliner  devaut 
an,   famenae   „Maxime",    lluyghens    lui    met    aoue   les   yeux   un   deruier 
»rgnment,    qu'il   juge    lui-m£me  irreTutable .    „indiaputable",   com  nie  il 
dit.      C'eat    l'arguinent    de    la   muaique.     „Comme    tout    poete    cbante, 
tonte   poe'sie   devrait   ftre   bien    chantable.     .Tavoue   que   vns    ayllabes 
comptees  le  aont;  maia  ai  le  mnsicien  altere  votre  mouveinent,  comme 
il  est  uöcesuaire   qu'il    faaae    pour   suivre   l'accent   dea   Byllabes,    ce  ne 
ront  plus   vob  vera."      Cette   derniere    pbrase    n'est    pax    trfcs    claire, 
'a  on  devine  la  penade  du  critique:   ponr   qu'une    pneai>;   #trophi<Mii' 
se   etre    chunWe   (par   exemple   les   stancea  du  Cid)   il    faut  que  le 


196  MüzeUen. 

mouvement  rjthmique  aoit  exactement  le  mfnie  dann  chacun  de*  Ten 
qui  hc  correBpoudent. 

La  diesertation  tauche  4  ea.  fia.  Mais  Hujghena  pr£voit  nne 
derniere  objection,  et  la  facon  dont  il  la  reTute  est  curiease.  Corneille 
Ini  dira,  „que  cette  contrainte  est  nne  captirite'  facheuse  et  difficile". 
Fächeuae?  qu'impovte !  puiaqu'il  vient  de  prouver  qu'elle  est  necessaire! 
Et  quaat  a  la  difficulW,  il  va  1«  „mettre  aiae"nieut  bors  de  peine*. 
Vojez  un  peu  le»  pofetea  holl&udaia!     II   n'y   en   a  pas  an  Beul,  pas  le 

CIub  petit  riniailleur,  qui,  sous  peine  d'ötre  aiffle-,  oserait  s'eearter  de 
i  faineuBe  „maxime",  dont  „la  pratique  est  universelle"  dans  leg  Psts- 
Bas.  Quelque  „baase  opiniou"  que  Corneille  puiBse  avoir  de  la  langro 
de  cette  petita  nation,  Huyghenn  lui  aaaure  que  lea  vere  qu'on  y  fait 
aont  parmi  „lea  plua  polia  et  coulante  du  monde  lettre-".  Qu'il  eiuie 
im  peu,  lui,  de  „se  confortuer  a  la  dölicateaae"  des  poetee  holUndui! 
8'il  y  trouve  quelque  contrainte,  eh!  bien!  eile  est  au  moina  „de  bin 
plna  grande  importance  que  ne  aont  certaina  vorn  nouveaux",  que  lei 
poetes  francaiB,  que  le  grand  Corneille  lui-meme,  ae  aont  fait  „mettre 
aux  pieda".  Qu'il  songe  un  pen  ä  la  fameaae  et  absurde  toi  de 
l'hiatua,  a  cette  „fuite  auperstitieuae  de  la  rencontre  de  deux  voyellei 
en  deui  mots!"  Autrefoia  od  ßtait  plus  coulaut  et  plus  logiqne  tnr 
ce  point.  Pourquoi,  puiaqu'on  dit  fort  bien  en  poesie  inquiel,  ne  pu 
oser  dire  qui  est  lä?  Et  puiaqu'on  Scrit  Bans  acrupule  famie  ntiend, 
reculer  devant  Fami  enteud?  Lee  oreilles  holl&ndaiaea ,  qni  pourtant 
n'aiment  p&a  la  cacophonie,  s'accommodent  fort  bien  de  qnelques-Daei 
de  cea  „rencontres".  Cela  dopend  beaucoap  de  la  nature  des  vovellei 
qui  forment  hiatua  enaemble. 

On  serait  teute"  de  pardonner  a  Huygbena  aon  erreur  fonda- 
ntentale  aur  la  nature  da  vere  fraucaia  pour  l'amonr  de  cette  petita 
critique  eeua^e  qu'il  lance  en  passant  contre  la  regle  de  l'hiatu*.  Mail 
il  aime  mieui  rdserver  cette  derniere  qaeation.  „Ce  pourrait  ftre  li", 
dit-il  „le  aujet  de  quelque  autre  entretien." 

En  attendant  que  l'occaaion  s'en  präsente  il  a'excuse  de  U 
longueur  de  aa  lettre  en  adresaant  k  Corneille  les  complimenta  d'asage, 
et  il  finit  mime  par  lui  dire,  avec  cette  modeatie  apparente  dont  le 
XV11*  siecle  poaae'dait  bien  plua  encore  le  eecret  que  le  nötre:  „Je 
BOumeta  yolontiera  toot  mon  raiaonnement  ä  votre  dietatnre,  qne  je 
rövere  autant  que  je  dois". 

II  est  fort  douteux  que,  si  le  „dietateur"  efit  parle1,  Hayghensaa 
föt   inclinä   devant  aa   parole.     II    (Start   trop    profondduieut  convaiucii 

Maia  nle  dietateur"  garda  le  ailence.  Corneille  ne  röpondit  paa 
a  la  diaaertation  du  Beigneur  de  Zuylichem.  II  de'aespe'rait  aana  donte 
de  donner  au  aavant  e"tranger,  qui  jurait  par  lea  reglea  de  la  prosodie 
clasaique  en  lea  tranaformant  d  apres  la  rjthmique  dea  versificateuri 
hollandais ,  des  idäes  plns  justea  sur  le  caractere  propre  du  ven 
francaia.  Le  aouvenir  de  la  diacuaaion  de  Roueu  n'e'tait  probablem  eot 
paa  de  nature  ä  lui  faire  eaperer  que  le  aavant  Hollandaia  finirait  par 
comprendre  la  diffeYence  entre  ce  vera  et  lea  „vera  modernes''  dea 
laugues  gerranniques.  Pent-Ötre  anssi  Corneille,  tont  en  ätant  con- 
vaineu  que  l'£tranger  se  trompait,  ne  discernait-il  pas  assex  clairement 
lui-mSrae  la  diffe"rence  qui  a^pare  le  vers  francaia  du  vors  classiqne 
d'un  cOte*  et  du  vera  germanique  de  l'autre,  pour  pouvoir  opposer  a 
Huyghens  autre  choae  que  la  „maxime"  que  celui-ci  avait  tronväe  in- 
suffiaante  et  dangereuse  ä  Rouen:  „chez  noua  il  auffit  de  compter  lei 
syllabea11. 


Miszeüen.  197 

Huyghens,  ne  recevant  pas  de  reponse,  s'impatienta.  II  6crivit 
ä  Corneille  le  22  octobre  de  cette  meine  anne*e  (1663)  une  lettre  de 
rappel,1)  qui  mootre  assez,  en  depit  des  formulea  courtoises  et  des 
conipliments  flat teure,  combien  il  ee  sentait  froisse*  par  ce  silence. 
„Eil  tirant  mon  coup  j'ay  fuy  comme  an  Part  he",2)  6crit-il,  „inais  me 
voici  revenu  ä  la  Charge.  Je  m'assure,  Monsieur,  que  mon  eot  discours 
(sie!)  du  30  mai  vous  aura  6t6  rendu.  Si  vous  avez  la  bonte"  de 
m'instruire  par  äcrit  sur  ce  que  j'ai  eu  l'impudence  (!)  dy  avancer, 
vous  m'obligerez  plus  que  vous  ne  eauriez  croire,  etc."  II  donne  memo 
son  adresse.  „Je  löge  au  faubourg  S*-Germain,  rue  du  Petit  Bourbon, 
au  petit  Moyae." 

Quinze  jours  plus  tard,  n'ayant  toujours  pas  de  nouvelles  de 
Corneille,  le  seigneur  de  Zuylichem  se  facha;  il  6crivit  le  8  novembre 
1663  ä  Madame  de  la  Fayette,  en  lui  envoyant  son  „paradoxe"  (c'est-a- 
dire  une  copie  de  la  fameuse  dissertation),  que,  si  eile  le  condamnait, 
il  „n'importunerait  plus  personne  de  ses  rßveries",  mais  que,  si  eile 
lui  donnait  raison,  il  „ne  craindrait  plus  les  ongles  de  trente  corneiUes 
ni  d'autant  de  corbeaux".  —  Corneille  lui  avait-il  peut-€tre  montre*  un 
peu  les  ongles  ä  Rouen?8) 

Eu  attendant  Huyghens  s'ltait  h&te*  de  communiquer  sa  disser- 
tation ä  quelques  amis,  peut-dtre  m£me  avant  de  l'envoyer  ä  Corneille, 
De«  le  premier  juin  il  6tait  en  possesBion  d\m  billet  de  Chapelain. 
dans  lequel  celui-ci  ee  prononce  avec  be  au  coup  de  courtoisie,  mais  non 
sans  faire  sentir  ä  l'e*tranger  qu'il  se  trompet.  „J'ai  lu  et  admire* 
vos  Observationen  e*crit-il,  „et  je  suis  curieux  de  savoir  ce  que  repondra 
Monsieur  Corneille".  II  se  declare  m£me  dispose*  ä  rdonner  les  mains 
en  tout  a  cette  dissertation u,  s'il  ne  lui  semblait  pomt,  „que  vous  ne 
eonvenez  pas  avec  nous  pour  les  longues  et  les  breves  selon  que  vous 
les  notez  dans  les  vers  que  vous  examinez".  II  est  Evident  que  toute 
la  prosodie  francaise  de  Huyghens,  meme  dans  les  vers  que  celui-ca 
avait  juge*s  parfaits,  semblait  bizarre  ä  Chapelain,  sans  que  pourtant 
il  püt  dire  nettem ent  en  quoi  consistait  son  erreur. 

Parmi  les  Francais  a  qui  le  seigneur  de  Zuylichem  avait  fait 
remettre  une  copie  de  sa  lettre  ä  Corneille,  se  trouvait  Mathurin  de 
Neuro,  mathematicien  et  astronome  distingue".  Celui-ci  avait  conimence* 
par  „e*  gar  er"  le  fameux  document,  un  de  ses  laquais  l'ayant  mis  avec 
d'autres  „paperasses".  Mais  Huyghens,  en  lui  envoyant  quelques  mois 
plus  tard  un  exemplaire  de  ses  momenia  desuHoria,  avec  priere  de  le 
remettre  de  sa  part  a  Monsieur  le  premier  pre'sident,  lui  rappela  qu'il 
attendait  toujours  son  opinion  sur  sa  dissertation.  M.  de  Neure*  se 
hata  de  faire  rechercher  la  piece  en  question,  et  l'ayant  „rencouverte", 


*)  On  serait  tente*  d'en  conclure  que  Corneille  ätait  toujours 
ä  Rouen;  car  Huyghens  £tait  a  Paris.  Ou  bien,  de  ce  qu'il  demande 
in8tamment  une  reponse  „par  6critM,  faut-il  conclure  que  le  poete  se 
trouvait  aussi  ä  Paris  mais  que  Huyghens  ne  tenait  pas  ä  le  rencontre 
et  ä  vider  la  quer  eile  de  vive  voix? 

*)  La  m6me  image  se  retrouve  dans  la  premiere  lettre  de 
Huyghens  a  Corneille  ä  propos  de  sa  critique  sur  l'absence  d'„ Arguments-. 

8)  11  faut  dire  ä  l'honneur  de  Huyghens  que  cet  ineident  ne 
l'a  jamais  empäche*  d'admirer  le  glnie  de  Corneille.  M.  Worp  a  trouve* 
parmi  ses  vers  latins  ine*dits  deux  poemes  adress^s  ä  Corneille,  et  qui 
sont  du  16  et  du  18  fövrier  1665.  Un  de  ces  poemes  est  intitule*  In 
Cornelium  eUganlissimum  poelam  latinum.  Y  a-t-il  peut-§tre  un  peu  de 
malice  dans  ce  latinum?    Faudrait-il  sous-entendre :  non  galäcum? 


196  Mistellen. 

comme  iL  dit,1)  il  ae  mit  ä  la  parcourir,  quoiqu'il  fflt  trea  fatigiie  et 
pria  du  beaoin  de  dormir.  Le  10  fövrier  1664  il  etivoya  aa  reponu, 
„Af  aurdment",  äcrit-il,  „vous  aurez  de  la  peine  a  faire  denieurer  d'accord 
dos  Fraucaia  de  cee  pieds  niesurea  par  longuee  et  par  braves  qae  vom 
obaervez  dans  Dotre  po^eie,  laquelle  ae  content«  d'an  combre  de  «yllibes 
arrangÖ  boub  lea  loia  de  quelques  regle»  oü  la  qnantitö  n'a  prenque 
point  de  part  ...  Je  ne  aaia  möme  paa  comme  ila  pourront  Toni 
entendre  quand  voub  ditee  que  la  plupart  de  noa  vers  eont  ou  iamtriqno 
ou  trochaiquea  et  ne  aont  au  plus  que  de  quatre  piede."1)  Et  plu 
loin:  „quelque  difftSrence  que  vom  imagioiez  dans  lea  syllabes  de  not 
mota,  aoit  de  aon  ou  de  quantit*,"  vous  aurez  de  la  peine  4  noua  faire 
aentir  qoe  le  poete  n'est  paa  libre  d'arranger  lea  «Tllabes  comme  il 
voudra,  pourvu  qu'il  obaerve  la  loi  du  nombre  dea  syllabes  „et  antra 
petites  obaervatione  inde'pendanteB  de  l'accent  et  de  la  quantitä.'  Vom 
Ätee  aaua  doute,  ajoute-t-il  finement  et  non  sana  quelque  raalice,  le 
nieilleur  juge  de  la  po£aie  hollandaiee.  Maia  laiaeet  alore  aus  Franpus 
le  privilege  de  juger  de  la  vereification  de  leure  poetea  et  „d'en  ätre 
crua  plutöt  qne  vona."  Ce  qui  pourrait  roSme  lea  engager  a  pernater 
dana  cette  rue'fiance  ä  l'Sgard  de  votre  doctrine  et  lee  einpficher  d'ad- 
mettre  comme  juate  et  ezact  le  parallele  que  voub  eanajea  d'ötablir 
entre  leur  poeaie  et  celle  de  votre  paye,  c'est  qu'ila  voient  que  dani 
votre  style  franoaia,  treB  ölögaut  d'ailleura,  voub  vous  permettei  de§ 
tournurea  de  phrase  qui  ae  acut  pa»  tout  a  fait  francaieea  et  aoiquellei 
on  reeonnait  iacilemeut  l'ätranger.1)  Je  ue  dia  paa,  Monsieur,  conclnt- 
il,  que  noua  n'arrivioua  uu  jour  a  nous  conformer  ä  cette  proaodie  plui 
rigoureuae  qui,  d'apree  ce  que  vous  ditee,  exiate  dejä  chez  voub;   maii 

fDur  le  moment  cette  prosodie  ne  convient  paa  a  notre  langue,  et  ,1m 
ranoaiB  ne  s'en  voudront  jamaia  rapporter  a  uu  ätranger,  qaelqne 
Bavaut  et  intelligent  qu'il  puieae  fitre." 

Cette  demiere  räflexion  piqua  l'amour- propre  de  Huygheu. 
Dana  sa  rfSponae,  qu'il  prepara  des  le  lendeciaio  (13  fÖvrier)  il  reroeicie 
irouiquement  sou  correapondant  „de  l'avoir  uverti  de  «es,  toleciamei* 
et  il  a'excuae  d'avoir  donne  a  lire  „son  patois"ä  des  Francais,  A  titre 
de  revanche,  et  pour  lui  faire  a  Bon  tour  une  petita  „röcriminatioo  de 
grammaire",  il  reproohe,  trea  polimeut  d'ailleura  ä  M.  de  Neur£  d'avoir 
ecrit  reconTert  au  lieu  de  recouvre".')  Quant  au  fond  de  ll 
queBtioo ,  il  maintient  ce  qu'il  avait  dit  precidemmeut  et  s'efförce 
seulemeut  de  formuler  plus  clairemeut  eucore  et  de  fafon  &  geartet 
tout  maleutendu,  aa  fameuse  „maiiiu»".  —  Lea  Francais  feraient  bien 
aelon  lui,  „de  a'obliger  ä  la  mfime  exactitude"  que  lea  Hollaodaii, 
„c'eat-ä-dire   a   ne   forcer   ni   ne   fausser  point  leura  quantitäi."     Tonte 

')  Ce  „recouvert"  pour  „recouvrö"  lui  attira  plus  tard,  comme  on 
verra  plus  loin,  une  petite  critique  malicieuae  de  la  part  de  Uuyghena. 

*)  lci  H.  de  Neure  avait  ete"  induit  en  erreur  par  un  lapitu  de 
HuyghenB  ou  de  Bon  copiste ,  qui  avait  mia  quatre  pour  tix  (on  le 
rappelle  que  pour  Huygbens  l'alezandrin,  ponr  fitre  vraiment  beau, 
devait  ae  compoaer  de  aii   iambee). 

*)  M.  de  Neuro  avait  marquä  eu  paaaant  ces  barbarismea  d'une 
petite  croii, 

*)  Dane  sa  eeconde  lettre  (vovez  plus  loin)  M.  de  Neuro  ne 
manqua  paa  de  relever  cette  Observation.  II  ae  croit  juetifie1  par 
Vaugelaa ,  qui  avait  dit  dana  aea  Remarques;  „L'naage  aianmoiua  • 
dtabli  recouvert  pour  recouvre",  et  1'uaage  eat  le  roi  des  languei 
pour  ne  paa  dire  le  tyran." 


Mitteilen.  199 

poe*ie  moderne  est  ou  iambique  ou  trochaique,  avec  cette  seule  diffö- 
rence  que  l'accent  (c'est-ä-dire  l'alternance  des  temps  forte  et  des  temps 
faibles)  a  remplace*  l'ancienne  quantite*.  Les  vers  francais,  comnie  les 
Ter«  eepagnols,  anglais,  hollandais  et  autre«,  ne  sont  vraiment  beaux 
que  lorsqu'ils  peuvent  se  scander  d'apres  Tun  ou  l'autre  de  ces  deux 
rythmes.*)  „Vous  voyez  bienu,  dit-il  en  se  räsumant,  „que  je  pose 
toujours  en  fait,  qne  tonte  po£sie  runde  est  ou  iambique  ou  trochaique 
et  qu'en  suite  ces  deux  pieds  y  doivent  gtre  observäs.  Si  vous  niez 
eela  et  y  voulez  aussi  recevoir  le  dactyle,  l'anapeste  et  autres  pieds 
grecs  ou  latins,  ou  bien  si  sans  autre  egard  vous  ne  voulez  que  compter 
tos  syllabes,  je  n'ai  rien  ä  dire,  sinon  que  je  vous  ai  muntre*  les  incon- 
vlnients  qui  en  räsultent  et  , .  .  la  diffe'rence  que  trouve  l'oreille  bien 
harmonique  entre  la  cadence  d'un  vers  purem ent  iambique  ou  trochaique 
et  celle  d'un  autre  qui  ne  l'est  point  ...  Je  puis  vous  dire  que  deja 
des  oreilles  francaises,  et  aussi  doctes  que  friandes,  sont  demeurles 
d'accord  avec  les  miennes."  Au9si  persiste-t-il  a  espärer  que  les 
Francais  finiront  par  lui  donner  raison  et  par  ne  faire  des  vers  que 
d'apres  son  Systeme. 

M.  de  Neure*  ne  se  tint  pas  pour  battu.  Le  14  du  nißme  mois 
Huyghen8  recut  de  lui  une  seconde  lettre,  dans  la  quelle,  apres  avoir 
parli  d'autre  chose,  apres  s'ätre  excuse*  d 'avoir  critiquä  le  style  francais 
de  l'illustre  Strange r  et  de  l'avoir  froisse'  par  ses  petites  „croisadeB",2) 
il  revient  une  derniere  fois  au  principal  sujet  de  la  controverse.  La 
page  de  sa  lettre  qui  le  concerne  mlrite  d'6tre  citäe  ä  cause  des 
expreasions  dont  se  sert  l'auteur. 

Je  commence  a  vous  comprendre,  dit-il.  Dans  la  polsie  moderne 
vous  ne  voulez  pas  considärer  „la  quantite*  des  temps,  mais  celle  du 
ton"  ...  „Je  ne  sais  pourtant  quand  vos  Francais  pourront  remarquer 
cette  quautit£-la  dans  leur  langue,  les  accents  ne  trouvant  guere  de 
siäge  asaure*  sur  leurs  mots,  pour  faire  des  tons  qui  marquent  des 
pieds.  11s  auront  meme  de  la  peine  ä  comprendre  que  parle  soit  un 
uunbe,  qui,  par  la  f er  meto  de  ses  deux  syllabes  paraltrait  plutöt  un 
spondäe,  et  que  parle  devienne  un  troche*e  par  la  seule  exte*nuation  de 
sa  derniere.  J'avoue  que  j'en  Bens  pourtant  quelque  chose,  mail  cela 
cbange  si  fort  selon  les  diverses  positions  des  mots  dans  le  fil  du 
discours,  qu'il  sera  bien  difficile  d'en  faire  des  regles  pour  la  fabrique 
des  vers.  Näanmoins,  comme  je  vous  ai  dit,  je  ne  conteste  point 
qu'enfin  cela  ne  puisse  arriver,  et  que  la  poäsie  n'e'tant  qu'une  oraison 
contrainte  et  g£näe,  on  ne  puisse  encore  aj outer  a  la  rigueur  du  nombre 
des  syllabes  d'autres  lois,  celle  de  la  quantite*  du  temps  ou  du  ton 
ponr  la  rendre  plus  admirable  .  .  .  Mais  je  ne  laisse  pas  toujours 
d'apprähender  que  nos  poetes  ne  refusent  de  reconnattre  cette  diScou- 
verte  et  qu'ils  ne  soutiennent  que  cela  ne  saurait  avoir  lieu  dans  notre 
langue  ...    On  ne  manquera  peut-6tre  pas  de  dire,   qu'il  n'y  a  pas 


l)  Huyghens  donne  quelques  exemples  de  ce  qu'il  entend  par 
iambes  et  trochäes  francais:  parier,  äirai  sont  des  iambes,  parle,  dire 
des  trochäes,  et  celui  qui  „aans  un  vers  iambique  tourne  parier  en 
tarier  et  au  trochaique  parle  en  parle  fait  faute  et  de*figure  sa  langue." 
11  ne  voit  toujours  pas  que  si  quelqu'un  „de*figureu  un  vers  francais 
de  cette  facon,  c'est  lui,  le  prosodiste  hollandais,  et  non  pas  le  poete. 

*)  C'est-a-dire  les  petites  croix  dont  il  avait  parseme*  la  dispu- 
tation.  —  Sus  Miner vam!  s'£crie-t-il;  comment  une  brüte  a-t-elle  os$ 
donner  une  lecon  ä  Minerve? 


300  Mitzdkn. 

d'accent  Jan»  notre  langue,  an  moina  qui  eu  vaille  la  peine,  n'dtant 
pas  de  gravid  uaage." 

La  corrOBpondance  entre  Huyghena  et  H.  de  Neuro  en  reata  IL 
Main  le  seigneur  de  Znylichem  s'obatinait  ä  vouloir  occuper  lea  Ftuotii 
de  aa  „decouverte".  Au  mois  d'avril  1665,  se  trouvant  a  Lyon,  il  7 
discuta  aa  th&ae  avec  lea  Peres  jeauites  de  cette  Tille,  „Le  bon  peiit 
pei'e  Bertet  et  quclques-uns  de  aea  excellenta  colleguea"  promü-ent  de 
lui  repondre  longuement  par  lettre.  Haia  lea  lettrea  tarderent  a  lenir. 
et  Huyghena  s'en  plaint  le  21  jauvier  et  le  ^  ferrier  1666  dane  dem 
lettrea  äcritea  a  M.  de  Montmort.  11  attend  toqjoura  avec  impatdeact 
„lea  penae"ea  du  pere  Bertet  et  Celles  dea  PP.  Möneatrier  et  de  Busaierai 
aiir  une  mächanie  diaBertation  adreaa^e  a  M.  Corneille" ;  des  qu'il  Im 
anra  recuee  il  soumettra  la  controverse  au  „jugement  souverän*  tk 
80  d  nouveau  correapondant. 

II  ne  parait  paa  que  la  reponae  ait  jamaia  dte"  donne"e.  Le» 
röve^-enda  Peres  ont  sane  doute  hanaae"  lea  e~paulea  devant  lea  id#M 
d'un  oranger  qui,  pour  etre  un  des  honinies  les  plus  eavants  de  ton 
paya  et  ni6ma  fort  versa  dans  la  connaiasance  de  fa  langue  franfaiie, 
ae  trompait  eVidemment  ai  fort  aar  la  nature  du  vers  fiancaia.  Aiw 
eela,  üb  ne  voyaient  peut-fitre  pas  mojeu  de  röfuter  victorienaemeEt 
cee  Stranges  theoriea.i) 

Cette  riSfütatiou  definitive  a  6ti  räservCie  a  notre  aiecle.  Depuii 
M.  Quicherat  od  connaSt  le  rOle  que  Jone  l'acceot  dana  la  veraificttion 
francaiae  et  on  aait  que  la  grande  barmonie  et  le  vrai  charme  da 
vera  francaia  provierment  en  grande  partie  de  la  varie*W  de  aea  acceuts, 
conaequence  naturelle  da  Systeme  d'&ccentuation  de  la  langue.  Si  la 
Muae  francaiae  De  s'est  jamaia  pliöe  aux  exigences  du  savaut  Hollandais, 
lea  poetes  francaia  et  leurs  admirateurs  Kavent  maintenant  bien  mieux 
qn'on  ne  le  Bavait  au  XVII*  aiecle  (ila  penvent  du  moina  le  savoir) 
pourquoi  cela  lui  est  impOBBible.  II  y  a  longtempa  que  mime  1« 
proeodiatea  allem  ands  ont  donne"  tort  au  «eigneur  de  Znylichem  et  i 
ceui  qn'on  vuit  encore  de  tempa  en  temps,  parmi  les  ätrangere,  resBOSciter 
aa  fameuae  „Maxime", 


')  Ce  qui  ne  laisse  pas  d'fltre  exceesivement  curieux,  c'est  qoe 
Hnygbena,  dana  aon  Epigramme  francaise  adressle  a  Corneille  en  161i 
(voyei  Marty-Laveaux  (Euvres  de  CorneäU  IV,    136),   iur   les   38   vets 

dont  eile  se  compoae  n'en  a  peut-fitre  paa  fait  troia  qui  soient  „puremeut 
iambiquea".  A-t-il  trouvä  plus  prüden t  de  suivre  la  mötbode  des 
poetes  francaia  que  de  Buivre  aon  Systeme  k  lui?  On  bien,  n'nvait-il 
paa  encore  de'cQUYert  ce  Systeme  ä  cette  öpoque?  Toujoura  eat-il  qu'en 
scandant  ees  nroprea  vera  comme  il  veut  qn'on  scande  lea  alexandrina 
de  Corneille,  il  a  dn  les  trouver  preaque  toua  bien  mauvaie  et  dänaea 
d'barmonie.     En  voici  quelques-uns : 

Eh  bien!  ce  beau  Henteur,  cetto  piece  fameuae 
Qui  ftonnc  le  Khin  et  fait  rongir  la  Hause, 
Et  k  Tage  et  le  Po  et  U  Tibre  romain 
De  n'ovoir  rien  produit  d'Ögal  ä  cette  main. 
Oti  du  juate  mäpria  des  saia.ats  d'aujourdbui, 
Ton  tuccellent  Mentenr  m'a  porte"  ä.  mentir. 
Devtrnait  injuatice  et  »ijure  ä  l'auteur. 
II  serait  int^reaaant  d'ötudier  a  ce  point  de  vue  toutea  aea  poiaiea 
francaiaes,  qui  aont  pour  le  plupart  inädites. 


Miszeüen.  201 

II  n'en  est  pas  moins  curieux  que  le  XVII"  siecle,  dans  la  contro- 
verse  80uleve*e  par  Huyghene,  ait  touche*  de  si  pres  ä  la  Solution  du 
Probleme,  Bans  arriver  ä  la  Baisir.  Quel  dommage  que  Corneille,  qui 
ätait  cependant  aussi  un  thloricien,  n'ait  pas  ajoute*  ä  toutes  ses 
gloires  celle  d'avoir  donne*  la  vraie  forinule  du  vers  francais! 

Groningen. 

A.  G.  van  Hamel. 


La  Simpliflcation  de  l'orthographe  fran^aise. 

Apres  s'eire  couverte  de  signaturea,  la  n  Petition  a  Messieurs  les 
Membres  de  l'Acadämie  Francaise",  vient  d'dtre  remise  a  ses  destinataires. 
La  campagne,  si  vivement  conduite  par  M.M.  Louis  Havet  et  Paul  Passy, 
peut  fctre  considäree  comme  terminee.  Aussi  le  but  des  pages  qui  suivent 
est  moins  de  gagner  a  la  cause  de  la  reTorme  quelques  adherents  de 
plus,  que  de  repondre,  pendant  qu'il  en  est  temps  encore,  ä  certaines 
critiques  adressees  auz  promoteurs  du  p&itionnement  sur  la  procedura 
qu'ils  ont  adoptee.  Je  voudrais  aussi  prouver  qu'ils  ne  se  sont  point 
montree  si  rävolutionnaires  qu'on  l'a  pr&endu,  et  faire  voir  com  bien  la 
langue  francaise  peut  ötre  siniplifiee  dans  son  orthographe,  sans  que  ses 
admirables  qualites  de  precision,  de  clarte*  et  d'elägance  en  soient  aucune- 
ment  compromises. 

Od  troovera,  reproduite  a  la  fin  de  ce  travail,  la  Petition  adressee 
a  VAcadernie.  C'est  le  document  officiel  emane'  des  instigateurs  du  mouve- 
ment  räformiste.  Je  prie  le  lecteur  de  vouloir  bien  9*7  reporter.  Parmi 
les  considerants,  il  n'en  trouvera  aucun  qui  pose  en  principe  la  necessite1 
de  monier  l'orthographe  sur  la  prononciation;  parmi  les  propositions, 
aucune  qui  däpasse  les  limites  d'une  reTorme  raisonnable. 

Que  Ton  n'aille  pas  voir  dans  cette  moderation  l'effet  d'une 
prudence  par  trop  opportuniste.  Ce  n*est  point  par  crainte  d'effaroucher 
les  ames  timorees  que  la  Sociäte*  de  Räforme  orthographique  s'est  gardäe 
des  exag&ations  oü  sont  tombes  quelques -uns  de  ses  devanciera.  Des 
raison«  d'ordre  scientifique,  une  conviction  n&echie  et  basee  sur  L'ex- 
perience,  lui  ont  commande*  cette  reserve. 

Je  sais  bien  que  les  enfants  terribles  du  parti  de  la  reTornie  ont  des 
prgtentions  infiniment  plus  ambitieuses.  Faisant  fi  d'une  tradition  deux 
oq  trois  foie  seculaire,  ils  rövent  de  je  ne  sais  quelle  re*novation  radicale 
de  la  langue  ecrite,  en  son  aiphabet  et  en  son  orthographe.  Les  illusions 
qu'ils  nourrissent  la,  il  nous  est  impossible  de  les  partager.  Et  comme 
toute  solidarite'  avec  leur  hitransigeance  ne  pourrait  que  compromettre 
le  Bucces  de  notre  cause»  je  veux  d'abord  examiner  les  conditions  aux- 
quelles  doit  satisfaire  la  langue  Ecrite  pour quelle  reponde  a  sa destination. 
Sans  une  idee  nette  du  but  que  nous  devons  nous  proposer,  nous 
marcherions  a  l'a  venture,  et  not  efforts  risqueraient  d'aller  a  fin  contraire. 

I. 

L'orthographe  doit  §tre  simple.  Comment  le  sera-t-elle?  Est-ce 
en  reproduisant  exactement  les  sons  de  la  langue  parlee?  point  du  tout. 
Une  e'criture  qui  s'evertuerait  a  suivre  la  prononciation  dans  tous  ses 
meandres,  pourrait  Stre  fort  utile  aux  linguistes  de  profession ;  eile  serait 
en  tont  cas  le  plus  affreux  casse-t&te  pour  le  commun  des  hommes,  une 


202  Mistdle*. 

gSne  abominable  pour  lee  imprimeurs.  En  effet,  mÖtuo  dane  lea  laogaai 
oi)  le  systfeme  phonltique  est  relativement  simple  et  clair,  —  en  iUlien, 
par  exemple,  —  le  nombre  des  sons  employea  par  le  langage  eat  ii  oon- 
sidörable  qu'il  faudrait  pour  lea  rendre  par  l'eoriture  an  tot«)  de  lettrei 
dep&ssent  de  beaucoup  les  beaoins  de  la  vis  pratique. 

Au  reste,  l'eiemple  de  certainea  languea  littäraires  qni  ont  tenM 
d'exprimer  graphiquemeot  toutes  les  nuancee  de  la  prononciation,  suffinit 
ä  eveiller  noa  de'Eancea.  Quelle  ätnde  fastidieusement  aride  que  celle  de 
l'elphabet  sanacrit,  et  des  regles  de  l'euphonie,  c'est-ä-dire  de«  alWrotioni 
que  "ubiaaent  las  not«  au  contact  lee  ans  des  autres!  II  y  a  ia  un  en- 
semble  de  difncultes  bien  propres  ä  decourager  lee  d^butanti  Im  mim 
disposea-  Et  nous  iriona  proposer,  comtne  an  modble  &  Buivre,  uo  ejiteme 
orthographiqne  dont  la  complication  robute  souvent  ceui-  le.  memei  qni 
ae  vouent  aux  etudea  grammaticaleal  Nous  o'aurons  garde.  S'il  e«t  nn 
enseignement  qui  ressorte  avec  evidence  de  l'histoire  des  languee  ecrit*». 
c'est  qua  toule  orthograpbe  est  neceseairement  approximative,  et  que  U 
meilleure  n'eet  point  Celle  qui  reprodnit  le  plus  servileinent  la  laagne 
parlee,  mais  celle  qui  ae  contente  d'un  petit  nombre  de  eignem  Celle  qni 
s'applique  a  Stre  conaeqaente,  celle,  en  an  mot,  que  i'homme  le  moiw 
bien  doue'  peut  apprendre  aisäment 

diffit  point  que  Torthographe  soit  simple,  il  fant  ansei  qa'ellt 

igoe  ecrit«  n'^tait  que  l'image  tri«  «f- 
lle-ci,  diaait  un  lingmstte  eminent,  tri 
i  tableau  richenient  et  cbaudement  nuance";  la  langue  eerite 
neu  est  qu'une  pale  eequisse,  tout  justement  sufBaante  pour  rappeler 
l'03iivre  originale  a  celoi  qui  l'a  contemplee.  Eh  bien,  non;  la  langst 
Eerite  est  plua  et  mieux  que  cela.  C'eat  ce  qu'on  ne  doit  pas  oublier  quind 
on  aborde  le  probleme  de  la  röforme  orthographiqne.  L'ecole  phonttuta 
setrompe.parcoDsequent,  quandelle  taitleraieonnementauivant:  „L'ortho- 
graphe note  ou  les  ideea,  on  lee  aons.  Si  eile  note  las  ideea,  eile  est 
ge'ogTaphique  —  tele  noa  ehiffrea,   noi  eigne«  algebriquea,  etc.  -      n"    " 


note  les  sons,  eile  est  phonätique.  Or  l'orthographe  francaise  est  phonetiqae. 
Fonr  6tre  coneequente  avec  elle-mBme,  il  laut  donc  quelle  ne  varie  qua 
dans  la  inesure  oü  la  prononciation  se  modifie:  rot,  iet,  foi.     Si  des  dun- 


«  d'orthographe  correspondent ,  non  plus  ä  des  changementa  de  sons, 
maia  a  des  changementa  de  sena :  ver,  verre,  Darf,  veri,  vair  .  .  .  1'ecritnre 
cesee  d'Stre  pbonetique;  eile  devient  hritöroolite,  ricieuse." 

En  principe,  sans  doute,  l'orthographe  francaiae  est  phonätique. 
Maia  en  ce  monde,  rien  n'eet  absolu,  rien  de  ce  qni  est  humain  snrtoot 
Theoriquement,  le  mot  öcrit  est  le  eigne  du  mot  parlä,  et  le  mot  parhi 
est  le  eigne  de  l'idäe.  Seulement,  il  a  est  paaa^  ici  ce  qui  se  pasee  tonjoun 
quand  trois  termes  sont  Itroitement  aeaociä  dem  a  deux.     L'eaprit  n'a 

51us  associe  simplement  le  mot  ecrit  au  mot  parle',  et  celui-ci  k  l'idee; 
a  asaocifi  direetement  le  mot  ecrit  a  l'idee.  Par  la,  l'öcriture  a  cesse 
d'etre  dana  la  d^pendance  Picluaive  de  la  parole,  pour  deveuir  eigne 
immädiat  de  la  pensee.  C'est  ce  qui  fait  que,  liaant  ou  öcrivant,  nona 
n'avons  plus  besoin  d'dpeler  peniblement  les  mots;  le  symbole  ecrit  st 
traduit  sur  le  champ  en  >mage  intellectuclle,  et  vice  versa.  II  en  r&ulte 
qu'il  y  a  tont  avantage  ä  diSerencier  graphiquement  deux  mota  dont  le 
eon  est  identique,  maia  non  point  le  aena,  et  que,  pour  ne  pas  briser  le 
Heu  qui  unit  le  mot  ecrit  a  l'idee,  nous  devona  deairer  que  1  orthogrmphe 
d'nu  vocable  ne  change  pas,  quelque  modifiee  que  puieae  en  Etre  la  pro- 
nonciation par  le  contact  des  mot«  voiains. 

Eemarqnona  enfin  que  la  langue  littäraire  eet  faite  pour  franchir 


Mitzellen.  203 

les  limites  de  1'espace  et  da  temps.  Comment  pourrait-elle  rendre  les 
Services  tout  speciaux  que  nous  attendons  d'elle,  si  eile  ne  s'isolait  pas 
plus  on  moins  de  1a  langue  parlee?  Nous  voyons  qu'en  de*pit  de  re*co1e 
primaire,  le«  babitants  des  diverses  provinces  d'un  grand  pays  restent 
obstinement  fideles  a  leur  prononciation  locale.  D'autre  part,  personne 
algnore  que,  lentement  mais  inoessamment ,  la  prononciation  se  modifie 
das«  une  m&me  region.  II  est  indispensable  par  consäquent  que  la  langue 
ecrite  soit  nn  vätement  assez  souple,  pour  qu'il  puisse  se  pröter  sans  trop 
de  peine  aox  multiples  deTormations  que  fönt  subir  ä  la  langue  parlee 
les  differences  d'epoque  et  de  lieu.  L'Allemagne,  par  exemple,  connait 
an  moins  sept  prononciations  de  la  consonne  g;  le  mot  König  n*en  est 
pas  moins  ecrit  a  Berlin  comme  a  Munich,  a  Francfort  comme  a  Berne, 
et  chaque  localite'  y  croit  voir  le  repräsentant  fidele  de  sa  prononciation. 
De  meme,  en  France,  la  grapbie*  oi  a  reprlsente*  successivement  des  sons 
fort  diförents,  et,  aujourd'hui,  les  deux  voyelles  qui  la  composent,  ne 
correspondent  plus  du  tout  au  pboneme  qu'elles  sont  censees  figurer. 
C'est  que,  des  deux  termes  du  rapport,  pendant  que  l'un  changeait  sans 
eesse,  l'autre  restait  a  peu  pres  immuable.  La  fixitä  relative  de  l'ortho- 
grapbe  a  dissimule'  l'alteration  pbonätique.  Fort  heureusement  pour 
nous;  si  la  pbysionomie  de  la  langue  litte  raire  se  transformait  au  für  et 
a  mesure  des  cbangements  qui  se  manifestent  dans  la  prononciation,  les 
grands  ecrivains  du  XVII*  siede  auraient  depuis  longtemps  pris  un  air 
vieillot,  et  perdu  leur  autorite*  de  classiques. 

Tele  sont  les  deux  points  fondamentaux  que  je  tenais  a  etablir  des 
le  deT>ut.  L'ortbographe  doit  £tre  simple  et  facile,  ce  qui  exclut  toute 
surcharge  de  eignes,  toute  Prätention  de  trauscrire  l'infinie  variäte'  des 
sons.  Elle  n'est  point  indissolublement  liee  ä  la  parole;  eile  peut  et  doit 
avoir  ses  lois  propres. 

II. 

A  coup  sür,  l'orthographe  fran9aise  n'est  ni  simple,  ni  facile;  non 
pas  qu'elle  emploie  un  nombre  exagäre*  de  eignes,  mais  parce  qu'elle  se 
montre  inconsequente  et  capricieuse  dans  l'usage  qu'elle  en  fait 

Je  n'ai  pas  a  faire  maintenant  le  proces  de  cette  malbeureuse 
orthograpbe,  qui  a  äte*  le  tourment  de  notre  enfance,  et  qui  expose 
souvent  tous  ceux  qui  ecrivent,  les  grands  comme  les  petits,  ä  de  vives 
perplexites.  II  suffit  sans  doute  de  renvover  le  lecteur  aux  experiences 
qu'il  a  faites  lui-meme.  D'ailleurs,  depuis  que  le  public  a  4>t4  saisi  de 
la  question,  que  d'articles  de  journaux  ou  de  revues,  dont  les  auteurs 
g&nissent  ou  sur  les  doubles  lettres  —  aggraver,  agrandir;  imbe'cile, 
mbe'ciltite  .  .  .;  —  ou  sur  les  lettres  parasites  —  assoirai,  surseoirai  .  .  .; 
ou  Bur  les  bizarreries  de  nos  grapbies  hellänisaotes  —  triplyque  et 
glyptique;  metempsycose,  symetrie  .  ,  .;  —  ou  sur  la  duplication  tres 
inutile  de  certaines  dennences  —  corrtspondance,  residence;  circonstanciel, 
differentiel .  . .;  —  ou  sur  les  trop  fameuses  regles  des  participes.  Que 
Torthograpbe  francaise  soit  pleine  de  cninoiseries  et  de  cbausses-trapes, 
les  plus  obstines  partisans  du  statu  quo  en  conviennent  eux-memes. 
Seulement,  la  oü  nous,  reTormistes,  nous  voyons  un  ätat  de  choses 
prejudiciable,  une  maladie  que  nous  devons  essayer  de  guerir,  nos  ad- 
versaires  ou  bien  estiment  que  tant  de  difficultes  sont  nn  titre  de  noblesse 
pour  la  langue  francaise;  ou  bien  admettent  Pexistence  du  mal,  mais  le 
declarent  d'avance  incurable,  au  moins  par  les  moyens  que  nous  proposons; 
ou  bien  redoutent  le  trouble  que  causera  momentane'ment  tont  cbange- 
ment  dans  nos  habitudes  orthographiques. 

Je  dois  räpondre  a  ces  trois  categories  d'opposants. 


II  y  va,  dit-OD,  de  notre  honneur  que  l'ortiiographe  franetist 
rve  pieuaement  lee  preuves  de  son  origine.  Le  second  p  de  pronft 
et  le  th  de  Iheätre  aont  d'authentiquea  parchemius  de  famille ;  ila  viennanl 
"a  propoe  rappeler  ä  ehaque  göueration  que  nous  ne  aommea  pai  <J<s 
barbares,  mais  bien  les  fils  intallectuels  dee  Romaine  et  dos  Grera. 

Ce  Kont  lä  dee  ralsoim  de  eentiment.  Rien  en  soi  de  plus  legitim« 
et  de  plus  touchiint  que  la  picte  de  fils  qui  consarvent  religiensemeot 
l'lie'ritaga  de  leura  parents.  Mais  ici,  cette  pie5te  fait  faueee  route;  eile 
s'attacbe  a  ce  qu'il  y  a  de  plus  accidentel,  de  pliu  exterieur  dans  notre 
patrimoine  he'r^ditaire.  On  comprend  qu'un  fils  dee  preux  a'appliqne  a 
maintenir  intactes  lee  traditiotii  de  sa  famille;  comprendrait-on  qo'il  m 
chajseät  encore  de  aouliera  a  la  poulaine,  et  circnlät  an  pourpoiot  et  eo 
Chaussee? 

Nulle  part,  saus  doute,  la  preseion  exeroee  par  le  latin  tut  le 
francaie   n'apparait  d'une  manifere  auesi  palpable  qne   dana   notre  artho- 

!;ra.pne  traditionnelle.  Eu  pouvait-il  etre  autrement?  Quand  Calphabet 
ut  applique  a  la  langue  vulgaire,  c'est  l'alphabet  latin  qui  fnt  «dopte, 
saus  un  signe  de  plus,  «ans  nn  eigne  de  moina.  Ce  que  l'orthograpbe 
dut  »ouffrir  eur  c«  lit  de  Procuste,  on  le  comprend  aisement,  n  l'oi 
röflechit  que  la  nonvelle  langoe  nvait.  nombre  de  eone  que  le  latin  ne 
connaiasait  paa,  pour  leequels  il  n'avait  pas  de  eignes:  eu,  u,  ch,  j,  las 
vojelles  nnsaliaees,  lea  oouaonnee  mouilleea.  Quand  les  Greos,  quand  lea 
Hindoun  s'approprierent  des  alpbabete  d'origine  aemitique.  ils  leor  Brest 
subir  let  modifications  que  rt?clamait  la  phone'tiquu  de  lenrs  langm 
respectivee.  Presque  toutes  le«  langues,  d'ailfeura,  ee  servent  d'un  alpbabat 
d'emprunt;  presque  toutes  ont  ajouti  au  stock  Importe"  un  nombre  plm 
ou  moina  grand  de  aignes  nouveaux.  Seulee  fönt  exception  lea  civili- 
sations  qui  procfedent  directement  de  la  culture  romaine.  Pourquoi? 
A  cause  de  la  persistauce  dans  tonte  l'Europe  occidentale  da  latin  oomme 
langne  littßraire  et  savante  Lee  clerce  ont  transporU  aui  idiomci 
nonveaux  les  habitudee  d'ecriture  qu'ila  uvaient  pneee  avec  le  latin. 
On  a  äcrit  goät  et  gendrc  avec  un  g,  parcp  qu'ili  dörivent  de  mote  laünt 
qui  commencent  par  un  g:  deux  aone  pour  une  menie  lettre;  OD  a  äerit 
genre  avec  un  g,  maia  janvier  avec  nn  j,  parce  qne  lee  mote  latin«  oorret- 
pondanta  presentent  g  et  j:  deux  graphiee  pour  ud  meine  aon. 

On  sait  de  plus  que  le  francaie  renferme  deux  couchea  de  mote, 
lea  mote  populairee  et  lee  inots  aavanta;  lea  premiera,  plus  ou  moini 
altere?  daDB  leur  forme  en  vertu  dee  loia  pboniquea  proprae  an  francsii; 
lee  autree.  empruntee  tele  quels  au  grec  et  au  latin,  ou  formes  d'aprei 
des  modeles  grece  ou  latins.  De  tout  tempe,  le  francaie  a  eu  des  mob 
aavanta,  maia  c'eet  eurtout  deputs  le  XVI*  eifecle  qu'il  ae  les  est  ineorporei 
en  foule,  et  cette  «orte  d'endosmoa«  ee  continue  eneore  aona  dob  jeux. 
Etant  donnees  lea  habitudee  graphiquea  du  francaie,  il  eltait  naturel  que 
Von  coneerv&t  aux  mote  aavanta  leur  phyaionomie  originelle.  Malheureose- 
ment,  lee  vocablee  uouveuux,  charges  presque  tous  de  consonnes,  ont  i 
lenr  tour  agi  sur  lee  mote  populairee.  et  le  XVI*  eiecle  a  rätabli  chex  et« 
derniera,  bien  des  lettre«  que  l'uaure  pkone'tique  leur  avait  fait  perdie. 
Insuffisance  de  l'alphabet,  et  influence  dee  mote  savante,  voila  deux  cause« 
de  trouble  qui  ont  grandement  tontribue  a  g&ter  l'orthographfl  francaise. 
Cependant,  on  aurait  tort  de  croire  que  l'imitation  du  latin  eoit 
aeule  reaponsable  des  difficulb'a  de  l'ortbographe.  11  en  est  qui  n'oat 
pas  meme  cette  excuae  a  faire  valoir.  he  latin  n'eat  pour  rien,  pai 
exemple,  dana  cette  regle  absurde  qui  veut  que  oertains  mota  aient  x 


Miszeüen.  205 

au  pluriel.  Cet  x  est  du  a  od  simple  accident  paleographique.  On  a 
pris  pour  cette  lettre  une  de  ces  ligatures  dont  les  calligrapnes  du  Moyen 
Age  aimaient  a  enjoliver  les  finales  de  mots.  Le  mal  n'aurait  pas  6i6 
bien  grand,  sif  sans  exception,  tous  les  mots  terminea  par  au,  eu,  ou, 
avaient  eu  x  au  pluriel.  Mais  il  n'en  est  point  aiusi,  et  les  ecoliers  sont 
obliges  de  se  fixer  peniblement  de  longues  listes  dans  la  memoire;  ä 
moins  qu'ils  ne  prelerent  apprendre  par  coeur  teile  phrase  stupide  oü 
Ton  a  bon  gre*  mal  gre*  räuni  toutes  les  exceptiona  d'une  meme  regle: 
„Viens,  mon  chou,  mon  bijou,  sur  mes  genonx  avec  tes  joujoux,  et 
prenons  des  cailloux  pour  chasser  ces  hiboux  couverts  de  poux.tf 

8i  le  cbapitre  des  lettres  doubles  est  un  des  plus  fertiles  en 
bizarreries  de  tout  genre,  ce  n'est  pas  non  plus  au  latin  que  nous  devons 
nous  en  prendre.  Qu'elles  correspondent  a  d  anciens  e*tats  de  pronouciation, 
ou  quelle«  soient  de  simples  Conventions  orthograpbiques,  les  lettres 
doubles,  dans  les  finales,  n'ont  en  g^neral  plus  aucnne  raison  d'etre.   Avant 

3ue  l'emploi  des  accents  orthographiques  se  fut  gän^ralisä,  le  doublement 
e  t  et  de  /  dans  je  jette,  famonceUe,  servait  du  moins  a  signaler  la 
voyelle  precedente  comme  ouverte.  Aujourd'hui,  l'accent  grave  suffit  a 
cette  besogne;  pourquoi  en  priver  une  douzaine  de  verbes  en  -eter  et  en 
-eter?  Quant  aux  epels  bonne,  prudemment,  il  y  eut  un  temps  oü  ils 
ätaient  justifies  par  la  prononciation.  Mais,  dans  le  corps  des  mots,  le 
francais  n'admet  plus  de  voyelle  nasalisee  devant  une  consonne  nasale; 
on  prononce  aujourd'hui  bötie,  prudament.  Quel  intäröt  y  a-t-il  a  conserver 
une  graphie  contredite  par  l'usage  actuel  de  la  langue?  Tels  les  organes 
rudimentaires  qui  survivent  atrophies  dans  les  ötres  supärieurs,  et  qui 
tont  pour  enx  des  reliques  bien  inutiles,  souvent  meme  gSnantes,  d'anciens 
eHats  de  deVeloppement. 

On  peut  du  moins  deTendre  par  des  argumenta  empruntes  a  l'histoire 
Yy  danalysc,  le  g  de  doigt,  les  deux  n  de  sonner,  Ye  d'asseoir.  Mais 
quelle  excuse  alleguer  pour  toutes  les  difficultes  qui  ont  leur  origine 
dans  les  indecisions  et  les  inconsequences  de  l'Acadänrie  et  des  gram- 
maJriens?  Or  l'incoberence  et  le  caprice  semblent  s'ötre  doonä  libre 
carriere  dans  l'emploi  des  accents  et  des  traits-d'union,  dans  les  regles 
concernant  le  pluriel  des  composea,  dans  mitle  de*tails  oü  l'Academie  s'est 
inflige*  ä  elle-meme  de  cruels  dementia.  Les  exemples  abondent:  avene- 
ment,  evenement;  —  entrecouper,  entre-bäiller ;  —  portefeuitie,  porte- 
drapeau;  —  des  couvre-feu,  des  couvre-chefs ;  —  pay sänne,  sultane;  — 
asiie,  rythme  ....  bref,  une  foule  de  difficultes  toutes  gpratuites  qu'avec 
un  peu  de  decision  et  de  bonne  volonte  l'Academie  pourrait  nous  epargner. 

En  somme,  deux  grandes  catägories  de  difficultes  inutiles,  les  unes 
provenant  du  d&ir  de  maintenir,  en  däpit  de  la  prononciation,  la 
physionomie  ancienne  de  mots  nombreux;  les  autres  causees  par  les 
hesitations  d'une  compagnie  qui,  charge*  de  fixer  l'usage  de  la  langue 
ecrite,  ne  s'est  jamais  trace~  un  programme  d'ensemble.  qui  a  cru  qu'il 
suffisait  de  trancher  dans  cbaque  cas  particulier,  et  qui,  par  ses  demi- 
mesures  a  augmente*  la  confusion  qu'elle  devait  conjurer.  Cette  seconde 
sorte  de  difficultes  doit  ä  tout  prix  disparaitre  du  dictionnaire,  et  le 
plus  vite  possible.  Trop  de  scories  compromettent  gravement  l'homoge'neite' 
et  la  limpiditö  de  l'orthographe  francaise! 

Quant  aux  epels  qui  n  ont  leur  raison  d'etre  que  dans  les  habitudes 
graphiques  du  grec  ou  du  latin,  il  m'est  impossible  de  partager  les 
appreliensions  de  ceux  qui  s'imaginent  que  l'avenir  de  l'enseignement 
cfaseique  serait  compromis  par  la  suppression  en  francais  de  quelques 
lettres  £tymologiques.  Certes,  si  l'ätude  du  grec  et  du  latin  n'avait 
d'autre  utilite*  que  celle  de  nous  aider  ä   comprendre  l'orthographe  de 


notre  noraenclature  snv;tnte,  noua  devriona  d'autant  plua  nout 
aiippriiner  dana  la  langue  ecrite  oee  survivances  classiijues;  bien  d« 
aonees  de  labeur  sterile  aeraient  »inai  epargnta  im  öcoliere.  Mail  non, 
011  neut  sans  erainte  briser  ce  lien  tout  eiteneor  qui  ratt  siehe  artineielle- 
ment  notre  ecriture  au  latiu  et  au  grec;  l'e'tude  des  langues  et  de* 
litteraturea  classiquea  n'en  demeurern  paa  moina  le  meilleur  proc&ii 
connu  pour  faire  de  noa  mfknti  dM  konntet  ouvarts  ä  toutes  le»  cbo* 
de  l'eaprit,  lytnpatbiques  aux  id^es  genereuses,  tolerante  nux  opinio: 
d'autrui.  elevea  au-desaua  d'un  partieularisme  ötroit.  Qu'importe  qnt 
notre  terminologie  acientifique,  littöraire,  artiatique,  philosophiqu* 
rolisiflUMi  porte  moina  tlairemeut  inacrite  sur  aon  front  «od  o 
hellenique  ou  romaine?  II  n'en  restera  pae  moins  vrai  que  lee  r 
de  l'arbre  Je  la  science  et  de  l'art  ploogent  profondement  dans  Hium 
classique;  et  toue  ceux  qui.  dana  ta  nature,  s'iatereasent  aurtout  ii  t'homm 
et  dans  l'homme,  ä  ce  qui  le  diatingue  de  la  brüte  et  de  la  matier 
iuorganique.  tlevi'ont  etudier  lea  Grecs  et  lea  Romaine,  a'ils  milen 
comprendre  quelque  cboae  a  ce  que  ] 'komme  est  devenu,  au  tour  qu'ont 
pria  aes  id£es,  b.  la  niarche  qu'il  auit  dann  son  e>ohi(.ion  intellectuelle  W 
inorale.  Ne  noua  laisaona  donc  paa  arreter  par  un  Ben  (i mental isme  qu 
rien  ne  juBtifie;  et,  si  nous  trouvons  neceasaira,  ou  mGine  »implemea 
utile,  de  faoiliter  l'e'tude  de  notre  langue,  allune  bravenient  de  Vi 
l'honneur  du  francaia  n'eat  point  en  jeu.  et,  fila  et  he'ritien  du  i 
ancien,  nous  ne  manquerona  point  pour  cela  ä  la  pi<:t.-  due  a  i 
ancetree. 


J'en  viena  maintenant  nux  esprits  chagrins  qui  aont  persua 
qu'nne  reformu-  ortbographique  est  imposaible.  Dois-je  m'arreter  long- 
tempe  a  leur  prouver  qu'ils  out  tort?  A  quo»  cela  eervirait-il?  Ou  bien 
ce  sont  dee  o  bat  ine*  qui  ae  sont  mia  en  tfito  que  noua  voulona  introduirr 
le  phonÖtiaine  dans  la  langue  ecrite,  et  qui  parteut  de  lii  pour  crier 
ä  1  manitö  de  tela  efforts.  Ou  bien  ce  aont  des  aceptiqnes  qui  d'uvance 
haussent  les  epaules  ä  tonte  tentative  genereuae,  qui  ne  saveut  que 
ricaner  et  decourager  lea  untre«,  Noua  n  avons  qu'uue  maniere  de  leur 
prouver  que  le  mouvement  exiete,  c'est  de  marcher. 

Serait-elle  vraiment  imposaible,  cette  reTorme  qui  s'eat  efiectuee 
en  Italic  des  le  XVI°  sibcle;  impoaaibles,  ces  retouchejt,  qui,  il  j-  u  aoiiante 
ans,  ont  fait  de  l'espagnol  la  langue  la  plus  rationell  erneut  ecrite  peut- 
etre  de  fout  le  nroupe  romun;  imposaible,  uue  aimpiification  proparöe 
en  France  par  lea  efforta  de  tant  de  generationa  de  grammairiens  et  de 
linguiatea?  Le  caprice  et  la  fantaisie  ont  pu  agir  sur  1'orthoKraphe 
pour  y  aemer  deaoi-dre  et  eonfuaion;  uue  attention  riJflechie  et  prudent« 
ne  pourrait  rien  pour  y  retublir  l'barmonie  et  le  bon  aen»?  On  oubtie 
trop  t'acilement  que  !'e*pre«aion  graphique  du  langage  n'eat  en  dernitrc 
aualyse  qu'iin  ajwbole  conventionuel ,  et  que  le  peuple  qui  a'en 
peut  en  diapoaer  souverainement. 

Beaucoup  de  gena  noua  ont  dit:  nOui,  vous  avez  raison,  : 
posaible  de  »imputier  Tortbogi-aphe,  uuiiü  vous  avaz  eu  tort  de 
adteseer  ii  1'Acad^niie.  Ignorez-voua  que  l'illustre  Compagnie  ne 
jamaia  donnii  d'autre  mission  que  celle  d'enregistrer  l'uaage?  Commencex 
par  pratiquer  les  changements  que  vous  propotez;  mettez-les  dans  la 
oirculation ;  s'tls  prennent  dana  le  public  lettre,  vous  pouvez  compter 
que,  fidele  ä  son  rOle  traditionnel.  l'Acad^mie  leur  donnera  force  de  loi." 

Tont    partisan    eonsaincu    d'une    röforme    orthoKrapbique   pensent 
«aus  doute  qo'il   n'importe  gubre  de  quelle   mauiere  eile  se  fera,  pourvu 


!t  de 

apbe 

jblie 

1 


Mitzellen.  307 

qu'elle  se  fasse.  Si  j'e"tnia  aur  que,  par  une  autre  voie,  on  eüt  eu  lea 
meines  irnranties  d'une  revisiou  prudente  et  uuauimement  acceptee,  je  acraia 

ile  preniier  ä  regretter  qu'on  soit  venu  troubler  In  tranquillite  academique. 
Hais  que  fallait-il  faire?  Decre'ter  la  liberte  orthograpliique?  Ce  aerait 
la  pire  des  Solution»;  eile  menernit  tout  droit  a  une  unarchie  irrem&iiable. 
On  a  deja  reproehe  au  pnrti  de  la  reforme  aon  manque  de  coh&ion.  Que 
«erait-ce,  ei  Ton  permettiiit  a  chacun  de  reformer  aon  orthographe  pour 
■on  compte  personnel?  Aucune  enteilte  ne  pouvant  e'etablir,  ce  aerait 
rgntiettement  et  l'impuissance.  Noua  aurions  conuurremment  l'orthographe 
phoneiique,  l'orthographe  e"tyinologique,  l'ortbograplie  estlietique.  Comme. 
d'ailleurs,  la  prononciation  dittferc  suivant  lea  provineea,  et  aussi  suivant 
lea  claaaes  de  la  popuiat.ion,  chacuu  se  croirait  le  droit  de  reproduire  Ies 
•ona  qu'il  fait  entendre.  L'Auvergnat  aurait  aon  orthographe,  qui  ne 
sentit  pan  Celle  du  Marseillaia.  Brei',  un  vrai  gächia  qui  generait  enorme-- 
meit  Ies  communicationa.  Et  qu'on  ne  diae  paa  qne  le  mal  iie  durerait 
qu'uu  tempa,  que  TAcademie  bientöt  y  inettrait  bon  ordre.  La  pauvre 
Aeademie,  tiraillee  en  aens  divers,  aurait  grand'peine  a  faire  aon  choix, 
et  ce  choix  ne  aatiaferait  personne.  Lea  plus  ardenta,  a  ooup  aür,  ne 
reaoneeraient  pas  ä  leur  orthographe  separatiate.  Et  ce  aerait  lini  de 
l'unite  littiäraire  de  la  iangue  francaise,  cette  unitö  dont  l'Acadeniie  a 
4H  l'agent  et,  jusqn'ici,  le  gardien  fidel«,  cette  unite  qui  liriik-  ,-ilm«  ilonte 
la  liberte  de  chacun,  mais  qui  rackete  cet  inconvenieut,  ai  inconvenient 
il  y  a,  par  un  avantage  inappreeiable :  la  certitude  pour  l'ecrivain  d'etre 
compris  de  celui  ii  qui  a'adreeae  sa  parole.  Gardoua-nous  donc  d'ecouter 
ceux  qui  voudraient  noua  preeipiter  aur  des  ecueila  redoutables ,  et  aup- 
pliona  l'Aeademie  de  ne  paa  faire  banqueroute  ii  noa  espeianeea;  laieaona- 
lii  s'acquitter  d'vine  besogne  pour  laquelle  eile  est  seule  qualifiee. 

Öoi,   l'Aeademie  est   qualifiee   pour   le   travail  qn'on  lui  demande, 
et  nous  aurions  tort  de  douter  de  ses  luniieres  et  de  sa  bonne  volonte. 

Sans   doute,   eile   u'est  point   une   aaseniblee   de  grammairiens ,   et 
c'est    dana    l'Academie  des  Inseriptions   et   Beiles- Lettrea   qu'ont  »iegö   et 
'       reprösentanta    attitrea    du    rowaniame   et   de    la 


grammaire  coroparee,  lea  Thurot,  ies  de  Wailly.  lea  deux  Paria,  les  Breul, 
lea  I'aul  Meyer.  Je  veux  bien  que  ce  aoit  la  un  motif  aufnaant  pour 
inviter  l'Acadeniie  Francaiae  ä  passer  ii  aon  erudite  aoiur  la  reilaction 
de  aon  fameux  dictionnaire  hiatorique;  mais  ponrquoi  renoncurait-elle  ä 
la  fache  qui  a  6t6,  en  tin  de  compie,  la  raison  d'etre  de  sou  Institution? 
Elabore"  par  cette  reanion  aana  pareille  d'^crivains  et  d'hommea  du 
roonde,  le  livre  rÖgulatif  de  la  Iangue  francaiae  doit  aon  autoritÖ  pröcia^- 
ment  au  fait  qu'il  n'incarne  aucune  theorie  grommnticale  on  hiatorique, 
qu'il  est  excliisif  de  tout  p^dantiame  et  de  tont  Systeme.  De  lä  cette 
admirable  appropriatioo  aux  beaoine  d'une  clientele  qui  vient  y  chercher 
dei  renaeignemeuta  pratiques  aur  BD  qui  est  en  IVtat  atluci  de  la  laugue, 
et  non  aur  ce  qu'elle  ßtait  autrefoia,  ni  sur  ce  qu'elle  devrait  etre  en 
bonne  logique.  Tout  autre  dictionnaire  ne  peut  etre  que  l'expreasion  des 
ide"es  et  des  opinions  d'un  homme.  L'exemple  de  Littrfi  est  la  pour  noua 
muntrer  commeot  une  ceuvre  individuelle,  si  conaciencieuae  et  si  aavante 
qu'elle  aoit,  est  impuisaantt;  k  a'imposer  comme  norme.  Littre  dogmatine 
aouvent  dann  lea  queations  d'ortbographe  et  de  prononciation,  et  c'eit 
prfcisöment  dana  cea  deux  domuines  que  son  autorite  est  le  plus  conteatee. 
On  a  pu  reprocher  a  l'Acadömie  sa  timidit^  et  sea  nombreuses 
deTaillances;  mais  lea  prioclpes  m€mee  qu'elle  a  adoptee,  mdritent  en 
genera)  tonte  approbation.  Plüt  au  ciel  qu'elle  Ies  eüt  auivia  avec  plua 
de  conadquence!  Doit-on  lui  en  vouloir,  par  exemple,  d'avoir  tenu  a 
ui.iint-eziir  dans  la  meeure  du  poaaible  l'uniy   graphiqne  de*  famille«  de 


308  Mitzeüeru 

mot»?  ou  d'avoir  aouvent  ponr  les  homonymes  admia  dana  l'Öcritnre  da 
difl'erenciation?  que  la  parole  ne  connait  point?  ou  d'avoir  fix*  pom 
chaque  mot  une  orthographe  unique,  quela  que  aoienf  lea  accident*  de 
prononciation  auxquela  t'expoee  le  contact  des  mota  voisinB?  Evidemmeni, 
jion.  En  Scrivant  comme  eile  l'a  fait  bon,  rund,  long  —  ou  astit,  du, 
fiiti,  eile  a  grandement  eimplifie'  l'enonce  de  certaiuee  regle«  grammati- 
calea.  —  Et  puisque  la  traaition  lui  offrait  parfois  dem  graphie»  con- 
curremment  employöes  pour  un  mGme  mot,  en  lea  utiliaant  ponr  difö- 
rencier  deux  homonymes,  ou  meme  pour  d6doubler  un  mot  uniqae  dont 
le  aeua  a'ötait  birurque",  n'a-t- eüe  paa  contrihuri  ä  donoer  a  la  iangM 
ecrite  plus  de  nettete'  et  de  pr^ciaion?  Beaucoup  de  personnes  iguorwt 
que  nous  avona  deux  verbea  peler,  confondua  qu'ita  eoot  dana  la  leugne 
ecrite;  elles  penvent  par  consequent  ae  meprendre  «ur  te  aena  d'une  phrua 
ou  ce  mot  Ggure.  Main  des  qu'on  aait  ecrire,  pn  fait  connaiamnce  avee 
les  deui  verbes  compter  et  conler,  les  dem  aubatantifB  ätrimt  et  denen, 
et  aucune  confueion  o'est  poaaible  daua  l'eaprit  de  celai  qui  lea  rencontre 
dana  aea  lectures.  N'est-ce  pas  autaot  de  ga^ne"?  —  Enfin,  en  arrttant 
qu'un  mot  comme  dix  s'ecnrait  toiijou™  diu,  qu'il  aoit  prononoe"  dt,  da, 
«m,  et  que,  daua  toute  aa  conjugaison,  «iuer  coneervenüt  ai,  bien  qne 
nous  prononciona  novx  nimons  (ayec  i),  eout  atmet  (avoc  e),  1'Academia 
a  rendu  poaaible  raaaociation  directe  da  eigne  äcrit  et  de  l'idöe,  coudition 
in  dispensable  pour  qne  nous  arrivions  a.  lire  et  a  ecrire  rap  i  deinen  t- 

Ces  divers  principe«,  nous  voyons  l'Academie  lea  appltquer  des 
la  premiere  Edition  de  eon  dictionnaire.  Malheureusement,  lea  oonfreree 
de  ßosauet  ont  en  general  studio  les  mota  Uolöment,  et  leura  arreta  ont 
trop  eouvent  cr^ä  des  diffionltea  fort  inutilea.  L'&Iition  de  1740  i 
rSparfi'  uue  partie  du  mal  en  simplifiant  l'ortbographe  de  prea  de  5000 
mota.  Lea  äditiona  de  1835  et  de  1878  tromperent  lea  eeperancee  de 
cenx  qui  comptaient  aur  une  revision  complete  de  la  langue  ecrite; 
remarquablea  l'une  et  l'autre  par  le  nombre  considerable  de  mota  aux- 
quela  ellea  donnerent  le  droit  de  cite",  ellea  ne  prirent  en  orthograpba 
que  dea  meeuree  tont  a  fait  insufßeantee.  Maia  ces  deceptiona  ne  sont 
point  de  nature  ä  noua  faire  perdre  confianoe;  et,  ai  la  Petition  a  <bS 
lancee,  c'est  ponr  en  appeler  de  l'Acade'mie  mal  infbrmee  a.  l'Academie 
mieui  in  formte. 

On  uomi  n,  bien  dit:  L'Acade'mie  refnaera  pnrement  et  rimplemaot 
d'entrer  en  matiere;  et  cela,  parce  qu'elle  a  ötö  inatituäe  ponr  eonatatar 
l'uaage  et  non  ponr  le  creer.  Noua  n'en  croyone  rien.  II  n'eat  point 
srai  que  TAcadämie  n'ait  jamaia  pris  l'initiative  d'une  modification  de 
V orthographe.  En  1878,  quand  lea  Quaranta  ont  anpprimä  l'une  de* 
deux  k  de  rytKme,  phtisie,  etc.,  n'ont-ila  paa  pria  l'initiative?  Et  quand 
ila  ont  däcr&e'  que  tous  les  mota  tm-ege  auraient  l'accent  erave,  auivaient- 
ila  l'uaage?    Avant  la  a^ance  du  8  juin  1679,  lea  ecrivaina  avaient  joni 

Kur  l'accord  dea  participea  preaenta  de  tous  lea  avantagee  et  de  loni 
i  ioconve'iiients  de  la  liberÜ.  Ce  jour-la,  l'nkaae  fut  proinnlgnö :  „La 
regle  est  faite,  on  ne  d^clinera  plus  les  participea  actini."  L'Academie 
e*tait-elle  alors  un  simple  grefGer  chargä  d'enregiatrer  lea  urreta  d'antrui, 
ou  un  legislateur  parlant  d'autoritä?  D'ailleurs,  ce  qui  a  4t6  poaaible 
juequ'au  XVJ1I"  siecle,  ne  Test  plus  maintenant.  Jadta,  la  oontrainte 
orthographique  n'exietait  point  encore.  On  ponvait  suivre  sa  fantaiaia 
Bans  cesaer  pour  cela  d'Stre  un  honnete  homme.  Dea  diseonanoea  » 
produiaaient  donc,  et  l'Acad^mie  faisait  aon  choix.  Aujourd'hui,  sous 
peiue  de  passer  pour  un  mal-appris,  chacun  doit  reapecter  l'orthograpbo 
poinconnee  par  l'Anadöniie,  et  protea  et  mattres  d  öcole  »ont  lä  pour 
arrfiter,     pour    prevenir    toute    velllite     d'inde'pendance.       Si    vraiment 


MiszeUen.  209 

l'Acadlmie  n'avait  aacan  droit  d 'initiative,  nous  noos  trouverions  en- 
fermea  dans  un  cercle  vicieux,  et  il  ne  nous  resterait  plus  qa*k  piätiner 
öteraellement  sur  place. 

V. 

Reste  la  troisieme  et  derniere  catägorie  d'opposants,  ceux  qui, 
tout  en  reconnaissant  que  l'orthographe  actuelle  est  de*fectueuse, 
eatiment  que  les  remedes  proposäs  sont  pires  que  le  mal.  L'ortho- 
graphe, nous  disent-ils,  n'est  point  parfaite,  mais  celle  que  vous  voulez 
mettre  ä  sa  place,  vous  avouez  vous-mäme  au 'eile  est  loin  de  la  per- 
fection.  Est-ü  raisonnable,  est-il  juste  de  jeter  une  pareille  pertur- 
bation  dane  nos  habitudes,  dans  la  littärature,  dans  l'enseignement, 
pour  une  amälioration  douteuse,  en  tout  cas  tres  relative?  Le  jeu 
vaut-il  la  chandelle? 

Cest  le  sort  commun  de  tous  les  changements  de  le*ser  quelques 
intäräts  particuliers,  de  däranger  des  habitudes.  Au  public  lettre  de 
voir  si  les  inconve*nients  d'une  re*forme  passent  ses  avantages,  si  ceux-ci 
seraient  trop  cherement  achetäs  par  le  trouble  momentane"  qu'elle 
amenera  nlcessairement. 

D'aillenrs,  toute  loi  est  accompagnle  de  ses  dispositions  transi- 
toires.  Pourquoi  ne  laisserait-on  pas  ä  leurs  cheres  habitudes  tous 
ceux  qui  le  d&ireraient?  Nous  ne  demandons  pas  la  mort  violente  de 
l'orthographe  actuelle,  mais  seulement  qu'elle  plrisse  par  l'extinction 
de  ceux  qui  la  pratiquent.  Les  protes,  dont  c'est  le  mutier,  conti- 
nueront  ä  raettre  au  goüt  du  jour  la  pens£e  des  e*crivains  qui  pre"- 
föreront  conserver  les  modes  d'antan  pour  leur  usage  personnel.  C'est 
seulement  ä  l'äcole  que  la  nouvelle  orthographe,   une  fois  promulgue*e 

Sar  l'Acade*mie,  deviendra  immädiatement  obligatoire.  Les  instituteurs, 
u  jour  au  lendemain,  se  verront  dans  la  näcessite*  de  faire  peau  neuve. 
A  en  juger  par  l'empressement  qu'ils  ont  mis  ä  appuyer,  ä  provoquer 
m6me,  le  mouvement  de  reTorme,  on  peut  ßtre  certain  qu'ils  accepteront 
de  grand  coeur,  pour  le  bien  de  leurs  Kleves,  cette  atteinte  temporaire 
a  leurs  aißes. 

Mais  alors,  pourquoi  les  hommes  de  lettres  sont-ils  en  majorite* 
hostiles  ä  la  simplification  de  l'orthographe?  Comment  se  fait-il 
qn'autrefoia  Ronsard,  Corneille,  Bossuet,  Voltaire  aient  e"te*  les  Champions 
räsolus  de  cette  reTorme,  et  qu'aujourd'hui  de  H6re*dia,  Coppe"e,  Leconte 
de  llsle  la  repoussent  de  toutes  leurs  forces?  Les  gens  de  lettres 
n'ont  point  fait  mystere  de  leurs  griefs.    Examinons-les  rapidement. 

Au  premier  rang  de  nos  adversaires,  nous  trouvons  les  raffine*s 
et  les  dilettantes.  Ces  apötres  du  nouvel  Ivangile  litteraire  trouvent, 
parait-il,  une  grace  toute  particuliere  dans  les  lettres  parasites,  dans 
ces  groupe8  oü  des  signes  multiples  se  combinent  ingänieusement  pour 
ne  figurer  qu'un  son,  dans  ces  dissonances  qui  finalement  se  re"solvent 
en  une  savante  harmonie.  N'a-t-on  pas  pre"tendu  qu'une  rime  6tait 
particulierement  rare  et  delicate.  quand  ä  l'identite*  du  son  se  joignait 
une  parfaite  dissemblance  de  la  forme  graphique?  Apparier  rite  et 
site,  fi  donc!,  mais  que  d'impre'vu,  quels  lointains  dans  mythe  rimant 
avec  rite!  Nos  sens  trop  obtus  se  refusaient  dejä  ä  percevoir  des 
parfums,  des  couleurs  et  des  saveurs  dans  les  voyelles  et  les  con- 
Bonnes  de  la  langue  parl^e,  et  voilä  que  des  effluves  mystlrieux  £manent 
aussi  des  caracteres  alphabätiques !  Pour  nous  qui  n'avons  aucune 
intelligence  des  raffinements  d'un  art  tombe*  en  deliquescence,  et  qui 
pensons  qu'une  poe"sie  digne  des  ce  nom  n'est  point  Itee  aux  destin^es 
de  l'orthographe,   nous   n'avons   qu'ä  renvoyer  les  poetes  de  l'e"cole 

Zselur.  f.  tn.  Spr.  n.  Litt.    HIB.  ^4 


210  MiszeUen. 

aymbolique  a  une  antonte"  qn'ila  ne  röcaaerOnt  paa  r&m  dotfte,  M. 
E.  H.  de  Vogüe".  Persoune  n'a  oublie',  je  pense.  cette  page  charmante 
od  l'auteur  des  Remarques  svr  Cexpositton  du  cenlenaire  fait  obserrer 
que,  depuis  le  döbut  du  XIX'  Biecle,  roruementation  s'est  faite  toujoun 
plus  miiigre,  qu'elle  a  fini  mfime  par  disparaltre  de  tous  lea  objets  de 
premiere  näceaaite"  et  de  common  naage.  „On  pent  expliquer  ce 
phänomene,  remarque  M.  de  Vogüe",  par  la  valour  croiaaante  du  tranD 
et  de  son  eoefficient,  le  tempa.  Noua  faiaons  simple,  pour  faire 
davantage  et  plus  vite.  La  force  employe'e  a  produire  est  conBommk 
tonte  entiere  en  utilitc";  on  n'en  peat  neu  diitraire  pour  1'amuBement . . , 
La  oü  l'ceil  de  noa  devanciera  exigeait  autrefoia  dea  conlenrn  vives  et 
le  deaain  image',  le  nötre  rßclame  lea  teintea  neutrea,  lea  lignes  droitcs. 
lea  aurfaces  polies,  en  un  mot,  l'e"troite  convenance  entre  la  forme  et 
l'eniploi,  aana  rien  de  plus.  C'est  l'dlimination  progressive  de  I'inrtinet 
da  »au  vage,  de  Venfant,  qui  ftait  devenu  en  a'epurant  le  goflt  da  baaa, 
niaia  qui  n'en  procöde  paa  moina  de  ce  principe:  la  recherehe  da  jonet 
et  de  la  parore  avant  celle  de  l'ntilite*." 

Conteatera-t-on  peut-6tre  que  l'orthographe  loit  choae  de  premiere 
näceasitäV  Si  ce  n'fitait  le  caa,  pourquoi  lui  femit-on  une  place  si 
large  dans  lea  programmea  de  Venaeignement  primaire?  II  faut  donc 
la  eimplifier,  ne  fflt-ce  que  pour  re'tablir  en  eile  cette  parfaite  con- 
venance entre  la  forme  et  la  deatination  qiti  eat  de venu e  aa  XIX*  aiecle 
le  caract&re  eeaentiel  de  la  benutz.  Sobrea  d'ornementa  dana  noa  arme«, 
dann  noa  ustenailea,  daus  toas  le»  objeta  d'uaage  qaotidien,  nous  ne 
garderoaa  paa,  pour  obe'ir  aux  preacriptiona  d'une  eathe'tique  döcadente, 
une  äcritare  compliquee  dont  l'ätude  exige  une  depense  inutüe  d'effbrti 
et  de  tempa.  Economie  de  la  force,  teile  est  la  formale  de  tonte 
Involution  bumaine;  tel  eat  en  particulier  un  des  factenra  prtnripaui 
du  däveloppement  da  langage. 

A  cote*  dne  „eatbetea",  lea  „induatriele".  Pour  ces  derniers,  la 
littörature  est  un  mutier;  lenr  labeur  se  paye  tant  la  ligne  od  taut  la 
page.  Qu'on  Plague  de  l'ecriture  tont  ce  qui  la  aurcharge  abnaivement, 
et  voilä  leur  proae  abre'ge'e  d'un  bon  quart,  leurs  äniolumenta  rädniti 
en  proportion.  Queation  de  gros  Bona,  si  Ton  veut;  mais  que  d'öcrivaiun 
traitent  lea  „utilitaires"  de  haat  en  bus,  et  eont  cependant  ^minemmeat 
acceaaiblea  anx  considdrationn  lea  plus  mercantilee.  Cea  habilea  calcn- 
lateura,  je  le  aais,  conatituent  une  infime  minorite".  Raison  de  plei 
pour  que  lenra  interets  ne  präv&lent  paa  contre  ceui  d'une  natiou 
entiere. 

On  a  vouln  noua  apitojer  aar  le  Bort  des  claasiquea  da  XIX* 
siede,  qui  devieadraient  möconnainaables  aous  le  traTeatisa erneut  qoe 
nous  vondriona  lear  imposer.  Comme  ai  depnia  deui  aieclea  qu'on 
räimprime  leura  oeuvree,  ou  ne  lea  eüt  paa  perpötuellement  acoommodea 
ä  1'orthographe  du  jourl  Comme  ai,  editant  aujourd'hai  Moliere,  noat 
ätiona  tenua  d'avoir  dea  mänagemeata  pour  une  orthographe  tonte 
diffärente  de  Celle  du  poete!  Bien  plua,  VortbogTapfae  eimplifiee  nous 
rendrait  parfoiB  la  main  mfime  d'nn  auteur  qui  öcrivait:  gcnous,  aplaudir, 
aeourir,  phisionomic,  conler  (=  eompler). 

On  a  dit  auBai:  La  veraification  eat  dans  une  ötroite  däpendance 
de  l'orthographe;  changer  celle-ci,  c'eat  ruiner  le  rjthme  de  noa 
meilleura  poetea,  c'eat  conateller  de  vera  faul  lea  plua  bellen  compo- 
»itiona  de  la  muae  francaiee.     II  eat  facile  de  raasurar  aar  ce  noint  lee 

Joetea.  La  reTorme  ne  portera  aucune  atteinte  aux  reglea  traditionnellei 
e  la  proeodie,  de  l'hiatue,  de  la  rime.  Aprea  comme  avant,  Racine 
et  Boileau  poorront  fonrnir  dea  modeles  aux  fatora  auteurs  de  poätäqnea. 


Miszeüen.  211 

Que  die-jel  Si  nous  obtenons,  par  exemple,  que  tout  participe  suivi 
d'an  infinitif  soit  invariable,  certaines  de  leurs  „licences"  Be  trouveront 
leffitimeeB  apres  coup:  „Tantot  ä  son  aspect,  je  Tai  vu  (1'  =  Athalie) 
a'evanouir."  —  „Je  Tai  laiBse*  (lf  =  Junie)  passer  dans  son  appartement." 

Les  poetes  se  sont  figure*  sans  doute  qn'on  allait  sabrer  les  e 
muete,  bouleverser  le  Systeme  des  rimes  masculines  et  des  rimes  femi- 
nines, reudre  sensibles  ä  l'ceil  mille  hiatus  masquäs  par  l'orthographe. 
Lee  €  mnets  et  les  consonnes  finales  ätymologiques  demeureront, 
protegeee  par  la  prononciation,  ou  par  la  näcessite*  de  maintenir  Tunitä 
grapbjque  des  famülesde  mots.  Tant  mieux  pour  les  poetes;  tant  pis 
poor  la  poe*sie.  La  poesie  n'eüt  pu  que  gagner  ä  une  rö forme  qai 
aarait  rendn  impossibles  tant  de  duretös  dans  le  rythme,  tant  de 
licences  oü  l'ceil  est  satisfait,  mais  non  point  l'oreille.  *  Car  n'est-il  pas 
incroyable  que  Ton  proscrive  tu  mmes,  il  y  a,  et  que  Boileau  ait  pu 
dire  sans  manqaer  aux  regles  de  l'hiatus:  „De  ce  nid,  ä  l'instant, 
torürent  tous  les  vices",  —  et  La  Fontaine:  „Quiconque  est  loup  agisse 
en  loup",  —  et  Racine:  „Hector  tomba  sous  lui,  Troie  expira  sous 
Tons",  —  et  V.  Hugo:  »II  est  genie,  ätant  plus  que  les  autres,  homme" ? 
Lliiatus  procure  quelquefois  aux  poetes  d'heureux  effets  d'harmonie 
imitative:  „Le  chardon  importun  he*rissa  nos  gue*retsu  (Boileau). 
Pourquoi  faut-il  alors  subordonner  cette  faeultä  ä  de  purs  accidents 
d'orthographe  ?  La  Fontaine  a  pu  dans  un  vers  merveilleux  peindre 
l'ahan  des  chevaux  de  coche:  „Apres  bien  du  travail,  le  coche  arrive 
an  haut."  Pourquoi?  paroe  que,  disent  les  thäoriciens,  l*h  aspire*e  de 
haut  empfiche  l'biatus.  Mais  non,  l'h  aspiräe  n'empeche  que  la  liaison ; 
il  cree  l'hiatus,  et  c'est  ee  que  voulait  le  poete. 

Beste  un  dernier  grief,  legitime  celui-la.  Toute  alteration  de 
l'orthographe  troublera  nos  faabitudes,  et  dissociera  pour  quelque 
temps  le  mot  e*crit  et  l'idäe  qu'il  repräsente.  Le  lecteur  exerce*  qui 
maintenant,  par  une  sorte  dHntuition,  happe  ä  la  volle  le  sens  des 
mots  et  des  phraaes,  aera  au  dibut  arrSte"  sans  cesse  par  ces  images 
nouvelles  qui  ne  correspondront  plus  ä  Celles  qu'une  longue  babitude 
a  profondement  imprimees  dans  son  cerveau.  Lorsque  nous  lisons, 
c'est  le  mot  dans  son  ensemble  qui  e'voque  en  notre  esprit  l'idäe  dont 
il  est  le  skrae;  qu'un  trait  dans  sa  figure  soit  changä,  et  nous  voila 
deroutäs,  il  nous  faut  faire  une  effort  de  räflexion,  et  nous  perdons  du 
temps. 

Or  personne,  il  faut  bien  le  reconnaitre,  ne  souffrira  autant  que  les 
hommes  de  lettres,  obligls  qu'ils  sont  de  lire  beaucoup  et  de  lire  vite : 
common t  feuilleter  en  une  heure  le  livre  dont  il  faut  rendre  conf^te, 
si  Ton  est  däconcerte'  ä  chaque  instant  par  des  graphies  insolites? 

Je  ne  dirai  point  aux  poetes  et  aux  rpmanciers:  Pour  atte*nuer 
les  inconvenients  qui  räsulteront  pour  vous  d'une  transformation  de 
l'orthographe,  nous  Tlchelonnerons  sur  un  grand  nombre  d'annäes.  Je 
ne  le  leur  dirai  pas,  parce  que  je  doute  qu'ils  dussent  gagner  beaucoup 
a  voir  se  prolonger  outre  mesure  une  periode  d'ind£cision  et  de  cahots. 

Mais  voici  ce  que  je  dirai  aux  hommes  de  lettres:  La  ßimpli- 
fication  de  l'orthographe,  ne  düt-elle  profiter  qu'aux  e*coliers,  il  faudrait 
l'accomplir  sans  delai  et  sans  faiblesse.  Songez,  Messeurs  les  äcrivains, 
au  labeur  sterile  que  nlcessite  la  me*morisation  de  tant  de  regles 
flanqules  de  tant  d'exceptions.  Songez  aux  teures  consacrles  ä  des 
dictees  ineptes,  oü  Ton  sacrifie  trop  souvent  la  langue  et  le  bon  sens 
au  plaisir  d'accumuler  les  difficultes  et  les  traquenards.  De  tous  cöt£s 
s'&event  des  plaintes  sur  les  efforts  excessifs  que  Ton  impose  aux 
cerveUes   enfantines.     Facüiter   l'ltude    de   l'orthographe,    c'est   sans 


212  MisztUea. 

aucnne  perte  pour  le  dtfveloppenient  intellectuel,  rendre  libres  bieo 
des  heurea  prfcieuacB;  c'eat  faire  entrer  fair  et  la  lnmiere  dans  lei 
Programmen  de  l'enaeignemflnt  primaire;  c'eat  permettre  de  doonar 
plus  de  tempB  au  jeu,  a  1a  libre  expanaion  de  L'enfant  laiste1  k  Im- 
mfme  avec  neu  petita  camaradea.  Bien  plos,  c'eet  amäliorer  l'enieigne- 
ment  de  la  langue  materielle,  trop  souvent  r£duit  aujourd'hui  £  n'gtre 
que  reneeigoement  d'une  orthographe  vetillense ;  c'eat  changer  l'eapnt 
et  la  me*thode  de  hob  graruniaireB,  qui  presque  toutes  ae  complaispnt 
dans  la  disouneion  des  chicanes  de  la  langue  öcrite,  quand  ellw 
devraient  Stre  doa  inatnimeiitB  d'analyse;  qui  renseignent  insiiffiaaramenl 
l'eleve  aur  le  mecaniainn  de  la  phraae,  anr  lea  reauourcoti  et  lea  deficit) 
de  la  langue  comme  eipreeaion  de  la  penMfe,  maia  qui,  ae  crojint 
tenues  de  justifier  mSme  des  erreurs  011  dea  inadvertances,  ne  craignent 
paa  de  recourir  ä  des  explications  artifieiellea  et  menteusea. 

Et  cet  aBaervieaement  d'intelligences  astreintes  a  obeerrer  du 
reglea  qne  n'excnsent  ni  la  logique,  ni  lea  exigences  de  la  clarU  et 
de  la  preeiaion,  cet  asserviBSement  que  röprouve  toute  saine  pfidagogie, 
ae  prolonge  pendant  toute  la  duräe  des  annees  d'ecole,  pendant  toute 
la  vie  meme.  Quiconque  prend  unc  plume  est  obligö  de  perdre  «on 
tempa  et  ses  efforte  a  repasBer  par  toua  lea  replia  d'une  orthographe 
capricieiiBe  et  bizarre.  Gare  k  röcolier  qui  dcrit  bowtovffter.  gelte  dt 
groseilles   ou  sbop   de  groseiüe,    aa   promotiou   peut   s'en   trouver   com- 

Fvomise,  et  par  lä  le  dSveloppement  regulier  de  ses  etudes.  Gare  i 
hemme  fait  qui  laisse  e'chapper  airrespondence.  applanir,  etc.,  il 
dechoit  d'emblee  dans  1'eeprit  de  ceux  qui  le  lisent.  Que  las  hommei 
de  lettres  ne  croient  paa  qne  j'exagere,  Aux  petita,  il  est  interdil,  de 
pe*cher  contre  l'orthographe.  Les  ecrivaina  de  renom,  au  controire, 
jouissent  de  toutes  les  lmmunitle.  Ne  sont-ile  pas  lea  maltrea  de  la 
langue?  Volontiere  meme,  les  infractions  dont  ils  se  reuderit  coupables. 
leur  sont  impute'es  comme  une  grace  de  plus,  comme  une  preuve  de 
noble  indfipendance.  Ne  Klicitait-on  paa  naguere  la  Revue  des  Dexx- 
Mondes  d'avoir  eu  le  courage  d'omettre  le  t  de  toua  les  pluriela  en 
ant?  Et  poor  citer  des  eiemples  eueore  plus  frappants,  non  point  dans 
une  iutentiou  malicieuse,  mais  parce  qu'il  est  piquant  de  roir  an 
deTenseur  de  l'orthograpne  actuelle  appliquer  d'avance,  —  on  Uitser 
eon  imprimeur  appliquer  —  lea  aimpliiicationa  que  noos  reclamona, 
M.  Edouard  Kod  dans  les  TVois  Cavrs  a  ecrit  üs  epilent,  et  dane  le 
Setis  de  la  Vie:  les  noms  que  nous  avrons  eru  immortels,  deuz  graphien 
oü  l'^crivain  a  ponr  lui  la  logique,  la  prononciation  et  d'ülustres 
prec^dentB,  maia  oü  il  n'en  a  paa  moina  nole  deaz  des  regles  sacro- 
saintee  de  la  grammaire.  Eh  bienl  qu'ort  auppoae  un  enfant  commettant 
cea  deux  .  .  .  j'hesite  vrairnent  ä  les  appeler  des  fautea  .  .  .,  dane  une 
de  cea  odieuses  dictees  d'examen  toutes  pleines  d'embüchee,  il  eat 
expose'  ä  un  ächec  preeque  certain.  Est-ce  naturel,  est-ce  charitable? 
Les  litt^ratenra,  j  en  auis  certain,  auront  pitiä  des  enfants  et  de 
toua  ceux,  ätrangera  ou  nationaux,  qui  aont  aux  priaea  avec  lea  gratuitea 
difficult^B  de  notre  äcriture.  Dana  la  coneurrence  des  laugues,  l'avenir 
appartient  &  celle  qui  l'eruportera  sur  ses  rivales  en  limpidite"  et  en 
präciaion ;  qui  sera,  pour  l'expresgion  de  la  pensäe,  Viustrument  le  plm 
maniable  et  le  mieux  approprid.  Que  lea  hommee  de  lettres  laissent 
l'Acadämie  simplifier  l'ortbographe;  et  le  nombre  de  lenrs  lectenn 
grandira  en  decä  et  au-delä  des  limitea  ge"ographiqueB  du  francaia 
Ha  aavent  si  bien  daue  leurs  livres  plaider  la  cause  dea  humbleB  et 
des  pauvrea  d'eaprit;  commeut  pourraient-ils  se  refuser  &  traduire  par 
des  actes  cette  pitiä  dont  Üb  fönt  profesüon,  et  k  joindre  leur»  efforti 


Miszeüen.  213 

a  ceux  des  innombrables  peMagogues,  instituteurs,  linguistes,  e*rudits, 
publicistes,  me'decinB,  mimstres  des  cultes,  qui  ont  signä  la  Petition 
adressäe  ä  l'Acade'mie  Francaise?  p.  Oltramare. 


PETITION 

&  MM.  les  Membres  de  l'Academie  iVar^aise  ©n  vue  d'une 

simplification  de  l'orthographe 

Messieurs, 

L'Acadämie  francaise  gouverne  l'orthographe  de  notre  langue. 
Sans  que  ses  arräts  aient  de  sanction,  ils  servent  de  regle  commune 
aux  imprimeurs.  C'est  donc  ä  l'Acade'mie  que  doit  s'adresser  une 
Petition  ayant  pour  objet  une  simplification  de  l'orthographe. 

Pour  y  faire  droit,  d'ailleurs,  l'Acade'mie  n'a  qxxk  continuer  son 
ceuvre.  La  simplification,  eile  l'a  poursuivie  continüment  depuis 
l'origine.  11  y  a  peu  d'annäes,  eile  supprimait  encore  des  ßignes 
inutiles,  le  trait  d'union  de  trcs-bon,  la  seconde  h  de  diphthongue.  Le 
public,  ä  ce  moment,  a  suivi  avec  discipline.  Ce  que  l'Acadämie  fera 
dans  le  mdme  sens  sera  toujours  ratifie'  par  la  pratique  universelle. 

Le8  soussignls  fönt  appel  aux  traditions  räformatrices  de  l'Aca- 
de'mie pour  8olliciter  d'elle  un  nouveau  perfectionnement.  Elle  seule 
peut  en  formuler  la  regle  et  la  mesure.  Voici  des  exemples  des 
questions  qu'on  lui  demande  de  trancher: 

1°  Question  des  suppressions  d'accents  muets  (oü,  la,  rite,  qu'u 
füt).  De  la,  pour  les  typographes,  l'äconomie  possible  de  quatre  carac- 
teres  ä  faire  fondre  dans  chaque  corps  (ä,  ü,  \,  ü). 

2°  Question  des  suppressions  d'autres  signes  muets  (trait  d'union 
dans  peut-itre,  h  dans  rythme,  l  dans  le  fils,  o  dans  faon);  questions 
du  dedoublement  (honneur  par  n  simple,  comme  honorer)  et  de  la 
Substitution  d'une  lettre  ä  deux  (f  pour  le  ph  des  mots  grecs,  comme 
deja  dans  frenesie  fantaisie,  faisan).  De  la,  pour  qui  e'crit,  une  Öko- 
nomie possible  de  temps ;  pour  qui  imprime,  une  Ökonomie  possible 
d'espace  et  d'argent. 

3°  Question  de  l'uniformite'  (dixüme  e'crit  comme  dizaine,  dix 
comme  la  vis,  les  pluriels  genoux,  e'taux  comme  les  pluriels  fous, 
landaus).  De  la,  pour  quiconque  Studie  la  langue,  une  Economic  possible 
d'efforfo. 

Ce  qui  inspire  la  präsente  Petition  n'est  pas  une  ide*e  abstraite. 
Les  soussignös,  au  contraire,  croient  pouvoir  invoquer  des  intärSts  räels. 

IIb  invoquent  d'abord  un  .intöröt  trop  souvent  mäconnu  et  qu'on 
a  le  droit  d'appeler  national.  Car,  pour  la  France,  il  n'est  pas 
indifferent  que  son  idiome  soit  aisä  ou  malaise*  ä  apprendre.  En  en 
retouchant  1  orthographe,  l'Acadämie  le  rendra  plus  rapidement  assi- 
milable  pour  nos  concitoyenB  bretons  ou  basques,  pour  nos  sujets  et 
protegäß  des  pays  musulmans,  enfin  pour  tant  d'e'trangers,  clients  ou 
amis,  soit  de  VEtat  francais,  soit  du  ge*nie  francais. 

Ensuite,  ils  invoquent  l'int^rßt  individuel  des  personnes  peu  let- 
tre*es,  ä  qui  l'Acadämie  peut  faciliter  l'acces  de  la  culture.  Et  tout 
particulierement,  rintäröt  des  enfants.  Mille  difficultäs  gratuites  peu- 
vent  leur  6tre  äpargnäes  par  une  de*cision  de  l'Acade'mie,  et  il  do- 
pend d'elle  d'alläger  d'un  lourd  fardeau  la  population  enfantine  tout 
entiere  et  ses  maitres.  Ce  sont  la  sans  doute  des  considerations  s6- 
rieuses.  Leß  soussignls  les  soumettent  respectueusement  aux  räflexions 
de  l'Acade'mie,  et  en  tirent  Fespoir  que  leur  requöte  sera  entendue. 


A  propoB  de  la  mort  tflWile  Angler.1) 
Qaand  ceB  feuillea  pasaeroat  boos  las  yeux  des  lectenrs  do  U 
Zeitschrift,  Ion  couronnea  amoncelÖos  sur  la  tombe  d'Aogier  (f  I» 
25  octobre  1889)  aerotit  fle'tries  bous  la  neige,  l'Acadämie  am»  pent- 
ötre  ouvert  neu  rangs  au  Bucceaaeur  de  cclui  qa'elle  admit  dana  aon  Hin 
pour  avoir  öerit  Gabrieüe  et  Le  Manage  (FÖlympe,  et  cette  energiqiio 
figure  de  vieillard  ä  la  barbe  florie  aura  peu  ä  peu  diapuru  de«  Titrinei 
dee  libraireB.  Le  temps  d'Augier  ätait  paaaö,  bleu  puBne".  Od  saUiait  an 
Uli  le  vaillant  auteur  de»  Effrontet  et  da  Fat  du  Gibot/er,  celaj  qai 
avttit  osö  cingter  ä  la  figure  les  tripoteure  comme  Miros  et  Ich  pwn- 
phldtaires  comme  Veuillut.  Haiti  la  jeunesee  moderne,  1»  jennew 
növroeäe,  peasimiate,  schopenhaue'riBe«,  la  jeanease  döcadente,  sjmbolifte, 
impresfionisto   De  goilts.it  pas  plus  Aagier   qne  Eolla    De   gofltait  le 

fihiloaophe  de  Feroey.  Sod  robuste  et  «obre  langage,  aon  bon  hbi 
oyal  et  flu,  sou  nustente"  trempee  de  ta  vraie  galtö  gauloiae,  tont 
cela  lfätait  plus  „dana  le  monyement".  La  generotioD  raffine«  da 
iagtieme  siecle,  le  moade  des  impitoyablea 


Kliciter  Daudet    de   la   trouvaille  —  De   jure    que    par   Bourget,   Maa- 
paBBant,  Paul  Verlaine,  Buyemans  od  Catulle  MendSa- 

Enregistrons  cependant  un  hommage  poätique  offert  an  Malt» 
par  Jean  Richepin,  Vauteur  des  ßiatphimet  et  de  La  Glu,  le  protag4 
de  Sarah  Bernhardt.  Cette  poene,  lue  au  Thö&tre  Franeaie,  par  M.  Qot 
ä  la  repr^aeotation  da  29  octobre  n'a  paa  6t6  sana  prodoin  an  grand 
effet  flur  lea  habitaea  dee  mardii  olaaaiques: 

„Salut! . .  .    Dans  Ut  lauriert,  Ut  palmet  et  le  Herre, 
Voici  ton  frone  Visage  et  ton  sourire  altier. 
Ta  place  etmt  marque'e  au  foyer  de  Moliire; 
Sa  matten  soil  la  tienne,  ä  toi,  ton  heritief! 
Comme  lui,  tu  peignit  Ihumanite  perverse 
D'un  ttyU  simple  et  fort,  aux  clarte'i  de  miroir. 
Et  le  vm  que  ta  Mute,  ou  la  tienne,  nout  verte 
Est  du  Vieux  rni  francait  qtti  sunt  ttien  le  Urroir. 
Dane,  de  la  France  en  deuil  aeeepte  Ut  kommaget; 
Ut  te  tont  aus.     2u  peux,  couronne"  par  ma  mam. 
Fetter  tont  peur  au  rang  des  auguttes  imaget, 
Toi,  notre  ami  d"hUr,  notre  orgueil  de  demaäi. 
Salut,  Maltre  au  caur  droit,  ä  la  langve  hardie! 
Tu  repttait  souvent,  pendant  Ut  derntert  jourt: 
,Quand  firm  ntieux,  je  Veux  revoir  la  Come'dU.' 
Ty  vouä  dam  ta  gloire,  9  Maltre,  et  pour  toujours. 
Toi  que  nous  avont  vu  tont  de  foit  sur  cet  planr.hes, 
Travaillant,  inquiel,  fy  voiia  radieux; 
Cor  tu  vat  respUndir,  parmi  lex  ombres  blanehet 
Qu'un  marbre  merüe'  tramforme  en  demidieux." 
Aagier  ddtestait  franchement  lee  „modernes"  et  lenrs  elncabrationi 
mjatiques.     „11  est  tempe  que  je  m'en  aille"  ,   disait-il  a  aon  Tieü  ami 
Sarcej,    Je   ne   comprend«    plus    neu   aa   theiltre   que    lea  jennes  gens 
doub   foot;  je   n'antenda   plus   leur   langue!"     Et   il  B'est  modeatement 
retirö  dana  l'ombre  apres  avoir  dotitii!  Let  Fowehambautt  (187B).    Cb 


t)  Cee  UgDeB  ont  6t6  ecriteB  le  30  octobre  1889.  /.  S. 


Miszcüe*.  215 

grand  nomine  si  modeste  a  donc  eu  le  märite  de  comprendre  ce  que 
Victor  Hugo  n'a  jamais  pu  concevoir. 

Les  dix  derniereB  annäes  se  sont  e*coule*es  dans  un  otiwn  des 
mieux  meritls.  Augier  a  encore  fait  une  Edition  complete  de  son 
Theätre,  apres  avoir  präalablement  rassemble'  dix  volumes  de  Theätre 
de  Labiche;  il  a  assiste*  aux  reprises  de  ses  pieces  et  aux  se*ances  de 
FAcadämie ;  mais  la  plupart  da  temps  se  passait  dans  sa  belle  propriäte* 
de  Croissy  (Seine-et-Oise). 

C'est  lä  que  je  me  rendis  par  une  belle  matinäe  de  septembre 
(1888),  pour  faire  hommage  ä  Augier  de  mon  livre  sur  le  Drame  moderne 
en  France,  ouvrage  dont  M.  £.  Hönncher  a  parle*  avec  trop  de  bien- 
veillance  dans  an  des  derniers  fascicales  de  la  Zeitschrift  Mais  le 
bonqnin  ne  constituait  qu'un  pr£texte.  Le  vrai  motif  da  petifc  voyage  ä 
Croissy  ätait  l'ardent  dösir  de  voir  en  face  cette  male  figure  que  l'on  aime 
a  cemparer  a  celle  da  roi  vert-galant.  Par  une  malechanoe  qui 
m'est  courante,  Augier  6tait  ä  Paris  ce  jonr-la.  Au  lieu  d'attendre  son 
retour,  je  me  d6*oidai  ä  rentrer  ä  Paris,  croyant  pouvoir  renouveler  ma 
visite.  J'avais  compte*  sans  la  fin  des  vacances.  Au  moment  de  mon 
retour  en  Allemagne,  je  mis  mon  volume  ä  la  poste  sans  faire  allusion 
ä  la  visite  manquäe.    Huit  jours  apres  j'ayais  l'aimable  lettre  que  voici: 

Croissy,  ll  septembre  1888. 
MonBieur, 

Je  ne  sais  pas  un  mot  d'allemand,  mais  je  me  suis  fait 
traduire  les  pages  auxquelles  yous  me  renvoyez  par  un  ami  poly- 
glotte. 11  m'a  certifiä  que  le  lirre  est  fort  bien  äcrit;  je  n'ose 
pas  trouver  qu'il  est  fort  bien  pensl,  tant  il  montre  de  bien- 
yeillanoe  pour  moi.  Mais  je  puis  reconnattre,  sans  blosser  la 
modestie,  que  YOt  infermations  sont  puise'ee  a  de  bonnes  sources 
et  que  vos  analysee  de  mee  pieces  sont  tres  claires  et  tres  justes. 

Je  n'ai  donc  ä  yous  adresser  que  des  compliments  et  des 
remerciements.  E.  Augier. 

Ce8  quelques  lignes,  äcrites  ä  un  jeune  auteur  inconnu  en  disent 
plus  long  qu'nne  biographie  sur  le  caractere  du  grand  poete  dramatique 
que  la  France  vient  de  perdre.  Une  charmante  petite  plaquette  de  M. 
Edm.  Cottinet,  intituläe  L'homme  chez  Emile  Augier  et  tire'e  ä  cinquante 
exemplaires,  est  venue  rappeler  toutes  les  qualitäs  d' Augier  au  lendemain 
de  sa  mort.  Personne  ne  la  lira  en  Allemagne,  car  eile  ne  se  vend 
pas,  mais  on  lira  la  brochure  que  Pailleron  vient  de  consacrer  ä  la 
memoire  de  son  excellent  ami.  Elle  fait  honneur  aux  deux  poetes,  ä 
celui  des  Effrontis  et  ä  celui  du  Monde  oü  Von  s'ennuie. 

J.  Sarrazin. 


Les  remarques  publikes  par  M.  Aymeric  sur  l'e*dition  Hönncher 
des  Lettres  de  mon  mouHn  (Ztschr.  XI9,  S.  58  et  suiYantes)  provoquent 
quelques  objections  que  le  re*dacteur  de  cette  Revue  veut  bien  me 
permettre  de  formuler. 

1)  La  locution  „nage  an  t  des  pattes  dans  le  vi  de"  peut  parfaite- 
ment  s'expliquer  par  l'analogie  de  ramer  ou  travaüler  des  pieas  et  des 
mains.    La  conjecture  philologique  de  M.  Aymeric  est  donc  inutile. 

2)  Quand  le  pot-au-feu  est  en  train,  les  preliminaires  sont 
termine*s  ä  la  c meine,  et  la  soupe  se  trouve  röellement  sur  le  feu, 
comme  M.  Hönncher  a  voulu  dire. 


216  Mi  stellen. 

8)  Lei  jeux  rur  faire.  M.  Aymeric  a  tort  de  dire  qa'm  /fest* 
on  depiqve  U  ble  sur  la  place  pubÜque.  ü  se  pent  que  ceU  m  fasse 
dans  la  belle  Provence  ensoleitfee.  Dans  mon  plus  modeate  peyi,  n 
Bourgogne,   on    bat  le   blö   an    grange    comme    en   Allemagne,   —  et 

Las  nonibreuses  Observation»  de  M.  Aymeric  Wmoignent  ri'nne 
lecture  attentive  et  d'une  connaiRsance  approfondie  de  1»  langne.1) 
Maie  Plusieurs  choses  assez  graves  lui  out  öchappö  ettcore.  Vojei 
Franco-Galiia,  VI'  annee,  pages  31*  et  nuivantes. 

J.  Sarrazin. 


Offenes   Schreiben   an  Herrn  Direktor  Oscar  Jäger  Im  Köln. 

Herr  Direktor  0.  Jager  bat  in  seiner  Schrift  Das  kuwuatistitcke 
Gymnasium  (Wiesbaden  1889)  S.  57  eine  Wette  angeboten,  dass  «im 
stände  Bei,  einen  mittleren  Oberprimaner  in  drei  Monaten  bei  vi« 
wöchentlichen  Stunden  soweit  en  bringen,  dass  er  die  Times  ohne 
Lexikon  bewältigen  kann.  Herr  Jager  fügt  hinzu:  „mehr  ist  doch  nicht 
nötig?'  Obgleich  wir  nun  für  den  englischen  Unterricht  noch  viel« 
andere  für  nötig  halten,  so  sehen  wir  doch  schon  die  von  Herrn  Jäger 
versprochene  Leistung  als  eine  unmögliche  an.  Da  nun  aber  die  vos 
ihm  vorgeschlagene  Wette  schwer  kontrollierbar  ist,  so  schlagen  wir 
ihm  eine  leichter  zu  entscheidende  vor-  Wir  wetten  nämlich  100  Mtrk, 
dass  Herr  Jäger  selbst  nicht  im  stände  ist,  eine  Nummer  der  Taut 
su  übersetzen,  ohne  weniger  als  zehnmal  das  Lexikon  aufzuschlagen.  Die 
Nummer  der  Times  würde  die  am  Tage  der  Entscheidung  in  Deutsch- 
land eintreffende  sein.  Die  Wette  könnte  in  Köln  oder  an  einem  von 
Herrn  Jager  zu  bestimmenden  Orte  von  einem  Delegirten  unseres  Verein- 
und  einem  von  Herrn  Jäger  zu  ernennenden  Schiedsrichter  entschieden 
werden. 

Hamburg,  81.  Mai  1890. 
Der  Torein  flu*  das  Stadium  der  neueren  Sprachen  in  Hajabarg^Alteaa. 
L  A.:    Prof.  Rambeau,  z.  Z.  Vorsitzender. 


Verein  für  das  Studium  der  neueren  Sprachen 
zu  Hamburg -Altana. 

Bericht  über  die  Thätigkeit  des  Vereins  von  Ostern  1889  bis 
Ostern  1890. 

Es  fanden  35  Sitzungen  statt,  von  denen  11  auf  Vortrage,  Beferate 
über  wissenschaftliche  Zeitschriften  u.  dgl.  entfielen.  Die  übrigen  Abende 
waren  im  B.-S.  1889  der  Lektüre  von  Cbaucer'a  Canterbury  Tales  nach 
der  Auegabe  von  Skeat  gewidmet,  im  W.-S.  1889/90  wurden  die  Chanson 

i)  11  commet  im  leger  barbarisme  page  63:  on  ne  dit  pas  per 
en  kaut,  mais  pur  U  kaut.  —  Oü  se  trouve  laJocution  „rien  n'eet  eacr£ 
pour  tin  pompter?"  J'ai  toujonrs  entendu  dire  pour  u»  lapeur,  ce  qui 
revient  d  eillenre  au  mfime,  depuis  la  suppression  des  faronchee  aapeure 
et  de  leurs  bonnets  ä  poil. 


/Hineilen. 


217 


ilc  Roland  und  Joinville.  r  Vie  de  saint  Loiris",  im  Auszüge,  herausge- 
geben von  Gaston  Paris,  gelesen  und  interpretiert.  In  den  Hanpt- 
sitzungen  des  S.-3.  sprach  1)  Prof.  Fels  rCber  die  Behandlung  der  fran- 
zösischen Akademie  in  Dtiudet's  Roman  ,,L t/nmorlel" ;  2)  referierte  Prot. 
Rambeau  ilber  eine  Nummer  der  Zeitschrift  r  Romania" ;  3)  sprach  Prof. 
Wendt  „  Ober  das  englische  VnUrhaus"  (der  Vortrag  ist  inzwischen  in 
den  „Englischen  Studien"  erschienen;  4)  referierte  Dr.  Carsten  über  ein 
Heft  der  „Englischen  Studien";  und  5)  hielt  Prof.  Fels  einen  Vortrag 
über  Balövy's  „L'Abbe  Unnstantin".  —  In  den  Hanptsitauugen  des  W.-S. 
sprach  1)  Prof.  Rambeau  „Über  die  Versuche  von  G.  Ptoetz  und  Kares, 
die  französischen  Lehrbücher  von  K.  Ptoetz  den  Grundsätzen  der  Reform- 
methode anzupassen"  ;  2)  hielt  derselbe  einen  Vortrag  „  über  die  Sprache 
des  .echten'  französischen  Hnlniutstiedcs' :  3)  sprach  Dr.  Kohn  „Ober  den 
Selbstverlag  deutscher  Schriftsteller  alter  und  neuer  Zeit»  ;  4)  Dr.  Barthe 
„  Über  das  Genfer  Schulwesen'' :  5)  Dr.  Hoffmaon  „  Über  die  H'tddenser"  ; 
6)  Prof.  Fels  über  „Juiiin/Ie  o/s  Historiker  und  seine.  Stellung  in  der 
Litleratnr" ;  7)  Prof.  Rambeau  über  „Die  Spruche  .lomri/le's  im  Ver- 
hältnis zu  der  ites  .echten'  lio/andsliedes" . 

11er  Verein  lählte  im  verflossenen  Jahre  42  Mitglieder.  Der  neu- 
gewählte Vorstand  besteht  aus  Prof.  Rambeau  (Vorsitzender),  Dr.  Scheiding 
(st eil v ertretender  Vorsitzender).  Dr.  Bwhettberg  (Schriftführer!,  Dr.  Schnell 
(Bücherwart),  Prof.  Wendt  (Kassenwart).     För  die  Lektüre  im  S.-S.  1890 

Eiscb)  sind  gewählt  kleinere  Novellen  von  Truoba;  dann  Lope  de 
,./.d  esclaea  de  sri  galan* . 
Die  Versammlungen  finden  jeden  Mittwoch  Abend  im  Roataorant 
in  der  Grindelatlee  statt. 
Wir  machen  darauf  aufmerksam,  das«  die  Romanischen 
chungen,  Organ  für  romanische  Sprachen  uud  Mitt,  /lotein,  heraus- 
gegeben  von  Professor  Dr.  Karl  Vollmoller,  in  den  Verlag  von 
Frita  Junge  (Erlangen)  übergegangen  sind.  Um  Professoren  und 
Studierenden  die  Ansebatfung  derselben  zu  erleichtern,  wurde  der  Preis 
der  bis  jetzt  vollständig  erschienenen  Hände  wie  folgt  ermässigt: 
Band  I, :  früherer  Ladenpreis  Mk.  15,  jetzt  Mk.  6;  Band  IL:  früherer 
Ladenpreis  Mk.  20,  jetzt  Mk.  10;  Band  111. ;  früherer  Ladenpreis  Mk.  30, 
jetzt  Mk.   10.     Alle  drei  Bände  zusammen  bezogen:  jetzt  Mk.  10. 


Novitätenverzeichnis. 

Catalogue  mäthodique  de  la  bibliotbhqne  communale  de  7a  rille  de 
Corbeille,  r&iige'  avec  introduction  et  notee,  pai  A.  Dafour-  ln-8*, 
XLII— 462  p.  Corbeil,  lmp.  Crete. 

Dormestettr  (A.).  ßeliquee  scientifiquea;  par  Araene  Darmestetex.  (Bfr 
cueilliea  par  aon  fröre.)  Portrait  par  Charles  Walter.  2  vol.  Grand 
iu-8*.    T.  1«  LXXVI— 310  p.;  t.  2,  828  p.    Paris,  lib.  Cerf. 

Bormet,  M.,  le  latin  de  Gregoire  de  Tonn.  Porig,  Bachette  *  C".  VI, 
787  8.    Roy.   8. 

Bucheggtr,  B.,  Über  die  Praefixe  in  den  romanischen  Sprachen.  Heidel- 
berger Dissertation.    BDhl,  1890.    45  8.  8°. 

CaptUer,  G.,  Die  wichtigsten  aus  dem  Griechischen  gebildeten  Wörter 
(mots  savants)  der  franz.  und  engl.  Sprache,  zusammengestellt  und 
etymologiech  erklärt.     Teil  II.     Progr.  Gumbinnen. 

Colin.  G.  Die  aus  dem  Neu  französischen  erkennbaren,  im  Vulgärlatein 
und  im  vorlitterarisehen  Französisch  eingetretenen  Wandlungen  auf 
dem  Gebiet  der  lateinischen  Nominalsuffixe.  Berliner  Dissertation.  I. 
Balle  a.  S.,  1890.  44  S.  8".  [Die  vollständige  Arbeit  wird  im  Ver- 
lage von  Max  Niemeyer  in  Halle  erscheinen.] 

Duval,  Louis,  L'enqnete  philologique  de  1812  dans  lee  arrondissementi 
d'Alenfon  et  de  Mortagne  (vocabulaire,  grammaire  et  phonetiqne). 
Alencon,  1890.  89  S.  8°.  [Eitrait  du  Bulletin  de  la  Soclöte?  phüo- 
logique.] 

Favre  (£.).  Notions  ölementaires  sur  1'hUtoire  de  la  langue  francaise, 
par  labbe-  E.  Favre,    ln-18  Jesus,  55  p.    Paris,  imp.  Kouasel. 

k'esstlring.  M.  Die  betonten  Vokale  im  Altlothringischen.  Dissertation. 
Halle.    40  S.  8°. 

Krafft-  Bucaiile  (M*1).  Causeries  sur  la  langue  francaise.  La  Langue 
francaise,  le  Gout,  la  Poesie  champetre.  ln-18  Jesus,  305  p.  Paris, 
Pemn  &  C". 

Lämmern,  II.,  Remarques  sur  les  mots  ftanf.  derives  de  l'arabe.  Beyrut, 
Impr.  catholique.     LH,  314  S.  8°. 

Instant,  anc.  prof.  M.-A.  Traite  complet  de  la  pronooeiation  frftnojüst 
dans  la  seconde  moitid  du  XIX.  aiecle.  3.  eM.,  entieroment  revue,  et 
complltee  par  le  chef  d 'Institution  prof.  Dr.  Chr.  Vogel,  gr.  8, 
(XXVIII,  502  S.)  Balle,  Gesenius. 

Lienig,  P.  Die  Grammatik  der  provenz&lischen  Leys  d'amors,  verglichen 
mit  der  Sprache  der  Troubadours.  I.  (Phonetik.)  Diss.  Breslau. 
KSbner. 


NowikUenverzekhnu,  219 

Morlet  et  Richardot.  Histoire  retumee  de  1a  formation  et  des  origines 
de  la  langue  francaise,  destinee  a  Computer  les  notions  donnees  dans 
1a  Grammaire  francaise  (cours  superieur);  par  Morlet  et  Richardot 
In- 12,  36  p.    Paria,  Delagrave. 

Schmieder,  Adph.  Le  discours  indirect  dans  Crestien  de  Troyes.  gr.  4. 
(29  S.)    Berlin,  Gaertner. 

Tänzer,  A.  Die  Natur  unserer  Sprachlaute  mit  Berücksichtigung  des 
Franzosischen  und  Englischen.    Progr.    Zwickau.    41  S.  4°. 

Venzke,  P.  Zur  Lehre  vom  französischen  Konjunktiv.  Progr.  Stargard. 
35  S.  4°. 

Vülatte,  Prof.  Dr.  Cisaxre.  Parisismen.  Alphabetisch  geordnete  Samm- 
lung der  eigenartigsten  Ausdrucksweisen  des  Pariser  Argot.  Ein 
Suppl.  zu  allen  franz. -deutschen  Wörterbüchern.  3.,  durch  einen 
Anhang  verm.  Aufl.  gr.  8.  Berlin,  Langenscheidt.  (XVI,  326  S.) 
geb.  Mk.  5,60;  Anh.  allein  (S.  309—326)  Mk.  0,50. 

Visina,  J.  Fransk  Spr&klära.  I.  Ljud-och  Skriflära.  Lund.  C.  W.  K. 
Gleerups  Förlag.    40  S.  8°.    Preis:  50  öre. 

Wohle,  R.  Die  Syntax  in  den  franco- italienischen  Dichtungen  des 
Nicolas  von  Verona.    Progr.    Magdeburg.    33  S.  4°. 

Waüle-Marial.  Essai  sur  les  strates  de  la  langue  francaise.  57  S.  8°. 
Paris.    Challamel  aine*. 


Becker,   Ph.   Aug.     Über    den   Ursprung   der   romanischen   Versmasse. 

Habilitationsschrift,   gr.  8.    Strasburg  i.  E.,  Trübner.     (IV,  54  S.) 

Mk.  1,20. 
Kawczynski,  MaximiUen.    Eßsai  comparatif  sur  l'origine  et  lliistoire  des 

rythmes.    Paris,  1889.    E.  Bouillon.    220  S.  8°. 


Chanalt  (E.).    Cours  de  compoeition  francaise.    In-12.    Paris,  Delaplane. 

334  p. 
GUdai,  L.    Grammaire  elementaire.    (Livre  du  maitre,  livre  de  1'eleve.) 

2  vol.    In-12.    Paris.    Bouillon. 
Enkel,  H.,  Mähr,  Th.  u.  Steinert,  H.  Lehrbuch  der  französischen  Sprache 

für  Bürgerschulen.    1.  T.  ffr.  8.    Dresden,  Huhle.    (IV,  113  S.) 
Bmeusser,  ET   Selbstunterrichtsbriefe  für  die  französische  Sprache.    5.  u. 

6.  Brief.    Karlsruhe,  J.  Bielefelds  Verl.    gr.  8.    (S.  65—96.) 
Kunst,  Die,  der  Polyqloiiie.    Eine  auf  Erfahrung  begründete  Anleitung, 

jede  8prache  in  kürzester  Zeit  und  in  Bezug  auf  Verständnis,  Cou- 

versation  und  Schriftsprache  durch  Selbstunterricht  »oh  anzueignen. 

5.,  25—27.  Tl.  8.    Wien,  Hartleben,    geb.  2  Mk. 
Lehrbuch  der  französischen  Sprache  für  Post-  und  Telegraphenbeamte. 

Zum  8ehul-  und  Selbstunterricht    Von  Postofüc.  Doc.  Bud.  v.  Zülow. 

(VIII,  247  S.) 
Laparte,  (E.)  et  Raguet,  C.    Cours  supe*rieur  de  grammaire  et  de  langue 

francaise.    Paris,  Delaplane.    In-12,  204  p. 
Lindner,  F.     Erläuterungen   zu   Ploetz'    französischer   Schulgrammatik. 

Oppeln,  Franck.    gr.  8.    (IV,  55  S.) 
Bahn.    Lehrbuch  der  französischen  8prache  für  höhere  Mädchenschulen 

und  verwandte  Anstalten.     1.  u.  2.  Tl.     Leipzig,  Reisland.    gr.  8°. 

rb.  Mk.  3.  —  1.  4.f  m.  der  3.  gleichl.  Aufl.  (VII,  216  S.)  Mk.  1,60.  — 
8.  Aufl.  (VIII.  195  S.)    Mk.  1,40. 
Reuter,   AI.    Übungsstücke  zur  französischen  Komposition,   für  mittlere 
Klassen   zusammengestellt.    Schwab.   Gmünd,   Roth  in  Comm.     12. 
(64  S.)    Mk.  0.40. 


220  NovildUnvernnehnis. 

Rothenbucher ,  Adf.     Französische  Schul  gram  matik.     1.  Tl. 
der  französischen  Formenlehre  mit  zusammenhängendem  fr 
Text     2-,   verb.  Aufl.     Cottbus,    Differt.     gr.  8°.    (205  8.)     Hk.  2,50. 

Weil,  A.  Schwierige  Übungsstücke  tum  Übersetzen  ans  dem  Deutschen 
ins  Französische.  NeuereQ  französischen  Autoren  entnommen,  über- 
setzt und  mit  Präparationen  für  die  Rück -Übersetzung  versehen. 
Schlüssel.  4.  nnverand.  Aufl.  Berlin,  Langen  seh  eidt.  gr.  8°.  (XI 
78  u.  XLI1I  S.)    geb.  Mk.  2,50. 

Wolfermann,  Dav.  Leitfaden  für  den  ersten  Unterricht  in  der  fran- 
zösischen Sprache  für  Mittelschulen,  höhere  Töchterschulen  u.  %.  w, 
Dresden,  Kühtmann.     8".    [VII,  64  S.)    Mk.  0,20. 

Zimmermann,  Th,  Französische  Gespräche-  Für  den  Schul-  and  Priiat- 
gebrauch  bearbeitet  und  mit  einem  Anhang  für  höhere  M&dchen- 
achnlen  versehen.    Berlin,  Fronte.     16°.    (112  S.)     Mk.  1. 


Baetqen,  L.     Schriftliche  Arbeiten  im  neusprachlichen  Unterricht    Progr, 

Eisen  ach.     24  S.  8». 
Hundt,   IL,   In  welchem  Umfange  kann   die  Geschichte  der  franzöeinchen 

Sprache  auf  dem  Gymnasium  behandelt  werden.  Programm.   Dtim- 

bnrg  1890. 
Kemnitt,  A.     Zur  Lehrweise  des  Französischen  an  lateinloasn  Reallohn  W. 

Progr.     Apolda.     12  S.  8». 
Krüger,  G.    Der  lautliche  Unterricht  im  Französischen.    Progr.    Schwerin 

16  8.  4°. 
Larousse,  P.    Methode  lericologique  de  lecture.    27'  ed.     Paris,  Hollier. 

Larousse  et  C".    48  S.  16°. 
Lobedanz,  E.     Der  Unterricht  in  Lektüre  und  Grammatik,   besonders  im 

Französischen.    Progr.    Schwerin.     19  S.  4°. 
Louvier,  A.  F.     Das  zweite  Jahr  französischen  Unterrichts.     Ein  Beitrag 

zum  natiirgemasHen  Erlernen  fremder  Sprachen.     Hamburg,  Grüuiig, 

gr.  8°.    (VII,  84  S.)    Mk.  1,40. 
Rauschenfels,    Jhr.      Methodik    des    französischen    Sprachunterricht*    in 

Mittel-  und  Bürgerschulen.    Leipzig,  Brandstetter.    gr.  8°.  (IV,  SB  S.) 

Mk.  1,35. 
Roden,   Alb.  f..   Inwiefern  mos»  der  Sprachunterricht  umkehren?     Eis 

Versuch    zur    Verständigung    über   die  Beform   des  neuspraohlichen 

Unterrichts.     Marburg  i.  H.,   Elwert.     8°.     Mk.  1,60. 
Sehnieppe,  A'.     Die  Lehrbücher  der  französischen  Sprache  an  den  höheren 

Unterrichtsanstalten,  mit  besonderer  Berücksichtigung  des  Gymnasium! 

Progr.    Stettin.     18  S.  n.  1  Tab.  4°. 


Barriere,  M.    L'CEuvre  de  H.  de  Balzac    Etüde  litteraire  et  philosophigns 

sur  la   Comeclie   humaine.     Paris,   C.    Levj.     XXVDJ— 506  p.    9. 

fr.  7,50. 
Bonneviäe  de  Marsangy,  (L.)  —  Madame  de   Beaumarchais,   d'apres  o 

correspondance   inÖdite;    par   Louis   Bonnerille  de  Marsangy.     Parii, 

C-  L«Svy.    In-8»,  IV,  432  p.  et  portrait.    fr.  7,50. 
Brünettere,  (F.)    Nouvelles  questions  de  critiques.    Paris,  C.  Levy.   In-18° 

Jesus,  391   p.     fr.  3,50.     (Bibliotheque  contemporaine.) 
Doumic,  R.     La   Question   du  Tartuffe,    Conference   faite    au    theatre   de 

l'Odeon,  le  20  mars  1890.   Paris.     16  S.  8°.    (Extr  du  Correspondant) 
Fahre,  Paul.     Le  Polyptyque  da  chanoine  Benoit.    Etüde  sur  un  mannscrit 

de   la  bibliotheque   de  Cambrai.    Lille,   1889.    In-8°.    (Travaui  st 

Memoire»  des  Facultas  de  Lille,  No.  3.) 


Novitätenverzeichnis.  221 

France,  A.    La  Vie  litteVaire;  par  Anatole  France.    2*  slrie.    Paris,  C. 

Le*vy.    In-18°  i&us,  XUI— 378  S.     fr.  3,50. 
Gahier,  (J.).    Le  Thäatre  contemporain.    Les  Moralistes:   Emile  Augier; 

par  J.  Gahier,  avocat.    Nantes,  imprimerie  Mellinet  et  Cie.  In-8°,  40  p. 
Guütemine,  (C.)    fitude   aar   le  journalisme   depuis  son  origine  jusqua 

Fe'poque  actuelle;   par  C.  Guillemine.     Bdne   (Algerie),  Imprimerie 

centrale.    Jn.8°,t16  p.    (Extrait  de  l'lndependant  des  20,  23,  27  et 

28  de*cembre  1S89.) 
JulUard,    E.     Albert   Richard,   poete   national   snisse.     fitude    littäraire 

(Sonderdr.),   suivi   de  l'Odyssee  de  trois  chapeaux,   recit.    Genf,   H. 

Stapelmohr.    56  S.  8°. 
Knust,    Hermann.     Geschichte   der  Legenden   der  heil.    Katharina  von 

Alexandrien  und  der  heil.  Maria  Aegyptiaca,  nebst  unedirten  Texten. 

Halle,  Niemeyer.    IV,  346  S.  #>. 
Leon   de   Monge,      ßtudes   morales   et   littäraires.      Epopees  et  romans 

chevaleresques.    II.  Les  romans  de  la  Table  Bonde.    Roland  farieux. 

Amadis.    Don  Quichotte  et  don  Juan.    Paris,  1889.    Palme.    In- 12°, 

389  S. 
Mahrenholtz,  R.     Jeanne   Darc  in  Geschichte,    Legende,    Dichtung  auf 

Grund  neuerer  Forschung.  Mit  1  Kärtchen.  Leipzig,  1890.  Renger'sche 

Buchhandlung. 
Nagel,  F.    Die  altfranzösische  Übersetzung   der  Coonslatio  Philosophiae 

des  6o€thiu8  von  Renaut  von  Louhans.    Diss.    Halle.    23  S.  8°. 
Rdeologue,  M.  —  Les  Grands  fScrivains    francais.     Vauvenargues;    par 

Maurice  Paleologue.    Paris,  Hachette  et  C".    fr.  2. 
Puymaigre  (de).    Jeanne  d'Arc  au  th&tre  (1439 — 1890);   par  le  comte 

de  Puymaigre.    Paris,  Savine.     In-18°  j&us,  II — 119  p.    fr.  2. 
Rafna,  Fio.    Le  Corti  d'Amore,  Milano,  Hoepli,  1890,  XX— 100  S.  12°. 
Rudolph,    K.     Das   Verhältnis   der  beiden   Fassungen,   in   welchen    die 

Chanson  Garin  de  Monglane  überliefert  ist,  nebst  einer  Untersuchung 

der  Enfances  Garin  de  Monglane.    Diss.    Marburg.    74  S.  8°. 


Btbliotheque  Feübräenne.  (Euvres  completes  ou  choisies  des  prineipaux 
poetes  en  langue  d'Oc  (Anciens  et  Modernes).  Avec  traduetion 
francaise.  Illustrations  d']£douard  Marsal.  Montpellier.  Aux 
Bureaux  de  l'ficlair  1890.     Livr.  1 — 5.     10  Centimes  la  livraison. 

Boileau.  Art  po&ique.  Public*  avec  des  notes  p.  E.  Glruzez.  Paris, 
Hachette  et  Cto.    63  S.  16°. 

Bucher,  G.  C.  Un  e*mule  de  Clement  Marot.  Les  Poesies  de  Germain 
Colin  Bucher,  Angevin.  Publikes  pour  la'premiere  fois,  avec  notice, 
notes,  tables  et  glossaire  p.  M.  J.  Denais.    Paris,  Techener.    336  S.  8°. 

Carttdaire  de  l'abbaye  de  Notre-Dame  de  la  Trappe,  p.  d'apres  le  ma- 
nuscrit  de  la  Bibliotheque  nationale,  par  la  Soctäte*  historique  et 
archeologique  de  TOrne.  Alencon.  Grand  in-8°,  VII— 470  p.  [Publi- 
cation  de  la  Soci^te*  historique  et  archeelogique  de  1'Orne.J 

Chanson  (la)  de  Roland.  Traduetion  et  commentaire,  grammaire  et 
glossaire  par  Le*on  Gautier.  19°  Edition,  revue  avec  soin.  Tours. 
Fn-18°,  LII—606  p. 

Fetielon.  Dialogues  des  morts;  par  Fänelon.  Nouvelle  eVlition,  contenant 
des  notes  historiques,  mythologiques  et  litte>aires  et  precädöe  d'une 
introduetion  par  M.  A.  Caron.  Paris,  V*  Belin  et  fils.  In- 12°, 
XVI— 320  p. 

GaUens  li  restores,  Schlussteil  des  Cheltenhamer  Guerin  de  Monglane, 
unter  Beifügung  sämtlicher  Proeabearbeitungen  zum  ersten  Mal  ver- 


äovitdtenverzeichnis. 


[Ausgaben  und  Ab  band  langen  LXXXIV.] 
Hartmcourt,    R-      La   Passion,    myetere   en    deui   chants   et   wo.   portal 

ParU,  Charpentier  et  0".  121  8.  18°.  ' 
Hugo,   V.     (Euvies  completes  de  Victor  Hugo,     Edition  nationale.    Romu 

B.   Fascioule  n°   4    (ßug-Jargal;    le  Dernier   Jour    d'wn    oundwnj^; 


Claude  Gueux).  Petit  in-4°,  p.  313  a  408.  Paris,  Teetard. 
(Euvree  completes  de  Victor  Hugo.  Edition  definitiv*,  d' 
manuscrite    original:  i.     Poesie.      Leg  Ch&timents.      Paria, 


iprta  1 
libnir 


Heteel  et  C".     In  18»  Jesus,  .       r 
Lamartine  (J.  de).     Histoire  des  Öirondina.    Edition  oruee  de  magninqnai 

illnatrations  et  de  nombreux  portraita.    Livraiaona    1  a  54.    In-V, 

p.  1  a  482.    Paris.  Quantin.    (10  cent  la  linaison.) 
La  Fontaine,  J.  de.    (Envrea  de  J.  de  La  Fontaine.    Nouvelle  ödition, 

revue   sur    les    plue  andennes   impresuons   et    lea    autographes  «t 

ausmeatee  de  variantes,  de  noticea,   de  notes,  d'uu  lexique  des  mob 

et  looutioiis  remarquables,   de  portraita,   de  facaimilea,   etc.  p.  H.  H. 

Regnier.    T.  6.    Paris,  Hachette  et  C".    fr.  7,50. 
La  Fontaine.    Fablee  de  La  Fontaine.    Suivie»  de:  Philemon  et  Baud» 

Nouvelle  editioo,   avec  des  notes,  des  appreciatioru   littärairea  ett 

Pet.  in-18°.  468  p.     Paris,  Delagrave. 
Musset,   Ä.  de.    (Euvrea  d* Alfred  de  Hustet.    T.  S.     Comodies  et  Ph> 

verbes.     Paris,  Lemerre.     465  S.  4°.     fr.  25. 
Moliere.     (Euvres   choisies   de   Moliere,    ülustrees   de  22  Vignette«  par  E. 

Hillemacher.     T.  1".    Notioe  sur  Moliere;  les  Precieusea  ridiculesj 

le  Misantbrope;  le  Medecin  malgrö  lui;  l'Avare.    Paria.  lib.  Hacbstte 

etC.    In-180  jeana,  381  S,    fr.  2,25. 
Pascal.    Pensees  de  Pascal,  publice«  dane  leur  texte  authenriqoe  mbc 

an  commentaire  suivi ;  p.  Erneat  Havet.    Nouvelle  Edition.   Pari», 

Delagrave.    LI— 625  S.  12°.    [Classtqoes  francaiaj 
Pottier,   F.     Les   Charte»  de  coutumee   de   Tarn   et  Garonne.     Gr.  in-8*, 

29  p.    [Extrait  du  Bulletin  de  la  SocieW  arcbeologique  de  Tarn  et 

Garonne.] 
rniissy,   B.     (Envrea   choisies.      Vojages  d'AmbToise   Pari.     Paris,   Debv 

grave.     12°.     fr.  1. 
Racine.  J.  Esther,  tragedie;  par  J.  Racine.  Edition  clasaique,  accompagmfc 

de  notes  et   remarques  litWraires,   grammaticalee   et  histnriquss  par 

T.  Trouillet.    Paris,  Delalain  freres.    In-12°  «0  p.    fr.  0,50. 
—  Athalie,  tragedie,  par  J.  Racine.    Nouvelle  6dition,  avec  des  notei 

historiques,    grammaticales  et  litterairee,    precedee  d'appreaatioiu 

litWraires  et  analjtiquea  emprunteee  aux  meiUeuHi  critiquei  par  M. 

Gidel.    Paris,  V*  Belin  et  61b.     In-12°,  95  p. 
fiteste*  inedits  du  XVIII*  siecle.    Familie  de  Vauthelerat     Po  Wie»  avec 

preface  et  notes  par  Gaston  Bernos.    Paria,  Lemerre.    47  S.  18°. 
Regnier,  M.    (Euvres  completes.   Accompagneee  d'une  notioe  biograph.  etc. 

par  E.  Coorbet.    Paris,  A.  Lemerre. 
Robespierre.    Quelques  poesies  de  Robespierre;   par  J.  Bernard.    Pari*, 

Maurice.     In- 12°,  69  p.     fr.  1. 
Rtmdeaux  et  autres  poesies  du  XV*  siecle,   publiae  d'aprea  le  manuscrit 

de  la  Itibliotheque  nationale,  par  Gaston  Beynaud.     Paris,  Firmin 

Didot  et  (f.     LXV— 185  S.  8°. 
Rousseau,  J.  B.    Ödes,  Cantatee,  EpigTammea.    Avec  etode  aar  la  via  st 

l'teuvre  de  J.   B.   Rousseau   par   Charles   Simond.     Angers,  Gantier. 

In-8°,  32  p.    [In :  Nouvelle  bibliotbbqne  populaira  a  10  cent.   Abonne- 
ment annuel  aux  52  volumes  pubüe»  bebdosaadai  rssn  »t:  fr.  7.] 


Navitatenverzeichnis.  223 

Vamhagen,  Hermann.    Un  samedi  par  nuit.    Die  älteste  altfranztisische 

Bearbeitung   des  Streites   zwischen    Körper  and    Seele.     Erlangen, 

1890.    Deichert.    84  8.  8°. 
Voüure.    Lettres,  Rondeaux,   Sonnets,   Ballades   et  Poeeies  diverses  par 

Voiture.    Avec  e'tude  sur  la  vie   et  les  oeuvres  de  Voiture  par  Ch. 

Simond.    Paris,  Gautier.   32  S.  8°.    [Nouvelle  bibliotheque  populaire 

a  10  cent.    Abqnnement  annuel  aux  52  volumes  publiäs  hebdoma- 

dairement:  7  fr.] 
Voltaire.    (Euvres  completes  de  Voltaire.    T.  28.    38  et  34.  8  vol.  In-18° 

Jesus.     Paris,  Hache tte  &  Cie.    Chaque  volume  fr.  1,  25. 
—  Extraits  de  prose,  de  Voltaire.     Melanges  d'histoire,  de  philosophie 

et  de  litterature,    par   Louis  Tarsot  et  Albert  Wissemans.    Paris, 

Delalain  freres.    In-12°,  XVI— 884  S.    fr.  2,50. 


BibHothegve  francaise  a  l'usage  des  e'colee.  Nr.  24.  8°.  Berlin,  Fried- 
berg &  Mode.  geb.  Mk.  1,20;  Wörterbuch  dazu  (15  8.)  Mk.  0,20.  — 
Inhalt:  Histoire  de  la  civilüation  en  Europe,  depuis  la  chute  de 
l'empire  romain  jusqu*a  la  revolution  francaise  par  Guizot.  Aus- 
gewählte Abschnitte,  mit  Anmerkungen  zum  Schulgebrauch  heraus- 
gegeben von  Gymn.-Oberl.  Dr.  K.  Mayer.    (VII,  189  S.) 

—  francaise  a  l'usage  de  la  jeunesse  avec  notes  allemandes  et  question- 
naires.  15.  Bd.  18°.  Dresden,  Küthmann.  Mk.  0,60.  —  Inhalt: 
Nouvelles  histoires  a  l'usage  de  la  jeunesse.  Avec  notes  allemandes 
et  questionnaires  par  ancienne  maltresse  Mme  A.  Bree.   3.  Aufl.  (109  S.) 

Bibliothek  gediegener  und  interessanter  französischer  Werke.  Zum  Ge- 
brauche höherer  Bildungsanstalten  ausgewählt  und  mit  den  Bio- 
graphien der  betreffenden  Klassiker  ausgestattet  von  Prof.  Schulr. 
Dr.  Ani  Goebel.  Wörterbuch  zum  26.  u.  27.  Bd.  16°.  Münster, 
Theissing.  ä  Mk.  0,30.  —  Inhalt:  26.  Wörterbuch  zu  Rollin, 
histoire  d* Alexandre  le  Grand,  v.  Oberl.  Dr.  A.  Klipstein  (64  S.)  — 
27.  Wörterbuch  zu  Paganel,  histoire  de  Frgderic  le  Grand  v.  Oberl. 
Dr.  A.  Klipstein.    (80  8.) 

Burtin,  E.  Premiers  exercices  de  lecture  et  de  recitation.  2.  eM.  8°. 
Berlin,  Plahn.    (VIII,  128  8.)    Mk.  1,25. 

Draeger,  Mme  Catherine,  nee  Sifrol  [de  Morges],  räpertoire  dramatique 
des  ecoles  et  des  pensionats  de  demoiselles.  4.  &L,  revue  et  corrigee. 
12°.    Berlin,  Langenscheidt.    (II,  158  S.)    Mk.  2. 

Ebener,  Gfr.  Französisches  Lesebuch  für  Schulen  und  Erziehungsanstalten. 
In  3  Stufen.  Neu  bearb.  von  Dr.  Adf.  Meyer.  1.  u.  3.  Stufe,  gr.  8°. 
Hannover,  C.  Mever.    geb.  Mk.  4,95. 

Erfurth,  P.  u.  Walther,  M.  Französische  Gedichte.  Zum  Gebrauch  in 
Schulen  stufenweise  geordnet.  Potsdam,  P.  Dienemann.  VIII,  1 1 1  S.  8°. 

Hartmann,  Mart.  Schulausgaben  französischer  Schriftsteller.  Nr.  7.  8°. 
Leipzig,  Seemann.  Mk.  1.  —  Inhalt:  Moliere,  le  bourgeois  gentil- 
homme.  Mit  Einleitung  und  Anmerkungen  herausgegeben  von  Dr. 
C.  Humbert.    (XX,  90  u.  Anmerkungen.    39  S.) 

Trosateurs  francais.  77.  u.  78.  Lfg.  12°.  Bielefeld,  Velhagen  &  Klasing. 
Mk.  1,25.  —  Inhalt:  77.  Lettres  persanes  par  Montesquieu.  Im  Aus- 
zuge mit  Anmerkungan  zum  Schulgebrauch  hrgg.  v.  Gymn.-Oberl. 
Otto  Josupeit.  (VIII,  119  S.)  —  75.  —  78.  Thörese,  ou  la  petite 
soeur  de  charite'  par  A.-E.  de  Saintes.  Im  Auszuge  mit  Anmerkungen 
zum  Schulgebrauch  hrsgg.  von  B.  Klatt.    (IV,  103  S.) 

Sammlung  französischer  und  englischer  Textausgaben  zum  Schulgebrauch. 
3.,  4.  u.  6.  Bd.  8°.  Leipzig,  Renger.  Mk.  1,70.  —  Inhalt:  3.  Christ 
Colomb  v.  A.  de  Lamartine.    1790—1869.    (80  S.)  —  4.  Guillaume 


224  NovüaieHVfrxachmt. 

Teil  ¥.  J.  P.  C.  de  Florian.    1755-1794.    (64  S.)   —  6.  Pierre  te 

Grand  t.  Voltaire.     1694-1778.    (76  8.) 
Schulze,  G.  H.     L'avant   coureur.     Erstes  französisches  Lesebuch  für  die 

deutsche   Jugend.     2.   verb.   Aufl.    8°.     Leipzig,   Teubner.     Mit.  1,10. 

(VI,  104  &) 
Scftrvob,  Jos.     Chrestomathie  francaiae  on  livre  de  lecture,   de  tradncttoo. 

et   de   recitation    &    l'usage    des   ecoles   allemandee.      5.   e"d.,   ime, 

corrigee   et  augmentee  par   Prof.    Th.    Droc      Avec    un   vocabnlaire 

i'rancais-ai  lern  and  &   la  fin  du  volume.    8°.     Zürich,   Meyer  t  Zeller. 

Hk.  2,40.    (VIII,  303  S.) 
Ulieälre  rrancais.     Ausg.  A.  mit  Anmerkungen  unter  dem  Text,  Ausg.  B. 

Text  und  Anmerkungen  getrennt.     1.  Folge  7.  Lfg.,   10.  Folge  1.  n. 

7.  Lfg.,  13.  Folge  2.  Lfg.,  14.  Folge  5.  Lfg.  u.  15.  Folge  4.  Lfg.  19. 

Bielefeld,  Velhagen  &  Elaeing.    Hk.  3,65.  —  Inhalt:  1.  7.  L'svtm 

Comädie   en    5   actes.     Par  Molifere.     Hit  Anmerkungen   zum  Schal. 

gebrauch  bregg.  v.  Dr.  Ernst  Friese.     Ausg.  B.  (107  o.  40  8.)    1887. 

—  60.  —  X.  2.  Le  Cid.  Tragödie  en  5  actes  et  en  vera  par  Corneille. 
Hit  Anmerkungen  zum  Schulgebranch  hrsgg.  v.  A.  Benecke.  Ausg.  B. 
(106  u.  31  8.)  —  60.  —  7.  Le  bourgeois  gen  til  nomine,  comÄdie-ballet 
(1670)  par  Hotibre.  Hit  Anmerkungen  zum  Schul  gebrauch  hrsgg. 
t.  Prof.  Wilh.  Scheffler.  Ausg.  A.  (188  S.)  —  75.  —  XIII.  2.  Horste, 
trag6)ie  en  5  acte«  par  P.  Corneille.  Hit  Anmerkungen  nun  Schul- 
gebrauch   herausgeg.   v.   Dr.  Stern.    Ausg.  A.    (XLIV,   106  S.)  -  6D. 

—  XIV.  5.  Iphigenie,  traggdie  en  5  actes  par  Racine.  Hit  An- 
merkungen zum  Schulgebrauch  hrsgg.  r.  Dr.  D.  Rohde.  Ausg.  L 
(100  u.  XX  S.)  1888.  -  60.  —  XV.  4.  La  joie  fait  penr,  par  M- 
Emile  de  Girardin.  Mit  Anmerkungen  zum  Schulgetu-aoch  hmgg, 
t.  Dr.  S.  Waetzoldt    (62  S.) 


Bertkavd  (L.  L.).     Poeme*  nationaux;  par   Leon-L.   Berthand.     Pirii, 

StTHUss.    Grand  in-16°,  127  p.    fr.  3. 
Blum  (E.)  et  R.    Toehe.    Paris  flu  de  siecle,  piece  en  cinq  acte«:  per 

Erneet  Blum  et  Seoul  Touche.  Paris,  C.  LeVy.    In-18"  jesas,  197S.  fr.!. 
Bressel,  E.     Cri  du  coeur!   Sonnet«  et  Poesie«  diverses  (1885— 1889);  psr 

E.  Bressel.     Secam,  imprimerie  Charaire  et  fila.    In-18°  Jesus,  810  p. 
Buzy,  J.  B.    Les  Derniers  Chanta  du  foyer;  par  J.  B.  Buzy.    Cbalow- 

sur-Marne,  impr.  Martin  freres.    In-18°,  340  p.    fr.  3,50. 
Daudet,  A.    Numa  Rounieatan,  piece  en  cinq  actes  et  six  tableanx.     Psri*, 

Lemerre.    177  8.  8°. 
Dierx  (L.).     Poesiea   completes   de   Leon    Dien.     Edition   corrigee  et 

Augmente«.    T.  2:  les  Parole«  du  vainco;  la  Bencontre;  les  Aman», 

Paris,  Lemerre.     In- 18°  jeeua,  213  p      fr.  3.     (Poetee  coutemporaini.) 
FemUet.  0.     Honneur  d'artiale.     Paria,  C.  Lery.     371  8.  18«. 
GOU,  P.     Camille;  com&lie  eu  un  acte.     Paria,  C.  IAvj.     51  8.  18*. 
La  Grasserie  (R.  de),     Jeanne  d'Arc,  poeme;  par  Baonl  de  Gnuserie. 

Paris.  Lemerre.    Petit  in-8*  47  p. 
Rosny  (J.  II).     Le  Termite,  roman  de  meeura  litteraires;  par  J.  H.  fietnj. 

In  18°  Jesus,  318  p.     Evrenx,  impr.  Herissey.     Paris,  Üb.  Saline. 
Zola,  E.    The  Soil  (La  Terre),  a  realistic  novel;  by  Emile  Zola.    In- 18" 

Jesus, 472  p. et  lgrav. par  H. Gray.  Paris,  HarponetFlammarion.  fr.a. 


Referate  und  Rezensionen. 


Fron,  Maurice,  Manuel  de  paliographie  latine  et  francaise  du 
VIe  au  XVHe  stiele  suivi  (Tun  dictionnaire  des  abr6- 
viations  avec  23  facsimil6s  en  phototypie.  Paris,  1890. 
Alphonse  Picard,  387  8.     8°.     8  free. 

Es  war  ein  glücklicher  Griff  von  Prou,  den  Vorteil,  den 
die  illustrierten  Lehrbücher  gewähren,  auch  dem  Studium  der 
Palaeographie  zu  gute  kommen  zu  lassen.  Obwohl  es  jetzt  gute 
Faksimile  in  grosser  Zahl  gibt,  sind  diese  und  selbst  die  für 
Lehrzwecke  gemachten  Zusammenstellungen  nicht  überall  und 
nicht  immer  in  den  Händen  der  Lernenden:  die  23  wohlgelun- 
genen Faksimile  (Phototypie)  im  Texte  bei  Prou  werden  eine 
richtige  Vorstellung  vom  Schriftbilde  und  sein  treues  Festbalten 
im  Gedächtnisse  sehr  erleichtern. 

Der  Inhalt  gruppiert  sich  in  folgender  Weise.  Nach  knapper 
Einleitung  (1  —  14),  in  der  auch  die  Litteratur  verzeichnet  ist, 
behandelt  Kapitel  I  (15 — 44)  die  vorkarolingische  Periode:  von 
der  Kapitalschrift  bis  herab  zur  merowingischen  und  den  soge- 
nannten Nationalschriften.  In  Kapitel  II  (45—74)  werden  die 
Regeln  der  Abkürzungen  entwickelt.  Das  dritte  Kapitel  (75—88) 
ist  der  karolingischen  Reform  (IX.— X.  Jahrhundert),  das  vierte 
(89 — 148)  der  nachkarolingischen  Periode  (XL— XV11.  Jahrhundert) 
gewidmet;  dabei  sind  Handschriften  und  Urkunden  für  jedes  Jahr- 
hundert getrennt  behandelt.  Kapitel  V  (149 — 162)  gibt  Auskunft 
über  Interpunktion,  Korrekturen,  Accente  und  musikalische  Noten. 
In  Kapitel  VI  (163 — 182)  wird  über  Schreibmaterial  gesprochen. 
Sodann  sind  S.  183  — 187  Benennungen  von  Handschriften  wie 
antiphonaire ,  cavtulaire,  graduel  etc.  erklärt.  Endlich  folgt  ein 
dictionnaire  des  abreviations  latines  (193 — 352)  und  jrancaises 
(353 — 382),  alphabetisch  angelegt. 

Die  Anordnung  des  Stoffes  ist  im  ganzen  übersichtlich, 
aber  im  einzelnen  lässt  sich  manches  bessern.    Durch  Kapitel  II 

Ztchr.  f.  Ixt.  Spr.  u.  Litt.    XII*.  jg 


220  Heftrate  und  Rezensionen.     G.  Gundermann, 

(abrioiation*)  wird  die  Darstellung,  wie  eich  die  Schrift  ent- 
wickclt,  in  störender  Weise  unterbrochen.  Der  S.  45  angefahrte 
Grand  für  diese  Disposition  ist  nicht  hinreichend:  auch  Über 
Interpunktion,  Accente  etc.  inass  man  sich  ans  Kapitel  V  ftlr  die 
Faksimile  in  Kapitel  III  und  IV  Rata  erholen,  also  konnten  die 
Kürzungen  mit  demselben  Rechte  hinter  Kapitel  IV  gestellt 
werden.  Am  wenigsten  begreift  man,  warum  die  notes  tironiauu* 
am  Schlüsse  dieses  Kapitels  II  behandelt  werden,  wahrend  sie  doch 
ftlr  einen  Teil  der  vorher  angeführten  Kürzungen  die  Urundlage 
bilden.  Daes  die  Schrift  der  Urkunden  immer  in  Parallele  mit 
der  BUch orschrift  gesetzt  wird,  ist  lobenswert.  Wenn  aber  dabei 
eine  Auseinandersetzung  Über  Datierung  und  Chirographs  oder 
Kerbbriefe  (S.  107.  110:  XW  tOdt),  oder  ober  deD  Jahres- 
anfang fS.  121:  XJII'  siicJt)  notwendig  wird,  so  müssen  solche 
Kragen  in  einem  besonderen  Kapitel  zusammenhängend  behandelt 
werden.  Es  verursacht  dem  Benutzer  doch  unnötigen  Zeitauf- 
wand, solche  Angaben  in  späteren  Fällen  aifa  allen  Ecken  wieder 
zusammen  zu  suchen. 

über  das  Mass  des  gebotenen  Stoffes  Iäast  sich  natürlich 
verschieden  urteilen.  Das  alphabetische  Verzeichnis  der  latei- 
nischen und  französischen  Abkürzungen  nimmt  beinahe  die  Hälfte 
des  Buches  ein.  Wohl  schlägt  es  das  bekannte  Verzeichnis  von 
Chassant  aus  dem  Felde:  die  Transskription  durch  Antiqua  und 
Kursire  ist  praktischer,  selbstverständliches  ist  weggelassen,  da- 
für mehr  ungewöhnliches  aufgenommen,  so  dasa  bei  gleichem 
äusseren  Umfange  Fron  mehr  bietet  als  Chasaant.  Allein  der 
Nutzen  eines  solchen  Verzeichnisses  scheint  mir  überhaupt  frag- 
lich. Denn  in  schwierigen  Fällen  wird  man  doch  an  Walthcr's 
lexicon  diplomaticvm  seine  Zuflucht  nehmen,  noch  öfter  auf  eigene 
Kraft  sich  verlassen  müssen:  durch  Beobachtung  der  allgemeinen 
Regeln  wie  des  jeweiligen  Schreiberbrauches  wird  man  immer 
die  richtige  Lösung  finden.  Es  durfte  sieh  empfehlen,  das 
II.  Kapitel,  Aber  die  Regeln  der  Abkürzungen,  weiter  anazi- 
ftthren  und  mit  charakteristischen  Beispielen,  auch  aas  französi- 
schen Texten,  reicher  auszustatten:  dann  wird  nach  einem  gründ- 
lichen Durcharbeiten  dieses  Kapitels  jene  Eselsbrneke  BberMssig. 
Verwechselungen  ähnlicher  Abkürzungen,  sowie  ähnlicher  Buch- 
stabe nforaen  .:— *.  :— r'  seitens  alter  Abschreiber  könnte»  noch 
mehr  angeführt  werden  zu  Nutz  und  Fromme»  der  Leser  alter 
Teste.  Frvn  hat  französische  Leser  ror  Angen  und  besehriakt 
sich  in  der  Hauptsache  anf  das  in  Frankreich  inlilinili  m  and 
dort  n.K-h  vorhandene  Material;  sonderbarer  Weite  findet  sieh 
aber  bei  ihm  nirgends  ein  Wort  über  die  GenchJkhnc  des  j 
{Cedille  =-  dnain.   T*n   «et*'.      S.  1S2    wird   der  Arcen«  anf  9 


M.  Prot*.  Manuel  de  pale'ographic  latine  et  francaise  etc.        227 

exclamatif  unter  den  signes  de  corrections  erwähnt  statt  im  fol- 
genden §  Über  accents;  and  hier  masste  der  so  häufige  Accent 
auf  einsilbigen  Wörtern  (h(s,  6s),  besonders  den  mit  ihren  Kasus 
verbundenen  Präpositionen  (ddeo  =  a  deo,  nicht  adeo)  mit  an- 
geführt werden.  Ein  besonderer  Abschnitt  Über  die  mannig- 
faltigen Verzierungen  der  Handschriften  durfte  nicht  fehlen;  die 
Ornamentik  ist  ein  gar  wichtiger  Faktor,  um  Alter  und  Herkunft 
einer  Handschrift  genauer  zu  bestimmen.  Eudlich  würden  man- 
chem Benutzer  des  Buches  praktische  Ratschläge  willkommen  sein, 
wie  man  am  besten  alte  Texte  abschreibt  oder  vergleicht  (vgl. 
Gardthausen,  Griechische  Palaeographie,  S.  440J.  Dabei  könnten 
solche  Beobachtungen,  wie  die  von  F.  Kluge  (vgl.  Kluge,  Ge- 
schichte der  engl.  Sprache  in  Paul' 8  Grundriss  der  german.  Philo- 
logie I,  844,  846  und  Napier,  Academy  1890,  Febr.  22  S.  133, 
March  15  3.  188),  dass  in  ags.  Texten  von  saec.  XI  an  das 
ags.  (vor  e,  i)  und  fränkische  (vor  a,  o,  u)  Zeichen  für  g  nicht 
nach  Schreiberlaune  gebraucht  werden,  sondern  lautliche  Unter- 
schiede ausdrucken  (die  Herausgeber  haben  bei  der  Trans- 
skription den  Unterschied  nicht  beachtet),  in  diesem  Zusammen- 
hange erwähnt,  zu  weiteren  Beobachtungen  ähnlicher  Art  anregen. 

Die  Darstellung  des  gebotenen  Stoffes  ist  richtig  und  ge- 
schickt. Prou  hätte  sich  aber  ersparen  sollen,  den  Zweifel  (S.  24) 
an  der  Echtheit  der  siebenbürgischen  Wachstafeln  wieder  aufzu- 
frischen: sie  sind  ganz  sicher  antik.  Zu  S.  66  sei  bemerkt, 
dass  das  einem  ff  ähnliche  Zeichen  in  den  Digesten,  nach 
Savigny  aus  durchstrichenem  D  entstanden,  nichts  weiter  zu  sein 
scheint,  als  durchstrichenes  N  (Nota).  Ungeheuerlich  ist  die 
Herleitung  (S.  153)  des  in  merowingischen  Handschriften  so 
häufigen  Zeichens  für  6  aus  der  Verbindung  von  V  mit  I:  was 
will  man  gegen  Wattenbach's  (Anleitung  zur  lat.  Pal.4  8.  98; 
Anl.  zur  griech.  Pal.2  S.  8)  Herleitung  aus  dem  griechischen 
ernstlich  einwenden? 

Das  Buch  ist  fast  verschwenderisch  ausgestattet;  im  dic- 
tionnaire  des  abreviations  wirkt  der  viele  leere  Raum  sogar  oft 
unschön.  Eine  neue  Auflage,  nach  dieser  Seite  hin  vereinfacht, 
an  Inhalt  vertieft  und  bereichert,  wird  ein  gutes  Hilfsmittel 
werden.  Doch  auch  jetzt  schon  ist  das  Buch  recht  brauchbar: 
ich  verweise  nur  auf  die  lehrreiche  Analyse  des  Faksimile  S.  29  ff. 
.  Es  bringt  nichts  wesentlich  neues  und  erreicht  nicht  Wattenbach's 
Arbeiten  auf  diesem  Gebiete;  aber  es  hat  doch,  namentlich  für 
den  Anfänger,  manche  Vorzüge. 

Gotthold  Gundermann. 


16* 


228  Rtfurate  und  Rezensionen.     H.  P.  Junker, 

Birch-Hirachfeld,  Adolf.  Qeachichtt  der  französischen  Literatur 
seit  Anfang  des  XVI.  Jahrhunderts.  I.  Bd.  Das  Zeit- 
alter der  Renaissance.  Stattgart,  1889.  J.  Ö.  Cotta'sche 
B.  N.    392  S.    Anmerkungen  50  8.    8°.  Preis:  6,75  Mk. 

Von  welchem  Standpunkte  aus  daa  vorliegende  Werk  zu 
beurteilen  ist,  läsat  sich  bei  dem  Mangel  eines  Vorworts  nur  so 
im  allgemeinen  aus  dem  Titel  schliessen.  Und  doch  scheint  es 
mir  die  erste  Bedingung  einer  gerechten  Kritik  zu  sein,  dem  ia 
beurteilenden  Werke  gegenüber  den  richtigen  Standpunkt  einzu- 
nehmen. So  natürlich  diese  Forderung  ist,  so  schwer  erfüllbar 
muss  sie  sein,  da  selbst  bei  Angabe  des  Standpunktes  seitens 
des  Autors  oft  genug  der  Palast  mit  der  bürgerlichen  Elle  und 
das  Bürgerhaus  mit  dem  MasBstabe  des  Palastes  gemessen  wird; 
um  so  schwerer  erfüllbar,  wenn  jede  orientierende  Bemerkung 
fehlt.  Daher  hat  der  Verfasser  vorliegenden  Werkes  mich  für 
entschuldigt  zu  halten,  wenn  mein -Standpunkt  bei  der  Beurteilung 
nicht  der  richtige  ist.  Um  es  gleich  zu  sagen,  ich  betrachte 
sein  Werk  als  einen  Palastbau,  dessen  Fundament  durch  den  ersten 
Band  gelegt  ist.  Die  Fortführung  der  Geschichte  der  französischen 
Litteratur  aber  vom  16.  Jahrhundert  bis  auf  unsere  Zeit  wird 
gewisslich  weitere  15 — 20  Bände  und  somit  vieljährige  Arbeit 
erfordern.  Mir  scheint,  Birch-Hirschfeld  hat  sich  eine  zu  umfassende 
Aufgabe  gestellt.  Die  Geschichte  der  französischen  lAtteratur  im 
11.  Jahrhundert  liegt  uns  in  dem  treffliehen  Werke  des  allzu 
früh  verstorbenen  F.  Lotheissen  (Wien,  1877—84,  4  Bde.)  bereits 
vor.  Wie  dankbar  wlirden  wir  sein,  wenn  zunächst  die  Geschichte 
der  Litteratur  des  1  6.  Jahrhunderts  uns  in  ähnlich  anziehender 
und  wissenschaftlicher  Weise  dargestellt  würde!  Dans  Birch- 
Hirschfeld  der  Mann  dazu  ist,  scheint  mir  nach  Durchsicht  des 
vorliegenden  Bandes  nicht  zweifelhaft.  Wenn  ihm  nach  Lösung 
der  Aufgabe  dann  noch  Zeit  und  Lust  zu  weiterer  Arbeit  bleibt, 
so  möchte  ich  wünschen,  dass  er  die  Litteratur  den  18.  Jahr- 
hunderts in  ähnlicher  Weise  darzustellen   unternähme. 

Der  vorliegende  Band,  der  sich  als  „erstes  Buch"  des  Ab- 
schnittes Zeitalter  der  Renaissance  ausgiebt,  umfaest  in  sechs 
Kapiteln  „daa  Zeitalter  Ludwigs  XII.  und  Franz  I."  (1.  Kapitel, 
Humanismus  und  Reformation  —  2.  die  dramatische  Dichtung  — 
3.  die  „rhetorische"  Schule  —  4.  Clement  Maral  und  seine  Schule  — 
5.  T/yon  und  der  Hof  Margaretens  —  6.  Roman  und  Novelle.) 
Bei  dieser  weiten  Anlage  des  Werkes  wäre  als  Einleitung  eine 
zusammenhängende,  wenn  auch  kurz  gefasste  Darstellung  der 
Kultur-  und  Litteratur  Verhältnisse  des  ausgehenden  Hittelalten, 
als  deren  Gegensatz   die  Renaissance  entstand,   sehr  wBnschens- 


A.  Birch- Hirsch feld,  Geschichte  der  französischen  IAtteratur  etc.    229 

wert  gewesen.  So  aber  sind  die  nötigsten  Bemerkungen  einzeln 
über  das  ganze  Buch  zerstreut,  besonders  Kapitel  2  und  3 
schauen  vielfach  zurück,  so  dass  ein  einheitliches  Bild  der 
alten  und  Gegenbild  der  neuen  Zeit  nicht  recht  zustande 
kommt.  Auf  S.  87,  155,  170  macht  sich  der  Mangel  dieses  ein- 
leitenden Kapitels  recht  bemerkbar.  Auch  bezüglich  der  sonstigen 
Anordnung  des  Stoffes  hätte  ich  einen  Wunsch:  den  Verfasser 
zu  fragen,  ob  nicht  eine  einheitlichere  Darstellung  hervor- 
ragender litterarischer  Persönlichkeiten  manches  für  sich  habe. 
So  ist  beispielsweise  die  Bedeutung  der  Königin  Margarete  von 
Navarra  in  Kapitel  5  des  Nähern  gewürdigt,  ihr  ffeptameron  aber 
erst  100  Seiten  später  behandelt,  ohne  dass  dafür  ein  anderer 
Grund  als  die  strikte  Einhaltung  der  Kapitelüberschrift  Roman 
und  Novelle  ersichtlich  wäre.  Auch  in  der  sehr  ausreichenden 
Schilderung  Marot's  hätte  ich  eine  straffere  Zusammenfassung  des 
zusammengehörigen  Stoffes  gewünscht;  sein  Protestantismus  ist 
an  drei,   vier  Stellen    behandelt,   das   Gedicht   VEnfer  an    zwei. 

Doch  können  diese  Ausstellungen  prinzipieller  Natur  die  hohe 
Bedeutung  und  den  Wert  des  vorliegenden  Bandes  nicht  im  ge- 
ringsten schmälern.  Eine  solch  umfassende,  die  Resultate  der 
Einzelforschung  glücklich  verwertende,  auf  der  Höhe  der  Wissen- 
schaft stehende  Darstellung  der  Ausklänge  des  Mittelalters  und  der 
Anfänge  der  Renaissance  in  der  französischen  Litteratur  des 
16.  Jahrhunderts  gab  es  bislang  nicht.  Dazu  kommt  der  Vor- 
zug der  gewandten  Sprache,  welche  durch  ihr  schönes  Ebenmass 
und  ihre  lebendige  Anschaulichkeit  die  Lektüre  des  Buches  recht 
genussreich  gestaltet 

Im  einzelnen  möchte  ich  Folgendes  bemerken: 

S.  41.  Das  erste  stehende  Theater  der  Confrerie  de  Ja 
Passion  befand  sich  in  dem  Dorfe  Saint- Maur  des- Fossfa.bei  Paris; 
1402  wurde  es  nach  Paris    in  das  Höpital  de  la  Triniti  verlegt. 

S.  45.  Die  EnfanU-sans-souci  scheinen  mir  etwas  zu  kurz 
behandelt  zu  sein. 

S.  61.  Zeile  19  v.  o.  ist  wohl  1533  statt  1516,  letzte 
Zeile  v.  u.  18.  Jahrhundert  statt  des  17.  zu  setzen. 

S.  63.  Im  Januar  1502  wurde  in  Metz  schon  ein  lateini- 
sches klassisches  Stück  aufgeführt. 

S.  89.  Beiges  im  Hennegau,  woher  der  Dichter  Le  Maire 
stammte,  heisst  heute  Bavai. 

S.  95.  Das  relativ  bedeutende  Mysterium  Gringore's  Saint 
Louis  ist  weder  auf  S.  52  ff.,  wo  von  des  Dichters  dramatischer 
Thätigkeit,  noch  auf  S.  94  ff.,  wo  von  der  politischen  Seite  seiner 
Dichtung  die  Rede  ist,  näher  besprochen. 


230  Referate  trnd  Rezensionen.    E.  Ritter, 

S.  190.  Die  das  Kapitel  Roman  und  Novelie  einleitenden 
Bemerkungen  dttrften  manchen  Widerspruch  finden.  Die  Anfänge 
des  Roman  es  sind  nach  meiner  Ansicht  nicht  in  Prankreich  m 
suchen  —  ich  erinnere  an  Xenophon's  Kyropädie  —  sondern  er- 
geben sich  bei  jedem  Volke  ohne  weiteres  ans  seiner  Epik. 

Wie  das  Wort  „Roman"  von  der  Bedeutung  „Übersetzung 
ins  Romanische4")  durch  die  verschiedenen  Bedeutungen  „Werk 
in  romanischer  Sprache",  „Erzählung  in  romanischer  Sprache" 
—  „ErzShlnng"  zu  dem  heutigen  Sinne  „Roman"  sich  entwickelte, 
ist  von  P.  Voelker  in  seiner  Abhandlung  Die  Bedeutungtent- 
Wickelung  des  Wortes  Roman  ('/Mehr.  f.  rom.  Phü.  X,  485  ff.)  in 
trefflicher  Weise  dargelegt. 

S.  214,  Zeile  11  v.  u.  Druckfehler  „dem"  statt  „das". 

S.  215.  Diese  Anschauung  Aber  mönchische  Sitten  und 
Umgangsformen  wird  nicht  jeder  teilen  können,  zumal  sie  im  Prä 
sens  auftritt.     Eine  mildere  Beurteilung  wäre  erwünscht  gewesen. 

S.  221.     Heisst  der  Mediziner  nicht  Giovanni  Hanardi? 

S.  223.      Zeile  10  v.  o.     Druckfehler  117   statt  107.  — 

In  der  Biographie  Rabelais',  welche  auf  S.  212  beginnt,  sind 
die  dunklen  Punkte  und  zweifelhaften  Daten  nicht  als  solche  be- 
zeichnet, was  bei  dem  Umfange  der  Abhandlung  (70  S.)  recht 
wohl  möglich  gewesen  wäre,  sondern  der  Verfasser  entscheidet 
sich  ftlr  die  eine  oder  andere  Annahme,  ohne  entgegenstehende 
Meinungen  zu  erwähnen.  Daes  Rabelaie  das  Volksbuch  Gargantua 
ediert  habe  oder  doch  der  Veröffentlichung  nicht  fern  stehe  — 
dass  die  rühmende  Erwähnung  des  Gargantua  in  der  Vorrede  zu 
Pantagruel  sich  auf  dieses  Volksbuch  beziehe  —  dass  Rabelais' 
Gargantua  nach  Pantagruel  erschienen  sei,  etc.,  sind  derartige 
fragliche  Punkte. 

S.  225.  Der  Kardinal  Du  Bellay  handelte  im  Auftrage  des 
französischen  Königs,  was  erwähnt  werden  konnte. 

S.  241.  Im  FrUhjahr  1536  kehrt  Rabelais  höchst  wahr 
scheinlich  nach  Paris,  nicht  nach  Lyon,  zurück;  im  Sommer  war 
Übrigens  Franz  I.  bei  seinem  Heere  in  der  Provence,  um  Karl  V. 
entgegen  zu  treten,  und  nicht  in  Lyon. 

S.  243.     Rabelais  war  bis  Anfang  1538  zn  Montpellier. 
H.  P.  Junker. 

')  Bis  in»  14.  Jahrhundert  hinein  wurde  das  Französische  alt 
roman  bezeichnet;  von  da  ab  nahm  die  Bezeichnung  francais  mehr 
und  mehr  überhand. 


J.  Be'dittr,  Le  Ud  de  Vombre  par  Jehan  Renart  etc.  231 

B4dier,  Joseph,  professeur  k  l'Universitö  de  Fribourg  en  Suisse, 
Le  lai  de  Vombre  par  Jehan  Renart,  poeme  du  XIII6 
siecle.  Fribourg,  1890,  59  pages  in  4°.  (Extrait  de 
l'lndex  lectionum  quae  in  Univ.  Frib.  per  menses  aestivos 
anno  M.DCCCXC  habebuntur). 

La  publication  des  textet  de  l'ancienne  Htterature  frangaise 
a  commence*  dans  les  premieres  ann6es  du  regne  de  Louis  XV, 
et  se  continue  depuis  plus  de  cent  cinquante  ans.  II  est  arrivö 
quelquefois  que  les  meines  textes  ont  ete  mis  au  jour  ä  plus 
d'une  reprise:  ainsi  les  Fabliaux,  le  Roman  de  la  Rose,  qui  ont 
6t6  publica  par  Lenglet  du  Fresnoy  et  Barbazan,  dans  le  siecle 
dernier,  et  par  M6on  au  commencement  de  celui-ci.  Mais  jusqu'ä 
notre  temps,  c'ätaient  des  considärations  de  librairie  qui  jouaient 
dans  ce  cas  le  role  prineipal:  l'ädition  ancienne  6tait  6puis6e, 
et  l'ouvrage  6tait  demandä  par  le  public.  L'amälioration  que 
le  nouvel  öditeur  pouvait  apporter  au  texte,  6tait  chose  accessoire. 

Depuis  vingt  ans,  les  considerations  philologiques  ont  pris 
le  des8U8;  et,  en  meme  temps  qu'on  procede  avec  beaueoup 
plus  d'ardeur,  avec  un  v6ritable  esprit  de  suite,  a  l'exhumation 
des  textes  inedits  de  la  littärature  frangaise  du  moyen  äge,  on 
s'est  applique*  ä  donner  des  äditions  notablement  am61ior6es  d'un 
certain  nombre  d'ouvrages  importants,  dejä  publiäs:  le  Pälerinage 
de  Gharlemagne,  le  Couronnement  de  Louis,  Raoul  de  Cambray, 
l'histoire  de  saint  Louis  par  le  sire  de  Joinville,  —  les  Fabliaux, 
dont  MM  de  Montaiglon  et  Oaston  Raynaud  viennent  de  tennin  er 
la  nouvelle  edition,  commencee  en  18721 

M.  Bedier,  —  qui  s'est  fait  connaitre  au  grand  public  par 
un  intörressant  article  sur  Adam  de  la  Halle,  dans  la  Revue 
des  deux  mondes,  —  vient  de  faire  une  publication  de  ce  genre, 
en  rßeditant  le  Lai  de  Vombre  que  M.  Francisque  Michel, 
en  1836,  et  M.  Jubina],  dix  ans  apres,  avaient  de* ja,  publik,  il 
a  travaillß  avec  une  meilleure  melhode  et  plus  soigneusement  que 
ses  prödäcesseurs,  et  son  Edition  est  k  peu  pres  definitive.  Le 
Lai  de  Vombre  est  un  poeme  d'un  millier  de  vers  octosyllabiques; 
il  nous  a  6t6  conservö  par  six  mannscrits,  qui  appartiennent  tous 
a  la  Bibliotbeque  nationale  de  Paris.  L'auteur  s'est  nomme  a  la 
fin  de  son  ceuvre:  Jean  Renart;  il  est  completement  inconnu 
d'ailleurs.  L'elude  des  rimes  a  amene  M.  B6dier  k  penser  qu'il 
6tait  originaire  des  provinces  orientales,  et  qu'il  a  voulu  äcrire 
son  poeme  dans  le  dialecte  de  l'Ile  de  France.  Une  allusion 
aux  Chevaliers  „pris  as  Turs  et  menes  el  Chaaireu  a  permis 
k  M.  Bädier  de  fixer  la  composition  de  ce  petit  ouvrage  k  une 
date  postörienre  a  la  deTaite  essuyäe  en  1239,  pres  de  Gaza,  par 


232  Referate  und  Rezensionen.    E.  Weber, 

ies  comtes  de  Bar  et  de  Montfort:  A  la  suite  de  ce  dcsaatre,  de 
nombreui  prisonniera  furent  emmenes  an  Caire;  et  dix  um 
apres  cm  voyait  encore  pendues,  autour  des  muraillea  da  Caire, 
des  tetes  de  chretiens  que  saint  Louis  fit  de  lach  er  et  mettre 
en  terre  benite. 

Le  Lai  de  VOmbre  se  laisse  analyser  rapi dement.  Un  Che- 
valier rend  visite  ä  udc  dame,  au  chätcau  de  laqnelle  il  arrivc 
dans  le  costume  elegant  de  l'epoqne: 

Li  sire  avoil  devant  son  pis 

Tome'  son  manlel  en  chmlel. 

Et  sorcot  dhermine  Irop  bei 

De  soie  en  graine  et  iescureus, . . . 

Et  ckemise  ridee  et  blanche. 

Et  chapel  de  fleurs  et  de  venche. 
La  dame  n'etait  pas  moius  paree: 

Vn  chainse  blanc  et  delie 

Ol  vestu  la  pretts,  la  cortoise, 

Qui  trainoit  plus  d"vne  toise 

Aprts  li,  sor  les  Jons  menus . . . 

EU  prent  par  la  matn,  riani, 

Le  seignttr,  sei  maine  seoir. 
La  conversatioo  s'engage  entre  eux:  c'est  du  marivaudage, 
cinq  cents  ans  avant  Harivaux.  A  la  fin,  le  Chevalier  „trait  de 
son  doit  son  anel,  ai  li  mist  el  sien".  La  dame  etait  alors  ei 
plongee  dans  ses  redexions  qu'elle  ne  s'apercut  de  rien;  mais 
qiiand  le  chevalier  est  parti, 

Alant  envoie  vers  ses  mmns 

Vn  regart,  si  ehoisi  C artet. 
Elle  envoie  en  toute  häte  cbercher  le  chevalier  qui  avait 
quitte  le  chätcau  et  deja  fait  ime  lieue  de  chemin;  il  revient, 
leur  entretien  recommence,  et  la  dame  forte  le  chevalier  a  re- 
prendre  l'anneau.  C'est  au  bord  d'un  puits  qu'ils  causaient  en 
ce  moment,  et  le  visage  de  la  dame  se  renecbissait  dans  l'eaa: 
ä  cette  image,  ä  cette  „oinbre"1)  le  chevalier  jette  l'anneau  que 
la  dame  n'avait  pas  vonlu  accepter  de  lui: 

Tenet,  fait-ü,  ma  douce  amie: 

Puisque  ma  dame  n'en  neut  mie, 

Vos  le  prendres  bien  sans  mesle'e. 
Devant  c et  acte  d'un  galant  desespoir,  etd'unamourpassionne 
qui    e'etend   jusqu'ä    son    image,    nla  rien    que  j'aim    plns  apres 
vos",  lui  dit  le  chevalier,  la  dame  sent  son  coeur  se  fondre,  eile 
s'avoue  vaincue,  et  cede  tout: 

Des  besicrs  dunt  il  s'eutrepurent 

Vait  chascun  la  doufor  ai  euer. 
')  Le  mot  ombre   a  aueni  ce  Bens   dans   le   Koman  de   la  Rose, 


E.  Goeriich,  Die  beiden  Bücher  der  Makkdbäer.  233 

Le  poete  nous  laisse  ä  deviner  le  reste: 

De  tel  gen  com  Cen  faxt  des  mams 
Estoit  ele  dame  et  ü  maistre, . . . 
Del  geu  qui  remaint,  ce  me  semble, 
Ve?idront  il  bien  a  chief  andui. 
Et  or  m%  en  tos  atant  meshui. 

L'universite  catholique,  qui  vient  d'etre  fondße  a  Fribourg 
en  Suisse,  a  ouvert  la  serie  de  ses  publications  savantes  par  cette 
ceuvre  gracicuse  de  Jean  Renart,  digne  contemporain  de  Guillaume 
de  Lorris.  II  6tait  naturel  qu'un  Etablissement  consacr6  a  la  re- 
naissance  des  Etudes  catholiques,  temoignät  des  le  premier  jour 
quelque  predilection  pour  le  temps  de  saint  Lonis. 

Un  jour  viendra  peut-etre  oü  les  6diteurs  modernes  des  poetes 
du  moyen  äge  frangais  n'auront  plus  a  se  soucier  de  la  question 
d'argent,  et  pourront  joindre  ä  tous  leurs  textes  de  belles  minia- 
tures.  Si  Ton  r&mprime  alors  le  Lai  de  Vombre,  on  y  trouvera 
deux  ou  trois  sujets  faits  pour  tenter  un  peintre:  ce  sera  le  moyen 
de  rendre  de  la  vie  et  de  la  couleur  a  l'61egant  recit  que  je  viens 
de  rEsumer.  Eugäne  Ritter. 


Goeriich,  Ewald,  Die  beiden  Bücher  der  Makkabäer.  Eine  alt- 
französische  Übersetzung  aus  dem  XIII.  Jahrhundert.  Mit 
Einleitung,  Anmerkungen  und  Glossar  zum  ersten  Male 
herausgegeben.  Halle  a.  S.?  1889.  Verlag  von  Max 
Niemeyer.  L  und  130  S.  kl.  8°.  Preis:  4  Mark.  — 
Romanische  Bibliothek.     No.  2. 

Der  zweite  Band  der  Romanischen  Bibliothek  enthält  eine 
altfranzösische  Übersetzung  der  Makkabäery  die  nach  dem  Urteil 
des  Herausgebers  um  die  Mitte  des  XIII.  Jahrhunderts  entstanden 
ist.  Der  Übersetzer  hat  den  Text  der  Vulgata  ziemlich  getreu 
wiedergegeben.  Sowohl  Erweiterungen  als  auch  Kürzungen  hat 
er  im  grossen  und  ganzen  nur  selten  vorgenommen.  Das  ziem- 
lich häufige  Vorkommen  von  Lücken,  die  halbe  und  auch  ganze 
Verse  umfassen ,  erklärt  der  Herausgeber  in  annehmbarer  Weise 
dadurch,  dass  uns  nicht  das  Original  der  Übersetzung,  sondern 
nur  eine  Abschrift  derselben  vorliegt.  Auch  sonst  weist  der 
Text  eine  ganze  Reihe  von  Nachlässigkeiten  und  Versehen  des 
Schreibers  auf.  Alle  diese  Stellen  haben  in  den  Anmerkungen 
Erwähnung  gefunden;  und  zwar  wurde  in  den  meisten  Fällen 
durch  Vergleichung  mit  der  Vulgata  eine  Herstellung  des  Textes 
versucht. 

Auf  26  Seiten  der  Einleitung  findet  die  Laut-  und  Formen- 
lehre   eine    etwas    breit    gehaltene    Darstellung.     In   der  Unter- 


834  Referate  und  Rezensionen.     W.  Cioella, 

Buchung  über  die  Mundart  kommt  der  Herausgeber  zu  dem  nieli 
mit  Sicherheit  ausgesprochenem  Resultat,  dass  wahrscheinlich  ein 
Anglonormanne  eine  südostfranzösisehe  Vorlage  aus  älterer  Zeil 
abschrieb.  Dem  Texte  folgen  noch  erläuternde  Anmerkungen, 
zu  denen  FürBter  viele  wertvolle  Beitrüge  gespendet  hat.  In 
einem  Schlusszusatze  endlich  äussert  sich  Förster  zu  der  Frage 
nach  dem  Dialekt  dahin,  dass  er  der  eben  wiedergegebenen  An- 
sicht Goerlich's  erst  „nach  schwerem  Seelenkampf"  beigetrete; 
sei.  Nach  erneuter  Erwägung  glaube  er,  dass  die  Übersetzus 
auf  den  Kreis  derWaldenscr  zurückzuführen  sei.  „Eine  nrsprllnji 
üch  waldensisehe  Übersetzung  hat  einem  Waldenser  aus  den 
Südosten  Frankreichs  dazu  gedient,  in  seine  französische  Mundar 
umgesetzt  zu  werden.  Eine  waldensische  Übersetzung  der  Mak 
bäer  hat  aber  gewiss  bestanden;  stehen  doch  noch  Teile  einer 
solchen  in  einer  waldensischen  Handschrift  in  Cambridge." 
E.  Weher. 


Ulrich,  Jacob.  Robert  von  Blois'  sämtliche  Werke.  Band  I. 
Berlin  1889.  Mayer  &  MUller.  —  Beoudom.  Ein  alt- 
franzftaiseher  Abenteuerroman  des  XIII.  Jahrhunderte 
Robert's  von  Blois.  Nach  der  einzigen  Handschrift 
der  Pariser  Nationalbihliothek  herausgegeben  von  Dr. 
Jacob   Ulrich. 


Über  die  Werke  Robert's  von  Blois  und  des  Dichters  Pi 
sonlichkeit  hat  zuletzt  Paul  Meyer  in  der  Romania,  XVr,  25  ff. 
ausfuhrlicher  gehandelt.  Das  muss  besonders  hervorgehoben 
werden,  denn  wider  Erwarten  enthält  der  uns  vorliegende  erste 
Band  einer  Gesamtausgabe  Robert's  darüber  gar  nichts.  Die  Ein- 
leitung gewährt  uns  in  ihrem  I.  Teile  (S.  I — XVII)  eine  eingehende 
Beschreibung  der  einzigen  Handschrift  des  Gedichtes  (No.  24301 
fonds  franeais  der  Pariser  Natioualbibliothek),  während  der  II. 
Teil  (S.  XVIII  und  XIX)  eine  kurze  Darstellung  des  Dialektes 
des  Kopisten  bringt.  Ulrich  schliesst  sieh  hierin  seiner  Schülerin 
Dr.  Mary  Noyes  Colvin  an,  die  in  ihrer  Lwttüchen  Untersuchung 
der  Werke  Robert's  von  Blois  (Züricher  Dias.  1888)  ihn  dem 
OBten  zuwies,  nur  scheint  er  Ulrich  eher  zu  den  „(nordl-östlichen^ 
zu  gehören.  Auf  S.  1  — 129  folgt  dann  der  Test,  an  den  sich 
„berichtigende"  und  „erklärende"  Anmerkungen  auschliessen 
(8.  130—136). 

Ulrichs  Unternehmen  darf  von  vornherein  bei  den  Romanist 
auf  freundliche  Beachtung  rechnen,  denn  Robert's  Werke  verdien« 
eine  weitere  Verbreitung  als  sie  bisher  rinden  konnten.  Leidi 
erfüllt  der  erste  Band  nicht    ganz  das,    was    man  von  einer 


Dr. 
er- 


G.  Köttmg,  Studien  über  altfranzösische  Bearbeitungen  etc.       235 

samtau8gabe  der  Werke  eines  Dichters  erwarten  durfte.  Beaudous 
ist  in  einer  einzigen  Handschrift  erhalten,  die  vom  Verfasser  ge- 
treu abgedruckt  wird.  Wäre  dieser  Text  einheitlich  gestaltet,  so 
liesse  sich  das  Verfahren  noch  verteidigen.  Da  aber  kurz  hinter- 
einander Schreibungen  vorkommen  wie  vuelt,  weit  und  vuet  (veut)y 
tuit  und  tot  (tout),  tenront  und  tanront  (tiendront)  u.  a.  m.,  ferner 
Reime  wie  grace  :  faice  u.  s.  w.,  so  musste  sich  die  Forderung 
nach  einer  Uniformierung  des  Textes  aufdrängen.  Zwar  liegt  nur 
eine  Handschrift  vor,  aber  eine  Untersuchung  der  Verse  auf  die 
Silbenzähl  und  der  Reime  auf  die  Identität  der  Tonvokale  und 
der  auslautenden  Konsonanten  hätte  genügendes  Material  zur 
Bestimmung  ergeben.  Ein  wesentlich  anderes  Gewand  wie  der 
vorliegende  Text  werden  infolgedessen  die  übrigen  Werke  des 
Dichters  in  Ulrich's  Ausgabe  tragen,  denn  da  dieselben  mehr- 
fach erhalten  sind,  wird  sich  der  Herausgeber  kaum  für  die  Lesart 
der  einen  oder  der  anderen  Handschrift  entscheiden  und  der 
Frage,  welches  die  ursprüngliche  Mundart  des  Dichters  gewesen 
sei,  nicht  aus  dem  Wege  gehen  können.  Auch  dem  Verzeichnis 
des  Wortschatzes  des  Dichters,  welches,  da  es  für  Beaudous 
nicht  zusammengestellt  ist,  wohl  für  alle  Werke  dem  letzten 
Bande  beigegeben  werden  wird,  kann  eine  solche  Untersuchung 
nur  zu  statten  kommen. 

Die  Anmerkungen  stehen  nicht  unter  dem  Texte,  sondern 
sind  am  Ende  angefügt.  Dass  dieselben  nicht  immer  das  Richtige 
treffen,  und  dass  sich  im  Texte  mancherlei  Fehler  und  Druck- 
fehler finden,  hat  Mussafia  im  Litter aturblatt  (Januar  -No.  1890) 
nachgewiesen,  auf  dessen  Besprechung  ich  besonders  aufmerksam 
mache.  Viele  Druckfehler  dürften  wohl  auf  Rechnung  der  Druckerei 
(in  Kirchhain,  N.-L.)  zu  setzen  sein,  denn  auch  im  deutschen  Texte 
sind  solche  vorhanden,  und  falsche  Typen  sind  nicht  selten. 

Das  Buch  kostet  3  Mark.  Die  Ausstattung  ist  dabei  massig. 
Unsere  Bücher  sind  im  Vergleich  mit  den  französischen  beispiel- 
sweise,   wie  überhaupt,  viel  zu  teuer.  M.  F.  Mann. 


Kfttting,  Georg.  Studien  Über  altfranzösische  Bearbeitungen  der 
Alexiu siegende  mit  Berücksichtigung  deutscher  und  eng- 
lischer Alexiuslieder.  Trier,  1890.  Fr.  Lintz'sche  Buch- 
druckerei  (Osterprogramm),  44  S.  8<>. 

Schon  der  Titel  zeigt,  dass  der  Verfasser  in  der  Auswahl 
der  zu  besprechenden  Gedichte  sich  völlige  Freiheit  vorbehält 
Das  gleiche  eklektische  Verfahren  beliebt  ihm  auch  bei  Benutzung 
der  über  seinen  Gegenstand  erschienenen  Litteratur,  indem  er  die 


236  Referate  und  Rezensionen.    R.  MahrmhoUz, 

wichtigsten  Erscheinungen  der  letzten  Jahre  völlig  ignoriert.  Mag 
ee  bei  einigem  Wohlwollen  such  verzeihlich  erscheinen,  dass  dem 
Verfasser  eines  Osterp rogrammes  des  Jahres  1890  die  im  Früh- 
jahre 1889  zu  Paris  erschienene  Schrift  Arthur  Arniand's:  ha 
Ugende  gyriaque  de  Saint  Alexis  (Bibl.  de  VEc.  des  Hautet  Eludet, 
fast.  79)  entgangen  ist,  so  ist  es  doch  in  keiner  Weise  zd  ent- 
schuldigen, dass  er  anch  die  Arheiten  Blau's  (Germania  XXXIII 
181  und  XXXIV  156;  der  erste  Teil  anch  separat  als  Leipziger 
Dissertation:  Zur  Alexiuslegende,  Wien  1888)  und  6.  Paris'  Re- 
zension in  der  Romania  (Aprilheft  1889)  nicht  kannte.  Der  Um- 
stand allein,  dass  der  vorliegende  Aufsatz  die  zwei  Jahre  vorher 
erschienenen,  vortrefflichen,  in  mancher  Beziehung  grundlegenden, 
grossenteilB  das  gleiche  Thema  behandelnden  Ausführungen  im 
ersten  Teile  der  Blau'schen  Schrift  nicht  verwertet,  lässt  erwarten, 
dass  er  berechtigten  Anforderungen  nicht  entspreche.  Dazu  kommt, 
dass  der  Verfasser  keineswegs  die  sichere  Methode  Blau's  be- 
sitzt um  die  von  letzterem  gewonnenen  Resultate  ignorieren  uns 
seinerseits,  ans  eigenen  Mitteln,  feststellen  zu  können. 

Nach  einer  dürftigen  Einleitung  bespricht  der  Verfasser  im  ■ 
1.  Kapitel  das  altfranzösische  Alexiuslied  O,  von  dem  er  beweisen 
will,  dass  es  nicht,  wie  Brauns  (Über  Quelle  und  Entwickdmg 
der  altfranz.  Cancvn  de  saint  Alexis,  Kieler  Dies.  1884)  will, 
von  einer  älteren  Vita,  aas  der  erst  &  abgeleitet  wäre,  sondern 
von  ©  direkt  stammt.  Um  diesen  Nachweis  zu  liefern,  zeigt  uns 
der  Verfasser  im  II.  Kapitel  (Übersetzungsweisc  mittelalterlicher 
Dichter)  an  französischen,  deutschen  and  englischen  Alexiasliedern, 
dass  die  mittelalterlichen  Dichter  sich  Abweichungen  von  ihres 
Vorlagen  gestatteten.  Diese  allgemeine  Thatsache,  die  dem  Leser 
wohl  schon  vorher  nicht  ganz  unbekannt  gewesen  sein  dürfte, 
soll  nun  zugleich  ein  Beweis  dafür  sein,  dass  O  von  S  stammt! 
Von  einer  Wiederlegung  Braun's,  von  irgendwelchen  tieferen  Gran- 
den, wie  wir  sie  bei  Blau,  der  die  Vita  ©  kritisch  beleuchtet 
nnd  sie  als  Quelle  von  O  definitiv  nachgewiesen  hat,  finden,  ist 
keine  Rede. 

Kap.  III  soll  die  interpolierte  Bearbeitung  des  älteren  Alexiut- 
liedes  behandeln,  IV  bespricht  die  gereimte  Überarbeitung  da 
Alexiusliedes  M,  und  V  berührt  ganz  kurz  die  Bearbeitung  in 
Alexandrinern  Q.  Dabei  versucht  aber  der  Verfasser  nicht  ein- 
mal, den  Inhalt  von  /■  zu  ermitteln,  sondern  „der  Kürze  wegen" 
wird  einfach  S  für  die  interpolierte  Bearbeitung  angesetzt  und 
JH  als  aus  S  hervorgegangen  angesehen,  fnr  alles  übrige  aber 
bloss  auf  Brauns  verwiesen.  Vergebens  fragt  man  Bich,  woin 
diese  ganz  oberflächlichen,  ohne  Verständnis  für  das  Verhältnis 
der  Bearbeitungen  unter  einander  augestellten  Vergleiche,  die  j* 


E.  Rigol,  Alexandre  Hardy  et  le  Theätre  franfais  etc.  237 

schon  von  O.  Paris  und  Brauns,  um  von  dem  unserem  Verfasser 
unbekannt  gebliebenen  Blau  zu  schweigen,  in  viel  kompetenterer 
Weise  gemacht  waren,  eigentlich  dienen  sollen. 

Im  einzelnen  wäre  noch  manches  hervorzuheben  und  zu 
berichtigen  —  wie  wenn  der  Verfasser  z.  B.  8.  9  sagt,  in  O  sei 
nichts  davon  erwähnt  „dass  Alexis  der  Braut  die  Schnalle  seines 
Schwertgehänges  überreichte",  denn  es  „würde  von  den  Zuhörern 
nicht  recht  verstanden  worden  seinu,  während  der  Dichter  dies 
doch  v.  15b  berichtet  —  es  möge  jedoch  genügen  zu  der 
lückenhaften  Aufzählung  der  Lüteratur  über  die  Alexiuslegende  auf 
S.  42 — 44  ausser  den  oben  erwähnten  noch  einige  andere  Ar- 
beiten nachzutragen:  Schneegans,  Modern  Language Notes  III  (1887) 
247  und  307:  Die  romanhafte  Richtung  der  Alexiuslegende  in  afz. 
und  mhd.  Gedichten,  ib.  495:  Das  Verhältnis  der  französischen 
von  Herz  herausgegebenen  Alexiuslegende  zu  ihren  lateinischen 
Quellen  (mir  unbekannt  geblieben);  Schipper:  Wiener  Sitz.- Bert 
CXIV  (1887)  231:  Die  zweite  Version  der  me.  Alexiuslegenden,  wo 
noch  weiteres  zu  finden  ist;  Scottish  Text  Society,  Legends  of 
the  Saints  in  the  Scottish  Dialect  of  the  XIV.  c.  ed.  Metcalfe  II 
(Edinb.  u.  Lond.   1889)  Ml:  Alexis. 

W.  Cloetta. 


Rigal,  Eugene.  Alexandre  Hardy  et  le  Theätre  francais  ä  la  fin 
du  XVIe  et  au  commencement  du  XVII*  stiele.  Paris, 
1889.    Hachette.    715  +  XXIV  8.    8°. 

Von  den  französischen  Dramatikern  der  Vor-Corneille'schen 
Zeit  ist  kaum  einer  so  bedeutungsvoll  für  die  Geschichte  des 
Pariser  Theaters,  wie  Alexandre  Hardy,  und  doch  ist  sein 
Leben  und  seine  geschichtliche  Stellung  immer  noch  wenig  auf- 
gebellt, von  Zweifeln  nicht  frei.  Wie  über  die  Lebensverhältnisse 
so  vieler  Zeitgenossen  Hardy's,  haben  wir  auch  über  seine  Schick- 
sale und  Erlebnisse  nur  wenig  verbürgte  Überlieferungen,  und  die 
archivalische  Forschung,  welche  bei  den  ersten  Grössen  der  franz. 
Litteratur  in  so  glücklicher  Weise  die  Lücken  und  Mängel  unserer 
Kenntnis  fort  und  fort  ergänzt,  hält  sich  von  dem  im  eigenen 
Lande  fast  vergessenen,  nur  noch  den  Spezialforscher  interessieren- 
den Dichter  fern.  Des  documents  authentiques,  nul  n'en  a  dt- 
couvert,  so  muss  unser  Autor  in  dem  Lebensabrisse  Hardy's  be- 
kennen, ni  les  manuscrits  de  la  Bibl.  nationale,  ni  les  registres  des 
Archives  ne  m'ont  rien  fourni  pour  son  compte  et  le  hasard  seul 
pourrait  faire  de'couvrir  quelque  chose,  p.  e.  une  trace  des  piri- 
grinations  en  province. 


238  Referate  und  Rezensionen.     R.  Mahremnoltz, 

Bereite  im  Jahre  1880  hatte  E.  Lombard  in  drei  Nummern 
dieser  ZeiUchrift :  (T.  1,  8.  161  —  185  and  8.  348—397,  T.  IL 
8.  63—72)  das  Leben  und  Wirken  des  Dichters  in  eingehender 
und  trefflicher  Weise  behandelt.  Hier  liegt  uns  nun  ein  auf  den 
erschöpfendsten  Studien,  die  in  dem  bibliographischen  Verzeichnisse 
sieb  ttber  XVI  8.  gr.  8U  ausdehnen,  ruhendes  Werk  vor,  voll 
scharfer,  unparteiischer  Kritik  und,  was  für  die  wissenschaftliche 
Selbstentsagung  de»  Verfassers  am  besten  zeugt,  doch  nur  in 
wenigen,  aber  unbedingt  sicheren  Resultaten  Über  das  bisher 
Erforschte  hinausgehend.  Wir  wollen  im  Folgenden  das  von 
früheren  Meinungen  Abweichende  oder  überhaupt  noch  wenig 
Bekannte  in  den  Hau ptresul taten  zusammenstellen. 

Das  Geburtsjahr  Hardy's  wird  gewöhnlich  auf  ca.  1560  ge- 
setzt, aber  ohne  ausreichenden  Grund,  denn  aus  dem  1623  ver- 
öffentlichten Widraungs  schreiben  zn  Tke'agine  und  Carielee  schliefst 
Rigal  sehr  scharfsinnig,  dass  der  Dichter  nicht  nach  1575  und 
nicht  vor  1569  geboren  sein  könne.  Freilich  geht  ans  dem  er- 
wähnten De  dikati  on  sbriefe  mit  absoluter  Sicherheit  nur  hervor, 
dass  Hardy's  poetische  Wirksamkeit  mit  1593  begann,  nnd  auch 
das  Geständnis  dee  Dichters,  seine  Eist,  ithiopique,  eins  seiner 
ersten  Werke,  Bei  pendant  lex  bouillons  d'une  jeunesse  geschaffen 
worden,  sagt  Über  das  Lebensalter  Hardy's  nichts  völlig  Be- 
stimmtes. Ungefähr  bedeutet  ja  dieser  Ausdruck  die  Lebens- 
grenze,  welche  zwischen  dem  Knabenalter  und  der  reiferen  Jugend 
liegt,  also  die  Zeit  vom  18.  bis  24.  Jahre,  jedenfalls  schliesst  er 
das  eigentliche  Mannesalter  aus.  Jemand,  der  1 593  oder  etwit 
später  noch  der  heisebllltigen  Jugend  angehörte,  kann  nicht  1560 
geboren  sein.  Die  Bildung  Hardy's  erstreckte  sich  zweifellos 
auf  die  lateinische  Sprache  und  römische  Litteratur,  ob  er  anci 
das  im  Gymnasial  unterriebt  damals  noch  neue  nnd  keineswegs 
offizielle  Griechisch  beherrschte,  ist  nach  Rigal  zweifelhaft,  für 
uns  sogar  das  Gegenteil  unzweifelhaft.  Hardy  reiht  sich  so  den- 
jenigen hochbedeutenden  Männern  der  Neuzeit  an,  die  wie  VsL 
Conrart,  Ph.  Quinault,  Fr.  Regnard,  kein  Griechisch  wussten, 
oder  die  wenig  über  die  Elemente  dieser  Sprache  hinauskamen, 
wie  Voltaire,  Rousseau,  Herder,  Schiller  et«.  Ans  einer 
Schauspielerfamilie  stammte  er  weder,  noch  ist  er  je  Schauspieler 
gewesen,  doch  irrte  er  als  Theaterdichter  mit  den  zigeunerhaften 
Komödiantenbanden  jener  Zeit  einige  Jahre  in  der  Provinz  umher, 
ehe  er,  zwischen  1598 — 1600,  sich  in  Paris,  mit  geringen  Unter- 
brechungen, niederiiess.  Rigal  schildert  hiebei,  mit  vorsichtiger 
Benutzung  späterer  nnd  gleichzeitiger.  Aufzeichnungen  über  die 
8  c  hau  spiel  Verhältnisse  des  16.  nnd  17.  Jahrhunderts,  welchen 
Entbehrungen,  Enttäuschungen  und  Plagen  das  Komödiantenleben 


E.  Rigol,  Alexandre  Hardy  et  le  Thdätre  francais  etc.  239 

damals  ausgesetzt  war,  was  insbesondere  die  vagabundierenden 
„Schmieren"  zu  leiden  hatten,  weist  aber  zugleich  nach,  dass 
einer  Prügelscene  zwischen  Theaterdichter  und  Schauspielern, 
von  der  Tristan  l'Hermite  uns  erzählt,  mit  Unrecht  eine  Be- 
siehung auf  Hardy  gegeben  sei.  Jedenfalls  aber  ging  es  diesem 
während  seiner  Provinzialzeit  traurig  genug,  zumal  er,  wie  damals 
noch  alle  Theaterschriftsteller,  keine  feste  Tantieme  bezog,  sondern 
für  jedes  eingelieferte  Stück  eine  geringe  8umme  erhielt.  In 
Paris  wurde  Hardy  der  Theaterdichter  der  Truppen,  welche  seit 
1598  im  Saale  der  Confreres  de  la  Passion  spielten,  also  des 
Hotel  de  Bourgogne,  nicht  des  Marais  -Theaters,  folgte  auch  seinen 
Geschäftsfreunden  auf  ihre  Gastreisen  in  die  Provinz.  Erst  1628 
endigte  Hardy's  Wanderleben,  doch  starb  er  schon,  wie  Riga! 
Überzeugend  nachweist,  zwischen  September  1631  nnd  Octo- 
ber  1632.  Er  blieb  sein  Leben  lang  arm,  trotzdem  er  vornehme 
nnd  reiche  Leute  im  Style  des  weihrauchduftenden  Zeitgeschmackes 
ansang  und  anbettelte  und  klagte  stets  über  Not  und  Elend,  wo- 
bei wir  einiges  schon  den  oratorischen  Übertreibungen  jener 
Litteraturperiode  zu  Gute  halten  dürfen.  Richelieu  bekümmerte 
sich  um  ihn  so  wenig,  wie  Heinrich  v.  Montmorency  u.  A.  Von 
seinen  Beziehungen  zu  zeitgenössischen  Dichtern  waren  die  zu 
Thäophile,  Tristan  l'Hermite  und  dem  neu  auftauchenden 
P.  Corneille  besonders  enge.  Was  übrigens  von  einem  wenig 
günstigen  Urteil  Hardy's  über  Corneille's  Milite  in  verschiedener 
Fassung  erzählt  wird,  ist  in  der  Hauptsache  unverbürgte  Anekdote. 
So  dürftig  das  ist,  was  wir  über  die  60  Lebensjahre  eines  für 
jene  Zeit  bahnbrechenden  Dichters  (von  kleinen  Nebensachen  ab- 
gesehen) wissen,  desto  reicher  (Hessen  die  geschichtlichen  Quellen, 
welche  aus  seinem  dichterischen  Schaffen  entströmen  und  sich 
über  seine  litterarhistorische  Wirksamkeit  ausbreiten. 

Über  die  Zahl  der  von  Hardy  verfassten  Stücke  schwanken 
die  Angaben.  Gewöhnlich  werden  ihm  800  Stücke  zugeschrieben, 
der  Dichter  selbst  gibt  im  Jahre  1628,  also  3—4  Jahre  vor 
seinem  Tode,  deren  Anzahl  auf  600  an.  Aber  dabei  läuft  manche 
Ungenauigkeit,  auch  absichtliche  Übertreibung  unter,  wie  Hardy 
denn  sich  rühmt,  schon  vor  seinem  Jugendwerke  Th&aghie  et 
Oaridie,  300  andere  geschrieben  zu  haben.  Gedruckt  sind  in 
den  sechs  Bänden  seiner  Werke,  welche  in  den  Jahren  1623—1628 
erschienen,  nur  41,  13  andere  sind  uns  dem  Titel  nach  bekannt. 
Zu  einer  Ausgabe  seiner  Stücke  entschloss  sich  der  Dichter  erst 
nach  dem  Erscheinen  einer  fehlerhaften  Raubausgabe  und  nahm 
nur  die  bereits  abgespielten  und  relativ  veralteten  auf,  um  nicht 
seiner  Schauspieltruppe  den  Ertrag  zu  schmälern,  denn  jedes  ge- 
druckte Stück  war  bekanntlich  für  alle  Theater  herrenlose  Beute. 


240  Referate  tmd  Rezensionen.     R. 

Die  vier  ersten  Bünde  erschienen  bei  Jaques  Quecael  ■  Piro 
(1623—26),  die  beiden  letzten  in  Konen  bei  David  £a  Fetit- 
Val,  weil  Hardy  mit  dem  ersten  Verleger  umufriedta  war.  aar 
der  IL  Band  erlebte  1621,  der  III.  1632,  wohl  aaca  de«  Bitten 
Tode,  eine  2.  Auflage.  Ein  Neudruck  von  fünf  Binde«  rarie  im 
Stengel  1883—1884  besorgt.  Bei  der  Reihenfolge  der  gcdraeklei 
Stücke  war  der  chrono  logische  Gesichtspunkt  siebt  der  Initwdt.  Gt 
Angaben  der  Freree  Parfalt  über  die  Jahre,  in  arelebea  Haraj'i 
Dramen  vertagst  seien,  sind  ganz  willkürlich,  eben»  mark  4k 
noch  von  Lombard  geteilte  Ansteht,  dasi  die  Stucke  ia  Baal  T 
denen  des  Bandes  IV  in  der  Entstehungszeit  nachfolgt«,  Sir 
von  verhältnismässig  wenigen  kennen  wir  da«  Jahr  der  \  Vwtnr. 
bestimmt  oder  annähernd.  Das  II.  Bach  de»  Werke«  beschäftigt 
sich  mit  dem  Zustande  des  Theaters  vor  and  wahrend  Raraj't 
Zeitalter.  Im  16.  Jahrhundert  rang  die  neue,  antikisierend*  Kkt- 
tung  der  Ronsard 'sehen  Schule  mit  den  dramatischen  Cberüefem- 
gen  des  Mittelalters,  die  in  zeitgemäss  veränderter  Form  ron  da 
Confriret  de  la  Paxrion  im  Iturgunderhütel  und  den  mit  iLnea  rrnli- 
gierenden  Truppen  gepflegt  wurden,  um  die  Herrschaft,  daaebei 
suchte  eine  rein  nationale  Richtung,  welche  die  Sagen  eioi>  4« 
altfranzosi sehen  Vergangenheit  zum  Vorwurfe  nahm,  sieh  Bakn 
zu  brechen.  Die  antiken  Themata,  besonders  die  Nachahmimgci 
der  dem  Seneca  zugeschriebenen  Dramen,  blieben  entweder  u 
aufgeführt  oder  mnssten  sich  mit  den  bescheidenen  Erfolgen  voi 
Schüler-  und  Studenten- Vorstellungen  oder  von  AnrTQihruogen  vor 
kun  st  lieb  enden  Grossen  begnügen.  Häufig  waren  sie  auch  oir 
gereimte  Monologe  oder  Dialoge  und  tragen  den  dramatischen 
Anforderungen  wenig  Rücksicht.  Das  änderte  sieh  1599,  als  die 
Confrerie  de  la  Passion  auf  ihre  Dilettant enanflnh rangen,  die  dtrei 
eine  Art  Monopol  geschützt  waren,  verzichtete,  die  sie  ersetzende 
Truppe  des  Holet  de  Bourgognt  sich  jetzt  zur  Dollmetseherio  der 
modernen  Richtung  and  Hardy  zu  ihrem  Theaterdichter  mach». 
So  wurde  dieser  der  Schöpfer  einer  neuen,  volkstümlichen  Tra- 
gödie, Komödie,  Pastorale  etc.  und  trug  die  Schul  dichtrmg  und 
Buchdramatik  in  die  weiten  Kreise  der  Masse  hinaus.  Lange 
Zeit  war  er  der  ausschliessliche  Bühnendichter  von  Paris,  erat 
durch  Theophile  de  Vian,  der  von  1613  oder  1614  an  iha. 
Konkurrenz  machte,  sich  aber  1617  vom  Theater  zurückzog,  dans 
durch  Mairet,  Rotrou  und  andere  wurde  sein  Rahm  etwas  in 
den  Schatten  gestellt.  Bei  seinem  Tode  war  er  überflügelt,  be- 
sonders seitdem  Mairet's  Sophonixbe  die  streng  klassische  Rich- 
tung nach  Aristotelischem  Schema  eingeweiht  hatte.  Während 
seines  beinahe  40jährigen  Wirkens  für  die  Bühne  hatte  Hardy 
unter  den  argen  Schattenseiten   des  ric  bauspiel weaens  jener  Zeit 


E.  Rigol,  Alexandre  Hardy  et  le  Theätre  francais  etc.  241 

unter  der  Rohheit  und  Verlodderung  der  Schauspieltruppen,  den 
geringen  Einnahmen,  der  Abneigung  der  vornehmen  Stände  und 
der  Geistlichkeit,  der  Bedenklichkeit  der  Behörden,  dem  unge- 
bildeten Geschmacke  der  meist  dem  Pöbel  angehörenden  Theater- 
besucher, unter  den  Mängeln  eines  noch  wenig  vollkommenen 
Dekorations-  und  Regiewesens,  unter  der  Notwendigkeit,  zugleich 
den  Regeln  des  Aristoteles  und  der  von  den  Mysterien,  Morali- 
täten  und  Farcen  entstammenden  Regel  und  Planlosigkeit  der 
Handlung  sich  anzupassen,  ev.  zu  leiden.  Die  sogenannten  Drei- 
%  einheiten  gelangten  erst  durch  Mairet  in  Theorie,  wie  in  Praxis 
zu  einer  noch  hie  und  da  bestrittenen  Geltung.  Hardy  gehörte 
noch  der  alten,  vorklassischen  Richtung  an,  indessen  dem  Zuge 
des  besseren  Zeitgeschmackes  nach  Formenstrenge  und  Einheit- 
lichkeit des  dramatischen  Schaffens  suchte  er  nach  Möglichkeit, 
d.  h.  ohne  den  Beifall  der  rohen,  einer  verwilderten  Schaulust 
sich  hingebenden  Masse  zu  verlieren,  Rechnung  zu  tragen.  Auch 
die  Inscenierung  seiner  Stücke  entsagte  dem  Nebeneinander  der 
Mysterienbühne,  wo  der  Zuschauer  all  die  wechselnden  Orte  der 
Handlung  auf  einmal  übersah,  ohne  doch  in  die  starre  Einförmig- 
keit der  klassischen  Szenerie,  welche  sich  stereotyp  auf  dem- 
selben Räume  bewegte,  zu  verfallen.  Die  Bühne  war  für  die 
Aufführung  der  Stücke  gewöhnlich  fünffach  geteilt,  die  nicht  in 
Anspruch  genommenen  Räumlichkeiten  blieben  verhüllt,  leider  war 
die  Ausdehnung  der  Szene  zu  eng  und  die  Unsitte,  dass  alle  im 
Stücke  beschäftigten  Personen  sich  ständig  auf  dem  BUhnenranme 
umhertrieben,  zu  störend,  um  hier  Unnatur,  Gedränge  und  Un- 
klarheit vermeiden  zu  können.  Der  Spott,  welchen  die  Theore- 
tiker des  Klassizismus  gegen  Hardy  richteten,  weil  er  mit  Raum, 
Zeit  und  Einheitlichkeit  der  Handlung  in  planloser  Willkür  und 
rücksichtsloser  Verletzung  aller  Wahrscheinlichkeit  schalte,  trifft 
grossenteils  nicht  ihn,  sondern  das  Pariser  Theaterpublikum. 

Denn  als  charakteristisches  Merkmal  von  Hardy's  dich- 
terischem Schaffen  hebt  der  Verfasser  hervor,  dass  die  vor  der 
Pariser  Periode  während  der  Wanderzeit  in  der  Provinz  ent- 
standenen Dramen  regelrechter  und  mehr  dem  Geiste  der  Tra- 
gödie entsprechend  seien,  als  die  späteren  in  Zügellossigkeit 
und  Übertreibung  ausartenden  Tragikomödien.  Der  Begriff 
dieser  letzteren  Bezeichnung  war  ein  höchst  schwankender. 
Scaliger  sieht  in  der  Tragikomödie  nur  eine  Tragödie  mit  glück- 
lichem Ausgang,  dagegen  erklärten  Guarini,  Mairet,  Scudery  u.  A. 
sie  als  eine  Vermischung  der  tragischen  und  komischen  Hand- 
lung. Wieder  Andere  wollten  alles  Komische  nur  für  die  eigent- 
liche Komödie  vorbehalten  wissen,  dagegen  gestatteten  sie  der 
Tragikomödie  das  Auftreten  von  Personen  niederen  Ranges.    Man 

Ztcbr.  I  frz.  Spr.  n.  Litt.    XII*.  jg 


242  Referate  und  Rezensionen.     R.  Makremkpitz, 

unterschied  zwei  Abarten  derselben,  eine  comtäe  amipe,  m 
welcher  nur  hoho  Persönlichkeiten  vorkamen,  der  AMpsg  ■her 
ein  glücklicher  war  und  die  trage'die  bourgeoUe,  der*«  Ftmaei 
dem  Bürgerst  andc  angehörten,  deren  Inhalt  aber  ein  trapatkB 
und  deren  Auegang  ein  unheilvoller  Bein  rausste.  Beide  (iaanpa 
existierten  schon  vor  Corneille  und  vor  Diderot,  die  nwa  ab  fc 
Schöpfer  der  einen  oder  der  anderen  betrachtet  hat.  U  At- 
achung  der  Stoffe  unterschied  man  die  geBcbiehtliehea  nt 
mythologischen  von  den  aus  Romanen  und  Novellen  eltftam 
oder  frei  erfundenen,  die  beiden  letzteren  waren  die  eigeattkat 
Domäne  der  Tragikomödie.  Unter  Hardy'a  gedruckten  Wcrkta 
findet  sich  keine  eigentliche  Komödie,  da  diese  Gattn^  t« 
Hairet  und  Corneille  fast  unbekannt  war,  dagegen  fünf  Paaunln. 
zwölf  Tragödien,  elf  Tragikomödien  und  dreizehn  Sticke  ü 
wechselnder  oder  unbestimmter  Bezeichnung,  wie  poime  drom*- 
tigue,  poime»  de  ihi&trt  conxectitifs.  Letzteren  Nebentitel  fahr« 
die  acht  Teile  seines  Drama:  Tlie'aghu  et  Cariclee.  Diese  anter- 
scheidenden  Titelangaben  hat  Hardy  übrigens  erst  fUr  die  Duett 
seiner  Stücke  gewählt,  um  sich  den  Scbultheorien  der  Zeit  aa- 
zupassen,  für  das  Theaterpublikum  waren  theoretieche  Beieirt- 
nungen  Überhaupt  unnötig.  Sehr  mit  Übertreibung  hat  man  iki 
als  PlUnderer  der  Spanier,  insbesondere  Lope's  und  Calderon'i, 
schlecht  gemacht,  von  den  gedruckten  Stücken  sind  nnr  fluf 
spanischen  Novellen  oder  Romanen  ihren  Stoffen  nach  entlehnt, 
aber  frei  bearbeitet.  Die  Pastoralen  zeigen  die  Xachahmung 
Guarini's,  Sannazar's  und  Tasso's,  die  Tragödien  und  Tragikomö- 
dien sind  durch  die  Lektüre  griechischer  und  römischer  Dichter 
oder  Historiker  angeregt,  die  Hardy  aber  nur  in  französischer 
Übersetzung  las.  Eine  besonders  reiche  Fundgrube  war  för  ihi 
Plutarch  in  Amyot'e  Übertragung,  daneben  kommen  von  Histo- 
rikern Heliodor,  Josephus,  Curtius  Rufus,  Xenophon,  von  Dichten 
Homer  nebst  den  bekannten  Dictys  und  Dares,  Ovid,  Vergil, 
Claudian,  Lucan  in  Betracht.  Von  italienischen  Novellisten  sind 
besonders  Boccaccio  und  Giraldo  Cinthio  benutzt,  auch  einige 
franziisische  oder  lateinische  Erzähler  haben  ihm  Stoff  geliefert 
Euripides,  der  Liebling  der  späteren  französischen  Dramatiker, 
hat  nur  in  einer  Tragödie,  der  "AhajarK,  ihn  beeinflnssL  über 
die  Quellen  der  nicht  gedruckten  Stücke  sind  nur  Vermutungen, 
die  meist  auf  Spanien  und  Italien  hinweisen,  statthaft  und  der 
Vorwurf,  daas  Hardy  die  spanischen  Dramatiker  geplündert  babe, 
kann  sich  lediglich  auf  die  Hunderte  seiner  Inedita  beziehen, 
wenn  er  überhaupt  berechtigt  ist.  Bei  den  Ansichten,  die  da- 
mals Über  litterarisches  Eigentum  bestanden,  ist  Hardy  kaum 
als    ein    besonders   beutelustiger  Dramatiker   anzusehen,    hat  er 


E.  Rigol,  Alexandre  Hardy  et  le  The'äire  francaise  etc.         243 

doch  faßt  nur  Dicbterwerke  benutzt,  die  noch  nicht  eine  bühnen- 
mässige  Form  hatten.  Manches  Über  seine  Quellen  verrät  er  uns 
in  den  Arguments  seiner  Druckausgaben,  doch  ist  er  in  dieser 
Hinsicht  sehr  unvollständig,  denn  die  Gewohnheit,  mit  Plagiaten 
su  renommieren,  wenn  sie  an  bekannten  Meisterwerken  begangen 
waren,  ist  hauptsächlich  erst  durch  Corneille  und  seine  unmittel- 
baren Zeitgenossen  aufgekommen.  In  der  äusseren  Form  hielt 
sich  Hardy  schon  an  die  Gliederung  der  Dramen  in  5  Akte,  in- 
dem er,  eine  Art  dramatischer  Prokrustes,  seinen  Stoff  bald 
ktlrzte,  bald  in  die  Länge  dehnte,  die  Prologe  und  Chorgesänge 
vermied  er,  weil  das  Publikum  vor  Allem  Handlung  sehen  wollte. 
Zum  Verständnis  derselben  dienten  die  eingeschobenen  Erzählungen, 
Traumktindungen,  Prophezeiungen  etc.  Von  den  gröberen  Possen 
und  Farcen,  welche  für  die  Füllung  des  Repertoires  zweifellos 
nötig  waren,  ist  uns  keine  durch  den  Druck  überliefert.  Wie 
sein  bedeutenderer  Zeitgenosse  Lope  de  Vega,  der  den  hochge- 
schätzten Aristoteles  in  den  Schrank  schloss,  ehe  er  dichtete, 
war  auch  Hardy  ein  unbedingter  Anhänger  der  antiken  Dichtung 
und  Poetik,  nur  die  Notwendigkeit,  das  Volk  zu  belustigen  und 
Geld  zu  verdienen,  zwang  ihn  zu  einer  Kompositions  weise,  die 
aller  klassischen  Überlieferung  widersprach,  die  er  selbst  ver- 
urteilte oder  doch  entschuldigte,  aber  seinen  Feinden  und  Neidern 
gegenüber  verteidigen  musste. 

Sehr  interessant  ist  der  Vergleich  zwischen  den  Tragödien 
Garnier's,  des  bekanntesten  der  Dramatiker  aus  der  Ronsard- 
sehen  Schule,  und  denen  Hardy's.  Garnier  schloss  sich  eng 
an  die  schulgerechten  und  rhetorisch-prunkhaften  Stücke  an,  die 
unter  Seneca's  Namen  gingen,  nahm  ihren  Sentenzenkram,  ihre 
wortreichen  Monologe,  ihren  Mangel  an  Handlung  und  Charakter- 
zeichnung mit  hinüber.  So  fehlte  seinen  für  die  Lektüre  der 
Gelehrten,  nicht  für  die  Unterhaltung  des  Volkes  bestimmten 
Stücken  alles  dramatische  Leben,  alle  Spannung  und  einheitliche 
Zuspitzung  der  Entwickelung,  alle  Schärfe  der  Charakterzeich- 
nung, ja  zuweilen  der  innere  Zusammenhang  des  Dargestellten. 
Seine  Troade  und  Antigone  waren  Konglomerate  verschiedener 
Dramen,  sein  Marc  Antoine  hat  eine  Doppelhandlung  und  zwei 
Helden,  Antonius  und  Kleopatra,  in  seiner  Forde,  nimmt  die  Ex- 
position 2  Akte,  die  Katastrophe  ebenfalls  2  in  Anspruch,  für 
die  eigentliche  Handlung  bleibt  nur  der  3.  Akt  übrig.  Monologe, 
Chordeklainationcn  und  endlose  Erzählungen  des  oft  schon  Be- 
kannten, namentlich  der  Schlussentwickelung,  machen  das  eigent- 
liche Wesen  dieser  dramatisierten  Epik  und  Lyrik  aus.  Seine 
Fehler  wurden  von  seinen  Nachfolgern,  auch  von  dem  talent- 
vollen Montchrätien,    dem  ersten  Bearbeiter  des  Maria  Stuart 

16* 


244  Referate  und  Rezensionen.     R.  Muhrcnkoltz. 

Themas,  getreulich  nachgeahmt,  erst  H&rdy  schuf  wirkliche 
Dramen,  deren  Technik  allerdings  noch  mangelhaft  war,  wie 
denn  zuweilen  die  Akte  bei  ihm  nur  Szenen  sind  oder  will- 
kürlich zusammengeleimt  werden.  Doch  den  Chor  warf  er  hinaus 
oder  machte  ihn  zum  Hitträger  der  Handlung,  wobei  allerdings 
nur  der  Chorsprecher,  nicht  die  Statisten  seiner  Umgebung  in 
Betracht  kamen;  die  Helden  Hess  er  auf  der  Szene,  nicht  hinter 
derselben  sterben,  wodurch  er  die  langen  Berichte  über  ihr  Ende 
sparte,  von  der  gefährlichen  Nachahmung  Seneca's  machte  er 
sich  frei.  Dem  Zeitgeschmack  entsprechend,  wählte  er  jedoch 
für  seine  Tragödien  meist  antike  Stoffe  und  hielt  sich  von  der 
modernen  Geschichte  ebenso  fern,  wie  von  der  biblischen. 

Nach  diesem  203  Seiten  umfassenden  überblick  der  Zeit 
und  dramatischen  Bedeutung  Hardy's  geht  Rigal  zur  Analyse 
der  einzelnen  Stücke  Über,  um  zuletzt  noch  die  Sprache  und  den 
Versbau  des  Dichters  eingehend  zu  berücksichtigen.  Wir  können, 
um  diesen  ohnehin  langen  Bericht  nicht  ungebllbrlich  auszu- 
dehnen, hier  nur  die  Hauptmerkmale  in  Betracht  ziehen.  Zu- 
nächst fällt  uns  eine  grosse  Derbheit  und  sogar  Rohheit  der 
sittlichen  Empfindung  in  Hardy's  Bühnenwerken  auf.  Die  Not- 
zucht kehrt  mehr  als  einmal  in  seinen  dramatischen  Motiven 
wieder,  Mordsucht  und  Blutdurst  sind  die  Antriebe,  welche  die 
meisten  Helden  seiner  Tragödien  bewegen.  Daneben  der  ganze 
Schrecken  der  Gespenster  weit,  das  Abenteuerliche  der  Wahr- 
sagungen und  Traumdeutungen.  Die  Frauen  sind  meist  ebenso 
wild,  grausam  und  brutal,  wie  die  Männer,  die  Figuren  der 
Tbeaterbitsewichter  beiderlei  Geschlechts  sind  daher  die  vor- 
herrschenden. Andererseits,  des  Kontrastes  halber,  ideale  Tugend- 
helden, welche  die  Wirklichkeit  nicht  kennt,  edelmütige,  mild- 
herzige, vor  Liebessehnsucbt  d&trinschmelzende  Eriegslente  und 
Eroberer,  von  denen  die  Geschichte  oder  Legende  ein  ganz  an- 
deres Bild  uns  eingeprägt  hat.  In  der  Mort  efAchiUe  fällt  der 
unerbittliche  Pelide  als  Opfer  eines  Stelldicheins,  zu  den  ihn  die 
Trojaner  gelockt  haben,  Alexander  der  Grosse  und  Coriolan 
sind  zwar  keine  girrenden  Liebhaber  geworden,  aber  doch  völlig 
verblasst  und  abgeschwächt.  Die  Zwangskette  der  5  Akte 
machte  unserem  Dichter,  der  die  Handlung  nicht  zu  verschlingen 
und  zu  verknoten  wuBste  und  sie  ohne  episodische  Abwandlungen 
vom  ersten  Akte  an  unmittelbar  zur  Katastrophe  hinleitete,  be- 
sondere Mühe.  Durch  Retardierungen  und  Wiederholungen,  durch 
endlose  Betrachtungen  und  verschwenderischen  Redeaufwand 
mussten  seine  Personen  die  Zeit  ausfüllen,  welche  die  Theater- 
besucher als  normale  Dauer  eines  Stückes  ansahen.  So  ist 
Dido'x    Opfertod     ein     thränenreiches     Melodram     mit     dürftiger 


E.  Rigol,  Alexandre  Hardy  ei  le  Thehtre  fran^aise  etc.         245 

Handlung  und  Charakterzeichnung,  im  Tode  Alexander*  s,  dem 
Mittelstücke  einer  Trilogie,  füllen  die  Vorbereitungen  zur  Ver- 
giftung des  Helden  mindestens  drei,  das  Hinsterben  desselben 
noch  den  fünften  Akt  aus,  am  Sterbebette  Alexanders  findet  noch 
eine  Art  Militärparade  statt.  Bndlos  gedehnt  sind  die  Ver- 
schwörungspräliminarien in  dem  Tode  des  Darius,  dem  ersten 
Teile,  und  die  Reden,  sowie  eine  mit  der  Haupthandlung  locker 
verbundene  Notzuchtstragödie  nehmen  den  grössten  Umfang  in 
dem  Schlussstücke  TimocUe,  welches  uns  nachträglich  Alexanders 
Sieg  über  Theben  vorführt,  ein.  Auch  die  technisch  vollkommenste 
der  Tragödien  Hardy's,  die  Mariamne,  hat  eine  hin  und  her  ge- 
wundene Handlung  und  viel  überflüssiges  Beiwerk.  Eine  spitz- 
findige Rabulistik  der  Gefühle  und  ein  advokatisches  Plaidieren 
des  Für  und  Wider  sind  Rennzeichen  der  Hardy' sehen  Dra- 
matik, die  sich  in  vollkommener  und  wirksamerer  Art  bei  Cor- 
neille wiederfinden.  Man  wird  hier  nicht  den  geläuterten  ästhe- 
tischen Massstab  unseres  Kunsturteiles  anlegen  dürfen,  beson- 
ders wird  man  die  Schauderszenen,  die  Ausbrüche  der  unge- 
zügelten Rohheit  und  sittlichen  Verwilderung  dem  nicht  Übel 
nehmen,  der  mit  der  Hefe  des  Volkes  sich  abzufinden  hatte, 
und  auch  von  den  besseren  Elementen  der  Theaterbesucher 
keinen  feinen  und  dezenten  Geschmack  erwarten  durfte.  Neben 
11  Schauer-  und  Rührtragödien,  deren  Sujets  aus  dem  geschicht- 
lichen und  halbgeschichtlichen  Altertume  entnommen  sind,  hat 
Hardy  noch  fünf  Stücke  mythologischen  Inhaltes  bearbeitet,  die 
teils  an  den  Styl  seiner  Tragödien  erinnern,  teils  Vorläufer  der 
späteren  Oper  sind.  Sie  verlieren  sich  ins  Romantische,  schalten 
mit  der  alten  Mythologie  ziemlich  frei,  mischen  das  Komische 
mit  dem  Tragischen,  den  Scherz  mit  dem  Ernste,  gehen  ver- 
schwenderisch mit  dem  Wunderbaren  und  Zauberhaften  um  und 
setzen  für  die  Aufführung  ein  nicht  unentwickeltes  Maschinen- 
und  Dekorationswesen  voraus.  Am  unabhängigsten  von  dem 
Zwange  der  Regel,  der  Einheitlichkeit  des  Styles  und  der  Strenge 
der  Form  ist  Hardy  in  seinen  13  Tragikomödien,  die  zum  Teil 
antike,  teilweise  auch  moderne  Stoffe  behandeln  und  an  Aus- 
dehnung öfter  den  Umfang  eines  Stückes  überschreiten,  einmal 
sogar  (in  der  Thiagent  et  Cariclie)  sich  über  8  „Tage"  oder 
40  Akte  ausdehnen.  Regelrechter,  bisweilen  im  Geiste  der 
Aristotelischen  Einheiten,  aber  ohne  den  phantasievollen  Ab- 
schweifungen des  Dichters  Fesseln  anzulegen,  sind  seine  nach 
italienischem  oder  spanischem  Vorbilde  geschaffenen  5  „  Pasto- 
ralen tf,  romantische  oder  idyllische  Verklärungen  des  bürgerlichen 
Lebens.  In  keiner  der  drei  Gattungen  ist  die  historische  Treue 
oder  das  Lokalkolorit  beobachtet,  namentlich  sind  die  religiösen 


246  Referate  und  Rezensionen.    F.  Heuckenkamp, 

Anschauungen  verschiedener  Zehen  in  einer  Weise  gemischt,  die 
an  die  Phantastik  der  spanischen  oder  Shakespeare'schen  Ko- 
mödien erinnert.  Auch  da«  war  im  Geiste  einer  Zeit,  die  ihre 
mittelalterlichen  und  antiken  Vorstellungen  nicht  mit  den  Ein- 
drucken der  unmittelbaren  Gegenwart  harmonisch  zu  verschmelzen 
wusste. 

In  Sprache  und  Verifikation  hält  sich  Hardy  an  die  Theorien 
des  von  ihm  hochverehrten  Roneard  und  verabscheut  alle  Reform- 
versuche des  Puristen  Matherbe.  Natürlich  musste  er  so  dem 
XVII.  Jahrhundert  als  veraltet  gelten  und  ziemlich  allgemeinen 
Tadel  erfahren.  Als  Metrum  wandte  er  neben  dem  Alexandriner 
auch  den  Zehnsilbler  an,  aber  seine  Verse  sind  fehlerhaft,  unge- 
feilt und  seine  Sprache  ein  unharmonisches  Gemisch  der  Gräxi- 
sierungen  und  Latinisierungen  Ronsard'scher  Art  und  der  eigenen 
Sp  racherpfin  düngen ,  die  an  Archaismen  und  Dialektsusdrucken 
reich  sind.  Eine  grossartige  Sprachphantasie  und  eine  Wortfülle, 
die  gegen  die  Kahlbeit  seiner  dramatischen  Vorgänger  und  Zeit- 
genossen vorteilhaft  abstechen,  sind  Hardy  nicht  abzusprechen. 
—  Das  Hotel  de  Bourgogne,  welches  unserem  Dichter  seine 
glänzendsten  Einnahmen  und  besten  Triumphe  verdankte,  war 
das  erste,  welches  ihn  vergase.  Schon  etwa  1635  oder  1636 
verschwanden  seine  Stücke  aus  dem  Repertoire  oder  konnten 
nur  in  modernisierter  Form  sich  halten,  doch  war  Hardy  noch  von 
Ein  Hubs  auf  Corneille's  Jugenddichtungen.  Später  schwankt  das 
Urteil  über  Hardy  zwischen  unverdientem  Tadel  und  gerechterer 
Anerkennung,  doch  überwiegt  der  erstere.  Das  unbestrittene 
Verdienst  Hardy's  bleibt  es  aber,  dass  er  neben  der  Hasse  auch 
die  besseren  Stände,  und  sogar  Gelehrte  and  Honeute  in  das 
Theater  zu  ziehen  vermochte  und  dadurch  sowohl  der  rohen 
Volksbühne,  wie  dem  .Schuldrama  ein  Ende  bereitete. 

Rigal  gibt  im  Anhange  noch  einen  genauen  Überblick  über 
einige  Quellen  seiner  Forschungen  und  hat  auch  (8.  542—556) 
den  Versuch  gemacht,  mehrere  verlorene  Stücke  Hardy's  nach 
Theaterü herliefe mngen  zu  rekonstruieren. 

Wir  haben  in  seinem  Werke  das  Beste  und  Vollständigste, 
was  je  Über  den  vergessenen  und  grösstenteils  verschwundenen 
Dichter  geschrieben  worden  ist.  Besonders  reichhaltig  und  neu 
sind  seine  Untersuchungen  Über  die  Sprache  und  den  Versbau 
Hardy's  (S.  557—652),  für  die  wir  auf  das  Buch  selbst  ver- 
weisen. R.  Hahrenholtz. 


/.  Barbei/  d'JureviUy,  XIX'  siede.   Les  (Euvres  et  Us  Bommes.      247 

Barbey  d'Aurevilly,  J.,  XIX*  stiele.  Les  Oeuvres  et  les  Hommes. 
Les  Poetes.  Paris,  1889.  A.  Lemerre.  360  Seiten.  8°. 
Preis:  7,50  Pres. 

Der  vorliegende  Band  enthält  20  Essais,  welche  ihren  Ur- 
sprung dem  bekannten  ä  propos  d'un  livre  ricerd  verdanken  und 
wohl  hier  nicht  zum  erstenmal  veröffentlicht  werden,  obgleich 
darüber  keinerlei  Angabe  gemacht  ist.  Zwischen  dem  Titel  des 
Buches  aber  und  seinem  Inhalt  besteht  der  merkwürdigste  Kon- 
trast. Neben  Hugo,  Heine,  A.  Barbier  und  Lamartine  weist  das 
Inhaltsverzeichnis  die  Namen  la  Fontaine,  Ronsard,  A.  Ch&rier 
und  Agrippa  d'Aubignä  auf.  Zwischen  Jean  Richepin  und  Theo- 
dore de  Banville  sind  Milton  und  Corneille  eingeschoben.  Im 
übrigen  werden  Madame  Ackermann,  Laurent  Pichat,  Am6d6e 
Pommier,  Charles  Monselet  besprochen  sowie  Hektor  de  Saint- 
Maur,  Paul  Bourget,  Maurice  Rollinat  und  Alfred  de  Vigny.  — 
Und  das  Alles  soll  neunzehntes  Jahrhundert  sein  ? !  So  gar  schwer 
war  es  doch  unmöglich  für  die  vorliegenden  Aufsätze  einen  passen- 
den Namen  zu  finden,  wenn  man  sich  nur  mit  einem  etwas  be- 
scheideneren Titel  hätte  begnügen  wollen.  — 

Es  wäre  überflüssige  Ausführlichkeit,  wenn  ich  die  ein- 
zelnen Aufsätze  eingehend  besprechen  wollte.  Das  Interesse, 
welches  sie  für  den  Literarhistoriker  haben,  ist  ein  sehr  un- 
gleiches. Einzelne  Kapitel,  wie  dasjenige,  in  welchem  der  dritte 
und  vierte  Band  der  Ligende  des  südes,  die  Chansons  des  rues 
et  des  bois  und  Le  Pape  besprochen  sind,  dürfen  vielleicht  nicht 
ohne  Nutzen  gelesen  werden.  Aber  zu  oft  schrumpft  das  Wesent- 
liche des  Inhalts  auf  einen  glücklichen  Vergleich,  ein  treffendes 
Wort,  eine  überraschende  Parallele  zusammen.  Man  wird  mehr 
durch  die  Gewandtheit  des  Journalisten  als  durch  die  Tiefe  seiner 
Gedanken  gefesselt;  eine  Gewandheit,  die  es  Barbey,  dem  eifrig- 
sten Vorkämpfer  der  katholischen  Kirche,  möglich  macht,  selbst 
der  jScole  satanique  Abschnitte  zu  widmen,  in  denen  er  sich  bis 
zur  Bewunderung  hinreissen  lässt.  Des  Dichters  ungemein  leben- 
dige und  blendende  Sprache,  in  ihrer,  die  Grenzen  des  Möglichen 
streifenden  Originalität,  diese  Sprache  welche  Paul  de  Saint- 
Victor  einen  Zaubertrank  aus  Blumen,  Schlangen,  Tigerblut  und 
Honig  genannt  hat,  verfehlt  auch  hier  ihre  Wirkung  auf  den  Leser 
nicht.  Als  typische  Beispiele  für  die  französische  Feuilletonkritik, 
als  Urteile  eines  Künstlers,  als  Ergänzung  zu  den  zahlreichen 
Schriften  des  seinerzeit  berühmten  Schriftstellers  dürfen  diese, 
kurz  vor  dem  Tode  ihres  Verfassers l)  gesammelten  Blätter,  trotz 
allem  Beachtung  finden.  F.  Heuckenkamp. 

*)  April  1889. 


248  Referate  und  Rezensionen.    F.  Tendering, 

Stengel,  E.  Chronologische»  Verzeichnis  französischer  Gramma- 
tiken vom  Ende  des  14.  bis  zum  Ausgange  des  18.  Jahr- 
hunderts, nebst  Angabe  der  bisher  ermittelten  Fundorte 
derselben.  Oppeln,  1800-  Eugen  Franck's  Buchhandlung. 
CG.  Mauke.) 

Ein  wertvolles  Werkchcn!  In  Jahresfrist  wurde  aus  mehr 
als  120  Bibliotheken  das  Material  herbeigeschafft,  gesichtet  and 
zusammen  gestellt,  eine  mühevolle  Arbeit,  die  umfassende  Sach- 
kenntnis und  eiserne  Ausdauer  voraussetzt,  und  die  um  so  dan- 
kenswerter ist,  als  es  wahrlich  nicht  an  entmutigenden  Urteilen 
über  den  Wert  derselben  gefehlt  hat.  Ich  selbst  habe  innerhalb 
sehr  bescheidener  Grenzen  einen  Beitrag  zu  dem  Buche  liefern 
dflrfen  und  that  dies  in  dem  Gedanken,  dass  die  Zweckmässig- 
keit einer  solchen  Zusammenstellung  in  keinem  Verhältnisse  stehen 
dürfte  zu  der  Mühe,  welche  die  Arbeit  verursacht.  Jetzt  indess,  wo 
das  Werkchen  vor  uns  liegt,  wird  sich  selten  Jemand  finden,  der 
nicht  hundertfältigen  Nutzen  aus  demselben  ziehen  kann.  Der 
Sprachgebrauch,  das  Werden  der  Grammatik  in  einem  Zeiträume 
von  500  Jahren  (Grammatik  für  Deutsche  allerdings  erst  seit  1550), 
ihre  Wandlungen  in  dieser  Zeit  fest  zu  stellen,  wird  der  histori- 
schen Sprachforschung  an  der  Hand  dieses  Buches  ungemein  er- 
leichtert. Die  Ausbildung  der  Methodik,  der  grammatischen 
Technik  tritt  uns  in  ihrer  Entwickelung  vor  die  Augen,  ein  Um- 
stand, der  nicht  zu  unterschätzen  ist  zu  einer  Zeit,  wo  die  Mei- 
nungen gerade  Über  diesen  Punkt  in  schwerem  Ringen  begriffen  sind. 

Die  Ausbeutung  des  Buches  ist  dadurch  wesentlich  erleichtert, 
dass  sich  ausser  Angabe  der  Fundorte  der  einzelnen  Grammatiken 
noch  drei  alphabetische  Register  Über  Verfasser,  Titel  und  Ver- 
lagsorte  am  Schlüsse  desselben  finden. 

Dass  das  vorliegende  Material  der  Ergänzung  bedarf,  ist 
selbstverständlich.  Verfasser  weist  zn  wiederholten  Malen  darauf 
hin,  nimmt  selbst  S.  VI  und  124  ff.  Besserungen  vor  und  fügt 
Nachtrüge  hinzu.  (Im  Verzeichnisse  der  Bibliotheken  fehlt 
Breslau  gänzlich.)  Ich  bitte  daher  alle  Fachgenossen,  der  Ar- 
beit ihre  Unterstützung  angedeiben  zu  lassen,  und  dasselbe  durch 
weitere  Beitrüge,  die  sich  auch  auf  das  Gebiet  der  Aussprache, 
der  Orthographie  und  auf  das  der  Chrestomathien  erstrecken 
mögen,  der  Vollendung  entgegen  zu  führen. 

Es  wäre  wünschenswert,  dass  das  Ministerium  für  geistliche, 
Unterrichts-  und  Medizinal -Angelegenheiten  dies  fllr  französische 
grammatisch  -  historische  Studien  Überaus  wichtige  Buch  durch 
eine  Empfehlung  in  sämtliche  Bibliotheken  der  höheren  Lehr- 
anstalten einführte.  Pn.   Kbeutzbeko. 


H.  Bredtmann,  Der  sprachliche  Ausdruck  etc.  249 

Bredtmann,  Hermann.  Der  sprachliche  Ausdruck  einiger  der  ge- 
läufigsten Gesten  im  altfranzösischen  Karlsepos.  Diss. 
Marburg,  1889.     70  S.     8°. 

Etwa  80  Texte  bat  Bredtmann  mit  Rücksicht  auf  den  sprach- 
lichen Ausdruck  der  Gesten  des  Kopfsenkens,  Kopfhebens,  Kopf- 
Schutteins  durchgearbeitet.  Nach  einer  allgemeinen  Einleitung 
über  die  Gesten  überhaupt,  gibt  er  in  302  Nummern  eine  kurze 
Obersicht  über  die  Redensarten,  durch  welche  jene  Gesten  aus- 
gedrückt werden.  Aus  der  sich  anschliessenden,  sehr  gewissen- 
haft durchgeführten  Untersuchung  über  den  Bau  dieser  Ausdrücke 
ergibt  sich,  dass  derselbe  allmählich  immer  formelhafter  wurde, 
so  dass  wenige  ganz  feste  Schemata  bleiben,  ja  sogar  dass  die 
Verbindung  dieser  Redensarten  mit  dem  Vorhergehenden  und 
Folgendem  eine  immer  gleichmässigere  wird,  so  dass  auch  der 
Inhalt  zur  reinen  Formel  herabsinkt,  die  zu  den  Gefühlen,  welche 
die  Personen  bewegen,  nicht  mehr  im  Verhältnis  steht.  Wo  Be- 
griffe fehlten,  stellte  das  Wort  sich  zur  rechten  Zeit  ein.  Eine 
sinnlose,  durch  das  Reimbedürfnis  bedingte  Anwendung  der  Redens- 
art griff  immer  weiter  um  sich. 

Der  Verfasser  ist  in  seinen  Schlüssen  hinlänglich  vorsichtig 
und  lässt  sich  nicht  durch  das  Bedürfnis  etwas  Neues  zu  finden 
fortreissen,  was  übrigens  bei  der  ungeheuren  Arbeit  welche  in 
in  der  bescheidenen  Schrift  steckt,  nicht  unverzeihlich  wäre.  So 
glauben  wir  nach  dieser  Erstlingsschrift  solide  künftige  Leistungen 
Bredtmanns  erwarteil  zu  dürfen;  wir  wünschen  ihm  aber,  dass  er 
dann  dankenswerteren  Gegenständen  sein  Interesse  zuwenden  kann. 

F.  Tendebing. 


Darmesteter,  Ars&ne.  La  Question  de  la  riforme  orihographique. 
Memo ir es  et  Documents  scolaires  pübliis  par  le  musee 
pMagogique.  Fascic.  No.  73.  Paris,  1888.  Hachette 
et  Co.     8°.     24  S. 

Die  kleine  Schrift  Darmesteter's,  wohl  die  letzte  von  dem 
der  Wissenschaft  allzu  früh  entrissenen  Verfasser  noch  selbst 
veröffentlichte,  verdient  ein  Interesse  weit  über  die  in  ihr  behan- 
delte Frage  hinaus. 

Darmesteter  gibt  in  einem  ersten  Abschnitt  (S.  2 — 4)  eine 
gekürzte,  von  Feinheiten  absehende  Zusammenstellung  der  im 
Französischen  vorhandenen  Laute  und  ihrer  verschiedenen  Dar- 
stellungen, in  einem  zweiten  (S.  4—10)  eine  kurze  Geschichte 
der  franz.  Orthographie,  ähnlich  der  unsrigen  in  der  Grammatik 


250  Referate  und  Rezensionen.     K.  Xoschmtz, 

der  neufranzösischen  Schriftsprache  {8.  I — 5),  und  geht  darauf 
in  Abschnitt  III  (S.  11  — 13)  zur  Kritik  sowohl  der  etymologi- 
schen wie  der  phonetischen  Ort hographiesy steine  des  Französi- 
schen über,  die  beide  gleich  abfällig  beurteilt  werden.  Von  hoher 
Bedeutung  ist  insbesondere  seine  Wertschätzung  der  phonetischen 
Schule.  Da  gerade  ftlr  sie  (und  in  ihrem  Gefolge  für  einen 
phonetischen  Unterricht  oder  wenigstens  ftlr  Einführung  phoneti- 
scher Transskriptionen)  auch  in  Deutschland  eine  mehr  oder 
minder  nrtcüslose  Propaganda  gemacht  wird,  so  glauben  wir  gut 
zu  thun,  wenn  wir  die  betreffende  Stelle  in  ihrem  vollen  Umfange 
hier  wiedergeben.     Sie  lautet: 

En  face,  Vicnle  phonitique  dresse  »ort  drapeau :  un  sign* 
pour  chaqut  ton,  un  ton  pour  chaque  eigne.  N'est-ce  pas  lä  t  idfall 
Oui,  pour  le  Ungutste  ou  le  phi/siologiste,  qui  veut  faire  l'analyit 
eeientifique  des  tone  fmis  par  la  bouclle  humaine.  Mais  ne  songtz 
pas  ä  transporter  dans  l'usage  courant  des  procidis  de  laboratoire. 

Voulez-vous  noter  les  tont  d'aprie  leurs  iliment»  constitutiftl 
Ecrivez  alort  won  oi,  mais  wa,  puisque  le  son  oi  est  forme'  dt 
Vau  consonne  et  de  la  voyelle  a  fermi.  Et,  comme  ce  w  et  cet  a 
varient  suivant  les  mots,  en  intensiti  et  en  dürfe,  distinguez  le  w 
fort  ou  sourd  de  poire,  du  w  faible  ou  sonore  de  boire,  Ca  fermi 
long  de  boire  de  f a  fermi  moyen  de  bois  ou  de  Fa  fermi  bref  de 
boite.  N'employez  plus  les  eignes  simples  m  au  n  pour  noter  des 
sons  composis  qui  tont  la  combmaison  d"un  b  ou  dfun  d  avec 
une  nasalisation:  m  est  ä  b,  ou  n  est  ä  d  ce  que  an  est  ä  a;  ou 
Heu  de  mon  ami,  icrivez  donc  b  o  d  a  b  i.  Et  comme  chacune 
den  voyelles  diffirentes  qui  tuit  la  palatale  k  la  modifie  diffiremment 
dans  son  essence,  ayez  autant  de  eignes  spiciaux  pour  noter  le* 
variitis  de  la  palatale.1)  Voilä  ce  que  vous  imposera  VappUcation 
rigoureuse  de  la  mithode  phonitique. 

Une  orthograpke  phonitique  est  pratiquement  impossiblc.  A 
supposer  qu'on  se  retrouve  dans  la  Situation  des  peuples  romans, 
quand  ils  commencirent  ä  icrire,  qu'une  nouoelle  invasion  de  bar- 
bares vienne  ditruire  toute  tradition  littiraire,  et  que  les  ginirations 
suivantes,  sans  Wen  avec  le  passi,  recommencent  une  hre  nouvelle, 
elles  arriveraient  peut-etre  ä  se  faire  un  aiphabet  qui  mette  en 
accord  —  jusqu'ä  un  certain  point  —  icriture  et  prononeiation. 
Mais  lä  encore,  la  prononeiation  abandonnie  ä  elle-meme,  varierait 
de  province  A  province,  de  ville  ä  ville,  de  quartier  ä  quartier,  de 
sexe  ä  sexe,  d'homme  ä  homme,  et,  chez  le  mime  individu,  selon 
l'dge  et  l'kumeur.    Chez  chaeun  de  nous  la  prononeiation  subit  sans 


')  Ainsi,  dans  corps,  car,  quai,  qui,  autant  de  Varietes  afferentes 
de  la  palatale  k. 


A.  D armesteter,  La  Question  de  la  re forme  orthographiqne.      251 

cesse  des  modifications  infinies  d'accent,  de  timbre,  de  durie  que 
la  pkysiologie  la  plus  profonde  et  la  plus  exacte  auraü  peine  ä 
noter  completement.  Et  ton  voudrait  l'emploi  genital  oVune  ortho- 
graphe  phonetique!  Ces  deux  mots  orthographe  phonetique  jurent 
de  se  voir  accoupUs.  Qui  dit  phon6tique  dit  notation  rigoureuse 
de  toutes  les  variations  locales  ou  individuelles  de  la  prononciation, 
et  qui  dit  orthographe  entend  une  notation  generale^  officielle,  qui% 
s'ilevant  au-dessus  de  ces  variations,  exprime  la  moyenne  des  nuan- 
ces  infinies  quelles  comportent.  Une  orthographe  phonetique  ne 
peut  itre  quune  orthographe  qui  se  contente  d'etre  ä  peu  pres 
phonetique ;  au  fond,  c'est  une  simplification  de  V orthographe 
habituelle.  A  ce  poini  de  vue}  il  ny  aurait  guere  quune  question 
de  plus  ou  de  moins  entre  Vicole  qui  la  riclame  et  Vicole  qui 
demande  seulement  un  alligement  dans  la  facon  d'ecrire  les  mots. 
Der  Verfasser  steht  hierin  vollständig  auf  dem  Standpunkte 
des  Referenten.  Eine  phonetische  Transskription,  die  das  ge- 
sprochene Wort  ersetzen  könnte,  gibt  es  überhaupt  nicht  und  wird 
es  wohl  nie  geben;  Transskriptionen  wie  etwa  diejenige  Passy'8 
in  seinem  Francais  parle  sind  fUr  wissenschaftliche  Forschung 
durchaus  ungenügend  und  können  allenfalls  nur  für  praktische 
Zwecke  geduldet  werden.  Für  den  allgemeinen  Gebrauch  ist 
ausschliesslich  eine  Vereinfachung  der  offiziellen  Orthographie 
durchführbar.  Es  kann  sich  also  nur  darum  handeln,  festzustellen, 
in  welcher  Weise  diese  Vereinfachung  angenommen  werden  soll. 
Darauf  geht  Darmesteter  in  Abschnitt  IV  (8.  14 — 22)  ein.  Er 
bemerkt,  dass  die  gesprochene  und  geschriebene  Sprache  Frank- 
reichs so  weit  von  einander  abweichen,  dass  beide  Sprachen  ihre 
eigene  Grammatik  besitzen.  Die  geschriebene,  durch  die  Litteratur, 
die  Schrift,  die  Schule  geheiligte  Schriftsprache  ist  aber  nicht 
etwa  durch  die  gesprochene  zu  verdrängen.  Namentlich  muss  in 
der  Rechtschreibung  der  Überlieferung  Rechnung  getragen  werden. 
Allzu  weitgehende  Orthographiereformen  sind  stets  gescheitert  und 
werden  immer  wieder  scheitern.  Auch  das  Auge  hat  seine  Ge- 
wohnheiten, die  ebenso  wie  die  des  Ohres  berücksichtigt  werden 
müssen.  Ferner  muss  beobachtet  werden,  dass  die  Ortho- 
graphiereformen,  wenn  sie  den  grammatischen  Unter- 
richt komplizieren,  sein  Regelwerk  erweitern,  statt 
es  zu  vereinfachen,  abzulehnen  sind.  Zu  billigen  sind 
Reformen  wie  der  Ersatz  von  x  durch  s  und  ss;  durch  ihn  tritt  in 
Deklination  und  Konjugation  eine  Vereinfachung  ein :  Tuyau, 
chapeau,  feu,  genou,  feront  au  pluriel  tuyaus,  chapeaus,  feus, 
genous,  comme  loi  fait  aujourd'hui  lois,  apres  avoir  fait  long- 
temps  loix;  on  icrira  heureus,  jalous,  et  il  sera  inutile  dVenseigner 
que  le  feminin  de   ces  adjectifs  se  forme   en  changeant  x  cn  se: 


2S2  Referate  und  Rezensionen.    P.  Oltramare, 

heureuse,  jalouae.  Les  »erbe»  pouvoir,  vouloir,  valoir  feront  je 
peus,  tu  pcUB,  je  veus,  tu  veus,  je  vaus,  tu  vaua,  eomme  craindre 
et  venir  fönt  je  crains,  tu  crains,  je  viena,  tu  viene.  Voüd  <tidües 
simplißeations.  Ebenso  ist  die  Darstellung  jedes  £  durch  j  (statt 
j  und  g)  zu  empfehlen:  du  coup  on  supprimerait  la  regle  den 
verbes  en  ger  9m'  interealent  un  e  apre*  le  g  devant  a  et  0 
(mangeons)  et  la  difficulte  que  präsente  la  prononciation  da 
mots  en  geure,  tels  que  vergeure  que  beaucoup  prononcent,  il  (ort, 
verjeure.  Mau  unterdrücke  ferner  ce.u  und  «  zu  gunsten  von  eu  in 
bceuf,  seeur,  nceud,  vatu,  azil  und  schreibe  beuf  wie  neuf,  seur  wie 
peur  etc.;  tuil  (f.  mit)  würde  zugleich  den  PI.  t/euar  oder  iVvx 
näher  rücken.  Natürlich  mÜBsen  selbst  solche  Reformen  nur 
laugsam  und  successive  ausgeführt  werden.  Hit  der  Vereinfachung 
dcB  Alphabets  hat  die  Unterdrückung  überflüssiger  Buchstaben 
Hand  in  Hand  zu  gehen.  So  sind  die  unnützen  Konsonanten- 
Verdoppelungen  aufzugeben.  Quel  soulagemeni  apporteraü  cetti 
simplification  riclamie  depui»  plus  de  deux  stiele» !  On  peut  affr- 
mer  qu'U  n'est  pa»  un  lettre,  füt-il  de  l'Academie  francaite,  gvi 
n'ait  hisili  une  fois  au  moinn  en  *a  vie  sur  Vemploi  de*  cotuonna 
doublen,  alors  que  la  prononciation  n'en  indique  quune;  tont  le» 
contradictions  abandent  sur  ee  point  dann  notre  orthographe  offi- 
cieHel  Quel  soulagement  aussi  pour  la  grammaire!  Toutes  ee» 
regle»  bizarre»  »ur  la  formation  du  fiminin  dann  le»  adjectifi, 
de»  futurs  et  eondäionnels  de»  verbes  en  eler  et  eter,  »'evanouiraient 
soudain  au  grand  profit  des  maitres  et  des  eleven.  Dagegen  will 
Darmesteter  das  stumme  e  in  der  Schrift  erhalten  wissen,  ebenso 
die  stummen  Endkonsonanten.  A  moin»  d'un  bouleversement  com- 
plet  dann  notre  orthographe,  bouleversement  qui  ferait  du  franfaü 
une  autre  langue,  on  ne  peut  songer  ä  errire:  Le  premtä  des  berge 
va  chante  un'  bei'  romans'  bien  tourne.  Le»  finales  donnent  au 
mot  sa  pkysionomie  propre  et  l'achevent,  et  on  ne  peut  y  toucker 
»ans  älterer  la  langue.  C'est  iei  que  »e  distingue  elairement  la 
notation  phonetique  de  la  nolation  orthograpkique  simplifie'e.  Pour 
les  phonHistes ,  ces  finales,  ne  ripondant  ä  rien  de  reel,  doivent 
disparaitre;  pour  les  grammairiens,  elles  fönt  partie  intime  du 
mot.  II  faut  les  conserver,  sans  »e  prioceuper  des  rapports  de  la 
graphie  ä  la  prononciation,  parce  que,  si  on  voulaä  itre  exatt, 
on  arriverait  ä  des  complicattons  extraordinaires :  on  icrirait  on 
gran  garcon,  un  grant  enfant,  une  grande  rille ;  ils  sont  si  freres, 
ils  sont  siz  cnfants,  ils  sont  sis'.  11  faut  les  conserver  parte 
quellen  expliquent  le  plus  souvent  la  derivation:  la  finale  de  trait 
reparatt  dans  traiter,  de  plomb  dans  plomber,  de  Bucces  dant 
successeur,  de  gris  dans  grisätre,  de  berger  dann  bergere,  de 
bonnet  dans  bonnetier,   dp  pot  dan»  potee.    —   Jede  der  voran- 


M.  Bre'al,  La  Re forme  de  Vorthographe  franqaise.  253 

nehmenden  Schriftänderungen  muss  in  allen  ihren  Folgen  unter- 
sucht werden,  und  man  muss  sich  dessen  vergewissern ,  ob  sie 
ohne  Nachteil  (Komplikation)  auf  alle  einschlagenden  \Vorte  an- 
gewendet werden  kann. 

Die  französische  Orthographiereform  wird,  wir  glauben  es  mit 
Darmesteter  (Abschnitt  V,  S.  22  ff.),  in  der  von  ihm  geschilderten 
Weise  mehr  oder  minder  langsam  und  mehr  oder  minder  voll- 
ständig vor  sich  gehen.  In  ihrem  Gefolge  werden  eine  grosse  Anzahl 
Schreibregeln  und  mit  ihnen  eine  Menge  grammatischer  (Flexions- 
und  Konkordanzregeln,  vgl.  Ztschr.  XII2,  S.  139  f.)  verschwinden. 
Die  Franzosen  haben  ein  lebhaftes  Interesse  daran,  ihrer  Schul- 
jugend das  Erlernen  der  geschriebenen  Sprache  zu  erleichtern; 
jede  derartige  Erleichterung  kommt  aber  auch  dem  Ausländer  zu 
gute,  und  wir  haben  so  die  Hoffnung,  dass  die  französische 
Grammatik  im  nächsten  Jahrhundert  unseren  Schülern  geringeren 
Verdruss  durch  überflüssigen  Regelwust  bereiten  werde.  Dagegen 
zeigen  die  Auseinandersetzungen  Darmesteter's  und  Cledat's  deut- 
lich, dasß  in  den  führenden  Kreisen  Frankreichs  —  mit  vollem 
Recht  —  keine  Neigung  ftir  eine  extreme  Orthographiereform, 
für  eine  wirklich  phonetische  Rechtschreibung  vorhanden  ist,  und 
zwar  aus  demselben  Grunde,  aus  dem  wir  einen  phonetischen 
Unterricht  der  französischen  Grammatik  in  Deutschland  ablehnen 
zu  müssen  glauben  (vgl.  Ztschr.  XII,  1  ff.),  weil  damit  keine  Er- 
leichterung, sondern  eher  eine  Erschwerung  des  Erlernens  der 
Sprache  verbunden  sein  wird.  Es  ist  also  keine  Gefahr  vor- 
handen, dass  wir  von  Frankreich  aus  zur  Einführung  der  von 
mir  und  Cledat  (v.  I.  c.  u.  S.  258  ff.)  skizzierten  phonetischen 
Zukunftsgrammatik  gezwungen  werden. 

E.  Kosohwitz. 


Bräal,  Michel,  La  Reforme  de  Vorthographe  francaise.  (Extra it 
de  la  Revue  des  Deux  Mondes  du  1er  Dec,  1889). 
Paris,  Hachette,  1890. 

Dussoochet,  J.,  La  Reforme  orthographique  (Extrait  du  Corres- 
pondant),  ib.  1890. 

Havet,  Louis,  La  Simplification  de  Vorthographe ,  ib.  1890. 

I.  Tout  ce  qu'ecrit  M.  Breal,  et  particulierement  ce  qu'il 
ecrit  ä  l'adresse  d'un  public  6tendu,  se  distingue  par  de  rares 
qualites  d'61egance  et  de  finesse,  qui  ne  vont  pas,  il  est  vrai, 
sans  une  assez  forte  dose  de  scepticisme  et  de  douce  ironie. 
Sons  les  dehors  d'une  bonhomie  indulgente,  il  sait,  mieux  que 
personne,  mettre  ä  nu  les  cotös  faibles  des  theses  qu'il  examine; 


254  Refm-ate  und  Rezensionen.     P.  Otlramare, 

et  fait  impitoy  ab  lernen!  justice  de  toutes  Üb  exagerations. 
Traitant  de  la  qneation  orthographique,  il  a  pu  clouner  libre 
carriere  ä  son  taleut  plein  de  malice  et  de  aeduction,  et  Ton 
a  pris  un  plaisir  extreme  a  lire  dana  la  Revue  des  Dem  Mondes 
aa  conaultation  sur  cet  important  sujet.  Par  contre,  de  cea  pages 
spirituelles,  mais  peu  concluantes,  il  serait  malaise  de  degager 
la  pensee  intime  de  l'auteur.  Aueai  la  plupart  des  lecteurs  s'y 
sont-ils  laisse  prendre.  IIa  sont  demeurcs  convaineus  que  la 
cause  de  la  reforme  n'avait  paa  de  plue  redoutable  adversaire 
qne  M.  Breal;  et  M.  Brunetiere,  un  farouche  partiaan  du  statu 
quo  orthographique,  a  pu  naguere  adresser  force  compliments  et 
actione  de  gräces  ä  sod  eminent  collaborateur. 

Or,  M.  Breal  a  ete  Tun  des  plus  empreasee  a  signer  la 
Petition  ä  l'Academie,  et  Ton  ne  peut  rai  sonn  ab  lern  ent  admeltre 
qu'il  ait  change  d'avis  entre  mai  et  decembre  de  la  meine  annet. 
II  eat  evident,  par  consequent,  qu'on  a'eat  mepris  sur  ses  vraiti 
intentiona,  meprise  surprenante ,  puiaqu'il  s'agit  d'un  ecrivaio 
remarquable  par  la  neltete  de  la  pensee.  Si  cette  errenr  s  pu 
cependant  etre  commise,  c'est  qu'on  l'a  senti  bien  plus  preoecupe 
de  calmer  l'impatienee  dea  uovatenrs,  que  de  prouver  aus  recal- 
citrante  la  necessite  d'une  reforme;  c'est  qu'a  cbaque  raison 
alleguee  en  faveur  de  la  simplification,  il  oppose  une  contre- 
raison  qui  l'annule;  c'est  que,  vera  la  fin  de  son  article,  i] 
desavoue,  ou  peu  s'en  faut,  la  ligne  de  conduite  adoptee  par 
les  cbefs  de  l'agitation  reforroiate. 

Pour  demander  une  refonte  d'enaemble  von«  voua  appuyez, 
sur  une  raison  d'äconomie.  —  I'rcnez  garde,  objeete  H.  Breal, 
qu'en  faieant  court,  vous  ue  fassiez  laid,  et  surtout  obscur. 

Invoqnez  voua  au  contraire  l'interct  des  etrangers?  —  Vom 
vous  exagcrez,  est-il  repondu,  les  obstacles  qu'oppoae  l'ortlio- 
grapbe  a  l'expanaion  de  notre  langne.  D'ailleurs,  precisemem 
a  cause  des  etrangers,  beaueoup  de  prudence  eat  necesaaire. 
Des  cliangements  trop  bruaqnes  risqueraient  de  deconcerter  les 
clients  actuels  de  la  culture  francaiBe. 

Mais  les  enfants?  N'est-il  paa  urgent  de  les  affrancliir 
d'une  etude  aussi  sterile  que  penible?  „Entre  loa  mains  de 
nos  maftres  d'ecole,  tout  devieudra  matiere  a  examen  et  «  con- 
cours,  si  leur  esprit  est  Oriente  de  cc  cöte:  les  tours  de  force 
en  Chronologie  vaudraient-ils  beaueoup  mieux?  La  nouvelle  ortho- 
graplie  n'aurait-elle  pas  bientöt  elle-meme  ses  arcanes  et  ses 
pieges?" 

H.  Breal  ne  conteste  point  cependant  qu'il  y  ait  quelque 
chuse  a  faire.  II  detnande  par  exemple  l'expulsion  de  tonte« 
les  lettres  „qui  doivent  leur  presence  a  une  erreur  d'etat  civil", 


/.  Dussouckci,  La  Re  forme  orthographique.  255 

ainsi  le  d  de  poids,  le  c  de  sceau.  „Quelques  fausses  lettres 
ätymologiques  suffiraient  pour  jeter  le  discrödit  sur  toutes  les 
autres."  II  voudrait  aussi  qu'on  simplifiät  certaines  r&gles  gramma- 
ticales:  extension  de  8  ä  tous  les  pluriels;  suppression  des 
traits  d'union  dans  les  composäs;  dans  la  thöorie  des  participes, 
Elimination  de  toutes  les  difticultes  qui  s'y  sont  introduites  de 
par  la  volonte  des  grammairiens.  II  est  vrai  qu*il  ajoute  aussi- 
tot  que  „cette  re  Vision  du  vocabulaire  ne  pourrait  etre  con- 
duite  jusqu'au  bout  sans  faire  aucune  concession  a  l'usage  ou 
4  la  clartä,  de  sorte  qu'on  supprimerait  d'anciennes  inconse- 
quences  pour   en  crEer  de  nouvelles." 

On  a  eu  tort,  d'apres  M.  Breal,  de  mettre  l'Academie  eu 
demeure  de  prendre  l'initiative  de  la  simplification  reclamee. 
L'Academie  suit  l'usage,  nous  dit-il;  eile  ne  le  prdcöde  jamais. 
C'est  la  une  objection  a  laquelle  on  a  deja  repondu  plus  d  une 
fois.  On  a  montrß  que  1'Academie  avait  spontan 6m ent  introduit 
bien  des  changements,  quelquefois  meme  des  changements  con- 
siderables.  On  a  fait  observer  aussi  que  chacun  6tant  anjourd'hui 
tenu  de  se  conformer  strictement  ä  la  loi  ötablie  par  les  Quarante, 
eux  seuls  ont  l'autoritä  necessaire  pour  y  apporter  des  modi- 
fications. 

M.  Breal  demande  aus  reformateurs  de  faire  eux- meines 
„l'application  et  la  preuve  de  leurs  idEes  en  choisissant  uu 
point  particulierement  Evident,  et  en  pratiquant  dös  a  präsent 
ce  qu'ils  conseillent".  II  m'est  impossible  de  partager  cette 
maniere  de  voir.  Toute  tentative  de  reforme  qui  n'aura  pas 
l'Ecole  pour  centre  de  rayonnement,  avortera  infailliblement. 
Quel  pfcre  de  famille,  ecrivant  ä  ses  enfants,  oserait  employer 
une  orthographe  autre  que  celle  qu'ils  apprenuent  sur  les  bancs 
de  l'Ecole?  Or  nous  n'aurons  FEcole  que  si  nous  avons  l'Aca- 
demie.  II  eiait  donc  indispensable  d'agir  en  premiere  ligne  sur 
la  seule  autorite  legislative  que  reconnussent,  en  fait  de  langue, 
l'instituteur,  le  prote  et  le  fonetionnaire  public. 

II.  L'opuscule  de  M.  Dussouchet  est  extrait  de  la  revue 
le  Correspondant.  II  n'y  faut  pas  chercher  des  arguments  nou- 
veaux  ou  des  vues  originales.  C'est  surtout  un  rapide  bistorique 
de  la  question,  agremente  d'une  foule  d'anecdotes  bien  eboisies 
et  narröes  avec  esprit.  Au  reste,  l'auteur  s'est  contente  de 
dEvelopper  sur  certains  points,  de  reproduire  textuellement  sur 
d'autres,  quelques  pages  de  l'introduction  du  Nouveau  Cours 
de  Grammaire  Frangaise  qu'il  a  publik  avec  la  collaboration  d'A. 
Brächet.  II  anrait  bien  du  profiter  de  l'occasion  pour  expliquer 
ce  qu'il  entendait  par  cette  phrase  de  la  grammaire,  reiinprimee 
presque    dans    les    memes    termes    dans    le  Correspondant:  „Le 


256  Referate  und  Rezensionen.    E.  Xotckmitz, 

mot  orthographe  est  an  exemple  des  mauvais  totira  quo  l'etymo- 
logie  (?)  a  deja  joues  a  notre  orthographe  (?)." 

III.  M.  Louis  Havet  a  ete,  Binon  l'initiateur,  dn  moina 
le  general  en  chef  de  la  deraiere  campagne  orthographique.  On 
n e  Baurait  trop  admirer  l'aetivite  et  la  prudence  qu'il  y  a  de- 
ployees.  Charge  de  rediger  la  petitiou  qui  devait  Stre  adressee 
a  l'Academie,  il  a  libelle  ce  document  avec  taut  de  tact  et 
d'habilete  que  les  plus  moderes  cumme  les  plus  intransigeaDti 
out  pu  y  apposer  leur  Signatare.  Et  que  de  lettres  il  Ini  i 
fallu  ecrire  aux  journaux,  aux  reviies,  ä  ses  nombreax  lieutenants! 
Quel  que  soit  l'accueil  que  l'Academie  menage  a  la  petitiou, 
les  peines  de  M.  Havet  n'auront  pas  ete  steriles.  C'est  certea 
un  resultat  dout  il  peiit  etre  fier  que  d'avoir  associe  daas  an 
meine  effort  les  professeurs  de  faculte  et  les  iustituteurB,  des 
radicaux  et  des  conaervateurs,  des  catholiques  et  des  protestanta, 
des  Francis,  des  Beiges  et  des  Suisses  Romands.  801)0  signt- 
tures  out  ete  recueillies  presque  exclusivencmcnt  dans  le  munde 
des  lettres,  des  seiendes  et  de  l'enseignement.  N'y  a-t-ü  pat 
dans  cette  imposante  manife Station  de  quoi  rassurer  la  religion 
de  ceux,  parmi  les  Quarante,  qui  croiraient  devoir  se  retraucher 
derriere  de  pretendues  traditions  academiques  pour  opposer  s 
nos  recl&mations  une  fin  de  non-recevoir? 

Sous  le  titre  de  La  simplißcation  de  VOrthographt, 
M.  Havet  a  reuni  les  principaux  articles  qu'il  a  publica  de 
droite  et  de  gauche  au  cours  de  la  campagne.  J'attirerai  par- 
ticulieremeut  l'attentiou  de  mes  le.c  teure  sur  deux  importanfs 
morceaux  reproduits,  Tun  de  la  Revue  de  1'enBeignement  secon- 
daire  et  superieur,  l'autre  de  la  Revue  bleue.  H.  Havet  y  dis- 
cute  avec  au  taut  d'esprit  que  d'erudition  deux  questions  de 
principe:  la  distinetion  des  homonymes,  et  les  rapports  de 
l'orthographe  et  de  l'esthelique. 

Sur  le  premier  point,  I'autenr  estime  que  la  distinetion 
graphique  des  homonymes  n'est  pas  seulement  isntile,  qu'elle 
est  meine  nuisible,  —  nuisible  ä  la  clarte  vraie  de  la  langue 
parce  que  la  clarte  artißcielle  qu'elle  fournit  a  l'ecrivain  le  dis- 
pense  de  surveiller  eon  style,  —  nuisible  aussi  par  le  temps 
qu'on  perd  ä  etudier  de  miserables  expedients.  Sur  le  second 
point,  M.  Havet  n'a  pas  de  peiue  ä  demontrer  que  l'orthograpbe, 
pour  etre  estbetiqueroent  belle,  doit  etre  limpide  et  diaphane; 
que  1' orthographe  du  vieux  •  francais  presentait  ce  caractere  de 
transparence;  qu'elle  s'est  peu  ä  peu  chargee  de  caracteres  exo- 
tiques  et  de  lettres  parasites ;  que  les  cousonnes  muettes  sont 
„trop  sujettes  a  se  cbanger  soudain  en  consoones  tapageuacs'1; 
que   iea   poctes  eux-memes   Bont  interesses   ä  une  simplification 


L.  Cledat,  Pre'cis  d 'orthographe  et  de  grammaire  phonetiques  etc.    257 


t 


qui  dans  une  foule  de  cas  „mettra  en  relief  l'exactitude  de  la 
rime".  Mais  les  pofctes  n'ont  den  voulu  entendre;  ils  avaient 
d6clar6  abominable  une  rßforme  qualifiee  par  eux  de  pädante 
et  d'utilitaire ;  ils  se  sont  rövoltßs  a  l'ictee  qu'on  osät  leur 
recommander  l'orthographe  simplifiäe  comme  aimable  et  delicieuse. 
Ud  fin  critique,  que  l'amour  du  paradoxe  et  la  dßsinvolture  de- 
daigneuse  n'ont  pas  peu  contribuä  a  rendre  c6l&bre,  M.  Jules 
Lemaitre,  a  pris  fait  et  cause  pour  les  po&tes,  et,  dans  ces 
Billets  du  Matin  qu'il  envoyait  alors  au  Journal  le  Temps,  il  a 
vertement  rappelt  a  l'ordre  le  pr6somptueux  qui  s'avisait  de  faire 
la  le$on  ä  ses  susceptibles  clients.  La  rime,  a-t-il  pretendu, 
est  d'autant  plus  belle  qu'ä  l'identitä  du  son  se  Joint  une  plus 
grande  dissemblance  de  la  forme.  M.  de  Banville  avait  dit 
qu'il  fallait  pour  qu'une  rime  füt  belle  que  le  sens  des  mots 
appartäs  füt  le  plus  distant  possible.  Mais  les  pofctes  d'aujourd'hui, 
et  certains  critiques  ä  leur  suite,  s'occupent-ils  encore  du  sens? 
La  forme  leur  suffit,  et  meme  ce  qu'il  y  a  de  plus  matäriel  dans 
la  forme,  l'orthographe.  M.  Havet,  en  ecrivant  son  article, 
pressentait  qu'il  ne  convaincrait  pas  les  po&tes  actuels:  „Les 
pofctes  priseront  mieux  que  tout  le  monde  ce  dont  tout  le  monde 
jouira,  la  simplicitä  Elegante.  Je  me  mets,  bien  entendu,  au 
point  de  vue  de  demain,  non  d'aujourd'hui;  car  i)  se  peut  bien 
que  l'äpreuve  de  la  transition  rende  quelques  po&tes  un  peu 
nerveux."  II  ne  croyait  pas  prädire  si  juste.  Qu'il  se  console 
pourtant.  Les  pofctes  du  XX6  ßiöcle,  qui  n'auront  pas  6t6  61ev6s 
dans  le  fctichisme  d'une  ortbographe  bizarre,  lui  sauront  gr6 
d'avoir  travaillä  ä  les  doter  d'une  ecriture  älägante  et  sobre; 
ils  auront  peine  ä  croire  qu'une  reforme  si  mod6r6e  et  si  legi- 
time ait  pu  exposer  son  promoteur  aux  invectices  de  leurs 
devanciers.  Paul  Oltramare. 


Cledat,  L. ,  Pre'cis  d'orthographe  et  de  grammaire  phonetiques 
pour  Venseignement  du  frangais  ä  l'itranger.  Paris,  1890. 
Masson.    8".    92  S. 

Das  Büchlein  Clädat's  fällt  inhaltlich  mit  meiner  Neu/ran- 
zösischen  Formenlehre  nach  ihrem  Lautstande  (Oppeln  1888) 
grossenteils  zusammen  und  ist  offenbar  durch  deren  Erscheinen 
erst  veranlasst  worden.  Doch  ist  unser  Standpunkt  ein  zum  Teil 
verschiedener.  Für  mich  ergab  sich  aus  meinem  Versuch  die  in 
dieser  Ztschr.  XII,  S.  1  ff.  ausgeführte  Folgerung,  dass  mit  einer 
rein  phonetischen  Grammatik  sich  eine  Erleichterung  des  französi- 
schen Sprachunterrichts    nicht    erreichen    lasse.      Clödat   widmet 

Ztchr.  t  tn.  Spr.  n.  Litt    XII«,  .  jf 


358  Referate  und  Rezensionen.     B.  Koschmitz, 

seinen  Pride  der  AUiance  frangaise,  die  eich  ZW  Aufgabe  gemacht 
bat,  das  Französische  in  allen  Ländern  der  Welt  tu  verbreiten 
und  glaubt,  dass  auf  dem  eingeschlagenen  Wege  sich  wirklieh 
eine  leichtere  Erlernung  seiner  Muttersprache  bewerkstelligen  laste. 
Doch  fUhrt  die  Lektüre  aueb  seines  Buches  ohne  vieles  Nach- 
denken zu  der  Erkenntnis,  dass  sieb  Cledat  hiermit  im  Irrtum 
befindet  und  nur  deshalb  getäuscht  wurde,  weil  ihm,  dem  Fran- 
zosen, die  Schwierigkeiten  nicht  genügend  zum  Bewusstseiu  ge- 
kommen sind,  die  ein  Ausländer  bei  dem  Studium  einer  Grammatik 
wie  der  von  uns  skizzierten  finden  würde.  An  eine  praktische 
Verwendung  durfte  Cledat  Übrigens  bei  Abfassung  seines  Grund- 
risses einer  phonetischen  Grammatik  ebensowenig  gedacht  haben, 
wie  ich  bei  der  meiner  Formenlehre:  er  wendet  sich  in  seinem 
Werkchen  durchaus  an  Franzosen  oder  des  Französischen  bereits 
Kundige,  und  es  scheint  ihm,  wie  mir,  am  meisten  daran  zu  liegen, 
diese  über  die  Gestaltung  einer  phonetischen  französischen  Ele- 
ment argrammatik  aufzuklären. 

Um  der  phonetischen  Grammatik  den  Weg  zu  ebnen,  sieht 
sich  Cledat  genütigt,  von  vornherein  darauf  zu  verziehten,  sie 
auch  in  ihrer  Orthographie  rein  phonetisch  zu  gestalten.  Die 
von  ihm  vorgeschlagene  phonetische  Orthographie  (S.  1 — 27}  ist 
nur  eine  Vereinfachung  der  offiziellen  französischen  Schreibweise. 
Es  soll  durch  sie  erreicht  werden,  dass  ein  Fremder,  der  sieb  in 
seinen  Schriftstücken  ihrer  bedient,  ohne  weiteres  von  jedermann 
verstanden  wird  und  die  offizielle  Orthographie  nicht  erst  zu  lernen 
braucht.  Daher  die  zahlreichen  Inkonsequenzen  des  Cledat'scben 
Transskriptions  Systems.  Er  behält  nicht  nur  wie  ich  (und  auch  dies 
ist  mir  nicht  mit  Unrecht  vorgeworfen  worden)  c  vor  dunklem  Vokal, 
im  Auslaut  und  vor  Konsonant  für  fc  und  neben  k  (vor  e,  i,  tu) 
und  x  {=  gz)  bei;  er  gebraucht  auch  sonst  die  Schriftzeicheo  in 
einer  Weise,  die  gegen  die  Grundregeln  einer  rein  phonetischen 
Transskription  Verstoss  t.  So  ist  o  bei  ihm  nicht  nur  offenes  o 
(der  Verfasser  nennt  es  o  ordmatre),  es  ist  auch  y  in  der  Ver- 
bindung oi,  die  Verfasser  für  ya  beibehält.  J  ist  bei  ihm  nicht 
nur  >',  sondern  auch  a  in  der  beibehaltenen  Verbindung  oi  (für 
yo),  und  noch  anders  ist  sein  Lautwert  in  der  beibehaltenen  Ver- 
bindung oin  (=*=  ye).  U  (=  u)  wird  in  yi  (=  tfi)  und  un  (=  ät.)  bei- 
behalten; die  Nae&lvokalc  werden  durch  die  nnphonetischen 
Schreibungen  an,  in,  on,  im,  ein  ausgedrückt,  ff  dient  mit  c 
(also  in  eh)  zum  Ausdruck  von  i,  mit  g  vor  t,  i  zum  Ausdruck 
von  g,  es  wird  endlich  als  diakritisches  Hilfszeichen  auch  in  Fällen 
wie  anhardi  zur  Vermeidung  einer  Aussprache  anardi  verwendet 
Neben  s  (=  stimmlosem  *)  erscheint  mit  demselben  Laute  m 
zwischen  zwei  Vokalen  und  am  Wortende.     Die  im  Auslaut  ge- 


L.  Cledat,  Precu  d'ortlingraplie  et  de  grammaire  /i/iimelii/ites  etc.     259 


sproehenen  Konsonanten  werden  noch  von  einem  für  den  Phone- 
tiker überflüssigen  Apostroph  begleitet  (teur,  ijrb>'  etc.)  u.  s.  w. 
QuiiiilltUi  und  Accent  weiden  im  allgemeinen  Oberhaupt  nicht  an- 
gedeutet. Die  bekannten  Aeeento  des  Französischen  dienen  der 
Regel  nach  zu  Klangbeslimiuungen  {4=  e,  i  =  f,  e  =  $;  *u 
=  <j,  tu  =  a,  [hier  wie  in  ou  und  den  Nasalvokaten,  hei  eft,  ijh 
werden  zwei  Laut  reichen  zum  Ausdrucke  eines  Lauten  gebraucht] 
u.  s.  w.l;  nur  ü  macht  eine  Ausnahme,  indem  durch  seinen  Cirkutu- 
Hex  die  Litugu  angedeutet  wird. 

Die  rhonetiker  werden  der  geschilderten  Orthographie 
Cledat's  die  Berechtigung  des  ihr  gegebenen  Beiwortes  /ikuuiti./ut 
bestreiten.  Wer  aber  mit  Cledat  eine  halbphonetisebe  Noturtho- 
graphie  ftlr  geeignet  hält,  dem  Fremden  das  Erlernen  der  ge- 
wBbnüehen  Orthographie  des  Französischen  zu  ersparen,  wird  sieh 
mit  SL-iiicr  Bi  ■zeieliiiiiug.-wejse  zufrieden  geben  können.  Mir  si-beiiit 
ihr  Wert  mehr  wie  problematisch,  wenigstens  so  lange  noch  keine 
sie  anwendenden  Wörterbücher  vorhanden  Bind.  Der  nach  Cledat's 
Vorschlag  Unterrichtete  niuss  wissen,  wie  die  traditioneil  ge- 
schriebenen Worte  auszusprechen  sind,  ehe  er  sie  in  seiner 
Weise  umschreiben  kann,  muss  wissen,  wie  sich  die  gewöhnliche 
Orthographie  zu  der  Beinen  verhalt,  wenn  er  in  gewöhnlicher 
Weise  gedruckte  Texte  richtig  lesen  will.  Unter  diesen  Um- 
ständen ist  gewiss  die  durch  Cledat  gebotene  Erleichterung  recht 
unbedeutend,  wenn  nicht  vollständig  illusorisch. 

In  dem  Hauptteil  seiner  Arbeit  ist  Cledat  bestrebt,  die  zu 
gebenden  Kegeln  möglichst  gering  an  Zahl  und  mogliebst  ein- 
fach erscheinen  zu  lassen,  seinem  Zwecke  entsprechend,  l'ro- 
seliten  für  einen  phonetisch-grammatischen  Unterricht  zu  werben. 
Hatte  ich  Beiion  in  meiner  Formenlehre  (die  sich  vorzugsweise  an 
Lehrer  wandte  und  die  Darstellung  der  Llleking'schen  Grammatik 
möglichst  beibehielt,  um  einen  Vergleich  mit  der  traditionellen 
Grammatik  zu  erleichtern)  alles  weggelassen,  was  irgend  ent- 
behrlich erschien,  so  ist  Cledat  hierin  noch  weiter  gegangen. 
Eine  grosse  Anzahl  der  Paragraphen  meines  Buches  bleiben  bei 
ihm  ohne  Korrespondenz;  nUmlieh  §  1 — 2  (Uenus  der  Suhatantiva), 
§  3—5  (Motion  der  Substantiva),  §  11,  No.  4  (Plural  von  auf, 
b<euf)  und  der  grösste  Teil  von  §  12  (inflexible  Substantiva), 
§  13 — 14  (Flexion  der  zusammengesetzten  Substantiva),  §  24 
'Flexion  der  untmmflngeieiltefl  Adjektiv»),  §  25— 2ti  (Kompa- 
ration), §  30— 32  i  Zahladverbien  etc.),  §  43  (unbestimmte  Für- 
wörter), §  44  (Identitiltspronomen),  tj  58  (die  zusammengHttctaU 
Zeiten  der  Inlraiisiliva),  §  59  (Paanivuiu),  tj  tM  i .Paradigma  der 
Reflexiv*),  §  Gl— 62  (das  Verb  in  Fntgel'onn  und  mit  Negation), 
1   63—65    {Adverbium).      Eine    weitere    Vereinfachung    erstrebte 


260  Referate  und  Rezensionen.    E.  Kotchnrili, 

Cledat  dadurch,  dass  er  die  Quantitüts Veränderungen  fast  gani 
unbeachtet  Hess,  die  Aussprache  resp.  Nichtaussprache  von  un- 
betontem e  (f  sourd  oder  e  muet)  im  Wortinnern  Überging  and 
die  Scheidung  von  ie  und  je  (nach  seiner  Orthographie  t/e,  yi. 
ye  und  ie",  ie,  ie)  unterliess.  Damit  geht  gerade  ein  Vorteil  der 
phonetischen  Grammatik  verloren:  der  Hinweis  auch  auf  feinere 
A usspra che verände rangen ,  die  bei  der  traditionellen  Grammatik 
leicht  Übersehen  werden.  In  anderen  Fällen  ist  Cledat  ausführ- 
licher wie  Ref.  So  ist  die  Feminin bildung  der  Adjektiv»  ein- 
gehender bebandelt,  mehr  den  von  mir  hier  XII,  6  ff.  aufgestellten 
Forderungen  entsprechend,  aber  keineswegs  alle  möglichen  Fälle 
berücksichtigend  und  ganz  ausreichend.  Sonst  bringt  Cledat  einige 
Bindungsregeln  und  einige  kleinere  Beobachtungen  mehr  wie  die 
Formenlehre,  einen  kurzen  neuen  Abschnitt:  Motu  invariable»  (ä 
51 — 53),  und  endlich  ist  von  ihm  die  Verbatflexion  nach  anderen 
Gesichtspunkten  ausführlich  ausgearbeitet.  Kapitel  X  behandelt 
die  „Bindungen  bei  den  Verben"  ähnlich,  aber  kürzer  wie  von 
mir  in  dieser  Ztschr.  XII,  10  ff.  gefordert  wurde;  Kapitel  XI  bringt 
die  Paradigmata  der  Verben  avoir  und  etre;  XII  die  der  Verb« 
auf  -er,  XIII  die  der  inchoativen  Verben  auf  -ir  (also  den  §§ 
48—51  der  Formenlehre  entsprechend),  XIV  endlich  he*  Verba 
des  Conjuyaisons  morles,  entsprechend  dem  §  52  der  Formenlehrt, 
aber  in  anderer  Darstellung.  Während  es  mir  am  leichtesten  er- 
scheint, die  sog.  französischen  unregel massigen  Verben  zn  bewäl- 
tigen, indem  man  sie  nach  einer  Einteilung  wie  der  von  mir  nach 
Lllcking  gegebenen,  die  Verwandtes  zusammenstellt,  einfach  aus- 
wendig lernt,  glaubt  Cledat  —  mit  manchem  früheren  Grammatiker 
—  eine  leichtere  Erlernung  zu  ermöglichen  und  vielleicht  aneb 
wissenschaftlicher  zu  verfahren,  wenn  er  die  Verben  auf  -re,  -orr 
und  die  reinen  Verben  auf  -ir  in  Eins  zusammenfasBt  und  durek 
Regeln  über  Stammgewinnung  und  Ableitungen  die  Formenbildug 
zu  veranschaulichen  sucht.  Mir  scheint,  dass  diese  Art  der  Dar 
Stellung  am  besten  von  dem  begriffen  wird,  der  die  unregel- 
massigen  Verben  bereits  kennt,  während  der  Anfänger  durch  sie 
irre  wird.  Indess  ist  gerade  dieser  Abschnitt,  weil  er  eine  andere 
Art  grammatischer  Auffassung  in  das  Reich  der  Phonetik  Über- 
trägt, als  die  von  mir  gegebene,  der  originellste  und  wertvollste 
Teil  des  Cledat'schen  Baches. 

Der  Schulreformer  und  Befürworter  einer  reinen  Laotgrmnt- 
matik  besitzt  nun  den  Versuch  einer  solchen  von  einem  Deutschen, 
der  sie  zur  Einführung  in  den  Schulunterricht  für  schlechterdings 
ungeeignet  hält,  und  von  einem  Franzosen,  der  ihr  das  Wort  reden 
zu  können  glaubt  und  ihm  durch  möglichste  Vereinfachung  seiner 
Grammatik  entgegenkommt.    Er  kann  nun  selbst  abwägen,  welcher 


L.  CUdatt  Prdcis  tforthographe  et  de  grammaire  phonetiques  etc.    261 

der  beiden  einander  entgegenstehenden  Anschauungen  er  zuneigen 
will ;  er  wird  aber  sehr  wohl  zu  beachten  haben,  dass  je  weiter 
er  die  lautlichen  Beobachtungen  treibt,  je  mehr  er  auf  die  Berück- 
sichtigung auch  feinerer  Lautschattierungen  drängt,  um  so  um- 
fangreicher sich  das  Regelwerk  der  phonetischen  Grammatik  auch 
in  der  Formenlehre  gestaltet.  —  Das  Votum  des  Praktikers 
mag  übrigens  ausfallen,  wie  es  wolle:  die  Wissenschaft  wird  die 
phonetische  Grammatik  unbekümmert  um  ihre  phonetische  Ver- 
wendbarkeit weiter  führen. 

Den  vorstehenden  allgemeinen  Bemerkungen  mögen  hier  im 
Interesse  der  auszugestaltenden  neufranzösischen  Lautgrammatik 
einige   Notizen  über   einzelne  Punkte  folgen! 

Die  Plurale  des  Artikels  les,  des  sowie  die  Pronomina  les, 
mes,  tes,  ses,  ces  spricht  C16dat  im  Bindungsfalle  und  ausserhalb 
desselben  mit  geschlossenem  e  aus.  Das  Sachs'sche  Wörterbuch  u.  a. 
lehren  die  Aussprache  mit  offenem  e,  sogar  mit  sehr  offenem  e  (e). 
Ploetz  Anleitung  etc.  findet,  dass  die  Aussprache  mit  geschlossenem 
e  eine  ganz  abscheuliche,  nachlässige  ist.  Lesaint,  Traicti  complet 
etc.,  3.  6d.,  Halle  1890,  S.  59  f.,  lässt  das  „sehr  offene  ea  dieser 
Worte  nur  in  der  Konversation  zu  einem  mittleren  (e  ouvert  moyen) 
werden.  LegouvG,  Hart  de  la  lecture  (zitiert  von  Benecke,  Die 
französische  Aussprache,  2.  Aufl.  Potsdam  1880,  S.  166)  stellt 
zwar  fest,  dass  in  der  Unterhaltung  les,  des,  mes  etc.  sehr  oft  mit 
geschlossenem  e  gesprochen  werden,  rindet  aber  bei  der  Lektüre 
eine  solche  Aussprache  verdammenswert  Legouvä  ist  damit  im 
Einverständnis  mit  älteren  Grammatikern,  mit  Delatouche  (1696), 
Vallart  (1744)  u.  a.  Thurot,  De  la  Prononciation  francaise  I, 
213  findet  in  der  heutigen  Aussprache  durchweg  offenes  e.  Aus 
seinem  Werke  (8.  211 — 214)  ist  übrigens  zu  entnehmen,  dass 
die  Grammatiker  schon  seit  dem  16.  Jahrhundert  bei  der  Be- 
stimmung der  Aussprache  der  genannten  Wörtchen  geschwankt 
haben.  Was  ist  nun  als  gegenwärtige  Aussprache  zu  lehren? 
Sollte  gegen  Clädat,  der  aus  dem  Pärigord  stammt  und  in  Lyon 
lebt,  der  Vorwurf  von  Neuem  erhoben  werden,  den  Delongue  1725 
den  Provenzalen  machte:  üh  Provencal  icrira  comme  moi  ces 
prez  et  ne  prononcera  pas  comme  moi  ces  pris,  mais  il  dira 
eis  prez,  eis  vallonst  Auch  den  von  anderen  gefundenen 
Unterschied  zwischen  les,  des  mit  geschlossenem  e  vor  Konsonant, 
mit  offenem  vor  Vokal  leugnet  C16dat,  denn  er  sagt  S.  29  aus- 
drücklich :  On  remarquera  que  les  formes  de  tarticle  difini  pluriel 
devant  les  voyelles  ne  different  des  formes  de  cet  article  devant 
les  consonnes  que  par  Vadjonction  ctun  z  de  liaison. 

S.  31  ff.  gibt  C16dat  einige  neue  Bindungsgesetze  für  die 
Plurale  der  Substantiva.   Nach  ihm  findet  in  der  Umgangssprache 


262  Referate  und  Rezensionen.     E.  Kotchxitz, 

Bindung  derselben  nur  mit  folgendem  attributiven  Adjektiv  and 
auch  fast  nur  dann  statt,  wenn  das  Substantiv  (phonetisch) 
mit  einem  Konsonanten  endigt.  Man  sagt  leicht  ditrou  fnorm', 
aber:  de'  tigr'  z'tnorm'.  Femer  bindet  man  das  Substantiv  mit 
folgendem  ihm  syntaktisch  eng  verbundenen  Adverb:  vif-'  ans  apri. 
Auch  hier  befindet  sich  Cledat  teilweise  im  Widerspruch  mit  an- 
deren modernen  Orthoepisten.  So  fahrt  Lesaint  a.  a.  0.  S.  S81  f. 
als  Aussprache  der  Umgangssprache  die  der  Regel  Cledat 's  ent- 
gegenstehenden Beispiele  auf:  di  zb-m  i-nu-main  (des  kommet 
inhumaint),  di  crt'-i»'  ainpu-ni  (des  crime»  impunis),  di  portt 
ovvirtt  (des  partes  ouvertes)  u.  m.,  in  denen  die  Substantivs 
konsonantisch  auslauten  und  doch  nicht  mit  den  folgenden  attri- 
butiven Adj.  gebunden  werden.  Es  scheint  also  die  Nichtbindung 
in  noch  weiterem  Umfange  gestattet  zu  sein,  als  Cledat  annimmt.1) 
S.  32  tritt  Cledat  wie  öfter  aus  dem  Rahmen  seiner  Gram- 
matik heraas,  wenn  er  seinen  Lesern  mitteilt,  dass  Bindungen 
nach  einem  Substantiv  im  Singular  in  der  Umgangssprache  un- 
endlich seltener  sind,  als  man  sich  denkt.  Ein  Anfänger, 
der  erst  Französisch  lernt,  hat  sich  darüber  natürlich  noch  keine 
Gedanken  gemacht.  Auch  ist  mit  einer  Regel  nicht  durchzu- 
kommen wie  der  ebenda  gegebenen:  „Einige  Substantivs  im  Sin- 
gular, denen  ohne  Pause  ein  vokalisch  beginnendes  Wort  folgt, 
nehmen  einen  BindungskonBonanten  an.  Han  wird  diese 
Einzelheiten  durch  den  Gebrauch  lernen".  Welche  Bindungskon- 
sonanten  kommen  vor,  bei  welchen  Worten  kommen  sie  vor  u.  s.  w., 
wird  der  unkundige  Leser  fragen.  Und  die  Antwort  wird  nicht 
anders  zu  geben  sein  als  mit  der  Vorschrift,  bei  jedem  Substantiv 
gleich  die  Bindeform  mit  zu  lernen.  Ebensowenig  ist  das  fol- 
gende Gesetz  in  einer  phonetischen  Grammatik  angängig:  „Gewisse 
Substantivs  setzen  im  Prinzip  selbst  im  Singular  ein  Bindungs-z 
an:  nämlich  diejenigen,  die  in  der  offiziellen  Ortho- 
graphie in  beiden  Numeri  gleich  geschrieben  werden." 
Hier  wird  die  Kenntnis  der  gewöhnlichen  Orthographie  als  be- 
kannt vorausgesetzt;  aber  auch  davon  abgesehen  ist  die  Regel 
ungenau,  weil  Worte  wie  fils,  post-scriptum  u.  dgl.  nicht  mit  ein- 
geschlossen werden  dürfen.  Unvollständig  ist  auch  der  weitere 
Zusatz:  „Diese  Bindung  tritt  selten  und  bei  einigen  dieser  Sub- 
stantiva  niemals  ein;  man  sagt  nicht:  un  ne-s'  akäin."  —  Im  all- 
gemeinen nimmt  Cledat  nur  auf  die  Umgangssprache  Rucksicht, 
aber  soll  der  Fremde  nicht  auch  korrekt  lesen  und  vortragen 
lernen? 

')  Meine  Lyoner  Wirthin,  eine  Lyonerin  mit  elementarer  Schul- 
bildung, bindet  t  in  allen  obigen  Beispielen,  auch  in  irous  enormes, 
mit  Ausnahme  von  ktrit  ans  \  apres,    (20,  November  1890.) 


L.  Cle'dat,  Precis  dorihographe  et  de  gramtnaxre  phone'tiques  etc.    263 

Bei  der  Femininbildung  der  Adjektiv»  scheidet  Clädat  die 
vokalisch  und  konsonantisch  ausgehenden  und  stellt  für  erstere 
zunächst  die  Regel  auf:  Die  Adjektiva  auf  ou,  o  (besser  6),  eu, 
e  oder  e,  af  oi  oder  auf  Nasalvokale  haben  besondere  weibliehe 
Formen.  Dabei  ergeben  sich  (ohne  dass  es  anders  als  durch 
Beispiele  hervorgehoben  wird)  für  die  Adjektiva  auf  ou  (=  dtsch.  u) 
fünf  Unterabteilungen:  1)  fou,fol';  2)  sou  (saoul):  souV;  3)  apsou 
(absous):  apsout';  4)  rou:  rouss';  5)  andalou:  andalouz;  für  die 
Adjektiva  auf  6  (?)  sechs  Unterabteilungen:  1)  b6:  beC;  2)  gr$: 
gross';  3)  cid:  clöz;  4)  sS:  *6t';  5)  hö:  köt\  (Cltdat  musste  Übrigens 
6  und  6t  schreiben);  6)  chö  (chaud):  chöd1;  für  die  Adjektiva  auf 
eü  (et  und  jee),  drei  Unterabteilungen:  1)  creü:  creüz';  2)  vyeü 
(vieux):  vüy  und  3)  die  Ausnahme  bleu}  die  kein  besonderes  Fe- 
mininum hat;  für  die  Adjektiva  auf  e  und  c  sechs  Unterarten: 
1)  ghe  und  vre,  die  ausnahmsweise  kein  besonderes  Femininum 
haben ;  2)  ipe  (epais)  :  £pess\  3)  franse  :fransiz\  4)  discre :  discre? , 
pre  :pret\  5)  le  :  led\  6)  fre  :frich'*);  für  die  Adjektiva  auf  a 
und  ä  drei  Unterabteilungen:  1)  bä  :  bdss\  2)  rd  :  rdz\  3)  bia: 
btat';  für  die  Adjektiva  auf  oi  (ya)  drei  Unterabteilungen:  1)  göloi 
(gaulois) :  göloiz',  2)  droi :  droit',  3)  froi :  froid? '.  Für  die  Adjektiva 
auf  Nasalvokal  ergeben  sich  bei  C16dat  zwei  Hauptgruppen,  die 
wieder  in  eine  Reihe  Unterabteilungen  zerfallen.  Die  erste  Haupt- 
gruppe umfasst  diejenigen  auf  Nasalvokal  ausgehenden  Adjektiva, 
in  denen  beim  Femininum,  wie  es  Clädat  ausdrückt,  sieh  der 
Nasalvokal  in  den  korrespondierenden  oralen  Vokalen  +  (dentalem) 
n  verwandelt.  Hierher  gehören:  1)  die  Adjektive  auf  on  (£):  Fem. 
ori,  2)  diejenigen  auf  an  (ä):  Fem.  an\  3)  auf  In  (S):  Fem.  en\ 
4)  un  (&):  Fem.  un  (tfn).  Ausnahmen  bilden  5)  die  Adjektive  auf 
en  (c)  mit  Fem.  iri  und  6)  benkn  (benin)  und  malen  \malin)  mit 
Fem.  benign'  und  maligri.  Die  zweite  Hauptgruppe  besteht  aus 
solchen  Adjektiven  auf  Nasalvokal,  bei  denen  der  Nasalvokal  auch 
im  Fem.  bleibt,  wo  dann  aber  Kons,  angesetzt  wird.  Dieser 
angesetzte  Konsonant  ist:  1)  ein  t:  savan :  savant\  2)  ein  d:  blon: 
blond!,  3)  ein  ch:  blan  (blanc)  :  Manch',  4)  ein  g:  lö  :  Ug\  Per 
Fall  dütivet  (diste  :  distekt)  bleibt  bei  Ctedat  unberücksichtigt 
Den  aufgezählten  Arten  vokalisch  ausgehender  Adjektiva  stellt 
C16dat  diejenigen  auf  £,  i,  il  gegenüber,  die  im  allgemeinen 
keine  besondere  Femininform  haben ;  nur  bei  u  (ü)  trete  im  Fem» 
Vokaldehnung  ein  (il).  Diese  Aussonderung  wird  aber  dadurch 
misslich,  dass  es  doch  wieder  recht  viele  Adjektiva  auf  «,  i,  U 
gibt,  die  ebenfalls  ein  besonderes  Femininum  besitzen.  Nämlich 
I)  Adjektiva  auf  i  mit  Fem.  er7  (ihrem  £  geht,  wie  C16dat  richtig 


x)  Adjektiva  wie  suspeet  (süspf)  sind  übergangen. 


264  Referate  und  Rezensionen.     E.  Koseknitz, 

beobachtet,  ein  ch,  j  oder  y  d.  i.  S,  l  oder  i  voraus),  II)  Adjektivs 
auf  u  (Cledat  meint  ö,  doch  ist  Länge  fllr  die  Maskulina  kaum 
zuzugeben)  mit  Fem.  uz'  (üz)  :  confü  :  confüz;  III)  Adjektivs  auf  i: 
1)  mit  Fem.  iy  :  janti  (gentit)  :  jantiy',  2)  mit  Fem.  iz':  gri  ;  griz'; 
3)  mit  Fem.  it':  fri  :frit'  (auch  Fälle  wie  eui  (ejfi)  :  cuit'  werden 
von  Cledat  hierher  gerechnet). 

Nicht  viel  weniger  verwickelt  wie  fllr  die  vokaliseh  aus- 
gehenden Adjektiva  sind  die  Kegeln  für  die  konsonantisch  aus- 
gehenden. Es  gelingt  Cledat  für  beide  Adjektivarten  ebensowenig 
wie  mir  ein  rettendes  Merkmal  zu  finden,  das  gestatten  würde,  tu 
erkennen,  wann  die  eine  oder  andere  Femininbildung  einzutreten 
habe.  Es  bleibt  fllr  den  nach  einer  phonetischen  Grammatik 
Lernenden  nichts  anderes  Übrig,  als  das  Chaos  anzuerkennen  and 
bei  jedem  Adjektiv  die  Binde-  und  Femininform  mit  zu  lernen.  — 
Unter  Cledat's  Regeln  fllr  die  Fetnininbildung  konsonantisch  aus- 
gehender Adjektive  finden  wir  auch  die  Gruppen  auf  eur  :  etu', 
newr" :  rieuz'  und  die  Bildungen  vanjeur  :  vanjeriss'  und  corrupteur": 
corruptri*»'  etc.,  die  in  meiner  Zusammenstellung  hier  XII,  S.  6  f. 
keine  Berücksichtigung  gefunden  haben. 

Der  Adjektivflexion  fügt  Cledat  S.  40  f.  wieder  einige 
Bindungsregeln  hinzu,  die  von  den  gewöhnlich  gegebenen  ab- 
weichen oder  sie  ergänzen.  Er  macht  darauf  aufmerksam,  dass 
ein  vokalisch  endendes  Adjektiv  sich  selten  vor  seinem  Substantiv 
zu  befinden  pflegt,  dass  die  Adjektiva  im  Singular  und  Plural 
auch  vor  folgendem  et  binden,  und  dass  die  plnralischen  Adjektive 
auch  bei  vokalischen  Ausgängen  vor  ihrem  Substantiv  ein  Bin- 
dnngs-z  einschieben,  während  in  anderer  Stellung  nur  konsonan- 
tische, namentlich  auf  mehrfache  Konsonanz  ausgehende  Adjektiva 
ein  Plural-z  einschieben:  it  son  penibl'-z  a  voir  n.  dgl.  Im  übrigen 
sind  Cledat's  Bindungsregeln  mit  den  meinen  (Formenlehre  S.  7) 
ihrem  Inhalte  nach  identisch. 

Bei  den  Zahlwörtern  S.  43  sagt  Cledat:  neuf  (9)  vor  dem 
Wort  eur'  (keure)  wird  neun' gesprochen:  neu »'  eur',  was  wöTil  zu 
eng  ist.  Gewöhnlich  wird  gelehrt,  dass  neuf  vor  jedem  folgen- 
den Vokal  im  Bindungsfalle  mit  v  gebunden  werde  (man  vgl.  u. 
a.  die  Beispiele  bei  Lesaint,  S.  139).  Ferner  S.  44  sind  seine 
Beispiele  für  das  Gesetz,  dass  vin  {vingt)  und  san  (cent)  vor 
folgendem  Zahlwort  kein  Plural-«  annehmen,  sehr  unglücklich  ge- 
wählt. Es  sind  catr  ven  uit'  und  sen  san  onzyim.  Vor  kuit 
und  onzüme  sind  ja  Bindungen  Überhaupt  ausgeschlossen. 

In  der  dankenswerten  Konjugationsbehandlung  Cledat's 
wird  man  manche  Formulierung  unpraktisch  finden:  diese  Schwäche 
war  bei  einem  ersten  Versuche  nicht  zu  vermeiden.  So  lassen 
sich  Erklärungen  wie  die  S.  66  im  letzten  Absatz  und  8.  69  zu 


Z.  CUdat,  Questions  d Orthographe  et  de  Grammaire.  265 

den  reinen  Verben  auf  ir  gegebenen  u.  a.  gewiss  noch  verein- 
fachen. S.  71,  Z.  5  von  unten  wird  das  ainsi  sexpliquent  des 
Verfassers  bei  den  historischen  Grammatikern  einiges  Schaudern 
erregen :  6  in  födra  (faudra)  ist  doch  das  Ergebnis  von  a  4-  auf- 
gelöstem l,  6  nicht  aus  a  entstanden.  Die  Aussprache  des  Präsens 
von  savoir :  se,  die  C16dat  S.  82  gibt,  gilt  nicht  als  mustergiltig.1) 
Die  erleichternde  Merkregel,  die  ich  hier  XII,  S.  10  in  Bezug 
auf  die  Präsensbildung  gab,  hat  Cl6dat  nicht  gefunden;  ebenso 
fehlt  eine  solche  für  die  1.  und  2.  Konj.  Präs.  in  ihrem  Verhalten 
zu  den  entsprechenden  Personen  des  Indikativ. 

Damit  genug.    Möge  das  Schriftchen  meines  verehrten  Kon- 
kurrenten recht  viele  Leser  finden! 

E.  Koschwitz. 


Cl£dat,  L.,  Questions  et Orthographe  et  de  Grammaire,  II.  Extrait 
de  le  Revue  de  Philologie  frangaise.  (Reo.  de  phä. 
franc.  1890,  S.  81—93.) 

Mancher,  der  sich  die  Mühe  genommen  hat,  unsere  Anzeigen 
von  Cl6dat*8  Pricis  d'orthographe  etc.  (s.  o.  S.  258  ff.)  und  von 
Darme8teter'8  Question  de  la  riforme  orthografique  etc.  (s.  o.  S.  250  ff.) 
zu  lesen,  wird  Freude  darüber  empfunden  haben,  dass  unsere 
Nachbarn  jenseits  der  Vogesen  einstweilen  noch  recht  wenig 
Anstalten  machen,  sich  zu  einer  rein  phonetischen  Orthographie 
zu  bekehren.  Ihre  Einführung,  wäre  sie  überhaupt  durchführbar, 
würde  eine  Umwälzung  im  Lehren  und  Lernen  des  Französischen 
erzeugen,  die  mitzumachen  nicht  immer  als  Annehmlichkeit  em- 
pfunden werden  dürfte.  Die  Aussprachelehre  würde  sich  aller- 
dings vereinfachen:  aber  die  dem  Französischen  eigenen  Artiku- 
lationen müssten  nach  wie  vor  gelernt,  die  deutschen  Dialekt- 
eigentümlichkelten, die  der  Aneignung  einer  korrekten  franzö- 
sischen Aussprache  entgegenstehen,  nach  wie  vor  bekämpft 
werden;  das  Vokabellernen  würde  durch  die  Notwendigkeit,  auch 
die  Bindungsformen  mitzulernen,  erschwert  werden;  dem  Latein- 
kundigen, denen  die  gegenwärtige  Orthographie  bei  Aneignung 
des  französischen  Wortschatzes  hilfreich  beispringt,  würde  dieser 
Vorteil  entgehen;  die  Formenlehre  würde  sich  verwickeln,  und 
die  Syntax  nur  wenig  vereinfacht  werden;  der  historische  Gram- 
matiker endlich  würde  zwar  den  gegenwärtigen  Lautstand  besser 
im  Gedächtnis  haben  und  leichter  dem  früheren  entgegenstellen, 


*)  In  Genf  und  Lyon  ist  s$  f.  se  =  sais  allerdings  allgemein  im 
Gebrauch. 


266  Referate  und  Rezensionen.     E.  Kotchwitz, 

dafür  aber  würde  ihm  die  Aneignung  des  früheren  um  so  mehr 
Schwierigkeit  machen.  Kurz,  Nachteil  und  Vorteil  würden  sich 
zum  mindesten  aufwiegen,  nnd  unter  solchen  Umständen  durften 
die  Nichtfranzosen  im  allgemeinen  nur  wenig  Begeisterung  für 
eine  radikale  französische  Ortbographierefonn  entwickeln. 

Um  so  grösser  wird  ihre  Begeisterung  sein,  wenn  von 
Seiten  der  Franzosen  ernstliche  Anstalten  getroffen  werden,  jenen 
zahlreichen  Schreibregeln  des  Französischen  zu  Leibe  zu  gehen, 
die  weder  in  der  lebenden  Sprache  noch  eine  geschichtliche 
oder  etymologische  Berechtigung  besitzen,  und  die  nur  erfunden 
zu  sein  scheinen,  um  den  jungen  Franzosen  wie  den  Ausländem 
das  Erlernen  der  gebräuchlichen  Orthographie  Frankreichs  mög- 
lichst zu  erschweren.  Den  Anstosa,  in  dieser  Richtung  vorzu- 
gehen, hatte  Cledat  bereits  in  der  hier,  XII,  S.  139  ff.  besprocheneu 
Arbeit  gegeben.  In  dem  nunmehr  zu  besprechenden  kleinen 
Aufsatz,  der  den  Untertitel  trägt:  Tu  couda  et  tu  abtoua,  finden 
wir  ihn  auf  dem  gleichen  Gebiete  thätig.  Auch  diesmal  hit 
Cledat  seine  Ansichten  einem  Aräopag  französischer  Grammatiker 
(den  Herren  M.  Breal,  G.  Paris,  Marty - Laveaux ,  Crouslö,  Del- 
boulle,  Cbabaneau,  Bastin,  F.  Hement  nnd  F.  Brunot)  unterbreitet, 
die,  wie  es  in  dem  vorliegenden  Falle  nicht  anders  sein  konnte, 
ihm  ihre  mehr  oder  minder  vollständige  Zustimmung  ausge- 
sprochen haben.  Da  Cledat  in  der  begonnenen  Weine  weiter  fort- 
zufahren gedenkt,  möchten  wir  ihm  empfehlen,  seinen  Gerichtshof 
duroh  Aufnahme  einiger  ausländischer  Grammatiker  des  Fran- 
zösischen, einen  Deutschen,  Italieners,  Niederländers,  Engländers 
und,  wenn  möglich,  auch  eines  Russen  etwas  zu  erweitern;  in 
Angelegenheiten  der  Beseitigung  der  Bizarrerien  der  französischen 
Orthographie  sollten  auch  die  dabei  stark  mitbeteiligten  Ausländer 
ihre  Stimme  abgeben  dürfen;  Cledat  zumal,  der  das  Französische 
zur  Weltsprache  erhoben  wünscht,  sollte  auch  die  Weltbürger 
ausserhalb  Frankreichs  nicht  ungehört  lassen.  Bei  ihnen  wurde 
er  vielleicht  die  lebhafteste  Zustimmung  auch  zu  seinem  neuen 
Vorschlage  gefunden  haben. 

Cledat  verweist  diesmal  auf  die  Inkonsequenz  der 
Schreibungen  der  3.  Sgl.:  rixout,  dittoui,  plaint  etc.  mit  (  neben 
coud,  moud,  sourd  mit  rf,  deren  Vorhandensein  für  jeden  Kenner 
der  historischen  Grammatik  ein  Ärgernis  ist.  Die  laL  Grund- 
formen sind:  connvit,  molit,  xurtjit.  Auch  in  nied,  ansied  (gedet), 
perd  (perdit)  mord  (mordet)  und  in  den  Endungen  end,  and,  ond 
(lat.  endit,  andit,  undü)  ist  d  ohne  Berechtigung,  da  es  schon 
in  den  ältesten  französischen  Sprachdenkmälern  gefallen  ist,  da 
man  auch  in  voit  (videt),  fchoit  ein  (  schreibt,  und  in  der  Bin- 
dung der  sonst  stumme  Konsonant  t  lautet     Ebensowenig   wie 


Z.  Cledat,  Questions  <T  Orlhographc  et  de  Graminaire.  267 

in  der  3.  Sgl.  läset  sich  d  in  der  1.  2.  Sgl.  Präg,  vor  s 
verteidigen.  Man  schrieb  bis  in  das  XVI.  Jahrhundert  pers,  mors, 
prens,  ripons  (im  Altfrz.  war  in  der  2.  Sgl.  d  -+-  flex.  8  zu  z 
geworden,  die  1.  Person  ging  für  gewöhnlich  auf  t  ans);  wenn 
man  in  diesen  Verben  den  Endkonsonanten  des  lat.  oder  französ. 
Stammes  festhalten  wollte,  hätte  man  dies  anch  bei  den  (ihrigen 
Verben  thnn  und  sorts,  parts,  doivs  oder  doibs,  dorm*,  servs  etc. 
schreiben  müssen,  was  im  XVI.  Jahrhundert  zum  Teil  auch  ge- 
schah. Cledat  plädiert  also  für  Beseitigung  sämtlicher  ange- 
gebenen d.  G.  Paris  macht  darauf  aufmerksam,  dass  auch  vainc 
durch  vaint  zu  ersetzen  sei  und  regt  Cledat  dadurch  zu  den 
weiteren  Beobachtungen  an,  dass  man  auch  in  mets,  bat*,  vets 
das  t  unterdrücken  und  rons,  ront  (rumpü,  -t)  schreiben  müsste. 
Marty-Laveaux  fürchtet  durch  die  Neuerung  eine  Verletzung  des 
Auges,  Crousle  stösst  sich  an  assits,  assiet,  wie  Cledat  vermutet, 
weil  hier  mit  Tilgung  von  d  noch  die  Schreibung  i  für  e  verbunden 
ist.  Delboulle  benutzt  die  Gelegenheit,  um  auf  die  thörichten 
Schreibungen  siUe  und  dessüle  für  früheres  cüle  decäU  neben  eil 
hinzuweisen;  Chabaneau  empfiehlt,  mit  der  vorgeschlagenen  Re- 
form sofort  auch  in  der  Praxis  zu  beginnen,  und  Bastin  endlich 
weist,  darauf  hin,  dass  coudfe),  moud(s)  ihr  d  der  Analogie  zu  der 
sog.  „  regelmässigen u  Konjugation  rends  verdanken.  Hement  und 
Brunot  stimmen  ohne  Bemerkung  zu. 

In  der  Hauptfrage  herrscht  also  allgemeine  Einmütigkeit. 
Der  Anregung  Chabaneau's  folgend  wird  dann  Cledat  in  seiner 
Revue  die  folgenden  orthographischen  Vereinfachungen  ein- 
führen: 1)  Endungs-sc  durch  8  ersetzen,  also  schreiben:  chöteaus, 
caülous,  voü  (voix)j  pris  (prix),  pais  (paix)  etc.,  2)  die  unetymo- 
logischen Buchstaben  ausmerzen  in  Worten  wie  s(c)eauy  poi(d)s> 
k(g)8t  la(c)s,  3)  die  Komposita  in  der  Schrift  mit  dem  Simplex 
ins  Einvernehmen  setzen,  also  ctecüler  nach  et?,  contreindre  = 
astreindre  etc.,  4)  bei  allen  Verben  auf  rc,  otr,  ir  im  Präsens 
Sgl.  im  Auslaut  nur  8  und  t  setzen,  5)  das  Pc.  Pf.  nach  en  und 
präpositionalem  Inf.  unverändert  lassen,  und  die  Pc.  von  coüter 
und  valoir  wie  jedes  andere  Pc.  Pf.  behandeln.  Er  hofft  darin 
Nachahmung  zu  finden  und  so  schliesslich  auch  die  Akademie 
dahin  zu  bringen,  den  neu  geschaffenen  guten  Gebrauch  später 
zu  sanktionieren.  Die  genannten  Reformen  sind  mit  Rücksicht 
darauf  ausgewählt,  dass  sie  offenkundige  Abgeschmaktheiten  be- 
seitigen '  und  die  Physiognomie  der  Worte  nicht  zu  sehr  ver- 
ändern, worauf  Cledat  mit  Recht  ein  besonderes  Gewicht  legt. 
Darum  erscheinen  ihm  auch  die  weitergehenden  Reformversuche 
der  Gegenwart  (f  für  pTij  y  für  i,  an  für  en>  acion  für  aüon  etc.) 
zur  Zeit  für  aussichtslos  und  eher  hinderlich  wie  förderlich«    Bei 


368  Referate  und  Rezensionen.    E.  Kosehmtz, 

seiner  masavollen  Reform  wird  es  Cledat  gewiss  nicht  an  Nach- 
folgern fehlen.  In  Deutschland  kann  für  die  Sache  wenig  ge- 
than  werden;  doch  werden  sich  unsere  Schulgrammatiker  zu  über- 
legen haben,  ob  nicht  die  Cledat'sclien  Neuerungen  in  ihren 
Btlchem  einzuführen  und  der  Unterricht  dadurch  zo  erleichtern 
ist.  Auch  werden  unsere  Schulmänner  es  vielleicht  unterlassen 
können,  ein  veus  für  veux,  chevaus  fUr  chevanx  etc.  noch  weiter 
als  fehlerhaft  „anzustreichen",  nachdem  es  einmal  Franzosen 
gibt,  die  eine  solche  Orthographie  als  richtig  verwenden. 
E.  Kobchwitz. 


Clädat,  L.,    Sur  la  double  valeur  des  temps  du  Passif  fr 
In:  Rev.  de  philologie  francaise.     1890,  S.  1 — 9. 

Cledat  setzt  hier  eine  in  seiner  Grammaire  historigue  8.  216 
(vgl.  hier,  XI,  15)  begonnene  syntaktische  Studie  fort.  Schon 
dort  hatte  er  auf  die  doppelte  Bedeutung  der  Pc.  Pf.  in  Kon- 
struktionen wie  ce  mur  est  construit  par  de  bons  anfriert 
(diese  Mauer  wird  von  guten  Arbeitern  gebaut),  und  voilä  gvi 
est  fait:  le  mur  est  construit  (die  Mauer  ist  gebaut)  hinge 
wiesen.  Dem  ersteren  Falle  entspriebt  lat.:  construitur,  dein 
zweiten  construetus  est;  im  ersten  Falle  liegt  ein  Präsens 
vor,  im  zweiten  ein  Pf.  bez.  das  Perfektum  Präsens.  Das  zweite 
est  construit  (ist  gebaut)  steht  auf  derselben  Stufe  wie  ein  ä  est 
arrivi  (er  ist  gekommen);  doch  ist  im  letzteren  Falle  (beim 
Intransitivnm)  eine  prä  Bentische  Verwendung  (=  er  kommt  an) 
ausgeschlossen.  Anch  kann  man  sagen:  i7  est  arrivi  hier,  aber 
nicht  il  est  construit  hier,  d.  h.  beim  Passivnm  kann  das  Prä- 
sens von  itre  -f-  Pe.  Pf.  nicht  fltr  eine  eben  rollendete  Hand- 
lung gebraucht  werden,  wohl  aber  beim  Pc.  Pf.  das  lotraiiBitivums. 
Dagegen  ist  wieder  im  Lateinischen  ein  heri  construetus  est 
gestattet.  Die  Verwendung  von  est  construit  (=  ist  gebaut)  als 
Perfektum  Präsens  ist  Überhaupt  überall  ausgeschlossen,  wo  der 
eingetretene  Zustand  nicht  ausdrücklich  als  noch  fortbestehend 
bezeichnet  wird:  le  mur  est  construit,  mais  en  Va  ditruit 
depuis,  ist  unmöglich;  es  kann  hier  nur  heissen:  ce  mur  a  iU 
construit. 

Die  Verwendung  des  Präsens  von  itre  +  Pc.  Pf.  bei 
aktiven  Verben  in  der  Bedeutung  eines  Perf.  Präsens  ist  ferner 
nur  bei  Verben  mit  begrenzter  Zeitdauer  möglich ,  nicht  bei 
solchen  mit  unbeschränkter  Zeitdauer,  weil  bei  diesen  der  Zu- 
stand die  Handlung  begleitet  und  mit  ihr  zugleich  abgeschlossen 
ist,   ein   Resultat   nicht   Übrig   bleibt.     Oh   komme  est  redouti 


L.  Cledat,  Sur  la  double  valeur  des  iemps  du  Passif  franqais.       269 

(ein  Mann  ist  oder  wird  gefürchtet)  kann  immer  nur  ein  Präsens 
sein.  (Im  Deutschen  wird  dies  klar  dadurch,  dass  hier  ohne 
Bedeutungsunterschied  ist  und  wird  eingesetzt  werden  kann.) 
Zuweilen  kann  ein  Verbum  auf  beide  Weisen  für  eine  Thätigkeit 
von  beschränkter  und  unbeschränkter  Zeitdauer  gebraucht  werden. 

Die  Verschiedenheit  der  Bedeutung  von  est  constrvä  (=  wird 
gebaut  und  ist  gebaut)  liegt  in  einer  verschiedenen  Bedeutung 
der  Pc.  Pf.  In  der  ersten,  rein  präsentischen  Bedeutung  (wird 
gebaut)  drückt  das  Pc.  nur  den  leidenden  Zustand  aus,  ist  es 
Pc.  Präs.  Pass.;  in  der  zweiten  (ist  gebant)  drückt  es  nur  die 
Vollendung  aus,  ist  es  ein  wirkliches  Pc.  Per  f.  Pass.  Im 
Deutschen,  das  Cledat  nicht  zum  Vergleich  heranzieht,  so  sehr 
es  ihm  seine  Bedeutnngsanalyse  erleichtert  hätte,  drückt  wie  im 
Kl.  Lat.  das  Pc.  immer  eine  Vollendung  aus;  mit  wird  wird 
angedeutet,  dass  diese  Vollendung  in  der  Gegenwart  eintritt, 
während  ist  die  eingetretene  Vollendung  feststellt.  Die  Funk- 
tionen, die  im  Deutschen  zwei  verschiedene  Hilfsverben  über- 
nehmen, müssen  im  Französischen  durch  das  eine  Pc.  Pf.  mit 
zwei  Bedeutungen  zum  Ausdruck  gebracht  werden. 

Wie  beim  Präsens  von  etre  mit  Pc.  Pf.,  so  beim  Imper- 
fektum. In  La  piece  itait  jouie  (war  gespielt)  quand  nous 
somwes  arrivis  wird  eine  Vollendung  in  der  Vergangenheit  (ein 
Imperfektum  Perfektum  oder  Imparfait  accompli,  wie  der  Ver- 
fasser es  nennt)  zum  Ausdruck  gebracht;  in  la  piece  itait  jouie 
(wurde  gespielt)  par  de  bons  acteurs  kommt  ein  gewöhnliches 
passivisches  Imperfektum  zum  Ausdruck.  Ebenso  beim  Futurum: 
la  piece  sera  jouie  (wird  gespielt  werden)  par  de  bons  acteurs 
(Fut.  Pass.)  und  la  piece  sera  jouie  (wird  gespielt  sein)  quand 
vous  arriverez  (Vollendung  in  der  Zukunft,  Futurum  Perfektum). 
Nicht  anders  auch  in  den  übrigen  Tempora.  Die  Cledat  schwierig 
scheinende  Analyse  von  le  tour  lui  a  iti  joui  (ist  gespielt 
worden)  par  son  frlre  (Pf.  log.)  und  ü  s'est  esquivi,  et  le  tour 
a  iti  joui  (ist  gespielt  gewesen,  Perfektum  Perfektum, 
Vollendung  in  der  Vergangenheit)  ist  sie  dem  Deutschen,  der 
richtig  übersetzt,  ohne  Weiteres  gegeben. 

Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  in  den  Fällen,  wo  das  Pc.  Pf. 
bei  itre  zum  Ausdruck  der  Vollendung  dient,  also  ein  wirkliches 
Pc.  Perfekti  ist,  Korrespondenz  zu  den  gewöhnlichen  Bezeich- 
nungen der  Vollendung  eintritt,  ohne  dass  deshalb  eine  Gleich- 
heit der  Bedeutung  vorläge. 

La  piice  est  jouie  depuis  hier  (ist  gespielt)  korrespondiert 
mit  La  piece  a  iti  jouie  hier  (ist  gespielt  worden)  und 
ebenso  bei  den  anderen  Tempora.  Wie  die  deutsche  Übersetzung 
klar  macht;  wird  bei  dem  Gebrauch  der  gewöhnlichen  Tempora 


270  Referate  und  Rezensionen.     W.  Ricken, 

der  Vollendung  (Pf.  log.,  Ptqpf.  I  und  II,  Fat.  11)  im  Passivum 
der  Eintritt  resp.  Abschlug«  der  Vollendung  hervorge- 
hoben (a  iti  jouie:  ist  gespielt  worden),  während  bei  den 
parallelen  Ausdrücken  (ohne  iti)  das  Fortbeatehen  des  Er- 
gebnisses in  den  Vordergrund  tritt  (est  jouie:  ist  gespiell 
und  bleibt  es).  Cledat  ist  dieser  Bedeutungsunterschied  in  seiner 
Analyse  entgangen. 

Diese  unsere  Unterscheidung  gilt  auch  für  das  historische 
Perfekt  von  itre  +  Pc.  Pf.  der  in  Frage  kommenden  Verben 
Quand  il  fut  reduit  ä  Vimpvissance  (als  er  zur  Ohnmacht  ge- 
bracht war)  on  l'abandonna  unterscheidet  sich  genau  in  der- 
selben Weise  von  quand  il  eut  iti  riduit  .  .  (als  er  .  .  gebracht 
worden  war).  Es  ist  nicht  richtig,  wenn  Cledat  die  eben  ge- 
nannten beiden  Ausdrucke  gleichstellt  einem:  Quand  il  a  iti 
riduit  .  . .  (als  er  gebracht  worden  ist),  weil  hier  ein  anderes 
Tempus  vorliegt  (ein  Perf.  Präs.),  das  nur  in  Verbindung  mit 
einem  weiteren  präsentischeu  Tempus  denkbar  und  verwendbar  ist 

Cledat  seh  lies  st  seine  Betrachtung  mit  der  Behauptung, 
wo  bei  einem,  eine  vorübergehende  Thätigkeit  bezeichnenden 
Verbura  dal  Pc.  Pf.  als  Vollendnngsform  iu  der  geschilderten 
Weise  eintrete,  sei  etre  als  eigentliches  selbständiges  Verhüte 
tu  fühlen,  das  dabei  stehende  Pc.  gewissennassen  das  Pc.  eines 
anderen  Verbums,  werde  also  nicht  eine  zusammengesetzte  Form 
dieses  anderen  Verbums  gefühlt.  In  le  mur  est  enfin  construit 
sei  nicht  das  Hilfsverbum,  sondern  das  eigentliche  Verbnil! 
etre  angewendet,  construit  besitze  den  Werth  eines  Adjectrrg. 
Man  solle  vergleichen:  la  maison  est  enfin  appropriie  und  la 
maison  est  enfin  propre.  Aber  nichts  hindert  anch  in  anderen 
Fällen  ein  Adj.  für  ein  Pc.  Perf.  einzusetzen.  Ich  kann  ebenso 
gnt:  ee  mur  n  esti  construit  mit  „die  Hauer  ist  fertig  ge- 
worden" übersetzen,  wie  le  mur  est  construit,  mit  „ die  Mauer 
ist  fertig".  Hier  hat  Cledat  unverkennbar  sein  Sprachgefühl 
getäuscht  und  ihn  den  fand  des  choses,  den  er  damit  gefunden 
zu  haben  glaubte,  verkennen  lassen. 

E.  Kobohwitz. 


Cledat,  L.,  Müange*  de  phonitique  francaise.  In:  Revue  de  philo- 
logie  francaise  1890.     3.  41—46. 

Vier  Miszellen  znr  historischen  Lautlehre  des  Französischen. 
1.  Jeter  soll  auf  eine  vi.  Grundform  jettare  zurückgehen,  und, 
was  noch  weniger  wahrscheinlich  ist,  giet,  gietes,  giete  ihr  ii  der 
Analogie   zn  ü  in  den  Adjektiven   und  Substantiven  an  gier,  gii 


C.  Humbert,  Nochmals  das  e  muet  und  der  Vortrag  franz  Verse.    271 

verdanken.  —  2.  avec  verdankt  die  Erhaltung  seines  c  bis  in 
die  Gegenwart  der  älteren  Konkurrenzform  aveque  (avec  zu  aveque 
wie  or  zu  ore)  und  ebenso,  was  glaublicher  klingt,  donc  seinen 
erhaltenen  k-  Auslaut  dem  älteren  donque.  —  3.  Die  postpar- 
talen (oder  volaren)  Laute  c  (k)  und  j  (y)  sollen  vor  den  haupt- 
tonischen freien  Velarvokalen  u,  o  ein  (unsilbisches)  u  (also  u) 
nach  sich  entwickelt  haben,  Cogitat  sei  so  durch  cuoide  zu 
cuide,  juvenem  durch  juovne  zu  juefne  etc.  übergegangen.  Des 
Verfassers  Beweisführung  hinkt  nach  mehreren  Seiten,  abgesehen 
davon,  dass  es  ihm  nicht  gelingt,  die  selbst  gebrachten  Ein- 
wände in  überzeugender  Weise  zu  beseitigen.  Der  zitierte  Reim 
esquet  (excutü):  puet  (potet)  beweist  nur,  dass  in  dem  betreffen- 
den Denkmal  früheres  #e  und  g  (ou)  bereits  unter  dem  Laute  02 
zusammengefallen  waren.  Nach  Cle'dat's  eigener  Annahme  hätte 
exeotä  nun  escugt  mit  geschlossenem  g  entstehen  können ;  in  puQt> 
dem  Vorgänger  von  puet,  lag  aber  offenes  g  vor.  Ebenso  in  den 
anderen  Fällen;  wie  sollten  ug  und  ug  zusammentreffen?  Wie 
sollte  endlich  in  juvenem,  dessen  anlautendes  j  (i)  früh  einem  g 
gewichen  war,  ein  u  nach  j  =  g  entstanden  sein?  Wer  wird 
dem  Verfasser  mit  „ja"  antworten,  wenn  er  fragt,  ob  nicht  in 
colubra  das  Anfangs  -c  das  u  der  zweitnächsten  Silbe  beeinflusst 
habe?  —  4.  In  dry  tr  (es  handelt  sich  nur  um  diese  Gruppen,  nicht 
wie  Clädat  betitelt,  um  Dentalis  vor  Liquida  überhaupt)  nach 
Vokal  soll  die  Dentalis  früher  in  vortonischer  als  in  betonter 
Stelle  verstummt  resp.  an  folgendes  r  assimiliert  worden  sein. 
Möglich,  aber  mit  dem  geringen  beizubringenden  Material  kaum 
zu  erweisen.  Die  Lehnworte  larrecin  und  norreturc  durften 
nicht  als  Beweismittel  herbeigezogen  werden. 

E.  Kosohwitz. 


flumbert,  C.  Nochmals  das  e  muet  und  der  Vortrag  franzö- 
sischer Verse.  Zur  Vervollständigung,  zur  Aufklärung  und 
zur  Abwehr.     Bielefelder  Progr.,  1890. 

Humbert  verteidigt  seinen  Standpunkt  in  dieser  Sache  gegen 
mehrere  Rezensenten  seiner  vor  zwei  Jahren  veröffentlichten  Schrift, 
bei  deren  Abfassung  ihm,  wie  er  gleich  zu  Anfang  offen  gesteht, 
„die  deutschen  Bücher  über  französische  Metrik  nicht  bekannt" 
waren.  Er  verteidigt  seinen  Standpunkt,  wie  ich  meine,  mit  Glück. 
Den  meisten  seiner  Ausführungen  kann  ich  meine  Zustimmung 
nicht  versagen. 

Ich  habe  mich  unterdes  in  dieser  Zeitschrift  zu  der  brennend 
gewordenen  Streitfrage  in  einer  besonderen  Abhandlung:  Grund- 


272  Referate  und  Rezensionen.    J.  Sarrazin, 

ziige  der  Entwickdung  des  e  xourd.  Ein  Beitrag  zur  Beant- 
wortung der  Frage:  „Wie  sind  die  französischen  Verse  zu  lesen  f 
(Zeitschr.  XI1,  8.  238 — 255),  und  in  einer  längeren  Besprechung 
der  letzten  Schrift  Lubarsch's  (Zeäschr.  XI2,  S.  21 — 29)  eingehend 
geäussert.  Ich  bin  sicher,  dass  meine  Auseinandersetzungen  nicht 
jedermann  überzeugt  haben.  Wenn  indes  einige  in  erster  Reihe 
massgebende  Männer  der  Wissenschaft,  auch  wenn  sie  vorher 
einen  etwas  anderen  Standpunkt  einnehmen  zu  müssen  glaubten, 
meine  Erwägungen  und  Beweisführungen  einleuchtend  finden 
würden,  dürfte  ich  hoffen  den  Streit  im  wesentlichen  geschlichtet 
zu  haben. 

In  des  ersten  Teiles  zweiter  Hälfte  („Stand  der  Frage 
in  Frankreich")  führt  Humbert  zur  Stutze  seiner  Ansichten 
ausser  denjenigen,  welche  er  Lubarsch  entnimmt,  noch  einige 
andere  beachtenswerte  französische  Zeugnisse  der  jüngsten  Zeit 
vor,  und  zieht  darauf  in  dem  kurzen  zweiten  Hauptteil  („Wie 
wir  uns  nun  zu  verhalten  haben")  in  frischer  und  überzeu- 
gender Weise  seine  Schlüsse  ans  den  vorhergehenden  Betrachtungen. 
Man  wird  dieselben  in  Übereinstimmung  mit  einem  Teile  meiner 
eigenen  Schlussfolgernugen  (Zeitschr.  XI  *,  S.  253  und  254)  finden. 

Heine  Abhandlung  hat  übrigens  Humbert  erst  kennen  ge- 
lernt, als  er  eben  im  Begriff  war  die  Korrekturbogen  in  die 
Druckerei  zurückzuschicken.  Neben  Coqnelin  finde  ich  daher  unter 
der  Überschrift:  „Noch  zwei  Bundesgenossen"  nur  auf  der  letzten 
Seite  des  Anhanges,  in  welchem  die  „wichtigsten  Stellen"  ans 
Marelle's  Rezension,  sowie  die  Rezensionen  derer,  die  Humbert 
„nicht  recht  geben",  zum  Abdruck  gelangen,  ein  kleines  Plätzchen. 
So  sehr  nun  auch  Humbert  meine  Bemühungen  zu  schätzen 
scheint,  so  ist  ihm  Coqnelin  doch  der  „wichtigste  Bundesgenosse". 
Hätte  der  letztere  das  fragliche  Problem  mit  gleichem  philo- 
logischem Rüstzeug  und  mit  derselben  Gründlichkeit  behandelt, 
so  wäre  ich  der  erste,  der  seinem  Urteil  als, dem  eines  Franzosen 
und  grossen  Schauspielers  die  höhere  Bedeutung  zuerkennen 
würde.  Aber  Coquelin  redet  gar  nicht  einmal  vom  e  muet.  Er 
plaudert  an  der  angeführten  Stelle  nur  über  das  Artikulieren: 
„Das  Artikulieren  (deutlich  sprechen)  ist  die  Höflichkeit  des 
Schauspielers,  wie  die  Pünktlichkeit  die  der  Könige.  Reden  Sie 
mir  nicht  von  der  Natürlichkeit  derer,  welche  deutlich  zu  sprechen 
für  Überflüssig  halten,  welche  vor  den  Zuschauern  wie  bei  Tische 
sprechen,  sich  unterbrechen,  sich  verbessern,  sich  wiederholen, 
ihre  Worte  wie  einen  Zigarrenstummel  kauen  .  .  .  Das  Theater 
ist  kein  Salon.  Man  spricht  nicht  zu  fünfzehnhundert  Zuschauern 
in  einem  Theatersaale  wie  an  der  Ecke  eines  Kamins.  Wenn 
man  seine  Stimme  nicht  erhebt,  hört  man  einen  nicht;  wenn  man 


Anhang  zu  ViUatte's  Parisismen,  273 

nicht  deutlich  spricht,  wird  man  nicht  verstanden. u  Es  ist  klar, 
dass  man  gar  manche  e  muets  stamm  lassen  bezw.  verstummen 
lassen  und  doch  seine  Rolle  im  Sinne  Coquelin's  deutlich,  sauber 
und  anständig  deklamieren  kann.  Was  dieser  ausserdem  gegen 
den  „Naturalismus"  in  der  Kunst  sagt,  gehört  noch  viel  weniger 
hierhin  und  kann  mich  nur  in  der  Vermutung  bestärken,  dass 
Coquelin  bei  seinen  Auslassungen  an   die  e  muets  kaum  dachte. 

W.  Ricken. 


Anhang  zu  ViUatte's  Parisismen*    Berlin,  G.  Langenscheidt 
1890.     8.  309—326. 

Dieses  Heftchen  soll  für  die  Besitzer  von  Villatte's  nützlichem 
und  vom  Ref.  sowohl  im  V.  Band,  S.  29  ff.,  als  auch  im  XI.  Bande, 
8.  39  ff.  der  Zeitschrift  sehr  ausführlich  besprochenen  Nachschlage- 
werk das  Warten  auf  die  dritte  Auflage  erleichtern,  welche  nicht 
mehr  lange  auf  sich  warten  lassen  dürfte.1)  So  dankenswert  diese 
Aufmerksamkeit  des  Verlegers  ist,  so  wenig  kann  man  allseitig 
dem  Inhalt  beistimmen.  Als  überflüssig  sind  z.B.  zu  bezeichnen: 
un  agiti  ein  Aufgeregter;  Stre  trop  artiste  sich  ums  Alltagsleben  zu 
wenig  kümmern ;  Vavoir  encore  =  avoir  encore  son  pucelage ;  botte 
ä  femmes  Lokal  mit  Damenbedienung  u.  a.  m.  Unvollständig  ist 
Ramollot,  da  immer  Colonel  dabeistehen  muss.  Bei  scrongneugneu 
muss  es  heissen  „Donnerwetter  !u,  statt  „wie  ein  D.tf.  Ein  bükt 
de  Service  wird  nicht  nur  den  Rezensenten,  sondern  auch  den 
regelmässigen  oder  gelegentlichen  claqueurs  zu  teil. 

Wörter  wie  bicepsman,  vibrion,  haute  femellerie,  boule  de  son, 
les  cabotinSy  les  petdeloups,  taupin  u.  a.  dürften  aus  des  Referenten 
Besprechungen  des  Buches  in  dem  Heftchen  Aufnahme  gefunden 
haben.  Andere,  wie  garder  ä  qn  un  chien  de  sa  chienne  =  garder 
rancune,  waren  dringendes  Bedürfnis  und  sind  ohne  Mahnung  nach- 
getragen worden. 

Viele  Ergänzungen  tragen  in  Klammern  den  Zusatz  S.  0. 
Da  sie  meist  auf  militärische  Ausdrücke  sich  erstrecken,  —  barder, 
berloque,  buissons  vivants,  faire  camper,  faire  colonne,  hussarder, 
serrer  Ja  vis,  fite  mobile,  tirer  la  tunique,  zanzibar  und  andere 
minder  bezeichnende,  —  so  ist  zu  vermuten,  dass  diese  Abkür- 
zung  Lucien   Descaves'    unflätiges  Buch   Sousoffs    als  Quelle 


*)  Die  3.  Auflage  ist  mittlerweile  als  Abdruck  der  zweiten  er- 
schienen und  der  Anhang  gesondert  zu  haben.  Eine  durchgreifende 
Neubearbeitung  der  Parisismen  bleibt  trotzdem  eine  unabweisliche  Not 
wendigkeit. 

Zichr.  t  firx.  Spr.  n.  Litt.    X1K  jg 


274  Referate  und  Rezensionen.    F.  tCaleptcy, 

dieser  Zusätze  bezeichnet.     Dann  war  aber  die  Klamme rbezeich 

Biing  bei  einem  so  allgemein  gebräuchlichen  und  so  wenig  zd 
den  Parisismen  zu  rechnendem  Wort  wie  engagt"  conditio  nnd 
=  Einjährigfreiwilliger,  zum  mindesten  Überflüssig,  ebenso  bei 
lübin.  Joseph  Sarrazin. 


Lncking,  G.  Französische  Grammatik  für  den  Schulgebrawh, 
Zweite,  verbesserte  Auflage.  Berlin,  188».  Preis  3  Mk. 
Weidmann' sehe  Buchhandlung. 

In  der  beträchtlichen  Zahl  der  im  Laufe  der  letzten  Jahre 
erschienenen  Grammatiken  des  Französischen  nimmt  das  vor- 
liegende Buch,  eine  kürzende  Bearbeitung  der  grösseren,  jedem 
Neuphilologen  unentbehrlich  gewordenen  LUcking'schen  Grammatik, 
eine  abgesonderte  Stellung,  aber  meines  Erachten»  auch  den  ersten 
Platz  ein.  Keine  andere  Grammatik  kann  sich,  was  Genauigkeit 
der  Angaben,  Gründlichkeit  in  der  Auffassung  und  Darstellung 
der  sprachlichen  Erscheinungen  betrifft,  mit  dieser  messen;  keine 
freilich  stellt  auch  an  die  wissenschaftliche  Tüchtigkeit  und  an 
das  Unterrichtsgeschick  des  Lehrers,  sowie  an  die  Aufmerksam- 
keit nnd  geistige  Spannkraft  des  Schillers  so  hohe  Anforderungen. 
Es  ist  ohne  Frage  die  „schwerste"  aller  Grammatiken.  Dass 
diese  Eigenschaft  in  der  gegenwärtigen  Zeit,  welche  der  Gram- 
matik im  allgemeinen,  nnd  im  besondern  dem  nicht  auf  unmittelbar 
praktische  Zwecke,  sondern  auf  möglichst  tiefes  Eindringen  in 
die  Sprache  abzielenden  Betriebe  derselben  so  abhold  ist,  nicht 
zu  rascher  Verbreitung  des  Bncbes  beitragen  kann,  liegt  auf  der 
Hand.  Um  so  erfreulicher  ist  es,  dass  nach  Verlauf  von  sechs 
Jahren  eine  zweite  Auflage  desselben  nötig  geworden  ist,  deren 
Veranstaltung  dem  nm  die  Förderung  der  französischen  Grammatik 
so  hochverdienten  Verfasser  nicht  nur  Gelegenheit  gegeben  hat, 
sein  Werk  durch  mancherlei,  aber  keineswegs  umfangreiche  Ver- 
besserungen der  angestrebten  Vollkommenheit  eiuen  Schritt  naher 
zu  fuhren,  sondern  ihm  auch  die  Genugthunng  verschafft,  dass 
seine  idealistische  Auffassung  des  Grammatik  Unterrichtes  von  einer 
Zahl  unterrichtender  Fachgenossen  geteilt  wird. 

Nachdem  das  Buch  bei  seinem  ersten  Erscheinen  von  Tobler 
(Zeitschrift  für  da»  Gymnasialwesen,  1883)  gewürdigt  sowie  im 
einzelnen  nachgeprüft  worden  ist  und  der  Verfasser  den  Aus- 
stellungen und  Wünschen  dieses  und  anderer  Rezensenten  möglichst 
gerecht  zu  werden  versucht  hat,  wird  von  der  Berichterstattung 
Über  die  zweite  Auflage  nicht  viel  Neues  erwartet  werden  könne». 
So   sind  es    denn  auch  nicht   besonders   erhebliehe   Dinge,    auf 


G.  Lücking,  Französische  Grammatik  für  den  Schulgebranch.     275 

welche  sich  die  nachfolgenden,  aus  längerer  Beschäftigung  mit 
dem  Buche  erwachsenen  Bemerkungen  beziehen,  die  ich  einem 
Grammatiker  wie  Lücking  gegenüber  ausdrücklich  als  unmass- 
geblich zu  bezeichnen  mich  gedrungen  fühle. 

Einen  der  grüssten  Vorzüge  des  Buches  muss  ich  in  seiner 
grammatischen  Terminologie  erblicken.  Reine  Benennung,  Unter- 
scheidung, keine  Beschreibung  eines  Sachverhaltes,  die  nicht  das 
besondere  Wesen  der  Erscheinungen  träfe  und  auf  den  präzisesten 
Ausdruck  brächte.  Nur  mit  einem  Terminus  vermag  ich  mich 
durchaus  nicht  zu  befreunden,  weil  er  meines  Erachtens  den  Ler- 
nenden an  einer  scharfen  Erfassung  der  sprachlichen  Erscheinung, 
auf  welche  er  angewendet  wird,  hindern  muss.  Es  ist  der  Ter- 
minus „ Beziehung  mittelst  Attraktion  a. 

Anlass  zum  Gebrauche  dieser  Bezeichnung  gibt  Lücking 
die  Satzform  der  Hervorhebung,  wie  sie  das  Beispiel:  C'est  moi 
qui  tai  fait,  zeigt.  Er  sagt  darüber  (§  133  Anm.):  „Ist  ein  de- 
terminatives ce  Subjekt  und  qui  von  demselben  durch  etre  und  ein 
Prädikatsnomen  getrennt,  so  bezieht  sich  qui  auf  das  Prädikats- 
nomen. u  Einen  Beweis  für  diese  Behauptung  gibt  er  nicht,  und 
mit  gutem  Grunde,  denn  sie  lässt  ihrer  Natur  nach  keinen  Be- 
weis zu.  „Beziehen"  ist  ein  logischer  Begriff,  den  die  Grammatik 
verwendet,  insofern  sie  untersucht,  wie  sich  Satzglieder  als  Ge- 
dankenglieder zu  einander  verhalten.  Daher  kann  die  Frage,  ob 
sich  ein  Satzglied  auf  ein  anderes  beziehe,  nicht  au 8  der  äusseren 
Gestalt  des  Satzes,  sondern  sie  muss  durch  die  Betrachtung  des 
Verhältnisses,  welches  sie  im  Denken  haben,  entschieden  werden. 
Dass  sich  aber  das  qui  des  angeführten  Beispieles  logisch  nicht 
auf  moi  bezieht,  wird  für  Lücking  keines  Beweises  bedürfen, 
und  wird  jedermann  sogleich  klar,  wenn  er  die  Funktion  dieses 
qui  mit  derjenigen  vergleicht,  welche  es  in  folgendem  Beispiel 
hat:  Moi  qui  suis  venu  te  voir,  jesperais  u.  s.  w.  Hier  bezieht 
sich  qui  auf  moi;  das  will  sagen:  mit  dem  unter  qui  Gedachten 
knüpfe  ich  an  das  unter  moi  Gedachte  an.  Wollte  ich  dagegen 
in  dem  erstgegebenen  Beispiel  mit  qui  in  Gedanken  an  moi  an- 
knüpfen, so  würde  ich  mich  sogleich  von  dem  Gedanken  entfernen, 
dem  der  Sprechende  die  Form:  c'est  moi  qui  Vai  fait  gegeben 
hat.  Das  qui  dieses  Satzes  steht  zu  dem  vorangehenden  moi  in 
keinerlei  innerer  Beziehung;  es  ist  ein  beziehungsloses  Relativ- 
pronomen, dessen  Natur  nnd  Vorkommen  von  Tobler  in  seinen 
Vermischten  Beiträgen  (17)  gründlich  erörtert  ist. 

Was  Lücking  veranlasst,  in  dem  beregten  Fall  von  einer 
„Beziehung  mittelst  Attraktion u  zu  reden,  kann  nur  der  Umstand 
sein,  dass  das  Verbum  des  Relativsatzes  mit  dem  Prädikat  des 
vorangehenden  Satzes  in  Person  und  Zahl  kongruiert.    Aber  diese 

18* 


376  Referate  und  Rezensionen.     G.  Wittenberg, 

Kongruenz,  deren  Erklärung  hier  auf  sich  beruhen  mag,  beweist 
nichts  für  die  Beziehung  des  qui.  Soll  aber  dem  Schüler  diese 
Kongruenz  mit  Hülfe  der  Benennung  „Beziehung  mittels  Attraktion" 
erklärt  werden,  so  scheint  mir  das  bedenklich.  Ich  würde  et 
ftlr  richtiger  halten,  dass  man  dem  Schüler  sagte:  Trotzdem 
dieses  qui  beziehungslos  und  in  keiner  Weise  mit  moi  zu  ver- 
binden ist,  verlangt  der  Sprachgebrauch,  den  Relativsatz  so  zu 
gestalten,  als  ob  er  sich  auf  moi  bezöge,  —  and  dass  man  ihm 
den  Unterschied  zwischen  diesem  beziehungslosen  und  dem  an 
sein  Antezedens  anknüpfenden  qui  durch  viele  Beispiele,  durch 
sinngemässes  Vorsprechen  derselben  so  klar  und  geläufig  wie 
irgend  möglich  machte. 

Ist  dies  geschehen,  so  bedarf  es  für  den  Schüler  nicht  der 
Regel  (§  161  d2),  dasB,  wenn  einem  solchen  beziehungslosen 
qui  ein  Superlativ  vorangebt,  der  Konjunktiv  im  Relativsatze  un- 
möglich ist;  vielmehr  muss  ihm  diese  Th&tsache  als  objektiver 
Beweis  dafür  gelten,  dase  ein  solches  qui  sich  nicht  auf  Bein 
Antezedens  bezieht.  Sodann  wird  es  auch  Überflüssig  sein,  ans 
dem  Beispiel:  Ceti  la  premiire  foie  que  je  tai(e)  vu,  einen  be- 
sonderen Fall  zu  machen,  da  der  Schüler  zu  erkennen  gelernt 
hat,  dass  hier  que  Bein  Antezedens  aufnimmt,  dass  folglich  dieser 
Satz  derselben  Art  ist,  wie  etwa  dieser:  Cent  le  seul  komme  qvt 
je  connai*(*e)  im. 

Eb  ist  ganz  folgerichtig,  wenn  LUcking  auch  für  das  qye 
des  Satzes  C'est  une  tour  que  vout  voyez  „Beziehung  mittels  At- 
traktion" annimmt  Hitren  wir,  was  er  darüber  sagt  (g  279)! 
„Das  (substantivische)  Neutrum  des  Detenninativs  ce  als  Subjekt 
ist  von  dem  Relativum  durch  das  Prädikat  (etre  mit  einem  Sub- 
stantiv, Substantiv.  Pronomen,  Infinitiv)  getrennt  a)  vor  einem  re- 
lativen Pronomen.  Besteht  das  Prädikat  zu  einem  determina- 
tiven ce  ans  etre  und  einem  Substantiv  z.  B.  Ce  que  voui  voyez 
est  une  tour,  so  steht  es  regelmässig  unmittelbar  nach  ce;  z.  B. 
Cent  une  tour  que  vous  voyez.  Während  sich  aber  dort  que  (als 
Neutrum)  auf  ce  bezieht,  so  bezieht  sich  hier  mittels  einer  Attrak- 
tion que  (als  Commune)  auf  das  prädikative  Substantiv  (une  tour)." 
Zunächst  fragt  es  sich,  welcher  Natur  dieses  que  ist  A.  Schulze, 
der  in  seiner  wertvollen  Monographie  über  den  altfranzösischen 
direkten  Fragesatz  (S.  98)  dieses  que  berührt,  hält  es  fUr  selbst- 
verständlich, dasB  es  die  Konjunktion  ist,  ohne  sich  näher  darüber 
auszusprechen.  LUcking  sieht  in  dem  que  das  Relativ,  als  Commune 
auf  une  tour  bezogen,  wird  aber  seine  Behauptung  nicht  darauf 
stützen  wollen,  dass  in  dem  Satz:  C'est  une  tour  que  vous  ova 
vue,  —  das  Partizip  mit  tour  kongruiert  Bis  A.  Schulze  dar- 
thut,    weshalb    das  que  nicht  das  Relativ  sein  kann,    glaube  ich 


0.  ütbrich,  Übungsbuch  zum  Obersetzen  etc.  277 

es    ebenso  auffassen   zu  müssen,   wie   das   qui  in  dem  Beispiel 
Cest  moi  qui  Vai  fait,  nämlich  als  beziehungsloses  Relativ. 

Aber  auch  die  Natur  des  ce  in  diesen  Beispielen  steht  nicht 
ausser  allem  Zweifel.  Es  ist  leicht  ersichtlich,  dass  in  dem  Satze 
(a)  Cest  une  tour  que  vous  voyez,  das  ce  eine  andere  Funktion  hat, 
als  in  dem  Beispiel  (b)  Ce  que  vous  voyez,  est  une  tour.  Dies 
würde  nicht  hindern,  das  ce  in  beiden  Fällen,  wie  Lttcking  thut, 
als  Determinativum  zu  bezeichnen.  Aber  ebensowohl  scheint  es  mir 
möglich,  das  ce  in  dem  Fall  a)  als  demonstrativisch  anzusehen, 
indem  der  Satz  etwa  so  aufzufassen  wäre:  „Das  (da)  ist  ein  Turm, 
(nämlich)  was  ihr  sehet. a  Wenigstens  ist  hier  der  Zusammenhang 
zwischen  dem  ce  und  dem  von  ihm  durch  das  Prädikat  getrennten 
que  viel  loser  als  in  den  anderen  Fällen,  wo  wir  ce  als  Deter- 
minativum bezeichnen.  Auch  ist  es  nur  konsequent,  das  ce  als 
Demonstrativum  aufzufassen,  sobald  man,  wie  mir  ganz  notwendig 
scheint,  que  als  beziehungslos  bezeichnet. 

In  §  216a  heisst  es:  „Auf  das  Subjekt  bezieht  sich  ein 
Substantiv  (prädikativ) . . .  nach  s'appeler,  se  nommer,  se  trouver; 
z.  B. . . .  11  s'appeüe  Charles.  Dies  scheint  mir  anfechtbar.  Der 
Satz:  Je  m'appette  Charles  ist  doch,  was  das  Verhältnis  des  Prä- 
diaktsnomens  zum  Subjekt  betrifft,  dem  Satze:  Je  t'appelle  Charles 
gleich,  wo  offenbar  Charles  mittelst  des  Verbums  auf  te,  das 
Objekt,  und  nicht  auf  das  Subjekt  bezogen  wird. 

§  147,  la  heisst  es:  „Das  Präsens  des  Futur  bezeichnet 
eine  unvollendet  gedachte  Handlung  als  . . .  etwas,  was  geschehen 
soll  a)  in  Hauptsätzen:  in  Geboten  in  der  2.  Person,  in  jussiven 
Fragen  jedoch  auch  in  der  1.  und  3.  Person. u  Hierzu  bemerkt 
A.  Schulze  a.  a.  0.,  S.  114,  dass  diese  Verwendung  des  Futurs 
im  direkten  Fragesatze  nur  in  der  1.  und  3.  Person  möglich  sei. 

Der  Druck  ist  in  hohem  Grade  korrekt.  Den  auf  der  letzten 
Seite  gegebenen  Berichtigungen  vermag  ich  nur  wenige  hinzu- 
zufügen. S.  101,  Z.  4  v.  u.  lies  341  B,  3  b1)  anstatt  341a,  3b1); 
S.  152,  Z.  14  l&cheti  statt  lacketi. 

F.  Ealepkt. 


Ulbricb,  0«9    Übungsbuch  zum  Übersetzen  aus  dem  Deutschen  in  das 

Französische  für  die  mittleren  und  oberen  Klassen  höherer 
Lehranstalten.  Berlin,  1889.  Gaertner.  177  S.  8.  Preis: 
1,50  Mark.1) 

Dieses  Übungsbuch,  welches  sich  an   die  Schalgrammatik  des- 
selben Verfassers  anschliesst,  soll  „eine  für  alle  Arten  höherer  Lehr- 

~~^~^~~ - ~ ~ ~ ~~ ~~~~~~~  • 

*)  Der  hierzu  gehörige  Schlüssel  (geb.  2,80  Mk.)  wird   nur   an 
Lehrer  abgegeben. 


378  Referate  und  Rezensionen.    A.  Rambeau, 

anstalten  geeignete  Sammlung  von  0 bereetzu ngsflbun gen"  sein.  ¥.*  ist 
durchaus  zu  billigen,  dass  U.  „»IL-»  Fach  Wissenschaft  liehe  ausg  es  chloren 
nnd  nich  auf  diejenigen  Stilgattungen  beschränkt  hat,  welche  dem 
Schüler  durch  die  französische  Piosalektüre  bekannt  werden,  and  welche 
den  Wortschatz  der  gebildeten  Gesellschaft  in  erzählender,  abhandeln- 
der, brieflicher  oder  dialogischer  Form  darbieten".  Für  letztere  hat 
der  Verfasser  sechs  abgerundete  Abschnitte  aus  Feuillet's  Le  Viliage. 
die  allerdings  meines  Krachten«  infolge  ihrer  Schwierigkeit  nur  ton 
vorgeschritteneren  Schillern  übersetzt  werden  können,  ausgewählt  and 
auf  verschiedene  Kapitel  verteilt.  —  Der  Ubungsstoff  gliedert  sich  ia 
drei  Abschsnitte:  A.  Zur  Wiederholung  der  uo  rege  Im  äse  igen  Verb». 
B.  Zur  Syntax  (10- Kapitel).  C  Vermischte  Übungen  zur  Syntax  nnd 
zur  Stilistik.  Jeden  Kapitel  umfasst  einen  oder  mehrere  Abschnitte 
Einzelsätze,  denen  immer  einige  zusammenhängende  Stücke  folgen; 
dass  letztere  zum  grossen  Teil  denkwürdige  Ereignisse  und  Persön- 
lichkeiten der  franzOsischei]  Geschichte,  Litteratur  u.  s.  w.  behan- 
deln, verdient  lobend  erwähnt  zu  werden,  ebenso,  dass  es  der  Verfasser 
absichtlich  vermieden  hat,  Jeden  Satz  mit  Fussangeln  und  Fallstricken 
zn  versehen".  Fussnoten  auf  jeder  Seite  bieten  die  nötigen  Ober- 
setzungshilfen:  Vokabeln,  Umformungen  des  Textee  und  Hinweise 
auf  die  Paragraphen  der  Grammatik;  bin  und  wieder  finden  sich  auch 
kurze  biographische  Angaben,  soweit  sie  zum  Verständnis  dea  Textet 
erforderlich  sind.  Ein  alphabetisches,  deutsch  -  französisches  Wörter- 
verzeichnis bildet  den  Schluss. 

Ich  bin  überzeugt,  dass  vorliegendes  Buch  infolge  seines  mannig- 
fachen, geschickt  zusammengestellten  nnd  interessanten  Inhalts  mit 
Nutzen  im  französischen  Unterricht  verwertet  werden  kann. 

Gotthold  Willenberq. 


Jacobs,  Dr.  Brlncker,  Dr.  F Ick«  KurzgefassU  Grammatik  für 
den  französischen  Anfangsunterricht.  Leipzig  u.  Itzehoe,  1889. 
Verlag  von  Ütto  Kick.     53  S.     Kart.     8. 

Die  vorliegende  Grammatik,  welche  für  das  erste  nnd  zweite 
Jahr  des  französischen  Unterrichts  bestimmt  ist,  schliesst  sich  unmittel- 
bar an  die  Anfangsstufe  des  Lesebuchs  für  den  französischen  Unterrickl 
derselben  Verfasser  an,  aus  welcher  die  „Kennwörter'1  und  Beispille 
für  die  Grammatik  entnommen  sind;  doch  dürfte  sie  auch  neben  an- 
deren Lesebüchern  recht  wohl  verwendbar  sein.  Sie  beginnt  mit  einer 
Laut-  und  Buchstabenlehre  (§§  1 — H),  in  welcher  zu  den  einzelnen  Laut- 
zeichen die  entsprechenden  Schriftzeichen  in  Klammer  hinzugefügt  und 
dann  immer  in  einigen  „Kennwörtern"  zur  Anschauung  gebracht  sind. 
Hieran  schliessen  sich  in  §  9  die  Hülfszeichen  (Accente,  Cedille  etc.), 
worauf  als  Hauptteil  die  Formenlehre  (§§  10—58)  folgt,  in  welcher  in 
durchaus  sparsamer  Weise,  nämlich  nur  bei  wichtigeren  Formen,  neben 
dem  Schriftbild  auch  das  Lautbild  angegeben  ist.  Den  umfangreichsten 
Abschnitt  der  Formenlehre  bildet  natürlich  das  Verbum  (§§  43—53), 
bei  dessen  Anordnung  die  Verfasser  im  allgemeinen  Ohlert's  Lehre  vom 
französischen  Verb  gefolgt  sind;  von  den  un regelmässigen  Verben  sind 
mit  Hecht  nur  die  wichtigsten  aufgeführt,  „da  dieselben  in  ausführ- 
licher Behandlung  in  das  Pensum   des  dritten  Jahres  gehören". 

Was  die  Verfasser  nach  dem  Vorwort  erstrebt  haben  —  „in 
möglichster  Kürze  und  Oh  ersichtlichkeit  die  wichtigsten  Erscheinungen 


K.  Foth,  Der  französische  Unterricht  auf  dem  Gymnasium.      279 

der  Elementargrammatik  zusammenzufassen"  — ,  ist  ihnen  meines  Er- 
achtens  im  grossen  und  ganzen  recht  wohl  gelungen.  Sie  haben  fast 
durchgehend«  alle  überflüssigen  Einzelheiten  unerwähnt  gelassen  und 
sich  tnunlichst  auf  Paradigmen  beschränkt,  die  aber,  wie  es  mir  für 
den  Anfangsunterricht  auch  durchaus  notwendig  ei  scheint,  vollständig 
und  durch  Anweudung  verschiedenartiger  Typen  recht  übersichtlich 
gegeben  sind;  die  wenigen,  sich  durch  Kürze  vorteilhaft  auszeichnen- 
den Regeln  sind  fast  stets  aus  den  vorangestellten  Beispielen  abgeleitet. 

Dem  Vorstehenden  füge  ich  einige  Bemerkungen  über  Einzel- 
heiten hinzu.  Ein  Inhaltsverzeichnis  wäre  sehr  erwünscht.  —  In  der 
Konsonantentabelle  (§  4)  dürften  die  bezeichnenderen  Ausdrücke  „stimm- 
hafta  und  „stimmlos"  (statt  tönend  und  tonlos)  vorzuziehen  sein.  — 
In  §  6  könnte  als  Beispiel  für  das  Fehlen  der  Bindung  etwa  les  haute urs 
hinzugefügt  werden.  —  Die  Aussprache  des  c  und  a  vor  a,  o,  u  (§  8) 
findet  sich  auch  vor  den  Konsonanten  und  am  Schluss  einer  Silbe.  — 
§  19,5  scheint  mir  concret  für  den  Anfangsunterricht  entbehrlich,  ebenso 
harceier  in  §  51,4  b.  —  §  19  a.  E.  folgt  nouveau  besser  gleich  auf  beau. 
—  §§  27 — 31  müssten  behandeln:  A.  Persönliche  Fürwörter,  und  zwar 
1.  beim  Verbum  stehende,  2.  alleinstehende.  —  §  41,1 :  „Das  auf  dont  (!) 
folgende  Substantiv  durf  nicht  von  einer  Präposition  regiert  sein  (in 
maison  aux  fenitres  de  laguellej.u  In  dieser,  wohl  durch  das  Streben 
nach  Kürze  veranlassten  lassung,  ist  die  Regel  unverständlich.  —  In 
§  44  („ Kennformen  und  Ableitungen")  müsste  bei  finissant  etc.  wohl 
auch  die  Silbe  iss  durch  den  Druck  hervorgehoben  oder  abgetrennt 
werden.  —  Am  Anfang  von  §  47  fehlt  die  Oberschrift  „Aktiv".  —  In  §  53 
sollte  es  in  der  rechten  Spalte,  nach  der  in  §  45  ff.  gegebeneu  Obersicht, 
durchgängig  „Part,  des  Prät."  statt  „Part.*  des  Perf.u  heissen. 

Dem  Verleger  gebührt  für  die  treffliche  Ausstattung  —  das 
gelbliche,  starke  Papier,  den  grossen  und  klaren,  ausserordentlich  über- 
sichtlichen Druck  —  der  Dank  aller  Lehrer  und  Schüler,  die  dieses 
Buch  im  Unterricht  benutzen.    Druckfehler  sind  mir  nicht  aufgefallen. 

Gotthold  Willenberg. 


1.  Foth,  K«,  Der  französische  Unterricht  au f  dem  Gymnasium.   Auch 

eine  Reformschrift     Leipzig,  1887.    Gustav  Fock.     155  S.    8°. 

2.  Neubauer,  Heinrich,    Die  Reformbewegung   auf  dem   Gebiete 

des  Sprachunterrichts  und  die  höhere  Bürgerschule.  Erfurt, 
1887.     E.  Weingart.     44  S.     8°. 

3.  Wendt,  Otto,  Encyklopddic  des  französischen  Unterrichts.  Methodik 

und  Hilfsmittel  für  Studierende  und  Lehrer  der  französischen 
Sprache  mit  Rücksicht  auf  die  Anforderungen  der  Praxis. 
Hannover,  1888.  Carl  Meyer  (Gustav  Prior).  IV,  202  S.  8°. 
Preis:  3  Mk. 

4.  Glabbach,  II«  W.,  Die  Lautphysiologie  im  französischen  Unter- 

richt. Berlin,  1887.  Friedberg  &  Mode.  15  S.  8°.  (Separat- 
abruck  aus  dem  Zentral -Organ  für  die  Interessen  des  Real- 
schulwesens.    1887,  No.  14. 

1.    Foth'B  Abhandlung  ist  mir  schon  seit  dem  Jahre,  in  dem 
sie  veröffentlicht  worden  ist,  bekannt.    Aber  ich  freue  mich,  dass  ich 


SSO  Referate  und  Rezensionen.    A.  Rambeau, 

diese  wichtige  Schrift  erst  jetzt  zu  besprechen  Gelegenheit  finde,1) 
nachdem  ich  selbst  den  französischen  Unterricht  am  sogenannten  huma- 
nistischen Gymnasium  durch  eine  mehr  als  siebenjährige  Thätigkeit 
als  Lehrer  einer  solchen  Anstalt  unter  mehrfach  und  ziemlich  stark 
wechselnden,  ffir  das  Fach  der  neueren  Sprachen  günstigen  und  un- 
günstigen Schulverhältnissen  genau  kennen  gelernt  habe.  Ich  bin  nun 
in  der  Lage,  den  Inhalt  der  Abhandlung  mit  grosserer  Sachkenntnis 
und  Objektivität  zu  beurteilen ;  und  die  eigene  Erfahrung  zwingt  mich, 
die  von  F.  vorgebrachten  Klagen  (A,  S.  8—59)  fast  insgesamt  alt 
wohl  begründet  und  die  von  ihm  ausgesprochenen  Wünsche 
(B,  S.  60-152)  zum  Teil  als  sehr  berechtigt  anzuerkennen.  Inter- 
essant und  wertvoll  ist  das  statistische  Material,  das  uns  der  Verfasser 
in  dem  Kapitel  über  die  Organisation  des  gymnasialen  französischen 
Unterrichts  in  den  einzelnen  deutschen  Staaten  gibt;  und  besonders 
lehrreich  ist  die  Tabelle,  welche  die  Verteilung  und  die  Anzahl  der 
Lehrstunden,  die  Anforderungen  in  der  Maturitätsprüfung,  die  Lehr- 
aufgaben oder  das  Lehrziel  dieses  Faches  in  den  Gymnasien  der  ver- 
schiedenen Länder  des  deutschen  Reiches  in  übersichtlicher  Weise  dar- 
stellt (S.  IS,  19). 

Den  Hauptfehler  der  Organisation  des  französischen  Unterrichte 
im  Gymnasium,  die  hauptsächliche  Ursache  seiner  Erfolglosigkeit  oder, 
wie  ich  lieber  sagen  mochte,  seiner  fast  unüberwindlichen  oder  nur  in 
seltenen  Fällen,  unter  ausnahmsweise  günstigen  Bedingungen  überwind- 
lichen  Schwierigkeit  erblickt  F.  mit  Recht  in  dem  System  der  Ver- 
zettelung durch  8  Jabreskurae  und  der  zwei  wöchentlichen  Stunden 
in  allen  oder  den  meisten  Klassen,  —  in  jenem  verhängnisvollen 
System,  das  die  Fachlehrer  des  Französischen  manchmal  durch  6, 
ja  8  Klassen  hetzt,  sie  ihren  Schülern  ah  Fremde  oder  Eindringlinge 
erscheinen  lfisst  und  ihre  Kräfte,  wenn  sie  nicht  eine  ungewöhnliche 
Elastizität  und  Widerstandsfähigkeit  besitzen,  durch  Ruhelosigkeit  und 
übermässige  Anstrengung  beim  Unterrichten  und  Korrigieren  frühzeitig 
aufreibt.  Eine  andere  Ursache  ist  der  sonderbare  Umstand,  das 
man  in  Reglements,  Verordnungen  u.  dgl.  an  den  französischen  Unter- 
riebt in  bezug  auf  grammatische  Sicherheit  und  schriftliche  Leistungen 
sehr  hohe  Anforderungen  stellt,8)  als  ob  derselbe  mit  der  doppelten 
oder  dreifachen  Stundenzahl  bedacht  wäre,  freilich  auch  im  allgemeinen 
ohne  die  wirkliche  Erreichung  des  angegebenen  Zieles  ernstlich  zu  ver- 
langen. Guten  Ergebnissen  in  diesem  „Nebenfache"  wird  häufig  genug 
die  gebührende  Beachtung  und  Anerkennung  versagt.  Die  neueren 
Sprachen,  als  Unterrichtsobjekt  im  „humanistischen "  Gymnasium,  er- 
scheinen manchen  klassischen  Philologen  wie  ein  notwendiges  Übel, 
mit  dem  man  sich,  so  gut  es  eben  gehen  mag,  abzufinden  hat.  Tüchtige 
Leistungen  in  diesen  Sprachen  werden  daher  von  ihnen  weder  geschätzt 
noch  als  wünschenswert  betrachtet;  sie  könnten  nach  ihrer  Meinung 
allzu  leicht  den  Betrieb  der  „Hauptfächer"  beeinträchtigen  und  ge- 
fährden 1! 


'der  Gegenstand  eines 
Vortrages,  den  der  Rezensent  kürzlich  im  „Verein  für  das  Studium 
der  neueren  Sprachen  in  Hamburg -Altona"   gehalten  hat. 

a)  In  bezug  auf  das  Verständnis  und  das  Übersetzen  der  fran- 
zösischen Schriftsteller  verlangt  allerdings  sowohl  die  Praxis  als  da; 
Reglement,  wie  F.  sehr  richtig  bemerkt,  „erstaunlich  wenig".  Vgl. 
Fotb  S.  Sfi— 3";  und  nachher  eine  Anmerkung  S.  12  (Ordnung  der 
E  ntlas  sungsprü  f u  ng). 


K.  Foth,  Der  französische  Unterricht  auf  dem  Gymnasium.      281 

Den  inneren  Grund  der  traurigen  oder  mindestens  sehr  bedrängten 
und  schwierigen  Lage  des  französischen  Unterrichts  im  Gymnasium,  die 
eich  in  dem  Zweistundensystem,  in  der  gelegentlichen  oder  gar  an- 
dauernden Beschäftigung  von  Laien,  Dilettanten  und  Ignoranten  als 
Lehrer  dieses  Faches,  in  der  Aufstellung  und  zugleich  Vernachlässigung 
sehr  hoher  Ziele  u.  b.  w.  u.  s.  w.  bekundet,  erwähnt  F.  ebenfalls,  aber 
hebt  denselben,  wie  es  mir  scheint,  nicht  deutlich  genug  hervor:  die 
Missachtung  der  französischen  Sprache  und  Litteratur  und  die  ganz 
unbegründete,  aber  ziemlich  allgemein  verbreitete  Ansicht,  dass  die 
französische  Sprache  und  der  französische  Unterricht  leicht  sei.  Auf 
diese  Frage  glaube  ich  jedoch  hier  nicht  näher  einzugehen  zu  brauchen, 
da  ich  sie  erst  kürzlich  in  einem  Aufsatze  Über  die  Versuche  von 
Gustav  Ptcetz  und  Otto  Kares,  die  französischen  Lehrbücher  von  Karl 
Picetz  den  Grundsätzen  der  Reformmethode  anzupassen  in  der  von  Hessel 
und  Dörr  herausgegebenen  Zeitschrift  Die  Mädchenschute  III,  S.  79  ff. 
ausführlich  erörtert  habe.  —  Mit  der  Ansicht  von  der  Leichtigkeit 
der  französischen  Sprache  und  des  französischen  Unterrichts  verbindet 
sich  nicht  selten  die  merkwürdige  Auffassung,  dass  die  neueren  Sprachen 
zu  den  Realfächern  zu  rechnen  seien  und  daher  als  solche  an  einem 
„humanistischen"  Gymnasium  nur  eine  nebensächliche  Stellung  einzu- 
nehmen haben.  Die  Verteidiger  und  Lobredner  des  „humanistischen" 
Gymnasiums,  wie  es  ist,  oder  vielmehr  wie  es  bis  zur  Revidierung 
der  Lehrpläne  in  Preussen  gewesen  ist,  werden  gewiss  nie  zugeben 
und  werden  sich  stets  gegen  den  Gedanken  sträuben,  dass  das  Studium 
der  modernen  Sprachen  und  Litteraturen ,  der  modernen  Kultur  min- 
destens ebenso  bildend  sein  muss  und  in  demselben  Masse  oder  etwa 
gar  in  höherem  Grade  und  in  edlerem  Sinne  ein  humanistisches  ge- 
nannt zu  werden  verdient,  als  das  Studium  des  klassischen  Altertums. 
Leider  gehören  viele  dieser  Männer,1)  deren  Aufrichtigkeit  und  Ober- 
zeugungstreue ich  achte,  wenn  ich  auch  ihren  unhaltbaren  und  ver- 
alteten Standpunkt  nicht  billige,  gerade  zu  den  massgebenden  Kreisen. 
Ihr  Einfluss  wird  wahrscheinlich  gross  genug  sein,  um  die  Durchführung 
einer  gründlichen  Reform  des  Gymnasiums,  die  zusammen  mit  einer 
allgemeinen  Umgestaltung  und  Erneuerung  des  höheren  Unterrichts- 
wesens bevorzustehen  scheint  und  früher  oder  später  eintreten  muss, 
auf  lange  Zeit  noch  zu  hindern  oder  abzuschwächen. 

Trotzdem  unterliegt  es  keinem  Zweifel,  dass  die  Wertschätzung 
des  französischen  Unterrichts  in  den  deutschen  Gymnasien  im  Steigen 
begriffen  ist,  dass  seine  Stellung  sich  allmählich  bessert  und,  was  auch 
F.  anerkennt,  sich  bereits  sehr  gebessert  hat.  Dies  ist  die  natürliche 
Folge  der  Konkurrenz  der  Realschulen  und  der  Realgymnasien,  des 
Aufblühens  der  romanischen  Philologie  an  den  Universitäten  und  des 
wachsenden  Interesses,  das  sowohl  die  Behörden  als  das  Publikum 
einer  Reform  der  höheren  Schulen  speziell  in  bezug  auf  die  lebenden 
Sprachen  entgegenbringen.  Das  verderbliche  Zweistundensystem,  dem 
F.  die  hauptsächliche  Schuld  an  der  Erfolglosigkeit  oder  der  ausser- 
ordentlichen Schwierigkeit  des  französischen  Unterrichts  zumisst,  ist 
bereits  in  den  Gymnasien  Badens  (mit  4  wöchentlichen  Stunden  in  IV, 
3  in  HIB — HA,  2  in  I)  fast  ganz  durchbrochen  und  in  denen  Preussens 
und  der  meisten  übrigen  Staaten,  so  auch  Hamburgs,  bedeutend  ge- 
mildert worden.     In   bayerischen  Gymnasien  war  bis  vor  kurzem  und 

l)  Vgl.  z.  B.  Jäger,  Das  humanistische  Gymnasium  und  die  Petition 
um  durchgreifende  Schulreform,  Wiesbaden,  1889,  und  die  Besprechung 
dieser  Schrift  von  Wen  dt  in  den  Badischen  Schulblattern,  1889,  No.  11. 


382  Referate  und  Rezentionen.    Ä.  Rambeau, 

ist  vielleicht  immer  noch  der  Zustund  de»  französischen  Unterricht« 
am  kläglichsten  (mit  2  wöchentlichen  Lohrstunden  und  zwar  nur  in 
den  vier  obersten  Klassen.'}  Aber  es  scheint .  das«  jetzt  auch  dort 
eine  Wendung  zum  Besseren  eingetreten  ist  oder  sieb  vorbereitet 

Obgleich  ich  Foth's  Klagen  und  Wünsche  trotz  der  in  der  letzten 
Zeit  geschehenen  Veränderungen  der  Lehrplkne  im  grossen  und  ganzen 
immer  noch  als  berechtigt  anerkenne,  so  kann  ich  mich  doch  nicht 
seinem  pessimistischen  Urteil  anschliessen ,  dass  man  am  Gymnasium 
im  Französischen  ohne  eine  weitere  Vermehrung  der  wöchentlichen 
Stundenzahl  unter  allen  Umstanden  nichts  Ordentliches  leisten  kann. 
Von  badi  sehen  Schulen  will  ich  hier  ganz  absehen.  Aber  auch  in 
Gymnasien,  die  gleich  oder  ähnlich  wie  die  „  G  ele  h  rte  nach  nie  n"  Ham- 
burgs organisiert  sind,  kann  (!)  man  mit  ausreichenden  und  tüch- 
tigen Lehrkräften  und  mit  einer  geeigneten  Methode  gute 
Leistungen  erreichen,  d.  h.  man  kann  unter  diesen  Bedingungen,  die 
jedoch  durchaus  erfüllt  werden  müssen,  l.  den  offiziellen  Anforderungen1) 
in  vollem  Masse  gerecht  werden,  2.  während  und  mittelst  der  Lektüre 
einen  gewissen  Grad  der  Gewandtheit  im  mündlichen  Gebrauche  der 
französischen  Sprache  erzielen,  3.  in  grammatischer  Hinsicht  den 
Grund  zu  einer  wissenschaftlichen  Erkenntnis  dieser  Sprache  legen, 
und  4.  eine  Kenntnis  der  französischen  Litteratur  und  Kultur  —  aller- 
dings nur  in  sehr  bescheidenem  Masse  —  anbahnen.  Dies  habe  ich  in 
meiner  Schrift  über .  Den  französischen  und  englischen  Unterricht  in 
der  deutschen  Schule,  mit  besonderer  Berücksichtigung  des  Gymnasivw 
(Hamburg,  Nolte,  1886)  behauptet;  und  diese  optimistische  Ansicht 
glaube  ich  uueh  heute  noch  vertreten  zu  können,  obwohl  ich  mir  nicht 
verhehle,  dass  die  Erreichung  jener  Ziele  die  volle  und  angestrengte 
Kraft  von  drei  Fachlehrern  verlangt,  da  die  Hamburgischen  Gymnasien 
Dcppelschnlen  mit  8x2  französischen  und  4x2  englischen  Jahres- 
kursen sind.  Die  speziellen  Verhältnisse  und  Bedingungen,  unter  denen 
ich  am  Wilhelm-Gymnasium  in  Hamburg  gewirkt  habe  und  wirke, 
waren  und  sind  zum  Teil  nach  sehr  günstig; 

1.  Das  Zwei  stund  ensystem  herrscht  jetzt  thatsächlich  nur  in 
den  4  Kursen  von  HL 

2.  Im  Anfang  meiner  Lehrthätigkeit  war  der  französische  Unter- 
richt in  diesen  Klassen  mit  3  Stunden  bedacht,  die  leider  seit  Ostern 
1884  auf  2  herabgesetzt  worden  sind. 

3.  In  den  4  Knrsen  von  V  und  IV  sind  4  wöchentliche  Stunden 
für  das  Französische  angesetzt  (bekanntlich  4  für  V,  5  für  IV  in 
preuBsJ9chen  Gymnasien). 

4.  In  den  8  Korsen  von  II  und  1  ist  das  Zweistnndensystem 
dadurch  gemässigt,  dass  neben  dem  französischen  der  englische  Unter- 
richt mit  2  wöchentlichen  Stunden  obligatorisch  ist  nnd  die  beiden 
Fächer  sich  gegenseitig  ergänzen  und  fürdern,  wenn  sie  von  demselben 


E  hierbei  auf  Foth's  Tabelle  S.  18—19. 
*)  Vgl.  Ordnung  der  Entlassungs/irii/ung  an  den  Gymnasien  des 
Hamburgischen  Staates:  „In  der  französischen  Sprache  wird  gramma- 
tikalisch und  lexikalisch  sicheres  Verständnis  und  geläufiges  Übersetzen 
prosaischer  und  poetischer  Schriften  von  nicht  besonderer  Schwierig- 
keit, sowie  eine  ausreichende  Sicherheit  in  der  Formenlehre  und  den 
Grundregeln  der  Syntax  für  den  schriftlichen  Gebrauch  der  französi- 
schen Sprache  (d.  b.  für  eine  Übersetzung  aus  dem  Deutschen)  erfordert." 
Ebenso  lautet  diese  Bestimmung  für  das  Abiturientenexamen  an  preua- 
sichen  Gymnasien  (Zentratblatt,  1882,  S.  367). 


K.  Foth,  Der  französische  Unterricht  auf  dem  Gymnasium.      283 

Fachmanne  in  demselben  Kursus  gelehrt  werden,  was  bisher  durchaus 
üblich  gewesen  ist. 

5.  Eltern  und  Schüler  in  Hamburg  bezeugen  im  allgemeinen 
für  das  Französische  und  Englische  eine  gewisse  Vorliebe  und  ein 
reges  Interesse,  besonders  wenn  diese  Sprachen  als  „lebende"  gelehrt 
werden. 

6.  Der  leider  zu  früh  (im  Jahre  1886)  gestorbene  Gründer  des 
Wilhelm-Gymnasiums,  Direktor  Genthe,  zeigte,  obwohl  er  ein  „echter" 
klassischer  Philolog  war,  die  französische  Sprache  nur  als  Laie,  die 
englische  überhaupt  nur  wenig  kannte,  eine  achtbare  Objektivität  und 
einen  ziemlich  klaren,  durch  Fachvorurteile  fast  ungetrübten  Blick  in 
der  Wertschätzung  der  romanisch -englischen  Philologie  und  des  neu- 
sprachlichen  Unterrichts  und  kam  allen  meinen  Wünschen  und  Vor- 
schlägen bei  der  Aufstellung  der  Lehrpläne  und  der  Einführung  der 
Lehrbücher  mit  der  grössten  Bereitwilligkeit  entgegen.  Auch  gewann 
er  es  über  sich,  wenigstens  dem  Französischen  bei  der  Aufnahmeprüfung 
der  neuen  Schüler  auf  allen  Klassenstufen  von  Quarta  aufwärts  und 
bei  den  regelmässigen  Versetzungen  von  einer  niederen  in  eine  höhere 
Klasse  einen  nicht  unbedeutenden  Einfluss  zu  gestatten. 

7.  Als  ich  Ostern  1883  in  das  Wilhelm-Gymnasium  eintrat,  war 
diese  Schule  bei  weitem  noch  nicht  ausgebaut:  ich  begann  den  eng- 
lischen Unterricht  mit  der  ersten  Unter- Sekunda.  Anfangs  war  ich 
der  einzige  Fachlehrer  und  unterrichtete  in  fast  allen  bis  dahin  vor- 
handenen Klassen,  von  denen  einige  noch  kombiniert  waren.  Auf  diese 
Weise  war  ich  zuerst  in  meiner  Arbeit  beinahe  unabhängig  und  durch 
keine  Rücksichten  gehemmt.  Ks  war  mir  daher  vergönnt,  die  Reform- 
methode nach  meinen  Anschauungen  und  pädagogischen  Erfahrungen 
allmählich  in  fast  allen  Klassen  durchzuführen,  und  ich  konnte  die- 
selbe überall  einheitlich  gestalten  und  fest  begründen. 

8.  Später  haben  —  allerdings  nicht  zur  selben  Zeit,  sondern 
nacheinander  und  leider  allzu  häufig  wechselnd  —  mehrere  fähige  und 
eifrige  Fachleute  und  ein  des  Französischen  kundiger,  tüchtiger  klassi- 
scher Philolog,  der  diese  Sprache  gern  lehrte,  mich  in  meinem 
Werke  erfolgreich  unterstützt. 

Die  obigen  Erwägungen  glaube  ich  den  Lesern  nicht  vorent- 
halten zu  dürfen,  um  zu  erweisen,  warum  mein  Urteil  über  die  Stellung 
und  die  Leistungen  des  französischen  Unterrichts  im  humanistischen 
Gymnasium  ein  ganz  anderes,  ein  viel  optimistischeres  als  das  des 
Herrn  Oberlehrer  Foth  sein  musste  und  teilweise  noch  sein  muss. 
Bedauerlich  und  auffällig  ist  es,  dass  er  in  Beiner  Schrift  von  meiner 
Broschüre  über  Den  französischen  und  englischen  Unterricht  in  der 
deutschen  Schule  gar  keine  Notiz  nimmt,  obwohl  diese  ein  Jahr  früher 
und  der  Hauptteil,  der  sich  ganz  speziell  auf  das  Gymnasium  bezieht, 
schon  im  Jahre  1885  als  Abhandlung  des  Osterprogramms  des  Wilhelm- 
Gymnasiums  unter  dem  Titel  Der  französische  und  englische  Unterricht 
am  Gymnasium  (Methode  und  Lehrplan)  veröffentlicht  worden  ist.  Jedoch 
ist  mir  diese  rücksichtslose  Vernachlässigung  oder  Abweisung  erklär- 
lich. Denn  von  der  Reform methode,  von  der  ich  mir  den  grössten 
Erfolg  versprochen  habe  und  noch  verspreche,  falls  sie  überall  im 
Gymnasium  durchgeführt  werden  kann,  was  natürlich  zwei  oder  drei 
fähige  und  die  französische  Sprache  wissenschaftlich  und  praktisch 
beherrschende  Lehrer  zur  ersten  Voraussetzuug  hat,  —  von  der  Reform- 
methode will  F.  überhaupt  nichts  wissen.  Das  Heil  des  französischen 
Unterrichts  im  Gymnasium  sieht  er  nur  in  einer  Vermehrung  (und 
Zusammendrängung)    der    Lehrstunden.     Aber   haben    denn    die   Real- 


Referate  und  Rezensionen.     A.  Rambeau, 

i  Realschulen  oder  höheren  Bürgerschulen,  die  höheren 
Mädchenschulen,  Bofern  in  diesen  Anstalten  die  gram  mut  ist  ieche  Lehr- 
weise,  die  Lektions-  und  ÜberBetzungsmethode  in  ihrer  reinen,  von  den 
Grundsätzen  der  Reform  nicht  gemilderten  Forin  herrscht,  und  sofern 
der  Anfangeunterricht  nicht  in  den  Händen  der  des  Französischen  und 
Englischen  mächtigen  oder  phonetisch  vorgebildeten  Lehrer  liegt,  etwa 
bei  ihrer  v  erhalt  nisroä«  »ig  grossen  Stundenzahl  in  den  neueren  Sprachen 
bedeutende  Erfolge  aufzuweisen?  Nein.  Ich  rnusa  dies  infolge  eigener 
Erfahrung1)  verneinen;  und  dieselbe  Antwort  findet  man  in  den  Be- 
schwerden und  Klagen  zahlreicher  Reform  Schriften,  deren  Verfasser 
selten  den  französischen  Unterricht  im  Gymnasium  berücksichtigen. 

Hoffentlich  hat  sich  F.  unterdessen  durch  Walter,  (juiehl,  Kling- 
hardt  u.  a.  eines  besseren  belehren  und  davon  überzeugen  lassen,  dau 
doch  wenigstens  etwas  Gutes  an  der  Reformmethode  tat.  In  dem 
methodischen  Teile  der  vorliegenden  Abhandlung  (S.  101  ff.)  erscheint 
er  aber  noch  als  Grammatist  von  echtem  Schrot  und  Korn  und  als 
grimmer  Gegner  der  Reformer.  Er  greift  sie  entweder  als  junge,  über- 
eifrige und  unerfahrene  Neuerer  an  —  es  gibt  jedoch  unter  ihnen  schon 
recht  alte  Knaben  —  oder  als  verochste,  unpraktische  Gelehrte,  die 
ihre  Erfahrungen  am  Schreibtisch  gesammelt  haben.  An  einer  Stelle 
spricht  er  sogar  von  der  Bon  neu  m  et  ho  de  auf  dem  Katheder.  Mich 
selbst,  den  er  ja  völlig  schneidet,  rechnet  er  jedenfalls  unter  die  ge- 
dankenlosen „Nachtrete r  des  Quousque  lanäcm".  Er  verwirft  die  direkte, 
induktive  oder  „die.  sog.  natürliche  oder  empirische  Lehrweiae",  die  er 
mit  der  Bonnenmethode  schlechtweg  zusammen wirft,  „als  für  den  Schul- 
unterricht unbrauchbar"  und  bekämpft  ebenso  heftig  „die  sog.  wissen- 
schaftliche Methode",  welche  die  Lehren  der  Phonetik  für  die  Behand- 
lung der  Auesprache  und  die  sicheren  Ergebnisse  der  historischen 
Sprachwissenschaft  für  die  Formenlehre  zu  verwerten,  die  Syntax  durch 
Aufstellen  von  allgemeinen  Gesetzen  zu  vergeistigen  und  den  gramma- 
tischen Lernstoff  durch  Einschränkung  von  Regeln  nnd  Ausnahmen  in 
vereinfachen  sucht.  Dass  beide  Richtungen  oft  von  denselben  Männern 
empfohlen  werden,  das  ärgert  ihn  und  erregt  seine  Verwunderung. 
Dagegen  vertheidigt  er  mit  Begeisterung  die  grammatiftische  Lehr- 
weise mit  allen  ihren  Konsequenzen.  Die  Erkenntnis  der  Sprache 
erklärt  er  als  ein  Lehrobjekt,  das  nicht  oder  nur  in  sehr  beschränktem 
Masse  in  die  Schale  gehört,  aber  die  Kenntnis  derselben  als  den 
Hauptzweck  des  Schalunterrichts.  In  bezog  auf"  den  zweiten  Punkt 
stimme  ich  ihm  vollkommen  bei.  Jedoch  glaube  ich,  dass  beide  Zwecke 
keineswegs  unvereinbar  sind,  und  (läse  ihre  Vereinigung  dem  Haupt- 
zwecke durchaus  nicht  schadet;  und  ich  zweifele,  dass  das  Kennen 
nnd  KOnnen  der  fremden  Sprache  durch  Lernen  nnd  Einüben  von 
möglichst  vielen  Regeln  und  Ausnahmen  —  F.  empfiehlt  diese  i.  B. 
für  die  Behandlung  des  Geschlechtes  der  französischen  Substantiv»!  — 
durch  viel  Obersetzen  aus  dem  Deutschen  und  besondere  durch  das 
Übersetzen  zahlloser  Einzelsätze  erreicht  werden  kann.  In  einer  seiner 
Thesen,  mit  denen  F.  Beine  Schrift  abschließt,  sagt  er:   „Die  g 


')  Ich  selbst  habe  früher  an  lateinlosen  Realschulen  unterrichtet 
Auch  habe  ich  von  dem  Stand  und  den  Ergebnissen  des  neusprach- 
lichen Unterrichts  in  Realgymnasien  und  höheren  Mädchenschulen  all 
provisorischer  Lehrer  an  einer  Universität  und  durch  eine  vorüber- 
gehende Lehrthätigkeit  in  M&dchenklassen  nnd  durch  häufige  Be- 
sprechungen mit  Fachgenossen  eine  ziemlich  gründliche  Kenntnis  er- 


K.  Foth,  Der  französische  Unterricht  auf  dem  Gymnasium,      285 

tische  Lehrweise  ist  ini  grossen  und  ganzen  beizubehalten,  jedoch 
wesentlich  zu  modifizieren  nach  den  von  Perthes  aufgestellten  und  von 
Münch  in  seinem  Buch  Zur  Förderung  des  französischen  Unterrichts 
auf  das  Französische  angewandten  Grundsätzen"  (S.  155).  Trotz  einer 
sehr  genauen  Prüfung  seiner  Vorschläge  und  Erörterungen  im  methodi- 
schen Teile  (S.  101  ff.)  habe  ich  nichts  oder  nicht  viel  entdecken 
können,  was  einer  „wesentlichen  Modifizierung"  der  grammatischen 
oder  vielmehr  grammatisti sehen  Lehrweise  durch  Perthes'sche  oder 
Münch'sche  Grundsätze  ähnlich  sähe.  Hingegen  erkläre  ich  gern,  dass 
ich  sein  Kapitel  über  „den  Sprachinhalt"  (S.  144  ff.)  mit  Interesse  und 
Nutzen  gelesen  habe,  und  dass  alles,  was  er  hier  über  die  Auswahl  und 
die  Behandlung  der  Lektüre  nnd  über  die  Betonung  der  Realien  im 
neusprachlichen  Unterricht  sagt,  mir  sehr  gefällt  und  mir  recht  be- 
herzigenswert scheint. 

Gegenüber  den  von  Foth  (S.  152 — 155)  aufgestellten  Thesen,  die 
betreffs  der  Vermehrung  der  Lehrstunden  ziemlich  radikal,  aber  betreffs 
der  Methode  sehr  konservativ  zu  nennen  sind,  möchte  ich  zum  Schluss 
einige  Vorschläge  oder  Wünsche,  deren  Erfüllung  nach  meiner  Ansicht 
befriedigende  oder  gute  Ergebnisse  des  französischen  Unterrichts  im 
Gymnasium  gewährleistet,  der  Erwägung  des  geneigten  Lesers  empfehlen: 

1.  Die  Reformmethode  ist  in  allen  Klassen  einheitlich  durch- 
zuführen. Die  beiden  neueren  Sprachen  müssen  als  „lebende"  gelehrt 
und  von  den  Schülern  als  „lebende"  empfunden  werden.  Der  Gegensatz 
zum  stillen  Betrieb  der  toten  Sprachen,  wie  er  trotz  Perthes,  Latt- 
mann u.  a.  immer  noch  vorherrscht,  muss  sie  mit  um  so  grösserem 
Eifer  und  mit  um  so  frischerer  Lernfreudigkeit  im  neusprachlichen 
Unterricht  erfüllen. 

2.  Dieser  Unterricht  muss  thunlichst  nur  von  Fachmännern  er- 
teilt werden,  und  spez.  der  Anfangsunterricht  nur  von  solchen  Lehrern, 
die  die  modernen  Sprachen  mündlich  beherrschen  und  phonetisch  richtig 
sprechen. 

3.  Die  Lehrer  mit  mittleren  Fakultäten  sind  im  Französischen 
nur  in  den  mittleren,  —  in  den  oberen  eher  noch  als  in  den  unteren 
Klassen  zu  beschäftigen. 

4.  Die  Stundenzahl  des  französischen  Unterrichts  mag  vorläufig 
im  allgemeinen  bleiben,  wenn  auch  die  Verzettelung  desselben  durch 
acht  Klassen  gar  sehr  zu  beklagen  ist.  Also:  4  Stunden  in  V  und  IV, 
aber  3  statt  2  in  den  Kursen  der  III,1)  vielleicht  auch  der  II  B;  2  in 
den  obersten  Klassen. 


l)  Diese  Stundenzahl  hat,  wie  schon  oben  mitgeteilt,  in  den  Tertien 
des  Wilhelm-Gymnasiums  bis  Ostern  1884  bestanden  —  zum  Heile  des 
französischen  Unterrichts.  Denn  in  diesen  Klassen  handelt  es  sich  vor 
allem  um  die  Wiederholung,  Vollendung  und  wissenschaftliche  Ver- 
tiefung der  Formenlehre.  Es  soll  also  hier  der  für  die  grammatischen 
Leistungen  der  Gymnasiasten  wichtigste  Teil  (vgl.  da6  Reglement,  s.  o.) 
vollständig  erledigt  werden.  —  Da  der  griechische  Unterricht  in  HIB 
mit  7  (früher  6)  Stunden  einsetzt  und  besonders  an  die  Arbeitskraft  und 
das  Gedächtnis  der  Schüler  sogleich  die  höchsten  Anforderungen  stellt, 
muss  er  notwendigerweise  auf  den  französischen  Unterricht,  wenn  der- 
selbe bloss  mit  2,  leider  oft  sehr  spät  (nach  1  oder  gar  2  Uhr)  gelegten 
Stunden  bedacht  ist,  wie  erdrückend  einwirken.  Es  gehört  fürwahr 
viel  Geschicklichkeit  und  Thatkraft  des  französischen  Lehrers  dazu, 
um  jenem  lähmenden  Einflüsse  entgegenzuarbeiten,  die  Schüler  in  seinen 
Stunden  frisch  und  teilnahmsvoll  zu  erhalten  und  unter  so  schwierigen 


966  Referate  und  Rezensionen.     A.  Rambeau, 

6.  Der  englische  Unterricht,  der  von  IIB  an  mit  2  wöchentlichen 
Stunden  obligatorisch  ist,  aber  dessen  Erfolg  zweifellos  viel  grösser 
sein  würde,  wenn  er  schon  in  HIB  beginnen  könnte,  muss  stets  in  der 
Hand  des  französischen  Lehrers  in  demselben  Kursus  liegen. 

6.  Im  Abiturientenexamen  findet  für  das  Französisch«  eine  münd- 
liche Prüfung  statt. 

7.  Die  schriftliche  Prüfungsarbeit  wird  durch  eine  Versetzung«- 
arbeit  ersetzt,  weiche  die  Schüler  entweder  wie  in  Previssen,  vor  dem 
Aufsteigen  von  II A  nach  I B  oder  vor  dem  Aufrücken  uacb  II  A  oder 
—  noch  besser  —  nach  der  Klasse,  in  der  das  Zw  eistun  de  nsysteui  an- 
fängt, anzufertigen  haben. 

8.  Nach  der  Versetzungsarbeit  wird  das  Hauptgewicht  auf  die 
Lektüre  und  die  mündlichen  Leistungen  gelegt.  Schriftliche  Arbeiten 
brauchen  dann  nur  noch  selten  stattzufinden  und  zwar  bloa«  in  Form 
von  Eetroveraionen  oder  freien  Zusammenfassungen  des  durchgenom- 
menen Lesestoffes. 

NB.  Auf  eine  Vermehrung  der  Lehrstunden  würde  ich  persön- 
lich weit  lieber  verzichten,  als  auf  die  vollständige  Erfüllung  der  übrigen 
Bedingungen  oder  Wünsche. 

Die  von  mir  aufgestellten  Thesen  knüpfen,  wie  der  Leser  sofort 
erkannt  haben  wird,  durchaus  an  die  bestehenden  Verhältnisse  an;  sie 
rechnen  mit  dem  Gymnasium,  wie  es  nun  einmal  geworden  ist,  wie  e* 
jetzt  ist  und  im  grossen  und  ganzen  wohl  noch  lange  bleiben  wird,  — 
wenigstens  solange  die  mas  sieben  den  Behörden  es  für  nötig  erachten, 
dieser  Schulart  den  aus  dein  Mittelalter  überkommenen,  durch  das  Jahr 
hundert  des  Humanismus  veredelten  und  durch  die  Weihe  der  Zeit  und 
Tradition  geheiligten  Charakter  der  „Lateinschule"  trotz  aller  schon 
hinzugefügten  und  noch  hinzukommenden  Bestandteile  der  modernen 
Kultur  zu  bewahren,  oder  solange  sie  es  nicht  tür  geboten  und  zeit- 
gemäß halten,  eine  allgemeine  und  gründliche  Reform  des  gesamten 
höhern  Schulwesens  zu  unternehmen,  die  allerdings  jetzt  schou  in 
Preussen  vorbereitet  zu  werden  scheint.  Meine  Vorschläge  und  Wünsche 
beziehen  sich  zunächst  auf  die  Hamburgischen  „Gelehrten  schulen", 
deren  Organisation  mir  am  besten  bekannt  ist  und  sogleich  von  der 
der  Gymnasien  der  meisten  übrigen  Staaten  Deutschlands  wenig  ab- 
weicht. 

Im  Gymnasium  der  Zukunft,  —  vorausgesetzt,  dass  der  Plan  einer 
Dreiteilung  der  höheren  Lehranstalten  nach  den  Typen  der  heute  vor- 
handenen Formen  des  Gymnasiums,  des  Realgymnasiums  und  der  Über- 
realschule mit  gleichen  Berechtigungen  und  mit  Anschluss  an  eine 
gemeinschaftliche  Vorschule,  die  Mittelschule,  entprechend  dem  Typus 
der  heutigen  böhern  Bürgerschule,  gemäss  den  Vorschlägen  des  in 
Berlin  gegründeten  „Vereins  für  Schulreform"  sich  einst  verwirklichen 
wird,  —  in  dem  Gymnasium  der  Zukunft  werden  selbstverständlich  die 
neueren  Sprachen  eine  sehr  verschiedene  und  eigenartige  Holle  spielen 
müssen.  Und  für  dies  Gymnasium  der  Zukunft  sind  meine  immerhin 
nur  ad  hoc  gemachten,   von   mir  keineswegs   als   absolut   richtig  ange- 

Umständen  überhaupt  ein  bestimmtes  Pensum  mit  sichcrem  Erfolge  zu 
beenden.  Von  irgendwie  befriedigenden  Resultaten  kann  natürlich  in 
den  Tertien  gar  keine  Rede  sein  oder  sie  können  nur  bei  einer  ausser- 
ordentlichen Erhöhung  der  Stunden  und  auch  dann  bloss  ausnahms- 
weise erzielt  werden,  falls  nicht  ein  tüchtiger  Fachmann  in  V  und  IV 
vorgearbeitet  und  eine  feste  Grundlage  geschaffen  hat.  (Vgl.  oben 
No.  a,  a.) 


Neubauer,  Die  Reformbttvegung  a.  d.  Gebiete  d.  Sprachunterrichts  etc.     287 

sehenen  Thesen  ganz  und  gar  nicht  bestimmt.  Es  kam  mir  hier  darauf 
an,  so  viel  als  möglich  mit  den  Tbatsacben  zu  rechnen  und  blosse 
Negierungen  und  Träumereien  gänzlich  zu  meiden. 

2.  JVeubauer's  kleine  Schrift  verdient  die  Beachtung  der 
Fachleute  und  Pädagogen  besonders  deshalb,  weil  sie  die  Reform- 
methode  auf  dem  Gebiete  des  Sprachunterrichts  in  ihrer  Beziehung 
zur  höhern  Bürgerschule  behandelt.  Denn  diese  Schulart  ist  teils 
wegen  ihrer  klaren  und  durchsichtigen  Organisation  an  sich  und  wegeu 
ihrer  einfachen  und  deutlichen  Ziele  teils  als  wahrscheinliches  Vorbild 
für  die  vom  Berliner  Reformverein  gewünschte,  künftige  Einheitsschule, 
die    Vorschule  zu  allen  höheren   Anstalten,   seit  kurzein   plötzlich  zu 

?:rossem,  fast  unerwartetem  Ansehen  gelangt.  Auch  nehmen  die  zwei 
remden  lebenden  Sprachen,  mit  denen  sich  die  Reform bewegung  zu- 
nächst und  hauptsächlich  beschäftigt,  gerade  in  der  höheren  Bürger- 
schule eine  sehr  wichtige  und  einflussreiche  Stelle  ein. 

Der  Verfasser  spricht  zuerst  über  den  Wettstreit  der  Sprachen 
als  Unterrichtsmittel  (0,  über  die  höhere  Bürgerschule  (11),  dann  über 
die  Methoden  der  Spracherlernnng  (HI)  und  die  Reformvorschlägo  (IV) 
und  schlieRst  mit  einer  Beleuchtung  dieser  Vorschläge  (V). 

Es  ist  höchst  erfreulich,  dass  er,  offenbar  ein  erfahrener  Pädagog 
und,  wie  ich  annehmen  zu  dürfen  glaube,  Direktor  einer  höheren  Bürger- 
schule, für  die  Sache  der  Reform  im  Sprachunterricht  eintritt,  wenn 
er  sie  auch  nur  in  einer  sehr  milden  und  abgeschwächten  Form  em- 
pfiehlt, die  jedoch  auch  mir  in  vielen  Punkten  notwendig  zu  sein  scheint, 
solange  nicht  durchgreifende  Veränderungen  in  unserem  Schulwesen, 
in  den  Reglements  und  Lehrplänen  und  vor  allem  in  der  Ausbildung 
der  Fachlehrer  des  Französischen  und  Englischen  stattgefunden  haben. 
Neubauer  spricht  sich  gegen   die  Lautschrift   und  die  Phonetik  in  der 

Schule  aus.     Vgl.  S.  15:  „ erscheint  zunächst  die  Forderung  einer 

eigentlichen  (?)  Lautlehre  unzweckmäßig  und  undurchführbar."  Und: 
„Die  3—5  Stunden  Breymann's  würden  sich  zu  so  viel  Wochen  (?),  wenn 
nicht  noch  länger  (?),  ausdehnen  ..."  S.  37:  „Denn  wie  ein  Franzose 
wird  er  (d.  h.  der  Schüler)  doch  nie  schnarchen  (!)  und  näseln  (!)  lernen. 
Und  wozu  auch?  Er  möchte  darüber  verlernen,  richtig  und  natürlich 
deutsch  zu  sprechen  (!)."  [Sind  gerade  die  Franzosen,  mit  denen  Neu- 
bauer in  seinem  Leben  verkehrt  hat,  alle  gewohnheitsniässige  „Näseier" 
nud  gar  „Schnarcher"  gewesen?]  Ferner  S.  37 :  „.  .  .  Mit  der  systema- 
tischen Lautlehre  fällt  die  Lautschrift  von  selbst."  Diese  etwas  abrupte 
Entscheidung  ist  offenbar  durch  ein  Missverständnis  verursacht.  Welcher 
Reformer,  welcher  Phonetiker  hat  jemals  eine  „eigentliche",  eine  „syste- 
matische" Lautlehre  als  Unterrichtsgegenstand  verlangt  oder  empfohlen  ? 
Vielleicht  de  Beaux  und  Aymeric  in  ihrer  (verfehlten)  Elementar- 
grammatik. 

Auch  einige  andere  Bemerkungen  Neubauer's  sind  recht  wunder- 
lich und  befremdend.  Z.  B.  S.  36 :  „.  . .  aber  die  Trägheit  und  der 
Stumpfsinn  (!?)  eines  grossen  (!?)  Teils  der  Jugend  in  den  höheren 
Schulen  ist  ein  Faktor,  vor  dem  man  die  Augen  nicht  verschliefen 
darf  ..."  S.  11  (Neubauer  redet  von  dem  Nutzen  und  der  Verwend- 
barkeit der  in  der  Schule  gelernten  fremden  Sprachen.):  „Besonders 
gilt  dies  vom  Französischen  (d.  h.  jener  Grund  rechtfertigt  nicht  das 
Betreiben  desselben),  der  Sprache  unseres  immer  noch  erbitterten 
Nationalfeindes,  welcher  häufig  den  Verkehr  mit  uns  ablehnt,  und 
welchem  ein  Deutscher  von  Selbstgefühl  sich  nicht  wird  aufdrängen  (!?) 
wollen."  S.  13:  „Wenn  die  französische  Litteratur  grosse  Partien  zeigt, 
von  denen  wir  nur  unter  Protest  Kenntnis  nehmen  mögen,  so  hat  die 


238  Referate  und  Rezensionen.    J.  Rambeau, 

englische  in  fast  allen  ihren  bedeutenderen  Vertretern  etwas  ungemein 
Anziehendes  für  uns  .  .  ."  [Aber  die  Romane  von  Fielding,  Smollet, 
Sterne,  u.  m.  aj.  Ferner:  „.  .  .  wenn  ihre  Formenarmut  und  ihr  dumpter 
Klang  (d.  b.  der  englischen  Sprache)  zu  dem  Wohllaut  (?)  und  der 
reichen  Gliederung  des  Griechischen  einen  schreienden  Kontrast  bil- 
den, .  .  ."  [Weder  in  der  neugriechischen  Sprache  noch  in  der  ger- 
manischen Aussprache  des  Altgriechischen  kann  ich  einen  besonders 
grossen  Wohllaut  entdecken.]. 

Vgl.  S.   16:  „Dunkle  Stellen,  wie  sie  sich  bei  deutschen  und  en- 

flischen  [in  den  letzten  zwei  Jahrhunderten??]  Schriftstellern  in  Menge 
nden,  dürften  bei  französischen  Schriftstellern  kaum  vorkommen  [bei 
Rabelais?] ;  dafür  fehlt  ihnen  das  Tiefsinnige,  der  Humor  und  die  Innig- 
keit." [lavier  de  Maistre,  Souvostre,  Alphouse  Daudet  11.  a.,  arme 
Dichterlinge!]  Ferner:  „Wo  sie  sich  auf  dieses  Gebiet  wagen,  werden 
sie  seicht  (1?)  wie  Lamartine,  oder  grotesk  [überall  grotesk  und  nichts 
weiter?!],  wie  Victor  Hugo  [auch  in  seinen  kindlichen  und  familiären 
u.  ä.  Gedichten  ?)  Aber  eben  das  Verstandesmassige  [? !  —  Ich  glaubt« 
bisher,  die  ungezügelte  Einbildungskraft  und  Erfindungsgabe  z.  B.  einei 
Alexandre  Burnus  Päre,  eines  Victor  Hugo  u.  a.  in  ihren  Homanen] 
führt  sie  zu  den  grössten  Einseitigkeiten  und  den  abenteuerlichsten 
Übertreibungen,  wie  ihre  Rouianschreiber  es  beweisen  .  .  ."  Vgl.  auf 
derselben  Seite  (16):  „Im  ganzen  (!?)  ist  die  Darstellung  der  französi- 
sehen  Schriftsteller  oberflächlich  und  leicht  wie  ihre  Sprache  (I?).1) 
Französisch  kann  jeder  lernen  wie  Latein  .  .  .  [Ist  Latein  auch  so  leicht?] 
....  Das  Englische  wird,  wie  das  Griechische,  was  Litteratur  betrifft, 
ein  Besitztum  engerer  (?!)  Kreise  bleiben."     Sonderbare  Ansichten! 

3.  Wendt's  „Encyklopädie  des  französischen  Unterrichts"  han- 
delt 1,  von  dem  Wert  und  der  Bedeutung  des  neuBprachlichen  Unter- 
richts (S.  1 — 6),  II.  von  der  geschichtlichen  Entwickelung  der  Methodik 
der  französischen  Sprache  (S.  7 — 67),  III.  von  der  angewandten  Methodik 
S.  67—199).  Ein  Register  (8.  199—203)  erleichtert  die  Benutzung  des 
Sammelwerkes.  Diese  kurze  Inhaltsangabe  und  der  oben  angeführte 
Titel  zeigen  deutlich  genug  an,  dass  sich  der  Verfasser  eine  hohe  und 
weitreichende  Aufgabe  gestellt  und  diese  auf  einem  verhältnismässig 
kleinen  Räume  zu  lösen  versucht  hat. 

Nach  eignem  Gebrauche  wird  der  Leser  bald  finden,  dass  diese 
Encyklopädie  selbst  für  das  Jahr  1888,  in  dem  sie  erschienen  ist,  nicht 
vollständig  zu  nennen  ist.  Indes  wird  man  gern  diesem  Mangel,  weil 
er  sich  nicht  allzu  stark  bemerklich  macht,  sowie  auch  eine  ziemlich 
stattliche  Anzahl  von  Druckfehlern,  der  ersten  Auflage  und  dem  ersten 
Versuche  einer  erschöpfenden  encyklopadischen  Darstellung  der  Mittel 
des  französischen  Unterrichts  zu  gute  halten.  —  An  einigen  Stellen 
zeigt  sich  leider  eine  bedenkliche  Kritiklosigkeit,  die  um  so  auffälliger 
ist,  weil  der  Verfasser  an  anderen  Stellen  sehr  verständige  und  wohl 
Überlegte  Ansichten  äussert.  Manchmal  könnte  man  fast  glauben,  das 
Buch  rühre  nicht  von  einem,  sondern  von  zwei  Verfassern  her,  von 
denen  der  eine  ohne  gründliche  philologische  Vorbildung  gearbeitet 
habe  und  seinem  schwierigen  Werke  nicht  gewachsen  gewesen  sei. 
Weniger  tadelnswert  scheint  mir  Wendt's  Abhängigkeit  von  den  An- 
eichten anderer,  die  Unselbständigkeit,  die  er  zuweilen  im  Urteilen  be- 
kundet. Denn  dieser  Mangel  ist  dem  Gebrauche  dee  Buches  nicht  ge- 
fährlich, solange  sein  Verfasser,  was  er  ja  meistens  thut,  anerkannt 
guten   Gewährsmännern,    wie    Manch,    Kühn    und  Körting,    folgt    und 


')  Ich  verweise  hier  auf  eine  Bemerkung  unter  No.  1  (Foth), 


0.  Wandt,  Encyklopddie  des  französischen  Unterrichts.  289 

wenn  er  die  Gedanken   und  Meinungen  anderer  ausschreibt  oder  sich 
zu  eigen  macht,  die  Quelle  angiebt. 

Im  allgemeinen  steht  Wendt,  soweit  überhaupt  selbständige 
Äusserungen  darüber  vorliegen,  der  Reform  des  Sprachunterrichts 
freundlich  gegenüber.  Aber  gerade  in  dieser  Hauptfrage  der  Methodik 
hütet  er  sich  einen  festen,  entschiedenen  Staudpunkt  zu  vertreten  und 
ein  eigenes  bestimmtes,  sicheres  Urteil,  mag  es  der  Reform  günstig 
oder  ungünstig  sein,  darüber  abzugeben,  wie  weit  die  Ergebnisse  der 
historischen  Sprachwissenschaft  und  der  Phonetik  für  Schulzwecke  ver- 
wandt werden  können  oder  müssen,  ob  im  Anfangsunterricht  oder  wie 
weit  die  praktische,  direkte  Spracherlernung,  die  induktive  Methode 
das  Obergewicht  über  die  grammatische  Lehrweise,  die  deduktive  Me- 
thode erlangen  mussf  u.  dgl.  m. 

Des  Verfassers  Art  zu  kritisieren  mag  ein  Beispiel  kennzeichnen. 
S.  145:  „In  der  Grammatik  wird  die  Durcharbeitung  der  Syntax  die 
Hauptaufgabe  [?]  sein.  Gymnasien  [?]  werden  dieselbe  nach  grösseren 
[?]  Grammatiken,  wie  Ploetz  (Syntax  und  Formenlehre  mit  steter  Berück- 
sichtigung des  Lateinischen),  Benecke  (Französische  Schidgrammatik, 
2.  Teil),  Steinbart,  Knebel  (Probst)  und  ähnliche,  vollständig  durch- 
arbeiten können.  Mittelschulen  und  Höhere  Töchterschulen  müssen  sich 
entweder  auf  eine  gute  Schulgrammatik  (Pünjer,  Plattner)  [?  !]  beschrän- 
ken, oder  können  nur  grössere  wichtige  Abschnitte  aus  grössern  Büchern 
auswählen."  Die  ganze  Stelle  ist  in  mehr  als  einer  Hinsicht  anfecht- 
bar. Jedoch  will  ich  hier  nur  einen  Punkt  hervorheben  und  näher 
S rufen :  die  Nebeneinanderstellung  zweier  Kamen,  —  Pünjer,  Plattner. 
•er  erstere  wird  auch  sonst  mehrere  Male  von  Wendt  erwähnt  (S.  25 
und  S.  52,  ebenfalls  neben  Plattner,  -—  S.  65  —  S.  136  —  S.  154)  und, 
wo  sich  die  Gelegenheit  bietet,  mit  Lobsprüchen  bedacht.  Ich  selbst 
habe  Pünjer' s  Lehr-  und  Lernbuch  in  dieser  Zeitschrift  IX2,  S.  28  ff. 
angezeigt  und  dabei  sein  methodisches  Geschick  anerkannt.  Aber  darüber 
hinaus  darf  das  Lob,  das  ihm  gebührt,  nicht  gehen.  Mittlerweile  hat 
er  noch  ein  anderes  Buch  dieser  Art  (Der  erste  Unterricht  in  der  fran- 
zösischen Sprache)  verfasst,  das  ich  weiter  unten  zu  besprechen  gedenke. 
Auf  keine  von  beiden  Schriften  pa6st  die  von  Wendt  gebrauchte  Be- 
zeichnung reine  gute  Schulgrammatik".  Vgl.  darüber  nachher  an  der 
betr.  Stelle.  Jedenfalls  lassen  sich  Pünjer's  Leistungen  nicht  mit 
denen  Plattner's  vergleichen.  Er  erscheint  doch  gar  zu  sehr  als  ein,  wenn 
auch  noch  so  achtungswerter,  Dilettant  auf  dem  ihm  ursprünglich 
fremden  Gebiete  neben  diesem  ausgezeichneten  Kenner  des  Neufranzö- 
sischen, dem  Verfasser  mehrerer  guter  französischer  Lehrbücher  und 
einer  vorzüglichen  Schulgrammatik,  deren  einziger  Fehler  viel- 
leicht gerade  die  allzu  reiche  Fülle  des  Inhalts  ist,  welcher  sicherlich 
das  Mass  der  Anforderungen  der  „Mittelschulen  und  Höhern  Töchter- 
schulen" weit  überschreitet.  Eine  solche  Nebeneinanderstellung,  die 
mitten  im  Satze  so  harmlos  aussieht,  beweist  in  diesem  Falle  eine  un- 
geheuerliche Gedankenlosigkeit  oder  Kritiklosigkeit  und  ist  für  den 
Leser,  der  die  bezüglichen  Bücher  nicht  genau  kennt,  durchaus  irre- 
führend, da  sie  in  ihm  eine  ganz  falsche  Vorstellung  von  dem  Wert 
und  der  Art  derselben  erwecken  muss. 

Die  gerügten  Mängel  mögen  teilweise  daher  rühren,  dass  die 
„Encyklopädie"  ursprünglich  eine  andere,  bescheidenere  Bestimmung 
gehabt  hat.  Vgl.  Vorrede  S.  Hl:  „Dieselbe  sollte  sich  ursprünglich  nur 
auf  die  den  lateinlosen  Bild ungsan stalten  eigene  Interessensphäre  be- 
ziehen.u  Ausserdem  muss  man  bedenken,  dass,  obgleich  eine  Reihe  von 
ähnlichen  Werken  oder  von  Schriften  ähnlicher  Tendenz  vorhanden  ist 

Zschr.  L  fr*.  Spr.  n.  Litt.  XII*.  ig 


290  Referate  und  Rezensionen.     A.  Rambrav, 

(vgl.  30—32),  die  Arbeit  Wendt's  doch  in  mancher  Hinsicht  ganz  neu 
und  einzig  in  ihrer  Art  ist.  Daher  glaube  ich  diese  immerhin  den  Lehrern, 
besonders  Anfängern  im  Lehramte,  und  den  Studierenden  hIh  ein  brauch- 
bares Bach  zum  Nachschlagen  und  Orientieren  empfehlen  zu  können, 
vorausge setzt,  dass  man  die  Ansichten  des  Verfassers  und  seiner  Ge- 
währsmänner durch  eigenes  Prüfen  und  Urteilen  zu  ergänzen  und  even- 
tuell zu  berichtigen  willens   und  im  stände  ist. 

4.  Den  Freunden  der  Reform  muss  es  zur  grossen  Befriedigung 
gereichen,    dass  G lab b ach,   Lehrer  an    der  Gewerbeschule   zu  Saar- 

'  brücken,  mit  Eifer  und  Überzeugung  für  die  Verwertung  der  „Laut- 
physiologie  im  französischen  Unterricht"  eintritt,  wovon  ein  anderer 
Realschulmann,  Neubauer,  in  der  oben  angezeigten  Schrift  (No.  !),  ob- 

fleich  im  übrigen  der  Reform  nicht  abgeneigt,  noch  nichts  wissen  wilL 
eine  Vorschläge  sind  massvoll,  seine  Erörterungen  kurz  und  den  prak- 
tischen Bedürfnissen  der  Schule  angemessen. 

Mit  Recht  betont  0.  die  Wichtigkeit  einer  Unterscheidung  von 
langen  und  kurzen  Vokalen.  Aber  die  Frage  der  Quantität  der  Vokal« 
ist  bekanntlich  für  die  romanischen  Sprachen  und  speziell  für  die 
französische  eine  der  schwierigsten  in  der  Phonetik  und  vielleicht 
immer  noch  nicht  spruchreif.  Man  muss  sie  daher  in  der  Schule  mit 
einer  gewissen  Zurückhaltung  uud  Vorsicht  behandeln. 

Die  echematische  Form  des  Vokaldreiecks  (S.  7)  habe  ich,  be- 
sonders nach  dem  Vorgange  von  Vietor,  seit  einiger  Zeit  in  meinem 
Unterriebt  durch  eine  andere  Gestalt  ersetzt,  die  den  wirklichen  Ver- 
hältnissen der  Vokale  zu  einander  und  besonders  der  Zungenlage  mehr 
Rechnung  trägt.  (Vgl.  meine  Schrift  Die  Phonetik  im  französischen 
und  englischen  Ktassenunterricht  [1888]).  Die  neue  Wissenschaft,  die 
Phonetik,  schreitet  schnell  vorwärts;  unsere  Kenntnis  und  Erkenntnia 
der  phonetischen  Thatsachen  vervollkommnet  sich  immer  mehr  und 
ist  daher  häufigen   Änderungen  ausgesetzt. 

G.  nenut  (S.  7)  das  a  in  rare  geschlossen  und  lang,  das  a  in 
\a  offen  und  kurz.  Das  erstere  ist  gewiss  lang  und  anch  meist  ge- 
schlossen, wenn  es  auch  manchmal  offen  vorkommt;  dagegen  ist  das  i 
im  la  kurz  und  geschlossen.  Dia  Bezeichnung  „offen"  passt  x.  8. 
auf  pas  (kurz)  und  Ante  (lang). 

5.  IS:  „Die  Bezeichnung  Mittelläufe  (d.  h.  für  /,  r,  m,  n)  wird 
der  Schüler  leicht  begreifen,  wenn  man  ihm  sagt,  dann  sie  in  der 
Mitte  stehen  zwischen  Vokalen  und  Konsonanten,  oder  mit  anderen 
Worten,  daes  sie  vokalisch  (silbenbildend)  und  konsonantisch  (nicht 
silbenbildend)  gebraucht  werden  können ,  dass  a,  B.  /,  il  (mottiüt)  den 
Wert  ■  erhalt  und  r  z.  B.  mit  e  den  geschlossenen  «-Laut  (donner) 
bildet.  Die  Aussprache  des  r  kommt,  wie  Littre"  sagt,  erst  im  XU. 
Jahrhundert  auf;  mnuchoir  sprach  man  früher  wie  mouchoi;  die  Namen 
auf  eur  sprach  man  eä  aus.  Für  rieur  im  Plural  schrieb  man  rieia 
z.  B.  les  rieux  ne  sont  pas  de  son  cöte."  Der  erste  Teil  dieser  Be- 
merkung ist  selbstverständlich  richtig,  wenn  man  sie  nicht  speziell 
auf  die  französische  Sprache  bezieht.  Die  Hittellaute  können  in  an- 
deren Sprachen  silbenbildend  sein:  z.  B.  engl,  labte  —  leibt,  zweisilbig; 
aber  französ.  table    1)  =  labt   mit  einem  ganz  oder  teilweise  stimmlos 

5 «wordenen  und  schwachen  /  oder  gar  —  lab  mit  verstummtem  /  in 
er  Umgangssprache,  einsilbig,  2)  —  tabb  mit  stimmhaftem  /  und  er- 
haltenem e  =  >  (e  sourd)  im  style  soutenv,  zweisilbig.  —  Der  zweite 

Teil  „ .  .  .  .  dass  z.B.  1,  11 "  ist  mir  in  diesem  Zusammenhange 

unverständlich.  Was  will  G.  damit  für  die  Erkenntnis  des  Wesens  der 
Mittellaute  beweisen  oder  erklären? 


J.  Storni,  Dialogues  francats  enseignant  la  grammatre  etc.       291 

Gegen  den  Wunsch  des  Verfassers  (S.  12  f.),  man  möge  das 
linguale  r  neben  dem  uvularen  r  in  der  französischen  Aussprache  im 
Unterricht  gestatten,  unter  der  Bedingung,  dass  die  Zunge  dabei  in 
gehöriger  Weise  vibriert,  —  dagegen  ist  fürwahr  nichts  einzuwenden. 
Auch  unterstütze  ich  gern  sein  Verlangen,  dass  schon  im  deutschen 
Anfangsunterricht  und  auch  in  der  Volksschule  auf  eine  gute  Aus- 
sprache des  Deutschen  und  eine  saubere  Artikulation  der  einzelnen 
Laute  von  vornherein  geachtet  werde.  Zu  diesem  Zwecke  sollten  die 
Elementarlehrer  in  ihren  Serainarien  die  Phonetik  in  ihren  Hauptzügen 
kennen  und  auf  dieser  Grundlage  den  Unterschied  zwischen  ihrem 
heimischen  Dialekt  und  dem  Hochdeutschen,  zwischen  der  dialektischen 
oder  dialektisch  gefärbten  und  der  gebildeten,  „allgemein  deutschen" 
Aussprache  verstehen  lernen.  Sie  würden  dann  befähigt  sein,  ihren 
Schülern  beim  Eintritt  in  höhere  Lehranstalten  eine  wirklich  gute 
Vorbildung  nicht  bloß  für  den  deutschen  Unterricht,  sondern  für  alle 
sprachlichen  Fächer  mitzugeben ;  und  dem  französischen  und  englischen 
Anfangsunterrichte  würde  dadurch  zweifellos  eine  wesentliche  Er- 
leichterung zu  teil  werden.  A.  Rambeaü. 


1.  Storni,  Job« 9    Dialogues  francats  enseignant  la  grammaxre  et  la 

pkraseologie  du  francats  parle.  Cours  moyen.  a)  Deutsche, 
vom  Verfasser  durchgesehene  Ausgabe.  Französische  Sprech- 
übungen. Eine  systematische  Darstellung  der  französischen 
Umgangssprache  durch  Gespräche  des  täglichen  Lebens,  nach 
der  Grammatik  geordnet.  Mittlere  Stufe.  Bielefeld  u.  Leipzig, 
1888.  Velhagen  &  Klasing.  XVI,  208  S.  8°.  Preis  1,80  Mk. 
(broschiert).  —  b)  Dan&k  Udgave.  Franske  Taleövelser.  En 
systematisk  Fremstülina  af  det  franske  Talesprog  gjennem 
Samtaler  af  det  daghge  Liv,  ordnede  efter  Grammatiken. 
Mellemtrin.  Kjöbenhavn,  1887.  Gyldendalske  Boghandels  Forlag 
(F.  Hegel  &  Sön).  X,  194  S.  *8°.  Preis:  3,75  Mk.  (einge- 
bunden. —  c)  Norsk  Udgave.  Andet  rettede  Oplag  [Titel, 
Verlag,  Jahreszahl  =  b)].    X,  202  S.    8°. 

2.  Ricard  9   Anselme,     Systeme  de    la  quantite  syllabigue  et  de 

Carticulalion  des  sons  graves  et  des  aigus.  Recherches  orthoe- 
piques  et  phone'tiques  sur  la  phonome'trie  et  les  tons  de  la 
langue  francaise.  Prague,  Gustave  Neugebauer.  Paris,  H.  Le 
Soudier.     1887.    II,  92  S.     8°. 

3.  Passy,  Paul  9    b  me:lr  fonetik,  organ  (b  l  asosjAsfi  fonetik  dif 

profescer  d*  lag  vivät  (fonetik  tttforz  psoufieiftn),  herausgegeben 
von  ....  —  Redaction  et  admmvttration:  6 ,  rue  Labordere, 
Neuiüy-  sur  -Seine  pres  Paris.  Jahrgänge:  III  1888;  IV  1889; 
V  1890,  5  Monatsnummern  (bis  Mai  1890).  Jede  Nummer: 
8 — 16  S.  8°.  Preis  des  Jahrganges:  3  Fr.,  der  Nummer,:  0,25  Fr. 
(mit  der  Post:  0,30  Fr.);  frei  für  Mitglieder  der  Association 
Fone'tique. 

1.  Die  Dialogues  francats  von  Job*  Storni  sind  erschienen 
oder  erscheinen  eben  auch  in  einer  schwedischen  und  in  einer  hollän- 
dischen Ausgabe.  Die  älteste  und  ursprüngliche  ist  die  norwegische 
Ausgabe  (lc),  deren  zweite  Auflage  mir  hier  vorliegt.  Die  erste  Aufläge 
derselben  ist  im  Februar  1887,  die  Vorrede  dazu  schon  im  Dezember 
1886  geschrieben  worden. 

19* 


292  Referate  und  Rezensionen.    A.  Rambeau. 

Der  Inhalt  ist  reichhaltig,  mannigfaltig  und  zweckentsprechend. 
Et  sind  Gespräche  ans  dem  alltäglichen  Leben  über  Gegenstände,  Ober 
die  man  mit  sich  in  der  gebildeten  Gesellschaft  zu  unterhalten  pflegt, 
darunter  auch  Szenen  oder  Bruchstücke  französischer  Dramen,  ausser- 
dem idiomatische  Redewendungen  meist  in  kurzen  Sätzen  (Phraseologie), 
in  12  Gruppen.  Neben  dem  französischen  Text  gibt  uns  8t.  eine  mög- 
lichst idiomatische  Übersetzung  in  die  Sprache  des  Landes,  für  du 
er  die  betr.  Ausgabe  bestimmt  hat.  Am  Schluss  jeder  Gruppe  findet 
man  eine  Übung  zum  Übersetzen  aus  der  heimischen  in  die  fremde 
Sprache,  am  damit  die  bez.  grammatischen  Regeln,  z.  B.  die  Ober  den 
Artikel,  zu  wiederholen. 

Dasa  der  französische  Text  gut  und  zuverlässig  ist  und  den 
höchsten  Anforderungen  entspricht,  dafür  borgt  der  Name  des  den 
Neuphilologen  sowohl  als  Komanist  wie  als  Anglicist  rühmlichst  be- 
kannten norwegischen  Gelehrten,  die  Habe  und  Zeit,  die  ein  so  gründ- 
licher Kenner  des  Neu  französischen  auf  die  Zusammen  Stellung  und 
Sichtung  des  Stoffes,  auf  die  Prüfung,  Berichtigung  und  Vervollkomm- 
nung der  Sprache  des  Textes  verwandt  hat  (la,  Vorrede,  S.  XII),  und 
die  wertvolle  Hülfe,  die  ihm  bei  der  Feststellung  des  heutigen  Ge- 
brauche« der  lebenden  Sprache  von  mehreren  sachkundigen  Lehrern 
und  Gelehrten  besonders  französischer  Nationalität,  von  Männern  wie 
G.  Paris,  Bröal,  A.  Darmeeteter  und  Paul  Passy,  zu  teil  ge- 
worden ist  (la,  S.  XV  und  XVI).  Die  nützlichen  Bemerkungen  am 
Fusse  der  Seiten  und  die  wichtigen  Zusätze  und  Berichtigungen  (la, 
S.  '202-207)  bilden  gewissermassen  einen  fortlaufenden  Kommentar, 
in  dem  der  Verfasser,  wo  es  ihm  nötig  zu  sein  scheint,  seine  Ent- 
scheidung für  einen  bestimmten  Ausdruck  erläutert  oder  begründet 
und  seine  Ansichten  durch  die  angeführten  abweichenden  und  auch 
zuweilen  von  einander  verschiedenen  Urteile  seiner  Gewährsmänner  in 
einzelnen  Fällen  ergänzt.  Unter  solchen  Umstanden  dürfte  es  fast 
unmöglich  sein ,  in  der  Sprache  des  französischen  Textes  wirkliche 
Fehler  oder  auch  nur  Urlgenauigkeiten  nnd  Nachlässigkeiten  zn  ent- 
decken. In  dieser  Hinsicht  übertrifft  St.  sicher  alle  seine  Vorgänger,1) 
die  in  ihren  Schriften  gleiche  oder  ähnliche  Ziele  verfolgt  haben.  Man 
muss  jedoch  anerkennen,  dass  vor  ihm  schon  Karl  Ploetz  auf  dem- 
selben Gebiete  brauchbare  und  gute  Leistungen  geliefert  hat.  Ich 
meine  dessen  zwei  Werke :  Fouage  ä  Paris  und  Vocamitaire  systematique 
et  gnide  de  conversation  franqaise.     Das   erstere    erwähnt  St    lobend 

ii  a,  S.  43).  Einige ,  in  der  That  nur  wenige,  Ausstellungen  hat 
.  Sarrazin  (Offenburg)  bei  seiner  BezenBion  der  IHalogties  francaii 
in  der  Franco-Gallia  in  einer  Nummer  das  Jahres  1889  gemacht, 
worauf  ich  den  Leser  verweisen  mOchte. 

Als  einen  empfindlichen  Hange)  betrachte  ich  das  Fehlen  einer 
praktischen  phonetischen  Transskription,  wie  sie  uns  F.  Franke  in  seiner 
Schrift,  die  ähnlichen  Zwecken  dient,  aber  leider  keine  zusammen- 
hängenden Gespräche  enthält,  Itirasts  de  tovs  les  jours,  gegeben  hat. 
Dem  Verfasser  möchte  ich  für  spätere  Auflagen  dringend  empfehlen, 
eine  Bolche  Umschrift,  die  für  Lehrer  noch  wichtiger  und  nützlicher 
Bein  würde,  als  für  Schüler,  beizufügen  und  dazu  die  Zeichen  des  von 
P.  Passy  herausgegebenen  Maiire  Fone'tique  (vgl.  weiter  unten  No.  S) 
zu  verwenden.  Die  blosse  Rücksicht  auf  den  Raum  (la,  S.  XII)  kann 
doch  fürwahr  kein  ernstliches  Hindernis  sein. 


*)  Er  selbst  kritisiert  einige  derselben  auf  S.  IX  (la). 


A.  Ricard,  Systeme  de  la  quantite  syllabique  ei  de  Carticvlation  etc.     293 

Das  Buch  ist  „zunächst  für  Erwachsene  bestimmt,  besonders  zum 
Privatstudium  unter  einem  tüchtigen,  am  besten  eingeborenen  Lehrer". 
Als  Schulbuch  dient  es  der  Reform  der  Methode  des  Sprachunterrichts, 
über  die  sich  St.  am  Anfang  der  Vorrede  äussert,  indem  er  seinen 
vermittelnden  Standpunkt  in  dieser  Frage  betont;  es  „soll  die  Lücken 
des  gewöhnlichen  Schulunterrichts  ausfüllen u  (1  a,  S.  XI).  Es  setzt 
Schüler  voraus,  die  bereits  „Französisch  zwei  oder  drei  Jahre  getrieben" 
haben.  St.  selbst  nennt  es  cours  moyen,  da  er  noch  einen  cours 
svpe'rieur  in  Aussicht  stellt  (1a,  S.  XV).  Thatsächlich  sind  die  Dialogues 
francais,  wie  der  Verfasser  mitteilt  (la,  S.  XI),  schon  in  mehreren 
Schulen  des  Nordens  und,  wie  ich  eben  höre,  auch  in  einer  Anstalt 
Hamburgs  mit  gutem  Erfolg  gebraucht  worden. 

Die  Rücksicht  auf  den  Schulunterricht  erklärt  die  grammatische 
Anordnung  des  Stoffes  (in  12  Gruppen),  die  mich  zuerst  etwas  miss- 
trauisch  machte.  Nach  einer  ziemlich  sorgfältigen  Durchsicht  des  In- 
halts mu8s  ich  gestehen,  dass  glücklicherweise  das  „grammatistische" 
Element  der  französischen  Sprache  keinen  Zwang  angethan  und  die 
Echtheit  des  Ausdruckes  keineswegs  beeinträchtigt  hat. 

Mit  der  Veranstaltung  verschiedener  Ausgaben   und  der  hinzu- 

? gefügten  Übersetzung  des  französischen  Textes  in  die  Sprache  des 
janaes,  für  das  jede  Ausgabe  vorzugsweise  bestimmt  ist,  hat  St.  den 
Neuphilologen,  die  ausser  dem  Englischen  auch  die  Umgangsformen 
anderer  germanischen  Sprachen  bequem  studieren  möchten,  sicherlich 
einen  unschätzbaren  Dienst  erwiesen.  Auch  für  die  Übersetzung  würde 
mir  persönlich  eine  gute  Transskription  recht  willkommen  gewesen  sein, 
besonders  in  der  norwegischen  und  der  dänischen  Ausgabe.  Der  nor- 
wegische und  der  dänische  Text  weichen,  sowie  sie  vorliegen,  sehr 
wenig  von  einander  ab.  Es  wäre  mir  und  gewiss  auch  manchen  an- 
deren Neuphilologen  höchst  interessant  gewesen,  die  lautlichen  Unter- 
schiede dieser  beiden  Spracharten,  die  nicht  gering  sein  Bollen,  mittelst 
einer  phonetischen  Unterschrift  desselben  Textes  genau  kennen  zu  lernen. 
2.  Rieard'8  Buch  ist  ein  geistreiches  und  interessantes  Werk, 
aber  es  entbehrt  leider  der  wissenschaftlichen  Objektivität  und  Gründ- 
lichkeit. Daher  sind  die  Ergebnisse,  zu  denen  er  gelangt,  besonders 
seine  sogenannten  „Regeln",  die  er  mit  anscheinend  grosser  Bestimmt- 
heit aufstellt,  ohne  überzeugende  Kraft  und  Gültigkeit  und  demgemäss 
zugleich  ohne  den  wünschenswerten  und  von  ihm  als  sicher  angenom- 
menen praktischen  Nutzen.  Obgleich  er  alle  oder  die  meisten  phone- 
tischen Werke  zu  kennen  scheint,  hat  er  es  doch  nicht  über  sich  ver- 
mocht, die  wichtige  und  gar  schwierige  Frage  der  Quantität  der  fran- 
zösischen Vokale  ohne  Voreingenommenheit  und  rein  sachlich,  d.  h. 
also  in  diesem  Falle  zunächst  und  vor  allem  phonetisch  zu  behandeln. 
Der  einseitige,  ortho&pische  Standpunkt,  den  der  Verfasser  von 
vornherein  und  fast  überall  dieser  Frage  gegenüber  einnimmt,  bringt 
es  mit  sich,  dass  er  nicht  mit  den  Thatsachen,  wie  sie  wirklich  sind, 
rechnet,  sondern  mit  den  Thatsachen,  wie  er  sie  wünscht  und  sich 
subjektiv  vorstellt,  wie  sie  nach  seiner  vorgefassten  Meinung  und  seinem 
individuellen  Sprachgefühl  sein  sollen  oder  sein  müssten. 

Dazu  kommt  noch  der  Mangel  einer  durchgehenden,  einheitlichen 
phonetischen  Transskription  der  Wörter,  die  von  ihm  als  Beispiele 
angeführt  werden.  Dies  verursacht  in  seinen  Erörterungen  und  Schlüssen 
eine  bedauerliche  Unklarheit  und  Verwirrung.  Man  weiss  nie  recht 
genau,  ob  R.  in  den  einzelnen  Fällen  von  Buchstaben  oder  von  Lauten 
spricht.  An  manchen  Stellen  geht  er  augenscheinlich  ganz  und  gar 
vom  Schriftbilde  aus.    So  nennt  er  au  in  saute,  epaule einen 


294  Referate  und  Rezensionen.     A.  Rambeau, 

Diphthong  (S.  50)  und  vergleicht  cteD  dadurch  ausgedrückten  Laut  mit 
deutschem  au  (S.  35),  mit  deutschem  und  italienischem  au  (8.  59). 

Vgl.  ferner  noch  einige  Stellen,  die  wegen  einer  sonderbaren 
und  fast  phantastischen  Darstellung» weise  oder  wegen  des  offenbaren 
Hangeln  an  phonetischer  Auffassung  besonders  auffällig  sind,  deren 
Zahl,  wenn  ich  vollständig  sein  wollte,  ich  leicht  durch  andere  Zitat« 
verdoppeln,  ja  verdreifachen  könnte: 

S.  2:  „J'appeUe  Intonation  dans  base  ie  ton  guttural  (?)  V 
montant  vers  a,  et  Fatteignant:  b'a;  et  ton  b'a'  mesure  50.  J'appeUe 
ton  le  ton  mime  de  ba'  pur;  dure~e  =  50.  J'appeUe  extonatio* 
Fexpiration  de  bas'  marchant  vers  la  finale  e  (?),  et  durant  50;  de  sorte 
que  base  =  50  +  50  -f  50  =  150. " 

8.  16:  „Avec  le  Systeme  de  chuchotement  on  ne  peui  pat  pro- 
noncer;  niojTjjami;  on  ne  prononce  que:  mo — na — mi.  C'ett  du  reite 
paar  eela  (?)  que  Fn  mediale  devant  une  voyeUe  perd  (?)  ta  natalile  (?): 
conifere  =  co — nifere,  annee  =  a — ne-." 

S.  26:  „Les  nasales  au  nombre  de  quatre:  an,  in,  on,  im,  tont 
avssi  de  veritablet  voyeües  comme  a,  i,  i,  o,  u;  seulement  ce  tont  da 
voyellet  nasales,  dipAthongue'et  en  n  (?)." 

S,  31:  y,  .  .  .  un  circonflexe  (?)  devant  une  finale  muette  ett  ton- 
jourt  long  tans  exception." 

8.  32;  „en  ove,  il  n'y  a  qu'nn  seul  mot  francait  alcftve,  et  encort 
est-il  swmonte'  du  circonflexe,  ce  qtti  tut  donne  (?)  le  ton  grave." 

Ferner  S.  32 :  „ Une  par eilte  Intonation  aigue  de  l'a.  et  de  t'o  devant 
re,  ge,  ve,  te  trouve  dans  plusieurs  langues  ewope'enncs.  Eu  anglaa 
rare   se  prononce   rgre   long,    a    =    e   (?),   rage   rEdge   long,   a  =  ■  (?) 

,  love  leuv'  bref,  o  =  eu;  lodge  leudg'  bref,  o  =  eu  (?!).    £'n 

franfais  par  une  transmutation  de  t'o  du  latin  movere ,  nous  troueont 
moovoir,  meus,  meuvent;  vouloir,  veui,  veulent;  pouvoir,  petix,  peuvent, 
Le  latin   or  [besser:   Ärem]  est  devenu  eur,   pavor  [besser  pavören»]  — 

S.  33:  „Dans  le  mot  rage  la  ehumtante  g  amene  devant  soi 
l'e'crasement  (?)  de  Ta." 

S.  59:  „Let  consonnes  ch  (?),  gn  restent  (?)  unies:  chmn — pa—gae, 
me'—chant.  Es — pa—gnßl,  en — chan — ter." 

8.  66:  „La  nataie  finale  est  un  sdn  moitie  voyelle,  moitie  consonne  (?), 
qui  s'e'lance  (tun  seul  coup  et  comme  en  bona  du  baut  des  livres.  'Bin, 
*bön',  bain,  *pönt,  *tänt,  *tön.  La  nasale  n'a  pat  le  repos  det  antra 
Conson.net  (?):  eile  se  pre'cipiie  comme  un  son  q>ii  lombe  et  laitte  eehapper 
dans  sa  ehule  let  tont  percantt  de:  *an,  in.  *on,  *un." 

8.  70:  „Let  a  et  let  o  sout  purs  dans  let  finale t.  c'est-ä-dtre graves  (?) 
et  de  durec  moyenne.  Canada  (?),  coco,  montA  (?),  batc&n,  souci  (?)."  u.  a.  m. 

Was  R.  unter  sons  graves  et  aigus  (vgl.  die  vollständige  Auf- 
schrift des  Buches  und  einige  der  oben  angeführten  Stelleu)  versteht, 
ist  mir  trotz  aller  Aufmerksamkeit  und  Anstrengung  unklar  geblieben. 
Allerdings  gibt  er  selbst  von  Zeit  zu  Zeit  eine  Art  von  Definition  oder 
Erklärung  dieser  Ausdrücke,  die  bald  mehr,  bald  weniger  ausführlich 
ist.  Vgl.  „.  . .  le  son  grave  ou  guttural,  le  ton  aigtt  ou  palatal."  (S.  86) 
„1,  a,  o,  eu,  oi  graves  sont  gultvralt.  2.  a,  o,  eu,  oi  aigut  tont 
palatalt"  (S.  27).  —  „Le  ton  grave  part  de  la  gorae.  Le  ton  atgu  ett 
patatal,  e'ett-ä-dire  qu'tl  est  meaio-patatal  dans  l'aigu  long,  et  presque 
dental-palatal  dans  l'aigu  bref."     (S.  31.) 

Im  Anschluss  an  diese  und  ähnliche  Erklärungen,  besonders  an 
die  letzte  Definition,  habe  ich  versucht,  die  Bedeutung  von  grave  und 
tngu,  auf  Vokale  angewandt,  an  den  Wörtern,  die  E.  in  grosser  Menge 


P.  Passy,  Maure  Fonetique.  295 

als  Beispiele  anführt,  zu  prüfen,  festzustellen  und  mir  selbst  deutlich 
zu  machen.  Ich  habe  mich  dabei  bemüht,  jene  Ausdrücke  mit  ouvert 
(offen)  und  ferme  (geschlossen),  zuletzt  mit  wide  (schlaff)  und  narrow 
(straff)  zu  identifizieren  oder  in  Einklang  zu  bringen.  Vergebens.  Nach 
mehreren  erfolglosen  Versuchen  habe  ich  es  ganz  aufgegeben,  mit 
grave  und  aigu  einen  bestimmten,  fest  stehenden  Sinn  zu  verbinden. 
Ob  R.  selbst  es  thut?  Ich  möchte  dies  fast  bezweifeln.  Vielleicht 
hat  ihm  seine  Vorliebe  für  eine  ungewöhnliche  Ausdrucksweise ,  die 
wahrscheinlich  nach  seiner  Meinung  geistreich  sein  soll,  einen  schlimmen 
Streich  gespielt. 

Dass  R.  unter  den  französischen  Vokalen  lange,  mittlere  und 
kurze  (longues,  moyennes,  breves)  unterscheidet,  billige  ich  vollkommen. 
Jedoch  wendet  er  diese  Bezeichnungen  meistens  auf  Silben  (z.  B.  S.  86) 
und,  wo  er  es  überhaupt  thut,  unterschiedslos  auf  Vokale  an.  Er 
spricht  auch  wohl  manchmal  von  langen,  mittleren  und  kurzen  Silben, 
meint  aber,  lange,  mittlere  und  kurze  Vokale,  wenigstens  wenn  man 
nach  den  Beispielen,  die  er  gibt,  und  nach  den  Zeichen,  die  er  über 
die  Vokale  der  bezüglichen  Silben  setzt,  urteilen  darf. 

Offenbar  kann  eine  Silbe  wegen  der  dazu  gehörigen  Konsonanten 
zeitlich  langer  als  eine  andere  sein,  ohne  dass  der  Vokal  jener  länger 
als  der  Vokal  dieser  zu  sein  braucht.  Diese  Thatsache  ist  dem  Ver- 
fasser bekannt.  Vgl.  z.  B.  S.  2.  Um  so  auffalliger  ist  es,  dass  er  die 
Quantität  der  Silben  und  die  Quantität  der  Vokale  nicht  streng  genug 
auseinander  hält. 

Das  Ergebnis,  zu  dem  B.  gelangt,  dass  es  im  Französischen  viel 
mehr  mittlere  als  lange  und  kurze  Vokale  gibt,  ist  richtig.  Er  rechnet 
„16%  de  longues,  35  <v0  de  breves,  50%  de  moyennesa  heraus  (S.  87). 
Man  sann  auch  hier  nicht  genau  erkennen,  ob  er  Silben  oder  Vokale 
meint.  Aber  dies  Verhältnis  mag  wohl  für  beide  ungefähr  stimmen. 
Damit  soll  nicht  gesagt  sein,  dass  ich  der  Beweisführung  Ricard's  traue 
oder  allen  ihren  Einzelheiten  Glauben  schenke. 

Die  übrigen  Ergebnisse,  die  man  kurz  vorher  in  der  Conclusion 
auf  S.  86  findet,  sind  entweder  anfechtbar  und  unsicher  hauptsächlich 
wegen  des  einseitigen,  orthoepischen  Standpunktes  des  Verfassers  oder 
geradezu  wertlos  wegen  der  von  ihm  gebrauchten  missverständlichen 
oder  unverständlichen  Ausdrücke:  1.  „f'ai  prouve  surabondamment  .  .  . 
Texislence  de  deux  sons  pour  a,  o,  eu,  oi:  le  son  grave  ou  guttural, 
le  son  aigu  ou  palatal.  2.  J'ai  donne  les  indications  propres  ä  La  recon- 
naissance  des  longues  en  quatre  regles,  das  moyennes  en  six  regles,  des 
breves  en  citiq  regles ;  ainsi  que  les  regles  pour  reconnattre  les  a,  o,  eu, 
oi  graves,  et  les  a,  o,  eu,  ou  (soll  wohl  heissen:  oi)  aigus.u  Vgl.  dazu 
S.  47 :  „  Une  fois  les  regles  (d.  h.  de  la  auantiie)  fixe'es,  ce  sera  ä  eües  de 
Commander,  et  ä  Vusage  d?obeir.u  Glaubt  Herr  Ricard  im  Ernst,  dass 
sich  der  Sprachgebrauch  seinen  Befehlen  oder  Regeln  fügen  wird? 

Nach  allem,  was  ich  über  das  Systeme  de  la  quantile  syUabique 
et  de  rarticulalion  des  sons  graves  et  des  aigus  gesagt  habe,  glaube  ich 
Laien,  oder  Studierende  und  Lehrer,  die  das  phonetische  Studium  erst 
beginnen  oder  seit  kurzem  begonnen  haben,  davor  warnen  zu  müssen. 
Aber  ich  bin  überzeugt,  dass  Phonetiker  von  Fach  diese  Schrift  mit 
Interesse  und  Gewinn  lesen  werden,  da  der  Verfasser  ein  Kenner  seiner 
Muttersprache  ist  und  jedenfalls  seine  individuellen  Erfahrungen  und 
Ansichten  schon  deshalb  Beachtung  verdienen  und  Stoff  zur  Vergfeichung 
und  Untersuchung  gewähren.  * 

3.  Den  Lesern  der  Zeitschrift  für  neufranzösische  Sprache  und 
Litteratur  habe  ich  schon  im  Jahre  1888  (X2,  S.  20 — 23)  die  zwei  ersten 


296  Referate  und  Rezensionen.    A.  Rambeau, 

Jahrgänge  des  Mattre  Fonltlque   oder  Phonetlc  Teaeher 

nebst  den  drei  ersten  Nummern  des   dritten  Jahrganges   und  zugleich 
das  Bestehen  und   den  Zweck   des  Vereins,  dessen  Organ  diese  kleine 

Ehonetische  Zeitschrift  sein  soll,  angezeigt.    Seitdem   ist  die  Zahl  der 
[itglieder  jenes   durchaus  internationalen  Vereins  von   etwa  200  auf 
mehr  als  400  (414  im  Mai  1890)  angewachsen. 

Der  Mattre  Fone'tique  bringt,  wie  bisher,  regelmässig  Mitteilungen, 
Anzeigen,  Rezensionen  u.  dgl.  des  Herausgebers,  Paul  Passy,  und 
anderer  Mitglieder  in  französischer,  englischer  und  deutscher  Sprache 
und  zwar  in  einer  einheitlichen  phonetischen  Umschrift,  wobei  jeder 
für  die  von  ihm  gewählte  Aussprache  selbst  verantwortlich  ist  und 
mit  seinem  Namen  einzutreten  hat;  ein  besonderer  Teil  (Partie  dese'leves) 
enthält  phonetische  Texte,  Erzählungen  und  Gedichte,  in  den  drei  haupt- 
sächlichen lebenden  Kultursprachen,  daneben  auch  manchmal  einige 
in  anderen  germanischen  und  romanischen  Idiomen.  Die  Transskription 
ist  unterdessen  wesentlich  verbessert  worden  (vgl.  oben  als  Probe  den 
vollständigen  Titel  des  M.  F.)  und  wird  infolge  freier  Diskussion  und 
durch  Abstimmen,  soweit  die  zu  Gebote  stehenden  Mittel  reichen,  nach 
und  nach  noch  mehr  vervollkommnet  werden. 

Jedem  Fachgenossen,  der  sich  für  Phonetik,  vor  allem  für  prak- 
tische Phonetik  interessiert,  der  seine  eigne  Aussprache  der  fremden 
Sprachen  durch  Vergleichung  mit  der  anderer  und  besonders  einheimi- 
scher Phonetiker  verbessern  oder  in  gutem  Zustande  erhalten  möchte, 
sei  die  billige  und  doch  wertvolle  Zeitschrift  warm  empfohlen.  Um 
Mitglied  der  Association  Fone'tique  zu  werden,  der  schon  viele  deutsche 
Lehrer,  darunter  auch  Universitätsprofessoren,  angehören,  hat  man  sich 
.  durch  einen  Bekannten  einführen  zu  lassen  und  einen  jährlichen  Bei- 
trag von  nur  2  Francs  (für  die  membres  adherents)  oder  5  Francs  (für 
die  membres  actifs)  einzusenden.  Für  Deutschland  nimmt  sowohl  Herr 
Prof.  Vietor  in  Marburg  als  der  Unterzeichnete  (Hamburg,  Wilhelm- 
Gymnasium)  Anmeldungen  und  Beiträge  an. 

A.  Rambeau. 


1.  Breymann-Moeller,  a)  Schlüssel  zu  den  Breymann-Mceller 'sehen 

Übungsbüchern.  München  und  Leipzig,  1887.  R.  Oldenbourg. 
71  S.  8°.    Preis:  Mk.  1,20.  —  b)  Zur  Reform  des  französischen 

Unteirichts.  Offener  Brief  von  Herrn,  M&ller  an  Herrn  Dr.  H. 
in  B.    In  demselbeu  Verlage  (ohne  Jahreszahl).     14  S.  8°. 

2.  Plattner  9  Ph.,   a)   Vorstufe  für  das  Elementarbuch  der  franzö- 

sischen Sprache.  2.  Auflage.  32  S.  8°.  Preis:  Mk.  0,30.  — 
b)  Übungsbuch  zur  französischen  Schulgrammatik.  2.  Auflage. 
II,  211  S.  8°.  Preis:  Mk.  1,20.  —  c)  Lehrgang  der  französischen 
Sprache  für  Knaben-  und  Mädchenschulen.  Zweiter  Teil.  VIII, 
396  S.  8*.  Preis:  Mk.  3,20.  —  d)  Übersetzung  der  im  Übungs- 
buch zur  französischen  Schulgrammatik  enthaltenen  Stücke. 
Als  Schlüssel  für  die  Hand  des  Lehrers.  86  S.  8°.  Preis: 
Mk.  1,50.  —  e)  Übersetzung  der  in  den  Übungen  des  franzö- 
sischen Elementarbuchs  enthaltenen  Stücke.  Als  Schlüssel  für 
die  Hand  des  Lehrers,  nebst  einer  Anleitung  zum  Gebrauch  des 
Elementarbuchs  und  einer  Reihe  leichter  Übungssdtze.  54  S.  8°. 
Preis;:  Mk.  1,50.  — r  f)  Anleitung  zum  Gebrauch  des  Lehrgangs 
der  französischen  Sprache.  Zugleich  als  Schlüssel  für  die  Hand 
des  Lehrers.    82  S.   8°.    Preis:  Mk.  3.    —    g)  Anthologie   des 


Breymann-Mozüer,  Schlüssel  zu  den  Br.-M.'schen  Übungsbüchern.     297 

Ecoles.  Ckoix  de  poesies  francmses,  suivi  de  noles  expUcatives 
et  public  en  trois  parties.  Pe  Partie:  Classes  inferieures.  II, 
112  S.  8°.  —  //'  Partie:  Classes  moyennes.  112  S.  8°.  — 
IIP  Partie:  Classes  superieures.  112  S.  8°.  Karlsruhe.  J.  Biele- 
feld^ Verlag,    a,  b,  c,  f  1888;  d  1883;  e  1884;  g  1890. 

3.  Ricken 9  Wilhelm,   Elementarbuch   der  französischen   Sprache. 

2.  und  3.  Jahr.  Oppeln  und  Leipzig,  1888.  Eugen  Franck's 
Buchhandlung  (G.  Maske).    VII,  141  S.  8<>. 

4.  Ul  brich,  O.,  Scnulgrammatik  der  französischen  Sprache  für  höhere 

Lehranstalten.  Berlin.  Gaertner  (Heyfelder).  Erste  Auflage 
1888.  Zweite  verbesserte  Auflage  1890.  IV,  220  S.  80.  Preis: 
Mk.  2,00. 

5.  Schaefer,  Curt,  a)  Französische  Schulgrammatik  für  die  Ober- 

stufen. II.  Teil.  Syntax.  158  S.  8°.  Preis:  Mk.  1,40.  — 
b)  Übungsbuch  zum  Übersetzen  aus  dem  Deutschen  ins  Franzö- 
sische, im  AnscfUuss  an  die  französische  Schulgrammatik  für  die 
Oberstufe.  IL  Teil.  Syntax.  134  S.  8°.  —  c)  Der  französische 
Unterricht  in  der  Schule.  Ein  Begleitwort  zu  den  französischen 
Lehrbüchern.    16  S.  8°.    Berlin,  *1888.    Winckelmann  &  Söhne. 

6.  Benux,  Theodor  de,  Schulgrammatik  der  französischen  Sprache. 

Mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Phonetik.  Leipzig,  1888. 
Hirzel.    VI,  325  S.  8°. 

7.  Pttnjer,  J.,   Der  erste   Unterricht  in  der  französischen  Sprache. 

Für  höhere  Mädchenschulen,  Mittelschulen,  verwandte  Anstalten 
und  ähnliche  Stufen  bearbeitet.  Hannover,  1887.  Meyer  (Prior). 
II,  80  S.  8°.     Preis:  Mk.  0,60. 

8.  Kühn,  Karl  9  Französisches  Lesebuch.    Unterstufe.   Bielefeld  und 

Leipzig.  Velhagen  und  Klasing.  Zweite  verbesserte  und  ver- 
mehrte Auflage,  1889.  XIX,  208  S.  8°.  —  Dritte  Auflage,  1890. 
XX,  209  S.    8°.    Preis:  Mk.  1,60. 

Alle  diese  Schriften  (No.  1 — 8),  Lehrbücher,  Lesebücher  oder 
methodische  Abhandlungen  u.  dgl.,  dienen  oder  sollen  nach  der  Absicht 
ihrer  Verfasser  der  Reform  des  französischen  Unterrichts  dienen  und  zwar 
zum  grössten  Teil  im  Sinne  der  Vermittlung  mit  der  alten  Lehrweise. 
£s  sind  entweder  Fortsetzungen  oder  Erweiterungen  oder  Begleitschriften 
von  Werken,  die  ich  bereits  in  der  Zeitschrift  für  neufranz.  Sprache  u. 
Litteratur  angezeigt  habe,  oder  neue  Auflagen  solcher  Werke.  Ich  werde 
mir  daher  gestatten,  bei  der  folgenden  Besprechung  der  einzelnen  mir 
hier  vorliegenden  Schriften  mich  möglichst  kurz  zu  fassen  und  zur  Ver- 
vollständigung der  Urteile  auf  meine  früheren  Anzeigen  zu  verweisen. 

1.  Die  erste  Schrift  (la)  ist  ein  Schlüssel  zu  den  Obersetzungs- 
übungen des  Elementarbuches  und  der  zwei  Teile  des  Übungsbuches  von 
Breymann-Mceller.  Über  das  Elementarbuch  und  den  ersten  Teil 
des  Übungsbuches  habe  ich  in  dieser  Zeitschrift  IX2,  S.  37 — 38  und 
S.  252  berichtet. 

M cell  er 's  Offener  Brief  an  Herrn  Dr.  B.  in  B.  (lb)  ist  nach  der 
Nenphilologenversammlung  in  Frankfurt,  also  in  oder  nach  dem  Jahre 
1887,  geschrieben  worden.  Der  Verfasser  spricht  sich  daher  nicht  bloss 
in  theoretischer  Weise  über  die  von  ihm  und  Breymann  in  ihren 
Lehrbüchern  angewandte  vermittelnde  oder  analytisch -synthetische  Me- 
thode aus,  sondern  teilt  auch  schon  die  praktischen  Erfahrungen  mit, 
die  er  und  seine  pädagogischen  Freunde,  besonders  der,  an  den  der  Brief 
gerichtet  ist,  seit  einigen  Jahren  im  Unterricht  mit  dieser  Methode  und 
den   Eigentümlichkeiten,   die  dieselbe  auszeichnen,  z.  B.  mit  den  Eon- 


398  Referate  und  ReZt 

jugiertibungen  in  Sätzen  u.  a. ,  gemacht  haben.  Im  übrigen  findet  sich 
derselbe  Inhalt  —  ausführlicher,  aber  mehr  theoretisch  —  in  der  grosseren 
Schrift  Zur  Reform  des  neusprachlichen  Unterrichts.  Anleitung  zum 
Gebrauch  des  französischen  Elemcntarfaiclics  von  Breymann  nnd  Maller 
(München,  1884.     Oldenbourg). 

Das  Urteil  des  Herrn  Dr.  H.,  diias  „die  Breym&nD-Mcellar'Bchen 
Bücher  die  vorzüglichsten  Lehrmittel  sind,  welche  der  Schulbücbermarkt 
bis  jetzt  aufzuweisen  bat"  (S.  11).  braucht  man  nicht  zu  unterschreiben 
und  man  wird  doch  zugestehen  können,  rlasa  M.  wohl  berechtigt  ist,  tan 
den  mit  seinen  Lehrbüchern  erzielten  Erfolgen  mit  Genugthunng  and 
in  freudigem,  hoffnungsvollem  Tone  zu  sprechen.  Zweifellos  vermögen 
Lehrer,  die  diese  Bücher  gebrauchen,  wenn  sie  selbständig  zu  denken 
und  zu  schaffen  gewöhnt  sind,  und  wenn  sonst  die  Verhältnisse  und  Be- 
dingungen, unter  denen  sie  arbeiten,  günstig  Bind,  zu  guten  und  vor- 
züglichen Ergebnissen  in  ihrem  Unterricht  zu  gelangen.  Selbstverständ- 
lich haben  die  Verfasser  nur  für  Fachmänner  geschrieben  und,  wie  H. 
hier  (S.  10)  rückhaltslos  ausspricht,  ^nicht  für  Dilettanten,  auch  nicht 
für  Altphilologen,  welche  'der  Not,  nicht  innerem  Triebe  folgend',  auf 
unserem  Gebiete  Gastrollen  geben".  Solche  Lehrer  des  Französischen 
werden  hoffentlich  bald  —  gerade  infolge  der  allgemeinen  Durchführung 
der  Beformroetbode,  weil  sie  wirklich  hohe  Anforderungen  an  den  Unter- 
richtenden stellt,  —  an  allen  Schulen,  auch  endlich  an  humanistischen 
Gymnasien,   „unmöglich"  werden! 

Im  Anschluss  an  den  offenen  Brief  hai,  die  Verlagshandlung,  jeden- 
falls durch  Breymann  und  Moeller  inspiriert,  die  Ziele,  welche  ihre 
Werke  anstreben,  noch  einmal  in  wenigen,  das  Wesentliche  hervorheben- 
den nnd  übersichtlichen  Sätzen  zusammengefasst.    (S.   13 — 14.) 

2.  Die  Vorstufe  für  das  Kkmentarbnch  der  französischen  Sprache 
(2a)  und  das  ganz  nach  den  Prinzipien  der  lateinisch -griechischen  Über- 
setzungsmethode  gearbeitete  Übungsbuch  zur  französischen  Schutgrammatik 
(2  b)  von  Plattner  haben  in  der  neuen  Auflage  ihren  Umfang  bewahrt 
nnd  sind,  abgesehen  von  wenigen  Verbesserungen  in  Einzelheiten  (2 a) 
oder  Verschiebungen  (2  b),  überhaupt  unverändert  geblieben.  Vgl.  meine 
Besprechung  der  ersten  Auflage  dieser  zwei  Bucher  in  der  Ztschr.  VIII', 
S.  177 — 181.  Ausdrücke,  wie  „sehr  weicher  fdj-Laut11  und  ..sehr  weichet 
|",  sind  in  der  „Aussprache",  dem  ersten  Teil  der  „Vorstufe",  immer  noch 
nicht  vermieden.  Was  soll  der  süddeutsche  Schüler  (und  Lehrer?),  ffli 
den  sie  offenbar  bestimmt  sind,  damit  anfangen?  Sein  heimisches  (deutsches) 
i  ist  ebenso  „weich",  als  das  französische  stimmhafte  s  ■=  z.  Er  muss 
deshalb  erfahren,  dass  sein  eigenes  „weiches"  oder  „sehr  weiches"  s,  das 
er  in  natürlicher,  durch  keine  orthoöpischen  Bedenken  „gefälschter"  Rede 
unterschiedslos  für  f,  8,  &,  fj  spricht,  stimmlos  ist  nnd  unter  keinen  Um- 
ständen auf  die  französische  Sprache  übertragen  werden  darf.  —  rC  heisst 
ce  (sprich  c  wie  ss)"  ist  z.  B.  eine  von  den  seltenen  Verbesserungen  der 
zweiten  Auflage  (S.  3),  Warum  genügt  nicht  „wie  *"  (d.  b.  wie  hartes, 
stimmloses  s)r  Der  entsprechende  weiche  und  stimmhafte  Konsonant 
müsste  konsequent  mit  z  bezeichnet  werden,  und  eine  Verwechselung  mit 
s  wäre  dann  nicht  möglich.  — 

Der  II.  Teil  des  Lehrganges  der  französischen  Sprache  für  Jinaben- 
und  Mädchenschulen  (2c)  ist  ein  in  seiner  Art  ebenso  ausgezeichnetes 
Buch,  als  der  im  Jahre  1887  erschienene  und  von  mir  schon  früher  an- 
gezeigte I.  Teil.  Vgl.  Ztschr.  X*  S.  55—58.  Gerade  an  diesem  Werke 
scheint  Plattner  mit  besonderer  Lust  und  Liebe  gearbeitet  in  haben,  weil 
der  Plan  und  die  Anlage  desselben  seinen  persönlichen  pädagogischen 
Neigungen  nnd  Grundsätzen  am   meisten  entspricht.     Er  bat  darin  die 


JPh.  Platiner,  Vorstufe  für  das  Elementarbuch  der  franz.  Sprache.      299 

• 

ihm  als  Lehrer  eigentümliche  und  von  ihm  im  eignen  Unterrichte  am 
besten  erprobte  Art  der  sog.  vermittelnden  oder  induktiv- deduktiven 
Methode  in  voller  Freiheit  am  klarsten  und  konsequentesten  durchzuführen 
vermocht.  Der  ursprüngliche  Titel  war  etwas  verschieden:  für  tat  ein- 
löse Knabenschulen  und  für  Mädchenschulen.  Der  Verfasser  hat  diese 
Beschränkung  auf  lateinlose  Anstalten,  die  mir  im  I.  Teile  durchaus  un- 
nötig zu  sein  schien,  auf  dem  Titelblatte  des  II.  Teiles  weggelassen.  Die 
beideu  Bücher  eignen  sich  sicherlich  auch  für  Gymnasien  und  Real- 
gymnasien. 

Der  II.  Teil  enthält  eine  systematische  Grammatik  (S.  1 — 119): 
1.  Abteilung,  die  vollständige  Formenlehre,  —  2.  Abteilung,  die  Syntax 
„in  so  gedrängter  Fassung,  dass  dieselbe  bequem  in  zwei  Jahren  bewältigt 
werden  kann",  —  3.  Abteilung,  Phraseologie;  ein  Lesebuch  (S.  120—262): 
Prosaische*,  Dramatisches,  Gedichte;  ein  Übungsbuch  (S.  263 — 351):  Um- 
bildungen, Erweiterungen,  Übersetzungen;  dazu  ein  Wörterverzeichnis. 
An  den  Lese-  und  Übungsstücken  ist  vor  allem  zu  rühmen,  dass  sie  sich 
in  der  That  „vorwiegend  mit  dem  Lande  und  Volke  beschäftigen,  dessen 
Sprache  sie  den  Schüler  lehren  wollen."  — 

Die  Schlüssel  oder  Begleitschriften  (2d,  e,  f)  zum  Übungsbuche  (2b), 
zum  Elementarbuche1)  und  zum  Lehrgange  (2  c)  sind,  wie  die  vollständigen 
Titel  ausdrücklich  verkünden,  nur  „für  die  Hand  des  Lehrers"  bestimmt. 
Alle  drei  Schriften  werden  gewiss  manchem,  der  nach  Plattner's  Lehr- 
büchern unterrichtet,  sehr  willkommen  sein.  Zwei  derselben  (2e  und  f) 
sind  zugleich  deshalb  wichtig  und  nützlich,  weil  sie  ausser  der  Über- 
setzung der  deutschen  Übungsstücke  auch  eine  Anleitung  zum  Gebrauche 
der  bez.  Lehrbücher  Jhd  einige  Erörterungen  bringen,  in  denen  der  Ver- 
fasser die  Grundsätze  der  von  ihm  befolgten  und  empfohlenen  Methode 
darlegt  und  seinen  Standpunkt  verteidigt. 

Eine  vortreffliche  Zugabe  zu  Plattner's  Lehrbüchern  ist  die  von 
ihm  erst  in  diesem  Jahre  veröffentlichte  Anthologie  des  Ecoles  (2  g).  Die 
Auswahl  der  Gedichte  ist  sorgfältig  und  geschmackvoll  und  entspricht 
den  bekannten  zwei  Forderungen  der  Reform  des  neusprachlichen  Unter- 
richts. Einerseits  hat  Plattner  die  französische  Litteratur  dieses  Jahr- 
hunderts bevorzugt  und  auch  die  neueste  berücksichtigt,  ohne  jedoch 
das  „alte"  d.  h.,  was  seit  langer  Zeit  alle  in  deutschen  Schulen  gebrauchten 
französischen  Lesebücher,  Gedichtsammlungen  und  manuels  gleichsam  als 
eisernen  Bestand  aufweisen,  grundsätzlich  auszuschließen,  sofern  es  sich 
als  „gut"  und  zweckmässig  bewährt  hat.  Anderseits  haben  neben  der 
französischen  Kunstpoesie,  der  die  Ausländer  selten  ein  volles  ästhetisches 
Verständnis  entgegenbringen,  und  deren  eigenartige  Schönheit  sie  im  all- 
gemeinen nur  in  verhältnismässig  wenigen  Erscheinungen  zu  geniessen 
und  zu  würdigen  vermögen,  auch  die  volkstümlichen  und  kindlichen  Ge- 
dichte, Lieder  und  Sprüche  in  der  Anthologie  die  ihnen  gebührende  Stelle 
erhalten.    Sie  finden  sich  hauptsächlich  im  ersten  Teile. 

Die  richtige  Befolgung  jener  zwei  Thesen  verleiht  der  ganzen 
Sammlung  eine  angenehme  Mannigfaltigkeit  und  zugleich  den  Reiz  der 
Neuheit,  obwohl  dem  Herausgeber  auf  dem  einen  Gebiete  vor  allem 
Gropp  und  Hausknecht,  auf  dem  andern  Kühn  mit  gutem  Beispiele 
vorangegangen  sind.  Auf  beiden  Gebieten  ist  noch  viel  zu  machen,  und 
man  kann  daher  hoffen,  dass  die  Worte,  mit  denen  Plattner  sein  Vor- 
wort  beginnt,    bald    ihre  Berechtigung   verloren   haben   werden:    „Eine 

*)  Das  Elementarbuch  habe  ich  früher  in  der  Ztschr.  besprochen, 
die  1.  Auflage  (1884)  VIII2,  S.  178-179,  die  2.  Auflage  (1887)  X*, 
S.  54—58. 


300  Referate  und  Rezensionen.    A.  Rambeau, 

Sammlung  französischer  Gedichte  macht  gewöhnlich  einet)  ungünstigeres 
Findruck  als  eine  Sammlung  englischer  oder  gar  deutscher  Gedichte." 
Diese  Worte  passen  jedenfalls  nicht  auf  die  vorliegende  Anthologie. 

Jeder  Teil  enthält  am  Schluss  einen  kurzen  Kommentar,  der  be- 
sonders für  die  Erklärung  der  schwierigen  Ausdrücke,  der  dunkeln  An- 
spielungen und  Reminiszenzen  mancher  volkstümlichen  Gedichte  vielen 
Lehrern  und  Lesern  erwünscht  sein  wird. 

Rieben ,  ITlbrlch  und  Si'liÄfer  stehen  ungefähr  auf  dem- 
selben vermittelnden  Standpunkt  in  der  Reformfrage  als  Plattner, 
Sie  haben  fast  gleiche  methodische  Ansichten,  die  sie  auch  in  ziemlich 
ähnlicher  Weise,  wenn  auch  immerhin  selbständig  genug,  praktisch  an- 
zuwenden suchen.  Plattner  übertrifft  nie  jedoch  alle  an  gründlicher 
Kenntnis  der  lebenden  Sprache  und  z.  T.  auch  wohl  an  pädagogischer 
Erfahrung.  Ob  er  in  seinen  grammatischen  Werken  eigne  Beobachtungen 
Ober  den  heutigen  Sprachgebrauch  mitteilt  und  diesen  für  gewisse  Regeln 
der  Syntax  fixiert,  oder  ob  er,  den  Ansprüchen  der  herrschenden  über- 
set zungsmethode  nachgebend,  zusammenhängende  Übungsstücke  und 
Einzelsätze  schmiedet  oder  im  Sinne  der  Reform  französische  Originale 
frei  umarbeitet  und  umzuarbeiten  anleitet  und  dazu  seine  lehrreichen 
Anmerkungen  gibt,  —  überall  erkennt  man,  dass  er  die  lebende  Sprache 
beherrscht,  dass  er  sie  ..spricht  und  schreibt".  Dies  ist  eine  gar  wertvolle 
Eigenschaft  für  den  Verfasser  einer  neu  französischen  Grammatik,  von  Lehr- 
büchern, die  Neufrnnzösisch  lehren  sollen,  —  eine  Eigenschaft.,  die 
Studierende  und  Lehrer  mit  Zutrauen  erfüllt  und  selbst,  wo  sie  anderer 
Ansicht  als  er  sind,  in  ihnen  nie  das  Gefühl  der  misstrauischen  Unsicher- 
heit aufkommen  lässt.  * 

3.  Hlcken'a  Elementarbuch  der  französischen  Sprache  [2.  und 
3.  Jahr)  ist  eine  sehr  angemessene  Fortsetzung  des  im  Jahre  1887  er- 
schienenen kleineu  Werkes  (1.  Jabr).  Vgl.  Zlsehr.  IX8,  S.  33—33.  In 
den  Übungen  des  ersten  Bändchens  herrschen  die  Anscbaunngsetoffe  vor, 
in  denen  des  hier  vorliegenden  etwas  grösseren  Randes  kurze  Erzählungen 
und  Stücke  historischen  Inhalts.  Die  Verteilung  und  Bearbeitung  des 
Stoffe«  der  Lektüre  und  der  Grammatik,  die  neben  und  mit  derselben 
fortschreitet,  ist  recht  sorgfältig  und  wohl  gelungen.  Der  Verfasser  scheint 
im  Laufe  der  Arbeit  an  Geschick  und  Gestaltungskraft  gewonnen  n 
haben.  Beide  Bände  verdienen  die  Aufmerksamkeit  und  Berücksichtigung 
der  Fach  genossen. 

4.  Ulbrlch's  systematische  Schulgrammatik  gefällt  mir  besonders 
wegen  ihrer  knappen  Darstellung  Wenn  man  den  ersten  Teil  (S.  1—38) 
abrechnet,  der  von  der  Schrift  und  Aussprache  und  vom  Versbau  bandelt, 
umfasst  die  eigentliche  Grammatik  nur  144  keineswegs  grosse,  meist  sehr 
freigebig  und  weitläufig  gedruckte  Oktavseiten ;  Formenlehre  mit  deut- 
licher Hervorhebung  der  fiauptformeu,  ohne  Raumersparnis  (S.  39—102), 
Syntax  (S.  108—182).  Trotzdem  fehlt  nichts  Wesentliches.  Die  Regeln 
sind  „so  viel  als  möglich  vereinfacht  und  gekürzt",  „das  Wichtige  und 
und  Notwendige-1  ist  „von  dem  Nebensächlichen  und  Entbehrlichen  ge- 
sondert". Aus  der  Syntax  hat  Ulbrich  mehrere  Eigentümlichkeiten  aus- 
geschieden, die  er  in  einem  4.  Teile  unter  dem  Namen  Stilistik  (S.  183 
bis  217)  vereinigt  hat. 

Die  Grammatik  von  Ulbrich  ist  das  Werk  eines  tüchtigen,  in  der 
Praxis  stehenden  Schulmannes,  der  die  Bedürfnisse  der  Schule  kennt  und 
zu  befriedigen  versteht.  Der  Verfasser  ist  Vorsteher  einer  höheren  Bürger- 
schule (Realschule)  in  Berlin  und  hat  daher  jedenfalls  sein  Buch  haupt- 
sächlich oder  sicherlich  ebenfalls  für  lateinlose  Schulen  geschrieben,  ob- 
wohl er   an   manchen  Stellen,    —    wie   ich   glaube,    unnötigerweise  oder 


C.  Schaefer.  Französische  Schulgrammaiik  für  die  Oberstufe.     301 

wenigstens  nicht  aus  zwingenden  Gründen  —  lateinische  Etymologien 
(z.  B.  S.  13,  23)  anführt.  Der  von  ihm  gebotene  Lernstoff  ist  gerade  für 
Anstalten  mit  sechsjährigem  französischem  Unterricht,  allerdings  auch 
für  die  mit  achtjährigem,  in  denen  das  „Verzettelungssystem"  herrsch t, 
—  ich  meine,  für  humanistische  Gymnasien  —  geeignet  und  durchaus, 
vielleicht  mehr  als  ausreichend. 

Die  von  mir  oben  zusammen  angezeigten  zwei  Auflagen  der  Schul- 
grammatik (1888  und  1890)  stimmen  in  bezug  auf  Seitenzahl  und  Ver- 
teilung des  Stoffes  und,  soweit  ich  verglichen  und  die  Probe  angestellt 
habe,  auch  in  den  Einzelheiten  desselben  genau  überein.  —  Über  Ulbrich's 
Elementarbuch  der  französischen  Sprache  für  höhere  Lehramtalten  vgl. 
Ztschr   Xa,  8.  60—61. 

5.  SchAfer  ist  ein  fähiger  Grammatiker,  ein  logisch  denkender 
Kopf  und,  soweit  man  dies  aus  Schulbüchern  erkennen  kann,  ein  guter 
Kenner  der  romanischen  Sprachwissenschaft.  Sein  Wissen  auf  diesem 
Gebiete  macht  sich  manchmal  in  fast  aufdringlicher  Weise  bemerkbar. 
Die  gelehrten  Hinweise  auf  das  Altfranzösische  (5  a,  S.  42),  auf  Gröber's 
Zeitschrift  für  romanische  Philologie  (5  a,  S.  40),  auf  das  klassische  und 
vulgare  Latein  (5  a,  S.  41,  63  n.  a.)  nehmen  sich  wunderbar  genug  aus  — 
in  einem  Schulbuche,  das  doch  auch  und  vielleicht  vorzugsweise  für  latein- 
lose Anstalten  bestimmt  ist,  da  ja  der  Verfasser  selbst,  so  viel  ich  weiss, 
nach  diesem  Buche  in  einer  höheren  Mädchenschule  unterrichtet.  Die 
z.  T.  recht  langen  allgemein  gehaltenen  grammatischen  raisonnements,  die 
sich  am  Anfang  der  einzelnen  Kapitel  finden,  z.  B.  über  das  „Genetiv- 
objekt41 (S.  19—21),  „die  Konditionalsätze"  (S.  32),  den  „Indikativ4*  (S. 
36—37),  den  „Konjunktiv"  (S.  40—42),  „die  Negation  ne  beim  Konjunktiv" 
(S.  50)  u.  a.  habe  ich  mit  grossem  Interesse  gelesen,  besonders  weil  sie 
für  die  Eigenart  von  Schäfer's  Denken  und  geistigem  Schaffen  ausser- 
ordentlich bezeichnend  sind.  Manchen  werden  sie  allzu  gelehrt  und  für 
die  Zwecke  des  Schulunterrichts  unpassend  scheinen;  andere  werden  sie 
vielleicht  geradezu  als  überflüssige,  spitzfindige  Düfteleien  verwerfen.  Ich 
meinerseits  glaube,  dass  ein  geschickter  Lehrer  diese  allgemeinen  Exkurse 
sehr  wohl  verwerten  kann,  um  das  folgende  Regelwerk  zu  vergeistigen 
und  interessanter  zu  machen.  Aber  unleugbar  leiden  sie  manchmal  an 
Unklarheit,  an  einer  dunkeln  oder  absonderlichen  Ausdrucksweise,  die  der 
Leser  einer  philologischen  Zeitschrift  oder  eines  wissenschaftlichen  Werkes 
verdauen  mag,  die  jedoch  in  einem  Schulbuche  gewiss  nicht  am  Platze 
ist.  Vgl.  z.  B.  5a,  S.  40:  „Der  Konjunktiv  ist  nur  eines  Sinnes  (!)  —  er 
ist  der  Gegensatz  zur  Wirklichkeit:  als  solche  gilt  blosse  Vorstellung  und 
Negation."  Der  Lehrer  wird  sicherlich  Mühe  genug  haben,  um  alle  diese 
Erörterungen  selbst  vollkommen  zu  verstehen;  noch  mehr  Mühe  wird  es 
ihm  kosten,  sie  dann  seinen  Schülern  verständlich  zu  machen. 

An  einer  anderen  Stelle  (5  a,  S.  42)  des  Exkurses  über  den  Kon- 
junktiv findet  man  einen  auffälligen  Fehler  in  einem  Beispielssatze,  den 
Schaefer  selbst  gebildet  hat :  je  ne  connais  pas  V  homme  ä  qui  je  puisse 
en  parier.  In  dieser  Form  ist  der  Satz  logisch  und  grammatisch  falsch. 
Möglicherweise  liegt  ein  Druckfehler  vor.  Der  Satz  ist  richtig,  wenn 
man  d  komme  für  l'homme  schreibt.  — 

Das  Übungsbuch  (5  b)  ist  ein  echtes  Erzeugnis  der  unverfälschten 
Übersetzungsmethode.  Die  zusammenhängenden  Übungsstücke  sind  für 
die  Zwecke  derselben  gut  ausgewählt.  Leider  ist  das  Deutsche  oft  recht 
bedenklich.  Z.  B.  S.  98:  „Kleinmütige  Liebhaber  (!?)  des  Lebens  während 
des  Friedens,  in  den  Schlachten  ihr  Leben  aussetzend  und  ihr  Blut  ver- 
schwendend  "     Die  Einzelsätze,  die  nun  einmal  der  Übersetzungs- 

enthusiast  nicht  entbehren  kann,  weisen  bei  Schaefer,  wie  gewöhnlich, 


302  Referate  und  Re: 

einen  höchst  buntecliectigon  Inhalt  auf.  Vgl.  z.  B.  S.  43;  Im  ernten 
Satze  wird  die  Nächstenliebe  anempfohlen;  im  zweiten  wird  die  Macht 
und  Grösse  Knrl'a  V.  gefeiert;  im  dritten  reist  „er"  (wer?)  heute  ab  and 
kehrt  erat  in  zwei  Jahren  zurück;  im  vierteil  wird  vom  Konvent  und 
von  Ludwig  XVI.  erzählt  u.  a.  w.  u.  s.  w. 

Die  kleine  Begleit  ach  rift  (5c)  beginnt  folgendermassen :  „Der  Zweck 
des  fremdsprachlichen  Unterrichts  ist,  wenn  man  zunächst  nur  den  prak- 
tischen Nutzen  im  Auge  hat,  ein  dreifacher:  I.  das  Lesen  und  Verstehen 
der  Schriftsprache,  2.  das  Schreiben  und  Übersetzen  (!?),  3.  das  Sprechen 
und  Verstehen  der  gesprochenen  Sprache." 

Das  Übersetzen  aus  der  Muttersprache  ins  Französische  mag  für  die 
sog.  formale  Bildung,  die  Schael'er  offenbar  als  den  Hauptzweck  des  fremd- 
sprachlichen oder  wenigstens  des  französischen  Unterricht«  ansieht  (vgl. 
5  c,  S.  6  u.  a,),  von  der  höchsten  Bedeutung  sein.  Ich  gebe  sogar  in,  iliss 
wenn  es  sich  an  grammatische  Regeln  anschliesst,  solange  es  vom  Lehrer 
sorgfältig  überwacht  and  mit  Hassen  betrieben  wird,  fUr  den  speziell 
grammatischen  Unterricht  von  Nutzen  ist  und  zur  Klärung  und  Festigung 
des  rein  grammatischen  Wissens  beiträgt,  und  dass,  wenn  es  im  Anschluw 
an  originale  französische,  den  Schülern  bekannte  Texte,  also  in  Form 
von  freien  Retroversionen  u.  dg),  geübt  wird,  es  auch  zur  Erreichung 
einer  gewissen  Fertigkeit  im  schriftlichen  Gebrauche  der  fremden  Spracht 
als  gutes  Hilfsmittel  dienen  kann.  Aber  das  Übersetzen  aus  dem 
Deutschen  —  dieses  „übersetzen'1  kann  nur  gemeint  sein,  da  es  zusammen 
mit  dem  „Schreiben"  einen  Gegensatz  zum  „Lesen  und  Verstehen  der 
Schriftsprache"  bildet  —  als  einen  selbständigen  Zweck  des  fremd- 
sprachlichen Unterrichts  hinzustellen  und  noch  dazu  mit  Rücksicht  anf 
den  praktischen  Nutzen  (!!J,  das  scheint  mir  ganz  verkehrt,  das  ist 
ein  Einfall,  für  den  mir  jedes  Verständnis  abgeht.  Sollen  etwa  alle 
Schüler  und  Schülerinnen  zu  vereidigten  Übersetzern  und  Interpreten  vor 
Gericht  und  in  Konsulaten  ausgebildet  werden? 

„Dae  Sprechen  und  Verstehen  der  gesprochenen  Sprache"  mag  all 
selbständiger  Zweck  nach  dem  „Lesen  und  Verstehen  der  Schriftsprache", 
auch  nach  dem  „Schreiben"  (aber  nicht  nach  dem  „Übersetzen"  !)  kommen. 
Schaefer  meint,  dass  der  „Bildungawert  des  blossen  (?)  Sprechen lernens 
bei  weitem  untenan  steht"  (5c,  S.  5).  Um  dies  tu  beweisen,  wird  der 
übliche  Trumpf  ausgespielt:  das  französische  Parlieren  der  Bonnen  und 
Kellner.  Aber  bat  denn  irgend  ein  verständiger  Reformer  zur  Erreichung 
des  „Sprechens  und  Verstehens  der  gesprochenen  Sprache"  französische 
Bonnen-  und  Kellner  -Konversation  in  der  Klasse  empfohlen?  Gegen  wen 
und  was  kämpft  denn  Schaefer  an?  Und  ist  die  Sprachfertigkeit  der 
„Bonnen"  und  „Kellner"  notwendigerweise  oder  an  sich  etwas  Verächt- 
liches? Unter  den  sog.  „Bonnen"  in  Deutschland  gibt  es  Damen,  die 
man  in  Frankreich  nicht  bonius  (banne  =  Dienstmädchen!),  sondern 
gouvernanUs  nnd  institutrices  nennen  würde,  —  gebildete  Damen,  die 
ihre  Muttersprache  sehr  gut  und  grammatisch  sehr  korrekt  zu  sprechen 
nnd  zu  schreiben  vermögen.  Die  „Kellner"  selbst  der  grossen  Verkehrs- 
centren mögen  im  allgemeinen  mit  600— 1000  Wörtern  oder  Redensarten 
auskommen,  die  sie  zur  Bezeichnung  der  in  ihrem  geistigen  Gesichtskreise 
liegenden  und  durch  die  Bedürfnisse  ihres  Berufes  bedingten  Ideen 
brauchen  und  dazu  geschickt  zu  verwenden  verstehen.  Aber  nach  meiner 
Erfahrung  finden  sich  unter  diesen,  den  späteren  Hotelbesitzern,  auch 
einige  Leute,  deren  Sprech Fertigkeit  sich  nicht  auf  eine  geringe  Anzahl 
von  Vokabeln  und  Phrasen  beschränkt,  die  eine  auffällig  gute  und  um- 
fangreiche  Kenntnis  des    Französischen   und   anderer   lebenden    Sprachen 


Th.  de  Beaux,  Schulgrammatik  der  französischen  Sprache,       303 

im  Sinne  des  praktischen  Nutzens  —  und  von  diesem  spricht  doch 
Schaefer  am  Anfang  seiner  Schrift  —  bekunden. 

Jedoch  lassen  wir  den  „Bildungswert  des  blossen  Sprecheolernenstt 
auf  sich  beruhen.  Betrachten  wir  das  „Sprechen  und  Verstehen  der  ge- 
sprochenen Sprache"  nicht  als  Selbstzweck,  sondern  nur  als  Hilfs- 
mittel. Als  solches  sollte  es  meines  Erachtens  zweifellos  im  neusprach- 
lichen Unterricht  von  Anfang  an  und  auf  allen  Klassenstufen  die  erste 
und  hervorragendste  Stelle  einnehmen.  Wenn  es  in  angemessener  Weise 
im  Anschluss  an  eine  geeignete  Lektüre,  zuerst  wohl  auch  an  Anschauungs- 
stoffe, beständig  und  konsequent  geübt  wird,  so  müssen  sich  allmählich 
zahlreiche  und  mannigfaltige  Wörter,  Redewendungen,  Formen  und 
syntaktische  Schwierigkeiten  ohne  Lernen  von  Vokabel-  und  Phrasen- 
listen, von  Segeln  u.  dgl.  dem  Gedächtnisse  des  Schülers  einprägen  und 
in  ihm  ein  Gefühl  für  das,  was  in  der  fremden  Sprache  „richtig"  ist, 
wecken  und  stärken. 

Daher  ist  das  „Sprechen  und  Verstehen  der  gesprochenen  Sprache", 
mag  es  auch  der  Lobredner  der  formalen  Bildung  mit  Recht  oder  Un- 
recht als  selbständigen  Zweck  des  Schulunterrichts  noch  so  niedrig 
stellen,  in  jenem  Sinne  ein  Unterrichtsmittel  von  unschätzbarem 
Werte,  eine  ausgezeichnete  Vorbereitung  für  den  schriftlichen  Gebrauch 
der  fremden  Sprache  und  auch  für  die  systematische  Grammatik,  falls 
man  diese  als  ein  besonderes  Ziel  des  französischen  Unterrichts  auffassen 
will,  wogegen  ich  nichts  einzuwenden  habe.  Ausserdem  ist  es  eine  be- 
gleitende Obung  von  hohem  Nutzen  und  unbedingter  Notwendigkeit  für 
das  „Lesen  und  Verstehen  der  Schriftsprache"  in  der  Klasse. 

Dem  Gelehrten  und  dem  reifen  Manne  mag  die  Lektüre  der 
fremden  Litteratur  auch  ohne  das  „Sprechen  und  Verstehen  der  ge- 
sprochenen Sprache"  für  seine  Zwecke  und  Bedürfnisse  meistens  genügen. 
Dem  Schüler  wird  sie  durch  das  Fehlen  des  lebendigen  Wortes  allzu 
leicht  wirkungslos  und  langweilig;  und  ohne  einen  gewissen  Grad  der 
Fertigkeit  im  mündlichen  Gebrauche  der  fremden  Sprache  ist  es  für 
jeden  Germanen  unmöglich,  die  französische  Poesie  wahrhaft  zu  ge- 
messen, und  ihre  eigenartigen  Schönheiten  zu  würdigen.  Der  Beweis  für 
diese  Behauptung  ist  nicht  schwer  zu  führen.  Auch  Franzosen  und  über- 
haupt Romanen  sind  nicht  im  stände,  die  deutsche  Litteratur  und  be- 
sonders die  poetische  vollkommen  zu  verstehen  und  richtig  zu  beurteilen, 
ohne  der  deutschen  Sprache  und  zwar  der  „gesprochenen"  deutschen 
Sprache  einigermassen  mächtig  zu  sein. 

Die  mündliche  Beherrschung  der  fremden  Sprache  —  und,  aus 
ähnlichen  Gründen,  auch  die  schriftliche  —  ist  nach  meiner  festen  Ober- 
zeugung im  französischen  Unterrichte  zn  erstreben,  obwohl  sie  vom 
Deutschen  vollständig  in  der  Schule  nie  und  im  Leben  auch  nur  aus- 
nahmsweise erreicht  werden  kann.  Noch  wichtiger  als  für  den  Schüler, 
durchaus  wünschenswert  und,  wenn  man  sich  nicht  einer  argen  Selbst- 
täuschung hingeben  will,  im  Grunde  genommen  notwendig  ist  diese 
Fähigkeit  für  die  Lehrer  des  Französischen  in  der  Schule  und  —  für  die 
Verfasser  „neufranzösischer"  Grammatiken  und  anderer  „neufranzösischen" 
Lehrbücher. 

Vgl.  über  Schaefer 's  Ansichten  und  seine  übrigen  Schriften 
Zschr.  IX2,  S.  33-36  und  251—252. 

6.  Die  Schulgrammatik  der  französischen  Sprache  von  Theodor 
de  Beanx  ist  nach  ähnlichen  Prinzipien,  aber  mit  grösserem  Geschick 
und,  wie  es  scheint,  auch  mit  grösserer  Sorgfalt  gearbeitet  und  macnt 
im  allgemeinen  einen  weit  günstigeren  Eindruck,  als  die  von  Aymeric 
und  de  Beanx  ein  Jahr  vorher  herausgegebene  Elementar gr ammatik. 


304  Referate  und  Rezensionen.    A.  Rambeau, 

Vgl.  Ztehr.  X»,  S.  61—63.  —  Der  Inhalt  ist  folgender:  I.  „Lautlehre  und 

Rechtschreibung",  S.  1—27;  II.  „Wort-  und  Satzlehre",  S.  28-112 
(d.h.  Syntax  und  Vervollständigung  der  Formenlehre);  III.  „Methodische 
Grammatik"  oder  „Methodisches  Übungsbuch",  S.  113—250,  in  22  Lek- 
tionen, die  kleine  grammatische  Pensen  (hauptsächlich  un regelmässige 
Verba  und  einige  syntaktische  Eigentümlichkeiten)  behandeln  und  im 
Anschluss  daran  französische  Lesestücke,  zusammenhängende  deutscht 
Übungsstücke,  zum  Teil  auch  französische  und  deutsche  Einzelsätze  in 
der  gewöhnlichen  Manier  und  französische  Fragen  mit  deutschen  Ant- 
worten zum  Übersetzen  bringen;  IV.  und  V.  „Wörterverzeichnis  zum 
methodischen  Teil"  und  „Alphabetische*  Wörterverzeichnis",  S.  251— 325. 

Das  neue  Buch  zeichnet  sich  vor  dem  älteren  dadurch  aus ,  cum 
es  als  ein  einheitliches  Ganze,  als  eine  Arbeit  aus  einem  Gusse  erscheint, 
dass  in  der  Behandlung  der  verschiedenen  Teile  eine  grossere  Gleich- 
mässigkeit,  eine  btssere  Übereinstimmung  herrscht.  Dies  rührt  offenbar 
daher,  dass  bei  der  Anfertigung  der  Schtilgrammaiik  nur  ein  Verfasser, 
de  Beaui,  die  Hauptarbeit  geleistet  und  die  Verantwortlichkeit  für  du 
gesamte  Werk  übernommen  hat.  Allerdings  hat  er  sich  —  und  geiris 
zum  Vorteil  »eines  Buches  —  vor  allem  für  die  Abfassung  der  frauzäti- 
seben  Aufsätze,  von  denen  manche  recht  gut  gelungen  sind,  der  Unter 
Stützung  seines  ehemaligen  Mitarbeiters,  Dr.  Aymeric,  und  eines  an- 
deren geborenen  Franzosen,  dps  Herrn  Bouvier,  zu  erfreuen  gehabt. 

In  der  Schutgrammatik  \t.t  ebenso,  wie  in  der  Elementar grammalU, 
die  Phonetik  „besonders  berücksichtigt".  Jedoch  hat  de  Ueaux  es  hier 
glücklicherweise  verstanden,  seine  laut  physiologischen  Neigungen  ein 
wenig  zn  zügeln.  Der  phonetische  Teil  ist  zwar  in  dem  neuen  Bach 
ebenso  umfangreich;  aber  da  dieses  viel  grosser  ist  und  sich  schon  an 
fortgeschrittenere  Schüler  wendet,  erscheint  der  darin  behandelte  Stoff 
verhältnismässig  weniger  massenhaft  und  drängt  sich  weniger  auffällig 
zum  Schaden  der  Übrigen  Teile  vor. 

Leider  ist  die  „Erläuterung  zur  Aussprache  der  Vokale"  (S.  1)  mit 
deutschen  Wörtern  ziemlich  wertlos.  Vgl.  i.  B.  „1.  ft  dumpf,  zur  Länge 
neigend,  wie  „a"  in  „Saat,  Kahn".  2.  a  hell,  kurz,  wie  „a"  in  „Latte. 
satt".  Meint  der  Verfasser  die  hochdeutsche  Sprache  oder  irgend  einen 
deutschen  Dialekt?  In  welchem  Dialekt  ist  a  in  „satt"  hell  und  in  „Saat' 
dumpf?  Jedenfalls  ist  dieser  Unterschied  nicht  im  allgemein  gültigen 
Hochdeutschen  vorhanden.  Hat  das  Franzosische  kein  langes  belies  a 
in  vage,  kein  kurzes  „dumpfes"  a  io  past  —  Vgl.  auch  die  anderen 
Vokale  auf  derselben  Seite.  Qualität  und  Quantität  werden  beständig 
verwechselt  oder  nicht  prinzipiell  geschieden;  und  die  deutschen  Wörter, 
die  de  Beaux  als  Beispiele  anführt,  die  jedoch  selbst  für  die  deutschen 
Laute  zum  Teil  unpassend  oder  anfechtbar  sind,  beweisen  und  erklären 
nichts  für  die  französischen  und  vermehren  die  Verwirrung. 

Der  Verfasser  erwähnt  unter  den  „stimmhaften  Geräusch  lauten 
(Konsonanten)"  einen  t-Laut  (S.  2,3)  in  (Ulc,  baiaülc,  bouteilte  und  unter 
den  Vokalen  ein  „'  flüchtig,  an  den  Konsonanten  j  streifend"  (S.  1).  Vgl, 
dazu  S.  8:  „■"  sehr  fluchtiger,  hart  an  j  streifender  Laut:  i  vor  lautbarem 
Vokal,  besonders  nasalem:  l'ajetll,  te  pied,  VYame,  le  bkn,  la  viandt." 
Dieser  Unterschied  ist  in  der  heutigen  Sprache  der  Gebildeten  durchaus 
nicht  begründet.  Vgl.  z.  B.  aleiä  und  baiaülon.  Die  Aussprache  1,  wenn 
darunter  ein  besonderer  palataler  Laut  zu  verstehen  ist,  wie  aus  der  auf 
S.  3  gegebenen  physiologischen  Beschreibung  hervorzugehen  scheint,  ist 
jetzt  veraltet  oder  dialektisch. 

Einige  grammatische  Regeln  giebt  de  Beaui  in  französischer  Spruche. 
Auch  bedient  er  sich  zumeist  der  französischen  Terminologie.  AI*  Lehrer 


J.  Pünjer,  Der  erste  Unterricht  in  der  französischen  Sprache.       305 

an  einer  Handelslehranstalt  hat  er  hauptsächlich  die  Bedürfnisse  der  latein- 
losen Schalen  im  Auge  gehabt. 

Im  grossen  und  ganzen  steht  sein  Buch  etwa  auf  dem  Standpunkte 
der  von  Gustav  Ploetz  und  Otto  Kares  „reformierten"  Schulgrammatik 
von  Karl  Ploetz,1)  mit  der  es  manche  Vorzüge  und  manche  Mängel 
gemeinsam  hat,  und  der  es  offenbar  Konkurrenz  zu  leisten  fähig  ist. 

7.  In  „dem  ersten  Unterricht  in  der  französischen  Sprache"  be- 
weist Pttnjer  ebenso,  wie  in  dem  von  mir  früher  angezeigten  Lehr- 
und  Lernbuch  der  französischen  Sprache  (vgl.  Zschr.  IX2,  S.  30),  ein 
bemerkenswertes  pädagogisches  Geschick,  das  er  ohne  Zweifel  seiner 
langjährigen  Erfahrung  als  Lehrer  und  seiner  seminaristischen  Vorbildung 
verdankt.  An  sich  ist  die  Methode,  die  er  empfiehlt  und  durchzuführen 
sucht,  recht  gut,  und  in  der  Theorie  nehmen  sich  die  methodischen  Vor- 
schriften und  Anweisungen,  mit  denen  er  in  diesen  zwei  Büchern,  be- 
sonders in  dem  älteren,  sehr  freigebig  ist,  ganz  vorzüglich  aus.  Aber 
dieses  Lob  wird  man  doch  nur  mit  gewissen  Vorbehalten  aussprechen 
können,  wenn  man  von  rein  praktischen  Gesichtspunkten  aus  urteilt, 
wenn  man  die  Verhältnisse  und  Bedingungen  erwägt,  unter  denen  Pün- 
ier's  Lehrbücher  gebraucht  werden  müssen.  Der  Verfasser,  der  Haupt- 
lehrer  oder  Rektor  an  der  Mittelschule  (im  preussischen  Sinne)  für 
Knaben  in  Altona  ist,  hat  sie  jedenfalls  vorzugsweise  für  Mittelschulen, 
die  kleine  Schrift,  die  mir  jetzt  hier  vorliegt,  ausdrücklich  (vgl.  den 
vollständigen  Titel)  „für  höhere  Mädchenschulen,  Mittelschulen,  verwandte 
Anstalten  und  ähnliche  Stufen"  bestimmt.  Nun  prüfe  man  mit  Rücksicht 
auf  diese  Bestimmung  der  beiden  Bücher  z.  B.  folgende  Vorschriften  und 
Anweisungen,  die  Pünjer  kaltblütig  und  wie  selbstverständlich,  ohne  sich  um 
die  Möglichkeit  der  Ausführung  zu  kümmern,  den  Schülern  —  oder  den 
Lehrern?  —  erteilt:  „Schreibe  frei  eine  kleine  Unterredung  nieder,  in 
welcher  pouvoir  und  savoir  oft  vorkommen!   (Nachbildung)."    S.  123. 

„Schreibe  frei  einen  kleinen  Aufsatz:  'Die  Himmelskörper*.  Trage 
ihn  frei  vor!"     S.  126. 

„Schreibe  einen  Aufsatz  mit  der  Überschrift :  Die  Religion1.  Trage 
ihn  frei  vor."    S.  139. 

„Schreibe  einen  kleinen  Aufsatz:  'Les  ouvriers'.  Jeder  oben  ge- 
nannte Handwerker  muss  vorkommen!    Trage  frei  vor."     S.  141. 

„Ecrivez  une  petite  composition  sur  'Ttfcoit'!    Recitez-la!    S.  143. 

„Mache  dir  diese  Beschreibung  (torage)  so  zu  eigen ,  dass  du  sie 
frei  vortragen  kannst."     S.  200. 

„Übersetze  (?)  das  ganze  Stück:  *  Der  Kaiser  und  der  Abt*  frei  (?) 
ins  Französische  und  trage  es  frei  vor!"  S.  203  u.  a.  m.  im  Lehr-  und 
Lernbuch. 

„Sprechübung.  Zeige  dein  rechtes  Auge  mit  dem  Zeigefinger  deiner 
rechten  Hand!  Erhebe  den  Mittelfinger  deiner  rechten  Hand!  U.  s.  w." 
S.  78  u.  ä.  im  Ersten  Unterricht. 

Sind  denn  die  Schüler   der    Mittelschulen,   die   seminaristisch 

febildeten  Lehrer  der  Mittelschulen  im  stände,  diesen  anspruchsvollen 
orschriften  nachzukommen,  die  hohen  Anforderungen  zu  erfüllen,  die 
damit  an  die  Sprech-  und  Schreibfertigkeit  der  Lernenden  und  Lehrenden 
gestellt  werden?  Ich  glaube,  dass  gar  viele  Schüler  der  mittleren  und 
oberen  Klassen,  auch  wohl  gar  manche  ihrer  akademisch  gebildeten 
Lehrer  in  den  höheren  Schulen,  den  Realgymnasien  und  Realschulen, 
solchen  Aufgaben  nicht  ganz  gewachsen  sind.    Und  der  Verfasser  selbst? 

l)  Vgl.  meine  Besprechung  in  der  Mädchenschute  (herausgegeben 
von  Hessel  und  Dörr)  III,  1.  S.  79  ff. 

Ziehr.  f.  fin.  Spr.  u.  Litt.  III*.  20 


306  kefcraU-  und  Rciem'umen.     A.  Rmidtean, 

Oder  soll  mau  seine  eigenen  Worte  in  den  oben  angeführten  Stelleu 
seiner  Schriften  nur  als  rhatoriMne  Floskeln,  als  pädagogischen  Schmuck 
ohne  reale   Bedeutung  inilt'iusen? 

Wir  wissen  doch,  und  zahlreiche  Stellen  seines  Lehr-  und  L.i  n- 
bachcs  bekunden  deutlich.  Jan?  Pilnjer  auf  dem  Gebiete  der  romanischen 
oder  speziell  riauzi.ihis.rhri>  Philologie  ein  Laie  und  höchstens  ein  Dilettant 
ist.  ferner  dass  er  von  Hause  aus  die  französische  Sprache  auch  praktisch 
nicht  beherrscht  und  nur  im  vollkommen  versteht,  dass  er  da«,  was  er 
jetzt  davon  weiss,  sich  erst  nachträglich  mir  grosser  Mühe  hat  aneignen 
müssen.  Es  ist  wunderbar  genug,  dass  er  mit  seiner  unzureicheuden 
Vorbildung  und  den  ihm  zu  Gebote  stellenden  Lernmitteln  es  in  der 
Kenntnis  einer  ihm  vor  nicht  langer  Zelt  durchaus  fremden  Sprache  w 
weit  hat  bringe»  können.  Wenn  man  die  neue  Schrift  mit  der  alten 
vergleicht,  mnss  man  rühmend  anerkennen,  dass  er  sioh  seitdem  in  den 
grammatisch«  Stotl'  noch  mehr  hineingearbeitet,  daas  er  sogar  i 
Phonetik,  einer  Wissenschaft ,  deren  Schwierigkeiten  viele  aka.lemi« 
gebildete  Fachlehrer  zurückschrecken ,  nicht  unbedeutende  Fortschritt 
gemacht  und  dadurch  »eine  Ansichten  über  die  französische  Ansspr  ' 
wesentlich  geklärt  und  gebessert  hat.  Aber  er  sollte  sich  vor  dem  F 
in  den  der  Autodidakt  nur  zu  laicht  verfällt,  vor  amciiUdncst  hittei 
In  der  Tbat  ist  auch  schon  mit  der  besseren  Kenntnis  auch  d 
bessere  Erkenntnis  gekommen,  Diu  methodischen  Vorschriften  und  A 
Weisungen  der  neuen  Schrift  sind  hei  weitem  maßvoller,  jedenfalls  i 
weuiger  prätentiös  als  die  des  Lehr-  und  LciiAucket. 

An  einigen  Stollen  des  Kr.rlrn  Int,  rrichtt  macht  sich  natürlich 
der  ursprügliche  Dilettantismus  des  Verfassers  noch  recht,  bemerkbar. 
Seine  Auffassung  der  grammatischen  Erscheinungen  ist  immer  noch  allzu 
äusserlich.  Z.  B.  S.  13:  „Vor  einem  Hauptwort  mtonlichwi  Geschlechts, 
welches  mit  einem  Vokal  Uifftogt,  Lc-isst  'dieser'  :!,■-  Wohlk  längs  wegen  (1!^ 
Ul  statt  ce."     Warum  sagt  mau  dann  nicht  c'luvvr  wie  Chivert. 

Auf  S.  16  zeigt  sich  noch  eine  bedenkliche  Unkenntnis  der  fran- 
zösischen   Aussprache;    „Buchstabe   u   =  Laut   ü   (Tab.  I).      Tutipe .    du, 

rcnnncttk,  rtu-nif .   truilirr  (!] *     [Dieser  Fehler   ist  vielleicht  in 

verzeihen,  weil  der  Halbvokal  in  fntitkr  dem  eigentlichen  Vokal  ä  sehr 
Umliefe  ist]  „Buchstabe  ii  =  Laut  v  (Tab,  1).  Socield,  bOMU,  rill( 
pommier,  poirt:  [! !] ,  poii-Ur  [11] a  Die  schauderhafte  Aus- 
sprache ua  =  oi  ist   leider  in  deutschen  Schulen  sehr  verbreitet. 

Was  versteht  Pünjer  unter  einer  Sprechübung?  Diese  Frage  ist 
gewiss  berechtigt,  wenn  man  ?..  H.  auf  S.  69  folgendes  liest:  „Sprech- 
Übung.  Weun  ich  gearbeitet  haben  werde ,  werde  ich  Schach  spielen. 
Wenn  der  Gärtner  den  Clarteu  umgegraben  und  gehackt  haben  wird, 
wird  er  junge  Bäume  pflanzen.  LI.  s.  w.J  Die  Zusammenstellung  dieser 
zukünftigen  Ereignisse,  die  einerseits  ..mich"1  und  anderseits  ..den  Gärtner"' 
angeben,  und  die  nichts  mit  einander  zu  thun  haben,  ist  ein  merk- 
würdiges Thema  einer  franzüM-idien  Sprechübung ;  noch  merkwürdiger 
ist  die  Behandlung  desselben  in  deutscher  Sprache  (nur  das  fnl.  extict. 
ist   undeutsch).     Es  soll  also  wohl  eine  (,'bersetzungsübung  sein? 

8.  Das  hübsche,  aber  vom  Gewöhnlichen  abweichende  und  daher 
manchen  Angriffen  und  ungünstigen  Urteilen  ausgesetzte  Französische 
Itütooh  von  Karl  Kiklm  hat  ulimählich  unter  den  Fachlehrern  mehr 
Freunde  gewonnen  und  beginnt  nun  auch  nach  und  nach  mehr  Eingang 
in  die  deutschen  Schulen  zu  finden.  Zwei  Jahre  nach  semer  ersten  Ver- 
öffentlichung (1S81|  ist  es  in  einer  verbesserten  und  vermehrten  Auflage 
erschienen,  vor  kurzem  (1890|  in  einer  dritten  Auflage.  Diese  ist,  was 
den  Text  betritft,  abgesehen   von  der  Vereinfachung  einiger  schwierigen 


k.  kühn,    FnmziisUfl 


Stellen,  ein  unveränderter  Abdruck  der  zweiten  Sie  int  mir  eben  erat 
wibrend  den  Abschlusses  meiner  Besprechung  '."gegangen. 

Kühn  hat  sich  mit  seinem  Lesebuche.  da.-  speziell  den  Bedürfnissen 
der  Unterstufe  gerecht  wird,  um  den  frsn/.i'isisilicu  Unterru-ht  in  Deutsch- 
land bedeutende  Verdienste  erworben.  Denu  dieser  Unterricht  schien 
gerade  auf  dem  Gebiete  der  Lektüre  wenigstens  in  den  Anfilngerk  lassen 
infolge  des  Mangels  an  neue»  zweck  ni;is<.ig<*n  Stoffen  in  öde  Langeweile 
in  versinken.  Die  Herausgeber  der  bis  dahin  in  deutschen  Schulen  ge- 
brauchten fnmzü-i-clieu  l.c-ehücher  brachten  fast  ausnahmslos  immer  und 
immer  wieder  dieselben  alten  Erzählungen,  dieselben  alten  Gedichte,  die 
einer  dem  andern  oder  alle  ihren  älteren  Vorgängern  ohne  Uedenken  ent- 
lebnten.  Manche  von  diesen  Erzählungen  und  Gedichten  waren  geradezu 
l'ilr  Kinder  wenig  oder  gar  nicht  geeignet.  Man  half  sich  mit  der  be- 
quemen Ausrede,  dass  Frankreich  keine  Volkepoesie  und  keine  passende 
Jugeudlitleiutur  aufzuweisen  habe. 

Die  neuen  Gesichtspunkte,  die  Kühn  zuerst  mit  HewusstHein  und 
Konsequenz  zur  Geltung  brachte,  die  vielen  kindlichen  und  volkstümlichen 
Gedichte  und  Erzählungen,  die  er  in  sein  Lesebuch  auf  null  in.  mit  denen 
er  wahrscheinlich  die  Masse  der  deutschen  Lehrer  des  Frauzinischen  erst 
bekannt  machte,  und  von  deren  Vorhandensein  in  der  französischen  Litera- 
tur sie  vielleicht  vorher  überhaupt  noch  nichts  erfahren  hatten,  haben 
den  französischen  Anfangsunterricht  gleichsam  verjüngt  und  ihu  wesent- 
lich interessanter  und  in  jeder  Hinsicht,  auch  für  die  allgemeine  Aus- 
bildung der  deutschen  .lugend,  didaktisch  wirksamer  gemacht.  Zahlreiche 
Nachahmer  und  Konkurrenten  werden  dafür  sorgen,  und  einigen  ist  es 
bereite  auch  gelungen,  noch  mehr  geeignete  Stoffe  dieser  Art  zu  entdecken 
und  den  deutschen  Lehrern  und  Schülern  zu  übermitteln.  Kühn's  Ver- 
dienst wird  und  miiss  es  bleiben,  dass  er,  wenn  nicht  theoretisch,  so  doch 
jeden fall-i  praktisch  die  erste  Anregung  dazu  gegeben  und  das  erste  Bei- 
spiel er:  ■  :-  hm  Lmumm  für  Anliiii^evklasneu  nach  oeueu 
Prinzipien  Beliefert  bat,  Seine  Nachahmer  oder  Nachfolger,  die  sioh  die 
Grundidee  seines  bMbuctrai  n  MM  bm  dm  uml  ihm  auch  Stoffe  und 
Anordnung  direkt  entnehmen,  sollten  es  nicht  unterlassen,  wie  es  leider 
vorgekommen  ist.  eilen  uml  ehrlich  anzuerkennen  und  gebiihrendermassen 
auszusprechen,  wie  viel  sie  ihm  als  ihrem  Vorgänger  zu  verdanken  haben. 

Über  die  erste   Auflage  vgl.  Ztschr.  X*,  S.  51-54. 

Die  zweite  Anll.ige  .weist  besonder»  im  eisten  Teile  -ein  erhel. liehe 
Veränderungen  auf-1.  Die  meisten  der  Jugendgedichte,  die  t,so  vielfachen 
Widerspruch  gefunden  haben",  hat  Kühu  ausgeschieden,  um  sie  spilter 
gesondert  herauszugehen.  Durch  mehrere  kurze,  z.  T.  sprachlieh  sehr 
einfache  Erzählungen  und  durch  die  Beschreibung  der  vier  Jahreszeiten, 
die  Gauthej  des  Gouttes  spez.  für  das  Lesebuch  im  AnscbluBs  an  die 
bez.  Anschauungsbilder  von  Holze!  verfasst  hat  (vgl.  l'-irwurt  S.  V, 
2.  und  3.  Aufl.),  ist  der  Lesestoff  bereichert,  durch  Hiuzufüguug  der  Me- 
lodien in  einem  besonder»  Abschnitt  (2.  Aufl.  B.  XVI-X1X,  :!.  Aufl.  S. 
XVIt-XX)  ist  die  U-ktüre  und  Einübung  vou  acht  Gedichten  für  Kinder 
angenehmer  und  interessanter  gemacht  worden.  Die  „erklärenden  Znlttt 
zu  dem  Teit"  (2.  Auf]  S.  X-XV.  3.  AuB.  S.  XI-XVll,  durch  die  haupt- 
sächlich die  Kenntnis  von  Land  und  Leuten  gefördert  werden  soll,  bat 
Kühn  vermehrt  und  dabei  durch  „Verweise  auf  verwandte  Stoffe  im  Deut- 
schen und  Englischen-'  eine  etwa  erwünschte  Konzentration  de«  gesamten 
sprachlichen  Unterrichts  in  dieser  Beziehung  angebahnt  oder  erleichtert. 

Zur  Verbesserung  und  Vervollständigung  des  Wörterbuches  hat  der 
Verfasser  die  beim  Gebrauch  im  Unterricht-  gesammelten  Erfahrungen 
■tanrtst     Er-I   in  der  dritten   Auflage   hat   er  sich   dazu   verstanden,    das 


308  Referate  und  Rezensionen.     A.  Ramheau, 

System  der  LauUeichen,  die  aur  phonctinoben  Traiwwkription  der  Voka- 
beln dienen,  ein  wenig  m  verändern.  Die  neuen  Zeichen,  die  er  einge- 
führt hat,  sind  z.  T.  einfacher,  deutlicher  und  genauer  als  die  be*.  früher 
angewandten.  Sie  sind  dem  System  der  Umschrift  des  Mattre  Fonetujve 
entlehnt.  Vielleicht  hätte  Kühn  noch  besser  gethan,  alle  Zeichen  desselben 
anzunehmen,  da  sie  ja  wegen  der  ziemlich  weiten  Verbreitung  dieser 
kleinen  phonetischen  Zeitschrift  (a.  oben  meine  Anzeige)  unter  den  Lehrern 
des  Französischen,  Englischen  und  Deutschen  in  allen  Kulturstaaten  zu 
einer  Art  von  internationaler  und  „einheitlicher  Umschrift  wenigstens  für 
den  Schul  gebrauch",  wie  sie  Kühn  in  der  Vorrede  zur  zweiten  Auflage 
(S.  VII)  wunecht  und  erhofft,  schon  geworden  sind  oder  wenigstens  dem 
Ideale  einer  solchen  allgemein  praktisch  verwertbaren  Umschrift  sebr 
nahe  kommen.  A.   Rahbbad. 


.  Fetter,  Johann,  a)  über  die  Reformbestrebungen  auf  dem  Ur- 
tivit des  neusprachlichen  Unterrichts.  Vortrag,  gehalten  im 
Vereine  „Die  Realschule"  in  Wien  am  15.  Oktober-  1887  von 
ReaJschul-Direktor  Johann  Fetter.  Verlag  des  Verfassers.  22  3.  8*. 
b)  Ein  Versuch  mit  der  analytischen  Lehrmetkode  beim  Unter- 
richt in  der  französischen  Sprache.  Im  dreizehnten  Jahresbericht 
der  K.  K.  Staats-Unterrealschule  in  der  Leopoldstadt  in  Wien. 
1888.  Verlag  dieser  Anstalt  20  S.  8°  (40  S  8°,  der  gante 
Jahresbericht,  c)  Lehrgang  der  französischen  Sprache.  I.Teil. 
X,  104  S.  8°.  —  II.  Teil.  Vjlf,  108  S.  8°.  -  Wien,  1888. 
Bermann  &  Altmann. 

Rann,  Systematische  Schulgrammatik  der  französischen  Sprache  mit 
zusammenhängenden  französischen  und  deutschen  Übungsstücken, 
Lehrbuch  der  französischen  Sprache  für  höhere  Mädchenschulen 
und  verwandte  Anstatten.  8.  Teil.  Leipzig,  1888.  Fues  (H.  Reit- 
land).    X,  358  S.     8°.     Preis:  2,40  Mk.  (gebunden). 

Wolter,  Eugen ,  Lehr-  und  Lesebuch  der  französischen  Sprache. 
I.  Teil.  Erste  Auflage  (1888).  VIII,  220  S.  8°.  Zweite,  ver- 
mehrte und  verbesserte  Auflage  (1889).  VIII,  246  S.  8°.  Preis: 
1,50  Mk. —II.  Teil  (1889).  X,  510  S.  8°.  —  Berlin.  B.  Gaertner 
(Hermann  Heyfelder). 

Kleb ler,  C.  P.,  Französische  Komponierübungen  der  Elementarstufe 
in  zusammenhängenden  Aufgaben.  Stuttgart,  1887.  Metzler. 
IV,  64  8.     8».     Preis:   1  Mk. 

a)  Luppe  und  Ottens,   Elementarbuch  der  französischen  Sprache 

für  Uherrealschulen,  Realschulen  und  verwandte  Anstalten.  Mit 
Berücksichtigung  von  K.  Keller,  Elementarhuch  der  französ. 
Sprache,  12.  Auflage,  benrbeitet  von  ...  .  III.  Teil.  Das  dritte 
Schuljahr.    XVI,  185  S.    8°.    Preis:  2  Mk.  (gebunden). 

b)  Ottenp,  J.,   Französische  Schulgrammatik  im  Anschluss  an  das 

EUmentarbuch  der  französischen  Sprache  von  Luppe-OtteD). 
XIII,  175  S.  8°.  —  Zürich.  Orell  FQssli  &  Co.  al  1887.  b]  1889. 
Bertram,  W-,  Grammatisches  und  stilistisches  Übungsbuch  für 
den  Unterricht  in  dir  französischen  Sprache.  Im  AnschluB« 
an  die  Scbulgrammatik  des  Prof.  Dr.  C.  Ploetz  bearbeitet 
von  .  .  .  Heft  I  (Enthaltend  Übungen  über  die  Lektionen 
1—23).  6.,  verbesserte  Auflage-  Bremen,  1888.  M.  Heinsiut. 
IV,  178  S.    8».    Preis:  1,20  Mk. 


/.  Fetter,  Ober  die  Reformbestrebungen  etc.  309 

1.  Fetter  gehört  mit  Swoboda,  Nader  und  Würzner,  die 
sich  hauptsächlich  als  Anglicisten  bervorgethan  haben,  zu  den  eifrigsten 
Vorkämpfern  und  berufensten  Vertretern  der  Beform  des  neusprachlichen 
Unterricnts  in  Österreich  Der  Vortrag  (la),  den  er  im  Herbst  1887 
gehalten  hat,  entwickelt  das  Programm  der  Reformpartei  und  bespricht 
die  Ansichten,  Wünsche  und  Bestrebungen  derselben  in  den  westlichen 
Kulturstaaten,  vor  allem  im  deutschen  Reiche. 

Nicht  lange  nach  seinem  Vortrage  erhielt  Fetter  in  Folge  einer 
Eingabe  von  dem  österreichischen  Ministerium  für  Kultus  und  Unterricht, 
das,  wie  allgemein  bekannt,  nicht  blos  einer  Reform  des  ganzen  höheren 
oder  (im  österreichischen  Sinne)  mittleren  Schulwesens,  sondern  auch 
speziell  einer  Reform  des  neusprachlichen  Unterrichts  günstig  ist,  .die 
ausdrückliche  Erlaubnis,  die  französische  Sprache  in  der  ersten  Klasse 
(TA  und  B)  seiner  Lehranstalt  nach  der  von  ihm  empfohlenen  Methode 
versuchsweise  zu  lehren.  Diese  Anstalt  ist  eine  sog.  Staats-Unterrealschule, 
eine  vier  kl  assige  Schule  (ohne  Latein  und  Englisch)  mit  vierjährigem 
Unterricht  im  Französischen:  I  (die  unterste  Klasse)  hat  5,  II  und  III 
je  4,  IV  (die  oberste  Klasse)  3  wöchentliche  französische  Lehrstunden. 
Vgl.  den  Jahresbericht  (Ib)  S.  22. 

Die  Bewilligung  des  Unterrichtsministeriums  wurde  in  einem  Er- 
lasse vom  17.  Mai  1888  ausgesprochen.  Aber  —  vorausgesetzt,  dass  ich 
die  bezüglichen  Angaben  in  Fett  er '8  Bericht  über  seinen  „Versuch  mit 
der  analytischen  Lehrmethode  beim  Unterricht  in  der  französischen 
Sprache"  (1  b)  richtig  verstanden  habe,  —  dem  Verfasser,  der  Direktor 
seiner  Anstalt  ist,  war  es  gestattet,  diesen  Versuch  schon  mit  Beginn 
des  Schuljahres1)  1887/88  anzufangen.  In  der  kleinen  Abhandlung  (1  b) 
teilt  uns  Fetter  die  persönlichen  Erfahrungen,  die  er  mit  der  analytischen 
Lehrmethode  gemacht  hat,  als  unmittelbar  erlebt  und  seine  eigenen  theore- 
tischen Ansichten  als  direkt  aus  der  Praxis  des  laufenden  und  von  Woche 
zu  Woche  fortschreitenden  Unterrichts  geschöpft  mit.  Daher  muss  dieser 
Bericht,  wie  die  bisher  erschienenen  Schriften  ähnlicher  Tendenz  von 
Klinghardt,  Quiehl,  Walter  u.  a.,  alle  Freunde  der  Reform  im 
höchsten  Grade  interessieren  und  mag  wohl  auch  dazu  beitragen,  man- 
chen lauen  Anhänger  noch  mehr  zu  überzeugen  und  manchen  Gegner 
für  die  Sache  derselben  zu  gewinnen. 

Fett  er 's  Versuch,  der  sich  zunächst  auf  einen  und  zwar  den 
ersten  Jahreskursus  erstreckte,  schloss  sich  eng  an  den  I.  Teil  seines 
Lehrganges  (1  c)  an.  Da  jedoch  dieses  Buch  erst  1888  oder  Ende  1887 
veröffentlicht  wurde,  waren  seine  Schüler  in  den  ersten  Wochen  ohne 
Lehrbuch,  was  aber  im  Anfangsunterricht  gar  nichts  schadet,  im  Gegen- 
teil sogar  nützlich  wirken  kann.  Denn  dieser  Mangel  zwingt  den  Lehrer, 
sich  selbst  zu  vertrauen  und  seine  Persönlichkeit  voll  und  ganz  hervor- 
treten zu  lassen,  und  —  macht  den  „stummen  Betrieb"  der  Sprache  un- 
möglich. 

In  der  Zwischenzeit  hat  Fetter  gewiss  auch  schon  den  zweiten 
Teil  seines  Lehrganges  in  dem  folgenden  (zweiten)  Schuljahre  selbst  er- 
probt. In  dem  Vorworte  zu  diesem  Teile  (S.  V)  kündigt  er  bereits  einen 
dritten  und  vierten  Teil  in  einem  Bande  und  eine  systematische  Gram- 
matik für  die  dritte  und  vierte  Klasse  (die  zwei  obersten  der  Unterreal- 
schule) und  ein  Übnngsbuch  „für  die  oberen  K lassen u  (=  Oberrealschule?) 
als  Fortsetzung  und  Abschluss  des  Lehrganges  an. 


l)  Das  österreichische  Schuljahr  wird  am  16.  September  eröffnet 
und  am  14.  Juli  geschlossen.    Vgl.  den  Jahresbericht  S.  32 — 33, 


310  Referate  mut  Rezensionen.     A.  Rambtav, 

Fetter'»  Lehrweise  zeigt  in  vielen  Punkten  eine,  ober  machende 
Ähnlichkeit  mit  der  von  mir  in  meinem  Unterricht  befolgten  Methode. 
Es  ist,  wie  lieh  Passy  in  seiner  Besprechung  dea  I.  Teile*  de«  Lehr- 
ganges im  Maiire  Fane'lique  (Mai  1888)  ausdrückt,  un  eompromis  entrt 
Cancicnne  et  ia  nouveäe  melhode.  eompromis  qu'au  point  de  tme  abilraii 
hous  rihe'sitons  pas  ä  eondamner ,  matt  //iii  peut  elre  rendu  necestmt 
par  des  cireonstanecs  particu/iercs.  Diese  „besonderen  Umstände"  lind 
leider  sehr  allgemein  verbreitet,  in  allen  Ländern  und,  wie  ich  glaube, 
in  allen  höheren  Schulen  vorhanden.  Man  wird  sich  duner  vorläufig 
überall  mit  einer  mehr  oder  weniger  vermittelnden  Methode  zufrieden 
geben  müssen  —  aus  Rücksicht  auf  die  einmal  bestehenden  Instruktionen 
and  Reglements  für  die  Prüfungen  n.  v.  ä ,  ferner  aus  Rücksicht  auf  die 
vielen  nichtfachmännischen  oder  ungenügend  vorbereiteten  Lehrer  der 
neueren  Sprachen1)  und  auf  eine  ziemlich  grosse  Anzahl  von  fachmänni- 
schen Lehrern,  die  entweder  aus  Prinzip  i!)  oder  wegen  langer  Gewohn- 
heit oder  aux  dem  einfachen  Grunde,  weil  sie  nicht  die  lebende  Sprache 
zu  beherrschen  gelernt  haben  und  dies  nachzuholen  verabscheuen,  u 
der  Üblichen  Übersetznngsmethode  festhalten. 

Der  „vermittelnde"  Standpunkt  oder,  wie  man  ihn  häufig  nennen 
hört,  der  Standpunkt  der  ,,besonnenen"  Reform  ist  von  Fetter  mit 
grossem  Geschick  durchgeführt  worden ;  und  wenn  man  diesen  Stand- 
punkt billigt,  muss  man  die  hier  vorliegenden  zwei  Teile  des  Lehrgangu 
als  gute  und  vortreffliche  Lehrbücher  bezeichnen.  Ein  tüchtiger  Lehrer, 
der  wirklieb  Französisch  versteht,  wird  damit  sicherlich  erfolgreich  ar- 
beiten und  das  von  Fetter  selbst  (II.  Teil,  Vorwort,  S.  IV)  für  die  zweite 
Klasse  gesteckte  Ziel  erreichen  können;  „1.  Kenntnis  der  wichtigsten 
Lautgesetze  und  der  Elemente  der  Wortbildungslehre. "  [NB.  Die  „Wort- 
bildungslehre" spielt  in  den  österreichischen  Instruktionen  eine  über- 
mässig hohe  Rolle.]  r2.  Gründliche  Aneignung  der  Verbalformen.  '■}■  Kräf- 
tigung des  Sprachgefühls  durch  zweckmässige  Behandlung  und  eingehende 
Verarbeitung  des  im  zweiten  Teile  (d.  h.  in  der  zweiten  Abteilung)  ge- 
botenen Sprach  materials." 

In  neiden  Teilen  des  Lehrganges  ist  der  Stoff  in  gleicher  Weise 
angeordnet:  I.  Abteilung:  Lautlehre  S.  1 — 8,  resp.  1—2;  IL  Abteilung: 
Übungsbuch  S.  9—42  (hauptsächlich  Leaestücke,  deren  Inhalt  anf  den 
Anfchanunggprinzip  beruht,  auch  kleine  Rechenaufgaben),  resp.  S.  3 — 39 
(ähnliche  Lesestücke,  daneben  kleine  Gedichte  und  Erzählungen  geschicht- 
lichen Inhalte);  III.  Abteilung:  Präparationen  oder  Erklärungen  zu  den 
einzelnen  Nummern  des  Übungsbuches  S.  43—68,  resp.  S.  40—67; 
IV.  Abteilung:  Formenlehre  S.  69-92,  resp.  S.  68—88;  dazu  ein  alphabe- 
tisches Wörterverzeichnis  S.  93—104,  resp.  S.  83—103. 

Vokabeln  und  Formen  sollen  nach  der  Absicht  des  Verfassers  in 
den  ersten  zwei  Jahren  in  der  Sprache  selbst,  an  den  französischen  Lese- 
stücken, durch  Fragen  und  Antworten  und  durch  andere  Übungen,  die 
sich  mit  dem  Lesen  der  Texte  verbinden  lassen,  gelernt  werden.  Erst  im 
dritten  Jahre  solle  man  „zur  Übersetzung  aus  dem  Deutschen  ins  Fran- 
zösische übergehen".  Phonetische  Texte  gibt  Fetter  nicht.  Aber  er  be- 
dient sich  in  der  I.,  in  der  111.  und  auch  gelegentlich  in  der  IV.  Ab- 
teilung einer  phonetischen  Transskription. 

')  Die  Beschäftigung  solcher  Lehrer  ist  eine  betrübende  Thataache, 
eine  absonderliche  Erscheinung  in  unserem  höheren  Schulwesen,  die  um 
so  auffälliger  ist,  weil  bekanntlieh  junge  Neuphilologen  und  zwar  mit 
guten  Zeugnissen  den  deutschen  Schulbehörden  in  Übernuss  zur  Verfügung 
stehen. 


Rahn,  Systematische  Schulgrammatik  der  franz.  Sprache  etc.     311 

Den  Anfangsunterricht  gründet  Fetter,  wie  ich  es  auch  zu  thun 
pflege,  auf  phonetische  Vorübungen  und  gebraucht  zu  diesem  Zwecke 
Lauttabellen,  die  mit  (vielleicht  allzu  zahlreichen)  Merkwörtern  auf 
S.  2 — 5,  Lehrg.  I.,  abgedruckt  sind.  Nach  dem  Vorgange  von  Sweet 
erkennt  er  keine  eigentlichen  Diphthonge  im  Französischen  an  und  er- 
klärt die  ersten  Bestandteile  der  nach  der  gewöhnlichen  Auffassung 
diphthongischen  Lautverbindungen  von  hin,  hin,  Inen  und  den  bez. 
Laut  =  Ü,  Ül  in  trava\\,  oreiWe  nicht  als  Halbvokale,  sondern  als  Kon- 
sonanten. Ich  halte  diese  Ansicht  nicht  für  vollkommen  richtig;  da  sie 
jedoch  von  so  hohen  Autoritäten  wie  Sweet  und  Passy  gestützt  ist, 
der  Übrigens  eine  mehr  vokalische  Aussprache  von  w  =  u,  y  =  ö,  /  =  i 
in  gewissen  Stellungen  zugibt,  will  ich  sie  selbst  in  einem  Schulbuch, 
wenn  auch  mit  Vorbehalt,  trotz  schwerer  Bedenken  gelten  lassen.  Aber 
Fetter  ist  in  diesem  Punkte  inkonsequent  oder  ungenau.  Auf  der  Kon- 
sonantentafel (S.  5)  liest  man  unter  den  „weichen  und  tönenden  Reibe- 
lauten" allerdings  ein  j  (U,  ül)  und  neben  v  ein  w.  Dagegen  vermisst 
man  auf  derselben  (senkrechten)  Reihe  den  dritten  labialen  Laut,  das 
ö-  haltige  w  (z.  B.  juin),  da*  ich  in  meinen  Tabellen  als  y  bezeichne,  und 
dass  Passy  als  y  (umgekehrtes  h)  darstellt.  Auch  sieht  man  sich  hier 
vergebens  nach  einem  passenden  Merkworte  für  das  w- haltige  w  (z.  B. 
toin)  um.  Zugleich  zeigt  sich  bei  der  Umschrift  der  angeführten  Merk- 
wörter mit  dem  r- Laute  eine  bedenkliche  Verwirrung,  da  Fetter  für 
diesen  Laut  bald  das  Zeichen  v,  bald  das  Zeichen  rv  verwendet:  S.  5  yw, 
viV,  savon,  ouvrir,  emers,  yuc  mit  fett  gedrucktem  v;  S.  6  vm  —  v£, 
aber  vie  —  m,  vue  —  wo,  ouvrir  —  üwrtr,  ville  —  wü  u.  a.;  S.  8 
sogar  voyons  =  vual5  =  wuajö.  eine  doppelte  Transskription,  für  die  mir 
im  Zusammenhange  der  betr.  Stelle  jedes  Verständnis  abgeht 

Auch  sonst  finden  sich  noch  einige  Versehen,  z.  B.  S.  7 :  jeune  — 
lön  (ö  statt  des  offenen  j).  —  Im  allgemeinen  ist  Fetter*s  Sorgfalt  in 
der  Lautlehre  und  in  der  phonetischen  Umschrift  zu  loben. 

2.  Ein  Reformer  noch  weit  milderer  Art  als  Fetter,  der  selbst 
in  Anbetracht  der  bestehenden  Schul  Verhältnisse  nur  eine  sehr  gemässigte 
Reform  empfiehlt  und  in  seinen  Lehrbüchern  durchführt,  ist  Rahn. 
Seine  „systematische  Schulgrammatik  ....  mit  zusammenhängenden 
französischen  und  deutschen  Übungsstücken"  bildet  als  dritter  Teil  den 
Abschluss  seines  Lehrbuches  der  französischen  Sprache,  das  hauptsächlich 
für  Mädchenschulen  bestimmt  ist.  Er  hat  als  Lehrer  der  städtischen 
höheren  Töchterschule  zu  Dresden  zwei  Programm  arbeiten  (Ostern  1886, 
1888)  über  den  französischen  Unterricht  in  Mädchenschulen  geschrieben, 
auf  die  er  im  Vorworte  S.  V  verweist.  ,,Den  einseitigen  Standpunkt 
der  konstruktiven  Methode"  hat  Rahn,  wie  er  selbst  sagt  (Vorw.  S.  VI), 
„verlassen  und  den  Neuerungen  der  Analytiker,  soweit  sie  berechtigt 
und  praktisch  verwertbar  sind/4  (d.  h.  soweit  sie  ihm  als  berechtigt  und 
praktisch  verwertbar  schienen)  „Rechnung  tragen  zu  müssen  geglaubt". 

Das  Übersetzen  behält  er  als  einen  notwendigen  und  wesentlichen 
Bestandteil  des  fremdsprachlichen  Unterrichts  bei;  er  erblickt  das  Heil 
der  Reform  vor  allem  darin,  dass  „als  Übersetzungsmaterialien  nur  zu- 
sammenhängende französische  und  deutsche  Stücke  zur  Verwendung 
kommen"  (Vorw.  S.  VII).  Dies  sehe  ich  als  einen  nicht  unbedeutenden 
Fortschritt  an,  obgleich  ich  im  übrigen  das  prinzipielle  Vorherrschen 
der  Übersetzung  als  Übung  zum  Erlernen  der  Sprache  in  Rahn 's  Lehr- 
buch keineswegs  billige.  Denn  mit  der  ausschliesslichen  Verwendung 
zusammenhängender  Übungsstücke  ist  immerhin  schon  etwas  für  die  Sache 
der  Reform  gewonnen,   insofern  dadurch  wenigstens  der  böse  Unfug  der 


312  Referate  und  Rezensionen.    A.  Rambeau, 

Einzelsätze,  der  nutzlosesten  und  schädlichsten  Form  der  Übersetzungt- 
methode,  eingeschränkt  oder  beseitigt  wird. 

Die  Aussprache  und  die  eigentliche  Grammatik  ( Wort-  und  Salz- 
lehre) hat  Rahn  vielfach  gemäss  den  Forderungen  der  Reform  behandelt. 
Die  Lehren  der  wissenschaftlichen  Phonetik  hat  er  sich  mit  erfreulichem 
Erfolg  zu  nutze  gemacht.  Trotzdem  ist  gerade  im  I.  Teile  (Lautlehre 
und  Ortliographie)  manches  verfehlt. 

Vgl.  z.  B.  S.  1:  „§  2.  Vokale.  (Voyeües.)  A.  reine:  a,  e,  o,  ev, 
i,  ou,  u.  B.  nasale:  a,  e,  g,  ö.  Die  a- Laute:  ä',  a\  ä.  1)  Langes,  ge- 
schlossenes ä'  (6(§roan):  lave,  rage,  rare,  täche.  2)  Mittleres,  geschlossenes 
a'  (flat):  fable,  sohle,  passer,  tächer.  3)  Kurzes,  offene»  ä  (machen):  table, 
e  table,  place,  tache,  tacher,  ma,  pas,  ü  a,  ä.u  Die  Bezeichnungen  eu  und 
ou  will  ich  hier  nur  als  sonderbar  hervorheben;  sie  widersprechen 
der  sonst  phonetischen  Auffassung  der  Aussprache  in  Rahn's  Buch  und 
auch  der  Anwendung  des  einfachen  Zeichens  ö.  Die  Scheidung  von  ge- 
schlossenen und  offenen  e,  oy  ö,  (bei  Rahn  eu)  holt  er  in  den  späteren 
bez.  §§  nach.  Aber  was  beabsichtigt  er  mit  den  deutscheu  Kennwörtern 
6 d) trän,  Hat,  madjen?  In  welchem  deutschen  Dialekt  mag  wohl  das  a  in 
6$toan  von  dem  in  Aar  quantitativ  verschieden  sein?  Hört  Rahn  wirk- 
lich ein  qualitativ  gleiches  a  z.  B.  einerseits  in  rage  und  t&che,  ander- 
seits in  place  und  pas?  Was  versteht  er  unter  dem  Ausdruck  „geschlossen" 
für  das  a  in  l&che,  t&cher,  passer,  unter  dem  Ausdruck  „offen"  für  das 
a  in  table,  e  table,  place  u.  a.  neben  pas? 

S.  11,  Anm.  2.  „Der  korrekte  deutsche  r-Laut  ist  ein  Zungen-r, 
die  Franzosen  aber  sprechen  in  der  Regel  Zäpfchen-r.u  Das  Zungen-r  iet 
in  Frankreich  wahrscheinlich  immer  noch  häufiger  und  weiter  verbreitet, 
als  das  Zäpfchen-r,  das  allerdings  in  der  Pariser  Umgangssprache  durch- 
gedrungen ist.  Das  entere  ist  im  Französischen  nicht  weniger  und  nicht 
in  anderem  Sinne  „korrekt"  als  im  Deutschen. 

Im  Vorworte  erklärt  Rahn  ausdrücklich  (S.  V),  er  wolle  mit  seinem 
Buche  „Ersatz  bieten  für  die  PI oetz 'sehen  Lehrbücher,  soweit  dieselben 
in  den  zwei,  bezw.  drei  letzten  Jahren  des  französischen  Unterrichts  zur 
Verwendung  gelangen,   mit  einbegriffen  die  von  Dr.   0.  Kares  und  Dr. 

0.  Ploetz  bearbeitete  Schulgrammatik  für  höhere  Mädchenschulen."  Die 
darauf  folgende  Kritik  mag  au  und  für  sich  in  den  meisten  Punkten  richtig 
sein;  jedoch  halte  ich  den  Ort,  wo  diese  ausgesprochen  ist,  für  ganz  un- 
passend, wie  ich  es  überhaupt  als  sehr  misslich  und  taktlos  bezeichnen 
rauss,  wenn  die  Verfasser  von  Schulbüchern  sich  gegenseitig  in  ihren 
Vorreden  angreifen  und  schlecht  machen.  Ausserdem  gebe  ich  Rahn  zu 
bedenken,  dass  einige  der  unter  der  Firma  Ploetz  veröffentlichten  fran- 
zösischen Lehrbücher  sich  als  Erzeugnisse  der  vermittelnden  Richtung  sehr 
wohl  neben  seinen  eignen  sehen  lassen  können,  sie  vielleicht  sogar  in 
mancher  Hinsicht  übertreffen  und  jedenfalls  keine  geringschätzige  Ab- 
urteilung verdienen.  Ich  meine  vor  allem  den  kurzen  Lehrgang  der  fran- 
zösischen Sprache  von  Ploetz-Kares:  die  Sprachlehre  und  das  Übungs- 
buch, von  dem  zur  Zeit  meiner  Besprechung  in  der  Madchenschule  (III, 

1.  Heft,  S.  93  ff.)  nur  das  erste  Heft  erschienen  war,  vor  dem  aber  seit- 
dem in  diesem  Jahre  noch  zwei  weitere  Hefte  veröffentlicht  worden  sind. 

3.  und  4.  Wolter  und  Eichler,  der  ausser  dem  mir  hier  vor- 
liegenden Buche  ein  französisches  Sprach-  und  Übungsbuch  der  Anfangs- 
stufe und  ein  französisches  Elemenlarlesebuch  verfasst  hat  (vgl.  die  An- 
zeige der  Verlagsbuchhandlung  nebst  dem  Prospekte  auf  dem  Umschlage), 
nehmen  in  der  Reformfrage  einen  ähnlichen,  vielleicht  noch  milder  ver- 
mittelnden Standpunkt,  als  Rahn,  ein.  Eich ler  bezeichnet  seine  drei 
Schriften  als  einen  „Lehrgang  für  die  Elementarstufe"  und  als  eine  »Vor- 


E.  Eichler,  Lehr-  und  Lesebuch  der  französischen  Sprache.      313 

schule  zu  jedem  beliebigen  Lehrbuch"  (vgl.  Umschlag);  er  schrankt  den 
Gebrauch  derselben  auf  keine  besondere  Schulart  ein.  Dagegen  ist  das 
Lehr-  und  Lesebuch  von  Wolter,  der  an  einer  höheren  Bürgerschule  und 
an  einer  Fortbildungsanstalt  in  Berlin  unterrichtet,  in  erster  Linie  für 
Fortbildungs-,  Handels-  und  Realschulen  (im  Gegensatz  zu  Gymnasien  und 
Realgymnasien)  bestimmt.    Vgl.  Vorwort  zum  ersten  Teil,  S.  HL 

Der  Verfasser  fährt  an  dieser  Stelle  folgendermassen  fort:  „Die 
angestrebten  Ziele  sind  demzufolge  vorwiegend  praktische.  Die  Lektüre, 
welche  ihren  Stoff  zum  grossen  Teil  dem  täglichen  Leben  entnimmt,  bietet 
das  Material  für  die  Übersetzung-  und  Sprechübungen.  Letzteren  ist  eine 
verhältnismässig  bevorzugte  Stellung  zugewiesen.  Auf  Anstalten,  welche 
die  zukünftigen  Generationen  des  Handels  und  der  Industrie  heranbilden, 
auf  Anstalten  mit  rein  praktischen  Zielen  ist  beim  Sprachunterricht  das 
Hauptgewicht  auf  das  Sprechenlernen  zu  legen  und  das  Sprechenkönnen 
als  das  Endresultat  zu  erstreben.  Dieses  Ergebnis  ist  aber  nur  auf  Grund 
einer  Lektüre  möglichst  konkreten  Inhalts  zu  erreichen. u 

Die  zwei  Teile  dieses  Lehr-  und  Lesebuches  sind  gleichmässig  an- 
geordnet: A  und  B:  „Übungsbuch"  und  „Lesestücke  des  Übungsbuches14; 
C:  „Lesebuch";  D:  „Grammatik";  E  und  F:  Wörterverzeichnisse. 

Im  Vorworte  zum  zweiten  Teile  (S.  III)  hält  es  Wolter  für  not- 
wendig, hervorzuheben,  er  habe  sich  durch  „die  wohlwollende  Aufnahme, 
die  der  erste  Teil  in  den  Kreisen  der  Fachgenossen  gefunden  habe",  be- 
stimmen lassen,  „die  vermittelnde  Richtung  zwischen  der  bisher  üblichen 
synthetischen  Methode  und  der  sogenannten  neuen  Methode  beizubehalten. u 
Freilich  ist  bei  dieser  Vermittelunge-  oder  Vermischungsarbeit  die  „so- 
genannte neue  Methode"  etwas  zu  kurz  weggekommen.  Von  einer  Ver- 
wertung der  Phonetik  ist  bei  Wolter  gar  nichts  wahrzunehmen.  Vgl. 
dazu  Vorwort  zum  1.  Teile,  S.  IV:  „Eine  systematische  Lautlehre  zu  geben, 
habe  ich  geflissentlich  unterlassen."  —  Eine  systematische  Lautlehre  (!) 
ist  allerdings  nicht  zu  verlangen,  in  einem  solchen  Buche  nicht  einmal 
zu  wünschen.  —  „Eine  gute,  reine  Aussprache  bei  den  Schülern  zu  er- 
zielen, ist  eine  der  wichtigsten  Aufgaben  des  Lehrers,  nicht  des  Lehr- 
buches.44 —  Gewiss.  —  Trotzdem  hätte  Wolter  die  Phonetik  in  mannig- 
facher Weise  verwerten  können,  ohne  jene  wichtige  „Aufgabe  des  Lehrers" 
zu  beeinträchtigen. 

Dem  Übersetzungstriebe  giebt  der  Verfasser  leider  noch  allzu  will- 
fährig nach.  Er  gewährt  auch  gerade  den  Einzelsätzen  bei  weitem  zu 
viel  Kaumv  am  Anfang  findet  man  neben  wirklichen  Sätzen  sogar  ab- 
gerissene Wortgruppen  zum  Übersetzen. 

Der  grosse  Umfang  der  beiden  Bücher  mit  246  (urspr.  220)  und 
510  Seiten  hatte  für  mich  auf  den  ersten  Blick  etwas  Abschreckendes. 
Indes  hat  man  zu  erwägen,  dass  sie  zum  grössten  Teil  Lesebücher  sind. 
Denn  dieser  Name  gebührt  offenbar  nicht  blos  der  Abteilung,  die  Wolter 
mit  G  bezeichnet  hat,  sondern  auch  der  Abteilung  B,  den  Lesestücken 
des  Übungsbuches.  In  der  That  macht  die  Auswahl  und  Zusammenstellung 
der  darin  enthaltenen  Erzählungen,  Beschreibungen,  Briefe,  Rechnungen 
u.  dgl.  den  Hauptwert  von  Wolter 's  Arbeit  aua.  Es  ist  rückhaltlos  an- 
zuerkennen, dass  die  Lesestücke,  deren  Stoffe  den  verschiedensten  Gebieten 
entnommen  sind,  der  oben  angegebenen  Bestimmung  des  „Lehr-  und 
Lesebuches",  den  darin  erstrebten  Zielen  in  Form  und  Inhalt  durchaus 
entsprechen.  Der  Verfasser  kann  sich  mit  Recht  rühmen,  dass  er  in  diesem 
Sinne  die  Bedürfnisse  der  Anstalten,  die  ausschliesslich  für  das  praktische 
Leben  vorbereiten,  in  hohem  Grade  befriedigt,  während  denselben  „bisher 
nur  wenig  Rechnung  getragen  worden  ist44  (Vorw.,  1.  Teil,  S.  III).  — 

Die  „zusammenhängenden  Aufgaben"  der  französischen  Komponier-* 


SU 


Referate  und  Rezensionen.     A.  Rainbrau. 


Bestücke  über 


filiunffcii  der  Etcmentarxtufe  von  Elchler  sind  kurze  Lesestücke 
Gegenstände  der  Anschauung,  kleine  kindliche  (vrzählungei 
und  Briefe  in  deutscher  Sprache,  die  F.ichler  aus  dem  Franiösischnn 
Übersetzt  und  einigen  in  Frankreich  und  in  der  französischen  Schweiz 
verbreiteten  Schulbüchern  entnommen  hat.  Sie  sollen  den  Schüler 
„mit  Korrespondenz  und  Konversation  auf  der  Bmü  der  bisherigen  me- 
thodischen Errungenschaften  (?)  in  die  wirklich  lebende  Spruche  ein- 
führen" (vgl.  Umschlag).  Das  „Übersetzen"  bat  ihm  der  menschen- 
freundliche Verfasser  durch  interlineare  lliiizutiignng  zahlreicher  fran- 
zösischer Vokabeln  und  Wendungen  erleichtert  und  leider  auch  durch 
den  deutschen  Text  selbst,  der  -an  einzelnen  Stellen  keinen  Anspruch 
darauf  machen  will,  für  stilistisch  vollständig  gut  ilcotsch  tu  geltei  " 
Vgl.  z.  B.  3.  Abteilung,  No.  14:  „Gespräch.  Em  Besuch."  S.  hl:  J 
bin  erfreut  davon;  ,  .  .  ."  Dieses  „davon'1  ist  nicht  blos  falsch,  sondi 
auch  zwecklos,  da  charmv  f»  darüber  steht.  Übrigen»  ist  die 
gebene  Wortstellung  für  den   Elementarschüler  recht  gefährlich. 

Die  undeutsche  Färbung  der  Teste  sucht  Eichler  durch  di_ 
sicht  zu  rechtfertigen,  „den  Schüler  dahin  zu  führen,  dass  sriue  Ol 
setzuug  (!)  auch  eine  stilistisch  wirklich  französische  wird".  Warum 
muss  aber  überhaupt  auf  der  Elementarstoff  durchaus  „übersetzt" 
werden?  Hätte  E.  nicht  besser  gethan,  die  französischen  Originaltexte 
einfach  abzudrucken  und  entweder  die  nötigen  Übungen  —  Retrover- 
tieren, Fragen,  Antworten.  Nacherzählen,  Umwandeln  mit  anderen  Per- 
sonalformen u.  dgl.  —  daran  anzuknüpfen  und  darauf  folgen  zu  lai 
oder  solche  und  ähnliche  Übungen  im  Buche  für  den  Lehrer  nur 
andeuten  oder  sie  ihm  aliein,  seinem  Belieben  und  seiner  eignen 
finduug,  ganz  und  gar  zu  überlassen?  Konnte  er  damit  nicht 
besser  und  sicherer  seinen  Zweck  erreichen .  ohne  die  Mntbernprsche 
der  Schüler  zu  vergewaltigen  und  ihr  heimisches  Sprachgefühl  zu 
schädigen?  Und  meint  er,  dass  der  Lehrer  mittelst  derartig-r  „Kom- 
ponieriibnngen",  die  fi'ihrwu-br  nichts  weiter  als  „Übersetzungsübungen" 
mit  Umgehung  der  meisten  und  (rrfissteii  Schwierigkeiten  sind,  zu  dem 
vom  Verfasser  selbst  in  den  ersten  Zeilen  seines  Vorwortes  aufgestellten 
Ziele  gelangen  wird? 

An  dieser  Stelle  spricht  Eichier  nämlich  von  der  „notwendigen 
Forderung  deB  Sichhineinlebens  in  die  fremde  Sprache  von  Seiten  des 
Schülers  und  des  Denkens  in  derselben  (!),  ohne  welches  ein  Beherrschen 
des  fremden  Idioms  niemals  möglich  i*t."     Ich  glaube,  und  viele  Fach- 

Sinossen  sind  derselheu  Ansicht,  dass  der  Srhüler  durch  dao  beständige 
ebersetzen  aus  dem  Deutschen,  wenn  es  sich  nicht  an  gelesene,  be- 
sprochene und  eingeübte  Originaltexte  anschliesst,  trotz  niler  Hülfe 
seitens  des  Lehrers  und  des  Lehrbuches  wenig  befähigt,  ja  eher  daran 
verhindert  wird,  sich  in  die  fremde  Sprache  hineinzuleben  (!)  und  gar 
in  derselben  denken  (!)  zu  lernen. 

5.  An  Lappe  und  Ottens,  den  Bearbeitern  der  Koller'scben 
Lehrbücher,  die  «,  Z.  eine  ziemlich  stattliche  Anzahl  von  Auflagen  er- 
lebt haben  1 12.  rsp.  5.  Auflage  im  Jahre  ISJ9),  sind  die  Thesen  und 
Wünsche  sowohl  der  „ungestümen"  als  auch  der  „sanften"  Heforru  fast 
spurlos  und  unbeachtet  vorbeigegangen.  In  il/t  Schuljahren  werden 
die  Schüler  von  ihuen  ausschliesslich  mit  tüchtigen  Portionen  von  fran- 
zösischen und  deutschen  Einzeleützeu  und  mit  massigen  Portionen  von 
Formen  und  Regeln  in  Gestalt  von  Lektionen  ä  la  Plcetz  gespeist.  Der 
mir  hier  vorliegende  dritte  Teil  des  Ekmenlarhuchus  bringt  auf  diese 
Weise  mit  behaglicher  Breite  in   18  Lektionen,  dem  Pensum  deB  fünf 


Per- 

| 
S 


rrtram,  Grammatisches  und  ttilixti 


,  die  Formenlehre  mit  den  unregelmäßigen   Verben  zum  Ab- 

i  Schlus?  des  fünften  Semesters"  sind  die  Zöglinge  der 
fltmiUillmhnlniii.  Realschulen  nnd  verwandter  Anstalten,  für  die  da« 
!■'!.  uuiitiirlmeli  bestimmt  ist,  „der  Absieht  der  Verfasser  gemäss  mit  dem 
unumgänglich  nötigen  Rüstzeug  versehen,  um  mit  Erfolg  an  die  Über- 
setzung zusammen hängender  deutscher  StüVke  (!)  gehen  zu  können." 
Die  armen  Schüler  !  Wenn  sie  nur  nieht  bis  dahin,  von  der  „Rüstung" 
erdrückt,  lahm  und  mutlos  geworden  »ind  !  Noch  am  Schluss  oder  im 
Verlauf  des  fünften  Semesters  sind  sich  die  Verfasser  nicht  darüber 
klar  oder  aie  Btelleii  wenigstens  vorsiehtigerweise  „dem  Ermessen  des 
Lehrers  die  Entscheidung  darüber1  anheitii,  „wann  er  zur  Lektüre  (!) 
übergehen  kann"  (!).  für  die  in  der  2.  Abteilung  durch  Gedichte  und 
Lesesii'iciie  gesorgt  ist.     Vgl.  Vorwort  zu  5a,  8.  III. 

Selbstverständlich  «eisen  daB  Ekmcnlarbuch  von  Luppe-Ottens 
und  die  von  Ott« Di  allein  herausgegebene  systematische  Schiilyrammalik 
15  b),  die  sich  daran  unsihliessen  soll,  und  deren  „syntaktischer  Kursus 
auf  3  Jahre  berechnet  ist"  (Vorw.,  S.  IV),  im  Verhältnis  au  den  älteren 
Lehrbüchern  von  Ploetz  u.  a.  mit  ähnlicher  oder  gleicher  Bestimmung 
einige  Ahweiehiingen  auf.  die  mancher  Lehrer  auch  wohl  als  Verbesse- 
rungen anerkennen  mag:  ich  meine  etwa  den  Anhang  zum  dritten  Teil 
des  Etemenlarbuehts  (8.  171— IS5),  ein  „etymologisch  geurdnetee  Wörter- 
verzeichnis im  Anscbhiss  an  die  un regelmässigen  Verben"  und  in  der 
Sehiih/eaimniitik  <\-.t:  Darstellung  ili'i  Syntax  nicht,  nach  Wortklassen, 
sondern  nach  Satzarten  und  Satzteilen,  so  dass  sie  mehr  mit  dem  üb- 
lichen grammatischen  Unterricht  der  Muttersprache  übereinstimmt. 
Aber  im  grossen  und  ganzen  haben  jene  Bücher  vor  den  entsprechen- 
den Ploetz'schen  Werken  in  ihrer  alten,  unverfälschten  Gestalt,  die 
meines  Erachten»,  falls  man  die  Herechtigung  der  Übersetzungsraethode 
zugesteht,  in  ihrer  Art  vorzüglich  sind,  nichts  voraus  oder  stehen  diesen 
sogar  in  mancher  Hinsicht  nach.  Man  fragt  sich  daher  unwillkürlich, 
wie  sie  die  auf  dem  Gebiete  der  französischen  L'nterrichtsbücher  jetzt 
herrschende  groBSartige  Konkurrenz  auszuhelfen  vermögen,  seitdem 
schon  Karl  Ploetz  und  nach  «einem  Tode  Gnstav  Ploetz  und 
Utto  Kares  die  Notwendigkeit  eingesehen  haben,  die  älteren  Werke 
mittels  eine«  Zusatzes  von  mehr  oder  weniger  reichlichen  Dosen  der 
Kefornj  in  neuen  Auflagen  umzugestalten  oder  durch  Umarbeitungen, 
die  schon  sehr  verschieden  von  den  ursprünglichen  Lehrbüchern  aus- 
sehen, zu  ersetzen.     Vgl.  Mädchenschule  III,   l.  Heft,  S.  79  ff. 

8.  In  dem  „grammatischen  und  stilistischen  ('( l)  Übiingsbucbc" 
von  W.  Bcrtrain  feiert  die  Methode  der  Übersetzung  und  der  zu- 
vammenhang-loscu  Eiii/.elsätzc  ihren  höchsten  Triumph.  Der  VerfaBser 
hat  darin  das  Prinzip  dieser  Methode  auf  die  äuaserate  Spitze  getrieben, 
ihre  letzten  Konsequenzen  gezogen.  Er  ergänzt  und  übertrumpft  gleich- 
sam die  Lektionen  der  Ploet z 'sehen  Schulgrammatik  mit  langen 
Heften  neuer  Einzelsatze.  Warum  nicht?  Offenbar  besteht  oder  bat 
ein  Bedürfnis  dafür  unter  den  Lehrern  des  französischen  in  deutschen 
Schulen  bestanden.  Denn  da»  1.  Heft,  das  ich  hier  zu  rezensieren 
habe,  ist  bereits  in  der  6.  Auflage  erschienen  —Das  i. Heft,  den  Schlüssel 
dazu  und  dus  Um-sliwutnire  t/rummnliial  von  Hertram  habe  ich  schon 
früher  in  der  Zeitschrift  (IX*   8,  41—  42)  angezeigt. 

Ä.  Raubbau. 


316  Referate  und  Rezensionen.     W.  KnßrUsh, 

Gropp,  Ernst,  and  Hausknecht,  Emil,  Auswahl  französischer 

Gedichte.     Für   den   Schul  gebrauch  zusammen  gestellt..     Leipzig, 
1886.     Renger'sche  Buchhandlung.     Gebhardt  &  Wilisch. 
Plattner,  Ph.,  Anthologie  des  Ecvtes.     Sammlung  französischer  Ge- 
dichte   für    die   Schule    in  drei  Teilen  mit  erklärenden  Anmer- 
kungen.   Karlsruhe,  1890.    J.  Bielefeld'»  Verlag. 

Fant  jährlich  erscheinen  französische  Gedichtsammlungen  für  den 
Schulgebrauch,  und  keine  hat  es  bisher  vermocht  zu  ausgedehntem  Ge- 
hranch zu  gelangen;  ja  selten  sind  schon  diejenigen,  welche  es  zur 
zweiten  Auringe  bringen;  die  meinten  werden  wohl  von  den  Autoren  selbst 
und  ihren  Freunden  in  deren  Wirkungskreisen  allmählich  aufgebraucht.1) 
Diese  Erscheinungen  erklären  sich  einerseits  daraus,  dass  ein  Bedürfnis  nach 
solchen  Auslesen  wirklich  vorhanden  ist,  und  dass  es  andererseits  unend- 
lich schwer  ist,  den  verschiedenen  Standpunkten  und  weit  auseinander 
gehenden  Ansprüchen  an  eine  solche  Arbeit  zu  genügen.  Manche  ver- 
langen, dass  die  Anthologie  einen  Oberblick  Ober  die  Entwicklung  der 
lyrischen  und  didaktischen  Dichtung  gebe  und  nichts  Wichtiges  oder 
Charakteristisch  es  versäume.  Andere  bevorzugen  Beschränkung  anf  einen 
oder  doch  nur  wenige  Dichter.  Wieder  andere  wünschen  nur  Stoff  zu 
Memorier-  und  Deklamationsübungen  zusammengebracht  zu  sehen  und 
zn  grosserer  Bequemlichkeit  in  einer  nach  der  Schwierigkeit  der  einzelnen 
Stücke  bestimmten  Reihenfolge.  Einzelnen  gehen  Geschmack  und  Lieb- 
haberei noch  viel  mehr  auseinander. 

Wer  sich  einmal  mit  der  Zusammenstellung  einer  Gedichtsammlung 
befaast  bat,  der  kennt  die  grossen  Schwierigkeiten,  welche  einer  solchen 
Arbeit  anhaften,  wenn  dieselbe  auch  noch  so  wenig  umfangreich  ist,  und 
wird  anderen  gegenüber  ein  milder  Beurteiler  sein.  Die  beiden  oben 
bezeichneten  Werkeben  nun  stehen  anf  ganz  verschiedenen  Standpunkten. 
Gropp  und  Hausknecht  wollten  ein  poetisches  Lesebuch 
schaffen,  daa  den  Schüler  von  der  Quinta  bis  zur  Prima  begleiten  soll; 
und  wie  die  Auswahl  zeigt,  haben  sie  über  die  französische  Dichtung  seit 
der  grossen  Revolution  einen  ziemlich  vollständigen  Überblick  gewähren 
wollen.  Von  älteren  Dichtern  sind  nur  Lafontaine  und  Florian  be- 
rücksichtigt worden;  die  Dichter  unseres  Jahrhundert«  haben  am  meisten 
zu  der  Sammlung  beigesteuert;  die  durch  die  sogenannten  Reformer  des 
Ipracb Unterrichts  bei  uns  mehrfach  benutzte  Kinderpoesie,  sowie  das 
Volkslied  fehlen  ganz.  Ich  habe  im  allgemeinen  an  dieser  verschieden- 
artigen Heranziehung  der  verschiedenen  Epochen  nicht«  auszusetzen; 
ja  die  Bevorzugung  der  modernsten  Dichtung  gefällt  mir  recht  wohl,  weil 
sich  manche  treffliche  epische  Stücke  darunter  finden;  die  Ausschliessung 
der  Kinder-  und  Volksdichtung  bedauere  ich  nicht,  da  die  eratere  meist 
langweilig,  die  zweite  in  ihren  besten  Leistungen  für  Schullektüre  unge- 
eignet ist.  Im  einzelnen  möchte  ich  einige  Wünsche  und  Bedenken  nicht 
unterdrücken.  Lafontaine  scheint  mir  im  Verhältnis  zu  den  übrigen 
Dichtern  (mit  80  Nummern)  zu  reichlich  vertreten  zu  sein,  besonders  da 
von  Beranger  nur  fünfzehn  Lieder  aufgenommen  wurden,  und  Voltaire 
ganz  fehlt.  Das  letztere  ist  meines  Ernchtens  eine  sehr  empfindliche  Lücke, 
mindestens  hätte  Voltaire  mit  einer  Ode,  mit  einer  philosophischen  Epistel, 
vielleicht  auch  mit  der  prophetischen  Chambre  de  Justice  und  einem  Abschnitt 
aus  der  Henriade  (II,  Bartholomäusnacht)  berücksichtigt  werde  i  müssen. 
Die  beiden  ersten  Diebtungen  hätten  dem  Schüler  vielleicht  keinen  hohen 


Volk 


')    Schreiher   dieses  gesteht,    dass   es   ihm   mit  einer   kleinen   eng- 
lischen Sammlang  (Leipzig,  Leiner)  auch  so  ergeht. 


E.  Gropp  u.  E.  Hausknecht,  Auswahl  französischer  Gedichte.        317 

ästhetischen  Gen  uro  bereitet,  was  ja  nicht  immer  nötig  und  erreichbar 
ist,  aber  er  hätte  doch  zwei  Dichtungsgattungen  kennen  gelernt,  welche 
lange  Jahrzehnte  hindurch  der  allergrößten  Beliebtheit  und  Pflege  sich 
erfreuten;  die  beiden  letztgenannten  Stücke  sind  aber  doch  wohl  im 
stände  den  Primaner  zu  fesseln  und  znm  Denken  anzuregen.  Von 
B oranger  ist  zu  wenig  dargeboten  und  ausserdem  vermisse  ich  ungern 
die  glühenden  Äusserungen  von  des  Dichters  Vaterlandsliebe,  nämlich 
Retour  dans  la  palrie  und  Les  Enfants  de  la  France,  welche  ich 
den  unvermeidlichen  Tailleur  et  la  Fee  und  Poniatowski  weit  vorziehe. 
Wenn  ferner  die  Henriade  nicht  gewürdigt  wurde,  dem  Schüler  bekannt 
gemacht  zu  werden,  dann  verdiente  es  Bartbe'lemy  et  Mary 's  er- 
zählende Dichtung  Napoleon  en  Egypte  noch  lange  nicht.  Von  De  Vigny 
wäre  Madame  de  Soutnse  als  ungeeignet  besser  weggeblieben,  von 
Alfred  de  Musset  ist  zu  wenig  aufgenommen,  seine  Bedeutung  ist  so 
gross,  dass  er  mit  mehreren  Gedichten  Berücksichtigung  verdiente;  freilich 
ist  die  Auewahl  schwierig.  In  bezug  auf  Victor  Hugo  sind  die  An- 
sichten noch  sehr  geteilt;  ich  gehöre  nicht  zu  seinen  Bewunderern  und 
will  deshalb  über  die  getroffene  Auswahl  nichts  sagen,  als  dass  sein 
Gedicht  Sedan  mir  nicht  passend  gewählt  erscheint,  und  sein  Choix  entre 
les  deux  JSations  mindestens  sehr  dunkel. ist;  was  für  einen  Sinn  hat 
z.  B.  der  Vers: 

Barberousse  chez  toi  n'emptche  par  Schiller? 

Übersetzungen  deutscher  Gedichte  sind  nur  wenige  mitgeteilt,  was 
durchaus  berechtigt  ist.  Den  chronologisch  geordneten  Gedichten  folgen 
kurze  biographische  Nachrichten.  Der  beim  Erscheinen  des  Werkchens 
versprochene  Kommentar  ist  meines  Wissens  noch  immer  nicht  erschienen. 
Die  Schwierigkeiten  einer  solchen  Arbeit  unterschätze  ich  nicht;  aber  ich 
meine,  in  vier  Jahren  wären  dieselben  zu  überwinden  gewesen.  Daher 
spreche  ich  an  dieser  Stelle  den  Wunsch  aus,  dass  die  Herausgeber  nun 
endlich  damit  hervortreten  mögen,  denn  der  Kommentar  ist  durchaus 
notwendig. 

Abgesehen  von  den  vorgebrachten  (persönlichen)  Wünschen  halte 
ich  die  Auswahl  für  gut  und  verdienstlich  und  wünsche  derselben  eine 
weite  Verbreitung. 

Plattner's  Sammlung  französischer  Gedichte  ist  anders  gehalten 
und  verfolgt  andere  Ziele.  Er  sagt,  die  früheren  Sammlungen  hätten  so 
wenig  wirklich  Deklamierbares  enthalten,  dass  man  sie  ärgerlich  durch- 
blätterte, um  dann  doch  zu  dem  Alten,  hundertmal  Gehörten  zu  greifen. 
Demgegenüber  will  Plattner  nur  solche  Dichtungen  darbieten,  die  dekla- 
mierbar sind  und  nicht  blosse  Schul-  und  Studienlektüre  bleiben.  Zu  dem 
Zwecke  lässt  er  neben  den  alten  Bekannten,  „die  sich  aus  keinem  ähnlichen 
Bache  verbannen  lassen",  die  brauchbaren  neueren  Gedichte  und 
die  meist  leicht  verständliche  Volkspoesie  zu  ihrem  Rechte 
kommen  und  macht  von  Übersetzungen  bezw.  Nachbildungen  deutscher 
Gedichte  ausgiebigen  Gebrauch.  Die  Reibenfolge  ist  lediglich  nach  der 
grösseren  oder  geringeren  Schwierigkeit  des  Verständnisses  getroffen  und 
zwar  in  drei  aufsteigenden  Kursen,  innerhalb  derselben  folgen  die  ver- 
schiedensten Gegenstände  und  Dichter  in  buntester  Abwechselung.  Die  Zahl 
der  in  den  drei  Teilen  mitgeteilten  Gedichte  beträgt  68,  65,  70.  Das 
der  Anlage  zu  gründe  liegende  Prinzip  will  ich  nicht  erörtern,  es  wäre 
erfolglos;  über  die  getroffene  Wahl  gestatte  ich  mir  wenige  Bemerkungen. 
Die  Auswahl  ist  sehr  reichhaltig,  so  dass  wohl  jeder  Suchende  etwas  ihm 
Passendes  finden  wird,  und  langweilige  Gedichte  habe  ich  nicht  ge- 
funden, vielmehr   sind   alle    nach   Form    und    Inhalt  des    Lesens   und 


318      Rufer,  u.  Rezent.    W,  KnOrich,  Ph.  Plattier,  Anthologie  de»  Ecoles. 

die  meisten  auch  de»  Lernen«  wert.  Volkstümliche  Gedichte  cnt.hi.lt 
Teil  I.  Le  roi  Dagobert,  Guilieri,  einige  Reigen lioder.  Abzählverse,  Rätsel 
u.  dgl.  Übersetzungen  sind  folgende  aufgenommen:  I.  Der  gute  Kamerad, 
Vom  Baumlein,  das  andere  Blätter  hat  gewollt;  II.  Erlkönig  (drei  ver- 
schiedene), Der  Postitton,  Hebels  Herr  frühäng.  Der  Blumen  Rache,  nnd 
Autran's  Jraverse'e  de  Charlemagne  ist  auch  wohl  nur  eine  Nachbildung 
von  dem  bekannten  König  fi'ari's  Meerfahrt;  III.  Migium,  zwei  Abschnitte 
aus  der  Glocke  (den  letzten  in  zwei  verschiedenen  Übertragungen).  Die 
dargebotenen  Gedichte  zeitgenoesueher  Dichter  sind  gut  gewählt  und 
■iemlich  zahlreich,  doch  vermine  ich  leider  Andre"  Che'nier's  Jimk 
Captive,  welche  doch  wohl  wichtiger  ist  als  f.  B.  Scarron's  und  Piron't 
Grabschriften;  und  Voltaire  ist  auch  von  PUttner  gar  nicht  berück- 
sichtigt. Wertvoll  ist  der  den  Texten  beigegebene  Kommentar,  derselbe 
'  leistet,  was  in  der  Einleitung  von  ihm  versprochen  worden,  er  genügt 
sur  Vermittlung  des  Wort-  und  Sachverständnisses ,  geht  an  keiner 
Schwierigkeit  vorbei  nnd  bringt  nichts  Überflüssige«.  Erwünscht  wlren 
ein  nach  Dichtern  geordnetes  General regiater  der  Gedicht«  nnd  knne 
biographische  Notiaen,  welche  fehlen. 

Da  die  Auswahl  sehr  reichhaltig  und  mit  sicherem  Geschmack  und 
Takt  getroffen  ist,  und  da  der  Kommentar  durchaus  tadellos  ist,  kann 
ich  auch  Plattner's  Anthologie  bestens  empfehlen. 

W.  KnBbich. 


Miszellen. 


Notwendige  Aufklärungen 

zu  der  Kritik  meiner  Schrift:  Das  sogenannte  Französisch  der  Herren 
Toussaint  und  Langenscheidt.  —  welche  Herr  Ph.  Plattner  in  dieser 
Zeitschrift  gegeben  hat  (s.  Band  XII,  Heft  2  S.  49).  — 

I.  Warum  ich  zu  der  ungewöhnlichen  Broschürenforni  griff, 
anstatt  meine  Arbeit  in  einer  Fachzeitschrift  zu  veröffentlichen? 

Die  Antwort  auf  diese  Frage  wird  kein  Geringerer  als  Herr 
Dr.  David  Ascher  geben,  und  zwar  auf  S.  6  seiner  Schrift:  Ober  den 
Unterricht  in  den  neueren  Sprachen.  Berlin,  1881.  Langenscheidt'sche 
Verlagsbuchhandlung.  Da  heisst  es  nämlich:  „Da  aber  Artikel  in 
Zeitschriften  und  Rezensionen,  selbst  in  Fachjournalen,  wie  die 
Erfahrung  mich  gelehrt,  nicht  von  genügender  Wirkung  sind, 
nicht  allseitig  durchdringen,  so  habe  ich  mich  entschlossen,  endlich 
die  Blossstellung  der  Gebrechen  des  Systems  in  einer  selbständigen 
Schrift  vorzunehmen,  die  hoffentlich  die  weiteste  Verbreitung  finden 
wird,  und  zwar  nicht  bloss  unter  Fachmännern,  sondern  anch 
unter  Eltern  und  den  höheren  und  höchsten  Behörden  u.  s.  w."  — 
Wenn  ein  allbekannter  Sprachkenner,  Schriftsteller  und  Kritiker,  wie 
Ascher,  zu  einem  solchen  Mittel  der  Publizität  greift,  so  wird  man  es 
wohl  natürlich  finden,  dass  ein  völlig  unbekannter  Mann,  der  keinen 
schriftstellerischen  Ruf  besitzt  und  der  seine  Berechtigung  zum  Auf- 
treten nur  auf  sein  spezielles  Wissen  gründet,  es  für  unbedingt  not- 
wendig erachtet,  sich  des  gleichen  Mittels  zu  bedienen,  um  seinen 
Zweck  zu  erreichen. 

II.  Herr  Plattner  sagt :  Wenn  es  Herrn  Thudichum  lediglich  um 
litterarische  Wahrhaftigkeit  und  deren  Schutz  zu  thun  war,  so  musste 
es  ihm  gleichgiltig  sein,  dass  Fachzeitschriften  selten  in  kauf- 
männische Kreise  dringen. 

Eine  eigentümliche  contradiclAo  in  adjecto:  es  soll  mir  erlaubt 
sein,  mein  kleines  Licht  leuchten  zu  lassen,  aber  nur  unter  der  Bedin- 
gung, dass  ich*8  unter  den  Scheffel  stelle.  Wie  soll  ich  kaufmännische 
Kreise  vor  der  Verwendung  unbrauchbarer  Bücher  warnen,  wenn  ich 
nicht  alle  erlaubten  anständigen  Maassregeln  ergreife,  um  ihnen  meine 
Warnungen  zugänglich  zu  machen,  da  Herr  Plattner  doch  selbst  zu- 
gibt, dass  dieses  Ziel  mit  Hilfe  eines  Fachjournals  nicht  zu  erreichen 
sei.    Wenn  ich  mich  mit  dem  Bewusstsein  zufrieden  geben  soll,  etwas 

feschrieben  zu  haben,  was  derjenige  für  den  es  bestimmt  ist,   nicht 
iest,  so  heisst  das  so  viel,  als  wenn  man  mir  sagte:  „Du  hättest  ein- 
fach schweigen  sollen. u 

III.  Wer  bezahlt  die  Sache?  fragen  die  Herren  Toussaint 
und  Langenscheidt  in  einer  als  Manuskript  gedruckten  Gegenerklärung, 


320  MszdUn. 

damit  andeutend,  dass  limine  Schrift  zu  gnnsten  eines  fremden  Verlagt 
verfasst  worden  sei  und  dass  demnach  angenommen  werden  könne, 
dass  nicht  ich  die  jedenfalls  erheblichen  Druckkosten  getragen  hatte. 
Diese  Insinuation  ist  allerdings  sehr  advokatisch  geschickt,  da  sie  den 
Zweck  verfolgt,  den  Ankläger  auf  die  Anklagebank  zu  setzen  und  ihm 
den  moralischen  Boden  der  geistigen  und  materiellen  Unabhängigkeit 
und  der  pekuniären  Selbstlosigkeit  unter  den  Füssen  wegzuziehen.  Allein 
zum  Unglück  für  die  Herren  entbehrt  ihre  Voraussetzung  aller 
und  jeder  Begründung,  bezahlt  habe  ich.  ich  ganz  allein; 
ja,  ich  habe  gar  nicht  einmal  den  Gedanken  gehabt,  irgend  jemand  um 
Uberahme  der  Kosten  anzugehen,  denn  ich  bege  eine  viel  höhere  Meinung 
von  den  Gesinnungen  und  den  geschäftlichen  Prinzipien  unserer  Buch- 
händler als  die  Herren  Toussaint  &  Langenscheidt,  welche  ihren  Kollegen 
ein  eigentümliches  Misstrauen  entgegenbringen.  Wenn  auf  dem  Titel 
der  zweiten  Auflage  die  Firma  H.  Georg  erscheint,  so  erklärt  sich  dies 
dadurch,  dass  die  Pfeffer'sche  Buchdruckerei  sich  ausser  Stand  erklärte, 
den  Verschleimt  der  Schrift  zu  betreiben,  den  eine  schweizerische  Buch- 
handlung, die  überdies  keinerlei  kaufmännische  Werke  verlegt,  am 
besten  übernehmen  konnte. 

IV.  „Der  angeblich  geplünderte  Page  hat  von  seinen  5S2  Briefen 
nicht  weniger  als  160  ans  drei  anderen  Quellen  entlehnt." 

Wenn  sieb  ein  gewissenloser  Mensch  fremdes  Gut  aneignet,  so 
kann  ich  ihn  bei  Gericht  zur  Verantwortung  ziehen  und  bestrafen 
lassen ;  wenn  ich  mir  aber  das  von  mir  entwendete  aneigne  und  als 
mein  Eigentum  benutze,  so  mache  ich  mich  ganz  desselben  Vergehe» 
schuldig.  Ich  begreife  demnach  nicht,  wie  die  Angegriffenen  obiges 
Argument  zu  ihrer  Rechtfertigung  anführen  konnten.  Aber  selbst  wenn 
wir  den  Raubrittergrundsatz:  „Wer  plündert,  wird  wieder  geplündert* 
gelten  lassen,  darf  er  in  diesem  Fall  nicht  zur  Anwendung  gebracht 
werden.  Page  hat  nämlich  94  Briefe  aus  der  englischen  Merkantile 
correspondence  von  Anderson  entlehnt,  indem  er  sie  ins  Französische 
übersetzte;  das  kann  man  doch  kein  Plündern  nennen,  zumal  znr 
Zeit  der  Abfassung  seines  Buches  noch  kein  internationales  Abkommen 
bezüglich  des  Übersetzungsrechtes  bestand.  Acht  Briefe  nur  stammen 
aus  einem  wirklieb  französischen  Buch,  nämlich  aus  dem  Tratte  dt 
airresp.  von  Degranges,  welch  Letzterer  mit  seiner  Prosa  vielfach 
Handel  getrieben  bat.  Die  58  Briefe  anlangend,  die  Page  dem  Mannt! 
de  correspondance  commerciak  von  Schiebe  &  Odermann  verdankt,  » 
drängt  mir  ihr  Anblick  den  Wunsch  auf  die  Lippen:  „Mochten  doch 
alle  Plag— cgeinter,  die  von  fremden  Tische  essen,  diesem  litterarischen 
Freibeuter  gleichen!" 

Page  macht  es  nämlich  umgekehrt  wie  die  Herren  Toussaint  k 
Langenscheidt:  er  verbessert  sein  Original,  indem  er  schlechtes 
Französisch  in  gutes  verwandelt.  Jeder  Kenner  des  Französischen 
kann  sich  von  der  Wahrheit  dieses  Angabe  überzeugen  durch  Ver- 
gleich ung  folgender  Briefe: 

Page :  184,  185,   186,  1*87,  188,  189,  190,   191,   193,  1». 
Schiebe,  Ausg.  v.  1873:   455,  446,  147,  448,  449,  450,  451,  452,  454,  45}. 

Anstatt  über  Beraubung  zu  klagen,  hätten  die  Herren  Schiebe 
&  Odermann  gar  nichts  Besseres  thun  können,  als  ihre  eigenen  Briefe 
in  ihrer  verbesserten  Gestalt  aus  Page  in  ihr  Buch  herüberzunehmen, 
zum  grossen  Gewinn  des  letzteren,  indem  dadurch  die  Zahl  der  mangel- 
haften Briefmuster  in  etwas  beschränkt  worden  wäre.  Freilich  fehlte 
es  dasu  den  Verfassern  an  der  nötigen  Sprachkenntnis,  ein  Mangel, 
der  sich  ganz  besonders  in  den  Notions   preliminaires   und  in  den  Eid- 


»iszeüen. 


leitungen  zu  den  Briefen  zeigt:  diese  aind  von  Anfang  bis  zu  Ende  fast 
nur  ein  einziger  Germanismus.  Eh  wurden  darin,  bis  zum  Erscheinen 
der  neuen  Anflüge  im  Jahre  1887,  den  Schülern  Uer  Leipziger  Handels- 
schule Sachen  gelehrt  wie:  /a  terminaison  (!  anstatt  lu  fin)  dune  lettre; 
in  concixion  ne  lioil  jitmais  degc'nerer  (!)  M  nhsciiritc ;  In  snscription  peut 
in. iii  :/,  ii  uumtiitt. i>t,it  .>r  fn.n: :  femetuwr  Wune  chaiLvrc  (anstatt auteur); 
des  assoeidi  eompL'wtentaircs  (1  anstatt  des  commaiiditaires);  les  capitaux 
siir  lesquets  foule  (!)  untre  aimmerce  (anstatt  ,/iri  sunt  emjagis  .  .  .);  te 
commerce  cii  (anstatt  de)  Kommission  sc  fall  emttre  wie  cerimne  primc  (!) 
appetee  commüsion.  —  In  der  neuesten  Auflage  vom  Jahre  1SM7  sind 
aus  den  Einleitungen  die  gröbsten  Verstösse  gegen  die  Stilregcln  wie 
gegen  den  Geist  und  die  Kitjcntiiiulidikeiten  >  1 1 ■  r  lYunzüKiKL-heii  Sprache 
ausgeschieden,  aber  der  Verbessern-,  Herr  Prof.  Hertens  in  Gent 
(Belgien)  scheint  doch  vor  der  Aufgabe  zurückgeschreckt  zu  sein,  das 
germanische  Metall  in  eine  vollständig  französische  Form   nnizugiessen. 

V.  Herr  Plattner  sagt  weiter:  „Die  Versch w eigung  der  Namen 
der  Schriftsteller,  denen  die  Briefe  entlehnt  wurden,  war  eine  Un- 
vorsichtigkeit von  Saiten  der  Verfasser  des  Französischen  für  Kani- 
leute.  Ein  Schmücken  mit  fremden  Federn  kann  man  darin  nicht  er- 
blicken," 

Sobald  es  sieh  um  Beurteilung  der  Stimmung  oder  der  Absichten 
unserer  Neben  menschen  handelt,  hat  unsere  Einbildungskraft  allerdings 
so  freies  Spiel,  das»  jeder  alles  voraussetzen  kann.  Ich  für  meinen 
Teil  habe  mir,  wie  ein  Geschworener  es  in  den  Assisen  macht,  anf 
gewisse  Indizien  gestützt,  eine  sogenannte  moralische  Überzeugung 
gebildet,  die  in  meiner  Schrift  sehr  weitläufig  motiviert  erscheint. 
Wer  meine  Auseinandersetzung  in  unbefangener  Weise  liest,  wird  ge- 
stehen müssen,  das»  meine  Auffassung  der  Sache  mehr  Wahrscheinlich- 
keit für  sich  hat.  als  die  Auslegung  meines  Kritikers.  Dieser  bat  sich 
in  seinem  Bestreben,  nach  beiden  Seiten  gerecht  zn  sein,  unwillkürlich 
durch  die  Heftigkeit  meines  Angriffes  etwas  verstimmen  lassen,  und 
ist,  wie  es  der  Edelmütige  immer  macht,  dem  Unterliegenden  bei- 
gesprungen. Fern  sei  es  von  mir,  ihm  einen  Vorwurf  daraus  zu  machen, 
aber  es  wird  mir  erlaubt  sein  zu  ken-l  .iliercn.  das.«  von  allen  Kritikern 
Herr  Plattner  bis  jetzt  der  einsige  ist,  der  das  Verfahren  der  Herren 
Toussaiut  &  Laugciiii.-hcidt  gebilligt  hat. 

VI.  Wenn  die  Verfasser  des  Frauiösisek  für  A'aufleute  nichts 
Vollständiges  liefern  wollten,  so  durften  sie  in  ihren  Annoncen  und 
Reklamen  von  ihrem  Buch  weder  selbst  rühmen  noch  durch  ihre  Freunde 
rühmen  lassen,  dass  die  kleine  Schrift  den  französischen  Brief- 
stil in  selten  anzutreffender  Vollständigkeit  behandelt.  (EL 
die  dem  Buch  vorged ruckten  Beurteilungen. 1  Wer  im  Vertrauen  auf 
eine  solche  Versicherung  das  sogenannte  Französisch  gekauft  hat,  darf 
sich  mit  Reiht  beklagen,  dass  er  irre  geführt  worden  sei.  Meine  Be- 
merkungen bezüglich  der  Lücke uhaftigk fit  eines  solchen  Lehrbuchs  der 
Korrespondenz  waren  und  bleiben  also   völlig  an  ihrem  Platte. 

VII.  „Vorzugsweise",  sagt  Herr  l'lattuer  auf  Seite  51 ,  „haben  wir 
auf  den  dritten  und  sechsten  Vorwurf  einzugehen,  welche  sich  auf  Ver- 
stümmelung und  Verschlechterung  des  Inhalts  und  Verwunderung  der 
Briefanfängc  und  BriefsehlÜBse  beziehen,"  fas  war  eine  gute  Absicht, 
denn  diese  Verschlechterung  der  Texte  bildet  den  Kernpunkt 
meiner  Schrift,  den  aller  wichtigsten  weil  völlig  unbestreit- 
baren Teil  der  von  mir  erhobenen  Anklage.  Leider  hat  sich 
Herr  Plattner  mit  der  guten  Absicht  begnügt,  denn  die  Besprechung 
dieses  Punkte«  füllt  sebrlttirfc  ans,  kürzer  als  diejenige  einer  unbedenten- 

Ztuur.  r.  fri.  Sp..  i.  Litt.     I]U  21 


322  MneBe*. 

den  Anmerkung,   wo  ich,   ohne  der  Sache  irgend  welche  Wichtigkeit 

beizumessen,  der  Gemütlichkeit  einer  französischen  Wendung  vor  dem 
Unteroffiziersm aasigen  der  TouBsaint-Langenscheidt'schen  Veraion  den 
Vorzug  gab. 

In  den  von  den  Herren  Touasaint  &  Langenscheidt  gebotenen 
Briefen  finden  sich  nach  massiger  Schätzung,  gegen  700  Fehler,  m 
welchen  aus  den  Telegrammen,  Annoncen,  Gesprächen,  Schematismen 
sowie  ans  dem  Vokabular  allerwenigsten*  noch  300  kommen,  was  die 
Rieaenaumme  von  Eintausend  Fehlern  ausmacht.  Angesicht«  einer 
solchen  Ungeheuerlichkeit  scheint  eine  Warnung  vor  diesem  „Muster- 
buch" nicht  nur  absolut  gerechtfertigt,  sondern  geradezu  durch  unsere 
wissenschaftliche  und  pädagogische  Pflicht  geboten.  Und  es  will  mich 
bedünken,  dass  Herr  Plattner  seine  Nachricht  übertreibt,  wenn  er  «ich 
damit  begnügt,  den  Verfassern  zu  raten,  manche  der  vorgeschlage- 
nen Besserungen  anzunehmen.  Manche?  —  sind  sie  nicht  alle 
begründet  und  bewiesen?  Aber  auch  wenn  sie  alle  angenommen  wer- 
den, so  erlangt  das  Buch  dadurch  auch  nicht  den  Charakter  der  Brauch- 
barkeit. Damit  dies  geschähe,  niüssten  folgende  Bedingungen  erfüllt 
werden: 

1.  Teztuelte  völlig  unveränderte  Reproduktion  derjenigen  Briefe 
Page'B,  welche  in  verstümmelter  und  verschlechterter  Gestalt  in  dem 
Französisch  für  Knußmte  erscheinen. 

8.  Ausscheidung  aller  von  den  Herren  Toussaint  &  Langen  seh  ei  dt 
seibot  verfaeaten,  aus  zusammengestöppelten  Sätzen  bestehenden  Briefe 
und  Ersatz  derselben  durch  solche,  die  einem  guten  französischen 
Korrespondenzbuch  entlehnt  sind. 

3.  Verbesserung  der  Fehler  in  den  Proben  der  französischen 
Buchhaltung,  der  Ungereimtheiten  in  der  Telegrammatik,  der  vielen 
urlfranzösischen  Wendungen  in  den  Gesprächen  den  Buchhandel  be- 
treffend ,  der  ganz  unverzeihlichen  Unrichtigkeiten  in  den  diversen 
Schematen,  und  endlich  der  geradem  unbegreiflichen  Fehler  im  Voka- 
bular. —  Man  sieht,  es  kann  sich  hier  nicht  um  eine  blosse  Richtig- 
stellung von  Einzelheiten  handeln;  nein,  eine  völlige  Um-  and  Um- 
gestaltung ist  erforderlich.  Solange  diese  nicht  erfolgt,  bleibt  meine 
Kritik  des  Inhalts  in  ihrer  ganzen  Berechtigung  bestehen. 

Ghakleb  Thitihchum. 


Zu  den  vorstehenden  Aufklärungen  des  Herrn  Direktor  Ch.  Thu- 
dichuin  habe  ich  nur  Folgendes  zu  bemerken.  Dana  ich  das  Verfahren 
von  TouBsaint-  Langen  sehe  idt  gebilligt  hätte,  ist  ein  Irrtum  ;  ich  habe 
es  zu  erklären  gesucht.  Wenn  ich  sage,  daas  ich  Schlimmeres  gesehen 
habe,  so  liegt  darin  nur  eine  sehr  massige  Billigung.  Will  Herr  Tbu- 
dichum  sich  die  Mühe  nehmen,  unserer  Schulbuch-Litteratur,  besonders 
der  für  praktische  Zwecke  berechneten,  etwas  nachzuspüren,  so  wird 
er  meine  Aneicht  bestätigt  finden.  —  Ausführlichere  und  treffendere 
Erklärungen  würden  zunächst  den  Angegriffenen  zustehen  und  denselben 
wahrscheinlich  möglich  sein. 

Ph.  Plattnke. 


Novitätenverzeichnis. 


Coiomb,  V.  Etüde  de  bibliographie  dauphinoise.  XI:  Notice  bio- 
graphique  et  bibliographiqne  sur  M.  Ad.  Rochas  conservateur  de  la 
bibliotheque  et  du  mus£e  de  la  ville  de  Valence.  Grenoble,  impr. 
Allier.    18  8.    8°. 

Monatsbericht,  bibliographischer,  über  neu  erschienene  Schul-  und  Uni- 
versitätsschriften  (Dissertationen  — Programmabhandlungen  — Habi- 
litationsschriften etc.),  herausgegeben  von  der  Zentralstelle  für 
Dissertationen  und  Programme  von  Gustav  Fock  in  Leipzig.  Jahr- 
gang II,  No.  1,  2,  3.    Leipzig,  G.  Fock.    8°.    Jährlich  12  Nrn.    2  Mk. 

Thierry-Poux,  0.  Premiers  monuments  de  l'imprimerie  en  France 
au  XV«  siecle.    Paris,  Hachette.    Fol.  32  p.  et  40  planches.    60  fr. 

Wolf,  Ferd.  Kleine  Schriften.  Zusammengestellt  von  E.  Stengel, 
Marburg  i.  H.    Elwert.    8°.    9  Mk. 


Araujo.  F.    Gramätica  francesa,  2me  Edition,  T.  I  (Madrid,  Fernando  Fe, 

1891,  XII-296  p.    8°). 
cTArbois  de  Jubmnviüe.     Recherches   sur  l'origine  de   la  proprie'te*  fon- 

ciere  et  des  noms  de  lieux  habite*8  en  France,  Periode  celtique  et 

Periode  romaine.     Paris,  E.  Thorin,  1890.     703  S.    In-8°. 
Arnoulm  (E.).    Quelques  mots  sur  la  r^forme  de  Torthographe :   Modi- 

fications  proposEes.    16  pages,  In-8°.    Angouldme. 
Claus,  Oberreallehrer.,  die  geographische  Verbreitung  der  französischen 

Sprache.  [Aus:  Korrespondenz-Blatt  f.  d.  Gelehrten-  u.  Realschulen.] 

gr.  8°.     (21  S.)    Tübingen,  Fues.    0,80  Mk. 
Clover,  Bertr.    The  Mastery  of  the   french  language  in  England  from 

the  XI«*  to  the  XTVtfc  Century.     New-York,   Corning.     123  p.  16°. 
Cohn,    G.     Die  Suffix  Wandlungen   im  Vulgarlateinischen    und   im  vor- 

litterarischen  Französisch   nach  ihren  Spuren  im  Neufranzösischen. 

Halle  a.  S.,  1891.     Niemeyer.     8  Mk. 
Constans  (L.).  Chrestomathie  de  Tancien  frane>is  (IXe-XV*  siecles),  pre*- 

cEde'e  d  un  tableau  sommaire  de  la  litte'rature  francaise  au  moyen 

age  et  suivie  d'un  glossaire  e'tymologique  dätailll.    Nouvelle  Edition, 

soigneusement  revue  et  notablement  augment£e  avec  le  Supplement 

refondu.    XLVIII-497  8.    8°.    Paris,  Bouillon. 
Derrer,  F.    Studien  über  das  Verbum   im  Romant  de  Jehan  de  Paris. 

Progr.  Rothenburg  1890.     52  S.     8°.    (Leipzig,  Fock.) 
Dictionnaire  g£ne*ral  de  la  langue  francaise  du  commencement  du  XVII* 

siecle  jusqu'  ä  nos  jours,   pr^ce'de*  d'un  Traute*   de   la  formation  de 

la   langue   et   contenant:     1.  La  prononciation   figure*e   des  mots; 

2.  Leur  Etymologie;  leurs  transformations  suceessives,  avec  renvoi 

aux  chapitres  du  traite*  qui  les  expliqnent  et  l'exemple  le  plus  ancien 

21* 


334  Novitdtenverzcichnis. 

de  lern-  emploi;  3.  Leur  sens  propre,  leurs  sens  deriv^a  et  ügaii» 
da.au  Vordre  ä  la  fois  historique  et  logique  de  leur  deVeloppeuient , 
4.  Des  exempleB  tire"s  det  meilleurs  dcrivains,  avec  indication  de 
la  source  des  passages  ciWa,  par  Adolphe  Hatzfeld  et  Arnene 
Darmesteter,  avec  le  concoura  de  Antoine  Thomas.  Pari», 
Delagr&ve  (eracheint  in  30  Lieferungen  ä  1  Franc). 

Du  Bois-Halbran,  H.  RtSformes  nur  l'orthographe  de  la  laogue  francaii* 
propon»5ft  par  H.  Du  Bois-Halbran,  comte  de  Beauvaia.  ln-8°,  SO  p. 
Bordeaux,  imp.  Samie. 

Duboul  (A.j.  Las  Plantos  aa  cainps.  Gloseaire  patois.  2*  edition,  ravue 
et  eorrigäe.     In-8°.     80  p.    Toulouse.     E.  Privat.     1   Fr. 

Ernst,  Karl,  Syntaktiache  Studien  zu  Rabelais.  (Die  Kongruenz  d.  Parti- 
cipii  praeteriti  und  der  Gebrauch  der  Hülfsverba.)  Inangural- 
Diasertation.  gr  8°.  (IV,  91  S.)  Greifswald.  (Leipzig,  Fock.)  1,50  Mk. 

Godart,  Alb.,  Sprachlehrer,  Abriaa  der  Aussprache  der  französischen 
Sprache  zum  Gebrauche  für  Deutsche.  1!°.  (64  S.)  Leipzig,  BA- 
damua.    (Wertlos.) 

Godefroy,  Fr.  Dictionnaire  de  l'ancienne  langue  francuiae.  61'  und  6ä" 
fasciculea.     Paria,  E,  Bouillon. 

kirste ,  F.  Historische  Untersuchung  über  den  Konjunktiv  Praeaenti» 
im  Altfranzß  Bischen.  (Mit  Ausschluss  der  latein.  A  -  Konjugation.) 
Greifswald,  1890.    J.  Abel.    VII,  88  S.  8". 

Hielt,  A.  Lexikograph! sehe  Beitrage  zu  Rabelais  Gargantim.  Heidel- 
berger Diasertation. 

KBrting,  G.  Lateiniach- romanisches  Wörterbuch.  5.  IL  6.  Lief.  Pader- 
born.    Schöningh.     Lex.-8°.     2  Mk. 

Lebaigne  (Ch.).  La  Beforme  orthographique  et  l'Academie  franeaue. 
2*  Edition  revue  et  augmentSe  d'nn  Appendice.  Paris,  Delagrave. 
In- 12«.     1   Fr. 

Leveque,  CA.  ReTorme  de  l'orthographe  francaiae.  In:  Einladungsachrift 
zu  der  am  27.  und  28.  März  1890  stattfindenden  Öffentlichen  Prü- 
fung der  Humboldt  schule  zu  Frankfurt  a.  M. 

Matzkc,  John  E.  Dialektische  Eigentümlichkeiten  in  der  Entwicklung 
dea  mouillierten  /  im  AltfranzOsischen.  [Aus:  „Publikation*  of  the 
modern  language  aBaociation".]  gr.  8°.  (5J  S.)  Brunswick,  Maine. 
(Paria,  H.  Welter.) 

Neuntann,  Wtik.  Zur  Syntax  dea  Relativpronomens  im  Französischen. 
Heidelberger  Dissertation. 

Pastretlo,  F.  l.a  Lingua  franeuse  nelle  sue  attinenze  col  commercio, 
Progr.     Trieat.     1890.     23  S.     8°.    (Fock,  Leipzig.) 

Pta-Un,  E.  Syntaktische  Studien  zu  Rabelais.  Leipziger  Dissertation, 
90   8.     8°. 

PoiUevey  (P).  Volapük  francais,  ou  ReTorme  de  l'alphabet  et  de  l'ortho- 
graphe.   ln-80,  24  pages.    Autuu. 

Du  lhiitsptlu,  A.  Dictionnaire  e"tjmologique  du  patois  lyonnais.  5*  et 
d eruiere  livraiaon.     Lyon.     Libr.  Georg.     5  Fr. 

Rabiet,  £.  Traduetion  francaiae  de  la  Grammaire  dea  langues  romanes 
par  W.  Meyer-LQbke.     H.  Welter,  Pari»,  1890.     ln-S». 

Risop,  A.  Studien  zur  Geschichte  der  französischen  Konjugation  auf 
-w-.    I.     Diss.     Berlin.    31  S.  8°.'    (Leipzig,  B.  Fock.) 

Rolland  de  Dtnus,  A.  Dictionnaire  des  appellations  ethniques  de  la  France 
et  de  ses  coloniea.     Paris,  E.  Lechevalier,   1889.     334  S.    6°. 

Schoetensack,  lt.  A„  Franzüsiach-etymologiachea  Wörterbuch.  2 — 4.  Abt. 
gr.  8«.  (VIII  u.  S.  193-608.)  Heidelberg,  C.  Winter.  10  Mk. 
(cplt.:  14  Mb.) 


Novitätenverzeichnis.  325 

Schulze,  A.  Der  Konsonantismus  des  Französischen  im  13.  Jahrhundert. 
DisB.  Halle.     31  3.     8°. 

Schwan,  Ed.  u.  Frings  keim,  E.  Der  französische  Accent.  Eine  phone- 
tische Untersuchung.  Sonderabdruck  aus  dem  Archiv  für  das 
Studium  der  ueueren  Sprachen  und  Litteraturen.  Leipzig,  1890. 
0.  R.  Reisland.     68  S.   8°    2  Mk. 

Studien,  phonetische.  Zeitschrift  fiir  wissenschaftliche  und  praktische 
Phonetik  mit  besonderer  Rücksicht  auf  die  phonetische  Reform  des 
Sprachunterrichts.  Unter  Mitwirkung  von  Ch.  Altena,  F.  Araujo, 
0.  Badke  etc.  herausgegeben  von  Wilh.  Vietor.  4.  Bd.  1.  u.  2.  Heft, 
gr.  8°.     Marburg  i.  H.,  Elwert's  Verl. 

Techmer,  F.  Zur  Geschichte  der  französ.  und  engl.  Phonetik  und  Phono- 
grahie.    1.  Teil.    Mit  4  Tafeln.    Ulm,  Heinrich  Kerler.     6  Mk. 

Thomson,  E.  Über  die  Bedeutungsentwicklung  des  Französischen.  Dias. 
Kiel.     66  S.     8°. 

Wagner,  Rud.  Stellung  des  attributiven  Adjektivs  in  attfranzösischen 
Prosatexten  vom  Anfang  des  XIII.  bis  Anfang  des  XV.  Jahrhunderts, 
gr.  8°.    (III,  119  S.)    Diss.  Greifswald.    (Leipzig,  Fock.)    2,20  Mk. 

Wawra,  F.  Die  Scheideformen  oder  Doubletten  im  Französischen, 
gr.  8°.    (21  S.)    Wiener-Neustadt.    (Leipzig,  Fock.)    1  Mk. 

Zanardeüi.  L'ltrusque,  Vorabrien  et  l'osque  dans  quelques-uns  de  leurs 
rapports  intimes  avec  l'italien.  38  p.  In-8°.  (In:  Bulletin  de  la 
sociöte"  d'anthropologie  de  Bruxelles.    T.  VIII.) 


Bänder  et,  Paul.  Räsurne*  de  grammaire  francaise  [avec  exercices], 
a  l'usage  des  e*coles  secondaireB  snperieures  et  progymnases.  gr.  8°. 
(IV,  116  S.)     Bern,  Schmid,  Francke  &  Co.     kart.  1,80  Mk. 

Bauer,  Joh.  u.  Link,  Th.  Französische  Konversationsübungen  für  den 
Schul-  und  Privatgebrauch.  2.  T.  8°.  (V,  148  S.)  München,  Olden- 
bourg.     1,50  Mk. 

Bechtel,  Adf.  Französisches  Sprech-  und  Lesebuch.  Für  die  ersten 
zwei  Jahrgänge.  3.  Aufl.  [Unveränd*.  Abdr.  der  2.  verb.  Aufl.] 
gr.  8°.    (XII,  148  8.)    Wien,  Manz.    geb.  1,90  Mk. 

—  dasselbe.    Mittelstufe.    Für  die   III.   u.   IV.  Klasse,    gr.   8°.    (XVI, 

218  S.)     Ebd.  geb.  2,40  Mk. 
Bierbaum,  Jul.    Sieben  Aussprache -Tafeln   zum  Lehrbuch  der  französi- 
schen Sprache   nach  der  analytisch -direkten  Methode.    2.  Auflage. 
Imp.-Fol.     Leipzig,  Rossberg.     3  Mk. 

—  Lehrbuch   der  französischen   Sprache   nach  der  analytisch -direkten 

Methode    für   höhere   Schulen.     1.  T.     Mit   einem    Liederanhang. 

2.,  verb.  Auflage,  gr.  8°.   (VI,    114  und   16  S.)     Leipzig,  Rossberg. 

geb.  1,50  Mk. 
Breymann,  Herrn,  u.  Maller,  Herrn.    DD.,  Französisches  Elementarbuch. 

3.,  verb.   u.  bedeutend  gekürzte  Aufl.  des  Elementar-Übungsbuches 

und  der  Elementar-Grammatik.     Ausg.  B.  gr.  8°.    (VI,  114  S.  mit 

2  Tafeln.)     München,  Oldenbourg.     1,80  Mk. 
Ciala,  Otto.    Französische  Schulgrammatik  mit  Übungsstücken.     Obere 

Stufe.     8.  Aufl.,  von  H.  Bihler.     gr.  8°.    (VI,    177   S.)     Leipzig, 

Teubner.     1,60  Mk. 
Connor,  James.    Französisch -deutsch -englisches  Konversationsbüchlein 

zum  Gebrauch  in  Schulen   und   auf  Reisen.     10.,  verb.  Aufl.   12°. 

(VIII,  277  S.)    Heidelberg,  C.  Winter,    geb.  2,80  Mk. 
Deter,  Chr.  Joh.    Französische  Syntax  für  Sekunda.    4.,  verb.  u.  verm. 

Auflage,    gr.  8°.    (IV,  175  S.)    Berlin,  W.  Weber.    2,40  Mk. 


\i>l'itrlti')iri-r;,!ifl)H.is. 


bwic.himk'i.    H'itfi.     Di«  Lehre    vom   französischen  Verb.   gr.  8".     (15  8, 

m.  2'Taf.)  Prag,  Dominiciia.  0,80  Mk. 
ÄVAö  der  französischen  CmgangK-prache  von  Prof.  B.  Foulchfi-Del- 
boto.  3.  Aufl.  2  Tle.  8°.  Ebd.  1891.  kart.  3,30  Mk.  -  Inhalt: 
1.  A««  der  Kiiiderwelt.  Mit  einer  vofUtitndigen  deutschen  Über- 
setzung von  Chr.  Wilh.  Dnmour.  (99  S.)  1,20  Mk.  -  2.  Owworie« 
EArisiennes.  Mit  einem  vollst.  Spezialwörterbuch  von  Christ.  Wilh. 
am ■.      (191  S.)     3   Mk. 

EUtmiiliirlmch   der  fraiiy.i'isimjln/ii  Sprai.-hu.     I.  U.   3,  Tl.  gr.  8°.     Stuttgart, 

Metzler'a  Verl.  2,40  Mk.  —  1.  für  da«  l.  Sehiilj.  [Alter  von  3—9 
Jahren.]  3.,  verbesserte  Aufl.  (IV,  74  S.)  0,80  Mk.  —  ;i.  Kür  d.i 
8.  Schuft.  [Alter  von   10— 11  Jahren.]   3.  Aufl.   (III,   IU&)    l  ,t'.n  Ml\ 

fi/cÄ:  von  If'ittiitg/iavsen ,  E.  Friinzüsische  Si-hulsrantiuatik.  5.  Aufl. 
gr.  8".    (VIII,  266  8.)    Wien,  Holder.     2,13  Mk. 

Ilnhn,  Gust.  Das  französische  Zeitwort  in  tabellarischer  Übersicht. 
4°.  (IV,  77  S.)     Leipzig,  Teubner.     kart.   1,20  Mk. 

l/uss,  B.  Leitfaden  zur  Erlernung  der  französischen  Sprache,  bearh. 
nach  dem  Prinzip  der  Anschauung.  6.  Aufl.  gr.  8".  (VI,  29"  B.) 
Strasabnrg  im  Elsas« ,  Strasaburgur  Druckerei  &  Verlagsanstalt, 
kart.   1,50  Mk. 

Jobtm  (J.)  Recueil  de  compositionft-  francaises  sur  des  sujets  tires  de 
rhistoire  moderne  (deux  cent  cinquante  texten  suivis  de  quatre- 
vingt-dix  de"ve!oppements.     In-B°.     333  p.     Paris,  Foucart. 

h'ilhn,  K.  Kleine  framii-isdie  Sdiulgrauiniutik  für  die  unteren  und 
mittleren  Klassen  der  höhereu  Schulen,  gr.  8».  (VIII,  1 U  S.)  Ebd. 
geb.   1,30  Mk. 

Larousse  (P.)  Cours  lexicologique  de  style.  Livre  du  maitre.  Io-lJ*, 
(XIII,  380  ]<■)     Paris,  H  ollier- Larousse  et  C1'.     3  fr. 

Le  Gfiffic  (i.)  et  E.  Thieufiu.  Nouveau  Traitö  de  versification  francaise, 
ä  l'usago  des  claases  de  l'enseignement  classique  etlel'enseiguemeut 
special  des  lyee"es  et  de  colegea.    In-13°,   162  p.    Paria,  G.  Masson. 

Lehmann,  J.  u.  Lehmann,  Ernst.  Lehr-  und  Lesebuch  der  französischen 
Sprache  nach  der  Anschuuungsraethode  und  mich  einem  ga.ni 
neuen  Plane  in  cedit;  Stufen  bearbeitet.  1.  Stufe.  3  Tle.  15.  Aufl. 
gr.  8°.  (XVI,  203  S.  m.  Abbildgn.)  Mannheim,  1891.  Rensheimer'! 
Verlag. 

Meurer,  Karl.  Kurzgefasste  französische  Wiederholung« -Grammatik. 
Nebst  einer  Synonymik,  einer  Verslehre,  einem  Abriss  der  französ. 
Literaturgeschichte  und  m.  Anmerkungen  v.Trielicn.'ii  Musterstücken 
zum  Übersetaen  aua  dem  Deutschen  und  dem  Französischen, 
besonderer  Berücksichtigung  der  schriftlichen  und  mündlichen 
Prüfungen.  Für  die  oberen  Klassen  der  Gymnasien,  Realgymnasien, 
Oberren  1s eh n Ich,  Militilrsdiuleu  und  Lehrerinnen-  Bil du ngsan stalten, 
12«.    (IV,  107  S.)    Leipzig,  H.  Bredt.    kart.  I  Mk. 

Moser,  L.  Franaöaische  Synonima.  Progr.  Herford,  1890.  28  S.  R°. 
(Fock,  Leipzig.) 

Musen,  K.  Das  französische  Verbum.  3.  Aufl..  Wien,  1891.  Loohner, 
(VI,  27  S.) 

Ptattiier,  Ph.  Französische  Stilsehule.  Ausgewählte  Abschnitte  aui 
Schillert  Gesell iclite  des  iIivism^jj  lirigen  Krieges ,  mit  ausführlichen 
Bemerkungen  iür  die  Übertragungen  in  das  Französische  und  einer 
vergleichenden  Zusammenstellung  verschiedener  Übersetzungen  be- 
arbeitet. 12«.  (IV,  313  S.)  Karlsruhe,  1891.  J.  Bielefeld'»  Verlag, 
geb.  2  Mk. 

Statt- Kares.    Kurzer  Lehrgang  der  französischen  Sprache.    Sprachlehre, 


Sorit,Uinr<r:<:ii-ltiti.<:. 


i  Mk. 

—  dasselbe.    Übungsbuch.    Verlaset  von  Gust.  Pias  tu.      1.  Heft.     [Ab- 

schluBB  der  Formenlehre.]   2.  Aofl,  gr.  8«,   (V1U,   108  S.)   Ebd.  1  Mit. 

Ital:.   Kart.     KurKgefassti-  Hvst>'ijiiifij<-he   iJriLiiimutik   der  französischen 

Sprache,  4.,  verb.  Aufi,  gr.  8°.  (VIII.  184  S.)  Berlin,  Herbig.   1,1(0  Mk. 

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Sprache.     1.  Tl.:  Absprache    und   Wortlehre.    4.,   verb.  und  durch 
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(VI,  7S  S.)    Ansbach,  1891.     Eicbiager.    gab.  1,90  Mk. 


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unterricht.    Progr.     Grau,     M  S.    8°. 

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Antrittsrede,  gr.  8»   (18  S.)  Zürich,  Orell,  Füssli  &  Co.,  Verl.   i,r,n  MW. 
Tob/er,    A.      Die    romauiHc.hc!    Philologie     an    deutschon    Universitäten. 

Rede  bei   Übernahme  des  Rektoriita  gehalten   in  der  Aula  der  Kgl. 

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Bermann  &  Altmann.     0,35  Mk. 

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und  der  Physiolngiu  der  Sprache  dargestellt.  2.,  verbesserte  Auf- 
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Gttex.  i.  Des  recherehes  plioiieliipu.'s  et  de  leur  appliciition  ix  l'enseig- 
nument  des  langues  Vivantes.     Programm.     Zürich.     48  S.     8°. 

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Vortrag  in   1   Heft  0,80  Mk. 

Scharfer,  Carl.  Der  formale  Bildungswert  des  Französischen.  Vortrag, 
geh.  auf  der  40.  Philologen-Versammlung  zu  Görlitz.  [Aus:  „Ver- 
handlungen der  40.  Versammlung  deutscher  Philologen  und  Schul- 
männer zu  Görlitz".]  gr.  4°.    (12  S.)    Braunschweig,  Salle.    0.80  Mk. 

Stick/er,  Ernst  0.  Zur  Methodik  des  neusprachlichen  Unterrichts.  Zu- 
gleich  eine   Einführung    in    das   Studium    unserer   Reformsehriften. 

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IV,  13  p:  et  portrait  d'Alfred  de  Musset. 


Sewüttenterztkkmis.  329 

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litteraire  et  morale.     ln-8*.     27  p.     Pari«.   Cro rille.   Morand.     [Ex- 

trait  de  Tlnstraction  publiqae.] 
Dejob  (C).     Madame  de  Sta£l  et  Htalie.  avec  ane  bibliographie  de  Fin- 

fluence  francaüe  en  Italie  de  179$  a  1814.   In  18-Je>us.  271  p.  Pari». 

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berg in  Pr.     1*90. 
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40  S.    8°.    i  Leipzig.  Fock.i 
J.  de  Goeje.    La  legende  de   ?aint  Brandan.    Leiden.  BrilL    36  S.     8°. 

fS.-A.  an«  den  Acte*  da  8*  Congre«  des  Orientalistes.) 
Golther,  W.  Chrestiens  conte  del  graal  in  «einem  Verhältnis  znm  waischen 

Peredur    nr.d    zim    englischen    Sir  PerceraL    [Aas    den    Sitzungs- 
berichten de?  philo*. -phiL  and  hi§t.  Cla*se  der  k.  barer.  Akad.  der 

Wisi.  1890.    Bd.  II.  Heft  II.  S.  174—217.] 
du  Gimcourl.     Le*   actrke«    da  XVIII*   siecle.      Mademoiselle  Clairon, 

d'apre*  *e«   corre*pond*nce*   et   le«  rapports   de  j»olice   dn   temps. 

Pari*.  Charpeatier  et  <>.    VIII.  142  p.    18°.    3.50  Frs. 
Grouchy  (de).  Document«  iseVlits  sur  Blaise  Pa*caL  sums  de  son  testa- 

ment  et   de   »on    uillet  d'enterrement.  pabli£s   par  le   ricomte  de 

Grouchy.     In-8*.     17  p.     Pari«,  impr.  Daapeley-Gonrerneur. 
Guy  (H.).    Les  Source*  dn   poete  Clement  Marot.     31  p.     In-8°.     Foix, 

Gedrat  aine\ 
Haupt,   0.     Luther  und  Rabelai*  in  ihren  pädagogischen  Beziehungen. 

Di**-     Leipzig.     47  S.    8°.     (Leipzig.  G.  Fock.) 
Hertz,   IV.     Aristoteles    in    den    Alexanderdichtungen    des  Mittelalter». 

M'leehen  1890.     103  S.  4°.    f  Auszog  aas  den  Sitzungsberichten  der 

kgL  bayer.  Akademie  der  Wissenschaften  XIX.) 
JaCßbs,  C.    Zur  Kritik  und  Sprache  de«  auf  der  Stadtbibliothek  zu  Bor- 
deaux befindlichen  Fragment*  des  Roman  de  Troie  ron  Benolt  de 

St.-More  *M*c.  No.  «74 1.     Pr.  Hamburg.     18  S.     4°. 
Klmeksieck,  Fr.    Zar  Entwicklungsgeschichte  de*  Realismus  im  franx^- 

si sehen    Roman    de«    XIX.   Jahrhundert*.      Ein    lirterarhistorischer 

Versuch.    ^   *°-    ,v-  **  §•>    Marbur*  i.  H.  1891.  Elwert's  Verlag. 

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Le  Breton,  Andre.     Le  Roman  au   dix-septieme  siecle.     In- 12°.     Paris. 

Hachette.     3.5*  Fr*. 
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5cci<£te"»    sarante«.    le    9.    arril    1890.     In->t.     47    pages.     Paris. 

impr.  Quantin. 
Lerer  tin,  0.    Stadien  zur  Geschichte  der  Farce  und  Farceurs  in  Frank- 


330  Novitdtenverzeichnis. 

reich  seit  der  Renaissance   bis  auf  Meliere,     Mit  Genehmigung  de* 

Autor«  aun  dem    Schwedischen    ius    Deutsche  übertrügen   v.  Jom 

Frank.     Greifswald,   1890,     J.  Abel.     172  S. 
Laubier,  J.     Das  Ideul  der  niiiriiili.lun  Si  liöiilicit    bei  den  ult  französischen 

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20  S.    «o.    (Leipzig,  Fock.) 
Mix.G.   Zur  Geschichte  der  GWrtriiy.'idien.   Progr.  Fried eberg.  16  S.  8°. 
Otto,   R.   Jean  de  Mairet.    Silvanire.    Mit  Einleitung  und  Anmerkungen 

herausgegeben.    Bamberg,  C.  C,  Bii<;hner'sehe  Verlagsbuchhandlung. 

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Ungemach,  IL      Die    Quellen    des    ersten    Chester    Play.      Leipzig,   1890, 

VIII-S9  S.    8". 
VortUsch,  C,     Der  Reinhardt  Fuchs  Heinrichs  des  Gliehezare   und  der 

Roman  de  Renart.     1.    DiflB.     Halle  a.  S.,    1880.     [Die  vollständige 

Abhandlung  wird    im  XV.  Bande  von  Grober1*  Zschr.    f.  d.  Ph.  er- 
scheinen.] 
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tt'aivruch.    Etüde  sur  le  theätre  de  Racine  (Fin).    Progr.    Mähr, -Ost ran. 

1890.    42  S.    8°.    (Leipzig,  Fock.) 
Weher,  E.     Les    Manifeste,*    littt'ruirw    de   Victor  Hugo.     (Sonderabi 

aus  der  FeatBohrift  zur  Feier  des  SOOj&hr.   Bestehens   de»  königlii 

französischen  Gymnasiums.)     Berlin,    1890. 
Weazel,    R.      Die  Fassungen    der  Sage    von  Florence    de  Rome.      Mar- 

burger  Dissertation.     6!  S.     8°. 
Weylie,   E.    BoilriLii's  S.itir.u   m   freier   Nachbildung.    Mit  einer 

von  Julius  Wolff  als  Vorwort.     Leipzig,   1890.     VIII,  92  S 
Worp,    J.-J.      Lettres    du    Seigneur    de    Zuylichem    a   Pierre    Corneille, 

Paris  u.  Groningen.     1890.     35  S.     8*. 


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brucker  Handschrift  vom  J.  1342  und  vier  Müncheuer  Handschriften 
hrsg.  v.  Wilh.  Dick.     (XXIV,   -27:t  S.) 

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hrsg.  v.  Herrn.  Suchier.  V.  gr.  8°.  Halle  a.  S.,  Niemever.  ß  Mk. 
(I— 111,  u.  V.:  24,50  Mk.)  —  Inhalt:  La  clef  d'aroors,  teite  critique 
avec  introdiictinn,  imiieudice  et  glo?*am-  par  Aug.  D  outrepocit, 
(XLVI1I.    109  S.) 


Novitätetwerzeiekuv.  331 

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II-X1II-520  p.  t°.  [Inventaires  dee  archives  de  la  Belgique,  publica 
par  ordre  du  gou  verneinen  t.] 

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kurzen  Abriss  der  französischen  Metrik,  2)  eine  Lebensxkizte  der 
Dichter  La  Fontaine  und  Bäranger,  3)  eine  freie  metrische 
Übertragung  der  Gedichte  des  III.  Abschnitts,  4)  eine  Ansicht  von 
Paria,  nebst  Plan  der  Stadt  und  Umgebung,  5)  eine  Kurte  von 
Frankreich,  gr.  8°.  (XI,  362  S.)  Leipzig,  Reisiund.  2,40  Mk., 
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Frdr.  Perle.  (VI,  108  S.)  —  VII.  MSmoires  et  souveairs  du  Comte 
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Prof.  Dr.  Jos.  Vict.  Sarrazin.  (XIII,  114  S.> 
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vaudeville  en   2  acte»  par  Scribe  et  Delavigne.     5.  öd.    (6fl  p.) 

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gouve*.     10.  öd.  (136  p.)  —  32.  La  berline  de  l'ömigrö. 


Drame  en 


Novitätenverzeichnis.  335 

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kart.  0,80  Mk. 
Wingeruth,  Hub.  ff.    Cboix  de  lectures  francaises  ä  l'usage  des  äeoles 

secondaires.    2.  partie:  Classes  moyennes.  4.  6d.  revue  et  corrigöe. 

gr.  8°.     (XII,  399  p.)     Köln,  Du  Mont-Schauberg.     3  Mk. 

—  Petit  vocabulaire  francais  d'apres  la  me'thode  intuitive.    3.  äd.,  revue 

et  corneae.     8°.     (IV,   47  p.)     Ebd.    kart.  0,50  Mk. 

—  Cboix  de  lectures  francaises  a  l'usage  des  £coles  secondaires.  1.  partie: 

Classes  infärieures.  Acconipagne'e  d'un  vocabulaire.  6.  e*d.,  revue 
et  augmentge.  gr.  8°.  (XIII,  253  p.)  Köln,  Du  Mont-Schauberg. 
2  Mk.  ===== 

Blade  (J.  F.)    Deux   contes   populaires    de   la  Gascogne.     (12  p.)    8°. 

Agen,  V.  Lamy. 
Chenu  (F.)    Au    pays    de  Tarentaise.     Contes    et    Chroniques.     319   p. 

In- 18°.     Moutiers,  imp.  Garnet.     3  fr. 
Leroux  (D.)    Histoires  et  Legendes  poitevines.    108  p.    In-8°.    Poitiers. 
Loubens,  J).    Les  Proverbes  et  Locutions  de  la  langue  francaise,  leurs 

origines  et  leur  concordance   avec  les  proverbes  et  locutions  des 

autres  nations.     (XVII- 304  p.)     In-8°.     Paris,  Delagrave. 
Meyrac,  A.     Traditions,   Contumes  Legendes   et  Contes   des  Ardennes, 

comparäs   avec   les   traditions,   legendes  et  contes  de  divers  pays. 

PreTace  par  M.  P.  Se'billot.    Frontispice  par  Alphonse  Colle.    Gr. 

in -8°.     X,  594  p.     Paris,  Lechevalice.     10  Frs. 
Rolland  (E).    Recueil    de    chansons   populaires.    T.  6.     In -8°.     87   p. 

Paris,  librairie  des  Variätäs  bibliographiques. 


Blanc-la-Goutte.    Grenöblo  herou,  e'pitre  en  vers  patois  sur  les  rejouis- 

sances  pour  la  naissancc  de  Monseigneur  le  dauphin  (1729).    Notes 

et  recherches  sur  Tage  et  les  ceuvrea  de  l'auteur  par  A.  Ravanat. 

48  p.     In-8°.     Grenoble,  Allier. 
Clausel  (B.  de).    Tus!  pouesia  lengadouciana;  par  B.  de  Cl.,  fölibre  de 

l'oulieu.     7  p.    In-8°.    Montpellier,  Hanielin  freres. 
Conscrits  (les)  de  89,  chanson   nouvelle  en  patois   de  Lille;   par  J.  D. 

In-4°  ä  2  col.,  1  p.  Lille,  impr.  Hilmot-Courtecuisse. 
Curat  (lou)  de  Minerbo,  noubelo  lengodouciano.     32  p.    8°.    Narbonne, 

impr.  Caillard.     1  Fr. 
Eloge  du  patois;  par  un  poete  toulousain  du  XVIII9  siecle  (Pere  Napian, 

1781).     12  p.     In-8°.     Foix,  Gadrat  aiue\ 
Faust  (premier  acte).   Traduction  languedocienne  par  M.  L.  6.  S.    In-8°, 

8  pages.     Narbonne. 
Galy,  Paul.    Poäsies  francaises  et  en  patois  pdrigourdin  de  L£once  Sau- 

veroche.    P6rigueux,  imprimerie  Bonnet,  1890,  51  p.    In-8°. 
Leleuy  (J.  B.).    Les  Bons  Manage 8,  chanson  en  patois.     In-fol.  a  2  col., 

1  page.    Lille,  imp.  Willich-Petit. 
ff.  AI.    Lou  VI9  Centenari  de  la  foundation  de  1' Universität  de  Mount- 

Pelie".    4  p.    In-8°.    Montpellier,  impr.  Grollier  pere. 


336  mzelk. 

Mistral,  F.     La  Reine  Jeanne,  tragt"  die  proven$ale 'en  cinq  nctes  et  en 

vera,  avcc  la  truduction  frangaise.    Petit  in-8°,  XXII-319  p.    Paris, 

Lemerre,  6  Fr. 
Pfrott.     Oeuvres  choisies  de  Piron.      Avec   une  analvae   de  son  theätre 

et  de«  notea,   präce'de'es  d'nne  ootioe  par  M.  Sainte-Beuve.      ln-18°- 

jeRUg,  688  p.     Paris,  Garnier  freies. 
Religion  (la),  du  puvsun,  en  patoifl  de  Belley.    In-S",   1  p.    Belley.    Sausei. 
Saiwcroche  (L.).     Po^sies  francaises  et  en  patois  pörigourdin.     Extrait, 

avec  prdface  par  M.  Paul  Galy.    In-8°,  49  p.     Pexigiieux. 

Angereau,  A.     Andrö  Che"nier,  Episode  dramatique  en   im  acte,  en  vera. 

In- 18°- Jesus,  39  pages.    Bloiu. 
Breton»  (lex)  4,  Jeanne  d'Arc  (poemes).     In-16°,  SO  p.    Renne»,  Cailliere. 
Bermond  (A.  J).     Lee  Provencales,  poesies.     198  S.,  8°.     Cannes. 
Fabre  (J.J.   Jeanne  d'Arc,  drame  hiatorique  en  cinq  actes,  avec  prologue. 

In-18°-jäsu8,  300  p.     Paria,  Dentu.     2  Fr. 
Hevrtipes,  Arthur  de  Bretagne,  drame  historique  en  5  actea  et  T  tableaui, 

infile"   de  chanta.      Lille-Bruges.      Social   Saint- Auguatin,    Descl^e, 

De  Brouwer  et  0*.     1*5  p.,  16°. 


Miszelle. 

Alllance  Scientifique  Universelle. 

Die  Ober  alle  Erdteile  verbreitete  AUiance  Scientifique  Vnh-erteUe 
bat  vor  kurzem  die. Abstimmung  behufs  Neuwahl  des  Prä  aide  nteii  und 
Vice-PriUidenten  eröffnet,  welche  wahrend  der  nächsten  fünf  Jahre  die 
Leitung  der  Geschäfte  zu  übernehmen  haben. 

Die  unter  obigem  Namen  bestehende  Gesellschaft  besitzt  an  mehr 
als  400  Orten  Delegationen,  gewiss  ermassen  wissenschaftliche-  Konsulate, 
und  bezweckt,  reisenden  Gelehrten,  Litteraten  oder  Künstlern  bei  ihrer 
Ankunft  in  irgendwelcher  Stadt  alle  etwa  nötigen  Aufschlüsse  zu  ver- 
schaffen, sowie  den  Verkehr  derselben  mit  den  hervorragendsten  Rerufs- 
genossen  des  Ortes  sofort  anzubahnen.  Im  Falle  der  Erkrankung  im 
Ausland  werden  die  Mitglieder  des  Bundes  unentgeltlich  von  eigenen 
Ärzten  behandelt. 

Für  die  Stelle  des  Präsidenten  sind  von  dem  Centralcomitl  u.  a. 
folgende  Herren  vorgeschlagen :  der  aeitherigo  Präsident  Leon  de  itosnv, 
welcher  diese  Stelle  nach  dem  Senator  Cnrnot  und  dem  Gesandten  a.  f>. 
de  Bärtiges  bekleidete;  Baron  AI.  Kraus  in  Florenz,  General- De  legierter 
für  Italien;  Aug.  Leaonef,  Generalkommissar  für  Rumlinien  und  Wlestin 
Lagache,  vorm.  Senator.  Für  die  Stelle  des  Vice -Präsidenten :  der  durch 
seine  ker  vorragen  den  Leistungen  im  Völkerrecht  vorteilhaft  bekannte 
Chevalier  de  Saint-Georges  d' Armstrong  und  G.  ElotFe,  Offizier  der  Aka- 
demie und  Vorsitzender  der  Sodete"  oee'anienne  de  France. 

Auskunft  erteilt  Ph.  Plattner,  Dirigent  d.  Realsch.  zu  Waascln- 
heim  i.  Eis.  (interimistischer  General  de  legierter  für  das  Deutsche  Reich). 


STANFORD  UNIVERSITY  LIBRARIES 

STANFORD,  CALIFORNIA 

94105