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■
I
42l>o4-
Zeitschrift
für
französische Sprache und Iitteratar
unter besonderer Mitwirkung ihrer Begründer
Dr. G. Karting und Dr. E. Koschwitz
Pro f essor a. cL Akademie in M Untier L W. Profestor a. d. Universität m Greifswald
herausgegeben
von
Dr. D. Behrens ™<* Dr. H. Koerting
a. o. Professor a. d. Universität in Jena. Professor a. d. Universität in Leiptag.
Band XII.
Oppeln nnd Leipzig.
Engen Franck's Buchhandlung
(Georg Maske).
1890.
Zeitschrift
für
französische Sprache und Litteratur
unter besonderer Mitwirkung ihrer Begründer
Dr. G. Koerting »nd Dr. E. Koschwitz
t'rufrm^r ». A. Akadf-mir zu MüiMpr i. W. Pr«»f**h-or a. d. I*niv*-n«itfet zu Greiftwald
herausgegeben
von
■>r. I>. Behrens, »u.i Dr. H. Koerting,
•». o. l'ir.frsMtr u. d. Universität /.» J«?na. Pr«»frssi>r h. d. ruiv*i>it&t iu Leipzig.
Band XII.
Erste Hälfte: Abhandlungen etc.
Oppeln und Leipzig.
K ii frei) Fraiick's BuolihaiHllun^
(Georg Maske).
Phonetik und Grammatik.
• -.• _•-»
I.
INicht ohne Staunen las ich an verschiedenen Orten die
Forderung, der Schulunterricht des Französischen solle, absehend
von der gewöhnlichen Orthographie, der Literatursprache und
der traditionellen Grammatik, wenigstens anfangs nur die ge-
sprochene Sprache (Redesprache) berücksichtigen.
Gegen die Forderung selbst will ich mich hier nicht wenden;
nur gegen die Ansicht, als sei ein derartiger Unterricht zur Zeit
überhaupt möglich.
Wenn jemand die Redesprache unterrichten soll, so scheint
mir eine nicht unwesentliche Vorbedingung, dass er sich darüber
klar ißt, was er unter ihr zu verstehen hat, und zweitens, dass
ihm diese Redesprache und ihre Gesetze wohlbekannt sind.
Was sollen wir aber unter dieser, dem Unterrichte zu Grunde
zu legenden Redesprache verstehen? Die Antwort scheint ein-
fach genug: die Sprache des gebildeten Parisers. Sprechen die
gebildeten Pariser aber alle gleich? Leider nein. Denn neben
den Parisern aus Paris sind nicht minder zahlreich die Pariser,
die nicht aus Paris sind und die ihre heimatlichen Sprachgewohn-
heiten keineswegs abgelegt haben. Nicht einmal die eingeborenen
gebildeten Pariser sprechen gleich; auch bei ihnen hat jedes
Individuum seine Besonderheiten. Und noch mehr; selbst dieselbe
Persönlichkeit spricht anders im vertrauten Umgange, anders in
öffentlichem Vortrage, anders im ruhigen Reden* u 88, anders im
Affekt, anders in der Jugend, anders im Mannes- und im Greisenalter.
Den Franzosen selbst hat es immer schon Schwierigkeiten
gemacht, zu bestimmen, welche Sprache als die gute zu be-
trachten sei. Vom Mittelalter, dem jede Sprechweise gut war
und das nur Dialekte kannte, können wir absehen. Auch als
Züchr. f. frz. Spr. u. Litt. XII'. ,
iflH
3 E. Koschwitz,
die Mundart von Isle de France das Übergewicht erhalten hatte,
hat niemals eine anerkannte, einheitliche Sprache (speziell Aus-
sprache) bestanden. Sobald Grammatiker auftreten, entsteht der
Streit, was man als bon vsage anzuerkennen habe. Im XVI. Jahr-
hundert wurde sogar Paris als ausschliesslicher Sitz der mass-
gebenden Sprache angezweifelt; im XVII. Jahrhundert galten den
Grammatikern der Hof und die höhere Beamtenwelt als sprach-
liche Autoritäten; im XVIII. Jahrhundert trat die Pariser gute
Gesellschaft an ihre Stelle. Aber, sagt Thurot1), que faut-il en-
tendre par la bonne compagnteT Ce mot avait ttn sens prteis du
temps du premier Empire et mSme de la Rextauration. La Re-
volution du 1830 a divini profonde'ment la bonne compagnie, et,
depuis 1848, la bonne compagnie a ete noyee dang le flof croixsant
de la population porkienne. Aujourd'kui lex konnetes gens de la
capitale, . . . nont telhntent nombreux et partages en groupes si
wolix entre eux, quil ne petd pax ne former un. tiaage commun
qvi serve de type.
Hier hören wir also aus dem Hunde eines Parisers selbst,
der zu den Gebildetsten seines Volkes gehörte, dass ein usage
commun in Paris gar nicht vorhanden ist. Der Phonetiker, dem
es nur darauf ankommt, die verschiedenen Aussprache weisen, und
mögen sie auch noch so zahlreich und abweichend von einander
sein, festzustellen, kommt dadurch nicht in Verlegenheit. Auch
nicht der Vertreter der wissenschaftlichen Grammatik, den diese
Mannigfaltigkeit eher fesselt, als abschreckt, weil sie ihn in die
Werkstatte der Sprachen twickelung unmittelbar hineinfuhrt. Er
hat ebenfalls nur zu sammeln was vorhanden ist und ausserdem
den Bestand auf seine Entstehung hin zu prüfen. Wie soll sich
aber der praktische Grammatiker der angegebenen Sachlage gegen-
überstellen, dem es zum Zwecke des Unterrichts darauf ankommen
muss, feste und bestimmte Kegeln zu geben? Wie soll er sich ins-
besondere inbezug auf Ausspracheangaben verhalten, nach welchen
Gesichtspunkten ans der Vielheit das Beate aussuchen, um es als
musterhaft zu lehren? Darauf, glaube ich, kann nur folgende Aut-
wort gegeben werden. Wo unter den gebildeten Parisern eine all-
gemein Übliche Sprechweise vorhanden ist, muss diese als normale
gelehrt werden; ist eine solche mit Bestimmtheit nicht festzu-
stellen, dann muss dasjenige als das beste gewühlt werden, was
sich als Ergebnis der Sprachentwickelung als das zunächst liegende,
natürlichste ergibt, und was der Unterordnung unter allgemeine
Sprachgesetze und Tendenzen ara wenigsten widerstrebt. Auch
ist zu beachten, wie weit eine Pariser An ssprachs weise auch
') De la Protmnciatio« fran^ise. Pariü, IHBI. 1, S. CHI.
Phonetik und Grammatik. 3
anter der gebildeten Bewohnerschaft anderer französischer Städte
verbreitet ist
Hieraus ergeben sich mit Notwendigkeit einige Folgerungen,
deren Bedeutsamkeit nicht zu unterschätzen sein wird.
1) Dem blossen Phonetiker, und mag er noch so genau und
scharf beobachten und die vorgefundenen Laute beschreiben, steht
niemals der Anspruch zu, dass seine Beobachtungen von dem
Grammatiker ohne weiteres zu Gesetzen erhoben werden; am
wenigsten kann dies geschehen da, wo er selbst in seinen An-
gaben schwankend ist, wo ihm andere, gleich glaubwürdige
Zeugnisse entgegenstehen, oder wo sich eine Gesetzmässigkeit
für seine Einzelbemerkungen nicht ergibt. Noch mehr zur Be-
scheidenheit ist der Nichtfranzose genötigt, der sich nur einige
Zeit in Paris aufgehalten hat, und der, vielleicht noch mit unge-
nauem Gehör oder mangelhafter Artikulationsfähigkeit ausgestattet,
bei seinen Beobachtungen auf bestimmte Kreise eingeschränkt
geblieben ist.
2) Die Kenntnis der historischen Grammatik, besonders die
der neueren Sprachgeschichte sowie die des Sprachlebens Über-
haupt, ist auch dem unentbehrlich, der es unternimmt, nur den
gegenwärtigen Stand der Sprache selbständig zu bearbeiten.
3) Es ist dringend wünschenswert, darüber zur Entscheidung
zu kommen, ob auf unsern Schulen in Wirklichkeit die Umgangs-
sprache oder die des Vortrags (die Buhnensprache) allein, oder
ob beide nebeneinander oder nacheinander gelehrt werden sollen.
Was gegenwärtig gelehrt wird, ist oft ganz undefinierbar; ein auf
Tradition beruhendes Deutschfranzösisch, das nach Provinzen
schwankt. Im allgemeinen scheint allerdings als Gesetz zu gelten,
dass die Aussprache der Bühne und die Grammatik der Schrift-
sprache dem Unterrichte zu Grunde gelegt werden sollen.
Die Grammatik der Umgangssprache zu lehren, ist gegen-
wärtig schon deshalb ausgeschlossen, weil dieselbe zur Zeit noch
ungeschrieben ist. Wer ihre Einführung erheischt, sollte die
Wissenschaft vorerst mit ihr bereichern. Oder soll den Lehrern
an unseren höheren Unterrichtsanstalten zugemutet werden, dass
jeder sie sich für seinen Gebrauch anfertige? Wie soll er dies
aber vermögen, wenn er nicht andauernde Gelegenheit hat, sie
kennen zu lernen? Aus Texten allein ist sie nicht zu lernen;
nur mit grösster Vorsicht ihre Syntax, weil bei Niederschrift des
gesprochenen Wortes sich die Schriftsprache einzudrängen pflegt;
nimmermehr ihre Laut- und Formenlehre. Dafür würde es zahl-
reicher vortrefflicher phonetischer Transskriptionen bedürfen; aber
auch in ihrer vollendetsten Gestalt könnten diese das gesprochene
Wort nicht ersetzen. Die brauchbaren Phonographen, von denen
(i. Paris die Erkenntnis du schwierigsten Probleme der neufran-
BtMsoben Aussprache erhofft, sollet h Immer erfunden werden.
Der Wünsch der Phonetiker, ea solle tat unseren Behufes
die frwisBBiBe-trt Reaespmehs gelehrt werden, ist demnach gegen-
wirtig i rfüllbar, oder, wenn er trotzdem ausgesprochen wird,
ein in seinem wirklichem ["nifatigr unverstandener. Hin anderer
WanBcJi mancher Phonetiker geht, wenn ich ele recht verstelle,
um dahin, es sollte die gegenwärtige Schrift spräche gelehrt
werden, wie sie sieh beim Sprechen, rein [antlich uufgefasst, ver-
ii/üi. slad die :inI' der Kulme nnii im ii'dieren Vertrage gesprochene
Sprache, aber ohne UUeksiolit auf ihre schriftliche Darstelliin^r.
Aneh mit der Erfüllung dieser Ponlcniug sind Schwierigkeiten
verknüpft, deren lieseitigung eist bewerkstelligt sein iui
all eine praktische Arisfliliniiig selbst dieses Verlangens gcduchl
werden kann. Wohl hat iikih in neuerer Zeit vielfach versucht,
den I.iiiilsl.'iiid des ges|iroe|icnoii I Inchi'r.'iuziisi^eh . der modernen
Pariser VortragBsprache, wissenschaftlich festzustellen; aber es
Int nirht unschwer, eh erkennen, das» abschliessende Untei-
siielningon noch zu fuhren Bind. Hie einen, die sieh mit nep
FrnnzÖBiiclier Ausspruche Kesrliüftigt haben, besasseu wohl liin-
lünglich phonetische Keniilnisse und fron Übende Schulung, um die
ihnen bekannten französischen Lallte ZU fixieren; aber es fehlte
ihn« an der Möglichkeit, im Ort und stelle Ruereiobendi
Beobachtungen anstellen so können; andere Beobachter der
lerafranäouachen inupnehe besueen swai genttgende Ge-
legenheit, U Ort 1 Stelle lieoba* ditungen anzustellen; ihnen
fohlte aber wiederum ausreichendes phonetisches Wissen, u
Gelernte in genauer, dir Wissenschaft zufriedenstellender Po»
■ 11 zu können. In beiden Füllen fehlton ausserdem nicht
Btlten gründliche bietorieehe SpraehkeaatmsBe, diu zur Erkenntni
der Osetzmassigkoit dos Beobachteten geleitet haften. Von den
wenigen, die ; l. m wissenschaftlichem Rüstzeug hin-
längliche praktische Kenntnis des französischen Sprachgebrauches
beäugen odi i Gelegenheit hatten, sie zu erwerben, sind schwierige
nnil Wichtige Teile itei flun/ösischcil Ausspruche unangehallt ge-
blieben. So die GeaetEe ihr Vorstummuiig resp. Aussprache de«
tonlosen ■-. die tluantitütsgeset/.e, ili.' Aeceutgesetzo, die für die
verschiedenen Grade der Tonhöhe geltenden Sprachrcgeln,
Vorgänge des combinatoi iscliou Lautwandels.1)
Ein fluchtiger Versuch, die Regeln der Formenlehre fesi
zustellen, wie sie sich für die gesprochene Sprache gestalten,
') lltzr l,e»or wird hiermit entnehmen, diiss ich auch durch meiie
[lltl'tfti'lliin- : UriiiiiiimliK ••■ r ■•■uji ,<,::<
, ielben für keineswegs abgeselilowen h
Phonetik und Grammatik. 5
wenn man von dem Schriftbilde gänzlich absieht, ist von mir1)
vor einiger Zeit veröffentlicht worden. Vorher hatten Lütgenau2)
und Kr. Nyrop3) untersucht, wie sich die Femininbildung der
Adjektiva vom rein lautlichen Gesichtspunkte ausnimmt. Bei
allen drei Versuchen ergab sich, dass eine rein phonetische
Darstellung der französischen Formenlehre für den Unterricht
eine Erschwerung herbeiführen würde, da neben den Verein-
fachungen, die durch die phonetische Darstellung entstehen, sich
weit zahlreichere Verwickelungen einstellen, und es leichter ist,
aus dem Schriftbilde zu einem richtigen Lautbilde zu gelangen
und die Gesetze der Lautsprache zu erfassen als umgekehrt.
Das Verhältnis der Schrift zum Laut ist im Französischen zu
beständig, um es, wie vielleicht für das Englische, praktisch
erscheinen zu lassen, von einer Lautschrift und rein lautlichen
Gesetzen zur gewöhnlichen Schrift und ihrer Grammatik tiberzu-
gehen. Schon das Vokabellernen würde bei rein phonetischer
Darstellung mit einer Erschwerung verknüpft sein: es mtisste bei
jedem zu lernenden, männlich ausgehenden Subst. und Adj.,
dessen auslautender Kons, verstummt ist, aber bei Bindung lautet,
auch die Bindeform dazu gelernt werden. Auch bei den Flexions-
resten wären stets zwei Formen zu merken, die ausserhalb der
Bindung und die im Falle der Bindung gebräuchliche. Schon dadurch
würde wieder aufgehoben, was sich durch Nichtberücksichtigung
der Schrift vereinfachen würde. Dazu kommen allerlei einzelne Er-
schwerungen, von denen hier einige Proben gegeben werden sollen.
Für die Substantiva auf al lautet in der gewöhnlichen
Grammatik die Regel, dass ihr Plural auf aux ausgehe, und dass
nur einige wenige, in späterer Zeit in die Sprache eingetretene,
leicht zu lernende Lehnworte davon eine Ausnahme bilden, die
der allgemeinen Regel folgen und im PI. flexi visches .v ansetzen.
(Bei pal ist der alte PI. paux wahrscheinlich zur Differenzierung
von peaux ausser Gebrauch gekommen.) In der Lautgrammatik
gestaltet sich die Regel etwa folgendermassen: „Die männlichen
Substantiva auf al bilden ihren Plural auf o (bei Bindung o-z);
1) Neu französische Formen/ehre. Nach ihrem Lautstande.
Oppeltif 1888. Das Büchlein ist von seinen deutschen Rezensenten meint
unverstanden geblieben und aus augenfälliger Unwissenheit ein paarmal
auch streng verurteilt worden. Hoffentlich helfen meinen Herrn Kri-
tikern obige Zeilen wenigstens zu der nachträglichen Einsicht, was mit
demselben eigentlich bezweckt werden sollte.
2) Wie würde sich die Lehre von der Femininalbilduna des fran-
zösischen Adjektivs in unserer Schule darstellen, wenn das französische
eine phonetische Schrift hätte? In Herrig's Archiv, 70. Bd. (1883), 73 ff.
H) Adjektivernes Konsbojniny i de romanske Spray. Kopenhagen,
1886. S. 98 ff.
6 E. Knsckrviii,
Sgl. Oval (eheval); PI. Svo, -z. Bei Lehnworten (und pal) findet
diese Umbildung nicht statt." Darin läge noch keine Erschwerung.
Aber spater mass man noch lernen, dass dieser PI. -o, -z mit
aux geschrieben wird, und dass die männlichen Lehnworte auf
al, PI. alz, bald mit al, bald mit ale geschrieben werden: didale,
astrag ak etc. In einer phonetischen Grammatik müssen alle
diese Wörter als Ausnahmen gelernt werden.1)
Unendlich verwickelt gestaltet sich die phonetische Gram-
matik bei Vorführung des Genue Wechsels der Adjektivs. Die
sich ergebenden Schwierigkeiten, die fllr die Erlernung eintreten,
sind in meiner Formenlehre nur angedeutet. Es mass zunächst
hervorgehoben werden, dass nur diejenigen auf Oralvokal aus-
gehenden Adjektive einendig sind, denen keine besondere Binde-
form zur Seite steht. Aber anch bei diese» wird die Einendig-
keit nicht von allen Orthoepisten eingestanden. Manche be-
haupten — nicht ohne den berechtigten Anspruch, Beachtung zu
finden — , dasB wenigstens unter gewissen Umstanden, z. B. bei
Hervorhebung von Geschlechtsgegensätzen, im Verse (namentlich
in Veras chlussen) das Femininum durch Dehnung des Tonvokals
deutlich erkennbar gemacht werde. Die a. a. 0. S. 6 gegebene
Regel wird also nach mehreren Seiten hin erweitert werden
miiflHen. In einer ausgeführten Grammatik ist ferner nicht mit
der ebenda gegebenen Regel auszukommen: „sehr viele kon-
sonantisch ausgehende Adjektiva sind eingeschlechtig. " Es mnss
bestimmt angegeben werden, welche Gruppen konsonantisch
ausgebender Adjektiva ihre Tonsilbe im Femininum umgestalten,
welche nicht, wodurch die Verwickelung der Regeln der Feminin-
bildung natürlich noch mehr gesteigert wird. Unverändert bleiben,
um hier eine Ergänzung des in der Formenlehre Gesagten sn
geben: die Adjektiva auf mehrfache Konsonanz (Muta -f- 1, r ein-
schliesslich): Säst (chatte), enorm (enorme), lari (large), pedestr
(pidestre), tädr (tendre), »elebr (ciliare), emabl (aimable) etc.; die-
jenigen anf fc: publik (public, que), türk (iure, que), grek (grec, cgue),
mit Ausnahme von sek (sec, die); auf g: vag (vague); auf i: fätqi
(fantoche); auf z": sal (sage), rui (rouge); auf (: onet (honnete), die-
parat (disparate); auf d: tied (lüde), sad (s ade) ; auf*: atros (atroce),
rapas (rapaee); aufs; moroz (morose); auf b: arab (arabej; auf v:
brav (brave); anf n: din (digne); auf m: anqnim (anonyme);
femer die Adjektiva auf l, mit Ausnahme derer auf el mit halb-
langem e; (Fem. el) mortel: mortjl (mortel, üe); aber fre le m. u. f.
(freie). Sonst m. u. f. päl (pSlt), fasü (faeüe) etc. — Bei den
') In der ftevfraniösitchen Formenlehre § 10, 4 ist hinzuzufügen,
daes die Plnrale in nerf, serf, (nerf serf): ny, ser lauten.
Phonetik und Grammatik. 7
Adjektiven auf r sind solche mit einer besonderen Bindeform
von denen zu unterscheiden, die nur in gewöhnlicher Weise ihr
r binden. Zu letzterer Art gehören 1) die Adjektive mit halb-
langem Vokal vor r: f%er (fier,filre), amer (amer, hre), pur (pur, re),
deren mittelzeitiger Tonvokal im Femininum lang wird; 2) die
mit langem Tonvokal vor r: rar (rare), sqnqr (sonore) etc., deren
Femininum unverändert bleibt; und 3) die Adjektive mit langem
Tonvokal vor r und Fem. auf d: lür (lourd), lurd (lourde).
Im Fem. wird hier zugleich das u des Mask. verkürzt Die
Adjektive auf r, die eine besondere Bindeform haben, zerfallen,
je nach dem bei der Bindung sich einstellenden Konsonanten
in solche 1) mit Bindungs-z; #er (tiers), mit Fem. auf s: t^ers
(tierce); 2) mit Bindungs-l; ver (vert), mgr (mort), mit Fem. auf t:
vert (verte), mqri (morte). Bei beiden Gattungen wird zugleich
der halblange Vokal des Mask. im Fem. verkürzt. Die in diese
beiden Gruppen gehörigen Adjektive müssen aufgezählt und ge-
lernt werden* — Von den Adjektiven auf/ ist zu lehren, dass
sie ihr Fem. auf v bilden und gleichzeitig den kurzen Tonvokal
lang werden lassen: atätif, iv (attentif, ve)y actif, iv (actif^ ve).
Bleiben die Adjektive, die, vokalisch ausgehend, eine
besondere Binde form mit eingeschobenem Konsonanten be-
sitzen. Hier sind wieder vielerlei Gruppierungen notwendig.
Zuerst scheiden sich die Adjektive auf Nasalvokal aus. Bei ihnen
finden wir zwei Hauptabteilungen vor, je nachdem im Bindefalle (um
nur eine Aussprachemöglichkeit zu berücksichtigen) der Nasalvokal
aufgegeben wird und ein dentales n ertönt, oder der Nasalvokal
erhalten bleibt und ein anderer Konsonant in der Bindung er-
scheint. Jede dieser Hauptabteilungen zerfällt wieder in eine
Anzahl Unterabteilungen.
Bei der ersten Hauptabteilung sind je nach der Natur des
Nasalvokals zu unterscheiden:
I. 1) 5, Bindeform o-ra, Fem. ort: bÖy Bindeform bo-n, Fem. bgn
(bon, bonne).
2) e, a) Bindeform: e-n : ote, Bindeform ote-n, Fem. oten
(hautain, ne).
b) Bindeform i-n : fe, Bindeform fi~n, Fem. fin, (fin, fine).
c) bene, ßindeform beni-n oder bene-n, Fem. benin
(benin, gne).
Ebenso nur noch male (malin).
3) ab, Bindeform q-n, Fem. ün : bröt, Bindeform brq-n}) Fem.
briin (brun, ne).
*) Hier und sonst dürften in der Praxis die angegebeuen
theoretischen Bindeformen kaum vorkommen.
8 E. Koschwilz,
4) ie, Rindeform jjjj-», Fem. i$n : lerere, Bindeform kretic-ji,
Fem. kretiftn (chritien, nne).
Im Falle ein anderer Konsonant als n in der Bindung ein-
tritt, sind zu unterscheiden:
II. 1) Bindeform mit k, a) Fem. auf S : Ud, Bindeform blä-k,
Fem. bläS (blanc, che).
Ebenso frä (frone).
b) Fem. auf g: 15, Bindeform IB-k,
Fem. 18g (long, longue).
c) Fem. auf kt: diste, Bindeform diste-k,
Fem. dittikt (distinet, cte).
Ebenso edist? (indittmet) und ttilkse
(tvednet).
2) Bindeform mit (, a) Fem. auf ( : kötä, Bindeform Icötä-t,
Fem. kötät (content, te).
b) Fem. auf d: grä, Bindeform grä-t,
Fem. gräd (grand, de).
In allen diesen Fällen tritt im Fem. zugleich Verlängerung
dea Tonvokals ein. Die Beispiele für I., 2, a b e, und II., 1, a
und 2, a b müseten in einer vollständigen Grammatik aufgezählt
und auswendig gelernt werden.
Bei den auf oralen Vokal ausgebenden Adjektiven, die
Bindeformen mit eingeschobenen Konsonanten besitzen, sind zu
unterscheiden:
I. Adjektive mit Rindunga-fc.- siispe, Bindeform etispek, Fem.
suspekt (suspeet, cte).
Ebenso sirk5tpe(k), (circonspect).
II. Adjektive mit Bindungs-t'.
1) solche auf i, Bindeform i'-i, ebenso Fem.: iäti, Bindeform
iati-i, Fem. tittii (genta, lle).
2) auf den (fallenden) Diphthongen: ei, Bindeform e-j, Fem. ji
mit Dehnung des Tonvokale: parei, Bindeform pare-i, Fem.
par'ei (pareü, üe).
3) via, Bindeform vie-j, Fem. vffi (tneux, vieil, vüille).
III. Adjektive mit Bindungs-t;
1) Fem. auf (: a) ohne Veränderung des Tonvokals: kökre,
Bindeform k3krf-(, Fem. kökret (concret, He).
b) mit Dehnung des Tonvokals : o, Bindeform
o-t, Fem. Öt, (haut, te).
c) mit Verwandlung des geschlossenen Ton-
vokals in einen offenen: so, Bindeform:
»o-t, Fem. not (tot, sötte).
2) Fem. auf d: frua, Bindeform frua-t, Fem. fruad (froid, de).
IV. Adjektive mit BindungB-z:
Phonetik und Grammatik. 9
1) Fem. auf S: fre, Bindeform fre-z, Fem. fr$$.
2) Fem. auf z, zugleich mit Dehnung des Tonvokals:
fräsfy Bindeform fräs$-z, Fem. fräsfz (fran$aut, se).
£alu, Bindeform ialu-zy Fem. zalüz (jaloux, se).
3) Fem. auf «, ebenfalls mit Dehnung des Tonvokals:
Za, Bindeform la-z, Fem. las (las, sse).
fo, n fo-z, „ fös (faux, sse):
du, „ du-z, „ du« (doux, ce).
V. Adjektive mit Bindungs-Z. Es handelt sich um die Adjektive
fu (fou), mu (mou), bo (beau), nuvo (nouveau) mit ihren
Bindungsformen : fq-l, mg-l, b$~l, nuv$-l und den Fem. fol,
mol, bei, nuvel (mol, motte etc.)
VI. Adjektive mit Bindungs-r, deren männlicher Form auf e, ie
eine Bindungsform mit f-r (ie-r) und ein Fem. $r und i$r
entspricht:
Uze, Bindungsform teze-r, Fem. lez$r (Uger, Ire).
attie, Bindungsform aUfer, Fem. altfer (altier, ihre).
Abgesehen davon, dass bei jedem vokalisch ausgehendem
Adjektiv die Bindeform mit gelernt werden müsste, wären
ausserdem die Adjektive der Gruppen 111, 1, 2; IV, 1, 3 noch
besonders zu memorieren. Und wenn man die Femininbildung in
dieser Weise gelernt hat, müssen, so lange die französische Schrift
keine phonetische ist, auch noch die orthographischen Regeln
der gewöhnlichen Grammatik hinzugelernt werden!
An die Femininbildung der Adjektive schliesst sich die
Adverbialbildung an. Auch hier müssen die in meiner Formen-
lehre § 63 gegebenen Regeln in einer vollständigen Grammatik
mehrfach erweitert werden. Die langen Tonsilben der Feminin-
formen werden bei Antritt von emä (ment) halblang, die halb-
langen kurz, weil sie in unbetonte (unmittelbar vor Hauptton aber
nicht in die erste Silbe des Wortes) oder vor emä in nebentonische
Stelle treten. Ausgenommen sind die einsilbigen Adjektive, deren
Tonvokal nicht in derselben Weise geschwächt werden kann, unter
Umständen sogar den Hauptton annimmt: gemä (gaiment) u. dgl.
Statt mä tritt bei der Adverbialbildung emä ein, wo sonst ein
Zusammenstoss von Konsonanten erfolgen würde, die sich in der
Aussprache nicht gut verbinden oder wenigstens den Gewohnheiten
der französischen Zunge widersprechen. So wenn zwei m zu-
sammentreten würden (vgl. § 30 die Zahladverbien): ekqnqmfmä
(economement) u. dgl.; wenn dasAdj. auf Muta-}- /, r ausgeht: ceblemä
(humblement) zu &bl; tädrpmä (tendrement, zu tädr; bei Ausgang
des Fem. auf n: beninemä (benignement) zu benifi, u. i. a. Fällen.
Vielfach findet Schwanken zwischen Einschub und Nichteinschub
von e vor mä (ment) statt: lätemä und lätmä (tentement), distektemä
10
K. h'.isrltifH:.
würde auch
ve unterliegt
«tinnen. wir
und dist-rktmfi u. dgl. Eine ausführliche Grammatik wilrd
diese Fülle zu fixieren baben.
Die Darstellung der Pluralbildung der Adjektive i
in einer phonetischen Grammatik ahnlichen Komplikationen, wie
die der Femini nbildung. Mit den kurzen Kegeln meiner VomuM
lehre § 21 — 24 ist es bei weitem noch nicht abgethan. Bei
den auf mehrfache Konsonanz, speziell Muta -j- /, r ausgehenden
einförmigen Adjektiven ist festzustellen, dass bei Antritt eines
Bindung«-; sich häufig ein dumpfer «--Laut vor diesen einstellt
Man spricht fmabif ■■ iäotl) etc. Auch bei den
Substantiven und Adjektiven auf * und ä (che, ge) durfte dei
Antritt eines e vor Bindung«- z in gewühlter Aussprache nicht
sf'IIi ii uia; bei Fem. auch, wenn diese auf z ausgehen. Endlich
müsste erwähnt werden, dass Adjektive, die ihren Substantiven
nachzustehen pflegen, vielfach einer Pluralisation mit Bindungs-:
überhaupt unfähig sind.
Wülirend in den angegebenen und audereu Fallen eine
grössere Verwickelung der Hegeln stattfindet, wenn statt von der
geschriebenen Sprache von ihrem Lautstande ausgegangen wird.
ist in anderen Füllen nur eine Verschiedenheit der Kegeln W»>
banden. So in § 9, 12, a, h; 14, 49 etc. der Formenlehre. In
der Mehrzahl der Fälle sind die Kegeln der Formenlehre der
geschriebenen und der gesprochenen Sprache von einander mir
formell verschieden. Vereinfachungen treten in der phonetischen
Grammatik nur in wenigen Fallen bei der Konjugation ein, nicht
ohne das» dort eintretende Komplikationen wieder diese Vereii-
fachungen aufheben. So kommen in Wegf:i]l dip l.'ntersc.hi'idinigen
von auslautendem x und « (veux aber mens u. dgl.), lässt eich
für die 1.— 3. Sgl. Präs. der Verba auf r (n) mit Ausnahme
von etre die Kegel einfach dahin formulieren, dass die dr, fr,
pr, vr und einfachem r der Inf. in ihnen verloren gehen, und an
die übrig bleibenden Stämme Bindungs-^ (1. u. 2. P.) und -t
(3. P.) antreten, wobei alle Unterscheidungen des Auslauts auf
d», U, ps etc. fortfallen u. dgl.
Dafür würe wieder eine Einteilung der Formen in solche
nbtig, die vor Vokal nur den gewöhnlichen Bindungsregeln unter-
liegen, sonst vor Vokal und Konsonant gleich lauten, und in
solche, welche besondere Bindeformen haben.
Zu den ersten Formen gehören 1' Präs. Ind. I, Sgl. und
fakultativ 3. Sgl. (in Frageform Bindung mit t) der Verben auf
e, -r, -er, mit Ausnahme der Verben auf u(er, a{er (luiller, aäler)
etc., z. B. if bai, in Bindung äc 6a- j :>■ baBk); i) i. 0. .i-
Kon). Pitt, aller Verben mit denselben Ausnahmen (dazu i/ue j'aille
' ". Pills.
Phonetik nd Grammatik. 11
Kooj. von avoir und etre; 3) die 1. Impf. Konj. aller Verben,
die Imper. Sgl. 1. Konjug., ausser vor ä (en) and » (y) ; also
(nach der Schriftgrammatik) die Formen auf stummes e. II. 1) die
l. u. 3. Pf. Ind. der Verben auf e, -r (mit den Schriftendungen
anf ai und «, bei Frageform übrigens auch hier a, -t; phon. e
und a); 2) die 1. Präs. Ind. von avyar (avoir) und die 1. Sgl. aller
Fut mit Endung e (ai); ebenso die 3. Sgl. dieser Formen und va
(ausser bei Frageform, wo auch hier Bindungs-£ antritt); 3) die
Pc. Pf. auf e (i), i, ü (u), sowie deren Fem.; also die Formen,
die in der Schriftgrammatik auf Tonvokal ausgehen (dazu die
Pe. Pf. anf Ton vokal -f~ stummem e); 4) treten noch hinzu die
Pc. Präs. auf ä (ant).
Besondere Bindeformen haben a) die stammbetonten Formen,
die nur im Bindefall erkenntlich sind: I. durch eingeschobenes z:
1) 1. Sgl. Präs. Ind. aller Verben, die nicht nach der 1. Konjug.
gehen; 2) 2. Sgl. Präs. Ind. aller Verben; 3) 2. Präs. Konj. aller
Verben; 4) 2. Sgl.Imp. aller Verben, die nicht nach der 1. Konjug.
gehen (über diese 8. o. I., 3); II. durch eingeschobenes t: 1) die
3. Sgl. aller Verben, die nicht nach der 1. Konjug. gehen (doch
s. o. I., 1); 2) die 3. PI. Präs. Ind. Konj.; Impf. Ind. u. Konj.;
Pf. aller Verben. — b) die endbetonten Formen, bei denen im Binde-
Mi I. z antritt: 1) 1. PI. Präs. Ind. Konj.; Impf. Ind. Konj.; Fut.
u. Fut. Impf.; Imper. (5, -z; (ö, -z; asiö, -z; tsfö, -z etc. ; rö, -z; r\d, -z
etc.); 2) die 2. PI. Präs. Ind. (e, -z und t,-z [faites, dites]), Fut.
(re, -z), Präs. u. Impf. Konj., Impf. Ind., Fut. Impf. (iß, -z, as\e, -z,
«!>, -z etc.), 2. PI. Imper. (e, -z, t, -z [faites etc.]), 1. u. 2. Sgl.
Impf. Ind. (§-z), u. Fut. Impf. (re,-z); 2. Sgl. Konj. Impf. (as-fejz
etc.); 2. Sgl. PI. Pf. (a, -z, at,-z; i,-z etc.); 1. Sgl. Pf. mit Aus-
nahme der Verba 1. Konj. (?, -z, U,-z); 2. Sgl. Präs. a,-z (tu as),
ra, -z (vas) und aller Fut.; II. ein t tritt an: in den 3. PI. 5, -t,
(ont), vö, ~t (vont) etc., fö, -t (fönt), so, -t (sont); und 3. PI. Fut.
rö, -t (ront); in der 3. PI. Präs. Konj. c, -t (aient), suä, -t (soient);
3. PL Pf. Ind. er, 4 (erent), ir,-t (irent), tfr, -t (urent); 3. PI.
Konj. Impf, as, -t (assent), is, ~t (issent) etc.; 3. PI. Ind. e-t (aient)
und Fut. Impf. re,-t (r aient); 3. Sgl. Konj. Impf, a, -t (dt), i, -t
(U), tf, -t (üt); III. ein r tritt an 1) in den Inf. 1. Konj. e, -r (er);
2) in Pc. Pf. auf er, -t (ert).
Es sei bemerkt, dass auch hier nur skizziert, eine er-
schöpfende Darstellung nicht angestrebt werden sollte.
Fassen wir zusammen! Die phonetische Feststellung der
Aussprachelehre geht vom Laute aus und gibt nach Feststellung
des vorhandenen Lautstandes an, wie die Schrift sich zu diesem
verhält; die traditionelle Grammatik verfährt umgekehrt. In
beiden Fällen ist die Menge des Lernstoffes identisch. — Für
12 E. Kosehwitz,
die Formenlehre ergibt sich bei phonetischer Darstellung eine
Menge von Verwickelongen, eine Fttlle von Regelwerk, das bei
einer vom Schriftbilde aasgehenden Grammatik vermieden wird;
ausserdem müssen zu den Regeln der phonetischen Grammatik
die der traditionellen hinzugelernt werden. Die wenigen Fülle
der Vereinfachung, die durch die phonetische Darstellung erreicht
werden, stehen in keinem Verhältnisse zu den zahlreichen Fällen,
wo das Gegenteil eintritt. Ausserdem ist es bei der Beschaffen-
heit der französischen Orthographie verhältnismässig leicht, aus
den geschriebenen Wortformen die gesprochenen zu erkennen,
dagegen in vielen Fällen unmöglich, aus dem Lautbilde auf das
Schriftbild einen sicheren RUcksehluss zu machen.
Für die Pädagogik ergibt sich daher, so lange die Franzosen
nicht phonetisch schreiben, der selbstverständliche Schluss, dass
die französische 8chulgrammatik nach wie vor vom Schriftbilde
auszugehen hat. Darum soll die phonetische Grammatik aber
nicht verbannt sein. Sie muss nur anf ihre praktische Ver-
wendung im Schulunterricht verzichten und sich hier damit be-
gnügen, nur zur Aushilfe, zur Gewinnung einer grösseren Klarheit
über die Laut- und Flexionsverhältnisse herbeigezogen zu werden.
FUr die Wissenschaft ist eine moderne französische phonetische
Grammatik, die ganz vom Schriftbilde absieht, natürlich Selbst-
zweck, und ist es darum dringend wünschenswert, dass eine
solche möglichst bald von einem kompetenten, in Sprachgeschichte,
Linguistik und Phonetik gleich bewanderten Gelehrten geschrieben
werde, der in der Lage ist, den gegenwärtigen Lautstand der
hoch französischen Umgangs- und Vortragssp räche mit Sicherheit
festzustellen.
II.
Im AsBcblnss an das Vorstehende sei hier die Frage
aufgeworfen, wie sich die phonetische Wissenschaft zur fran-
zösischen Syntax verhält. Bisher ist meines Wissens von nie-
mand der Versuch gemacht worden , hierauf eine Antwort zu
geben. Auch wo von einer phonetischen Grammatik geredet
wurde, scheint die Syntax als nicht in Betracht kommend ange-
sehen worden zu sein. Hit Unrecht. Allerdings liegt es mit
der Syntax anders als mit der Formenlehre. Denn in ihr bildet
die Verbindung von Worten und Wortkomplesen das Wesentliche,
handelt es sich um die Bestimmung, wann die in der Formen-
lehre gegebenen Wortformen im Zusammenhange der Rede ge-
braucht werden. Die Aussprache der Worte und Flexionsformen
für sich allein und im Zusammenhange wird von dem Syntaktiker
als bekannt vorausgesetzt; bei Feststellung ihrer Verwendung
Phonetik und Grammatik. 13
seheint es daher gleichgültig, ob man das Lautbild oder das
Schriftbild der Sprachworte den Regeln zu Grunde legt. Doch
gilt das nur im allgemeinen. Für die Lautsprache sind manche
der in der Schriftsprache durchgeführten Flexions- und anderen
Unterscheidungen nicht vorhanden; sie erheischt daher in diesen
Fällen eine andere Formulierung ihrer Regeln. Auch gelten vielfach
sonstige Gesetze der Buch- und der ihr nachgebildeten Vortrags-
sprache nicht zugleich für die Sprache des gewöhnlichen Lebens.
Es gibt daher eine besondere Syntax der gesprochenen Sprache;
nur fehlt es bisher fast ganz an Versuchen, dieselbe oder
wenigstens ihre Abweichungen von der Schriftsyntax festzustellen.
Wie es Fälle gibt, wo die Lautlehre der Kenntnis der Syntax
nicht entraten kann, z. B. bei den Bindungsgesetzen und der
Lehre vom Satzaccente, so fehlt es nicht an Fällen, wo die
Syntax nur bei Berücksichtigung des lautlichen Verhaltens der
zusammentretenden Elemente zu vollem Verständnis gelangt. Dies
gilt von der Syntax der Gegenwart, ist aber natürlich auch für
die Vergangenheit richtig. Nicht selten finden Erscheinungen der
historischen Syntax nur auf diesem Wege ihre Deutung, und es
sei mir gestattet, zum Beweise für diese oft übersehene That-
sache einige Beispiele anzuführen.
Der Untergang der altfranzösischen Kasusunterscheidungen
bei Substantiv und Adjektiv ist nicht zum geringen Teile auf
lautliche Ursachen zurückzuführen. Das flexivische s, das Haupt-
unterscheidungsmerkmal des Altfranzösischen zwischen Nom. und
Obl. im Sgl. und PI., war im XIII. Jahrhundert vor konsonan-
tischem Wortanlaut verstummt; da nun ohnedies die Ansetzung
von s im Nom. Sgl. allerlei in ihrer geschichtlichen Begründung
längst nicht mehr verstandenen Schwankungen unterlag, war es
natürlich, dass das Nom.-« des Sgl. allmählich auch vor Vokal
aufgegeben wurde. Dem «-losen Nom. Sgl., der sich nicht mehr
von einem Obl. Sgl. unterschied, folgten schliesslich auch Artikel
und Pronomen, indem auch sie ihre besonderen Nominativformen
zunächst in Begleitung der Adj. und Subst., dann allgemein auf-
gaben. Das s des PI. Obl. war widerstandsfähiger, da es häufig
an den Schluss eines Satzgliedes trat, wo es noch bis ins
XVII. Jahrhundert gesprochen wurde. Dieser Umstand, sowie
der Trieb, Sgl. und PI. zu scheiden, hat die regelmässige Er-
haltung des PI.-* in der Schrift zuwege gebracht. Der Nom. PI.
des Mask., der in Laut und Schrift eines s entbehrte, folgte all-
mählich in der Schrift und in der Aussprache dem Beispiele des
Fem. PI. Nom. und des Obl. aller Plurale; dem Nom. PI. der
Sabst. schlössen sich dann wieder Art. und Pron. an, die ihre
Sonderformen aufgaben. Phonetische Ursachen haben also
14 f£. Kosekmilz,
die Aufhebung der Kasus unterschiede im Sgl. und PI. wenigstens
begünstigt. Auch die ungleichBÜbigen Substantiva konnten der
aus einer phonetischen zu einer syntaktischen gewordenen Ge-
wöhnung nicht dauernd wiederstehen. Die abweichende Form
des Nora. Sgl. war hier ohnedies immer dem Ausgleichungsgefühl
der Sprache zuwider gewesen; wie schon in vorlitterari scher Zeit
ein Nom. Sgl. fem. ambre (amor) zum Obl. amör (amorem) nicht
aufkommen konnte, so wurde in altfranz Ö siecher Zeit emperere,
laire etc. neben empereor, larron als anstössig empfunden. Als
schliesslich jede lautliche Unterscheidung zwischen Nom. und Obl.
ausser Gebrauch gekommen war, da war eB natürlich, dass die
Sprache (in infrz. Zeit) nach einem Ersatz der Flexi onsformen
suchen musste. Einen solchen gab die Stellung von Nom. und
Obl. im Satze; so wirkte eine und dieselbe phonetische Ursache
noch ein zweites Mal auf die Umgestaltung der französischen
Syntax.
Bemerken wir gleich hierzu, dass die Verstummung des
Plural-*, die im XVII. Jahrhundert auch am Satzglied Schlüsse er-
folgte, auch jene willkürlichen Gesetze der neu französischen
Syntax ermöglichte, nach denen bei im PI. gebrauchten Personen*
n amen bald ein flexivisches * antreten soll, bald nicht,. Gesetze,
die für die Lautsprach r keine Geltung haben, und die auch von
den Schriftstellern fast nie eingehalten werden.1)
Ebenso braucht kaum gesagt zu werden, dass die modernen,
vielfach vernachlässigten und unbestimmten Vorschriften für die
Pluralisation der zusammengesetzten Worte, sowie deren Scheidung
in unechte und echte (Juxtaposita und Composita), der ge-
sprochenen Sprache in den meisten Fällen unbekannt sind und
in ihren Künsteleien erst durch die Verstummung von * ermög-
licht wurden.
Der lautliche Zusammenfall des Gerundiums und des Pc.
Präs. im Alt französischen brachte eB in mittelfranzö Bischer Zeit
zuwege, dass die Unterscheidung zwischen verbalem und ad-
jektivischem Gebrauch der Partizipialform aufgegeben wurde.
Auch das XVI. und das XVII. Jahrhundert unterschied die beiden
Gebrau eh Barten formell nicht; ant erhielt ganz gewöhnlich, aber
nie regelmässig, auch bei voller verbaler Verwendung ein
nexivischee « und seltener, weil erst durch weitere analogiscbe
Wirkung, auch ein feminines f. Die lautliche Identität der ant-
Formen mit und ohne s in der Mehrzahl der Fälle gab dann
Ende des XVII. Jahrhunderts, als s auch am Satzglied schrusa
völlig verstummt war, den Grammatikern die Möglichkeit, die
t) Vgl. Plattner, Zschr. III, 438 f
Phonetik und Grammatik. 15
moderne Scheidung zwischen dem an veränderlichen Pc. Präs. und
dem Verbaladjektiv herzustellen. Dabei ging es nicht ab, ohne
dass in ayants- droit, ayants cause einige alte Sprachreste kon-
serviert und in fatiguant gegen fatigant u. dgl. einige neue ortho-
graphische Unterscheidungen vorgenommen wurden, die für die
gesprochene Sprache keine Geltung haben.
Bei adjektivischem und adverbiellem mSme (mesme, mesmes)
bestand im XVI. und XVII. Jahrhundert in den Regeln der
Grammatiker eine grosse Unbestimmtheit, wann meme mit s> wann
ohne 8 zu setzen sei1); eine Unbestimmtheit, die auch heut noch
in der Orthographie der Dichter einige Spuren hinterlassen hat.
Meme als Adv. mit dem adverbiellen s und ohne dieses, adj.
meme mit und ohne PI.-« sollten von einander geschieden werden.
Die Verwirrung war auch hier die Folge lautlicher Erscheinung.
Meme und mSmes lauteten in der Mehrzahl der Fälle vollständig
gleich, die Lautsprache kannte zumeist keinen Unterschied
zwischen adverbiellem und adjektivischem, singularem und plu-
ralischem meme(s). Da die gesprochene Aussprache keine Aus-
kunft gab, so blieb die Fixierung der Orthographie den theoretischen
Grammatikern, und diese, des historischen Verständnisses bar,
richteten die bei ihnen gewöhnliche Verwirrung an.
Ähnlich wie mit meme erging es mit zur Gradbezeichnung
dienendem oder prädikativem2) tout Im Altfranzösischen wurde
taut in dieser Verwendung stets als Adj. behandelt und dem-
gemäss mit seinem Beziehungsworte in Kasus und Numerus
obere ingestimmt. Mit dem Verfall der. Flexion gerieth diese
Regel in Verwirrung, und heutigen Tages finden wir eine (im
XVII. Jahrhundert) ausgebildete Regel vor, deren Berechtigung
niemand zu begreifen vermag. Auch hier haben phonetische
Vorgänge die Grammatiker und ihre Syntax in Verwirrung ge-
bracht. Man kann dies sogleich sehen, wenn man die moderne
Regel vom lautlichen Standpunkte aus umbildet Für die Phonetik
gibt es ein Adv. tu, mit Bio de form tu-t, ein gleichlautendes Adj.
Sing. m. tu, Bindeform tu-t, Fem. tut; PI. m. tu und tus, Binde-
form tu-z, f. tut. Tu ist demnach vor folgendem Kons. Adv.,
Adj. Sgl. m., PI. m.; tut Bindeform des Adv., des Adj. Sgl. m.,
ist Adj. Fem. Sgl. und PI. Die prädikativen tus, tu-z (von dem
seltenen tut, -z sehen wir ab) sind in ihrem Gebrauche leicht aus-
zuscheiden; sie werden nur gebraucht, wenn die Beziehung zum
Subj. ausdrücklich hervorgehoben, die adverbielle Auffassung
(„ganz") ausdrücklich ausgeschlossen werden soll; vor weiblichem
1) Vg^ u. a. Haase, Französische Syntax des XVIL Jahrhunderts,
§ 55 Anm. 1.
») S. Haase, a. a. 0., § 46.
16 E. k'oschwitz,
Adj. steht immer tut, vor männlichem Adj., vor Adr. und Snbst.
immer tu, resp. die Bindeform tu- 1. Die phonetische Regel ist
hier also erheblich einfacher, als die der Sehriftgramniatik: eine
Unterscheidung speziell zwischen eile est (oute pale (plion. tut
päle) und tout agiUe (tu-t-a&Ue) ist für die gesprochene Sprache
nicht vorhanden. Die altfranzösische Regel gerieth ins Vergessen,
als auslautendes s und t vor anlautendem Konsonant innerhalb
desselben Satzgliedes verstummten; die Grammatiker des XVI.
und XVII. Jahrhunderts bemühten sich, Ordnung in die Ortho-
graphie zu bringen; da sie aber den alten Sprachgebrauch
ebensowenig wie die Ursachen der herrschenden Regellosigkeit
erkannten, geriethen sie auf falsche Wege und brachten nach
längerem Schwanken die moderne syntaktische Regel mit ihren
Unterscheidungen zu allgemeiner Geltung, die für die gesprochene
Sprache niemals bestanden hat.
Auf gleiche Ursachen gehen die Regeln von cent und vingt
zuuek. Noch im XVI. und XVII. Jahrhundert besassen cent und vingt
der Regel nach das Flnralzeichen, auch wenn ihnen Zehner und Einer
folgten. Da im XVI., selbst im XVII. Jahrhundert wie im Altfran-
zösischen regelmässig die kleinere Zahl durch et mit der voraus-
gehenden verbunden wurde, kam das nexivische * von cent» und
vingtx vor den addierten Zahlen auch phonetisch znr Geltung. Im
XVII. Jahrhundert hörte diese Ilinzufllgnng von et allmählich auf:
dadurch kam s in cents und vingts in der Mehrzahl der Fälle, wo
das folgende kleinere Zahlwort konsonantisch anlautete, lautlich
nicht mehr zur Geltung.. Die Folge war das moderne, willkür-
liche Gesetz, dass bei cent und quatre- vingt das Plural-*
folgenden Zehnern und Einern wegzubleiben habe.
Wie in den angegebenen Beispielen die Verstummung aus-
lautender Konsonanten, so brachte in anderen Fällen das Zu
sammenwirken der Verstummung von auslautendem s und von
auslautendem tonlosen e die Syntax in Verwirrung. Dies geschah
bei den Adjektiven nu, demi und feu. Altfranzbsisch und bis ins
XVII. Jahrhundert wurde nu in allen Stellungen mit seinem Sub-
stantiv Übereingestimmt: nuz piez und piez nuz, nue teste und teste
nue. Man sprach nil-pies, aber pie-nus; und wahrscheinlich
schon im Mittelfranzösischen: nü-tet, aber tet-nü{e), so dass hier
unter dem Satzton nachtonisches e noch lautete oder wenigstens
durch die Länge des vorausgehenden ü markiert wurde. Dieser
Aussprache folgte hier die Orthographie: nu piedtt aber pieds raus,
nu tete aber tete nue, und dieser Zustand hat sich festgesetzt
Die Auffassung des voran stehen den nu als eines Adverbs ist eine
ktlnstlich hineingetragene, durch die angegebene Lauterscheiuung
veranlasste; für die Laut spräche ist sie nie vorbanden gewesen.
Phonetik und Grammatik. 17
Ein gleiches Schicksal wie nu machte das Zahladjektiv
demi durch. Im Altfranzösischen und noch im XVI. Jahrhundert
mit seinem Subst. in Numerus und Genas übereingestimmt,
wurde es im XVII. Jahrhundert seit Vaugelas der modernen Regel
unterworfen, es sei vor einem Sahst, stehend unverändert zu
lassen, als Adv. zu betrachten. Möglich, dass bei Aufstellung
dieser Regel das alte adverbielle ä demi mitwirkte.
Auch feu wurde im Altfranzösischen regelmässig mit seinem
Substantiv übereingestimmt. Mit Verstummung von auslautendem s
vor Konsonant (XIII. Jahrhundert) und von auslautendem e nach
Vokal (XIV. — XV. Jahrhundert) kam dies Verhältnis ins Vergessen;
eine erst durch den angegebenen lautlichen Verfall ermöglichte
falsche Ableitung des Wortes (vom ital./u, lat. fuit, statt fatutus)
that das Übrige; und so stellte sich schon im XV. Jahrhundert
ein sa feu taute (s. Littre s. v.) ein. Das XVI. und XVII. Jahr-
hundert blieben noch schwankend, im XVII. Jahrhundert galt im
allgemeinen die von Vaugelas1) gegebene Regel, wonach feu = di-
funt inflexibel sei. Spätere Grammatikerwillkür hat die moderne
Schreibregel hervorgebracht, wonach feu weibliches e und PI.-*
annimmt, wenn es zwischen Artikel oder possessivem Adjektiv und
Substantiv steht (la feue reine, les feus rois de SuMe), aber un-
veränderlich bleibt, wenn es vor Artikel oder besitzanzeigendem
Adjektiv steht (feu la reine, feu ma tante). Die moderne Laut-
sprache kennt eine solche Unterscheidung nicht.
Nach Analogie zu nu, demi etc. ist die Entstehung der
Regeln der neufranzösischen Syntax über die Konkordanz der
Pc. vu, öte, attendu, passe* etc. zu erklären.
Die Interjektion he las, afrz. m. he (eh) las, f. eh lasse,
scheint sich in der Zeit fixiert zu haben, als mit Verstummung
von nachtonischem e auch nach s (XVII. Jahrhundert) fem. lasse
mit mask. las, das in he las immer am Satzgliedschluss stehend
sein s im XVII. Jahrhundert noch besass, lautlich zusammen-
gefallen war.
Für die Pc. Pf. mit avoir besteht in der gegenwärtigen
Schriftsprache die Regel, dass sie mit vorausgehendem Akkusativ
übereingestimmt werden, dagegen bei folgendem Akkus, unver-
ändert bleiben. Für die gesprochene Sprache ist diese Regel
so gut wie nicht vorhanden, denn die wenigen Pc. Pf., bei denen
das Ubereingestimmte Fem. hörbar wird (mise, jointe etc.) oder bei
deren PL Bindung nötig wird, kommen gegenüber der Mehrheit
der Fälle, wo weder das Fem. noch der PI. in der Lautsprache
erkenntlich sind, gar nicht in Frage. In der Sprache des Un-
l) Ausg. Chassang, Paris 1880, II, 394.
Z*chr. f. frz. Spr. u. Litt. XII». 2
13 IC. Kosckwitt,
gebildeten dürfte Überhaupt die Kongruenz in dem vorliegenden
Falle unbekannt sein. In ältester französischer Zeit wir Über-
einstimmung lies Pc. Pf. bei avoir mit dem Ob). Regel; doch
geriet diese Übereinstimmung schon im Altfranzösischen ins
Schwanken, und man erklärt dies richtig damit, das» die prädikative
Natur des Pc. ins Vergessen kam, dass Pc. mit avoir zusammen-
wuchs, nur noch eine zusammen gesetzte Verbalform bildete. Bas
notwendige Resultat dieser Bedeutungsänderung mnsste natur-
gemäßes die im Neufranzösi sehen ziemlich erreichte regelmässige
. Nichtkonkordanz sein. Doch stand ihr hinderlich entgegen das
konservative Element der Sprachgewohnheit und seit dem Auf-
treten der Grammatiker der Einfluss der grammatischen Theorie.
Zugleich blieb aber auch die geschichtliche Lautentwickelung
nicht ohne Einfluss. Schon in den Testen vom Ende des XI.
Jahrhunderts war die Tendenz vorbanden, die Konkordanz der
Pc. bei avoir aufzugeben, wenn das Obj. folgte, sie fest zu
halten, wenn das Obj. vorausging.1} Besonders zäb hielt sich
die Konkordanz da, wo das Pc. an letzter Stelle stand, das
Satzglied oder auch den ganzen Satz besehloss. Diese Tendenz
musste sich verschärfen, als s vor Kons, und e nach Tonvokal
zu verstummen begann, und beide Laute sich allmählich nnr am
Satzgliedende noch erhielten (s ausserdem in Bindung). Dies
finden wir durch die mitte Ifranzösi sehe Sprachest Wickelung auf
das deutlichste bestätigt. Man braucht nur die Tabellen von
Wehlitz8) S. 51 ins Auge zu fassen, um sich davon zu über-
zeugen. Die Stellungen, in denen das Pc. am regelmäßigsten
an der Konkordanz festhält, sind diejenigen, in denen dasselbe
am Schlüsse steht: V(erb) 0(bj.) P(articip) oder 0. V. P. Am
seltensten ist bereits die Konkordanz im Xlll. bis XV. Jahr-
hundert in den Stellungen P. V. 0. und V. P. O., wo also das
Po. mitten im Satzgliede steht, » demnach am häufigsten (vor
Kons.) verstummen mnsste und auch die Verstummung von e nach
Vokal am weitesten vorgeschritten war. Auch der Gebranch
des XVII. Jahrhunderts bestätigt, dass lautliche Momente die
Entwickelung der modernen Konkordanzregel beeinflussten. Die
Übereinstimmung des Pc. unterblieb am regelmässigen, wenn
dem Pc. ein prädik. Adj. oder Subst., ein Inf. oder Subj. folgte,
aUo ein noch dazu gehöriges Wort, das in den meisten Fällen
konsonantisch anlautete. Sowohl e nach Vokal in den Pc. ie, i'e, im
J) Vgl. die Ergebnisse von Bubbh, Die Kongruent des Participii
Praeteriti in aktiver Verbalkonstruktwn im Attfrantösischen bis zum An-
fang des XIII. Jahrhunderts. Göttingev Diasert. 1881.
*) {He Kongruenz des Participii Praeteriti etc. von Anfang des XIII.
bis tum Ende des XV. Jahrhunderts. Greifswalder DisBert. 1887.
Phonetik und Grammatik. 19
als PI.-« mussten in dieser Stellung völlig verstummen. Die Satz-
phonetik macht auch durchaus begreiflich, warum in Fällen, wie
Cest enfin ä lui que mes vceux ont donnere
Cette virginite que Con a condamnee
das vorausgehende Pc. die Konkordanz noch länger festhielt:
in satztonischer Stellung machte sich ie wenigstens noch durch
die Quantität bemerkbar.1) Es sind also schliesslich lautliche
Ursachen gewesen, welche die moderne Konkordanzregel des
nachstehenden Pc. bei avoir zur Durchführung brachten. Der
Lautstand war aber nicht klar und deutlich genug, um ver-
hindern zu können, dass nicht die grammatischen Theoretiker im
XVII. Jahrhundert und noch später mancherlei Regeln ausklügelten,
die von ihnen in die Schriftsprache hineingebracht wurden, die
der gesprochenen Sprache aber unbekannt blieben oder doch nur
künstlich und nur in seltenen Fällen zur lautlichen Geltung
kamen. Besonders ermöglichte die Verstummung des auslautenden
s auch am Satzgliedschluss, wodurch alle festen Normen fielen,
den Rattenkönig von Schreibregeln (so für die Fälle mit folgendem
Inf., bei Akkus, der Masse und Gewichte, bei unpersönlichen
Verben etc.), die schliesslich auch auf die Aussprache wenigstens
der Gebildeten nicht immer ganz ohne Einfluss bleiben.2)
Auch das Pc. der reflexiven Verba hat im Laufe der fran-
zösischen Sprachgeschichte eine verschiedene Behandlung erfahren,
deren letzte Ursachen in Wirkungen der Verstummung von $ und
s zu suchen sind. Für das Altfranzösische galt die Regel, dass
das Pc. Pf. der Reflexiva mit dem Subj. übereingestimmt werde.
Diese Regel überdauerte den Verfall der Flexion, natürlich nicht
ohne dass eine Zeitlang Verirrung eintrat. Noch bis tief in
das XVII. Jahrhundert blieb der altfranzösische Brauch bestehen,
bei unzweifelhaftem Dativ des Reflexivpronomens das Pc. mit
dem Subj. zu konkordieren. Grammatische Theorie hat dann
im XVII. und XVIII. Jahrhundert diesen alten Gebrauch bei
Seite geworfen; das Pc. wird nunmehr nur mit dem wirklichen
oder doch vermeintlichen reflexiven Akkus, übereingestimmt, und
es werden selbst Konstruktionen erheischt wie: Cette maison
g'est bdtie en trois rnois; ces choses se sont vues; nous nous
sommes moquis de vous etc.8) Es ist klar, dass auch hier die
moderne grammatische Theorie erst dadurch entstand, dass die
angegebene Verstummung der alten Flexionszeichen die Möglich-
*) Vgl. Haase, a. a. 0., S. 139 ff.
*) Man vergleiche u. a. ßastin's Kritik der gegenwärtigen Konkor-
danzregeln des französischen Pc. in seiner Etüde phtTo/ogigue des Purticipes.
2e ed. Petersbourg, 1888.
») Vgl. Bastiu, a. a. 0., S. 32 f.
o*
30 B. h'otchwitz, Phonetik und Grammatik,
keit bot, den französischen Sprachgeist zu verkennen nnd für die
Schrift eine anscheinend mehr logische Regel einzuschmuggeln.
Der Volkssprache ist sie anbekannt geblieben.1)
Wir brechen hier ab. Es ist weder nnsere Absicht, die
besprochenen syntaktischen Erscheinungen hier ins Einzelne zn
verfolgen, noch die einschlägigen Fälle des Französischen in er-
schöpfender Anzahl vorzuführen. 80 viel dürfte durch das Vor-
stehende nachgewiesen sein, daas mehr als bisher bei syntaktischen
Untersuchungen die historischen Lautverhältnisse berücksichtigt
werden müssen, wenn falsche Deutungen vermieden werden sollen.
Insbesondere durfte als gesichert gelten: einmal, dass die Syntax
alte lautliche Verhältnisse in der Schrift fortschleppt, die der
Sprechsprache unbekannt geworden sind, und dass dann die
alten festgehaltenen (Schrift-) Scheidungen von den Grammatikern
falsche Deutungen finden. Ferner: dass das Absterben alter
Flexionen zur Folge hat, dass durch den Widerspruch zwischen
der schriftlichen (anf alten LautverhältniBsen beruhenden) Tradition
und der neuen lautlichen Sprachstufe ein Wirrwarr entsteht, den
die Grammatiker durch Aufstellung von mehr oder minder fein
ausgetüftelten Regeln zu beseitigen suchen, die weder in dem
früheren Sprachstande eine Grundlage haben, noch auch dem
neuen Sprachstand Rechnung tragen. Endlich ist es natürlich,
dass, wenn durch lautliche Vorgänge ursprünglich verschiedene
Formen zusammenfallen, diese Lautübereinstimmung die ursprüng-
liche Verschiedenheit zuweilen vergessen lässt, und dass so
gelegentlich die eine Formenkategorie eine andere ursprünglich
verschiedene, lautlich aber gleich gewordene auch in ihrer syn-
taktischen Verwendung nach sich zieht. Aus diesen Beobachtungen
ergeben sich die methodischen Vorschriften von selbst, auf deren
Beachtung hinzuweisen der ausschliessliche Zweck der vorstehenden
syntaktischen Bemerkungen sein soll.
E. Kosohwitz.
Die französische Verbalendung ons und die letzten
Erklärungsversuche derselben.
Die vielbehandelte Frage, woher die Verbalendung ons —
damit bezeichne ich im Folgenden auch der Kürze wegen oms,
ums, uns, am etc. — stamme, hat neuerdings an Interesse ge-
wonnen, seitdem sich Suchier in Gröber's Grundriss und Michel
Br6al in den Memoires de la Sociiti de linguistique de Paris
(Oktober 1889) an der Diskussion beteiligt haben.
Erinnern wir uns zuerst kurz an das bisher über diesen
Gegenstand Vorgekommene. Zwei Wege standen für die Er-
klärung offen: Analogiebildung (oder Übertragung) und lautliche
Entwickelung. Den ersteren zeigte schon Diez an, aber erst in
der dritten Auflage seiner Grammatik ; in den zwei vorhergehenden
wagte er nicht einmal eine Vermutung über dieses Rätsel. Ihm
folgten Koschwitz, Gaston Paris, Thurneysen, Loren tz1), Horning
(in Bartsch' Langue et littirature fran$aises 1887), Schwan und
Andere. Den zweiten Weg betraten Delius, Burguy, Mebes,
Lücking, Foerster (nicht bestimmt), Freund, Chabaneau, Rothen-
berg, der Unterzeichnete, Suchier, Br6al.2)
Gegen die analogische Erklärung macht nun Br6al folgende
triftige Einwendungen: Im allgemeinen ist anzuerkennen, dass
die Analogie nach gewissen Gesetzen wirkt und nicht ohne be-
stimmten Grund als Erklärung angeführt werden kann. Analogie
ist nur ein blosser Name, der nichts bedeutet, wenn man der-
selben nicht einen notwendig dazu gehörigen intellektuellen Vor-
l) In der Strassburger Dissertation : Die erste Person Pluralis des
Verbums im Altfranzösischcn. Heidelberg, 1886.
*) Näheres über die älteren dieser Deutungsversuche, sowie über
die analogischen Erklärungen siehe in meinem Aufsatz: Nagra fall af
u-omliud i franskan in Nordisk Ixdskrift for filologi, Ny Rcekke VI (1883)
und Lorentz's soeben zitierte Dissertation.
22 J. Vismg,
gang als Grundlage za geben vermag. Auf auimta als Proto-
typua anderer Verbalformen angewandt, stösat diese Theorie der
Analogie auf folgende Schwierigkeiten:
1. Das Verb itre ist, als nnregelm assige 8 Verb, selbst
Einflüssen von anderen Verben ausgesetzt, wie auch vielfach in
der griechischen und lateinischen Konjugation solche Einflüsse
sich geltend machen.
2. itre sollte nicht auf eine Person nur Einfluss ausüben
(von den hier möglicherweise anzuführenden fönt, vont etc. sieht
Breal ab), da die Flexion ein zusammen hängendes Vorstellungs-
ganzes in onserm Geist bildet
3. Das Französische würde die einzige romanische Sprache
sein, die eine solche Analogiebildung aufzuweisen hätte.
4. Wenn ein Hilfsverb die Gestalt der Konjugation be-
stimmen könnte, sollte dies vielmehr avoir sein. Der Bedeutungs-
znsammenhang zwischen noas nomine* and neu« chantotu ist, da
jenes einen Zustand, dieses eine Handlung bezeichnet, zu ab-
strakt und unpopulär, am sich dem sprachbildenden Volksgeist
deutlich fühlbar za machen.
Zu diesen Bedenklichkeiten, deren ein paar sich schon in
meinem früheren Artikel finden, sind andere hinzuzufügen , die
ich eben daselbst schon teilweise anführte:
1. Die ältesten französischen Formen = tumus sind atmet,
»wie», mimes, die durch Analogiebildung erklärten Formen anderer
Verba aber: canlomps, avumt, podwu, trovum, ekevalchum etc.
als die gewöhnlichen, posciomes (Jonasfragment), and ein un-
sicheres avrumet (Roland 381) als Ausnahmen.
2. In der alten Litteratur des ganzen Westens (England
mit inbegriffen) werden durch die Jahrhunderte armen, etnm und
»um«»1) beibehalten, während andere Verba fast nur die Form
-ort»") haben.
3. Als endlich spät (im Osten) soms, sont auftreten, sind
sie doch immer sehr selten and offenbar ganz unpopulär.1)
4. Zu der analogischen Erklärung wurde man durch die
Vorstellung gebracht, die lateinische Form amu» müsste aint
geben, wie ramns ratn», hamua kainn gab. Aber wenn wirk-
lich cantamus je cantains gab, so ist gar nicht einzusehen,
') Das von Lorentz, 8. IT, aus Adam zitierte som (: devriom) ist
sowohl in Bezug auf Form ale Dialekt unsicher.
*) Die Ausnahmen dürften äusserst selten sein; im ganzen
Oxforder Roland, der doch 13 laisses in ö-e hat, gibt es nur avrvmet
391, das unsicher ist; eine Ausnahme conussumes Gaimar 373.
°) Man hat die Form sogar vielfach durch Analogie erklärt
(Foe reter, Sucbier).
Die franz. Verbalendung ons u. die letzten Erklärungsversuche ders. 23
warum diese Form, die den Franzosen auf mundgerechteste Weise
die deutlichste und ausgeprägteste aller Verbalendungen wieder-
gab, nicht erhalten und nie gebraucht wurde. Hat sich doch
die unbedeutendere Form ernus (ostSmus) als ains (ostains) er-
halten; siehe Gröber's Ghundriss I, 611. Man würde mit
besserem Fug die Behauptung von der Parallelentwickelung
cantamus = ramus umkehren können und sagen ramus, hamus
haben rang, hon* gegeben, welche Formen doch wegen ihrer
Seltenheit nicht belegt sind und später gegen Analogiebildungen
nach anderen Kasus vertauscht wurden , woraus rains, hains.
Eine parallele Entwicklung von cantamus und ramus ist aber,
wie wir sehen werden, nicht notwendig.
Wer sich diese Schwierigkeiten der analogischen Erklärung
vergegenwärtigt, wird derselben nicht mehr beistimmen können.
Auch hat selbst Gaston Paris in guter Ordnung den Rückzug
angetreten, indem er bei der Diskussion, die über diesen Gegen-
stand zwischen ihm und Herrn Breal in der Sitzung der Academie
des inscriptions et belies -lettres am 2. August 1889 stattfand,
erklärt, die analogische Erklärung sei nur eine Hypothese, die
durch eine bessere ersetzt werden dürfte (siehe Revue critique
1889, n, S. 112).
Wenden wir uns dann an die Erklärungsversuche, die sich
auf lautliche Vorgänge stützen, so werden wir bald finden,
da88 alle die älteren völlig unannehmbar sind. Dies wurde schon
in der Nordisk Tidskrifi dargelegt und ist zu offenbar, um
weiterer Worte zu bedürfen. Mit diesen Erklärungen, speziell mit
derjenigen von Delius (Jahrb. f. rom. u. engl. Litt. IX, 225),
ist die von Breal dargestellte oder vielmehr wiederaufgenommene
verwandt. Mit den sporadischen chalan — chalon, goudran —
goudron wird nichts bewiesen (Suffix vertauschung); und wenn hie
und da an zu on wird (siehe W. Meyer's Ghramrnaire S. 225 ff.), so
ist doch unstreitig, dass im eigentlichen Französischen die Nasalis
als Nasalis einen anderen Einfluss auf vorhergehendes a ausgeübt
Dagegen kommt die von Suchier ausgesprochene Vermutung,
dass in amus a zunächst hinter Labialen z. B. in AMABAMUS
dem Übergang zu o ausgesetzt war (vgl. taon TABANUM), dann
aber in allen Fällen zu o wurde, in denen nicht halbvokalisches
t den Übergang hemmte, in Betracht. Gleichwohl erheben sich
auch gegen diese Deutung so schwere Bedenken, dass sie un-
möglich wird. Unerklärlich bliebe immer, dass man die praktisch
unbedeutende 1. Person des sekundären t Tempus Imperfekt
als Muster genommen, oder auch vielleicht andere Formen
der Verba auf bare, pare, vare. Weiter ist der Einfluss einer
vorhergehenden Labialis auf einen Vokal äusserst selten (taon
./ r,
tlt<>.
aus tabanum ist bekanntlich eine schwache, wenn iiberliau
irgend eine Stütze); 88 genüge auf W. Mi-vi-i'h Orammairt bJ
zuweisen, Fllr das labiale 6 in der Endung 6am
solcher EinfluBs um so unwahrscheinlicher, als b hier in ä'lteati
Zeit fiel, wie in den meisten romanischen Impcrfektfonuen
Siiiliicr hat selbBt il;ir;tnf aufmerksam gemacht [S. 613).
Die Deutung, die ich schon in dei SbrdiA TUtkrffl rei
sechs Jahren gab, scheint mir noch trotz einigen Widerspruch«
die einzig richtige: ons ist aus amu» durch Labialisicrung des
durch die zwei Lahialcn m u entstanden, wie/ aus an
sland in <■/"", od, Aajim (Andfiinruiiii, l'oittttt, I '.«inl<ntl.\ Nicht*
ist, wenn wir augenblicklich nur auf die Flexion Bezug nehm cd,
natürlicher, denn amus war die am öftesten vorkommende Endung
der l.Pluralis. Sie war nitmlicli in PtJu. lud, aar 1., im Präs.
Konj, aller übrigen Konjugal in neu, im Imperfekt (und damit
Konditionale) aller Verba heimisch. Von liier wurde sie iu das Präs.
Konj. der 1., in das Priis. Ind. der Übrigen Konjugationen (damit in
das Futur) und in das Import". Konj. aller Verba eingeführt. Diese
Auffassung der Verbreitung der Endung amw wird fast zu not-
wendiger Wahrheit, wenn man sieht, dass atit ursprünglich gani
an denselben Stellen wie amw heimisch war und mit der Zeit
ganz auf dieselben Btellen wie onma übertragen wurde (der
Imperativ, fehlend für die I.P., kommt hinzu), uml rJaai Üfl rasigen
Verba und Formen, die sich dem Einfluss von nt.in entzogen
haben fdffef, faitex, exte», cantaiteit), sich auch dem Elnflass TOB
11:11111« entzogen (dtmes, faimes, so www, can/Umu). Die Parallelvei
breitung von mint« atit könnte sogar auf mit aungcdelint werden
doch dürften schon imt, e.nt dasselbe Resultat (ent) ergeben.
Nicht gleich klar liegen die Lau tuuliältniäse bei der
nähme omw: uns. Man wendet einstimmig ein, dasa cantami
wie ramm hütte behandelt werden sollen. Faktisch ist dii
nicht geschehen, da es kein sonlanu RÜrt. Aber sogar dit
Theorie von dem Parallelisuius enntamu» — ramus M ufoefatbar.
Sie ist erstens der Einwendung ausgesetzt, die ich schon in di
Nordütk Ti-iakrift machte, und die ich hier oben, S. 12, andeutete.
Darauf lege ich doch nunmehr wenig Gewicht und denke mir
die Sai'hi' lieber so:
Als einmal die starke Hervorhebung der Tonsilbe den Fall
der Ultima (mit bekannten Ausnahmen! in Nordgallien herbei-
') Siehe meine Ausführungen in der Sordisl; Ti-Iskrifl
hat Anjou und Ibitou Öftere als Provenzulisuien erklären htoDi
dioi auch für da« afldliolie Poitou anginge, ist te doch für da* fran-
zösische Anjou keine Erklärung; dov Weiht auch iminur; richtiger W,
Meyer, Grammaire S. 230.
BJ
an
Die franz. Verbalendung ons u. die letzten Erklärungsversuche ders. 25
fährte, geschah dies nicht mit einem Schlage. Die Nomina, deren
Ultima durch die syntaktisch -flexiviscbe Erscheinung des Dekli-
nationsverfalls der Verstümmelung am meisten ausgesetzt war,
gingen voran; die Verba, deren Personalen düngen, wie die Texte
zeigen, noch lange wegen der Notwendigkeit des flexivischen Be-
dürfnisses, unversehrt bestanden, wurden nicht überall zu der-
selben Zeit von dem Verlust der Ultima betroffen. Dies Ver-
hältnis wird durch viele Erscheinungen, die man überhaupt nicht
oder auch aus grundloser Analogie erklärt hat, bestätigt, näm-
lich: cantames, cantastes, cantasse, -es, sommes, faimes, dimes,
posciomes u. ä., estesy faitesy dites, dient = dicunt, fönt =
fa(e)unt1), manches e des Präs. Konj. der 1. Konj. Dasselbe
Phänomen wiederholt sich und zwar aus demselben Grunde in
den Pronominalformen. Wäre nicht ein die reinen Lautgesetze
kreuzendes oder modifizierendes Flexionsgesetz oder Flexions-
bedürfnis hinzugekommen, so wären Formen wie /?', lo, los, mon etc.
nie entstanden.
Also us in der Endung amus hielt sich, wie andere Verbal-
endungen, länger unversehrt als die Endung in ramus, und die
beiden Labialen der Verbalendung konnten daher einen Einfluss
ausüben, dem das a in ramus sich entzog.
Der Einwand der Junggrammatiker — sit venia verb* —
Ut im voraus gegeben: Ein Lautgesetz wirkt gleichzeitig auf
allen Punkten des Sprach Vorrats. Dieser Satz ist aber nie be-
wiesen, wohl aber aus guten Gründen von Schuchardt2) und
Jespersen*) bestritten worden. In der That auf deduktivem Wege
wird man auf denselben nicht geführt, und wenn man aus den
Volksmundarten, wie Delbrück, einen induktiven Beweis für
dessen Richtigkeit zu holen sucht, ist dieser Beweis erstens nicht
ausgeführt worden und wäre derselbe immer der Möglichkeit aus-
gesetzt durch neue Fakta umgestossen zu werden. Ich wage es zu
glauben, dass in dem Schwinden der Ultima der Substantiva und
dem Nichtschwinden der Ultima einiger Pronominal- und Verbal-
formen ein solches Faktum vorliegt. Dieses Faktum ist ganz die
Realisation einer von Delbrück selbst hervorgerufenen aber zu-
rückgewiesenen Idee: Man könnte annehmen, sagt er Einleitung
in das Sprachstudium, S. 123, dass jede Lautveränderung bei
l) Vgl. indes darüber W. Meyer in der Besprechung von Schwank
Grammatik in dieser Zeitschrift Bd. X. — In cantames, cantastes,
sommes, estes etc. nimmt auch Suchier Erhaltung der lateinischen
Ultima an; Gröber's Grundriss, S. 577.
2) Ober die Lautgesetze, S. 17 ff.
8) JSordisk Tulskrifl for Filologi. Ny Roekke VII, 227 ff. Dieser
Artikel ist auch deutsch in Techmer's Zeitschrift erschienen.
36 /. VistHf, Die französische FerMmdmif ons etc.
einem bestimm teil Worte beginne und sich von diesem «na
weiter fortsetzte, also z. B. von einem Substantivum auf andere,
von da auf Adjektive und Participia, und so zum Verbum ge-
lange. Was Delbrtlck hier als möglich setzte, aber verwarf,
haben Schnchardt (S. 28) und besonders Jespersen (S. 228) auf-
recht gehalten. Der letztere sagt unter anderem: „Es scheint
mir, dass man nicht absolut verneinen darf, dass ein Laut in
einer Übergangsperiode beibehalten werden könne, wo sich dazu
ein bestimmter Bedeutungsinhalt anknüpft, während derselbe in
anderen Fällen schwindet. "
Andere Fragen, die sich mit der behandelten berühren,
wie das Verhältnis von ons und tau, die zeitliche und dialektische
Verbreitung der betreffenden Formen, der Lautwert von o in ont
(= P) n. a. m., lasse ich diesmal bei Seite, da dieselben schon
von mir und Lorentz in seiner oben zitierten Dissertation aus-
einandergesetzt wurden.
J. Vibino.
Paul Scarron als Komödiendichter.1)
Paul Scarron wird heutzutage im allgemeinen nur noch
alt Verfasser des Roman comique genannt, dieses noch immer
interessanten Werkes, welches uns in anschaulicher Weise das
Leben der fahrenden Komödianten in der ersten Hälfte des XVII.
Jahrhunderts vor Augen führt Die Idee zu diesem Werke hat
Scarron aus der Arbeit eines spanischen Komödianten und Schrift-
stellers Augustin Rojas de Villandrado geschöpft.8) Ausser
diesem kulturhistorischen Romane pflegt man noch einige aus
dem Spanischen übersetzte Novellen zu nennen, von denen eine,
La Pttcaution inutüe, Moli&re etliche interessante Züge für die
tcole des Femmes geliefert hat3), während eine andere, Les
ffupoerües, im Tartuffe verwendet worden ist4). Weniger in die
Augen springend als diese beiden Entlehnungen ist der Einfluss,
welchen ein anderer Teil von Scarron's dichterischer Thätigkeit
auf den grössten Dramatiker der Franzosen ausgeübt hat, näm-
lich die Komödien; aber dieser Einfluss, wenn auch mehr mittel-
bar und darum nicht so leicht nachzuweisen, ist dennoch unter
den mannigfaltigen Faktoren, die allmählich oder gleichzeitig auf
Moli&re gewirkt haben, und die er sich alle in seiner Weise
dienstbar zu machen gewusst hat, nicht gering anzuschlagen.
„Paul Scarron, s'abandonnant ä sa verve burlesque, ouvre une veine
ä pari q\LÜ ne faut pas trop mepriser*1, bemerkt Bioland zu-
treffend in der Einleitung zu seiner Ausgabe von Moli&re's Werken5).
l) Über Leben und Werke des Dichters vgl. Bibliographie uni-
verselle, Bd. 41, sowie die Einleitung zu E. Fournier's Ausgabe des
The&ire complet, Paris 1879.
*) Man vergleiche über den Roman comique die Abhandlung von
Juncker im 3. Bande dieser Zeitsekriß.
•) Vgl. (Euvres de Moliere von Despois, III, 116 f.
*) ib. V, 352 ff.
*) (Euvres completes de Moliere p. p. L. Bioland, I, S. XXXI.
28 H. GröhUr,
Es sind Dicht etwa zahlreiche ZUge, Szenen oder Charaktere, für
welche Holiere den Komödien des burlesken Dichters zu Dank
verpflichtet wäre, obwohl es auch an derartigen unmittelbaren
Anlehnungen nicht fehlt; es ist mehr ein inneres, in kleinen Um-
ständen eich geltend machendes Einwirken des einen Dichters
auf den andern. Und dieser Einfluss ist wohl zu erklären.
Unter -den Stücken, welche Holiere besonders in den ersten
Jahren mit seiner Truppe in Paris aufgeführt hat, nahmen die
Scarron'schen eine sehr bedeutende, nächst den aus Holiere's
eigener Feder stammenden, was die Zahl der Aufführungen an-
betrifft, vielleicht die bedeutendste Stelle ein.1) Daraus folgt
doch, dass jene Komödien, anch wenn man einen grossen Teil
ihrer Beliebtheit auf Rechnung des damals noch nicht geläuterten
Geschmackes des Publikums setzt, ein lebenskräftiges Element
in sieh tragen, nnd in der That ist es die eis comica einzelner
Scarron' scher Gestalten, welche nach dem Urteile zahlreicher
Zeitgenossen die Pariser immer wieder ins Theater lockte, mochte
sich auch mancher einsichtige Zuschauer sagen, dass das, was
den Scherzen jener zur Folie diente, einen hohen Kuustwert
nicht in Anspruch nehmen könne. Diese urkomischen, nach
unserem Geschmacks oft zu drastisch gezeichneten Figuren Bind
es auch gewesen, von denen Holiere, vielfach vielleicht unwill-
kürlich, manch charakteristischen Zug entlehnt hat; an ihnen,
deren Rollen er so unendlich oft spielen sah, konnte er be-
ständig Studien für seine Sganarelle nnd Jodelet und Hascarille
machen nnd zugleich beobachten, welche Seite der Komik dem
Publikum am meisten zusagte.
So scheinen mir denn vom litterarischen Standpunkte aus
die Komödien Scarron's hinreichenden Interesse zu bieten, um
einer Besprechung gewürdigt zu werden, indem ja alle Er-
scheinungen, weiche auf die Zeit und die Person eines bedeuten-
den Hannes eingewirkt haben, das Ihrige dazu beitragen, um
das Bild desselben zu vervollständigen.
Ähnlich wie der Roman comique und die erwähnten Novellen
sind auch die Komödien dem Spanischen entlehnt, also nicht
originelle Schöpfungen des französischen Dichters, was ihren
ohnehin nicht grossen ästhetischen Wert noch schmälert. Scarron
war kein dichterischer Genius, die Burleske war sein Lieblings
') Han vergleiche die interessante Zusammenstellung in Molibre-
Despois II, 32 f. nach welcher, wie das Register von La Orange angibt,
an 35 Tagen des Jahres 1660 neben Moliere'a Precieuses ruüeuler neun-
mal Stucke von Scarron zur Ergänzung der Aufführung gegeben wurden,
nnd diea zu einer Zeit, als jene Stacke den Reiz der Neuheit schon
lange nicht mehr hatten.
Paul Scarron als Komödiendichter. 29
feld, and dieses hat er, wo es immer angängig war, auch an-
gebaut, bald mit mehr bald mit weniger Erfolg. Und wie nun
die Burleske an und für sich keine hohe Kunstform ist, so wird
sie auch selten schöpferisch und in diesem Sinne originell auf-
treten, sich vielmehr mit Vorliebe an Vorhandenes anlehnen,
dieses in eigener Weise sich dienstbar machend und umgestaltend.
Übrigens war es keineswegs ein besonderer innerer Drang
zu dramatischer Thätigkeit, der Scarron veranlasste, sich mit
der Bearbeitung spanischer Komödien zu beschäftigen, sondern,
wie man aus seinen eigenen Worten erkennt, trieb ihn offenbar
die Not dazu, sich diese Erwerbsquelle zu eröffnen, denn als
etwas anderes betrachtete er seine dramatische, vielleicht seine
ganze dichterische Thätigkeit nicht. Seit seinem achtundzwanzigsten
Lebensjahre von einer unheilbaren und schmerzhaften Krankheit
befallen, suchte er Trost und Zerstreuung in heiterer Gesellschaft,
die, weil er sie nicht aufsuchen konnte, sich bereitwilligst um
ihn versammelte, und die er mit seinen witzigen Einfällen aufs
beste unterhielt. Diese Gesellschaften sowie seine ganze übrige
Lebensweise kosteten ihm ziemlich beträchtliche Summen, wäh-
rend seine Einkünfte nur gering waren trotz aller Dedikationen
und ernsten oder scherzhaften Bittgesuche, welche er an die-
jenigen richtete, die ihm derselben infolge ihres Reichtums oder
ihrer Freigebigkeit würdig schienen. Und so wurde bald die
ergiebigste Einnahmequelle sein Marquisat de Quinet, wie er
dieselbe scherzhaft nach dem Verleger seiner Werke zu nennen
pflegte. Naturgemäße war er bemüht, diese Quelle immer reich-
licher fliessen zu machen, und so kam er denn schliesslich auf
den Gedanken für das Theater zu schreiben, angeregt vielleicht
durch Schauspieler, mit welchen er seit langer Zeit in Verbindung
stand. Das spanische Theater mit seinen reichen Schätzen bot
ihm immer neue Gegenstände dar, zumal da er in dem Suchen
nach denselben offenbar unterstützt wurde. In einem Briefe an
M. de Marigny dankt er seinem Freunde mit den Worten: „Je
vaus suis bien obligi de la peine que vous prenez de me faire
trouver des comtdies espagnolesu *)
Ausser einer ziemlich einfältigen einaktigen Posse und ein
paar dramatischen Fragmenten2) hat Scarron im Ganzen neun
fünfaktige Komödien in Versen nach dem Spanischen verfertigt,
von denen jedoch zwei erst nach seinem Tode herausgegeben
und niemals aufgeführt worden sind, während die übrigen auf
den beiden Hauptbühnen von Paris, zum Teil mit ausserordent-
J) (Euvres, I, 203.
*) (Euvres, VII.
30 U. GröhUr,
liebem Beifall zur Aufführung kamen. Ich gebe Bonmehr zn
einer Besprechung derselben über.
Das Stück, mit welchem Soarron seine dramatische ThUtig-
keit eröffnete, ist Jodetet ou le Maure vatet, welches nach den
Brüdern Parfaiet1) im Jabre 1645 zum ersten Haie und mit grossem
Erfolge aufgeführt wurde. Nach Fourniera) spielte man das
Stück im HÖtei de Bovrgogne, wo sich zu jener Zeit der be-
rühmteste Darsteller der Titelrolle befand, Jodelet, mit seinem
eigentlichen Namen Julien Oeoffrin oder vielleicht Julien
Bedeau.3) Harty-Laveaux*) gibt an, dass der Mattre vatet im
Theater du Marais aufgeführt worden sei, dessen Hitglied Jodelet
seit 1642 spätestens war, und mit dieser Angabe stimmt die
von Victor Fournel6} flberein, so dass man die Ansicht Fonrnier's,
dessen Ausführungen überhaupt sehr oberflächlicher Natur sind,
wohl wird zurückweisen müssen. B)
Das Original zu Scarron's erstem Jodelet finden wir in der
Komödie des spanischen Dichters Francisco de Rojai Zorilla
') Bitloire du Tkeälre fraiyau, Paris 1746, Urne VI, p. Sz7.
*) Scarron, Thc&tre complet, publ. p. E. Foitrnier, Pari* 1879,
p. XIII.
■} Genau laast sieb der Name nicht feststellen. Interessante Be-
merkungen zu dieser Frage finden sich in der Ausgabe der Werke
Holiere's von Despois II, 36 ff.
*) (Euvres de Corneille, IV, 125, Anni. 2.
B) Let Contemporaint de Motiere, Pari* 1875, III, p. XXXVII.
°) Noch mochte ich mir einige Bemerkungen über Jodelet ge-
statten, jenen berühmten Schauspieler, zu dessen Lieblingsrollen jeden-
falls der Maiire vaiet gehörte. Es ist ganz offenbar, dass dieses Stück,
wie mehrere andere von anderen Dichtern, eigens für ihn geschrieben
worden ist. Allgemein beliebt war sein Auftreten als enfarine' naif,
als welcher er besonders durch die Kunst durch die Nase zu sprechen
(ton nasilUment plaüatit) Beifall erntete. Wir ersehen aus diesem selt-
samen Vorzage, welcher Art der Geschmack des damaligen pariser
Publikums war; der enfarine naif hatte offenbar grosse Ähnlich-
keit mit den Koryphäen unserer heutigen Cirkusclowns. Übrigens ist
die Persönlichkeit dieses Schauspielers oft genug von den Dichtern
seiner Zeit geschildert worden; die diesbezüglichen Stellen sind ge-
sammelt bei Hart; - Laveaux (a. a. 0. 8. 123 ff.), der ausser den
Scarron'schen noch drei Stücke anführt, in denen der Bauptkoniiker
unter dem Namen Jodelet auftritt: Jodelet astrologue von Douvilie, Le
Deniaüe von Giilet de la Tessonnerie und Le GeSlier de soi-mltne von
Thomas Corneille. Hierzu kommen noch La feinte Marl de Jodelet,
comddie en Vers, et en im acte, von Bricovrt, im Jahre 1660 im PsHt-
tiourben aufgeführt (Histoire du tKeatre franfaü VIII, 102), sowie end-
lich Motiere t Precieusts rtdieules. Nach einigen hatten gerade die
Stücke Scarron'B, in denen Jodelet auftritt, dem Darsteller dieser Bolle
seinen Theaternauieu gegeben. Tha.tfla.ch lieh ist da* Verhältnis umge-
kehrt, wie schon Despois (a. a. U. II, 39, Anm. 2) zeigt.
Pard Scarron als Komödiendichter, 31
Donde Kay agravios no hay cetoe, y amo criado.1) Diese Quelle
ist angegeben in einer poetischen Epistel Sarrazin's an den
Grafen von Fiesque, in der unser Stück ausserordentlich gelobt
und vielen italienischen Komödien vorgezogen wird.8)
Da der Maure valet die berühmteste von Scarron's Komödien
und zugleich ihre Quelle bekannt ist, so will ich im Folgenden
den Versuch machen, die beiden Stücke mit einander zu ver-
gleichen, um so die Art und Weise zu zeigen, nach welcher der
Dichter bei der Bearbeitung seiner spanischen Vorlagen verfuhr;
denn es wird gestattet sein, aus dem vorliegenden Stücke einen
Schlus8 auf die übrigen zu ziehen.
Der Amo criado besteht der spanischen Sitte gemäss aus
drei Jornada*, die Scarron in fünf Akte umgewandelt hat In-
haltlich unterscheiden sich beide Stücke nur in ganz unwesent-
lichen Punkten von einander. Die folgende Inhaltsangabe schliesst
sich an das Rojas'sche Original an.
Jornada primer a. Don Juan d'Alvarado soll Dofia In6s
(im französischen Stücke Isabelle), die Tochter des Don Fer-
nando de Rojas, heiraten, kennt aber seinen Schwiegervater
noch gar nicht und seine Braut nur nach einem Bildnis, das
ihm allerdings bereits eine innige Zuneigung zu dem Original
eingeflösst hat. Er ist in der Nacht mit seinem Diener Sancho
(Jodelet) in Madrid angekommen und hat soeben mit vieler Mühe
das Haus Don Fernando's gefunden, als er bemerkt, wie auf
1) 1640 zuerst erschienen und wieder abgedruckt in den Comedias
escogidas de Don Francisco de Rojas Zorilla, Madrid 1861, Band XXXIV
der BibtioUca de antares espaüoles.
3 Ich zitiere die interessante Stelle nach den Brüdern Pari ai et
. VI, S. 340 f.):
Mais toutefois un Zani bähte
Für les Sergents Spavento di note
Santo, escalade, et teile momerie
Chicos berlis, et Turcs de Tartarie,
Ne me sonl rien aupres de Jodelet.
Aon, de par lui; je serois un folet,
Voir un gisand fou de lux donner la pomme,
Or entens-moi, c'est ce que le petU komme
Que tu connois: et dont on peut precher,
Lesprit est prompt, mais infirme est la chavr,
A translate de la langue Espagnole
N'a pas longtems, Comedie tant foüe,
Chi Jodelet est si plaisant garcon,
Qu1 Italiens il jette hors d*arcon.
Tu Cavouerois, si la Piece avois lui',
Et encore plus, si jouer V avois vti&
Dom Francesco de Roxas est TAuleur,
Et Püul Scarron, cotnme ai dit, translateur.
32 ff. Gröhlcr,
dem Balkon des Hauaea eine Thttre geöffnet wird, und ein junger
Kavalier auf die Strasse herunterspringt. Don Juan will ihm
den Weg versperren, beide ziehen, ea kommt zu einem kurzen
Kampfe, aber der Fremde flieht schliesslich unter dem Schutze
der Dunkelheit, weil er fürchtet, durch den Lärm könnte Don
Fernando herbeigelockt werden. — übrigens weicht hier Scarrun
insofern ein wenig von seinem Originale ab, als er den Fremden,
am die Szene abzukürzen, sofort die Flacht ergreifen lässt, was
Rojas nicht tbun konnte, da ein spanischer Edelmann niemals
auch nur den Schein der Feigheit erwecken durfte. (Vgl. Scarron,
Akt I, Sz. 3; Rojas S. 149, Spalte l}.1)
Don Juan fürchtet, der Fremde könnte ein Riva) seiner
Liebe sein, und nm sich hierüber Klarheit zu verschaffen, benutzt
er die günstige Gelegenheit, die ihm der Zufall bietet. Sein
Diener hat an Dofia Ines statt des Bildnisses seines Herrn aus
Versehen sein eigenes abgeschickt, und Don Juan macht Sancho
den Vorschlag, mit ihm die Kleider zu wechseln und an seiner
Stelle eine Zeitlang den Herrn zu spielen, während Don Juan
Sancho's Rolle Übernehmen will. Nachdem der feige Diener sich
versichert hat, dass dabei nichts zu riskieren sei, geht er auf
den Vorschlag ein. (Hier schliesst der erste Akt des franzö-
sischen Stuckes).
Der junge Mann, den Don Juan hatte vom Balkon springen
sehen, war Don Lope (Don Louis), der seiner schönen Kousine
Dofia Ine» den Hof macht, und der sich wider ihren Willen und
mit Hilfe der Zofe Beatriz in ihr Haus eingeschlichen hatte. —
Die junge Dofia Ana de Alvarado ist nach Madrid gekommen,
nm bei Don Fernando Schutz und Hilfe zu suchen. Bei Gelegen-
heit eines Festes hat sie in Burgos vor vier Jahren (bei Scarron
sind es zwei) die Bekanntschaft eines jungen Edelmannes ge-
macht, dessen treffliche Eigenschaften ihr Herz gewonnen hatten.
Sie hatte seinen Schwüren Glauben geschenkt und ihm schliess-
lich mehr gestattet, als ihre Ehre erlaubt hätte. Die Verse,
welche ihren Fehltritt in Don Fernando's Augen entschuldigen
sollen, sind von ausserordentlicher Schönheit nnd legen ein
glänzendes Zeugnis von dem Talente des spanischen Dichters ab :
Obrö ei duewso torpe y poca alento.
La memoria enganö al etilen dimie nio :
Lot ojos, si no ciegos, tuspendidot
Se dejaron guior de los otdos.
Dile cnlrada en mi casa con rdcato,
') Ich zitiere Rojas nach der oben erwähnten Ausgabe der
Comedias escogidas; Scarron'e Tbeatre ist am leichtesten znganghch in
der handlichen Ausgabe von E. Fouraier.
Paul Scarron als Komödiendichter. .33
Ardiö el amor, que le aiizaba el trato;
Salimos d un jardin, el me rogaba,
Yo llore, sin saber por que lloraba;
Consolöme, admili grata el consuelo,
Y el temor le guarde para el recelo:
Con pasiones procuro convencerle;
Dijo mos, tuve gana de creerle,
Y, al fin, SeHor (;oh si por mas enojos
Se sedier a mi ofensa por los ojos!);
Mas si digo que dijo que me amaba,
Que amena soledad nos amvidaba,
Que por que mi desdicha me convema
Le diö sombra la noche d mi vergüenza,
Que las flores mediaban mi cuidado,
iQue le cuento, si ya te la he contado?1)
Scarron wirft alles das als unnützen Ballast über Bord und
gibt der langen Rede kurzen Sinn mit den drei Versen wieder:
// feignit de m'aimer, tout de bon je faimai;
Mais souffrez que mes pleurs vous apprennent le resle,
Cor tout en est honteux. car tout en est funesteß)
Doch kommen wir auf die Inhaltsangabe zurück! Don Lope
hatte das unglückliche Mädchen im Stich gelassen, der Name,
den er ihr angegeben, war falsch gewesen; da sie aber wisse,
dass er in Madrid wohne, sei sie gekommen, um Don Fernando,
einen Freund ihres verstorbenen Vaters, um Hilfe anzuflehen.
Dieser verspricht ihr auch alles zu thun, was in seiner Macht
stehe, um ihre Ehre wiederherzustellen und schickt sie zu seiner
Tochter, als ihm Don Lope, sein Neffe, gemeldet wird. Auch
er ist gekommen, um sich Rat zu holen. Vor mehreren Jahren
habe er in Burgos ein schönes Mädchen kennen und lieben ge-
lernt; in einer Nacht aber, als er sich in ihrem Hause befand,
sei plötzlich von einem Fremden die Thttre gesprengt worden.
Seine Geliebte habe das Licht ausgelöscht, und er habe den
Eintretenden in der Dunkelheit getötet, um am nächsten Morgen
zu erfahren, dass dieser sein Freund und zugleich der Bruder
der von ihm verführten Dame gewesen sei. Er sei geflohen,
ohne sich um seine Dame weiter zu kümmern, habe aber heute
die Nachricht erhalten, dass der Bruder des Getöteten nach
Madrid gekommen sei, vermutlich um den Tod seines Bruders
zu rächen. Don Lope weiss nicht, was er in dieser Lage
thun soll:
ffuir de el es cobardia;
Querer matarle, es delito ;
Ao esperar le, es gran desdoro;
Solicitarle, es delmo.
1) S. 152, 1.
3) Akt II, Szene 3.
Zeclur. f. frz. Spr. u. Litt. XII'. <*
84*
H. GrühLr,
Don Fernando erkennt, dass jener Gegner uniJ sein zu
künftiger Schwiegersohn dieselbe Person Bind. Überdies wird
üiin Ais Ankunft Don Juans gemeldet, der mit seinum Diener
Buebo eintritt, beide der Verabredung gemäss mit vertaucbteii
Rollen. Don Lope erfährt nunmehr, dass Don Juan, für welchen
man natürlich den verkleideten Saueho hält, Bein Nebenbuhler
isi und erkennt in ihm sogleich den Bruder der Dona Ana,
während Don Juan über die Person des Flüchtling ran »Ori|
Nacht aufgeklärt und dadurch in seiner Eifersucht noch
stärkt wird.
Man sieht, wie die geschickte „Mache", welche den spi
machen Dichtern eigen ist, leider durch die zahlreichen Dnwmhl
sclieinlichkeiten dieser Exposition stark beeinträchtigt wird
Jornada segunda (dritter Akt bei Searron). Dona lues
filhlt sich höchst unglücklich in ihrer Lage. Sie kann dem
rohen und ungeschickten Menschen, den sie heiraten soll, keine
Liehe entgegenbringen, sie verachtet ihren Vetter und filhlt sich
hingezogen zu Don Jusn's vermeintlichem Diener, den sie doch
nicht lieben darf. Aber erlaubt es denn das Naturgesetz nicht,
ancli einen Menschen von untergeordneter Stellung zu lieben? —
Sic wird in ihren Betrachtungen durch Don Lope gestört, der in
einem benachbarten Zimmer verborgen gewesen war und nun
kommt, ihr seine Leidenschaft zu beteuern. Doch sie weist ihn
zurück, indem sie ihn an den Verrat erinnert, den er an Dofia
Ana getlbt habe. Da man Sanclio nahen hört, versteckt lict
Don Lope in einem Zimmer seiner Kousine. Auch Saucho will
Dona lne,s die Macht seiner Liebe schildern, da er aber die
richtigen Worte nicht finden kann, so beauftragt er seinen Diener
Don Juau, es an seiner Stelle zu thun. So ist denn den beiden
Liebenden Gelegenheit gegeben, gegenseitig ihre Herzen auszu-
Mflötten; ein jeder schildert seine wahren Gefühle, und doch
traut keiner den Worten des andern wegen der seltsamen Bollen,
die sie beide spielen. Saucho glaubt schliesslich aus den Worten
von Dolla Ines zu erkenuen, dass sie sein Werben günstig auf-
nehme und erklthnt sich, ihr die Hand zu küssen, wofür er
hinterher von Don Juan gezüchtigt wird.
Doua Ana hat dus Zimmer, in welchem sie sich den ganzen
Tag Über verborgen gehalten, endlich verlassen und naht sich
zufällig dem Verstecke Don Lope's. Sie bemerken einander,
jedoch ohne sich gegenseitig zu erkennen; Dofia Ana verschliesst
die Thllre, welche sie von Don Lope trennt, und dieser, der sie
ftir Dona Ines hält, macht ihr die glühendsten Liebesbetcuerungon.
Da zeigt sieb Dona Ana, sie erkennen sieb, aber der Schrei der
Überraschung, den sie ausgestoßen, hat Don Juan herbeigelockt.
Hier
l„«,
ig"
IM-
ilir
ii.'.j
Paul Scarron als Komödiendichter. 35
Er erkennt seine Schwester und will sie, am seine Schmach zu
riehen, töten, wird aber von Don Lope daran gehindert Da
erwacht wieder die Eifersucht in ihm, er wendet den Degen gegen
seinen Rivalen, indem er als vermeintlicher Diener immer vor-
gibt, die Ehre seines Herrn zu verteidigen, wird aber an der
Ausführung seines Vorhabens durch Don Fernando's Erscheinen
gehindert, der ihm versprechen muss, dass er Dona Ana an ihren
Bruder Don Juan aasliefern werde.
Ich bin auf diese Szene so genau eingegangen, weil sich
Scarron mit Recht eine kleine Abweichung von seinem Vorbilde
erlaubt. Dofia Ana, die in Don Fernando's Hause selbst fremd
ist, sollte einen Fremden, dem sie dort begegnet, ohne Weiteres
einschliessen? Das ist unwahrscheinlich. Scarron lässt sie ver-
schleiert eintreten, so dass Don Louis sie sehr wohl für Isabelle
halten kann. Sie ist erstaunt ihn vor sich zu sehen,, aber seine
ersten Worte verochliessen ihr den Mund.1) Übrigens weiss man
nicht, woher bei beiden Dichtern Don Juan, der doch als Diener
▼erkleidet auftritt, den Degen nimmt, mit dem er zuerst auf
Dofia Ana und dann auf Don Lope eindringt.
Jornada tercera. Dofia Ana teilt der Freundin ihren
neuen Kammer mit. Noch immer liebt sie den ungetreuen Don
Lope, aber sie mass leider in Dofia Ines selbst eine Neben-
buhlerin sehen. Diese tröstet sie, versichert sie ihrer Freund-
schaft und fügt hinzu, dass ihre Freundin nicht zugleich ihre
Nebenbuhlerin sein könne:
Dona In£s. Un desengaüo mayor
Es preciso que se arguya
En esta sospecha tuya.
Dona, Ana. iQttf est
Dona lnis. Que yo le tengo amor.
Dona Ana. Y asi, mi pena y mi afan,
iComo apagar d esta Hanta?
Dona In&t. No Kay dama que quiera ä datna
Que ha querido d su galan;
Y asi por seguro ten
Que en mi no hay afecio lal,
Pues yo le quisiera mal
Si yo le quisiera bien?)
Wie viel reizende Naivität liegt in dieser ganzen Szene, in
welcher sich der Charakter der beiden Frauen im schönsten
Lichte zeigt und in einer durchaus edlen und poetischen Form
zum Ausdruck gebracht ist. Und was finden wir bei Scarron
hiervon wieder? Wahrlich nicht viel; er hat die Szene (IV, 1)
») Vgl. Akt III, Sz. 9 und S. 159, 3 bei Rojas.
*) S. 162, 2.
36 H. GrehUr,
auf 16 Verse verkürzt, in welchen das Original nicht wieder-
zuerkennen ist. Das Motiv der Eifersucht zwischen den beiden
Frauen läset er ganz weg.
Sanebo teilt nns nunmehr in einem Monologe seine An-
schauungen Über Ehre mit, die allerdings von denen eines spa-
nischen Edelmannes wesentlich abweichen. Bald darauf benutzt
er eine günstige Gelegenheit, um der Zofe Beatriz eine Liebes-
erklärung zu machen, wird aber dabei unglücklicherweise von
Dofla Ines Überrascht Als sie ihm noch Vorwurfe macht, kommt
Don Fernando und kündigt ihm an, dass er sich mit Don Lope
schlagen müsse, da dieser seine Ehre angegriffen habe. Er will
nicht darauf eingehen, aber Don Juan Überredet ihn schliesslich,
seinen Gegner in ein Zimmer des Hauses zu bestellen, wo er
sich selbst versteckt halten wolle, um zu rechter Zeit in den
Zweikampf einzugreifen (Schluss des vierten Aktes bei Scarrou).
Don Lope und Sancho finden sich nun thataächlich beide
in dem bestimmten Zimmer ein. Ersterer will den Zweikampf
beginnen, Sancho aber sucht ihn noch immer hinzuhalten. Schliess-
lich erinnert er sich, dass Don Lope den Bruder Don Juan's in
der Dunkelheit getötet habe und löscht daher schnell das Licht
aus. Sofort tritt Don Juan an seine Stelle, die beiden Gegner
kämpfen, und Don Lope wird leicht verwundet. Auf eine Frage
Don Fernandos, welcher jetzt sonderbarer Weise ausserhalb der
Thüre erscheint, antwortet Sanebo, der schnell wieder an Don
Juan's Stelle getreten ist, dass er soeben im Begriffe sei, den
ihm angethanen Schimpf zu rächen; Don Lope aber, gereizt
durch seine Verwundung, will seinen Gegner noch mehr erbittern
und gesteht deshalb ein, dass er derjenige sei, der Don Juan in
doppelter Weise tätlich beleidigt habe:
l'a la ira me obliga aqta
A irritaros inhumano ;
Yo di muerle d ruestro hermano
Y ä vttestra kermana ofendi:
Y ati, atrevido y osado,
Todo mi ardor os proeoea.1)
Nun gibt Don Juan sich zu erkennen, indem er erklärt,
Eifersucht sei der einzige Grund gewesen, weshalb er sich ver-
kleidet habe, doch jetzt, da er den Beleidiger seiner Ehre kenne,
gelte es vor allem, den Schimpf zu rächen:
en sabiendo mi agravio
De mis celos me olvide.
Que si en dudas y recelos
De aqvel repetido ardor
») S. 1S7, 1.
PeuU Scarron als Komödiendichter. 37
Hay celos donde hay amor,
Donde hay agravios no hay celos.
Sofort will er das Rachewerk vollziehen, aber Don Lope
bittet höchst überrascht seinen Gegner um Verzeihung, während
er kurz vorher sich noch seiner Thaten gerühmt hatte. Er habe
Don Juan's Bruder, seinen besten Freund, wider Willen getötet,
und um nun auch Don Juan's Freund zu werden und Dona Ana
ihre Ehre wiederzugeben, erklärt er sich bereit, seine frühere
Geliebte zu heiraten und Dona In6s zu entsagen. Don Juan
ist mit dieser Genugthuung zufrieden, die ihm zugleich seine
Ehre wiedergibt und ihn von seiner Eifersucht heilt, und damit
der brave Sancho nicht leer ausgehe, erhält er seine liebe Beatriz
zur Frau. —
Corneille sagt von seinem Menteur, der ja bekanntlich auch
stark „nach dem Spanischen" ist, er habe „entihrement depaysi
les sujets pour les habüler ä la francaise.a Das kann Scarron
weder von dem Maitre valet noch von irgend einem seiner
folgenden Stücke behaupten. Dass der Inhalt der Komödie von
dem der spanischen nur in ganz unwesentlichen Punkten abweicht,
habe ich bereits hervorgehoben. Aber auch das ganze Kolorit
des Originals ist mit fast allen Eigentümlichkeiten, die gerade
nur der spanischen Komödie zukommen, im Französischen ge-
treulich wiedergegeben. Scarron's Personen sind Vollblutspanier,
die in Spanien echt spanisch auftreten. Natürlich sind auch die
Einheiten der Zeit und des Ortes, an welche die Spanier sich
wenig kehrten, nicht beobachtet, was die zeitgenössischen Kritiker
und unter anderen auch die Brüder Parfaict dem Dichter Übel
vermerkt haben.
Bei einer genauen Vergleichung der beiden Stücke be-
merken wir, dass die Reihenfolge der Szenen vollkommen überein-
stimmt, dass nur einzelne Teile des Dialoges zusammengezogen
und so die Szenen abgekürzt worden sind. Daraus folgt, dass
Scarron offenbar das Stück des Spaniers vor sich gehabt hat und
dessen Inhalt nicht bloss durch frühere Lektüre oder durch
mündlichen Bericht kannte. Andererseits ist aber die Verwertung
des spanischen Musters fast niemals zu einer Übersetzung des-
selben geworden, wie die Vergleichung der folgenden Parallel-
stellen zeigt, wo das Vorbild noch am getreuesten nachge-
ahmt ist:
Amanda, sttspiro y Uoro
Con lägrimas del dvseo,
Cuando viendoos d vos, veo
El dulce dueno quo adoro;
Y a no ser por mi decoro,
Arrojada, vive Dios,
II GrMer.
Itlrqtte te viertln lot diu
iVnstnirn MMfd heinl.i.
Am /■"'■ um gotd m '„/„.
SuhiIii ,ni mutnt /'■"■ km
71m ii-.-n. tun •••, m "'"/"
£f ni um»/, por ..,c (m rar»,
!'«,■ niaMdc '»"* to d*olaro
l'.i iii,uid,i „i,:„.,i\ h düjo;
\ st Imlilii im U miiiijii.
Y si firiieiirn fiiii/aie
Es casti'juniK- ,n ■
y ad tengo >■„ OMten/arle
Mucho fuue ■■,! occvttarfo
f i„,a, -liri,, ,-n ,1,-eir/,-, (S
II faul hielt ettMs MW ,/'„- Je BW justifie.
i'mis diiutci de mn flamme 0»i, j'nivie. eiwiee im
Ce qve j'aime etl a Vota, et je Paime MMMWMI i
kl longue /■■■■■
l'nhjet de mtrn ammir, et je briiU et j, :., ■
J,: hl,',!,- ,u- ti,?.ir. ,i /,■ trembfa dt p*ur;
Fout cause: ,i In fou mn jnie et <na doitleur.
Fat- U jinmih m inni /-:n.< elnui-je .1 ),Ihs rare?
Lnrtque je h- di\ mi-nis. </<i"Si je U deei'ire:
El si je It ditai*, Hi, lu-ii ,U- m «Meyer.
Au Heil de me ,/neete. je seen/s' M •liui,/er.
Et quand, saus deeouvrrr ,/n bim midier it,„ jlnmim-.
Je U1c/k- it deguiser cc -/iie je sffHt drmn fäme,
It „„■„! /,-■ ti; ,uec im | ■
C'eti-ä-dire pnrtnut je n'.ii rten ■■/»■ 4m ""'!•
Zeit auch eine
einander. Rojan
Dieselbe Szene zeigt jedoch zu gleicher
bedeutende Abweichung der beiden Didiler VW
und das spanische Theater seiner Zeit überhaupt hegen eine Im -
sondere Vorliebe flir das Beiseitespreeben der Schauspieler, luid
thatsäcblich ist dieses ja ein bequemes Mittel, das Publikum von
den Gesinnungen einer Person in Kenntnis tu setzen und so mit
wenigen Worten einige scharfe Charakterzllge zum Ausdruck zu
bringen. Die massige Anwendung dieses Mittels wird daher
auch nicht zu tadeln sein; wenn aber Kojas nicht selten Minuten
lang ohne Unterbrechung die Auftretenden ihre Gedanken in
dieser Form vorbringen lässt, so ist das schon deswegen ent-
schieden tadelnswert, weil es die Illusion des Publikums in
hohem Grade stört, und wir können uns nur mit Scarron's Vor-
gehen einverstanden erklären, wenn er derartige SMgedahatR
Aparte zu vermeiden sucht. Lehrreich flir das Verfahren des
spanischen Dichters sind ausser dem Anfange der schon ge-
nannten Szene auch noch die Stellen S. 154 f., 158 und IG".
Die Charakteristik eines Menseben darf sich eben in einem gnteu
Stücke nicht wesentlich ergeben aus reflektierenden Äußerungen
Über die Lage, in welche er versetzt ist, sondern sie soll aus
Paul Scarron als Komödiendichter. 39
seinen Handlungen, ans seinem Verhalten gegenüber den auf ihn
einwirkenden Verhältnissen hervorgehen. Bekanntlich hat sich
auch Lessing über die genannte Eigentümlichkeit des spanischen
Theaters gelegentlich geäussert.1) — Nicht minder störend er-
scheint uns das reflektierende Element in der spanischen Komödie
auch an anderen Stellen, wo es in Rede und Gegenrede der
auftretenden Personen zum Vorschein kommt, so dass manche
Szenen dadurch einen lyrischen Anstrich erhalten. Scarron hat
dergleichen Szenen entweder ganz weggelassen oder dieselben,
wo sie unumgänglich notwendig erschienen, durch einen Monolog
ersetzt, wie z. B. am Ende des zweiten Aktes. Auch da, wo
die Verhältnisse in objektiver aber allzu weitschweifiger Weise
besprochen werden, kürzt der französische Dichter und macht so
den ganzen Dialog lebhafter und unterhaltender.
Eine andere Eigentümlichkeit des spanischen Dramas ist
seine blumige, mit Bildern und Metaphern überreich ausgestattete
Sprache. Wir können nicht leugnen, dass dieselbe auf unser
ästhetisches Gefühl, besonders bei der Lektüre einen angenehmen
Eindruck macht, und dennoch finden wir jenen Reichtum tadelns-
wert Der Stil des Dramas und derjenige der Komödie ganz
vornehmlich verlangt Kürze; wir wollen die Handlung beständig
fortschreiten Beben, während die behagliche Ausmalung von
Situationen und Gefühlen dem Gebiete der Epik und Lyrik an-
gehört, und so können wir auch Rojas und seinen Landsleuten
den Vorwurf nicht ersparen, dass sie in dieser Beziehung die
Grenze des Erlaubten überschritten haben. Auf S. 156 schildert
Dona In6s ihre glühende Leidenschaft für Don Juan, den Diener,
der viel zu tief unter ihr steht, als dass sie es wagen könnte, auch
nur sich selbst diese thörichte Neigung zu gestehen. Sie fährt fort:
Mas no pienso que es bajeza,
Que aunque es verdad que ei amor
De igualdades se contenta,
Bien puedo yo querer bien
A otro que mi igual no sea,
Que no es fino amor, amor
Que se funda en conveniencias.
Und durch zwei Beispiele aus dem Gebiete der Mythologie und
des Naturlebens, die mit behaglicher Breite ausgeführt werden,
sucht sie nun ihre Liebe vor ihrem Gewissen zu entschuldigen.
Scarron (III, 4) hat dies ganz weggelassen und überhaupt die
Szene bedeutend abgekürzt, die gleichwohl nicht ohne Poesie ist,
während andererseits der Gang der Handlung weniger unterbrochen
erscheint, als es bei Rojas der Fall ist. Gegen die Metapher
l) Hamburgische Dramaturgie, Zweiundsechzigstes Stück,
40 H. iWahh,-.
liegt der französische Dicliter sogar eine entschiedene Abneigung;
ich erinnere mich, in seinen sämtlichen Dramen deren nicht mehr
als zwei gefunden zu haben, die noch dazu recht geschmacklos
sind. Akt V, Szene IV in unserem Stücke liisst er Don Juan sagen:
und in einem anderen Stücke, dem Jodelet dueUiate (V, 7), erzählt
Don Pedro von einem Vorfalle
7b« ( ceci s'esl jwsse ramme uu ijrand fett de paiüe.
Freilich hat dieses Bestreben die Szenen abzukürzen auch
einen nachteiligen Einfluss auf die Zeichnung der Charaktere,
wie schon gelegentlich bei der Inhaltsangabe des Stückes ange-
deutet wurde. Recht deutlich tritt dies zu Tage in der fünften
Szene des zweiten Aktes, wo Don Louis über seine Begegnung
mit Lucrice in Burgos berichtet. Nacli einigen ziemlich leeren
Redensarten führt Don Louis fort:
Paur faire court, tut soir r/ne tmus ctions ensemble,
J'enteiuit rampre h purte, et . . .
Rojas überzeugt uns durch den eingehenden Bericht, welchen er
Don Lope geben lässt, einigermassen von seiner aufrichtigen
Liebe zn Doha Ana, und so söhnen wir uns noch zur Not mit
diesem unbeständigen Liebhaber aus, während wir nach Scarrun's
Darstellung die arme Lucrece nur bedauern können, die durch
die Verheiratung mit diesem Manne unmöglich glücklich werden
wird.
Es sei hier noch die erste Szene der zweiten Jornada an-
geführt, wo der spanische Dichter ebenfalls das Benehmen Don
Lope's zu entschuldigen sucht, und wo ihm dies wenigstens besser
gelingt als Scarron.1) Freilich entfaltet auch Rojas gerade in
der Charakteristik dieser Person das geringste Geschick. Don
Lope ist zuerst bereit, sich mit Sancho zu schlagen, dessen
Feigheit er sieht, aber plötzlich, als er den wahren Don Juan
erkennt, bereut er alle seine Vergehen, und der Vorschlag, den
er nun macht, könnte wohl zu seinen Ungunsten gedeutet werden.
Dieses Gefühl hat Scarron offenbar auch gehabt, und er fügt,
um jeden Zweifel an dem chevaleresken Charakter dieses Mannes
zu beseitigen, hinzu (V, 4):
Cetix qui me conitaitront , sanruiit bicu gut In cratnle
N'ett /ias ce qui me fait Qppntner r„irc pfaftlft . -
Pmsqu'ü ful man ami: pnur devenir le niitre,
Je donnerais mon sang, je donnerais man eazur,
El ce discours n'esl pas un ef/'et de NU fear.
i) Akt 111, Szene I.
Pmü Scarron als Komödiendichter. 41
f Das ist recht schön gesagt, wir sind aber wenig geneigt, es zu
glauben and finden die ganze Lösung des Knotens schwach,
schon um der armen Lucr&ce willen, die einen Mann heiraten
rnuss, den sie zwar liebt, der aber selbst kaum noch Zuneigung
xn dem Mädchen hat
Schliesslich will ich eine Stelle nicht Übergehen, wo Scarron's
Bestreben abzukürzen gerade dazu dient, die Wahrscheinlichkeit
des Vorgeführten zu erhöhen. Akt III, Szene X und XI erscheint
Don Juan in dem Augenblicke, als seine Schwester und Don Louis
einander zufällig in der Wohnung Don Fernando's begegnet sind.
Ihr Anblick wirkt so überraschend auf ihn, dass er im ersten
Augenblicke nicht weiss, was er thun soll, und wir finden das
wohl begreiflich. Diese Unentschlossenheit kann aber unmöglich
von langer Dauer sein, und es ist daher fehlerhaft und unwahr-
scheinlich, wenn die Szene, wie es bei dem Spanier der Fall ist,
bedeutend fortgesponnen wird, ohne dass Don Juan einen ent-
scheidenden Schritt thut. Dieses Gefühl hat Scarron vielleicht ge-
leitet, wenn er Don Juan, bald nachdem er seine Schwester erkannt
hat, den Degen ziehen lässt, um sie für ihren Frevel zu bestrafen.
Ich habe bereits Gelegenheit gefunden zu bemerken, dass
der französische Dichter bestrebt war, das komische Element
des Stückes möglichst in den Vordergrund zu stellen und diese
Ursache ist es fast allein, welche ihn veranlasst, zuweilen seine
Vorlage zu erweitern, sei es dass er eine nur angedeutete
komische Situation mehr ausführt, sei es dass er selbst Witze
hinzufügt oder diejenigen des Originals durch kräftigere ersetzt.
Auf solche Weise erhält die Komik des spanischen Stückes in
der französischen Bearbeitung einen burlesken Anstrich, ganz
besonders in der Rolle des Dieners Jodelet, des Possenreissers
par excellence. Die Burleske war von jeher das Lieblingsgebiet
der poetischen Thätigkeit Scarron's gewesen, und so ist es nicht
zu verwundern, wenn er auch seine spanischen Muster nach dieser
Seite hin ummodelt, zumal da der Beifall des Publikums ihn hierzu
ermunterte. — Einzelne Szenen, in welchen Jodelet auftritt, sind
ziemlich getreu dem Spanischen entnommen, so I, 3; IV, 4; V, 4
und vor allem IV, 5, wo das Original am wenigsten verändert
worden ist. Aber gerade in seine Lieblingsperson Jodelet hat
Scarron einzelne Züge gelegt, die seiner eigenen Erfindung an-
gehören. In der dritten Szene des ersten Aktes findet sich im
Spanischen (S. 148, 3) folgende Stelle:
Bemardo. ... es tarde, y manana hay diu.
Sancho. Los dos que ve se hau criado
En ia Noruega; y asi,
Por la noche negociamos.
//. Unlhkr.
Scarron sagt statt dessen:
Jodelet. f/ota n'ttifotu •/<«■ la nuit,
Nvut portonx a Iti nuii umiM tJuguEirg,
Ei ifriont *»<■>' faeMt d'.n„„- im la m
NoUM sommeit dt Sti>-rrtj,\ uu paifs rert U mird.
Du miuniit d'itu ehactm est Ivtit hamm? t/iti dtirl.
l'-tur ni-n, jr tu: it-ir-: pmnt ; MMt-Mn In im/n int
Ceti U plus ijraHd vnllcur qta tc i raupe ^itut-iire
80 auch im ferneren Verlauf der Szene. Ganz ähnliche Er
tcrungen zeigt ferner die erste Szene des Stückes,
von der Vertauschung der beiden Bilder spricht. Die siebei
Szene des dritten Aktes ist von Scarron mit besonderer iviul
behandelt, aber gerade hier Bind mehrere TOP «'inen
danken als recht gelungen zu bezeichnen. Isabelie versichert Jodelet
ihrer Zuneigung, richtet aber Ehre Worte an Don Juan, den sie
ja flir Jodelet hält, und der wirkliche Jodelet antwortet ibr:
Mti /'vi. j'mhnds liii-n pea ce ilismuts m/pni',
Ja coiiruiK, seukmrnt i/u'it ts< pasaiowtf.
Oll ilkilde prmnz-cinix laut dt phihisophi,-'
iinil gleich darauf:
J'culciuif encore iwojiw ce dincuiirs-ci i/ite Cautii tU
Der etwas lange Dialog zwischen Don Juan und Isabelie
dieser Szene ist von Scarron abgekürzt worden, der andererseits
einige mehr oder weniger geistreiche CJedanken aus seinem
eigenen Repertoire hinzufügt, wie z. B. :
Otez-vow i'ih'iHfitt, je tims UM /'■"-
Auch des Jodelet Betragen gegen soinen Herrn ist
Scarron manchmal noch freier als im Spanischen. Bald im
fange der ersten Szene äussert Bernardo:
Kl jmcio kcimis tlt' pcrdi-.r
Si haif riiifiiim i/nt- ptrdanot.
Don Juan. Ihn, iu tos deeine'.
Je veux des etile nuii alter roir Isainltr.
Jodelet. Des ccllr nuii plutöt vum l/rouilter la e.rntilte.
St (■,-,■ reite etat tont est meora A brontiler.
Die äusserste Grenze des Burlesken ist das Abgeschmacl
und der burleske Dichter wird selten ganz vermeiden könnt
in diesen Fehler zu verfallen, zumal da der Leser oder Zi
schauer je nach seiner geistigen Anlage und Bildung die Grei
bald enger bald weiter ziehen wird. ThatsKehlich sind auch bei
Scarron die Plattheiten nicht selten, und das ist wohl der
schwerste und vielleicht begründetste Vorwurf, welcher dem
Dichter gerade in Bezug auf seine dramatischen Werke gemacht
worden ist. Gleichwohl kann man sich diesen Fehler sehr leicht
erklären. Ausser seiner Neigung zu dieser niederen Art der
sie
Pnul Scarron als Komödiendichter. 43
Komik wurde Searron auch stark durch den Geschmack seines
Publikums beeinflusse das manchen der Einfälle recht lustig
fand, bei dem wir heute einen kleinen Ausruf der Hissbilligung
nicht unterdrücken können. Und in der That rühren die oben
erwähnten tadelnden Bemerkungen fast nur von Kritikern unseres
Jahrhunderts her; von Scarron's Zeitgenossen hat kaum jemand
sein Missfallen geäussert. Moliere war damals noch nicht mit
seiner trraie comidie aufgetreten, er ging vielmehr selbst bei
unserem Dichter in die Schule, und seine ersten Werke gehörten
ebenfalls noch der niederen Komik an; das Publikum forderte
nicht mehr, weil es nichts Bedeutenderes kannte. Man verlangte
noch nicht von der Komödie, dass sie den Geist anrege, dass
in ihr interessante Probleme des gesellschaftlichen Lebens zur
Besprechung kämen; die Zuschauer waren zufrieden, wenn ihr
Zwerchfell erschüttert wurde und kümmerten sich wenig um die
Mittel, welche hierbei zur Anwendung kamen. Wenn wir von
diesem Gesichtspunkte die Werke unseres Dichters betrachten, so
werden wir genötigt sein, die zum Teil recht scharfen Urteile, welche
über ihn gefällt worden sind, einigermassen zu mildern. Scarron
hat dem Publikum seiner Zeit die Kost vorgesetzt, die es liebte,
und wenn diese Kost uns nicht mehr schmackhaft erscheint, so
müssen wir bei unserem Tadel immer bedenken, dass die Stücke,
um welche es sich handelt, fast dritthalb Jahrhunderte alt sind.
Wir gehen nun dazu über, einige jener Stellen zu betrachten.
Akt IV, Szene II legt Scarron die Lebensgrundsätze, so zu sagen
die Philosophie seines Helden Jodelet in einigen Strophen dar,
die allerdings den harmlos heiteren Ton der spanischen Verse
nicht wiedererkennen lassen. Die beiden Verse am Anfange, die
sich refrainartig wiederholen, und die erste Strophe des Liedes
sind ausserordentlich geschmacklos:
[Jodelet, seul, en se curanl les dentsj.
Soyez nettes, mes dents, Chcnneur vous le eommande,
Derdre les dents est tout le mal que fapprehende.
Vau, ma foi, vaut mieux qu'un oignon.
Quand je trouve quelque mignon,
Sitot qu'it sent Vau que je mange,
11 fait une grimace etrange,
Et dit, La main sur le rognon,
Fi, cela n'est point honorable.
Que bM soyez -vous, Seigneur,
Qui m'avez fait un miserable
Qui prd/ere Caü ä fhonneur,
Soyez nettes, mes dents, etc.
Die ersten Verse erinnern zugleich an eine Stelle aus Akt II,
Szene VII, wo Jodelet die Isabelle fragt:
Navez-vous point sur vous quelque bon eure-oreHle?
44 //. GrBhter,
In der Absicht, seine Pointen wirksamer zu machen, liebt
es Scarron, sein Original zu Übertreiben und wird dadurch an-
etöBflig. Sancho vermutet, Beatrix habe ihrer Herrin etwas Nach-
teiliges Über seine Person gesagt; er gerät darüber in Zorn and
läset sich zu den Worten hinreissen:
Bruia, msulsa, majadera,
iTan mal os he pareeido?
ccid her gante, icstas piernas
Paeden ser mds inen sacadas'!
iNo sog ancko de kombrvs, puerca?
iMi cara haränle mejor,
Aunque la hicieson de eera?
flolgära haberme casado
Para daros una vuetla
De podenco. (S. 157. 1.)
Scarron beliebt sich etwas kräftiger so auszudrucken: (III, 7.)
Vous ne m'aimez donc pal, madame la traitresse?
Et vom nif desservez aupret de ma maitresse?
Ah, louve! ah, porque! ah, chienne! ah, braque! ah. lonp-garou!
Plnsses-tu le briser brat, main, pied, chef, cul, com,
Que toujours quelque chien contre la jupe pisse,
Qu'avec ses trois gosieri Cerberus fengtoutisse,
Le grand chien Cerberus, Cerberus le grand chien,
Plus beau que toi Cent /bis, et plus komme de inen.
Der Beifall des Publikums mag jedenfalls dieser Stelle nicht
gefehlt haben. Schliesslich sei hier noch eine nicht minder an-
stössige Stelle des Jodelet dudliste angeführt, wo in der ersten
Szene des zweiten Aktes der Diener Alphonse seinem Herrn von
den Annehmlichkeiten seiner Wohnung folgende weniger geschmack-
volle als drastische Schilderung macht:
Les cousins m'ont yique, tes rats et les souris
M'unt pisse" sur le nez, et fai w des esprits.
Nur in zwei Fällen hat Scarron seine Vorlage etwas er-
weitert, ohne sich von dem eben angeführten Motive leiten zu
lassen. Es handelt sich um die Hinzufllgung zweier kurzen
Szenen, die, ohne unentbehrlich zn sein, doch dazu dienen, die
Situation zu klären. In der dritten Szene des dritten Aktes er-
fährt Isabelle von ihrem Vater, dass Don Louis es gewesen ist,
der den Bruder Don Juan's getötet hat, und die erste Szene
desselben Aktes bildet eine kurze Überleitung zu der folgenden
Szene.
Man gestatte mir nach dieser Abschweifung noch einige
kurze Bemerkungen über die Personen unseres Stückes. Wie
wir bereits gesehen, wird der Charakter des Don Louis nnd des
Jodelet ein wenig modifiziert durch die Veränderungen, die der
französische Dichter vorgenommen hat. Das Gleiche gilt in
Paul Scarron als Komödie tuücht er. 45
Besag auf Dofia In6s, wenn man sich an die schönen Szenen
ron S. 156 und 162 des Originals erinnert, die Scarron nur mit
einigen trockenen Versen angedeutet hat. Dazu kommen noch
einige charakteristische Worte der Dofia Ines, die sich ebenfalls
nur im Spanischen finden (S. 151, 2). Ihr Vater setzt ihr die
Vorteile einer Heirat mit dem falschen Don Juan auseinander
und glaubt ihr Vorurteil besiegen zu können, indem er ihr mit-
teilt, dass derselbe in nächster Zeit eine reiche Erbschaft machen
werde; hierauf aber erwidert sie entrüstet:
Antes si tiene Don Juan
Parte por donde le quiera
Es por ser pobre, que amor
No se vaaa con riquezas;
Si yo nuoiera de elegir
Uno en dos hombres, y fuera
Uno rico y otro pobre,
Y fueran de iguales prendas,
Porque me quisiera mos
AI que es mos pobre eligiera.
Man darf überhaupt nicht vergessen, dass des Rojas Sprache in
jeder Hinsicht viel edler ist, als die des Scarron, und dass schon
dadurch das spanische Stück einen wohlthuenderen Eindruck auf
den modernen Leser macht, als das französische.
In der Widmung des Stückes, die an den Kommandanten
von Souvri gerichtet ist, teilt der Dichter mit, dass er diese
Komödie innerhalb von drei Wochen angefertigt habe. Die Folgen
dieser Eile machen sich daher auch an verschiedenen Stellen,
besonders aber am Ende des Stückes bemerkbar. Die letzten
Szenen (von V, 3 bis zu Ende) zeigen eine genauere Überein-
stimmung mit dem Original als das Übrige. Ferner hat das
Bestreben, mit der Arbeit fertig zu werden, in diesem letzten
Teile auch einzelne Flüchtigkeiten veranlasst In der vierten
Szene des fünften Aktes erscheint Don Fernando zufällig, als
Jodelet und Don Louis im Begriffe sind, sich zu duellieren; aber
weit entfernt, die Gegner von einander zu trennen, ermutigt er
sie vielmehr mit folgenden naiven Worten:
AUons, mes chers amis, battez-vous hardiment,
Je ne parais ici pour La paix nuüement.
Vun de qui fhonneur souffre est pour Stre mon gendre,
El faulre est mon parent qui voit son sang rSpandre:
Battez-vous donc, amis, et bien fort, vous serez
Bien plutöt animes par moi que separes.
In derselben Szene glaubt Don Juan, nachdem er in längerer
Rede mitgeteilt hat, wer er eigentlich sei, noch einmal wieder-
holen zu müssen:
Je suis donc Bon Juan, que personne nfen doute.
46 B. GrSUer,
Wir finden die Erwiderung des Don Louia sehr gerechtfertigt:
üroyez-vous ä ce nom que plus ort vous redoute?
Nicht minder unangebracht Bind die darauf folgenden Verse, in
denen Don Juan auf recht lächerliche Weise seine Starke und
Tapferkeit rühmt.
Noch mögen einige kleine Änderungen erwähnt werden,
welche, ohne bedeutend vom Originale abzuweichen, gewisaer-
maSBen als Konzessionen zu betrachten sind, die Scarron dem
Zeitgesehmacke macht. Wenn Don Fernando zur Empfehlung
Don Juan's sagt:
beaueoup de gens m'ont dit
Qu'on estime ä la eour ce Juan tPAIvarade,
eo ist diese Bemerkung charakteristisch für die französische Ge-
sellschaft jener Zeit und würde von einem Spanier schwerlich
gemacht werden. — Don Lope erzählt (8. 153, 1) von seinem
ersten Zusammentreffen mit Dofia Ana:
¥ entre las muchas liellezas,
Que al praäo ajado y marchito
Le hermosearon mos fraganU, . . .
Fi una bcllela ....
Bei Scarron begegnet er dieser Schönheit auf dem Ball:
Le surr ü (man ami) tue mena voir le* Hamas au bat;
Vne beaute m'y prit ... (U, 5).
Nicht minder charakteristisch sind die Worte Isabellens (V, 2)
Avec im tel epoux! Ah, fille malheureuse .'
Hncor si Je pouvais ttre reUgieuse!
Mais, Attas! je Mf sens pour la religio«.
Et pour ce brave epoux, pareiiie aversio*.
Eine Anspielung auf eine litterarisehe Erscheinung jener
Zeit finden wir IT, 5, wo Jodelet den Vorschlag des Don
Fernando, seine Ehre mit dem Degen in der Hand zu verteidigen,
entrüstet zurückweist,
Que vous eussiez atme' pour votre gendre un Cid,
Quf vous eüt assommt, ptät tpousi Ckbnene!
Endlich wollen wir eine Szene nicht unerwähnt lassen, in welcher
der Dichter spottend von dem graziösen Stile spricht, der zu
seiner Zeit en vogue war. Es ist die dritte Szene des zweiten
Aktes, wo Lucrece ihre Klagen in dem damals allgemein ver-
breiteten und beliebten preziösen Stile äussert nnd dafür von
Don Fernando in ironischer Weise gelobt wird. Als sie ent-
sprechend dem Geflehmacke, den sie persiflieren soll, im weiteren
Verlaufe einige bekannte Verse zitiert, drückt Don Fernando ihr
seinen Beifall aus mit den Worten:
Au/ Scwrron als Komödiendichter. 47
Ces vers sont de Mairet, je les sais bien par cceur,
lls sont tres ä vropos, et (Fun tres bon auteur.
Toujours cfun hon auteur la lecture pro fite,
Et savoir bien des vers est chose de merite.
Dass der Dichter auch in späterer Zeit noch, zu den
Gegnern des Preziösentums zählt, ersehen wir ans einer Be-
merkung in dem Dedikationsschreiben, welches dem lScoUer de
Salamanque voraufgeht, sowie aus der zweiten Saure, (Euores
VIII, 206 ff.
Wir können unser Urteil über Scarron's Verfahren dahin
zusammenfassen, dass der Dichter seinem spanischen Vorbilde,
was den Inhalt der Komödie anbetrifft, getreulich gefolgt ist,
dass er aber an Schönheit der Sprache, an poetischer Verve
hinter demselben zurücksteht und dass er auch in der Charakteristik
der Personen sein Muster nicht ganz erreicht. Zu übertreffen
sucht er den Spanier an Witzen, ohne sich dabei aber in den
Grenzen der eigentlichen Komödie zu halten. Entschieden lobens-
wert endlich ist die grössere Lebhaftigkeit der Handlung und
und des Dialoges, die er durch Abkürzen der Szenen und durch
Weglassen der zahlreichen und langen Aparte erreicht.
Nach dieser eingehenden Besprechung von Scarron's Jodelet
ou le Maure valet sollen die übrigen dramatischen Arbeiten des
Dichters nur eine mehr oder weniger summarische Behandlung
erfahren. — In demselben Jahre wie das eben besprochene
Stück, 1645, erschien auch Scarron's zweite Komödie Les trois
Dorothdes ou Jodelet souffieti, seit 1651 unter dem Titel Jodelet
dueUiste ou les trois Dorothies. Das Stück ist, wie man auf den
ersten Blick erkennt, ebenfalls dem Spanischen entlehnt; doch
ist es mir nicht gelungen, das Original ausfindig zu machen.
A. de Puibusque1) führt als solches das Stück Donde hat/
agravios no Kay celos von Rojas an, doch ist dies nur ein
anderer Titel für den Arno criado} dem eben der Maure valet
entspricht.
Don P6dro hat zwei Töchter, von denen die eine, Hälöne,
den Don Diögue, die andere, Lucie, den Don Fälix heiraten soll.
Mit dieser Bestimmung des Vaters sind aber die jungen Leute
nicht einverstanden, denn Don Dtägue liebt gerade Lucie, die
Braut des Don Fölix, während dieser sein Herz der liebens-
würdigen H616ne geschenkt hat. Verschiedene Versuche der
Lucie und ihres Geliebten, die Heirat mit Don Fölix zu hinter-
treiben, bleiben erfolglos, bis man schliesslich entdeckt, dass
der letztere ein Schurke ist, der seine Geliebte, Dorothöe, mit
*) Histoire comparee des Hiteraturcs espagnole ei franfaise, toioe
II, p. 444.
H. Grökter,
zwei Kindern im Stich gelaasen hat. Lucie, die bis dahin Taub-
heit simuliert hatte, ist sofort geheilt, als sie erfährt, daas sie
Don Diegue heiraten soll, und die arme Helene muss mit einem
Vetter ihres ScbwagerB, Don Gaspard, vorlieb nehmen, den der
Dichter eigens zu diesem Zwecke herbeischafft, und der sonst
in dem Stücke gar keine Rolle spielt. — Das Interesse wird
von dieser schwachen Ilauplhandlung einigermassen abgelenkt
durch den Diener des Don Felix, Jodelet, der für nein unver-
schämtes Benehmen von Alphonse, dem Diener des Don Difcgne,
geohrfeigt wird. Er ist tütlich beleidigt und will sich, wie er
schwärt, dafür ritchen, verliert aher immer wieder den Mut,
sobald er seinen Gegner erblickt. Die Szenen, in welchen
Jodelet auftritt, sind komisch recht wirksam; man vergleiche Hl,
1 und 2, IV, 7 und besonders V, 1 und 2.1) — Der Name Los
trois Dorothees rührt daher, dass ausser der Geliebten des Don
Felix noch zwei andere Damen dieses Namens untergeschoben
werden; übrigens tritt keine von diesen drei Dorotheen auf.
Der Joddet unufflete ist dramatisch noch unbedeutender als
ScaiTon's erstes Stück. Nicht nur sind die Charaktere der Haupt-
personen oberflächlich gezeichnet, auch die Einheit der Handlung
ist nicht einmal eigentlich gewahrt, weil der Dichter die komische
Figur des Jodelet zu sehr in den Vordergrund stellt. Das ganze
Stück ist ja offenbar nur dieser Rolle zu Liebe geschrieben, die
auf die Lösung des Knotens gar keinen Einfluss ausübt, wie
man etwa aus dem Titel schlicssen könnte. Gleichwohl ist auch
hier wieder der Jodelet am besten gezeichnet, wenn mau auch
zugeben muss, dass er von seinem Kollegen im ersten Stücke
nur wenig verschieden ist. Es ist derselbe grobe, aber einfältige,
unverschämte und doch feige Bursche, den wir bereits kennen
gelernt haben. Vielleicht hat gerade für diese ihm sehon ge-
läufige Rolle Scarron seine Vorlage weniger benutzt, als in Bezug
auf das Übrige; feststellen liisst es sich nicht.
Lex bovtades du Capillitii Malamore, come'die en un acte
et en vers de huit sitlaliex, sw la seule lime eti vient; dies ist
der Titel einer kleinen Farce, die Scarron im Jahre 1646 er-
scheinen Hess, und die man selbst als eine boutade unseres bur-
') In Moliere'a Codi tinai/inmie befindet eich Sganarelle in einer
ganz ähnlichen Lage, wie Jodelet in dienern und auch in dem vorher
besprochenen Stücke; besonders in dem Monologe in Szene XVII er-
scheinen seine Ausi-cmii^eu ;i!s eine gi-tn-iii.' Kupie von Jodelet'a An-
sichten, und da sich hier sogar eine wörtliche ÜWeiu-timmimg findet,
so iat en ganz siivher, d;t^s Midien: diese Züge liu- ISinivn.n's Stück ent-
lehnt hat. Die Parallel« teilen sind abgedruckt in Mutiere - bwpoä 11,
IflS, Anm. 3 und 5.
Paul Scarron als Komödiendichter. 49
lesken Dichters bezeichnen kann. Die Brüder Parfaict1) bemerken,
das Stück sei die erste einaktige Komödie, welche auf dem fran-
zösischen Theater aufgeführt wurde, und da es ziemlich selten
sei und vielen anderen in Bezug auf den burlesken Stil und das
Versmass zum Muster gedient habe, so drucken sie es in ihrem
Buche fast ganz ab. Es ist der grösste Blödsinn, der je in
dramatischer Form geschrieben worden ist, und es erscheint
unbegreiflich, dass der Geschmack des Publikums sich gegen
diese Art Komödie nicht aufgelehnt haben sollte. Übrigens ist
es das einzige Stück, welches nicht dem Spanischen entlehnt ist,
allerdings ein recht trauriger Versuch Scarron's, sich auf eigene
Püsse zu stellen. Es verlohnt nicht der Mühe, auf dieses Opus
näher einzugehen.
UHiritxer ridicule folgte im Jahre 1648 — die Brüder
Parfaict2) setzen das Jahr 1 649 an — ; das Stück hatte sogar
noch mehr Erfolg, als der sehr beliebte Jodelet duelliste und
wurde noch 1704 aufgeführt Man erzählt, der junge König
Ludwig XIV. habe im Alter von zehn Jahren so viel Gefallen
an dieser Komödie gefunden, dass man sie ihm an einem Tage
zweimal hintereinander vorspielen musste. Das ist wohl möglich,
obgleich die ganze Komik des Stückes nur in einer Reihe von
groben und platten Scherzen besteht, und der Gegenstand viel
zu wenig allgemeines Interesse hat, um fünf Akte zu füllen.
Die junge und schöne Lßonore de Gusman liebt leiden-
schaftlich den Don Di&gue, ohne dass dieser davon etwas weiss.
Vielmehr hat er selbst seine Zuneigung Helene de Torr&s
geschenkt, die seine Bewerbungen günstig aufnimmt, aber nur
weil Don Di&gue Aussicht auf eine bedeutende Erbschaft hat.
L6onore, die diesen Beweggrund erfährt, macht Don Di&gue
davon Mitteilung, und dieser beschliesst, Helene auf die Probe
zu stellen. Obgleich er die Nachricht von jener Erbschaft
soeben selbst erhalten hat, verbreitet er doch das Gerücht, dass
sein Oheim ihn übergangen und seinen Vetter Don P6dro de
Buffalos als Erben eingesetzt habe. Die Rolle des Letzteren
muss sein Diener Filipin als Edelmann verkleidet spielen, und
der Erfolg ist, dass H616ne sich von Don Diögue ab- und dem
Erben zuwendet, den sie trotz seiner Hässlichkeit und seiner
rohen Sitten heiraten will.
Vom petisez vous raiüer, s'il est riche, il me platt
erklärt sie, und Filipin würde auch wirklich ihr Gemahl werden,
wenn Don Dtägue den Sachverhalt nicht noch zu rechter Zeit
i) Histoire du the'ätre francais VII. S. 23 ff.
*) a. a. 0. VII, S. 228.
Zschr. t fri. Spr. a. Litt. XUK 4
50 H. Grökkr,
aufklärte. Loonore bat ihren Zweck erreicht, ihre Liebe wird
von Don Diegue belohnt, und alles spottet in einet fast bos-
haften Weise Über das Unglück, in welches Helene geraten
ist, so dass diese nicht ganz mit Unrecht Don Diegue gegen-
über äussert (I, 5):
Itttügne de ton ordre et du «am que tu partes,
Qui me vient outrager en tant et taut de softes.
Tu preteiuis te joucr avec ivipumte
Wune femme d'honnevr et de ma qua&td.
Wie man sieht, ist das Sujet ziemlich schwach. Leonorens
Verfahren ist zu plump, als dase es uns sympathisch sein könnte,
und dass Helene den rohen Filipin heiraten sollte, blos um zu
Reichtum zn gelangen, erscheint auch nicht wahrscheinlich. Ver-
schiedene Züge erinnern ausserdem an die beiden eisten StUcke
von Scarron, so die fünfte Szene des vierten Abtes an das Duell
im Jodelet dueüiste. Der tölpelhafte Diener mit seinen manchmal
recht unflätigen Redensarten ist hier durch Filipin repräsentiert,
der sich besonders Akt III, Szene III in seinem ganzen Glänze
zeigt.
Die Liebe der Leonore zn Don Diegue rührt von dem
Augenblicke her, wo dieser ihr, ohne sie zu kennen, das Leben
gerettet hat. Bekanntlich verdankt auch Elise in Holiere's Avare
ihrem Geliebten Valere ihr Leben, und man hat daher ange-
nommen, dass Holiere diesen Zug dem Heritier ridicule entlehnt
habe. Der Gedanke liegt allerdings nahe, da Holiere dieses
Stück oft genug mit seiner Truppe gespielt hat, doch ist anderer-
seits die Übereinstimmung nicht so auffallend, dass man sie
nicht auch ebenso .gut als zufällig erklären könnte.1) — Ferner
erinnert Filipin als spanischer Edelmann in vieler Beziehung an
die ähnlichen Rollen des Mascarille und Jodelet in den Prideuaes
ridtadea, und es ist wohl zweifellos, dass Holiere, als er diese
Gestalten schuf, an Scarron'B Jodelet im Maitre valet oder an
unseren Filipin gedacht hat. Bei der Stelle z. B., wo Mascarille
sich die Hosen aufknöpfen will, um den beiden Preziösen die
furieute plaie zn zeigen, die er in der Schlacht empfangen hat,
dachte Holiere sicherlich an die Situation in unserem StUcke,
wo Filipin seinem Diener befiehlt:
Degrafe man pourpoint.
L'amour qui dans tnon casur chaate vUie gagnee,
Excite en man jahot exhalaison ignde.
Die Art und WeiBe endlich, wie Ariste in den Femme» xavantes V, 4
TriBsotin veranlasst, seine wahren Gesinnungen erkennen zu
i Maliire
Paul Scarron als Komödiendichter. 51
lassen, erinnert an das Verfahren des Don Di&gue der eigen-
nützigen H616ne gegenüber; Moli&re hat also gerade den Marquis
ridicule in mannigfacher Weise für seine eigenen Schöpfungen
ausgenützt.
Während der Unruhen der Fronde fand Scarron keine Zeit,
sieh dramatisch zu beschäftigen. Als erbitterter Gegner Mazarin's
glaubte er vielmehr der Sache seiner Partei zu dienen durch die
Mazarinade, ein grobes Pamphlet, das die Bestrebungen des
Ministers in burlesken Versen bekämpfte. Erst im Jahre 1653
Hess er ein neues Stück, Don Japhet aVArmJnie, aufführen, eine
lustige Farce, die ausserordentlich beifällig aufgenommen wurde.1)
Das spanische Original ist d Marquis de Cigarral, eine echte
comedia de figuron, die aber nicht von Moreto verfasst ist, wie
Puibuaque2) und Schack8) angeben, sondern von einem Don
Alonso del Castillo Solörzano.4) Da das Stück in die Publi-
kationen der Biblioteca de autores espanoles nicht aufgenommen
ist, so war ein Vergleich mit dem Don Japhet nicht möglich.
Don Japhet d'Armänie, der frühere Hofnarr Kaiser Karl's V.,
ist mit einer guten Pension verabschiedet worden und hat sich
nach der kleinen Ortschaft Orgas zurückgezogen, um dort ein
behagliches Leben zu führen. Er bildet sich ein, eine bedeutende
Persönlichkeit zu sein und tritt dem entsprechend auf. Unter
der Dienerschaft, mit der er sich zu diesem Zwecke umgeben
hat, befindet sich Don Alphonse, ein verkleideter junger Edel-
mann, und sein Diener Marc-Antoine. Don Alphonse hat das
Haus seiner Mutter in Madrid verlassen und sich nach Orgas
begeben, angezogen durch die schöne und junge Läonore, die
dort als Bäuerin lebt, thatsächlich aber die Nichte des Komman-
danten von Consu&gre ist. Der letztere enthüllt L6onore das
Geheimnis ihrer Geburt und beruft sie nunmehr zu sich; aber
Don Japhet hat sie bereits gesehen, und da er erfährt, sie sei
kein Landmädchen, so hält er sie für würdig, seine Gattin zu
werden. Er folgt ihr nach Consu&gre, begleitet von Don Alphonse,
*) Ich verweise auf die interessanten Auszüge aus dem Register
von Moliere's Kollegen und Freunde La Grange, in der Ausgabe der
Werke Moliere's von Despois II, 32 f. Danach wurde unser Stück
während des Jahres 1660 siebenmal blos mit den Precieuses ridicules
zusammen aufgeführt. Die Brüder Parfaict (a. a. 0. VII, 378) bemerken,
dass das Stück sich auf der Bühne erhalten hat, (das ist in der Mitte
des XVIII. Jahrhunderts) und andere Notizen zeigen, dass es auch in
unserem Jahrhundert noch aufgeführt worden ist.
*) a. a. 0.
*) Geschichte der dramatischen Litleratur und Kunst in Spanien
in, 354.
Moreto
*) Vgl. die Bemerkung in Comedias escogulas de Don Agustm
y Cahana, TUhlioteca de antares espafloles XXV 11, p. XXX VI.
. i;,-nii!
der Lconore bereits seine Liebe erklärt und Gehör gefunden hat.
Trotzdem nimmt sie scheinbar die Huldigungen Don Japhet's an,
der dadurch in eine höchst komische Lage gerät. In der Nacht
ist er mit Hilfe Leonore's, die sich auf seine Kosten belustigen
will, auf den Balkon ihres Hauses gestiegen und wird dort allein
von dem Kommandanten überrascht, der ihm nun die Wahl
zwischen zwei Arten der Bestrafung lässt:
Ou leg eailloitx siir vuus vonl /i/euvuir tfim/iortanctt.
Oh bien dejniuUiez-voiis, saus faire reshtance.
De vis chers aUemenls, poiir mus en faire un don. (IV, S).
Don Japhet entscheidet sich für das Letztere, doch als der
Kommandant und seine Begleiter sich entfernt haben, ergeht es
ihm noch schlimmer, und er verlässt schliesslich den Balkon wie
ein begossener Pudel — im buchstäblichen Sinne des Wortes. —
Don Alphonse, der in das Zimmer seiner Geliebten eingedningen
Ist, wird ebenfalls von dem Kommandanten überrascht und soll
für seine Kühnheit sterben; doch als Leonore's Oheim erfahrt,
das» er ans vornehmer Familie ist, verzeiht er ihm und gibt ihm
bereitwilligst seine Nichte zur Frau. Don Japhet setzt sich
zwar um seiner Dame willen der Gefahr eines Stierkampfes aus,
sieht sieh aber doch in seiner Liebe schnöde betrogen und tröstet
sich schliesslich mit der Aussicht, eine Prinzessin von Peru zu
heiraten.
Don Japhet d' Armenie ist noch weniger eine Komödie, als
die anderen Stücke Scarroti's, die diesen Namen beanspruchen.
Es ist eine Posse, in welcher der sonst als Nebenperson auf-
tretende Komiker die Hauptrolle spielt
U a Cesprit 'jäte, xi jautais komme Ceut;
fest un fau Iris camplel.
oder
c'est In falte m chaussc et en poiirpaint,
so wird er in dem Stücke selbst charakterisiert (III, 2).
Aber die Narrheit des Helden führt nicht die Verwickelung
herbei, was die Grundbedingung für eine Charakterkomödie wlire;
und das ist auch gar nicht möglich, weil diese Narrheit zu äugen -
scheinlich ist, als dass sie jemanden tauschen und dadurch eine
Intrigue veranlasseu könnte. Der Bailli von Urgas ist der
einzige, der in Don Japhet wirklich eine hervorragende Persön-
lichkeit sieht, und der dadurch selbst zu einer urkomischen
Figur wird, überdies hält sich Dou Japhet thatsächlich fUr das,
wofür er sich ausgibt, und dies nimmt ihm vollends den Charakter
eines Intriganten, während es auf der anderen Seite gerade die
lustigsten Szenen herbeiführt. Sein ganzes Benehmen trägt
nichts Erheucheltes an sieh; der Ernst, mit welchem er seine
Paul Scarron als Komödiendichter, 53
Possen vorbringt, erhöht die Komik. Don Japhet kennt seine
eigene Bedeutung, das beweisen seine ersten Worte:
Baüli, votre fortune est grande
Puisque vous m'avez plu. (I, 2.)
Daher zweifelt er auch gar nicht daran, dass Leonore ihn liebt,
das versteht sich vielmehr von selbst. Im Gegenteil, er lässt
sich erst zu ihr herab, nachdem er sich versichert, dass sie ihm
halbwegs ebenbürtig ist. — Die Sprache, welche er früher am
Hofe gehört hatte, unterschied sich wesentlich von seinem eigenen
Jargon, und so bedient er sich denn jetzt einer affektierten und
bilderreichen Sprache und ungewöhnlicher Wendungen:
Don Japhet.
Assez rarement mon discours fhumanise.
Mais pour vous aujourtfhui je demitaphorise,
(Demetaphoriser, cest parier bassement)
Si mon discours pour vous riesl que de CaUemand,
Vous aurez avec moi disette de loquele.
Lempereur donc de gut je suis de parallele,
ATentendez-vous, baüli?
Le Baüli.
Encore nurins.
Don Japhet.
Le Baüli.
A/enni.
Le paragon.
Don Japhet.
Comment, allerer mon Jargon ?
Ce serait deroger ä ma noblesse antique ;
Tächons pourtant d'ttser de qnelque terme oblique,
Pour nous accommoder ä cet komme des champs etc. (I, 2.)
Die Balkonszene, wo er als verliebter Ritter in eine böse Lage
kommt, ist bereits erwähnt. An das Duell in den beiden Jodelet-
stücken erinnert das Stiergefecht, doch findet dieses nicht auf
der Bühne statt.
Wie man sieht, ist das Stück reich an drastisch-komischen
Szenen, und diese verschafften ihm den Beifall, den es fand,
ohne dass es uns möglich wäre, ihm einen wirklichen inneren
Wert beizumessen. Ob es einen Narren wie Don Japhet d'Armenie
thatsächlich geben kann, wollen wir nicht untersuchen; die Grenze
zwischen Wahrscheinlichem und Unwahrscheinlichem wird über-
haupt nicht allzu strenge innegehalten. Aber auch sonst ist
noch manches auszusetzen. Don Alphonse und Leonore vermögen
kaum, uns ein lebhafteres Interesse einzuflössen; sie unterscheiden
sich von gewöhnlichen AUtagsmenschen höchstens dadurch, dass
sie verliebt sind. Noch schlimmer aber ist der Mangel einer
interessanten Verwickelung im eigentlichen Sinne des Wortes,
54 B. GröMer,
Die ganze Intrigue, wenn man von einer solchen hl unserem
Stücke sprechen will, basiert auf dem scheinbaren 8 tau des unter-
schiede zwischen Leonore und Don Alphoose und auf dem Konflikt
zwischen Gehorsam und Liebe, der in Don Alphonse entstehen
luuss. Die Mutter des Don Alphonse wünscht nämlich, dass ihr
Sohn eine reiche Nichte in Sevilla heirate, aber gerade diese
Schwierigkeit wird nicht auf befriedigende Weise gelöst Der Knoten
wird zerhauen, denn Don Alphonse kümmert sich einfach nicht
um das Gebot seiner Mutter. Und das erste Hindernis besteht
schliesslich nicht mehr, sobald Don Alphonse den wahren Stand
seiner Geliebten erfahren hat, d. h. in der Mitte des zweiten
Aktes. Die Nebenbuhlerschaft zwischen Don Japhet und Don
Alphonse ist überhaupt nicht ernstlich zu nehmen und dient nur
dazu, die Komik des Ganzen zu erhöhen. Warum hält Don
Alphonse nicht um die Hand seiner Geliebten an, sobald er nach
Consnegre gekommen ist? Er würde sein Ziel sofort erreicht
haben und uns drei lange Akte ersparen. — Ferner möchten wir
gern wissen, warum die kleine Leonore einem Bauern zur Er-
ziehung übergeben worden ist. Ihr Oheim verspricht, uns den
Grund mitzuteilen:
La fille de mon frere, une jettne beaute
A gut mime tm avait Cache" sa qualite,
Pour certame raison que vous säuret etuuile,
A, depuit peu, d'Orgas eU chez moi condutte (III, l),
aber er hält sein Versprechen nicht. Don Alvare und Elvire
endlich sind zwei ganz überflüssige Personen, deren Einführung
der Dichter in keiner Weise begründet hat.
Wenn trotz aller dieser Mängel der Dun Japhet ä" Ar minie
nicht bios anfangs, sondern noch unendlich viele Jahre später
sc lebhaften Beifall gefunden hat, so findet man die Erklärung
dafür in einer Bemerkung der Brüder Parfaict, die ebenso gut
auf die meisten anderen komischen Stücke jener Zeit passt: „Ce
n'eat que pour jouir du plamr que peut faire «n ridicvJe t>utr£,
gu'on va aux reprieentation» de cette Piice. qui «ext eoneervte
tur la Seine, et non pour analiser le* carae&eres des pergonnet
ou le plan, qu'on riappereoit presque que par rißexion.1*1)
Die günstige Aufnahme, welche seine Stucke und be-
sonders das letzte, gefunden hatten, regten Scarron zu lebhafterer
dramatischer Thätigkeit an, und so erschien schon 1654 F^colier
de Salamanque, 1655 le Gardien de xoi-meme und 1656 le
Marquis ridietde.
Der Ecolier de Salamanque ist nach Victor Fournel's An-
gabe Lope de Vega entlehnt, doch ist es mir nicht gelungen,
>) a. a. 0. VII, 878.
Paid Scarron als Komödiendichter, 55
das entsprechende Stück in den mir zugänglichen ausgewählten
Werken des spanischen Dichters ausfindig zu machen; auch der
Titel desselben ist unbekannt.
In der Widmung, welche dem Stücke vorgedruckt ist, sagt
8carron: ^IJEcoUer de Salamanque est un des plus beaux sujets
espagnols qui ait paru sur le Thi&tre francais depuis la belle
comtdie du Cid.u Das Sujet des Stückes ist zweifellos ausser-
ordentlich dramatisch und unterscheidet sich in dieser Beziehung
wesentlich von denjenigen aller anderen Scarron'schen Arbeiten.
Der Grundgedanke erinnert sogar einigermassen an den im Cid
behandelten.
L6onore, die Tochter des Don Felix, liebt einen jungen
Grafen, der sie verführt hat, der aber nicht geneigt ist, sie zu
heiraten. Der Vater des Mädchens erfährt die Schmach, welche
ihm angethan worden ist, dadurch dass er den Grafen in seinem
Hause antrifft; er ist zu alt, selbst Rache zu nehmen und be-
auftragt damit seinen Sohn, Don Pedre, der Student in Salamanka
ist Diesem rettet der Graf das Leben, ohne dass beide sich
kennen und wenige Minuten nachdem Don Pedre des Grafen
Bruder im Zweikampfe getötet hat. Don Pedre würde undankbar
gegen seinen Retter handeln, wenn er das Gebot seines Vaters
ausführte und er kann doch andererseits das dem Vater gegebene
Wort nicht brechen. In derselben Lage befindet sich der Graf,
der Don Pedre seinen Schutz zugesagt hat, aber in ihm den
Mörder seines Bruders erkennt. 80 geben sich denn die beiden
Gegner auch fernerhin noch verschiedene Beweise ihres Edel-
mutes, erinnern sich dabei aber stets, dass sie beide tödlich be-
leidigt sind, und dass ein Zweikampf ihre Schmach tilgen muss.
Es kommt endlich dazu; Don Pedre zerschlägt dabei seine Klinge,
der Graf aber tötet ihn nicht, sondern erlaubt ihm, edelmütig
wie er bisher immer gewesen, einen anderen Degen zu holen.
Da werden sie von Leonore und Cassandre, der Schwester des
Grafen, überrascht, denen Don F61ix folgt. Der Graf erklärt
sich bereit, Leonore zu heiraten, und Don Pedre bittet ihn um
die Hand seiner Schwester, die er schon lange liebt.
Das Stück wird als tragt- comSdie bezeichnet, und der An-
fang desselben, wo Don Pedre den Bruder des Grafen tötet,
sowie überhaupt der ganze Ton, in welchem es gehalten ist,
rechtfertigen diesen Namen. Die ernsten Szenen wechseln aller-
dings mit komischen ab, doch wird das komische Element vor-
nehmlich durch die Nebenpersonen repräsentiert, und man kann
nur sagen, dass Scarron, der sonst in der Schilderung seiner
burlesken Gestalten nicht drastisch genug sein kann, sich hier
in den ernsthaften Stil recht gut gefunden hat.
56 B, Grdkler,
Der Grundgedanke des Stückes ist vortrefflich , der Knoten
kunstvoll geschlungen, und neue Verwickelungen werden mit
jenem Geschick herbeigeführt, das überall den bedeutenden Geist
des Originals erkennen laset. Und so sind auch die ersten drei
Akte, in denen die Verwickelung sich vorbereitet, voll wahrhaft
dramatischer Lebendigkeit, während die beiden letzten allerdings
unsere Teilnahme ein wenig erkalten lassen. Der Konflikt, den
der Dichter vor unseren Augen entstehen lässt, nimmt unser
Interesse in Anspruch, wenn auch die vielen Episoden, welche
den ausserordentlichen Edelmut der beiden Gegner zeigen sollen,
nicht ganz nach unserem Geschmacke sind. Zwar darf man
nicht vergessen, daaa die Ideen von Ehre und dem Ehrenworte,
welche man im XVII. Jahrhundert in Spanien hatte, bedeutend
von unseren heutigen Anschauungen über diesen Gegenstand ab-
weichen, aber dies auch in Rücksicht gezogen, tragen doch die
edelmütigen Handlungen der beiden Helden unseres Stückes etwas
Übertriebenes und Unwahrscheinliches an sich. Don Pedre hat
den Bruder des Grafen getutet, er kommt dadurch selbst in
Lebensgefahr, der Graf eilt ihm zu Hilfe und gibt sein Ver-
sprechen, ihn vor seinen Verfolgern zu schützen, ohne zu wissen,
dass der Getötete sein Bruder ist. Doch als er dies erfährt,
glaubt er noch immer sein Wort halten zu müssen, nimmt Don
Pedre in Bein Haus auf und beschützt ihn (Akt II, Szene III ff.).
Er will sogar selbst die Ehre seines Todfeindes verteidigen, nor
um ein Leben zu erhalten, das seiner eigenen Rache geopfert
werden soll. Und Don Pedre steht dem Grafen an Edelmut nicht
im geringsten nach. Seine Schwester ist von ihm entehrt worden,
aber er bestraft ihn nicht sofort, weil er seinem Worte treu
bleiben muss (III, 5); er befreit ihn dann aus dem Gefängnisse
(V, 1), und um auch nicht ein Haar breit an Edelmut hinter
seinem Gegner zurückzubleiben, rettet er ihm schliesslich noch
das Leben.* Der Graf ist in einen Hinterhalt gelockt worden,
man will ihn töten, aber Don Pedre hat es erfahren und tritt im
entscheidenden Augenblicke dazwischen:
Don Pedre.
Je suis pour vous, courage,
Le plus me'chant est mort . . .
Jis fuient, Us potlrons.
Le Co inte,
Suivons-tes . . .
Don Pedre.
Laisset, laissez-les vtvre.
Songez ä vous defendre, au lieu de les pourstiivre.
Le Comte.
Me defendre? et de gut?
Paul Scarron als Komödiendichter. 57
Don Pedre.
De moi.
Le Comte.
De vous!
Don Pedre.
De moi.
Le Comte.
Ihurquoi me voutez-vous tant de mal?
Don Pedre.
Je le doi.
Damit begnügt sich der Graf auch und will sich mit seinem
Retter schlagen, weil dieser ihn durch seine Herausforderung
beleidigt habe. Nur bittet er ihn, der bisher maskiert gewesen,
die Maske abzunehmen. Es geschieht.
Le Comte.
0 Dien! (fest vous, Don Ptdre, et qui Cent cru?
Don Pedre.
Je pense avoir paye ce que je vous ai du :
De votre pari aussi vous en ferez de mime,
Et me satis ferez.
Le Comte.
Mon regrel est extrSme,
D'avoir ä me servir de mon bras contre vous. (V, S.)
Hier wird der Dichter allzu subtil, als dass wir seine
edelmütigen Helden noch bewundern könnten; wir vermögen es
um so weniger, als sie selbst gelegentlich über ihre Leistungen
erstaunt sind, wie IV, 9, wo der Graf äussert:
Jnsques ici, nos generosite's
Ont fait tous nos combats.
Schliesslich ist auch die Lösung des Knotens nicht glück-
lich zu nennen. Leonorens Vater hat gegen den Grafen die
Justiz zu Hilfe gerufen, er droht ihm damit und fügt hinzu:
je pretends
Qu'un mariage seid peut nous rendre Contents.
worauf der Graf ihm erwidert:
Don Felix, ce riest pas par tant de violence
Que tu devrais lächer dPavoir mon alliance;
Quand lout le monde entier prendrait parti pour toi,
La chose dependrait encor toute de moi.
Mais de puissants molifs en ta faveur combaltent,
Et les fiers sentiments de mon ame s'abatteni. (V, 7.)
Jetzt also sind alle seine Bedenken geschwunden, jetzt
braucht er seinen Bruder nicht mehr zu rächen, sondern er kann
Leonore sagen:
La raison veut aussi que je vous saiis fasse,
während er kurz vorher noch ganz kaltblütig äusserte:
J'adore une mditresse, et j'abhorre une femme. (I, 1.)
58 H. Grdhler,
Überhaupt vermag der Graf nicht, unsere Sympatkieen zu ge-
winnen, wie es doch in den Intentionen des Dichters liegt.
Leonore liebt ihn mit der ganzen Glut ihres Herzeng, er gibt
ihr Beweise seiner Zärtlichkeit, schwört ihr Liebe and ewige
Trene, und schliesslich vergisst das arme Mädchen, was sie ihrer
Ehre schuldig ist; sie schenkt seinen Schwüren Glauben, doch
als sie ihn an seine Pflicht erinnert, da erwidert er ihr:
II n'est rien de plus vrai que votre teil, inon eainqueur,
Est et sera tottjours ma deite visible:
Mais, madame, il est vrai qu'il tn'est autant possibfe
De ne vous aimer plus, moi qui vous aime tont,
Que dilre votre epoux, et demeurer constant.
J'adore une maSiresse, et j'ahhorre uae femme,
Je n'ai plus rien ä dire apres eela, madame. (I, 1.)
Und kurz darauf sagt er mit bewundernswerter Offenheit:
Otei ee nom tfepoux de voire stmvenir,
J'ai promis, ü est vrai; mais saus voulotr tenir. (I, 4.)
Als Don Felix den Grafen im Zimmer seiner Tochter entdeckt
und Überrascht ausruft:
Qui t'a mit en ees lietuc?
da erwidert der ertappte Liebhaber mit einer Unverschämtheit
ohne Gleichen:
A teile question,
Je ne te repondrais gv'avec un coup d'e'pe'e,
Si tu pouvais venger ta vieiilesse frappee:
Mais ta main est Sans arme, et ptiur des cheveux gris
Je n'ai point de totere et n'ai que du mepris. (I, 4.)
Nachdem wir so einen recht ungünstigen Eindruck von dem
Charakter des Grafen gewonnen haben, fallt es nns schwer, die
kolossalen Dimensionen seines Edelmutes zu bewundern, und seibat
seiue Sinnesänderung und der Entschluss, Leonore zu heiraten,
können uns mit diesem urBchneidigen Herrn nicht ganz versöhnen.
Im Gegensätze hierzu hat Don Pedre etwas Anziehendes
in seinem ganzen Wesen. Wir sind ihm schon gut, ehe wir ihn
gesehen haben, sobald sein Diener Crispin in seiner lustigen
Weise die schlechten und guten Eigenschaften seines Herrn auf-
gezählt hat (I, 3). Obwohl jung und leichtsinnig, kennt er doch
sofort seine Pflicht, sobald er Beine Ehre angegriffen sieht; kurz,
er besitzt alle Vorzüge seines Gegners, aber Beine kleinen Fehler
erscheinen uns erträglicher, als des Grafen Treulosigkeit.
Der Typne des tödlich beleidigten Vaters, wie wir ihn be-
sonders aus dem Cid kennen, hat in Don Felix einen Vertreter
gefunden. Freilich vermag seine Hilflosigkeit hier nicht so leb-
haft unser Herz zu rühren, wie in dem Drama des Corneille oder
gar in demjenigen des Guillen de Castro.
Paul Scarron als Komödiendichter. 59
An Läonore bewundern wir die Innigkeit, mit welcher sie
den Grafen liebt, und wir bedauern zugleich dieses Mädchen,
da der Graf ihrer Liebe nicht würdig ist. Auch das Glück,
welches Läonore am Schlüsse erreicht hat, erscheint uns nicht
zweifellos, denn des Grafen Zuneigung bietet doch jetzt keine
grössere Gewähr für Stetigkeit, als im Anfange.
Die Komik wird in dem Stücke durch Don P&dre's Diener
Crispin repräsentiert; doch ist dieser nicht von dem groben
Schlage wie Don Japhet oder auch die beiden Jodelet. Man
sucht bei ihm vergebens jene gewöhnlichen Ausdrücke, welche
die Sprache der komischen Helden charakterisieren, denen wir
bisher begegnet sind. Crispin scheint etwas von den Sitten
seiner Kollegen bei Moli&re angenommen zu haben ; er hat einen
trefflichen Mutterwitz am Leibe, den er infolge seines Umganges
mit seinem Herrn und anderen lustigen Studenten in eine ange-
nehme, nicht selten burschikose Form zu kleiden versteht. —
Übrigens findet sich diese Gestalt, der wir später auch bei
Moli&re begegnen, in unserem Stücke zum ersten Male, so dass
auch hier wieder eine Beeinflussung des grossen Dichters durch
Scarron zu konstatieren wäre.
Nach alledem ist es nicht zweifelhaft, dass der Geölter de
Salamanque trotz mancher Fehler die beste von allen Komödien
des Scarron ist, ein Stück, dessen Lektüre uns auch heute noch
interessieren kann, weil es das einzige ist, in dem der Dichter
versucht hat, Charaktere zu zeichnen, wenn auch dieser Versuch
nicht in jeder Hinsicht als gelungen bezeichnet werden darf.
Man könnte staunen zu hören, dass gerade der löcolier de
Salamanque von dem Publikum nicht günstig aufgenommen worden
ist Doch liegt die Schuld nicht an dem Publikum oder dem
Stücke, sondern in einem anderen Umstände. Boisrobert,
welchem Scarron sein Werk vorgelesen hatte, pour V essayer, wie
er sich ausdrückte, fand den Vorwurf so vortrefflich, dass er
sich desselben bemächtigte und schnell selbst ein Stück in Prosa
daraus machte, Les genereux Ennemis, welches vor dem seines
Freundes fertig und im Hotel de Bourgogne mit Beifall aufgeführt
wurde, während Scarron wenige Monate später mit seinem Stücke
keinen Erfolg hatte. Dies ist wenigstens die Erzählung der
Brüder Parfaict.1) Scarron selbst äussert sich über den Gegen-
stand folgendermassen : II {üfic. de Salam.) donna dans la vue
ä deux tcrivains de r/putation en mime temps qua moi. Ces
redoutables caneurrents ne mempecKkrenl point de le trauert)
*) a. a. 0. VIII, 105 ff.
*) Vgl. die Vorrede zu dem Stücke.
60 H. GrOhier,
Hiernach ist der oben angegebene Sachverbalt wohl sieber nicht
zutreffend, denn wenn Boisrobert sich thatsächlich eines so un-
verschämten Plagiats schuldig gemacht hätte, würde Scarron ihn
mit den schärfsten Waffen seines Spottes verfolgt haben, wie er
es bei anderen Gelegenheiten nicht unterlassen bat. Es ist
wahrscheinlicher, dass die beiden Dichter ans der nämlichen
Quelle geschupft haben, oder dass höchstens Scarron seinem
Freunde diese Quelle vorgelesen hat Dies würde Boisrobert's
Verfahren nieht in so schlechtem Lichte erseheiueu lassen nnd
besser die seltsame Thatsache erklären, dass die Aufführung der
Genereux Ennemis mehrere Monate vor Scarron's Ecolier Statt-
fand. Übrigens kann ich auf die Frage nicht naher eingehen,
da ich das Stuck des Boisrobert selbst nieht kenne. Nach der
Inhaltsangabe der Brüder Parfaict1) gleicht es, abgesehen von
den Namen, vollkommen demjenigen Scarron's.
Später bemächtigte sich auch Thomas Corneille des
Gegenstandes und stellte daraus eine Komödie in fünf Akten und
in Versen her, welche im H6tel de Bourgagne. aufgeführt das
Stück des Boisrobert allmählich verdrängte1). Aus der Inhalts-
angabe des Stückes") ersehen wir einige interessante Abweichungen
von Scarron's Vorgehen; vor allem hat Thomas Corneille es ver-
standen, mehrere von den Fehlern zn vermeiden, welche im
Ecolier de Salamanque, getadelt worden sind.
Endlich hat auch Holiere es nicht verschmäht, den Grund-
gedanken des Stückes, wenn auch nur episodisch zu verwerten.
Im Don Juan III, 3 f. verfolgen die Brüder der Done Elvire
den Don Juan, weil er ihre Schwester aus dem Kloster entführt
und entehrt hat; sie haben also gerade so wie Don Pedre in
unserem Stücke die Verpflichtung, Familienracbe zu Üben. Ein
Zufall bat beide von einander getrennt; Don Carlos, der eine
von ihnen, wird von Räubern angefallen, Don Jnan kommt ihm
zu Hilfe und rettet ihm das Leben. So befindet sich denn Don
Carlos, als er erfahrt, wer sein Lebensretter ist, ganz in der-
selben Lage wie Don Pedro im Anfange unseres Stückes, und
er bandelt auch ebenso wie dieser.
he Gardien de soi-mime, das nächste Stück von Scarron,
trat 1655 mit dem den gleichen Stoff behandelnden Werke von
Thomas Corneille, Le Qeßlier de soi-meme, in die Schranken,
jedoch ohne den Sieg davonzutragen. Die beiden Komödien
verdanken ihren Ursprung dem Stücke von Calderon El Alcaide
de ei mismo. Sonderbarerweise fehlt diese Komödie aber in den
1) a. a. O. VIII, 92.
5 Pournier, S. XV.
■) Parfaict VIII, 82 ff.
Ihul Scarron als komödiendichter. 61
beiden Ausgaben von Scarron, welche mir zugänglich waren, so
dass ich anf dieselbe nicht weiter eingehen kann; eine kurze
Inhaltsangabe findet sich wiederum bei Parfaict VIII, 116 ff.
Im ficolier de Salamanque hatte Scarron zum ersten Male
eine Art Charakterzeichnung versucht — ich spreche von seinen
Stücken immer, als ob sie sein geistiges Eigentum wären — ; er
erneuerte diesen Versuch in Le Marquis ridicule ou la Comtesse
faite ä la Häte, einer Komödie, welche dramatisch zwar nicht so
interessant ist, wie der lZcolier, auf deren Besprechung ich aber
doch etwas genauer eingehen muss, schon darum weil Scarron
selbst sehr viel von derselben gehalten hat. In der Dedikation
an den Abb6 Fouquet1) nämlich sagt er: je vous supplie de lire
ma eonUdie: cest ä mon gri la mieux icrüe de toutes ceües que
fai donnies au public, depuis que mon malheur m'a riduit ä
navoir rien de meiUeur ä faire. Welches sind also die Vorzüge,
die dieses günstige Urteil des Dichters rechtfertigen?
Don Cosme, der Vater der jungen und schönen Blanche,
will seine Tochter mit dem Marquis Don Blaize, einem reichen
aber geizigen und rohen Menschen, verheiraten. Dieser hat, in
Madrid angekommen, seinen Bruder Don Sanche brieflich ersucht,
sich über Charakter und Ruf seiner Braut zu erkundigen. Don
Sanche jedoch verabsäumt, den Brief zu lesen, und so fällt der-
selbe einer Intrigantin, Stephanie, in die Hände, welche sich
ursprünglich Mühe gegeben hatte, die Zuneigung des Don Sanche
zu gewinnen, die aber jetzt ihren Sinn auf dessen Bruder lenkt,
da dieser als Marquis ihr noch begehrenswerter erscheint. —
Don Sanche hat Blanche, die er vorher nicht gekannt hat, vom
Tode errettet und liebt sie seit dieser Zeit, ohne jedoch zu
wissen, dass sie seinem Bruder zur Gemahlin bestimmt ist.
Blanche erwidert im Stillen diese Liebe, wagt es aber nicht, die-
selbe zu gestehen, da sie ihrem Vater nicht ungehorsam sein
will. Don Blaize kommt endlich im Hause seiner Braut an und
trifft dort mit Don Sanche zusammen, der die erwachende Eifer-
sucht seines Bruders noch geschickt abzulenken weiss; ja er
erhält sogar den Auftrag, Blanche scheinbar den Hof zu machen,
um dadurch ihre Beständigkeit zu prüfen. Das rohe Wesen des
Don Blaize und seine fortwährende unbegründete Eifersucht
machen ihn Blanche immer mehr verhasst, doch wagt sie nicht,
sich dem Willen des Vaters zu widersetzen. Stephanie aber be-
nutzt ein Geheimnis des Don Cosme, welches sie erlauscht hat,
redet ihm vor, dass sie selbst seine natürliche Tochter sei, und
dass Don Blaize ihr die Ehe versprochen habe. Das ist ent-
l) CEuvres 1786, VI.
62 ff. Grökler,
scheidend. Don Cosme steht von einer Verbindung seiner
Tochter mit dem lächerlichen Marquis ab, und dieser weiss sich
von der unverschämten Intrigantin nnr durch eine Geldsumme
loszukaufen, während Blanche mit ihrem Lebensretter ver-
eint wird.
Die Handlang ist wieder reich an Unw&hrscheinlichkeiten
und die Losung des Knotens, wie man sieht, recht ungeschickt
Statt dasa das närrische Wesen des Marquis die Katastrophe
herbeiführen sollte, bedient sich der Dichter hierzu der Stephanie,
einer der stehenden Figuren der älteren Komödie. Und welche
Anforderungen werden ausserdem an die Leichtgläubigkeit des
Zuschauers gestellt! Don Blaize ist ans Fenster getreten, um
sich das Bildnis seiner Geliebten zu betrachten, als ihm das-
selbe plötzlich von unsichtbarer Hand entrissen wird. Stephanie,
welche sich zufällig draussen auf der Strasse in der Nähe jenes
Fensters befindet, hat den günstigen Moment benutzt, um sich
in den Besitz des für sie wertvollen Objektes zu setzen (III, 4).
Auch das Horchen an einer geschlossenen Thtlr, durch welches
sie ein wichtiges Geheimnis erfährt, ist, wenn auch auf dem
spanischen Theater durchaus nicht ungewöhnlich, doch nach
unserer Anschauung entschieden tadelnswert (IV, 5).
Die Narrheit des Don Blaize ist nicht von derselben Art
wie diejenige Don Japhet's, denn sie beruht nicht auf einer fixen
Idee, wie man sie bei diesem annehmen muss, sondern sie geht
ans charakteristischen Fehlern und Leidenschaften hervor. Darin
liegt zweifellos ein Vorzug, den der Marquis vor Don Japhet
hat; sein Geiz und seine Eifersucht sind vortreffliche komisehe
Motive, aus denen sich eine wirkliche Charakterfigur heraus-
arbeiten liesse, wenn Scarron dies verstände und nicht immer
wieder der Versuchung erläge, aus seinen lustigen Gestalten
Karrikatnren zu machen. Auch dadurch, dass die Fehler des
Helden am Schlüsse ihre Strafe finden, erreicht der Dichter das
eigentliche Ziel der Komiidie, dUnntruirt en dtvertitsant, und
dieser Umstand stellt den Marqui» ridicule Über alle anderen
sogenannten Komödien desselben Verfassers, wenn auch der Ton
der Komödie im eigentlichen Sinne noch nicht getroffen ist. —
Die Liebe des Don Blaize zu Blanche vermag man nicht recht
ernst zu nehmen; er ist mehr eifersüchtig als verliebt, und wenn
er seine Leidenschaft bekunden will, so erscheint er komisch
ohne wirklich leidenschaftlich zu werden.
Der Charakter der Blanche ist, wenn auch nicht gerade
originell, so doch mit mehr Geschick gezeichnet; jedenfalls ist
dieses Mädchen, das der Kindespflicht sogar seine Liebe opfert,
eine durchaus sympathische Erscheinung. — Die übrigen Personen
Paul Scarron als KomGdicndichier. 63
sind von untergeordneter Bedeutung; ich will daher auf sie nicht
näher eingehen und fasse mein Urteil über den Marquis ridicule
dahin zusammen, dass es eine der besten Scarron'schen Komödien
ist und an ästhetischem Wert nur von dem lZcolier de Salamanque
fibertroffen wird, obgleich der ernstere Stoff des letzteren Stückes
einen Vergleich überhaupt nicht ohne Weiteres zulässt Übrigens
scheint der Marquis ridicule auch mehr eigene Züge des fran-
zösischen Dichters zu enthalten, so dass sich das günstige Urteil
Searron's auch auf diesen Umstand zurückführen lässt
Es bleiben nur noch die beiden posthumen Werke zu er-
wähnen, welche im Jahre 1662 veröffentlicht worden sind. La
Fauste apparence, eine Komödie in fünf Akten, ist eine Nach-
ahmung des Stückes von Calderon No siempre lo peor es cierto,
und wenn man die beiden Stücke mit einander vergleicht, so
erkennt man, dass Scarron hier bei der Bearbeitung seiner Vor-
lage ganz dieselbe Praxis befolgt hat, wie im Mattre valet. Ich
beschränke mich bei diesem und dem folgenden Stücke, die beide
nicht aufgeführt worden sind, auf eine kurze Inhaltsangabe.
Als Don Carlos de Roxas sich eines Tages in dem Hause
seiner Geliebten Leonore in Madrid befindet, wird er in seiner
Liebeständelei plötzlich durch ein verdächtiges Geräusch gestört;
er forscht nach und findet in einem Nebenzimmer einen jungen
ihm anbekannten Kavalier. Don Carlos glaubt in diesem einen
glücklichen Nebenbuhler zu erkennen, dessen Huldigungen die
ungetreue Leonore angenommen hat. Es kommt sofort zwischen
den beiden Gegnern zum Kampfe, in welchem der Fremde
schwer verwundet wird; aber durch den entstandenen Lärm ist
Don P&dre, Leonore's Vater, aufmerksam geworden, und das
anglückliche Mädchen sieht sich nun dem Zorne des Letzteren
preisgegeben. In dieser Not fleht sie Don Carlos um seine
Hilfe an, und es gelingt ihm mit der ehemaligen Geliebten zu
entfliehen, denn obwohl er von ihrer Untreue überzeugt ist, so
fordert doch die Ehre von ihm, dass er sie gegen den grausamen
Vater verteidige. Beide gehen nach Valencia, Leonore beteuert
wiederholt, dass sie an dem Erscheinen des Fremden unschuldig
sei, aber Don Carlos mag ihre Gründe nicht hören und will
selbst das Land verlassen, nachdem er sie vor der Verfolgung
des Don Pedre sichergestellt hat. Er wird in Valencia von
seinem Freunde Don Louis aufgenommen, dessen Schwester Flore
sich bereit erklärt, Leonore als Kammermädchen in ihren Dienst
zu nehmen. Flore ist nun die Geliebte des Don Sanche, des-
selben Kavaliers, mit welchem Don Carlos im Hause des Don
Pedre zusammengekommen war; sie ist über jenen Vorfall bereits
durch den Diener des Don Sanche unterrichtet worden- und ist
54
H. (höhte-
■ noch nicht
entschlossen, äeB Ungetreu« abzuweisen, obgleich sie
aufgehört hat, um ta lieben. Man kann sich die Verwickelung
vorstellen, die sieh .-ms dieser echt spanischen Exposition ergibt.
Die versebie denen feindlichen Elemente kommen im Hause des
Don Louis zusammen. Man will Don Sanche veranlassen, Leonoi
n heiraten, aber schliesslich Überzeugt sieb Don Carlos dui
Berthen an der Tlitir davon, dass seine Eifersucht nnbegrln
war; er verzeiht der glücklichen Leonore, und Don Pedn
froh, dass seine Ehre durch beider Heirat wiederhergestellt ist,
während Flore den leichtsinnigen Don Besehe nieder in Gnaden
anfniiimit.
/,*■ Prince Corsaire ist eine tragi-come'die, deren Quelle ich
nicht kenne. — Pisaudrc, der König von Cypern, hat bestimmt,
dass nach seinem Tode seine Tochter Elise die Regierung über-
nehmen soll unter der Bedingung, dass sie Amintas, den Si "
seines Bruders Nicanor, heirate, widrigenfalls ihre Scbweel
Alcione Königin und Gemahlin des Amintas werden würde. Kl
wird von dem Letzteren geliebt, hat aber ihr Herz bereits dei
jungen Prinzen Alcandre geschenkt und erfährt nun zu ihrem
Schrecken, dass dieser von seinem Vater Verstössen und in einem
Kampfe getötet worden sei. Sein Monier ist der mächtige
Korsarenfllrst Orosmane, der auch ihr Land seit längerer Zei
bedroht, und Elise verspricht Amintas ihre Hand, wenn es
gelänge, ihren Todfeind zu veruichteu. Dieser ist nun mit
laubiiis des Nicanor in die Stadt gekommen; Elise will ihn mit
eigener Hand töten, erkennt aber plötzlich in ihm ihren tot-
geglaubten Geliebten Alcandre. Von Pisandrc bei seiner Werbung
um Elise abgewiesen und seines eigenen Landes verlustig ge-
gangen, hatte der unglückliche Prinz sich auf das Meer gerettet,
um seinen Feinden zu entgehen; hier war es ihm gehingen, den
geflirehteten Orosmane, der ihn angegriffen, zu toten, aber ein
falsches Gerücht benutzend hat er sich selbst für Orosuiane
ausgegeben. Er wird schliesslich von Nicanor gefangen genommen
und soll sterben; Elise will mit ihm in den Tod gehen, aber zur
rechten Zeit erkennt noch Nicanor, dass der vermeintliche Ki>r
sarcnfllrst sein eigener Sohn ist, der in seiner Jugend verloren
gegangen ist, nnd es kommt nunmehr zu einem befriedigenden
Schlüsse. — Die Fehler und Unwahrscheinlichkeiten des Stück*
sind zahllos, doch will ich auf dieselben nicht näher eingehen.
Es bleibt mir nur noch übrig, auB meinen bisherigen
Pachtungen die Summe zu ziehen. Hat sich Scarrou auf d<
Gebiete des komischen Dramas irgend welche Verdienste
worbeu? Ich glaube, dass man diese Frage nicht rundweg
Deinen kann, wie es (luizot gethan hat, wenn er sich tibi
des
t;
ist,
den
ich
itnt,
Nw
Sohn
■stcr
ili.e
dem
irem
nem
Jttge
22
Er
Paul Scarron als Komödiendichter. 65
Scarron's Lastspiele mit folgenden Worten äussert: Je ne parier ai
point des eomecUes de Scarron, ouvrages malheureux que des
intrigues compliquies sans interet, une folie triviale sans naturel
et burlesque sans gaietS, ont laust retomber dans Voubli, dont üs
soni dignes. Si tun des Jodelets et Dom Japhet dPArmenie. ont
qudquefois reparu de notre temps, ce nya pu itre qua Vaide du
talent de quelque acteur habüe ä recharger encore ces ignobles
caricatureSy et ä diguiser, par Vexces du grotesque, Vext&s de la
platitude.1) Wenn man von seiner allzu derben Komik absieht,
die manchmal zur Plattheit wird, so sind die übrigen Fehler,
welche Guizot tadelt, doch nur diejenigen des spanischen Theaters.
Freilich sind die comedias de capa y espada innerlich nur wenig
von einander unterschieden, aber die Intriguen derselben sind
doch nicht ganz so uninteressant und unwahrscheinlich für den-
jenigen, der die Eigentümlichkeiten des Landes kennt, in welchem
sie spielen, abgesehen davon, dass einzelne der in Scarron's
Stücken behandelten Probleme thatsächlich eines allgemeinen
Interesses nicht entbehren. Und dann war die lebhaftere Hand-
lung, die kompliziertere Verwickelung, überhaupt das frischere
Leben, welches in den Produkten der kastilianischen Muse
pulsierte, von unschätzbarem Werte zu einer Zeit, wo die fran-
zösische Komödie leicht in den starren Schematismus der Tragödie
verfallen konnte. War es nicht ein Vorteil, wenn neben die
italienische Komödie mit ihren typischen Gestalten, die bis dahin
fast allein als Vorbild gegolten hatte, jetzt auch die andere
romanische Schwester trat und ihre Vorzüge geltend zu machen
suchte? Eine freiere Diktion, ein lebhafterer Dialog, ja ein
eigenartiger komischer Wortschatz, das sind die Vorzüge der
ScaiTon'schen Stücke, und diese haben auch nicht verfehlt, ihren
Einflass auf das allmählich zu immer schönerer Blüte sich ent-
faltende französische Lustspiel auszuüben. Ja selbst über die
derbkomischen Gestalten der Diener hat Moliere nicht vor-
nehm die Nase gerümpft, auch von ihnen hat er gelernt, auch
sie sind ihm Fingerzeige für seine eigenen erhabeneren Schöpfungen
gewesen, wie ich im Verlaufe meiner Ausführungen zu zeigen
Gelegenheit hatte.
Wenn ich von einem eigenartigen komischen Wortschatze
spreche, so bin ich den Beweis für diese Behauptung noch
schuldig geblieben, und ich will mir daher hierüber jetzt noch
eine Bemerkung erlauben, indem ich zugleich wieder das Ver-
hältnis von Moliere und Scarron berücksichtige. Es finden sich
nämlich in Moliere's Sprache einzelne Ausdrücke, die bis dahin,
*) Guizot, Corneille et son temps, S. 478.
Zaekr. lfcm.8pr.iL Litt IIP.
T. GrOhkr, Aul Scarrtm als Komidiendichter.
wenigstens ip der Veibindong, in welcher lie auftreten, der frao-
SÖBische» Sprache fremd wareu, und die der grosse Diebtor
offenbar flfijirroii'Bchen Stücken entlehnt hat. Hier einige Bei-
spiele, die mir gerade aufgefallen sind: Im Dipit amoureux 1448
äussert Gros-Ren*:
Lß pette toil ton rit? Voüä tont mon awrrotuc
Deja dvleifüf.
Den Ausdruck dulcifU bat Moliere offenbar von unserem Dichter
entlehnt, dann das Wort, welches in diesem Sinne sonst nicht
gebräuchlich, ist, kommt ebenso verwendet vor im Don Japhtt
d'irn^iM IV, 3:
Qve vottiez-vout dort« faire nvte eet chonlret-ei? —
Ten vevx d'dci/ier tnon amowevx toiici
Das Gleiche gilt von dem Aasdrucke mignon d» coudutU im
Cocu imatfinaira 185 und bei Scarron im Maure vaUt III, 8,
während ein anderer, larron ttkonneur, im Cocu ünaginairn 356,
dem Marqui* ridicule III, 2 entlehnt in fein acheint.
H. OkHblea.
Bemerkungen zur Lautlehre.
Auf den folgenden Blättern veröffentliche ich eine Anzahl
Bemerkungen, die ich mir bei dem Studium der Grammatik der
romanischen Sprachen1) von Wilhelm Meyer-Lübke machte.
In dem Abhandlung steil der Zeitschrift erfolgt der Abdruck
dieser Notizen mit Rücksicht auf den Umfang derselben. Niemand
wird auch nur einen Augenblick anstehen, M?s Werk als Gesamt»
leistung dem Bedeutendsten zuzurechnen, das seit langer Zeit
auf dem Gebiet der romanischen Sprachforschung erschienen ist,
wenn auch naturgemäss das behandelte Material im Einzelnen noch
der Ergänzung und weiterer kritischer Sichtung bedürftig bleibt
§ 18. Verfasser ist in seinen Angaben über das aspirierte
h im Neufranzösischen wenig erschöpfend, wenn er bemerkt:
nAber der Nordosten ist auch hier konservativ geblieben, im
Wallonischen und Lothringischen wird h gesprochen a. Das Gebiet,
auf dem h gesprochen wird, ist erheblich umfangreicher als M.
angibt, da auch im Nordwesten Frankreichs aspiriertes h noch
heute weite Verbreitung hat So im nördlichen Cotentin, in Val
de Saire und La Hague nach dem Zeugnis Romdahrs und Fleury'B.
Ersterer bemerkt S. 13 f. seines Olossaire du Patois du Val de
Saire: „Le h est assez fortement aspiri. II m'a paru que Vaspi-
ration t'accuse surtout dans les mots oü le h est Hymologiaue,
cest-ä-dire dans ceux qm sant tiris des langues germaniques,
p. ex. hälöy harieotöy hav£t> au ü est tout autard aspiri que
dans un mot aüemand ou scanämave*, letzterer bezeichnet S. 236
seines Essay sur le patois normand de la Hague das h als
„fortement aspirä". Auch für mehr südlich gelegene Gegenden
ist aspiriertes h bezeugt. So für den an die Loiremflndung
grenzenden Teil der Haute -Bretagne von A, Leroux Marehe du
*) Erster Band: Lautlehre. Leipzig, 1890. Fues's Verlag (R.
fieusland).
D. Behrens,
patois actuel dans Fanden payx de ta Mte. 8. 12: „A aspiree se
pronoit.ee d'une facon accentuie et guttural taute dijfe'rente de celU
que l'on tend it adopter dann lex grandes villex . . .", für Louvigne-
de-Bais (Ille-et-Vilaine) von J. GÜlieron Reo. des pat. g.-r, I, 176:
„A aspire exintt. mais »'est pas aussi forte qu'en aUemanda. Vgl. noch
für Haut-Maine die weniger bestimmten Angaben De Montesson's
Vocabulaire S. 270 Anmerkung. Hier werden auch 8. 242 gäler ■—
häler und S. 242 gäle = hdle verzeichnet, beide wohl mit Übergang
der Aspirata in den tönenden VerschlüBslaut, wie ihn Meyer für
oberital. garho und ital. gufo nach Diez' Vorgang annimmt. —
Wenn Meyer andererseits bemerkt, im Wallonischen werde heute
h gesprochen, so ist hier das Gebiet des Wallonischen nicht in
seiner ganzen Ausdehnung zu nehmen. Wenigstens bemerkt
C!iav6e Francis et Walion 8. 20 ausdrücklich, dass in seinem
heimatlichen Idiom, dem Namurois, h sturom sei: Dans le namu-
rois pax plus que dans lefran^ais le siijne h ne represente aueun
btiät, aueune consonne sifflante; mais ä quelques lieves de Namur,
sur le* bords de la Meuse, « Iluy, par exemple, on mtend ä tout
moment la sifflante neutre A, cette forte expir^e (et non atptre'e)
du yosier, si familiere aux Anglais et aux Allemands. Demnach
dürften auch Altenburg's Angahen Programm III, IC noch in
etwas zu modifizieren sein. Eier heiast es: „Die Bemerkungen
über die Aussprache des h [scharfer Hauchlaut] bezichen sich
indes nur auf die Llitticher und die engverwandten Mundarten;
in Namur ist die Aspiration schon erheblich geschwächt, in
Cbarleroi, Moos ete. ist keine Spur davou mehr übrig . . .".
31. Wenn Warn, aiiele dafür angeführt wird, dass dem i
in onguilla kurze Quantität zukommt, so läast sich dazu be-
merken, dass in dieser Mundart -ü- zu r wird (s, Meyer § 545),
also anele hier in regulärer, volkstümlicher Entwickelung nicht
auf lat. anguilla zurückgehen kann (Rolland, Faun« pop. III, 99
verzeichnet eine Form ainghira als baskisch). Schwierigkeiten
bieten der Erklärung ebenso span. anguila, portug. enguia,
menton. angira (Andrews, Romania XVI, 549), denen sämtlich
älteres anguila (nich anguilla) genügen würde.
33. Hier wo vom Übergang des frz. i" in e gehandelt wird,
heisst es, dass Sylviua (1531) nur sage, dass in nasal sei, sich
jedoch nicht über die Klangfarbe des i äussere. Zu beachten bleibt
indessen eine Bemerkung desselben Grammatikers, wonach sain
und eine gleichlauteten. Vgl. Ch. Timrot, Prononciation II, 481.
— Meyer's Ansicht, im Anfang des XVI. Jahrhunderts scheine
die heutige Aussprache (vgl. auch § 57) schon vorhanden ge-
wesen zu sein, hätte näherer Begründung bedurft. Vgl. die ab-
weichenden Ansichten Sucbier's in Grbber's Qrundriss I, 588 und
Bewm-kumgen zur Lmttkhrt* 09
Kosehwitz' in seiner Grammatik S, 52. l) — Was über «A*e» **«
für -vna bemerkt wird, Hesse sieh klarer formulieren. Wohl ein
Upsns ealami ist es, wenn zur Illustration dieses Übergang«
potren (poärtne)y ven als „Blaise" angehörig aufgeführt werden»
M. denkt hier offenbar nicht an das Thal der Blaise im Departe-
ment Eure -et -Loire, sondern an die Umgegend von Blois,*) fttr
die ich die Bezeichnung Blaise nirgends bezeugt finde. Korrekt
drückt sich Görlich aus, der Franz. Studien V, 380 dieselbe
Erscheinung behandelt, „ebenso sagt Talbert: DiaUcie blaitm*
8. 25 . . .a. Als weitere Belege für dieselbe Erscheinung gibt
Meyer „Maine: ven (vigne), e$en (4chinc)u. Beide Wörter sind
deshalb nicht sehr glücklich gewählt, weil hier auf i ein palataler
Laut folgt, über dessen Einwirkung M. in § 34 handelt. Kien
ist auch sonst verdächtig. Hiermit soll der Obergang von ina
in -ene für Haut-Maine keineswegs in Zweifel gezogen »ein, da
sich in De Montesson's Vocabulaire dafür eine Reihe anderer,
untrüglicher Belege finden. Auch südwestfranzösischon Mundarten
ist dieselbe Erscheinung heute nicht fremd nach Laianne1» Angabe
Olossaire 8. XXVI: ine, aine, pointraine (V. — D. 8. — Vend.)«
Aus dem Norden des französischen Sprachgebietes sei famaine
in Arras und St Omer angemerkt (s. Parab. de fF/nf. j/rodifjue
ed. L. Favre). In der nördlichen Franche - Comtä (Baume -Les-
Dames*) begegnen tpeunne, faireunne, dgdeunne, raiceune mit m,
das hier ebenfalls aus lat ü in gleicher Stellung (vgl, M. $ bl)
sich entwickelt hat — „Noch weiter geht Berey (Reims); erzä
(raisin . . .)". Die von M. gegebenen Belege stehen bei TarM,
Recherehes S. 102 iL : erzan f molan, van, epanne CM* sehreibt
epäne) u. s. w. als der Mundart von Bern (Kanton de Beine,
arondissement de Renas) aagehfrig, woftr wohl Mejer's Berey
(das § 57 in der Abkftrzong bere. wiederkehrt?) versehrieben ist
VgL noch das vom 'Laianne &k**aire %. 25% Mitgeteilte nmm
(vinum): via dam fem ?<smm (Vendie. arrondiss, des SaMe*),
34. Es wird gehandelt vom Übergang des i m e watet
dem Rhrftw eines folgenden L 7 oder einer pafatfato» Könne**!»,
M. sieht hierher aneh wallen, fj = -** »*d vevwekrt auf
*) Notiert »i hier üe 7on M. Auter. ^«r kmUkt der fo&rwnr*
OrUmmü mmd Pkrchc im XUL J*kr*mmUrt. Bonn. 1*8*. <*rw2Uinte «>£
fllbge Bindung Mä* . <m /•«■*/ &4*e L Jf*.
*) § 456 «breib« Äwr ßftmz^. Hier mit 4»i4*irffclr'ti<*.h*m Rinw*»n«
auf Talbart TTaaeaan j* wh yfcy*ri4 Amr>*v* %. XP7. *<* ta* Bn**h
TaXbertft unter der AbkärcntKf "rvwrjr — SerryvHnn anfgeföbrf -*\r4.
Bin Hegt zwischen Ort*»a«i* itui T.vir». 3****%* fom alten fternr.
^ 3. 0. Maiän. Aas itow dt *fcr Cmjifijtnmt wm ttwmn* Li* imw*.
Ult, Ittft. 3. M,
70 ß. Behrens,
% 438. Gemeint ist wohl § 436, wo sieh die Bemerkung' findet:
„Im Nordosten: Bnrgund, Lothringen nnd Belgien fällt r, d nicht
bob, ■ondern wird in y: -ata ergibt -eye, -uto : -ilye . . .". Dass
dies der Hergang gewesen sein muss, davon habe ich mich nicht
zu übereeogen vermocht. Beachtenswert bleibt die Thatsache,
die ich bei ML erwähnt zu finden gewünscht hätte, dass im
Wallonischen heute nicht nur lat. -ita, sondern auch Ist. -ia, frz. -ie,
beute -eye entspricht Grandgagnage Dietionnaire II, Introdnetion
XXIX, verzeichnet nioht nur fiitOe, sondern auch fraireie. Alten*
bürg Progr. II, 21 bemerkt, nachdem er zuvor beU (bitte), meU
(mille) n. a. behandelt bat: „Jene Erweiterung des t in ei ist
eigentlich im Wallonischen die allgemeine Regel, wie denn der
frans. Fem. -Endung ie (= lat ia) regelmässig tut entspricht
(manche schreiben He oder einfach eit). Beispiel: patrme (patrie),
Aa&e (Äste), Mumie (Mari«), vgl. Marei für Marie in einzelnen
deutschen Hnndarten . , ." und (von Meyer erwähnte) nldwald.
Mareya, kumpaneya. Dass -eye, -eya über -iye, -iya ans -ia sieh
entwickelt haben, ist wahrscheinlich. In Neutron (Pörigord) be-
gegnen heute die Formen auf -iyo: jalouniyo, vämiyo, patrtye,
Mango (neben Marti). Vgl. Chabanean E. d. L r. V, 186 die
Anmerkung. — Zn der Bemerkung „Aach Fourgs: cendreuiih,
äreuitte (öye) wird nicht anders zu fassen sein", wäre ein Hin
weis auf § 84 am Platse gewesen, wo Lahagne ÜrileUe erwähnt
und franz. itriüe als von itriller ans gebildet erklärt wird.
Das Wort kommt (a. Mistral, Tresor) in der Form estrelho in
Quercy, als eitreOto in der Dsuphine vor. — Neben faü in
S. Maient (St Maixent?) und Saintes beachte noch feü, das
nach Laianne Lern V[ienne] und D[eux]-S[evres] im Ge-
branch ist, nnd ftüle, das Lalanne als V., arrond. P(oitiersj, arr.
de Givrav, D.S. an gehörig bezeichnet. Dass, was das Loth-
ringische betrifft, die Erscheinung nicht beschränkt ist anf „Stets
und Umgebung" nnd anf „das obere Frassgebiet der Breuscb",
davon kann man sieh durch eisen Blick in Adam's Le» Pat.
Lorrains, flbersengen. Vgl. z. B. 8. 326 unter fiile, 8. 879
unter vigne.
35. Neben eng. tirol. priim, prum beachte La Hsgne
raprüme, Blois preume1) (neben prime). Sporadisch auftretende
weitere Fälle des Übergangs von i in (I vor Lab. sind auvergn.
ourtivo (Mistral, Trea. s. v. oulivo), Queyras sümio (*imia)\
-) Hier geht te anf ü fcurflck, wie auch in plant', am', habiUxtt ttc.
Vgl. meine Bemerkung tu § S5.
*J ». Chabrand und de Bochaa d'Aiglua, Putois dt» Alpes Col-
tiennes 8. 121.
Bemerkungen zur Lautlehre. 71
Blois erUbe, ereubb, Namur püpe heben pupt (fabricaüt des pipts\
b. Grafadgagnage Dict. 11, 226). Nach Labial entwickelte sich
U (ygl. M. § 42) in nprov. pügo, püo (carcasä.) ^ pita (s. Mistral
Trm. ». ▼. pigo), lothr. (in einigen Gemeinden, b. Adam Rrf.
lorr. 8. 311) ehefnuHe etc. — Le«*tf, das, soweit ich sehe,
Maskulinum ist, weist anf *lixivum zurück, wie in der rranfc.
Übersetzung von M.'s Grammatik richtig angegäbftn Ist. Iti dar
Franche-Comt6 begegnet nach De Chambure, Ctlossäiti II, 50Ö,
aich Ussiu, im Altpr. leissiu, im Neupror. Uissüu etc. etc.,
Formen, die in Meyers § 38 gehören. In gleicher Weise ent-
wickelte sich rivum zu ril in Fotfez (neben Ho fctc), Blois (da-
neben hier ra), Malm6dy (Lüttich n, Namur n, Ronöhi f&a, s.
Grandgagnage Dick 8. v. t%I. Es ist interessant, die Formen
dieses Wortes in geographischen Namen zu verfolgen. Vgl.
£rjs£e Rechts, Nouvette giographit universelle II. La Ftaiice
8. 982.
37. Über den Übergang von ß zu tct, ia\ im Provenzalitichän
bitte man gern etwas mehr erfahren, namentlich auch Über die
Verlegung des Tons von i anf den folgenden Verbindnfigsvokal.
In einem teil des Departement Creuse ist diese Accentverlegüng
regelmässig eingetreten, worauf dann Veränderung de* % in halb-
konsonantisches i eintrat. 8. A. Thomas, Arth. des missions
seimtif. V* 8. 446 f.: mais alors Vi passant au son yy on a les
fauste* diphthongues yey ye... Ex. fyelä, fyalo (fÜare, ftiat) et
ses composes st derivts: eifyUa, enfyUa, deifyelä, pexto fyeladoueiro
(pierre ä a&ffuiset), vyHage (vittage) etc. Ferner in Ortsnamen:
Vyalo, Vyaloctoutei n. s. w. Auch der Einfluss dös Accentes
anf die in Frage stehenden Bildungen bleibt noch näher zu unter
suchen. Meyer gibt „Colognac vi$b aber vialdä, demgegenüber
ist Creuse fyalo aber fyllh zu beachten. Mit M.'ä Bemerkung,
daa* Formen mit i&, ial statt ü seit dem XIV. Jahrhundert nicht
selten in den Teiton erscheinen, unter Hinweis auf S. Agnes,
Albigensefkrieg 6tc, vgl. P. Meyfer's Angaben in Chans, de la
Ort*. II, Introduction CXI i -— Nicht ausschliesslich auf pro-
ven*allsohem, sondern auch ataf ftUdostfraittÖBhchäta (um M.'s
Bezeichnung beizubehalten) Gebiet begegnet heute ie. Gf. Chabrand
et de Etoohas d'Aiglun Fat. des Alpes cottfcnnts 8. 131 vitro
s. f. = vüla: dans beaucoup de communes, le vülage chef-lieu
porte le nom de Viero. Dass hier der Übergang von l in r älter
sei als der von t in ie — - wie das M. in § 59 mit Bezug auf
den Wechsel von ü und üu in Briangon annimmt: „In BrianQon
wird ül Ober Ur zu ihtta, vgl. dazu meine Bemerkung — ist
nicht wahrscheinlich, da vor ursprünglichem r in fenirt venir etc.
für t kein ie eingetreten ist. — — In Nordfrankreioh ist der
72 0. Behrens,
Übergang von i in e vor ü, l für einige Distrikte des lothringi-
schen Dialektgebietes bemerkenswert. Labourasse, Glossair«
abrigi du patois de la Meuse, bemerkt darüber 8. 23 ^Lts
finales ille non mouillee et ile st prononeent volontiers eile
dans les canton* de Fresne, d' Etain, de DamviUers, et meme vers
Montfaucim et Clermont-en-Argonne: utile, velle, püe, pil«,
AchUle, Achelle,; Watronvüle, Wdtronvelle, BannonvÜU,
ffannonveile etc. etc.
38. Was zum Perig. und Baslim. bemerkt wird, hätte icb
etwas weiter ausgeführt zu sehen gewünscht. Vgl. Rev. d. L r.
II, 215 (Chananeau). — In nontr. vi, ri, abri vermutet Meyer
alte Singularakkusative: ritt zu ri, aber rius zu rieus ohne zur
Stütze dieser Auffassung etwas beizubringen. , Ich vermute, dase
nw# zu ris, ri geworden ist (vgl. Rev. d. I. r. V, 193) wie «in
(si vos) zu sis, si, wahrend riu zu rieu sich entwickelte. —
Beachte auch prov. ntu, woneben bereits in der von Annitage
veröffentlichten Hb. der altprov. Sermons XXI, 25 neu erscheint
Heute begegnen nach Mistral Tresor nenprov. nibu (lim.), nü>
(auv.), nie'u (Var) etc. neben ni, nis etc. Meyer erwähnt nprov.
nieu in § 437 and verweist hier auf § 38. Eine weitere Quelle
des prov. tu lernen wir bei ihm in § 439 kennen : diu, amiu
u. a. w. — Für das FranzlisiBche bringt M. wenig reiches Material.
Durch essisu = axilis wird ihm ieu aus tu für das Zentral fran-
zösische „gesichert" und darnach pieus = pius angenommen.
Aus der Bretagne wird fiele erwähnt Durch fieu (filius)1) wird
derselbe Vorgang in den höheren Thälern des französischen Jura
(Fourgs) nachgewiesen. Nicht ganz verständlich ist mir die nun
folgende Bemerkung „woraus eu (Hl) Besancon, eau (ot) Morvan",
Nach De Cbambure, Qlossaire s. v., spricht man in Morvan fiau
(d. i. fio). Erst auf Grand einer eingehenden Untersuchung wird
sich über die Entstehung* weise und die geographische Verbreitung
hier einschlägiger Bildungen in Nordfrankreich Bestimmtes aus-
sagen lassen. In einem franzischen Texte des XIII. Jahrhunderts
begegnen auch perieus, ostiex, ostieuz, wozu man Röhr, Der
Vokalismus des Frmväschen im XIII. Jahrhundert 3. 13 und 30
vergleiche.
41. Über den Lautwert des ram. f hätte ich eine Be-
merkung gewünscht
42. Beachte auch das in französischen Texten mehrfach
nachgewiesene fuis, fuOz (föius). Vgl. E. Görlich, Frz. St. V, 380
und Röhr, l. c. 8. 13. 30. Dass hier der anlautende labiale
Konsonant die Lantveränderung beeinflusst habe, darf freilich
1) Tiasot bemerkt Jie (e mi-muet) ou fieu".
Bemerkungen zur Lautlehre. 73
zunächst wohl ebenso fraglich erscheinen, wie dass in Caltanisetta
to ans i an vorhergehendes u gebunden ist.1)
43. e für t hu Wortauslaut begegnet noch in St. Genis
Les Ollieres (Lyonnais) nach Philipon's Angaben in Cledat's
Revue II, 33 f. — Wenn in Intragna, Losone, Lavertezzo jeder
auslautende Vokal nasaliert wird, so hätte das nicht lediglich
hier unter i, sondern entweder unter sämtlichen übrigen Vokalen
gleichfalls oder in § 389 ff., wo von den Nasalvokalen im allge-
meinen gehandelt wird, erwähnt werden sollen. Auch musste
Verfasser meines Erachtens den Hergang genauer darstellen als er
es thut oder die Leser ausdrücklich auf Arch. gl. IX, 224 verweisen.
44. Wahrscheinlicher als M.'s Vermutung, ital. elce sei nach
feiet, ßelce gebildet, erscheint mir diejenige d'Ovidio's (Grundriss
I, 507), wonach bereits im Vulgarl. -Uice durch sXllce und flttce beein-
flusst wurde. Neben prov. t/euse sind ehe, euse nicht zu übersehen.
Die Erklärung des franz. yeuse ist schwierig, dass es aus dem
Provenzalischen stamme, keineswegs sicher. — Neben ital. carena,
span. carena verzeichnet Meyer frz. carine. Weshalb nicht auch
earene, das Littre als nfrz. Form des Wortes ausschliesslich gibt?
Im XVI. Jahrhundert begegnen nach Thurot, Pron. 1, 231 frz.
carine und earene. Im Neuprov. lautet das Wort careno» —
Statt „ital. lemou Hess „ital. lenzaa, das Meyer in Überein-
stimmung mit d'Ovidio, Grundriss I, 508 (im Gegensatz zu
Gröber, Arch. f. I. Lex. IV, 512) meines Erachtens mit Recht
von span. lienza, lienzo nicht trennt. — Mit ital. ghiro und lire
in Berry vgl. lim. Uro, Val Soana ghi. Die Erklärung des franz.
loiry bergam. gier, tessin. gera (Verzasca), alb. ger, altfrz. gleron,
franz. Urot etc. (vgl. auch Rolland, Faune pop. I, 35 ff.) ist
schwierig. Kaum zulässig dürfte die (von M. nicht gemachte)
Annahme eines vglat. glir- erscheinen, dessen X nach Meyer § 350
allenfalls sich erklären lassen würde und das den betonten Vokal
in gttore beeinflusst hätte. — Zu pg. lesminha war auf § 358 statt
auf § 558 hinzuweisen.
47. Hier wird u. a. ausgeführt, dass ü zu ü geworden ist
„in Frankreich mit Ausnahme des Wallonischen und des oberen
Wallis (Val d'Herens und Val d'Anniviers)". In § 45 heißet es
„In ganz Frankreich, in Piemont, Genua und in Westrätien wird
u zu U.u Der Verfasser vorliegender Grammatik weiss sehr wohl,
dass die in Frankreich ansessigen Katalanen nicht ü sprechen,
dass das obere Wallis und das wallonische Sprachgebiet nicht
zu Frankreich gehören, dass im Wallonischen keineswegs lat ü
*) Bei dduilu, cvrruivu (diese Form gibt Schneegans, Siz. Dial.
S. 41, Meyer curruiva), duicu, faeuissiru Hesse sich wohl auch an Assi-
milation an folgendes u denken.
74 D. Behrens,
beute auf dem ganzen Gebiet u entspricht (wag übrigens steh in
§ 53 nicht bemerkt wird), »bor au» dem Wortlaut seiner Darstellung
geht es nicht hervor und Anfängern namentlich dürfte durch eine
derartige allzu allgemein gehaltene Formulierung der Laotregeln
der Gebrauch des Buches eher erschwert als erleichtert werden.
48. D»B8 altfre. u = lat. ü im allgemeinen von altfrs.
v = ist. o, v verachieden gelautet hat, ist unzweifelhaft richtig,
dass es den „modernen Wert Uu gehabt habe, davon haben mich
Mever's Ausführungen nicht eu Überzeugen vermocht. — Ana
dem Lauts tan d hier einschlägiger Lehnwörter im Englischen
schliesst H., es sei „für das Normannische des XL Jahrhundert!
der Lautwert u [deutsches u] ziemlich gesichert", nachdem er
vorher mit Rücksicht auf die Lehnwörter bemerkt hat: eine sichere
Entscheidung lasse sich zwar erst geben, wenn der Vokalismus
der betreffenden englischen Dialekte historisch dargestellt Bei,
vorläufig dürfe aber die Annahme dem Richtigen am nächste«
sein, das« ein Laut, der sich teils als y, teils als ei, iu, ii weitet
entwickelt, nicht ü, sondern geschlossenes u gewesen sein werde.
Wer dies behauptet, von dem dürfen wir den Versuch einer Er-
klärung dafür erwarten, dass das von ihm angenommene u sieh
in einem grossen Teile Englands nieht wie genuin englisches ■
und wie französisches » = lat. ö ö eu au, sondern eben eu ei,
tu, iü weiter entwickelt hat! Ich vermute, das* u = w im Alt-
norm anmachen von u = lat p, u ebenso wie auf fast dem ge-
samten übrigen französischen Sprachgebiet verschieden gelautet
hat, dass es aber nicht den „modernen Laut üu hatte, sondern
einen Laut bezeichnete , der auf dem Wege von u eu U lag.
Dieser Laut stand u bereits ferne genng, um von aitnormanuisohen
Dichtem in. Reime von demselben unterschieden eu werden,
andererseits noch hinreichend nahe, um dem fremden Ohr in den
nördlichen Distrikten Englands gans oder nahezu als m au er-
klingen und dann als u reproduziert zu werden.1) Hiermit würde
denn auch die von H. entwickelte Hypothese überflüssig werden,
es sei der neunormannisebe «-Laut später „aus dem Osten her
eingeführt u, und dabei der Laut von den aufnehmenden Normannen
nicht genau wiedergegeben worden.8)
K*l Die Annahme einer Rückbildung des noch nicht bil ü furt-
chrittefien Lautes im Munde eines Teile dar Engländer und der zu
rlandttn werdenden Normannen wird man an eich nicht unstatthaft
finden. Viel schwerer wird e« mir, mit Meyer in § 63 (vgl. § 8*8} anzu-
nehmen, in Loco, Loso und dem Misoierthal (s. Salvioni, Areh. gl. IX,
191, 104) sei Hin« zurückgekehrt.
*) £ine Veränderung der palatalen Tenuie vor ü wird von Meyer
g 410 ausser für das Normannische (Bessin) auch für das Saintougeais
nachgewiesen. Vgl. auch A. Thomas, Arck. des «mm. säent. V, S. 4SB.
Bemerkungen zur Lautlehre. 76
50. Was M. über die Behandlung des gedeckten ü aus-
führt, scheint mir nicht frei von Widersprüchen zu sein. M. nimmt
hier in undedm ü an, das in gedeckter Stellung „in Frankreich"
in v, o geworden wäre. In § 147 dagegen wird, wenn ich recht
▼erstehe, ündecm als ältere lateinische Form angesetzt, aus der
fr*, once, span. once regelrecht hervorgingen, während ital. taufte*
lieh in Anlehnung an uno entwickelt hätte. Für mail. vundes
hinwiederum wird in § 52 u im lat. Etymon vorausgesetzt Wenn
in § 50 mit Bezug auf frz. jonc angenommen wird, dass hier ein
lat £ in Frankreich regelrecht zu u geworden, so bleibt unver-
ständlich, weshalb in § 147 für span. junco eine Erklärung noch
vermisst wird. — Zu goüt beachte die abweichende Auffassung
Gröber's, Arch. f. lat. Lex. III, 443. — Dass joste altes Erbwort
ist, bleibt mir trotz M/s Ausführungen in § 403, auf die hätte
hingewiesen werden sollen, zweifelhaft — Dass in nprov. Mund-
arten auch jilnc, güet u. a. mit U begegnen, sei erwähnt Die
ganze Frage nach der Behandlung des gedeckten ü in Frank-
reich, deren Schwierigkeit übrigens M. nicht verkennt, bedarf
noch sehr gründlicher Untersuchung.
52. Mit lomb., piem., gen. kürt, algh. kult vgl« noch portug»
curio. In Malesco1) entspricht chirt (Arch. gl. IX, 252), in Val
Soana eürt (ib. III, 14). — Auf die Frage nach der Chronologie
des Übergangs von u zu ü im Rätischen kommt M. in § 646
zurück.
55. Wenn bemerkt wird, dass der spontane Obergang
von tf zv es hauptsächlich in Burgund und in der Picardie vor-
zukommen scheine, so durfte man zur Begründung dieser Ansicht,
namentlich was die Pikardie betrifft, etwas mehr erwarten als
was Verf. gibt Die aus dem Rouchi und „den Antennen" ge-
gebenen Belege gehören, soweit überhaupt noch, der äussersten
Peripherie des pikardischen Gebietes an. In Arras herrscht nach
Meyer heute U. Ich finde U auch in Saint -Omer2): pü (plus),
arvenü, aperchüt, pardli (daneben eue (t) = habutum), in Oambrai,2)
Carvin (Pas-de-Oalais).*) Ebenso ist in Busancy (Departement
des Ardennes) nach einer in der Reo. des pat. g.-r. II, 287 f.
erschienenen Sprachprobe U der herrschende Laut: kesdü, desädü,
oyü, vü, pü (plus), padsii. Wenn Meyer behauptet, es finde sich
„in den Ardennen" «, so wäre eine genauere geographische
Angabe, wo ihm dieser Laut begegnet ist, nicht überflüssig ge-
wesen. Ich finde venös , perdm (dies die einzigen von M. ge-
*) Malesco liegt auf piemontesischem Gebiet im Vigezzothal, das
sprachlich zum Tessin gehört. So ist es auch zu verstehen, wenn M.
§ 54 »n Malesco in Klammern Tessin setzt
*) Parab. de fenfant prod. ed. Favre.
76
gebenen Belege) „«n patois Ardennoü, entre Neufchäteait et
Bouillon",1) also im südöstlichen Belgien, in einer Gegend, die
man gemeiniglich nicht zum pikardiachen, sondern zum wallonischen
Sprachgebiet rechnet — Für den Übergang des ü ans a im Alt
pikardiachen kann der eine von H. erwähnte Reim nature : meure
; honeure Deease d'Amour 10* zunächst nicht viel beweisen. Viel
skeptischer zeigt aich M. gegen die Beweiskraft altfranzti siecher
Reime in § 178. — Damit der deutsche Leser, durch M.'b Dar-
stellung verleitet, Anve nicht im „bnrgundiscben Teile des
Morvan" suche, sei bemerkt, dass es der Name einer zum Ranton
Dommartin -sur-Yevre gehörenden Gemeinde im Arrondissement
Sainte - Henehoold (Champagne) ist. — Anch auf ganz anderem
Gebiete als dem von H. bezeichneten begegnet a. Talbert, Du
dial. blaisois, bemerkt S. 49: „U dann le dialeett blaisoi* tonne
generalement euuS) und gibt Belege: nateure, mowreeure, pequeure,
bat, veunqueu, aperceu, ttu(r), meu(r), o»queu(r). Vgl. ib. 8. 393
kabiteud, 8. 326 meneute, S. 325 lernt (ad), S. 331 pleume, 8. 215
eune n. s. w. (also nicht ausschliesslich in den Partizipien oder
vor r, wie Darmesteter, Romania V, 403 Anmerk. gestutzt auf
Talbert'B 8. 49 gegebene Belege annahm).
57. ß (aus ün) dürfte in seiner Entwickelung zum nfrz. <$
im XVI. Jahrhundert nicht über 6} hinausgekommen Bein. —
Nfrz. jeune (jejuna) hat nach M. „den Vokal des Maskulinums
Übernommen' ', Diese Erklärung scheint mir minder gut als die
Älteren Darmesteter's, Romania V, 395 und G. Paris' ib. VIII, 96.
Vgl. Thurot, Pron. I, 513 Anm. — Dialektisch frz. es statt ü
vor n ~( ■ Vokal wird von Grammatikern seit dem XVII. Jahrhundert
bezeugt. 8. Thurot, l. c. II 547 f. H. gibt zwei Belege für
lothr. e statt ot (ü) in dieser Stellung: en, piem. en (una) ist
deshalb kein gut gewähltes Beispiel, weil dieses Wort, ebenso
wie das zugehörige Maskulinum, auch in anderen Mundarten
(zum Teil jedenfalls bedingt durch seine syntaktische Verwendung)
vielfach von der regulären Entwickelung abweicht. So gibt Ls-
lanne, Otossaire du pat. poit, als Artikel [in der Orthographie der
Schriftsprache] ann, tnne devant une royeüe, als Zahlwort i, ine;
tarn, ütne; in, inne; einone je nach den Gegenden. In Baume-
') Parab. de Venfant prodiguc ed. L. Favre. Vgl. anch Tarb£,
Recherche* S. 158 f., worin ich M.'b Quelle vermute, wenngleich die «ich
anschliessende Bemerkung „weiter Östlich etc." sich damit nicht recht
vereinigen leset.
') 8. 50 findet aich folgende weitere Bemerkung, die auch auf
die aus ü entstandenen ce Anwendung findet'. Not paysans prononcent
eu le plus fermi pottiNe, (Tun aeeent un peu trainant; üs dvent une
heitre, une fleur, en faüanl sonner cel eu ä peu frei comme eut
Bemerkungen zur Lautlehre. 77
Les-Dames (Franche-Comte) lautet nach 0. Martin, L c 8. 6 das
Pronomen ieunne (unam), der Artikel bei vorhergehendem Kon-
sonanten enne, sonst ne. M. sagt nicht, wo lothr. en vorkommt
Als allgemein lothringische Form kann es, wie ein Blick in die
vorhandenen Dialektarbeiten lehrt, keineswegs gelten. Aus Adam,
Pat lorr., seien hier noch die folgenden lothringischen Wörter
mit e statt cb, ti verzeichnet: 8. 343 lene (Pierre -la-Trei che),
8. 320 squeme (Le Tholy), qubne (Chatel). In weiterer Ver-
breitung ist auf dem von Adam untersuchten Gebiet e in der
tonlosen Silbe eingetreten: 8. 320 ehhquemeure (La Bresse),
iquemrosse (Räville), squemrosse (Rouges - Eaux) , 8. 328 f ernte
(Domgermain) fenri (Pierre -la-Treiche) femeü (Trampot) ffanetl
(Dombasle-devant-Darney) etc., 8. 338 jemonte (Mazelay), jemonte
(Ortoncourt) etc., 8. 343 Um&re (Haillainville) etc., 8. 358
piemon (Cirey) u. s. w. Zu untersuchen bleibt, ob etwa das
von Meyer verzeichnete pyem (wo nachgewiesen?) und ebenso
die oben angemerkten lene, squeme (scuma) erst aus endbetonten
Wörtern gleichen Stammes wie piemon, ehhquemeure das e herüber-
genommen haben. — berc. = ?, s. oben zu § 33. — Vgl.
Andrews, Romania XII, 358 dügen, cumen, carcen in Mentone
neben lüna, cumilna etc. Hier also ein weiteres Gebiet, auf dem
auslautender und inlautender Nasal verschieden wirkten!
58. Für den „häufigen" Eintritt eines i stat ü vor Labialen,
in Mundarten, in denen sonst ü bleibt, hätte ich mehr Belege
gewünscht als M. gibt. Zu „nivolum für nubüau vgl. Ascoli
Arck. gl. n, 440 und Meyer § 28. Tessin. tariifu (wo nachge-
wiesen?) mag aus einer Gegend eingedrungen sein (s. Meyer
§ 54), in der i allgemein statt ü erscheint. Beachte noch nprov.
ime, mars. imo (Mistral, Tres.), die indessen i aus der unbetonten
8ilbe (imour, imourous etc.) herübergenommen haben können. —
Geht o in rmgl. sobit, lov auf vglt. u zurück? Mussafia, Dar-
stellung 8. 43, nimmt u als Grundlage an. Ital. lupo (neben
lova)y subito wird man mit d'Ovidio Orundriss für mots sav. zu
halten haben.
59. „Im Wallonischen wird ur zu 02: dcer, meer, verdopr,
mauqru. Zur Erklärung des letztgenannten Wortes heisst es in
§ 61 „aus maur entstand mavor, daraus mawor: dieses o konnte
vor r nicht mehr zu et werden*. Meyer sagt nicht, wo maugr
im Wallonischen nachgewiesen ist Altenburg Progr. III, 11
gibt maweur, Grandgagnage Dictionnaire und Willmotte Rev. d.
pat g.-r. I, 2261) ebenfalls maweur. Mawyr dagegen verzeichnet
l) 8. ib. 8. 228 Näheres über die Aussprache des ü vor r und n
in Lüttich.
78
. Sthrm
Horning /.'. Zs. IX, 487 aus der Sprache einer Arbeiterfrau, die
in Seraing, wenige Kilometer südlich von LUtticb, geboren ist,
aber seit einer Reihe von Jahren ihre Heimat verlassen hat und
nach Jägorthal im Unter- Elsass übersiedelte. Dass Meyer's Er-
klärung des Wortes die richtige ist, bezweifle ich. Entgangen
zu sein scheint ihm eine Beobachtung Aitenburg's, der Progr. II, 1
bemerkt: „Eigentümlich ist noch in Verviera (wenn auch nicht
in allen Wörtern) die Lautsteigerung der Endung eure, welche
last wie are ertönt: ehduseüre (chaxsure) wird in Verviera cAässdre"
und III, 11 „In Verv.-Dolhain macht sich die schon erwähnte
eigentümliche Lautsteigerung geltend: chäxxeüre, kofteüre, deur,
stur etc. klingen hier tchoss&r, koftär, dar, 8&r.a Mit ä be-
zeichnet Altenbnrg (s. Progr. I, 13) einen Mittellaut zwischen a
und o, also 6. Ich vermnte, dass die Sprache jener Arbeiterfrau
etwas von der hier erwähnten dialektischen Eigentümlichkeit, die
noch eingehender Untersuchung bedarf, reflektiert. In der
Vulgärsp räche von Namur scheint auch vor r ü die Regel zu sein.
8. Chavee L c. S. 381). — Was Meyer fllr die Aneicht, es habe
sich wallon. «: aus u direkt, nicht aus U, entwickelt, geltend murin ,
vermag ich nicht fllr durchschlagend zu halten. Beachtenswert
bleibt auch, was Meyer nicht bemerkt, dase neben betontem et
in Lüttich unbetontes W steht: dürer neben je deure, jürer neben
ji jeure, mewirer neben ji mesevre etc. (Altenburg Progr. II, 11). —
Über dialektisch franz. <e statt ü vor r im XVI. Jahrhundert
vgl. auch Thurot Prononc. I, 445. In der Schriftsprache acheint
diese Aussprache niemals auch nur vorübergehend zu allgemeiner
Anerkennung gelangt zu sein. Wenn Jean Lefevra und der
Überarbeiter seines Diciionnaire, Tabourot,s) « mit « reimen,
so durfte das aus der burgundiaehen Herkunft beider sich er-
klären lassen. — Zur Stütze soiner Annahme, in Briancon werde
lil über lir zu nur hat Meyer nichts beigebracht. Ich vermute,
dass iil über iiul zu üur geworden ist, da ib. durum dilr (nicht
düur), obseurum escür (nicht esetiur) ergeben hat (s. Chabrand
und de Rochas d'Aiglun t. c). Im Velay wurden murum, purum
') Man sagt hier sogar bürre (s. Chave'e 8. 7), wahrend in der
Schriftsprache beute beurre au Rocht besteht. Letzteres mag, wie
Meyer annimmt, eine im XVI, Jahrhundert eingedrungene Dialektform
sein. Wie erklären »ich normann. birure (Bessin, Jorei) und bueurre
(Bocage, Virois, CWdat'» Reo. II, 80)?
') Die beiden von Meyer vetieichneten Auegaben des Lefövre'schen
Diel, wurden von Tabourot besorgt. Nach Thurot, Prononc. 1, p. XLI,
ist die zweite nicht 1588, wie Meyer und Darmeeteter Romania VI
angeben, sondern 1581 erichianen. Eine beachtenswerte Charakteristik
des Buches gibt Thurot /. c. Einleitung p. XLJI.
Bemerkungen zur Lautlehre. 79
m mtilr, piilr, wenn ich Mistral's miur, piur (s. Tresor s. v.
mur, pur) richtig interpretiere.
60. Die Angabe „Milhau 1623" bedurfte eines erklärenden
Zusatzes. Vgl. zu den hier behandelten Wörtern auch Mistral
Tresor s. v. muelo, cuou, pieuoeUo, rectda und Rolland Faune III,
257. IV, 268. Die lautliche Entwicklung von 1Ü zu iol, iul
dfrfte sieh über ilel vollzogen haben, indem zunächst zwischen ff
und t ein Verbindungsvokal sich einstellte (wie zwischen i und
1 in den von Meyer § 37 behandelten Wörtern), woraus mit
Assimilation der beiden vokalischen Elemente Hol, Hol, Uul, dann
mit Dissimilation toi, iul hervorgingen. Die erste hier ange-
nommene Stufe üe glaube ich noch vorzufinden in mildo, recUele
rccligfe» rseUsle recUtlon, woneben die endungsbetonten Formen
rseutsm, reeläas stehen (s. Mistral Tres. s. v.). — Ist es richtig,
daes tessin. niu aus nubüus über niivol nüol nüu sich ent-
wickelte, während piem. nwul, friaul. niu u. a. (nach M. § 58)
auf nwokim für nubüa zurückgehen? Dass niu, Mu nur auf ganz
beschränktem und nicht ganz demselben Oebiet innerhalb des
Kantons Tessin nachgewiesen sind (jenes in Menzonio, dieses in
Cevio und Coglio, s. Ärch. gl IX, 204 Anm. 1 und ib. 8. 213)
wäre anzugeben nicht überflüssig gewesen. — „§ 283 aUguaa
ist Druckfehler.
61. In 8t. Genis-Les-OlliAres (Lyonnais) scheint u in
seiner Entwiokelung zum Teil durch die Erhaltung eines nach-
folgenden unbetonten a bedingt zu sein: noua (nudam) aber PI.
ntie (nudas), vendoua aber vendües, sänsaua (sanguisugam) aber
sänsües etc. Of. Philipoo ClAdatfs Rev. II, 45*). — Wenn ange-
fahrt wird, dass in wallon., metzischen und in Vogesen- Mund-
arten uta zu ©tu, ü wird „nicht nur da, wo u bleibt, sondern
sieh in den tf- Gegenden", so darf man in erster Linie Belege
aus eben dieser „tf- Gegend" erwarten, statt solcher aus dem
Wallon. (Seraing?), auf deren Mitteilung sich M. beschränkt. —
Fourgs rio leitet M. aus frz. rue her. Auffällig ist ib. auch
dieu 3» durum (neben dUr = dura, molüre).
62. Davon, dass die Reduktion von üi zu U ausser auf
das Anglonormannische keineswegs auf die Dialekte Lothringens,
J) Philipon's Angaben sind leider nicht unzweideutig. Er bemerkt,
data ü bleibt in nudum = nu, crudum = cm etc. Rev. I, 261 gibt er
dagegen als Erklärung der von ihm angewandten Transkription an:
.« c'est tu fratuais" und ib. „ou est, de mime qu'en francais, uue fauste
s$phthongueu , ü, 45 wird daneben ein Zeichen ü (u avec sa sonorite
ceakjue) eingeführt und bemerkt lorsque . . . Vu s'est trouve en contact
svss m a posttomaue, il s'est ilargi en au. -~ Zu -a, -es vgl. Meyer
§ S09.
80 D. Behrens,
für welche die von M. aus Joufr. und Ysopet herangezogenen Be-
lege übrigens zweifelhaftes Zeugnis ablegen, beschränkt ist, kann
man sich durch die vorliegenden Dialektarbeiten leicht über-
zeugen. Auch das Wallonische hat U. Cf. Grandgagnage /. c.
Iure, für, k'düre, trüte, Zö, brüt; Altenburg Progr. III, 9 ; Horning
Rom. Zs. IX, 487 f., Meyer § 53; für Namur Chavee l. c. S. 39;
ob in Mons ü aus üi regelmässig sich entwickelt hat, vermag
ich nicht zu sagen. Weiter begegnet ü in Baume -Les-Dames,
8. 0. Martin 8. 6; in den Fourgs, s. Tissot l. c. bru, lu, con-
dure, dettrure, brure, condutot, patu, woneben frity früot und
reUre stehen. Reine Ausnahme bildet fouire Fourgs (s. Frz. St.
III, 390). — Westfranzösischen Mundarten ist ü heute nicht fremd.
Vgl. z. B. Gillieron Rev. d. pat. g.-r. I, 176. Südlich von Paris
werden brüt, frilt bezeugt für Charost (Berry) von Coudereau he
diaL berrichon. — Die Bedingungen, unter denen t statt ili er-
scheint, bleiben noch näher zu untersuchen. Das von M. heran-
gezogene neben muid auffällige schriftfranzösische tremie, wo-
neben die Grammatiker tremuye und tremee bezeugen (s. Thurot,
Prononc I, 223) dürfte ursprünglich dialektische Nebenform sein.
Aus den Paiois seien notiert Bessin bri, r'lire, La Hague lire,
condire, acondire, bri, Val de Saire bri, condire, prü, frü (Vienne,
Deux-Sövres, Vendee, 8. Laianne Qloss. 8. XXVII) neben freut. —
üi statt üi, das Meyer für Possesse (Champagne, Canton d'Heiltz-
le-Maurupt, arrondissement de Vitry-le-Francois; vgl. Tarbe Rech.
8. 122 ff.) als beachtenswert in den Wörtern suit, lui, brui an-
merkt, ist mehrfach auch in lothring. Ortschaften anzutreffen.
Vgl. Labourasse, Olossaire 8. 18: sotdte, (trouUe), condoidte. Adam
Pat lorr. verzeichnet 8. 76 lou als Vannes-le-Chatel, Domgermain
und Toul angehörig. — Über den von M. angemerkten Unter-
schied in der Aussprache des ui in zentralfranzös. conduire, huit
einerseits und in nuire, luire etc. andererseits hätten wir gern
Näheres erfahren.
63. Kürzung vor mehrfacher Konsonanz ist doch
nicht eingetreten in Iujur. mela (mula), lyena, plemo etc.!
Mit dem gleichen Recht hätten hier etwa auch die Belege für
e statt ü in Dissentis (Meyer § 54) mitgeteilt werden können. —
Hervorzuheben ist plema in Jururieux neben sonstigem (Meyer
§ 58) „südostfrz." pluma, pyöme etc.
65. Hier wäre ein Hinweis auf § 361 angebracht ge-
wesen. Piem. pi1) wird § 361, wo ein Verweis auf § 65 nicht
fehlen sollte, nochmals aufgeführt. Firn im Tessin erklärt sich
*) Auch im Friaul. begegnet pi, s. Ascoli Ar eh. gl. 1, 101 Anm.?
Vgl. in neuprov. Mundarten (Mars., rhod.) pe, das Mistral im Tres.
erwähnt.
Bemerkungen zur Lautlehre. 81
zum Teil nach § 54 ohne Schwierigkeit. Da wo es, wie in
Comologno (Arch. gl. IX, 204 Anm. 1), auf einem Gebiet er-
scheint, das sonst den Übergang von betontem U in * nicht kennt,
Hast sich die Frage aufwerfen, ob es unter dem Einfluss abge-
leiteter, endbetonter Wörter gleichen Stammes steht, wie es
Wendriner, Die paduanische Mundart bei Ruzante S. 13, mit
Rücksicht auf hier neben fimesieggi begegnendes fime vermutet —
Dass sich in Haut-Maine eil anders entwickelt habe als U bleibt
mir zweifelhaft. Meyer erwähnt voe, saer, de Montesson im
Voeab. ausser vas, säur (Einleitung S. 26) auch deurer neben
durer, creiateur, aveigncu neben aveignu, meuce neben muce.
Zweifellos richtig ist Meyer' 8 Annahme für La Hague. Sie trifft
wohl auch für das Patois des Bessin zu, über das M. keine An-
gaben macht. Vgl. in Joret's Essai: rrinu, egu, estatue, tchuve
(scupa), dur, chinture etc., aber beu (bibutum), deu, veu, eu, meur,
seurf seü) u. a. Oüu in La Hague entspricht im Bessin ausnahmsweise
gleu. Lat. cicuta lautet in La Hague und im Bessin überein-
stimmend chue, nicht cheue. Hier wird die abweichende Ent-
wicklung durch die anlautende Konsonanz bedingt sein. Ich
yermisse bei M. eine Bemerkung über schriftfranz. heur etc. und
iber die Angaben der Grammatiker des XVI. Jahrhunderts. Vgl.
Darmesteter, Romania V, 394 und Thurot, Pron. II, 513 ff.
66. Angemerkt sei hier eine Angabe Leroux' Marche du
patois etc., wonach in einigen Ortschaften an dem unteren Lauf
der Vilaine auslautendes -ü zu <b, -üe zu asi (L. schreibt euil)
wird: on donne a Vu une sorte de disinance qui ressemble assez
au son euil, quand ü est suivi ä*un e sans accent, et au son
eu, quand ü nest suivi cfaucune autre lettre. Ex.: je V ai vu>
une bonne vue, que ton prononceje Vai veü, une bonne veuil. —
Von den aus dem Romagnolischen gegebenen Wörtern war das
zweite von Meyer in Übereinstimmung mit den beiden anderen
als sq wiederzugeben, wenn nicht (mit einem erklärenden Zusatz)
Mussafia's Transkription in allen dreien beibehalten werden
sollte. — In Poschiavo werden plazu, nud etc. nicht mit u (auch
nicht mit ce wie im Badiotischen), sondern (s. Ascoli Arch. gl.
1, 283 und ib. S. XL1II.) mit einem Laut, der zwischen u und ü
liegt, gesprochen. Es ist ungenau, wenn M. diesen Laut mit u
und inkonsequent, wenn er ihn in vindu (oder ist das Wort bei
Ascoli verdruckt?) das eine Mal mit u, das andere Mal mit t
wiedergibt
67. Die reguläre Entwickelung des lat. acucula läset sich
ausser im Altfranzösischen in franz. Patois nachweisen: igüle
Bessin (l wird hier im Auslaut der Tonsilbe regelmässig zu l),
agüte Pat. du Centre etc. Mussafia erwähnt Romania II, 479
Ztcfar. f. frx. Spr. a. Litt. XII». 6
D. Behrens,
am.) neupik. agouille, dem sich aus neulothr. Mundarten (8.
iam L c. S. 295 f.) analoge Bildungen zur Seite stellen lassen. —
1 frz. lourd liegt doch nicht „u statt oa vor!
70. 8. 88 ist zu virgo auf § 44 statt auf § 67 zu ver-
weisen. — 8. 89 ist wohl statt „poit. Ariege besku zu lesen
„port. Ariege beskuy wie in der französischen Übersetzung steht.
Als gase, wird bei angegeben, woneben bic in Bayonne und bisc
in Orthez1) zu beachten sind. Auch sonst begegnen Formen mit i
in weiterer Verbreitung als M's Darstellung erkennen lässt. —
Dass franz. dit, span. dicho neben ital. detto etc. „Neubildungen"
sind, vermag ich nicht für ausgemacht zu halten. Beachte auch
mdtl. ital. (genues. venez. etc.) dato. Wallon. deit (wo nachge-
wiesen?) weist wohl vielmehr auf dictum (s. Wilmotte Romania
XVII, 558, Meyer § 34) als auf dictum. Letzteres hatte in
Ltittich und ßeraing heute dat (s. Meyer § 76, Grandgagnage
Dict str<Bty adrett etc.) in Mons du (mit deutschem u) ergeben.
Auf X dagegen weist a in Fourgs da (dictum) neben da (digitum),
Hra, fra etc.
71. Nach Meyer ist in Nizza vglt c zu et diphthongiert
worden. Aus Sardou und Calvino's Orammaire de Vidiome nicoü
notierte ich mir neu (nivem) 8. 91, perqut 8. 12, 8 et (sitim)
8. 106, tre(s) 8. 36, mes (meutern) 8. 38, autrifis, ve (vidit)
8. 79, recevre 8. 78, biure (bibere) 8. 76, avi (habere) 8. 51,
valiy vouliy poudi, serä 8. 38, pena 8. 96, (regem da-
gegen wurde rei, credere creire). Ist nun hier überall ei zu e
zurttckgekehrt?
72. Schriftfranzösisches e in monnaü, taie etc. neben ue
in soie, voie etc. sind schwer zu erklären. M. teilt die Ansicht
derjenigen, welche annehmen, unter noch nicht klargestellten Be-
dingungen sei u£ zu e geworden, also eine Reduktion des Diph-
thongen auf seinen zweiten betonten Bestandteil eingetreten.
Bleibt nicht auch die Annahme zu erwägen, wonach auf dem
Boden der auf der Grenze des westfranzösischen H (Meyer § 74)
und des östlichen ot-Gebietes gelegenen Hauptstadt e neben ue
(nicht Aber ue) aus vglt. e durch die Zwischenstufen et, & sich
entwickelte, so dass in schriftfranzösischem monnaie, taie etc.
neben eoie, voie etc. Dialektmischung zu sehen wäre? Welche
Bildung im einzelnen Falle als schriftgemäss anerkannt wurde,
dafllr werden „die willkürliche Mode des Hofes", die Sprech-
weise einflusBreicher Schriftsteller, die Vorschriften der Grammatiker
verantwortlich zu machen sein. — Zu anderen Ausführungen
M's in diesem Paragraphen finde ich wenig zu bemerken. Das*
l) 8. Lespy et Raymond Dict. Marnais s. v. besc.
Bemerkungen zur Lautlehre. 83
Rnteboeuf oi und ai (e) im Reime auseinander halte, trifft nicht
völlig zu. Vgl. L. Jordan, Metrik und Sprache Rutebeufs S. 51.
Für die Ausspräche oa lässt sich wohl bereits das Zeugnis Pals-
graye's anführen (s. Thurot Fron. I, 356 Anm.)
74. Meyer bemerkt über den heutigen Lautbestand der
Mundart von La Hague, dass altes ei erhalten bleibt: „me**,
krejre, me%, oejrc, peivre, pejß, frei neben fe und dem auffälligen
seu (titis)a. Ausser fe und seu begegnen aber hier nach Fleury
Essay auch dl, frl% &nSt, rU, s4 (serum), woneben freilich de%
frei, na an anderen Stellen der Schrift angegeben werden. Die
Frage bedarf noch eingehender Untersuchung. Fleury's Angaben
(vgl. über dieselben auch Joret, Romania XVI, 139) erscheinen
mir in diesem Falle zu unbestimmt, als dass sich* auf Grund
derselben eine so bestimmte Behauptung wie diejenige M's
formulieren Hesse. — Wenn M. seu in La Hague als auffällig
anmerkt, so sollte er einige Zeilen vorher nicht unerwähnt lassen,
dass st nicht die in Montjean übliche Form ist Vgl. Dottin,
Reo. des pat. g.-r. I, 172: ü m'est arrivi une fois ctentendre dire:
f n'i pwl siy mais on prononce ordinairement sA1). Zu be-
achten ist ferner, dass in Montjean (Montejan ist Druckfehler,
desgleichen He et Vilaine und in § 73 Cambrais; in der franz.
Übersetzung wurden dieselben beseitigt) neben ve (videre), &i
(cadere), kraer (credere)9 päer (pira), bah* (fiibere) mit betontem
ersten Element stehen.
76. Fäivra und fä als Belege für den Übergang von
vglt e in äiy ä bedurften zum mindesten eines erklärenden Zu-
satzes, da jenes auf /?ora, dieses auf föl zurückgeht (vgl.
Meyer § 151). In derselben Mundart ergeben leporem läivra,
Vboai läive, mit mä, so dass es zweifelhaft erscheinen darf, ob
sieh, wie Meyer annimmt, in cräyo, päüo (nicht päizo), täüo etc.
der auB lat e hervorgegangene Laut in seiner „ältesten Form"
erhalten habe oder ob ihm $ voranging. — Dass Rive-de-Gier
im Lyonnais, nahe dem rechten Rhone -Ufer liegt, hätte zur
Orientierung des deutschen Lesers angegeben werden können.2) —
*) Die Form sce statt se gibt der Vermutung einigen Raum, dass
ihr älteres soef vorangegangen, dessen ce unter dem Einfluss des folgen-
den Labials aus e sich entwickelt hätte, vgl. M. § 72 zu seuf im Mist,
de la Pass. und noch Joret Pat. du Bessin S. 184 tieuvre (Lison), 8. 97
feuve. Ähnlich auffällig wie sce in La Hague ist, obwohl hier nicht
lat. i zu Grunde liegt, bce (daneben biet, das Meyer § 557 als neunorm,
erwähnt) im Bensin, welches dem von Littre* als schriftfranzös. ver-
zeichneten bief entspricht.
*) Ebenso dürfte S. 96, wo von lothringischen Mundarten die
Rede ist, zu Cugy und Haute -Broye der Zusatz (Freiburg) vielen will-
kommen gewesen sein.
6*
84 D. Behrens,
M. sagt „Weit gewöhnlicher ist ai in Savoyen zum Teilu leider
ohne Angabe seiner Quelle und ohne jede nähere Andeutung
über die Lage dieses ai- Gebietes. S. cJO erfahren wir, dass *>i
begegnet „in Savoyen z. B. in Bonneville (Faucigny): re/, avei,
recevei (doch auch povai), doch scheint das vereinzelt zu sein."
Nicht unbemerkt hätte bleiben sollen, dass auch im savoy.
Patois von Albertville ai bedingungsweise zu a reduziert wurde,
8. Brächet Dictum, frä (frigidum), savä, pä, avä, da (digitum),
mä (mensem), sä (sitim), tä (tectum) neben bere (bibere), pdze
(picem).
77. Wenn die Vermutung, ei sei über das ganze rätische
Gebiet verbreitet gewesen, das Richtige trifft, so wird die gegen
Ende des Paragraphen ausgesprochene Behauptung „die gewöhn*
liehe Weiterentwickelung von ei sei die zu aia sich schwer auf-
recht erhalten lassen. — Zu rät. seht, stegla etc. hätte ausser
auf § 32 auf § 54 verwiesen werden können, wo erwähnt wird,
dass auch i aus ü mundartlich über e zu ei etc. sich ent-
wickelt hat.
80. Dass im ital. vischio Umlaut durch Hiatus-» vorliege,
bleibt mir zweifelhaft. Vgl. nprov. (rhod.) viscU und meine Be-
merkung zu § 70. Auch span. jibia, limpio etc. sind nicht völlig
klar, solange domingo, hisca, obispo, mismo, marisma nicht erklärt
sind. Baist's Annahme, in den zuletzt genannten Wörtern habe s
auf den vorangehenden Vokal gewirkt, weist M. selbst (§ 116)
zurück mit Hinweis auf aquesto, maestro u. a. Zu prov. vendimia
seien vendemia, vindemia angemerkt, die Raynouard aus dem Alt-
provenzalischen ausschliesslich nachweist. [In § 505 lässt M.
unter vglt. vendemia den Platz für das Provenzalische frei.] Die
Ansicht, dass das in einem Teil des gascognischen Dialektgebietes
nachgewiesene dibi (debeo) sein t im Stamme dem Einfluss des
nachfolgenden Hiatus-t verdanke, bedarf jedenfalls noch näherer
Begründung. Mistral s. v. deute verzeichnet als gase. Formen
des Indik. Präs. dibi ou dihii, dibes, dieu ou diout (quere), diben7
dibtis, dibon ou dibou ou diben. Vgl. damit das Präs. Ind. von
veire in der Mundart von Marseille: vieu, vies, vis (auch ves),
trian, vias, vien. Vermutlich gibt Meyer über diese Bildungen in
der Formenlehre nähere Auskunft; weshalb ich es unterlasse,
auf dieselben hier einzugehen.
84. Lyon, litüle (letüet) kann nicht wohl mit zum Beweis
dafür herangezogen werden, dass vor l e zu t geworden ist, da
dieses Wort anf romanischem Gebiet in weiter Verbreitung Suffix-
vertauschung zeigt. Für frz. lentille nimmt es M. selbst in § 116
an. Beachte ferner altprov. lentilha, nprov. lentiho, dentäho (gase),
nentUho (Hrn., d.), entilho (rouerg.) etc., portug. lentilha y cat
Bemerkungen zur Lautlehre. 85
UenUOa. Vgl. zum Lyon, auch Philipon (C16dat's Revue II, 36),
der für Saint- Gen is soll (soliculum), arte, parbr (pariculum)
neben avfPi, pariPi etc. angibt Provenzalischen Mundarten
scheint u flfr tl nicht unbekannt zu sein. 80 sagt man in Aix
abülo; lis Abxho ist der Name eines Ortes in der Nähe vg
Carpentras (Vaucluse); vgl. ferner Mistral, Tres. 8. v. courniho,
bouüho etc. — Frz. mü ist nach Meyer erst aus dem endungs-
betonten malet gebildet, tiüe von tilleid und Hrüle von itriUer
beeinflusst. Alles das ist sehr fraglich. In altpik. orale hat
nach Meyer u aus ei sich entwickelt. Weshalb wird nicht auch
hier Einfluss endungsbetonter Wörter gleichen Stammes ange-
nommen! Heute sagt man z. B. im Patois du Centre nach
Jaubert oreille aber orillier und desoriller. Es entgeht mir nicht,
das orüle alt ist im Französischen. Ob es Roland 1918 in den
Text zu setzen ist, bleibt fraglich. Aber in einer Anmerkung
zu dieser Stelle weist es Müller zweimal aus Q. L. nach. Beachte
auch parüle (neben pareuä) im Patois von Blois, das Talbert,
l c 8. 324, (325), 333 erwähnt. Ebenda kommt, was Meyer
auch in § 89 nicht angemerkt hat, tigne (Talbert 8. 87) vor.
Ob hier ein endungsbetontes Wort gleichen Stammes (tigneux etc.)
eingewirkt hat, lässt sich vielleicht durch eine eingehende Unter-
suchung entscheiden. Vgl. noch Thurot, Pron. I, 349 f. —
Fraglich bleibt es, ob da, wo nachtoniges t auf den Tonvokal
thatsächlich eingewirkt hat, älteres f über vglat e zu t zurück-
gekehrt ist, oder in Folge eben dieses Einflusses als % erhalten
blieb, ob z. B. ital. famiglia, ciglia ein vglt. fameglia, ceglia
voranging (s. Mussafia, Zeitschr. f. d. Eealschulw. XIV, 80). Ich
vermisse eine Bemerkung über die Entwickelung der ital. Dia-
lekte, die hier um so mehr am Platze gewesen wäre, als letztere
in § 95, wo von einer ähnlichen Erscheinung gehandelt wird,
Berücksichtigung finden.
85. a statt e vor l begegnet auf rätischem Gebiet nicht
ausschliesslich im Oberengadin. Gärtner weist § 200 urälya
(auricula) von Samaden bis Schieins nach. Vgl. Arch. gl. I,
234, 246.
86. Noch näherer Untersuchung bedarf die Entwickelung
des vulgärlt et in ostfranzös. Mundarten. Meyer zitiert merveüle
(:tonaüle) u. b. w. aus der Ouerre de Metz und bemerkt dazu
Td ist wie sonst gedecktes e in dieser Gegend zu a geworden. a
In § 112 erfahren wir, dass unter „dieser Gegend a die Um-
gegend von Metz und zum Teil die Distrikte am östlichen
*) Vgl. A. Rambeau, Über die als echt nachweisbaren Assonanzen
des Oxforder Textes der Chanson de Roland. Halle 1878, S. 179.
b. Behrens,
Vogesenabhang zu versteh eD sind. Es sei darauf hingewiesei
daas heute auch im Departement Meuse (s. Labouraase, /. <
boutai'e neben boutoie. oraie. neben oroie. i'di'e neben vo'Ce. vor
kommen. Auf die Frage, wie weit es sich in jedem einzelne
Falle um dialektische Souderentwickelung oder um Einfluss der
Schriftsprache bandelt, lässt sich heute eine befriedigende Ant-
wort noch nicht geben. — Aus dem Wallonischen erwähnt Meyer
nnr Beraing orey, botey, woneben artoilt iu Mons zu beachten
ist. Von Meyer nicht erwähntes »olo in Scraiug, Huy und LUttich
harrt noch einer zuverlässigeu Deutung. In Mona entspricht
solau nach Sigart, der im Glonxaire 8. 322 altfranz. solaux »otau
vergleicht, Cfr. Horning, ft. Zs. XII, 258. In den Fourgs
iTiBsot,'i. c, 8. 205) lautet das Wort seltil. Sehr auffällig ist
boutoiU in Haut-Maine, filr das ich keine andere Erklärung linde,
als das« es ans einem östlichen Dialekte hierher verschlagen
wurde.
89. Ebenso wie snains und mointi schwankten im XVI. Jahr-
hundert und später iu der Schriftsprache fain und fein, avaine
und anoine. Wenn Meyer die Möglichkeit zugibt, dass in moint
das Schwankon zwischen y; und e mit dum von «j und e in
Wortern wie froid, croire zusammenhängt, so ist nicht einzusehen,
weshalb diese Möglichkeit nicht auch für foin und avoine zu-
gegeben werden sollte. Röhr findet l. c, S. 37 in francischeu
Texten des Xlll. Jahrhunderts auch poine neben peine, paine.
Dass es sich hier fiberall um Dialektmischuug handelt, erscheint
mir weniger fraglich, als wo die Westgrenze- des ursprünglichen
Lab. -|- oitt- Gebietes anzunehmen ist. Vgl. noch M. Auler, Jier
Dialekt der I'ravi-nzen Orlianais und PeTche im 18. Jahrhundert,
8. 62 f., ferner pouine Bessin und das von Laianne, Olostairt,
S. XXVI als poitev. neben p&ine (Vend. Sab. Chaum.) verzeichnete
poine1) (D. — 8. — V. — Vend.). — Dass franz. cintrer aus
dneturart komme ist keineswegs sicher. Vgl. zu dem Worte
jetzt auch Toblcr, SiUtmgaberiehte der preiisn. AJcad. d. Wis». 1889,
S. 1097. — Hier in § 89, wo vom ZentralfranzÖsischen ge-
handelt wird, erwartet man nicht die Bemerkung, dass in den
Fourge tingere tiondre, extingere detiandre entspricht. Beachte,
dass ebenda quindeam zu quiance und viginti zu viant (aber
triginta zu Irentot. in Tissot's Orthographie geworden ist.
90. Es wird ausgeführt, dass im Normannischen
PikardiBchen „durchaus" o vor Nasal erscheint in t
samble, tramble, example und mit Rücksicht hierauf' die Vermutu
geäussert, es habe m anders gewirkt als n. Dazu ist i
1 In g 10T erwähnt Meyer puw 8. Maütent.
Bemerkungen zur Lautlehre. 87
■erken, dass example ursprünglich wohl der Gelehrtensprache
angehört und dass (s. Meyer § 528) neben esame auch Sterne,
neben «an/ auch send (simulare) noch heute sich nachweisen
lassen. Wenn bereits in altpikardischen Texten ensanle, trank,
tanler häufig erscheinen, so möchte ich darin zentralfranzösischen
Einfluss deshalb vermuten, weil daneben nicht selten auch die
allem Anscheine nach nicht pikardischen Bildungen mit Stütz -6
auftauchen. Cfr. H. Haase, Das Verhalten der pik. und waüon.
Denkmäler etc. 8. 12 ensamble, assambler, S. 18 asambler,
tambler , 8. 24 samblablement, 8. 26 ensamble etc. — Mit der
Vermutung, fame sei an dorne angebildet worden, durfte Meyer
das Richtige getroffen haben. Hinzugefügt werden konnte, dass
nicht nur in westfranzösischen Mundarten, sondern auch im Alt-
pikardischen fame : dame (s. Haase, l. c, 8. 34) begegnet Auf*
fallig ist fomme in llle-et-Vilaine (s. Orain, Glossaire), das durch
komme beeinflusst sein kann. Übrigens weicht das Wort auch
sonst mehrfach ab. Meyer erwähnt im § 107 piem., lomb., tirol.
fomna. Im pat blaisois (Talbert, l. c., 8. 5) begegnen filme
feume neben fan-me} in Saint-Genis (Lyonnais) filme, das nach
Philipon (C16dafs Revue II, 33) sein ü der folgenden1) Labialis
verdankt. Vgl. noch Thurot, Pron. II, 454 f.
91. Für die höchst interessante Erscheinung, dass in
mehreren Distrikten des ostfranzösischen Sprachgebietes e vor
gedecktem Nasal zu o geworden ist, ohne in der Entwickelung
mit a in gleicher Stellung zusammen zu treffen, gibt Meyer eine
von derjenigen Horning's abweichende Erklärung, die alle Be-
achtung verdient Nach ihm wurde unabhängig von der Be-
schaffenheit der vorhergehenden Konsonanz £ über d, a, a zu o.
Liesse sich nicht auch durchkommen mit der Annahme, £ sei
frühzeitig zu e geworden, das dann in denjenigen Distrikten, in
denen unter bestimmten Bedingungen frühzeitig diese Denasa-
lierung eingetreten, mit älterem e in Übereinstimmung mit den
von Meyer in § 112 behandelten Wörtern sich weiter entwickelt
hätte? — Im Metzischen stehen fom (femina), som (semino)
vereinzelt neben vä, vätr' u. 8. w. Ebenso erscheinen im Morvan
(nach De Chambure's Angaben im Glossaire) somer soumer und
fonne foune neben temps (d. i. tä), vent, vente, vendre, sarment,
sarpent, fenre u. a., in der Umgegend von Montbeliard und
Baume-les-Dames (Horning, L c, 8. 546) fgn neben sonstigen
on-Formen. Der Übergang von e zu 5 „im Westen u dürfte sich
!) Weshalb nicht auch der vorhergehenden? Vielleicht ist ü
hier erst aus endungsbetonten Wörtern wie fumela, fumeüairo, fumeÜi,
die Puitspelu im Dict. e'tytn. du paiois lyonnais verzeichnet, eingedrungen.
BS D. Behrens,
nicht mit der Veränderung des e in o auf oetfranzösiBchem
Sprachgebiet in Zusammenhang bringen lassen. Poitevin. tS
(ttmpus), dö, so («in«) liegen tä, da, sä tu Grunde, die sich durch
zentralfranzö" Bischen Einfluse (Meyer § 90) erklären lassen und
die nach Meyer § 245 zu rS, dS, so sich weiter entwickeln
muBsten. Ähnlieh wird es sich mit wallon. tröl' (tremut-o) und
tsöl' (insimuT) verhalten, die Meyer nicht erwühnt, in denen
Horning, R. Zs. XI, 548 mit Unrecht, glaube ich, Spuren eines
dem lothringischen ähnlichen lautlichen Vorganges erbalten findet
Vgl. noch wallon. (s. Orandgagnage) esbme [insinmlj, xonler,
sonner, ehoner [simvlare), räsonier. Zu beachten ist, dass sanier,
assanier, emanier in altwallon. Texten begegnen (s. 11. Haase,
l. c, S. 49 und meine Bemerkung zu Meyer § 90) und dass
aueb hier wie im Poitev. heute unter noch nicht näher erforschten
Bedingungen wenigstens auf einem Teil des Gebietes ursprüng-
lich es a zu B (s. Meyer § 245) und o (s. Horning, Rom. Zs. IX,
481: sitröV = strangvto etc. in Seraing) geworden ist.
§ 92. Da nicht auf dem ganzen lothringischen Gebiete e
vor freiem n in der von Heyer angegebenen Weise sich ent-
wickelt hat, so wäre eine nähere Bezeichnung der Unterdialekte,
denen die gegebenen Belege entnommen sind, wünschenswert
gewesen. Dass, wie im Lothringischen, bo auch im Wallonischen
e vor freiem Nasal durch vorhergehende Labiale in seiner Ent-
wicklung beeinflusst worden ist, erfahren wir in § 107. — Zu
Meyer's Ausführungen in § 88 ff. sei hier noch bemerkt, dass in
Blois und Umgegend e vor freiem n zu e wurde in peri, veri,
pleri, woneben mit a pari, vom', plosri nnd mit kurzem a pari,
vari, plan' vorkommen vtrois prononriations diffirentes gys Con
entend quelquefois d'une neide et meme bouche s'appliquer aux
meines motsu (Talbert, I. c, 8. 86).
95. In ital. quinci, eomincia, tinea etc. sieht Meyer im
Gegensatz zu d'Ovidio, Onrndriss I, 504 rein lautlich entwickelte
Bildungen meines Erachtens mit Recht Fraglich bleibt nur, ob
ursprünglich es i blieb oder, wie Meyer annimmt, über e zu i
zurückgekehrt ist Vgl. oben zu § 84.
96. Meyer setzt für Greden u. a. vander (vendere), tamp
(tempus) an, wozu Gartner's Angaben in der Rätorom. Oram. im
Widerspruch stehen. Nach Gärtner spricht man hier mit kurzem,
dem e nahestehendem a tamp (§ 200), vdnder (§ 167), womit
man tSqnt (§ 200), ntgnt (§ 148), tsdnlsq (§ 61) vergleiche. In
einem derartigen Falle hätte ich gewünscht, dass Meyer seinen
Ausführungen einen erklärenden Znsatz hinzugefügt hätte. In Bezug
auf a in Abtei nnd o in Enneberg stimmen Gartner's und Meyer's
Angaben überein. Davon freilich, dass in allen hier einschlägigen
Bemerkungen zur Lautlehre. 89
Wörtern a über ai sich entwickelte, habe ich mich anch anf
Grund des von Ascoli, Arch. gl. I, 358 mitgeteilten Materials
nicht völlig zu überzeugen vermocht — Ob im Mail, c vor ge-
decktem n geblieben ist oder über e zu c zurückkehrte, bleibt
deshalb fraglich, weil ebenda (s. Salvioni, Fönet, S. 59, Meyer
§ 162) für ursprüngliches $ e erscheint. Über die Entstehungs-
weise des tessin. * in dint, vint äussert sich Verf. nicht In
§152 erfahren wir, dass Kimp, vyint auf einem Teil des Ge-
bietes (Onsernone) über tiemp, viint sich entwickelt haben.
D. Behrens.
Ober alliterierende Verbindungen in der
( altfranzösischen Litteratur.
Angeregt durch einen Hinweis dee Herrn Professor H.
Karting - Leipzig in seinem Kolleg über französische Metrik int .
Sommerseraester 1888, hatte ich vorliegende Arbeit begonnen
und bereits einen grossen Teil des nötigen Materials gesammelt,
als mir die Dissertation von W. Riese: Alliterierender Gleich-
klang in der französüchen Sprache alter und neuer Zeit. Halle,
1688, au Gesicht kam. Doch brachte mich eine Durchsieht der-
selben zur Überzeugung, dass sie meine Arbeit nicht Überflüssig
') Die im folgenden angefahrten Gedichte sind in der Abhand-
lung mit den vorgesetzten Abkürzungen citiert, und zwar die hier mit
ei Dem * bezeichneten nach Seiten-, die übrigen nach Verezahlen.
*AA = Alberic' s Alexandre (Bartsch: Chrestomathie de fanden francais.
5. Aufl. Sp. 17— SO).
•Ad = Adam, drame anglo-normand. ed. Luzarche. Tours 1864.
*ÄH — (Euvr. compl. du trotwtre Adam de la Baue. ed. CousMmaker.
Paria 1872.
AI = La Die de samt Alexis, ed. G. Paria. Paria 1872.
Ali = Aliscans, chanson de gelte, ed, Gueaaard et Montaiglon, Paria 1852.
•Aap = Asprcmont. ed. Im. Bekker in den Abhandl. der Berliner
Akad., Philol.-hint Klasse. 1839. S. 262 ff.
•Bat = La balaiUe des VII ars. ed. Jubmal ((Euvr. compl. de Rute-
baufll, 416).
BD = Le besant de dieu von Guillaume le clerc. ed. E.Martin. Halle 1869.
•Berte = Li romans de Berte aas gratis pie's. ed. P. Paris. Paris 1836.
Bible = La bible Guiot de Provins. ed. San Harte. Halle 1861. fifar-
zivalstuaUen 1.)
*CDP = Nouveau reeueii de contes, dils, fabliaux. ed. Jnbin&l. Paris
1339 — 1842. 2. Bd.
Cha = Reeueii de ehants htstorigues frane. ed. Le Rom de Lincj.
Bd. 1. 1841. (Bei den Citaten ist das Jahrhundert in Klammem
geaetit.)
ChL = Der Lmenritler von Christiaa von Träges, ed. W. Förster.
Halle 188T.
*Ch.O = Les poisies du duc Charles tf Orleans, ed. Champollion-Figeac.
Paris 184!.
M. Köhler, Ober alliterierende Verbindungen in der alt/ranz. Litt. 91
Bache, da viele Fragen, die bo besprechen ich mir vorgenommen
hatte, in derselben gar nicht oder zu wenig besprochen waren.
8ie sollte sich ja, nach des Verfassers Worten, als erste grössere
Arbeit über diesen Gegenstand, in der Hauptsache auf Sammlung
verwendbaren Materials und Aufstellung geeigneter Gesichts*
punkte beschränken. Ich werde an einigen Stellen meiner Arbeit
Gelegenheit haben, auf Riese zu verweisen. Cfr. die Anzeige
der betreffenden Dissertation von Mussafia (Behaghel und Neu-
mann's Lüeraturblatt fllr germanische und romanische Philologie.
1889. S. 171.)
Ich betrachte im folgenden einen kleineren Teil der fran-
zösischen Dichtung, als Riese, auf die Anwendung der Alliteration
hin und zwar den altfranzösischen Zeitraum, da schon eine
flüchtige Übersieht mich erkennen liess, dass mit dem Beginn
der Renaissance, wie die Dichtung und ihre Formen überhaupt,
so auch die Art und Anwendung der fraglichen Erscheinung eine
grosse Änderung erfahr. Auch werde ich nicht die Alliteration
CP = Cristine de Phon, Le Hvre du chemm de long estude. ed. Püschel.
Berlin (o. J.).
Comp = Li cumpoz Philipe de Thaun. ed. Mall. Strassburg 1873.
E = Maxtre Blies Überarbeitung der ältesten französischen Übertragung
von Ovid's Ars amaloria. ed. Kühne u. Stengel (Stengel's Ausg.
und Abhandl. Nr. 47. Marburg 1886).
FB = Floirc et Blanceflor. ed. Ed^lestand da Mail. Paris 1856.
8. 1—124.
Fe = Fergus. Roman von Guillaume le clerc, ed. Martin. Halle 1872.
*FSM = Hecueil de farces, soties et moralitis du XV* siede, ed. Jacob.
Paris 1859.
6 = Gui de Bouraogne, ed. Guessard & Michelant. Paris 1859.
JB = Jourdains de Blaivies (Amis et Amiles und Jourdains de Blaivies.
ed. Hofmann. Erlangen 1852).
Ma = Roman de Mahomet, von A. du Pont. Paris 1831.
MF = Die Laie der Marie de France, ed. Warnke. (Bäd. Norman. III.)
Mi = Le mistere du viel testament. ed. Rothschild. Paris 1878 — 1887.
5 Bd.
P = Kails des Grossen Reise nach Jerusalem und Konstantinopel, ed.
Koschwitz. (Apr. Bibl. II. Heidelberg 1880.)
RC = Raoul de Cambrai, chanson de geste, ed. Meyer et Longo on.
Paris 1882.
Re = Le roman de Renart, ed. Martin. 1. Bd. Strassburg 18S2.
*Ro = Le roman de la rose, ed. Francisque-Michel. 2 Bd. Paris 1864.
Rol = La chanson de Roland, ed. Petit de Julleville 1878.
RP = Altfranzösische Romanzen und Pastourellen, ed. Bartsch. Leipzig
1870.
RT = Benoit de Sainte-More et le roman de Troie, ed. Joly. Paris 1870.
*Ro = Oeuvr. compl. de Ruteboeuf, ed. Jobinal. Paris 18 39. 2 Bd.
*T = Le tomoiement de Canlichrist par Huon de Mery. Reims 1851.
Wr = Maistre Wace's Roman de Rou. ed. Andresen. Heilbronn 1877.
2 Bd. (WCa = Chronigue ascendante.)
98 M. Köhler,
im allgemeinen untersuchen, sondern nur die Fälle, in denen
sie in Verbindungen koordinierter Wörter auftritt. Die Litteratur
des neufranzösi sehen Zeitraumes, die allerdings ein viel weniger
einheitliches Gepräge trägt, auf diesen Gesichtspunkt hin zu be-
handeln, behalte ich mir für später vor.
I. Name und Begriff der Alliteration.
Für die Figur, die wir heute mit dem Namen „Alliteration''
belegen, sind frllher, besonders in den alten grammatischen Be-
handlungen der lateinischen Sprache, viele andere Benennungen
im Gebranch gewesen, wie annominatio, paronomasia, paromoion,
simüia, parisosis, geminationes, pareehesis. (Cfr. Naeke: Dr.
alhtteratione sermonis latini. Rheinisches Museum, III, 1829.
S. 326 ff. Loch: De usu alliterationis apud patas latino: Diss.
Balle, 1865. 8. 3 ff. WÖlfflin: Über die alliterier enden Verbindungen
der lat Sprache. München 1881 (Sitmmgsberiehte der philos.-
philol. und Kittor. Klasse der KSnigl. bayr. Äkad. der Wies.)
8. 25 ff. und Zur Alliteration und zum Reim in ArcK. für lat.
Lex. und Gramm. III, 443 ff.). Das Wort Alliteration geht
wahrscheinlich zurück auf Joannes Jovianus Pontanus, den ita-
lienischen Geschichtsschreiber des fünfzehnten Jahrhunderts. Doch
wurde der Begriff des Wortes lange Zeit nicht einheitlich gefasst
Noch Naeke's Definition des Wortes ist weiter als unsere, und
teilweise, namentlich in Frankreich, ist man darüber heute noch
nicht einig. Die Begriffsbestimmungen des Wortes bei Littre (DieL),
Becq de Fouquieres Traut" gen. de versif. frone, und andern
weichen von der unsrigen sehr ab. Cfr. Riese l. c. 8. 7.
Ich sehliesBe mich der Definition an, welche heute in
Deutschland allgemein anerkannt und auch von hervorragenden
französischen Philologen, wie P. Meyer {Romania XI, 572) an-
genommen ist, wonach man unter Alliteration die sprachliche
Erscheinung versteht, dass in einem bestimmten Abschnitt der
Rede, einem Satze, in einer oder mehreren, mit einander enge
verbundenen Verszeilen, zwei oder mehr Wörter denselben An-
laut haben, dass also jedes von ihnen mit demselben, bezw.
denselben Buchstaben beginnt.
Diese allgemeine Definition erleidet indes für die einzelnen
Sprachen gewisse Einschränkungen, worüber wir, wenigstens was
das Französische betrifft, in einem späteren Kapitel sprechen werden.
II. Über die Verbreitung der Alliteration
in anderen Sprachen.
Genauer untersucht wurde die Alliteration zuerst in den
germanischen Sprachen, und hier fand man sie in einer
Über alliterierende Verbindungen in der altfranz. Litteratur. 93
solchen Ausdehnung angewandt, sowohl in der älteren Zeit als
versbildendes Prinzip, als auch nach dem Eindringen des Reimes
in formelhaften Wendungen (cfr. über diese besonders C. Schulze:
Die sprichwörtlichen Formeln der deutschen Sprache in Herrig's
Archiv Bd. 48 8. 435 ff.; Bd. 49 8. 139 ff.; Bd. 50 S. 83 ff.)
wie wir sie wohl kaum in einer anderen Sprache finden werden.
Diese Erscheinung zeigt sich nicht etwa nur im Deutschen, son-
dern in allen germanischen Sprachen, namentlich auch im Nor-
dischen und Englischen. Besonders in der letztgenannten Sprache
hat sich die Alliteration als Schmuck der Reimgedichte noch
sehr lange in reicher Fülle erhalten. Chaucer wendet sie gern
und häufig an (cfr. Lindner: Die Alliteration bei Chaucer in Ebert's
Jahrbuch XIV. S. 311 ff.), und aus den gelegentlichen Ver-
spottungen derselben bei Shakespeare, z. B. im Sommernachts-
traum, können wir schliessen, dass sie zur Zeit dieses Dichters
in übertriebener und unpassender Weise Verwendung gefunden hat.
Auch im Lateinischen war sie schon früh aufgefallen,
wenn auch die älteren Grammatiker, die ihr Beachtung schenkten,
sich über die Art und die Häufigkeit, in der sie auftrat, nicht
recht klar wurden. Nachdem sie Jahrhunderte hindurch fast
▼ergessen worden war, entdeckte sie Naeke von neuem. Seitdem
haben zahlreiche Gelehrte sich bemüht, den Umfang und die
Art und Weise der Anwendung der Alliteration im Lateinischen
festzustellen. (Cfr. die bei Wölfflin: Über allit. Verb. S. 2 Anm. 1
angegebene Litteratur.) Ob der älteste lateinische Vers, der
Saturnier, den Stabreim verwandt hat, was von Bartsch und anderen
behauptet, von Jordan aber bestritten wird, scheint endgültig
noch nicht klar gestellt «zu sein. (Bartsch: Der saturnische Vers
und die altdeutsche Langzeile. Leipzig 1867; Jordan: Kritische
Beiträge zur Geschichte der lateinischen Sprache. Berlin 1879.
S. 167 ff.) Sicher aber findet sich die Alliteration in derselben
Gestalt, wie in den germanischen Sprachen nach Aufhören des
Stabreimes, auch im Lateinischen, nämlich in formelhaften Ver-
bindungen. Sehr verschieden sind die Ansichten darüber, wie
häufig diese Alliteration als beabsichtigt anzusehen sei. Auf
dem extremsten Standpunkt nach . der einen Seite hin steht
Kvifola. (Neue Beiträge zur Erklärung der Äneis. Prag 1881.
S. 293 ff.) Er findet in 72 V8% der Verse der Äneis Alliteration
angewandt und glaubt, dass die Absicht des Dichters zu alli-
terieren mit Evidenz oder wenigstens mit Wahrscheinlichkeit in
2/s dieser Verse, also etwa der Hälfte sämtlicher Verse der
Aneis, anzunehmen sei. Auch hält er die Alliteration für ein
wichtiges Hilfsmittel der Textkritik und der Interpretation. —
Das entgegengesetzte Extrem vertritt z. B. C. Michaelis (Studien
94 M. Hehler,
«w romanischen Wortschöpfung. Leipzig 1876. 8 36. Anm. l),
auf deren Auflichten wir im nächsten Kapitel turttckkommen.
Zwischen beiden steht Wölfflin. Er betrachtet im grossen und
ganzen die Alliteration nur dann als beabsichtigt, wenn sie sich
in syntaktisoh koordinierten Gliedern zeigt Wenn ancb in an-
deren Füllen, namentlich in Sprichwortern, wo Alliteration sich
zeige, diese oft als beabsichtigt angesehen werden müsse, so
seien doch die Verbindungen ungleicher Redeteile von einer
Betrachtung im allgemeinen anssnsehliessen, weil sie teils nnter
die etymologische und ähnliche Figuren fallen, und weil sie ao ins
regellose und anfällige gehen, dass sie nicht mehr systematisch
■tuammengefasst werden können.
Auch die keltische Poesie hat die Alliteration gekannt
Zwar dient diese hier so wenig wie in der lateinisch -romanisohen
Dichtung zur Versbildung; sie kommt fast nie ohne den Reim
vor; aber als Süsserer Zierrat des Verses tritt sie in reichster
Fülle auf. (Gfr. Conybeare: lUustrationa of anglo-eaxon pottry.
London 1826. 8. LVII ff. und Ebert: Allg. Geschichte der IÄL
des Mittelalters im Abendlande. S. Band. Leipzig 1887. S. 8.)
Ausserdem hat man noch bei den verschiedensten Völkern
Alliteration und sogar Stabreim gefunden, so bei den Finnen
(J. Grimm: Klemere Schriften 11. S. 82), Tartaren, Toraniern,
Mongolen (Jordan l. c. S. 169).
Das Vorhandensein dieser Fignr in so vielen Sprachen
bietet, da bei einem grossen Teile derselben jeder Gedanke an
eine Verwandtschaft oder gegenseitige Beeinflussung von vorn
herein ausgeschlossen ist, einen sicheren Beweis für die Tfaat-
sache, dass die Alliteration nicht in einer Sprache ihren Ur-
sprung hat, sondern in mehreren Sprachen selbständig und unab-
hängig von fremdem Einflüsse entstanden ist.
m. Entstehung der französischen Alliteration. Lateinische
und romanische Alliteration.
Hat das Französische die Alliteration ans einer oder mehreren
anderen Sprachen übernommen oder hat es sie selbständig ge-
schaffen? Im vorigen Kapitel haben wir gesehen, dass die drei
Sprachen, denen das Französische seinen Ursprung verdankt, das
Deutsche, Lateinische und Keltische, von dieser Figur den aus-
giebigsten Gebrauch machen.
Was das Deutsche und Keltische betrifft, so scheinen
Verbindungen alliterierender Wörter ans ihnen in das Französische
nioht eingedrungen an sein; wenigstens habe ich derartige Bei-
spiele nicht nachweisen können. Dazu haben diese Sprachen
den französischen Wortschatz verhältnismässig au wenig beein-
Ober numerierende Verbindungen in der alt franz. LUieraiur. 95
ftmsst Trotzdem aber mÜBsen wir annehmen, dass sie in Besag
anf die Alliteration nicht ohne Einwirkung auf die französische
Sprache geblieben sind. Das Volk brachte, da seine Ursprache
eine so reich entwickelte Alliteration besass, eine lebhafte Vor-
liebe für diesen Schmuck der Rede mit and nahm um so eifriger
die Alliteration des eindringenden Lateins auf. Denn von dieser
Sprache lässt sich ein wesentlicher Einfluss, auch in Bezug auf
das vorhandene Material, direkt erweisen.
Das Verhältnis der lateinischen zur französischen Alliteration
wird namentlich behandelt von Fuchs (Die rom. Sprachen in ihrem
Verhältnisse zum Lot. Halle 1849) S. 259 ff.; G. Michaelis l c.
8. 26. Anm. und Wölffiin Über allü. Verb. 8. 38 ff. Fuchs leugnet
geradezu, ganz wenige Fälle in absichtlich gekünstelten Versen
oder in volkstümlichen Redensarten ausgenommen, das Vorkommen
des Anreimes in der französischen Sprache. Als Grund, wes-
halb er untergegangen und nicht aus der lateinischen Sprache
mit übernommen worden sei, giebt er an, dass der Anreim, als
die roheste und unvollkommenste Art des Reimes, wie in allen
anderen Sprachen, so auch im Französischen durch den voll-
kommeneren Endreim verdrängt worden sei. Das Aufgeben des
Anreimes sei hier noch besonders begünstigt worden durch die
allmählich ßich erweichende Aussprache der Mitlauter; er habe
sich naturgemäss in den rauheren germanischen Sprachen länger
erhalten müssen als in den weicheren romanischen.
G. Michaelis glaubt, dass auch der Lateiner an solchen
Schätzen Mangel leide, dass der grösste Teil des im Lateinischen
vorhandenen Materials von einzelnen Schriftstellern mit Künstler-
absieht gebildet worden sei, und dass mit Ausnahme ganz weniger
stehender Wendungen alle vorkommenden lateinischen Alliterationen
ÄroC k&fdfi&va seien. Das Französische müsse deshalb in diesem
Punkte fast ganz selbständig vorgegangen sein.
Dem steht jedoch gegenüber, dass es in der lateinischen
Sprache sicher eine grosse Menge stehender Verbindungen mit
Anreim gegeben hat. So befinden sich unter den ersten 100
Beispielen des von Wölffiin Über allü. Verb. S. 46 — 93 aus ver-
hältnismässig wenig Schriftstellern ausgezogenen alphabetischen
Verzeichnisses gegen 40, welche bei verschiedenen Schriftstellern,
und ausserdem noch wenigstens 6, welche bei demselben Schrift-
steller mehrfach vorkommen.
Anders urteilt daher über diese Frage Wölffiin, dessen
Meinung ich mich im grossen und ganzen anschliesse. Er be-
weist zunächst, dass die Alliteration im Lateinischen in ausge-
dehntem Masse gebraucht worden ist, was ja auch schon durch
die Sammlungen von Beispielen,' welche Loch, Theobald (de
Jim I) UÜnuHu m"l '■' nffifaHrffowt» ajwtf Ciceronem «*a. Bonn 185*.'
S. 15 ff.) und andere angestellt Latten, gezeigt worden war.
Wenn nun auch viele von diesen Beispielen ans Grllndi
die wir nachher auseinandersetzen werden, in den romanischen
Sprachen sieb nicht erhalten finden, so ist doch auch noch
grosse Anzahl in derselben Verbindung vorhanden. Sehr wal
scheinlich ist es, dass ein Teil derselben sieb erst in Fr;
Basischen gebildet hat, da diese Sprache offenbar eine ^ro;
Vorliebe für alliterierenden Gleidiklang hat; aber sicherlich ist
doch auch ein grosser, wenn nicht der grösste, Teil lediglich
eine Weiterentwickelung von alten lateinischen aureimenden
Formeln. Bevor ich von diesen rede, möchte ich die GrUnde
entwickeln, warum die meisten im Lateinischen vorhandenen
alliterierenden Formeln untergegangen sind. Die Hauptgründe
dafür sind:
1) Die Umbildung der Anlaute. Es konnten sich des-
halb nicht erhalten Alliterationen zwischen ■ purum und • iuj
purum, weil dem letzteren im Französischen ein e v orge sc b lagen
wurde, zwischen den verschiedenen Lauten, zu welchen sich
lateinisches c und g entwickelten, und zwischen vielen anlauten-
den Vokalen, weil häulig, namentlich durch verschiedene Be-
tonung, ursprünglich gleiche Vokale im Französischen ausein-
ander gingen. Auch der Umstand ist von grossem Einttuss
gewesen, dass viele alte Siinplicia mit Pritpositiouen verbunden
wurden und nur als Komposita erhalten sind. Es hätten also,
selbst wenn andere Ursachen nicht mitgewirkt hatten, folgende
Alliterationen im Französischen nicht erhalten bleiben können:
spirttws — sanguis (esprit — sang), campi {ck . . .) — colles (c . . ,),
edebri — claro, sali« (assez) — super.
•2) Die Veränderung der Bedeutung. Diese bfubte
es in vielen Fällen mit sich, dass frühere Synonyma aufhörten,
dasselbe zu bezeichnen, Gegensätze einander näher gerückt
wurden, oder sonst ein Wort einer solchen Verbindung oder
beide sich von ihrer früheren Bedeutung so entfernten, dass
eine formelhafte Zusammenstellung derselben nicht mehr möglich
war. So wurden die Verbindungen der aus vivere — valere.
fidelis — fortis abgeleiteten französischen Wörter aufgegeben,
weil valoir und fort sich begrifflich von vivre und fidile zu sehr
entfernt hatten.
3) Der Untergang vieler Wörter. Eine alliterierende
Verbindung muaste natürlich aufhören, wenn das Französische
eins der alliterierenden Wörter oder gar beide aus dem Lateinischen
überhaupt nicht übernahm. Dies trifft besonders zahlreiche Zu-
sammenstellungen synonymer Wörter, da sich die neueren Spracht
dne
t
Über aUiterierende Verbindungen in der alt franz. Litter atur. 97
wenn sie nicht die Bedeutung des einen Wortes veränderten, in
welchem Falle die sprichwörtliche Verbindung so wie so auf-
hörte, mit einem Ausdruck für einen Begriff häufig begnügten.
Auf diese Weise wurden die Verbindungen bene — beate, fortis
— felix, dare — dieare unmöglich.
Diese drei Ursachen verhinderten eine Menge alter latei-
nischer Alliterationen, in die neu entstehende Tochtersprache
einzutreten; Andererseits veranlassten sie einen kleinen Zuwachs,
so wurden durch die veränderten Anlaute die Verbindungen
gente — jolie, art — enging alliterierend. Indes kommt dieser
Zuwachs gegenüber dem ungeheueren Abgang kaum in Betracht.
Trotzdem ist die Zahl der alliterierenden Verbindungen,
die sich sowohl im Lateinischen als auch im Altfranzösischen
finden, grösser, als man nach den Ausführungen von Fuchs und
Wölfflin erwarten sollte. Es ist das ein Beweis für den starken
Einfluss, den das Lateinische auch in Bezug auf die Alliteration
auf das Französische ausgeübt hat. Ich stelle im folgenden eine
Sammlung derartiger Verbindungen zusammen. Die lateinischen
Beispiele, aus den Sammlungen von Wölfflin1), Loch und Theobald,
sind nur einer kleinen Reihe, vorzugsweise klassisch-lateinischer
Autoren entnommen. Umfassendere Sammlungen, besonders aus
der spätlateinischen Litteratur, würden die Zahl der in beiden
Sprachen vorhandenen Beispiele entschieden bedeutend vermehren.
cattdiy canes Nemes. Cyneg. 208 — chien, chael Wr II 4186.
cor, corpus Plaut. Mil. u. sonst — euer, cors oft.
crudum, coctum Plaut. Aulul. 3, 2, 16. — cru, cutU Berte
54, 13; 55, 11. BD 1350. Bible 173. bie
dolor, damnum Cic. pr. Rose. 24. Liv. u. 8. w. — » doel,
damage (allerdings nicht direkt gleich damnum) Rol. 2983. JB
141 u. s. w.
dominus, deus Suet. Dom. 13, Martial. Auson u. s. w. —
datnnedeus oft.
falsus, fictus Cic. Lig. 30; falsum, finetum Ter. Eun. 104
— falz, feinz Wr III 1964; 10587; ähnlich ChL 4388 u. s. w.
fides, fiducia Tac. ann. 3, 1 1 u. s. w. — ähnlich foy, fiance
CDF I 244.
flamma, fumo Plaut. Cure. 1, 1, 53 u. 8. w. — flanbe,
fumie RT 14826.
foliis, flore Auson. parent. 15, 9. — foule, flor RT 4788;
ähnlich RP I, 30, 2. Münchener Brut 29 u. s. w.
*) Die Nachträge, welche Wölfflin im Archiv für tat. Lex, w.
Gramm. III 443 ff gibt, habe ich nicht mehr benatzen können, da sie
mir erst während des Druckes dieser Abhandlung bekannt wurden.
Ztcfcr. f. frx. Spr. o. Litt. XII'. 7
98 M, Kßkkr,
forma, flgura Attins, trag. 254 n. B. w. — fottrme, figvre
AH 301. KT 13334.
frangi, findi Lucr. 1, 533 — frait, fmdut Rol. 3604 u. s. w.
frigus, fames Cic. fin. 4, 69 u. 8. w. — /am, froä Berte
56, 3 u. s. w.
fruges, flog Boeth. cons. 2, 2, 22 u. 8. w. — ahnlich flors,
froit Ad 58 u. s. w.
latt, langt oft — tone, U u. dgl. oft.
nati, nulriti Oros. 1, 21 — nourri, ne" Berte 157, 7 n. 8. w.
pater, parent Cic. Rab. Post. 27 u. b. w. — per«, parent
Rol 1431 0. b. w.
planctus, plorattm Paneg. Mamert. 10. — plainz, pUtrx Wr
I. 651; II 1821.
planget, plorabü Vulg. Ezech. 24, 16. — p(aindrr, plorer
E. 903.
ponie», Porta» Hör. sat. I. 4, 61 — porte, po#h'z P. 475.
praeterüo», praesentet Maxim. Eleg. I. 197. — prisens,
pHtlriz Bat. 432.
»anetut, tacratus Liv. 39, 37 — tarn», »acrez RT 28695.
talvw, xanus oft — #nin, sauf oft.
«ojm'o, »enfio Plant. Poen. 5, 4 n. b. w. — tavoir, »entir
CDF II. 252.
sudor, sangvit Cic. leg. 2, 16 u. 8. w. — sane, »uour Ali 20.
vietun, vinum Plaut, pseud. 4, 1, 37 — ähnlich «in*, viandet
CDF I, 17; wot-m, rö» Cha (15.) XXV. 6, 5.
Eine Anzahl derartiger lateinischer Formeln haben sich
ausserdem erhalten, aber mit Aufgabe der Alliteration, weil die
Anlaute sich verschieden entwickelten, z. B.:
audire, autcultare Caeoil. Stat. 196 u. 8. w. — escult-er, oir oft
eoria, carnem Ovid. Heroid. VI. 967 — euir, chair (spanisch
mit Alliteration entre ntero y carne.)
Für andere sind andere Ableitungen desselben Stammes
eingetreten, wie für potmtia, potestas Tac dial. 5 — pooir,
poittance. CDF II 244.
Weniger beweisend für die Abhängigkeit der fr ans« siechen
Alliteration von der lateinischen sind die Fälle, in denen die
lateinischen Verbindungen durch andere, aber ebenfalls allite-
rierende, Wörter derselben Bedeutung nachgebildet erscheinen wie:
equorum, equitum Ennius — Chevaliers, eheval» Wr III
2665 u. e. w.
lapides, ligna Lucr. — si getent pieres et mamt pel agu
RC 1442.
Erwägt man nun, daas das Französische seine Entstehung
nicht dem Schriftlatein, dem alle angeführten lateinischen Bei-
Über alliterierende Verbindungen in der alt franz. Litter atur. 99
spiele entnommen sind, verdankt, sondern der lateinischen lingua
rustica, dass ferner nach Wölfüin eine stetige Zunahme der Lust
so alliterieren im späteren Latein unverkennbar ist, so kommt
man zu der Annahme, dass sich noch eine grosse Menge fran-
zösischer Formeln mit Anreim ausser den angegebenen im Latein
schon vorfanden.
Freilich würde das Altfranzösische wohl kaum eine solche
Vorliebe für alliterierenden Gleichklang zeigen, wenn nicht das
Keltische und vielleicht auch die germanische Poesie ihren Ein-
fluss geltend gemacht hätten.
Dafür spricht auch der Umstand, dass die andern roma-
nischen Sprachen, auf deren Bildung die lateinische Sprache
doch zum Teil noch viel mehr einwirkte, allem Anscheine nach
einen viel beschränkteren Gebrauch vom Anreim machen. Frei-
lich können wir, so lange umfassende Sammlungen aus ihnen
nicht vorliegen, ein abschliessendes Urteil über die Ausbreitung
der Alliteration in denselben nicht abgeben. Einiges Material
ist gelegentlich von Mussafia für das Italienische, Michaelis für das
Spanische, Stimming (Bertran de Born. Sein Leben und seine
Werke. 8. 236 Anm.) und Bartsch (Peire VidaVs Lieder S. LXXXV)
Ar das Provenzalische zusammengestellt worden. Auch für viele
dieser Verbindungen läset sich ein lateinischer Ursprung nach-
weisen. Um zu zeigen, wie die Alliteration in den verschiedenen
romanischen Sprachen vielfach gleiche Bahnen einschlägt, führe
ich zum Schlüsse dieses Kapitels einige alliterierende Verbindungen
an, die in mehreren romanischen Sprachen vorkommen.
amore, aceordo it. — amistii, acorde ChL 6323.
amor y amistad Calderon — amistet, amur P 854.
bella e buona it. — bei e bo prov. — bei et bon fr.
cors el cor P. Vid. 44, 13. — euer, cor afr. oft.
dt crude e di cotte it. — cru, cuit Berte 54, 13.
dieus e dreitz B. d. Born 6, 31 — diex, drois RC 3101.
falsa ni felona prov. — fei, jaus Wr III. 5439.
folh e flor prov. — foule, flor RT 4788.
fruit e flor prov. — flors, froit Ad 58.
grande e grosso it. — grant, gros G 1288.
pel lungo e pel largo it. — au long et au large fr.
nl punto ni poco it. — ni peu ni point fr.
plang e plor prov. — plainz, plurs Wr I. 651.
ni rey ni roque sp. — roi, roc Cha (15) XXV 17.
sano e salvo it — sals ni sas prov. — sain, saus fr.
sen el saber Cerc. 4, 18 — sen, saveir RT 537.
vai e ven prov. — vient, va G 1376.
vola e vai Marc. 24*, 49 — volent, vont Bible 719.
7*
IV. Menge und Komi der fraii/.iiwi sehen Alliterationen.
Das Franziisische li.it sich nicht mit du« wenigen alliteriereu-
■i ■' n Veftnadungen begnügt, die Hon dn Lateinische Überlieferte.
Es schafft vielmehr, wenigstens in dem Zeiträume, den wir
trachten, neue. Beispiele in beträchtlicher Ansaht. Viele sind
stehenden Wendungen geworden, und das Verzeichnis dieser, das
wir in Kapitel IX geben werden, ist geeignet, die in Kapitel III
erwähnten Behauptungen von Fuchs und Michaeli« BJI entkräftet
dass nilttilicll die vorhandenen Beispiele von Alliteration eutwedi
zufällig seien oder vnn einieunn Diclitcrn gebildet RTOrd n W%n
idine Nachahmung hei anderen zu linden.
tianz kurz erwähnt sei hier Bett) de Felii(liiri i .*, j
siinem Tniilr j/rn/i-nl de r<-i:iiß<:ati<nt t'rtinqaÜH S. 21 1 IV.
Alliteration spricht. Er verstellt darunler jede Wiederhol«,
desselben Konsonanten in einer Verszeiie oder Überhaupt in eim
bestimmten Abschnitt, auch wenn diese gleichen Konsonant
im Innern oder am Ende der Wörter stehen. Er meint, dass
Aufgabe der Dichter sei, die Verse genau auf diese Art
Alliteration zu prüfen, und dass die Klassiker namentlich dun
die entsprechende Verteilung gleicher, ähnlicher und eenebiedei
Konsonanten ihren Venen Wohlklang «rücken hatten.
Dem gegenüber betrachten wir natürlich nur die -leide
Wortanfltoge als Alliteration. (Bei MMmnietlgefetsten W'iiii
tritt oft an diu Stelle des WortanfangB der Anfing ■:■
WorteB. Cfr. darüber Kapitel V.J Wie schon das Tliei:,.i leig^
werden wir hier die Alliteration nur i« so weit behandeln, als
sie sich in syntaktisch koordiniertes (Miedern eeigt. Freilich
kann sie auch in diesen Fällen bei weitem nicht immer als be
absiehtigt angesehen werden, aber sie wird gerade in der Vei
bindung und Gegenüberstellung zweier Worte am meisti
empfunden und selbst da, wo sie vielleicht gar nicht bcabsichti:
war. Andererseits hat ea sicherlich auch ausser diesen allite-
rierenden Verbindungen eine beabsichtigte Alliteration gegeben.
Wir treffen Verse an, die sieh fast anhöreu, wie germanische
alliterierende Langzeilen z. 15.: nl duc chai an pui
plainz, od tcl» pluTs Wr II 1821. or voi-je Man, tovt
i-a, tout rient Uli I 27, ö. cd Qld tagt (eMU fitnt, qi
urgent nerinurif.il- Vio d. Euphr. 117 (Itcc. d'anc. test. P. Meyer.
Au anderen Stellen sind eine Anzahl gleich anlautender Worte
häutig zum Zwecke der Lautmalerei, zusammengestellt,
häutige Versausgang de "iah muri mnnr oder . . . jamaU j.
joie . . . Fe. 1947. Auch scheinen es manche Dichter zu liebei
die Cäsur in ihren Veten dadurch recht deutlich haCVOftreti
E
Ober alliterierende Verbindungen m der alt franz. Litter atur. 101
ra lassen, dass sie vor die Cäsur und an den Versschluss
alliterierende Wörter stellen. Solche Verse finden sich z. B. in
Jourdains de Blaivies 37 unter den ersten 500, in den in Alexan-
drinern geschriebenen Gedichten Karlsreise und Oui de Bourgogne
auf dieselbe Zahl sogar 51 bezw. 53, also über 10 Prozent.
Diese Dinge näher zu betrachten, ist indes nicht Aufgabe
meiner Arbeit. Da ich nur die Verbindungen koordinierter
Glieder behandle, schliessen sich von selbst aus die etymo-
logischen Figuren (cfr. darüber Leiffholdt: Etymologische Figuren
im Romanischen u. 8. w. Diss. Hildesheim 1883). Ich scheide
ferner aus, als nicht unter den Begriff der Alliteration gehörig,
alle Verbindungen derselben Wörter, sei es nun, dass sie mehr-
mals in gleicher Form auftreten, wie in et nu et nu et braz ä
braz RT 1631; les a les; mot ä mot u. 8. w., oder dass es
verschiedene Formen desselben Wortes sind, wie cele et eil; chars
et eharetes; sains et saintes; je me fi et fiai; plest et pleira und
dergl. Auch euntes, vezeuntes Rol; cum e cument Cump. sind
hier zu nennen.
V. Laut- and Betonungsverhältnisse der alliterierenden
Wörter. Zusammensetzungen.
Es ist selbstverständlich, dass der Anreim durch gleich
gesprochene, nicht durch gleich geschriebene, Anlaute bedingt
wird, um so mehr, da doch ein beträchtlicher Teil der alt-
französischen Gedichte lediglich für den Vortrag, nicht zum
stillen Lesen, geschrieben bezw. gedichtet sind, und da auch die
Orthographie in dieser Zeit eine schwankende und unsichere war.
Was die Vokale anbetrifft, so bilden nicht beliebige Vokale,
wie in der germanischen Dichtung, den Anreim, sondern ein
Vokal reimt auf den ihm entsprechenden gleichen. Da der End-
reim auch nur Vokale von derselben Qualität und Quantität, in
der Regel wenigstens, mit einander bindet, so werden wir für
die Alliteration dieselbe Genauigkeit vorauszusetzen haben, es
wird also ein offener Vokal nur auf einen offenen Vokal allite-
rieren u. s. w. Doch lässt sich darüber wenig Bestimmtes sagen,
da vokalische Alliteration überhaupt selten und, wo sie erscheint,
fast stets zufällig ist.
Auch unter den Konsonanten ist natürlich gleiche Aussprache
erforderlich, es alliterieren also nicht media mit tenuis, wie Becq
de Fouquieres /. c. S. 226 annimmt, der d:t schwache und t:t starke
Alliteration nennt Ebensowenig entsprechen sich cay co u. s. w.
und ce, ci; ge und ga; ge, j und ch (ne jone. ne chenu JB 1194
ist keine Alliteration). Andererseits ist selbstverständlich Allite-
ration möglich zwischen ca} co und qu; ge, gi und j; nicht
.1/. hohU-r.
aspiriertes h wird nicht beachtet. Wir haben also Anreim in
qtiidoü et creoit Fe 4238, (dasselbe Gedicht hat V. 3744 ü
cnide et croit) jeune, gente ChO 9; 16 u. b. w.; gente, jolie Ru.
30, 2; beachtenswert sind die phonetischen Schreibweisen jentils,
jouen Aap.; Jone et jante (Ms. St. Germaiu 1989 fol. 101 zu PariB).
Für das Französische, wie auch für das Lateinische, müssen
wir eine Forderung in Bezug auf die Alliteration fallen lassen,
die im Germanischen unerlässlich ist. Das Germanische ver-
langt, daaa die alliterierende Silbe zugleich die betonte im Worte
ist, was flir das Französische nur bei ein- und zweisilbigen
Wörtern mit e muet am Ende möglich wäre. Das Französische
empfindet Alliteration nicht nur bei solchen Wörtern, sondern
auch da, wo nichtbetonte Silben den Anreim tragen.
Wie schon erwähnt, genügt der Gleichlauf des ersten Buch-
stabens den Anforderungen der Alliteration, und in der Regel ist
es auch nur ein Buchstabe jedes Wortes, der den Anreim bildet;
doch musste es das Ohr des Hörers stärker treffen und den Ein-
druck der Zusammengehörigkeit zu einem viel kräftigeren machen,
wenn die zwei ersten oder noch mehr der Anfangsbuchstaben der
verbundenen Wörter übereinstimmten. Sicherlieh wurde die Allite-
ration einer Konsonantenverbindung mit einem einfachen Kon-
sonanten nur schwach empfunden, und man wünschte, dass in
solchen Fällen beide Wörter dieselbe KonBouantenverbindung
zeigten, wie ja auch in der germanischen Alliterationspoesie bei-
spielsweise ,« purum mit sp, »t keinen richtigen Anreim bildete.
(Cfr. Lachmann: Alliteration in Eracli und Grnber's Encyklopädie.)
Mehrfache Konsonanzen alliterieren in den häufigen Verbindungen
plore, plaint; grant, gros; ferner in prompt et prent CP 5496;
et eil s'dme trahist et triefte Ru IL 56, 4 ; d'entre trmtreg ne
triceres Re I 571; Konsonant -|- Vokal in !e cor* e les coatez
Rol. 284; que ce xenefioit dolor, domaige RT 29709—10. ml* or
comence Inr grant matt, lor viartires RT 28738 — 9; M mastin
et megre et ntenu Re III 995; detort neu poins et debat xa poärine
JB. 3241.
Wie verhält es sich nun mit zusammengesetzten Wörtern?
Im allgemeinen wird man bei der Bestimmung der Alliteration
die vorgesetzten Präpositionen und Partikeln ausser Acht lassen
müssen. Namentlich gilt das für längere und noch deutlich als
solche gefühlte Vorsilben, wie des, dis, mes, por (paar), in, en,
entre, re. Es ist ein sehr bequemes und bei manchen Dichtern
sehr beliebtes Mittel, die gemeinsame Richtung zweier Thätig-
keiten dadurch besser zum Ausdruck zu briugeu, dass man mit
derselben Vorsilbe zusammengesetzte Wörter verwendet. Wir
finden das besonders häufig bei Chrestien z. B. demince et depiece
Über aläterierende Verbindungen m der alt franz. Litieratur. 103
ChL 3881; descuevre et desnoe ibid. 3912; desliees et descmntes
5199. Aber in solchen Verbindungen, zn denen wir mesdä ne
mesfait Fe 1647; dissension ne discordance RT 13283; et tnainte
trauern pourtraite et pourchacie Berte 84, 14 ; vniquitis et injures
Cha (15) XIII 19, 2; a mienuü e a misdi BD 1882; entrebaisiez
$e stent e muü entreioi Wr II. 4367 noch hinzufügen, liegt
doch zu wenig Kunst des Dichters, als dass sie als Anreime
hätten empfunden werden können. Dagegen haben wir es unbe-
dingt mit Alliteration zu thun, wenn der Konsonant nach der
Vorsilbe, mag diese nun gleich oder verschieden sein, in beiden
Wörtern derselbe ist, wie in coment li Griu repairerent et coment
ü reptrittierent RT 671—72; ebenso in aSols e Seigniet Rol.
340; 2205. Aber sicher war auch häufig das Gefühl geschwunden,
dass ein Wort überhaupt zusammengesetzt sei, und dann wurde
dieses Wort, auch in Bezug auf die Alliteration, als ein einfaches
behandelt Noch weniger, als der Römer in coyere, konnte der
Franzose die Zusammensetzung in coldre, coudre erkennen. Ähn-
lich war es mit Vorsilben, die mit den Anfangssilben einfacher
Wörter gleich lauteten. Woher hätte der altfranzösisohe Dichter
wissen sollen, dass in esforcet, eschange Rol 3714 das es anders
entstanden sei als in eseuz e espiez ib. 1799? So können wir
in euer, confart JB 2721; dem häufigen du, devisi; douce, debon-
naire; done, depart u. 8. w. sicher Alliteration erkennen.
VI. Die alliterierend verbundenen Wortarten« Verbindung
und Stellung der Glieder.
Da sich die Besprechung auf diejenigen Fälle beschränken
soll, in denen koordiniert verbundene Glieder auf einander
alliterieren, so haben wir es in der Regel mit der Ver-
bindung gleicher Redeteile zu thun und zwar sind des zum grössten
Teil Substantivs und Adjektiva, seltener Verba, vereinzelt auch
Adverbien und Partikeln. Indes möchte ich auch eine Anzahl
koordinierter Verbindungen als hierher gehörig bezeichnen, in
denen verschiedene Redeteile mit einander alliterieren, z. B. ein
Substantiv mit einem substantivisch gebrauchten Adjektiv oder
Infinitiv, ein Adjektiv mit dem Adverb eines anderen Adjektivs,
ein Adverb mit dem Hauptbestandteil eines adverbialen Aus-
drucks u. dergl., wie a genoiüons et en gisant RT 22227; u a
envis u volentiers Fe 5416; qui molt fu prodom et de pes Re III.
2057 ; bien estes enparentee et de haut parage RP Rom. I. 28,
38—39; tonte la gens nienue et morte et mal baiUie ib. I. 57, 23.
Die Art der Verbindung ist verschieden nach dem logischen
Verhältnis, in dem die einzelnen Glieder zu einander stehen, be«
104
M tßütr.
dingt Hieb durch Rücksichten anf den Satz und das Metrum.
Eb ist nicht nötig, dass die Wörter unmittelbar, nur durch e
Partikel getrennt, neben einander stellen; es können auch
Subjekte oder Prädikate zweier verbundenen Sätze, sowie
Attribute zweier Hauptwörter mit einander alliterieren.
Für die ursprünglichste Form der Verbindung alliterierender
Wörter im Lateinischen hält Wolfflin das Asyndeton, und man
musa zugeben, dass dies vorzüglich geeignet ist, zwei Begriffe
ganz eng zu verbinden und gewissenuasseu zu einer Einheit zu
verschmelzen, wie in fusus fugaiux; da dico aditieo; MM b&i
viri. Auf die Frage Wölfnin's, oh sich ein solches Asyndeton
auch in den romanischen Sprachen finde, erwidert Gröber in
HSAI Anzeige von WSlfflin'a Aufsatz (Zeitschrift für romanische
Philologie VI 467), daBs er Beispiele dafür nicht gefunden habe.
Auch ich bin nicht im Stande, diese Frage endgültig: zu beant-
Mctea Ieh führe aber hier einige Zusammenstellungen »n,
mit den lateinischen asyndetisehen Verbindungen eine gewtai
Ähnlichkeit haben: he siut adieu amon
taittsent amont avol ib. 3404; (hier ist bei anumt aval sieber
nicht oa „bergauf, bergab" gedacht, sondern beide Ausdrücke
bilden einen einheitlichen Begriff und bedeuten: überallhin, bezw.
überall, ringsum). Ähnlich sind tont torne ce desus desore E. 952;
e tourne chic de.txoita denseure AH 330; toui ce devant derrirr
CDF 1. 249. Natürlich hat dieses Asyndeton nichts zu tlmr
mit dem scheinbaren Asyndeton, welches, entsteht, wenn drei
oder mehr Glieder mit einander verbunden sind und
dem letzten die kopulative Partikel steht.
Die häufigste Partikel hei einfacher Aneinanderreihung ist
et (e): dazu kommt doppeltes et, vor jedem der Glieder eins.
Bei Gegenüberstellung ist das Gewöhnliche einfaches oder
doppeltes au. Negativ Bteht in beiden Fällen doppeltes ne oder
ein ne zwischen beiden Gliedern, dem ein zweites vor dem Verbuiu
entspricht. Für einfaches et kommt auch et « vor. Seltenere
Formen der Verbindung sind z. B. plus — plus, oder plus —
movis (mains) vor Verben, ebenso souoent — iouvent; femer
non — nie* in seignorie non, nu xervUe Ro 6
i/)i'il vttitdfifiit in iex mit qvt; cm Bible 173.
Die Frage, ob die Stellung der Glieder ei
Verbindung zu einander eine willkürliche ist, oder ob l
bestimmten euphonischen Gesetzen abhängig ist, lässt sich ein-
heitlich nicht beantworten. Deutsche Redensarten,
and gäbe, frank und frei, Leib und Leben" sind nur in diesei
Stellung gebräuchlich und würden, wollte man sie umstellen,
Zusammengehörigkeit aufgeben und einen befremdlieben Eindruck
sant-
, die
risse
ot M
eher
Icke
ezw.
}52;
rtfw
tbun
drei
r alliterierend, i
Ober alliterierende Verbindungen in der alt/ranz. Litter aiur. 105
machen. Doch gilt dies nur von ganz festen, im Volksmund
gebräuchlichen, Wendungen. Wir müssen hier, wenn wir diese
Frage für das Französische untersuchen wollen, zunächst ab-
sehen von allen rein zufällig alliterierenden Verbindungen, bei
welchen auch die Stellung der Glieder auf dem Zufall beruht
Auch viele der vom Dichter für den einzelnen Fall gebildeten
Alliterationen müssen wir hierbei ausser Acht lassen, denn im
ahfranzösischen Zeitraum nimmt der grössere Teil der Dichter
wenig Röcksicht auf den grösseren oder geringeren Wohlklang,
den die einzelnen Wörter des Verses infolge ihrer Auswahl und
Stellung zu einander erzeugen. Dazu ist der Dichter bei der
Wortstellung noch vielfach beschränkt durch Metrum und Reim
bezw. Assonanz. Wo aber diese Rücksichten keinen Einfluss
ausübten, namentlich bei den Verbindungen, die der Dichter
fertig ans der Volkssprache übernahm, scheint die Stellung der
Glieder zu einander eine feste, nach bestimmten Gesetzen ge-
regelte gewesen zu sein. Sie ist abhängig von der Qualität der
Vokale, der Länge der Wörter und dem Verhältnis, in welchem
diese inhaltlich zu einander stehen. Zum Teil finden wir in den
romanischen Sprachen bestimmte Ablautsformen, nach welchen
sich die Stellung der Glieder richtet (Cfr. Diez : Gemination und
Ablaut im Romanischen in Höfer's Zeitschrift für die Wissenschaft
der Sprachen III Heft 1 und 2, S. 397 ff.). Doch scheinen sie
sich im Französischen, wie auch Diez schon bemerkt, selten an-
gewandt zu finden. Ein Beispiel für die Reihe i -\- a ist linge
ne lange CDF I 64; ne lin ne lange ChL 310; Ru I. 28, 24.
Im allgemeinen ist die Neigung vorhanden, das Wort, welches
einen volleren Tonvokal besitzt, an die zweite Stelle zu setzen.
Es stehen besonders die Wörter mit a in der Tonsilbe zu zweit,
z. B. gresle, glace E. 1139; doel e damage Rol. 2983 u. sonst;
e fous e flambe ib. 2535; li colps e li caples ib. 1109; 1678;
gri ne grace Erec 42; FSM 229 (umgekehrt Wr II 3965, weil
hier die Wendung am Versende steht); amont aval Fe. 193; ne
pain ne paste Ru I. 9, 19; ne tost ne tart oft. Wo diese Regel
nicht befolgt wird, geschieht es in den seltensten Fällen aus
Willkür, sondern gewöhnlich aus Rücksichten auf den Vers, den
Sinn, oder die zweite hierher gehörige Regel, die häufig mit der
ersten im Kampf liegt. Es ist nämlich beliebt, das grössere
und gewichtigere Wort nach dem kürzeren zu setzen. So finden
wir meistens das abgeleitete Wort nach dem kürzeren Simplex,
i. B. cuard ne cuardie Rol. 1647; cheval et chevalier ChL. 3158;
euer et corage Fe 6885; beachte ferner dels, dolor RT 667; don e
donoi Cha (12) X 4, 5; amour ne amistii Ru I. 136, 4 (die
Stellung m amistet e m'amur findet sich RT 855 des Reimes wegen).
106
M. «Mm-,
Von anderen Fallen führe ich an: frait t fendut Rol. 3604 und
sonst; le cor* e le« coidez ib. 284; messe e matines ib. 164;
pedre e p'arentes AI. 415; parte, pontiz P. 475; chauf, chevelu
Berte 183, 4; ne gros ne aresle FSM 84. Besonders auch Wörter
mit klangreicheren Endungen nehmen gern die zweite Stellung
ein, so asola e seign'iet Rol. 340 und sonst; plantare et plorer
E. 903.
Häufig streiten zwei dieser Prinzipien mit einander und der
Ausgang ist dann ein verschiedener. Rol. 1832 heisst es e derere
e devant, weil das letzte e von derere elidiert wird und dieses
Wort dann nicht länger ist als dpuant, sonst aber ist devant et
derriire häufig. In formet et faire proprement Cha 24 finden
wir die vollere Form vor der kürzeren, weil zu faire der Zusatz
proprement gehört. Auch die Rlicksicht auf die Bedeutung beider
Wörter erklärt manche Abweichung von den Regeln. So steht
in et maz et man OhL 2281 maz zuerst, weil morz begrifflich
eine Steigerung bezeichnet.
So lassen sich in vielen, freilich nicht in allen, Fällen,
wo die gegebenen Regeln nicht befolgt sind, Gründe für die
Abweichung anfuhren.
VM. Einteilung der alliterierenden Verbindungen nach dem
logischen Verhältnis der Glieder zu einander.
Sobald eine Sprache anfing, aus der ruheeten und ein-
fachsten Form herauszutreten, sobald ein Volk begann, seiner
Rede etwas Schmuck zu verleihen und, anstatt in der Mitteilung
Begriff gleichmässig an Begriff zu reihen, sich bestrebte, den
wichtigeren Begriff mit Naehdritck vor dem nebensächlicheren
hervorzuheben, da musatc ob beliebt werden, anstatt eines ein-
zelnen Wortes, das leicht unbemerkt verklingen und dem Ohre
des Hörers entgehen konnte, zwei oder mehrere zu setzen, die
als Synonyma denselben Inhalt mehrfach wiederholten oder als
erstes und letztes Glied einer Reihe eine abstrakte Vielheit
konkret verdeutlichten, in beiden Fällen also, weil sie voller
und deutlicher den Begriff bezeichneten, die Aufmerksamkeit
mehr erregen mussten als eine einzige kahle Bezeichnung. So
sagt man „angst und bange", obgleich dem Gedanken ein Wort
von beiden genügte, oder „mit Mann und Maus zugrunde gehen",
wobei alle Dingo, die zwischen dem wichtigsten „Mann" und
dem unwichtigsten „Maus" liegen, mit eingeschlossen gedacht
werden, Kam nun noch ein in den einzelnen Wörtern liegendes
äusseres Merkmal der Zusammengehörigkeit hinzu, sei es nun
Alliteration, Reim, vokalischer oder konsonantischer Gleichklang
innerhalb der Wörter oder Ablaut der betonten Vokale, so
Über alliterierende f'srhindungm '» der altfranz. Litterainr. 107
musste 'las den beabsichtigten Eindruck, das« ein einheitlicher
Begriff vorliege, wesentlich unterstützen. Alliteration wie End-
reim, beide vielleicht durch Zufall entdeckt, wurden nun schnell
ein gern und häutig angewandtes Mittel der Sprache, um so
mehr, da sie auch durch ihren Wohlklang dem Ohre schmeichelten.
Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass manche Verbindungen
alliterierender Wörter, etwa in der Rechtssprache, mnemotech-
nischen Rücksichten ihre Entstehung verdanken. Eine gewisse
Art von Alliteration, die allerdings unserem Thema fernsteht,
ist aus dem Bestreben entstanden, die Aussprache mancher
Wörter zu erleichtern, ich meine die Reduplikation, dann die
Assimilation und Gemination, welche letztere auch dem Alt-
französischen nicht fremd war and sich noch jetzt in der Sprache
der Kinder, aber auch in der Sprechweise des VolkeB tindet,
t. B. in bobonne, fifüle u. dcrgl.
Wenn wir die alliterierenden Verbindungen nach dem logi-
schen Verhältnis sie ihrer Glieder zu einander einteilen, so ergeben
sich folgende Klassen:
1) Beide Glieder enthalten synonyme Begriffe,
sie decken sich entweder vollständig oder doch fast vollständig.
In diese Abteilung gehört vor allem die grosse Mehrzahl der
Verbindungen, die aus zwei Wörtern desselben Stammes be-
stehen, einem Grundwort und einer Ableitung davon oder zwei
Ableitungen derselben Wurzel. Beispiele dafilr sind: m'amistet
e m'amur P. 854; bien et bontei Ru 11. 7, 11; de chanaon faire
et ... rf« chans Cha (12) Kreuzzug V. 1, 2; com fu. gratit dels
et grünt dolor RT 667; don t donoi Cha (12) X. 4, 5; fu for-
mend foible et ßoe Berte 50, 9 (wenigstens leitet P. Paris floe
von fitbäis ab); geta et jali (jaetare et jaculari) RC 2316;
gri, grace FSM 229; Wr II. 3965; Erec 42; en foy et en fiance
CDP 1. 244; matie et mate Ru II. 31, 8; le nom et la rtmom-
mee CDP I. 251 ; flors fad d'onor et d'oneste ib. I. 256; grant
parnle e grant reparlmice Wr III. 1981; Wai pooir ne poissance
CDF 11. 244. Besonder« merkwürdig sind die folgenden zwei
Beispiele, in denen zwei verschiedene Bildungen des part. passe
desselben Verbums mit eiuander verbunden sind: com n'ü i fuxt
nateuz et nez KT 10 610; und de quei ü sont nez e naü BD 816.
Noch häufiger sind natürlich aus dieser Klasse Verbindungen
von Worten) verschiedener Stämme, und zwar hauptsächlich
Substantiva und Verba, weniger Adjektiva, z. B. cette aminHe" et
ceste acorde ChL 6323; et bois e es buistuns Wr II. 3643;
n dolor et destrece ßu II. 26, 11; e fom e flambe Rol n. sonst.;
formes. figures RT 1 1 324 ; ymagenes e trestutes les ydeles Rol
3664; ü n'i out pars ne repox Wr III, 4198; ou rentes ou
108 M. Kbhitr,
richesccK grunz Bible 2306; par son sen et par son saveir RT
537; soupir, sanglot E 900; seigneur et souverain ChO 10;
»ouasy, going ib. 241; svbgiez et gerviteurs ib. 297; le tatu et le
terme RC 3767; tenUs et tres Fe 4772; Verba: recleiment e crient
Rol 3998; cuidier ne eroire ChL 1426; Vout si charme e en-
chante Wr I. 152; e duire e doctriner ib II. 1766; frait e fen-
dut Rol 3604; me garde et guete RP I. 48, 18; paindre, por-
traire Ro 6; trenchet e taälet Rol. 1339; Adjektivs: mat et morne
Fe 977; sains e sals oft; prompt et prett CP 5496.
2) Beide Glieder enthalten Gegensätze. Die Bei-
spiele fllr diese Klasse sind in der altfranzö Bischen Dichtung
verhältnismässig selten, wag wohl ein Zeichen dafür ist, dass
die Alliteration zuerst zu dem Zwecke gebraucht wurde, zwei
oder mehr Glieder eng zu verbinden, und erst in zweiter Linie
dazu, zwei Begriffe einander schroff gegenüber zu stellen. Bei-
spiele für diese Klasse sind: ne chalf ne chevelu Wr II. 1010;
ne cru ne cuit Berte 54, 13; nuls hom forz ne fieble Wr II. 200;
gent letree et gent laie Berte 13, 7; par pri ou par podeste
AI. 204; 564; qm qu'en peist ne qul place Wr Ca 5; lex puU
et le plaigne Ali 572; ne seigneur ne teriant Wr II. 2088;
gerf, sire Ad. 33; tost, tart oft; vunt, vienent; vunt, reoicnent u. s.w.
3) Beide Glieder ergänzen sich oder nähern sich
doch einander. Die Beziehnngem zwischen den einzelnen
Wörtern können dann die verschiedensten sein. Am häufigsten
sind es Arten einer Gattung z. B. Tiere lion ne letipart Rol 1111;
grues et gante» PB 1465; Steine voraus et crisolites ib 645;
Musikinstrumente tabletes et tabor ChL 2353; Waffen excut e es-
püz Rol 1799; gottesdienstliche Handlungen messe e matines
Rol 164. Es können ferner sein Teile eines Ganzen, des
Körpers e piez e poinz Rol 1968; des Baumes foitte et flor
RT 4788; fieur et fruit Hu IL 44, 18; oder ein Ganzes und
ein Teil desselben, Z. B. le grant mostier et les murs RC 8099;
le latin sivra et la lelre RT 135; parte ne postiz P 475; eon
chief et sa chiire Berte 59, 2; dras e duns Wr III. 810; aveir,
argent ib. IL 4410. Ursache und Wirkung finden wir verbunden
in feu ne fume'e 21. Text des .J Tidenknaben 102 (ed. Wolter),
Mensch und Tier oder Sache in cheval et chevalier ChL 8158;
medecme ne mire Wr II. 260. Verbindungen von alliterierenden
Personennamen treffen wir besonders häufig in den Chansong de
geste an. (Cfr. P. Meyer : de l'aüüeration en roman de France etc.
Romania XL S. 572 ff.) Ich führe als Beispiele an ans Hol.:
Basan, Basilies 208; Estamarin e Eudropin 64; e Qerin e Ge-
tiers 107; Yvoerie e Yvun 1895; Clarifan, Clarien 2670; aus
RC: et Oerars et Gering 753; Qaleran et Gaudin 757; Mahons
Cbcr aOHerierende Verbindungen in der ali franz. Litter atur. 109
et Mahomes 7674; ans Ali: Gaudins, Quickars, Gautiers 5 — 6;
Bernars et Bueves 7923; aus P: e Bernart de Brusban et Ber-
tram 65; ans G: ne Richart ne Renier 418; Odon, Ogier 1217.
Von den alliterierenden Verbindungen der Zeit- und Eigen-
schaftswörter gehört in diese Klasse der grössere Teil, da sie
meistens verschiedene, aber nicht entgegengesetzte Handlungen
bezw. Eigenschaften bezeichnen, seltener dieselbe Handlung bezw.
Eigenschaft doppelt ausdrücken und noch weniger häufig durch ihre
Glieder direkte Gegensätze zum Ausdruck bringen. Besonders hin*
weisen möchte ich hier auf die Verbalverbindungen, deren eines
Glied ein ganz allgemeines Zeitwort wie faire und mettre ist, sei
es nun, dass dieses pleonastisch den schon im verbundenen Verbum
liegenden Begriff der Thätigkeit wiederholt, oder dass es, mit
einem Objekt oder einem adverbialen Ausdruck verbunden, einen
verwandten Begriff hinzufügt, z. B. fist ses meisons feire etfermer
RT 29 755; fu faiz li temples et fondez Bible 2183; a la former
et faire proprement ChO 24; por droit fere et por afetier Re
I. 1303.
VTO. Einteilung der alliterierenden Verbindungen nach der
Art ihrer Entstehung.
Wir haben bisher die alliterierenden Verbindungen, die
uns in den altfranzösischen Gedichten vorliegen, nach verschie-
denen Richtungen untersucht, ohne wesentlich Rücksicht darauf
su nehmen, welchen Anteil der Dichter an ihrer Entstehung hat,
wenn auch die Beispiele zumeist aus den Verbindungen gewählt
worden sind, bei denen eine beabsichtigte Alliteration voraus-
gesetzt werden konnte. Schon ein flüchtiger Überblick über das
vorhandene Material belehrt uns, dass durchaus nicht bei jedem
Fall von Alliteration diese letztere auf die Absicht des Dichters
zurückgeführt werden kann, und es ist von Wichtigkeit für den
ästhetischen Wert jeder Stelle, an der sich ein derartiger Anreim
zeigt, zu untersuchen, ob die Alliteration durch den Dichter ab-
sichtlich angewandt worden ist, bezw. ob sie der Hörer oder
Leser empfindet. Sondern wir die Verbindungen nach diesem
Gesichtspunkte, so erhalten wir folgende Klassen:
1) Eine alliterierende Verbindung ist volksmässig.
An der Bildung derselben hat der Dichter keinen Anteil; er
übernimmt sie aus dem Munde des Volkes, wie er aus der
Sprache die Wörter übernimmt. Diese Klasse findet sich natür-
licherweise hauptsächlich bei volksmässigen Dichtern, die in
enger Fühlung mit der Sprache des Volkes bleiben, während der
höfische Dichter solche Wendungen zu vermeiden sucht. Die
Wirkung, die sie auf den Hörer ausübt, ist eine geringere, als.
110 M. KäSUer,
wenn sie der Kunst des Dichters ihr Dasein verdankte. Immer-
hin ist eine Wirkung vorhanden. So gut wie ein passend ge-
wähltes Wort, das ja auch schon vor der Anwendung fertig vorlag,
für sich allein oder im Zusammenhang mit andern einen ästhe-
tischen Eindruck hervorruft, ebenso gut kann es auch die
pausend gewählte Alliteration, auch wenn der Dichter auf das
Verdienst, sie gebildet zu haben, keinen Anspruch erheben kann.
Freilich wird es uns nicht so leicht, wie es den Zeit-
genossen des Dichters sicher gewesen ist, die volkstümlichen
Alliterationen herauszuerkennen. Das öftere Vorkommen allein
ist weit entfernt, ein sicheres Kriterium zu sein. Oft, wenn
wir eine derartige Wendung mehrfach antreffen, haben wir be-
wusste Nachahmung anzunehmen, und gar manches Mal mag auch
der Zufall mehrere Schriftsteller auf dieselbe Wendung geführt
haben, ohne dass sie durch einander oder durch die Volkssprache
beeinflusst worden wären. Auf der andern Seite finden wir
manche alliterierenden Formeln, die deutlich das Gepräge der
Volksmässigkeit tragen, nur ein einziges Mal poetisch angewandt.
Ein etwas sichereres Kennzeichen ist die Unveriinderlichkeit der
betreffenden Formel. Die einzelnen Glieder, die hier in der
Hegel nach euphonischen Rücksichten zu einander gestellt sind,
werden in ihrer Stellung nicht vertauscht, auch kann zwischen
sie nicht ein weiteres Glied treten, und ebenso wenig dulden
sie zwischen sich, ausser den notwendigen Verhindunga Wärtern,
ein anderes Wort. Die Formel ist eben so fest geprägt, dass
sie aufhären wUrde, volkstümlich zu sein, wenn sie verändert
würde. Es gilt dies ebenso von solchen Redensarten im Deut-
schen; wir dürfen in dem Satz: „Er ritt über Stock und Stein"
die beiden alliterierenden Wörter nicht umstellen, wenn wir nicht
ihre Zusammengehörigkeit aufgeben wollen.
Es ist weiterhin charakteristisch für die volkstümlichen
alliterierenden Verbindungen, dass in ihnen nur solche Wärter
vorkommen, die wir jetzt mots populaires nennen, die also von
Anfang an in der französischen Sprache vorhanden waren, während
wir mots savants nicht finden. Diese Verbindungen bildeten sich
eben in der frühesten Zeit der Entwickelung der Volkssprache,
spätere Bildungen sind äusserst selten. Wir kiinnen eine grosse
Anzahl derartiger Wendungen, die noch jetzt gebräuchlich sind,
bis auf die ältesten Perioden der Sprache zurückverfolgen. Wir
treffen in manchen von ihnen Wörter an, die allein, ausserhalb
der Verbindung, heute nicht mehr angewandt werden.
Freilich reichen diese Kennzeichen nicht bin, um in allen
Fällen sicher eine alliterierende Verbindung als volkstümlich
konstatieren zu können.
Über alliterierende Verbindungen in der alt franz. Litteraiur. 111
2) Eine Alliterierende Verbindung ist vom Dichter
mit Absicht gebildet. Solche Verbindungen kommen in der
Regel nur einmal oder doch nur bei demselben Dichter vor.
Die Stellung der Glieder zu einander ist keine feste; die Glieder
können umgestellt werden und sind häufig durch andere Satzteile
getrennt. Der Dichter stellt sie, wenn sie nicht nebeneinander
stehen , gern an hervorragende Punkte des Verses, damit sie
deutlich wahrgenommen werden, z. B. an den Anfang und das
Ende, vor die Cäsur und an den Schluss des Verses. Die An-
zahl der in diese Klasse gehörigen Beispiele ist grösser als in
der ersten Klasse. Es ist diese Zusammenstellung anreimender
Wörter bei manchen Dichtern der altfranzösischen Zeit sehr be-
liebt, z. B. bei den Dichtern des Artussagenkreises, wo die
Alliteration nicht selten auch zu Wortspielen verwandt wird.
Freilich ist es auch 'hier in vielen Fällen unmöglich, mit Be-
stimmtheit anzugeben, ob eine Verbindung hierher gehört oder
nicht. Die Wahrscheinlichkeit ist dafür vorhanden bei Ver-
bindungen synonymer und gegensätzlicher Glieder, welche nicht
unter die volkstümlichen Verbindungen gehören. Im Übrigen muss
man, so weit es möglich ist, von Fall zu Fall entscheiden, ob ein
Beispiel in diese Klasse zu rechnen ist oder in die folgende.
3) Eine alliterierende Verbindung ist zufällig.
Da die Dichter der altfranzösischen Periode im Gegensatze zu
denen der klassischen Zeit nicht die Absicht hatten, die Alli-
teration zu vermeiden, so verbanden sie häufig Wörter mit
gleichen Anfangsbuchstaben, ohne dass sie dadurch eine beson-
dere ästhetische Wirkung hätten hervorrufen wollen. Eine zu-
fällige Alliteration haben wir in der Regel da anzunehmen, wo
sich unter einer grösseren Anzahl von Gliedern einer Zusammen-
stellung auch einige alliterierende befinden, oder wo sich für
zwei auszudruckende Begriffe zwei alliterierende Wörter als die
einzigen oder doch als die nächstliegenden Bezeichnungen dar*
bieten. Indes selbst da, wo an eine Absicht nicht zu denken
ist, kann die Alliteration von den Hörern empfunden werden,
und der Dichter, der sich des Gleichklangs vielleicht erst nach-
träglich bewusst wird, kann dieselbe Verbindung nun an anderen
Stellen seines Gedichtes in künstlerischer Absicht verwerten.
Zum Beweis dafür, wie leicht einem Dichter der alliterierende
Gleichklang in seinen Versen entgehen kann, erinnere ich an
Voltaire, der sich doch gewiss, dem Geschmacke seiner Zeit
entsprechend, bestrebte, solche Gleichklänge zu vermeiden, und
der doch erst durch das Zischen des Publikums darauf auf-
merksam gemacht wurde, welchen Verstoss er durch den Vers:
Nony il n'est rten, que Nanine nhonore (Nanine) begangen hatte.
112 M. hohler ,
Wir werden im folgenden diejenigen Alliterierenden Ver-
bindungen, die wir mit Wahrscheinlichkeit für zufällige und vom
Hörer nicht empfundene zu halten haben, nicht berücksichtigen.
Im AnBcblusB an die beiden letzten Kapitel möchte ich
noch knrz die zwei Fragen berühren, wie es mit mehr als zwei-
gliedrigen Verbindungen steht, und ob die Alliteration an die
Grenzen eines Verses gebunden ist. Zwei Glieder sind allein
möglich, wenn es sich um den Ausdruck von Gegensätzen han-
delt; in allen anderen Fällen dürfen es drei und mehr Glieder
seiu, wenn auch einem gebildeteren Geschmack eine derartige
Häufung der Alliteration nicht zusagen wird. Beispiele für drei-
gliedrige Verbindungen sind: bedians et baiUiz et borgoi* Ru II.
39, 18; morte, matte et mute ib. II. 31, 8; fiers , forte, jdont
F8M 257. Lautmalerei scheint beabsichtigt in timbre, tabletes
et tabor ChL 2353; sonnez tabours, trampen, tubes Cha (15)
XXV. 3, 1; eist fiert, eist faut, eist /im'*, eist chace Wr. III. 8267.
Die Alliteration ist an sich an einen Vers nicht gebunden,
es können ganz gut die Glieder Über zwei und bei mehrteiligen
Verbindungen auch Über mehr als zweiVerae verteilt sein; doch
wird der Gleichklang in solchen Fällen viel weniger empfunden,
als wenn alle Teile demselben Vers angehörten, weil durch die
dazwischen liegenden Pausen die Glieder zu sehr getrennt
werden und die beabsichtigte Wirkung zu leicht verloren geht.
Die Teile einer volkstümlichen alliterierenden Verbindung auf
diese Weise auseinander zu reiesen, ist wegen der engen Zu-
sammengehörigkeit derselben jedenfalls unzulässig.
IX. Alphabetische» Verzeichnis der bei mehreren Dichtern
vorkommenden alliterierenden Verbindungen.
Ich führe im folgenden in der Regel bloss eine Form der
Verbindung an und lasse dialektische Abweichungen u. dergl.
unberücksichtigt. Die angeführte Form ist immer die der zuerst
zitierten Stelle. Kommt ein Beispiel bei mehr als drei Dichtern
vor, so zitiere ich bloss die ersten drei genau, die Übrigen nnr
durch den Namen.
acomptis, antierz G 33; RC 7087; 8121.
amie, amor Cha (13) II. 6, 4; Mätzner Afr. Lieder XXI 7.
amistet, amur P 854; Ru I. 136, 4.
amur, aliance Wr II. 1602; Cha (14) VII. 2, 4.
angoise, atise £ 1285; Fe 2006.
ort, enging E 740; 761; Ro 17.
auetors, atdorez Bat 433; Ru IL 66, 1 (autettrs, auetoritex).
oval, amunt Roi 2235; RC 5897; Wr IL 1252; Fe; CDF
Über alliterierende Verbindungen m der alt franz. Litieratur. 113
avant, apres ChL 4856; MF I. 292; Ad 50.
avant, arer Aap; 6 3415; RC 7366; JB; Berte; Cump; u.s.w.
aveir, argent Wr IL 4410; CDF I. 35; CP 1484.
bei, bim u. dergl. oft, z. B. Rol 3047; ChL 4053; Wr I. 481.
blanc, bis RT 29 352. T 30.
bUmcs, blois Rol 999, 1800; MF.
beb, blance Fe 768; RT 941; CDF IL 260; RP; ChO.
beU, blonde RC 5570; RP I. 72, 5.
berbiz, bues Re I. 1156; BD 783.
chauf, chevdu Berte 183, 4; Wr II 1010; Doon de M. 271.
Chevaliers, chevals Wr III. 2665; 3992; ChL 3158.
cüi, reeet G 85; JB 616.
cors, costez Rol 284; Fe 1628; 4008.
cru, cuit Berte 54, 13; 55, 11; BD 1350; Bible 173.
euer, confort JB 2721; RT 22 146.
euer, cors Berte 89, 13; ChL 2640; Fe 1703; Bible;
AH IL 8. w.
euer, corage Fe 6883; RT 13 556; Bible 1326—7.
cuidier, croire ChL 1426; 5861; Fe 3744; RT 195;
MF n. b. w.
derere, devani Rol. 1832; P 81; G 411; Ali; RC n. s. w.
defors, dedenz G 4161 ; Wr IL 448; E 650; RT; CDF; Ru.
despendu, doni Ali 8302; Wr III. 654; BD 639; Bible; Ru.
desvz, desoz ChL 828; Ad 82.
desuz, desure MF 540; Ro 30; E 952.
Diex, drois RC 3101; ChL 4333; 4445.
dist, demanderent AI 239; ChO 16.
dÜ, devisi JB 3074; 3423; Berte 137, 10; RP III. 53, 62.
doel, damage Rol 2983; JB 141; 1526; RT 709—10 u. s. w.
dolor, destrece Ru II. 26, 11; RT 382; Berte 27, 16
(duel destr . . .).
done9 depart ChL 5346; RP I. 73, 62—63; BD 1053;
MF u. s. w.
douce, debonnaire Berte 9, 10; Fe 3675; CDF 62; Mi;
Ru; BD.
elmes, escus Ali 347; RC 2278; Wr III. 3948; u. 8. w.
eseuz, espiez Rol 1799; P 79; G 2530 u. 8. w.
espie, elme RC 1726; Wr I. 260.
fain, froit Berte 58, 3; CDF 62; Ro IL 17; Ru; CP.
falz, feinz Wr III. 1964; ChL 4388; 6051.
felon, fier RC 1079; Berte 3, 3; Wr IL 2284; E.
felon, fort RC 3424; JB 1677; ChL. 5617; Fe; FSM.
fer, fust Rol 1559; RC 3442; Wr I. 67; ChL; Ro.
flors, froü Ad 58; Ru IL 44, 18; CP 759.
Zadir. t frs. Spr. n. Litt. XIP. 9
M. Köhler,
foilte, fior RT 4788; MUneh. Brat 29; RP I. 30, 3.
formet, fais CDF II. 263; CbO 34; Ro 6343.
fourme, figure AH 301; RT 13 324.
fort, fieble Wr II 200; Fe 5081; Ru I «7, 4; Cha.
forz, fiers Rol 1879; FB 2492; F8M 267; ChO; Wr.
fou», flambe Rol 2536; Wr I 411; ChL 4466; Fe; RT.
frait, fendut Rol 3004; RC 4630; JB 1914; ChL 6153.
gente, jotie Ru I 30, 2; Alain Chart ier Ch IV 14, 2.
graces, grez Wr II 3966; 4116; Erec 42; FSH 229; CDF.
grämt, gros G 1298; RC 375; Wr Ca 259; Ro.
gras, gros ChL 2226; Bible 1972.
gros, graisUs JB 895; FSH 84; AH 301; RP.
jeune, gente ChO 9; Aap (jentÜs, jotten.)
lian, leupart Rol 1111; Ali 344; FB 1735.
Im (fingt), lange ChL 310; CDF 64; Ru I 26, 24; Re.
tone, U G 1446; Ali 804; JB 4170; Berte; Wr; CbL n. a. w.
■messe, mattne Rol 164; Aap; RC 4293.
mors, mal (matte) RC 7902; ChL 9281; Fe 1970; Ha; Ru.
mot-t, mal (maladie) Wr III 5508; Ru I 48, 3.
moslier, murs RC 8099; Wr I 726.
«z, naü BD 816; Rom. de 1« Poire (Hißt. litt. XXII 875).
noutri, ni Berte 157, 7; Wr HI 4078; RT 90; T.
pedre, parentee (parent) AI 415; Rol 1421; 0 1211.
peist, place Wr Ca 5; RT 22 207; CP 1088.
peterint, paumUrr G 373; JB 2397.
pensive, pale RT 1611; HF I 764.
per», pale Rol 1979; Wr I 678; RT 952; R«.
pes, pardon ChL 6785; AH 156.
pes repos BD 1983; Wr in 4198.
pie*,pomz Rol 1968; G 784; Ali 53; RC; JB; Berte n. s. w.
pitii, compassion FSH 231; CDF I 255.
pUn, parole Wr IU 2488; ChL 1149.
plait, parlement RC 8625; Chev. Cbarr. 4491.
plur, plaxgne Rol 2915; JB 1544; Wr II 2418 u. s. w.
pari, passage Rol 657; 741; G 156.
portes, puna Rol 2690; G 2001; CiL 210.
puissance, pris G 4205; CDF 242.
pvissam, proz RT 10 795; FB 2962 (preu).
raison, rime Mi 8766; FSH 101.
sage, ensetgnie AH 46; CDF II 255; Berte 189, 15.
sain, saus G 3563; Ali 8113; RC 1133; JB; Wr n.s.w.
mhc, suow Ali 30; 431; Rom. Viol, 1929.
sei, sauge Re III 89. Cur. fr., Lacnrne, letzter Bd. 851.
sen, saveir RT 637; Re I 1130; Ha 368; Rn.
Ober aüüerierende Verbindungen in der alt franz. Lüteratur. 115
simple, $aige Rom Viol 52; Mätzner XXII 10; RP I 3$, 18.
consoil, sans ChL 6599; Cha (15) XIII 11, 3.
tabor, tymbres G 4148—9; Re VI 19.
tart, tempre CDF 45; Rom Viol 2434.
tentes, tres Fe 4772; T 37; Ma 1732.
termes, tens MF I 45; RC 3767.
tost, tart RT 14 813; FB 1006; CDF; BD n. 8. w.
vache, veel Wr III 3464; CDF I, 4; Mi 2143.
veoir, visiter CDF I 25; Mi 8640—41.
viens, advanee FSM 219; Mi 730.
vient (revient), va G 1376; ChL 2759; Fe 909; Re; E;
Rn u. t. w.
vins, viandes CDF I 17; Ru I 95, 8.
envis, volenUers Fe 5416; RT 28 666; Re I 740.
X. Verteilung der alliterierenden Verbindungen auf den
altfranzösischen Zeitraum.
Im folgenden geben wir eine Auswahl der Beispiele, wie
wir sie bei einer grösseren Anzahl von altfranzttsisehen Dichtern
gefunden haben. Wir ordnen die Gedichte nach Dichtangsarten,
Sagenkreisen und, so weit es möglich ist, nach der Zeit ihrer
Entstehung. Freilich lassen sich wesentliche Unterschiede in
der Anwendung der Alliteration erst gegen Ende des Zeitraumes
wahrnehmen, aber aueh die früheren Dichter sind in diesem
Punkte nicht ganz gleich. Die im vorigen Kapitel angeführten
Beispiele lassen wir hier weg, da sie mehr oder weniger Ge-
meingut der ganzen Zeit sind. Ebenso wenig halten wir es für
nützlich, die rein zufälligen Alliterationen mit anzuführen.
1) Die ältesten Denkmäler mit Ausnahme den Alexandre
von Alberic und des Alexis geben keine Ausbeute. Im Alexandre
finden wir nur med ne mmddc 18, 28 und Umeyres fud et tem-
pestaz 19, 28; aus Alexis ist nur par pri ou par podeste 204;
564; zu erwähnen. Auch die wenigen Beispiele des Cumpoz
machen ausser faiture de chevcU efigure 1407 nicht den Eindruck
des Beabsichtigten.
2) In den chansons de geste dagegen (Hol., Karlsreise
ötä de Bourg., Aliscans, Raoxü de Camb., Jourdains, Berte) ist
die Alliteration schon reicher entwickelt. Ein Charakteristikum
dieser Gedichte sind die Verbindungen gleich anlautender Namen.
Wir fügen den früher (Kap. VII. 3) angeführten Personennamen
noch einige Länder- und Völkernamen hinzu: Rol.: Bums, Hungres
3254; laisent Marbrise t si laisent Marbruse 2641; de Sorbres
t de Sorz 3226; RC: gut te dona Perone et Peronele 1004.
Ausser den Eigennamen sind allerdings fast alle Beispiele schon
8*
116
M. KölU<;;
im vorigeu Kapitel erwähnt. Zu Hernien Bind noch Rol.: le baxtun
e le brief 341; fierent, tlefeialent 131*8; ymagenex e trextutex lex
ydelex 3664; e li colp» e li caplex 1109; 1678. P: dux e de-
maine* 4; citet, celiers 777; le clou e la corune 86G; coxte e
canele 211; gruex e gantes 411; 835; pels, peliqwi 480—81;
taburs u tuneiree 359. Aap: tont archiuesqne^ , tant abex;
come lairon e falsa e layner; e qui lo conxiloit e chi lo con-
sentie. G: la l/rache et li brans 2621; lim poonx, lex plovierx 42 ;
chevauckent par vaux el pur puix et par prez, par pluie» . . .
186 — 87; prince ne per 1532; la paon et le pain 2240; ma
terre et tot mon tenemant 2295, Ali: corsu et quarre 3211;
jambex, jenous 3580; les puix et le plaigne 572; xoilliex, ettsang-
lente'i 677. RC: enckaux, envale 2366; lex geta et j alt 2316;
xi geteilt pierex et ■ma'uit grant pel agu 1442. JB: acorder
n'apaier 1602; atouchiez n'adexez 2220; grant barnaige et
grant brut 2383; de duel et de disetex 510; et mannide et
mercitt 1702; enz pies et enz paumes 2446; poins, poitriue
3241. Berte: ne coute ne coissin 56, 3; foible et floe 50, 9;
gent letrie et gent laie 13, 7; morle j'uxxi' et mengie 173, 9;
ne aale . . . ne xolier 56, 2; taffle el tonlieus (Steuern) 84, 19;
lex leux oy aller et li kuanx hua 41, 2.
3) Roman de Rou (WY) und Chronique aecendante
(WrCa): anienuise e afiebli III 1592; lamur e l'axemblee II 3141;
arme» e ator III 7773; es boi» e ex buismns II 3543; 111 4936;
l'out 8i charme e enchaute I 152; ne ckaxtel ne chaxtellerie
III 7284; ne viel einen ne ehael II 4186; elers e clergie III 273;
der» e coronez III 1053; duner colp ne colee II 1660; od grunz
cidteals e od culgnees III 1219; tu.it descovert e tuit dexclox III
1618; drax e denierx, dras e dun» oft; duire e doctriner II
1766; de Vextoire de Rou e de x'extrace WrC» 4; par defalte
del rei e par sa fieUete II 1072; xa felunie e xafaintie I 633;
de fenextres e d'altres fuz III 7816; u en feu u en furche
n 1205; boenx feorex e boenx ferreorx III 6492; cixt ßert, eist
faut, cixt fuit III 8267; defrire e defriper II 4390; forz e
dexfenxablex III 4301; entre la gorge e le goitron III 4084;
por lui guerreier e grever II 2647; tant jut, tant jeuna II 2391 ;
medecine ne mire II 260; moxtrer e metre en memoire III 7865;
grant parole e grant reparlance III 1981; robex perneiritt f.
portoent III 1107; prent e depart III 3796; prixtrent e des-
puillierent 111 3266; od prixunx e od preiex III 1005; reeeivent,
rendent III 8102; soße e xoxptre III 5293; n'cn truix train ne
trace WrCa 11; vavaxurx e vilainx II 3840; de viande e de
vexteure HI 2300, Eigennamen: Chartrex, Ckartain III 271;
entre Espaigne e Excoce WrCa 36: ki out Turs e Toraine
Ober alliterierende Verbindungen in der alt franz. Litter atur. 117
WrCa 97. Es ist hier ein Fortschritt gegenüber den chansons
de geste zu konstatiren, die Alliteration geht mehr Über die
konventionellen Verbindungen hinaus, und selbständig mit künst-
lerischer Absicht gebildete Formeln liegen neben einigen volks-
tümlichen zahlreich vor.
4) Höfisches Kunstepos (Löwenritter; Fergus). ChL:
amistie', acorde 6223; amor, acointance 6485; m'angoisent et
aguUent 1464; bien Vaparqoit et bien Vantant 3434; ataint
afiert 4808; li bar an et li bacheler 676; il te chastient et
chosent 5150; toz creantes et toz covanz 5163; sonent flaute*
et freteles 2352; uns lerre, uns desleaus 3668; et tormanter
et traveiUier 6555; prevost ne voiir 606.
Fe: cCarbaleste ne d?arc manier 1649; iatorne et apreste
1639; le bon espiel brandist et bese 4869; li chevals jete et
gibt fort 4686; lepüier et le pont 4158; molt li poisse, molt se
repent 5273; si se rengent bien et conroient 5057. Die Menge
der Beispiele ist nicht grösser als im Roman de Ron. Der
grösste Teil sind hier Verba. Sehr beliebt sind die Verbindungen,
die wir von der Behandlung ausgeschlossen haben (Kap. V),
nämlich die Zusammenstellung zweier Verba mit denselben Vor-
silben.
5) Antike Sagen Stoffe. Roman de Troie: error li
prent et esmaiance 29 179; ore iere en tel feiret en tel fole
13 627; plus fine et fresche et colorie 1239; le latin sivrai et
la letre 135; et sanz manaie et sans merci 10 703; coment li
Grriu repairerent et coment il reperiUierent 671 — 72; ses pa-
roles et son pensi 21 915; par force peceiez et pris 4441;
safirs et sardona 14 588; tinbales, tinpanum 14 727; bale et
fresche et tunbe et salt 14 663.
6) Byzantinische Sagen Stoffe. Floire et Blanceflor:
coraus et crisolites 645; grues et gantes 1465; a son lever et
a son lit 1680; pertris . . et plongons 1466; peschiers ne
periers 1764; et voliilles et venison 1462; ne vuivre nyautre
vermine 1653 — 54. Die meisten selbständigen Beispiele dieses
Gedichtes finden sich in Beschreibungen von Gastmählern.
7) Kleinere Verserzählungen. (Marie de France
und Recueil de contes u. s. w.) MF: aturnez vus e si alez.
Elid. 377; ma chambre e ma chapele I 353; escience e de
parier bone eloquence Prol. 1 — 2; sanz depescier e sanz partir
I 574 ; tant li pria, tant li pramist I 283 ; kar il quidoit e si
cremeit Elid. 230; CDF: chascune annde ou chascun an I 259;
entre les cornes et le col I 166; ou fiU ou filace I 243; je su
en joie e en jolyvetä II 29 ; dont le nom et la renommde 1251;
Sonor et d'oneste I 256; reprises ne prouväes I 243; sa repen-
M. Köhler,
tance et m priere II 32; itavoir et ttentir II 252; trag et for-
traite, I 12; tolue et tourne'e en tel voie ib; trenche et travaiÜK
I 253. In dieser Klasse scheint die Alliteration nicht sehr be-
liebt gewesen zu sein; wenigstens ist MF wenig ergiebig, und
auch die meisten Stücke von CDF sind arm an Beispielen, wenn
auoli einige andere deren mehr zeigen, was bei der grossen
Anzahl von Gedichten aus drei Jahrhunderten verständlich ist.
8) Roman de Renart: ne buef ne . , . autre beste I
841 — 42; oii. gourpü ou gaignon III 54; »Kiter ne meegniw
I 258; et megre et memi XI 995; traUres ne triceret 1 571.
Eigennamen in a Clugni ou a Clereevax l 1013; dam Briche-
mers et Brun li ors XI 516.
9) Religiöse und didaktische Gedichte (Besant de
Dieu, Bible Guiot, Tournoiement de l'Antielirist). BD: e de
la langue e de la loigne 180; Ivxure e leceherte 1667 — 68;
de quei il sollt raez e nais 816; les poz e les picchiers sozleve
1923; james sanvez ne serriez 362; suef e sovent 433; »es
traisons, ses tricherits 1406. Bible: cortois et quenoissanz 356 ;
deffet et deffendu 960; de brr faiz et de lor folie» 1598; fu
faiz li temples et fondez 2183; sa paar» et sa repentance 2242;
por preesclder et por parier 2362; tormenz, tempeste 2477.
T: ardente et ague 14; si froide et si fade 50; glaive ne
gaveloe 46; de mort et de ?nesehief 44; porte et desplote 17;
sana sei et sann savor 50; vergier ne vignoble 12; lex vieleures
et les fors vins 15. Die Gedichte dieser Klasse zeigen viel
Alliteration, Verbindungen von Tugenden und Lastern werden
gern mit Anreim gebildet; iu T namentlich, welches auch volks-
tümliche Verbindungen aufweist, geht die Neigung für den An-
reim bisweilen bis zur Häufung alliterierender Wörter.
10) Lyrik (C'kanta kistoriques u. s. w. ed. v. Le Rous
de Lincy und Romanzen und Pagtourellen, ges. v. Bartsch).
Cha: Volkstümliche Verbindungen: ä crit et ä cors (14) V. 1, 3;
roy ne roc (15) XXV. 17, 5; »ans per et, mm peur ib. 25, 1;
ä tors et ä traoers (15) XXIX. 3, 3. Ausserdem: battnz, boutez
(15) XXV. 7, 2; don e donoi (12) X. 4, 5; chanson, ckans (12)
V, 1, 2; proesse et pite (15) XX. 5; voz iniquites et injures
(15) XIII. 19, 2; povoir et pii (13) XIII. 2, 5. RP: avoir,
amoniere 1IL 47, 38—39; durement et dauctment I. 72, 21—22;
et le fer et la flece I. 57, 46; graillet et gras L 36, 20; me
gard« et guete L 48, 18; un lievre . . . un hvrier III. 53, 19;
menue et morte et mal baiUie 1. 57, 23. Die Lyrik hat die
alliterierende Verbindung in ausgedehnterem Masse verwandt als
alle vorher erwähnten Dich tun gsarten. Beispiele aus der Volki-
sprache sind, der Entstehung der Lieder entsprechend, häufig.
Ober alliterierende Verbindungen in der alt franz. Liiieraiur. 119
In dem letzten Abschnitt des ersten Bandes tob Cha, welcher
das fünfzehnte Jahrhundert umfasst, ist die Alliteration se ge-
häuft, dass uns eine ästhetische Wirkung derselben ausgeschlossen
erscheint Man vergleiche dort No. XXV, welches Lied von
Moünet auf die Schlacht bei Guinegate gedichtet ist, and das
fast nur aas Versen wie die folgenden besteht:
chaesez, cenfuz, cravantez, confonduz,
perduz, penduz
trainez, taülez, retowrnez, retouiüez n. s. w.
11) Drama (Adam; Mistere du vid testament; Farce*,
Soties et Moralites). Ad: so gut wie ohne Ausbeute; die
wenigen Beispiele, die sich etwa auftreiben lassen, sind offenbar
ohne Absicht des Dichters entstanden oder hatten sich als Über-
setaung der betreffenden Bibelstellen eingebürgert Wenig besser
ist es mit Mi, wo sich allerdings einzelne Wendungen wie a pur
et a piain 2682; raison ne rime 8766 finden, die meisten
anderen aber Übersetzungen sind, die im Französischen zufällig
alliterieren, wie per* et plaemateur 715; puisaant et permouaable
1033. Ergiebiger sind FSM: Je n'y entends ne gros ne gresle
84 (ich verstehe gar nichts davon); ü est vray et veritt 87;
gauldir, galler 240; fiers, forte, felons 257.
12) Allegorisch-moralisierende Epik. (Roman de
la rose; Elie's Ovidübersetzung.) fio: recorbiüiis et crogues l
47; de dolor et de deepit I 6; fauce ou fole II 6; mettes i
avoü et mauvi* I 22; paindre, portraire 1 6; bien pignie et
bien paräe I 19; or resui princes or sui pagee II 10; or sui
Bobers or sui Robins II 10; saines et series I 22. E: et ei
li achate et aporte 1265; ou gresle ou glace 1139; proier et
pener 671; pignier ne poneier 635; proit, plorS 954; soupir,
sanglot 900; qui est eist vielz? qui est eist vairsf 192.
In diesen beiden Werken ist die Alliteration gern und in
passender Weise verwandt.
13) Kunstlyrik der späteren Zeit. (Adam de la
Halle; Rutebeuf; Christine de Pisan; Charles d? Orleans.) AH:
riant et rosine 90; et plus sage et plus souffrant 14; triste et
tenchans 300. Ru; ä vos m'aeort, ä vos m'apaie I 133, 20;
bediaus et baiüiz et borgois II 39, 18; bien et bontei II 7, 11;
et cruel et contralieus I 68, 18; cras et quarre I 172, 14; dur
et diver I 16, 15; dolente et dure I 14, 9; n'a fin ne fons
I 49, 25; mors et maubailliz I 3, 13; meslez et mis I 67, 1;
peligon ne pelice II 40, 24; ne pain ne paste I 9, 19; II 48,
23; et prince et prilat I 76, 6; sobres et sages I 15, 1; ä vins
et ä vitaiUe I 146, 6; vaines ne voles II 28, 8. CP: son corps
et sa conscience 5561; plus sont delitables et drois 928; et
M. Köhler,
esparsex et experdues 375; et des estans et des errabl-es (estoiles)
1828; /-eiirs forcen et leurs inßuences 1831; ne fist mur ne
MUH 801; prompt et prpM 5496; ChO: avugle et assourdy
278; »ann congie ou commandement 51; mon cueur et ma
guietance 157; dangier et dveil 74; dueü et despit 79; snns
faveur ou «ans ßaterie 27; refroidist et froüse 87; patsez,
presenz 228; pour aeigneur et souverain 10; comme sultgiez
et »erviteuTs 297.
In dieser Klasse wendet AH die Alliteration ziemlich selten
an, die anderen häufig und geschickt, Ru mit vielen Anlehnungen
an die Sprache des Volkes.
Überschauen wir daB ganze Gebiet nochmals, so sehen
wir, wie die Allitcration allmählich gegen Ende der altfranzösischen
Zeit an Häufigkeit zunimmt. Itetrachteu wir tlUchtig die weitere
Entwickelung der hier untersuchten Erscheinung in der franzö-
sischen Litteratur. In der mittclfranzösischen Zeit scheint sie
auf derselben Stufe gebliehen zu sein, mindestens wird eine Ab-
nahme, ein Vermeiden des Anreimes nicht bemerklich. Die
klassische Periode jedoch räumte mit der Alliteration vollständig
auf; in dieser Zeit galt eine öftere Wiederholung eines und
desselben Konsonanten in einem Verse für unschön, es sei denn,
dass eine Tonmalerei beabsichtigt gewesen wäre. Die Romantik
indes, die so viele Regeln nicht mehr anerkannte, die dem
Klassizismus heilig gewesen waren, hatte kein Bedenken, die
alliterierende Verbindung hin und wieder in ihren Gedichten zu
gebrauchen. Namentlich aber hat eB den Anschein, als ob die
jüngste französische Dichtcrschule, die Decadents oder iSyvibo-
ligtet, in ihrem Bestreben, die Poesie zu einer gesprochenen
Musik zu machen, die Alliteration als Verschönerungsmittel des
Verses gern verwendeten.
M. KÖHLER.
Moliere's Precieuses ridicules
in ihren Beziehungen zur Marquise de Rambouillet und
M116 de Scudöry.
Die Lösung der grossen Aufgaben, welche dem vorigen
Jahrhundert gestellt waren, verminderte die Anteilnahme an der
Gedankenwelt des XVII. Jahrhunderts und das Vertiefen in die-
selbe. Daher entschwand die Zeit Ludwig's XIII. und XIV. in
litterarischer Beziehung der Kenntnis auch bei den Gebildeten
allmählich derart, dass man schliesslich fast weniger von der-
selben wusste als von dem geistigen Leben im griechisch-
römischen Altertum. Wie bedeutend dieser fortwährend zu-
nehmende Verlust war, ersieht man schon aus Voltaire's be-
kanntem Catalogue alphabttique de la plupart des tcrivain*
franqais qui ont paru dans le siöcle de Louis XIV, und die
Stürme der Revolution zogen nur noch mehr von der Beschäfti-
gung mit jener Vergangenheit ab. Einst hoch angesehene Schrift-
steller, sowie solche zweiten und dritten Ranges gingen mit
Ausnahme der Dramatiker fast ganz unter; diese jedoch wurden
durch die zahlreichen theaterhistorischen Werke des vorigen
Jahrhunderts wenigstens bei den mehr gelehrten Litteraturfreunden
vor der Vergessenheit geschützt Allgemein bekannt blieben
nur die grossen Dichter und Prosaiker, aber auch diese hatten
in litterarischer wie sprachlicher Beziehung aufgehört, völlig
verständlich zu sein, wie Voltaire's Kommentar zu den (Euvres
de Corneiue nur zu klar beweist. Warum hätte es den Preziösen
anders ergehen sollen? Von den Personen, welche bei Dar-
stellung der preziösen Bewegung jetzt in jedem Kompendium
Erwähnung und Besprechung finden, war nicht viel mehr übrig
geblieben als die Namen Voiture, M*16 de Longueville, Scudäry,
Cotin und vor allen das Hotel de Rambouillet. Zu tief war der
Ruhm der incomparable Arihenice im Volksbewusstsein begründet,
als dass ihr Andenken erlöschen konnte, aber eine nur einiger-
massen ausführliche Schilderung, eine sachgemässe Würdigung
ihres Waltens sucht man bei den Schriftstellern des vorigen
W, Knörich,
Jahrhunderts vergebens. Ein Verständnis von Moliere's JEWmmmi
ridicule» und Femvies savante» war bei solcher Lage wohl
nicht möglich. Da aber die genaue Kenntnis der einschlägigen
Verhältnisse nicht mehr vorhanden war, so wurde es üblich, alle
Thorheiten Madelon's und Cathos' auf die Marquise zu tibertragen,
diese ftlr das Urbild der pecques provlnciales zu halten und ihr die
Schuld beizumessen, das» der bei espril so unsinnige Blüten trieb.
Unter allen französischen Dichtern des XVII. Jahrhunderts
hat Molicre von jeher weitaus am meisten Freunde und Be-
wunderer gehabt, ond gerade ihn vollständig verstehen und
würdigen zu können, musste sich immer mehr als Bedürfnis er-
weisen. Daher hat er zu den mannigfaltigsten Studien angeregt
und hauptsächlich dazu beigetragen, dass seine Zeit förmlich
wieder entdeckt wurde. Nicht blos das Verständnis meiner Werke,
sondern die Kenntnis seiner Zeit überhaupt und nach allen
Richtungen geistiger Betätigung hin ist jetzt wieder erschlossen.
Hit liebevoller Hingebung haben französische Forscher unermüd-
lich auf dem oft Öden Felde gearbeitet und uns einen lieichtum
von Gedanken und anziehenden Litteraturwerkeu, eine Fülle
interessanter Persönlichkeiten wieder kennen gelehrt, von denen
früher kaum noch eine dunkle Kunde vernommen wurde. Die
seit Lebret (1733) in rascher Folge erscheinenden grossen
Moliere- Ausgahen von Auger (161» ff.), Aime-Martiu (1834 ff.),
Moland (1863 f. — 2* Ausg. 1880 ff.), Despols-Mesnard (1873 ff.),
Livet (1887 ff.); die verschiedenen Biographieen des Dichters
von der Tasche re au 's (1823 f.) an bis auf die neueste von MeBuard
(1889); die geradezu zahllosen Monographieen, welche die grose-
artigeu handschriftlichen und gedruckten Schätze der französischen
Bibliotheken verarbeiteten, haben über die Zeit Moliere's wieder
helle Klarheit verbreitet, seine Werke fast in allen Anspielungen
wieder verständlich gemacht. Über Einiges ist der Streit aller-
dings noch nicht beendet. Zu diesen streitigen Punkten gehört
auch die Frage, ob die Precieuses ridlnde» blos die favuses
precieuses treffen sollten, oder ob der Dichter über diese hinaus
auf bestimmte Personen abzielte. In den folgenden Zeilen sei
es gestattet, die widerstreitenden Ansichten und Gründe zu be-
leuchten und eine Entscheidung der Frage zu versuchen.
Von den Zeitgenossen, d. h. von denen, welche zur Zeit
der Free. rid. oder bald darauf schrieben, hat Niemand behauptet
iu denselben eine versteckte Anspielung entdeckt oder vermutet
iu haben. Die ältesten Biographen des Dichters, wie La Orange
und Vinot (1682), Grimarest (1705), Bruzen de la Martiniere
(1725), noch auch die zahlreichen Anas und Memoirenwerke er-
> mit einem Worte, dass die beiden preziösen GXnscben
Moliere' s Precieuses ridicules etc. 128
Ar Zerrbilder lebender Personen oder deren Lebensart gehalten
worden seien, auch Voltaire in seinem Somrnaire behauptet dies
noch nicht. Wer zuerst die Behauptung aufgestellt hat, dass
die Marquise de Rambouillet durch Moliere verspottet worden
sei, vermag ich nicht an sagen. Auger schrieb (1819): — -??*
lorsqu'on considere combien Vassociation des precieuses Statt
formidahle par le nombre, le rang, la fortune et le credit de$
personnes qui en itaient les membres ou les appuis. Aussi
Moliire, pour donner le change ä leur furrnr, crut-il devoir
faire une disünction entre les precieuses veritables et les
precieuses ridicuies, et mettre toutes les sottises de l'kötel de
Rambouillet stur le campte de deux provinciales fraichement
debarqudes ((Eueres de Moliire, H, 75.) Im Jahre 1835 trat
der Graf P.-L. ftoderer dieser Ansicht entgegen und versachte
in seinem berühmten Memoire pour servir ä Vkistoire de la
sociüi polte en Frcmce die Marquise au rechtfertigen und dar-
zttthun, dass Moliere sie nicht gemeint haben könnte. Seine Ver-
teidigung litt an so grossen Mängeln, wimmelte von so vielen
Fehlern und Lächerlichkeiten, dass dieselbe vielen Widerspruch
erweckte, an der Sache wenig änderte. Genin in seiner Vis de
Moliire Bagt noeh 1 846 : II ne sagit point lä (Zun ridicule de
province, mais du ridicule de Vhötel de Rambouillet. M.
Raederer, dans son Histoire de la sociätä polie, a beaueoup
insiete sur Pinjustice pretendue de Moliere, et sur les eminente
Services rendus au langage par la coterie de madame de
Rambouillet. Cette thise a fait fortune, par un air piquant
et paradoxal. Que Vhötel de Rambouillet ait exerct une grande
inßuence sur la langue frangaise, je ne pretends pas le nier;
mais que cette inßuence ait ett salutaire, c'est ce qui est tris
contestable. Pour moi, je suis d'un avis opposS.1) Während
Rcederer die Marquise verteidigte, hatte er das Glück, einen
anderen Siindenbock zu finden, denn ohne einen solchen geht es
einmal nicht, und verkündigte, der Dichter habe unter dem
Namen Madeion die MUe de Seudery verspotten wollen, denn
diese Dame hätte Madeleine geheissen. Statt die Sache zu
klären, machte er sie nur verwickelter, doch hatte Roederer
wenigstens den Erfolg, dass die Litteratur der Preziösen ein-
gehend erforscht wurde. Cousin in seinem Werke La SodAe*
francaise au XV 1F sieclef d' apres le Grand Cyrus de M* de
Seudery (Paris 1858, II, 265) schliesst sich dem Urteil Rcederer's
über die Marquise an : II est aujourd'hui bien dimontre, depuis
Vounrmge de M. Rcederer, que Moliere ria Jamals songe
*) Lexigue compare' de la langue de Moliere, S. XVI, vgl. auch
*. 8. LXXIV ff.
124
W. Wmörkh,
ä attaquer Vhatel de Rainhon Met, und fügt (ib. 266) hinzu:
Maie nous allons plus loin; nous pretendmts que AT" de Setidery
et »a eociete', teltes qu'elles soiü de'peintes dang le Grand Cyrus,
quoique dejä bim differentes de l'hötel de Rambouillet, n'ont
pas davantage sei^oi de modele anx Precicuses ridiculcB etc.
Gerade in den letzten Jahrzehnten haben die bezüglichen
Forschungen einen grösseren Umfang genommen und reichen Stoff
aus gedruckten und ungedruckten Werken allgemein zugänglich
gemacht, aber eine Einigung über diese Frage ist noch nicht
erfolgt. Einige behaupten, Moliere habe durch die N am enge billig
klar genug angedeutet, dass er Catherine de Rambouillet und
Madeleine de Scudery verspotten wollte (so Fritsche, Namen-
buch, 2. Ausg. S. 150; H. Krerting, Gesch. des franz. Romans etc..
I, 462, vgl. auch Tallemant, Historiettes, ed. P. Paris, VII, 235).
Andere halten die Verspottung der Marquise für ausgeschlossen,
meinen aber, die Scudery sei persiHiert worden (so Ilourgoin,
Valentin Conrart etc. 1883, S. 254; Larrouraet, Ausg. d.
Pr6c. rid. Paris, Garnier, 1884 S. 34). Wieder Andere wollen
auch die Scudery nicht als Zielscheibe des Moliere'schen Witzes
erkennen (so Abbe Fahre, Jeunesse de Fleehier, Paris, Didier,
1882 1, 221; Livet, Ausg. d. Free, rid., Paris, 1884 S. XIII
u. «. a. O. seiner Schriften, vgl. auch Molierixfe VI, 148 ff.).
Eine vermittelnde Stellung nimmt DeBpois ein, der (ÖZuvres de
Moliere 1875 II, 5 ff.) sagt, der Dichter habe nicht bestimmte
Personen treffen wollen, aber il avait beau vouloir e'abetenir
des persomuih'li'ti: eilen se fninaieiit tonten seiden; il ne pouvait
douter que plus d:un trait, dirige en apparence contre les
pr4cieuses rtdicules, porterait plus haut; ihm schliessen sich
Mahrenholtz (Moliere's Leben, S. 78) und Crane au (la Socie'te
franq. an XVIP siicle. New- York and London, Putnam's Sons,
'. 1889, 8. XLIX); ahnlich urteilt auch Rathery (M'" de Scudery etc.
Paris, Tecbencr 1873, S. 85). Dies ist in kurzem Überblick
die geschichtliche Entwickelung der Frage und ihr heutiger
Stand. Untersuchen wir jetzt die Gründe, wo solche Überhaupt
vorgebracht worden sind.
.Wie es gekommen ist, dass die Marquise de Rambouillet
für eins der Urbilder zu den Pre'c. rid. gelten konnte, ist schon
entwickelt worden. Dass diese Behauptung falsch ist, haben
nach Rroderer viele mit guten Gründen erhärtet Aus Allem,
was bisher über die edle Marquise und deren Gesellschaft an
authentischem Material an den Tag gefördert worden ist, ergeben
sich gar keine Vergleichungspunkte, ausser dem, dass Moliere
eine der Dämchen Cathos naunte. Daraus aber etwas zu folgern,
ist doch sehr misslich, da dies (ebenso wie Madeion) ein ganz
Möllere's Precieuses ridicules etc. 125
gebräuchlicher, neben Catin auch in Lustspielen jener Zeit sehr
oft vorkommender Name ist. Wenn Fritsche (a. a. 0.) sagt,
er verstehe trotz der Ereiferung mancher Kommentatoren nicht,
warum Moliöre sich nicht auch diesen Scherz gemacht haben
sollte, so ist doch manches dagegen einzuwenden: das Hotel de
Rambouillet war im Jahre 1659 schon lange nicht mehr der
Mittelpunkt der litterarischen Gesellschaft, die Marquise lebte in
völliger Zurtickgezogenheit, aus der sie nur selten heraustrat;
ausserdem war aber ihr Ansehen so unbestritten, dass Moliöre
als Leiter eines ganz jungen Theaters in Paris es nicht wagen
konnte, gegen dieselbe eine beissende Satire zu schleudern; er
hätte sich sein Geschäft von vornherein verdorben. Um diese
Behauptung zu stützen, hat man sich auf einige Stellen zeit-
genössischer Schriftsteller berufen, ob aber mit Recht, ist die
Frage. Tallemant des Räaux (HistorieUes VII, 227) hat auf
das Ausführlichste von dem Fiasko, welches M. de Langey in
der Ausübung seiner ehelichen Pflichten gemacht, sowie von dem
Ehescheidungsprozess mit möglichster Ausführlichkeit und Unver-
blttmtheit berichtet und fügt hinzu: quand M. de Lillebonne espousa
[3. 8ept 1658] feu Mlu d'Estrees [f 18. Dez. 1658], qui estoit
prtcieuse, on dit de luy comme de Grrignan, quand il espousa
Af de Rambouillet [d. i. Angälique], un des originaux des
Precieuses, qu'ü avoit faxt de grands exploits la nuict de
de leurs nopces [27. April 1658]; Mme de Montausier escrivit
ä sa sceur, en Provence: „Ow fait des medisances de M** de
Lillebonne comme de vous." M** de Qrignan respondit que,
pour remettre les Precieuses en röputativn, eile ne savait plus
quun moyen, c'estoit que M"e d'Aumale espousast Langey.
Dazu bemerkt P. Paris: un des originaux des Precieuses, cest
ä dire, une des personnes qui ont servi de modele pour les
Precieuses. Ces mots de des Reaux ont une grande importance
litteraire, puisqu'ils sont icrits environ un an aprüs la pr emier e
representation des Precieuses ridicules, et parce qu'ü ne peut
avoir voulu ddsigner que la comedie de Moliere, qui faisait
alors tant de bruit. Cfoait donc bien sur les patrons de
Thöiel de Rambouillet que Moliire avait dessinä ses copies.
Cela est dur ä confesser; fen suis fache* pour Reeder er,
Walckenaer et bien d'autres; mais le timoignage est irre'cusable.
Woher er weiss, dass die betreffende Historiette im Jahre 1660
verfasst sei, sagt Paris nicht; mit Ausnahme des letzten Teils
(von S. 228 unten) kann dieselbe sehr wohl noch im Jahre 1658
oder Anfang 1659 geschrieben worden sein. Ferner ist es mir
ganz zweifellos, dass der Verfasser nicht Moliöre's Pr4c. rid.
gemeint hat; wäre dies der Fall gewesen, so hätte er, weil die
136
W. ktwrich,
Darstellung an Interesse gewann, die« klar gesagt, und im stände
war er dazu. Er sagt aber bloss, Angelique de Rambouillet,
oder vielmehr d'Angennes sei filr die Preziösen ein Vorbild ge-
wesen, dieselben hätten ihr nachgeahmt, und das wissen wir
auch sonst. Aus der mitgeteilten Stelle und aus dem weiteren
Zusammenhang lä'BSt sich weiter nichts folgern. Einen Anhalt
könnte das Mannskript geben durch die Art, wie das Wort
Precieuses geschrieben ist; der Herausgeber lässt es sich vom
Kontexte abheben, ob die Handschrift ihn dazu berechtigte,
kann nur eine Vergleichung ergeben. Ferner ist noch von
Keinem behauptet worden, dass Angelique d'Angennes das Ur-
bild der Cathos oder Madeion sei, und Paris will das auch
nicht behaupten; um also zu dem gewünschten Ergebnis zu ge-
langen, dehnt er ganz willkürlich den Ausdruck Tallemant's auf
das ganze Hotel de Rambouillet aus. Nach meiner Ansicht be-
weist diese Stelle ans den Hist.oriettea gar nichts, als dass
M"" d'Estries und Angelique Preziösen waren, und dass der
letzteren Benehmen nachgeäfft wurde. Geradezu unbegreiflich ist
mir, was Despois (a. a. 0. 8. 4) aus den Worten Tallemant's
macht: bien que Tatlemant des Beattx- alt pretendu
savoir que M1" de Rambouillet fut V original dont l'une de»
präcieuses de Molih-e etait la copie. Sagt dies der Skandal-
chronist? Noch eine Stelle aus Tatlemant wird angezogen, um
es glaublich zu machen, dass die Marqnise mit Moüere's Preziösen
Ähnlichkeit gehabt habe: des Re.aux, mm admiruteur, dit d'elle
qn'elle etait u» peu trop complimenteuse, un peu trop
de~licate: „cela va dans Fexc&s", ajoiite-t-il. So zitiert Despois
(a. a. 0. 8. 64); aber ganz andere Bedeutung erlangen die Worte,
wenn man sie in dem Zusammenhange betrachtet, in dem sie
bei Tallemant (II, 504 ff.) stehen: Elle eat nn peu trop compli-
menteuse pottr certaines gen» gui n'm valimt pas la peine;
mais c'est un dtfavt que peu de persounes ont aujourd'huy,
car il n'y a plus gueres de civilite". Elle est wn peu trop
delicate, et le mot de teigneux dann nne satyre on dans IHM
epigramme Itiy donne, dit-elle, une vilaine idfa. On n'oseroit
prononcer le mot de eul; cela va dans l'excfa, surtonf quand
on est en liberte. iS"'in mary et eile vhotent un peu trop eil
ceremonie. Die Rede, auch diejenige der Gebildeten, vermied
es damals nicht, Alles bei dem richtigen Namen zu nennen, wie
es heutzutage der Anstand vielfach verbietet, ja nach Bayle's Diät.
hist. etc. IV, 643 B wurden Voiture's Stances sur wie damt-
dont ta juppe fut retrousse'e en oersant dans um carrosse A
la eampagne (wo die Wörter derrlere und r.ul keine nebensäch-
liche Rolle spielen) von den meisten Damen geanngen. Ist es
Moütrcs Precievses ridkules etc. 127
•
■ieht vielmehr ein Verdienst der Marquise, dass sie derartige
Ausdrücke aas der Unterhaltung zu verbannen strebte? Weshalb
Talletnant ein solches Zartgefühl nicht verstehen konnte, wird
bei Lesung seiner HistorieUes nur zu klar. Dass ferner die
Marquise ein Unbehagen empfand, wenn ihr ekelhafte Vorstellungen
erweckt wurden, wie durch das Wort teigneux, ist nicht ein
Bischen schlimmer, als wenn unser Goethe, der doch ein kräftiger
war (Ausg. von 1830, XXXII, 73), von sich sagt, er habe
i der Lektüre des Armen Heinrich einen physisch-ästhetischen
Ekel gehabt, der soweit gegangen, dass er bei wiederholter
Lesung sieh selbst von der in dem Gedichte geschilderten Misel-
sucht hätte angesteckt glauben können. Ob Goathe deswegen der
Zimperlichkeit von Jemand angeklagt worden, ist mir nicht bekannt
Die aus Tallemant des Röaux angezogenen 8tellen bieten
also keinen Anhalt für die Behauptung, dass die Marquise von
Moliöre satirisch dargestellt worden sei.
Ferner sind zwei 8tellen aus Somaize in dem Sinne ge-
deutet worden, als ob Moliöre durch die Schilderung seiner
Presittsen höhere Kreise habe treffen wollen. In der ISrtface
su seinen Vtritables Precieuses greift Somaize Moli&re's Äusse-
rungen in dessen Vorrede zu den Free. rid. an und sagt:
Cependant il cache sous cettefausse vertu [i. e. sous la modestiej
tout ee que Vinsolence a de 'plus effrontt, et met sur le thiätre
uns satyre qui, quoy que sous des Images crotesques, ne laisse
pas de blaisser tous ceux quü a voulu aecuser. Dieser An-
griff ist jedenfalls lediglich aus dem Bedürfnis entsprungen durch
maaslose Gehässigkeit auf Moliöre sich die Gunst der Damen zu
gewinnen und für guten AbBatz seiner elenden Posse zu sorgen.
Irgend einen Schluß» aus diesen Worten auf bestimmte Personen
und Kreise zu machen ißt bei der Allgemeinheit des Ausdrucks
lieht möglich. — In der angeblich von einem Freunde, aber
wahrscheinlich von Somaize selbst geschriebenen Prefaee zum
Orand dictionnaire hist. des Precieuses werden die Damen in
vier Klassen eingeteilt: les premiere* sont tout ä fait ignorantes.
Die zweite Klasse begreift die, welche man meint, quand nous
dUons un esprÜ de femme, c'est ä dire un esprit bornd. Les
troisiemes sont celles qui, ayant ou un peu plus de bien ou un
peu plus de beaute que les autres, taschent de se tirer hors du
commun; et pour cet effet eUes lisent Ums les romans et tous
les ouvrages de galanterie qui se fönt Weiter bemerkt er von
dieser Art: EUes ne scauraient souffrir ceux qui ne seavent ce
que e'est que galanterie, comme elles taschent de bien parier,
disesU quelquefoü des mots nouveaux sans s'en appercevoir,
qui, estant pnmoncez avec un air ddgage et avec toute la
delicatesse imaginable, paroissent souvent amsi bons qu'ils sont
extraordmaires; et ce sont ce* aimable* personnes que
Mase.arille [i. e. Molitre] a traite'es de ridicules dann
se* Pretieuses. Die vierte Klasse bilden die pretieuses
scavantes. Ce sont de ces deitx demieres »ortest de femmes
dont Monsieur de Somaize parle dans WH dictionnaire sous
le nom de pretieuses du second ordre», et les autres sont de
veritables pretieuses. Weit entfernt für ilie in Frage stehende
Behauptung etwae zu ergeben, spricht diese Ausführung gegen
dieselbe, indem sie feststellt, dass Meliere die Preziüsen zweiten
Ranges, die aus Pflichtgefühl jeden Human lasen und Sprach-
Unsinn trieben, lächerlich gemacht hai, wohingegen er ein Gleiches
in Betreff der seavantes, der Schriftstellerinnen, nicht behauptet.
Endlich wird noch Boileau zum Beweise angeführt, der in
seiner X. Satire (von 1693!), Vers 438 ff. sagt:
Uite precieuse,
Reste de cm esprits jailis si renommes
Que d'un amp de «pH art Mutiere a diffnmes.
Dcspois (a. a. 0. S. 4) bemerkt dazu: Ces esprits si
renommes n'e'taient evidemment pas les pecques pro-
vinciales que Moliere avait mixe* en teÜU, et c'est ce dont
personne ne parait avoir doute parmi les contemporains. Das
ist doch gewiss eiue gewaltsame Auslegung. In der That waren
die precieuse* bourgeoise* oder du second ordre vor Moliere's
Auftreten gegen dieselben renomme'es, wiire ihr Ruf nicht in
Paris und in den Provinzialstädten ein so lauter gewesen, hätte
Moliere dann wohl sich überhaupt gemässigt gesehen gegen die-
selben zu schreiben? Wenn Despois ferner sagt, die Zeitgenossen
hätten zweifellos dieselbe Ansicht, wie er, gehabt, so hoffe ich,
dass die vorangehend!', vollmundige Ausführung der Zeugnisse
beweist, dass wenigstens die schnftstellerndeu Zeitgenossen nichts
davon zu wissen scheinen, dass Möllere bestimmte berühmte Per-
sonen angreifen wollte. Was die übrigen Zeitgenossen gedacht
haben oder gedacht haben konnten, das bleibt füglich ausser
Betracht.
In seiner Preface leugnet Moliere bekanntlich ab bestimmte
angesehene Personen gemeint zu haben: J'aurois voulu faire
voir quelle [i, e. cette C'omediej fe tient par tout dans les
bornes de lu *atyrn hon ne/te, & permife; que les plut excellentes
ehoj'es fönt fuiettes ä eftre copiees par de mauuais Singe*, gut
meritent d'eftre bernez, que ces vicieufes imitations de ce quil
y a de plus parfait, ont ejle de tont temps, la matiere de la
Comedie etc. Da diese Worte schlecht mit der betreffenden
Behauptung in Einklang zu briugeu sind, bo wird kurzweg die
Moliere's Precieuses ridicuks etc. 129
Aufrichtigkeit derselben bestritten; man sagt, es seien prScautions
oratoires (Rathery), Ausflüchte und dergleichen. Bekannntlich hat
Moliäre mehrfach gegen die Sucht seiner Zeitgenossen sich er-
klärt in seinen Komödien Portraits zu vermuten und zu finden,
so im Impromptu de Versailles und noch einmal, als er zwei
Tage vor der ersten Aufführung die Femmes savantes seinen
Zuschauern empfahl. Nach allgemeiner Annahme hat Moliere
das letzte Mal (9. März 1672) wider besseres Wissen gesprochen,
die zur absichtlichen Verspottung zweier Zeitgenossen dienenden
Reden und Situationen abgeleugnet. Es wäre daher wohl möglich,
dass der Dichter i. J. 1659 gleicher Weise verfahren sei, aber
die beiden Fälle liegen doch wesentlich verschieden. Im Jahre
1672 erkannten die Zuschauer Cotin und Manage sofort in
Trissotin und Vadius, und der erstere fühlt sich selbst ge-
troffen, wie durch de Vis6 im Mercure galant brühwarm mitgeteilt
wird; im Jahre 1659 fühlte sich weder die Marquise, noch die
Scudäry, noch eine andere bestimmte Dame der besseren Gesell-
schaft getroffen, und keiner von den vielen hungrigen Litteraten
jener Zeit hat berichtet, dass Jemand Madeion und Cathos für
personnages deguisez gehalten oder erklärt habe. Ich bin der
Ansicht, dass Moli&re in der Preface zu den Free. rid. nicht
geflunkert hat, und kann folgendes zur Begründung anführen:
1) Es gab in der That i. J. 1659 zwei ganz verschiedene Arten
von Preziösen, die Vorbilder und die Nachäfferinnen ; das bezeugt
Somaize in der zweiten von den oben angeführten Stellen, ferner
Scarron in der Epitre chagrine vom Jahre 1659 (vergl. in der
Zeitschrift XI1, S. 173), und auch schon 1656 machte der Abb6
de Pure diesen Unterschied und sagte, er habe mit seiner italie-
nischen Posse die fausses precieuses gemeint.1) 2) Moli&re's
Behauptung wird bestätigt durch zwei unverdächtige Zeitgenossen.
Somaize sagt in der Preface (siehe oben) ausdrücklich, Moliäre
habe die precieuses galantes oder du second ordre lächerlich
gemacht, von den precieuses savantes, zu denen doch die Mar-
quise und die Scudäry gehören, sagt er ein Gleiches nicht.
Furetifere, der Verfasser mehrerer satirischer Schriften gegen die
Preziosität, erklärt: Precieuse est une epithete quon a donne
ci-devant ä des filles de grand merite et de grande vertu, qui
savaient bien le monde et la langue; mais parce que d'autres
<mt affecte et outri leurs manieres, cela a de'crie le mot, et on
les a appelees fausses Precieuses ou Precieuses ridicules
dontMolikre afait une comedie, et de Pure un roman.2)
*) Vergl. Somaize, Grand dict. hisi., tfi. Livet I, 188.
*) Zitiert nach Livet, Prec. rid. S Vi.
Zschr. f. frs. Spr. u. Litt. XII*.
130
W. knürieli,
Da also Moliere nach meiner, wie ich hoffe, begründeten
Ansicht der Wahrheit gemäss behauptet, nur die mauvais singes
Labe er treffen wollen, so ist die Marqnise auch dadurch noch
von dem Verdachte freigesprochen, dass sie, die edelate und
erste der Damen, welche man seit etwa 1652 als Preiiösen be-
zeichnete, durch Moliere verspottet, karrikiert worden sei, und
es bliebe nur noch ein Wort ober M"° de Scudery zu sagen llbrig.
80 viel wir wissen, haben die Leser und Zuschauer bis
zu Rcederer's berühmten Memoire «MF nervir etc., also 176
Jahre lang nicht geahnt, daas Moliere die Scudery durch die
Figur Madelon's habe verspotten wollen, dem Jahre 1835 war
diese Entdeckung vorbehalten. Nachdem dieselbe nnu einmal
gemacht war, fand sie mehr gläubige Verfechter als Gegner.
Zu den Gegnern gehört als der erste, der mit guten Gründen
seine Behauptung verficht, Victor Cousin. Dieser seheint aber
(vgl. oben) in der litterarischcn Thätigkeit der Scudery zwei
Phasen zu unterscheiden, die Periode des Grand Cgrus und die-
jenige der C'telie, und nur für die erste der beiden Perioden
ihre Vorbildlichkeit für Moliere zu bestreiten. Livet und der
Abb6 Fabre (a. d. a. 0.) erkennen die Scudery Überhaupt nicht
in der Posse wieder. Die Gründe, welche man für die Ver-
spottung anführt, sind wenig zahlreich. Hr. Kcerting in der
Geschichte den frauzüsuclusn Homans (I, 462) fasst sie zu-
sammen: „Dass der unvergleichliche Spott dieser Komödie Moliere's
sich fast ausschliesslich gegen die Verfasserin der CliHir wendet,
darüber konnte kein Zweifel sein, selbst wenn Moliere Gorgibtia'
gezierte Tochter nicht nach Madeleine getauft hätte. Er ver-
spottet ja aufs deutlichste das I.iebessystem ihrer Romane, die
Carte de Tendre, den faden Witz Amilcar's. 1659 erschienen
die Lächerlichen Preziösen; 166U verläsBt Madelciue eine Manier,
die ihr den Hohn des grössten Zeitgenossen eingetragen. Es
hiesse die Augen absichtlich verschliessen, wollte man zwischen
den beiden Daten keinen ursächlichen Zusammenhang annehmen."
Dagegen lüsst folgendes Blch geltend machen. Ob die heideo
Romane Almahide und Mathilde von Madeleiue verfasst sind,
ist noch nicht erwiesen, und der Verfasser der verdienstlichen
Geschichte des französischen Romans bringt auch keine Beweise
dafür. Dass die Scndery die Manier der Ctiliv. aufgegeben hat,
ist allerdings richtig; nach den Me'naaiaita (1, 2<>6, Ausg, von
1694) hatte sie noch einen Roman gedichtet, wollte denselben
aber nicht veröffentlichen, weil personne ne voudrtiit ni l'acbeter
ni lire. Welcher Art dieser zurückgehaltene Roman war, ob es
vielleicht einer der beiden genannten gewesen, ist nicht bekannt.
Wie sich das nun auch verhalten mag, jedenfalls hat Madeleine
Moliire* $ Prcckuses ridictties etc. 131
die von ihr au Blüte geführte. Manier des Romans nach Been-
digung der CUUe, welche mit den* Auftreten Kotiere'* fast zu-
ssmmenfällt, nieht weiter gepflegt. Ob die Free. ricL die» ver-
tnlasst haben oder nicht, läset sich nieht erweisen. Wenn die
Annahme richtig ist, dass die Dichterin aber ihr Werk und sieh
selbst getroffen fühlte, dann orass man sieh darüber wundern,
dass dieselbe sich zu keinem ihrer vertrauten Freunde brieflich
darüber äussert, selbst nicht in den Briefen an den Abbe Boisot
vom 6, Mära 1694 ff., wo sie sich gegen Boileau's Angriffe ver*
teidigt. So wie ich die Ulueire Sapho beurteile, war sie nicht
danach angethan, eine Kränkung still hinzunehmen. Deshalb
glaube ich auch, dass sie Molieve's Posse nicht als gegen sieh
gerichtet, betrachtete, und dass sie nicht durch dieselbe bestimmt
wurde, die Manier aufzugeben, dass vielmehr andere Ursachen
sie dazu vermochten. — Der Namengebung (Maddon: Madeleine)
mochte ich gar keine Beweiskraft beimessen (vergh oben)» —
Was endlich den dritten von Karting angeführten Grund betrifft,
so gebe ich auch diesen nicht als richtig zu. Zwar spielen
das Liebessystem, wie die Clelie es lehrt, and die Carte de
Tendre eine Rolle in den Pric. rid., indem die peeques pro
vinciaUs dieselben zum Vorbilde nehmen, ihr Gebahren danach ein-
summten. Aber nach meiner Ansicht verspottet es die Thörinneu,
welche das wirkliche Leben nach den Phantasiegebilden der
Dichter gestalten wollen, statt sich vom gesunden Menschenver-
stände fuhren zu lassen. Die Scudery und ihre Romane ver-
spottete er in den Pr4c. rid* ebenso wenig, wie in den Femme*
tavante* die Wissenschaften, weil sie unberufene, unfähige Pflege-
rinnen finden, wie im Tartuffe die Religion, weil sie zum Deck-
mantel des Verwerflichen dient. Einen Angriff auf die Soud&ry
und awar den einzigen auf Molieres Seite, findet man im Sgana-
reue Vers 27 ff., wo Gorgibus unter anderem sagt:
Et vous parier de Dieu bkn moms fttt de Clelie.
Jetez-moi dans te feu ious ces mecharäs eerils,
Qui gätent totis les iours tont de jeunes esprits.
Lisez-moi, comme if faut, au lieu de ces sornettes. — —
Endlich der Umstand, dass der Dichter gerade die Scudery'-
schen Romane als Vorbilder für seine Heldinnen wählt, ist als
Beweis für Verspottung derselben hingestellt worden. Aber
welchen anderen Roman hätte er i. J. 1659 wohl nehmen sollen?
Kein anderer war auch annähernd so populär, kein anderer be-
handelte so viele allgemein interessante Personen und besprach
so eingehend die Gedanken, welche die Zeit beherrschten, als
gerade der Grand Cyrus und die CUlie. Nach dem Urteil der
später Geborenen waren es wahre Ungetüme, voll von lächerlich
9*
132
ff. Am'irich.
erscheinenden Gedanken; zu ilirer Zeit wurden sie mit ganz an-
deren Augen betrachtet, nach anderen Grundsätzen beurteilt und
erfreuten eich der grössten Verehrung diesseits wie jenseits des
Rheins. Zudem enthalten sie sehr viele gute und ausgezeichnete
Stellen, von denen Meliere bekanntlieh eine fast wörtlich in den
Femmes savautet benutzte. Die Carte de Tendre gilt als das
Non plus ultra des prezitiseu Unsinnes, aber ist ea denn wirklich
so schlimm damit? „Es ist," wie H. Kmrting (a. a. 0. 1, 441)
treffend sagt, „eine aussuche Spielerei, der sich aber gleichwohl
ein gewisser Esprit und eine gewisse Zartheit nicht abstreiten
lassen." Zur Milderung des Urteils über dieselbe muss es bei-
tragen, dass die Erfinderin selbst sehr gering von dieser Tän-
delei dachte und nicht versäumte dieselbe mit folgenden Worten
den Lesern darzubieten: comme il y a d'etranget gens par lt
monde, j'apprehendv exfrümemeat qu'il n'y m nlt qut s'imagi-
nent que j'ay jiensii ä cela fort nerieusement, que fay resve
plusieurs jours pour le chercher, el que je crois avolr fait
une ehose admirable. C'epe.ndant c'est une folUe d'un wiomeiit,
que je ne regarde touf au plus que comme une bagatelie etc.
Den Zeitgenossen gefiel dieses Spiel ungemein, wie die zahl-
reichen Nachahmungen beweisen, Das Lächerliche Hegt einstig
in der übertreibenden Bewunderung, welche eine Kleinigkeit zu
einem grossen Ereignis aufbauschte; dies hat Moliere vielleicht
nebenbei geissein wollen, die Sache selbst bleibt von der Satire
unberührt.
Weitere Gründe sind mir nicht bekannt geworden, welche
beweisen sollen, dass Molitre in den Free, rid. die Marquise
de Rambouillet nnd M"" de Scudery satirisiert habe, und diese
Gründe habe ich, wie ich hoffe, als nicht stichhaltig nachge-
wiesen. Irgend welche Ähnlichkeit, wie solche bei Alceste
(Montausieri, Trissoti», V'idiits und anderen Figuren von Moliere's
Bühne bestehen, sind bei Madulon und Cathos nicht erfindlich
und auch nicht gefunden worden.
Da also die Zeitgenossen keine Verspottung bekannter und
angesehener Personen in den Pr£c. ritt, erblickten, da ferner
die als Urbilder verdächtigten Beiden sich in den Personen des
Stückes nicht wiedererkannte», endlich da die für eine dahin-
zielende Behauptung aufgestellten Gründe nicht stichhaltig sind,
so verwerfen wir die Ansicht, dass historisch bekannte Personen
von Moliere in den Free. rid. satirisch behandelt worden seien,
und damit sind wir zu dem Standpunkte der Betrachtung zurück-
gelangt, auf welchem sich Moliere's Zuschauer befanden.
Welches Moliere's Absicht war, als er in der IV. Szene
seiner Posse die Liebestheorieen der Cle'lie und die Carle de
Möllere's Precxeuses ridicules etc. 133
Tendre heranzog, geht aus dem Gesagten schon hervor, doch
sei ein kurzes Wort weiterer Begründung noch gestattet.
Das Ende des 16. und die erste Hälfte des i7. Jahr-
hunderts waren einer von den Zeitläuften, in welchen Romane
eine tiefere und allgemeinere Wirkung auf das französische
Volk ausübten, als in anderen. Dieser grosse Einfluss war
durch die Ritterromane, besonders durch den Amadis begründet
worden und wurde durch d'Urfe's Astree (1610) ein weithin
herrschender. Dieser Hirtenroman führte in eine ideale, glück-
liche Welt ein, in der die Leser das fanden, was sie in der
wirklichen schmerzlich vermissten. In diesen vertieften sich
Hoch und Niedrig, um die Gegenwart auf eine Zeit zu vergessen;
ja man setzte die Täuschung weiter fort, indem man aus dem
Roman in das Leben soviel als möglich hineinrettete. So er-
zählt schon 1627 Sorel im Berger extravagant (S. 51): festois,
dit Lysis, d'une compagnie oü les garcpns et les fiües pre-
noient tous des noms du livre eT Astree, et notre entretien estoit
une pastorale perpituelle. Obwohl dem Schäferroman eine nur
kurze Pflege zu teil ward, blieb die Astree noch viele Jahr-
zehnte ein Lieblingsbuch. Schäferspiele wurden nach ihr von
Gesellschaften ersonnen und aufgeführt, wie wir vom Kreise der
Marquise de Rambouillet u. a. wissen, die Unterhaltung bewegte
sich vielfach in dem Gedankenkreise und in den Ausdrücken
desselben, und der Roman erhielt schliesslich eine über das
Bedürfnis geistiger Erholung und Anregung weit hinausgehende
Bedeutung. Lehrreich sind in dieser Beziehung die Brief] itteratur
und die Komödien jener Zeit, wie in der Zeitschrift (Band XI1,
S. 168 f.) ausgeführt ist. Die Romane galten als eine Quelle
der Belehrung und scavoir les romans war eine Forderung, die
man an den Gebildeten stellte. Die eigentümliche in den Damen-
zirkeln zum Ausdruck kommende Geistesrichtung leistete der
Vertiefung dieses Einflusses mächtigen Vorschub und zur Zeit,
wo Moli&re seine Vaterstadt wieder betrat, war die Herrschaft
der Romanideen so gewaltig, dass sie eine Gefahr für das Volk
bedeutete. Es entspricht den Thatsachen, wenn Moli&re die
beiden Preziösen so darstellt, dass sie die Entscheidung über
einen so wichtigen Akt, wie die Eheschliessung ist, völlig nach
den Moderomanen treffen und die durch den gesunden Menschen-
verstand gegebenen Gesetze ausser Acht lassen. Dass der
Dichter gegen dieses Übel auftrat, ist verdienstlich und recht-
fertigt genügend die Abfassung seines Werkes. Diese Tendenz
hätte ihm Stoff genug dargeboten, um das ganze Stück damit aus-
zufüllen. Er hielt es aber für notwendig noch einen zweiten
Schaden seiner Zeit zu rügen, nämlich die bis zur Widersinnig-
134 Nutete.
keit gebliebene bildlich bhi schreib endo Redeweise der Presülaeii.
Auch diese ans der Anwendung von dichterischen Floskel» »in
unrechten Orte hervorgegangene Liebhaberei konnte flr das
geistige Leben eine Gefahr berge», wenn ea derselben gelang,
ernsthaften Ausdruck in der Litteratur iu gewinnen.
Dies Bind die Ansichten, welche ich mir über den be-
handelten Punkt nach langer, ausgedehnter Lektüre gebildet
habe. leb bin mir bewnsst, vielfachen Widersprach m begegnen,
sehe aber demselben, soweit er ein sachlicher bleibt, mit der
Hoffnung entgegnen, dass die Lösung, dieses kleinen Problems
dadurch gefördert wird. W. K. NO Bio».
Miszelle.
Herr F. Brünettere als Voltairekritiker.
In der Revue des deux xiaades vom 1. November 188» hat der
bekannte Verfasser der Revties lilteraircs der erwähnten Zeitschrift
auch Bengesco'n Voltaire- Bibliographie besprochen, deren dritter Teil
eeft kurzem gedrückt Torliegt. Alles, was Br. zirm lobe dieses aber-
aus fJeiseigen, sorgfältigen, für den Voltairgfo reche r unentbehrlichen
Wirke« sagt, unterschreiben wir vollständig, glauben aber entschieden«
Verwahrung einlegen zu müssen, wenn der genannte Kritiker die
deutschen und englischen Voltaire-Biographen für angeblich irrtüm-
liche Auffassungen des Philosophen von Ferner verantwortlich macht,
ht denen sie nicht nur mit den „nationalen" Kritikern völlig überein-
stimme», sondern auch entschieden das Richtige getroffen haben.
Zuvörderst scheint uns die Kenntnis des Herrn Brünettere von
der deutschen oder englischen Voltairelitterat ur eine sehr eng begrenzte
zu sein, er erwähnt nämlich nur ipeemink causa je eine Schrift. Km
Heister gewandter Dialektik wie er ist, hilft er nick »war mit der
Wendung, er wolle nur die Schriften aller neuesten Datums berück-
sichtigen, aber da will dass Unglück, dass er Hertz'« an sich sehr ver-
dienstvolles Werk Qber Voltaire und die französische Strafrecktspftege
hineinsieht, das mit der beanstandeten Auffassung gar nichts in thus
hat. Ob Herr Br. des Deutsches soweit mächtig ist, um die Werke
nnserer Fachliteratur im Originale lesen und verstehen in können,
wissen wir nicht, vielleicht muss er, wie so viele namhafte Pariser
Gelehrte; sich auf Referate französischer Zeitschriften oder anf münd-
liche Überlieferung ein sein er Abschnitte verlassen,1) jedenfalls deutet die
Hineinsiehung des Herts'scben Buches, darauf hin, dass er das Passende
in seinen Zitaten deutscher Fachwerke nicht stets zu finden vermag.
Die beanstandete Auffassung ist nun folgende. Nach allen, che
bis jetzt Voltuire's Leben auf Grund eigener oder fremder Studien
behandelt haben, ist der Bnfluss der englischen Deisten auf des Philo-
sophen spätere hirchen feindliche oder in Locke's nnd Newton's Sinne
verfaestc Schriften ein sehr nachhaltiger gewesen und mau braucht
*) Letzteres An skunfts mittel musste Z. B. ein französischer Vol-
taire fers eher, nach seinem eigenen Geständnis in Ansprach nehmen,
als er des Ref. Bchrift: Voltaire'* Leben und Werke kennen lernen wollte.
MuzeQe. 185
hierfür nur die Thateachen anzuführen , dass Voltaire Locke's und
namentlich Newton's 8ystem während seines englischen Exils erst
kennen lernte und mit der englischen Dichtung und der englischen
Sprache nähere Fühlung gewann, daBS er für seine kleineren tbeologisoh-
philoeophischen Streitschriften sehr viele Argumente aus Bolinghroke's
Essays entnahm, auch, nach brieflichen Äusserungen zu schlieesen,
TindaVs und Woolston's Schriften nicht fremd blieb. Kein Mensch
natürlich, weder ein Franzose, noch ein Deutscher, noch ein Eng-
länder hat jemals glauben können, dass Voltaire erst in England
zum Freidenker geworden sei, gegen diese Annahme würde auch die
oberflächlichste Kenntnis der vor 1726 von ihm geschaffenen Werke
sprechen. Wenn Herr Br. also gegen diese Auffassung kämpft,
so streitet er, wie einst der edle Kitter von La Mancha, gegen Wind«
m fthle nflügel. Es ist daher völlig unerheblich, ob das ketzerische
Le Pöur et Conlre vor oder nach dem englischen Aufenthalte ent-
standen ist, wenigstens unerheblich für die von Herrn Br. erfundene
Streitfrage, wir haben von Voltaire's frühzeitiger FreigeiBterei ohnehin
direkte Zeugnisse genug. Schon der Verkehr Lord Bolinbroke's mit
Voltaire lange vor dessen Reise nach England lässt darauf schlieasen,
das« der jugendliche Jesuiten zögling nicht nur den bekannten religiösen
Anschauungen des englischen Weltmannes nahe stand, sondern auch
den englischen Deismus aus den Mitteilungen des Lords kennen lernte.
Wann und wodurch Voltaire zum Freigeist geworden, das wäre schon eher
ein Gegenstand der Kontroverse. Die Anekdoten über seine ketzerischen
Äusserungen während der Gymnasialzeit muss eine bedächtige Kritik
wohl verwerfen, aber der Einfluss der Templegesellschaft nach der frei-
geistigen Richtung hin und die Einwirkung der gesamten ungläubigen und
frivolen Weltanschauung der Pariser vornehmen Kreise in den letzten
Jahren Lndwig's XIV. sind beglaubigte Thateachen. Dass auch Bayle,
den Herr Br. für Voltaire's Ketzereien allein verantwortlich macht,
einen Teil der Schuld oder des Verdienstes trägt, ist wahrscheinlich,
aber keineswegs so unbedingt ausgemacht. Hätte Herr Hr., der auf
Voltaire- Spezialforscher mit einem aus Mitleid und Anerkennung ge-
mischten Wohlwollen hinschaut, einmal Bayle's und Voltaire's philo-
sophische Wörterbücher Zeile für Zeile verglichen, wie Referent es zu
thun für nötig erachtete, so würde er in wichtigen philosophischen
Fragen natürlich die allen Freigeistern gemeinsamen Berührungspunkte,
aber daneben recht viele Abweichungen und in Einzelheiten sogar eine
geflissentlich zugespitzte Opposition gegen den älteren Vorgänger ge-
funden haben. Und was bewiese Bayle's Einfluss, mag er umfassender und
nachdrücklicher, oder geringer und oberflächlicher gewesen sein, gegen
die Einwirkung des englischen Deisten auf Voltaire's späteres Schaffen?
Nach Herrn Br. ist freilich diese englische Richtung nicht die
Lehrerin und Erzieherin der französischen Aufklärung, sondern umge-
kehrt erst aus Frankreich über den Kanal importirt worden. Sie sei
an den religiösen Ketzereien Voltaire's und der Encyklopädisten so
wenig Schuld, wie an der französischen Revolution. Zum Beweise be-
ruft er sich auf erbauliche Bussrufe französischer Geistlichen der vor
-Voltttire'schen Zeit, denen zufolge der Atheismus die Grundstimmung
der französischen Gesellschaftskreise gewesen sei.
Nun, einzelne solcher Klagen und sogar Zeugnisse höchst be-
denklicher Ketzereien lassen sich selbst für das mittelalterliche Frank-
reich beibringen, wir schlagen demnach Herrn Br. die Behauptung vor,
dass die Kirchenreformation auch aus Frankreich importiert sei und
StftzeBe.
auf das Hugenotte 11 tum und die Religionskriege des XVI. JahriinnA
so wenig Einwirkung geniii fische DeiemiH qh!'
Aufklärung des XVIII. und auf die Partei im gen der französise
Umwälxungsieit. Was Herr Br. über die Duplizität in V. I
nagt, ist völlig richtig, über so bekannt, das* man es In einer
ersten Zeitschriften Europas nicht ausgeführt zu finden erwarU-t, w
er aber meint, der Alte von Ferney habe an rücksichtsloser V
geisterei noch die Enzyklopädisten ilbertroffen , so scbiesst er wie
über du Ziel hinaus.
Selbst in seinen Privatbriefen an rertranteete [fremde
Freundinnen geht Voltiiire höchsten» ebenso weit wie jene, in den
weitere K reine bestimmten, obwohl von ihm gewöhnlich verleugne
Bthrtitefl ist er viel vorsichtiger. Wie hatte sonst das Sprachrohr
Eucyklopldisten, F. M. Grimm, diu Patriarchen mehr als einmal
Bisen tauen nnd lurdakbleibenden Mit-treiter abkanzeln und von i
sagen können, er spräche Ober Golt, wie ein liebenswürdiges Kim!
thne. Ei sind dies l'inge, die ich aU zu bekannt nid.i
tähto und belege, Ben Branetiere-'l Beispiel darf mich in dieser I
siebt nicht verführen
Nur noch dagegen ein Protest, dass Rousseau'.; SmUt
erst so recht auf die riulin der Ketzerei geführt habe; n'h im:
taire's philosophische Stellung und persönliches Verhältnis zu 1
die grundverschiedenen Anschauungen der Profession de f"i d
savoyard und der Streitschriften Voltaire'* u. A, überheben mich auch
hier eines ulierllüsMgi'n liegmibeweises. Es ist also völlig gleichgültig,
ob eine der vielen antieliru-tlirlnin Streitschriften Voltaire'«, etwas liulicr
oder später als timile erschien.
Herr Br. spricht auch von der für den Voltaire-Forscher t
aus wichtigen /.''irrix/n'/uhinec. die gegen II 000, nicht blofs
tausend" Briefe amfaatt,, und bat mit seinem treffenden Schi
herausgemerkt, dass hier vieles überflüssige, aber auch manche Lilcki
zu finden sind. Seinem Vorschlage, diese Sammlung durch zahlreiche
Briefe, deren noch Vorhandensein Herr Hr. überall erst nachweisun
müsste, zu vermehren, stimmen wir unter der Bedingung hei, dass der
genannte Kritiker mit uns Voltuiristen Eieudc and Leid der genaueren
Prüfung, oftmaligen Lektüre nnd — was bei Voltaire sehr nötig —
der Lesung zwischen den Zeilen zu teilen bereit ist. Wei
die fast 11000 Sächelcben einst recht gründlich — auf Kosten seiner
Zeit, Gesundheit und Crehteefrieche - sieh augeschaut hat, begnügt
ajcb einstweilen mit dem vorhandenen Guten, zumal von Herrn Br i
angestrebte r Briefauffindung sieh eine we<ent i:i 1 1 ■. Vi:i'vfill-tdiidi^n!,_
des Leben? und CbkMbterbitdei Voltaire's kaum erwarten liesse.
hat es Herr Br.. seinem Landsmann Molaud einen Vorwurf a
nach seiner Ansicht ungenügenden Kommentieruiig der l'"irei)>onilanc
zu machen. Das Bessere ist zwar des Guten Feind, aber ■ ist mn--
dai Bessere geschaffen werden, und Herr Br.'s Voltaire-Artikel I
es uns skeptischen Vidtairianern wohl nveifeihaft erscheine
geschätzte Kritiker gerade hier das Bessere bringen kann.
Ich habe oft unsere deutsche Presse bedauert, weil sie nicht ei
Organ hat, das lieh der Revue den deux Mondes im Entferntesten v..-,
gleichen läset, »her so zweck- und kenntoislose Diskussionen,
besprochene Rezension des Herrn Br. , schwachen dieses Bedaue
etwas ab und können dem Renommee des Weltblattes, in Deutschint
wenigstens, nur nachteilig sein. R. Mahrenh
ich,
dick
:ken
ich«
Ein Lehrplan für den französischen Unterricht
am Gymnasium. *)
Einleitung.
Die Ansicht, dass das Gymnasium nur eine Vorschule der
Universität sei,2) dass es also seine einzige Anfgabe darin zu
sehen habe, seinen Schülern diejenige Vorbildung zu geben,
welche sie zu wissenschaftlichen Studien befähigt, setzt voraus,
dass wirklich die Gesamtheit, oder wenigstens die Mehrzahl
seiner Schüler die Reifeprüfung ablegt und sich der gelehrten
Laufbahn widmet. Es müssten dann von den Knaben, die sich
alljährlich zur Aufnahme in die unteren Klassen des Gymnasiums
drängen, diejenigen ausgewählt werden, welche für gelehrte
Studien prädestiniert erscheinen. Es wäre das ein idealer Zu-
stand, der aber eben nur ein Ideal sein kann, solange wenig-
stens im 9. Lebensjahre über den künftigen Beruf des Menschen
eine gewisse Entscheidung getroffen werden muse. Prädestiniert
für Universitätsstudien sind ja freilich alle diese kleinen Kerle,
die bei den Aufnahmeprüfungen aufmarschieren, oder wohl gar
die Vorschule rite absolviert haben, aber leider zum Teil nur
von sorgsamen Eltern, welche ihren Söhnen eine möglichst glanz-
volle Zukunft, die ihnen durch akademische Studien verbürgt
seheint, sichern wollen. Das Geschick hat ihnen nicht allen bei
der Geburt gelächelt, nicht allen hat es die Fähigkeit auf den Weg
gegeben, die schönen Träume der Eltern zu verwirklichen. Und
wäre es möglich, dass das Gymnasium sich seine Schüler so
*) Ausser den in der folgenden Arbeit angeführten und manchen
anderen Schriften stand mir der von dem jetzigen Prov.-Schulrat Herrn
Dr. Münch verfasse Lehrplan für den frajizösischen Unterricht am
Realgymnasium zu Barmen zur Verfügung, dessen Benutzung der Ver-
fasser mir in zu vorkomm enster Weise gestattete.
*) Siehe G. Kcerting, JNeuphiloL Essays. Heilbronn, 1887. S. 111.
138 F. Tetutering,
aussuchte, was sollte dann ans der grossen Hasse derjenigen
werden, die zurückgewiesen werden musaten? Nur in grösseren
StKdten würden sie, wie die Verbaltnisse einmal liegen, einer
anderen höheren Sehnte sieh zuwenden können, um diejenige
allgemeine Bildung zu erwerben, welche für ihren Lebensbernf
notwendig ist.1)
Hag man immerhin diese Hasse als Ballast bezeichnen,
die Thataacne, dass dieser Ballast vorbanden ist, und mitge-
schleppt werden muss, läset sich nicht hin wegleugnen. Nor eine
beschrankte Zahl der Schiller des Gymnasiums erreicht in Wirk-
lichkeit das Ziel der Reifeprüfung, und selbst von diesen treten
noch manche dem eigenen Triebe oder auch dem Drange Süsserer
Umstände folgend zu praktischen Berufsarten Aber. Das« endlich
für alle diejenigen, welche nun thataächltch die Universität be-
ziehen, wirklich wissenschaftliche Arbeit der Lebensbernf
werde, darf leider auch füglich bezweifelt werden.
Wlra das Gymnasium nnr eine Vorbereitung« schule für
gelehrte Studien, so wlre es denkbar, das» ihm nir dl« Aligab«
anfiele, seine Sohliler zu derjenigen allgemeinen Geigteaeatwitk«^
long zn bringen, welche dieselben zu diesen höheren Aufgaben
befähigen würde, während ea auf den realen Inhalt des EWeratan
nicht ankäme. Es würden sioh auch für den französischen Unter-
richt nach Ziel und Methode Konsequenzen ergeben, wenn h>
den derselbe ein organisches Glied dea Gesamtunterricht» n
sein beansprucht Wurde als Ziel die „ Lesefertigkeit " *) hingen
stellt, so würde er ans dem Organismus hinausfallen, er wurde
wieder an die Peripherie gedrängt, um de» praktischen Nntaeni
wegen als „Nebenfach" getrieben au werden. Es wir« dann
zugleich aber des Gymnasiums, daB nach einer solehen Anpassung
sllen Utilitätsrtteksichten gegenüber sich ablehnend vernähen
sollte, unwürdig, da» Französische überhaupt in sainen Lehrpinn
aufzunehmen. Nur insofern es eine rein materiale. Bildnag an
sioh ebensowenig geben kann, wie eine rein formale,*) würde dar
französische Unterricht dem Wesen des Gymnasiums entsprechen,
während es thatsäeklich umgekehrt sein sollte. Auch der fran-
zösische Unterricht mttsate in erster Linie, das Ziel der fonoilen
Bildung erstreben, nnr nebenher könnte es auf die otnietiale
Seite ankommen, nnr nebenher könnte darauf RUcksloht genommen
werden, dass der Abiturient die Fähigkeit erlange, späterhin die
französische Litteratur, soweit es sein fachliches Interesse ver-
langt, zn verstehen.
') Siehe Foth, Der französische Unterricht. Leipzig, 1«*T. B. TS.
») Kcerting, /. e. 8. 13*.
■) Siehe Tolcker, Zur Reform des höheren Schvlmetmt. 8. 48 ff.
Em Lehrplan für den französischen Unterricht am Gymnasium. 139
Zumeist durch den Schlachtruf Quousque tandem's angeregt»
haben seitdem viele einer Reform des nenspraehlichen Unterrichts
das Wort geredet Das Bestreben der meisten Reformer geht
im wesentlichen dahin, die Methode des nenspraehlichen Unter-
richts von den Fesseln der Nachahmung des altsprachlichen
Unterrichts zu befreien, sie der natürlichen Art der Sprachaneig-
nang, welche dem Französischen einerseits als einer lebenden
Sprache, andererseits vermöge seines gesamten Organismus zu-
kommt, nach Möglichkeit zu nähern. Bedingung ist dabei, dasa
die Aneignung des Sprachmaterials nicht als minder wichtig
erscheine denn die Vermittelung formaler Bildung, An dem
Gymnasium, an dem diese das Endziel alles Unterrichts ist,
mflsste auch das Französische diesem Endziel zustreben und
könnte dann in der That kaum etwas Besseres thun, als sich
in der Methode an das Lateinische aufs engste anzuschliessen»
Solange nun der grösste Teil der Gymnasiasten zu einem
praktischen Berufe übergeht, muss das Gymnasium auch auf
diese seine Schüler Rücksicht nehmen, soviel es vermöge seiner
Gesamtorgani8ation dazu imstande ist Namentlich muss es dies
in demjenigen Fächern, in denen es sich um unmittelbar im Leben
verwertbare Kenntnisse handelt So wenig die Mathematik es
sich gestatten darf, über den Geheimnissen des binomischen Lehr-
satzes und der trigonometrischen Funktionen das praktische Rech-
nen au vernachlässigen, ebensowenig darf der französische Unter-
richt versäumen, die Schüler in den Gebrauch der Sprache einzu-
führen, ihnen die, wenn auch zuweilen nur mechanische Fertigkeit
beizubringen; er darf nicht in Vornehmthuerei auf eine Aufgabe ver-
sichten, die den wissenschaftlichen und formalbildenden Charakter
des Unterrichts in keiner Weise beeinträchtigt Das Ziel des
französischen Unterrichts also sei eine möglichst weitgehende
praktische Beherrschung der Sprache, das formalbildende sei die
Methode. Dass das Französiche „bei seinem streng logischen
Charakter, bei seiner Schärfe und Präzision und seiner Ver-
schiedenheit vom Deutschen auf eine formal nicht weniger bil-
dende Weise gelehrt werden kann", als das Lateinische,1) bedarf
keines Beweises.
Praktische Ziele nun sind es vor allen Dingen, welche die
Unterrichtsordnung vom 31. März 1882 dem französischen Unter-
richt steckt, und dabei erkennt dieselbe an, dass das Gymnasium
allen seinen Schülern die zeitige Einführung in diese für unsere
gesamten bürgerlichen und wissenschaftlichen Verhältnisse wich-
!) Wiese, Lebenserinnerungen und Amtserfahrungen, II 201. Vergl.
ach Perthes, I/ur Reform des lateinischen Unterrichts, IV 187.
140 F. lendering,
tige Sprache unbedingt schuldig ist. Dadurch aber, dass die
Ziele praktische sind, „wird dem französischen Unterrichte im
Widerspruche zu dem Geiste der gymnasialen Erziehung, noch
nicht der Stempel pädagogischer charakterloser Nützlichkeit auf-
gedrückt. Da die Art und Weise der Erfüllung der besonderen
Aufgabe einer Disziplin durch die Gesamtaufgabe der Schule
bestimmt wird, so muss der französische Unterricht Beinern
speziellen Zweck der materiellen Sprach erlern ung nur unter
Förderung der allgemeinen Erziehungsaufgabe des Gymnasiums
zu erreichen suchen."1)
So ist es ausgeschlossen, dass der Unterricht sich be-
gnügt, eine gewisse Menge positiver Kenntnisse zu übermitteln,
es wird vielmehr fortwährend darnach gestrebt werden müssen,
den Stoff geistig zu durchdringen und so fruchtbar zu machen
für die allgemeine geistige Entwickeln ng des Schülers. Ver-
gleichnng mit verwandten Thatsachen in anderen dem Schüler
bekannten Sprachen, Entwickelung der Gründe für die grammati-
schen Erscheinungen, Eingehen auf das Inhaltliche des Gelesenen,
dazu unter Umständen auch hier und da eine Andeutung tlber
die historische Entwickelung einer Sprach erscheinnng : das werden
wesentliche Mittel sein müssen, die geistige Thätigkeit des
SchUlers zu erwecken und rege zu halten.
Formale Bildung kann und soll jeder Unterrichtszweig im
Gymnasium und überhaupt in einer höheren Lehranstalt vermitteln,
die harmonische Verbindung von praktischem Küunen
und wissenschaftlichem Erkennen muss das Ziel des
französischen Unterrichts sein.
' Der Reformbewegung auf dem Gebiete des französischen
Unterrichts liegt die Erkenntnis zu gründe, dass die alte gramma-
tisierende Methode psychologische Bedenken errege, dass sie
weder dem zu lehrenden Objekte, noch dem lernenden Subjekte
genau entspreche. So lange bei dem französischen Unterricht
die Bestimmungen der jetzigen Unterrichts- und Prüfungsordnung
das Endziel festsetzen, kann von einer Durchführung derjenigen
Ansichten nicht die Rede sein, die das Übersetzen aus dem
Deutschen für eine Kunst erklären, welche die Schule nichts
angeht. Der Wert dieser Ansichten an sich soll hier unerörtert
bleiben. Die Bestrebungen für Reform des französischen Sprach-
unterrichts haben unter den Lehrern des Französischen schnell
mehr oder minder begeisterte Anhänger gefunden, nnr verhältnis-
mässig wenige derselben dürften heute aus freier innerer Über-
zeugung heraus auf dem alten Standpunkt verharren. ?J Nicht
l) Verhandlungen der rhein. Direktoren -Versammlung. 188T. S. 192.
*) Verhandlungen der rhein. ftirehtoren- Versammlung. 1888. S. 200.
Em Lehrplan für den französischen Unterricht am Gymnasium. 141
als ob alles, was in dieser Hinsicht zu Tage getreten ist, all-
gemeine Billigung gefunden hätte, allein man darf doch immerhin
sagen, dass gewissen Forderungen der Reformer die Zustimmung
der meisten Lehrer nicht versagt wird. Ich halte für diese
Forderungen die folgenden:
1. Eine korrekte Aussprache ist ein wesentliches
Ziel des französischen Unterrichts.
2. Der Lektüre ist eine grössere Bedeutung bei-
zulegen als früher, sie ist in den Mittelpunkt des Unter-
richts zu stellen.
3. Der grammatische Stoff ist wesentlich zu be-
schränken. Hierzu kommt 4. die oben bereits entwickelte
Forderung, dass das Können in der Sprache nicht zurück-
treten dürfe gegenüber dem Wissen von der Sprache.
Aussprache. Die „ Lehrpläne a bezeichnen als erste Auf-
gabe des französischen Unterrichts die Erzielung einer richtigen
Aussprache und eines geläufigen Lesens. Sie stellen damit also
eine Forderung auf, die mit der genannten der Reformer über-
einstimmt In der That, jedes Können in einer lebenden Sprache
bedingt eine richtige Aussprache. Sich der so an ihn gestellten
Aufgabe entziehen, bedeutet für den Lehrer: etwas Unrichtiges,
Unwahres lehren, und wenn auch nicht praktische Rücksichten
es verlangten, so mttssten deshalb doch pädagogische Gründe
von uns fordern, dass wir auf eine gute Aussprache hinarbeiten.
Dass höhere Ansprüche bezüglich derselben nicht nur in fremder,
sondern auch in der eigenen Sprache ausserordentlich hohen
pädagogischen Wert haben, wird jeder empfinden, dem nachlässige,
dialektische Aussprache eines im übrigen gebildeten Mannes
einmal den Genuas eines möglicherweise ganz geistvollen Vor-
trages verdorben hat.
Warum hat nun die alte Methode des Vor- und Nach-
sprechens nicht zu einem befriedigenden Resultate geführt?
Hauptsächlich weil man sich begnügte und begnügen musste,
„mit einer der Muttersprache angenäherten Wiedergabe der
Wörter",1) da das Wesen der Laute überhaupt und damit auch
der Unterschied der fremden Laute von den eigenen nicht er-
kannt war. Heute aber haben wir in dieser Hinsicht festen
Boden unter den Füssen. Mag in der jungen Wissenschaft der
Lautphysiologie „noch manches unerledigt sein, mögen Theorien
noch schwanken und Systeme wechseln, am praktischen Werte
des Festgestellten ist kein Zweifel, das Wesen der Laute ist
erkannt und kann gelehrt werden, und damit erhält der Betrieb
i) Münch, Im pädagogischen Archiv, XXVIII, S. 526.
H2 F. Indering,
der Aussprache im Unterricht seine Würde, seinen wissenschaft-
lichen Unit, seinen pädagogischen Wert) ein gesundes Ziel ist
ihm erreichbar — es muss angestrebt werden".1) Seither musete
der Lehrer sich darauf beschränken, die von dem Schüler her-
vorgebrachten Laute im gegebenen Falle sie unrichtig an be-
zeichnen und ihn dann probieren in lassen, ob er etwa im stände
sei, den ihm vorgesprochenen Laut annähernd richtig ku wieder-
holen, alles war dem Zufall anheimgegeben. Jetst kann der mit
laut physiologischen Kenntnissen ausgerüstete Lehrer dem Schiller
begreiflich machen, worin der Fehler liegt und kann ihm für die
richtige Hervorbringung des Lautes eine Beihilfe geben, die nur
in seltenen Füllen versagen wird. Lautphysiologische Kennt-
nisse besitzen muss jeder Lehrer des Französischen and seit
die handlichen Bücher von Vietor und von Beyer erschienen
sind, ist es ja auch denjenigen, welche in ihren UniversitSts-
jahren eich mit diesen Dingen nicht befasst haben, recht leicht
gemacht, dieser Forderung au genügen.
Ein wetterer Grund au den Misserfolgen in der franaSsiBchen
Aussprache liegt in der mangelhaften Bezeichnung derselben in
den meisten Lehrbüchern. Die seither Übliche Art der Aus-
sprachebezeichnung bat namentlich den grossen Nachteil, daae
sie den Schüler verleitet die ihm geläufigen — vielfach dialek-
tisch gefärbten — Laute der Muttersprache der Aussprache dea
Französischen au Grande au legen, so dass ihm ein Verständnis
für die Unterschiede deutscher und französischer Laute höch-
stens in den wenigen Fallen kommt, wo die Schreibung in beiden
Sprachen von einander abweicht.
Die Frage, ob und inwieweit lau tphysiologi sehe Belehrung
in der Schule eintreten solle, wird noch verschieden beantwortet
Das Ziel, welches der genannte Ausspracheunterrioht verfolgen
muss, ist Treffsicherheit Es ist nicht abzusehen, wie die Schule,
wenn ihr überhaupt die Pflicht auferlegt wird, die Ergebniase
wissenschaftlicher Untersuchung für ihre Zwecke sn verwerten,
sich der Aufgabe entziehen kann, die Ergebnisse der lautphyaio-
logischen Wissenschaft cur Erreichung dieses Zieles nutzbar n
machen. „Wenn sie (die Lehrer) von dem Schüler genaue Nach-
ahmung ihrer Aussprache verlangen, so müssen sie ihm auch
billigerweise die Mittel und Wege zeigen, wie er ausspreche!
soll."*) Damit wollen wir allerdings noch nicht der Forderung
Breymann's nnd Möllers zustimmen, dass in jedem einzelnen
Falle die Fehlerquelle aufgedeckt nnd dem Schüler sum Bewnsst-
i) Mflnch, l. c.
■) Verhmdhmgt* äer rhem. Dit.-Vtrt, 1888. 8. S13.
Em Lehrplan für den französischen Unterricht am Gymnasium. 143
86» gebracht werte» soll.1) Dazu würde ehie lautphysiolegiache
Orientierung des Schülers erforderlich sein, die für zehnjährige
Knaben su weit gehen würde und die namentlich nicht, wie die
beiden auf pädagogischem Gebiete rühmlichst bekannten Männer
annehmen, in einem Kursus von 4 — 5 Stunden gegeben werden
kann. Aber in der That, erst durch die Begründung auf laut*
physiologischer Grundlage verliert der Aussprächeunterricht den
Karakter des äusserttehen Abrichten» und erhält neben der sprach-
hebe» die hohe pädagogische Bedeutung, die ihm eigen ist.
Freüfeb nur eine dienende Rolle hat die Lautphysiologie zu
übernehmen, nicht um ihrer selbst willen ist sie in der Schule
an betreiben. Hier hat sie nur insofern Berechtigung als sie zu
dem oben angegebenen Ziele die Wege ebnet und verkürzt.
Die Vorbedingung für die Erreichung einer guten Aussprache
ist, wie schon oben angedeutet, d&ss der Schüler das Bewusstsein
ren der grundsätzlichen Verschiedenheit der französischen und
der deutsehen Laute erhalte« Weiterhin hat der Aussprache»
Unterricht den Schüler zu befähigen, die ihm vorgesprochenen
Laute richtig aufzufassen und wiederzugeben. Dies läset sich
nur erreichen, wenn die Organe an die fremden Laute gewohnt
werden.
Zwei Wege scheinen zu diesem Ziele zu führen. Entweder
man läset dem französischen Unterricht einen Lautierkursus voran-
gehen, oder man führt den Schüler unmittelbar in die Sprache
ein und übt die Aussprache am lebendigen Stoffe. Bleiben wir
zunächst bei der Betrachtung des letzteren Weges. Es hat auf
den ersten Bück etwas Bestechendes, dass das Aussprechen am
lebendigen Sprachstofifo erlernt werden soll, praktisch aber scheint
sa doeh nur wenig ausfährbar» Will man nicht das etwa vor-
legende Lesestück in einzelne Sätze, ja in Wörter und Laute
zergliedern, weduroh man dann doch wieder zu dem gelangen
würde, was man hat vermeiden wollen, nur in einer ganz un-
systematischen, von Zufälligkeiten abhängigen Weise, so werden
verschiedene Aufgaben mit einander verquickt, deren Lösung,
jede emeln- genommen, dem Anfänger hinlängliche Schwierig-
keiten bereitet Er soll die einzelnen Laute lernen, soll auf
Wortton und Satzton achtens und soll schliesslich auch noch dem
Inhalte Interesse entgegen bringen. Dies letztere muss vor allen
Dingen bei der Durchnahme des Lesestückes, wie sie die Be-
wältigung der bezüglich der Aussprache gestellten Aufgaben be-
dingt, sehr bald verschwinden. Ausserdem ist nieht zu ersehen,
wie es möglich sein soll, den Schüler an eine korrekte Aussprache
TT— m-
l) Zur Reform des neusprachlicheii Unterrichts. S. 9.
144 F. Tendering,
zu gewöhnen, wenn nur das zufällige Vorkommen im Zusammen-
hange darüber entscheidet, wie oft jeder Laut geübt werden soll,
nnd aof die Gewöhnung an die Ilervorbringung richtiger Laute
kommt es doch ganz wesentlich an. Die einzige Abhilfe könnte
nur in einem langwierigen Kampfe mit lautlichen Schwierigkeiten
gefanden werden, der Lehrer nnd Schiller gleichennassen er-
müden würde.
Es bleibt also nichts Anderes Übrig, als dem französische«
Unterricht einen Lautierkursus vorauszuschicken, der die Aufgabe
hat, den Schüler durch Gewöhnung eine solche Treffsicherheit
beizubringen, dass ihm die richtige Aussprache der französischen
Laute keine Schwierigkeit bereitet. Dies bedingt natnrgemäss,
dass die Dauer desselben nicht zu kurz bemessen sei. Um eine
stramme Schulung der Organe handelt es sich, nicht um eine
Aufklärung des Schillers über die Natur der Laute; darum muss
der Lautierkursus etwa 3 — 4 Wochen dauern. Es möge noch-
mals daran erinnert werden, dass lautphysiologische Erklärungen,
die sich von technischen Ausdrücken, die für den Schiller nicht
leicht verstandlich sind, frei zu halten haben, immer nur dl ge-
geben werden sollen, wo das Verständnis der Laute oder die
praktische Hervorbringung derselben durch die theoretische Aus-
einandersetzung erleichtert wird. Man gebe sich keinen Über-
triebenen Hoffnungen über den Erfolg des Lautierkursus hin.
Er kann unmöglich die Folge baben, dass die Schüler nun Über-
haupt keine Aussprache fehler mehr machen, er kann sie nnr be-
fähigen, weiterhin mit geringerem Aufwand an Htthe und Zeit,
die Laute richtig aufzufassen und wiederzugeben. Damit ist aber
schon viel gewonnen; viele Zeit, die bisher im Laufe der Jahre
auf die Verbessemng der Aussprache verwendet werden musste,
wird erspart werden und kann anderen Aufgaben des französischen
Unterrichts zu gute kommen. Damm schrecke man nicht zurück
vor der Zeitdauer des Lautierkursus, die Zeit wird um so mehr
im weiteren Verlaufe des Unterrichts wieder eingebracht werden,
als ja auch bei den Ausspracheübungen sich die Aneignung der
Bedeutung der meisten zu gründe gelegten Wörter von selbst
ergeben wird.
Von der Notwendigkeit einer Lautschrift für den Schüler
habe ich mich seither nicht überzeugen können. Dieselbe bringt
eine Belastung des Schülers hervor, die wir zu vermeiden alle
Ursache haben. Ich stimme auch der Ansicht Ulbrichs1) bei,
dass es sich in der Praxis des Unterrichts als höchst gefährlich
') Über die front. Lektüre am Bealgymn. Progr. des Fried. Rg.
Berlin. Ostern 1884. S. 7.
Ein Lehr plan für den französischen Unterricht am Gymnasium. 145
erweist, dem Lernenden für denselben Lautkoraplex zwei Schrift-
bilder zugleich vorzuhalten, zumal wenn die Entzifferung des
falschen, d. h. des phonetischen Schriftbildes gerade die meiste
Mühe verursacht. Auch die Kenntnis der phonetischen Bezeich-
nung der Laute kann nicht an sich, sondern nur insofern wert-
Toll sein, als sie das Aussprechen erleichtert. Sie erhöht zweifels-
ohne die Treffsicherheit, wenn dem Schüler eine ihm seither un-
bekannte Vokabel zum erstenmale entgegentritt und er dieselbe
dann nicht nur im konventionellen Gewände einer mangelhaften
Orthographie, sondern lautlich korrekt transskribiert erblickt,
aber eine neue Vokabel soll dem Schüler im Anfangsunterricht
Oberhaupt zuerst aus dem Munde des Lehrers entgegentreten,
and da braucht es dann keiner Erläuterung durch Transkription.
Auf der mittleren und oberen Stufe ist sie erst recht entbehrlich.
Dass die Lautschrift nun gar um des Lehrers willen, namentlich
der klassischen Philologen und der Mathematiker willen, welche
zum Unterricht in den neueren Sprachen „kommandiert werden, tt
notwendig sei, wie Kühn1) glaubt, will mir nicht recht einleuchten.
Ich leugne nicht, dass leider solche „Kommandierungen" noch
immer vorkommen, aber ich glaube, man kann von jedem Lehrer,
dem ein bestimmter Unterrichtszweig übertragen wird, der ihm
zunächst ferner lag, erwarten, dass er sich mit den Aufgaben,
die der neue Unterricht ihm stellt, nicht nur nach dem in den
Händen der Schüler befindlichen Lehrbuche bekannt macht. Ent-
spricht er dieser Erwartung nicht, dann wird sein Unterricht mit
Lautschrift ebensowenig taugen wie ohne dieselbe.
Aus den Lauten setzen sich Silben und Wörter, aus den
Wörtern Sätze zusammen, und die Verbindung der Sätze ist die
Sprache. Musste als erste Aufgabe des Ausspracheunterrichts
die Lautkorrektheit bezeichnet werden, so ist darum das richtige
Zusammensprechen des Satzganzen eine nicht minder wichtige
Vorbedingung für richtiges Sprechen. Zu diesem Zusammen-
sprechen kleiner Sätze ist darum so schnell wie möglich fort-
zuschreiten. Es ist dabei darauf zu halten, dass der Schüler
wirklich die Wortgruppe als Einheit zum Ausdruck bringt. Der
Gewohnheit der meisten Schüler, den Satz in eine zusammenhang-
lose Reihe einzelner Wörter aufzulösen, ist streng entgegen zu
treten. Als eine Folge des Satzsprechens ergiebt sich im Franzö-
sischen naturgemäss die Bindung. Es sei hier kurz daran er-
innert, dass ein „Binden", ohne dass ein wirkliches Zusammen-
sprechen des Satzganzen stattfindet, eine Thorheit ist, die das
wirkliche Verhältnis umdrehen und die Bindung statt als Folge
*) Der französische Anfangsunterricht. S. 21.
Zachr. f. fr«. Spr. u. Mtl. XII«. jO
146 F. Tender mg,
als eine Re dingung des Satzganzen ersehe in eü lassen würde.
Im einzelnen sei hier auf die trefflichen Ausführungen Mtinch's,
nZur Forderung des französischen Unterrichts11, 8. 34 ff., ver-
wiesen, einer Schrift, deren Studium jedem Fachgenossen nicht
wann genug empföhlen werden kann.
Dass korrektes Laut- und Satzsprechen noch nicht gleich-
bedeutend ist mit einer guten Aussprache des fremden Idioms
überhaupt, namentlich mit einem guten Lesen eines fremden
Schriftstellers, ist klar. Hier treten zugleich ganz andere, höhere
geistige Forderungen auf, zu deren Befriedigung die Lösung der
mehr nach der sinnlichen Seite hin gelegenen Aufgaben, die wir
bisher besprachen, nur eine Vorbedingung ist. Wir werden unten
bei der Behandlung der Lektüre darauf zurückkommen.
Sobald der Unterricht etwas höhere Anforderungen an den
Schüler stellt, wenn er genötigt wird, nicht nur dem körperlichen
Lautgebilde, sondern auch dem Inhalte desselben seine Aufmerk-
samkeit zuzuwenden, stellt sich erfahr nn gsgem äs ■ meist eine
gewisse Oleichgültigkeit gegen die Aussprache ein. Selbst
Schüler, die vorher recht gut aussprachen, vernachlässigen sich
in dieser Hinsicht und nehmen die bekannte deutsch -französische
Aussprache an. Dieses Hinneigen zur Vernachlässigung zeigt
sich namentlich auf den oberen Klassen. Der Lehrer darf dann
um so weniger lässig werden ; auf alten Stufen muss er unnach-
sichtlicb allen Aussprache fehlem zu Leibe gehn und zu verhüten
suchen, dass die mit grosser Mltbe erworbene französische Färbung
verloren gehe. Auch eine systematische Wiederholung des ganzen
Kursus in einigen wenigen Stunden wird zur Erzielung einer guten
Aussprache von grosser Bedeutung sein. Dieselbe findet am
besten in Obersekunda statt Hier, wo Überhaupt im Betrieb
der Sprachen eine Änderung eintritt, von wo ab die Begründung
der Spracherscheinungen eine grössere Rolle spielen muss, wird
es dann hauptsächlich darauf ankommen , das Wesen der vom
Schuler seither zum Teil unbewusst hervorgebrachten Lant-
nHancierungen zum Verständnis zu bringen, so dass also hier
eine breitere lau [.physiologische Grundlage zu legen wäre.
Damit eine Gewöhnung an richtige Hervorbringung der Laute
entstehe, muss jeder Schüler Gelegenheit haben, jeden Laut des
Französischen innerhalb eines Wortes zu Üben. Es muss also
vom Lehrer planmässig und zwar am besten aus dem zunächst
zur Behandlung kommenden Lektürestoff eine Sammlung von
Beispielen zusammengestellt werden. Der Gang, den die laut-
liche Unterweisung einschlagen kann, ist nicht absolut festzu-
legen. Nach meinen Erfahrungen empfiehlt es sich zunächst die
einfachen Vokale, vielleicht ohne den ö- und «-Laut, zn behandeln,
Ein Lekrplan für den französischen UnUrrichl am Gymnasium. 147
da dieselben leicht in Wörtern vorgeführt werden können, deren
Konsonanten so geringe Abweichungen vom Deutschen zeigen,
dass dieselben dem Schüler zum Aussprechen vorgelegt werden
können, ohne systematisch behandelt zu sein. Hierauf folgen
die Konsonanten, von denen, wenigstens für die hiesige Gegend,
nur die zs- Laute, sowie v und / eingehender zu behandeln sind,
es scQliessen sich an die noch rückständigen Vokale und Vokal-
verbindungen, den Schluss bilden die Nasale und n. Das mouil-
lierte l wird am besten in Verbindung mit dem i betrachtet.
Welche einzelnen Punkte energischere Übung verlangen,
wo lautphysiologische Erklärung einzusetzen hat, das wird ganz
wesentlich von der Gegend bedingt sein. Für Elberfeld und
Umgegend müssen z. B. die geschlossenen Vokale ganz ausser-
ordentlich geübt werden, da die Schüler im allgemeinen zur Ver-
dumpfung derselben neigen. Für ganz Westdeutschland bedarf
v einer lautphysiologischen Erklärung, da ohne diese der West-
deutsche einen dem englischen w ähnlichen Laut zu sprechen
und auch zu hören pflegt Es sei dabei zugleich bemerkt, dass
nun richtigen Hören zu erziehen die wichtigste Vorbedingung für
die Erreichung einer richtigen Aussprache ist. Man lasse des-
halb möglichst von Schülern selbst die gemachten Aussprache-
fehler richtig stellen. Für Nasale und i sind die Vorbedingungen
wohl Überall gleich ungünstig, auch die auslautenden tre, ble u. a.
bieten gleichmässig Schwierigkeiten.
Die vom Lehrer zusammengestellten Beispiele sind den
Schülern zu diktieren, die deutsche Bedeutung ist zwar hinzuzu-
fügen, aber das Behalten derselben darf nicht obligatorisch,
namentlich nicht Aufgabe häuslicher Einübung sein, damit nicht
der Hauptzweck des Lautierkursus aus den Augen verloren werde.
Das gegebene Material ist möglichst bald zu Wortgruppen
und kleinen Sätzen zu vereinigen, wodurch Gelegenheit geboten
wird, korrektes Zusammensprechen des Zusammengehörigen, sowie
den französischen Satzton zu üben.
Der Verzicht auf eine Lautschrift ermöglicht, dass mit der
Einübung der Laute die Einführung in die französische Ortho-
graphie verbunden werde. An den gegebenen Beispielen können
die Elemente derselben dem Schüler leicht klar gemacht werden.
Es wird sich empfehlen, sie am Schlüsse des Kursus kurz zu-
sammenzustellen. Als das Wichtigste ist etwa das Folgende zu
betrachten :
1) Die Bezeichnung der Laute u, ö\ ii durch ow, eu, w.
2) Das Verstummen auslautender Konsonanten und Vokale.
3) c vor a, o, u = k; qu = k; c vor e, i = s; g vor
a, o, u = s; ch = $.
10*
■
148 F. Teadering,
4) g vor a, o, u = g; g vor e, i — i.
5) ä durch an, en.
6) y = .'.
7) 1 durch Ü, Ute.
8) 6. auch dnrcli au, tatt; e* auch durch oi, ei; ii auch
durch teu.
9) i, i, e ho wie 6, ä* bezeichnen bestimmte Nuancen der
entsprechenden Laute, die indessen auch durch einfache e und o
gegeben werden.
Alles übrige der Orthographie lehre kann gelegentlich be-
trachtet werden.
Anfangsunterricht. I.Jahr. Die grammatische Aufgabe,
welche den ersten beiden Unterri chtsjahren im Französischen zu-
gewiesen wird, ist die Bewältigung der regelmässigen Formen-
lehre und der gebräuchlicheren un regelmässigen Verben. Der
vielfach empfohlenen Verteilung auf Quinta und Quarta dergestalt,
dass jener Klasse die Formenlehre bis einschliesslich der zweiten
Konjugation zufallt, kann ich schon deshalb nicht zustimmen,
weil — um die Einteilung in die bekannten vier Konjugationen
beizubehalten — es durchaus notwendig erscheint, das den
Konjugationen Gemeinsame hervortreten zu lassen. Bedenkt man,
dass das Pensum der Quarta durch die Pronomina und die an-
regelmässigen Verben ein hinlänglich schwieriges ist, so wird
man dem am hiesigen Gymnasium Üblichen Verfahren zustimmen,
wonach die Einübung der regelmässigen Konjugationen und der Hilfs-
verbs avoir und etre die grammatische Hauptaufgabe der Quinta ist
Die Forderung, dass die Lektüre den Ausgangs- nnd Mittel-
punkt im Anfangsunterricht bilde, setzt voraas, dass dem Unter-
richt ein geeignetes Lesebuch bezw. Lehrbuch zu Grunde gelegt
werde; allein dase derselben anch mit einem in dieser Hinsicht
mangelhaftem Buche, wenn anch nur notdürftig genügt werden
kann, haben mir die mit der Elementargrammatik von Piaatz ge-
machten Erfahrungen bestätigt. Allerdinge nur notdürftig, da die
LesestUcke eben nicht für diese Stufe ausgewählt sind. Immer-
hin aber ist es besser, an solchen Lesestficken dem Schüler
wirkliches Französisch vorzuführen, als ihn mit der Anreihnng ein-
zelner Vokabeln zu Sätzchen wie: ma tabh e»t belle, notre pam
est bon, Hertha ist meine gute Freundin, Unser Sehrank ist gut n. ä.
zu quälen. Solche Sätzchen sind nur dann wertvoll, wenn sie
aus den im LesestUck gegebenen sprachlichen Thatsachen zur
Einübung von Vokabeln und Formen gebildet sind. Wo ein
geeignetes Buch nicht im Gebrauch ist, wird dem Lehrer die
Anfgabe zufallen, selbst aus dem durchgenommenen LesestUcke
gebildete kurze Sätze in reichlichem Masse dem Schüler münd-
Ein Lehrplan fßr den französischen Unterricht am Gymnasium. 149
lieh zur Übersetzung vorzulegen. Es sei für diese mündlichen
Übersetzungen gleich hier darauf hingewiesen, dass von dem
Schüler zu fordern ist, dass er die Übersetzung zunächst im
Kopfe sich zurechtlege und dann den Satz französisch ohne
Stocken ausspricht Jedes stockende Herausbringen eines solchen
Sitzchens muss als etwas Unbefriedigendes angesehen werden.
Auch die Erwerbung des Wortschatzes ist naturgemäss ganz
an die Durchnahme des Lesestücks geknüpft1). Die Vokabel,
welche den Schülern bei der mannigfaltigen Durcharbeitung des
Letestücks vorgekommen ist, wird von selbst im Kopfe der
meisten haften. 4)as Vokabellernen um seiner selbst willen, um
so kleine zusammenhanglose Sätzchen wie die oben angeführten
zu bilden, muss als wertlos nicht nur für die allgemeine Geistes-
bildung, sondern auch für die Erwerbung positiver Kenntnisse
bezeichnet werden.
Auszugehn ist im allgemeinen von dem Laute, die An-
schauung in der Schrift folge. Diese Forderung, welche fast
alle Reformer aufs Bestimmteste aussprechen, scheint auf den
ersten Blick für jeden, dem ein Bruch mit der alten Methode
am Herzen liegt, einleuchtend. Allein des Lebens goldener Baum
zeigt uns doch die Sache in etwas anderem Lichte als die graue
Theorie. Es birgt das Ausgehn vom Laute nicht nur, wie von
Sallwürk8) richtig bemerkt, die Gefahr in sich, dass der Schüler
sich selbst ein Schriftbild schafft, das als falsch der Lehrer Mühe
bat wieder fortzubringen, man wird auch im Klassenunterricht,
der namentlich auf dieser Stufe vielfach Massenunterricht ist,
nicht vom Fleck kommen, falls man Wert darauf legt, die Schüler
gleichmlssig zu fördern und nicht etwa nur mit den besseren
Schülern vorangehen will. . Last not least will ich auch nicht
verfehlen darauf aufmerksam zu machen, dass das ganze Ver-
fahren konsequent durchgeführt ausserordentlich schädigend auf
die Sprechorgane des Lehrers einwirkt, wie ich mich mehrfach
durch Erfahrung überzeugt habe. Da es aber erforderlich erscheint,
dass die Schüler von anfang an daran gewöhnt werden, gesprochene
Laute aufzunehmen und zu verstehn, so sei hier ein gemischtes
Verfahren empfohlen. Ob das Ausgehn vom Laute oder von der
Schrift im einzelnen Falle überwiegen soll, wird ganz von den
Verhältnissen abhängen. Für die allererste Zeit scheint mir
jedenfalls das erstere empfehlenswert.
*) Eine genaue Durcharbeitung nach dieser Richtung hat mich
überzeugt, dass bei Ploetz in den Lesestücken und den wenigen Lek-
tionen, welche zusammenhängenden Anschauungsstoff enthalten, fast
alle im Buche überhaupt vorkommenden Vokabeln sich finden.
*) Zeitschr. für neu franz. Sprache u. Lit. VIII, 2. S. 67.
Sofern vom Laute ausgegangen wird, spreche def Lebrt)
die einzelnen Sätze unter Zerlegung in Wortgrnppen mit Angab*
der Bedeutung vor und lasse sie solange von einzelnen .Schillert
wiederholen, bis bei Erfassung des Inhalts ■osepraonlicba flu-
nauigkeit vorhanden ist. Dabei wird nun ib-m SatztO
Aufmerksamkeit zugewendet werden müssen. Dann werd>
Buch geüffuet, man lasse da» Stück BOctnutfl lesen und
setzen und diktiere die Vokabeln, falls dieselben ohne dies von
dem Schüler in einem alphabetischen Verzeichnis zu suchen
wären. Hierauf wird man im Interesse der weniger be-gabtn
Schiller nicht verzichten kennen, da diese soifst leicht zu einer
rein mechanischen Aneignung des Stoffes konimeu. Auf (lieser
Stufe int natürlich noch alles Vorkommende als Vnkahel zu fassen
und zu lernen. Man lasse dmui in der ersten Zeit du Durch-
genommene fllr die nächste Stunde auswendig lernen. Di« Wied-r-
holung in der folgenden Stunde geschehe durch mehrmaliges Cber-
sctzcii und Lesen, durch DbenetUBg kleiner mit dem gegebenen
Material gebildeten Sätze, Abfragen der Vokabeln, und endlich
etwa von der fünften Stunde an dtireh Beantwortung kurier
französischer Fragen llber den Inhalt des Gelesenen. Bei der
notwendigen Anleitung wird es dem Schüler nicht sehwer fallen,
Kragen wie die folgenden aus dem Inhalte eines bekannten Leso-
Stückes bei Fiats in frmsthuecaer Sprach« su bwmtworl
ressembtfiit h: riii.-ii f q„, .jmil.rilil ' jn,ur i/ni pn-jinit-il .>'<" rmii'i ?i ,- '
fW Ivi dil-il f u, s. w. Den Abschlüge der Beschäftigung mit dem
Stücke bilde naci eim m nochmaligen Lesen durch einen besseren
Schiller vorbildliches f hersetzen und Lesen seitens des Lehrer*.
Es sei hier von vornherein darauf hingewiesen, das« ein Abfragt*
isolierter Vokabeln, auch auf späteren Stufen, erst dann einzutreten
hat, wenn die Vokabel dem Schiller im Zusammenbau
lesenen zum Eigentum geworden sein kann, also nach der Wieder*
hotang des etwa selbständig Präparierten in der zweiten Stande.
Für das Ausgehn von der Schrift, das sich im ganzen dem
Obigen analug in gestalten haben wird, sei nur bemeiht
Aufgaben, welche die Aussprache stellt, nicht minder sorgfältig
gelöst werden müssen.
Im Vorlaufe des Unterrichts bieten die LeaeAtocke Uli
einem nicht eigens zu diesem Zwecke gearbeiteten Buche
länglich Gelegenheit auf die einfachsten piauunatisehen Dinge
ausser der Konjungation aufmerksam zu machen und dieselben
einzuüben. Eine systematische Zusammenfassung eventuell im
AnschluBS an die betreffenden Lektionen des Lehrbuchs
Benutzung des dort etwa gebotenen Übersetzungsmaterials wi:
erst gegen Sehluss des Jahres einzutreten Iniben.
Ut'g
Ein Lehrplan für den französischen Unterricht am Gymnasium. 151
Gleich bei Beginn des Kursus hat jeder Schüler unter An-
leitung des Lehrers ein Konjugationsschema anzufertigen, in das
die vorkommenden Verbalformen eingetragen werden. „Die ge-
samte regelmässige Konjugation etwa induktoriseh aus der Lektüre
gewinnen zu wollen, wäre erstens ein sehr unsicherer und lang-
wieriger Weg und zweitens unnatürlich. Denn nachdem der
Schüler überhaupt Konjugation als solche kennen gelernt hat (in
unserem Falle am Lateinischen) ist es für ihn keine Zumutung,
sondern vielmehr ein Bedürfnis, diese auch in der neuen Sprache
bald als solche zu übersehen."1) Man gehe, so gering auch
die Ausbeute für die 2., 3. und 4. Konjugation noch sein mag,
nach drei Monaten an eine Ergänzung und weiterhin an die Ein-
übung der Konjugation. Nachdem eine hinlängliche Anzahl von
Formen konstatiert ist, lasse man die Schüler das denselben Ge-
meinsame finden. Die nach ihrer Entstehung erkannten Formen
sind dann nach ihren Bestandteilen getrennt wieder einzutragen,
falls nicht etwa das Lehrbuch in dieser Weise die Konjugation
vorführt, da nur so eine Stütze zum Behalten der Erklärung der
Formen vorhanden ist. Freilich wird die Erkenntnis der Formen
namentlich für das jugendliche Alter des Quintaners an sich nicht
zur praktischen Fertigkeit in der Bildung derselben führen, diese
lässt sich nur durch eifrige Übung erreichen und auf diese ist
darum nicht weniger Nachdruck zu legen. Jene wird aber einer-
seits wesentlich zur Anregung des Interesses der Schüler dienen
und der Forderung, dass auch der Unterricht im Französischen
geistbildend sein soll, in geeigneterer Weise entsprechen als die
bloss mechanische Aneignung. Die Einübung erfolge nicht nur
durch Abfragen einzelner Formen, sondern mehr noch durch
Übersetzung kleiner vom Lehrer gebildeten Sätze, wie: je donnerai
k livre ä mon plre, il obeit ä sa m2re, sowie in Verbindung mit
der Negation und in der Frageform. Auch wird man bereits
Dativ und Akkusativ der Personalpronomina anwenden können,
natürlich ohne sich auf eine systematische Erörterung einzulassen.
Die Zählung der Konjugationen 1. Infinitiv -er, 2. Infinitiv
-tr, 3. Infinitiv -oir, 4. Infinitiv -re wird, wo das Lehrbuch sie
bietet, nicht gut aufgegeben werden können, jedoch scheint es
mir unbedingt erforderlich, die 3. Konjugation (oir) jedesmal in
den sog. einfachen Zeiten allen anderen folgen zu lassen, da sie
Eigentümlichkeiten bietet, die sich zwar leicht auch dem Quintaner
verständlich machen lassen, die ihr aber immerhin eine besondere
Stellung den übrigen Konjugationen gegenüber anweisen und die
sie zugleich zu der schwierigsten machen. Die Schwierigkeiten
*) Mürch, Zur Förder. S. 26.
■
1S2 F. Tendering.
bestehen namentlich in dem Werbsei zwischen oi and e in den
stamm- und enduugsbetonten Formen und in dem Fall des t>
des Stammes vor einem Konsonanten. Dans der Schiller, der
bereits im lateinischen Unterricht mit Stammformen des Verboms
zu operieren gelernt hat, auch bei der französischen Konjugation
stets auf den Stamm zurlfckzugehn sich gewöhne und damit zu-
gleich die Herlei tnng der Konjugation aus dem Lateinischen er
kenne, ist eine unabwei Bliebe Forderung. Jeder Gegenstand des
gymnasialen Unterrichts muss in gymnasialer Weise getrieben
werden, d.h. so, dass er zur Geistesbildung des Schülers beiträgt
Geistige Bildung bewirkt aber nicht, oder doch nur in beschrank-
tem Grade, das stramme Panken zahlloser regelmässigen und
unregel massigen Formen, nicht die leicht schablonenhaft werdende
Anwendung einer möglichst wortgetreu eingeprägten syntaktischen
Regel auf eine grössere oder geringere Anzahl von bestimmten
Fällen. Bei aller Achtung vor diesen Übungen kann ich sie
doch in erster Linie nur betrachten als Übungen zum Zwecke
der Erlangnng einer praktischen Sprachbeherrschung, einer ge-
wissen Routine, zn der allerdings der Unterricht namentlich in
den neueren Sprachen fuhren soll. Den gros st en formalbildenden
Wert auf grammatischem Gebiete schreibe ich der Erweckung
des Verständnisses fflr die Entwicklung der Formen und der
Begründung der syntaktischen Verhältnisse zu.
Die bezüglich der Konjugation zu beachtenden Punkte sind
folgende:1)
Die Endungen des Prü. Ind. sind:
I IL III. IV
An Substantiven ist nachzuweisen, dass ausl. -a als -e bleibt
(porle, ccole, plume, victoire), also I. Sg. 1. abweichend durch
Angleichung.
II. III. IV. entsprechend legi*, Ugä etc., ebenfalls 1. Sg.
angeglichen.
_ ..« französischen Verb, und Die
Behandlung d " ' '"
Ein Lthrplan für den französischt'n Unterricht am Gymnasium. 153
Plural ftir alle -amus,1) -atis, -anL Auf den Wechsel der
Tonstelle ist zu achten.
1. III. IV. hängen die Endungen unmittelbar an den Stamm,
II schiebt -iss ein. Wo steckt -ins im Sg.? (Drei Konsonanten
stehen nicht zusammen, ausser wenn r der dritte ist, ausl. nur
einfache Konsonanz in der Schrift.) Bei IV behauptet sich der
Dental des Stammes in der 3. Sg. gegenüber dem t der Endung.
III. Stamm regoi = reeip ; betontes lat. X wird oi} vergl. soit
(xit) boire (bibere), quoi (quid); v vor Konsonant fällt; 1., 2. PI.
endungsbetont, also X unbetont; unbetontes lat. f wird e. Es kann
hierbei schon verwiesen werden auf den Wechsel zwischen me u. moL
Die Behandlung der übrigen Tempora ergiebt sich hieraus
leicht. Die Bildung des Imparf. Ind., des Pres. 8ubj., des Impi-
ratif, des Part.pria. und passi bietet keine Schwierigkeiten.
Beim Passt def. (Imparf. Subj.) ist bei I. an amavi zu erinnern, bei
II und IV auf das i als Bindevokal aufmerksam zu machen, bei
III auf die lateinischen w-Perfekta zu verweisen. Beim Futur
und Condüionnel ist bei IV der leicht erklärliche Ausfall des -e
vor -ai etc. (von avoir) bei III der Ausfall des unbetonten Vokals
-t (receuer statt recevoir wegen Verschiebung der Tonstelle) zu
bemerken.
Die Formen von avoir und itre werden nach meinen Er-
fahrungen am besten im Zusammenhang mit dem Futurum be-
sprochen. Es schliessen sich dann hieran die durch Zusammen-
setzung mit avoir gebildeten Zeiten und das Passiv. Den Schluss
bildet der Subjonctif, mit dessen Durchnahme das Gebiet des
einfachen Satzes verlassen wird.
2. Jahr. Das zweite Jahr des französischen jUnterrichts
beginnt nun am zweckmässigsten mit der Einübung des Personal-
pronomens, mit der sich naturgemäss eine Wiederholung der
Konjugation verbindet. Im allgemeinen wird eine Wiederholung
nach einem grösseren Ferienabscbnitte sich nicht empfehlen, da
es vorzuziehen ist, der nach der Ruhe frischen Kraft des Schülers
etwas Neues zu bieten, an dem sie sich doppelt freudig bethätigen
kann. In diesem Falle indessen ist das Verhältnis ein anderes,
da die Wiederholung nur nebenher eintritt. Für die Kombinationen
der Personalpronomina das nötige Material aus der Lektüre her-
beizuschaffen, dürfte zu zeitraubend sein. Man sehe also hier, nach-
dem früher schon eine ganze Reihe einzelner Fälle vorgekommen
ist, einige Zeit ganz von der Lektüre ab und widme sich nur
der grammatischen Aufgabe. Die Einübung erfolge in der Art,
dass solange mündliche vom Lehrer gebildete kurze Sätze, zu-
*) Wenn auch wissenschaftlich nicht ganz sicher.
154 F. Tendering,
nächst aus dem Französischen, später auch aus dem Deutschen
Übersetzt werden, bis sich bei den Schillern für das Ohr eine
gewisse Gewöhnung an die Übliche Stellung der Pronomina heraus-
gebildet hat. Da man die Bekanntschaft der Schiller mit den
Formen auf Grund der früheren Lektüre voraussetzen darf, so
übt man gleich alle vorkommenden Kombinationen, einschliesslich
der mit der Negation, sowie auch das Reflexiv um und die Ver-
bindung des Personalpronomens mit dem Imperativ. In wie weit
ein Eingehen auf die vom Lehrbuch etwa gebotenen Übungssätze
angezeigt ist, muss der Lehrer nach der jeweiligen Schüler-
generation ermessen.1)
Hierauf gehe man wieder znr Lektüre Über. Während im
ersten Jahre die Präparation vollständig im Unterrichte erfolgte,
wird man jetzt ganz allmählich dem häuslichen Fleisse einen
Teil derselben überlassen können, so dass am Schlüsse des
zweiten Jahres leichtere Stellen selbständig präpariert werden.
Anch in dieser Hinsicht wird natnrgemäss die Qualität des
Schillermaterial s bestimmend sein mllssen.
Bei der Lektüre ist auf die ausser dem Personalpronomen
im zweiten Jahre zu behandelnden grammatischen Erscheinungen
mit besonderem Nachdruck hinzuweisen; die vorkommenden
Formen der un regelmässigen Verben sind in eine Liste einzu-
tragen. Die letzten Wochen des ersten halben Jahres seien
dann der systematischen Durchnahme der genannten grammati-
schen Thatsachen ausser den un regelmässigen Verben gewidmet
Auszugehen ist auch hier, wie in allen derartigen Fällen, von
französischen Beispielen. Die Einübung durch Übersetzung deut-
scher Sätze oder Stücke (auch der im Lehrbuch enthaltenen)
erfolge stets in den unteren und mittleren Klassen ohne vor-
gängige häusliche Präparation in der Art, dass zunächst alle
Schwierigkeiten einzeln gelöst werden, so dass der Schüler ohne
Mühe den Satz so zu sagen herunterlesen kann, denn der Erfolg
der häuslichen Vorbereitung ist doch recht oft ein negativer,
insofern sich manche Schüler, sobald eine Schwierigkeit vorliegt,
leicht etwas Falsches einprägen.
Gegen Ende des Jahres sind dann die unre gel massigen
Verben in systematischer Weise durchzunehmen. Die bei der
Lektüre eingetragenen Formen Bind zu ergänzen, und zwar wird
dies auf Grundlage ihrer Kenntnisse über die Grundsätze der
Formenbildnng den Schülern selbst unter Anleitung des Lehrers
möglich seiu. So wird denselben leicht Klarheit darüber werden,
Ein Lehr plan für den französischen Untei'richl am Gymnasium. 155
was denn eigentlich an diesen Verben unregelmässig ist, be-
ziehungsweise, dass die meisten derselben eine ihnen leicht er-
klärbare, zum Teil nur orthographische Eigentümlichkeit haben,
die ihnen auf Grund allgemein giltiger Gesetze zukommt. Diese
Gesetze selbst etwa, wie manche Grammatiken es nahe legen,
auswendig lernen zu lassen, halte ich für nicht richtig. Die-
selben mtissen durch ihre Anwendung dem Schüler zum geistigen
Eigentum werden. „Die Lautgesetze sind nicht etwas Neues,
das der Schüler als etwas Besonderes hinzuzulernen hätte, sie
sind weiter nichts als blosse Abstraktionen von Erscheinungen,
die er bereits kannte, es sind nur neue Gesichtspunkte, die er
gewonnen hat, und von denen aus er die einzelnen, getrennten
Erscheinungen als organische Glieder des Sprachkörpers erkennen
and begreifen lernt. al)
Es empfiehlt sich von den Formen der unregelmäßigen
Verben ausser dem Infinitiv die 1. Pers. 8g. und Pl.} des Pres.
Ind., das Passe* dif., das Part passd und weiterhin die etwaigen
sonst unregelmässigen Formen in derselben Weise einprägen zu
lassen, wie man dies im lateinischen Unterricht mit dem a-verbo
m machen pflegt. Kennt der Schüler z. B. mouriry je meurs,
nous mourons, je mourusy mort, je mourrai; oder conduire, je
conduis, nous conduisons, je condtrisis, conduit; oder craindrey je
crains, nous craignons, je craignis, craint, so muss er im stände
sein, alle anderen Formen zu bilden.
Freilich das Ziel des Unterrichts kann bezüglich der un-
regelmässigen Verben nicht sowohl sein die Fähigkeit des Schülers
die Formen selbständig zu bilden, als vielmehr unbedingte Sicher-
heit in der Verfügung über dieselben, wenigstens was die ge-
bräuchlicheren unter ihnen betrifft. Es darf daher über dem
Analysieren der Formen das immer wiederholte Abfragen der-
selben in der verschiedensten Ordnung nicht versäumt werden,
denn eine völlige Beherrschung der gewöhnlicheren unter den
sog. unregelmässigen Verben ist wesentliches Erfordernis für
jedes wirkliche Können in der französischen Sprache.
Es ist wünschenswert, dass die unregelmässigen Verben
in systematischer Reihenfolge durchgenommen werden, und zwar
derart, dass nach Ausscheidung der eigentlich regelmässigen
Verben mit orthographischen Eigentümlichkeiten die wirklich un-
regelmässigen von den starken getrennt und die gleichartigen
zusammengefasst werden. Allein wo das Lehrbuch einem solchen
Verfahren nicht zu Grunde gelegt werden kann, würde dies eine
l) Schäfer, Der französische Unterricht in der Schule. (Ein Be-
gleitwort zu meinen französischen Lehrbüchern.) S. 13.
156 F. Tenäeritig.
ziemlich beträchtliche Schreibarbeit der Schüler bedingen, die
ich denselben ersparen möchte. Man folge also in diesem Falle
der auf der Reihenfolge des zufalligen Vorkommens beruhenden
Liste.
Eine Ergänzung bezllglich der durchzunehmenden Verben
wird die eigene Liste kaum notwendig machen, da die selten
vorkommenden keinen Anspruch auf eingehendere Behandlung
machen können. Von bouillir werde bei einer Wiederholung in
Unter-Tertia gemerkt (l'eau) bout; von ge»ir(ei-)gU; von ouir
(j'ai) ou'i (dire). Faiüir, »eoir, dichoir ithoir, pattrt, confire,
dort, frire, braire dürfen zunächst unerwähnt bleiben. Ebenso
wird eine Beschränkung gegenüber den Aufzählungen der meisten
Scbnlgrammatiken bei den Kompositis einzutreten haben, man
wird hier vieleB der Aneignung bei gelegentlichem Auftreten in
der Lektüre überlassen können.
Abschluss der Formenlehre. Nach den beiden ersten
Jahren eines üppigen fröhlichen Gedeihens des französischen
Unterrichts folgen in der Tertia zwei Jahre der Dürre, des
kümmerlichen Vegetierens für denselben, wo bei dem plötzlichen
Sinken der Stundenzahl doppelter Eifer des Lehrers notwendig
wird, wenn nicht die Ergebnisse der ersten Jahre wieder in Frage
gestellt werden sollen. Bei einer Prima und zur Not anch bei einer
Sekunda mögen die zwei Stunden genügen, um die für die ge-
deihliche Entwicklung jedes Sprachunterrichts notwendige Kon-
tinuität herzustellen; für das völlig unreife Alter des Tertianers
geht sie durch die geringe Stundenzahl verloren, ganz abgesehen
davon, dass durch dieselbe dem französischen Unterricht für die
Anschauung des Tertianers der Stempel der Nebensächlichkeit
in zu ausgeprägter Weise aufgedrückt wird.
Die Verminderung der Stundenzahl bedingt eine Verschiebung
der Methode und möglichste Beschränkung des grammatischen
Pensums, zunächst namentlich soweit die Unregelmässigkeiten der
Formenlehre in Betracht kommen.
Die Lektüre kann nicht mehr in eo ausgedehntem Hasse
betrieben werden, dass die grammatischen Thatsachen, von denen
Kenntnis zu erwerben eine der Hauptaufgaben der folgenden
Klassen ist, in ihren Grundzügen sich aus derselben ergeben
könnten, so dass, wie in den vorhergebenden Klassen, das Ge-
rippe der Grammatik sozusagen empirisch unter den Händen des
Schülers entsteht und nur der Ausfüllung bedarf, oder dass dem
grammatischen Unterricht nur die Aufgabe zufiele, die erkannten
Thatsachen zu registrieren und zusammenzufassen.1) Man rechne
>) Rambeau I. e, 3. Sl.
Ein Lehrplan für den französischen Unterricht am Gymnasium, 157
toi) den jährlich auf das Französische verwendeten Standen nur
20 für die Zusammenfassung und systematische Einübung der
grammatischen Erscheinungen, so bleiben nur 60 Stunden, von
denen durch allerlei Zufälle natürlich noch manche verloren
gehen, für die Lektüre mit allen sich anschliessenden Übungen
übrig. Um nach der grammatischen Seite hin sein Ziel zu er-
reichen, müsste man da schon die Lektüre ganz und gar vom
Standpunkte der Grammatik aus betrachten und behandeln, so
dass das Wertvollste, die inhaltliche Erfassung des Gelesenen
nur ganz geringe Berücksichtigung erfahren könnte. Es muss
daher der Grammatik auf dieser Stufe eine selbständige Rolle
neben der Lektüre zugewiesen werden, diese wird jedoch auch
fernerhin mindestens die Hälfte der überhaupt gegebenen Zeit
beanspruchen können. Einfach eine Teilung zu machen und
die eine der beiden wöchentlichen Stunden der Lektüre, die
andere den grammatischen Übungen einschliesslich des Extem-
porales zuzuweisen, halte ich nach meinen Erfahrungen nicht
für zweckdienlich. Es dürfte sich mehr empfehlen, von Zeit zu
Zeit eine beschränkte Anzahl von Stunden hintereinander der
Grammatik zu widmen, um dann immer wieder zur Lektüre
zurückkehrend im Anschluss an sie einerseits das bereits Be-
kannte zu wiederholen, andererseits das Neue in geeigneter Weise
nach Möglichkeit vorzubereiten.
Das grammatische Pensum der Untertertia ist: Erweiterung
und Abschluss der Formenlehre.1) Im Laufe des ersten Tertiais
werde eine beschränkte Anzahl von Stunden (etwa 10—12) der
Wiederholung und Ergänzung der unregelmässigen Verben, nament-
lich bezüglich der Komposita gewidmet. Ob dies gleich beim Be-
ginn des Tertiais zu geschehen hat, oder besser eine Zeitlang
aufgeschoben wird, hängt vom Grade der Sicherheit ab, welchen
die 8chüler sich auf diesem Gebiete in der vorigen Klasse er-
worben haben.2)
Bei der Formenlehre des Verbs ist noch zu behandeln der
Gebrauch von avoir und etre beim intransitiven Verb. Nur die
Gruppe courir, marchtry voyayer etc. bedarf eines eingehenden
Studiums und fester Aneignung, da die hierher gehörigen Verben
vom Deutschen unbedingt abweichen; ungebräuchlichere wie
transpirer, verser können tibergangen werden. Für die je nach
*) Nach der Verteilung bei Ploetz wird man die Zahlwörter und
das freilich nur zum Teil hierher gehörige Capitel „Präpositionen* der
nächsten Klasse vorbehalten können.
9) Mit den orthographischen Eigentümlichkeiten einer Reihe von
Verben, die in den ersten Lektionen von Ploetz behandelt werden, ver-
liere man keine Zeit.
/''. 'Icmitiin
der zu gründe liegenden Anschauung mit avoir oder etre ver-
bundenen Verben genügt die Vcransehauliehung des in Betracht
kommenden Prinzips. Die in vielen Lehrbüchern eich liier an-
schliessenden wesentlich lexikalischen Bemerkungen über reflexive
und unpersönliche Verben können der Aneignung durch den (ie-
brauch überlassen bleiben.
Der meist umfassende Stoli über die Unregelmässigkeiten
und Besonderheiten in der Formenlehre des Substantivs, Adjektivs,
Adverbs und des Zahlworts bedarf ganz wesentlicher Beschränkung,
vieles kann gelegentlicher Aneignung Überlassen werden, wo ea
möglich ist, wird logische Analyse einzutreten habeu. Warum die
Wörter auf -age Masculina sind, enge etc. aber Feminina, warum
das Adjektiv vor gens in femininer Form steht, ist dem Schüler
ebenso leicht zu erklären, wie das bei der Pluralbildung zu-
sammengesetzter Substantive geltende Prinzip. Manches freilich
wird gedüehtnismiissig angeeignet werden müssen, aber man hüte
sich vor dem Zuviel und glaube nur nicht, dass das „Gehabt
haben" auch eilt Besitzen bedeute. Was als notwendig zu be-
trachten ist, wird aus dem vom Lehrbuch gebotenen Material
herauszuschälen sein, da ja leider die Lehrbücher meist immer
noch eine Scheidung zwischen diesem und dem nur als wünschens-
wert zu betrachtendem Stoff nicht eintreten lassen. Ich halte es
für ganz berechtigt, dass ein Lehrbuch, welches den Schiller
durch seine ganze Schulzeit hindurch leiten soll, mehr enthält,
als etwa nur das Alleiwiehtigste, mit dem sich zur Kot aus-
kommen läBst; das Lehrbuch soll ihm ein treuer Katgeber sein,
der es ihm auch ermöglicht weniger gebräuchliche grammatische
Erscheinungen im Zusammenhang des Systems kennen zu lernen,
aber das wirklich wichtige Sprachgesetz niuss sich von der gram-
matischen Einzelheit auch äusserlich abheben. „Man sollte alles,
was nicht absolut notwendig ist zur Erlernung des heutigen
Sprachgebrauchs, in besonderer Form, räumlich und durch Druck
getrennt, ausscheiden und sondern, und diesen Teil unter keinen
Umständen als Lcrnobjekt, sondern einzig als zum fakultativen
Nachschlagen bestimmt behandeln."1) Wo daher das Lehr-
buch durch seine äussere Einrichtung diesen Anforderungen nicht
entspricht, wird es Aufgabe des Lehrers s.ein müssen, durch
Unterstreichen dem Schüler zu Hilfe zu kommen, selbst auf die
Gefahr hin, dasa das Buch des Schillere sich dadurch so ge-
staltet, dasa es den bezüglich der Reinlichkeit au ein Schul-
buch zu stellenden Erwartungen nicht mehr ganz geniige.
Hier noch einige Bemerkungen zur Formenlehre: über das
i) W. Fcerster, Zeitnehr. für rumfr. Sprache «. Lilltralir. IV*, S. 47.
Km lehr/litt» fiir diu /'raitifisaclu-n l'ul, nicht am Uymni
IM
Bwcbtecnl der BSume, Jahreszeiten, Länder- und Städtenamen
bedarf es keiner Regel. Der praktische Gebrauch bringt die
notwendige Kenntnis. Warum die Wörter mit bestimmten Endun-
gen Maskulina beziehungsweise Feminina sind, ist zu erklären.
Vtm den Wörtern, welche bei verschiedenem Gesehleeht ver-
schiedene Bedeutung haben, sind nur die bekannten zu wieder-
holen; der Grund ist klar zu machen. Von genn nnd von der
Plnriilbildung zusammengesetzte!- Substantive war schon die Rede.
lüi' Regeln über die Pluralhildung der Fremdwörter und der
Personennamen sind ganz kurz zu fassen, von den Substantiven
auf -oii, Plur. -uux sind nur bijon, ijennv, hibou, von denen auf
■■•i! rini'. -mat nur travail, von denen auf nl Plur. -als nur bat,
chorttl zu merken. Mit veränderter Iledeutung im Plural gentigt
es fer, lettre, arme, ciaernt zu erwähnen. — Bei der Feminin-
bildung der Adjektive werde im wesentlichen das bereits Be-
kannte wiederholt und soweit angängig der historische Grund l'lir
die betreffende Bildung nachgewiesen. Jedenfalls ist bei allen
diesen Gruppen eine gedäelitnismiissige Aufzählung zu vermeiden.
Selten vorkommende Adjektive sind ganz zu übergehen. — Be-
züglich der Pluralbildung der Adjektive genllgt der Nachweis,
dass dieselbe derjenigen der Substantive entspricht. Von Einzel-
heiten sei nur auf bleu und fatal aufmerksam gemacht. — Beim
Adverb dürfen nicht zuviel Einzelheiten gebracht werden, es musB
aber immerhin manches fest angeeignet werden. Es werde duraitf
hingewiesen, dass Formen wie avetu/le'mmt nicht der Willkür ver-
dankt werden, sondern ans atmtgli (neben aveugle), confarmi
(neben conforme) etc. entstanden sind, während andere durch
Analogie zu dieser Klasse geschlagen wurden. — Beim Zahlwort
können Suuimelzahlen und Verhältniszahlen zurücktreten.
Es werde hier zugleich der Präpositionen gedacht, welche sich
bei Plcetz unmittelbar au die oben behandelten Kapitel anschliessen.
Für eine ganz auf logischer Grundlage beruhende Behandlung der
Präpositionen, so wünschenswert sie seiu mag, hat der franzö-
sische Unterricht am Gymnasium nicht die genügende Zeit. Wir
müssen uns darauf beschränken, nachdem bei der Lektüre die
nötige Vorarbeit geleistet ist, an einer Reihe von Beispielen die
durch die Präpositionen zum Ausdruck kommenden wichtigeren
Beziehungen unter Ausgang von der ursprünglichen Bedeutung
zu erörtern. Welche logische Auflassung Ausdrücken wie amtier
/Htr te •Itetiiiii de fer, mourir ffe faim, mareker II pax lents
zu gründe liegt, muss den Schülern klar werden. Eine spezielle
Einübung durch Übersetzung von diesbezüglichem t'bungsmaterial
halte ich nicht für durchaus notwendig.
Syntaktischer Vorkursus. Bevor in Ober-Tertia der
100 F. Tendering.
Beginn mit der systematischen Behandlung der Syntax gemacht
wird, hat die LektUre vielfach Veranlassung gegeben, eine ge-
wisse Anzahl syntaktischer Thatsachen zn beobachten. Es wird
ohne grosse Mliiie möglieb sein, diejenigen derselben, welche
häufig wiederkehren, also die wichtigeren znr Einprägung zu
bringen. Nur dnrch einen möglichst frühzeitigen Hinweis auf
manche Eigentümlichkeiten der französischen Syntax wird sich
der immer wieder auftretenden Unsicherheit in gewissen elemen-
taren Dingen in den oberen Klassen mit Aussicht anf Erfolg
entgegentreten lassen. Es wird notwendig sein, im Unterricht
die hierher gehörigen Regeln zusammenzustellen. Es empfiehlt
sich, zunächst die betreffenden Beispiele geordnet in das Heft,
welches für die Formen der unrege I massigen Verben bestimmt
wnrde, eintragen zu lassen, zn geeigneter Zeit die Regel abzu-
leiten and in möglichst knapper Fassung niederzuschreiben.
Vieles, was hierher gehört, wird auch das Lehrbuch, wenn auch
nur in einzelnen verzettelten Bemerkungen, bieten. Es bedarf
für jede Schule einer Einzel au sarbeitung im Anschluss an das
Lehrbuch. Folgendes scheint das im allgemeinen Notwendige:
Unterschied von Imparfait und Pause defini, sowie von Plusque-
parfait und Passe auteiieur. Tempora im Konditionalsatze. Sub-
jonetif nach den Verben des Wollens, der Gemütsbewegung und
der unbestimmten Aussage. Infinitiv mit und ohne Präposition.
Artikel bei Ländernamen. Stellung des Adjektivs. Von allen
diesen Punkten muss der Schiller schon vor der Durchnahme
im Lehrbuch den Grundzügen nach gehört haben; ausserdem
wird ihm manche Einzelheit, wie die Konstruktion von demander,
commencer par und finir par, partir pour und anderes durch
den Gebranch ebenso bekannt sein wie die Grundzilge der Wort-
stellung.
Syntax. In der Ober-Tertia beginnt dann die systema-
tische Durchnahme der Syntax. Dieselbe musa in Ober-Sekunda
im wesentlichen zum Abschluss kommen, so dass der Prima nur
eine Wiederholung und Ergänzung bleibt, bei der eine Vertiefung
des logischen Verständnisses angebahnt werden muss.
Wenn bei der Lektüre syntaktische Thatsachen auch ferner-
hin propädeutisch zur Behandlung kommen, bevor sie an der
ihnen zukommenden Stelle im Zusammenhange besprochen werden,
so erscheint eine systematische Durchnahme der Syntax hin-
sichtlich der Spracherlernung erlaubt, hinsichtlich der Erwerbung
formaler Bildung geboten. Wenn man nun einerseits vom Leich-
teren zum Schwereren fortzuschreiten suchen wird, so muss doch
wieder beachtet werden, dass diejenigen Teile der Syntax, welche
sozusagen als die notwendigsten bezeichnet werden müssen, mög-
Ein Lehrplan fUr den französischen Unterricht am Gymnasium. 161
liehst frühzeitig zur Durchnahme gelangen. Die etwaige Ver-
teilung des Stoffes im Lehrbuche darf uns daher nicht ein-
schränken. Wir werden der Ober -Tertia die Tempus- und
Moduslehre überweisen, da dieselben diejenigen Thatsachen be-
handelt, welche bei jeder Bewegung in der französischen Sprache
zu wissen notwendig sind und die ausserdem eine eingehende
Übung verlangen. Namentlich die Wahl des Tempus pflegt be-
kanntlich auf allen Stufen Schwierigkeiten zu bereiten. Wir
haben damit für diese Stufe zugleich ein Gebiet der französischen
Syntax, dessen logische Analyse ungemein einfach und verständ-
lich ist und das überdies der Verteilung des syntaktischen Lehr-
stoffes im lateinischen Unterricht zu entsprechen pflegt In Unter-
Sekunda schliesst sich dann naturgemäss die Lehre vom Infinitiv,
Partizipium und Gerundium an, darauf folgt der Artikel und
endlich das Adjektiv, sodass für Ober-Sekunda die Wortstellung,
das Adverb und Pronomen bleiben. Für Unter-Sekunda scheint
das Pensum zunächst etwas umfangreich zu sein, aber wenn
beim Artikel und ebenso beim Adjektiv auf überflüssiges Bei-
werk, namentlich auf Aneignung idiomatischen Materials im
grammatischen Unterricht verzichtet wird, halte ich die empfoh-
lene Verteilung für durchaus angängig. Wünschenswert ist die-
selbe auch für diejenigen Schüler, welche mit dem Zeugnis für
den einjährigen Dienst abgehen, denn sie sind so mit einem
allgemeinen Überblick über die französische Syntax ausgestattet,
da das Wichtigste aus den rückständigen Kapiteln jedenfalls
auch ohne systematische Durchnahme ihnen bekannt geworden ist.
Mehr noch wie bei der Formenlehre ist bei der Syntax
auszugehen vom Anschauungsmaterial. Eine Reihe französischer
Sätze einfacher Art werde übersetzt Aus diesen und den in
der letzten Zeit bei Gelegenheit der Lektüre vorgekommenen
bezüglichen Beispielen werde in gemeinsamer Arbeit die Regel,
das Prinzip abgeleitet. Soweit es das geistige Vermögen der
Schüler gestattet, sind diese Prinzipien logisch zu begründen
und so zum wirklichen Verständnis zu bringen, so dass der
Schüler ein Gefühl dafür bekommt, dass wir es nicht mit will-
kürlich aufgestellten apodiktischen Bestimmungen zu thun haben,
sondern mit Sprachgesetzen, die im Wesen der Sprache und in
der historischen Entwickelung derselben begründet sind. Ledig-
lich als praktische Anweisungen muss der Schüler angeleitet
werden, die „Regeln" der Grammatik zu fassen, über denen eben
das von ihm zu erkennende Prinzip und der souveräne Wille
der Sprachentwickelung steht. Ein Hinweis auf gleichartige
Verhältnisse in anderen dem Schüler bekannten Sprachen wird
dabei ebenso von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit sein,
ZMhr. f. frz. Spr. tu Litt. XIH. jj
162 F. Ttftdering.
wie auf oberen Klassen eine Andeutung über die historische
Entwirke lung gewisser Sprache rsch ei n un ge n , die ohne diese in
der Luft zu schweben scheinen.1) Im allgemeinen wird sieb eine
solche Andeutung au die Lektüre der Schriftsteller der klassischen
Periode, namentlich der poetischen anzuschli essen haben, insofern
diese die Vermittelung zwischen Gegenwart und Vergangenheit
bilden.
Die so bereits eintretende Beschränkung des gedächtnis-
mässig Anzueignenden wird noch weiter durchzuführen sein,
namentlich durch geeignete Behandlung aller Gruppen von Wär-
tern, die als Beispiele und dergl. fllr bestimmte Regeln gegeben
werden. Selbstverständlich ist nicht zu verlangen, dttss dieselben
hintereinander aufgezählt werden. Nicht alle „Regeln" der
Grammatik können Anspruch auf gleiche Wichtigkeit erheben,
einzelne werden darum sieb mit einer grundsätzlichen Erörterung
begnügen müssen, einzelne werden sogar ganz in Wegfall kommen
k&nnen. Unbedingt notwendig ist vor allen Dingen, dass wirk-
lich das Prinzip, aus dem sich etwa bestimmte Einzel Vorschriften
ergeben, zn vollkommener Aneignung gebracht werde, während
diese letzteren, namentlich aber Zusätze und Erklärungen in den
Hintergrund treten. Man vergesse nicht, dass nnr diejenigen
grammatischen Erscheinungen jedem Schiller geläufig sein müssen,
welche den gewöhnlichen Sprachgebrauch darstellen, wie ihn die
Schullekttire bietet.
Keine Art der Behandlung der Grammatik indessen, darüber
dürfen wir uns keinem Zweifel hingeben, kann zu dem vorge-
schriebenen Ziele führen, ohne dem Gedächtnis Arbeit zuzumuten,
und zwar recht stramme Arbeit. Und wenn ja auch immerhin
eine möglichst geringe Belastung des Gedächtnisses wünschens-
wert erscheint, so ist doch auch andererseits die Gedächtnis-
kraft eines Schülers der mittleren Klassen nicht so armselig und
verkümmert, dass ihr nicht auch ihr voll gerüttelt und geschüttelt
Mass an der zur Erwerbung der Sprachkenntnis notwendigen
Arbeit aufgeladen werden dürfte. Aber man verliere nie aus
den Augen, dass „nicht das Auswendiglernen der Regel, sondern
das Finden derselben am Sprach material und die Anwendung
derselben das Wesentliche ist, das, worin wir den grammatischen
Unterricht setzen. UB)
Für die geistige Entwickelung der Schüler scheint es mir
förderlich im allgemeinen die Fassung der Regel freizustellen.
Allerdings wird hierzu die Kraft nicht aller Schüler ausreichen,
*) VergL Rambeau, t, e, S. 31,
") Foth, /. c. 8. 109.
Em Lehrplan für den französischen Unterricht am Gymnasium. 163
diesen muss dann die oft ja auch wirklich dafür bevorzugte
Gedächtniskraft die mangelnde geistige Beweglichkeit ersetzen.
Zudem gibt es thatsächlich eine Reihe von Regeln, deren For-
mulierung für den Schüler überhaupt als zu schwierig bezeichnet
werden muss. So werden wir in der Praxis bei einer gewissen
Anzahl von Regeln einen ganz bestimmten Wortlaut zu verlangen
haben, ohne dass indessen gegenüber gut beanlagten Schülern
an dieser Forderung festzuhalten wäre, um so mehr, da gerade
bei diesen oft genug das Gedächtnis die schwache Seite ist.
Im lateinischen Unterricht ist es bekanntlich seit langer
Zeit üblich, zu den meisten syntaktischen Regeln Übungssätze
lernen zu lassen. Man will damit erreichen, dass im Geiste des
Schülers die abstrakte Regel sich unmittelbar mit dem konkreten
Falle verbindet, so dass er sozusagen aus diesem die Regel
abzulesen im stände ist In dem Masse, dass der Schüler die
ganze Syntax in Beispielen besitzt, lässt sich die Einrichtung
naturgemäss nicht durchführen, da eine solche Masse von Sätzen
eingeprägt werden müsste, dass dieselben eher eine Überlastung
als eine Stütze des Gedächtnisses darstellen würde. Von dem
Gesichtspunkte aus, dass der Schüler durch diese Mustersätze
ein Anschauungsmaterial erhält, das ihm schnell und sicher zu
Gebote steht, ist die Einprägung derselben empfehlenswert und
swar in der durch den oben erwähnten Umstand gebotenen Be-
schränkung. Man wird diesen Mustersätzen nicht einen zu hohen
Wert beimessen dürfen, da sie für die richtige Auffassung und
Anwendung der Regel an sich nur von geringer Bedeutung
sind, und wird deshalb solchen Schülern gegenüber, deren
Gedächtnis als schwach bezeichnet werden muss, nicht gerade
eine vollkommene Aneignung verlangen. Im allgemeinen wird
es genügen, wenn der Schüler, nachdem ihm das Deutsche ge-
sagt ist, mit einiger Geläufigkeit das Französische herausbringt.
Bei jeder Wiederholung wird der Lehrer gerade auf diese Sätze
immer wieder zurückgreifen. Es müssen als Mustersätze stets
solche bezeichnet werden, welche auch inhaltlich des Behaltene
wert sind. An diese Mustersätze wird sich zunächst das Abfragen
der Regeln anzuschliessen haben.
Mündliche Übersetzungen aus dem Deutschen.
Nächst der auf obige Weise erfolgenden Einübung der Regeln
tritt eine Übersetzung von Übungssätzen der bereits besprochenen
Art ein, welche allein den Zweck haben, die eben durchge-
nommene Regel zu verdeutlichen. Wer das Übersetzen aus dem
Deutschen überhaupt für ein Mittel der Spracherlernung hält,
wird gewiss den Wunsch haben, nach Beendigung des Anfangs-
unterrichts von diesem Mittel einen ausgiebigen Gebrauch zu
11*
164 F. Tendermg,
machen, allein aus Mangel an Zeit müssen wir uns darauf
schränken, ans dem reichlichen Material, das die Obtt
zu bieten pflegen, eine geeignete Auswahl zu treffen, indem wir
gleichzeitig die bei der Lektüre etwa gebotene Gelegenheit det
Einübung grammatischer Verhältnisse nach M;>v li'-lik" it niit/luu'
machen. Man scheide im Übungsbuche umenttjali
was die Kenntnis grammatischer BMODiMtaften vin-iuinsetzt, jedi
falls überlasse man derartiges nie der häuslichen Präparatiuu di
Schüler, Bondern lasse unter Umstünden, wenn es einmal
sehenswert erseheint, dass der Schiller an dieselbe erinnert werdi
die Übersetzung eines entsprechenden deutschen Satzes in
kanntcr Weise nach Analyse der Schwierigkeiten eiutrcteu.
DaB Hauptergebnis der Übertragung von Einzelsätzen wii
immer nur die Einübung bestimmter grammatischer Regeli
Zur Erlangung einer gewissen Gewandtheit im Übersetzen
fremde Sprache und damit im Gebrauch der Sprache überhaupt,
kann sie nur eine Vorstufe bilden. Diese selbst kann — Unnfl
es durch Übersetzungen aus dem Deutschen Überhaupt möglieh
ist — nur erreicht werden durch die Übertragung zusammen-
hangender Stücke. Diese können einerseits nicht vollkommen auf
die Einübung einzelner grammatischen Erscheinungen IBgeaetunttafl
sein, während sie andererseits bei richtiger AtiTassung doch das
eben behandelte grammatische Gebiet zu illustrieren und zugleich
zur Wiederholung früherer Pensen immer wieder Gelegenheit zu
geben vermögen. So stellen sie grössere Anforderungen an das
Unteracheidungsvermiigen und genügen demgemäss auch besser
der Förderung formaler Bildung. Bei der Übersetzung eines zu-
sammenhängenden Stückes hat der Schüler zu zeigen, wie sein
geistiges Auge für das Erkennen grammatischer und sonstiger
Schwierigkeiten geschult ist, während er bei der Übertragung
von Einzelsätzen leicht nur schablonenhaft die Subsummierung
des in dem Salze offenbar vorliegenden Falles unter die Hagel
vollzieht. „Es sind immer dieselben Operationen, welche der
Geist bis zur Ermüdung zu wiederholen hat, immer dieselben
SehluHsfolgerungen, durch welche er den im Beispiel gegebenen
einzelnen Fall unter daB in der Regel gegebene Gesetz
summiert und dieses auf jenen anwendet, und die er am Em
so mechanisch und gedankenlos vollzieht, dass er, wenn aussi
dem noch Subsumptionen unter andere als die eben gogebenen
Vorschriften notwendig sind, diese fast regelmässig übersieht. "')
Was endlich die zusammenhängenden Stücke gegenüber dt_>u
Einzelsätzen empfiehlt, ist die Einheitlichkeit des Inhalts, welche
>> ülbrich, /. c. S. 4.
nen
ub-
ude
ler-
Em Lehrplan für den französischen Unterricht am Gymnasium. 165
dem Geiste ein ruhiges Verweilen und Fortschreiten in derselben
Richtung gestattet nnd ihn nicht von einem Wissensgebiet in das
andere zerrt.
Wo das Lehrbach nach dieser Richtung nicht ausreicht,
wird der Lehrer genötigt sein, auf andere Weise Ersatz zu
schaffen. Am besten geschieht dies durch Umbildung gelesener
Stücke eines Schriftstellers.1)
Schriftliche Arbeiten. Die Angriffe, welche gegen das
Übersetzen in die fremde Sprache überhaupt gerichtet werden,
treffen natnrgemäss mehr noch als die mündliche die schriftliche
Übertragung. Rein Ausdruck scheint manchen Reformern stark
genug, um die Sinnlosigkeit dieser Übungen zu geissein. Hervor-
gegangen sind diese Bestrebungen aus einer Reaktion gegen das
Übergewicht, welches bei der Beurteilung der Leistungen namentlich
dem Extemporale gegenüber der mündlichen Betätigung vielfach
beigelegt wurde. Andererseits gab Veranlassung zu denselben
der frische Aufschwung, den die Phonetik in den letzten Jahren
genommen hat. Die Geringschätzung der geschriebenen Sprache
gegenüber der gesprochenen, die hier zu Tage tritt, die Be-
zeichnung derselben als Notbehelf für den mangelnden mündlichen
Verkehr, beruht, wie Hornemann2) richtig auseinandersetzt, auf
einer Verkennung des Wesens der Sprache überhaupt Der
schriftliche und der mündliche Ausdruck sind als zwei gleich-
wertige Äusserungen der Sprache anzuerkennen; Rönnen, in einer
Sprache setzt in gleicher Weise Rönnen im schriftlichen wie im
mündlichen Ausdruck voraus.
Auf die Erreichung des letzten Zieles aller schriftlichen
Übung in einer fremden Sprache, des freien schriftlichen Ge-
dankenausdrucks muss das Gymnasium Verzicht leisten. Das
Gebiet der schriftlichen Leistungen beschränkt sich auf Über-
setzungen ins Französische. Der Ansicht, dass diese schriftlichen
Übersetzungen als eine Ergänzung derjenigen mündlichen zu be-
trachten seien, welche den Zweck haben, bestimmte grammatische
Thatsachen einzuüben, oder dass sie nach der mündlich erfolgten
Einübung derselben den Prüfstein für die feste Aneignung des
Gelernten abzugeben hätten, kann ich nicht beitreten. Diesen
Luxus kann sich das Gymnasium bei seiner beschränkten Stunden-
zahl nicht gestatten. Die schriftlichen Arbeiten haben vielmehr
einen gewissen Ersatz zu bieten für den Aufsatz der Realanstalten;
es fällt ihnen daher in erster Linie die Aufgabe zu, gewisser-
*) Vergl. Schmager, Zur Methodik des franz. Anfangsunterrichts*
S. 8 f.
*) Zur Reform des neuspr. Unierr. 2. Heft. S. 8 ff.
166 F. Tendering.
massen als eine Vorstufe für freie schriftliche Arbeiten, dem
Schüler eine praktische Anleitung im guten schriftlichen Ausdruck
der Gedanken im Zusammenhang der Rede zu verschaffen, dadurch,
dasa sie ihm Gelegenheit geben, an dem auf grund des deutschen
Textes selbst Niederzuschreibenden die allgemeinsten Grundzttge
des französischen Stils praktisch zu Üben neben der Anschauung
derselben bei der Lektüre.
Gerade die praktische schriftliche Fixierung wird znr An-
eignung charakteristischer Eigentümlichkeiten des französischen
Stils im höheren Grade beitragen, als die mündliche Übersetzung,
bei der ähnliche Zwecke wenigstens auch in Frage kommen,
gleichwie auch beide Arten von Obersetzungen den allgemeinen
Zweck verfolgen, die geistigen Fähigkeiten des Schillers anzu-
regen und zu fördern, dadurch, dass demselben der Unterschied
der beiden Sprachen zum Bewusstsein gebracht und das Unter-
seite i dun gs vermögen geschärft wird. Vorbedingung dabei ist, dass
wirkliches Deutsch zur Übersetzung vorgelegt werde. Es darf
das indessen keine Erschwerung der Arbeit bedeuten, „ist dann
Hülfe, sind dann Stutzen, Winke, Anmerkungen nötig, so mögen
sie hinzugefügt werden, aber das wirkliche Verhältnis der Sprachen
musa zur Anschauung kommen."1}
So erhalten die schriftlichen Arbeiten in erster Linie den
Charakter von Übungsarbeiten, womit nicht ausgeschlossen sein
kann, dasa dieselben dem Lehrer zugleich eine Handhabe zur
Beurteilung der Leistungen eines Scblllers bieten, ja sogar, dass
einzelne Extemporalien geradezu als Prüfungsarbeiten angesehen
werden. Indessen muss sich der Lehrer hüten, den Extemporalien,
namentlich soweit sie wirkliche a-tempo Extemporalien aind, einen
zu grossen Wert ftlr die Beurteilung des Schülers beizulegen.
Die mannigfachsten Faktoren spielen bei der Anfertigung der-
artiger Arbeiten eine nicht unwesentliche Rolle, besonders werden
diejenigen Schüler, die geistig etwas schwerfällig sind, hinter den
regsameren zurückstehen, obwohl sie dieselben an Kenntnissen
vielleicht überragen. Jedenfalls darf die schriftliche Leistung
bei der Beurteilung eines Schülers nicht als wichtiger betrachtet
werden, als die Gesamtheit der mündlichen Betb&tigung.
Wenn so der Zweck der Übung bei den schriftlichen Ar-
beiten vorangestellt wird, so wird sich daran die Forderung
knüpfen, dass dieselben, soweit es sich nicht um ganz bestimmt
als solche bezeichnete Prüfungsarbeiten handelt, ans dem Unter-
richte hervorzugehen haben und in zweckentsprechender Weise
vorzubereiten sind. Über den Grad der Vorbereitung der schrift-
') Manch, Zur Förderung de» franz. Unterrichts. S. 58.
Em Lehrptan frkr den französischen Unterricht am Gymnasium. 167
liehen Arbeiten lässt sich eine allgemeine Bestimmung nicht
treffen, namentlich wird hierfür auch die Klassenstufe einen Unter-
schied bedingen. In der Ober-Sekunda wird die Vorbereitung
möglichst zu beschränken sein mit Rücksicht darauf, dass am
Schlosse dieser Klasse das Versetzungs-Extemporale ohne be-
sondere Vorbereitung zu schreiben ist.
Wenn auch beim Extemporale dem Schüler scharfes Denken
zugemutet werden darf und soll, so muss sich dasselbe doch im
allgemeinen davon fernhalten, grammatische Besonderheiten zur
Einübung bringen zu wollen, wofern nicht bei der Vorbereitung
die gebührende Rücksicht auf dieselben genommen ist, oder es
sich um Dinge handelt, die unter allen Umständen dem Schüler
durch den Gebrauch geläufig sein müssen. Eine Häufung der-
selben ist jedenfalls zu vermeiden, damit nicht ihre Einübung
nun Hauptzweck des Extemporales werde oder wenigstens zu
werden scheine.
Eher wird das häusliche Exerzitium zur Einübung einer
grammatischen Einzelheit dienen können, die dem Schüler be-
kannt sein soll, auch ohne dass sie gerade im systematischen
Gange des Unterrichts mit besonderem Nachdruck behandelt
wäre. Unzweifelhaft erscheinen die vielgeschmähten häuslichen
Exerzitien nicht als unbedingt notwendig für die Erreichung des
Zieles, welches dem französischen Unterricht am Gymnasium
gesteckt ist Aber alle Gründe, die gegen dieselben vorgebracht
werden, können nicht als stichhaltig anerkannt werden, wenn
das Exerzitium nur den Zweck der Übung verfolgt und in der
richtigen Weise vorbereitet wird, d. h. so, dass die Schwierig-
keiten, die dasselbe bietet, in gemeinsamer Arbeit vorher gelöst
sind, so dass sich der Schüler nirgends vor einem unüberwindlich
scheinenden Hindernis findet. Dann wird namentlich auch das
Hauptargument gegen das Exerzitium in Wegfall kommen, dass
es den Schüler zur Täuschung verleite, denn bei einer in dieser
Weise vorbereiteten Arbeit wird er leicht der Versuchung, sich
unerlaubter Hilfsmittel zu bedienen, widerstehen. Pädagogische
Gründe sind es namentlich, welche die Beibehaltung häuslicher
Exerzitien wünschenswert erscheinen lassen, dieselben werden
sich jedoch auf die unteren und mittleren Klassen beschränken
müssen. Grundsätzlich wenigstens wird in den oberen Klassen
aus praktischen Rücksichten von ihnen abzusehen sein, damit
nicht der französische Unterricht eine ungebührlich grosse Arbeits-
zeit in Anspruch nehme, obgleich sie gerade hier recht am
Platze wären wegen der Möglichkeit einer unbehinderten, dem
freien schriftlichen Ausdrucke näher kommenden Bewegung in
der Sprache. Unter besonders günstigen Umständen wird daher
F. Tendtring,
auch hier ein einzelnes Exerzitium statt einen Extemporales ein-
treten können. Zu empfehlen ist an Beiner Stelle auf dieser
Stufe, sowie auch in mittleren Klassen das Klassenexerzitium,
eine schriftliche Arbeit, die mit derselben Genauigkeit wie das
häusliche Exerzitium vorbereitet von den Schülern in der Klasse
angefertigt wird mit allen Hilfsmitteln, die ihnen bei der häus-
lichen Arbeit zu Gebote stehen. Das Klassenexerzitium hat den
Vorzug, dass einerseits zweifelsohne eigene Arbeit des Schülers
in demselben vorliegt, andererseits, dass bei der Erlaubnis bei
etwaigen Schwierigkeiten Hilfsmittel zu benutzen, das Fehler-
machen nach Möglichkeit vermieden wird und dass jedem Schüler
verstattet ist, in dem ihm bequemen Tempo zu arbeiten, bo dass
ein richtigeres Bild von dem Können jedes Einzelnen entstehen
wird als bei dem a-tempo Extemporale. Den letzteren Vorzug
teilen diese Arbeiten mit denjenigen Extemporalien, zu denen
der deutsche Text zunächst diktiert wird. Diese sind deshalb
fllr alle eigentlichen Prüfungsarbeiten vorzuziehen und mögen in
mittleren und oberen Klassen zuweilen an die Stelle der a-tempo
Extemporalien treten, die ihrerseits dadurch sich auszeichnen,
dass sie den Schüler an eine unmittelbare Wiedergabe des vor-
gesprochenen Textes gewöhnen, somit zu einer strafferen Kon-
zentrierung des Geistes nötigen und eine nicht zu unterschätzende
Gymnastik des Geistes bilden. Zudem scheint gerade fllr eine
neuere Sprache die Gewöhnung an eine rasche Verwendung des
vorhandenen Sprachwaterials von besonderer Wichtigkeit.
In den Erläuterungen zu den Lehrplänen vom 3. März 1882
wird gefordert, dass von Zeit zu Zeit französische Diktate statt
der Extemporalien geschrieben werden, „behufs sicherer Ge-
wöhnung des Ohres an das fremde Idiom und gleichzeitiger Be-
festigung in der Orthographie." Das letztere Ziel wird meines
Erachtens durch derartige Diktate nicht erreicht werden, das
erstere nur unvollkommen. Es scheint mir nicht zweifelhaft, dass
die Wahrscheinlichkeit grösser ist, dass ein vom Lehrer diktiertes,
und zwar im Zusammenhang diktiertes Wort, auch wenn es an
sich dem Schüler schon bekannt ist, falsch aufgefasst und dar-
gestellt wird, als das Wort, an das der Schüler sich Belbst nach
Lautbestand und orthographischer Form unmittelbar oder unter
der Anregung der deutschen Bedeutung erinnert, es müsste denn
das Tempo des Diktierens ein so langsames sein, dass der Text
in eine zusammenhanglose Reihe einzelner Wörter zerrissen wird.
s verhältnismässig grosse Zahl orthographischer Fehler
unvermeidlich , und das falsche Wortbild , daB der Schüler vor
sich sieht, wird naturgemäes von unheilvollem Einütiss auf die
Entwickelung seines Könnens nach der orthographischen Seite
!
V(
ni
a«
eig
Em lehrplatt fit den französischen Unterricht am G
sein. Die notwendig Übung in der Orthographie- wird tlber-
durch die llhrigeii schriftlichen Arbeiten in hinreichendem
,BBe gewährt.
Die Erreichung des ersten Zweckes diesen üiktatsehreibens,
die Gewöhnung de« Ohres an das fremde Idiom, erscheint nur
möglich, wenn — normales Tempo im Diktieren vorausgesetzt —
diese Übungen sehr zahlreich sind. Hierzu aber reicht die Zeit
auf keiner Stufe. Der Zweck wird besser erreicht werden durch
die bereits erwähnten und weiterhin noch näher zu behandelnden
Iprech Übungen.
Wichtiger wie die Diktate erscheint mir eine andere Art
ebriftlichen Arbeiten, die seither an Gymnasien nicht oder
nur wenig im Gehrauch ist. Wenn das Gymnasium auf das bei
der gegenwärtigen Stundenzahl nicht erreichbare Ziel des freien
eigenen Gedankenausdrueks, wie er im Aufsatz zu Tage tritt,
:ichtet, so sind doch Übungen, welche dieses Ziel in unmittel-
rerer Weise wie die Übersetzungen vorbereiten, empfehlenswert.
Es ist das die freie Nacherzählung eineB kürzeren, in sich
abgeschlossenen franziisi sehen Stoffes.1) Das französische Original
wird vom Lehrer wiederholt vorgelesen und frei nacherzählt und
dann mit den Schulern in Frage und Antwort verarbeitet, so dasa
der Schiller es sich mit dem ihm eigenen phraseologischen und
stilistischen Material aneignet. Hierauf wird eine mehrmalige
mündliche Nacherzählung durch Schüler folgen und schliesslich
die schriftliche Fixierung. Es kann nicht ausgeschlossen sein,
dsss durch Diktieren von Wendungen und Übergangen Hilfe ge-
geben werde. Wenn die nLchrpIäneu mit dem Ausdrucke „wenig
variierte Reproduktion des Gelesenen" an eine mündliche Inhalts-
angabe des jeweiligen Lektüre Stoffes zu denken scheinen, so muss
di'- hierdurch gestellte Aufgabe als eine sehr hohe, nnr unter
besonderen Umständen zu losende, bezeichnet werden, gegen
welche die Befriedigung der von uns aufgestellten Forderung als
leicht erscheint. Vorbereitet werden dieBe Leistungen in den
unteren Klassen durch die schriftliche Beantwortung in fran-
■Bafoeher Sprache von in derselben Weise mundlich vorgelegten
Fragen, die steh an einen geeigneten Abschnitt der Lektüre
oder an ein eigens nusgewithltes Lesesttlck anschliessend) Schon
in den mittleren KlasBen wird man dann mit schriftlichen Arbeiten
der oben erwähnten Art beginnen können.
Allgemeinem Brauche scheint es zu entsprechen, wenn Über
die Zahl der schriftlichen Arbeiten folgendes festgesetzt wird:
1) Vergl, Miini'h, Zur Füntenmg des franz. Untcrr, 8. 6!.
») Vergl. Rambeao, /. c. 8. SS.
170 F. Tendermg.
Quinta und Quarts wöchentlich, Tertia und Sekunda alle vierzehn
Tage, Prima alle drei Wochen. So mnss in den meisten Klassen,
wenn wir von den vereinzelten häuslichen Arbeiten absehen, in
jeder vierten Stunde eine schriftliche Arbeit angefertigt werden;
das ist im Verhältnis zur Stundenzahl reichlich oft, so dasa ich
die sich ergebenden Zahlen als die Maximalzahlen betrachtet
eehen möchte und eine Vermindernng in der Weise vorschlage,
dass eine Klassenarbeit in allen Klassen nur in jeder sechsten
Stunde geschrieben werden darf, wozn in Quinta und Quarta in
jedem Tertia! zwei, in Tertia und Sekunda in jedem Tertial ein
häusliches Exercitium zn kommen hätte.
Auch bei dieser Anzahl der schriftlichen Klasse »arbeiten
wird darauf Bedacht zu nehmen sein, dass ohne Beschleunigung
des Tempos nicht zuviel Zeit auf jede einzelne Arbeit verwendet
werde. Für das Schreiben der Arbeiten darf im allgemeinen
um- angesetzt werden: für die unteren Klassen 20 — 25, für die
mittleren 25—30, für die oberen 30—40 Hinuten. Die Rück-
gabe der Arbeiten darf nicht mehr als 15 Hinuten in Anspruch
nehmen.
Wenn ans praktischen Gründen eine grössere Ausdehnung
der schriftlichen Arbeiten nach Zahl und Umfang unthunlich er-
scheint, so wird mancher Lehrer die so gebotene Gesamtmasse
der schriftlichen Übung für unzureichend halten. Eine Abhilfe
sehe ich darin, dass auf allen Stnfen recht häufig einige wenige
Sätze als Extemporale in das Diarium geschrieben und von den
Schillern selbst korrigiert werden, dergestalt, dass wenigstens
die schwächsten Schüler mit den besten die Hefte austauschen.
Ich verkenne nicht die Bedenken, welche dieser Hassregel ent-
gegenstehen, die überhaupt nur in massig bevölkerten Klassen
zur Anwendung kommen kann, wo der Lehrer die Möglichkeit
hat, selbst den grössten Teil der Hefte schnell während der
Durchnahme und Korrektur einzusehen. Ich halt« dies Verfahren
höchstens für eine bedauerliche Notwendigkeit.
Bezüglich der Korrektur und Rückgabe der Arbeiten einige
wenige Bemerkungen: Man versäume nicht von Anfang an die
HanpteigentUmlichkeiten der französischen Interpunktion zur Gel-
tung zu bringen. Verstösse gegen die orthographische Regel,
dass ein t nur in offener Silbe einen Accent bekommen kann,
Bind als schwere Verfehlungen anzusehen, damit endlich Fehler
wie protestant u. ä. aus den Heften der Primaner verschwinden.
Bei der Rückgabe, die möglichst in der ersten Stnnde, nachdem
die Arbeit abgegeben wurde, stattfinden soll, ist die Besprechung
vorzunehmen, bevor die Schüler die Hefte zurückerhalten, da die
Spannung der Schüler infolge der UngewiBsheit, ob sie nicht
Lehrplan für den französischen Unterricht am Gymnasium. 171
selbst die zur Besprechung gelangenden Fehler gemacht haben,
grösser ist. Nur für die Quinta wird sich ein anderer Modus
empfehlen. Auch eine Durchnahme der Arbeit gleich, nachdem
sie geschrieben ist, erscheint zuweilen wertvoll. Bei der Rück-
gabe der Arbeiten werden dann nur noch einzelne Punkte zur
Besprechung zu kommen haben. Jedenfalls müssen alle diejenigen
Dinge bei der Rückgabe der Arbeiten erörtert werden, deren
Besprechung für die Gesamtheit der Klasse nutzbringend ist.
Dtss bei der Besprechung jedes Aussprechen des Falschen zu
vermeiden ist, ist ebenso selbstverständlich, wie dass bei der
Beurteilung der Arbeiten nicht nur die Zahl, sondern auch die
Art der Fehler zu berücksichtigen ist. Als Korrektur grundsätz-
lich die ganze Abschrift machen zu lassen, empfiehlt sich schon
deshalb nicht, weil dadurch eine zu grosse häusliche Belastung
der Schüler eintritt. Man begnüge sich mit der richtigen Nieder-
schrift des verfehlten Wortes oder der Wortgruppe, nur bei ver-
fehlter Stellung der Wortgruppen wird die Abschrift des ganzen
Satzes zu fordern sein. Die Abschrift der ganzen Arbeit möge
nur verlangt werden, wo die Fehlerzahl eine zu grosse ist, oder
pädagogische Gründe dieselbe notwendig machen.
Das Extemporale soll, wie schon gesagt, aus dem Unter-
richt hervorgehen. Es wird Aufgabe des Lehrers sein, dasselbe
im Anschluss an die Lektüre unter gleichzeitiger Berücksichtigung
der Hauptthatsachen des zuletzt absolvierten grammatischen Pen-
sums auszuarbeiten. So wird dem Schüler wirklich nur zugemutet
verden, im Extemporale das ihm aus dem Unterricht Bekannte
zu verwerten; es wird Gelegenheit sein, das stilistische und
idiomatische Material, welches der in der letzten Zeit durch-
genommene Abschnitt der Lektüre darbot, zur Einübung zu
bringen. So werden die schriftlichen Arbeiten die ihnen oben
zugewiesene Aufgabe zu erfüllen im stände sein. Endlich wird
die Benutzung der Lektüre für die schriftlichen Arbeiten, auf
diese selbst von dem günstigsten Einfluss sein und zu einer Ver-
tiefung des Verständnisses derselben beitragen.* Es wird meist
nicht zu schwer sein, einen kleineren Abschnitt der Lektüre, der
ein in sich abgeschlossenes Ganze bietet, auszuwählen. Dass
such hier dem Schüler zur Übersetzung wirkliches Deutsch ge-
boten werden muss, ist selbstverständlich. Der Anschluss an die
Lektüre wird ein mehr oder minder genauer sein können, zu-
weilen wird sogar in unteren und mittleren Klassen geradezu
eine Rücktibersetzung einer entsprechend leichten Stelle des Ge-
lesenen eintreten können. Nach oben hin sei der Anschluss an
die Lektüre ein freierer, auch stofflich Neues wird zuweilen am
Platze sein, namentlich in den oberen Klassen. Derartige Arbeiten
m F. Tenfarmg,
werden besonders zur Zeit der poetischen Lektüre im Vorder-
gründe stehen. Unmittelbare Anlehnung an die LektUre sei aus-
geschlossen bei Probearbeiten, damit von jedem wirblich das, was
er kann, zum Ausdruck gebracht werde nnd nicht der mit einem
besseren Gedächtnis begabte Schüler einen unmittelbaren Vorzog
habe vor dem in dieser Beziehung weniger Begünstigten.
Wenn der Lehrer sich der freilieh nicht geringen MUhe
unterzieht, die schriftlichen Übersetzungen selbst in der ange-
gebenen Weise auszuarbeiten, so wird er im stände sein, gerade
diejenigen Thatsachen, welche ihm im Verlaufe des Unterrichts
am wertvollsten erschienen, einzuüben, und die grössere Schaffens-
freudigkeit der SchUler, sowie befriedigende Ergebnisse in den
Extemporalien werden ihn für seine MUhe belohnen.
Satzextemporalien , die ganz speziell grammatischen Stoff
zur Einübung bringen sollen, seien zwar nicht ganz ausgeschlossen,
sie mögen immerhin vereinzelt auftreten, indessen sei der Lehrer
darauf bedacht zu vermeiden, dass mechanischem Arbeiten Vor-
schub geleistet werde, andererseits aber auch, dass durch Her
beiziehung idiomatischer Einzelheiten eine Häufung von Schwierig-
keiten eintrete, die den jugendlichen Geist in Verwirrung za
setzen im stände ist. Ein Formenextemporale wird natnrgemass
nur auf der ersten Stufe ganz vereinzelt vorkommen können.
Lektüre, a. Allgemeines. Die Stellung, welche wir
der Lektüre im französischen Unterricht zuweisen, haben wir n
den obigen Ausführungen bereits gekennzeichnet. Wir haben
sie auf der unteren Stufe zum Ausgangs- und Mittelpunkt des
Unterrichts gemacht; weiterhin haben wir den grammatischen
Übungen eine eigene Stellung neben ihr angewiesen, dabei aber
die Lektüre in die innigste Wechselbeziehung zu jenen gesetzt
und ihr auch nach Umfang die hervorragendste Stelle angewiesen.
In der Prima endlich wird die LektUre den Vorschriften ent-
sprechend zur unbeschränkten Herrin im Gebiete des französischen
Unterrichts. Wenn bisher nur von der Lektüre in ihrer Be-
ziehung zur Grammatik die Rede war, von der Ausbeutung der
Lektüre für die sprachliche und speziell die grammatische Bil-
dung, so musB hier daran erinnert werden, dass die Lektüre
an sich eine hohe Wertschätzung verdient. Sie vor allem
ist bestimmt beizutragen zu einer allgemeinen harmonischen
Bildung des Geistes. Es darf daher niemals die Form von
grosserer Wichtigkeit erscheinen als der Inhalt, niemals darf
der Schriftsteller erniedrigt werden zu einer blossen Fundgrube
grammatischer Regeln, derselbe ist vielmehr dem Schüler als
litte r arisch es Kunstwerk zur Anschauung zu bringen, Beines In-
haltes muss der Schüler bewuset werden. Darum musi derselbe
Em Lehrphm für den französischen Unterricht am Gymnasium. 173
durch ein Schriftwerk hindurchgeführt werden, nicht nur in das-
selbe hinein. Es mag, wenn der Stoff, obwohl man eine Reihe
Ton Abschnitten mehr kursorisch liest, sich zn umfangreich
erweist, um in der zur Verfügung stehenden Zeit ganz durchge-
nommen zu werden, durch Ausscheidung weniger bedeutenden
Stellen gekürzt werden. Zu einem bestimmten Abschluss aber
ist die Lektüre mit jedem Jahre zu bringen. Es ist selbstver-
ständlich, dass ich nicht ganze umfangreiche Werke eines Schrift-
stellers der Lektüre zu Grunde legen will, sondern in sich ab-
geschlossene Ganze aus diesen Werken in der Art, wie die
meisten Schalausgaben sie uns bringen.
Den Stoff zur Lektüre bot uns beim Anfangsunterricht das
Lehrbach. Es ist darauf Bedacht zu nehmen, dass für Quinta
und Qnarta ein geeignetes Lesebuch zur Hand sei, das eine
nach Inhalt mnd Form für diese Stufe passende Auswahl von
Lesestücken enthält. Diese Lesestücke müssen den weiter unten
für die Aaswahl der Lektüre überhaupt entwickelten Grundsätzen
entsprechen, namentlich müssen sie eine Einführung in die elemen-
tare Grammatik und den einfachsten Wortschatz bieten und sach-
lich wert sein der Jugend zur geistigen Nahrung zu dienen.
Eines Urteils über die in dieser Hinsicht vorhandenen Hilfsmittel
enthalte ich mich.
Ob das Lehrbuch auch' noch für die Tertien den nötigen
Lesestoff zu bieten habe, ist eine Frage, die nicht kurzer Hand
ni entscheiden ist; jedenfalls aber muss meines Erachtens in
Untersekunda spätestens die Schriftstellerlektüre beginnen.
b. Auswahl. Die Frage nach der Auswahl der Lektüre
hat in den letzten Jahren verschiedentlich, so besonders auf der
Direktoren -Versammlung in Hannover im Jahre 1882 eingehende
Behandlang erfahren. Die Anerkennung dieser Versammlung so-
wohl wie die vieler anderen Fachmänner hat das von Münch in
seiner Besprechung des Vogelschen Programmes der Realschule
zu Perleberg 1880 *) und sonst aufgestellte pädagogische Prinzip
erfahren, wonach zur Lektüre aus der Litteratur der zu erler-
senden. Sprache auszusuchen ist, „was durch Form und Inhalt,
durch das Mass der Schwierigkeit und der nötig werdenden
geistigen Arbeit, durch die vorbildliche Kunstschönheit der Dar-
stellung, durch das Gewicht und die Zugänglichkeit des Gegen-
standes am besten erziehend zu wirken vermag. u Dieselben
Grundsätze werden vertreten von Perle, in seiner eingehenden
Untersuchung über die historische Lektüre am Realgymnasium2)
*) Zeitschrift für neu fr, Sprache u. Litteratur IH. S. 100.
•* Zeitschrift für neufranzösische Sprache und Litteratur VIII1.
(auch separat).
I. 81 ff.
174 F. Tendering,
and von Ulbrich in seiner bereite mehrfach erwähnten gehalt-
vollen Programmabbandlong über die französische Lektüre an
Realgymnasien. Breymann and Möller in ihren wertvollen Be-
merkungen Aber die Reform des neu französischen Unterrichts
bekennen sich fast wörtlich (S. 20) za diesen Grundsätzen.
Vogel allerdings stellt in seiner oben erwähnten Programm -
abhandlang die litterarisch ästhetische Bildung in den Vorder-
grand, wonach „durch die Lektüre dem Zögling die Kenntnis
and Würdigung der fremden Litteratur, ihrer Kunstformen und
deren geschichtliche Entwicklung"1) vermittelt werden soll. Für
eine Würdigung dieser beiden Prinzipien, die naturgemäss be-
züglich vieler einzelnen Schriften denselben Vorschlag machen,
ist hier nicht der Ort. Nach der Gesamtheit der Auffassung des
französischen Unterrichts, welche in der vorliegenden Abhand-
lung vertreten wird, kann ich mich nur der Ansicht Mönchs an-
achli essen.
Wenn wir den Umfang des den klassischen Sprachen am
Gymnasium gewidmeten Stadiums in- Betracht ziehen, so werden
wir es diesen überlassen können durch die Schriftatellerlekture
zur Vertiefung der Erkenntnis des Altertums beizutragen') und
der französischen Lektüre vielmehr als ein gewisses Gegen-
gewicht die Beschäftigung mit dem bereits Toten, das flu- das
Verständnis der heutigen Kultur, so wichtig es sein mag, allein
nicht ausreicht, die Aufgabe zuweisen, den Schiller in die Kultur
der Gegenwart einzuführen, soweit sie sich in den Litteratnr-
werken der französischen Sprache spiegelt Die französische
Lektüre wird namentlich diejenigen Schriftwerke in Betracht za
ziehen haben, welche das Verständnis fllr die gedeihliche Ent-
wickelnng, die staatlichen Einrichtungen, das Wesen und die
Eigenart des französischen Volkes vermitteln. Mit Rücksicht
darauf, dass der englische Unterricht am Gymnasium nicht obli-
gatorisch ist, werden solche litterarischen Erzeugnisse, welche
zam Verständnis der Gesamtentwickelnng der beiden grossen
Kulturvölker, welchen das Englische die Muttersprache ist, bei-
tragen, auch der Berücksichtigung bei der Auswahl der fran-
zösischen Lektüre wert sein, während grundsätzlich von den-
jenigen Werken wird abgesehen werden können, welche der
Geschichte des Altertums gewidmet sind. Freilich werden Aus-
nahmen durch besondere Verhältnisse gerechtfertigt erscheinen.
Unter den ans zu Gebote stehenden Schriften werden wir solche
auswählen, welche auch bezüglich ihrer Sprache, nach Ausdruck
l) Ibidem. S. 103.
*) Vgl. dagegen Kcerting, flcupkil. Essay t. S. 16S.
Em Lehrplan für den französischen Unterricht am Gymnasium. 175
und Stil, für den Schüler als Muster zu wirken geeignet sind;
wir werden uns also möglichst an moderne Schriftsteller halten
und das klassische Jahrhundert — hierin werden wir gewisser-
Bassen dem literarhistorischen Prinzip ein Zugeständnis machen
müssen — nur insofern in den Kreis der Lektüre ziehen, als es
wünschenswert erscheint, . dass der Abiturient auch von den un-
vergänglichen Meisterwerken jener Periode eigene Kenntnis erhält.
Meisterwerke sind es doch immerhin, die Dramen Corneille's,
Racine's und die Komödien Moliere's, so manche Bedenken wir
auch heute gegen sie erheben werden. Wenn uns die historischen
Schriften jener Zeit das Jahrhundert Ludwigs XIV. schildern,
in ihnen atmen wir sozusagen die Luft jenes Zeitalters. Der
grosse König und sein Hof werden vor unserem Auge wieder
lebendig mit all ihrer Pracht, mit all ihrer Vornehmheit, aber
auch mit all ihrer Steifheit und Fadheit. Und gerade als Sitten-
gemälde aus jener Zeit sind diese Dramen nicht zu entbehren,
sowie aus denselben Gründen eine Auswahl aus den Briefen
der Frau von Sevigne und weiterhin aus den persischen
Briefen Montesquieu 's in einen Kanon der französischen
Schulschrifteteller aufgenommen zu werden verdient.
Wenn auch die historischen Schriften — ich fasse das im
Sinne von Perle, d. h. mit Einschlass von Reden und Briefen —
als inhaltlich bedeutender den Vorzug haben werden, so dürfte
es sich doch empfehlen, auch eine moderne Novelle und nament-
lich ein modernes Lustspiel zu lesen, es wird dabei als unver-
brüchliche Regel anzusehen sein, dass dieselbe Generation von
jeder Gattung nur eins liest, dass namentlich nicht dieselben
Schüler mehrere Jahre hintereinander nur mit der leichten Kost
der Novelle und des Lustspiels genährt werden. Die Gründe,
welche Ulbrich1) gegen das Vorwiegen der historischen Lektüre
am Realgymnasium vorbringt, können für das Gymnasium nicht
als stichhaltig angesehen werden; hingegen bedarf die Aufnahme
eines Romans in den Kanon der Schullektüre einer Rechtfertigung
gegenüber den Ausführungen Perle's,2) welcher befürchtet, „dem
ohnehin leicht erregbaren jugendlichen Geiste Gelegenheit zu
mttssigem Gedankenspiel zu geben". Es ist natürlich nicht gleich-
giltig, welcher Art die Novelle ist, welche gelesen werden soll.
Für die Schule brauchen wir einen poetischen Stoff, der so be-
handelt wird, dass er auf der einen Seite in die Sprache des
täglichen Lebens einführt, andererseits uns das französische Volk
in seinem Thun und Trachten am eigenen Herde, in der Familie
*) /. c. S. 18 ff.
*) /. c. S. 110.
176 F. Tetiäering,
schildert, das uns Über die Eigenart dee Individuums aufklärt,
wie der historische Stoff über die Eigenart der Gesamtheit
Die Novelle ist gewisaermassen die Kleinmalerei gegenüber dem
grossen Gemälde, welches die historische Lektüre vor ans entrollt.
Mit Ulbrich1) möchte ich diese Stoffe der Mittelstufe zuweisen.
Auf einen Punkt möchte ich bezüglich der Auswahl der
LektUre noch aufmerksam macheu. Wenn eine einheitliche Reihe
von Schriften, die von der untersten bis zur obersten Stufe gelesen
werden soll, nicht aufgestellt werden kann, so ist es doch not-
wendig, dass bei der Bestimmung der Lektüre einer Klasse stets
auf die frühere Lektüre Rücksicht genommen wird, damit, wie
Perle2) sich ausdrückt, „die gesamte im Laufe der Zeit zu be-
wältigende Lektüre, als ein Ganzes betrachtet, ein solches ideell
darstelle, und dass dieses Ganze .... die Eigenart des fremden
Volkes in ihrer mannigfaltigen Bestimmtheit enthalte und damit ein
einheitliches Gesamtbild des fremden National Charakters gewähre,
sowie er sich in der äusseren Geschiebte, in der Umbildung der
religiösen, gesellschaftlichen und politischen Zustände, in der litte-
rarischen Thatigkeit eines Kulturvolkes zu offenbaren pflegt,"
An Ausgaben französischer Schriftwerke, welche für die
SchnllektUre geeignet sind, ist heutzutage kein Mangel. Wenn
auch bezüglich der Kommentierung in manchen derselben Grund-
sätze herrschen, denen wir nicht beizutreten vermögen und welche
den Kommentar für den Schüler zuweilen bedenklich erscheinen
lassen, so wird man doch befriedigende Ausgaben der zu lesenden
Werke im allgemeinen leicht auftreiben können. Wie es beim
Unterricht in den klassischen Sprachen dem Schüler nicht gestattet
wird, eine kommentierte Ausgabe in der Unterrichtestunde zu
benutzen, so werden wir auch bei der französischen LektUre zu
verhindern suchen, dass während des Unterrichts die Aufmerk-
samkeit des Schülers sich mehr auf die etwaigen Fussnoten als
auf den Text richte und dass der Schüler wohl gar erst während
des Unterrichts mit Hilfe der Fussnoten sich vorzubereiten suche.
Aus diesem Grunde werden aas den Sammlungen französischer
Schriftsteller für den Schulgebrauch die bei Weidmann er-
schienenen, obwohl sich manche recht tüchtige Leistungen darunter
befinden, während des Unterrichts in den Händen der Schüler
ebensowenig zu dulden sein, als die A. -Ausgaben des Yelhagen
& Klasing'schen Verlags. Wegen der Vorzttglichkeit der Aus-
stattung und der Beschränkung bezüglich der Anmerkungen ver-
dienen die Renger'schen Ausgaben in erster Linie in bet rächt
») L c. S. 14.
') l. e. S. 106.
Ein Lehrplan für den französischen Unterricht am Gymnasium. 177
gesogen zu werden, weiterhin die B- Ausgaben von Velhagen &
Klasing und diejenigen des Theissing'schen Verlags. Auch
Friedberg & Mode haben eine neue Ausgabe französischer Schrift-
steller eröffnet, in der ebenso wie in den Ausgaben der Firma
Seemann die Anmerkungen vom Texte getrennt sind. Eine neue
Sammlung von Textausgaben in guter Ausstattung und zu billigen
Preisen hat neuerdings die Firma Hermann Schlutter in Oera
eröffnet
Wenn man sieht, mit welcher Verschiedenheit bei der Ver-
teilung der Schriftsteller auf die einzelnen Klassen verfahren
wird, so wird man sich der Ansicht nicht verschliessen können,
dass das Mass der Schwierigkeiten vieler zur Schullektüre ge-
eigneten französischen Litteraturwerken noch nicht in befriedigender
Weise festgestellt ist. Aus diesem Grunde hat es auch zur
Aufstellung eines festen Kanons für die französische Lektüre
noch nicht kommen können. Aber auch in dieser Beziehung wird
im französischen Unterricht nicht Willkür walten dürfen, so wenig
wir auch Grund haben uns so enge Fesseln aufzulegen wie im
altsprachlichen Unterricht. Freie Bewegung innerhalb bestimmter
Grenzen bleibe dem französischen Unterricht. Ein aufzustellen-
der Kanon wird also mehrere parallele Glieder für jede Klasse
haben müssen; die Verteilung auf die verschiedenen Klassen
wird nicht ausschliessen dürfen, dass ein Schriftsteller auch in
einer anderen als der ursprünglich festgesetzten Klasse gelesen
werde, namentlich wird ein einer niederen Klasse zugewiesenes
Werk sich zu einer mehr kursorischen Behandlung in einer
höheren eignen, auch werden die für Unter-Prima vorgeschlagenen
Werke meist für Ober-Prima Verwendung finden können und um-
gekehrt. Der hier folgende Kanon ist somit weiter nichts als
ein Vorschlag, an dem der Lehrer eine Stütze findet bei der
Bestimmung des zur Lektüre zu wählenden Schriftstellers.
Wo ein geeignetes Lehrbuch nicht eingeführt ist, wird man
sich genötigt sehen, bereits in Quarta die Schriftstellerlektüre
zu beginnen. Für diese Stufe ein unseren oben dargelegten
Anforderungen entsprechendes, in geeigneter Ausgabe vorliegen-
des Werk zu finden, ist kaum möglich. Wir werden für diese
Klasse zu der He rodot- Ausgabe von Ricken1) greifen, obwohl
dieselbe stofflich als ungeeignet bezeichnet werden muss, da sie
den Schüler in einem durch den lateinischen und geschichtlichen
Unterricht sattsam behandelten Kreise festhält.2)
Für Unter -Tertia werden namentlich Michaud's Kreuz
*) Velhagen & Klasing 1 Mk.
*) Auch die Sprache ist nicht immer nachahmungswert.
Zftchr. f. frz. Spr. n. Litt Uli. ^
178 F. Tenderwg,
zage in. Vorschlag gebracht. Der erste und besondere der dritte
Kreuzzug1), die in geeigneten Ausgaben vorliegen, sind nicht
ganz leicht, aber die vorhandenen Schwierigkeiten sind bei ge-
eigneter Anleitung zum Präparieren dieses Schriftstellers auch
von ünter-Tertianern zn lösen; auch inhaltlieh läset sieb nichts
gegen sie erinnern. Ausserdem halte ich ans Barante's Histoire
des Dn.cs de Bourgogne*) die Geschichte der Jungfrau von
Orleans für eine ganz geeignete Lektüre. Daneben endlich sei
noch erwähnt ans Rollin's Histoire ancienne die Geschichte
des zweiten pnni sehen Krieges,*) wenn auch inhaltlich
unserem Programm nicht entsprechend, namentlich dürfte diese
Schrift nicht in Betracht kommen, wenn in Quarta Herodot ge-
lesen wurde.
In Ober-Tertia behauptet sich vielfach Voltaire's Charles
douze.*) Namentlich sprachlich verdient derselbe die Stellung,
die ihm so angewiesen wird, nnd als Geschichte eines modernen
Zeitabschnitts würde er auch inhaltlich gegen unser Programm
nicht sehr Verstössen. Immerbin bleibt zu erwägen, und zwar
nicht zum geringsten Teile deshalb, weil eine leicht zugängliche
Übersetzung vorliegt, ob nicht an seiner Stelle aus Duruv's
Histoire de France der von liartmanu herausgegebene Abschnitt:
Stiele de Louis XIV.6) zn lesen sei. Dazu halte ich auch einen
Überblick Über die wichtigsten Abschnitte der neueren Geschichte
Frankreichs nach Michelet's Prieis de l'kistoire moderne*)
für empfehlenswert. Auch Erkmann-Chatriaiis Histoire d'un
con.serit'1) oder L' Invasion8) scheinen ftlr diese Stufe ange-
messen. Die Lektüre einer derartigen Novelle würde sich wohl
am ersten für diese Klasse eignen.
In Unter-Sekunda hat aus Tfaiers' ßistoire du contulat
') Histoire de la premiere croisade. Weidmann 1,50 Mb. Velhugen
& Klasing 1 Mk.. ThaiBaing 0,80 Mk.; Siegt et Prise de Jerusalem.
Renger 1,25 Mk. — Histoire de la troisiime crtiisade. Weidmann 1,50 Mk.
Velhagen & Klasing 1 Mk., Theiasing 0,80 Mk., Friedberg & Mode 1 Mk-,
Schlutter 0,60 Mk.
S) Jeanne et Are. Velhagen A Klasing 0,90 Mk., Weidmann 1 Mk..
Renger 1,10 Mk., Theiasing 0,60 Mk.
8) Histoire de la 2r. guerre punique. Velhagen & Klaeing 0,60 Mk.
«) Weidmann 1,50 Mk., Velhagen & Klaaing 2 Teile ä 0,90 Mk.,
im AniEUgeO,90 Mk.; Benger 1,40 Mk. Siegiemnnd & Volkening 1,20 Mk.
Theiasing 1 Mk., Friedberg & Mode 1 Mk., Schlutter 0,60 Mk.
*) Friedberg & Mode 1,20 Mk.
») Velhagen & Klasing: 2 Teile 0,50 Mk. und 0,80 Mk.
1) Velhagen & Klaaing 0,90 Mk., Renger 1,10 Mk., Friedberg
4 Mode 1 Mk.
S) Velhagen & Klasing 1,20 Mk.
Em Lehrplan für den französischen Unterricht am Gymnasium. 179
et de Vempire die Expedition en J^gypte1) Bürgerrecht er-
worben. Daneben empfiehlt sich aus demselben Werke die
Campagne d' Italief) ferner ans Gnizot's französischer
Geschichte die Histoire de Louis XL*) welche die Be-
gründung der französischen Monarchie zur Darstellung bringt und
als ein Bild aus der Völkerwanderung die von Timme und von
Manch empfohlene Histoire d'Attila*) von Amedee Thierry.
Eine beschränkte Anzahl von Stunden könnte in dieser Klasse
unter günstigen Umständen einem modernen Lustspiel gewidmet
werden; ich empfehle Scribe, Bertrand et Raton*) sowie
Feuillet, le Village*)
Die Ober-Sekunda berücksichtige in erster Linie Segur's
Histoire de Napoleon et de la grande armie1) weiterhin
ans dem Geschichtswerke Duruy'8 die Zeit der religiösen Kämpfe
(Histoire de France 1560 — 1643).8) Daneben kommen
in Betracht: Mignet, Vie de Franklin9) und desselben Ver-
fassers La Oermanie au huitieme sitcle,10) eine Schrift,
welche namentlich, wenn auch mit einer gewissen Einseitigkeit,
den Einfluss der Kultur Frankreichs auf Deutschland in jener
Periode nachzuweisen sucht. Hier ist dann auch die geeignetste
Stelle für die klassische Tragödie. Corneille's Cid11) und Ra-
cine's Athalie12) verdienen in erster Linie genannt zu werden
als diejenigen, in welchen die Schwächen der klassischen Tra-
gödie am wenigsten störend auf den deutschen Leser wirken.
In zweiter Linie sei Racine 's Britannicus1*) empfohlen, der
durch seine Sprache diese Schwächen vergessen macht.
*) Weidmann 1,50 Mk., Renger 1,50 Mk., Friedberg & Mode 1 Mk.,
TheisBing 0.50 Mk. Römke, Cöln, 1,20 Mk.
*) Velhagen & Klasing 0,80 Mk., Friedberg & Mode 1 Mk., Weid-
mann 1,50 Mk., Renger 1,50 Mk.
>) Velhagen & Klasing 0,75 Mk.
4) Theissing 0,90 Mk., Renger 1,30 Mk.
5) Velhagen & Klasing 0,60 Mk., Weidmann 1 Mk.
•) Velhagen & Klasing 0,60 Mk., Weidmann 0,50 Mk.
7) Weidmann 4 Teile ä 1 Mk., Velhagen & Klasing 2 Teile
a 1,20 Mk. Napoleon ä Moscou und Passaae de la Beresina, Renger
1,50 Mk. Passage de la Beresina. Teuoner 1,50 Mk. Les desastres
de la grande armee Theissing 0,80 Mk.
«) Renger 1,30 Mk.
•) Velhagen & Klasing 0,90 Mk.
10) Springer, Berlin 1,20 Mk.
n) Velhagen & Klasing 0,60 Mk., Weidmann 1 Mk., Renger 1,30
Mark, Theissing 0,40 Mk. u. a.
tf) Velhagen & Klasing 0,60 Mk., Teubner 1 Mk., Renger 1,20
Mark. Theissing 0,40 Mk.
!*) Velhagen & Klasing 0,60 Mk., Weidmann 1 Mk., Renger 1 Mk.
12*
180 F. Tendering,
Für Unter- Prima empfehlen sich gleicher Weise Mignet's
Histoire de la Revolution1) und Lanfrey's Histoire dt
Ifapolion, aus letzterer namentlich der Abschnitt Campagne.
de 1806 — 1807,*) in zweiter Linie Campagne de 1809') and
Expedition d'Egypte et Campagne de Syrie.*) Ferner
komme in Betracht Mignet's Essai sur la Formation terri-
toriale et politique de la Franeeb) und ausgewählte
Briefe der Madame de SivigniB) und Monfesquieus.1) Für die
Poesie seien Sandeau, Mademoiselle de la Seigliire6) und
Holiere'B Femmes savantes9) in Vorschlag gebracht; auch
Delavigne's Louis XJ.1V) wird mit Vorteil gebraucht werden
bOnnen. Das erstgenannte Werk wird zwar meist für eine
frtthere Stufe angesetzt und kann auch ohne Bedenken schon
früher gelesen werden, allein die Unter- Sekunda scheint mir
doch noch nicht der richtige Ort dafür zn sein, and in der
Ober-Sekunda ziehe ich das klassische Drama vor.
Für Ober-Prima eignen sich die Reden Mirabeaus,11)
Gnizot's Histoire de la eivilisation en Franc«,18) sowie
desselben Verfassers Etüde sur Washington.**) Auch auf
AugUBtin Thierry's Lettres sur l'histoire de France1*)
and eine Auswahl französischer Kanzelreden1G) sei hin-
gewiesen. Von letzteren wird man jedenfalls absehen müssen,
wenn vorher Briefe Montesqniea's und der Sevigne gelesen werden,
damit den Schtllern nicht zn lange die Prosaschriftsteller des
1) Velhagen & Klasing 2 Teile 4 1,20 und 1,80 Mk., Teubner
4 Teile a 1,50, 1,50, 120, 1,50 Mk. Renger Hisioire de la Terrew 1,50
Mark, Basier, Quedlinburg 2,25 Mk., Friedberg & Mode 1 Mk.
") Weidmann 1,50 Mk., Benger 1,50 Mk., Friedberg & Mode
1,20 Mk.
») Renger 1,50 Mk.
*) Velhagen & Klaning 0,75 Mk.
*) Renger 1,30 Mk.
■) Das Nötige findet sich in Chefs -iTauvres t'pistotaires Theiwing
0,90 Mark.
T) Weidmann 0,50 Mk.
8) Weidmann 1 Mk., Seemann 1 Mk., Velhagen & Klaaing 0,60 Mk.
•) Weidmann (Frituche) 1 Mk., (Brnnncmann) 0,50 Mk., Velhagen
& Kissing 0,60 Mk., Teubner 1,35 Mk., Leiner 3 Mk.
,D) Velhagen & Klaaing 0,60 Mk , Weidmann 0,50 Mk., Benger
1,80 Mk.
") Weidmann 3 Teile ä 1 Mk., Velhagen & Kl&Bing 0,90 Mk
u) Weidmann 2 Teile ä 1,50 Mk., Renger 1,40 Mk.
u) Weidmann 0,50 Mk., TbeiBaing 0,80 Mk., Schultheis- Zürich
1,40 Mk.
M) Oeichcrt- Erlangen 0,65 Mk,
u> Benger 1,25 Mk.
Ein Lehrplan für den französischen Unterricht am Gymnasium. 181
19. Jahrhunderts verschlossen bleiben. Von Moliere werde auf
dieser Stufe gelesen: le Misanthrope1) oder VAvare2).
In den Klassen Quinta bis Ober-Tertia und falls dort keine
sonstige poetische Lektüre eintreten sollte, auch in Unter- und
Ober-Sekunda ist eine Anzahl französischer Gedichte zu lesen.
Sofern das etwa eingeführte Lesebuch nicht genügendes bietet,
sei die Sammlung von Gropp & Hausknecht empfohlen.
c. Übertragung des Schriftstellers. Die Fähigkeit,
einen fremden Schriftsteller ins Deutsche zu übertragen, muss
dem Schüler anerzogen werden. Darum darf, wie schon oben
gesagt, in den beiden ersten Jahren eine selbständige Vorbereitung
von dem Schüler nicht gefordert werden, der Lehrer wird jedoch
in dem zweiten Halbjahre der Quarta seine Hilfe immer mehr
beschränken können. Auch in den Tertien wird der Schüler bei
Eintreten eines neuen Schriftstellers zunächst durch gemeinsame
Präparation in der Klasse angeleitet werden müssen. Haben die
Schüler eine befriedigende Gewandtheit in der Übertragung des
Schriftstellers erlangt, so wird man keine Bedenken tragen,
namentlich am Ende des Schuljahres, eine Reihe von Abschnitten
extemporieren zu lassen, um eine Gewöhnung an ein flottes Auf-
fassen der Sprache herbeizuführen und zugleich um die notwendige
Durchführung durch das Schriftwerk zu ermöglichen. Es bleibe
indessen nicht unausgesprochen, dass dieses zeitweilig flottere
Tempo im Lesen des Schriftstellers nicht zum Durchjagen werden
und der Gründlichkeit der Behandlung der Lektüre im ganzen
keinen Abbruch thun darf.
Aus unseren seitherigen Erörterungen über die Lektüre er-
giebt sich, dass wir an die Übertragung der Schriftsteller einen
möglichst hohen Massstab gelegt wünschen. Wenn der Wert der
Lektüre nicht zum geringsten Teil darin besteht, dass durch die-
selbe der Schüler französisch lernen soll, d. h. lernen das ihm
gebotene Sprachmaterial in einer dem Vorbilde des gelesenen
Schriftstellers sich nach Möglichkeit nähernden Weise verwenden,
so bedingt dies allein schon, dass die Unterschiede zwischen
französischem und deutschem Ausdruck in grammatischer und
stilistischer Beziehung, zwischen französischer und deutscher Ord-
nung der Begriffe und logischer Auffassung voll erfasst werden,
denn für eine rein instinktive Aneignung der Sprache vermittelst
*J[ Weidmann (Fritsche) 1 Mk., (Brunnemann) 0,50 Mk., Velhagen
& Klasing 0,60 Mk., Renger 1,25 Mk., Leiner 2 Mk., Teubner 1,80 Mk.
2) Weidmann (Fritsche) 1 Mk., (Brunnemann) 0,50 Mk., Velhagen
& Klasing 0,50 Mk., Leiner 2,50 Mk., Teubner 1,80 Mk., Seemann 1 Mk.,
Theissing 0,40 Mk.
182 F. Tendtring,
der Lektüre ist der Umfang derselben bei weitem nicht ausreichend.
Zieht man dazu in Betracht, dass der Schriftsteller anch seiner
selbst willen, wegen seines Inhalts gelesen wird, so wird man
kein Bedenken tragen der Forderung zuzustimmen, dass durch
die Übersetzung von dem Schiller nicht eine mehr oder minder
oberflächliche Präparation durch Nachschlagen einer Anzahl von
Vokabeln oder der etwaigen Bemerkungen des Kommentars nach-
zuweisen ist, sondern dass er durch die Übersetzung zeigen mnes,
dass er in den Sinn der von ihm Übersetzten Stelle eingedrungen
ist nnd sich nicht begnügt hat — was ja gerade im Französischen
so leicht möglich ist — dem Wortlaut gegenüber befriedigendes
zu leisten, ohne dass ihm der Inhalt zum Bewusstsein gekommen
wäre. Die handwerks massigen Übersetzer pflegen ja freilich
damit zufrieden zu sein, im erziehenden Unterricht rauaa Er-
fassung von Form und Inhalt gefordert werden. Es mnss
demgemäss bei der Übersetzung dem echtem Französisch echtes
Deutsch gegenüber gestellt werden. Dies ist allerdings eine
ideale Forderung, und man darf von der häuslichen Präparation
des Schülers namentlich in den mittleren Klassen die Erfüllung
derselben nicht erwarten. Das Herausbringen des Sinnes darf
indessen nur dann als genügend gelten, wenn Bemühungen des
Schülers nach jener Richtung hin zu erkennen sind. Anfgabe
des Unterrichts ist es, einen guten deutschen Ausdruck in ge-
meinsamer Arbeit festzustellen und so die Schüler zur selbst-
atändigcn Auffindung desselben anzuleiten. In den oberen Klassen
werden naturgemäss höhere Ansprüche nach dieser Richtung zu
machen sein, Schülern gegenüber, denen bei der Übersetzung
der alten Schriftsteller Aufgaben gestellt werden, im Vergleich
mit denen eine wortgetreue Übersetzung eines französischen
Schriftstellers ihnen eine geradezu lächerlich geringe Mühe zu-
muten würde.
Eine gute deutsche Übersetzung werde gefordert, dabei
aber bleibe unvergessen, dass die im Unterricht festgestellte
Übertragung des Schriftstellers doch noch nicht immer die absolut
gute ist, die keiner Verbesserung mehr fähig wäre und deren
wörtliche Wiedergabe bei einer Wiederholung demgemäss von
dem Schüler zu verlangen wäre. Es sei dem Schüler gestattet,
der Übersetzung eine grössere Vollendung zu geben, missrät es
unter seinen Händen, was verschlägt's? Der Lehrer wird bei
einer minder guten Leistung ohne Mühe erkennen können, wo-
durch ein Teil der Ladung verloren ging, ob durch Nachlässig-
keit oder durch das an sich gewiss berechtigte Streben, minder
Gutes durch BeBBeres zu ersetzen. Eine solche Nach Übersetzung
findet überhaupt am besten nicht in der auf die erste Durchnahme
Ein Lehrplan für den französischen Unterricht am Gymnasium. 183
folgenden Stunde statt,1) sondern in dieser selbst, während der
Schiller sich in jener über die erfolgte häusliche Wiederholung
in anderer Weise auszuweisen hat.
Es sei nun im Folgenden auf einige Punkte hingewiesen,
welche bei einer Übersetzung aus dem Französischen ins Deutsche
einer besonderen Beachtung wert erscheinen:
Der französische Stil unterscheidet sich vom deutschen nicht
unwesentlich in seinen Grundzügen durch einen mehr rhetorischen
Charakter, mit der die Vorliebe für die Antithese und die asyo-
detische Anreihung der Sätze und Wortgruppen, sowie die Bevor-
zugung der Beiordnung der Sätze vor der Unterordnung in enger
Verbindung steht. Auf eine angemessene Abschwächung de*
rhetorischen Charakters durch Einschiebung von Partikeln wird
daher bei der Übersetzung Bedacht zu nehmen sein; das Asyndeton
wird nicht selten aufgegeben werden müssen, und Subordination
wird zuweilen statt der Koordination einzutreten haben, jedoch
sei bezüglich des letzteren Punktes Vorsicht empfohlen, da wir
Veranlassung haben, hierin den deutschen Stil gegenüber seiner
durch das Lateinische beeinflussten Vorliebe für Einschachtelung
von Sätzen einer Zucht durch das Französische zu unterwerfen.
Dem Französischen eigentümlich ist eine gewisse Einförmig-
keit im Beginn der Sätze, während das Deutsche nach Abwechselung
strebt; namentlich wird der im Französischen übliche Beginn der
8ätze mit demselben Subjekt — wenn auch in verschiedener Form
— zu einer Änderung auffordern. Bezüglich der Ordnung der
Wortgruppen wird sich vielfach ein Wechsel empfehlen, soweit
jedoch durch die Eigentümlichkeit in der ursprünglichen Ordnung
eine bestimmte Nuance des Sinnes zum Ausdruck gelangen soll,
wird dieselbe nicht aufzugeben sein, unter Umständen wird eine
Änderung der Konstruktion dann eintreten müssen. Gründe des
Wohlklangs werden wie bei der Wahl des Ausdrucks, so bei der
Anordnung der Wörter und Wortgruppen nicht ausser acht zu
lassen sein.
Infinitiv- Sätze und sonstige verbale Wendungen sind vielfach
durch deutsche Verbalsubstantive auf -nng wiederzugeben: il
aspira ä acquirir uns fortune = Erwerbung; auch die den
Thäter bezeichnenden Verbalsubstantiva sind nicht so zahlreich
als im Deutschen; celui qui parlait = der Redner, ähnlich ce
qui suü = das Folgende. An den Gebrauch zusammengesetzter
Substantive und Adjektive werde erinnert: la soif de la glotre =
die Ruhmsucht; avec la rapiditi du trait = pfeilschnell.
Die Übersetzung von aller, venir, faire und ähnlichen Ausdrücken,
i) Vgl. Münch, Zur Ford, des franz. ünierr. S. 79.
■
184 F. Tenderiwj,
sowie von il y a bedarf oft besonderer Aufmerksamkeit. Häufiger
als im Französischen wird das Präsens für das Futurum einzu-
treten baben, dem Konditionnel entspricht oft der Konjunktiv des
Plusquamperfektums. Die verschiedenartige Übersetzung von
■meine sei bemerkt, tout ce qtti und tous eeux gui Bind durch
alles was, alle welche wieder zu geben. Für il tritt oft
deutsches dieser oder derselbe ein. Das Adverb entspricht
oft einem umfangreicheren französischen adverbialen Ausdruck
oder einer verbalen Wendung: avee eourage mutig, sans peine
mühelos, on xait bekanntlich, ne pas laister doch, aimer ä
gern, comntencer par zuerst, ceeser de nicht mehr, revttir ä
glücklich. Ein Adjektiv tritt ein in Fällen wie le livre en
question fraglich, le tratlre de payuan verräterisch.
Oft ist die Auslassung und umgekehrt die Einfügung eines
Wortes notwendig: la question de savoir «die Frage ob, r.ovp
iXipie Stoss, andererseits tnoyens Mittel und Wege, moniere
Art und Weise, bruler de faire vor Begierde brennen,
exposer der Gefahr aussetzen, a'ob»tiner ä faire auf einem
Entschlösse bestehen u. a. w.
Endlich Bei noch auf die richtige Auflösung von Partizipial-
sätzen, auf die Übersetzung von Appositionen und auf die Not-
wendigkeit einer genauen Wahl zwischen etwa zu Gebote stehenden
Synonymen aufmerksam gemacht.
Nur einzelne Punkte sind hier zur Sprache gebracht worden,
gewissermasBen als Nachweis der Schwierigkeiten, welche sich
einer guten Übersetzung eines französischen Textes entgegen-
stellen. Wir verfehlen nicht auf die geistvolle Abhandlung
Mlinch's: „Die Kunst des Übersetzens aus dem Französischen,"1)
hinzuweisen, worin auch vieles von dem, worauf hier nur mit
einem einzelnen Beispiele kurz hingewiesen wurde, ausführlicher
behandelt wird.
d. Erklärung. Die Erklärung der Schriftsteller ist eine
zweifache, eine sprachliche und eine sachliche. Die sprachliche
Erklärung hat in erster Linie alles dasjenige in Betracht zu
ziehen, was zum Verständnis des Inhalts des Gelesenen notwendig
erscheint. Hiermit kann sie sich bei der kursorischen Lektüre
begntlgen. Im allgemeinen aber soll an dem lebendigen Sprach-
Stoff im SchriftBteller das Walten der Sprachgesetze zur An-
schauung gebracht werden, es soll namentlich auch die logische
Begründung syntaktischer Erscheinungen dem Schüler aus dem
1) Zeitschrift für neufram. Spr. u. Lit. IX». 59 ff., auch „ Ver-
mischte Aufsätze über Unterrichtsziele und Unterricktsknnst." S. 165 ff.
Vgl. auch Franke, Franz. Stilistik und Beckmann, Anleitung zu franz.
Arbeiten.
Em Lehrplan für den französischen Unterricht am Gymnasium. 185
inneren Zusammenhang des Gelesenen heraas klar werden. Die
Erklärung hat also weiterhin auch diejenigen Spracherscheinungen
in berücksichtigen, welche ein neues Licht auf bereits bekannte
Gesetze werfen oder sonstwie zur Erweiterung des grammatischen
Verständnisses beizutragen geeignet sind. Auch diejenigen Dinge
müssen kurz berührt werden, welche zur Illustration des gerade
behandelten grammatischen Gebietes dienen. Wie in unteren
Klassen die grammatischen Kenntnisse zunächst an der Lektüre
zu entwickeln sind, wie ferner in den mittleren Klassen syntak-
tische Vororientierung aus der Lektüre zu schöpfen ist, wurde
bereits gezeigt Vor einem Zuviel hat man sich nach dieser
Richtung zu hüten, indessen möge man sich nicht scheuen, einen
kleineren Abschnitt, dessen inhaltliches Verständnis keine Schwierig-
keiten bietet, hier und da nach der sprachlichen Seite hin gründ-
lich durchzuarbeiten. Auch die phraseologischen und die ein-
fachsten stilistischen Eigentümlichkeiten des Textes bedürfen der
Besprechung und wenn möglich der logischen Analyse. Es
empfiehlt sich, die zur Erörterung kommenden sprachlichen Punkte
von den Schülern mit leichtem Bleifederstrich im Buche bezeichnen
zu lassen, damit sie bei der häuslichen Wiederholung von neuem
im Zusammenhange darauf aufmerksam werden. Nur weniges wird
in das erwähnte Regelheft in den mittleren Klassen einzutragen
sein, hierbei braucht nur die Fassung der Regel in der Stunde
diktirt zu werden, die etwaigen Beispiele, aus denen sich dieselbe
ergiebt, oder welche sie illustrieren, kann der Schüler nach ent-
sprechender Bezeichnung im Unterricht zu Hause eintragen.
Soll der Schüler wirklich in den Inhalt eines Schriftstellers
eingeführt werden, so ist es notwendig, dass an der geeigneten
Stelle zu sachlichem Umblick verweilt werde. Ein nicht zu um-
fangreicher zusammengehöriger Abschnitt ist inhaltlich zu ana-
lysieren, Reden und Dramen Bind zunächst in ihren einzelnen
Teilen, später im Ganzen nach ihrem Aufbau zu besprechen.
Wiederholung solcher zusammengehörigen Abschnitte durch Über-
setzung, blosses Lesen, Verarbeitung des Stoffes in Extemporalien,
Sprechübungen, die sich an den Inhalt des Gelesenen anschliessen,
scheinen mir die Mittel zu sein, durch welche ausserdem das
Verständnis des Inhalts gefördert wird. Inhaltliche Schwierig-
keiten sind durch sachliche Erklärungen zu heben, es kann bei
dieser Erklärung alles dasjenige mit ziemlicher Kürze abgemacht
werden, was bereits durch den dem Buche des Schülers etwa
beigegebenen Kommentar berücksichtigt ist, andererseits ist auf
alles näher einzugehen, was zur Erkenntnis französischer Sitte
und Anschauungsweise, sowie französischen Volks- und Geistes-
lebens beizutragen geeignet ist. Möglichst knapp aber werden
18« F. TtHdering,
wegen der karg bemessenen Zeit die diesbezüglichen Bemerkungen
des Lehrers aein müssen. Die Lektüre französischer Geschiehta-
werke wird nicht selten Veranlassung geben, einseitige Auffassung
geschichtlicher Ereignisse zn korrigieren; vor der Anführung zahl-
reicher geschichtlicher Einzelheiten, wie sie viele Kommentatoren
lieben, sei gewarnt.
e. Lesen. Beim Lesen des französischen Textes ist natür-
lich anf ausser ste Korrektheit der Laute und anf ninngemässe
Betonung zn halten. Namentlich werde darauf geachtet, das«
im Zusammenhang der Wortton gegenüber dem Satzton zurück-
tritt. Mit einiger Vollkommenheit zu lesen ist nnr dann möglich,
wenn Erfassung des Inhalts bereits eingetreten ist, darum lasse
man, soweit es sich um Stellen handelt, die in häuslicher Arbeit
vom Schüler präpariert sind, das Lesen den Abschluss der Be-
schäftigung mit dem Schriftsteller bilden, dergestalt, dass dasselbe
erst nach der Übersetzung eintritt. Verteilt man den Stoff so,
dass möglichst — eine strenge Beachtung dieses Grundsatz««
erscheint nicht durchführbar — in jeder Stunde ein in sich ab-
geschlossener Abschnitt zur Behandlnng kommt und scheidet toi
der Betrachtung desselben mit dem Lesen, so wird man dem
Schüler in der geeignetsten Weise Anschauung lebendiger Sprache
und Verständnis von Inhalt nnd Form des Sprachmaterials ver-
schafft haben, anch wird der Schüler mit einem Gefühle grosserer
Befriedigung sein Buch schliessen, als wenn ihm in dem letzten
Teile der Unterrichtsstunde sprachliche Einzelheiten geboten sind.
Nicht nachdrücklich genug kann darauf hingewiesen werden, —
und darum sei es an dieser Stelle wiederholt — dass befriedigende
Leistungen auf dem Gebiete der Aussprache nur dann erwartet
werden können, wenn in allen Klassen gleichmässig mit Ent-
schiedenheit diesem Zweige des französischen Unterrichts Rech-
nung getragen wird.
Sprechübungen. Als Mittel zur Förderung dea Ver-
ständnisses der Lektüre worden oben U. a. Sprechübungen üb
Anschlüge an die Lektüre empfohlen, wie sie auch von der
Unterrichtsordnung gefordert werden. Die Reproduktion des
Inhaltes eines im Unterricht durchgearbeiteten LektureBtoffs ig
Frage und Antwort ist der geeignetste Weg, um au einem ge-
wissen Orade des Könnens in der fremden Sprache zu gelangen.
Die Sprechübungen sind sozusagen das mündliche Extemporale,
sie haben dazu den Vorzug, dass der SchUler ohne die Krfleke,
welche der bei einer Übersetzung vorgelegte deutsche Text
bietet, zu gehen genötigt wird, dass er ohne Vennitteinng
deutscher Vokabeln den in seinem Kopfe angesammelten Sprack-
stoff in Bewegung setze« tnuss.
Ein Lehrplan für den französischen Unterricht am Gymnasium. 187
Zum Erfolg der Sprechübungen ist eine wesentliche Vor-
bedingung, dass der Stoff, an den sie sich anschliessen, allen
Schülern vollkommen geläufig sei. Man wird daher alle ab-
strakteren und mehr reflektierenden Teile des Lektürestoffes für
dieselben nieht in Betracht ziehen, vielmehr sich an das rein
Erzählende halten und unter Umständen geradezu einen besonderen
Stoff zu Grunde legen, den eine vom Lehrer wiederholt vor-
gelesene oder erzählte kleinere Geschichte bietet. Nur wenn
der Schüler weiss, was er sagen soll, werden ihm die Schwierig-
keiten, wie er es sagen soll, nicht unüberwindlich erscheinen.
Es ist notwendig, dass der Schüler mit Frische, mit einem ge-
wissen Mute an die Sache herantritt, und diese Kühnheit, mit
der er vielleicht bezüglich der Konstruktion zuweilen ganz gründ-
lich vorbeirät, darf ihm nicht durch Tadel etwaiger Verfehlungen
geraubt werden. Er muss das Gefühl haben, dass er hier ge-
rade heraus, ohne viel Überlegung seine Antwort auf die Frage
des Lehrers sagen soll, und darum werde zwar alles Verfehlte
sorgfältigst richtig gestellt, aber Tadel und wohl gar Strafe auch
für die gröbsten Sünden gegen die Grammatik sei verbannt. —
Nach oben hin wird der Anschluss an die Lektüre ein freierer
sein können.
Durch die an die Lektüre sich anschliessenden Sprech-
übungen ist es leicht, den Schüler zu nötigen, den bei derselben
erworbenen Schatz an Vokabeln und Redensarten im Zusammen-
hang zu verwerten. Wird auf diese Art der Nachweis über den
Grad der Einprägung derselben erbracht, so wird das Abfragen
isolierten Sprachstoffes wesentlich beschränkt werden können.
„Durch vieles und fortgesetztes Sprechen werden dem Schüler
mehr Vokabeln und grammatisch und stilistisch richtige Aus-
drucksweisen beigebracht und in seinem Gedächtnis befestigt,
als durch hundert lange Vokabellisten, tausend Regeln und Über-
setzen unzähliger schlecht stilisierter Einzelsätze. a Indessen
werde isoliertes Abfragen nicht ganz verbannt, nur darf man,
wie schon oben erwähnt, nicht verlangen, dass der Schüler schon
gleich bei der Präparation alle etwa vorkommenden Vokabeln
und Redensarten sich so fest eingeprägt hat, dass er sie ausser-
halb des Zusammenhanges weiss; es muss genügen, dass ihm
dieselben dann innerhalb des Satzes bei der Übersetzung bekannt
sind; isoliertes Abfragen hat erst seine Berechtigung, nach-
dem sie durch den Unterricht eingeübt sind, also nach erfolgter
Repetition.1)
Synonymik. Zum vollen Verständnis der Lektüre ist die
*) Vgl. auch Bernh. Schmitz, Enoyclopddie* IV. ß. 185.
■
188 F. Tmdering,
auch von der Prüfungsordnung geforderte Kenntnis der wichtigsten
Synonymen notwendig. Auf diesem Gebiete viel zn leisten ist
dem Gymnasium freilich nicht möglich, aber gewisse Dinge
müssen unweigerlich such hier gewusBt werden. Systematisches
Vorgehen würde unfruchtbare Gedächtnisarbeit sein, die Syno-
nymik hat vielmehr aus dem Unterricht heraus zu erwachsen.
Im AnachlusB an das etwa in der Lektüre vorkommende Wort
werde die Bedeutung aus dem Zusammenhange und wenn eben
möglich aus dem lateinischen Etymon entwickelt und Beinern
Synonymen gegenübergestellt. Synonymische Unterweisung kann
nicht Unterrieb tegegen stand einer bestimmten Klasse Bein, es
rou HB vielmehr schon früh das Auge für die diesbezüglichen
Unterschiede geöffnet werden; jede Klasse muss ihren Teil znr
Erwerbung synonymischer Kenntnisse beitragen, so dass in der
Prima ein gewisser Schatz vorbanden ist, den es gilt in er-
weitern und im Verständnis zu vertiefen. Zur festen Aneignung
sind alle diejenigen Synonymen zu bringen, deren Verwechslung
geradezu sinnloses ergäbe (Stümper- Synonyma) wie expliquer und
dielaret, lourd und difßeile, oder die in so schroffer Weise sich
von einander scheiden, dass wesentliche Schiefheiten durch ihre
Vertanscbung entstehen würden, wie vieux, ancien, antique; langue
und langage. Es äst notwendig, dass der Schüler gewöhnt werde
an eine knappe, schul gemäss einfache, dabei wissenschaftlich
richtige, wenn auch nicht ganz erschöpfende Definition der
Synonymen, wie sie sich im Anschlags an die Bücher von Bernh.
Schmitz und von Koldewey leicht geben läset. Folgende scheinen
mir diejenigen Synonymen zu Bein, deren Kenntnis man bei dem
Abiturienten muss voraussetzen können:
allgemein generat, univereel,
alt, vieux, ancien, antique, &gi,
annehmen, erhalten, prendre, aeeepter, recevoir, obtenir,
Aufstand, inturreetion, ribeüion, rivolte, rtvoliäion, (souü-
vement, sedition),
Berg, mont, tnontagne,
berühmt, ul&bre, fameux, renommi (illustre),
beechliesBen, conelure, risoudre.
betrachten, regarder, consitUrer,
brauchen, employer, se servir de, avoir besoin de, faüoir,
Bürger, citoyen, bourgeoi»,
denken, penser, songer, rSver,
erklären, diclartr, expliquer,
ernst, sirieux, graue,
Fehler, faule, defaul,
Fleisch, chair, viande,
Ein Lehrplan für den französischen Unterricht am Gymnasium. 189
Fluss, rivitre, fleuve,
folgen, suivre, sucdder,
führen, guider, conduire, mener,
Furcht, crainte, peur, apprihension,
furchtbar, redouiable, formidable,
Geschlecht, sexe, genre, race, giniration,
Glück, bonheur, fortune (prosp&riU),
heilig, saint, saeri,
Hoffnung, espoir, esperance,
hören, entendre, icouter,
Jahr u. ä., an, annie,
jeder, tout, chaque,
leicht, Ugery facüe (axsi),
leiden, souffrir, endurer, supporter (tolirer),
Macht, ptiissance, pouvoir, force,
Opfer, sacrifice, victime,
Person, personne, personnage,
raten, conseiüer, deviner,
regieren, rtaner, gouverner, rigir,
Regierung, rlgne, gouvernement, rigirne,
Ruhe, tranquittiti) calme, repos,
Sache, chose, cause,
scheinen, paraUre, sembler,
sicher, sür, certain,
schwer, lourd, difficüe (grave),
Sprache, langue, langage,
stolz, fier, orgueüleux, hautain,
Stunde, heute, lieue, lecon,
Stück, morceau, püce,
Teil, partie, pari, portion,
teilen, dwiser, par tager, distribuer,
Ufer, bord, rive, rivage (plage),
verfolgen, poursuivre, persicuter,
wählen, choisir, elire,
Wort, mot, parole,
Wunder, prodige, merveüle, miracle.
Auch andere synonymische Begriffe werden gelegentlich zur
Erörterung kommen, und man wird die Schüler auch auf feinere
Unterscheidungen wie culture und civüisation ; ascendant, ardeur
and zUe; mifiance und difiance aufmerksam machen.
Litteraturgeschichte. Von der Geschichte der französi-
schen Litteratur ist weder in den Lehrplänen noch in der Prüfungs-
ordnung die Rede; gleichwohl wird der französische Unterricht
auch am Gymnasium nicht umhin können, den Schülern einige
190 F. Tendering,
Kenntnisse auf diesem Gebiete zu Übermitteln. Nicht freilich ist
Li tteraturge schiebte an sich zu treiben, äusserst« Beschränkung
ist notwendig, aber diese Beschränkung darf nicht soweit gehen,
dass der Schiller nur von dem zufällig von ihm gelesenen Schrift-
steller etwas erfährt, um so weniger, da nicht nur Schriftsteller von
hervorragender litterarischer Bedeutung sich zur Schullektüre
eignen. Namen wie Boilean, J. J. Rousseau, Victor Hugo dürfen
dem Abiturienten kein blosser Klang sein, auch wenn er selbst
von ihnen noch nichts gelesen hat. Noch viel weniger darf
andererseits der Geist des Schülers mit Daten und Einzelheiten
aus dem Leben des gelesenen Schriftstellers überlastet werden.
Es handelt sich vielmehr darum, im Anschluss an die Lektüre
einen kurzen Überblick Über die Entwicklung der gesamten
Litteratur zu geben, die in ihr hervortretenden Strömungen nach
Ursache und Folge zu erklären und ein Verständnis zu erwecken
von dem Wesen der zur Erörterung kommenden Schriftsteller,
von ihrer Stellung innerhalb des Verlaufs der Geschichte der
Litteratur, von ihrer kulturgeschichtlichen Bedeutung, sowie den
Wechselbeziehungen zwischen der französischen and der vater-
ländischen Litteratur. Im wesentlichen wird dieser Zweig des
französischen Unterrichts der Prima zufallen mllssen.
Es könnte auf den ersten Blick schwierig oder wenigstens
gezwungen erscheinen, die litterargeschichUiche Belehrung an
die Lektüre anzuschließen. Aber bietet sich nicht bei der Be-
handlung eines Moliere 'sehen Lustspiels fortwährend Veranlassung
auf die persönlichen literarischen Verhältnisse dieses Dichters,
auf seine Stellung gegenüber Racine und Corneille, sowie auf
die alte volkstümliche Litteratur der Franzosen einen Blick zu
werfen? Die Femmes Savantes im besonderen nötigen zu einem
Hinweis auf das Hotel de Rambouillet und ähnliche Bestrebungen,
sowie auf die gesamte Einwirkung der Renaissance auf die
französische Litteratur. Die Betrachtung der Sprache Moliere's
gegenüber der heutigen richtet unser Auge auf die Bestrebungen
der Plejade und Malherbe's. Der Bau des klassischen Dramas und
seine Metrik weist auf Boilean einerseits und auf Victor Hugo
und die Romantiker andererseits hin; die Lektüre Mignet's zwingt
uns der Schriftsteller des XVIII. Jahrhuuders, namentlich J. J.
Roussean's, Voltaire 'b, sowie Mo ntesquieu's zn gedenken; Lanfrey
erinnert an die Urheber der napoleonischen Legende. Erckmann-
Chatrian und Madtmoinelie de la Seigli&re bieten Veranlassung
zu Bemerkungen über die neueste Litteratur, über das Verhältnis
von Klassizismus und Romantik, über das Aufkommen des Realis-
mus und die Ausartung desselben den Naturalismus u. s. w.
Es wurde bereits die alte volkstümliche Litteratur der
Em Lehrplan für den französischen Unterricht am Gymnasium. 191
Franzosen erwähnt Ich halte es für wertvoll, dass der Schüler
weise, dass die französische Litteratur nicht erst mit dem klassi-
schen Zeitalter beginnt. Von dem Inhalt nnd der Bedeutung des
Rolandsliedes, aaeh von der litterarischen Wichtigkeit der alt-
französischen Kunstepen, von denen unsere mittelhochdeutschen
Epen zun Teil unbedeutende Nachahmungen sind, von der Exi-
stenz der grossen alten Chronisten muss der Schüler eine
Ahnung erhalten, er muss von der gewaltigen Natürlichkeit eines
Rabelais hören, und die Entwickelung des Dramas darf ihm nicht
fremd bleiben.
Metrik. An die poetische Lektüre schliesst sich die not-
wendigste Belehrung» über die französische Metrik an.. Die erste
metrische Anweisung hat da statt zu finden, wo zum ersten Male
französische Verse gelesen werden, jedoch sei sie hier rein prak-
tischer Art und beschränke sich darauf, richtiges Lesen fran-
zösischer Verse beizubringen. In den mittleren Klassen werde
dann das allgemeine Prinzip der französischen Metrik nachge-
wiesen und im Anschluss an die zu lesenden Gedichte das Not-
wendigste über Strophenbau, Silbenzählung und Reim vorgeführt.
Bei der Lektüre der klassischen Dramen wird dann weiterhin
die natürliche Stelle sein zu einem Eingehen auf den Alexan-
driner mit Gäsur, Enjambement, sowie auf Eigentümlichkeiten der
dichterischen Sprache, womit eine Erweiterung der früher er-
worbenen Kenntnisse zu verbinden ist. Alles Einzelne ist jeden-
falls ans der praktischen Beobachtung zu gewinnen, theoretische
Belehrung an sich muss als wertlos bezeichnet werden, somit
alles dasjenige verbannt sein, was nicht zum richtigen Lesen
der Verse,, oder zur Erkenntnis der Wechselbeziehung von Form
und Inhalt, sondern vielmehr zur Versbildung notwendig erscheint.
Sprachgeschichte. Es bleibt uns schliesslich ein Punkt
im Znsammenhang kurz zu besprechen , der schon mehrfach er-
wähnt wurde. Bei der Behandlung der Grammatik wurde die
Forderung aufgestellt, dass überall da, wo es für das Verständnis
der grammatischen Erscheinungen wünschenswert erscheine, auf
den Ursprung derselben im Lateinischen zurückgegangen werde.
Das Gymnasium hat die Pflicht, auch die Ergebnisse der histo-
rischen Grammatik für den Unterricht nutzbar zu machen, wenn
sie so leicht in den Dienst derselben gestellt werden können,
wie es hier der Fall ist. Bei jedem Schritte stösst der Schüler
auf Dinge, welche nach seiner eigenen Erkenntnis mit den ihm
geläufigen Erscheinungen im Lateinischen zusammenhängen. Die
Frage: wie hat sich die Umformung des lateinischen Wortes
oder der lateinischen Form vollzogen, drängt sich ihm von selbst
auf nnd erheischt darum Antwort. Wollte der Lehrer diese
■
192 F. Tenderiw/, Em Lehrplan f. d. franz. Unterricht am Gymnasium.
Antwort nicht geben, ho wird sich nur eine unbestimmte Ahnung
des wirklichen Zusammenhangs der Dinge im Geiste des Schülers
bilden, die ihn zu den falschesten Schlüssen verleiten würde.
Gewisse Grundbegriffe müssen daher an dem durchzuarbeitenden
Sprach material erkannt werden, massgebend muss dabei stets
die Bedeutung derselben für die praktische Formen- und Wort-
bildung sein.
Die allgemeinen Grundsätze der Lantent Wickelung: die Er-
haltung der Tonsilbe, meist anter Verwandlung des Vokals; das
Zusammen schwinden unbetonter Silben und das Verstummen der
Endungen ausser a, die Schwächung inlautender Konsonanten
müssen dem Schüler vor Augen geführt werden.
Im einzelnen ist die regelmässige Behandlung der betonten
Vokale in offener und geschlossener Silbe und der inlautenden
Konsonanten bezuglich der Lautlehre darzulegen. In der Formen-
lehre wird namentlich die Konjugation, wie schon oben ausein-
andergesetzt wurde, durch Hinweise auf die historische Ent-
wicklung, zum Verständnis zu bringen sein. Wie weit mit
solchen historischen Erklärungen gegangen werden darf und
muss, hat der Takt des einzelnen Lehrers zu entscheiden, jeden-
falls mnss dem Schüler durch dieselben ein Blick in das Leben
der Sprache eröffnet werden, der eben wegen der Bekanntschaft
mit dem Lateinischen in keiner anderen Sprache ao leicht en
erreichen ist. Eine kurze planmässige Zusammenfassung des
Dagewesenen wird sich in der Ober-Prima leicht in einer bis
höchstens zwei Stunden geben lassen.
F. Tbnderino.
Syntaktische Notizen zu Jean Calvin.
Calvin's Institution ist von Grosse zuerst in Herrig1 8
Archiv 1879 and sodann in der Dissertation Syntaktische Studien
» Jean Calvin, Oiessen 1888, untersucht worden. Über diese
letztere Arbeit habe ich in dieser Ztschr. XI2, 177 berichtet
Eigene Lektüre der Schrift Calvin's zeigte mir, dass Grosse in
Beziehung auf das Material durchaus nicht so vollständig ist, wie
dies erforderlich wäre, dass er einige wichtige Sachen ganz über-
sieht und in einzelnen seiner Angaben nicht genau ist. Ich will
daher in den folgenden Notizen Grosse ergänzen resp. berichtigen,
ohne jedoch jede Unrichtigkeit in der grammatischen Auffassung
richtig zu stellen. Wenn bei einer besprochenen Erscheinung
nicht angegeben ist, dass Gr. bereits dieselbe erwähnt, fehlt sie
bei ihm gänzlich, das sei hier ein- für allemal bemerkt. In der
Disposition wäre es für mich das Natürlichste gewesen, mich an
die vorliegende Abhandlung anzuschliessen, doch ist mir die dort
innegehaltene Anordnung so wenig sympathisch, dass mir das
unmöglich schien. Gar nicht berücksichtigt ist die Wortstellung,
die eine ausführliche Abhandlung für sich allein erheischen
würde. Bei den Notizen, die ich gebe, kommt es mir auf das
Material, nicht auf die Erklärung der an und für sich bekannten
Erscheinungen an, und der sprachhistorische Gesichtspunkt ist
für mich massgebend gewesen, wenngleich ich davon absehen
mu88, sprachhistorische Bemerkungen zu geben. Zu Grunde ge-
legt habe ich den Text des Corpus Reformatorum, Braunschweig
1865, Vol. XXXI und XXXII. Zitiert ist nach Band (I. und II.)
und Seite, ein Verfahren, das praktischer schien als das von Gr.
befolgte, welcher nach Buch, Kapitel und Paragraph zitiert, fia
die meisten Paragraphen weit über eine Seite hinausreichen.
Ausser der Institution habe ich auch die Briefe in der Ausgabe
von Jules Bonnet, Paris 1854, 2 Bände, gelesen, welche ganz
mit der ersteren Schrift übereinstimmen, aus denen ich jedoch
Zsckr. £. ftn. 8pr. o. Litt. XII1. 13
194 A. Boote,
hier and dt einzelne mit L bezeichnete Stellen beizufügen mir
erlaubt habe.
Das betonte Personalpronomen im Casus obliquua als
un bezeichneter Dativ findet sieb noch, wie das im 16. Jahrhundert
keine Seltenheit ist, bei (qu'ü) sowienne, so I, 144 Souvienne-
vous gu'on ne doit oster de sa gloire tont petit que ce soü; IL,
427 Souoienne-nous de le svpplier que etc.; ebenso L. II, 358, 408.
Das aus den Briefen notierte I, 234 II sera »i imputiert
de vou» oultrager Cent fois plus que vouft n'oseriez pas luy ist im
16. Jahrhundert oft genug zu finden.
Sehr oft ist toi in Abhängigkeit von Präpositionen im ab-
hängigen Satze in Beziehung auf das Subjekt des regierenden
Sattes zu beobachten, ein Latinismus, welcher im Altfranz osisches
nnr „bei bestimmter Anlehnung an lateinisches Original sich hin
und wieder findet" (Geasner I, 12) und in der Institution selbst-
verständlich am allerwenigsten befremden kann, doch auch ans
den Briefen zu belegen ist; vgl. z. B. 1, 330 Qu il parle de eeux
qui tont regenerez, ü appert de ce quayant dit qu'ü n'habitoit
aueun bien en soy, il adjouste etc. (ubi dixerat in »e bontim
nuüum habitare); II, 702 Gregoire ne maintient point que Chonneur
qu'ü denie ä l'avtre, appartieime ä «oy, I, 95 Ineontinent ta
majesti de Dieu triendra au devant, laqueüe domtera tonte audact
de contredire, nou» contraignant tfobeir ä »oy; II, 884 Lee m
le laieeent lä eomme une chose n' appartenant de rien ä soy (alii
velut rem ad se minime pertinentem) ; I, 164 Noue voyon» donc
que non seulement le minietere de remettre le» pechez est par devers
Jesus Christ, mais austi- la puiesance laqueüe Dien, a une foi»
denoneee devoir demeurer ä soy eterneUement (poteitatem quam a
se ad alium transituram Dominus negat); II, 828 Qutmd le pechevr
dornte teamoignage de repentanee ä SEglise, et par cela oste, eniemt
qu'en »oy est, le seandale et Fefface, ü ne doit estre presse" plus
outre (quantum in se est), ferner I, 350, 458, II, 363, 567, 709,
800, 936, 1040 ond sonst; in den Briefen I, 369 Lequel nou»
eommande de regarder simplement ä soy; II, 231 II uee de tele
moiens pour recueillir ceulx qui sont ä soy.
Dsss das unbetonte Personale, das übrigens schon
völlig in neufranzösischer Weise vom betonten geschieden ist,
noch in ce suis-je u. X. sich findet, hebt Or. S. 35 hervor, wie
derselbe auch 8. 15 auf die Altraktion des Verbums an das
Prädikat in diesem Falle aufmerksam macht. Den von ihm bei-
gebrachten Stellen tilge ich hinzu I, 135, 164, 179, 199, 253,
259, 261, 330, 342, 350, II, 172, 259, 800, 1053, denen sich
noch andere anreihen Hessen. Die Menge der Beispiele, d. b.
derjenigen, welche nicht das Pron. der 3. Pers. aufweisen, zeigt,
Syntaktische Notizen zu Jean Calvin. 195
dass D armesteter mit Unrecht (Seizieme Stiele § 217) ce sommes-
nous, c'Stes-vous für im 16. Jahrhundert ungebräuchlich geworden
erklärt. Vgl. auch L. II, 461 Devant que nous feussions advertis
qm c'estiez-vous, les freres de Poitiers nous en demand&rent
eonseil*
Die Beispiele, welche Gr. S. 33 für die „Auslassung" des
anbetonten Objektspronomens beibringt, sind recht unglücklich
gewählt, da in dem einen (4, 2, 9 et aussi (le) seront) prädikatives
Je vorliegt, in zwei anderen (3, 10, 2 und 4, 16, 9) das Verbum
sehr wohl als intransitives fungieren kann und in einer (4, 2, 2)
nur die Ausgabe von 1564 das Pronomen nicht hat Auch der
vorliegende Text bietet zu dieser in noch viel späterer Zeit
keineswegs seltenen Erscheinung eine ganze Menge von Beispielen,
vgL nur I, 308 Ils luy attribuent quelque faculti, ou pour le
moins semblent advis luy attribuer; II, 818, Ils demandent quelque
tribvt, dit-ü, nous ne luy refusons point, ferner I, 357, 471, II,
681 n. s. w.
Das neutrale ü in voller demonstrativer Kraft ist auf jeder
Seite fast zu lesen und braucht durch Beispiele nicht belegt zu
werden.
Ils = cm in dem bei Calvin häufigen Latinismus quüs
appeüent vgl. L. 1, 390 Quant ä la taxe, eile est faicte par
revesgue avec les commis du clerge*, quüs appellent.
Auf Sätze wie I, 367 Homme, qui es-tu qui veux imposer
loy ä Dieuj ähnlich II, 490, mag hingewiesen werden.
8tatt eines absoluten Substantivs oder Pronomens mit de
steht en keineswegs pleonastisch, wie Gr. S. 44 meint, und be-
gegnet auch heute oft genug, dagegen wird dasselbe nicht mehr
im Neufranzösischen nach vorhergehendem Relativ mit de resp.
dont sich betreffen lassen, wie z. B. I, 9 Desquels j'en voyoye
phisteurs avoir faim et soif, I, 206 dont luy-mesme en est cause
ind so unendlich oft; auch II, 287 entre lesquels ü riy en a nul
qui soit etc. Ebenso kam früher das Pron. der 3. Pers. und y
nach vorhergehendem Relativ vor, was Gr. S. 45 bei y erwähnt.
En fehlt nach modernem Gebrauch nicht nur in den drei
von Gr. S. 45 gegebenen Wendungen, denen sich noch viele
andere anreihen (z. B. II, 810 II ne sera pas ainsi de vousy II,
1005 Comme sÜ se falloit precisement tentr aux mots, II, 379
Toutefois se remettans ä ceste bonU dont üs sont esclairez9 u. a.),
sondern auch in Fällen wie I, 128 Je demande ä ces bons docteurs
quels sont ces idiots qui ne peuvent estre enseignez que par images:
ils ne peuvent aüeffuer d'autres sinon etc.; I, 137 Les simulacres
ont plus de vertu ä courber les povres ames . . . quüs n'ont ä les
redressser, ebenso II, 586, 674 und sonst.
13*
196 A. Hause,
Auch Falle wie I, 476 Et pensent-üs que . . . la vengeance
ne s'en ensuyve incontinent? I, 493 II lui fatloit mourir de faim
s'Ü ne s'en fust fuy, begegnen oft.
Sehr selten ist y in ü y a vernachlässigt, doch kommt
auch dioaea vor, während Gr. S. 45 „diese Auslassung nicht
Angetroffen hat", bo I, 498 Ccrtes celuy qui apres avoir tonfessi
qit'il n'a rien de forme ne permanent en ce monde, retient toutefoit
fermeti Seeperance en Dieu etc.; der lateinische Text lautet Seme
qui nihil esse in terra solidum aut stabile, eonfessus etc. Auci
II, 667 Vordre des diacres est aboly entre eux, passe" a ja long
temps ist so aufzufassen. L. I, 19 Longtemps a que nostre Seigneur
m'avoit fait teüement sentir etc.
Das betonte Posaeaaivum in attributivem Gebrauch ist
von Gr. S. 35 in Verbindung mit dem Denionstrativuin und mit
aueun nachgewiesen, dasselbe findet sich auch noch mit dem
bestimmten Artikel II, 1072 Taut cela estoit par la sienne ecule
abtation parachevi, in der Überaus häufigen Anknüpfung mit dem
attributiven Relativ lequel I, 9 Laquelle mienne deliberation on
pourra facüemmt apperetvoir, oft mit quelque z. B. II, 1077 Ils
nous enseignent de quelque sienne promesse, ferner I, 139 v*
autre sien compagnon.
Kaum ist in der Institution betontes Personale mit possessiven)
de statt des PossesBivums anzutreffen (Gr. 8. 35), nur begegnet
es oft in der Wendung en faveur de, i. B. I, 571 A sa requette
et en faveur de luy nous sommes agreables ä Dieu; I, 153 II
vaut mieux les ptquer de propos deliberi, que parier abscurement
en faveur d'eux. Die Briefe bieten einige Beispiele, vgl. I, 7
Si je ne voulois entre traistre ä la verite de Dieu et au Salut de
luy; I, 296 Or pource qu'il fault que le pere d'elle en seit
adverty, nous avons pmsi etc.; I, 155 Je suppige nostre bon
Dieu d'estre tousjours garde de vous.
Das demonstrative Neutrum ce ist noch von sehr «US-
gedehntem Gebrauch. Abgesehen von den Gr. 8. 38 gegebeneu
Fallen, zu denen zu bemerken ist, dass ce als Objekt eines
VerbumB nnr bei faire unendlich oft, sonst aber nicht bo erscheint,
findet es sich oft nach de, avec, par, bildet auch mit pour die
Konjunktion pource, welche nicht nur in der Ausgabe 1541 8. 3
(Gr. 8. 58), sondern auch II, 903 Pource ü seroit un grand
Prestre vorkommt, und tritt auch mit attributivem taut anf II, 420
Et tout ce y est st bien et si parfaitement comprins.
Als Subjekt fehlt es sehr oft, %. B. I, lii Et est ä bon
droit qu'en invoquant le nom de Dieu en tesmoignage, ü est da
que etc.; I, 520 Certes äs s'y sont employez avec grande difficulti;
et n'cst point de merveitte; II, 194 St seroit chose tuperflue de
Syntaktische Notizen zu Jean Calvin. 197
npder Und ce qui en a esti du; II, 301 Et n'est pas la doctrine
de» Sophistcs nouveaux seulement, mais leur grand maistre en du
autant\ II, 325 Laqueüe du qu'ü a ereu ä Dieu, et luy a esti
impuU ä justice; II, 1102 Et sont ceux qui s'ensuyvent
Ebenso erscheint ce auch als Subjekt == neufrz. ü, z. B.
II, 711 Ce riest point <tun Evesque comme (Tun Boy; L. I, 40
Cestoit de nostre debvoir envoyer quelques-uns etc. Das Gr. 3. 39
angeführte c'est mal argui quü y ait deux ames ist nicht zutreffend.
Das determinative ce war früher in Konjunktionen gewöhn-
lieh, welche dasselbe später entbehren konnten. Es tritt auf
ausser in den Gr. 8. 61 gegebenen sans ce que und cependant que
auch in dem sehr häufigen outre ce que, z. B. I, 428 Outre ce
am la raison contredit ä cela, I, 436, II, 1038; L. I, 72, 118,
159 u. a. In den Briefen ist auch selon ce que gebraucht II,
279 Selon ce que chacun est en degri Sminent, quü pense etc.
Daselbst kommt auch öfters avec ce que vor, z. B. I, 6 Avec ce
qm je voy la promptitude que nous avons pour nous bien justißer;
I, 143 Je ne m'esbahis point, si . . ., avec ce qu'on est tout
aecaustunU ä Heidelberg dfouir ceste doctrine desjä de long temps,
s. Grifenberg S. 132.
Unendlich oft ist dies ce als Stütze einem Satze mit que
beigegeben, welcher absolut vorangestellt ist Gr. S. 56 berührt
ganz nebenbei diese überaus häufige Erscheinung, indem er an-
gibt, dus „quant ä vor ce que zu ergänzen sei", und eine Stelle
anftlhrt, doch erscheinen derartige Sätze, die auch in noch viel
späterer Zeit sich zeigen, nicht nur in jener Weise und nicht
nur als vorangestelltes Subjekt, z. B. I, 418 Ce que nous ne le
pouvons faire, c'est de notre vice; I, 358 Cest que ce que les
iniques pechent, cela vient de leur propre, II, 72 Cor ce qu'üs
confondent la foy avec la penitence, est repugnant ä ce que dit etc.
und oft, sondern auch als nachgestelltes Subjekt, z. B. I, 17
Uune mesme source oVignorance provient ce qu'üs la reputent
douteuse et incertaine; als Objekt, z. B. I, 349 Quon ne die point
que les graces . . . soyent tellement pour remunerer ce qu'ü a
bien us£ de la pr emier e grace; II, 429 A quoy on peut rapporter
ee que sainct Paul exhorte les fiddes de son temps de lever etc.;
nach komparativem que, z. B. I, 245 II riy a rien plus ordinaire
en nature, que ce que nous sommes nourris de pain; L. I, 2 Ce
qui provient certainement plus de vostre prudence quavez eu ä
me supporter en cest endroict, que ce que je me suis porU comme
il appartenoit. — L. II, 29 De quoy j'estoye bien marry, voyant
ce que cela ne tendoit qu* ä reculler V Evangüe ist diese Hin-
weisung auf den folgenden Objektssatz ganz altfranzösisch
(Gessner I, 37).
196 Ä. Baase,
Als adjektivisches Demonstrativ figuriert celui, wenigstens
in der Femininform edle, nicht so selten in der Institution,
wie Gr. S. 37 meint, der 3, 4, 1 anfuhrt und auf die Ausgabe
1541, S. 19 verweist; vgl. II, 425 «" en certaine foy nous ae-
ceptons etile grande beneficence; II, 880 pottr avoir cell« signi-
fication; II, 888 ä celle senlmce; II, 891 ä celle signifiexdion -
de celle veriti; II, 899 celle promesse (2 mal); — celle varietf;
II, 926 celle promesse; II, 929 celle unique ceremonie; II, 979
call« promesse (2 mal); II, 984 celle fontame de vis; II, 1014
en ceüe eondäion; II, 1045 ä celle dtgniU ; II, 1056 call« parti-
dpation; II, 1065 celle communiU; II, 1078 celle varieti; II,
1156 por ee/Ie mesme ordonnance.
Dass neutrales ce vor Stre mit einem weiblichen singul arischen
Prädikatssubstantiv von letzterem attrahiert wird, darauf weist Gr.
S. 37 durch zwei Beispiele bin. Dieser auch im AltfranzSsi sehen
nicht seltene Gebranch (GeaBner I, 35) ist in der Institution
Überaus häufig, z.B. I, 31, 211, 337, 420, 424, II, 143, 179, 227,
274, 308 u. s. w. Daneben findet sich auch das Ortsadverbinm,
z. B. II, 1121 Ceste-ci est la justice; II, 806 Cette estoit cjf
la facon commune. Die gleiche Attraktion ist bei dem deter-
minativen Pronomen, das Prädikat ist nnd dem ein Relativnm
folgt, zn beobachten, wo auch das Neutrum stehen mfisste, vgl.
1, 352 Disant que Dien tire bien les hommes selon leur volonte",
et non par contrainte; mais que la volonte" est celle qu'il a formte
en eux; II, 381 L'invocation de Dien est celle qui nous demotutre
principaUment que c'ettt que vaut etc.
Substantivisches celui = nenfrz. celui -ci habe ich noeh
(Gr., S. 37 gibt eine Stelle 2, 8, 11) gefunden II, 711 Le
prineipal point de Voffice Episcopal est de prescher la parotte de
Dieu au peuple. Le second, prochain ä celui/, d'administrer les
Sacremens.
Statt des determinativen celui kommt auch cet vor, so II,
397 Tousjours elles dependent de cette seule de Jesus Christ
(intercession); II, 1008 Veu que ceste seule que j'ay alleguee
(sentence), wenigstens scheint mir eine andere Auffassung nicht
gut möglich.
über die mit den Ortsadverbien ci, lä zusammengesetzten
Formen gibt Gr. S. 37 an, dass cestuy-cy auch vor qui und de
stehe, nnd S. 38, dass cela oft auf einen folgenden Satz mit que
oder auch Infinitiv mit de hinweise, während unser Autor hierin
die ganze Freiheit der älteren Sprache zeigt. So treten die
Komposita sehr oft unmittelbar vor dem Relativnm oder vor de
als Determinativ» auf, z. B. I, 119 Or ceux-lä qui en delaissant
tEscriture, iinaginent etc.; II, 1078 Outre ceux-lä qu'üs avoyent
Syntaktische Notizen zu Jean Calvin. 199
ordinaires; II, 869 Ceux-cy du temps present . . . ont rompu le
lien aTunite'; II, 1079 Combien peu voit-on au Baptesme cela
qui seulement y devoit reluire et apparoistret II, 979 Cela qu'on
attribue au pain et au tun, selon ceste analogie et simüitude, leur
convient tres bien. Oft dient auch cela als Subjekt vor etre mit
prädikativem Adjektiv statt des modernen il resp. ce, z. B. II,
216 Cela n'est nuttement tolerable qu'ü ny ait point tant de
lumiere etc.; I, 438 Ce qu apres il les punit . . ., cela n'est point
pour les pechez d'autruy, mais pour les leurs. Dabei mag auf
die früher so beliebte Form icy verwiesen werden, z. B. II, 810
ceux icy, ebenso II, 951; II, 427 ä ce Pete icy und sonst.
Andererseits erscheint, was ich hier gleich anschliesse, ci =
neufrz. tci, z. B. II, 405 Ce qui se faxt cy bas; 1, 50 C'est-cy
un point resolu ä tous ceux qui etc. L. I, 28 (II) a diliberi de
cy venir; L. I, 220 Entre cy et la fin de janvier; L. 1, 236
Entre cy et trois mois vous verrez, und so sehr oft in dieser
heute veralteten Wendung.
Sehr oft ist, wie bei allen Autoren jener Zeit und noch
viel später, das Determinativum zur Zurückweisung auf ein vor-
hergehendes Substantivum vor einer attributiven Bestimmung mit
de vernachlässigt, z. B. I, 496 Ils ont certes cognu et attendu
une autre beatitude que de la vie terrienne, ebenso I, 313, 506,
II, 341, 696 und sonst. L. I, 205 Apres m'estre humblement
reeommandS ä vostre bonne grdce, et de Mademoiselle, je prieray etc.,
und so sehr oft.
Das kausale, früher sehr gebräuchliche comme celui qui
z. B. II, 1151 I2t pour ceste cause leur porter honneur et reverence,
comme ä ceux qui 8 ont lieutenans et vicaires de Dieu; L. I, 131
Je ne vous atttgue pas ces choses comme ä celuy qui soit
ignorant (= „nicht als obu).
Als Relativum fungiert auch quel einmal, II, 413 Comme
aussi Isaie . . . exhorte les fideles ä chanter cantique nouveau et
non accoustumi. En quel sens se doit prendre ce que David dit
aussi ailleurs: Seigneur, tu ouvriras mes leur es etc.
Auf einen ganzen Satz bezogen kommt quoi als Objekt zu
faire (Gessner II, 12) noch vor in der Formel en quoi faisant,
so I, 468 En quoy faisant ü ne permet rien ä la cupiditi de
thomnuy ebenso II, 149, 411, 989. Auch L. II, 345 Quoy
attendans nous prierons Dieu etc.
Der alte Nominativ que (Gessner II, 2) findet sich als
Neutrum I, 510 Ce que mesme est advenu aux Maniche'ens,
ausserdem L. I, 339 Si je ne faisoye ce quen moy est pour
düivrer etc.; ebenso II, 344, wie denn in den Briefen auch sonst
que als Nominativ noch auftritt, vgl. II, 524 Et n'y a celuy que
300 Ä. Haase,
ne «fe«ir« s'employer ä nous faire Service; II, 526 II n'y avoä
komme que luy au pats de Syrie qui eraignoil Dieu, ne que tust
dtvotion de le servtr; II , 338 Craignant que ceux que m'en
portoyent la parole ne s'avanfasaent etc.; I, 195 Tont eduy qua
parle" & vous que aulcuns autre»; I, 119 Sans ßeschir povr rien
que «oit; I, 23 Pour rendre compte de la cause que luy a esti
commune avec nous.
In den Briefen habe ich auch beziehungsloses qui im
Pluratis gefunden: II, 349 Daultant plus ü se devra garder de
n'avoir plus alentour de luy qui ne luy donnent courage de bien
faire, und anch das Neutrum que in der der Siteren Sprache so
geläufigen Wendung faire que sage, I, 332 Toute fois ü ne semble
pas qu'il veuiüe faire que bien, wenigstens scheint mir dieses
que nicht anders aufzufassen, wenngleich das bien zeigt, dass die
ursprüngliche Konstruktion bereits dem Sprach bewnsstsein ge-
schwunden war, vgl. Ztschr. f. rom. Phil. 1, 506.
Dass anch bei Calvin, wie bei seinen Zeitgenossen und
noch oft im 17. Jahrb., beziehungsloses qui mit dem Verbum in
der 3. Person bei eigenem Subjekt des Hauptsatzes, z. B. II, 351
Ils diseai que ce sont choses indifferentes, ce que je eonfesse, qui
en useroit indifferemment, dass die noch länger gebräuchliche
Konstruktion II, 483 Quel propos y a ü que Dieu appelle ä sog
ceux lesquels ü satt qui n'y viendront past vorkommen, darauf
mag hingewiesen werden.
Auch das über die Adverbien que und oü Anzuführende
gehört dem Sprachgebrauch jener Zeit an: I, 428 Selon tordre
que nous les eoucherons; II, 275 Ils n'ont pas rapporti leurs
esuvres ... ä la fin qu'ils devoymt und so sehr oft; dagegen
II, 1150 (Test lä oü revient toute la somme. — Temporales oü
I, 317 8i nous mesprisons les dons de Dieu lä oü ils nous sont
offerts, II, 1058 Mais oü ü aura esti prouoi tresdairement que
teste Messe . . . opprime et ensevelist sa croix . . ., aura-cUe
aucunes tont profondes racines, lesqueUes ceste eoignie trespuissante,
<?est ä dire la parolie de Dieu ne couppe, tranche et abattet
anch II, 1153 und sonst Adversatives oü II, 691 L'impieU
d'Eufyches se conferma, lä oü eile eust esti esteinte s'ü ne s'en
fust mesli; II, 899 Dieu ne pourra-ü point par sa parolie signer
et mar quer ses creatures, qfin qu'elles soyent failes Sacremens, oü
dies n'estoyent rien auparavant que nuds et purs elemens! auch
II, 122, 1065, 1089 und sonst.
Sehr oft ist dem durch oü bestimmten Snbstantivnm das
Adverbium lä beigegeben, z. B. II, 867 71 estoit encore bien loin
du but lä oü ü se vantoit cTestre parvenu; II, 337 Au Heu lä oü
Üs ont ä vivre eterneUemtnt, 1, 84, 166, 821, II, 694, 698 und sonst
Syntaktische Notizen zu Jean Calvin. 201
Das prädikative Neutrum que ist vernachlässigt I, 539
Qu'tffi-ce Vhomme, que tu as souvenance de luyt ebenso I, 298,
504, II, 848, 916.
Über die Interrogativa weiss Gr. 8. 41 nichts zu be-
merken. Er hat, wie er ausdrücklich angibt, quel = neufrz.
lequel nicht gefunden. Dass jedoch quel und lequel noch nicht
streng geschieden sind (Gessner II, 16, 20), zeigen II, 705 II
y en a bien peu, ou du taut nulle*, lesqueües ne sentent ou ne
craignent teste playe. Demandes-tu quellest II, 770 Les con-
stitutione humaines . . . ont couleur de sagesse pour nous tromper.
8i nous dernandons quelle, ü respond que etc. — I, 30 Cor
auquel cosU mettront-üs le nom de VEgÜset II, 812 La quelle
digniU vous semble advis plus grande, de remettre les pechez, ou
de diviser les possessionis? II, 795 Pareükment il ne peut chaloir
quels sont les jours . . ., lesquels Pseaumes on chante en un jour
ou en fautre.
Ausserdem findet sich noch quantihme II, 1089 Car la
quantieme partie de leur peuple enhuilent-üs apres le Baptesmet
ebenso I, 195.
In den Briefen zeigt sich auch noch quoi als Objekt eines
Verbum finitum II, 390 Quoy ferois-je sinon de requirir etc.
(Gessner II, 19), ebendaselbst auch das neutrale que — que II,
185 Ils en ont enserrS plus de trente qu'hommes que femmes.
Das Adverbium comme (I, 506 Comme leur oserions-nous
oster Vheritage de trief ebenso II, 286, 1173) kommt selten vor,
comment herrscht bereits ganz überwiegend.
Das Neutrum des Interrogativums leitet noch überaus
häufig den indirekten Fragesatz ein. Beispiele finden sich auf
jeder 8eite.
Unverständlich ist, was Gr. S. 41 über qui „was?" bemerkt.
Unter Berufung auf Gräfenberg S. 54 zitiert er aus der Ausgabe
von 1564 Qui penses-tu que nous devions faire ou jugert Unser
Text und die anderen Ausgaben lesen I, 93 que, das allein be-
rechtigt ist, da ein Akkusativ des Neutrums qui nicht möglich
wäre. Übrigens handelt Gräfenberg 1. c. nur von dem Nomi-
nativ quL
Zu den indefiniten Interrogativen im verallgemeinernden
Konzessivsatze, mit denen die in Sätzen dieser Art vor-
kommenden Adverbia und Präpositionen gleich mit behandelt
werden, ist der Passus aus Weissgerber, Der Konjunktiv in
den franz. Prosaikern des XVI. Jahrh. (Ztschr. VIII1, 305—313)
zu vergleichen, eine Arbeit, die Gr. gar nicht berücksichtigt hat,
der über diesen Abschnitt nur unter quelque und quiconque S. 43
einige Notizen gibt Attributives quel, das früher erst allmählich
202 A. Boote,
durch das viel spätere quelques verdrängt wird, habe ich ans der
Instit. nicht belegen können und nur in den Briefen gefunden
I, 327 Mais quelle difficuÜi ou Umgueur qu'Ü y aü, Vexcellertce de
Vouvrage est bien digne que etc. — Leqttel que II, 679 Qu'ü»
eslissent lequel qu'ilt voudront (bien); II, 678 Que Von choisüue
laquelle qu'on voudra de ce» deux definition». — Den Angaben
über quiconque und quelconque Gr. 8. 43 u. Weissg. 8. 310 und
311 ist hin zuzufügen, dass prädikatives quiconque = neufrz.
quel que bei Calvin keine Seltenheit ist (übrigens auch mit dem
Indikativ II, 257 Quiconque» sera cestuy-lä, qu'ü uienne en aoant),
dass dasselbe auch = nenfz. qui que erscheint II, 1051 Celle
coustume . . . est une trescertaine invmtion du diable, par qui-
conque» qu'eüe ait esti mite au» (von Weissg. zu anderem
Zwecke zitiert), L. II, 255 Je n'ay garde de l'approuver, qui-
conque Va.it fait (übrigens, um dies gleich hier zu erwähnen,
entsprechend dem ncufrz. Gebrauch, aber als Plnralis auch L. 1,
295 Parquoy quiconque» attentent de rien changer jusque* ä
(avinement de no»tre Setgneur Jesus, se monstrent rebeUes & luy).
Wenn Gr. I. c. sagt, „in folgender Stelle ist quelque zu ergänzen"
ü nc präend nulle part en facon que ce »oit 1, 7, 3, ho könnte
es scheinen, als ob dieser alte Gebrauch, dem an verallge-
meinernden Substantivum überhaupt kein Pronomen beizugeben,
nur daB eine Hai vorkäme, die Formel kommt aber oft vor,
z. B. I, 88, II, 1015, L. I, 254, 362, II, 78, 488, 522 und
sonst, vgl. L. 377 Qu'ü vou» plaiae nou» faire ce bien, que s'ü
est cogneu que nou» defaiüion» en »orte que ce »oit, nous en
advertir. Für diese Wendung tritt auch eiu II, 897 Ce n'est
point pour deroguer en facon qui »oit ä sa vertu souveraine;
L. I, 39 Cor le desir que j'ay de ... , ne me laissera point
larger en lieu qui »oit; and besonders häufig rien qui »oit,
z. B. II, 324 Ce n'est pas »on intention de detracter en rien qui
»oit, s. darüber Weissg. S. 302 (wo übrigens II, 451 statt que
nous advtenne — qui zn lesen ist). Dem en facon que ce »oit sind
an die Seite zu stellen Sätze wie I, 120 Garde tou doncque»
eCestre deceu, en tc faisant nulle remembrance que ce sott;
L. II, 516 Vou» scavez que je n'ay point accoustumi de vou»
prier pour nul que ce »oit; L. II, 530 Nou» vou» prions . . .
de ne lais»er passer la moindre oecasion que ce »oit; nur daaB que
dort selbstverständlich Adverbium, während es hier prädikatives
Neutrum ist. Die neuere Sprache kennt solche Fügungen nicht
mehr. Ähnlich ist auch L. I, 160 Le mal est en la longue
attente, et pourtant riy voy pas grant propos. Je prye Dieu
en que ce »oit, qu'ü le veuille bien adrester, wo man heutzutage
quoi que ce »oit sagen muss, insofern auch hier das verallge-
Syntaktische Notizen zu Jean Calvin. 203
meinernde Indefinitem fehlt. — Über das Adverbium tant siehe
Weissg. S. 806 f. — Pour -qui, que z. B. I, 118 Pour n'estre
point esbranU pour assault qui vous vienne 8. Weissg. S. 305.
Zu dem l c. S. 308 berührten, noch ins XVII. Jahrhundert hinein-
reichenden Gebrauch von pour quelque vor dem Substantiv, der
auch aus Calvin belegt ist, führe ich an, dass in derselben
Weise par vorkommt, das ja früher in kausaler Bedeutung viel-
fach mit pour (parquoi und pourquoi) konkurriert, II, 789 Aucuns
ne s'esmeuvent pas beaucoup par quelque raison qu'on leur ameine.
Unter den Indefiniten ist tout zu erwähnen, welches ver-
stärkt durch (res (Gessner II, 34) vorkommt II, 621 Sainct Paul
ne parle point de soy, mais deux trestous, quand ü du etc.
II, 659 En quelle estime donc les aurons-nous trestoust Zur
Verstärkung anderer Wörter erscheint tout abweichend von der
neueren Sprache bei chacun (Gessner II, 27), I, 540 Cela ne
festend pas d tout chacun, vor ainsi que, wo dasselbe auch
im 17. Jahrhundert oft zu finden ist, unendlich oft, z. B. I, 210
Tout ainsi quil met dun conti un bon Ange, ainsi de Vautre ü
en met un mauvais, I, 293, 426, II, 389 u. s. w., ebenso zeigt
sich auch unendlich oft attributives tous les deux, z. B. II, 765
En tous les deux passages il est monstri que etc., I, 532, II,
107 u. a. Ganz gewöhnlich ist auch tout vor tel, z. B. I, 502
Cor tout es teil es par olles demonstrent etc.; II, 1130 II enseigne
que toute teile puissance est ordonnance de Dieu; II, 964 Tous
tel* seroyent condatnnez sans exception7 I, 292, II, 108, 131,
171, 654, 658, 659, 756, 807 u. s. w. (cf. Gessner II, 34).
Tel mit autre (Gesfoer l. c.) vgl. I., 506 Estre abondans en
richcsses . . ., avoir grande lignie, et autres teil es choses que
desirent les hommes mondains; II, 604 lls nous alleguent le templef
la prestrise, et toutes autres telles masques, II, 445, 655 und
sonst Ebenso wenig gestattet die neuere Sprache II, 851 Cela
donc nous engendre une dispute touchant les voeuz qui se fönt outre
la par olle de Dieu expresse9 assavoir en quelle estime on les doit
avoir: et si un komme Chrestien en peut faire quelcun tel: et
s'ä en a fait, combien ü en est obligi. Auch wird man kaum
noch sagen II, 425 II ne se peut trouver nulle teile affection
oVamour, ebenso I, 467, II, 973. — Substantivisches tel im
Pluralis, das als Demonstrativum resp. Determinat. mit folgendem
Relativum häufig auftritt, begegnet auch heute, wenngleich nicht
so oft.
Über chacun gibt Gr. p. 41 an, dass es „auch adjektivisch
gebraucht werde;" vielmehr erscheint in der Instit. und den
Briefen chaque überhaupt nicht. Für adjekt. chacun im Plur.
gibt Gr. ein Beispiel, ein anderes ist II, 1063 Cor chacunes
304 A. Haasc,
Messt» ne prvmettent eilen point nouvelle remitrion de pechezt
(rinyulae missae).
Zu rien „etwas" im positiven Satze giebt Gr. S. 42 drei
Beispiele, von denen das erste ganz zu streichen iat, in den
beiden anderen rien ancb durch den negativen Gedanken veran-
lasst sein könnte. Doch kommt rien auch noch in unzweifelhaft
positiven Sätzen vor, z. B. II, 732 Que tout ce qu'ile auront
arreeti d'une pari ou d'autre, nous sott ferme et resolu. S'ils ont
rien approuve", que nous le reeevtons »an» aucun scrupule; sJilt
ont rien condamni, que nous le tentons aueti pour eondamni;
II, 694 Les Evesques de Gaule luy ont retitU fort et ferme,
quand ü a fait semblant de vouloir rien usurper sur eux, I, 110.
— Für rien tritt noch oft nfant auf, z. B. I, 326 IIa le» reputent
pour neant; II, 300 Comme *i eeta estoit da pour neant, I,
199, 421, II, 445 983 und sonst — Adverbiales rien, von Gr.
S. 42 mit einem Beispiele belegt, ist unendlich häufig.
Nul ist nach dem Sprachgebrauch der damaligen nnd noch
der späteren Zeit unendlich oft = aucun gebraucht, z. B. II, 1031
Je croy qu'ä grand' peine trouveront-ü» nulle ittue ä eeste
question; L. I, 227 Qu'ü vous face nul Service pour le pretent,
ü n'y a point cfespoir, I, 49, 54, 73, 119, 122, 135, 252 u. s. w.
Die alte Form nuUy kommt vor II, 706 (ü) ne veut estre sujet
& nully and II, 1045.
Hinsichtlich der Zahlwörter (Gr., 8.44) ist zu bemerken,
dass Calvin dem Gebrauche seiner Zeit (Darmest. § 182, Grafen
berg 8. 26 f.) folgt, wenn er sehreiht II, 815 cent et trente am
II, 399 Sur le Pseaume nonante et quatrieme; I, 196 L'Ange du
Seigneur tua pour une nuict cent qvatre vingt» et cinq mille
kommet; I, 36 Le premier jour d'Aoust, mit cinq cen» trente cinq;
L. I, 38 De Strasbourg ce dix-neufviesme de febvrier mü cinq
cent quaranta et im; L. II, 521 Auquel il ordonna baüler vingt-
cinq mtl frone»; L. I, 27 71 a fait offrir par son ambassadeur
cents mil ducats. — Beim Datum wird immer die Ordinalzahl
geschrieben, doch findet eich aach mitunter das Zahlzeichen
der Kardina lia.
Als transitive Verba sind ausser den Gr. 8. 16 aufge-
führten zu erwähnen: II, 460 Elle le veut apprendre cValler,
auch II, 358; I, 141 Tont ce que nous attentons par zeit incon-
sideri n'est rien qui vaille, I, 205 nnd oft. - II, 654 Chacun
en a ce qu'ä en apeu butiner. — 1, 361 Executer ce qu'il a de-
Uberi, II, 412 und sonst — I, 146 II differe Tun oVavec fautre.
— 1, 112 II a eschappi leur fureur, I, 56, 103, 482, 498
und oft. — I, 182 Tovt ce que Dieu nous a eslargi, so sehr
oft. — I, 144 Depui» Sambition est survenue, laqueüe a empari
Syntaktische Notizen zu Jean Calvin. 205
les * komme* mortels des despouüles quelle avoit ratri ä Dieu, I,
159. — I, 77 Le lendemain estant derechef enquis (ü) redoubla
le terme; II, 457 La paroüe de Dieu est la voye unique pour
nous condxrire ä enquerir taut ce qui est Ucite de cognoistre de
luy. — I, 283 Teile doctrine, laqueüe ens eigne l'homme d'ac-
quiescer en soy mesme, I, 334, 441, 448, II, 216, 387 und sonst
noch sehr oft. — I, 135 La souree de tout le mal est une fotte
convoitise qu'üs ont eu de les ensuivre, I, 351, 435, II, 204
und sonst, ebenso oft genüg in den Briefen, z. B. I, 97. —
I, 234 Ayant evadi miraculeusement la mort. — I, 142 Entre
lesquels eile partit sa vertu, I, 146, 204, 372, unendlich oft.
II, 288 8% on veut per suader queleun ä faire une chose. —
I, 145 Pour ne rien sp eculer de luy terrestre ou charneL —
II, 233 Le soleil vegete la terre; I, 62 Ceste grace Celeste de
laqueüe nous sommes touz vegetez, I, 235.
Unter den Verben, weiche ohne Reflexivpronomen vor-
kommen, erwähnt Gr. S. 20 auch merkwürdigerweise cela ne
faxt gueres pour eux, das natürlich ganz anders geartet ist. Hin-
zuzufügen sind nur das häufige desister, z. B. I, 325 L'homme
voyant qu'ü faxt mal, ne desiste pas pourtant, I, 421 Ils riont
point desisti de ceste audace; ferner II, 596 Ma misericorde
n'en departira point; II, 465 Un mir vir de Velection, qui ne
peut escrouler qu'ette ne parvienne ä son plein effect; I, 568
Quand ¥ Esprit est reposi sur luy en forme de colombe.
Gar nicht erwähnt hat Gr. die bei Calvin vorkommenden
Reflexiva, welche heutzutage nicht mehr resp. nicht mehr iu
demselben Sinne reflexiv gebraucht werden, z. B. II, 1060 Ce
grand Prestre ou Pontife Christ . . . s'est apparu; II, 1024
11 ne s'est point fait invisible, mais seulement s'est disparu. —
I, 213 Eües ne se peuvent bouger d'un certain Heu, — II, 123
Ils se combattent eutre eux de ceste puissance, II, 683 Les
Eglises se combattoyent ensemble. — II, 350 Car ü ne se com-
mence pas icy un legier combat — II, 690 Cestoit un subter-
fuge commun . . . que de s'encourir ä Roms. — II, 112 Ils
ne se feignent point aux autres choses de f orger de faux de-
crets. — II, 843 Jamals üs ne se partoyent oVun Concüe pro-
vindaly qu'üs n'eussent assigni le lieu etc. — II, 126 Comme
un pelerin lassi ou defaülant se sied au müieu de la voye. —
I, 450 Aucuns entendemens legiere se tempestent aujourdfhui ä
cause du Dimanche, II, 1011. — I, 149 Se vir ans cä et lä
comme serpens, ils trouvent maniere cteschapper. — Aus den
Briefen ist das oft im XVI. Jahrhundert vorkommende se dili-
birer zu notieren, z. B. L. I, 88 II se deliberoit de marcher
pour venir etc., I, 154, 236, II, 533 und sonst. (Aus den Briefen
mächte ich hier auch anmerkangaweise auf das unpersönlich ge-
brauchte se douter „ vermuten" hinweisen L. II, 553 Cor il me
doubte qu'il vouloit seulement signifier que etc.).
Über Person und Numerus des Verbums gibt Gr.,
S. 15 ausser dem bereits erwähnten ix suis-je noch Singular.
Prädikats? erbum (ohne il) mit nachfolgendem plnralischen Subjekt,
die bekannte alt französische Konstruktion, welche er noch jetzt,
nachdem von derselben so oft die Rede gewesen, durch Auslassung
von il erklärt. Dazu zu ziehen sind Stellen wie I, 419 PartiUc-
ment y est demonsbrS une merveilleuse benignus ; II, 93 Qu'en «oh
nom fust presche penüence et remtssion des pechez; L. II, 32 Jamais
ne s'est pause annee qu'tl n'y eust quelque quereüe. Ebenso ent-
spricht älterem, doch nicht mehr nenfranzösiscbem Gebrauch die
Attraktion I, 116 Ceti de me cognoisire le Dien qui fay mineri-
corde, justice etjugement en la terre; II, 984 Je suis U pain de vie
qui suis decendu du ciel; L. II, 135 Nous ne sommes pas ceux qui
vouldrions refuser de vous gratifier. Auch 1, 135 8i neferont-Ü*
Jamals qu'une mesme chose soyent deux wird man nicht mehr sagen.
Die Tempora erscheinen schon fast ganz in neufranzösischer
Weise gebraucht Wenn Gr. S. 21 in 3, 2, 28 Si je cheminoye
en obscuriti de mort, je ne eraindray point „das Futurum statt
des Conditionale u notiert, so ist diese rein äusserliche Betrachtung
solcher durchaas nicht seltenen und auch beute noch vorkommenden
Sätze zurückzuweisen, s. Weissgerber, Ztschr. VIII1, 323. In
dieser Abhandlung sind die Tempora in den hypothetischen Sätzen
bei Calvin gebührend berücksichtigt, nnd dem, was hier gesagt
ist, habe ich nur hinzuzufügen, dass das Imperf. Eonj. überhaupt
nur zwei Hai und zwar nach comme si {l. c, S. 330) auftritt,
vgl. I, 193 Comme si bastir le monde de jour ä autre ne fust
pas chose decenie ä sa puissance; II, 77 Comme si en voulani
definir cecy ou cela il ne fust pas requis de prendre etc. Einmal
ist einem Satze mit comme si und dem indikativischen Plusqnampf.
ein Satz mit que und dem Präsens des Eonj. koordiniert, wie denn
auch früher comme si mit dem Präsens des Indikativ und noch
Übergang vom Imperf. in das PräsenB, von der Irrealität in die
Th&tsäcblichkeit, vorkam, vgl. II, 1162 Comme si Dieu en ordon-
nant des hommes mortels pour dominer, leur avoit resigni ton
droit: ou bien que la puissauce terrienne soit amoindrie quand eile
est dbaisste en son reng inferieur sous l'empire souverain de Dieu.
Zu beachten ist c'est in der indirekten Frage statt c'üaü
II, 959 Sainct Pierre estant interrogui de ceux gui se voutoyent
convertir, que e'est qu'ils avoyent ä faire etc., vgl. Z. f. r. Ph.
XI, 438 ff. Diese Erscheinung steht in dem Gebrauche der da-
maligen Zeit nicht vereinzelt da. Ungleich häufiger sind bei
Syntaktische Notizen zu Jean Calvin. 207
Schriftstellern des 16. Jahrhunderts und auch noch späterer Zeit
folgende Abweichungen vom neufranzösischen Gebrauch: das
Präsens Fut. statt des Impf. Fut nach quand in Konzessivsätzen
wie II, 104 Quand nous accorderons que ces choses auront estS
bien dites des Anciens . . ., toutefois eües riont pas esti dites en
ce sens, auch II, 940 und sonst. Die gegebene Stelle dient auch
als Beispiel für die formale Angleichung der Tempora. Wie
hier das fut. Tempus des abhängigen Satzes nur durch das Fut
des regierenden Satzes veranlasst ist, so die perfektischen Tempora
resp. der Infinitiv Perf. in folgenden Beispielen: II, 198 De la
eondiiion ä laqueüe il a fallu que Christ nostre chef se soit
soubmis; II, 300 Qui tust attendu que ceux qui . . ., eussent
amsi despouüU Jesus Christ de sa vertut I, 410 Car c'a esti
une pure superstition de leur avoir assigni cest estat et office,
qui ne leur estoü pas donni de Dieu. Nicht hierher zu rechnen
sind Stellen wie L. II, 407 Nous pensions bien que V . experience
du temps passe* vous deust avoir esloignez ä vous tenir coys et
paisibles, da hier wohl deust = devrait und nicht = eüt du ist,
so dass der wohlbekannte ältere Gebrauch vorliegt, die Voll-
endung am Infinitiv statt am Hilfsverbum auszudrücken. Der
Infinitiv Perf. statt des Infinitiv Präs., wenn nicht die Ausführung,
sondern die bereits vollendete Handlung ins Auge gefasst wird,
kommt vor L. II, 352 II est aussi besoin dy avoir arresti
devant toutes choses quel ordre on devra tenir; L. II, 391 Je me
doibs garder de myestre induist par ambition ä me justifier.
Gr. berücksichtigt auch die Bildung der zusammengesetzten Zeiten
mit avoir und etre, was nicht erforderlich war. Er hätte dann
aber auch den noch im ganzen 17. Jahrhundert so häufigen Ge-
brauch I, 47 11 n'y a eu . . . maison qui se soit peu passer
de reUgion berühren sollen, für den ein sehr gutes Beispiel ist
II, 750 Ils ne s'en sont faits que moquer.
Der Konjunktiv ist in der bereits mehrfach erwähnten
Arbeit von Weissgerber gründlich behandelt, doch ist auch hier
Einiges nachzutragen, zumal W. von der Institution 1. I. und II.
nicht herangezogen hat. — Im selbständigen Satze erscheint als
Konjunktiv der Einräumung ohne que nur etre und vouloir in der
Alternative. Dass Gr. dieses vouloir übersehen hat, ist um so
auffälliger, als dasselbe verhältnismässig oft vorkommt, vgl. ausser
den Stellen, die W. giebt, noch 1, 267 Balaam vousist-ä ou
non, ne se peut tenir de dire etc.f I, 62, 63, 99, 324, 360,
367, 502, 556, II, 45, L. I, 242. — Fat ist auch von W. ge-
geben, vgl. noch L. II, 52 und ausserdem II, 474 Qu'est-ce que
pretendront , . . ceux qui assignent quelque Heu aux ceuvres en
nostre election, soyent precedentes ou futuresf
208 A, Baute,
Im indirektem Fragesätze soll nach Gr. 8. 22 der
Konjunktiv „nicht häufig" Bein, doch ist derselbe ausser in den
beiden daselbst gegebenen Stellen noch mindestens zwölf Mal in
finden, vgl. Weissgerber, S. 279 und 293, und den hier gegebenen
Stellen füge ich hinzn I, 136, 160, 240, 270, II, 135, 639 and
L. II. 339, 406, 452, 518. Diese Beispiele reiben sich in die
zwei von W. gemachten Abteiinngen ein, nnr I, 210 (Test mcrve&e
comment quelcun en puisae douter musa besonders gestellt werden.
Die Stellen mit Ü ne ckctut habe ich gar nicht aufgezählt Übrigens
können zn dem von W. gegebenen Beispiele, welches den Indikativ
in dem von ü ne (haut abhängigen indirekten Fragesätze aufweist,
noch mehrere gleichartige hinzugefügt werden, z. B. II, 697,
795, 1057.
Im Relativsätze ist der Konjunktiv statt des heute not-
wendigen Indikat. gebraucht II, 980 Ce n'eat le Sacrement qui
face que Jesus Christ commence de nous estrt pain de vis; I,
342 Ce ne sommes-nous pas out nous ayons faüs, Stellen, welche
zeigen, dass die zur Hervorhebung dienende Wendung (wie auch
est-ce und si c'est, B. Ztsehr. XI1, 219) noch ihrer Bedeutung
nach empfunden wurde. Hit Unrecht führt Weissgerber S. 298
qui est-ce qui a enteigne", out sera-ce gui pourra als vom Neu-
französischen abweichende Indikative an, wogegen in Qui est
celuy qui y va u. ä. selbstverständlich heute nur der Konj.
am Platze ist. Solche Sätze letzterer Art, welche nicht mit jenen
zusammenzustellen sind, begegnen sehr oft, z. B. noch I, 149,
II, 66, 124, 730, 652 (Qui sera V komme qui recevra eelaT)
544 (Qui sera le maistre ou docteur qui nous enseignera etc.)
und sonst; daneben natürlich in gleichem Falle auch der Konj-,
z. B. II, 128, 500. — Dem von Gr. 3. 43 erwähnten Falle
(der Indik. in dem relativischen verallgemeinernden Satze, welcher
sich an ein durch quelque bestimmtes Subst. anscbliesBt, Sätze,
in welchen der Indik. in älterer Zeit nicht selten vorkam) füge
ich hinzu L. I, 87 Gar quelque-^risistance que luy faict U
clergi . . ., il ne laisse pourtant de perseoerer; L. II, 459 En
quelque »orte qu'il plaira ä Dieu nous mectre en pratieque, ü
nous fault estre prests. — In einer grossen Anzahl von Relativ-
sätzen finden wir den Konj. nach lateinischer Weise gebraucht,
Z. B. I, 471 En taute la Loy on ne lä point une seule syliabe
qui donne reigle ä F komme de ce qu'il doive faire ou laisser pour
son proßt (quae regulam homini de iis statuat, quae car-nü suae
commado facturus aut omissurus sit); II, 1065 Et la voye a estl
ouverte aux Messe» privies, lesqueües representassent plustost
quelque exeommunication que etile communiti qui a estl instituee
de nostre Seignettr (aditus missis privatis est patefactus, quae
Syntaktische Notizen zu Jean Calvin. 209
excommunicationem quandam magis referrent quam communi-
tatem illam a Domino institutam). Die neuere Sprache setzt
hier den Indikativ. Der Konj. im ersten Satze ist analog dem
Konjunktiv im indirekten Fragesatze nach verneinten Verben.
Im zweiten Satze erklärt er sich als Zweckbestimmung, wie denn
in solehen explikativen Relativsätzen der Konj. früher nicht un-
gewöhnlich war, 8. Weissg. S. 301. Nicht also der Modus ist
hier eigentlich das, was vom Neufranzösischen abweicht, sondern
die relativische Anknüpfung. Eben dasselbe gilt von explikativen
Relativsätzen wie den folgenden II, 60 Ceux-cy forgent une
Chrestiente, laqueUe n'ait que faire de V Esprit de Christ;
II, 1065 On feind que le sacrißce de la Messe est un paye-
ment qü'on fait ä Dieu, lequel il regoyve de nous en satis-
faction (sacrißcium missae pretium Deo numerare ßngitur,,
quod ipse in satisfactionem accipiat); I, 522 Ce seroit une trop
folle arrogance de ne point conceder ä Dieu, qu'il sache les
raison* de ses oeuvres, lesquelles nous soyent cachees. Der
Konjunktiv bezeichnet die Irrealität und ist durch den regieren-
den Satz veranlasst. Knüpft man die relativischen Sätze durch
ä und die vom regierenden Verbum abhängig zu machende
Konjunktion que an, so ist der Modus in allen Sätzen solcher
Art, wenn nicht immer nach neufranzösischem, so doch minde-
stens nach dem Gebrauch der damaligen Zeit, nicht befremdlich.
Im letzten Satze wäre ein et de dire que, das sich aus dem
Vorhergehenden ergibt, zur Erklärung des Sachverhalts hinzuzu-
ziehen. Solche Sätze finden sich in grosser Zahl. Gr. hat das
auch gemerkt, wie seine Bemerkungen S. 22 zeigen, die freilich
nicht ausreichen. Aus den Briefen möchte ich noch anführen
I, 55 Cela ne. dis-je pas pour vous admonester de faire ce
<pe vous ne faciez de present, mais affin que etc., wo fassiez
veranlasst ist durch den Gedanken „dieses sage ich, nicht als
ob Ihr nicht thätet (non que vous ne fassiez)il.
Im Konjunktionalsätze mit que nach Ausdrücken des
Wollens findet sich der Indik. (ausser nach attendrey worauf
Weissg. hingewiesen hat, vgl. auch L. II, 304) 1 , 375 II a
tenu ä lern* perversite qu'il ne les n> entretenus en bonne
fortune; I, 468 Et ne doit chaloir que ce verbe, Tu ne con-
voiteras point, est reitere' pour la seconde fois; L. II, 141
Et si quelquefois il permet (Dieu) que le sang des siens est
fspandu, toutefois il ne laisse pas de tenir leurs larmes
precieuses (vgl. dazu Frz. St. V, 1, 51). Diesen Steilen schliesst
sich an I, 227 II ya danger qu'elles ne nous pourroyent
aider de gueres, et nous pourroyent beaucoup tourmenter par
leur obscurit4.
Zackr. f. fr*. 8pr. u. Litt. XII *. 14
310 A. Haaae,
Einen breiten Raum nehmen die von Ausdrucken des
Affekte oder der billigenden resp. missbilligenden Beurteilung
abhängigen Nebensätze mit dem Indikativ ein, welche Gr. gar
nicht erwähnt. Ausser dem, was Weissg. S. 275 ff. giebt, sind
zu erwähnen: I, 246 II me deplaist que . . . j'ay si souvent
nommd Fortune; II, 33 C'est une chose merveilleuse, que
la foy soustient les eceurs des fideles au milieu de teües
concussions, ebenso II, 643; II, 1128 Et doit eembler ettrange
que je remets maintenant etc.; ausserdem noch eine ganze
Anzahl von Stellen ans den Briefen, so regretter que und Indik.
I, 108, II, 131 ; s'ebakir I, 356, II, 52 (aber mit de ce que
nnd dem Konj. II, 304); je suis bien aise I, 286; je «wir
joyeux I, 142, 235; je suis marri II, 4; c'est pitii I, 238a
c'est grand' honte I, 243; c'est assez II, 512, u. a. '
Zu dem von Gr. S. 22 und Weissg. S. 288 ff. behandelten
Konjunktiv nach nicht verneinten Verben des Denkens vgl. I,
119 Les idolatre» ont cuide qu'il leur soit prochain; II, 24
On peut dire en quelque maniere, que les reprauvez croyent
que Dieu leur soit propice; I, 145 II imagiiiait que la deitt
fust departie par tout le monde; L. II, 98 On prisumera
aisement que vous aiez eher che" occasion de les fascher, ebenso
L. II, 388. — Nach pre'tendre „behaupten" ist der Eonj. oft zu
finden, z. B. I, 121, 363 und sonst. — Den Konj. nach einem
nicht verneinten Ausdruck des Hoffens habe ich nur notiert
L. I, 253 II nous fault avoir esperance que cependant que
not corps dorment en terre, que not dmes vivent avec luy.
— In einer ganzen Reihe von Stellen wird nicht allein, wie in
den oben zitierten Stellen, durch den Konj. der Inhalt des
Nebensatzes als irreal bezeichnet, sondern es ist anch bereits im
regierenden Satz durch die Fassung desselben in irgend einer Weise
darauf hingewiesen, s. Weissg. S. 292, wo verwiesen ist auf
II, 732 ; die Stelle lautet Voyons de quels argumenta Ha s'uident
pour monstrer que ceste putssance alt esÜ donnee ä l'Eglise,
ferner II, 1071 Ils manifestent leur impiete", enseignans que
plus grande augmentalion de vertu soit conferee en la Con-
ßrmation qu'au Baptesme; II, 112 Je m'esmerveille de quelle
hardiesse üs osent assurer que la confession de laqueüe ils
parlent soit le droit divin, u. a. — Es ist noch hinzuweisen
auf II, 301 Elles ne signifient pas seulement que la faculU
dacquerir justice ou salut nous advienne par Jesus Christ,
mais que l'une et Pautre nous est en luy donnee; U, 481
Comment ces deux choses s'aecordent que tous soyent appellez
ä repentance et ä foy par la predication exterieure, et que
toutesfois Vesprit de repentance et de foy n'est pas donne ä
Syntaktische Notizen zu Jean Calvin. 211
tousy je Vay desja explique aiUeurs. Ein solcher Wechsel des
Modus, wo es sich um Aussagen handelt, die auch nach des
Autors Meinung Thatsachen sind, ist in der älteren Sprache nicht
onerhOrt, der Konj. erklärt sich lediglich als Modus der Reflexion.
— Das heute nur familiäre il y a beaucoup ä dire que ne mit
dem Konj. I, 418, II, 743. (Wenn Gr. S. 23 die Stelle 2, 8, 4
Que cy est que nous peuvent pro fiter les promesses d'elles mes~
mes, ü a este* desja dit als solche anführt, wo heute der Konj.
stehen mttsste, so hat er übersehen, dass wir es mit einem in-
direkten Fragesatze zu thun haben, que = ce qtte).
In den von Ausdrücken des Seins und Geschehens abhän-
gigen Nebensätzen zeigt sich Ähnliches wie oben, z. B. II, 401
Et est advenu non seuiement (ce que le Prophete reprochoit
aux Isradites) que les dieux ayent este dressez selon le nombre
de vittes (der lateinische Text bot keine Veranlassung zum Konj.);
I, 339 II use donc de ces paroUes: quHl est advenu par la
liberti de Vhomme qtTil soit en pechS, maintenant que la
eorruption . . . a fait de liberte necessite (per libertatem factum
est ut esset homo in peccato), und so findet man noch sonst,
wo es sich um Thatsachen handelt, unter völlig gleichen Be-
dingungen bald den Indik., bald den Konj. — Der Konj. nach
il est vraisemblable (Weissg. S. 281) steht II, 1024 Combien
qu'il est aussi vraysemblable que la pierre se soit levte.
Ahnlich sind Stellen wie I, 428 Je suivray ce qui me semble
le plus probable, c'est que la sentence dont ils fönt le pr emier
precepte tienne comme un Heu de Proeme sur tonte la Loy,
wo die Ausgabe von 1561 tient liest. — In II, 522 Estoit-ce
pource qu'il esperast pouvoir adoucir son cosurt ist der
Konj. nicht befremdend, da der Satz selbstverständlich = ce
n'estoit pas pource que etc. und die frühere Zeit gern non parce
que (pource que) zur Ablehnung einer Annahme gebrauchte,
was Gr. S. 60 für Calvin nachweist, während das Neufranzösische
in diesem Falle non (pas) que, ce n'est pas que sagt. — L. II,
94 Je veoy bien cependant en quelle extremite vous demeurez;
mais encores est-ce qu'il nous faille resister ist estre = einem
Ausdruck des Wollene.
Kausales comme mit dem Konj. erscheint in der im XVI.
Jahrhundert und auch bei Calvin unendlich häufigen Formel
comme ainsi soit que, welche Gr. S. 59 erwähnt. Die Wen-
dung ist vollständig formelhaft geworden, da dieselbe ohne
Rücksicht auf das folgende Tempus fast immer präsentisch er-
scheint, z. B. I, 214, 439, 553, II, 515, 672, 1108 u. s. w.,
selten comme ainsi fust que II, 1123. Ganz überwiegend folgt
im abhängigen Satze mit que der Konj., doch auch der Indik.,
14*
213 A. Haase,
z. B. II, 11, 1158 und sonst. Aach sonst habe ich, freilich in
der ganzen Instit. nur einmal, comme mit dem Konj. gefunden
II, 1142 Mais comme il soit bien necessaire qu'äs n'entre-
prennent Wen stnon . . ., il est Expedient etc. Neben dem un-
endlich oft nach combien que sich zeigenden Indik. (Gr. 8. 61)
erscheint derselbe Modus auch nach encore que, was nicht nur
im XVI., sondern auch im XVII. Jahrhundert oft genug zu be-
obachten ist, z. B. II, 452 Encore que quelque fois Dien ne
nous satisfait pas ä noz premiers souhaits, L. II, 150. In
den Briefen habe ich gefunden I, 5 Quand il soit question
de accomparer teües compaignies aux synagogues des Juifs,
je craindrois de faire injure etc., eine Stelle, in der mir der
Konj. der Annahme recht auffallend und kaum durch die hypo-
thetische Natur des quand erklärbar erscheint. Nicht so be-
fremdlich wäre L. II, 50 Quand nos commis nous eussent
faict leur rapport ..... nous pensions etc., wie ja auch
früher in gleichem Falle nach apres que das Plusqupf. Konj.
vorkam, allein eussent könnte auch = eusrent stehen, wie
L. II, 133 La response qu'ils eusreunt de vous. Nach afin que
erscheint der Indik. L. I, 198 Vous y adviserez Selon que vo»
affaires le porteront affin que le Sr. d'Albiac le peult faire
venir, et par ce moien que vous ne demeuriez pas longtemps
desproveu; L. I, 351 Comme je desire vostre repos, afin
qu'estans paisibles vous ayez meiüeure opportunite de servir
ä Dieu, et le faictes de meilleur courage, j'ay este marry etc.;
in beiden Sätzen ist ein Wechsel des Modus zu beobachten.
Unzweifelhafte Imlikative finden sich im XVI. Jahrhundert nach
afin que; zu faxtet s. Tobler, V. B. 8. 26.
Sind Konjunktionalsätze koordiniert, so folgt, älterem Ge-
brauch entsprechend, Öfters einem Bedingungssätze mit si der
Konjunktiv ohne que (Weissg. S. 339), z. B. II, 206 En cela
se demonstre la force d'un komme jidele, si estant tenti du
sentiment d'une teile aigreur, combien qu'il travaille grievement
toutesfois en resistant il surmonte et vienne au dessus;
II, 258 Toute ceste dispute seroit froide et sans saoeur, si
chacun ne s'adjourne devant le Juge Celeste: et estant en soucy
d'obtenir absolution, s'abatte de son bon gre et s,aneantisse.
— Auf einen Satz mit quand und dem Indik. folgt que mit dem
Konj. (Weissg. S. 340), wie Gr. S. 22, 4 nachweist, ebenso
L. II, 339 Quant vous y seriez, et qu'on vous ecoustast, je
croy bien etc. — Nach combien que mit dem Konj. ist que
mit dem Indik. gebraucht II, 415 Combien qu'elles ne puissent
estre continuelles, et qu'elles ne se peuvent ou doyvent faire
que selon lapolice ordonne'e etc. — Vgl. noch L, II, 127 Puisque
Syntaktische Notizen zu Jean Calvin. 213
ceux-lä estoient nommez pour parties au proces, et que ceux
qui restent les eussent acceptez et advouez pour leurs consorts,
eomme les actes en fönt foy, cestoit pour le moins que les
heritiers prinssent la cause. Der Indikativ statt des Konj. der
Einräumung im Vergleichungssatze nach einem durch si resp.
tant hervorgehobenen Adj. resp. Adv. war früher nicht unge-
wöhnlich, vgl. II, 1010 Mesme leur nonchalance si lourde quon
la voit, monstre etc.; L. I, 380 Si peu de moiens quil vous
offrira, vous estes delibire de les prendre; L. I, 47 Tant peu
que Dieu luy a donne oTintettigence de son Escripture, il Va
tousjours fait servir etc.
Der Infinitiv ohne Präposition war im 16. Jahrhundert
von sehr ausgedehntem Gebrauch. Calvin hat denselben ab-
weichend vom Neufranzösischen ausser in den von Gr. S. 23 f.
beigebrachten Stellen noch sehr oft in Fällen wie I, 19 Cest la
finesse de Satan, se transfigurer en Ange de lumiere;
II, 246 La justice de la foy est, croire que J. C. est mort et
ressuscite, L. I, 6, II, 67 und sonst; II, 1047 Secondement en
charite, laquelie mesme il suff ist presenter imparfaite ä Dieu,
afin quHl Vaugmente en mieux; L. I, 3 Quil ne fust nullement
possible vous desmouvoir de propos, II, 46. Ferner II, 510
Sinon quelcun affecte de son bon gr4 se mettre en danger;
II, 348 Quelque ceuvre, pour laquelie ettes nJ attendroyent
rapporter que malediction; II, 1138 Dieu qui le commande
ainsi faire, L. II, 400; I, 531 La nature humaine, de laquelie
desja le Pere avoit decrHe le revestir; II, 385 (que) mesmes
ne desdaignions point ä Vexemple de David, entre-lacer
taut ce qui peut donner etc.; II, 1010 Je ne doute pas le
prendre comme une similitude tiree des hommes, II, 540;
II, 1004 Satan s'efforce encore aujourd'huy la denigrer de
calomnies; I, 369 De laquelie il prie Dieu remplir le coeur
des Thessaloniciens , L. I, 18 und unendlich oft hier; II, 1161
Daniel p roteste n'avoir en rien offense le Roy: I, 321 Ceste
instruction quHl promet donner, L. I, 86, 256, II, 367, 490.
Endlich II, 69 Nul ne se peut resoudre estre ä Dieu sinon
que etc.; I, 351 II y a peu de gens . . . qui ne soyent bien
aises, quant ä ces choses, estre veus entre tous les autres,
L. II, 218. Dazu kommen noch aus den Briefen eher eher f. qc.
L. I, 148; etre contraint f qc. L. II, 15, 56; craindre
f. qc. L. I, 217, 387, II, 198; (se) deliberer f. qc. L. I,
22, 236, II, 136; exhorter q. f. qc. L. II, 136; riavoir
garde f. qc. L. I, 101; ordonner ä q. f. qc. L. II, 251;
oublier f. qc. L. I, 238; etre tenu f. qc. L. I, 380; ü me
semble bon f. qc. L. II, 134; La peine que j'ai prise f qc.
214 A. Haase,
L. II, 226 u. a., (vgl. //. Std. V, 512-518; Gräfenberg
S. 92 — 96).
Das Subjekt ist dem von einer Präposition abhängigen
Infinitiv nur selten beigegeben, z. B. II, 857 Je riimpose point
loy ä ceux qui auront failly en quelque sorte, de faire tous
un semblable vom; L. I, 272 Ce catechisme servira ä deux
usages, assavoir d Instruction ä tout le peuple pour tous
profiter ä ce qvüon preschera etc.; L. II, 380 Vous donnertet
occasion de s\smouvoir grans tumultes sans proßt.
Dem von Or. 8. 17 zitierten Beispiele sind hinzuzufügen
II, 379 Pour les faire invoquer Dieu; I, 346 Pour le faire
produire fruit
Die Angaben von Gr. S. 28 über das Partizipium des
Präsens resp. das Gerundium sind insofern ungenau, als er
behauptet, die Form -ante(s) in Beziehung auf weibliche Nomina
finde sich nur beim Verbaladjektiv. Ich habe folgende Stellen
in der Instit. mit transitiven Verben gefunden: I, 311 Toutes
choses concernanteß la vie bien heureuse de Farne sont auesi
esteinte* en luy, ebenso II, 371, 1127 und II, 424 Toute chose
concemante nous ei nostre pro fit; II, 444 Toutes les mau-
vaises conceptions de nostre entendement nous induisantes
ä transgresser la Loy, . . . sont tentations; II, 1075 Ce qu'ü
interprete estre le fruit des levres glorifiantes son Nom;
II, 1076 C'est ä dire, le fruit des levres confessantes son
Nom. Ausserdem gibt es eine ganze Anzahl Partizipia intransitiver
Verba mit weiblicher Endung, welche unmöglich adjektivisch
gefaßst werden können, resp. Fälle, in denen sicher die neuere
Sprache das Gerundium wählt, z. B. I, 608 Jesus Christ est
Mediateur du nouveau Testament, afin que sa mort int er -
venante pour recompenser et abolir les pechez . . ., les fideles
regoyvent etc.; I, 241 Les pluyes venante 8 outre leur saison
corrompent et gastent les semences, II, 136 Labsolution ser-
vante ä la discipline de VEglise, ne concerne point les pechez
secrets; ebenso finden sich die beiden letzten Partizipien z. B.
noch I, 261, 365, II, 244, 297, 983. Mitunter schwankt Calvin,
wie II, 1039 procedant de in demselben Falle sich findet, wo
sonst procedante de geschrieben ist, z. B. II, 72, ebenso in dem
von Gr. gegebenen Elle est chargde de pechez, . . . encline toujours
ä mal, tendant ä tout vice, wo sehr mit Unrecht von Gr.
tendante verlangt wird, zumal encline doch Verbum und nicht
Adjektiv um ist.
Dass sogar nach der Präposition en statt des Gerundiums
mitunter in früherer Zeit missbräuchlich das Partizipium vorkam,
kann bei der damals herrschenden Verwirrung zwischen beiden
Syntaktische Notizen zu Jean Calvin, 215
Formen nicht zu sehr befremden. Or. gibt eine Stelle aas der
Ausgabe von 1564, die mit den anderen Texten nicht überein-
stimmt, and I, 458 Ceux qui cheminent en leurs voyes, c'est ä dire
en leur vocation: de laqueüe se destournent tous ceux qui
en ddaissans les moyens que Dieu leur baitte veulent par fotte
temerite surmonter leur necessite. Hier könnte man en auch als
Adwrbiam auffassen, dagegen sind ganz sicher II, 76 Voila
pourquoy . . . ü nous est commande de despouiller le vieil
komme . . .: et en nous retirans de noz cupiditez de mettre
feine ä estre renouvellez etc.; II, 442 II est bien ä souhaitter,
quen nous est ans bien acquittez de tous devoirs, nous puis-
sions etc.; II, 544 Nous sommes instruits qu'en s ort ans de
u pelerinage terrien nous sommes receus du Pere; L. II, 142
En nous tenans coys pour luy ob&ir, nous sommes assurez
que etc.; L. II, 426 Ceux qui . . . en faisans semblant de
favoriser au bon parti, n'ont leurs regards qu'au monde.
Zu dem Partizipium Perfekti (Gr. S. 29 f.) ist nur zu
notieren, dass nach dem noch im ganzen 17. Jahrhundert sich
zeigenden Gebrauch das Partizip reflexiver Verba bei dativischem
Reflexivpronomen sehr oft mit dem Subjekt kongruiert (z. B. I, 56
La crainte s'est forgee des dieux; I, 119 Ils sen sont faits
des dieux, I, 131, 136 u. 8. w.), dass excepte noch nicht vor
nachfolgendem Subjekt zur Präposition erstarrt ist, z. B. II, 691
Exceptez les Metropolitains , qui ne voulurent pas etc.;
and andererseits Joint vorkommt, das sich so nur in ci -Joint
erhalten hat, wie I, 53 Laquelle procede (Tun appetit desborde
de plus savoir que leur mesure ne porte, Joint une fausse
presomption dont ils sont pleins.
Die Briefe bieten mehrere Unregelmässigkeiten, die im
16. Jahrhundert nicht befremden dürfen (Gräfenberg, S. 106).
So kongruiert das mit avoir verbundene Partizip noch mit dem
folgenden Objekt L. I, 146 Pour me monstrer en quelle auctorite*
vous aviez ouvertes Celles qu'il m'escrivoit Ferner L. I, 163
Les vostres (lettres) m}avoient est es rendues par Alexandre.
Sodann L. I, 40 Vostre Eglise riest pas encore delivräe des
troubles et fascheries qui y sont naguere advenu; L. I, 254
Cest argument est desduit plus au long aux livres qui en sont
expres8<£ment es er iL Endlich L. II, 107 Nous esp&rons . . .
qu ayans vus les raisons qui nous empeschent, vous ne serez
point offensez etc.
Die Adverbien behandelt Gr. S. 48 — 53. Obwohl einige
derselben nur am Scbluss des Abschnittes als vorkommend ohne
Belege angeführt werden, z. B. adoncy paravant, bei anderen
hätte angegeben werden können, ob dieselben oft oder selten
vorkommen, so will ich doch nur das, was ganz übergangen ist,
hinzufügen. So wäre unter den Zeitadverbien (ausser dem bereits
oben, llbrigens natürlich auch lokal vorkommenden cy) zu er-
wähnen das im 16. Jahrhundert Doch sehr häufige souventts fois,
z. B. I, 32 Auxquels souventes fois il advient oVestre
estonnez par tele scandales, I, 125, 358 und sonst. Ebenso
gewöhnlich war quelque fois = neufrz. wne foi», u» jour
cf. II, 519 Von» estiez guelque fois tenebres maintenant
estans lumiere en Dieu etc. (der lat. Text hat aliquando) ;
II, 95 Piaton dit quelque fois que la vie d'un Philosophe
est meditation de mort. — Longuement war auch sehr häufig,
z. B. I, 266 Afin de ne demenrer plus longuement sur ee
propos etc., I, 372, 454, II, 415 und oft, ebenso tantöt =
bientöt, z. B. I, 583 /( a exte tantost apres le temps de*
Apostres adjouste, II, 829, L. I, 163 und sonst. Das veraltete
ensemblement ist nicht selten, z. B. II, 1013 Que demandes-tu
ä la puissance de Dieu, qtt'eüe face qu'un corps soit ensem-
blement corps et non corps? II, 1052, 1059, 1145 und sonst
Das einfache tot habe ich in der Inst, nicht beobachtet, nur
I, 81 Combien qu'ü faille imputer au vice des Komme», ce qu'ils
corrompent ainsi tost la semence que Dieu a plante* en leurs
cceurs, wo ainsi = aussi steht, wie früher ainsi vor Adj. und
Advb. nicht selten ist, mag angemerkt werden. In den Briefen
kommt auch einfaches tot vor, z. B. L. I, 272 Si vorn de'sirez
de bastir ung edifice de longue dure"e, et qui ne s'en aille
point tost en decadence, faictes etc. Hier ist auch noch en-
core „schon" gebraucht, z. B. L. I, 174 Pource que je n'ettoü
pas certain si on vous avoit encore adverty de la mort de
M. . . . , je n'aooye ose en faire mention; ferner sehr oft das
alte atant, z. B. L. 1, 31, 35, 39, 40, 84, 88, II, 57 und sonst;
auch ce temps pendant, z. B. L. I, 31 Ce temps pendant
nostre Seigneur nous fera ouverture etc.
Das alte Ortsadverbium illec begegnet II, 678 II s'ensuit
donc qu'il a coüoque' illec le siege de sa primaute.
Das alte bis ins XVII. Jahrhundert hineinreichende mon
= certainement begegnet II, 16 Nous ne disputons pas icy,
assavoir-mon si le minütere de V komme est necessaire etc.,
genau so II, 696.
Memement = surtout (Dannest. § 254) II, 419 II est
bon que mesmement la langue soit employte ä ce faire, II,
426 und sonst
Adverbial ist auch das der ganzen älteren Sprache ge-
läufige aussi bei etre, wo die prädikative Bestimmung aus dem
vorhergehenden Satze zu ergänzen ist (Tobler, V. B., S. 87),
Syntaktische Notizen zu Jean Calvin. 217
wie II, 609 Dien m'est tesmoin, et aussi seront tous ceux
qui etc.; 1, 457 Ühomme est V Image de Dien; puis aussi est
nostre chair, Sätze, die sehr oft begegnen. So ist auch das
von Gr. 8. 33 zitierte 4, 19, 34 (Test certes wie ordonnance de
Dien bonne et saincte. Aussi sont bien les mestiers de la-
boureurs, magons etc. zu fassen, wo nach Gr. bien prädikativ
statt bans stehen soll! Si habe ich in gleicher Funktion nicht
beobachtet, doch ainsi öfters, z. B. L. 1, 203 Et d'aultant
est-ü plus prisi de moy, et je scay que ainsi sera-il envers
vous. Adverbiales si, auf den vorhergehenden Satz zurückweisend,
vgl. L. I, 221 Ce regard ne vous deveroit retarder, si me
semble, eine Wendung, die früher nicht selten war.
Quere in positivem Sinne reicht ins XVII. Jahrhundert
hinein, vgl. II, 862 Lesquelles ne sont point en grande quan-
tit€y ne gueres friandes; L. 1^ 140 Non pas que faye grand
espoir de pro fiter gueres envers tel homme; 1, 201 Nous
neusmes loysir de gueres parier ensemble.
Plus = plutöt war ganz gewöhnlich, z. B. I, 359 Ce qu'ils
ont fait, comme je pense, plus pource qu'ils ne vouloyent de-
batre . . . , que pour asseurer cela comme certain, I, 363,
425 und sonst.
Ein Beispiel der alten Steigerung durch mieux = plus
könnte man sehen in II, 477 Le conseil de Dieu demeure ferme,
voire mieux que les cieux.
Tant — autant kommt nicht nur in den Wendungen vor,
welche heute noch gebräuchlich sind (Gr. S. 52), sondern auch
sonst, z. B. II, 51 Tant quHl y a de promessesf dies sont en
luy Ouy et Amen (quotquot sunt Dei promissiones) ; L. II,
107 Et tant que nostre petit pouvoir se pourra entendre (sie!),
nous tascherons de monstrer etc.
Schliesslich mag noch auf das heute veraltete und nur der
Volkssprache verbliebene ä tout le moins, z. B. II, 122 Ils
ordonnent que tous ceux qui . . . confessent ä tout le moins
une fois Van, II, 1052, 1057 und oft, auf die heute nur in
familiärer Rede Üblichen paraventure und d'aventure, z. B. I,
92, II, 159, 727 und sonst, und auf bien in quand bien =
quand (bien) mime hingewiesen werden, das früher häufig war,
z. B. II, 318 Quand bien nous y aurions satisfait, encore
sommes-nous serviteurs inutiles.
Die Negation non erscheint noch beim Verbum vicarium
faire und beim Infinitiv, wo sie am längsten sich erhält (Ztschr.
f. r. Ph. I., 502; Gräfenberg S. 136), II, 1149 Je respon que
non fönt; II, 650 Ceste coustume est receue et usitee, de non
ordonner pour Pasteurs des Eglises, sinon barbier s, cuisiniers etc.
■
218 A. Boote,
Das beute familiäre resp. provinzielle nenny II, 890 and
nenny pat II, 72.
Mal zur Negation von Adjektiven resp. Adverbien kam
häufig vor, vgl. I, 370 Que nous reputione combien nous sotn-
mex mal presto. — Ne-du tout point = ne point du tout
reicht ins XVII. Jahrhundert hinein, vgl. I, 378 Nous n'en avom
du tout point, II, 830 und sonst — Ne-bonnement ist beute
veraltet, vgl. I, 248 Ne pouvant bonnement determiner de et
qu'on hur demande, L. I, 391, II, i und sonst. — Statt point
sagt man heutzutage pa» vor den Adverbien der Quantität und
des Grades, vgl. dagegen II, 757 IIa ne fönt point plus dt
»crupule que etc., I, 175, II, 917 und oft.
Dass die Negation vielfach abweichend vom beutigen Ge-
branch im abhängigen Satze vorkommt, hat Gr. S. 46 erwähnt
Für difendre giebt er ein Beispiel, wo dem Infinitiv mit de ein
ne hinzugefügt ist Abgesehen von diesem häufig vorkommenden
Falle, erscheint dieses ne auch ganz gewöhnlich in dem ab-
hängigen Satze mit que, z. B. I, 145, 467, II, 83, 291, 402,
643, 687 und sonst, auch ne -point, z. B. I, 181 liieu qui a
defendu en ta Loy qu'on n'adorast point autre que luy.
Ferner erscheint die Negation nach »ans que, z. B. II, 796
A grandpeine on let pourroU bim purger . . - , sann que
beaucoup de ceremonies ne soyent ottiet, und in einer ganzen
Anzahl von Stellen entweder analog dem Gebrauch der Negation
nach dtfendre und nacb Verben, die ein Verhindern bezeichnen,
oder analog der Negation nach ne pa» douter (nier) que (früher
auch ne pa» ignorer que-ne, was Gr. erwähnt), vgl. II, 715 Le
Roy interdit a ton de trompe que nul de tet tujett ne futt
de sa communion, L. II, 347 Let fideles eetoyent forelot de
ne sonner mot; II, 121 Tant s'en faut que je retitte que let
brebis ne »e pretentent ä leur pasteur; II, 636 Le sainct Es-
prit a voulu obvier que . . . nul n'imaginatt quelque prin-
cipaute; II, 388 Itien ne les doit retarder qu'iü ne courent
alaigrement; II, 1110 Je ne repugne point qu'on ne la
recoyve pour Sacrement; II, 681 Je ne contredy pat qu'ä
ne toit mort ä Rome, L. II, 65; L. I, 351 Vous deviez
avoir cette raiton et humanite en vout de ne »ouffrir que
nout ne fussions mesle's ny enveloppe» en leurt foüies; I-, 556
II n'y a nulle diffieulti qu'il ne eoit appeUe Filt d'homme;
L. II, 347 Et n'y aura nulle diffieulti que let estats ne fatsent
ce qui est ä detirer; I, 27 Et ne nou» doit ettre aueunement
incertain, que Jesu« Christ n'ait toutjours regne" «w ferre
depuis qu'il est monti au ciel; L. 11, 197 Vout n'estet pat
intentible que vom n'ayez ä bataüler contre beaucoup de
Syntaktische Notizen zu Jean Calvin. 219
tmtations; II, 318 Nous n'ostons point cela ä la Loy de
DieUj quelle ne contienne parfaite justice; II, 1079 Comme
eda ext oste aux hommes, quih ne puissent faire n'ordonner
de nouveaux Sacremens. Solche Sätze begegnen oft genug.
Wenn Gr. S. 38 bei Erwähnung eines dem zuletzt zitierten ganz
tnaiogen Satzes sagt „hier ist der Satz mit que, welcher eigent-
lich logisches Subjekt sein sollte, itbergegangen in einem Ad-
verbialsatz der beabsichtigten Folge", so ist das nicht zu billigen;
der 8atz mit que bleibt Subjektssatz, und ne ist durch öter ver-
anlasst , so auch beim Infinitiv II, 595 Or je demande ei par
la venue de Christ . . . , cela a esti oste aux fideles de
rioser plus prier pour obtenir pardon, de ne trouver nulle
misericorde. Et que seroit cela ä dire autre chose, sinon que
Christ est venu pour la ruine des siensf (Der lateinische Text
lautet hoc ademptum est fidelibus beneficium, ne pro delictorum
venia audeant supplicare, ne, si Dominum offenderint, xMam
misericordiam consequantur).
Auch in einem Satze mit empecher que-ne-pas, der öfters
nicht nur bei Calvin, sondern in jener Zeit überhaupt begegnete,
will Or. S. 47 „den Gegenstandssatz zu einem Umstandssätze u
werden lassen, „que im Sinne von de sorte queu gebraucht sehen.
Dass pas und point vielfach im Widerspruch mit dem heutigen
Gebrauch angewendet werden, bemerkt Gr. ebendaselbst Ich
notiere noch II, 281 II riy a nul juste, dit VEscriture, qui face
bien, et ne peche point — Ausserdem weise ich hin auf I, 175
II nous faut bien estre sur nos gardes, que nos pensdes ou
nos langues ne s'avancent point plus loin que les limites de
la paroUe de Dieu ne sfestendent, und andererseits auf das
Fehlen der Negation in Sätzen wie II, 674 Pierre riavoit pas
plus de puissance sur les autres quiceux avoyent sur luy;
II, 716 Ils ne sont donc non plus vicaires de Christ ä cause
du siege, quune idole est Dieu quand on la coUoque au temple
de Dieu, II, 932, 1128 und sonst.
Die Präposition de (s. Gr. S. 18 f. und 53 f.) dient
noch oft zur Einführung des Nomens, welches nach neufrz.
Auffassung Prädikat ist. Gr., welcher S. 54 diese Erscheinung
berührt, sagt, „de stehe pleonastisch, wo jetzt que in gleicher
Weise gebraucht werde und zuweilen stehe auch que vor de."
Doch kommen auch Stellen vor wie I, 540 Lauiheur de sainc-
tele et ceux qui sont sanetifiez sont d'un; II, 301 Ils ne nient
pas que la principale cause ne soit de la grace. Hierher
gehören sodann die zahlreichen Sätze, in denen de ce que in
ganz gleicher Weise verwandt ist, z. B. I, 108 Ce riest point
donc une peilte approbation de VEscriture, de ce qu'elle a
820 A. Boote,
esl-e signee par le sang de tant de tesmoins; I, 539 Ceti wie
eschappatoire frivole de ce qu'ils babiüent que etc., I, 557, II
541, 932 und sonst; ferner das sehr beliebte ce (qui) n est point
de merveiüe, z. B. I, 93, 441 und sonst, sowie ü est de beeoin,
z. B. I, 212 Entant qu'il est de beeoin, I, 137 und oft (vgl.
L. I, 139 Tont ce qui sera de mestier), ce qui est de mit
einem Adjektivuni, z. B. Tout ce qui est de bon I, 346, II, 95
und sonst oft.
Ähnlich iet de beim prädikativen Akkusativ früher sehr
gewöhnlich in avoir de coutume, z. B. II, 358 Vuigairement
en a de coustume de les appeler etc., I, 351 and sonst Aach
bei dem Akkusativ, welcher heute Objekt ist, kam es vor, so I,
54 faire du borgne, L. I, 235 II ne cessera de mesdire et faire
de Vertrag e", und so sehr oft, ferner I, 321 Nous ne pouvons
pas dire du contraire, I, 402 und sonst. Ob hier de par-
titive Kraft habe, acheint mir zweifelhaft, vielmehr dürfte es die
Sphäre, aus der die Handlung hervorgeht, bezeichnen.
Das komparative de habe ich nicht beobachtet, doch
scheint dasselbe neben komparativem que vorzuliegen II, 703
Pouvions - nous avoir meilleure exhortation ä sainctete' que de
ce que du sainct Jean que etc.
In weitem Umfange wurde de = „was anbetrifft, in Be-
ziehung mif" gebraucht, was Gr. S. 57 durch ein Beispiel an-
deutet, vgl. II, 736 De nous, si nous leur concedons ce point .. .,
c'est avec tel sens etc., und oft, ebenso sehr oft de ce que, z. B.
II, 518 De ce qu'ils ne tombent point en impietd desesperie,
cela ne se fait point etc., ferner 1 , 7 Celuy qui aura bien
compris . . . pourra aisement juger et se resoudre de ce
qu'il doit ckercher en l'Escriture, I, 176, II, 58 und sonst;
1, 248 Ne pouvans bonnement determiner de ce qu'on leur
demande, I, 577, II, 736 und sonst; II, 705 Je ne parle point
encore de la seigneurie terrienne et puissance seculiere, des-
quelle» nous verrons cy apres ä leur tour; I, 159 II y a
plus grand .debat d'un autre passage de Jeremie; II, 110
Ils mentent de cela; II, 395 Nous serons exaucez de tout
ce que nou» demanderons en son nom; II, 88 Quelques autrei
exercices externes, desguels nou» usons . . . pour attester de
nostre repentance, und so Hessen sich noch manche andere
Stellen beifügen.
Auch kausales de ist, wie das in jener und späterer Zeit
ganz gewöhnlich war, ausgedehnter als heutzutage, z. B. II, 482
La cause dequoy est assignee etc.; I, 78 (lls) sont condam-
nez de teile temerit4 par Jesus Christ; II, 737 PareiUement
se confiant de» promesse« qui luy sont donnees eile aura etc.;
Syntaktische Notizen zu Jean Calvin, 221
H, 1117 Ils se delectent si fort des ceremonies Mosaiques;
1, 521 Pourquoy donc noterons-nous Dieu d'inconstance, de ce
qu'il a dütingue* la diver site des temps par certaines marquesf
% 549, II, 739 und sonst.
Ebenso war de mit einem Abstraktem zur Bezeichnung der
Art and Weise sehr üblich, z. B. I, 590 Plusieurs la mesprisent
(la mort) de teile consiance qu'il semble etc., II, 582 Ceux qui
examinent d'une teile rigueur les Eglises etc.
Zu dem von Gr. S. 54 angeführten ne nuire de rien kann
man eine Menge ähnlicher Wendungen fügen, z. B. II, 337
Haider de rien I, 103 ne pro fiter de rien, I, 206 n'appartenir
de rien, II, 1096 n'empecher de rien, II, 741 ne profiter de
guere, II, 871 De quoy appartient etc.; I, 367 Si les exhor-
tations ne profitoyent d'autre chose entre les fideles, I, 136,
Les^histoires peuvent profiter de quelque advertissement,
ou souvenance quem en prend, u. a., Wendungen, welche sehr
oft begegnen.
Im eigentlichen lokalen Sinne ist de abweichend vom
heutigen Gebrauch in dem sehr geläufigen de mot ä mot zu
finden, z. B. I, 126 II parle ainsi de mot ä mot, I, 244, II,
159, 298, 494 und sonst, von der Zeit ebenso oft in de long-
temps, z. B. I, 119 La superstition des hommes avoit commencä
desja de longtemps de falsifier etc., I, 132 und sonst; auch
= ä, II, 699 La principale raison pourquoy on avoit du
commencement donne* le premier Heu ä Rome etc., II, 706
und sonst. In der Übertragung I, 286 L'homme se soustrait
de la superioritä de son createur; II, 65 Combien qu'il ait
cache* sa face de nous; I, 436 Aucuns ne pouvans se de-
pescher de ceste dijjicultä, entendent etc.; II, 287 Entre les
Corinthiens il a ced4 de son droit; I, 348 II ne falloit en
cest endroit mesme aueunement diminuer de la grace de Dieu.
Im einzelnen möchte noch hinzuweisen sein auf II, 911
Ainsi qu'un homme d!armes porte la livräe de son Prince,
pour s'advouer de luy, auf de und das Personale zur Ver-
stärkung des Possessivums, z. B. II, 110 Car ce que J. C. laisse
aux Prestres de la Loy, n} appartient en rien ä ses ministres
de luy, I, 183, auf I, 529 Ce qu'il dit aussi en un autre
passage n'auroit point de Heu, I, 606, wo, wie in anderen
Wendungen, z. B. II, 204, II, 133 und sonst, das partitive de
heute nicht gesetzt wird, und endlich auf das früher als Zeichen
des Genetivß entbehrliche de I, 107 L'Evangile sainet Jean,
I, 548, wo Gr. S. 56 „selon ergänzen" will!
Der Infinitiv mit de ist absolut vorangestellt nicht nur
in dem von Gr. S. 25 erwähnten Falle, sondern auch sonst,
222 A. Haas«,
t. B. II, 457 De chercker la gloire ne tonmera pas ä gloirt
aux curieux: II, 518 De les confermer il ne, pouvoit, I, 257
n. «. Statt den modernen ä ist de ausser in den von Gr. ge-
gebenen Fällen (bei denen zu dem erwähnten ce qui est bo-n de
faire, il rette de faire mehr Beispiele hätten gegeben werden
können, da dieses de sehr oft vorkommt, z. B. II, 502 Que
pensons-nous qu'it soit de fairef I, 141, II, 9, 133, 1153,
II, 341 Et est une doctrine neceseaire de cognoistre ä tout
Ckrestiens, u. a. , wobei auch zu erwägen wäre, ob nicht viel-
fach qui = qu'il steht, z. B. I, 528 Ce qui nous suffira de
prouver par ce teemoignye etc., II, 1041 Ce qui nous est com-
mandi d'annoneer la mort ■ ■ ■ , n'est autre ckose etc.) noch
nachzuweisen I, 25 Ieaie instruisoit les esleuz de Dieu de
ne dire Conspiration, II, 349 ; I, 204 Laqueüe (la philosopkie)
enseigne de venir ä Dieu par le mögen des Anges, I, 370; II,
365 Kn ce que nous nous accoustumions d'avoir en luy
nostre refuge, II, 892; II, 492 Nous deeapprenons de bien
parier; II, 416 Qui nous aide d'entrer en nostre ctxur, L. II,
228; II, 511 Si nous demandone d'avoir la clemence pater-
neüe de Dieu; I, 185 Sainct Irenie insiste du tout lä dessus
de monstrer que etc.; II, 253 Tous cuux qui persistent
d'cstore pecheurs, L. II, 168; II, 252 L'komme tend par icdUt
de rendre obeissance ä Dieu; II, 341 La question induisoit
le Seigneur d'ainei respondre; II, 361 II a tni'i peine de
ekeminer etc.; II, 989 II travaille beaucaup d'excuser Fab-
surdite"; I, 533 Jesus Christ estoit predestine en F Esprit de
Dieu d'estre fait komme; I, 204 Que nous regardions de
nous munir d 'armes qui sogent süffisantes etc.; 1, 583; I, 827,
Nous ne »ommes pas idoines de penser quelque ckose, II,
470 uiid sonst, II, 961 ä and de nebeneinander; I, 409 Com-
bien qu'ü sott deliberi en son cceur de servir bien ä son
maistre (= neufrz. r&olu ä f. qc). Ans den Briefen fUge ich
hinzu L. I, 33 II nous fault preparer d'attendre une aultre
journee, L. I, 175; L. I, 366 M'apprestant de comparoistre
devant Dieu, L. II, 170; L. II, 181 Si vous fauU-ü estre plus
tost incitie par lä de vous arrester du tout au eiel; eher
= pour L. I, 16 Si nous nous sommes presentet de satis-
faire devant toutes les Egliee»; L. I, 215 Qui n'a point de
force d'ex£cuter ce qu'il a presume".
De beim Infinitiv, wo honte derselbe ohne Präposition
steht, vgl. II, 838 Car il vaudroit beaucoup mieux de n'usef
point de jvsnes, L. I, 205 nnd sonst; I, 48 Hu agment mi-
eux d'adorer une piece de bois I, 57, 489 nnd sonst; II, 171
Celuy qui confetse d'avoir mestier qu'on le Supporte: I, 496
Syntaktische Notizen zu Jean Calvin. 223
■
Cduy qui afferme d*avoir esti en miseres continueües, ne
concede pas aavoir senty une teile prosperiti que Dien luy avoit
promise; L. I, 4 Si ne fait-il jamais bon oVestre tant liberal.
Die Infinitivkonstruktion wäre der neueren Sprache in
einigen Fällen nicht gut möglich, z. B. I, 45 Elle se confie
destre en la gar de et protection d'iceluy I, 58, 284, II, 447
und sonst; I, 422 11$ veulent dissimuler destre contempteurs
dicelle\ I, 563 Je ne prise point de rien savoir, sinon J. C, u. ä.
Die Präposition ä (Or. 8. 17 und 54) als Dativzeichen
abweichend vom Neufrz. ist auch oft in prier ä q. zu beobachten,
i. B* I, 322 Priant ä Dien qyüil donne aux Ephesiens esprit
de sagesse, II, 377, 444, 702 und sonst, iclairer ä q.} II, 507
Dieu esclaire par sa parotte d, ceux qui n'ont rien meinte*,
attoucher, I, 274 Lee blasphemes quHls desgorgent contre le cid
n'attouchent point ä Dieu, I, 265, II, 701; ennemif I, 294
Touies affections de la chair sont ennemies ä Dieu. Auch
dient nicht nur „der Dativ eines persönlichen oder relativen
Pronomens beim Passivum zur Angabe des Urhebers a, wie Gr.
8. 54 sagt, sondern auch Substantiva mit ä kommen so vor,
s. B. I, 247 Sa mort riestoit point seulement preveue ä Dieu,
II, 984 J'espere quelle sera approuvie ä tous bons cceurs
et craignans Dieu, und so sehr oft.
In eigentlicher lokaler und in übertragener Bedeutung ist ä,
dem Gebrauche der damaligen Zeit entsprechend, oft genug zu
finden, wo das Neufrz. andere Präpositionen anwendet, z. B. II,
407 Teile coustume n'a jamais esti ä VEglise ancienne; II,
163 Tons les saincts ont lavi hur 8 robbes au sang de VAg-
neau; I, 202 Nous serons tousjours ä seurett; II, 45 Nous
serons ä sauvete; I, 245 Les autres en ont ä foison; II,
433 Lesquelles se dressent ä grand foulle pour bataiÜer
contre luy; I, 234 Aucuns ne srosent pas mettre au chemin,
quand ils oyent dire etc.; I, 157 Descendant du Pere de lu-
miere auquel n'y a point de changement, ny ombrage tour-
nant; I, 172 Le Pere est totalement au Füs, et le Fils est
totalement au Pere, comme luy-mesme V afferme, disant, Je suis
en mon Pere etc. ; I, 407 Ceste affection se monstre plus apper-
tement en oVaucuns, aux autres eile est plus cach&e; I, 359
Dieu met diverses affections aux hommes; I, 317 Lf Esprit
habite seulement aux hommes fideles, jede Seite bietet Beispiele
ftir diesen Gebrauch; ferner I, 6 Afin que je neusse point
occasion de me desplaire au travail que j'y avoye pris;
II, 238 A ce quHl nous despartisse les biens ausquels il
abonde; I, 58 (Ils) sy amusent ä eux ou aux creatures;
Combien qu'il ne soit pas loisible . . . de hanter privSment, et
avoir grande familiartte" aux excommuniez; I, 571 Nous
n'avons nul accez ä Dieu; I, 296 Comment Dieu seroü-ü
courrouce" ä la plus noble de ses creaturest I, 456, II, 149
und sonst; II, 263 Et que dirons nous a ce qu'enseigne l'Evan-
geliste, que etc.; II, 558 La reparation des vices qui ont eu
lew origine du peche ä laquelle taute* creatures gemisveni.
Es ist noch zu bemerken, dass nicht nur in einem Satze,
wie es nach Gr. 's Angabe S. 55 scheinen muss, ä = sur steht,
sondern auch sonst, z. B. I, 220, 471 u. a. Ferner ist hinzu-
weisen auf II, 263 Nous luy mentons impudemment, auf II,
598 II a desja esti expose . . . jusques ä oft nous luy devoui
porter cest honneur, ebenso II, 828, auf II, 729 Voüa lei
armes spirituelles, puissantes ä Dieu puur la demolition
des munitions etc., wo der lateinische Text lautet spirüualia,
potentiq Deo und die Anmerkung unserer Ausgabe de par Dieu
erklärt, II, 323 II ne tacke ä autre ßn que d'abattre etc.,
und II, 437 Nous sommes serviteurs ä Dieu, servans ä son
honneur etc.
A beim Infinitiv (Gr. S. 26) ist nicht „ausnahmsweise",
sondern sehr oft statt de in il est facile ä voir que, il est aisi
u. a\ zu beobachten, z. B. I, 37, 86, 169, 341, 396, 468, 538
u. b. w. Die beiden ersten der von Gr. gegebenen Stellen sind
nicht zutreffend, denn 3, 19, 3 Que ceux soyent pervers expo-
siteurs qui disent . ■ . . , il est facile ä expliquer, 3, 16, 1
La raison pourquoy, il est facile ä expliquer, ist il = cela,
das auf den vorhergehenden (im zweiten Beispiele elliptischen)
Satz hinweist, und a ist ganz am Platze.
Dass a vor dem Infinitiv sehr oft = pour ist, hat Gr.
angegeben. Es wären als Beispiele hinzuzufügen, II, 518 11
avoit assez de matiere d, espouvanter les kommen; 11, 513 Cela
fait aussi grandement ä establir nostre fiance; und besonders
II, 301 Les bon-n.es asuvres ne peuvent gueres a exalter l'homme,
II, 44 II est puissant ä se venger, II, 260, 1100, L. I, 368.
Selten ist in der Instit. ä = de, z. B. I, 230 La volonte" estoit
libre ä eslire le bien, II, 238; II, 869 A ce que les Princes . . .
n'empeschassent VEglise ä faire son ofßce, L. II, 36. Öfter
ist es in den Briefen zu beobachten, z. B. prier qc. ä f. qc
L. I, 279, II, 269; refuser ä f. qc. L. I, 375, II, 94; oublier
ä f. qc. L. II, 503; tenter ä f. qc. L. I, 95; ee hdter ä f. qc.
L. II, 259, machiner ä f. qc. L. II, 74, u. a. Ferner Bind zu
notieren L. II, 84 Je n'eatens point ä vous abstraindre (sie)
ä l'autkorite des kommen (in der Instit. in gleichem Falle de,
S. Gr. S. 26); L. II, 440 Je ne pretens point ä vous animer
contre luy. Nicht angänglicb wäre die Infinitivkonetruktion in
Syntaktische Notizen zu Jean Calvin. 225
Fällen wie z. B. II, 458 Quand il mettra fin ä enseigner;
Iy 421 Avant qtCentrer ä traiter particulierement un chacun
article, il est bon etc., eine Wendung, welche recht oft begegnet.
En (b. Gr. S. 55 und S. 19) ist in unzähligen Fällen
= neufirz. ä verwandt, wie das der älteren Sprache eigen war,
z.B. II, 1050 Toutefois quant en substance eile (la doctrine)
a este suivie; II, 1152 La moderation que doyvent garder
toutes personnes privees quant es affaires publiques; II, 365
Afin que nostre comr. soit enfiambd d'un vehement et ardent
desir de le tousjours eher eher . . ., en ce que nous nous ac-
coustumions d'avoir en luy nostre refuge; en la fin unendlich
oft, z. B. 313; II, 333 Les uns en la pr emier e heure du jour,
les autres en la seconde; tendre en la gloire de q. I, 18;
t&urner en notre ruine I, 135; parvenir en un si haut degre
I, 233; inciter q. en Vobeissance I, 409; amener q. en cette
opinion I, 301; appeler q. en partieipation de la gloire 1, 486;
tlever les yeux en qc. I, 502; lever le cceur en q. II, 265; tomber
en terre I, 258; attacher en la croix I, 581; s'abaisser en teile
petitesse 1,538; *' attacher en unef 'olle amour II, 210; adjoindre
q. en la compagnie II, 630; penser en II, 832 und oft; appeler
q. en son aide II, 406; avoir quelque regard en qc. II, 649;
avoir recours en qc. I, 516; trouver ä redire en qc. I, 335,
II, 327 und sonst; enclin en qc. II, 210; inclini en qc. I, 468;
destini en qc. II, 223; idoine en qc. II, 656, n. a.
Sehr viel seltener ist en in Fällen gebraucht, wo das Neu-
französische andere Präpositionen verwendet, z. B. I, 39 II se
glorifie es dons de Dieu, I, 216. — I, 599 II monte en son
tkrone, II, 74; UApostre insiste principalement en cela, que
etc., I, 497, II, 772; II, 50 J'ay medite en toutes tes ceuvres,
I, 410; I, 533 Tous ont este formez en ce patron.
Zu notieren ist noch en quelque part II, 1096 uud en
nulle part II, 677.
Nicht nur envers wird in dem von Gr. S. 56 angegebenen
Sinne gebraucht, in welchem es ungemein häufig ist, sondern
auch vers, das in der älteren Sprache noch nicht ganz von jenem
geschieden ist, z. B. I, 129 De ceste simple paroüe on eut peu
plus profiter vers les simples; 1, 542 Le nom de la famille
demeure tousjours vers les masles; L. I, 94 Mes lettres seront
bien venues vers vous, und so sehr oft; (L. 1, 377 s* adresser vers
q. = ä q.). Ebenso devers, z. B. I, 320 Devers toy, JSeigneury
est la fontaine de vie, und auch sehr oft par devers, das heute
auch noch nicht ganz geschwunden ist, in derselben Bedeutung
und ebenso in lokalem Sinne. Auch par-dessuus (von Gr. S. 56
erwähnt) und par-dessus sind von sehr ausgedehntem Gebrauch.
Zschr. f. fr». Spr. a. Litt. XII». l5
226 A. ffaate,
Outre in lokaler Bedeutung „Über — hinaus" ist nicht
selten, z. B. I, 41 Cependant que nous ne regardons point
outre la terre . . ., nous sommes bien aises etc.; ), 115 Afin
qu'üs ne s'esgarent point outre leurs limites, und sonst ; ebenso
oft in der Übertragung I, 498 Nous ne sommes encore passet
outre Moyse; I, 531 N'estimant rien digne d'estre cognu outre
J. C; I, 18 Oft pourroit dire qu'ils ont cela particulier outre
nous, qu'ils peuvent conßrmer leur doctrine par continueU
miracles; und anch oft in diesem Falle = „gegen (cfr. Zeitschr.
f. rom. Phil. I, 205), z. B. I, 248 Combien que lee Philistint
ayent soudain pris lee armes et outre l'opinion de» hommes,
nous ne dirons pas etc.; I, 68 Tout ce que nous voyuns avenir
outre le coure ordinaire de nature; I, 106 Par dessus et
outre Vopinion de tout le monde il l'a retiree saine et saure
de la cruaute' de cest horrible tyran u. a.
Auparavant als Präposition reicht bis ins 17. Jahrhundert
hinein, ist aber bei Calvin sehr selten, vgl. I, 521 Ne puuvoü-il
pas bien tant auparavant Tadvenement de Christ qu'apres,
reveler la vie eternellef Dabei milchte ich erwähnen L. II, 434
Du desjä auparavant le mesme message m'avoit est£ fait,
wo daB Adverb a nb s tan ti viert ist und temporales de bei sich
hat, also dem im Mittelfranzösischen so beliebten du depuis an
die Seite zu stellen ist.
Entre zeigt sich noch nach altfranzösi scher Weiße zur
Bezeichnung der Subjekte, zwischen welchen die Handlung statt-
findet, I, 504 Esveillez-vous, et levez-vous, entre vous gut
habitez en la poudre (expergiscimini, et exsultate, qui habitalis
in pulvere), und II, 660 Que faisons- nous entre nous Pasteurs
qui recevons le loyer etc. (sed not, o pastores, quid agimut,
qui mercedem consequimur). Statt des neufranzosi sehen parmi
kommt es Öfters vor, z. B. I, 483 Cela n'empesche qu'il ne seit
nombre" et tertu entre les prescheurs de l'Evangile, und sonst;
auch in Sätzen wie II, 1154 Ce que fest tme estre resolu entre
tout le monde, I, 394 Ce qui estoit receu entre tout le pevple
u. ä. würde man heute nicht wohl entre anwenden.
Parmi I, 200 ATous voyons que les esclairs volent parmi
le ciel. — II, 382 La foy . . . estant meslee parmi Tap-
prehension de nos miseres.
Apres ist in der nunmehr veralteten, früher aber beliebten
Wendung etre apres ä (pour) f. qc. zu notieren, z. B. I, 115
A'oue sommes encore apres ä deduire la cognoissance simple
etc.; I, 205 Nous ne devons avoir ne paix ne treves avec celuy
out est sans cesse apres pour y conlredire, II, 260, 809,
L. I, 114, II, 111 u. a.
Syntaktische Notizen zu Jean Calvin. 227
Das alte fors kommt nicht oft vor, II, 129 Fors possible
les prestres, I, 165 II riy a nul bon fors qriun seul Dien,
II, 575, 643, 695.
Puis ist noch Präposition (Gräfenberg, S. 115) in puis
nagueres I, 16 und II, 882. Es ist nicht gut angänglich, mit
Gr. S. 51 puis als Adverbium zu fassen und jene Wendung dem
puis apres an die Seite zu stellen. Das naguere wurde nicht
»ehr seinen Bestandteilen nach empfunden. Auch erfordert der
Sinn I, 16 Ils Vappettent NouveUe et forgee puis nagueres,
II, 882 Et ne peuvent dire que ceste similitude sott puis
nagueres controuvee par nous, die Bedeutung „seit kurzer Zeit tf.
Pour = par I, 46 EUe ne se retient pas seulement de
mal faire pour crainte de punition. Kon pas pour un II, 593
II pardonne donc non pas pour un coup ou deux; mais
ä chacune fois que etc. Sätze wie I, 51 Ils riauront de quoy
pour estre preferez aux bestes, II, 241, 268, 639 sind sehr
häufig. Vgl. noch II, 1077 Desquels (des sacrements) Vusage
a este donne ä VEglise chretienne des le commencement du
nouveau Testament pour jus que s ä la consommation du
siede.
Von Präpositionalien sind zu erwähnen II, 780 II y avoit
danger que leurs inventions . . . ne s'en aUassent incontinent
ä val Veau, II, 843; II, 869 Encore qriils habitassent arriere
des autres, I, 493, II, 41; I, 160 Christ est appeU Dien au
regard de soy; au regard du Pere il est appeU Fils,
I, 172, 553, II, 364; die sehr häufigen ä Ventour de, z. B.
I, 170, 200 und de par, z. B. II, 728, 1161.
Nicht selten erscheint abweichend vom heutigen Gebrauch
die mit de zusammengesetzte Präposition, z. B. II, 514 SP ils
eussent esti de nostre trouppeau, jamais ne fussent sortis
d'avec nous; II, 681 La dispute d'entre luy et Simon Magus;
II, 409 Que jamais les fideles ayent cherche des advocats
dfentre les morts; II, 464 Ils ont est4 esleus d'entre tont le
genre humain. (Vgl. II, 580 Pourquoy se diviser oyent-elles
d'ensemblef)
Die Konjunktion que „dass" war nach komparativem
que der Sprache lange entbehrlich (s. Tobler, V. B. S. 186),
vgl. II, 509 Car il riy a rien plus de raisonnable quand VEs-
criture nous dit . . ., que ceste clairtd nous esblouisse tellement
etc., II, 640, 1162 und oft — Nicht selten ist que noch konse-
kutiv, z. B. II, 339 Dieu riest pas injuste, quyil ne nous tienne
promesse; II, 253 La main de Dieu liest point accourcie,
qu'ü ne nous puisse sauver (ut servare nequeat); II, 803 Voilä
comment leurs administrations doyvent estre conjoinctes, que
15*
m A. Haase,
Vune eoit pour soulager l'autre et uon pas pour l'empescher
(Sic conjunctae debent esse operae, ut altera sit adjumente I
alteri, non impedimento). Oft auch tinal und zwar nicht Dir
nach Imperativischen und diesen ahnlichen Sätzen, wo ja auch j
heute noch que so vorkommt, z. B, II, 742 Mais il faut ieg
tenir mesure, que par cela il ne soit rien derogat ä J. C,
sondern auch sonst, z. B. I, 566 Nous sommes enseiguex quü
regne pour nous plus que pour sog, voire au dedaus et au
dehors: c'ett qu'estans enrichis de dons spirituels . . . nous
sentions par feiles premices que nous sommes vrayement con-
joincts ä Dieu; L. II, 51 Ce na pas exte pour vous faire
soubscrire avec nous, mais seulement puisqu' avions est£ diffamez,
qu'on sceut qui a tort ou droit. Kausal erscheint die Kon-
junktion z. B. II, 871 Cestuy-lä (mal) sans autre a esti astet
grand, qu'elle a introduit (teile profession de vivre) un exemple
en VEglise dangereux et nuisible; II, 72 Et de fait, la ehote
ne repondpoint mal ä ces vocables, que la somme de penitenee
est, que nous estans retirez de nous-mesmes, soyona convertis a
Dieu (wo der lateinische Test allerdings relativiach anknüpft
Nee utrique etymologiae res male respondet: cujus summa est,
ut etc.); I, 351 Toute la faute est venue, qu'ils s'arrestent ä
la translation.
Einen Übergang von der direkten in die indirekte Bede
(Tobler, V. B. 8. 219) kann man sehen II, 543 Sainct Paul
adjouste, Cependant que nous kabitons en la ckair, nous sommes
separez de Dieu comme pelerins: et ainsi, que nous desirons
de luy estre plus prochains par l'absence de nostre corps.
Zu erwähnen wäre noch I, 413 L'image vive et expresse
des biens Celestes estoit manifestee, ayant en soy la perfeetion
de ce que les ceremonies anciennes n'avoyent que les premieres
traces et obscures, wo statt des zu erwartenden Kelativnms kun-
junktionales que eingetreten ist. Die Stellen, welche Gr. 8. 17
anfttbrt c'est ce qu'il se complaind, se soucier que c'est etc. sind
nicht auffällig.
Von den mit que „dase" gebildeten Konjunktionen sind ZU
notieren I, 68 Quant ä ce que souvent il permet que les
meschants s'esgayent pour un temps et se gaudissent de et
qu'ils n'endurent nui mal; ä V opposite que les bons et les
innocens sont afßigez . . ., cela ne doit point obscurcir etc. (wo
que als das que in quant ä ce que aufnehmend und ä l' opposite
adverbial zu fassen nicht möglich ist); I, 205 Touckant qu'il
est souvent parle du diable et de Satan au nombre singulier,
en cela est etc.; II, 808 Et n'y a jamais eu nul Evesque,
durant qu'ü y avoit encores qudque forme apparente d'Eglise
Syntaktische Notizen zu Jean Calvin. 229
(quamdui). (In demselben Sinne findet sich pendant que II, 260
Je ne suis point pauvre en merzte, pendant que le Seigneur
est riche en misericorde und cependant que in dem oben zitierten
U, 543, während heute diese Bedeutung der Konjunktion nicht
■»ehr zukommt, s. Littr6 s. v. Synon.) Auch in adversativer
Bedeutung tritt pendant que auf II, 815 Ils se reposoyent ä
leur aise en leur maison, et sans soucy pendant quHl eust
tste besoing de reprimer vertueusement la convoitise des Papes
(ubi maxime opus erat lautet der lateinische Text). Ähnlich
ist II, 263 Ce n'est point de merveilles si nous sommes aveugles
en cest endroit, cependant que nul de nous ne se garde de
ceste fotte et dangereuse affection (quum nemo nostrum caveat).
Ferner mais que I, 366 Mais toutes ces folies n'ont point de
lieu, veu que la doctrine de Dieu est fondie en trop bonne
raison, mais quelle soit bien consideree; si que IT, 838 II
est bien vray que la vie des fideles doit estre attrempee d'une
tobriete' perpetuelle, si qu'il y ait comme une espece de jusne
en F komme chrestien. Dass parquoy que, wie Gr. S. 51 sagt,
auch final vorkomme, ist nicht richtig; die Stelle, welche er an-
giebt, ohne sie anzuführen, lautet II, 44, (3, 2, 26) Parquoy
que la crainte de Dieu nous soit une reverence etc., das que
gehört zum Konjunktiv. Tant que „bis" z. B. L. I, 304 La
perfection ä laquelle il nous fault aspirer, tant que nous
soyons sortis de ce monde.
Zu den mit que „als" gebildeten Konjunktionen ist aupa-
ravant que I, 129 Les idoles ont est6 en usage long temps
auparavant que ceste f olle ambition regnast entre les hommes,
II, 451, hinzuzufügen. Das eximierende que I, 588 Ceux qui
nient que J. C. ait este Fils de Dieu, que depuis avoir vestu
nostre chair, ne fönt que etc.
Pour autant que war früher gebräuchlich, z. B. II, 1090
Xon pas possible, pour plus grande vertu et utilite quelle
confere, mais spour autant qu'elle est donnöe par personnes
plus dignes. D } autant que kommt sehr oft = autant que vor,
z. B. I, 262 Kons tendrons ä ce que nous penser ons nous estre
profitable, d' autant que nostre intelligence se peut estendre,
II, 428 Ceux que cognoissons, d' autant qu'en pouvons juger,
estre presentement des vrais fideles, I, 264, 372, 376, 386, 458,
D, 72, 427 u. 8. w. (Gr., der oVautant vor Adjektiven im Positiv
berührt, giebt oVautant que in kausaler Bedeutung und führt
dasselbe als „hypothetisch, also = autant que in folgendem
Satze u an: 3, 1, 2 Vous riestes plus en chair, mais en Esprit;
<T autant que VEsprit de Dieu habite en vous). — Dem von
Gr. S. 49 erwähnten si grand que rien plus ist zuzufügen II,
330 Ä. Haas*, Syntaktisch* Notizen zu Jean Calvin.
664 Lew Hierarchie eet tant bim ordonnee gue merveillet.
Anzumerken ist Doch II, 18 Or il s'en favt beaucoup que Ven-
tendement de l'homme, ainsi qtt'il est aveugle et obtcurcg,
puisse penetrer etc. (ut caeca eet), und L. I, 259 Selon comme
j'y taia tenu.
Ni in logisch negierten Sätzen kommt auch heute vor,
nicht mehr in sane ne sans (Gr. S. 48) und Stellen wie II, 1154
II declaire gtte, quele qu'ü» »oyent, ne comment qu'iU te
gouverneitt, qu'ih n'ont la dominatwn que de luy.
Aine wird von Or. 8. 58 als „wenig gebräuchlich" bei
Calvin bezeichnet, dasselbe kommt aber ausser der einen dort
gegebenen Stelle, zu welcher eine andere aus der Ausgabe tob
1541 gestellt ist, noch vor I, 164, 256, II, 61, 288, 293,
303, 390, 419, 423, 429, 446, 527, 891, 913, 918, 926, 995
1137. I
A. HiABE.
Bretonische Elemente in der Arthursage
des Gottfried von Monmouth.
Üottfried hat wenig wählerisch die Mosaikstückchen zu
seinem Roman (Historia regum Britannice) von überall her ge-
nommen. Schon oft hat sich mir der immer wieder abgewehrte
Gedanke aufgedrängt , dass er einzelne Bausteine zu Buch VIII,
17 — XI, 2 aus den romantischen Erzählungen der Bre-
ton en1) über Arthur genommen und in seine zwar keineswegs
welsche Heldensage überall wiedergebende, aber im Geiste der
welschen Heldensage gehaltene Darstellung eingefügt hat.
Auf die positiven Angaben, welche er über eine bretonische
Quelle macht, will ich erst zum Schluss eingehen, wenn wir
einige dieser bretonischen Elemente und Einflüsse in Gottfried's
Werk näher betrachtet haben.
Göttinger Gel Am. 1890, S. 525 ist schon darauf hin-
gewiesen, dass der mittelwelsche Text Kulhwch und Olwen, für
dessen früheste Abfassungszeit ich Gott Gel. Am. 1890, S. 827
*) Gegenüber der Verwirrung, die französische Gelehrte dadurch
angerichtet haben, dass sie breton willkürlich (siehe Gott. Gel. Am.
1890, S. 794) nicht nur von den Bretonen in der heutigen Bretagne
(dem alten Aremorica) gebrauchen, sondern auch für rKymrena (kym-
risch, welsch) im heutigen Wales und für die mittelalterlichen keltischen
Überreste in der Halbinsel Cornwales und deren Sprache (kornisch)
mit verwenden, bleibe ich bei dem seit dem Mittelalter feststehenden
Sprachgebrauch: mit „Bretonen" (bretonisch) bezeichne ich nur die
Nachkommen der nach dem alten Aremorica geflüchteten keltischen
Britannier, die dort noch bis heute zum Teil ihre keltische Sprache
bewahrt haben.
*) Die folgenden Ausführungen bildeten einen Teü einer Be-
sprechung der Histoire litteraire XXX, die Gott. GH. Axt. 1990*
S. 785 — 832 gedruckt ist, mussten aber aus Raummangel dort an*-
geschieden werden. Sie ziehen nebenbei, wie ich bofle, eung« skfer
unwesentliche Thatsachen für Beurteilung der Herkunft 4er mmtkrt är
Bretagne ans Licht.
232 B. Zimmer,
letztes Viertel des 12. Jahrli. wahrscheinlich zu machen sachte,
eine grossartige Nomenklatur enthält der in welscher Sage jener
Zeit mit Arthur in Verbindung gebrachten Persönlichkeiten (Rhys-
Evans, Red Book 1, 106 — 112): sowohl in dieser Nomenklatur
als unter den zahlreichen handelnd auftretenden Persönlichkeiten
der Erzählung fehlen zwei Figuren, ohne die man sich die
französische Arthursage und die auf ihr beruhenden mittel welschen
Arthurerzählungen nicht denken kann, nämlich Owein- Yvain,
Peredur -Perceeal. Daraus kann man, sofern nicht andere Momente
widersprechen, den Schluss ziehen, dass in Wales Ende des
12. Jahrh. Owein und Peredur noch nicht der Artbnrsage
angehorten. Dass wir diesen Schluss ziehen müssen, lehren
die altwelschen Gedichte und dasjenige, was sich aus Kombination
ihrer Nachrichten mit den kurzen Notizen der Annales Cambria
nnd Nenniug § 63 ergibt: Peretur und Ortein sind darnach her-
vorragende Figuren der welschen Heldensage, aber nicht mit
Arthur gleichzeitig, sondern der auf ihn folgenden Zeit der
Kämpfe gegen die Angeln, gegen die Nachfolger Ida'a von
Northumberland angehörig. Zwischen Nennius - sltwe Ischen Ge-
dichten einerseits, sowie dem Text Kulhwch und Olwen anderer-
seits steht der Zeit nach Gottfried von Honmouth mit seiner
Historia. In einem wichtigen Punkte herrscht unter diesen ver-
schiedenen Quellen volle Übereinstimmung: in den altwelachen
Gedichten (Black Book of Caervxarthen, fol. 47b, i ff.), sowie
Kulhwch und Olwcn sind Genossen Arthur's und hervorragende
Teilnehmer seiner Kämpfe und Abenteuer Kei und Bedwyr;
ebenso sind die hervorragendsten Genossen Arthur's in seinen
Schlachten bei Gottfried Caju» dapifer und Bedueru» pincerna
(IX, 11, 12, 13; X, 3, 6, 9), beide begleiten Arthur allein bei
dem gefährlichen Abenteuer (X, 3), kämpfen in der Entscheidungs-
schlacht heldenhaft und fallen (X, 9). Und wo sind die in den
welschen Bearbeitungen Chretien's (Jarllet y Ffynnawn, Qeraittt,
Peredur) neben Arthur so hervortretenden Figuren Owein und
Peredur bei Gottfried? Nirgends treten sie in der detail-
reichen nnd farbigen Schilderung von Buch IX— XI, 2 ähnlich
wie Kei und Bedtcyr hervor; sie werden bloss an je einer
Stelle genannt und der eine so, dass man klar sieht, dass er
gewaltsam eingeschmuggelt ist. Unter den zahlreichen Figuren,
die IX, 12 zur Königskrönung erscheinen, wird ein Peredur map
Er i dar erwähnt, ein Held, der nach den alten Annole» Cambria
580 stirbt (Arthur -f- 537) und der im Gododin wie Owein als
Kämpfer auftritt. Bezeichnender ist XI, 1: in den Kämpfen,
welche Arthur bei seiner Rückkehr nach England gegen den
treulosen Modred zu bestehen hatte, also knrz vor Arthur^
Bretowsche Elemente in der Arthursage des Gottfried von Monmouth. 233
Entrückung nach Avalon, fällt Auguselus rex Albanice und ge-
wissermassen in Parenthese wird hinzugesetzt successit autem
Auguselo in regnum Event us filius Uriani fratris sui qui
postea (!) in decertationibus istis multis probitatibus
claruit. Hier legt also Gottfried durch den Zusatz qui
postea (!) etc. direkt Zeugnis ab, übereinstimmend mit der älteren
Überlieferung in den altwelschen Gedichten und Nennius, sowie
der Jüngern in Kulhwch und Ol wen, das 8 Owein in der
welschen Sage nicht in die Arthursage gehört.1) Wie
kommt nun Gottfried dazu, Peredur und Owein in die Arthur-
erzählung der welschen Quellen zu interpolieren? Die Namens-
form Even tun filius Uriani gibt uns die Antwort. Seit der
Mitte des 10. Jahrh. ist die einzige welsche Form des Namens
Ouein, wie ich Gott. Gel. Am. 1890, 8. 527 ff., 798 mit An-
merkung gezeigt habe, während noch Mitte des 12. Jahrh. Even
die bretonische Form ist. Da nun letztere Form offenbar die
Grundlage zu Eventus ist (gebildet wie Gormun-dus von Gormun),
so liegt die Annahme an der Hand, dass die Kenntnis dessen,
dass die Bretonen in ihrer allerdings ganz anders als in Wales
gearteten Arthursage Even (Yvain) und Perceval aufs engste mit
Arthur verknöpfen, Gottfried bestimmt hat, den Eventus und
PereduTus wenigstens beiläufig in seine Darstellung einzuführen.
Lehrreich in Bezug auf letztere Annahme ist Meister Wace
in seiner Bearbeitung von Gottfried's Werk. Wie Gottfried unter
Einflus8 der ihm bekannten bretonischen Artbursage den Eventus
filius Uriani wenn auch nur lose in seine Darstellung von Arthur
hineinbrachte, so hat Wace offenbar aus demselben Grunde den
Yvain noch an einer anderen Stelle gegen seine Vorlage
eingeführt. Historia regum Britannim 9, 12 beginnt die Auf-
zählung der bei dem von Arthur zur Feier der Siege angeordneten
Feste erscheinenden Fürsten mit den Worten: venerunt ergo
Auguselus rex Albanice quce nunc Scotia dicäury Urianus rex
Murefensium, Caduallo Leuirh rex Venedotorum etc. Die welsche
Übersetzung hat (Rhys- Evans, Red Book II, 200) Ac wrth y
wys honno ydeuthant yno: Arawn uab Kynvarch brenhin y
Scotlont, Uryen y brawt brenhin Reget, Katwallawn lawir brenhin
Ghcyned. Wace gibt die Stelle (Brut. 10519 ff.): UEscoce i vint
rois Aguisel — Qui fu aparillih muH bei. — De Moroif
l) Die Übereinstimmung der altwelschen Gedichte, Gottfried's,
sowie Kulhwch und Olwen in diesem Punkte ist belehrend dafür, dass
die Arthursage in Chr^tien's Epen nicht welsche Sagenform sein
kann. Die Übereinstimmung Even-tus — Yvain mit der bretonischen
Form Even beweist, dass die nicht welsche Quelle für Gottfried und
Chrltien aus der Bretagne kommt.
234 B. Zimmer,
Urien» li roit — Et Yvaint »es filt li cortot» etc. Waee
ist, wie ich Gott. G. A. 1890, 8. 795 gezeigt habe, wohlbekannt
mit der spezifisch bre tonischen Arthursage; wo anders hei
soll er den Anstoss bekommen haben, den Tvain Sohn dei
Urien gegen seine Vorlage einzuführen? zumal, wenn man
bedenkt, dass in der welschen Heldensage Owein nicht Zeit-
genosse Arthurs ist, also diese nicht seine Quelle sein kann.
Diese Kenntnis der bre tonischen Arthursage, wonach Arthur und
Yvain Genossen sind, bestimmte Wace, an einer anderen Stelle
etwas aus seiner Vorlage wegzulassen. In der oben
zitierten Stelle Gottfried's XI, 1 gibt die welsche ÜberseUung
das wichtige postea getreu wieder (y gwr gwedy hynny a vu clot-
uaivr, Red Book II, 230); Wace führt (Brut. 13597 ff.) Gott-
fried's Worte weit aus, läset aber postea weg (A Ivain U fit
Urien — Qui de la eort estait muti bien — Dona Etcoee en
hcritage — Et Ivain tett a fail hontage. — lvain» fu de malt
grant valor — De grant pris et de grant honor — Et mult fu
prisiis). Ich denke, der Zusatz (Brut. 10519 ff.) und die Aus-
lassung (Brut. 13597 ff.) sind aus demselben Gesichtspunkt ver-
ständlich: Wace wollte den ihm und seinen französischen Lesern
bekannten Anschauungen der bretonischen Arthursage, soweit es
ging, damit entgegen kommen.
Weisen also in diesem Falle sowohl die Art, wie die
Figur auftritt, als auch die Namensform auf eine andere als
welsche Quelle und zwar eine Quelle, ans der auch die fran-
zösischen Artburstoffe geflossen sind und welche nur eine bre-
tonische sein kann, so ist bei einem anderen Helden die von
Gottfried gebotene Latinisiernng des Namens kaum anders als
aus der Form der französi gierten Breton en1) erklärlich:
Arthur's Neffe heisst hei Gottfried Walgainu» (Walgvainus, Wal-
ganiu») IX, 9, 11; X, 4, 6, 9, 10; XI, 1. Wie die welsche
Übersetzung Gottfried's für Eventttt jüiui Uriani einfach Owein
vab Uryen setzt (Rhys-Evans, Red Book II, 230), so für Wal-
gainu» die welsche Form Gwalchmei uab Gwyar (Rhys-Evans,
Red Book II, 214, 215, 230 etc.). In dem sicher auf bretonische
Quellen zurückgehenden lai Lanval der Marie de France (vgl
Giitt. Gel. Am. 1890, S. 798) hat Lanval neben Twains auch
Walwains zum Freunde (227, 229, 402); nimmt man dazu noch
die Form des Namens bei Chretien Gauvain», so scheint mir
1) Über die französierten resp. gemischtsprachigen Bretonen
als Vermittler der bretonischen Arthurerzählungen für Normannen
und Franzosen handelt mein Aufsatz Gott. Gel. Anz. 1890, S. 785 ff. au
verschiedenen Stellen.
Bretonische Elemente in der Arthursage des Gottfried von Monmouth. 235
klar, dass das Wort im Munde der französierten Bretonen
Gualvain lautete, woraus sich Gottfried's Walgainus eher erklärt
als aus welschem Gwalchmei. Die rein bretonische Form des
Namens, die sich also zu der französisch-bretonischen verhält
wie bretonisches bleizlavaret: französisch-bretonischem btsclaveret
(s. Gott Gel. Am. 1899. S. 800) ist uns in einer bretonischen
Urkunde des 9. Jahrhunderts erhalten. Unter den Urkunden von
Redon, die, soweit sie übers 11. Jahrhundert hinausgehen, nicht
Originale sind, sondern eine — von einem des Bretonischen
unkundigen oder wenig kundigen Schreiber angefertigte — Ab-
schrift des 11. Jahrh., in diesen Urkunden ist eine am 9. Juni 861
oder 867 ausgestellte von dem Schreiber des 11. Jahrh. doppelt
kopiert (fol. 67 v und 73 v. Courson, Cartulaire, 8. 60 und 76).
Hier treten als festes auf Arthur und Uualcmoel (fol. 67v),
üualtmoe (fol. 73 v); bei der häufigen Verwechslung von c und t
durch den Abschreiber ist die Besserung Uualcmoei gegeben.
Dieses Uualcmoei (d. h. Ghialchmoe) ist die bretonische Ortho-
graphie des 9. Jahrh. für das mittelkymrische Gwalchmei (vgl.
Loth, Chrestomathie bretonne 152, Anm. 5). Das aspirierte c
(ch) ist in französischer Aussprache nach l geschwunden wie in
Gmgemar = Ghiihomarcus (d. h. Ghiihomarchy s. Gott. Gel. Anz.
1890, S. 797) nach r. Die weitere Umgestaltung des Wortes
Gwalmai zu Ghoalvain (Gwalwen) im Munde der französisch
redenden Bretonen entzieht sich den Gesetzen der Lautentwicke-
lung. Am wahrscheinlichsten ist, dass Gwal-vain für Gwal-mai
eingetreten ist durch eine Art Association und Anlehnung an den
Namen einer anderen hervorragenden Figur der französisch-
bretonischen Arthursage an Y-vain (Euuen).1)
Ganz analog liegt der Fall mit einem anderen bei Gottfried
öfters vorkommenden Namen. Gott. Gel. Am. 1890, S. 516 ff.
habe ich nachgewiesen, dass die alte nordirische Heldensage ein
berühmtes Schwert kennt, welches den Namen Caladbolg führt;
ich habe auch schon hervorgehoben, dass das Schwert, welches
Arthur in der welschen Arthurerzählung Kulhwch und Olwen
führt, denselben Namen trägt Caletvwlch (Rhys-Evans, Red Book I,
105, 136): die lautliche Übereinstimmung ist eine vollkommene.
Nun hat Arthur bei Gottfried (IX, 4, 11; X, 11) ein Schwert,
mit dem er immer im Entscheidungskampf den Sieg erringt,
*) Da die Umwandlung von Gwalchmei zu Gwalwen in Anlehnung
an Ewen voraussetzt, dass beide Helden zusammen auftreten, so kann
die welsche Sage, nachdem was S. 232 über Owein bemerkt ist, nicht
den 8toff romanischem Munde geliefert haben. Dagegen sind in dem
auf bretonische Quelle zurückgehenden lax Lanval der Marie de
France Wal-wavns und Y-wains Genossen (227 ff.).
336 H. Zimnur,
welches genannt wird GUiburnus; der welsche Übersetzer Gott-
fried's setzt an allen Stellen — wie Owein für Eventus, Gtealck-
mei für Walgtiainus — dafür Caletmolek (Rliys Evans, Red Book II,
189, 190, 227). Dass mit CaUburnun dag berühmte Schwert
keltischer Sage, irisch Caladbolg, welsch Caletvwlch, gemeint ist,
liegt auf der Hand; aber ebenso klar scheint mir — besondere
wenn man Gottfried's Latinisierungen welscher Wörter ins Ange
faBst — , daBB die welsche Form Caletvwlch nicht der Ausgangs-
punkt für die Latinisierung Calibvrnw war. Hinzu kommt,
dass wir sonstwo eine viel näher liegende Form haben. Ausser
Spiel bleiben müssen die Formen der Handschriften Biblioth. du
Roi No. 27 nnd No. 73, Cange von Wace's Brut; von innen
liest die erstere nach Lincy an 3 Stellen Calabrun (10341,
13291, 13330), an einer Stelle Calabrum (9515), die letztere
liest Caliborne (13330, 13312, 10341, 9515): beides (Calabrm
und Caliborne) offenbar Wiedergabe von Gottfried's Caliburnm.
Dagegen bietet die Handschrift Biblioth. du Roi No. 7515*'
nach Lincy's Angaben die wichtige Form Cattibourc (10323),
Caö*"oorc (13291), Escaliborc (13330). Hieran stimmt die in den
Annales Colecestrenses (Liebennann, Ungedruckte anglo-normannitdu
Geschichtsquellen 8. 158) belegte Form Caliborch. Brut 11938
steht ohne Variante Excalibur, welche Form durch zwei weitere
Stellen bei Favre, Dictionaire historique V, 460 belegt wird. In
Perceval steht Escalibour (7280), Etclaribour (19219, wo die
Handschrift von Montpellier Esealibor liest), Esclariboure (19045);
vgl. Seiffert, Namenbuch, S. 72. Von diesen Formen steht der
durch irische und kymrische Lautform gesicherten keltischen
Ausgangsform am nächsten Calibourc (Caliborc), worin c die
Guttural Spirans, welsch -bretonisch ch, wiedergibt. Die daneben
stehende Form Calibour (Calibor) verhalt sich dazu, wie in
bretonischen Urkunden des 11. und 12. Jahrb. Ouihomar (1144);
Gu&omarcu* (1108, 1145), Escomar (1051, 1060): Excomarau
(1072), Itcumarc (1047). Die Entstellung beider Forme*) dnrci
vorgesetztes es ist dieselbe und bat gleichen Ursprung (de, da,
ä"Ea) wie z. B. in Escaivaire, mottt Escahaire, welche Fora
Oodefroy III, 351 mit zahlreichen Stellen belegt Die Form,
welche Gottfried's Latinisierimg Calibumus zu Grunde liegt, ist
offenbar Calibour (cfr. Calibur-nus: Calibour = Even-tus; Evt*).
Wenn der welsche Ursprung der französischen Arthunnaterie
nachgewiesen wäre, dann mllssten wir annehmen, dass in anglo-
normannischem Munde aus der welschen Form ein CaUburA,
Calibur entstanden sei, worauf sowohl die Form Gottfried's,
sowie die französische zurückgingen. Da aber (s. GStL OtL
Bretonische Elemente m der Arthursage des Gottfried von Monmouth. 237
Am. 1890, 3. 524 ff., 796 ff.) der welsche Ursprung der fran-
zösischen Artburerzählungen vollkommen ausgeschlossen ist, die-
selben vielmehr in der Bretagne ihre Quelle haben nnd fran-
lösisierte Bretonen (aus der Haute-Bretagne) als ihre Träger zu
Normannen und Franzosen gelten müssen, so wird bei ihnen die
Form Caliburch, Calibur entstanden sein. Dass Gottfried dort-
her die Vorlage für Caliburnus bezogen hat, wird durch ein
weiteres Moment gestützt. Buch IX, 4, wo Sache und Wort
bei Gottfried zuerst vorkommen, heisst es: accinetus etiam Coli-
burno gladio optimo et in insula AvaUonis fabricato. Name
and Vorstellung von der Insel Avalon ist, wie wir gleich sehen
werden, der welschen Sage vor Gottfried absolut unbekannt
und stammt aus bretonischer Sage.
Noch zwei Namen seien vorher erwähnt. Der erste Gemahl
von Arthur's Mutter ist nach Gottfried ein Gorlois dux Cornubiae
(VIII, 6, 18, 19, 2S). Der Name kann wegen des zweiten
Gliedes nicht welsch sein. Mit Rücksicht auf Sulleisoc in
Bodmin Gospels fol. lb (Rev. Celtique I, 333) ist es auch
unwahrscheinlich, dass er kornische Form trägt. Dagegen sind
bei Bretonen Namen mit -loies, -lots im ersten und zweiten Glied
ganz gewöhnlich : Loiesauual, Loiesbidoe, Loiesbritou, Loiesbudic,
Loiescant, Loiescar, Loieshoiarn, LoiesuuaUon, Loiesoc und
andere finden sich in Redoner Urkunden (Courson, Cartulaire
3. 674). Die altbretonische Form für Gorlois findet sich als
Uuor loies um 847 (Courson, Cart. S. 82), als. Gurloies im Jahr
820 (l. I. S. 202); mittelbr. Gurloes im Cartulaire von Quimperl6
(s. Loth, Chrestom. 8. 211). Da der welsche Übersetzer Gott-
friede einfach Owrlois herübernimmt, so ist klar, dass die Figur
ihm vollkommen fremd war.
Buch VII, 4, 12, also in demjenigen Teile der Prophezeiung
Merlin's, welcher weit über Gottfried^ Zeit hinausreicht, heisst
es Vindicabit leonem vulpes Kaerdubali et totum suis den-
tibus consumet. Mit dieser Stadt Kaerdubal hat keiner der
Kommentatoren Merlin's von Alanus ab Insulis bis auf San-Marte
etwas anzufangen gewusst; auch der welsche Übersetzer, der für
die latinisierten Namen nach Kräften die welschen Äquivalente
gibt, übersetzt verständnislos üewynawc Kaer dubal a dial y
lleto ac ae treula oll ae danlied. In zahlreichen französischen
Texten der matiere de Bretagne ist Carduel eine Residenz
Arthur's (s. Seiffert, Namenbuch, S. 59. Histoire litttraire 30,
623 s. v.). Dieses Carduel ist, wie Gott. Gel. Am. 1890,
S. 524 ff. gezeigt wurde, das alte Luguballiumy altkymrisch Caer
Ligualid (Nennius), neukymrisch Caer liwelydd (= Castra
238 H. Zimmer,
Luguballia) = Carlide in Cumberland.1) Liegt die Annahme
nicht nahe, dase Gottfried sein Kaerdubal aus dem Carduel in
der mattere de Bretagne gebildet bat? Ein aachlicher Grund
ist freilich ebensowenig ersichtlich, wie dafür, dass er die Formen
Walwen, Calibur u. a. als Ausgangspunkt flu* Heine Latini-
Bierung nahm.
Auf den ersten Blick viel weniger in die Augen fallend,
aber bei näherem Zusehen viel bedeutungsvoller ist eine stoff-
liche Entlehnung Gottfried'e aus der bretonischen Arthursage.
Nachdem er den Tod Modred's nnd zahlreicher Führer in der
in welscher Heldensage berühmten Schlacht von Camlan erzählt
hat, schlieuat er mit den Worten: Sed et iuclytus Arturut rex
letaliter vulneratus [est, qui Hl ine ad sananda vul-
nera sua in insulam Avallonis advectu», cognato Gm
stantino . . . diadema Britanniae concessit (XI, 2). Von
dieser Ineel Avalen und den damit zusammenhängenden
Vorstellungen ist in der welschen Litteratnr vor Gott-
fried nichts bekannt. In den sogenannten altwelschen Ge-
dichten findet sich nirgends der Name Avalon, nirgends eine
Andeutung, dass Arthur noch lebe und wiederkehren werde.*)
Auch Nennius weiss weder etwas von Avalon, noch davon, dass
Arthur noch lebe und wiederkehren wird. Hält es Jemand für
denkbar, dass der Verfasser des den ältesten Ncnniuahand Schriften
angehängten Traktates De mirabilibus Britanniae (San-Harte,
§ 67 — 75) von einer Insel Avalon etwas wusste? zumal wenn
man bedenkt, dass er in den Mirabilia darauf ausgeht (§ 73), mit
Arthur verknüpfte Mirabilia zu erwähnen. Auch das scheint
mir beachtenswert, dass die ausserhalb der Arthursage stehenden
mittel welschen romantischen Erzählungen wie Pwyll Prinz von
Dvfed, Branwen Tochter des Llyr, Manawyddan Sohn des Llyr,
Math Sohn des Mathonwy u. a. von einer Insel Avalon nichts
wissen; ynys AfaÜon „fairyland" kommt nach Evans, Dictionaryl,
SO zuerst in dem modernen, 1842 erschienenen Werk des Thomas
Price vor: Hauen Cym.ru, S. 267, 265! Was das Fortleben
l) Vgl. auch schon Windisch bei Foerster, Yvam S. 274, woselbst
die Stelle aus Beda's Vita des St. Cuthbert: „venit ad Lugubaliam
civilattin, quae a populk Anglurum Lttel vocatur."
*) Die Stelle in dem die BegräbnisplUie berühmter Persönlieh-
keiten behandelnden Gedicht im Black Book of Cacrmarthen toi. 32 — 35
kann in keiner Weise hiergegen angeführt werden, sie sagt bloss aus,
(fol. 34a, 13), dass man Arthur's Grab nicht kenne. Die Handschrift
enthalt mehrere Gedichte, die dem Ende des XII. Jahrhunderts ange-
hören Ulli:; seil.
I
I
Bretonische Elemente in der Arthursage des Gottfried von Monmouth. 239
Arthurs auf Avalon anlangt, so tritt zu dem Argumentum ex
sSentio, welches uns Nennius und die altwelschen Gedichte
liefern, das positive Zeugnis der alten Annales Cambriae des
X. Jahrhunderts, in denen zum Jahre 537 direkt gesagt ist Crueith
Camlan in qua Arthur et Medraut corruerunt. Nach der
Anschauung der welschen Heldensage vor Gottfried war also
Arthur gleichwie die anderen Figuren des Heldenzeitalters
(Urien, Ouein, Peredur, Geraint, Kei, Bedwyr etc.) gefallen.
Hierzu kommt noch ein wichtiger Punkt: die in den französischen
Texten mit Arthur und Avalon aufs engste verknüpfte Fee
Morgan ist der welschen Sage überhaupt, nicht blos der
Arthursage, ebenfalls absolut unbekannt1) Die Un-
bekanntschaft der Welschen mit dieser Figur hat den welschen
Bearbeiter von Chretien'e Yvain und Erec zu einem komischen
Missverständnis Anläse gegeben; er hat aus Morgan la fee einen
am Hofe Arthur's lebenden Leibarzt Morgan Tud gemacht, eine
in welscher Anschauung gedachte aber der welschen Litteratur
absolut unbekannte Persönlichkeit2) (s. Foerster, Erec, S. XXVII ff.).
Nach Feststellung dieser Thatsachen — also dass die
Vorstellungen von der Fee Morgan, der Insel Avalon und Arthurs
Fortleben der welschen Sage vor Gottfried unbekannt sind —
wenden wir uns den Schriftstellern des XII. Jahrhunderts zu, um
zu erfahren, ob sie uns nicht Auskunft geben können, woher diese
Vorstellungen und Anschauungen stammen. Marie de France
scbliesst den lai von Lanval mit den Worten (V. 659): Od li
$'en vait en Avalun — ceo nus recuntent li Bretun — en
un isle qui mult est beals — la fu raviz li dameiseals. — Nuls
n*en oi puis plus parier — ne io nfen sai avant cunter. Dass
hier unter li Bretun nur wirkliche Bretonen, nicht Kvmren,
können gemeint sein, habe ich Gott. G.-Anz. 1890 S. 798 ge-
zeigt. Ihnen eigen ist der Glaube an eine Insel Avalun, wo-
*) Gleichfalls eine sehr instruktive Thatsache hinsichtlich der
Annahme von G. Paris, dass die „mauere de Bretagne" aus Wales
bezogen sei.
*) Eine interessante Parallele liefert ein deutscher Bearbeiter
eines französischen Textes. Gottfried von Strassburg sagt im Tristan
V. 5882 ff.: Vmbe den zins was e$ so getvant: — der do ze Irlande
kunik was — als ich1} an der historie las — unde als das rechte maere
seit: — der nies Gurmun Gemuotheit — unde was geborn von Affrica
— umie was sin vater kunik da. Hier sind (a. Hertz, Tristan S. 569 ff.)
die beiden Bundesgenossen, der Vikingerführer Gurmun (Godrum, Gorm)
und lsembard de la Ferte' (la Ferte in Ponihieu; ein sire de la Ferte bei
Wace, Normannenchronik II, 8601) zusammengeflossen; ferte ist mit
fierte verwechselt und mit ähnlicher falscher Auffassung des Zusatzes,
wie wir sie in Morgan Tut kennen lernen, entstand Gurmun Gemuotheit,
240 B. Zimmer,
hin Männer von Feen entrückt werden. — Wftce gibt Brut
13 661 ff. die oben angeführte Stelle Gottfried'« Über Arthur i
Ende so wieder: Artus, se l'estore ne ment, — fti navres et
cor* mortelement ; — e» Avalott se fit porter — por se* ploia
mediciner. Nach dieser getreuen Wiedergabe der Vorlage macht
er folgenden persönlichen Exkurs: Encor i est, Breton l'atan-
dent, — Ji com il dient et entandent; — De lavandra,
encor puet vivre. — Maistre Gasse qui fiste cest livre, —
n'en valt plus dire de sa fin — qu'en dist li prqfHes Merlin.
— Merlins dist <£ Artus, si ot droit, — que sa fin dotote
eeroit. — Li profete dit verite": — tostans en a Von puis
dot£ — et dotera, ce crois, tos dis, — oü ä soit mors, oü ä
soit vis (Brut 13 685 ff.); dann nimmt er mit den Worten
Porter se fist en Avalon (V. 13 697 = 13 682) wieder seine
Vorlage auf. Wace sieht sich also veranlasst, zweierlei seiner
Vorlage hinzuzufügen: einmal, dass nach dem Glauben der
Breton Arthur noch auf Avalon ist und dass sie sein Kommen
erwarten; sodann, dass er (Wace) persönlich nicht über die
Merlin in den Mund gelegten Worte exitus ejus dubius erit
(Gottfried VII, 3) hinausgehe. Die Breton, deren festem Glauben
Wace seinen Zweifel entgegenstellt, sind doch keine anderen
als die Breton, die er Brut 9998 ff. ebeneo in einem Zusatz
zu seiner Vorlage als Zengen ftlr die Errichtung der Tafelrunde
einfuhrt und die Breton, welche vom Walde Brecheliant fablen
(Normannenchr. II, 6396), d. h. wirkliche Bretonen ans der
Wace's Nachbarschaft (vgl. Göttinger Gel.- Ans. 1890, S. 795).
Über das letztere lasst ein jüngerer Zeitgenosse des Gott-
fried von Monmouth, Alanus ab Insulis, keinen Zweifel auf-
kommen. In seinem Kommentar zu dem VII. Buch Gottfried'»,
den Prophezeiungen Merlins, schreibt er zu der auf Arthur be-
züglichen Stelle: Aper Cornubiae suecursum praestabit ....
et exitus ejus dubius erit (VII, 3) gerade mit Bezug auf
die letzten Worte, die auch Wace im Sinne hat: Verissime
quidem sicut hodieque probat varia kominum de morte ejus
etvita opinio. Quod si mihi non credis, vade in Armoricttm
regnum, id est, in minorem Britanniam et praedica per
plateas et vicos Arthurum Britonem more ceterum mortuorum
mortuum esse et tunc certe re ipsa probabis, veram esse Merlini
propketiam, qua ait Arthuri exitium dubium fore; si tarnen
immvnis evadere inde potueris, quin avt maledictis audientium
opprimaris aut certe lapidibus obruaris (Usher, Antiquitäten
S. 272; S. Marte, Sagen von Merlin S. 55). Alanus ab Insulis
ist Zeitgenosse Chretien's und achrieb zu Lebzeiten Ilein-
rich's II. (1154—1189) seinen Kommentar zu dem aus der
Brttonisehe Elemente in der Arthur sage des Gottfried von Monmouth. 241
Feder eines welschen Schriftstellers geflossenen Werke. Wenn
er seine Leser nnn in die Dörfer und anf die Strassen in der
Bretagne schickt, um sich die handgreifliche Bestätigung zu
bolen, so scheint mir dies bezeichnend dafür, woher Gottfried
von Monmouth die Vorstellung hat, die er mit den Worten
exitus ejus dubius erit in die Form der Prophezeiung kleidete.1)
Nid wird, denke ich, das Zeugnis eines vierten Schriftstellers
des Giraldus Cambrensis im Speculum eccleßae II Kap. 9 ver-
bindlich: Quoniam de rege Arthuro et ejus exitu dubia multa
referri solent et fabulae conjingi, Britonum populis ipsum
adhuc vivere fatue contendentibus, ut fabvlosis exsuflatis, et
veris ac certis asservatis, veritas ipsa de caetero circa haec
liquido pateat, quaedam hie adjicere curavimus indubitata
veritate comperta. Post bellum de Kamlan apud Cornubiam,
interfecto ibidem Moderedo proditore nequissimo et regni Bri-
tannici custodiae suae deputati contra avunculum suum Ar-
thurum oecupatore, ipsoque Arthuro ibi leihaliter vulnerato,
corpus ejusdem in insulam Avaloniam, quae nunc Glastonia
dicitur, a nobili matrona ejusdem' cognata et Morgani
vocata est delatum: quod postea defunetum, in dicto caemiterio
sacrOj eadam procurante, sepultum fuit. Propter hoc enim
fabulosi Britones et eorum cantatores fingere sole-
bantj quod Dea quaedam phantastica scilicit Morganis
dieta corpus Arthuri in insulam detulit Avaloniam ad ejus
vulnera sanandum. Quae cum sanata fuerint, redibit Rex
fortis et potens ad Britones regendum (ut dieunt) sicut solet;
propter quod ipsum expeetant ad huc venturum, sicut ludaei
Messiam suum, majori etiam fatuitate et infelicitate simul ac
infidelitate deeepti. (Usher, Antiquitates S. 272 ff.)2) Dass unter
*) Den Einwand, dass der Glaube in der Bretagne zur Zeit des
Alanus anf Gottfriede Werk zurückgehe, wird wohl kaum Jemand
erheben. Wenn Gottfried's Werk der Ausgangspunkt wäre, wie sollten
gerade die Bretonen nicht lange nachher bis in die Kreise der gemeinen
Leute mit solchem Fanatismus auftreten? Woher sollte denn Gottfried
die Insel Avalon und die Vorstellung von Arthur's Fortleben haben,
die der welschen Sage unbekannt sind?
*) Die einzige erhaltene Handschrift des Speculum eccleßae ist
durch Feuer und andere Umstände sehr beschädigt, so dass manche
Stellen besonders in Buch II schwer oder gar nicht lesbar sind. Der
Herausgeber des IV. Bandes der Opera Gtraldi Cambrensis (London,
1873) hat keine Ahnung, dass Usher in seinen Antiquitates das Werk
viel benutzt hat und manche Stelle, wo Brewer nur mehr zusammen-
hanglos Buchstaben und Silben erkennen kann, deutlich las; so auch
Antiquitates S. 272 im Vergleich mit Brewer S. 48. Die hauptsächlich
hier in Frage kommende Stelle von Arthuro ibi leihaliter vulnerato an
liest auch Brewer noch.
Zaehr. f. Ars. 8pr. u. Litt HP. lg
den Britonea wirklich die „Bretonen" gemeint sind, wird durch
zwei Umstände sicher gestellt. Einmal: die Latein schreibenden
Schriftsteller des XII. Jahrhunderts gebrauchen, wenn sie toi
ihrer Zeit reden, gewöhnlich Britonea für „Bretonen" und
Walente» fUr Kymren, also wie im Französischen Bretun und
Galois; ich verweise nur auf Halmesbury Gesta Äegum Angle-
nun1) und Oiraldus Cambrensis Itinerarinm und Deacriptio
Cambriao. Sodann beweist die Nachricht von der Dea quatdam
pkantattica scilicit Morganis dieta, dasB die fabuloti Britonei
et eorum cantantores nur „Bretonen" sein können, da die Fee
Morgan der welschen Sage unbekannt ist, wie wir sahen.
Was nun den Unterschied anlangt, welchen Oiraldns macht
zwischen dem, was er indubitata veritate erfahren haben will und
dem, was er Fabeleien der Bretonen nennt, so musa man die
Zeit im Auge behalten, in der er sein Specul-um schrieb (nach
1190) und die Entwickelung, welche sich unterdessen vollzogen
hatte. Ehe ich diese jedoch darlege, will ich noch einige
weitere Zeugen vorführen, deren Aussagen in diesem Zusammen-
hang klar werden: Heinrich von Huntingdon und Wilhelm von
Halmesbury.
Heinrich von Huntingdon hielt sich auf einer Romreise in
Jahre 1139 einige Tage in dem in der Norman die gelegenen
Kloster Bec Helwin auf; hier machte er Bekanntschaft mit Gott-
fried'« von Moomouth zwischen 1032 nnd 1035 verfassten Historia
regum Brüamiiae, die er alsbald exzerpierte. Dies Exzerpt
liegt in einem Brief an einen Bekannten in England vor, dessen
Käme ist Warinut Brito. Der Brief beginnt: Quaeris a me,
Warine Brito, vir cumis et facete, cur patriae nostrae getta
narran» a temporibus JulU Caeearis ineeperim, et florentisiima
regna, quae a Bruto usque ad Julium fuerunt, omiaerim.
Respondeo igitur tibi quod nee voce nee scripta komm tem-
l) Maluieebui-y hat im Buch III — V nnd der l/ittoria novelia, al*o
in dem Teil seines Werkes, welches die Zeit von Wilhelm dem Eroberer
(103S) bis 1142 behandelt, folgenden Sprachgebrauch. Britannia findet
sich III, § 2.16 dreimal; HI, § 258; 111, § 276; V, g 392; V, § 404; Hill.
noveUa I, § 463; es bezeichnet immer Bretagne. Britanmaa
findet »ich III, § 236 und bedeutet bretonUch. Britonei kommt V,
§40! zweimal vor und bezeichnet Bretonen, während in dem direkt
vorhergehenden Paragraphen (V, § 401), wo Malmesbury von Verhält-
nissen Heinrich'« I. zu Wales und den Welschen handelt, dreimal
Utiit-nscs „die Kyroren" vorkommt und von provineia Waitiarum die
Kede ist. So stehen auch III, § 258 WaUnses „die Kymren" und
iranxmarina Briiannia „Bretagne" nebeneinander. Nirgends bezeichnet
in diesem Zeitraum Britonei „Welsche, Kymren" in Malmeibury's
Werk.
Brtionische Elemente in der Arthursage des Gottfried vor Monmovth. 243
porum saepissime notitiam quaerens invenire potui. Dann teilt
er mit, dass er bei Robert von Torigni zu seinem Staunen
scripta verum praedictarum gefunden: excerpta, ut in epistola
decet, brevissime scilicet, tibi dilectissime, mitto. Dann folgt
ehi Auszug aus Gottfried' 8 Historia regum Britanniae, worin
ein interessanter Zusatz bei Gelegenheit von Gottfried XI, 2:
(Arturus) gladio per aciem viam sibi parans, in medio suorum
Modredum galea arripuit, el collum loricatum velut stipulam
gladio resecavit. — Liter eundum tarnen et in ipso actn tot
vtdnera recepit quod, et ipse procubuit. Mortuum tarnen
fuisse Britones parentes tui negant, et eum venturum
iollenniter expectant Nachdem Huntingdon noch den Rest
exzerpiert, verweist er den Freund auf den librum grandem
Gaufridi Arturi, aus dem er das Exzerpt gemacht. (Chronicles
of the reign of Stephent Henry II, Richard I, London 1889,
Band IV, 8. 65 — 75). Mit den Worten in ipso actu tot vul-
nera accepit quod et ipse procubuit ist offenbar Gottfried's
Utaliter vulneratus est wiedergegeben, und die Worte mortuum
tarnen fuisse Britones parentes tui negant et eum venturum
soUenniter expectant belehren uns, woher Gottfried's Anschauung
ad sananda vulnera sua in insulam Avallonis advectus stammt.
Vielleicht hat Huntington diese Belehrung in Bec erhalten, wo
man mit den Anschauungen der Bretonen wohl vertraut sein
konnte, zumal Robert der Besitzer der Handschrift in Torigini,
also in einem dem Bretoaengebiet angrenzenden Teile der Nor-
mandie geboren war. Denn, dass Warinus Brito ein Bretone
und kein Welscher war, demnach seine Angehörigen (parentes),
die Britones wirkliche Bretonen und keine Welschen, lässt
sich mit verschiedenen Gründen nachweisen. Der Name Warin
ist dem Welschen volständig fremd, dagegen in Breto-
nischen Urkunden vom XL Jahrhundert an häufig in dem
doppelsprachigen Gebiet, in dem die Abtei Roton liegt: Garinus
Bischof von Rennes 1026, derselbe als Warinus in einer Ur-
kunde 1029 — 1037; Guarinus testis 1051; Guariuus diaconus
1062; Gruarin 1061 — 1075; Guarinus 1084; Guarin 1104;
Johannes Guarini filius 1116. Der Name ist normannischen
Ursprungs, aber bei den Bretonen angenommen, da der Bruder
des Ghuarin von 1104 den reinbretonischen Namen Judicael
ftlhrt und der Vater der Brüder Guarin und Judicael ebenfalls
reinbretonisch Gleuden heisst. Zu diesem durchschlagenden
Grunde, dass Warinus Brito ein in England lebender Bretone
Namens Guarin, Warin war1), kommen noch andere Stützen.
x\ Ober das massenhafte Auftreten der mit den Normannen eng
verbündeten Bretonen in ganz England nach 1066 habe ich Göttinger
16*
244 ff. Zimmer,
Der magister Bwnardux Brito cunceUariut* ecclesiae Carno-
tensis (Chartres) bei Robert von Torigni a. 1 159 war doch aichtr
ein Bretone; auch Guiltlmas Brito (um 1165— 1226J der
Cape Hau Philipp Augusts, der eine Philippia dichtete, war eii
Bretone, nennt er sich doch selbst natione Armorictu (Hui.
littSraire XVII, 336 ff.); ebenso Gide Brito in einer Urkunde
von Hont- Saint -Michel a. 1159: Mont- Saint- Michel liegt an der
Grenze der Bretagne (Doli und der Beiname Brito im Nor
mannengebiet hat sein Gegenstück in Normant Ponttl im
Bretonengebiet (a. 1086. Courson, Cartulaire de Redon S. 290),
Dies stimmt zu dem S. 242 belegten Sprachgebrauch. Schließ-
lich kann auch der Name des Giraldua Cambrensis dafür ins
Feld geführt werden, dass Warinus Brito ein Bretone und
kein Welscher war. Wir haben also ein neues Zeugnis (für
1139), dass die Anschauung von Arthur' b Fortleben und wti
damit zusammenhängt aus der Bretagne stammt.
Wilhelm von Mahnesbury schloss die Geeta regum Angloruvt
1124 oder 1125 ab, schrieb also ein Dezennium vor Gottfried
von Monmouth. Im Beginn des ersten Buchea exzerpiert er ab-
wechselnd Beda, Mist, ecclesiantica und Nennius Historia Bri-
tonum. In Buch I § 8 heisst es nun nach dem Tode Vortemer'i
des Sohnes vou Wortigern: jam tunc (Britones) profecto pestum
issent, nist Amorotiut, tolug Romanorum supergtes, qui pott
Wortigernvm monareha regni fuit, intumescentes barbaro»
eximia belUcoti Arturis opera pressisset. Hie ett
Artur de quo Britonum nugae hodieque delirant; dig-
nus plane quem non fallacea gomniarent fabulae »td
veraces praedicarent kiatoriae, qutppe gut labantem pa-
triam diu euetinuerit, infractasque civium mentes ad bellum
acuerit; postremo in obsessione Badonici montU, fretat ima-
gine Dominicae matris, quam armig suis inauerat, nongentot
Gel. Am. 1890 S. 790 Nachweise gegeben. Es ist noch hinzuzufügen,
dass der bretone Nervei, der 1093 Bischof vou Bangor vorübergehend
geworden, Bischof von Ely war von 1109—1138 (Freeman, normo*
Vanquest V, 210-220). — Ein Warnt war nach Statins Angaben (Mal-
mesbury, Gutta Regum I, H. XXV11) Prior in Malmesbury von 11»
bin 1143. Seit der Eroberung Englands finden wir Kontinentale als
Äbte von Malmesbury: 1067 wurde Turold, ein Manch aas Fäcamp,
Abt von Malmesbury an Stelle des Engländers Brihtric; dem Turold
folgte 1070— 10S1 Warin, ein Müuch aus Lire in der Norm&ndie; ihm
folgte 108! — 1105 Godefridus, ein Mönch aus Jumi&ges in der Nor-
mandie (Malmesbury, Getto Puntxftcum , ed. Hamilton, London 1870,
Buch V, § 264 ff.). Auch diese Thatsachen sind geeignet, die kon-
tinentale Herkunft von Huntingdon's Freund Wann wahrscheinlich *u
machen und dann kann er (Brito) nur ein Bretone gewesen sein.
Bretfmisehe Elemente in der Arllwisa,/,- <!,:■; Gottfried von Monmoulh, 245
hortiwn sollt» adortHS incri'dt'l'ili vaede. proßignvit (Malraesbury,
Gesta regum Angl, ed. Stubha I, S. 1 1 ff.). Der Sehlusssatz maobt
es zweifellos, dass Mslmosbury liier Nennius § 56 exzerpiert
hat. Den Artbur der welschen Sage, wie er bei Nennins er-
scheint, fasst Malmesbury als historische Figur und setzt ihr
entgegen die nugae ßritniium seiner Zeit {hodieipie). Das
ist ein Dezennium vor Gottfried geschrieben. Gibt dasjenige,
was wir über die welsche Arlhursage des XII. Jahrhunderts
wissen, ein Recht von mtgae zu reden im Gegensatz zu
Nennius' Beriebt? Wohl aber können die romantischen Arthur*
crzäfalungen der Bretonen, wie wir sie durch die Nordfranzosen
kennen lernen, nugae und fallacet fabnlae genannt werden.
Hinzu kommt, dass schon der oben S. 242 Anm. nachgewiesene
Sprachgehrauch Malmcshury'B in Buch III— V rSt, in den Bri-
tnnes seiner Zeit (hodieque) wirkliche Bretonen zu sehen;
endlich sprechen auch die Zeugnisse der Marie de France, des
Wace, Alanus ab Insults, Giratdus Cambrensis und Heinrich von
Huntingdon ftlr dieselbe Auffassung. Wir haben dann in diesen
Worten Malmosbury's das älteste Zeugnis flir die romantische
Arthursage der Bretonen und einen Beweis, dass ihre charak-
teristische Verschiedenheit von der welschen Artliur-
sage, die wirkliche Heldensage ist, nicht das Werk der
französischen Dichter ist.
Wir sind nunmehr in der Lage, den Unterschied zu er-
klären, welchen Giraldne Cuobreneie im Speculwn oaelttiiM II,
§ '3 macht zwischen dem, was er indu-bitata veritate erfahren
haben will und dem, was er Fabeleien der Bretonen nennt
(siehe oben 8. 242). Mag die Verknüpfung der bretouischen An-
schauung, dass der romantische Arthur nicht gestorben sei, aon*
dem auf der Insel Avnlon fortlebe, mit der Anschauung der
welschen Heldensage, dass Arthur ebenso wie Medraut bei Camlan
fiel — mag die Verknüpfung beider Anschauungen dahin, dass
Arthur bei Camlan zwar tötlich verwundet worden, aber zur
Heilung nach Avnlon gebracht worden sei, durch Gottfried vor-
genommen sei, oder mag er sie sonstwo vorgefunden haben1):
sie wurde im zweiten Viertel des XII. Jahrhunderts der Keim
zu Gelehrtenfsbeleien, die dann ihrerseits wiederum Schwindeleien
im letzten Viertel des Jahrhunderts zur Folge hatten. Der alte
Name von QUutonbvry in Sommersct war (rlnsirtigebirli (llun-
tingdon, Hirt. Angl. 8. 186), wurde aber latinisiert Qlattanüt
i.i'f. Wintonia = Winche»ter, Cner H'inf); in diesem Glartauta
sah man im ersten GHede ein glas „vitrum", und da Glastonia
■) Ich komme auf diese Möglichkeit im Verlauf zurück.
346 B. Zimmer,
auf einer Art Insel lag1), so dichtete man Glastonia die Be-
deutung insula vitrea an, infolge dessen man die absolut unbe-
gründete Behauptung aufstellte, der Ort habe vor der sächsischen
Eroberung bei den Britanniern Ynis witrin geheissen. Die Ery-
mologisierung von Glastonia ala insida vitrea führte in Ver-
bindung mit der bretonischen Anschauung von einer iele de. voim
— die zwar Yvain 1945 ff. von der tue d' Avalon verschieden
gedaoht wird, aber offenbar nur ein anderer Ausdruck derselben
Grund Vorstellung ist — dazu die fabelhafte [nael Avalen mit
Glastonia zu identifizieren und anzunehmen, das« Avallonia eil
anderer alter Name für Glastonia sei. Diese Fabeleien waren
Malmesbury im Jahre 1125, als er seine Gesta Pontificum An-
glornm schrieb, noch unbekannt, denn er handelt 8. 196 — 198
(Ausgabe von Hamilton, London 1870) ausführlich Ober Glaa-
tonia und seine Entstehung ohne Erwähnung der Etymologie
(insula vitrea) und der angeblichen älteren Kamen Ynis witrin
und Avallonia./ k\i er aber 1139 seine Aittiquitates ecelesiae
Glastoniensis schrieb, waren die Fabeleien im Schwange (siehe
die Stelle bei 6. Harte, Gottfried 8. 422 ff.). Die Identifizierung
der fabelhaften Insel Avalon mit Glastonbury verbunden mit der
anderen Angabe, dasa Arthur tötlieh verwundet nach der Insel
Avalon gebracht worden sei, wurde dann der Ausgangspunkt zu
einer Komödie gegen Ende des XII. Jahrhunderte. Noch zu
Lebzeiten Heinrich'» II. (f 1189) veranstaltete der Abt von
Glastonbury, wie Giraldus Cambrensis im Spec. Eecl. II Kap. 9
erzahlt, eine Ausgrabung: man fand Arthurs Grab und die In-
schrift: Hie jacet sepultus inelytm rex Arthurus in insula
Avallonia cum Wenneveria uxore sua seeunda. Wen do wer,
Flores Historiarum , ed. Hewlett I, 203, meldet das Auffinden
Arthur's zum Jahr 1191 unter Richard (vgl. auch Usher, Anti-
quitäten 8. 61 ff.). Giraldus CambrensiB hat die Inschrift, wie
er bezeugt, selbst gelesen und glaubt natürlich an die Komödie.
Auf diesem Glauben beruht der Unterschied, den er (siehe oben
S. 242) zwischen Geschichte nnd den Fabeleien der Bretonen
macht; er sah natürlich nicht ein, dass die sogenannte Geschichte
auf dem Baume der Fabelelen gewachsen ist
Wenn auch durch die Erörterungen Seite 238 — 245 wie ich
glaube festgestellt ist, dass die Vorstellungen von der Insel
Avalon und was damit zusammenhängt dem britannischen Boden
fremd sind und aus den romantischen Arthure rzSh langen der
Bretonen erst dorthin verpflanzt wurden, so glaube ich doch ein
') „Glastonia est villa in quottam reerssu pahistri posila, tarn et
«0110 et pede aditur, nee situ nee amenitale deleetubilis." Halmesbar;,
Getto fbntifieum 8. 196. Vgl. auch Gasten Paria, Romaxia X, 491.
Bretonische Elemente in der Arthursage des Gottfried von Monmouth. 247
weiteres Argument nicht Übergehen zu dürfen. Die welsch-
komische Auffassung des fremden Wortes liegt schon in dem
Zweitältesten Zeugnis für sein Vorkommen auf britannischem
Boden in Malmesbury's Antiquität es ecclesiae Glaston iensis vor
(1139); sie knüpft an die erwähnte Annahme an, dass Avallonia
nur ein anderer alter Name für Glastonbury sei. Nachdem
Malmesbury erzählt hat, wie Glastonbury durch einen gewissen
Glasteing seine Bewohner erhalten habe, der auf der Suche nach
seiner Sau (scrofa) sie dort unter einem Apfelbaum säugend
fand, berichtet er De diversis nominibus ejusdem insulae mit
folgenden Worten: Haec itaque insula primo Yniswitrin a
BriUmibus dieta, demum ab Anglis terram sibi subjugantibus,
interpretato prior e vocabulo dieta est sua lingua Glastinbiry
vel de Glasteing, de quo praemisimus etiam, insula Avallonia
celebriter nominatur, cujus vocabuli haec fuit origo. Supra-
dictum est, quod Glasteing scrofam suam sub arbore pomtfera
juxta vastatam ecclesiam invenit, ubi quia primum adveniens,
poma in partibus Ulis rarissima reperit, insulam Avalloniae
sua lingua, i. e. insulam pomorum nominavit; avalla
enim britonice poma interpretatur latine9 vel cognominatur de
quod am Avalloc, qui ibidem cum suis ßliabus, propter loci
secretum, fertur inhabitasse (San-Marte, Gottfried, S. 423).1) Im
Welschen findet sich afal (aval) Plur. afalau „der Apfel",
afaü Plur. efeitt „ Apfelbaum a, af allen Plur. afallenau „Apfel-
baum", afaUach Plur. afallachau „Apfel garten ": eine Ausdeutung
des fremden Avalon durch diese Wortdeutung lag nahe, zumal
wenn man von der eigentlichen Bedeutung des Wortes keine
Ahnung hatte und von der Annahme ausging, dass es ursprüng-
lich eine Name für Glastonbury gewesen sei. Dass es sich
aber wirklich nur um eine Ausdeutung eines fremden Wortes
handelte und das Wort Avalon dem Welschen vollständig un-
bekannt, dafür sind noch zwei Thatsachen lehrreich: 1) in der
welschen Übersetzung Gottfriede wird an den beiden Stellen,
wo insula Avaüonis vorkommt (IX, 4; XI, 2), dies wieder-
gegeben mit Ynys Avallach; 2) wo in jüngeren welschen Texten
(8. die Stellen bei Evans, Dictionary I, 79; hinzuzufügen ist
l) Giraldus Canibrensisi Spectä. eccl. II, 9 (Ueher, Antiquitates,
S. 273) fugst offenkundig auf Malmeebury, wenn er Ragt: Avale nia
dieta est vel ab aval britannko verbo, quod pomum sonat, quia solet
locus iäe pomis et pomeriis abundare, vel ab Avalone quodam territorii
Utius quondam dominatare. Ist es nicht lehrreich, dass der Zeitgenosse
der Marie de France und Chr^tien's, der Welschmann Giraldus, der
den welschen fabulator Bledhericus (Bre>i) kennt, keine Ahnung von
der Insel Avalon in der Sage hatte?
348 H. Zimmer,
Rbye -Evans, Red Book I, 299) die Fabelei übernommen ist,
dass Avallonia ein alter Name für Glastonbury sei, wird dies
welsch mit Yni/s Afallach, Ynys Afallen gegeben. Dies iat
offenkundig korrekte welsche Übersetzung von inmda pomorum
und beweist , dass der welschen Sprache und Litteratur Wort
und Begriff von insula Avallonis, insula Avaüoniae zugleich
mit der zuerst bei Malmesbury vorkommenden Gelehrtenfabelei
bekannt geworden ist. Es können also weder die Vorstellungen
Über die isle d'Avalon in der Litteratur des 12. und 13. Jahrh.
(vgl. San-Marte, Gottfried, S. 424 ff.), noch der Name selbst am
dem Welschen stammen.
Schün wäre es, wenn auf bretonischem Boden sich ein
urkundliches Zeugnis flir das Vorbild des Namens Avalon bei-
bringen Hesse, wie Artkur, Even, Urbien, Uualcmoi, Ouikomar,
Gurloiee n. a. in Urkunden auftreten. Mir sind zwei Zeugnisse
bekannt, von denen ich aber keines für absolut sicher ausgeben
möchte. In einer Redoner Urkunde vom Jahre 1101 kommt eine
villa Bothavalon vor (Courson, Cartulaire S. 321); bot (jünger
bod = ir. botk Hütte, welsch bod a dwellingplace, residence)
ist in bretonischen Ortsnamen ebenso häufig erstes Glied des
Namens wie kaer, lis, treb (s. Courson, Cart. S. 637, 736 ff.),
so dass an der Bedeutung „Dorf Avalon" nicht zu zweifeln wäre,
wenn Botavalon oder Bodavalon geschrieben wäre. Es findet sich
jedoch nocb in einem zweiten Fall in derselben Handschrift both
in einem Ortsnamen für bot geschrieben:1) villa Gelloc in pUbe
Rufiaco (a. 846, Courson, Cart. S. 105) ist offenbar identisch
mit Botkgellet (lies Botkgellec, vgl. oben S. 235) aita in plebe
Rufiac {a. 867, Courson, Cart. 8. 122); so wird denn auch
Bothavalon für villa Avalon zu fassen sein, zumal eine andere
Deutung ausgeschlossen ist. Ein sachliches Pendant hat diese
villa Avalon im mittelalterlichen bretonischen Ortsnamen Barazoe»
(d. h. Paradies) in Horbihan (s. Rosenzweig, Dictionnaire
topographique bei Loth, Chrestomathie S. 190). Nach den
weiteren Angaben der Urkunde (s. Courson, Cart. 8. 737) lag
villa Avalon im romanisierten Bretonengebiet (s. Gott. Gel.
Am. 1690, S. 802 ff.) im heutigen Departement Ille-et-Vil«ine,
Canton de Pipriac, commune de Sixte. Es muss daher Avalon
nicht rein bretonischc Form sein. Vielleicht dürfen wir dieselbe
in einem Ortsnamen in rein bretonischem Sprachgebiet suchen.
Eine zu Zeiten des Abtes Conuuoion zwischen 851 und 856
•) In derselben Urkunde (Courson, Cart. S 189) heisst dieselbe
Person Gvenuureth und Gvenuuret, wo der mittelbre tonische Name
Guenwed ausweist, dass es sich, wie in both für bot, um / raup, jüngere«
d handelt (vgl. Loth, Chrestomathie 8. 209 Note l).
Bretonische Elemente in der Arthur sage des Gottfried von Monrrwuth. 949
(imperante Lothario imperatore, regnante Karolo rege, domi-
nante Erispoe Britanniam) ausgestellte Urkunde von Redon
beginnt so: Haec carta indicat atque conservat qualiter dedit
Erispoe illam plebem quae vocatur Chaer, cum massis et
manentibus ei* pertinentibus7 id est, Avaellon et Clides et
Vilata cum vineis et pratis et insulam quae vocatur Crialeis,
id est, Enes manac, ad fabas monachis Sancti Salvatoris in
dimosina etc. (Courson, Cartulaire S. 55; Loth, Chrestomathie
8. 123, Anm. 1). Es führte also um die Mitte des IX. Jahrhunderts
ein im heutigen Canton Lokmariaker (Morbihan) am Ocean oder
Golf von Morbihan gelegener Ort den Namen Avaellon. Mag
man am geschriebenen Buchstaben festhalten oder — was nach
der Orthographie des Schreibers möglich ist (Loth, Chrestomathie
8. 108) — ein AveUon darin sehen, in beiden Fällen steht
nichts im Wege in ihm die reinbretonische Form für das fran-
zösisierte Avalon zu suchen.1)
Wenden wir uns wieder zu Gottfried von Monmouth. Hat
er die Verknüpfung der bretonischen Fabelei von Arthur's Fort-
leben auf der Insel Avalon mit der welschen Sage von Arthur's
Tod, wie er durch Nennius und altwelsche Gedichte indirekt, die
Annales Cambriae direkt bezeugt ist,2) selbst vorgenommen oder
*) AveUon ist gebildet wie die bretonischen Namen Catlon, Fidlon,
Gradion, Haethlon, Urblon mit dem euffixartig verwendeten Adjektiv
Ion = welsch lawn. Dürfen wir im ersten Glied bret. avel (= kymr.
awel, körn, arvei) „Wind, Lnft" sehen, so bietet sich eine einigermassen
passende Deutung. Enes AveUon bedeutete dann im Bretonischen
„Luftinsel, aus Luft bestehende Insel, u also die Insel, die beim Nahen
der Menschen sich in Luft auflöst. Eine sachliche Parallele zu dieser
Bezeichnung haben wir: Erec 1946 — 1958 werden zwar die Fabelinseln
isle deVoirre und isle (C Avalon verschieden gedacht; allein schon die oben
(S. 246) besprocheue Identifizierung von itisula Avallonis mit dem als
insula vilrea gedeuteten Glastonia weist darauf hin, dass man die insula
Avallonis (isle d' Avalon) auch als eine insula vitrea (isle de vetTeJ dachte,
also isle a" Avalon und is/e de Voirre anderswo als identisch betrachtet
wurden. Wie isle deVoirre „Glasinsel", so wäre isle d Avalon „Luftinsel".
*) Ich möchte darauf hinweisen, wie zurückhaltend Gottfried
gegen die der welschen Sage fremde Anschauung ist: XI, 2 sagt er
bloss ad sananda vulnera in insulam Avallonis advectus, also nichts
davon, dass Arthur wirklich geheilt wurde und lebt, was man doch
wegen des vorangehenden letaliUr vulmralus est erwarten sollte. Dem
entsprechend heisst es auch VII, 3 exitus ejus dubius erit. Halten
wir dazu den ausgesprochenen fanatischen Glauben der Bretonen, wie
ihn Wace, Huntingdon, Alanus ab Insulis, Giraldus Cambrensis bezeugen,
so scheint mir, dass Gottfried von Monmouth nicht ohne Absicht sich
so diplomatisch vorsichtig ausdrückt : er will, soweit es geht, welscher
und bretonischer Anschauung gerecht werden. Keine zweihundert Jahre
später glauben die unterworfenen Kymren ebenso fest an Arthur's
Wiederkommen wie die Bretonen (s. San-Marte, Gottfried S. 417). Haben
950 B. Zimmer,
hat er dieselbe schon irgendwo vorgefunden nnd wo? Aremori-
kaniscbe Bretonen stellten unter Führung Alan Fergant's da*
Hauptkontingent an Hilfstruppen bei der Eroberung Englands
durch die Normannen: Vornehme und gemeine Leute fanden hier
Lohn und dauernden Aufenthalt in den verschiedensten Teilen
(Cornwall, Devon, Sommerset, Snffolk, Linkolnshire, Yorkshire)
und diese Bretonen in vasion Engtands dauerte bis zu den Zeiten
Heinrich'B IL, und Richard's I. (Gm. Gel. Anz. 1890, 8. 78» ff.).1)
Die fabulosi Britones et eorum cantaiore», die ja meistens die
Sprache der Normannen redeten, konnten also die romantische
Arthursage mit den Phantastereien und wunderbaren Abenteuern
schon geraume Zeit vor Gottfried in England verbreitet haben.
Ein Zeugnis für Bekanntsein der bretonischen Arthursage im
anglonormannischen England vor Gottfried's Historia liefert ans
Malmesbury in Gestn regum Anglorum I, § 8, wie wir oben
8. 245 sahen:, er setzt den nugae Britonum seiner Zeit und
ihren faüaces fabulae von Arthur entgegen den Arthur, der die
Stütze seines Vaterlandes in Zeiten der Kot war, also der
romantischen Arthnrsage der Bretouen entgegen die welsche
Heldensage von Arthur. Noch an einer späteren Stelle desselben
Werkes (III, § 287) hat Malmesbury ein Zeugnis für die fran-
zösisch-bretonische Arthursage: er berichtet dass tempori
Willelmi regie in Söd -Wales (in provincia Wallarttm quas
wir dadurch ein Kriterium fi'ir die Abfassnngszeit der Triade Ltyfr
coch o fiergest col. SS9, 590 (KhyB-Evans, Red Bnofc I, 2ß9>? Sie setit
sicher Kenntnis von Gottfried'» Historia und von den an die Identification
der insula Avallonis mit Ülnstonia geknüpften Fabeleien (b. 8. !45 ff.)
voraus. Hatte aber eine welsche Triade einfach sagen können Ae
yna y bu writh Camlan y rmtg Arthur a Mrdrarvt, ae y lladmvd Arthw
Vedramt. ae y brathtvyi Arthur yn angheuawl ae o hyny y bn ttarw, ae
y mywn plas yn i/nyx Auallach y ctattwyt »und da fand statt die Schlacht
von Camlan zwischen Arthur und Hedraut, nnd Arthur t&tete den
Hedraut, und Arthur wurde tötlicb (retroffen und davon starb er
nnd mitten im Palast von Insel Avallach (Glastoubnry) wurde er be-
graben'' — hfitte eine welsche Triade so sagen können, wenn es
schon welscher National glaube gewesen w&re, dass Artbur lebe und
wieder komme?
') Wie stark gerade in Torkshire das bretonische Element war
durch die Verleihung des Earldom von Richemond an Alan Fergant
und wie lange die Verbindung mir, der Bretagne dauerte, darauf habe
ich a. a. 0. noch hingewiesen. Hier sei ein Zeugnis nachgetragen.
AU 1174 der König von Schottland von Heinrich II. geschlagen und
in Richemond Castle gefangen gesetzt, sah man darin eine Erfüllung
der Prophezeiung Merlin's: bidignabitur Aliiania et convocatis collalera-
iihis sangutnem e/fundere vacabit; dabitur maxütis ejus frennm guod m
Armorieo smu fabricabitur (Gottfried VII, 3, 79 ff.), indem man unter
sinus Armoricut einfach Richemond Castle verstand (a. S. Marte, Gott-
fried S. 34B).
Bretamsche Elemente in der Arihvrsage des Gottfried von Monmoulh. 251
Ros vocatur) aufgefunden wurde eepulchrum Walwen, qui fuit
kaud degener Arturis ex sorore nepos. Es kann nur Gwalchmei-
Gauvain gemeint sein: miles virtute nominatissimuSy sed afratre
et nepote Hengistii regno expufous, prius multo eorum detri-
mento exilium compensans suum, communicans merito laudi
avunculi, quod ruentis patriae casum in plures annos distu-
lerint. Die Figur ist, wie auch bei Gottfried, aus der welschen
Heldensage genommen, aber der Name zeigt die oben S. 235 be-
sprochene französisch-bretoniscbe Form, die nur aus der keltischen
Form Walchmei, * Wal-mei durch Anlehnung an E-uuen bei den
französisierten Bretonen entstanden sein kann.
Verbreiteten so die Bretonen ihre romantische Arthursage
in England, so konnte dies ftir einen Teil des anglonormannischen
England von Einfluss werden. In dem politisch unterworfenen
Cornwall sass noch unassimilierte Keltenbevölkerung und in den
benachbarten dem Bristol Kanal entlang und Südwales (Glamorgan,
Monmouth) gegenüber liegenden Grafschaften Devon und Sommerset
war im XL Jahrhundert das keltische Element auch noch nicht
völlig im englischen aufgegangen (8. Freeman, Norman Conquest
II, 315, 316). Neue Nahrung erhielt das keltische Element in
diesen Teilen des anglonormannischen England durch den Zuzug
von Bretonen nach 1067 infolge der Landschenknngen Wilhelms
(Freeman, Norman Conquest IV, 172).1) Wenn nun hier auf
britannischem Boden Arthur wie in dem benachbarten unab-
hängigen Wales noch als Figur der wirklichen Heldensage
lebendig war, mussten nicht die romantischen Erzählungen der
Bretonen in gewissem Sinne befruchtend wirken? Lag der Anreiz
nicht nahe, wenn Arthur als historische Persönlichkeit fortlebte,
Züge der romantischen Arthurerzählungen gewissermassen ge-
schichtlich zu fassen? Wir haben thatsächlich ein Zeugnis dafür,
dass man um die Mitte des XI 1. Jahrhunderts in dem bretonisch
infizierten Cornwall, Devon und Sommerset einen Zug der ro-
mantischen Arthursage zu Geschichte zuschnitt. In der Aufzählung
der lehenspflichtigen Könige, die Arthur zur Feier von Erec's Hoch-
zeit an seinen Hof beschied, heisst es in Chrätien's Erec 1945 ff.:
Avvec ceus quc m'oez nomer
Vint Maheloas, uns haut ber,
Li sire de l' hie de Voirre;
An cele isle tt'ot Can tonoirre
I\le n'i chiet foudre ne tanpeste,
Ne bot ne serpani ni areste
JN9ü n'i fet trop chavt ne riiverne.
l) UasB die Beziehungen zwischen Comwales und Bretagne im
XII. Jahrhundert enge waren, kann man aus den lais der Marie de
France ersehen.
258 8. Zimmer,
Dass es sich in diesen Versen, wie auch in der Fortsetzung
bis 1957, um eine fabelhafte Insel handelt, liegt auf der Hand.
Nun vergleiche man, was wir in der Vita S. Gildas (San Marte,
Nennius u. Gildas, 8. 111 — 124) lesen: Gildas war Zeitgenosse
Arturi regt» totius majnris Britanniae (§5); im Verlaufe seines
Lebens wurde er nach Glastonia in Somtncrset verschlagen. Da-
mals herrschte (als li'hnsp flichtiger regulus) in Sommerset Melvaa,
welcher Arthur' b Gattin Guennuvar geraubt und nach „Glastonia
id est Urbs vitrea" entfuhrt hatte. Arthur fithrt dorthin die
waffenfähige Mannschaft totius Cornubiae et Devoniae (§ 10).
Da treten Gildas und der Abt von Glastonia zwischen die
Streitenden und stiften Frieden (§ 11).
Dass dieser in damals urbs vitrea (§ 10), insulu vitrea
(§ !8) gedeutetem Glastonbury sich aufhaltende regulut von
Sommerset Melvas, den wir als Zeitgenossen Arthur'» regia totiut
majori* Britanniae und dem Arthur lehnspflichtig denken müssen,
identisch ist mit dem sagenhaften Maheloat sire de Viele dt
Voirre, der Arthur lehnspflichtig ist, liegt auf der Hand and ist
von Gaston Paris, Romania X, 490 ff. bemerkt. Ebenso klar
liegt aber auch auf der Hand, dass die Vorstellung, wie sie in
Chrctiens Erec vorliegt, die ursprüngliche ist, aus der die Ge-
schichte der Vita zugeschnitten ist. Die Abfassung der Vita
läset sich annähernd bestimmen. Von den Handschriften gehen
zwei nach Hardy, Descriptive Catalogue 8. 151 ff. in8 XII. Jahr-
hundert, davon soll eine sein „written about the year 1166".
Die Vita kennt die Deutung von Glastonia als urbs vitrea aber
noch nicht die auf dieser Deutung fussende Ausdeutung
auf Avallonia. Hält man dazu, dass letzteres schon 1139
Malmesbury in den Antiquitäten ecclesiae Glastoniensis bekannt
ist und erinnert sich (vgl. S. 246 ff.), zu welchem Schwindel die
Auffassung von Glastonbury als' Avallonia in Verbindung mit
Gottfried's Nachricht (1135), dass Arthur nach der Schlacht von
Camlan tötlich verwundet nach der insula Avallonia gebracht
worden sei, führte — dann wird man die Abfassung der Vita
kaum in viel jüngerer Zeit als die Entstehung von Gottfried'»
Historia und Malmesbury's Antiquitäten ecclea. Gloaton. setzen
dürfen; sie muss aho älter sein als Chretien'a Erec. Beider
Quelle ist die romantische Arthursage und diese kann nur die
bretonische sein. Nicht ohne Bedeutung ist noch, dass die
Figur (Makeloas = Maelvas) und ihr Reich (lsl» de Voirre)
anch Gottfried das Material abgab für eine Persönlichkeit seiner
Arthursage. Wie Erec 1946 Malteloas sire de l'Isle de Voirre,
als lehn »Pflichtiger König von Arthur entboten, an dessen Hof
erscheint, so kennt Gottfried IX, 12 unter den lehnspflichtigen
Jk-etonische Elemente in der Arikursage des Gottfried von Monrnouth. 253
Königen, qui ex collateralibus insulis oceani ad curiam venire
deberent, und welche zu dem von Arthur gegebenen Feste auch
erscheinen, den Malvasius rex Islandiae. Die Situation und die
Namen des Königs sind im Erec und bei Gottfried gleich; die
Ausdeutung der fabelhaften Isle de Voirre auf das ferne Island
im Ocean liegt nahe. Der welsche Übersetzer Gottfried's hat
keine Ahnung, was hinter diesem Malvasius rex Islandiae steckt,
denn er Übersetzt schlankweg Melwas brenhin Islont; gewiss
auch nicht verlockend, die bei dem Nordfranzosen am getreuesten
bewahrte keltische Vorstellung von der Fabelinsel und ihrem
Herrscher aus welscher Sage herzuleiten.
Im Gefolge der Normannen befindliche Bretonen brachten
also ihre romantischen Arthurerzählungen nach England; in Com-
wales, Devon und Sommerset, wo Arthur als historische Per-
sönlichkeit gefühlt wurde, findet sich nachweislich ein Zug der
romantischen Arthursage zu Geschichte umgestaltet und mit dem
Arthur der dort heimischen Sage verknüpft1): die Möglichkeit, dass
Gottfried bretonische Elemente seiner Arthursage nicht direkt
herttbergenommen , sondern eben in jenen Gegenden mit der
spezifisch britannischen (kornisch -welschen) Arthursage schon
verknüpft vorfand, ist daher nicht ausgeschlossen. Ich möchte
diese Möglichkeit dessbalb besonders betonen, weil wir in Gott-
fried's Arthursage Persönlichkeiten begegnen, deren Namen mög-
*) Wie die Arthnrsage des Gottfried von Monruouth für die
französischen Dichter der matiere de Bretagne gewissermassen eine
zweite unabhängige Quelle repräsentiert neben den bretonischen Arthur-
erzählungen (woher z. B. Carlion im Graal und sonst Residenz Arthurs),
so mischten sich auch die auf der romantischen Arthureage der Bre-
tonen beruhenden Geschichtszustutzungen im anglonormanmschen Eng-
land ihrerseits in die matiere de Bretagne. Nach dem Zeugnis des
Giraldus (sr S. 241) erzählten die fabtilosi Britones et eorum cantatores,
das» die Fee Morgan (dea quaedam phantastica Morganis dicta) den
Arthur nach der Insel der Glücklichen Avalon entfuhrt habe, ganz
ebenso wie nach dem Zeugnis der Marie de France die Bretun er-
zählen, dass eine Fee den Lanval nach Avalon entführt habe (Lai
Lanval 659 ff.). Aus dieser Fee (dea phantastica) machte man im anglo-
normanmschen England eine den Arthur überlebende nobilis matrona
ouaedam ejusdem cognata et Morganis vocata (siehe S. 241). In den
Texten der matiere de Bretagne ist Morge (Morgan) auch noch fee
(Erec 1957, Graal 30 324) und zur isle a" Avalon in Beziehung stehend
(Erec 1955 ff.), aber auch Schwester (Erec 4218), Nichte Arthur's
(Graal 30 324), geschickt im Bereiten von heilkräftigen Salben (M. la
sage). — Die in England zu stände gekommene Identifikation der fabel-
haften Insel Avalon mit Glastonbury ist S. 246 besprochen. Wenn im
Durmart nun öfter Glatingebieres, Gastingebiere (5330. 5415. 6004. 9321)
als Residenz Arthurs erscheint, so ist das doch nur eine Folgerung
aus jener Identifikation, da ja dann die Annahme an der Hand lag,
dass Arthur in seiner Residenz beerdigt wurde.
254 ff. Zimmer,
licherweise komische Lautgebung tragen. Für Gottfried'«
Arthursage charakteristisch ist der Neffe und Verräter Modredtu
(IX, <J; X, 2. 13; XI, 1. 2; XII, 2). In den alten Annale*
Cambriae des X. Jahrhunderts lautet der Name Medraut und
die welsche Übersetzung von Gottfried'8 Werk setzt für Mod-
redus immer Medrawt, ganz ebenso wie sie für Walgainus,
Eventu», Caliburnu» die welschen Formen Gicalchmei, Ouein,
Caletvwlch einsetzt (s. Rhys- Evans, Ited Book II, Index s. v.);
auch in anderen welschen Texten heisst die Figur immer Medraut
(s. Rhys- Evans, Red Book I, Index s. v.). Die welsche
Form des Namens ist also Medraut. Woher bat dann
Gottfried sein Modreduaf In den sogenannten Bodmin Gospels,
der aus Beginn des XI. Jahrhunderts stammenden Handschrift
Add. M». 9u67 des British Museums, finden sich auf ver-
schiedenen Blattern Freilassungsurkunden, die zahlreiche kor-
nische Namen enthalten — Bodmin ist die Hauptstadt von
Cornwall — , und unter ihnen begegnet fol. 8a Tedion Mod-
redis sunu (Revue Celtique I, 335; Earle, Handbook of the
Land -Charterg, Oxford 1868, S. 27.3). Es ist also Modred
als komische Namensform urkundlich belegt. AU bre-
tonische Form des Namens lernen wir fürs IX. Jahrhundert
aus zwei Urkunden des Klosters Redon (Courson, Cartulairt
S. 78, 100) Modrot kennen. Das gemeüibri launische Substrat
flir altwelsch Medraut, komisch Modred, altbret. Modrot ist
Mödrät. Vortoniges kurzes o wird im Welschen zn l (i),
nährend es im Komischen und Bretonischeu erhalten bleibt; da
nnn ä der Endsilben im Welschen zu au nnd im AI tbre tonischen
zu o wird, so entsprechen sich altwelsch Medraut und aitbret
Modrot vollkommen. Was das vokalische Verhältnis der kor-
nischen Form zu der altwelschen und altbretoni sehen , sowie zu
der Ausgangsform anlangt, so liegt in alt welsch Finnaun (Neu-
nius § 70), altbreton. Funton (Courson, Cartulaire 8. 284),
kornisch funten (Vocab. 9b) aus lat. fontäna eine genaue
Parallele vor, sofern man den durch das nachfolgende gedeckte «
hervorgerufenen Übergang des e resp. o der ersten Silbe zu i
resp. u in Abzug bringt. Stimmen somit die urkundlich be-
legten Formen (welsch Medraut, körn. Modred, bret. Modrot)
mit den sonstigen Spracherscheiuungen der drei britannischen
Dialekte, so ist gleichwohl der Schlnss nicht zwingend, dasB
Gottfried's Modredus nur auf komische Quelle zurückgehen
kann. An Stelle des in den Endsilben für altes ä eintretende o
erscheint im Bretonischen schon im XI. Jahrhundert ebenfalls e,
wie z. B. aus Brouuerec (Courson, Cartulaire S. 284, zweimal)
flir älteres Brouueroc (Courson S. 47. 133 etc.) hervorgeht. Es
Bretoniscke Elemente in der Arthursage des Gottfried von Monmouth. 255
ist daher die Möglichkeit vorhanden, dass Modredus auf eine
bretonische Form des XI. — XII. Jahrhunderts zurückgeht, wenn-
gleich eine solche speziell nicht nachgewiesen ist: ausge-
schlossen ist auf alle Fälle, dass die Form, auf der
die Latinisierung Modredus beruht, aus welscher Sage
stammt.1)
Ahnlich ein anderer Fall, wo der welsche Ursprung ebenso
lieber ausgeschlossen ist. Gottfried X, 12 findet sich unter den
eingeladenen Gästen auch Caduallo Leuirh rex Venedotorum
qui nunc Kortgualenses dieuntur. Der welsche Übersetzer hat
KatwaUaum law(h)ir brenhin Grwyne.d. Dem irischen läm „die
Handu entspricht welsch law, komisch levff% lef (ZE. 95):
„longimanus" ist also welsch lawhir — ein rex Demetiae
regionis Aircol Lauhir findet sich Liber Landau. 111, 118,
123 — kornisch Uvhir. Auch die Latinisierung Caduallo weist
eher auf bretonische als welsche Form. Die kornische, eventl.
kölnisch bretonische Lautgebung, die in Caduallo Leuhir vorliegt,
ist um so bemerkenswerter, als es sich um den Namen eines
nordwelschen Fürsten handelt
Fassen wir nun Gottfried's eigene Angabe über seine
Quelle ins Auge. Er schreibt: obtulit Walterus Oxinefordensis
archidiaconus quendam Britannici sermonis librum vetustissi-
mum, qui a Bruto primo rege Britonum usque ad Cadwa-
ladrum filium Cadwalonis actus omnium continue et ex ordine
perpulcris orationibus proponebat (I, 1); ut in Britannico
praefato sermone invenit et a Gualtero Oxinefordensi audivit
(XI, 1); quos (sc. Malmesbury und Huntington) de regibus
Britonum tacere jubeo , cum non habebant illum librum Bri-
tannici sermonis, quem Gualterus Oxenafordensis archidiaconus
ex Britannia advexit (XII, 20). Die letzte Stelle scheint
mir ausschlaggebend. Sermo britannicus könnte „welsche,
bretonische oder kornische Sprache a sein, da ja alle 3 Dialekte
der altbritannischen Sprache angehören; Britones können auch
im 12. Jahrh. gelegentlich „Welsche" sein, mit Erinnerung
J) Die Konsequenzen für die Herkunft der Mattere de Bretagne,
in der Modred (gewöhnlich entstellt Mordret) in vielen Texten vorkommt
(s. Seiffert, Namenbuch, S. 113; Histoire litteraire 30, 631), ergeben «ich
von selbst. Warum übrigens am letztgenannten Ort ein Modred, neveu
a* Arthur und Mordret , frere de Gauvain getrennt werden, ist mir un-
erfindlich, da doch G. Paris nach S. 130 den Mordret der Arthusromaue
richtig mit dem Verräter Modred des Gottfried gleichsetzt. [Nach-
träglich sehe ich, dass auch Loth, Les Mabinogion II, 213 Anm. 1 ge-
legentlich die Beobachtung einfliessen läset La forme Modred, employde
par Gau fr ei pour ce nom, est armoricaine et peut-itre cornique, mais
non galloise. Folgt daraus nichts?]
256 B. Zimmer, Bretonische Elemente in der Arthursage etc.
daran, dass sie Überreste der alten Britones sind, wenngleich
der Sprachgebrauch des 12. Jabrh. in England, sofern die
Schriftsteller von ihrer Zeit reden, unter Britones, Bri-
tanniens xat' iqo^rfjV „Bre tonen, bretonisch" gewöhnlich versteht
(b. oben S. 242). Dass aber ein in England lateinisch schreibender
Schriftsteller des 12. Jahrb. mit den letz tan geführten Worten
habe sagen wollen, Bein Freund und Zeitgenosse, der Oxforder
Arcbidiakonus Walter habe das Buch aus Wales mitgebracht
(ex Britannia advexü), halte ich flir ausgeschlossen. Für Gott-
fried kommt noch hinzu, dass er in seinem Werk Überall, wo er
Wales — das doch nur einen kleinen Teil von Britannia
bildet — meint, dafür Cambria (II, 1; IV, 19; VI, 16; VII, 4;
VIII, 14, 15) oder Gualia (II, 1; IV, 19; XII, 20; vgl. XII, 19)
gebraucht. Es kann also nur die Bretagne gemeint sein, woher
Walter angeblich das Buch mitbrachte. Dieser Über Britannia
sermonis vetustissimus, von dem Gottfriod's Werk einfach Über-
setzung sein will, ist natürlich eine Flunkerei Gottfried's. Aber
ein Körnchen Wahrheit ist darin verborgen: Gottfried wusBle,
dass die romantische A r t h u r sage der Bretonen wesentlich
von der zu seiner Zeit in Wales geflegten Heldensage abwich;
er verwendete auch Mosaikstückchen daraus in seiner Darstellung.
Dies war wohl die Veranlassung, seinen Roman mit den uner-
hörten neuen Nachrichten aus einer bretonischen Quelle abzuleiten;
denn dass es ihm sehr wesentlich bei seinem Werk um Arthur
zu thun war, geht aus dem ersten Kapitel hervor. Der vor-
geschobene Über Britanniens erklärt uns wobl noch etwas
anderes in Gottfried's Historia. In einer Reibe von Fällen hat
Gottfried der Latinisierung von Eigennamen die in England ge-
hörten französisch - bretonischen Formen zu Grunde gelegt (z. B.
bei Walguainus, Calibumus, Modredus, Kaerdubal etc.), wo
gar kein Grund ersichtlich ist, wie schon gelegentlich bemerkt:
die Persönlichkeiten und Gegenstände kommen in der welschen
Sage ebenfalls vor und tragen dort die entsprechenden Namen
(Gwalchmei, Caletvwlch, Medraut, Caer Liwelydd); in dem,
was Gottfried von ihnen meldet, liegt auch keine Veranlassung,
bei Modredus folgt er, soweit ein Urteil gestattet ist, gar eher
welscher Sage denn bretonischen Erzählungen. Warnm geht also
Gottfried, der doch selbst ein Kymrc war, von Walwen
(vgl. oben S. 251), Calihur, Modred, Carduel aus und nicht von
Gwalchmei, Caletvwlch, Medraut, Caer Liwelyddt Wollte er
damit vor seinen Lesern in England der fingierten bretonischen
Quelle eine Stütze geben?
H. ZlHHEB.
Plan einer Geschichte der französischen Grammatik
besonders in Deutschland
(mit Beschreibung der Institutio Pilot's).1)
Den Gedanken eine Geschichte der französischen Grammatik
besonders in Deutschland von Seiten unserer Vereinigung in An-
griff zn nehmen, habe ich bereits auf dem dritten Neuphilologen-
tage in Dresden in Anregung gebracht. Zwar fehlte damals die
Zeit, denselben in der erforderlichen Ausführlichkeit zu entwickeln,
doch habe ich das, was ich damals sagen wollte, inzwischen
durch den Druck den Fachgenossen zur Kenntnis gebracht, und
bin auch in der neuphilologischen Sektion der Görlitzer Philo-
logen-Versammlung in extemporierter Rede nochmals darauf zu
sprechen gekommen (Verhandl. S. 483 — 488). Ich darf daher
die leitenden Gesichtspunkte als bekannt voraussetzen und mich
sogleich zu dem wenden, was heute zu erörtern meine Aufgabe
ist, zu der Auseinandersetzung des Planes, nach dem der Gedanke,
für welchen ich ihrer Sympathien gewiss zu sein glaube, ver-
wirklicht werden könnte.
Um zuvörderst den Zugang zu den Steinbrüchen, welche
ans das erforderliche Baumaterial zu liefern haben, zu ebnen,
habe ich ein Chronologisches Verzeichnis französischer Grammatiken
vom Ende des 14. bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts nebst
Angabe der bisher ermittelten Fundorte derselben zusammengestellt
und soeben durch den Druck veröffentlicht (Oppeln, 1890, Eugen
*) Der hier veröffentlichte Aufsatz entspricht nur im allgemeinen
dem auf dem vierten Neuphilologentage gehaltenen Vortrage. Er
stellt vielmehr eine vollständigere Fassung desselben dar, an die ich
mich überdies bei der frei gehaltenen Rede nur wenig hielt. Letztere
ist nach dem Stenogramm des Herrn Reallehrer Ahnert im Neuphitol.
CaUraibUUt 1890 No. 8 und 9 abgedruckt worden.
Zichr. t tn. 8jr. u. Litt XU>. ij
358 E. Stengel,
Frsnck's Buchhandlung).1) Voraufgeschickt iat diesem Verzeichnis
der vorgenannte Dresdener Vortrag. Das Verzeichnis selbst ent-
hält den Bestand von 122 Bibliotheken Deutschlands und des
Auslandes an einschlägigen französischen Sprachlehren, ergänzt
durch einzelne aus bibliographischen Nachschlagewerken ent-
nommene Angaben. Es ist anter Beihilfe einer grossen Zahl
Verbandsgen os sen nnd sonstiger Freunde zusammengebracht und
die Zahl der auf diese Weise ermittelten und grösstenteils in
wenigstens einem Exemplar nachgewiesenen Grammatiken über-
steigt beträchtlich 600. Nicht wenige dieser Werke sind Über-
dies durch verschiedene, einige durch erstaunlich viele Auflagen
nnd Bearbeitungen vertreten. Zur leichteren Auffindung sind drei
alphabetische Indices der Verfasser, Schlagtitel und Verlagsorte
beigegeben. Besonders der letztere gibt interessante Aufschlüsse
Über die ungefähre Ausdehnung, welche die französischen Studien in
den verschiedenen Orten und Gegenden vormale gewonnen hatten.
Auf Vollständigkeit kann das Verzeichnis natürlich in seiner
vorliegenden Gestalt keinen Anspruch erheben und auch zu Be-
richtigungen wird es oft genug Anlass bieten. Lücken und
Ungenauigkeiten Hessen sich bei der Beschaffenheit des Einxel-
materials und bei der wünschenswerten schnellen Verarbeitung
und Zugängliciimacbung desselben gar nicht vermeiden. Doch
hege ich die Hoffnung, dass gerade die schleunige Veröffent-
lichung des Verzeichnisses zu allseitig fortgesetzter Material-
sammlung und sorgfältiger Nachprüfung anregen und damit eine
schnellere und gründlichere Beseitigung der vorhandenen Mängel
herbeiftihreu wird, als wenn ich privatim auf Verbesserung nnd
Ergänzung der Einzelangaben bedacht gewesen wäre. Noch Bind
eine ganze Anzahl selbst bedeutender Bibliotheken Deutschlands
auszubeuten, z, B.: Aachen, Breslau, Lübeck, u. s. w. Aber auch
minder bekannte Schul-, Stifts- und Hofbibliotheken verdienen
Beachtung, da mich die Erfahrung belehrt hat, dass anch sie oft
Raritäten, ja Unica aufzuweisen haben. So konnte ich noch kurz
vor Veröffentlichung des Verzeichnisses aus der Bibliothek des
R. P. G. in Lübben das bis dahin noch nirgends nachgewiesene
Theatre de la Langue Fran^oixe von Arensberg nachtragen nnd
die Gymnasialbibliothek zu Neiase ergab sogar vier derartige
Novitäten. Einige in meinem Privatbesitz befindliche Grammatiken
•) Solchen Herren, welche mich bei der Herstellung des Ver-
zeichnisses unterstützt, oder willens sind, an der Verbesserung desselben
und an der Geschichte der französischen Grammatik mitzuwirken, habe
ich mir ausbedtingen, das Exemplar zu 3,50 Mk. statt 4,50 Mk. an-
kommen lassen zn können. — Einige Nachtrage dazu siehe hier im
Anhang.
Plan einer Geschichte der französischen Grammatik etc. 259
vermag ich noch jetzt aus keiner öffentlichen Bibliothek nachzu-
weisen. Es gilt also alle Winkel und Ecken eifrigst zu durch-
suchen, um kein einschlägiges Buch unverzeichnet zu lassen.
Möchte daher jedes Verbandsmitglied das Material der ihm zu-
gänglichen Bibliotheken mit dem gedruckten Verzeichnis ver-
gleichen und das Resultat seiner Ermittelungen an mich gelangen
lassen, damit eine spätere Auflage Zeugnis ablege, was vereinte
Neuphilologenarbeit zu leisten vermag.1)
Wie lückenhaft und verbesserungsbedürftig aber auch das
vorliegende Verzeichnis erscheinen mag, es ist jedenfalls aus-
reichend um schon jetzt die nächste Aufgabe, die Bearbeitung
des Einzelmaterial 8, in Angriff nehmen zu können. Denn vorerst
wird es sich nun, meine ich, um eine möglichst genaue Prüfung
und Wertschätzung jeder einzelnen Grammatik handeln. Wir
werden dabei festzustellen haben: 1) wer der Verfasser gewesen,
welche Vorbildung er für seine Aufgabe mitbrachte, welche soziale
Stellung er einnahm, 2) auf welche Leser das Buch berechnet
war, 3) wie der Sprachstoff im grossen und ganzen, wie in den
einzelnen Abschnitten behandelt und angeordnet ist, wobei die oft
tiefgreifenden Änderungen der späteren Auflagen sorgfältige Be-
rücksichtigung erfahren müssen, 4) welche Quellen und Vorbilder
eingestandener- oder uneingestandenermassen benutzt sind. Die
Ermittelungen über den Verfasser sind teils aus den eigenen
Angaben im Werke selbst, teils anderswoher zusammenzubringen
und müssen durch sorgfältige Verweise jederzeit leicht verifizierbar
gemacht werden. Bei Charakterisierung der Gesamtbehandlung
des Sprachstoffes wird zu beachten sein, ob das Lehrbuch rein
praktische oder wenigstens nebenher auch wissenschaftliche
Zwecke verfolgt, ob es eine rein systematische Darstellung bietet
oder mehr oder weniger analytisch verfährt, ob es die praktische
Aneignung der Sprache durch Beispiele und Übungsstücke mit
ins Auge fasst und ob sich Angaben über den vom Verfasser
beim Unterricht beabsichtigten Lehrgang finden. Im einzelnen
wird zu beachten sein, welcher Terminologie sich der Verfasser
bedient, wie er bei Beschreibung und Versinnbildlichung der
Laute verfährt, in welcher Reihenfolge, Anordnung und Weise
die Lehre von den einzelnen Redeteilen vorgetragen is.t, welche
Rolle insbesondere im Lehrbuche die Syntax spielt.
Dass es zur Ausführung dieser Aufgabe gleichfalls des
Zusammenarbeitens einer grösseren Zahl Gleichgesinnter bedarf,
*) Da es wünschenswert ist, das Verzeichnis bis in die Neuzeit
fortzusetzen , und ebenso auch die grammatischen Monographien zu
verzeichnen, so wäre mir auch eine Verzeichnung derartigen Materials
sehr erwünscht.
V*
260 E. Stengel,
wird leicht eingesehen werden, auch die Art der Arbeitsteilung
ergibt sich von selbst. Es werden in chronologischer Reihen-
folge zunächst die für Deutsche, nebenher die für Franzosen,
Holländer und andere Völker bestimmten französischen Gram
matiken nach den angegebenen Gesichtepunkten durchmustert und
analysiert werden müssen. Die so gewonnenen Einzelresultate
werden dann das hier nnd da, wo nötig, noch nachträglich zu
ergänzende Material für die Ausarbeitung der eigentlichen Ge-
schichte der Grammatik in ausreichendem Masse bieten. An
diese selbst wird aber erst in späterer Zeit zu denken Bein.
Damit nun bei der Herstellung der Einzelbe Schreibungen
nichts wichtiges übersehen und unnötiger Bailast vermieden werde,
sollten dieselben möglichst nach einheitlichem Plane angefertigt
werden. Auch muss dabei besonders Bedacht genommen werden,
das erste Auftreten von Neuerungen und die letzten Lebens-
zeichen veralteter Anschauungen zu konstatieren. Um der Auf-
stellung eines solchen einheitlichen Planes vorzuarbeiten, habe
ich eine Pro bebe Schreibung von der ältesten französischen Gram-
matik für Deutsche angefertigt und beehre mich, dieselbe der
Begutachtung der Versammlung hiermit zu unterbreiten. Durch
vergleichende Heranziehung einiger älterer und nächstjüngerer
Grammatiken1) hoffe ich gleichzeitig daxzuthun, wie mannigfaches
Interesse der dermaleinstigen Geschichte der französischen Gram-
matik innewohnt und welche bedeutsame Stellung gerade das
älteste derartige Lehrbuch für Deutsche darin einnehmen wird.
Bei meinen Ausführungen Über Pilot's Institutio kann ich
auf das, was ich selbst in der Begrllsaungs Schrift für den ersten
Neuphilologen tag8! schon daraus mitgeteilt habe, bezug nehmen.
Livet's") und Thnrot's Angaben darüber sind nicht der editio
princeps von 1550, sondern einer bedeutend erweiterten (Paris
1581 resp. 1561) entnommen, während ich für meine Beschreibung
die erste Ausgabe zu Grunde gelegt und vergleichsweise die von
Paris 1563 herangezogen habe. Die Ausgaben von (1551?)
') Genauer verglichen habe ich: Burton Tory, Palsgrave, Sylvias,
Meigret, R. Eetienne, J. Garnier, Ramns 1562 und 1572, Duvivier 1566,
Caucius 1570 und Nathanael G. 1584. Hinsichtlich der Reihenfolge der
Konjugationen aber noch eine ganze Anzahl weitere. Laythons Jn-
struclio (Verzeichnis No. 621) enthält nur achtzehn Ausspracheregeln,
ist also aus der Zahl der Grammatiken iu streichen.
s) Beiträge zur Geschichte der romanischen Philologie in Deutsch-
land. Marburg 18M6 (erweitert in No. 63 der Ausg. u. Abk.) S. 1—4.
8) Livet s Analysen Bind überhaupt wenig brauchbar, weil sie zu
subjektiv gefärbt und darum ungenau und unvollständig sind. Dasselbe
gilt in erhöhtem Maaae von A. Loieeau's Etüde hist. et phiiot. sur Jean
l'illot et sur tet dactrines grammaticates du XVI siede. (Vorn.: Bonn 0.)
Plan einer Geschichte der französischen Grammatik etc. 261
1555 lud 1560 stimmen mit der ersten Seite für Seite überein,1)
auch die Ausgabe, welche 1558 in Antwerpen erschien, ist, ob-
wohl sie in der Seitenzahl abweicht, dem Texte nach mit den
früheren identisch, dagegen zeigt die Ausgabe von 1561 einen
bedeutend erweiterten Text.2) Alle späteren Ausgaben scheinen
diesen Text unverändert wiederzugeben, so jedenfalls die Seite
ftlr Seite mit der Ausgabe von 1561 übereinstimmende von 1563
Paris und noch die 1620 in Douay ohne Pilot's Epistola er-
schienene.
Über den Verfasser Jean Pilot8) vermag ich bis jetzt noch
nicht viel anzugeben. Auf dem Titel bezeichnet er sich als
„Barrensem"; doch lebte er in Paris, als der Herzog von
Bayern Wolfgang, Pfalzgraf bei Rhein und Graf von Veldenz ihn
nach Deutschland berief, um seinem Vetter Georg Johann (den
Sohn seines Oheims Ruprecht von der Pfalz) die Anfangsgründe
im Französischen beizubringen. Da Wolfgang Protestant war
(er starb 1568 am 11. Juni zu Escars an der Loire, wohin er
den Hugenotten zu Hilfe gezogen war), so wird Pilot wohl
ebenfalls Protestant gewesen sein.4) Wahrscheinlich hat er
theologische, jedenfalls humanistische Vorbildung genossen, wie
mehrfache Bezugnahmen auf die hebräische und griechische
Sprache darthun. Die Institutio hat er noch in Paris abgefasst
und auch dort drucken lassen.
1) Ebenso das unvollständige Exemplar der Darmstädter GrosB-
berzoglichen Bibliothek, welches z.B. auf S. 110 die Lehre vom Verb um
abschUesst. S. 193 ff. = Bl. 97 ff. der Ausgabe von 1550 fehlen, ebenso
Titel und Vorwort. Jedenfalls gehört dieses Exemplar also nicht, wie
mein Verzeichnis angibt, zu einer Ausgabe von 1563, sondern zu einer
früheren, welche aber nach Seiten und nicht nach Blättern gezählt ist.
Sie hat mancherlei Druckfehler mit der editio princeps gemeinsam, so
liest sie S. 55 Z. 7 v. u.: secunda 4* tertia statt prima et secunda der
ed. 1563 S. 101.
*) Da das Privilege dieser Ausgabe, welches Andre* Wechel auf
zehn Jahre erteilt ist, und sich auf die durch den Zusatz nunc verö
(ocupletata gekennzeichnete Überarbeitung bezieht, vom 11. Juni 1557
datiert ist, so ist vermutlich bereits in dieser Zeit die erweiterte Fassung
im Druck erschienen. Wie Jakob Keruer mit Beiseitelassung des Pri-
vilegs schon 1563 einen neuen Abdruck veranstalten konnte, darüber
hat er keinen Aufschluss gegeben.
•) In der editio princeps wird der Name durchweg „Pillotus"
geschrieben, ebenso in der Ausgabe, welcher das Darmstädter Exemplar
angehört.
4) Nicht uninteressant ist, dass Jean Garnier, der Verfasser der
Zweitältesten Grammatik für Deutsche (1558), diese für die jugendlichen
Schwäger Wolfgang's, die jüngeren Söhne Philipp's des Grossmütigen,
dessen Tochter Anna Wolfgang's Frau war, verfasst hat, was eine, im
Verlaufe auch hervortretende, starke Benutzung der Institutio Pilot's
seitens Garnier's sehr natürlich erscheinen lässt.
263 S. Stengel,
Dieselbe fand alsbald grSssten Anklang und wurde deshalb
auch ausserhalb Paris wiederholt in Antwerpen, Orleans, Löwen,
Douay, Leiden aufgelegt, zuletzt, soviel bis jetzt bekannt, 1631.
In Löwen bediente sich ihrer (nach dessen Vorwort) 1563 der
ordentliche Professor Claudius Puteanns für Beine Vorlesungen,
auch Rabottus Saleniua wollte sie 1572 in Wittenberg en gleichem
Zwecke benutzen und beabsichtigte deshalb eine neue Ausgabe, die
aber nicht erschienen zn sein scheint.1) 1562 und 1572 erwähnt
Raums,*) sowie 1570 Caucius (S. 3), 1572 Solandos, 1600 Cache-
denier und noch 1623 Spalt in seinen Vindicae S. 31 unseren Ver-
fasser; 1582 urteilt allerdings H. Estienne') ziemlich abfällig Aber
die Institutio, worin falsche und dialektische Formen verzeichnet
seien, doch werden wir seinem Tadel heute kaum zustimmen.
Weiter bezeugt 1584 Jacques Dupuya (nach Thurot), dass der
Pfalzgraf Georg Jobann zur Kenntnis der französischen Sprache
a ttti . . . ires heureueemenl nient et conduiri . . . par M. Jean
Pilot, Komme de tres grande erudüion et d'vne humanüd mngulien,
qui mesmes a eommuniqui au public, il y a assez longtemp», la
meihode de laqueUe il a uei ä vous engeigner, grandement recueäUt
de tous eetrangers affectionnez ä nostre dicte langue et priese
') Vgl. Wablund: La philologie frane. au temps jadis (im; itecueil
cm. philo!, presenlc ä M. G. Paris) Stockholm 1889. 8. 45 f.
a) In der Präface seiner Grammaire 1572 gedenkt er zunächst
der Bcniilhungen von Sylvius, Tbory, Dolet, Loya Hegret <!), Jacquei
Pelletier, Guillautne des Autele und sich selbst um die Reform der
französischen Orthographie und sagt dann Bl. 8: Lei plus reCent onl
euite laut Controllers*:, Sf onl faict giielque forme de doclrine chaseun a
sa fantasie. Jean Pitlot, Jean Grenier ([.: Garnier), Antkoine Caucie en
Latin, Robert Estienne en Latin $■ en Francoys. Die Gramerf 1562
□ ennt nur Jac^1 du Boes, Loui' Megret , Jace Peletier, Gilauoie des Anten,
Jan Pilot und Hob. Etiene, und auch Thevenin's Bearbeitung (ed. 15W)
nennt Garnier nicht, w&hrend der Neudruck von Kamus Gr. von 1587
des letzteren Namen auch in der Form Grenier bietet.
■) 8. 200—203 seiner Schrift Hypomneses. Es heisst da unter
anderem: naturale suae dialecti Vitium . . . pro regula suis esse voluit. —
Einen ähnlichen Vorwurf erhob auch schon R. Estienne 1557 im Am
Lecteur gegen Sylvius: plusieurs $e .tont plams qu'üs ne pouoyent aüee-
ment saider . . . de f Introduction a la langue FrancoUe composec par
M. Jacques Syluius medecin fpourtant que souuent ü a mesle des mots
de Pieardie donl il «statt). — Übrigens hat H. Estienne ebenda auch
in ähnlicher Weise die grammatischen Arbeiten von J. Garnier, Du
Vivier und Caucie kritisiert. Er fand im XVII. Jahrhundert in dieser
Hinsicht wiederholt Nachahmung, doch war das Motiv spater — wie
ja leider oft genug auch noch heute — einfacher Brodneid. Schriften
dieser Art sind des Genfer S. Bernhard Censura der Praecepta Phil.
Gamiers (1607 ohne Druckort erschienen und 48 unpaginierte Seiten
stark), sowie die Streitschriften, welche Spalt und Martin einige Zeit
darauf gleichfalls in Strassburg wechselten. (Vgl. hierin mein Ver-
zeichnis fr, Gr. etc. 8. 11 Anm.)
~ Plan einer Geschichte der französischen Grammatik etc. 263
de tout komme ä ce se cognoissant. Endlich bezieht sich Cot-
grave 1611 8. 8 seiner Brief Directions wegen der flüchtigen
Behandlung der indeclinable parts auf unseren Verfasser. Dass
R. Estienne 1557 und J. Garnier 1558 stillschweigend aus der
lnstitutio Pilot's geschöpft haben, ist bereits früher (Beiträgt
8. 4 Anna. u. hier X2 S. 192 o.) von mir angedeutet und wird
sich deutlich aus dem Folgenden ergeben.
Umgekehrt hat Pilot selbst am Schluss seines Buches offen
anerkannt, dass er die Beispiele in seiner Darstellung der un-
flektierten Redeteile R. Estienne's dictionarium medriocre ent-
nommen habe. Im übrigen nennt er als seine Vorbilder nur
im allgemeinen lateinische wie griechische Grammatiker,1) spielt
aber in der Dedikationsepistel auch auf Sylvius, Bovelles, Dolet,
Meigret und Pelletier an. Der Einfluss, den Sylvius auf ihn
ausgeübt hat, ergibt sich aus den nachstehenden Ausführungen,
ein solcher Bovelles' ist schwerlich nachweisbar. Auf Dolet's
Abhandlung La moniere de bien traduire etc. 1540 geht sicherlich
Pilot'B Verwendung der Cedille,2) des Apostrophs8) und des Binde-
*) Bl. III v°: „Partim Latinos partim Graecos pro loci ac rerum
varietate sum imitatus"
*) Die spanische Cedille hat freilich 1533 schon Thory und kurz
darnach Salomon angewandt (vgl. Bernard Geoffroy Tory 2. ed. Paris
1865 8. 183 u. 375. Im Champfleury 1529 finde ich sie weder ange-
wandt noch vorgeschlagen), nicht aber, wie Koscbwitz, Grammatik S. G,
§ 3, 1 angibt, Sylvius. Dieser schreibt dafür vielmehr c mit über-
schriebenem langen s. Pilot sagt, c sei maxime in libris impressis
üblich (3 v°) und J. Garnier gibt (S. 5) an : tunc nostrates moderni
typographi virgula notare solent hoc modo, c. R. Estienne bedient sich
in seinem Traicte 1557 der Cedille noch gar nicht, während Meigret,
den Estienne im Vorwort als einen seiner Vorgänger erwähnt, sie in
vollem Umfange verwendet und dazu ihren spanischen Ursprung aus-
drücklich betont. (Vgl. Neudruck 16, 24 ff.). Auch Kamus 1562 S. 21
und 1572 S. 20 bedient sich ihrer, aber nur für ch, während er sonst s
schreibt.
•) Der Apostroph wird gleichfalls bereits 1533 von Thory, Salo-
mon und schon 1531 von Sylvius gehandhabt. Den ausgedehntesten
Gebrauch davon machen Meigret (vgl. Neudr. S. 191) und Ramus 1562
8. 37 ff., Dolet ist für sparsamere Verwendung, etwa wie heute, will
aber auch die Tilgung eines Endvokals oder einer Endsilbe pour la
necessitd du vers: ou aftn, que le mot soit plus rond & mieux sonnant
durch den Apostroph ausdrücken: Pri\ com\ hotn', quel\ el\ tel\
recomand', encor' , auec*. En prose Cexemple peult estre: grand-
chose, quelle queV soit (ed. 1545). Es handelt sich hier natürlich
nirgends um Apocope, sondern um unverständlich gewordene alte
Sprachformen. Bis heute vererbt hat sich die Schreibung grand\ die
Pilot zwar nur vor vokalischem Anlaut anführt (3 v°), aber schon Garnier
S. 7 Z. 3 v. u. in grand' peine kennt. Nach Caucius 1570 S. 37,
welchem sich Ramus 1572 S. 46 und Nathanael G. S. 14 anschliesst, wird
quo 4" expediiior 4" suavoir esset pronunciaiio bisweilen auch vor Kon-
Ü64 E. Stengel,
Striches Korilck. FUr letzteren braucht er allerdings, wie ei
scheint, zuerst die heute Übliche Form. (Vgl. Neuphil. CentralbL
1890 No. 7 meine Anzeige von Eoschwitz' Gr. der neufr. Schrift-
sprache I), denn Sylvius setzt einen solchen Strich nnr nach u und
V (w-, i- = heutigen «, j).1) Oleichfalls auf Dolet fuhren wohl die
Bezeichnungen ,e masculinum" (= (), „e foemininum" (= t muä)
zurück, während Heigret sowohl bei „e clonu wie bei „e ounert"
je ein „mascnlin" nnd „feminin" unterscheidet.8) Das Zeichen
c,B) welches Pilot in der jüngeren Bearbeitung statt a der
sonanten e getilgt «( grand' ioye, grand* peur, ta plus grand'
partie, quet' quelle sott. In uerstt freqitentissimt fpraesertim apvd
ueteres) ei' q'vet'. Eiitsdem generis est kaee usitata formula sau'uoitre
f-aet. Am sparsamsten verwendet auch den Apostroph Jt. Estienne.
r schreibt entgegen seinen eigenen Vorschriften (S. 10) das Reflexiv
nach mittelalterlicher Weine mit dem vokalisch anlautenden Verbnm
zusammen z. II. saider. sescrit (im An Lccteur). Torv erwähnt ihn
übrigens im (Jhampfleury (Bl. 56 v") nur für da» Lateinische nnd be-
dient sich seiner hier noch ebenso wenig wie der Aecente und der
Cedille.
*) Um die konsonantische Natur von u auszudrücken, setzt Pilot
unter Bezugnahme auf den Brauch damaliger Drucker ü, wahrend bei
Palsgrave ii den sillabischen U-Vokal in einer Vokalkombination, o den
U-Vokal und u den V-Konsonanten ausdrückt. Also nicht Sylvius ver-
wendet das Trema zuerst, wie Eoschwitz (l. c. S. 6) behauptet, sondern
bereits Palsgrave. Auch sei bemerkt, dass die ed. prineeps Bl. 2 nnd
das vorerwähnte Darmstadter Exemplar von Pilot's Institutio 8. 4 bieten:
reui, qutu£ statt veüe, qiieüe, wie man nach Koschwitz' Gramm. § 3, I
erwarten sollte. Ebenso liest cd. princ. Bl. 55 V in Übereinstimmung
mit dem Darmstadter Exempl. S. 110 und mit ed. 156S S. 172 rompvi.
Koschwitz' Formulierung ist also noch irriger, als ich annahm.
*) Allerdings kennt auch schon Tor; auf dem Titel des letzten
seiner Drucke, der vierten Ausgabe von Cl. Marot's Adolescence clementine
vom 7. Juni 1533 diese Ausdrücke: Avec certams accens notez, cest
assavoir stu- U e masculin different du femmitn. (Vgl. Bernard: G, Torj
2. öd. Paris 1865, 8. 183.)
■) Der dafür von Pilot gebrauchte Ausdruck „e gaäicum* (ed.
1563, S. 20), welcher der ersten Ausgabe noch fehlt, ist jedenfalls von
Pilot selbst erfunden, wie Caucins 1570 S. 3 bezeugt: Apertum e quad
Piüotus gaäicum nominauit. Ahnlich Thevenin 1590 3. 6 u. 14. Schon
1550 Bl. 5 r° hat Pilot ein VA gallrcum" fas ch) und offenbar in Nach-
ahmung von ihm Ramus 1572 S, 12 ein „u gaüicum". Letzterer brauchte
sogar in der ersten Bearbeitung seiner Gramere von 1562 S. 6 auch
den Ausdruck „e fransoes", aber für das stumme e, welches er aller-
dings gerade auch durch § zu bezeichnen vorschlagt: nnus avnns ajoute
a l E tatm, un d$mi E, et tfauenri Fransoes ape/et Ebarre, e 1% marett
einsi i, e lElatm einsi e.: mes il semhlt meäevr garder a la Miete- latm%
ta figurf, com« nous en gardon' /{ son. e marcer set e Fransoes en ba
se.uic.ment avec un petf crofet. In der zweiten Bearbeitung von 1572
S. 9 hat er den Ausdruck „e feminin" für e, und unterscheidet davon
ein „e' masculin" (s= () und ein „e mögen" (s= e'J und meint Si qutlque
bon etprit Us (d. h. trois eharacteres pour ces trois voytües) tnettoil en
Plan einer Geschichte der französischen Grammatik etc. 265
edäio princ. vorschlägt, ist dagegen wohl aus Meigret entnommen,
wiewohl es ja auch sonst in lateinischen Drucken begegnet.
Wie bereits angedeutet, ist die Institutio für den ersten
französischen Unterricht eines der lateinischen Sprache kundigen
jungen Prinzen bestimmt; doch hofft ihr Verfasser der Widmungs-
epistel (s. IV v°) nach, dass seine Arbeit ipsis quoque Gallis . . .
profuturum , hac sattem in parte (d. h. in der Lehre vom Verb),
qubd hie possunt omnes breuissimis canonibus de ets certiores
fieri: de quibus plerique omnes dubitant, & altercantur. Über die
nähere Benutzung seines Buches, wie über den von Pilot selbst
eingeschlagenen Unterrichtsgang, fehlt leider jegliche Andeutung,
Übungsstücke fehlen gänzlich und auch erläuternde Beispiele
sind, wenigstens bei den deklinierbaren Redeteilen, nur sehr
spärlich gegeben, dagegen wird der Wert fleissigen Lesens guter
Werke und aufmerksamen Anhörens solcher, welche die fran-
zösische Sprache korrekt handhaben, mehrfach betont, ohne in-
dessen irgend einen bestimmten Schriftsteller zu empfehlen.
Zum ersten Male, rühmt sich Pilot, habe er apte et distinete
über alle Redeteile gehandelt, sich aber dabei möglichster Kürze
und Klarheit befleissigt und überflüssige Wortdefinitionen, wie sie
die lateinischen Grammatiken liebten, vermieden. Den Haupt-
wert seiner Arbeit erblickt er in der ausführlichen Behandlung
der noch heute so verschieden dargestellten Lehre vom Verbum.
Eine selbständige Syntax fehlt dagegen der Institution und auch
bei gelegentlicher Erwähnung syntaktischer Verhältnisse wird
statt näherer Erörterung derselben fast immer auf Lektüre und
Konversation verwiesen.
Die Anordnung des Stoffes ist im allgemeinen die aus der
lateinischen Grammatik her übliche systematische.1) Zunächst
werden die Buchstaben, ihre Aussprache und zugleich die fran-
zösische Orthographie abgehandelt.
In orthographischen Fragen hält Pilot sich, im Gegensatz
zu seinen französischen Vorgängern, an das Herkömmliche, ist
also auch für Beibehaltung der stummen Buchstaben.2) Zu
auant, . . . ce seroii vng grand eclarcissement de nostre escripture . . .
comme en ces mots, Fermate , Onetete. — Das offene e nennt noch
De la Grue 1654: gallicum.
*) Wie sehr man sich von der lateinischen Grammatik abhängig
fühlte, beweist besser als alles andere ein Ausruf von Sylvius (S. 113):
Sed quo feror? grammaticam Latinum scribo, non Gallicam. R. Estienne
sagt (155) im An Lecleur: Et le tont auons mis par ordre, Sf traictea la
moniere des Grammair es Latin es, le plus clerementfy facilement qu' auons peu.
*) Er sagt 6 r°: Omnes huisusmodi literas, vi snperfluas $* otiosas
omittuni plurimi doeli viri, censentes aut itu scribendum, vt profertur, aut
proferendum vt scribitur. Quod vtinam vel ab omnibus aut vbique fieri
■
266 E. Stengel,
strittigen Punkten nimmt er selten bestimmte Stellung. Z. B.
entscheidet er sich für heureus gegen hevretix, für tonne gegen
bone {9 r°), -eion für -tion zu schreiben haben nach ihm Leute,
welche der lateinischen Sprache und der französischen Ortho-
graphie gleich unkundig waren, aufgebracht, doch ahmen sie
einige Gelehrte nicht nur selbst nach, sondern empfehlen sie
auch andern zur Nachahmung. (9 r°). Zu den Pluralen der
auf £ ausgehenden männlichen Nomina und den zweiten Personen
Pluralis bemerkt er: vulgo »ölet addi z sine accentu, recen&ore*
» tantum addunt retento accentu, ut lettre", lettris (9 v°), ffir
plombs, grien könne auch plös, grfs geschrieben werden, ei cot
haec. ortkographia magis arridet (ib.). — Die bereits von Pals-
grave und SylviuB angestrebte, aber erst von Hamua 1562 in
heutiger Weise durchgeführte und 1572 S. 26 begründete
Scheidung von vokaliachem und konsonantischem i ist ihm noch
ganz fremd; für heutiges, gleichfalls von Hamas vorgeschlagene*,
v schreibt er, wie bereits bemerkt, U.
Bei der Beschreibung der Aussprache entschlägt er sich
in der ersten Auflage gänzlich besonderer phonetischer Zeichen
und erklärt offen: neque sane ad id idioma rede scribendum, ut
effertttr, hoctenus habuimus satis idoneum elementum (5 r°). In
possei, vt quidam linguae Galiicae scientissimus (Meigret?). lentat, verum
vereor ne toterem tauel: cogimur certe vel mulli (1563: tnuiti) in rebus
isiis ty simitibus consuetudini quanlumds (vt aiunt) impio tyranno aliquid
concedere, 4" preslare videtur, quam dum omnia ad vnum ewigere $
cauti atque conquisiti adeo scräitre volumus , illa confundere, #■ pro
certis incerta reddere. Ähnlich verhalt sich auch J. Garnier 1558 Bl. 1 r*
zu der Orthographiereform : Quod si dixirit atiquü, x, y, 4~ z pere-
grinas esse titteras . . . ipse non muttum contenderim: imö optarm poliiu,
qua certior atque facitiar esset nominum deriuatio. Maxime vero de x $Z,
quas inepte 4" contra rcgulas anwies pro s in fine dktianis aäquanfy
vsurpamus. At qtwniam id vsu iatn longo receptum est, vi ego mal
nunc non postum omnes in meam sententiam pertrahere, nee nouitatis
studiosvs naberi volo, euique tuum arbttrium re&nquo. Vtar inlere*
& ego iliis quemadmodum Sr eoeteri. Lebhafter tritt R. Eetdenne 1557
S. 8 für die Übliche Orthographie ein : aucuns escritient par s seule-
ment, enuieus (etatt = tnuieulx), contre toute ancienne coutume
tCescrire. Ferner im Vorwort: Jburtant que pturieurt desirans aueir
ampie cognoissance de nostre langue Francoise. se sont plains *
nous de ce qu'ils ne povuoyent aiseemcnt saider de la Grammaire Fron-
coise de Maitre Lois Mnigret (a cause des grans cfiangemens qu'ii y
voyoytt fort contraires a ce qu'ils en auoyent ia apprins, prineipalement
quant a la droiete escriplurej Que si en tout nous ne contentens
les lecteurs, prineipalement eeulx qui vculent que tescripture suyue sa
pionontiation , nous neu vaulons pourtant debatre auec eulx , tüns les
priotis gu'en paix ils mettent peilte de mieulx faire, Sans changer la plus
commune 4" receue escripture, pronttneiation, 4" moniere de parter com-
forme au tangage de nos plus aneiens bien exereez en nostre dtete langue.
Plan einer Geschichte der französischen Grammatik etc. 367
den späteren Ausgaben schlägt er für e das Zeichen e vor (ed.
1563 8. 20, in der ersten Bearbeitung Bl. 4 v°: ce) und zieht
auch die deutsche Lautbezeichnung stärker zur Vergleichung
heran. Die einzelnen Ausspracheangaben sind nicht ungeschickt,
wenn sie auch die erforderliche Bestimmtheit vermissen lassen:
Zwischen b und />, d und t, v und / machen die Deutschen einen
geringeren Unterschied als die Franzosen, welche die ersteren
Laote leviori spirüu remissiorique labiorum motu aussprechen
(1550 Bl. 2v°, 1563 S. 18).1) I consonans wird von den Deut-
sehen anfangs schlecht ausgesprochen, largiore quippe spiritu
& plus aequo reseratis primoribus dentibus, iisque non satis
9ppressa lingua (4 v°). Die spätere Bearbeitung (1563 S. 22)
fBgt hinzu: ac si ita scriberetur schalousie, scheunesse,
ichouer. Gn soll gesprochen werden: lingua in medio curva
<£ pulsante inferius maxillam, saliva interclusa, ut 8 onus fiat
madidior & delicatior, wozu verständig hinzugefügt ist: quod
mitatione diligenti galli loquentis, quam descriptione longa, melius
üscere licet. (4 v°.)
Dialektische Aussprachen erwähnt Pilot fast gar nicht. So
fügt er der Beobachtung, dass viele im Auslaute r durch s er-
setzen, die Bemerkung an : vbique verb idfadunt Parisinae mulier-
adae, quae adeo delicatulae sunt, ut pro pere, dicunt peze, pro
nere meze. Verum qui egregie loqui volunt, aut medio quodam
sono asperitatem istam temper ant, aut certe adeo leniter exprimunt,
ut vix audias. (5v°)2) Ausser den bereits erwähnten hierher-
*) Schon Tory 1529 Bl. 35 v° bemerkt gleichfalls: Jay veu des
Alemans aussi gut pronunceoienl P pour B quanl üs parloient en fran-
cois, comme vouiant dire. Vela vne bien belle 4" bonne beste, Uz
disoient. Vela vne pien pelle 4f ponne neste. Ce vice la leur est
ordinasre. Ähnlich hebt J. Garnier 1558 S. 4 den Unterschied von
hartem s und weichem z hervor propterea quöd Germani assueti Uteram
möllern pro duriuscula, $• duriorem pro molliore effari, in hoc saepe
labuntur, vt pro saluer .... dicunt z aluer . . .: id enim ego frequen-
tissime sum expertus.
*) Vgl. auch unten S. 272, Anm. 2 und 3. Ähnlich bemerkte bereits
Palsgrave S. 34 : rvhere as they of Parys sounde somtume r lyke z, sayeng
pazys for parys, pazisien for parisien, chaize for chayre,
mazy for mary and such lyke, in that thyng Irvolde nat have them fo-
lowed. Ja schon Barcley, Erasmus und Tory, sowie Sylvius und Bovelles
machen die gleiche Bemerkung (cf. Thurot 11. 271). Pilot scheint sie
direkt aus Sylvius und dieser aus Tory entlehnt zu haben, Sylvius sagt
8. 52 : H in s Graecis et Laünis, ac interdum GaUis vertitur . . . Contra
verö apud Latinos non defuernnt qui s in r commvtarunt, $• Fusios ac
Valesios in Furios if Valerios verterunt ac e diuerso qui honos,
vapos . . . diccre malner unt, quam honor, vapor . . . Fabiits Hb. 7. ca. 6.
In vtroque vitio mulierculae sunt Parrhisinae: 4" earum modo quidam
parum viri, dum r in s <f- contra Eretriensium more, s in r, passim magna
868 E. Sungel,
gehörigen Terminologien Pilots sei noch angeführt: h nnn ha, td
Germani sed auch1) appellatur (5r°). Dabei unterscheidet w
ein k germanicwn (honte), h mutum (honneur), und A gattiam
(chercher). Regeln über Interpunktion oder Accente fehlen
gänzlich. Die Verwendung des Apostrophs wird 131. 3 v°f. in
Abschnitt über e femininvm erörtert , in der Überarbeitung atteh
noch besonder» am Schluss der Buchstabenlehre.
Der eigentliche Hauptteil De partibu* orationi» beginnt Bl. 7
mit der Lehre vom Artikel. — Genau so verfuhr Heigret in Beiner
gleichzeitigen grammere sowie Caucius 1570 und Nathanael Q. 1564
3. 15, ja schon 1530 der Engländer Palsgrave, während 1557 R.
Esticnne den Artikel erst nach dem Nomen abhandelt (S. 1 8), Sylvia»
1531 ihn (S. 96) bei der Nominaldeclination, J. Garnier 1558 sowie
affectatione converlunt, dicentes Jeru Masia, ma mese, man pes't, mon
frese. Wahrend hier und weiter unten (auch S. 272) die Panier Ab-
sprache und die den Hufen getadelt wird, bat Palsgrave 1. c. and echon
Barton die Mustergiltigkeit der Pariser Sprache ausdrücklich hervorge-
hoben und auch G. Tory, Champflcury 1529 Bl. 1 v die Reinheit der
Sprache des Parlemcnts und des Hofea anerkannt : 11 est certain que le släe
de Purtement, 4" le Inngage de Court «out tres-bons, matt encorespourrait
on enrichir nostre diet langage pur certaines helles Figures 4" Ffevri dt
Retoriqne, tant en jirose que autrement. Ähnlich spricht «ich R. Eatienne
im Au Lecteur aus: A'ons . , . auons fait ung recueil(&. h. ans: Meigrefi
Gram. u. Sylviua' Introduclinn „qui ponr certain onl traiete doctement, ptmr
In plupart, ce y«'iö auogcnl entrepris*) prindpalement de et que natu
auans viu aecorder a ce que onus auions tc temps passe" apprms des
plus scauans en nostre langtie, qui auoyent taut le temps de leur vie haute
es Cours de France, tant da Roy que de son ftirtement a Paris, aussi
sa UhanceUerie 4" Vhambre des comples: csquels lieux le langage seserit
4" se pranonce en plus grande purele qu'en ious untres. — Beiläufig be-
merkt ixt R. Entienne's Traiete nur ein sehr dürftiges Compendinm and
hat für die Geschichte der Grammatik, da er kaum eine Neuerung auf-
weist, sehr wenig Wert, was entgegen der unverdienten Wertschätzung
Livet's, welche auch P. H[eyer] in der Anzeige von Loiseau's wertloser
Schrift über Pilot's Werk Revue Crit. 18BB, No. 39 zu Ungunsten Pilot'i
gut geheissen hat, Beachtung verdient. — H. Estienne sagt dagegen
S. 2 der Vorrede seiner Hypomnescs 1582: Sermonis vere- Caliici (tictst
4" ipsius GalUae) metropolin esse Lutetiatn dico . . . sed qui pure loquantur,
per totam Galtiam esse faleor: sie tarnen vt haue puritatem aliae vrbes
vetut naliuam, aliae tanquam adttentitiam potius habeant ... Ac meritä
certe vrbs isla (d. h. Paris) primum tuic etiam in laude locttm abästet,
non quöd ab aida frequentetur ffuit em'm tempus quum in ea sermonis
puritas quaerenda esset: al nunc in ea, sieut 4" a4Hl *•* rebus, miram 4"
plane depravalricem licentiam vsurjmtj sed qiiod eam curiam habeat qtuu
larlamentum vernacula voce nominatur: vbt licentiosus sermo tarn raro,
quam frequenter in mda auditur: 4" quam hie ei applaudatur, ilüc ex-
piauditur.
') Der Name assh begegnet übrigens bereits bei Coyfurelly (2s.
f. nfr. Spr. u. Litt. I., W. Noch Ramus 1572, S. 27, .nennt den Buch-
staben Ha und will vom Namen Acht nichts wissen.
Plan einer Geschichte der französischen Grammatik etc. 269
Raums 1562 8. 45 und 1572 8. 67 aus AnlasB des Geschlechtes
der Nomina besprechen. Barton (Zs. f. nfr. Spr. I. 28, 13) und
noch Du Vivier 1566 ihn als Kasuszeichen betrachten. — Obwohl
iuo Pilot den Artikel als neuen Hedeteil hinzugefügt hat, beträgt
die Zahl der Redeteile doch auch bei ihm, ebenso wie bei Syl-
riu8, Nathanael G. und wie in den lateinischen Grammatiken der
Zeit, nur acht, weil er, wie Nathanael G., in Anlehnung an die
griechischen Grammatiken die Interjektion mit dem Adverbium
Tereinigt hat — Palsgrave dagegen sagt (S. 65) ausdrücklich: In
the french tong be IX. partes of speche, ebenso Estienne, Caucius,
ibnlich Meigret (S. 26, 10): ü y peut entreuenir huyt parties
outre les ariicles. — Auch abgesehen vom Artikel variirt die Reihen-
folge der Redeteile. 1) Pilot hat: Art., Nom., Pron., Verb., Part.,
Adv., Präp. nnd Konjunktion. Die gleiche,* unter Hinzufügung der
Interjektion am Schluss, hat Palsgrave, sowie unter Streichung
des Artikels J. Garnier, während Meigret und mit ihm Gaucius
die Präposition vor das Adverb, Barton und mit ihm Estienne
zwischen Konjunktion und Interjektion und Nathanael G. an
den Schluss rücken. Auch Sylvius' Anordnung stimmt hiermit
fiberein, nur setzt er noch das Adverb zwischen Verb und Parti-
zip. Du Vivier endlich hat folgende Reihenfolge: Artikel, Nom.,
Pron., Adv., Konj., Präp., Verb, ohne indessen im voraus die
Redeteile aufzuzählen.
Nur den bestimmten Artikel kennt unser Verfasser. — Ebenso
Meigret und J. Garnier, Ramus, Nathanael G.; dagegen führen
schon Palsgrave (S. 65), Sylvius (8. 93), Du Vivier und Caucius
(8. 47) daneben auch den unbestimmten auf. — Als Genitiv- und
Dativformen gelten ihm de, du und a, au, de, des und a, aux. —
Ähnlich R. Estienne, J. Garnier, Du Vivier, Caucius, Nathanael G.;
während Meigret sagt (S. 26, 19 ff.): Ao regard de de, du,
deSy üs sont plus veritablement Prepozicions q ariicles. Und Ramus
1562, S. 111: SV prepozisions D$, Du, Des, A, Au, Aus on'
seriein' afexion avec le nornbr' e jenre: e pourtani sont apelees
ariicles par aucuns. (1572, S. 188 ff., bespricht er sie schlechthin
als Präpositionen.) — Im Gegensatze zu Sylvius (S. 97), Caucius
(8. 49) und Nathanael G. (S. 60) macht Pilot über den syntaktischen
Unterschied von du und de gar keine Andeutung und bemerkt
zum Gebrauch des Artikels überhaupt nur, dass derselbe in allen
Kasus des Sing, mit dem Infinitiv verbunden werde. (Vgl. Caucius,
*) Darauf hat A. Benoist: De la syntaxe fr. entre Palsar ave et
Vaugelas, Paris 1877, S. 6 nicht hingewiesen. Überhaupt bedürfen
seine Angaben mannigfacher Ergänzungen und entbehren leider jed-
wedes genauen Zitates.
270 B. Stengel,
S. 43.) Keine Verwunderung darf schliesslich die Behauptung
erregen, dass der Artikel aus der nach Strabos Zeugnis den alt«
Galliern vertrauten griechischen Sprache herzuleiten sei (Bl. 8 r*},
Übrigens fast der einzige schwache Versuch wissenschaftlicher
Betrachtung, welchen die Institutio aufweist. Es folgt der roa
Späteren in zwei zerlegte *) Redeteil vom Nomen, der Substantiv»
und Adjektivs umfaset.
Letztere zerfallen in solche einer oder zweier Endungen.
Von besonderen Femininbildungen hebt Pilot nur hervor: heurtux
-ae, bon -nne, maistre -reue, larron -nnesse (Bl. 9). Regeln Ober
das Geschlecht der Substantiva giebt er erst in der jüngeres
Bearbeitung. Die dort (1563, S. 38 u.) gemachte Beobachtung:
Nomina Gaüica, Latinorum, a qvibus dedueuntur, analogiam bona
ex parle in generibus imitantur, geht auf Sylvius (S. 93) zurück:
Qenus nominum idem cum Lotini« propemodum vbique retinnua.
(Vgl. noch J. Garnier, S. 16, VI.: In generibus nominum GaBi
plerunqw imitantur Laiinos.)
Hinsichtlich des Neutrums bemerkt unser Verfasser: ntutre
nulla sunt in hoc Qattico grammaticea regno.*) Die Plnralbildnng
fit a eingulari addendo n, x vel z. Aber die auf al haben aulr
vei aux (ausgenommen canals), ebenso viril :vieux, nun
dl : reux (9 v°).8) Sonst gilt vom Französischen was vom Hebräi-
schen gilt, daSB nämlich alle Nomina indeklinabel sind, nnd die
Kasus nur aut praepositione articulorum aut oratitmi* contexbt
unterschieden werden.4) So sage man oft: VEvangile Saint Jan
1) Thatsächlieh behandelt übrigens schon Palsgrave die Substan-
tiva und Adjektivs, getrennt.
') Ebenso schon Palsgrave 3. 67: As for neutre gendre Aeg /me
vom, resemblgng Hierin ihe htbreW tätige, nnd Meigret (8. 45, 34): Jen-
gard du neutre, notre lange ne le canoet potnt, sowie K. Eatienne S. 16:
Quant au nevlre genre nous n'en auons point, non plus que les Hebrieux:
mais est compriiis soubs le mascuün, etwas ausführlicher äussert sich
J. Garnier, 8. Iß, VI.: Quae vcrö*neulra sunt Latints, nolns GaUit fle-
runque mascultna sunt, aiiqutmdo etium foemin. vt le temps, le tonnerre,
le baue, ia parote, la semence, la texiue, la mouslarde. Ramoi
1562 8. 43, 157! S. 60, Caiicius und Nathanael 0. S. 16 thun des Nea-
trume gar keine Erwähnung. SylviiiB dagegen erkennt dem Fran»ö«i-
schen unbedenklich ein Neutrum zu. S. 93 sagt er: arbornm nomine
parum abesl, quin omnia faciamus tnulrn , , . vt pontus pomarivm, PS
pomier, während H. Estienne 3. 26 i »eines Traue de la eunformite etc.
1569 sagt: qa'it en ha i-n, mais couftis auec le Masculm. Et. . . quo*
le discuriirra par fapplicaUott.
») Vgl. Palsgrave 8. 67 und 179 ff., Meigret S. 49, R. Entienne
S. 17, J. Garnier 8. 18 X., Ramus, Cnucius 8. 78, Nathanael 0. S. IE.
Doppelformen giebt Sylvina S. 98 : citrus, vieus, ievs, eheuaus, metam
und cieuls, vteuts, ieuls, cheuauls, metauts.
*) Es ist also irrig wenn Livet S. 70 (and im wesentlichen weh
Benotet 8. 10) behauptet: User pretendre que les nanu franeaä ne sc
Plan einer Geschichte der französischen Grammatik etc. 271
statt de saint Jan (10 v°). (Vgl. Ramus 1572 S. 190 und Nathanael
6. 8. 61, 12.) Perspicuitatis gratia stellt aber Pilot gleichwohl
duos ordines auf, d. h. eine männliche und weibliche Deklination,
Ton deren jeder er je ein Substantiv und ein Adjektiv als Para-
digma durchdekliniert (10 v°). Unmittelbar hieran schliesst er
die Komparation, die regelrechte, wie heureux, plus h.y tres h. und
die unregelmässige, wie bony meilleur, tres hon etc. Auch Ad-
verbia und Präpositionen würden gesteigert, doch sei von letzteren
der Superlativ (z. B. tres pres) non in vsu (13 v°). Von Ver-
stärkungen des Komparativs werden angeführt: bien, trop, par
trop, beaucoup.1) Oft stehe im Französischen der Komparativ,
wo im Lateinischen der Superlativ gebraucht wird: le plus sca-
uant des deux c' est Jan non autem le tres s. etc. Latinis-
ieciment point! c'e'tait une hardiesse dont un novateur aussi temer aire
sue Meigret pouvait seul ttre capable. Schon Palsgrave sagt ja (S. 69)
Klipp und klar: cases in substantgves the frenche tong hath none, ebenso
auch Sylvias (S. 95): Casus in singulari $ plurali omnes apud nos vnius
sunt terminationis, nisi quod phtralis vt dixi, litt er am s sibi fere perpetuo
sdsdscit. Ib. S. 96 : Declinatio nobis vt Hebraeis (quos in hac vi in aiiis
fmbusdam sumus imitati) est perquam facilis. si modo pro plurali addas
s singulari fr articulos pernoueris, certe paucissimos fr eos a pronomi-
nibus fr praepositionibus corrogatos. Auch R. Estienne (S. 17) bemerkt:
hohs n'auons qu'ung cos ou Xerminaison au sinauUer, pour tous ces six
cos des Latms : fr vng stul cos pour le pluriet en adioustant vne s au
smguüer, ebenso J. Garnier S. 10: Declinationes Galli nullas habent, quod
omnia nomina sint indeclinabilia, arliculi tantum declinantur, and Caucius
S. 76: fiiommibus nulüs, nulüs participijs, paucis pronominibus casus insunt.
Casuum discrimen fr significatio articulis, praepositionibus, fr orationis
structura mdicatur. Zuweit geht Nathanael G. S. 15: Omnia nomina,
pronomina fr participia sunt indeclinabilia quidem per se: verum decli-
nantur per articulos.
l) Bis hierher stimmt J. Garnier in der Darstellung der Kompa-
ration genau zu Pilot, das weitere fehlt bei ihm. R. Estienne beban-
delt die Komparation ganz kurz als zweites Accident des nons (S. 15),
ähnlich Ramus 1562, S. 46, 1582, S. 68; ausführlicher Meigret (S. 36 ff.)
nnd Sylvias (S. 90 f.). Palsgrave, welcher das Adjektiv getrennt vom
Substantiv bespricht, sagt S. 7 1 : The superlaiyve addeth lo his compa-
ratyve one ofthese sixe tvordes: le, mon, ton, son, nostre, vostre,
leur . . . as le (mon) plus blanc etc., so often as they wyll extende or
duminysshe the qualyte of any thynge, withoul makyng of comparyson
tkerofto another, they use . . trop, fort, moult, tres, peu, gudyres,
gövtte. (Vgl. noch ib. S. 300.) Caucius S. 73, der den Superlativ wieder
mittelst vorgesetztem tres bildet, sagt ähnlich wie Pilot : Comparativum
usurpamus, qui Latinorum superlatiuo respondet . . . fr tunc comparatiuo
praeponi soUt articulus . . . Usitata est porro haec comparandi ratio tan-
tum in rebus speciei eins dem, Martin est le plus sage... de nons
vel d'enlre nous tous. Ramus, welcher 1562, S. 83, behauptete: Z§
super latife1 toujours absolut: com$, Piaton tre' saje, sagt 1572 S. 137 f.:
Prenderement ü est absolut fr simple . . . Secondement ... en mettant de-
tMPtf Plus ou moins, larticle conuenant au nom gouuerne.
272 E. Stengel,
men seien: äcavantisxime, bonisiimt, reverendixsime,
Avlae debetur quae hie. tanta pulkt author/'tafe (Vgl. S. 268 Anm,),
Ut jjraestet cmwi ea errate, quam, citut eeterit bene luqui (S, 13 V},1)
Über die Stellung der Adjektiv» bemerkt Pilot, dasst viele ihrem
Substantiv nachgestellt würden, während ridentur Picardi <1*
Lothart'nt/i ) quod dieant, blanc pain, roiiye vin. Ander
Adjektiva können indessen sine dixcrimine bald vor bald nach-
stehen, andere stehen vor, wie: bon pain, bon
l) Schon Sylvias S. 93 sagt: Neoterici quotiue nonnul/i doc-
tissimi if- alia auaedam nni nd wtuptatem tati ad tinguae ■tpntentwm,
passim cait/inuuttt, .|- promtntiattt. Meigrot (Ö. 3*, 27 ff.| will von dieeeu
Superlati/s Lalins, dia man Snperlntifs lauteres iiunnen könne, nichts
wissen, ähnlich Kuuiua 1572 S. 69. Caucius, S. 75, drückt sich hie:
über, wie folgt, ans: Altera, multis m uuetlius. sup< rltttiuu aucla (l
Gallica linijna, '/item, tut llulloritm imtiutiuuem, recens fot mnrnnt: ut, Ires-
bau, bonissime: tresgrand, 4' tjrundissime: tri* parfait,
perfectitsime: treshault,^ allissime: Ires docte, 4' dactissi,
/luittsmtit/i mutin reperus. rteC turnen pro Cuiiaque urbitratu lernen Cun/1 _
debent: seit innturo iutticio cepcutlt iitlntit est, . . . t/uitt usus, rerun, tn<>,j,*h •
•/nid auriuin itidicium probet. Nathanael G. lässt sie S. H gant i
erwähnt.
a) Vgl. Ulntt 28 r°: In prima cniiiugtilione, prima ei seeunda f
ralif mutant a in i, Ctiue dica.i, naui aij uttissions, V '"
seit ap m ist tonn, aymissies . . Liiji turnen es titutiss
$■ simitia, magna pars Pictomaa, tuter eaeierus. ita et leräinü et j
8) Audi hier zei«t.I. Garnier deutlichen Anklang »» Pilot; denn d
Buch »zehnte Keiner Dbserraeitmes wmtnutit S. 21 lautet: In Con.'trurtiit,
Gtdti semper praepnHttnt snlisluntiun adieetivis . . . te pain btanc 4~ tc r>ii
tauge. Atque in parte, bae Gatli imilmUnr ipsam natnram, quae priui
rult sulistuntiam isse tpmm aeeidens, cuiiis esse est in esse... Exciue
bonos $• malus, qune tndi/Jirenti r prat puiiutttur $• pttsl/uiitHittiir: ■''
«HR bttit paus, 4' inauiiaise geni: Intention banne. 4" °
mauuaise, item, bon conseiltier , $ mauoais contett stA V.hvn-
falls auf Pilot weist ltaimw, welcher I&G2 die Frage noch gar iiieh'
berührt; er erwähnt 1572 S. 126 in der Syntax: Fardre, came pur tont
ti Sintttj-e Frutteoyse est bi< tt fort reqttis. cuittme piiur vi« btanc, bann
itiuye. raus ae \tires ptutil auec te l'ieard, btanc vin, rouye bann:
Auch Natbamtel 0. bemerkt S. 32 f.: Stdistltntiuu praecedeie sid.nt «
ieeliuis rt pain btanc, von blaue pain. llicimus tarnen bau liomm
matinttis komme, bei komme. Auch Cancius, welcher hier gegen
Garnier polemisiert, schlieft sich eng im Pilot an. Er behandelt die Frage
gleichfiills in der Syntax iiater der Überschrift: De ordtne substanliui &
ad/eeliui [S. 81t): be snbslantiui et adjccliui eotloeatione eerti parum
Statut pulest: nam ut dicarnns, du pain btanc: du vin ruut/e potimt,
quam cum IHcardis, du btanc pain: du ränge »in, nihil ommMf dietw
tun utraque terminatione subslmitma pruepoiii debil, in ha minima *
freqtientioribtts uocalmLs ardo alii/itis nun imprnbatur, ueruiit tu omttdms
nun polest cerla de disposilittite tradi regtila . . . Malurae otdo adiectiuo
priuretn, substantiuu posteriorem locttm. nisi f'at/or, decernit . . . Vületur
igitur siiiistuiäitttitn pusi udirettttmn cdlueari npi'rtere praesertim i~ —
bendu. — Schon Palagrave S. 73 u. behandelt
- Geschichte der fimiziisiiclnii Grammatik etc.
273
»wie
der
über
mede
E
Adj»
Kon,
Sehr kurz ist in Pilot's erster Bearbeitung die Deminutiv-
bildung, welche schon Sylvius (S. 102 ff.) viel eingehender be-
handelt hatte, weggekommen. — Der Name aeeidentia findet sich
beim Nomen nicht mehr und auch thatsächüch hat Pilot in der
ersten Bearbeitung wenigstens, ebenso wie hier auch Ramiis, mit
dem mittelalterlichen Schematismus gebrochen. In der spateren
Fassung kommt die alte Anschauungsweise freilich wieder mehr
Geltung. Den Überschriften nach unterscheidet Pilot darin
wieder 7 aeeidentia des Nomen, nämlich: genus, numerus, casus,
•linatio, comparatio, ordo substantiui, species. ')
Das letzte Accidens ist jetzt an die Stelle der Deminutiva
1er ersten Bearbeitung getreten und begreift ausser ihnen noch
Derivativa in astre, ard (geradeso wie Sylvius S. 104), sowie:
gentilia nomina. Sonderbar ist, daas sich die Zahlwörter weder
unter dem Nomen noch sonst wo besprochen oder auch nur
Überhaupt erwähnt finden.8)
ident of t/ic miume adjeenie: Order betwene tbe sulislantyvc and t/ie
?ctyve contrary In our long: jor wherc as we say a w/iyte horse . ...
■y say ung chevdl blaue etc. und S. 304 in den Annotacions : If
im iidjtdyve he joyntd ti'illi a suhslantyre. as to put a difference or tu
avoyde catifusynn by cause there is dyversc of such surtes as tlie sab-
stantyve signyfieth, than the adjectyve shall ercr in t/ie frenche tonge
fjattam the iubtUtntyve. As ifJ woide speake . . . of breed, for by cause
there is dyversyte, for thus they saye: payn blanc, pain bis, paitt
tendre, pain rassis, pain bourgois, pain de chapistre. — Der
erste, welcher auf Hedeutungsuntersuhiede atönarlnio Ducht«, je nach
dem einzelne Adjektive vor oder nachstellen, war H. Estienne in
seineu ^-ponnieses 1582 S. 154 ff. (Vgl. auch Benoist 1. c. S. 12, der
leider nirgends genaue und leicht eontroliei-ljuve ZiV.iUt bietet.) Da-
gegen übergehen sowohl Sylvius wie R. Stophanus die Stellung des
Adjektivs völlig. Ruiuus sehliesat sich an Pilot an.
•) Palegrave zahlt (S. 66^ G aeeidents der Snbatantiva fgender,
•mbre, parson. derivation, composiciou, declinution) und (S. 69) 7 ac-
Ients der Adjektiva (gender, noudire, itgrti/ing tritlt their substantyres,
.-,/■ „,■,}'.;■„. dedymteum, deryvation and order). Nach Sylvius S. 90:
iumiiü aeeidunt: f/ualitas, comparatio, genus, numerus, figara,
casus, dectinatio, Er Witte seiner Darstellung nach noch speeies
hinzufügen sollen. Meigret hat \is,is) dagegen die Zahl der Accidfns
auf * beschränkt: Esptee, je.nre, Xnubre , fujure und die Komparation
innerhalb des ersten behandelt, Bei li Estienne iH, 14) sind es wieder 7:
Espeee. Comparaütm, Genre, Piomhre, Fii/nre, Vax & Oeclinaison, eben-
soviel bei J. Garnier (S. 8 ff.) [Spezies], Suoierus , Casus. Genus, De-
cliiuitio, Comparatio, Demmvthta (doch werden sie nicht als Aeeidentia
bezeichnet): während aber Estienne genau zu Sylvius stimmt, lehnt sich
Garnier deutlich an Pilot an, hat aber dessen ordo in die Observacioncs
verwiesen. Cauciua endlith bemerkt (S. 51): Hominis finitionem Aacciden-
tium Uhus descriptioms. ite ab iustituta hreuitate recedam, non persci/uar:
's operu foret, cum haec primis cum etementis. imhibere /Jueri so/euul.
*) Offenbar war man in Unsicherheit, weichem Redeteil mau die
ihlwörter zuzuteilen habe. Palcgrave fügt sie ebenso wie die parti-
Hpr. o. Liit. Ell'. jg
274 K. Stengel,
Die Pronomina teilt Pilot ein in primitiv» (je etc.), derivativ«
(iceluy), demonstrativa (cestuy cy), relativa (tut/, qui, lequel) und
poBsessiva (mon etc.). Einige derselben Bind zweier, andere nur
einer Endung. Sie zerfallen in drei Deklinationen: 1) je, tu, *oy,
2) Demonetrativa und Relativa, 3) Posse ssiva. ')
Auch von Accidentien der Pronomina spricht Pitot in der
ersten Bearbeitung gar nicht, in der späteren (ed. 1563 S. 59)
nur fluchtig, im Gegensatz zu seinen Vorgängern und unmittel-
baren Nachfolgern. Höchst sonderbar nimmt sich seine spilter
getilgte Behauptung (Bl. 14 r°) aus: Tria tantttm pronomina
vocatiuum habent 6 top, 6 mon, 6 noBtre. Caetera quinqut eatta
tantum habent*')
Den syntaktischen Unterschied zwischen moy und je hat
er präzis formuliert: Moy & toy, usurpantur tantum in reUt-
tyves und distritntlyves „by cause of lykenesse m nature" den pro-
notvnes dcmonstralyvts hinzu (S. 74) und bespricht sie ausführlich in
den Annotacyons hierzu (8. 367). Sylvias S. 99 ff. behandelt sie alt
Nomina innerhalb des Accidens „Species" vor den Deminutiven, Meigret
8. 47 ff. und Raums 1563 S. 42, 1573 S. 60 im Accidens Nombres, B.
Estienne (S. 14) bei der Diuision des Substitutives, Caucine (8. ST)
unter den Pluralia tantum, Nathanael Ö. S. 24 nach der Komparation.
J. Garnier hat ihre kurze Erörterung in die Ohservationes «ominitm
n" XIII. (S. 20) verwiesen und Du Vivier bringt auch die Kardinalzahlen
unter den Adverbes numerandi.
') Palsgrave's Einteilung der Pronomina (3. 74) besteht an«:
primitives, derivatives (Possessiv»), interrogatyves, relalyves und deirum-
stratyves, wozu er auch partityves, distributyves und mimerales rechnet.
Besondere Dekliuationsgruppen kennt er nicht. — Sylvias giebt keine
allgemeine Einteilung ordnet die Pronomina aber, wie folgt: Personal-
pron. (S. 109), Demonstrativst (3. 108), Possesiva (3. 110), Interrog.
nebst Relativa (S. 112). — Auch Heigret bespricht einfach hinterein-
ander die Personalpron., worunter er aber die Demonstrativa gleich
mit behandelt (S. 72, 5), die Relativa (8. 7G, 3), denen anch y (78, 29)
beigesellt ist, die Potsessiva (S. 78,35) und das Pronom roitoratif nterne
(8. 81, 17). — R. Estienne teilt (3. 28 ff.) die Pronomina in dieselben
drei Deklinationen, wie Pilot und anch Caucius S. 86 f. führt sie in
derselben Reihenfolge auf, ohne sie indessen in bestimmte Deklinationen
zu verteilen. J. Garnier nimmt zwar auch drei ordmes an, weift dem
ersten aber die (Personalia und) Demonstrativa, dem zweiten die Possei-
siva und dem dritten die Relativa zu, geht also auf Sylvius rnrflck.
Du Vivier läset jede Gruppierung vermissen. — Ranius 1562 3. 47
gruppiert: 1) Moe, Toe, Soe, 2) Le' derive' de se' troe' pronom' ...
apete' posessifs, 3) Demonstrativa: Sf, Lui. selui, 4) Relativ, 5) Das Itera-
tif : Meme. In der Ausgabe von 1572 3. 10 ff. versetzt auch er die Posses-
sivs, an den Schlug*. — Nach Nathanael G. 8. 26 endlich: Pronomäivm
atia sunt Demonstrattua (incl. die Personalp ron.), alia Possessiua, atia
modo demonstrattua modo possessiua fteur & leurs), atia Relativa. Am
Schluse S. 29 werden noch besonders aufgeführt le, y, en nnd merme.
*) Auch Ramns erkennt in der Bearbeitung von 1572 8. 71 ff.
(1562 sagt nichts darüber) nur denselben Pronominibus einen Vokatif in.
Ptetn einer Geschichte der französischen Grammatik etc.
tionibus, idque verbo non expresso. Je & tu in enuneiationibun
& non niti verbo expresso.1)
Ferner lehrt er: Inter ce vel ce*t et cy subutantiuum ex-
presmm vel adiectittum ivterponitiir (ce litlre cy 15 vüj ; cestuy
ey, c. la, eeluy ey, c. la sind substantivisch; eeluy wird vor qui
gebraucht. (16 v°)äj Statt angehängtem cy tiudet man auch icy,
ted raro nüi apud poetas. (Vgl. hierzu Barton: cest komme
icy , Zs. }. n/r. Spr. u. L. I 30, 22 u. 37 t)
') Palsgravo spricht sich hierüber S. 333 eingehender, aber un-
klarer folgendennassen aus: Whan so ever we nse J in our long, as
nominatyve case lo a eerlie, if the frenche tonye nse l/ie same verbe as
personal, tkey use ever je ... . öfter interrogalions, answers made by
Ihis verbe suis, yteracyons af the m-onowne, imparalyve modes, adver-
bes, preposylions , cunjtiMtwns and inlcrjectiorts, mhetha- we nse J or
me, they use ever moy. — Schon Barton {Zs. f. n/r. Spr. it. L. I 30, 43)
kennt den Gebrauch von moi in der Antwort: moi, toi die. sont obli-
ques .... resnondant its doivent eslre partes pour leurs nominalifs. —
SylviuB bemerkt S. 107: in nummatiim qiw/tie rt.tpvmtendo !f interro-
gaixäo moi, non y-i dichnus . , , vln si ntidas verinim, dien g-e non moi.
Ausführlich handelt darüber Meigret S. 66, 25 ff. — K. Estienne sagt
S. S3: ün vse de moy J" toy qtiand on respond a finten-o'jation: cumme,
Qui a faiet cela? . . . Cest moy .... Quand aussi nous ttions auoir
faict ce qu'on nous impose : comme, c'est tot/ qui as faiel cela. Ce
x'e\st pas moy. Nous ett vsons aussi en ces munteres de parier, commc
Fay cela pour l'amov-r de moy . . . 0 moy miserable. — J. Garnier
S. 17 f.: ego. tu, Ute si verbo coniunguntvr in proimmine temper effe-
runtur per ic, In, it. .... Seorsim vero J- per se extra propositionem
ejferuntvr per moy. tou, t«y; ut si t/uts inlen-f/d: Quis feeit hoc?
respondebis simj'ticiter. Aloy ... — Ausführlicher erörtern die Frage
Kanins in der Syntax 1562 S. 93 f., 1572 S. 154, Caucius S. 87 und in
der Syntai S. 218, sowie H. Esticmi- Bypowmtte* S. 160, Nur paren-
thetisch erwähnt sie Natimnael G. 8. 62.
*) Schon Palsgrave spricht (S. 357) übor die durch ein Substantiv
getrennten ce ey und ce la, sowie (S. 358) über den Gebrauch von
eil oder eeluy. — Über et: tut ey, celuyla, sowie über eil ou eeluy
qi et n» demanstratif indeter mini, e t/i n tiesoin de la suyte d'un relatif
pour dfifimimut ee i/'ii demontre (eeluy ft home de bien qi sfrt
bien Dien) handelt Meigret 73,29 ff. — R. Eatienue bemerkt (35):
Aucunes fois »n mit mg mal entre deux: comme, Ce iiure ei . . .
Celuy. ou Vit, qui est vng Proiwm demouslratif qui ne termine rien:
pourlatil on luy l/aiile vng relatif qui le .mit pour delertniner ce qu'it
demottstie: comme, Celuy est hornme de bien qui Mit seton Dieu,
lehnt sich also zuerst an Pilot, zuletzt fast wörtlich an Meigret an.
— Garnier S. 28, Ohscrvatm 111, konsUtiort ausdrücklich den substan-
tivischen Gehrauch von cestuy-ci, cetuy-la und S. 30, Obs. VI, still-
schweigend die Trennung von ce ci, ce la durch dazwinehen gesetztes
Substantiv, ebenso S. 43, Observ. 111, den Gebrauch von celuy vor qui.
— KamuB 1562, S. 86 beschrankt sich auf folgende, iui »weiten Teil
auf Meigret beruhende Bemerkung: lious abozon de Stsi e Se/a pour
Se: Toh' sesi cE wo«' dites . . . Seti; si. Seit; la, Seuzi, Seuta . . .
(S. 87) St lui ou Sil e' dcmunslratif indetermine. e pmtan toujours
18*
Ü7G
E. Stengti,
Als gen. plar. maBc. von il wird ttvr >•?! de I.«.
fllr das fem. d' eil tu, de leur» angegeben- Die possessio
Geltung ist alao, wie die Ausführungen neigen, mit der des Per
aonalpronomens zusammengeworfen , offenbar "'eil Pilot letzlen-
nur als Demonstrativpronomen au franste.1)
Den syntaktischen Unterschied von adjektivischem Bio« ni
snbf.tantiiiBch.ein mit» bat ei Dagegen richtig angegeben, Ferner
heisst es Bl. 19: Vor Vokalen werden statt ma, ta. «a ge
ajomt (irce le relntif, e riantet poin ni Si, ni La. Stlui et gm* ä-
bien ci ereiti' Die«. In der Anag. 1672 S. 142 fügt er QO
Cecy & Ceta sunt qurlquc /'ni\ diitises. aiiimie, i'e hur.- eij. er hur,
la, wohl mit Anlehnung in C*ueiut 8. 33: Vecy & tela sttteni iliuult
4 nomen intersat Imc modo: I •■ tiure et/, cel komme ry.
S. 9!: crluij posl te fturjitttt retaliuum nlii/uoil. ul iiuhcciitr.
tttterrntttati ttgnifitct fuast wohl auf Meigret, w&hrend die eo
Ulf l'il'il iiirrtck weist.
2 Umgekehrt erwähnt. Meigret daH Personalpronomen leur nur
?m PoaBeaaiv (81, 9 ff.), wahrend I'ahgrave |ju Hhon
siehe ZeiUchr, f. tu-ufi: Spr. u. Litler. 1 31, 10 ff.) beide Hl
auseinanderbillt (S. 78 u. 80). — Aber mich Silvios achied i ■
S. ins tBhrt er als Pluralformeu von il an: l'h. gm.leuri dat. teurs:
Vi Morton libri, /eins liu-res: cr/ti Ulis tit/naui, ij-e leuft >"U dont? eben)
im femin. — R. Eatieune gibt S. 26 Leurs, dt »I t,
gen. pl. mask., d'Etles, Leur* als fem. Auch ihm ist (/ Den
pronomen und unter den Poweasiren kennt er kein leur, \\ ■
sowenig J. Garnier, welcher S. 26 ebenfalls nls gen pl, runak.: d'tu,t
de teure, fem. d'elles de leurs unter den DemonatimtiTen U
Ramua 1562 S. 48 erwähnt bei den Demonstrativen: /-•; pose
d$ lui, nii U, e' d$ camnn jenrr.. leur smijitlier, Uitrs ptuner n. & U
in der Syntai: Leur, i-' celee'/be' rrlatif paar ■'■ p
times out ofeSttt Uhu ,>._■ c'Ü few <i~ dt'itc •( cithndrc. Vi I
drückt lt sieb 1572 S. 72 ans: II oh luy nominal'/ ..../■■
ciis efe qenre, comlrien aue les Orammairüns U jnssent p/urier. ,(■
(S. 73) /ihivier Hz, ort kulx mminatif . . . Leurs de tout au d
ij.idi- (et meint also hiermit das posaessivi.=i'he leur), oder auch S, Hl
Lew <fc Iturs Stint reeiiirtu/ttcs n )ilnsifur,< fitim Son, sesr eonttne ier
paretis aymcnl Itiir sanij: Hl eheriisent leurs ruf an
pas snn sang, inj ses enfans. Vorauf geht die I56S \
sprechende Btello mit fehlerhaftem leurs. — Erst Ctwciu» bat
den wahren Thatbestand. wie auch richtig den Grund d«
Verwirrung angegeben. S. 100: Tertia fd. h. potteltim) /■-■■
cuius loC'i fft'nilintim lU-mmiMruliui Si u •■'■/< /• «ff.» pm/muuii**
leur öki* .... Cum autm pleru/ne Ltilini scrmtmii eurtottm aM
rationem httherent, iiitlerentque ,-iiismodi p-issessiumii in tota l.n:
nun reperi. mdiairunt tetttsstini liinimiis etitmi uns eo d. slitutos esse
HtU ttiilti Uli sunt (t siitt fnrlumi uoiujni. i/iti suii opilius ..:■.
i/uam Soli ij's frui. ihnc Uli demoiistrtititmis relationisi/iie urdines mirum
in modum pcrturliarunt .- qua de re cutis dkeStte HM iiidebor, si inlel-
leelum erit leur semper pnssessiontm sii/m/ieare. ntst quoil nt ,l,ir>t>;-
phualis pronominis luv Auch führt er richtig S. 90 al* j
Man einer Geschichte der französischen Grammatik etc. 277
•eilt: nuuculinae voces, mon, ton, son ad evitandum hiatum
imarvm vocalium concurrentium: euphoniae (Darmstädter Ex.:
emphaseos) enim sunt amatores Gatti1) .... Aliquando tarnen
id non observatur, vt dicamits m'amye, c7est m'amye vel c'est
mon amye. Sed nescio an adhuc aliud exemplum reperire liceat
praeter hoc vnum m'amye.2)
Die Verba zerfallen bei Pilot in persönliche und unper-
sönliche (20), besitzen 3 genera, 5 modi: indic., imperat, optat.
(Di tu veuille que i'aye oder Pleust a Dieu que Veusse),
tenjunct (veu que j'ay vel combien que i'aye, quand Vaurois
sd veu que i'auois vel combien que i'eusse), infin., 6 tem-
pora: praesens, praeteritum imperfectum, (a prima persona plur.
mdk. praes.y ons, in ois mutato, Bl. 27 r°), praet. perfeetum
prius (quod potest dici Indefinitum: feu), praet. perf. posterius y
*) Dieselbe Wendung begegnet schon Bl. 3 v°, wo es heisst, dass
i femininum elidiert werde propter euphoniam ctthis amantissime sunt
mores Gaüorum.
*) In Barton's Donat ist von dieser Spracherscheinung noch nicht
die Rede, wohl aber kennt sie Palsgrave 3. 80: if a feminine substan-
Use or his adjective begyn with a vorvel or tvith h, not havyng his aspi-
raOon, they use not before them ma, ta, sa bui mon, ton, son, fbr
the avoydynge of the harshe sounde of 11 votvels toyether. (Vgl. auch
S. 547 f.) — Recht bedenklich spricht sich Sylvius gelegentlich des
genns der Nomina (S. 94) darüber aus: Pöstremo quaedam velui dubü
fsneris sunt. Nam haec spatha , . . etiam apud nos, dicentes, vne bone
espe'e .... Hoc stabulum . . . nos. vne bone estable. Sed mea . . .
spatha . . . mon, ton espe'e . . . . , tanquam mascuüna, aut neutra
essent, dicimus. Contra meum . . stabulum: mon . . estable: genus
LaUnorum retinent, fuga apostrophi, quod durius videretur, m' estable
. . . m'espet & caetera. Quam asperitatem vt vüarent maiores nostri
t ö» quSbusdam interiecerunt, mea . . . auia, amita: ma . . taie, tarnte
vel tanle: pro aie, amte vel ante. Non id tarnen in omnibus. Nam
mea . . amxca: mfamie . . . . Sed hoc ad gaUicam syntaxim ä nobis
postea tradendam (aber nicht vorhanden) maais pertmet. (Immerhin
gibt die Art, wie Livet S. 31 diese Stelle analysiert, ein schiefes Bild
von Sylvius' Ansicht.) — Zutreffend ist die Ausführung Meigret's
S. 78, 38 ff. und die damit übereinstimmenden von Ramus 1562 S. 83,
1572 S. 147 f. und von Nathanael G. S. 65. R. Estienne (S. 30) drückt
sich aber wieder unklar aus: Mon Ton Son mascuäns, aucunesfbis se
mettent au heu de Ma, Ta, Sa femenins, auant les noms commenceans
per voyelles . . . Quelque fois nous disons, M'amie, Mfamour: mais
€est en ostant a de ma, ou plustost on de mon, a cause que la pro-
nontiation seroit trop rüde. — J. Garnier (38 v°) lehnt sich teilweise
wörtlich an Pilot an: Hae foem. voces ma, ta, sa nunquam praepo-
nunlur nominibus foem. ä vocali incipientibus: sed ipsorum toco ponuntur
voces mascul. mon, ton, son. Quod fit vt evitetur hiatus duarum voca-
lium concurrentium, gut euphoniam corrumpit .... Excipe m'amie. —
Caucius sagt in der Syntax einfach (S. 209): Cacophonie, uitande. gratia
nominibus foemininis ä uocali inchoatis mascuüna Pronomina praeponuntur.
378 E. Stengel,
praet. plusquamptrf. , futurum (formahitur ab inf. addita ay, ai, *,
&c., 27 v°), aüBBerdem gerundia (D'avoir, en aj/ant, attoir,
vd pour auoir), supina (aller auoir, aller pour auoir,
d'avoir), partie. praet., fut. (qui aura).1)
>) Auch iiarton (Zs. f. n/r. Spr. I, 33) teilt die Verbs, in persönliche
und unpersönliche ein, kennt 3 genrea: actif, seuffrant, neutre, 5 raeufi,
S temps (present, pretert imparfait, pret. parfait [je aymey(e) ou je
ay ame'J. pret. piusqueparfait , future) und 2 participles: le preient,
le pretert. — Nach PaUgrave (S. 83): Of verbes some be aetyvet, some
be meanes, and some be passyves, and agayne some be parsonal, pd
some be unparsonals . . . Verbes actives parsonals haue X acääentes,
mode, teiu, circumlocutyiig of the pretertenses, nombre, parson, Mw
gatioH, formatüm, cowipotition, addynge of lUiabical adjeetions m tflr-
mation and negation and Order differenl front our long in interrogatxnu.
Modei the haue VII: indic., subjunclivc (uovldz uovs que je perle},
poteneiaä (je parlerdye. Vgl. S.95: of je parlerdy is formed per.
leröye. Wegen des Gebrauche s. 8. 378 f.), imperat., optat. (bin
parle il), condieional (ty je parle}, ätfin. . . . Tensei FI: prcteti,
preter imperfit, mdiffinite (je parldy), preterperfit , preUrpbaptrft,
future. — SyWiuB US: Verbo acciduni Septem: quaütas, gemis, numerus,
figvra, temput, persona, coniugatio .... Qualitas . est m modis £ m
formis. Hodi sind 5. lmpersonalis quem addunt nonmslä, media mm
est . . . (U4) Gerundia & supina siue modi sunt . . . sine Derbe . . .
Forma . . duplex: primitiua & deriuatiua . . . (115) Genus: . . .»
verbo signifieationem exprimit actiuam, passmam, neutram, deponenism
£ cnmmuncm . . . Genus . . non voce . . . sed sola significatione . . ,
diseernimus . . . (117) Figvra duplex: Simplex; componta . . i (US)
Tempus nobis quotuptex Lttinis est: Praes., Praet. imperf., Praet. ferf
pridem (g-aimai), praet. perf. indefinitum & indeterminatian {g'-hei am«),
Praet. plusqvamperf, Fut. imperf. (8. 185: Fut, . , per fut. e&m-
unctiui syncopatum exprimimus. Pro amabo mint amavero. & mdt
amaro, nos g'-awterai.), Fut. perf. — Heigret (S. 88): Le Ffrv' a keyt
aecidens: qi sonl la sinificacion, le tfms, le mode, Cespfce, la figvre, k
eonjügeton, la person' f le nombre. La sinificacion ou j/nr* amsisU
propremfnt en aecion ou passion. Tems: prezfnt, preterit au paut
impfrfft (gebildet de la premiere pfrs. du patrier du prez. en tournant
ons, en oe ou OfS 8. 114), passe" indetfrmind (feymey), passe pfrfet,
rti ptusqepprfft, futur (la pr. oonjug. en er ajoute ey . . . a tmf.
12$). Moaes: htdic., imperat., opt. (fymerof — se forme dujwt.
de Find, ey . . en of S. 128 — , fymasse . , . eyme), subjonctifm
conjonctif, in/in., partif. . . . Espeees 2: primitive, dermatiue. — &.£■&•
enne 8. SS: Le verbe a sept aecidens: Mode, Temps, Espeee, Figurt,
Cotiiugaison,Perionnetti\oinhre{aowio das nicht ausdrücklich aufgeführte,
aber thats&chlich beachtete Sfache genre und die Scheidung in per-
sonale und impereonals). Modes tont de 5 sortes: Ind. ,Jmp., Opt. (0 que
uolonliers t Aimeroye, i'Auroye nime. Dteu uueilte que i'Jime),
Conionct. ou Subionctiue (Combienqve, ou Comme ainsi sott que
i'aye, quand i'auroye), infin. Temps: Pres., Pret. imparf., [reLparf.,
lequel est de deux sortes, Pret. plus- que parf., Fat. imparf, P*L perf.
— J. Garnier S. 44 führt keine Accidentia au und sagt: Ferberum
genera, modi, lempora, nimm & personae, eadem omnäto sunt Gatts
quae apud Latinos, nisi quöd Gaili passiua verba non kabent Die Tem-
Plan einer Geschickte der französischen Grammatik etc. 279
Die Vergleichung mit den älteren und nächst jüngeren
Grammatiken, ergiebt, dass nach Pilot' 8 Vorgang auch J. Garnier,
Ramus, Da vi er und Caucius von einer Aufzählung der Accidentia
Abstand nehmen. In der Auffassang des heutigen Conditionnel
als Conj. Imperfecti ist unserem Autor allerdings nur J. Garnier
gefolgt, während Duvivier, wie schon Barton, einen Optativ,
pora heissen ihm : praes., praet. imperf, praet. per f. primum seu simplex,
praßt, per f. secundum seu compositum, praet. plusp., fut. (Fut. formatur.
« prima pers. pres. ind. addito ray S. 49); die Modi: ind., imp., opl-
pleust a Dieu que i'eusse, Dieu veuille que i'ayej, eoniunct. (om-
mno ssmiUs indic. . . . semper addit, veu que, vel quand .... non-
nuUi volunt itlum varie coniupare, iuxta signorum varietatem . . . com-
miscenlque optat. cum ipso eoniunct. — d. h. Pilot und Meigret S. 96, 9 ff. —
. . . Etenim in praet, imperf. . . . nonnihit aliquando variare videiur,
turne scilicet, quando reeipit hoc Signum quand, alias nunquam: atque
turne semver interserit literam r in postrema syllaba imperfecto sui indi-
caäui: aieimus enim: Quand faimeroye . . . etiam quand i'aimoye
. . . Ai hacc omnia vsus & assidua leeiio facile iudicabunt. Idcirco ego
prudens ilia omnia inter coniugandum praetermittam S. 51 f.), in f.; ferner
genmdia und supina (circumloquuntur S. 54) — Duvivier kennt 5 modos :
La mamere d 'annoncer, de Commander, de desirer ou souhaiter (Dieu
veuille que ie parle, 0 que ie parlasse, Pleust a Dieu que
iay/ej parle, 0 que i'eusse p., Dieu veuille que ie parleroy),
conkmetüte ou conaitionale (Combien que ie parlay, feu parle', Quand
i'auray pj, infinitiue; ferner: Geronaifs, Participe (parlant) . . . Dar
aeindt auch 5 zeiten: pres., imparf, parf. (Vay parle. Unerwähnt
bleibt; ie parlaij, plusquep., fut. — Caucius unterscheidet: Personalia
und Impers., 2 genera: acL, neutr. fpass. non habemus), 5 modi: ind.
imp. (Garnier — 8. 50 — habe fälschlich gelehrt: nominaliuos imperatiuis
semper subiunyere S. 109), opt. (praes. u. fut.: Vaimerois uoluntiers
od. oque Vatmerois od. pleut a Dieu que Vaime; praes. & imperf :
Pleut a Dieu que i'aimasse, perf: Dieu uueille que Vaye aime),
conj. (praes.: iaeoit que Vaime od. si i'aimois od. combien que
i'aimasse; perf: neu que i'ay aime: plusq.: quand Vaurois a. od.
ueu que i'auois a.J, inf; 6 tempora: praes., imperf, definitum, perf,
plusq., fut. — Nach Ramus 1562 S. 50: L% verb$ et divize tripiqment
par la diferens$ de la person§, vremierement en personal e impersonel
.... Secondement en ftnit e infinit .... lÜersement, le verb' et aeiif
ou neutre .... Tom e' la diferens$ du verb$ selon le prezent, preterit,
fuiur. Le verb$ finit a troe$ tams imparfes e un parfet. Le premier
prezent et com% Arno, einte. Le secont, com$ Amem, eim§. Zg(S.52)
premier preterit, come Amabam, eimoe, 1$ sfcont, come Amarem,
eimeroe$, !§ troeziem$ eimase. Le premier futur, come, Amabo,
eimere, le second Ama eime. Le parfet e' com§ Amavi, eime. ib.
S. 102: L$ second preterit parfet e' sextuplq pour un seul laiin, com§
Amaverim: Vu cej'e eime, Combien c§ j'ei$ eime, 0 c$ volon-
tier j'auroe eime; Vu c§ fe u eime, combien (S. 103) c^ feie u
eime, o ce volontier fauroe u eime .... 1572 S. 78 ist die Ein-
teilung des Verbs in finit und infinit weggeblieben. Die Einteilung der
Tempora, welche hier auf S. 75 voraufgenomuien ist, ist noch unklarer
als früher: Temps -c'est u. s. w. . . . Le verbe finy «... ung parfait. Des
trois imparfaicts, le presenl est quadruple, le premier comme Arno
280 E- Stengel,
Estienne und Cancius mit Sylvius und Meigret einen Optativ oder
Konjunktiv und Palsgrave einen Potcntialis darin erMicken. Die
2 -Teilung deB Perfektnms iat bcrcitB Barton und Palsgrave be-
kannt, Pilöt'B Bezeichnung praeteritum perjeetum indeßnäum triffi
mit der von Palsgrave — der darin Übrigens eine Übersetzung
von AoristuB erblickt — verwandten zusammen, wahrend Sylviu.-
die Bezeichnung; indefinilum & indetermtnatum, gerade so wie
es noch heute geschieht, für das zusammengesetzte Praeteritum
beansprucht, KeJgret dagegen wieder passe indetermini für das erste
Perfekt braucht und erst l.'aucius den heutigen Ausdruck dtfini-
tum für letzteres aufgebracht hat, und ähnlich Nathanael O. 1584
zwischen einem Praet. determinatwm und einem Praet. indeUrwi-
natum unterscheidet. Hinsichtlieb der Bildung der Tempora haben
die im ganzen richtige Ansicht Pilot' s über die Bildung des Futnrs
schon Palsgrave und Meigret, später Caucius (8, 110 und 127]
und Nathanael G, 1554 8. 46 ausgesprochen — dieselben haben
auch, was Pilot unterlassen hatte, die Bildung des Conditionuel
aus dem Futur festgestellt — wahrend Sylvius und noch J. Garnier
ganz verkehrte Ansichten Über die Bildung des Futurs nnd Con-
ditionnels (Holyband 8. 201 deB FrencA UUkton 1630 folgt
hierin blindlings Garnier, den er allerdings auch in seiner Pro-
nunciatio 1580 rühmend erwähnt hatte) hegen, Estienne und Du-
vivier völlig darüber schweigen. Die Angabe Pilot's betreffs
der Bildung des Imperf. aus der 1. PI. Praes. Ind. kehrt auch
bei Meigret und Nathanael G. 1584 8. 42 wieder und macht
die Annahme, dass Pilot Meigret's Werk bereits vorgelegen
habe sehr wahrscheinlich. ') Auf jeden Fall ist aber Pilot seinen
Vorgängern SylviuB und Meigret gegenüber sehr selbständig m
(8. 76) aijme: It seeond cumme Amen, Atmet Le troitiesme & gua-
trittmi, tont commc A mar em. Aymeraie, Aymasse. L: grrt ri
comme Amabam, aymoie & ttertcho/ Antartm, aymoie ■•
Le tecond prtuterit est ectuplr ponr vmj lenl Latin Amaveris. Lei
quatres premier* ml In penpHratt timpf- 6 ttdt prent*.
A*, Ayes, Aurait & par le praeterit imparfaict. Auoit: (amme, Veu
que tu as ai/me, Combien que tu ayes (S. 174) a., O quo volon-
tier! tu aurait a., Vcu qua tu auoit a, etc. — Nathanael G. 30ff.
endlich teilt die Verbo in Activa und Neutra, die Tem|
Praet).. Imperf.. Praet, determi natum (i'allay), Praet, indeterininatani
/i'ai/ reu), Plustpiamp., Fut.; die Modi: Ind., Iuiperat-, Optat. {ljupert.:
Heust a Dieu que je dontuse od, volontiert vel o que, vel qu<
riroisj. Conj. (nutl-\ hiihet /iee-ii/iiire.t tirminttiiitnrs), Inf.
') Die Epistola Pilots ist Lutetiae 29 Junii 1550 datiert, nnd t
VerUgsprivileg vom Sjuület 1560, es darf also eine Bekanntaehaft a
Meieret a 1550 in Pari« erschienenen] Buch sehr wohl aagenouuB
werden. Leider iHt Meigrets Vorrede nicht datiert auch ein Viih,.
Privileg nicht vorhanden.
Plan einer Geschichte der französischen Grammatik etc. 281
fahren und hat das Verdienst die Verballehre weit übersichtlicher
als diese dargestellt zn haben, weshalb auch seine Nachfolger sich
ihm ziemlich eng anschliessen, ausgenommen nur Estienne, der,
nicht zum Vorteil seiner Behandlung, sich enger an Meigret
anlehnt J. Garnier — von Raums und Duvivier ganz zu
schweigen — kann nicht beanspruchen die französische Verbal-
lehre fortgebildet zu haben ; dass er sich abgemüht hat, die Ver-
mengung von Optativ und Konjunktiv zu beseitigen, wird man ihm
nicht als Verdienst anrechnen können. Nur Caucius geht Über
Pilot hinaus, doch steht auch er der Hauptsache nach auf dessen
Sehaltern. Noch deutlicher tritt die Bedeutung der Pilot'schen
Hstituiio in der Gruppierung der Konjugationen hervor. Sie ist
es nämlich gewesen, welche die heutige, vom Lateinischen
völlig abweichende Aufeinanderfolge (nach den Inf. auf -er, -ir,
-vir, -re) aufgebracht und ihr bald auch ziemlich allgemeine
Geltung verschafft hat.1)
l) Dieselbe Einteilung beobachten nach ihm: Duvivier, Caucius,
Nathanael G. 1584 (8. MO), Hulsius 1602, Ph. Garnier 1607, Cotgrave
1611, Maupas 1618 S. 99, D. Martin 1622, Wodroephe 1623 (8. 48 fX
Spalt 1626 (S. 141), A. Oudin 1633 (8. 126), Du Gres 1686 S. 67 ff.,
DhuSz Guidon 1646 (8. 52), Dela Vignette 1643 (S. 67), Rayot 1643
(S. 66), D'Arsy 1650 (S. 50) Pourel de Hatrize 1650 (8. 64), De la Grue
1654, de Trou 1656, De Fenne 1680, Preye 1670, Gravius 1671 (126),
Teppatus 1672 (8. 129), Le Pougeois 1674 (S. 277), Mauger et Festeau
1715 (S. 74) und die für Italiener bestimmte Grammatik von Lonchamps
(ed. 1668); die erste für Franzosen geschriebene Grammatik, welche
rilot's Gruppierung angenommen hat, ist, eoviel ich sehe, die von DuVal
1604 8. 209 (S. 204 erwähnt er allerdings noch die herkömmliche latei-
nische), spätere sind die von Chifflet 1669, Desmarais 1707. Dagegen
wich J. Garnier (S. 53) von Pilot's Anordnung in sofern ab, als er
drei regelmässige Konj. (auf -er, -ir, -re) und eine vierte unregelmässige
(faire, aller) aufstellte, freilich liess er die Verba auf -oir dabei völlig
ausser Acht. Ähnlich kennt Berault noch 1688 drei regelmässige
Konjug. (auf -er, -ir, -evoir) und eine unregelmässige. Schon Palsgrave
(8. 87 und 392 f.) hat übrigens 3 Konjugationen angenommen, nämlich
je eine auf -er, auf -yr (Inchoatwa), und auf -re, -yr oder ~oyr, während
Barton und Du Wes noch auf jede Einteilung verzichteten, Sylvius aber,
Meigret, R. Estienne, Ramus 1572 (während, er 1562 8. 16 nur zwei
espeC/QS anerkennt nach den Jetre' figurativp de' rasinps E, /und als
Paradigmata: eimer und batir gibt), Theveninus 1590, Cl. Holyband's
Littelton (ed. 1630 S. 203), Serreius 1598, Cachedenier 1600 (S. 156),
Lentulus 1603 (S. 38), Doergang 1604 (S. 148), Masset 1606, Bernhard
1607, De la Faye Institutiones 1626 (8. 204), A. Fabre in seiner fr.-it.-sp.
Gram. 1626 und eine 1647 in Cassel erschienene Unterweisung von C. fc.
(Verzeichn. No. 155), ja noch Caffa 1661 im zweiten Teile seiner Directio
(8. 81, und zwar ohne irgend wie auf den Unterschied gegenüber der
im ersten Teil S. 17 befolgten Pilotschen Reihenfolge hinzuweisen) bei
der lat. Reihenfolge blieben, und Potier d'Estain 1603, sowie sein Pla-
giator Lubinus 1604 (armer, respondre, bastir, de v oir) oder Mesgnien
382 E. Stengel.
Erwähnenswert iet ferner, was Pilot Aber die Grundformen
der französischen Konjugationen sagt. Sobald man, bemerkt er,
ausser dem Inf. noch das prius und posterius perfectum sowie
das Thema oder das Praos. ind, eines Verbums wisse, Iota ipsuu
eanütgatio erit faciltima (26 v°). Das Thema gewinnt man, wie
er Hi der späteren Bearbeitung hinzugefügt hat, ans dem Infinitiv,
durch Tilgung des r in der 1. Eonj., ebenso oder durch Tilgung
einer ganzen Silbe oder durch Verwandlung derselben in der 2. Konj.,
durch Beseitigung der letzten Silbe in den Verben anf -re der
3. und 4. Eonj., aber bei denen auf -oir der 3. non eadetn modo. ')
Unregelmässigkeiten der ersten Konjugation hat P. gar nicht
angeführt, ebensowenig hat er eine Gruppierung der verschiedenen
Verba der zweiten, dritten und vierten Konjugation versucht. Der
dritten ztthlt er übrigens auch die Verba auf oire, aire, outre
1649 faimer, bastir, rendre, devoir) eigentümliche aufweisen. Erwähnens-
wert ist, was Bernhard in seiner gegen Ph. Garnier gerichteten Cen-
sura 1607 Bl. VI v° sagt: Vtrbum in t> quod Omnibus reliqais Gramnia-
ticis est quartae conjugationis, ad imttationem Lalinorum . . . , tibi est
secundiie, Esto. Der einzige, welcher die neue Reihenfolge motiviert.
ist, soviel ich sehe, Maiipas, welcher Bl. 99 f. sagt: 11 me sembte ev
. . . Od pourroit . . departir tous not verlies en deux classes. La premiere
seroit des Regulier! . . La seetmde des irreguliers . . Toutci feit
dautani que, pour en quelque surfe imiter les Latins, la eoutupw.
a prins pied de les distribuer en quatre ordre*, qu'on appeiie Cox-
jugaisons, afin de ne rompre etile coutume. je m'y aecomoderay ä m
fantasie , sans negliger fatilre departemenl. — 11 y a de la varieü dopt-
ntonj en [ordre de ces conjugaisims icy, aueuns faisans seconde. etat
que (fautres comptent pour iroisieme etc. El n'itnporte pas beaueoup.
De moy, ie suivray fesgard qu'ont eu les Grammairiens Latins ä Carra*-
gement de teurs conjugaisons, qui ont ngarde d la mite (BL 99 V) da
voyetles . . . eela sert a la memoire. — Aussi feray-ie nostre premiere ie
ceux esqueh a & e, regnenl. Scavoir, e au tkeme & en Cmfinilif, & a
au premier preterit simple & deftni . . . Apres siät i, & parlmnt ie luv
donne la seconde compagnie ... 0 marehe apres, qui m oeeasiomne de
metlre en troisiemn escadron ceux aus quets la dipihonge oy, fait la ter-
minaison du thetne. Et oir, ou oire, Celle de rinfinitif '. . . (BL 100).
A la qualrie'me eonj. i'atiribue ceux qui ont re, en Cinfinilif avec vnt
consone precedente.
») Bereits Sylviun S. 121 und 136 operiert mit dem Thema: Ex
tnfinitiuo thema primae (sc. eoniugafionis) fades, ablato r postremo, & e
in i, & praeteritum partieipium e in e. Über die übrigen 3 Konj. ver-
weint er auf das Etimologicum. Nach J. Garnier S. 46: Coniugatwnes . .
ä praeteritis perfectis indicativi, sed perfectius ab mfinitiuis dignoseuntur . .
4, er; i, ir: & u. re: omnivm regularium conutgalionum sunt notae. Und
unter der Überschrift: De nraes. tempore iiulic. heinst es ebenda : Thema
seit eaput euiuseunque eerbi f actis deprehenditw hoc modo: ... s in sec.
pers. smg, praes. ind. ... si auferas, ul quod remanebit erit thema seu Ca-
put eerbi . . . Vel . . . iti prima conivg. omnia verba Iiabent e üt capUe . .
In fecund« vero & lertia ...in tertia persona praes. sing. mdic. semper
Plan einer Geschichte der französischen Grammatik etc. 283
und aistre bei, gerade wie Ute der zweiten. — Ähnlich Da Gres
1636 S. 71 f., welchem lire, dire zur zweiten, croire, boire zur
dritten Konjugation gehören. — Gleichwohl übertrifft seine Dar-
stellung an Ausführlichkeit die aller älteren und auch die der
nächstfolgenden Grammatiken bis Duvivier. Erst Caucius 1670
bringt weitere Details und eine leidliche Gruppierung, wiewohl
auch er noch die Verba auf oire zur dritten Konjugation rechnet.
— Die Partizipiallehre beschränkt sich bei Pilot auf die Paradig-
mata aymant und aym£% wozu noch verkürzt die von creu,
craincL, rompu ohne jede Erklärung gefügt werden.
Der Abschnitt: de partibue indedinabüibus wird durch die
Lehre vom Adverb eröffnet. Pilot unterscheidet : adverbia in loco,
ad locum, de loco, temporiSj numerancU, ordinis, interrogandi, vo-
candiy respondendi & demonstrandi, dubüantis, simiUtudinis, exul-
tantist dolentis. Es folgt eine Aufzählung der lateinischen Prä-
positionen und der ihnen entsprechenden französischen, dann eine
solche der Conjunktionen (copulatiuae, disiunctiuae, causales, ra-
tionales & relatiuae, expletiuae, aliae inseruiunt excepUombus).
Wie bereits erwähnt, ist der Gebrauch der hier aufgeführten
Worte durch Belege aus R. Estienne's Dictionarium mediocre illu-
strirt. Mit einem dies besagenden Vermerk schliesst der Ver
fasser seine, wie die obigen Ausführungen ergeben haben, in
mancher Hinsicht der Meigretschen Grammatik weit überlegene
Instüutio.
habent Uteram t. Hanc si abstuleris, quod remanebit erit capud verbi.
Bei Palsgrave, Meigret, R. Estienne, Du Vivier und Caucius ist der In-
finitiv die einzige Grundform und vom Thema wird überhaupt nicht
gesprochen. Dagegen spricht sich Nathanael G. 1584 S. 39 ausführlich
darüber aus: Prima persona (praes. ind.) voca.ur thema, quod gignitur
ex infinitiuo ablata vltima litera (in 1, 11 & lllconiug.) vel vltima svüaba
(m postrema conhtg.).. . Excipiuntur primum IL coniug. haec verba: ie
pu, sers, dors, mens u. s.w., item: ie cueille u. e. w., item; ie sau,
fau u. a. w., u. s. w.
E. Stengel.
Anhang
zum Verzeichnis französischer Grammatiken.
Oeit Erscheinen meines Verzeichnisses französischer Grammatiken
hübe ich Gelegenheit gefunden, den Bestand 4 weiterer Bibliotheken
(Bonn TL; Dijon St. B.; Metz St. B.; Trier St. B.) an einschlägigem Ma-
terial aufzeichnen zu können. Ferner habe ich mir aus 5 Bibliotheken
(Berlin K.B. ; Darmstadt Oh. B. ; Gottingen L" . ; Hamburg St. B. ; Münster A.)
eine grössere Anzahl Werke zu genauerer Einsicht schicken lassen.
Ausserdem hat mir Kollege Behrens freundlichst gelegentliche Notizen
aus anf französische Bibliotheken bezüglichen bibliographischen Werken
zur Verfügung gestellt. — Zahlreiche Nachträge wird, wie Bohrens be-
merkt, besonders die systematische Ausbeutung der Bibliographie Uni-
verseile des Grammairiens von Delmasse gewähren. Allerdings ist dieses
handschriftlich in der Pariser National -Bibliothek (Ms. fr. 12 852 — I)
aufbewahrte Verzeichnis nur mit grosser Vorsiebt zu benutzen, da es
viele ungenaue Angaben zu enthalten scheint. — Einige weitere Berich-
tigungen verdanke ich Herrn Gr.-L, Grosch in Gotha. Ich theile nach-
stehend nur die wirklich wichtigen Besserungen und Ergänzungen mit,
behalte dagegen die Ergänzung unvollständiger Titelangaben und ge-
ringfügiger Ungenauigkeiten einer neuen Ausgabe vor.
S. 6. Weitere Tractatus-Eiemplare von Beza's Schrift besitzen: Bonn U.
und Königsberg TL, das Exemplar von Hamburg St. B. hat den
Zusatz nicht.
S. 15. Anm. Zu R. Kstienne's und Beza's Bezeichnung der „deutschen
Buchstaben" als Utterae gntlicae reep. franeicae vgl. noch Tory
Champfleury 1S29 Bl. 72 v*: Not Icllres Franeoises ne tont pas
ainsi prises ne des Grecques ne dez Laiines, mais plustost tont ex
leur Figure icy Xatiues j- Domestigues. On porroit loutes/ois penser
quelle) ont quetgue resembUmce en "'- " '
gtie pour la plus grande parlie i
diceUes.
S. 20. 7) noch: Dijon St. B.: 10268. — 10) noch: Münster Ac: Z* 73.
Diesem Exemplar sind folgende 15 literarhistorisch wichtige Drucke
angebunden: 1. Exhorlation aux li-inees Chrestiens pour te fait dt
la Itiix. Paris, A. WecheT 1558 (4" 40 S. Prosa). 2. Exhorlation
pour la Paix p. P. de Kon Bar d Vmtumois ib. 1558 (4° ö Bl. Gedicht).
3. Exhortation au Camp du Roy pour Oien contbatre te iour de la
Oataiäe [p. Ronsard] ib. 1558 (4B 4 Bl. Gedicht). 4. Chant de Zieste
Tov p. P. de Eonsard Vandomois ib. 1559 (4° 4 Bl. Gedicht).
jblication de Paix entre . , . Henry deuxiesme . . . & Philippe)
,, les Roy & Royne dEscosse, Dauphins, dt la Royne d Angleterre
. Paris le Vit iour dAuril 1559. A fnris Povr Jean Daher . . .
u Roy i
. Publica
E. Stengel, Anhang zum Verzeichnis französischer Grammatiken. 285
1559 (4° 4 Bl. Prosa). 6. Charit Pastoral de la Pmx p. B. Belleau
ib. A. Wechel 1559 (4° 10 Bl. Gedicht). 7. Remonstrance aupeuple
Francoys, de son deuoir en Ce Temps enuers la Maieste du Roy.
A faquelle sont adioustez troys Eloges, De la paix [a P. Ronsard],
De la trefue [a J. du Bellay], & De la guerre [a Estienne Jodelle)
ib. 1559 (4° 14 Bl. Zwölfsilbner , als Verfasser unterzeichnet: Cr. des
Antels). 8. Discours a . , . . Monseigneur le duc de Sauoye. Chant
pastoral a Me. Marguerite, Duchesse de le Sauoye. Plus, XXIV
irtscriptions en faueur de quelques grands Seigneurs, lesquelles deu-
oycnt seruir en la Comedie gu'on esperoil representer en la maison
de Guise par le commandemenl de Monseigneur le Reuerendissime
Cardinal de Lorraine. Par Pierre de Ronsard Vandomois ib. Robert
Estienne 1559 (4° 8 Bl. Verse). 9. L1 Hymne de ... , Charles Car-
dinal de Lorraine v. P. de Ronsard Vandomois ib. A. Wechel 1559
(4° 16 BL). 10. Epithalame sur le mariege de Monseigneur le duc
de Lorraine, & de Madame Claude Füle du Roy. Chante par les
Nymjphcs de Seine & de Meuse Par R. Belleau ib. 1559 (4° 15 S.).
11. Chant pastoral sur les nopces de Monseigneur Charles duc de
Lorraine, & Madame Claude fille 11 du Roy p. P. Ronsard Vando-
mois ib. 1559 (4° 20 8.). 12. Chant de joie du iour des Espousailles
de Francois roi dauphin et de Marie Roine ä'Ecosse p. J. Ant. de
Baif ib. 1558 (4° 8 SX 18. Suyte de r Hymne de tresitluslre Prince
Charles Cardinal de Lorraine [p. P. de Ronsard Conseiller & Aumos-
nier ordinaire du Roy & de Madame de Sauoye] (4° 4 Bl. Titel fehlt).
14. Vailegrezza publica et ringratiamenti fatti a Dio Daüa Santitä
di iV. S. Julia Papa III. Et dal sacro CoUegio, & da tutto ü popolo
di Roma, per il felicissimo ritorno del Regno (V Inghüterra aäa catho-
lica vnione, & aäa obedientia della Sede Apostotica (o. J. u. 0. 4°
4 Bl.). 15. Canzone von Gabriel Symeoni (4° 5 Bl. ohne Titel).
3. 20. Anm. Dolet's Iraile. Lyon 1542 vorh.: Dijon St. B.: 10271.
3. 21. 11) 1561 Paris noch: Bonn ü.: Ca 314. — id. 1563 Antwerpiae
str.: Darmstadt Gh. B. (dies vielmehr Exemplar einer früheren Aufl.
(Vgl. hier S. 261 Anm. 1). — id. 1575 noch: Trier St. B.: G 194. —
— id. 1620 noch: Trier St. B : G. 167.
3. 22. Anm. Eine weitere Aufl. des: Diccionario Coüoquios o Dialogos
in 4 Lenguas. Bruxelles, Jean Mommaert 1624, vorh.: Trier St. B.;
G 185. — id. 1579 Coüoquia etc. noch: Trier St. B.: G. 182. — id.
id. Genevae 1651, vorh.: Mainz St. Bl.: hh 4.
3. 23. Anm. id. 3) Der New Barlamont jetzt zum 3. mal gemehrt und
gebessert durch J. D. D. (a. m. frz. Titel) o. 0. 1615 (8° unpag.
A— F8) vorh.: Trier St. B.: G. 187. — 15) erschien erst 1656 statt
1556. — 16) Die zwei ältesten Ausgaben von R. Estienne's Trakte
sind identisch. Noch vorh.: Dijon St. B : 10270. Vgl. [id.] Les
decUnaisons des ßioms & verbes . . . Ensemble La moniere de tourner
les Roms, Pronoms, Verbes . . . Paris. Matthieu Dauid 1551 (8P 196 S.
fehlt Repertoire). Vorh.: Trier St. B.: G. 630.
3. 24. Anm. Meurier's Diction. ib. 1571 u. 1570 2 Tl. Anvers, vorh.:
Trier St. B.: G. 312. — Seine Dialognes ib. 1562 ebenda: G 624.
5. 25. 19) noch Trier St. B.: G 624. - 20) id. 1587 (Stimmt Seite für
Seite zu ed. 1572, doch beginnt die Paginierung bereits mit der
Preface. Der Drucker giebt an, von Bourset zu der neuen Ausgabe
veranlasst zu sein, dem er auch certaines de notables corrections quil
a tirees de FAutheur mesme de son viuunt verdanke. — 21) Anm.
Vgl. flieronymi Cingularii Aurimontani tersissima Latini eloquii
Synonymorum collectanea, non modo epistolas, uerum etiam carmina
86 E. Stengel.
aaUr« uoUntibus .... Am SchluM: Jpuä ätelytam Cal#ni*M Ser-
ooriKf CrvphUmm exoudtbat Ä. 1524 meiue Auguito (8° 80 nnge-
*ahlte Bl. fohlt Repertoir«), vorh.: Trier Bt. B.: G. 520. — 22) Holy-
band's French Muteten 1630 I. Dedikation datiert vom 25. Man 1597.
Sie besiebt lieb auf den Frenche - Schootemaster und ergiebt, du
dar Mttieton nur eine Neubearbeitung des letsterau i»t. Der Titel
ist dem damals landläufigen juridischen Compendium Littletims
Unwrei entlehnt. — 24) Caueins sehrieb auch; byntaxis [Utfma] dt-
luciäo compenäia scripta. Hardrovici, Typis Th'omae Uenrici 1616
(8° 4« 8.), vorh.: Trier 8t B.: O. 60. 3°.
:. 26. 24) — id. 1586 noch: Meti St. B. : P 868.
I 27. 29) noch: Trier 8t. B.: G 154. — 30) noch: Bonn ET.: Ca 314;
Dijon St. B.: 10269. — 31) 1583 noch: Bonn ü.: Ca 314.
!. 28. 3») id. 1603 noch: Trier St B.: G. 587. — id. 1613 noch:
Darnmtadt Gh. B.: C 1011. 1.
I. 29. 38) ed. 1614 dem Landgrafen Otto von Hessen von Hulaius Söhnen
in der Hoffnung gewidmet, das« es dadurch, toit d'aulattl mieux
recommande aux audtieurs du Profetteur de ta Umgue Fraafoiie,
Mstitu*" vor Monsieur volre p'ere (d. h, Landgraf Moritz) en Fancienne
& treriuustre Acadcmit de Marbourg. — 39) o. J. Das Exemplar
der E. B. Berlin gehört einer anderen Ausgabe an , welche mit der
ed. pri*c. bis auf das Fehlen dee Drnckjahree identisch ist Die
Dedikatioiuepiitel ist datiert: Argentorah VI Cal. Febr. 1598. -
— id. 1603 o. ff. wohl ein wie dem Titel bo auch dem Inhalte nach
von dem voraufgehenden wesentlich verschiedene« Werk.
L 30. 39) id. 1618 noch: Bonn IT.: Ca 315. — id. 1648 noch: Trier
St. B.: G 321. — Tilge: id. 1627. — 41) 1. WetseliM.
:. 31. 45) noch: Trier St B.: G. 169. - 47) noch: Trier St B. T : G 158
(übrigens ein unverschämte« Plagiat von n° 44).
1. 32. 50) Vgl. noch: FrantzGstiche LonjttifatWHesConjug. francoaet Franc-
fort mprimeet pow M. P, Hegus & Ib'ii Brachfeld 1SB9 (8° 64 &
Eine Art Gram.) Vorn.: Berlin K. B.: Xs 2596. — 51) Beide An»
rben von 1606 identisch, noch: Dijon St. B.: 10346; Met* St B.:
484.
1. 33. (3) 1421 vorh.: Paris N. B.
I. 35. 68) noch: Trier St. B.: G 168.
). 37. 75) noch: Darmstadt Gh. B.: C 1015.1.
L 38. 77) id. 1629, vorh.: Trier St. B.: G 627. — 78) noch Trier 8t B.:
O 181. — 81) id. 1636 Douai, V Marc Wyon (siehe Dutbilloeul Bibl.
donaia.). -' id. 1648 noch: Trier 8t. B.: G 152.
I 40. 86) id. 1668 Venetia, Michicl Miioco: La itovistim* Gram. deUe
trt Ltnaue tu, vorh.: Darmsiadt Gh. B.; Trier 3t. B.: G 604.
J. 41. 87) id. 1711 Cöln (8») vorh.: Mets St. B. : K. 1036. — 90) Anm. 2)
Ra-yot'a fiflMM enthält von S. 113 an eine Grammatik unter dem
Titel : La bäte ou le vray Ftmdement de ta L fr. etc.
J. 42. 93) 1647 noch: Trier 8t. B.: G 153. — id. 1650 Antwerpiae,
Apud vidflam Cnobbari (8° 96 S. anonym), vorh.: Trier St. B.: G 183.
). 43. 98) id. 1671 Amsterdam, A. Woli'ganck: Franttke Letlerkoiut etc.
(12°). Vorh.: Bordeaux. — 100) Schon 1639 ib. vorh.: Metz St B.:
Q 1091.
J. 44. 100) id. 1659 Antwerpen (8° 70 S. Frühere Aufl. der anonymen
Inleydingen v. 1664), vorh.: Monster Akad.: Z* 83 (s. Vorw.).
%. 45. 107} 1657 Vorh.: Amiens. — 108) Bense en Pnia (?) noeh: Bor-
deaux. — 110} Schon 1656 ib., Job. Martin 2d ed. id. 1708 ib.
— id. 1689 Bordeaux (8°>. Alle 3 vorh.) Nantes.
Anhang zum Verzeichnis französischer Grammatiken etc. 287
S. 4*. 112) identisch mit 131). — id. 1692 u. 1697 noch: Trier St B.:
G 156. — 112a) 1659. Ablerne. Nouveües grammaire ital. et franc.
Paris, Raffln [8°], vorh.: Bordeaux. — 115) 1664 noch: Metz St. B.:
L 1099.
8. 47. 120) noch: Bonn ü.: Ca 315. — 122) noch: Trier 8t. B.: G 150.
Sl 48. 127) stimmt grossenteib wörtlich mit De ia Grue (98) ttberein. —
id. 1669 (anonym) noch: Göttingen U.: Ling. Gall. 1342 (tilge: id. o.
J. u. 0.).
S. 49. 131) id. 1687, vorh.: Amiens. — 1691 noch: Metz St B.: L 1112.
— 1700 noch: Nantes. — 1706 noch: Dijon 8t. B.: 10318. — id. 1722
ib., vorh.: Paris N. B.
S. 51. 187/ 1680 Lngd. noch: Trier St. B.: G 179. ~ id. 1694 Franeof.
& Lipsme. — id. 1713 nemo edita Lngdani Bai Beide vorh.: Trier
St B.: G 309 u. 155. — 141) Tilge: Gravianns.
8. 52 144) 1681 noch: Bonn: IL: Ca 316.
S. 53. 148) — id. 1714 ib. Vorh.: Trier St B.: G. 569 — 149). Bessere:
Le Pougeoi*. — 155) Bessere: 1647 C. K. (Unterchrift des Avis au
lecteur) st. 1677. — 156 a) 1677. Syntaxe fr. pottr fusage des esco-
Hers des Colleges de La Compagnie de Jesus, Par un Pete de ia Com-
pagnie. Amiens, G. Le Bei (8° 1 vo.l). Vorh.: Amiens. (Vgl. No. 352a.)
— 157 a) 1677 De La Chambre, Jaques. — La trage Instruction de
ia L fr. (franc. et flam.) Rotterdam, U. Goddaeus. Vorh. : Bordeaux
— 158). im Avis wird erwähnt, dass Maucondny froher in Paris
chez M. Leonard eine Petite gram, principalement pour ies Franfois
veröffentlicht habe. Vgl. No. 142.
8. 55. 166) 1687 noch: Bonn TL: Ca 316. — 168) 1682 noch: Metz St
B.: L 1123; Trier St. B.: G 310.
S. 56. 171) Schon: 1678 Roma, vorh.: Paris N. B. — 176) Schon: 1681
ib. vorh.: Trier St. B. : G 161. (Die Zensur- Erlaub nie vom 20. Juni
1679 riebt an, dass das Buch schon 1678 in Bologna gedruckt war.)
S. 57. 177) 1685 noch: Dijon St B.: 10286 — id. 1687 (Bd. II, 1. Aufl.)
noch Metz St. B.: M 1039-40.
S. 60. 191) id. 1737 u. 1749 Leipzig vorh.: Trier 8t B.: G 159.
S. 61. 191) 1780 noch: Bonn TL: Ca 319.
8. 62. 192) id. 1724 ib. vorh.: Trier St. B.: G 162 — 195) 1690 noch:
Bonn U.: Ca 316 — 1718 noch: Metz St B.: L 1125 — 197) 1698
noch: Darmstadt Gh. B. : 1261/20.
S. 64. 204) — id. 1701: Gram, fr.-all., Berlin, Hob. Roger (8°) vorh.:
Metz St. B.: L 1122 — 205) id. 1702 Am st. 2. Aufl. (nach: 8 A. 1718).
209) 1696 noch: Metz St. B.: K 1038.
8. 65. 209) 1720 noch: Bonn IL: Ca 3 17. — id. 1737 noch: Dijon St. B.: 103 19.
S. 67. 217) [Renand, Andre'.] (?) - 220a) 1698. Maria, Pierre. Methode
famiiiere pour ceux qui commencent ä s'exercer dans ia l. fr. (10 feuilles,
8°). Amsterdam, Heritiers de ia Veuve de Groot, — id. 7. ed. [nach: No.
205 ed. 1718, S. 368].
S 68. 222) id. 1768 Dublin, vorh.: Bordeaux, id. 1779 Nantes, vorh.: Nantes.
S. 69. 225) 1713 11. Ausg. noch: Darmstadt Gh. B.: C 1017.2. — id. 1728
und 1751 ib., vorh. ebenda: C 1018.2; 1019. 2. — id. 1731 ib. vorh.:
Trier St. B.: G. 623. — 227 a) 1700. Arte das IAnguas Franceza &
Pmrtugueza. Lisboa, Miguel Deslandes (8° nach No. 249, 1712 Bl. 3 v°).
— 230 a) 1701. Mannory. Gram, et Dict. fr. et esp. Paris, Barbin.
— id. 1704 ib., beide vorh.: Lyon. - 236) 1704 — id. 1710 ib. —
id. 1722 ib.: Manuduciio ad ling. gall . . . Herum resurgens . . . olim
nota sub hoc nomine: esseniia Linguae galt. (12° 12 Bl. + 360 S.)
Aüe drei vorh.: Trier St B.: G 433, 151, 313.
288 E. Stengel,
S. 70. 236a) 1705 Essai de la Gram. Portugaise & Franchise, entert ceux
gui scachants la Franeoise veulent apprendte la Ihrlug. Lisboa, Pe-
droao GalrSo [40 nach: No. 249) 1712]. — 237) Schon 1701 ib. vorh.:
Mönater Akad.: Z* 101 (Streiche: id. o. J. u. O.). — id. 1717 ib. 4.
Track, vorn.: Trier St B.: G 171. — 240) 1706 Paris noch: Dijon
St 8.: 10310; Hetz St B.: F 673. — id. 1706 Uruiellee, noch: Bodo
D.: Ca 317.
S. 71. 245) 1708 noch: Trier St B.: G 172. — 247) 1714 noch: Trier
St. B.: G 559. — id. 1723 noch: Bonn U-: Ca 317: Trier St B.:
G 164 — id. 1728 Suite de ta ffr.... ou Tratte de Ibdtie ... Bd. D:
rat. de Cctoquencc, noch Bonn: U-: Ca 317.
248) Keine eigentliche Gr., handelt nur von Orthogr., Aussprache
u. d. Gebr. d. Partieipia. — 249) id. 1712 A la Haje, Adrian Moet-
jena: Gramm, franeoise et portugaise . . . (8° 311 S.) Vorh.: Trier
St B.: G 177. — id. 1766, Liaboa (8») vorh.: Bordeaux.
S. 73. 253) Erweiterte Fassung von 248).
S. 74. 260) Doch: Darmetadt Gh. B.: 1275. 1.
S. 75. 263) 1760 noch: Bonn ü.: Ca 318. - 2671 id. 1711 and 1740
Paris, 1712 und 1738 Brnielles, sämtlich vorh.: Lyon — id. 1777.
An Leon de Francut, P. Brnye et Ponthus (12°), vorb.: Bordeaux; Lyon
— id. 1784 ib. (12«) vorh.: - 268) Schon: 1678 London; — id. 1740
Rotterdam, beide vorh.: Lyon — id. 1728 noch: Gotha H. B.
S. 77. 271) 1719 noch: Bonn U.: Ca 317.
S. 81. 300) id. 1737 Paris (8°) vorh.: Terdun — id. 1740 ib. vorh.: Amieu
— id. 1745 und 1749 noch: Darmstadt Gh. B.: C 1279.1; 1280. 1. —
id. 1750 vorh.: Met» St B.: L 1111.
S. 82. 300) 1773 und 1786 noch: Bonn U.: Ca 320. — 303} Et sind die
Principia linguae Burgundicae (No. 266) in einer teutscheu Kleidung
(der Vorrede nach) — 303a) 1734. Le condueteur ä la iiraie cm-
noissance de la langue fr. tire de diverses gr. et diahgucs fr. et all.
Wesel, D. von Baeghem (8°) vorh.: Bordeaux.
S. 83. 304) - id. 1754 ib. 4. AuB. (8°) vorh.: Bonn D.: Ca 318.
S. 84. 313) noch: Bonn U.: Ca 317. —314a) 1738. De Rostren «n, Laibe
Gregoire. Gram, fr.-celt. ou fr.-brclonne. Renne», J. Vatar (8^) vorh.:
Mete St. B.: P 870.
S. 85. 315a) 1739. Methode famüiere pour les petites tlcoles. Toul, L.
et Etienne Rolin. (S°), vorh.: Mete St. B.: K 1037.
S. 87. 323a) 1741. Methode pour apprendre n tire le Fr. & le Lat. par
un tistime si aise et si naturel, qu'on y faxt plus de progris eit trois
Mois qu'en trois Jus par la Methode ancienne et ordinatre . . . Paris,
Charles Hcette etc. (8*> 85 + 218 8. Dem Privileg nach vom Sieur
de Lannay, vgl. No. 119.) Vorh.: Araiena; Trier St. B.: G 184. —
330) 1743 noch: Bonn U.: Ca 317.
S. 88. 334) id. 1766 ib. Dessaint et Saillant, vorh.: Metz StB.: L 1109.
— 335) 1757 noch: Bonn U.: Ca 318.
S. 89. 339) noch: Metz St. B.: O 846.
S. 90. 340) 1747 Paris noch: Darmetadt Gh. B.: C 1286. 1; Dijon StB.:
10320.
S. 91. 351) 1752 noch: Bonn U.: Ca 317.
S. 92. 352a) 1752. Abrege de Gram. Franc, ä Zusage des Colleges de la
Compagnie de Jesus. Revue corrigee et augmenlee. Namur, Pierre
Lambert Hinne (8° 94 S.). — id. 1770 ib. (Nach F.D. Doyen, Biblio-
graphie Namuroise, Namur 1887, No. 77). Vgl. No. 156a.) — 352b)
1752. Gramm, franc. redigee en langue russe, suivie d'ttn reeueil de
tnots francais et russienr. St P&ersbourg (8°). Vorh.: Verdun. —
Anhang zum Verzeichnis französischer Grammatiken etc. 289
— 353 a) 1752 Daooeta, I. Gramm, nouv. franc., angl. et espagn. en
12 lecons dialogismes . . . Bruxelles, Fr. Foppens (8°) vorh. : Nantes.
— 355) 1753 noch: Bonn ü.; Ca 318; Darmstadt Gh. B.: C 12861.
8. 93. 359) 1777 noch: Dijon St. B.: 10321.
S. 94. 359) id. 1826 ib., P. Maumas (8° 548 S.), vorh.: Dannstadt Gh.
R: C 1290. 1. — 360) vorh.: Dijon St. B.: 10311. — 361) 1754 noch:
Bonn IL: Ca 318.
8. 95. 371) id. 1767 ib. 4. ed. (8°) vorh.: Bonn ü.: Ca 320. — id. 1769
ib. J. Barboü (12°), vorh.: Metz St. B.: Q 1082. - 372) id. 1761 ib.
vorh.: Bordeaux.
8. 96. 380) noch: Bonn ü.: Ca 319. — 381a) 1762 La scknce des en-
fanls . . . T. Ier (seul) contenant la Grammaire fr. Amsterdam (12°
nach Frizon: Catal. de la bibl. de Verdun: 2933). — 382) id. 1764
Nizza, vorh.: Lyon. — id. 1768 Torino, vorh.: Bordeaux. — 884)
1763 noch: Bonn ü.: Ca 319. — id. 1764 ib. 2. verb. Aufl. (8°), vorh.:
ebenda. — 386) Schon: 1758 ib.: Sccond ed. (8°) vorh.: Bonn ü.:
Ca 319.
8. 98. 394) id. 1789 Madrid, Benito Cano 9. ed. (4°), vorh.: Nantes. —
395. 1721 noch: Bonn ü.: Ca 321. — 395a) 1768. Burel. Principes
abrege's de la gram, generale et de la gram. fr. Lyon (12°), vorh.: Lyon.
S. 99. 404) id. 1778 ib., Nyon (12°) vorh.: Bordeaux.
S. 100. 416 a) 1774. Cornelia, Louis. Beknopte en klare Leerwyze der
Fr ansehe Taale. Tweede druck, vtrmederd etc. Utrecht (8°), vorh.:
Bonn U.: Ca 321. — 421) Anm. 1) Der Dwcours noch: Bonn U.:
Ca 320.
S. 101. 424) Schon: 1771 Utrecht, J. van Schoouhoven & Comp. Derniere
ed. rev. (8° 10 Bl. + 460 S.) Vorh.: Trier St. B.: G 316. — 425)
id. 1783 ib. Neue verm. Aufl.: Akademische Übungen in d. fr. Spr.
(#>) vorh.: Bonn U.: Ca 321; Neisse G. — 426) 1776 vorh.: Bordeaux.
— 432 a) 1778. Cours d'etudes ä Cusage de C EcoU militaire, com-
prenant : Petites gram, franc., tat. et grecque Paris (1 2°) vorh : Verdun.
S. 102. 436) 1782 noch: Dijon St. B.: 10321 bis. — 440) id. 1787 ib.
vorh.: Nantes. — 440a) 1780. Guedell, P. A ISew idiomatical Guide
to the french and engl, languages. Bath, I. Salmon (8°) vorh.: Nantes.
S. 103. 442 a) 1781 Cumerling, Jean. JS'ouv. gram. fr. ft'iewe frensche
Spraakkonst etc. Amsterdam, J. F. Rosart, (8°) vorh.: Nantes. — 443)
1781 vorh.: Nantes. — 446a) 1782. Gramm, fr. -allem, reduite en lables
ä Cusage des dames. Berlin, 2 vol. (8°) vorh.: Metz St. B.: I 939,
vgl. No. 271. 339, 428, 429. — 446 b) 1782. Livre elemeniaire pour
apprendre ä bien lire en fr. et pour apprendre en mime temps les
principes de la langue et de Corthographe. Liege (nach: De Thou,
BiNiogr. lieg. p. 680) — 447) 1782 Francf. noch: Bonn U.: Ca 321.
[Angeb.: 1) Le mailre de langue 17 S3 (s. Anm.), 2) Mnlnier, Avis a
M. te maitre de l. en reponse ä ses Lecons . . . Berliu 1782 (vgl. 568)].
S. 104. 452) noch Bonn ü.: Ca 321. — 453a) 1783. French grammar.
Douay, Derbaix (1 vol. 8°) vorh.: Boulogne sur mer.
S. 105. 458) id. [1799] Koblenz, neue Buchh.: verb. und vermehrt v. H.
J. Beaury. (8° X + 400 + 161 S.) vorh.: Trier St. B.: G 557.
S. 106. 458) 1814. 5. Aufl v. Lugino noch: Bonn: Ca 325 — 461a) 1784.
Qnillard de Beaurien, G. Des inflexions des nomes et des verbes
fr. et lat. Bordeaux, Bergeret. (Nach: E. Färet, Statislique generale
de la Gironde III. — 464) noch: Bonn U.: Ca. 322.
S. 109. 498) id. 1785 Konen (nach A. Pluquet, Biblioqr. du ddp. de In
Manche S. 37.) — id. 1788 Paris (12°) vorh.: Verdun.
S. 110. 501a) 1789. De Lairas, Labbe. Grammaire et dictionnaire ou
Zachr. f. fr*. Spr. u. Litt. XII*. 19
290 E. Stengel, Anhang tum Verzeichnis französischer Grammatiken etc.
melhode philosophique aui conciUe f orthographt avec la Prononciation
. . . Paria (8°) vorh. : Lille. Soc. des Sciences etc.
S. 111. 515) Schon: 1790, vorh.: Darmatadt üh. B. : C 1290/10.
S. 112. 520) noch: Darmatadt Oh. B. C 1290/10.
3. 113. 532a) 1793. Tricon. Gramm, fr. cn troit parties. Nantes, Brnn aine"
(8" * + 43 S. + 5 Tafeln) vorn.: Nantes.
S. IM. 537) id. 1820. Paria vorh.: Dijon St.B. : 10325 — id. 1818 Vic. Gabriel:
Supplement ä ta gr. de CHomond precedc de cette mime ffr. per
M. J. N. J. Vorh.: Mete St. B.: Q 1083. (Vgl. Henrj Mnrger. Seines
de ta vie de Boheme, Pari« 1888 S. 60: Helai! pensa Sodoiphe en
la regardant, la pauvre enfant n'a guire de Uterature. Je tuis sur
quelle se borne ä Forthographe du Coeur, Celle qui ne met point ft
au pluriel. ü faudra que je lui achtle an Lhomond.)
S. 115. 541a) 1795 (an Ul de la rep.). Gramm, fr. ä Cusage des ecoki
nationales, redigee tf apres le dicret de la Convention nationale da
9 Ptuviöse. Beanvaie, vorh.: Reims. Vgl. No. 555. — 546) 1795 noch:
Bonn IL: Ca 323 — 546a). 1795. Panciuooke, CA. — Gram. Mm. et
mecanique ü Cusage des enfant de 10— 14 ans et des ecoles primäres.
Paria, Pongin (8" VIII + fi7 8.) TOth.: Düon St. B.: 10822.
S. 116. 555) — id. an IV de la rep. Douay. (8° 124 S.)
S. 117. 560) 1821 noch: Bonn U.: Ca 325 — 562) 1801 noch: Bonn ü.:
Ca 323 — 1822 noch: Darmatadt Gh. B.: C 1291.
S. 118. 571) noch: Dijon St B.: 10323.
S. 119. 576) id. an Vi Metz, Veronnaie (12°) vorh.: Bordeaux.
S. 120. 587) an Vil. Paria, Agave. Vorh.: Boulogne sur mer — id. 1803
{an XU): Abrege de la gram, usuelle. 3. öd. (8°) vorh.: Bonn C:
Ca 323.
S. 121. 567) an Vill noch: Trier St B.: O 568.
S. 122. 602) an FZ/noch: Darmatadt Gh. B.: C 1293. 1.
S. 123. 621) Keine Grammatik, enthalt nar 18 Auaspracheregeln. Bs muw
aber c. 1543 erschienen sein, da nm dieae Zeit Johann von Aich in
Kein druckte, und da im deutschen Texte, nach gütiger Hitteilung
von Dr. NOlrenberg, noch verschiedene Spracheigentümlichkeiten vor-
kommen, welche nach dieser Zeit in Drucken Kleinlich verschwinden.
Franz Grillparzer über die französische Litteratur.
Am 15. Januar 1891 wird der 100. Geburtstag des öster-
reichischen Dichters Franz Grillparzer gefeiert werden, welcher
nicht nur durch eine Reihe tiefempfundener, eigenartiger Dramen
und lyrischer Gedichte Anspruch hat, den Besten unseres Jahr-
hunderts zugezählt zu werden, sondern auch als Kenner und
Beurteiler der französischen Poesie des klassischen und nachklassi-
schen Zeitalters Beachtung verdient. War er doch nach Goethe
der Erste unserer grossen deutschen Dichter, der gegen den
einseitig scharfen Bannspruch Lessing's über Corneille, Racine
und Voltaire sich auflehnte und eine sachliche Würdigung der
besten Schöpfungen jener verfehmten Litteraturperiode , sowohl
in geschichtlicher, wie in ästhetischer Hinsicht erstrebte. Wenn
er als dramatischer Dichter sich zwar hie und da in Stoffwahl
und Behandlung mit Shakespeare, Lope de Vega, Goethe und
Schiller, aber sehr selten mit den französischen Dramatikern
begegnet, so kommt dies daher, dass ihm die klassische Tra-
gödie des Sücle de Louis XIV. und des Aufklärungszeitalters
mit Recht für ein nicht nachahmenswertes Muster gelten konnte,
er in Lustspielen sich aber nur vereinzelt versuchte und über-
dies die masslos hohe Schätzung des Lope de Vega seinen
Sympathien für die französische Dramendichtung Abbruch that.
In der Jugendzeit Grillparzer' 8 war die Kenntnis französi-
scher Dichtung in Deutschland weit häufiger, als jetzt, wo selbst
„ Neusprachler u ihre gänzliche Unbekanntschaft oder sehr rela-
tive Bekanntschaft mit Voltaire, Victor Hugo, Lamartine u. s. w.
eingestehen müssen und die sog. Gebildeten ab und zu einmal
einen Pariser Moderoman, am liebsten in einer der fabrikmässigen
Verdeutschungen, lesen. Damals gehört die Lektüre französischer
Autoren zur notwendigen Geistesnahrung und die Kenntnis der
französischen Sprache gab allein Anspruch, zur „Gesellschaft"
gerechnet zu werden. Insbesondere waren die Wiener in ihrer
19*
392 ß. Makrenholti,
von dem Übrigen Deutschland ziemlich abgeschlossenen Geistes
sphäre auf die modischen Schriften der Aufklärungsphilosopheii
Frankreichs angewiesen. Denn Über die Meisterwerke Leasing'*,
Goethe's, Schiller'» hatte die Zensurbchördc und Polizei einen
strengen Bann gelegt, so dass dieselben erst im Jahre 1805,
infolge der französischen Besetzung Wiens, allgemeiner zugäng-
lich wurden, vorher war der gebildete Wiener, wenn er sich
nicht mit der wenig zeitgemüsaen, heimischen Produktion be-
gnügen wollte, hauptsächlich auf Fremdes angewiesen. Durch
die zweimalige Eroberung Wiens (1805 und 1809) kam Grill-
parzer mit den Franzosen in unmittelbare Berührung und machte
sich frühzeitig von den politischen und litterarischen Vorurteilen
frei, welche gegen die Nation der kirchenfeindlichen Aufklärung
und der zerstörenden Revolution bei den ordnungsliebenden Bür-
gern der deutschen Gross- und Kleinstaaten herrschten. Er
lernte das Gute an ihr von dem Schlechten unterscheiden ud
fand, dass seine Landsleute mehr das Letztere, als das Ersten
nachzuahmen suchten. Diesen Gedanken spricht er schon in
einem kleinen Lustspiele aus der Zeit seines frühesten Jünglings-
alters, Wer ixt schuldig betitelt, aus. In dem erwähnten Stücke,
wie namentlich in einem anderen Jugend versuche , der mehr in
das Gebiet der kaute comtdU hineinreicht {SeelengrS$K ist sein
Titel), bemerken wir den Einfluss des früh gekannten und ge-
schätzten Moliere, besonders scheint die Ecole de» Femmes auf
Grillparzer einen nachhaltigen Eindruck gemacht zu haben.
Später sind die Spuren französischer Einwirkung selten.
In dem BUhnenmärchen Der Traum ein Leben ist der (Tmriss
der Handlung und der Hauptcharakter in seinen allgemeinsten
Motiven der anmutigen, Orientalisch angehauchten Erzählung
Voltaire'»: he blatte et le noir entnommen, dagegen hat Grill-
parzer die biblische Erzählung Über Esther in einem unvollen-
deten Stucke dramatisiert, ohne dass hier eine Anlehnung an
Racine's gleichbetitelte Tragödie zu erkennen wäre.
In einer Hinsiebt blieb das französische Tragödien Schema
doch von Bedeutung für Grillparzer's eigene dramatische Dich-
tungen. Mit Corneille, Racine und Voltaire hielt er im Wesent-
lichen an der Dreieinheitstheorie fest, erkannte zwar, wie schon
Aristoteles, auf dessen Autorität jene vielbekämpfte Theorie
zurückgeführt wurde, dass nur die Einheit der Handlung unbe-
dingt erforderlich sei, bezeichnete aber die der Zeit und des
Ortes als wünschenswerte Aggredienzien. Ohne Not, so sagt er
ausdrücklich, solle der Dramatiker keine der drei Einheiten un-
beachtet lassen und seine Stoffe so einfach wählen, dass ihre
psychologische Ausgestaltung innerhalb eines beschränkten Zeit-
Frauz Grülparzer iiher die fraiiziisischi: LiUcialiir.
■im
ZUI
■
icB denkbar Bei und ein zu häufiger Orts- und Szenenwechsel
vermieden werde. Diese Ratschläge hat er selbst in Beinen
DnutMfl thunlichst befolgt, ohne natürlich wesentliche Anforde-
rungen der Kunst jener Aristotelischen Doctrin aufzuopfern.
Wie Lesung, wollte auch er geistig frei innerhalb jener Sehranken
Behalten und die Lehre des griechischen Philosophen, welcher
die Handlungseinheit nachdrücklich betont, die des Ortes und der
Zeit mehr als etwas herkömmliche*, aber nicht unbedingt Wesent-
liche« ansieht, nicht iu jene Zwangsjacke der französischen
Akademiker pressen, der seihst Corneille nur widerstrebend sich
angepasst halte. Aber fern lag es ihm, in dem Stugiriten eine
Autorität zu bewundern, welcher in der Dramaturgie dieselbe
Geltung gehühre, wie dem Kuklid in der Geometrie, vielmehr
erkannte er, in die Tiefen der Poesie mehr eindringend, als
Lessing, die nüchterne, prosaische Kunstanschauung des Philo-
sophen sehr scharfsinnig heraus. So wenig also die von der
Kielielieu'schen Akademie aufgebrachte und einem unabhängigen
Geiste, wie Corneille, aufgenötigte Dreieinheitstheorie in ihrer
mechanischen, das innerste Wesen des Drama einzwängenden
AuBlegung ihm zusagte, so vermied er doch einen günzlichen
Bruch mit Aristoteles' Poetik in der Weise Shakespeare** und
jener „Stürmer und Dränger" dea XVIII. Jahrhunderts. Wie
Racine und wie in den gereifteren Bühnendichtungen auch zu-
meist Goethe und Schiller es thun, wählte er seine dramatischen
Stoffe so, dass die einfachere Cbarakterentwickelung innerhalb
eine« beschrankten Zeitmasses ohne psycho logische Unmöglich-
keiten denkbar blieb und dass die leicht konzentrierbare Hand-
lung nicht ein unruhiges Uin- und llerspringen von einem Ort
zum anderen nötig machte. Man kann also von ihm, wie von
iBeren beiden grössten Dichtern sagen, dass er „das Gesetz
erfüllen, nicht aufzulösen" gekommen Bei.
Seine selbständige Stellung gegenüber Aristoteles und dessen
französischen Interpreten hinderte ihn aber nicht an einer partei-
losen Würdigung der formalen und inhaltlichen Vorzüge der
klassischen Tragödie Frankreichs. Desshalb nimmt «ein scharfer
Tadel Lessing's, den er unter der Maske Fricdrich's des Grossen
(in dem Todtenge sprach zwischen Voltaire und Friedrich), sowie
in seinem eigenen Namen ausspricht, von der apodiktischen
Verurteilung Corneille'! und Voltaire's in der „Hamburgischen
.malurgie" seinen Ausgangspunkt.
Während uns infolge eines verkehrten HymiiasiaiunlorrichteB
llnfili'hter Ludwig' s XIV. und der Oppositionsdichter der
ndezeit, Corneille, bekannter sind, als die weit einllussreieberen
bahnbrechenderen Vorkämpfer der französischen Aufklärung
394 R. MtArcnhvttt,
oder die seitlich am nächsten stehenden Dichter der romantischen
und nacbromantischen Periode, hatte sich Grillparcer gerade um-
gekehrt an den Aufklären, besonders an Voltaire, geschult und
zu den zeitgenössischen Romantikem eine bestimmte, von scharfer
Antipathie nicht freie Stellung genommen, während die sogen.
Klassiker, mit einziger Ausnahme Moliere's, ihm indifferenter
blieben. Doch erkennt er mit einer Unbefangenheit, welche in
jener Zeitriehtung einer masBlosen oder gar heuchlerisches
Schwärmerei für hellenisches Altertum doppelt beachtenswert ist,
dass auch die französische Dichtung des XVII. Jahrhundert« rar
uns näher liegend, leichter verständlich und wertvoller sei, all
die griechi scheu Tragödiendichter der Perserzeit und wahrend
der peloponueaischen Wirren. Hätte er nicht seine oft gehässige
Abneigung gegen die Hauptvertreter der deutschen Romantik
auch mannigfach anf Victor Hugo, Lamartine u. A. übertragen
nnd Jean-Jacques Rousseau nicht, wie es scheint, lediglich nach
verzerrenden Darstellungen beurteilt, so würden wir seinen zer-
streuten Äusserungen Aber die französische Litteratur der Neu-
zeit dieselbe Tiefe und Objektivität nachrühmen können, wie
den Aussprüchen Ooethe's. So aber muss das Lob, welches wir
im Ganzen auch Grillparzer's Schätzung der französischen Dichter
erteilen dürfen, im Einzelnen manche Einschränkung erleiden.
Eine zusammenhängende Beurteilung, wie seinem Liebling
Lope de Vega, hat Übrigens Orillparzer keinem französischen
Schriftsteller angedeihen lassen, wir sind anf eine Anzahl kurzer
Notizen und gelegentlicher Meinungsäusserungen angewiesen, wenn
wir seinen Standpunkt genauer feststellen wollen. Ausser den
Rückblicken, die er in seiner Polemik gegen deutsche Roman-
tiker und Tendenzdichter, zuweilen auf die gegenwärtige Litte-
ratur Frankreichs wirft, haben wir besonders die ans seinem
Nachlass herausgegebenen Studien zur französischen Litteratur,
zerstreute Tagebuch aufzeich nungen ans den Jahren 1816 — 1861
(siehe Grillparzer's sämtliche Werke, Cotta 1887, Bd. XIV) in
Betracht zu ziehen.
Zu bedauern bleibt dabei, dass diese Aphorismen erst mit
Corneille beginnen, also jede Äusserung Grillparzer's Über die
in jener Zeit schon vielfach geschätzte Dichtung des mittelalter-
lichen Frankreich nns fehlt. Indessen aus seiner scharfen Polemik
gegen die Erforscher nnd Bewunderer der mittelhochdeutschen
Poesie können wir ungefähr schliessen, wie er sich zu der alt-
und mittel französischen Poesie gestellt haben würde. Nicht höher,
als die Nibelungen und andere deutsche Volksepen, würde er
das Rolandslied und die verwandten Poesien des karolingi sehen
Sagenkreises geschätzt haben; wie die Gebr. Grimm und Unland,
Franz GrUlparzer über die französische Litteratur. 295
so würden ihm auch Diez und andere hochverdiente Philologen
Deutschlands als Schnlpedanten gegolten haben, deren Bewunde-
rung flir vergangene Zeiten der Dichtung ihm an falschen Vor-
aussetzungen zu kranken schien. Für GrUlparzer gibt es über-
haupt kein mittelalterliches Volksepos, weil die Masse weder
lesen noch schreiben konnte und die herumziehenden Sänger nur
an den Höfen der Fürsten und Grossen weilten. Darum seien
die Nibelungen z. B. nie in das Volk eingedrungen und desshalb
von der Buchdruckerkunst lange Zeit unbeachtet geblieben. Seine
Schätzung der ihm nur teilweise bekannten und zugänglichen
mittelhochdeutschen Litteratur ist nicht ganz so absprechend,
wie die Friedrich's des Grossen, denn man merkt wohl, dass
der wahre Dichter sich auch in der einseitigsten Parteistellung
nicht verleugnen kann, aber doch sehr an die vornrteilsvolle
Meinung Boileau's über die französische Litteraturzeit vor Mal-
herbe erinnernd. Wenn daher der grosse preussische König
eine wertvolle Sammlung mittelalterlicher Volkslieder aus seiner
Privatbibliothek „herausschmeissen" wollte, da „solches Zeug"
höchstens auf die öffentliche Bibliothek gehöre, wo es Niemand
läse, wenn er dieselbe Ausgabe dem Rektor Meierotto beinahe
an den Kopf warf, so sind für GrUlparzer derartige Volks-
gesänge doch so wertvoll, wie „die Blumen auf dem Felde, die
in den Gärten aber zu Unkraut werden". Ja, er tritt wenigstens
einem Dichter der Staufenzeit, Walther von der Vogel weide,
nicht ohne wärmere Sympathie nahe. Viel Neues und Schönes
dürften wir aber von seinen Urteilen über die ältere französische
Litteratur kaum erwarten, denn sie stand ihm schon nach der
sprachlichen und geschichtlichen Seite noch ferner, als die ältere
deutsche.
Der Tageslitteratur Frankreichs erkannte er dagegen manche
Vorzüge vor der gleichzeitigen deutschen zu, namentlich, seitdem
er im Frühjahre 1836 längere Zeit in Paris geweilt, die dortigen
Theater besucht und für einzelne Bühnendichter und Btthnenhelden
wärmere Sympathie gewonnen hatte. Ihm, dem entschiedenen
Gegner alles dessen, was auf Tendenzpoesie hinauslief oder eine
Verquickung der Philosoqhie und Poesie bedeutete, erschien das
französische Drama weit mehr den Kunstforderungen entsprechend,
als das deutsche, welches in erster Linie „lehren, nicht unter-
halten a wolile. „Wenn mich jemand belehren will", meinte Grill-
parzer, „so sehe ich ihn mir vorher genau an." In der That
waren selbst in dem französischen Lustspiele mit zeitgemässem
und der Tagesströmung folgendem Inhalte die Anspielungen
nicht so handgreiflich und prosaisch deutlich, wie in den Tendenz-
stücken der jungdeutschen Schule, die moralische Etikette nicht
296 R- MahrcnholtZ,
so lesbar und sichtbar aufgeklebt, wie hier. Desto mehr kamen
die dramatische Lebendigkeit und die vollendete Form zur Gel-
tung, während in den deutschen Bühnendichtungen jener Zeit
die tiefen oder wenigstens sentenzibsen Gedanken häufig für die
un künstlerische, rohere Gestaltung entschädigen mussten. „Die
neuesten Franzosen", bemerkt daher Grillparzer in einer Rand-
bemerkung aus dem Jahre 1839, „verstehen wenigstens einen
Stoff lebendig zu machen und stehen dadurch der Kunst immer
naher, als die Deutschen derselben Periode, die den bestgewählten
Stoff in der Ausfuhrung tüten." Als Punkte, worin es die fran-
zösische Littcratur der deutschen vorausthäte, führt er ein Jahr
vorher folgende an: Logik, Wärme, Natur, praktischer Sinn,
Männlichkeit, nicht insofern sie dem Weibischen, sondern insofern
sie dem Knabenhaften entgegengesetzt sei, denn weibisch und
geckenhaft seien die Franzosen oft genug. Hitunter scheint sogar
Grillparzer durch die zu hohe und einseitige Schätzung des Fran-
zösischen ungerecht gegen die deutschen Geistes eigenthümlich-
keiten zu werden, doch teilte er hierin die herrschenden Vorurteile
des derzeitigen Liberalismus, der allem, was aus Frankreich oder
England kam, schon aus diesem Grunde den Vorzug vor dem
heimischen zuerkannte.
Man möchte glauben, seine Bekanntschaft mit den franzö-
sischen Bühnenstücken in der trefflichen Darstellung der Pariser
Theater habe seine von Jugend auf vorhandene Vorliebe noch
gesteigert, indessen dazu war der Aufenthalt in der Seinestadt
zu kurz, sein persönlicher Verkehr mit den dortigen Litteratnr-
grüssen, von welchen er nur Alexandre Dumas Sohn genauer
kennen lernte, zu gering. Vielmehr bemerken wir, dass sein
günstiges Urteil Über die classische Dichtung und die Aufklärungs-
litteratur Frankreichs auch nach 1836 unverändert, die ungünstige
Meinung von den Romantikern in unverminderter Stärke bestehen
bleibt.
Wie alle Menschen mit stark hervortretender Subjektivität
und wie alle tiefinnerlich und wahr empfindenden Dichter, liess
sich auch Grillparzer durch äussere Eindrucke nicht zu Meinnngs-
änderungen oder gar zur Entsagung fest eingewurzelter Vorurteile
bestimmen. Gesteht er doch einmal in den Noten zu seiner
(1853 geschriebenen) Autobiographie, er halte gern an Lieblings-
ansichten fest, auch wenn er durch Gründe eines Besseren über-
wiesen sei. So können wir uns nicht wundern, wenn wir in seinen
Bemerkungen über französische Dichter und Schriftsteller während
der ganzen 45 Jahre, in denen sie aufgezeichnet sind, keine
wesentliche Veränderung des Standpunktes bemerken.
In den Vorhof des klassischen Dramas der Franzosen fuhren
Franz GriUparzer über die französische Litieratur. 297
uns ein paar Betrachtungen über Corneille ein, deren abspre-
chende Schürfe sich daraus erklärt, dass GriUparzer das Licht
zu sehr nach der Seite Racine's verteilt und dass die zufällig
hingeworfenen Notizen eben nur die Schwächen, nicht die Vor-
lage des französischen Nationaldichters treffen. Denn, wie wenig
er Corneille den Ruhm eines grossen und wahren Dichters streitig
machen will, zeigt seine Polemik gegen Lessing 8 apodiktisches
Urteil. „Dieser", schreibt GriUparzer im Jahre 1852, nachdem
er soeben die Rachel während ihres Gastspiels in Wien als Dar-
stellerin klassischer Tragödien gesehen hatte, „ging in seiner
Anfeindung soweit, dass er sich zu dem Ausspruche hinreissen
Hess, man möge ihm ein Trauerspiel des grossen Corneille nennen,
das er nicht besser machen wolle. Wenn nun Lessing damit
meinte: verbessern, so müssen wir ihm unbedingt Recht geben.
Sollte er aber gemeint haben : von vornherein besser oder über-
haupt nur ebenso gut machen, so mögen wir mit Recht daran
zweifeln, schon aus dem einfachen Grunde, weil Corneille ein
grosser Dichter war, Lessing aber, bei der Universalität seiner
Richtungen, nicht. a Die Erklärung für den Rückgang von Cor-
neille's dichterischer Bedeutung findet GriUparzer darin, dass
seine „spanischen, bewegungsvollen Stoffe a sich nicht „in der
vom Cardinal Richelieu octroyierten, durch die Alten sanktionierten
und von Boileau fixierten mageren und engen Form" hätten durch-
führen lassen. Auf diese Weise habe Corneille die Sicherheit
der Geistesrichtung und die Fähigkeit, eigentlich französische
Stoffe mit Feuer und Überzeugung auszuführen, verloren. Mit
richtigerem historischem Verständnisse als Lessing, macht GriU-
parzer also nicht Corneille selbst, sondern die ihn 'bevormundende
Akademie und den ihn meisternden Kardinal für die Missgeburt
jener klassischen Stelzentragödie verantwortlich, die erst Racine's
Genius dem allgemein Menschlichen nahe zu rücken wusste.
Die oft kalte, gemütsleere und spitzfindige Rhetorik des aus
dem Advokatenstande hervorgegangenen Dichters ist GriUparzer
natürlich widerwärtig. So spottet er in einer Notiz d. J. 1817
über das vielzitierte, fast sprichwörtlich gewordene: „Soyons amis
Cinna", jenen effektvollen Redeübergang des Cäsar Augustus.
„Bemerken wira, sagt GriUparzer sehr treffend, „was un-
mittelbar vor diesen Worten hergeht. Wie August die Mit- und
Nachwelt auffordert, auf ihn und seinen Sieg über sich selbst
zu schauen. Es ist eine Erbärmlichkeit in dieser ganzen Stelle,
die nur gefühlt werden kann. Überhaupt ist die ganze Art, wie
August im Cinna eingeführt wird, das Unglücklichste, wozu die
Notwendigkeit, fünf Akte herauszubringen, und die Wut, auf
Stelzen zu gehen, je einen Autor verleitet hat. Wie jämmerlich,
398 R. Mahrenhottt.
dass Augnet sich selbst seine eigenen Vergehen vorhalten mau,
nm sich das Verzeihen möglich zu machen, wie schrumpft die
Gülterrigur zusammen, in deren Munde das: Soytm» attus Onnmt
all ein eine erhebende Bedeutung haben kann."
Da derartige Kunststückchen der Rhetorik in den auf den
Cid folgenden Tragödien Cornoilles immer häufiger werden und
die abnehmende Dichterkraft trügerisch verhüllen sollen, so hat
Grillparzer im ganzen Recht, wenn er findet, daas „jene Stücke
des Corneille, welche die Franzosen seine Meisterstücke nennen,
gerade, dem Wesen nach, die schlechtesten sind, wie dieser
Cinna oder Soraet.u Für die letzteren mit all ihrem Wortgepränge
und Sentenzenkram wolle er „keinen Groschen geben". Als Grill-
parzer so schneidend Bcharf sich gegen die französische Litteratatr-
tr&dition aussprach, war er erat 26 Jahre alt, denn jene Äusserun-
gen sind 1817 niedergeschrieben.
Einen ganz anderen Ton lässt Grillparzer erklingen, wo er
zur Besprechung Ra eine's sich wendet Selbst in der schwächsten
aller von Racine geschaffenen Tragödien, in den „Frhrea ennemü",
hebt er lobend den scharf durchgeführten Gegensatz zwischen
dem stolzen Aristokraten Polynikes und dem heuchlerischen Volks-
freunde Eteocles hervor, und die dramatischen Fehler des Stückes
sind nach seiner Ansicht eine unvermeidliche Folge der „als un-
fehlbar Überlieferten Theaterkonvenienz". Grillparzer erwähnt
noch verschiedene Dramen des französischen Dichters ganz neben-
bei und nicht immer zustimmend, um mit folgendem sehr an-
erkennenden Gesamturteil zu schliessen: „Racine, ein so grosser
Dichter, als je einer gelebt hat, mnsste eben dafür büssen, an
die Scheidegrenze des Mittelalters und der neueren Zeit hin-
gestellt zu sein, wo die heroischen Leidenschaften des Mittel-
alters noch fortglimmten, indess ein seh au prunkender König be-
schlossen hatte, keiner von ihnen Spielraum zu geben, als jener
Minne, die durch Förmlichkeit längst zur Galanterie herabgesunken
war. Fünfzig Jahre früher und der Dichter hätte all jene Tapfer-
keit, Uass, Blutrache, Herrsch- und Ruhmsucht in ihrer ursprüng-
lichen Gestalt dargestellt; fünfzig Jahre später, und er hätte sie
schon so abgeschwächt gefunden, dass er sich seiner Neigung
für sanftere Empfindungen unbedingt hätte überlassen können.
So aber finden sich jene herben Elemente in dieses süssliche
Medium eingetaucht." Dieses gereifte, richtig zusammenfassende
Urteil stammt ans dem Jahre 1840.
Von Racine geht Grillparzer zu Moliere Über, und lässt
uns nur bedauern, dass er nichts Genaueres über den grossen
Lustspieldichter sagt. Nachdem er über den Misanthrop* in einer
gewissen Anlehnung an Goethe' s Auffassung gesprochen und Über
Franz Grülparzer über die französische Litterattar. 299
den Namen Tartuffe eine wenig haltbare Etymologie aufgestellt
bat, rühmt er an den frühesten Stücken Moliere's die Empfindungs-
und Gemtitspoesie, die später, in Folge des Einflusses von ßoi-
lean nnd nach dem Vorgänge der vielbewunderten klassischen
Tragödie, der Verstandspoesie den Platz geräumt habe.
Über Voltaire, dessen religiöse Weltanschauung in vielen
Punkten auch die Grillparzer's war, hat der letztere sich nur selten
ausgesprochen, weil eine Parteinahme für den Urheber des
„Ecrasez Vinfame" in dem Zeitalter der heiligen Allianz sehr
misslich war. Wo er dies aber thut, macht er auch aus seiner
Sympathie kein Hehl. So beklagt er in seiner für die neu-
gegründete Wiener Akademie, deren Mitglied er war, geschriebenen
Selbstbiographie, dass jedermann Voltaire schmähe, aber keiner
ihn kenne, eine Bemerkung, die auf unsere Zeit noch mehr zu-
trifft, als auf das Jahr 1853. Desto ungünstiger und ungerechter
kommt aber Vol taire's Antipode, Jean-Jacques Rousseau, fort.
In einer Notiz aus dem Jahre 1822 nennt ihn Grülparzer den
vollkommensten Egoisten und weist für diese Behauptung auf die
bekannte Kinderaussetzung, auf das Verhältnis zu Therese Le-
vaagenr und auf das schroffe Benehmen der Welt und Gesell-
schaft gegenüber hin. Rousseau habe in dem Zustande eines durch
seine Gedanken, nicht durch seine Empfindungen beherrschten
Menschen gelebt und sich selbst getäuscht, wenn er sich für
einen Empfindungs- und Gefühlsmenschen hielt. Neben dieser
scharfen Kritik verschwindet der Tadel des letzten Buches der
„Confesttons", welches Grülparzer nicht ohne Grund als den vor-
hergehenden weit nachstehend ansieht und gegen die Verletzung
des Schamgefühles in manchen sinnlich-erregten Schilderungen
der „Nouvelle Helo'ise". Grillparzer's Urteil über den Unglücklichen
Verfolgten lässt aber nicht nur die historische Objektivität ver-
missen, sondern bewährt auch die Richtigkeit der Meinung, dass
gleiche Pole sich abstossen, denn in mancher Hinsicht war der
österreichische Dichter dem Genfer Philosophen geistesverwandt.
Eine von den grössten Bewunderinnen und wärmsten Verteidi-
gerinnen Rousseau's war Mme de Stael, auch sie hat das Schick-
sal, von Grülparzer sehr missfällig beurteilt zu werden. Über
vieles, was er sagt, würde die gräfliche Schriftstellerin, welches
uns neuerdings mit einem mehrbändigen Hymnus ihrer litterari-
schen Vorgängerin beschenkt hat, in lebhaftes Entsetzen ver-
fallen. An der „Corinna11 tadelt Grülparzer „die Abwechslung
zwischen warmen Gefühl und kaltem Verstand, wodurch der Ver-
stand leicht warm, das Gefühl leicht kalt werde", die übertriebene
Bevorzugung der Landschaftsschilderung, welche „die Personen
verschlinge", und vor allem die wortreiche Redesucht der Heldin.
300 R. Mahrenkottz,
des Romane». Die Moral der „Delphine", welche eingehender
betrachtet wird, sei die „eines deboucbierten Weibes", weichet
GUte und Grossmut, aber nicht Enthaltsamkeit und Gerechtigkeit
zeige, ausserdem laufe die Tendenz des Romanes anf eine wohl-
feile Verherrlichung des „empire de l'opinitm" hinaus. Die „dix
ans de mon exü" seien ein übertriebene 8, selbstsüchtiges Klage-
lied dartlber, dass die Verfasserin „nicht mehr in den Zirkeln
von Paris glänzen könne". Einzelne Stellen und Vorzüge erkennt
Übrigens Grillparzer auch in der bitter geschmähten „Delphine",
die er mit Unwillen weggeworfen zu haben eingesteht, an.
An Casimir Delavigne's Vepres sicilienne» tadelt Grill-
parzer mit Recht die rein aktuelle Tendenz und den fanatischen
Haas gegen die Besieger der Napoleonischen Macht, welche in
dem Stücke sich so nnrerbüllt kundgeben. Während Delarigne
natürlich die an seinen Landslenten geübte Rachethat der Sizilianer
verabscheue, empfehle er ein ähnliches Radikalmittel gegen die
siegreichen Aliirten, deren Truppen zum Teil noch in Frankreich
standen. Durch das Hineintragen der Zeitanspielungen sei ein
grosser historischer Stoff verdorben und entstellt worden.
Von Victor Hugo's Schriften werden nur die vor 1834
erschienenen, insbesondere die stürmischen Jugendknndge bangen,
berücksichtigt, auch wird nicht der Dichter, sondern der Kunit-
und Theater- Reform er einer abfälligen Kritik unterzogen. Hugo's
Grundsatz: Le tht"&tre est une chote, qui enteigne et qui cioilitt
erfreut sich natürlich der Beistimmung GrillparzerB, welcher alles
Tendenziöse von der Dichtung fernhalten wollte, nur wenig. Auch
die Vorliebe des Romantikers für Walter Scott, dessen Romanen
unser Dichter den Rang poetischer Kunstwerke bestritt, findet
Grillparzer's Beifall nicht. AU Lyriker habe sich Hugo, ebenso
wie Lamartine, nach Andre Chenier gebildet.
Recht übel kommt der nach Hugo am ausführlichsten be-
sprochene Romantiker Lamartine fort. Seine Voyage en Orient,
(um mit Grillparzer den Titel des Buches abzukürzen) sei der
Endpunkt seines Ruhmes. Die darin zur Schau getragene Re-
ligiosität sei „ein schwächliches Bedürfnis des Herzens, statt eines
starken Emporhebens des ganzen Menschen." Die Form der
Reiseschilderung habe Lamartine nur gewählt, weil für ein Epos
seine Dichterkraft nicht ausgereicht hätte und lyrische Gedichte
ihm nach so viel voraufgegangener Reklame zu unbedeutend er-
schienen wären. Jocelin nennt Grillparzer „zu viel des Unsinns
und bare Prosa". Die Natnrschilderungen seien „ohne Anschau-
lichkeit und verworren", der Gottesbcgriff „nur aus der Religion
entlehnt, nicht vom Gefühl und Phantasie geschaffen". Lamar-
tine'» Religiosität erschien ihm nach dieser Probe als „eine Art
Franz Griüparzer über die französische Litierahir. 301
geistiger Bankrott, eine Insolvenzerklärung der menschlichen
Natur", sie sei „widrig", während „Chateaubriand' 8 Abgeschmackt-
heit doch etwas Gesteigertes u habe. In La chute d'un ange findet
Orillparzer Sparen eines dichterischen Wahnsinnes, Albernheit
und Abgeschmacktheit in reichem Masse, gute Einfälle nnd Ge-
danken desto seltener.
Vom rein ästhetischen Standpunkt kann man diesem Ver-
dikte in sehr ermässigter Form grossenteils beistimmen, aber die
französische Romantik in ihrem gährenden Aufschäumen und ihrem
ruhelosen Anstürmen gegen die von Alters her geltenden Kunst-
gesetze verträgt eben eine ausschliesslich ästhetische oder rein
künstlerische Würdigung nicht.
Einige der jetzt vergessenen dii minorum gentium der da-
maligen französischen Litteratur werden von Griüparzer noch kurz
besprochen, doch haben seine Bemerkungen in diesem Falle so
wenig Interesse, wie die Dichter, denen sie gewidmet sind.
Am beachtenswertesten erscheinen uns die Urteile Grill-
parzer's über die französische Dramatik des XVII. Jahrhunderts,
besonders seine Verteidigung derselben gegen Lessing's über-
scharfe Polemik und gegen die geringschätzige Meinung der
gegenwärtigen Generation, welche z. B. eine Rachel bedauerte,
weil sie ihre hohe Darstellungsgabe an „schlechten", d. h. an
klassischen Stücken verschwende. Von der objektiveren und mehr
historischen Beurteilung dieser durch Lessing's Einfluss in Miss-
achtung gesunkenen Litteraturperiode können auch „viele Lehrer
der deutschen Sprache, welche ohne weiteres über eine franzö-
sische Tragödie aburteilen, obgleich sie selbst keine Zeit gefunden
haben, sie auch nur flüchtig zu lesen u (A. Rambeau, Zs. f. neufr.
8pr. u. Litt X, 49) manches lernen.
R. Mahrenholtz.
Druck von Er dm an n Raabc in Oppeln.
Zeitschrift
für
Mische Sprache und Litteratur
unter besonderer Hitwirkung ihrer Begründer
Dr. G. Kcerting und Dr. E. Koschwitz
rofessor a. d. Akademie zn Münster i. W. Professor a. d. Universität tu Greitswald
herausgegeben
Ton
Dr. D. Behrens ™* Dr. H. Kcerting
. o. Professor a. d. Universität zn Jena. Professor a. d. Universität zn Leipzig.
Band XII.
Zweite Hälfte: Referate und Rezensionen etc.
V» s*-- W»- v *
Oppeln nnd Leipzig.
Eugen Franck's Buchhandlung
(Georg Maske).
1890.
INHALT.
Referate und Rezensionen.
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Viüalte, Parisiamen. Anhang. (J. Sarrazin)
t'ising, J., Lea Döbuts du Style Francaia (E. J. Grotli) ....
WeU, F., Aus dem früheren Frankreich (K. Mahreuholtz) . .
Weiler, F. J., Über die Sprache Froissart's (F. Tendering) . .
Wandt, O., Encyklopädie des franzüai sehen Unterrichts (A. Rani-
H'iittitl/iri/iT, O.. Über das Uandschrifteuvt.-rhiUl.ui3 de» all französi-
schen Guy de Warwick (M. F. Mann)
Walter, E. , Lehr- und Lesebuch der französischen Sprache (A.
Rambeau)
Miszeli.es.
Httmd, A. G. van, Le rytbrae du vers francaia jugt! par Constanün
Huyghtina
Jahresbericht dea Vereins für das Studium der neuereif Sprachen
in Hamburg-Altona 216
A'ühn, A'.. Das Lesebuch für den l'ranzü.-o sehen Uuterricht von Jacobs,
Briucker und Fick und du» Französische Lesebuch von Kühn
Makrenhiittz, ft, Erklärung
Ultramare, P., La Simplification de l'orthographe francaise . .
Piattncr, IS., Erwiderung
Sarrazin, J., A propos de la mort d'ßmile Augier 214
Tkudirhum, Gh., Notwendige Aufklärungen 319
NoviTÄTUNvEHZEiui-iis 75 fl'. 21B fj
Referate und Rezensionen.
Paris, Gaston, La litUrature frangaise au moyen dge (XI*— -XIV
titele). Paris, 1888. Librairie Hachette et C1*. VII
u. 292 8.
Kein Sachkundiger wird auch nur einen Augenblick darüber
in Zweifel sein, dass nicht leicht ein Zweiter wie 0. Paris dazu
geeignet sei, eine Geschichte der französischen Litteratur im
Mittelalter zu schreiben, da er sich das Anrecht und den Beruf
rar Lösung dieser Aufgabe durch eine stattliche Reihe hochge-
schätzter Detailarbeiten in seltenem Masse erworben hat. Man
wird sich ihm also ohne Bedenken als Führer auf diesen viel-
verschlungenen Pfaden anvertrauen können und das Werk eines
solchen Meisters zur Anzeige bringen, wird meist darauf hinaus-
kommen, dass man seiner grossen Gelehrsamkeit, seiner tiefen
Forschung, seiner staunenswerten Beherrschung des ungeheueren
Miterial8 in der ausgiebigsten Weise Lob spendet. Nur über
die Anordnung und Auswahl des Stoffes über die Art der Mit-
teilung, kurz über die Methode des Werkes wird man ohne Un-
bescheidenheit ein Urteil abgeben dürfen.
Der Verfasser spricht es in der Vorrede unumwunden aus,
er habe sein Buch nicht für seichte Schöngeister und litterarische
Feinschmecker, die an den Kunstwerken nur herumnaschen, ge-
sehrieben, sondern für jene, die an eine ernste, stetige wissen-
schaftliche Arbeit gewöhnt sind. Er verzichtet darauf geradezu,
ein speziell populäres Werk zu schaffen, dagegen will er aller-
dings dem Anfänger der Fachwissenschaft das Rüstzeug und die
Behandlungsweise seiner Disziplin übermitteln und selbst darauf
nicht verzichten, auch den ausserhalb des Faches Stehenden, die
ihm unverdrossen folgen, hohen Gewinn und Vertiefung ihres
Wissens daraus erwachsen zu lassen. Wir tragen kein Bedenken,
zuzugeben, dass ihm auch das Letztere trefflich gelungen,
r. £ in, Spr. n. Litt. XII*. ,
•i ftt/eraie uwt äc;ctw«.i<«. J. Frank.
möchten aber nach dieser Richtung denn doch eine Aussetmj;
machen. Wir hätten nämlich gewünscht, dass die Inhaltsangabe
der bedeutenderen Dichtungen epischen Charakters etwas reich-
licher ausgefallen wiire. Wir übersehen nicht, dass die Spritdig-
keit des Stoffes dies erschwert, dass femer der Umfang du
Baches dadurch sehr angewachsen wäre und dass gerade jene
gedrungene Kürze, die dem gebotenen Reichtum das knappste
Gewand zu geben versteht, und die dem Leser viel zu denken gibt,
ohne ihn jemals durch Unklarheit zu vernirres, einen Hnopr
Vorzug des Buches bildet. Nichts desto weniger konnten wir
den ausgesprochenen Wunsch nicht unterdrücken, selbst wen
das Volumen des Buches dadurch auf das Doppelte gestiegen
wäre. Hau kann doch dem Lernenden nicht zumuten, da» ei
i. B. den Inhalt des Ami et Amüe oder l£racU kenne, über-
dies wären dadurch auf der atembeklemmenden Wanderung durch
diesen unvermeidlichen Wust von Namen und Zahlen einige
wohlthuende Ausruhbänke geschaffen worden. Dass der Vertaner
auf die Ökonomie des Raumes den grössten Wert gelegt hat,
ersieht man auch daraus, dass er — und dafür wird man ihm
nur Dank wissen — auf eine erschöpfende Bibliographie ver-
zichtet and alle Muhe darauf verwendet, dem Anfänger die rich-
tig« Fährte zu zeigen und ihn auf Sammelwerke und Zeitschriften,
auf das Beste, das Neueste zu verweisen, was er eben er
spriesslich benutzen kann. Die Gliederung des Stoffes fallt der
Autor selbst für mehr praktisch als streng wissenschaftlich und
weiss, dass dagegen Einwendungen werden erhoben werden. Er
verspricht dafür in der nächsten Auflage ein chronologische»
Verzeichnis der französischen Schriftwerke des Mittelalters folgen
zu bissen. Er führt seine Geschichte nur bis zum Jahre 1327
und motivirt dies damit, dass dieser Zeitpunkt thataäcblich eine
neue Epoche in der französischen Litteratur eröffnet. Dem vor-
liegenden auch sehr entsprechend ausgestatteten Bändehen werden
drei weitere (Grammatik der altfr. Spr., üforceaux choitü und
ein Lexikon) folgen. Es ist selbstverständlich, dass alle Be-
teiligten dem Erscheinen derselben mit freudigster Spannung ent-
gegensehen.
Wir gestatten uns nur noch, einige wenige aphoristische
Notizen in ganz unmassgeblicher Weise vorzubringen, die gering-
fügig und kleinlich erscheinen mögen, die aber doch möglicher-
weise ein Scherflein zur Vervollkommnung dos Buches beitragen
können. Wenn es (S. 2) heisst: Chlodovech, plus tard Chilperie,
Dagobert mirent dtjä A Paris le xiege de la royauti et enfirent
ainsi le centre des provinces geptentrionalex de la Gaule, so ist
diese Behauptung nur insofern sie Dagobert betrifft richtig, da
G.Baris, La litterature francaise au moyen äge (Xle—XlVe steck). 3
Chlodwig die Residenz und damit den Schwerpunkt seiner Macht
?on Tournay auf das eroberte Gebiet nach Soissons verlegte
nd Chilperich bei der Teilung seines Vaters Chlotar I. nicht
Aaiitanien und Paris (dies erhielt Charibert), sondern Armorica
und das salische Land südlich vom Kohlenwald mit Soissons
(Neustrien) erhielt. — Es sollte (S. 46) doch ersichtlich gemacht
Verden, dass Jourdain de Blaie in einem gewissen Sinne die
Fortsetzung und das Gegenstück von Ami et AmiU bildet, insofern
in erste rem die Epigonen des letzteren auftreten, und während
das letztere die Freundestreue so das erstere die Unterthanen-
treue verherrlicht. — Nicht einmal das, was Paris (S. 52) als
historischen Rem der Rolandssage herausschält, ist historisch.
Geschichtlich sichergestellt ist allerdings der Zeitpunkt dieses
Scharmützels, der 15. August 778, aus einer noch erhaltenen
Greb8chrift des Seneschals Eggihard; der Ort aber des Kampfes ist
allbekannt und nur die Sage verlegt ihn nach Roncevaux.
Dass gerade dieser verhältnismässig unbedeutende Zug Karls
nach Spanien eine so reiche Sagenbildung veranlasste) erklärt
man sich richtig damit, dass er an Karl Martells Sieg bei
Poitiers erinnerte und die Bedeutung des letzteren auf Karl den
Grossen übertragen wurde, wie ja auch der Umstand, dass Karl
ein natürlicher Sohn Pipins „von Hcristalu gewesen, auf
Karls Abstammung von Pipin d. Kurzen übertragen wurde. Zur
Verwechselung der Basken mit den Sarazenen (S. 53) war zu
bemerken, dass die Sage alle Gegner Karls d. Gr., die Araber,
Longo barden und Sachsen in Sarazenen umwandelt. Ganelon,
Rolands Stiefvater, hasst Roland auch darum, weil Ersterer auf
Rolands Antrag zu Marsile gesandt wurde, eine Mission, bei der er
sein Leben einzubüssen fürchtete. — Der Weltgeistliche Conrad
(8. 57) schrieb das Rolandslied zuerst lateinisch und erst
dann in deutschen Versen für Heinrich d. Stolzen. — Guillaume,
der Sieger an den Ufern des Orbieu, wurde nicht 790 (8. 63),
sondern schon 789 zum Grafen von Toulouse ernannt. — Die
Fableaux Brvnain la vache au pritre, les Deux Chevaux, le Con-
voüeux et VEnvieux, die (S. 115) bei Paris in bestimmter Weise
Jean Bodel zugeschrieben werden (er stützt sich dabei wohl
auf Leclerc H. L. XXIII, 153), dürften wohl eher Jean de Boves
angehören. (Vergl. Beiträge zur Kenntnis der altfr. Fabliaux von
Oskar Pilz, 8. 3). Dagegen ist der Aristote des Henry d'Andeli
mit Recht als Fablet bezeichnet (S. 115), obzwar ihn der Ver-
fasser selbst ein Lai nennt. — Jean Molinet's sonderbare Idee,
den Rosenroman „in's Moralische u zu übertragen (S. 172) und ihm
eine christlich -mystische Tendenz zu unterlegen, erinnert stark
an die analoge Behandlung des biblischen „Lied der Liederu.
4 /u/iTah' und Ilrzensinmui. /!. Mahrenhitltz,
— Während Paris die Sermon de St. Bernard- 1 Versetzung als
frühestens aus dem XIII. .Jahrhundert herrührend annimmt (S. 222,
nimmt W. Foerster an (Litt. Zentralbl. 1885, Nr. 32), dass sie
bereits dem Ende des XII. Jahrhunderts angehöre und weisst
nach, dass Kutschera's Versuch, das Jahr 1207 als dasjenige der
Übersetzung aufzustellen, misslungen ist. — Druckfehler fielen
uns folgende auf: 8. 226 ist bezüglich des Vrai anneau auf § 149
verwiesen, während es richtig § 150 heissen sollte. — In der
Table cdphabäique ist bezüglich der Fabteaux (8. 280) fälschlich
auf S. 192 verwiesen, ebenso (S. 281) bei dem Schlagworte
Oirard d'Amiens auf § 67.
J. Frank.
}
Wehl, Feodor, Aus dem früheren Frankreich. Kleine Abhand-
lungen. Minden, 1889. J. C. C. Bruns' Verlag. 350 8. 8°.
Der dem verstorbenen Dichter und Theaterleiter F. Wehl
öfter gemachte Vorwurf der Abneigung gegen die französische
Litte ratur wird durch das oben angeführte Buch vollkommen
widerlegt. Dasselbe enthält sieben Abhandlungen über die litte-
rarischen und politischen Verhältnisse Frankreichs mit besonderer
Berücksichtigung des XVIII. und XIX. Jahrhunderts. Überall
strebt W. nach eingehender, sachlicher Schilderung, vermeidet
einseitige, scharfe Urteile und stützt sich zumeist auf französische
Berichte.
•
Nr. I, Französische Frauenbriefe betitelt, gibt auf fast
120 Seiten einen anziehenden, gewandten Oberblick der fran-
zösischen Brieflitteratur von Margareta von Navarra's Tagen bis
zur Zeit Mme de StaeTs. In den Hauptpunkten lehnt W. sich
hierbei an Eugene Crepet's Buch: Le Tr&sor ipistolaire de la
France an. Mit besonderer Wärme rühmt er Maria Stuart' s zahl-
reiche Briefe; hier vermögen wir ihm weniger beizustimmen, als
in dem Lobe, welches er den Korrespondenzen einer Sevigne,
Stael u. a. erteilt.
Nr. II, Ludung XVI. sucht das Leben und Leiden des
unglücklichen Fürsten durch einen Hinweis auf bekannte That-
sachen und Vorgänge zu schildern und die Katastrophe, welche
über ihn und seine Dynastie hereinbrach, begreiflich zu machen.
Bei umfassenderen Quellenstudien würde W. allerdings manches
in anderem Lichte erblickt und über Marie Antoinette günstiger,
über die Revolutionsbewegung der Jahre 1789 — 93 viel schärfer
geurteilt haben. Treffend erscheint uns die Bemerkung: Ludwig XVI.
F. Wehl, Aus dem früheren Frankreich 5
habe wie ein Mann mit zwei linken Händen tiberall ungeschickt
«gegriffen.
An dieses circa 46 Seiten umfassende Charakterbild schliesst
rieh eine Würdigung Robespierre's, welche die Mitte zwischen
Lob und Tadel hält und eher zu wohlwollend, als zu streng ist
AmSchluss teilt W. ein empfindungsvolles Gedicht des Schreckens-
■annes, das der Figaro einst ans Licht zog, in deutscher Über-
setzung mit Wir sind nicht in der Lage, Robespierre's Autorschaft
foittustellen. Das erwähnte Poöm hat der ganzen Abhandlung
den Titel Robespierre als Dichter verschafft.
Wichtiger erscheint uns die vierte Abhandlung: Das Juli-
kimigtum und Quizot, weil hier W. aus zeitgenössischen, sowohl
französischen wie deutschen Mitteilungen schöpft Die Auffassung
des pseudoliberalen Staatsmannes stimmt meist mit der herkömm-
lichen fiberein (s. S. 183—224).
Nr. V. Frankreich und seine Kaiserreiche sucht in der
Beurteilung Napoleons I. und III. eine vorsichtige Mitte zwischen
dem Urteile eines Lanfrey und Delord und den Lobsprüchen
der cäsarisch gesinnten Geschichtsschreiber zu halten. Vom
Chauvinismus, dem nach 1870 auch bei uns die Rasch u. Co.
verfielen, hält sich dieser, offenbar unter dem Eindruck des
glorreichen Krieges geschriebene Essay glücklicherweise frei
(s. 8. 227—270).
Die sechste Abteilung Ein französischer Dichter (Alfred
de Yigny) und sein Tagebuch ist, der geringen Bedeutung des
Gegenstandes entsprechend, kürzer gehalten, bietet aber in Einzel-
heiten manches Anziehende und weniger Bekannte.
Der letzte Essay Aus dem Pariser Zigeunerleben der Kunst
(S. 287 — 350) ist in sachlicher Hinsicht der wertvollste, weil
W. in seinen Charakteristiken Mtirger's, Huet's, Carrel's, Väron's,
Claretie's, der Rachel u. a. aus unmittelbaren Studien und Ein-
drücken schöpfen konnte. Die Darstellung ist hier eine ungemein
fesselnde und lebhafte.
Verhältnismässig wenige Ungenauigkeiten in den fünf ersten
Abhandlungen erklären sich aus der Abhängigkeit des Autors
von französischen Parteidarstellungen und aus der Bestimmung
des Buches für weitere Leserkreise, die mehr Anregung und
Unterhaltung, als Belehrung und Vertiefung suchen. Jedenfalls
wird diese Sammlung zerstreuter Abhandlungen den Freunden und
Verehrern des vor kurzem dahingeschiedenen Dichters ein liebes
und wertes Erinnerungszeichen sein.
R. Mahrenholtz.
6 Referate und Rezensionen. J. Sarrazin,
Rahstede, II. Georg, Studien zu Laroehefoucauld' » Leben und
Werken. Braunschweig, 1888. C. A. Schwetachke A
Sohn (E. Appelhans). VIII, 184 S. 8° nebst einer
Stammtafel des Hauses Larochefoncauld.
Von dem Verfasser der Studie La Bruyere und ferne
Charaktere (Oppein, Eugen Franck), dem fleissigen Übersetzer
von Jan ten Brinck's Zola (Braunschweig, C. A. Schwetachke &
Sohn) liegt uns beute eine neue Arbeit vor, welche das Interes«
des Verfassers ftlr Laroche foucauld dartbut. An mühsamen Studien
und an Sammeleifer hat es Rahstede, wie anzuerkennen, nicht
fehlen lassen, hat doch sogar der Cbef der Seitenlinie des Hautet
Larochefoncauld, der Herzog von Bisaccia, die Arbeit dadurch
unterstützen lassen, dass er durch seinen Gouverneur C. Reicfaei-
bach in Paris einen ausführlichen Stammbaum (S. 133 — 139) der
Familie Larochefoncauld ausarbeiten Hess. Dass Rahstede such
gründlich die auf deutschen Bibliotheken vorhandene Litteratar
benutzte, bezengt die Vorrede. In Kap. I gibt der Verfasser
einen Abriss der Lebensgeschichte Larochefoucauld's (S. 1 — 62),
Kap. II bespricht sein schriftstellerisches Wirken und das Ent-
stehen seiner Werke (S. 63—81); Kap. 111 stellt dar, wie La-
rochefoucauld's Persönlichkeit und schriftstellerische Leistungen
von den Zeitgenossen beurteilt wurden (S. 82—102); Kap. IV
bringt die Kritik der modernen Kritik der Schöpfungen Laroche-
foucauld's (S. 103—118). Ein reichhaltiger Anbang (S. 119— 184)
bietet zunächst Anmerkungen zu den einzelnen Kapiteln, sodann
eine Stammtafel des Hauses Larochefoucauld nach Tallement de«
Reaux und die schon erwähnte von Reichenbaeh, ferner einen
Brief des Chevalier de Mere an M™ la Duchesse de ***, ein
Portrait du duc de Larochefoucauld par le Cardinal de Beb
(S. 144—145), um mit einem ausführlichen Verzeichnis der be-
nutzten Litte rata r und einer Larochefoucauld- Bibliographie n
schliessen. Anzuerkennen ist, dass Rahstede späteren Forschern
eine Menge nützlichen Materials beigebracht hat. Wogegen sich
aber die Kritik allen Ernstes verwahren muss, das ist die Art der
Darstellung. Abgesehen von allzuhäufigen Zitaten fehlt dem
Ganzen Straffheit der Anlage und Knappheit der Sprache. Merkt
man auch auf jeder Seite, wie liebevoll der Verfasser sich in
jene Zeit hineingelebt hat, wie freudig er jedes Wort begrttsst,
das neues Licht über seinen Helden ihm und seinen Lesern
bringen könnte, so ist es eben doch leider diese naive Frende,
die ihn seinen Gegenstand allziibreit darstellen und anstatt ein-
heitlich fortzufahren, ihn häufige Seitensprünge machen läset. Eine
nicht unbeträchtliche Anzahl von Inkorrektheiten, Trivialitäten im
E. Hatin, Ev Journal (t;:>. Hand der Bibiwtlibqtu- Hlilf). 7
Ausdruck dürfte der Leser damit entschuldigen, dass wir es in dem
Verfasser mit einem Ausländer zu thun haben, dessen Bemühungen,
in deutscher Sprache zu schreiben, noch nicht ans Ziel gelangt
sind. Drei weitere Studien stellt der Verfasser in Aussicht:
über V'suvenargues, über Duclos und über Diderot als Roman-
schriftsteller. Möchte der mit Hingebung arbeitende Schriftsteller
durch straffe Disposition und knappen, kürzeren Ausdruck die-
selben zu recht erfolgreichen für sich und die Wissenschaft
gestalten. E. II ö n scher,
atin, E., /-e Journal (69. Band der BiBUothtyuc utile). Paris
o. J., Felix Alean. 192 S. 16°. Preis gbd. M. 0,80.
Die Bibliotheque utile ist ein Unternehmen, wie es in
utschland noch fehlt, weil es einmal bei den teuren Blicher-
preisen und der Teilnahmslosigkeit kaufkräftiger Kreise nicht
deinen könnte, und weil leider sachkundige deutsche Fach-
minner eine volkstümliche Darstellung ihrer Forschungen als
eine Herabwürdigung anzusehen pflegen. In Frankreich ist es
Inders. Kein Gelehrter, kein Schriftsteller dünkt sich zu hoch,
um gemeinverständlich zu schreiben und Kompendien zusammen-
zustellen. So treffen wir denn unter den Mitarbeitern an der
Bibliothiqne utile Männer wie Pelletan, P. Secchi, den Präsidenten
Qmot, K. Zevort, P. Gaffarel und den hochgelehrten Verfasser
der achtbändigen Histoire de la Presse en France (Paris, 1859
bis 18#1). Hatin, auch als Bibliograph geschätzt, hat im vor-
liegenden Büchlein einen Auszug aus seinem grossen Werke und
eine Umarbeitung seiner Hiatoire du Journal en France (Paris,
1846, 2. Aufl. 1853) gegeben. Er schildert in kurzen Zügen
die Uranfänge des Zeitungswesens, daB Aufkommen der Gazette
de France des Arztes Renaudot (1631) und die überaus lang-
same Entwicklung der französischen Presse bis zur Revolution,
ohne die Journaux intsrlupes, die Nouvettes ä la main ausser-
acht zu lassen. Der zweite Abschnitt stellt in überaus prägnanter,
mit zahlreichen Zitaten gezierter Form die Rie Benfortschritte der
Presse unter den sieben Regierungen dar, welche in diesem
Jahrhundert Frankreich beglückt haben. Kein bedeutender Name
fehlt in der Aufziililung. Das anziehende Schriflchen schliesst
mit einem Überblick Über Zeitungswesen im Ausland, besonders
Über Zeitungen englischer Zunge und mit einer trefflichen Dar-
itellung heutiger Zeitungstechnik. J. Sarrazin.
Wi wie berger, Oskar, Über das Handsrlu-ifleiiverhUltni* des alt-
französischen Guy de Warwick. Marburg, 1889. 49 S. 4B
(Marburger Dissertation).
Winneberger's Arbeit ist eine Ergänzung zu Tanner'n
Dissertation Über Alter und Geschichte der Sage von Guy de
Wanoick (Heidelberg 1877) und eine Erfüllung dessen, was er
uns in einem frllberen Aufsätze: Eine Textprobe aus der alffran-
zb'sischen Überlieferung des Guy de. Warv-iek versprochen hatte,
der 1887 in den Frankfurter Neuphüol. Beiträgen (8. 86—107)
erschienen war.
Von den 13 Handschriften des Guy de Warwick haben dem
Verfasser vollständig vorgelegen die WolfenbUttler Hb. (G.), die
Pariser (P — ms. fr. 1669) und die eine Londoner (A — College
of AnnB 27), Von den anderen Handschriften standen
soweit sie nicht schon selbst fragmentarisch erhalten sind
Bruchstücke zu Gebote, die zum Teil schon gedruckt sind,
sind die Cambridger (C — C.C.C., Ms. Bennet 50. 6), die andere
Londoner (E — Br. Mus., Reg. 8 F. IX), die Oxforder (0 — Bodl.,
Rawlinson 1370), die zwei Oxforder Fragmente (F) und eine dril
Londoner (H — Br. Mus., Harl. 3775, 2). Diesem Stande ent-
sprechend nimmt die Untersuchung der Handschriften G
die der Verfasser als zu einer Gruppe gehörig erweist, den
meisten Raum in der Arbeit ein (S. 4 — 30), während die anderen
C R 0 F kürzer behandelt werden (8. 31—40). Hierauf wird
das Verhältnis der Gruppen GPA und CKOF besprochen und
durch einen Stammbaum veranschaulicht (S. 40—42). Es folgt
im V. Kapitel (S. 42 — 46) ein Versuch, auf Grund nur geringen
Materials die Stellung der Handschrift H zu bestimmen, und
schliesslich auf Grund nachträglich eingegangener Kopien ein
gleicher Versuch mit den Handschriften J (Fragment) und M
(Marske Hall, Yorks.).
Der Verfasser hat seine Untersuchung mit methodischem
Geschick durchgeführt, und mit seiner Gruppierung kann man
sich, soweit sich seine Gründe aus der Arbeit selbst nachprüfen
lassen, wohl einverstanden erklären. Ein Herausgeber des Guy
de Warwick wird die Arbeit mit Freuden begrüssen. Ob freilieb
die geringen Proben aus der Gruppe 0 R 0 F II J M geniigen
können, um das Verhältnis dieser Handschriften sicher zu ent-
scheiden, vermag ich nicht durchaus zu bejahen. Nach meiner
Erfahrung zeigt eine Handschrift nicht immer ein einheitliche!
Gepräge, weil z. B. die Mundart des Schreibers oft sich nur
schwer der Mundart der Vorlage anpasst.
Der Rvd John E. A. Fenwick in Cbeltenbam hat Übrigem
im,
mr
Vt
;re
IL,
tte
:
Im
E. Bowrciez, Precis de phonetique franqaise etc. 9
als Neffe des Sir Ths. Phillipps dessen Bibliothek geerbt, unter
der Bedingung, dass er sie nie veräussere. Dass er aus ihr
Kapital zu schlagen bemüht ist, kann man ihm nicht verdenken.
Freilich könnte die entrance fee niedriger sein. Der Rvd und
die Wissenschaft würden sich dabei besser stehen.
M. F. Mann.
Benrciez, E., Pricis de phonttique frangaise ou Exposi des lots
qui rigissent la transformation des mots latins en francais.
Paris, Klincksieck, 1889. kl. 8°. 123 S.
Zur Zeit, wo wir diese Zeilen schreiben, liegt uns bereits
eine eingehende Besprechung des anzuzeigenden Buches durch
G.Paris vor {Romania 1889, S. 583 ff.), die uns enthebt, auf
dort gerügte Einzelheiten auch unsererseits einzugehen. In
unserem Gesamturteil stimmen wir durchaus mit G. Paris tiber-
ein: Der Abriss Bourciez' erfüllt auf vortreffliche Weise seine
Aufgabe, Anfänger in das Studium der historischen französischen
Grammatik einzuführen, ihnen einen kurzen, ausführliche wissen-
schaftliche Erörterungen vermeidenden Überblick über das Ver-
htitnis des neufranzösischen Lautstandes zum lateinischen zu
geben. — Die Behandlung der Lehn- und Fremdwörter wird, als
indes Verfassers Thema nicht gehörig, unterlassen; nur gelegent-
lieh werden Erscheinungen von Lehnwörtern zur Sprache gebracht,
um die lautgesetzliche Entwickelung der Erbwörter dadurch um
so deutlicher hervortreten zu lassen.
Unseren besonderen Beifall zollen wir der Anordnung des
Werkchens. Bei Behandlung des Vokalismus werden zwei
Kapitel vorausgestellt, in denen die Rolle des lateinischen
Aeeents, die volkslateinische Qualität der Vokale und deren Be-
einflussung durch die benachbarten Laute geschildert werden.
Die hier gegebenen Beobachtungen bilden die Grundlage zu
den später bei Vorführung der einzelnen Vokale beobachteten
Unterabteilungen. Bei Besprechung des Accents empfinden wir
als Lücke die fehlende Unterscheidung der Vortonsilben in neben-
toniache und unbetonte. Wenigstens macht B. nicht darauf auf-
merksam, dass die Erhaltung der Vokale in den ersten Wortsilben
die Wirkung eines, wenn auch oft sehr schwachen Nebentones
ist, ihr Untergang an nicht erster Stelle unmittelbar vor dem
Hauptton die Folge ihrer Tonlosigkeit. Auch hätte die Behand-
lung des unbetonten Vortonvokals mit der des unbetonten Nach-
tonvokals kurz in Parallele gestellt werden sollen. Inbezug auf
die Anordnung der Vokale freuen wir uns, B. mit uns darin
10 Referate und Rezensionen. h\ h'oschwitz,
übereinstimmen zu sehen, dass er von der traditionellen Reihen-
folge derselben (a, e, i, o, u) abgeht und die zweckmässigem
und phonetisch richtigere Reihenfolge i, e, g, a, q, o, u aufstellt
Eine Inkonsequenz finden wir aber darin, dass hier bei dea
Vokalen mit dem Laute begonnen wird, der am meisten vorn in
Mundraume artikuliert wird, während bei Behandlung der Kon-
sonanten das umgekehrte Verfahren eingehalten und mit der
Gutt. h begonnen wird. Der Reihenfolge: Gutt, Pal., Dent,
Lab. scheint uns nur eine vokalische Reihenfolge u, o, a, e, t n
entsprechen, wie wir sie denn auch in unserer Grammatik durch-
geführt haben. Mit der sonstigen Gruppierung des Verfassen]
sind wir durchaus einverstanden; nur würden wir an Stelle von
protonique initial überall „nebentonisch" gesetzt haben, und ver-
missen wir eine Zusammenstellung der analogisch erhaltenes
unbetonten Vokale (voyeUes protoniques non-initiales). — Nun w
einzelnem.
8. 11 Anm. dam la mitrique latine . . . toute voyeüe suwk
de deux ou plusieurs consonnes compte pour Ion gut ist ans
doppeltem Grunde ungenau. Nicht der Vokal, sondern die Silbe
gilt der lat. Metrik lang; ferner bewirken Muta c. Liqn. im
allgemeinen keine Silbendehnung. — S. 16. Die Bezeichnungen
a", t", o", o* sind zum Ausdruck der Nasalvokale nicht glücklich
gewählt; i" = e ist nur einem Franzosen erträglich; aber auch
ihn muss ü" = je befremden. Verf. ist hier auch von seiner
Vokalskala abgewichen: er musste ordnen 5, #, e, ct. — 8. 17.
Die Bemerkung: le latin vulgaire avaü, en ce cas, trcmrfortnS en %
tout e atone, et . . . disait lancia, vinia etc. au lieu de lancea ist h
dieser Formulierung unrichtig. Nicht Hiat.-e wurde zu Hiat-i,
sondern beide Laute fielen, einsilbig geworden, unter dem Laute \
(deutsch j) zusammen. — S. 17 Anm. Zu den von G. Paris
bereits gerügten, mehrfachen Verwechselungen des Verfassen
von Laut und Schrift gehört auch die Angabe, st vor i sei *#
geworden. Es soll heissen „stimmloses *, geschr. es" — 8. 18.
§ 23 ist nicht genau genug. Eine Palat entwickelt einerseits
unsilbiges i, das sich mit vorausgehendem Vokal zu »-Diphthong
verbindet, andererseits ein % (j), das sich mit folgendem Vokal
zu Halbdiphthong verbindet. Verf. weiss dies, seine Darstellung
drückt es aber nicht deutlich genug aus. — S. 19 u. ö. hätten
wir die Ausdrücke transposer und transposition gern vermieden
gesehen, da es sich um ein Hindurchgehen des i durch den
vorausgehenden (mouillierten) Konsonant hindurch in die vorher-
gehende Silbe handelt (ngy nj", n, in u. dgl.). — 8. 19. Zu § 24
Rem. ist jetzt Mussafia, Romania 1889, S. 529 ff. zu vergleichen,
der freilich auch nicht alle Bedenken überwindet Ebenso zu
I
F.. Baurcic:. Prccis rfc p/iiiriilii/m- francnisi elf. 11
S. :.'.">, zu Ttia = esse; zu S. 33, zu plate.a : plare: und zu B, «7,
I§ 126a. — S. 22. Die Behauptung, der af'rz. Diphthong IM habe
er« Anfang des XIX. Jahrhunderts die Aussprache uo ange-
nommen, ist unrichtig. Vgl. unsere Gram, der nfrz. Hchrift«i<r.
S. 41. — Die Brechung von e in beU etc. ist sicher gleichzeitig
■iiii An rinTL'Mii- von / zu t und «, also die Reihenfolge nielit
Mm, bral*, beau«, wenn sie auch graphisch sich eo darstellen
mag. — 8. 86 fyal = aequate ist wahrscheinlich halbgelehrt;
toffat, rot/al stehen wenigstens unter dem Einflüsse gelehrter
Adj. auf al (ahm). — 8. 31 Anm. A la fin du H» tuet*, mmr
exemple, le mot atme se prononcait an-ime ist uns unver-
sliimlli.'h. — S. 32 und 8. 74. acre(m) aigre, inacre(m) maigre
u. dgl. dürften als halbgelehrte Worte zu betrachten sein. —
& :,7. $ öl. Rem. IV. Die hier für foco = fou gegebene Er-
klärung (foco, fncuii, /ovo, fön) ist so nicht annehmbar; /ovo wäre
fuef geworden. Der Verf. musste diese Entwickelnng mit der
B. 50, Rem. V gegebenen in Einklang bringen, wonach clavwn
durch ctauyo zu clou geworden ist. Demnach war richtig: foco,
focuo, foyo (u = halbvükalischem, bilabialem w),fam. In Auslaut
tretendes e ergab /; in Auslaut tretendes y wurde mit voraus-
gehendem Vokal zu ii Diphthong verbunden. — 8. 37. Freies
haupttonisches o wurde schon in der zweiten Hälfte des XII. Jahr-
hunderts zu ew (<e). — 8. II. lultr* (luntruin} ist gelehrt, also
hier auszuscheiden. — 8.47, Rem. I ist nicht genau. \\\ feignant
i»t ign = ft, also kein Diphthong ei vorhanden; in ftitalrr ist ei
dagegen ursprünglich Diphthong, ein aus e -4- 3 vor Kons, ent-
standen; es liegt also einerseits en, andererseits ein vor. —
S. 49. aifpt = acuta ist nicht Erbwort. — 8. 58. [ iat graphiqne-
meat nicht nur Hl, sondern auch 11, il und l (jille, nohil, grit). —
S. 68. Bei Erklärung von pediea durch pediga, püdijo, piedjt,
pieijt wäre es gut gewesen, auf die 8. 66 gegebene Entwickelnng
Mm aKet m age zu verweisen. Ebenda 2" lullte nicht unerwähnt
bleiben sollen, das« ca (oder daflir schon eingetretenes gm, ja)
nach rf, n, r, also nach stimmhaften Lauten zu stehen kam. —
S. 72. Für croix, voix, perdrix (afrz. er««, wou, ptrdriz) nimmt
B. im Auslaut gesprochenes stimmhaftes s an, während er 8.61
nach der allgemeinen Annahme behauptet: lex MMMlMt finales
ou deveniits finales, st eliex persistent et se prononcent, tont tow
jours en fran^ais des /orten. Seine Annahme begründet B.:
('■■ /fi protrve que cette S ttait dauce. reut que le vieux fra.nc.ais
tecrivaä z (pumoace Tu). Dies würde das Gegenteil beweisen.
S in tu konnte nur stimmlos sein und tu nnr in einfaches stimm-
loses * übergehen. Beachtenswerter ist die IlinzufUgung B.'s,
das« in den Ableitungen von croh ein stimmhaftes .. erscheint:
Rrftr,
croisilliKi, croUette u. s. w.; doch konnten eich diese Ableitungen
nach der Aussprache gerichtet haben, die auslautendes * vor
anlautendem Vokal innerhalb des Satzgliedes schon im Altfran-
zösischen annahm. Ebenso anfechtbar ist S. ÖS § 127, wo au«
demselben Grunde in prix etc. stimmhaftes auslautendes .- an-
genommen wird. Auch S. 04 § 141 ist auslautendes stimmhaftes
s für das Altfranzösische nicht ohne Weiteres zuzugestehen. —
8. 75, 2° iBt veruDglUckt. § 107 toü lies toü. — ä. 77 § 111
aj ist ebenfalls anfechtbar. Ein altfrz. eve hätte schwerlich eau
entwickelt; es ist von etee (eue) auszugeben. — S. 78 § 112
ist der Ausdruck ungenau in „gamba, gemere se pronoagaient
comme gutta." Nur das g dieser Worte soll doch wohl gleich
gesprochen worden sein. Aber auch dies ist nicht richtig. An-
lautendes g vor u, o war velar (poatpalatal), g vor a war raedio-
palatal, g vor e, i präpalatal. Wäre .•/ in allen drei Stellen
gleich gewesen, dann hittle es keine verschiedene Entwickclnng
genommen. — S. 81 fragile = fraiU ohne Erweichung des l
kann nicht ohne Weiteres mit vigilare, veüler etc. zusammen-
gestellt werden. — Ebenda § 117, 2U handelt es sich aus-
schliesslich um auslautendes g nach Konsonant, dem ursprlingli
ein dunkler Vokal (o, u in den Beispielen) folgte. — 8. 86 § 1
T medial, appuyf, ou non, tombe en frangais 1" devont les palatalt*
ist nach des Verfassers eigener Entwiekelungsangabe nur bedingt
richtig. In altt'ranz. froma{/e (§ = dl) aus formadjr, forwudi
formatteo ist ursprüngliches t noch (als d) iu <J enthalten; erst
Beit dem XIV. Jahrhundert sprach man frymale ohne dentale
Plosiva. Ahnlich liegt es S. 90 mit manducare (mandugare,
mand'jier, mant'/ier = phon. mandzter). Auch in altfranz. -Jörn
ist j (=(J, dlj wenigstens ein Kompromiss von d-\- j.
hätte erklärend beigefügt werden können, dass in capo
nicht eigentlich p, sondern aus intervokaliseliem p hervoi
gegangenes t> (cabo, cavo) zn auslautendem / entwickelt wurdi
— S. 104. Intervokalischcs » fällt der Regel nach nur
oder nach dunklem Vokale aus. — 8. 112. Die Auflosung
l vor Konsonant war nicht dis le debut du XII' siecU, sondei
erst in der Mitte des Jahrhunderts vollzogen. — S. 116. Rem. II
wäre genauer gewesen zu sagen, dass mV analog zu »V ebenfalls
nr und mit diesem gemeinsam zn ndr wurde. In § 1815 handelt es
sieh nur um nachtonisehes lat. m; betontes blieb als n erhalten.
— 8. 117. Z. 1 gilt das graphiquement doch nur für die
Gegenwart. In Hlter Zeit verwandelte die Dentalis in g = di
vorausgehendes m in n, wurde also auch n gesprochen. —
S. 119. Rem. I ist in der gegebenen Fassung ni
len-
134
alt*
ingt
•ig»,
erst
täte
art,
Jörn
.99
vor-
z
lr,:
u. II
E. Kornmesser, Die französischen Ortsnamen germanischer Abkunft. 13
Dts Französische duldet im Auslaut überhaupt keinen ge-
schriebenen Doppelkonsonanten. Cor für com etc. wurde durch
tltfranz. eorz (für cornz) veranlasst.
E. Koschwitz.
Konimesser, Ernst, Die Französischen Ortsnamen germanischer
Abkunft. I. Teil. Die Ortsgattungsnamen. Strass-
burg, 1889. Karl J. Trübner. 59 8. 8°. Preis: 1,50 Mk.
In der Einleitung (S. 1 — 16) seiner schönen Arbeit setzt
K. auseinander, dass germanischen Ursprungs 1) diejenigen Orts-
itmen sind, welche mit dem Suffix -ingen gebildet sind, 2) solche
nsammengesetzten Ortsnamen, welche an erster Stelle einen
germanischen Personennamen, an zweiter ein Ortsnamensuffix wie
•wfle, -vüUers, -court enthalten. Er weist in scharfsinniger Weise
nach, dass die letztere Art der Ortsbenennung erst durch die
Franken nach Gallien gebracht ist, und dass alle ähnlich ge-
bildeten Ortsnamen, deren erstes Glied aber kein germanischer
Personenname ist, erst nach dem Muster jener fränkischen gebildet
sind. Ortsnamen besagter Gattung spielen bekanntlich eine
grosse Rolle in der Ortsnamenforschung. Es ist W. Arnold in
seinem bahnbrechenden Werke: Ansiedelungen und Wanderungen
der deutschen Stämme2, Marburg 1881, gelungen, die Ortsnamen
chronologisch zu gruppieren. Er setzt drei Schichten fest. Orts*
nimen der obigen Art sollen nun der zweiten Schicht angehören,
deren Ursprung in die Zeit vom V. bis VIII. Jahrhundert n. Ch.
6. falle. Ja, Arnold und seine Nachfolger, wie Werneburg,
weisen diese Namen ausdrücklich einer späten Zeit der zweiten
Periode zu (Arnold, S. 287 f., Werneburg, Die Namen der Ort-
schaften und Wüstungen Thüringens, Erfurt 1884 f.). Wir sehen
aber solche Namen z. B. von den Alemannen nach Helvetien
(Die Ortsnamen des Kantons Zürich von H. Meyer, S. 70 f.),
den Angelsachsen nach Britannien, den Franken nach Gallien
getragen: sie dürften also bedeutend älteren Ursprungs sein, als
bisher angenommen wurde. Sie werden zur Zeit der grossen
Wanderungen entstanden sein und überhaupt Ansiedelungen
germanischer Stämme in eroberten Ländern kennzeichnen. K.
musste von dieser Sachlage, etwa S. 3, sprechen.
Von S. 16 ab bis zum Schlüsse bespricht K. nun ausführ-
lich nach Herkunft und Verbreitung die zweiten Glieder der zu-
sammengesetzten Ortsnamen, also das Suffix -ingen und die „ Orts-
gatt ungsnamen". Er teilt diese in 1) solche, welche Ortsanlagen
oder Gebäulichkeiten bezeichnen (wie väle} chdtely bourg) 2) solche,
14 Referate und Rezensionen. E. Weber,
welche eine Terrainbenennung enthalten (wie ehamp, mont, boü\
und 3) niederdeutsche Ort »Gattungsnamen. Für die fränkieeü«
Ansiedelungen in Gallien kommen jedoch nur die erste Klasse der
Ortsgattungsnamen und die Ortsbez eich nun gen auf -ingen in Be-
tracht. Die fränkischen Personennamen aber, mit denen sie n-
samm engesetzt werden, sollen erst im zweiten Teil der Arbeit
behandelt werden. Somit lassen sich die Resultate, welche ffr
die germanisch -romanische Sprachwissenschaft ans K.'s Arbeil
fliessen werden, noch nicht angeben. Wir behalten uns vor, nach
dieser Richtung hin auf die Arbeit zurückzukommen nnd wollen
vorläufig; nur bemerken, das Got. veüix, Ags. wie, Alts, wtk, AM,
mich als Ortsgattnngsnamen (8. 43) nicht ein und desselben Ur-
sprungs sind; d&BS sich die französischen Ortsnamen mit den
germ. Suffix -ingen (3. 45) in eine ältere nnd eine jüngere Graps«
scheiden lassen werden, je nachdem t zu « oder a gewandelt
oder erhalten ist u. s. w. Dass K. sich Beschränkung aufgelegt
bat und s. B. die Ortsnamen der französischen Schweiz, soweit
sie mit denselben Ortsgattnngsnamen gebildet sind, nicht in des
Bereich seiner Untersuchung gezogen hat, ebensow enig wie uf
französischem Boden die Wüstungen, will ich eher anerkennen
als tadeln.
Eine Arbeit wie die von K. hat aber nicht nur Bedeutest;
für die Sprachgeschichte, sondern auch für die allgemeine Welt-
geschichte, Kulturgeschichte, Kulturgeographie und Ethnographie.
Aus der Fülle der Bemerkungen, die sich hier aufdrängen, sei
nur eine einzige hervorgehoben. Die Orts gattungsn amen, welche
für uns in Betracht kommen, sind: ville, villi&rs, conti, meto,
minil, chätet, moulin, -montier, eglise, maüton, tric, bourg, hameL
Von diesen sind zwei germanischen Ursprungs: bourg und hamel
Das letztere dient gar nicht als Grundwort bei Ortsnamen, du
erstens wird nicht mit germanischen Personennamen zusammen-
gesetzt. Ebensowenig vic, mainon, chdtel und moulin. Mit montier
montier (monatterium) und eglise zusammengesetzte Ortsnamei
Bind schon aus inneren Gründen jüngeren Ursprungs. Es komme)
also ftur die fränkischen Ansiedelungen in Gallien im wesentliche:
nur -ville, -villier*, covrt, -metz nnd minil in Betracht, alle
Wörter romanischen Ursprungs. Wie geraten nun die frank iacbei
Personennamen mit diesen romanischen ürtBgattun gen amen zu
sammen? Darüber spricht sich der Verfasser nirgends deutlici
aus. Nehmen die Franken vorhandene välae, villares, curte* etc
in Besitz und nannten sie mit Beibehaltung der alten Grund
Wörter nach dem BeBitzergreifer oder einem Anführer? Ode
brachten die Eroberer fertige Ortsnamen aus der Heimat mit
wie sonst Auswanderer thun, nnd legten sie den eroberten Ortci
II'. tWrstcr, litiwaittseh, Bibliothek.
Und werden sie nicht viele Sie de innren neu gegründet
haben, deren Benennung sich aus heimatlichen Ortsgattungs-
tiaraen und dem Samen des Gründers zusammensetzte':1 Dann aber
itnis> man annehmen, dass die angeführten romanischen Orts-
gattungsnamen zum Teil wenigstens Übersetzungen ursprünglich
gleichbedeutender /i_-rrii;<iiisi.-h(-r Gnnidwiirti.'i' sind u-urti» z. B. von
hova, Kovum), vollzogen etwa vun der Schicht Germanen, welche
germanisch und romanisch verstand. Hieraus aber würde weiter
folgen, dass z. B. hova, hovun auch ein fränkisches Orts-
namensuftix, nicht spezitisch alleuiamiisches ist, wie Arnold und
andere wollen. S. 21 hat K. nachdrücklich hervorgehoben, dass
andere Suffixe, welche ebenfalls allemannisehe Ansiedelungen
i-harakterisieren sollen, nilmlich -weil und -weiter, gar nicht ger-
manischer Herkunft sind. So würden aber Arnold'» Zeugniese
für allemannisehe Wanderungen und Siedelungen eilten derben
Stoss erhalten. Noch aber sind gar nicht alle Möglichkeiten,
wie die zusammengesetzten Ortsnamen auf gallischem Boden in
ihrer jetzigen Form entstanden sein können, erschöpft. So
können ja die Franken die französischen Bezeichnungen für be-
wohnte Plätze einfach von vornherein angenommen haben; aber
warum gerade diese und nicht andere? Ein weiteres Eingehen
auf diese Frage würde jedoch zu weit führen.
Es erübrigt nur noch, die Umsicht hervorzuheben, mit der
wichtige, eine grosse Lücke ausfüllende Arbeit angelegt, und
ii Flejss und die Sorgfalt, mit der sie ausgeführt ist. Wir
erwarte» mit Ungeduld den zweiten Teil, sind aber schon jetzt
sk'lirr, dui die ganze Arbeit au schonen Resultate« reich sein
wird. Soll etwas getadelt werden, so ist es die Überaus zu-
sammengedrängte Ausdrucksweise, die nicht selten an Dunkelheit
streift. In diesem Punkte brauchen wir nicht Lachmann nach-
zuahmen, sollten uns vielmehr die französischen Gelehrten zum
Muster nehmen, die uns so oft zeigen, dass man wissenschaftlich
id verständlich zugleich sein kann.
E. Mackel.
den
■st«r, W. , Romanische Bibliothek. Krster Band. Chrtutian
von Traye» Cligis. Textausgabe mit Einleitung und
Glossar. Halle a. S., 1889. Max Niemeyer. XXI und
215. S. Preis: 4,00 Mk.
Der unermüdliche Bonner Gelehrte, der in den letzten fünf-
n Jahren mehr altfranzösisehe Poesie und Prosa herausgegeben
, als manche, selbst ausgezeichnete Kenner des Französischen,
16
I RneHlitHm. K. Weher,
in einem langen Lehen gelesen haben, und der die Veröffent-
lichung einer nicht minder grossen Zahl altfranzösi scher, proven
zalischer, Überhaupt altromaniHcher Denkmäler angeregt miil durch
Rat und That gefördert hat, lüsat jetzt eine Rumänische Bibliothek
erscheinen, die in erweitertem Rahmen seine Altfrsnzösische
Bibliothek fortzusetzen bestimmt ist. Von dieser neuen Samm-
lung liegen schon drei Rande vor, von denen für dies Mal nur
der erste besprochen werden soll. Die Ausstattung derselben
ist freundlich und gefällig, Druck und Rapier sind schön und
sauber. Der Preis ist sehr niedrig bemessen.
In würdiger Weise eröffnet Foerster selbst die Romanische
Bibliothek mit dem Cliges. Die neue Ausgahe dieser Dichtung
unterscheidet sich von der vor fünf Jahren erschienenen durch
zahlreiche Verbesserungen des Textes, die der Herausgeber zum
Teil den Besprechungen jener ersten Ausgabe verdankt. Ferner
bat die Interpunktion eine gründliche Durchsicht, die Recht-
schreibung eine Btreng durchgeführte Regelung erfahren. Endlich
ist ein Namensverzeichnis und ein reichhaltiges Glossar hinzuge-
fügt worden.
Beim Durchlesen des Buches sind nur einige unwesentliche
Kleinigkeiten bemerkt worden. Im Glossar hütten vielleicht
Wörter wie bruit, devant, dnrniir, drap, Au, flaue, filir, front,
fruit, gros, haut, huit, image, joie, lit, lune und sehr viele andere
wegbleiben können, zumal wenn doch weiter nichtB dazu ange-
geben wird als die Grundbedeutung, die aucli in dem kleinsten
neufranzösischen Taschen wo rtcrbu che zu linden ist. Doch kommt
im Grunde nichts darauf an, ob ein solches Wörterverzeichnis
zwanzig oder dreissig Seiten umfasst. Andererseits wird man
gar manches vergebens suchen. Wer z. B. nicht wissen sollte,
was oms, $ant, doble bedeuten, wird erst recht der Belehrung
über den Sinn von eine ganz doble« bedllrfen. Wenn unter atit,
maint, ost , tut ausdrücklich auf al-er, mener, oser oder osier,
tuer hingewiesen wird, so musste auch daB zu blasmer gehörige
blast besondere Erwähnung finden. — Im Glossar steheu r'alrr,
r'auiser, r'estre u. a. , wahrend im Texte dieser Apostroph mit
Recht keine Anwendung gefunden hat, — Bei cerchier hätte die
Bedeutung „Durchsuchen" angegeben werden können: Trestnz
ses escrins terehe et vuide 1152. — Pans 3863, Verbalsubstantiv
zu panser, fehlt im Glossar. — Es ist nicht immer möglich, im
Altfrz. zwischen smu: = sen.no ital. und /an = senno ital. zu
unterscheiden. Sollte aber wirklich in unserem Denkmale aus-
schliesslich {das im Neufrz. nur noch in der Ableitung forcenr
fortlebende san gebraucht sein? An einer Stelle wie /.<■.>,■ j
acorrent de toz Sans 5132 möchte wohl sanx mit «tammhafteu i
ff. Suchier, Aucassin und Nicolete. 17
vorliegen. — An Druckfehlern im Text sind nur zwei bemerkt
worden: 3970 mint, lies sont; 5395 oires, lies oirs.
Man wird zugeben müssen, dass dies wenige eine spärliche
Ausbeute untergeordneter Bemerkungen ist. Das Buch, wie es
> jetzt vorliegt, ist in der That des schönsten Lobes würdig, dem
[ der Ehrgeiz eines Herausgebers alter Werke nachstreben kann.
\ Der von allen Flecken einer zufalligen Ueberlieferung gesäuberte
Roman liest sich jetzt besser als selbst der Dichter ihn je ge-
lesen hat. £. Weber.
Suchier, H., Aucassin und Nicoletey neu nach der Handschrift
mit Paradigmen und Glossar. Dritte Auflage. Pader-
born, Druck und Verlag von Ferdinand Schöningh.
Münster i. W. 1889 — Osnabrück.
Im Jahre 1878 gab Suchier zum ersten Male Aucassin und
Nicolete heraus; jetzt, nach nur elf Jahren, ist das in jeder Hin-
siebt ausgezeichnete Buch schon in dritter Auflage erschienen.
Noch nie zuvor hat eine altfranzösische Dichtung in so kurzer
Frist eine zweite, geschweige denn eine dritte Auflage erlebt.
Wenn nun dazu noch kommt, dass innerhalb desselben Zeitraums
Cfaston Paris seine durch Bida's Radiernadel so anmutig ge-
schmückte Ausgabe veröffentlicht hat, so ist das ein schöner
Beweis dafür, dass der Kreis derer, die Werke der älteren
französischen Litteratur lesen und gemessen, sich im letzten Jahr-
zehnt ausserordentlich erweitert hat.
Zu Ausstellungen irgend welcher Art giebt die neue Auf-
lage schwerlich Anlass. Es kann nur gebilligt werden, dass
jetzt einiges, was schon vom Standpunkte des Schreibers aus
als Versehen bezeichnet werden muss, verbessert worden ist
8o steht jetzt 7,13 venirs; 8,16 defent; 8,39 U6s\ 10,54 fait;
12,21 Us; 13,8 dementers] 13,14 autres; 18,7 Iraient; 22,17 mes;
22,39 covient; 22,41 laisgies; 24,56 desous; 26,8 puis; 28,6
missent; 29,7 faus; 31,6 fromages; 35,12 dius; 36,3 freres;
36,13 avoit; 37,10 Aucassins; 38,3 fissent. Am Ende all dieser
Wörter fehlt in der Handschrift ein s oder t. — Ein e im Aus-
laut wurde hinzugefügt bei faelie 12,33; nue 32,11; preie 36,8
und 36,11. — Ferner steht in der Handschrift achtmal i für ü
und zwar mit Ausnahme einer einzigen Stelle immer vor darauf
folgendem l im Anlaut. Dieses i ist jetzt durch ü ersetzt
worden. — Wenn dann noch in den Anmerkungen angegeben
wird, was in der Handschrift wirklich vorliegt, so heisst das
dem alten Schreiber alle nur mögliche Ehre erweisen. Nichts
desto weniger darf gewissenhafte Beachtung des Ueberlieferten
Zacfar. t frz. Spr. u. Litt. XII*. 2
18 Referate und Rezensionen. A. llaasc,
nie als kleinlich bezeichnet werden. Dafür nur ein schlagendes
Beispiel. Ein so gründlicher Kenner seines Textes wie Suchier
hat sich sicher erst nach sorgfältiger Ueberlegnng bei der dritten
Auflage entschlossen 39,12 trau mit ttent zu vertauschen; und
doch wäre diese Abweichung -von der Handschrift, wie Tobler
überzeugend nachweist, besser unterblieben. — Darum bat viel-
leicht auch der Herausgeber Recht, wenn er 6,31 oVesci beibe-
hält. Freilich hat hier nicht blos Gaston Paris, wie Suchier
sagt, sondern auch Adolf Tobler de soi zu lesen empfohlen.
Der Herausgeber scheint selbst etwas bedenklich geworden zn
sein, da er das d'esgi besonders rechtfertigen zu müssen glaubt
Was da gesagt wird, ist aber nicht stichhaltig. Wenn auch dag
Wasser nichts kostet, so ist doch die Zusammenstellung von
Hunger und Durst in allen Sprachen sicherlich so üblich, dass
man selbst von Bettlern unbedenklich sagen wird, sie seien an
Hunger und Durst, Frost und Krankheiten gestorben; Hanger
und Verbannung, Frost und Krankheiten würde da zum min-
desten sehr ungewöhnlich klingen.
E. Weber.
Vieluf, Gustav, Zum französischen Rolandsliede. Komposition
und Stü. Programm des Gymnasiums in Hirschberg 1889.
19 S. 4°.
Die Abhandlung Vielufs hält nur zum Teil was der Titel
verspricht, denn nur von der Komposition, nicht vom Stil des
Rolandsliedes ist die Rede; letzteren behält der Verfasser wegen
Raummangels sich vor, später zu behandeln. Wir fragen billig,
warum er das nicht durch den Titel angedeutet hat.
Der grösste Teil der Arbeit besteht aus einer gut ge-
schriebenen Analyse des Epos, welche an sich den Aufbau der-
selben bereits zu verdeutlichen im stände ist. Mit Geschick
lässt Vieluf die Hauptsachen scharf hervortreten, während das
Nebensächliche zurücktritt. Vieluf unterscheidet mit Gautier drei
Teile, von denen er namentlich den ersten (Vers 1 — 1016), die
Ereignisse, welche den Kampf bei Roncevaux und den Tod
Rolands herbeiführen, ausführlicher behandelt, um so an einem
Teile des Epos genauer zu zeigen, „wie der Dichter seinen Stoff
gliedert und die einzelnen Glieder dann zu einem symmetrischen
Ganzen zusammenordnet." (S. 8.)
Nur in einem Punkte stimme ich dem Verfasser nicht gani
bei. Vers 1423 versetzt uns plötzlich nach Frankreich; ein
fürchterliches Ungewitter ist dort ausgebrochen, „Sturm und Orkan,
Syntaktische Arbeiten. 19
Blitz und Donner, Regen und Ilagel, Erdbeben und Verfinsterung
der Sonne zur Mittagszeit setzen das Land in Schrecken." Diese
Schilderung unterbricht die Erzählung vom Wüten des Kampfes
bei Roncevaux. Vieluf sagt dazu: „Die Herstellung des Zu-
sammenhanges bleibt hier dem Leser überlassen. u (S. 9.) Das
ist ja allerdings nicht unrichtig, aber es wäre doch im Gegenteil
hervorzuheben, dass gerade in dieser scheinbar zusammenhang-
losen Gegenüberstellung die wahre Verbindung liegt, dass der
Dichter sich hier wohl unbewusst eines Mittels bedient zur Be-
lebung der Erzählung, von dem die neueren französischen Dichter
den ausgiebigsten Gebrauch machen.
An die Analyse des Epos schliessen sich kurze recht ver-
nünftige Bemerkungen über den Aufbau desselben, etwas be-
sonders Neues erfahren wir allerdings nicht daraus.
Was Vieluf dann zum Schluss über die nicht in 0. sich
findenden Tiraden sagt, ist zwar nicht von der Hand zu weisen,
allein um überzeugend zu sein, ist es doch zu dürftig, dazu
wäre ein näheres Eingehen auf Stil, Wortschatz und Bau dieser
Tiraden notwendig. Vielleicht ergibt sich etwas Näheres, wenn
Vieluf die in Aussicht gestellte Fortsetzung dieser Arbeit, über
den Stil des Rolandsliedes bringt.
F. Tendebing.
Syntaktische Arbeiten.
Von den eingegangenen Abhandlungen beschäftigt sich mit
einem allgemeineren Thema aus altfranzösischer Zeit Engländer,
Der Imperativ im Altfranzösischen, Breslau, 1889 (Diss.). Die Arbeit
enthält I. eine kurze Notiz über den Imperativ in der ältesten
Sprache im Vergleich mit dem lateinischen Imperativ; „IL Ver-
tretung des Imperativ durch andere Modi; III. Den umschriebenen
Imperativ; IV. Imperativische Fragen und Assertionen; V. Den
interjektionalen Imperativ; VI. Verstärkende Zusätze beim Impe-
rativ; VII. Die Negationen beim Imperativ; VIII. Personalpro-
nomina beim Imperativ; IX. Syntaktische Erscheinungen im Ge-
brauch des Imperativ." Die Abhandlung verdient wegen ihrer
Gründlichkeit und ihrer Selbständigkeit alle Anerkennung und
kann als ein hübscher Beitrag zur altfrz. Syntax empfohlen
werden.
Weniger günstig wird man urteilen müssen über Köhler,
Syntaktische Untersuchungen über Leu quatre livres des Roisy
Erlangen, 1888 (Dissert.). Der Verfasser behandelt 1. Den Artikel;
IL Die Pronomina; III. Die Komparation; IV. Das Zahlwort;
V. Das Verbum. Dass der Verfasser sich Mühe gegeben hat,
2*
'M> Referate u/t'l Rezensionen. W. Ricken,
tritt wohl deutlich hervor und soll auch keineswegs angezweifelt
werden. Indessen zeigt die Arbeit erhebliche Mündel sowohl
hinsichtlich der Anlage im allgemeinen als der Ausführung im
einzelnen. Vor allem verführt der Verfasser nicht selbständig
genug. Die einzelnen Abschnitte der Arbeit sind zu sehr durch
die Vorbilder, an welche er sich ansrliliesst, beeinfluBSt worden
und demnach zu verschiedenartig ausgefallen. So ist z. B., und
das ist ja ganz BiilLaUuislaudlich, buiui l'rojionics liL-ssacr di«
Vorlage gewesen, der den sprachhistorischen Standpunkt ein-
nimmt, beim Konjunktiv die bekannte Schrift von Bischoff, die,
so vorzllglich an sich, die Erklärung des Konj. bei CbreBu'en
sich zur Aufgabe stellt, von sprachhietori sehen Zwecken aber
gänzlich absieht. Ausserdem ist unter dem Artikel auch der
..Teilungsartikel" behandelt, worunter der Verfasser nicht nur
das unabhiEngige partitive de mit dem bestimmten Artikel versteht,
sondern auch das von einem Ausdruck der Quantität abhängige.
Unter dem Infinitiv figurieren auch noch die Abschnitte „Der
Infinitiv mit der Präposition de" u. a. w. Eine Kenntnis der
historischen Syntax, auch der gewöhnlicheren Erscheinungen der-
selben, wird vielfach vennisst, und im einzelnen zeigen sich viele
unrichtige Auffassungen sprachlicher Erscheinungen, oft ist auch
der Ausdruck zu beanstanden. Diese Ausstellungen im einzelnen
durch Beispiele zu illustrieren, davon will Referent Abstand
nehmen.
In die erste Hälfte des XV. Jahrhunderts fuhrt, uns Erter,
Syntaktische Studien zu Alain Chartier» Prosa, Wllrzburg, 1889
(Dissertation), eine Schrift, die 227 Seiten umfasst und der
man gern das Prädikat einer fleissigen Arbeit zugestehen wird.
Der Verfasser, welcher im Vorwort, das durch seinen bescheidenen
Ton einnimmt, selbst auf seine Mlihe hinweisen zu mtlssen ge-
glaubt hat, hat nicht nur das, was eigentlich zur Syntax gehört,
behandelt, sondern auch Vieles, was der Formeulehre und der
lexikalischen Wissenschaft anheimfällt, hinzugezogen, zeigt eine
grosse Kenntnis der einschlägigen Litte ratur und hat seinen
Autor eo gründlich gelesen, dass man um der grossen Mühe
willen, die er sich gegeben hat, eher über die Mängel seiner
Schrift hinwegsehen kann. Ganz verschweigen kann Referent
dieselben aber doch nicht. Wenn der Verfasser „sein Scherflein
als Beitrag zur Bearbeitung einer ausführlichen historischen
Qrammatik spenden" wollte, so hätte er in seiner Darstellung
nicht so überaus breit sein sollen, sondern den Beitrag so ein-
richten, dass derselhe bequem brauchbar wäre. Für diejenigen
Leser, welche einen solchen brauchen, hätte Vieles wegfallen
können. Anch eignet sich nicht Alles, was der Einzelne sich
E. 0. Lubarsch, Ober Deklamation und Rhythmus franz. Verse. 21
an sprachlichen Erscheinungen erst klar machen muss, Andere
aber schon längst wissen, zum Druck. Die Disposition und der
Ausdruck werden schwerlich allgemeiner Billigung sich erfreuen,
und auch im einzelnen wird man den Verfasser hier und da bei
mehr oder minder schweren Versehen ertappen, die zum Teil
unrichtige Auffassung verraten, mitunter aber auch zeigen, dass
ihm die Genesis einzelner sprachlicher Erscheinungen nicht recht
klar ist. A. Haase.
Lubarsch, E. 0., Über Deklamation und Rhythmus französischer
Verse. Zur Beantwortung der Frage: „ Wie sind die
französischen Verse zu lesen fu Herausgegeben von
E. Koschwitz. Oppeln, Maske 1888. 1,50 Mk.
Eine anziehende und lehrreiche Schrift. Im Winter 1886
bis 1887 von einem für den Sieg der Wahrheit begeisterten
Sterbenden zu Ajaccio niedergeschrieben, ist sie uns nach dessen
Abscheiden infolge widriger Umstände längere Zeit vorenthalten
geblieben. Es kann nunmehr nicht fehlen, dass sie die Vor-
stellungen Mancher über Metrik und Rhythmik der französischen
Verse, Über den Lautwert des weiblichen e in Prosa und Poesie,
in der vielgestaltigen Sprache des gewöhnlichen Lebens wie in
der gleichfalls noch vielartigen Sprache der Deklamation berich-
tigen und klären, dass sie zu Untersuchungen, Erwägungen und
Auseinandersetzungen anregen wird, durch welche eine brennend
gewordene wichtige Frage, die man von einseitigen oft unwissen-
schaftlichen Standpunkten aus zu betrachten sich gewöhnt hatte,
der richtigen Lösung mehr und mehr entgegengeflihrt werden muss.
Das Vorwort des Herausgebers hebt kurz den Wert dieses
letzten Werkes des berühmt gewordenen Verfassers hervor, der,
ohne eigentlich neuphilologische oder Überhaupt philologische
Schulung gehabt zu haben, vermöge der Kraft seineB Talentes
und seines eisernen Fleisses so Tüchtiges schuf, der die Ein-
sicht in den Bau und rhythmischen Gang des französischen
Verses so wesentlich förderte. Man wird dem Herausgeber
dankbar sein, dass er dem Vorwort einen Abriss des Lebens
dieses strebsamen Mannes folgen Hess.
Die Schrift ist eine Streitschrift. Wie der Titel vermuten
lässt, richtet sie sich gegen die 1885 erschienene kleine Broschüre
Sonnenburg's: „Wie sind die französischen Verse zu lesen?" Em-
pört über Inhalt und Ton dieser in der That oberflächlich nieder-
geschriebenen Abhandlung mit ihren leichtfertigen Urteilen über
die Regeln und Vorschriften der deutschen Schriftsteller im all-
32 Heferate und liezenswtten. IV. Kicken,
gemeinen, welche die französische Metrik behandelt haben, Bebritt
der Kranke zur Abfassung des vorliegenden Werkes, »Her Müh«
nicht achtend, wo es galt, die Wahrheit möglichst vollständig
zu ergreifen.
In Zeitschrift XI1, 8. 238—255 habe ich eine Abhandlung
Über „Die Entwickelung des e xourd. Ein Beitrag zur Beant-
wortung der Frage: Wie sind die französischen Verse zu lesen?"
veröffentlicht. Zu dieser Abhandlung wurde ich durch die Lektüre
der Streitschriften Lubnrsch's und Hiimbert's angeregt. Die Leser
der folgenden Zeilen bitte ich die dort gemachten Beobachtungen
und Bemerkungen im Sinne zu behalten. Eb wird freilich nicht
zu vermeiden sein, dass gelegentlich ein dort niedergelegter Ge-
danke in anderer Form hier wiederholt wird.
Die Schrift zerfallt in 3 Abschnitte. Der erste berichtet
über die Veranlassung zur Abfassung des Buches, weist Sonnen-
burg's Vorwilrfe gebührend zurück und zeigt durch eine inter-
essante Zusammenstellung der Regeln, die an verschiedenen
Stellen in Legouve's „L'Art de la heture" zerstreut sind, wie
sehr man irregeführt werden muss, wenn man die Deklamation*.
regeln flir französische Verse ausschliesslich aus dem Theater
gebrauch abstrahieren will, wie thöricht es ist kurzweg zu be-
haupten, die Verse seien wie Prosa zu lesen und das e mvä
dürft! im allgemeinen vollständig unterdrückt werden, ohne diu
der Rhythmus darunter leide.
Einleitend legt der zweite, ausführlichste und lehrreichtte
Abschnitt (S. 12 — 38) zur Vermeidung der Üblichen Begriffs-
verwirrung, die ein gegenseitiges Verstehen der über die vor-
liegende Frage streitenden Parteien erschwert, den Unterschied
des Silben wertes und des Vokal wertes der weiblichen Endungen
zwar nicht streng phonetisch, doch sachlich richtig, dar und
bringt sodann fesselnde, sehr wertvolle Mitteilungen Über die
Unterredungen, welche Lubarsch auf seiner Reise nach Ajaecio
zum Zweck der richtigen Lösung des zu behandelnden Problem)
mit Legouve (Dichter und lecteur par exceltence), Banville (Dichter
und Metriker) und Leconte de Lisle (Dichter) zu Paris gesucht
hat. Lubarsch hat sich von den beiden ersten Gedichte oder
einige Verse vorlesen lassen, dem letzteren selbst einige Strophea
vorgelesen. Jene drei Dichter waren darin vollständig einig,
dass die .Schauspieler im allgemeinen „nicht viel von der Sache
verständen", das» das e muet im Vortrag der Verse unbedingt EU
Geltung kommen, dass die weiblichen Endungen (im Innern den
Verses) „silbenhüderid wirken" mtissten. — Der Abschnitt scbliesrt
(8. 31 ff.) mit einer gewiss recht dankenswerten Zusammenstellung
der wenigen wichtigen Bemerkungen über das Lesen der fiin-
E. 0. Lubarsch, über Deklamation und Rhythmus franz. Verse. 23
zösischen Verse (besonders auch des modernen), welche sich in
Legouvä's neuerem Bache La lecture en action verzeichnet finden,
das Lubarsch erst kennen lernte, als seine Schrift genau bis
S. 30 gediehen war. Hätte nicht der Kranke sein Ende nahe
gewusst, hätte nicht der Tod zu schnell seiner geistigen Thätig-
keit ein Ziel gesetzt, würde er sich wohl bemüht haben, die
zur Beleuchtung der durch Sonnenburg hervorgerufenen Streit-
frage wirklich geeigneten Auseinandersetzungen dieses Teiles
in dem ersten Abschnitt, in den sie gehören, hineinzuarbeiten.
Lubarsch legt endlich in dem dritten Abschnitt die
Folgerungen dar, die sich für den Rest der in Sonnenburg's
Schrift aufgestellten Regeln aus den Mitteilungen und Erörterungen
der vorhergehenden Abschnitte ergeben, geisselt insbesondere den
Versuch, „den Wohlklang und den prachtvollen Rhythmus des
Alexandriners auf seine Verstümmelung zu gründen" (Sonnenburg
S. 18: „Diesen Wohlklang und diese Schönheit des Rhythmus
verdanken die Alexandriner zum grossen Teile diesem Umstände,
dass die Verse in der Aussprache eine wechselnde Silbenzahl
haben* — eine Ansicht, nach welcher, wie ich bemerken will,
die Verse eines Corneille und Racine im Laufe der Jahrzehnte
und Jahrhunderte immer schöner, herrlicher, wohlklingender
müssten geworden sein!), stellt statt des Satzes (Sonnenburg
S. 20): Alle Verstheorien, welche auf der falschen Annahme be-
ruhen, dass das stumme e da, wo es gezählt wird, nicht auch
gesprochen werde, haben gar keinen Sinn" mit vollem Recht
dessen Gegenteil als Wahrheit hin : „Alle Verstheorien, welche
auf der Annahme beruhen, dass das stumme e da, wo es ge-
zählt wird, nicht auch gesprochen werde, haben keinen Sinn",
und wendet sich schliesslich zur näheren Besprechung der von
den Schauspielern des Theätre-Frangais beim Vortrag von Versen
auf der Bühne befolgten Praxis, soweit er dieselbe aus seinen
möglichst sorgfältig angestellten Beobachtungen, die sich auf die
Stücke Hamlet nnd Monsieur Scapin beziehen, feststellen
konnte. — —
Man hat dem Buche Mangel an durchgreifender Anordnung
und dem Verfasser auffallende oder überraschende Widersprüche
in seinen Behauptungen vorgeworfen. Abgesehen davon, dass,
wie ich oben dargelegt, ein Teil des Inhalts der S. 31 — 38
besser mit dem Inhalt des ersten Abschnitts verarbeitet worden
wäre, scheint mir diese Beschuldigung grundlos zu sein. Sie
stützt sich erstens auf die Thatsache, dass Lubarsch S. 5 aus
Legouvä unter anderem den Satz zitiert: „Celui qui retranche
te tnuet final, fait un vers masculin d!un vers feminin" ( — wie
denn in diesem Punkte Legouve im Gegensatz zu Leconte de
24 Referate und Rezensionen. IV. Ricken,
Lisle, der das v feminin am Verschluss für nbaolument nnl er-
kläre, einen alteren Gebrauch vertritt — ), wahrend er S. []
erklärte, dass das e am Verschluss in der Deklamation heute
nicht mehr ausgesprochen wird, zweitens auf den anderen Um.
stand, dass Lubarsch S. 25 durch Banville den Schauspielern
vorwerfen lasse, dass sie nur nach dem Sinn und der Inter-
punktion läsen, während S. 31 aus Legouvä die Beobachtung der
Interpunktion als die Hauptregel des Vortrags empfohlen werde.
Es ist klar, dass hierin gar keine Widersprüche liegen. Et
geht nur daraus hervor, dass in Legouve's und Banville' 8 (oder
Leconte de Lisle's) Art französische Verse (besonders die
modernen) zu lesen, sich — ganz wie bei uns in den Kreisen
selbst feinsinniger Leser deutscher Dichtungen — feinere Ge-
schmacksverschiedenheiten (vielleicht auch Altersverschiedenheiten:
Legouve ist 1807 geboren) geltend machen, auf die Lubarsch
als treuer Berichterstatter in seiner strengen Wahrheitsliebe auf-
merksam macht. Wäre es ehrlich gewesen, wenn er das ver-
schwiegen hätte, was scheinbar oder in Wirklichkeit mit seiner
eigenen Ansicht im Widerspruch steht?
Dass übrigens in der Frage des Interpunktierens
Legouvä gegen Banville nnd Leconte de Lisle im Rechte igt,
scheint mir sicher zu sein. Gegen Banville und Leconte
de Lisle, sage ich, weil in der That nach der Darstellung bei
Lubarsch in diesem Punkte ein direkter Gegensatz der Meinungen
angenommen werden könnte. In Wirklichkeit besteht wohl
ein solcher Gegensatz nicht, sondern nur ein Gradunter-
schied. Banville hat allerdings im Laufe des Gesprächs auf
die Bemerkung Lubarsch's, dass auch Legouve (wie er, Banville)
in seinem Buch UArt ds la lecture beim Vortrag der Verse die
Aussprache der weiblichen Endungen und die Wahrung des
Rhythmus fordere, beiläufig geäussert, „Legouve" gelte zwar für
einen grossen Vorleser, trotzdem könne man sich nicht nach
ihm als Muster richten u, eine Bemerkung, aus der indessen viel-
leicht nur geschlossen werden darf, dass Banville von dem
Gesamteindruck einer Vorlesung Legouve^s nicht vollständig
befriedigt zu sein pflegte, und dass er der Meinung war, man
könnte wohl den betreffenden Stoff vollendeter und künstlerischer
zum Vortrag bringen. Auch hat Banville nach L. 25 gesagt,
„man müsse nicht so lesen wie die Schauspieler; diese läsen
nur nach dem Sinn und der Interpunktion und vernichteten da-
durch den Rhythmus. Aber wendet er sich damit gegen
das Interpunk tieren in dem Sinne, in welchem Legouve
es fordert? Ich bin überzeugt, dass er sowohl, wie Leconte
de Lisle mit der beim Austausch der letzten liebenswürdigen
E. 0. Lubarsch, Ober Deklamation und Rhythmus franz. Verse. 25
Worte leicht hingeworfenen zustimmenden Aeusserung (siehe S. 30)
sich in Übereinstimmung mit Legouve (L. 6) nur gegen „die
Manier der Schauspieler" hat aussprechen wollen, „welche die
Verse derart zerreissen, dass sie wie Prosa klingen", welche,
fwa pretexte de viriti, ne s'inquiMent ni du rhythme, ni de la
rme, ni de la prosodieu. Ich kann nicht glauben, dass Banville
nit zu denjenigen gehört, deren Vortragsweise von Legouve
(L. 6) in dem Satze gekennzeichnet wird: Les uns, sous pritexte
Harmonie, st croient obligfo aVenvelopper les vers dans une sorte
de milopie onctueuse qui arrondit t out es les lignes, efface tous les
contours, huile tous les ressorts et arrive ä vous produire une
Sensation fade et fcceurante, assez semblable ä l'effet d'une tisane
mucüagineuse. Nur dies scheint man sagen zu dürfen, dass er
sieh dieser Art etwas mehr zu nähern geneigt war, wie Legouve
(Tgl. L. 24, wo gesagt wird, dass der Inhalt des von Banville
vorgelesenen Gedichtes auf den Ausdruck im Vortrag verhält-
nismässig wenig einwirkte). Man braucht sich ja nur die
Vortragsweisen zu vergegenwärtigen, die man bei uns in Deutsch-
land beim Lesen deutscher Dichtungen von Lehrern und Schülern,
von Künstlern und Dilettanten, von den mit einem feinen Ge-
schmack begabten Gebildeten und mehr oder weniger Ungebil-
deten reichlich hören kann, um überzeugt zu sein, dass es streng
genommen so viele Arten des Vortrags wie vortragende Individuen
giebt, dass aber derjenige dem Ideal am nächsten
kommt, der die einschmeichelnde Musik des Verses zu
wahren und doch sinngemäss und unter Beobachtung
der durch den Inhalt geforderten Pausen zu lesen
versteht, der die Gedanken der Dichtung einfach und
naturgemäße wiedergiebt, ohne sie im mindesten ihrer
schönen poetischen Gewandung zu entkleiden, ohne
den Rhythmus zu vernichten. Das gilt ohne Zweifel für
die französische Poesie so gut wie für die deutsche, und nur
ober die Grösse der Pause, über das Mehr oder Minder des
Interpunktierens lässt sich im Einzelfalle streiten. Was daher
für Legouve „erste und in die Augen springende Regel für das
Lesen der Prosa wie der Poesie istu, die regle de la ponctuation
(L. 31), ist gewiss für Banville nichts geradezu Falsches und
zu Bekämpfendes. Sicherlich hat auch Banville „interpunktiert",
da er Lubarsch beispielsweise die Strophe vorlas:
Statactites tombant des vontes, Stalagmites
Montant du soi, partout les orgueillcux glacoiis '
Argenlent de splendeurs fhorizon saus limites.
Sicherlich würde er sehr reichlich interpunktiert haben,
wenn er ihm beispielsweise das Lubarsch 33—34 abgedruckte
!!,[„,
Stück aus Victor Hugo vorgelesen liiitte, ds anderenfalls seine
Deklamation stümperhaft und unerträglich gewesen wäre. — —
Seite 23—24 berichtet Lubarschr „In Bauville's Vortrag
wirkten sämtliche weibliche Endungen silbenbildend und zwar
eine betrUclitliche Anzahl unter Verstummnng des e nur durch
verlängerte Vibration lies konsonantischen Anlautes. Oft aber
trat nicht einmal letztere ein, sondern statt ihrer wurde vom
Vorleser eine leichte Pause, ein halber Ruhepunkt der Stimme
hinter der der weiblichen Endung vorhergehenden Silbe
Übergang zum Anfang des neueu Wortes eingeschaltet,
zeichnet .* einen derartigen Kuhcpunkt, so wurde auf diese Wei*
der Halbvers
Dans tes grnlt : saus fin
sechssilbig, während er ohne denselben fllnfsilbig
Units In grott saus fin
gelautet hätte. Dieses Vortragsmittel setzt den, ■
ersten Male nnwenden hört, zunächst in nicht geringe Verlegi
heit, bis er sich des Vorganges bewusBt wird: denn er
sich, die Silbe wurde nicht gesprochen und sie war doch
banden! Es ist dies jenes Vortragsmittel, welches durch
von K. E. Müller hervorgehobenes Zitat Marmontel's treffe
gekennzeichnet wird: Parmi les temps du vers peuvent
eomptfs les petits silences de In rfeitation ; et liest im des im
qu'einploient lex bona lecteurs, meine sans s'en apercevoir,
dimner ä nos vers une mareke nombreuse.
In diesem Punkte bin ich einer anderen Ansi
Ich glaube, dass in Fällen, wie dem obigen (jitoü ; mm fi»),
wo die Silbeugrenze in den Konsonanten (hier t) gelegt wird,
wo der betreffende Laut (t) lediglieh Okklusivlaut ist »nd
Verschluss so lange angebalten wird, bis die Enge für
folgenden Laut ('*) hergestellt ist, wo also von einer Explosit
des Schlusskonsoiianten nichts zu Gehör kommt und nach Aus
Sprache der „Silbe" grgf durch einen neuen selbständigen Exspi-
rationshub sofort die „Silbe" sä hervorgebracht wird, eine
Dreisilbigkeit dieses grot' sä nicht mehr angenommen
behauptet werden darf. Das ilans les grott: sans ßn ist al
fllnfsilbig wie dans les grott sans ßn. Ob ich am Schi
einer Wortsilbe, die den Akzent trägt, eine Kleinig
mehr oder weniger anhalte, ist für die Frage
Silbenzahl des Verses nicht vou Belang. Das grössi
oder geringere Mass der Pause richtet sich ja auch vielmi
nach dem Inhalt, nach der Gedanken- und Wortverbindui
welche die betreffende Stelle zeigt. Angenommen, der Vera
■ird,
s
HOB
£ 0. Lvbarsch, über Deklamation und Rhythmus franz. Verse. 27
Dans les grottes Sans fin briüent les stalactites
▼Ire vom Dichter als ein (weiblicher) Elfsilbner (nicht als
Alexandriner) gedacht, so also, dass Letzterer die weibliche
Endung von grottes nicht mehr als Silbe „gezählt" wissen wollte,
wie man sie seit langer Zeit in soient, aient, disoient etc. etc.
licht mehr „zählt", so würde er ihn ebenso gelesen haben.
Der ganze Gedanke, die Bestimmung der grottes durch das sans
fin verlangt geradezu ein kunstsinniges Anhalten an dieser Stelle.
In einem solchen durch den Sinn und Inhalt geforderten Anhalten
bestehen wohl die petits silences de la ricitation Marmontel's.
Ist es nicht im Deutschen gerade so?!
Ich meine demnach, dass Banville, der theoretisch
entschieden auf dem Standpunkte stand, dass das
e muet, wo es mitzähle, auch mitgelesen werden
müsse, in der That, ohne es zu wollen, ohne sich
dessen bewusst zu worden, hie und da seine Alexan-
driner um eine Silbe kilrzte.
Qeht denn nicht aber daraus hervor, dass Sonnenburg
recht hat? Keineswegs. Denn erstens ist es kaum fraglich,
dass Banville auch die Aussprache gro'-t?-säf$ gebilligt, ja bei
einer anderen Gelegenheit auch einmal so deklamiert haben
würde. Zweitens wird ein einzelnes Übersehen des weib-
lichen e kaum bemerkt: es beeinträchtigt den Wohlklang und
den prachtvollen Rhythmus des Alexandriners, der diese Eigen-
schaften „dem Wechsel seiner Betonungen neben der harmo-
nischen Mischung voller und leichter Silben u (L. 39) verdankt,
nicht so erheblich, dass ein Franzose sich aufs ängstlichste
davor hüten mtisste. So hat man auch in früheren Zeiten, als
die Geltung (beispielsweise) des weiblichen e hinter unbetonten
oder auch betonten Vokalen und Diphthongen schwankend ge-
worden war, als man ihm nicht länger silbenbildende Kraft zu-
gestehen wollte, die Verse der Zeitgenossen und ihrer Vorgänger
gelegentlich einmal (unbewusst) um eine Silbe gekürzt, ohne
dass dadurch das Gesetz von der festen Silbenzahl
im Laufe der späteren Jahrhunderte irgendwie er-
schüttert worden wäre. Die ganze Streitfrage erklärt
sich daraus, dass man einen einfachen Prozess nicht
sieht und erkennt: die Sprache verändert sich fortwährend;
der Lautwert des weiblichen e wird immer geringer; in der
Volkssprache ist es in den meisten Fällen völlig geschwunden;
die gehobene Sprache folgt allmählich, wenn auch zögernd,
der von jener gegebenen Anregung; in vielen Fällen ist sie
ihr endgiltig gefolgt, in anderen wird sie unfehlbar folgen.
Nun haben Leser und Hörer einer Dichtung ein mehr oder
28 Referate und Rezensionen. J. Vising,
weniger entwickeltes Feingefühl sowohl für das sprachlich wi
sprachlautlicli Richtige und Schöne, als auch für das mnsikaliftb
und rhythmisch Schöne und (lesctzmässige. Das Urteil Hb«
das rhythmisch Angemessene kuun hier fllr unsere Zweckt
im grossen und ganzen als gleichbleibend angenommen werin,
während das Urteil llher daB sprachlautlieh Erlaubte und Wohl-
befriedigende sich stetig und allmählich ändert (vgl. meine Ab-
handlung, Ztsckr. XI1, 8.238—255). So kommt ee zu eine*
Entgegenwirken zweier Krilfte und zum Streben nach
einem Ausgleich zwischen beiden. So lange nun, am
ein Beispiel zu wählen, für die Deklamation eines vor zweihundert ■
Jahren geschriebenen, also für die damalige (Deklamation«- und
Bühnen-) Aussprache berechneten Verses ein solcher Aus-
gleich möglich ist, wird derselbe in der Praxis durch-
geführt werden. Wenn aber, um den Ausgleich ig
erzielen, nach der Ansicht der Sprecher oder Höret
dem Sprachgefühl, das mächtiger ist wie das Gefühl
für das rhythmisch streng Gesetzmilssige, Gewalt an-
gethan werden, wenn die Abweichung vom gewöhn-
lichen Auseprachegebrauch komisch, lächerlich, be-
leidigend wirken müsste, so wird der Deklamator eile
Silbe opfern und der Hörer der Opferung zustimmen, falta er
derselben überhaupt gewahr wird. Aber nicht allzuweit
wird man eine solche Verstümmelung des Verses, soll
er anders ein Vers bleiben, treiben dürfen. Auch das
musikalische Gefühl wird, wie von jeher, gebieterisch
fordern, dass es befriedigt werde: und der zeitgenös-
sische Dichter wird (wie ein Corneille für sein Jahrhundert)
seine Verse aufgrund einer neuen Normalanssprache,
Über die man sich geeinigt haben wird, so gestalten,
dass er damit für einen gewissen Zeitraum beiden Ten-
denzen gerecht werden kann.
Ob fllr die gemessenste Sprache, nicht des Schauspielers
dieser oder jeuer Bühne, sondern des kunstgeflbten Deklamators
und Vorlesers ernster Dichtungen — denn diese Sprache werden
wir in der Schule nachzuahmen haben — jener Ausgleich in der
einen oder anderen Klasse von „ weiblichen Endungen" nicht
mehr angemessen zu sein begonnen hat, wage ich nicht bestimmt
zu beurteilen. Es scheint allerdings, dass zunächst „die bei
vokalischem Auslaut der vorhergehenden Silbe mit einer einfachen
Liquida anlautenden weiblichen Endungen" (L. 41) in den
meisten Fällen bo wenig vernehmbar werden, dass
eine Neuregelung ihrer Wertigkeit für die zukünftige
R. Gnerlich, Bemerkungen über den Versbau der Anglonormannen. 29
Dichtung durch einen Malherbe oder Vaugelas unserer
Zeit wünschenswert erscheinen möchte.
Hiermit schliesse ich meinen Bericht Über das nachgelassene
Werk Lubarsch's, und die Betrachtungen, zu denen es mich an-
geregt hat. Ich zweifle nicht, dass es jeden denkenden Leser
anregen wird. W. Ricken.
Gaerlich, Robert, Bemerkungen über den Versbau der Anglo-
normannen. Inauguraldissertation (Strassburg), Breslau
1889. 57 S. 8°.
Verfasser hat Beobachtungen Über den agn. Versbau ge-
macht, mit dem er Such i er s bekannte Ansichten stützen will.
Fleiss und grosse Bescheidenheit zieren die Schrift; Umsicht und
Kritik aber sind nicht hinlänglich geübt, um Verfasser vor Wider-
spruch zu schützen. Für meinen Teil bin ich dahin gekommen,
Verfassers Ausführungen in den meisten und wichtigsten Punkten
anzuzweifeln.
In der einleitenden Zusammenfassung der bisherigen Litte -
\ ratur unterschiebt Verfasser P. Meyer eine Ansicht, die er nie
ausgesprochen. Nach Verfasser soll P. Meyer behauptet haben,
jene Unregelmässigkeiten seien Kopistenfehler oder können durch
eine England eigene Scandirungsweise gerechtfertigt werden. Er
hat aber gesagt: On se demande ordinairement si ces irrtgu-
larüis sont de vMtables fautes commises sott par les auteurs
sott par les copistes, ou si elles peuvent etre UgiJtimies par une
maniere de scander propre ä VAngleterre. Meyer hat also nicht
(alternativ), wie Rose, die ganze Schuld der in agn. Gedichten
vorkommenden Unregelmässigkeiten auf die Kopisten geworfen,
und er hätte nicht vom Verf. mit Rose zusammen behandelt
werden sollen.
Nach Angabe des untersuchten Materials bespricht Verf.
Rose's Theorie, die er, wie übrigens jedermann, verwirft.
Um zu zeigen, dass der agn. zu kurze Achtsilbler einen
speziellen Charakter habe, bringt Verf. eine Menge Beispiele von
solchen Versen mit Satzpause in der Mitte. Eine solche Satz-
pause tritt zwar oft in diesen Versen ein, aber kaum öfter als
in den vollzähligen Achtsilblern; in den 1000 ersten Versen der
Set dormans zähle ich 148 zu kurze Verse, deren 33 die Satz-
pause mangelt. Im allgemeinen dürfte Satzpause in der Mitte
einförmig und kunstlos gebauter wirklicher Achtsilbler nicht
seltener sein, als bei den zu kurzen; so gebaut sind etwa drei
Viertel der Verse im Saint Gregotre (Barts ch-Horning, Sp. 83),
30 Referate und ifi>sg wimUM. tlröbedmkel,
ungefähr zwei Drittel im Guülaume de Palerne. Gewollt dürfte
diese Satzpausc kaum sein (vgl. Tobler, Versbau*, S. 9t),
daher sie bei dem gewandtere», leicbtfliesaenderen Stil ein«
Chrestien de Troyes, Marie de France u. A. sehr selten
ist. Indes» betrachtet Verf. selbst die Satzpause nicht als
dem englischen Einfluss auf den agn. Versbau zusammenhängend,
sondern als lateinisches Erbnis (S. 56).
Eine zweite Eigentümlichkeit des agn. Versbaus will Verf.
darin sehen, dass weiblich ausgebende Verse öfter gekürzt werdet
als männlich ausgebende. Dies wird für den Hefrainvers in ein
paar Gedichten festgestellt, was aber auch hedeuten kann, diss
ein Vers von 3 Silben auffallend kurz ist und nicht beliebt oder
bequem war; übrigens sind die Ausnahmen zahlreich. Andere
Verse (Acbtsilbler) .geben im allgemeinen keine oder wenigstem
nur eine höchst unsichere Stutze für Verf.'s Behauptung; von
den 148 gekürzten Versen der ersten Hälfte der Set donaau
z. B. haben 77 männlichen Ausgang. Verf. dehnt diese An-
schauungsweise auf die Hemistiche des Alexandriners aus und
behauptet, bei männlicher Cäsur seien die ersten Halbverse nicht
oder selten gekürzt, Verse von folgendem Bau seien aber ge-
wöhnlich:
Aütz qu'ii mot simssent, cummence la melke. (Hörn 1615.)
Richtig! aber in diesem Verse kann man einen agn. vollzähligen
Alexandriner mit vernachlässigter oder unfrz. (lyrischer, wenn man
will) Cäsur sehen. Die Cäsur wurde bekanntlich in England
nicht wie in Frankreich gehandhabt. Auch diese angebliche
Eigentümlichkeit kann Verf. nicht in Einklang mit seiner An-
nahme von englischem EinflnsB setzen (S. 54).
Die zn langen Alexandriner lassen sich zumeist in eine
richtige zweite, and eine Überzählige erste Vershälfte zerlegen;
wenn Verf. aber dies durch englischen Einfluss zu erklären sacht,
stosst er auf chronologische Schwierigkeiten (S. 51), die er nicht
zu heben vermag.
Die Silbenmessung im Agn. wird wie bei Suchier und
Koch behandelt
Endlich werden die Ursachen der besprochenen Erscheinungen
aufgesucht. Verf. findet dieselben in Einwirkung der englischen
Verskunst auf die romanische. Dies ist ihm nm so leichter, da
er dem romanischen, bezw. französischen Verse rhythmischen
Charakter zuerkennt. Das wird ihm aber nicht jedermann zuge-
stehen. Wer noch dazu, wie Ref., die Richtigkeit der meisten
speziellen Ausführungen des Verfassers anzweifelt, wird seinem
allgemeinen Erklärungsversuch des agn. Versbaues noch weniger
beistimmen können.
Th. Ruektäschet, Einige Arts poetiqtus a d. Zeit Ronsard? s u. Malherbe' s. 31
Es liegen noch keine Gründe vor, warum ich meinen früher
eingenommenen Standpunkt in dieser Frage aufgeben sollte. Ich
glaube also anch jetzt noch, dass was sich bei agn. Verfassern
Ton nnfrz. Versen findet, auf Ungeschicktheit oder Unwissenheit
beruhe. Sie haben es uns selbst zu wiederholten Malen zuge-
standen (siehe meine Verstfication anglonormande, S. 53), so
Wadington:
De le franceis ne del rhner
Ne me dail nuls hom blamer,
Kar en Engleterre fu ne
E nurri lenz e ordme.
Dass phonetischer und flexivischer Verfall, wie P. Meyer will,
dabei eine Hauptrolle gespielt habe, ist natürlich nicht ausge-
schlossen. Wenn wir in agn. Hdss. lesen:
Amer le deveient par resun (Set dormans 230),
bo fragen wir uns: ist nicht deveient zweisilbig zu zählen? Und
wenn wir lesen:
E wieint en tute guise (ibid. 772),
fragen wir uns: sollte nicht vuleient drei Silben haben? Der-
gleichen Fragen mag sich mancher agn. Verf. vorgelegt haben.
Damit schwebte die französische VerskunBt in Gefahr, und sie
verdarb ebenso wie sie in Norditalien verderben musste.
Lund. J. Vising.
Racktäschel, Th., Einige Arts poitiques aus der Zeit Ronsard?* und
Malherbes. Ein Beitrag zur Geschichte der französischen
Poetik des XVI. und XVII. Jahrhunderts. (Leipziger
Doktordissertation.) Leipzig, 1889. Gustav Fock.
Die vorliegende treffliche Arbeit kündigt sich selbst in der
Vorrede an als eine Fortsetzung der Arbeit von Heinrich
Zach al ig, Die Verslehren von Fahrt, Du Pont und Sibilet (Heidel-
berger Dissert. 1884). R. gibt zunächst, wie es sein Vorgänger
Zschalig gethan und dessen Tabelle, soweit sie für ihn in Be-
tracht kam, mit herübernehmend, eine Übersicht der Arts poiUques
von Du Bellay bis Mourgues, zusammen 36 Schriften, die in den
Zeitraum 1549—1684 fallen. Er wendet sich dann, an Sibilet's
Art poüique anknüpfend, zu seiner eigentlichen Aufgabe, den
Inhalt der wichtigsten Schriften auf dem Gebiete der Poetik aus
der Zeit Ronsard's und Malherbe's anzugeben und ihr Verhältnis
zu einander wie zu der Plejade bezw. Malherbe'schen Schule
festzustellen. Im ganzen sind es 19 Werke, die für diese Zeit
in Betracht kommen. Von diesen werden 7, nämlich Claude
32 Referate und Rezensumcn. Grtibedinkel,
de Boissiere, Art poäique 1554 (verschollen!), Autoine
Foquelin, La rhttorique franeaise 1555, eine Abbrfoiation da
CArt poüique (in Sibilct's Buch enthalten) 1556, Tabuurot, Zm
Bigarruren du Seigneur des Aaordx 1672, Jean de la Taille,
Vorwort zu fioti /572, E. Aubcrt, Atarauerite* poetiqw* l'U:>
und eine Introdttetian ü la PoMt 16X0 als unbedeutend nur dem
Titel nach oder mit kurzem Hinweis auf den Inhalt aufgeführt,
5 bereits zur Genüge bekannte, nämlich Du Bellay, Defense et
Illuxtration etc. 1549, Konsard, Abrege de l'Art poetiqw tü6t
und Preface de la Frandade 1572, Malherbe, Covimmtaire nur
Denportes 1609 und De Gournay, Lex Avis ou lex Presm» 1626
nur soweit berücksichtigt, als sie /.um Verständnis des Zusammen-
hanges dienen und dem Verfasser neue Gesichtspunkte zu bieten
scheinen. Ausführliche Inhaltsangaben und Würdigungen dagegen
haben die übrigen 7 Werke erfahren, die infolge ihrer schweren
Erreichbarkeit auf franz. Bibliotheken bisher entweder gar nicht
oder nur in kurzen Auszügen bekannt waren. Es sind dies:
Charles Fontaine, Le Quintil lloraee 1551,
Jacques Peleticr du Mans, L'Art paüique 1555,
Jacques de la Taille, La maniire de faire de» vers
en frangais 1573,
Pierre Delaudun D'Aigaliers, V Art poetique franeai»
1598,
Jean Vauquelin de la Fresnaye, L'Art poetiqt
franeatu 1605,
Du G a r d i n , Leu premieres Add.re.ixes du Chcm'ti
Pamam 1620,
Deimier, L'Academie de l'Art poetinue 1610.
über die Stellung dieser Werke zu den drei llauptrichtiing«
der damaligen französischen Poetik, der älteren Marot'scht
Schule, der Plejade und der Schule Malherbe's erhalten wir tut
den Untersuchungen R/s folgendes Ergebnis: Foutain
Horaee ist die Antwort auf Du Bellay's Programm der Plejade.
gegen deren willkürliche Behandlung der Sprache und Auslänrierci
er entschieden Stellung nimmt, so dass er gegen das abfällige
Urteil bei Darmcsteter und Hatafeldt als ein Vorläufer Malherhc'*
und Deimicr's betrachtet werden tnuss. Peletier halt ab
weichend von Konaard den Alexandriner für den eigentlichen
heroischen Vers; er ist ein gemässigter Anhänger der Plejade,
deren Programm er weiter ausbildet, ohne in die Verkehrtln ■iteu
des Jacques de la Taille stu verfallen, der den missglückteu
Versuch macht, den französischen Vers auf die antike Proeodie
zu begründen. Auf dem Standpunkte der Plejade sieben endliili
auch die beiden folgenden, Delaudun, dessen Opposition gegen
Th. Ruck Msc hei, Einige Arts poetiques a. ä. Zeit RonsareTs u. Malherbe's. 33
•
das dramatische Gesetz von der Einheit der Zeit allein Beachtung
verdient, und Vauquelin de la Fresnaye,1) den man mit Un-
recht als Mann des Übergangs von der Plejade zur Schule Mal-
herbe's hingestellt hat. Interessant ist das Werk des Provinzialen
Du Gardin, der 1620 noch die Ronsard'sche Schule verteidigt,
seine ganz besonderen Ansichten über den Reim hat und als der
erste versucht hat, die antiken Metren auf Grund neuer fran-
zösischer Quantitätsregeln in die franz. Poesie einzuführen. Dass
er jedoch, wie R. meint, den verdienstvollen Versuch gemacht
habe, den französischen Vers auf den Akzent zu gründen, möchte
ich bestreiten. Denn wenngleich Du Gardin das Verfahren von
Batf, Jacques de la Taille und anderer verurteilt, weil diese die
lateinischen Quantitätsregeln auf das Französische übertragen
wollten, so verkennt er doch selbst auch nicht minder die Natur
des französischen Verses, da er den Satzakzent ganz ausser
acht lässt. Er stellt für die einzelnen Wörter Quantitätsregeln
auf, die im Satze natürlich nicht weniger sinnlos sind, wie die
lateinischen. Nach seiner Prosodie sind lang nur die vorletzten
Silben der Wörter mit weiblicher Endung und die vorletzte Silbe
der Adverbialendung iment, kurz die Femininendung und die vor-
letzte Silbe mehrsilbiger Wörter mit maskuliner Endung; alle
übrigen Silben sind mitteltonig oder rund, wie er sie nennt.
Danach hätten wir z. B. in den vier Versen, mit denen er
neue Erfindung ankündigt:
Voydnt les duthettrs Gre'cs et Ldtins cömposer
Des Lärmes ä pieds; ie triay vöulu dduiser
Si ön ne pöwroit faire le mesme e'n Francis,
Cherchdnt dCy tröuver töut premier des bönnes Lots.
lauter Syllabes rondes mit Ausnahme der vorletzten des ersten
Verses, die kurz, der 2. des 2. V., der 6. des 3. V., der 10.
des 4. Verses, die lang zu nehmen wären und auf welche je
eine kurze Silbe folgt. Und doch sollen es iambische Trimeter
sein! Ist es da ein Wunder, wenn Deimier von solchen An-
sichten über den accent particulier de chague moty die also
schon vor dem Erscheinen von Du Gardin's Werk in einigen
Köpfen gespukt haben mussten, sagt, qu'eües sont si desreiglees
ei fantastiques, queües ne meritent pas £estre refutees en les
nommantt Ich gebe R. wohl Recht, wenn er Du Gardin's Buch
zu den merkwürdigsten Büchern des XVII. Jahrhunderts zählt,
jedenfalls ist es aber nicht, wie er meint, die wertvollste
*) Die neueste Ausgabe dieser Poetik von Georges Pelissier,
Paris 1885, Garnier Freres mit Einleitung über die im XVI. Jahrhundert
erschienenen Poetiken Frankreichs scheint dem Verfasser entgangen
sa sein.
Zsehr. f. fn. Spr. u. Litt. XIR o
34 Referate und Rezensionen. F. Tendering,
Schrift, die ihm im ganzen Verlauf seiner Arbeit unter die Hunde
gekommen. Das ist zweifellos die Acadtmie de i'Art poMiqm
des sieur de Deimier, der er mit Rennt den vierten Teil seiner
ganzen Abhandlung widmet. B, gibt eine sehr ausführliche,
20 Seiten des Buches umfassende Inhaltsangabe dieses Art
po4tiqut, der uns in ausführlicher und wohlgeordneter Weise alle
die Forderungen Malherbe's vorführt, die wir bisher nur zerstreut
seinen eigenen Dichtungen, dem Kommentar Ober Desportee ud
den Äusserungen Beiner Schüler Racan nnd Maynard haben ent-
nehmen können. „Doch unterscheidet er Rieh von seinem Heister
Malherbe (zu dem er persönlich wohl nicht in näherer Freund- '
schaft stand) dadurch, dass er für seine früheren Ideale Ronsard etc.
die höchste Bewunderung und Verehrung hegt und dass er in
verschiedenen Punkten bei weitem gemSssigtere Ansichten all
Malherbe vertritt. Seine Acadtmie de l'Art poetique trag wesent-
lich dazu bei, den neuen Bestrebungen zum Siege zu verhelfen."
Auch die Frage, ob Malherbe den Reim füre Auge verlangt habe,
wird durch Deimier entschieden nnd zwar dahin, „dass Malherbe
auch den Reim fürs Auge anstrebte, dass er jedoch bei seltenen
' und einsilbigen Reimen grössere Freiheit sich gestattet." Meine
von Johannesson bestrittene Ansicht findet dadurch eine Be-
stätigung. Nachdem wir durch Zschalig's und Rucktaecbel's
Arbeiten eine genauere Kenntnis der Art» poetique» äee XVI.
und XV II. Jahrhunderts in Bezng auf ihren Inhalt und ihr gegen-
seifiges Verhältnis erhalten haben, wäre es wohl wünschenswert,
die Poetiken der Hauptvertreter der drei Hauptrichtungen jener
Zeit, als welche ich' Sibilet, Ronsard und Deimier ansehe, in
einem Neudrucke allgemein zugänglich gemacht zu sehen.
P. ObÖbedinkel.
Welter, F. J., Über die Sprache Froitsart's. I. Teil: Vertehwundene
Subxtantioa. Programm des Realgymnasiums etc. zu Essen.
1889. 30 8. 4°.
Welter stellt in der vorliegenden Abhandlung diejenigen
Substantive zusammen, „die die jetzige Sprache nicht mehr kennt
mit Au seil Inas der technischen und derjenigen Hauptwörter, deren
allmähliches Verschwinden in der Jetztzeit beobachtet werden
kann." Ich sehe nicht ein, warum die technischen Ausdrücke
hier nicht behandelt werden, da gerade sie für die Kenntnis der
Kulturzustände von der grössten Wichtigkeit Bind und sprachlich
dasselbe Interesse in Anspruch nehmen können wie alle anderen.
Kann so das Verzeichnis schon aus diesem Grunde auf Voll-
P. Boeckler, Über einige Spuren des Altfranzösischen im Neu franz. 35
«Bindigkeit keinen Anspruch machen, bo kommt noch hinzu, dass
Weller die Poesien nur wenig berücksichtigt hat. Dass er für
die Chronik die Ausgabe Luce's, obwohl sie noch nicht vollständig
ist) zugrunde gelegt hat, ist gewiss zu billigen.
Die einzelnen Wörter werden alphabetisch aufgezählt und
jedem die Bedeutung und eine etymologische Notiz, sowie Beleg-
stellen beigefügt. Mit Sorgfalt wird das zugängliche Material
zusammengetragen und vorgeführt. Einer Anführung bedurften
nicht die Fremdwörter murmuration, das bei Littre nur zu
Froissart erwähnt wird, und pecune, das Welter in der Luce'schen
Ausgabe nicht aufgestossen ist und das er dem Scheler'schen
Glossar entnommen hat.
Nach dieser Probe können wir den weiteren Beiträgen
Weiteres zur Sprache Froissart's mit Interesse entgegensehen.
F. Tendering.
Boeckler, Paul, Über einige Spuren des Altfranzösischen im
Neufranzösischen. Programm des Realgymnasiums zu
Aschersleben. 1889. 20 S. 4°.
Die vorliegende Abhandlung richtet sich weniger an Fach-
genossen als an ein Laienpublikum, welches nach Abschluss des
französischen Unterrichts in der Praxis auf eine Reihe gram- •
matischer Erscheinungen stösst, welche den Regeln der Gram-
matik zu widersprechen scheinen. Dieses Laienpublikum sucht
der Verfasser über solchen scheinbaren Widerspruch aufzuklären,
indem er ihm die Herleitung der fraglichen grammatischen Er-
scheinungen aus dem Altfranzösischen klar zu machen sucht.
Es ist bekannt, dass namentlich in formelhaften Ausdrücken,
in Sprichwörtern und in der Volkssprache solche Reste aus
älterer Zeit, welche dem heutigen Sprachgebrauch nicht ent-
sprechen, sich finden. Diese drei Quellen sind es darum nament-
lich, welche Boeckler behandelt. Wir bedauern, dass er nicht
eine Anzahl neuerer Schriften für seinen Fall durchgearbeitet
hat, jede Nummer der Revue des deux mondes z. B. würde ihm
Material geboten haben.
Bei der Behandlung der Reste des organischen Genetivs
glaubt Boeckler in der Verbindung ä moitii prix, fruits, chemin
solche alte Genetive zu erkennen, während Diez und Tobler
behaupten, dass derselbe nur von Personen gebildet werden
könne und für etwaige scheinbar widersprechende Fälle eine
andere Erklärung suchen. Ich glaube, so lange nicht andere
unzweifelhafte Beispiele nachgewiesen werden, können wir ä
tfärtU i
moit'U nur als einen prilpositionalen Ausdruck fassen, wie
von Boeckler nicht erwähnte ii-vau (oval) in der Verbindur
il-vau l'eau. leb vermisse hier aiieb den Ausdruck timbre-post-
der mir auf einer Analogiebildung zu beruhen scheint.
Die Wendungen, in welchen „das Neufranzösiscbe eine
Besonderheit in der Anwendung des Artikels zeigt," aufzuführen,
erschien nnthunlich. Man mllsste allerdings hier wohl eher die
Fassung der bezüglichen Kegeln in den meisten Grammatiken
einer bessernden Durchsicht unterziehen, denn die „Abweichungen
von der Hegel" sind in der That so zahlreich, dass es unmöglich
erscheint, viele dieser Kegeln in ihrer üblichen Fassung bei-
Xu behalten. Der Verfasser gibt eine Nachlese zu der Grammatik
von Holder und dazu aus einer wenig bekannten Sprich würtrr-
sammlung eine Reibe von Beispielen für die durch die alte
organische Deklination ermöglichte freiere Stellung des Akkusativs.
Ich füge für Auslassung des Artikels noch hinzu: for
Cforce vous Sera de me prendre comme je suis naturelle,
Sto. d. d. m., 1 nov. 89, p. 34), weil ich es bei Sachs i
linde und weil Boeckler kein Beispiel für die Auslassung des
Artikels heim Subjekt bringt.
Die grössere Beweglichkeit der alten Sprache bezüglich
des Gebrauchs des Ge'rondif zeigt sich noch in sprichwörtlichen
Wendungen wie: lappAü vient en mnngeant; hier hatte »ueb das
modernem Sprachgebrauch widersprechende sranre tenante erörtert
werden sollen, ebenso hatten bei der Besprechung alterer Adverb-
Kildnngen c/mformement und Sinnliche Erwähnung verdient.
Man sieht, auf Vollständigkeit kann die Abhandlung keinen
Anspruch machen, namentlich macht sich häutig das selten Vor-
kommende breit auf Kosten des häutig Vorkommenden, was den
Zwecken, welche die Arbeit verfolgt, nicht entspricht, im all-
gemeinen indessen kaun das, was sie bietet, hierfür als aus-
reichend betrachtet werden.
F. T BN DES
Mchötensnck, A., Fr amusisch- etymologisch'
teilung. Heidelberg, 1890. Wii
(Vollständig in 4 Abteilungen.)
Der Verfasser hat im Jahre 1883 ein dickes Buch ver-
öffentlicht Beitrag zu einer wissenschaftlichen Grundlage ßir t
itwtotjisrhr- Untersuchungen nuf dem Gebiete der französisch
Sprache, in welchem er den Übergang der griechischen, lateinisch«
nnd germanischen Laute und Buchstaben in das Französisch
A. Schötensack, Französisch-etymologisches Wörterlmch, 37
zu erklären sacht, nicht etwa dabei sich an die durch die
Sprachforschung festgestellten Regeln haltend, sondern neue
Theorien aufstellend und damit auf eine geradezu nervösmachende
Weise hantierend. Der Beitrag hat seinerzeit die gebührende
Abfertigung erhalten (Litteraturblatt 1883, 8. 465; Deutsche
Litteraturzeitung 1883, S. 1508; GaUia 1883, 8. 143), aber alle
Mahnungen der Kritik sind umsonst gewesen, da der Verfasser
wiederum mit einer etymologischen Arbeit erscheint, die seine
zu dergleichen Forschungen durchaus ungenügende Vorbildung
von neuem dokumentiert und von neuem bedauern lässt, dass
viel Scharfsinn und viel Wissen an eine Aufgabe vergeudet
worden ist, die zu lösen ganz andere Leute erheischt als den
Professor Schötensack. Auf Grund der von ihm in jenem Bei-
trag aufgestellten thörichten Regeln lässt er sich zu den kühnsten
Schlüssen hinreissen; Schwierigkeiten existieren für ihn nicht,
sie werden vielmehr mit einer verblüffenden Fixigkeit tiber-
wunden; die Arbeiten unserer Romanisten werden zwar hin und
wieder erwähnt, aber im ganzen mit souveränem Hochmut be-
handelt. Griechisch spielt übrigens bei ihm die Hauptrolle, und
manchmal erinnert das Werk an das des Abbe Espagnolle, das
Neumann im Litteraturblatt und Unterzeichneter in der Franco-
Oallia an den Pranger gestellt haben.
Um unser hart klingendes Urteil zu rechtfertigen, müssen
wir einige der Schötensack'schen Etymologien vorführen. — Abois
(letzte Züge) hat mit ahoi, aboyer nichts zu thun, es kommt her von
ze büe (zum Hauen). — Abri ist entstanden aus ä piril (gegen
die Gefahr geschützt); doch kommt die Sache dem Verf. nicht
geheuerlich vor; er fügt ein „wahrscheinlich" hinzu. — Accabler
kommt her von ad habe (SpeicKer). — Achamer hat beileibe
nichts zu thun mit chair; es ist ad härm. — Höchst interessant
und für das Verfahren des Verfassers bezeichnend ist der Artikel
calotte, der zur allgemeinen Erbauung hier einen Platz finden
mag: „calotte, Priesterkäppchen, welches dazu dient, die Tonsur
(geschorene, kahle Stelle des Hauptes katholischer Priester) zu
bedecken, scheint gebildet zu sein von dem lat. calvus und sollte
dann eigentlich calvotte lauten; indess könnte das v synkopiert
sein ganz im Gegensatz zu galvette, Seeräuberschiff, welches, aus
edle gebildet, galette lauten sollte, aber den Einschub des v er-
halten hat, um nicht formell zusammenzufallen mit galette, der
Fladen. Doch sind wir der Annahme des v überhoben, wenn
wir calotte nicht zunächst vom lat. calvus, sondern von dem
gleichbedeutenden ahd., mit jenem verwandten kalo annehmen,
aus welcher Annahme sich zugleich das o statt des sonstigen e
vor der Endung tte erklärt. Wäre calotte aus dem lat. calvus
38 Referate und fiftti
gebildet worden, so würde die französische Form vielleicht ei
lauten, obwohl im Französischen neben chawett (ans ...■■■'■■■...
auch calviiie gebräuchlich ist. Im Griechischen lässt sich kein
dem calvuft und kalo (kahl) stammverwandtes Wort nachweU«;
deun das Von Lobeck 'Pq/iar. 3. 36 Bemerkte, dass das lit,
calvere mit carpere in Verbindung zu setzen sei, so dass cofoiu
so viel wäre wie vulvwi (gernpft), verdient doch zu wenig
Glauben. Eigentum] ich ist eB jedoch, dass das griechische dem
calvu* gleichbedeutende yalax-pi'n; nach Entfernung der Endang
rückwärts gelesen kalaf, also dem lat calv-jut ähnlich lautet."
An Scharfsinn iKsst diese Etymologie, and besonders der Schlau,
nichts zu wUnschen übrig, und dann der Stil!
Doch wir halten uns schon zu lange bei den Schiitensaek 'sehen
Etymologien auf. Dass neben derartigen Verschrobenheiten
manches Richtige sich findet, soll nicht unerwähnt bleiben; aber
die obigen Proben genügen wohl, um eine Warnung vor den
Werke zu rechtfertigen; es kann, wenn es in unrichtige Hände
gerät, grossen Schaden anrichten.
A. Krebineb.
Kuhn, K., Entwurf eines Lehrplans fUr den französischen UrUtrridU
am Realgymnasium. II : Mittel- und Oberstufe. Harburg,
1889. Elwert. IV, 55 8. 1 Mk.
Kuhn fuhrt den von Walter begonnenen Lehrplan (s. Zieht,
f. frz. Spr. u. IM. XI, S. 188) fUr die KlasBen III bis I des
Realgymnasiums fort. Die Gymnasien würden den so vervoll-
ständigten Lehrgang mit unwesentlichen Änderungen ebenfalls
annehmen können.
Für die Grammatik verlangt Kühn drei Kurse. Nach-
dem das Wichtigste des grammatischen Stoffes durchgearbeitet
ist, beginnt mit dem zweiten Semester der Obertertia, ein „syste-
matischer Kurs", welcher mit Rücksicht auf die vielen Schiller,
die nach Untersekunda die höheren Lehranstalten zu verlassen
pflegen, mit dieser Klasse beendigt werden muBS, worauf in den
drei obersten Schuljahren die ganze Grammatik noch einmal be-
handelt wird. Wir ftlrchtcn, das möchte des Guten zu viel sein.
Wenn nach den elementaren Übnngen, welche V und IV be-
schäftigt haben, die Grammatik einmal durchgenommen wird, so
muss es damit nach unseren Ansichten und Erfahrungen sein Be-
wenden haben. Damit meinen wir nicht, dass nicht auch nachher
noch Grammatisches besprochen werden müsse; die Schüler
sollen sogar die Grammatik beim Unterricht immer zur Hand
k\ kühn, Entwurf eines Lehrplans f. d. franz. Unterricht am Realgym. 39
haben ; aber es kann sich jetzt nur noch um einzelne grammatische
Erscheinungen oder Kapitel handeln, welche je nach Gelegenheit
und Bedarf in freierer Weise durchgenommen werden, womöglich
Anschlüsse an die Lektüre, was Kuhn selbst wünscht (S. 13),
aus dieser aller sachliche und formale Nutzen, den sie
bieten kann, auch gezogen werde und für Sprech- und Schreib-
Übungen der erforderliche Raum bleibe. Die neuere Methode
muss zeigen, dass sie aus der lebendigen Sprache heraus zu
lehren verstehe. Wie der grammatische Stoff aber im Einzelnen
auszunützen und zu gestalten sei, dafür gibt der Verfasser uns
wertvolle Beispiele. Übersetzungsübungen lässt er noch in ziem-
lich ausgedehntem Umfang zu, um einen allmählichen Übergang
ans der früheren Art, das Französische zu betreiben, in die neue
n ermöglichen. Wir können diese Rücksicht nur anerkennen;
doch würde unser obiger Vorschlag hier eine bedeutende Ein-
schränkung erfordern.
Die Lektüre schöpft anfänglich aus Kühn's Lesebuch.
In Obertertia beginnt aber Originallektüre. Für diese entwirft
Kühn einen Kanon, der im ganzen annehmbar scheint, da er
dem formalen und sachlichen Fortschritt der Schüler Rechnung
trägt. Seinem Grundsatze, „vorzugsweise Schriftsteller dieses
Jahrhunderts" zu wählen (S. 37), ist der Verfasser nur ganz im
allgemeinen treu geblieben. Wir müssen den Grundsatz an sich
bekämpfen. Die französische Litteratur des XVIII. und XVII.
Jahrhunderts wirkt als lebendige Kraft in unserer Kultur fort
und fordert deshalb schulmässige Behandlung. Von der fran-
zösischen Litteratur des XIX. Jahrhunderts haben sich bis jetzt
nur wenige Spuren dem geistigen Leben der deutschen Nation
eingeprägt. Die Gefahr, dass unsere Schüler ein veraltetes
Französisch lernen, wenn sie z. B. Montesquieu lesen, ist bei
richtiger Art des Unterrichts ganz gering und darf nicht ge-
scheut werden, wenn wir den französischen Unterricht in seinem
bildenden Wert und seiner ganzen Stellung in den höheren
Schulen nicht beeinträchtigen wollen. Nun läset Kühn ja
Voltairesche Prosa lesen; aber er gibt kein vollständiges Bild
von dem geistigen Leben Frankreichs in den beiden letzten Jahr-
hunderten, wenn er nichts von Corneille, von Racine nur Athalie
und Esther zulässt und räsonnierende Prosa der Encyklopädisten-
zeit ganz ausschliesst. Dass für die ganze klassische Tragödie
der Franzosen kein Interesse bei den Schülern erweckt werden
könne (S. 41), bestreitet Referent aus eigener Erfahrung. Für
Oratori8cheB ist Mirabeau eingesetzt, nicht mit Unrecht, obwohl
die Klasse, mit der man Mirabeau lesen will, zuvor auf ihrem
geistigen Standpunkt genau geprüft werden muss. Eine oder die
40 Referate und Ri
andere geistliche Rede vermisst man dabei doch ungern. Gsm
einverstanden Bind wir aber mit der Art, in der Ktibn die Lektüre
betreiben will.
Die schriftlichen Übungen richtet der Verfasser in
durchaus zweckmässiger Weise ein; die Sprechübungen ver-
folgen bescheidene, erreichbare Ziele in grundsätzlichem An-
schlüsse an die LektUre. Literaturgeschichte tritt nicht in
zusammenhängendem Vortrag auf, sondern begnügt sieh mit ge-
legentlichen Belehrungen, zu welchen die Lektüre Anlass bietet
Wir halten es nur für zweckmässig, derartiges nicht vor der
LektUre vorzutragen, sondern erst dann, wenn durch die LektBn
ein gewisses Interesse dafür bei den Schülern geweckt worden
ist. Die Metrik, znmal wenn sie so anspruchslos anftritt, wie
bei Kühn (S. 51) geschieht, kommt in Ober Sekunda zu spat
Das Synonymische knüpft sich wieder an die Lektüre an und
hält sich in den Grenzen, innerhalb deren es bildend and be-
lehrend sein kann.
KUhn's Absicht geht mehr auf die Aneignung eines sicheren
Sprachgefühle, als auf aasgebreitete systematische Kenntnisse;
damit ist auch das heutige Bedürfnis unserer Schulen befriedigt.
Wir haben einiges gegen die Auswahl und Zusammenstellung des
Lehrstoffes im ganzen einzuwenden gehabt; in Dingen der
didaktischen Methode verdient KUhn's Lehrplan uneingeschränk-
tes Lob. B. v. Sali. wflRK.
Schmedlng, Der Aufenthalt der Nevphüohgen tmd das Studium
moderner Sprachen int Auslande. Zweite völlig umgearbeitete
Auflage. Berlin, 1B89. Verlag von B. Oppenheim.
Der Verfasser, welcher „länger als ein Jahr in Genf und Paris
studiert, mehr als ein Dutzend mal sich auf kürzere oder längere Zeit
in England aufgehalten, Italien, Belgien, Holland und Dänemark mehr-
fach > . . besucht11 bat (S. 2) und schon „vor ungefähr zwanzig Jahren
unter ähnlichem Titel einen Aufsatz im Programm der damaligen
höheren Bürgerschule seiner Heimat Oldenburg veröffentlichte, (S. 1)
wünscht dem Neuphilologen, welcher die neueren Sprachen im Aus-
lände erlernen und studieren will, beratend den Weg zu zeigen und
zu bahnen. — In erster Linie und mit Recht weist er darauf hin, data
für den Forscher des beutigen Sprachlebens in ähnlicher Weise Reise-
stipendien ausgeworfen werden müssen, wie für den Archäologen, und
liegrüsFt deshalb mit Freuden die darauf hinzielenden Verhandlungen
des Neuphilologen-Vereins in Hannover, sowie verwandte Bestrebungen.
Zugleich stellt die Abhandlung den Unterschied klar, welcher
zwischen dem Archilologen im Auslande und dem daselbst weilenden
Neuphilologen besteht Während es nämlich für erste ren genügt, sein
Wissen vertieft und bereichert zu haben, um der Arbeit gewachsen
zu sein, die ihn gleichsam von der Hitwelt abzieht, steht letzterer im
Schmedmg, Der Aufenthalt der Neuphilologen etc. 41
rührig sieb beth&tigenden Leben, soll „sich eine wissenschaftliche
Erkenntnis vom Wesen und Werden der Sprache" (Hornemann, Zur
Reform etc. S. 13) zu eigen machen, die Verschiedenheiten in den
Leoensäusserungen und -Auffassungen feststellen, welche die Völker
unterscheidet und manchmal scheidet, wenn sie missverstanden wird.
«Er soll nicht blos Gelehrter werden, sondern auch als Mensch seinen
Blick erweitern" (S. 5). Kurz, der Aufenthalt im Auslande kann für
den Neuphilologen nur dann erspriesslich werden, wenn dieser neben
Köunen und reichem Wissen jene Eigenschaften besitzt, die Verfasser
in beredter Weise auf 8. 6 beschreibt, nämlich richtigen Takt, Freiheit
Ton Vorurteil, gute Umgangsformen, Scharfsinn, geistige und körper-
liche Rührigkeit u" s. w. Ein solcher Mann wird schnell „den Pass zu
Thüren und Herzen" (l. e.) finden und sich nicht wegen Mangels an
Gedankenaustausch zu seinen Landslenten oder gar in die Einsamkeit
zurückziehen und dann wenig oder gar nichts lernen (S. 7). „Um sich
also Tor Misserfolg zu schützen, würden die Jünglinge zunächst zu
sorgen haben, sich jene . . . Eigenschaften zu erwerben", (L c.) falls
nicht „eine gute hausliche Erziehung dies bewerkstelligte" (S. 8). —
Ober die Art und Weise, wie der Studierende zu diesem Zwecke vor-
gehen soll, laset uns Seh. im Unklaren. Er verweist zwar auf Soller
(Der höhere Lehrerstand in Ireussen. Berlin, 1875. Oppenheim). Seit 1875,
wo diese „kulturhistorische Skizzen" erschienen, ist denn doch manches
besser geworden. Auch wird niemand leugnen, dass Soller den Lehrer-
stand grau in grau malt, wahrend er die anderen Stande nur im
rosigsten D&mmerscheine schaut. Eine Hauptursache des so wenig
zarten Auftretens unserer studierenden Jugend mag wohl in der plötz-
lichen Wandlung zu suchen sein, welcher dieselbe bei ihrem Übergange
vom Gymnasium u. s. w. zur Universität unterliegt. Drüben bis zum
letzten Augenblicke innerhalb und ausserhalb der Schule peinlich be-
wacht und erzogen, hüben plötzlich nicht nur der „Selbsterziehung"
(8oller /. c 4) überlassen, sondern in eine Welt versetzt, die eine bisher
ungekostete Freiheit bietet, lernt die Mehrzahl der Studierenden einen
Ton anschlagen, der alles, nur nicht gentteman-Uke ist. Würde die
Wandlung eine allmähliche sein, so wären die Gefahren ungleich ge-
ringer, und Tausend e hätten nicht die akademische Kleinkinder-Krank-
heit durchzumachen, von der manche nie wieder gesunden, und deren
Äusserungen den Ausländer so sehr befremden und abstossen. Durch
Verkehr mit gebildeten Familien und durch Meiden einiger Gesell-
schaften würde der Neuphilologe jene Eigenschaften erwerben und be-
wahren, die in guten Kreisen des Auslandes unumgänglich notwendig
sind. Selbstverständlich heisst das nicht, er solle zum Kopfhänger
werden, der Ziererei verfallen oder das frische, frohe Burechenleben
nicht gemessen.
In 9 der Abhandlung wird dann mit Recht der Rat gegeben,
sich vor der Reise ins Ausland eine möglichst umfassende Kenntnis
der Sprache anzueignen, damit man nicht die Entwickelung der eigenen
Gedanken oder den Fluss der Unterhaltung durch Suchen nach dem
Worte störe. In zutreffender Weise wird gezeigt, dass der Kellner,
Handwerker u. s. w., der die in seinem Berufe vorkommenden Aus-
drücke der fremden Sprache zu gebrauchen versteht, deshalb noch
lange nicht die betreffende Sprache beherrscht. Ihm fehlt ein Über-
blick über „den ganzen Kreis des inneren Lebens" (3. 9). Als Hilfs-
mittel, sich die nötigen Wendungen anzueignen, werden Plötz Vocabu-
laire, Peschier, Plate u. a. m. angegeben. — „Das Geistlose und
Mechanische" (Hornemann, /. c. 14) derartiger Übungssätzchen wird
12 Referate uiul Rezensionen. J>. kreultlierg,
heute wohl überall von Neuphilologen durch fleissiges Lesen »._
Dramen der. Neuzeit ersetzt werden. — Schliesslich wird «ehr richtig
davor gewarnt, sich liurck Komplimente der Ausländer übet die Ab-
sprache beirr : zu lassen.
In dem folgenden Abschnitte seiner Abhandlung spricht Ver-
fasser davon, duM „ein weiteres, wesentliches Hindernis günstigen Er-
folge« für die Kandidaten der modernen Philologie der Mangel u
Verbindungen ist" (S. 17) und findet einen Ausweg zur Abhilfe in den
„Kartells". Lehrer aus dem Auslände, führt er aus, suchen während
ihrer freien Zeit Aufnahme bei deutschen Lehrern; letztere suchen
dasselbe im Auslände, Man regele diesen Austausch. (S. 18.}
Vielleicht Hessen sich auch Prediger in diese Verbindungen taf-
nehmen. ™ (S. 19.) — Sehen wir von diesem „vielleicht" ab, so wird
doch, wenn ich irclit verstehe, dii'i-cr Austausch nur die allererste Ver-
bindung anbiilmcii. da tarnt an Verkehr des Lehrers in Lehrer kreisen
leicht bd stetem Verweilen auf pädagogische in Gebiete Veranlauong
bieten und ein Eindringen in den „ganzen Kreis des inneren Lebens"
hindern dürfte. Ausserdem mag ein solcher Austausch am Rhein und
in Westfalen sehr leicht sein, in Schlesien, Preussen und Posen mnn
derselbe schon der rBumlicben Entfernung wegen viele Schwierigkeiten
In 6 lernen wir, dass „dos gröeste Hindernis an der Erreichung
bedeutender oder auch nur nennenswerter Resultate" darin besteht,
„dass die Neuphilologen die Kosten ihres Aufenthaltes au gering an-
schlagen." „Der Neuphilologe sollte nicht ins Ausland gehen und iu-
ileicb verdienen wollen. Seine Mittel sollten, wenn irgend thunlich,
er Art sein, dass sie ihn nicht hinderten, irgend welche Beziehungen,
welche ein günstiges Geschick anzuknüpfen Gelegenheit bietet, iu
pflegen." (S. 30.) Hierzu bedürfe er etwa *000— 5000 Mark jährlich.
— Ei unterliegt keinem Zweifel, dass man mit einer solchen Summe
recht sorgenfrei sich und seinem Zwecke leben kann. Ich habe indes
1874 und 1875 in Frankreich, Belgien und England zugebracht, habe
kein Geld verdient, sondern aus eigener Tasche gelebt, habe in fast
allen anständigen Kreisen verkehrt und habe iu den beiden Jahren
nicht 4000 Mark gebraucht, übrigens, warum soll der Neuphilologe
nicht Geld verdienen, wenn er bei dieser Gelegenheit seinem Ziele
näher kommt? Einer meiner Bekannten in London las einem blinden
Herrn die Times vor, ein Anderer gab Musikunterricht, ein Dritter, in
Margate, war während einigen Stunden Lehrer in einer Familie. Die
Herren wurden durch ihre Bekannten an neue Kreise empfohlen, nnd
ihr Aufenthalt war gewiss kaum halb so kostspielig, als der meinige.
Der Mittelweg ist auch hier der beste, und der weitaus grösste Teil
der deutschen Neuphilologen wird wohl gezwungen sein, diesen Mittel-
weg einzuschlagen. Darin aber stimme ich mit Seh. überein, dass Nie-
mand sich ins Ausland begeben soll mit der ausgesprochenen Absicht
ausschliesslich oder fast ausschliesslich seinen Unterhalt durch Stunden-
geben Sit erwerben. Der Ärmste würde am Ende nach herben Ent-
täuschungen gestehen müssen, dass er sich im engsten Kreise bewegt,
vom Volksleben, von Sitten und Gebräuchen wenig oder gar nichts
kennen gelernt hat. Man versehe sich mit einer Summe von etwa
800 Mark und habe mehr im Hinterhalte. Vorerst, nachdem man ein
futes, billiges Kosthaas gefunden, statte man sich in Frankreich oder
ngland so nus, dass man den Anforderungen der guten Gesell-
schaft gerecht werden kann. Dann heisst es, die Landsleute meiden
und jede Gelegenheit suchen, mit dem Ausländer zu sprechen und den-
de
Schmedmg, Der Aufenthalt der Neuphilologen etc. 43
selben sprechen zu hören, zugleich aber keine Gelegenheit von sich
weisen, die es ermöglicht, unsere Kassen-Ebbe aufzuhalten, ohne uns
deshalb in unserer freien Bewegung zu behindern. Man kann im
Auslände recht sparsam leben, wie Verfasser auf S. 28 ausführt.
Wie mannigfach sind ferner Aie geistigen, sehr billigen Anregungen
für einen Mann, der einen offenen Blick hat. Bibliotheken, Kirchen,
Volksleben u. s. w., sagt Seh. S. 28, bieten selbst dem mit geringen
Mitteln Ausgestatteten viel Gelegenheit, sich auszubilden. Und in Ver-
kehr treten mit den Ausländern kann er, wenn er es nur versteht,
an den ersten Anknüpfungspunkt neue Verbindungen zu knüpfen.
Keine bessere Empfehlung, als die eines Freundes. Man trete in Ver-
eine ein. Selbsverständlich muss sich Jeder nach seiner Decke strecken
und nötigenfalls, also nicht immer, von kostspieligen Vergnügungen
fern bleiben. Dann wird der Aufenthalt im Auslände nutzbringend
doch jedenfalls billiger sein, als 4000 Mark jährlich. Ich befürchte,
der Verfasser hält durch seinen vom besten Wohlwollen ihm einge-
gebenen Kosten -Anschlag manchen Neuphilologen ab. das Ausland zu
besuchen.
Es folgt ein Abschnitt, in welchem in zutreffenden Worten darauf
hingewiesen wird, wie man mit dem Ausländer in Verkehr treten soll,
und dass es Fälle gibt, wo Sparsamkeit übel angebracht wäre.
Abschnitt 7 entrollt uns ein Bild der stamm haften gesellschaft-
lichen und Charakter- Eigentümlichkeiten, die man im Auslände an-
treffen wird.
Abschnitt 8 zeigt die Schwierigkeiten, die hieraus erwachsen und
die Art und Weise, wie man sich denselben gegenüber zu benehmen
habe. Es kann den Kandidaten nicht dringend genug anempfohlen
werden, diesen Abschnitt sorgsam durchzulesen und zu beherzigen.
Hierauf kehrt Seh. zum sprachlichen Gebiete zurück. „Berufene
Führer", sagt er, „so namentlich Kcerting und Vietor haben den Neu-
philologen auf solche Höhe gebracht, dass er dieses Gebiet übersehen
kann. Er wird sich einzelne Felder davon zur besonderen Pflege aus-
erwählen. Dasselbe wird er in der Fremde thun und als Hauptregel
feststellen, sich hier wesentlich auf das zu beschränken, was er in der
Heimat nicht haben kann: die Ausbildung seiner Aussprache, seines
Ohrs, seines Stils und die Aneignung gewisser sprachlicher Eigentüm-
lichkeiten. Auf S. 43 und 45 wird hingewiesen darauf, dass des Neu-
philologen Gehör und Aussprache meist nicht genugsam vorgebildet
seien. — Wäre es nicht angebracht gewesen, demselben ausser Benecke
einige Werke an die Hand zu geben, deren eingehendes Studium diesem
Mangel Abhilfe bietet? Der in der Lautphysiologie bewanderte Kandidat
wird bald den Lehrer ausfindig machen oder ausbilden, der Beine
Aussprache nach richtiger Methode und gründlich bessert. Auch die
Gefahr, auf die am Schlüsse des Abschnittes unter Berufung auf
C. Plostas hingedeutet wird, nämlich bei einem schlecht aussprechenden
Ausländer in die Lehre zu gehen, wird für den gut durchgebildeten
Neuphilologen heute nicht mehr so gross sein, wie vor zwanzig Jahren.
— Inbezug auf die Art und Weise, wie man eine gute Aussprache
lehrt und lernt, heisst es S. 45. „Die Methode .... war ein Brechen
und Biegen der Sprachorgane, ein Vorsprechen und Nachsprechen;
ein Wieder- Vorsprechen und Wieder- Nachsprechen, ein Nocnwieder-
vorsprechen und Nochwieder - Nachsprechen , das zum Ziele führen
mu8ste.tf — An der Hand der Phonetik würden sich Lehrer und Schüler
bald über einen Weg einigen, der beiden weniger Zeit, dem letzteren
weniger Geld kosten dürfte. — Ferner lesen wir S. 47: RDie Haupt-
Schwierigkeit in der Ausspruche liegt in den Vokalen." „In der ge-
trabten Auaaprache der Konaonanten . . . liegt für den Norddeutschen
weniger Gefahr." Das ist meines Erachten» ungenau; denn die richtige
Aussprache der Konsonanten int uuch für eleu Norddeutschen ein Feld,
auf dem nur atet« Übung und unausgesetzte Aufmerksamkeit Erfolg
verspricht (Lunge. .Irtiku/titwit-ijymiKistik im franz. E/ementariintrrrkht.
Zschr. f. nfrz. Spr. u, litt. VlIP 151 ff.; Kühn, Gram.; Aymeric und
Beaux Gram. u. a. m.).
Hierauf geht VerfiiHBer über auf den Vortrag in den fremden
Sprachen. Derselbe lässt sich, wie er sagt, nicht beschreiben. Die
Grössen anf diesem Gebiete hatten „ein spezifisches, undefinierbare*,
unbeschreibliches und doch bestimmt wahrnehmbares Etwas". [Mir
wurde einmal in ahnlicher Weise der Betriff r Elektrizität" klar ge-
macht.] Man darf „nicht wie in der Muttersprache die Hauptbegrifte
im Satze, die Hanptöilbe im Worte betonen. — Nun betonen aber
Franzosen und Engländer die Hanptbegriffe im Satze, und in beiden
Sprachen gibt es Haupt- und nebentonige Silben. Somit innas Seh.
sich unklar ausgedrückt haben. — Dem Satze, den Verfasser am
Schlüsse dieses Abschnittes aufstellt, kann ich auch nicht beipflichten.
Der Neuphilologe soll nämlich „Deutscher bleiben und darauf ver-
zichten, englisch und französisch wie ein Eingeborener zn sprechen.*
Ich mochte im Gegenteil den Fachgenossen glücklich preisen, dem ee
durch Fleiss und Beharrlichkeit gelingt, letzterem Ziele möglichst nahe
zn kommen. (Die certaines imperfeetinns, von denen Aymeric Zsehr. f.
nfrz. Spr. u. Litt. Xa 259 spricht, werden ja leider in den meisten
Fallen bleiben.) Sein Herz kann trotzdem recht und echt deutsch
bleiben. Wird Kcerting, der in seinen neuphilolagischen Essays von
dem ans dem Auslande Heimgekehrten die Anlegung einer praktischen
Prüfung verlangt, etwas anderes im Auge haben, all daee derselbe sich
u. a. Ober die Aussprache anaweise? Würde er nicht demjenigen die
Palme zuerkennen, welcher anf diesem Gebiete am wenigsten „deutschen
Klang" verrät?
Die Bemerkungen über den Stil, mit denen der erste Teil der Ab-
handlung schliefst, sind sehr richtig. „Keiner sollte eine moderne Sprache
lehren, der nicht ein Jahr lang im Stil unter der Leitung eines klassischen
Akademikers gestanden, welcher seine Muttersprache grammatisch,
historisch und litterarisch studierte und Lehrtalente genug besitzt, um
die seines Schülers zu bilden" (S. fiO). — Warum aber wird nicht auch
der Rat gegeben, man aolle seinen Stil schon vor dem Antritt« der
Reise schulen? Der Neuphilologe muss Franke: Französische Stiiistik
verdaut haben, muss stets eifrig darauf bedacht gewesen sein und sein,
die fremdsprachlichen Texte in gutem Deutsch wiederzugeben. (Manch,
Zur Forderung des französischen Unterrichtes, 8. 77 ff.; Kühn, Cfcsr
Zweck und Ziel des französischen Unterrichtes am Realgymnasium. Zschr.
f. nfrz. Spr. u. Litt. VII Snppl. III 90). Dies „dient zum weiteren Ein-
dringen in die" fremdsprachlichen „Eigentümlichkeiten i
eingehenderem Vergleich der . . . Sprachen an." (Kühn f. c.) — Statt
der „Muster sliieke von Grüner", auf die Verfaaser hinweist, möchte
ich, geatötzt auf langjährige Erfahrung, fleissigee Ret ro vertieren em-
pfehlen. Es ist dies eine Art von Sei bat- Kontrollieren und dient dazu,
das, was man beim Übersetzen ins Deutsche gelernt, zu festigen und
zn dauerndem Besitztum zn machen.
Im II. Teile seiner Broschüre gibt Seh. eine „Erzählung einiger
einzelnen Erlebnisse, aus denen unsere jungen Leute noch genauer er-
sehen können, welcher Art die Gefahren und Förderungen sind, die
ihrer im Auslände warten." Man kann »ehr viel daraus lernen Sind
ich empfehle Jedem, der eine Reise ins Ausland macht, diesen Ab-
schnitt mit Aufmerksamkeit ilmclizulesen. — Die kleinen Restaurationen
in der Nähe des Britischen Museums, vor denen auf S. 31 lind 84 ge-
warnt wird, scheinen übrigen* etwas von ihrem gefährlichen Charakter
eingebiisst 7,11 haben. Ich habe nämlich während vier der Monate, die
ich im Museum arbeitete, täglich mein lunch in der einen oder anderen
derselben eingenommen und bin niemals in Gefahr gewesen. Auch
haben meine Bekannten nie Abenteuer daselbst erlebt. — Veranlasst
durch eine Bemerkung auf S. 62 füge ich hinzu, dass ich mit Be-
friedigung auf die zehn Monat zurückblicke, die ich deshalb aul der
Universität Lütticb zubrachte, weil ich auf den Rat des Prof. C. Pltetz
der schmollenden Lutetia aus dem Wege ging. Ich habe bei den Pro-
fessoren und Studierenden dieser Hochschule in dankenswerter Weise
Unterstützung gefunden in meinen Bestrebungen. Ich kann daher Jedem
den Besuch dieser Universität cmiifehb.'n, denn das FrunziisMch, welches
man in den besseren Kreisen dieser Stadt spricht, ist gut,
Im III. Teile, dem Schlüsse der Abhandlung spricht Seh. mit Ue-
feiaterung von dem schönen Lose, das dem Lehrer der neueren
prachen zugefallen, welcher seinen Beruf mit Liebe treibt. Sind erat
rdie Nebel und Vorurteile geschwunden, die uns jetzt noch auf päda-
gogischem Gebiete gefangen halten", so wird seine Aufgabe „noch
herrlicher und schöner". Im Gegensätze zum Altphilologen „geben
wir dem Altertum sein histonsclms Recht, aber unseren eigentlichen
1] und unsere eigentliche Nahrung fluchen wir auf unserem
eigenen Gebiete. „Enorme geistige Summen zur Lösung der materiellen
und ideellen Fragen, welche die Gegenwart beschäftigen, werden die
Lehrer beisteuern, wenn sie erst einmal anfangen, sich der Schätze
inne zu werden", die das von ihnen zu bearbeitende Gebiet in sieh
inTlÜninf -Von ihnen ist ein grosser Einfluss auf die Völker unter
einander zu erhoffen", indem sie dazu beitragen, eine Annäherung an-
zubahnen.
Ich will meine Kritik kurz zusammenfassen: Uer Verfasser der be-
sprochenen Broschüre nnterlässt es meines Erachten», den Neuphilologen
genugsam mit dem Küstzfiiyr üii./.ii-tiitti-ir. welche" die fortgeschrittene
Wissenschaft uns heute an die Hand giebt. Die darauf hinzielenden
Fingerzeige sind nicht genügend. Offenbar hat Seh. geglaubt, diese
Frage gehöre nicht in den Rahmen seiner Abhandlung. Ich konnte
mich dieser Auffassung nicht anschliessen, weil auf deo ersten 32 Seiten
fast nur von den Vorbereitungen für die Reise gesprochen wird, und
data gehört meines Erachteas auch eine Schulung des Ühres , der
Anasprache nnd des Ausdruckes.
Im übrigen empfehle ich, abgesehen von einigen Meinungsver-
schiedenheiten, die Ausführungen des erfahreneu, vielgereisten Schul-
mannes, der für Alles einen klaren Blick zeigt, denjenigen, welche sich
zur Erlernung der fremden Sprachen ins Ausland begeben, oder noch-
mals begeben. Man lernt daraus recht Vieles.
Angeregt durch das Lesen der Broschüre milchte ich tnir, im
Anschlüsse an meine Kritik, einen Vorschlag erlauben:
Wie kann der Lehrer der neueren Sprachen von Seiten
der Unterrichtsverwultnng unterstützt werden, so dass
»eine Arbeit inbezng auf die Aussprache der Schüler mehr
Erfolg hat, und dass seine eigene, gute Ausspräche er-
halten bleibtr
Der Unterricht in manchen Zweigen der Naturwissenschaft, z. B,
46 Heferate und ftuiftafl, it. A'fifin,
in Botanik und Zoologie, würde auf unseren Schalen ichwerlich bii in
der Stufe aufgestiegen sein, welche derselbe heute einnimmt, wenn nicht
diesen Wime n bc harten ein Hilfsmittel von wirklich hohem Werte im
Seit« ntBnde: die Anschauung. Der Lehrende mag Heine Erklärung
noch eo deutlich fassen, ihr mögen die schönsten Modelle von Tieren
und Pflanzen beigegeben werden, es wird doch der Lernende erat voll-
kommen „begreifen", wenn er diese Tiere und Pflanzen in ihrer
Wesenheit vor ajcfa sieht, wenn er die Fehler, die ein Miisv erstund nii
oder seine Phantasie verursachte, richtig stellen, wenn er sich diu
einzelnen Merkmale des Vergeführten nach seine r Weise ein-
prägen kann.
Auf ähnlichem Wege Hesse sich 'diese Art Anschauungsunterricht
innerhalb des Gebiets der neueren Sprachen verwerten. Hierbei soll
aber nicht, wie bisher, einsig und allein der Lehrer derjenige sein,
welcher dos „ Anschau uugsobjekt" bildet. Es giebt swar viele Lehrer
der neueren Sprachen, die sich durch mehr oder minder ausgedehnten
Aufenthalt im Auslande das fremde Idiom inbezug auf die Aussprache
manchmal gut, oft sogar sehr gut angeeignet haben. Aber keiner
derselben wird die Thataacbe verkennen, dass sein Ohr beim Unter-
richt allmählich abgestumpft wird durch stete Dissonant, dass es fast un-
empfindlich wird gegen jene Fehler, die bei ihrem ersten Auftreten sogir
nerven erschütternd gewirkt haben. Sollen sich daher diese Lehrer auf
der Flöhe halten , so mOssten sie durch einen alle zwei Jahre minde-
stens einmal stattfindenden mehrwöchentlichen Aufenthalt jenseits
der Vogesen oder des Kauales darnach streben, ihr Können wieder
„aufzupolieren", ihre Aussprache zu reinigen von den Schlacken, die
sich durch das stete Andringen der von den Schülern hervorgebrachten
falschen Laute angesetzt haben. Eine Reise ine Ausland wird aber
von Jahr su Jahr schwieriger; die Ferien sind meist tu kurz nnd
müssen wirklich der Erholung und „Nerven- Abspannung' gewidmet
werden. Wollte man sie jedoch dem vorgedachten Zwecke wirkhch
widmen, so müsste man wieder an die Abreise denkeil, wenn man sich
kaum in die neuen Verhältnisse eingelebt hat. Ein Urlaub bat nämlich
deshalb sein Missliohee, weil die Kollegen meist vertreten müssen, da
der Unterrichts Verwaltung zu häufig die Gelegenheit entgeht, einen
Hilfslehrer su beschäftigen und su remunerieren. (Von den städtischen
BehSrden, die die Herablassung haben, dem Lehrer zn gestatten, die
Reise dann zu machen, wenn er selbst seinen Vertreter bestellt und
bezahlt, will ich nicht reden.) Endlich wächst das Gebalt nicht mit
der Kopfzahl der Familie, und so bleibt denn meist die notwendige,
ersehnte Reise . . . ersehnt, die Aussprache wird täglich schlechter
und schliesslich „wirklich grauenhaft", wie Trautmann sagte.
Wie ist diesem Obelstande in etwas abzuhelfen? Jährlich be-
sucht ein Franzose und ein Englander mindestens iwei-
mal diejenigen Schulen, an welchen Französisch bei«.
Englisch gelehrt wird. Sie zeigen durch Vorlesen meh-
rerer, dem Schaler bekannten Stellen aus der Lektüre
der Unter- und Mittelklassen, oder eines vorher kur-
sorisch übersetzten Dramas für die Oberklassen, wie man
„liest und spricht".
Die Hilfe, die dadurch dem Lehrer gewährt wird, die Unter-
stützung, die derselbe findet, ist augenfällig. Durch diese demonstratio
ad ocukis et ad aurer „begreift1' endlich mancher Schüler, dass der
Ausländer wirklich andere Laute beim Sprechen zn Hilfe nimmt, dass
seine Wortbetonung eine andere ist u. s. w., und er wird sich mehr
Quiehl, Die Einführung in die französische Aussprache. 47
denn Torher bemühen, dieses sein Vorbild zu erreichen. Den Lehrern
aber in vielen Städtchen und Städten, die niemals einen „Welschen44 zu
Gericht bekommen, wäre eine, wenn auch karge Gelegenheit geboten,
richtige Laute zu vernehmen, fttatt der ewigen Dissonanz, kurz, zu
lernen und nochmals zu lernen.
Die Kosten, welche diese neue Einrichtung bedingt, sind nichtig
im Verhältnis zu dem Nutzen, welche der Schule daraus erwachsen muss.
P. Kredtzbebg.
Qnielil, Die Einführung in die französische Aussprache. Lautliche
Schulung, Lautschrift und Sprechübungen im Klassenunterricht
Auf Grund von Unterrichtsversuchen dargestellt. Marburg,
1889. N. G. Elwert. Pr. Mk. 1,50.
Vorliegende Schrift betritt, wie die in gleichem Verlag erschie-
nenen Broschüren „Ein Jahr Erfahrungen" von Elinghardt und „Der
französische Klassenunterricht" von Walter, den Boden der Praxis,
indem sie berichtet, wie der Verfasser seine Schüler (Sextaner in der
Realschule zu Kassel) in die französische Aussprache eingeführt hat.
Das Verfahren wird im allgemeinen sowohl als im einzelnen gründlich
erörtert und motiviert; zugleich wird in dem Gebrauch der phonetischen
Hilfsmittel so massvoll und massig verfahren, daas die Schrift ohne
Zweifel Viele veranlassen wird, ebenfalls Versuche mit diesem be-
scheidenen Mass von Phonetik zu macheu. Quiehl's Satz: „Da, wo die
Nachahmung allein nicht zum Ziele führt, trete die Phonetik im Unter-
richt ein", dürfte über kurz oder lang zu allgemeiner Anerkennung
gelangen (wesentlich in demselben Sinne bewegen sich die Ver-
handlungen der schleswig-holsteinischen Direktorenkonferenz vom
rorigen Jahre). Eingestreut sind zahlreiche Bemerkungen über die
Aussprache der Franzoseu (z. B. Unterscheidung der beiden a, das
tonlone e), welche auch dem Lehrer erwünschte Aufklärung bieten und
seine Aufmerksamkeit auf einzelne Fälle lenken, welche er vielleicht
bei seinem Aufenthalt in Frankreich nicht genug beachtet hat. —
Q. verwendet nicht bloss die Phonetik, sondern auch die Lautschrift
in der Schule, und auch das wird mancher Kollege, durch die Schrift
veranlasst, versuchen. So weit Referent in dieser Beziehung aus Er-
fahrung sprechen kann, wirkt die Lautschrift vorteilhaft auf eine rich-
tige und gute Aussprache ein. Zu einer völligen Klärung dieses
Punktes sind aber noch recht ausgedehnte Versuche nötig; zu
wünschen ist, dass dabei die Schüler eine Anzahl von Gedichten und
Lesestücken in phonetischer Umschrift vor sich haben. — Besonders
angenehm berührt der ruhige Ton und die unbedingte Sachlichkeit
der Schrift, welche sicherlich zu den besten der Reformlitteratur zählt;
wegen der vielfachen Belehrung und Anregung, welche sie dem Lehrer
des Französischen bietet, verdient sie die weiteste Verbreitung.
K. Kühn,
PllMjr, Paul 9 Le Francais parle. Morceanx choisis ä Tusage des
e'trangers avec la prononciation figuree. Deuxieme Edition.
Heilbronn, Henninger 1889. 122 + V11I S. Preis: Mk. 1,80.
Von dem kleinen Werkchen, welches 1886 in erster Auflage
erschien (hier Bd. IXS S. 142 f. besprochen), ist schon nach drei Jahren
eine neue Anflöge nötig geworden. Das int ein Beweis dafür, i .
in den Kreisen der Neuphilologen die Aufnahme und Verbreitung ge-
funden hat, welche es so reichlich verdient. In der That giebt ea k<"
besseres Hilfsmittel, um das gesprochene Französisch zu lernen,
dieses: und wie schon in der Benpretbimg der ersten Auflage gl
war, ist es auch denen zu empfehlen, welche im Lande selbst prakt
Sprach kenntniase erwerben wollen.
Die S. Auflage zeigt mehrere Änderungen. Zunächst ist die im
Malire phonttiiqtic gebrauchte Umschrift auch hier zur Verwendung
ankommen. Dann wird die Betonung (Wortton, Hebung und Senkung
er Stimme, gleichmassige Betonung etc.) auf einfache Weise bezeichuet
Endlich lind mehrere Stücke durch andere ersetzt worden. Eine Ver-
gleichung der 1. mit der 3. Auflage ergiebt auch vielfach andere Laute;
speziell sind bei Konsonantenb&ulung die vorhergehenden den folgenden
angeglichen, i. B. wird in obstmatwn b zu p\ S. 35 Z. 5 in garni de
ses faiencet wird e von de stumm und dann d zu (. — Zu wünschen
wäre ein genaues Inhaltsverzeichnis and durch das ganze Buch Seiten-
überschriften. Beides würde wesentlich zur Erleichterung des Gebrauchs
dienen. K, Kühn.
M, La Prononcialwn francaite. Die Kunst elegant and
richtig französisch zu sprechen. Ein praktischer Ratgeber
für Techniker, Kaufleute und alle diejenigen, welche in dient
Sprache verkehren wollen. Zweite Ausgabe. Berlin, Verlag
von Siegfried Kronbach. 1889. 88 S.
Der Verleger hat dem Verfasser einen schlechten Dienst er-
wiesen, indem er — wahrscheinlich in buchhändlerischer Spekulation
— eine neue Ausgabe dieses Werkchens veranstaltete. Wie wenig
dasselbe mit der Zeit fortgeschritten ist, geht aus S. 8 hervor, wo die
Schreibung ige noch als diejenige der Akademie verzeichnet wird,
wahrend die Schreibung ige durch die im Jahre 1878 erschienene
7. Auflage des Wörterbuchs der Akademie eingeführt wurde. — Die
Ergebnisse der phonetischen Forschungen sind durchaus unberücksich-
tigt geblieben; so heiest es S. 46: „j bat stets den weichen Zischlaut".
S. 63 : „* = $ in Sohn" (gemeint ist das stimmhaft« s) ; S. 60: „t> lautet
stets wie das deutsche »°. Über die Her vorbring ung der nasalen
Vokale schweigt die Schrift sich ganz aus. Das wäre doch für Nord-
deutsche, auf welche sonst die wenigen Lautbeetimmungen passen,
recht wichtig. Darnach mOge jeder beurteilen, ob auf dem Titel mit
Recht steht: „Die Kunst elegant nnd richtig xu sprechen." Der Ver-
fasser würde wohl daran thun, dem Verleger den weiteren Verkauf
dieser neuen Ausgabe zn verbieten.
E. Kühn.
Kefcweler, Anglist Otto* Zur Methode des französischen Dnterrickü
Leipzig 1889. Gustav Fock. 16 S. 4°. I M.
Die Proteste gegen die übertriebenen Forderungen der Sprach-
reformer scheinen sich zu mehren. Als eine Abweisung solcher Forde-
rungen, jedoch gemässigte und besonnene, ist auch die Schrift von
Kesseler anzusehen- Der Verfasser hat sich die gesunden Reformideen
vollauf sn eigen gemacht. Er ist durchdrungen von der Notwendigkeit,
E. Thudichum, Allerlei Französisch. 49
eine eute Aussprache bei den Schülern zu erzielen. Er meint aber,
d*M dies zu erreichen sei auch ohne theoretischen Unterricht in der
Laotphysiologie, die die Fassungskraft der Schüler übersteige, und
ohne Lautschrift, die eine Mehrbelastung bedeute. Auch er will das
Lesebuch in den Mittelpunkt des Unterrichts stellen. Er halt aber für
ratsam, dass die ersten Übungen an einfachen Sätzen vorgenommen
»erden; erst spater dürfe ein zusammenhangendes Lesestück an ihre
Stelle treten. Wohl müsse der Schüler seine ersten grammatischen
Kenntnisse durch Anschauung erwerben. Aber er müsse von An-
bog an grammatische Kenntnisse, und zwar sichere, systematisch ge-
ordnete, erwerben: ohne sie bleibe aller Sprachunterricht ein wüstes
Durcheinander. (S. 12.) Lektüre und Grammatik müssen Hand in
Sand gehen (wie im Elementarbuch von 0. Ulbrich). Der Ober-
letsnngen aus dem Deutschen ins Französische könne man nicht ent-
raten; nur sollen die deutschen Sätze sich zunächst eng an das fran-
tönsche Übungsstück anlehnen (wie bei Plötz- Kares). Auf der oberen
Stufe müsse der Deduktion ein weiterer Spielraum gewährt werden,
lach müsse dort die freie Übertragung zusammenhängender deutscher
Werke peübt werden. Was der Verfasser von S. 15 ab über die Art
and Weise sagt, wie die Lektüre in den verschiedenen Klassen betrieben
werden müsse, mögen alle diejenigen beherzigen, denen im alten
Schlendrian die Lektürestunde eine Art Erholungsunterricht ist, der
rieh in anmutiger Abwechselung von Vor- und Nachübersetzen dahin-
•chleppt.
Der Verfasser sagt selbst, dass er nicht gerade Neues bringen
rolle. Er hat aber die Gedanken anderer mit eigener Erfahrung und
eigenen Erwägungen so durchtränkt, dass sie z. T. wohl als seine
eigenen gelten können. Ein warmes Interesse für die Sache hat er
richerlich. E. Mackel.
Thudichum, Karl, Allerlei Französisch. Litterarische Studien
zu Nutz und Frommen der kaufmännischen Welt und des
französischen Unterrichts. I. Das sogenannte Französisch für
Kaufleute der Herren Charles Toussaint und G. Langenscheidt.
2. veränd. und verm. Aufl. Genf, Buchh. H. Georg. 1889.
VIII u. 56 S. 8°.
Diese Schrift war im vorhergehenden Jahre unter anderem Titel
[Das Plagiat der Herren u. s. w.) erschienen, verschluss sich aber durch
ien Vorwurf des Plagiats die Thore und erschien daher unter dem
neuen Titel teilweise neu. Es wurde nämlich nur der erste Bösen,
mit Ausmerzung der heftigsten Stellen, neu gedruckt, mit Ausnahme
ies letzten Blattes, welches aus der 1. Auflage stammt und wie ein
aarton eingeklebt ist.
Wenn der Verfasser zu Eingang seiner Arbeit fragt, warum
wohl in Deutschland sich niemand für diese Aufgabe fand, so kann
man die Gegenfrage stellen, warum der Verfasser zu der ungewöhn-
lichen Broschürenforni griff, statt seine Arbeit in einer Fachzeitschrift
zu veröffentlichen. Er würde antworten können , dass solche Zeit-
schriften wohl selten in kaufmännische Kreise dringen ; das müsste ihm
aber, wenn es ihm lediglich um litterarische Wahrhaftigkeit und deren
Schutz zu thun war, ziemlich gleichgiltig sein. Durch die Wahl der
Broschürenform hat er sich der Gefahr ausgesetzt, dass die Angegriffenen
fragen können : Wer bezahlt die Sache ?
Zaekr. f. tn. Spr. n. Litt XII*. a
50 Referate and Rezensionen. Ph. Plattner,
In der 1. Auflage beschränkte der Verfasser sich darauf, dui er
den Angeschuldigt™ vorwarf, einen Teil der in dem „Französisch fät
Kaufleute" enthaltenen Bändel» briete aus Page, Nonveau guule de k
correspondance commereiale , einen andere» geringeren Teil derselben
Briefe aus Deg ränge», Tratte de cm-rtsi'unilaucc commercütU entlehnt in
haben. In der neuen Auflage fügt er flazn den Vorwurf, dass »ach die
allgemeinen Mus terbr tefe mm grausten Teil (S7 unter SO) «Ört-
lich aus Dunois, At' secretnirt' des [tun du* <-/ <t< s \u nsinns iiitlehnt seien.
Da er aber seibat auf diesen neuen Vorwurf im weiteren Verlauf nicht
zurückkommt, so ist anzunehmen, dass er ihn selbst für weniger schwer
hielt. Vielleicht waren die Autorrechte verjährt und somit das Buch
„tombe dann le damame public?' Wie dem auch sei, wir beschäftigen
uns hier wenigstens vorläufig mit der ersten Auflage.
Dem gegenüber ist nun zunächst anzuführen, dass in der von
den Angegriffenen veröffentlichten (als Manuskript gedruckten) Gegen-
erklärung der Nachweis erbracht erscheint, dass der angeblich ge-
plünderte Page selbst von seinen 5fi2 Briefen nicht weniger als IfiO
aus drei anderen Quellen entlehnt hat. Wir können diese Angabe
nicht kontrollieren, halten sie aber für glaubhaft, da wir selbst auf
dem Gebiete der Konversations band buch er eine ähnliche, durch keiner-
lei Recht oder Gesetz geheiligte Erbfolge entdeckt haben.
Wenn wir nun die Reihe der im einzelnen erhobenen Vorwürfe
durchgehen, so ist der erste der schwerwiegendste: „Verechweignng
der Namen der Schriftsteller, welchen sie (die Herren Toussaint und
Langen« ch ei dt) die Briefe entlehnten." Unverkennbar war es eine
Unvorsichtigkeit, dass in der Vorrede, wo dazu hinreichend Raum ge-
wesen wäre , jenes Umstände keine Erwähnung geschah. Bei den ein-
zelnen Briefen nämlich war es schon deshalb unthunlich, die Namen
der fremden Verfasser anzuführen, weil die Handelsbriefe nicht un-
verändert wiedergegeben wurden. Die fremden Originale wurden
nicht abgedruckt, sondern in freiester Weise als Vorlagen benutzt;
die fremden Verfasser hätten sich daher die Nennung ihres Namens
bei den einzelnen Stücken sogar verbitten, hin und wieder vielleicht
auch die Vaterschaft durchaus ablehnen können, da man, wie erwähnt,
bei solchen Sammlungen nie recht weiss, ob ein durchaus neues oder
ein vererbtes Stück vorliegt. Viel zu weit gehen heisst es aber, wenn
man darin ein Schmücken mit fremden Federn erblicken will. Dem
litterarischen Rufe der Verfasser des „Französisch für Kaufleute" hätte
es keinerlei Eintrag gethan, wenn sie in der Vorrede eine derartige
Erklärung abgegeben hätten; wenn sie es unterdessen, so kann man
kaum annehmen, dass sie gefürchtet hätten, diesem Rufe Eintrag in
thun. So fürchterlich, wie der Ankläger die Sache darstellt, ist sie
gar nicht. Nehmen wir an , es schreibt jemand ein Buch Ober irgend
einen neuen Gegenstand oder behandelt einen Gegenstand nach neuer
Methode und ein anderer Verleger findet die Idee gut, beschafft sich
einen Autor (was meist nicht schwer ist) und lässt sich von diesem
die Sache in gleicher Weise zurechtmachen, d. b. einen fremden Plan,
die fremde Anlage eines Buches , die man ja nicht patentieren lassen
kann, einfach nachahmen, ohne aber irgend etwas wörtlich zn ent-
lehnen, so ist das vor jedem Gesetz durchaus straffrei, obwohl dal
Vergehen unendlich viel grösser ist, als wenn jemand ein paar Stücke,
die vielleicht schon durch viele Hände gegangen sind, mehr oder
weniger wörtlich übernimmt.
Die folgenden Punkte sind von noch geringerem Belang. Wenn
statt voller Namen nur Initialen gegeben werden , so würde das viel-
K, Thudichum, Allerlei Französisch. 51
lacht stören, wenn der Brief seinem materiellen Inhalt nach studiert
werden toll, nicht aber wenn er nur in seiner Form als Muster ge-
kommen wird. Das Herausreissen der Briefe aus ihrer natürlichen
Ordnung muss auch als ein unhaltbarer Vorwurf erscheinen, da die
Toussaint-Langenecheidt'schen Rubriken vielleicht besser unpsbedürftig,
aber logisch angeordnet sind; einzelne „nichtssagende" Titel (Lettres
mmtmcant des changements de differente natvre; lettres sur divers sujets
k trmter entre negockmts) waren in einem Buche kaum zu umgehen,
du nur eine begrenzte Zahl von Mustern geben konnte und nicht
steh jedem zweiten oder dritten Briefe eine neue, speziellere Über-
schrift bringen durfte. Damit hangt der weitere Vorwurf der Unvoll-
itindigkeit zusammen; es war ja überhaupt nicht die Absicht der
Verfasser ein Handbuch der Handelskorrespondenz, sondern ein Vade-
mecnm allgemeinster Art fflr den angehenden Kaufmann zu Hefern, der
in die Lage kommt wissen zu müssen, wie man dies oder jenes fran-
lösisch benennt und wie man dieses oder jenes Thema etwa französisch
darstellt
Vorzugsweise haben wir auf den dritten und sechsten Vorwurf
einzugehen, welche sich auf Verstümmelung und Verschlechterung des
Inhalts nnd Veränderung der Briefanfange nnd Briefschlüsse beziehen.
Dabei nehmen wir zugleich den in den Anmerkungen erhobenen Vor-
wurf mit, die verkürzten Briefe böten statt eines herzlichen, gemüt-
lichen, urbanen Tones einen kalten, harten, unteroffiziersmassigen. Der
Unterschied fallt allerdings sehr auf. Die Briefe sollen indessen auch
nicht als Muster zum blossen Kopieren dienen und jeder mag selb-
ständig soviel Gemüt in seinen Brief hineinzubringen suchen als er
besitzt; bloss kopiertes Gemüt wäre offenbar noch schlimmer als gar
keines. Kürze war in dem Buche nötig und damit ist gemütliche
Breite nicht zu verbinden; wir Deutsche sind ja wohl auch im ganzen
etwas mehr matter-of-fact als die Franzosen und was bei uns noch als
roHtoige Ausdrucksweise gilt, ist für den Franzosen vielfach schon
see, href, d. h. kurz gebunden, oder, wenn man will, Unteroffiziere-
massig.
Das Interessanteste an derTh.'schen Schrift sind die Bemerkungen,
welche er zu dem Abdruck der Originale und Nachbildungen giebt.
Vieles davon ist wohl etwas zu fein herausgeklaubt; wenn man an
das Fehlersuchen geht, findet man solche auch schon in Unebenheiten
oder Ungelenkheiton. Da aber auch diese zu meiden sind, bietet Th.
dem Freund und Kenner des Französischen manche recht schatzbare
Bemerkung und das „Französisch für Kaufleute" wird wohl nicht ver-
säumen, manche der vorgeschlagenen Besserungen anzunehmen.
Dabei spielt das Sprachgefühl freilich öfter eine grössere Rolle
als die positiven Vorschriften der Grammatik oder Synonymik, auf
welche Th. hohen Wert legt. Mit aller Synonymik lernt kein Mensch
eine Sprache halbwegs richtig schreiben und gerade die Lehrbücher
der französischen Synonymik lassen dem Leser nach spaltenlangen
Auseinandersetzungen nur zu oft das Gefühl, dass er nun gerade so
klug ist wie zuvor. Auch dem Kritiker scheint mir die Scheidung
von craindre und redouter nicht besonders gelungen zu sein. Er be-
mängelt nous n'avons ä craindre aucune concurrence. Mit Recht, da
cramdre nnd redouter diesem Sätzchen jedes eine andere Bedeutung
geben. Th. sagt richtig, redouter schhesse den Gedauken an eine
mögliche Überlegenheit ein, aber schwerlich wird seine Auseinander-
setzung den Unterschied so deutlich machen, als wenn er gesagt hatte :
nous navons ä craindre aucune concurrence = wir haben nicht zu be-
52 Referate und Rezensionen. R. Meyer,
furchten, dass eine Konkurrenz sich einstellt; nous n'avoni ä rafaMa
aucunc cmuurrence st wir haben keinen Grund zu fürchten, einer
sich einstellenden Konkurrenz zu unterliegen (letzteres soll der Sign
des Sattes Bein). Sehr zu empfehlen wäre übrigens in beiden Sitzet«
die Stellung des Objekts vor dem Infinitive. — Herr Thudichum er-
klärt, dass es ihm bei seiner im ganzen äusseret herben Kritik usr
am die Sache der Wissenschaft zu thun gewesen sei nnd das« er au
das Interesse der Französischlernenden vertreten wolle. Da« motten
wir glauben. Dann aber hütte er sicher besser daran getban, seine
Kritik mehr auszufeilen, unnötig starke Ausfälle zu meiden und eben
Ton zu wählen, der die Vermutung von vornherein ausschliemt, ei
könne sich um ein blosses Konkuirenzmanöver handeln. Da dein TM
nach zu schliefen weitere Besprechungen folgen sollen, so geben wir
uns der Hoffnung hin, dass diese ebenso belehrend, aber weniger ver-
letzend ausfallen werden.
P. Plattner.
SoltaMra.il, Hermann C, Der fremdsprachliche (franzötitdu)
Unterricht an der höheren Maticlienscnule . Lcipuig, loon. 0.
Fock. 68 S. 1 M.
Soltmann's Schrift gesellt sich zu den schon recht zablreichsn
Abhandlungen, welche die bis vor einiger Zeit herrschende Art de*
fremdsprachlichen Unterrichts bekämpfen und mehr oder weniger greif-
bare und eingehende Vorschlage für die Neugestaltung denselben
machen. Vieles ist in diesen Schriften bis zur Ermüdung wiederholt
worden, Richtiges und Unrichtiges; der Verfasser einer der frühesten
und gediegensten unter denselben, W. Münch, hat daher mit Hecht
schon vor Jahren es als wünschenswert bezeichnet, „wenn die Pro-
duktion allgemeiner Pronanciaraientos nunmehr durch Arbeit im einseinen
abgelöst würde".
So begegnet diese neue Absage an die alte Lebxweiee auch bei
dem Freunde einer massvollen, einsichtigen Neuerung nicht gerade
einem günstigen Vorurteil. Und doch muss man nach sorgfältiger
Prüfung von Soltmann's Ausführungen ihm für seinen Beitrag lur
Lösung der schwierigen Frage Dank wissen. Einmal sind in den
früheren Schriften ahnlichen Inhalts die besonderen Verhältnisse der
Mädchenschule weniger als die der Knabenschulen ine Auge gefasrf
worden; sodann betont S. in seinen Vorschlagen einige Punkte, die
wobl auch schon berührt, aber bis jetzt in minderem Grade gewürdigt
worden sind1) und doch die vollste Beachtung verdienen.
Damit soll durchaus nicht allen Darlegungen und Forderungen
des Verfassers zugestimmt sein, abgesehen davon, dass einige Gegen-
stände, im beeondern die schriftlichen Arbeiten, meines Erachten!
keine ausreichende Behandlung erfahren. Gleich den Satz, dass dos
Ziel des Sprachunterrichts nur ein praktisches sein könne, kann ich
mir nicht aneignen : wohl ist möglichste Aneignung der franalaischen
Sprache en erstreben, dieser Zweck aber dem allgemeineren unter-
zuordnen, dass der französische (und englische) Unterricht an seinem
') Das Bei mit einigem Vorbehalt gesagt: bei dem Umfang, den
die einschlagige Litteratur angenommen hat, ist es nicht vielen mehr
möglich, alle Erzeugnisse derselben zu verfolgen.
B. C. Sollmann, Der fremdsprachliche (franz.) Unterricht etc. 53
Teil, wie jeder Unterrichtszweig, die Bildung der M&dchen fördere.
8. selbst wird wohl geneigt sein, dies zuzugeben ; wenigstens will auch
er, dmss die Behandlung der Lektüre auf die Bildung des deutschen
8tües Rücksicht nehme.
Unter den Mitteln, durch welche das Ziel erreicht werden soll,
fordert S. ein propädeutisches Halbjahr in der 7. Klasse. Dieser Ge-
danke scheint mir schon deshalb verfehlt und auch aussichtslos, weil
•eine Ausführung ohne eine missliche Störung des übrigen Unterrichts
ueht möglich ist.
In der Darlegung der verbesserten Lehrweise würdigt S. zu
venig die Schwierigkeiten, welche bei Annahme derselben für eine
sichere Aneignung des Unentbehrlichen aus der Grammatik entstehen;
so leicht, wie er annimmt, geht die Sache denn doch nicht. Auf das
einzelne gehe ich hier nicht ein ; ich wende mich lieber zur Besprechung
desjenigen Teiles der Abhandlung, in welchem für mich vorzugsweise
das Verdienst derselben besteht, nämlich der Ausführungen über die
Erwerbung des notwendigen Wortschatzes.
S. betont mit Recht, dass hierauf der frühere Unterrichtsbetrieb
nicht genügend Bedacht genommen hat; er hatte etwas nachdrücklicher,
als er es thut, aussprechen dürfen, dass auch der verbesserte Unter-
richt diese Seite der Spracherlernung bisher nicht hat zu ihrem Rechte
kommen lassen. Er tadelt mit Recht, dass die Worterlernung im An-
schluss an die grammatischen Übungssatze vom deutschen Worte
ausgehe und dabei das fremde Wort oft nur zufallig das Äquivalent
das deutschen sei, seine eigentliche Bedeutung aber unbekannt bleibe.
Dasselbe gilt von der Worterlernung bei Gelegenheit der Pr¶tion
das Lesestücks, nur dass hier wohl oft ein einsichtiger Lehrer den
Nachteil zu mindern verstanden hat. Nein, man gehe, soweit nur
immer möglich, auf die wirkliche Bedeutung des einzelnen
Wortes zurück, gebe nur diese im Wörterverzeichnis an und erspare
nicht der Schülerin die heilsame Anstrengung, die gut deutsche
Wiedergabe der Wörter im Zusammenhang selbst zu suchen;
gelingt ihr dieselbe nicht völlig, so ist das kein Unglück, so tritt
die gemeinsame Arbeit der Klasse und nötigenfalls das Wort des
Lehrers helfend ein. Auch darin stimme ich S. bei, dass in den Ober-
klassen an die Stelle des deutschen Wortes mehr und mehr die fremd-
sprachliche Erklärung treten sollte. Ein Anfang dazu ist von Kaiser
in seiner Ausgabe von Au Com du Fett gemacht werden, vermutlich
auch schon von diesem und jenem andern Herausgeber. Das würde
allerdings besondere Wörterverzeichnisse zu den einzelnen zu lesenden
Werken oder Werkchen notwendig machen; ich sehe aber darin, wenn
sie nach den angegebenen Gesichtspunkten angefertigt werden, für die
Mädchenschule nur einen Vorteil, während sie bei der bisher
üblichen Einrichtung ein Hilfsmittel von sehr zweifelhaftem Werte
sind« Übrigens wurden die Erklärungen in französischer Sprache von
den deutschen Wörtern zu trennen sein. — Mit S. würde ich endlich
auf das Wörterheft der präparierenden Schülerin ohne Bedenken ver-
sichten.
Jjfnn empfiehlt aber S. ferner mit berechtigtem Nachdruck als
den bei weitem besten Weg zur Bereicherung des Wortschatzes den
etymologischen, die Zurückfährung des Wortschatzes auf die Wort-
stämme. Alles, was er zur Begründung sagt, ist sehr zu beherzigen
und gewiss manchem Lehrer, der diesen Weg hier und da betreten
hat, aus der Seele gesprochen. Auch dass man die Wortbildungslehre
nicht in systematischer Weise mit den Schülerinnen durchnehmen
EM
Referate und Hezeii
J. Sarrazin,
darf, erkenne ich vollkommen an. Aber andererseits fürchte ich, du«
ein befriedigender Erfolg ausbleiben wird, wenn nur ,gan» beiläufig,
wo sich eine passende Gelegenheit bietet, auf den früher in anderer
Wortform schon gelernten Stamm hingewiesen wird"; sollen „nach
□nd nach durch Zusammenstellen analoger Bildungs formell die
Schülerinnen die Bildungselementc, die Gesetze über ihre Verwen-
dung u. s. w, selbst finden-', so ist hierfür, glaube ich, durch reichliche
Darbietung des Stoffes, d. h. durch planmässige Zusammenstellung dei
abgeleiteten Wörter mit den Stammwörtern, eine genügende Grund'
läge zu schaffen. Da dürfte es nun sehr der Erwägung wert sein, ab
man nicht in den unteren und mittleren Kinasen eine Wörternammlung
benutzen sollte, welche nach Art der von F. Franke (Die praktisdu
Spracherlernung, S, 27 ff.) empfohlenen auszuarbeiten wäre, Franke'«
verdienstliche .Schrift sieht von den Einschränkungen ab, welche
seine Vorschläge etwa durch die Natur des Massenunterrichts er-
fahren müssen; man würde denn auch meines Erachten» für die
Mädchenschule sowohl auf die Beigabe einer gedruckten Erklärung
der Endungen wie auf laut getreue Umschrift zu verzichten und auch
sonst die Sache zu vereinfachen haben. Diese Andeutung habe ich für
nützlich gehalten; von einer weiteren Ausführung aber muss ich nicht
nur des Raumes wegen Abstand nehmen,' sondern auch deshalb, wt"
ich bei mangelnder Erfahrung im Anfangsunterricht nicht wage,
bestimmten Vorschlägen hervorzutreten. Möge der Gedanke
rufeneren erwogen und nach Massgabe der Erfahrung aus^
werden! Die Oberzeugung habe ich jedenfalls im Unterricht
wonnen, dass eine besondere Pflege der Wortkunde mit Benutzi
der Wortbildung« lehre notwendig . ist. Sollte der angedeutete Wi _
sieb als ungangbar erweisen, ho würde schon durch eine Erweiterung
der Wörterverzeichnisse zu den Lesestücken sich etwas in derselben
ftichtung erreichen lassen.
Diese Richtung innezuhalten, ist, ich wiederhole es, von hervor-
ragender Wichtigkeit : sie führt ins volle Leben der Sprache hinein,
und alles zu suchen, was dazu dienen kann, haben wir jederzeit 1
sache. Manches ist in dieser Hinsicht durch die neueren Arbeit
erreicht worden, das muss gern anerkannt werden; aber weder
der frühere Zustand des fremdsprachlichen Unterrichts so grauenvt
wie er oft geschildert worden ist — auch S. hat sich von diesem Fehler
nicht ganz frei gehalten — , noch wird durch Annahme der oft aus-
schweifenden Bessernngsvorschläge das ho tief beklagte Elend ohne
weiteres in eitel Lust und Segen verkehrt: auch jetzt noch, wie früher,
liegt, trotz äiisnorlirhiir Ik'folgung der neuen Lehrweise, die Gefuhr
nahe, die Selbsttätigkeit des Schülers — auch ausserhalb des
Unterrichts — , die Entwickelung seiner geistigen Kraft zu vernach-
lässigen und sich mit Scheinerfolgen zu begnügen. Die Methode
macht noch lange nicht den Lehrer; wohl über ist es erforderlich, dass
der Lehrer eine und zwar eine möglichst gute Methode habe, die
immerhin von der seines mitstrebenden Amtsgenosneu sieb in manchem
unterscheiden mag, und die er nach besserer Einsicht stets bereit sein
muss zu verbessern. Denjenigen, welche so denken, kann ich Soltinann'n
Schrift mit gutem Gewissen zu aufmerksamer und imbefaiij
Prüfung empfehlen.
R. Met
itM
S
Verhiiudlungen des dritten itlhjeili. diuUclkn !Seii)'hilidu'j:'Hlatjes itc. 55
VerhatwU-tmgen des ttrittm allyrmciiKv deutschen Neitphilo-
logentage* am JS.—30. Sept. und 1. Okt. 1SSS zu Dresden.
Herausgegeben von dem Vorstande der Versammlung. Dritter
Jahrgang. — Hannover, 1889. Carl Meyer. — 54 S. und t S.
Ad zeigen.
Dass der Besuch Job vorzüglich
geleiteten und an Anregunger
N.-ii|iliilci!..ir(.:ii(iii;.:ri hinter de]
Wartungen zurückblieb, mag nicht Mobs an dem Zeitpunkte der
uug gelegen haben, sondern auch an einer gewissen Über-
sättigung und einem gewi^en Mis-diMiien gegen die positiven Ergeb-
nisse solcher VerBainmlungcu überhaupt. Hin lilick auf die Teilnehmer-
liste lehrt z. B., wie wenig stark die größeren sächsischen Städte ver-
treten waren.
Das Misstrauen war, wie das vorliegende Heft auch denen be-
weist, welche zur Reise nach Dresden eich nicht entschlossen, nicht
gerechtfertigt, und alle Teilnehmer werden wohl wenigstens das Be-
wuistsein mit von Dresden genommen haben, dass sie sehr interessante
E er Göttlich« Beziehungen angeknüpft oder neu belebt haben. Wenigstens
at lief., der wohl (Ge aller weiteste Reise zurückzulegen hatte, seinen
Augenblick die mit knappem Urlaub und schweren Strapazen erkauften
Dresdener Tage bereut.
Der vorliegende Bericht ist von Dr. Apetz und Dr. Peter
mit teilweiser Unterstützung der betreffenden liedner verfasBt, sowie
von Prof. Dr. Scheffler, Prof. Dr. Wfllker und Oberschulrat
Dr. von Sali würk — mit dem Ref. der einzige südwestdeutsche
Teilnehmer an der Versammlung! — einer sorgfältigen Durchsicht
unterzogen worden. Dass er überall, besonders wo ob um Erörterungen
sieh biiTiJe.lt , ein genaues Bild von den Verhandlungen giebt, ist
nicht zu verlangen. Besonders bedürfte der Bericht über den
Reformnachmittag und die au Dörr's Vortrag sich anknüpfenden
Erörterungen mancher Berichtigung und Ergänzung. Der Dörr'sche
Vortrag erscheint hier jedenfalls unter Zensur dos Verfassers; denn
Referent vermisst mehrere Einzelheiten, die er noch heule stenognipliiert
aufbewahrt, namentlich die Erwähnung einer Dame, die schon nach
Platz unterrichtet hatte und nicht nur in ihrer schriftlichen Prüfungs-
arbeit „ganz fürchterliche Böcke selioss", sondern auch „mündlich selbst
in der Formenlehre gänzlich Fiasko machte'', ferner die wenig sach-
lichen Angriffe auf Tanger u. a. m. Mau wende nicht ein, dass der-
artiges unwesentlich sei. Es gehört, ebenso wie die Schrift Kling-
hardt's „Die Alten und die Jungen" zur Charakteristik des jetzt
enthrannten Kampfes Wenn einstmals der Sturm sich gelegt haben
wird und eine wirklich besonnene Reform Platz greift, dann sind
sicherlich die keines wog- so Jugend liehen Kndikalen die allerersten,
welche über ihre wohlgemeinten rednerischen Verirrungen, die Achseln
welcl
I ttu mit der
Verstattung über
■kt man den Seiti
bei Dr. Tanger kurzi
welche einzelue Anleitungen,
inleiikon erfuhren, so steht
mehr oder
Sammlung kau
des Büchleins „
nehmenden Dunkelheit und Ermüdung die Be-
lie Reform erfirterungen bedeutend ermattete,
18 ff. des vorliegenden Berichtes an. Wenn es
:g heisst, er verteidige sich gegen die Angriffe,
— englischen Aussprache in seinem
lor botreffende Herr für den Leser
■ lächerlich da. Nur ein Teilnehmer i
nämlich wissen, dass Dörr, welcher dem Verfasser
usR der Sprachunterricht umkehren?" irgendwie
56 Referate und Rfnitsioiu-H. J. Aymerie.
beikommen wollte, anstatt einige Behauptungen diesen Büchleins »nw-
Keifen, es fßr bequemer fand, auf einzelne Schwachen des „Samcni-
ÜkoDB" jo seinem rein pädagogischen Vortrage einzugehen. Dm
diese, voni Ref. sorgfältig nächsten ographierte Stelle im Berichte
fehlt, macht die Tunger'Hche Erwiderung ohne weitere* überflüisig,
ja sinnlos. Ebenso steht Ref. als eigensinniger laudator temporil xk
gebrandmarkt da. Die Hauptpunkte seiner kurzen Ausführungen lud
weggefallen, dass nämlich der Einführung der Radikalreform die
gros Ben Klassen und die Durchschnittsbegabaug toh
Lehrenden und Lernenden entgegenstehen. Dies ist noch heut*
unsere durch zehnjährige Erfahrung bestätigte Ansicht.')
Der Eweite Teil der Verhandlungen geht liebevoll auf die nen-
Ebilo logischen Ausstellungen ein, die den wohlverdienten grossen An-
lang fanden, und auf dou mit arÜBbtur Sui-gi-j.lt aaaaüun -Ltütu^i
Katalog, welcher eine reiche Fülle schätzenswerter htterarischer
Fingerzeige giebt. Dass möglichst bald ein neu philologischer Bilder-
atlas entstehe, ist auch unser frommer Wunsch.
Der angehängte Festbericht mit seinen hausgemachten Liedern
beweist, dass weder wissenschaftlicher Ernst, noch die erbitterten me-
thodischen Fehden den Jüngern der neueren Sprachen den Humor in
verderben vermögen. Eher möchte der Kassenbericht dazu imstande
sein, wenn nicht der künftige Neuphilologentag zwei ganze Jahres-
beiträge sein nennen dürfte. Leider ist das „Verzeichnis der
dargebrachten Drucksachen" nicht tadellos. Abgesehen von
ärgerlichen Druckfehlern in den Namen (Steinhart statt Steinhart,
Segeklotz st. Legerlotz, Hangen st. Hangen, de Bauz st. de Beaui,
Iiiebig st. Fiobig, Türek st. Türck u. a.) ist die Einteilung mangelhaft:
Hahrenholtz nnd Ref. stehen z. B. in der Abteilung „Unterrichts-
methode" sehr unverdient neben Max Walter und anderen Reformern,
beide als Herausgeber je eines Bändchens der Renger'nchen Schul-
bibliothek, während M. Hartmann und E. J. Groth richtig unter
„Litteratur" stehen. Ich glaube, Herr Mahre nholtz teilt mit dem Ref.
den Wunsch, ein gnädig Geschick mOge uns beide vor der Unvor-
sichtigkeit bewahren, in den heissen Streit um Reform oder Umstun
eine neue Broschüre als neues Brandgeschoss hinein zuschlendern. Die
Stuttgarter Versammlung wird unzweifelhaft zeigen, dass die über-
schänmende Reformbewegung sich zu klären beginnt.
J. Sarrazin.
Franzöaische Übung» - BibUothefc Nr. 17. Geschichte Friedrieh
des Grossen von Franz Kngler, ausgewählt und mit An-
merkungen versehen von Professor J. Marinier. Dresden,
1888. Louis Ehlermann. 204 3. kl. 8°. Preis: 1,50 MV.
Monsieur le professeur J. Marmier nous donne le texte de Kngler
aecompagne' de remarques en franoais, comme le Dr. Hangen l'avait
donnd auparavant avec des remarques en anglais. C'est la premiere
fois qu'un des volumes de la Übung $ - Bibliothek me tombe sous la
main, et certes, je dois le dire en toute ve'ribä, il a fait sur moi une
') Nebenbei gesagt, lehrt Ref. seit Herbst 188U in der Anfänger-
klasse des hiesigen Gymnasiums nach Plattner's Lehrgang mit Ge-
nehmigung der Grossh. Bad. Oberschul behflrde und hofft im Herbst
1890 mehrere Nachahmer zu finden, da der Versuch günstig ausfiel.
Französische Übungs -Bibliothek. 57
exceUente impression. Cette histoire de Fr6de*ric le Grand, annotäe
rj. Marmier, est le meilleur texte de traduction que je connaisse,
plus propre ä mettre entre les mains des eleves des classes
•operieares. Je dirais bien que le texte allemand est 6crit dans un
style remarquable, si je ne crai^nais de me voir appliquer le pro y erbe
Ne suior uttra crepidam ; je puis dire en tout cas que les remarques
3oe l'^diteur y a ajoutäes sont excellentes. II n'a pas essayä, comme
'aacuns l'aimeiit tant, de changer, de torturer le texte pour l'accom-
tDoder au gänie de la langue francaise; il l'a consent tel quel, et il
a bien fait. En lisant les remarques qui l'accompagnent, on voit au
premier coup d'oeil que l'e'diteur parle bien le francais, et on serait
meme tente* de croire qu'il est Francais lui-m€me. Quoi qu'il en soit,
ce petit livre est bien fait. II y a bien ca et la quelques inexactitudes,
mais elles sont peu nombreuses, et je me permets de les lui signaler.
P. 4 [umsichtigen Rat . . . prudetit.J II vaudrait mieux dire sage
en parlant d'un conseü, et pruäeni en parlant d'une personne. On
trouve ä la m£me page: „une circonfe'rence de 4 milles", et plus loin:
„il n'avait pas dormi les 3 iours et 2 nuits . . .". C'est mauvais d'änoncer
ainsi ces nombres par des cbiffres: un livre classique n'est pas un
taute* d'arithmätique. P. 5 [garder comme sürete als Unterpfand.] II
fant dire: comme (jage. Das Ministerium wurde ausser Thätigkeit ge-
setzt [ausser Thätigkeit setzen suspendre.] Aj outer: de ses fonctions.
[On mit le scelle aux chancelleries.] On dit : mettre les scette's, quoiqu'on
puisse dire: lever le scelle. [Courtois envers chacun] mieux: envers tout
le monde. P. 8. Zugleich lag es . . . La traduction que propose l'e'diteur
n'est pas bonne. La voici: La position des Saxons dtait teile qu'une
attaque de leur part contre les Prussiens devait 6tre pour eux tout
aussi plrilleuse que vice versa. C'est ce vice versa qui ne vaut rien.
Pourquoi ne pas dire: aussi pe'rilleuse que Fötait pour les Prussiens
une attaque contre le camp saxon? P. 9: Dem einen Korps entgegen-
treten [opposerj. L'eleve est induit ici en erreur; il faudrait au moins
s'opposer, et mieux: marcher contre. P. 11: [leur front et leur flanc
essuyerent une vive fusillade et canonnade.J J'aurais pröfe're': une
fusillade et une canonnade tres vives. P. 14. [Er hatte zu schwache
Mittel in der Hand, ü rietait pas assez fort] 11 s'agit de Fr6de*ric,
et il aurait mieux valu dire: il ne disposait pas de moycns suffisants.
En genäral l'e'diteur s'eloigne parfois un peu trop de l'allemand ; quand
Texpression allemande est aussi francaise, il faut la conserver? saus
auoi on peut se voir appliquer le proverbe: „traduttore traditorea.
Ainsi ä la page suivante: das einzige Ret tun gs mittel, le seul moyen
d'lchapper, au lieu de: le seul moyen de salut. Et trois lignes
plus loin: der erste Versuch misslang, fut sans svcces; e'choua
ne traduirait-il pas mieux? P. 18 [faire de cette guerre une affaire de
l'empire germanique] = une question d'e*tat entre l'Empire germanique
et riglise catholique. P. 19. [Zu den schon vorhandenen Gründen des
Hasses waren neue gekommen, de nouveaux sujets de haine ätaient
venus se joindre ä ceux dejä existants.] La tournure allemande serait
ici une beaute* de style et ferait disparattre ä ce dejä existants qui ne
vaut pas grand chose. J'aurais dit: aux motifs de haine deja existants,
ätaient venus s'en joindre de nouveaux. [Seekrieg guerre navale,
Landkrieg guerre de terrej Cette derniere expression ne me semble
pas bien usitäe, ä supposer qu'elle existe; il e*tait si facile de dire:
sur terre et sur mer. P. 20 [Kunstschätze sammeln, faire collection
d'objets d'art.] Rien de plus juste, seulement cette traduction ne
convient pas au texte : Die Kunstschätze, welche König August mit
58 Referate und Rezensionen. J. Aymerie,
grossen Kosten getummelt hatte . . . = les objet« d'art que 1« roi
avait re'unit ä taut de frais ; collection et eoUcctioaner convieBnenl
mieui ä des niiirchauda. P. 22 [nur Österreich stand ihm drohend
gegenüber, l'Aiitricho soult; le regardail d'un air raenacant.] Ce rcgantaii
est impropre; il faudrait dire: l'Autriche aeuie lui tenait Wte et 1s
menacait. P. 23. [faire courir un bruit.] Le mot bntit n'etant pu
suivi d'un qualifieiitil', il faut dire: faire courir le bruit. La phnw
est du reste absolument sumbiable k celle-ci, de Moliere: „Ne seraii-lu
pas homme & faire courir le l/riiit que j'ai de l'argent cacW? P. a.
[Dasa man dem Feinde nur auf Umwegen beikommen könue, qu'on ne
pouvait paa arriver directemeni ii l'enuemi.] 11 Ötait li facile de
traduire; qu'on ne pouvait arriver ä l'eniienii qu'eu fnisimt un deUna.
P. 35. [attendu que le eöte de la montagne descenda.it en pente douce
et couvert de champs verta entrMDUpA d'tita.ngs, pre"Beutait nn abord
Elus facile.] Coinment le i'öti! de la montagne peut-il avoir des itawjs!
*eau ne reste pas sur la /mite d'unc montagne. quelque itrnice qu'ellesoit;
P. 27. [Der Mangel eines oberen Befehlshabers iiess ihre Anstrengungen
zu keiner übereinstimmenden Wirkung kommen, rendit inutiles tous lei
efforts qu'ils firent pour parvenir ä ngir conjointemeot.] Üb ne faisaient
pas des efforts pour agir conjomlemeiit ; mais, faule dagir conjointement,
tous leura efforts furent inutiles ; les efforts tendaient a repouaaer l'arme>
P. 28. [Der Sieg war errungen,
eile avait codte" beaueoup de eang.] Vielem est bien traduit, mais je
ne vois pas schwerem. C'est qu'ü n'est pas facile de rendre cette ide*
Bans prendre une autre tournure: maie eile avait coüte" beaueoup de
sang, et quel sang! II s'agit de la bntaille de Prague, et Frede™
avait perdu dii-huit mille hommee et un graud nonibre de ge'ne'raux.
P. 29. [Ein baldiges Ende nach seinem Wunsche . . . proche . . .] II fant
dire prochame et conforme ä aes vceui, au Heu de conformeinenl ä...
P. 33. [u'etre dßfendu apparemment par aueun obstaele.] Dana une seconde
Edition, il faudra dire: ne sembler deTendu ... P. 34 [aufmerksam
machen, rendre attentif.] II a'agit du prince Maurice qai faitmt
remarquer ä Frödenc le danger qui le menacait; cette expression ne
peut, du reste, Jamals £tre rendue par: rendre attentif, dane le Hn
qu'elle a ici. P. 38. [aus einem Pferdeeimer schupfen, puiaer dam un
sceau.] Si on veut rendre l'allemand, il faudrait ajouter: dane lequel
on abrenvait les chevaux. P. 39. [nicht läuger auf etwas denken
dürfen, n'Stre plua queation de penaer ä.] C'eat mal dit, et penser est
impropre; = Fre"d!ric ne devait plus songer ä. P. 40. [die Unter-
suchungen zu erschweren, rendre difficile,] Cette vereion eet fautive;
erschweren ne veut pas dire rendre difficile, mais bien : plus difEcile;
il a un Rena comparatif; il est evident que les Operations ötaieot
difficilea par ellea-memett, maie Fre'de'ric voulait lee rendre encore plm
difficiles. On pourrait traduire par un verbe et dire : entraver. [Dieser,
der die Gefahr drohend gegen sich he ran schreiten sah, celui-ci, a
l'approche du danger qui le menacait. J Pourquoi ne pas traduire sah,
et dire: ä l'approche du dauger dout il se voyait menace"? [er mahlte
hierzu eine Strasse . . . il prit pour cela un chemiu . . .] D choisit
traduirait mieui et ne serait paa moina bon. P. 41. [auf einer künerta
Strasse gegen Zittau vordringen, parvenir a. Zittau par un chemin plm
Court.] Je crojaia que vordringen gegen voulait dire s'avaneer, mareher
conlre et non parvenir a. P. 42. [er liess sich zu keiner falschen Be-
wegung verleiten, on ne röuseit paa ä lui faire faire un seul mouvemeni)
Avant mouvement, il faut ajouter le mot faux, sans qnoi ce n'eet pas
Französische Übungsbücher. 59
traduit, et cela peilt ötre de plus un non-sens. P. 44. [die schon im
▼ollen Anmarsch begriffen waren, qni s'approchaient däja, oder qui
eiaient en route.J Mais ou est reste im vollen Anmarsch? Ne pourrait-
on pas dire: qni s'approchaient ä mar cht s forcees? [er fürchtete, die
Österreicher möchten ihn von Schlesien abschneiden, il craignait que
Im Autrichiens ne cherchassent ä Veloigner de la Silesie.] Eloigner
■'est pas juste ; isoler rendrait mieux la pensäe ; on pourrait bien aussi
eonserver l'expression allemande et dire couper. P. 46. [die geregelte
Tapferkeit der Preussen . . ., regulier J C'est bien traduit, et il serait
insense' de demander mieux d'un eleve, et pourtant regulier n'est pas
le mot propre. 11 me semble qu'il doit y avoir, en allemand, une
petdte diffe'rence entre geregelt et regelmässig; en tout cas le vrai terme
serait ici regUmentaire. A la page 48 ermüdet est traduit par rassasie',
expression par trop triviale. P. 50. [dass es dem Könige gegeben war
(seinen Gram in Worten auszusprechen, das war es, was ihn befreite)
que le roi e'tait capable.] Cette traduction pourrait bien 6tre correcte.
mais en tout cas eile est de nature a tromper l'eleve et ä lui faire
faire une grosse faute. S'il commence la phrase par: que le roi, ce qui
est tres bien, le verbe doit ßtre au subjonctif; et il y a cent ä parier
contre un qu'il däbutera ainsi. P. 56. [welche als eine seltene Er-
scheinung . . ., comme une apparition nouvellej Seltene ne veut pas
dire nonvelk ; rare n'irait pas non plus, mais passager e traduit tres
bien. II s'agit en effet des milices qui, pendant la guerre de Sept
Ans, jouent un röle passager, temporaire. P. 59. [Mein Notariats-Amt,
dem ich nachkommen muss, mes fonctions de notaire, auxquelles ie
dois obetr.] On riobe'it pas ä une fonction; on se contente de la
rempär, de Cexercer. P. 60. [Friedrich hatte Leipzig gedeckt, proteger.[
le terme propre est couvrir, et il traduit bien l'allemand. P. 62. Die
Stellang der verbündeten Truppen war so wenig geschickt gewählt,
daas ... [so wenig geschickt, si mauvaise]. Encore une fois, ce n'est
pae la une traduction; il 6tait si facile de dire: e'tait si mal choisie, si
maladroitement choisie . . . [gegen den dreimal überlegenen Feind, contre
Pennemi qui e'tait trois fois aussi fort.] Mieux: qui ätait trois fois
superieur en nombre. P. 64. [eine Hügelreihe, une suite de collines.]
Le mot juete serait: une chaine de collines, expression que l^diteur a
employäe deux fois dans la suite. P. 65. [ihre Linien aufrollen, deployer
leurs liffnes.1 Ici Täditeur a fait fausse route; ce n'est pas leur, mais
us qu'il fallait dire, puisque le sujet est die Reiterei, au singulier (die
Reiterei sucht ihre Linien aufzurollen). P. 66. le terme de General-
major est traduit par major general. Je ne pense pas que ce vocable
ait jamais existe* dans l'arm£e francaise ; en tout cas, on dit aujourd'hui
general de brigade. P. 67. [dieselben (baten Friedrich Briefe unver-
siegelt) nach Frankreich durchzulassen, de les faire passer en France.]
avec faire la phrase est tres francaise, mais je doute que ce soit lä
le eens, et j'aurais äcrit laisser, car j'imagine que ce n'est pas le roi
qui faisait Toffice de facteur; il donnait seulement aux blessäs la
permission d'expädier leurs lettres ä travers les lignes prussiennes.
P. 68. [Die wenig beliebten Franzosen, les Francais que Von dete statt]
L'original dit seulement : que l'on aimait pen. Viele von diesen Liedern
leben noch [im Munde des Volkes, populaire.J Mais l'eleve doit-il
traduire: vivent populaires? II e'tait si facile de garder le texte:
vivent encore dans la bouche du peuple, dans la langue du peuple. P. 81.
[Friedrichs Verfahren war im vollsten Sinne künstlerisch, ingenieuxj
Ingenieux s'applique mieux ä la personne qu'au proc£d£; au reste la
vraie traduction est: conforme ä toutes les regle s de Vart. P. 82. [Die
60 Referate und Raensumai, F. Tendering,
Kräfte stählen, trcmpcr.) Getto expression ne peut pas aller et il mit
mieux valu dire: fortifier le Courage. P. 83. (aufsuchen, aller ä k
recherche.J II est dit dans le texte! FriecrrtCO suchte die Strasie nach
Liesa auf; on ne peut donc pas traduire alter ä la recherche, car il
savait tres bien oü ae trouvait cette route. Dites: Fr6d6ric gagna U
rollte de LiBBii. P. 86. [Dem Geling eine wunderbare Feierlichkeit
geben, rendre )<• ehant eweepttotuuäiment solcnnel.] Mieux: donner au
chant um solenmle adma-aWe. f. 9S. [wenn auch Sachsen starke Kontri-
butionen zahlte, UiitrdesJ Ca n'eet pas lourtl qni convient ici, maia bien
fort. Ces contributions ätaient bien lourdes pour la Saie — et ce n'eit
pas lä le Bens — , maia elles ätaient fortes, considerables pour le roi
de Prusse. P. 96. [le Service du commissoria! mal Organist.] Ce terms
la ne signifie plus que: mtendance. P. 97 [Daun'e Rüstungen warn
noch auf kein« Weise vollendet, sur aueun point oder en attaau
maxiere .] Mais ces dem manierea de s'exprimer ne sont pas synonyme»;
la prsmicre repond a un adverbe de Heu, la deoxieme i an adverbe d«
moniere; elles seraient ögales si on avait dit: en auenn point, au lies
de: sur aueun point. II faut traduire: etaient loin ditre eompütu.
fvorgefasste Meinung, premiere td£e.] Dites: pre'confiie. P. 98. [So
schnell aber die preußische Armee in Mähren eingerückt war, so lang-
sam folgte der schwere Train, mais aussi rapidem eilt que . . . anss
lentemeut . . .] Cette traduetion semble na tiafai Baute au premier conp
d'ceil, et pourtant eile est mauvaiBe: j'avoue qu'elle est difficile, et je
propose la soivante; Mais si l'arraee prusaienne avait passe" rapi dement
en Moravie, il n'en Ctait pas de mßine du train des e'quipages, qni
etait fort lourd et ne pouvait suivre que lentement. P. 103. [durch
Zaudern siegen, vaincre par la priuiencej II est ici qnestion d'nne
mlduille frappee en l'honneur du „deutschen Fabiun Maiimus" (Dann).
Zaudern ent donc 6t6 mieux traduit par: en temporisant (Fabias le
Temporiseur, Fabius eunetator.) P. 108. [einen zu schwerer Verant-
wortung ziehen, faire assumer ä quelqu'un nne lonrde responaabiliti.]
Ce n'est pas cela: = faire rendre ä quelqu'un de« comptea KeWeros.
P. 119. [agir offensivemenl contre.] = perdre [offensive oontre . . . P. 131.
idae Schauspiel eines feindlichen Exerzierplatzes vor sich sehen, voir
e spectacle d'une paisible place d'exercice] = le spectacle d'une armes
Be monvant, manceuvrant paisiblenient aur la place d'armes, sur la
place d'exercice. P. 138. [ooreb den, ensuite duquel] = ä la tuite;
ensuiUs n'est usite" que dans: ensuite de cela, ensuite de quoi. P. 141
[qui avait etä choisi comme sueeeeseur de St. Pierre] s= ein oder qni
e*tait monte1 cette annee lä sur la Chaire de St. Pierre [einen Degen
mit goldenem Knopfe, nne epee a la pomme d'or] on doit dire:
pommeau.
Ponr terminer, je prie le lectenr de me permattre une petita
digression ; eile ne manque pas d'utilitä, et je veux tficher de la
rattacher au sujet de cet article. Dane les dem dernieres pages de es
volume,ileat beaucoupqueation de l'Cgliae catholique,et l'e'diteur a tronrd
partout lea termes justes, ce qui est bien rare dans lea livrea acutes par
des Alletnands et que noua mettons entre les maina des (Hevea. Dans les
uns (Velhagen et Klaeing], il eat dit, pour expliquer le mot viyres: Abend-
messe, bien que la messe ne pnisse ßtre dite gu'avant midi; dans d'autrea
(Seemann), on trouve que le chemin de la croix a 1! Bilder, welche die
12 Leiden Christi darstellen. Le cbemin de la Croix a quatorzc etations
(Bilder) et lea souffrancee du Christ ne sont pas au nomhre de dovze.
Dans on autre (Weidmann), on lit: peche mortel, Todsünde. Die kathoksche
Kirche nimmt sieben Todsünden an: Hochmut, Geiz, Wollust, Zorn,
F. Koldewey, Französische Synonymik für Schuten. 61
Völlerei, Neid und Trägheit des Herzens. Tonte cette tirade denote
nne pietre connaissance de la doctrine de l'figliee catholique; eile
n'admet pas sept pe'che's mortels, et ränumeVation que nous fait l'auteur
est celle des sept pe'che's capitaux, lesquels ne sont pas des pächls
mortels. Dans le JHctionnaxre de Sachs lui-m6me, qni est si bien fait,
on trouve au mot: „ordonner": Jdem. die Priesterweihe geben = die
letzten Sakramente erteilen; mais administrer les derniers sacraments
veut dire en francais: einen Sterbenden mit den Sakramenten versehen,
et rien de plus. Ce sont lä, si Ton veut, des choses qu'il est inutile
de relever, car elles n'intäressent pas l'eleve; soit, mais ces erreurs
deparent au moins un livre, et je conseille aux £diteurs des livres de
lecture de prendre plus de präcautions pour s'orienter. Je me rappelle
avoir deja dämontrl, dans cette Revue mßme, que Plötz et Loewe, dans
leurs grammaires, avaient horriblement massacr^ le „Notre Pere.tf
J. Aymeric.
KoMewey, Friedrich, Französische Synonymik für Schulen.
8. Auflage. Wolfenbüttel 1888. Julius Zwissler. 219 S. 8°.
Die im Jahre 1877 erschienene erste Auflage der französischen
Synonymik Koldewey's enthielt 230 synonymische Gruppen, die heute
vorliegende dritte Auflage ist auf deren 564 angewachsen, gegen 540
in der zweiten Auflage. Die Vermehrung des Umfange 8 hat auch eine
Verschiebung der Aufgaben des Buches im Gefolge gehabt. Während
die erste Auflage allein ein Hilfsmittel für den Schüler sein sollte,
ist das Buch jetzt auch für Studierende und für „angehende Lehrer des
Französischen" bestimmt. Als Nachschlagebuch bei ihren schriftlichen
Arbeiten wird dieses Buch die Schüler der oberen Klassen selten im
Stiche lassen, vor einem weiteren Gebrauch des Buches im Unterricht,
also vor einer Erhebung der Synonymik zu einem besonderen Unter-
richtezweig, möchte ich trotz der Vorzüglichkeit des Buches warnen.
Synonymische Belehrung kann unmöglich anders als im Anschluss an
bestimmte im Unterricht auftretende Beispiele gegeben werden. Es
mus8 in gemeinsamer Arbeit aus dem gegebenen Beispiele und dem,
was der Schüler bereits kennen gelernt hat, auch ohne, dass er zu
einer scharfen Erkenntnis und Unterscheidung gekommen wäre, mög-
lichst ausgehend von der Etymologie der synonymische Unterschied
entwickelt werden. Derselbe ist dann in eine knappe, dem Schüler
verständliche Form zu bringen, welche naturgemäss nicht immer
wissenschaftlich vollkommen genau sein kann. Das Lehrbuch kann
dann nur als Hilfsmittel bei der Wiederholung und zum Nachschlagen
dienen. Diesen Aufgaben wird das Buch durch seine ganze Anlage
und Ausführung gerecht, und als Nachschlagebuch, um bereits Be-
kanntes im Gedächtnis wieder aufzufrischen , kann es als ein vorzüg-
liches Hilfsmittel empfohlen werden.
Zum eigentlichen Studium der Synonymen, wie es von „Studieren-
den der modernen Sprachen, sowie von angehenden Lehrern des Fran-
zösischen" betrieben werden muss, erscheint das Buch weniger geeignet,
weil die wenigen beigegebenen Beispiele, welche zur Verdeutlichung
der aufgestellten synonymischen Unterschiede ausreichen, die eigene
Ableitung derselben nicht ermöglichen.
Dass die Etymologie der französischen Wörter beigefügt ist,
muss als sehr dankenswert bezeichnet werden, indessen hätte der
Verfasser hierin etwas sorgfaltiger sein können und nicht ganz sichere
62 Referate und Rezensionen. F. Tendermg,
Etymologien uls solche durcbgebends bezeichnen oder ganz wegluwn
■ollen. Aach au unrichtigen Angaben fehlt es hier nicht, z. B. ttntrna
= tour + aticitm S. Hfl, siijiml = sii/nnculum S. 19, pdtre = paitore*
mit der Beton ritig pmlörem S. 102 etc. Tn dem zuletst angeführt«
Falle ist ein Akkusativ unbegründet er weise angesetzt, während d«
Verfasser sonst recht oft die Nominativ -Form als Etymon beibehält
Im allgemeinen würde ich eher geneigt sein, einer Verminderung
alt einer Vermehrung des Stoffes da* Wort zu reden, denu das Buch
enthalt in der Tbut mniiulm Eyiiouyuiiacbe Grup^tjj, die besonden
feine Unterschiede der Bedeutnng vertreten, wie sie in der Praxis des
Schülers höherer Lehranstalten nicht vorkommen oder deren Kennbüi
derselbe durchaus entbehren kann; z. B. Begierde cupidite , avitHU,
convoitise, concupiscence ; Liign menstmge. meuterte; Massigkeit /hrpe-
lili, sohnete", temperance, moäicite, Sparsamkeit iconomie, menugt,
epargne, poreimouie ,- Brief e'pitre, lettre, missive u. a.
Dem gegenüber äussere ich ganz wenige Wünsche nach Er-
gänzungen: b. v. annehmen wäre auch prendre zu erwähnen in der
Bedeutung sieb inlegen z. B. einen Titel, oder eine Miene auf
setzen; s. v. bestimmen vermisse ich tUcider. dessen Bedeutung
kaum von de terminer abweicht; s. v. heben möchte ich bei teter
hinzufügen: aus dem Wege räumen (ein Hindernis). Endlich mochte
ich neu aufgenommen wissen die Gruppen: brauchen emptoyer, u
servir de, avoir beitritt de; erhalten reeevob-, obtenir; beschließen
conclure, resoudre. Es sind dies alles zwar sogenannte Stflmper -Syno-
nyma, aber das haben sie mit manchen andern, die aufgenommen
worden sind, gemein.
Macht so das vorliegende Buch für denjenigen, welcher sich
selbst ein Urteil bilden will, das Studium grosserer synonymischer
Werke nicht überflüssig, so kann dasselbe doch innerhalb des von nn
bezeichneten Rahmens als recht brauchbar empfohlen werden.
F. Tesdeeing.
Bosnier hat bei dem Unterricht nach der „sog. Aoschaunngs-
methode" gefunden, dass die meisten der Lehrbücher, welche dieser
Methode dienen, die grammatische Seite zn wenig berücksichtigen
und dass dieselben „teilweise auch das für die Sprech- und Schreib-
Uebnngen unbedingt notwendige Wörterbuch vermissen lassen". Um
diese von ihm empfundene Lücke auszufüllen hat der Verfasser die
wichtigsten grammatischen Regeln, sowie ein französisch -deutsche*
und ein deutsch -französisches Wörterverzeichnis zusammengestellt.
Das Buch beginnt mit einer Ueberaicht über die Laute und die
Schrift zeichen, bei der eine schulgemässe Verwendung der wichtigsten
Ergebnisse der Lantphysiologie zu rühmen ist. Die Anordnung sowohl
wie die beigefügten Beispiele zeigen, dass dieser Abschnitt eine syste-
matische Zusammenstellung des bereits am Lesestoff bezüglich der
Aussprache Erlernten sein soll.
Der grammatische Teil des Buches enthält eine Auswahl ans
der Formenlehre mit Hinzufügung einiger sehr wichtiger syntaktischer
Erscheinungen , der wir an sich unser uneingeschränktes Lob nicht
vorenthalten.
Was im einzelnen die Behandlung des Verbums angeht, so
Fr. W. Hermanni, Questionnaires. 63
fordert zunächst die Theorie von „Kennformen" und „Ableitungen"
Widerspruch heraus. Wozu diese ganze, aller historischen Gram-
matik entgegenstehende Unterscheidung, wo die einfachen Zeiten
ganz leicht durch Anhängung von Endungen an den Stamm, bezw.
durch Zusammensetzung von Infinitiv und dem Präsens von avoir ge-
bildet werden können. Diese Theorie hat der Verfasser bei den „un-
regelmässigen Verben" ganz hübsch durchgeführt. Vermöge der An-
führung von betontem und unbetontem Stamm kann fast alles, was
unregelmäpsig scheint, erklärt werden. Gleichmässigkeit ist zu ver-
missen, wenn der Verfasser bei dormir, servir, sentir auf die Veränderung
des Stammes vor Konsonanten (s. t.) aufmerksam macht, während bei
taloir, pleuvoir, mettre u. a. ein Hinweis darauf unterbleibt.
Das Buch wird allen den Lehrern des Französischen will-
kommen sein, welche die Lektüre zum Ausgangspunkt des französischen
Unterrichts machen und doch auf eine systematische Zusammenfassung
der grammatischen Erscheinungen nicht Verzicht leisten wollen, obwohl
nicht verkannt werden darf, dasB die meisten Lehrbücher, welche der
von Boerner empfohlenen Methode dienen, auch in grammatischer Be-
ziehung das Notwendige bieten, so dass ein so grosses Bedürfnis für
das Buch Boerner's mir nicht gerade vorzuliegen scheint.
Nun zum Wörterbuch! Ich stehe demselben ziemlich ratlos
gegenüber. Was soll dasselbe? Wie es scheint will der Verfasser
ein Wörterbuch liefern, das unter allen Umständen für den Anfangs-
unterricht genügen soll, welcher Lesestoff auch immer demselben zu
Grunde gelegt werden mag, vorausgesetzt, nur dass dieser Unterricht
Anschauungsunterricht ist. Es ist unbestreitbar, dass der Verfasser
im Hinblick auf die zu Grunde gelegte Methode des Unterrichts eine
geschickte Auswahl getroffen hat, aber ob dieselbe nun im Unterricht
ausreichen wird, ist zu bezweifeln. Freilich würde da die Praxis allein
entscheiden können. Wenn daher im Vorworte zu lesen wäre, dass
das Wörterverzeichnis aus mehrjähriger Praxis hervorgegangen ist, so
hatten wir Veranlassung, grösseres Vertrauen zu hegen, als wenn uns
gesagt wird, dass „die Grundlage für das Wörterverzeichnis das ency-
klopädische Wörterbuch von Sachs -Villatte bildet11.
F. Tendering.
Hermann!, Fr. W., Questionnaires. Ergänzungsheft zu dem fran-
zösischen Elementarfmch von Hermann Breymann und Hermann
Möller. München, 1889. Oldenbourg.
Zu den einzelnen Lektionen des Breymann-Möller'schen Elementar-
buches giebt Hermanni hier eine Verarbeitung in Frage und Antwort,
oder richtiger eine Erweiterung der bereits von den Verfassern jenes
Buches beigefügten Questionnaires und zwar mit Wiederholung aller
derjenigen Fragen, welche dieselben dort schon aufgestellt haben.
Ober die Art der Verwendung des Buches spricht sich der Verfasser
nicht aus. In der Hand des Lehrers würde es diesem die Mühe er-
sparen, selbst die Frage zu bilden, wobei dann allerdings nicht recht
einzusehen iBt, warum Hermanni, wie es leider auch Breymann und
Möller selbst thun, die Antwort auf die französische Frage in deutscher
Sprache beigefügt hat. Das Buch ist aber, gerade herausgesagt, eine
Eselsbrücke für den Lehrer, dem Hermanni durch seine Veröffent-
lichung ein nicht sehr schmeichelhaftes Zeugnis ausstellt. Meines Er-
achten« mit Unrecht, denn es dürfte doch höchstens in den leider
64 Referate und Rezensionen, ff. Ricken,
allerdings an Gymnasien immer noch vorkommenden Füllen, diu
klaaaischa Philologen oder Mathematiker noleus volens zur Erteilung
des französinch'.'ii tlaterrlebta verurteilt werden, vorkommen, dnii ein
Lehrer des Französischen sich nicht fähig bekennen inuaa, (selbständig
Sprechübungen an äug Gelueenü anzuscnliesBen. Für diese Art tob
Anstalten ist aber das iireymaim-Möller'eche Bach nicht berechnet.
In der Hand des Schülers dürfte das Buch ceinem eigentlichen
Zwecke geradezu verderblich sein, denn statt der Sprechübungen
würden wir eine Übersetzung erhalten, im besten Falle eine auswendig
gelernte. j» Tenderinq.
KoCh, C, Hilfsbuch zur Krkruuiu] dar rtttrtyc/miissyci französische*
Zeitwörter. Bayreuth 18B9. Ernst Schmidt. IV, 34 S. in 6»
50 Pf.
Das Büchlein ist für die Bedürfnisse der Schule geschrieben
und von diesem Standpunkte aus sicher mit Freude zu begrutMn.
Unbekümmert um die immer noch unklaren Forderungen, welche die
wissenschaftliche Theorie an die Einteilung der französischen
unregelm assigen Zeitwörter stellt, war der Verfasser bestrebt, du
pädagogische Prinzip, vom Leichteren zum Schwereren fortzuschreiten,
in seiner Arbeit zur Durchführung zu bringen. Er stellt zuerst die
Hegeln der Ableitung fest und bringt dann in der I. Abteilung die
Verba, deren abgeleitete Formen sich ausnahmslos aus den tob
ihm aufgestellten Grundformen herleiten lassen. Die II. Abteilung
enthalt die Verba, deren abgeleitete Formen sich nnr zum Teil Mi
den Grundformen entwickeln lassen. Sie ist in drei Klassen eingeteilt
und zwar so, dass die Zahl seiner unregelmassigen Formen
allein bei der Klassifizierung des einzelnen Verbums ausschlaggebend
war. Daher kam es denn auch, dass so wichtige Verba wie faire,
pouvoir, avoir, fast an den Schlüsse des Buches zu stehen kommen.
Im Einzelnen wäre zwar hier und da an der Arbeit, auch vom Stand-
punkte des Verfassers aus, noch in bessern, wie z. B. Abteilung I A,
Gruppe 2 vor Gruppe 1 stehen könnte. Aber im Uanzen dürfte das
Büchlein seinem Zwecke vollkommen entsprechen, und es wäre tu
wünschen, dass es in der noch immer zu erwartenden französischen
Mustergrammatik gebührende Berücksichtigung finde.
£. Dannheibbeb,
Strien, Dr. O., Die unregelmassigen französischen Zeitwörter nebst
einem Abrist der französischen Syntax. 8. Auflage. Engen
Strien. Halle. 1889. 34 S. SO Pfg.
Der Verfasser hat das Büchlein 1883 zum ersten Male im Auftrags
dea Direktoriums der Francke'schen Stiftungen zum Gebrauche in der
obersten Klasse der Bürgerschulen dieser Stiftungen herausgegeben. Da
auf der vorhergehenden Stufe das Elementarbuch von Plcets gebraucht
wird, so war, wie Verf. sagt, ein möglichst enger Anschlusa an dasselbe
geboten. Nach dem Vorwort hat das Schriftchen inzwischen "auch in
anderen Schulen Eingang gefunden. Die 2. Auflage hat nnr einige kleine
Zusätze erfahren.
„Im ersten Teile soll dem Schüler Bekanntschaft mit der unxegfil-
massigen Konjugation, deren Kenntnis für die zusammenhängende Lektüre
ti. Strien, Üie unregelmässigen fre
üscheo Zeitwörter etc.
66
notwendig ist, in anregender Weise durch Anknüpfung etymologischer
und phraseologischer Bemerk uugen erleichtert werden. Während jene dazu
dienen, den Vokabelschatz des Lernenden angemessen zu erweitern, sollen
die*e su einer erapriesjdichea Verwendung der gelernten Formen anleiten."
„Der zweite Teil «oll die Unterlage für die Erörterung der wich-
tigsten syntaktischen Kegeln bilden. Es wird Aufgabe des Lehrers aein,
durch zweckmässige Zusammenstellung der bei der Lektüre vorkommen-
den Beispiele das ihnen zu Grunde liegende Gesetz von den Schülern
finden zu lassen und es in die hier gegebene Fassung zu kleiden. All-
mählich werden dann (alles in den sinn JTunf 1) verwandte Erscheinungen
zu grösseren Gruppen vereinigt, in ihrem Zusammenhange erläutert und
durch mündliche und schriftliche Übersetzungen aus dem Deutschen ein-
geprägt werden. Die kurzen Beispielsätze sind ebenso wie die Redens-
arten des ersten Teiles vorwiegend der Sprache des täglichen Lebens
entuommen, um auch zu leichten Sprechübungen anzuregen,"
Ich denke mir, das» die Bürgerschulen der Francke'schen Stiftungen
dreiklassige Mittelschulen sind, in denen eine Fremdsprache gelehrt
wird. Das Elementarbuch von Ploatz wird also vermutlich in den beiden
ersten Jahren durchgeackert und in dem dritten und letzten Jahre prägen
sich die Schüler alle die nnregelmässigeu Verben mit zahlreichen Kom-
posita, Substantiven, Adjektiven. Redensarten und Sprüchen ein, warum?
— — — damit sie Zusammenhängendes lesen können (!). Dazu kommt
dann ein sonst recht gefalliger Abriss der Syntax, dessen kurze, wie die
Redensarten de» ersten Teiles, vorwiegend dem täglichen Lebens ent-
nommenen Beispielsätze (firt t< '»tpi-mir ; j\.tt;/e q<i? vous KiyeZ attentifs;
quoi qu'it en soit ; il faut manger pour vinre, et um pas vivre poiir
manger ; reflechissez avtott de repondre, etc. etc.) auch noch zu leichten
Sprechübungen anregen sollen (!).
Um einigermaßen zu zeigen, wie das Buch „dem Schüler die Be-
kannUchnft mit der un regelmässigen Konjugation in anregender Weise
durch Anknüpfung au etymologische und phraseologische Bemerkungen
erleichtert", setze ich einige Stellen aus demselben hierher.
8. 7 (zu tenir und 8 seiner Komposita)- tiens-toi droit halte dich
gerade! fesir sa parole sein Wort halten, tenir Iton oder forme stand-
halten, tenir Ute ä q. einem die Spitze bieten, pour qai me tenez-vous für
wen halten Sie mich? lenez-vous le pour dit lassen Sie sich das gesagt sein.
Je tiens a vous dire es liegt mir daran, Ihnen zu sagen, il ne tient qu'
ä vovt ee kommt nur auf Sie an, — la tenue die Haltung; der Anzug;
die Buchführung, k mmntwn dio Haltung, der Anstand, la contenance
die Fassung, la lelenue die Zurückhaltung, elre en reteiiue nachsitzen.
fabslinence f. die Enthaltsamkeit, un entretieti eine Unterhaltung, le con-
tent/ der Inhalt, le cantinent das Festland, le soulien die Stütze, le*
tenmUes f. die Zunge, le* petits presettts entretiennent Familie, (Prov.)
1 12 (zu faire und 7 oder 8 seiner Komposita) : faire attention ä >/clt.
ntiim de geh, etwas erwähnen, faire '■"
auf etwas achtgeben, faii
discours eine Rede halten, faire
faire faumöne f. Almosen geben
Bändel treiben, faire la guerrn i
la paix Frieden schliessen. faire in
ta malle seinen Kolfer packen.
IPror.)
schlechtes Wetter, quet temps fait-ii aujourd'hui was für Wetter ist
heute? U fait jour, nuit es int Tag. Nacht. - faire mit inf. lassen
(bewirken), faire tenir kommen lassen, je me tili* fait faire une paire
Ziclu, t. in., apr. u. Litt. XII*. 5
Com»
i schwören, faire msm geloben.
merce de ijcli. mit etwas
em Krieg führen, faire
) Besuch abstatten, faire
I fait ton Hl, on se couche.
il fait (impers") zur Bezeichnung der Witterung: il fait chaud,
t heisa, kalt, il fait brau, mauvnit temps es ist schönes,
68 Referat* und Rezensu
de hottet iah habe mir ein Paar Stiefeln machen lassen, il im fait pe
jatter er spielt immer nur. le fait die Tbat(-siiche). tont ä fait gHoilich.
iafmcon die Form, Art. saus facons ohne Umstände, fndle leicht.
diffieäe schwierig, la faciüte. ta iliffieiäte. le facteur der öriefWg«.
— Cafftrare f. die AngeleRenlieit. Sache, nvoir affaire ä q. mit einem
zu thun haben. — la cuntre-facon der Nachdruck («ine» Buches), la äefätt
die Niederlage, parfait vollkommen, impnrfait unvollkommen, la prr-
fection die Vollkommenheit, perfectiomier vervollkommnen. — le bin-
fait die Wobltbat. te bienfaitcur {(.-Irice) der Wohltbäter. bienfauM
wohlthätijr. le malfaitetir der übelthäter. — les con/itures S, das Eügt-
machte, Konfekt, le conjitw der Zuckerbäcker, la confistri* die Kon-
ditorei, inffisarit genü^nn!; si;!!>'i^ct',i:li^ ; riixirf/iytiHt nn/.u reichend.
Man decke sich bti Jl'Jl'uj i.in[L,yuJnij.-_siyi.'U VrrLi ili<_- j;.j..k*usnrleL uud
Worte entsprechend gehäuft, and man wird Überaeugt »ein, daas da« Bach
— Honnt in seiner Art ganz nett — als Lehrbuch, und noch dam als ein
den Unterricht abseht jenen den Lehrbuch, völlig verfehlt ist. Die Bürgcr-
schulen der Francke'schen Stiftungen (und Ähnliche Anstalten) sollton dan
Plcetx, dessen ganze Anläse ihrem Direktorium den Gebrauch eines solchen
Hilfsmittels nötig eu machen schien, schleunigst über Bord werfen. Aber
auch, wenn dies nicht geschähe, würde ich den Unterricht de* 3. Jahres
ganz wesentlich anders einrichten. Ich würde nach wirklich anregenden
einfachen französischen Master- und Lernstoffen Buchen und an diese
alle sprachlichen Übungen anschliessen. Davon hätten die Zöglings
jener Bürgerschulen weit , weit mehr fflr ihre unmittelbare geistige und
sittliche Ausbildung, wie auch für ihr späteres Leben. Qlanbt man denn
im Ernste, die armen Jungen oder Mädchen «Orden einen irgendwie
nennenswerten Teil jener Redensarten auch nur ein Jahr lang behalten?
Glaubt mau wirklieb, an diesen Wust von Einielsätten lieasen sich fracht-
bare Sprechübungen anknüpfen? Ein solcher Unterricht wirkt doch
nicht geistige Kraft? Ich kann dem Direktorium der Franr.ke 'sehen
Stiftungen nur die aufmerksame Prüfung meiner Elementarbücher , die
gerade für 3 Jahre ausreichen, empfehlen. Dort finden die SchQler von
vornherein Zusammenhängendes, das sie nicht nur lesen und ver-
stehen, sondern auch erleben und über das sie sprechen und plaudern
kOnnen. Trotzdem kann die „Kenntnis der un regelmässigen Verben'1
beim Unterricht nach diesen Büchern bis weit ins 3. Jahr hinein ent-
behrt werden, und wenn diese Vorben dann auftreten, werden sie passen-
der vorgeführt und eingeübt wie hier. (Ober ihre Behandlung habe ich
micii in Kressner'g Franev-Galtia VI, 1, Seite 1 — 17, ausgesprochen). Das
ganze Elementarbueh giebt dem Unterricht einen befriedigenden A hechln»
und man wird die Ergebnisse des dreijährigen Unterrichts nach ihm
weit erfreulicher finden, wie die Resultate des jetzigen Unterricht«.
Anf weitere Einzelheiten gebe ich nicht ein. Nor den Wunsch
möchte ich aussprechen, das* man endlich einmal aufhöre, das Gerun-
dium oder Gerondif als ein mit der Präposition en verbundenes Part
prea. sn bezeichnen. Beim adjektivischen Part. pres. kann keine Prä-
C'tion stehen. Das Gerundium fällt zwar der Form nach mit dem
i, prea. tnsammen, aber sachlich ist es streng von demselben m
trennen. Das Part. pres. aimant aus amantem duldet keine Präposition
vor sich. Das (substantivische) Gerundium aimant ans amamdo tritt fast
nur in Verbindung mit der Präposition en anf.
W. Rick bn.
A. Benecke. Französische Vorschule. 67
Baoer»£]iglert-Iiiiik9 Französisches Lesebuch. München u. Leipzig,
1889. R. Oldenbourg. XI, 833 S. 8°.
Gut gewählter Inhalt, hübsche Ausstattung, grosse Korrektheit
sind Vorzüge dieses Buches, welches sich von seinen Vorgängern haupt-
sächlich durch die grossere Berücksichtigung neuester Schriftsteller unter-
scheidet and daher ein besseres Bild der heutigen Büchersprache bietet
ala Tiele ähnliche Sammlungen. Seite 1—50 enthalten kleine und grössere
Erzählungen, S. 51—116 geschichtliche, litterarische und kunstgeschicht-
liehe Darstellungen, S. 119 — 151 geographische Schilderungen, 8. 152
bis 189 Naturschilderungen, S. 190—221 Didaktisches, Oratorisches, Briefe
und Dialoge. Der poetische Teil umfasst 184 Seiten und den Beschluss
bildet ein erklärendes Verzeichnis der vorkommenden Namen.
Auszusetzen ist an dem Buche zunächst der erste Satz der Vor-
rede: „Bei der Bearbeitung des vorliegenden Lesebuches haben die Heraus-
geber Tor allem das Ziel im Auge gehabt, dem Schüler eine ebenso
interessante und anziehende, wie bildende und belehrende Lektüre zu
bieten." Das ist so selbstverständlich, dass diese sakramen teile Phrase
endlich einmal ans den Vorreden verschwinden dürfte. Wer sich von
diesem Bestreben nicht leiten lässt, hat wohl keinen Beruf, die Schul-
bücherlitteratur zu vermehren.
Für durchaus überflüssig halte ich die im prosaischen wie im
poetischen Teil gegebenen Bruchstücke aus Dramen. Wenn der Schüler
ein Drama nicht von Anfang bis zu Ende liest, so hat es keinen Wert für ihn,
dass er ein Bruchstück kennen lernt. Es hat auch keinen Reiz für ihn.
Lehrer und Verfasser von Chrestomathien setzen vielfach voraus, solche
Stücke müasten für den Schüler interessant sein, weil sie selbst dieselben
mit Vergnügen lesen, d. h. wieder lesen. Darin liegt der Unterschied:
wer das Stück als Ganzes kennt, findet an dem Fragment Gefallen, weil
er et in den zugehörigen Rahmen sofort hineinversetzt; das kann aber
derjenige nicht, welchem der Rahmen noch fehlt.
Ph. Plattneb.
A.9 Französische Vorschule. Für den Anfangsunterricht
auf Mädchenschulen. Dritte, veränderte Auflage. Potsdam,
1888. A. Stein. X 121 S.
Benecke's Grundsätze inbezug auf die Lehrweise des französischen
Unterrichts kommen auch in dem vorliegenden Büchlein zur Geltung.
Sie sind bekannt genug; von einem Urteil über ihren Wert aber kann
ich hier um so mehr absehen, als ich bald Anläse haben werde, mich
über diese vielutnBtrittenen Dinge in der Zeitschrift zu äussern. Ich
beschränke mich also darauf, zu untersuchen, ob Benecke's Vorschule
die Anforderungen erfüllt, welche man nach meiner Ansicht auch
dann stellen muss, wenn man die von ihm vertretene Lehrweise im
grossen und ganzen für richtig hält.
Die erste Abteilung, S. 1 — 51, bildet, wie Benecke in der
Vorrede sagt, den obligatorischen Apparat, das eigentliche Pensum für
die Anfangsstufe. Sie bringt das Wichtigste aus der Aussprache mit
einem ansehnlichen Schatz von Wörtern als Beispielen, die sogenannte
Deklination des Hauptworts mit Artikel, Possessiv und Demonstrativ,
das attributive und prädikative Eigenschaftswort, die häufiger vor-
kommenden Verhältniswörter, das Präsens und Imperfekt des IndikativB
und den Imperativ von avoir, itre und donner mit Frageform und Ver-
68 Referate und Rezensionen. R. Meyer,
neinung, dos Präseue und Imperfekt von aroir mit Partizip des Perfekt«,
endlich die Verbindung einen Fürwort» mit dem Zeitwort. Ist mm
das, was hier gelehrt wird, durchweg richtig und, soweit der Zweck
es »erlangt, vollständig? Ist es ferner zweckdienlich ungeordnet?
Was zunächst die Aussprache anbelangt, so kehrt des Ver-
fassen Lehre von dem dumpfen e am Ende eines Wortes nach Koato-
nant hier wieder, welche mit vollem Hecht von Ploatz (syst. Darrt.)
und □. a. auch von J. Merz im 2. bände der Lsc/tr. ö. SGI ft. zuiüek-
S -wiesen worden ist. Dagegen ist es anzuerkennen, dass B. eines
nterschied macht zwischen dem AuBlaut de» einzelnen Wortes und
dem Auslaut des Worte» innerhalb eines Satzes oder Satzgliedes, du«
er z. B. (S. 46) die Aussprache des e in le marbre hlanc im Gegensatz
zu dem allein oder am Ende stehenden marbre hervorhebt. B. fohlt
offenbar, dass erst durch die Verbindung von marbre mit dem kons»,
nautischen Anlaut von btanC ein wirkliches dumpfe» e eintritt; dies fahrt
ihn aber nicht zu der meine» Erachten» notwendigen Seh lu Befolge ran^,
dass ohne solches Zusammen treffen c nicht lautet, sondern er erkürt
nur (im Anbang) die Aussprache des dumpfen e in den Endungen Ue,
bre n. dgl. vor Konsonantischem Anlaut für teichter: eine Erklärung,
bei der «ich schwerlich jemand etwas denken kann.1)
Wenn B. hier neben dem Laut de» Einzelwortes den Lant inner-
halb der Wortgruppe berücksichtigt, so sollte man erwarten, du«
die Einwirkung deB Zusammenhangs auf die Lautgestaltung überhaupt
zu ihrem Rechte käme. Das ist aber nicht der Fall; nur im An-
hang, der nicht für die Schülerin bestimmt ist, findet sich das Notige,
und hier ist es überflüssig. Und doch verlangt die Sache bei ihrer
Wichtigkeit für eine richtige Aussprache frühzeitige besondere Be-
handlung und weiterhin sorgfältige Berücksichtigung, B. schreibt
freilich ci -tlte, ei -ziles u. dgl., erwähnt aber bei der Lehre vom
t nicht den Fall, dass die einschliessenden Vokale zwei Wörtern an-
geboren, und lehrt S. 11: „Im Singular wird das f von Ixeuf und teuf
ausgesprochen ; im Plural werden fand .t ni oh t gesprochen". Gleich-
wohl nötigt man die Schülerin, im Zusammenhang vor vok&liechem
Anlaut t zu sprechen; wie »timmt da» mit der Regel? Man wende
nicht ein, dass den Lernenden zu viel zugemutet werde: die verminte
Belehrung müsate sehr einfach gehalten sein. Erlassen kann sie den
Kindern ohnehin nicht werden, B. selbst betont im Anhang ihre Be-
deutung; so gebe man nie zur rechten Zeit und sei folgerichtig.
Die Rücksicht auf den Raum zwingt mich, von verschiedenen
anderen Bemerkungen, zu welchen die Behandlung der Laute Anlast
giebt, abzusehen; nur das kann ich noch flüchtig erwähnen, dass 1 auch
vor einem Konsonanten wie 6 lautet, und dass vor h contonne, richtiger
h aspire'e, ein sonst stummes e wirklich gesprochen wird.
Indem, was die Vorschule aus der Formenlehre bringt, findet
»ich leider wieder die Lehre von einer Deklination des Hauptworts,
und zwar in breitester Darstellung. Ich will nicht nach eo vielen
anderen diese wissenschaftlich und didaktisch gleich unhaltbare Auf-
stellung widerlegen, sondern nur an einem Beispiel zeigen, wohin man
damit kommt. S. 6 gibt B. den Übungssatz: „Ich spreche von Clara."
Die Schülerin soll aleo das deutsche Verhältniswort durch den fran-
') Übrigen» nimmt in diesen Endungen auch Ben a. a. 0.
dumpfes e an, und Plretz spricht von einem ganz leisen Anklang
eine» kurzen dumpfen e. Selbst die letztere vorsichtige Fassung ist
nicht ganz richtig. Vgl. darüber Vietor, El. ä. Pho*.x S. 64.
A. Benecke, Französische Vorschule. 69
xösiscben rGenitiva wiedergeben, der seinerseits nichts anderes ist als
die Verbindung eines Verhältnisworts mit dem Hauptwort! Und er-
setze ich selbst das adverbiale Verhältnis durch das attributive, sage
ich i. B.: Dies ist das Buch von Claras Bruder, so steht wiederum
Verhältniswort gegen Verhältniswort.
Was die Anordnung des grammatischen Stoffes betrifft, so
scheint es mir empfehlenswert, von den Zeitwörtern nicht avoir und itre,
sondern danner zuerst zu behandeln. Ich meine, der Vorteil ist ein-
leuchtend, und Schwierigkeiten bieten die Formen von donner weniger
als die anderen. Hierbei mag es auch als ein Nachteil für den Unter-
richt erwähnt werden, dass die Schülerin, die schon zu avoir die Ver-
neinung hinzufügen gelernt hat, die Formen von itre und donner noch
besonders mit ne — pas gedruckt findet: sie kann und soll die Ver-
bindung nach dem Muster des zuerst gelernten Zeitworts selbst vor-
nehmen.
Hiernach komme ich zu den Übungsstücken. Die Einzelsatze
gehören zu der von B. befolgten Lehrweise. Grosse Ansprüche darf
man an den Inhalt derselben nicht stellen, immerhin aber einige, und in
dieser Beziehung wird wohl der Verfasser selbst die folgenden Satzchen
nicht verteidigen wollen: Charles n'a pas les chevaux de Robert (S. 17).
Nous avous vendu les diamanls de nos parents (S. 26). Ou est la lampe
de ta scntr, Francois? (ebd.). Sie haben nicht die Kraft (S. 17). Ich
habe diesen Nagel und diese Kreide gesucht (S. 22). Ich gebe meinen
Schwestern ein grosses Fest (S. 20). — Eine andere Forderung stellt
B. in der Vorrede: „Die deutschen Übungssätze werden in richtigem
Deutsch gegeben." Man darf selbstverständlich hinzufügen: „die fran-
zösischen in richtigem Französisch." Nun sagt man aber doch nicht:
„Ich hatte den Verlust einer Freundin11, „Ich bemerke Cäcilie, welche
unsere Kleider bringt" (beide Sätze S. 15) und ebensowenig: Tavais
la perle dune amie, (was der soeben genannte deutsche Satz voraussetzt),
Voilä une bague gue fai de maman (ebd.), Votre frere est triste, a-t-il
un chagrin? (S. 32), Vous avez entendu que la re'pe'tition est une chose
bien ne'cessaire (S. 32 — 33), Les tauoes viveni sous la terre (durch einen
deutschen Satz S. 37 vorausgesetzt); nicht ganz richtig: A quelle date
du mois sommes-nous? (S. 32), sondern, was B. in einer Anmerkung
hinzufügt: Quelle date sommes-nous? oder auch: Quel jour du mois
sommes-nous? Nicht üblich ist meines Wissen : faire un voyage autour
du monde (S. 44}, sondern f. le tour du m.
Endlich ein paar Bemerkungen über die Wörter, welche den
Übungsstücken vorangehen, zum Teil auch nachfolgen, und zugleich
Über das Verzeichnis am Schluss, das die Wörter zu den Lesestücken
und Gedichten enthält.
Der Verfasser legt viel Wert auf die Erwerbung eines reich-
haltigen Wörterschatzes, und das ist gewiss anzuerkennen ; nur scheint
mir sein Verfahren nicht durchweg richtig. Vorweg erlaube ich mir
darauf hinzuweisen, dass Fremdwörter wie Galerie, Hotel, Portierloge,
genieren (in der Lehre von der Aussprache verwandt), Lektion in einem
Schulbuch überhaupt nicht und am wenigsten in einem für die Anfangs-
stufe bestimmten Buch vorkommen sollten, und dass man die Bedeu-
tung Ton ramasser (= aufheben) leicht auf andere Weise als durch
das wenig gebräuchliche „auflangen" ausser Zweifel stellen kann. Er-
heblicher sind andere Mängel, die namentlich bei den Wörtern zu den
Lesestücken und Gedichten zur Erscheinung kommen. Die deutschen
Wörter geben jeweils den Sinn der französischen wieder, wie der Zu-
sammenhang ihn mit sich bringt, belehren aber die Schülerin gar
70 Referate und Rezentionen. R. Meyer,
häufig nicht über die Grundbedeutung oder setzen an die Stelle de«
französischen Ausdruck» einen ganz anders gearteten deutschen,
der zufällig und gelegentlich mit jenem im Sinne zusiimmentriflt. So
hilft man übersetzen; will man aber — und das wollen wir doch
hoffentlich — die Schülerin mit dem Wert der fremden Wörter wirk-
lich und zuverläHsig vertraut inachen, so wird da» durch ein solche»
Verfahren erschwert. B. schreibt z. B.: „foulet tortet allerlei". D«
Lehrer wird aber von der Bedeutung des Hauptworts ausgehen und
übersetzen lassen: „alle Arten von"; erst darnach wird, womöglich
durch die Schülerinnen, der an der betreffenden Stelle passenden
Ausdruck „allerlei" angegeben werden. Im Wörterverzeichnis will«
die Schülerin nur die Bedeutung des Hauptworts neben der des im-
bestimmten Zahlworte wiederfinden, wofern nicht beide schon bekannt
sein müssen. Als weiteres Beispiel mag te pknre dienen. Hier heuet
es im Wörterverzeichnis: „te ptaire ee sich wohl sein lassen"; stehen
sollte dort nach meiner Meinung: „plaire gefallen (Je me piau tri Ich
gefalle mir hier, Es benagt mir hier}." Carreau ferner ist „viereckige
Platte", bezeichnet unter anderem die viereckige Fensterscheibe.
Wahrend ich für die angedeutete Anlage des Wörter Verzeichnisse!
in dem Alter der Anfangerinnen kein Hindernis sehe, ist meines fr-
achtens auf dieser Stufe Vorsicht nötig bei der Berücksichtigung der
Stammworter, die ich ebenfalls in der Vorschule vermisse. Immerhin wird
man getrost und mit Vorteil 1. B. mit bücheron buche, mit graexre (Stich,
nicht notwendig Kupferstich!) graver zugleich lernen lassen können.
Ausserdem finden sich hier und da ungenaue Angaben. Couverirre
(8. 26) ist „Decke" schlechtweg, dann „Bettdecke", nicht im besondsn
„Reisedecke"; redmgote (S. 101) nicht jeder Rock, bottine (ebd.) nicht
nnr ein Damenstiefel; proposer hat in dem Sprichwort Z'Aoausw propost,
Dilti dispute nicht die Bedeutung „vorschlagen", sondern „sich ver-
nehmen11, „einen Plan machen"; passer (S. 110) heisst niemals „einher,
stolzieren", auch an der betreffenden Stelle nicht; aetu mit * iu
sprechen (S. 107) ist nicht empfehlenswert, ebensowenig da« deutsche
„Schreibebuch" (S. 39); eia tabouret (S. 96) ist nicht jeder kleine Sessel.
Ein Druckfehler ist fritonner (S. HO), ein Wort übrigens, dem such
nach dem Zusammenhang die Bedeutung „sich kräuseln1' niemall zu-
kommen kann.
Die sweite Abteilung, S. 53—69, enthalt ein Verzeichnis der
Grundzahlen, eine vollständige Zusammenstellung der Formen von «wer,
itre und donner und eine ziemlich reichhaltige Sammlung von Wendungen
des alltaglichen Lebens. Manche von diesen Wendungen halte ich auf
dieser Stufe für zu schwierig, und der Verfasser selbst bemerkt, daw
dieser Abschnitt am besten dem zweiten Jahreskuraus vorbehalten
werde. Dann aber hätte ee eich empfohlen, ihn hier wegzulassen. Im
einseinen ist nur zu sagen, dass in dem Satz „Meine Schwester lernt
sich ihre Verben (Zeitwörter!) noch einmal über" das „sich" bes»er
fehlen würde, und dasa poe'sie kein einzelnes Gedicht bezeichnet.
In der dritten Abteilung endlich, S. 70 — 95, folgen zunächst
zwei Gespräche iu deutscher und französischer Sprache, sodann Lese-
stfleke und Gedichte.
Für die Gespräche nimmt B. ausdrücklich ein echt nationale*
Französisch in Anspruch. Leider muss ich feststellen, dass darin Ver-
stösse in nicht geringer Zahl sich finden, nicht nur gegen den Sprach-
gebrauch, sondern hier und da auch gegen die Grammatik. Ich fähre
nnr so viel an, als zum Beweise notig ist, wobei ich das Richtige oder
Richtigere in Klammer hinzufüge:
A. Benecke, französische Vorschule. 71
Nous voiiä travcrsant les rues au arand trot et laissant les portes
de Im väle hin derriere nous. — Et quet etait le but de votre voyage?
(Es ist von einem kleinen Aasfluge aufs Land die Rede, daher besser
excursion.) — IVabord (nous sommes alles ä) Charlottenbourg ; puis nous
avons tourne' ä gauche vers le Grunewald.
Je veux (vais) contmuer mon redt, si vous le permettez. Nous
descendbnes ä La maison (du forestier). On nous recut tres amicalement,
et le premier som de maman etait de Commander le cafe (oü Ton nous
fit hon accueü oder ou ton nous recut tres bien. Le pr. s. de m. fut
de c. le c).
Nous demandämes ä papa et ä maman la permission d? aller jouer
dans la forit . . . Mon frere Max, gut y a (avait) dU bien des fois,
nous servait (servit) de guide.
Et tu n'as pas mal dormi? — Si bien, que maman a du me
reveiüer, pour ne pas (me kdsser) manquer Muntre de Te'cole (de la
c lasse, vielleicht besser: pour me faire arrioer ä temps en classe).
Est-ce qu'on l'a appele'e? — Sai dte appele'e trois fois, et made-
moiseße etait (a dte) satufaite. — Navez-vous fast que üre et traduire?
— Non, chere maman. Lorsque le morceau etait termine (la traduction
fut Urminie), Mr. (Mr) le surintendant nous fit examiner dans (surj la
srammaire.
Qu'est-ce que Mr. (Mr) le dxrecteur a dit ä la fin de Texamen? —
Ü etait tres aimable (a dt 4 tres bon pour nous)) de mime (que) ces
messieurs qui Faccompagnaient.
Die Lesestücke und Gedichte sind im ganzen gut gewählt
and geben nur zu wenig Bemerkungen Anlass, und zwar beziehen sich
diese ausschliesslich anf die ersten vier Lesestücke, die „Vokabelstücke".
In dem ersten (La maison patemcüe) ist die deutsche „Wohnstube",
die bekanntlich im französischen Hause fehlt1), nicht glücklich als
chambre JThabitation bezeichnet; eher eh. ou se iient la famiÜe. In dem-
selben Stück ist une servante durch une bonne zu ersetzen. Des plumes,
que leur taiäe le nuätre, im zweiten (LEcole), ist denn doch veraltet;
statt rien ne tut Heut tont ä cceur sollte es heissen: r. n. I. t. t. au C
Zorn dritten Stück (Objets dont les enfants onl besoin ä Tecole): Faire,
nicht apprendre ses devoirs, wohl aber apprendre ses lecons! Zum vierten
(Maliers et professions): Polle = Zimmerofen, besser als fourneau!
Ich will diese Besprechung nicht schliessen, ohne die Ratsei und
Sprichwörter zu erwähnen, welche B. auf die Lesestücke folgen laset;
sie werden sich gut zur Belebung des Unterrichts verwenden lassen.
Ich habe, soweit der Raum es gestattete, B.'s Buch gerecht zu
werden gesucht; die dargelegten Mängel sind aber der Art, dass ich
es in seiner vorliegenden Gestalt nicht empfehlen kann.
R. Meyer.
*) Binigermassen entspricht derselben le petii sahn.
Miszellen.
Dan Lesebuch für <U-n franz&*t*chen Unterricht von J
Itriinker und Fielt (Leipzig und Itzehoe, Otto Fick) 1
das FranzOsieche Lesehtich von Klthn (Bielefeld. Velhagen
& ftlasing).
Das von dem Unterzei ebneten veröffentlichte Französische Lesebuch
enthält eine grössere Anzahl volkstümlicher französischer Jugend gedichte,
welche grösstenteils vorher noch nicht in französischen Lesebüchern ent-
halten waten. Jedenfalls bilden diese Gedichte eine charakteristische
Seite des Buches und sind von der Kritik auch au nufgefaest worden.
Zum Teil hat man sieh diesen Gedichten gegenüber zustimmend , zum
Teil ablehnend ausgesprochen. Wegen Am vielfachen Widerspruchs habe
ich in der Frühjahr 1889 erschienenen 2. Aufl. einen Teil der Jugend-
gedichte wieder ausgeschieden, die ich deiuniich=1 entsprechend erweitert
ffir Bich zu veröffentlichen gedenke. Einzelne Jugendgedichte meines Lese-
buchs sind seitdem auch in andeif LeiM-biidicr iibergegugnt. Eine be-
sonders reichliche Benutzung bat bei der Abfassung des Lesebuchs von
Jacobs, Brincker und Fick stattgefunden'. Dasselbe hat fünfzehn volks-
tümliche Gedichte von mir entlehnt; ausserdem enthält es übereinstim-
mend mit meinem Buch drei Jugend gedichte von Maielle und ein Prosa-
stück von Dupont; ferner vier Books (drei Gedickte und ein Märchen),
welche sich auch sonst in französischen Lehrbüchern für deutsche Schulen
finden. Ich vermute mit einigem Grund , dass die Verfasser bei den
volkstümlichen Gedichten nicht auf die Quellen, die in Frankreich er-
schienenen Sammlungen, zurückgegangen sind, sondern aus meinem
Buch entlehnt haben, sonst hätten sie doch in der Vorrede den volkstüm-
lichen Charakter eines erheblichen Bruchteils ihrer Gedichte erwähnen
müssen. Dasa die Verfasser nicht an der Quelle geschöpft, sondern aus
meinem Buch entlehnt haben, geht auch aus folgendem Umstand hervor.
Das 2. Stück ihres Lesebuchs A Cheval ist in der von mir geänderten
Fassung wiedergegeben, Diinilich mit dem von mir einem anderen ähn-
lichen Gedicht entlehnten Schlussvers : Au pas, au pas, au trat, au trat.
Das ist indes nicht die einzige Art, wie die Verfasser mein Buch
benutzt haben. In der Vorrede zur 1, Auflage meines Buches 1
zu Anfang: ..Da es fdaa fraiiziiai.se/tr Letebtttfy für die Jugend bestimmt
ist, so soll auch Jugendlektüre den Inhalt bilden; hier und da darf sogar
der Lesestoff hinter dem Alter des Lernenden zurückbleiben . denn der
Umstand, dass der Stoff im neuen Gewände einer fremden Sprache auf-
tritt, verleiht ihm besonderen Reiz." Im Lesebuch von Jacobs, Brincker
Aluzellen. 73
und Fick heisst es (S. III unten): „Das au fzu nehm endo Lesestück muss
vor Hllem dem Altar und Anschauungakreia des Schülers entsprechend
gewählt sein; es darf sogar hinter dem Alter desselben zurück bleiben,
da, der Stoff in dem Gewand der fremden Sprache einen neuen Eindruck
auf ihn macht und von neuem anziehend auf ihn einwirkt. '' Ich muss
hierzu bemerken, dass die im zweitun Teile beider Zitate enthaltene An-
sicht meines Wissens von mir zum ersten male öffentlich ausgesprochen
worden ist.
Am Schlüsse meines Lesebuchs befindet sich eine „Übersicht der
Lautzeichen, verglichen mit den häutigsten Schriftzeichen". Das Lese-
buch von JacobB , Brincker und Pick bringt eine Kopie unter der Über-
schrift: „Vergleich der Lautzeichen mit den Schriftzeichen. " Ausser
einem Fall (i für e in de) aind die Lautzeicben dieselben; die Reihenfolge
der Schriftzeichen ist dieselbe; neu ist ue in cueillir. lerner i, ö und ä,
sonst sind die Schriftzeichen ebenso unvollständig wie bei mir (es fehlen
u. a. im und ein); die wagerechten Iren nungsatri che, Doppelstriche und
fetten Striche stimmen überein (in einem Falle haben die Verfasser meine
unlogische Einteilung nachgeahmt, indem sie vor dem Laut 'l keinen
Trennungsstrich setzen). Die Beispiele (Jacobs. Brincker und Fick sagen
-Kennwörter"! sind meist verschieden. Meine Beispiele sind so gewühlt,
dass überall, wo es möglich ist, aus denselben hervorgeht, wann der be-
treffende Laut vorhanden ist (z. B. offenes a in e'dtieation, also in der
hanfigen Endung nlinii) und wann gewisse Schrift zeichen benutzt werden
(t B. f vor a, o, u; qa und git vor e und i). Da die Verfasser „Kenn-
wörter" sagen, so hätten sie erst recht die Beispiele entsprechend wählen
sollen; das ist aber vielfach nicht geschehen. Diese Abweichung vom
Original ist also keine Verbesserung.
Trotz dieser aourfebigM Benutzung meines Französischen Lese-
buches bringen die Verfasser es fertig, in der Vorrede mein Buch und
meinen Nnmen nicht zu nennen Die Beurtheilung einea solchen Ver-
fahrens Überlasse ich den Lesern der Zeitschrift.
K. Kühn.
Erklärung.
Eine von Herrn Dr. G. Plötz in Görlitz veröffentlichte und auch
mir zugegangene Antikritik der französischen Lehrbücher dea Herrn
Dr. Rahn in Dresden nötigt mich zu meinem Bedauern, das Gute, was
ich in der Zschr Bd. IX. 8. ISO über Teil 1 und II dieser Biicher ge-
sagt habe, insbesondere diu a. it. 0. hervorgehobenen Vorzüge gegen-
über den Plötzschen Lehrbüchern durchaus zurückzunehmen. Die
Gründe dafür ergibt die zahlreich genug verbreitete „Erklärung11 des
Herrn Dr. G. Plötz (Görlitz, Anfang März 189(1, Druck von W. Gronau
iu Berlin). In den Streit der beiden Autoren einzutreten, habe ich
nicht den mindesten Anlass, halte es aber für eine Pflicht wissen-
schaftlicher Ehrlichkeit, Irriges oder doch Einseitiges offen als solches
einzugestehen.
Dresden. 26. März 1890.
K. Mabbenholtz.
Novitäten Verzeichnis.
Bastin, J. Etüde« des tmi-liripes baseea nur l'histoire de la langus.
S" Edition. Silin t-Petersbourg, 1889. IV, 74 8. 8°.
Bayer, R., Ülier die subjektiven Wendungen in den alt französisch«
Karlsepen mit besonderer Be rüek sieht igung der verschieden«
Versionen des a.ltfrunzfiüi sieben l(.ola.nda]iedes. Dispert, Heidelberg
1889. 124 S. 8°.
Behrens, Albert, Die Endung der zweiten Person Pluralis des sltfnw-
zösischen Verbunis. Greifswalder Dissertation. 50 8. 8°.
Benecke, A., Anthologie des poetes francais. Sammlung französisch«
Gedieht«. Mit Anmerk. zum Schulgebrauch. [In: Poetes franoaii.
4. Lfrg.J Bielefeld, Velhagen k Klasing.
Btnnewitz, A., Congreve and Moliere. Leipzig 1890. II. Haessel.
160 S. 8°.
Bertram, W., Exercices de style francais, Sammlung van übungeanf-
gaben zum Übersetzen aus dem Deutschen in das Französische für
Schul- und Privatgebrauch. Bremen, Heintims Nachf. 8°. IV, 19« S,
dasselbe. Schlüssel. Textes original«. 8**. IV, 103 8.
Berger, B., Zur Eefonn des französischen Unterrichts. Lehrgang and
Lehr? erfahren neben Proben der unterrichtlichen Behandlung.
Hanau, Alberti. Lex. -8. 22 S. 0,75 Mk.
Bierbaum, Prof. Dr. Jul., Lehrbuch der französischen Sprache nach der
analytisch -direkten Methode für höhere Knaben- und Mädchen-
schulen. 2 TL mit einem Liederanhange. Leipzig, Bosaberg. 8".
dasselbe. BegleitBchrift dazu. gr. 8°. 18 S. Ebd.
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Stuttgart 1889. Cotta'sche Verlagsbuchhdlg. 803 + 60 8. 8°.
Borsdorf, W., Die Burg im „Clavie" und im „Escanor" Dissertation.
Berlin 1890. 101 S. 8°.
Les contes moralisös de SSicole Bozon fröre minenr publice pour la
Eremiere fois d'apres les msa. de Londree et de Cheltenham par
ucy Toulmin Smith et Paul Meyer. Paris. [Sociöte" de« ancieos
textes francais. LXXIV, 333 S. 8°.]
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Girardin. MP' Emile iL-, La joie lait peur. Coniddie en un acte, en pro*.
Für don Bchulgebrauch brng. vou I(i-.ili_-v]Mrui-i;il[i-brer Dr. Gotthold
Willenberg. Gera, Schliitter. 18 S. 8°. geb. 0,40 M.
Graeser's Sammlung Iran züsi -eher und eugli»dii!r Keliri Hotelier für den
Schulgebrauch. I. Athalie par J. Kacine. IL Le Misanthrope \\»
Moliere. Wien, Carl Graeser.
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uttner, M., Das Naturgefühl der Altfranzosen und sein Einfluss auf
ihre Dichtungen. Berliner Dissert. 86 S. 8°.
e Loi de l'Ombre. Publik par Joseph Bädier. Extrait de l'Index
lectionum quae in UniverBitate Friburgensi per menses aestivos
anni MDCCCXC habebuntur. Fribourg. 59 S. gr. 8°.
\enonder, J. B. R., L'emploi des temps et des modes, dans les phrases
hypothätiques. Gleerup'sche Buchandlung in Lund. 8°. 2 kr.
iebscher, H., Charron und sein Werk : „De la sagesse". Diss. Leipzig.
66 S. 8°.
ucas, //., Portraits et Souvenirs littlraires. E. Plön, Nourrit & Cu.
Paris. 18°. 3 fr. 50 c.
(angoid, W. und Coste, D., Lehrbuch der französischen Sprache für
höhere Lehranstalten. 8. Teil. Übungsbuch zum Übersetzen ins
Französische für die obere Stufe. Berlin, Springer, gr. 8°. VIII,
172 S.
iarcel/o, B., Le thäatre ä la mode an XVIII* siecle. Paris, Fischbacher.
tarckwald, EL, Eisaas- Lothringische Bibliographie. I. — 1887. Stras-
burg, J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel). VIII, 119 S. 8°.
fc£, G., Lehrgang der französischen Syntax. Zürich, Schmidt. VII,
164 S. 8°. cart. 1,90 Mk.
leyer, Fritz, Die Stände, ihr Leben und Treiben, dargestellt aus den
altfranzösischen Artus- und Abenteuerromanen. Marburger Dies.
79 S. 8°.
fichuud, Joseph-Francats, Les croisades de Fre'däric Barberousse et de
Kienard Coeur-de-Lion. In gekürzter Fassung für den Schulgebrauch
herausgegeben von Reaschul-Oberlehrer Dr. Franz Hummel. Gera
1889. Schlutter. 84 S. 8°. 0,60 Mk. Wörterbuch 0,15 Mk.
tohrbutter, Dr. A., Die Hauptsachen aus der französischen Grammatik
und Synonymik. Zum Gebrauch für Schüler zusammengestellt.
Oldenburg, Schulze. 12°. IV, 58 S.
(oünes, L., Etüde sur Alexandre Vinet. Critique litteraire. Paris,
Librairie Fischbacher. 7 fr. 50 c.
tontdgut, E., Dramaturges et Romanciers. Paris, Hachette & Ci#.
tüller, 0., Die täglichen Lebensgewohnheiten in den altfranzösischen
ArtuBromanen. Diss. Marburg 1889. 71 S. 8°.
78
- Kritik des Herrn A, Ohlert in KBnigi.
berg i. Pr. über das erste Heft des grammatischen und siäliitücbn
Übungsbuches für den Unterricht in der französischen Sprache tw
W. Bertrum. Bremen, M. Heinaius Nachfolger, IG S. 8°. (Wird
unentgeltlich abgegeben.)
Parit, G., Extraits de la chanaon de Roland et de In Vie de Baint-lonii,
par Jean de Joinville, publik« avec Introduction, Notes et Glonsiret
complete. Pari« 1889. Hachette. 264 S. 16°.
Pari*, Gaston, Leu Chants poymlaires du Piemont. Paris, Bouillon. C.
[Extrait du Journal des Savants.]
, La litle>aturo fraii^aiH* au Moyen Age. 'i° ödition revue, corrigfe,
augmentik' et accompagne' d'un tableau chronologique. Paris, 1890
Hachette et C". XII, .IIB S. 8".
Perles de la poSsie francaise ontemporaine. Leipzig. P. Hobbing.
700 S. 80.
Peters, H., Begleitwort mm Lehrplan des Französischen. Programm.
Ganderaheim 1889. SO S. 4°.
Plattiur, Ph., Anthologie des ßeolee. Choii de poesiee francaiiM,
suivi de noteR expucatives et publik eu trois parties. Karlsrulit
1890. J. Bielefeld. 112 + 11t + Hl S.
PltttZ-Cares, Kurzer Lehrgang der französischen Sprache. (B.) Übun-
buch, verfasst von G. Pketz. 8. Heft (Syntax des Artikels, dM
Adjektivs und des Adverbs. Die Fürwörter). Berlin, F. A. Herb»,
IV, 78 8. «o.
PomairoU, Ck. de, Lamartine, Etüde de morole et d'csthdtique. Pari»
1889. Hachette. In -18 Jesus, XII, 8*7 S. fr. 3, SO.
Racine, /., Le» Plaideurs: Comädie. With Introduction and notsi bj
E. Q. W. Braunholtz. Cambridge, Warehouee. 184 S. 18°.
Recueil des Fabliaux des XIII' et XIV* siecles, imprimes ou inädite,
Sublies avec notes et variantes, d'aprea les manuecrit« par Anstalt
e Hontaigion et Oaston Raynaud. T. VI. Contenant le Olostain.
Index. Paris, Librairie des bibliophiles.
RettcAlin, Hilfubiichlein für die französische Komposition. Leipiia,
Renger '«che Buchhandlung, Gebnardt & Wiliacb. gr. 8°. IV, » 8,
Rössel, ¥., Bistoire litte" raire de la Suieae romande des origine* i dm
jouis. Tome I. Genf und Basel, Georg.
SaUzmann, U,, Der historisch-mythologische Hintergrund und das Byltam
der Sage im Zyklus des Guillaume d'Orange und in den mit ihm
verwandten Sagenkreisen. Pr. Pillau. 80 8. 4°.
Sandeau, /., Fräulein von La Seigliere. Lustspiel. Zum RÜckübenetien
aus dem Deutschen in das Fransösische bearb. von H. Breitingor.
3. Aufl. Zürich, Schulthess. 10S 8. 8°.
Le voyage de la Terre Saint« compose" par Haltre Denis Possot et
acheve par Messire Charles Philippe — 1583 — publiö et annoM
par CA. Setufer. Paris 1890. E. Leronx. [Recueil de voyagee st
de documenta pour servir a, l'bistoire de la gäographie depuis 1«
XIU» joiqu'a la fin du XVI« siecle.]
SeAmedmg, Die Bedenken Sr. Excallenr. des Herrn Hinisters v. Goitler
gegen die Aufhebung des Gymnasialmonopols. Braunschweig, Otto
SaQe. 1,60 Hk.
Schmidt- Wartnberg, ü. M„ Seneoa's Influence ou Robert Garnier. CoroelL
Dissertation.
Schuld, II., Das Verhältnis der Handschriften de« Girart de Vinn«.
Disa. Halle 1889. 10t S. 8«.
Führer durch die franxOsische und englische ScA*UeklHre. Zneammen-
N&vÜdtenverzeichnis. 79
gestellt von einem Schulmann. Wolfenbüttel, J. Zwissler. 63 S.
12°. Kart. 0,75 Mk.
Schmerz. Dr. G., Die Reform des französischen Unterrichts [untere
8tnfe]. Schaffhausen 1889. (Schoch.] gr. 8°. 60 S.
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Diss. Marburg. 74 S. 8°.
Sehmob, Marcel et Guiuesse, George, Etüde aar l'argot francais. [Extrait
des Memoires de fa Sociäte* de linguistique de Paris.] Paris, Emile
Bouillon. 8°. fr. 1,50.
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die Reform des französischen Unterrichts. Leipzig, Fock. 4°. 84 S.
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de ce siecle, präclde* du discours sur Thäophraste suivis du discours
a l'Acadämie Francaise publica avec une notice biographique, une
notice littlraire, un index analytique et des notes. Paris, 1890.
Hachette et Cle.
Sctlepast, F., Über Joi in der Sprache der Troubadours nebst Bemer-
kungen über joia und gaug. [Abhandlung, der Sachs. Akad. der
Wissenschaften.]* 57 S. 8°.
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neueren Anschauungen und einiges andere, was damit zusammen-
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l'universite" royale de Rome. Rome, impr. Innocenzo Artero. 70 p.
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neille et ses tragldies. 8. Jean Racine et ses tragädies.]
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12°. VIII, 87 S.
ToNer, Ad., Drei französische Wörter etymologisch betrachtet decket,
souqueniüe, accoutrer). Sitzungsbericht, der Berliner Akademie der
Wissenschaften. 1889. LI, 13 S. 8°.
Todd, Henry Alfred, La Kaissance du Chevalier au Cygne ou les
Enfants change's en Cygnes. French Poem of the XH*h Century.
Published for the first time, together with an inedited Prose Version,
from the Mss. of the National and Arsenal Libraries at Paris.
With Introduction Notes and Vocabulary. Baltimore the modern
language Association of America. 158 S. 8°.
Träger, £., Geschichte des Alexandriners. I. Der franz. Alexandriner
bis Ronsard. Diss. Leipzig 1889.
Toussamt, Ch. und Langenscheidt , G., Brieflicher Sprach- und Sprech-
unterricht für das Selbststudium Erwachsener. Französisch. 37. Aufl.
Berlin, Langenscheidt'sche Verlagsbuchhandlung. 8°.
Irovbai, J., Souvenirs du dernier secrätaire de Samte -Beuve. Paris,
Calmann L6yy. 18°* 3 fr. 50 c.
Tüchert A., Racine und Heliodor. Progr. Zweibrücken. 51 S. 8°.
ürbat, R., Beitrage zu einer Darstellung der romanischen Elemente im
80 A (0 vi tu tat verz dehn is .
Latein der Historia Francorum des Gregor v. Tours. Diesert
Königsberg i. Pr., W. Koch. 8°. 63 S.
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für den Schalgebrauch herausgegeben von Gymnasiallehrer Dr. Pud
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Weiss, JH., Französische Grammatik für Mädchen. 2 Teile. Paderborn,
Ferdinand Schöningh. 1. Mittelstufe (VIII, 1|4 S.) — 2. Oberstufe
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, Französisches Übungsbuch für Mädchen. 2 Teile 8°. Paderborn,
F. Schöningh.
Wichmann, C, Das Abhängigkeitsverhältnis des altenglischen Rol&ndi-
liedes zur altfranzösischen Dichtung. Dissert. Münster 1889. 87 8.8°.
Wieprecht, Jhs., Die lateinischen Homilien des Haimo von Halbentadt
als Quelle der altlothringischen Haimo -Übersetzung. Hallenser
Dissertation. 20 S 8°.
Witiheeft, F., Sirventes Jogiarese. Ein Blick auf das altprovenzalische
Spielmannsleben. Diss. Marburg 1889. 38 8. 8°.
Zola, E., Das Gelübde eines Toten. Ins Deutsche übertragen von
E. Berg. Berlin, R. Jacobsthal. 12°. 252 8.
Zola, E., La bäte humaine. Paris, G. Charpentier & C1«. 8°. 3 fr. 50 c.
, Germinal. Sozialer Roman. Einzig autorisierte Übersetzung
von E. Ziegler. 3. Aufl. Dresden, Heinrich Minden. 411 8. 8°.
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der Einheitsschule. F. Hornemann, Die Pflege des Auges
und der Anschauung in der Einheitsschule. 2 Mk.
IL Heft: F. Hornemann, Die Zukunft unserer höheren Schulen. 2 Mk.
HL Heft: F. Hornemann, Gedanken und Vorschläge zu einer Parallel-
grammatik der fünf Schulsprachen (Deutsch, Lateinisch,
Griechisch, Französisch, Englisch). 1,50 Mk.
IV. Heft: F. Hornemann, Der gegenwärtige Stand der Einheitsschul-
bewegnng. G. Barkhausen, Betrachtungen über das Ver-
hältnis der höheren Einheitsschule zur technischen Hochschule.
F. Heussner, Das Lateinische in der Einheitsschule. 1,80 Mk.
V. Heft: F. Hornemann, Bemerkungen über den gegenwärtigen
Stand der Schulreformbeweguug. Hofrath Dr. G. Richter,
Das höhere bürgerliche Schulwesen in seiner geschichtlichen
Entwickelung. Prof. Dr. W. Rein, Der Zeichenunterricht
in dem Gymnasium. 2 Mk.
TL Heft: Professor Dr. L. Meyer, Die Reform der höheren Schulen.
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Chronologisches Verzeichnis
französischer Grammatiken
vom Ende des 14. bis zum Ausgange des 18. Jahrhunderts
nebst Angabe der bisher ermittelten Fundorte derselben
IE. Stenerel,
Professor In M«borg.
Voran Ige Bchickt ist ein auf dem dritten Neupbilologentsge
gehaltener Vortrag:
Zur Abfassung einer Geschichte der französisches CrrammsÜk,
besonders in Deutschland.
>>» 4' Preis brosch. 4 Mk. 80 Pf. f *■»
Heinrich Kcrrting.
(t 19. Juli 1890.)
In einem Lebensalter, wo für viele andere Gelehrte Brat
die Zeit literarischer Thütigkeit beginnt, ist ein gründlicher
Forscher und edler Mensch von nna geschieden, der bereits
nicht nur in den engem Kreisen der Fachgenossen sich
einen Namen gemacht hatte. Diese kennen und rühmen
von ihm seine ßmrhirhte tle* frftnziiii.* In >■ Unnutn.- Im
XVII. Jahrhundert und seine treue, mühevolle Mitarbeit
an der Redaktion dieser Zu., einige wissen auch, dass der
Frühvollendete durch seinen Tod aus den Vorarbeiten zu
grösseren wissenschaftlichen Ti 1 1 Iffiilll liilh lintfnn abberufen
wurde, am wenigsten bekannt, weil von dem Autor ziemlich
sorgsam verstockt, ist iibar die reich-- Thiitigkeit, welche er
als Novellist, Feuilleton ist und Popnlarschnftsteller in ver-
schiedenen Zeitungen entfaltet hat. Rücksichten persönlichen
nnd amtlichen Charakters haben ihm (Vir dieses lieLiet seines
vielseitigen Schaffens die Anonymität, zum Gesetz gemacht,
nur einmal ist sein Name als der des Verfassers eines Preis-
romans genannt, worden. Fino Charakteristik Kierting's
würde sehr unvollständig sein, wenn sie nicht auf diese
weniger bekannten Arbeiteu hinwiese. Denn der so früh
dahingeschiedene Gelehrte wollte sein reiches Wissen und
seine gediegene Bildung einem weiten Kreise seiner armer
begabten Mitmenschen erschließen, seine Fachstudien, so
ernst sie auch gemeint, waren. Hessen -einer Willeo-energie
und nnermüdeten Arbeitskraft noch Zeit, sich weiter aus-
zudehnen und insbesondere seinen poetischen Neigungen
Gelbiug n verschaffen. Nicht mir durch die Feder, sondern
»och durch das Wort brachte er seine Gedanken in die
Öffentlichkeit. Vom Ende seiner Studienzeit an trug er sich
mit dein Plane, als akademischer Lehrer zu wirken, gegen
seinen Willen wurde er noch über ä Jahre von der Aus-
führung derselben ferngehalten. Nur fi Jahre und bei den
langen Unterbrechungen, welche seine letzte, tätliche Krank-
heit ihm auferlegt«, nur 4 Jahre, hat er au der Leipziger
Hochschule erst als Dozent, dann als Professor gewirkt,
aber in dieser kurzen Zeit zahlreiche Schüler m eigener
Forschung angeregt und ihnen praktisch und theoretisch
die Richtung ihres Studien ganges gezeigt. Ich habe in
meiner zurückgezogenen Einsamkeit doch öfter Gelegenheit
gehabt, Urteile seiner Zuhörer v.n vernehmen, denen jede
Absicht berechneter Schmeichelei fern lag, alle waren sie
in der dankbaren Anerkennung der l'ördorung, welche ihr
Wissen und ihre spätere Thiitigkeit durch Kiurtin^'- \ ■•■--
lesungen and Übungen erfahren hatte , einig. Besonder«
JM Stadium der französischen Litteratur dea XVII. und
XVI II. Jahrhunderts verdankt «einer Do.'.eutentlilttigkejt
sehr vieles. Eine An/..i!il tnii Dissertationen. Zeitschriften -
Abliuiidlungi'u um] Seium.irurbeiten verraten in ihrem sorg-
fältigen t'leisse. ihrer scharf eindringenden Kritik und schön
gruppierten Ihirstellung die Hand, welche, ohne sich auf-
zudrängen, nar andeutend den Weg- zu leiten und sicher
zum lest abgegrenzten Ziele zu fiihreu v.u. st,-. Lud doch
sah Niemand schärfer ah Körting, welche Schwierigkeiten
und undankbare Anstrengungen die Erforschung v.m l.ittc-
raturperiodeu . welche jeder zu kennen glaubt und daher
zienilicli unbeachtet Lisst, wenige nher gründlich und selb-
ständig durchforscht haben, mit sich bringt. In den zahl-
reichen briet! ichen \us-erungen ftn mich (ich besitze aus
der Zeit vom Miirz 1885 hin Vi- Dezember 1889 etwa
100 Briefe oder Postkarten von ihm) klagt er oftmals, dose
wir beide uns auf ein Gebiet geworfen hätten, auf dem so
vieles geschrieben und so wenig gelesen und gekauft v.ünly.
Desto höhere Anerkennung verdient die unermfidete Sorg-
falt, mit der er jede neue l'uhlikiitiiiu für -eine Studien und
Vorlesungen durchsah und die bis ins einzelnste Detail
reichende, aber nie den Zusammenhang des liju/.cn aus dem
Auge verlier ende Ausarbeitung seiner Kollegieubefte. Um
so schmerzlicher berührte es ihn. dass er zweimal seine sonst
zahlreich lie.-uchten Vorlesungen wegen nicht ausreichender
Teiluehinorzahl vor der Zeit abbrechen muaste. Es waren
zwei Vorlesungen über die Geschichte des französischen
Lustspiels und über Moliere, also über zwei Themata, die
für die Erwerbung einer guten Examennote nicht gerade
unbedingt nutzbringend sind, welchen dieses unverdiente
Geschick zu Teil wurde. Der Erfolg seiner kurzen und
doch so segensreichen Lehrthätigkoit ist dadurch nicht
wesentlich geschmälert worden, desto eifriger strömten die
Zuhörer zu seinen Vorlesungen, wenn in ihnen der unmittel-
bare praktische Nutzen zugleich mit dem selbstlosen Inter-
esse Befriedigung fand.
Eine Zeit lang ist K. auch an einer höheren Töchter-
schule als Lehrer des Französischen tuiitig gewesen, hat
sich aber bald von der ihm nicht zusagenden Stellung »u-
rück gezogen.
Sein Streben, für die weitere ntfentlidikeit zu wirken,
ist ihm durch seine grosso Scheu vor dein lärmenden Treiben
und der unlauteren Marktschreierei dieser Orient liebkeit
erschwert worden. So wies er dos lockende Anerbieten, alt
Vmderredner in verschiedenen Gegenden Don t-": bland« inf-
■Utretsn trota seiner Gabe oinew klaren, an rieh enden Vor-
IÜ den li seine gewinnende, liebenswürdige Per-
•""nlii-liki-il mn'!i unterstützt wurde, /.nriil'.k, IT wollte nieht,
tan nbi Haans m fiel in den Zeitungen genannt nuj mU
Lobeserhebungen bedacht wurde, die nicht immer von
kompetenter Seite Au.-geheu konnten. Auch diu nicht ferne
V'-rii'.ilini .. in dein ar während der letzten Lebensjahre zu
Tnaertartettangan ttud bat ihm nie den Gedanken ein-
ölt Mithnenkritiker 7.u wirken.
s,in Leben blieb ■"> dii« stille, nur von enger. ■!: Vw
trauten hikI hieliyrnossen genauer gekannte eines <ii.-iil«<;hfTi
• 'i'l.'lii-f.-ii. _\ i it'vu-' -ml.- \Wi''-l>->4iin;: i|i-- [.>.■!. i-ii
verbot ihm nilH KtatMlhB ' ■■■-■'mitb.'it, die schon im frühen
.lünglmgsnlter ihn tat Sohouuns und Kucksiehtualime,
Ewaug. Während seiner Studienzeit war ein BToaBM Teil
Mäner irbeiaikrafl den mfihanmen, schwierigen Vorstudien
B*« i'lmi't , aus wi-lvhen seine Htmhiihlr tlet> fhMlWNMI
MMUHU hervor« ■iicliu . eine durchaus originale, in mancher
Hi'i ■ i<[iT bahnbrechende Schrift, die kurz, vor seinem Tode
auch in der !;■ me eritJMe «rang gen Nrd3gt würden irt
Die ESnleiti irke bildete seine Habilitations-
schrift. Seim; [hswrtation iil.it: r IVrrc lloruoslle. die in einer
mg von I'. Lothsieaw gerühmt wird, ist mir leider
nnzngänglii-h geblieben. Saat der X'i'r'itl'.iitln.'hiiofr dieses
grossen Werkes (.Sommer 1886t, wnrde seine v\
Zeit vollauf durch die iiküdemtoch« Thitigkatt, die Mit -
redaktion der Zritx<lirift und dui-eh Beine nblreichen Renen-
■Ionen im l.\U<-r,in.;-h<-n l'mtrnlliliitt (tinter Signatur K-ngl
in BJMprach gen n. Brat im Winter ins» ging er an
die Herausgabe und Eommentiernag einer nltfftlwiinheii
Handxcbrift , die in den Sitzungsberichten der Leipziger
Aka'lemie er*eh einen sollte, ohne ?.a ahnen, dasa ein t'ri'ilier
Tod ihn an der Vollendung des scMnen Unternehmens hin-
dern würde. Im April 18811 weilte er zu diesem Svecke
io Paris — es war da« «weite mal, dass er die einstige
1 l.mi.t.-(:nlt l'",iirn]iLM in ihrem verbleichenden Glanie sali —
und als Schwerkranker hat er wochenlang in angestreng-
tester ThBtigkeit auf der dortigen National-Bibliothek ge-
arbeitet. Schon im. ■ Spannkraft durch
künstliche Mittel anfrech t erhalten w..-nleii. ohne doch vor
»eiligen Abspannung bewahrt in bleiben, die ihm
den vollen Genuas des anziehenden Pariser Leben» unmög-
hte. Ich habe damals in der -um merklichen Ahnung
de* Kommendeu ihm täglich zur Seite ^o-Unden, mit ihm
bis Mitternacht in den schwülen Hämm-n der Theater ge-
sessen, wo er nur mit Aufbietung .iller Willensenergie bis
tum SchlusÄ der Vorstellung Stand hielt. Sein Interesse an
manchem, was nicht dem unmittelbaren Zwecke «eine«
Aufenthaltes diente, war schon im Schwinden, trotz alles
Zuredens habe ich ihn nicht zur Besichtigung der Aus-
stellung der französischen Revolution oder zu Besuchen bei
Pariser Gelehrten und Litteraten bewegen können. Eine
unangenehm schneidende Kälte, die seinem geschwächten
Körper faxt unerträglich wurde, verleidete ihm das längere
Verweilen in Paris, so dass er nicht einmal den Beginn
der Weltausstellung abwartete. Er sehnte sich nach seinem
'Wirkungskreise in Leipzig zurück, den er schon nach
wenigen Wochen infolge einea schweren Krankheitsanfallea
unterbrechen inusste. Ein Aufenthalt in einer stillen
Thüringer Sommerfrische stellte ihn scheinbar so weit her,
dasa er gegen Weihnachten seine Vorlesungen, von seinen
Zuhörern freudig begrüaat, wiederaufnahm, noch vor Schluss
des Jahres begannen die schweren Leiden . denen er ium
Opfer Bei.
Seioe kurze Iiebensfrist war so nicht nur voll Mühe
und Arbeit, sondern auch voll Leid und Schmers. Ein
völlig gesunder und rüstiger Mann ist er während der fünf
Jahre, wo ich ihm näher gestanden habe, niemals, gewesen.
Dar seioe starke Willenskraft und eine gewisse physische
Zähigkeit, welche oft den schwer niedergebeugten Kon-
stitutionen durch eine weise Fügung Gottes verliehen ist,
hielt ihn aufrecht und bei guter Zuversicht. An liebevoller
Sorgfalt treuer Verwandten und an hilfreichem ärztlichen
Beistande hat es ihm nie gefehlt, mehr als einmal haben
die ihm verordneten Badereisen, Landaufenthalte und die
Ausflüge in weitere Ferne ihn geistig und körperlich ge-
stärkt. Die Hoffnungslosigkeit seines Zustanden schreibt
sich erst von einem gefährlichen Sturze her, den er infolge
unverantwortlicher Fahrlässigkeit einea Hausbesitzers im
Sommer 1888 erlitt Seine Rettung war damals eine Art
Wunder und leider nur durch neue, schwere Leiden und
Krankheiten erkauft
Unter diesen Hindernissen seiner litterarischen Thätig-
keit ist seine Gesciiichte des französische* Boman* das ein-
sige umfassende Werk geblieben, da* aus seiner Feder her-
vorging. Unutn, «td Iranern kann man hier ohne Missbrauch
dieser sprichwörtlichen Redensart sagen. Waa aus seinem
Nachlasse noch veröffentlicht wird, wissen wir nicht jeden-
falls finden sich darin wertvolle Vorarbeiten und angefangene
Essays, die nicht der Wissenschaft verloren gehen sollten.
Ein reiches Forscherleben ist in der Mitte zerschnitten
worden und eine unermüdet angestrengte Arbeitekraft vor
der Zeit in den Staub gesunken.
lt. Mahrenboltz.
Referate und Rezensionen.
Sckolle, Franz, Der Stammbaum der alifranzösischen und alt-
nordischen Überlieferungen des Rolandliedes und der Wert
der Oxforder Handschrift Wissenschaftliche Beilage zum
Programm des Falk- Realgymnasiums zu Berlin. Ostern
1889. 4°. 24 S. Preis: 1 Mk.
Professor Scholle, dem wir bereits mehrere verdienstvolle
Abhandlungen über das Rolandslied verdanken, beschäftigt sich
in der vorliegenden mit einer Würdigung der Dissertation Fass-
bender's l) , die einen ähnlichen Titel führt und auf welche ich
daher gleichfalls hier näher einzugehen genötigt bin. Die
wichtigste Frage der Rolandkritik ist: wie sind die Aussagen der
* Uteren Venetianer Handschrift, die seit Förster mit M (Marcianus)
bezeichnet wird, zu verwerten? Über diesen Punkt sind die
verschiedensten Ansichten ausgesprochen worden, die ich als be-
kannt voraussetzen darf. Fassbender lässt 0 und M, letztere
durch eine Mittelstufe, aus einer gemeinsamen Quelle, die er x
nennt, hervorgehen und daher befindet sich sein Stammbaum in
Bezug auf diesen Punkt mit dem meinigen (Zur Kritik und Ge-
schichte d. Franz. Eol. S. 41) wenigstens scheinbar2) in Über-
einstimmung. Dagegen weicht er gänzlich von mir in der Be-
urteilung der Karlamagnussage (n) ab. Während ich dieselbe
flir älter als 0 hielt, lässt er sie aus einer x2 hervorgehen,
welche jünger als M ist. Denn, wie er behauptet, hat n mit 0
nichts Gemeinsames „als einige Auslassungen und einige Kleinig-
keitena (S. 12 — 13). Demgegenüber zählt Scholle 30 Fälle auf,
in denen n und 0 übereinstimmen, während ihm nicht nur M}
sondern meistens noch mehrere der jüngeren Handschriften gegen-
überstehen. Daher muss, wie Scholle richtig sagt (S. 6), ent-
lJ Ludwig Fassbender, Die französischen Rolandhandschriften in
ihrem Verhältnis zu einander und zur Karlamagnussage. Bonner Disser-
tation. Köln 1887.
*) Warum nur scheinbar, wird weiter unten erklärt.
Zachr. t fts. Spr. u. Litt. XII*. 6
82 Referate und Rezen*üinen. A. Pakscher,
weder die Quelle von n vor xl geruckt werden oder man mm
annehmen, dass M und die betreffenden Rcimredaktiuiien ya\\]\[\k
auf dieselbe Abweichung gekommen sind. Dieser Zufall, dem
Scholle sogar einen ziemlich weiten Spielraum bewilligt, ist in
manchen Fällen geradezu ausgeschlossen, so z. B. in dem be-
reits von mir (a. a. 0. S. 10) angeführten Beispiele, wo M, Cund
V die entschieden falschen Namen Anstlme und Garnier bitten,
nicht aber O und n. Ebenso wird der Vers Pitts est fault n. s.w.
an drei kurz aufeinander folgenden Stellen in 0 und n wieder-
holt, während die übrigen Handschriften ihn gar nicht oder in
anderer Gestalt haben. Hierzu bemerkt Scholle treffend: „Ob
der Vers ursprünglich oder ein spaterer Zusatz ist, mag dahin
gestellt bleiben; jedenfalls Messe die Übereinstimmung zwischen
Ks (= n) und 0 dem Zufall zusehreiben, dieser habe an den-
selben vier Stellen in 0 und K.i ganz gleiehuiässig, in Vx*xl
aber ganz verschiedenartig, bez. an den einen oder andern Stellen
gar nicht gewirkt Wahrscheinlicher ist doch wohl, dass biet
0 und Kt dieselbe Quelle hatten." An andern 35 Stellen
stimmen wieder n und M gegen 0 und die ReimredaktioneB
tiberein. Eine Darlegung der einzelnen Fälle, ist hier nicht
möglich. Manche scheinen Seh. selbst nicht völlig beweisend,
besonders wo es sich um Übereinstimmung im Auslassen solcher
Verse handelt, die für die Erzählung bedeutungslos sind. Immer-
hin bleiben von den im Ganzen 65 Fällen, die Scholle bespricht,
eine ganze Reihe übrig, die sich mit Fassbender's Stammbanm
nicht vereinigen lassen.
Dies eigentümliche Schwanken von n zwischen älteren and
jüngeren Lesarten lässt Seh. die Möglichkeit einer Kompilation
von n erwägen, die ihm jedoch nicht wahrscheinlich ist (S. 13).
Ich möchte mich gegenwärtig für dieselbe aussprechen. Was
mich früher hauptsächlich veranlasst hat, n eine Stellung vor
x1 anzuweisen, war das Fehlen der Baligantepieode. Ich bin
noch heute der Ansicht, dass n nicht mit philologischer Kritik
an seine Vorlage herangetreten ist. Es ist mir nicht im Ge-
ringsten glaublich, dass ein mittelalterlicher Übersetzer, wie
Faasbender sich S. 12 ausdrückt, „aufhört zn Übersetzen, wenn
er an ein dem vorhergehenden, durchaus ungleichwertiges Mach-
werk kommt".1) Etwas Anderes ist es, wenn in einer der Vor
') Auch mit seinen Worten „dann vergibt Pakscher ganz, dnse
die französische Redaktion über n den Ballgant ausgelassen haben
kann" (8. 14) weiss ich nichts anzufangen. Die französische Redaktion
über n ist nach seinem eigenen Stammbaum X*, und wenn Baligant
in dieser fehlte, wie kommt es, dass ihn die aus x3 abgeleiteten fran-
zösischen Handschriften enthalten?"
F. Scholle, Der Stammbaum d. afrz. «. altnord. Rolandliedes etc. 83
Isgen der Rarlamagnussage der Baligant fehlte, und u\a, wie
gegenwärtig wohl allgemein angenommen wird, es eine solche
Redaktion ohne Baligant gab, so ist diese Erklärung die natür-
lichste. Dagegen hat Fassbender mich überzeugt, dass die
Träume in n und ebenso manche andere Kleinigkeiten einer der
jüngeren Handschriften entnommen sein müssen. Es bleibt also
nur die Möglichkeit einer Kompilation übrig und diese hat nach
der ganzen Anlage der Karlamagnussage viel für sich, da doch
vorauszusetzen ist, dass dem Veranstalter der Sammlung eine
ganze Reihe französischer Handschriften vorgelegen hat, unter
denen sich leicht auch zwei verschiedene Fassungen des Rolands-
liedes befunden haben können.
Mehr Schwierigkeit bietet die Annahme einer Kompilation
bei M} für die Scholle (S. 12) eintritt gegen Fassbender (S. 6 ff.).
Dass der Jongleur, dem wir diese Fassung verdanken, sich die
Mühe gegeben haben sollte, verschiedene Handschriften, selbst
wenn sie ihm zur Verfügung gewesen wären , zur Eruierung des
richtigen Textes mit einander zu vergleichen, ist um so weniger
denkbar, als er schon in der Einleitung zeigt, dass es ihm nur
um Gelderwerb zu thun ist. Der wesentliche Bestand von M
entstammt vielmehr derselben Vorlage, die 0 benutzt hat; aber
während der Schreiber der letzteren, wie ich in meiner Schrift
im Einzelnen ausgeführt habe, sich nur kleine Auslassungen und
Versehen hat zu Schulden kommen lassen, ist der Verfasser von M
ganz willkürlich verfahren und hat, um sein Gedicht auszudehnen,
überall her Entlehnungen gemacht. Mag man nun diese, wovon
gleich noch die Rede sein soll, auf mündliche oder schriftliche
Quellen zurückführen, so wird das praktische Resultat doch das
bleiben, dass wir bei Herstellung des uns erreichbaren Textes
im Grossen und Ganzen, d. h. abgesehen von der Besserung
einiger entstellter Verse, auf 0 angewiesen sind. In diesem
Sinne spricht sich auch Scholle am Ende seiner Schrift aus.
Vor allem stimmt er darin mit mir überein, dass Plustiraden,
welche M in Übereinstimmung mit jüngeren Handschriften gegen 0
bietet, nicht als ursprünglich anzusehen sind. Um dies zu er-
weisen, geht er die einzelnen Stellen durch, an denen man die
Aufnahme von Plustiraden für notwendig erklärt hat, und zeigt, dass
sie Überflüssiges, ja zum Teil Ungereimtes enthalten (S. 20 — 24).
Der übrige Teil seiner Abhandlung (S. 13—20) beschäftigt
sich mit dem Verhältnis der jüngeren Handschriften. Fassbender
hat das Verdienst, dies zuerst gründlich untersucht zu haben.1)
x) Es war dies auch erst möglich, seit von Fcerster'a Hand zuver-
lässige Ausgaben vorliegen. Da die Absicht meiner Schrift im Wesent-
lichen auf Rekonstruktion des Inhalts der älteren Stufen gerichtet
6*
84 Referate und Rezensionen. A. Paktcher,
Dass einerseits C (Chäteauroux) und V (Venedig VII}, andret-
seits TLP (Trinity College in Cambridge, Pariser, Lyoner) undF
(die Lothringer Fragmente) in näheren Beziehungen stehen, kam
nicht zweifelhaft sein. Fassbender zweigt daher von der Allen
gemeinsamen Quelle xs ein x* ab, aua dem C und V, ein tl,
ans dem 7) und endlich ein xe ab, ans dem LPF hervorgegangen
sind. Aber nicht Überall ist das Verhalten der Handschriften
ein gleiches, in einzelnen Teilen der Erzählung findet ein ge-
naueres Zusammengehen als in anderen statt, wie Fassbender
S. 20 ff. ans ein ander setzt. Soweit wäre der Stammbaum «ig
ziemlich einfacher. Jedoch begegnet uns eine Schwierigkeit,
mit der Fassbender nicht recht fertig geworden ist. Es haben
eich nämlich auch in der Reimredaktion eine Anzahl aseonierender
Tiraden erhalten, and zwar teils mir Assonanzen, teils Assonanzen
neben Reimen. So bietet C an zwei Stellen (zwischen Tirade
74 — 87 nnd zwischen 201—216) im Ganzen 15 Tiraden nur
mit Assonanz, während V an denselben Stellen durchweg reinen
Reim bietet Fassbender weiss sich dieses nicht zn erklären,
obwohl er an die Möglichkeit denkt, dass C aus einem Manu-
skript vor x* kompiliert sein könnte. „Warum hat denn C,
fragt er S. 22 unten, „AssonanzTedaktion statt ReimredakrJon an
dieser Stelle gewählt, und warum hat es, wenn ihm zwei Hand-
schriften vorlagen, gerade diese und nur diese Teile gewählt?"
Hierauf weiss er keine Antwort und meint, dass die Unter-
suchung lauter negative Resultate ergebe. Auch ich vermag nur
mit einer Vermutung zu antworten, die jedoch nichts Unwahr-
scheinliches enthält. C ist jünger als V. Während F von
Gantier und Delisle ins 13. Jahrhundert gesetzt wird, gehört 0
nach denselben Beurteilen) und Paul Heyer in's 14. Jahrhundert,
und selbst Fmrster, der dieser Annahme widerstrebt, ist genötigt
zuzugeben, dass C „um ein weniges jünger" ist als V. Der
Schreiber von C hatte wie der von V das Bestreben, eine mög-
lichst ausführliche Erzählung zu geben, und wählte daher, auch
wenn ihm neben x* eine kürzere Fassung zur Verfügung stand,
die erste re zur Vorlage. Wenn er an zwei von einander unab-
hängigen Stellen von diesem Verfahren abwich, so wird der
Grund darin zn suchen sein, dass ihn hier seine Vorlage in
Stich liess, d. b. während der Zeit, die zwischen der Entstehung
von V und C liegt, einige Blätter aus dem- gemeinsamen Original
herausgerissen worden waren.1) Scholle geht auf diesen Punkt
war, bo habe ich mich begnügt, das Verhältnis der jüngeren Hand-
schriften ungefähr anzugeben.
') Zwei derartige Lücken durch Herausreissen bietet r. B. auch
die Handschrift T (vgl. Frorst er, AUfranz. Bibliothek VII, S. VII).
F. Schutte, (Ur Slammhanm des
. alliiiirii. Rolandliedes ele. 85
i, aber er konstatirt, dass V an diesen Stellen Bowohl
insichtlieh der Assonanzen, als hinsichtlich des Inhalts der
Verse sehr nahe mit 0 zusammengeht. Daher ist als erwiesen
inzuseben, dass V ausser x* noch eine ältere Handschrift, die 0
verwandt war, vorlag und insoweit der Fassbender'sche
Stammbaum zu berichtigen.
Ähnliches ist jedoch auch bei P der Fall. Auch in dieser
Handschrift tritt in einem Teile der Erzählung die Assonanz-
redaktion so deutlich hervor, dass selbst Fassbender bei diesem
eine Durchbrechung seines Stammbaumes annimmt (S. 25). Scholle
sucht ferner an allerdings nicht schwerwiegenden Einzelheiten
darzuthun, dass T bald mit O, bald mit M, bald mit andern
Handschriften etwas gemeinsam habe, so dass man zu dem
Schlüsse kommen milsste, dass es fünffach kompiliert sei (S 19).
Dieses Ergebnis führt ihn zu der Annahme mündlicher neben
der schriftlichen Überlieferung zurück, Über welchen Gegen-
stand er sieh bereits Zeitudir. f. rom. Ph. IV, 208 ff. ausge-
sprochen hatte. Es ist ihm gewiss beizustimmen, wenn er (a. a. 0.)
Bagt, dass die mündliche Überlieferung in älterer Zeit auf die
Gestaltung der Sage eingewirkt habe. Ich glaube sogar, dass
das Rolandslied selbst ursprünglich, vielleicht ausschliesslich,
mündlich fortgepflanzt wurde. Aber nur bis zu einer gewissen
Zeit. Die Übereinstimmung so vieler Verse, welche sämtliche
uns erhaltene Handschriften bei allen Abweichungen in andrer
Beziehung zeigen, setzt voraus, dass, ungefähr um die Mitte des
elften Jahrhunderts, eine Niederschrift stattfand, die sich allge-
meinen Beifall erwarb und daher zur Quelle der übrigen wurde.
Dass von da ab die Entwickelung auf schriftlichem Wege statt-
fand, ist mindestens wahrscheinlich. Daher ist das Aufstellen
eines Stammbaums insoweit berechtigt, als er die Genesis der
jüngeren Handschriften im Grossen und Ganzen darzustellen ver-
sucht. Aber es ist nicht möglich, beim Rolandsliede wirklich
Familien zu bilden und, wie Fassbender will, aus dem Zusammen-
gehen zweier von ihnen an einzelnen Stellen auf Ursprüngliches,
d. h. dem Original des 1 1. Jahrhundert Allgehöriges, zu achlicssen.
Dazu wäre erforderlich, dass die jüngeren Abschriften die Ab-
sicht haben, ihre Vorlage getreu wiederzugeben, aber, wie ich
nachgewiesen zu haben glaube, ist dies nicht der Fall. Das
Verhältnis ist ein ähnliches, wie wenn von demselben Dichter
ein Werk in mehreren von ihm selbst herrührenden Bearbeitungen
vorläge, wo wir auch nicht daran denken könnten, die frühere,
etwa lückenhaft überlieferte, aus der späteren herzustellen. Ebenso
efert uns O eine Fassung des Rolandsliedes aus dem 11. Jahr-
idert, Afeine zweite wahrscheinlich aus dem Ende des 12. Jahr-
66 Referate und Rezensionen. E. k'aschwitz,
hunderte und die Übrigen eine aus dem 13. Jahrhundert stimm ende.
Wollen vir die erste haben, so haben vir nnr 0 von offenbar»
Fehlern zu reinigen, wie das Müller bereits gethan hat An der
Herstellung der zweiten und dritten Fassung wird ans weniger
gelegen sein, und völlig ausführbar ist die letztere auch eigent-
lich nicht, weil sich wieder jede einzelne Handschrift zahlreiche
Abweichungen erlaubt hat. Diese Varianten brauchen aber nicht
in mündlicher Überlieferung ihren Grund zu haben, der Schreiber
musB sie niebt gerade, wie Scholle glaubt, irgendwo gehört und
aufgeschrieben haben, sondern sie können aus seiner eigenes
Initiative hervorgegangen sein. Die Jongleurs, die man sich ili
die Urheber der jüngeren Handschriften zu denken hat, mögen
sie nun sie selbst geschrieben oder diktiert haben, beherrschten
eine ganze Anzahl von Epen, die ihrem Repertoire angehörten,
so weit, dasa sie bald diesem, bald jenem einzelne Verse oder
auch Schilderungen ähnlicher Situationen entnehmen und mit
leichter Umarbeitung dem Rolandaliede einfügen konnten. Ab«
es scheint, dass die Improvisation dabei zu den Ausnahmen
gehörte, dasa vielmehr die veränderte Fassung, die oft ein Plus
von mehreren hundert Versen bedeutete, vorher ausgearbeitet
und dann vorgetragen wurde. So dass eich also die Verände-
rungen auf schriftlichem Wege vollzogen haben und bei ihnen
das Gedächtnis keine wesentlich andre Rolle spielte, als bei
modernen schriftlichen Erzeugnissen. Abgesehen von diesen
Nebenpunkten decken sich die Ansichten Scholle's in vieler Be-
ziehung mit den meinigen, und ich hoffe, dass es den klares
Ausführungen seiner Schrift gelingen wird, sich allgemeinen
Beifall zu verschaffen und dadurch einen gewissen Abschlusa in
der Rolandkritik herbeizuführen.1) A. Pakbchbr.
Paris, Gaston, La UtUrature fran$aise au moyen äge. XI' — XIV'
siede. 2B ed. Paris, 1890. Hacherte et C'8. 8°. XU
und 316 S.
Ober die erste Auflage des Werkes vergl. Ztsehr. Sil1,
1 — 3. Schon nach Jahresfrist hat sich das Bedürfnis nach einer
neuen Ausgabe herausgestellt, und schon im September 1889
war der Druck der zweiten, um 16 Seiten „vermehrten" und
J) Sehr etörend habe ich ea empfunden, dasa Scholle wieder die
alten Bezeichnungen der Handschriften (V, Vi, Vz etc.^ verwendet.
Man mag die Notwendigkeit der Fcerster'schen Änderungen beatreiten;
da sie aber einmal durch seine Ausgaben Verbreitung gefunden haben,
wäre es im hohen Grade wünschenswert, dass sie ausschliesslich rar
Anwendung kamen.
G. Paris, La Uiierature franqaise au moyen äge. 87
vielfach „verbesserten" Auflage beendet, die, da ihr Verkauf
nicht sofort beginnen konnte, wieder 8 Seiten neue Hinzufügungen
and Besserungen erhielt, deren Vorhandensein die fortdauernde
Teilnahme des Verfassers an seinem Werke und seine bleibende
Fürsorge um dessen Vollendung deutlich beweist. G. Paris hat
fttr seine erste Auflage zahlreiche Rezensenten gefunden. Selbst
Schöngeister haben an seiner Schöpfung Anteil genommen und
sich wie Anatole France im Temps (abgedruckt in dessen Vie
UUiraire, 26 serie. Paris, 1890, S. 264 ff.) durch sie in Be-
trachtungen und Träumereien über das alte Frankreich versenken
lassen. Doch wertvoller waren für 0. P. diejenigen Anzeigen,
die ihn auf Unvollkommenheiten aufmerksam machten, und die
privaten Mitteilungen, die ihm im Interesse der Beseitigung auch
geringfügiger Mängel von verschiedener Seite zugingen. G. P.
lat die Angaben seiner Kritiker wiederum einer Kritik unter-
worfen, und, was ihm brauchbar erschien, gewissenhaft in der
leuen Auflage berücksichtigt. Das Meiste des Neuen und Ge-
besserten ist aber seinem eigenen unausgesetzten Studium zuzu-
schreiben, und es ist keine Phrase, wenn er im neuen Vorwort
5. VIII von sich behauptet: „je riai presque pas passi un jour
tans y apporter quelque retouche, m'efforgant de le (le Uvre) faire
profiter de mes lectures ou de mes riflexions"
Der wichtigste Zusatz P.'s ist die schon in der 1. Auflage
in Aussicht gestellte chronologische Übersicht über die Werke
Her altfranzösischen Litteratur (S. 245 — 55), in der er sich be-
müht, den in seiner Darstellung genannten altfranzösischen Schrift-
werken wenigstens annähernd nach ihrer Abfassungszeit einen
Platz anzuweisen. Dass die von ihm angesetzten genaueren
Daten, so weit sich solche überhaupt geben Hessen, nicht
sämtlich gesichert sind, und dass sich selbst diese und jene
ülgemeinere Zeitbestimmung anfechten läset, wird niemand über-
raschen. Im allgemeinen kann man P.'s Angaben wohl ver-
trauen und jeder, der altfranzösische Erscheinungen in ihrer
chronologischen Entwickelung verfolgen will, findet hier einen
glaubwürdigen Führer. Freilich wird er immer bedenken müssen,
lass die von P. angesetzten Daten ausschliesslich für die Ent-
stehung, nicht aber für die Überlieferung der aufgezählten
Texte gelten. Das Ziel der P. 'sehen Tabelle ist ein littera-
'isches und kommt erst in zweiter Linie auch dem Grammatiker
su Gute, dem oft das Datum der Handschrift von grösserem
SVerte ist, als das der Abfassung des Originals.
Auf Besprechung von Einzelheiten wollen wir hier ebenso-
wenig eingehen, wie in unserer Anzeige der ersten Auflage in
len Gott Gel. Änz. vom 15. Juni 1889. Nur auf ein Kapitel
88 Referate und Rezensionen. B. Freymond,
milchten wir hinweisen, für welches eich in einer weiteren Auf-
lage eine Umarbeitung nötig erweisen wird. Es ist Kapitel IV:
I,tw Romans bretons. G. P, hält auch in seiner neuen Ausgibt
an den Ansichten fest, die er ausführlich auch in der Einleitung
des 30. Banden der Mistoire liite'raire de In France, Paris 1688,
vertreten hat, wonach die französischen Dichtungen über die
Helden des Artussagenkreises auf kymriscb - anglo normannischen
Vorstufen beruhen sollen. Wie G. P. zu dieser Ansicht gekommen
ist, liegt auf der Hand. In England ist Galfrids von Monmouth
Historia regum Brüanntae entstanden, Anglonormannen und tum
englischen Hofe in Beziehung stehende Normannen (Gaimar, Wace)
übersetzten sie; Marie aus Frankreich, die in England lebte,
dichtete Laie, deren Stoffe sich wenigstens mit denen des bre-
tonischen Sagenkreises berühren; die zu demselben Sagenkreise
in Beziehung gebrachte Tristansage ist von zwei Anglonormannen
bearbeitet worden; in England entstanden die (mit Unrecht sc
benannten) Mabinogion, deren Quellen, so weit die Artussage
in Frage kommt, französische (da in England verbreitet, als»
anscheinend anglo französische) waren; ein walisischer nachweis-
barer Sagener Zähler, Breri, der in England lebte, wnsste, nach
Thomas' Zeugnis, des Tristandichters, von den bretonischen
Sagenhelden zu erzählen — was lag unter solchen Verhältnissen
näher als anzunehmen, der keltische Sagenstoff sei zuerst in
England den Franzosen (Anglonormannen) bekannt, von ihnen
bearbeitet worden und von da nach dem Kontinent gewandert,
um von kontinentalfranzÖBischen Dichtem, an ihrer Spitze Crestien
de Troyes, eine neue Behandlung zu finden. Dennoch ist nach
den Ausführungen Zimmer's in den Oö'U. Gel. Am. vom 10. Juni
und 1. Oktober 1890 diese Annahme abzulehnen. Nach Zimmers
auf quellenmässiger Forschung beruhenden Untersuchungen wird
man den Bretonen Frankreichs die Ehre zuerkennen müssen,
die Quellen der französischen Artusdicbter geliefert zu haben.
Nach der Bretagne weisen die politischen und lokalen Verhält-
nisse, zum Teil die Stoffe und die Namen der französischen
Artusdichtung; zweisprachige Bretonen waren die natürlichsten
Vermittler zwischen keltischer Sage und der französischen Fassung
derselben. Andererseits sprechen gegen agn. Vermittelung die
vollständige Abwesenheit Überlieferter agn. Artusdichtungen, die
Crestien und seinen Nachahmern hätten zur Vorlage dienen
können, das feindselige Verhältnis der Kelten Englands gegen
die Angelsachsen und die eingewanderten Normannen, die mit
dem Kymrischen unverträglichen Namenformen der kontinentalen
Dichtung, die abweichenden Züge, welche sich in den soge-
nannten Mabinogion unter wirklich kymrischem Eintlnss finden.
Fr. Kreyssig, Geschichte der französischen Nationallitteratur etc. 89
Über diese und andere schwer wiegende Einwände Zimmer's wird
sich O. P. in einer nenen Auflage nicht hinwegsetzen können,
und wir dürfen erwarten, dass die notwendig gewordene Aus-
tragung der einander widersprechenden Ansichten zu einer end-
gihigen Klarstellung der Vorgeschichte der französischen Artus-
dichtungen führen. Hier sollte nur die Aufmerksamkeit darauf
gelenkt werden, dass dieser Teil des P.'schen Buches in seiner
Grundlage angefochten ist und vorläufig nicht als gesichert an-
genommen werden darf.1) E. Eosghwitz.
Kreyssig, Fr., Geschichte der französischen Nationallitteratur von
ihren Anfängen bis auf die neueste Zeit. Sechste ver-
mehrte Auflage in zwei Bänden gänzlich umgearbeitet
von Adolf Kressner und Joseph Sarrazin. Bd. 1.
Geschichte der französischen Nationallitteratur von den
ältesten Zeiten bis zum XVI. Jahrhundert. Bearbeitet von
A. Kressner. Berlin 1889. Nicolai'sche Verlagsbuch-
handlung. 8°. VI, 324 S.
Noch immer glauben vielfach Kandidaten, selbst solche,
die Französisch als „zweites Hauptfach u wählen, genug daran
zu thun, wenn sie ihre Kenntnis der französischen Litteratur vor-
wiegend aus kürzeren Kompendien schöpfen. Kreyssig's Ge-
schichte der französischen Nationallitteratur — bei ihrem ersten
Erscheinen (1851) ein verdienstvolles Buch — erfreute sich be-
kanntlich in dieser Beziehung besonderer Bevorzugung, obgleich
wohl von jeher in den ersten fünf Auflagen gewisse Partien,
besonders die Abschnitte über die altfranzösische Litteratur dem
jeweiligen Stande der Wissenschaft nicht entsprachen. Es liegt
dem Referenten fern, hieraus dem vor zehn Jahren verstorbenen,
hochverdienten Kreyssig einen Vorwurf machen zu wollen. Kreyssig
schrieb sein Werk zunächst weniger für das grosse Publikum,
wie Kressner meint, sondern er verfolgte den Zweck, ein Schul-
buch zu schaffen, das dem Gymnasial- und Realschullehrer zu
weiteren Ausführungen die nötigen Anknüpfungspunkte bieten,
welches zugleich Styl- und Sprechübungen zu Grunde gelegt
werden sollte und eventuell Studierenden als Leitfaden zu weiterer
Belehrung dienen könnte. Trotz der Bestrebungen, bisherige
Lücken auszufüllen und Verbesserungen vorzunehmen, um dadurch
das Buch höheren Zwecken dienlich zu machen, blieb in der
fünften Auflage des Mangelhaften und Falschen noch viel übrig;
*) Inzwischen hat auch W. Foerster das zitierte Kapitel G. Paris'
im Littbl. f. germ. u. rom. Phil. 1890, No. 7 mit wichtigen Gründen und
grösstenteils in Übereinstimmung mit Zimmer angegriffen.
90 Referate und Rezensionen. E. Frci/mand,
bei einer weiteren Auflage muaste dai Buch, am heutigen An-
sprüchen zu genügen, einer vollständigen Umarbeitung u-tteraogeD
werden. Diese — besondere ftlr die ältere Zeit — nicht leichte
Aufgabe übernahmen Kressner, der die Litteratnr Frankreich»
(auch die provenzalische) bis zum Ausgang des XVL Jahrbunderta
behandelt und in einem zweiten Bande Sarrazin, der die neuere
und neueate Litteratur bespricht. Da die in früheren Auflagen
zum Zweck des Übersetzens in das Französische gegebenea
Fussnoten in der vorliegenden fortgelassen Bind, hört das Werk
auf, ein Übersetzung« buch zu sein; es macht einen Anspruch
darauf, eine selbständige Litte raturge schichte zu sein und es ist
darum an dasselbe ein anderer Masastab anzulegen als vordem. —
Kressner hat sich — das zeigt schon ein fluchtiger Einblick in
den von ihm bearbeiteten Teil — redlich bemüht, das vorher
Gebotene radikal umzugestalten; fllr die Litteratur bis zum Ende
des XIV. Jahrhunderts bietet er, zumal nnr wenige Seiten des
Krryssig' sehen Testes beibehalten worden sind, ein völlig anderes
Werk, das zwar im Vergleich zur fünften Autlage einen sofort
erkennbaren namhaften Fortschritt aufweist, an welchem aber
hauptsächlich eine gar zu ung I ei chm aasige Behandlung der ver-
schiedenen zu besprechenden Dichtungsgattungen auszusetzen ist
— In einer in erster Linie ftlr das grosse Publikum bestimmten
altfranz '6 Bischen Litte raturge schichte ist vor allem, mehr als ei
in der KresBaer'scben Arbeit geschieht, die universelle Be-
deutung dieser Litteratnr hervorzuheben. Die zum groastei
Teil zn lang geratenen Inhaltsangaben der Nationale pen1) dürften
kaum geeignet sein, das grosse Publikum flu* die altfranzBsisehe
Litteratur besonders einzunehmen; Verfasser hätte besser daran
geUian bei kürzerer Darstellung dieses Abschnittes eich für
andere Gattungen, vor allem für die höfische Epik, auch für die
Fableaus mehr Kaum Übrig zu behalten; denn ihre universelle
Bedeutung verdankt die altfranzösische Litteratur zum grösseren
Teil dem Einfluss, den sie auf den zuletzt genannten Gebieten
ausgeübt hat. Eine Analyse von Renant's Roman de Galeren
oder von lue et Gattertm, von Barlaam & Joasaph, vom Roman
de» VII Sage» etc. wäre zweckmässiger gewesen als diejenige
der Prise dePampeltme u. s. w.; die Übertragungen der diseiplina
eieriealit werden gar nicht erwähnt; auf die Bits hätte etwas
genauer eingegangen werden können; von den Debata n. ä. ist
nirgends die Rede.
Kreasner hat aber sein Buch nicht allein für das grosse
J) Unter diejenigen, die kürzer angeführt werden, gehören Gar-
mond Sr Itembart und Ftoovant, Gedichte, die gerade eine ausführlichere
Betrachtung verdient hätten.
Fr. hreyssig, Geschichte der fraitziisiiicht'it Miition/ittiUtnititr etc. 91
Publikum bestimmt; er hofft besonders der hinzugefügten An-
merkungen wegen den Studierenden eiu geeignetes Hilfsbuch zu
bieten. Dlcbc Anmerkungen enthalten fant ausschliesslich biblio-
graphische Notizen, die — darauf ist sehen von anderer Seite
aufmerksam gemacht worden — teils Falsches oder zu viel, teils
zu wenig bringen. So hätte es S. 13 Anm. genügt auf die
bibliographischen Mitteilungen im Altfranz. Übungsbuch von
Fterster und Koschwitz, das überhaupt nicht genannt ist, und
auf Altfi-anz. Bibl. Bd. X. hinzuweisen; S. 61 hätte W. Fmrster's
treffliche Besprechung in den Götf. Gel. Am. 1888 No. 20 n. 21
angeführt werden sollen; S. 125 Anm. 1 war die Ausgabe von
Couraye du Parc zu nennen, welche in den Publikationen der
Soc. d. a. t. franc. erschienen ist; von diesen Publikationen sind
verschiedene, darunter gerade die wertvollsten nicht erwähnt; so
vermisse ich G. Paris, Chan*, d. Ä'V<' sücle, G. Paris und U.
Robert, Mlracles de X" Dame p. />., Suchier's Ausgabe der Manekine
Philippe'» de Bcaumanoir u. a.
Auch sonst wäre noch gar manches auszusetzen; so hätte
S. 16 angegeben werden sollen, warum das dort genannte Work
tjiHttre tivre* des rois heisst; ibid. unten und S. 17 oben könnte
leicht zu irrtümlicher Auffassung verleiten, ebenso S. 194, wo
Verf. von dem „berühmten Buch Von den sieben weisen Meistern
oder Dolopnthiis" spricht. — S. 19 werden nfri. camp und eastel
als ursprünglich pikardisehe Formen den franciseben chavip,
rhdteau gegenüber gestellt. S. 22 wird noch immer aus den
zahlreichen Erwähnungen epischer Stoffe in provenzaUschen Ge-
dichten auf die ehemalige Existenz einer reichen provenzalischen
Epik geschlossen. Die S. 56 aufgezählten Ausgaben von Trou-
badourliedern sind keineswegs alle als kritische zu bezeichnen.
Wenn Verf. wirklich der Liberzeugung ist, dass der Zwölfsilbner aus
dem gesungenen Ist. asclepiadcus hervorgegangen ist (vgl. 8. 85),
su hätte ct doch anuierkuiigs weise die neueren Herleitungsvcrsuche
dieses Verses anführen oder wenigstens die dabei in Betracht
kommenden Arbeiten namhaft machen sollen. S. 156 halte, zumal
Wamke's Abhandlung über die Zeit der Marie de France genannt ist,
wenigstens hinzugefügt werden können, dass nach VVarnke und
anderen Marieiis Aufenthalt am englischen Hofe in das XII. Jahr-
hundert fallt. Crestien de Troyes soll (vgl. 8. 157) bis ca. 1210 ge-
lebt haben. Im Rom. d'Atixandre (s. S. 178) soll der Alexandriner
zum erstenmal durchgeführt sein. 8. 187 wird Auca&xin et NicoleU
einfach unter die Fabhaus gesetzt. 8. 218 werden die Pastourellen
als volkstümlich-nationale Dichtungsarten bezeichnet u. a. w.
In denjenigen Abschnitten, welche der Besprechung der
französischen Litteratur im XV. und XVI. Jahrhundert gewidmet
98 Referate und Rezensionen. J. Sarrazin,
sind, hat Kressner nur wenig an der ursprünglichen Fassung
geändert; hier hätte unter anderem Christine de Pisan eine etwu
ausführlichere Würdigung verdient nnd Eustachc Deschamps hatte
doch wenigstens erwähnt werden können!
Bei alier Anerkennung der Kresaner'schen Bemühungen,
Kreyssig's Darstellung der älteren Litteratur Frankreichs zu ver-
bessern und dem heutigen Stand der Wissenschaft anzupassen,
ist nach alledem die neue Auflage noch weit davon entfernt,
denjenigen Zwecken zu genügen, fllr welche sie bestimmt ist
E. Fbevkond.
Kreysaig, Fr., Geschickte der französischen Nationallitteratiir m*
ihren Anfängen bis auf die neueste Zeit Sechste v«>
mehrte Auflage in zwei Bünden gänzlich umgearbeitet
von A. Kressner und Joseph Sarrazin. Berlin, 1889.
Nicolai'sche Verlags-Buchhandlung (R. Stricker). II. Bd.
XIII, 402 S. gr. 8°. PreiB: 6 Mk.
Der Wunsch des Referenten, dass Kreyssig's Schal- ud
Übersetzungebuch endlich einmal so umgearbeitet werden möchte,
dass ea auch den Anforderungen der Wissenschaft entspreche,
ist durch die verdienstvolle Thätigkeit der Herren A. Kressner
und J. Sarrazin nun in Erfüllung gegangen. Der erste Band,
die französische Litteratur his Malherbe behandelnd, ist bereib
mehrfach und in dieser Zeitschrift auch sachlich und parteilos be-
sprochen, worden; hier haben wir uns nur dem zweiten Bande,
dessen Verfasser der durch gediegene wissenschaftliche Arbeiten,
wie durch geistvolle Essays allgemein bekannte J. Sarrazin ist,
zuzuwenden. In seinem Verhalten der Kreyssig'schen Vorlage
gegenüber hat S. zu gleicher Zeit die Pflichten der Pietät and
die des Forschers gewahrt, er hat von den alteren Auflagen das
benutzt, was gut nnd haltbar war, aber umgestaltet, was der
Htfhe des augenblicklichen Wissensstandes nicht entsprach. Wenn
man Kreyssig's unangenehme Gewohnheit, die neuen Auflagen
nur zu Wiederabdrucken der alten zu machen und auch das
stehen zn lassen, was längst veraltet nnd widerlegt war, kennt,
so wird man die Mühe nnd Sorgfalt des Herrn Verfassers in
würdigen wissen. Völlig selbständig ist die Litteratur des 19.
Jahrhunderte bebandelt, hier hat Kr. nur unvollständige Zahlen
und BUchertitel, daher sind die ca. 12 Seiten der alten Dar-
stellung auf beinahe 200 erweitert worden. Besonders dankens-
wert sind die Schilderungen des letzten Abschnitts: „Das Zeit-
alter des Naturalismus", sowohl durch ihre Objektivität, wie
bibliographische Vollständigkeit und übersichtliche Gruppierung.
U. Breitinger, Die Grundzüge der französischen Litteratur etc. 93
Bier finden wir Zusammenstellungen, wie sie keine der Litteratur-
geschichten bei uns aufzuweisen hat. Aber auch in der Schil-
derang des XVI., XVII. and XVIII. Jahrhunderts hat S. stets
die neueste Litteratur sorgfältig and eingehend benatzt and seine
reichen bibliographischen Angaben sind nicht bloss eine
ausschmückende Zierde oder, wie bei dem ungenauen, oberfläch-
lichen Kreyssig, eine leicht wiegende Zugabe, sondern ein un-
entbehrliches Hilfsmittel des eigenen Studiums. Neben grösseren
Werken sind auch gediegene Zeitschriften-Artikel, besonders die
in der Zeitschrift für französische Sprache und Litteratur, mit
wohlüberlegter Auswahl benutzt worden. So kann das vorliegende
Bach nicht nur für die „ wahrhaft Gebildeten u eine reiche Quelle
der Belehrung werden, sondern auch ein „kundiger Führer der
Handelte von Studierenden a, welche, wie S. mit Recht hervorhebt,
„während ihrer Hochschulzeit keine (oder doch zu wenig) Gelegen-
heit haben, zusammenhängende Vorlesungen über die neuere and
neueste Litteratur der Franzosen zu hören0. Das Werk muss
trotz der Beziehung zu Kreyssig als eine durchaus selbständige,
neue und gediegene Arbeit betrachtet werden und verdient seinen
Ehrenplatz in Schul-, Haus- und Universitätsbibliotheken.
Im Einzelnen haben wir nur wenig auszustellen. S. 57
taucht Moliere's Mitreise nach Narbonne als Ludwig' 8 XIV.
Kammerdiener wieder auf; S. 161 wird Mirabeau's Vater, der
Menschenfreund, einfach als „sittenlos" getadelt, während er eher
besser, als schlechter, wie seine Standesgenossen war (vergl.
Alfred Stern, Das Leben Mirabeau's, Berlin, 1889, I, 2); S. 389
A. wird G. Brandes Rundschau- Artikel über Zola als „das
neueste und beste" über den Führer der naturalistischen Schule
bezeichnet, während doch diese Leistung, wie die anderen Ar-
beiten des in gewissen litterarischen Kreisen verhimmelten Dänen
einen oberflächlich journalistischen Charakter trägt.
R. Mahrenholtz.
Breitinger, H., Die Grundzüge der französischen Litteratur- und
Sprachgeschichte. Mit Anmerkungen zum Übersetzen ins
Französische. Sechste durchgesehene Auflage. Zürich,
1889. Fr. Schulthess. VIH, 108 S. 8°. Preis 1,80 Mk.
Breitinger's Grundzüge sollen vor allem ein Übersetzungs-
buch für Vorgerücktere sein, wie es Kreyssig bis zur 5. Auflage
war. Im Verlaufe der Jahre hat sich die Darstellung, welche „mehr
zu berichten, als zu richten, mehr zu erzählen, als zu betrachten a
sich bemüht, sachlich immer mehr vervollkommnet Es wäre
94 Referate und Rezensionen. J. Sarrazin,
ungerecht, hu ein Büchlein dieses knappen Umfange mit hohen
Forderungen heranzutreten, zumal Jemand, der die französische
Li tter&turent Wickelung näher kennen lernen will, sicherlich einen
ans fuhrlicheren Leitfaden in die Hand nimmt. Dann fragt ei
sich aber, wozu bibliographische Fingerzeige in dieser
Gestalt nützen sollen: „Studien Über das XVII. Jahrhundert von
Livet, Demogeot {Tableau etc. 1600—1640), Vinet, Raniberl,
Cousin, Taine, Deapois, Sainte - Beuve , Lotheissen, HahrenhoHi
(Moliere), Walkenaer (Sevigne, Lafontaine), Tascherean" u. a. w.
Was soll der Leser mit diesen dnrcheinanderge würfelten Namen?
In der Darstellung selbst sind die allgemeinen Einleitungen
wohl das wertvollste. Aber auch innerhalb der einzelnen Abschnitte
versteht es Br. meisterlich, in wenigen Worten sehr viel a
sagen und die zahlreichen Nullitäten, die in Litte raturge schichten
immer noch Platz finden, kurz abzuthun. Aber bis auf die
neueste Zeit ergänzt ist das Buch leider nicht. Victor
Hugo scheint z. B. noch als lebend zu gelten. Wenigstens steht
S. 80—83 keine Todesangabe and kein Todesjahr; andern hört
mit L'annte terrible die Aufzählung seiner Werke anf. Die
Chronologie zu Victor Hugo hätte auch aus Hartmann's Zeittafel,
die schon vor ä'/g Jahren bekannt wurde, mehrfach berichtigt
werden können: die Ödes et Ballade« wurden erst 1826 Ter
üffentlicht, die Feuilles d'Automne schon 1831 etc.
Dass das Buch Breitinger's in der neuen „durchgesehenen"
Auflage die Litteraturentwickelung der letzten zwanzig Jahre
völlig ignoriert, geht nicht bloss daraus hervor, dass Namen
wie Sully-Pradhomme, Pailleron, Banville, Richepin, Ohnet, Bonrget
und andere fehlen, sondern besonders aus der Art, wie spätere
Werke der unter dem Kaiserreich bereits blühenden Schriftsteller
erwähnt werden. Dass Victor Hugo noch zu leben scheint, hat
Referent schon erwähnt; dasselbe Schicksal scheinen Thiern,
Mignet, Henri Martin und Laprade zu teilen, da nur ihr Geburts-
jahr angegeben ist, wie bereits in der 2. Auflage. Angier, der
übrigens S. 91 vor seinem Vorbild Ponsard den Vortritt erhält,
scbliesst schon mit Lc File de Giboyer (1862, nicht 1864, S. 101).
Cherbuliez hört schon mit dem Jahr 1869 auf, also zn einer Zeit,
da seine Laufbahn eigentlich recht beginnt. Daudet schliefst
mit 1674, Sardon und Dumas fils mit 1871 u. s. w. Unter den
Jahreszahlen bedürfen einige der Berichtigung. Michelet lebte
nicht 1847 — 1873 (S. 93), sondern 1798—1874; Le» Meistnieiaut
erschienen nicht 1815 und 1828, sondern 1818 und 1826 (S. 74).
Verdruckt ist das Todesjahr von Geruzez (1895 für 1865, 8.93),
das AuffUhrangBJahr von Le» Effrvntcs (1893 für 1861, 8. 101),
von Le Fils de Giboyer (1864 für 1862, ebenda). Falsch wird
0 ^^
D. Bonnefan, Les Ecrivains modernes de la France etc. 95
Vaperaw statt Vapereau gedruckt S. 97 und 106. Unbedeutende
Druckfehler finden sich sonst S. 81 u. 82. PrSface du OromweU1);
ferner 8. 95; 96, 97, 104, 105.
Es ist schade um das brauchbare und vielverbreitete Buch,
dass diese neueste Auflage nicht gründlicher durchgesehen werden
konnte. [Dass Breitinger leider inzwischen verstorben, erfuhr
Referent erst, nachdem diese Anzeige (Sommer 1889) vollendet war.]
J. Sarrazin.
Bonne fon, D., Les Ecrivains modernes de la France, ou Biogra-
phie des principaux Ecrivains francais depuis le premier
Empire jusqu'ä nos jours, avec une analyse, une appri-
ciation et des eitations de leurs chefs-d'ceuvre. Ouvrage
destini ä faire suite aux Ecrivains dUbres, ä Vusage
des Etablissements ctinstruction publique. Quatrieme
idition, revue} corrigee, et accompagnee de risumis
synoptiques. — Paris, 1888. Fischbacher. 584 S. 8°.
Preis 4 Fr.
Dieses Buch mit langer Überschrift verspricht sehr viel,
hält aber lange nicht alles, obwohl die vierte Auflage bereits
vorliegt Vor allem fehlt die Verwirklichung des Versprechens
jusquä nos jours. Der Verfasser giebt von jedem Schriftsteller
eine Lebensskizze, hierauf die Hauptwerke mit Inhaltsangaben
und den hervorragendsten Stellen. Seine Gewährsmänner, die
er einfach ausschreibt und meist auch in Klammern nennt,
sind Vapereau, Larousse, Palissot, Sainte-Beuve, Nettement, Nisard,
Scherer u. a. Dadurch gewinnt das Werk ein ziemlich bunt-
scheckiges Ansehen; es ist mehr mit der steal-pen, als mit eigener
steel'pen geschrieben. Aber immerhin ist es besonders in der
ersten Hälfte mit Geschick kompiliert, wenn man über Ungleich-
mässigkeiten hinwegzieht : Fontane's Leben wird z. B. auf 7 Seiten
erzählt, weil Sainte-Beuve dasselbe ausführlich behandelt hat, und
dergleichen mehr.
Bonnefon teilt die Litteratur des XIX. Jahrhunderts in vier
Abschnitten ein : 1) Kaiserreich, 2) Restauration, 3) Juliregierung,
4) Zeitgenössische Litteratur. Die strenge Durchführung dieser
Teilung hat den Nachteil, dass kein vollständiges Bild lang-
lebiger Schriftsteller zustande kommt, namentlich bei Victor Hugo.
*) In der in meinem Besitz befindlichen Originalausgabe mit
eigenhändiger Widmung Hugo's an Marie Dorval trägt das 64 Seiten
lange Vorwort überhaupt keinen Titel, so dass obige Bezeichnung
(dn) von Br. zugesetzt sein mnss.
Referate und Reienxwiuw. J. Frank,
Ferner hätte Abschnitt 4 in zwei Teile zerlegt werden sollen, da
die Litteratur seit dem Kriegsjahr 1870 — 71 eine völlig andere
geworden ist, und sogar in neuester Zeit wieder neue Strömungen
sieh geltend machen.
Ist schon bei der Einteilung eine Vernachlässigung der
Schriftwerke der letzten zwei Jahrzehute sichtbar, so treten Im
aufmerksamem Durchlesen des Abschnitts La Litterahire
poraine de 1848 il 1884 noch erheblichere Mängel zu Tage.
Wie wenig die Gruppierung bereits in den frlihereu Abschnitten
Übersichtlich und logisch ist, mag daraus hervorgehen, dass
Theophile (lautier mitten zwischen Gozlan, Cb. de Bernard, P. de
Kock, P. Feval und anderen Grössen dritten Ranges steckt,
statt unter deu Romantikern, dass ferner Mcrimee vor Beyle-
Stendhal eingereiht ist u. a. m. Im vierten Abschnitt sind dauu
Auswahl und Gruppierung völlig willkürlich. Wenigstens hätten
Th. de Banville und andere Parnassiem — von Riciiepin und
Baudelaire ganz zu schweigen — mit gleichem Recht eine
Stelle unter den neueren Lyrikern verdient, wie der Pastor
Louis Tournier. Beim Drama hört die Darstellung mit Augier
auf, so daBS Pailleron- und das heitere LuBtspiel verschwiegen
bleiben. Die Philosophie hebt mit Littre an und schweigt von
Comte, dem Schöpfer des Positivismus; den 8. 548 ff. behandeltet!
Kritikern hätte mindestens Sarcey beigefügt werden sollen, viel-
leicht auch Brunetierc, Lemaitre u. a. Die Unvollständigkeit in
der Darstellung des Klimans geht schon daraus hervor, dass Zola
in dem 1888 gedruckten Buche die Reihe abscbliesst. Von Zola's
Hauptwerken ist kein Wort gesagt, als: „Enfin il evtreprit tarn
qui devait soulever tant de clametirs . . . 'LeB Rougon - Maqtli
(nie!), qui a pour sous-titre, 'Ifixtoire naturelle et sociale d'
famille nous le xecond Empire'". Es folgt alsdann ein kurzer Ab-
schnitt aus Sarcey, und damit sciiliesst diese „bis auf unsere Tage"
fortgeführte Litt eraturdarst eilung. Ein Nachweis von der Unvoll-
ständigkeit bei allen Schriftstellern kann hier nicht gegeben
werden. Es genügt wohl, wenn man noch erwähnt, dass Jules
Simon's Werke mit dem Jahre 1879 aufhören, diejenigen Caro'a
schon 1804; von Taine's grossartigem Kulturgeschichtswcrk
Leu Origines de la Socittt contemporaine ist ebensowenig die
Rede, als von dem, was Renan seit 1873 hervorbrachte. Sardou
geht schon mit Pabagas und Patrie zu Ende, Augier mit Paul
Forestier. Von den neuen Uauptdramen des letzteren ist Über-
haupt fast nicht die Rede: Augier muss im Andenken der Leser
Bonncfon's als ein Nachtreter Ponsard's fortleben! Was Victor
de Laprade seit 1845 und was Leconte de Lisle seit L8H;
dichtete, bleibt ihnen verhüllt. Kein Wort von deu Symplk
»la's
mm
mit
E. D.„,
, Zur Chronologie dir llram.
Jean d? Mnircl':
von Per nette, von den Poemen civiqu&i. Das reicht wulil zur
Charakteristik des Zusatzes yjuxqua non joursa hin.
Ausserdem krankt das Buch an zahlreichen Nachlässig-
keiten, die mit wenigen Federstrichen zu beseitigen gewesen
wären. Von Hugo's Tod steht nirgends etwas. Joseph Antra«,
seit zwölf Jahren tot, gilt S. 514 wohl noch als lebend, Paul
Feval ebenso, vielleicht noch andere Schriftsteller. Die einzelnen
Jahreszahlen sind nicht überall zuverlässig. Den Romandichter
Eugene Sue lässt der Verfasser schon 1811, Henri Martin aber
erst 1818 zur Welt kommen, Leconte de Lisle wird erst 1820 ge-
boren, statt am 23. Oktober I 818 ; Barbier stirbt bereitB 1852 etc.
Die plusieurs anne'eg, seit denen A. Karr sich nach Nizza zurück-
gezogen hat, sind ein reichliches Menschenalter. Eine ähnliche
Nachlässigkeit ist es, wenn Soulie bei seinem Tod als vierzigjährig
betrauert wird und 8. 492 die wichtige Lesung 1800—47 da-
steht; ebenso weun bei Balzac richtig 1799—1850 stellt und es
bei seinem Tode heisst: il Fdge de 49 ans. Die Jahreszahlen
für einzelne Werke konnte Referent selbstverständlich nicht alle
nachprüfen. Aufgefallen ist ihm, dass Henri Martin schon 1836
seine ffist-nre de France beendet haben, dass Lomenie's Studie
über Beaumarchais erst 1865 erschienen sein soll. Ob es Druck-
verseben ist, wenn Toepffer standhaft Topffcr heisBt und dergl.
mehr, ist hei der Schwere der bereits erwähnten Nachlässig-
keiten am Ende gleiebgiltig.
Referent hat wohl durch die obige Blumenlesc bewiesen,
dass Bonncfon's Handbuch für die Zeit bis zum zweiten Kaiser-
reich allenfalls eine nützliche Zusammenstellung der Auffassungen
zahlreicher Literaturkritiker bietet, dass es aber fUr die letzten
zwanzig Jahre sehr lückenhaft und ausserdem ziemlich nachlässig
gearbeitet ist. Mette* ootre livre ä jour, mon eher monrieur.
J. Sarrazin.
iimheUsei', Ernst, Zur Chronologie der Dramen Jean de Mairet's.
In: Romanische Forschungen. V. Bd., 1. Heft. Erlangen
und Leipzig, 1889. Andreas Deichert's Verlagsbuch-
handlung Nachf. (Georg Böhme).
ri.1
Dieser, beiläufig gesagt, als Beitrag einer zum 70, Geburts-
lage Konrad Hofmann's herausgegebenen Festschrift erschienene
AufBalz bildet den zweiten Teil der von dem Ref. (Zeittdtrifi
f. fr:. Spr. u. Litt. XI8) angezeigten Studien zu Jean de Mairet's
!..!,. -ii und Wirken desselben Autors. Wenn der erste Teil die
L'nhaltbarkeit der bisher als richtig angesehenen und auch in den
Zwhr. f. fti Spr. d. Litt. 111*. ■
98 Referate und Rez.nsioatH. J. Frank,
selbständigeren Litte raturge schichten immer wiederkehrenden An-
gaben über die Abfassungszeit der Mairet'schen Dramen, wie lie
besondere Parfaici aufstellte, unwiderleglich nachwies, so stellt
sieb dieser zweite Teil die Aufgabe, hierfür die richtigen Zahlen
zn ermitteln. Wir können auch diesmal dem Verfasser nach-
rühmen, dass er an die Lösung der in Rede stehenden Fragen
mit aller nur wünschens werten Gewissenhaftigkeit and Akribie
gegangen ist und dass man den von ihm gewonnenen Resultaten
in den allermeisten Fällen wird beipflichten müssen. Besonder)
angenehm tritt die durchdringende Art und der Scharfsinn her
vor, mit der er das gesamte Beweismaterial nach allen Richtungen
durchforscht und für die beabsichtigten Zwecke ausgebeutet hat.
Etwas störend hingegen macht sieb die Manier des Herrn Verfasser«
fühlbar, neben den kräftigen und zwingenden Argumenten auch
noch solche ins Treffen zu führen, die uns zuweilen recht an-
fechtbar erscheinen und die unserem Gefühle nach, anstatt die
Hauptbeweise zu stützen, ihrer überzeugenden Kraft eher Abbrach
thun können. Es hängt dieser Fehler sichtlich mit dem Bestreben
zusammen, auch nicht einen Splitter, der bei der forschenden nitd
kritischen Arbeit abgefallen ist, dem Leser verloren gehen n
lassen, eine Methode, die uns aber eher von der Vorliebe, seinen
Geist spielen zu lassen, eingegeben erscheint, als sie der Klar-
heit der Darstellung zu dienen geeignet ist.
Wir wollen nun nach dieser allgemeinen Würdigung von
Herrn Danuheisser's sehr verdienstlicher Arbeit die wichtigsten
Ergebnisse derselben in gedrängter Kürze wiedergeben. Es ist
nunmehr vollkommen sichergestellt, dass Malret ans Eitelkeit,
um als frühreifes Genie zu gelten, fälschlich das Jahr 1610 als
sein Geburtsjahr angab, während er, wie dies aus dem von Prof.
Tivier in den Zivilstandsregistern der St. Peter-Pfarrei gefundenes
Schriftstücke unwiderleglich hervorgeht, thatsachlich am 10. Mai
1604 getauft wurde. Auch Parfaict kanute aus einer ihm vom
Neffen des Dichters übermittelten Familie iidenkschrift das richtige
Geburtsjahr 1604. Er war aber merkwürdigerweise kurzsichtig
genug, daraus nicht die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Er
meinte nämlich, auch Mairet's Angaben über die Abfassungszeit
seiner Dramen mllssten, nachdem derselbe sich einmal als unglaub-
würdig erwiesen, in der Weise richtig gestellt werden, dass man
sie wie das von Mairet angegebene Geburtsjahr um sechs Jahre
zurllck verlege. Dadurch gelangte er zu unmöglichen Resultaten.
Überdies erreichte Mairet gerade bei diesem Vorgange seinen
lügnerischen Zweck, die Nachwelt glauben zu machen, als babe
er schon in so frühen Jahren als dramatischer Autor geglänzt
Wenn Mairet z. B. behauptet, er habe seine Sylvia im Alter von
R. Dannheisser, Zur Chronologie der Dramen Jean de MaireCs. 99
17 Jahren geschrieben, so meinte Parfaict in die Wahrheit dieser
Behauptung keinen Zweifel setzen zu dürfen und gewann daher
dem rektifizierten Geburtsjahr 1604 zufolge als Abfassungszeit
für die Sylvie das Jahr 1621. Es entging ihm dabei die doch so
naheliegende Erwägung, dass Mairet es wohl wagen konnte, seinen
Zeitgenossen einzureden, er sei 1610 geboren und habe im Alter
von 17 Jahren sein erstes Drama vollendet, dass es ihm aber nicht
beikommen konnte, der Mitwelt vorzuspiegeln, er habe dieses Stück
im Jahre 1621 fertig gebracht, da sich doch viele noch an das
richtige Datum 1626 erinnern mussten. Es fiel ihm nicht auf,
dass es doch zu ungeheuerlich sei, dass Mairet im Alter von
11 Jahren sein zweites oder gar im Alter von 10 Jahren sein erstes
Drama Chrisiide et Arimant (Parfaict lässt ihn nämlich ersteres
im Jahre 1621, letzteres im Jahre 1620 vollenden) beendet
haben könne. So monströse Dinge wagte nicht einmal Mairet
selbst, der eben mit Geschick zu lügen verstand, jemandem
aufbinden zu wollen. Parfaict ging eben von ganz verkehrten Vor-
aussetzungen aus und verkannte Mairet's Tendenzen vollends.
Mairet hatte nämlich gar kein Interesse daran, die Welt über
das Jahr der Abfassung seiner 8tücke zu täuschen; es lag ihm
vielmehr lediglich daran, das wahre Alter zu verbergen,
in dem er damals gestanden sei. Und zu diesem Zwecke
hatte er es ja gar nicht nötig, alle Daten über die Vollendungszeit
dieser Stücke zu fälschen, sondern er erreichte seinen Zweck am
sichersten und leichtesten, wenn er ein für allemal das Jahr 1610
(anstatt des richtigen 1604) als sein Geburtsjahr bezeichnete. Dieses
unseres Erachtens doch vollkommen überzeugende Raisonnement
genügt vollständig, um zu beweisen, dass die von Parfaict
herausgebrachten Abfassnngsjahre der Mairet' sehen Dramen falsch
sein müssen und es heisst offene Thüren einrennen, wenn Dann-
heisser überdies bei jedem einzelnen Drama die Haltlosigkeit der
Parfaict'schen Angaben durch einen umständlichen Beweisapparat
zu erschüttern sucht. Dagegen wird es stets ein Verdienst Dann-
heisser's bleiben, dass er nicht nur den Grundirrtum Parfaict's
richtig erkannt und auseinandergesetzt hat, sondern auch mit
aus den verschiedensten Quellen entnommenen Belegen nachge-
wiesen hat, man gelange mit geringen Abweichungen fast immer
zu richtigen Zahlen, wenn man die betreffenden Altersangaben
Mairet's zur Zeit der Abfassung mit dem falschen Geburtsjahre
1610 als Ausgangspunkt rechnet.
Ein näheres Eingehen in die quellenmässigen Nachweise würde
uns zu weit führen und läge auch ausserhalb des Zweckes dieser
Besprechung. Dagegen wollen wir die zusammenstellende Tabelle,
wie sie Dannheisser in seinem Aufsatze gibt, hier reproduzieren:
7*
102 JitfvmU- «tut Rez,
faUe au XVII' sircle. Endlich mnss es auffallen, dass die be-
rühmte Einleitung Despois', die Ausgabe Livet's (um von siidetin
Werken zu schweigen) uit-iit benutzt sind, da sie doch schlechter-
dings fllr jeden Molieristen zum Handwerkszeug gehören. &bon
die Lücken- und Mangelhaftigkeit der benutzten Quellen lis«
von dieser Einleitung nichts Gutes erwarten, aber wären die
wenigen Werke wirklich ausgenutzt worden, so hätte doch et-
was Besä eres zu Luide kommen müssen. Ich habe schon sehr
viele Einleitungen zu den Prer. rid. gelesen (auch selber eine
solche geschrieben), aber ieh kann mich nicht entsinnen eine ge-
funden zu haben, welche die Sache so oberflächlich, in so allge-
meinen Phrasen, so farblos und langweilig darstellt, dabei eiie
solche Menge von Fehlern und Irrtümern nicht vermeidet, wie die
vorliegende. Ich will nur die Hauptsachen anfuhren, damit die-
selben bei zweiter Auflage verbessert werden.
Auf den Stil der Einleitung will ich weiter nicht eingehet,
der Beginn derselben möge als Probe aatiir dienen:
„Wie in Deutschland nach dem dreißigjährigen Kriege
Poesie zunächst nur von den Gelehrten und einigen ihnen naht
stehenden Vornehmen getrieben wird, so kann eine ähnliche Eut-
wickelnng schon früher in Italien und Spanien beobachtet werden.
Unter dem Einflüsse der beiden Nachbarländer [genannt sind
drei!] setzt sie sich auch in Frankreich fort und nimmt hier
einen etwas anderen Charakter an durch die grosse Rolle, weicht
gelehrte Frauen, namentlich solche aus den höchsten Kreisen,
dabei spielen. In Frankreich knüpft diese Bewegung [was für
eine?] unmittelbar an die Wirren der Religionskriege au" u. s. w.
Wer das versteht, muss anders geartet sein, als ich, denn ich
verstehe es nicht. Von irgend welcher logischen Anordnung des
Stoffes habe ich nichts bemerkt. Von Heinrich IV. und Ludwig XIII.
kommt der Verfasser darauf zu sprechen, d aas Frauen „gleichsam
Schule des feinen Tones und des guten Geschmacks hielten",
sich masslus huldigen Hessen ohne Nutzen davon zu haben, in
Prüderie verfielen und Einfiuss auf die französische Lit terato
der ersten Hälfte des Jahrhunderts übten. Dann wird in ganz
allgemeinen Ausdrucken von der Marquise de Rambouillet, samt
ihren Töchtern, von Mm" de Sevigne, M"* de Scudery, Voiture,
Balzac, wiederum von der Marquise, von Ricbelien n. A., dann
wieder von der Scudery, von der preziösen Sprache etc. ge-
handelt. Die einzelnen Bilder sind ausserdem in so allgemeinen
Umrissen, sc wenig lebendig und so dürftig entworfen, dass
man es danach nicht verstehen kann, wie Moliere sich so über
die Sache ereifern nnd so grossen Ruhm ernten konnte. Ausser
der Marquise werden nur deren beide Töchter Julie und Auge-
Mottete, Les Precieuses ridicules. Herausgeg. v. P. Goldschmidt. 103
lique, die Sävignö, die Scudery, Voiture, Balzac, Richelieu, de Retz
genannt, von preziösen Erzeugnissen der Grand Cyrus, die Cl£lie>
die Werke Voiture's und Balzac's, von Satiren auf den preziösen
Unfug nur Scarron's. Und dabei werden alle preziösen Er-
scheinungen kritiklos zusammengeworfen, als ob die Rambouillet
mit den fausses precieuses überhaupt etwas gemein hätte.
Im Einzelnen ist folgendes zu bemerken. Der Verfasser
behauptet, die Marquise de Rambouillet habe ein halbes Jahr-
hundert hindurch im Mittelpunkt eines schöngeistigen und ein-
flussreichen Kreises gestanden. Aber vor 1613 ist das Bestehen
der illustren Gesellschaft noch nicht nachgewiesen und faktisch
bestand dieselbe nur bis 1648 (Voiture f). — Die Genossen
derselben sollen sich selbst Pricieux und Pricieuses genannt haben;
doch ist das Vorkommen der Bezeichnung Pricieuse schwerlich
vor 1652 zu erweisen. Larroumet ist zwar der Ansicht, dieselbe
sei unmittelbar nach dem westfälischen Frieden entstanden, aber
ohne einen Beweis zu bringen, auch war die Marquise 1648 schon
nicht mehr Mittelpunkt des litterarischen Strebens. — Verf. läset
die Scudery im Jahre 1607 geboren werden; nach dem von ihm
benutzten Werke Rathery's (S. 4 Anm. 2) ward sie am 1. De-
zember 1608 getauft, also auch nicht viel früher geboren. —
Verf. stellt die Sache so dar, als ob die Scudery dauernd zum
Kreise der Marquise gehört hat. Dem ist nach Rathery nicht
so ; sie ging 1644 mit ihrem Bruder nach Marseille und als sie
1647 zurückkehrte, ist sie wahrscheinlich nicht wieder in diese
Gesellschaft eingetreten (vgl. Rathery S. 43). — Von Balzac
heisst es, er habe später nur noch brieflich mit der galanten
Weit der Schöngeister verkehrt. Das erregt die Meinung, als
sei er früher in persönlichem Verkehr mit der Marquise und
ihrem Kreise gewesen; das ist aber nicht richtig, er hat die
Marquise nach Tallemant's Zeugnis (IV, 94) niemals gesehen. —
Dass Moliere, als er nach Paris zurückkehrte, bei der Marquise
eingeführt wurde, ist nicht zu erweisen. — Dass man aus
Catherine das Anagramm Arthenice machte, ist unglücklich aus-
gedrückt, da man doch weiss, dass dieser „man" Malherbe
hiess. — Dass die thörichte metaphorische Redeweise der
fausses pricieuses in Litteraturwerken ernsthafte Anwendung ge-
funden hat, muss so lange falsch genannt werden, bis der Beweis
dafür erbracht ist. — Woher der Verfasser weiss, dass die
Pric rid. am 7. Dezember 1659 zweimal aufgeführt werden
mua8ten, ist ganz unerfindlich.
Der Kommentar ist dürftig und nicht geeignet das Ver-
ständnis zu beleben, zu vertiefen. Dass die Clttie nicht nur
zwei sehr starke Bände füllte, sondern zehn mit je über 800
104 Referat* mi Rezensionen. »'. kuärieh,
Seiten, das rausste der Verf. wissen. Den Ausdruck träne a
trois poits auf die alte Weise (Bartupitzen) zu erklären, ist
gegenüber iU-d gewichtigen französischen Autoritäten und dm
Überzeugenden Beweisen dagegen ganz zu verwerfen.
Die Ausgabe bezeichnet gegen Fritsclie's und Scheffler'i
Ausgaben einen entschiedenen Rückschritt und ist nicht zn em-
pfehlen. W. Knöbich.
Crane, T. F., A. M., Professor of the liomance Lauguagcs in
Comell Universiry. La Hortete franeatee au dtx-
septivme sierfe. An aeeovtit of French Society h
the X Vi/n* Century, from contemporary icriters. Editd
for the use of schools and Colleges, with an intriHliieliun
aori notes. New York and London, 1889. G. P. Pot-
nani's onus. LVI1 und 342 S. io~- Preis; gebunden
Dollar 1,50.
Der Verfasser hat einen glücklichen Griff gethait, indem ei
aus der Litteratur des XVII. Jahrhunderts eine grössere Anzahl
auch umfangreicherer Stücke auswählte und zu einem hübschen
Bändchen vereinigte, welche geeignet Bind, eine ziemlich gründ-
liche Anschauung von dem Wesen und den Zielen der jeaeiD
Zeitalter so eigenen Damenzirkel sich zu erwerben. Was man
sonst aus den verschiedensten und zum Teil schwer zugänglichen
Werken sich zusammenholen muss, findet man hier bequem bei
einander und mit gründlichen Erklärungen versehen. Die Lesung
des Bändchens wird die Kenntnis des geistigen und gesellschaft-
lichen Lebens jener Zeit im allgemeinen fördern, im besondem
aber das Verständnis der betreffenden Moli ere' sehen Werke in
einem Grade erschliessen, wie es eine kommentierte Ausgabe
nur dann zu leisten vermag, wenn selbige den Raum weit über-
schreiten darf, der sonst den Erläuterungen gewöhnlich zuge-
billigt wird. Den Bedürfnissen des Studenten, Lehrers, nnd
Litteraturfreundes kommt diese Sammlung fördernd entgegen und
wird demselben auch meistens genügen.
Das Werk beginnt mit einer einleitenden geschichtlichen
Übersiebt, in welcher ausgehend von den italienisch - spanischen
Litteratureinflüssen (wie bei Cousin, Jeunesse de Mm''- de Longut-
rnlle S. 125), Über das Hotel de Rambouillet, den Samedi der
MUe de Scudery, die dort verkehrenden Personen, sowie über
andere Zirkel, und über die PreziÖsen im engeren Sinne berichtet
wird. Diese Abhandlung ist klar, übersichtlich und Hast nichts
unberührt, was notwendig ist um die nachfolgenden Stücke in
T. F. Crane, La Socieie franqaise au dix-septiemc stiele. 105
ihrem Zusammenhange mit den gesamten Bestrebungen verstehen
xu können. Hieran schliesst sich eine geordnete Aufzählung und
kurze Würdigung der bei weiterem Studium zu Rate zu ziehenden
Werke. Lobend anzuerkennen ist es (gegenüber der Einseitigkeit
der meisten französischen Werke), dass der Verf. die deutschen
Arbeiten auf diesem Forschungsgebiet eingehend benutzt hat, so
H. Koerting's Geschichte des franz. Romans im XVII. Jahrh.,
Morf's Aufsatz Zur Beurteilung Somaizes in der Zeitschr. (IV, 213),
Mahrenholtz' Moliere's Leben und Werke etc., Mätzner's Franz.
Syntax u. a. — Der Hauptteil des Werkes, neunundzwanzig meist
längere Abschnitte aus französischen SchriftsteHern(innen), umfasst
262 Seiten, die erläuternden Noten 74 Seiten. Beigefügt ist
noch eine sehr gute Nachbildung der Carte de Tendre.
Im einzelnen möchte ich mir folgende Bemerkungen erlauben:
Zu S. XVII. Die Zusammenkünfte bei der Marquise de Rambouillet
begannen nicht erst nach dem Neubau des Palastes im Jahre
1617, wie der Verf. behauptet; dieselben sind schon für das
Jahr 1613 durch Malherbe's Brief an Peiresc vom 6. September
1613 nachgewiesen (vgl. Tallemant, Historiettesy ed. Paris II, 506)
und haben in den ersten Anfängen ohne Zweifel noch viel früher
bestanden; nach dem Neubau nahmen sie allerdings einen grösseren
Umfang an. — Zu S. XVIII. Die Einteilung der Geschichte des
Hotel de Rambouillet in drei Perioden 1617—C.1629 — 1640— 1665,
wie sie Larroumet in seiner Ausgabe der Prtcieuses ridicules gibt,
hätte der Verf. nicht annehmen sollen ohne die Berechtigung
derselben näher zu prüfen. Mir scheint dieselbe verfehlt. Die
Zeit bis 1628 ist ein durch Malherbe's Tod bezeichneter Ab-
schnitt, es ist die Zeit, in welcher die Marquise im innigen Ver-
kehr mit einem allmählich sich erweiternden Freundeskreise sich
zu der Höhe heranbildete, weiche ihren Zeitgenossen so grosse
Ehrfurcht einflösste, wo sie Malherbe's Schülerin war und den-
selben in seinen sprachreformatorischen Bestrebungen eifrig för-
derte. Warum das Jahr 1640 als zweiter Epoche machender
Wendepunkt angenommen wird, ist nicht zu ersehen. Besser
wäre es gewesen, bis zum Jahr 1 645 (Verheiratung Julie's) oder
1648 (Tod Voiture's) die zweite Periode zu rechnen. Diese Zeit
umfasst die ruhmreichen Jahre der höchsten Blüte und des
schnellen Niederganges. Eine dritte Periode anzunehmen, möchte
ich für verfehlt halten, da die 1648 eintretenden Frondeunruhen
(neben anderen Ursachen) den Kreis der dort sich Versammelnden
völlig auflösten; scheint doch auch Mlle de Scudery, als sie im
Spätsommer 1647 nach dreijährigem Aufenthalte in Marseille zur
Hauptstadt zurückkehrte, nicht mehr die Sitzungen in der Chambre
bleue aufgesucht zu haben (vgl. Rathery S. 43). — Zu S. XXXV.
RifcUt
vi Suo»
ich. ff", h'nörich,
Der Verf. hätte die Grunde wenigstens andeuten mllssen, «ai
denen er die Älmahide (1660) fUr ein Werk der M"° de Scudery
hält, was noeli gar uiclit entschieden tut (Vgl. lUthiry S. 49;. —
Zu S. XL1X. In betreff der Frage, welche Vorbilder Moliere in
Madelon und Cathos verspottet habe, schlieest sich der Verfasser
der Ansicht DespoiB' (CEuvre* de Moliire II, 4) an und verspricht
die Gründe, welche ihn dazu bewegen, in seiner demnächst er-
scheinenden Ausgabe der betreffenden Komödie au entwickeln.
Ich bedauere, dass er die Gründe nicht schon jetzt angedeutet
hat. Da ich hoffe, dass dem Verf. diese wohlgemeinten Zeilen
nicht unbekannt bleiben werden, will ich ihm ein Bedenken gegen
Deepois' Beweisführung nicht vorenthalten, welches ich in einer
besonderen Abhandlung weiter ausgeführt habe. DespoiB sagt:
Itien que Taüemant de* Reaux ait pritendu savoir que Mlu At
Rambouillet fut V original dont tiine de* Prfcieuies de Molürt
itait la copte. Die angezogene Stelle aus Tallemant (VII, 227)
besagt das gar nicht, was P. Paris, Despois u. v. a. naeh
ihnen herausgelesen haben; dieselbe lautet: quand M. de Liü?
bonne espousa feu M'" d'Estrees, qui estoä predeuse, on dii
de luy comme de Grignan, quand ü eapouaa M<" de Rambouillet,
un de» originavx de* Precieusea, qu'ü au ait fait de grandt
exploit» la nuict de leurs nopee*. Der Zusatz un de* originaux
de* Precieuxes ist auf die Pric. rid. Moltere's gedeutet worden;
ob aber mit Hecht, das scheint mir zweifelhaft, denn 1) gehl
aua der IIi*toriette nicht hervor, dass sie nach der Aufführung
(P. Paris nimmt an im Jahre 1660) verfasst sei, 2) kann der
Ausdruck auch besagen, dass Angelique d' Angemies ron den
PreziÖsen als Vorbild betrachtet nnd dass ihr nachgeahmt wurde
(was auch sonst bekannt ist), 3) ist es noch von niemand be-
hauptet worden, dass Moliere gerade die jüngste Tochter der
Harquise zur Zielscheibe seiner Witze genommen habe, 4) be-
ziehen sich die in der Historiette folgenden Worte der Harquise
de Grignan: pour remettre les Pi-eeieuse* en reputation, eilt ne
sgavoit plus quun moyen, c'entoit que M"' d'Aumale e*pou*a*i
Langey, zweifellos auf den Skandal, welchen der auf den voran-
gehenden Seiten berichtete Ehescbeidnngsprozess des Herrn von
Langey verursacht hatte. Jedenfalls bat Tallemant das nicht
gesagt, was Despois behauptet.
Die neunundzwanzig ausgewählten Abschnitte sind unter
vier Gesichtspunkten wie folgt geordnet:1) I. Hotel de Ram-
bouillet. 1) La marquise de Rambouillet et *a famäle (Talle-
t) Die Jahreszahl des ersten Druckes ist teilweise vom Bericht-
erstatter hinzugefugt worden.
T. F. Crane, La Sowie franqaise au auc-septieme siccle. 107
mant III), 2) Description de la marqirise de Rambouillet et de ses
flies (Grand Cyrus VII, 1653), 3) Description de Vhötel de Ram-
bouillet (Sauval), 4) LMtel de Ramb. (Duchesse de Montpellier,
Princesse de Paphlagonie, 1659), 5) La Guirlande de Julie (1641),
6) Trois leüres de Voiture, 7) Poisies de Voiture (ein Sonnet und
ein Rondeau), 8) Portraüs de M1* de Montpensier (1659), 9) De-
scription de tue de portraiture (Sorel, 1659). — IL 3f#e de
Scudery et les fem nie* savantes. 1) Mlu de Scudery
dehnte par ette-mhne (Grand Cyrus X), 2) Les ennemis de Mtu de
Scudery (ib.), 3) Ijss imitatrices de MIU de Scudery (ib.), 4) Les
ennemis de MUe de Scudery (ib.), 5) Les vraies savantes (ib.),
6) La journie des madrigaux suivie de la gazette de Tendre (1653),
7) La Carte de Tendre (Scudery, CUlie I, 1656), 8) La gazette
de Tendre. — III. Les Precieuses. 1) Les pricieuses dicrües
par tobte de Pure (1656), 2) Portrait des pricieuses (Mont-
pensier, 1659), 3) Le Cercle (Saint -Evremond, 1656), 4) Uns
visüe ä une pricieuse (Sorel, Francion, 1622), 5) Les pricieuses
de province (Chapelle et Bachaumont, 1656), 6) Une diclaration
(Ftechier, 1665). — IV. Les Regien de la Oivilite. 1) Les
lois de la galanterie (1644), 2) L'honnete komme ou Tart de plaire
ä la cour (Faret, 1630), 3) L'honnete femme (Du Bosc, 1632),
4) Nouceau traiti de civiliti (Courtin, 1670), 5) Vesprü de cour
(Ren6 Bary, 1662), 6) De la conversation (Mlle de Scudery, 1680).
Die Anordnung leidet an mehreren Mängeln. Die Beispiele
der Portraitlitteratur sind teilweise unter I., teilweise unter IN.
mitgeteilt. Die Portraits auf Rechnung des EStel de Rambouillet
eu setzen ist nicht richtig, da dieselben in dem Jahre 1657—59
entstanden, zu einer Zeit also, wo das Hotel de Rambouillet längst
aufgehört hatte, ein litterarischer Mittelpunkt zu sein. Mlle de
Montpensier gehört zu den vraies pricieuses. Im dritten Abschnitte
hätte die höchst wichtige und interessante Stelle aus Sorers
Francion an die Spitze gestellt werden müssen, da sie weit älter
ist als die übrigen Stücke. So, wie dieses Stück jetzt den
jüngeren eingereiht ist, muss es den Lesern die ganz irrige An-
sicht erwecken, dass Sorel dieselben Preziösen verspottet habe,
welche wir aus Moliere kennen, während er doch ein früheres
Stadium der Preziosität, wo auch der Name noch lange nicht
erfunden war, behandelt. Auf diese Stelle des Francion hat
meines Wissens zuerst H. Koerting in seiner Geschichte des franz.
Romans hingewiesen, dem Spotte Sorel's folgten bald Balzac,
Saint- Amant, Scarron u. a. Dies hätte der Kommentar klar legen
müssen. Auch im IV. Abschnitt wäre die chronologische An-
ordnung die richtigere gewesen. Zur Datierung des Esprit de
Cour von Ren6 Bary (warum der Verf. stets Barry schreibt,
108 Referate und Rezensionen. W. Knßrich,
weiBB ich nicht) ist zu bemerken: Ausser der vom Verf. benutzten
Ausgabe von 1665 (Amsterdam), welche derselbe für die älteste
halt, existiert eine vom Jahre L666 (Paris, Sercy) und eine dritte
von 1681, welche Livet benutzt hat. Nach dem Extrait du
PriviUge der Ausgabe von 1666, welche ich besitze, igt du
Privileg am 15. Dezember 1661 erteilt, die Eintragung in den
lAore de la Communaute im März 1662 erfolgt, der erste Druck
im Harz 1662 vollendet; es musB also eine noch filtere Ausgabe
als die genannten gegeben haben. Der Inhalt des sehr inter-
essanten Buches ist noch erheblich älter; Bary sagt im Avis a*
Lecteur: Ce riest pas une püce nouoellement faite que je vmn
prtnente, cest vn Chtvrage nouveüement eorrigi, et comme ä tex-
ception de quelques entretiens il y a vingt ans que mon Esprit
de Cour estoit en manuscrit etc. Das Buch bringt darnach Stoffe
und Formen der feinen Unterhaltung zur Anschauung, wie solche
zur Blütezeit des HStel de Rambouillet üblich waren.
Die Auswahl der Stücke ist geschickt und zweckdienlich,
einige derselben, wie der grünste Teil der Auszüge aus dein
Roman de Pure's, die Stücke von Faret, du Bosc, Courtin, Buy,
aus den Conoer Kations der Scudery erscheinen hier zum ersten-
male im Neudruck. Zu bedauern ist, das« der Verf. nicht »ach
Ruelle mal assortie (1644), sowie einiges ans Des Hots d k
Mode et des mmvelles Fagons de parier, avec etc. (4'"* ed., Il
Haye, Troyel, 1693) dargeboten hat. Das erste der beiden
Stücke ist trotz des Neudrucks von Aubry (Tresor des piicu
rares et inidites, 1855) fUr Deutsche unzugänglich; die Mitteilung
aus dem zweiten sehr seltenen Werkchen hätte gezeigt, wie gegen
Ende des Jahrhundert' s in der höfischen Gesellschaft eine ähn-
liche sprachliche Verirrung Platz griff, wie sie in der Mitte des-
selben bei den Damen des Bürgers tandee blühte und von Höhere
verewigt wurde.
Sämtliche Stücke bis auf drei sind in der Orthographie,
welche die bekannten Ausgaben der Grand* Ecrivains (Hachette)
befolgen, wiedergegeben; warum diese eigentlich doch unbe-
rechtigte Neuerung eingeführt ist, rechtfertigt der Verf. nicht.
Der Kommentar ist sehr reichhaltig und zeugt von grosser
Kenntnis der einschlägigen Verhältnisse und Litteratur; derselbe
dient nicht bloss der notwendigen Erklärung, sondern bringt
auch vielfach recht dankenswerte Erweiterungen der Texte.
Soweit die behandelten Gegenstände durch die Forschung auf-
geklärt sind, läset der Kommentar den Rat suchenden wohl kaum
in Stich, und das will bei der grossen Mannigfaltigkeit der
sprachlichen, geschichtlichen, kultur- und li ttera tu rge schichtlichen
Stoffe, sowie bei der Zerstreutheit des Materials viel sagen. Die
7*. F. Crane, La Soeie'te francaise au dix-septicme siech: . 109
wenigen Bemerkungen, welche ich dazu mache, sollen daher das
gespendete Lob durchaus nicht einschränken. Zu S. 51, 3 (Brief
Voiture's) sagt der Verf., Tallemant definiere die Dichtungsart
der savants als vaudevilles; diese Erklärung des Historietten-
schreibers habe ich nicht finden können. Dagegen hätten ausser
dem angeführten pont-breton noch zwei andere von Voiture aus
Tallemant (I, 63 ; IV, 3241) beigebracht werden können. Die Ver-
gleichung dieser drei ergibt, dass ponto-bretons epigrammatische,
etwas boshafte Gedichtchen sind, bestehend aus sechs fiinfsilbigen
Versen mit der Reimfolge abb aba, wobei der Reim a männlich, der
Reim b weiblich ist — Zu Sorel's Satire auf die Liebhaberei
für Portraits (8. 74) hätte auch Tallemant's Stossseufzer (VII, 59
Anm. 1) herangezogen werden können, der den Vorzug hat, dass
er als aus dem Jahre 1658 stammend bezeichnet ist. — Zu
8. 125, 3 (bouts-rimis) hätte des Erfinders derselben, Dulot,
gedacht werden müssen, der durch Sarrazin's Gedicht Dulot vaincu
und durch Tallemant' 8 Historiette (VII, 1 ff.) hinreichend bekannt
ist. Das als Muster mitgeteilte bout-rimi von Mme Deshouli&res
wäre besser in zwei vierzeilige, und zwei dreizeilige Strophen
abgeteilt worden. — Auf S. 152, 11 spricht der abb6 de Pure
von den Prüdes und FeuiUantines als Vorläufe rinnen der Preziösen.
Dazu gibt der Verf. als Erklärung eine Nachricht über das 1622
in Paris gegründete Nonnenkloster des Feuillantenordens; es ist
aber doch sehr zweifelhaft, ob de Pure diese Nonnen gemeint
hat, ich glaube es nicht. Bei der Fülle des Verdienstlichen,
welches das besprochene Werk enthält, hätte der Verf. ohne
dem Rnhme seiner Gelehrsamkeit zu schaden, gestehen können,
dass er eine Erklärung nicht zu geben wisse; er hätte sich dabei
in guter Gesellschaft befunden, gibt doch Livet (id. des Pric. rid.
p. IX) auch keine Erklärung, und derselbe hat seit einem
Menschenalter die Zeit und Litteratur der Preziösen an der Quelle
studiert. — Zu 8. 187, 5 wird bemerkt, dass Saint -Amant im
Hotel de Rambouillet unter dem Namen Sapurnius bekannt ge-
wesen sei; ist das nachweisbar? Sumaize im Grand dictionnaire
historique (6d. Livet I, 63, 94) nennt ihn so, sagt aber weiter
nichts.
Der Druck ist schön und im ganzen korrekt, nur wenige
Druckfehler habe ich bemerkt: S. LVII Molilriste statt Molteriste,
S. 26, 3 priviUge statt priviüge, S. 98, 15 effett statt effet}
S. 161, 12 je m'arretera(i)y S. 163, 19 la autorite, S. 188, 13
hätte die fehlerhafte Siibenteilung particuli-hrement vermieden
werden können.
Ich habe einige Ausstellungen und Wünsche vorgebracht,
wollte ich aber all des Guten und Tüchtigen gedenken, welches
110
Referate und Ilezi
Miihr.iiholtz,
in dem Werke dem Leser sieb bietet, würde ich kein Ende
finden, darum will ich das Hucli nur noch den Studenten, Lehrern
und Freunden der französischen Litteratur, speziell des XVII. Jahr-
hunderts recht warm zum Studium empfehlen; es ist aueh eine
Frucht der Verehrung Moliere's, welche schon so viele nützliche
Studien angeregt hat. W. KnöSICH.
Ehrhard, Auguste, I.e.* Cbmtdto rfe Sfolüre m Alttmagru, !•■ Thtätrt
et Ja Oritfque. Paris, 1888. IT. Leeene 4 Uiidin. XX\ III,
545 S. gr. 8°.
Verfasser giebt zunächst eine literarhistorische übersieht
der deutschen Litteratur und ihrer Beeinflussung durch die fran-
zösische, wobei er sichere, aber hinlänglich bekannte Thatsaehen
mit herkömmlichen französischen Legenden verquickt. Natürlich
ist der sogenannte Charlemagae wieder womeraät de la Sambi
France, der Rheinstrom ist „1870 den Franzosen entrissen
worden", Frankreich hat schon unter Heinrich TV. und Richelieu
ä la tite de l'Eumpe gestanden, den westfälischen Frieden haben
nur die französischen Diplomaten gemacht. Protestantismus ist mit
Deukfreiheit identisch, Friedrich I. von Preussen ein „lächerlicher-1
Nachäffer Ludwigs XIV., die vertriebenen Hugenotten haben seit
ihrer Niederlassung in Berlin „die Eroberung Deutschlands durch
den französischen Genius vollendet und gesichert". Die Sliakc-
spearebegeisterung des XVIII. Jahrhunderts ist ohne Voltaire's
Einfluss nicht denkbar, Lessing's antifranzösische Richtung erst
durch Diderot' s Beispiel „ermutigt", die deutsehe Romantik soll
„ultragermaniseh" gewesen sein, trotzdem sie so viele fremde
Litteraturwerke zu übersetzen und nachzuahmen suchte. Das
neue deutsche Reich sei ein reeotUtitution des alten, nur die
französische Geistesrichtung und Geistesbildung herrsch,' -fi
weiter, so dass man das Grtccia eapta ferum vietorem eepit aneh
auf die Schöpfung Kaiser Wilhelms anwenden konnte. Zola'*
und Dandet's EtnHuss sehreite mit jedem Tage vor und habe
„die neueste Bewegung" in der deutschen Litteratur (d. h. die
un ebenbürtigen Schmutz-rRomane" der Alberti, Bleibtreu und
Genossen) hervorgerufen. Die eigene Li rteraturge schichte kennt
Herr E. nicht einmal hinlänglich. Voltaire's Schriften lässl St
von allen Deutschen „ersichtlich gelesen" werden, trotzdem
Marquis de Luchet das Gegenteil durchblicken lässt und selbi
in Paris viele der zahlreichen kleineren Erzeugnisse „der Manu-
factur vou Fcrney" nur iu wenigen Exemplaren, einzelne gar
nicht aufzutreiben waren, wie F. H. Grimm in Beiner
Auguste EhrharJt, Lcs Conu'il'ts ttr Mo/irn' en Allem aijiie etc. 111
gpemhmc* uns verrilt. Und der gut französische, echt national-
gesinnte Meliere ist (8. 540) le plus cosmopolite <ies pottex.
Das Werk selbst ist besser und gründlicher, als die Einleitung.
Vieles über Nachahmungen, Anregungen, Übersetzungen der
Moliere'schen Komödie war allerdings schon von den f'ranzösi-
sehen und deutschen Molieristen erforscht worden, aber E. giebt
uns, zum Teil nach selbststilndigen Quellenstudien, Unbekanntes
über die wenig gelungenen Nachahmungen und Plünderungen des
grossen Dichters durch lffland, Kotzebue und viele langst ver-
gessene Dichterlinge des XVII. und XVIII. Jahrhunderts. Dabei
sucht er freilich Nachdichtungen und Entlehnungen, wo solche
öfters kaum erweislich sind, wie er denn auch filr Ooethe's
erste dramatische Versuche Anlehnung an Moliere ohne Über-
zeugende Gründe nachweisen will, und zieht vieles Ungehörige
hinein. Der Abschnitt über (ioltsched und seine Oattin ist nach
sehr abgeleiteten deutschen Quellen hearbeitet, der über Lessing
ohne selbständigen Wert und durch des Verfassers Franzosentum
beeinflusst, ebenso bietet die Auseinandersetzung Über Goethe
nichts erheblich Neues. Die Darstellung des Verfassers ist bis-
weilen mehr germaniBch-iiituitiv als französisch-reflektierend, sie
leidet an libergroaser, zuweilen ermüdender Breite. Ein relatives
Verständnis deutscher Wesenscigentümlichkeiten und eine, wie
es scheint, eingehende Kenntnis unserer Sprache hangen wohl mit
E.'s offenbar germanischer Abstammung zusammen?
Der letzte Abschnitt V AUemai/nn content poraine leidet an
grosser Überschätzung eines Borne, Heine, Lindan, Gross, uud
wie alle diese auch Moliere huldigenden und das Pariser Frau-
zoaentum feiernden Herren heissen. Auch das ,Junge Deutsch-
land" wird, wohl wegen seiner französischen Zuneigungen, Über-
mässig hoch, dagegen Manner wie Freytag und Heyse zu tief
gestellt. Von der heutigen deutschen Molicreforschung hat Herr E.
sehr unrichtige und getrübte Ansichten. Ihre Hauptvevtreter sind
nach ihm Paul Lindau, Schweitzer und der freilich stark abge-
fertigte JeBiiit Kreiteu, die Werke der Fachgelehrten kennt er
nur oberflächlich oder vom Hörensagen, wie er denn S. 511)
dem Verfasser dieses eine Behauptung aufbürdet, an die der-
selbe nie gedacht hat. Weil Schweitzer ein Phantast und Re-
klamctnacher war, sollen alle deutsche» Molieristen „eine Kirche"
mit , unduldsamen Fanatismus" bilden, und „Hohepriester" eines
-Oeheimkultus" sein, einer derselben wird sogar mit Molicrc's
lYissofin verglichen. Sic hätten der Anerkennung Molifcre's in
Deutschland nur geschadet, da zu seiner Schätzung eine .relative
Unkenntnis" besser sei, als gelehrte litterarische und grammatische
Forschungen (S. 534—535). „Eine einzige Darstellung eines
113 Referate und Rezensionen. R. MahrenhoÜz,
Holiere'schen StHckeB in der Comedie francaisea gäbe ein besseres
Verständnis „als alle gelehrten Kommentare" (wozu dann die 570
Seiten des Ehrh&rd'schen Werkes)? die Meininger sind natürlich
weit grüssere Molierekundige, als die Molieristen. Mit einem
politischen Schlüsse atze, in dem der Chauvinist aus der Hülle hervor-
tritt, endet das fleissige, aber nicht immer kritische, selbständige
und wissenschaftliche Werk. R. Mahrenholtz.
Moliire, J. B. P., Leu Pricieuses ridicules p., with Indroductiun
and Notes by E. G. W. Braunholtz, M. a. Ph. D. Uni-
versity Lecturer in French, Cambridge: At the ünmr-
sity Press, 1890. XXV and 100 S.
Ein Vorzug — wenn schon ein äusserlicher — ist bei
dieser englischen Schulausgabe die prunkvolle Wohlanständigkeit
des Druckes und der Ausstattung. Aber auch die Studien des
Herausgebers sind sehr gründliche und umfassen neben der
englischen Moliere • Litteratur auch die Hauptwerke der franzüsi
scheu und deutschen. Insbesondere sind Despois' Ausgabe des
Stückes in den Grands icrivains, Larroumets Edition der Pr.R.,
die Publikationen Fritsche's und des Referenten Moliere -Biographie
gewissenhaft benutzt worden. So gibt Hr. Br. in dem knappen,
aber für den Zweck ausreichenden Lcbensabriss des Dichten
nur gut beglaubigte Thatsachen und begründete Annahmen, ver-
zichtet auf die Nachbetung der Bchön klingenden, aber inhalts-
leeren Legenden und der bestechenden, doch haltlosen Hypo-
thesen. Nur hatten wir sorgfältigere Berücksichtigung der neuen
Forschungen über Moliere's Wanderjahre gewünscht.
Die Einleitung zum Stück selbst enthält eine treffliche, an-
schauliche Würdigung des Prcziosentums, seiner Vorzüge und
Schwächen, seiner berechtigten Reformen und geschmacklosen
Übertreibungen. Hier musste jedoch neben Livet's, Cousin'i
und Larroumet's Auffassungen auch H. Kasrting's Geschichte dtt
französischen Romanes im XVII. Jahrhundert zu Rate gezogen
werden. Der Text der Pr. TL ist nach der ersten rechtmässigen
Ausgabe mit Berücksichtigung der Varianten der Edition von
1682 gegeben worden, deren Wert übrigens Br. etwas zn auch
stellt, da er den beiden edirenden Schauspielern eine sorgsame
Prüfung und Benutzung der iftee. Moliere's zutraut. Wir hätten
die Ausgabe von 1674 — T5, die vom Dichter mit Ausnahme
eines Stückes, des Malade imaginaire, selbst für den Druck durch-
gesehen wurde, zu gründe gelegt und die Abweichungen la
Ürange'a und Vinot's nur als Ausdruck der Theater -Tradition
V. Rössel, Hist. älter, de la Suisse romande des origines ä nosjours. 1 13
hinzugefügt. Die oft Überschätzte Edition des Jahres 1734 er-
klärt Br. mit gutem Grunde für of inferior importance. Die
sehr fle issigen, 50 Seiten umfassenden Noten, berücksichtigen
neben dem Formalen auch das Sachliche, sind aber etwas breit
angelegt. In deutschen Schulen erklären wir manches von dem
Herausgeber Erörterte überhaupt nicht, oder überlassen die Er-
läuterungen dem unterrichtenden Lehrer. Bei der Schwierigkeit,
welche das Französische auch begabteren Engländern bereiten
soll, hat jedoch Herr Br. vielleicht zweckentsprechend gehandelt.
Der Appendix (S. 93 bis 96) gibt noch eine Zusammenstellung
preziöser Redensarten nach Somaize's Grand Dict. des Precieuses.
Den Schluss macht ein sorgfältiges Register. Als Schulausgabe
betrachtet, kann diese Publikation sich den verwandten Leistungen
Fritsche's, Knörich's an die Seite stellen.
R. Mahrenholtz.
Rosse], Virgile, Histoire littet aire de la Suisse romande des
origines ä nosjours. Tome Ier Geneve-Bäle-Lyon, Georg.
1889. 532 8. 8°.
Eine zusammenfassende Literaturgeschichte gab es bisher
wohl für die deutsche, aber nicht für die französische Schweiz,
an sich ist daher Herr Rossel's Werk ein grosses Verdienst.
Auch billigen wir die Hineinziehung derjenigen französischen
Schriftsteller, welche mehr in der grösseren Welt der französi-
schen Monarchie, als in der kleineren der Schweizer „Cantönli"
gewirkt haben, aber ihrer Geburt nach der letzteren angehören,
oder dort wenigstens einen Teil ihres Lebens zugebracht haben.
Was wäre auch eine Geschichte der romanischen Schweiz ohne
Calvin und Rousseau? Herr Rossel's Vorstudien sind zudem
sehr eingehend detaülirt, seine Beurteilung, obwohl vom Schweizer
Partikularismu8 und Calvinismus etwas beeinflusst, doch im ganzen
eine sachliche. Nur hätte er sein Werk ausschliesslich für ge-
lehrte Kreise bestimmen und nicht durch Hineintragung von
Anekdoten, Zitaten und anderen entbehrlichen Einzelheiten den
zweifelhaften Vorzug der Popularisierung mit einer Steigerung
des Umfanges erkaufen sollen. Denn ein besonderes Interesse
dürfen solche Schriften doch nur auf Seiten der Forscher und
der Höhergebildeten in der eigenen, engeren Heimat suchen.
Sehr verständig ist es, dass Herr R. die ganze mittelalterliche
Zeit ziemlich kurz (S. 1 — 100) abthut, um desto ausführlicher
sich der Zeit nach der Reformation zuzuwenden. Hier aber hatte
das Bekannte oder Geringfügige nicht mit aller Breite des De-
Zschr. f. frx. Spr. u. Litt. XII*. g
114 Referate und Rezenswiien. R. MohrenholK,
tails geschildert werden sollen, wie das vor Allem in den Ab-
schnitten über Calvin und seine Mitstreiter, Farel, Viret, de Beu
(1ÜO — 160) geschieht. Dagegen durften die allgemeine Cultnr-
und Weltgeschichte, die in ihrer Entwickeln ng und iu ihrem Ein-
flüsse auf die besonderen Verhältnisse der romanischen Schwell
keineswegs überall aufgehellt sind, schon am eingehendere Be-
rücksichtigung Ansprüche machen. Glanzpunkte des Werkes
sind ausser den Schilderungen der Genfer Reformation noch die
zwei Kapitel des IV. Buches: Lei Savant*. Influenae dt k
R4forme (8. 385—430) und die über die dogmatischen Strei-
tereien der Genfer, Waldenser, Nenchäteler Theologen im XVII,
und im Beginne des XVJII. Jahrhunderts (504 — 523). Mit diesen,
also mit dem Übergange in die Zeit der Voltaire'ecoen und
Rousseau' sehen Aufklarung schliesst die Darstellung. Hervor-
zuheben Bind sonst noch die frischen, anmutigen Schilderungen
von Francois Bonivard, des bekannten prixoner of Chitton und
AgTippa d Aubignes, sowie manche feine ästhetische und ktiltnr-
faistorisefae Bemerkung. Die massvolle Beurteilung Calvin's und
seiner späteren Parteigänger könnte für den Fanatismus manche»
Schweizer und französischen Reformirten eine beilsame Lehre
werden, wenn nicht der Glaube jeder Belehrung unzugänglich
bliebe. Wir hoffen, noch ausführlicher den für 1891 angekün-
digten II. Band besprechen zu können und begnügen uns für
Band I mit dieser kürzeren Anzeige.
R. Mahkenholtz.
Bengesco, Georges, Voltaire, Bibliographie de ses (Eaores. Pari»,
1889. Rooveyre et G. Blond. Tome III. Preis 20 Fr.
In dem vorliegenden Bande hat der gründliche Bibliograph
sich mutig in das Labyrinth der Korrespondenz Voltaire'» ge-
stürzt, die chronologischen Daten und den inneren Zusammenhang
der 10000—11000 Briefe genau festgestellt und noch über 100
schon gedruckte, aber unübersichtlich zerstreute Schreiben de»
Philosophen mit aufgenommen. Ein vierter Band wird das grosse,
mühselige Werk, an dem der Verfasser seit einem Jahrzehnte
etwa thätig ist, zu Ende bringen.
Wenn schon die 18 Bände der Voltaire'schen Korrespon-
denz iu Lonis Moland's Ausgabe keineswegs so nn voll kommen
sind, wie uns das Herr Brünettere und andere ihm Nach sprechende
glauben machen, so bietet doch Herr Bengesco Zusätze nnd Be
richtnngen mannichfacher Art. Vers tändiger weise hat er auf die
Heransgabe der noch nngedrnckten weder quantitativ, noch qua-
Alex. Bennenriiz, Congreve und Modere. 115
litativ wohl erheblichen Briefe Voltaire's verzichtet, denn die vor-
liegenden, zu denen noch über 1000 Schreiben an V. kamen,
geben uns bereits ein ziemlich vollständiges Bild der Wandlungen
und Beziehungen des „ Schlauen, Vielgewandten u. Den Dank
jedes Voltairisten hat sich Herr B. schon durch die früheren
xwei Bände seiner Bibliographie in hohem Masse erworben und
wir wünschen dem unermüdlichen, exakten Forscher baldige
Vollendung seines hochverdienstlichen Werkes.
R. Mahbenholtz.
ßennewitz, Alex., Congreve und Moliere. Literarhistorische
Untersuchung. Dissertation. Leipzig 1890. H. Hassel.
159 S. 8°.
Ein Lieblingsthema von Doktordissertationen scheint seit
Jahren der Eintluss Moliere's auf die englischen Dramatiker der
Restaurationszeit zu sein. Nach dieser Richtung hin ist nament-
lich Wycherley mehrfach behandelt worden, ohne dass sich für
die Behauptung unsers Autors, Wycherley sei als „Schüler
Moliere's zu betrachten", allzu starke Beweisgründe ergeben.
Ähnlich steht es mit der Abhängigkeit Congreve's von dem fran-
zösischen Vorgänger, welche B. in seiner höchst sorgfältigen,
fleissigen Dissertation zu erweisen sucht Wie Moli&re, so be-
folgten allerdings auch die Wycherley, Congreve und ihre
dichterischen Zeitgenossen den Grundsatz: Je prends mon Inen,
ou je le trouve und hierbei war sicher der in England allgemein
bekannte Komödiendichter Frankreichs eine unerschöpfliche Fund-
grube für Charakterzüge, witzige Pointen, Intriguenmotive u. s. w.
Aber nebenbei ging auch der Einfluss der Shakespeare'schen
Komödien her und manches ursprünglich dem Moliere Entlehnte
scheint Congreve erst durch Otway, Wycherley u. a. zugekommen
zu sein. Wichtiger aber, als die Frage, ob der französische
Dichter von Congreve selbst entstellt, verdorben und verwässert
sei, oder ob sein Nachahmer zum Teil nur das von anderen
Landsleuten schon Verbal hornisirte noch weiter verderbt habe,
ist der grundverschiedene Charakter der Kunstdichtung Moliere's
und der effektvollen BUhnenmache eines Wycherley, Congreve u. a.
In der That wählte auch Moliere das Gesell schaftsleben von
Versailles und Paris zum Vorbilde seiner dichterischen Gestaltungen,
aber, statt sich mit einer poesielosen, abschreckend treuen Por-
trätirung zu begnügen, trug er die aligemein giltigen, ewig
wahren Gegensätze des Lebens und Strebens und bestimmte
religiöse oder ethische Ideen in seine Stücke hinein, wodurch er
den meisten eine für alle Zeiten währende Bedeutung sicherte.
116 Referate und Retentiimen. R. .HakrettMallz.
Seine englischen Nachahmer waren mehr Photographen, als Künstler
und man würde sie eher den modern - französischen Ebebruchi-
uodProstitutions- Dramatikern, als Höhere vergleichen, wenn ihnen
nicht der Geist und die feine Bildung der Dumas, Sarduu u. i
in hohem Grade gefehlt hätte. Nirgends ist die Poesie so in
den Gestank des Bordells und den Koth der Gasse geschleift
worden, wie in jener Zeit der ausgeartetsten, im verfeinerten Roh-
heit, Gcnuassucht und Rücksichtslosigkeit. Nun gibt ja B. die«
im Grunde zu, aber damit entsteht die Frage: fanden denn die
Congreve und die anderen porci e grege Epicuri die Vorlage n
dem verflachten Abbild ihren Charakteren, Intriguen, Spässen und
Zoten nicht in dein Schmutze der Wirklichkeit selbst, mussten sie
zu Holiere ihre Zuflucht nehmen, um das diesem geraubte Ost
zu verderben, zu entstellen und zu besudeln? Borgte nicht da-
neben Einer von dem Anderen die schmutzigen Effektszesen,
unsauberen Charaktere, zotigen Gemeinplätze, um sich dann gegen-
seitig in der Wirkung auf den rohen Pöbel und die entarteten
HoHeute zu Überbieten? Lesen wir die Stücke eines Wieherte;
und Congreve, so fällt uns die innere Übereinstimmung der sitt-
lichen Gemeinheit und der rohen Effekthascherei auf, von Höhere
werden wir doch nur hie und da in manchen Einzelheiten, die
trotz ihrer Verrohung den Genius des Heisters nicht völlig ver-
leugnen, erinnert? Auch an Shakespeares Etnfluss, wohlver-
standen des Shakespeare, der sich zu den Gründlingen des
Parterre herabliess, werden wir oft mehr gemahnt, als an den
feinen, selbst in seinen volkstümlichen, derben Stücken mais-
vollen Hofdichter Ludwig's XIV.
Hit diesen, zum Teil von B. selbst gemachten Einschrän-
kungen können wir manche seiner Resultate aeeeptieren. Sit
gehen dahin, dass Congreve in seinem Oebut- Stücke, dem Old
Bachelor, eine Anzahl possenhafter Stücke Holiere's, wie Managt
farti, Mr. de Pourceaugnac, Fourberies dk Seapin, George Damit»,
daneben auch, freilich mit Besudelungen gröbster Art, die beiden
Ecolcx, den Don Juan, den Dipit amoureux, die Princesse d' Eiide
benutzt habe. Für den Double Dealer wird eine Beziehung zum
Tartuffe mehr behauptet, als bewiesen, ersichtlicher ist die Ver-
wertung einzelner komischer Szenen und Züge der Femnut
savantes. In Love for Love ist die Anlehnung an den Avare
uns ebenfalls weniger ersichtlich, als die Benutzung mancher
EinzelbeBtandteile Holierischer StUcke, die B. S. 71 ff. durch-
geht. Aber auch hier brauchte C. manches nicht gerade aus
dem französischen Vorgänger zu nehmen, da es Gemeingut der
Komödie des XVII. Jahrhunderts war. The Way of tk* World
ist ebenfalls ein Konglomerat aus Entlehnungen von Notiere,
J. Grand- Carter et. J.-J. Rousseau, juge par les Francais etc. 117
eigenen Umänderungen und Erfindungen, offenbaren Abkonter-
feiungen wirklicher Verhältnisse und Persönlichkeiten, die wir
bei dem platt -realistischen, nirgends auf der Höhe der Kuust
stehenden C. annehmen müssen.
Congreve und seine Schmutzgenossen sind verdienterweise
vergessen worden, während Moliere in der Sympathie der Edel-
sten aller Nationen fortlebt. Nicht, weil sie den Zweck der
moralischen Besserung aus dem Auge Hessen, sondern weil sie
dem Niedrigen, Gemeinen, Unkünstlerischen huldigten, den Blick
nur auf die Lachen und Untiefen des grossstädtischen Lebens
richteten, die Erhebung zu den verklärten Höhen der Poesie
verga88en. Dass um Moliere's willen man ihnen jetzt wieder
Beachtung schenkt, ist ein Zeichen wissenschaftlicher Aufopferungs-
fähigkeit, welches unbedingte Anerkennung verdient.
R. Mahbenholtz.
Grand-Carteret, John, J. J. Rousseau, juge par les Francais
daujourd'hui. Paris 1890. Librairie academique. 572 -f-
XXXI 8. 8°.
Im Verein mit einer Anzahl hervorragender Schriftsteller
von Paris, unter denen wir nur J. Claretie, A. Daudet, J. Simon,
G. Vapereau nennen, hat John Grand-Carteret, auch in Deutsch-
land durch sein Buch: La France jugee par fAlleinagne" bekannt,
die wichtigsten Punkte in des Genfer Philosophen Leben und
Wirken unter fortwährender Bezugnahme auf die heutigen Zu-
stände eingehend behandelt.
Eine Reihe von schöngeformten, warmempfundenen Ge-
dichten zu Rousseau's Gedächtnis eröffnen das Werk, hierauf
folgen die wissenschaftlichen Beiträge.
1) Defense de Rousseau contre ses calomniateurs. Hier verteidigt
John Grand-Carteret selbst den grossen Denker und Schriftsteller
gegen die zahlreichen Anfeindungen, die seit fast anderthalb Jahr-
hunderten gegen ihn gerichtet sind, indem er die verschiedenen Äusse-
rungen der Antipathie und Sympathie uns in kritischer Abschätzung
vorführt. Insbesondre wendet er sich gegen die vornehme, nase-
rümpfende Geringschätzung unserer modischen Zola- und Daudet-
Leserinnen, deren geistesverwandte Vorläuferinnen im XVIII. Jahr-
hundert wenigstens die naturwahre, poesieerflillte Schilderung
der Leidenschaft in der Nouvelle Heloise mit Begeisterung priesen
und den seltsamen Schwächen Rousseau's langmütige Teilname
spendeten. Im Grunde steht C. auf einem vermittelnden Stand-
punkte, welcher allein als der wissenschaftliche gelten kann.
118 Referate und Rezensionen. R. ManrenhotU,
2} G. Vapereau gibt dann einen Überblick über Ronsstai'i
Leben and Werke in ebenso knapper wie sachkundiger Wei«.
3) Dag grosse, menschen- und villkerbeglUckende Hamaii-
täts-Ideal des Philosophen beleuchtet A. Eschenhntter in --i ,
Aufsätze: J. J. Rousseau, rTpltque' par lui-mtme, freilich elwii
zu panegyrisch, die Einseitigketten und Grillen Roussean's nicnt
immer von den ewig wahren Gedanken und Bestrebnilgen scheidend.
4) Den Streit Voltaires tind Rousseau's entscheidet Gh. Gidri
zu Gunsten des letzteren, manches dabei Übergehend, was iur
Entschuldigung und teilweisen Rechtfertigung des Philosophen
von Ferney dient.
5) Den Schöpfer der modernen Naturbeseelung im Gegen-
satz zn der unmittelbareren Naturempfindnng der Alten schildert
J. de Glouvet in seinem anmutig geschriebenen Essay: ffouwmi
devant La natura.
6) Le Genie par l' Imagination von E. BJemont weist in/
die gewaltige Kraft der Fantasie Roussean's, welche in einem
scharfen, bisweilen spitzfindigen Reflektieren ihr Gegengewicht
hatte, hin.
7) De Famovr ckez Jean- Jacques von Satter- Laumani
schildert die wechselnden Beziehungen Roussean's zum weiblichen
Geschlecht und seine Selbstoffen bamngen in der „*touv. Hclowt"
wie in den „Confetinions" vielfach treu und wahr, bisweilen je-
doch etwas ideal kolorirt.
8) ./. J. Rousseau, »es mislres et ton gfnie, ein kenntnis-
reicher, scharf urteilender Aufsatz von E. Mouton stellt das Mut
der Selbstverschuldung Rousseau's fest.
9) Wichtig für den Spezial forsch er ist der ins medizinische
Detail gehende Beitrag des Dr. J. Rousscl: Rousseau, son Hat
pathologi/jue, sa mort et sex enfants, worin mit annähernder Ge-
wissheit der Nachweis geführt wird , dass Rousseau Überhaupt
nie Vater von fünf Kindern gewesen sein könne, also das Schuld-
bekenntnis der Kinderaussetzung, wie er es in setner Selbst-
biographie gibt, eine romanhafte Erfindung sein müsse. Die
vielumstrittene Frage des Selbstmordes Rousseau's erörtert der
gelehrte Arzt noch einmal, lehnt den Selbstmord ab und hält
einen Scblaganfall ftlr wahrscheinlich.
In dem zweiten Teile, L'Oeuvre, beschäftigen sich vier ge-
diegene Aufsätze von Ch. Fauvety, A. Reville, F. des Essarts
and E. Garein mit dem Verhältnis Rousseau's zur ersten Re-
volution, zum französischen Sozialismus und Kommunismus. In
denselben wird neben dem, was Rousseau nnd seine Jünger von
der radikalen Partei eint, auch sehr geschickt das Trennende
hervorgehoben. In Rousseau et Viducation des ftlles beklagt da-
J. Grand- Carter et, J.~J. Rousseau, juge par les Francais etc. 119
gegen ein kluger Blaustrumpf (Maria Deraismes), dass der Vor-
kämpfer politischer Gleichheit nicht auch Vertreter der modernen
Ideen von Franenemanzipation gewesen sei.
Grösseren Wert hat A. Pougin's detaillirter, sachkundiger
Aufsatz über Rousseau's Verdienste um die Musikreform und
Einwirkung auf die späteren musikalischen Richtungen in Frank-
reich. Auch nach dem gelehrten Werke von A. Jansen behält
dieser Aufsatz noch seinen eigenartigen Wert.
Die Beiträge unter XVII — XX wiederholen in selbständiger
Weise manches schon in den vorhergehenden Abschnitten Be-
sprochene, insbesondere ist in ihnen die ästhetische und päda-
gogische Seite wichtiger Schriften Rousseau's hervorgehoben worden.
Eigen ist ihnen mehr als den übrigen die apologetische Richtung.
Sie heissen : Rousseau et les femmes von H. Buffenoir, Rousseau
hygieniste von Dr. E. Monin. De tinfluence de la musique sur
le style littir. de R. von 0. Comettant, Esthetique du roman
selon Rousseau von P. Rouaix und J. J. Rousseau moraliste et les
Confessions von J. Troubat.
Einen mehr subjektiv - feuilletonistischen Charakter tragen
die unter 111 (Impress. diverses s. Vhomme et Voeuvre) zusammen-
gestellten kleineren Beiträge, von denen wir als besonders an-
ziehend geschrieben nur den Dialogue intime pour et contre
Rousseau von A. Daudet und Rousseau et Schiller von J. Claretie
hervorheben wollen.
Aus dem wissenschaftlichen Geiste fallen die Schilderungen
Ermenonville's und Bossey's (wo Rousseau seine letzten Lebens-
monde und seine glücklichsten Jugendjahre verlebte) und die Er-
zählungen von einem angeblichen Enkel Rousseau's, der 1848
auf den Barrikaden als Opfer seiner gefährlichen Friedensliebe
fiel, sowie von einem vermeintlichen Sohne des Philosophen, der mit
seinem Vater in Ermenonville zusnmmengetroffen sein soll, heraus.
Wichtiger sind in V. die Notizen über die Rousseau-Statuen
in- und ausserhalb Frankreichs, sowie über Manuskripte Rousseau's
in der Bibliothek der französischen Deputirtenkammer und die
Bibliographie der Rousseau-Litteratur (1879 — 90), eine fleissige
Zusammenstellung vom Chefredakteur des Ganzen.
Anhangsweise finden unter VI. auch die bei der Enthüllung
des Pariser Rousseau -Denkmales auf dem Pantheonplatz ge-
haltenen Reden ihre Stelle.
Ein besondrer Schmuck des gesammten Werkes sind die
Statuen-Abbildungen und Autographen, elf an Zahl. Sehr reich-
haltig und verschiedenartig ist also das Gebotene, jede Ein-
seitigkeit von Parteimeinungen und Gefühlsäusserungen ist bei
der grossen Anzahl (39) der Mitarbeiter ausgeschlossen. Wieder-
120 Referate und Rezensionen. R. MahrcnkoUz,
holungen und Widersprüche sind allerdings aus gleichem Gnu ,\.
unvermeidlich, aber sie sind dem Streben nach allseitiger Er-
kenntnis und Wahrheitsfindung nur förderlich.
Man kann nieht sagen, dass in den oben skizzirten Auf-
sätzen erheblich neue Thatsaelien oder Gesichtspunkte uns an-
geboten würden, aber jedenfalls ist die reiche Litteratur Hhtt
den Gegenstand sorgfältig ausgenutzt, das Bleibende in Rousseaui
Wirken von dem Vergänglichen getrennt, in der Würdigung dei
Schriftstellers und Menschen Licht und Schatten richtig verteil!
worden. Soviel in Frankreich auch sehon Aber den Genfer, in
die Verfasser der Sammelb eitrige mit gewissem Rechte nicht nur
litterarisch, sondern auch national als Franzosen in Anspruch
nehmen, geschrieben ist, das angeführte Werk behalt «einer Idee
und Ausführung nach einen eigenartigen Werth.
K. Mahrenholte.
Kuttner, Max, Das Naturgefühl bei den AÜfra
fiuss auf ihre Dichtung. Berlin, 1889. Diss. 85 S. 8*.
Die moderne Philologie scheint vielfach dieselben Bahnen
einzuschlagen, welche ihre Stamm mutter, die in Ehren ergraute
klassische Philologie, vordem genommen hatte und, soweit ihr
Beharrungsprinzip dies zulitsst, noch wandelt. Nachdem die rein
formal - sprachliche Richtung alter Zeit mehr nnd mehr aus der
Hode gekommen ist, hat man sich der realistischen Seite, der
lange so arg vernachlässigten, eifrig angenommen, und auch in
dieser Hinsicht ist die neuere Philologie der alten nachgefolgt
Die hier vorliegende Untersuchung über das Naturgefltbl bei
den Altfranzosen schliesst sich der äusseren Form nach an die
Schriften Bieses über Die Entwickdung des Naturgcjithls bä
Griechen und Hörnern, bezw. im Mittelalter und in der Neuzeit an,
ist im Übrigen völlig selbständig und auf sehr gründlichen Quellen-
studien ruhend.
Jede Litteraturperiude muss zuvörderst nach historischem,
genauer kultur-historischem Hassstab gemessen werden, da der
ästhetisch-philosophische altes in eine Zwangsjacke, deren Maschen
oft willkürliche, abstrakte Kategorien sind, zu pressen liebt. Das
Naturgefllhl äussert sich bei uns Modernen völlig anders, als im
Altertum, und im Mittelalter wieder in eigenartiger Weise. Wir
pflegen bei unserer gesteigerten Subjektivität unsere Stimmung
in die Natur hineinzutragen, auch die tote, leblose Welt des
Anorganischen zu beseelen, nachdem wir sie von allem religiösen
Aberglauben früherer Zeiten geläutert, somit also entgöttlicht
M Kuttner, Das Natur ge fühl bei den Altfranzosen etc. 121
nnd in gewissem Sinne entgeistigt haben. Im Altertum stand
der Mensch den grossartigen Naturerscheinungen mit einem aus
Ehrfurcht und Grauen gemischten Gefühl gegenüber, weil er
hinter ihnen das Wirken böser, feindseliger Gottheiten erblickte
and beschränkte sich daher meist auf die Schilderung des Leib-
lichen, Anmutigen, welches er als veräusserlichte Tbätigkeit
guter Mächte auffasste. Die im Grunde optimistisch anschauen-
den Dichter Griechenlands haben daher die Schrecknisse der
Natur nur da geschildert, wo sie in ihnen das Walten der
Recht schirmenden und Unrecht strafenden Gottheiten sahen, wie
die Meeresstürme, Blitz und Donner etc. Sie lassen die Dinge
unmittelbar auf sich wirken und brauchen ihre eigenen Gemüts-
Stimmungen um so weniger in dieselben hineinzutragen, als die
Natur für sie nicht tot und leblos, sondern, genau wie die Er-
scheinungen des menschlichen Lebens, mit dem Geiste persön-
lich waltender, göttlicher Mächte angefüllt ist. Der neuere
Dichter, soweit er nicht zugleich eine tiefere naturwissenschaft-
liche Bildung hat, trennt das menschliche Leben von dem der
aussermenschlichen Natur, für jenes lässt er die von Gott ver-
liehene Selbstbestimmung gelten, während alles Tier-, Pflanzen-
nnd anorganische Leben nach den unabänderlichen Naturgesetzen
gelenkt wird. Um aber die Natur poetisch gestalten zu können,
muss sie beseelt werden, und da die naive Auffassung, welche
Tiere und selbst Bäume reden und sogar menschlich handeln
lässt, unserem Bewusstsein abhanden gekommen ist, so kann der
moderne Dichter nur die eigene Stimmung in die ihn umgebende
Natur hineintragen.
Was die Naturanschauung des Mittelalters angeht, so war
sie einerseits durch den religiösen Aberglauben, andererseits
durch die Entfremdung von der Natur beeinflusst und beschränkt.
Dem Geistlichen, welcher sein Leben grossenteils hinter Kloster-
mauern vertrauerte, dem Bürger, der in die engen Gassen und
hohen Giebelhäuser seiner Städte gebannt war, können wir Natur -
gefühl nur in eingeschränktem Masse zusprechen, aber auch der
Ritter suchte in der Natur nur Kampf und Streit mit den Feinden
seines Landes und seiner Kirche oder mit den bösen Zauber-
gewalten, an die sein ungebildeter Geist noch glaubte. Zudem
brachte auch er die Winterszeit in den Burgen zu, oft in
schlecht erleuchteten, fest geschlossenen Gemächern; waren doch
die Fenster der Wohnräume klein und Halbdunkel. Was er
ausserhalb seines engeren Wirkungskreises, bei den Fahrten in
ferne Gegenden und Lande, erblickte, wurde von ihm mit reli-
giösen, nicht mit ästhetischen Gefühlen, bisweilen mit rohen,
abergläubischen Vorstellungen erfüllt. Ganz heimisch und ver-
124 Referate und Rezensionen. M. F. Mann,
frischen können. Leider ist das nur allzu selten, denn mit der
Kenntnis« der altgriechi sehen Sprache ging ja auch die For-
schung nach den ursprünglichen Quellen der hellenischen Lite-
ratur verloren, nur aus trüben, mönchisch dUsteren Quell wassern
strömte das Leben von Hellas den geistlichen und ritterlich»
Dichtern jener Zeit zu. Wie die Dichtung, litt darunter aach
die bildende Kunst, daher die im 5. Kapitel (S. 82—84) von K.
zusammengestellten „dichterischen Zeugnisse für die Darstellung
der Natur durch die bildenden Künste " quantitativ dürftig sind.
Am Schluss dem Verfasser flir Reine fleissige, verständige Arbeit
nnsere volle Zustimmung und ein Vivant sequentes.
R. Mahbenbolte.
Pilz, Oskar, Beiträge zur Kenntnis der altfranxäsiseken Fabliaux.
I. Dia Bedeutung des Wortes Fablei. Stettin, 1889.
24 S. 4°. (Marburger Dissertation.)
Angeregt durch Montaiglon's Recue.il geniral et complet da
Fabliaux des XIII' et XIV Stieles (1872 etc.) sucht der Ver-
fasser die Frage zu beantworten: „Was ist ein Fablet t" oder:
„Was verstanden die mittelalterlichen trauvires unter einein
Fablet?"
Als notwendige Voraussetzung wird hingestellt, dass du
dichterische Schöpfungen unter der Flagge Fablet segeln, und
dass nur solchen der Name Fablet beigelegt werden könne, die
vou den Dichtern selbst so genannt würden. Hierron ausgehend
hat der Verfasser, um zu einer Definition zu gelangen, eine gross?
Anzahl altfranzö'siscber Dichtungen von massigem Umfange —
hier schleicht sich eine 3. Voraussetzung ein — geprüft und
nur 81 StUcke gefunden, die den in der 2. Voraussetzung aus-
gesprochenen Anforderungen genügen. Diese 81 „echten" Fa-
bliaux scheidet der Verfasser in 7 Gruppen, and zwar dem In-
halte nach, denn da die Form immer die poetische sei — der
Verfasser holt hier (S. 13) ein Versäumnis nach — könne für
ihren Charakter nur der Inhalt massgebend sein. In die erste
Gruppe gehören 64 Gedichte, deren Gedankengang der Verfasser
kurz bespricht oder andeutet. Diese hält er für durchaus echte
Fabliaux und geht nun (S. 15) mit einem Sprunge zur Definition
über: „Die mittelalterlichen Dichter verstanden darunter die
poetische Darstellung eines Abenteuers, das aich zumeist inner-
halb der Grenzen des gewöhnlichen Lebens zuträgt. Das Fablel
gehört also der rein epischen oder der episch -didaktischen Poesie
an. Sein Hauptzweck ist zu unterhalten. Erst allmählich schliesst
i
i
Oskar Pilz, BtHetgt :m b.i
sich an die Erzählung eine Lehre an. Mir einer einzigen Aus-
nahme sind die Fabliaux in paarweise gereimten Aentsilblcrn
abgefnsst. u Auf Grund dieser Feststellung werden eine Anzahl
ni. Iii da IFobUeusB bMeiehneter, tob Montaiglon u. a. ver-
Üffentlieliten Fabliaux als solche erwiesen (8. 15 f.) und von
den oben genannten 81 Fablinux die fehlenden 17, obgleich sie
diesen Namen tragen, anderen Gattungen zuerkannt, nämlich 4
(2. Gruppe) den Fabeln, 2 (3. Gruppe) den debais, 9 (4. Gruppe)
DA* und je 1 (f»., 6. und T. Gruppe) der AUtffOrie (?),
dv Satire und dem Abenteuerroman. Damit ist der Verfasser
zur Schliissbetraehtung gelangt. Eingestreut tiuden sieh S. 1t* f.
„Bemerkungen über die Loa in ihrem Verhältnisse zu den Fa-
btiatnt*, deren Inhalt in dem Schlnsssatze gipfelt: „Unter Lai
rantaaiu die mittelalterlichen Lliebtcr auch ein Fablet, eine
Fabel, einen kurzen Abenteuer-mman und sogar ein Dit.u
Die Schrift ist des Stoffes wegen beachtenswert, aber auch
nur deshalb, denn mit des Verlassers Methode kann man sieh
nicht einverstanden erklären. Will man zu einer Begriffsbestim-
mung des Wortes Fablet gelangen, so ist gewisB richtig, dass
man nur von denjenigen Dichtungen ausgehen kann, die that-
■Hddrflfa die Marke Fablet an der Stirn tragen. Solcher hat der
Verfasser im ganzen 81 gefunden. Anstatt dieselben uns nun
iusgesamt vorzuführen, dabei die wesentlichen gemeinsamen
Merkmale klarzulegen und uns Sehritt für Schritt mit logischen
Gründen zu einer Definition hinzudrängen, ordnet der Verfasser,
aber ohne uns sein Einteilungsprinzip zu verraten, seine .Stücke
fU vornherein in 7 Gruppen, und zwar, wie man später erkennt,
auf Grund einer Definition, die sieh ihm durch seine Vorarbeiten
»ergeben hat. Diese Definition wird uns nach den erBten 64
Stücken, die für echt erklärt werden, nicht mehr vorenthalten,
aber ohne dass deren Inhalt vorher irgendwie nach gemeinsamen
Zügen zusammcngefasst worden sei. Nach dieser Überraschung
werden die 17 Fabliaux behandelt, welche auf Grund der Defi-
nition als unecht anzusehen sind. Bei solcher Methode haben
>iii> leitanfttHeuden Inhaltsangaben, die der Verfasser, allerdings
nicht durchgehend«, bietet, keinen Zweck. Mutet er uns viel-
leicht zu, die Richtigkeit seiner Definition darnach zu prüfen,
BO ist zu sagen, dass sie nngleichmässig sind, und dass man
lieber die Urtexte lesen würde. Oder soll man durch seine
rockenen Aufzählungen ein lebendiges, packendes Bild von
i erhalten, was ein Fablei wirklich ist?
iles Verfasse« Definition, wie er selbBt (S. 15) ge-
lebt, im Wesentlichen mit der Montaiglon's (I, S. VTI) tiberein
"» ferner seine Schlussbetrachtung nur bestätigt, dass
126 Heferate und Rezensionen. W. Gotther,
der Begriff Fablei bei Dichtem und Literarhistorikern nicht schuf
genug gefassi wurden ist, ho hittte die vorliegende Arbeit uf
wenige Seiten 7,u.-:;iimiieiii;e;(i>iieii werden klimicii. Wäre dum
eine iusäbii i ■: ii che Betrachtung der Fabluaa
auch im Hinblick auf die verwandten Gattungen der Poesie n
geschlossen worden, dann wäre vielleicht ein Buch entstanden,
das man mit Genuws «tudii-rt haben würde. Leider treibt die
Wissenschaft ujüiuikilts.irn der Spezialisierung zu. 1 in so Dach-
drtlchlicher muaa man fordern, dass selbst die speziellste Mono-
graphie den Zusamujvub^ug nicht verliere.
Immerhin ist Pilz' Untersuchung anregend, und da er
nach dem Titel zu urteilen, sie fortzusetzen gedenkt, so wünschen
wir dieser neuen Arbeit eine Ausführung in der angedeutetes
Weise. Ich stelle mir dieselbe als ein Buch vor, das jeder
Gebildete mit Befriedigung lesen würde. Ein anziehendes Kapitel
z. B. mtlsBte nach meinem Dafürhalten über den Humor in den
Fabliaux geschrieben werden können.
Hai Fb. Mann.
Othmer, Karl, Das Verhältnis von Christian'» von Troyes Em
et Eiiidf. zu dem (sie! singularis mabinogi, pluratis ma-
binogion) mabinogiou des roten Buches von Ifergat
Qeraint ab Erbin. Inaug.-DisBert der Universität Bonn.
Köln 188». 8". titj 8.
Die sorgfältig ausgeführte Arbeit steht im engsten Zusammen-
hang mit einer Frage, welche nicht bloss für die altfranzosische,
sondern auch für die vergleichende Literaturgeschichte des
Hittelalters Überhaupt von grösster Wichtigkeit ist: diese Frage
betrifft nämlich die Entstehung des sogenannten bretonischen
oder Artusepos. Der Ursprung dieser berühmten Dichtungen
wird noch allgemein im Keltentum gesucht, aber einer wissen-
schaftlichen Erörterung gegenüber vermag diese Annahme schwer
lieh Stich zu halten. W. Foerster hat in seinen Ausgaben der
Werke des Christian von Troyes Bd. 1 Cliga S. XVI n. Bd. U
(1887) Yvain S. XX— XXXI diese Ansicht sehr entschieden und
meines Erachtens mit gutem Grunde zurückgewiesen, indem er
die Schöpfung der Artusgedichte insbesondere derjenigen des
Christian von Troyes (Yvain, Erec, Perceval) den Kelten, genauer
dem britischen in der Bretagne und in England ansässigen
Stamme absprach, und sie vielmehr den Franzosen, zum Teil
wie den Yvain ganz und gar nur Christian zuschrieb. Völlig
unabhängig von Foerster war Referent bezüglich des IVistan zu
m's wen Tmt/es Erce ei Enidu ete. 127
demselben Ergebnis gelangt, da der Stoff liier nur in wenigen
untergeordneten Punkten keltische Beziehungen aufweist, sich
aber ungezwungen als frimzüsiBches Geisteswerk erklärt (vgl.
meine Schrift Die Sage von Tristan und Isolde, MUncheit 1887;
Beilage zur Allgemeinen Zeitung 1890 No. 19; Zeitschrift für
vergleichende Litteraturgewhkhte, neue Folge Bd. III, S. 211—219).
Allem Ansehein nach innss der Anteil, den die Kelten an den
altfranzösischen Artusepen haben, auf ein verhilltniss massig sehr
geringes Mass beschränkt werden, und dürfen die Franzosen das
Anrieht auf die Urheberschaft der Werke beanspruchen, die
aus dem fran/ösi sehen (leiste in ihrer Gesamtheit, in ihrer ganzen
Anlage hervorgingen, und nur lue und da mit keltischen Schnörkeln
verziert oder durch Aufnahme einzelner keltischer Bausteine be-
reichert wurden. Bei der Entscheidung dieser Frage ist es von
Wichtigkeit, die in der keltischen (kymrischen) Litteratur vor-
handenen Denkmäler, welche In Zusammenhang mit den altfran-
zösischen Gedichten stehen, zu untersuchen. Es sind dies ge-
legentliehe Anspielungen in den Triaden und die drei unrichtig
sog. Mabinogion von der Dame von der Quelle, von Geraiul ab
Erbin und von Peredur, welche den Gedichten Christians Yvain,
Emc, Perceoal entsprechen. In früheren Zeiten hat man frisch-
weg darin die ursprünglichen keltischen Werke gesehen, aus
denen die französischen alizuleiten wären; heutzutage ist man
skeptischer, man sieht umgekehrt in deu französischen Gedichten,
sei es nun den uns erhaltenen oder anderweitigen hypothetisch
erschlossenen die Quellen für die kymrischen. Alle Rettungs-
versuche, auch der jüngste von A. Nutt in seinem Buch Studie*
cm the legend of tke knly grail (London lBSti) bezüglich des
Peredur, die in irgend welcher Form unter Anerkennung dcB
französischen EinHnsseB doch noch ältere echte Züge entdecken
und damit auf eine den erhaltenen französischen Gedichten voraus-
liegende Entwickelungsstnfe dieser Sagen schlieBsen zu können
vermeinen, sind unhaltbar. Allerdings beiluden sich einige
Neben um stände im Peredur im Einklang mit der übrigen keltischen
Sage, welche im Perecval verwischt erscheinen, so nach Zimmer'«
Ansicht die Blutstropfen im Schnee, durch welche Perceval- Peredur
an seine Gattin erinnert wird (vgl. Nutt a. a. 0. S. 137 — 138;
Mac Innes and A. Nutt, Folie and kero tale», London 1890 S. 434;
zu dem Motiv der Blutstropfen in seiner weiten, auch ausser
keltischeu Verbreitung vgl. noch J. Grimm, altdeutsche Wälder I,
1—80). Ich vermag aber hierin nur den Versuch des Mahinogi
xu sehen, den Stoff, welchem es keltische Färbung zu geben be-
Iht ist, mit den übrigen kymrischen Sagen in Einstimmung zu
igen. Solehen im Verhältnis zum ganzen doch nebensächlichen
128 Referate und Hi-zauümen. »'. Gotlher,
Dingen kann unmöglich die Bedeutung zukommen, welche Nnt
ihnen beimisst. Es lassen sich in ganz zweifellosen Fällen, z.B.
beim Übergang der litterarisehen Vülsungiisaga ins nordische
Volkslied, Beispiele anfuhren, dass an die von neuem unten
Volk d. h. in die volkstümliche Furm gebrachten Litteraturwerke
solche echt märchenhafte Züge anwachsen, wie sie uralt urm
der Folklore wohlbekannt sind. Aber sie sind trotzdem erat
später accidentell hinzugekommen und verstatten keinerlei Rflck-
schlllsae 'aufs Original, in dem die volkstümliche Wenduig
nicht stand. So beurteile ich entschieden auch diesen Zug des
Peredur. Ein kymrieches Original vollende aus dem einer-
seits Christian, andererseits die Mabinogion sich herleiten liestes,
ist eine leicht zu widerlegende Hypothese. Othmer tritt den
Nachweis an für die bereit« von Fauriel, W. L. Holland, Paulis
Paris, Holtzmann und besonders W. Fo erster ausgesprochene
Behauptung, dass Geraint gleichwie Owein aus dem Yvain (vgl
Foerster Yvain 8. XX ff.), aus Christian's Erec unmittelbar in
freier Weise Übersetzt worden ioi. Eine sorgfältige, weitläufige
Vergleichung muss jeden, der sehen will, von der Richtigkeit
dieses Satzes zur Genüge überzeugen. Die Ergebnisse sind
kons folgende: der gemeinsame Inhalt der beiden Versionen der
Erecsage, der altfranzii Bischen und der kymrischen ist ein so
weitgehender, dass an einer direkten Abhängigkeit der beiden
Werke von einander gar nicht gezweifelt werden kann. Er er-
streckt sieb bis auf wortliche Übereinstimmungen. Der gemein-
same Inhalt beruht aber ferner ganz und gar auf den Anschauungen
des ausgebildeten französischen Kitterwesens; dadurch ist der
französische Ursprung der Erzählung klar erwiesen. Das Habinogi
spielt sogar einmal deutlich auf die französische Vorlage an
(vgl. S. 62; bereits Holtzmann, Germania 12, 263 hat die Stelle
richtig erkannt und beurteilt), und es weist einige Missverstandnisse
auf, die aus nngenügendem Verständnis der alt französischen Verse
entsprangen. Dagegen zeigt das Mabinogi auch einige Eigen-
heiten, die sich jedoch deutlich als äusserliche Zutbaten kenn-
zeichnen nnd zum Teil mit dem Inhalte der Erecgescbichte in
Widerspruch geraten. Sie erklären sich aus dem Bestreben,
der Fabel ein keltisches Gepräge zu geben, durch Einführung
einiger unbedeutender neuer Züge und durch ausgedehnten Ge-
brauch von keltischen Personennamen, darunter solchen, die der
keltischen Sage angehören. Dadurch erhält die Erzählung aller-
dings den äuBserlichen Anschein, als oh sie unter Kelten buden-
ständig wäre; aber er kann keinen tiefer Blickenden täuschen.
Die Resultate der Untersuchung, die Foerster bereite aussprach
und von Otbmer nur detailliert begründen Hess, muss Referent
K. Othmer, Das Verhältnis von Christiatis von Troyes Erec et Enide etc. 129
durchweg billigen; die bis ins Einzelne gehende genaue Ver-
gleichung verdient alles Lob, wie mir überhaupt die Arbeit,
obwohl sie einen neuen Gedanken nicht enthält, sehr nützlich zu
sein scheint. Zu bedauern ist, dass sich Othmer der Übersetzung
der Lady Guest bedienen musste; dieselbe ist ziemlich frei und
beruht auf keinem genauen Text; jetzt ist diesem Übelstande
abgeholfen durch Loth, les mabinogion traduits en entier pour la
premibre fois enfrangaüt. 2 Bände. Paris 1889, aufweiche Über-
tragung, beruhend auf Prof. Rhys Neuausgabe des kymrischen
Textes, hier nachdrücklich hingewiesen sei; in der Einleitung
stellt sich Loth freilich auf einen Standpunkt, den wir nicht
teilen können (vgl. Foerster's Anmerkung bei Othmer S. 3 — 4).
Übrigens wäre auch durch Benützung dieser wortgetreuen Über-
setzung an der Arbeit Othmer's wenig anders ausgefallen. Von
grösstem Vorteil aber wäre es, wenn einmal ein Kenner der
kymrischen Sprache die Vergleichung zwischen Christian und
den Mabinogion vornehmen wollte; gewiss würde er manche
Stellen finden, an denen aus sprachlichen Gründen die Abhängig-
keit von den französischen Gedichten nachweisbar ist, die aber
demjenigen, welcher nur Übersetzungen, und seien es auch die
besten, benützen kann, entgehen müssen. G. Paris (Romania
X, 468; hisioire läteraire XXX, S. 13, 25, 27, 29, 260, auch
noch Romania XIX, 157 in einer kurzen Notiz über Othmer's
Dissertation, Loth a. a. O. 1, S. 14 — 15) glaubt, eine anglo-
normannische Quelle annehmen zu sollen, aus welcher Christian's
Gedichte und die Mabinogion je für sich allein flössen, so dass
also Erec und Geraint unabhängig von einander wären. Es ist
nun allerdings richtig, dass die französischen Kunstdichter keines-
wegs immer die ersten gewesen sind, welche den Stoff dichterisch
behandelt haben, sondern dass Werke der Fahrenden ihnen
vorangingen. Beim Tristan können wir an der Hand der Quellen
verfolgen, wie der Stoff vom Kunstdichter übernommen und um-
gestaltet wurde. Im Erec macht Christian eine Quelle freilich
in etwas allgemeinen Ausdrücken namhaft; so ganz hiervon ab-
sehen, wie Othmer nach Foerster S. 61, möchte man vielleicht
nicht, zumal im Hinblick auf andere Fälle wie z. B. beim trouvere
Thomas; im Perceval nennt Christian bestimmt ein Buch, das ihm
zur Bearbeitung tibergeben worden sei. Aber andere Erwägungen
kommen in Betracht. Zwischen dem Kunstdichter und dem
fahrenden Chanteur und Conteur ist ein gewaltiger Abstand.
Der erstere macht die Erzählungen hoffähig und ändert auch am
Stofflichen sehr Vieles. Christian ist anerkanntermassen der ge-
wandteste und begabteste, und schon im Cliges, der einem anderen
litte rari8chen Kreise, dem byzantinisch - orientalischen entstammt,
Zachi. f. flrc. Spr. n. Litt. XII*. 9
130
Referate mut Rezemiimen. ff GoUkor,
macht sich seine selbständige Erfindungskraft bemerkbar.
französische Quelle, wie sie G. Paria will, führt ein Werk
die Li tteraturge schichte ein, l'llr welche diese eigentlich keil
Platz hat; Christian wird in einem beträchtlichen Teile Hil
Gedichte zum sklavischen Abschreiber, uud nicht einmal der
Ruhm bleibt ihm mehr, den Stoff mit neuem ritterlich - b&fiu .■ In-n
Geiste erfüllt zu haben. Die hypothetische Quelle wäre fast
identisch mit Christian, und das verträgt sieh doch kaum mit
seiner ganzen Persönlichkeit. Viel besser erklärt Foerster,
wesshalb der Erec und Yvain mit den Mabinogion die Grundlage
gemein haben und woher die abweichenden Stellen der letzteren
kommen. Selbst wenn wir die Möglichkeit zugäben, dass Christian
im Erec auf französische Vorläufer anspielt, so darf das Mabinogi
von Geraint doch damit nicht in Verbindung gebracht werden.
Üie fraglichen Quellen Christian'» sind jedenfalls von ganz
anderer Beschaffenheit gewesen, als die von G. Paris voraus-
gesetzten Gedichte.
Für die Yvain und Erec gegenüberstehenden Mabinogion
halte ich den Nachweis fllr erbracht, dass sie unmittelbar
Christian'» Gedichten im XIII. Jahrhundert (denn bereits aus der
Zeit zwischen 1226 und 1275 sind Manuskripte nachweisbar,
vgl. l.i.itli. tome I, S. 4, Amn. 2, was Übrigens nicht ausschliessl,
dass die Mabinogion auch noch früher, im XII. Jahrhundert
schon kurz nach Christian's Gedichten entstanden, vgl. Loth
a. a. 0. 8. 17 u. IH) hervorgegangen sind. Das Bestreben des
Bearbeiters oder der Bearbeiter — auch diese Frage dürfte sieh
aus dem kymrischen Texte entscheiden lassen — ist, für den
gekürzten Inhalt der französischen Gedichte äusserliehen Anschluss
an die kellische Umgebung zu gewinnen, in welche der altfran-
zösische Stoff eingeführt wird. Demnach müssen die beiden
Mabinogion als abgeleitet bei der Frage nach der Herkunft und
Entstehung der Gedichte Christian'» völlig ausser Ansatz bleiben.
Man darf aus ihnen weder, wie es teilweise früher geschah,
eiue keltische, noch wie es jetzt geschieht, eine anglonorniämiiscbe
Urquelle cvschliessen, welche vor Christian, also zirka auf 1150,
fällt, und die nicht bloss inhaltlich, sondern auch formell im
Wesentlichen identisch mit ihm sein müsste. Im Litbl. für germ,
u. rom. PkÜ. 1890 Nr. 7 ist Foerster der Hypothese G. Paris'
Über ein anglonormänuisches Medium, das zwischen Chrestien und
seinen Stoffen liegen soll, mit irrwieliti^eii Gründen entgegenge-
treten. Beim Perceval-Peredur liegt die Sache etwas verwickelter,
da er neben viel Christiauischem auch Eigentümliches bietet und
neben Sir Perceval of Galles eine besondere Stellung ■ 'iimimisü
(Foerster, Yvain S. XXVIII). Aber auch hier ist die bereits
■ JactibüiuiiliU-n, Zur C/iumklsristik lies A'ÖJ
' Artus elc. 131
Zarncke und Birch-Hirsehfeld (Die Sage vom Graal S. 205 fl".) ver-
teidigte Ansicht der Abhängigkeit des Pereiinr von Christian'» Conte
det Graal und von dessen Einleitung und der Fortsetzung durch
(lautier die allein richtige; weder Sir Perceval noch Peredur
berechtigen zur Hypothese eines auglonurmännischeii Perceval,
aus dem alle drei erhalteneu Fassungen mehr oder weniger sklavisch
abgeschrieben sein mlissten und welcher sich noch enger an die
keltische Ursage angeschlossen hätte. Ich benütze hier die Ge-
legenheit zu einer Berichtigung; anlasslich der Wolfram- Kyüt-
frage stellte ich es als möglich hin, dass die wörtlichen Über-
einstimmungen zwischen Wolfram- Guiot und Chrestieu aus einer
gemeinschaftlichen Quelle beider abgeleitet werden konnten (vgl.
liomanisehe Forschungen V, S. 120). Diese Urquelle ist rein
hypothetisch und höchst unwahrscheinlich. Die Sache iuuss sich
so verhalten, dass ljuiot Chrestien's Werk bearbeitete, teils wort-
wörtlich abschrieb, teils, wo ChreBtien ihm nimmer vorlag, frei
erfand und liberall gegen Ohrestien zur Erhöhung des eigenen
liulimcs in dreister Weise polemisierte. Wolfram lag des Pro-
venzalen Guiot Gedicht in französischer Umschrift vor (Fan.
416, 25 ff.; vgl. hierzu auch Bartsch, germimint. Studien 2, 114 ff.).
Über das Verhältnis von Pereeval-Peredur werde ich bald Weiteres
berichten in den Sitzungsberichten der Mliuchener Akademie
vom 7. Juni 1890. W. Golthkb.
JacousuiUhleu, Hermann zur, Zur Charakteristik des Kimig
Artus im altframosischen Kunstepos. luaugural-Dissert.
Marburg 1888. 8°. 67 S.
In der Art nnd Weise der zahlreichen anderen Marburger
Dissertationen hat der Verfasser in übersichtlicher Weise zu-
sammengestellt und registriert, was er über Artus in einer An-
zahl altt'ranzösischer Gedichte auffand. Im Text entwirft er die
Charakteristik, in den Anmerkungen teilt er fast für jeden Satz
entsprechende Belegstellen mit. Besonders viel und wichtiges
konnte natürlich nicht herauskommen, denn Artus spielt in den
Gedichten eben einmal eine blosse Statistcnrolle. Man trifft sieh
am Hofe des Königs, der Pracht und Lustbarkeit liebt, gegen
fahrende Ritter freigebig ist und ihnen, wu er nur kann, Hilfe
augedeiheu lasst; aber der Artushof ist immer nur Ausgangspunkt
oder Rendez-vous, und so wird nur gelegentlich in den Romanen
darauf Bezug genommen. Man hat ihm mit einer besonderen
Charakteristik in der Form, wie sie J. versucht, fast zuviel Ehre
angetan; immerhin ist es von Interesse, zu sehen, wie wenig
132 Referate und Rezensionen. G. Otterhage,
Bedeutung der Artusfigur zukommt. Ale Flüchtigkeit ist zu rügen,
dass Pfeffer S. 2 und 31 als Pfeiffer zitirt und dass eine Stelle seines
Fortsetze™ Gerbert (42 568 ff.) S. 61 dem Cbrestien von Troyei
zugeschrieben wird! Unseres Eraehtens hätte die Arbeit anziehender
gestaltet werden dürfen, wodurch der altfranzoai sehen Literatur-
geschichte ein wirklicher und wertvoller Dienst geschehen wäre.
Der Verfasser gibt sich gar keine Mühe, die Artusgestalt bei späteren
und älteren Dichtern, in den Lais und in den Romanen gesondert
zu betrachten; freilich würde ja, wie er richtig bemerkt, sich in
der Charakterzeichnung kein wesentlicher Unterschied bemerkbar
machen, wohl aber wäre der Versuch lohnend, die Gedichte zn
bestimmen, in welchen Artus zuerst auftritt und wie er von hier
aus populär und beliebt wurde. Und so wäre die hütoirt
poetigue des britischen Königs zu schreiben gewesen und die
Frage nach seiner Herkunft zu beleuchten. Das hätte der Arbeit
einen angleich tieferen Qehalt verliehen und wäre ein dankbaren
Thema gewesen. Artus entstammt allerdings der kymri seh -breto-
nischen Sage, aus wenigen älteren Zügen und aus Gelehrsamkeit
hat Galfried von Monmouth Beine Geschichte des Artus zusammen-
gebraut. Seine Stellung in der altfranz irischen Literatur ver-
dankt er wesentlich nur Galfried und nirgends einer echt sagen-
massigen UeberlieferUDg, denn wo ist irgend ein bedeutsamer
neuer Zug von ihm erzählt? Ja sogar nicht einmal die Artus-
sage Galfrieda haben sich die französischen Dichter zunutze
gemacht, kaum wird einmal auf seine wundersame Abstammung
und auf sein Entschwinden ins Feenreich angespielt In den
Romanen nimmt er eine Stellung ein, die derjenigen Karls in
den ckansons de geste nachgebildet ist, freilich eine schwächliche
Nachahmung und nicht nach den alten Gedichten, wo Karl im
Mittelpunkt der Handlung steht, sondern nach den jüngeren, wo
er eben auch nur langweilige Statistendienste that. Charlemagne
ist das in die Dichtung tibergegangene Abbild des fränkisch-
französischen Königs, Artus ist ein Phantasiegebilde der modi-
schen Ritterromanc ; damit ist aller Unterschied schon gegeben
neben den vielfachen Gleichheiten; der eine entstammt der
Wirklichkeit, darum ist Leben in ihm, klar und scharf kenntlich
sind Karls Züge, frisch und anschaulich die Schilderungen; der
andere ist wesentlich ein Schattenkönig, er darf nur Feste halten
nnd Gaben verschenken, die Tbaten fallen ganz und gar der
Ritterschaft anheim, die sich an diesen Werken erfreute und sie
schuf. Bei einer solchen Arbeit durfte Holtzmaon's Aufsatz über
Artus (Germania 12, S. 257 — 284) zugrunde gelegt werden,
der immer noch lesenswert ist, nicht weil wir in den Detailfrageo
ihn durchweg mehr anzuerkennen vermögen, aber weil er zwei
H. Saltzmann, Der historisch -mythologische Hintergrund etc. 133
richtige Hauptgedanken enthält: 1) die Mabinogion stammen aus
den Gedichten Chrestiens, 2) die Stoffe des Artusepos sind
nicht keltisch. Ueber Artus hat sich Foerster (Tvain XXX f.)
mit bündiger Deutlichkeit erklärt (vergl. nunmehr auch Foerster
Litter aturblati für germanische und romanische Philologie 1890
Nr. 7, sowie besonders die dort zitierten wichtigen Aufsätze
Zimmer 's). Wie untergeordnet das keltische Element im soge-
nannten bretonischen Epos ist, beweist eben Artus und seine
Charakteristik. Keltisch ist nur der Name, die Gestalt selber
ist reine französische Erfindung, eine Nachahmung und ent-
sprechende Umgestaltung des Charlemagne für das ritterlich-
höfische Epos. W. Goltheb.
Saltzmann, H., Der historisch-mythologische Hintergrund und das
System der Sage im Cyclus des Guillaume ä? Orange
und in den mit ihm verwandten Sagenkreisen. Programm.
Königsberg 1890. 4°.
Die Abhandlung sucht die Dichtung über Guillaume von
grossen Gesichtspunkten zu erklären und ist reich an anregenden
Gedanken und kühnen Kombinationen. Mit Recht verwirft der
Verfasser die Anschauung, dass eine Epopöe, welche durch Jahr-
hunderte die geistige Nahrung grosser Völker und zwar, in ab-
steigender Linie allerdings, aller Klassen gewesen ist, so trocken,
öde und inhaltslos sein kann, wie man früher oft angenommen
hat. Indessen kann ich die aufgestellten allgemeinen Vorstellungen
nicht unbedingt acceptiren. Der Hauptgedanke, dass die Guiborc
und mit ihr auch die anderen entsprechenden Figuren der Epopöe
das Christentum versinnbildlichen, kann höchstens für eine ganz
späte Entwickelungsperiode der chansons, etwa für die Zeit der
Bestiaires, überhaupt diskutierbar sein, denn die Guiboreepisode
lässt sich von der Sage über Childerich-Basina, welche allgemein,
besonders auch von Junghans und Rajna, als Nachhall einer
Kantilene angesehen wird, nicht trennen, und so gehen ihre An-
fänge auf die heidnische Zeit zurück. Auch in sich entbehrt
das ganze auf diese Anschauung gegründete System (S. 28 f.) der
Wahrscheinlichkeit. Für die fränkische Epopöe steht eben nur
der fränkische Stamm, der begabteste und glücklichste von allen,
im Mittelpunkt der Geschichte. Auch die Annahme, dass wir in
diesem Epos — und damit wohl überhaupt in der Karlssage —
eine Art Weiterbildung der eddischen Götterdämmerung haben,
lässt sich wohl kaum begründen. Man braucht nicht ganz und
gar auf dem Standpunkte von Bugge zu stehen, um den eigent-
134 Referate und Rezentionen. S. k'osehmüz,
lieh höheren Inhalt der Edilareligion, die Vorstellungen , welche
sie von allen Religionen als die dem Christentum nächststehende
erscheinen lassen, mit dem grössten Misstrauen zu betrachten.
Die Edda ist Ähnlich überschätzt worden wie früher das Druideu-
tom. Auch hier scheint mir nicht beachtet zn sein, dass die
Epopöe viel älter ist als Saemunder's Edda. Diese allgemeinen
Grundlagen sind also durchaus unsicher. Da der Verfasser von
allgemeinen zum besonderen vorschreitet, so ergiebt sich hier*«,
dass auch im einzelnen mir kaum irgend eine Wahrnehmung so
unvermittelt, wie sie hier auftritt, zur Erklärung der Epopöe
direkt beizutragen scheint. In den meisten Fällen wurde ich
mir eher getrauen, das Gegenteil von dem zu beweisen, was der
Verfasser aufstellt. Wenn z. B. S. 24 gesagt wird: „In der
Familie des Doon erkenne ich die Romanen", so muss ich ent-
schieden der Ansicht von Döllinger beitreten, der für die
italienische Sage und für das uns vorliegende al (französische
Gedieht in den „Mainzern" und im Doon das Germanische Kaiser-
tum vertreten sieht. Die 3. 23 aufgestellte These Über Rolands
Herkunft scheint mir ebenfalls viel entfernter zu liegen als die
im wesentlichen von G. Paris gegebene mythologische Erklärung.
Trotz dieser Fälle von Ausstellungen sehe ich den Fortsetzungen
dieser Arbeit (3. 30) mit Vergnügen entgegen. Wenn der Ver-
fasser mit der historischen Litteratur der merovingi sehen nnd
karolingischen Zeiten und mit den durch die Forschungen von
G. Paris und Rajna erzielten Ergebnissen mehr Fühlung behalt,
so wird er, glaube ich, bei seinen Mitteln für die Erklärung der
altfranzBsischen Epen recht Erspriessliches leisten.
G. Osterhase.
Schiött, Emil, L'amour et lex amoureux dans Us lau de Man»
de France. Dissertation. LundJ, 1889. 66 8. 8°.
Ausser dem Vorwort, das VVilh. Herta zu seiner Über-
setzung: Marie de France, Poetische Erzählungen, Stuttgart 1862,
geschrieben hat, sind nutzbare Vorarbeiten für die Aufgabe, die
sich der Verfasser der vorliegenden Abhandlung gestellt hat,
nicht vorhanden; um so dankenswerter ist seine Studie Über jene
Dichtungen. Der Verfasser hebt nach einigen einleitenden Be-
merkungen hervor, wie das Liebesmotiv, das in den eharuon»
de gtate. nur eine sehr geringe Rolle spielt, um die Mitte des
XII. Jahrhunderts durch bretonische Singer in die französische
Poesie eingeführt wurde, wie nach und nach in der Art, den
Helden darzustellen, der bis dahin nnr in kriegerischen Thaten
A. Mus safia, Sulla crilica del iesto del romamo etc. 135
gefeiert wurde, eine Wendung zur psychologischen Vertiefung
eintritt, wie allmählich das Weib und die Liebe den Mittelpunkt
«ahlreicher Dichtungen zu bilden anfangen. Nachdem der Ver-
fasser kurz das Verhältnis der Dichterin zu ihren Quellen be-
rührt hat, geht er im ersten Teile seiner Dissertation zum Begriff
der Liebe über, um die es sich in den lais handelt und hebt die
Sinnlichkeit der Beziehungen hervor, deren Reiz gewöhnlich durch
Eifersucht und Ehebruch gesteigert wird. Von der höfischen
Minne, von einer schmachtenden Schwärmerei, wie sie uns Chretien
vorführt, von der crainte perpetuelle de perdre sa mattresse, de
ne plus etre digne d'elle, de lui diplaire en quoi gue ce soit ist
bei Marie de France keine Spur vorhanden; die Liebenden wollen
weiter nichts als geschlechtliche Vereinigung, als rohen Sinnen-
genuss. Dass die lais der Dichterin dabei nicht in Cynismus
verfallen, sondern noch immer ein gewisses Mass von Anstand
bewahren, muss ihr zum Lobe angerechnet werden. Im zweiten
Teile seiner Abhandlung giebt uns Schiött eine interessante Studie
über die Helden und Heldinnen in den lais. Von einer kunst-
vollen individuellen Charakteristik kann keine Rede sein; der
Held ist fast immer vaillant, hardi, fier, franc, large, sage, pruz
ä cur t eis; die Heldin ist genügend gekennzeichnet, wenn die
Dichterin von ihr sagt, sie sei franche, enseigniee, afaitiee, de bone
escole u. s. w. Ganz mit einigen Zügen in den chansons de geste
übereinstimmend macht auch in den lais gewöhnlich die Frau
dem Liebeshelden Avancen und quält ihn dann mit ihrer Sinn-
lichkeit. Der Verfasser weiss überall seine Ansichten in flotter
Sprache vorzutragen und durch treffende Beispiele zu bekräftigen.
Ebn8t Joe. Gboth.
Mnssafla, Ad., Sulla critica del iesto del romamo in francese
antico Ipomedon. Wien 1890. Sitz.-Ber. der Wiener
Akademie der Wissensch., phil.-histor. Abth. Bd. CXXI.,
XIII. 8°. 76 S.
Kölbing hatte für die Herstellung seiner Ausgabe des eng-
lischen Ipomedon auch die handschriftlichen Texte des fran-
zösischen kopiert und beabsichtigte, dieselben in diplomatischem
Abdruck als Bestandteil seines kritischen Apparats im Anhang
mit erscheinen zu lassen. Der Umfang seiner Ausgabe nöthigte
ihn indessen, von diesem Vorhaben abzugehen und dem fran-
zösischen Gedicht einen besonderen Band zu widmen. Mit dieser
Sonderausgabe wollte aber K. keineswegs in die Reihen der
kritischen Herausgeber altfranzösischer Dichtungen eintreten: viel-
136 Referat* ml
mehr blieb nach wie vor das Bekanntgeben des handschriftlich»
Materials in möglichst zuverlässiger (.'estalt die Hauptsache und
wurde nur nebenbei versucht, durch Auflösung der Siglen nnd
durch Aufnahme sieh von selbst darbietender Emendationcn in
der als Haupttext angesetzten besseren Hb. A die Lektüre dtr
Hugo'schen Dichtung etwas zu erleichtern. Damit trat aber K.
über seinen ursprünglichen Plan hinaus und begann eine Arbeit,
die dem zukünftigen kritischen Herausgeber des Ipomedon m-
zufallen hatte. Die Schwierigkeit seiner so erweitertes Aufgabt
erkennend, nahm K. meine Mitwirkung in Anspruch. Da ich
mich aber darauf beschränken musste, die flir den Druck be-
stimmten Blätter seines Manuskripts partienweise und die in
halben Bogen eingehenden Druckkorrekturen und Revisionen durch-
zusehen, wobei der Drucker Herrn Kölbiug, Kiilbing mieli drängte,
und da mir nur Zeit blieb, den Grundteit (AI durchzulesen and
Jas in ihm Verdächtige so viel wie möglich beseitigen oder auf-
hellen zu helfen, so konnte meine Mitwirkung naturgemäß nur
eine wenig umfangreiche und durchgreifende sein. In dieser
Weise ist denn eine Ausgabe des französischen Ipomedon ent-
standen, die über die Ziele eines einfachen diplomatischen Textib-
drucke« hinausging, aber weit hinter dem zurflckblieb, was du
eiue kritische Ausgabe zu nennen pflegt. Dem englischen Philo-
logen und ebenso dem Literarhistoriker, dem es nur darauf ankam,
den Text im Allgemeinen kennen zu lernen, und dem es über-
lassen bleiben konnte, sich bei den übrig gebliebenen unklaren
oder verderbten Stellen selbst weiterzuhelfen, konnte die Aus-
gabe genHgen, nicht aber dem Romanisten, der, an sorgfältige
kritische Ausgaben gewöhnt, unwillkürlich versucht werden musste,
dem auf halbem Wege zu einem kritischen Texte stehen ge-
bliebenen französischen Ipomedon weiter aufzuhelfen.
Dieser Versuchung hat Mussafia nachgegeben, und mit den
ihm eigenen Scharfsinn und mit vollendeter Gewissenhaftigkeit
auch in Beachtung des scheinbar Unbedeutenden hat er eine
grosse Menge wertvoller Textheilungen vorgenommen, zu denen
auch noch G. Paris beigesteuert bat. Während ich mir erst
nach Beendigung des Druckes von dem Reimgebrauch des Dichters
eine Vorstellung machen konnte, hat M., wie es dem Textkritiker
geziemt, gleich zu Anfang sich Über denselben unterrichtet, und
es gelang ihm, denselben in einigen Punkten klarer zu stellen,
als mir in meinen Anmerkungen, die zur Grundlage nur eine ein-
malige schnelle Lektüre des ganzen Textes nach seiner Druck-
legung besassen. Damit waren zugleich neue Kriterien für die
Textbetrach tuog gewonnen. Während ich bei der stttckweisen
Kenntnisnahme von dem Texte mir kein genügendes Urteil
Id. Mussafia, Sulla critica del testo del romanzo in franctse etc. 137
Imrüber bilden konnte, wie weit dem Autor die Verstummung resp.
Sinschiebung von tonlosem e zuzutrauen, welche der möglichen
>oppelformen ihm zuzuerkennen und wie weit die Partizipial-
ionkordanz bei ihm ursprünglich beachtet war, und infolgedessen
nir bei den zur Herstellung der richtigen Silbenzahl vorzunehmen-
len Emendationen ein fester Anhalt fehlte, hat M. S. 4 — 21 alle
lie8e Punkte auf das gründlichste untersucht und damit eine
sichere Grundlage für seine Besserungen gewonnen. Während
mir die Schreibeigenheiten des Kopisten erst mit dem Fortgange
des Druckes geläufig wurden, als mir diese Kenntnis nicht mehr
den rechten oder auch gar keinen Nutzen bringen konnte, kannte
M. dieselben von vornherein, und er hat nicht verfehlt, sie für
Beine Textkritik nutzbringend zu verwenden. Während endlich
ich (wie Kölbing) an dem zu Grunde gelegten Texte der Hs. A.
nur dann änderte, wenn derselbe gebieterisch eine Heilung ver-
langte und sich eine solche leicht bot oder zu bieten schien,
und während wir bei zweifelhaftem Werte einer Lesart von A
im allgemeinen dieselbe ohne weiteres durch die lesbarere von
B ersetzten, ohne an A selbst Heilungen zu versuchen, geht hin-
gegen M. überall darauf aus, die Lesart des Urtextes fest-
zustellen und durch sorgfältige Abwägung des in A und B Gebotenen
Eur Erkenntnis des originalen Textes vorzuschreiten. Bei dieser
Verschiedenheit unseres Verfahrens und unserer Zwecke konnte
es nicht fehlen, dass M. zu einer ebenso umfangreichen wie
wertvollen Nachlese gelangte, die dem zukünftigen kritischen
Herausgeber des Ipomedon die Wege ebnet und nur noch wenige
schwierige Stellen zur Behandlung übrig lässt.
Zu einer Einzelbesprechung des von M. Gebotenen gebricht
es mir gegenwärtig an Zeit. Seine S. 25 — 76 zusammengestellten,
dem Texte folgenden Emendationen sind verschiedener Art. In
manchen Fällen bessert M. die orthographischen Formen des
Kopisten, die von K. und mir absichtlich zumeist unangetastet
geblieben waren, aber allerdings hin und wieder zu Missver-
ständnis leiten können. Einige Male bringt M. Emendationen, die
es nahe legen, Lesefehler anzunehmen. Ein grosser Teil seiner
Besserungen sind Ergebnisse der von ihm über die Sprache des
Verfassers angestellten oben erwähnten Voruntersuchungen oder
der sorgfältigen und konsequenten Benutzung des Varianten -
apparats. Mehrfach hilft M. seine ausgedehnte Belesenheit fast
spielend die richtige Lesart zu erkennen, wo dem minder Be-
wanderten oft selbst eine ad hoc angestellte, ausgedehnte Lektüre
im Stiche lassen würde. Einige Male handelt es sich um Beseitigung
von blossen Lapsus oder um durch die Syntax gebotene Besse-
rungen. Ich kann jedoch hierbei die Bemerkung nicht unterdrücken,
i*** avtei JL Lit t-.'i w';»<]»t E*»5*1 i»tf in ihrer AUgene* I
r.hfte« v*\ uttTEZa*7iVl&** 'rrueti^fli* Gesetze als feststehet) 1
a*ziM-L*x_ Eni];-:! •■fite; K. *:e* rr-~s» Anzahl trefflicher n| 1
**Lv*»;»*,jr»T b""na?-t r- in j-ieLi seltenen Stellen, in den I
5*rT*it fiw Ij*oir.*ii<.- d*a L-~r eich: leicht zn lösende Ritt«! I
b:*>i D*M dn'Wi II. -:r. ;<u: Wal in Widerspruch mit ika 1
H-ib+t ?*r»i- *:»** tl.ni i-*Ib»l *io* Anzahl .Stellen zweifelhaft, 1
4a*» macrl«- i*jn*r LmecäaTi'--iien arjfeebtbar bleiben, einige hu
»jeher abzulehnen #icd. fällt *tig<-itht* der FUlle des gebot««
Out'.D eb>B*4 wenig in die Waj-ehale. wie das» H. mehnani
die Intention de* v©n un* in den Text Gesetzten oder dariaBe-
latteoen m i et verstau de n . einmal mir sogar (V. 21321 eil
mir nicht ge machte Emendati'.-r.en in die Schuhe geschoben bat,
wahrend er genau so b*t*tn wie ich s»-lbst-
Zoia r-ehliMt* kann ich nicht umhin, SC. für die Fora
seiner C'rJtiea zu danken. Es war bei der üben geschilderte!
Beschaffenheit der Iporoedou-Ausgab'- verlockend, sich auf Kottt
ihrer Veranstalter als gestrenger und Überlegener Richter i
zeigen, und etwa Kolbing die wohlfeile Lehre zu geben, er bU
als englischer Philologe »ich auf einen rein diplomatischen Ab-
druck beschränken, die II&s. mit Haut und Haaren reproduzieret
Hollen, wie das selbst bei enthaltsamen und vorsichtigen Roma-
nisten nicht unerhört ist, oder mir, ich hatte meinen Freund,
statt ihn zu unterstützen, von seinem Unternehmen abhalten .
ihn bewegen sollen, sein Material einem Fachromaniatea zw
Veranstaltung einer kritischen Ausgabe zn Überlassen. IL hat
sieb jeder Kritik der Hgg. enthalten und sieb darauf beschraikt,
dem Texte seine Aufmerksamkeit zuzuwenden. Wenn er dabei
auch einige Male die Schale seines Zornes Über die in ihm vor-
handenen errori ansgieset, deren einer, der nachträglich and
mein Staunen erweckt, selbst das schöne Epitheton madornalemi
Fug und Keeht erhält, so können wir ihm dies nicht verdenket.
Weiht uns doch das Bcwusatsein, gerade dadurch, dagg wir uns nebt
auf einen diplomatischen Text beschränkten nnd mit Emendationa
den Anfang machten, M. zu seiner Weiterarbeit angeregt und
dadurch das Erscheinen einer Studie veranlasst zu haben, au
deren Lektüre namentlich junge Herausgeber eine gute Lehn
ziehen können, weil sie in ihr gewisgennassen in die Werkstatt*
einer sorgfältigen Textbehandlung eingeführt werden.
E. Kobchwiti.
Z. Cle'dat, Revue de phiiologie franpäse et provenqale. 139
SIMdat, L., Revue de phiiologie francaise et provencale. Bd. III,
P* fasc. 4. Paris, 1889. t. Bouillon.
In der vorstehend genannten Zeitschrift, a. a. 0. S. 241 ff.
let sich ein Aufsatz: La question de Vaecord du partieipe
der, von hohem allgemeinen Interesse, insbesondere lehr-
ih ist für diejenigen unserer Reformer, welche für den fran-
[achen Schulunterricht die Unterweisung in der gesprochenen
tche verlangen. Die von uns in der Zeitschrift XII, 1 ff. her-
gehobenen entgegenstehenden Bedenken, vor Allem jenes derUn-
i7 hnmtheit dessen, was als gesprochene Sprache anzusehen ist,
jjpsten hier in klarster Form zu Tage, und, wer es noch nicht
isate, kann nun den in dem Aufsatze niedergelegten wider-
stehenden Ansichten hervorragender französischer Grammatiker
Romanisten Über die Konkordanzverhältnisse des Pc. Pf. ent-
nehmen, welche Schwierigkeiten zu überwinden sind, um den
guten Gebrauch der gesprochenen Sprache festzustellen.
Offenbar von Bastin's Etüde phüologique des participest
lasee sur Vhistoire de la langue (3. Auflage, Petersburg, 1888)
«ngeregt, verfasste C16dat, den die Leser der Zeitschrift durch
seine Grammatik (s. Zeit sehr. XI2 10 ff.) bereits als scharfsinnigen
Romanisten kennen, einen Artikel, worin er die Frage aufwarf,
wie es mit der Konkordanz der franz. Pc. Pf. in der gesprochenen
Sprache aussieht und wie die Schriftgrammatik umgestaltet werden
müsse, wenn sie dem ^tatsächlichen Sprachgebrauch Rechnung
tragen soll. Diesen Artikel sandte C. an die Herren J. Fleury,
F. Häment, M. Br6al, G. Paris, A. Delboulle, L. Havet, F. Brunot,
L. Crousl6, Marty-Laveaux, A. Thomas, C. Chabaneau, J. Bastin
ein, also durchweg an Männer, über deren Urteilsfähigkeit kein
Zweifel gehegt werden kann, um von denselben Gutachten über seinen
Aufsatz zu erhalten. Schliesslich fixierte C. unter Benutzung der
ihm gewordenen Mitteilungen endgültig seine grammatischen Re-
formideen. Da in dem Artikel C.'s, die erhaltenen Antworten und
sein Endurteil hintereinander zum Abdruck gelangen, so wohnen
wir gewisserma8sen einer Konferenz kompetenter Fachmänner
über eine grammatische Frage bei and werden damit auf das
beste über die behandelten Sprachverhältnisse unterrichtet.
C. beginnt mit der Feststellung, das 8 der wirkliche Sprach-
gebrauch nur aus der gesprochenen Sprache zu erkennen ist,
die sich der Schriftsprache gegenüber einer relativen Unabhängig-
keit erfreut, und dass mit Rücksicht hierauf bei Beurteilung der
Konkordanzverhältnisse des Pc. Pf. die in der Aussprache unver-
änderlichen Pc. auf 6, i, u {£e, ie, ue> £{e)s, i(e)s, u(e)s) nicht in
Frage kommen. Hierauf geht er zur Besprechung der einzelnen Fälle
140 Referate und Ilezitisioncn, E. fioschwitz.
Über. Eb fällt dem Verfasser nictit auf, wenn das Pc. mit ar-ak
in der Umgangs spräche nicht mit dem vorausgehenden AkkuutW
übereingestimmt wird; er hat wiederholt beobachtet, das» Per-
sonen, die, wenn sie schreiben, eines Partie ipialfehlcra unfähig
sind, in der riiterhultimg trän/ hftniig die Konkordanz unterhuitD
und dies auch mich bei anderen nicht auffällig finden. Eni
wenn man sie aufmerksam machte, schien er ihnen (1/ leur tm-
btait), dass die Nichtübereinstimmung ihnen anatössig sei. Seibit
bei den hantig gebranchten Pc. fait und ouvert ist NiehtkomW
danz nicht ungewöhnlich, wenn auch vielleicht seltener als bei
den weniger häufig gebrauchten Pc. mit besonderer Femininforn.
Folgt den Pc. noch ein weiterer Satzteil, dann ist die Nicht-
übereinstimmung noch gewöhnlicher {also derselbe Zustand, der
nach uns Znehr. XII, 18 für frühere Zeit für die Pc. auf«, i, u anzi-
nehmen ist). Das weitere Fortbestehen der Übereinstimmiar,
in der Sprechspraehe fillirt C. ausschliesslich auf den Ein flow
der grammatischen Regel und der Schriftsprache zurück. Er
verlangt, dass es gestattet werde, die Konkordanz auch in der
Schrift zu unterlassen; die Nicbtkonkordanz werde dann bald
zur Alleinherrschaft gelangen. Die Ursachen des überh*»)-
nehmens der Unveränderlichkeit des Pc. untersucht C. nicht; »ir
können hier auf unsere Bemerkungen o. a. 0- S. 7 ff. verweise!,
bemerken aber, dass neben phonetischen Ursachen auch die
Empfindung des Pcs. als eines unselbständigen Teiles der ver
balen Form schon seit alter Zeil wirkte.
Folgt bei vorausgehendem Akkusativ dem Pc. noch ein er-
gänzendes Adjektiv, so wird, von älteren Beispielen abgesehen,
gewöhnlich gesagt: vom l'avez fait belle u. dgl. Die Verb*,
die so gebraucht werden, sind hauptsächlich eroin, raubt,
trouver, savoir, faire und dire, von denen für die Ausspreche
nur noch die beiden letzten eine besondere Femininform haben.
— Geht en (inde) einem Pc. mit avoir voraus, so geben auch
die neueren Grammatiker Nichtübereinstimmung als das regel-
mässige an; nur wenn bei en noch ein Quanttt&tsadverb steht,
soll, wieder von bestimmten Fällen (Ausmfnngs- und Fragesätzen
und wenn das Adverb zwischen [Hilfszeitwort nnd Pc. steht)
abgesehen, Konkordanz eintreten. Indessen sollen auch davon
wieder diejenigen Pc. eine Ausnahme bilden, deren Femininforn
vom Maskulinum für das Ohr verschieden lautet. Mit Recht bebt
C. hervor, dass in dieser Grammatikerregel das richtige Ver-
hältnis auf den Kopf gestellt ist. Eine wirkliche Konkordat)!
lässt sich nur bei den Pc. mit hörbarer besonderer Femininform
feststellen; dort fehlt sie aber, und statt nun die übrigen Pc.
danach zu regeln und auch bei ihnen die rein orthographische
L. Cledat, Revue de philologie franqaise et provenfale. 141
lonkordanzregel aufzuheben, wird von den Grammatikern die
«gel zur Ausnahme gemacht. — Zu den Fällen, wo vom Verbum
in reiner Infinitiv abhängt, bemerkt C. zunächst, dass nach den
Grammatikern faxt vor dem Inf. unveränderlich bleibt. Die Aus-
cheidung von faxt scheint dadurch gerechtfertigt, dass in Sätzen
rie fax faxt partir tes bagages nicht les bagages das Objekt von
ait ist (man hat nicht die Gepäckstücke gemacht), sondern
Htrtir les bagages (man hat die Wegschaffung des Gepäcks be-
rirkt). Ebenso liegt die Sache in Sätzen wie fai vu partir les
bagages; auch da ist das Fortkommen des Gepäcks (partir les
bagages) das Objekt zu vu. Aber man kann auch auffassen: ich
habe das Gepäck gesehen, wie es fortgeschafft wurde. Doch
ist dieser Unterschied ein fiktiver; faire lässt dieselbe Doppel-
anslegung zu. Das Volksbewusstsein trägt diesem Umstände
Rechnung, indem von einfachen Leuten auch on Va faite
venir u. dgl. (nach alt- und mfz. Weise) gesagt wird. Dafür,
dass die Grammatikerregel nur für faxt die Nichtkonkordanz
einräumt, liegt die Erklärung wiederum in dem Umstände, dass
bei den übrigen in Frage kommenden Pc. eine Formunter-
icheidung für das Gehör nicht mehr vorhanden ist. Auch
hier ist die Verwirrung der Grammatik nur durch die Ortho-
graphie eingeführt. Schon im XV. Jahrhundert war die Tendenz
der Nichtkonkordanz bei allen Pc. vor einem Infinitiv unzwei-
deutig vorhanden (vgl. Wehlitz, Die Kongruenz der Pc. Praet.
in aktiver Verbalkonstruktxon etc. Greifs wald, 1887. Dissert.
9. 61). Durch Aufhebung der Konkordanz auch in der Schrift
würde allerdings die Unterscheidung von Fällen wie: on Va vue
porter (man hat gesehen, wie sie trug, on a vu eile porter) und
on Va vu porter (man hat gesehen, wie sie getragen wurde, on
a vu porter eile) aufhören. Aber dazu fragt C. mit Recht:
„Macht der Zusammenhang diese Scheidung nicht überflüssig?
Besteht sie, wenn das Pron. ein Sgl. mask. ist? Besteht sie
bei faxt? Besteht sie in der Aussprache bei den übrigen Pc.?u
Auch wendet C. mit Recht ein, dass die Übereinstimmung des
Pc.*8 die Vorstellung der Konstruktion fälscht. In on Va entendu
tortxr ist le das Subjekt von sortir und nicht das Objekt von
nxtenduy ganz wie in on Va fait sortir. Richtiger jedoch als
diese Auffassung ist die von C. an zweiter Stelle gegebene,
ron geschichtlichem Standpunkte aus zu bevorzugende, wonach
k in beiden Fällen Objekt der ganzen verbalen Wendung (Verb,
(in. -f~ Inf.) ist. Die Übereinstimmung in diesem Falle läuft
also gleichzeitig der Logik und dem gegenwärtigen Sprach-
gebrauch zuwider.
Das Pc. Pf. mit etre wird in der Aussprache überall kennt-
142 Referate «tut Rezensionen. E. k'otckwitz,
lieh, wo eine besondere Fem in in form des Pc.'e in der gesprochen«
Sprache vorhanden ist. Hier ist also die Konkordanz durchui
Kegel. — Hei den reflexiven Verben gebt nach C. der Zag der
f ranz üb. Sprache unzweifelhaft dahin, die noch bestehenden Kon-
kordanzen aufzuheben. Man hört, ohne Anstoss zu nebmen: tat
s'en est pla , ■ eile x'y est mal prix, eile Ken est dtdit u. dgU
Bei solchen echten Reflexiven widerspricht die Konkordanz d«
allgemeinen Konkordantregal insofern, als in se gar kein eigent- '
liches (näheres) Objekt enthalten ist. Dieselbe Hesse sich nur I
dnreh den alten Brauch der Obere instiinmung der Pe. der refle- '
xiven Verben mit dem Subjekt rechtfertigen. Aber dieser Brauch,
der sich unter dem Einfluss der Mundarten nur in der Volb- ■
Sprache noch vorfindet, widerspricht der gegenwärtigen Spracb-
tendenz. Die volkstümlichen, dem Altfrz. entsprechenden Aus-
drucke : eile s'et-t faite mal u. dgl. mit Dativ des Reflexivomi
haben keine Aussicht auf Verallgemeinerung; dagegen hält sich
allerdings die Konkordanz der unechten Reflexiva an den voran-
gehenden Akk. um so fester, als sie mit dem alten Sprach-
gebrauch zusammenfällt. Indcss linden sich auch hier gesprochene
eile s'est bien ctmduit , eile »ext aggis u. dgl-, weil die moderne
Auffassung (oft auch der Ausdruck) darin ein eile t'a bien condud
fühlt.
Als Resultat ergiebt sich für C, dass, wenn man auch
immer besondere Gründe für die Konkordanz der Pc. findet,
doch nicht weniger gute für ihre Unterlassung vorhanden sind.
Daher die Widerspruche im Gebrauch selbst der besten Schrift-
steller. Zumeist handelt es eich um ganz Überflüssige Spitzfindig-
keiten, deren Abschaffung ein Verdienst namentlich um den
Unterriebt sein würde. Die Sprache wird weder an Klarheit
noch an Zierlichkeit einbüSBen, wenn die Tendenz, bei avoir und
eigentlichen Reflexiven die Konkordanz der Pc. aufzugeben, auch
in der Schrift zum Durchbruch gelangt
Von den von C. um ihre Meinung befragten Gelehrten
fUblt Fleury bei folgendem Akkus, das Pc. bei avoir als unselb-
ständigen Verbalteil, bei vorausgehendem Akk. dagegen deutlich
als Beziehungsform zum Akk., die demgemäss von ihm wie ein
Adj. übereingestimmt wird. C. fügt bestätigend hinzu, dass auch
die Patois an der Konkordanz mit vorausgehendem Akk. fest-
halten, dass also Fleury 's Ansicht nicht etwa durch die Schreib-
gewohnheit allein beeintiusst sei. Dem gegenüber bemerkt indesa
F. selbst, es könne sein, dass ihn sein Sprachgefühl täusche,
da er unter Fremden (in Petersburg) lebend aus Opposition
Purist geworden sei.
F. Herne nt erkennt nicht an, dass die gesprochene Sprache
L. Cledat, Revue de phUologie fr anläse et provenqale. 143
Hr die Orthographie der Schriftsprache massgebend seiu dürfe,
iteht also auf grundsätzlich verschiedenem, antiquierirten Stand-
punkte und unterlässt eine Diskussion des von C. Vorgetragenen.
M. Breal verweist auf einen in der Rev. d. <L mondes,
De*. 1889, inzwischen von ihm erschienenen Aufsatz. Er ver-
langt für die Grammatik ein ausserordentlich langsames Vorgehen;
man müsse sich vorläufig damit begnügen in Sätzen wie la femme
qve j'ai vu (wie) sortir und beim Pc. nach en volle Freiheit in
Bezug auf die Konkordanz zu gestatten.
G. Paris leugnet für die Umgangssprache der Gebildeten
Wendungen wie : Quelle perspective ü nous a ouvert! etc. ; niemand
Rage: Et la portef Las -tu ouvert f G. Paris sagt auch: Vous
l'avez faxte bette, findet Nichtkonkordanz bei den Pc. der echten
Reflexiva anstössig, bestreitet, dass man jemals sage: eile 8 est
am», hört und billigt: je me suis fait forte (gegen die Akademie,
aber mit Unveränderlichkeit des Pc), fürchtet, dass C. in seinen
Bemerkungen durch den Wunsch nach Vereinfachung der wunder-
lichen fz. Grammatik (gr. chinoise) beeinflusst sei, und besorgt
eine Zerstörung des Versbau, wenn man schriebe: eile 8 est levi
und les sottises grue j'ai entendu. Mit Recht hält dem C. gegen-
über, dass G. Paris, wie alle, die viel drucken lassen, mit seinen
Ansichten unter dem Eindrucke der Schriftsprache stehe. Für den
Versbau sei nichts zu befürchten. Auch die Einsilbigkeit von -aient
q. dgl. habe ihm nichts geschadet. Das Prinzip, die Schriftsprache
müsse sich nach der gesprochenen richten, giebt G. Paris zu.
Delboulle stimmt C. in allen Punkten zu und hebt nament-
lich hervor, dass die Nichtübereinstimmung am häufigsten auf-
trete, wenn das Pc. nicht am Schlüsse des Satzes oder Satz-
gliedes steht (vgl. Zschr. XII, 18.) — Auch Havet billigt C.'s
Artikel nnd schreibt der Akademie die Aufgabe zu, in bezug auf
das Pc. reformatorisch vorzugehen. Ein Grammatikersyndikat
könnte höchstens der Akademie den Weg bahnen, indem es die
gegebenen Dogmen durchbricht. — C. möchte durch die Schul-
grammatiken eine Reform einführen.
F. Brunot hält eine Vereinfachung der Pc- Regeln für
dringend erforderlich, namentlich durch seine Erfahrungen als
xcaminateur de baccalauriat dazu bewogen. Die Unveränder-
lichkeit der Pc scheint ihm nicht so weit vorgeschritten wie C;
sr glaubt aber in seiner Ansicht dialektisch beeinflusst zu sein.
Sicher liegen Nichtübereinstimmung und Übereinstimmung der
?c im Kampfe. Es erscheint ihm zweifelhaft, ob bei gegebener
Freiheit die Unveränderlichkeit des Pc den Sieg davon tragen
verde, so alt das Streben nach Unveränderlichkeit in der Sprache
tuch sei. Er hat oft gehört: quelle perspective ü nous a ouvert
144 Referate und Rczi-nswiten. K. h'asehwiiz,
U. dgl., aber nicht auch (von Gebildeten) Vinjure quil new a
fait, und erklärt diese Unterscheidung durch den Einfluss d«
Relativums, dass eine enge Verbindung mit dem vurausgiliendm
Fem. herstelle.
Crousle protestiert dagegen, dass man am der Fremdes
willen die Pc.- Regeln vereinfache; es sei dies eine unnflUe
HUbe, da mau in Frankreich ein sehr angesehener Fremder sein
könne, auch wenn man das Französische wie ein Kesselflicker
spreche. Im übrigen mochte C. ein vollständiges Aufgeben der
Veränderlichkeit der Pc. bei avoir, weil ihm die Sprache dahin
zu neigen scheint und damit die meisten ungerechtfertigten
Schwierigkeiten gehoben würden.
Marty - Laveaux stimmt C. im Prinzip bei; die jetzigen
Konkordanz rege In erscheinen ibm wie ein offizieller Putz, angelegt
wie Frack und weisse Binde, um in Gesellschaft zu gehen. Di«
Anwendung des veränderten Pc. ist selten in der vertrau liehet
Sprache, häufiger im öffentlichen Vortrage, am häufigsten und
regelmässigsten in der Schrift Sie ist zum Teil ein künstlich«
Erzeugnis der Grammatiker des XVI. und XVII. Jahrhunderts. Im
XVIII. Jahrhundert führte man die gegenwärtig giltigen Regeln
in den Text der Klassiker ein, und Grammatiker wie Oiranlt-
Duvivier legten in aller Unschuld die modernisierten Texte ihren
Regeln zu gründe. Er verlangt einen mutigen Bruch mit den
unnützen Spitzfindigkeiten der Grammatiker. Wie am 3. Juni 1679
durch Entscheidung der Akademie die Deklination der Pc. Prla.
mit Erfolg aufgehoben wurde (was natürlich nur gelang, «eil
in der Sprecbaprache die Sache keine Geltang hatte), so rotlaate
man den Hut haben, die Veränderlichkeit des Pc. bei avoir in
allen Fällen aufzuheben.
A. Thomas erkennt die Sprach tendenz der Un Veränderlich-
keit der Pc. bei avoir und den Reflexiven an und tritt für voll-
kommene Freiheit in beziig auf die Konkordanzge setze ein. —
C. Chabaueau ist mit C. in allen Punkten einverstanden. Bei
den Reflexiven und bei m möchte er die Nichtkonkordanz liebet
vorgeschrieben, als nur geduldet haben; für die übrigen Fälle
scheint ihm Freiheit das beste. — Bastin endlich verlangt wie
Marty • Laveaux Unveränderlich keit des Pc. bei avoir als Regel.
An diese ihm zugesandten Gutachten schliesat C. eine
„Conclusion" an. Er hat gegen die konsequente Aufhebung der
Veränderlichkeit des Pc. bei avoir nichts einzuwenden, glaubt
aber nicht, das» sie sich zur Zeit durchdrücken lasse, besteht
deshalb auf Freiheit des Gebrauchs, die nach ihm mit der Un-
verändert! chkeit des Pe. bei avoir ganz von selbst enden würde.
Gebt den Pc. ein Akk. des Relativums oder des Fers. Proa.
L. Cle'dat, Revue de phüologie francaise et proven^ale. 145
oraus, so findet noch am häufigsten Konkordanz statt. Die
Erscheinung verdiente durch die Patois verfolgt zu werden. —
Sbenso ist C. für Freiheit bei den Pc. der Reflexiva. — Bei en
ils „Compliment direct" verlangt C. Un Veränderlichkeit, gleich-
mütig, ob ein Adv. der Menge dabei steht, oder nicht, desgl.
tir die Pc. mit avoir und folgendem reinen Infinitiv. Es sei,
nie auch M. Br6al herhorhebt, eine Unmöglichkeit, zu sprechen:
fe les ai vu-s arrivis (also mit Bindung des #). Für die Intran-
litiva verlangt C. natürlich Unveränderlichkeit der Pc; Zweifel
können bei den Pc. coüte und valu entstehen, bei denen, wie bei
pe*er, instinktiv, der Logik zuwider, der Akk. des Masses als
»in näheres Objekt aufgefasst werde. C. will demgemäss diese
Pc. denen der Transitiva gleichgestellt, oder für coüti und valu
[Jnveränderlichkeit vorgeschrieben haben. Sehr interessant sind
3/8 Bemerkungen zu den Pc, denen ein Adj. folgt. In dem
Satze: on du son frere malade ist nicht son frere das Obj. von
üty sondern der Gedanke: que son frere est malade. Dire malade
ist gleich: dire qu'une personne est malade. Dieser Auffassung
Bntsprechend muss in den zusammengesetzten Zeiten das Pc.
unveränderlich sein. Sa sozur quon avoit dit malade heisst
nichts anderes als: sa sazur quon avoit dit etre malade. Wie
bei dire, so bei croire, trouver, savoir -f- Adj. Wieder anders
liegen die Dinge. in Konstruktionen wie rendre michant y das
nicht = rendre itre michant analysiert werden könne. Aber
auch hier ist z. B. in vous le rendez michant nicht le das Objekt
?on rendre: ron ne le rend pas, mais on le rend mechant", d. h.
rendre michant ist zu einem Begriff verschmolzen, die Konkordanz
ist nicht durch Pc, sondern durch das Adj. herzustellen. So er-
klärt sich: vous Vavez ichappi belle (nämlich la balle) u. dgl.
Indessen könnte man auch die Konkordanz beim Pc und Adj.
verlangen, da der Akk. immerhin ein anscheinendes Obj. des
Verbums (Pc.) ist und der Sprache der Schein genügt. Es ist
ilso auch nicht unvernünftig zu sagen: on Va faite belle. Am
besten wäre es, auch hier der Sprache volle Freiheit zu ge-
statten, und die Pc. mit Adj. von denen ohne ein solches gar
nicht zu unterscheiden.
Wir haben die Ausführungen C.'s und seiner Genossen so
eingehend wiedergegeben t weil es uns das Interesse der Sache
eu verdienen schien. Unsere Auseinandersetzungen über das. Ver-
balten des gesprochenen Wortes zur Schrift (Zschr. XII, 1 ff.)
erhalten hier eine willkommene Bestätigung; der Leser wird
mitten in das Leben der Sprache, und zwar der Sprache der
Gebildeten eingeführt. Der Aufsatz, dessen Lektüre wir auf
das wärmste empfehlen, wird vielleicht auch die Folge haben,
Zschr. f. fa. 8pr. u. Litt. XII*. jq
146 Referate und Rezensionen. &*. Koschmitz.
der Sicherheit mancher unserer deutschen Schiilgramuuttikrr,
welche gewohnt sind, das Überkomme ne Regelwerk als (in
Evangelium zu betrachten, einen kleineD ßtoss 211 geben. Dei
deutschen Schülern wird freilich von den ketzerischen Bedenken der
französischen Philologen gegen die Konkordanzrege In der Pc
am besten noch nichts verraten werden.
E. Koschwitz.
Marcel Sehwob et George Guieyase, Etüde nur tetrgat fraiteais.
{Extrait des Memoire* de la Bocifti de Unguistique tk
Paris VII.] Paris 1889. Em. Bouillon. 8* 28 8.
Seitdem wir hier, Bd. VI8, S. 38 ff. eine Besprechung der
neueren Argotworterbticher geliefert haben, hat die Argotlitterator
nicht unerhebliche Fortschritte gemacht. Von hohen Werte,
wenn auch keine streng wissenschaftliche Leistung, war die Ein-
leitung in Vitu's Jargon du XV stick. Paris 1884, worin ver-
sucht wurde, eine Geschichte des Argot zu geben.1) Zwei Jahre
später Übernahm es Ad. Hamdorf, Über die Bestandteile da
modernen Pariser Argots. Berlin (Greifswalder Dissertation), du
moderne Argot im weiteren Sinne des Wortes auf seine. Rekn-
tiernngs gebiete hin zu untersuchen. Er zeigt«, dass ein grosser
Teil der ArgotwÖrter altfranzösi sehen Ursprungs sind nnd sich
in den Hundarten Frankreichs noch jetzt vorfinden, unterlie»
aber leider die Feststellung, ob nicht auch manche in den
Dialekten vorzufindende Wörter vielmehr aus dem Argot in nie
eingewandert sind. Sonst wird das Argot gebildet durch meta-
phorisch gebrauchte Wörter der gewöhnlichen Umgangssprache,
für deren verschiedenartigen Bedeutungswandel H. (8. 31—53}
Proben gibt; durch kunstliche Neubildungen: Prothesen: bUjt f. tot,
Epenthesen: birlibi f. biribi, Epttnesen, besonders HinzafHgnng
von speziell im Argot beliebten Suffixen: cothemar(d) f. coeher
u. dgl., Apbaereseu: cipal f. munieipal, Synkope: earne f. earogne,
Apokope: cogne f. cognac. Vertausch ung der Endsilben: argudie
f. argot, Verdoppelung einer beliebigen Silbe: banban t bmeroche,
»} Vgl. Zeitschrift VII* 17. Das im LMM. f. germ. «. rom. Ütt.
Januar 1830 augekfludigtu Werk A. Vitu's, CBuvres de fr. Väkm. Lt
Jargon et jobelin, comprenant einq bailade; inedites tfapris le ms. de U
bibt royate de Stockholm etc. Paris 1890, scheint mit dem oben be-
sprochenen identisch zu sein und nur einen neuen Titel erhalten 10
haben. Altere Arbeiten über daa französische Argot findet man ver-
zeichnet in Bihtiothique patoise de M. Burgaud des Morels. Paria 187S.
Haiionnenve et C- S. SIS ff.
M. Schtvob et G. Guieysse, Etüde sur Cargot franqais. 147
nehrfache Wortveränderungen: reniifer f. entrer, onomatopoetische
Bildungen: fric-frac = Einbruch, und Weglassung von Wörtern in
jusammensetzungen: fort f. fort de la baue. Dazu kommen
Bildungen wie die sog. Javanesische, die km- und luch- Sprache
1. dgl. (S. 54;. Endlich enthält das Argot Neubildungen, die in
gewöhnlicher Weise mit allgemein gebräuchlichen Prä- und
Suffixen oder durch Zusammensetzungen gebildet sind, und eine
grosse Menge namentlich modernen Sprachen entlehnter Fremd-
wörter. Auf diese Arbeit Hamdorf 's, die trotz mancher Schwächen
und trotz ihrer geringen Selbständigkeit einen Fortschritt in der
Argotforschung bedeutete, folgte in Deutschland eine neue Auf-
lage der Villatte'schen Parisismen. Berlin, 1888. *) Der Verf.
bat sich in ihr unsere Ausstellungen an der oben genannten
Helle zu Herzen genommen und durch eignes Sammeln den Inhalt
»eines Wörterbuches vervollständigt. Es braucht nicht wiederholt
ra werden, dass auch bei ihm wie bei Hamdorf nicht das kün st-
iebe Argot im engeren Sinne, die eigentliche Gaunersprache,
lusschliesslich oder nur vorzugsweise berücksichtigt werden sollte.
Die hier zu besprechende Arbeit sucht die Bildungsweisen
des eigentlichen Argot zu ergründen. Sie ist wissenschaftlich,
wennschon das phantastische Element, ohne das eine Argotarbeit
nicht bestehen zu können scheint, sich noch in einigen Einzel-
heiten behauptet hat. So ist z. B. die Zurückfiihrung der S. VI
angegebenen zahlreichen Worte auf den Stamm go in das Reich
der Phantasie zu verweisen. Ein Grundfehler der Arbeit ist ferner,
dass die Verf. fast ausschliesslich mit dem Schriftbilde operieren ;
wenn irgendwo, so muss bei dem im allgemeinen nur auf mündliche
Verständigung berechneten Argot das Lautbild in erster Reihe im
Auge behalten werden. Eine Menge scheinbarer Verschiedenheiten
entstanden durch die orthographischen Eigentümlichkeiten der
verschiedenen Autoren, denen man schriftliche Aufzeichnungen
aus dem Argot verdankt. So wird go, gaud, got geschrieben,
obgleich es sich um dieselbe Silbe handelt. Die verschiedene
Schreibung führte dann zu verschiedenen etymologischen Deutungen,
von denen die einen falsch sein mussten; andererseits ermöglichte
der Umstand, dass es sich um eine für die Schriftsprache nicht be-
stimmte Sprechsprache handelt, Neubildungen und Zusammen-
setzungen, die unverständlich erscheinen, wenn man einseitig das
oft auf willkürlicher Darstellung beruhende Schriftbild ins Auge
fasst Im Ganzen besitzt aber die fragliche Untersuchung streng
philologischen Charakter.
*) Seitdem ist Berlin 1890 eine dritte Ausgabe erschienen, in
welcher der Inhalt der zweiten noch um einen Anhang von 24 Seiten
vermehrt ist.
10*
148 Referate und Rezensionen. R. Kosehmiz,
Die V'-: i. stellen zunächst fest, dass das vod ihnen be- I
handelte Argot ein durchaus künstliches Prodnkt ist, dass dem-
nach auch die Bild ungs weisen Bein er Worte künstliche sind.
Von diesen wird in einem ersten Abschnitt (S. 6 — 20) die Er-
scheinung des sog. loucherbeme (= boucher) behandelt, du im
wesentlichen mit der lern- und lach- Sprache identisch ist. Der
anlautende Konsonant dee zu verändernden Gero ein wortes wird
durch l ersetzt, er selbst tritt an dag Ende des Wortes und
hinter ihm das Suffix hne (em) oder ueh(e). So wird für 6m
lonbeme (lonbem), lombuck(e) gebildet. Auch andere Suffixe all
bn(e), uch(e), etc. sind möglich, so ique, oque (gelehrte Suffixe),
i und atte, z. B. lonxkurmique (monsieur), loirepoque (poire),
latronpatte (patron), lingtct (vingt) etc. Dieses Bildangs verfahren
findet sich bereits in dem im ersten Dritte) des XVII. Jahrhunderts
entstandenen Jargon de Target reforme Ol. Cherean's, auf den
bis auf Vidocq's Voleurs fast alle Argot-Publikationen du
XVII. Jahrhunderts beruhen. Auch Vidocq hat ans dieser Quelle
geschöpft. — Die mit den angegebenen und ähnlichen Suffixen
gebildeten Worte erleiden häufig Abkürzungen: louffe f. loufoqtt
(fou), linve f. linvi (lingtve = vingt) u. dgl., und diese abge-
kürzten Formen verknöchern sich oft, werden fest, während die
vorausgegangenen Suffix- (loucherbeme =J Bildungen verloren gehen.
Analog dem geschilderten Verfahren sind die Bildungen
mit wechselseitiger Metathese. Diese Metathese erscheint häufig
als volkstümliches Spracbbildungselement (vgl. Behrens, über
reziproke Metathese im Romanischen. Greifawald 1889. S. 18 ff.);
von da wird sie fUr künstliche Bildungen entlehnt worden sein.
In diese Gattung gehören: miloger (Diener) neben limogere (Stuben-
mädchen), Server f. vertier. Diese beiden Umstellungen stehen
den namentlich in Mundarten häufig auftretenden sehr nahe.
Dagegen tragen Bildungen wie tabar f. rabat und Ostac f. Costa
das Gepräge des Gemachten, Unnatürlichen.
Bei den Bildungen des loucherbeme war die Wahl des an-
zuhängenden Suffixes nicht vorgeschrieben. Diese Freiheit in
der Suffixwahl findet sich auch bei den gewöhnlieben Worten,
namentlich wenn sie ihrer Form nach an den Vokabelschatz des
Argot erinnerten. So tritt fllr bovtique auch boutoque und
boutanche ein, für prtfecture prefeetanehe n. dgl. — Die Verf.
möchten so auch bombance als Doppelform zn bombe auffassen,
was nicht unglaublich erscheint; dagegen durfte ihre Ableitung
von tronehe oder tranche aus trogne, also mit Einsetzung von oneht,
anche für ogne weniger Beifall finden. Aach die andern Fälle,
in denen nach den Verf. nur die Anfangsbuchstaben eines Wortes
übrig geblieben, alles übrige aber beliebig geändert sein soll:
I
Marcel Sehnt .7 Gi-orge Guinjssc, Etüde s»r t'm-gol frmtaa. 149
fringiie, *froqve, *fripe, mal, moche, mouche, bete, buche U. S. W.,
dürften erst zugegeben werden, wenn eicli schlechterdings keine
ungezwungenere Erklärung finden lassen will.
Wie die Sutüxvertausehung liebt das Argut die Sufh'xhilufung,
die ein volkstümlicher Zug des Französischen und Rumänischen
von Anfang au ist. Ableitungen wie chiqne, *chiquoque (chicoque),
1 ''chif/uaqnmut, woraus ckiqwtquitnttard (chicocandnrd), haben durch-
aus nichts Auffalliges.
Die an erster Stelle geschilderten Kunstbildungen des
hiurtterh'rmi: etc. brachten die Suffixe «che, uchn, oque etc. in
Verbindung mit den Konsonanten, die durch Umstellung ans dem
Wortanlaiit in den Wortschluss vor das Suffix geraten waren.
Aus diesen umgestellten Konsonanten + oche, ucke etc. bildeten
sieh neue Suffixe. So lässt lonbocke (= hon) u. dgl., gefühlt
als ton-boche, ein Suffix bocke entstehen. Dieses neue Suffix wird
dann wieder zu Bildungen wie Alleboche f. AUemnnd, faniabocke f.
fanlagnin verwendet. Ähnlich bei mar (mard) u. a., wofür von
den Verf. keine Belege gebracht werden.
Die Suffixe des Argot sind zumeist gauz bedeutungslos,
dienen ausschliesslich der Wortentstellung. Dies gilt insbesondere
auch von der Endung aste. Verre ist gleich verreiste, rin = n'naJH,
hon = bnnat»e; nur in der Volkssprache besitzen die Bildungen
mit asm eine verschlimmernde Bedeutung. Ebenso bei der Argot-
Endung go, g<d (wohl für gand, g -\- and, wie bocke = b -f- oche):
l'ari/ti'en: Pariyot, seryent: sergijt, mendiant: mendü/ot etc. Nach
Annahme der Verf. kann bei Ausetzung des Suffixes go(l) zugleich
eine Verkürzung des Stammwortes eintreten. So gelangen sie
ZU den neuen Etymologien; mt'got = meckegot von miche = rfemi,
und magot (Affe) = mannego für mannequin. Doch dürfte sich
flir wiche ein franz. dialektisches me = medtus linden lassen,
dem got ohne Konsonantenausfall angefügt sein konnte. Die
S. VII gegebene Ableitung von ■mimnegvin aus dtsch. mann +
Suffix quin ist irrig; mannequin ist and. manne/ein (gegenwärtig
männeken). Gogo neben gogaille und goguett« für tjnsier ist nicht
unwahrscheinlich; Argot für Arabie ist, wenn schon gewagt (vgl.
8. 18), nicht schlechter als die bisherigen Etymologien des Wortes.
In einem zweiten Abschnitt (S. 20—26) behandeln die Verf.
den Bedeutungswandel im Wortschätze des Argot. Die gewöhn-
liche Metapher findet nur eine kurze Berücksichtigung; dagegen
werden diejenigen nedeutungsumwandlungen ausführlicher be-
leuchtet, welche in der Weise entstehen, dass ein Wort zunächst
seine Form in der beschriebenen Weise verändert, dadurch mit
einem andern Worte formal zusammentrifft, mit diesem verwechselt
wird und ihm sinnverwandte Worte zum Ersatz erhält. So wird
150
Refi-r:
md Ra,
W. Sckeffki;
aus marmile (femme) durch Suffix vertäu schung marmaUei f'fir
dieses tritt in seiner neuen Bedeutung auch taupe ein. Marmile
selbst unterliegt andererseits synonymi sehen Vertauschungen mit
casnerole und poeton. Aus bormeteau (Küinmelbhitti/hen) soll durch
ktiiistlkthe Abkürzung bonnet geworden sein, dieses bmineterie er-
zeug! haben, wofür synonymisch lingerie eintrat. Schliesslich
Beien die Spieler des bonneteau zu linge* geworden. Die Richtig-
keit dieser letzten Entwicklung ist indessen nichts wenigei
gewiss; dieselben Zweifel stellen sieh auch bei anderen der von
den Verf. gegebenen Beispiele ein. Dagegen äst gegen da»
wirkliche Vorhandensein derartiger Be de utungsent Wickelung«!, die
von formalen Änderungen ihren Ausgang nehmen, kein Bedenken
zu erheben. Aus den zum Teil recht wenig stichhaltigen weiteren
Beispielen sei hier nur noch die Entthronung des dtsch. „trinken'
als Etymon zu trinquer hervorgehoben. Tricher nebi
(Stock) setzt nach den Verf. ein Verbum triquer = schlag
tXwohen voraus (tricker und triqver musBtcn im Altfratizftaischi
nebeneinander vorkommen); aus triquer entstand trinquet
Nasalierung von i. Die slidfrz. Dial. haben noch trinen, trinqua,
brechen, zerschlagen, oder auch die Gläser zusammenstoßen.
Die Bedentungsentwiekelung von triqver etc. lltuft parallel mit
der von ckiquer = e.hoquer, wofllr im 1(3. Jahrhundert noch ehinquer
mit der gegenwärtigen Bedeutung von trinquer erscheint. Damit
sei die Zusaimneuhanglosigkeit mit dtsch. trinquer gegeben. Wir
würden lieber das alte * triqver durch dtsch. trinken beeinüusst
glauben; das so entstandene trinquer kann dann wieder die süd-
franzb'si sehen Dialektformen und das analogiBche ehinquer erzeugt
und ihnen die Bedeutung des Gläserzusammenstussens gegeben
habon.
In einem sehr kurzen dritten Abschnitt (S. 26— 28) ziehen
die Verf. die Ergebnisse aus ihrer Arbeit. Die Berechtigung ihrer
Folgerungen ist einzuräumen. Eine Reihe etymologisch bisher
unverstandener Worte werden sich gewiss mit Hilfe der Bildung»-
weise des Argot erklären lassen; ferner ist es zweifellos, dass
die Entstellungen des Argot von den arehituppäU, den Führern
der sieh des Argot bedienenden Klassen hervorgingen, und dass
die synonymische Entwickeluug eine grosse Rolle in der
deutungslehre des Argot spielt. Die Methode, mit der man
Argotuntersuchungen herantreten muss, ergibt sich aus der Eni
stehungsweise des Argot von selbst; eine einseitig experimentelle
aber, wie sie die Verf. zu befürworten scheinen, muss ebenso
sehr zu Irrtümern führen, wie eine rein historische. Jeder Teil
des Argot verlangt nach seiner Bildungs- und Entstellungsweit
eiDe besondere Behandlung.
lass
Snt-
/. Tiersot, Histoire de la Chanson populaire en France. 151
Das Werkchen soll nach der Angabe der Verf. nur tune
preface, une me'thode, au moins provisoire' sein. Die Schwächen
desselben und seine Unzulänglichkeit sind ihnen also auch selbst
nicht entgangen. Möge es Herrn Schwob (Herr Guiey.sse ist als
Zwanzigjähriger von einem frühzeitigen Tode hingerafft worden.)
gelingen, das begonnene Werk in ausgereifter Gestalt zur
Vollendung zu bringen. £. Kosghwitz.
Tiersot, Julien, Histoire de la Chanson populaire en France.
Paris 1889. E. Plön. 542 S. gr. 8°. Preis: 7, 50 fr.
Im Jahre 1885 hatte die AcadSmie des Beaux-Aris folgende
Preisaufgabe zur Bearbeitung ausgeschrieben: Des milodies po-
pulaires et de la chanson en France, depuis le commencement du
seizieme tUecle jusquä la fin du dix-huitihne. En resumer l'histoire,
en ddfinir les caracthres et les differentes formes au point de vue
mwtical, et determiner le roh quelles ont joue dans la musigue
religieuse et dans la musique profane.u Unter den acht Bear-
beitungen, welche eingelaufen waren, erhielt jene des Hern
Julien Tiersot den Preis. Da L6o Delibes in seiner Beurteilung
fand, dass der letzte Teil von Tiersot's Arbeit zu kurz behandelt
worden, so veranlasste dieses den Verfasser, diesem Winke nach-
zukommen und bei der Veröffentlichung seines preisgekrönten
Werkes dasselbe in einzelnen Kapiteln zu vertiefen und die Be-
handlung der musikalischen Seite seines Stoffes durch Hinzu-
fligung neuer Kapitel wesentlich zu bereichern.
J. Tiersot gehört zu jenen jungen Gelehrten, welche sich
zu Rittern der so lange missachteten Volkamuse aufgeworfen
haben und sie im Salon heimisch zu machen streben, wie seine
Volkslieder-Aufführungen beweisen, die wir in den Pariser Salons
eifrig besprechen hörten. Und mit der Liebe zu der Volksmuse
verbindet sich ein gediegenes Wissen, genährt an den besten
Quellen. Als Unterbibliothekar des Konservatoriums flir Musik
zu Paris stehen ihm nicht nur dessen Schätze offen, sondern auch
der sach- und fachkundige Rat des um die wissenschaftliche
Erforschung des Volksgesanges so hochverdienten Weckerlin.
Herrn Tiersot war es ferner vergönnt, jene handschriftlichen
Volksliedersammlungen voll auszunutzen, welche auf Veranlassung
der französischen Regierung im Jahre 1852 in allen Provinzen
Frankreichs gesammelt wurden. Wenn Unterzeichneter bei Ver-
öffentlichung seiner Französischen Volksdichtung und Sage im
Jahre 1885 bedauernd aussprechen musste, dass ihm ein Ein-
gehen auf diese Sammlungen zur Zeit unmöglich sei — heute
h>l,:ruk- t,nd AVd'i
W. Sehifler,
bilden die Wiedererstandenen (wie er sich Ostern 1W89 zu Par
überzeugen konnte), in acht stattlichen Foliob/lndcu einen kost-
baren Schatz der Nationalbibliothek, mit dem jeder Forscher *
dem Gebiete der französischen Volksdichtung wird rechnet
Neben den litterariBehen Schätzen, welche Paris ihm bot,
suchte Tiersot lebende Quellen für seine Aufgabe heranzuzieliei:
und es gelang ihm, in l'aris selbst, dem Ettsammenfuaflaätt
Mittelpunkte All-Frankreichs, zahlreiche Provinzialen aufzuspüren,
aus deren Kelilen er neue und eigenartige. Volkslieder hervor
lockte. Auch Unterzeichnetem ist es golungen, diesen Weg mit
GlUck zu betreten und der GUte der Frau Professor Kuliff Parii,
einer geborenen Auvergnatin verdankt er eine Reihe ihm bis
dahin unbekannt gebliebener Lieder ihrer Heimat.
Aber die Hauptansbeute boten Tiersot doch die Provinzen
selbst; und so sehen wir ihn denn seine Fahrten ausdehnen über
jene Striche, wo das Volkslied auch noch heute lebendig ge-
blieben ist: nach BreBse, der Hoch ■ Bretagne und Morvan; nach
der Picardie, Lothringen, der Franche-Comte, Burgund und dem
Daupbine. Auch deutsche Werke hat Tiersot, aber doch zu ver-
einzelt, herangezogen. Er filhlt wohl selbst diese bedeutsame
Lücke — aber bei seiner Thatkraft und seiner Jugend liease
sich filr die Zukunft leicht ausfüllen.
Immerhin scheu wir, daBS Tiersot seiner Aufgabe wohlge-
rtlstet entgegengetreten ist und dass er uns als Ergebnis all
seiner Studien einen möglichst vollständigen Überblick über den
derzeitigen Staud des Volksliedes in Frankreich darbietet. Wie
sieb dieses bei einem französischen Werke fast von selbst ver-
steht, ist dasselbe in einem glänzenden Stile geschriebi
Uns Deutsche freilich mutet Tiersot'B Werk nicht so neu,
so eigenartig an wie die Franzosen, die wohl erst durch Tiersot
Über den Reichtum ihrer Volksdichtung belehrt sein mögen. Hat
doch seit Beginn dieses Jahrhunderts bis in die jüngste Zeit bin
die französische Volksmuse deutsche Bearbeiter gefund'
denen durch seine tiefinnerlichc Behandlung ohne Frage Uhlai
noeli immer unerreicht dasteht.
Neu und eigenartig an Tiersot aber ist, dass hier das
musikalisch-gesangliche Element du« franzüsi sehen Volksliedes zu
seinem vollen Rechte gelangt. Tiersot hat voll und ganz den
Satz zur Wahrheil gemacht, dass jede primitive Poesie, wie die
Volkspoesie, Singpoeaie ist, dass VVort und Weise innigst zu-
sammen gehören, d, h. er hat nicht nur wie dieses bisher fast
immer geschehen, das Volkslied einseitig ästhetisch behandelt,
sondern wie im Gewebe Kette und Einsehlag, so bei dem Liei"
■Dd
e
"
!
J. Tkrsot, Uistoin- de Ui Chanxon populnire M France. 153
Inhalt und Melodie zu einem Ganzen verwoben. Und hiermit
nicht gGBItg, hat Tiersot, wie schon einleitend bemerkt, in dem
zweiten und dritten Teile Beines Werkes (welche ungefähr die
Hälfte des Gesamtwerts ausmachen) die. musikalische Seite
einer gründlichen Erörterung unterworfen und die Volksmelodie
in Vergleich gestellt ini der musikalischen Kunst überhaupt.
Wir stehen nicht an zu glauben, dass in dieser ausgiebigen
liehaudlung der musikalischen Seite des Volksliedes das Haupt-
verdienBt des Werkes ruht. Und wenn wir auch ein kompetentes
Urteil hierüber nicht abgeben können, so glauben wir, dass in
der bevorzugten Stellung, welche Tiersot am Conservatoire de
Masiqite unter der Aegide eines Weekerlin einnimmt, Bürgschaft
genug für die Tüchtigkeit seines musikalischen Wissens liegt.
Immerhin hat es uns BeltBam berührt, dass Tiersot in seiu Buch
ParapbraBierungen von Volksmelodien au/genommen. Auch wir
haben Männer gehabt (wie Frankreich auch), welche den Test der
Volkslieder nach ihrem Geschmack ummodelten. Heute sind wir
davon zurückgekommen und lassen das Volkslied auch mit seinen
»Knorren und Auswuchsen bestehen. Ich uiöebte daher glauben,
dass in einem Werke wie dem seinen stets so zu verfahren sei,
wie er Belbst dies auf S. 113 angieht: Pour cette fois, nous cm-
trrverons aitx notes la valeur qu'elles ont dans V original: cela
laissera ä la melodie na physionomie et rendra plus sensible la
comparaison que nous vtniltnm Unter de ce texte anec un mdre
qui parattra egaiement dann son integriU. Und diesem hier
befolgten Grundsatze wäre um so eher stets zu folgen, als
Tiersot die französischen Volksmelodien wunderbar findet, von
unendlicher Frische und unerschöpflicher Kraft. Es mag für
►einen Laien gewagt erseheinen, diesem letzteren Ausspruch etwas
entgegenzuhalten. Indessen möchte ich doch darauf hinweisen,
dass, als es sieh seiner Zeit darum handelte, in mein Buch die
charakteristischsten und schönsten Volksmelodien Frankreichs
aufzunehmen, die Gruppe musikalisch gebildeter Herren und
Hamen, denen bei mir eine Fülle von Melodien vorgespielt
wurde und welche nun mit darüber abstimmten, welche davon
Aufnahme finden sollten, welche nicht, sich verwundernd darüber
äusserten, wie gering im Verhältnis zu unseren Volksmelodien,
von denen faBt jede schön und charakteristisch sei, die Ausbeute
im Französischen wäre.
Bezüglich der Einteilung der behandelten Lieder ist Tiersot
gleich seinen Vorgängern seinen eigenen Weg gegangen; indessen
will uns derselbe nicht immer uugesucht erscheinen.
Den erzählenden, epischen, legendenhaften und historischen
iedern folgt die C'omplainte, welcher Ausdruck an die Stelle
154 Referate %md Rezensionen. E. Garlieh,
der balladc treten soll. Für uns Deutsche würde ieb es bei in
Ballade belassen; der Ausdruck erscheint mir begrifflich schürf»
bestimmt.
Folgen anekdotische und satyrische Lieder; von letzteres
bat Tiersot das Liebeslied getrennt, obwohl er es der Haupt-
sache nach filr satirisch hält und Zweifel hegt, ob im franso-
sischen Liebe slied die Liebe um ihrer selbst willen erstrebt
werde. Hier berührt sich Tiersot mit Bartsch, welcher in seiner
poetischen Einleitung zu der Übersetzung altfranzösi scher Lieder
das deutsche Liebeslied in seinem Gefühlsleben so sehr viel hoher
als das französische stellt. Nach meinen Erinnerungen rauchte
ich beiden Forschern nur bedingungsweise Recht geben aad
glauben, dass im französischen Liebealiede such Lieder von
Liebe um ihrer selbst willen reden und sagen.
Tanz- und Wiegelieder, Handwerker- und Soldatenlieder,
Lieder, welche das Festliche Jahr begleiten, wechseln mit Toten -
und Trinkliedern. Vaudevilles, Weihnachts- und religiöse Lieder
bilden den Schluss. Gehört die letzte Gruppe, wie auch Ver-
fasser zugiebt, streng genommen nicht zu den Volksliedern, so
finde ich ihre Aufnahme dennoch gerechtfertigt Sind doch
namentlich die weihnachtlich - religiösen Gesänge aufs innigste uii
dem Gemütslcben des Volkes verwebt. Ebenso wenig möchte
ich die Erwähnung der Marseillaise missen; wenn auch sie,
streng genommen, aus dem Rahmen des Volksliedes heraustritt,
so gehört sie doch zu jenen Kunstdichtungen, die innerhalb einer
gegebenen Zeit das gesamte Volk beherrschen und deshalb, nie
wir mit glücklichem Wort und feiner Unterscheidung sagen
„volkstümlich" geworden sind. Hören wir Tiersofs inter-
essante Erläuterung: nach ihm ist Rouget de Liste als ein
letzter (sie!) Volksdichter zu betrachten, dessen Namen wir zu-
fällig wissen. Wie jeder echte Volksdichter gehörte Rouget
de Lisle zu jenen, welche das, was an Ideen in Wort und in
Husik seine Zeit erfüllt, zusammengefaBst nnd zu scharfer Aus-
prägung bringen ; und weil er eben der poetisch-musikalische Aus-
druck Beiner Zeit wurde, deshalb wurde er national (d. i. volks-
tümlich).
Fassen wir das Gesagte kurz zusammen, so stellt sieh
Tiersot's Werk als ein neuer, wohlgelungener Versuch dar, dem
Kreise der Gebildeten und insbesondere der Gebildeten seiner
Heimat einen Gesamtüberblick über das reiche Gebiet des fran-
zösischen Volksliedes zu geben. Die Hauptstärke des Werkes
liegt in der musikalischen Durcharbeitung des gebotenen Stoffes.
Wenn auch in der Einleitung der Versuch gemacht wird, die
griechischen, römischen und germanischen Einflüsse auf die Ebb-
F. Auler, E. Burgass, A. Küppers, B. Eggert, R. R&kr, Der Dialekt etc. 155
Wickelung des französischen Volksliedes nachzuweisen, anderer-
seits den christlichen Einfluss, dem es unterlag, so ist mit dieser
Einleitung, die vielversprechend ist, doch nur ein Baustein mehr
zu einer Geschichte des französischen Volksliedes geliefert worden.
Diese Aufgabe ist nach wie vor noch zu lösen und die Geschichte
des französischen Volksliedes wäre ein Gegenstand, würdig
einer neuen Preisaufgabe für die Academie des Beaux-Arts.
Wilh. Scheffleb.
Alller, Franz, Der Dialekt der Provinzen Orleanais und Perche im
XIII. Jahrhundert. Strassburg, 1889. Dissert. 1618.8°.
Burgass, Ernst, Darstellung des Dialektes im XIII. sei. in den
Departements „Seine -Inf trieure und Eure (Haute Nor-
mandie)" auf Ghrund von Urkunden unter gleichzeitiger
Vergleichung mit dem heutigen Patois. Halle, 1889.
Dissertation. 83 8. 8°.
Küppers, Albert, Über die Volkssprache des XIII. Jahrhunderts
in Calvados und Orne mit Hinzuziehung des heute dort ge-
bräuchlichen Patois. Halle, 1889. Dissertation. 54 S. 8°.
Eggert, Bruno, Fntwickelung der normandischen Mundart im
Departement de la Manche. Halle, 1889. Dissertation.
Roehr, Reinhold, Der Vokalismus des Francischen im XIII.
Jahrhundert. Halle, 1888. Dissertation. 47 S. 8°.
Immer kleiner und schmäler wird der unbebaute Teil des
noch vor zwei Jahrzehnten beinahe gänzlich brachliegenden
Feldes der altfranzösischen Dialektkunde. Dank der Anregung,
welche den Jüngern der romanischen Wissenschaft auf unseren
Universitäten zu teil wird, sind besonders in den letzten Jahren
eine Reihe verdienstlicher Arbeiten erschienen, welche unsere
Kenntnis der mittelalterlichen Mundarten Nordfrankreichs wesent-
lich gefördert haben.
Die Arbeit von Aul er über den Dialekt von Orleanais und
Perche ist mit anerkennenswertem Fleies und grosser Gründlich-
keit angefertigt. Mit einem reichen Kenntnisschatz ausgerüstet,
erkennt er mit grossem Geschick den phonetischen Wert, welcher
den mannigfachen und verschiedenen graphischen Darstellungen
zu Grunde liegt. Was aber der Arbeit hinsichtlich ihres wissen-
schaftlichen Wertes grossen Eintrag thut, ist der Umstand, dass
der Verfasser sich seine Aufgabe nicht klar vorgestellt hat.
Hätte er sich begnügt, eine Laut- und Formenlehre des Roman
de la Rose in übersichtlicher Darstellung mit Weglassung alles
Nebensächlichen zu liefern, so wäre das schon eine verdienst-
liche Arbeit gewesen. Statt dessen aber glaubt er den Dialekt
Rtfcra
\t und lU-.ens
Ionen. E. Gftrlfch,
156
der Provinzen Orleanais und Perche klar zn stellen, indem ei
mit Benutzung einiger weniger Urkunden aus Baugency die
sprachlichen Eigentum liebkeiten des Roman de la Rose (circa
22 000 Verse), des Ckastiemmt des Dame» par Robert dt Bio»,
der Chroniow mitrique de Guillaume Ouiard (20 640 Verse) und
der Miradeu de Notre Dame de Chartre» behandelt Dazu hat
er noch den Roman de la Poirc. und den Roman de Foutaue dt
Candie, zwei Romane, deren Ursprung er nach Chartrea, resp.
Orleanais verlegt, herangezogen. Ob mit Recht oder Unrecht,
lasse ich dahingestellt; ans seiner Untersuchung geht es nicht
klar hervor. Um den Beweis zu liefern, wäre es vor Allem
nötig gewesen, zunächst die Eigentümlichkeiten der von ihm
behandelten Dialekte, resp. die Stellung zu bestimmen, welche
die Mundart dieser Gebiete im Verhältnis zu den Nachbar
dialekten einnimmt. Es läset sich bei dem heutigen Stand der
Dialektforschung die Hundart eines bestimmten Sprachgebiet»
nicht feststellen, ohne dass die Spracherscbeinungen der Kachbar-
dialekte berücksichtigt werden. Das ist ein Mangel in der Arbeil,
der sich um so fühlbarer macht, als der Verfasser versäumt
hat, die Resultate seiner Untersuchung Übersichtlich zusammen-
zustellen. Teilweise begnügt er sich damit, für einzelne Laut-
en twickelungen nur die Belege anzuführen, sodass, wer die
Arbeit benutzen will, selbst aus den gelieferten Belegen die
Schlüsse ziehen muss. Auch ist es schade, dass der Verfasser
die Untersuchungen Über die Sprache des Livre de» Miraele» dt
Notre Dame de Chartre» von Fcelster (1885) und Napp (1887)
nicht gekannt hat; er hätte sich viel Mtthe ersparen und viel-
leicht manchen neuen Gesichtspunkt gewinnen können, zumal
Napp eine Reihe von Urkunden aus Chartres hat benutzen
können und in einem Anhang „Textkritieche Bemerkungen" den
ganzen Text revidiert und zahlreiche glückliche Emendationen
geliefert hat. Überhaupt macht sich öfter in der Arbeit mangel-
hafte Kenntnis der einschlägigen Litteratur bemerkbar. So z. B.
enthält das Kapitel über die Aussprache von oi, über die Ent-
wickelung von e -f- n -f- a zu eine in den Patois längst Be-
kanntes. Im einzelnen hätte ich manches noch an der Arbeit
auszusetzen (ich vermisse z. B. ganz die Entwickelnng von "aeqytre);
doch verfehlt wäre es, mit einer Erstlings arbeit zu streng ins
Gericht zu gehen. Es ist ohne Zweifel eine anerkennenswerte
Leistung. Der Verfasser zeigt ein grosses Verständnis in der
Auffassung und Erklärung lautlicher Erscheinungen. Vielleicht
unterzieht er sich der Mühe, die Resultate seiner Untersuchung
übersichtlich zusammenzustellen, um eine leichtere Benutzung und
Verwertung seiner Arbeit zu ermöglichen.
F.Julcr, E. Burgass, J. Küppers, B. Egger t, R. R&hr, Der Dialekt etc. 157
Die drei folgenden Arbeiten von Burgass, Küppers und
Eggert haben zur Aufgabe, die Volkssprache der Normandie im
XIII. Jahrhundert hinsichtlich ihrer Laut- und Formenlehre dar-
zustellen. In der Anlage zeigen die Arbeiten keinen grossen
Unterschied. Vom Lateinischen ausgehend, betrachten sie die
Entwickelung der einzelnen Laute und Lautgruppen auf grund
mittelalterlicher Texte mit gleichzeitiger Berücksichtigung der
beutigen Patois. So dankenswert und verdienstlich auch diese
Untersuchungen der Mundart der einzelnen Departements ist, so
wäre es doch, nach meiner Ansicht, für die Wissenschaft von
grösserem Nutzen gewesen, wenn eine einheitliche Untersuchung
dieses Sprachgebietes von der Hand eines Einzelnen angestellt
worden wäre. Die vielfachen Wiederholungen wären vermieden;
dank der grösseren Übersichtlichkeit die Eigentümlichkeiten der
Mundart stärker hervorgehoben, und die Grenzen der einzelnen
Entwickelungen genauer bestimmt worden. Dies hätte um so
leichter geschehen können, als das Material, das zu Gebote
stand, kein allzu grosses war und leicht bewältigt werden konnte.
Bei der Regsamkeit und Schaffensfreudigkeit, die in der romani-
schen Philologie herrscht, ist es nicht leicht, sich in den ein-
zelnen Gebieten auf dem Laufenden zu halten; beinahe unmöglich
ist es, alle neu erscheinenden Abhandlungen zu lesen. Deshalb
ist es um so mehr zu wünschen, dass die Benutzung von Spezial-
untersuchungen durch eine übersichtliche Zusammenstellung der
gewonnenen Resultate möglichst erleichtert werde. Leider haben
Küppers und Burgass dies versäumt.
Auch erscheint mir die Hinzuziehung der modernen Patois
in solchen Spezialuntersuchungen von nur zweifelhaftem Nutzen.
Ich verkenne gewiss nicht den grossen Vorteil des Studiums der
Patois; aber dieses Studium muss ein wissenschaftliches sein.
Eine solche wissenschaftliche Bearbeitung der Patois kann aber
nur auf Grund persönlicher, an Ort und Stelle angestellter Unter-
suchungen erfolgen und zwar von phonetisch gebildeten und
mit der historischen Grammatik vertrauten Gelehrten. Arbeiten,
wie die von Joref, Horning etc., werden den Abhandlungen
über die älteren Mundarten die grössten Dienste leisten. Das
zeitweilige Heranziehen aber von Patoisformen, welche gedruckten
Texten entnommen sind, kann nur von geringem Nutzen sein.
Denn diese wenigen, zum Vergleiche herangezogenen Formen
geben weder ein klares Bild von den Eigentümlichkeiten der
Patois, noch können sie eine mittelalterliche Spracherscheinung
erklären, weil einmal der Lautwert der verschiedenen graphischen
Darstellungen nicht feststeht, und dann auch die Entwickelung
eines und desselben mittelalterlichen Lautes in den Patois oft
156 Referate und Rezensionen. E. J. tiroth,
eine so mannigfache und verschiedene ist, das» ee schwer in
sagen ist, ob in dem einzelnen Falle Überhaupt die Patoisforn
eine jüngere Laut stufe des mittelalterlichen Lautes repräsentiert.
Auf Einzelheiten einzugehen, würde mich zu weit führei.
Die Verfasser sind hinlänglich vertraut mit den neuesten For-
schungen auf dem Gebiete der alt-französischen Laut- und
Formenlehre. Gröbere Versehen kommen nicht vor. Ein be-
sonderer Wert der drei Arbeiten liegt darin, dass den Verfassern
eine Reibe bis jetzt nicht veröffentlichter, von Herrn Professor
Suchier in den Archiven abgeschriebener Urkunden zur Ver-
fügung stand. Burgass benutzte im ganzen sechzig Urkunden und
zwei Inschriften aus dem XIII. Jahrhundert. Ich vermisse die Be-
nutzung der Urkunden aus dem Cartulaire de Vabbaye royalt dt
Notre Dame de Bon-Port au diociae ctEvreux p. p. Andrieux, Evraa:
1861, welches nach meinen Aufzeichnungen eine Anzahl Urkunden
aus dem Ende des XIII. Jahrhunderts (von 1280 an) enthüll.
Dass von Klipper'» benutzte Material besteht aus 32 Urkunden.
Eggert stand ein reichlicheres Material zu Gebote; ausser einer
grossen Anzahl (72) von Urkunden zog er mehrere mittelalter-
liche Teste in den Bereich seiner Untersuchung. Doch liegt
erst ein Teil seiner Abhandlung vor; die Arbeit boII in erwei-
terter und vervollständigter Form in der Zeitschrift ßir rumä-
nische Philologie erscheinen.1)
Koehr will in seiner Arbeit, in welcher er sich auf den
Vokalisiiius beschränkt, die 1882 von Metzke in Herrig's Archiv
gelieferte Arbeit berichtigen und erweitern. Ob ihm dies ge-
lungen, möchte ich bezweifeln. Mir scheint es, als ob Roehr
ebensowenig wie Metzke zu positiven Resultaten gekommen ist;
auch er ist nicht im stände, irgend welche charakteristische
Eigentümlichkeiten der Francischen Mundart anzugeben. Metzke'i
Arbeit, wenn sie anch nicht frei von Irrtümern ist, war eint
sehr anerkennenswerte Leistung und hat uns vielfache und sehr
erwünschte Aufklärung gebracht. — Vor allem kommt es bei
der Bearbeitung der Mundart der 1 sie -de -France, die so mannig-
fachen Einflüssen von Aussen unterworfen war, auf die Berück-
sichtigung und Kenntnis der Nachbardialekte an. Ohne dies ist
eine klare und gründliche Untersuchung dieser Mundart unmöglich.
Diese Berücksichtigung der Nachbardialekte ist bei Metzke unr
eine mangelhafte, aber auch bei Roehr. Er beschränkt sich inf
die Heranziehung der nördlichen nnd östlichen Mundarten; die
unmittelbar westlich nnd südlich angrenzenden Dialekte wurden
!) Die Arbeit Egger'a liegt jetzt vollständig vor in Ztckr. f,
Tom. IM. XIII, S/4 8. 353—408.
/. Vising, Les DebuU du Style Francis. 169
gar nicht berücksichtigt; und doch fehlte es eigentlich nicht an
Hilfsmitte Id. Daher kommt es, dass der Verfasser oft geneigt
ist, fremden Einfluss da anzunehmen, wo nach meiner Ansicht
ganz gnt einheimische Entwickelung vorliegen kann: taut/ und
aus = illo8; aige = aticum: (e für iee; ei in lettre; vieut, sieut
wozu vielt Urk. aus Chartres, viaut Urk. aus Bens und Nevers,
viaut Rom. de la Rose etc. zu vergleichen war. Die Grenze
für gewisse einzelne Lauterscheinungen, die bis jetzt dem öst-
lichen Sprachgebiet zugeschrieben wurden, ist weiter nach Westen
zu setzen. Wesentlich Neues habe ich in der Abhandlung von
Roehr nicht gefunden. E. Goeblich.
Vising, Jonan, Jjes DSbuts du Style Fran$ais. [In: Recueil de
memoire* philologiques prisenti ä M. Gaston Paris par
ses eleves suidois le 9 aoüt 1889 ä Voccassion de son
ctnquantihne anniversaire. Stockholm, 1889. Imprimerie
Centrale.]
Der Verfasser giebt uns in der vorliegenden Arbeit auf
35 8eiten einen knappen, aber vortrefflichen Überblick Über die
Geschichte des altfranzösischen Styls von der heiligen Eulalia
bis zu Villehardouin. Er prüft zuerst den Wortreichtum der
vier religiösen Dichtungen: Eulalia, Leodegar, der Passion and
Alexis und findet schon hier eine Reihe bezeichnender Synonyma
wie: femme und muüery asembler und aduner, demander, preier
und rover u. s. w., er hebt die rein lateinischen, die halb-
lateinischen-.und germanischen Bestandteile hervor, die jene
ersten Dichtungen durchziehen und eine neue Sprache zu bilden
beginnen: Vexacte expression linguistique de la fusion des Gallo-
Romains et des Germains. Die Syntax der ersten Denkmäler
ist höchst einfach; von einer kunstvollen Satzbildung kann keine
Rede sein; die Tempora wechseln oft ohne Grund, Satzteile
werden wiederholt, wo es nicht nötig ist, der Periodenbau ist
zuweilen mangelhaft, der Gebrauch der Konjunktionen noch sehr
eingeschränkt.
Ebenso ausführlich prüft Vising die Rhetorik der genannten
Überlieferungen, wobei ihm eingehende Vorarbeiten nicht zu
Gebote standen; er geht näher ein auf das Asyndeton, das
Polysyndeton, auf die Ellipse und die Wiederholung, auf die
Steigerung und den Parallelismus, auf die Metonymie und Synek-
doche, auf die Metaphern, den Ausruf, die Sentenz, die Be-
schreibung, die Antithese, den Vergleich, die Hyperbel, die
Apostrophe und die Personifikation. Vom XI. Jahrhundert ab
160 Referate und Rezensionen. W, Aitmann.
treten die religiöser) Stoffe in der altfranzitsi sehen Literatur
immer mehr zurück and überlassen das Feld dem heroischen
Epos; damit erhält auch der poetische Styl eine ganz andere
Physiognomie. Vising geht nun auf den Wortschatz und die
Syntax des Rolandsliedes ein und giebt auf grund einer Arbeit
des Referenten: Vergleich zwischen der Rhetorik im aüfranzösiseiust
Rolandslied und in Karle Pilgerfahrt ein Resume der dlrin
gefundenen Ergehnisse hinsichtlich der Stylentwickelung. Der
folgende Abschnitt fuhrt von der Volksdichtung zur Kunstpoesie
und beschäftigt sich mit Grestien de Troies; hier verweist der
Verfasser mit Recht auf Grosse's gediegene Arbeit. In au-
fllhrlicher und lehrreicher Weise wendet sich Vising im letzten
Kapitel seiner Schrift dem Prosawerke Villehardouin's zu und
kommt zu dem bemerkenswerten Resultat, dass Villehardooin
seinen Stil nicht, wie gewöhnlich die Ansicht ist, aus der Schule
der Jongleurs entliehen haben könne, da sein Styl im schärfsten
Gegensatz zu der Redeweise der ehansons de geste stehe. Die
prosaischen Übersetzungen vor Villebardouin haben ebensoviel
zu Villehardouin's Styl beigetragen wie die poetischen Sprach-
denkmäler. En general, on peut dirt que le style de VüUhar-
douin, tout en se distinguant par sa clarti, fait voir un difavl
eomplet de Variation, de pricision, d'iUgance, enfin de toulu
les qualites (Tun style cultive. Loin de nous de le lui tmputtr
ä bläme; au contraire e'est le caractire absolument prvmitif ie
»on style qui en fait le charme. (Test ainsi qu'un brave gutrrier,
komme de bien et kommt de caur, doit raconter des exploits gu'
itaient „se merveüle now". La grandeur des faits mariee ä la
simpliciti de Fexposition, voilil la poisie de Villehardouin. Die
elegant geschriebene und interessante Arbeit Vising'B verdient
Beifall und Anerkennung.
Eenbt Joh. Grotb.
Ehering, Emil, Bibliographisch-kritischer Anzeiger für romanisehe
Sprachen und Litteraturen. Herausgegeben vom Biblio-
graphischen Bureau in Berlin. Erscheint am 15. jeden
Monats, die Bibliographie des vorhergehenden Monats
enthaltend. Neue Folge. I.Band. 1889. Heft 1—9
(Januar — September). Berlin, Richard Heinrich. 8".
Preis pro Semester 6 Mk.
Ein ganz vortreffliches wissenschaftliches Hilfsmittel, dem
man nur weite Verbreitung wünschen kann, das hoffentlieh dank
der Teilnahme der Fachgenossen sich keines kurzen Daseins zu
E. Ehering, BibUographisch-kritucher Anzeiger etc. 161
erfreuen hat und hoffentlich immer recht pünktlich erscheint.
Die Anordnung ist folgende:
A. Allgemeine Sprachwissenschaft (Allgemeine und ver-
gleichende Litterator etc.). 1. Bibliographie. 2. Encyklopädie.
3. Zeitschriften. 4. Grammatik. 5. Literaturgeschichte, Poetik.
6. Pädagogik. Unterricht 7. Folklore, Mythologie. 8. Hilfs-
wissenschaften (Allgemeine und vergleichende Geschichte, Anthro-
pologie, Philosophie etc.).
B. Nicht- romanische Sprachen und Litteraturen in Be-
siehung mit romanischen Sprachen. I. Lateinisch (l. Litteratur.
a) Literaturgeschichte; b) Ausgaben und Erläuterungsschriften.
2. Sprachwissenschaft, a) Grammatik; b) Lexikographie. 3. Hilfs-
wissenschaften). II. Keltisch. III. Altitalisch. IV. Baskisch.
V. Germanisch, a) Englisch; b) Deutsch. VI. Varia: Slavisch etc.
C. Romanische Sprachen und Litteraturen.
Romanisch im Allgemeinen. 1. Encyklopädie. 2. Zeit-
schriften. 3. Litteratur. 4. Sprachwissenschaft.
I. Italiano. II. Ladino. III. Francis. IV. Provengal.
V. Catalan. VI. Kapanol. VII. Portuguez. VIII. Roman.
Jede dieser Abteilung ist je nach dem Bedürfnis in eine
mehr oder minder grosse Zahl von Unterabteilungen ähnlich wie
A gegliedert; die französische in folgende: 1» Bibliographie.
2. Pöriodiques. 3. Litterature. a) Histoire litteraire. b) Editions
et Monographies (a. Collections; ß. Anonymes; y. Auteurs),
c) Litterature contemporaine. d) Traductions frangaises. 4. Philo-
logie, a) Histoire de la langue. Diabetologie, b) Grammaire.
c) Lexikographie. 5. Enseignement. Li vre s d'enseignement
A l'u8age a) des Francis, b) des Italiens, c) des Allemands,
d) des Anglais. 6. Folklore. 7. Sciences auxiliaires.
Soweit ich sehe, scheint Vollzähligkeit in Bezug auf Bücher,
Universitäts- und Schulschriften, sowie auf die in den Fach-
zeitschriften enthaltenen Abhandlungen, Anzeigen und Rezensionen
nicht blos angestrebt, sondern auch wirklich erreicht zu sein;1)
doch sind, wie man nach dem Titel erwarten sollte, in den ein-
zelnen Monatsheften nicht immer alle die Erscheinungen ver-
zeichnet, welche das Börsenblatt für den deutschen Buchhandel
als in dem betreffenden Monate veröffentlicht angiebt Doch gebe
ich gern zu, dass dies beinahe unmöglich ist, wenn das betreffende
Heft schon zum 15. des nächsten Monats erscheinen soll. Manche
Werke werden übrigens erst verzeichnet, wenn dem Herausgeber
bereits die erste Rezension zu Gesicht gekommen ist, so z. B.
l) Inbezug auf Vollständigkeit der Abteilungen A und B scheint
mir mitunter etwas zu weit gegangen zu sein.
Ztthr. t tn. Spr. o. Litt. LUX jj
Hefrate und frlWUMHI« W. Altmann,
die No, 1800 (wo übrigens (kr Vermerk felilt, dass die ersten
Bogen als Broslaiier Dissertation erschienen sind), 1868. Die«
gilt auch von No. Iö43; die daselbst gleichzeitig angeführt*
Rezension steht erst in dem Hefte, das. die September-Biblio-
graphie enthalt, trotzdem sie in der Nummer der Deutschen
Litteraturzeitung vom 15. Juni gebracht worden ist Weder im
Juli-, noch im August-, noch im Septemberhefte finde ich die
Besprechung von Seehnann's Bibliographie des alijr amusische*
Rolandliedes durch Golther [Deutsche J.itteraturzeitung vom 1 3. Juli],
welche wegen einiger daselbst gegebenen Nachträge sicherlich
angeführt werden musste; wahrscheinlich steht sie erst in dem
Oktober- oder Nov eroberhefte. — Jedem Hefte ist ein Register
beigegeben. Die Titelangaben sind durchweg bibliographisch
genau; Druckfehler scheinen fast gänzlich zu mangeln; aufgefallen
ist mir nur im Register des April-Maj-Heftes, dass bei Antoni-
Traversi statt 768 fälschlich 767 gedruckt ist Bemerkt lei
schliesslich noch, dass gleichzeitig eine französische Ausgibt
dieses Anzeigers in Paris bei Welter und eine italienische bei
Löscher in Turin erscheinen. Wilh. Alt man«.
Rlnssmann, Rudolf, Systematisches Verzeichnis der Abhandlungen,
welche in den Schulschriften sämtlicher an dem Programm-
tausche teilnehmenden Lehranstalten von Jahre 1876 Int
1885 erschienen sind. Nebst zwei Registern. Leipzig,
B. G. Tenhner. 1889. VIH, 315 S. 8°.
FUr die Leser dieser Zeitschrift durfte ein kurzer Hinweis
anf vorstehende Veröffentlichung nicht ohne Interesse sein. 8«
mancher durfte, wenn er dieses Verzeichnis zur Hand nimmt,
auf die eine oder andere Abhandlung atossen, die für seine
Studienzwecke in Betracht kommt und ihm bisher unbekannt ge-
blieben ist. Die auf den Unterriebt in der französischen Sprache
und Litteratur bezüglichen Abhandlungen sind auf S. 21 — 23
verzeichnet; ee sind im ganzen 44 Nummern. Abhandinngen,
welche sich mit französischer Sprache (Grammatik) im allgemeinen
beschäftigen (S. 76 — 78), werden 27 namhaft gemacht, dem
Sprachgebrauch besonderer Dialekte und Schriftsteller gewidmete
nur 2 (S. 78), Weit zahlreicher sind die Abhandlungen, in
welchen Themen aus der französischen Litte raturge schiebte be-
handelt werden; auf die altfranzösische entfallen 20 Nummern
(S. 194 — 195), darunter 3 auf das Rolandlied, 2 auf Aucassin
und Nicolete, 4 auf Comines. Hervorgehoben seien auch die
3 sämtlich aus bairischen Anstalten herrührenden Ausgaben,
/. Jastrow, Jahresbericht der Geschichtswissenschaft. 163
welche darunter sind: Der Pseudo -Turpin in aüfranzösischer
Übersetzung (München, Maximilians-Gymnasium 1876), Li Lais de
Lanval von Marie de France (Kempten 1883) und Li Miserere
von Reclus de Mollens (Landshut 1882). Auf die neufranzösische
Litteratur entfällt die stattliche Zahl von 90 Nummern (S. 195
bis 199), davon kommen auf Moltere 9, auf Corneille und Voltaire
je 7, auf Racine 6, auf Boileau 5, auf Beranger, Chenier, Regnier
und Rousseau je 3 Nummern. — Die Kopien der Titel sind
durchaus zuverlässig; bei jeder Abhandlung ist auch die Seiten-
zahl und das Format angegeben. Das Ortsverzeichnis ermöglicht
es, Abhandlungen, deren Autoren einem zufällig nicht gegenwärtig
sind, wenn man die Anstalt weiss, ohne weiteres zu finden. Sehr
willkommen ist aber vor allem das alphabetische Verzeichnis der
Autoren. Kleine Versehen (vgl. Deutsche Litteraturzeitung 1890,
S. 85 f.) sind doch zuweilen untergelaufen. S. 299 steht Knaacke,
Friedr. fälschlich für Knaake, S. 58 u. (Reg.) S. 308 ist Schäfer,
Julius als Verf. zu streichen: die Arbeit rührt, wie sich aus S. 4
des betreffenden Programms* ergiebt, von Fr. Max Schilling her.
S. 314 steht Wentzel, Joh. Georg fälschlich für Wenzel.
Wilh. Altmann.
Jastrow, J., Jahresberichte der Geschichtswissenschaft, im Auf-
trage der Historischen Gesellschaft zu Berlin heraus-
gegeben. 9. Jahrg. 1886. 10. Jahrg. 1887. Berlin 1889.
R. Gärtner (H. Heyfelder). 8°.
Auch in dieser Zeitschrift soll ein kurzer Hinweis auf vor-
stehende, als äusserst nützlich von den Kritikern allgemein an-
erkannte Publikation nicht fehlen, da darin über die französische
Geschichte, und zwar über die des Mittelalters durch Desplanque
in Paris, über die der Neuzeit durch A. Waddington in Lyon,
in recht ausführlicher Weise, übrigens in französischer Sprache,
berichtet ist. Auch der Sprachforscher wird diese Referate mit
grossem Interesse lesen und aus der Fülle der Nachrichten über
die Publikationen von Denkmälern und Urkunden so manche
seine Studien berührende Notiz finden, die ihm sonst entgangen
wäre. Besonders hervorgehoben sei, dass auch die Provinzial-
geschichte gebührend berücksichtigt ist. Schon ein flüchtiger
Blick in die beiden vorliegenden Jahrgänge wird den Lehrer der
französischen Sprache davon überzeugen, dass er fast ebenso
sehr wie der Historiker wünschen muss, dass diese Publikation
für die Anstalts-Bibliothek erworben wird.
Wilh. Altmann.
ir
Referate und Rezensionen. W. Mangold,
. Zarich, 1889. Schmidt
Trotz, des deutschen Titels ist diese Syntax franzöeisch geschrieben-,
sie enthält dazu, was der Titel auch nicht ahnen läset, den grSatten
Teil der Formenlehre, mit Ausschluss des refrei massigen Verbs and
anderer elementarer Dinge. Der ganze Lehrgang ist in 59 Lecone nach
den Redeteilen eingeteilt. Ich habe mich in der Vorrede in meiner
eignen Grammatik (Berlin. Springer 1889) bereits darüber ausgesprochen,
warum ich eine Einteilung der Syntax nach Satzteilen für richtiger
halte, und die Hehrheit meiner Rezensenten hat mir zugestimmt, Schon
diese Einteilung ist im stände, eine bessere grsmmatische Einsicht tu
erzeugen. Davon abgesehen aber sollte man doch auch bei einer anderen
Einteilung der Syntax vor allen Dingen danach trachten, dem Schüler
eine Einsicht in die Grundprinzipien der einzelnen syntaktischen Kapitel
zu gewähren. Aus der Fülle der Einzelheiten zum Prinzip aufgestiegen,
wird er an diesem Prinzip einen sichreren Führer haben als an allzuviel«]
ins einzelne sich verlierenden kleinen Regeln. In vorliegendem Lehr-
gang vermisse ich die allgemeinen Prinzipien, historische wie logische;
er zerfällt alles in 515 kleine, oft nur äusserlich mit einander verbanden«
Rpgetn. Kein Prinzip für den Artikel, keines für den Konjunktiv, keine«
für die Präposition n. s. w. ! Charakteristisch ist schon der erat« Satz diesei
Lehrgangs; 1} L'article defini s' emploie devant certains noms propra
Italiens: le Tasse, du Tasse, au Tasse, conlre le Tasse, etc.; le Dank
u. s. w. Ganz abgesehen davon, dase neuerdinge die Formen Tano und
Dante in der Litteratur sogar zu überwiegen scheinen, ist ein solcher An-
fang mit einer derartig entlegenen Einzelheit doch überaus befremdend.
Ohne logische Ordnung geht es weiter; 2) Devant le nom de eertamet
vitles u. s. w. 8} Devant ks noms des points cardinatuc u. s. w,
4) Apres le mot donf (dessen, deren). 5) Avec les ntots Madame a
MademoiseUe precedäs it'un adjeetif u. e. w. 6) Avec les noms propra
masculins de fleuves" u. s. w. — In derselben Weise sind alle Regeln
dieser Grammatik ausser Lieh aneinander gereiht. Noch zwei Beispiels
zum weiteren Beweise; 360) Un emploie le subjonctif apres les Ioew
Hont quelque .... que, quel que, qui que u. s. w. 861) Apres les cox-
jonetions afin que, ä moms que ... ne, avant que, bien qve, am cos fax,
eneore que" u. s. w. (nicht einmal afin que and pour que, noch bien gut
und quoique stehen nebeneinander; die letzteren folgen erst hier). 363) Aprä
les conjonetions que, de moniere que, de sorte qve n. s. w. — Unter 35!
ist u. a. desirer als Verbum des Willens und Wunsche«, in 354 n. a
souhaiter als Verbum der Gemütsbewegung, dazwischen aber (358) sind
die Verben des Zweifels behandelt.
Die Fassung der Regeln ist im allgemeinen klar, aber oft un-
richtig und meist äusserlich. Wir sind längst gewohnt zu sagen, Asm
die pronominalen Objekte nicht beim Imperativ, sondern beim bejahen-
den Imperativ nachstehen. Hier aber heieat es: „Mais lorsque le verbe
se tronve ä Fimperatif ils le suivenf u. s w., und dann wird fort-
gefahren: „Remarque. Cependanl lorsque Fimperatif est employe ' negaü-
Dement les pronoms le pre'cidcnt" u. s. w. Eine solche Begelfaseung
halte ich für unerlaubt; denn die nachträgliche „Bemerkung" gibt keine
vereinzelte Ausnahme, sondern hebt die Regel für die Hälfte der Fälle
auf, eo dass sie eben keine Regel mehr ist. Aue demselben Grunde ist
falsch: „On emploie le subjonctif: 355) apres les verbes emploj/e's ndgative-
ment" und 356) „apres les verbes employes mterrooativemenf". In beiden
Fällen muee eine Remarque mit oependant den Fehler wieder verbessern.
Gio. Meli, Lehrgang der französischen Syntax. 165
So auch bei der Apposition falschlich, wiewohl durch Platz in
gewissem Sinne geheiligt: On supprime Carticle de'fini dans fapposition
etc. Remarque. On le met cependant lorsou'on veut faire ressortir le
substantif. Das Richtige ist, dass die Apposition eben so oft den Artikel
als keinen Artikel hat, und deshalb ist es verkehrt, dem Schüler auf der
unteren 8tnfe die allerdings sehr bequeme aber falsche Regel zu geben,
dass die Apposition ohne Artikel stehe. Die richtige Eineicht gewinnt
der Schüler aus dem Prinzip des Artikels, welcher stets individualisiert.
Soll also individualisiert werden, so steht auch in der Apposition der
Artikel, wird mehr qualifiziert oder prädiziert, so steht er nicht.
Wohin das Fehlen des Prinzips führt, geht aus dem Schlüsse der
beiden ersten Lektionen des vorliegenden Lehrgangs hervor — bei PloBtz
ist die Sache nicht besser behandelt. Hier handelt es sich um Redens-
arten, die den Artikel haben oder nicht haben. Aus den 15 — 20 Bei-
spielen ohne Artikel kann der Schüler aber unmöglich erraten, dass es
sich hier um viele hunderte von Ausdrücken handelt. Bei einem so weit
verbreiteten Gebrauche genügt es eben nicht, sich mit einem dans
ptusieurs locutions abzufinden.
Auch bei der Stellung des Adjektivs fehlt das sachlich allgemeine
Prinzip der Vor- und Nachstellung; dem Verfasser ist die Länge des
Adjektivs noch massgebend. 97) Quand ils ont moins de syUabes que
le notn. 102 a) Quand ils sont plus longs que le nom. Hiernach
wftre. das gleich darauf folgende Beispiel ces gemissantes voix schon nicht
richtig, geschweige denn tausend andere Fälle der Voranstellung, die
auch der Verfasser sehr gut kennt, wenn er sagt: 101 e) Quand on veut
danner plus de rapidite ä la phraseu u. s. w. Man soll eben keine Regel
aufstellen, die durch eine andre aufgehoben wird. Falsch ist auch die
Regel über die Nachstellung der Adjektiva: 105 d) Quand ils sont pre-
etiles a^un adverbe, als ob un si brave komme, un tres-bon goüt u. s. w.
unmöglich wären. Hier vergisat der Verfasser sogar, die Einschränkung
zuzufügen.
Ich kann nicht alle Fälle hier anführen, in welchen ich mit der
Fassung der Regeln nicht übereinstimme, ich möchte nur noch einige
anführen, um meine Ansicht noch besser zu begründen. 337) Lim-
parfait sert donc ä exprimer deux (?) ou plusiettrs (?) actions qui
ont Heu (?) simultanetnent ; tandis que le passe de'fini sert ä exprimer
deux (?) ou plusieurs (?) actions qui ont eu Heu simultanetnent (?).
Diese Regel ist gänzlich verfehlt. — 162) Les pronoms per sonneis
emptoye's comme sujels se metteni apres le verbe dans les phrases
exclamativesu ist falsch; denn Que de Services il m*a rendusf ist nichts
ungewöhnliches. — 101) Mais quand le sujet designe une chose ou un
animal, on emploie soi, mdme avec des noms delermine's. Diese Regel
ist unrichtig gefasst, denn lui, eile u. s. w. sind hier mindestens ebenso
gebräuchlich, wie mir scheint, sogar gebräuchlicher als soi. La guerre
entratne avec eile bien des maux und ähnliche Beispiele mögen zum Be-
lege dienen. — 116) Quand le pr emier membre dune comparaison est
afprmatif, le verbe du second membre prend la negation ne. Auch nach
negativem Hauptsatz steht ne, was der Verfasser verneint; vergl. Lücking,
S. 300: Je ne me soucie pas plus de lui qu'il ne se soucie de tnoi. —
178) Le mot le (es) se rapportant ä un substantif ou ä un adjeetif pris
substanlivement, est variable. 179) Le mot le (es) se rapportant ä un
substantif ou ä un adjeetif pris substanlivement, est variable. . . . 179) Le
mot le (es) se rapportant ä un adjeetif ou ä un substantif pris adjeetive-
ment est in variable. u So einfach und klar diese Regel ist, so konnte ich
mich doch nicht für sie begeistern. Denn reine in ites-vous reine? für
166 Referate und Rezensionen. E. Pariselle.
ein adjektiviertes Substantiv zu erklären, ist mir zu kflbn, und du ..sub-
stantivierte Adjektiv' des ersten Teils der Regel ist nur der Gleich'
förmigkeit wegen hinzugesetzt. In den zugefügten Beispielen ist kern
substantiviertes Adjektiv zu rinden, wenn man nicht depule' für ein solches
halten will. — 123) wird dans Celle affaire, dam son travaii für Regime
erklart. —
Verkehrt ist folgende Regel: 394) Le partidpe passe, pre'cede de
en, est invariable, si le pronom e n figure comme cnmplement indireet ....
J'ai vu des fleurs et fen ai cueilli . . . 395) Mais lorsgue le ntot en est
pre'cede dun complement direct, k partieipe est variable: . . . J'ai ett <n
jardin; voita les fleurs que fen ai rapporte'es, — 170) Remargue. April
Cimperatif le complement direct pre'cede le complement indireet: icrnez-
le-leur u. s. w. Diese gewöhnliche Rege! stimmt nicht überall, wenigsten
nicht für nous und vous, wie aus Tenez-vous-le pour dit und au
Mignets: Livrez-twtts-tes hervorgeht.. — Die im folgenden als Exceptio
gegebenen Rends-y-toi, menes-y-moi" u. s. w. sind nach der Acade'mie tn
vermeiden. — 203) Der Unterschied von ce und ii vor itre soll darin
bestehen, d&ss ersteres steht: s'il est gurslion dune chose connue und il,
au contraire: guanit il s'agil dune chose iiuUlermme'e. Dies ist nicht
richtig, wie z. B. aus fest assez que nous soyez averti und Ceti un mal
gue vous n'ayez pas ecrit plutöt celte lettre. Wenig der Sachlage ent-
sprechend ist die Regel zu Ce gue fai vu de plus beau etc. ausgedrückt,
wenn der Verf. sagt: Le supertatif employe subslantivement en allemani
se reud en /ranfais au tuoyen des mots ce gue . . . de plus ou it
moins? re'unis par le verbe y avoir, si ta propositicn n'offri Mt
tfautre verbe, et suivis de poaHf*. Erst noch längerem Nachdenken
kann man verstehen, was dos alles heisseu soll. Nun gilt aber dieselbe
Konstruktion nicht blos vom Superlativ (hier „plus und moins mit Potitif*
genannt), sondern wie die folgende ftemarque zeigt, auch vom Positii:
Ce gu'U y a de bon u. s. w. Die ganze Erscheinung gehört also nicht
zum Superlativ, sondern zum partitiven de. — Die zweite der folgenden
Remarques besagt, dass „gewisse" (certains) Adjektiva auch den sub-
stantivischen Superlativ bilden können; es scheint mir nicht, das« dieser
Gebrauch wesentlich auf „gewisse" Adjektiva beschrankt sei.
Abgesehen von allen diesen Ungenauigkuiten und Fehlern im Aus-
druck der Hegeln, vermisse ich gar zu vieles, was eiue Stelle in einer Syntai
verdient hatte, wie das ganze Kapital von der Wortstellung, der Consecutu
temporum, des Konjunktivs in Relativsätzen (uusser einem Fall), den Ge-
brauch von aucttn [da, wo personne und ricn behandelt sind), den Unter-
schied der Pronoms absolus und conjoiuts, u, s. w. Anderes hätte wohl
wegbleiben können , wie die langen Regeln Ober die Wiederholung des
Artikels und die der Pronomina, die langen lexikalischen Listen von
39 gleichlautenden Substantiven mit verschiedenem Geschlecht, von re-
flexiven Verben , die es im Deutschen nicht sind, u. s. w. Nützlich da-
gegen »iinl die tiektions listen, besonders 329, mit verschiedener Rektion,
312, 313, für den Infinitiv mit de und ä, wobei nur darauf hingewiesen
sein mßsate, dam sie nicht erschöpfend sind. Wichtige Adjektiva fehlen
in der Rektions liste 108, z. B. agreable ä, bon ä, egal ä, necessaä-e ä,
propre a u. s. w. — leb würde in einer Grammatik nichts Falsch»
drucken lassen, um davor zu warnen, wie es 331 geschieht: „Je Fai vu
et parte u. s. w. Der Schüler prägt sich zu leicht die falsche statt der
richtigen Form ein. —
In einigen Fällen acheint mir Meli in der Bestimmtheit der Regeln
mit Rücksicht auf den Gebrauch zu weit zu gehen: Er hält Ciut statt
mt für notig iu Ducis, Fun des quarante de CAcademie und in Le Tele-
W. Ricken, Elementarbuch der französischen Sprache. 167
mmfue est tun des ouvrages gut oni le plus honore la France. Er gibt
infolgedessen die Regel so: On dit l'un de, au tieu de un de, pour
exprtmer une ide'e determinee par un nom ou un prorwm gut precede,
et par un nombre precis, determine gut suit. Mir scheint un hier nicht
unfranzösich; and tun nur nötig, wenn der Substantivbegriff mit de
vorausgeht, sowie wenn ein Gegensatz beabsichtigt ist: De deux jours
Fun. L'un est liehe, Cautre est pauvre. 310 will der Verfasser eine,
wie mir scheint, neue Kegel aufstellen, indem er behauptet, dass c*est
beim Plural vor folgendem gue, ce sont dagegen vor folgendem qui
stehe. Er hebt jedoch selbst seine Regel durch die folgende Bemerkung
wieder auf: Cependant cette regle n'est pas de riaueur.
Ohne Zweifel enthält der vorliegende Lehrgang viel schätzens-
wertes Material an Beispielen; aber die Verarbeitung dieses Materials
kann ich nicht als gelungen bezeichnen.
Auch die angeführten Exercices sind nicht mustergiltig, weder in
der Auswahl der Sätze, noch in dem deutschen Ausdruck, z. B. S. 162:
rDie Tränen ihres Sohnes vermehrten ihren Schmerz, als sie einen der
Diebe erblickte, welcher sie mit dem Schwerte in der Hand verfolgte."
— S. 163: „Ich gehe dahin, wo jede Sache hingeht, ohne mich zu
furchten, noch zu erschrecken; ich gehe dahin, wo die Rose und der
Lorbeer hingehen." — S. 149: „Umsonst haben Bosheit und Schmeichelei
an dem Fürsten ihr Unwesen getrieben (s'e'xercer sur).u — S. 145:
„Er sagte mir ins Ohr: Gibt es etwas so Lächerliches'/ Sehen Sie diese
Dame, welche 80 Jahre alt ist und welche feuerrote Bänder trägt? Sie
will noch jung sein, und es gelingt ihr, denn das nähert sich der Kind-
heit." — „Die Himmel verkünden die Ehre Gottes. — Der Lauch
wächst in Ägypten." Solche Zusammenstellungen kann man vermeiden,
auch wenn man unzusammenhängende Sätze gibt, was ja zur Einübung
besonderer grammatischer Kapitel nicht zu umgehen ist.
W. Mangold.
Ricken 9 Willi», Elementarbuch der französischen Sprache.' 1. Jahr.
Zweite, durchgängig verbesserte Auflage. Oppeln, 1890. Eugen
Franck's Buchhandlung.
Bei dem grimmigen Kampfe ums Dasein, den eine von Tag zu Tag
unübersehbarer werdende Menge französischer Lehrbücher seit dem Beginn
der Reformbewegung führt, muss es schon als ein nicht geringer Beweis
von Lebensfähigkeit gelten, wenn ein solches Werk, wie es bei dem
vorliegenden der Fall ist, binnen drei Jahren in zweiter Auflage erscheinen
kann. Ricken's Elementarbuch ist denn in der That auch, und zwar in
der neuen Auflage noch mehr als in der ersten, eine eigenartige und be-
deutende Leistung, die Referent der Aufmerksamkeit der Fachgenossen
angelegentlich empfehlen kann.
Der Verfasser ist nicht der Ansicht, dass man im Schulunterricht
die Art, wie das Kind die Muttersprache erlernt, ohne weiteres zum Vor-
bild für den Betrieb der fremden Sprachen nehmen dürfe. Er geht von
einfachen, aber unter einander zusammenhängenden Sätzen aus, die so
ausgewählt sind, dass immer nur eine massige Anzahl sprachlicher Er-
scheinungen zugleich auftritt. Diese Methode nun, — und darin liegt
der hohe Wert des Buches — ist mit grossem pädagogischen Geschick und
vorsichtigster Abwägung aller Einzelheiten durchgeführt. Die grösste
Schwierigkeit für den Verfasser eines Elementarbuchs bietet die Auswahl
der ersten Stücke: sie können gar nicht leicht genug sein, eine Not-
168 Referate und Relationen. F. Tenderita,
weiidigkeit, der meist nicht genügend Rechnung getragen wird. Biekta
hat, wie der Vergleich zwischen der ersten und zweiten Auflage lehrt,
diesem Punkt« seine volle Aufmerksamkeit geschenkt, nnd es ist ihm
gelungen, sich der Fassungskraft neunjähriger Kinder verständnisvoll u-
supaeaen, was freilich die allerdings kaum zu vermeidende Folge gehabt
bat, daea der Faden des Zusammenhange zwischen den Satten einea
Stückes hie und da etwa« locker und die Satte selbst zuweilen ein wenig
steif geraten sind. Wie diese Anfangsstücka, so ist anch der gante Bert
des Buches in der neuen Auflage Oberall mit peinlichster Sorgfalt durch-
Chen worden, und jede Seite verrät das unablässige Bestreben da
assera, einen Lehrgang zu schaffen, „der das instinktive, das analf-
tisch-induktorische und das deduk torisch -konstruktive Moment vereinige*.
Dies ist ihm bestens gelungen, und Referent zweifelt nicht, dass die
dritte Auflage von Ricken's Elementar buch der zweiten noch schneller
folgen wird, als diese der ersten.
E. Pari belle.
Bauer, Jota, und Link, Tb., Französische Xonvertatioiuabingt*
£lr den Schul- und Privatgebrauch. I. Teil. München nse
eipzig. Oldenbourg 1889. 228 S. B°.
DdSH der Unterricht in einer lebenden Sprache in einem Konten
in derselben führen muse, dass im besonderen auch die Schüler eisen
gewissen Qrad von Fertigkeit im mündlichen Auedruck in der Sprache
erlangen müssen, ist eine Forderung, welcher heute unter den Lehrern
der neueren Sprachen wohl nur wenige ihre Zustimmung versagen.
Wenn man auch Aber die Art, wie Sprechübungen zu betreiben seien,
verschiedener Ansicht sein kann, so wird doch jeder zugeben, dass die
Stoffe, welche denselben zu Grunde gelegt werden, im QeeichUkraii
des Schülers liegen und einfacher Natur sein müssen. Der Stoff darf
dem SchQler gar keine Schwierigkeiten machen, er muss seine ganze
Aufmerksamkeit auf die Form richten können. Aus dienern Grunde
ist es nicht rätlich, Sprechübungen nnr an die Lektüre anzuschliesseu;
es eignen sich aus derselben nur die rein geschichtlich erzählendes
Abschnitte, alles Reflektierende bietet inhaltlich zu viel Schwierig-
keiten , während im übrigen der Anschluss an die Lektüre eich sehr
empfiehlt, da dadurch die Sprechübungen organisch mit dem gesamten
Unterricht in der Sprache verbunden sind.
Da nun die Lektüre nicht immer den nötigen Stoff zu den
Sprechübungen bietet und da ausserdem der von ihr gebotene Stoft
das Gebiet des täglichen Lebens, das für das Sprechen gerade von so
grosser Wichtigkeit ist, naturgemäss fast ganz vernachlässigt, so ist
es wünschenswert, ad boc zurecht gemachte Stoffe den Sprechübungen
zu Grunde legen zu können, sei es nun, das« man dieselben neben der
Lektüre heranziehe, oder dass man sie zur alleinigen Grundlage mache.
Das Letztere scheint mir nicht das Richtige zu sein, da so, wie schon
angedeutet, der Zusammenhang mit den übrigen Zweigen des neo-
sprachlichen Unterrichts fehlt.
Wie aber sollen diese Stoffe zu den Sprechübungen beschaffen
sein? Inhaltlich sollen sie dem Schüler bekanntes bieten, das er
leicht praktisch zu verwerten Gelegenheit hat. Es ist also durchaas
zu billigen, dass die Verfasser ausgehen von dem , was die Schüler in
der Schule selbst umgiebt ; daran nun aber eine Übersicht über das
ganze Gebiet des Schülerwissens zu schliessen, alles was er in der
Badke, Abriss der Lehre vom französischen Verbum etc. 169
Religion, KattUBMOhiohte, Physik etc.. gelernt hat, oder wohl gar noch
erst lernen «oll, in französischer Sprache zu behandeln, das entspricht
nicht den Aufgaben, den ili^er ^|j«'-i hunteriiebt in der französischen
Spräche haben soll. Von der Schule gehe man über auf das Hau»
und die Familie, auf du« private und öffentliche Leben, vielleicht auch
auf Handel und Gewerbe, da« wind Gebiete, auf denen ein Können in
der fremden Sprache nutzbringend sich erweisen wird, denn in dieaein
Unterricht sind nun einmal die Ziele vorwiegend praktische. [>ie
Wege der Verfasser des vorliegenden Buches führen iu weite Fernen,
denn wie man au«Ber diesem ersten Teile noch einen vermutlich
gleich umfangreichen zweiten Teil mit Erfolg durcharbeiten soll, iat
mir unklar. Ich stimme gewiss den Verfassern bei, wenn sie fordern,
■ biss für il.ii S|pn-cb Unterricht Zeit gefunden werden muss, aber wollte
man zwei solcher Bücher derart durchmachen, dass die Schüler über
die behandelten Gegen atiii nie -ich cini^n [ii,i*>e[] frei ausdrücken können,
so milsste den übrigen Zweigen des Unterrichts die ihnen zukommende
Zeit entzogen werden, um so mehr, da es sich vielfach um Vokabeln
handelt, die dem Schüler aus dem sonstigen Unterricht nicht ge-
läufig sind.
In gleicher Weise wie Brevmann und Müller in ihren Übungs-
büchern und Hermanni in seinen fjuettimmaires bieten Bauer und
Link vollkommen uusgearbeitu Fragen und Antworten in französischer
Sprache, indessen «chliesst aieb jeder Abteilung ein Supplement an,
wo die Antwort nur durch ein einzelnes Wort angedeutet wird.
Ich kaun über das eratere Verfahren nur verweisen auf das,
was ich bei Besprechung von Hermanui'H Schrift iu dieser Zcitchr. sagte.
Bei diesem Unterrieht in erater Linie mnsa es heissen: Frei vom Buch.
Man achreibe doch nicht dem Lehrer eine ao gebundene Marschroute
vor, der Lehrer, welcher die Sache verateht, fühlt eich unnötig ein-
geengt, und derjenige, welcher sie nicht versteht, der wird halt auch
mit dem besten Buch auf diesem Gebiete nichts erreichen.
Ein verdienstvolles Hilfsmittel würde für den Sprechunterricht
derjenige liefern , der in kleinen Erzählungen die oben angedeuteten
Gebiete in der Weise bebandelte, dass die Schüler sie mit grosser
Leichtigkeit verständen und der Lehrer sie zur Grundlage der Sprech-
übungen machen könnte.
Kann so aus grundsätzlichen Bedenken das vorliegende Buch
für den Schulunterricht nicht empfohlen werden, so muss doch ander-
seits ausgesprochen werden , dass die Arbeit eine durchaus sorgfaltige,
it Geschick durchgeführte iat. p. Tenderinii.
It Milkt-. Abriss der Lehre vom französischen Verbum für den Unter-
richt an höheren Lehranstalten. Progr. dea Realgymnasiums
zu Stralsund 1889. 36 S. 4°.
Seiner Programmabbandlung vom Jahre 1888 über die Anfangs-
gründe im Französischen auf phonetischer Grundlage (vgl. Zschr. XV3
B, 120) lässt Badke hier einen Abriss der Lehre vom Verbum auf der-
selben Grundlage folgen. Aus der jetzigen phonetischen Gestalt des
Verbums sucht der Verfasser die l'rinzipieu für die Behandlung des-
selben im Unterricht herzuleiten. Kr gibt daher das ganze Verbum
zunächst in phonetischer Schreibung, dieser Teil ist indessen nur für
den Lehrer bestimmt, dem Schüler soll das Verbum gleich in seiner
jetzigen Orthographie vorgeführt werden. Unzweifelhaft erhalten wir
170 Referate und Rezensionen. F. Tenäerbtg,
beim Zurückgehen auf den gegenwärtigen Lautstand eine grosse Ver-
einfachung den Konjngationsscbemas, es zeigt sich in den Formen,
soweit die Endungen in Betracht kommen, eine weitgehende Gleich-
inlasigkeit und anscheinend kann die Erlernung der französischen
Konjugation keine grossen Schwierigkeiten mehr bieten.
Aber so interessant and belehrend es anch ist, das Verbnm in
seiner wirklichen heutigen Gestalt zu betrachten, für den Unterricht
würde das doch nnr frachtbar sein können, wenn man der Erfassang
des Lautwertes auch unter allen Umständen den höheren Wert bei-
legte. Die Schrift Badke's will dem Unterricht dienen, sie ist M
Stack aus der „bald gewünschten, bald gefürchteteo phonetisches
Grammatik der Zukunft." Sehen wir in, wie sieb der Unterricht nach
Badke's Ansicht gestalten würde. Der Schüler soll die Formen in
Verbuma zuerst hören. Er hört also z. B. für den Ind. nnd 3ubj.
Präs. sowie den Imper. mit Ausnahme der 1. und 8. Per*. Plnr. fort-
während truv; diene Gleichförmigkeit wird ihm sehr einleuchten.
aber was ist damit erreicht? Trotz allem müssen für jede eimein«
Form die entsprechenden Laute im einzelnen gemerkt werden, und
wenn der Schüler dann sein Buch aufschlügt und dort traute troHBtuk.
geschrieben sieht, so wird das s doch immer für ihn das Unter-
scheidende zwischen den beiden Formen sein.
Aber gerade die Einprägang dieser orthographischen Unter-
schiede wird jetzt weit schwieriger für den Schüler sein, und diu
JJadke eben nicht den Lautwert als das emsig Wichtige erachtet, geht
daraus hervor, dasB er dem Schüler überhaupt die lautliche Schreibung
des Verbnm», wie schon erwähnt, gar nicht Torführen will.
Es ist aber undenkbar, dass der Schüler sich einen Lantkomplei
einprägt unter vollständiger Abstraktion von einem Schriftbild. Er
wird vielmehr, wenn ihm ein solches nicht geboten wird, es sich seibat
zurecht machen, Irouvt wird für ihn trttv oder wohl gar truf, wenn
er nicht ganz genau spricht, und vollkommene Aussprache dürfen
wir bei unseren Schülern trotz der vollkommensten phonetischen Unter-
nicht voraussetzen. Da der Schüler nnn aber doch auch des
schriftlichen Gebrauch der Sprache lernen
falsche Schriftbild durch ein richtiges ersetzen, und da beginnt dann
der Kampf. Eine Stütze zum Behalten der Formen wird dem Schalet
in keiner Weise gegeben, denn in einer eigenen Ableitung oder Er-
klärung derselben kommt er von dem jetzigen Lautwerte aus nicht.
Wenn ich dazu nun bedenke, dass thatsächlicb. dem Schüler
schon bei der Lebtüre, die auch nach Budke's Meinung im Anfangs-
unterricht den Ausgangspunkt bilden soll, zahlreiche Formen in ihren
üblichen Gewände einer freilich sehr mangelhaften Orthographie ent-
gegengetreten sind, so komme ich eu der Ansicht, dass der umgekehrte
Weg doch der einfachere und natürlichere ist, derjenige, auf welchem
man Kraft und Zeit spart, der durch die Hinweise auf die geschicht-
liche Entstehung aus dem Lateinischen die Sache geistig durchdringt
and so zur allgemeinen Entwickelung des Schülers beizutragen fähig
ist und dabei nicht aus dem Auge verliert, dass volle Beherrschung
der Formen, nach Laut und Schrift, da« Ziel des Unterrichte ist. Wer
die Verbalformen schreiben kann, der ist, wenn überhaupt die laut-
liche Ausbildung vorhanden ist, euch im stände sie anzusprechen.
Badke sagt in der Einleitung, eine Behandlung des Zeitwortes
nach streng wissenschaftlichen Gesichtspunkten empfehle sich für die
Schule nicht. Ich stimme ihm darin insofern bei, als auch ich es für
verfehlt halte, ein wissenschaftlich genaues System diesem Teile de«
i vom französischen Verbum etc. 171
miMsÖHi sehen Unterrichts zu Grunde zu legen. Aber bei der Erklärung
der Formen sollen wir im* von wissenschaftlichen Gesichtspunkten
leiten lassen, namentlich »ollen wir an Lateinschulen an das, was die
Schüler itn Lateinischen gelernt haben, anknüpfen und ans ihm heraus,
soweit es fi'ir den Schüler verständlich ist und ihm das Behalten der
Formen erleichtert, die neu zu erlernende Sprache ableiten. Eine Er-
leichterung sehe ich allerdings für den Schüler darin, wenn er darauf
hingewiesen wird, daas im Sing. Präs. Ind. der Verben auf -er und im
ganzen Suhj. die Endungen -e, -es. -e sind und dass diese sich aus
den lateinischen -o-Endungcn (nanu, iimttl . Uißim, Irrjas. legal) ergeben.
Dans die 1 Fers. Sing. Pr5s. lud (aime) angeglichen ist, ist ebenfalls
leicht verstund lieh. Ebenso vorteilhaft ist es, die Endungen -*, *-, -(
und die Plural-Endungen -uns. -ez. -ent festzustellen und zu erklären.
Mit Badke betone ich die Wichtigkeit der (.'ntersciieidung von stamm-
(»•toTiti-n uinl i- ri ilmig!-het< inten Formen. Dadurch hommt der Schüler
nicht nur zum VerstBndnis vieler der sogenannten nn regelmässigen
Verben, sondern er kann auch so allein den Vokalwechsel der Verben
mit Infinitiv -oir, -evair verstehen. Auch das Futurum dieser Verben
erklärt sich dann ohne Annahme einer „älteren Form des Infinitivs"
lg 59) und man braucht nicht zu unterscheiden, dass der Sing. Präs.
Ind. und lmperat. von der 1. Sing. Pias. Ind. und der Plur. Präs. Ind.
und lmperat. Präs. Konj., Imperf. Ind., Part. Präs. von der I. Plur.
Präs. Ind. herkommen, mau kann vielmehr alle Formen unmittelbar
aus dem Stamm ableiten, dabei sei indessen bemerkt, das» es sich
empfiehlt die 1. Plur. Präs. Ind. als Kentiform zu betrachten, welche
dem Schüler unmittelbar zur Verfügung atehen muss, weil in dieser
Form der Stamm rein in die Erscheinung tritt.
Badke weist der Quinta die Verben mit Infinitiv -er zu, der
Quarta diejenigen mit Infinitiv -ir, die letztere Klasse betrachtet er
noch als lebende Konjugatiuu, Alle anderen Verben kommen erst in
Ünter-Tertia zur Behandlung. Mit dieser Verteilung kann ich mich
nicht recht einverstanden erklären. Ich halte dafür, dass die Konju-
gation im Anfangsunterricht (las haupt-ächlichste grammatische Pensum
sein miiBB, alles andere schlitzt sich mehr gelegentlich au und kann
vielleicht am Ende des Jahres ganz kurz, /.usaiuuieiigefasst werden.
Dann ist aber die eine Konjugiitiini jährlich entschieden zu wenig
und den folgenden Klassen bleibt auch für Realgymnasien, jedenfalls
»lier für Gymnasien zu viel grammatischer Stoff zu bewältigen. Dabei
kann das den verschiedenen Konjugationen Gemeinsame bei der Ver-
teilung auf mehrere Klassen nicht genügend hervorgehoben werden.
PasB alle Infinitive auf -re und -oir einzeln geleint werden sollen, hat
insofern etwas Bestechendes, als die Zahl der „regelmässigen" Konju-
gationen auf zwei herabgesetzt wird, während eine erhebliche Ver-
mehrung der „unregelniÜHsigen" Verben nicht eintritt, ich glaube in-
dessen, dass man auf je ein Verbum beider Klassen dennoch genauer
wird eingehen müssen, wenn man Verständnis für die Forinoiibüduiig
bei den Schülern erzielen will. Das hindert aber nicht, dem Versuche
die ganze schiefe Einteilung der Verben nach der Infinitiv- Endung
wegzuräumen, volle Anerkennung zu Teil werden zu lassen.
Die vollen Konsequenzen aus seiner Einteilungsgrundlage zieht
der Verfasser in dem Kapitel „Abgestorbene' Konjugationen". Er teilt
die sogenannten nn regelmässigen Verben in 1, Verba mit enduogs-
betontem, II. mit stammbetoutem historischem Perfekt. In der ersten
Klasse unterscheidet er i-Perfektu und u-Perfekta, die dann allerdings
in sich wieder nach der Infinitiv- Endung geordnet sind, eine Ordnung,
172 RtfcrtU umd Rcztmtmxn- iL Meyer,
die beim stamm betonten Perfekt nicht eintritt. Asca\ üb a
der Vertaner t- und w-Perfekta (je rü, je am*, je f&s z. k
je tat, je nur u. a.). Abdeichen ton dem züftori """
dieser Einte ili ; n*; gegenüber ia bemerken, das*
scheint, dem Schüler einen richtigen **
dieser Formen in geben. Snr *~
Hast «ich dieselbe rechtfertigen.
Man ms« dem Verfasser 1
■einer Abhandlung ragt: ,Die
schwierigsten Kapiteln des franiösischen CnioritmB-.
Dingen ist es kaum möglich, eine sehnigem lai« -coi ea
schaftlich befriedigende Einteilung der Verben m <■■«■
nicht an, zu erklären, das* im Gänsen da» tce Bmuh J
F. Tisniwt
Lesetlüeken. III. Teil. Für Tertia der C _
gTmnasien. 3. vermehrte Annage. Berüi. ltM. Webs.
II! S. 8".
Deter ist, wie er im Vorwort dieses Baches ansär-äcknek ertfid
der Überzeugung. Fdass der Schüler zuerst die ■*
lernen must, nachdem ihm dieselben vom Lehrer klar i
gemacht worden sind, nnd dass er diese Kegeln s
auch die nötigen Vokabeln memoriert hat. an gm fTwir.itm fi
und an den daza passenden Lesestncken einübt.' Es tlii i m imiM
einen ein leises Grnseln . wenn man einer derartäftm nesnaaäMkn
Aufiassoug mm Sprach nnterricht noch Ausdruck ftWi säest. U
kann dem Verfasser des vorliegenden Buche* nor atea. saah die Vsr-
reden der neueren Bearbeitungen der Pt<etz'scbeo Bbcsmt se Kasnefla,
da wird er finden, da» dieser Standpunkt tob m iimn Varhuac. den
als solches ist die Schnlgrammatik Ion Ploetx leäc*a zu i iki— ii.
Ungst aufgegeben ist.
Das Buch bringt den dort in den Lekticwea 1 — *? sjigikinis
Stoff im wesentlichen in derselben Verteilung. V«n Pmzxz untenäödrt
es rieh durch eine grössere Ausdehnung der l'uk iln 11 ist im EbernE «nü»
man blickt nnd dadurch, dass die EinielaUze fasi aaauilirh axxS «es
geringsten Inhalt haben. Der einzige Vorzug tot ProeCz ist «5e ZogaW
einer Anzahl von Lese- und Cbnngsrtücken. deren TTihn'MirkrT Wert
aneb znm Teil recht gering ist. Die Fassung der tosftan in eise
durchaus mechanische, so dass der nach diesen Bocbe uler richtete
Schüler iwar unter Umstanden, wenn sein Gexäaehiaä* ifast nksfl in
Stiebe liest, eine grosse Zahl von grammatischen Dingen in Kopfe
haben wird, zn einem Verständnis der franaOfischen Sprache, an einem
Eindringen in den Geist derselben kommt er nie. und für seine all-
gemeine Entwickelnng wird er nur dann Sotten gehabt haha, wens
ein guter Lehrer auch mit einem schlechten Boche etwas an zaaehea
W niste,
F. Tiimiiic
W, Mangold u. D. Coste, Lehrbuch der französischen Sprache etc. 173
Mangold, W«, und Coste, D., Lehrbuch der französischen Sprache
für höhere Lehranstalten. Erster Teil. Lese- und Lehrbuch
für die untere Stufe. Ausgabe B: für höhere Töchterschulen.
Berlin, 1889. J. Springer. VII 204 S. 1,40 Mk.
„Das Lesebuch ist Ausgangs- und Mittelpunkt des Unterrichts;
die Grammatik ist induktiv zu behandeln", so lautet nach dem Vorwort
der leitende Grundsatz der von Mangold und Coste befolgten Lehrweise.
Aber wie haben sie für diese induktive Behandlung gesorgt?
Den hauptsächlichen Gegenstand des grammatischen Unterrichts auf
der unteren Stufe bildet das Zeitwort. Mit diesem beginnen M. u. G. die
systematische Behandlung der Grammatik, und zwar — was ich nicht für
ganz richtig halte — mit avoir und itre statt mit donner; das Übungs-
stück 21 setzt die Aneignung der Präsens1) dieser Zeitwörter voraus, und
nach einem richtigen Grundsatz auch die Bekanntschaft mit der fragen-
den, der verneinenden und der fragend -verneinenden Form. Will der
Lehrer nun wirklich induktiv verfahren, so hat er aus den bereits durch-
gearbeiteten Lesestücken (Nr. 1—21) die darin vorkommenden Beispiele
zusammenzustellen (und zu ergänzen). Diese Art erneuter Darbietung
scheint mir für die oberen Klassen nicht ausgeschlossen, für die Unter-
stufe aber eine zeitraubende Erschwerung des Unterrichts, während doch
•ehr wohl alle oder fast alle hierher gehörigen Formen in einem oder
zwei zusammenhängenden Stücken vorgeführt werden können. Geht man
weiter zum historischen Perfekt, so wird die Sache noch misslicher:
da in dem Gelesenen nur je eine Form des historischen Perfekts von
avoir und desjenigen von itre enthalten ist, so fehlt überhaupt eine ge-
nügende Unterlage. 'Kurz, der auf dieser Stufe wünschenswerte enge
Zusammenhang zwischen Lesestück und Grammatik ist in dem vorliegen-
den Buch nicht vorhanden ; daran ändern auch die weiterhin an manchen
Stellen hinzugefügten zusammenhangslosen Beispielsätze nichts, zumal sie
zum Teil dem Lesestoff eines früheren Jahres entnommen sind. Min-
destens für die ersten drei oder vier Jahre des französischen Unterrichts
in der Mädchenschule scheint mir dasjenige Verfahren den Vorzug zu
verdienen, bei dem die grammatische Belehrung sich an kurze Lese-
stücke, welche die nötige Anschauung gewähren, unmittelbar anschliesst.
Derselbe enge Anschluss ist m. E. für die Übungsstücke wünschens-
wert. M. und C. haben dies nicht gerade verkannt, denn sie bieten eine
ziemliche Anzahl von recht geschickten Nachbildungen zum Übersetzen;
daneben aber stehen in überwiegender Menge Einzelsätze, freilich irgend-
wie an den unmittelbar vorher oder früher behandelten Lesestoff ange-
schlossen, aber ebenso bunt und infolge dessen ähnlichen Einwendungen
ausgesetzt wie die alten Übungssätze.
Soviel über die Anlage des Lese- und Lehrbuchs. Es sind hier-
nach noch die Lesestücke und die Grammatik für sich in 's Auge zu fassen.
Die Lesestücke sind sehr hübsch gewählt, die kleineren sowohl
wie die grösseren, die prosaischen wie die poetischen; nur die Lebens-
beschreibung Mahomet's wäre mit Vorteil durch einen französischen
Stoff ersetzt worden.
Weniger Zustimmung wird die Verwendung dieser ansprechen-
den Stücke finden: die prosaischen sind meist für die Klassen, denen sie
zugewiesen sind, zu schwierig, nicht nur ihrer Form, sondern auch ihres
Inhalts wegen. Die an sich so passenden Causeries (Voyage ä Paris)
1) Für Mädchenschulen sollte man sich entweder der französischen
oder der deutschen Bezeichnung bedienen.
174 Referate und Rezensionen. R. Meyer,
x. B. sind nicht für zehn- bis elfjährige Mädchen geeignet, und t»
wäre schade um das hübsche Lustspiel, wenn man La Joie fait Akt
Traber als in der zweitoberstm Klane lesen wollte. Ebenso wenig dürfte
es sich empfehlen, den Unterricht zu beginnen mit den bekannten
Anekdoten Frederic le Grand et k meunier de Sans-Souci, FontenelU et
in muri, La nnix.
Die Elementargrammatik, welche auch einiges aus der Syntu
bringt, ist mit Geschick abgefasst und zeichnet sieb namentlich durch
ihre Kürze vorteilhaft aus. Von den Ausstellungen, die ich in machig
habe, erw&hne ich die erheblicheren, so weit sie nicht mit den Bemer-
kungen Tenderiog's in «einer Besprechung der Ausgabe A (XevphiU.
Centraiblatt II S. 366 ff.) zusammenfallen.
Scheidung von Laut und Schrift ist wohl erstrebt, aber nicht
überall durchgeführt So beisst es in dem Abschnitt „Laute und Zeichen":
„C und y guttural vor a. o, u, vor Konsonanten und im Auslaut, rer-
mittelst eines stummen u auch vor «r, i, y; tischend vor e, i, y, ter-
mittelst einer CedilU unter c und eines stummen e nach g auch vor
«, o, u." Die Hegel würde um nichts schwerer verständlich und dabei
richtiger sein, wenn gesetzt würde: „Die Kehllaute k und g in de:
Schrift vor a, o, u, vor Kons, und im Auslaut« durch e und g. vor c, i, y
durch cu und gti bezeichnet, k vor beiderlei Vokalen auch durch j«.'
Entsprechend für die Laute s und / — Ferner wird zwar der Eintritt
eines i als Vorschlag vor tönendem Vokal bei fair nicht, wie bei emutytr,
nur als „orthographische Eigenheit" behandelt; der Ausdruck aber
(„y statt i'J bezieht sich doch wieder allein auf die orthographische Be-
sonderheit, welche dem lautlichen Vorgang entspricht. Ähnlich bei hör
Was über die Bindung gesagt wird, ist recht ungenau. Zunächst
ist die Bindung im weiteren Sinne nicht genügend berücksichtigt,
— Die Bindung im engeren Sinne, eine Folge der andern, ist nicht in
Betracht gezogen, wenn nf in der Eudung der 3. Pars. PI, „immer
stumm" genannt wird. — Die Verbalen du eh; rt ist nicht nur in der
fragenden Form laut: gerade zwei so häufige Wörter wie tert und tort
machen eine Ausnahme, von Schwankungen bei anderen Zeitwörtern ab-
Die Imperativform tat verlangt eine nähere Bestimmung, und
■war ist diese noch Lücking's Vorgang für alle Imperativformen auf t
und c gemeinsam zu geben.
Der Abschnitt „Veränderungen des Stammes" ist im einzelnen
nicht zuverlässig, darauf hat Tendering schon hingewiesen. Ich bemerke
noch, dasa hier unrichtig erweise von Wegfall des Stammkonaonaoten
in peux Erweichung des l zu « des (stummen) n zu gn gesprochen,
wird. Wie weit man für Schulswecke in der Erklärung abweichender
Formen zu geben hat, darüber ist Meinungsverschiedenheit möglich;')
was aber in dieser Beziehung gesagt wird, muss wissenschaftlich be-
gründet sein.
Daher ist es auch unstatthaft, unter die Regeln über die Plural-
bildnng zu setzen: „j: haben a) die Substantivs, auf au, eau, ett, ata...,
b) die auf ai, deren t dann zu » wird' — eine Fassung der Regel,
welche auch wieder die oben erwähnte Vermischung von Laut und
Schrift erkennen läset. Es sollte etwa heissen: „Vor der Pluralendung i
ist in den Subst. auf ai (wie bei den Verben!) für l u eingetreten, ebenso
in einigen anf ail u für / mouülec. Geschrieben wird dann als Eudung
l vaü , vue gehört jeden-
Recueil de lettre* ä fusage des jeunes filles. 175
statt s x, desgl. im Plural der Subst. auf au und eu und einiger auf ou
wie in je vaux, je t^eux)."
Ungenau ist es» von verbundenem oder unbetontem Personal-
pronomen zu reden; denn moi und toi nach einem Imperativ sind ver-
bunden, dabei aber Formen des betonten Pronomens. Von den demon-
itrativen ist ce bald adjeclif, bald pronom demonstratif; aber auch in
dem letzteren Falle ist es rast niemals, wie M. und C. angeben, betont.
— Le, lat les sind nicht Prädikats n om in ativ; die Bezeichnungen „No-
minativ", „Genetiv" u. s. w. sind ja bekanntlich in der neu französischen
Grammatik überhaupt nicht berechtigt, auch nicht aus praktischen Gründen.
Tn dem syntaktischen Teil findet man unter „Artikel": „Die Länder-
namen stehen ohne Artikel : 1 . im Genetiv a) in Titeln . . . b) als quali-
tative Bestimmung: les guerrts d'Itaäe die italienischen Kriege, im
Gegensatz zur Landesangehörigkeit: les populatiotis de CArabie . . ."
Diese Fassung der Regel ist auch auf der unteren Stufe nicht zu
brauchen: auch in Titeln ist der mit de beigefügte Ländername quali-
tative Bestimmung — übrigens ein Wort, das in der Mädchenschule
besser vermieden wird — , und auch beim Ausdruck der Landesangehörig-
keit wird er sehr häufig als solche behandelt, also ohne Artikel gebraucht.
Wenig gelungen ist endlich der Abschnitt über die Wortstellung.
Was die Wortstellung im Fragesatz anbetrifft, so liegt es nahe, da die
„Inversion mit doppeltem Subjekt" ohnehin erwähnt ist und erwähnt
sein muss, das Eintreten derselben in Sätzen mit Fragewort nicht zu
übergehen. — Nicht nur nach einigen Adverbien und adverbialen Be-
stimmungen tritt oft Inversion des Subjekts ein. — A peine ist keine
Konjunktion. — In dem Satze Chinon, oü se trouvait ators Charles VII
ist au nicht Objekt. — Nicht immer stehen Adjektive hinter dem
Sabst, welche a) Volk und Land, Beruf und Stand, b) sinnfällige Eigen-
schaften in wirklicher Bedeutung bezeichnen.
Und so Hesse sich noch anderes anführen. Bei alledem ist das
Bnch von Mangold und Coste eine sehr beachtenswerte Erscheinung,
zur Einführung in Mädchenschulen aber kann ich es nicht empfehlen.
R. Meyer.
Reenell de lettre» & l'naage des jetines Alle». Sammlung
französischer Briefe zum Gebrauch beim Unterricht junaer
Mädchen. Gesammelt von einer Lehrerin. Zweiter T^eil.
Hannover, 1888. Helwing. X, 68 S. 8°. Mk. 1,50.
Ob und wie weit es geraten ist, eine Sammlung französischer
Briefe im eigentlichen Schulunterricht zu verwenden, kann hier füglich
nnerörtert bleiben : auch wenn man in dieser Beziehung Bedenken hegt,
wird man die Nützlichkeit einer solchen Sammlung, wenn sie im wesent-
lichen Mustergültiges bietet, gern anerkennen, uud gerade der für ein
Schulbuch nicht unbedenkliche Umstand, dass der vorliegende zweite
Teil hauptsächlich Briefe Erwachsener und auch viel Geschäftliches
(sogar Zeitungsanzeigen) enthält, ist im übrigen geeignet, seine Brauch-
barkeit zu erhöhen. Aber notwendige Voraussetzung ist, dass die Form
der Briefe nach Sprachrichtigkeit und Sprachgebrauch nahezu tadellos
sei. In beiderlei Hinsicht nun bedaure ich, obgleich ein grosser Teil
der hier vereinigten Stücke von französischer Feder geschrieben ist,
doch erhebliche Ausstellungen machen zu müRsen. Ich muss mich be-
gnügen, die wichtigeren derselben zu verzeichnen.
S. 9: eile craint quelle ne puisse se tirer daffaire. Der ver-
neinende Sinn verlangt pas.
176 Referate und Ueientionen. L. Wetpy,
8. 18: relativement ä Putte et Pautre de ces deux plaeet. Kai
dann darf die Wiederholung von ä anterbleiben, wenn wirklieb Zu-
sammenfassung stattfindet, wie in dem Satz der Ac: TTorrenf tt dit
figurement de ccrtaities ehoses par Tapport ä tevr abondanee ov a leur w-
petuoiite, au ä tune et Fautre ensembte. Das iet hier aber Dicht der Fill.
8- 20 : Je profite de cette circonstance pour vous dire etc. Richtig
cette oecasion!
8. 31: fai apprit gut eaus cherchiez une hutitutrice pour St*
votre fiUe. Ginfach vatre fiite!
S. 14: Nout sommes conünueüenumt ä la reeherche tTune fewme
de chamhre, sans pouvoir reussir ä trouver quelqu'ime qui nout convietau.
Vielmehr sans er» trouver une!
8. 45: Dans ee moment je reeois votre aimabte re'ponte, tt jt
m'cmpresse de ventr . . . vous remercier du service que vous vetut 4t
nous rendre, et de la honte dont i'nus avez tue envers «out. Du ut
schwerfallig und nicht einmal ganz logisch. Hau vergleiche damit
folgende Fassung: Je reeois ä f instant votre aimabie re'ponte, tt jt
m'empresse de vous remercier du service impttrtant que vout avez nt la
baute de nous rendre.
S. 48: Ma chere Mademoiselle. Die Verdoppelung de« Pro-
nomens iet nicht zulässig. Gewöhnlich Chere Mademoiselle. — au Bviel
pres de Vevey. Der Sprachgebrauch verlangt hier den Fortfall von it.
S. 30: Elle est niece de mon mari, nicht la niece!
S. 44 : Veuiüez, madame, präsenter ä montievr vatre mari ma
compliments Ut plus smeeres. Gewöhnlich montieur N.; io vertraulicher
Rede votre man, aber ohne montieur!
8. 43: Diev fa donne une cowonne plus belle que Celle de Kyrie
et d 'oranger que tu recus jeime fianeee. Richtig cetle de fieurs d'oraujtr
(oder Celle de myrte) que tu recus le jour de ton manage, wohl aorl
jeune mariee, schwerlich j. fianeee in Beziehung auf den HochteiUUg.
S. 47: (Je) vous envoie ci- Joint les eritiques parues etc. Vor dea
Artikel muss ci-joint in Geschlecht und Zahl mit dem Objekt Sberein-
stimmen.
S. 64: Mademoiselle Julie Bonnet, Avenue du Theatre JVe. 2: Dm
Übliche iet: 2, Avenue du 7h.
8. 55 — 56: Tai choisi le peignoir violet, mais la traine est Inf
longue. Vor est darf en nicht fehlen.
S. 07 : Iet tatons dewaieni (nicht pourraient) itre plus etevet ii
deux centimitres!
8. 58: de'part pour les eaux, nicht p. les bams!
8. 63: Castelmaudary (Aubej. Der Ort heisa t Castelnaudary. und
liegt im Departement der Aude.
8. 65: wn pensionnal de Hanovre, nicht ä H.!
8. 67: Croeheter = häkeln finde ich in keinem Wörterbuch.
Sollte da« Wort mit dieser Bedeutung überhaupt vorkommen?
Anderes übergehend, musn ich wenigstens noch auf die Mangel
der Zeichensetzung hinweisen, desgl. auf die ziemlich zahlreichen Druck-
fehler: S. 41, 10; S. 23, 14; S. 44, 4: 8. 34, 19 u. 48 (sinon!); S. 39, Mi
8. 43, 14 (Apostroph!); 8. 53, 6; 8. 54, 13; 8. 57, 17; S. BS, M;
8. 68, 18 (au-!).
Wenn bei einer neuen Annage die angedeuteten Maugel beseitigt
werden, so wird das reichhaltige Büchlein gute Dienste leisten.
R. Hbyxk.
G. Platz u. 0, Kares, Schulgrammatik der französischen Sprache. 177
Mcets, Gustav u. Kares, Otto, Schulgrammatik der französischen
Sprache von Karl Plcetz in kurzer Fassung herausgegeben.
Berlin, 1888. F. A. Herbig. XVI und 412 S. Ladenpreis
ungebunden 2 Mk. 60 Pf.
„Die vorliegende Neubearbeitung der Ploetz'schen Schulgrammatik
ist für diejenigen Lehranstalten bestimmt, deren Lehrplan eine Be-
schrankung und kürzere Fassung der Regeln sowie einen rascher zu
bewältigenden Kursus von Obungen wünschenswert erscheinen las st."
Wir begrüssen aufrichtig diese zeitgemässe Neubearbeitung, welche
▼on dem aufrichtigen Streben der Verfasser zeugt, den Anforderungen
der Neuzeit unter Beibehaltung des Schätzenswerten, das in früherer
Zeit erarbeitet worden ist, gerecht zu werden. Ein Vorwurf, den
man der Ploetz'schen Schulgrammatik alter Fassung vom Standpunkte
der Jetzzeit aus mit Recht machte, war derjenige eines Oberflusses
an Regeln und Ausnahmen, welche geeignet waren, den Schüler zu
verwirren und den Überblick, die Beherrschung des Sprachstoffes zu
rauben, der nur dadurch zu gewinnen ist, dass man weise Beschränkung
Übt und die zusammengehörigen Regeln auf den sprachlichen Grund,
soweit dies in leichtfasslicher Form möglich ist, derart zurückführt,
dass sich alle Abweichungen thun liehst als Folge dieses Grundes ergeben
— ihre ausdrückliche Anführung also überflüssig wird. Aus diesen
Gesichtspunkten ergeben sich wesentliche Kürzungen, und der Stoff
zerlegt sich gleichsam von selbst in methodische Abteilungen, welche
erfreulicherweise auch in dieser Neubearbeitung grundsätzlich beibe-
halten worden sind, wenn auch mit wesentlichen und zweckmässigen
Änderungen.
Der Regelschatz, soweit derselbe in dem methodischen Teile
abgeleitet und eingeübt wird, ist um mehr als */8 gekürzt. Die An-
sichten darüber, welche Auswahl zu treffen sei, werden naturgemäss
bei den einzelnen Fachgenossen vielfach auseinandergehen, und eine
volle Einheit der Ansichten dürfte nie zn erzielen sein. Wir billigen im
ganzen die getroffene Auswahl und glauben, dass auch der abweichen-
den Ansicht in geschickter Weise Rechnung getragen ist. Das Neben-
sachliche ist in „der Sprachlehre", wie jetzt der systematische Teil
genannt wird, in einer von den Hauptsachen scharf getrennten Weise
bo gegeben, dass es sich an der geeigneten Stelle organisch einfügt
und, falls sich bei der Lektüre Gelegenheit findet, auf die betreffende
Erscheinung hingewiesen und dieselbe mit dem früher Behandelten in
Besiehung gesetzt werden kann, ohne dass man nötig hat, im metho-
dischen Teile darauf Rücksicht zu nehmen.
Der methodische Teil hat eine von der früheren wesentlich ab-
weichende Gestalt bekommen. Während ehemals die Regeln den ein-
zelnen Lektionen vorgdruckt waren und so zu dem Irrtume verleiteten,
dass die Regeln zuerst behandelt werden sollten, sind jetzt die Regeln
völlig weggelassen, in den syntaktischen Abschnitten sind jeder
Lektion eine Anzahl von Mustersätzen vorgedruckt, welche die aus
den französischen Übungsstücken hauptsächlich abzuleitenden Regeln
in methodischer Form, „logischer Gliederung" vorführen, gewisser-
massen also eine „Grammatik ohne Regeln" bilden, welche einen vor-
trefflichen Anhalt bei Wiederholungen bietet und die Übersichtlichkeit
vermehrt.
Der gebotene französische Sprachstoff ist mit strenger Rücksicht
auf den methodischen Gesichtspunkt derart ausgewählt, dass „aus einer
reichlichen Anzahl zusammenhängender Lesestücke und Einzelsätze,
Zschr. f. tn. Spr. n. Litt. XII*. 12
178 Referate, und Reietuünu*. L. Wetpy,
welche nach der Reihenfolge der auf die betr. Lektion bezüglichen
grammatischen Materien" die Gesetze zu entwickeln Bind, auf die
aich die Sprache gründet. Die grosse Änderung in diesem Teile
des Werkes besteht darin, dass zusammen hängende Stoffe in weit
grosserer Zahl auftreten. Wo es möglich ist , eine sprachliche Er-
■cheinung in einem zusammenhangenden Stücke ausgiebig zur An-
schauung zu bringen, ist dies entschieden Einzelsätzen vorzuziehen;
nur soll die Beobachtung der Haupterscheinungen in methodischer
Folge geschehen und nicht dem Zufall überlassen bleiben, was iu einem
ruhelosen Ein- und Herspringen führen müsste. Ist eine sprachliche
Erscheinung in methodischer Weise nicht in die Gestalt eines zu-
sammenhängenden Stückes zu kleiden (wir hoffen, das» hierin immer
grossere Fortechritte gemacht werden), so mag man, wie Plceti-Ksrw
tristen, ruhig zu zweckmässigen Einzelsätzen greifen, welche nebut
andern) nicht zu unterschätzenden Vorteilen unzweifelhaft „Einfachheit
wie Abgeschlossenheit und Übersichtlichkeit des sprachlichen Ansehso-
ungsbildes" für sich haben. Es ist wohl gelegentlich bezüglich der Me-
thode auf die Phasen hingewiesen worden, welche der botanische Un-
terricht durchgemacht habe. — Han meinte da, früher habe man »ich
daran genügen lassen, einfach ein System auswendig lernen zu lassen;
dann habe man angefangen, einzelne Pflanzen zu sammeln and za be-
stimmen, dann aber in ein System einzureihen; jetzt aber streife min
hinaus in die Wiese, Feld und Wald und lausche dort an ihrer Wieg«
den Pflanzen ihr Leben und dessen Bedingungen ab. Die Anwendung
auf den Sprachunterricht ist leicht einzusehen : Wiese, Feld und Wald
sind zusammenhängende Werke von Schriftstellern, denen man, wie
eich die Gelegenheit bietet, die Sprachgesetze ablauscht. Wie man
sich nun aber, so meinen wir, in der Botanik durch zweckmässig an-
gelegte Gärten die Vorteile jenes Verfahrens zu sichern vermag, ohne
durch die räumlichen und zeitlichen Unzuträglichkeiten und Uumflg-
lickeiten des Herum Streifens iu Wiese, Feld und Wald etwa gar mit
einer Klasse beeinträchtigt zu werden, so im Sprachunterrichte, wenn
man Stücke benutzt, welche mit Hinblick auf unser Gleichnis dem
botanischen Garten gleichen.
Mit der Art und Weise, wie Kares- Platz die Lautgesetze und
Ergebnisse der wissenschaftlichen Grammatik verwenden, erklären wir
uns grundsätzlich gleichfalls einverstanden. Nur sichere Ergebnisse
dürfen vermittelt werden und diese nur in leicht verständlicher For-
mulierung und ohne die schwer verständliche wissenschaftliche Ter-
minologie sowie unter steter Berücksichtigung des methodischen
Gesichtspunktes. Nachdem eine grammatische Erscheinung ans den
französischen Husteretücken gefunden worden ist, kann dieselbe in
der vorgedruckten „Sprachlehre" aufgesucht werden, worauf die Ein-
übung an den deutschen Musterstücken beginnen könnte.
„Vom Leichten zum Schweren" ist auch in diesem vflllig umge-
stellten Teile der Grundsatz der Bearbeiter gewesen. Zuerst über-
wiegen die französischen Stucke, später die deutschen, Einzelsätie
sind nicht grundsätzlich verworfen; zusammenhängenden Übungen aber
ausgiebig Rechnung getragen. Um der vielfach und mit Recht an den
früheren Plcetz'echen Lehrbüchern getadelten Zersplitterung des In-
teresses vorzubeugen, sind die Einzelsätze so gewählt, dass sie dem
Verständnisse des Schülers nahe liegen und dann nach sachlichen Ge-
sichtspunkten angeordnet, so dass vom Leichten zum Schweren fort-
schreitend Geschichtliches (chronologisch geordnet), Geographisches,
Ethnologisches, Naturwissenschaftliches, Sentenzen, Dinge des täglichen
Platz -Kares, Kurzer Lehrgang der französischen Sprache. 179
Lebens und de* Unterrichts sich folgten. Die „vermischten und ab-
schliessenden Übungen" sind überdies so vermehrt, dass auch die
strengsten Anhänger der zusammenhängenden Stücke befriedigt sein
werden. Vorzüglich ist in einzelnen Lektionen der Gedanke verwertet
worden, die deutschen Sätze und Stücke dem französischen Texte an-
zugleichen.
Fassen wir unser Gesammturteil über das neue Werk zusammen,
da« sich mit Rücksicht auf den Raum nur auf die allgemeinen Ge-
sichtspunkte beziehen kann. Das Buch- bezeichnet bez. der methodi-
schen Form, der Übungsstücke nach Form und Inhalt und bez. des
RegelschatzeR einen wesentlichen Fortschritt, und wir glauben, dass es
bald die frühere Bearbeitung verdrängen wird und zwar nicht nur an
Anstalten mit beschränktem Lehrstoff. Möge sich die fachwissenschaft-
liche Kritik des Buches nach der sachlichen Seite recht annehmen.
Welches auch die Mängel sein mögen, die dem Material im Einzelnen
anhaften — hier lässt sich nachhelfen. Der Kern ist gut, und das ist
die Hauptsache. Wir empfehlen unseren Amtsgenossen das Buch ein-
gehender Berücksichtigung. L. Webpy.
, Otto und Ploetz, Guatav, Schulgrammatik der französi-
schen Sprache von Karl Ploetz. Für Mädchenschulen umge-
arbeitet. 2. verb. Anfl. Berlin, 1887. F. A. Herbig. Laden-
preis ungeb. 2 Mk. 80 Pf.
Bezüglich dieses Buches für Mädchenschulen können wir uns
kürzer fassen, da es nach ähnlichem Plane gebaut ist wie das vor-
stehend besprochene. Selbstverständlich haben sich seiner Bestimmung
gemäss eine Menge Änderungen nötig gemacht, welche sich namentlich
auf die Übungen beziehen, in welchen der Gedankenkreis junger
Mädchen berücksichtigt werden musste. Auch der Umstand, dass den
jungen Mädchen die Kenntnis des Lateinischen abgeht, machte Aen-
derungen und Umstellungen notwendig. Die 2. Auflage unterscheidet
sich übrigens nicht unwesentlich von der ersten. Schon in der 1. war
der Regelschatz um Vs gekürzt; die vorliegende Aufläse ist um einen
weiteren Bogen gekürzt worden, namentlich durch Weglassung der
für den Lehrer mindestens überflüssigen „Einführungen". Bei den Än-
derungen ist darauf Rücksicht genommen, dass die 2. Auflage immer
neben der 1. ohne allzugrosse Unzuträglichkeiten wird benutzt werden
können. L. Webpy.
Plcetz-Kares, Kurzer Lehraang der französischen Sprache. Sprach-
lehre. Auf Grund der Schulgrammatik und Karl Ploetz
bearbeitet von Gustav Ploetz und Otto Kares. Berlin,
1888. F. A. Herbig. XVI u. 117 S. Ladenpreis ungeb. 1 Mk.
Übungsbuch. Heft 1. (Abschiuss der Formenlehre.) Ebenda,
1888. VUI u. 108 S. 1. Mk.
Der Kurze Lehrgang schliesst sich im ganzen an die Schul-
grammatik neuen Stiles an (an deren Stelle er in Verbindung mit dem
Übungsbuch gebraucht werden kann), enthält aber aufs neue eine ganze
Anzahl von Verbesserungen, wozu wir in erster Linie die schulgemässe
Behandlung der Phonetik rechnen möchten. Das Buch zeichnet sich
vor allen Dingen durch seine grosse r Handlichkeit" aus und wird
12*
180 Referate und Rezensionen. F. Perle,
namentlich in Klassen, in welchen vornehmlich wiederholt wird, gsro
Sebraucht werden. Dan an zweiter Stelle genannte Übungsbuch bildet
en Ausgangspunkt für den kurzen Lehrgang, dessen Regeln an den
französischen Stücken des ersteren and an den zugehörigen deutschen
Stücken geübt werden «ollen. Fast olle diese Stücke sind übrigem
zusammenhängend oder doch dUVchaua idiomatischen Gepräges, womit
der graraatiache Zweck vortrefflich in Einklang gebracht worden ist
Vortrefflich erscheint uns das Verfahren , welches an die Stelle dar
Retro veraion sachliches Nachahmen eines gegebenen idiomi tischen
Musters setzt. Die Stoffe sind frisch, anregend und dem Verständnis
der betr. Bildungsstufe angemessen.
L. WB8PT.
Berge*, H„ Französisches Lesebuch für die Unterstufe. Für *IW-
und höhere Mädchenschulen. 74 S. Hanau, 1888. Albcrti.
Mir liegt die 1. Auflage vor; aber es ist schon die 2. erschienen.
Hiermit w&re also die , Brauchbarkeit" des Büchleins bewiesen. Die
Behörde hat alsbald nach Erscheinen die Einführung genehmigt. Ver-
fasser und Verleger werden also wohlbefriedigt sein. — Wer Marelle,
Kühn, den französischen Schmid und etwa noch Hatt, Wingeratb oder
etwas ähnliches kennt, wird sich hier unter zumeist guten alten Be-
kannten bewegen. Erst kommt eine Wörterliste, dann das französische
Stückchen dazu, dann anfangs zuweilen Redensarten daraus, aplter
auch deutsche Fragen nach dem Inhalte; einigemal sind die Redens-
arten in grosserer Zahl wiederholend zusammen gestellt. Ein Wörter-
buch fehlt. Also : ein nach einfachem Plan gearbeitetes „brauchbares*
Büchlein. Der Verfasser wird es wohl an einer Fortsetzung nicht
fehlen lassen, wenn sie nicht schon erschienen ist.
Die zahlreichen Druckfehler der 1. Auflage sind in der 2. hoffent-
lich ausgemerzt. Franz Dörr.
Schulausgaben.
Dnruj, Victor, Htstoire de France de 1789 ä 1195. Hit Einleitung
und Anmerkungen herausgegeben von K. A. Mart. Hart-
mann. Leipzig, 1889. E. A. Seemann.
Der Herr Herausgeber leitet die didaktische Berechtigung wi
einer Schulausgabe des die Jahre 1789 bis 1790 behandelnden Ab-
schnitts in Duruy'a Bistnire de France aus der Erwägung her, dass die
bisher für das Revolution*- Zeitalter für Unterrichts! wecke gebräuch-
lichsten historischen Werke von Mignet und Lamartine aus Mangel
an Zeit nicht vollständig bewältigt weiden können , eine Lektüre
einzelner Kapitel aus diesen Werken aber miselich sei. ..Gerade die
vollständige Kenntnisnahme des Verlaufe jener tief tragischen Zeit", sowie
ihn etwa der herausgegebene Abschnitt bei Duruv darstelle, sei za
einem erBpriesslichen Betrieb der Lektüre darüber erforderlich. Referent
vermag diesem Standpunkt nicht beizutreten, and iwar um eo weniger
als er zu Gunsten eines Schriftstellers geltend gemacht wird, der ganz
nach Art des alten Kollin seinen Gegenstand überaus summarisch be-
handelt. Denn da die historische Lektüre den Geschichtsunterricht
Schulausgaben. V. Duruy, Histoire de France 1789 ä 1795. 181
weder ersetzen soll, noch ihn bei seiner viel schnelleren Gangart be-
gleiten kann, dagegen die durch ihn vermittelten Anschauungen und
und Vorstellungen zu vertiefen und auszugestalten berufen und geeignet
ist, so kann ein überhaupt wie im besonderen für einzelne wichtige
Episoden, wie beispielsweise für die Ereignisse vom 4. August, vom
5. und 6. Oktober, die Flucht des Königs u. a., geradezu dürftig ge-
haltenes Qanze hierfür nimmermehr genügen. Ganz im Gegenteil
drangen alle Rücksichten haushälterischer Didaktik, da eine eingehendere,
und so des bedeutsamen Gegenstandes allein würdige Darstellung des
Gesamtereignisses nicht bewältigt werden kann, zum Studium gewisser
einzelner Höhepunkte desselben, zum Studium eben jener Ereignisse,
bezw. Tagesfragen, deren genauere Kenntnis, Wesen und Charakter
der Revolution überhaupt klarlegen und beurteilen lehren. So wird
ohne Zweifel die Lektüre einiger Reden Mirabeau's, wie etwa seiner
Reden über die Benennung der vereinigten Versammlung der drei
Stande, über das Veto, über die Teilnahme der Abgeordneten zur
Nationalversammlung am Ministerium, dem Leser mehr Verständnis
der Revolution eintragen als es Duruy mit seiner Gesamtdarstellung
auch nur entfernt vermag. Mein Hinweis aber auf die Reden Mira-
beau's, und nicht auf einen Historiker, will besagen, dass ein der ver-
schiedenartigsten Beurteilung noch immer und wahrscheinlich noch
auf lange hinaus unterworfenes Zeitalter, wie es das der französischen
Revolution par exceüence ist, grundsätzlich nicht durch Vermittelung der
Geschichtsschreibung, sondern auf dem Wege quellenmässiger Anschauung
in den Schulen studiert werden sollte. Denn in Quellenschriften sind
auch Irrtümer, Entstellungen und Leidenschaft zumeist ächte Zeugen
ihrer Zeit. (Vgl. meinen Aufsatz in dieser Zschr., Bd. VIII.) Will man
aber nun einmal im altgewohnten Geleise der Geschichtsschreibung
weiter wandeln, so könnte gleichwohl Duruy ausser aus den bisherigen
Erwägungen uicht auch bloss deswegen nicht in Frage kommen, weil
er — wie es der Herausgeber selbst zugesteht — ebenso veraltet ist
wie Mignet und Lamartine, sondern auch deswegen nicht, weil er es
verabsäumt, die für die Beurteilung des Ereignisses sehr wichtigen
gesellschaftlichen und kirchlichen Momente der Revolution in ihrem
folgenreichen Verhältnis zu den politischen darzustellen. Wer an den
Historikern festhalten will, wird sich schlechterdings nach einem um-
sehen müssen, der die Ergebnisse der durch Sybel eingeleiteten neueren
Forschung seiner Darstellung zu Grunde gelegt hat. Taine, an den
man zunächst denken könnte, wäre dazu allerdings — für die Schule
— wie dies auch Hartmann ausspricht, bei seiner durchgehenden Vor-
aussetzung alles Thatsächlichen nicht geeignet
Muss der Vorschlag, von der Forschung überholte Werke durch
ein nicht minder überholtes, aber erheblich weniger reizvolles Werk
abzulösen, als verfehlt erscheinen, so wird andererseits der der Hart-
mann'schen Ausgabe Duruy's beigegebene Kommentar der Anerkennung
jedes Sachkundigen sicher sein dürfen. Der Herausgeber ist im Zeit-
alter der Revolution in der That zu Hause, und zwar nicht bloss in
Frankreich oder vermöge des Studiums der allbekannten einschlägigen
Geschichtswerke. Die Haltung der als besonderes Heft dem Autor
beigegebenen Anmerkungen ist durchweg ansprechend, da sie wie in
den Text hineingeschrieben erscheinen und so denselben beleben. Die
allenthalben erreichbaren biographischen Notizen sind von wohlthuender
Kürze, bezw. so gegeben, dass sie die im Texte erwähnten Personen
unter einem für das Verständnis des Schriftwerks wesentlichen Gesichts-
punkte charakterisieren. Auch dass bei der Abwesenheit sprachlicher
182 Referate und Rezensionen. C. Th. Um,
Besonderheiten des Texten die Anmerkungen ausschliesslich sachlicher
Art sind, gereicht dem Kommentar vielen anderen Sehn lauggaben
gegenüber zum Vorzuge. Im Interesse weiterer selbständiger Ver-
wendung wäre ein Sachregister wünschenswert gewesen.
Die Irrtümer des Verfassers unterlässt der Herausgeber im all-
gemeinen nicht zu berichtigen, freilich nicht in allen Fällen. So wart
eine derartige Kritik der Dnruy'schen Darstellung namentlich in Be-
treff der Ereignisse vom 5. und 6. Oktober, des plus lieau jnur dei
Revolution (14. Juli 1790), der Veranlassung des ersten Koalition*,
krieges, der Behandlung der königlichen Familie nach dem 10. Au gart,
sehr wohl am Platze gewesen. Auch dass die gardes du corpi eine
ausschliesslich aus Edelleuten bestehende Truppe waren, hätte ange-
merkt werden müssen, weil erst so ihre gesellige Vereinigung mit den
Offizieren des Regiments Flandern [S. 19] verständlich wird. Fritscb'i
treffliche Erläuterung zu federation [Mirabeau II, 8. 51] hätte passend
übernommen werden können Die Anmerkungen zu lettre de cecket
[8. 3] und cahier [S. 4] geben keine genügende Aufklärung, noch
weniger die Bemerkung über die Jacobiner [8. 2 u. S. 11], wobei in
letzterer Hinsicht das Wesentliche eben dieses ist, dass die Jacobiner
den Standpunkt der jeweilig fortgeschrittensten Linken darstellen, der
aber sowohl nach seinen Vertretern wie nach seinem Inhalt zu ver-
schie denen Zeiten sehr Verschiedenes bedeutet. „Girondisten" and
„eigentliche Jacobiner" (S. 34 der Anm.) ist ein wenig zutreffender
Gegensatz. Zu S. 3! der Anm. mag hinzugefügt werden, dasa die
Girondisten als Gesamtpartei allerdings in jener Zeit nicht allgemein
Girondins — bei Mercier vol. 111 S. 9 findet sich diese Form bereit» —
genannt werden, dass aber die Benennung Girondistes (vgl. Dumonriei,
Mem. II) schon als allgemeine Parteibezeichnung diente. Die Ab-
geordneten von Bordeaux bezeichnet Louis XVI. in seinem Briefe vom
27. Juli 1792 an den Grafen von Provence als deputation de la Ga-andt,
die Parte! selbst als la Girontte.
Das Buch ist gut ausgestattet, der Druck sorgfältig.
F. Perle.
Sammlung französischer (und englischer) Schriftsteller für
den Schill- und Privatgebrauch. Ausgaben VeLhagen
& Klasing. Prosaleurs francais. 72. Lieferung. Ausgabe B.
Mit Anmerkungen in einem Anhange. Quinte jours au Sana
par A. Dumas Pbre et A. Dauzats. Auszug. Hit Anm. zum
Schnlgebr. herausgegeben von Adolf Meyer. 1889. ISS 8.
Anhang 39 8. kl. 8°. geb. 1 Mk. Wörtern. 76 8. geh. 30 Pf.
— 73. Lieferung. Ausgabe A. Mit Anmerkungen unter dem
Text. Hisloirc greegue par Victor Duruy. In Auszügen mit
Anm. zum Schulgebr. herausg. von H. Lambeck. 1889. ISIS.
geb. 90 Pf. Wörterbuch «5 S. geh. 20 Pf. — 74. Lieferung. Aus-
gabe A. Neun Erzählungen aus Leitret de mon movän und
Conttts ckoisis par Alphonte Daudet. In Auszügen mit An-
merkungen zum Schulgebr. herausgegeben von J. Wychgram.
1889. VIII u. 114 S. geb. 60 Pf. Wörterbuch 48 S. geb.
20 Pf. — 75. Lieferung. Ausg. A. De CAUemagne par itr**
de Statt. Im Auszuge mit Anmerkungen zum Schulgebrauch
herausgegeben von Gerhard Franz. 1889. VI u. 190 S.
geb. 1 Mk. The'ätre francais. X. Folge. 2. Lieferung. Aus-
gabe A. Le Cid par P Corneille. Herausgegeben von Alb.
Schulausgaben, 183
Benecke u. G. Carel. 1889. XXVIII u. 106 S. geb. 60 Pf.
Wörterbuch 27 S. geh. 15 Pf. XIV, 5. Ausg. A. lphigenie par
Racine. Herausg. von D. Roh de. 1885. 100 S. geb. 60 Pf.
Wörterb. 11 S. geh. 15 Pf. XIV, 8. Ausg. A. Britannicus
par Racine. Herausgeg. von Wilhelm Scheffler. 1889.
XXVIII u. 112 S. geb. 60 Pf. Wörterb. 10 S. geh. 15 Pf.
XV, 8. Ausg. A. Esther par Racine. Herausgeg. von Wil-
helm Scheffler. 1889. XXXV und 84 S. geb. 60 Pf.
Wörterbuch, 15 S geh. 15 Pf. XV, 7. Ausgabe A. Andro-
maque par Racine. Herausgeg. von Georg Stern. 1888.
L u. 102 S. geb. 60 Pf. Wörterbuch U S. geh. 15 Pf. —
Bielefeld und Leipzig.
Die 72. Lieferung der Prosateurs bietet in dem 18 Abschnitte
umfassenden Auszüge, dessen Verhältnis zum Originaltext ich nicht
beurteilen kann, einen anziehenden Inhalt, der sich immerhin auch
für Schullektüre verwerten lässt, wenn dadurch nicht einem geeig-
neteren Stoffe Zeit entzogen wird; jedenfalls können die ausgewählten
Abschnitte der Privatlektüre empfohlen werden. Die Anmerkungen im
Anhange sind insofern zweckmässig ausgearbeitet, als sie die sachlichen
Angaben des Textes, die übrigens „mit den Forschungen der neueren
Wissenschaft nicht in wesentlichem Widerspruch stehen", unter Be-
nutzung der Arbeiten von Lepsius, Kiepert, Ebers, Schweinfurth und
von Heuglin hin und wieder berichtigen. Die Fassung der Anmerkung
S. 9 Z. 8 zu Alexandrie, die an und für sich wohl entbehrlich war —
jeder Schüler und jede Schülerin wird wohl schon von Alexandrien
hinreichend gehört haben — „Alexandrien liess der Macedonierköoig
Alexander der Grosse im Jahre 882 durch Dinokrates an einer sehr
glücklich gewählten Stelle im westlichen Teile des Nildeltas erbauen,
an welcher die durch Zurückhaltung des schlammigen Nilwassers östliche
Häfen wie den von Pelusium verschlammende Meeresströmung vorüber-
strich, und welche u. s. w. bot" ist unverständlich. Es wäre gut, wenn
die lexikalischen Anmerkungen, die sich meist ganz gleichlautend in
dem Wörterbuch wiederfinden, in den Ausgaben VelhagenA Klasing
ganz beseitigt würden: welchen Zweck hat solche doppelte Angabe?
und was kommt dabei heraus, wenn Anmerkung und Wörterbuch nicht
übereinstimmen? z. B. 11, 25: „brisant blinde, verborgene Klippe, pl.
auch Wellenbrecher." Wörterbuch: J/risant, m. (verborgene) Klippe;
pl. Brandung/ Das Wörterbuch hat diesmal recht, denn man kann
10, 81 ff.: Ceau qui sc brise contre une chaine de rochers qui ferme
presque le port doch nicht auf Wellenbrecher deuten. Zu 27, 21 ff.:
nous approchämes rapidement des pyramides, qui. de leur cote, semblaient
venir au-devant de nous et s'incliner sur nos tites wird angemerkt:
„s'inctiner: eine Übertreibung." Mir scheint im Gegenteil der Verfasser
sehr treffend den Eindruck wiedergegeben zu haben, den die Beobachter
empfingen. Die grammatischen Anmerkungen halten sich in den durch
den Plan der Ausgaben bestimmten Grenzen.
Dass ich Bearbeitungen der alten Geschichte von französischen
Schriftstellern des XIX. Jahrhunderts als Schullektüre für angemessen
erachte, habe ich iu dieser Zeitschrift Bd. V2 S. 222 zu begründen ge-
sucht. Wir erhalten in der 73. Lieferung einen Auszug aus Duruy,
Histoire grecque. Gegen die Wahl des Schriftstellers lässt sich kein
Einwand erheben ; Duruy zeichnet sich aus durch eine klare und glatte
Darstellung, die dem Inhalte nach auf gründlichen Forschungen beruht.
Es ist ferner für die Schüler, die ja nicht die griechische Geschichte
181 Referate und Rtzensümen. C. Tk. Im»,
in den französischen Sprachunterrichte stunden erst erlernen «ollen, im
ganzen auch gleichgiltig, welche abschnitte aus einem grösseren Werk«
ausgewählt werden, wenn einmal die Frage dahin entschieden ist, dan
eine fortlaufend*;, zusammenhangende Darstellung der ganzen griechi-
schen Geschichte sich nicht in dem vorgeschriebenen Umfange geben
läset: ich glaube freilich, dase auch für solche Absicht ein geeigneter
Schriftsteller wohl gefunden werden könnte. Bei dem Verfahren dei
Herausgebers kann es fraglich erscheinen , ob es * weckmassig war,
der Zeit bis auf Lykurg den verhältnismässig bedeutenden Baum von
S. 7 — 43 zuzumessen, wodurch es dann erforderlich wurde, in der
späteren Zeit Ereignisse, von denen man wohl gerne etwas vernommen
hätte, mit Schweigen zu übergehen; so folgt auf den 10. Abschnitt:
Leoniäas als elfter gleich Pe'rtctis; vielleicht hätte sich eine Reihe
aufeinanderfolgender Abschnitte ohne Streichung innerhalb derselben
besser dargestellt. Die sachlichen Anmerkungen sind mit Pleiss und
Sorgfalt behandelt, die Bemerkungen über die französische Aussprache
der griechischen Eigennamen willkommen, von den lexikalischen An-
merkungen gilt hier ebenso wie bei den noch zu besprechenden Aus-
gaben der Prosatews und des lheätre dasselbe, was ich oben bemerkt
habe.
Über die Angemessenheit der betreffenden Schriftwerke Dandefi
vergl. diese Zeitschrift VI* S. 285 und IX1 S. 236. Der Herausgeber
der 74. Lieferung hätte der an den genannten Orten besprochenen
Ausgabe mit einem kurzen Wort gedenken sollen: vielleicht hat er
sie nicht gekannt, das läset sich aber kaum annehmen; jene Ausgaben
sind mir augenblicklich nicht zur Hand und ich mnss eine Vergleiobuno
anderen überlassen, die Selbständigkeit der Arbeit scheint mir jedoch
unbestreitbar. Die Auswahl ist eine wohl gelungene, auf die sachliche
Erklärung ist grosse Sorgfalt verwandt, die lexikalischen Anmerkungen
selbst, wenn man wohl das Wörterbuch in Betracht zieht, vielfach
überflüssig: das Wörterbuch hätte die erste Anm. zu ies tnurs et Im
plate-forme envakis partes herbes: „envahi hier: überwuchert" (Wörter-
ouch envahi [spr. nu-vd-i'] überwuchert) nicht schlechthin übernehmen,
sondern ergänzen sollen.
Die „Biographie und Einleitung" zur 75 Lieferung hat es leider
verabsäumt, eine Übersicht über den Inhalt des ganzen Werkes der
Hm* de StaBl zu geben, der Leser hätte dadurch eine Vorstellung
von der Komposition desselben gewinnen können, und die ausgewählten
Abschnitte, welche die meisten Kapitel aus dessen i. Teile umfassen
und die Meisterwerke deutscher Dichtung zum Gegenstand haben,
würden dann nicht einen so chrestomathiechen Eindruck machen. Die
Auswahl selbst bietet in dem, was sie giebt, einen sehr ansprechenden
Stoff, zu dessen Verständnis die Anmerkungen in dankenswerter Weise
beitragen; im allgemeinen Bind sie dem Programm der Ausgaben ge-
mäss ausgearbeitet.
Unter den 5 Werken, die „für die Kommentierung und für die
Feststellung des Textes" des Cid „benutzt worden" sind, nennt der
Herausgeber die Ausgabe der Weidmann' sehen Sammlung von Strehlke
nicht. Han vergleiche aber 1, 1, 2. „degviser entstellen; in anderem
Lichte darstellen" mit Strehlke: rdeguises-tu: — .entstellen, in anderem
Lichte darstellen' nicht .verbergen'". I, I, 5: s'abiurer ä faire geh. s=
t'abuser en faisant geh." mit Str.: „s'abuser — se faire Uiiision. Der
nachfolgende Infinitiv mit ä hat den Sinn des Gerundivs en lisani."
I, I, 10: „trop zu viel, zu oft" mit Str.: trop hier in der ziemlich
seltenen Bedeutung: zu oft." I, I, 16. „pencher — faire pencher" mit Str.:
Schulausgaben. 185
umeke im transitiven Sinne, wie 1701, so dass der Sinn entsteht u. s. w.u
, L, 20: ä choisir = pour choisir; ä statt pour vor dem Infinitiv ist
Mi Corneille and seinen Zeitgenossen ebenso häufig als ä mit dem
Infinitiv an Stelle des Gerondii u. s. w. mit Str. : nä — in der jetzigen
Sprache pour." 1, 1, 29 : „n'a trait = ria aucun traitu mit Str. : „trait.
Der Teilungsartikel fehlt in der älteren Sprache viel häufiger als jetzt.
Man vergleiche folgende, sämtlich aus Com. entnommenen Beispiele
i. 8. w.u (I, I, 35: Beide Herausgeber erwähnen den gleichlautenden
Vers aus Racine, les Piaideurs, der sich aber weder V, 1 [Str.], noch
[, 1 [Benecke], sondern I, V findet.) I, I, 40: „trancher = interrompreu
mit 8tr. trancke == coup*. Vergl. Polyeucte 1372 (IV, VI, 6).a trancher
steht im Gegensatz zu commencer und naitre, bedeutet demnach eher
„ein Ende machen" als „unterbrechen", was einen Wiederanfang ver-
muten lässt; das Wörterbuch zum Cid giebt dem entsprechend an:
abschneiden, ein Ende machen. I, I, 42: JbaUmcee unschlüssig" mit
Str.: „balance'e = indecise, mcertaine" I, I, 49. rcsoudre gn. ä fahre
jch. = faire consentir ä: bestimmen etwas zu thun" mit Str.: „resolu
in transitivem Sinne : zum Entschluss gebracht, wie 389, 396 und sonst
oft in der älteren Sprache/ 1, I, 52: „Contents = re'alise'su mit Str.:
„Contents befriedigt, wie Polyeucte 1154 und 1410, auch bei Racine
nicht selten." I, 1, 55: „des visages divers = des aspects divers, des
£&s diverses^ mit Str.: „visage. Die Kritik hat an dieser Personifi-
tdon des Schicksals Anstoss genommen u. s. w. Auch Racine sagt
indessen Andr. I, 1: „Ma fortune va prendre une face nouveüe und
Boileau Art poe't. II, 119: Otogne mot eut toujours denx visages divers"
um noch eine Stelle aus dem weiteren Verlauf des Stückes anzuführen,
örwähne ich V, V, 18: „man crime; das Verbrechen besteht darin, dass
sie ihn znm Zweikampfe nötigte" was man mit Str.'s Anmerkung ver-
gleichen möge: „mon crime — darin bestehend, dass ich ihn zum
Kampfe nötigte." — Diese Vergleichung der beiden Ausgaben dürfte
genügen, um den Beweis zu liefern, dass die Ausgabe Strehlke's von
Carel-Benecke benutzt worden ist ; es war ja auch der letzteren Pflicht,
sie nicht unbeachtet zu lassen, und sie haben thatsächiich ihre An-
gaben selbständig verarbeitet, meines Erachtens zwar nicht immer in
gelungener Weise, z. B. 1, 1, 5. Es lässt sich nur nicht absehen, warum
Carel-Benecke der allseitig als trefflich anerkannten Arbeit ihres Vor-
gängers, der sie unbestritten in positiver und negativer Hinsicht manches
verdanken, bei der Aufzählung der von ihnen benutzten Werke mit
keiner Silbe gedenken. Zu V,V, 16: Veux-tu que de sa mort je CecouU
vanter wird bemerkt: „es müsste heissen te vattfer". Die Sache selbst
kann fraglich sein; gut ist, dass die Aufmerksamkeit darauf gelenkt
wird, daher besser : „müsste es nicht heissen te vanter?u Die Antwort
darauf kann sich jeder selbst geben. Zu V, VI, 9 findet sich wieder
einmal die Anm. ä qui für ä celui qui wie V, I, 40: eine Fassung, die
ich für verwerflich halte, weil dadurch die Vorstellung erweckt wird,
als ob der heutige Sprachgebrauch ä qui u. dergL nicht mehr gestattete.
Die Ausgabe von Racine 's lphigenie durch Roh de ist als
Schalausgabe wohl zu empfehlen, Worterklärungen sind auf ein ge-
ringes Mass beschränkt, die aus Mesnard und Geruzez übernommenen
Anmerkungen, die meist das zu Grunde liegende Stück des Euripides
Eur Vergleichung heranziehen, sind gut gewählt und bieten manche
Anregung. Auch die sprachlichen Anmerkungen bieten nur selten
Anlass zu Ausstellungen; z. B. II, I, 64: „devoir oft zur Bezeichnung
der Zukunft, vergl. englisch 1 shall* Ebenso III, VI, 22. In devoir
liegt doch etwas mehr als die Bezeichnung der Zukunft, das was nach
186 Referate und Rezensionen. C. Th. Lion,
der Bestimmung des Schicksal» eintreten soll. Anmerkungen wie I,
II, 44 : „je ne saurais, immer ohne pas = ich kann nicht" u. dergl. mehr
sind überflüssig. Statt die lange Anmerkung aus Geruzez über 11, 1,
107: Je me lausai condutre ä cet aimable guide abzuschreiben, hätte
auf den bekannten Sprachgebrauch Alexandre laitsa prendre haka.t
ä sei troupes kurz verwiesen werden aollen. 1,1,3 statt mime liet
mime. I, I. 38 statt Pteurez vous lies Pteurez-voiu. 8. 11, 4t — 41
„beachte die Umpora," lies; „beachte die Wahl der Zeiten". Die
Anm. eu III, IV, 29, 80: Mais c'est pousser Irop Urin sei droits injurietx,
Qu'y joindre le tourmtnl que je souffre en ces Htux „gne statt que ic'
ist ungenügend. Man vergleiche Lücking, französische Grammatik
§ 237 Anm. 1.
Von einigen überflüssigen Anmerkungen abgesehen wie 11, VI, 19
,,dts yeux mit den Augen; de zur Bezeichnung des Mittels" n. dergl..
ist die Scheff ler'sche Aufgabe des Britatmicus mit grosser Sorgfalt
gearbeitet und bezeichnet in der That einen Portschritt gegen die
früheren Ausgaben des Stückes; dasselbe lässt eich der der Eitker
nach r0bmen.
Eine Menge überflüssiger Anmerkungen findet sieh dagegen in
Georg Stern's Aussähe der Andromaque , insbesondere ist an m
vielen Stellen von der Er blärunga weise mittels Übersetzung ins Deutsche
Gebrauch gemacht worden, wo mehrfach eine andere Art der Erklärung
am Platze war; z. B. I, 11, 83: ^erse'cuter le pere sur le ßs den Vater
in dem Sohne verfolgen" (wo Laiin, dessen Ausgabe Stern all von
ihm benutzt namhaft macht, bemerkt: „sur le fiis statt dans. Louii
Racine nennt tur eleganter.") Wäre es hier nicht angebracht gewesen,
den Sprachgebrauch der Präposition sur zu erörtern, auf conquerir n
pays sur qn. u. dergl. hinzuweisen? Zu 1, III, 4 erhalten wir die An-
merkung: Ten = tteäe. en steht bei Racine (doch nicht bloss bei
Racine!) sehr häufig in Beziehung auf Personen. Jetzt wird en meist
nur in Beziehung auf Sachen und Abstracto, gebraucht. Eine un-
genaue Ausschreibung von Benecke Cr. II S. 113, die in dieser Passung
unrichtig wird. I, IV, 42: „passer pour qch. für etwa» gehalten
werden, gelten" war überflüssig, auch wenn man nicht in Betracht
ziehen will, das» das Wörterbuch „posser pour gelten für" angiebt;
ebenso vieles gleicher Art. 1, IV, 107: „s'arriter dans oder ä qck. bei
etwas stehen bleiben , nicht weiter gehen. u (Wörterbuch : sarriUr
inne halten (verfallen), verharren; verweilen.) Hier stimmen Wörter-
buch und Anmerkung nicht ganz überein (Lauu erklärt: Denn alliu
heftig war des Herzens Glut, Um eich in kaltem Gleichmut zu ver-
lieren.) Ebendaselbst Tne .. .que gehört zu dans Fhidifference". ne . . .que
gehört doch immer zu dem auf que folgenden Begriff. II, I, 11 ; „tu
pere = votre pere." In dieser Fassung jedenfalls nicht zu dulden.
Wenn der Erklärer darauf hinzuweisen für nötig hielt — für einen
verständigen Leser war ea unnötig — , so konnte er etwa sagen: was
veranlasst den Dichter, im pere für votre pere zu setzen? II, I, 81:
„ma familte venqe'e die Thatsache, daas meine Familie gerächt war.
Zu der Konstruktion vergl. S, 6 Anm. zu 1,1, SO." Die gegebene,
übrigens ziemlich ungeschickte Übersetzung war bei dem Hinweis auf
die dem Lateinischen nachgebildete Konstruktion durchaus entbehrlich.
Ebenso II, 11, 18: die Übersetzung von mon sang prodigue. Wozu die
Übersetzung von II, II, 33? Dergleichen ist geeignet, eine Schal-
auggabe dem Lehrer, der seine Schüler doch vor allem zur Selb-
ständigkeit bringen will, zu verleiden. Trotz alledem enthält aber
die Ausgabe vieles Brauchbare und Zweckmässige und soll nicht als
Schulausgaben. 187
eine schlechte bezeichnet werden, der Schüler wird die Anmerkungen,
die er nicht braucht, gar nicht lesen; würde er sie brauchen müssen,
so wäre entweder der Beweis für seine Unfähigkeit geliefert oder der
Gegenbeweis gegen die Behauptung ihrer Überflüssigkeit erbracht.
Weidmännische Sammlung französischer (und englischer)
Schriftsteller mit deutschen Anmerkungen* Heraus-
gegeben von E. Pfundheller und G. Lücking. Chateau-
briand, Itineraire de Paris ä Jerusalem im Auszuge. Reise-
bilder aus dem Süden (Griechenland, Palästina, Nordafrika).
Zusammengestellt und erklärt von Wilhelm Kühne. Dritte
Auflage. Berlin, 1889. Weidmännische Buchandlung. 112 S.
geh. 1 Mk.
Vergl. diese Zeitschrift III S. 320 f., und 329., VI2 S. 272. Auch
in der 3. Auflage ist die bessernde Hand des Herausgebers sichtbar,
der eich freilich nicht hat entschliessen können, die teilweise recht
elementaren grammatischen Bemerkungen zu beseitigen. Er muss also
derartige Angaben für erspriesslich halten, wie S. 10 Anm. 5: ,Je
craigne, der Konjunktiv im Relativsatze, der sich an einen verneinen-
den Satz anschliesst.a Der Herausgeber bestimmt die Anmerkungen
dazu, „dem Schüler bei der häuslichen Vorbereitung zu Hilfe zu
kommen und ihm einige der schwierigeren grammatischen Regeln durch
lebendige Beispiele einzuprägen, ohne die Erklärung des Lehrers ersetzen
zu wollen.*1 Aber durch obige Angabe ist die Erklärung des Lehrers
vorweggenommen, eine Anmerkung in der Fassung: yje craigne warum
der Konjunktiv?44 würde der Absicht der Herausgebers viel oesser ent-
sprechen, der häuslichen Vorbereitung eine kleine Aufgabe stellen,
deren endgiltige Lösung der Arbeit in der Schule überlassen bleibt.
AnstoBB nehme ich an der Anm. 1. S. 11: „ebauche's entworfen. Der
Plural wegen laplupart." Auch hier würde gegen eine Anmerkung
in Gestalt einer Frage sich kein Einwand erheben lassen, die hier
gegebene Antwort ist unrichtig, da eine ausführlich gehaltene Frage
etwa lauten müsste: „warum der Plural, da doch das Subjekt La plu-
part der Form nach Singular?" Auch Kühne merkt an S. 16, 7:
„ä qui statt äceluigui." 18, 5: „e'carts etwa: Sprünge." Seitensprünge,
die erste Bedeutung, die die Wörterbücher angeben, scheint mir dem Sinne
der Stelle angemessener, sonst könnte noch eine Übersetzung, wie Ab-
irrungen (Abschweifungen), in Frage kommen. 23, 5: „mime statt la
mime, eine in unvollständigen Sätzen häufige Verkürzung" ist nach
Lücking, franz. Gram. § 270. I. Anm. oder nach Mätzner, franz. Gram.
2. Aufl. S. 164. ßß. zu verbessern. 28, 8: „avoir bekommen" besser
„erhalten", als das vulgäre bekommen; und wiederum besser: wann
ist avoir durch erhalten zu übersetzen ? 29,9: „ne nicht zu übersetzen ;
es muss nach vorausgehendem Komparativ stehen, wenn der Satz mit
qne (= als) ein eigenes Verbum hat. Doch bekanntlich nicht in allen
Fällen (Lücking, fr. Gr. f. d Schulgebr. § 384 Anm.). 34, 7: „ä qui
bezieht sich auf tel esclave." Besser wäre eine Anm. über den indefi-
niten und determinativen Gebrauch von tel. Die Korrektur hätte sorg-
fältiger sein können. 10, 2 lies: durch statt duch. S. 11, Z. 6 v. u.
des Textes lies: suis st. duis. 12, 10 lies: se'nechal st. senecha. 12, 11
Z. 4 v. u. lies: nach st. die; ebendas. Z. 3 v. u. lies: kurze st. knrtze.
16, Z. 2 v. o. lies Les u. Z. 4 v. o. au bord. 30, 5 lies: Odyssee statt
Odysse. 35, Z. 4 v. o. lies: que st. qne und Z. 12: passaünt st. passaien.
Referate und Rezensionen. C. Th. lion.
de« Textet lies: oü st. oft. 39, Z. ! v. o. lies: /Ytew.
abandonne'e. Z. 10 v. u. arbres. Z. II v. a. chaumiere. 41, 2. T t.o.:
farckevlche', 45, Z. S v. o: descendaient. 4S, 6: apparemment. 46, Z. f
v. u. des Textes: autour de Set rives. 48, 5 Z. 4 v. u. : das«, all; uud
dergleichen mehr.
Textausgaben französischer (und englischer) Schriftsteller für
den Sehulgebrauch, Gera (Heins j. L.). U4S9. Heim.
Sehlutter's Verlag.
1) Bisloire de Charles XII, rot de Saide, par Voltaire. In je-
kürzter Fassung herausgegeben von Paul Grübedi nkel. 84 S. 8*.
geb. 60 Pf. WSrterbuch dazu 38 S. geh. 35 Pf.
In Bezug auf diese neue, mit dem 25. April 18B9 ins Leben ge-
tretene Sammlung ist zunächst auf den jeder Ausgabe vorgedruckfcn
und somit leicht zuganglichen „Prospekt" zu verweisen, der in iehn
„Hauptpunkten" angiebt, worin eich die Sammlung von den bitbar
erschienenen unterscheidet. Die Ausgaben sollen Tei tau »gaben
ohne sprachlichen Kommentar sein: es ist wohl unzweifelhaft,
dass sie „einem in den Kreisen der Lehrer für neuere Sprachen wieder-
holt geäusserten Wunsche" entgegenkommen nnd viel Anklang finden
werden; in gleicher Weise, wie die Mehrzahl der Lehrer in den
Händen der Schüler nur Textausgaben der griechischen und lateinischen
Schriftsteller sehen will und den Gebrauch mit Anmerkungen versehener
Ausgaben höchstens für die hausliche Vorbereitung daneben gestattet,
sind auch die Lebrer der neueren Sprachen zu verfahren berechtigt
Es ist hier nicht der Ort, die Berechtigung dieses Verfahrens dem an-
deren gegenüber, das dem Schüler die Benutzung einer bestimmten
mit erklärenden Anmerkungen ausgestatteten Ausgabe gebietet, abzu-
wägen; eine allgemein gehaltene Untersuchung dieser Frage würde
meines Erachtens auch nicht viel nützen, weil sich die Anhänger der
verschiedenen Richtungen, die in der That sämtlich eine gewisse Be-
rechtigung haben, schwerlich von ihrer Ansicht abbringen lassen
würden, Hauptsache bleibt doch immer, was der Lehrer, der Ober dem
Lehrbuch steht, für seine Schüler daraus gewinnt. Ich habe demnach
gegen die Hauptpunkte des Prospekts, die mit richtigem Verständnis
der Aufgaben der Schule aufgestellt Bind, keinerlei Einwand zu erbeben,
und die Textausgaben machen in der That dnreh ihre ganze Erschei-
nung einen wohl befriedigenden Eindruck, wovon sieb ja ein jeder
leicht durch Augen schein sein nähme überzeugen kann. Bei der Beur-
teilung derselben muss natürlich die Teitgestaltung in erster Linie
ins Auge gefaest werden. Dramatische Werke sollen unverkürzt er-
scheinen, jedoch unter Ausmerzung sittlich anstüssiger Stellen u. dergL,
prosaische meist in ausgewählten, nicht zu grossen Abschnitten, die
für sich ein abgeschlossenes Ganzes bilden und eine hinreichende Be-
kanntschaft mit der Eigenart des betreffenden Schriftstellers und
Schriftwerkes zu vermitteln geeignet erscheinen. Falls diese Absicht
wirklich erreicht wird, darf allerdings die Aufgabe der Schule dem
Schriftsteller und Schrittwerke gegenüber als erfüllt betrachtet werden.
So hat sich denn der Herausgeber des Charles XII erlaubt, den Um-
fang ungefähr auf die Hälfte herabzusetzen , jedoch dabei versucht,
durch Ausscheidung nur des Unwesentlichen nnd Entbehrlichen den
Zusammenhang ohne Beeinträchtigung der Klarheit von Anfang bii
Schulausgaben. 189
xu Ende zu wahren. Dieser Versuch scheint mir recht wohl gelangen
and die Aufgabe, die der Prospekt an die Textbehandlung stellt, gut
filöst. Den für die Mittelklassen bestimmten Ausgraben werden
pezial-Wörterbücher beigegeben nach 4. des Prospekts : für diese
Unterrichtsstufe durchaus zu billigen, namentlich in Berücksichtigung
des Umstanden, dass die sonst in Anmerkungen gegebenen Hilfen für
das Verständnis des Textes wegfallen. Um den Bedürfnissen des Ter-
tianers zu genügen, musste das Wörterbuch zum Charles XU ziemlich
vollständig sein : ich bezweifle indessen, ob der Schüler nicht mehrfach
sich in die Lage versetzt sehen wird, in einem vollständigen Wörter-
buch nachschlagen zu müssen: da ferner die sogenannten unregel-
mässigen Zeitwörter gemeiniglich erst in Tertia eingeprägt werden,
hätte das Wörterbuch darauf Bedacht nehmen sollen, Formen wie
naquit (Z. 1 des Textes) mit einem Hinweis zu berücksichtigen, cheval
de frise wird der Schüler nicht unter cheval, wo es sich findet, son-
dern unter frise, welches ganz fehlt, aufsuchen; bei den Adjektiven,
die eine vom Maskulin abweichende Femininform haben, sollte auch
diese angegeben sein. Der Gebrauch des sur in 8. 6, Z. 6 ville de
Honarie prise par les Turcs sur Vempereur ist unberücksichtigt ge-
blieben, u. dgl. m. Die Angabe „qualque irgend eine, irgend einige (so!)"
befriedigt nicht. Es scheint mir demnach wünschenswert, dass das
Wörterbuch einer genauen Durchsicht und Ergänzung unterzogen
wird; freilich kann die Frage, ob ich damit recht habe, endgiltig
nur der das Wörterbuch benutzende Schüler beantworten: man frage
ihn, was er im Wörterbuch nicht gefunden habe.
2) La joie faxt peur. Come'die eu un acte, en prose, par AP*'
Emile de Girardm. Herausgegeben von Gotthold Willenberg. 48 S.
Seb. 40 Pfennig. Ich bin mit dem Herausgeber der Ansicht, dass
ies kleine Lustspiel als Schullektüre für Untersekunda zu empfehlen
ist. In einem Anhange S. 46 — 48 werden sachliche bezw. kultur-
geschichtliche Verhältnisse, die für das Verständnis des Stückes in
Betracht kommen, in dankenswerter Weise erörtert. Die Korrektur
ist, wie der 5. Paragraph des Prospekts verheisst, bei dieser Ausgabe,
ebenso wie bei den beiden anderen, mit grosser Sorgfalt behandelt.
Es ist mir nur ein Druckfehler 48, 8 Cella-lä für CeUe-la aufgefallen.
3) Ausgewählte Erzählungen von Alphonse Daudet. Heraus-
gegeben von K. Sachs. 79 S. geb. 60 Pf. Die Einleitung giebt an,
woher die 12 Nummern (ein „Inhalt11 hätte beigefügt werden sollen)
entnommen sind, und lässt dann einige Worterläuterungen folgen, die
aus den bekanntesten Wörterbüchern sich nicht ergeben oder dem
Provenzalischen entlehnt sind (dazu noch ein kleiner Nachtrag auf
S. 79). Ein Vergleich dieser Ausgabe mit der oben besprochenen von
J. Wychgram, bei der ebenfalls ein „Inhalt14 fehlt, ergiebt, dass
Sachs' Auswahl in 6 Nummern auf dieselben Erzählungen gefallen ist,
er hat drei nicht, die sich bei W. finden, dagegen 6 andere. Für die
Erklärung wird der Lehrer manches Notwendige bei W. finden, z. B.
zu 11, 6 (W. S. 1 Anm. 3): It moniin de Jemmapes des lapitis.
4) Les croisades de Frederic Barberottsse et de Richard Ca&ur-de-
äon par Joseph- Francois Michaud. In gekürzter Fassung herausgegeben
von Franz Hummel. 84 S. geb. 60 Pf. Wörterverzeichnis dazu 13 S.
geh. 15 Pf. Die Geschichte des dritten Kreuzzuges ist bereits in der
iöbel'schen und iu der Weidmann'schen Sammlung, ferner im Verlage
von Velhagen & Klasing (Prosateurs 45) und in dem von Friedberg
& Mode herausgegeben, welche Ausgaben ihrer Zeit in dieser Zeitschr.
besprochen sind. Es handelt sich bei der vorliegenden der den Text-
190 Referate und Rezensionen. C. Tk. Lion, Schulausgaben.
ausgaben verfolgten Absicht gemäss vor allem am die Herstellung
eines für die mittleren Klassen, d. h. die Tertia unserer höheren
Lehranstalten geeigneten Textes, der in einem Halbjahr bewilligt
werden kann: die dafür notwendigen Streichungen können als gerecht-
fertigt gelten, wenn dadurch der Zusammenhang der Begebenheiten
nicht beeinträchtigt wird.
Der Herausgeber hat diese Aufgabe wohl gelöst, insofern nirgend!
eine Lücke eich in auffälliger Weise bemerkbar macht; vielleicht er-
scheint nur manchem der erste Satz, der im Original mit eepenttaxt
beginnt und schon dadurch seinen engen Zusammenhang mit dm
Vorhergehenden bekundet — dies eependaat ist von Hummel natürlich
weggelassen — , etwas sonderbar. Das nach Kr. 4 des Prospekts bei-
gegebene Wörterverzeichnis dürfte, wenn ich den Wortschatz eines »Q-
gehenden Tertianers richtig beurteile, eine ziemlich bedeutende Er-
gänzung fordern: Von den Z. 1 — 5 vorkommenden Wörtern fehlen im
Verzeichnis: persuade überzeugt, lie ä verbunden mit, coniertaÜM
Erhaltung, repandre verbreiten, eonsternation Bestürzung, Occidnü
Abendland, ü'ubord zuerst. Hag immerhin dem einen oder anderen
Tertianer das eine oder andere der genannten Wörter bekannt sein,
so viel scheint mir gewiss, dass alle Schüler der Klasse sie wenigstem
tum Teil nicht kennen, und es mnss dann für den Schüler ein recht
unbefriedigendes Gefühl sein , doch zum vollständigen framöaiaeh-
deutschen Wörterbuch greifen zn müssen. Eine sehr empfehlenswerte
Art für die Herstellung eines solchen Wörterverzeichnisses, die wohl
oder übel zum Ziele fuhren musB, scheint mir die, dass man einen
Tertianer mittlerer Güte alle Wörter unterstreichen l&sst, die er nicht
kennt, und danach die Abfassung einrichtet. Schliesslich sei hervor-
?ahoben, dass die vorliegende Textausgabe sich durch ihren billigen
reis vor allen bisher erschienenen, oben genannten auszeichnet und
in Format, Druck, Papier. Einband einen sehr wohlthuenden Eindruck
macht, darin mindestens keiner derselben nachsteht.
C. Th. Lion.
Miszellen.
Le rythme da vers francais jngi par Constantin Huyghens.
Un de mes amis, M. J.-A. Worp, doctenr es lettrea et professeur
an lycäe de Groningen, ayant 6te* aoien^ par ses e*tudes sur Constantin
Huyghens, seigneur de Zuylichem, a däpouiller les collections de lettrea
ecntee par le savant Hollandais ou recues par lui,1) me montra der-
nierement quelques lettres adressäes par le celebre diplomate ä Pierre
Corneille.*) Une de ces lettres me part assez interessante ; eile contenait
une longue dissertation sur la versification francaise, ou plutöt sur le
rythme du vers francais, avec une critique tres franche de plusieurs
vers de Corneille lui-möme. L'auteur de la lettre ne faisait d'ailleurs
que continuer par ^crit une discussion qu'il avait eue ä ce sujet avec
le poete francais ä l'occasion d'une visite qu'il e*tait alle* lui faire a Rouen.
Le silence obstinä garde* par Corneille et l'einpressement de Huyghens,
qui attachait eVidemment beaucoup de prix ä sa dissertation, ä en
envoyer des copies ä plusieurs de ses amis francais, notamment ä
Chapelain, ne pouvaient qu'augmenter Tinte* rät que m'inspirait ce petit
document de l'histoire litte'raire du XVII* siecle. Je priai donc M.
Worp de me fournir Egalem ent la copie de deux lettres äcrites ä ce
propos a Huyghens par un de ses amis de Paris, M. de Neure*, ainsi
que le petit billet qui contenait la rgponse de Chapelain. II eut
l'obligeance d'accäder ä mon däsir.
LaisBant ä M. Worp le soin de traiter la question en historien
en publiant intägralement toute cette petite collection de lettres8)
j'obtins de lui l'autorisation d'en ras um er le contenu au point de vue
de la question souleväe par Huyghens et de raconter anx lecteurs de
cette revue les divers incidents de cette controverse assez amüsante.
l) Les originaux (minutes) des lettres e*crites par Huyghens sont
conserv^s dans la Bibliotheque de VAcade*mie Royale des sciences ä
Amsterdam; les lettres recues par lui se trouvent pour la plupart
dans la Bibliotheque de l'Universite' de Leyde; quelques-unes de ces
dernieres sont ägalement conserve'es ä Amsterdam.
*) On sait que deux lettres de Corneille au seigneur de Zuylichem
ont 6t6 publikes par M. Marty-Laveaux dans son Edition des (Euvres
de Pierre Corneille, X, 448, 453.
8) Les pieces en question parattront prochainement dans la Revue
<FArt dramatique, ä Paris.
193 MiszeUen.
Rappeloua d'abord en quelques motu quele avaient 6ti juiquo-lä
lea rapporti de Corneille avec le aavant Hollandois.
Celui-ci commenca, comme on aait, par te faire connaltre w
grand poete en lui adressant, eu 164b, dem äpigrammea, l'ane er bitin,
Fautre en francaia, au sujet de aon Mentiur}) II lui envoya entuit«,
on en möme tempe, un exemplaire de ses Momenta demlioria, qui
avaient paru en 1644.*) Corneille le remercia de ce pröaent dan« not
lettre date"e du 6 mara 1649") et lui offrit eu retour un exemplaire dl
sea ceuvrea.4) 11 recommauda specialement aa Midie a 1'attentioD
bienveillante de aon admirateur hollanduie.
Huvgbeua r£pondit le 31 mai de cette niSine annee par une
longue lettre pleine d'admiration et de complimeuti flatteura, qu'il fit
remettre a Corneille par l'acteur Floridor. lequel e"tait venu joaer in
piecea du grand poete a La Haye. „11 n'j a rien," lui ecrit-il „dut
cette incomparablo Mt'de'e qui ne aurpaaae lea derniere effbrta de qoi
Sie ce puieee fitre; maia vona n'avei rien fait qui cede ä la Mite.'
reprocbe cependant au puete de ue paa mettre un „Argument" cd
töte de aea pi&cea pour en faciliter l'intelligence au lectenr.
L'annle apräs, en 166'), Corneille fit Don Sandte a" Aragon et
de"dia cette piece au aeigneur de Zuylichem. Se conformant au denr
de celui-ci, il mit nn „Argument" en Ute de Don Sanche et d'AndromaLt;
maia ce fut övideniment sane conviction et par pure politease; car il
renouou dana la auite ä cea re'aume'B, qui Ini paraiaa&ient inntilei.
L'envoi de la piece fut accompagne" d'une lettre qui porte la data dl
28 mai 1650.6)
Huyghena rdpondit a cette dädicace et a cett« lettre le 5 octcbrr
de cette mime ann^e. 11 maintient aon opiniou aur 1'utiliU in
„argumenta". Maia, au reate, il a'incline juaqu'ä terra devant le gänie
de aoii illustre correapondant, „11 faut voua cenaurer, Monsieur", Vent-
il, „d'avoir ai mal choiai ä qui voua vouez la plus achevöe et la plus
illustre piece que uout ayona encore vn aortir de votre cabinet". Et
plue loin: „. . . voua avez ern en pouvoir gratifier jus que« au plui
indigne sana rien döroger a l'bonneur de Bon Sandu ; . . . maia an
aorame, une mouche ne couvre paa le soleil." II a'ezcuse d'avoir tut
ecrire une ai longue lettre a un ai grand poete et devieut presqoe
ridicule en ajoutant: „Combien de oeaux vera ai-je fait perdre lo
public devant la lecture de cette aotte lettre t"
ProTiaoirement la correapondance entre las deui hommea illuatrei
an reata la. Mais Huyghena, ayant 6U envoyä ä Paria eu 1660 par
lea tuteura du jeune Pnnce d'Ovaiige pour negocier la restitution de
la Princinmito- d'Orange, que Louis XIV avait fait oecuper par lee
troupes francaises, iuforma Corneille de ea präeence dana la capitata
et de eon de"sii- d'aller lui rendre viaite ä Kouen dee que l'etat de*
negociationa le lui permettrait. Un de aea cousina par alliance, David
') Voyc7. l'ddition de H. Marty-Laveanx IV, 138.
3) La date de cet envoi n'eat pa« connue; il n'eat paa impoaaible
qu'il aoit ggalemeut de 164b, puisque Corneille, dana aa repunae (1649)
sexcuse d'avoir attendu ai longtcmps ä en remercier l'auteur et que
dana cette nißme lettre il parle dea deui öpigrammea.
") Voycz la lettre de Corneille dane l'ädition de M. Hart;-
Laveaux X, 44H et comp. ibid. pp. 420, 4SI.
*) Ceat l'ädition en deui volumea, qui va juaqn'a La Suite da
Menteur.
E) Toyei l'ädition de H. Martj-Laveaui X, 453.
Miszeüen. 193
Sweero, consul des ätats-Genäraux a Rouen, fut Charge* par Huyghens
de remettre en personne sa lettre au poete.1)
La visite ä Rouen eut Heu, mais l'äpoque exacte n'en est pas
connue. Je serais diepose* a la placer dans les premiers mois de
1663.*) II semble que lentretien des deux hommes ait porte" speciale-
ment sur la nature du vers francais. Nous n'avons malheureusement
aucun detail, ni sur la facon dont Corneille recut le noble e*tranger, ni
sur rimpression que celui-ci emporta de la personne du poete, ni mgme
sur la discussion qui s'engagea entre eux. Nous pouvons cependant
nous faire approximativement une idäe de cette derniere par le ton
genlral de la lettre de Huyghens que nous allons räsumer tout ä
l'heure, et par des expression telles que: „Ne retournez pas a me
repliquer", et d'autres semblables, qui fönt ävidemment allusion ä la
facon dont Corneille avait accueilli ä Rouen les Observation b de son
illustre visiteur.
Quoi qu'il en soit, Huyghens ätait loin de se croire battu par
les rlfiexions que Corneille avait opposees de vive voix aux thäories
de son savant contradicteur. II voulut reprendre toute la question, la
traiter ä fond et appuyer son opinion sur des vers choisis avec soin
dans les plus belles tragldies du poete francais. C'est ce qu'il fit dans
une longue lettre, qui porte la date du SO mai 1668.
Corneille avait soutenu que dans le vers francais il ne faut
„conRiderer que le nombre des syllabesu et qu'il ne peut y 6tre
question de „la cadence des pieds". Huyghens declare cette „maxime"
„dangereuse et peu veritable". S'il en ötait ainsi, dit-il, il faudrait
sans inconvänient pouvoir changer ce vers
Las! feindre de Camour sans s' aviser powquoi
en celui-ci:
Feindre de famour sans sy aviser pourquoi. Las!
Or, voilä ce que personne n'aura le courage do pre*tendre.
II faut donc chercher nn autre principe, ou, pour me servir de
l'expression de Huyghens, „une autre maxime". II croit en avoir
trouve* une, qu'il juge „indisputable et ge'nerale pour la poe'sie de
toutes les langues modernes". La voici: „Tous les vers rime's consistent
en pieds ou iambiques ou trochalques (qui ne sont au plus que de six
pieds), et ces pieds doivent gtre forme's suivant les tons ou accents
naturels de leurs syllabes, qui est la seule marque de leur quantite*".
— Corneille, d'apres Huyghens, n'a fait, ou plutöt, n'a voulu faire dans
ses tragädies, que des vers iambiques. Le savant Hollandais commence
par en citer un assez grand nombre, qu'il trouve „beaux en perfection".
Tels sont, par exemple, les vers suivants de Cinna:
*) Cette lettre porte la date du 28 dlcembre 1661.
*) II est en effet difficile d'admettre qu'un long Intervalle ait
Bepare* cette visite de la lettre du SO mai 1663 (voyez plus loin), qui
commence ainsi: „En suite de l'entretien dont je commencay ä vous
importuner a Rouen je retourne a vous dire par e*crit etc." — Mais, si
Corneille a recu Huyghens ä Rouen dans les premiers mois de 1663, il
n'ätait pas alle' s'installer ä Paris ä la fin de 1662, comme le suppose
M. Marty-Laveaux, (Euvres I, p. XL VIII. Toute cette Chronologie s'ac-
corde assez mal, d'ailleurs, avec la suite de l'incident. Voyez plus loin
p. 197 note 1# Est-il probable que Huyghens se sera plaint en novembre
1663 et en fe'vrier 1664 a plusieurs de ses amis de Paris du Rilence que
Corneille s'obstinait ä garder, si le poete habitait, lui aussi, la capitale?
Zachr. f. fr*. Spr. n. Litt. XII*. 13
194
Mitteilen.
Enjimts \m\te~tueux de mon ressentiment,
Que ma dotueur se'duUe einbrasse aveugldment,
qu'il SCBDlle J 1 i 1- 1 - 1 :
EafanU impetueux de mon leeseiitimcnt, etc., sans *e douter qu'il
introduit atnni dann impe'tueux et dans ressentiment un aecond accent
que ees mots n'ont paa cn BnSQBÜ dt qu'il dornte a mon une valeur
quo ce mot proelitique n'a pas davantage; s'il peut fitre queation d'tto
accent sei/ondaire dans le mot ressentiment, c'est fivideiument la premiei
sjllabe qui doit ea §tre frappee.
II cita encore coiume d'excellenta vera:
Que vor sa propre main mön ptre
Du throne oü je le uoia fait ie premiVr Aegre,
et il ne voit paa qu'il dornte ici une valeur exceasive au prononi J
et & l'article le. sau? parier de ] 'accent dont il frappe la premier
ayllabe de massacre. Mais ce qui prouve encore niienx que le veritabl
accent dea mota francaia fichappait iL aou oreille, c'est qu'il i
i'^aU-iuerit parrni les excellenta vera iambiqnea celai-ci:
Üui t'i'nna ctmtie mtii nioi mihne je m'im'te aans a'apercevotr
qu'il Taut un accent & out et que Ciaria est accentuä en francaia t
la derniere ayllabe.
II cite ^galement eu lea approuvant cea deux verB de La veupt:
Moi mdme je faia mon aupptfce . . .
Et /bnnent ma crainte et rnea vttux,
et il ne aent paa qu'en lea scandant ainai il eitle ve iL fati et k c
leiir accent naturel, pour raettre un accent nur je, ma, et.
A cea „cadences ai jobea at ai naturelles11 (sie!) il i
d'autrea, tirfiea dea ni£mea piöcea, qui „choqnent le bon lecteur" ;
teile» aont cellea den vera suivants:
Vuiih prenez aur mon ante un trop puiaaaut empire.
Dnrant quelywe.t moments souffrez que je reapire.
La cauae de ma huinc et IV/Tet de la rage.
D'untr ai haute place on n'abat point de Wtea,
et d'autrea atnublablea.
II est asaez curieux que Huyghena, qui avait acandd i
moindre acrupule:
Moi-niGme je fais mon aupplice,
blftroe, meine danB lea prenrierea Byllabea, le rythrue du vera t
auquel il tient k appliquer aa fameuse „maxirue" de la <
iambique:
l)tie je sens de ra&es eorobats.
„Je m'abuae Fort," dit-il, apres avoir cito pluaieura vera du mgine genr
r*i tont bomme non prävenu ne goüte inünimeot mieux la ronde et
doueo volubilitö des premier r exeinplea que le contrepoil dee autres."
') Noiis iinprimona en italiques lea nyllabes que Buyghens ntftrqo«
du trait dea longuea (-> et en caraeteres ordinaires Celles qu'il marque
du aigne ordinaire dea brtveB (-).
Aliszellen.
195
ix accents" de ceui-ci
ffwnneura, plamm au richesse
Les monuinienta ge'n&revx.
i bien," continue-t-il (en le aouvenant peiit-etre d'nne re"ponae
qne Corneille lui 8>vait donn£e ä Ronen), „que pour tonte Solution on
me repurt, que p'il y a du defaut an oes vera. on le eorrige et 1'adoncit
Jmr la prononciation; mais c'cst dejä avouer que l'auteur a beaoin du
»rd et du plltre du lectenr. La vereification latine a-t-elle jamais
eu benoin du secours de la lecture pour 6tre belle et parfaite?"
Cependaut il consent ä »e placer un moment a ce pennt de
«■ue. „Voyona comraent va 1b secours de cette correction." On lira donc :
Voub pren« eur mon ilme uu trap puinsunt empire,
e'est ä dire qu'ou aura deux auapeatea et trois iambea;
Durant yut'/qoea xaoments etc.
; qui fait on iambe et un dactyle;
La cause de mi haiue et l'ef/Vf de ma rage,
i qui fait, dans le peeond h^oiiatiche, deux anapeste»;
h'if.f- si haute plane, ou n'nbat poiut de Wtes,
ce qui fait un dactyle, deux trochees et deux dactyles;
Que je sens de ri/dea comtol*
devient an vera compoae' de deux auapestea et d'un iainbe, et lea ver*
de Bröbeuf, qui, d'aprea la foruiule df Huyghons, devaient Gtre toua
trochalquea, «e voient tranBformfa pas le diaeur en m^langes d'iambea
et d'auapestee;
Honneurs, plautrj oa richuM,
ou en daetyleB sums de la nioitie' d'un spondee:
Les motwemeitts gi5ne>«ua\
„A la ve'rite'-', a'ecrie HuygheuB, „c'eat 1b, cacher lea duTauta du Pufcte.
et la nattire de l'acceut nons y meine. Maia en uaant aitiat, que
, qui, devant avoir six pieda, en retient
devient la dimenaion du
Unt n
„Enfin", ajoute-t-il (et si
des Ötrungera qui ae ti'otnpent e
plua le m€me vers, parce que c
raisonnetnent rappelle celui de bien
la nature du vera franciM«) „ee n'eat
n'eat plua le premier mouveinent; et
premier mouveinent eat faux parce que la nature de l'acceut y
repugne."
„Ne retournei pas, s'il »oub plait, ä mo r^pliquer" (t?videmment
nn souvenir de la diacusaion de Konen) „que e'eat aaaez bien payer
?ue de fournir le nombre des tyllabes; je viena de von» en faire voir
inconve'meut , et comme il est dangereux d'ouvrir cette porte. Tont
ade ne voudra pas en user luiasi diBevetement que vous, etc."
Enfin, s'obatinant ä vonloir amener Corneille k a'ineliner devaut
an, famenae „Maxime", lluyghens lui met aoue les yeux un deruier
»rgnment, qu'il juge lui-m£me irreTutable . „indiaputable", com nie il
dit. C'eat l'arguinent de la muaique. „Comme tout poete cbante,
tonte poe'sie devrait ftre bien chantable. .Tavoue que vns ayllabes
comptees le aont; maia ai le mnsicien altere votre mouveinent, comme
il est uöcesuaire qu'il faaae pour suivre l'accent dea Byllabes, ce ne
ront plus vob vera." Cette derniere pbrase n'est pax trfcs claire,
'a on devine la penade du critique: ponr qu'une pneai>; #trophi<Mii'
se etre chunWe (par exemple les stancea du Cid) il faut que le
196 MüzeUen.
mouvement rjthmique aoit exactement le mfnie dann chacun de* Ten
qui hc correBpoudent.
La diesertation tauche 4 ea. fia. Mais Hujghena pr£voit nne
derniere objection, et la facon dont il la reTute est curiease. Corneille
Ini dira, „que cette contrainte est nne captirite' facheuse et difficile".
Fächeuae? qu'impovte ! puiaqu'il vient de prouver qu'elle est necessaire!
Et quaat a la difficulW, il va 1« „mettre aiae"nieut bors de peine*.
Vojez un peu le» pofetea holl&udaia! II n'y en a pas an Beul, pas le
CIub petit riniailleur, qui, sous peine d'ötre aiffle-, oserait s'eearter de
i faineuBe „maxime", dont „la pratique est universelle" dans leg Psts-
Bas. Quelque „baase opiniou" que Corneille puiBse avoir de la langro
de cette petita nation, Huyghenn lui aaaure que lea vere qu'on y fait
aont parmi „lea plua polia et coulante du monde lettre-". Qu'il eiuie
im peu, lui, de „se confortuer a la dölicateaae" des poetee holUndui!
8'il y trouve quelque contrainte, eh! bien! eile est au moina „de bin
plna grande importance que ne aont certaina vorn nouveaux", que lei
poetes francaiB, que le grand Corneille lui-meme, ae aont fait „mettre
aux pieda". Qu'il songe un pen ä la fameaae et absurde toi de
l'hiatua, a cette „fuite auperstitieuae de la rencontre de deux voyellei
en deui mots!" Autrefoia od ßtait plus coulaut et plus logiqne tnr
ce point. Pourquoi, puiaqu'on dit fort bien en poesie inquiel, ne pu
oser dire qui est lä? Et puiaqu'on Scrit Bans acrupule famie ntiend,
reculer devant Fami enteud? Lee oreilles holl&ndaiaea , qni pourtant
n'aiment p&a la cacophonie, s'accommodent fort bien de qnelques-Daei
de cea „rencontres". Cela dopend beaucoap de la nature des vovellei
qui forment hiatua enaemble.
On serait teute" de pardonner a Huygbena aon erreur fonda-
ntentale aur la nature da vere fraucaia pour l'amonr de cette petita
critique eeua^e qu'il lance en passant contre la regle de l'hiatu*. Mail
il aime mieui rdserver cette derniere qaeation. „Ce pourrait ftre li",
dit-il „le aujet de quelque autre entretien."
En attendant que l'occaaion s'en präsente il a'excuse de U
longueur de aa lettre en adresaant k Corneille les complimenta d'asage,
et il finit mime par lui dire, avec cette modeatie apparente dont le
XV11* siecle poaae'dait bien plua encore le eecret que le nötre: „Je
BOumeta yolontiera toot mon raiaonnement ä votre dietatnre, qne je
rövere autant que je dois".
II est fort douteux que, si le „dietateur" efit parle1, Hayghensaa
föt inclinä devant aa parole. II (Start trop profondduieut convaiucii
Maia nle dietateur" garda le ailence. Corneille ne röpondit paa
a la diaaertation du Beigneur de Zuylichem. II de'aespe'rait aana donte
de donner au aavant e"tranger, qui jurait par lea reglea de la prosodie
clasaique en lea tranaformant d apres la rjthmique dea versificateuri
hollandais , des idäes plns justea sur le caractere propre du ven
francaia. Le aouvenir de la diacuaaion de Roueu n'e'tait probablem eot
paa de nature ä lui faire eaperer que le aavant Hollandaia finirait par
comprendre la diffeYence entre ce vera et lea „vera modernes'' dea
laugues gerranniques. Pent-Ötre anssi Corneille, tont en ätant con-
vaineu que l'£tranger se trompait, ne discernait-il pas assex clairement
lui-mSrae la diffe"rence qui a^pare le vers francaia du vors classiqne
d'un cOte* et du vera germanique de l'autre, pour pouvoir opposer a
Huyghens autre choae que la „maxime" que celui-ci avait tronväe in-
suffiaante et dangereuse ä Rouen: „chez noua il auffit de compter lei
syllabea11.
Miszeüen. 197
Huyghens, ne recevant pas de reponse, s'impatienta. II 6crivit
ä Corneille le 22 octobre de cette meine anne*e (1663) une lettre de
rappel,1) qui mootre assez, en depit des formulea courtoises et des
conipliments flat teure, combien il ee sentait froisse* par ce silence.
„Eil tirant mon coup j'ay fuy comme an Part he",2) 6crit-il, „inais me
voici revenu ä la Charge. Je m'assure, Monsieur, que mon eot discours
(sie!) du 30 mai vous aura 6t6 rendu. Si vous avez la bonte" de
m'instruire par äcrit sur ce que j'ai eu l'impudence (!) dy avancer,
vous m'obligerez plus que vous ne eauriez croire, etc." II donne memo
son adresse. „Je löge au faubourg S*-Germain, rue du Petit Bourbon,
au petit Moyae."
Quinze jours plus tard, n'ayant toujours pas de nouvelles de
Corneille, le seigneur de Zuylichem se facha; il 6crivit le 8 novembre
1663 ä Madame de la Fayette, en lui envoyant son „paradoxe" (c'est-a-
dire une copie de la fameuse dissertation), que, si eile le condamnait,
il „n'importunerait plus personne de ses rßveries", mais que, si eile
lui donnait raison, il „ne craindrait plus les ongles de trente corneiUes
ni d'autant de corbeaux". — Corneille lui avait-il peut-€tre montre* un
peu les ongles ä Rouen?8)
Eu attendant Huyghens s'ltait h&te* de communiquer sa disser-
tation ä quelques amis, peut-dtre m£me avant de l'envoyer ä Corneille,
De« le premier juin il 6tait en possesBion d\m billet de Chapelain.
dans lequel celui-ci ee prononce avec be au coup de courtoisie, mais non
sans faire sentir ä l'e*tranger qu'il se trompet. „J'ai lu et admire*
vos Observationen e*crit-il, „et je suis curieux de savoir ce que repondra
Monsieur Corneille". II se declare m£me dispose* ä rdonner les mains
en tout a cette dissertation u, s'il ne lui semblait pomt, „que vous ne
eonvenez pas avec nous pour les longues et les breves selon que vous
les notez dans les vers que vous examinez". II est Evident que toute
la prosodie francaise de Huyghens, meme dans les vers que celui-ca
avait juge*s parfaits, semblait bizarre ä Chapelain, sans que pourtant
il püt dire nettem ent en quoi consistait son erreur.
Parmi les Francais a qui le seigneur de Zuylichem avait fait
remettre une copie de sa lettre ä Corneille, se trouvait Mathurin de
Neuro, mathematicien et astronome distingue". Celui-ci avait conimence*
par „e* gar er" le fameux document, un de ses laquais l'ayant mis avec
d'autres „paperasses". Mais Huyghens, en lui envoyant quelques mois
plus tard un exemplaire de ses momenia desuHoria, avec priere de le
remettre de sa part a Monsieur le premier pre'sident, lui rappela qu'il
attendait toujours son opinion sur sa dissertation. M. de Neure* se
hata de faire rechercher la piece en question, et l'ayant „rencouverte",
*) On serait tente* d'en conclure que Corneille ätait toujours
ä Rouen; car Huyghens £tait a Paris. Ou bien, de ce qu'il demande
in8tamment une reponse „par 6critM, faut-il conclure que le poete se
trouvait aussi ä Paris mais que Huyghens ne tenait pas ä le rencontre
et ä vider la quer eile de vive voix?
*) La m6me image se retrouve dans la premiere lettre de
Huyghens a Corneille ä propos de sa critique sur l'absence d'„ Arguments-.
8) 11 faut dire ä l'honneur de Huyghens que cet ineident ne
l'a jamais empäche* d'admirer le glnie de Corneille. M. Worp a trouve*
parmi ses vers latins ine*dits deux poemes adress^s ä Corneille, et qui
sont du 16 et du 18 fövrier 1665. Un de ces poemes est intitule* In
Cornelium eUganlissimum poelam latinum. Y a-t-il peut-§tre un peu de
malice dans ce latinum? Faudrait-il sous-entendre : non galäcum?
196 Mistellen.
comme iL dit,1) il ae mit ä la parcourir, quoiqu'il fflt trea fatigiie et
pria du beaoin de dormir. Le 10 fövrier 1664 il etivoya aa reponu,
„Af aurdment", äcrit-il, „vous aurez de la peine a faire denieurer d'accord
dos Fraucaia de cee pieds niesurea par longuee et par braves qae vom
obaervez dans Dotre po^eie, laquelle ae content« d'an combre de «yllibes
arrangÖ boub lea loia de quelques regle» oü la qnantitö n'a prenque
point de part ... Je ne aaia möme paa comme ila pourront Toni
entendre quand voub ditee que la plupart de noa vers eont ou iamtriqno
ou trochaiquea et ne aont au plus que de quatre piede."1) Et plu
loin: „quelque difftSrence que vom imagioiez dans lea syllabes de not
mota, aoit de aon ou de quantit*," vous aurez de la peine 4 noua faire
aentir qoe le poete n'est paa libre d'arranger lea «Tllabes comme il
voudra, pourvu qu'il obaerve la loi du nombre dea syllabes „et antra
petites obaervatione inde'pendanteB de l'accent et de la quantitä.' Vom
Ätee aaua doute, ajoute-t-il finement et non sana quelque raalice, le
nieilleur juge de la po£aie hollandaiee. Maia laiaeet alore aus Franpus
le privilege de juger de la vereification de leure poetea et „d'en ätre
crua plutöt qne vona." Ce qui pourrait roSme lea engager a pernater
dana cette rue'fiance ä l'Sgard de votre doctrine et lee einpficher d'ad-
mettre comme juate et ezact le parallele que voub eanajea d'ötablir
entre leur poeaie et celle de votre paye, c'est qu'ila voient que dani
votre style franoaia, treB ölögaut d'ailleura, voub vous permettei de§
tournurea de phrase qui ae acut pa» tout a fait francaieea et aoiquellei
on reeonnait iacilemeut l'ätranger.1) Je ue dia paa, Monsieur, conclnt-
il, que noua n'arrivioua uu jour a nous conformer ä cette proaodie plui
rigoureuae qui, d'apree ce que vous ditee, exiate dejä chez voub; maii
fDur le moment cette prosodie ne convient paa a notre langue, et ,1m
ranoaiB ne s'en voudront jamaia rapporter a uu ätranger, qaelqne
Bavaut et intelligent qu'il puieae fitre."
Cette demiere räflexion piqua l'amour- propre de Huygheu.
Dana sa rfSponae, qu'il prepara des le lendeciaio (13 fÖvrier) il reroeicie
irouiquement sou correapondant „de l'avoir uverti de «es, toleciamei*
et il a'excuae d'avoir donne a lire „son patois"ä des Francais, A titre
de revanche, et pour lui faire a Bon tour une petita „röcriminatioo de
grammaire", il reproohe, trea polimeut d'ailleura ä M. de Neur£ d'avoir
ecrit reconTert au lieu de recouvre".') Quant au fond de ll
queBtioo , il maintient ce qu'il avait dit precidemmeut et s'efförce
seulemeut de formuler plus clairemeut eucore et de fafon & geartet
tout maleutendu, aa fameuse „maiiiu»". — Lea Francais feraient bien
aelon lui, „de a'obliger ä la mfime exactitude" que lea Hollaodaii,
„c'eat-ä-dire a ne forcer ni ne fausser point leura quantitäi." Tonte
') Ce „recouvert" pour „recouvrö" lui attira plus tard, comme on
verra plus loin, une petite critique malicieuae de la part de Uuyghena.
*) lci H. de Neure avait ete" induit en erreur par un lapitu de
HuyghenB ou de Bon copiste , qui avait mia quatre pour tix (on le
rappelle que pour Huygbens l'alezandrin, ponr fitre vraiment beau,
devait ae compoaer de aii iambee).
*) M. de Neuro avait marquä eu paaaant ces barbarismea d'une
petite croii,
*) Dane sa eeconde lettre (vovez plus loin) M. de Neuro ne
manqua paa de relever cette Observation. II ae croit juetifie1 par
Vaugelaa , qui avait dit dana aea Remarques; „L'naage aianmoiua •
dtabli recouvert pour recouvre", et 1'uaage eat le roi des languei
pour ne paa dire le tyran."
Mitteilen. 199
poe*ie moderne est ou iambique ou trochaique, avec cette seule diffö-
rence que l'accent (c'est-ä-dire l'alternance des temps forte et des temps
faibles) a remplace* l'ancienne quantite*. Les vers francais, comnie les
Ter« eepagnols, anglais, hollandais et autre«, ne sont vraiment beaux
que lorsqu'ils peuvent se scander d'apres Tun ou l'autre de ces deux
rythmes.*) „Vous voyez bienu, dit-il en se räsumant, „que je pose
toujours en fait, qne tonte po£sie runde est ou iambique ou trochaique
et qu'en suite ces deux pieds y doivent gtre observäs. Si vous niez
eela et y voulez aussi recevoir le dactyle, l'anapeste et autres pieds
grecs ou latins, ou bien si sans autre egard vous ne voulez que compter
tos syllabes, je n'ai rien ä dire, sinon que je vous ai muntre* les incon-
vlnients qui en räsultent et , . . la diffe'rence que trouve l'oreille bien
harmonique entre la cadence d'un vers purem ent iambique ou trochaique
et celle d'un autre qui ne l'est point ... Je puis vous dire que deja
des oreilles francaises, et aussi doctes que friandes, sont demeurles
d'accord avec les miennes." Au9si persiste-t-il a espärer que les
Francais finiront par lui donner raison et par ne faire des vers que
d'apres son Systeme.
M. de Neure* ne se tint pas pour battu. Le 14 du nißme mois
Huyghen8 recut de lui une seconde lettre, dans la quelle, apres avoir
parli d'autre chose, apres s'ätre excuse* d 'avoir critiquä le style francais
de l'illustre Strange r et de l'avoir froisse' par ses petites „croisadeB",2)
il revient une derniere fois au principal sujet de la controverse. La
page de sa lettre qui le concerne mlrite d'6tre citäe ä cause des
expreasions dont se sert l'auteur.
Je commence a vous comprendre, dit-il. Dans la polsie moderne
vous ne voulez pas considärer „la quantite* des temps, mais celle du
ton" ... „Je ne sais pourtant quand vos Francais pourront remarquer
cette quautit£-la dans leur langue, les accents ne trouvant guere de
siäge asaure* sur leurs mots, pour faire des tons qui marquent des
pieds. 11s auront meme de la peine ä comprendre que parle soit un
uunbe, qui, par la f er meto de ses deux syllabes paraltrait plutöt un
spondäe, et que parle devienne un troche*e par la seule exte*nuation de
sa derniere. J'avoue que j'en Bens pourtant quelque chose, mail cela
cbange si fort selon les diverses positions des mots dans le fil du
discours, qu'il sera bien difficile d'en faire des regles pour la fabrique
des vers. Näanmoins, comme je vous ai dit, je ne conteste point
qu'enfin cela ne puisse arriver, et que la poäsie n'e'tant qu'une oraison
contrainte et g£näe, on ne puisse encore aj outer a la rigueur du nombre
des syllabes d'autres lois, celle de la quantite* du temps ou du ton
ponr la rendre plus admirable . . . Mais je ne laisse pas toujours
d'apprähender que nos poetes ne refusent de reconnattre cette diScou-
verte et qu'ils ne soutiennent que cela ne saurait avoir lieu dans notre
langue ... On ne manquera peut-6tre pas de dire, qu'il n'y a pas
l) Huyghens donne quelques exemples de ce qu'il entend par
iambes et trochäes francais: parier, äirai sont des iambes, parle, dire
des trochäes, et celui qui „aans un vers iambique tourne parier en
tarier et au trochaique parle en parle fait faute et de*figure sa langue."
11 ne voit toujours pas que si quelqu'un „de*figureu un vers francais
de cette facon, c'est lui, le prosodiste hollandais, et non pas le poete.
*) C'est-a-dire les petites croix dont il avait parseme* la dispu-
tation. — Sus Miner vam! s'£crie-t-il; comment une brüte a-t-elle os$
donner une lecon ä Minerve?
300 Mitzdkn.
d'accent Jan» notre langue, an moina qui eu vaille la peine, n'dtant
pas de gravid uaage."
La corrOBpondance entre Huyghena et H. de Neuro en reata IL
Main le seigneur de Znylichem s'obatinait ä vouloir occuper lea Ftuotii
de aa „decouverte". Au mois d'avril 1665, se trouvant a Lyon, il 7
discuta aa th&ae avec lea Peres jeauites de cette Tille, „Le bon peiit
pei'e Bertet et quclques-uns de aea excellenta colleguea" promü-ent de
lui repondre longuement par lettre. Haia lea lettrea tarderent a lenir.
et Huyghena s'en plaint le 21 jauvier et le ^ ferrier 1666 dane dem
lettrea äcritea a M. de Montmort. 11 attend toqjoura avec impatdeact
„lea penae"ea du pere Bertet et Celles dea PP. Möneatrier et de Busaierai
aiir une mächanie diaBertation adreaa^e a M. Corneille" ; des qu'il Im
anra recuee il soumettra la controverse au „jugement souverän* tk
80 d nouveau correapondant.
II ne parait paa que la reponae ait jamaia dte" donne"e. Le»
röve^-enda Peres ont sane doute hanaae" lea e~paulea devant lea id#M
d'un oranger qui, pour etre un des honinies les plus eavants de ton
paya et ni6ma fort versa dans la connaiasance de fa langue franfaiie,
ae trompait eVidemment ai fort aar la nature du vers fiancaia. Aiw
eela, üb ne voyaient peut-fitre pas mojeu de röfuter victorienaemeEt
cee Stranges theoriea.i)
Cette riSfütatiou definitive a 6ti räservCie a notre aiecle. Depuii
M. Quicherat od connaSt le rOle que Jone l'acceot dana la veraificttion
francaiae et on aait que la grande barmonie et le vrai charme da
vera francaia provierment en grande partie de la varie*W de aea acceuts,
conaequence naturelle da Systeme d'&ccentuation de la langue. Si la
Muae francaiae De s'est jamaia pliöe aux exigences du savaut Hollandais,
lea poetes francaia et leurs admirateurs Kavent maintenant bien mieux
qn'on ne le Bavait au XVII* aiecle (ila penvent du moina le savoir)
pourquoi cela lui est impOBBible. II y a longtempa que mime 1«
proeodiatea allem ands ont donne" tort au «eigneur de Znylichem et i
ceui qn'on vuit encore de tempa en temps, parmi les ätrangere, resBOSciter
aa fameuae „Maxime",
') Ce qui ne laisse pas d'fltre exceesivement curieux, c'est qoe
Hnygbena, dana aon Epigramme francaise adressle a Corneille en 161i
(voyei Marty-Laveaux (Euvres de CorneäU IV, 136), iur les 38 vets
dont eile se compoae n'en a peut-fitre paa fait troia qui soient „puremeut
iambiquea". A-t-il trouvä plus prüden t de suivre la mötbode des
poetes francaia que de Buivre aon Systeme k lui? On bien, n'nvait-il
paa encore de'cQUYert ce Systeme ä cette öpoque? Toujoura eat-il qu'en
scandant ees nroprea vera comme il veut qn'on scande lea alexandrina
de Corneille, il a dn les trouver preaque toua bien mauvaie et dänaea
d'barmonie. En voici quelques-uns :
Eh bien! ce beau Henteur, cetto piece fameuae
Qui ftonnc le Khin et fait rongir la Hause,
Et k Tage et le Po et U Tibre romain
De n'ovoir rien produit d'Ögal ä cette main.
Oti du juate mäpria des saia.ats d'aujourdbui,
Ton tuccellent Mentenr m'a porte" ä. mentir.
Devtrnait injuatice et »ijure ä l'auteur.
II serait int^reaaant d'ötudier a ce point de vue toutea aea poiaiea
francaiaes, qui aont pour le plupart inädites.
Miszeüen. 201
II n'en est pas moins curieux que le XVII" siecle, dans la contro-
verse 80uleve*e par Huyghene, ait touche* de si pres ä la Solution du
Probleme, Bans arriver ä la Baisir. Quel dommage que Corneille, qui
ätait cependant aussi un thloricien, n'ait pas ajoute* ä toutes ses
gloires celle d'avoir donne* la vraie forinule du vers francais!
Groningen.
A. G. van Hamel.
La Simpliflcation de l'orthographe fran^aise.
Apres s'eire couverte de signaturea, la n Petition a Messieurs les
Membres de l'Acadämie Francaise", vient d'dtre remise a ses destinataires.
La campagne, si vivement conduite par M.M. Louis Havet et Paul Passy,
peut fctre considäree comme terminee. Aussi le but des pages qui suivent
est moins de gagner a la cause de la reTorme quelques adherents de
plus, que de repondre, pendant qu'il en est temps encore, ä certaines
critiques adressees auz promoteurs du p&itionnement sur la procedura
qu'ils ont adoptee. Je voudrais aussi prouver qu'ils ne se sont point
montree si rävolutionnaires qu'on l'a pr&endu, et faire voir com bien la
langue francaise peut ötre siniplifiee dans son orthographe, sans que ses
admirables qualites de precision, de clarte* et d'elägance en soient aucune-
ment compromises.
Od troovera, reproduite a la fin de ce travail, la Petition adressee
a VAcadernie. C'est le document officiel emane' des instigateurs du mouve-
ment räformiste. Je prie le lecteur de vouloir bien 9*7 reporter. Parmi
les considerants, il n'en trouvera aucun qui pose en principe la necessite1
de monier l'orthographe sur la prononciation; parmi les propositions,
aucune qui däpasse les limites d'une reTorme raisonnable.
Que Ton n'aille pas voir dans cette moderation l'effet d'une
prudence par trop opportuniste. Ce n*est point par crainte d'effaroucher
les ames timorees que la Sociäte* de Räforme orthographique s'est gardäe
des exag&ations oü sont tombes quelques -uns de ses devanciera. Des
raison« d'ordre scientifique, une conviction n&echie et basee sur L'ex-
perience, lui ont commande* cette reserve.
Je sais bien que les enfants terribles du parti de la reTornie ont des
prgtentions infiniment plus ambitieuses. Faisant fi d'une tradition deux
oq trois foie seculaire, ils rövent de je ne sais quelle re*novation radicale
de la langue ecrite, en son aiphabet et en son orthographe. Les illusions
qu'ils nourrissent la, il nous est impossible de les partager. Et comme
toute solidarite' avec leur hitransigeance ne pourrait que compromettre
le Bucces de notre cause» je veux d'abord examiner les conditions aux-
quelles doit satisfaire la langue Ecrite pour quelle reponde a sa destination.
Sans une idee nette du but que nous devons nous proposer, nous
marcherions a l'a venture, et not efforts risqueraient d'aller a fin contraire.
I.
L'orthographe doit §tre simple. Comment le sera-t-elle? Est-ce
en reproduisant exactement les sons de la langue parlee? point du tout.
Une e'criture qui s'evertuerait a suivre la prononciation dans tous ses
meandres, pourrait Stre fort utile aux linguistes de profession ; eile serait
en tont cas le plus affreux casse-t&te pour le commun des hommes, une
202 Mistdle*.
gSne abominable pour lee imprimeurs. En effet, mÖtuo dane lea laogaai
oi) le systfeme phonltique est relativement simple et clair, — en iUlien,
par exemple, — le nombre des sons employea par le langage eat ii oon-
sidörable qu'il faudrait pour lea rendre par l'eoriture an tot«) de lettrei
dep&ssent de beaucoup les beaoins de la vis pratique.
Au reste, l'eiemple de certainea languea littäraires qni ont tenM
d'exprimer graphiquemeot toutes les nuancee de la prononciation, suffinit
ä eveiller noa de'Eancea. Quelle ätnde fastidieusement aride que celle de
l'elphabet sanacrit, et des regles de l'euphonie, c'est-ä-dire de« alWrotioni
que "ubiaaent las not« au contact lee ans des autres! II y a ia un en-
semble de difncultes bien propres ä decourager lee d^butanti Im mim
disposea- Et nous iriona proposer, comtne an modble & Buivre, uo ejiteme
orthographiqne dont la complication robute souvent ceui- le. memei qni
ae vouent aux etudea grammaticaleal Nous o'aurons garde. S'il e«t nn
enseignement qui ressorte avec evidence de l'histoire des languee ecrit*».
c'est qua toule orthograpbe est neceseairement approximative, et que U
meilleure n'eet point Celle qui reprodnit le plus servileinent la laagne
parlee, mais celle qui ae contente d'un petit nombre de eignem Celle qni
s'applique a Stre conaeqaente, celle, en an mot, que i'homme le moiw
bien doue' peut apprendre aisäment
diffit point que Torthographe soit simple, il fant ansei qa'ellt
igoe ecrit« n'^tait que l'image tri« «f-
lle-ci, diaait un lingmstte eminent, tri
i tableau richenient et cbaudement nuance"; la langue eerite
neu est qu'une pale eequisse, tout justement sufBaante pour rappeler
l'03iivre originale a celoi qui l'a contemplee. Eh bien, non; la langst
Eerite est plua et mieux que cela. C'eat ce qu'on ne doit pas oublier quind
on aborde le probleme de la röforme orthographiqne. L'ecole phonttuta
setrompe.parcoDsequent, quandelle taitleraieonnementauivant: „L'ortho-
graphe note ou les ideea, on lee aons. Si eile note las ideea, eile est
ge'ogTaphique — tele noa ehiffrea, noi eigne« algebriquea, etc. - n" "
note les sons, eile est phonätique. Or l'orthographe francaise est phonetiqae.
Fonr 6tre coneequente avec elle-mBme, il laut donc quelle ne varie qua
dans la inesure oü la prononciation se modifie: rot, iet, foi. Si des dun-
« d'orthographe correspondent , non plus ä des changementa de sons,
maia a des changementa de sena : ver, verre, Darf, veri, vair . . . 1'ecritnre
cesee d'Stre pbonetique; eile devient hritöroolite, ricieuse."
En principe, sans doute, l'orthographe francaiae est phonätique.
Maia en ce monde, rien n'eet absolu, rien de ce qni est humain snrtoot
Theoriquement, le mot öcrit est le eigne du mot parlä, et le mot parhi
est le eigne de l'idäe. Seulement, il a est paaa^ ici ce qui se pasee tonjoun
quand trois termes sont Itroitement aeaociä dem a deux. L'eaprit n'a
51us associe simplement le mot ecrit au mot parle', et celui-ci k l'idee;
a asaocifi direetement le mot ecrit a l'idee. Par la, l'öcriture a cesse
d'etre dana la d^pendance Picluaive de la parole, pour deveuir eigne
immädiat de la pensee. C'est ce qui fait que, liaant ou öcrivant, nona
n'avons plus besoin d'dpeler peniblement les mots; le symbole ecrit st
traduit sur le champ en >mage intellectuclle, et vice versa. II en r&ulte
qu'il y a tont avantage ä diSerencier graphiquement deux mota dont le
eon est identique, maia non point le aena, et que, pour ne pas briser le
Heu qui unit le mot ecrit a l'idee, nous devona deairer que 1 orthogrmphe
d'nu vocable ne change pas, quelque modifiee que puieae en Etre la pro-
nonciation par le contact des mot« voiains.
Eemarqnona enfin que la langue littäraire eet faite pour franchir
Mitzellen. 203
les limites de 1'espace et da temps. Comment pourrait-elle rendre les
Services tout speciaux que nous attendons d'elle, si eile ne s'isolait pas
plus on moins de 1a langue parlee? Nous voyons qu'en de*pit de re*co1e
primaire, le« babitants des diverses provinces d'un grand pays restent
obstinement fideles a leur prononciation locale. D'autre part, personne
algnore que, lentement mais inoessamment , la prononciation se modifie
das« une m&me region. II est indispensable par consäquent que la langue
ecrite soit nn vätement assez souple, pour qu'il puisse se pröter sans trop
de peine aox multiples deTormations que fönt subir ä la langue parlee
les differences d'epoque et de lieu. L'Allemagne, par exemple, connait
an moins sept prononciations de la consonne g; le mot König n*en est
pas moins ecrit a Berlin comme a Munich, a Francfort comme a Berne,
et chaque localite' y croit voir le repräsentant fidele de sa prononciation.
De meme, en France, la grapbie* oi a reprlsente* successivement des sons
fort diförents, et, aujourd'hui, les deux voyelles qui la composent, ne
correspondent plus du tout au pboneme qu'elles sont censees figurer.
C'est que, des deux termes du rapport, pendant que l'un changeait sans
eesse, l'autre restait a peu pres immuable. La fixitä relative de l'ortho-
grapbe a dissimule' l'alteration pbonätique. Fort heureusement pour
nous; si la pbysionomie de la langue litte raire se transformait au für et
a mesure des cbangements qui se manifestent dans la prononciation, les
grands ecrivains du XVII* siede auraient depuis longtemps pris un air
vieillot, et perdu leur autorite* de classiques.
Tele sont les deux points fondamentaux que je tenais a etablir des
le deT>ut. L'ortbographe doit £tre simple et facile, ce qui exclut toute
surcharge de eignes, toute Prätention de trauscrire l'infinie variäte' des
sons. Elle n'est point indissolublement liee ä la parole; eile peut et doit
avoir ses lois propres.
II.
A coup sür, l'orthographe fran9aise n'est ni simple, ni facile; non
pas qu'elle emploie un nombre exagäre* de eignes, mais parce qu'elle se
montre inconsequente et capricieuse dans l'usage qu'elle en fait
Je n'ai pas a faire maintenant le proces de cette malbeureuse
orthograpbe, qui a äte* le tourment de notre enfance, et qui expose
souvent tous ceux qui ecrivent, les grands comme les petits, ä de vives
perplexites. II suffit sans doute de renvover le lecteur aux experiences
qu'il a faites lui-meme. D'ailleurs, depuis que le public a 4>t4 saisi de
la question, que d'articles de journaux ou de revues, dont les auteurs
g&nissent ou sur les doubles lettres — aggraver, agrandir; imbe'cile,
mbe'ciltite . . .; — ou sur les lettres parasites — assoirai, surseoirai . . .;
ou Bur les bizarreries de nos grapbies hellänisaotes — triplyque et
glyptique; metempsycose, symetrie . , .; — ou sur la duplication tres
inutile de certaines dennences — corrtspondance, residence; circonstanciel,
differentiel . . .; — ou sur les trop fameuses regles des participes. Que
Torthograpbe francaise soit pleine de cninoiseries et de cbausses-trapes,
les plus obstines partisans du statu quo en conviennent eux-memes.
Seulement, la oü nous, reTormistes, nous voyons un ätat de choses
prejudiciable, une maladie que nous devons essayer de guerir, nos ad-
versaires ou bien estiment que tant de difficultes sont nn titre de noblesse
pour la langue francaise; ou bien admettent Pexistence du mal, mais le
declarent d'avance incurable, au moins par les moyens que nous proposons;
ou bien redoutent le trouble que causera momentane'ment tont cbange-
ment dans nos habitudes orthographiques.
Je dois räpondre a ces trois categories d'opposants.
II y va, dit-OD, de notre honneur que l'ortiiographe franetist
rve pieuaement lee preuves de son origine. Le second p de pronft
et le th de Iheätre aont d'authentiquea parchemius de famille ; ila viennanl
"a propoe rappeler ä ehaque göueration que nous ne aommea pai <J<s
barbares, mais bien les fils intallectuels dee Romaine et dos Grera.
Ce Kont lä dee ralsoim de eentiment. Rien en soi de plus legitim«
et de plus touchiint que la picte de fils qui consarvent religiensemeot
l'lie'ritaga de leura parents. Mais ici, cette pie5te fait faueee route; eile
s'attacbe a ce qu'il y a de plus accidentel, de pliu exterieur dans notre
patrimoine he'r^ditaire. On comprend qu'un fils dee preux a'appliqne a
maintenir intactes lee traditiotii de sa famille; comprendrait-on qo'il m
chajseät encore de aouliera a la poulaine, et circnlät an pourpoiot et eo
Chaussee?
Nulle part, saus doute, la preseion exeroee par le latin tut le
francaie n'apparait d'une manifere auesi palpable qne dana notre artho-
!;ra.pne traditionnelle. Eu pouvait-il etre autrement? Quand Calphabet
ut applique a la langue vulgaire, c'est l'alphabet latin qui fnt «dopte,
saus un signe de plus, «ans nn eigne de moina. Ce que l'orthograpbe
dut »ouffrir eur c« lit de Procuste, on le comprend aisement, n l'oi
röflechit que la nonvelle langoe nvait. nombre de eone que le latin ne
connaiasait paa, pour leequels il n'avait pas de eignes: eu, u, ch, j, las
vojelles nnsaliaees, lea oouaonnee mouilleea. Quand les Greos, quand lea
Hindoun s'approprierent des alpbabete d'origine aemitique. ils leor Brest
subir let modifications que rt?clamait la phone'tiquu de lenrs langm
respectivee. Presque toutes le« langues, d'ailfeura, ee servent d'un alpbabat
d'emprunt; presque toutes ont ajouti au stock Importe" un nombre plm
ou moina grand de aignes nouveaux. Seulee fönt exception lea civili-
sations qui procfedent directement de la culture romaine. Pourquoi?
A cause de la persistauce dans tonte l'Europe occidentale da latin oomme
langne littßraire et savante Lee clerce ont transporU aui idiomci
nonveaux les habitudee d'ecriture qu'ila uvaient pneee avec le latin.
On a äcrit goät et gendrc avec un g, parcp qu'ili dörivent de mote laünt
qui commencent par un g: deux aone pour une menie lettre; OD a äerit
genre avec un g, maia janvier avec nn j, parce qne lee mote latin« oorret-
pondanta presentent g et j: deux graphiee pour ud meine aon.
On sait de plus que le francaie renferme deux couchea de mote,
lea mote populairee et lee inots aavanta; lea premiera, plus ou moini
altere? daDB leur forme en vertu dee loia pboniquea proprae an francsii;
lee autree. empruntee tele quels au grec et au latin, ou formes d'aprei
des modeles grece ou latins. De tout tempe, le francaie a eu des mob
aavanta, maia c'eet eurtout deputs le XVI* eifecle qu'il ae les est ineorporei
en foule, et cette «orte d'endosmoa« ee continue eneore aona dob jeux.
Etant donnees lea habitudee graphiquea du francaie, il eltait naturel que
Von coneerv&t aux mote aavanta leur phyaionomie originelle. Malheureose-
ment, lee vocablee uouveuux, charges presque tous de consonnes, ont i
lenr tour agi sur lee mote populairee. et le XVI* eiecle a rätabli chex et«
derniera, bien des lettre« que l'uaure pkone'tique leur avait fait perdie.
Insuffisance de l'alphabet, et influence dee mote savante, voila deux cause«
de trouble qui ont grandement tontribue a g&ter l'orthographfl francaise.
Cependant, on aurait tort de croire que l'imitation du latin eoit
aeule reaponsable des difficulb'a de l'ortbographe. 11 en est qui n'oat
pas meme cette excuae a faire valoir. he latin n'eat pour rien, pai
exemple, dana cette regle absurde qui veut que oertains mota aient x
Miszeüen. 205
au pluriel. Cet x est du a od simple accident paleographique. On a
pris pour cette lettre une de ces ligatures dont les calligrapnes du Moyen
Age aimaient a enjoliver les finales de mots. Le mal n'aurait pas 6i6
bien grand, sif sans exception, tous les mots terminea par au, eu, ou,
avaient eu x au pluriel. Mais il n'en est point aiusi, et les ecoliers sont
obliges de se fixer peniblement de longues listes dans la memoire; ä
moins qu'ils ne prelerent apprendre par coeur teile phrase stupide oü
Ton a bon gre* mal gre* räuni toutes les exceptiona d'une meme regle:
„Viens, mon chou, mon bijou, sur mes genonx avec tes joujoux, et
prenons des cailloux pour chasser ces hiboux couverts de poux.tf
8i le cbapitre des lettres doubles est un des plus fertiles en
bizarreries de tout genre, ce n'est pas non plus au latin que nous devons
nous en prendre. Qu'elles correspondent a d anciens e*tats de pronouciation,
ou quelle« soient de simples Conventions orthograpbiques, les lettres
doubles, dans les finales, n'ont en g^neral plus aucnne raison d'etre. Avant
3ue l'emploi des accents orthographiques se fut gän^ralisä, le doublement
e t et de / dans je jette, famonceUe, servait du moins a signaler la
voyelle precedente comme ouverte. Aujourd'hui, l'accent grave suffit a
cette besogne; pourquoi en priver une douzaine de verbes en -eter et en
-eter? Quant aux epels bonne, prudemment, il y eut un temps oü ils
ätaient justifies par la prononciation. Mais, dans le corps des mots, le
francais n'admet plus de voyelle nasalisee devant une consonne nasale;
on prononce aujourd'hui bötie, prudament. Quel intäröt y a-t-il a conserver
une graphie contredite par l'usage actuel de la langue? Tels les organes
rudimentaires qui survivent atrophies dans les ötres supärieurs, et qui
tont pour enx des reliques bien inutiles, souvent meme gSnantes, d'anciens
eHats de deVeloppement.
On peut du moins deTendre par des argumenta empruntes a l'histoire
Yy danalysc, le g de doigt, les deux n de sonner, Ye d'asseoir. Mais
quelle excuse alleguer pour toutes les difficultes qui ont leur origine
dans les indecisions et les inconsequences de l'Acadänrie et des gram-
maJriens? Or l'incoberence et le caprice semblent s'ötre doonä libre
carriere dans l'emploi des accents et des traits-d'union, dans les regles
concernant le pluriel des composea, dans mitle de*tails oü l'Academie s'est
inflige* ä elle-meme de cruels dementia. Les exemples abondent: avene-
ment, evenement; — entrecouper, entre-bäiller ; — portefeuitie, porte-
drapeau; — des couvre-feu, des couvre-chefs ; — pay sänne, sultane; —
asiie, rythme .... bref, une foule de difficultes toutes gpratuites qu'avec
un peu de decision et de bonne volonte l'Academie pourrait nous epargner.
En somme, deux grandes catägories de difficultes inutiles, les unes
provenant du d&ir de maintenir, en däpit de la prononciation, la
physionomie ancienne de mots nombreux; les autres causees par les
hesitations d'une compagnie qui, charge* de fixer l'usage de la langue
ecrite, ne s'est jamais trace~ un programme d'ensemble. qui a cru qu'il
suffisait de trancher dans cbaque cas particulier, et qui, par ses demi-
mesures a augmente* la confusion qu'elle devait conjurer. Cette seconde
sorte de difficultes doit ä tout prix disparaitre du dictionnaire, et le
plus vite possible. Trop de scories compromettent gravement l'homoge'neite'
et la limpiditö de l'orthographe francaise!
Quant aux epels qui n ont leur raison d'etre que dans les habitudes
graphiques du grec ou du latin, il m'est impossible de partager les
appreliensions de ceux qui s'imaginent que l'avenir de l'enseignement
cfaseique serait compromis par la suppression en francais de quelques
lettres £tymologiques. Certes, si l'ätude du grec et du latin n'avait
d'autre utilite* que celle de nous aider ä comprendre l'orthographe de
notre noraenclature snv;tnte, noua devriona d'autant plua nout
aiippriiner dana la langue ecrite oee survivances classiijues; bien d«
aonees de labeur sterile aeraient »inai epargnta im öcoliere. Mail non,
011 neut sans erainte briser ce lien tout eiteneor qui ratt siehe artineielle-
ment notre ecriture au latiu et au grec; l'e'tude des langues et de*
litteraturea classiquea n'en demeurern paa moina le meilleur proc&ii
connu pour faire de noa mfknti dM konntet ouvarts ä toutes le» cbo*
de l'eaprit, lytnpatbiques aux id^es genereuses, tolerante nux opinio:
d'autrui. elevea au-desaua d'un partieularisme ötroit. Qu'importe qnt
notre terminologie acientifique, littöraire, artiatique, philosophiqu*
rolisiflUMi porte moina tlairemeut inacrite sur aon front «od o
hellenique ou romaine? II n'en restera pae moins vrai que lee r
de l'arbre Je la science et de l'art ploogent profondement dans Hium
classique; et toue ceux qui. dana ta nature, s'iatereasent aurtout ii t'homm
et dans l'homme, ä ce qui le diatingue de la brüte et de la matier
iuorganique. tlevi'ont etudier lea Grecs et lea Romaine, a'ils milen
comprendre quelque cboae a ce que ] 'komme est devenu, au tour qu'ont
pria aes id£es, b. la niarche qu'il auit dann son e>ohi(.ion intellectuelle W
inorale. Ne noua laisaona donc paa arreter par un Ben (i mental isme qu
rien ne juBtifie; et, si nous trouvons neceasaira, ou mGine »implemea
utile, de faoiliter l'e'tude de notre langue, allune bravenient de Vi
l'honneur du francaia n'eat point en jeu. et, fila et he'ritien du i
ancien, nous ne manquerona point pour cela ä la pi<:t.- due a i
ancetree.
J'en viena maintenant nux esprits chagrins qui aont persua
qu'nne reformu- ortbographique est imposaible. Dois-je m'arreter long-
tempe a leur prouver qu'ils out tort? A quo» cela eervirait-il? Ou bien
ce sont dee o bat ine* qui ae sont mia en tfito que noua voulona introduirr
le phonÖtiaine dans la langue ecrite, et qui parteut de lii pour crier
ä 1 manitö de tela efforts. Ou bien ce aont des aceptiqnes qui d'uvance
haussent les epaules ä tonte tentative genereuae, qui ne saveut que
ricaner et decourager lea untre«, Noua n avons qu'uue maniere de leur
prouver que le mouvement exiete, c'est de marcher.
Serait-elle vraiment imposaible, cette reTorme qui s'eat efiectuee
en Italic des le XVI° sibcle; impoaaibles, ces retouchejt, qui, il j- u aoiiante
ans, ont fait de l'espagnol la langue la plus rationell erneut ecrite peut-
etre de fout le nroupe romun; imposaible, uue aimpiification proparöe
en France par lea efforta de tant de generationa de grammairiens et de
linguiatea? Le caprice et la fantaisie ont pu agir sur 1'orthoKraphe
pour y aemer deaoi-dre et eonfuaion; uue attention riJflechie et prudent«
ne pourrait rien pour y retublir l'barmonie et le bon aen»? On oubtie
trop t'acilement que !'e*pre«aion graphique du langage n'eat en dernitrc
aualyse qu'iin ajwbole conventionuel , et que le peuple qui a'en
peut en diapoaer souverainement.
Beaucoup de gena noua ont dit: nOui, vous avez raison, :
posaible de »imputier Tortbogi-aphe, uuiiü vous avaz eu tort de
adteseer ii 1'Acad^niie. Ignorez-voua que l'illustre Compagnie ne
jamaia donnii d'autre mission que celle d'enregistrer l'uaage? Commencex
par pratiquer les changements que vous propotez; mettez-les dans la
oirculation ; s'tls prennent dana le public lettre, vous pouvez compter
que, fidele ä son rOle traditionnel. l'Acad^mie leur donnera force de loi."
Tont partisan eonsaincu d'une röforme orthoKrapbique pensent
«aus doute qo'il n'importe gubre de quelle mauiere eile se fera, pourvu
!t de
apbe
jblie
1
Mitzellen. 307
qu'elle se fasse. Si j'e"tnia aur que, par une autre voie, on eüt eu lea
meines irnranties d'une revisiou prudente et uuauimement acceptee, je acraia
ile preniier ä regretter qu'on soit venu troubler In tranquillite academique.
Hais que fallait-il faire? Decre'ter la liberte orthograpliique? Ce aerait
la pire des Solution»; eile menernit tout droit a une unarchie irrem&iiable.
On a deja reproehe au pnrti de la reforme aon manque de coh&ion. Que
«erait-ce, ei Ton permettiiit a chacun de reformer aon orthographe pour
■on compte personnel? Aucune enteilte ne pouvant e'etablir, ce aerait
rgntiettement et l'impuissance. Noua aurions conuurremment l'orthographe
phoneiique, l'orthographe e"tyinologique, l'ortbograplie estlietique. Comme.
d'ailleurs, la prononciation dittferc suivant lea provineea, et aussi suivant
lea claaaes de la popuiat.ion, chacuu se croirait le droit de reproduire Ies
•ona qu'il fait entendre. L'Auvergnat aurait aon orthographe, qui ne
sentit pan Celle du Marseillaia. Brei', un vrai gächia qui generait enorme--
meit Ies communicationa. Et qu'on ne diae paa qne le mal iie durerait
qu'uu tempa, que TAcademie bientöt y inettrait bon ordre. La pauvre
Aeademie, tiraillee en aens divers, aurait grand'peine a faire aon choix,
et ce choix ne aatiaferait personne. Lea plus ardenta, a ooup aür, ne
reaoneeraient pas ä leur orthographe separatiate. Et ce aerait lini de
l'unite littiäraire de la iangue francaise, cette unitö dont l'Acadeniie a
4H l'agent et, jusqn'ici, le gardien fidel«, cette unite qui liriik- ,-ilm« ilonte
la liberte de chacun, mais qui rackete cet inconvenieut, ai inconvenient
il y a, par un avantage inappreeiable : la certitude pour l'ecrivain d'etre
compris de celui ii qui a'adreeae sa parole. Gardoua-nous donc d'ecouter
ceux qui voudraient noua preeipiter aur des ecueila redoutables , et aup-
pliona l'Aeademie de ne paa faire banqueroute ii noa espeianeea; laieaona-
lii s'acquitter d'vine besogne pour laquelle eile est seule qualifiee.
Öoi, l'Aeademie est qualifiee pour le travail qn'on lui demande,
et nous aurions tort de douter de ses luniieres et de sa bonne volonte.
Sans doute, eile u'est point une aaseniblee de grammairiens , et
c'est dana l'Academie des Inseriptions et Beiles- Lettrea qu'ont »iegö et
' reprösentanta attitrea du rowaniame et de la
grammaire coroparee, lea Thurot, ies de Wailly. lea deux Paria, les Breul,
lea I'aul Meyer. Je veux bien que ce aoit la un motif aufnaant pour
inviter l'Acadeniie Francaiae ä passer ii aon erudite aoiur la reilaction
de aon fameux dictionnaire hiatorique; mais ponrquoi renoncurait-elle ä
la fache qui a 6t6, en tin de compie, la raison d'etre de sou Institution?
Elabore" par cette reanion aana pareille d'^crivains et d'hommea du
roonde, le livre rÖgulatif de la Iangue francaiae doit aon autoritÖ pröcia^-
ment au fait qu'il n'incarne aucune theorie grommnticale on hiatorique,
qu'il est excliisif de tout p^dantiame et de tont Systeme. De lä cette
admirable appropriatioo aux beaoine d'une clientele qui vient y chercher
dei renaeignemeuta pratiques aur BD qui est en IVtat atluci de la laugue,
et non aur ce qu'elle ßtait autrefoia, ni sur ce qu'elle devrait etre en
bonne logique. Tout autre dictionnaire ne peut etre que l'expreasion des
ide"es et des opinions d'un homme. L'exemple de Littrfi est la pour noua
muntrer commeot une ceuvre individuelle, si conaciencieuae et si aavante
qu'elle aoit, est impuisaantt; k a'imposer comme norme. Littre dogmatine
aouvent dann lea queations d'ortbographe et de prononciation, et c'eit
prfcisöment dana cea deux domuines que son autorite est le plus conteatee.
On a pu reprocher a l'Acadömie sa timidit^ et sea nombreuses
deTaillances; mais lea prioclpes m€mee qu'elle a adoptee, mdritent en
genera) tonte approbation. Plüt au ciel qu'elle Ies eüt auivia avec plua
de conadquence! Doit-on lui en vouloir, par exemple, d'avoir tenu a
ui.iint-eziir dans la meeure du poaaible l'uniy graphiqne de* famille« de
308 Mitzeüeru
mot»? ou d'avoir aouvent ponr les homonymes admia dana l'Öcritnre da
difl'erenciation? que la parole ne connait point? ou d'avoir fix* pom
chaque mot une orthographe unique, quela que aoienf lea accident* de
prononciation auxquela t'expoee le contact des mota voisinB? Evidemmeni,
jion. En Scrivant comme eile l'a fait bon, rund, long — ou astit, du,
fiiti, eile a grandement eimplifie' l'enonce de certaiuee regle« grammati-
calea. — Et puisque la traaition lui offrait parfois dem graphie» con-
curremment employöes pour un mGme mot, en lea utiliaant ponr difö-
rencier deux homonymes, ou meme pour d6doubler un mot uniqae dont
le aeua a'ötait birurque", n'a-t- eüe paa contrihuri ä donoer a la iangM
ecrite plus de nettete' et de pr^ciaion? Beaucoup de personnes iguorwt
que nous avona deux verbea peler, confondua qu'ita eoot dana la leugne
ecrite; elles penvent par consequent ae meprendre «ur te aena d'une phrua
ou ce mot Ggure. Main des qu'on aait ecrire, pn fait connaiamnce avee
les deui verbes compter et conler, les dem aubatantifB ätrimt et denen,
et aucune confueion o'est poaaible daua l'eaprit de celai qui lea rencontre
dana aea lectures. N'est-ce pas autaot de ga^ne"? — Enfin, en arrttant
qu'un mot comme dix s'ecnrait toiijou™ diu, qu'il aoit prononoe" dt, da,
«m, et que, daua toute aa conjugaison, «iuer coneervenüt ai, bien qne
nous prononciona novx nimons (ayec i), eout atmet (avoc e), 1'Academia
a rendu poaaible raaaociation directe da eigne äcrit et de l'idöe, coudition
in dispensable pour qne nous arrivions a. lire et a ecrire rap i deinen t-
Ces divers principe«, nous voyons l'Academie lea appltquer des
la premiere Edition de eon dictionnaire. Malheureusement, lea oonfreree
de ßosauet ont en general studio les mota Uolöment, et leura arreta ont
trop eouvent cr^ä des diffionltea fort inutilea. L'&Iition de 1740 i
rSparfi' uue partie du mal en simplifiant l'ortbographe de prea de 5000
mota. Lea äditiona de 1835 et de 1878 tromperent lea eeperancee de
cenx qui comptaient aur une revision complete de la langue ecrite;
remarquablea l'une et l'autre par le nombre considerable de mota aux-
quela ellea donnerent le droit de cite", ellea ne prirent en orthograpba
que dea meeuree tont a fait insufßeantee. Maia ces deceptiona ne sont
point de nature ä noua faire perdre confianoe; et, ai la Petition a <bS
lancee, c'est ponr en appeler de l'Acade'mie mal infbrmee a. l'Academie
mieui in formte.
On uomi n, bien dit: L'Acade'mie refnaera pnrement et rimplemaot
d'entrer en matiere; et cela, parce qu'elle a ötö inatituäe ponr eonatatar
l'uaage et non ponr le creer. Noua n'en croyone rien. II n'eat point
srai que TAcadämie n'ait jamaia pris l'initiative d'une modification de
V orthographe. En 1878, quand lea Quaranta ont anpprimä l'une de*
deux k de rytKme, phtisie, etc., n'ont-ila paa pria l'initiative? Et quand
ila ont däcr&e' que tous les mota tm-ege auraient l'accent erave, auivaient-
ila l'uaage? Avant la a^ance du 8 juin 1679, lea ecrivaina avaient joni
Kur l'accord dea participea preaenta de tous lea avantagee et de loni
i ioconve'iiients de la liberÜ. Ce jour-la, l'nkaae fut proinnlgnö : „La
regle est faite, on ne d^clinera plus les participea actini." L'Academie
e*tait-elle alors un simple grefGer chargä d'enregiatrer lea urreta d'antrui,
ou un legislateur parlant d'autoritä? D'ailleurs, ce qui a 4t6 poaaible
juequ'au XVJ1I" siecle, ne Test plus maintenant. Jadta, la oontrainte
orthographique n'exietait point encore. On ponvait suivre sa fantaiaia
Bans cesaer pour cela d'Stre un honnete homme. Dea diseonanoea »
produiaaient donc, et l'Acad^mie faisait aon choix. Aujourd'hui, sous
peiue de passer pour un mal-appris, chacun doit reapecter l'orthograpbo
poinconnee par l'Anadöniie, et protea et mattres d öcole »ont lä pour
arrfiter, pour prevenir toute velllite d'inde'pendance. Si vraiment
MiszeUen. 209
l'Acadlmie n'avait aacan droit d 'initiative, nous noos trouverions en-
fermea dans un cercle vicieux, et il ne nous resterait plus qa*k piätiner
öteraellement sur place.
V.
Reste la troisieme et derniere catägorie d'opposants, ceux qui,
tout en reconnaissant que l'orthographe actuelle est de*fectueuse,
eatiment que les remedes proposäs sont pires que le mal. L'ortho-
graphe, nous disent-ils, n'est point parfaite, mais celle que vous voulez
mettre ä sa place, vous avouez vous-mäme au 'eile est loin de la per-
fection. Est-ü raisonnable, est-il juste de jeter une pareille pertur-
bation dane nos habitudes, dans la littärature, dans l'enseignement,
pour une amälioration douteuse, en tout cas tres relative? Le jeu
vaut-il la chandelle?
Cest le sort commun de tous les changements de le*ser quelques
intäräts particuliers, de däranger des habitudes. Au public lettre de
voir si les inconve*nients d'une re*forme passent ses avantages, si ceux-ci
seraient trop cherement achetäs par le trouble momentane" qu'elle
amenera nlcessairement.
D'aillenrs, toute loi est accompagnle de ses dispositions transi-
toires. Pourquoi ne laisserait-on pas ä leurs cheres habitudes tous
ceux qui le d&ireraient? Nous ne demandons pas la mort violente de
l'orthographe actuelle, mais seulement qu'elle plrisse par l'extinction
de ceux qui la pratiquent. Les protes, dont c'est le mutier, conti-
nueront ä raettre au goüt du jour la pens£e des e*crivains qui pre"-
föreront conserver les modes d'antan pour leur usage personnel. C'est
seulement ä l'äcole que la nouvelle orthographe, une fois promulgue*e
Sar l'Acade*mie, deviendra immädiatement obligatoire. Les instituteurs,
u jour au lendemain, se verront dans la näcessite* de faire peau neuve.
A en juger par l'empressement qu'ils ont mis ä appuyer, ä provoquer
m6me, le mouvement de reTorme, on peut ßtre certain qu'ils accepteront
de grand coeur, pour le bien de leurs Kleves, cette atteinte temporaire
a leurs aißes.
Mais alors, pourquoi les hommes de lettres sont-ils en majorite*
hostiles ä la simplification de l'orthographe? Comment se fait-il
qn'autrefoia Ronsard, Corneille, Bossuet, Voltaire aient e"te* les Champions
räsolus de cette reTorme, et qu'aujourd'hui de H6re*dia, Coppe"e, Leconte
de llsle la repoussent de toutes leurs forces? Les gens de lettres
n'ont point fait mystere de leurs griefs. Examinons-les rapidement.
Au premier rang de nos adversaires, nous trouvons les raffine*s
et les dilettantes. Ces apötres du nouvel Ivangile litteraire trouvent,
parait-il, une grace toute particuliere dans les lettres parasites, dans
ces groupe8 oü des signes multiples se combinent ingänieusement pour
ne figurer qu'un son, dans ces dissonances qui finalement se re"solvent
en une savante harmonie. N'a-t-on pas pre"tendu qu'une rime 6tait
particulierement rare et delicate. quand ä l'identite* du son se joignait
une parfaite dissemblance de la forme graphique? Apparier rite et
site, fi donc!, mais que d'impre'vu, quels lointains dans mythe rimant
avec rite! Nos sens trop obtus se refusaient dejä ä percevoir des
parfums, des couleurs et des saveurs dans les voyelles et les con-
Bonnes de la langue parl^e, et voilä que des effluves mystlrieux £manent
aussi des caracteres alphabätiques ! Pour nous qui n'avons aucune
intelligence des raffinements d'un art tombe* en deliquescence, et qui
pensons qu'une poe"sie digne des ce nom n'est point Itee aux destin^es
de l'orthographe, nous n'avons qu'ä renvoyer les poetes de l'e"cole
Zselur. f. tn. Spr. n. Litt. HIB. ^4
210 MiszeUen.
aymbolique a une antonte" qn'ila ne röcaaerOnt paa r&m dotfte, M.
E. H. de Vogüe". Persoune n'a oublie', je pense. cette page charmante
od l'auteur des Remarques svr Cexpositton du cenlenaire fait obserrer
que, depuis le döbut du XIX' Biecle, roruementation s'est faite toujoun
plus miiigre, qu'elle a fini mfime par disparaltre de tous lea objets de
premiere näceaaite" et de common naage. „On pent expliquer ce
phänomene, remarque M. de Vogüe", par la valour croiaaante du tranD
et de son eoefficient, le tempa. Noua faiaons simple, pour faire
davantage et plus vite. La force employe'e a produire est conBommk
tonte entiere en utilitc"; on n'en peat neu diitraire pour 1'amuBement . . ,
La oü l'ceil de noa devanciera exigeait autrefoia dea conlenrn vives et
le deaain image', le nötre rßclame lea teintea neutrea, lea lignes droitcs.
lea aurfaces polies, en un mot, l'e"troite convenance entre la forme et
l'eniploi, aana rien de plus. C'est l'dlimination progressive de I'inrtinet
da »au vage, de Venfant, qui ftait devenu en a'epurant le goflt da baaa,
niaia qui n'en procöde paa moina de ce principe: la recherehe da jonet
et de la parore avant celle de l'ntilite*."
Conteatera-t-on peut-6tre que l'orthographe loit choae de premiere
näceasitäV Si ce n'fitait le caa, pourquoi lui femit-on une place si
large dans lea programmea de Venaeignement primaire? II faut donc
la eimplifier, ne fflt-ce que pour re'tablir en eile cette parfaite con-
venance entre la forme et la deatination qiti eat de venu e aa XIX* aiecle
le caract&re eeaentiel de la benutz. Sobrea d'ornementa dana noa arme«,
dann noa ustenailea, daus toas le» objeta d'uaage qaotidien, nous ne
garderoaa paa, pour obe'ir aux preacriptiona d'une eathe'tique döcadente,
une äcritare compliquee dont l'ätude exige une depense inutüe d'effbrti
et de tempa. Economie de la force, teile est la formale de tonte
Involution bumaine; tel eat en particulier un des factenra prtnripaui
du däveloppement da langage.
A cote* dne „eatbetea", lea „induatriele". Pour ces derniers, la
littörature est un mutier; lenr labeur se paye tant la ligne od taut la
page. Qu'on Plague de l'ecriture tont ce qui la aurcharge abnaivement,
et voilä leur proae abre'ge'e d'un bon quart, leurs äniolumenta rädniti
en proportion. Queation de gros Bona, si Ton veut; mais que d'öcrivaiun
traitent lea „utilitaires" de haat en bus, et eont cependant ^minemmeat
acceaaiblea anx considdrationn lea plus mercantilee. Cea habilea calcn-
lateura, je le aais, conatituent une infime minorite". Raison de plei
pour que lenra interets ne präv&lent paa contre ceui d'une natiou
entiere.
On a vouln noua apitojer aar le Bort des claasiquea da XIX*
siede, qui devieadraient möconnainaables aous le traTeatisa erneut qoe
nous vondriona lear imposer. Comme ai depnia deui aieclea qu'on
räimprime leura oeuvree, ou ne lea eüt paa perpötuellement acoommodea
ä 1'orthographe du jourl Comme ai, editant aujourd'hai Moliere, noat
ätiona tenua d'avoir dea mänagemeata pour une orthographe tonte
diffärente de Celle du poete! Bien plua, VortbogTapfae eimplifiee nous
rendrait parfoiB la main mfime d'nn auteur qui öcrivait: gcnous, aplaudir,
aeourir, phisionomic, conler (= eompler).
On a dit auBai: La veraification eat dans une ötroite däpendance
de l'orthographe; changer celle-ci, c'eat ruiner le rjthme de noa
meilleura poetea, c'eat conateller de vera faul lea plua bellen compo-
»itiona de la muae francaiee. II eat facile de raasurar aar ce noint lee
Joetea. La reTorme ne portera aucune atteinte aux reglea traditionnellei
e la proeodie, de l'hiatue, de la rime. Aprea comme avant, Racine
et Boileau poorront fonrnir dea modeles aux fatora auteurs de poätäqnea.
Miszeüen. 211
Que die-jel Si nous obtenons, par exemple, que tout participe suivi
d'an infinitif soit invariable, certaines de leurs „licences" Be trouveront
leffitimeeB apres coup: „Tantot ä son aspect, je Tai vu (1' = Athalie)
a'evanouir." — „Je Tai laiBse* (lf = Junie) passer dans son appartement."
Les poetes se sont figure* sans doute qn'on allait sabrer les e
muete, bouleverser le Systeme des rimes masculines et des rimes femi-
nines, reudre sensibles ä l'ceil mille hiatus masquäs par l'orthographe.
Lee € mnets et les consonnes finales ätymologiques demeureront,
protegeee par la prononciation, ou par la näcessite* de maintenir Tunitä
grapbjque des famülesde mots. Tant mieux pour les poetes; tant pis
poor la poe*sie. La poesie n'eüt pu que gagner ä une rö forme qai
aarait rendn impossibles tant de duretös dans le rythme, tant de
licences oü l'ceil est satisfait, mais non point l'oreille. * Car n'est-il pas
incroyable que Ton proscrive tu mmes, il y a, et que Boileau ait pu
dire sans manqaer aux regles de l'hiatus: „De ce nid, ä l'instant,
torürent tous les vices", — et La Fontaine: „Quiconque est loup agisse
en loup", — et Racine: „Hector tomba sous lui, Troie expira sous
Tons", — et V. Hugo: »II est genie, ätant plus que les autres, homme" ?
Lliiatus procure quelquefois aux poetes d'heureux effets d'harmonie
imitative: „Le chardon importun he*rissa nos gue*retsu (Boileau).
Pourquoi faut-il alors subordonner cette faeultä ä de purs accidents
d'orthographe ? La Fontaine a pu dans un vers merveilleux peindre
l'ahan des chevaux de coche: „Apres bien du travail, le coche arrive
an haut." Pourquoi? paroe que, disent les thäoriciens, l*h aspire*e de
haut empfiche l'biatus. Mais non, l'h aspiräe n'empeche que la liaison ;
il cree l'hiatus, et c'est ee que voulait le poete.
Beste un dernier grief, legitime celui-la. Toute alteration de
l'orthographe troublera nos faabitudes, et dissociera pour quelque
temps le mot e*crit et l'idäe qu'il repräsente. Le lecteur exerce* qui
maintenant, par une sorte dHntuition, happe ä la volle le sens des
mots et des phraaes, aera au dibut arrSte" sans cesse par ces images
nouvelles qui ne correspondront plus ä Celles qu'une longue babitude
a profondement imprimees dans son cerveau. Lorsque nous lisons,
c'est le mot dans son ensemble qui e'voque en notre esprit l'idäe dont
il est le skrae; qu'un trait dans sa figure soit changä, et nous voila
deroutäs, il nous faut faire une effort de räflexion, et nous perdons du
temps.
Or personne, il faut bien le reconnaitre, ne souffrira autant que les
hommes de lettres, obligls qu'ils sont de lire beaucoup et de lire vite :
common t feuilleter en une heure le livre dont il faut rendre conf^te,
si Ton est däconcerte' ä chaque instant par des graphies insolites?
Je ne dirai point aux poetes et aux rpmanciers: Pour atte*nuer
les inconvenients qui räsulteront pour vous d'une transformation de
l'orthographe, nous Tlchelonnerons sur un grand nombre d'annäes. Je
ne le leur dirai pas, parce que je doute qu'ils dussent gagner beaucoup
a voir se prolonger outre mesure une periode d'ind£cision et de cahots.
Mais voici ce que je dirai aux hommes de lettres: La ßimpli-
fication de l'orthographe, ne düt-elle profiter qu'aux e*coliers, il faudrait
l'accomplir sans delai et sans faiblesse. Songez, Messeurs les äcrivains,
au labeur sterile que nlcessite la me*morisation de tant de regles
flanqules de tant d'exceptions. Songez aux teures consacrles ä des
dictees ineptes, oü Ton sacrifie trop souvent la langue et le bon sens
au plaisir d'accumuler les difficultes et les traquenards. De tous cöt£s
s'&event des plaintes sur les efforts excessifs que Ton impose aux
cerveUes enfantines. Facüiter l'ltude de l'orthographe, c'est sans
212 MisztUea.
aucnne perte pour le dtfveloppenient intellectuel, rendre libres bieo
des heurea prfcieuacB; c'eat faire entrer fair et la lnmiere dans lei
Programmen de l'enaeignemflnt primaire; c'eat permettre de doonar
plus de tempB au jeu, a 1a libre expanaion de L'enfant laiste1 k Im-
mfme avec neu petita camaradea. Bien plos, c'eet amäliorer l'enieigne-
ment de la langue materielle, trop souvent r£duit aujourd'hui £ n'gtre
que reneeigoement d'une orthographe vetillense ; c'eat changer l'eapnt
et la me*thode de hob graruniaireB, qui presque toutes ae complaispnt
dans la disouneion des chicanes de la langue öcrite, quand ellw
devraient Stre doa inatnimeiitB d'analyse; qui renseignent insiiffiaaramenl
l'eleve aur le mecaniainn de la phraae, anr lea reauourcoti et lea deficit)
de la langue comme eipreeaion de la penMfe, maia qui, ae crojint
tenues de justifier mSme des erreurs 011 dea inadvertances, ne craignent
paa de recourir ä des explications artifieiellea et menteusea.
Et cet aBaervieaement d'intelligences astreintes a obeerrer du
reglea qne n'excnsent ni la logique, ni lea exigences de la clarU et
de la preeiaion, cet asserviBSement que röprouve toute saine pfidagogie,
ae prolonge pendant toute la duräe des annees d'ecole, pendant toute
la vie meme. Quiconque prend unc plume est obligö de perdre «on
tempa et ses efforte a repasBer par toua lea replia d'une orthographe
capricieiiBe et bizarre. Gare k röcolier qui dcrit bowtovffter. gelte dt
groseilles ou sbop de groseiüe, aa promotiou peut s'en trouver com-
Fvomise, et par lä le dSveloppement regulier de ses etudes. Gare i
hemme fait qui laisse e'chapper airrespondence. applanir, etc., il
dechoit d'emblee dans 1'eeprit de ceux qui le lisent. Que las hommei
de lettres ne croient paa qne j'exagere, Aux petita, il est interdil, de
pe*cher contre l'orthographe. Les ecrivaina de renom, au controire,
jouissent de toutes les lmmunitle. Ne sont-ile pas lea maltrea de la
langue? Volontiere meme, les infractions dont ils se reuderit coupables.
leur sont impute'es comme une grace de plus, comme une preuve de
noble indfipendance. Ne Klicitait-on paa naguere la Revue des Dexx-
Mondes d'avoir eu le courage d'omettre le t de toua les pluriela en
ant? Et poor citer des eiemples eueore plus frappants, non point dans
une iutentiou malicieuse, mais parce qu'il est piquant de roir an
deTenseur de l'orthograpne actuelle appliquer d'avance, — on Uitser
eon imprimeur appliquer — lea aimpliiicationa que noos reclamona,
M. Edouard Kod dans les TVois Cavrs a ecrit üs epilent, et dane le
Setis de la Vie: les noms que nous avrons eru immortels, deuz graphien
oü l'^crivain a ponr lui la logique, la prononciation et d'ülustres
prec^dentB, maia oü il n'en a paa moina nole deaz des regles sacro-
saintee de la grammaire. Eh bienl qu'ort auppoae un enfant commettant
cea deux . . . j'hesite vrairnent ä les appeler des fautea . . ., dane une
de cea odieuses dictees d'examen toutes pleines d'embüchee, il eat
expose' ä un ächec preeque certain. Est-ce naturel, est-ce charitable?
Les litt^ratenra, j en auis certain, auront pitiä des enfants et de
toua ceux, ätrangera ou nationaux, qui aont aux priaea avec lea gratuitea
difficult^B de notre äcriture. Dana la coneurrence des laugues, l'avenir
appartient & celle qui l'eruportera sur ses rivales en limpidite" et en
präciaion ; qui sera, pour l'expresgion de la pensäe, Viustrument le plm
maniable et le mieux approprid. Que lea hommee de lettres laissent
l'Acadämie simplifier l'ortbographe; et le nombre de lenrs lectenn
grandira en decä et au-delä des limitea ge"ographiqueB du francaia
Ha aavent si bien daue leurs livres plaider la cause dea humbleB et
des pauvrea d'eaprit; commeut pourraient-ils se refuser & traduire par
des actes cette pitiä dont Üb fönt profesüon, et k joindre leur» efforti
Miszeüen. 213
a ceux des innombrables peMagogues, instituteurs, linguistes, e*rudits,
publicistes, me'decinB, mimstres des cultes, qui ont signä la Petition
adressäe ä l'Acade'mie Francaise? p. Oltramare.
PETITION
& MM. les Membres de l'Academie iVar^aise ©n vue d'une
simplification de l'orthographe
Messieurs,
L'Acadämie francaise gouverne l'orthographe de notre langue.
Sans que ses arräts aient de sanction, ils servent de regle commune
aux imprimeurs. C'est donc ä l'Acade'mie que doit s'adresser une
Petition ayant pour objet une simplification de l'orthographe.
Pour y faire droit, d'ailleurs, l'Acade'mie n'a qxxk continuer son
ceuvre. La simplification, eile l'a poursuivie continüment depuis
l'origine. 11 y a peu d'annäes, eile supprimait encore des ßignes
inutiles, le trait d'union de trcs-bon, la seconde h de diphthongue. Le
public, ä ce moment, a suivi avec discipline. Ce que l'Acadämie fera
dans le mdme sens sera toujours ratifie' par la pratique universelle.
Le8 soussignls fönt appel aux traditions räformatrices de l'Aca-
de'mie pour 8olliciter d'elle un nouveau perfectionnement. Elle seule
peut en formuler la regle et la mesure. Voici des exemples des
questions qu'on lui demande de trancher:
1° Question des suppressions d'accents muets (oü, la, rite, qu'u
füt). De la, pour les typographes, l'äconomie possible de quatre carac-
teres ä faire fondre dans chaque corps (ä, ü, \, ü).
2° Question des suppressions d'autres signes muets (trait d'union
dans peut-itre, h dans rythme, l dans le fils, o dans faon); questions
du dedoublement (honneur par n simple, comme honorer) et de la
Substitution d'une lettre ä deux (f pour le ph des mots grecs, comme
deja dans frenesie fantaisie, faisan). De la, pour qui e'crit, une Öko-
nomie possible de temps ; pour qui imprime, une Ökonomie possible
d'espace et d'argent.
3° Question de l'uniformite' (dixüme e'crit comme dizaine, dix
comme la vis, les pluriels genoux, e'taux comme les pluriels fous,
landaus). De la, pour quiconque Studie la langue, une Economic possible
d'efforfo.
Ce qui inspire la präsente Petition n'est pas une ide*e abstraite.
Les soussignös, au contraire, croient pouvoir invoquer des intärSts räels.
IIb invoquent d'abord un .intöröt trop souvent mäconnu et qu'on
a le droit d'appeler national. Car, pour la France, il n'est pas
indifferent que son idiome soit aisä ou malaise* ä apprendre. En en
retouchant 1 orthographe, l'Acadämie le rendra plus rapidement assi-
milable pour nos concitoyenB bretons ou basques, pour nos sujets et
protegäß des pays musulmans, enfin pour tant d'e'trangers, clients ou
amis, soit de VEtat francais, soit du ge*nie francais.
Ensuite, ils invoquent l'int^rßt individuel des personnes peu let-
tre*es, ä qui l'Acadämie peut faciliter l'acces de la culture. Et tout
particulierement, rintäröt des enfants. Mille difficultäs gratuites peu-
vent leur 6tre äpargnäes par une de*cision de l'Acade'mie, et il do-
pend d'elle d'alläger d'un lourd fardeau la population enfantine tout
entiere et ses maitres. Ce sont la sans doute des considerations s6-
rieuses. Leß soussignls les soumettent respectueusement aux räflexions
de l'Acade'mie, et en tirent Fespoir que leur requöte sera entendue.
A propoB de la mort tflWile Angler.1)
Qaand ceB feuillea pasaeroat boos las yeux des lectenrs do U
Zeitschrift, Ion couronnea amoncelÖos sur la tombe d'Aogier (f I»
25 octobre 1889) aerotit fle'tries bous la neige, l'Acadämie am» pent-
ötre ouvert neu rangs au Bucceaaeur de cclui qa'elle admit dana aon Hin
pour avoir öerit Gabrieüe et Le Manage (FÖlympe, et cette energiqiio
figure de vieillard ä la barbe florie aura peu ä peu diapuru de« Titrinei
dee libraireB. Le temps d'Augier ätait paaaö, bleu puBne". Od saUiait an
Uli le vaillant auteur de» Effrontet et da Fat du Gibot/er, celaj qai
avttit osö cingter ä la figure les tripoteure comme Miros et Ich pwn-
phldtaires comme Veuillut. Haiti la jeunesee moderne, 1» jennew
növroeäe, peasimiate, schopenhaue'riBe«, la jeanease döcadente, sjmbolifte,
impresfionisto De goilts.it pas plus Aagier qne Eolla De gofltait le
fihiloaophe de Feroey. Sod robuste et «obre langage, aon bon hbi
oyal et flu, sou nustente" trempee de ta vraie galtö gauloiae, tont
cela lfätait plus „dana le monyement". La generotioD raffine« da
iagtieme siecle, le moade des impitoyablea
Kliciter Daudet de la trouvaille — De jure que par Bourget, Maa-
paBBant, Paul Verlaine, Buyemans od Catulle MendSa-
Enregistrons cependant un hommage poätique offert an Malt»
par Jean Richepin, Vauteur des ßiatphimet et de La Glu, le protag4
de Sarah Bernhardt. Cette poene, lue au Thö&tre Franeaie, par M. Qot
ä la repr^aeotation da 29 octobre n'a paa 6t6 sana prodoin an grand
effet flur lea habitaea dee mardii olaaaiques:
„Salut! . . . Dans Ut lauriert, Ut palmet et le Herre,
Voici ton frone Visage et ton sourire altier.
Ta place etmt marque'e au foyer de Moliire;
Sa matten soil la tienne, ä toi, ton heritief!
Comme lui, tu peignit Ihumanite perverse
D'un ttyU simple et fort, aux clarte'i de miroir.
Et le vm que ta Mute, ou la tienne, nout verte
Est du Vieux rni francait qtti sunt ttien le Urroir.
Dane, de la France en deuil aeeepte Ut kommaget;
Ut te tont aus. 2u peux, couronne" par ma mam.
Fetter tont peur au rang des auguttes imaget,
Toi, notre ami d"hUr, notre orgueil de demaäi.
Salut, Maltre au caur droit, ä la langve hardie!
Tu repttait souvent, pendant Ut derntert jourt:
,Quand firm ntieux, je Veux revoir la Come'dU.'
Ty vouä dam ta gloire, 9 Maltre, et pour toujours.
Toi que nous avont vu tont de foit sur cet planr.hes,
Travaillant, inquiel, fy voiia radieux;
Cor tu vat respUndir, parmi lex ombres blanehet
Qu'un marbre merüe' tramforme en demidieux."
Aagier ddtestait franchement lee „modernes" et lenrs elncabrationi
mjatiques. „11 est tempe que je m'en aille" , disait-il a aon Tieü ami
Sarcej, Je ne comprend« plus neu aa theiltre que lea jennes gens
doub foot; je n'antenda plus leur langue!" Et il B'est modeatement
retirö dana l'ombre apres avoir dotitii! Let Fowehambautt (187B). Cb
t) Cee UgDeB ont 6t6 ecriteB le 30 octobre 1889. /. S.
Miszcüe*. 215
grand nomine si modeste a donc eu le märite de comprendre ce que
Victor Hugo n'a jamais pu concevoir.
Les dix derniereB annäes se sont e*coule*es dans un otiwn des
mieux meritls. Augier a encore fait une Edition complete de son
Theätre, apres avoir präalablement rassemble' dix volumes de Theätre
de Labiche; il a assiste* aux reprises de ses pieces et aux se*ances de
FAcadämie ; mais la plupart da temps se passait dans sa belle propriäte*
de Croissy (Seine-et-Oise).
C'est lä que je me rendis par une belle matinäe de septembre
(1888), pour faire hommage ä Augier de mon livre sur le Drame moderne
en France, ouvrage dont M. £. Hönncher a parle* avec trop de bien-
veillance dans an des derniers fascicales de la Zeitschrift Mais le
bonqnin ne constituait qu'un pr£texte. Le vrai motif da petifc voyage ä
Croissy ätait l'ardent dösir de voir en face cette male figure que l'on aime
a cemparer a celle da roi vert-galant. Par une malechanoe qui
m'est courante, Augier 6tait ä Paris ce jonr-la. Au lieu d'attendre son
retour, je me d6*oidai ä rentrer ä Paris, croyant pouvoir renouveler ma
visite. J'avais compte* sans la fin des vacances. Au moment de mon
retour en Allemagne, je mis mon volume ä la poste sans faire allusion
ä la visite manquäe. Huit jours apres j'ayais l'aimable lettre que voici:
Croissy, ll septembre 1888.
MonBieur,
Je ne sais pas un mot d'allemand, mais je me suis fait
traduire les pages auxquelles yous me renvoyez par un ami poly-
glotte. 11 m'a certifiä que le lirre est fort bien äcrit; je n'ose
pas trouver qu'il est fort bien pensl, tant il montre de bien-
yeillanoe pour moi. Mais je puis reconnattre, sans blosser la
modestie, que YOt infermations sont puise'ee a de bonnes sources
et que vos analysee de mee pieces sont tres claires et tres justes.
Je n'ai donc ä yous adresser que des compliments et des
remerciements. E. Augier.
Ce8 quelques lignes, äcrites ä un jeune auteur inconnu en disent
plus long qu'nne biographie sur le caractere du grand poete dramatique
que la France vient de perdre. Une charmante petite plaquette de M.
Edm. Cottinet, intituläe L'homme chez Emile Augier et tire'e ä cinquante
exemplaires, est venue rappeler toutes les qualitäs d' Augier au lendemain
de sa mort. Personne ne la lira en Allemagne, car eile ne se vend
pas, mais on lira la brochure que Pailleron vient de consacrer ä la
memoire de son excellent ami. Elle fait honneur aux deux poetes, ä
celui des Effrontis et ä celui du Monde oü Von s'ennuie.
J. Sarrazin.
Les remarques publikes par M. Aymeric sur l'e*dition Hönncher
des Lettres de mon mouHn (Ztschr. XI9, S. 58 et suiYantes) provoquent
quelques objections que le re*dacteur de cette Revue veut bien me
permettre de formuler.
1) La locution „nage an t des pattes dans le vi de" peut parfaite-
ment s'expliquer par l'analogie de ramer ou travaüler des pieas et des
mains. La conjecture philologique de M. Aymeric est donc inutile.
2) Quand le pot-au-feu est en train, les preliminaires sont
termine*s ä la c meine, et la soupe se trouve röellement sur le feu,
comme M. Hönncher a voulu dire.
216 Mi stellen.
8) Lei jeux rur faire. M. Aymeric a tort de dire qa'm /fest*
on depiqve U ble sur la place pubÜque. ü se pent que ceU m fasse
dans la belle Provence ensoleitfee. Dans mon plus modeate peyi, n
Bourgogne, on bat le blö an grange comme en Allemagne, — et
Las nonibreuses Observation» de M. Aymeric Wmoignent ri'nne
lecture attentive et d'une connaiRsance approfondie de 1» langne.1)
Maie Plusieurs choses assez graves lui out öchappö ettcore. Vojei
Franco-Galiia, VI' annee, pages 31* et nuivantes.
J. Sarrazin.
Offenes Schreiben an Herrn Direktor Oscar Jäger Im Köln.
Herr Direktor 0. Jager bat in seiner Schrift Das kuwuatistitcke
Gymnasium (Wiesbaden 1889) S. 57 eine Wette angeboten, dass «im
stände Bei, einen mittleren Oberprimaner in drei Monaten bei vi«
wöchentlichen Stunden soweit en bringen, dass er die Times ohne
Lexikon bewältigen kann. Herr Jager fügt hinzu: „mehr ist doch nicht
nötig?' Obgleich wir nun für den englischen Unterricht noch viel«
andere für nötig halten, so sehen wir doch schon die von Herrn Jäger
versprochene Leistung als eine unmögliche an. Da nun aber die vos
ihm vorgeschlagene Wette schwer kontrollierbar ist, so schlagen wir
ihm eine leichter zu entscheidende vor- Wir wetten nämlich 100 Mtrk,
dass Herr Jäger selbst nicht im stände ist, eine Nummer der Taut
su übersetzen, ohne weniger als zehnmal das Lexikon aufzuschlagen. Die
Nummer der Times würde die am Tage der Entscheidung in Deutsch-
land eintreffende sein. Die Wette könnte in Köln oder an einem von
Herrn Jager zu bestimmenden Orte von einem Delegirten unseres Verein-
und einem von Herrn Jäger zu ernennenden Schiedsrichter entschieden
werden.
Hamburg, 81. Mai 1890.
Der Torein flu* das Stadium der neueren Sprachen in Hajabarg^Alteaa.
L A.: Prof. Rambeau, z. Z. Vorsitzender.
Verein für das Studium der neueren Sprachen
zu Hamburg -Altana.
Bericht über die Thätigkeit des Vereins von Ostern 1889 bis
Ostern 1890.
Es fanden 35 Sitzungen statt, von denen 11 auf Vortrage, Beferate
über wissenschaftliche Zeitschriften u. dgl. entfielen. Die übrigen Abende
waren im B.-S. 1889 der Lektüre von Cbaucer'a Canterbury Tales nach
der Auegabe von Skeat gewidmet, im W.-S. 1889/90 wurden die Chanson
i) 11 commet im leger barbarisme page 63: on ne dit pas per
en kaut, mais pur U kaut. — Oü se trouve laJocution „rien n'eet eacr£
pour tin pompter?" J'ai toujonrs entendu dire pour u» lapeur, ce qui
revient d eillenre au mfime, depuis la suppression des faronchee aapeure
et de leurs bonnets ä poil.
/Hineilen.
217
ilc Roland und Joinville. r Vie de saint Loiris", im Auszüge, herausge-
geben von Gaston Paris, gelesen und interpretiert. In den Hanpt-
sitzungen des S.-3. sprach 1) Prof. Fels rCber die Behandlung der fran-
zösischen Akademie in Dtiudet's Roman ,,L t/nmorlel" ; 2) referierte Prot.
Rambeau ilber eine Nummer der Zeitschrift r Romania" ; 3) sprach Prof.
Wendt „ Ober das englische VnUrhaus" (der Vortrag ist inzwischen in
den „Englischen Studien" erschienen; 4) referierte Dr. Carsten über ein
Heft der „Englischen Studien"; und 5) hielt Prof. Fels einen Vortrag
über Balövy's „L'Abbe Unnstantin". — In den Hanptsitauugen des W.-S.
sprach 1) Prof. Rambeau „Über die Versuche von G. Ptoetz und Kares,
die französischen Lehrbücher von K. Ptoetz den Grundsätzen der Reform-
methode anzupassen" ; 2) hielt derselbe einen Vortrag „ über die Sprache
des .echten' französischen Hnlniutstiedcs' : 3) sprach Dr. Kohn „Ober den
Selbstverlag deutscher Schriftsteller alter und neuer Zeit» ; 4) Dr. Barthe
„ Über das Genfer Schulwesen'' : 5) Dr. Hoffmaon „ Über die H'tddenser" ;
6) Prof. Fels über „Juiiin/Ie o/s Historiker und seine. Stellung in der
Litleratnr" ; 7) Prof. Rambeau über „Die Spruche .lomri/le's im Ver-
hältnis zu der ites .echten' lio/andsliedes" .
11er Verein lählte im verflossenen Jahre 42 Mitglieder. Der neu-
gewählte Vorstand besteht aus Prof. Rambeau (Vorsitzender), Dr. Scheiding
(st eil v ertretender Vorsitzender). Dr. Bwhettberg (Schriftführer!, Dr. Schnell
(Bücherwart), Prof. Wendt (Kassenwart). För die Lektüre im S.-S. 1890
Eiscb) sind gewählt kleinere Novellen von Truoba; dann Lope de
,./.d esclaea de sri galan* .
Die Versammlungen finden jeden Mittwoch Abend im Roataorant
in der Grindelatlee statt.
Wir machen darauf aufmerksam, das« die Romanischen
chungen, Organ für romanische Sprachen uud Mitt, /lotein, heraus-
gegeben von Professor Dr. Karl Vollmoller, in den Verlag von
Frita Junge (Erlangen) übergegangen sind. Um Professoren und
Studierenden die Ansebatfung derselben zu erleichtern, wurde der Preis
der bis jetzt vollständig erschienenen Hände wie folgt ermässigt:
Band I, : früherer Ladenpreis Mk. 15, jetzt Mk. 6; Band IL: früherer
Ladenpreis Mk. 20, jetzt Mk. 10; Band 111. ; früherer Ladenpreis Mk. 30,
jetzt Mk. 10. Alle drei Bände zusammen bezogen: jetzt Mk. 10.
Novitätenverzeichnis.
Catalogue mäthodique de la bibliotbhqne communale de 7a rille de
Corbeille, r&iige' avec introduction et notee, pai A. Dafour- ln-8*,
XLII— 462 p. Corbeil, lmp. Crete.
Dormestettr (A.). ßeliquee scientifiquea; par Araene Darmestetex. (Bfr
cueilliea par aon fröre.) Portrait par Charles Walter. 2 vol. Grand
iu-8*. T. 1« LXXVI— 310 p.; t. 2, 828 p. Paris, lib. Cerf.
Bormet, M., le latin de Gregoire de Tonn. Porig, Bachette * C". VI,
787 8. Roy. 8.
Bucheggtr, B., Über die Praefixe in den romanischen Sprachen. Heidel-
berger Dissertation. BDhl, 1890. 45 8. 8°.
CaptUer, G., Die wichtigsten aus dem Griechischen gebildeten Wörter
(mots savants) der franz. und engl. Sprache, zusammengestellt und
etymologiech erklärt. Teil II. Progr. Gumbinnen.
Colin. G. Die aus dem Neu französischen erkennbaren, im Vulgärlatein
und im vorlitterarisehen Französisch eingetretenen Wandlungen auf
dem Gebiet der lateinischen Nominalsuffixe. Berliner Dissertation. I.
Balle a. S., 1890. 44 S. 8". [Die vollständige Arbeit wird im Ver-
lage von Max Niemeyer in Halle erscheinen.]
Duval, Louis, L'enqnete philologique de 1812 dans lee arrondissementi
d'Alenfon et de Mortagne (vocabulaire, grammaire et phonetiqne).
Alencon, 1890. 89 S. 8°. [Eitrait du Bulletin de la Soclöte? phüo-
logique.]
Favre (£.). Notions ölementaires sur 1'hUtoire de la langue francaise,
par labbe- E. Favre, ln-18 Jesus, 55 p. Paris, imp. Kouasel.
k'esstlring. M. Die betonten Vokale im Altlothringischen. Dissertation.
Halle. 40 S. 8°.
Krafft- Bucaiile (M*1). Causeries sur la langue francaise. La Langue
francaise, le Gout, la Poesie champetre. ln-18 Jesus, 305 p. Paris,
Pemn & C".
Lämmern, II., Remarques sur les mots ftanf. derives de l'arabe. Beyrut,
Impr. catholique. LH, 314 S. 8°.
Instant, anc. prof. M.-A. Traite complet de la pronooeiation frftnojüst
dans la seconde moitid du XIX. aiecle. 3. eM., entieroment revue, et
complltee par le chef d 'Institution prof. Dr. Chr. Vogel, gr. 8,
(XXVIII, 502 S.) Balle, Gesenius.
Lienig, P. Die Grammatik der provenz&lischen Leys d'amors, verglichen
mit der Sprache der Troubadours. I. (Phonetik.) Diss. Breslau.
KSbner.
NowikUenverzekhnu, 219
Morlet et Richardot. Histoire retumee de 1a formation et des origines
de la langue francaise, destinee a Computer les notions donnees dans
1a Grammaire francaise (cours superieur); par Morlet et Richardot
In- 12, 36 p. Paria, Delagrave.
Schmieder, Adph. Le discours indirect dans Crestien de Troyes. gr. 4.
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Tänzer, A. Die Natur unserer Sprachlaute mit Berücksichtigung des
Franzosischen und Englischen. Progr. Zwickau. 41 S. 4°.
Venzke, P. Zur Lehre vom französischen Konjunktiv. Progr. Stargard.
35 S. 4°.
Vülatte, Prof. Dr. Cisaxre. Parisismen. Alphabetisch geordnete Samm-
lung der eigenartigsten Ausdrucksweisen des Pariser Argot. Ein
Suppl. zu allen franz. -deutschen Wörterbüchern. 3., durch einen
Anhang verm. Aufl. gr. 8. Berlin, Langenscheidt. (XVI, 326 S.)
geb. Mk. 5,60; Anh. allein (S. 309—326) Mk. 0,50.
Visina, J. Fransk Spr&klära. I. Ljud-och Skriflära. Lund. C. W. K.
Gleerups Förlag. 40 S. 8°. Preis: 50 öre.
Wohle, R. Die Syntax in den franco- italienischen Dichtungen des
Nicolas von Verona. Progr. Magdeburg. 33 S. 4°.
Waüle-Marial. Essai sur les strates de la langue francaise. 57 S. 8°.
Paris. Challamel aine*.
Becker, Ph. Aug. Über den Ursprung der romanischen Versmasse.
Habilitationsschrift, gr. 8. Strasburg i. E., Trübner. (IV, 54 S.)
Mk. 1,20.
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rythmes. Paris, 1889. E. Bouillon. 220 S. 8°.
Chanalt (E.). Cours de compoeition francaise. In-12. Paris, Delaplane.
334 p.
GUdai, L. Grammaire elementaire. (Livre du maitre, livre de 1'eleve.)
2 vol. In-12. Paris. Bouillon.
Enkel, H., Mähr, Th. u. Steinert, H. Lehrbuch der französischen Sprache
für Bürgerschulen. 1. T. ffr. 8. Dresden, Huhle. (IV, 113 S.)
Bmeusser, ET Selbstunterrichtsbriefe für die französische Sprache. 5. u.
6. Brief. Karlsruhe, J. Bielefelds Verl. gr. 8. (S. 65—96.)
Kunst, Die, der Polyqloiiie. Eine auf Erfahrung begründete Anleitung,
jede 8prache in kürzester Zeit und in Bezug auf Verständnis, Cou-
versation und Schriftsprache durch Selbstunterricht »oh anzueignen.
5., 25—27. Tl. 8. Wien, Hartleben, geb. 2 Mk.
Lehrbuch der französischen Sprache für Post- und Telegraphenbeamte.
Zum 8ehul- und Selbstunterricht Von Postofüc. Doc. Bud. v. Zülow.
(VIII, 247 S.)
Laparte, (E.) et Raguet, C. Cours supe*rieur de grammaire et de langue
francaise. Paris, Delaplane. In-12, 204 p.
Lindner, F. Erläuterungen zu Ploetz' französischer Schulgrammatik.
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Bahn. Lehrbuch der französischen 8prache für höhere Mädchenschulen
und verwandte Anstalten. 1. u. 2. Tl. Leipzig, Reisland. gr. 8°.
rb. Mk. 3. — 1. 4.f m. der 3. gleichl. Aufl. (VII, 216 S.) Mk. 1,60. —
8. Aufl. (VIII. 195 S.) Mk. 1,40.
Reuter, AI. Übungsstücke zur französischen Komposition, für mittlere
Klassen zusammengestellt. Schwab. Gmünd, Roth in Comm. 12.
(64 S.) Mk. 0.40.
220 NovildUnvernnehnis.
Rothenbucher , Adf. Französische Schul gram matik. 1. Tl.
der französischen Formenlehre mit zusammenhängendem fr
Text 2-, verb. Aufl. Cottbus, Differt. gr. 8°. (205 8.) Hk. 2,50.
Weil, A. Schwierige Übungsstücke tum Übersetzen ans dem Deutschen
ins Französische. NeuereQ französischen Autoren entnommen, über-
setzt und mit Präparationen für die Rück -Übersetzung versehen.
Schlüssel. 4. nnverand. Aufl. Berlin, Langen seh eidt. gr. 8°. (XI
78 u. XLI1I S.) geb. Mk. 2,50.
Wolfermann, Dav. Leitfaden für den ersten Unterricht in der fran-
zösischen Sprache für Mittelschulen, höhere Töchterschulen u. %. w,
Dresden, Kühtmann. 8". [VII, 64 S.) Mk. 0,20.
Zimmermann, Th, Französische Gespräche- Für den Schul- and Priiat-
gebrauch bearbeitet und mit einem Anhang für höhere M&dchen-
achnlen versehen. Berlin, Fronte. 16°. (112 S.) Mk. 1.
Baetqen, L. Schriftliche Arbeiten im neusprachlichen Unterricht Progr,
Eisen ach. 24 S. 8».
Hundt, IL, In welchem Umfange kann die Geschichte der franzöeinchen
Sprache auf dem Gymnasium behandelt werden. Programm. Dtim-
bnrg 1890.
Kemnitt, A. Zur Lehrweise des Französischen an lateinloasn Reallohn W.
Progr. Apolda. 12 S. 8».
Krüger, G. Der lautliche Unterricht im Französischen. Progr. Schwerin
16 8. 4°.
Larousse, P. Methode lericologique de lecture. 27' ed. Paris, Hollier.
Larousse et C". 48 S. 16°.
Lobedanz, E. Der Unterricht in Lektüre und Grammatik, besonders im
Französischen. Progr. Schwerin. 19 S. 4°.
Louvier, A. F. Das zweite Jahr französischen Unterrichts. Ein Beitrag
zum natiirgemasHen Erlernen fremder Sprachen. Hamburg, Grüuiig,
gr. 8°. (VII, 84 S.) Mk. 1,40.
Rauschenfels, Jhr. Methodik des französischen Sprachunterricht* in
Mittel- und Bürgerschulen. Leipzig, Brandstetter. gr. 8°. (IV, SB S.)
Mk. 1,35.
Roden, Alb. f.. Inwiefern mos» der Sprachunterricht umkehren? Eis
Versuch zur Verständigung über die Beform des neuspraohlichen
Unterrichts. Marburg i. H., Elwert. 8°. Mk. 1,60.
Sehnieppe, A'. Die Lehrbücher der französischen Sprache an den höheren
Unterrichtsanstalten, mit besonderer Berücksichtigung des Gymnasium!
Progr. Stettin. 18 S. n. 1 Tab. 4°.
Barriere, M. L'CEuvre de H. de Balzac Etüde litteraire et philosophigns
sur la Comeclie humaine. Paris, C. Levj. XXVDJ— 506 p. 9.
fr. 7,50.
Bonneviäe de Marsangy, (L.) — Madame de Beaumarchais, d'apres o
correspondance inÖdite; par Louis Bonnerille de Marsangy. Parii,
C- L«Svy. In-8», IV, 432 p. et portrait. fr. 7,50.
Brünettere, (F.) Nouvelles questions de critiques. Paris, C. Levy. In-18°
Jesus, 391 p. fr. 3,50. (Bibliotheque contemporaine.)
Doumic, R. La Question du Tartuffe, Conference faite au theatre de
l'Odeon, le 20 mars 1890. Paris. 16 S. 8°. (Extr du Correspondant)
Fahre, Paul. Le Polyptyque da chanoine Benoit. Etüde sur un mannscrit
de la bibliotheque de Cambrai. Lille, 1889. In-8°. (Travaui st
Memoire» des Facultas de Lille, No. 3.)
Novitätenverzeichnis. 221
France, A. La Vie litteVaire; par Anatole France. 2* slrie. Paris, C.
Le*vy. In-18° i&us, XUI— 378 S. fr. 3,50.
Gahier, (J.). Le Thäatre contemporain. Les Moralistes: Emile Augier;
par J. Gahier, avocat. Nantes, imprimerie Mellinet et Cie. In-8°, 40 p.
Guütemine, (C.) fitude aar le journalisme depuis son origine jusqua
Fe'poque actuelle; par C. Guillemine. Bdne (Algerie), Imprimerie
centrale. Jn.8°,t16 p. (Extrait de l'lndependant des 20, 23, 27 et
28 de*cembre 1S89.)
JulUard, E. Albert Richard, poete national snisse. fitude littäraire
(Sonderdr.), suivi de l'Odyssee de trois chapeaux, recit. Genf, H.
Stapelmohr. 56 S. 8°.
Knust, Hermann. Geschichte der Legenden der heil. Katharina von
Alexandrien und der heil. Maria Aegyptiaca, nebst unedirten Texten.
Halle, Niemeyer. IV, 346 S. #>.
Leon de Monge, ßtudes morales et littäraires. Epopees et romans
chevaleresques. II. Les romans de la Table Bonde. Roland farieux.
Amadis. Don Quichotte et don Juan. Paris, 1889. Palme. In- 12°,
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Grund neuerer Forschung. Mit 1 Kärtchen. Leipzig, 1890. Renger'sche
Buchhandlung.
Nagel, F. Die altfranzösische Übersetzung der Coonslatio Philosophiae
des 6o€thiu8 von Renaut von Louhans. Diss. Halle. 23 S. 8°.
Rdeologue, M. — Les Grands fScrivains francais. Vauvenargues; par
Maurice Paleologue. Paris, Hachette et C". fr. 2.
Puymaigre (de). Jeanne d'Arc au th&tre (1439 — 1890); par le comte
de Puymaigre. Paris, Savine. In-18° j&us, II — 119 p. fr. 2.
Rafna, Fio. Le Corti d'Amore, Milano, Hoepli, 1890, XX— 100 S. 12°.
Rudolph, K. Das Verhältnis der beiden Fassungen, in welchen die
Chanson Garin de Monglane überliefert ist, nebst einer Untersuchung
der Enfances Garin de Monglane. Diss. Marburg. 74 S. 8°.
Btbliotheque Feübräenne. (Euvres completes ou choisies des prineipaux
poetes en langue d'Oc (Anciens et Modernes). Avec traduetion
francaise. Illustrations d']£douard Marsal. Montpellier. Aux
Bureaux de l'ficlair 1890. Livr. 1 — 5. 10 Centimes la livraison.
Boileau. Art po&ique. Public* avec des notes p. E. Glruzez. Paris,
Hachette et Cto. 63 S. 16°.
Bucher, G. C. Un e*mule de Clement Marot. Les Poesies de Germain
Colin Bucher, Angevin. Publikes pour la'premiere fois, avec notice,
notes, tables et glossaire p. M. J. Denais. Paris, Techener. 336 S. 8°.
Carttdaire de l'abbaye de Notre-Dame de la Trappe, p. d'apres le ma-
nuscrit de la Bibliotheque nationale, par la Soctäte* historique et
archeologique de TOrne. Alencon. Grand in-8°, VII— 470 p. [Publi-
cation de la Soci^te* historique et archeelogique de 1'Orne.J
Chanson (la) de Roland. Traduetion et commentaire, grammaire et
glossaire par Le*on Gautier. 19° Edition, revue avec soin. Tours.
Fn-18°, LII—606 p.
Fetielon. Dialogues des morts; par Fänelon. Nouvelle eVlition, contenant
des notes historiques, mythologiques et litte>aires et precädöe d'une
introduetion par M. A. Caron. Paris, V* Belin et fils. In- 12°,
XVI— 320 p.
GaUens li restores, Schlussteil des Cheltenhamer Guerin de Monglane,
unter Beifügung sämtlicher Proeabearbeitungen zum ersten Mal ver-
äovitdtenverzeichnis.
[Ausgaben und Ab band langen LXXXIV.]
Hartmcourt, R- La Passion, myetere en deui chants et wo. portal
ParU, Charpentier et 0". 121 8. 18°. '
Hugo, V. (Euvies completes de Victor Hugo, Edition nationale. Romu
B. Fascioule n° 4 (ßug-Jargal; le Dernier Jour d'wn oundwnj^;
Claude Gueux). Petit in-4°, p. 313 a 408. Paris, Teetard.
(Euvree completes de Victor Hugo. Edition definitiv*, d'
manuscrite original: i. Poesie. Leg Ch&timents. Paria,
iprta 1
libnir
Heteel et C". In 18» Jesus, . r
Lamartine (J. de). Histoire des Öirondina. Edition oruee de magninqnai
illnatrations et de nombreux portraita. Livraiaona 1 a 54. In-V,
p. 1 a 482. Paris. Quantin. (10 cent la linaison.)
La Fontaine, J. de. (Envrea de J. de La Fontaine. Nouvelle ödition,
revue sur les plue andennes impresuons et lea autographes «t
ausmeatee de variantes, de noticea, de notes, d'uu lexique des mob
et looutioiis remarquables, de portraita, de facaimilea, etc. p. H. H.
Regnier. T. 6. Paris, Hachette et C". fr. 7,50.
La Fontaine. Fablee de La Fontaine. Suivie» de: Philemon et Baud»
Nouvelle editioo, avec des notes, des appreciatioru littärairea ett
Pet. in-18°. 468 p. Paris, Delagrave.
Musset, Ä. de. (Euvrea d* Alfred de Hustet. T. S. Comodies et Ph>
verbes. Paris, Lemerre. 465 S. 4°. fr. 25.
Moliere. (Euvres choisies de Moliere, ülustrees de 22 Vignette« par E.
Hillemacher. T. 1". Notioe sur Moliere; les Precieusea ridiculesj
le Misantbrope; le Medecin malgrö lui; l'Avare. Paria. lib. Hacbstte
etC. In-180 jeana, 381 S, fr. 2,25.
Pascal. Pensees de Pascal, publice« dane leur texte authenriqoe mbc
an commentaire suivi ; p. Erneat Havet. Nouvelle Edition. Pari»,
Delagrave. LI— 625 S. 12°. [Classtqoes francaiaj
Pottier, F. Les Charte» de coutumee de Tarn et Garonne. Gr. in-8*,
29 p. [Extrait du Bulletin de la SocieW arcbeologique de Tarn et
Garonne.]
rniissy, B. (Envrea choisies. Vojages d'AmbToise Pari. Paris, Debv
grave. 12°. fr. 1.
Racine. J. Esther, tragedie; par J. Racine. Edition clasaique, accompagmfc
de notes et remarques litWraires, grammaticalee et histnriquss par
T. Trouillet. Paris, Delalain freres. In-12° «0 p. fr. 0,50.
— Athalie, tragedie, par J. Racine. Nouvelle 6dition, avec des notei
historiques, grammaticales et litterairee, precedee d'appreaatioiu
litWraires et analjtiquea emprunteee aux meiUeuHi critiquei par M.
Gidel. Paris, V* Belin et 61b. In-12°, 95 p.
fiteste* inedits du XVIII* siecle. Familie de Vauthelerat Po Wie» avec
preface et notes par Gaston Bernos. Paria, Lemerre. 47 S. 18°.
Regnier, M. (Euvres completes. Accompagneee d'une notioe biograph. etc.
par E. Coorbet. Paris, A. Lemerre.
Robespierre. Quelques poesies de Robespierre; par J. Bernard. Pari*,
Maurice. In- 12°, 69 p. fr. 1.
Rtmdeaux et autres poesies du XV* siecle, publiae d'aprea le manuscrit
de la Itibliotheque nationale, par Gaston Beynaud. Paris, Firmin
Didot et (f. LXV— 185 S. 8°.
Rousseau, J. B. Ödes, Cantatee, EpigTammea. Avec etode aar la via st
l'teuvre de J. B. Rousseau par Charles Simond. Angers, Gantier.
In-8°, 32 p. [In : Nouvelle bibliotbbqne populaira a 10 cent. Abonne-
ment annuel aux 52 volumes pubüe» bebdosaadai rssn »t: fr. 7.]
Navitatenverzeichnis. 223
Vamhagen, Hermann. Un samedi par nuit. Die älteste altfranztisische
Bearbeitung des Streites zwischen Körper and Seele. Erlangen,
1890. Deichert. 84 8. 8°.
Voüure. Lettres, Rondeaux, Sonnets, Ballades et Poeeies diverses par
Voiture. Avec e'tude sur la vie et les oeuvres de Voiture par Ch.
Simond. Paris, Gautier. 32 S. 8°. [Nouvelle bibliotheque populaire
a 10 cent. Abqnnement annuel aux 52 volumes publiäs hebdoma-
dairement: 7 fr.]
Voltaire. (Euvres completes de Voltaire. T. 28. 38 et 34. 8 vol. In-18°
Jesus. Paris, Hache tte & Cie. Chaque volume fr. 1, 25.
— Extraits de prose, de Voltaire. Melanges d'histoire, de philosophie
et de litterature, par Louis Tarsot et Albert Wissemans. Paris,
Delalain freres. In-12°, XVI— 884 S. fr. 2,50.
BibHothegve francaise a l'usage des e'colee. Nr. 24. 8°. Berlin, Fried-
berg & Mode. geb. Mk. 1,20; Wörterbuch dazu (15 8.) Mk. 0,20. —
Inhalt: Histoire de la civilüation en Europe, depuis la chute de
l'empire romain jusqu*a la revolution francaise par Guizot. Aus-
gewählte Abschnitte, mit Anmerkungen zum Schulgebrauch heraus-
gegeben von Gymn.-Oberl. Dr. K. Mayer. (VII, 189 S.)
— francaise a l'usage de la jeunesse avec notes allemandes et question-
naires. 15. Bd. 18°. Dresden, Küthmann. Mk. 0,60. — Inhalt:
Nouvelles histoires a l'usage de la jeunesse. Avec notes allemandes
et questionnaires par ancienne maltresse Mme A. Bree. 3. Aufl. (109 S.)
Bibliothek gediegener und interessanter französischer Werke. Zum Ge-
brauche höherer Bildungsanstalten ausgewählt und mit den Bio-
graphien der betreffenden Klassiker ausgestattet von Prof. Schulr.
Dr. Ani Goebel. Wörterbuch zum 26. u. 27. Bd. 16°. Münster,
Theissing. ä Mk. 0,30. — Inhalt: 26. Wörterbuch zu Rollin,
histoire d* Alexandre le Grand, v. Oberl. Dr. A. Klipstein (64 S.) —
27. Wörterbuch zu Paganel, histoire de Frgderic le Grand v. Oberl.
Dr. A. Klipstein. (80 8.)
Burtin, E. Premiers exercices de lecture et de recitation. 2. eM. 8°.
Berlin, Plahn. (VIII, 128 8.) Mk. 1,25.
Draeger, Mme Catherine, nee Sifrol [de Morges], räpertoire dramatique
des ecoles et des pensionats de demoiselles. 4. &L, revue et corrigee.
12°. Berlin, Langenscheidt. (II, 158 S.) Mk. 2.
Ebener, Gfr. Französisches Lesebuch für Schulen und Erziehungsanstalten.
In 3 Stufen. Neu bearb. von Dr. Adf. Meyer. 1. u. 3. Stufe, gr. 8°.
Hannover, C. Mever. geb. Mk. 4,95.
Erfurth, P. u. Walther, M. Französische Gedichte. Zum Gebrauch in
Schulen stufenweise geordnet. Potsdam, P. Dienemann. VIII, 1 1 1 S. 8°.
Hartmann, Mart. Schulausgaben französischer Schriftsteller. Nr. 7. 8°.
Leipzig, Seemann. Mk. 1. — Inhalt: Moliere, le bourgeois gentil-
homme. Mit Einleitung und Anmerkungen herausgegeben von Dr.
C. Humbert. (XX, 90 u. Anmerkungen. 39 S.)
Trosateurs francais. 77. u. 78. Lfg. 12°. Bielefeld, Velhagen & Klasing.
Mk. 1,25. — Inhalt: 77. Lettres persanes par Montesquieu. Im Aus-
zuge mit Anmerkungan zum Schulgebrauch hrgg. v. Gymn.-Oberl.
Otto Josupeit. (VIII, 119 S.) — 75. — 78. Thörese, ou la petite
soeur de charite' par A.-E. de Saintes. Im Auszuge mit Anmerkungen
zum Schulgebrauch hrsgg. von B. Klatt. (IV, 103 S.)
Sammlung französischer und englischer Textausgaben zum Schulgebrauch.
3., 4. u. 6. Bd. 8°. Leipzig, Renger. Mk. 1,70. — Inhalt: 3. Christ
Colomb v. A. de Lamartine. 1790—1869. (80 S.) — 4. Guillaume
224 NovüaieHVfrxachmt.
Teil ¥. J. P. C. de Florian. 1755-1794. (64 S.) — 6. Pierre te
Grand t. Voltaire. 1694-1778. (76 8.)
Schulze, G. H. L'avant coureur. Erstes französisches Lesebuch für die
deutsche Jugend. 2. verb. Aufl. 8°. Leipzig, Teubner. Mit. 1,10.
(VI, 104 &)
Scftrvob, Jos. Chrestomathie francaiae on livre de lecture, de tradncttoo.
et de recitation & l'usage des ecoles allemandee. 5. e"d., ime,
corrigee et augmentee par Prof. Th. Droc Avec un vocabnlaire
i'rancais-ai lern and & la fin du volume. 8°. Zürich, Meyer t Zeller.
Hk. 2,40. (VIII, 303 S.)
Ulieälre rrancais. Ausg. A. mit Anmerkungen unter dem Text, Ausg. B.
Text und Anmerkungen getrennt. 1. Folge 7. Lfg., 10. Folge 1. n.
7. Lfg., 13. Folge 2. Lfg., 14. Folge 5. Lfg. u. 15. Folge 4. Lfg. 19.
Bielefeld, Velhagen & Elaeing. Hk. 3,65. — Inhalt: 1. 7. L'svtm
Comädie en 5 actes. Par Molifere. Hit Anmerkungen zum Schal.
gebrauch bregg. v. Dr. Ernst Friese. Ausg. B. (107 o. 40 8.) 1887.
— 60. — X. 2. Le Cid. Tragödie en 5 actes et en vera par Corneille.
Hit Anmerkungen zum Schulgebranch hrsgg. v. A. Benecke. Ausg. B.
(106 u. 31 8.) — 60. — 7. Le bourgeois gen til nomine, comÄdie-ballet
(1670) par Hotibre. Hit Anmerkungen zum Schul gebrauch hrsgg.
t. Prof. Wilh. Scheffler. Ausg. A. (188 S.) — 75. — XIII. 2. Horste,
trag6)ie en 5 acte« par P. Corneille. Hit Anmerkungen nun Schul-
gebrauch herausgeg. v. Dr. Stern. Ausg. A. (XLIV, 106 S.) - 6D.
— XIV. 5. Iphigenie, traggdie en 5 actes par Racine. Hit An-
merkungen zum Schulgebrauch hrsgg. r. Dr. D. Rohde. Ausg. L
(100 u. XX S.) 1888. - 60. — XV. 4. La joie fait penr, par M-
Emile de Girardin. Mit Anmerkungen zum Schulgetu-aoch hmgg,
t. Dr. S. Waetzoldt (62 S.)
Bertkavd (L. L.). Poeme* nationaux; par Leon-L. Berthand. Pirii,
StTHUss. Grand in-16°, 127 p. fr. 3.
Blum (E.) et R. Toehe. Paris flu de siecle, piece en cinq acte«: per
Erneet Blum et Seoul Touche. Paris, C. LeVy. In-18" jesas, 197S. fr.!.
Bressel, E. Cri du coeur! Sonnet« et Poesie« diverses (1885— 1889); psr
E. Bressel. Secam, imprimerie Charaire et fila. In-18° Jesus, 810 p.
Buzy, J. B. Les Derniers Chanta du foyer; par J. B. Buzy. Cbalow-
sur-Marne, impr. Martin freres. In-18°, 340 p. fr. 3,50.
Daudet, A. Numa Rounieatan, piece en cinq actes et six tableanx. Psri*,
Lemerre. 177 8. 8°.
Dierx (L.). Poesiea completes de Leon Dien. Edition corrigee et
Augmente«. T. 2: les Parole« du vainco; la Bencontre; les Aman»,
Paris, Lemerre. In- 18° jeeua, 213 p fr. 3. (Poetee coutemporaini.)
FemUet. 0. Honneur d'artiale. Paria, C. Lery. 371 8. 18«.
GOU, P. Camille; com&lie eu un acte. Paria, C. IAvj. 51 8. 18*.
La Grasserie (R. de), Jeanne d'Arc, poeme; par Baonl de Gnuserie.
Paris. Lemerre. Petit in-8* 47 p.
Rosny (J. II). Le Termite, roman de meeura litteraires; par J. H. fietnj.
In 18° Jesus, 318 p. Evrenx, impr. Herissey. Paris, Üb. Saline.
Zola, E. The Soil (La Terre), a realistic novel; by Emile Zola. In- 18"
Jesus, 472 p. et lgrav. par H. Gray. Paris, HarponetFlammarion. fr.a.
Referate und Rezensionen.
Fron, Maurice, Manuel de paliographie latine et francaise du
VIe au XVHe stiele suivi (Tun dictionnaire des abr6-
viations avec 23 facsimil6s en phototypie. Paris, 1890.
Alphonse Picard, 387 8. 8°. 8 free.
Es war ein glücklicher Griff von Prou, den Vorteil, den
die illustrierten Lehrbücher gewähren, auch dem Studium der
Palaeographie zu gute kommen zu lassen. Obwohl es jetzt gute
Faksimile in grosser Zahl gibt, sind diese und selbst die für
Lehrzwecke gemachten Zusammenstellungen nicht überall und
nicht immer in den Händen der Lernenden: die 23 wohlgelun-
genen Faksimile (Phototypie) im Texte bei Prou werden eine
richtige Vorstellung vom Schriftbilde und sein treues Festbalten
im Gedächtnisse sehr erleichtern.
Der Inhalt gruppiert sich in folgender Weise. Nach knapper
Einleitung (1 — 14), in der auch die Litteratur verzeichnet ist,
behandelt Kapitel I (15 — 44) die vorkarolingische Periode: von
der Kapitalschrift bis herab zur merowingischen und den soge-
nannten Nationalschriften. In Kapitel II (45—74) werden die
Regeln der Abkürzungen entwickelt. Das dritte Kapitel (75—88)
ist der karolingischen Reform (IX.— X. Jahrhundert), das vierte
(89 — 148) der nachkarolingischen Periode (XL— XV11. Jahrhundert)
gewidmet; dabei sind Handschriften und Urkunden für jedes Jahr-
hundert getrennt behandelt. Kapitel V (149 — 162) gibt Auskunft
über Interpunktion, Korrekturen, Accente und musikalische Noten.
In Kapitel VI (163 — 182) wird über Schreibmaterial gesprochen.
Sodann sind S. 183 — 187 Benennungen von Handschriften wie
antiphonaire , cavtulaire, graduel etc. erklärt. Endlich folgt ein
dictionnaire des abreviations latines (193 — 352) und jrancaises
(353 — 382), alphabetisch angelegt.
Die Anordnung des Stoffes ist im ganzen übersichtlich,
aber im einzelnen lässt sich manches bessern. Durch Kapitel II
Ztchr. f. Ixt. Spr. u. Litt. XII*. jg
220 Heftrate und Rezensionen. G. Gundermann,
(abrioiation*) wird die Darstellung, wie eich die Schrift ent-
wickclt, in störender Weise unterbrochen. Der S. 45 angefahrte
Grand für diese Disposition ist nicht hinreichend: auch Über
Interpunktion, Accente etc. inass man sich ans Kapitel V ftlr die
Faksimile in Kapitel III und IV Rata erholen, also konnten die
Kürzungen mit demselben Rechte hinter Kapitel IV gestellt
werden. Am wenigsten begreift man, warum die notes tironiauu*
am Schlüsse dieses Kapitels II behandelt werden, wahrend sie doch
ftlr einen Teil der vorher angeführten Kürzungen die Urundlage
bilden. Daes die Schrift der Urkunden immer in Parallele mit
der BUch orschrift gesetzt wird, ist lobenswert. Wenn aber dabei
eine Auseinandersetzung Über Datierung und Chirographs oder
Kerbbriefe (S. 107. 110: XW tOdt), oder ober deD Jahres-
anfang fS. 121: XJII' siicJt) notwendig wird, so müssen solche
Kragen in einem besonderen Kapitel zusammenhängend behandelt
werden. Es verursacht dem Benutzer doch unnötigen Zeitauf-
wand, solche Angaben in späteren Fällen aifa allen Ecken wieder
zusammen zu suchen.
über das Mass des gebotenen Stoffes Iäast sich natürlich
verschieden urteilen. Das alphabetische Verzeichnis der latei-
nischen und französischen Abkürzungen nimmt beinahe die Hälfte
des Buches ein. Wohl schlägt es das bekannte Verzeichnis von
Chassant aus dem Felde: die Transskription durch Antiqua und
Kursire ist praktischer, selbstverständliches ist weggelassen, da-
für mehr ungewöhnliches aufgenommen, so dasa bei gleichem
äusseren Umfange Fron mehr bietet als Chasaant. Allein der
Nutzen eines solchen Verzeichnisses scheint mir überhaupt frag-
lich. Denn in schwierigen Fällen wird man doch an Walthcr's
lexicon diplomaticvm seine Zuflucht nehmen, noch öfter auf eigene
Kraft sich verlassen müssen: durch Beobachtung der allgemeinen
Regeln wie des jeweiligen Schreiberbrauches wird man immer
die richtige Lösung finden. Es durfte sieh empfehlen, das
II. Kapitel, Aber die Regeln der Abkürzungen, weiter anazi-
ftthren und mit charakteristischen Beispielen, auch aas französi-
schen Texten, reicher auszustatten: dann wird nach einem gründ-
lichen Durcharbeiten dieses Kapitels jene Eselsbrneke BberMssig.
Verwechselungen ähnlicher Abkürzungen, sowie ähnlicher Buch-
stabe nforaen .:— *. :— r' seitens alter Abschreiber könnte» noch
mehr angeführt werden zu Nutz und Fromme» der Leser alter
Teste. Frvn hat französische Leser ror Angen und besehriakt
sich in der Hauptsache anf das in Frankreich inlilinili m and
dort n.K-h vorhandene Material; sonderbarer Weite findet sieh
aber bei ihm nirgends ein Wort über die GenchJkhnc des j
{Cedille =- dnain. T*n «et*'. S. 1S2 wird der Arcen« anf 9
M. Prot*. Manuel de pale'ographic latine et francaise etc. 227
exclamatif unter den signes de corrections erwähnt statt im fol-
genden § Über accents; and hier masste der so häufige Accent
auf einsilbigen Wörtern (h(s, 6s), besonders den mit ihren Kasus
verbundenen Präpositionen (ddeo = a deo, nicht adeo) mit an-
geführt werden. Ein besonderer Abschnitt Über die mannig-
faltigen Verzierungen der Handschriften durfte nicht fehlen; die
Ornamentik ist ein gar wichtiger Faktor, um Alter und Herkunft
einer Handschrift genauer zu bestimmen. Eudlich würden man-
chem Benutzer des Buches praktische Ratschläge willkommen sein,
wie man am besten alte Texte abschreibt oder vergleicht (vgl.
Gardthausen, Griechische Palaeographie, S. 440J. Dabei könnten
solche Beobachtungen, wie die von F. Kluge (vgl. Kluge, Ge-
schichte der engl. Sprache in Paul' 8 Grundriss der german. Philo-
logie I, 844, 846 und Napier, Academy 1890, Febr. 22 S. 133,
March 15 3. 188), dass in ags. Texten von saec. XI an das
ags. (vor e, i) und fränkische (vor a, o, u) Zeichen für g nicht
nach Schreiberlaune gebraucht werden, sondern lautliche Unter-
schiede ausdrucken (die Herausgeber haben bei der Trans-
skription den Unterschied nicht beachtet), in diesem Zusammen-
hange erwähnt, zu weiteren Beobachtungen ähnlicher Art anregen.
Die Darstellung des gebotenen Stoffes ist richtig und ge-
schickt. Prou hätte sich aber ersparen sollen, den Zweifel (S. 24)
an der Echtheit der siebenbürgischen Wachstafeln wieder aufzu-
frischen: sie sind ganz sicher antik. Zu S. 66 sei bemerkt,
dass das einem ff ähnliche Zeichen in den Digesten, nach
Savigny aus durchstrichenem D entstanden, nichts weiter zu sein
scheint, als durchstrichenes N (Nota). Ungeheuerlich ist die
Herleitung (S. 153) des in merowingischen Handschriften so
häufigen Zeichens für 6 aus der Verbindung von V mit I: was
will man gegen Wattenbach's (Anleitung zur lat. Pal.4 8. 98;
Anl. zur griech. Pal.2 S. 8) Herleitung aus dem griechischen
ernstlich einwenden?
Das Buch ist fast verschwenderisch ausgestattet; im dic-
tionnaire des abreviations wirkt der viele leere Raum sogar oft
unschön. Eine neue Auflage, nach dieser Seite hin vereinfacht,
an Inhalt vertieft und bereichert, wird ein gutes Hilfsmittel
werden. Doch auch jetzt schon ist das Buch recht brauchbar:
ich verweise nur auf die lehrreiche Analyse des Faksimile S. 29 ff.
. Es bringt nichts wesentlich neues und erreicht nicht Wattenbach's
Arbeiten auf diesem Gebiete; aber es hat doch, namentlich für
den Anfänger, manche Vorzüge.
Gotthold Gundermann.
16*
228 Rtfurate und Rezensionen. H. P. Junker,
Birch-Hirachfeld, Adolf. Qeachichtt der französischen Literatur
seit Anfang des XVI. Jahrhunderts. I. Bd. Das Zeit-
alter der Renaissance. Stattgart, 1889. J. Ö. Cotta'sche
B. N. 392 S. Anmerkungen 50 8. 8°. Preis: 6,75 Mk.
Von welchem Standpunkte aus daa vorliegende Werk zu
beurteilen ist, läsat sich bei dem Mangel eines Vorworts nur so
im allgemeinen aus dem Titel schliessen. Und doch scheint es
mir die erste Bedingung einer gerechten Kritik zu sein, dem ia
beurteilenden Werke gegenüber den richtigen Standpunkt einzu-
nehmen. So natürlich diese Forderung ist, so schwer erfüllbar
muss sie sein, da selbst bei Angabe des Standpunktes seitens
des Autors oft genug der Palast mit der bürgerlichen Elle und
das Bürgerhaus mit dem MasBstabe des Palastes gemessen wird;
um so schwerer erfüllbar, wenn jede orientierende Bemerkung
fehlt. Daher hat der Verfasser vorliegenden Werkes mich für
entschuldigt zu halten, wenn mein -Standpunkt bei der Beurteilung
nicht der richtige ist. Um es gleich zu sagen, ich betrachte
sein Werk als einen Palastbau, dessen Fundament durch den ersten
Band gelegt ist. Die Fortführung der Geschichte der französischen
Litteratur aber vom 16. Jahrhundert bis auf unsere Zeit wird
gewisslich weitere 15 — 20 Bände und somit vieljährige Arbeit
erfordern. Mir scheint, Birch-Hirschfeld hat sich eine zu umfassende
Aufgabe gestellt. Die Geschichte der französischen lAtteratur im
11. Jahrhundert liegt uns in dem treffliehen Werke des allzu
früh verstorbenen F. Lotheissen (Wien, 1877—84, 4 Bde.) bereits
vor. Wie dankbar wlirden wir sein, wenn zunächst die Geschichte
der Litteratur des 1 6. Jahrhunderts uns in ähnlich anziehender
und wissenschaftlicher Weise dargestellt würde! Dans Birch-
Hirschfeld der Mann dazu ist, scheint mir nach Durchsicht des
vorliegenden Bandes nicht zweifelhaft. Wenn ihm nach Lösung
der Aufgabe dann noch Zeit und Lust zu weiterer Arbeit bleibt,
so möchte ich wünschen, dass er die Litteratur den 18. Jahr-
hunderts in ähnlicher Weise darzustellen unternähme.
Der vorliegende Band, der sich als „erstes Buch" des Ab-
schnittes Zeitalter der Renaissance ausgiebt, umfaest in sechs
Kapiteln „daa Zeitalter Ludwigs XII. und Franz I." (1. Kapitel,
Humanismus und Reformation — 2. die dramatische Dichtung —
3. die „rhetorische" Schule — 4. Clement Maral und seine Schule —
5. T/yon und der Hof Margaretens — 6. Roman und Novelle.)
Bei dieser weiten Anlage des Werkes wäre als Einleitung eine
zusammenhängende, wenn auch kurz gefasste Darstellung der
Kultur- und Litteratur Verhältnisse des ausgehenden Hittelalten,
als deren Gegensatz die Renaissance entstand, sehr wBnschens-
A. Birch- Hirsch feld, Geschichte der französischen IAtteratur etc. 229
wert gewesen. So aber sind die nötigsten Bemerkungen einzeln
über das ganze Buch zerstreut, besonders Kapitel 2 und 3
schauen vielfach zurück, so dass ein einheitliches Bild der
alten und Gegenbild der neuen Zeit nicht recht zustande
kommt. Auf S. 87, 155, 170 macht sich der Mangel dieses ein-
leitenden Kapitels recht bemerkbar. Auch bezüglich der sonstigen
Anordnung des Stoffes hätte ich einen Wunsch: den Verfasser
zu fragen, ob nicht eine einheitlichere Darstellung hervor-
ragender litterarischer Persönlichkeiten manches für sich habe.
So ist beispielsweise die Bedeutung der Königin Margarete von
Navarra in Kapitel 5 des Nähern gewürdigt, ihr ffeptameron aber
erst 100 Seiten später behandelt, ohne dass dafür ein anderer
Grund als die strikte Einhaltung der Kapitelüberschrift Roman
und Novelle ersichtlich wäre. Auch in der sehr ausreichenden
Schilderung Marot's hätte ich eine straffere Zusammenfassung des
zusammengehörigen Stoffes gewünscht; sein Protestantismus ist
an drei, vier Stellen behandelt, das Gedicht VEnfer an zwei.
Doch können diese Ausstellungen prinzipieller Natur die hohe
Bedeutung und den Wert des vorliegenden Bandes nicht im ge-
ringsten schmälern. Eine solch umfassende, die Resultate der
Einzelforschung glücklich verwertende, auf der Höhe der Wissen-
schaft stehende Darstellung der Ausklänge des Mittelalters und der
Anfänge der Renaissance in der französischen Litteratur des
16. Jahrhunderts gab es bislang nicht. Dazu kommt der Vor-
zug der gewandten Sprache, welche durch ihr schönes Ebenmass
und ihre lebendige Anschaulichkeit die Lektüre des Buches recht
genussreich gestaltet
Im einzelnen möchte ich Folgendes bemerken:
S. 41. Das erste stehende Theater der Confrerie de Ja
Passion befand sich in dem Dorfe Saint- Maur des- Fossfa.bei Paris;
1402 wurde es nach Paris in das Höpital de la Triniti verlegt.
S. 45. Die EnfanU-sans-souci scheinen mir etwas zu kurz
behandelt zu sein.
S. 61. Zeile 19 v. o. ist wohl 1533 statt 1516, letzte
Zeile v. u. 18. Jahrhundert statt des 17. zu setzen.
S. 63. Im Januar 1502 wurde in Metz schon ein lateini-
sches klassisches Stück aufgeführt.
S. 89. Beiges im Hennegau, woher der Dichter Le Maire
stammte, heisst heute Bavai.
S. 95. Das relativ bedeutende Mysterium Gringore's Saint
Louis ist weder auf S. 52 ff., wo von des Dichters dramatischer
Thätigkeit, noch auf S. 94 ff., wo von der politischen Seite seiner
Dichtung die Rede ist, näher besprochen.
230 Referate trnd Rezensionen. E. Ritter,
S. 190. Die das Kapitel Roman und Novelie einleitenden
Bemerkungen dttrften manchen Widerspruch finden. Die Anfänge
des Roman es sind nach meiner Ansicht nicht in Prankreich m
suchen — ich erinnere an Xenophon's Kyropädie — sondern er-
geben sich bei jedem Volke ohne weiteres ans seiner Epik.
Wie das Wort „Roman" von der Bedeutung „Übersetzung
ins Romanische4") durch die verschiedenen Bedeutungen „Werk
in romanischer Sprache", „Erzählung in romanischer Sprache"
— „ErzShlnng" zu dem heutigen Sinne „Roman" sich entwickelte,
ist von P. Voelker in seiner Abhandlung Die Bedeutungtent-
Wickelung des Wortes Roman ('/Mehr. f. rom. Phü. X, 485 ff.) in
trefflicher Weise dargelegt.
S. 214, Zeile 11 v. u. Druckfehler „dem" statt „das".
S. 215. Diese Anschauung Aber mönchische Sitten und
Umgangsformen wird nicht jeder teilen können, zumal sie im Prä
sens auftritt. Eine mildere Beurteilung wäre erwünscht gewesen.
S. 221. Heisst der Mediziner nicht Giovanni Hanardi?
S. 223. Zeile 10 v. o. Druckfehler 117 statt 107. —
In der Biographie Rabelais', welche auf S. 212 beginnt, sind
die dunklen Punkte und zweifelhaften Daten nicht als solche be-
zeichnet, was bei dem Umfange der Abhandlung (70 S.) recht
wohl möglich gewesen wäre, sondern der Verfasser entscheidet
sich ftlr die eine oder andere Annahme, ohne entgegenstehende
Meinungen zu erwähnen. Daes Rabelaie das Volksbuch Gargantua
ediert habe oder doch der Veröffentlichung nicht fern stehe —
dass die rühmende Erwähnung des Gargantua in der Vorrede zu
Pantagruel sich auf dieses Volksbuch beziehe — dass Rabelais'
Gargantua nach Pantagruel erschienen sei, etc., sind derartige
fragliche Punkte.
S. 225. Der Kardinal Du Bellay handelte im Auftrage des
französischen Königs, was erwähnt werden konnte.
S. 241. Im FrUhjahr 1536 kehrt Rabelais höchst wahr
scheinlich nach Paris, nicht nach Lyon, zurück; im Sommer war
Übrigens Franz I. bei seinem Heere in der Provence, um Karl V.
entgegen zu treten, und nicht in Lyon.
S. 243. Rabelais war bis Anfang 1538 zn Montpellier.
H. P. Junker.
') Bis in» 14. Jahrhundert hinein wurde das Französische alt
roman bezeichnet; von da ab nahm die Bezeichnung francais mehr
und mehr überhand.
J. Be'dittr, Le Ud de Vombre par Jehan Renart etc. 231
B4dier, Joseph, professeur k l'Universitö de Fribourg en Suisse,
Le lai de Vombre par Jehan Renart, poeme du XIII6
siecle. Fribourg, 1890, 59 pages in 4°. (Extrait de
l'lndex lectionum quae in Univ. Frib. per menses aestivos
anno M.DCCCXC habebuntur).
La publication des textet de l'ancienne Htterature frangaise
a commence* dans les premieres ann6es du regne de Louis XV,
et se continue depuis plus de cent cinquante ans. II est arrivö
quelquefois que les meines textes ont ete mis au jour ä plus
d'une reprise: ainsi les Fabliaux, le Roman de la Rose, qui ont
6t6 publica par Lenglet du Fresnoy et Barbazan, dans le siecle
dernier, et par M6on au commencement de celui-ci. Mais jusqu'ä
notre temps, c'ätaient des considärations de librairie qui jouaient
dans ce cas le role prineipal: l'ädition ancienne 6tait 6puis6e,
et l'ouvrage 6tait demandä par le public. L'amälioration que
le nouvel öditeur pouvait apporter au texte, 6tait chose accessoire.
Depuis vingt ans, les considerations philologiques ont pris
le des8U8; et, en meme temps qu'on procede avec beaueoup
plus d'ardeur, avec un v6ritable esprit de suite, a l'exhumation
des textes inedits de la littärature frangaise du moyen äge, on
s'est applique* ä donner des äditions notablement am61ior6es d'un
certain nombre d'ouvrages importants, dejä publiäs: le Pälerinage
de Gharlemagne, le Couronnement de Louis, Raoul de Cambray,
l'histoire de saint Louis par le sire de Joinville, — les Fabliaux,
dont MM de Montaiglon et Oaston Raynaud viennent de tennin er
la nouvelle edition, commencee en 18721
M. Bedier, — qui s'est fait connaitre au grand public par
un intörressant article sur Adam de la Halle, dans la Revue
des deux mondes, — vient de faire une publication de ce genre,
en rßeditant le Lai de Vombre que M. Francisque Michel,
en 1836, et M. Jubina], dix ans apres, avaient de* ja, publik, il
a travaillß avec une meilleure melhode et plus soigneusement que
ses prödäcesseurs, et son Edition est k peu pres definitive. Le
Lai de Vombre est un poeme d'un millier de vers octosyllabiques;
il nous a 6t6 conservö par six mannscrits, qui appartiennent tous
a la Bibliotbeque nationale de Paris. L'auteur s'est nomme a la
fin de son ceuvre: Jean Renart; il est completement inconnu
d'ailleurs. L'elude des rimes a amene M. B6dier k penser qu'il
6tait originaire des provinces orientales, et qu'il a voulu äcrire
son poeme dans le dialecte de l'Ile de France. Une allusion
aux Chevaliers „pris as Turs et menes el Chaaireu a permis
k M. Bädier de fixer la composition de ce petit ouvrage k une
date postörienre a la deTaite essuyäe en 1239, pres de Gaza, par
232 Referate und Rezensionen. E. Weber,
ies comtes de Bar et de Montfort: A la suite de ce dcsaatre, de
nombreui prisonniera furent emmenes an Caire; et dix um
apres cm voyait encore pendues, autour des muraillea da Caire,
des tetes de chretiens que saint Louis fit de lach er et mettre
en terre benite.
Le Lai de VOmbre se laisse analyser rapi dement. Un Che-
valier rend visite ä udc dame, au chätcau de laqnelle il arrivc
dans le costume elegant de l'epoqne:
Li sire avoil devant son pis
Tome' son manlel en chmlel.
Et sorcot dhermine Irop bei
De soie en graine et iescureus, . . .
Et ckemise ridee et blanche.
Et chapel de fleurs et de venche.
La dame n'etait pas moius paree:
Vn chainse blanc et delie
Ol vestu la pretts, la cortoise,
Qui trainoit plus d"vne toise
Aprts li, sor les Jons menus . . .
EU prent par la matn, riani,
Le seignttr, sei maine seoir.
La conversatioo s'engage entre eux: c'est du marivaudage,
cinq cents ans avant Harivaux. A la fin, le Chevalier „trait de
son doit son anel, ai li mist el sien". La dame etait alors ei
plongee dans ses redexions qu'elle ne s'apercut de rien; mais
qiiand le chevalier est parti,
Alant envoie vers ses mmns
Vn regart, si ehoisi C artet.
Elle envoie en toute häte cbercher le chevalier qui avait
quitte le chätcau et deja fait ime lieue de chemin; il revient,
leur entretien recommence, et la dame forte le chevalier a re-
prendre l'anneau. C'est au bord d'un puits qu'ils causaient en
ce moment, et le visage de la dame se renecbissait dans l'eaa:
ä cette image, ä cette „oinbre"1) le chevalier jette l'anneau que
la dame n'avait pas vonlu accepter de lui:
Tenet, fait-ü, ma douce amie:
Puisque ma dame n'en neut mie,
Vos le prendres bien sans mesle'e.
Devant c et acte d'un galant desespoir, etd'unamourpassionne
qui e'etend jusqu'ä son image, nla rien que j'aim plns apres
vos", lui dit le chevalier, la dame sent son coeur se fondre, eile
s'avoue vaincue, et cede tout:
Des besicrs dunt il s'eutrepurent
Vait chascun la doufor ai euer.
') Le mot ombre a aueni ce Bens dans le Koman de la Rose,
E. Goeriich, Die beiden Bücher der Makkdbäer. 233
Le poete nous laisse ä deviner le reste:
De tel gen com Cen faxt des mams
Estoit ele dame et ü maistre, . . .
Del geu qui remaint, ce me semble,
Ve?idront il bien a chief andui.
Et or m% en tos atant meshui.
L'universite catholique, qui vient d'etre fondße a Fribourg
en Suisse, a ouvert la serie de ses publications savantes par cette
ceuvre gracicuse de Jean Renart, digne contemporain de Guillaume
de Lorris. II 6tait naturel qu'un Etablissement consacr6 a la re-
naissance des Etudes catholiques, temoignät des le premier jour
quelque predilection pour le temps de saint Lonis.
Un jour viendra peut-etre oü les 6diteurs modernes des poetes
du moyen äge frangais n'auront plus a se soucier de la question
d'argent, et pourront joindre ä tous leurs textes de belles minia-
tures. Si Ton r&mprime alors le Lai de Vombre, on y trouvera
deux ou trois sujets faits pour tenter un peintre: ce sera le moyen
de rendre de la vie et de la couleur a l'61egant recit que je viens
de rEsumer. Eugäne Ritter.
Goeriich, Ewald, Die beiden Bücher der Makkabäer. Eine alt-
französische Übersetzung aus dem XIII. Jahrhundert. Mit
Einleitung, Anmerkungen und Glossar zum ersten Male
herausgegeben. Halle a. S.? 1889. Verlag von Max
Niemeyer. L und 130 S. kl. 8°. Preis: 4 Mark. —
Romanische Bibliothek. No. 2.
Der zweite Band der Romanischen Bibliothek enthält eine
altfranzösische Übersetzung der Makkabäery die nach dem Urteil
des Herausgebers um die Mitte des XIII. Jahrhunderts entstanden
ist. Der Übersetzer hat den Text der Vulgata ziemlich getreu
wiedergegeben. Sowohl Erweiterungen als auch Kürzungen hat
er im grossen und ganzen nur selten vorgenommen. Das ziem-
lich häufige Vorkommen von Lücken, die halbe und auch ganze
Verse umfassen , erklärt der Herausgeber in annehmbarer Weise
dadurch, dass uns nicht das Original der Übersetzung, sondern
nur eine Abschrift derselben vorliegt. Auch sonst weist der
Text eine ganze Reihe von Nachlässigkeiten und Versehen des
Schreibers auf. Alle diese Stellen haben in den Anmerkungen
Erwähnung gefunden; und zwar wurde in den meisten Fällen
durch Vergleichung mit der Vulgata eine Herstellung des Textes
versucht.
Auf 26 Seiten der Einleitung findet die Laut- und Formen-
lehre eine etwas breit gehaltene Darstellung. In der Unter-
834 Referate und Rezensionen. W. Cioella,
Buchung über die Mundart kommt der Herausgeber zu dem nieli
mit Sicherheit ausgesprochenem Resultat, dass wahrscheinlich ein
Anglonormanne eine südostfranzösisehe Vorlage aus älterer Zeil
abschrieb. Dem Texte folgen noch erläuternde Anmerkungen,
zu denen FürBter viele wertvolle Beitrüge gespendet hat. In
einem Schlusszusatze endlich äussert sich Förster zu der Frage
nach dem Dialekt dahin, dass er der eben wiedergegebenen An-
sicht Goerlich's erst „nach schwerem Seelenkampf" beigetrete;
sei. Nach erneuter Erwägung glaube er, dass die Übersetzus
auf den Kreis derWaldenscr zurückzuführen sei. „Eine nrsprllnji
üch waldensisehe Übersetzung hat einem Waldenser aus den
Südosten Frankreichs dazu gedient, in seine französische Mundar
umgesetzt zu werden. Eine waldensische Übersetzung der Mak
bäer hat aber gewiss bestanden; stehen doch noch Teile einer
solchen in einer waldensischen Handschrift in Cambridge."
E. Weher.
Ulrich, Jacob. Robert von Blois' sämtliche Werke. Band I.
Berlin 1889. Mayer & MUller. — Beoudom. Ein alt-
franzftaiseher Abenteuerroman des XIII. Jahrhunderte
Robert's von Blois. Nach der einzigen Handschrift
der Pariser Nationalbihliothek herausgegeben von Dr.
Jacob Ulrich.
Über die Werke Robert's von Blois und des Dichters Pi
sonlichkeit hat zuletzt Paul Meyer in der Romania, XVr, 25 ff.
ausfuhrlicher gehandelt. Das muss besonders hervorgehoben
werden, denn wider Erwarten enthält der uns vorliegende erste
Band einer Gesamtausgabe Robert's darüber gar nichts. Die Ein-
leitung gewährt uns in ihrem I. Teile (S. I — XVII) eine eingehende
Beschreibung der einzigen Handschrift des Gedichtes (No. 24301
fonds franeais der Pariser Natioualbibliothek), während der II.
Teil (S. XVIII und XIX) eine kurze Darstellung des Dialektes
des Kopisten bringt. Ulrich schliesst sieh hierin seiner Schülerin
Dr. Mary Noyes Colvin an, die in ihrer Lwttüchen Untersuchung
der Werke Robert's von Blois (Züricher Dias. 1888) ihn dem
OBten zuwies, nur scheint er Ulrich eher zu den „(nordl-östlichen^
zu gehören. Auf S. 1 — 129 folgt dann der Test, an den sich
„berichtigende" und „erklärende" Anmerkungen auschliessen
(8. 130—136).
Ulrichs Unternehmen darf von vornherein bei den Romanist
auf freundliche Beachtung rechnen, denn Robert's Werke verdien«
eine weitere Verbreitung als sie bisher rinden konnten. Leidi
erfüllt der erste Band nicht ganz das, was man von einer
Dr.
er-
G. Köttmg, Studien über altfranzösische Bearbeitungen etc. 235
samtau8gabe der Werke eines Dichters erwarten durfte. Beaudous
ist in einer einzigen Handschrift erhalten, die vom Verfasser ge-
treu abgedruckt wird. Wäre dieser Text einheitlich gestaltet, so
liesse sich das Verfahren noch verteidigen. Da aber kurz hinter-
einander Schreibungen vorkommen wie vuelt, weit und vuet (veut)y
tuit und tot (tout), tenront und tanront (tiendront) u. a. m., ferner
Reime wie grace : faice u. s. w., so musste sich die Forderung
nach einer Uniformierung des Textes aufdrängen. Zwar liegt nur
eine Handschrift vor, aber eine Untersuchung der Verse auf die
Silbenzähl und der Reime auf die Identität der Tonvokale und
der auslautenden Konsonanten hätte genügendes Material zur
Bestimmung ergeben. Ein wesentlich anderes Gewand wie der
vorliegende Text werden infolgedessen die übrigen Werke des
Dichters in Ulrich's Ausgabe tragen, denn da dieselben mehr-
fach erhalten sind, wird sich der Herausgeber kaum für die Lesart
der einen oder der anderen Handschrift entscheiden und der
Frage, welches die ursprüngliche Mundart des Dichters gewesen
sei, nicht aus dem Wege gehen können. Auch dem Verzeichnis
des Wortschatzes des Dichters, welches, da es für Beaudous
nicht zusammengestellt ist, wohl für alle Werke dem letzten
Bande beigegeben werden wird, kann eine solche Untersuchung
nur zu statten kommen.
Die Anmerkungen stehen nicht unter dem Texte, sondern
sind am Ende angefügt. Dass dieselben nicht immer das Richtige
treffen, und dass sich im Texte mancherlei Fehler und Druck-
fehler finden, hat Mussafia im Litter aturblatt (Januar -No. 1890)
nachgewiesen, auf dessen Besprechung ich besonders aufmerksam
mache. Viele Druckfehler dürften wohl auf Rechnung der Druckerei
(in Kirchhain, N.-L.) zu setzen sein, denn auch im deutschen Texte
sind solche vorhanden, und falsche Typen sind nicht selten.
Das Buch kostet 3 Mark. Die Ausstattung ist dabei massig.
Unsere Bücher sind im Vergleich mit den französischen beispiel-
sweise, wie überhaupt, viel zu teuer. M. F. Mann.
Kfttting, Georg. Studien Über altfranzösische Bearbeitungen der
Alexiu siegende mit Berücksichtigung deutscher und eng-
lischer Alexiuslieder. Trier, 1890. Fr. Lintz'sche Buch-
druckerei (Osterprogramm), 44 S. 8<>.
Schon der Titel zeigt, dass der Verfasser in der Auswahl
der zu besprechenden Gedichte sich völlige Freiheit vorbehält
Das gleiche eklektische Verfahren beliebt ihm auch bei Benutzung
der über seinen Gegenstand erschienenen Litteratur, indem er die
236 Referate und Rezensionen. R. MahrmhoUz,
wichtigsten Erscheinungen der letzten Jahre völlig ignoriert. Mag
ee bei einigem Wohlwollen such verzeihlich erscheinen, dass dem
Verfasser eines Osterp rogrammes des Jahres 1890 die im Früh-
jahre 1889 zu Paris erschienene Schrift Arthur Arniand's: ha
Ugende gyriaque de Saint Alexis (Bibl. de VEc. des Hautet Eludet,
fast. 79) entgangen ist, so ist es doch in keiner Weise zd ent-
schuldigen, dass er anch die Arheiten Blau's (Germania XXXIII
181 und XXXIV 156; der erste Teil anch separat als Leipziger
Dissertation: Zur Alexiuslegende, Wien 1888) und 6. Paris' Re-
zension in der Romania (Aprilheft 1889) nicht kannte. Der Um-
stand allein, dass der vorliegende Aufsatz die zwei Jahre vorher
erschienenen, vortrefflichen, in mancher Beziehung grundlegenden,
grossenteilB das gleiche Thema behandelnden Ausführungen im
ersten Teile der Blau'schen Schrift nicht verwertet, lässt erwarten,
dass er berechtigten Anforderungen nicht entspreche. Dazu kommt,
dass der Verfasser keineswegs die sichere Methode Blau's be-
sitzt um die von letzterem gewonnenen Resultate ignorieren uns
seinerseits, ans eigenen Mitteln, feststellen zu können.
Nach einer dürftigen Einleitung bespricht der Verfasser im ■
1. Kapitel das altfranzösische Alexiuslied O, von dem er beweisen
will, dass es nicht, wie Brauns (Über Quelle und Entwickdmg
der altfranz. Cancvn de saint Alexis, Kieler Dies. 1884) will,
von einer älteren Vita, aas der erst & abgeleitet wäre, sondern
von © direkt stammt. Um diesen Nachweis zu liefern, zeigt uns
der Verfasser im II. Kapitel (Übersetzungsweisc mittelalterlicher
Dichter) an französischen, deutschen and englischen Alexiasliedern,
dass die mittelalterlichen Dichter sich Abweichungen von ihres
Vorlagen gestatteten. Diese allgemeine Thatsache, die dem Leser
wohl schon vorher nicht ganz unbekannt gewesen sein dürfte,
soll nun zugleich ein Beweis dafür sein, dass O von S stammt!
Von einer Wiederlegung Braun's, von irgendwelchen tieferen Gran-
den, wie wir sie bei Blau, der die Vita © kritisch beleuchtet
nnd sie als Quelle von O definitiv nachgewiesen hat, finden, ist
keine Rede.
Kap. III soll die interpolierte Bearbeitung des älteren Alexiut-
liedes behandeln, IV bespricht die gereimte Überarbeitung da
Alexiusliedes M, und V berührt ganz kurz die Bearbeitung in
Alexandrinern Q. Dabei versucht aber der Verfasser nicht ein-
mal, den Inhalt von /■ zu ermitteln, sondern „der Kürze wegen"
wird einfach S für die interpolierte Bearbeitung angesetzt und
JH als aus S hervorgegangen angesehen, fnr alles übrige aber
bloss auf Brauns verwiesen. Vergebens fragt man Bich, woin
diese ganz oberflächlichen, ohne Verständnis für das Verhältnis
der Bearbeitungen unter einander augestellten Vergleiche, die j*
E. Rigol, Alexandre Hardy et le Theätre franfais etc. 237
schon von O. Paris und Brauns, um von dem unserem Verfasser
unbekannt gebliebenen Blau zu schweigen, in viel kompetenterer
Weise gemacht waren, eigentlich dienen sollen.
Im einzelnen wäre noch manches hervorzuheben und zu
berichtigen — wie wenn der Verfasser z. B. 8. 9 sagt, in O sei
nichts davon erwähnt „dass Alexis der Braut die Schnalle seines
Schwertgehänges überreichte", denn es „würde von den Zuhörern
nicht recht verstanden worden seinu, während der Dichter dies
doch v. 15b berichtet — es möge jedoch genügen zu der
lückenhaften Aufzählung der Lüteratur über die Alexiuslegende auf
S. 42 — 44 ausser den oben erwähnten noch einige andere Ar-
beiten nachzutragen: Schneegans, Modern Language Notes III (1887)
247 und 307: Die romanhafte Richtung der Alexiuslegende in afz.
und mhd. Gedichten, ib. 495: Das Verhältnis der französischen
von Herz herausgegebenen Alexiuslegende zu ihren lateinischen
Quellen (mir unbekannt geblieben); Schipper: Wiener Sitz.- Bert
CXIV (1887) 231: Die zweite Version der me. Alexiuslegenden, wo
noch weiteres zu finden ist; Scottish Text Society, Legends of
the Saints in the Scottish Dialect of the XIV. c. ed. Metcalfe II
(Edinb. u. Lond. 1889) Ml: Alexis.
W. Cloetta.
Rigal, Eugene. Alexandre Hardy et le Theätre francais ä la fin
du XVIe et au commencement du XVII* stiele. Paris,
1889. Hachette. 715 + XXIV 8. 8°.
Von den französischen Dramatikern der Vor-Corneille'schen
Zeit ist kaum einer so bedeutungsvoll für die Geschichte des
Pariser Theaters, wie Alexandre Hardy, und doch ist sein
Leben und seine geschichtliche Stellung immer noch wenig auf-
gebellt, von Zweifeln nicht frei. Wie über die Lebensverhältnisse
so vieler Zeitgenossen Hardy's, haben wir auch über seine Schick-
sale und Erlebnisse nur wenig verbürgte Überlieferungen, und die
archivalische Forschung, welche bei den ersten Grössen der franz.
Litteratur in so glücklicher Weise die Lücken und Mängel unserer
Kenntnis fort und fort ergänzt, hält sich von dem im eigenen
Lande fast vergessenen, nur noch den Spezialforscher interessieren-
den Dichter fern. Des documents authentiques, nul n'en a dt-
couvert, so muss unser Autor in dem Lebensabrisse Hardy's be-
kennen, ni les manuscrits de la Bibl. nationale, ni les registres des
Archives ne m'ont rien fourni pour son compte et le hasard seul
pourrait faire de'couvrir quelque chose, p. e. une trace des piri-
grinations en province.
238 Referate und Rezensionen. R. Mahremnoltz,
Bereite im Jahre 1880 hatte E. Lombard in drei Nummern
dieser ZeiUchrift : (T. 1, 8. 161 — 185 and 8. 348—397, T. IL
8. 63—72) das Leben und Wirken des Dichters in eingehender
und trefflicher Weise behandelt. Hier liegt uns nun ein auf den
erschöpfendsten Studien, die in dem bibliographischen Verzeichnisse
sieb ttber XVI 8. gr. 8U ausdehnen, ruhendes Werk vor, voll
scharfer, unparteiischer Kritik und, was für die wissenschaftliche
Selbstentsagung de» Verfassers am besten zeugt, doch nur in
wenigen, aber unbedingt sicheren Resultaten Über das bisher
Erforschte hinausgehend. Wir wollen im Folgenden das von
früheren Meinungen Abweichende oder überhaupt noch wenig
Bekannte in den Hau ptresul taten zusammenstellen.
Das Geburtsjahr Hardy's wird gewöhnlich auf ca. 1560 ge-
setzt, aber ohne ausreichenden Grund, denn aus dem 1623 ver-
öffentlichten Widraungs schreiben zn Tke'agine und Carielee schliefst
Rigal sehr scharfsinnig, dass der Dichter nicht nach 1575 und
nicht vor 1569 geboren sein könne. Freilich geht ans dem er-
wähnten De dikati on sbriefe mit absoluter Sicherheit nur hervor,
dass Hardy's poetische Wirksamkeit mit 1593 begann, nnd auch
das Geständnis dee Dichters, seine Eist, ithiopique, eins seiner
ersten Werke, Bei pendant lex bouillons d'une jeunesse geschaffen
worden, sagt Über das Lebensalter Hardy's nichts völlig Be-
stimmtes. Ungefähr bedeutet ja dieser Ausdruck die Lebens-
grenze, welche zwischen dem Knabenalter und der reiferen Jugend
liegt, also die Zeit vom 18. bis 24. Jahre, jedenfalls schliesst er
das eigentliche Mannesalter aus. Jemand, der 1 593 oder etwit
später noch der heisebllltigen Jugend angehörte, kann nicht 1560
geboren sein. Die Bildung Hardy's erstreckte sich zweifellos
auf die lateinische Sprache und römische Litteratur, ob er anci
das im Gymnasial unterriebt damals noch neue nnd keineswegs
offizielle Griechisch beherrschte, ist nach Rigal zweifelhaft, für
uns sogar das Gegenteil unzweifelhaft. Hardy reiht sich so den-
jenigen hochbedeutenden Männern der Neuzeit an, die wie VsL
Conrart, Ph. Quinault, Fr. Regnard, kein Griechisch wussten,
oder die wenig über die Elemente dieser Sprache hinauskamen,
wie Voltaire, Rousseau, Herder, Schiller et«. Ans einer
Schauspielerfamilie stammte er weder, noch ist er je Schauspieler
gewesen, doch irrte er als Theaterdichter mit den zigeunerhaften
Komödiantenbanden jener Zeit einige Jahre in der Provinz umher,
ehe er, zwischen 1598 — 1600, sich in Paris, mit geringen Unter-
brechungen, niederiiess. Rigal schildert hiebei, mit vorsichtiger
Benutzung späterer nnd gleichzeitiger. Aufzeichnungen über die
8 c hau spiel Verhältnisse des 16. nnd 17. Jahrhunderts, welchen
Entbehrungen, Enttäuschungen und Plagen das Komödiantenleben
E. Rigol, Alexandre Hardy et le Thdätre francais etc. 239
damals ausgesetzt war, was insbesondere die vagabundierenden
„Schmieren" zu leiden hatten, weist aber zugleich nach, dass
einer Prügelscene zwischen Theaterdichter und Schauspielern,
von der Tristan l'Hermite uns erzählt, mit Unrecht eine Be-
siehung auf Hardy gegeben sei. Jedenfalls aber ging es diesem
während seiner Provinzialzeit traurig genug, zumal er, wie damals
noch alle Theaterschriftsteller, keine feste Tantieme bezog, sondern
für jedes eingelieferte Stück eine geringe 8umme erhielt. In
Paris wurde Hardy der Theaterdichter der Truppen, welche seit
1598 im Saale der Confreres de la Passion spielten, also des
Hotel de Bourgogne, nicht des Marais -Theaters, folgte auch seinen
Geschäftsfreunden auf ihre Gastreisen in die Provinz. Erst 1628
endigte Hardy's Wanderleben, doch starb er schon, wie Riga!
Überzeugend nachweist, zwischen September 1631 nnd Octo-
ber 1632. Er blieb sein Leben lang arm, trotzdem er vornehme
nnd reiche Leute im Style des weihrauchduftenden Zeitgeschmackes
ansang und anbettelte und klagte stets über Not und Elend, wo-
bei wir einiges schon den oratorischen Übertreibungen jener
Litteraturperiode zu Gute halten dürfen. Richelieu bekümmerte
sich um ihn so wenig, wie Heinrich v. Montmorency u. A. Von
seinen Beziehungen zu zeitgenössischen Dichtern waren die zu
Thäophile, Tristan l'Hermite und dem neu auftauchenden
P. Corneille besonders enge. Was übrigens von einem wenig
günstigen Urteil Hardy's über Corneille's Milite in verschiedener
Fassung erzählt wird, ist in der Hauptsache unverbürgte Anekdote.
So dürftig das ist, was wir über die 60 Lebensjahre eines für
jene Zeit bahnbrechenden Dichters (von kleinen Nebensachen ab-
gesehen) wissen, desto reicher (Hessen die geschichtlichen Quellen,
welche aus seinem dichterischen Schaffen entströmen und sich
über seine litterarhistorische Wirksamkeit ausbreiten.
Über die Zahl der von Hardy verfassten Stücke schwanken
die Angaben. Gewöhnlich werden ihm 800 Stücke zugeschrieben,
der Dichter selbst gibt im Jahre 1628, also 3—4 Jahre vor
seinem Tode, deren Anzahl auf 600 an. Aber dabei läuft manche
Ungenauigkeit, auch absichtliche Übertreibung unter, wie Hardy
denn sich rühmt, schon vor seinem Jugendwerke Th&aghie et
Oaridie, 300 andere geschrieben zu haben. Gedruckt sind in
den sechs Bänden seiner Werke, welche in den Jahren 1623—1628
erschienen, nur 41, 13 andere sind uns dem Titel nach bekannt.
Zu einer Ausgabe seiner Stücke entschloss sich der Dichter erst
nach dem Erscheinen einer fehlerhaften Raubausgabe und nahm
nur die bereits abgespielten und relativ veralteten auf, um nicht
seiner Schauspieltruppe den Ertrag zu schmälern, denn jedes ge-
druckte Stück war bekanntlich für alle Theater herrenlose Beute.
240 Referate tmd Rezensionen. R.
Die vier ersten Bünde erschienen bei Jaques Quecael ■ Piro
(1623—26), die beiden letzten in Konen bei David £a Fetit-
Val, weil Hardy mit dem ersten Verleger umufriedta war. aar
der IL Band erlebte 1621, der III. 1632, wohl aaca de« Bitten
Tode, eine 2. Auflage. Ein Neudruck von fünf Binde« rarie im
Stengel 1883—1884 besorgt. Bei der Reihenfolge der gcdraeklei
Stücke war der chrono logische Gesichtspunkt siebt der Initwdt. Gt
Angaben der Freree Parfalt über die Jahre, in arelebea Haraj'i
Dramen vertagst seien, sind ganz willkürlich, eben» mark 4k
noch von Lombard geteilte Ansteht, dasi die Stucke ia Baal T
denen des Bandes IV in der Entstehungszeit nachfolgt«, Sir
von verhältnismässig wenigen kennen wir da« Jahr der \ Vwtnr.
bestimmt oder annähernd. Das II. Bach de» Werke« beschäftigt
sich mit dem Zustande des Theaters vor and wahrend Raraj't
Zeitalter. Im 16. Jahrhundert rang die neue, antikisierend* Kkt-
tung der Ronsard 'sehen Schule mit den dramatischen Cberüefem-
gen des Mittelalters, die in zeitgemäss veränderter Form ron da
Confriret de la Paxrion im Iturgunderhütel und den mit iLnea rrnli-
gierenden Truppen gepflegt wurden, um die Herrschaft, daaebei
suchte eine rein nationale Richtung, welche die Sagen eioi> 4«
altfranzosi sehen Vergangenheit zum Vorwurfe nahm, sieh Bakn
zu brechen. Die antiken Themata, besonders die Nachahmimgci
der dem Seneca zugeschriebenen Dramen, blieben entweder u
aufgeführt oder mnssten sich mit den bescheidenen Erfolgen voi
Schüler- und Studenten- Vorstellungen oder von AnrTQihruogen vor
kun st lieb enden Grossen begnügen. Häufig waren sie auch oir
gereimte Monologe oder Dialoge und tragen den dramatischen
Anforderungen wenig Rücksicht. Das änderte sieh 1599, als die
Confrerie de la Passion auf ihre Dilettant enanflnh rangen, die dtrei
eine Art Monopol geschützt waren, verzichtete, die sie ersetzende
Truppe des Holet de Bourgognt sich jetzt zur Dollmetseherio der
modernen Richtung and Hardy zu ihrem Theaterdichter mach».
So wurde dieser der Schöpfer einer neuen, volkstümlichen Tra-
gödie, Komödie, Pastorale etc. und trug die Schul dichtrmg und
Buchdramatik in die weiten Kreise der Masse hinaus. Lange
Zeit war er der ausschliessliche Bühnendichter von Paris, erat
durch Theophile de Vian, der von 1613 oder 1614 an iha.
Konkurrenz machte, sich aber 1617 vom Theater zurückzog, dans
durch Mairet, Rotrou und andere wurde sein Rahm etwas in
den Schatten gestellt. Bei seinem Tode war er überflügelt, be-
sonders seitdem Mairet's Sophonixbe die streng klassische Rich-
tung nach Aristotelischem Schema eingeweiht hatte. Während
seines beinahe 40jährigen Wirkens für die Bühne hatte Hardy
unter den argen Schattenseiten des ric bauspiel weaens jener Zeit
E. Rigol, Alexandre Hardy et le Theätre francais etc. 241
unter der Rohheit und Verlodderung der Schauspieltruppen, den
geringen Einnahmen, der Abneigung der vornehmen Stände und
der Geistlichkeit, der Bedenklichkeit der Behörden, dem unge-
bildeten Geschmacke der meist dem Pöbel angehörenden Theater-
besucher, unter den Mängeln eines noch wenig vollkommenen
Dekorations- und Regiewesens, unter der Notwendigkeit, zugleich
den Regeln des Aristoteles und der von den Mysterien, Morali-
täten und Farcen entstammenden Regel und Planlosigkeit der
Handlung sich anzupassen, ev. zu leiden. Die sogenannten Drei-
% einheiten gelangten erst durch Mairet in Theorie, wie in Praxis
zu einer noch hie und da bestrittenen Geltung. Hardy gehörte
noch der alten, vorklassischen Richtung an, indessen dem Zuge
des besseren Zeitgeschmackes nach Formenstrenge und Einheit-
lichkeit des dramatischen Schaffens suchte er nach Möglichkeit,
d. h. ohne den Beifall der rohen, einer verwilderten Schaulust
sich hingebenden Masse zu verlieren, Rechnung zu tragen. Auch
die Inscenierung seiner Stücke entsagte dem Nebeneinander der
Mysterienbühne, wo der Zuschauer all die wechselnden Orte der
Handlung auf einmal übersah, ohne doch in die starre Einförmig-
keit der klassischen Szenerie, welche sich stereotyp auf dem-
selben Räume bewegte, zu verfallen. Die Bühne war für die
Aufführung der Stücke gewöhnlich fünffach geteilt, die nicht in
Anspruch genommenen Räumlichkeiten blieben verhüllt, leider war
die Ausdehnung der Szene zu eng und die Unsitte, dass alle im
Stücke beschäftigten Personen sich ständig auf dem BUhnenranme
umhertrieben, zu störend, um hier Unnatur, Gedränge und Un-
klarheit vermeiden zu können. Der Spott, welchen die Theore-
tiker des Klassizismus gegen Hardy richteten, weil er mit Raum,
Zeit und Einheitlichkeit der Handlung in planloser Willkür und
rücksichtsloser Verletzung aller Wahrscheinlichkeit schalte, trifft
grossenteils nicht ihn, sondern das Pariser Theaterpublikum.
Denn als charakteristisches Merkmal von Hardy's dich-
terischem Schaffen hebt der Verfasser hervor, dass die vor der
Pariser Periode während der Wanderzeit in der Provinz ent-
standenen Dramen regelrechter und mehr dem Geiste der Tra-
gödie entsprechend seien, als die späteren in Zügellossigkeit
und Übertreibung ausartenden Tragikomödien. Der Begriff
dieser letzteren Bezeichnung war ein höchst schwankender.
Scaliger sieht in der Tragikomödie nur eine Tragödie mit glück-
lichem Ausgang, dagegen erklärten Guarini, Mairet, Scudery u. A.
sie als eine Vermischung der tragischen und komischen Hand-
lung. Wieder Andere wollten alles Komische nur für die eigent-
liche Komödie vorbehalten wissen, dagegen gestatteten sie der
Tragikomödie das Auftreten von Personen niederen Ranges. Man
Ztcbr. I frz. Spr. n. Litt. XII*. jg
242 Referate und Rezensionen. R. Makremkpitz,
unterschied zwei Abarten derselben, eine comtäe amipe, m
welcher nur hoho Persönlichkeiten vorkamen, der AMpsg ■her
ein glücklicher war und die trage'die bourgeoUe, der*« Ftmaei
dem Bürgerst andc angehörten, deren Inhalt aber ein trapatkB
und deren Auegang ein unheilvoller Bein rausste. Beide (iaanpa
existierten schon vor Corneille und vor Diderot, die nwa ab fc
Schöpfer der einen oder der anderen betrachtet hat. U At-
achung der Stoffe unterschied man die geBcbiehtliehea nt
mythologischen von den aus Romanen und Novellen eltftam
oder frei erfundenen, die beiden letzteren waren die eigeattkat
Domäne der Tragikomödie. Unter Hardy'a gedruckten Wcrkta
findet sich keine eigentliche Komödie, da diese Gattn^ t«
Hairet und Corneille fast unbekannt war, dagegen fünf Paaunln.
zwölf Tragödien, elf Tragikomödien und dreizehn Sticke ü
wechselnder oder unbestimmter Bezeichnung, wie poime drom*-
tigue, poime» de ihi&trt conxectitifs. Letzteren Nebentitel fahr«
die acht Teile seines Drama: Tlie'aghu et Cariclee. Diese anter-
scheidenden Titelangaben hat Hardy übrigens erst fUr die Duett
seiner Stücke gewählt, um sich den Scbultheorien der Zeit aa-
zupassen, für das Theaterpublikum waren theoretieche Beieirt-
nungen Überhaupt unnötig. Sehr mit Übertreibung hat man iki
als PlUnderer der Spanier, insbesondere Lope's und Calderon'i,
schlecht gemacht, von den gedruckten Stücken sind nnr fluf
spanischen Novellen oder Romanen ihren Stoffen nach entlehnt,
aber frei bearbeitet. Die Pastoralen zeigen die Xachahmung
Guarini's, Sannazar's und Tasso's, die Tragödien und Tragikomö-
dien sind durch die Lektüre griechischer und römischer Dichter
oder Historiker angeregt, die Hardy aber nur in französischer
Übersetzung las. Eine besonders reiche Fundgrube war för ihi
Plutarch in Amyot'e Übertragung, daneben kommen von Histo-
rikern Heliodor, Josephus, Curtius Rufus, Xenophon, von Dichten
Homer nebst den bekannten Dictys und Dares, Ovid, Vergil,
Claudian, Lucan in Betracht. Von italienischen Novellisten sind
besonders Boccaccio und Giraldo Cinthio benutzt, auch einige
franziisische oder lateinische Erzähler haben ihm Stoff geliefert
Euripides, der Liebling der späteren französischen Dramatiker,
hat nur in einer Tragödie, der "AhajarK, ihn beeinflnssL über
die Quellen der nicht gedruckten Stücke sind nur Vermutungen,
die meist auf Spanien und Italien hinweisen, statthaft und der
Vorwurf, daas Hardy die spanischen Dramatiker geplündert babe,
kann sich lediglich auf die Hunderte seiner Inedita beziehen,
wenn er überhaupt berechtigt ist. Bei den Ansichten, die da-
mals Über litterarisches Eigentum bestanden, ist Hardy kaum
als ein besonders beutelustiger Dramatiker anzusehen, hat er
E. Rigol, Alexandre Hardy et le The'äire francaise etc. 243
doch faßt nur Dicbterwerke benutzt, die noch nicht eine bühnen-
mässige Form hatten. Manches Über seine Quellen verrät er uns
in den Arguments seiner Druckausgaben, doch ist er in dieser
Hinsicht sehr unvollständig, denn die Gewohnheit, mit Plagiaten
su renommieren, wenn sie an bekannten Meisterwerken begangen
waren, ist hauptsächlich erst durch Corneille und seine unmittel-
baren Zeitgenossen aufgekommen. In der äusseren Form hielt
sich Hardy schon an die Gliederung der Dramen in 5 Akte, in-
dem er, eine Art dramatischer Prokrustes, seinen Stoff bald
ktlrzte, bald in die Länge dehnte, die Prologe und Chorgesänge
vermied er, weil das Publikum vor Allem Handlung sehen wollte.
Zum Verständnis derselben dienten die eingeschobenen Erzählungen,
Traumktindungen, Prophezeiungen etc. Von den gröberen Possen
und Farcen, welche für die Füllung des Repertoires zweifellos
nötig waren, ist uns keine durch den Druck überliefert. Wie
sein bedeutenderer Zeitgenosse Lope de Vega, der den hochge-
schätzten Aristoteles in den Schrank schloss, ehe er dichtete,
war auch Hardy ein unbedingter Anhänger der antiken Dichtung
und Poetik, nur die Notwendigkeit, das Volk zu belustigen und
Geld zu verdienen, zwang ihn zu einer Kompositions weise, die
aller klassischen Überlieferung widersprach, die er selbst ver-
urteilte oder doch entschuldigte, aber seinen Feinden und Neidern
gegenüber verteidigen musste.
Sehr interessant ist der Vergleich zwischen den Tragödien
Garnier's, des bekanntesten der Dramatiker aus der Ronsard-
sehen Schule, und denen Hardy's. Garnier schloss sich eng
an die schulgerechten und rhetorisch-prunkhaften Stücke an, die
unter Seneca's Namen gingen, nahm ihren Sentenzenkram, ihre
wortreichen Monologe, ihren Mangel an Handlung und Charakter-
zeichnung mit hinüber. So fehlte seinen für die Lektüre der
Gelehrten, nicht für die Unterhaltung des Volkes bestimmten
Stücken alles dramatische Leben, alle Spannung und einheitliche
Zuspitzung der Entwickelung, alle Schärfe der Charakterzeich-
nung, ja zuweilen der innere Zusammenhang des Dargestellten.
Seine Troade und Antigone waren Konglomerate verschiedener
Dramen, sein Marc Antoine hat eine Doppelhandlung und zwei
Helden, Antonius und Kleopatra, in seiner Forde, nimmt die Ex-
position 2 Akte, die Katastrophe ebenfalls 2 in Anspruch, für
die eigentliche Handlung bleibt nur der 3. Akt übrig. Monologe,
Chordeklainationcn und endlose Erzählungen des oft schon Be-
kannten, namentlich der Schlussentwickelung, machen das eigent-
liche Wesen dieser dramatisierten Epik und Lyrik aus. Seine
Fehler wurden von seinen Nachfolgern, auch von dem talent-
vollen Montchrätien, dem ersten Bearbeiter des Maria Stuart
16*
244 Referate und Rezensionen. R. Muhrcnkoltz.
Themas, getreulich nachgeahmt, erst H&rdy schuf wirkliche
Dramen, deren Technik allerdings noch mangelhaft war, wie
denn zuweilen die Akte bei ihm nur Szenen sind oder will-
kürlich zusammengeleimt werden. Doch den Chor warf er hinaus
oder machte ihn zum Hitträger der Handlung, wobei allerdings
nur der Chorsprecher, nicht die Statisten seiner Umgebung in
Betracht kamen; die Helden Hess er auf der Szene, nicht hinter
derselben sterben, wodurch er die langen Berichte über ihr Ende
sparte, von der gefährlichen Nachahmung Seneca's machte er
sich frei. Dem Zeitgeschmack entsprechend, wählte er jedoch
für seine Tragödien meist antike Stoffe und hielt sich von der
modernen Geschichte ebenso fern, wie von der biblischen.
Nach diesem 203 Seiten umfassenden überblick der Zeit
und dramatischen Bedeutung Hardy's geht Rigal zur Analyse
der einzelnen Stücke Über, um zuletzt noch die Sprache und den
Versbau des Dichters eingehend zu berücksichtigen. Wir können,
um diesen ohnehin langen Bericht nicht ungebllbrlich auszu-
dehnen, hier nur die Hauptmerkmale in Betracht ziehen. Zu-
nächst fällt uns eine grosse Derbheit und sogar Rohheit der
sittlichen Empfindung in Hardy's Bühnenwerken auf. Die Not-
zucht kehrt mehr als einmal in seinen dramatischen Motiven
wieder, Mordsucht und Blutdurst sind die Antriebe, welche die
meisten Helden seiner Tragödien bewegen. Daneben der ganze
Schrecken der Gespenster weit, das Abenteuerliche der Wahr-
sagungen und Traumdeutungen. Die Frauen sind meist ebenso
wild, grausam und brutal, wie die Männer, die Figuren der
Tbeaterbitsewichter beiderlei Geschlechts sind daher die vor-
herrschenden. Andererseits, des Kontrastes halber, ideale Tugend-
helden, welche die Wirklichkeit nicht kennt, edelmütige, mild-
herzige, vor Liebessehnsucbt d&trinschmelzende Eriegslente und
Eroberer, von denen die Geschichte oder Legende ein ganz an-
deres Bild uns eingeprägt hat. In der Mort efAchiUe fällt der
unerbittliche Pelide als Opfer eines Stelldicheins, zu den ihn die
Trojaner gelockt haben, Alexander der Grosse und Coriolan
sind zwar keine girrenden Liebhaber geworden, aber doch völlig
verblasst und abgeschwächt. Die Zwangskette der 5 Akte
machte unserem Dichter, der die Handlung nicht zu verschlingen
und zu verknoten wuBste und sie ohne episodische Abwandlungen
vom ersten Akte an unmittelbar zur Katastrophe hinleitete, be-
sondere Mühe. Durch Retardierungen und Wiederholungen, durch
endlose Betrachtungen und verschwenderischen Redeaufwand
mussten seine Personen die Zeit ausfüllen, welche die Theater-
besucher als normale Dauer eines Stückes ansahen. So ist
Dido'x Opfertod ein thränenreiches Melodram mit dürftiger
E. Rigol, Alexandre Hardy ei le Thehtre fran^aise etc. 245
Handlung und Charakterzeichnung, im Tode Alexander* s, dem
Mittelstücke einer Trilogie, füllen die Vorbereitungen zur Ver-
giftung des Helden mindestens drei, das Hinsterben desselben
noch den fünften Akt aus, am Sterbebette Alexanders findet noch
eine Art Militärparade statt. Bndlos gedehnt sind die Ver-
schwörungspräliminarien in dem Tode des Darius, dem ersten
Teile, und die Reden, sowie eine mit der Haupthandlung locker
verbundene Notzuchtstragödie nehmen den grössten Umfang in
dem Schlussstücke TimocUe, welches uns nachträglich Alexanders
Sieg über Theben vorführt, ein. Auch die technisch vollkommenste
der Tragödien Hardy's, die Mariamne, hat eine hin und her ge-
wundene Handlung und viel überflüssiges Beiwerk. Eine spitz-
findige Rabulistik der Gefühle und ein advokatisches Plaidieren
des Für und Wider sind Rennzeichen der Hardy' sehen Dra-
matik, die sich in vollkommener und wirksamerer Art bei Cor-
neille wiederfinden. Man wird hier nicht den geläuterten ästhe-
tischen Massstab unseres Kunsturteiles anlegen dürfen, beson-
ders wird man die Schauderszenen, die Ausbrüche der unge-
zügelten Rohheit und sittlichen Verwilderung dem nicht Übel
nehmen, der mit der Hefe des Volkes sich abzufinden hatte,
und auch von den besseren Elementen der Theaterbesucher
keinen feinen und dezenten Geschmack erwarten durfte. Neben
11 Schauer- und Rührtragödien, deren Sujets aus dem geschicht-
lichen und halbgeschichtlichen Altertume entnommen sind, hat
Hardy noch fünf Stücke mythologischen Inhaltes bearbeitet, die
teils an den Styl seiner Tragödien erinnern, teils Vorläufer der
späteren Oper sind. Sie verlieren sich ins Romantische, schalten
mit der alten Mythologie ziemlich frei, mischen das Komische
mit dem Tragischen, den Scherz mit dem Ernste, gehen ver-
schwenderisch mit dem Wunderbaren und Zauberhaften um und
setzen für die Aufführung ein nicht unentwickeltes Maschinen-
und Dekorationswesen voraus. Am unabhängigsten von dem
Zwange der Regel, der Einheitlichkeit des Styles und der Strenge
der Form ist Hardy in seinen 13 Tragikomödien, die zum Teil
antike, teilweise auch moderne Stoffe behandeln und an Aus-
dehnung öfter den Umfang eines Stückes überschreiten, einmal
sogar (in der Thiagent et Cariclie) sich über 8 „Tage" oder
40 Akte ausdehnen. Regelrechter, bisweilen im Geiste der
Aristotelischen Einheiten, aber ohne den phantasievollen Ab-
schweifungen des Dichters Fesseln anzulegen, sind seine nach
italienischem oder spanischem Vorbilde geschaffenen 5 „ Pasto-
ralen tf, romantische oder idyllische Verklärungen des bürgerlichen
Lebens. In keiner der drei Gattungen ist die historische Treue
oder das Lokalkolorit beobachtet, namentlich sind die religiösen
246 Referate und Rezensionen. F. Heuckenkamp,
Anschauungen verschiedener Zehen in einer Weise gemischt, die
an die Phantastik der spanischen oder Shakespeare'schen Ko-
mödien erinnert. Auch da« war im Geiste einer Zeit, die ihre
mittelalterlichen und antiken Vorstellungen nicht mit den Ein-
drucken der unmittelbaren Gegenwart harmonisch zu verschmelzen
wusste.
In Sprache und Verifikation hält sich Hardy an die Theorien
des von ihm hochverehrten Roneard und verabscheut alle Reform-
versuche des Puristen Matherbe. Natürlich musste er so dem
XVII. Jahrhundert als veraltet gelten und ziemlich allgemeinen
Tadel erfahren. Als Metrum wandte er neben dem Alexandriner
auch den Zehnsilbler an, aber seine Verse sind fehlerhaft, unge-
feilt und seine Sprache ein unharmonisches Gemisch der Gräxi-
sierungen und Latinisierungen Ronsard'scher Art und der eigenen
Sp racherpfin düngen , die an Archaismen und Dialektsusdrucken
reich sind. Eine grossartige Sprachphantasie und eine Wortfülle,
die gegen die Kahlbeit seiner dramatischen Vorgänger und Zeit-
genossen vorteilhaft abstechen, sind Hardy nicht abzusprechen.
— Das Hotel de Bourgogne, welches unserem Dichter seine
glänzendsten Einnahmen und besten Triumphe verdankte, war
das erste, welches ihn vergase. Schon etwa 1635 oder 1636
verschwanden seine Stücke aus dem Repertoire oder konnten
nur in modernisierter Form sich halten, doch war Hardy noch von
Ein Hubs auf Corneille's Jugenddichtungen. Später schwankt das
Urteil über Hardy zwischen unverdientem Tadel und gerechterer
Anerkennung, doch überwiegt der erstere. Das unbestrittene
Verdienst Hardy's bleibt es aber, dass er neben der Hasse auch
die besseren Stände, und sogar Gelehrte and Honeute in das
Theater zu ziehen vermochte und dadurch sowohl der rohen
Volksbühne, wie dem .Schuldrama ein Ende bereitete.
Rigal gibt im Anhange noch einen genauen Überblick über
einige Quellen seiner Forschungen und hat auch (8. 542—556)
den Versuch gemacht, mehrere verlorene Stücke Hardy's nach
Theaterü herliefe mngen zu rekonstruieren.
Wir haben in seinem Werke das Beste und Vollständigste,
was je Über den vergessenen und grösstenteils verschwundenen
Dichter geschrieben worden ist. Besonders reichhaltig und neu
sind seine Untersuchungen Über die Sprache und den Versbau
Hardy's (S. 557—652), für die wir auf das Buch selbst ver-
weisen. R. Hahrenholtz.
/. Barbei/ d'JureviUy, XIX' siede. Les (Euvres et Us Bommes. 247
Barbey d'Aurevilly, J., XIX* stiele. Les Oeuvres et les Hommes.
Les Poetes. Paris, 1889. A. Lemerre. 360 Seiten. 8°.
Preis: 7,50 Pres.
Der vorliegende Band enthält 20 Essais, welche ihren Ur-
sprung dem bekannten ä propos d'un livre ricerd verdanken und
wohl hier nicht zum erstenmal veröffentlicht werden, obgleich
darüber keinerlei Angabe gemacht ist. Zwischen dem Titel des
Buches aber und seinem Inhalt besteht der merkwürdigste Kon-
trast. Neben Hugo, Heine, A. Barbier und Lamartine weist das
Inhaltsverzeichnis die Namen la Fontaine, Ronsard, A. Ch&rier
und Agrippa d'Aubignä auf. Zwischen Jean Richepin und Theo-
dore de Banville sind Milton und Corneille eingeschoben. Im
übrigen werden Madame Ackermann, Laurent Pichat, Am6d6e
Pommier, Charles Monselet besprochen sowie Hektor de Saint-
Maur, Paul Bourget, Maurice Rollinat und Alfred de Vigny. —
Und das Alles soll neunzehntes Jahrhundert sein ? ! So gar schwer
war es doch unmöglich für die vorliegenden Aufsätze einen passen-
den Namen zu finden, wenn man sich nur mit einem etwas be-
scheideneren Titel hätte begnügen wollen. —
Es wäre überflüssige Ausführlichkeit, wenn ich die ein-
zelnen Aufsätze eingehend besprechen wollte. Das Interesse,
welches sie für den Literarhistoriker haben, ist ein sehr un-
gleiches. Einzelne Kapitel, wie dasjenige, in welchem der dritte
und vierte Band der Ligende des südes, die Chansons des rues
et des bois und Le Pape besprochen sind, dürfen vielleicht nicht
ohne Nutzen gelesen werden. Aber zu oft schrumpft das Wesent-
liche des Inhalts auf einen glücklichen Vergleich, ein treffendes
Wort, eine überraschende Parallele zusammen. Man wird mehr
durch die Gewandtheit des Journalisten als durch die Tiefe seiner
Gedanken gefesselt; eine Gewandheit, die es Barbey, dem eifrig-
sten Vorkämpfer der katholischen Kirche, möglich macht, selbst
der jScole satanique Abschnitte zu widmen, in denen er sich bis
zur Bewunderung hinreissen lässt. Des Dichters ungemein leben-
dige und blendende Sprache, in ihrer, die Grenzen des Möglichen
streifenden Originalität, diese Sprache welche Paul de Saint-
Victor einen Zaubertrank aus Blumen, Schlangen, Tigerblut und
Honig genannt hat, verfehlt auch hier ihre Wirkung auf den Leser
nicht. Als typische Beispiele für die französische Feuilletonkritik,
als Urteile eines Künstlers, als Ergänzung zu den zahlreichen
Schriften des seinerzeit berühmten Schriftstellers dürfen diese,
kurz vor dem Tode ihres Verfassers l) gesammelten Blätter, trotz
allem Beachtung finden. F. Heuckenkamp.
*) April 1889.
248 Referate und Rezensionen. F. Tendering,
Stengel, E. Chronologische» Verzeichnis französischer Gramma-
tiken vom Ende des 14. bis zum Ausgange des 18. Jahr-
hunderts, nebst Angabe der bisher ermittelten Fundorte
derselben. Oppeln, 1800- Eugen Franck's Buchhandlung.
CG. Mauke.)
Ein wertvolles Werkchcn! In Jahresfrist wurde aus mehr
als 120 Bibliotheken das Material herbeigeschafft, gesichtet and
zusammen gestellt, eine mühevolle Arbeit, die umfassende Sach-
kenntnis und eiserne Ausdauer voraussetzt, und die um so dan-
kenswerter ist, als es wahrlich nicht an entmutigenden Urteilen
über den Wert derselben gefehlt hat. Ich selbst habe innerhalb
sehr bescheidener Grenzen einen Beitrag zu dem Buche liefern
dflrfen und that dies in dem Gedanken, dass die Zweckmässig-
keit einer solchen Zusammenstellung in keinem Verhältnisse stehen
dürfte zu der Mühe, welche die Arbeit verursacht. Jetzt indess, wo
das Werkchen vor uns liegt, wird sich selten Jemand finden, der
nicht hundertfältigen Nutzen aus demselben ziehen kann. Der
Sprachgebrauch, das Werden der Grammatik in einem Zeiträume
von 500 Jahren (Grammatik für Deutsche allerdings erst seit 1550),
ihre Wandlungen in dieser Zeit fest zu stellen, wird der histori-
schen Sprachforschung an der Hand dieses Buches ungemein er-
leichtert. Die Ausbildung der Methodik, der grammatischen
Technik tritt uns in ihrer Entwickelung vor die Augen, ein Um-
stand, der nicht zu unterschätzen ist zu einer Zeit, wo die Mei-
nungen gerade Über diesen Punkt in schwerem Ringen begriffen sind.
Die Ausbeutung des Buches ist dadurch wesentlich erleichtert,
dass sich ausser Angabe der Fundorte der einzelnen Grammatiken
noch drei alphabetische Register Über Verfasser, Titel und Ver-
lagsorte am Schlüsse desselben finden.
Dass das vorliegende Material der Ergänzung bedarf, ist
selbstverständlich. Verfasser weist zn wiederholten Malen darauf
hin, nimmt selbst S. VI und 124 ff. Besserungen vor und fügt
Nachtrüge hinzu. (Im Verzeichnisse der Bibliotheken fehlt
Breslau gänzlich.) Ich bitte daher alle Fachgenossen, der Ar-
beit ihre Unterstützung angedeiben zu lassen, und dasselbe durch
weitere Beitrüge, die sich auch auf das Gebiet der Aussprache,
der Orthographie und auf das der Chrestomathien erstrecken
mögen, der Vollendung entgegen zu führen.
Es wäre wünschenswert, dass das Ministerium für geistliche,
Unterrichts- und Medizinal -Angelegenheiten dies fllr französische
grammatisch - historische Studien Überaus wichtige Buch durch
eine Empfehlung in sämtliche Bibliotheken der höheren Lehr-
anstalten einführte. Pn. Kbeutzbeko.
H. Bredtmann, Der sprachliche Ausdruck etc. 249
Bredtmann, Hermann. Der sprachliche Ausdruck einiger der ge-
läufigsten Gesten im altfranzösischen Karlsepos. Diss.
Marburg, 1889. 70 S. 8°.
Etwa 80 Texte bat Bredtmann mit Rücksicht auf den sprach-
lichen Ausdruck der Gesten des Kopfsenkens, Kopfhebens, Kopf-
Schutteins durchgearbeitet. Nach einer allgemeinen Einleitung
über die Gesten überhaupt, gibt er in 302 Nummern eine kurze
Obersicht über die Redensarten, durch welche jene Gesten aus-
gedrückt werden. Aus der sich anschliessenden, sehr gewissen-
haft durchgeführten Untersuchung über den Bau dieser Ausdrücke
ergibt sich, dass derselbe allmählich immer formelhafter wurde,
so dass wenige ganz feste Schemata bleiben, ja sogar dass die
Verbindung dieser Redensarten mit dem Vorhergehenden und
Folgendem eine immer gleichmässigere wird, so dass auch der
Inhalt zur reinen Formel herabsinkt, die zu den Gefühlen, welche
die Personen bewegen, nicht mehr im Verhältnis steht. Wo Be-
griffe fehlten, stellte das Wort sich zur rechten Zeit ein. Eine
sinnlose, durch das Reimbedürfnis bedingte Anwendung der Redens-
art griff immer weiter um sich.
Der Verfasser ist in seinen Schlüssen hinlänglich vorsichtig
und lässt sich nicht durch das Bedürfnis etwas Neues zu finden
fortreissen, was übrigens bei der ungeheuren Arbeit welche in
in der bescheidenen Schrift steckt, nicht unverzeihlich wäre. So
glauben wir nach dieser Erstlingsschrift solide künftige Leistungen
Bredtmanns erwarteil zu dürfen; wir wünschen ihm aber, dass er
dann dankenswerteren Gegenständen sein Interesse zuwenden kann.
F. Tendebing.
Darmesteter, Ars&ne. La Question de la riforme orihographique.
Memo ir es et Documents scolaires pübliis par le musee
pMagogique. Fascic. No. 73. Paris, 1888. Hachette
et Co. 8°. 24 S.
Die kleine Schrift Darmesteter's, wohl die letzte von dem
der Wissenschaft allzu früh entrissenen Verfasser noch selbst
veröffentlichte, verdient ein Interesse weit über die in ihr behan-
delte Frage hinaus.
Darmesteter gibt in einem ersten Abschnitt (S. 2 — 4) eine
gekürzte, von Feinheiten absehende Zusammenstellung der im
Französischen vorhandenen Laute und ihrer verschiedenen Dar-
stellungen, in einem zweiten (S. 4—10) eine kurze Geschichte
der franz. Orthographie, ähnlich der unsrigen in der Grammatik
250 Referate und Rezensionen. K. Xoschmtz,
der neufranzösischen Schriftsprache {8. I — 5), und geht darauf
in Abschnitt III (S. 11 — 13) zur Kritik sowohl der etymologi-
schen wie der phonetischen Ort hographiesy steine des Französi-
schen über, die beide gleich abfällig beurteilt werden. Von hoher
Bedeutung ist insbesondere seine Wertschätzung der phonetischen
Schule. Da gerade ftlr sie (und in ihrem Gefolge für einen
phonetischen Unterricht oder wenigstens ftlr Einführung phoneti-
scher Transskriptionen) auch in Deutschland eine mehr oder
minder nrtcüslose Propaganda gemacht wird, so glauben wir gut
zu thun, wenn wir die betreffende Stelle in ihrem vollen Umfange
hier wiedergeben. Sie lautet:
En face, Vicnle phonitique dresse »ort drapeau : un sign*
pour chaqut ton, un ton pour chaque eigne. N'est-ce pas lä t idfall
Oui, pour le Ungutste ou le phi/siologiste, qui veut faire l'analyit
eeientifique des tone fmis par la bouclle humaine. Mais ne songtz
pas ä transporter dans l'usage courant des procidis de laboratoire.
Voulez-vous noter les tont d'aprie leurs iliment» constitutiftl
Ecrivez alort won oi, mais wa, puisque le son oi est forme' dt
Vau consonne et de la voyelle a fermi. Et, comme ce w et cet a
varient suivant les mots, en intensiti et en dürfe, distinguez le w
fort ou sourd de poire, du w faible ou sonore de boire, Ca fermi
long de boire de f a fermi moyen de bois ou de Fa fermi bref de
boite. N'employez plus les eignes simples m au n pour noter des
sons composis qui tont la combmaison d"un b ou dfun d avec
une nasalisation: m est ä b, ou n est ä d ce que an est ä a; ou
Heu de mon ami, icrivez donc b o d a b i. Et comme chacune
den voyelles diffirentes qui tuit la palatale k la modifie diffiremment
dans son essence, ayez autant de eignes spiciaux pour noter le*
variitis de la palatale.1) Voilä ce que vous imposera VappUcation
rigoureuse de la mithode phonitique.
Une orthograpke phonitique est pratiquement impossiblc. A
supposer qu'on se retrouve dans la Situation des peuples romans,
quand ils commencirent ä icrire, qu'une nouoelle invasion de bar-
bares vienne ditruire toute tradition littiraire, et que les ginirations
suivantes, sans Wen avec le passi, recommencent une hre nouvelle,
elles arriveraient peut-etre ä se faire un aiphabet qui mette en
accord — jusqu'ä un certain point — icriture et prononeiation.
Mais lä encore, la prononeiation abandonnie ä elle-meme, varierait
de province A province, de ville ä ville, de quartier ä quartier, de
sexe ä sexe, d'homme ä homme, et, chez le mime individu, selon
l'dge et l'kumeur. Chez chaeun de nous la prononeiation subit sans
') Ainsi, dans corps, car, quai, qui, autant de Varietes afferentes
de la palatale k.
A. D armesteter, La Question de la re forme orthographiqne. 251
cesse des modifications infinies d'accent, de timbre, de durie que
la pkysiologie la plus profonde et la plus exacte auraü peine ä
noter completement. Et ton voudrait l'emploi genital oVune ortho-
graphe phonetique! Ces deux mots orthographe phonetique jurent
de se voir accoupUs. Qui dit phon6tique dit notation rigoureuse
de toutes les variations locales ou individuelles de la prononciation,
et qui dit orthographe entend une notation generale^ officielle, qui%
s'ilevant au-dessus de ces variations, exprime la moyenne des nuan-
ces infinies quelles comportent. Une orthographe phonetique ne
peut itre quune orthographe qui se contente d'etre ä peu pres
phonetique ; au fond, c'est une simplification de V orthographe
habituelle. A ce poini de vue} il ny aurait guere quune question
de plus ou de moins entre Vicole qui la riclame et Vicole qui
demande seulement un alligement dans la facon d'ecrire les mots.
Der Verfasser steht hierin vollständig auf dem Standpunkte
des Referenten. Eine phonetische Transskription, die das ge-
sprochene Wort ersetzen könnte, gibt es überhaupt nicht und wird
es wohl nie geben; Transskriptionen wie etwa diejenige Passy'8
in seinem Francais parle sind fUr wissenschaftliche Forschung
durchaus ungenügend und können allenfalls nur für praktische
Zwecke geduldet werden. Für den allgemeinen Gebrauch ist
ausschliesslich eine Vereinfachung der offiziellen Orthographie
durchführbar. Es kann sich also nur darum handeln, festzustellen,
in welcher Weise diese Vereinfachung angenommen werden soll.
Darauf geht Darmesteter in Abschnitt IV (8. 14 — 22) ein. Er
bemerkt, dass die gesprochene und geschriebene Sprache Frank-
reichs so weit von einander abweichen, dass beide Sprachen ihre
eigene Grammatik besitzen. Die geschriebene, durch die Litteratur,
die Schrift, die Schule geheiligte Schriftsprache ist aber nicht
etwa durch die gesprochene zu verdrängen. Namentlich muss in
der Rechtschreibung der Überlieferung Rechnung getragen werden.
Allzu weitgehende Orthographiereformen sind stets gescheitert und
werden immer wieder scheitern. Auch das Auge hat seine Ge-
wohnheiten, die ebenso wie die des Ohres berücksichtigt werden
müssen. Ferner muss beobachtet werden, dass die Ortho-
graphiereformen, wenn sie den grammatischen Unter-
richt komplizieren, sein Regelwerk erweitern, statt
es zu vereinfachen, abzulehnen sind. Zu billigen sind
Reformen wie der Ersatz von x durch s und ss; durch ihn tritt in
Deklination und Konjugation eine Vereinfachung ein : Tuyau,
chapeau, feu, genou, feront au pluriel tuyaus, chapeaus, feus,
genous, comme loi fait aujourd'hui lois, apres avoir fait long-
temps loix; on icrira heureus, jalous, et il sera inutile dVenseigner
que le feminin de ces adjectifs se forme en changeant x cn se:
2S2 Referate und Rezensionen. P. Oltramare,
heureuse, jalouae. Les »erbe» pouvoir, vouloir, valoir feront je
peus, tu pcUB, je veus, tu veus, je vaus, tu vaua, eomme craindre
et venir fönt je crains, tu crains, je viena, tu viene. Voüd <tidües
simplißeations. Ebenso ist die Darstellung jedes £ durch j (statt
j und g) zu empfehlen: du coup on supprimerait la regle den
verbes en ger 9m' interealent un e apre* le g devant a et 0
(mangeons) et la difficulte que präsente la prononciation da
mots en geure, tels que vergeure que beaucoup prononcent, il (ort,
verjeure. Mau unterdrücke ferner ce.u und « zu gunsten von eu in
bceuf, seeur, nceud, vatu, azil und schreibe beuf wie neuf, seur wie
peur etc.; tuil (f. mit) würde zugleich den PI. t/euar oder iVvx
näher rücken. Natürlich mÜBsen selbst solche Reformen nur
laugsam und successive ausgeführt werden. Hit der Vereinfachung
dcB Alphabets hat die Unterdrückung überflüssiger Buchstaben
Hand in Hand zu gehen. So sind die unnützen Konsonanten-
Verdoppelungen aufzugeben. Quel soulagemeni apporteraü cetti
simplification riclamie depui» plus de deux stiele» ! On peut affr-
mer qu'U n'est pa» un lettre, füt-il de l'Academie francaite, gvi
n'ait hisili une fois au moinn en *a vie sur Vemploi de* cotuonna
doublen, alors que la prononciation n'en indique quune; tont le»
contradictions abandent sur ee point dann notre orthographe offi-
cieHel Quel soulagement aussi pour la grammaire! Toutes ee»
regle» bizarre» »ur la formation du fiminin dann le» adjectifi,
de» futurs et eondäionnels de» verbes en eler et eter, »'evanouiraient
soudain au grand profit des maitres et des eleven. Dagegen will
Darmesteter das stumme e in der Schrift erhalten wissen, ebenso
die stummen Endkonsonanten. A moin» d'un bouleversement com-
plet dann notre orthographe, bouleversement qui ferait du franfaü
une autre langue, on ne peut songer ä errire: Le premtä des berge
va chante un' bei' romans' bien tourne. Le» finales donnent au
mot sa pkysionomie propre et l'achevent, et on ne peut y toucker
»ans älterer la langue. C'est iei que »e distingue elairement la
notation phonetique de la nolation orthograpkique simplifie'e. Pour
les phonHistes , ces finales, ne ripondant ä rien de reel, doivent
disparaitre; pour les grammairiens, elles fönt partie intime du
mot. II faut les conserver, sans »e prioceuper des rapports de la
graphie ä la prononciation, parce que, si on voulaä itre exatt,
on arriverait ä des complicattons extraordinaires : on icrirait on
gran garcon, un grant enfant, une grande rille ; ils sont si freres,
ils sont siz cnfants, ils sont sis'. 11 faut les conserver parte
quellen expliquent le plus souvent la derivation: la finale de trait
reparatt dans traiter, de plomb dans plomber, de Bucces dant
successeur, de gris dans grisätre, de berger dann bergere, de
bonnet dans bonnetier, dp pot dan» potee. — Jede der voran-
M. Bre'al, La Re forme de Vorthographe franqaise. 253
nehmenden Schriftänderungen muss in allen ihren Folgen unter-
sucht werden, und man muss sich dessen vergewissern , ob sie
ohne Nachteil (Komplikation) auf alle einschlagenden \Vorte an-
gewendet werden kann.
Die französische Orthographiereform wird, wir glauben es mit
Darmesteter (Abschnitt V, S. 22 ff.), in der von ihm geschilderten
Weise mehr oder minder langsam und mehr oder minder voll-
ständig vor sich gehen. In ihrem Gefolge werden eine grosse Anzahl
Schreibregeln und mit ihnen eine Menge grammatischer (Flexions-
und Konkordanzregeln, vgl. Ztschr. XII2, S. 139 f.) verschwinden.
Die Franzosen haben ein lebhaftes Interesse daran, ihrer Schul-
jugend das Erlernen der geschriebenen Sprache zu erleichtern;
jede derartige Erleichterung kommt aber auch dem Ausländer zu
gute, und wir haben so die Hoffnung, dass die französische
Grammatik im nächsten Jahrhundert unseren Schülern geringeren
Verdruss durch überflüssigen Regelwust bereiten werde. Dagegen
zeigen die Auseinandersetzungen Darmesteter's und Cledat's deut-
lich, dasß in den führenden Kreisen Frankreichs — mit vollem
Recht — keine Neigung ftir eine extreme Orthographiereform,
für eine wirklich phonetische Rechtschreibung vorhanden ist, und
zwar aus demselben Grunde, aus dem wir einen phonetischen
Unterricht der französischen Grammatik in Deutschland ablehnen
zu müssen glauben (vgl. Ztschr. XII, 1 ff.), weil damit keine Er-
leichterung, sondern eher eine Erschwerung des Erlernens der
Sprache verbunden sein wird. Es ist also keine Gefahr vor-
handen, dass wir von Frankreich aus zur Einführung der von
mir und Cledat (v. I. c. u. S. 258 ff.) skizzierten phonetischen
Zukunftsgrammatik gezwungen werden.
E. Kosohwitz.
Bräal, Michel, La Reforme de Vorthographe francaise. (Extra it
de la Revue des Deux Mondes du 1er Dec, 1889).
Paris, Hachette, 1890.
Dussoochet, J., La Reforme orthographique (Extrait du Corres-
pondant), ib. 1890.
Havet, Louis, La Simplification de Vorthographe , ib. 1890.
I. Tout ce qu'ecrit M. Breal, et particulierement ce qu'il
ecrit ä l'adresse d'un public 6tendu, se distingue par de rares
qualites d'61egance et de finesse, qui ne vont pas, il est vrai,
sans une assez forte dose de scepticisme et de douce ironie.
Sons les dehors d'une bonhomie indulgente, il sait, mieux que
personne, mettre ä nu les cotös faibles des theses qu'il examine;
254 Refm-ate und Rezensionen. P. Otlramare,
et fait impitoy ab lernen! justice de toutes Üb exagerations.
Traitant de la qneation orthographique, il a pu clouner libre
carriere ä son taleut plein de malice et de aeduction, et Ton
a pris un plaisir extreme a lire dana la Revue des Dem Mondes
aa conaultation sur cet important sujet. Par contre, de cea pages
spirituelles, mais peu concluantes, il serait malaise de degager
la pensee intime de l'auteur. Aueai la plupart des lecteurs s'y
sont-ils laisse prendre. IIa sont demeurcs convaineus que la
cause de la reforme n'avait paa de plue redoutable adversaire
qne M. Breal; et M. Brunetiere, un farouche partiaan du statu
quo orthographique, a pu naguere adresser force compliments et
actione de gräces ä sod eminent collaborateur.
Or, M. Breal a ete Tun des plus empreasee a signer la
Petition ä l'Academie, et Ton ne peut rai sonn ab lern ent admeltre
qu'il ait change d'avis entre mai et decembre de la meine annet.
II eat evident, par consequent, qu'on a'eat mepris sur ses vraiti
intentiona, meprise surprenante , puiaqu'il s'agit d'un ecrivaio
remarquable par la neltete de la pensee. Si cette errenr s pu
cependant etre commise, c'est qu'on l'a senti bien plus preoecupe
de calmer l'impatienee dea uovatenrs, que de prouver aus recal-
citrante la necessite d'une reforme; c'est qu'a cbaque raison
alleguee en faveur de la simplification, il oppose une contre-
raison qui l'annule; c'est que, vera la fin de son article, i]
desavoue, ou peu s'en faut, la ligne de conduite adoptee par
les cbefs de l'agitation reforroiate.
Pour demander une refonte d'enaemble von« voua appuyez,
sur une raison d'äconomie. — I'rcnez garde, objeete H. Breal,
qu'en faieant court, vous ue fassiez laid, et surtout obscur.
Invoqnez voua au contraire l'interct des etrangers? — Vom
vous exagcrez, est-il repondu, les obstacles qu'oppoae l'ortlio-
grapbe a l'expanaion de notre langne. D'ailleurs, precisemem
a cause des etrangers, beaueoup de prudence eat necesaaire.
Des cliangements trop bruaqnes risqueraient de deconcerter les
clients actuels de la culture francaiBe.
Mais les enfants? N'est-il paa urgent de les affrancliir
d'une etude aussi sterile que penible? „Entre loa mains de
nos maftres d'ecole, tout devieudra matiere a examen et « con-
cours, si leur esprit est Oriente de cc cöte: les tours de force
en Chronologie vaudraient-ils beaueoup mieux? La nouvelle ortho-
graplie n'aurait-elle pas bientöt elle-meme ses arcanes et ses
pieges?"
H. Breal ne conteste point cependant qu'il y ait quelque
chuse a faire. II detnande par exemple l'expulsion de tonte«
les lettres „qui doivent leur presence a une erreur d'etat civil",
/. Dussouckci, La Re forme orthographique. 255
ainsi le d de poids, le c de sceau. „Quelques fausses lettres
ätymologiques suffiraient pour jeter le discrödit sur toutes les
autres." II voudrait aussi qu'on simplifiät certaines r&gles gramma-
ticales: extension de 8 ä tous les pluriels; suppression des
traits d'union dans les composäs; dans la thöorie des participes,
Elimination de toutes les difticultes qui s'y sont introduites de
par la volonte des grammairiens. II est vrai qu*il ajoute aussi-
tot que „cette re Vision du vocabulaire ne pourrait etre con-
duite jusqu'au bout sans faire aucune concession a l'usage ou
4 la clartä, de sorte qu'on supprimerait d'anciennes inconse-
quences pour en crEer de nouvelles."
On a eu tort, d'apres M. Breal, de mettre l'Academie eu
demeure de prendre l'initiative de la simplification reclamee.
L'Academie suit l'usage, nous dit-il; eile ne le prdcöde jamais.
C'est la une objection a laquelle on a deja repondu plus d une
fois. On a montrß que 1'Academie avait spontan 6m ent introduit
bien des changements, quelquefois meme des changements con-
siderables. On a fait observer aussi que chacun 6tant anjourd'hui
tenu de se conformer strictement ä la loi ötablie par les Quarante,
eux seuls ont l'autoritä necessaire pour y apporter des modi-
fications.
M. Breal demande aus reformateurs de faire eux- meines
„l'application et la preuve de leurs idEes en choisissant uu
point particulierement Evident, et en pratiquant dös a präsent
ce qu'ils conseillent". II m'est impossible de partager cette
maniere de voir. Toute tentative de reforme qui n'aura pas
l'Ecole pour centre de rayonnement, avortera infailliblement.
Quel pfcre de famille, ecrivant ä ses enfants, oserait employer
une orthographe autre que celle qu'ils apprenuent sur les bancs
de l'Ecole? Or nous n'aurons FEcole que si nous avons l'Aca-
demie. II eiait donc indispensable d'agir en premiere ligne sur
la seule autorite legislative que reconnussent, en fait de langue,
l'instituteur, le prote et le fonetionnaire public.
II. L'opuscule de M. Dussouchet est extrait de la revue
le Correspondant. II n'y faut pas chercher des arguments nou-
veaux ou des vues originales. C'est surtout un rapide bistorique
de la question, agremente d'une foule d'anecdotes bien eboisies
et narröes avec esprit. Au reste, l'auteur s'est contente de
dEvelopper sur certains points, de reproduire textuellement sur
d'autres, quelques pages de l'introduction du Nouveau Cours
de Grammaire Frangaise qu'il a publik avec la collaboration d'A.
Brächet. II anrait bien du profiter de l'occasion pour expliquer
ce qu'il entendait par cette phrase de la grammaire, reiinprimee
presque dans les memes termes dans le Correspondant: „Le
256 Referate und Rezensionen. E. Xotckmitz,
mot orthographe est an exemple des mauvais totira quo l'etymo-
logie (?) a deja joues a notre orthographe (?)."
III. M. Louis Havet a ete, Binon l'initiateur, dn moina
le general en chef de la deraiere campagne orthographique. On
n e Baurait trop admirer l'aetivite et la prudence qu'il y a de-
ployees. Charge de rediger la petitiou qui devait Stre adressee
a l'Academie, il a libelle ce document avec taut de tact et
d'habilete que les plus moderes cumme les plus intransigeaDti
out pu y apposer leur Signatare. Et que de lettres il Ini i
fallu ecrire aux journaux, aux reviies, ä ses nombreax lieutenants!
Quel que soit l'accueil que l'Academie menage a la petitiou,
les peines de M. Havet n'auront pas ete steriles. C'est certea
un resultat dout il peiit etre fier que d'avoir associe daas an
meine effort les professeurs de faculte et les iustituteurB, des
radicaux et des conaervateurs, des catholiques et des protestanta,
des Francis, des Beiges et des Suisses Romands. 801)0 signt-
tures out ete recueillies presque exclusivencmcnt dans le munde
des lettres, des seiendes et de l'enseignement. N'y a-t-ü pat
dans cette imposante manife Station de quoi rassurer la religion
de ceux, parmi les Quarante, qui croiraient devoir se retraucher
derriere de pretendues traditions academiques pour opposer s
nos recl&mations une fin de non-recevoir?
Sous le titre de La simplißcation de VOrthographt,
M. Havet a reuni les principaux articles qu'il a publica de
droite et de gauche au cours de la campagne. J'attirerai par-
ticulieremeut l'attentiou de mes le.c teure sur deux importanfs
morceaux reproduits, Tun de la Revue de 1'enBeignement secon-
daire et superieur, l'autre de la Revue bleue. H. Havet y dis-
cute avec au taut d'esprit que d'erudition deux questions de
principe: la distinetion des homonymes, et les rapports de
l'orthographe et de l'esthelique.
Sur le premier point, I'autenr estime que la distinetion
graphique des homonymes n'est pas seulement isntile, qu'elle
est meine nuisible, — nuisible ä la clarte vraie de la langue
parce que la clarte artißcielle qu'elle fournit a l'ecrivain le dis-
pense de surveiller eon style, — nuisible aussi par le temps
qu'on perd ä etudier de miserables expedients. Sur le second
point, M. Havet n'a pas de peiue ä demontrer que l'orthograpbe,
pour etre estbetiqueroent belle, doit etre limpide et diaphane;
que 1' orthographe du vieux • francais presentait ce caractere de
transparence; qu'elle s'est peu ä peu chargee de caracteres exo-
tiques et de lettres parasites ; que les cousonnes muettes sont
„trop sujettes a se cbanger soudain en consoones tapageuacs'1;
que iea poctes eux-memes Bont interesses ä une simplification
L. Cledat, Pre'cis d 'orthographe et de grammaire phonetiques etc. 257
t
qui dans une foule de cas „mettra en relief l'exactitude de la
rime". Mais les pofctes n'ont den voulu entendre; ils avaient
d6clar6 abominable une rßforme qualifiee par eux de pädante
et d'utilitaire ; ils se sont rövoltßs a l'ictee qu'on osät leur
recommander l'orthographe simplifiäe comme aimable et delicieuse.
Ud fin critique, que l'amour du paradoxe et la dßsinvolture de-
daigneuse n'ont pas peu contribuä a rendre c6l&bre, M. Jules
Lemaitre, a pris fait et cause pour les po&tes, et, dans ces
Billets du Matin qu'il envoyait alors au Journal le Temps, il a
vertement rappelt a l'ordre le pr6somptueux qui s'avisait de faire
la le$on ä ses susceptibles clients. La rime, a-t-il pretendu,
est d'autant plus belle qu'ä l'identitä du son se Joint une plus
grande dissemblance de la forme. M. de Banville avait dit
qu'il fallait pour qu'une rime füt belle que le sens des mots
appartäs füt le plus distant possible. Mais les pofctes d'aujourd'hui,
et certains critiques ä leur suite, s'occupent-ils encore du sens?
La forme leur suffit, et meme ce qu'il y a de plus matäriel dans
la forme, l'orthographe. M. Havet, en ecrivant son article,
pressentait qu'il ne convaincrait pas les po&tes actuels: „Les
pofctes priseront mieux que tout le monde ce dont tout le monde
jouira, la simplicitä Elegante. Je me mets, bien entendu, au
point de vue de demain, non d'aujourd'hui; car i) se peut bien
que l'äpreuve de la transition rende quelques po&tes un peu
nerveux." II ne croyait pas prädire si juste. Qu'il se console
pourtant. Les pofctes du XX6 ßiöcle, qui n'auront pas 6t6 61ev6s
dans le fctichisme d'une ortbographe bizarre, lui sauront gr6
d'avoir travaillä ä les doter d'une ecriture älägante et sobre;
ils auront peine ä croire qu'une reforme si mod6r6e et si legi-
time ait pu exposer son promoteur aux invectices de leurs
devanciers. Paul Oltramare.
Cledat, L. , Pre'cis d'orthographe et de grammaire phonetiques
pour Venseignement du frangais ä l'itranger. Paris, 1890.
Masson. 8". 92 S.
Das Büchlein Clädat's fällt inhaltlich mit meiner Neu/ran-
zösischen Formenlehre nach ihrem Lautstande (Oppeln 1888)
grossenteils zusammen und ist offenbar durch deren Erscheinen
erst veranlasst worden. Doch ist unser Standpunkt ein zum Teil
verschiedener. Für mich ergab sich aus meinem Versuch die in
dieser Ztschr. XII, S. 1 ff. ausgeführte Folgerung, dass mit einer
rein phonetischen Grammatik sich eine Erleichterung des französi-
schen Sprachunterrichts nicht erreichen lasse. Clödat widmet
Ztchr. t tn. Spr. n. Litt XII«, . jf
358 Referate und Rezensionen. B. Koschmitz,
seinen Pride der AUiance frangaise, die eich ZW Aufgabe gemacht
bat, das Französische in allen Ländern der Welt tu verbreiten
und glaubt, dass auf dem eingeschlagenen Wege sich wirklieh
eine leichtere Erlernung seiner Muttersprache bewerkstelligen laste.
Doch fUhrt die Lektüre aueb seines Buches ohne vieles Nach-
denken zu der Erkenntnis, dass sieb Cledat hiermit im Irrtum
befindet und nur deshalb getäuscht wurde, weil ihm, dem Fran-
zosen, die Schwierigkeiten nicht genügend zum Bewusstseiu ge-
kommen sind, die ein Ausländer bei dem Studium einer Grammatik
wie der von uns skizzierten finden würde. An eine praktische
Verwendung durfte Cledat Übrigens bei Abfassung seines Grund-
risses einer phonetischen Grammatik ebensowenig gedacht haben,
wie ich bei der meiner Formenlehre: er wendet sich in seinem
Werkchen durchaus an Franzosen oder des Französischen bereits
Kundige, und es scheint ihm, wie mir, am meisten daran zu liegen,
diese über die Gestaltung einer phonetischen französischen Ele-
ment argrammatik aufzuklären.
Um der phonetischen Grammatik den Weg zu ebnen, sieht
sich Cledat genütigt, von vornherein darauf zu verziehten, sie
auch in ihrer Orthographie rein phonetisch zu gestalten. Die
von ihm vorgeschlagene phonetische Orthographie (S. 1 — 27} ist
nur eine Vereinfachung der offiziellen französischen Schreibweise.
Es soll durch sie erreicht werden, dass ein Fremder, der sieb in
seinen Schriftstücken ihrer bedient, ohne weiteres von jedermann
verstanden wird und die offizielle Orthographie nicht erst zu lernen
braucht. Daher die zahlreichen Inkonsequenzen des Cledat'scben
Transskriptions Systems. Er behält nicht nur wie ich (und auch dies
ist mir nicht mit Unrecht vorgeworfen worden) c vor dunklem Vokal,
im Auslaut und vor Konsonant für fc und neben k (vor e, i, tu)
und x {= gz) bei; er gebraucht auch sonst die Schriftzeicheo in
einer Weise, die gegen die Grundregeln einer rein phonetischen
Transskription Verstoss t. So ist o bei ihm nicht nur offenes o
(der Verfasser nennt es o ordmatre), es ist auch y in der Ver-
bindung oi, die Verfasser für ya beibehält. J ist bei ihm nicht
nur >', sondern auch a in der beibehaltenen Verbindung oi (für
yo), und noch anders ist sein Lautwert in der beibehaltenen Ver-
bindung oin (=*= ye). U (= u) wird in yi (= tfi) und un (= ät.) bei-
behalten; die Nae&lvokalc werden durch die nnphonetischen
Schreibungen an, in, on, im, ein ausgedrückt, ff dient mit c
(also in eh) zum Ausdruck von i, mit g vor t, i zum Ausdruck
von g, es wird endlich als diakritisches Hilfszeichen auch in Fällen
wie anhardi zur Vermeidung einer Aussprache anardi verwendet
Neben s (= stimmlosem *) erscheint mit demselben Laute m
zwischen zwei Vokalen und am Wortende. Die im Auslaut ge-
L. Cledat, Precu d'ortlingraplie et de grammaire /i/iimelii/ites etc. 259
sproehenen Konsonanten werden noch von einem für den Phone-
tiker überflüssigen Apostroph begleitet (teur, ijrb>' etc.) u. s. w.
QuiiiilltUi und Accent weiden im allgemeinen Oberhaupt nicht an-
gedeutet. Die bekannten Aeeento des Französischen dienen der
Regel nach zu Klangbeslimiuungen {4= e, i = f, e = $; *u
= <j, tu = a, [hier wie in ou und den Nasalvokaten, hei eft, ijh
werden zwei Laut reichen zum Ausdrucke eines Lauten gebraucht]
u. s. w.l; nur ü macht eine Ausnahme, indem durch seinen Cirkutu-
Hex die Litugu angedeutet wird.
Die rhonetiker werden der geschilderten Orthographie
Cledat's die Berechtigung des ihr gegebenen Beiwortes /ikuuiti./ut
bestreiten. Wer aber mit Cledat eine halbphonetisebe Noturtho-
graphie ftlr geeignet hält, dem Fremden das Erlernen der ge-
wBbnüehen Orthographie des Französischen zu ersparen, wird sieh
mit SL-iiicr Bi ■zeieliiiiiug.-wejse zufrieden geben können. Mir si-beiiit
ihr Wert mehr wie problematisch, wenigstens so lange noch keine
sie anwendenden Wörterbücher vorhanden Bind. Der nach Cledat's
Vorschlag Unterrichtete niuss wissen, wie die traditioneil ge-
schriebenen Worte auszusprechen sind, ehe er sie in seiner
Weise umschreiben kann, muss wissen, wie sich die gewöhnliche
Orthographie zu der Beinen verhalt, wenn er in gewöhnlicher
Weise gedruckte Texte richtig lesen will. Unter diesen Um-
ständen ist gewiss die durch Cledat gebotene Erleichterung recht
unbedeutend, wenn nicht vollständig illusorisch.
In dem Hauptteil seiner Arbeit ist Cledat bestrebt, die zu
gebenden Kegeln möglichst gering an Zahl und mogliebst ein-
fach erscheinen zu lassen, seinem Zwecke entsprechend, l'ro-
seliten für einen phonetisch-grammatischen Unterricht zu werben.
Hatte ich Beiion in meiner Formenlehre (die sich vorzugsweise an
Lehrer wandte und die Darstellung der Llleking'schen Grammatik
möglichst beibehielt, um einen Vergleich mit der traditionellen
Grammatik zu erleichtern) alles weggelassen, was irgend ent-
behrlich erschien, so ist Cledat hierin noch weiter gegangen.
Eine grosse Anzahl der Paragraphen meines Buches bleiben bei
ihm ohne Korrespondenz; nUmlieh § 1 — 2 (Uenus der Suhatantiva),
§ 3—5 (Motion der Substantiva), § 11, No. 4 (Plural von auf,
b<euf) und der grösste Teil von § 12 (inflexible Substantiva),
§ 13 — 14 (Flexion der zusammengesetzten Substantiva), § 24
'Flexion der untmmflngeieiltefl Adjektiv»), § 25— 2ti (Kompa-
ration), § 30— 32 i Zahladverbien etc.), § 43 (unbestimmte Für-
wörter), § 44 (Identitiltspronomen), tj 58 (die zusammengHttctaU
Zeiten der Inlraiisiliva), § 59 (Paanivuiu), tj tM i .Paradigma der
Reflexiv*), § Gl— 62 (das Verb in Fntgel'onn und mit Negation),
1 63—65 {Adverbium). Eine weitere Vereinfachung erstrebte
260 Referate und Rezensionen. E. Kotchnrili,
Cledat dadurch, dass er die Quantitüts Veränderungen fast gani
unbeachtet Hess, die Aussprache resp. Nichtaussprache von un-
betontem e (f sourd oder e muet) im Wortinnern Überging and
die Scheidung von ie und je (nach seiner Orthographie t/e, yi.
ye und ie", ie, ie) unterliess. Damit geht gerade ein Vorteil der
phonetischen Grammatik verloren: der Hinweis auch auf feinere
A usspra che verände rangen , die bei der traditionellen Grammatik
leicht Übersehen werden. In anderen Fällen ist Cledat ausführ-
licher wie Ref. So ist die Feminin bildung der Adjektiv» ein-
gehender bebandelt, mehr den von mir hier XII, 6 ff. aufgestellten
Forderungen entsprechend, aber keineswegs alle möglichen Fälle
berücksichtigend und ganz ausreichend. Sonst bringt Cledat einige
Bindungsregeln und einige kleinere Beobachtungen mehr wie die
Formenlehre, einen kurzen neuen Abschnitt: Motu invariable» (ä
51 — 53), und endlich ist von ihm die Verbatflexion nach anderen
Gesichtspunkten ausführlich ausgearbeitet. Kapitel X behandelt
die „Bindungen bei den Verben" ähnlich, aber kürzer wie von
mir in dieser Ztschr. XII, 10 ff. gefordert wurde; Kapitel XI bringt
die Paradigmata der Verben avoir und etre; XII die der Verb«
auf -er, XIII die der inchoativen Verben auf -ir (also den §§
48—51 der Formenlehre entsprechend), XIV endlich he* Verba
des Conjuyaisons morles, entsprechend dem § 52 der Formenlehrt,
aber in anderer Darstellung. Während es mir am leichtesten er-
scheint, die sog. französischen unregel massigen Verben zn bewäl-
tigen, indem man sie nach einer Einteilung wie der von mir nach
Lllcking gegebenen, die Verwandtes zusammenstellt, einfach aus-
wendig lernt, glaubt Cledat — mit manchem früheren Grammatiker
— eine leichtere Erlernung zu ermöglichen und vielleicht aneb
wissenschaftlicher zu verfahren, wenn er die Verben auf -re, -orr
und die reinen Verben auf -ir in Eins zusammenfasBt und durek
Regeln über Stammgewinnung und Ableitungen die Formenbildug
zu veranschaulichen sucht. Mir scheint, dass diese Art der Dar
Stellung am besten von dem begriffen wird, der die unregel-
massigen Verben bereits kennt, während der Anfänger durch sie
irre wird. Indess ist gerade dieser Abschnitt, weil er eine andere
Art grammatischer Auffassung in das Reich der Phonetik Über-
trägt, als die von mir gegebene, der originellste und wertvollste
Teil des Cledat'schen Baches.
Der Schulreformer und Befürworter einer reinen Laotgrmnt-
matik besitzt nun den Versuch einer solchen von einem Deutschen,
der sie zur Einführung in den Schulunterricht für schlechterdings
ungeeignet hält, und von einem Franzosen, der ihr das Wort reden
zu können glaubt und ihm durch möglichste Vereinfachung seiner
Grammatik entgegenkommt. Er kann nun selbst abwägen, welcher
L. CUdatt Prdcis tforthographe et de grammaire phonetiques etc. 261
der beiden einander entgegenstehenden Anschauungen er zuneigen
will ; er wird aber sehr wohl zu beachten haben, dass je weiter
er die lautlichen Beobachtungen treibt, je mehr er auf die Berück-
sichtigung auch feinerer Lautschattierungen drängt, um so um-
fangreicher sich das Regelwerk der phonetischen Grammatik auch
in der Formenlehre gestaltet. — Das Votum des Praktikers
mag übrigens ausfallen, wie es wolle: die Wissenschaft wird die
phonetische Grammatik unbekümmert um ihre phonetische Ver-
wendbarkeit weiter führen.
Den vorstehenden allgemeinen Bemerkungen mögen hier im
Interesse der auszugestaltenden neufranzösischen Lautgrammatik
einige Notizen über einzelne Punkte folgen!
Die Plurale des Artikels les, des sowie die Pronomina les,
mes, tes, ses, ces spricht C16dat im Bindungsfalle und ausserhalb
desselben mit geschlossenem e aus. Das Sachs'sche Wörterbuch u. a.
lehren die Aussprache mit offenem e, sogar mit sehr offenem e (e).
Ploetz Anleitung etc. findet, dass die Aussprache mit geschlossenem
e eine ganz abscheuliche, nachlässige ist. Lesaint, Traicti complet
etc., 3. 6d., Halle 1890, S. 59 f., lässt das „sehr offene ea dieser
Worte nur in der Konversation zu einem mittleren (e ouvert moyen)
werden. LegouvG, Hart de la lecture (zitiert von Benecke, Die
französische Aussprache, 2. Aufl. Potsdam 1880, S. 166) stellt
zwar fest, dass in der Unterhaltung les, des, mes etc. sehr oft mit
geschlossenem e gesprochen werden, rindet aber bei der Lektüre
eine solche Aussprache verdammenswert Legouvä ist damit im
Einverständnis mit älteren Grammatikern, mit Delatouche (1696),
Vallart (1744) u. a. Thurot, De la Prononciation francaise I,
213 findet in der heutigen Aussprache durchweg offenes e. Aus
seinem Werke (8. 211 — 214) ist übrigens zu entnehmen, dass
die Grammatiker schon seit dem 16. Jahrhundert bei der Be-
stimmung der Aussprache der genannten Wörtchen geschwankt
haben. Was ist nun als gegenwärtige Aussprache zu lehren?
Sollte gegen Clädat, der aus dem Pärigord stammt und in Lyon
lebt, der Vorwurf von Neuem erhoben werden, den Delongue 1725
den Provenzalen machte: üh Provencal icrira comme moi ces
prez et ne prononcera pas comme moi ces pris, mais il dira
eis prez, eis vallonst Auch den von anderen gefundenen
Unterschied zwischen les, des mit geschlossenem e vor Konsonant,
mit offenem vor Vokal leugnet C16dat, denn er sagt S. 29 aus-
drücklich : On remarquera que les formes de tarticle difini pluriel
devant les voyelles ne different des formes de cet article devant
les consonnes que par Vadjonction ctun z de liaison.
S. 31 ff. gibt C16dat einige neue Bindungsgesetze für die
Plurale der Substantiva. Nach ihm findet in der Umgangssprache
262 Referate und Rezensionen. E. Kotchxitz,
Bindung derselben nur mit folgendem attributiven Adjektiv and
auch fast nur dann statt, wenn das Substantiv (phonetisch)
mit einem Konsonanten endigt. Man sagt leicht ditrou fnorm',
aber: de' tigr' z'tnorm'. Femer bindet man das Substantiv mit
folgendem ihm syntaktisch eng verbundenen Adverb: vif-' ans apri.
Auch hier befindet sich Cledat teilweise im Widerspruch mit an-
deren modernen Orthoepisten. So fahrt Lesaint a. a. 0. S. S81 f.
als Aussprache der Umgangssprache die der Regel Cledat 's ent-
gegenstehenden Beispiele auf: di zb-m i-nu-main (des kommet
inhumaint), di crt'-i»' ainpu-ni (des crime» impunis), di portt
ovvirtt (des partes ouvertes) u. m., in denen die Substantivs
konsonantisch auslauten und doch nicht mit den folgenden attri-
butiven Adj. gebunden werden. Es scheint also die Nichtbindung
in noch weiterem Umfange gestattet zu sein, als Cledat annimmt.1)
S. 32 tritt Cledat wie öfter aus dem Rahmen seiner Gram-
matik heraas, wenn er seinen Lesern mitteilt, dass Bindungen
nach einem Substantiv im Singular in der Umgangssprache un-
endlich seltener sind, als man sich denkt. Ein Anfänger,
der erst Französisch lernt, hat sich darüber natürlich noch keine
Gedanken gemacht. Auch ist mit einer Regel nicht durchzu-
kommen wie der ebenda gegebenen: „Einige Substantivs im Sin-
gular, denen ohne Pause ein vokalisch beginnendes Wort folgt,
nehmen einen BindungskonBonanten an. Han wird diese
Einzelheiten durch den Gebrauch lernen". Welche Bindungskon-
sonanten kommen vor, bei welchen Worten kommen sie vor u. s. w.,
wird der unkundige Leser fragen. Und die Antwort wird nicht
anders zu geben sein als mit der Vorschrift, bei jedem Substantiv
gleich die Bindeform mit zu lernen. Ebensowenig ist das fol-
gende Gesetz in einer phonetischen Grammatik angängig: „Gewisse
Substantivs setzen im Prinzip selbst im Singular ein Bindungs-z
an: nämlich diejenigen, die in der offiziellen Ortho-
graphie in beiden Numeri gleich geschrieben werden."
Hier wird die Kenntnis der gewöhnlichen Orthographie als be-
kannt vorausgesetzt; aber auch davon abgesehen ist die Regel
ungenau, weil Worte wie fils, post-scriptum u. dgl. nicht mit ein-
geschlossen werden dürfen. Unvollständig ist auch der weitere
Zusatz: „Diese Bindung tritt selten und bei einigen dieser Sub-
stantiva niemals ein; man sagt nicht: un ne-s' akäin." — Im all-
gemeinen nimmt Cledat nur auf die Umgangssprache Rucksicht,
aber soll der Fremde nicht auch korrekt lesen und vortragen
lernen?
') Meine Lyoner Wirthin, eine Lyonerin mit elementarer Schul-
bildung, bindet t in allen obigen Beispielen, auch in irous enormes,
mit Ausnahme von ktrit ans \ apres, (20, November 1890.)
L. Cle'dat, Precis dorihographe et de gramtnaxre phone'tiques etc. 263
Bei der Femininbildung der Adjektiv» scheidet Clädat die
vokalisch und konsonantisch ausgehenden und stellt für erstere
zunächst die Regel auf: Die Adjektiva auf ou, o (besser 6), eu,
e oder e, af oi oder auf Nasalvokale haben besondere weibliehe
Formen. Dabei ergeben sich (ohne dass es anders als durch
Beispiele hervorgehoben wird) für die Adjektiva auf ou (= dtsch. u)
fünf Unterabteilungen: 1) fou,fol'; 2) sou (saoul): souV; 3) apsou
(absous): apsout'; 4) rou: rouss'; 5) andalou: andalouz; für die
Adjektiva auf 6 (?) sechs Unterabteilungen: 1) b6: beC; 2) gr$:
gross'; 3) cid: clöz; 4) sS: *6t'; 5) hö: köt\ (Cltdat musste Übrigens
6 und 6t schreiben); 6) chö (chaud): chöd1; für die Adjektiva auf
eü (et und jee), drei Unterabteilungen: 1) creü: creüz'; 2) vyeü
(vieux): vüy und 3) die Ausnahme bleu} die kein besonderes Fe-
mininum hat; für die Adjektiva auf e und c sechs Unterarten:
1) ghe und vre, die ausnahmsweise kein besonderes Femininum
haben ; 2) ipe (epais) : £pess\ 3) franse :fransiz\ 4) discre : discre? ,
pre :pret\ 5) le : led\ 6) fre :frich'*); für die Adjektiva auf a
und ä drei Unterabteilungen: 1) bä : bdss\ 2) rd : rdz\ 3) bia:
btat'; für die Adjektiva auf oi (ya) drei Unterabteilungen: 1) göloi
(gaulois) : göloiz', 2) droi : droit', 3) froi : froid? '. Für die Adjektiva
auf Nasalvokal ergeben sich bei C16dat zwei Hauptgruppen, die
wieder in eine Reihe Unterabteilungen zerfallen. Die erste Haupt-
gruppe umfasst diejenigen auf Nasalvokal ausgehenden Adjektiva,
in denen beim Femininum, wie es Clädat ausdrückt, sieh der
Nasalvokal in den korrespondierenden oralen Vokalen + (dentalem)
n verwandelt. Hierher gehören: 1) die Adjektive auf on (£): Fem.
ori, 2) diejenigen auf an (ä): Fem. an\ 3) auf In (S): Fem. en\
4) un (&): Fem. un (tfn). Ausnahmen bilden 5) die Adjektive auf
en (c) mit Fem. iri und 6) benkn (benin) und malen \malin) mit
Fem. benign' und maligri. Die zweite Hauptgruppe besteht aus
solchen Adjektiven auf Nasalvokal, bei denen der Nasalvokal auch
im Fem. bleibt, wo dann aber Kons, angesetzt wird. Dieser
angesetzte Konsonant ist: 1) ein t: savan : savant\ 2) ein d: blon:
blond!, 3) ein ch: blan (blanc) : Manch', 4) ein g: lö : Ug\ Per
Fall dütivet (diste : distekt) bleibt bei Ctedat unberücksichtigt
Den aufgezählten Arten vokalisch ausgehender Adjektiva stellt
C16dat diejenigen auf £, i, il gegenüber, die im allgemeinen
keine besondere Femininform haben ; nur bei u (ü) trete im Fem»
Vokaldehnung ein (il). Diese Aussonderung wird aber dadurch
misslich, dass es doch wieder recht viele Adjektiva auf «, i, U
gibt, die ebenfalls ein besonderes Femininum besitzen. Nämlich
I) Adjektiva auf i mit Fem. er7 (ihrem £ geht, wie C16dat richtig
x) Adjektiva wie suspeet (süspf) sind übergangen.
264 Referate und Rezensionen. E. Koseknitz,
beobachtet, ein ch, j oder y d. i. S, l oder i voraus), II) Adjektivs
auf u (Cledat meint ö, doch ist Länge fllr die Maskulina kaum
zuzugeben) mit Fem. uz' (üz) : confü : confüz; III) Adjektivs auf i:
1) mit Fem. iy : janti (gentit) : jantiy', 2) mit Fem. iz': gri ; griz';
3) mit Fem. it': fri :frit' (auch Fälle wie eui (ejfi) : cuit' werden
von Cledat hierher gerechnet).
Nicht viel weniger verwickelt wie fllr die vokaliseh aus-
gehenden Adjektiva sind die Kegeln für die konsonantisch aus-
gehenden. Es gelingt Cledat für beide Adjektivarten ebensowenig
wie mir ein rettendes Merkmal zu finden, das gestatten würde, tu
erkennen, wann die eine oder andere Femininbildung einzutreten
habe. Es bleibt fllr den nach einer phonetischen Grammatik
Lernenden nichts anderes Übrig, als das Chaos anzuerkennen and
bei jedem Adjektiv die Binde- und Femininform mit zu lernen. —
Unter Cledat's Regeln fllr die Fetnininbildung konsonantisch aus-
gehender Adjektive finden wir auch die Gruppen auf eur : etu',
newr" : rieuz' und die Bildungen vanjeur : vanjeriss' und corrupteur":
corruptri*»' etc., die in meiner Zusammenstellung hier XII, S. 6 f.
keine Berücksichtigung gefunden haben.
Der Adjektivflexion fügt Cledat S. 40 f. wieder einige
Bindungsregeln hinzu, die von den gewöhnlich gegebenen ab-
weichen oder sie ergänzen. Er macht darauf aufmerksam, dass
ein vokalisch endendes Adjektiv sich selten vor seinem Substantiv
zu befinden pflegt, dass die Adjektiva im Singular und Plural
auch vor folgendem et binden, und dass die plnralischen Adjektive
auch bei vokalischen Ausgängen vor ihrem Substantiv ein Bin-
dnngs-z einschieben, während in anderer Stellung nur konsonan-
tische, namentlich auf mehrfache Konsonanz ausgehende Adjektiva
ein Plural-z einschieben: it son penibl'-z a voir n. dgl. Im übrigen
sind Cledat's Bindungsregeln mit den meinen (Formenlehre S. 7)
ihrem Inhalte nach identisch.
Bei den Zahlwörtern S. 43 sagt Cledat: neuf (9) vor dem
Wort eur' (keure) wird neun' gesprochen: neu »' eur', was wöTil zu
eng ist. Gewöhnlich wird gelehrt, dass neuf vor jedem folgen-
den Vokal im Bindungsfalle mit v gebunden werde (man vgl. u.
a. die Beispiele bei Lesaint, S. 139). Ferner S. 44 sind seine
Beispiele für das Gesetz, dass vin {vingt) und san (cent) vor
folgendem Zahlwort kein Plural-« annehmen, sehr unglücklich ge-
wählt. Es sind catr ven uit' und sen san onzyim. Vor kuit
und onzüme sind ja Bindungen Überhaupt ausgeschlossen.
In der dankenswerten Konjugationsbehandlung Cledat's
wird man manche Formulierung unpraktisch finden: diese Schwäche
war bei einem ersten Versuche nicht zu vermeiden. So lassen
sich Erklärungen wie die S. 66 im letzten Absatz und 8. 69 zu
Z. CUdat, Questions d Orthographe et de Grammaire. 265
den reinen Verben auf ir gegebenen u. a. gewiss noch verein-
fachen. S. 71, Z. 5 von unten wird das ainsi sexpliquent des
Verfassers bei den historischen Grammatikern einiges Schaudern
erregen : 6 in födra (faudra) ist doch das Ergebnis von a 4- auf-
gelöstem l, 6 nicht aus a entstanden. Die Aussprache des Präsens
von savoir : se, die C16dat S. 82 gibt, gilt nicht als mustergiltig.1)
Die erleichternde Merkregel, die ich hier XII, S. 10 in Bezug
auf die Präsensbildung gab, hat Cl6dat nicht gefunden; ebenso
fehlt eine solche für die 1. und 2. Konj. Präs. in ihrem Verhalten
zu den entsprechenden Personen des Indikativ.
Damit genug. Möge das Schriftchen meines verehrten Kon-
kurrenten recht viele Leser finden!
E. Koschwitz.
Cl£dat, L., Questions et Orthographe et de Grammaire, II. Extrait
de le Revue de Philologie frangaise. (Reo. de phä.
franc. 1890, S. 81—93.)
Mancher, der sich die Mühe genommen hat, unsere Anzeigen
von Cl6dat*8 Pricis d'orthographe etc. (s. o. S. 258 ff.) und von
Darme8teter'8 Question de la riforme orthografique etc. (s. o. S. 250 ff.)
zu lesen, wird Freude darüber empfunden haben, dass unsere
Nachbarn jenseits der Vogesen einstweilen noch recht wenig
Anstalten machen, sich zu einer rein phonetischen Orthographie
zu bekehren. Ihre Einführung, wäre sie überhaupt durchführbar,
würde eine Umwälzung im Lehren und Lernen des Französischen
erzeugen, die mitzumachen nicht immer als Annehmlichkeit em-
pfunden werden dürfte. Die Aussprachelehre würde sich aller-
dings vereinfachen: aber die dem Französischen eigenen Artiku-
lationen müssten nach wie vor gelernt, die deutschen Dialekt-
eigentümlichkelten, die der Aneignung einer korrekten franzö-
sischen Aussprache entgegenstehen, nach wie vor bekämpft
werden; das Vokabellernen würde durch die Notwendigkeit, auch
die Bindungsformen mitzulernen, erschwert werden; dem Latein-
kundigen, denen die gegenwärtige Orthographie bei Aneignung
des französischen Wortschatzes hilfreich beispringt, würde dieser
Vorteil entgehen; die Formenlehre würde sich verwickeln, und
die Syntax nur wenig vereinfacht werden; der historische Gram-
matiker endlich würde zwar den gegenwärtigen Lautstand besser
im Gedächtnis haben und leichter dem früheren entgegenstellen,
*) In Genf und Lyon ist s$ f. se = sais allerdings allgemein im
Gebrauch.
266 Referate und Rezensionen. E. Kotchwitz,
dafür aber würde ihm die Aneignung des früheren um so mehr
Schwierigkeit machen. Kurz, Nachteil und Vorteil würden sich
zum mindesten aufwiegen, nnd unter solchen Umständen durften
die Nichtfranzosen im allgemeinen nur wenig Begeisterung für
eine radikale französische Ortbographierefonn entwickeln.
Um so grösser wird ihre Begeisterung sein, wenn von
Seiten der Franzosen ernstliche Anstalten getroffen werden, jenen
zahlreichen Schreibregeln des Französischen zu Leibe zu gehen,
die weder in der lebenden Sprache noch eine geschichtliche
oder etymologische Berechtigung besitzen, und die nur erfunden
zu sein scheinen, um den jungen Franzosen wie den Ausländem
das Erlernen der gebräuchlichen Orthographie Frankreichs mög-
lichst zu erschweren. Den Anstosa, in dieser Richtung vorzu-
gehen, hatte Cledat bereits in der hier, XII, S. 139 ff. besprocheneu
Arbeit gegeben. In dem nunmehr zu besprechenden kleinen
Aufsatz, der den Untertitel trägt: Tu couda et tu abtoua, finden
wir ihn auf dem gleichen Gebiete thätig. Auch diesmal hit
Cledat seine Ansichten einem Aräopag französischer Grammatiker
(den Herren M. Breal, G. Paris, Marty - Laveaux , Crouslö, Del-
boulle, Cbabaneau, Bastin, F. Hement nnd F. Brunot) unterbreitet,
die, wie es in dem vorliegenden Falle nicht anders sein konnte,
ihm ihre mehr oder minder vollständige Zustimmung ausge-
sprochen haben. Da Cledat in der begonnenen Weine weiter fort-
zufahren gedenkt, möchten wir ihm empfehlen, seinen Gerichtshof
duroh Aufnahme einiger ausländischer Grammatiker des Fran-
zösischen, einen Deutschen, Italieners, Niederländers, Engländers
und, wenn möglich, auch eines Russen etwas zu erweitern; in
Angelegenheiten der Beseitigung der Bizarrerien der französischen
Orthographie sollten auch die dabei stark mitbeteiligten Ausländer
ihre Stimme abgeben dürfen; Cledat zumal, der das Französische
zur Weltsprache erhoben wünscht, sollte auch die Weltbürger
ausserhalb Frankreichs nicht ungehört lassen. Bei ihnen wurde
er vielleicht die lebhafteste Zustimmung auch zu seinem neuen
Vorschlage gefunden haben.
Cledat verweist diesmal auf die Inkonsequenz der
Schreibungen der 3. Sgl.: rixout, dittoui, plaint etc. mit ( neben
coud, moud, sourd mit rf, deren Vorhandensein für jeden Kenner
der historischen Grammatik ein Ärgernis ist. Die laL Grund-
formen sind: connvit, molit, xurtjit. Auch in nied, ansied (gedet),
perd (perdit) mord (mordet) und in den Endungen end, and, ond
(lat. endit, andit, undü) ist d ohne Berechtigung, da es schon
in den ältesten französischen Sprachdenkmälern gefallen ist, da
man auch in voit (videt), fchoit ein ( schreibt, und in der Bin-
dung der sonst stumme Konsonant t lautet Ebensowenig wie
Z. Cledat, Questions <T Orlhographc et de Graminaire. 267
in der 3. Sgl. läset sich d in der 1. 2. Sgl. Präg, vor s
verteidigen. Man schrieb bis in das XVI. Jahrhundert pers, mors,
prens, ripons (im Altfrz. war in der 2. Sgl. d -+- flex. 8 zu z
geworden, die 1. Person ging für gewöhnlich auf t ans); wenn
man in diesen Verben den Endkonsonanten des lat. oder französ.
Stammes festhalten wollte, hätte man dies anch bei den (ihrigen
Verben thnn und sorts, parts, doivs oder doibs, dorm*, servs etc.
schreiben müssen, was im XVI. Jahrhundert zum Teil auch ge-
schah. Cledat plädiert also für Beseitigung sämtlicher ange-
gebenen d. G. Paris macht darauf aufmerksam, dass auch vainc
durch vaint zu ersetzen sei und regt Cledat dadurch zu den
weiteren Beobachtungen an, dass man auch in mets, bat*, vets
das t unterdrücken und rons, ront (rumpü, -t) schreiben müsste.
Marty-Laveaux fürchtet durch die Neuerung eine Verletzung des
Auges, Crousle stösst sich an assits, assiet, wie Cledat vermutet,
weil hier mit Tilgung von d noch die Schreibung i für e verbunden
ist. Delboulle benutzt die Gelegenheit, um auf die thörichten
Schreibungen siUe und dessüle für früheres cüle decäU neben eil
hinzuweisen; Chabaneau empfiehlt, mit der vorgeschlagenen Re-
form sofort auch in der Praxis zu beginnen, und Bastin endlich
weist, darauf hin, dass coudfe), moud(s) ihr d der Analogie zu der
sog. „ regelmässigen u Konjugation rends verdanken. Hement und
Brunot stimmen ohne Bemerkung zu.
In der Hauptfrage herrscht also allgemeine Einmütigkeit.
Der Anregung Chabaneau's folgend wird dann Cledat in seiner
Revue die folgenden orthographischen Vereinfachungen ein-
führen: 1) Endungs-sc durch 8 ersetzen, also schreiben: chöteaus,
caülous, voü (voix)j pris (prix), pais (paix) etc., 2) die unetymo-
logischen Buchstaben ausmerzen in Worten wie s(c)eauy poi(d)s>
k(g)8t la(c)s, 3) die Komposita in der Schrift mit dem Simplex
ins Einvernehmen setzen, also ctecüler nach et?, contreindre =
astreindre etc., 4) bei allen Verben auf rc, otr, ir im Präsens
Sgl. im Auslaut nur 8 und t setzen, 5) das Pc. Pf. nach en und
präpositionalem Inf. unverändert lassen, und die Pc. von coüter
und valoir wie jedes andere Pc. Pf. behandeln. Er hofft darin
Nachahmung zu finden und so schliesslich auch die Akademie
dahin zu bringen, den neu geschaffenen guten Gebrauch später
zu sanktionieren. Die genannten Reformen sind mit Rücksicht
darauf ausgewählt, dass sie offenkundige Abgeschmaktheiten be-
seitigen ' und die Physiognomie der Worte nicht zu sehr ver-
ändern, worauf Cledat mit Recht ein besonderes Gewicht legt.
Darum erscheinen ihm auch die weitergehenden Reformversuche
der Gegenwart (f für pTij y für i, an für en> acion für aüon etc.)
zur Zeit für aussichtslos und eher hinderlich wie förderlich« Bei
368 Referate und Rezensionen. E. Kosehmtz,
seiner masavollen Reform wird es Cledat gewiss nicht an Nach-
folgern fehlen. In Deutschland kann für die Sache wenig ge-
than werden; doch werden sich unsere Schulgrammatiker zu über-
legen haben, ob nicht die Cledat'sclien Neuerungen in ihren
Btlchem einzuführen und der Unterricht dadurch zo erleichtern
ist. Auch werden unsere Schulmänner es vielleicht unterlassen
können, ein veus für veux, chevaus fUr chevanx etc. noch weiter
als fehlerhaft „anzustreichen", nachdem es einmal Franzosen
gibt, die eine solche Orthographie als richtig verwenden.
E. Kobchwitz.
Clädat, L., Sur la double valeur des temps du Passif fr
In: Rev. de philologie francaise. 1890, S. 1 — 9.
Cledat setzt hier eine in seiner Grammaire historigue 8. 216
(vgl. hier, XI, 15) begonnene syntaktische Studie fort. Schon
dort hatte er auf die doppelte Bedeutung der Pc. Pf. in Kon-
struktionen wie ce mur est construit par de bons anfriert
(diese Mauer wird von guten Arbeitern gebaut), und voilä gvi
est fait: le mur est construit (die Mauer ist gebaut) hinge
wiesen. Dem ersteren Falle entspriebt lat.: construitur, dein
zweiten construetus est; im ersten Falle liegt ein Präsens
vor, im zweiten ein Pf. bez. das Perfektum Präsens. Das zweite
est construit (ist gebaut) steht auf derselben Stufe wie ein ä est
arrivi (er ist gekommen); doch ist im letzteren Falle (beim
Intransitivnm) eine prä Bentische Verwendung (= er kommt an)
ausgeschlossen. Anch kann man sagen: i7 est arrivi hier, aber
nicht il est construit hier, d. h. beim Passivnm kann das Prä-
sens von itre -f- Pe. Pf. nicht fltr eine eben rollendete Hand-
lung gebraucht werden, wohl aber beim Pc. Pf. das lotraiiBitivums.
Dagegen ist wieder im Lateinischen ein heri construetus est
gestattet. Die Verwendung von est construit (= ist gebaut) als
Perfektum Präsens ist Überhaupt überall ausgeschlossen, wo der
eingetretene Zustand nicht ausdrücklich als noch fortbestehend
bezeichnet wird: le mur est construit, mais en Va ditruit
depuis, ist unmöglich; es kann hier nur heissen: ce mur a iU
construit.
Die Verwendung des Präsens von itre + Pc. Pf. bei
aktiven Verben in der Bedeutung eines Perf. Präsens ist ferner
nur bei Verben mit begrenzter Zeitdauer möglich , nicht bei
solchen mit unbeschränkter Zeitdauer, weil bei diesen der Zu-
stand die Handlung begleitet und mit ihr zugleich abgeschlossen
ist, ein Resultat nicht Übrig bleibt. Oh komme est redouti
L. Cledat, Sur la double valeur des iemps du Passif franqais. 269
(ein Mann ist oder wird gefürchtet) kann immer nur ein Präsens
sein. (Im Deutschen wird dies klar dadurch, dass hier ohne
Bedeutungsunterschied ist und wird eingesetzt werden kann.)
Zuweilen kann ein Verbum auf beide Weisen für eine Thätigkeit
von beschränkter und unbeschränkter Zeitdauer gebraucht werden.
Die Verschiedenheit der Bedeutung von est constrvä (= wird
gebaut und ist gebaut) liegt in einer verschiedenen Bedeutung
der Pc. Pf. In der ersten, rein präsentischen Bedeutung (wird
gebaut) drückt das Pc. nur den leidenden Zustand aus, ist es
Pc. Präs. Pass.; in der zweiten (ist gebant) drückt es nur die
Vollendung aus, ist es ein wirkliches Pc. Per f. Pass. Im
Deutschen, das Cledat nicht zum Vergleich heranzieht, so sehr
es ihm seine Bedeutnngsanalyse erleichtert hätte, drückt wie im
Kl. Lat. das Pc. immer eine Vollendung aus; mit wird wird
angedeutet, dass diese Vollendung in der Gegenwart eintritt,
während ist die eingetretene Vollendung feststellt. Die Funk-
tionen, die im Deutschen zwei verschiedene Hilfsverben über-
nehmen, müssen im Französischen durch das eine Pc. Pf. mit
zwei Bedeutungen zum Ausdruck gebracht werden.
Wie beim Präsens von etre mit Pc. Pf., so beim Imper-
fektum. In La piece itait jouie (war gespielt) quand nous
somwes arrivis wird eine Vollendung in der Vergangenheit (ein
Imperfektum Perfektum oder Imparfait accompli, wie der Ver-
fasser es nennt) zum Ausdruck gebracht; in la piece itait jouie
(wurde gespielt) par de bons acteurs kommt ein gewöhnliches
passivisches Imperfektum zum Ausdruck. Ebenso beim Futurum:
la piece sera jouie (wird gespielt werden) par de bons acteurs
(Fut. Pass.) und la piece sera jouie (wird gespielt sein) quand
vous arriverez (Vollendung in der Zukunft, Futurum Perfektum).
Nicht anders auch in den übrigen Tempora. Die Cledat schwierig
scheinende Analyse von le tour lui a iti joui (ist gespielt
worden) par son frlre (Pf. log.) und ü s'est esquivi, et le tour
a iti joui (ist gespielt gewesen, Perfektum Perfektum,
Vollendung in der Vergangenheit) ist sie dem Deutschen, der
richtig übersetzt, ohne Weiteres gegeben.
Es liegt auf der Hand, dass in den Fällen, wo das Pc. Pf.
bei itre zum Ausdruck der Vollendung dient, also ein wirkliches
Pc. Perfekti ist, Korrespondenz zu den gewöhnlichen Bezeich-
nungen der Vollendung eintritt, ohne dass deshalb eine Gleich-
heit der Bedeutung vorläge.
La piice est jouie depuis hier (ist gespielt) korrespondiert
mit La piece a iti jouie hier (ist gespielt worden) und
ebenso bei den anderen Tempora. Wie die deutsche Übersetzung
klar macht; wird bei dem Gebrauch der gewöhnlichen Tempora
270 Referate und Rezensionen. W. Ricken,
der Vollendung (Pf. log., Ptqpf. I und II, Fat. 11) im Passivum
der Eintritt resp. Abschlug« der Vollendung hervorge-
hoben (a iti jouie: ist gespielt worden), während bei den
parallelen Ausdrücken (ohne iti) das Fortbeatehen des Er-
gebnisses in den Vordergrund tritt (est jouie: ist gespiell
und bleibt es). Cledat ist dieser Bedeutungsunterschied in seiner
Analyse entgangen.
Diese unsere Unterscheidung gilt auch für das historische
Perfekt von itre + Pc. Pf. der in Frage kommenden Verben
Quand il fut reduit ä Vimpvissance (als er zur Ohnmacht ge-
bracht war) on l'abandonna unterscheidet sich genau in der-
selben Weise von quand il eut iti riduit . . (als er . . gebracht
worden war). Es ist nicht richtig, wenn Cledat die eben ge-
nannten beiden Ausdrucke gleichstellt einem: Quand il a iti
riduit . . . (als er gebracht worden ist), weil hier ein anderes
Tempus vorliegt (ein Perf. Präs.), das nur in Verbindung mit
einem weiteren präsentischeu Tempus denkbar und verwendbar ist
Cledat seh lies st seine Betrachtung mit der Behauptung,
wo bei einem, eine vorübergehende Thätigkeit bezeichnenden
Verbura dal Pc. Pf. als Vollendnngsform iu der geschilderten
Weise eintrete, sei etre als eigentliches selbständiges Verhüte
tu fühlen, das dabei stehende Pc. gewissennassen das Pc. eines
anderen Verbums, werde also nicht eine zusammengesetzte Form
dieses anderen Verbums gefühlt. In le mur est enfin construit
sei nicht das Hilfsverbum, sondern das eigentliche Verbnil!
etre angewendet, construit besitze den Werth eines Adjectrrg.
Man solle vergleichen: la maison est enfin appropriie und la
maison est enfin propre. Aber nichts hindert anch in anderen
Fällen ein Adj. für ein Pc. Perf. einzusetzen. Ich kann ebenso
gnt: ee mur n esti construit mit „die Hauer ist fertig ge-
worden" übersetzen, wie le mur est construit, mit „ die Mauer
ist fertig". Hier hat Cledat unverkennbar sein Sprachgefühl
getäuscht und ihn den fand des choses, den er damit gefunden
zu haben glaubte, verkennen lassen.
E. Kobohwitz.
Cledat, L., Müange* de phonitique francaise. In: Revue de philo-
logie francaise 1890. 3. 41—46.
Vier Miszellen znr historischen Lautlehre des Französischen.
1. Jeter soll auf eine vi. Grundform jettare zurückgehen, und,
was noch weniger wahrscheinlich ist, giet, gietes, giete ihr ii der
Analogie zn ü in den Adjektiven und Substantiven an gier, gii
C. Humbert, Nochmals das e muet und der Vortrag franz Verse. 271
verdanken. — 2. avec verdankt die Erhaltung seines c bis in
die Gegenwart der älteren Konkurrenzform aveque (avec zu aveque
wie or zu ore) und ebenso, was glaublicher klingt, donc seinen
erhaltenen k- Auslaut dem älteren donque. — 3. Die postpar-
talen (oder volaren) Laute c (k) und j (y) sollen vor den haupt-
tonischen freien Velarvokalen u, o ein (unsilbisches) u (also u)
nach sich entwickelt haben, Cogitat sei so durch cuoide zu
cuide, juvenem durch juovne zu juefne etc. übergegangen. Des
Verfassers Beweisführung hinkt nach mehreren Seiten, abgesehen
davon, dass es ihm nicht gelingt, die selbst gebrachten Ein-
wände in überzeugender Weise zu beseitigen. Der zitierte Reim
esquet (excutü): puet (potet) beweist nur, dass in dem betreffen-
den Denkmal früheres #e und g (ou) bereits unter dem Laute 02
zusammengefallen waren. Nach Cle'dat's eigener Annahme hätte
exeotä nun escugt mit geschlossenem g entstehen können ; in puQt>
dem Vorgänger von puet, lag aber offenes g vor. Ebenso in den
anderen Fällen; wie sollten ug und ug zusammentreffen? Wie
sollte endlich in juvenem, dessen anlautendes j (i) früh einem g
gewichen war, ein u nach j = g entstanden sein? Wer wird
dem Verfasser mit „ja" antworten, wenn er fragt, ob nicht in
colubra das Anfangs -c das u der zweitnächsten Silbe beeinflusst
habe? — 4. In dry tr (es handelt sich nur um diese Gruppen, nicht
wie Clädat betitelt, um Dentalis vor Liquida überhaupt) nach
Vokal soll die Dentalis früher in vortonischer als in betonter
Stelle verstummt resp. an folgendes r assimiliert worden sein.
Möglich, aber mit dem geringen beizubringenden Material kaum
zu erweisen. Die Lehnworte larrecin und norreturc durften
nicht als Beweismittel herbeigezogen werden.
E. Kosohwitz.
flumbert, C. Nochmals das e muet und der Vortrag franzö-
sischer Verse. Zur Vervollständigung, zur Aufklärung und
zur Abwehr. Bielefelder Progr., 1890.
Humbert verteidigt seinen Standpunkt in dieser Sache gegen
mehrere Rezensenten seiner vor zwei Jahren veröffentlichten Schrift,
bei deren Abfassung ihm, wie er gleich zu Anfang offen gesteht,
„die deutschen Bücher über französische Metrik nicht bekannt"
waren. Er verteidigt seinen Standpunkt, wie ich meine, mit Glück.
Den meisten seiner Ausführungen kann ich meine Zustimmung
nicht versagen.
Ich habe mich unterdes in dieser Zeitschrift zu der brennend
gewordenen Streitfrage in einer besonderen Abhandlung: Grund-
272 Referate und Rezensionen. J. Sarrazin,
ziige der Entwickdung des e xourd. Ein Beitrag zur Beant-
wortung der Frage: „Wie sind die französischen Verse zu lesen f
(Zeitschr. XI1, 8. 238 — 255), und in einer längeren Besprechung
der letzten Schrift Lubarsch's (Zeäschr. XI2, S. 21 — 29) eingehend
geäussert. Ich bin sicher, dass meine Auseinandersetzungen nicht
jedermann überzeugt haben. Wenn indes einige in erster Reihe
massgebende Männer der Wissenschaft, auch wenn sie vorher
einen etwas anderen Standpunkt einnehmen zu müssen glaubten,
meine Erwägungen und Beweisführungen einleuchtend finden
würden, dürfte ich hoffen den Streit im wesentlichen geschlichtet
zu haben.
In des ersten Teiles zweiter Hälfte („Stand der Frage
in Frankreich") führt Humbert zur Stutze seiner Ansichten
ausser denjenigen, welche er Lubarsch entnimmt, noch einige
andere beachtenswerte französische Zeugnisse der jüngsten Zeit
vor, und zieht darauf in dem kurzen zweiten Hauptteil („Wie
wir uns nun zu verhalten haben") in frischer und überzeu-
gender Weise seine Schlüsse ans den vorhergehenden Betrachtungen.
Man wird dieselben in Übereinstimmung mit einem Teile meiner
eigenen Schlussfolgernugen (Zeitschr. XI *, S. 253 und 254) finden.
Heine Abhandlung hat übrigens Humbert erst kennen ge-
lernt, als er eben im Begriff war die Korrekturbogen in die
Druckerei zurückzuschicken. Neben Coqnelin finde ich daher unter
der Überschrift: „Noch zwei Bundesgenossen" nur auf der letzten
Seite des Anhanges, in welchem die „wichtigsten Stellen" ans
Marelle's Rezension, sowie die Rezensionen derer, die Humbert
„nicht recht geben", zum Abdruck gelangen, ein kleines Plätzchen.
So sehr nun auch Humbert meine Bemühungen zu schätzen
scheint, so ist ihm Coqnelin doch der „wichtigste Bundesgenosse".
Hätte der letztere das fragliche Problem mit gleichem philo-
logischem Rüstzeug und mit derselben Gründlichkeit behandelt,
so wäre ich der erste, der seinem Urteil als, dem eines Franzosen
und grossen Schauspielers die höhere Bedeutung zuerkennen
würde. Aber Coquelin redet gar nicht einmal vom e muet. Er
plaudert an der angeführten Stelle nur über das Artikulieren:
„Das Artikulieren (deutlich sprechen) ist die Höflichkeit des
Schauspielers, wie die Pünktlichkeit die der Könige. Reden Sie
mir nicht von der Natürlichkeit derer, welche deutlich zu sprechen
für Überflüssig halten, welche vor den Zuschauern wie bei Tische
sprechen, sich unterbrechen, sich verbessern, sich wiederholen,
ihre Worte wie einen Zigarrenstummel kauen . . . Das Theater
ist kein Salon. Man spricht nicht zu fünfzehnhundert Zuschauern
in einem Theatersaale wie an der Ecke eines Kamins. Wenn
man seine Stimme nicht erhebt, hört man einen nicht; wenn man
Anhang zu ViUatte's Parisismen, 273
nicht deutlich spricht, wird man nicht verstanden. u Es ist klar,
dass man gar manche e muets stamm lassen bezw. verstummen
lassen und doch seine Rolle im Sinne Coquelin's deutlich, sauber
und anständig deklamieren kann. Was dieser ausserdem gegen
den „Naturalismus" in der Kunst sagt, gehört noch viel weniger
hierhin und kann mich nur in der Vermutung bestärken, dass
Coquelin bei seinen Auslassungen an die e muets kaum dachte.
W. Ricken.
Anhang zu ViUatte's Parisismen* Berlin, G. Langenscheidt
1890. 8. 309—326.
Dieses Heftchen soll für die Besitzer von Villatte's nützlichem
und vom Ref. sowohl im V. Band, S. 29 ff., als auch im XI. Bande,
8. 39 ff. der Zeitschrift sehr ausführlich besprochenen Nachschlage-
werk das Warten auf die dritte Auflage erleichtern, welche nicht
mehr lange auf sich warten lassen dürfte.1) So dankenswert diese
Aufmerksamkeit des Verlegers ist, so wenig kann man allseitig
dem Inhalt beistimmen. Als überflüssig sind z.B. zu bezeichnen:
un agiti ein Aufgeregter; Stre trop artiste sich ums Alltagsleben zu
wenig kümmern ; Vavoir encore = avoir encore son pucelage ; botte
ä femmes Lokal mit Damenbedienung u. a. m. Unvollständig ist
Ramollot, da immer Colonel dabeistehen muss. Bei scrongneugneu
muss es heissen „Donnerwetter !u, statt „wie ein D.tf. Ein bükt
de Service wird nicht nur den Rezensenten, sondern auch den
regelmässigen oder gelegentlichen claqueurs zu teil.
Wörter wie bicepsman, vibrion, haute femellerie, boule de son,
les cabotinSy les petdeloups, taupin u. a. dürften aus des Referenten
Besprechungen des Buches in dem Heftchen Aufnahme gefunden
haben. Andere, wie garder ä qn un chien de sa chienne = garder
rancune, waren dringendes Bedürfnis und sind ohne Mahnung nach-
getragen worden.
Viele Ergänzungen tragen in Klammern den Zusatz S. 0.
Da sie meist auf militärische Ausdrücke sich erstrecken, — barder,
berloque, buissons vivants, faire camper, faire colonne, hussarder,
serrer Ja vis, fite mobile, tirer la tunique, zanzibar und andere
minder bezeichnende, — so ist zu vermuten, dass diese Abkür-
zung Lucien Descaves' unflätiges Buch Sousoffs als Quelle
*) Die 3. Auflage ist mittlerweile als Abdruck der zweiten er-
schienen und der Anhang gesondert zu haben. Eine durchgreifende
Neubearbeitung der Parisismen bleibt trotzdem eine unabweisliche Not
wendigkeit.
Zichr. t firx. Spr. n. Litt. X1K jg
274 Referate und Rezensionen. F. tCaleptcy,
dieser Zusätze bezeichnet. Dann war aber die Klamme rbezeich
Biing bei einem so allgemein gebräuchlichen und so wenig zd
den Parisismen zu rechnendem Wort wie engagt" conditio nnd
= Einjährigfreiwilliger, zum mindesten Überflüssig, ebenso bei
lübin. Joseph Sarrazin.
Lncking, G. Französische Grammatik für den Schulgebrawh,
Zweite, verbesserte Auflage. Berlin, 188». Preis 3 Mk.
Weidmann' sehe Buchhandlung.
In der beträchtlichen Zahl der im Laufe der letzten Jahre
erschienenen Grammatiken des Französischen nimmt das vor-
liegende Buch, eine kürzende Bearbeitung der grösseren, jedem
Neuphilologen unentbehrlich gewordenen LUcking'schen Grammatik,
eine abgesonderte Stellung, aber meines Erachten» auch den ersten
Platz ein. Keine andere Grammatik kann sich, was Genauigkeit
der Angaben, Gründlichkeit in der Auffassung und Darstellung
der sprachlichen Erscheinungen betrifft, mit dieser messen; keine
freilich stellt auch an die wissenschaftliche Tüchtigkeit und an
das Unterrichtsgeschick des Lehrers, sowie an die Aufmerksam-
keit nnd geistige Spannkraft des Schillers so hohe Anforderungen.
Es ist ohne Frage die „schwerste" aller Grammatiken. Dass
diese Eigenschaft in der gegenwärtigen Zeit, welche der Gram-
matik im allgemeinen, nnd im besondern dem nicht auf unmittelbar
praktische Zwecke, sondern auf möglichst tiefes Eindringen in
die Sprache abzielenden Betriebe derselben so abhold ist, nicht
zu rascher Verbreitung des Bncbes beitragen kann, liegt auf der
Hand. Um so erfreulicher ist es, dass nach Verlauf von sechs
Jahren eine zweite Auflage desselben nötig geworden ist, deren
Veranstaltung dem nm die Förderung der französischen Grammatik
so hochverdienten Verfasser nicht nur Gelegenheit gegeben hat,
sein Werk durch mancherlei, aber keineswegs umfangreiche Ver-
besserungen der angestrebten Vollkommenheit eiuen Schritt naher
zu fuhren, sondern ihm auch die Genugthunng verschafft, dass
seine idealistische Auffassung des Grammatik Unterrichtes von einer
Zahl unterrichtender Fachgenossen geteilt wird.
Nachdem das Buch bei seinem ersten Erscheinen von Tobler
(Zeitschrift für da» Gymnasialwesen, 1883) gewürdigt sowie im
einzelnen nachgeprüft worden ist und der Verfasser den Aus-
stellungen und Wünschen dieses und anderer Rezensenten möglichst
gerecht zu werden versucht hat, wird von der Berichterstattung
Über die zweite Auflage nicht viel Neues erwartet werden könne».
So sind es denn auch nicht besonders erhebliehe Dinge, auf
G. Lücking, Französische Grammatik für den Schulgebranch. 275
welche sich die nachfolgenden, aus längerer Beschäftigung mit
dem Buche erwachsenen Bemerkungen beziehen, die ich einem
Grammatiker wie Lücking gegenüber ausdrücklich als unmass-
geblich zu bezeichnen mich gedrungen fühle.
Einen der grüssten Vorzüge des Buches muss ich in seiner
grammatischen Terminologie erblicken. Reine Benennung, Unter-
scheidung, keine Beschreibung eines Sachverhaltes, die nicht das
besondere Wesen der Erscheinungen träfe und auf den präzisesten
Ausdruck brächte. Nur mit einem Terminus vermag ich mich
durchaus nicht zu befreunden, weil er meines Erachtens den Ler-
nenden an einer scharfen Erfassung der sprachlichen Erscheinung,
auf welche er angewendet wird, hindern muss. Es ist der Ter-
minus „ Beziehung mittelst Attraktion a.
Anlass zum Gebrauche dieser Bezeichnung gibt Lücking
die Satzform der Hervorhebung, wie sie das Beispiel: C'est moi
qui tai fait, zeigt. Er sagt darüber (§ 133 Anm.): „Ist ein de-
terminatives ce Subjekt und qui von demselben durch etre und ein
Prädikatsnomen getrennt, so bezieht sich qui auf das Prädikats-
nomen. u Einen Beweis für diese Behauptung gibt er nicht, und
mit gutem Grunde, denn sie lässt ihrer Natur nach keinen Be-
weis zu. „Beziehen" ist ein logischer Begriff, den die Grammatik
verwendet, insofern sie untersucht, wie sich Satzglieder als Ge-
dankenglieder zu einander verhalten. Daher kann die Frage, ob
sich ein Satzglied auf ein anderes beziehe, nicht au 8 der äusseren
Gestalt des Satzes, sondern sie muss durch die Betrachtung des
Verhältnisses, welches sie im Denken haben, entschieden werden.
Dass sich aber das qui des angeführten Beispieles logisch nicht
auf moi bezieht, wird für Lücking keines Beweises bedürfen,
und wird jedermann sogleich klar, wenn er die Funktion dieses
qui mit derjenigen vergleicht, welche es in folgendem Beispiel
hat: Moi qui suis venu te voir, jesperais u. s. w. Hier bezieht
sich qui auf moi; das will sagen: mit dem unter qui Gedachten
knüpfe ich an das unter moi Gedachte an. Wollte ich dagegen
in dem erstgegebenen Beispiel mit qui in Gedanken an moi an-
knüpfen, so würde ich mich sogleich von dem Gedanken entfernen,
dem der Sprechende die Form: c'est moi qui Vai fait gegeben
hat. Das qui dieses Satzes steht zu dem vorangehenden moi in
keinerlei innerer Beziehung; es ist ein beziehungsloses Relativ-
pronomen, dessen Natur nnd Vorkommen von Tobler in seinen
Vermischten Beiträgen (17) gründlich erörtert ist.
Was Lücking veranlasst, in dem beregten Fall von einer
„Beziehung mittelst Attraktion u zu reden, kann nur der Umstand
sein, dass das Verbum des Relativsatzes mit dem Prädikat des
vorangehenden Satzes in Person und Zahl kongruiert. Aber diese
18*
376 Referate und Rezensionen. G. Wittenberg,
Kongruenz, deren Erklärung hier auf sich beruhen mag, beweist
nichts für die Beziehung des qui. Soll aber dem Schüler diese
Kongruenz mit Hülfe der Benennung „Beziehung mittels Attraktion"
erklärt werden, so scheint mir das bedenklich. Ich würde et
ftlr richtiger halten, dass man dem Schüler sagte: Trotzdem
dieses qui beziehungslos und in keiner Weise mit moi zu ver-
binden ist, verlangt der Sprachgebrauch, den Relativsatz so zu
gestalten, als ob er sich auf moi bezöge, — and dass man ihm
den Unterschied zwischen diesem beziehungslosen und dem an
sein Antezedens anknüpfenden qui durch viele Beispiele, durch
sinngemässes Vorsprechen derselben so klar und geläufig wie
irgend möglich machte.
Ist dies geschehen, so bedarf es für den Schüler nicht der
Regel (§ 161 d2), dasB, wenn einem solchen beziehungslosen
qui ein Superlativ vorangebt, der Konjunktiv im Relativsatze un-
möglich ist; vielmehr muss ihm diese Th&tsache als objektiver
Beweis dafür gelten, dase ein solches qui sich nicht auf Bein
Antezedens bezieht. Sodann wird es auch Überflüssig sein, ans
dem Beispiel: Ceti la premiire foie que je tai(e) vu, einen be-
sonderen Fall zu machen, da der Schüler zu erkennen gelernt
hat, dass hier que Bein Antezedens aufnimmt, dass folglich dieser
Satz derselben Art ist, wie etwa dieser: Cent le seul komme qvt
je connai*(*e) im.
Eb ist ganz folgerichtig, wenn LUcking auch für das qye
des Satzes C'est une tour que vout voyez „Beziehung mittels At-
traktion" annimmt Hitren wir, was er darüber sagt (g 279)!
„Das (substantivische) Neutrum des Detenninativs ce als Subjekt
ist von dem Relativum durch das Prädikat (etre mit einem Sub-
stantiv, Substantiv. Pronomen, Infinitiv) getrennt a) vor einem re-
lativen Pronomen. Besteht das Prädikat zu einem determina-
tiven ce ans etre und einem Substantiv z. B. Ce que voui voyez
est une tour, so steht es regelmässig unmittelbar nach ce; z. B.
Cent une tour que vous voyez. Während sich aber dort que (als
Neutrum) auf ce bezieht, so bezieht sich hier mittels einer Attrak-
tion que (als Commune) auf das prädikative Substantiv (une tour)."
Zunächst fragt es sich, welcher Natur dieses que ist A. Schulze,
der in seiner wertvollen Monographie über den altfranzösischen
direkten Fragesatz (S. 98) dieses que berührt, hält es fUr selbst-
verständlich, dasB es die Konjunktion ist, ohne sich näher darüber
auszusprechen. LUcking sieht in dem que das Relativ, als Commune
auf une tour bezogen, wird aber seine Behauptung nicht darauf
stützen wollen, dass in dem Satz: C'est une tour que vous ova
vue, — das Partizip mit tour kongruiert Bis A. Schulze dar-
thut, weshalb das que nicht das Relativ sein kann, glaube ich
0. ütbrich, Übungsbuch zum Obersetzen etc. 277
es ebenso auffassen zu müssen, wie das qui in dem Beispiel
Cest moi qui Vai fait, nämlich als beziehungsloses Relativ.
Aber auch die Natur des ce in diesen Beispielen steht nicht
ausser allem Zweifel. Es ist leicht ersichtlich, dass in dem Satze
(a) Cest une tour que vous voyez, das ce eine andere Funktion hat,
als in dem Beispiel (b) Ce que vous voyez, est une tour. Dies
würde nicht hindern, das ce in beiden Fällen, wie Lttcking thut,
als Determinativum zu bezeichnen. Aber ebensowohl scheint es mir
möglich, das ce in dem Fall a) als demonstrativisch anzusehen,
indem der Satz etwa so aufzufassen wäre: „Das (da) ist ein Turm,
(nämlich) was ihr sehet. a Wenigstens ist hier der Zusammenhang
zwischen dem ce und dem von ihm durch das Prädikat getrennten
que viel loser als in den anderen Fällen, wo wir ce als Deter-
minativum bezeichnen. Auch ist es nur konsequent, das ce als
Demonstrativum aufzufassen, sobald man, wie mir ganz notwendig
scheint, que als beziehungslos bezeichnet.
In § 216a heisst es: „Auf das Subjekt bezieht sich ein
Substantiv (prädikativ) . . . nach s'appeler, se nommer, se trouver;
z. B. . . . 11 s'appeüe Charles. Dies scheint mir anfechtbar. Der
Satz: Je m'appette Charles ist doch, was das Verhältnis des Prä-
diaktsnomens zum Subjekt betrifft, dem Satze: Je t'appelle Charles
gleich, wo offenbar Charles mittelst des Verbums auf te, das
Objekt, und nicht auf das Subjekt bezogen wird.
§ 147, la heisst es: „Das Präsens des Futur bezeichnet
eine unvollendet gedachte Handlung als . . . etwas, was geschehen
soll a) in Hauptsätzen: in Geboten in der 2. Person, in jussiven
Fragen jedoch auch in der 1. und 3. Person. u Hierzu bemerkt
A. Schulze a. a. 0., S. 114, dass diese Verwendung des Futurs
im direkten Fragesatze nur in der 1. und 3. Person möglich sei.
Der Druck ist in hohem Grade korrekt. Den auf der letzten
Seite gegebenen Berichtigungen vermag ich nur wenige hinzu-
zufügen. S. 101, Z. 4 v. u. lies 341 B, 3 b1) anstatt 341a, 3b1);
S. 152, Z. 14 l&cheti statt lacketi.
F. Ealepkt.
Ulbricb, 0«9 Übungsbuch zum Übersetzen aus dem Deutschen in das
Französische für die mittleren und oberen Klassen höherer
Lehranstalten. Berlin, 1889. Gaertner. 177 S. 8. Preis:
1,50 Mark.1)
Dieses Übungsbuch, welches sich an die Schalgrammatik des-
selben Verfassers anschliesst, soll „eine für alle Arten höherer Lehr-
~~^~^~~ - ~ ~ ~ ~~ ~~~~~~~ •
*) Der hierzu gehörige Schlüssel (geb. 2,80 Mk.) wird nur an
Lehrer abgegeben.
378 Referate und Rezensionen. A. Rambeau,
anstalten geeignete Sammlung von 0 bereetzu ngsflbun gen" sein. ¥.* ist
durchaus zu billigen, dass U. „»IL-» Fach Wissenschaft liehe ausg es chloren
nnd nich auf diejenigen Stilgattungen beschränkt hat, welche dem
Schüler durch die französische Piosalektüre bekannt werden, and welche
den Wortschatz der gebildeten Gesellschaft in erzählender, abhandeln-
der, brieflicher oder dialogischer Form darbieten". Für letztere hat
der Verfasser sechs abgerundete Abschnitte aus Feuillet's Le Viliage.
die allerdings meines Krachten« infolge ihrer Schwierigkeit nur ton
vorgeschritteneren Schillern übersetzt werden können, ausgewählt and
auf verschiedene Kapitel verteilt. — Der Ubungsstoff gliedert sich ia
drei Abschsnitte: A. Zur Wiederholung der uo rege Im äse igen Verb».
B. Zur Syntax (10- Kapitel). C Vermischte Übungen zur Syntax nnd
zur Stilistik. Jeden Kapitel umfasst einen oder mehrere Abschnitte
Einzelsätze, denen immer einige zusammenhängende Stücke folgen;
dass letztere zum grossen Teil denkwürdige Ereignisse und Persön-
lichkeiten der franzOsischei] Geschichte, Litteratur u. s. w. behan-
deln, verdient lobend erwähnt zu werden, ebenso, dass es der Verfasser
absichtlich vermieden hat, Jeden Satz mit Fussangeln und Fallstricken
zn versehen". Fussnoten auf jeder Seite bieten die nötigen Ober-
setzungshilfen: Vokabeln, Umformungen des Textee und Hinweise
auf die Paragraphen der Grammatik; bin und wieder finden sich auch
kurze biographische Angaben, soweit sie zum Verständnis dea Textet
erforderlich sind. Ein alphabetisches, deutsch - französisches Wörter-
verzeichnis bildet den Schluss.
Ich bin überzeugt, dass vorliegendes Buch infolge seines mannig-
fachen, geschickt zusammengestellten nnd interessanten Inhalts mit
Nutzen im französischen Unterricht verwertet werden kann.
Gotthold Willenberq.
Jacobs, Dr. Brlncker, Dr. F Ick« KurzgefassU Grammatik für
den französischen Anfangsunterricht. Leipzig u. Itzehoe, 1889.
Verlag von Ütto Kick. 53 S. Kart. 8.
Die vorliegende Grammatik, welche für das erste nnd zweite
Jahr des französischen Unterrichts bestimmt ist, schliesst sich unmittel-
bar an die Anfangsstufe des Lesebuchs für den französischen Unterrickl
derselben Verfasser an, aus welcher die „Kennwörter'1 und Beispille
für die Grammatik entnommen sind; doch dürfte sie auch neben an-
deren Lesebüchern recht wohl verwendbar sein. Sie beginnt mit einer
Laut- und Buchstabenlehre (§§ 1 — H), in welcher zu den einzelnen Laut-
zeichen die entsprechenden Schriftzeichen in Klammer hinzugefügt und
dann immer in einigen „Kennwörtern" zur Anschauung gebracht sind.
Hieran schliessen sich in § 9 die Hülfszeichen (Accente, Cedille etc.),
worauf als Hauptteil die Formenlehre (§§ 10—58) folgt, in welcher in
durchaus sparsamer Weise, nämlich nur bei wichtigeren Formen, neben
dem Schriftbild auch das Lautbild angegeben ist. Den umfangreichsten
Abschnitt der Formenlehre bildet natürlich das Verbum (§§ 43—53),
bei dessen Anordnung die Verfasser im allgemeinen Ohlert's Lehre vom
französischen Verb gefolgt sind; von den un regelmässigen Verben sind
mit Hecht nur die wichtigsten aufgeführt, „da dieselben in ausführ-
licher Behandlung in das Pensum des dritten Jahres gehören".
Was die Verfasser nach dem Vorwort erstrebt haben — „in
möglichster Kürze und Oh ersichtlichkeit die wichtigsten Erscheinungen
K. Foth, Der französische Unterricht auf dem Gymnasium. 279
der Elementargrammatik zusammenzufassen" — , ist ihnen meines Er-
achtens im grossen und ganzen recht wohl gelungen. Sie haben fast
durchgehend« alle überflüssigen Einzelheiten unerwähnt gelassen und
sich tnunlichst auf Paradigmen beschränkt, die aber, wie es mir für
den Anfangsunterricht auch durchaus notwendig ei scheint, vollständig
und durch Anweudung verschiedenartiger Typen recht übersichtlich
gegeben sind; die wenigen, sich durch Kürze vorteilhaft auszeichnen-
den Regeln sind fast stets aus den vorangestellten Beispielen abgeleitet.
Dem Vorstehenden füge ich einige Bemerkungen über Einzel-
heiten hinzu. Ein Inhaltsverzeichnis wäre sehr erwünscht. — In der
Konsonantentabelle (§ 4) dürften die bezeichnenderen Ausdrücke „stimm-
hafta und „stimmlos" (statt tönend und tonlos) vorzuziehen sein. —
In § 6 könnte als Beispiel für das Fehlen der Bindung etwa les haute urs
hinzugefügt werden. — Die Aussprache des c und a vor a, o, u (§ 8)
findet sich auch vor den Konsonanten und am Schluss einer Silbe. —
§ 19,5 scheint mir concret für den Anfangsunterricht entbehrlich, ebenso
harceier in § 51,4 b. — § 19 a. E. folgt nouveau besser gleich auf beau.
— §§ 27 — 31 müssten behandeln: A. Persönliche Fürwörter, und zwar
1. beim Verbum stehende, 2. alleinstehende. — § 41,1 : „Das auf dont (!)
folgende Substantiv durf nicht von einer Präposition regiert sein (in
maison aux fenitres de laguellej.u In dieser, wohl durch das Streben
nach Kürze veranlassten lassung, ist die Regel unverständlich. — In
§ 44 („ Kennformen und Ableitungen") müsste bei finissant etc. wohl
auch die Silbe iss durch den Druck hervorgehoben oder abgetrennt
werden. — Am Anfang von § 47 fehlt die Oberschrift „Aktiv". — In § 53
sollte es in der rechten Spalte, nach der in § 45 ff. gegebeneu Obersicht,
durchgängig „Part, des Prät." statt „Part.* des Perf.u heissen.
Dem Verleger gebührt für die treffliche Ausstattung — das
gelbliche, starke Papier, den grossen und klaren, ausserordentlich über-
sichtlichen Druck — der Dank aller Lehrer und Schüler, die dieses
Buch im Unterricht benutzen. Druckfehler sind mir nicht aufgefallen.
Gotthold Willenberg.
1. Foth, K«, Der französische Unterricht au f dem Gymnasium. Auch
eine Reformschrift Leipzig, 1887. Gustav Fock. 155 S. 8°.
2. Neubauer, Heinrich, Die Reformbewegung auf dem Gebiete
des Sprachunterrichts und die höhere Bürgerschule. Erfurt,
1887. E. Weingart. 44 S. 8°.
3. Wendt, Otto, Encyklopddic des französischen Unterrichts. Methodik
und Hilfsmittel für Studierende und Lehrer der französischen
Sprache mit Rücksicht auf die Anforderungen der Praxis.
Hannover, 1888. Carl Meyer (Gustav Prior). IV, 202 S. 8°.
Preis: 3 Mk.
4. Glabbach, II« W., Die Lautphysiologie im französischen Unter-
richt. Berlin, 1887. Friedberg & Mode. 15 S. 8°. (Separat-
abruck aus dem Zentral -Organ für die Interessen des Real-
schulwesens. 1887, No. 14.
1. Foth'B Abhandlung ist mir schon seit dem Jahre, in dem
sie veröffentlicht worden ist, bekannt. Aber ich freue mich, dass ich
SSO Referate und Rezensionen. A. Rambeau,
diese wichtige Schrift erst jetzt zu besprechen Gelegenheit finde,1)
nachdem ich selbst den französischen Unterricht am sogenannten huma-
nistischen Gymnasium durch eine mehr als siebenjährige Thätigkeit
als Lehrer einer solchen Anstalt unter mehrfach und ziemlich stark
wechselnden, ffir das Fach der neueren Sprachen günstigen und un-
günstigen Schulverhältnissen genau kennen gelernt habe. Ich bin nun
in der Lage, den Inhalt der Abhandlung mit grosserer Sachkenntnis
und Objektivität zu beurteilen ; und die eigene Erfahrung zwingt mich,
die von F. vorgebrachten Klagen (A, S. 8—59) fast insgesamt alt
wohl begründet und die von ihm ausgesprochenen Wünsche
(B, S. 60-152) zum Teil als sehr berechtigt anzuerkennen. Inter-
essant und wertvoll ist das statistische Material, das uns der Verfasser
in dem Kapitel über die Organisation des gymnasialen französischen
Unterrichts in den einzelnen deutschen Staaten gibt; und besonders
lehrreich ist die Tabelle, welche die Verteilung und die Anzahl der
Lehrstunden, die Anforderungen in der Maturitätsprüfung, die Lehr-
aufgaben oder das Lehrziel dieses Faches in den Gymnasien der ver-
schiedenen Länder des deutschen Reiches in übersichtlicher Weise dar-
stellt (S. IS, 19).
Den Hauptfehler der Organisation des französischen Unterrichte
im Gymnasium, die hauptsächliche Ursache seiner Erfolglosigkeit oder,
wie ich lieber sagen mochte, seiner fast unüberwindlichen oder nur in
seltenen Fällen, unter ausnahmsweise günstigen Bedingungen überwind-
lichen Schwierigkeit erblickt F. mit Recht in dem System der Ver-
zettelung durch 8 Jabreskurae und der zwei wöchentlichen Stunden
in allen oder den meisten Klassen, — in jenem verhängnisvollen
System, das die Fachlehrer des Französischen manchmal durch 6,
ja 8 Klassen hetzt, sie ihren Schülern ah Fremde oder Eindringlinge
erscheinen lfisst und ihre Kräfte, wenn sie nicht eine ungewöhnliche
Elastizität und Widerstandsfähigkeit besitzen, durch Ruhelosigkeit und
übermässige Anstrengung beim Unterrichten und Korrigieren frühzeitig
aufreibt. Eine andere Ursache ist der sonderbare Umstand, das
man in Reglements, Verordnungen u. dgl. an den französischen Unter-
riebt in bezug auf grammatische Sicherheit und schriftliche Leistungen
sehr hohe Anforderungen stellt,8) als ob derselbe mit der doppelten
oder dreifachen Stundenzahl bedacht wäre, freilich auch im allgemeinen
ohne die wirkliche Erreichung des angegebenen Zieles ernstlich zu ver-
langen. Guten Ergebnissen in diesem „Nebenfache" wird häufig genug
die gebührende Beachtung und Anerkennung versagt. Die neueren
Sprachen, als Unterrichtsobjekt im „humanistischen " Gymnasium, er-
scheinen manchen klassischen Philologen wie ein notwendiges Übel,
mit dem man sich, so gut es eben gehen mag, abzufinden hat. Tüchtige
Leistungen in diesen Sprachen werden daher von ihnen weder geschätzt
noch als wünschenswert betrachtet; sie könnten nach ihrer Meinung
allzu leicht den Betrieb der „Hauptfächer" beeinträchtigen und ge-
fährden 1!
'der Gegenstand eines
Vortrages, den der Rezensent kürzlich im „Verein für das Studium
der neueren Sprachen in Hamburg -Altona" gehalten hat.
a) In bezug auf das Verständnis und das Übersetzen der fran-
zösischen Schriftsteller verlangt allerdings sowohl die Praxis als da;
Reglement, wie F. sehr richtig bemerkt, „erstaunlich wenig". Vgl.
Fotb S. Sfi— 3"; und nachher eine Anmerkung S. 12 (Ordnung der
E ntlas sungsprü f u ng).
K. Foth, Der französische Unterricht auf dem Gymnasium. 281
Den inneren Grund der traurigen oder mindestens sehr bedrängten
und schwierigen Lage des französischen Unterrichts im Gymnasium, die
eich in dem Zweistundensystem, in der gelegentlichen oder gar an-
dauernden Beschäftigung von Laien, Dilettanten und Ignoranten als
Lehrer dieses Faches, in der Aufstellung und zugleich Vernachlässigung
sehr hoher Ziele u. b. w. u. s. w. bekundet, erwähnt F. ebenfalls, aber
hebt denselben, wie es mir scheint, nicht deutlich genug hervor: die
Missachtung der französischen Sprache und Litteratur und die ganz
unbegründete, aber ziemlich allgemein verbreitete Ansicht, dass die
französische Sprache und der französische Unterricht leicht sei. Auf
diese Frage glaube ich jedoch hier nicht näher einzugehen zu brauchen,
da ich sie erst kürzlich in einem Aufsatze Über die Versuche von
Gustav Ptcetz und Otto Kares, die französischen Lehrbücher von Karl
Picetz den Grundsätzen der Reformmethode anzupassen in der von Hessel
und Dörr herausgegebenen Zeitschrift Die Mädchenschute III, S. 79 ff.
ausführlich erörtert habe. — Mit der Ansicht von der Leichtigkeit
der französischen Sprache und des französischen Unterrichts verbindet
sich nicht selten die merkwürdige Auffassung, dass die neueren Sprachen
zu den Realfächern zu rechnen seien und daher als solche an einem
„humanistischen" Gymnasium nur eine nebensächliche Stellung einzu-
nehmen haben. Die Verteidiger und Lobredner des „humanistischen"
Gymnasiums, wie es ist, oder vielmehr wie es bis zur Revidierung
der Lehrpläne in Preussen gewesen ist, werden gewiss nie zugeben
und werden sich stets gegen den Gedanken sträuben, dass das Studium
der modernen Sprachen und Litteraturen , der modernen Kultur min-
destens ebenso bildend sein muss und in demselben Masse oder etwa
gar in höherem Grade und in edlerem Sinne ein humanistisches ge-
nannt zu werden verdient, als das Studium des klassischen Altertums.
Leider gehören viele dieser Männer,1) deren Aufrichtigkeit und Ober-
zeugungstreue ich achte, wenn ich auch ihren unhaltbaren und ver-
alteten Standpunkt nicht billige, gerade zu den massgebenden Kreisen.
Ihr Einfluss wird wahrscheinlich gross genug sein, um die Durchführung
einer gründlichen Reform des Gymnasiums, die zusammen mit einer
allgemeinen Umgestaltung und Erneuerung des höheren Unterrichts-
wesens bevorzustehen scheint und früher oder später eintreten muss,
auf lange Zeit noch zu hindern oder abzuschwächen.
Trotzdem unterliegt es keinem Zweifel, dass die Wertschätzung
des französischen Unterrichts in den deutschen Gymnasien im Steigen
begriffen ist, dass seine Stellung sich allmählich bessert und, was auch
F. anerkennt, sich bereits sehr gebessert hat. Dies ist die natürliche
Folge der Konkurrenz der Realschulen und der Realgymnasien, des
Aufblühens der romanischen Philologie an den Universitäten und des
wachsenden Interesses, das sowohl die Behörden als das Publikum
einer Reform der höheren Schulen speziell in bezug auf die lebenden
Sprachen entgegenbringen. Das verderbliche Zweistundensystem, dem
F. die hauptsächliche Schuld an der Erfolglosigkeit oder der ausser-
ordentlichen Schwierigkeit des französischen Unterrichts zumisst, ist
bereits in den Gymnasien Badens (mit 4 wöchentlichen Stunden in IV,
3 in HIB — HA, 2 in I) fast ganz durchbrochen und in denen Preussens
und der meisten übrigen Staaten, so auch Hamburgs, bedeutend ge-
mildert worden. In bayerischen Gymnasien war bis vor kurzem und
l) Vgl. z. B. Jäger, Das humanistische Gymnasium und die Petition
um durchgreifende Schulreform, Wiesbaden, 1889, und die Besprechung
dieser Schrift von Wen dt in den Badischen Schulblattern, 1889, No. 11.
382 Referate und Rezentionen. Ä. Rambeau,
ist vielleicht immer noch der Zustund de» französischen Unterricht«
am kläglichsten (mit 2 wöchentlichen Lohrstunden und zwar nur in
den vier obersten Klassen.'} Aber es scheint . das« jetzt auch dort
eine Wendung zum Besseren eingetreten ist oder sieb vorbereitet
Obgleich ich Foth's Klagen und Wünsche trotz der in der letzten
Zeit geschehenen Veränderungen der Lehrplkne im grossen und ganzen
immer noch als berechtigt anerkenne, so kann ich mich doch nicht
seinem pessimistischen Urteil anschliessen , dass man am Gymnasium
im Französischen ohne eine weitere Vermehrung der wöchentlichen
Stundenzahl unter allen Umstanden nichts Ordentliches leisten kann.
Von badi sehen Schulen will ich hier ganz absehen. Aber auch in
Gymnasien, die gleich oder ähnlich wie die „ G ele h rte nach nie n" Ham-
burgs organisiert sind, kann (!) man mit ausreichenden und tüch-
tigen Lehrkräften und mit einer geeigneten Methode gute
Leistungen erreichen, d. h. man kann unter diesen Bedingungen, die
jedoch durchaus erfüllt werden müssen, l. den offiziellen Anforderungen1)
in vollem Masse gerecht werden, 2. während und mittelst der Lektüre
einen gewissen Grad der Gewandtheit im mündlichen Gebrauche der
französischen Sprache erzielen, 3. in grammatischer Hinsicht den
Grund zu einer wissenschaftlichen Erkenntnis dieser Sprache legen,
und 4. eine Kenntnis der französischen Litteratur und Kultur — aller-
dings nur in sehr bescheidenem Masse — anbahnen. Dies habe ich in
meiner Schrift über . Den französischen und englischen Unterricht in
der deutschen Schule, mit besonderer Berücksichtigung des Gymnasivw
(Hamburg, Nolte, 1886) behauptet; und diese optimistische Ansicht
glaube ich uueh heute noch vertreten zu können, obwohl ich mir nicht
verhehle, dass die Erreichung jener Ziele die volle und angestrengte
Kraft von drei Fachlehrern verlangt, da die Hamburgischen Gymnasien
Dcppelschnlen mit 8x2 französischen und 4x2 englischen Jahres-
kursen sind. Die speziellen Verhältnisse und Bedingungen, unter denen
ich am Wilhelm-Gymnasium in Hamburg gewirkt habe und wirke,
waren und sind zum Teil nach sehr günstig;
1. Das Zwei stund ensystem herrscht jetzt thatsächlich nur in
den 4 Kursen von HL
2. Im Anfang meiner Lehrthätigkeit war der französische Unter-
richt in diesen Klassen mit 3 Stunden bedacht, die leider seit Ostern
1884 auf 2 herabgesetzt worden sind.
3. In den 4 Knrsen von V und IV sind 4 wöchentliche Stunden
für das Französische angesetzt (bekanntlich 4 für V, 5 für IV in
preuBsJ9chen Gymnasien).
4. In den 8 Korsen von II und 1 ist das Zweistnndensystem
dadurch gemässigt, dass neben dem französischen der englische Unter-
richt mit 2 wöchentlichen Stunden obligatorisch ist nnd die beiden
Fächer sich gegenseitig ergänzen und fürdern, wenn sie von demselben
E hierbei auf Foth's Tabelle S. 18—19.
*) Vgl. Ordnung der Entlassungs/irii/ung an den Gymnasien des
Hamburgischen Staates: „In der französischen Sprache wird gramma-
tikalisch und lexikalisch sicheres Verständnis und geläufiges Übersetzen
prosaischer und poetischer Schriften von nicht besonderer Schwierig-
keit, sowie eine ausreichende Sicherheit in der Formenlehre und den
Grundregeln der Syntax für den schriftlichen Gebrauch der französi-
schen Sprache (d. b. für eine Übersetzung aus dem Deutschen) erfordert."
Ebenso lautet diese Bestimmung für das Abiturientenexamen an preua-
sichen Gymnasien (Zentratblatt, 1882, S. 367).
K. Foth, Der französische Unterricht auf dem Gymnasium. 283
Fachmanne in demselben Kursus gelehrt werden, was bisher durchaus
üblich gewesen ist.
5. Eltern und Schüler in Hamburg bezeugen im allgemeinen
für das Französische und Englische eine gewisse Vorliebe und ein
reges Interesse, besonders wenn diese Sprachen als „lebende" gelehrt
werden.
6. Der leider zu früh (im Jahre 1886) gestorbene Gründer des
Wilhelm-Gymnasiums, Direktor Genthe, zeigte, obwohl er ein „echter"
klassischer Philolog war, die französische Sprache nur als Laie, die
englische überhaupt nur wenig kannte, eine achtbare Objektivität und
einen ziemlich klaren, durch Fachvorurteile fast ungetrübten Blick in
der Wertschätzung der romanisch -englischen Philologie und des neu-
sprachlichen Unterrichts und kam allen meinen Wünschen und Vor-
schlägen bei der Aufstellung der Lehrpläne und der Einführung der
Lehrbücher mit der grössten Bereitwilligkeit entgegen. Auch gewann
er es über sich, wenigstens dem Französischen bei der Aufnahmeprüfung
der neuen Schüler auf allen Klassenstufen von Quarta aufwärts und
bei den regelmässigen Versetzungen von einer niederen in eine höhere
Klasse einen nicht unbedeutenden Einfluss zu gestatten.
7. Als ich Ostern 1883 in das Wilhelm-Gymnasium eintrat, war
diese Schule bei weitem noch nicht ausgebaut: ich begann den eng-
lischen Unterricht mit der ersten Unter- Sekunda. Anfangs war ich
der einzige Fachlehrer und unterrichtete in fast allen bis dahin vor-
handenen Klassen, von denen einige noch kombiniert waren. Auf diese
Weise war ich zuerst in meiner Arbeit beinahe unabhängig und durch
keine Rücksichten gehemmt. Ks war mir daher vergönnt, die Reform-
methode nach meinen Anschauungen und pädagogischen Erfahrungen
allmählich in fast allen Klassen durchzuführen, und ich konnte die-
selbe überall einheitlich gestalten und fest begründen.
8. Später haben — allerdings nicht zur selben Zeit, sondern
nacheinander und leider allzu häufig wechselnd — mehrere fähige und
eifrige Fachleute und ein des Französischen kundiger, tüchtiger klassi-
scher Philolog, der diese Sprache gern lehrte, mich in meinem
Werke erfolgreich unterstützt.
Die obigen Erwägungen glaube ich den Lesern nicht vorent-
halten zu dürfen, um zu erweisen, warum mein Urteil über die Stellung
und die Leistungen des französischen Unterrichts im humanistischen
Gymnasium ein ganz anderes, ein viel optimistischeres als das des
Herrn Oberlehrer Foth sein musste und teilweise noch sein muss.
Bedauerlich und auffällig ist es, dass er in Beiner Schrift von meiner
Broschüre über Den französischen und englischen Unterricht in der
deutschen Schule gar keine Notiz nimmt, obwohl diese ein Jahr früher
und der Hauptteil, der sich ganz speziell auf das Gymnasium bezieht,
schon im Jahre 1885 als Abhandlung des Osterprogramms des Wilhelm-
Gymnasiums unter dem Titel Der französische und englische Unterricht
am Gymnasium (Methode und Lehrplan) veröffentlicht worden ist. Jedoch
ist mir diese rücksichtslose Vernachlässigung oder Abweisung erklär-
lich. Denn von der Reform methode, von der ich mir den grössten
Erfolg versprochen habe und noch verspreche, falls sie überall im
Gymnasium durchgeführt werden kann, was natürlich zwei oder drei
fähige und die französische Sprache wissenschaftlich und praktisch
beherrschende Lehrer zur ersten Voraussetzuug hat, — von der Reform-
methode will F. überhaupt nichts wissen. Das Heil des französischen
Unterrichts im Gymnasium sieht er nur in einer Vermehrung (und
Zusammendrängung) der Lehrstunden. Aber haben denn die Real-
Referate und Rezensionen. A. Rambeau,
i Realschulen oder höheren Bürgerschulen, die höheren
Mädchenschulen, Bofern in diesen Anstalten die gram mut ist ieche Lehr-
weise, die Lektions- und ÜberBetzungsmethode in ihrer reinen, von den
Grundsätzen der Reform nicht gemilderten Forin herrscht, und sofern
der Anfangeunterricht nicht in den Händen der des Französischen und
Englischen mächtigen oder phonetisch vorgebildeten Lehrer liegt, etwa
bei ihrer v erhalt nisroä« »ig grossen Stundenzahl in den neueren Sprachen
bedeutende Erfolge aufzuweisen? Nein. Ich rnusa dies infolge eigener
Erfahrung1) verneinen; und dieselbe Antwort findet man in den Be-
schwerden und Klagen zahlreicher Reform Schriften, deren Verfasser
selten den französischen Unterricht im Gymnasium berücksichtigen.
Hoffentlich hat sich F. unterdessen durch Walter, (juiehl, Kling-
hardt u. a. eines besseren belehren und davon überzeugen lassen, dau
doch wenigstens etwas Gutes an der Reformmethode tat. In dem
methodischen Teile der vorliegenden Abhandlung (S. 101 ff.) erscheint
er aber noch als Grammatist von echtem Schrot und Korn und als
grimmer Gegner der Reformer. Er greift sie entweder als junge, über-
eifrige und unerfahrene Neuerer an — es gibt jedoch unter ihnen schon
recht alte Knaben — oder als verochste, unpraktische Gelehrte, die
ihre Erfahrungen am Schreibtisch gesammelt haben. An einer Stelle
spricht er sogar von der Bon neu m et ho de auf dem Katheder. Mich
selbst, den er ja völlig schneidet, rechnet er jedenfalls unter die ge-
dankenlosen „Nachtrete r des Quousque lanäcm". Er verwirft die direkte,
induktive oder „die. sog. natürliche oder empirische Lehrweiae", die er
mit der Bonnenmethode schlechtweg zusammen wirft, „als für den Schul-
unterricht unbrauchbar" und bekämpft ebenso heftig „die sog. wissen-
schaftliche Methode", welche die Lehren der Phonetik für die Behand-
lung der Auesprache und die sicheren Ergebnisse der historischen
Sprachwissenschaft für die Formenlehre zu verwerten, die Syntax durch
Aufstellen von allgemeinen Gesetzen zu vergeistigen und den gramma-
tischen Lernstoff durch Einschränkung von Regeln nnd Ausnahmen in
vereinfachen sucht. Dass beide Richtungen oft von denselben Männern
empfohlen werden, das ärgert ihn und erregt seine Verwunderung.
Dagegen vertheidigt er mit Begeisterung die grammatiftische Lehr-
weise mit allen ihren Konsequenzen. Die Erkenntnis der Sprache
erklärt er als ein Lehrobjekt, das nicht oder nur in sehr beschränktem
Masse in die Schale gehört, aber die Kenntnis derselben als den
Hauptzweck des Schalunterrichts. In bezog auf" den zweiten Punkt
stimme ich ihm vollkommen bei. Jedoch glaube ich, dass beide Zwecke
keineswegs unvereinbar sind, und (läse ihre Vereinigung dem Haupt-
zwecke durchaus nicht schadet; und ich zweifele, dass das Kennen
nnd KOnnen der fremden Sprache durch Lernen nnd Einüben von
möglichst vielen Regeln und Ausnahmen — F. empfiehlt diese i. B.
für die Behandlung des Geschlechtes der französischen Substantiv»! —
durch viel Obersetzen aus dem Deutschen und besondere durch das
Übersetzen zahlloser Einzelsätze erreicht werden kann. In einer seiner
Thesen, mit denen F. Beine Schrift abschließt, sagt er: „Die g
') Ich selbst habe früher an lateinlosen Realschulen unterrichtet
Auch habe ich von dem Stand und den Ergebnissen des neusprach-
lichen Unterrichts in Realgymnasien und höheren Mädchenschulen all
provisorischer Lehrer an einer Universität und durch eine vorüber-
gehende Lehrthätigkeit in M&dchenklassen nnd durch häufige Be-
sprechungen mit Fachgenossen eine ziemlich gründliche Kenntnis er-
K. Foth, Der französische Unterricht auf dem Gymnasium, 285
tische Lehrweise ist ini grossen und ganzen beizubehalten, jedoch
wesentlich zu modifizieren nach den von Perthes aufgestellten und von
Münch in seinem Buch Zur Förderung des französischen Unterrichts
auf das Französische angewandten Grundsätzen" (S. 155). Trotz einer
sehr genauen Prüfung seiner Vorschläge und Erörterungen im methodi-
schen Teile (S. 101 ff.) habe ich nichts oder nicht viel entdecken
können, was einer „wesentlichen Modifizierung" der grammatischen
oder vielmehr grammatisti sehen Lehrweise durch Perthes'sche oder
Münch'sche Grundsätze ähnlich sähe. Hingegen erkläre ich gern, dass
ich sein Kapitel über „den Sprachinhalt" (S. 144 ff.) mit Interesse und
Nutzen gelesen habe, und dass alles, was er hier über die Auswahl und
die Behandlung der Lektüre nnd über die Betonung der Realien im
neusprachlichen Unterricht sagt, mir sehr gefällt und mir recht be-
herzigenswert scheint.
Gegenüber den von Foth (S. 152 — 155) aufgestellten Thesen, die
betreffs der Vermehrung der Lehrstunden ziemlich radikal, aber betreffs
der Methode sehr konservativ zu nennen sind, möchte ich zum Schluss
einige Vorschläge oder Wünsche, deren Erfüllung nach meiner Ansicht
befriedigende oder gute Ergebnisse des französischen Unterrichts im
Gymnasium gewährleistet, der Erwägung des geneigten Lesers empfehlen:
1. Die Reformmethode ist in allen Klassen einheitlich durch-
zuführen. Die beiden neueren Sprachen müssen als „lebende" gelehrt
und von den Schülern als „lebende" empfunden werden. Der Gegensatz
zum stillen Betrieb der toten Sprachen, wie er trotz Perthes, Latt-
mann u. a. immer noch vorherrscht, muss sie mit um so grösserem
Eifer und mit um so frischerer Lernfreudigkeit im neusprachlichen
Unterricht erfüllen.
2. Dieser Unterricht muss thunlichst nur von Fachmännern er-
teilt werden, und spez. der Anfangsunterricht nur von solchen Lehrern,
die die modernen Sprachen mündlich beherrschen und phonetisch richtig
sprechen.
3. Die Lehrer mit mittleren Fakultäten sind im Französischen
nur in den mittleren, — in den oberen eher noch als in den unteren
Klassen zu beschäftigen.
4. Die Stundenzahl des französischen Unterrichts mag vorläufig
im allgemeinen bleiben, wenn auch die Verzettelung desselben durch
acht Klassen gar sehr zu beklagen ist. Also: 4 Stunden in V und IV,
aber 3 statt 2 in den Kursen der III,1) vielleicht auch der II B; 2 in
den obersten Klassen.
l) Diese Stundenzahl hat, wie schon oben mitgeteilt, in den Tertien
des Wilhelm-Gymnasiums bis Ostern 1884 bestanden — zum Heile des
französischen Unterrichts. Denn in diesen Klassen handelt es sich vor
allem um die Wiederholung, Vollendung und wissenschaftliche Ver-
tiefung der Formenlehre. Es soll also hier der für die grammatischen
Leistungen der Gymnasiasten wichtigste Teil (vgl. da6 Reglement, s. o.)
vollständig erledigt werden. — Da der griechische Unterricht in HIB
mit 7 (früher 6) Stunden einsetzt und besonders an die Arbeitskraft und
das Gedächtnis der Schüler sogleich die höchsten Anforderungen stellt,
muss er notwendigerweise auf den französischen Unterricht, wenn der-
selbe bloss mit 2, leider oft sehr spät (nach 1 oder gar 2 Uhr) gelegten
Stunden bedacht ist, wie erdrückend einwirken. Es gehört fürwahr
viel Geschicklichkeit und Thatkraft des französischen Lehrers dazu,
um jenem lähmenden Einflüsse entgegenzuarbeiten, die Schüler in seinen
Stunden frisch und teilnahmsvoll zu erhalten und unter so schwierigen
966 Referate und Rezensionen. A. Rambeau,
6. Der englische Unterricht, der von IIB an mit 2 wöchentlichen
Stunden obligatorisch ist, aber dessen Erfolg zweifellos viel grösser
sein würde, wenn er schon in HIB beginnen könnte, muss stets in der
Hand des französischen Lehrers in demselben Kursus liegen.
6. Im Abiturientenexamen findet für das Französisch« eine münd-
liche Prüfung statt.
7. Die schriftliche Prüfungsarbeit wird durch eine Versetzung«-
arbeit ersetzt, weiche die Schüler entweder wie in Previssen, vor dem
Aufsteigen von II A nach I B oder vor dem Aufrücken uacb II A oder
— noch besser — nach der Klasse, in der das Zw eistun de nsysteui an-
fängt, anzufertigen haben.
8. Nach der Versetzungsarbeit wird das Hauptgewicht auf die
Lektüre und die mündlichen Leistungen gelegt. Schriftliche Arbeiten
brauchen dann nur noch selten stattzufinden und zwar bloa« in Form
von Eetroveraionen oder freien Zusammenfassungen des durchgenom-
menen Lesestoffes.
NB. Auf eine Vermehrung der Lehrstunden würde ich persön-
lich weit lieber verzichten, als auf die vollständige Erfüllung der übrigen
Bedingungen oder Wünsche.
Die von mir aufgestellten Thesen knüpfen, wie der Leser sofort
erkannt haben wird, durchaus an die bestehenden Verhältnisse an; sie
rechnen mit dem Gymnasium, wie es nun einmal geworden ist, wie e*
jetzt ist und im grossen und ganzen wohl noch lange bleiben wird, —
wenigstens solange die mas sieben den Behörden es für nötig erachten,
dieser Schulart den aus dein Mittelalter überkommenen, durch das Jahr
hundert des Humanismus veredelten und durch die Weihe der Zeit und
Tradition geheiligten Charakter der „Lateinschule" trotz aller schon
hinzugefügten und noch hinzukommenden Bestandteile der modernen
Kultur zu bewahren, oder solange sie es nicht tür geboten und zeit-
gemäß halten, eine allgemeine und gründliche Reform des gesamten
höhern Schulwesens zu unternehmen, die allerdings jetzt schou in
Preussen vorbereitet zu werden scheint. Meine Vorschläge und Wünsche
beziehen sich zunächst auf die Hamburgischen „Gelehrten schulen",
deren Organisation mir am besten bekannt ist und sogleich von der
der Gymnasien der meisten übrigen Staaten Deutschlands wenig ab-
weicht.
Im Gymnasium der Zukunft, — vorausgesetzt, dass der Plan einer
Dreiteilung der höheren Lehranstalten nach den Typen der heute vor-
handenen Formen des Gymnasiums, des Realgymnasiums und der Über-
realschule mit gleichen Berechtigungen und mit Anschluss an eine
gemeinschaftliche Vorschule, die Mittelschule, entprechend dem Typus
der heutigen böhern Bürgerschule, gemäss den Vorschlägen des in
Berlin gegründeten „Vereins für Schulreform" sich einst verwirklichen
wird, — in dem Gymnasium der Zukunft werden selbstverständlich die
neueren Sprachen eine sehr verschiedene und eigenartige Holle spielen
müssen. Und für dies Gymnasium der Zukunft sind meine immerhin
nur ad hoc gemachten, von mir keineswegs als absolut richtig ange-
Umständen überhaupt ein bestimmtes Pensum mit sichcrem Erfolge zu
beenden. Von irgendwie befriedigenden Resultaten kann natürlich in
den Tertien gar keine Rede sein oder sie können nur bei einer ausser-
ordentlichen Erhöhung der Stunden und auch dann bloss ausnahms-
weise erzielt werden, falls nicht ein tüchtiger Fachmann in V und IV
vorgearbeitet und eine feste Grundlage geschaffen hat. (Vgl. oben
No. a, a.)
Neubauer, Die Reformbttvegung a. d. Gebiete d. Sprachunterrichts etc. 287
sehenen Thesen ganz und gar nicht bestimmt. Es kam mir hier darauf
an, so viel als möglich mit den Tbatsacben zu rechnen und blosse
Negierungen und Träumereien gänzlich zu meiden.
2. JVeubauer's kleine Schrift verdient die Beachtung der
Fachleute und Pädagogen besonders deshalb, weil sie die Reform-
methode auf dem Gebiete des Sprachunterrichts in ihrer Beziehung
zur höhern Bürgerschule behandelt. Denn diese Schulart ist teils
wegen ihrer klaren und durchsichtigen Organisation an sich und wegeu
ihrer einfachen und deutlichen Ziele teils als wahrscheinliches Vorbild
für die vom Berliner Reformverein gewünschte, künftige Einheitsschule,
die Vorschule zu allen höheren Anstalten, seit kurzein plötzlich zu
?:rossem, fast unerwartetem Ansehen gelangt. Auch nehmen die zwei
remden lebenden Sprachen, mit denen sich die Reform bewegung zu-
nächst und hauptsächlich beschäftigt, gerade in der höheren Bürger-
schule eine sehr wichtige und einflussreiche Stelle ein.
Der Verfasser spricht zuerst über den Wettstreit der Sprachen
als Unterrichtsmittel (0, über die höhere Bürgerschule (11), dann über
die Methoden der Spracherlernnng (HI) und die Reformvorschlägo (IV)
und schlieRst mit einer Beleuchtung dieser Vorschläge (V).
Es ist höchst erfreulich, dass er, offenbar ein erfahrener Pädagog
und, wie ich annehmen zu dürfen glaube, Direktor einer höheren Bürger-
schule, für die Sache der Reform im Sprachunterricht eintritt, wenn
er sie auch nur in einer sehr milden und abgeschwächten Form em-
pfiehlt, die jedoch auch mir in vielen Punkten notwendig zu sein scheint,
solange nicht durchgreifende Veränderungen in unserem Schulwesen,
in den Reglements und Lehrplänen und vor allem in der Ausbildung
der Fachlehrer des Französischen und Englischen stattgefunden haben.
Neubauer spricht sich gegen die Lautschrift und die Phonetik in der
Schule aus. Vgl. S. 15: „ erscheint zunächst die Forderung einer
eigentlichen (?) Lautlehre unzweckmäßig und undurchführbar." Und:
„Die 3—5 Stunden Breymann's würden sich zu so viel Wochen (?), wenn
nicht noch länger (?), ausdehnen ..." S. 37: „Denn wie ein Franzose
wird er (d. h. der Schüler) doch nie schnarchen (!) und näseln (!) lernen.
Und wozu auch? Er möchte darüber verlernen, richtig und natürlich
deutsch zu sprechen (!)." [Sind gerade die Franzosen, mit denen Neu-
bauer in seinem Leben verkehrt hat, alle gewohnheitsniässige „Näseier"
nud gar „Schnarcher" gewesen?] Ferner S. 37 : „. . . Mit der systema-
tischen Lautlehre fällt die Lautschrift von selbst." Diese etwas abrupte
Entscheidung ist offenbar durch ein Missverständnis verursacht. Welcher
Reformer, welcher Phonetiker hat jemals eine „eigentliche", eine „syste-
matische" Lautlehre als Unterrichtsgegenstand verlangt oder empfohlen ?
Vielleicht de Beaux und Aymeric in ihrer (verfehlten) Elementar-
grammatik.
Auch einige andere Bemerkungen Neubauer's sind recht wunder-
lich und befremdend. Z. B. S. 36 : „. . . aber die Trägheit und der
Stumpfsinn (!?) eines grossen (!?) Teils der Jugend in den höheren
Schulen ist ein Faktor, vor dem man die Augen nicht verschliefen
darf ..." S. 11 (Neubauer redet von dem Nutzen und der Verwend-
barkeit der in der Schule gelernten fremden Sprachen.): „Besonders
gilt dies vom Französischen (d. h. jener Grund rechtfertigt nicht das
Betreiben desselben), der Sprache unseres immer noch erbitterten
Nationalfeindes, welcher häufig den Verkehr mit uns ablehnt, und
welchem ein Deutscher von Selbstgefühl sich nicht wird aufdrängen (!?)
wollen." S. 13: „Wenn die französische Litteratur grosse Partien zeigt,
von denen wir nur unter Protest Kenntnis nehmen mögen, so hat die
238 Referate und Rezensionen. J. Rambeau,
englische in fast allen ihren bedeutenderen Vertretern etwas ungemein
Anziehendes für uns . . ." [Aber die Romane von Fielding, Smollet,
Sterne, u. m. aj. Ferner: „. . . wenn ihre Formenarmut und ihr dumpter
Klang (d. b. der englischen Sprache) zu dem Wohllaut (?) und der
reichen Gliederung des Griechischen einen schreienden Kontrast bil-
den, . . ." [Weder in der neugriechischen Sprache noch in der ger-
manischen Aussprache des Altgriechischen kann ich einen besonders
grossen Wohllaut entdecken.].
Vgl. S. 16: „Dunkle Stellen, wie sie sich bei deutschen und en-
flischen [in den letzten zwei Jahrhunderten??] Schriftstellern in Menge
nden, dürften bei französischen Schriftstellern kaum vorkommen [bei
Rabelais?] ; dafür fehlt ihnen das Tiefsinnige, der Humor und die Innig-
keit." [lavier de Maistre, Souvostre, Alphouse Daudet 11. a., arme
Dichterlinge!] Ferner: „Wo sie sich auf dieses Gebiet wagen, werden
sie seicht (1?) wie Lamartine, oder grotesk [überall grotesk und nichts
weiter?!], wie Victor Hugo [auch in seinen kindlichen und familiären
u. ä. Gedichten ?) Aber eben das Verstandesmassige [? ! — Ich glaubt«
bisher, die ungezügelte Einbildungskraft und Erfindungsgabe z. B. einei
Alexandre Burnus Päre, eines Victor Hugo u. a. in ihren Homanen]
führt sie zu den grössten Einseitigkeiten und den abenteuerlichsten
Übertreibungen, wie ihre Rouianschreiber es beweisen . . ." Vgl. auf
derselben Seite (16): „Im ganzen (!?) ist die Darstellung der französi-
sehen Schriftsteller oberflächlich und leicht wie ihre Sprache (I?).1)
Französisch kann jeder lernen wie Latein . . . [Ist Latein auch so leicht?]
.... Das Englische wird, wie das Griechische, was Litteratur betrifft,
ein Besitztum engerer (?!) Kreise bleiben." Sonderbare Ansichten!
3. Wendt's „Encyklopädie des französischen Unterrichts" han-
delt 1, von dem Wert und der Bedeutung des neuBprachlichen Unter-
richts (S. 1 — 6), II. von der geschichtlichen Entwickelung der Methodik
der französischen Sprache (S. 7 — 67), III. von der angewandten Methodik
S. 67—199). Ein Register (8. 199—203) erleichtert die Benutzung des
Sammelwerkes. Diese kurze Inhaltsangabe und der oben angeführte
Titel zeigen deutlich genug an, dass sich der Verfasser eine hohe und
weitreichende Aufgabe gestellt und diese auf einem verhältnismässig
kleinen Räume zu lösen versucht hat.
Nach eignem Gebrauche wird der Leser bald finden, dass diese
Encyklopädie selbst für das Jahr 1888, in dem sie erschienen ist, nicht
vollständig zu nennen ist. Indes wird man gern diesem Mangel, weil
er sich nicht allzu stark bemerklich macht, sowie auch eine ziemlich
stattliche Anzahl von Druckfehlern, der ersten Auflage und dem ersten
Versuche einer erschöpfenden encyklopadischen Darstellung der Mittel
des französischen Unterrichts zu gute halten. — An einigen Stellen
zeigt sich leider eine bedenkliche Kritiklosigkeit, die um so auffälliger
ist, weil der Verfasser an anderen Stellen sehr verständige und wohl
Überlegte Ansichten äussert. Manchmal könnte man fast glauben, das
Buch rühre nicht von einem, sondern von zwei Verfassern her, von
denen der eine ohne gründliche philologische Vorbildung gearbeitet
habe und seinem schwierigen Werke nicht gewachsen gewesen sei.
Weniger tadelnswert scheint mir Wendt's Abhängigkeit von den An-
eichten anderer, die Unselbständigkeit, die er zuweilen im Urteilen be-
kundet. Denn dieser Mangel ist dem Gebrauche dee Buches nicht ge-
fährlich, solange sein Verfasser, was er ja meistens thut, anerkannt
guten Gewährsmännern, wie Manch, Kühn und Körting, folgt und
') Ich verweise hier auf eine Bemerkung unter No. 1 (Foth),
0. Wandt, Encyklopddie des französischen Unterrichts. 289
wenn er die Gedanken und Meinungen anderer ausschreibt oder sich
zu eigen macht, die Quelle angiebt.
Im allgemeinen steht Wendt, soweit überhaupt selbständige
Äusserungen darüber vorliegen, der Reform des Sprachunterrichts
freundlich gegenüber. Aber gerade in dieser Hauptfrage der Methodik
hütet er sich einen festen, entschiedenen Staudpunkt zu vertreten und
ein eigenes bestimmtes, sicheres Urteil, mag es der Reform günstig
oder ungünstig sein, darüber abzugeben, wie weit die Ergebnisse der
historischen Sprachwissenschaft und der Phonetik für Schulzwecke ver-
wandt werden können oder müssen, ob im Anfangsunterricht oder wie
weit die praktische, direkte Spracherlernung, die induktive Methode
das Obergewicht über die grammatische Lehrweise, die deduktive Me-
thode erlangen mussf u. dgl. m.
Des Verfassers Art zu kritisieren mag ein Beispiel kennzeichnen.
S. 145: „In der Grammatik wird die Durcharbeitung der Syntax die
Hauptaufgabe [?] sein. Gymnasien [?] werden dieselbe nach grösseren
[?] Grammatiken, wie Ploetz (Syntax und Formenlehre mit steter Berück-
sichtigung des Lateinischen), Benecke (Französische Schidgrammatik,
2. Teil), Steinbart, Knebel (Probst) und ähnliche, vollständig durch-
arbeiten können. Mittelschulen und Höhere Töchterschulen müssen sich
entweder auf eine gute Schulgrammatik (Pünjer, Plattner) [? !] beschrän-
ken, oder können nur grössere wichtige Abschnitte aus grössern Büchern
auswählen." Die ganze Stelle ist in mehr als einer Hinsicht anfecht-
bar. Jedoch will ich hier nur einen Punkt hervorheben und näher
S rufen : die Nebeneinanderstellung zweier Kamen, — Pünjer, Plattner.
•er erstere wird auch sonst mehrere Male von Wendt erwähnt (S. 25
und S. 52, ebenfalls neben Plattner, -— S. 65 — S. 136 — S. 154) und,
wo sich die Gelegenheit bietet, mit Lobsprüchen bedacht. Ich selbst
habe Pünjer' s Lehr- und Lernbuch in dieser Zeitschrift IX2, S. 28 ff.
angezeigt und dabei sein methodisches Geschick anerkannt. Aber darüber
hinaus darf das Lob, das ihm gebührt, nicht gehen. Mittlerweile hat
er noch ein anderes Buch dieser Art (Der erste Unterricht in der fran-
zösischen Sprache) verfasst, das ich weiter unten zu besprechen gedenke.
Auf keine von beiden Schriften pa6st die von Wendt gebrauchte Be-
zeichnung reine gute Schulgrammatik". Vgl. darüber nachher an der
betr. Stelle. Jedenfalls lassen sich Pünjer's Leistungen nicht mit
denen Plattner's vergleichen. Er erscheint doch gar zu sehr als ein, wenn
auch noch so achtungswerter, Dilettant auf dem ihm ursprünglich
fremden Gebiete neben diesem ausgezeichneten Kenner des Neufranzö-
sischen, dem Verfasser mehrerer guter französischer Lehrbücher und
einer vorzüglichen Schulgrammatik, deren einziger Fehler viel-
leicht gerade die allzu reiche Fülle des Inhalts ist, welcher sicherlich
das Mass der Anforderungen der „Mittelschulen und Höhern Töchter-
schulen" weit überschreitet. Eine solche Nebeneinanderstellung, die
mitten im Satze so harmlos aussieht, beweist in diesem Falle eine un-
geheuerliche Gedankenlosigkeit oder Kritiklosigkeit und ist für den
Leser, der die bezüglichen Bücher nicht genau kennt, durchaus irre-
führend, da sie in ihm eine ganz falsche Vorstellung von dem Wert
und der Art derselben erwecken muss.
Die gerügten Mängel mögen teilweise daher rühren, dass die
„Encyklopädie" ursprünglich eine andere, bescheidenere Bestimmung
gehabt hat. Vgl. Vorrede S. Hl: „Dieselbe sollte sich ursprünglich nur
auf die den lateinlosen Bild ungsan stalten eigene Interessensphäre be-
ziehen.u Ausserdem muss man bedenken, dass, obgleich eine Reihe von
ähnlichen Werken oder von Schriften ähnlicher Tendenz vorhanden ist
Zschr. L fr*. Spr. n. Litt. XII*. ig
290 Referate und Rezensionen. A. Rambrav,
(vgl. 30—32), die Arbeit Wendt's doch in mancher Hinsicht ganz neu
und einzig in ihrer Art ist. Daher glaube ich diese immerhin den Lehrern,
besonders Anfängern im Lehramte, und den Studierenden hIh ein brauch-
bares Bach zum Nachschlagen und Orientieren empfehlen zu können,
vorausge setzt, dass man die Ansichten des Verfassers und seiner Ge-
währsmänner durch eigenes Prüfen und Urteilen zu ergänzen und even-
tuell zu berichtigen willens und im stände ist.
4. Den Freunden der Reform muss es zur grossen Befriedigung
gereichen, dass G lab b ach, Lehrer an der Gewerbeschule zu Saar-
' brücken, mit Eifer und Überzeugung für die Verwertung der „Laut-
physiologie im französischen Unterricht" eintritt, wovon ein anderer
Realschulmann, Neubauer, in der oben angezeigten Schrift (No. !), ob-
fleich im übrigen der Reform nicht abgeneigt, noch nichts wissen wilL
eine Vorschläge sind massvoll, seine Erörterungen kurz und den prak-
tischen Bedürfnissen der Schule angemessen.
Mit Recht betont 0. die Wichtigkeit einer Unterscheidung von
langen und kurzen Vokalen. Aber die Frage der Quantität der Vokal«
ist bekanntlich für die romanischen Sprachen und speziell für die
französische eine der schwierigsten in der Phonetik und vielleicht
immer noch nicht spruchreif. Man muss sie daher in der Schule mit
einer gewissen Zurückhaltung uud Vorsicht behandeln.
Die echematische Form des Vokaldreiecks (S. 7) habe ich, be-
sonders nach dem Vorgange von Vietor, seit einiger Zeit in meinem
Unterriebt durch eine andere Gestalt ersetzt, die den wirklichen Ver-
hältnissen der Vokale zu einander und besonders der Zungenlage mehr
Rechnung trägt. (Vgl. meine Schrift Die Phonetik im französischen
und englischen Ktassenunterricht [1888]). Die neue Wissenschaft, die
Phonetik, schreitet schnell vorwärts; unsere Kenntnis und Erkenntnia
der phonetischen Thatsachen vervollkommnet sich immer mehr und
ist daher häufigen Änderungen ausgesetzt.
G. nenut (S. 7) das a in rare geschlossen und lang, das a in
\a offen und kurz. Das erstere ist gewiss lang und anch meist ge-
schlossen, wenn es auch manchmal offen vorkommt; dagegen ist das i
im la kurz und geschlossen. Dia Bezeichnung „offen" passt x. 8.
auf pas (kurz) und Ante (lang).
5. IS: „Die Bezeichnung Mittelläufe (d. h. für /, r, m, n) wird
der Schüler leicht begreifen, wenn man ihm sagt, dann sie in der
Mitte stehen zwischen Vokalen und Konsonanten, oder mit anderen
Worten, daes sie vokalisch (silbenbildend) und konsonantisch (nicht
silbenbildend) gebraucht werden können , dass a, B. /, il (mottiüt) den
Wert ■ erhalt und r z. B. mit e den geschlossenen «-Laut (donner)
bildet. Die Aussprache des r kommt, wie Littre" sagt, erst im XU.
Jahrhundert auf; mnuchoir sprach man früher wie mouchoi; die Namen
auf eur sprach man eä aus. Für rieur im Plural schrieb man rieia
z. B. les rieux ne sont pas de son cöte." Der erste Teil dieser Be-
merkung ist selbstverständlich richtig, wenn man sie nicht speziell
auf die französische Sprache bezieht. Die Hittellaute können in an-
deren Sprachen silbenbildend sein: z. B. engl, labte — leibt, zweisilbig;
aber französ. table 1) = labt mit einem ganz oder teilweise stimmlos
5 «wordenen und schwachen / oder gar — lab mit verstummtem / in
er Umgangssprache, einsilbig, 2) — tabb mit stimmhaftem / und er-
haltenem e = > (e sourd) im style soutenv, zweisilbig. — Der zweite
Teil „ . . . . dass z.B. 1, 11 " ist mir in diesem Zusammenhange
unverständlich. Was will G. damit für die Erkenntnis des Wesens der
Mittellaute beweisen oder erklären?
J. Storni, Dialogues francats enseignant la grammatre etc. 291
Gegen den Wunsch des Verfassers (S. 12 f.), man möge das
linguale r neben dem uvularen r in der französischen Aussprache im
Unterricht gestatten, unter der Bedingung, dass die Zunge dabei in
gehöriger Weise vibriert, — dagegen ist fürwahr nichts einzuwenden.
Auch unterstütze ich gern sein Verlangen, dass schon im deutschen
Anfangsunterricht und auch in der Volksschule auf eine gute Aus-
sprache des Deutschen und eine saubere Artikulation der einzelnen
Laute von vornherein geachtet werde. Zu diesem Zwecke sollten die
Elementarlehrer in ihren Serainarien die Phonetik in ihren Hauptzügen
kennen und auf dieser Grundlage den Unterschied zwischen ihrem
heimischen Dialekt und dem Hochdeutschen, zwischen der dialektischen
oder dialektisch gefärbten und der gebildeten, „allgemein deutschen"
Aussprache verstehen lernen. Sie würden dann befähigt sein, ihren
Schülern beim Eintritt in höhere Lehranstalten eine wirklich gute
Vorbildung nicht bloß für den deutschen Unterricht, sondern für alle
sprachlichen Fächer mitzugeben ; und dem französischen und englischen
Anfangsunterrichte würde dadurch zweifellos eine wesentliche Er-
leichterung zu teil werden. A. Rambeaü.
1. Storni, Job« 9 Dialogues francats enseignant la grammaxre et la
pkraseologie du francats parle. Cours moyen. a) Deutsche,
vom Verfasser durchgesehene Ausgabe. Französische Sprech-
übungen. Eine systematische Darstellung der französischen
Umgangssprache durch Gespräche des täglichen Lebens, nach
der Grammatik geordnet. Mittlere Stufe. Bielefeld u. Leipzig,
1888. Velhagen & Klasing. XVI, 208 S. 8°. Preis 1,80 Mk.
(broschiert). — b) Dan&k Udgave. Franske Taleövelser. En
systematisk Fremstülina af det franske Talesprog gjennem
Samtaler af det daghge Liv, ordnede efter Grammatiken.
Mellemtrin. Kjöbenhavn, 1887. Gyldendalske Boghandels Forlag
(F. Hegel & Sön). X, 194 S. *8°. Preis: 3,75 Mk. (einge-
bunden. — c) Norsk Udgave. Andet rettede Oplag [Titel,
Verlag, Jahreszahl = b)]. X, 202 S. 8°.
2. Ricard 9 Anselme, Systeme de la quantite syllabigue et de
Carticulalion des sons graves et des aigus. Recherches orthoe-
piques et phone'tiques sur la phonome'trie et les tons de la
langue francaise. Prague, Gustave Neugebauer. Paris, H. Le
Soudier. 1887. II, 92 S. 8°.
3. Passy, Paul 9 b me:lr fonetik, organ (b l asosjAsfi fonetik dif
profescer d* lag vivät (fonetik tttforz psoufieiftn), herausgegeben
von .... — Redaction et admmvttration: 6 , rue Labordere,
Neuiüy- sur -Seine pres Paris. Jahrgänge: III 1888; IV 1889;
V 1890, 5 Monatsnummern (bis Mai 1890). Jede Nummer:
8 — 16 S. 8°. Preis des Jahrganges: 3 Fr., der Nummer,: 0,25 Fr.
(mit der Post: 0,30 Fr.); frei für Mitglieder der Association
Fone'tique.
1. Die Dialogues francats von Job* Storni sind erschienen
oder erscheinen eben auch in einer schwedischen und in einer hollän-
dischen Ausgabe. Die älteste und ursprüngliche ist die norwegische
Ausgabe (lc), deren zweite Auflage mir hier vorliegt. Die erste Aufläge
derselben ist im Februar 1887, die Vorrede dazu schon im Dezember
1886 geschrieben worden.
19*
292 Referate und Rezensionen. A. Rambeau.
Der Inhalt ist reichhaltig, mannigfaltig und zweckentsprechend.
Et sind Gespräche ans dem alltäglichen Leben über Gegenstände, Ober
die man mit sich in der gebildeten Gesellschaft zu unterhalten pflegt,
darunter auch Szenen oder Bruchstücke französischer Dramen, ausser-
dem idiomatische Redewendungen meist in kurzen Sätzen (Phraseologie),
in 12 Gruppen. Neben dem französischen Text gibt uns 8t. eine mög-
lichst idiomatische Übersetzung in die Sprache des Landes, für du
er die betr. Ausgabe bestimmt hat. Am Schluss jeder Gruppe findet
man eine Übung zum Übersetzen aus der heimischen in die fremde
Sprache, am damit die bez. grammatischen Regeln, z. B. die Ober den
Artikel, zu wiederholen.
Dasa der französische Text gut und zuverlässig ist und den
höchsten Anforderungen entspricht, dafür borgt der Name des den
Neuphilologen sowohl als Komanist wie als Anglicist rühmlichst be-
kannten norwegischen Gelehrten, die Habe und Zeit, die ein so gründ-
licher Kenner des Neu französischen auf die Zusammen Stellung und
Sichtung des Stoffes, auf die Prüfung, Berichtigung und Vervollkomm-
nung der Sprache des Textes verwandt hat (la, Vorrede, S. XII), und
die wertvolle Hülfe, die ihm bei der Feststellung des heutigen Ge-
brauche« der lebenden Sprache von mehreren sachkundigen Lehrern
und Gelehrten besonders französischer Nationalität, von Männern wie
G. Paris, Bröal, A. Darmeeteter und Paul Passy, zu teil ge-
worden ist (la, S. XV und XVI). Die nützlichen Bemerkungen am
Fusse der Seiten und die wichtigen Zusätze und Berichtigungen (la,
S. '202-207) bilden gewissermassen einen fortlaufenden Kommentar,
in dem der Verfasser, wo es ihm nötig zu sein scheint, seine Ent-
scheidung für einen bestimmten Ausdruck erläutert oder begründet
und seine Ansichten durch die angeführten abweichenden und auch
zuweilen von einander verschiedenen Urteile seiner Gewährsmänner in
einzelnen Fällen ergänzt. Unter solchen Umstanden dürfte es fast
unmöglich sein , in der Sprache des französischen Textes wirkliche
Fehler oder auch nur Urlgenauigkeiten nnd Nachlässigkeiten zn ent-
decken. In dieser Hinsicht übertrifft St. sicher alle seine Vorgänger,1)
die in ihren Schriften gleiche oder ähnliche Ziele verfolgt haben. Man
muss jedoch anerkennen, dass vor ihm schon Karl Ploetz auf dem-
selben Gebiete brauchbare und gute Leistungen geliefert hat. Ich
meine dessen zwei Werke : Fouage ä Paris und Vocamitaire systematique
et gnide de conversation franqaise. Das erstere erwähnt St lobend
ii a, S. 43). Einige , in der That nur wenige, Ausstellungen hat
. Sarrazin (Offenburg) bei seiner BezenBion der IHalogties francaii
in der Franco-Gallia in einer Nummer das Jahres 1889 gemacht,
worauf ich den Leser verweisen mOchte.
Als einen empfindlichen Hange) betrachte ich das Fehlen einer
praktischen phonetischen Transskription, wie sie uns F. Franke in seiner
Schrift, die ähnlichen Zwecken dient, aber leider keine zusammen-
hängenden Gespräche enthält, Itirasts de tovs les jours, gegeben hat.
Dem Verfasser möchte ich für spätere Auflagen dringend empfehlen,
eine Bolche Umschrift, die für Lehrer noch wichtiger und nützlicher
Bein würde, als für Schüler, beizufügen und dazu die Zeichen des von
P. Passy herausgegebenen Maiire Fone'tique (vgl. weiter unten No. S)
zu verwenden. Die blosse Rücksicht auf den Raum (la, S. XII) kann
doch fürwahr kein ernstliches Hindernis sein.
*) Er selbst kritisiert einige derselben auf S. IX (la).
A. Ricard, Systeme de la quantite syllabique ei de Carticvlation etc. 293
Das Buch ist „zunächst für Erwachsene bestimmt, besonders zum
Privatstudium unter einem tüchtigen, am besten eingeborenen Lehrer".
Als Schulbuch dient es der Reform der Methode des Sprachunterrichts,
über die sich St. am Anfang der Vorrede äussert, indem er seinen
vermittelnden Standpunkt in dieser Frage betont; es „soll die Lücken
des gewöhnlichen Schulunterrichts ausfüllen u (1 a, S. XI). Es setzt
Schüler voraus, die bereits „Französisch zwei oder drei Jahre getrieben"
haben. St. selbst nennt es cours moyen, da er noch einen cours
svpe'rieur in Aussicht stellt (1a, S. XV). Thatsächlich sind die Dialogues
francais, wie der Verfasser mitteilt (la, S. XI), schon in mehreren
Schulen des Nordens und, wie ich eben höre, auch in einer Anstalt
Hamburgs mit gutem Erfolg gebraucht worden.
Die Rücksicht auf den Schulunterricht erklärt die grammatische
Anordnung des Stoffes (in 12 Gruppen), die mich zuerst etwas miss-
trauisch machte. Nach einer ziemlich sorgfältigen Durchsicht des In-
halts mu8s ich gestehen, dass glücklicherweise das „grammatistische"
Element der französischen Sprache keinen Zwang angethan und die
Echtheit des Ausdruckes keineswegs beeinträchtigt hat.
Mit der Veranstaltung verschiedener Ausgaben und der hinzu-
? gefügten Übersetzung des französischen Textes in die Sprache des
janaes, für das jede Ausgabe vorzugsweise bestimmt ist, hat St. den
Neuphilologen, die ausser dem Englischen auch die Umgangsformen
anderer germanischen Sprachen bequem studieren möchten, sicherlich
einen unschätzbaren Dienst erwiesen. Auch für die Übersetzung würde
mir persönlich eine gute Transskription recht willkommen gewesen sein,
besonders in der norwegischen und der dänischen Ausgabe. Der nor-
wegische und der dänische Text weichen, sowie sie vorliegen, sehr
wenig von einander ab. Es wäre mir und gewiss auch manchen an-
deren Neuphilologen höchst interessant gewesen, die lautlichen Unter-
schiede dieser beiden Spracharten, die nicht gering sein Bollen, mittelst
einer phonetischen Unterschrift desselben Textes genau kennen zu lernen.
2. Rieard'8 Buch ist ein geistreiches und interessantes Werk,
aber es entbehrt leider der wissenschaftlichen Objektivität und Gründ-
lichkeit. Daher sind die Ergebnisse, zu denen er gelangt, besonders
seine sogenannten „Regeln", die er mit anscheinend grosser Bestimmt-
heit aufstellt, ohne überzeugende Kraft und Gültigkeit und demgemäss
zugleich ohne den wünschenswerten und von ihm als sicher angenom-
menen praktischen Nutzen. Obgleich er alle oder die meisten phone-
tischen Werke zu kennen scheint, hat er es doch nicht über sich ver-
mocht, die wichtige und gar schwierige Frage der Quantität der fran-
zösischen Vokale ohne Voreingenommenheit und rein sachlich, d. h.
also in diesem Falle zunächst und vor allem phonetisch zu behandeln.
Der einseitige, ortho&pische Standpunkt, den der Verfasser von
vornherein und fast überall dieser Frage gegenüber einnimmt, bringt
es mit sich, dass er nicht mit den Thatsachen, wie sie wirklich sind,
rechnet, sondern mit den Thatsachen, wie er sie wünscht und sich
subjektiv vorstellt, wie sie nach seiner vorgefassten Meinung und seinem
individuellen Sprachgefühl sein sollen oder sein müssten.
Dazu kommt noch der Mangel einer durchgehenden, einheitlichen
phonetischen Transskription der Wörter, die von ihm als Beispiele
angeführt werden. Dies verursacht in seinen Erörterungen und Schlüssen
eine bedauerliche Unklarheit und Verwirrung. Man weiss nie recht
genau, ob R. in den einzelnen Fällen von Buchstaben oder von Lauten
spricht. An manchen Stellen geht er augenscheinlich ganz und gar
vom Schriftbilde aus. So nennt er au in saute, epaule einen
294 Referate und Rezensionen. A. Rambeau,
Diphthong (S. 50) und vergleicht cteD dadurch ausgedrückten Laut mit
deutschem au (S. 35), mit deutschem und italienischem au (8. 59).
Vgl. ferner noch einige Stellen, die wegen einer sonderbaren
und fast phantastischen Darstellung» weise oder wegen des offenbaren
Hangeln an phonetischer Auffassung besonders auffällig sind, deren
Zahl, wenn ich vollständig sein wollte, ich leicht durch andere Zitat«
verdoppeln, ja verdreifachen könnte:
S. 2: „J'appeUe Intonation dans base ie ton guttural (?) V
montant vers a, et Fatteignant: b'a; et ton b'a' mesure 50. J'appeUe
ton le ton mime de ba' pur; dure~e = 50. J'appeUe extonatio*
Fexpiration de bas' marchant vers la finale e (?), et durant 50; de sorte
que base = 50 + 50 -f 50 = 150. "
8. 16: „Avec le Systeme de chuchotement on ne peui pat pro-
noncer; niojTjjami; on ne prononce que: mo — na — mi. C'ett du reite
paar eela (?) que Fn mediale devant une voyeUe perd (?) ta natalile (?):
conifere = co — nifere, annee = a — ne-."
S. 26: „Les nasales au nombre de quatre: an, in, on, im, tont
avssi de veritablet voyeües comme a, i, i, o, u; seulement ce tont da
voyellet nasales, dipAthongue'et en n (?)."
S, 31: y, . . . un circonflexe (?) devant une finale muette ett ton-
jourt long tans exception."
8. 32; „en ove, il n'y a qu'nn seul mot francait alcftve, et encort
est-il swmonte' du circonflexe, ce qtti tut donne (?) le ton grave."
Ferner S. 32 : „ Une par eilte Intonation aigue de l'a. et de t'o devant
re, ge, ve, te trouve dans plusieurs langues ewope'enncs. Eu anglaa
rare se prononce rgre long, a = e (?), rage rEdge long, a = ■ (?)
, love leuv' bref, o = eu; lodge leudg' bref, o = eu (?!). £'n
franfais par une transmutation de t'o du latin movere , nous troueont
moovoir, meus, meuvent; vouloir, veui, veulent; pouvoir, petix, peuvent,
Le latin or [besser: Ärem] est devenu eur, pavor [besser pavören»] —
S. 33: „Dans le mot rage la ehumtante g amene devant soi
l'e'crasement (?) de Ta."
S. 59: „Let consonnes ch (?), gn restent (?) unies: chmn — pa—gae,
me'—chant. Es — pa—gnßl, en — chan — ter."
8. 66: „La nataie finale est un sdn moitie voyelle, moitie consonne (?),
qui s'e'lance (tun seul coup et comme en bona du baut des livres. 'Bin,
*bön', bain, *pönt, *tänt, *tön. La nasale n'a pat le repos det antra
Conson.net (?): eile se pre'cipiie comme un son q>ii lombe et laitte eehapper
dans sa ehule let tont percantt de: *an, in. *on, *un."
8. 70: „Let a et let o sout purs dans let finale t. c'est-ä-dtre graves (?)
et de durec moyenne. Canada (?), coco, montA (?), batc&n, souci (?)." u. a. m.
Was R. unter sons graves et aigus (vgl. die vollständige Auf-
schrift des Buches und einige der oben angeführten Stelleu) versteht,
ist mir trotz aller Aufmerksamkeit und Anstrengung unklar geblieben.
Allerdings gibt er selbst von Zeit zu Zeit eine Art von Definition oder
Erklärung dieser Ausdrücke, die bald mehr, bald weniger ausführlich
ist. Vgl. „. . . le son grave ou guttural, le ton aigtt ou palatal." (S. 86)
„1, a, o, eu, oi graves sont gultvralt. 2. a, o, eu, oi aigut tont
palatalt" (S. 27). — „Le ton grave part de la gorae. Le ton atgu ett
patatal, e'ett-ä-dire qu'tl est meaio-patatal dans l'aigu long, et presque
dental-palatal dans l'aigu bref." (S. 31.)
Im Anschluss an diese und ähnliche Erklärungen, besonders an
die letzte Definition, habe ich versucht, die Bedeutung von grave und
tngu, auf Vokale angewandt, an den Wörtern, die E. in grosser Menge
P. Passy, Maure Fonetique. 295
als Beispiele anführt, zu prüfen, festzustellen und mir selbst deutlich
zu machen. Ich habe mich dabei bemüht, jene Ausdrücke mit ouvert
(offen) und ferme (geschlossen), zuletzt mit wide (schlaff) und narrow
(straff) zu identifizieren oder in Einklang zu bringen. Vergebens. Nach
mehreren erfolglosen Versuchen habe ich es ganz aufgegeben, mit
grave und aigu einen bestimmten, fest stehenden Sinn zu verbinden.
Ob R. selbst es thut? Ich möchte dies fast bezweifeln. Vielleicht
hat ihm seine Vorliebe für eine ungewöhnliche Ausdrucksweise , die
wahrscheinlich nach seiner Meinung geistreich sein soll, einen schlimmen
Streich gespielt.
Dass R. unter den französischen Vokalen lange, mittlere und
kurze (longues, moyennes, breves) unterscheidet, billige ich vollkommen.
Jedoch wendet er diese Bezeichnungen meistens auf Silben (z. B. S. 86)
und, wo er es überhaupt thut, unterschiedslos auf Vokale an. Er
spricht auch wohl manchmal von langen, mittleren und kurzen Silben,
meint aber, lange, mittlere und kurze Vokale, wenigstens wenn man
nach den Beispielen, die er gibt, und nach den Zeichen, die er über
die Vokale der bezüglichen Silben setzt, urteilen darf.
Offenbar kann eine Silbe wegen der dazu gehörigen Konsonanten
zeitlich langer als eine andere sein, ohne dass der Vokal jener länger
als der Vokal dieser zu sein braucht. Diese Thatsache ist dem Ver-
fasser bekannt. Vgl. z. B. S. 2. Um so auffalliger ist es, dass er die
Quantität der Silben und die Quantität der Vokale nicht streng genug
auseinander hält.
Das Ergebnis, zu dem B. gelangt, dass es im Französischen viel
mehr mittlere als lange und kurze Vokale gibt, ist richtig. Er rechnet
„16% de longues, 35 <v0 de breves, 50% de moyennesa heraus (S. 87).
Man sann auch hier nicht genau erkennen, ob er Silben oder Vokale
meint. Aber dies Verhältnis mag wohl für beide ungefähr stimmen.
Damit soll nicht gesagt sein, dass ich der Beweisführung Ricard's traue
oder allen ihren Einzelheiten Glauben schenke.
Die übrigen Ergebnisse, die man kurz vorher in der Conclusion
auf S. 86 findet, sind entweder anfechtbar und unsicher hauptsächlich
wegen des einseitigen, orthoepischen Standpunktes des Verfassers oder
geradezu wertlos wegen der von ihm gebrauchten missverständlichen
oder unverständlichen Ausdrücke: 1. „f'ai prouve surabondamment . . .
Texislence de deux sons pour a, o, eu, oi: le son grave ou guttural,
le son aigu ou palatal. 2. J'ai donne les indications propres ä La recon-
naissance des longues en quatre regles, das moyennes en six regles, des
breves en citiq regles ; ainsi que les regles pour reconnattre les a, o, eu,
oi graves, et les a, o, eu, ou (soll wohl heissen: oi) aigus.u Vgl. dazu
S. 47 : „ Une fois les regles (d. h. de la auantiie) fixe'es, ce sera ä eües de
Commander, et ä Vusage d?obeir.u Glaubt Herr Ricard im Ernst, dass
sich der Sprachgebrauch seinen Befehlen oder Regeln fügen wird?
Nach allem, was ich über das Systeme de la quantile syUabique
et de rarticulalion des sons graves et des aigus gesagt habe, glaube ich
Laien, oder Studierende und Lehrer, die das phonetische Studium erst
beginnen oder seit kurzem begonnen haben, davor warnen zu müssen.
Aber ich bin überzeugt, dass Phonetiker von Fach diese Schrift mit
Interesse und Gewinn lesen werden, da der Verfasser ein Kenner seiner
Muttersprache ist und jedenfalls seine individuellen Erfahrungen und
Ansichten schon deshalb Beachtung verdienen und Stoff zur Vergfeichung
und Untersuchung gewähren. *
3. Den Lesern der Zeitschrift für neufranzösische Sprache und
Litteratur habe ich schon im Jahre 1888 (X2, S. 20 — 23) die zwei ersten
296 Referate und Rezensionen. A. Rambeau,
Jahrgänge des Mattre Fonltlque oder Phonetlc Teaeher
nebst den drei ersten Nummern des dritten Jahrganges und zugleich
das Bestehen und den Zweck des Vereins, dessen Organ diese kleine
Ehonetische Zeitschrift sein soll, angezeigt. Seitdem ist die Zahl der
[itglieder jenes durchaus internationalen Vereins von etwa 200 auf
mehr als 400 (414 im Mai 1890) angewachsen.
Der Mattre Fone'tique bringt, wie bisher, regelmässig Mitteilungen,
Anzeigen, Rezensionen u. dgl. des Herausgebers, Paul Passy, und
anderer Mitglieder in französischer, englischer und deutscher Sprache
und zwar in einer einheitlichen phonetischen Umschrift, wobei jeder
für die von ihm gewählte Aussprache selbst verantwortlich ist und
mit seinem Namen einzutreten hat; ein besonderer Teil (Partie dese'leves)
enthält phonetische Texte, Erzählungen und Gedichte, in den drei haupt-
sächlichen lebenden Kultursprachen, daneben auch manchmal einige
in anderen germanischen und romanischen Idiomen. Die Transskription
ist unterdessen wesentlich verbessert worden (vgl. oben als Probe den
vollständigen Titel des M. F.) und wird infolge freier Diskussion und
durch Abstimmen, soweit die zu Gebote stehenden Mittel reichen, nach
und nach noch mehr vervollkommnet werden.
Jedem Fachgenossen, der sich für Phonetik, vor allem für prak-
tische Phonetik interessiert, der seine eigne Aussprache der fremden
Sprachen durch Vergleichung mit der anderer und besonders einheimi-
scher Phonetiker verbessern oder in gutem Zustande erhalten möchte,
sei die billige und doch wertvolle Zeitschrift warm empfohlen. Um
Mitglied der Association Fone'tique zu werden, der schon viele deutsche
Lehrer, darunter auch Universitätsprofessoren, angehören, hat man sich
. durch einen Bekannten einführen zu lassen und einen jährlichen Bei-
trag von nur 2 Francs (für die membres adherents) oder 5 Francs (für
die membres actifs) einzusenden. Für Deutschland nimmt sowohl Herr
Prof. Vietor in Marburg als der Unterzeichnete (Hamburg, Wilhelm-
Gymnasium) Anmeldungen und Beiträge an.
A. Rambeau.
1. Breymann-Moeller, a) Schlüssel zu den Breymann-Mceller 'sehen
Übungsbüchern. München und Leipzig, 1887. R. Oldenbourg.
71 S. 8°. Preis: Mk. 1,20. — b) Zur Reform des französischen
Unteirichts. Offener Brief von Herrn, M&ller an Herrn Dr. H.
in B. In demselbeu Verlage (ohne Jahreszahl). 14 S. 8°.
2. Plattner 9 Ph., a) Vorstufe für das Elementarbuch der franzö-
sischen Sprache. 2. Auflage. 32 S. 8°. Preis: Mk. 0,30. —
b) Übungsbuch zur französischen Schulgrammatik. 2. Auflage.
II, 211 S. 8°. Preis: Mk. 1,20. — c) Lehrgang der französischen
Sprache für Knaben- und Mädchenschulen. Zweiter Teil. VIII,
396 S. 8*. Preis: Mk. 3,20. — d) Übersetzung der im Übungs-
buch zur französischen Schulgrammatik enthaltenen Stücke.
Als Schlüssel für die Hand des Lehrers. 86 S. 8°. Preis:
Mk. 1,50. — e) Übersetzung der in den Übungen des franzö-
sischen Elementarbuchs enthaltenen Stücke. Als Schlüssel für
die Hand des Lehrers, nebst einer Anleitung zum Gebrauch des
Elementarbuchs und einer Reihe leichter Übungssdtze. 54 S. 8°.
Preis;: Mk. 1,50. — r f) Anleitung zum Gebrauch des Lehrgangs
der französischen Sprache. Zugleich als Schlüssel für die Hand
des Lehrers. 82 S. 8°. Preis: Mk. 3. — g) Anthologie des
Breymann-Mozüer, Schlüssel zu den Br.-M.'schen Übungsbüchern. 297
Ecoles. Ckoix de poesies francmses, suivi de noles expUcatives
et public en trois parties. Pe Partie: Classes inferieures. II,
112 S. 8°. — //' Partie: Classes moyennes. 112 S. 8°. —
IIP Partie: Classes superieures. 112 S. 8°. Karlsruhe. J. Biele-
feld^ Verlag, a, b, c, f 1888; d 1883; e 1884; g 1890.
3. Ricken 9 Wilhelm, Elementarbuch der französischen Sprache.
2. und 3. Jahr. Oppeln und Leipzig, 1888. Eugen Franck's
Buchhandlung (G. Maske). VII, 141 S. 8<>.
4. Ul brich, O., Scnulgrammatik der französischen Sprache für höhere
Lehranstalten. Berlin. Gaertner (Heyfelder). Erste Auflage
1888. Zweite verbesserte Auflage 1890. IV, 220 S. 80. Preis:
Mk. 2,00.
5. Schaefer, Curt, a) Französische Schulgrammatik für die Ober-
stufen. II. Teil. Syntax. 158 S. 8°. Preis: Mk. 1,40. —
b) Übungsbuch zum Übersetzen aus dem Deutschen ins Franzö-
sische, im AnscfUuss an die französische Schulgrammatik für die
Oberstufe. IL Teil. Syntax. 134 S. 8°. — c) Der französische
Unterricht in der Schule. Ein Begleitwort zu den französischen
Lehrbüchern. 16 S. 8°. Berlin, *1888. Winckelmann & Söhne.
6. Benux, Theodor de, Schulgrammatik der französischen Sprache.
Mit besonderer Berücksichtigung der Phonetik. Leipzig, 1888.
Hirzel. VI, 325 S. 8°.
7. Pttnjer, J., Der erste Unterricht in der französischen Sprache.
Für höhere Mädchenschulen, Mittelschulen, verwandte Anstalten
und ähnliche Stufen bearbeitet. Hannover, 1887. Meyer (Prior).
II, 80 S. 8°. Preis: Mk. 0,60.
8. Kühn, Karl 9 Französisches Lesebuch. Unterstufe. Bielefeld und
Leipzig. Velhagen und Klasing. Zweite verbesserte und ver-
mehrte Auflage, 1889. XIX, 208 S. 8°. — Dritte Auflage, 1890.
XX, 209 S. 8°. Preis: Mk. 1,60.
Alle diese Schriften (No. 1 — 8), Lehrbücher, Lesebücher oder
methodische Abhandlungen u. dgl., dienen oder sollen nach der Absicht
ihrer Verfasser der Reform des französischen Unterrichts dienen und zwar
zum grössten Teil im Sinne der Vermittlung mit der alten Lehrweise.
£s sind entweder Fortsetzungen oder Erweiterungen oder Begleitschriften
von Werken, die ich bereits in der Zeitschrift für neufranz. Sprache u.
Litteratur angezeigt habe, oder neue Auflagen solcher Werke. Ich werde
mir daher gestatten, bei der folgenden Besprechung der einzelnen mir
hier vorliegenden Schriften mich möglichst kurz zu fassen und zur Ver-
vollständigung der Urteile auf meine früheren Anzeigen zu verweisen.
1. Die erste Schrift (la) ist ein Schlüssel zu den Obersetzungs-
übungen des Elementarbuches und der zwei Teile des Übungsbuches von
Breymann-Mceller. Über das Elementarbuch und den ersten Teil
des Übungsbuches habe ich in dieser Zeitschrift IX2, S. 37 — 38 und
S. 252 berichtet.
M cell er 's Offener Brief an Herrn Dr. B. in B. (lb) ist nach der
Nenphilologenversammlung in Frankfurt, also in oder nach dem Jahre
1887, geschrieben worden. Der Verfasser spricht sich daher nicht bloss
in theoretischer Weise über die von ihm und Breymann in ihren
Lehrbüchern angewandte vermittelnde oder analytisch -synthetische Me-
thode aus, sondern teilt auch schon die praktischen Erfahrungen mit,
die er und seine pädagogischen Freunde, besonders der, an den der Brief
gerichtet ist, seit einigen Jahren im Unterricht mit dieser Methode und
den Eigentümlichkeiten, die dieselbe auszeichnen, z. B. mit den Eon-
398 Referate und ReZt
jugiertibungen in Sätzen u. a. , gemacht haben. Im übrigen findet sich
derselbe Inhalt — ausführlicher, aber mehr theoretisch — in der grosseren
Schrift Zur Reform des neusprachlichen Unterrichts. Anleitung zum
Gebrauch des französischen Elemcntarfaiclics von Breymann nnd Maller
(München, 1884. Oldenbourg).
Das Urteil des Herrn Dr. H., diias „die Breym&nD-Mcellar'Bchen
Bücher die vorzüglichsten Lehrmittel sind, welche der Schulbücbermarkt
bis jetzt aufzuweisen bat" (S. 11). braucht man nicht zu unterschreiben
und man wird doch zugestehen können, rlasa M. wohl berechtigt ist, tan
den mit seinen Lehrbüchern erzielten Erfolgen mit Genugthunng and
in freudigem, hoffnungsvollem Tone zu sprechen. Zweifellos vermögen
Lehrer, die diese Bücher gebrauchen, wenn sie selbständig zu denken
und zu schaffen gewöhnt sind, und wenn sonst die Verhältnisse und Be-
dingungen, unter denen sie arbeiten, günstig Bind, zu guten und vor-
züglichen Ergebnissen in ihrem Unterricht zu gelangen. Selbstverständ-
lich haben die Verfasser nur für Fachmänner geschrieben und, wie H.
hier (S. 10) rückhaltslos ausspricht, ^nicht für Dilettanten, auch nicht
für Altphilologen, welche 'der Not, nicht innerem Triebe folgend', auf
unserem Gebiete Gastrollen geben". Solche Lehrer des Französischen
werden hoffentlich bald — gerade infolge der allgemeinen Durchführung
der Beformroetbode, weil sie wirklich hohe Anforderungen an den Unter-
richtenden stellt, — an allen Schulen, auch endlich an humanistischen
Gymnasien, „unmöglich" werden!
Im Anschluss an den offenen Brief hai, die Verlagshandlung, jeden-
falls durch Breymann und Moeller inspiriert, die Ziele, welche ihre
Werke anstreben, noch einmal in wenigen, das Wesentliche hervorheben-
den nnd übersichtlichen Sätzen zusammengefasst. (S. 13 — 14.)
2. Die Vorstufe für das Kkmentarbnch der französischen Sprache
(2a) und das ganz nach den Prinzipien der lateinisch -griechischen Über-
setzungsmethode gearbeitete Übungsbuch zur französischen Schutgrammatik
(2 b) von Plattner haben in der neuen Auflage ihren Umfang bewahrt
nnd sind, abgesehen von wenigen Verbesserungen in Einzelheiten (2 a)
oder Verschiebungen (2 b), überhaupt unverändert geblieben. Vgl. meine
Besprechung der ersten Auflage dieser zwei Bucher in der Ztschr. VIII',
S. 177 — 181. Ausdrücke, wie „sehr weicher fdj-Laut11 und ..sehr weichet
|", sind in der „Aussprache", dem ersten Teil der „Vorstufe", immer noch
nicht vermieden. Was soll der süddeutsche Schüler (und Lehrer?), ffli
den sie offenbar bestimmt sind, damit anfangen? Sein heimisches (deutsches)
i ist ebenso „weich", als das französische stimmhafte s ■= z. Er muss
deshalb erfahren, dass sein eigenes „weiches" oder „sehr weiches" s, das
er in natürlicher, durch keine orthoöpischen Bedenken „gefälschter" Rede
unterschiedslos für f, 8, &, fj spricht, stimmlos ist nnd unter keinen Um-
ständen auf die französische Sprache übertragen werden darf. — rC heisst
ce (sprich c wie ss)" ist z. B. eine von den seltenen Verbesserungen der
zweiten Auflage (S. 3), Warum genügt nicht „wie *" (d. b. wie hartes,
stimmloses s)r Der entsprechende weiche und stimmhafte Konsonant
müsste konsequent mit z bezeichnet werden, und eine Verwechselung mit
s wäre dann nicht möglich. —
Der II. Teil des Lehrganges der französischen Sprache für Jinaben-
und Mädchenschulen (2c) ist ein in seiner Art ebenso ausgezeichnetes
Buch, als der im Jahre 1887 erschienene und von mir schon früher an-
gezeigte I. Teil. Vgl. Ztschr. X* S. 55—58. Gerade an diesem Werke
scheint Plattner mit besonderer Lust und Liebe gearbeitet in haben, weil
der Plan und die Anlage desselben seinen persönlichen pädagogischen
Neigungen nnd Grundsätzen am meisten entspricht. Er bat darin die
JPh. Platiner, Vorstufe für das Elementarbuch der franz. Sprache. 299
•
ihm als Lehrer eigentümliche und von ihm im eignen Unterrichte am
besten erprobte Art der sog. vermittelnden oder induktiv- deduktiven
Methode in voller Freiheit am klarsten und konsequentesten durchzuführen
vermocht. Der ursprüngliche Titel war etwas verschieden: für tat ein-
löse Knabenschulen und für Mädchenschulen. Der Verfasser hat diese
Beschränkung auf lateinlose Anstalten, die mir im I. Teile durchaus un-
nötig zu sein schien, auf dem Titelblatte des II. Teiles weggelassen. Die
beideu Bücher eignen sich sicherlich auch für Gymnasien und Real-
gymnasien.
Der II. Teil enthält eine systematische Grammatik (S. 1 — 119):
1. Abteilung, die vollständige Formenlehre, — 2. Abteilung, die Syntax
„in so gedrängter Fassung, dass dieselbe bequem in zwei Jahren bewältigt
werden kann", — 3. Abteilung, Phraseologie; ein Lesebuch (S. 120—262):
Prosaische*, Dramatisches, Gedichte; ein Übungsbuch (S. 263 — 351): Um-
bildungen, Erweiterungen, Übersetzungen; dazu ein Wörterverzeichnis.
An den Lese- und Übungsstücken ist vor allem zu rühmen, dass sie sich
in der That „vorwiegend mit dem Lande und Volke beschäftigen, dessen
Sprache sie den Schüler lehren wollen." —
Die Schlüssel oder Begleitschriften (2d, e, f) zum Übungsbuche (2b),
zum Elementarbuche1) und zum Lehrgange (2 c) sind, wie die vollständigen
Titel ausdrücklich verkünden, nur „für die Hand des Lehrers" bestimmt.
Alle drei Schriften werden gewiss manchem, der nach Plattner's Lehr-
büchern unterrichtet, sehr willkommen sein. Zwei derselben (2e und f)
sind zugleich deshalb wichtig und nützlich, weil sie ausser der Über-
setzung der deutschen Übungsstücke auch eine Anleitung zum Gebrauche
der bez. Lehrbücher Jhd einige Erörterungen bringen, in denen der Ver-
fasser die Grundsätze der von ihm befolgten und empfohlenen Methode
darlegt und seinen Standpunkt verteidigt.
Eine vortreffliche Zugabe zu Plattner's Lehrbüchern ist die von
ihm erst in diesem Jahre veröffentlichte Anthologie des Ecoles (2 g). Die
Auswahl der Gedichte ist sorgfältig und geschmackvoll und entspricht
den bekannten zwei Forderungen der Reform des neusprachlichen Unter-
richts. Einerseits hat Plattner die französische Litteratur dieses Jahr-
hunderts bevorzugt und auch die neueste berücksichtigt, ohne jedoch
das „alte" d. h., was seit langer Zeit alle in deutschen Schulen gebrauchten
französischen Lesebücher, Gedichtsammlungen und manuels gleichsam als
eisernen Bestand aufweisen, grundsätzlich auszuschließen, sofern es sich
als „gut" und zweckmässig bewährt hat. Anderseits haben neben der
französischen Kunstpoesie, der die Ausländer selten ein volles ästhetisches
Verständnis entgegenbringen, und deren eigenartige Schönheit sie im all-
gemeinen nur in verhältnismässig wenigen Erscheinungen zu geniessen
und zu würdigen vermögen, auch die volkstümlichen und kindlichen Ge-
dichte, Lieder und Sprüche in der Anthologie die ihnen gebührende Stelle
erhalten. Sie finden sich hauptsächlich im ersten Teile.
Die richtige Befolgung jener zwei Thesen verleiht der ganzen
Sammlung eine angenehme Mannigfaltigkeit und zugleich den Reiz der
Neuheit, obwohl dem Herausgeber auf dem einen Gebiete vor allem
Gropp und Hausknecht, auf dem andern Kühn mit gutem Beispiele
vorangegangen sind. Auf beiden Gebieten ist noch viel zu machen, und
man kann daher hoffen, dass die Worte, mit denen Plattner sein Vor-
wort beginnt, bald ihre Berechtigung verloren haben werden: „Eine
*) Das Elementarbuch habe ich früher in der Ztschr. besprochen,
die 1. Auflage (1884) VIII2, S. 178-179, die 2. Auflage (1887) X*,
S. 54—58.
300 Referate und Rezensionen. A. Rambeau,
Sammlung französischer Gedichte macht gewöhnlich einet) ungünstigeres
Findruck als eine Sammlung englischer oder gar deutscher Gedichte."
Diese Worte passen jedenfalls nicht auf die vorliegende Anthologie.
Jeder Teil enthält am Schluss einen kurzen Kommentar, der be-
sonders für die Erklärung der schwierigen Ausdrücke, der dunkeln An-
spielungen und Reminiszenzen mancher volkstümlichen Gedichte vielen
Lehrern und Lesern erwünscht sein wird.
Rieben , ITlbrlch und Si'liÄfer stehen ungefähr auf dem-
selben vermittelnden Standpunkt in der Reformfrage als Plattner,
Sie haben fast gleiche methodische Ansichten, die sie auch in ziemlich
ähnlicher Weise, wenn auch immerhin selbständig genug, praktisch an-
zuwenden suchen. Plattner übertrifft nie jedoch alle an gründlicher
Kenntnis der lebenden Sprache und z. T. auch wohl an pädagogischer
Erfahrung. Ob er in seinen grammatischen Werken eigne Beobachtungen
Ober den heutigen Sprachgebrauch mitteilt und diesen für gewisse Regeln
der Syntax fixiert, oder ob er, den Ansprüchen der herrschenden über-
set zungsmethode nachgebend, zusammenhängende Übungsstücke und
Einzelsätze schmiedet oder im Sinne der Reform französische Originale
frei umarbeitet und umzuarbeiten anleitet und dazu seine lehrreichen
Anmerkungen gibt, — überall erkennt man, dass er die lebende Sprache
beherrscht, dass er sie ..spricht und schreibt". Dies ist eine gar wertvolle
Eigenschaft für den Verfasser einer neu französischen Grammatik, von Lehr-
büchern, die Neufrnnzösisch lehren sollen, — eine Eigenschaft., die
Studierende und Lehrer mit Zutrauen erfüllt und selbst, wo sie anderer
Ansicht als er sind, in ihnen nie das Gefühl der misstrauischen Unsicher-
heit aufkommen lässt. *
3. Hlcken'a Elementarbuch der französischen Sprache [2. und
3. Jahr) ist eine sehr angemessene Fortsetzung des im Jahre 1887 er-
schienenen kleineu Werkes (1. Jabr). Vgl. Zlsehr. IX8, S. 33—33. In
den Übungen des ersten Bändchens herrschen die Anscbaunngsetoffe vor,
in denen des hier vorliegenden etwas grösseren Randes kurze Erzählungen
und Stücke historischen Inhalts. Die Verteilung und Bearbeitung des
Stoffe« der Lektüre und der Grammatik, die neben und mit derselben
fortschreitet, ist recht sorgfältig und wohl gelungen. Der Verfasser scheint
im Laufe der Arbeit an Geschick und Gestaltungskraft gewonnen n
haben. Beide Bände verdienen die Aufmerksamkeit und Berücksichtigung
der Fach genossen.
4. Ulbrlch's systematische Schulgrammatik gefällt mir besonders
wegen ihrer knappen Darstellung Wenn man den ersten Teil (S. 1—38)
abrechnet, der von der Schrift und Aussprache und vom Versbau bandelt,
umfasst die eigentliche Grammatik nur 144 keineswegs grosse, meist sehr
freigebig und weitläufig gedruckte Oktavseiten ; Formenlehre mit deut-
licher Hervorhebung der fiauptformeu, ohne Raumersparnis (S. 39—102),
Syntax (S. 108—182). Trotzdem fehlt nichts Wesentliches. Die Regeln
sind „so viel als möglich vereinfacht und gekürzt", „das Wichtige und
und Notwendige-1 ist „von dem Nebensächlichen und Entbehrlichen ge-
sondert". Aus der Syntax hat Ulbrich mehrere Eigentümlichkeiten aus-
geschieden, die er in einem 4. Teile unter dem Namen Stilistik (S. 183
bis 217) vereinigt hat.
Die Grammatik von Ulbrich ist das Werk eines tüchtigen, in der
Praxis stehenden Schulmannes, der die Bedürfnisse der Schule kennt und
zu befriedigen versteht. Der Verfasser ist Vorsteher einer höheren Bürger-
schule (Realschule) in Berlin und hat daher jedenfalls sein Buch haupt-
sächlich oder sicherlich ebenfalls für lateinlose Schulen geschrieben, ob-
wohl er an manchen Stellen, — wie ich glaube, unnötigerweise oder
C. Schaefer. Französische Schulgrammaiik für die Oberstufe. 301
wenigstens nicht aus zwingenden Gründen — lateinische Etymologien
(z. B. S. 13, 23) anführt. Der von ihm gebotene Lernstoff ist gerade für
Anstalten mit sechsjährigem französischem Unterricht, allerdings auch
für die mit achtjährigem, in denen das „Verzettelungssystem" herrsch t,
— ich meine, für humanistische Gymnasien — geeignet und durchaus,
vielleicht mehr als ausreichend.
Die von mir oben zusammen angezeigten zwei Auflagen der Schul-
grammatik (1888 und 1890) stimmen in bezug auf Seitenzahl und Ver-
teilung des Stoffes und, soweit ich verglichen und die Probe angestellt
habe, auch in den Einzelheiten desselben genau überein. — Über Ulbrich's
Elementarbuch der französischen Sprache für höhere Lehramtalten vgl.
Ztschr Xa, 8. 60—61.
5. SchAfer ist ein fähiger Grammatiker, ein logisch denkender
Kopf und, soweit man dies aus Schulbüchern erkennen kann, ein guter
Kenner der romanischen Sprachwissenschaft. Sein Wissen auf diesem
Gebiete macht sich manchmal in fast aufdringlicher Weise bemerkbar.
Die gelehrten Hinweise auf das Altfranzösische (5 a, S. 42), auf Gröber's
Zeitschrift für romanische Philologie (5 a, S. 40), auf das klassische und
vulgare Latein (5 a, S. 41, 63 n. a.) nehmen sich wunderbar genug aus —
in einem Schulbuche, das doch auch und vielleicht vorzugsweise für latein-
lose Anstalten bestimmt ist, da ja der Verfasser selbst, so viel ich weiss,
nach diesem Buche in einer höheren Mädchenschule unterrichtet. Die
z. T. recht langen allgemein gehaltenen grammatischen raisonnements, die
sich am Anfang der einzelnen Kapitel finden, z. B. über das „Genetiv-
objekt41 (S. 19—21), „die Konditionalsätze" (S. 32), den „Indikativ4* (S.
36—37), den „Konjunktiv" (S. 40—42), „die Negation ne beim Konjunktiv"
(S. 50) u. a. habe ich mit grossem Interesse gelesen, besonders weil sie
für die Eigenart von Schäfer's Denken und geistigem Schaffen ausser-
ordentlich bezeichnend sind. Manchen werden sie allzu gelehrt und für
die Zwecke des Schulunterrichts unpassend scheinen; andere werden sie
vielleicht geradezu als überflüssige, spitzfindige Düfteleien verwerfen. Ich
meinerseits glaube, dass ein geschickter Lehrer diese allgemeinen Exkurse
sehr wohl verwerten kann, um das folgende Regelwerk zu vergeistigen
und interessanter zu machen. Aber unleugbar leiden sie manchmal an
Unklarheit, an einer dunkeln oder absonderlichen Ausdrucksweise, die der
Leser einer philologischen Zeitschrift oder eines wissenschaftlichen Werkes
verdauen mag, die jedoch in einem Schulbuche gewiss nicht am Platze
ist. Vgl. z. B. 5a, S. 40: „Der Konjunktiv ist nur eines Sinnes (!) — er
ist der Gegensatz zur Wirklichkeit: als solche gilt blosse Vorstellung und
Negation." Der Lehrer wird sicherlich Mühe genug haben, um alle diese
Erörterungen selbst vollkommen zu verstehen; noch mehr Mühe wird es
ihm kosten, sie dann seinen Schülern verständlich zu machen.
An einer anderen Stelle (5 a, S. 42) des Exkurses über den Kon-
junktiv findet man einen auffälligen Fehler in einem Beispielssatze, den
Schaefer selbst gebildet hat : je ne connais pas V homme ä qui je puisse
en parier. In dieser Form ist der Satz logisch und grammatisch falsch.
Möglicherweise liegt ein Druckfehler vor. Der Satz ist richtig, wenn
man d komme für l'homme schreibt. —
Das Übungsbuch (5 b) ist ein echtes Erzeugnis der unverfälschten
Übersetzungsmethode. Die zusammenhängenden Übungsstücke sind für
die Zwecke derselben gut ausgewählt. Leider ist das Deutsche oft recht
bedenklich. Z. B. S. 98: „Kleinmütige Liebhaber (!?) des Lebens während
des Friedens, in den Schlachten ihr Leben aussetzend und ihr Blut ver-
schwendend " Die Einzelsätze, die nun einmal der Übersetzungs-
enthusiast nicht entbehren kann, weisen bei Schaefer, wie gewöhnlich,
302 Referate und Re:
einen höchst buntecliectigon Inhalt auf. Vgl. z. B. S. 43; Im ernten
Satze wird die Nächstenliebe anempfohlen; im zweiten wird die Macht
und Grösse Knrl'a V. gefeiert; im dritten reist „er" (wer?) heute ab and
kehrt erat in zwei Jahren zurück; im vierteil wird vom Konvent und
von Ludwig XVI. erzählt u. a. w. u. s. w.
Die kleine Begleit ach rift (5c) beginnt folgendermassen : „Der Zweck
des fremdsprachlichen Unterrichts ist, wenn man zunächst nur den prak-
tischen Nutzen im Auge hat, ein dreifacher: I. das Lesen und Verstehen
der Schriftsprache, 2. das Schreiben und Übersetzen (!?), 3. das Sprechen
und Verstehen der gesprochenen Sprache."
Das Übersetzen aus der Muttersprache ins Französische mag für die
sog. formale Bildung, die Schael'er offenbar als den Hauptzweck des fremd-
sprachlichen oder wenigstens des französischen Unterricht« ansieht (vgl.
5 c, S. 6 u. a,), von der höchsten Bedeutung sein. Ich gebe sogar in, iliss
wenn es sich an grammatische Regeln anschliesst, solange es vom Lehrer
sorgfältig überwacht and mit Hassen betrieben wird, fUr den speziell
grammatischen Unterricht von Nutzen ist und zur Klärung und Festigung
des rein grammatischen Wissens beiträgt, und dass, wenn es im Anschluw
an originale französische, den Schülern bekannte Texte, also in Form
von freien Retroversionen u. dg), geübt wird, es auch zur Erreichung
einer gewissen Fertigkeit im schriftlichen Gebrauche der fremden Spracht
als gutes Hilfsmittel dienen kann. Aber das Übersetzen aus dem
Deutschen — dieses „übersetzen'1 kann nur gemeint sein, da es zusammen
mit dem „Schreiben" einen Gegensatz zum „Lesen und Verstehen der
Schriftsprache" bildet — als einen selbständigen Zweck des fremd-
sprachlichen Unterrichts hinzustellen und noch dazu mit Rücksicht anf
den praktischen Nutzen (!!J, das scheint mir ganz verkehrt, das ist
ein Einfall, für den mir jedes Verständnis abgeht. Sollen etwa alle
Schüler und Schülerinnen zu vereidigten Übersetzern und Interpreten vor
Gericht und in Konsulaten ausgebildet werden?
„Dae Sprechen und Verstehen der gesprochenen Sprache" mag all
selbständiger Zweck nach dem „Lesen und Verstehen der Schriftsprache",
auch nach dem „Schreiben" (aber nicht nach dem „Übersetzen" !) kommen.
Schaefer meint, dass der „Bildungawert des blossen (?) Sprechen lernens
bei weitem untenan steht" (5c, S. 5). Um dies tu beweisen, wird der
übliche Trumpf ausgespielt: das französische Parlieren der Bonnen und
Kellner. Aber bat denn irgend ein verständiger Reformer zur Erreichung
des „Sprechens und Verstehens der gesprochenen Sprache" französische
Bonnen- und Kellner -Konversation in der Klasse empfohlen? Gegen wen
und was kämpft denn Schaefer an? Und ist die Sprachfertigkeit der
„Bonnen" und „Kellner" notwendigerweise oder an sich etwas Verächt-
liches? Unter den sog. „Bonnen" in Deutschland gibt es Damen, die
man in Frankreich nicht bonius (banne = Dienstmädchen!), sondern
gouvernanUs nnd institutrices nennen würde, — gebildete Damen, die
ihre Muttersprache sehr gut und grammatisch sehr korrekt zu sprechen
nnd zu schreiben vermögen. Die „Kellner" selbst der grossen Verkehrs-
centren mögen im allgemeinen mit 600— 1000 Wörtern oder Redensarten
auskommen, die sie zur Bezeichnung der in ihrem geistigen Gesichtskreise
liegenden und durch die Bedürfnisse ihres Berufes bedingten Ideen
brauchen und dazu geschickt zu verwenden verstehen. Aber nach meiner
Erfahrung finden sich unter diesen, den späteren Hotelbesitzern, auch
einige Leute, deren Sprech Fertigkeit sich nicht auf eine geringe Anzahl
von Vokabeln und Phrasen beschränkt, die eine auffällig gute und um-
fangreiche Kenntnis des Französischen und anderer lebenden Sprachen
Th. de Beaux, Schulgrammatik der französischen Sprache, 303
im Sinne des praktischen Nutzens — und von diesem spricht doch
Schaefer am Anfang seiner Schrift — bekunden.
Jedoch lassen wir den „Bildungswert des blossen Sprecheolernenstt
auf sich beruhen. Betrachten wir das „Sprechen und Verstehen der ge-
sprochenen Sprache" nicht als Selbstzweck, sondern nur als Hilfs-
mittel. Als solches sollte es meines Erachtens zweifellos im neusprach-
lichen Unterricht von Anfang an und auf allen Klassenstufen die erste
und hervorragendste Stelle einnehmen. Wenn es in angemessener Weise
im Anschluss an eine geeignete Lektüre, zuerst wohl auch an Anschauungs-
stoffe, beständig und konsequent geübt wird, so müssen sich allmählich
zahlreiche und mannigfaltige Wörter, Redewendungen, Formen und
syntaktische Schwierigkeiten ohne Lernen von Vokabel- und Phrasen-
listen, von Segeln u. dgl. dem Gedächtnisse des Schülers einprägen und
in ihm ein Gefühl für das, was in der fremden Sprache „richtig" ist,
wecken und stärken.
Daher ist das „Sprechen und Verstehen der gesprochenen Sprache",
mag es auch der Lobredner der formalen Bildung mit Recht oder Un-
recht als selbständigen Zweck des Schulunterrichts noch so niedrig
stellen, in jenem Sinne ein Unterrichtsmittel von unschätzbarem
Werte, eine ausgezeichnete Vorbereitung für den schriftlichen Gebrauch
der fremden Sprache und auch für die systematische Grammatik, falls
man diese als ein besonderes Ziel des französischen Unterrichts auffassen
will, wogegen ich nichts einzuwenden habe. Ausserdem ist es eine be-
gleitende Obung von hohem Nutzen und unbedingter Notwendigkeit für
das „Lesen und Verstehen der Schriftsprache" in der Klasse.
Dem Gelehrten und dem reifen Manne mag die Lektüre der
fremden Litteratur auch ohne das „Sprechen und Verstehen der ge-
sprochenen Sprache" für seine Zwecke und Bedürfnisse meistens genügen.
Dem Schüler wird sie durch das Fehlen des lebendigen Wortes allzu
leicht wirkungslos und langweilig; und ohne einen gewissen Grad der
Fertigkeit im mündlichen Gebrauche der fremden Sprache ist es für
jeden Germanen unmöglich, die französische Poesie wahrhaft zu ge-
messen, und ihre eigenartigen Schönheiten zu würdigen. Der Beweis für
diese Behauptung ist nicht schwer zu führen. Auch Franzosen und über-
haupt Romanen sind nicht im stände, die deutsche Litteratur und be-
sonders die poetische vollkommen zu verstehen und richtig zu beurteilen,
ohne der deutschen Sprache und zwar der „gesprochenen" deutschen
Sprache einigermassen mächtig zu sein.
Die mündliche Beherrschung der fremden Sprache — und, aus
ähnlichen Gründen, auch die schriftliche — ist nach meiner festen Ober-
zeugung im französischen Unterrichte zn erstreben, obwohl sie vom
Deutschen vollständig in der Schule nie und im Leben auch nur aus-
nahmsweise erreicht werden kann. Noch wichtiger als für den Schüler,
durchaus wünschenswert und, wenn man sich nicht einer argen Selbst-
täuschung hingeben will, im Grunde genommen notwendig ist diese
Fähigkeit für die Lehrer des Französischen in der Schule und — für die
Verfasser „neufranzösischer" Grammatiken und anderer „neufranzösischen"
Lehrbücher.
Vgl. über Schaefer 's Ansichten und seine übrigen Schriften
Zschr. IX2, S. 33-36 und 251—252.
6. Die Schulgrammatik der französischen Sprache von Theodor
de Beanx ist nach ähnlichen Prinzipien, aber mit grösserem Geschick
und, wie es scheint, auch mit grösserer Sorgfalt gearbeitet und macnt
im allgemeinen einen weit günstigeren Eindruck, als die von Aymeric
und de Beanx ein Jahr vorher herausgegebene Elementar gr ammatik.
304 Referate und Rezensionen. A. Rambeau,
Vgl. Ztehr. X», S. 61—63. — Der Inhalt ist folgender: I. „Lautlehre und
Rechtschreibung", S. 1—27; II. „Wort- und Satzlehre", S. 28-112
(d.h. Syntax und Vervollständigung der Formenlehre); III. „Methodische
Grammatik" oder „Methodisches Übungsbuch", S. 113—250, in 22 Lek-
tionen, die kleine grammatische Pensen (hauptsächlich un regelmässige
Verba und einige syntaktische Eigentümlichkeiten) behandeln und im
Anschluss daran französische Lesestücke, zusammenhängende deutscht
Übungsstücke, zum Teil auch französische und deutsche Einzelsätze in
der gewöhnlichen Manier und französische Fragen mit deutschen Ant-
worten zum Übersetzen bringen; IV. und V. „Wörterverzeichnis zum
methodischen Teil" und „Alphabetische* Wörterverzeichnis", S. 251— 325.
Das neue Buch zeichnet sich vor dem älteren dadurch aus , cum
es als ein einheitliches Ganze, als eine Arbeit aus einem Gusse erscheint,
dass in der Behandlung der verschiedenen Teile eine grossere Gleich-
mässigkeit, eine btssere Übereinstimmung herrscht. Dies rührt offenbar
daher, dass bei der Anfertigung der Schtilgrammaiik nur ein Verfasser,
de Beaui, die Hauptarbeit geleistet und die Verantwortlichkeit für du
gesamte Werk übernommen hat. Allerdings hat er sich — und geiris
zum Vorteil »eines Buches — vor allem für die Abfassung der frauzäti-
seben Aufsätze, von denen manche recht gut gelungen sind, der Unter
Stützung seines ehemaligen Mitarbeiters, Dr. Aymeric, und eines an-
deren geborenen Franzosen, dps Herrn Bouvier, zu erfreuen gehabt.
In der Schutgrammatik \t.t ebenso, wie in der Elementar grammalU,
die Phonetik „besonders berücksichtigt". Jedoch hat de Ueaux es hier
glücklicherweise verstanden, seine laut physiologischen Neigungen ein
wenig zn zügeln. Der phonetische Teil ist zwar in dem neuen Bach
ebenso umfangreich; aber da dieses viel grosser ist und sich schon an
fortgeschrittenere Schüler wendet, erscheint der darin behandelte Stoff
verhältnismässig weniger massenhaft und drängt sich weniger auffällig
zum Schaden der Übrigen Teile vor.
Leider ist die „Erläuterung zur Aussprache der Vokale" (S. 1) mit
deutschen Wörtern ziemlich wertlos. Vgl. i. B. „1. ft dumpf, zur Länge
neigend, wie „a" in „Saat, Kahn". 2. a hell, kurz, wie „a" in „Latte.
satt". Meint der Verfasser die hochdeutsche Sprache oder irgend einen
deutschen Dialekt? In welchem Dialekt ist a in „satt" hell und in „Saat'
dumpf? Jedenfalls ist dieser Unterschied nicht im allgemein gültigen
Hochdeutschen vorhanden. Hat das Franzosische kein langes belies a
in vage, kein kurzes „dumpfes" a io past — Vgl. auch die anderen
Vokale auf derselben Seite. Qualität und Quantität werden beständig
verwechselt oder nicht prinzipiell geschieden; und die deutschen Wörter,
die de Beaux als Beispiele anführt, die jedoch selbst für die deutschen
Laute zum Teil unpassend oder anfechtbar sind, beweisen und erklären
nichts für die französischen und vermehren die Verwirrung.
Der Verfasser erwähnt unter den „stimmhaften Geräusch lauten
(Konsonanten)" einen t-Laut (S. 2,3) in (Ulc, baiaülc, bouteilte und unter
den Vokalen ein „' flüchtig, an den Konsonanten j streifend" (S. 1). Vgl,
dazu S. 8: „■" sehr fluchtiger, hart an j streifender Laut: i vor lautbarem
Vokal, besonders nasalem: l'ajetll, te pied, VYame, le bkn, la viandt."
Dieser Unterschied ist in der heutigen Sprache der Gebildeten durchaus
nicht begründet. Vgl. z. B. aleiä und baiaülon. Die Aussprache 1, wenn
darunter ein besonderer palataler Laut zu verstehen ist, wie aus der auf
S. 3 gegebenen physiologischen Beschreibung hervorzugehen scheint, ist
jetzt veraltet oder dialektisch.
Einige grammatische Regeln giebt de Beaui in französischer Spruche.
Auch bedient er sich zumeist der französischen Terminologie. AI* Lehrer
J. Pünjer, Der erste Unterricht in der französischen Sprache. 305
an einer Handelslehranstalt hat er hauptsächlich die Bedürfnisse der latein-
losen Schalen im Auge gehabt.
Im grossen und ganzen steht sein Buch etwa auf dem Standpunkte
der von Gustav Ploetz und Otto Kares „reformierten" Schulgrammatik
von Karl Ploetz,1) mit der es manche Vorzüge und manche Mängel
gemeinsam hat, und der es offenbar Konkurrenz zu leisten fähig ist.
7. In „dem ersten Unterricht in der französischen Sprache" be-
weist Pttnjer ebenso, wie in dem von mir früher angezeigten Lehr-
und Lernbuch der französischen Sprache (vgl. Zschr. IX2, S. 30), ein
bemerkenswertes pädagogisches Geschick, das er ohne Zweifel seiner
langjährigen Erfahrung als Lehrer und seiner seminaristischen Vorbildung
verdankt. An sich ist die Methode, die er empfiehlt und durchzuführen
sucht, recht gut, und in der Theorie nehmen sich die methodischen Vor-
schriften und Anweisungen, mit denen er in diesen zwei Büchern, be-
sonders in dem älteren, sehr freigebig ist, ganz vorzüglich aus. Aber
dieses Lob wird man doch nur mit gewissen Vorbehalten aussprechen
können, wenn man von rein praktischen Gesichtspunkten aus urteilt,
wenn man die Verhältnisse und Bedingungen erwägt, unter denen Pün-
ier's Lehrbücher gebraucht werden müssen. Der Verfasser, der Haupt-
lehrer oder Rektor an der Mittelschule (im preussischen Sinne) für
Knaben in Altona ist, hat sie jedenfalls vorzugsweise für Mittelschulen,
die kleine Schrift, die mir jetzt hier vorliegt, ausdrücklich (vgl. den
vollständigen Titel) „für höhere Mädchenschulen, Mittelschulen, verwandte
Anstalten und ähnliche Stufen" bestimmt. Nun prüfe man mit Rücksicht
auf diese Bestimmung der beiden Bücher z. B. folgende Vorschriften und
Anweisungen, die Pünjer kaltblütig und wie selbstverständlich, ohne sich um
die Möglichkeit der Ausführung zu kümmern, den Schülern — oder den
Lehrern? — erteilt: „Schreibe frei eine kleine Unterredung nieder, in
welcher pouvoir und savoir oft vorkommen! (Nachbildung)." S. 123.
„Schreibe frei einen kleinen Aufsatz: 'Die Himmelskörper*. Trage
ihn frei vor!" S. 126.
„Schreibe einen Aufsatz mit der Überschrift : Die Religion1. Trage
ihn frei vor." S. 139.
„Schreibe einen kleinen Aufsatz: 'Les ouvriers'. Jeder oben ge-
nannte Handwerker muss vorkommen! Trage frei vor." S. 141.
„Ecrivez une petite composition sur 'Ttfcoit'! Recitez-la! S. 143.
„Mache dir diese Beschreibung (torage) so zu eigen , dass du sie
frei vortragen kannst." S. 200.
„Übersetze (?) das ganze Stück: * Der Kaiser und der Abt* frei (?)
ins Französische und trage es frei vor!" S. 203 u. a. m. im Lehr- und
Lernbuch.
„Sprechübung. Zeige dein rechtes Auge mit dem Zeigefinger deiner
rechten Hand! Erhebe den Mittelfinger deiner rechten Hand! U. s. w."
S. 78 u. ä. im Ersten Unterricht.
Sind denn die Schüler der Mittelschulen, die seminaristisch
febildeten Lehrer der Mittelschulen im stände, diesen anspruchsvollen
orschriften nachzukommen, die hohen Anforderungen zu erfüllen, die
damit an die Sprech- und Schreibfertigkeit der Lernenden und Lehrenden
gestellt werden? Ich glaube, dass gar viele Schüler der mittleren und
oberen Klassen, auch wohl gar manche ihrer akademisch gebildeten
Lehrer in den höheren Schulen, den Realgymnasien und Realschulen,
solchen Aufgaben nicht ganz gewachsen sind. Und der Verfasser selbst?
l) Vgl. meine Besprechung in der Mädchenschute (herausgegeben
von Hessel und Dörr) III, 1. S. 79 ff.
Ziehr. f. fin. Spr. u. Litt. III*. 20
306 kefcraU- und Rciem'umen. A. Rmidtean,
Oder soll mau seine eigenen Worte in den oben angeführten Stelleu
seiner Schriften nur als rhatoriMne Floskeln, als pädagogischen Schmuck
ohne reale Bedeutung inilt'iusen?
Wir wissen doch, und zahlreiche Stellen seines Lehr- und L.i n-
bachcs bekunden deutlich. Jan? Pilnjer auf dem Gebiete der romanischen
oder speziell riauzi.ihis.rhri> Philologie ein Laie und höchstens ein Dilettant
ist. ferner dass er von Hause aus die französische Sprache auch praktisch
nicht beherrscht und nur im vollkommen versteht, dass er da«, was er
jetzt davon weiss, sich erst nachträglich mir grosser Mühe hat aneignen
müssen. Es ist wunderbar genug, dass er mit seiner unzureicheuden
Vorbildung und den ihm zu Gebote stellenden Lernmitteln es in der
Kenntnis einer ihm vor nicht langer Zelt durchaus fremden Sprache w
weit hat bringe» können. Wenn man die neue Schrift mit der alten
vergleicht, mnss man rühmend anerkennen, dass er sioh seitdem in den
grammatisch« Stotl' noch mehr hineingearbeitet, daas er sogar i
Phonetik, einer Wissenschaft , deren Schwierigkeiten viele aka.lemi«
gebildete Fachlehrer zurückschrecken , nicht unbedeutende Fortschritt
gemacht und dadurch »eine Ansichten über die französische Ansspr '
wesentlich geklärt und gebessert hat. Aber er sollte sich vor dem F
in den der Autodidakt nur zu laicht verfällt, vor amciiUdncst hittei
In der Tbat ist auch schon mit der besseren Kenntnis auch d
bessere Erkenntnis gekommen, Diu methodischen Vorschriften und A
Weisungen der neuen Schrift sind hei weitem maßvoller, jedenfalls i
weuiger prätentiös als die des Lehr- und LciiAucket.
An einigen Stollen des Kr.rlrn Int, rrichtt macht sich natürlich
der ursprügliche Dilettantismus des Verfassers noch recht, bemerkbar.
Seine Auffassung der grammatischen Erscheinungen ist immer noch allzu
äusserlich. Z. B. S. 13: „Vor einem Hauptwort mtonlichwi Geschlechts,
welches mit einem Vokal Uifftogt, Lc-isst 'dieser' :!,■- Wohlk längs wegen (1!^
Ul statt ce." Warum sagt mau dann nicht c'luvvr wie Chivert.
Auf S. 16 zeigt sich noch eine bedenkliche Unkenntnis der fran-
zösischen Aussprache; „Buchstabe u = Laut ü (Tab. I). Tutipe . du,
rcnnncttk, rtu-nif . truilirr (!] * [Dieser Fehler ist vielleicht in
verzeihen, weil der Halbvokal in fntitkr dem eigentlichen Vokal ä sehr
Umliefe ist] „Buchstabe ii = Laut v (Tab, 1). Socield, bOMU, rill(
pommier, poirt: [! !] , poii-Ur [11] a Die schauderhafte Aus-
sprache ua = oi ist leider in deutschen Schulen sehr verbreitet.
Was versteht Pünjer unter einer Sprechübung? Diese Frage ist
gewiss berechtigt, wenn man ?.. H. auf S. 69 folgendes liest: „Sprech-
Übung. Weun ich gearbeitet haben werde , werde ich Schach spielen.
Wenn der Gärtner den Clarteu umgegraben und gehackt haben wird,
wird er junge Bäume pflanzen. LI. s. w.J Die Zusammenstellung dieser
zukünftigen Ereignisse, die einerseits ..mich"1 und anderseits ..den Gärtner"'
angeben, und die nichts mit einander zu thun haben, ist ein merk-
würdiges Thema einer franzüM-idien Sprechübung ; noch merkwürdiger
ist die Behandlung desselben in deutscher Sprache (nur das fnl. extict.
ist undeutsch). Es soll also wohl eine (,'bersetzungsübung sein?
8. Das hübsche, aber vom Gewöhnlichen abweichende und daher
manchen Angriffen und ungünstigen Urteilen ausgesetzte Französische
Itütooh von Karl Kiklm hat ulimählich unter den Fachlehrern mehr
Freunde gewonnen und beginnt nun auch nach und nach mehr Eingang
in die deutschen Schulen zu finden. Zwei Jahre nach semer ersten Ver-
öffentlichung (1S81| ist es in einer verbesserten und vermehrten Auflage
erschienen, vor kurzem (1890| in einer dritten Auflage. Diese ist, was
den Text betritft, abgesehen von der Vereinfachung einiger schwierigen
k. kühn, FnmziisUfl
Stellen, ein unveränderter Abdruck der zweiten Sie int mir eben erat
wibrend den Abschlusses meiner Besprechung '."gegangen.
Kühn hat sich mit seinem Lesebuche. da.- speziell den Bedürfnissen
der Unterstufe gerecht wird, um den frsn/.i'isisilicu Unterru-ht in Deutsch-
land bedeutende Verdienste erworben. Denu dieser Unterricht schien
gerade auf dem Gebiete der Lektüre wenigstens in den Anfilngerk lassen
infolge des Mangels an neue» zweck ni;is<.ig<*n Stoffen in öde Langeweile
in versinken. Die Herausgeber der bis dahin in deutschen Schulen ge-
brauchten fnmzü-i-clieu l.c-ehücher brachten fast ausnahmslos immer und
immer wieder dieselben alten Erzählungen, dieselben alten Gedichte, die
einer dem andern oder alle ihren älteren Vorgängern ohne Uedenken ent-
lebnten. Manche von diesen Erzählungen und Gedichten waren geradezu
l'ilr Kinder wenig oder gar nicht geeignet. Man half sich mit der be-
quemen Ausrede, dass Frankreich keine Volkepoesie und keine passende
Jugeudlitleiutur aufzuweisen habe.
Die neuen Gesichtspunkte, die Kühn zuerst mit HewusstHein und
Konsequenz zur Geltung brachte, die vielen kindlichen und volkstümlichen
Gedichte und Erzählungen, die er in sein Lesebuch auf null in. mit denen
er wahrscheinlich die Masse der deutschen Lehrer des Frauzinischen erst
bekannt machte, und von deren Vorhandensein in der französischen Litera-
tur sie vielleicht vorher überhaupt noch nichts erfahren hatten, haben
den französischen Anfangsunterricht gleichsam verjüngt und ihu wesent-
lich interessanter und in jeder Hinsicht, auch für die allgemeine Aus-
bildung der deutschen .lugend, didaktisch wirksamer gemacht. Zahlreiche
Nachahmer und Konkurrenten werden dafür sorgen, und einigen ist es
bereite auch gelungen, noch mehr geeignete Stoffe dieser Art zu entdecken
und den deutschen Lehrern und Schülern zu übermitteln. Kühn's Ver-
dienst wird und miiss es bleiben, dass er, wenn nicht theoretisch, so doch
jeden fall-i praktisch die erste Anregung dazu gegeben und das erste Bei-
spiel er: ■ :- hm Lmumm für Anliiii^evklasneu nach oeueu
Prinzipien Beliefert bat, Seine Nachahmer oder Nachfolger, die sioh die
Grundidee seines bMbuctrai n MM bm dm uml ihm auch Stoffe und
Anordnung direkt entnehmen, sollten es nicht unterlassen, wie es leider
vorgekommen ist. eilen uml ehrlich anzuerkennen und gebiihrendermassen
auszusprechen, wie viel sie ihm als ihrem Vorgänger zu verdanken haben.
Über die erste Auflage vgl. Ztschr. X*, S. 51-54.
Die zweite Anll.ige .weist besonder» im eisten Teile -ein erhel. liehe
Veränderungen auf-1. Die meisten der Jugendgedichte, die t,so vielfachen
Widerspruch gefunden haben", hat Kühu ausgeschieden, um sie spilter
gesondert herauszugehen. Durch mehrere kurze, z. T. sprachlieh sehr
einfache Erzählungen und durch die Beschreibung der vier Jahreszeiten,
die Gauthej des Gouttes spez. für das Lesebuch im AnscbluBs an die
bez. Anschauungsbilder von Holze! verfasst hat (vgl. l'-irwurt S. V,
2. und 3. Aufl.), ist der Lesestoff bereichert, durch Hiuzufüguug der Me-
lodien in einem besonder» Abschnitt (2. Aufl. B. XVI-X1X, :!. Aufl. S.
XVIt-XX) ist die U-ktüre und Einübung vou acht Gedichten für Kinder
angenehmer und interessanter gemacht worden. Die „erklärenden Znlttt
zu dem Teit" (2. Auf] S. X-XV. 3. AuB. S. XI-XVll, durch die haupt-
sächlich die Kenntnis von Land und Leuten gefördert werden soll, bat
Kühn vermehrt und dabei durch „Verweise auf verwandte Stoffe im Deut-
schen und Englischen-' eine etwa erwünschte Konzentration de« gesamten
sprachlichen Unterrichts in dieser Beziehung angebahnt oder erleichtert.
Zur Verbesserung und Vervollständigung des Wörterbuches hat der
Verfasser die beim Gebrauch im Unterricht- gesammelten Erfahrungen
■tanrtst Er-I in der dritten Auflage hat er sich dazu verstanden, das
308 Referate und Rezensionen. A. Ramheau,
System der LauUeichen, die aur phonctinoben Traiwwkription der Voka-
beln dienen, ein wenig m verändern. Die neuen Zeichen, die er einge-
führt hat, sind z. T. einfacher, deutlicher und genauer als die be*. früher
angewandten. Sie sind dem System der Umschrift des Mattre Fonetujve
entlehnt. Vielleicht hätte Kühn noch besser gethan, alle Zeichen desselben
anzunehmen, da sie ja wegen der ziemlich weiten Verbreitung dieser
kleinen phonetischen Zeitschrift (a. oben meine Anzeige) unter den Lehrern
des Französischen, Englischen und Deutschen in allen Kulturstaaten zu
einer Art von internationaler und „einheitlicher Umschrift wenigstens für
den Schul gebrauch", wie sie Kühn in der Vorrede zur zweiten Auflage
(S. VII) wunecht und erhofft, schon geworden sind oder wenigstens dem
Ideale einer solchen allgemein praktisch verwertbaren Umschrift sebr
nahe kommen. A. Rahbbad.
. Fetter, Johann, a) über die Reformbestrebungen auf dem Ur-
tivit des neusprachlichen Unterrichts. Vortrag, gehalten im
Vereine „Die Realschule" in Wien am 15. Oktober- 1887 von
ReaJschul-Direktor Johann Fetter. Verlag des Verfassers. 22 3. 8*.
b) Ein Versuch mit der analytischen Lehrmetkode beim Unter-
richt in der französischen Sprache. Im dreizehnten Jahresbericht
der K. K. Staats-Unterrealschule in der Leopoldstadt in Wien.
1888. Verlag dieser Anstalt 20 S. 8° (40 S 8°, der gante
Jahresbericht, c) Lehrgang der französischen Sprache. I.Teil.
X, 104 S. 8°. — II. Teil. Vjlf, 108 S. 8°. - Wien, 1888.
Bermann & Altmann.
Rann, Systematische Schulgrammatik der französischen Sprache mit
zusammenhängenden französischen und deutschen Übungsstücken,
Lehrbuch der französischen Sprache für höhere Mädchenschulen
und verwandte Anstatten. 8. Teil. Leipzig, 1888. Fues (H. Reit-
land). X, 358 S. 8°. Preis: 2,40 Mk. (gebunden).
Wolter, Eugen , Lehr- und Lesebuch der französischen Sprache.
I. Teil. Erste Auflage (1888). VIII, 220 S. 8°. Zweite, ver-
mehrte und verbesserte Auflage (1889). VIII, 246 S. 8°. Preis:
1,50 Mk. —II. Teil (1889). X, 510 S. 8°. — Berlin. B. Gaertner
(Hermann Heyfelder).
Kleb ler, C. P., Französische Komponierübungen der Elementarstufe
in zusammenhängenden Aufgaben. Stuttgart, 1887. Metzler.
IV, 64 8. 8». Preis: 1 Mk.
a) Luppe und Ottens, Elementarbuch der französischen Sprache
für Uherrealschulen, Realschulen und verwandte Anstalten. Mit
Berücksichtigung von K. Keller, Elementarhuch der französ.
Sprache, 12. Auflage, benrbeitet von ... . III. Teil. Das dritte
Schuljahr. XVI, 185 S. 8°. Preis: 2 Mk. (gebunden).
b) Ottenp, J., Französische Schulgrammatik im Anschluss an das
EUmentarbuch der französischen Sprache von Luppe-OtteD).
XIII, 175 S. 8°. — Zürich. Orell FQssli & Co. al 1887. b] 1889.
Bertram, W-, Grammatisches und stilistisches Übungsbuch für
den Unterricht in dir französischen Sprache. Im AnschluB«
an die Scbulgrammatik des Prof. Dr. C. Ploetz bearbeitet
von . . . Heft I (Enthaltend Übungen über die Lektionen
1—23). 6., verbesserte Auflage- Bremen, 1888. M. Heinsiut.
IV, 178 S. 8». Preis: 1,20 Mk.
/. Fetter, Ober die Reformbestrebungen etc. 309
1. Fetter gehört mit Swoboda, Nader und Würzner, die
sich hauptsächlich als Anglicisten bervorgethan haben, zu den eifrigsten
Vorkämpfern und berufensten Vertretern der Beform des neusprachlichen
Unterricnts in Österreich Der Vortrag (la), den er im Herbst 1887
gehalten hat, entwickelt das Programm der Reformpartei und bespricht
die Ansichten, Wünsche und Bestrebungen derselben in den westlichen
Kulturstaaten, vor allem im deutschen Reiche.
Nicht lange nach seinem Vortrage erhielt Fetter in Folge einer
Eingabe von dem österreichischen Ministerium für Kultus und Unterricht,
das, wie allgemein bekannt, nicht blos einer Reform des ganzen höheren
oder (im österreichischen Sinne) mittleren Schulwesens, sondern auch
speziell einer Reform des neusprachlichen Unterrichts günstig ist, .die
ausdrückliche Erlaubnis, die französische Sprache in der ersten Klasse
(TA und B) seiner Lehranstalt nach der von ihm empfohlenen Methode
versuchsweise zu lehren. Diese Anstalt ist eine sog. Staats-Unterrealschule,
eine vier kl assige Schule (ohne Latein und Englisch) mit vierjährigem
Unterricht im Französischen: I (die unterste Klasse) hat 5, II und III
je 4, IV (die oberste Klasse) 3 wöchentliche französische Lehrstunden.
Vgl. den Jahresbericht (Ib) S. 22.
Die Bewilligung des Unterrichtsministeriums wurde in einem Er-
lasse vom 17. Mai 1888 ausgesprochen. Aber — vorausgesetzt, dass ich
die bezüglichen Angaben in Fett er '8 Bericht über seinen „Versuch mit
der analytischen Lehrmethode beim Unterricht in der französischen
Sprache" (1 b) richtig verstanden habe, — dem Verfasser, der Direktor
seiner Anstalt ist, war es gestattet, diesen Versuch schon mit Beginn
des Schuljahres1) 1887/88 anzufangen. In der kleinen Abhandlung (1 b)
teilt uns Fetter die persönlichen Erfahrungen, die er mit der analytischen
Lehrmethode gemacht hat, als unmittelbar erlebt und seine eigenen theore-
tischen Ansichten als direkt aus der Praxis des laufenden und von Woche
zu Woche fortschreitenden Unterrichts geschöpft mit. Daher muss dieser
Bericht, wie die bisher erschienenen Schriften ähnlicher Tendenz von
Klinghardt, Quiehl, Walter u. a., alle Freunde der Reform im
höchsten Grade interessieren und mag wohl auch dazu beitragen, man-
chen lauen Anhänger noch mehr zu überzeugen und manchen Gegner
für die Sache derselben zu gewinnen.
Fett er 's Versuch, der sich zunächst auf einen und zwar den
ersten Jahreskursus erstreckte, schloss sich eng an den I. Teil seines
Lehrganges (1 c) an. Da jedoch dieses Buch erst 1888 oder Ende 1887
veröffentlicht wurde, waren seine Schüler in den ersten Wochen ohne
Lehrbuch, was aber im Anfangsunterricht gar nichts schadet, im Gegen-
teil sogar nützlich wirken kann. Denn dieser Mangel zwingt den Lehrer,
sich selbst zu vertrauen und seine Persönlichkeit voll und ganz hervor-
treten zu lassen, und — macht den „stummen Betrieb" der Sprache un-
möglich.
In der Zwischenzeit hat Fetter gewiss auch schon den zweiten
Teil seines Lehrganges in dem folgenden (zweiten) Schuljahre selbst er-
probt. In dem Vorworte zu diesem Teile (S. V) kündigt er bereits einen
dritten und vierten Teil in einem Bande und eine systematische Gram-
matik für die dritte und vierte Klasse (die zwei obersten der Unterreal-
schule) und ein Übnngsbuch „für die oberen K lassen u (= Oberrealschule?)
als Fortsetzung und Abschluss des Lehrganges an.
l) Das österreichische Schuljahr wird am 16. September eröffnet
und am 14. Juli geschlossen. Vgl. den Jahresbericht S. 32 — 33,
310 Referate mut Rezensionen. A. Rambtav,
Fetter'» Lehrweise zeigt in vielen Punkten eine, ober machende
Ähnlichkeit mit der von mir in meinem Unterricht befolgten Methode.
Es ist, wie lieh Passy in seiner Besprechung dea I. Teile* de« Lehr-
ganges im Maiire Fane'lique (Mai 1888) ausdrückt, un eompromis entrt
Cancicnne et ia nouveäe melhode. eompromis qu'au point de tme abilraii
hous rihe'sitons pas ä eondamner , matt //iii peut elre rendu necestmt
par des cireonstanecs particu/iercs. Diese „besonderen Umstände" lind
leider sehr allgemein verbreitet, in allen Ländern und, wie ich glaube,
in allen höheren Schulen vorhanden. Man wird sich duner vorläufig
überall mit einer mehr oder weniger vermittelnden Methode zufrieden
geben müssen — aus Rücksicht auf die einmal bestehenden Instruktionen
and Reglements für die Prüfungen n. v. ä , ferner aus Rücksicht auf die
vielen nichtfachmännischen oder ungenügend vorbereiteten Lehrer der
neueren Sprachen1) und auf eine ziemlich grosse Anzahl von fachmänni-
schen Lehrern, die entweder aus Prinzip i!) oder wegen langer Gewohn-
heit oder aux dem einfachen Grunde, weil sie nicht die lebende Sprache
zu beherrschen gelernt haben und dies nachzuholen verabscheuen, u
der Üblichen Übersetznngsmethode festhalten.
Der „vermittelnde" Standpunkt oder, wie man ihn häufig nennen
hört, der Standpunkt der ,,besonnenen" Reform ist von Fetter mit
grossem Geschick durchgeführt worden ; und wenn man diesen Stand-
punkt billigt, muss man die hier vorliegenden zwei Teile des Lehrgangu
als gute und vortreffliche Lehrbücher bezeichnen. Ein tüchtiger Lehrer,
der wirklieb Französisch versteht, wird damit sicherlich erfolgreich ar-
beiten und das von Fetter selbst (II. Teil, Vorwort, S. IV) für die zweite
Klasse gesteckte Ziel erreichen können; „1. Kenntnis der wichtigsten
Lautgesetze und der Elemente der Wortbildungslehre. " [NB. Die „Wort-
bildungslehre" spielt in den österreichischen Instruktionen eine über-
mässig hohe Rolle.] r2. Gründliche Aneignung der Verbalformen. '■}■ Kräf-
tigung des Sprachgefühls durch zweckmässige Behandlung und eingehende
Verarbeitung des im zweiten Teile (d. h. in der zweiten Abteilung) ge-
botenen Sprach materials."
In neiden Teilen des Lehrganges ist der Stoff in gleicher Weise
angeordnet: I. Abteilung: Lautlehre S. 1 — 8, resp. 1—2; IL Abteilung:
Übungsbuch S. 9—42 (hauptsächlich Leaestücke, deren Inhalt anf den
Anfchanunggprinzip beruht, auch kleine Rechenaufgaben), resp. S. 3 — 39
(ähnliche Lesestücke, daneben kleine Gedichte und Erzählungen geschicht-
lichen Inhalte); III. Abteilung: Präparationen oder Erklärungen zu den
einzelnen Nummern des Übungsbuches S. 43—68, resp. S. 40—67;
IV. Abteilung: Formenlehre S. 69-92, resp. S. 68—88; dazu ein alphabe-
tisches Wörterverzeichnis S. 93—104, resp. S. 83—103.
Vokabeln und Formen sollen nach der Absicht des Verfassers in
den ersten zwei Jahren in der Sprache selbst, an den französischen Lese-
stücken, durch Fragen und Antworten und durch andere Übungen, die
sich mit dem Lesen der Texte verbinden lassen, gelernt werden. Erst im
dritten Jahre solle man „zur Übersetzung aus dem Deutschen ins Fran-
zösische übergehen". Phonetische Texte gibt Fetter nicht. Aber er be-
dient sich in der I., in der 111. und auch gelegentlich in der IV. Ab-
teilung einer phonetischen Transskription.
') Die Beschäftigung solcher Lehrer ist eine betrübende Thataache,
eine absonderliche Erscheinung in unserem höheren Schulwesen, die um
so auffälliger ist, weil bekanntlieh junge Neuphilologen und zwar mit
guten Zeugnissen den deutschen Schulbehörden in Übernuss zur Verfügung
stehen.
Rahn, Systematische Schulgrammatik der franz. Sprache etc. 311
Den Anfangsunterricht gründet Fetter, wie ich es auch zu thun
pflege, auf phonetische Vorübungen und gebraucht zu diesem Zwecke
Lauttabellen, die mit (vielleicht allzu zahlreichen) Merkwörtern auf
S. 2 — 5, Lehrg. I., abgedruckt sind. Nach dem Vorgange von Sweet
erkennt er keine eigentlichen Diphthonge im Französischen an und er-
klärt die ersten Bestandteile der nach der gewöhnlichen Auffassung
diphthongischen Lautverbindungen von hin, hin, Inen und den bez.
Laut = Ü, Ül in trava\\, oreiWe nicht als Halbvokale, sondern als Kon-
sonanten. Ich halte diese Ansicht nicht für vollkommen richtig; da sie
jedoch von so hohen Autoritäten wie Sweet und Passy gestützt ist,
der Übrigens eine mehr vokalische Aussprache von w = u, y = ö, / = i
in gewissen Stellungen zugibt, will ich sie selbst in einem Schulbuch,
wenn auch mit Vorbehalt, trotz schwerer Bedenken gelten lassen. Aber
Fetter ist in diesem Punkte inkonsequent oder ungenau. Auf der Kon-
sonantentafel (S. 5) liest man unter den „weichen und tönenden Reibe-
lauten" allerdings ein j (U, ül) und neben v ein w. Dagegen vermisst
man auf derselben (senkrechten) Reihe den dritten labialen Laut, das
ö- haltige w (z. B. juin), da* ich in meinen Tabellen als y bezeichne, und
dass Passy als y (umgekehrtes h) darstellt. Auch sieht man sich hier
vergebens nach einem passenden Merkworte für das w- haltige w (z. B.
toin) um. Zugleich zeigt sich bei der Umschrift der angeführten Merk-
wörter mit dem r- Laute eine bedenkliche Verwirrung, da Fetter für
diesen Laut bald das Zeichen v, bald das Zeichen rv verwendet: S. 5 yw,
viV, savon, ouvrir, emers, yuc mit fett gedrucktem v; S. 6 vm — v£,
aber vie — m, vue — wo, ouvrir — üwrtr, ville — wü u. a.; S. 8
sogar voyons = vual5 = wuajö. eine doppelte Transskription, für die mir
im Zusammenhange der betr. Stelle jedes Verständnis abgeht
Auch sonst finden sich noch einige Versehen, z. B. S. 7 : jeune —
lön (ö statt des offenen j). — Im allgemeinen ist Fetter*s Sorgfalt in
der Lautlehre und in der phonetischen Umschrift zu loben.
2. Ein Reformer noch weit milderer Art als Fetter, der selbst
in Anbetracht der bestehenden Schul Verhältnisse nur eine sehr gemässigte
Reform empfiehlt und in seinen Lehrbüchern durchführt, ist Rahn.
Seine „systematische Schulgrammatik .... mit zusammenhängenden
französischen und deutschen Übungsstücken" bildet als dritter Teil den
Abschluss seines Lehrbuches der französischen Sprache, das hauptsächlich
für Mädchenschulen bestimmt ist. Er hat als Lehrer der städtischen
höheren Töchterschule zu Dresden zwei Programm arbeiten (Ostern 1886,
1888) über den französischen Unterricht in Mädchenschulen geschrieben,
auf die er im Vorworte S. V verweist. ,,Den einseitigen Standpunkt
der konstruktiven Methode" hat Rahn, wie er selbst sagt (Vorw. S. VI),
„verlassen und den Neuerungen der Analytiker, soweit sie berechtigt
und praktisch verwertbar sind/4 (d. h. soweit sie ihm als berechtigt und
praktisch verwertbar schienen) „Rechnung tragen zu müssen geglaubt".
Das Übersetzen behält er als einen notwendigen und wesentlichen
Bestandteil des fremdsprachlichen Unterrichts bei; er erblickt das Heil
der Reform vor allem darin, dass „als Übersetzungsmaterialien nur zu-
sammenhängende französische und deutsche Stücke zur Verwendung
kommen" (Vorw. S. VII). Dies sehe ich als einen nicht unbedeutenden
Fortschritt an, obgleich ich im übrigen das prinzipielle Vorherrschen
der Übersetzung als Übung zum Erlernen der Sprache in Rahn 's Lehr-
buch keineswegs billige. Denn mit der ausschliesslichen Verwendung
zusammenhängender Übungsstücke ist immerhin schon etwas für die Sache
der Reform gewonnen, insofern dadurch wenigstens der böse Unfug der
312 Referate und Rezensionen. A. Rambeau,
Einzelsätze, der nutzlosesten und schädlichsten Form der Übersetzungt-
methode, eingeschränkt oder beseitigt wird.
Die Aussprache und die eigentliche Grammatik ( Wort- und Salz-
lehre) hat Rahn vielfach gemäss den Forderungen der Reform behandelt.
Die Lehren der wissenschaftlichen Phonetik hat er sich mit erfreulichem
Erfolg zu nutze gemacht. Trotzdem ist gerade im I. Teile (Lautlehre
und Ortliographie) manches verfehlt.
Vgl. z. B. S. 1: „§ 2. Vokale. (Voyeües.) A. reine: a, e, o, ev,
i, ou, u. B. nasale: a, e, g, ö. Die a- Laute: ä', a\ ä. 1) Langes, ge-
schlossenes ä' (6(§roan): lave, rage, rare, täche. 2) Mittleres, geschlossenes
a' (flat): fable, sohle, passer, tächer. 3) Kurzes, offene» ä (machen): table,
e table, place, tache, tacher, ma, pas, ü a, ä.u Die Bezeichnungen eu und
ou will ich hier nur als sonderbar hervorheben; sie widersprechen
der sonst phonetischen Auffassung der Aussprache in Rahn's Buch und
auch der Anwendung des einfachen Zeichens ö. Die Scheidung von ge-
schlossenen und offenen e, oy ö, (bei Rahn eu) holt er in den späteren
bez. §§ nach. Aber was beabsichtigt er mit den deutscheu Kennwörtern
6 d) trän, Hat, madjen? In welchem deutschen Dialekt mag wohl das a in
6$toan von dem in Aar quantitativ verschieden sein? Hört Rahn wirk-
lich ein qualitativ gleiches a z. B. einerseits in rage und t&che, ander-
seits in place und pas? Was versteht er unter dem Ausdruck „geschlossen"
für das a in l&che, t&cher, passer, unter dem Ausdruck „offen" für das
a in table, e table, place u. a. neben pas?
S. 11, Anm. 2. „Der korrekte deutsche r-Laut ist ein Zungen-r,
die Franzosen aber sprechen in der Regel Zäpfchen-r.u Das Zungen-r iet
in Frankreich wahrscheinlich immer noch häufiger und weiter verbreitet,
als das Zäpfchen-r, das allerdings in der Pariser Umgangssprache durch-
gedrungen ist. Das entere ist im Französischen nicht weniger und nicht
in anderem Sinne „korrekt" als im Deutschen.
Im Vorworte erklärt Rahn ausdrücklich (S. V), er wolle mit seinem
Buche „Ersatz bieten für die PI oetz 'sehen Lehrbücher, soweit dieselben
in den zwei, bezw. drei letzten Jahren des französischen Unterrichts zur
Verwendung gelangen, mit einbegriffen die von Dr. 0. Kares und Dr.
0. Ploetz bearbeitete Schulgrammatik für höhere Mädchenschulen." Die
darauf folgende Kritik mag au und für sich in den meisten Punkten richtig
sein; jedoch halte ich den Ort, wo diese ausgesprochen ist, für ganz un-
passend, wie ich es überhaupt als sehr misslich und taktlos bezeichnen
rauss, wenn die Verfasser von Schulbüchern sich gegenseitig in ihren
Vorreden angreifen und schlecht machen. Ausserdem gebe ich Rahn zu
bedenken, dass einige der unter der Firma Ploetz veröffentlichten fran-
zösischen Lehrbücher sich als Erzeugnisse der vermittelnden Richtung sehr
wohl neben seinen eignen sehen lassen können, sie vielleicht sogar in
mancher Hinsicht übertreffen und jedenfalls keine geringschätzige Ab-
urteilung verdienen. Ich meine vor allem den kurzen Lehrgang der fran-
zösischen Sprache von Ploetz-Kares: die Sprachlehre und das Übungs-
buch, von dem zur Zeit meiner Besprechung in der Madchenschule (III,
1. Heft, S. 93 ff.) nur das erste Heft erschienen war, vor dem aber seit-
dem in diesem Jahre noch zwei weitere Hefte veröffentlicht worden sind.
3. und 4. Wolter und Eichler, der ausser dem mir hier vor-
liegenden Buche ein französisches Sprach- und Übungsbuch der Anfangs-
stufe und ein französisches Elemenlarlesebuch verfasst hat (vgl. die An-
zeige der Verlagsbuchhandlung nebst dem Prospekte auf dem Umschlage),
nehmen in der Reformfrage einen ähnlichen, vielleicht noch milder ver-
mittelnden Standpunkt, als Rahn, ein. Eich ler bezeichnet seine drei
Schriften als einen „Lehrgang für die Elementarstufe" und als eine »Vor-
E. Eichler, Lehr- und Lesebuch der französischen Sprache. 313
schule zu jedem beliebigen Lehrbuch" (vgl. Umschlag); er schrankt den
Gebrauch derselben auf keine besondere Schulart ein. Dagegen ist das
Lehr- und Lesebuch von Wolter, der an einer höheren Bürgerschule und
an einer Fortbildungsanstalt in Berlin unterrichtet, in erster Linie für
Fortbildungs-, Handels- und Realschulen (im Gegensatz zu Gymnasien und
Realgymnasien) bestimmt. Vgl. Vorwort zum ersten Teil, S. HL
Der Verfasser fährt an dieser Stelle folgendermassen fort: „Die
angestrebten Ziele sind demzufolge vorwiegend praktische. Die Lektüre,
welche ihren Stoff zum grossen Teil dem täglichen Leben entnimmt, bietet
das Material für die Übersetzung- und Sprechübungen. Letzteren ist eine
verhältnismässig bevorzugte Stellung zugewiesen. Auf Anstalten, welche
die zukünftigen Generationen des Handels und der Industrie heranbilden,
auf Anstalten mit rein praktischen Zielen ist beim Sprachunterricht das
Hauptgewicht auf das Sprechenlernen zu legen und das Sprechenkönnen
als das Endresultat zu erstreben. Dieses Ergebnis ist aber nur auf Grund
einer Lektüre möglichst konkreten Inhalts zu erreichen. u
Die zwei Teile dieses Lehr- und Lesebuches sind gleichmässig an-
geordnet: A und B: „Übungsbuch" und „Lesestücke des Übungsbuches14;
C: „Lesebuch"; D: „Grammatik"; E und F: Wörterverzeichnisse.
Im Vorworte zum zweiten Teile (S. III) hält es Wolter für not-
wendig, hervorzuheben, er habe sich durch „die wohlwollende Aufnahme,
die der erste Teil in den Kreisen der Fachgenossen gefunden habe", be-
stimmen lassen, „die vermittelnde Richtung zwischen der bisher üblichen
synthetischen Methode und der sogenannten neuen Methode beizubehalten. u
Freilich ist bei dieser Vermittelunge- oder Vermischungsarbeit die „so-
genannte neue Methode" etwas zu kurz weggekommen. Von einer Ver-
wertung der Phonetik ist bei Wolter gar nichts wahrzunehmen. Vgl.
dazu Vorwort zum 1. Teile, S. IV: „Eine systematische Lautlehre zu geben,
habe ich geflissentlich unterlassen." — Eine systematische Lautlehre (!)
ist allerdings nicht zu verlangen, in einem solchen Buche nicht einmal
zu wünschen. — „Eine gute, reine Aussprache bei den Schülern zu er-
zielen, ist eine der wichtigsten Aufgaben des Lehrers, nicht des Lehr-
buches.44 — Gewiss. — Trotzdem hätte Wolter die Phonetik in mannig-
facher Weise verwerten können, ohne jene wichtige „Aufgabe des Lehrers"
zu beeinträchtigen.
Dem Übersetzungstriebe giebt der Verfasser leider noch allzu will-
fährig nach. Er gewährt auch gerade den Einzelsätzen bei weitem zu
viel Kaumv am Anfang findet man neben wirklichen Sätzen sogar ab-
gerissene Wortgruppen zum Übersetzen.
Der grosse Umfang der beiden Bücher mit 246 (urspr. 220) und
510 Seiten hatte für mich auf den ersten Blick etwas Abschreckendes.
Indes hat man zu erwägen, dass sie zum grössten Teil Lesebücher sind.
Denn dieser Name gebührt offenbar nicht blos der Abteilung, die Wolter
mit G bezeichnet hat, sondern auch der Abteilung B, den Lesestücken
des Übungsbuches. In der That macht die Auswahl und Zusammenstellung
der darin enthaltenen Erzählungen, Beschreibungen, Briefe, Rechnungen
u. dgl. den Hauptwert von Wolter 's Arbeit aua. Es ist rückhaltlos an-
zuerkennen, dass die Lesestücke, deren Stoffe den verschiedensten Gebieten
entnommen sind, der oben angegebenen Bestimmung des „Lehr- und
Lesebuches", den darin erstrebten Zielen in Form und Inhalt durchaus
entsprechen. Der Verfasser kann sich mit Recht rühmen, dass er in diesem
Sinne die Bedürfnisse der Anstalten, die ausschliesslich für das praktische
Leben vorbereiten, in hohem Grade befriedigt, während denselben „bisher
nur wenig Rechnung getragen worden ist44 (Vorw., 1. Teil, S. III). —
Die „zusammenhängenden Aufgaben" der französischen Komponier-*
SU
Referate und Rezensionen. A. Rainbrau.
Bestücke über
filiunffcii der Etcmentarxtufe von Elchler sind kurze Lesestücke
Gegenstände der Anschauung, kleine kindliche (vrzählungei
und Briefe in deutscher Sprache, die F.ichler aus dem Franiösischnn
Übersetzt und einigen in Frankreich und in der französischen Schweiz
verbreiteten Schulbüchern entnommen hat. Sie sollen den Schüler
„mit Korrespondenz und Konversation auf der Bmü der bisherigen me-
thodischen Errungenschaften (?) in die wirklich lebende Spruche ein-
führen" (vgl. Umschlag). Das „Übersetzen" bat ihm der menschen-
freundliche Verfasser durch interlineare lliiizutiignng zahlreicher fran-
zösischer Vokabeln und Wendungen erleichtert und leider auch durch
den deutschen Text selbst, der -an einzelnen Stellen keinen Anspruch
darauf machen will, für stilistisch vollständig gut ilcotsch tu geltei "
Vgl. z. B. 3. Abteilung, No. 14: „Gespräch. Em Besuch." S. hl: J
bin erfreut davon; , . . ." Dieses „davon'1 ist nicht blos falsch, sondi
auch zwecklos, da charmv f» darüber steht. Übrigen» ist die
gebene Wortstellung für den Elementarschüler recht gefährlich.
Die undeutsche Färbung der Teste sucht Eichler durch di_
sicht zu rechtfertigen, „den Schüler dahin zu führen, dass sriue Ol
setzuug (!) auch eine stilistisch wirklich französische wird". Warum
muss aber überhaupt auf der Elementarstoff durchaus „übersetzt"
werden? Hätte E. nicht besser gethan, die französischen Originaltexte
einfach abzudrucken und entweder die nötigen Übungen — Retrover-
tieren, Fragen, Antworten. Nacherzählen, Umwandeln mit anderen Per-
sonalformen u. dgl. — daran anzuknüpfen und darauf folgen zu lai
oder solche und ähnliche Übungen im Buche für den Lehrer nur
andeuten oder sie ihm aliein, seinem Belieben und seiner eignen
finduug, ganz und gar zu überlassen? Konnte er damit nicht
besser und sicherer seinen Zweck erreichen . ohne die Mntbernprsche
der Schüler zu vergewaltigen und ihr heimisches Sprachgefühl zu
schädigen? Und meint er, dass der Lehrer mittelst derartig-r „Kom-
ponieriibnngen", die fi'ihrwu-br nichts weiter als „Übersetzungsübungen"
mit Umgehung der meisten und (rrfissteii Schwierigkeiten sind, zu dem
vom Verfasser selbst in den ersten Zeilen seines Vorwortes aufgestellten
Ziele gelangen wird?
An dieser Stelle spricht Eichier nämlich von der „notwendigen
Forderung deB Sichhineinlebens in die fremde Sprache von Seiten des
Schülers und des Denkens in derselben (!), ohne welches ein Beherrschen
des fremden Idioms niemals möglich i*t." Ich glaube, und viele Fach-
Sinossen sind derselheu Ansicht, dass der Srhüler durch dao beständige
ebersetzen aus dem Deutschen, wenn es sich nicht an gelesene, be-
sprochene und eingeübte Originaltexte anschliesst, trotz niler Hülfe
seitens des Lehrers und des Lehrbuches wenig befähigt, ja eher daran
verhindert wird, sich in die fremde Sprache hineinzuleben (!) und gar
in derselben denken (!) zu lernen.
5. An Lappe und Ottens, den Bearbeitern der Koller'scben
Lehrbücher, die «, Z. eine ziemlich stattliche Anzahl von Auflagen er-
lebt haben 1 12. rsp. 5. Auflage im Jahre ISJ9), sind die Thesen und
Wünsche sowohl der „ungestümen" als auch der „sanften" Heforru fast
spurlos und unbeachtet vorbeigegangen. In il/t Schuljahren werden
die Schüler von ihuen ausschliesslich mit tüchtigen Portionen von fran-
zösischen und deutschen Einzeleützeu und mit massigen Portionen von
Formen und Regeln in Gestalt von Lektionen ä la Plcetz gespeist. Der
mir hier vorliegende dritte Teil des Ekmenlarhuchus bringt auf diese
Weise mit behaglicher Breite in 18 Lektionen, dem Pensum deB fünf
Per-
|
S
rrtram, Grammatisches und ttilixti
, die Formenlehre mit den unregelmäßigen Verben zum Ab-
i Schlus? des fünften Semesters" sind die Zöglinge der
fltmiUillmhnlniii. Realschulen nnd verwandter Anstalten, für die da«
!■'!. uuiitiirlmeli bestimmt ist, „der Absieht der Verfasser gemäss mit dem
unumgänglich nötigen Rüstzeug versehen, um mit Erfolg an die Über-
setzung zusammen hängender deutscher StüVke (!) gehen zu können."
Die armen Schüler ! Wenn sie nur nieht bis dahin, von der „Rüstung"
erdrückt, lahm und mutlos geworden »ind ! Noch am Schluss oder im
Verlauf des fünften Semesters sind sich die Verfasser nicht darüber
klar oder aie Btelleii wenigstens vorsiehtigerweise „dem Ermessen des
Lehrers die Entscheidung darüber1 anheitii, „wann er zur Lektüre (!)
übergehen kann" (!). für die in der 2. Abteilung durch Gedichte und
Lesesii'iciie gesorgt ist. Vgl. Vorwort zu 5a, 8. III.
Selbstverständlich «eisen daB Ekmcnlarbuch von Luppe-Ottens
und die von Ott« Di allein herausgegebene systematische Schiilyrammalik
15 b), die sich daran unsihliessen soll, und deren „syntaktischer Kursus
auf 3 Jahre berechnet ist" (Vorw., S. IV), im Verhältnis au den älteren
Lehrbüchern von Ploetz u. a. mit ähnlicher oder gleicher Bestimmung
einige Ahweiehiingen auf. die mancher Lehrer auch wohl als Verbesse-
rungen anerkennen mag: ich meine etwa den Anhang zum dritten Teil
des Etemenlarbuehts (8. 171— IS5), ein „etymologisch geurdnetee Wörter-
verzeichnis im Anscbhiss an die un regelmässigen Verben" und in der
Sehiih/eaimniitik <\-.t: Darstellung ili'i Syntax nicht, nach Wortklassen,
sondern nach Satzarten und Satzteilen, so dass sie mehr mit dem üb-
lichen grammatischen Unterricht der Muttersprache übereinstimmt.
Aber im grossen und ganzen haben jene Bücher vor den entsprechen-
den Ploetz'schen Werken in ihrer alten, unverfälschten Gestalt, die
meines Erachten», falls man die Herechtigung der Übersetzungsraethode
zugesteht, in ihrer Art vorzüglich sind, nichts voraus oder stehen diesen
sogar in mancher Hinsicht nach. Man fragt sich daher unwillkürlich,
wie sie die auf dem Gebiete der französischen L'nterrichtsbücher jetzt
herrschende groBSartige Konkurrenz auszuhelfen vermögen, seitdem
schon Karl Ploetz und nach «einem Tode Gnstav Ploetz und
Utto Kares die Notwendigkeit eingesehen haben, die älteren Werke
mittels eine« Zusatzes von mehr oder weniger reichlichen Dosen der
Kefornj in neuen Auflagen umzugestalten oder durch Umarbeitungen,
die schon sehr verschieden von den ursprünglichen Lehrbüchern aus-
sehen, zu ersetzen. Vgl. Mädchenschule III, l. Heft, S. 79 ff.
8. In dem „grammatischen und stilistischen ('( l) Übiingsbucbc"
von W. Bcrtrain feiert die Methode der Übersetzung und der zu-
vammenhang-loscu Eiii/.elsätzc ihren höchsten Triumph. Der VerfaBser
hat darin das Prinzip dieser Methode auf die äuaserate Spitze getrieben,
ihre letzten Konsequenzen gezogen. Er ergänzt und übertrumpft gleich-
sam die Lektionen der Ploet z 'sehen Schulgrammatik mit langen
Heften neuer Einzelsatze. Warum nicht? Offenbar besteht oder bat
ein Bedürfnis dafür unter den Lehrern des französischen in deutschen
Schulen bestanden. Denn da» 1. Heft, das ich hier zu rezensieren
habe, ist bereits in der 6. Auflage erschienen —Das i. Heft, den Schlüssel
dazu und dus Um-sliwutnire t/rummnliial von Hertram habe ich schon
früher in der Zeitschrift (IX* 8, 41— 42) angezeigt.
Ä. Raubbau.
316 Referate und Rezensionen. W. KnßrUsh,
Gropp, Ernst, and Hausknecht, Emil, Auswahl französischer
Gedichte. Für den Schul gebrauch zusammen gestellt.. Leipzig,
1886. Renger'sche Buchhandlung. Gebhardt & Wilisch.
Plattner, Ph., Anthologie des Ecvtes. Sammlung französischer Ge-
dichte für die Schule in drei Teilen mit erklärenden Anmer-
kungen. Karlsruhe, 1890. J. Bielefeld'» Verlag.
Fant jährlich erscheinen französische Gedichtsammlungen für den
Schulgebrauch, und keine hat es bisher vermocht zu ausgedehntem Ge-
hranch zu gelangen; ja selten sind schon diejenigen, welche es zur
zweiten Auringe bringen; die meinten werden wohl von den Autoren selbst
und ihren Freunden in deren Wirkungskreisen allmählich aufgebraucht.1)
Diese Erscheinungen erklären sich einerseits daraus, dass ein Bedürfnis nach
solchen Auslesen wirklich vorhanden ist, und dass es andererseits unend-
lich schwer ist, den verschiedenen Standpunkten und weit auseinander
gehenden Ansprüchen an eine solche Arbeit zu genügen. Manche ver-
langen, dass die Anthologie einen Oberblick Ober die Entwicklung der
lyrischen und didaktischen Dichtung gebe und nichts Wichtiges oder
Charakteristisch es versäume. Andere bevorzugen Beschränkung anf einen
oder doch nur wenige Dichter. Wieder andere wünschen nur Stoff zu
Memorier- und Deklamationsübungen zusammengebracht zu sehen und
zn grosserer Bequemlichkeit in einer nach der Schwierigkeit der einzelnen
Stücke bestimmten Reihenfolge. Einzelnen gehen Geschmack und Lieb-
haberei noch viel mehr auseinander.
Wer sich einmal mit der Zusammenstellung einer Gedichtsammlung
befaast bat, der kennt die grossen Schwierigkeiten, welche einer solchen
Arbeit anhaften, wenn dieselbe auch noch so wenig umfangreich ist, und
wird anderen gegenüber ein milder Beurteiler sein. Die beiden oben
bezeichneten Werkeben nun stehen anf ganz verschiedenen Standpunkten.
Gropp und Hausknecht wollten ein poetisches Lesebuch
schaffen, daa den Schüler von der Quinta bis zur Prima begleiten soll;
und wie die Auswahl zeigt, haben sie über die französische Dichtung seit
der grossen Revolution einen ziemlich vollständigen Überblick gewähren
wollen. Von älteren Dichtern sind nur Lafontaine und Florian be-
rücksichtigt worden; die Dichter unseres Jahrhundert« haben am meisten
zu der Sammlung beigesteuert; die durch die sogenannten Reformer des
Ipracb Unterrichts bei uns mehrfach benutzte Kinderpoesie, sowie das
Volkslied fehlen ganz. Ich habe im allgemeinen an dieser verschieden-
artigen Heranziehung der verschiedenen Epochen nicht« auszusetzen;
ja die Bevorzugung der modernsten Dichtung gefällt mir recht wohl, weil
sich manche treffliche epische Stücke darunter finden; die Ausschliessung
der Kinder- und Volksdichtung bedauere ich nicht, da die eratere meist
langweilig, die zweite in ihren besten Leistungen für Schullektüre unge-
eignet ist. Im einzelnen möchte ich einige Wünsche und Bedenken nicht
unterdrücken. Lafontaine scheint mir im Verhältnis zu den übrigen
Dichtern (mit 80 Nummern) zu reichlich vertreten zu sein, besonders da
von Beranger nur fünfzehn Lieder aufgenommen wurden, und Voltaire
ganz fehlt. Das letztere ist meines Ernchtens eine sehr empfindliche Lücke,
mindestens hätte Voltaire mit einer Ode, mit einer philosophischen Epistel,
vielleicht auch mit der prophetischen Chambre de Justice und einem Abschnitt
aus der Henriade (II, Bartholomäusnacht) berücksichtigt werde i müssen.
Die beiden ersten Diebtungen hätten dem Schüler vielleicht keinen hohen
Volk
') Schreiher dieses gesteht, dass es ihm mit einer kleinen eng-
lischen Sammlang (Leipzig, Leiner) auch so ergeht.
E. Gropp u. E. Hausknecht, Auswahl französischer Gedichte. 317
ästhetischen Gen uro bereitet, was ja nicht immer nötig und erreichbar
ist, aber er hätte doch zwei Dichtungsgattungen kennen gelernt, welche
lange Jahrzehnte hindurch der allergrößten Beliebtheit und Pflege sich
erfreuten; die beiden letztgenannten Stücke sind aber doch wohl im
stände den Primaner zu fesseln und znm Denken anzuregen. Von
B oranger ist zu wenig dargeboten und ausserdem vermisse ich ungern
die glühenden Äusserungen von des Dichters Vaterlandsliebe, nämlich
Retour dans la palrie und Les Enfants de la France, welche ich
den unvermeidlichen Tailleur et la Fee und Poniatowski weit vorziehe.
Wenn ferner die Henriade nicht gewürdigt wurde, dem Schüler bekannt
gemacht zu werden, dann verdiente es Bartbe'lemy et Mary 's er-
zählende Dichtung Napoleon en Egypte noch lange nicht. Von De Vigny
wäre Madame de Soutnse als ungeeignet besser weggeblieben, von
Alfred de Musset ist zu wenig aufgenommen, seine Bedeutung ist so
gross, dass er mit mehreren Gedichten Berücksichtigung verdiente; freilich
ist die Auewahl schwierig. In bezug auf Victor Hugo sind die An-
sichten noch sehr geteilt; ich gehöre nicht zu seinen Bewunderern und
will deshalb über die getroffene Auswahl nichts sagen, als dass sein
Gedicht Sedan mir nicht passend gewählt erscheint, und sein Choix entre
les deux JSations mindestens sehr dunkel. ist; was für einen Sinn hat
z. B. der Vers:
Barberousse chez toi n'emptche par Schiller?
Übersetzungen deutscher Gedichte sind nur wenige mitgeteilt, was
durchaus berechtigt ist. Den chronologisch geordneten Gedichten folgen
kurze biographische Nachrichten. Der beim Erscheinen des Werkchens
versprochene Kommentar ist meines Wissens noch immer nicht erschienen.
Die Schwierigkeiten einer solchen Arbeit unterschätze ich nicht; aber ich
meine, in vier Jahren wären dieselben zu überwinden gewesen. Daher
spreche ich an dieser Stelle den Wunsch aus, dass die Herausgeber nun
endlich damit hervortreten mögen, denn der Kommentar ist durchaus
notwendig.
Abgesehen von den vorgebrachten (persönlichen) Wünschen halte
ich die Auswahl für gut und verdienstlich und wünsche derselben eine
weite Verbreitung.
Plattner's Sammlung französischer Gedichte ist anders gehalten
und verfolgt andere Ziele. Er sagt, die früheren Sammlungen hätten so
wenig wirklich Deklamierbares enthalten, dass man sie ärgerlich durch-
blätterte, um dann doch zu dem Alten, hundertmal Gehörten zu greifen.
Demgegenüber will Plattner nur solche Dichtungen darbieten, die dekla-
mierbar sind und nicht blosse Schul- und Studienlektüre bleiben. Zu dem
Zwecke lässt er neben den alten Bekannten, „die sich aus keinem ähnlichen
Bache verbannen lassen", die brauchbaren neueren Gedichte und
die meist leicht verständliche Volkspoesie zu ihrem Rechte
kommen und macht von Übersetzungen bezw. Nachbildungen deutscher
Gedichte ausgiebigen Gebrauch. Die Reibenfolge ist lediglich nach der
grösseren oder geringeren Schwierigkeit des Verständnisses getroffen und
zwar in drei aufsteigenden Kursen, innerhalb derselben folgen die ver-
schiedensten Gegenstände und Dichter in buntester Abwechselung. Die Zahl
der in den drei Teilen mitgeteilten Gedichte beträgt 68, 65, 70. Das
der Anlage zu gründe liegende Prinzip will ich nicht erörtern, es wäre
erfolglos; über die getroffene Wahl gestatte ich mir wenige Bemerkungen.
Die Auswahl ist sehr reichhaltig, so dass wohl jeder Suchende etwas ihm
Passendes finden wird, und langweilige Gedichte habe ich nicht ge-
funden, vielmehr sind alle nach Form und Inhalt des Lesens und
318 Rufer, u. Rezent. W, KnOrich, Ph. Plattier, Anthologie de» Ecoles.
die meisten auch de» Lernen« wert. Volkstümliche Gedichte cnt.hi.lt
Teil I. Le roi Dagobert, Guilieri, einige Reigen lioder. Abzählverse, Rätsel
u. dgl. Übersetzungen sind folgende aufgenommen: I. Der gute Kamerad,
Vom Baumlein, das andere Blätter hat gewollt; II. Erlkönig (drei ver-
schiedene), Der Postitton, Hebels Herr frühäng. Der Blumen Rache, nnd
Autran's Jraverse'e de Charlemagne ist auch wohl nur eine Nachbildung
von dem bekannten König fi'ari's Meerfahrt; III. Migium, zwei Abschnitte
aus der Glocke (den letzten in zwei verschiedenen Übertragungen). Die
dargebotenen Gedichte zeitgenoesueher Dichter sind gut gewählt und
■iemlich zahlreich, doch vermine ich leider Andre" Che'nier's Jimk
Captive, welche doch wohl wichtiger ist als f. B. Scarron's und Piron't
Grabschriften; und Voltaire ist auch von PUttner gar nicht berück-
sichtigt. Wertvoll ist der den Texten beigegebene Kommentar, derselbe
' leistet, was in der Einleitung von ihm versprochen worden, er genügt
sur Vermittlung des Wort- und Sachverständnisses , geht an keiner
Schwierigkeit vorbei nnd bringt nichts Überflüssige«. Erwünscht wlren
ein nach Dichtern geordnetes General regiater der Gedicht« nnd knne
biographische Notiaen, welche fehlen.
Da die Auswahl sehr reichhaltig und mit sicherem Geschmack und
Takt getroffen ist, und da der Kommentar durchaus tadellos ist, kann
ich auch Plattner's Anthologie bestens empfehlen.
W. KnBbich.
Miszellen.
Notwendige Aufklärungen
zu der Kritik meiner Schrift: Das sogenannte Französisch der Herren
Toussaint und Langenscheidt. — welche Herr Ph. Plattner in dieser
Zeitschrift gegeben hat (s. Band XII, Heft 2 S. 49). —
I. Warum ich zu der ungewöhnlichen Broschürenforni griff,
anstatt meine Arbeit in einer Fachzeitschrift zu veröffentlichen?
Die Antwort auf diese Frage wird kein Geringerer als Herr
Dr. David Ascher geben, und zwar auf S. 6 seiner Schrift: Ober den
Unterricht in den neueren Sprachen. Berlin, 1881. Langenscheidt'sche
Verlagsbuchhandlung. Da heisst es nämlich: „Da aber Artikel in
Zeitschriften und Rezensionen, selbst in Fachjournalen, wie die
Erfahrung mich gelehrt, nicht von genügender Wirkung sind,
nicht allseitig durchdringen, so habe ich mich entschlossen, endlich
die Blossstellung der Gebrechen des Systems in einer selbständigen
Schrift vorzunehmen, die hoffentlich die weiteste Verbreitung finden
wird, und zwar nicht bloss unter Fachmännern, sondern anch
unter Eltern und den höheren und höchsten Behörden u. s. w." —
Wenn ein allbekannter Sprachkenner, Schriftsteller und Kritiker, wie
Ascher, zu einem solchen Mittel der Publizität greift, so wird man es
wohl natürlich finden, dass ein völlig unbekannter Mann, der keinen
schriftstellerischen Ruf besitzt und der seine Berechtigung zum Auf-
treten nur auf sein spezielles Wissen gründet, es für unbedingt not-
wendig erachtet, sich des gleichen Mittels zu bedienen, um seinen
Zweck zu erreichen.
II. Herr Plattner sagt : Wenn es Herrn Thudichum lediglich um
litterarische Wahrhaftigkeit und deren Schutz zu thun war, so musste
es ihm gleichgiltig sein, dass Fachzeitschriften selten in kauf-
männische Kreise dringen.
Eine eigentümliche contradiclAo in adjecto: es soll mir erlaubt
sein, mein kleines Licht leuchten zu lassen, aber nur unter der Bedin-
gung, dass ich*8 unter den Scheffel stelle. Wie soll ich kaufmännische
Kreise vor der Verwendung unbrauchbarer Bücher warnen, wenn ich
nicht alle erlaubten anständigen Maassregeln ergreife, um ihnen meine
Warnungen zugänglich zu machen, da Herr Plattner doch selbst zu-
gibt, dass dieses Ziel mit Hilfe eines Fachjournals nicht zu erreichen
sei. Wenn ich mich mit dem Bewusstsein zufrieden geben soll, etwas
feschrieben zu haben, was derjenige für den es bestimmt ist, nicht
iest, so heisst das so viel, als wenn man mir sagte: „Du hättest ein-
fach schweigen sollen. u
III. Wer bezahlt die Sache? fragen die Herren Toussaint
und Langenscheidt in einer als Manuskript gedruckten Gegenerklärung,
320 MszdUn.
damit andeutend, dass limine Schrift zu gnnsten eines fremden Verlagt
verfasst worden sei und dass demnach angenommen werden könne,
dass nicht ich die jedenfalls erheblichen Druckkosten getragen hatte.
Diese Insinuation ist allerdings sehr advokatisch geschickt, da sie den
Zweck verfolgt, den Ankläger auf die Anklagebank zu setzen und ihm
den moralischen Boden der geistigen und materiellen Unabhängigkeit
und der pekuniären Selbstlosigkeit unter den Füssen wegzuziehen. Allein
zum Unglück für die Herren entbehrt ihre Voraussetzung aller
und jeder Begründung, bezahlt habe ich. ich ganz allein;
ja, ich habe gar nicht einmal den Gedanken gehabt, irgend jemand um
Uberahme der Kosten anzugehen, denn ich bege eine viel höhere Meinung
von den Gesinnungen und den geschäftlichen Prinzipien unserer Buch-
händler als die Herren Toussaint & Langenscheidt, welche ihren Kollegen
ein eigentümliches Misstrauen entgegenbringen. Wenn auf dem Titel
der zweiten Auflage die Firma H. Georg erscheint, so erklärt sich dies
dadurch, dass die Pfeffer'sche Buchdruckerei sich ausser Stand erklärte,
den Verschleimt der Schrift zu betreiben, den eine schweizerische Buch-
handlung, die überdies keinerlei kaufmännische Werke verlegt, am
besten übernehmen konnte.
IV. „Der angeblich geplünderte Page hat von seinen 5S2 Briefen
nicht weniger als 160 ans drei anderen Quellen entlehnt."
Wenn sieb ein gewissenloser Mensch fremdes Gut aneignet, so
kann ich ihn bei Gericht zur Verantwortung ziehen und bestrafen
lassen ; wenn ich mir aber das von mir entwendete aneigne und als
mein Eigentum benutze, so mache ich mich ganz desselben Vergehe»
schuldig. Ich begreife demnach nicht, wie die Angegriffenen obiges
Argument zu ihrer Rechtfertigung anführen konnten. Aber selbst wenn
wir den Raubrittergrundsatz: „Wer plündert, wird wieder geplündert*
gelten lassen, darf er in diesem Fall nicht zur Anwendung gebracht
werden. Page hat nämlich 94 Briefe aus der englischen Merkantile
correspondence von Anderson entlehnt, indem er sie ins Französische
übersetzte; das kann man doch kein Plündern nennen, zumal znr
Zeit der Abfassung seines Buches noch kein internationales Abkommen
bezüglich des Übersetzungsrechtes bestand. Acht Briefe nur stammen
aus einem wirklieb französischen Buch, nämlich aus dem Tratte dt
airresp. von Degranges, welch Letzterer mit seiner Prosa vielfach
Handel getrieben bat. Die 58 Briefe anlangend, die Page dem Mannt!
de correspondance commerciak von Schiebe & Odermann verdankt, »
drängt mir ihr Anblick den Wunsch auf die Lippen: „Mochten doch
alle Plag— cgeinter, die von fremden Tische essen, diesem litterarischen
Freibeuter gleichen!"
Page macht es nämlich umgekehrt wie die Herren Toussaint k
Langenscheidt: er verbessert sein Original, indem er schlechtes
Französisch in gutes verwandelt. Jeder Kenner des Französischen
kann sich von der Wahrheit dieses Angabe überzeugen durch Ver-
gleich ung folgender Briefe:
Page : 184, 185, 186, 1*87, 188, 189, 190, 191, 193, 1».
Schiebe, Ausg. v. 1873: 455, 446, 147, 448, 449, 450, 451, 452, 454, 45}.
Anstatt über Beraubung zu klagen, hätten die Herren Schiebe
& Odermann gar nichts Besseres thun können, als ihre eigenen Briefe
in ihrer verbesserten Gestalt aus Page in ihr Buch herüberzunehmen,
zum grossen Gewinn des letzteren, indem dadurch die Zahl der mangel-
haften Briefmuster in etwas beschränkt worden wäre. Freilich fehlte
es dasu den Verfassern an der nötigen Sprachkenntnis, ein Mangel,
der sich ganz besonders in den Notions preliminaires und in den Eid-
»iszeüen.
leitungen zu den Briefen zeigt: diese aind von Anfang bis zu Ende fast
nur ein einziger Germanismus. Eh wurden darin, bis zum Erscheinen
der neuen Anflüge im Jahre 1887, den Schülern Uer Leipziger Handels-
schule Sachen gelehrt wie: /a terminaison (! anstatt lu fin) dune lettre;
in concixion ne lioil jitmais degc'nerer (!) M nhsciiritc ; In snscription peut
in. iii :/, ii uumtiitt. i>t,it .>r fn.n: : femetuwr Wune chaiLvrc (anstatt auteur);
des assoeidi eompL'wtentaircs (1 anstatt des commaiiditaires); les capitaux
siir lesquets foule (!) untre aimmerce (anstatt ,/iri sunt emjagis . . .); te
commerce cii (anstatt de) Kommission sc fall emttre wie cerimne primc (!)
appetee commüsion. — In der neuesten Auflage vom Jahre 1SM7 sind
aus den Einleitungen die gröbsten Verstösse gegen die Stilregcln wie
gegen den Geist und die Kitjcntiiiulidikeiten > 1 1 ■ r lYunzüKiKL-heii Sprache
ausgeschieden, aber der Verbessern-, Herr Prof. Hertens in Gent
(Belgien) scheint doch vor der Aufgabe zurückgeschreckt zu sein, das
germanische Metall in eine vollständig französische Form nnizugiessen.
V. Herr Plattner sagt weiter: „Die Versch w eigung der Namen
der Schriftsteller, denen die Briefe entlehnt wurden, war eine Un-
vorsichtigkeit von Saiten der Verfasser des Französischen für Kani-
leute. Ein Schmücken mit fremden Federn kann man darin nicht er-
blicken,"
Sobald es sieh um Beurteilung der Stimmung oder der Absichten
unserer Neben menschen handelt, hat unsere Einbildungskraft allerdings
so freies Spiel, das» jeder alles voraussetzen kann. Ich für meinen
Teil habe mir, wie ein Geschworener es in den Assisen macht, anf
gewisse Indizien gestützt, eine sogenannte moralische Überzeugung
gebildet, die in meiner Schrift sehr weitläufig motiviert erscheint.
Wer meine Auseinandersetzung in unbefangener Weise liest, wird ge-
stehen müssen, das» meine Auffassung der Sache mehr Wahrscheinlich-
keit für sich hat. als die Auslegung meines Kritikers. Dieser bat sich
in seinem Bestreben, nach beiden Seiten gerecht zn sein, unwillkürlich
durch die Heftigkeit meines Angriffes etwas verstimmen lassen, und
ist, wie es der Edelmütige immer macht, dem Unterliegenden bei-
gesprungen. Fern sei es von mir, ihm einen Vorwurf daraus zu machen,
aber es wird mir erlaubt sein zu ken-l .iliercn. das.« von allen Kritikern
Herr Plattner bis jetzt der einsige ist, der das Verfahren der Herren
Toussaiut & Laugciiii.-hcidt gebilligt hat.
VI. Wenn die Verfasser des Frauiösisek für A'aufleute nichts
Vollständiges liefern wollten, so durften sie in ihren Annoncen und
Reklamen von ihrem Buch weder selbst rühmen noch durch ihre Freunde
rühmen lassen, dass die kleine Schrift den französischen Brief-
stil in selten anzutreffender Vollständigkeit behandelt. (EL
die dem Buch vorged ruckten Beurteilungen. 1 Wer im Vertrauen auf
eine solche Versicherung das sogenannte Französisch gekauft hat, darf
sich mit Reiht beklagen, dass er irre geführt worden sei. Meine Be-
merkungen bezüglich der Lücke uhaftigk fit eines solchen Lehrbuchs der
Korrespondenz waren und bleiben also völlig an ihrem Platte.
VII. „Vorzugsweise", sagt Herr l'lattuer auf Seite 51 , „haben wir
auf den dritten und sechsten Vorwurf einzugehen, welche sich auf Ver-
stümmelung und Verschlechterung des Inhalts und Verwunderung der
Briefanfängc und BriefsehlÜBse beziehen," fas war eine gute Absicht,
denn diese Verschlechterung der Texte bildet den Kernpunkt
meiner Schrift, den aller wichtigsten weil völlig unbestreit-
baren Teil der von mir erhobenen Anklage. Leider hat sich
Herr Plattner mit der guten Absicht begnügt, denn die Besprechung
dieses Punkte« füllt sebrlttirfc ans, kürzer als diejenige einer unbedenten-
Ztuur. r. fri. Sp.. i. Litt. I]U 21
322 MneBe*.
den Anmerkung, wo ich, ohne der Sache irgend welche Wichtigkeit
beizumessen, der Gemütlichkeit einer französischen Wendung vor dem
Unteroffiziersm aasigen der TouBsaint-Langenscheidt'schen Veraion den
Vorzug gab.
In den von den Herren Touasaint & Langenscheidt gebotenen
Briefen finden sich nach massiger Schätzung, gegen 700 Fehler, m
welchen aus den Telegrammen, Annoncen, Gesprächen, Schematismen
sowie ans dem Vokabular allerwenigsten* noch 300 kommen, was die
Rieaenaumme von Eintausend Fehlern ausmacht. Angesicht« einer
solchen Ungeheuerlichkeit scheint eine Warnung vor diesem „Muster-
buch" nicht nur absolut gerechtfertigt, sondern geradezu durch unsere
wissenschaftliche und pädagogische Pflicht geboten. Und es will mich
bedünken, dass Herr Plattner seine Nachricht übertreibt, wenn er «ich
damit begnügt, den Verfassern zu raten, manche der vorgeschlage-
nen Besserungen anzunehmen. Manche? — sind sie nicht alle
begründet und bewiesen? Aber auch wenn sie alle angenommen wer-
den, so erlangt das Buch dadurch auch nicht den Charakter der Brauch-
barkeit. Damit dies geschähe, niüssten folgende Bedingungen erfüllt
werden:
1. Teztuelte völlig unveränderte Reproduktion derjenigen Briefe
Page'B, welche in verstümmelter und verschlechterter Gestalt in dem
Französisch für Knußmte erscheinen.
8. Ausscheidung aller von den Herren Toussaint & Langen seh ei dt
seibot verfaeaten, aus zusammengestöppelten Sätzen bestehenden Briefe
und Ersatz derselben durch solche, die einem guten französischen
Korrespondenzbuch entlehnt sind.
3. Verbesserung der Fehler in den Proben der französischen
Buchhaltung, der Ungereimtheiten in der Telegrammatik, der vielen
urlfranzösischen Wendungen in den Gesprächen den Buchhandel be-
treffend , der ganz unverzeihlichen Unrichtigkeiten in den diversen
Schematen, und endlich der geradem unbegreiflichen Fehler im Voka-
bular. — Man sieht, es kann sich hier nicht um eine blosse Richtig-
stellung von Einzelheiten handeln; nein, eine völlige Um- and Um-
gestaltung ist erforderlich. Solange diese nicht erfolgt, bleibt meine
Kritik des Inhalts in ihrer ganzen Berechtigung bestehen.
Ghakleb Thitihchum.
Zu den vorstehenden Aufklärungen des Herrn Direktor Ch. Thu-
dichuin habe ich nur Folgendes zu bemerken. Dana ich das Verfahren
von TouBsaint- Langen sehe idt gebilligt hätte, ist ein Irrtum ; ich habe
es zu erklären gesucht. Wenn ich sage, daas ich Schlimmeres gesehen
habe, so liegt darin nur eine sehr massige Billigung. Will Herr Tbu-
dichum sich die Mühe nehmen, unserer Schulbuch-Litteratur, besonders
der für praktische Zwecke berechneten, etwas nachzuspüren, so wird
er meine Aneicht bestätigt finden. — Ausführlichere und treffendere
Erklärungen würden zunächst den Angegriffenen zustehen und denselben
wahrscheinlich möglich sein.
Ph. Plattnke.
Novitätenverzeichnis.
Coiomb, V. Etüde de bibliographie dauphinoise. XI: Notice bio-
graphique et bibliographiqne sur M. Ad. Rochas conservateur de la
bibliotheque et du mus£e de la ville de Valence. Grenoble, impr.
Allier. 18 8. 8°.
Monatsbericht, bibliographischer, über neu erschienene Schul- und Uni-
versitätsschriften (Dissertationen — Programmabhandlungen — Habi-
litationsschriften etc.), herausgegeben von der Zentralstelle für
Dissertationen und Programme von Gustav Fock in Leipzig. Jahr-
gang II, No. 1, 2, 3. Leipzig, G. Fock. 8°. Jährlich 12 Nrn. 2 Mk.
Thierry-Poux, 0. Premiers monuments de l'imprimerie en France
au XV« siecle. Paris, Hachette. Fol. 32 p. et 40 planches. 60 fr.
Wolf, Ferd. Kleine Schriften. Zusammengestellt von E. Stengel,
Marburg i. H. Elwert. 8°. 9 Mk.
Araujo. F. Gramätica francesa, 2me Edition, T. I (Madrid, Fernando Fe,
1891, XII-296 p. 8°).
cTArbois de Jubmnviüe. Recherches sur l'origine de la proprie'te* fon-
ciere et des noms de lieux habite*8 en France, Periode celtique et
Periode romaine. Paris, E. Thorin, 1890. 703 S. In-8°.
Arnoulm (E.). Quelques mots sur la r^forme de Torthographe : Modi-
fications proposEes. 16 pages, In-8°. Angouldme.
Claus, Oberreallehrer., die geographische Verbreitung der französischen
Sprache. [Aus: Korrespondenz-Blatt f. d. Gelehrten- u. Realschulen.]
gr. 8°. (21 S.) Tübingen, Fues. 0,80 Mk.
Clover, Bertr. The Mastery of the french language in England from
the XI«* to the XTVtfc Century. New-York, Corning. 123 p. 16°.
Cohn, G. Die Suffix Wandlungen im Vulgarlateinischen und im vor-
litterarischen Französisch nach ihren Spuren im Neufranzösischen.
Halle a. S., 1891. Niemeyer. 8 Mk.
Constans (L.). Chrestomathie de Tancien frane>is (IXe-XV* siecles), pre*-
cEde'e d un tableau sommaire de la litte'rature francaise au moyen
age et suivie d'un glossaire e'tymologique dätailll. Nouvelle Edition,
soigneusement revue et notablement augment£e avec le Supplement
refondu. XLVIII-497 8. 8°. Paris, Bouillon.
Derrer, F. Studien über das Verbum im Romant de Jehan de Paris.
Progr. Rothenburg 1890. 52 S. 8°. (Leipzig, Fock.)
Dictionnaire g£ne*ral de la langue francaise du commencement du XVII*
siecle jusqu' ä nos jours, pr^ce'de* d'un Traute* de la formation de
la langue et contenant: 1. La prononciation figure*e des mots;
2. Leur Etymologie; leurs transformations suceessives, avec renvoi
aux chapitres du traite* qui les expliqnent et l'exemple le plus ancien
21*
334 Novitdtenverzcichnis.
de lern- emploi; 3. Leur sens propre, leurs sens deriv^a et ügaii»
da.au Vordre ä la fois historique et logique de leur deVeloppeuient ,
4. Des exempleB tire"s det meilleurs dcrivains, avec indication de
la source des passages ciWa, par Adolphe Hatzfeld et Arnene
Darmesteter, avec le concoura de Antoine Thomas. Pari»,
Delagr&ve (eracheint in 30 Lieferungen ä 1 Franc).
Du Bois-Halbran, H. RtSformes nur l'orthographe de la laogue francaii*
propon»5ft par H. Du Bois-Halbran, comte de Beauvaia. ln-8°, SO p.
Bordeaux, imp. Samie.
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Schoetensack, lt. A„ Franzüsiach-etymologiachea Wörterbuch. 2 — 4. Abt.
gr. 8«. (VIII u. S. 193-608.) Heidelberg, C. Winter. 10 Mk.
(cplt.: 14 Mb.)
Novitätenverzeichnis. 325
Schulze, A. Der Konsonantismus des Französischen im 13. Jahrhundert.
DisB. Halle. 31 3. 8°.
Schwan, Ed. u. Frings keim, E. Der französische Accent. Eine phone-
tische Untersuchung. Sonderabdruck aus dem Archiv für das
Studium der ueueren Sprachen und Litteraturen. Leipzig, 1890.
0. R. Reisland. 68 S. 8° 2 Mk.
Studien, phonetische. Zeitschrift fiir wissenschaftliche und praktische
Phonetik mit besonderer Rücksicht auf die phonetische Reform des
Sprachunterrichts. Unter Mitwirkung von Ch. Altena, F. Araujo,
0. Badke etc. herausgegeben von Wilh. Vietor. 4. Bd. 1. u. 2. Heft,
gr. 8°. Marburg i. H., Elwert's Verl.
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Bänder et, Paul. Räsurne* de grammaire francaise [avec exercices],
a l'usage des e*coles secondaireB snperieures et progymnases. gr. 8°.
(IV, 116 S.) Bern, Schmid, Francke & Co. kart. 1,80 Mk.
Bauer, Joh. u. Link, Th. Französische Konversationsübungen für den
Schul- und Privatgebrauch. 2. T. 8°. (V, 148 S.) München, Olden-
bourg. 1,50 Mk.
Bechtel, Adf. Französisches Sprech- und Lesebuch. Für die ersten
zwei Jahrgänge. 3. Aufl. [Unveränd*. Abdr. der 2. verb. Aufl.]
gr. 8°. (XII, 148 8.) Wien, Manz. geb. 1,90 Mk.
— dasselbe. Mittelstufe. Für die III. u. IV. Klasse, gr. 8°. (XVI,
218 S.) Ebd. geb. 2,40 Mk.
Bierbaum, Jul. Sieben Aussprache -Tafeln zum Lehrbuch der französi-
schen Sprache nach der analytisch -direkten Methode. 2. Auflage.
Imp.-Fol. Leipzig, Rossberg. 3 Mk.
— Lehrbuch der französischen Sprache nach der analytisch -direkten
Methode für höhere Schulen. 1. T. Mit einem Liederanhang.
2., verb. Auflage, gr. 8°. (VI, 114 und 16 S.) Leipzig, Rossberg.
geb. 1,50 Mk.
Breymann, Herrn, u. Maller, Herrn. DD., Französisches Elementarbuch.
3., verb. u. bedeutend gekürzte Aufl. des Elementar-Übungsbuches
und der Elementar-Grammatik. Ausg. B. gr. 8°. (VI, 114 S. mit
2 Tafeln.) München, Oldenbourg. 1,80 Mk.
Ciala, Otto. Französische Schulgrammatik mit Übungsstücken. Obere
Stufe. 8. Aufl., von H. Bihler. gr. 8°. (VI, 177 S.) Leipzig,
Teubner. 1,60 Mk.
Connor, James. Französisch -deutsch -englisches Konversationsbüchlein
zum Gebrauch in Schulen und auf Reisen. 10., verb. Aufl. 12°.
(VIII, 277 S.) Heidelberg, C. Winter, geb. 2,80 Mk.
Deter, Chr. Joh. Französische Syntax für Sekunda. 4., verb. u. verm.
Auflage, gr. 8°. (IV, 175 S.) Berlin, W. Weber. 2,40 Mk.
\i>l'itrlti')iri-r;,!ifl)H.is.
bwic.himk'i. H'itfi. Di« Lehre vom französischen Verb. gr. 8". (15 8,
m. 2'Taf.) Prag, Dominiciia. 0,80 Mk.
ÄVAö der französischen CmgangK-prache von Prof. B. Foulchfi-Del-
boto. 3. Aufl. 2 Tle. 8°. Ebd. 1891. kart. 3,30 Mk. - Inhalt:
1. A«« der Kiiiderwelt. Mit einer vofUtitndigen deutschen Über-
setzung von Chr. Wilh. Dnmour. (99 S.) 1,20 Mk. - 2. Owworie«
EArisiennes. Mit einem vollst. Spezialwörterbuch von Christ. Wilh.
am ■. (191 S.) 3 Mk.
EUtmiiliirlmch der fraiiy.i'isimjln/ii Sprai.-hu. I. U. 3, Tl. gr. 8°. Stuttgart,
Metzler'a Verl. 2,40 Mk. — 1. für da« l. Sehiilj. [Alter von 3—9
Jahren.] 3., verbesserte Aufl. (IV, 74 S.) 0,80 Mk. — ;i. Kür d.i
8. Schuft. [Alter von 10— 11 Jahren.] 3. Aufl. (III, IU&) l ,t'.n Ml\
fi/cÄ: von If'ittiitg/iavsen , E. Friinzüsische Si-hulsrantiuatik. 5. Aufl.
gr. 8". (VIII, 266 8.) Wien, Holder. 2,13 Mk.
Ilnhn, Gust. Das französische Zeitwort in tabellarischer Übersicht.
4°. (IV, 77 S.) Leipzig, Teubner. kart. 1,20 Mk.
l/uss, B. Leitfaden zur Erlernung der französischen Sprache, bearh.
nach dem Prinzip der Anschauung. 6. Aufl. gr. 8". (VI, 29" B.)
Strasabnrg im Elsas« , Strasaburgur Druckerei & Verlagsanstalt,
kart. 1,50 Mk.
Jobtm (J.) Recueil de compositionft- francaises sur des sujets tires de
rhistoire moderne (deux cent cinquante texten suivis de quatre-
vingt-dix de"ve!oppements. In-B°. 333 p. Paris, Foucart.
h'ilhn, K. Kleine framii-isdie Sdiulgrauiniutik für die unteren und
mittleren Klassen der höhereu Schulen, gr. 8». (VIII, 1 U S.) Ebd.
geb. 1,30 Mk.
Larousse (P.) Cours lexicologique de style. Livre du maitre. Io-lJ*,
(XIII, 380 ]<■) Paris, H ollier- Larousse et C1'. 3 fr.
Le Gfiffic (i.) et E. Thieufiu. Nouveau Traitö de versification francaise,
ä l'usago des claases de l'enseignement classique etlel'enseiguemeut
special des lyee"es et de colegea. In-13°, 162 p. Paria, G. Masson.
Lehmann, J. u. Lehmann, Ernst. Lehr- und Lesebuch der französischen
Sprache nach der Anschuuungsraethode und mich einem ga.ni
neuen Plane in cedit; Stufen bearbeitet. 1. Stufe. 3 Tle. 15. Aufl.
gr. 8°. (XVI, 203 S. m. Abbildgn.) Mannheim, 1891. Rensheimer'!
Verlag.
Meurer, Karl. Kurzgefasste französische Wiederholung« -Grammatik.
Nebst einer Synonymik, einer Verslehre, einem Abriss der französ.
Literaturgeschichte und m. Anmerkungen v.Trielicn.'ii Musterstücken
zum Übersetaen aua dem Deutschen und dem Französischen,
besonderer Berücksichtigung der schriftlichen und mündlichen
Prüfungen. Für die oberen Klassen der Gymnasien, Realgymnasien,
Oberren 1s eh n Ich, Militilrsdiuleu und Lehrerinnen- Bil du ngsan stalten,
12«. (IV, 107 S.) Leipzig, H. Bredt. kart. I Mk.
Moser, L. Franaöaische Synonima. Progr. Herford, 1890. 28 S. R°.
(Fock, Leipzig.)
Musen, K. Das französische Verbum. 3. Aufl.. Wien, 1891. Loohner,
(VI, 27 S.)
Ptattiier, Ph. Französische Stilsehule. Ausgewählte Abschnitte aui
Schillert Gesell iclite des iIivism^jj lirigen Krieges , mit ausführlichen
Bemerkungen iür die Übertragungen in das Französische und einer
vergleichenden Zusammenstellung verschiedener Übersetzungen be-
arbeitet. 12«. (IV, 313 S.) Karlsruhe, 1891. J. Bielefeld'» Verlag,
geb. 2 Mk.
Statt- Kares. Kurzer Lehrgang der französischen Sprache. Sprachlehre,
Sorit,Uinr<r:<:ii-ltiti.<:.
i Mk.
— dasselbe. Übungsbuch. Verlaset von Gust. Pias tu. 1. Heft. [Ab-
schluBB der Formenlehre.] 2. Aofl, gr. 8«, (V1U, 108 S.) Ebd. 1 Mit.
Ital:. Kart. KurKgefassti- Hvst>'ijiiifij<-he iJriLiiimutik der französischen
Sprache, 4., verb. Aufi, gr. 8°. (VIII. 184 S.) Berlin, Herbig. 1,1(0 Mk.
— raethodiBchea Lese- und Übimgsl'iich /.in- F.vlernimg der französischen
Sprache. 1. Tl.: Absprache und Wortlehre. 4., verb. und durch
einen Anh. verm. Aufl. gr. 8°. (Sil, 232 S.) Ebd. 1,60 Mk.
— maonel de litte ruf iire francaise. s. i';J.. soitfneuBement revue. gr. B°.
(XLVIII, 784 S.) Ebd. 4,50 Mk.
— Syntax und Formenlehre der neiifranzö^ischen Sprache, auf Gruud
dea Lateinischen dargestellt. 6. Aufl. gr. 8°. (XII, -174 S.) Ebd.
2,85 Mk.
fkel:. Aar!, Elementar-' !r;i nun» tik l'T IV,h n/.^.-is'-h-'n Sprache. 17. Aufl.
gr. 8°. (VIII, 245 S.) Berlin, Herbig. 1,40 Mk.
Probst, Herrn. Praktisch*.- Vorschule der I'ran7.i"'si sehen Sprache. 9., verb.
Aufl. gr. 8°. (IV. 218 S.) Leipzig, K. Bssdeker. 1,25 Mk.
— Übungsbuch mm Uberaetzeu aus dem Deutschen ins Französische.
Mit MMHldOTOf f!ii Mi-ksichtignng der französischen Schnlgrauiniatik
von Dr. H. Knebel. 1. Tl. Für mittlere Gymnasial- und Real-
klassen. 9.. verb. Aufl. gr. 8°. (IV. 154 S.) Leipzig, K Basdeker.
l Mk.
Ricard, Aiiselme. Lehrbuch der h-anziisisi'lieii Spnu -Im für Bürgerschulen,
Howie zum Privatunterrichte. 2. T. 4., umgearb. Auflage, gr. 8°.
(II, 106 8.) Prag, Nengetmuer. 0,80 Mk.
Kicken, lleinr. Französisch];* Unehlich aus lli'rodot. Eine Anfanger-
lektüre für höhere Lehranstalten. 2. Aufl. 12°. (VII, 9ti S.) Biele-
feld. Vclhagcn & Klasing. kart. I Mk. Wörterbuch (17 S.) 0,20 Mk.
■kr», H'ilh. UnterhaltungstVagen im Anschluss an die französischen
Sprachstufl'e des 1. Teils des Elementarbuches. gr. 8*. (15 8.)
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ScJuefer. Cur!. Kleinere fnin/vsiftche Schulfrriimmatik für die Ober-
stufen, gr. 8«. (VIII, IRIS.) Berlin, Winckelmann & Söhne. 1,40 Mk.
Schmitz -Aurbach, 77<. r. Leitfaden der französisch en Sprache. Nach
der analytischen M. -fluide bearbeitet. V. Tl. gr. 8°. (IV, 108 S.)
Karlsruhe, J. Bielefelds Verl. geb. 1,50 Mk. (5 Tle. kplt.: 4,45 Mk.)
Schwiebellitiit, k\ Die für die Schul- wichtig»!! IVn nzösischen Synonyma.
Programm. Königsberg. 17 8. 4°.
Segonä (L. A.) Conrs dlömentaire de lacture et de prononciatiou.
Methode physiologio,ue. Livre du maitre. 72 p. in-8°. Paris, Belin.
Ulbrich, 0. Elemeutarbuch der französischen Sprache für höhere Lehr-
anstalten. 4. Aufl. gr. 8°. (VIII. 209 S.) Berlin, Gssrtuer. 1.60 Mk.
— Schtilgrauiniatik der IVan/üsi scheu Sprüche für höhere Lehranstalten.
2., verb. Aufl. gr. 8°. (IV, 220 S.) Ebd. 2 Mk.
— Übungsbuch mm überwtaen ans dem Dentechen in das Französische
für die mittleren und oberen Klassen höherer Lehranstalt'1?!.
2. Aufl. gr. 8°. (VI, 179 S.) Berlin, Gmrtner. geb. 1,80 Mk.
I Ulbrich, IV, Praktische Vorbereitung für das französisch« Komptoir,
zum Seibatunterrichte, sowie für Handelsschulen und Koiuptoirs
von Kaufleuten und Gewerbetreibenden. 4., verbesserte Auflage.
Halle (Saale), G. Scbwetschke'Bcher Verlag. (XVI, 180 S.)
Waithtr, Erwin. Repetitorium der fratuöai scheu Grammatik. 12°.
(VI, 7S S.) Ansbach, 1891. Eicbiager. gab. 1,90 Mk.
Ricken
le
KU
WeilzenMck G. Texte in Lautschrift für den französischen Anfangs-
unterricht. Progr. Grau, M S. 8°.
Wolter, Faiij. Lehr- und Lesebuch der fruriy.ririisi'rien Sprache. 1. Tl.
3., durchgesehene Aufl. gr. 8U. (VH[, 246 S.) Berlin, Gsertner.
1,70 Mk.
Morf, Hcinr. Das Studium der rininiriin.hcn Philologie. Eine akadeni.
Antrittsrede, gr. 8» (18 S.) Zürich, Orell, Füssli & Co., Verl. i,r,n MW.
Tob/er, A. Die romauiHc.hc! Philologie an deutschon Universitäten.
Rede bei Übernahme des Rektoriita gehalten in der Aula der Kgl.
fetodriok-Wükehns - Universität zu Berlin. Berlin 1890. 30 S. 4°.
Aymonicr, E, La langue fran^aiae et l'cnBeignement en Indo-Chine.
Paris, Colin. 12°. 60 c.
liachäteau . U. Der französische Unterricht nach Dr. Q. Steinhart'«
Elementarbuch. ( Schlug«.) Progr. Magdeburg. 32 S. 4°.
Feiler, Joh. Französischer Reform-Unterricht. (3. Schuljahr.) 8°. (S. IG
bis 23.) Wien, Bermann & Altmann. O,20 Mk.
— Ein Versuch mit der analytischen Lehrmethode beim Unterricht in
der französischen Sprache. 2. Ausgabe, gr. 8°. (16 S.) Wien,
Bermann & Altmann. 0,35 Mk.
Franke, F. Die praktische S(>i.irliii Icrmmg auf Grund der Psychologie
und der Physiolngiu der Sprache dargestellt. 2., verbesserte Auf-
lage. Bearbeitet von 0. Jespersan, (V, 36 S.) 8°. 0,60 Mk.
Guerin. La Questiou du latin et la lifforme profunde de l'enseignement
secondaire. In-18° Jesus, Vlll-328 p. Paris, librairie Cerf. 3,50 fr.
Gttex. i. Des recherehes plioiieliipu.'s et de leur appliciition ix l'enseig-
nument des langues Vivantes. Programm. Zürich. 48 S. 8°.
Gutersokn, Jul. Zur Methodik des fremdsprachlichen Unterricht.-. Vor-
trag, geh. am IV. Neuphilologen-Tag tu Stuttgart, Pfingsten 1890.
gr. 8°. (29 S.) Karlsruhe, Braun. 0,60 Mk. Mit dem 1888 geh.
Vortrag in 1 Heft 0,80 Mk.
Scharfer, Carl. Der formale Bildungswert des Französischen. Vortrag,
geh. auf der 40. Philologen-Versammlung zu Görlitz. [Aus: „Ver-
handlungen der 40. Versammlung deutscher Philologen und Schul-
männer zu Görlitz".] gr. 4°. (12 S.) Braunschweig, Salle. 0.80 Mk.
Stick/er, Ernst 0. Zur Methodik des neusprachlichen Unterrichts. Zu-
gleich eine Einführung in das Studium unserer Reformsehriften.
Nebst l.'illl'jij JU-ilÜlirlilh.'U l,l:lel|i-|IVeiv.eH lllL].-.-C. gr. H". [VI, ÜH S.'i
Marburg i. H,, 1891. Elwert's Verl. 1,20 Mk.
— Streifzüge mif dem Gebiete der ueusprachlichen Reformbewegung.
gr. 8°. (72 S.) Ebd. 1,40 Mk.
Ammann, D. D. Das Verhältnis von Stricker's Karl zum Rolandalied
des Pfaffen Konrud mit Berücksichtigung der Chanson de Roland.
Progr.- Kru man. 18 S. 8°.
Asse, E. L'Acade'mie francaise depuis Louis X11I. jus<[u'ä nos jours.
1 vol. ln-8°, de 256 pagew, orne" de 61 gravures sur bois. Parii,
Firmin Didot et C1'. 2 fr*.
Becker, J, Die Entwicklung der Dienerrolle bei Molie.ro. Progr. Struas-
bürg. 17 S. 4°. (G. Fock, Leipzig.)
Pmthai/c, Essai d'dtude critique sur Alfred de Musset. Pari«, Lnhbi:
IV, 13 p: et portrait d'Alfred de Musset.
Sewüttenterztkkmis. 329
Brünettere, L'e>olution des genres dans Fhistoire de U litteratore.
Lecons ä l'ecole normale sapeVieure. l.TL Pari«. Hachette et O.
XIV, 283 p. In- 18°. 3.50 Fr*.
Burkharde A. Cber den Lothringer Reimpsalter. Diss. Halle 1890.
58 S. 8°.
Cloetta, IVüh. Beitrage nr Litteratargeschichte de» Mittelalters and
der Renai««ance. L Komödie and Tragödie im Mittelalter, gr. 8°.
(XI. 167 S.» Halle a. 5.. Siemeyer. 4 Mk.
Daämier. H. A propos de* Preeieoses ridicnle*. Jacqueline. S*int-Ld.
2* p. 12°.
Des Oranges, C. M. Bossuet. Sermon sar Tambirion. Etüde critioue,
litteraire et morale. ln-8*. 27 p. Pari«. Cro rille. Morand. [Ex-
trait de Tlnstraction publiqae.]
Dejob (C). Madame de Sta£l et Htalie. avec ane bibliographie de Fin-
fluence francaüe en Italie de 179$ a 1814. In 18-Je>us. 271 p. Pari».
Colin et O.
Esser t, 0. B jeve* de Con.marchi*. chan*on de geste par Adenes le
Roi. Progr. der L^benicht'schen höheren Bürgerschale za Königs-
berg in Pr. 1*90.
Fricdwagner, M. Goethe als Corneüle-Cbersetzer. Progr. Währing 1890.
40 S. 8°. i Leipzig. Fock.i
J. de Goeje. La legende de ?aint Brandan. Leiden. BrilL 36 S. 8°.
fS.-A. an« den Acte* da 8* Congre« des Orientalistes.)
Golther, W. Chrestiens conte del graal in «einem Verhältnis znm waischen
Peredur nr.d zim englischen Sir PerceraL [Aas den Sitzungs-
berichten de? philo*. -phiL and hi§t. Cla*se der k. barer. Akad. der
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d'apre* *e« corre*pond*nce* et le« rapports de j»olice dn temps.
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ment et de »on uillet d'enterrement. pabli£s par le ricomte de
Grouchy. In-8*. 17 p. Pari«, impr. Daapeley-Gonrerneur.
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Gedrat aine\
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JaCßbs, C. Zur Kritik und Sprache de« auf der Stadtbibliothek zu Bor-
deaux befindlichen Fragment* des Roman de Troie ron Benolt de
St.-More *M*c. No. «74 1. Pr. Hamburg. 18 S. 4°.
Klmeksieck, Fr. Zar Entwicklungsgeschichte de* Realismus im franx^-
si sehen Roman de« XIX. Jahrhundert*. Ein lirterarhistorischer
Versuch. ^ *°- ,v- ** §•> Marbur* i. H. 1891. Elwert's Verlag.
1.20 Mk.
Kutscher, J. Die Heldengestalten bei Racine. Progr. Teplitz 1890.
64 S- 8°. «Fock. Leipzig.»
Le Breton, Andre. Le Roman au dix-septieme siecle. In- 12°. Paris.
Hachette. 3.5* Fr*.
Leon- Petit. Le« M^decin* de Moliere. Conference faite au palais des
5cci<£te"» sarante«. le 9. arril 1890. In->t. 47 pages. Paris.
impr. Quantin.
Lerer tin, 0. Stadien zur Geschichte der Farce und Farceurs in Frank-
330 Novitdtenverzeichnis.
reich seit der Renaissance bis auf Meliere, Mit Genehmigung de*
Autor« aun dem Schwedischen ius Deutsche übertrügen v. Jom
Frank. Greifswald, 1890, J. Abel. 172 S.
Laubier, J. Das Ideul der niiiriiili.lun Si liöiilicit bei den ult französischen
Dichtern des XII und XIII. Jahrhunderts. Dissertation. Halle.
14! S. 8°.
Lugr.n. Erneut, resume de tTli i-.f ■ hit-.j iL- Im lit.tt'nihire fnirirjuise iiu XIX
siede, gr. 8°. (IV, 138 S.) Baacl, Schwabe. 2 Mk. geb. 2,25 Mk.
Mager, Ailf. Geschichte der fian/i'isi'.elieii I.itteratnr von ihren Anfängen
bis zur Gegenwart. Ein Hilf- buch für Bolivien und zum Privat-
gebruueh. gr. 8«. (VII, 199 S.) Wien, Graeser. 1,80 Mk.
— Androniiiqiiu daus !a littörature franc^ise. Programm. Mnrbnrg.
20 S. «o. (Leipzig, Fock.)
Mix.G. Zur Geschichte der GWrtriiy.'idien. Progr. Fried eberg. 16 S. 8°.
Otto, R. Jean de Mairet. Silvanire. Mit Einleitung und Anmerkungen
herausgegeben. Bamberg, C. C, Bii<;hner'sehe Verlagsbuchhandlung.
CI1, 158 S.
Riblit ((.'. de). Une grande dame dann non manage au temps de Loiiin
XIV, d'apres le Journal de la conitesse de Rochefort (IG89) 2* ödition,
revue, corrigee et augnientöe. !n-18 je"su9, 400 p. Paris, Palme.
Rose, ff. Über das Verhältnis der Schrift de» Helvetius: De l'esprit
z. La Rochefoucauld'* Maxiroea. Programm. Lahr.
Schiller, F. Das GrÜBaen im AltfraniÖBischen. Dias. Halle. S7
Sorei, J. Madame de Stael. Paris, Hachette. 1,60 Mk.
Ungemach, IL Die Quellen des ersten Chester Play. Leipzig, 1890,
VIII-S9 S. 8".
VortUsch, C, Der Reinhardt Fuchs Heinrichs des Gliehezare und der
Roman de Renart. 1. DiflB. Halle a. S., 1880. [Die vollständige
Abhandlung wird im XV. Bande von Grober1* Zschr. f. d. Ph. er-
scheinen.]
Wagner, ff. Reniy Bellau und seine Werke Diss. Leipzig. 36 S.
tt'aivruch. Etüde sur le theätre de Racine (Fin). Progr. Mähr, -Ost ran.
1890. 42 S. 8°. (Leipzig, Fock.)
Weher, E. Les Manifeste,* littt'ruirw de Victor Hugo. (Sonderabi
aus der FeatBohrift zur Feier des SOOj&hr. Bestehens de» königlii
französischen Gymnasiums.) Berlin, 1890.
Weazel, R. Die Fassungen der Sage von Florence de Rome. Mar-
burger Dissertation. 6! S. 8°.
Weylie, E. BoilriLii's S.itir.u m freier Nachbildung. Mit einer
von Julius Wolff als Vorwort. Leipzig, 1890. VIII, 92 S
Worp, J.-J. Lettres du Seigneur de Zuylichem a Pierre Corneille,
Paris u. Groningen. 1890. 35 S. 8*.
Beiträge, Erlanger, zur englisehon Philologie. Hrsg. v. Herrn.
bagen. VII. Heft, gr. 8". Leipzig, Uelchert Nachf. 6 Mk. (I-Vll
17,40 Mk.) — Inhalt: Die Gesta Romanorum. Xaeh der Inn«-
brucker Handschrift vom J. 1342 und vier Müncheuer Handschriften
hrsg. v. Wilh. Dick. (XXIV, -27:t S.)
ßibiiotheca noruiaitnica. Denkmäler normaun. Litteratur n. Sprache,
hrsg. v. Herrn. Suchier. V. gr. 8°. Halle a. S., Niemever. ß Mk.
(I— 111, u. V.: 24,50 Mk.) — Inhalt: La clef d'aroors, teite critique
avec introdiictinn, imiieudice et glo?*am- par Aug. D outrepocit,
(XLVI1I. 109 S.)
Novitätetwerzeiekuv. 331
ossiltt. Om-isons funebres de Boasuet. Edition classique, acconipagne'e
de notes et remarques litte'raireB, philologiqnes et historiquee, et
pröceMee d'une notic.e bii.iyra.fthi'iue par Pascal Allain. XII, 240 p.
12°. Paris, llelalain freres.
' 'htih-tttihritind. F. A. de. Atala — Etene'. Mit gnnmtt., geograph. u. ge-
schieht!. Anmerkungen, nebst eiuera vollstlnd. Wörterbuche. Zum
Schul- ii. Prmtgebmaohe hrsgeg. v. L. C. Schnabel. Neue Ster.-
Ausg. 8Ü. (188 S.) Leipzig, Renger. 1 Hk.
ristian v. Trwjcs »amtlich« erhaltene Werke. Nach allen bekannten
Handschriften hrsgeg. v. Wendelin Fcerster. 3. Bd. Erec u. Etüde,
gr. 8°. (340 S.) Halle, Niemeyer. 10 Mk.; Ausgabe auf Bütten-
papier 1 Mk.; (I— HL; 29 Mk.; Ausg. auf Büttenpap. 15 Mk.)
l'hrestien. H, Waitz, Die Fortsetzung«) von Chrestiena Perce«al le
Oalloif nach den Pariser Handschriften. xStrassburg 1890. 88 S. 8°.
bescham/ts [K.J. (Euvrus eouiplete» il'HuHtiicho I leschamps. VI. hi-8".
X, 328 p. Paris, Firmin Didot et C". (Publication de la Societe"
des anciens texten frangais.)
ttf, D., le neveu de Kanieau. Nouvelle Öd. 12". (IfiS 8.) Berlin,
Neufeld & Heuius. 1,30 Hk.
Fcneloji, les aveutnres da TeltSuinque 111k d'Ulvsse. Enric.hies d'un vo-
cabulaire ä l'usage den ecoles l'ar Charleö S cliie blo r. Neue Ster-
Ausg. 8°, (VI, S08 u. 34 8.) Leipzig, Kenger. 1,50 Mk.
— Leu aventures de Telemaque, suivies des Aventnres d'AriBtonoüs.
Edition revue sur Im meUlrän textda M aiTunipagnee de uotes ge"o-
«raphiques, In-18. XVI, 36« p. Paris, Hachette et C*. 1,25 Frc.
, Fahles de Florian. Choisies par E. Du Chatenot, Petit in-12°.
108 p. avec grav. Liniogea.
?oucon de Candic, — M. Wilraotte, Un fragment de F. de C. Bruielles,
impr. Hayez, 1890. 31 S. 8°. (Ans: Bulletins de PAcade'inie royale
de Belgique.)
ulier d'Arras. ~- F.. Löseth, Oeuvres de Gautier d'Arras. T. 1. Eracle.
Paris, E. Bouillon. 8 Freu.
go (F.) Oeuvres inedites de Victor Hugo. Eu vovage. Alpe» et
Pyre"ne"us. 350 p, In-8°. Hetzel und Quentiu. 7,50 Frc«.
- Oeuvres ["".oliquei- de Victor Hugo. Les Chansons de ruea et des
boia. lu-32°, 445 p. Paria, Cbarpentier et C". 4 Frc«.
- Oeuvres completes de Victor Hugo, fidition definitive, d'apres les
niannscrits originaux. Roman. San d'lslande. In. IS Jesus, 412 p,
Pari». 0,uentin. Hetzel et C". 2 Fr.
— Oeuvres eotnpletea. Edition definitive, d'apres lea uianusorits ori-
ginaux. Actes et Parolen. Pendant l'exil 1 (1853). In-18 jfiaua.
236 p. Paria. Lihrairie Hatiel et C". 2 Frca,
- Oeuvrea completes de Victor Hugo. Edition nationale. Roman.
(Les MistSrables.) T. 5. Fascicule 5. Petit in 4°. Pari«, impr.
Chamerot; Testard.
- Oeuvres completes. Edition nationale. Roman (Notre-Dame de
Paria). T. 2, fasc. 5. (Fin.) Pet. in-*», p. 345 ä 431. Paris, Testard.
Ineentaires des chartes des comtea de Naiunr anciennement de'pose'ea
au chäteau de cette villo, par Charles Piot. Bnixelles, Hayez.
II-X1II-520 p. t°. [Inventaires dee archives de la Belgique, publica
par ordre du gou verneinen t.]
JaiHvitte. lliatoire de »aint Louia. Texte original ramene" a l'ortbo-
graphe des chartes, pre'ce'de' de notions sur la langue et la gram-
Hin de Joinvllle, et suivie d'un glosaaire par Nutalis de Waillj.
Nouvelle Cd. Petit in-16». XLH, 340 p. Paris, Hachette et C". 2 Frs.
St)rit<ltriirt-r:rirhins.
Maiire, Xariir de, la jeuue Sibe"rienne. Zum Schul- und Privatgebraueb
bragcg. v, J. Bauer und Tb. Link. Mit queationnaire u, Kari>.
gr. 8". (V, 126 8.) Manchen, Lindauer. 1,20 Mk.
— Oeuvren r-heisies. Illusti-et"* de n vign. d'npres les densins d'Emile
Bayard. JJouvelle Edition. Haehette et C". 2.25 Frei.
Man/ms de Rotne. — Alton, J., Le Roman de Marques de Roma.
Tübingen, Liter. Verein. C, 182 S. 8«.
M'itiirt'. I.c Misanthrope, eome'die. Edition publice conforuiement
texte des Grand« Ecrivaina de la France, avec une notice, i
analyae et dea notea ph.ilolociijin.-f et litWraires par R. Luvigne.
Pet. in-16», 174 p. Paris. Haehette et C". 1 Fr.
— Chef« d'ceuvres de Moliere. 2 vol. ln-16«, Paris, Haehette et C\
2,50 Frea.
— mit deutschem Kommentar, Einleitgn. n. Exkursen hrsg.
Prof. Dr. Adf. Luun, fortgesetzt v. Rekt. Dr. Wilh. Knörich. II.
gr. 8°. Leipzig, Leiner. — Inhalt: Lea pröcieuses ridicules.
feinmea navantea. 2. verb. u. verm. Aufl., neu bearb v. '
' (LX, 176 S.)
Müsset, Alfred de. Frödfrie et Bernerette Margot. Nüuvelle öd. 11,
(175 S.) Berlin, Neufeld & Hemna. 1,20 Mk,
A'apoh-mt 1. — Hartmann, K. A. Martin, Die niilitariaeben Prokla-
mationen und A)i.-}.i',i'}iiii \,i|nilciina I. 1796 — 1815. Chronob"<cl"li
geordnet u. hrsgeg. gr. 8°. I VII, 81 S.) Üppeln, Franck. 2 Mk.
1','iihn, Ch.. lüstoire d'Alexumlre le Grand. Erklärt v. Osw. Collmann.
2. Aufl. gr. 8". (167 S.) Berlin, Weidmann. 1.5(1 Mk.
Ronsard (P, de). Oeuvres de P. de Ronsard, gentilhomuie vandonioi
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T. 3. In-8». ?>57 p. Paris, Lemerre.
Saint- Pierre (R. de), Paul et Verginie. In-18-jesua, 175 pages. Pari».
Haehette et O. 1,28 trat.
Saint-tümon. Mfi'moires de Saint-Simon. Nouvelle Edition, collationm'-v
sur le manuflerit autographe , snivie d'un lexiqne des lnots et
locntiona remarquables. T. 7. In-8». 693 p. Paris, Haehette et O.
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d. J. 1812. Bach 11: Der Übergang über die Beremna. Wort-
getreu nach H, R. Mecklenburgs Grundsätzen ana dem Franz. (Ibers.
v. B. W. 2. Hft. 83». (S. 65—128.) Borlin. II. Et. Mecklenburg.
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— Le man de Madame de Solange. Le Chirurgien de marine. Nou-
velle e"d. 12". (147 8.) Berlin, Neufeld & Hem'us. 1,20 Mk.
Voltaire. Oeuvres i'ompletcs de Voltaire. T. 41. In lS-jÖeus. 439 pnges.
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nnd Verlagsanstalt. 1 Mk. Inhalt: Alfr. de Mnsoet, Margot. —
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inn.
ioii.
mx.
I
Inhalt; Fleurs de charaps. Nouvelles pour des jeunes Alles choisies
' par Mlle. Motu de Metzsch. 3. Aufl. (!44 u. Wörterbuch 50 S.)
Bnrel, Eugene. Choix de leeture» francaises s. l'usage des ecoles
publique* .et de Instruction privee. I. partie. 6. e"d. 8U. (VIII,
160 S.) Stuttgart, Neff. geb. 1,10 Mk.
Vuumotit. Lecture« conrantes des ficoliers francais. S60 p. Iu-80. Paris,
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Alex. Dumas. Ans dem Französischen von H. Lewaodowska. (147 S.)
Kaiser, Karl. Französisches Lesebuch iu 3 Stufen für höhere Lehr-
anstalten. 1. Tl. Unter-Stufe. 8. Auflage, gr. 8°. (XVI, m S.)
Leipzig, Erhard Schultz' Erben. 1,60 Mk.
Kühn, Karl. Französisches Lesebuch. Unterstufe. 3. Auflage, gr. 8°.
(XX, 209 S.) Bielefeld, Velhagen & Klasing. 1,60 Mk., geb. 1,90 Mk.
Mctirer, Karl. Frarizösis.jbes Lesebuch für Gymnasien, Realgymnasien
und ähnliche Schulen. 2 Tle. gr. 8n. Leipzig, Keisland. geb. 4,40 Mk.
— 1. Für <Juarta, Unter- und Obertertia. Mit einem Wörterbuch.
3. Aufl. (XII, 204 S.) 1,60 Mk. - 2. Für Sekunda u. Prima. Mit
biographiwh-litteratui-gesthichtlichen Einleitungen und einem An-
hang: Coup d'oeil sur In. littthatuie franoaise dejuiis le siede de
Louis XIV. 2„ verb. Aufl. (XVI, 384 S.) 2,80 Mk.
I nisiiteurs francais. Ausg. A. mit Anmerkungen unter dem Text, Aus-
gabe B. Text und Anmerkungen getrennt. 2., 29., 32.. 71., 76 — 79.
Lieferune. 12°. IlieUI'-.ld. Vrlbugüti & Klasing. kart. 7,75 Mk.
— Inhalt: 2. Histoire de Charles XII par Voltaire. In 2 Tln.
Mit Anmerkungen zum Schulgebrauch hrsgg. v. Dir. Prof. Dr. Otto
Ritter. 1, Tl. Ausg. B. (169 li. 47 S. mit 1 Karte.) 0,90 Mk. — 29.
Histoire de Sindbad le Marin. (1001 nuite. Contes arabes.l Par
Autoine Galland. Mit Anmerkungen tum Schulgebrauch bcarb.
v. Dir. E. Schmid. (76 S.J 0,50 Mk. — 32. Histoire de la revolution
francMne depuis 1789 jusqu'en 1814 par Mignet. In 2 Tln. In
Auszügen zum Schulgebrauch hrsgg. v. Lehr. A. Seedorf. 2. Tl.
Ausg. B. (380 u. 134 S.) 1,80 Mk. — 71. Cervantes. Don Qui-
chotte de In Manche. Traduit par Florian. Im Auszüge mit An-
merkungen zum Schulgebrauch hrsgg. v. Oberlehrer Dr. J. Wych-
frani. Ausg. B. (140 u. 26 S.) 1888. 0,90 Mk. - 76. Histoire
e France par Vict. Duruy. 1. Bdchn. [bis zum Jahre 1431]. In
Auszügen mit Aumerkuugen zum Schulgebrauch hrsgg. v. Ober-
lehrer Dr. Emil Grube. Ausg. A. (VI, 134 S.) 0,75 Mk. Ausg. B.
(VI, 108 u. 37 S.) 0,75 Mk. — 77. Lettres persane* par Montes-
quieu, Im Auszuge mit Anmerkungen zum Schulgebrauch hrsgg.
v. Gymn.-Oberl. Otto Jmmpeit. (VIII, 119 S.) 0,75 Mk. — 78. Therme,
ou la petite soeur de charite" pur A.-E. de Saintes. Im Auszüge
mit Anmerkungen zum Schulgebrauch hrsgg. v. Lehrer B. Klatt.
(IV, 103 S.) 0,50 Mk. — 79. Expedition d'Egypte par Thieri. Im
Auszüge au«: Histoire de la rdvolution u. aus: Histoire du consulut
fie viUlte n Verzeichnis .
i Sehrtlgebrauch hrsgg. von
(IX, 157 S. m. 2 Karten.)
et de l'empire. Mit Anmerkungen
Oberlehrer Dr. Emil Grube. Ausg.
0,90 ML.
— dasselbe. Wörterblicher zur 75—78. Lfg. 12°. Ebd. 1 Mit. — 75.
76. (86 u. 67 S) i 0,30 Mio — 77. 78. (44 U. 42 S.) 4 0,20 Mk.
Hahn, Hans. Lesebuch für den französischen Unterricht auf der un-
teren und mittleren Stufe höherer Lehranstalten zur Einführung
in Land, Art und Geschichte des französischen Volkes. Ausgabe
für Mädchenschulen. Mit einem Anhang, welcher enthält: 1) einen
kurzen Abriss der französischen Metrik, 2) eine Lebensxkizte der
Dichter La Fontaine und Bäranger, 3) eine freie metrische
Übertragung der Gedichte des III. Abschnitts, 4) eine Ansicht von
Paria, nebst Plan der Stadt und Umgebung, 5) eine Kurte von
Frankreich, gr. 8°. (XI, 362 S.) Leipzig, Reisiund. 2,40 Mk.,
geb. 2,70 Mk.
Sammlung geschieht lieber l>uel!enM'hril'ten zur ri''ii~|'i ucliliehen Lektüre
• im höheren Unterricht Unter fachgenüss. Mitwirkung hrsgg. von
Überlehrer Dr. Frdr. Perle. VI. u. VII. Band. 8<>. Halle a. S.,
1891. Niemeyer, geb. 1,50 Mk. — Inhalt: VI. Mömoires du
Marquis de Ferneres sur la rcvolut.iou fiMiit/nise et sur l'assemblöe
Constituante. (Livre X. [Juni bis Oktober 1791]). Mit einem Plane
von Paris vom Jahre 1793. Hrsgg. u. erklärt von Oberlehrer Dr.
Frdr. Perle. (VI, 108 S.) — VII. MSmoires et souveairs du Comte
de Lavallette (Vol. I, Chap. X— XII). Hrsgg. und erklärt von
Prof. Dr. Jos. Vict. Sarrazin. (XIII, 114 S.>
Saure, Hemr. Auswahl französischer Gedichte fftl Si.hule und Hans.
2. Aufl. gr. 8«. (VI11, 143 S.) Berlin, Herbig. I,M Mk.
Schitibibliiitltek. friiir/.i'si.jelie u. englische, hr?gg. von Otto E. A. Dick'
mann. Serie A. Prosa. 18. u. 42. Bd. gr. 8°. Leipzig, ltenger.
geb. 7,90 Mk. —Inhalt; IN. Ciiptivitc, proees, mort de Louis XVI
et de sn i'amille [Ana: „Uiatoire dus liiiondin*"] v. A. de Lamar-
tine. Mit 2 Plänen und 1 Abbildg. Für den Sehulgebrauch er-
klärt v. Beruh. Lengnick. 2, venn. und verb. Aufl. (Kill, 119 S.t
1,30 Mk. — 42. Histoire de la döcouverte de l'Amörinue ». Larae-
Fleury. Für den Sehulgebrauch erklärt v. Max Schmidt. 2.. »erb.
Auflage. (VIII, 113 6.) 1,20 Mk.
Schulleklüre , französische u. englische. Hrsgg. v. Real gymn. -Direktor
T. K. Sehwalbach. No. 3 und 4. 8°. Hamburg, 0. Weissner's
Verlag, ä 0,80 Mk. — Inhalt: 3. Athalie. Tragödie tiröe de
l'Ecriture Sainte 1691. Par .1. Raciue. Hrsgg. v. Oberlehr. Dr.
Herrn. Holfeld. UV, 70 S.) — 4. Histoire de la ravolution francaise
depuis 1789 juarm'en 1814. Par Mignet Hrsgg. v. Realgymn.-
Oberlehr. G. Tiede. l. Tl. (IV, no S.)
Theätre franfais. Mit Anmerkungen und Wörterverzeichnissen. So. 1.
18. 19. 32. 39. 16. 14. 25 et 58. 16. Berlin. 1891. Friedberg b Mode.
ä 0,30 Mk., kart. ä 0,40 Mk. — Inhalt: 1. Le veno d'eau ou les
efl'ets et les cauaes. Comödie en 5 actes et en prose par Scribe.
23. «Sri. (110 p.) — 14. Mu d e m oi solle de la Seigliere. Comödie en
4 actes par Jules Sandeau. 11. öd. (125 p.) — 25. Le Cid. Tra-
gödie en 5 actes et en vers par P. Corneille. 12. öd. (99 p.)
— 68. Le gendre de M. Poirier. Comödie en 5 actes par K. Augier
et J. Sandeau.. 6. öd. (95 p.> — 18. La diploiuatie. Comödie
vaudeville en 2 acte» par Scribe et Delavigne. 5. öd. (6fl p.)
— 19. Les doigts de föe. Comödie en 5 actes par Scribe et L>
gouve*. 10. öd. (136 p.) — 32. La berline de l'ömigrö.
Drame en
Novitätenverzeichnis. 335
5 actes par Me'lesville et Hestienne. 3. 6d. (187 p.) — 39. Le
bourgeois gentilhomme. Comädie-ballet en 5 actee par Moliere.
9. 6d. (116 p.)
V&tkel, Paul. Premieres lectures. Erstes französisches Lesebuch, gr. 8°.
(VIII, 198 S.) Heidelberg, 1891. C. Winter, geb. 1,80 Mk.
WiUm, J. Premieres lectures francaises pour les e'coles primaires, avec
un vocabulaire francais-allemand. 74. et 75. 6*d. 12°. (VI, 204 p.)
Strasburg, 1889 u. 1890. Strassburger Druckerei u. Verlagsanstalt.
kart. 0,80 Mk.
Wingeruth, Hub. ff. Cboix de lectures francaises ä l'usage des äeoles
secondaires. 2. partie: Classes moyennes. 4. 6d. revue et corrigöe.
gr. 8°. (XII, 399 p.) Köln, Du Mont-Schauberg. 3 Mk.
— Petit vocabulaire francais d'apres la me'thode intuitive. 3. äd., revue
et corneae. 8°. (IV, 47 p.) Ebd. kart. 0,50 Mk.
— Cboix de lectures francaises a l'usage des £coles secondaires. 1. partie:
Classes infärieures. Acconipagne'e d'un vocabulaire. 6. e*d., revue
et augmentge. gr. 8°. (XIII, 253 p.) Köln, Du Mont-Schauberg.
2 Mk. =====
Blade (J. F.) Deux contes populaires de la Gascogne. (12 p.) 8°.
Agen, V. Lamy.
Chenu (F.) Au pays de Tarentaise. Contes et Chroniques. 319 p.
In- 18°. Moutiers, imp. Garnet. 3 fr.
Leroux (D.) Histoires et Legendes poitevines. 108 p. In-8°. Poitiers.
Loubens, J). Les Proverbes et Locutions de la langue francaise, leurs
origines et leur concordance avec les proverbes et locutions des
autres nations. (XVII- 304 p.) In-8°. Paris, Delagrave.
Meyrac, A. Traditions, Contumes Legendes et Contes des Ardennes,
comparäs avec les traditions, legendes et contes de divers pays.
PreTace par M. P. Se'billot. Frontispice par Alphonse Colle. Gr.
in -8°. X, 594 p. Paris, Lechevalice. 10 Frs.
Rolland (E). Recueil de chansons populaires. T. 6. In -8°. 87 p.
Paris, librairie des Variätäs bibliographiques.
Blanc-la-Goutte. Grenöblo herou, e'pitre en vers patois sur les rejouis-
sances pour la naissancc de Monseigneur le dauphin (1729). Notes
et recherches sur Tage et les ceuvrea de l'auteur par A. Ravanat.
48 p. In-8°. Grenoble, Allier.
Clausel (B. de). Tus! pouesia lengadouciana; par B. de Cl., fölibre de
l'oulieu. 7 p. In-8°. Montpellier, Hanielin freres.
Conscrits (les) de 89, chanson nouvelle en patois de Lille; par J. D.
In-4° ä 2 col., 1 p. Lille, impr. Hilmot-Courtecuisse.
Curat (lou) de Minerbo, noubelo lengodouciano. 32 p. 8°. Narbonne,
impr. Caillard. 1 Fr.
Eloge du patois; par un poete toulousain du XVIII9 siecle (Pere Napian,
1781). 12 p. In-8°. Foix, Gadrat aiue\
Faust (premier acte). Traduction languedocienne par M. L. 6. S. In-8°,
8 pages. Narbonne.
Galy, Paul. Poäsies francaises et en patois pdrigourdin de L£once Sau-
veroche. P6rigueux, imprimerie Bonnet, 1890, 51 p. In-8°.
Leleuy (J. B.). Les Bons Manage 8, chanson en patois. In-fol. a 2 col.,
1 page. Lille, imp. Willich-Petit.
ff. AI. Lou VI9 Centenari de la foundation de 1' Universität de Mount-
Pelie". 4 p. In-8°. Montpellier, impr. Grollier pere.
336 mzelk.
Mistral, F. La Reine Jeanne, tragt" die proven$ale 'en cinq nctes et en
vera, avcc la truduction frangaise. Petit in-8°, XXII-319 p. Paris,
Lemerre, 6 Fr.
Pfrott. Oeuvres choisies de Piron. Avec une analvae de son theätre
et de« notea, präce'de'es d'nne ootioe par M. Sainte-Beuve. ln-18°-
jeRUg, 688 p. Paris, Garnier freies.
Religion (la), du puvsun, en patoifl de Belley. In-S", 1 p. Belley. Sausei.
Saiwcroche (L.). Po^sies francaises et en patois pörigourdin. Extrait,
avec prdface par M. Paul Galy. In-8°, 49 p. Pexigiieux.
Angereau, A. Andrö Che"nier, Episode dramatique en im acte, en vera.
In- 18°- Jesus, 39 pages. Bloiu.
Breton» (lex) 4, Jeanne d'Arc (poemes). In-16°, SO p. Renne», Cailliere.
Bermond (A. J). Lee Provencales, poesies. 198 S., 8°. Cannes.
Fabre (J.J. Jeanne d'Arc, drame hiatorique en cinq actes, avec prologue.
In-18°-jäsu8, 300 p. Paria, Dentu. 2 Fr.
Hevrtipes, Arthur de Bretagne, drame historique en 5 actea et T tableaui,
infile" de chanta. Lille-Bruges. Social Saint- Auguatin, Descl^e,
De Brouwer et 0*. 1*5 p., 16°.
Miszelle.
Alllance Scientifique Universelle.
Die Ober alle Erdteile verbreitete AUiance Scientifique Vnh-erteUe
bat vor kurzem die. Abstimmung behufs Neuwahl des Prä aide nteii und
Vice-PriUidenten eröffnet, welche wahrend der nächsten fünf Jahre die
Leitung der Geschäfte zu übernehmen haben.
Die unter obigem Namen bestehende Gesellschaft besitzt an mehr
als 400 Orten Delegationen, gewiss ermassen wissenschaftliche- Konsulate,
und bezweckt, reisenden Gelehrten, Litteraten oder Künstlern bei ihrer
Ankunft in irgendwelcher Stadt alle etwa nötigen Aufschlüsse zu ver-
schaffen, sowie den Verkehr derselben mit den hervorragendsten Rerufs-
genossen des Ortes sofort anzubahnen. Im Falle der Erkrankung im
Ausland werden die Mitglieder des Bundes unentgeltlich von eigenen
Ärzten behandelt.
Für die Stelle des Präsidenten sind von dem Centralcomitl u. a.
folgende Herren vorgeschlagen : der aeitherigo Präsident Leon de itosnv,
welcher diese Stelle nach dem Senator Cnrnot und dem Gesandten a. f>.
de Bärtiges bekleidete; Baron AI. Kraus in Florenz, General- De legierter
für Italien; Aug. Leaonef, Generalkommissar für Rumlinien und Wlestin
Lagache, vorm. Senator. Für die Stelle des Vice -Präsidenten : der durch
seine ker vorragen den Leistungen im Völkerrecht vorteilhaft bekannte
Chevalier de Saint-Georges d' Armstrong und G. ElotFe, Offizier der Aka-
demie und Vorsitzender der Sodete" oee'anienne de France.
Auskunft erteilt Ph. Plattner, Dirigent d. Realsch. zu Waascln-
heim i. Eis. (interimistischer General de legierter für das Deutsche Reich).
STANFORD UNIVERSITY LIBRARIES
STANFORD, CALIFORNIA
94105